Verfolgungsverjährung im Steuerstrafrecht [1 ed.] 9783428544745, 9783428144747

Die Untersuchung befasst sich – in dieser umfassenden Form erstmalig – mit der Verfolgungsverjährung speziell im Steuers

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German Pages 407 Year 2015

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Verfolgungsverjährung im Steuerstrafrecht [1 ed.]
 9783428544745, 9783428144747

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Schriften zum Strafrecht Band 277

Verfolgungsverjährung im Steuerstrafrecht

Von

Markus Ebner

Duncker & Humblot · Berlin

MARKUS EBNER

Verfolgungsverjährung im Steuerstrafrecht

Schriften zum Strafrecht Band 277

Verfolgungsverjährung im Steuerstrafrecht

Von

Markus Ebner

Duncker & Humblot · Berlin

Der Fachbereich Rechtswissenschaft der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main hat diese Arbeit im Jahre 2014 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten

© 2015 Duncker & Humblot GmbH, Berlin

Fremddatenübernahme: L101 Mediengestaltung, Berlin Druck: buchbücher.de gmbh, Birkach Printed in Germany ISSN 0558-9126 ISBN 978-3-428-14474-7 (Print) ISBN 978-3-428-54474-5 (E-Book) ISBN 978-3-428-84474-6 (Print & E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Für Anna

Vorwort Die vorliegende Untersuchung wurde vom Fachbereich Rechtswissenschaft der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt a. M. im Februar 2014 als Dissertation angenommen. Tag der mündlichen Doktorprüfung war der 16.7.2014. Für die Drucklegung konnten Rechtsprechung und Literatur bis Anfang Oktober 2014 einschließlich der zu diesem Zeitpunkt vorliegenden Regierungsentwürfe der Gesetze zur Änderung der Abgabenordnung und des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung (BR-Drs. 431 / 14) bzw. zur Anpassung der Abgabenordnung an den Zollkodex der Union und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften – ZollkodexAnpG (BR-Drs. 432 / 14) vom 26.9.2014 berücksichtigt werden. Die ersten Entwürfe zu diesem – damals noch unter dem Arbeitstitel „Die Revision in Steuerstrafsachen“ firmierenden – Promotionsprojekt datieren aus dem Januar 2007, der Zeit kurz nach meiner Zweiten Juristischen Staatsprüfung (25.10.2006) und noch vor meinem Eintritt in die Bayerische Justiz am 1.6.2007. Die nicht unerhebliche Dauer bis zur Fertigstellung der Dissertationsschrift Ende 2013 sowie deren thematische Begrenzung auf die „Verfolgungsverjährung im Steuerstrafrecht“ resultieren aus meiner in vielfacher Hinsicht bereichernden Tätigkeit als Wirtschaftsdezernent bei der Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth. Ersteres war der mitunter sehr hohen Arbeitsbelastung geschuldet, der sich Staatsanwälte heute ganz generell ausgesetzt sehen. Dies wirkt sich naturgemäß auch auf die Erstellung einer Doktorarbeit „nebenher“ aus. Die Idee zur Fokussierung auf die nach ursprünglicher Planung in einem „Kapitel 4 – Von Amts wegen zu berücksichtigende Verfahrenshindernisse“ zu behandelnden Aspekte der steuerstrafrechtlichen Verfolgungsverjährung beruhte auf den – entgegen erster Einschätzung – zahlreichen damit zusammenhängenden Rechtsfragen, die in der (meiner) Praxis insbesondere im Nachgang zum Inkrafttreten des § 376 I AO am 25.12.2008 virulent geworden sind. Vor diesem Entstehungshintergrund gilt mein ganz besonderer Dank meinem hoch geschätzten Doktorvater, Herrn RiOLG Prof. Dr. Matthias Jahn, an dessen Erlanger bzw. – seit 2.4.2013 – Frankfurter Lehrstuhl ich seit 16.4.2005, also seit nunmehr fast einem Jahrzehnt, mitarbeiten darf und der mich während der gesamten Dauer des Projekts fortwährend und stets mit Rücksicht auf meine staatsanwaltschaftliche Tätigkeit unterstützt hat. Ich bin Herrn Professor Jahn aber auch darüber hinausgehend zu großem Dank

8 Vorwort

verpflichtet. Denn er hat nicht nur meine wissenschaftlichen Interessen über die Jahre hinweg entscheidend mitgeprägt, sondern mir an wichtigen Stellen immer wieder auch unverzichtbar wertvolle praktische Perspektiven auf das Recht eröffnet. Herzlich bedanken möchte ich mich zudem bei Herrn Rechtsanwalt Prof. Dr. Rainer Hamm. Herr Professor Hamm hat nicht nur sehr zeitnah das Zweitgutachten erstellt, sondern mit seinen durchaus auch kritischen Anmerkungen zur weiteren gedanklichen Durchdringung des Themas, insbesondere aus Sicht der Verteidigung, beigetragen. Ganz besonderen Dank schulde ich meiner Ehefrau Anna, der die Dissertationsschrift deshalb auch gewidmet ist. Ohne ihre zahllosen Ermunterungen, ihre schier endlose Geduld und die bedingungslose Bereitschaft, mir – trotz der durch die Tätigkeit bei der Staatsanwaltschaft bzw. beim Generalbundesanwalt ohnehin schon stark eingeschränkten gemeinsamen Freizeit – die für die Fertigstellung der Arbeit notwendigen Freiräume zu gewähren, hätte das Projekt mit Sicherheit nicht erfolgreich abgeschlossen werden können. Dafür danke ich ihr von ganzem Herzen. Bedanken möchte ich mich außerdem bei Frau Christina Beck und meiner Schwägerin Ella, die mich bei der Beschaffung von Fundstellen unterstützt haben. Gleiches gilt für meinen Bruder Stephan, der mir trotz seiner starken zeit­ lichen Beanspruchung im Referendardienst und in einer Berliner Groß- / Steuerkanzlei ebenfalls bei der Literaturrecherche geholfen und es darüber hinaus zu meiner großen Freude ermöglicht hat, dass meine Mutter Luise der Disputation beiwohnen konnte. Meinem Vater Herbert danke ich schließlich für die Inspiration, die von seinem leidenschaftlichen schriftstellerischen und journalistischen Wirken für mich bis heute ausgeht. München, im Dezember 2014

Markus Ebner

Inhaltsverzeichnis Einführung in den Untersuchungsgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 I. Vier auf den ersten Blick „sympathisch-simple“ Grundfragen . . . . . . . . 29 II. Ziele und Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 1. Drei Ziele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 2. Untersuchungsverlauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 1. Teil

Grundlagen und -begriffe 35

A. Steuerstrafrecht – Was ist das? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 I. Empirik und Existenzberechtigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 1. Zahlen(bei-)spiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 2. Steuerstrafrecht abschaffen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 a) Steuergerechtigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 b) Fiskalprävention . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 c) „Lückenfüller-Funktion“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 II. Steuerstrafrechtsgrundlagen im Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 III. Neustrukturierung des „Steuerstrafrechts BT“ zum 1.1.2008 . . . . . . . . . 51 1. Steuerhinterziehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 2. Schmuggel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 3. Steuerhehlerei . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 IV. Ausgewähltes Praxisbeispiel: Der „Zigarettenschmuggel“ . . . . . . . . . . . 58 1. Schmuggel oder Steuerhehlerei? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 2. Bagatellfälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 3. Welche Abgaben sind hinterzogen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 a) Transitfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 b) Nichtgemeinschafts- / -unionsware . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 B. Das Rechtsinstitut der Verjährung im Steuer-, Straf- und Steuerstrafrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 I. Rechtsgrundlagen und -folgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 1. Im Strafrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 2. Exkurs: Strafschärfende Berücksichtigung verjährter / eingestellter Tatteile oder Taten im Urteil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 3. Im Steuerrecht  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 4. Wechselwirkungen zwischen Straf- und Steuerrecht im Überblick . . 70

10 Inhaltsverzeichnis a) § 171 VII AO und das Paradoxon der „Endlosschleife“ . . . . . . . 70 b) Weitere Verknüpfungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 aa) § 71 AO – Haftung (nur) des Steuerhinterziehers oder ‑hehlers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 bb) § 171 V AO – Ablaufhemmung bei Fahndungsprüfung und Bekanntgabe der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens . . . 72 cc) § 171 IX AO – Ablaufhemmung bei Berichtigung oder ­Selbstanzeige . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 dd) § 173 II AO – Änderungssperre nach Außenprüfung . . . . . . . 74 ee) § 235 I AO – Verzinsung hinterzogener Steuern . . . . . . . . . . 75 c) Bindung der Strafgerichte an die Finanzrechtsprechung und ­umgekehrt? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 II. Das Wesen der Strafverfolgungsverjährung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 1. Denktheoretische und dogmatische Wurzeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 2. Gedanken zur rechtssystematischen Einordnung  . . . . . . . . . . . . . . . . 85 3. Exkurs: Einführung verjährter Taten in die Hauptverhandlung . . . . . 88 III. Das verjährungsrechtliche Instrumentarium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 1. Die allgemeinen Verfolgungsverjährungsfristen . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 a) Normbestand und Regelungstechnik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 b) Grundlagen der Fristberechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 2. Der Beginn des Laufs der Verfolgungsverjährungsfrist . . . . . . . . . . . 95 3. Ruhen der Verjährung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 a) Der Grundtatbestand des § 78b I Nr. 2 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . 100 b) Exkurs: Fristberechnung und Abgrenzung zur Ablaufhemmung . . 102 c) Die übrigen Ruhenstatbestände des § 78b StGB . . . . . . . . . . . . . . 103 aa) § 78b II StGB – Abgeordnetenprivileg . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 bb) § 78b III StGB – allgemeine Ablaufhemmung ab erstinstanz­lichem Urteil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 cc) § 78b IV StGB – Fünfjähriges Ruhen bei „LG-Eröffnungs­ beschluss“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 dd) § 78b V StGB – Ruhen im Auslieferungsverfahren . . . . . . . . 108 d) Weitere in Steuerstrafsachen relevante Ruhenstatbestände . . . . . . 109 aa) § 153a III StPO – Ruhen während Auflagenerfüllung . . . . . . 109 bb) § 396 III AO – Ruhen bei Aussetzung zur Klärung steuer­ rechtlicher Vorfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 4. Unterbrechung der Verjährung (§ 78c StGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 a) Grundparameter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 aa) Ungehinderter Eintritt der Unterbrechungswirkung . . . . . . . . 115 bb) Inhaltliche Konkretisierung der Unterbrechungsmaßnahme . . 116 cc) Sachliche Reichweite der Unterbrechung . . . . . . . . . . . . . . . . 117 b) Steuerstrafrechtliche Spezifika . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 aa) § 376 II AO – Unterbrechung durch Bekanntgabe der Einleitung des Bußgeldverfahrens. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119

Inhaltsverzeichnis11 bb) Reichweite finanzbehördlicher Unterbrechungsmaßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 cc) § 78c I 1 Nr. 3 StGB – Beauftragung des Wirtschaftsreferenten der Staatsanwaltschaft als Sachverständigen . . . . . 122 c) Berechnung des neuen Verjährungstermins . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 aa) Vorverlagerung des Unterbrechungszeitpunkts (§ 78c II StGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 bb) „Gestreckte“ Unterbrechungshandlungen . . . . . . . . . . . . . . . . 126 2. Teil

Die Verfolgungsverjährungsfristen 128

A. Rechtshistorischer Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 B. Die Verjährungsfristen im Steuerstrafrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 I. Bezugspunkt der Verjährung: Die „Steuer- / Zollstraftat“ . . . . . . . . . . . . 132 II. Die Verjährungsfristen im Einzelnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 1. Zehn Jahre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 a) Gemäß § 376 I AO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 b) Gemäß § 78 III Nr. 3 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 2. Fünf Jahre gemäß § 78 III Nr. 4 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 3. Drei Jahre gemäß § 78 III Nr. 5 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 4. Verjährungsfrist bei Teilnahme und Mittäterschaft . . . . . . . . . . . . . . . 135 III. Die Neuregelung des § 376 I AO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 1. Gesetzgebungsgeschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 a) Normengenese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 b) Apokryphe Regelungshintergründe? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 2. Rechtsanwendungsfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 a) Zeitlicher Geltungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 b) Sachlicher Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 aa) „Äußeres“ Anwendungsspektrum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 bb) Einzelne Anwendungsfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 (1) Unbenannte besonders schwere Fälle (§ 370 III 1 AO) . . 152 (2) Das „große Ausmaß“ (§ 370 III 2 Nr. 1 AO) . . . . . . . . . 153 (3) Verjährungsfrist beim „Versuch des Regelbeispiels“ . . . . 157 (4) Grundsatzfrage: „Ahndungs-“ vs. „Begehungsweisenlösung“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 (a) Wortlautargument . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 (b) Historisch-teleologisches Argument . . . . . . . . . . . . . 162 (c) Wertungswidersprüche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 (d) „Rückausnahme“ für Bagatellfälle? . . . . . . . . . . . . . 164 3. Verfassungsmäßigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 a) Rückwirkungsverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166

12 Inhaltsverzeichnis b) Bestimmtheitsgebot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 c) Allgemeiner Gleichheitssatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 aa) „Außenverstoß“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 bb) Exkurs: Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Bekämpfung von Steuerstraftaten vom 3.5.2013 . . . . . . . 176 cc) „Innenverstoß“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 IV. Exkurs: Die „Besondere Verfolgungsverjährung“ nach § 11 StraBEG . . 185 3. Teil

Der Verjährungsbeginn bei § 370 AO 188

A. Veranlagungssteuern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 I. Vollendetes Begehungsdelikt (§ 370 I Nr. 1 AO) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 1. Festlegung des Beendigungszeitpunkts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 2. Wirksamkeit der Bekanntgabe des Steuerbescheids . . . . . . . . . . . . . . 195 a) Die Bekanntgabe als solche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 b) Heilung von Bekanntgabemängeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 c) Feststellung (des Zeitpunkts) der Bekanntgabe in der Haupt­ verhandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 aa) Tatsächlich-forensische Ermittlungsmöglichkeiten . . . . . . . . . 199 bb) Rechtlicher Ansatz: Die Drei-Tages-Fiktion (§ 122 II, IIa AO) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 d) Exkurs: Der nichtige Steuerbescheid . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 3. Sonderfälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 a) Erschlichener Feststellungsbescheid . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 b) Festsetzung von Steuererstattungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 aa) Bestimmung des Auszahlungszeitpunkts (§ 224 III 3 AO) . . . 215 bb) Exkurs: Erschleichung eines unrichtigen Vorauszahlungsbescheids . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218 II. Versuchtes Begehungsdelikt (§ 370 I Nr. 1, II AO) . . . . . . . . . . . . . . . . 219 1. Erscheinungsformen des „aktiven“ Hinterziehungsversuchs . . . . . . . 221 a) Unmittelbare Abgabe schriftlicher Falscherklärungen . . . . . . . . . . 222 b) Übermittlung von Falscherklärungen durch Dritte (Post, Bote) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224 c) Die elektronische Falscherklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225 2. Im Rechtsbehelfsverfahren „fortgesetzte“ Steuerhinterziehung . . . . . 227 III. Vollendetes („echtes“) Unterlassungsdelikt (§ 370 I Nr. 2 AO) . . . . . . . 230 1. Die Wurzeln des Problems  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 2. Die „Zweifelsgrundsatz-Problematik“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236 3. Nicht periodisch veranlagte Steuern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240 a) Feststellung der regelmäßigen Veranlagungsdauer . . . . . . . . . . . . 243 aa) Ermittlung der tatsächlichen Verhältnisse. . . . . . . . . . . . . . . . 243

Inhaltsverzeichnis13 bb) Alternative: Pauschallösung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 244 b) Die hypothetische Bekanntgabedauer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 247 aa) Bestimmung anhand der Drei-Tages-Fiktion (§ 122 II, IIa AO)?. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 247 bb) Ermittlung des regelmäßigen Bekanntgabezeitpunkts . . . . . . . 247 4. Periodisch veranlagte Steuern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 248 a) Der „steuerlich geführte“ Unterlassungstäter (Schätzungsfälle) . . 250 aa) Revisionsrechtlicher Exkurs (Schätzbescheid) . . . . . . . . . . . . 251 bb) Verjährungsbeginn bei Bekanntgabe eines Schätzbescheids . . 252 (1) „Zu niedriger“ Schätzbescheid . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 252 (2) Zutreffender oder „zu hoher“ Schätzbescheid . . . . . . . . . 257 cc) Verjährungsbeginn bei unterbliebenem Schätzbescheid . . . . . 259 b) Der „steuerlich nicht geführte“ Unterlassungstäter . . . . . . . . . . . . 261 aa) Der „allgemeine Veranlagungsschluss“ als tatsächliche Größe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263 bb) Rechtstatsächliche Befragung der 16 Landesfinanzministerien zum „allgemeinen Veranlagungsschluss“ . . . . . . . 266 (1) Baden-Württemberg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 268 (2) Bayern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 268 (3) Berlin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 268 (4) Brandenburg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 269 (5) Bremen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 269 (6) Hamburg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 274 (7) Hessen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 275 (8) Mecklenburg-Vorpommern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 275 (9) Niedersachsen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 276 (10) Nordrhein-Westfalen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 276 (11) Rheinland-Pfalz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 277 (12) Saarland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 277 (13) Sachsen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 278 (14) Sachsen-Anhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 278 (15) Schleswig-Holstein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 291 (16) Thüringen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 291 (17) Bewertung, insbesondere aus Sicht des Tatrichters . . . . 292 cc) Die „Annäherungsmethode“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 293 (1) Frühester Zeitpunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 295 (2) Spätester Zeitpunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 297 (3) Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 298 IV. Versuchtes („echtes“) Unterlassungsdelikt (§ 370 I Nr. 2, II AO) . . . . . 298 1. Versuchsbeginn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 299 2. Exkurs: Beauftragung eines steuerlichen Beraters im „BLE-Zeitraum“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 300 V. Nichtverwendung von Tabaksteuerbanderolen (§ 370 I Nr. 3 AO) . . . . . 303

14 Inhaltsverzeichnis 1. Vollendetes Sonderdelikt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 305 2. Exkurs: Verjährungsbeginn bei von § 370 I Nr. 2 AO erfassten ­Tabaksteuerhinterziehungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 305 3. Versuchtes Sonderdelikt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 308 VI. „Unechtes“ Unterlassungsdelikt (§ 370 I Nr. 1 AO i. V. m. § 13 I StGB) . 309 1. Mögliche / notwendige Konstruktion? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 309 2. Gedanken zum Verjährungsbeginn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 311 B. Fälligkeitssteuern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 312 I. Im Fall des § 370 I Nr. 1 AO  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 316 1. Zahllast- bzw. „Schwarzfälle“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 316 2. Erstattungs- bzw. „Rotfälle“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 320 II. Im Fall des § 370 I Nr. 2 AO (Nichteingangsfälle) . . . . . . . . . . . . . . . . 321 III. In den Fällen des § 370 II AO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 323 C. Ausgewähltes Praxisbeispiel: Die „Kindergeldhinterziehung“ . . . . . . . . . 325 I. Erschleichen von Kindergeld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 327 1. (Straf-)Rechtliche Rahmenbedingungen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 327 2. Exkurs: Das „BKGG-Kindergeld“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 330 3. Hinterziehungsformen und Problemfeld „Vorsatz“ . . . . . . . . . . . . . . . 331 II. Verjährungsbeginn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 334 1. Vollendung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 335 2. Beendigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 337 a) Weitere Anknüpfungspunkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 337 b) Kap. S Nr. 4.1 S. 4, 5 und 6 a. F. DA-KG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 338 3. Verhältnismäßigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 340 a) Konkurrenzrechtliche Vorüberlegungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 340 b) Verstoß gegen das Schuldmaßprinzip? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 342 4. Teil Der Verjährungsbeginn bei den übrigen Steuerstraftatbeständen 344 A. Steuerzeichenfälschung und Begünstigung von Steuerstraftaten (§ 369 I Nr. 3, 4 AO) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 345 I. Tabaksteuerbanderolenfälschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 346 II. Steuerstraftatbegünstigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 347 III. Unmöglichkeit der Absichtsverwirklichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 349 IV. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 349 B. Steuerhehlerei (§ 374 AO) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 350 I. Grundsätzliches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 350 II. Absatz- und Endverbrauchsteuerhehler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 352 III. Versuchte Steuerhehlerei . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 353

Inhaltsverzeichnis15 C. Schmuggel und Bannbruch (§§ 373, 372 AO) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 354 I. Schmuggel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 354 II. Bannbruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 356 D. §§ 26b, 26c UStG: Gewerbs- oder bandenmäßige ­Schädigung des Umsatzsteueraufkommens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 357 I. Avisierter Phänomenkreis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 357 II. Verjährungsbeginn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 359 E. Lotteriesteuerhinterziehung (§ 23 RennwLottG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 363 5. Teil

Schlussbetrachtung und „Verjährungskompass“ 366

A. „Amerikanische Verhältnisse“ im deutschen Steuerstraf- und -verjährungsrecht? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 366 I. Exkurs: Verjährung von Steuerstraftaten im US-Bundesrecht . . . . . . . . 367 1. Verjährungsfristen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 368 2. Verjährungsbeginn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 370 II. Umsetzbarkeit der Idee eines modifizierten ­Verjährungsbeginns im Steuerstrafrecht im Übrigen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 372 III. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 373 B. „Verjährungskompass“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 374 I. § 370 I, II AO – Tatbeendigung bei Veranlagungssteuern . . . . . . . . . . . 374 II. § 370 I, II AO – Tatbeendigung bei Fälligkeitssteuern . . . . . . . . . . . . . . 374 III. Tatbeendigung bei den übrigen Steuerstraftatbeständen . . . . . . . . . . . . . 375 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 376 Sachregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 399

Abkürzungsverzeichnis a. A. andere Ansicht a. a. O. am angegebenen Ort abgedr. abgedruckt abger. abgerufen abl. ablehnend Abl. Amtsblatt Abs. Absatz Abschn. Abschnitt abw. abweichend AbwAG Abwasserabgabengesetz a. E. am Ende AEAO Anwendungserlass zur Abgabenordnung ähnl. ähnlich AEUV Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union a. F. alte Fassung AG Amtsgericht / Aktiengesellschaft / Die Aktiengesellschaft AktG Aktiengesetz allg. allgemein allg. M. allgemeine Meinung Alt. Alternative amtl. amtlich Anh. Anhang Anm. Anmerkung AO Abgabenordnung AO-E AO-Entwurfsfassung AO-StB Der AO-Steuerberater AOStrafÄndG Gesetz zur Änderung strafrechtlicher Vorschriften der Reichsabgabenordnung und anderer Gesetze arg. argumentum Art. Artikel ASB Anweisungen für das Straf- und Bußgeldverfahren (Steuer) AStBV (St) Anweisungen für das Straf- und Bußgeldverfahren (Steuer) AT Allgemeiner Teil

Abkürzungsverzeichnis17 Aufl. Auflage ausdr. ausdrücklich ausf. ausführlich Ausn. Ausnahme Az. Aktenzeichen BauGB Baugesetzbuch BayAGGVG

Bayerisches Gesetz zur Ausführung des Gerichtsverfassungsgesetzes und von Verfahrensgesetzen des Bundes

BayAGO

Allgemeine Geschäftsordnung für die Behörden des Freistaates Bayern

BayAufbewV

Bayerische Verordnung über die Aufbewahrung von Schriftgut der Gerichte, Staatsanwaltschaften und Justizvollzugsbehörden

BayDG

Bayerisches Disziplinargesetz

BayJAPO

Bayerische Juristenausbildungs- und Prüfungsordnung

BayKAG

Bayerisches Kommunalabgabengesetz

BayLFamkV

Bayerische Landesfamilienkassenverordnung

BayLStVG

Bayerisches Landesstraf- und Verordnungsgesetz

BayObLGSt

Entscheidungen des Bayerischen Obersten Landesgerichts in Strafsachen

BayOrgStA

Bayerische Anordnung über die Organisation und den Dienstbetrieb der Staatsanwaltschaft

BayPrG

Bayerisches Pressegesetz

BayVerfGH

Bayerischer Verfassungsgerichtshof

BB Betriebs-Berater BDG Bundesdisziplinargesetz Bearb. Bearbeiter BeckOK

Beck’scher Online Kommentar

BeckRS Beck-Rechtsprechung BeckVerw Beck-Verwaltungsanweisung Begr.

Begründer / Begründung

Beil. Beilage ber. berichtigt BergPG

Gesetz über Bergmannsprämien

BerlinFG Berlinförderungsgesetz Beschl. Beschluss Bespr. Besprechung Bestlex

Beck’sches Steuer- und Bilanzrechtslexikon

betr.

betrifft / betreffend

BFH Bundesfinanzhof

18 Abkürzungsverzeichnis BFHE BFH / NV

Entscheidungen des Bundesfinanzhofs Sammlung amtlich nicht veröffentlichter Entscheidungen des Bundesfinanzhofs BGB Bürgerliches Gesetzbuch BGBl. Bundesgesetzblatt BGH Bundesgerichtshof BGHR BGH-Rechtsprechung BGHSt Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Strafsachen BGS Bundesgrenzschutz BKGG Bundeskindergeldgesetz BLE Bund-Länder-Erlass BLJ Bucerius Law Journal BlnAOAnwG Berliner Gesetz über den Anwendungsbereich der Abgabenordnung BMF Bundesfinanzministerium BpO Betriebsprüfungsordnung BR Bundesrat BRAK Bundesrechtsanwaltskammer BraKAG Brandenburgisches Kommunalabgabengesetz BranntwMonG Branntweinmonopolgesetz BR-Drs. Bundesrats-Drucksache BRD Bundesrepublik Deutschland BreAbgG Bremisches Abgabengesetz Bsp. Beispiel bsphft. beispielhaft bspw. beispielsweise BStBl. Bundessteuerblatt BT Besonderer Teil / Bundestag BT-Drs. Bundestags-Drucksache BtMG Betäubungsmittelgesetz Buchst. Buchstabe BuStra Bußgeld- und Strafsachenstelle BVerfG Bundesverfassungsgericht BVerfGE Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts BVerfGG Bundesverfassungsgerichtsgesetz BVerfGK Kammerentscheidungen des Bundesverfassungsgerichts bzgl. bezüglich BZRG Bundeszentralregistergesetz BZSt Bundeszentralamt für Steuern

Abkürzungsverzeichnis

19

bzw. beziehungsweise ca. circa CDU Christlich Demokratische Union Deutschlands CSU Christlich-Soziale Union in Bayern e. V. CTM Criminal Tax Manual d. das / der / die DA-FamBuStra Dienstanweisung zur Durchführung von Steuerstraf- und Ordnungswidrigkeitenverfahren im Zusammenhang mit dem steuerlichen Familienleistungsausgleich nach dem X. Abschnitt des Einkommensteuergesetzes DA-KG Dienstanweisung zum Kindergeld nach dem Einkommensteuergesetz DAV Deutscher Anwaltverein DB Der Betrieb DDR Deutsche Demokratische Republik ders. derselbe d. h. das heißt dies. dieselbe diesbzgl. diesbezüglich diff. differenzierend Diss. Dissertation DM Deutsche Mark DRiZ Deutsche Richterzeitung DStJG Deutsche Steuerjuristische Gesellschaft DStR Deutsches Steuerrecht DStRE Deutsches Steuerrecht Entscheidungsdienst DStZ Deutsche Steuer-Zeitung dto. dito E Entscheidung (amtliche Sammlung) / Entwurfsfassung ebd. ebenda EDV elektronische Datenverarbeitung EFG Entscheidungen der Finanzgerichte EG Europäische Gemeinschaft / EG-Vertrag EGAO Einführungsgesetz zur Abgabenordnung EGStGB Einführungsgesetz zum Strafgesetzbuch Einf. Einführung eingeschr. eingeschränkt EinhZeitG Einheiten- und Zeitgesetz Einl. Einleitung

20 Abkürzungsverzeichnis einschl. einschließlich einschr. einschränkend EL Ergänzungslieferung EMRK

Europäische Menschenrechtskonvention

EnergieStG Energiesteuergesetz EnergieStV Energiesteuer-Durchführungsverordnung entspr. entsprechend ErbSt Erbschaftsteuer ErbStB

Der Erbschaft-Steuer-Berater

ErbStG

Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz

erf. erforderlich erg.

ergänzend 

ESt Einkommensteuer EStDV Einkommensteuer-Durchführungsverordnung EStG Einkommensteuergesetz et al.

et alii

EU

Europäische Union

EuAlÜbk

Europäisches Auslieferungsübereinkommen

EuGH

Europäischer Gerichtshof

EUGRCh

Charta der Grundrechte der Europäischen Union

EUSt Einfuhrumsatzsteuer evtl. eventuell f. folgende FA Finanzamt FA FuST

Finanzamt für Fahndung und Steuern

FamBuStra

Bußgeld- und Strafsachenstelle der Familienkasse

FamFR

Familienrecht und Familienverfahrensrecht

FamZustV Familienkassenzuständigkeitsverordnung FDP

Freie Demokratische Partei

FD-StrafR

fachdienststrafrecht (beck-online)

ff. fortfolgende FG Finanzgericht FG BW

Baden-Württembergisches Finanzgericht

FGO Finanzgerichtsordnung FinB Finanzbehörde FinMin. Finanzministerium Fn. Fußnote FR Finanz-Rundschau

Abkürzungsverzeichnis21 FS Festschrift FVG Finanzverwaltungsgesetz G. Gesetz GA

Goltdammer’s Archiv für Strafrecht

GBA

Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof

GbR

Gesellschaft bürgerlichen Rechts

GewO Gewerbeordnung GewSt Gewerbesteuer GewStG Gewerbesteuergesetz GG Grundgesetz ggf. gegebenenfalls ggü. gegenüber gl. A.

gleiche Ansicht

grdlg. grundlegend grds. grundsätzlich GrESt Grunderwerbsteuer GrEStG Grunderwerbsteuergesetz GrK

Große Kammer

GrS

Großer Strafsenat

GrSt Grundsteuer GrStG Grundsteuergesetz GS Gedächtnisschrift GVG Gerichtsverfassungsgesetz GWB

Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen

GWR

Gesellschafts- und Wirtschaftsrecht

Gz. Geschäftszeichen Habil. Habilitation HansOLG

Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg

HbgAbgG

Hamburgisches Abgabengesetz

HbgPrG

Hamburgisches Pressegesetz

Hervorh. Hervorhebung HessFG

Hessisches Finanzgericht

HessKAG

Hessisches Kommunalabgabengesetz

HFR

Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung

hinsichtl. hinsichtlich h. Lit.

herrschende Literaturansicht

h. M.

herrschende Meinung

Hrsg. Herausgeber

22 Abkürzungsverzeichnis Hs. Halbsatz HZA Hauptzollamt i. d. F.

in der Fassung

i. d. R.

in der Regel

i. e.

id est

i. Erg.

im Ergebnis

i. e. S.

im engeren Sinne

i. H. v.

in Höhe von

insbes. insbesondere insges. insgesamt InsO Insolvenzordnung instr. instruktiv i. R.

im Rahmen

IRG

Gesetz über internationale Rechtshilfe in Strafsachen

i. S.

im Sinne

IStR

Internationales Steuerrecht

i. Ü.

im Übrigen

i. V. m.

in Verbindung mit

JA

Juristische Arbeitsblätter

jew. jeweils JGG Jugendgerichtsgesetz JR

Juristische Rundschau

JStG Jahressteuergesetz JURA

Juristische Ausbildung

JuS

Juristische Schulung

KAG BW

Baden-Württembergisches Kommunalabgabengesetz

KAG MV

Kommunalabgabengesetz des Landes Mecklenburg-Vorpommern

KAG NRW

Nordrhein-Westfälisches Kommunalabgabengesetz

Kap. Kapitel KEV

Kontrolleinheiten Verkehrswege

KG

Kammergericht / Kommanditgesellschaft

KiSt Kirchensteuer KK

Karlsruher Kommentar

KÖSDI

Kölner Steuerdialog

krit. kritisch KrWaffKG Kriegswaffenkontrollgesetz KSt Körperschaftsteuer

Abkürzungsverzeichnis23 KStG Körperschaftsteuergesetz KunstUrhG Gesetz betreffend das Urheberrecht an Werken der bildenden Künste und der Photographie l Liter LG Landgericht li. Sp. linke Spalte Lit. Literatur LK-StGB Leipziger Kommentar zum Strafgesetzbuch Ls. Leitsatz m. mit MAH-WiStra Münchener Anwaltshandbuch Verteidigung in Wirtschafts- und Steuerstrafsachen max. maximal MDR Monatsschrift für Deutsches Recht MEZ mitteleuropäische Zeit mglw. möglicherweise Mio. Million MiStra Anordnung über Mitteilungen in Strafsachen MiZi Anordnung über Mitteilungen in Zivilsachen MoB Monatsbericht MOG Marktorganisationsgesetz Mrd. Milliarde MüKo Münchener Kommentar m. w. N. mit weiteren Nachweisen m. W. z. mit Wirkung zum MZK Modernisierter Zollkodex n. nicht Nachw. Nachweis Nds. FG Niedersächsisches Finanzgericht NdsKAG Niedersächsisches Kommunalabgabengesetz NdsKiStRG Niedersächsisches Kirchensteuerrahmengesetz n. F. neue Fassung NJ Neue Justiz NJW Neue Juristische Wochenschrift NJW-RR NJW-Rechtsprechungs-Report Zivilrecht Nr. Nummer n. rkr. nicht rechtskräftig Nrn. Nummern NRW Nordrhein-Westfalen

24 Abkürzungsverzeichnis NStZ Neue Zeitschrift für Strafrecht NStZ-RR NStZ-Rechtsprechungs-Report n. v. nicht veröffentlicht NVwZ Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht NWB Neue Wirtschaftsbriefe NZWiSt Neue Zeitschrift für Wirtschafts‑, Steuer‑ und Unternehmensstrafrecht OFD Oberfinanzdirektion o. g. oben genannt OLG Oberlandesgericht OWi Ordnungswidrigkeit OWiG Ordnungswidrigkeitengesetz Plenarprot. Plenarprotokoll PStR Praxis Steuerstrafrecht RAO Reichsabgabenordnung rd. rund RefE Referentenentwurf RegE Regierungsentwurf RennwLottAB Rennwett-und Lotteriegesetz-Ausführungs­bestimmungen RennwLottG Rennwett- und Lotteriegesetz re. Sp. rechte Spalte resp. respektive RevGer. Revisionsgericht RevVerf. Revisionsverfahren RG Reichsgericht RGBl. Reichsgesetzblatt RGSt Entscheidungen des Reichsgerichts in Strafsachen RGZ Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen RiStBV Richtlinien für das Straf- und Bußgeldverfahren RiVASt Richtlinien für den Verkehr mit dem Ausland in strafrechtlichen Angelegenheiten RL Richtlinie Rn. Randnummer RPfKAG Kommunalabgabengesetz des Landes Rheinland-Pfalz Rspr. Rechtsprechung RsprEinhG Rechtsprechungs-Einheitlichkeitsgesetz RStGB Reichsstrafgesetzbuch S. Satz / Seite s. siehe

Abkürzungsverzeichnis25 s. a. SaarlFG

siehe auch Finanzgericht des Saarlandes

SaarlKAG

Saarländisches Kommunalabgabengesetz

SächsKAG

Sächsisches Kommunalabgabengesetz

S.-AnhKAG

Kommunalabgabengesetz des Landes Sachsen-Anhalt

SAM Steueranwaltsmagazin SchenkungSt Schenkungsteuer SchlHA

Schleswig-Holsteinische Anzeigen

SchlHKAG

Kommunalabgabengesetz des Landes Schleswig-Holstein

SGB I

Erstes Buch Sozialgesetzbuch

SGB IV

Viertes Buch Sozialgesetzbuch

SGB  X

Zehntes Buch Sozialgesetzbuch

sj Steuer-Journal s. o.

siehe oben

sog. sogenannt SolZ Solidaritätszuschlag StA Staatsanwaltschaft StÄG Strafrechtsänderungsgesetz StB

Der Steuerberater

StBerG Steuerberatungsgesetz Stbg

Die Steuerberatung

StBp

Die steuerliche Betriebsprüfung

StBW

Steuerberater Woche

StC SteuerConsultant Stck. Stück StDÜV Steuerdaten-Übermittlungsverordnung SteuerStud

Steuer und Studium

Steufa Steuerfahndung StGB Strafgesetzbuch StN Stellungnahme StPO Strafprozessordnung str. strittig StraBEG Strafbefreiungserklärungsgesetz StraBu

Strafsachen- und Bußgeldstelle

STRAFA-FA

Finanzamt für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung

StraFo

Strafverteidiger Forum

StrafR Strafrecht StRefG Steuerreformgesetz

26 Abkürzungsverzeichnis StRO

Die Steuerrechtsordnung

st. Rspr.

ständige Rechtsprechung

StS Strafsenat StuW

Steuer und Wirtschaft

StV Strafverteidiger StVBG Steuerverkürzungsbekämpfungsgesetz StVG Straßenverkehrsgesetz StW Steuer-Warte s. u.

siehe unten

SVR Straßenverkehrsrecht T€

tausend Euro

TabStG Tabaksteuergesetz ThürKAG

Thüringer Kommunalabgabengesetz

ThürOLG

Thüringer Oberlandesgericht

TKÜ Telekommunikationsüberwachung Tz. Textziffer u. und u. a.

unter anderem

UA Unterabsatz unzutr. unzutreffend UR Umsatzsteuer-Rundschau urspr. ursprünglich Urt. Urteil US

United States

USA

United States of America

U.S.C.

United States Code

USt Umsatzsteuer UStDV Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung UStG Umsatzsteuergesetz UStJE Umsatzsteuerjahreserklärung UStVA Umsatzsteuervoranmeldung u. U.

unter Umständen

UVR

Umsatzsteuer- und Verkehrsteuer-Recht

UZK

Zollkodex der Union

v.

von / vom

Var. Variante VerbrauchStÄndG Verbrauchsteueränderungsgesetz Verf. Verfasser

Abkürzungsverzeichnis27 versch. verschieden VG Verwaltungsgericht vGA

verdeckte Gewinnausschüttung

VGH BW

Baden-Württembergischer Verwaltungsgerichtshof

vgl. vergleiche VO Verordnung vollst. vollständig Voraufl. Vorauflage Vorbem. Vorbemerkung vs. versus VSt Vermögensteuer VStG Vermögensteuergesetz VStGB Völkerstrafgesetzbuch VV Verwaltungsvorschrift VwGO Verwaltungsgerichtsordnung VwVfG Verwaltungsverfahrensgesetz VZ Veranlagungszeitraum WaffG Waffengesetz WE

wesentliches Ergebnis der Ermittlungen

WechselStG Wechselsteuergesetz weit. weitere wg. wegen wistra

Zeitschrift für Wirtschafts‑ und Steuerstrafrecht

WM Wertpapier-Mitteilungen WoPG Wohnungsbau-Prämiengesetz WpHG Wertpapierhandelsgesetz zahlr. zahlreich z. B.

zum Beispiel

ZeitG Zeitgesetz ZFdG Zollfahndungsdienstgesetz ZfS

Zeitschrift für Schadensrecht

ZfZ

Zeitschrift für Zölle und Verbrauchsteuern

ZIS

Zeitschrift für Internationale Strafrechtsdogmatik

zit. zitiert ZK Zollkodex ZollkodexAnpG Zollkodexanpassungsgesetz ZollV Zollverordnung ZollVG Zollverwaltungsgesetz

28 Abkürzungsverzeichnis ZPO Zivilprozessordnung ZSteu Zeitschrift für Steuern & Recht ZStW Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissenschaft z. T. zum Teil ZTR Zeitschrift für Tarifrecht zusf. zusammenfassend Zusf. Zusammenfassung zust. zustimmend zutr. zutreffend zw. zweifelhaft ZWH Zeitschrift für Wirtschaftsstrafrecht und Haftung im Unternehmen zzgl. zuzüglich

Einführung in den Untersuchungsgegenstand I. Vier auf den ersten Blick „sympathisch-simple“ Grundfragen Die Strafverfolgungsverjährung spielt in der Praxis des Steuerstrafrechts eine zentrale Rolle1. Das ist in vielen Bereichen des Wirtschaftsstrafrechts anders und liegt zum einen daran, dass Abgabendelikte nicht selten relativ spät und bisweilen auch aufgrund von Umständen aufgedeckt werden, die weder von den Strafverfolgungsbehörden noch vom Täter beeinflussbar sind. Man denke nur an die im Steuerstrafrecht so häufig wie in keinem anderen Strafrechtsgebiet auftretenden anonymen Anzeigen2 oder die bis dato heftig umstrittenen3, durch das BVerfG4 im November 2010 und neuerdings, am 24.2.2014, auch durch den Verfassungsgerichtshof RheinlandPfalz5 jedenfalls für die Begründung eines strafprozessualen Anfangsverdachts (§ 152 II StPO) als grundsätzlich ausreichend anerkannten „Steuerdaten-CDs“6.

1  Vgl. z. B. Bülte, in: Hübschmann / Hepp / Spitaler, § 376 AO Rn. 3 („herausragende Bedeutung“); Dallmeyer, ZStW 124, 711 (717 f.: „Verjährungsfragen [stellen sich] in Steuerstrafverfahren wohl öfter … als in jedem anderen Ermittlungsfeld“); Dörn, in: Flore / Dörn / Gillmeister, S. 235 („ständiger Begleiter“); Esskandari / Bick, DStZ 2014, 370 (378: „hervorgehobene Rolle“); Harms / Jäger, NStZ 2002, 244 (249); G.  Schäfer, in: Dünnebier FS, S. 541 („bei Wirtschaftsstrafsachen“). 2  s. dazu Nr. 8 RiStBV sowie – erg. – die diesbzgl. Kommentierung von Gertler, in: BeckOK-StPO. 3  Statt vieler: M. Jahn, in: Satzger / Schluckebier / Widmaier, § 257 Rn. 14 m. w. N. 4  BVerfGK  18, 193 = NJW 2011, 2417. 5  NJW 2014, 1434 (1440). 6  s. zum Ausgangsfall betr. die liechtensteinische LGT-Bank (sog. LiechtensteinAffäre, Fall Zumwinkel [s. 2.  Teil, Fn. 96] oder – nach dem „Datendieb“ benannt – Causa Kieber) u. a. Göres / Kleinert, NJW 2008, 1353, Kölbel, NStZ 2008, 241 und Wagner, SAM 2008, 101 jew. m. w. N.; grdlg. zur Strafbarkeit des Ankaufs entwendeter Bankdaten und ihrer strafprozessualen Verwertbarkeit Ignor / Jahn, JuS 2010, 390; s. a. die Zusammenstellung der bis Mitte 2010 bekannt gewordenen weiteren CD-Ankäufe bei Kaiser, NStZ 2011, 383 (384 Fn. 15); erg. zum Beweiswert AG Nürnberg, ZWH 2014, 114 m. krit. Anm. M. Ebner; zur „Kenntnis der Bundesregierung über den Ankauf“ BT-Drs. 17 / 14680.

30

Einführung in den Untersuchungsgegenstand

Zum anderen begünstigt es die heute mehr denn je anhaltende Arbeitsbe- / überlastung der Strafverfolgungsbehörden und Gerichte7 sowohl auf Ebene der Finanzverwaltung als auch bei der Justiz gerade in dieser rechtlich anspruchsvollen Querschnittsmaterie, dass zahlreiche Akten mangels ausreichender Personalkapazitäten8 nicht zeitnah bearbeitet werden können und daher (oft zweimal9) für längere Zeit schlicht „liegen bleiben“ – was dann „der Justiz“ in einer Art Teufelskreis und allzu oft auch mit dem Unterton des Vorsatzvorwurfs als menschenrechtswidrige Verfahrensverzögerung angelastet wird10. Dass es sich bei der Materie des Steuerstrafrechts um eine Melange aus Straf- und Steuerrecht handelt, führt neben den sich daraus ergebenen, zum Teil sehr schwierig zu handhabenden rechtlichen Problemstellungen regelmäßig auch zu ganz profanen, in der Systematik des Steuerrechts wurzelnden zeitlichen Phänomenen. Diese sind dem Umstand geschuldet, dass im Steuerstrafrecht zwischen der vom Täter bewusst mit krimineller Intention gesteuerten ersten / letzten Handlung, der Tatbeendigung (§ 78a S. 1 StGB) und dem (regelmäßigen) Verjährungseintritt nicht selten viele Jahre liegen (können)11. Beispiel12: In der Buchführung des Einzelunternehmers E13 werden im Jahr 2014 bewusst steuerwirksame Manipulationen vorgenommen (Vorbereitung). Die darauf fußende „falsche“ Einkommensteuererklärung für den Veranlagungszeitraum 2014 (§ 370 I Nr. 1 AO) gibt E, der sich eines (nicht eingeweihten) Steuerberaters bedient, Anfang 2016 bei der Finanzbehörde ab (Versuch). E’s Veranlagung und der Erlass einschließlich Bekanntgabe des – in der Folge – „zu niedrigen“ Einkommensteuerbescheids erfolgen im Jahr 2017 (Vollendung und Beendigung), mit der 7  Harms (in: Schlüchter GS, S. 451 [467 f.]) spricht in diesem Kontext – eher euphemistisch – von „hoher … Arbeitsbelastung“, Ch. Erhard (in: StV 2013, 655) gar von Tatrichtern als „Hamster in einem Laufrad mit stetig überhöhter Geschwindigkeit“; treffend auch Wulf, Stbg 2008, 445 (452) der bereits vor der Einführung des § 376 I AO vor einer „ansteigenden Überbelastung“ gewarnt hat. 8  Erg. zu daraus evtl. resultierenden Strafbarkeitsrisiken BGHSt 54, 9 (13) = NJW 2009, 2319 (2320) m. Anm. Theile, ZIS 2009, 446 (450 f.); BGHSt 55, 180 (190) = NJW 2010, 2146 (2149). 9  Zuerst bei der Bußgeld- und Strafsachenstelle bzw. dem Hauptzollamt oder der Staatsanwaltschaft und dann bei Gericht. 10  Erg. 1. Teil, Fn. 322. 11  So auch Hellmann, in: Hübschmann / Hepp / Spitaler, § 396 AO Rn. 80. 12  Nach Schauf, in: Kohlmann, § 376 Rn. 2. Bsphft. zum Sonderfall des § 396 AO OLG Karlsruhe, wistra 1990, 205 (Steuerstrafverfahren wegen Hinterziehung von ESt und USt betr. die Jahre 1973–1976 auch 1989 noch nicht abgeschlossen); Grezesch, wistra 1990, 289 f. zum „phantastischen Fall“, dass das Steuerstrafverfahren nach 20  Jahren (1989–2009) immer noch nicht erledigt ist; s. a. das Bsp. bei Wulf, Stbg 2008, 445 (447 ff.). 13  Erg. M. Ebner, wistra 2010, 92.



Einführung in den Untersuchungsgegenstand31 Konsequenz, dass die Strafverfolgungsverjährung frühestens im Jahr 2022, d. h. acht Jahre nach der – aus Sicht des E – eigentlichen Tatbegehung, eintritt. Liegt ein Fall des § 376 I AO vor, schiebt sich dieser Regelverjährungstermin auf das Jahr 2027 hinaus – 13 Jahre nach den eigentlichen Manipulationshandlungen. Und die „Grenze des Doppelten“ (§ 78c III  2 StGB) wäre dann gar erst im Jahr 2037, also insgesamt fast ein Vierteljahrhundert später, erreicht. Diese enormen zeitlichen Distanzen, die im Strafrecht nur in wenigen anderen Extremfällen noch größer ausfallen können14, werden von den Normadressaten regelmäßig verkannt.

Die im Steuerstrafrecht daher im Zusammenhang mit der Verfolgungsverjährungsfrist in unterschiedlicher Ausprägung immer wiederkehrenden Rechts­probleme lassen sich – schein­bar „sympathisch“, weil auf den ersten Blick einfach gelagert – in der praktischen Fallbearbeitung (Ist die Tat bereits verjährt?) dennoch stets auf die dieselben vier Grundfragen zurückführen15: (1) Welche Verjährungsfrist gilt (§ 78 III StGB, § 376 I AO)?, (2) Ab wann hat der Verjährungsfristlauf begonnen, d. h. wann war die konkrete Steuerstraftat beendet (§ 78a StGB)?, (3) (Wann) Ist der Fristlauf gegebenenfalls (rechtzeitig) unterbrochen worden (§ 78c StGB, § 376 II AO)?, und – in der Regel nachrangig – (4) ruht(e) der Lauf der Verjährungsfrist (§ 78b StGB, § 396 III AO)? Während die Fragen zu (1), (3) und (4) in der Regel vergleichsweise einfach anhand der vorgenannten Normen („Kataloge“) beantwortet werden können, schweigt sich das Gesetz zu den Voraussetzungen der Tatbeendigung im Sinne von § 78a S. 1 StGB aus. Abgesehen von der daran grundlegend zu übenden Kritik, lässt sich dieses Manko im Kernstrafrecht vor allem durch die Lektüre der jeweils einschlägigen Kommentarliteratur ausgleichen, die für alle „gängigen“ Straftatbestände entsprechende Hinweise bereit hält. Im Steuerstrafrecht bestehen hier jedoch weitere Besonderheiten, die gerade die Bestimmung des Verjährungsbeginns deutlich schwieriger gestalten: Denn neben dem Umstand, dass ausführliche Kommentierungen zur Frage des Verjährungsbeginns allenfalls zu § 370 AO, dem „Zentral­ delikt“16 des Abgabenstrafrechts, nicht aber zu den praktisch ebenfalls relevanten übrigen Steuerstraftatbeständen vorliegen17, geht dem Rechtsanwender aufgrund der Vielschichtigkeit des Steuerrechts, die wegen des Blankettrechtscharakters des Steuerstrafrechts unmittelbar auf dieses durchschlägt, erfahrungsgemäß nach relativ kurzer Zeit der Überblick verloren. Hinzu 14  s.

S. 98 zu § 266a StGB. T. Meyer, JA 2014, 342 (343); G.  Schäfer, in: Dünnebier FS, S. 541; Wulf, PStR 2010, 13. 16  Seer, in: Tipke / Lang, § 23 Rn. 20. 17  s. z. B. Fischer, § 78a Rn. 7 ff., insbes. Rn. 10, 15, u. Schmid, in: LK-StGB, § 78a Rn. 6 ff. jew. zur „Steuerhinterziehung“. 15  Ähnl.

32

Einführung in den Untersuchungsgegenstand

tritt, dass wegen der unzureichenden, da angesichts der Komplexität des Steuerstrafrechts jedenfalls dort zu konturlosen Regelung des § 78a StGB mittlerweile eine kaum noch zu überblickende Meinungsvielfalt herrscht. Das erschwert gerade bei der stets fallentscheidenden Prüfung der Verjährungsfrage die Rechtsfindung ungemein bzw. macht eine verlässliche Rechtsauskunft bisweilen sogar ganz unmöglich. Überdies hat der Gesetzgeber mit der am 25.12.2008 in Kraft getretenen Neuregelung des § 376 I AO ein „strafrechtstechnisches“ Novum ins Leben gerufen. Dadurch wurde die Verjährungsfrist „in den in § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 bis 5 genannten Fällen besonders schwerer Steuerhinterziehung“ von fünf auf zehn Jahre verdoppelt. Diese wegen ihrer Bezugnahme auf eine „bloße“ Strafzumessungsregel von Anfang an heftig kritisierte Vorschrift birgt, wenn man den zahlreichen hierzu laut gewordenen Literaturstimmen folgt, das Potential, mit grundlegenden verfassungsrechtlichen Prinzipien in Konflikt zu geraten.

II. Ziele und Gang der Untersuchung 1. Drei Ziele Unter diesem Eindruck verfolgt die vorliegende Untersuchung im Wesentlichen drei gleichrangige Ziele: (1) Dem Leser soll zuvorderst ein umfassender Überblick über die in weiten Teilen nur noch schwer überschaubare, abschnittsweise gar „verstellt“ wirkende Rechtslage zur Strafverfolgungsverjährung im Steuerstrafrecht verschafft werden (2., 3. und 4. Teil). Diese generelle Aufklärung der lex lata umfasst insbesondere auch eine dogmatisch-anwendungsbezogene Auseinandersetzung mit der neu geschaffenen Vorschrift des § 376 I AO. (2) In diesem Rahmen soll unter Heranziehung praktisch bedeutsamer, in der Literatur bislang nur selten thematisierter Hinterziehungsfallgruppen erstmals eine alle Steuerstraftatbestände erfassende Auseinandersetzung mit den sich bei der Bestimmung des Verjährungsbeginns ergeben tat­ säch­lichen und rechtlichen Problemstellungen erfolgen (3. und 4.  Teil). (3) Insgesamt bezweckt die Abhandlung, dem Leser den Zugang zum steuerstrafrechtlichen Verjährungsrecht zu erleichtern und diesen u. a. über einen „Verjährungskompass“ (5.  Teil) auch de facto zu beschleunigen. Sie will damit eine bisher im Schrifttum bestehende Lücke zur „Schicksalsfrage“18 der Verjährung im Steuerstrafrecht schließen. 18  Schauf,

in: Kohlmann, § 376 Rn. 2.



Einführung in den Untersuchungsgegenstand33

2. Untersuchungsverlauf Im 1. Teil werden die für das Verständnis der nachfolgenden Abschnitte notwendigen Grundlagen des Steuerstrafrechts und der Verfolgungsverjährung gelegt. Bei der Darstellung des Steuerstrafrechts (A.) liegt der Schwerpunkt auf der mit Wirkung zum 1.1.2008 in wesentlichen Teilen neu gestalteten materiellen Rechtslage, die sich mittelbar auch auf die Verjährungsfragen auswirkt. Die anschließende Ausleuchtung der steuerstrafrechtlichen „Eckdaten“ des überaus praxisrelevanten Phänomenkreises „Zigarettenschmuggel“ bildet den Ausgangspunkt für das Verständnis der dazu im weiteren Verlauf der Untersuchung geschilderten Beispielsfälle und Bezugnahmen, insbesondere mit Blick auf § 370 I Nr. 3 und § 374 AO. Die Vermittlung der Grundlagen des allgemeinen Verjährungsrechts (B.) erfolgt steuer(straf-)rechtsbezogen; zudem wird insbesondere mit den Einzelheiten der Fristberechnung [III.  1.  b)] ein in Praxis immer wieder hoch bedeutsamer juristisch-handwerklicher Teilaspekt des Verjährungsrechts behandelt, der verschiedenartige, bisher nur vereinzelt ausdrücklich angesprochene Rechtsprobleme in sich birgt. Der 2. Teil widmet sich nach einem kurzen historischen Abriss der früheren Regelungen zur steuerstrafrechtlichen Verjährung (A.) schwerpunktmäßig den heute geltenden Verfolgungsverjährungsfristen (B.). Da es in den darauf folgenden beiden Abschnitten (3. und 4. Teil) ausschließlich um den vielfältig umstrittenen Beginn des Laufs der Verjährungsfrist geht, bildet dieser Teil den Abschluss des für das Gesamtverständnis des Problemkreises notwendigen Vorspanns. Dabei soll insbesondere die seit 25.12.2008 geltende Neuregelung des § 376 I AO einer eingehenden Betrachtung unterzogen werden (B.  III.). Der 3. und 4. Teil bilden entsprechend der wissenschaftlichen und praktischen Bedeutung der dort behandelten Fragen das eigentliche Kernstück der Untersuchung. Angesichts des überragenden Gewichts von § 370 AO beschäftigt sich der 3. Teil ausschließlich mit den Einzelheiten des Beginns der Verfolgungsverjährung bei Vergehen der Steuerhinterziehung. Der Blankettrechtscharakter gerade dieser Vorschrift erfordert aufgrund der steuerrechtlichen Spezifika eine generelle Aufteilung zwischen den beiden großen Gruppen der Veranlagungs- (A.) und der Fälligkeitssteuern (B.). Die Darstellung befasst sich hier schwerpunktmäßig mit der praktisch am häufigsten vorkommenden Fallgruppe der Steuerhinterziehung im Festsetzungsverfahren (§§ 155 ff. AO). Weitaus weniger oft auftretende Hinterziehungsvergehen im Ermittlungs-, Erhebungs-, Vollstreckungs-, Rechtsbehelfs- oder finanzgerichtlichen Verfahren werden, soweit sich dort spezifische Besonderheiten ergeben, an

34

Einführung in den Untersuchungsgegenstand

der jeweils geeigneten Stelle integriert. Der 3. Teil enthält darüber hinaus eine, soweit ersichtlich, in dieser Form erstmals durchgeführte empirische Befunderhebung zu der Frage, ob und wenn ja, wie und zu welchem Zeitpunkt der nach herrschender Meinung für den Verjährungsbeginn bei Vergehen gemäß § 370 I Nr. 2 AO maßgebliche „allgemeine Veranlagungsschluss“ in den einzelnen Bundesländern festgelegt wird [A. III. 4.  b)]. Den Abschluss bildet eine verjährungsrechtliche Nachlese zu der bereits seit 1.1.1996 in der Praxis regelmäßig vorkommenden, im Schrifttum bis dato dennoch kaum behandelten Fallgruppe der „Kindergeldhinterziehung“ (C.). Der 4. Teil untersucht den in der Literatur bislang ebenfalls nicht dezidiert genug dargestellten Verjährungsbeginn bei den übrigen Steuerstraftatbeständen innerhalb und außerhalb der Abgabenordnung. Im 5. Teil soll abschließend zum einen die – nach wie vor uneingeschränkt zu konstatierende – besondere politische Aktualität der mit der Verjährung gerade auch von Steuerstraftaten zusammenhängenden Fragestellungen demonstriert werden. Dazu wird die im „Regierungsprogramm 2013–2017“ des SPD-Parteivorstands gemachte Ankündigung, im Falle einer Regierungsübernahme die „Verjährungsfristen für Steuerbetrug“ an die „Praxis in den Vereinigten Staaten“ anzupassen19, auf ihre Stichhaltigkeit hin überprüft (A.). Den Abschluss bildet der bereits zuvor erwähnte „Verjährungskompass“ (B.). Anhand der unter dieser Überschrift zusammengefassten Übersichten soll vor allem dem Rechtsanwender in der Praxis ein schneller Zugang zu den im Einzelfall maßgeblichen steuerstrafrechtlichen Verjährungsregeln ermöglicht werden.

19  Ebd.

S. 70.

1. Teil

Grundlagen und -begriffe A. Steuerstrafrecht – Was ist das? Auf diese Frage erhält man je nach dem, welchem „Lager“ der Gefragte angehört, in der Regel vollkommen unterschiedliche Antworten: Aus universitärer Sicht, d. h. aus dem Blickwinkel des Studenten bzw. Hochschullehrers, handelt es sich um ein in der Ausbildung nicht bzw. nur im Schwerpunktbereich „Wirtschaftsstrafrecht“ relevantes Nebengebiet, welches aufgrund seiner inhaltlichen Verknüpfung mit dem üblicherweise1 nicht zum Pflichtfachkanon gehörenden Steuerrecht meist nur in Grundzügen vermittelt wird2 und daher, wenn überhaupt, allenfalls in diesem Rahmen zum Gegenstand von Prüfungen gemacht werden kann. Auch die wissenschaftliche Durchdringung des Themas hielt sich bis vor Kurzem noch in Grenzen, wobei die Dinge hier aufgrund der neueren Entwicklungen in der höchstrichterlichen Rechtsprechung des seit 1.6.2008 für Revisionen in Steuer- und Zollstrafsachen zuständigen 1. Strafsenats des BGH3 und der regen Tätigkeit des Gesetzgebers momentan im Umbruch sind4. Von einer dezidierten rechtspolitischen Stellungnahme zu der von Salditt5 – im Anschluss an Joecks6 – mit dem Attribut „Klimawandel“ versehenen, offenkundig allgemein so empfundenen Verschärfung des Steuerstrafrechts wurde wegen der rechtstatsächlichen Ausrichtung der Untersuchung abgesehen. Zu bemerken ist hierzu dennoch zweierlei: Zum einen, dass in der Tat in jüngerer Zeit eine – auch medial im Wesentlichen positiv begleitete – Intensivierung der Verfolgung von Steuerstraftätern zu beobachten ist – und zwar legislativ, judikativ und – im 1  Das Steuerrecht ist einzig im Bundesland Bayern Pflichtfach, und auch das nur im Rechtsreferendariat (vgl. § 58 II Nr. 4c BayJAPO 2003). 2  Vgl. aus der Ausbildungsliteratur Gaede, JA 2008, 88; Gehm, JuS 2001, 1214; Webel, SteuerStud 2006, Beil.  3; Wulf, JuS 2008, 206 u. 314. 3  Der geänderte Geschäftsverteilungsplan des BGH für das Jahr 2008 weist die nach dem 31.5.2008 eingehenden Revisionen in Steuer- und Zollstrafsachen dem 1.  Strafsenat zu (vgl. PStR 2008, 212); erg. Wessing / Biesgen, NJW 2010, 2689. 4  Vgl. etwa M. Ebner, wistra 2012, 176. 5  In: Flore / Tsambikakis, Einf. 1.  Teil Rn. 1. 6  In: Schaumburg FS, S. 1225.

36

1. Teil: Grundlagen und -begriffe

­ nschluss hieran – auch exekutiv. Das ist für sich gesehen unstreitig7 und kann A je nach rechtspolitischer Perspektive unterschiedlich bewertet, also begrüßt oder unter verschiedensten Aspekten kritisiert werden8. Die „Wahrheit“ liegt hier im Auge des Betrachters. Zum anderen führt ein solcher „Klimawandel“ naturgemäß zu einem spürbar (weiter) erhöhten Arbeitsaufwand bei den Strafverfolgungsbehörden bzw. Gerichten, was, soweit erkennbar, bisher aber weder auf Ebene der Finanzverwaltungen noch in den Justizressorts der Länder mit anlassbezogenen Personalaufstockungen verbunden worden ist. Das könnten die „tönernen Füße“ sein, auf denen der „Klimawandel“ derzeit steht und die immer weiteren Verschärfungen – mögen sie auch populär sein – irgendwann einmal faktisch eine Grenze setzen werden.

Bei den mit der Materie befassten Strafverfolgungsbehörden, d. h. in erster Linie bei den Schwerpunktstaatsanwaltschaften für Wirtschaftsstrafsachen9, und den gerichtlichen Spruchkörpern mit spezieller Zuständigkeit10 stößt das Rechtsgebiet zumeist auf ebenso wenig Gegenliebe – muss sich der jeweilige Dezernent oder Amtsrichter bzw. Berichterstatter am Landgericht doch in der Regel mangels vertiefter steuerrechtlicher Kenntnisse11 oft­ mals (zeit-)aufwendig in den nicht selten tatsächlich und rechtlich komplexen Steuerstrafrechtsfall einarbeiten12. Hieran ändern auch die vom Gesetzgeber eigens vorgehaltenen, parallel dazu ebenfalls mit Strafverfolgungsaufgaben betrauten Spezialbehörden innerhalb der Finanzverwaltung nichts. Diese nehmen zwar bei Delikten, die ausschließlich Steuer- bzw. Zollstraftaten im Sinne von § 369 I AO darstellen, die Aufgaben der Staatsanwaltschaft wahr13 (vgl. § 386 II Nr. 1 AO) bzw. werden (u. a.14) als „fiskalische Kriminalpolizei“ tätig15 (vgl. § 404 AO) und können den Justizbehörden daher gerade in steuerrechtlicher Hinsicht zahlreiche Hilfestellungen geben. 7  s.

nur Pflaum, in: Wabnitz / Janovsky, 4. Aufl., 20. Kap. Rn. 340 („erstaunt nicht“). jüngst Schünemann, in: Feigen FG, S. 263 ff. 9  s. dazu Montenbruck / Kuhlmey / Enderlein, JuS 1987, 713. 10  Vgl. § 391 AO (sog. Steueramtsgericht) u. § 74c I Nr. 3 GVG (Wirtschaftsstrafkammer). 11  Vgl. Harms, in: Schlüchter GS, S. 451 (470), die eine „in weiten Bereichen nur ungenügend vorhandene steuerrechtliche Sachkunde der Strafgerichte“ be­ mängelt. Ähnl. Schwedhelm, BB 2010, 731, für die Dezernenten der Wirtschaftsabteilungen („Regelmäßig … mit komplexeren steuerlichen Fragen überfordert“); s. a. Harms / Heine, in: Spindler FS, S. 429 (430, Fn. 5) u. Rammert, S. 85 ff. jew. m. w. N. 12  Vgl. Kummer, in: Wabnitz / Janovsky, 3. Aufl., 18.  Kap. Rn. 233. 13  Das sind die Bußgeld- und Strafsachenstellen der Finanzämter („BuStra“ bzw. „StraBu“), die Familienkassen („FamBuStra“) und die Hauptzollämter („HZA“). Speziell in NRW: Finanzamt für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung („STRAFAFA“); in Berlin u. Niedersachsen: Finanzamt für Fahndung und Steuern („FA FuST“). 14  Vgl. § 208 AO. 15  Das sind die Steuerfahndung („Steufa“) und die Zollfahndung. 8  Zusf.



A. Steuerstrafrecht – Was ist das?37

Die Praxis zeigt aber immer wieder, dass auch die Beamten der „SteuerStaatsanwaltschaft“, d. h. der „BuStra“, die sich bis auf die Sachgebietsleiter (bei denen es sich um Volljuristen handelt16) aus dem allgemeinen „Pool“ der Finanzbeamten rekrutieren und als – im Strafrecht – „angelernte“ Kräfte zum Teil nicht über das erforderliche materielle und prozessuale Spezialwissen verfügen. Das betrifft nicht zuletzt auch Fragen des gemäß § 369 II AO im Steuerstrafrecht uneingeschränkt geltenden Allgemeinen Teils des StGB; aber auch die Qualität der bei den Amtsgerichten eingehenden Strafbefehlsanträge17 (vgl. § 400 1. Hs. AO) ist mitunter erheb­lichen Schwankungen unterworfen. Die Beamten der „Steufa“ sind grundsätzlich auf demselben Stand ausgebildet und, wie in der Praxis schnell zu bemerken, in der Sache meist hoch motiviert – diese Motivation zielt jedoch nicht durchgängig darauf ab, Steuerstraftaten möglichst umfänglich strafrechtlich zu ahnden18. Ihr – durch eine entsprechende dienstliche Beurteilungsrelevanz forciertes – Hauptinteresse besteht indes erfahrungsgemäß darin, ein (statistisch) möglichst hohes steuerliches Mehrergebnis zu erzielen19, unabhängig davon, ob dieser Verkürzungsumfang letztlich in Gänze einer strafgerichtlichen Verurteilung zugrunde gelegt werden kann. Diese Feststellung überrascht freilich kaum, wenn man bedenkt, dass die Doppelfunktionalität bzw. „Janusköpfigkeit“20 der „Steufa“ bereits im Gesetz, namentlich in § 208 I Nr. 2, 3, II AO, angelegt ist. Allerdings liefert sie eine Erklärung dafür, weshalb das Interesse der „Fahndung“ an steuerlich (etwa aufgrund einer tatsächlichen Verständigung21) bereits erledigten Fällen bisweilen stagniert. Von der Warte des steuerlichen Beraters bzw. Strafverteidigers aus betrachtet, ist das Steuerstrafrecht „Fluch und Segen“ zugleich: Wird der Mandant, was in den von § 392 1. Hs. AO gesteckten Grenzen nicht selten der

16  Erg.

M. Ebner, in: Flore / Tsambikakis, § 400 AO Rn. 15. M. Ebner, in: Flore / Tsambikakis, § 400 AO Rn. 19. 18  s. aber auch Hofmann, DStR 1997, 1789 zur bedenklichen Praxis der „qualifizierten Erledigungen“ bei der „BuStra“. 19  Die Steuerfahndungsstellen der Länder haben etwa in 2002 unabhängig von der strafrechtlichen Relevanz des jeweiligen Vorgangs bestandskräftige Mehreinnahmen von insges. 1,5  Mrd.  € „erwirtschaftet“ (vgl. BMF, MoB 7 / 2006, S. 57 [58]). 20  Harms, in: Schlüchter GS, S. 451 (457). 21  Allg. dazu Rätke, in: Klein, § 78 Rn. 5; Rüsken, in: Klein, § 162 Rn. 30 ff. Das Ergebnis einer solchen „Verständigung“ kann nicht einfach als Geständnis in das Steuerstrafverfahren übernommen werden (vgl. Jäger, in: Klein, § 370 Rn. 54; erg. Muhler, ZWH 2013, 489 [491: „Gemeinsame Bearbeitung des Falles durch FG und Strafverfolger“]). 17  Erg.

38

1. Teil: Grundlagen und -begriffe

Fall ist, von (s)einem Steuerberater „verteidigt“22 oder zieht er einen steuerrechtlich nicht bewanderten Rechtsanwalt hinzu, drohen bei einem Scheitern der Verteidigungsstrategie mannigfaltige Haftungsrisiken auf zivil-, strafund steuerrechtlicher Ebene23. Die steuerstrafrechtliche Literatur empfiehlt daher nicht zu Unrecht durchweg, die Verteidigung nur in Gemeinschaft mit einem Angehörigen des jeweils anderen Berufsstands zu führen24. Die sich aus dieser „Zwitterstellung“ ergebende Schwierigkeit der Materie führt andererseits aber auch dazu, dass es nach wie vor nur eine begrenzte Anzahl von Beratern gibt, die sich in erstzunehmender Weise auf das Steuerstrafrecht spezialisiert haben, mit der Folge, dass hier noch eine (allerdings immer enger werdende) „echte“ Nische auf dem Anwaltsmarkt besteht, die, wenn sie richtig ausgefüllt wird, sehr lukrative Berufsaussichten bieten kann. Die nach alledem treffendste Antwort auf die eingangs gestellte Frage hat freilich Jäger gegeben, als er seinen Vortrag zu den „Anforderungen an die Sachdarstellungen im Urteil bei Steuerhinterziehung“ auf dem XI.  Strafverteidiger-Frühjahrssymposium am 12.5.2006 mit den Worten einleitete: „Das Steuerstrafrecht ist eine außergewöhnliche Rechtsmaterie.“25

I. Empirik und Existenzberechtigung 1. Zahlen(bei-)spiele Der Umfang der in Deutschland hinterzogenen Steuern kann nicht genau beziffert, sondern allenfalls grob geschätzt werden26. Nach wissenschaftlich nicht gesicherten Hochrechnungen belaufen sich die durch Abgabendelikte verursachten Einnahmeausfälle der öffentlichen Hand auf Beträge zwischen 50 und 100 Mrd. € pro Jahr27. Einigkeit herrscht in der kriminologischen 22  Grdlg. St. Ebner, SteuerStud 2008, 577. Zum Aufgabenkreis des Steuerberaters gehören ausdrücklich auch „Hilfeleistungen in Steuerstrafsachen und in Bußgeldsachen wegen einer Steuerordnungswidrigkeit“ (§ 33 S. 2 1.  Hs. StBerG). 23  s. dazu M. Ebner, PStR 2008, 240 m. zahlr. weit. Nachw. 24  So etwa Blumers / Göggerle, Rn. 96 ff.; M. Ebner, PStR 2013, 313; Quedenfeld, in: Quedenfeld / Füllsack, Rn. 34 ff. („Gebot der Doppelverteidigung“); erg. Rammert, S. 5 ff.; s. a. Seibel, AO-StB 2004, 109 zum grundsätzlichen „Spannungsverhältnis“ zwischen Steuer- und Strafrechtlern. 25  StraFo 2006, 477; ähnl. J. Jahn, GWR 2011, 327 („Das Steuerstrafrecht ist eine ebenso populäre wie polarisierende Materie.“). 26  Vgl. BMF, MoB 7 / 2006, S. 57 (60); BT-Drs. 16 / 8661; Tipke, StRO III, S. 1403 f.; s. a. BT-Drs. 17 / 1108, S. 21 („Das Volumen der Ausfälle für den Staatshaushalt verursacht durch Steuerhinterziehung ist der Bundesregierung in ihrer Gesamtheit nicht bekannt.“). 27  Vgl. Küster, in: DStJG 6, S. 253 (255: „mindestens … 10 % des Bundeshaushalts“).



A. Steuerstrafrecht – Was ist das?

39

Forschung einzig darüber, dass es just bei der Steuerkriminalität ein enormes, wenn nicht gar eines der ausgedehntesten Dunkelfelder gibt28. Nach der zuletzt im Jahr 2004 in toto öffentlich zugänglich gemachten29 Erhebung des Bundesministeriums der Finanzen hatten die in 2002 rechtskräftig abgeschlossenen Straf- und Bußgeldverfahren wegen Vergehen und Ordnungswidrigkeiten nach §§ 370, 378 AO hinterzogene Besitz- und Verkehrsteuern von rund 820 Mio. € und hinterzogene Zölle und Verbrauchsteuern von rund 66  Mio.  € zum Gegenstand („Hellfeld“)30 – das summiert sich insgesamt auf nicht einmal 1 Mrd. € und damit auf nur 1 bzw. 2 % des geschätzten Gesamthinterziehungsvolumens31. Die erst jüngst im Oktober 2013 vom BMF veröffentlichten Hinterziehungsvolu­ mina betreffen nur das Jahr 2012 und legen keine wesentliche Änderung nahe. Hiernach sollen den in diesem Berichtszeitraum rechtkräftig abgeurteilten Vergehen bzw. Ordnungswidrigkeiten gemäß §§ 370, 378 AO „hinterzogene Steuern“ (ohne weitere Aufschlüsselung) in Höhe von insgesamt 989,4 Mio.  € zugrunde gelegen haben32. Hinzu seien nicht entrichtete Umsatzsteuern im Sinne von § 26b I UStG in Höhe von 44,7 Mio. € gekommen33.

Zum Vergleich: Die kassenmäßigen Steuereinnahmen der BRD betrugen im Jahr 2002 rund 441,7 Mrd. €34. Stellt man dem die durch Hinterziehungen – schätzungsweise – verursachten Steuerausfälle gegenüber, ergibt sich ein Verhältnis von 4:1, d. h. es ist anzunehmen, dass das Steueraufkommen in Deutschland ohne Steuerverkürzungen um etwa 25 % höher ausfallen würde35. Liquiditätssteigernde Maßnahmen, wie die zwischenzeitlich gemeinhin akzeptierte Anhebung des allgemeinen Umsatzsteuersatzes zum 1.1.2007 von 16 auf 19 % oder eine immer weitergehende Staatsverschuldung, wären mithin nicht erforderlich (gewesen). Es handelt sich bei der Steuerhinterziehung demnach keinesfalls um ein „Kavaliersdelikt“36 oder gar einen „Sport“37, der Hinterzieher ist 28  Vgl.

nur Küster, in: DStJG  6, S. 253 (254). M. Ebner, wistra 2008, 298; erg. Dietz, in: Rolletschke / Kemper, 68.  EL, Einf. Rn. 3 zu den Vorjahren bis einschl. 1993 u. – aktuell – Rolletschke, in: Rolletschke / Kemper, § 370 Rn. 7; s. a. Schmitz / Wulf, in: MüKo-StGB, § 370 AO Rn. 30. 30  Vgl. BMF, wistra 2004, 135 („Steuerstrafsachenstatistik 2002“). 31  Ähnl. bereits Küster, in: DStJG  6, S. 253 (259). 32  BMF, MoB 10 / 2013, S. 29 (31: 965,6 Mio. € betr. § 370 AO; 23,8 Mio. € betr. § 378 AO). 33  BMF, MoB 10 / 2013, S. 29 (31). 34  BMF, Steuern von A bis Z, S. 25. 35  Ähnl. Seckel, S. 123 („zwischen 20 und 30 %“). 36  Tipke, StRO III, S. 1412 f. 37  Seer, in: Tipke / Lang, § 23 Rn. 3. 29  Krit.

40

1. Teil: Grundlagen und -begriffe

alles andere als ein „raffinierter Geschäftsmann“38 – im Gegenteil: Er schädigt mit seinem Verhalten die Allgemeinheit, also letztlich – mittelbar – auch jeden Einzelnen39. Tabelle 1 Hinterziehungsvolumen 2002 Steuereinnahmen

Hellfeld

Gesamthinterziehungsvolumen

rd. 441,7 Mrd. €

< 1 Mrd. €

geschätzt 50–100 Mrd. €

Auf Grundlage der im Jahr 2002 bundesweit 14.455 rechtskräftig gewordenen Verurteilungen wegen Steuerhinterziehung (nur § 370 AO) wurden nach vorgenannter Statistik des Bundesfinanzministeriums – wenig aussagekräftig – in der Summe Freiheitsstrafen von 2.025 Jahren und Geldstrafen von insgesamt 3.558.134 Tagessätzen (rd. 37  Mio.  €) verhängt40. Dazu kommen die bei Steuerschäden bis zu 5.000 €41 grundsätzlich noch in Betracht zu ziehenden Verfahrenseinstellungen gemäß § 153a StPO, die im gleichen Zeitraum nochmals mit Geldauflagen in Höhe von rund 40 Mio. € zu Buche geschlagen haben sollen42. Tabelle 2 Sanktionsaufkommen 2002 (nur § 370 AO) Verurteilungen

Freiheitsstrafen

Geldstrafen

§ 153a StPO

14.455

2.025 Jahre

3.558.134 Tagessätze

rd. 40 Mio. €

Die aktuell für den Zeitraum 2003–201243 mitgeteilten Zahlen bieten nach wie vor keine ausreichende Grundlage für einen gleichwie gearteten (Langzeit-)Vergleich. Denn der Bezugspunkt der dort wiedergegebenen Sanktionssummen ist größtenteils unklar (nur § 370 AO oder alle Steuerstraftaten?). Außerdem fehlen 38  Joecks,

in: Franzen / Gast / Joecks, Einl. Rn. 20. auch Pflaum, wistra 2009, 262 (264) m. w. N. 40  Vgl. BMF, wistra 2004, 135; erg. BMF, MoB 7 / 2006, S. 57 (59 [Zahlen aus 2004]); BT-Drs. 16 / 8661 (Zahlen aus 2006). 41  So etwa Lammerding / Hackenbroch, S. 158. 42  BMF, MoB 7 / 2006, S. 57 (59); s. a. d. Zusf. bei Kuhlmann, in: Brüssow / Gatzweiler / Krekeler / Mehle, § 22 Rn. 5 f. (für 2004). 43  BMF, MoB 10 / 2013, S. 23 (27). 39  Vgl.



A. Steuerstrafrecht – Was ist das?41 Angaben zur Anzahl der jeweils insgesamt rechtkräftig gewordenen Verurteilungen. Auch das gesondert behandelte Jahr 2012 bildet hier keine Ausnahme. Zwar weckt dieser Berichtszeitraum mit – im Vergleich zu 2002 – „nur“ 8.179 (rechtskräftigen?) Verurteilungen „wegen Steuerhinterziehung nach § 370 AO“ auf den ersten Blick ein gesteigertes Interesse44. Letztlich ist aber auch dieser Wert nicht hinreichend aussagekräftig, weil das BMF im Monatsbericht 10 / 2013 unterschiedliche Angaben zur Gesamtsumme der in 2012 ausgeurteilten Geld- und Freiheitsstrafen macht45. Zudem wird die Summe der Geldstrafen nicht mehr in Tagessätzen, sondern als absoluter Euro-Wert angegeben. Dies lässt keine trag­ fähigen Schlussfolgerungen zu.

2. Steuerstrafrecht abschaffen? Angesichts dieser im Vergleich zum geschätzten Gesamthinterziehungsvolumen eher bescheidenen Ergebnisse lässt sich durchaus die Frage nach der Existenzberechtigung des Steuerstrafrechts stellen46. Konkret also: Wäre dem Fiskus nicht genauso gut oder sogar besser damit gedient, auf die Verfolgung steuerlicher Verfehlungen mit den Mitteln des Strafrechts zu verzichten und die dadurch freiwerdenden Ressourcen stattdessen ausschließlich auf die Erzielung steuerlicher Mehreinnahmen zu verwenden? Diese Frage ist aus folgenden Gründen zu verneinen: a) Steuergerechtigkeit Eine wesentliche Funktion des Steuerstrafrechts besteht darin, einen Beitrag zur Schaffung, Erhaltung und – auch – Wiederherstellung der materiellen Steuergerechtigkeit47 zu leisten48. Das soll nicht heißen, dass die Verfol44  Vgl.

BMF, MoB 10 / 2013, S. 29 (31). MoB 10 / 2013, S. 23 (27: 1.937 Jahre Freiheitsstrafen u. 32,5 Mio.  € Geldstrafen), S. 29 (31: „circa“ 2.340 Jahre Freiheitsstrafen u. 56,5 Mio. € Geldstrafen). 46  So z. B. Streck, BB 1984, 2205 (2209), der „Kleinhinterziehungen“ – ebenso wie die Fraktion DIE LINKE. (s. S. 182) – allenfalls als OWi sanktioniert sehen will; s. a. Seer, in: Tipke / Lang, § 23 Rn. 4 („Entpönalisierung des Steuerrechts“). Der Gesetzgeber hat mit § 50e II EStG und § 37 I 2 TabStG (bis 1.1.2011: § 30a TabStG) bereits einen ersten Schritt in diese Richtung getan. Die von Seer favorisierte Ablösung des Steuerstrafrechts durch ein „verschuldensunabhängiges Steuerzuschlagsystem“ wird mit zutr. Arg. u. a. von Pflaum (in: wistra 2009, 262) abgelehnt. 47  Grdlg. BVerfGE 84, 239 = NJW 1991, 2129 – Zinsurteil; s. a. Tipke, StRO I, S. 259 ff. 48  Vgl. Salditt, in: Tipke FS, S. 475 (479), der hierin das von § 370 AO geschützte Rechtsgut sieht; erg. Seer, in: Tipke / Lang, § 23 Rn. 1; Tipke, StRO III, S. 1412 f. 45  BMF,

42

1. Teil: Grundlagen und -begriffe

gung des Hinterziehers mit den Mitteln des Strafrechts primär einen Schuldausgleich im Sinne des heute weitestgehend überkommenen Talionsgedankens49 bewirken soll, auch wenn dies vereinzelt noch so empfunden wird50. Der Hintergrund ist vielmehr ein anderer: Der in Art. 3 I GG wurzelnde und damit Verfassungsrang genießende Grundsatz der Gleichheit der Lastenverteilung verlangt als das „oberste systemtragende Prinzip des Steuerrechts“51, dass der Staat alle zur Verfügung stehenden Mittel ausschöpft, um sicherzustellen, dass jeder Steuerpflichtige den von ihm zu tragenden Anteil an den öffentlichen Lasten vollständig und fristgerecht abführt52. Diese Aufgabenzuweisung umfasst in jedem Fall auch die Schaffung und Pflege eines Abgabenstrafrechts, das angesichts seiner general- und spezialpräventiven Wirkungen53 vor (weiteren) Hinterziehungen abschrecken und damit den gezielt herbeigeführten Besteuerungsungleichheiten entgegen wirken soll54. Wird der Hinterzieher ungeachtet der steuerlichen Konsequenzen seines Verhaltens55 auch strafrechtlich belangt, bestätigt das die Gesetzestreue der übrigen, en Gros56 normtreuen Steuerpflichtigen. Letztlich wäre es unter Gleichheitsgesichtspunkten und auch rechtspolitisch kaum vermittelbar, wenn Steuerhinterziehungen bei im weiteren Verlauf dauerhaft illiquiden 49  Vgl. Wessels / Beulke, Rn. 12a; instr. Frisch, in: Uppsala Symposium 1996, S. 125 ff. („Abschied von Kant und Hegel“): erg. Hong, S. 52 ff. u. v.  Stackelberg, Bockelmann FS, S. 759 f. zu entspr. Überlegungen betr. die Verjährung. 50  Dahin tendiert etwa Salditt, in: Tipke FS, S. 475 f. 51  Birk, Rn. 47; im Einzelnen Haug, S.  68 ff. 52  Seer, in: Tipke / Lang, § 23 Rn. 1; ähnl. Harms, Stbg 2005, 12. Nach Auffassung Tipkes (in: StRO  III, S. 1413) haben die „ehrlichen Steuerzahler“ einen „Anspruch“ hierauf. Ähnl. auch der vom U.S. Supreme Court-Richter Oliver Wendell Holmes  Jr. geprägte Leitspruch „Taxes are the price we pay for a civilized society.“ – „Steuern sind der Preis, den wir für eine zivilisierte Gesellschaft zahlen.“ (zit. nach Wittig, JURA 2014, 567). 53  Vgl. nur Wessels / Beulke, Rn. 12a; erg. Harms, in: Kohlmann FS, S.  413 (416 f.). 54  Vgl. u. a. BMF, MoB 7 / 2006, S. 57 (60); G. Dannecker, S. 163 ff.; Seer, in: Tipke / Lang, § 23 Rn. 1; insges. krit. indes Fabricius / Kahle, StV 2014, 437 („Entkoppelung von General- und Spezialprävention“). Unvertretbar ist dagegen die Ansicht Tipkes (in: StRO  III, S. 1407), wonach die Steuerhinterziehung bei gleichheitswidriger Gesetzesanwendung ein „vom Staat zu verantwortender … Akt rechtlicher Notwehr zur Herstellung faktischer Belastungsgleichheit“ sei (Hervorh. v. hier). 55  Hinterzogene Steuern können mindestens zehn Jahre lang festgesetzt werden, vgl. §§ 169 II 2, 171 V, VII AO. Zudem sind Verspätungs- / Säumniszuschläge und Hinterziehungszinsen zu entrichten (§§ 152, 235, 240 AO). 56  Nach der „legendären“ (so Bilsdorfer, NJW 1999, 1675 [1676]) Schätzung Strecks (in: BB 1984, 2205) soll dagegen davon auszugehen sein, dass sich 90 % der Steuerzahler außerhalb zulässiger Gestaltungsmöglichkeiten (§ 42 AO) bewegen und in mehr oder minder großem Umfang Steuern verkürzen.



A. Steuerstrafrecht – Was ist das?43

Tätern faktisch letztlich folgenlos blieben. Ohne das Strafrecht und die damit auch eröffnete Möglichkeit der Vollstreckung von (Ersatz-)Freiheitsstrafen wäre dies aber der Fall57. Zwar ist bislang wissenschaftlich nicht untersucht worden, ob und wenn ja, in welchem Umfang die Hinterziehungsquote ohne die Existenz des Steuerstrafrechts ansteigen würde (ihr Absinken dürfte mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auszuschließen sein). Belastbare Rückschlüsse hierauf lassen sich aber aus dem strukturellen Vollzugs- und Strafverfolgungsdefizit ziehen, das bei der Besteuerung von Kapitaleinkünften vor dem 1.1.1993 bestand: Bis zum sog. Zinsurteil des BVerfG vom 27.6.199158 waren Einkünfte aus Kapitalvermögen (§ 2 I 1 Nr. 5 EStG) nur unvollständig besteuert worden, da immer mehr Steuerpflichtige ihre Zinseinnahmen nicht erklärt hatten59. Die hieraus resultierenden Steuerausfälle beliefen sich auf – geschätzt – 6,2 Mrd. DM pro Jahr60. In der Folge stellte das BVerfG aufgrund mehrerer Verfassungsbeschwerden die Gleichheitswidrigkeit der Zinsbesteuerung fest und gab dem Gesetzgeber auf, bis spätestens 1.1.1993 verfassungsgemäße Zustände herzustellen. Dieser reagierte mit der Einführung einer besonderen Erhebungsform der Einkommensteuer bei Zinseinkünften in Form der Kapitalertragsteuer61.

Überträgt man das Ausgangsszenario des Zinsurteils auf das gesamte Steuerrecht, lässt sich in etwa erahnen, welche verheerenden fiskalischen Folgen eine gänzliche Abschaffung des Steuerstrafrechts nach sich zöge. Zwar ist das Strafrecht, wie Seer62 zutreffend ausführt und was auch die Situation vor Einführung der Kapitalertragsteuer eindrucksvoll belegt, per se „ungeeignet, strukturelle Vollzugsdefizite auszugleichen und die gebotene Belastungsgleichheit herzustellen“. 57  Spätestens an dieser Stelle geraten Streck (in: Harzburger Steuerprotokoll 1999, S. 83) u. Tipke (in: Kohlmann FS, S. 555 [576]), die eine Wiederbelebung des bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts praktizierten Multiplarstrafensystems befürworten, in Rechtfertigungsnöte. 58  BVerfGE 84, 239 = NJW 1991, 2129; erg. Kohlmann / Hilgers-Klautzsch, wistra 1998, 161; s. a. BVerfGE 110, 94 = NJW 2004, 1022 – Spekulationsgewinne 1997 / 98. 59  Vgl. Salditt, in: Tipke FS, S. 475 (477: „Vor dem 1.1.1993 … blieb ‚jedenfalls die Hälfte der Erträge‘ aus steuerbarem Kapitalvermögen unerklärt, unentdeckt und deshalb unbelastet.“). 60  So Rehm, StuW 1984, 230 (233) für das Jahr 1981; s. a. BT-Drs. 10 / 4367, S. 89 f. 61  Die Kapitalertragsteuer wird erhoben, indem der Zinsschuldner (i.  d. R. ein Kreditinstitut) einen bestimmten Anteil der Kapitaleinkünfte (nach der zum 1.1.2009 eingeführten Abgeltungssteuer pauschal 25 % [erg. 3.  Teil, Fn. 538]) unmittelbar an das FA abführt (sog. Quellensteuer, vgl. §§ 43 ff. EStG). 62  In: Tipke / Lang, § 23 Rn. 4 u. in: Trzaskalik GS, S. 457 (466); ähnl. Streck, in: DStJG  6, S. 217 (220); Tipke, StRO  III, S. 1407 (1411).

44

1. Teil: Grundlagen und -begriffe

Es muss folglich stets ultima ratio bleiben63. Allerdings bewirkt es ab einer gewissen Entdeckungswahrscheinlichkeit gerade im Steuerrecht eine deutliche Lenkungswirkung hin zur Steuerehrlichkeit, weil Wirtschaftsstraftäter in der Regel planend vorgehen und dabei auch das Risiko der Strafverfolgung in ihre Überlegungen mit einbeziehen, um ihren sozio-ökonomischen Status nicht zu gefährden64. Dieser Effekt schlägt sich derzeit vor allem in der nicht abebbenden Welle strafbefreiender Selbstanzeigen (§ 371 AO) nieder, die durch die mediale Berichterstattung über die von Dritten illegal im Ausland beschafften und den deutschen Finanzbehörden sodann erfolgreich zum Kauf angebotenen „Steuerdaten-CDs“ ausgelöst worden ist. Er ist daher, wie auch die jüngsten Beispiele prominenter Hinterziehungsfälle (z. B. Fall Hoeneß65 oder Alice Schwarzer) zeigen, essentiell, um den zur Bewältigung der staatlichen Aufgaben erforderlichen fortlaufenden Geldfluss in Richtung Fiskus aufrecht zu erhalten. Nicht zuletzt deshalb unterliegt das Steuerrecht, ebenso wie das Strafrecht66, gemäß § 85 AO ­einem strengen Legalitätsprinzip, welches die Finanzbehörden in § 85 S. 2 AO „insbesondere“ dazu verpflichtet, „sicherzustellen, dass Steuern nicht verkürzt … oder Steuererstattungen oder Steuervergütungen nicht zu Unrecht gewährt … werden.“

Folgerichtig gilt – ebenfalls parallel zum Strafprozess67 – auch im Steuerrecht der Untersuchungsgrundsatz (§ 88 I AO, § 76 I 1 FGO)68. Das Steuerstrafrecht flankiert diese Programmsätze und rundet sie für seinen Geltungsbereich gleichsam ab69. b) Fiskalprävention Wesentlicher Bestandteil der auch mit den Mitteln des Strafrechts bewirkten Steuergerechtigkeit im vorgenannten Sinne ist eine in Rechtsprechung und Literatur bisher kaum gesondert als solche herausgestellte Präventivfunktion des Steuerstrafrechts, die ihren Ursprung zweifellos in den bereits erwähnten Strafzwecken der General- und Spezialprävention hat, nach hie63  Ebenso

Pflaum, wistra 2009, 262. G. Dannecker, S.  163 f. 65  s. dazu etwa Heuel, AO-StB 2014, 119; die schriftlichen Gründe des Urteils des LG München  II v. 13.3.2014, W5 KLs 68  Js 3284 / 13, waren im Zeitpunkt der Fertigstellung des Manuskripts noch nicht veröffentlicht. 66  Vgl. § 152 II StPO. 67  Vgl. §§ 160 I, 244 II StPO. 68  Grdlg. Kirchhof, Rn.  206 ff. 69  Erg. Kiel, S.  85 f. 64  Vgl.



A. Steuerstrafrecht – Was ist das?45

siger Auffassung aber zusätzlich noch eine gesonderte70 Schutzwirkung für das Steueraufkommen des Fiskus entfaltet: Diese (hier sog.) „Fiskalprävention“ zeichnet sich dadurch aus, dass nicht nur – negativ formuliert – die Verhinderung gezielt herbeigeführter Steuerverkürzungen erreicht, sondern die Steuerpflichtigen mit mehr oder minder „sanftem Druck“ zugleich dazu angehalten werden sollen, mit dem erforderlichen Grad an Sorgfalt auch aktiv am Besteuerungsverfahren mitzuwirken, also – positiv formuliert – ihren Erklärungs- und Mitwirkungspflichten umfassend nachzukommen. Denn andernfalls stünde bei Vorliegen eines hinreichend sicher nachweisbaren bedingten Verkürzungsvorsatzes ein Vergehen gemäß § 370 I Nr. 2 AO bzw. – bei leichtfertigem Handeln71 – zumindest eine Ordnungswidrigkeit nach § 378 I AO im Raum. Die Fälle der „einfachen“ Fahrlässigkeit im Sinne von § 15 StGB sind von diesem Sanktionsnetz bislang nicht umfasst, sodass die fiskalpräventive Wirkung des Steuerstrafrechts de lege ferenda an dieser Stelle im Grundsatz72 noch ausbaufähig wäre. Ohne diese Lenkungsinstrumente würden zahlreiche Steuerpflichtige, denen es unter Umständen gar nicht darauf ankommt, Steuern zu verkürzen, etwa aus Bequemlichkeit nicht oder nicht in ausreichendem Umfang am Besteuerungsverfahren teilnehmen, mit der Folge, dass das Steueraufkommen, das durch absichtliche oder wissentliche Hinterziehungen ohnehin schon um einen Sockelbetrag von 10 bis 25 % ge­schmälert ist, noch weiter absinken würde73. Welchen Anteil hierzu § 378 AO und die §§ 30, 130 OWiG, die in der Praxis bis dato noch keine allzu große Rolle gespielt haben74, beitragen, ist ebenfalls wissenschaftlich noch nicht aufgeklärt worden. Bei Gewerbetreibenden können, was ebenfalls fiskalpräventives Potential birgt, insbesondere wiederholte Steuerstraftaten und – auch75 – -ordnungswidrigkeiten zu einer Gewerbeuntersagung (§ 35 GewO) führen76. In dieselbe Richtung zielen im Steuerrecht die Durchführung von Außenprüfungen77 sowie die im Grundsatz 70  Ähnl.

Tipke, StRO III, S. 1414 („Steuerstrafen wirken … präventiv, generalund spezialpräventiv“; Hervorh. v. hier). Vgl. auch BMF, MoB 7 / 2006, S. 57 (60). 71  s. dazu Jäger, in: Klein, § 378 Rn. 20 ff. 72  Dem steht nicht entgegen, dass das Steuerrecht für nicht beratene Steuerpflichtige nur schwer überschaubar ist, weil diese gegenüber der Finanzbehörde nur wahrheitsgemäße Tatsachenangaben zu machen brauchen und auf zahlreiche Beratungsbzw. Auskunftsansprüche (z. B. §§ 89, 204 AO, § 42e EStG) zurückgreifen können. 73  Grdlg. zur „rational choice theory“ Rehbinder, Rn. 115. 74  Die zuletzt für das Jahr 2002 veröffentliche Steuerstrafsachenstatistik weist insges. 1.329 Bußgeldfestsetzungen durch Bescheid und Urteil wegen leichtfertiger Steuerverkürzung (§ 378 AO einschl. §§ 30, 130 OWiG) aus. 75  Erg. §§ 153a I, 150a III, 149 II Nr. 3 GewO, Nr. 141 ASB. 76  Instr. Hofmann, DStR 1999, 201. 77  Erg. S. 49 f.

46

1. Teil: Grundlagen und -begriffe

gleichartig ausgestalteten besonderen Erhebungsformen der Kapitalertrag-78 und der Lohnsteuer (§§ 38 ff. EStG). c) „Lückenfüller-Funktion“ Ein dritter, zuvorderst aus Sicht der Ermittlungsbehörden relevanter Vorzug des Steuerstrafrechts besteht in seiner – heutzutage79 – oftmals nicht mehr genügend beachteten80 bzw. zum Teil erst gar nicht wahrgenommenen81 „Lückenfüller-Funktion“. Das Steuerstrafrecht kann nämlich auch in all denjenigen Kriminalitätsbereichen fallentscheidende Bedeutung erlangen, in denen strafbare Handlungen gegen Entgelt bzw. im Zusammenhang mit der Erzielung von Einnahmen im weitesten Sinne begangen werden. Das ist nicht nur im Wirtschaftsstrafrecht der Fall82: Da es gemäß § 40 AO für die Besteuerung unerheblich ist, „ob ein Verhalten, das den Tatbestand eines Steuergesetzes erfüllt, gegen ein gesetzliches Ge- oder Verbot oder die guten Sitten verstößt“,

also gegebenenfalls auch strafrechtlich relevant ist83, lässt sich in zahlreichen Fällen ein steuerstrafrechtlicher Vorwurf auch dann noch begründen, wenn die vordergründig verfolgte Straftat verjährt, rechtlich schwer fassbar oder in bestimmten Punkten (z. B. im subjektiven Tatbestand) nicht hinreichend sicher nachweisbar ist84. Oder anders gewendet: Erfüllt die Verein78  s.

Fn. 61. Urteil des US District Court for the Eastern Division of the Northern District of Illinois v. 17.10.1931 im Fall United States vs. Alphonse („Al“) Capone (im Internet abrufbar unter http: /  / research.archives.gov / description / 628966 [zuletzt abger. am 5.10.2014]) scheint der moderne Archetypus dieser Fallgruppe zu sein (ähnl. Wirtz, S. 5, 67 ff. [„ ‚Al Capone‘-Prinzip“ i.  S. einer „Gewinnabschöpfung durch Besteuerung“]; s. dazu auch Schneider, S. 25 in Bezug auf ex-§ 370a AO). Die zum Schuldspruch führende Anklage lautete auf „tax evasion for failing to pay taxes on money earned through illegal operations“ (erg. S. 368 ff.). 80  Vgl. Erlbeck (in: Vordermayer / von Heintschel-Heinegg, Teil 2 Kap. 7 Rn. 35), der nur beiläufig erwähnt, dass in Fällen illegaler Beschäftigung im Regelfall auch „steuerrechtliche Unregelmäßigkeiten gegeben“ sind, um sogleich auf die Möglichkeit einer Verfahrensabgabe an die „BuStra“ hinzuweisen. 81  Heghmanns (Rn. 374 f.) geht nur kurz auf die ansonsten nicht weiter ausgeführte „besondere Stellung“ der Finanzbehörde ein; bei Hellebrand (Rn. 125 ff.) finden sich überhaupt keine diesbzgl. Hinweise. 82  Etwas zu eng daher Jäger, StraFo 2006, 477, der das Steuerstrafrecht nur im Bereich der Wirtschaftskriminalität als „Allzweckwaffe“ ansieht. 83  Vgl. Ratschow, in: Klein, § 40 Rn. 6. 84  Man denke nur an den sog. Nürnberger Zahngoldfall: Die angeklagten Mitarbeiter des städtischen Krematoriums hatten über Jahre hinweg das bei der Verbrennung von Leichen anfallende Zahngold entwendet, an Juweliere verkauft und auf 79  Das



A. Steuerstrafrecht – Was ist das?47

nahmung von Geldern oder der Zufluss sonstiger Vermögenswerte einen Steuertatbestand (in Betracht kommen hier in erster Linie § 2 I 1 Nr. 2–4 EStG und § 1 Nr. 1 UStG85), ist es nahezu ausnahmslos so, dass die daraus resultierenden steuerrechtlichen Erklärungspflichten bereits deshalb nicht erfüllt werden, weil eine Tatentdeckung insgesamt vermieden werden soll. Alles andere liefe trotz Steuergeheimnis (§ 30 AO) und Verwendungsverbot (§ 393 II AO) jeder „Verbrechervernunft“ zuwider. Danach können sich z. B. die Empfänger von Bestechungsgeldern (auch) wegen Einkommensteuerhinterziehung strafbar machen. Die illegale Einfuhr von Betäubungsmitteln gleich welcher Art löst dagegen weder eine Zollschuld aus86 noch führt sie zur Entstehung von (Einfuhr-)Umsatzsteuer (§ 21 UStG)87. Spiegelbildlich dazu besteht für grundsätzlich alle88 Gerichte und Behörden des Bundes, der Länder und der Gemeinden eine in § 116 I 1 AO nor­ mierte Kardinalpflicht89, Tatsachen, die auf die Begehung von Steuerstraftaten schließen lassen, dem Bundeszentralamt für Steuern oder der für die Durchführung des Steuerstrafverfahrens zuständigen (Finanz-)Behörde (d. h. den in § 386 I 2 AO genannten Behörden oder der örtlich zuständigen Staatsanwaltschaft) mitzuteilen. Diese Vorschrift ist, wie die Erfahrung zeigt, außerhalb der Finanzverwaltung und den Schwerpunktabteilungen für Wirtschaftsstrafsachen bereits innerhalb der Staatsanwaltschaften selbst weitge-

diese Weise erhebliche Einnahmen erzielt. Ungeachtet dessen lauteten die Anklage und auch die Schuldsprüche in 1. Instanz jeweils „nur“ auf versuchten schweren Bandendiebstahl (AG Nürnberg, Urt. v. 7.11.2007, 45  Ls 802  Js 21506 / 06, n. v.). Anklagen wegen Steuerhinterziehung waren trotz der im Hinblick auf den Diebstahlsvorwurf unklaren Rechtslage (vgl. nur Jahn / Ebner, JuS 2008, 1086 [1087 f.]) und der auch in 2. Instanz (in der der Autor die Sitzungsvertretung der StA wahrnahm) bis zuletzt – insbesondere – in Bezug auf den subjektiven Tatbestand schwierigen Beweislage (vgl. LG Nürnberg-Fürth, Urt. v. 17.2.2009, 10  Ns 802  Js 21506 / 2006, juris, Tz. 409) nicht erhoben worden. Folge war, dass von allen Angeklagten wirksame strafbefreiende Selbstanzeigen (§ 371 AO) erstattet wurden (LG Nürnberg-Fürth, a. a. O., Tz. 250). Das OLG Nürnberg (NJW 2010, 2071) bestätigte letztlich nur die erst in der Berufungsinstanz zusätzlich erfolgten Schuldsprüche wegen Verwahrungsbruch (§ 133 I, III StGB). Bei den ähnlich gelagerten Fällen in Hof (vgl. OLG Bamberg, NJW 2008, 1543) und Hamburg (vgl. HansOLG, NJW 2012, 1601) scheinen Steuervergehen ebenfalls keine Rolle gespielt zu haben. 85  Bsp.: SaarlFG, Urt. v. 5.2.2003, 1  K 146 / 99, BeckRS  2003, 21013886; FG Berlin-Brandenburg, EFG 2014, 1856 – jew. Steuerbarkeit von Bestechungsleistungen. 86  Vgl. EuGH, NStZ 1981, 185; so auch Art. 212 S. 2 ZK u. künftig (s. Fn. 145) Art. 83 II Buchst. b UZK. 87  Vgl. Ratschow, in: Klein, § 40 Rn. 7 m. w. N. 88  Im Einzelnen Rätke, in: Klein, § 116 Rn. 1. 89  s. a. § 4 V 1 Nr. 10 S. 2, 3 EStG und § 10 I BpO.

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1. Teil: Grundlagen und -begriffe

hend unbekannt und wird daher in der Praxis nur selten angewendet90. Dabei wird verkannt, dass eine (nach bestehender Verdachtslage) bewusste Verletzung von § 116 I 1 AO unter Umständen als Strafvereitelung im Amt durch Unterlassen (§§ 258, 258a, 13 StGB) strafbar sein kann91.

II. Steuerstrafrechtsgrundlagen im Überblick Die §§ 369 ff. AO enthalten den größten Teil des materiellen Steuerstrafrechts einschließlich aller prozessualen Sonderregeln. Dieser 8. Teil der Abgabenordnung ist zweigeteilt: In den §§ 369–384 AO sind die besonderen Straf- und Bußgeldtatbestände des Steuerrechts geregelt (1. / 2.  Abschnitt); die §§ 385–412 AO beinhalten das steuerstrafrechtsspezifische Verfahrensrecht (3. Abschnitt). Neben den Straftatbeständen der Abgabenordnung (§§ 370, 372–374 AO) existieren auf Ebene des Bundesrechts mit Ausnahme der in § 369 I Nr. 3, 4 AO zu Steuerstraftaten „umqualifizierten“ §§ 148, 149 und 257 StGB (sog. unechte [„gekorene“] Steuerstraftaten) nur noch die §§ 26b, 26c UStG und § 23 RennwLottG als weitere echte („geborene“) Steuerstraftatbestände. Diese werden durch sog. gleichgestellte Straf- bzw. Analogtaten (vgl. Nr. 19 ASB) flankiert, auf die aufgrund gesetzlicher Anordnung das formelle und /  oder materielle Steuerstrafrecht (teilweise) entsprechende Anwendung findet92. Bevor das Steuerstrafrecht nach Vorgabe von Enno Becker im 3. Teil der Reichsabgabenordnung93 zum ersten Mal einheitlich (wenngleich auch unvollständig) kodifiziert wurde, enthielten sämtliche Einzelsteuergesetze in der Regel einen eigenen Abschnitt mit besonderen (Multiplar-94)Straf- und Verfahrensvorschriften. Eine derartige Zersplitterung der Steuerstrafrechtslage ist heute in abgeschwächter Form allenfalls noch im Steuerordnungswidrigkeitenrecht zu beobachten95. Nicht zuletzt wegen der nur konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz des Bundes im Steuerrecht96 und dem nicht durchgängigen Anwendungsbe90  Zu Recht krit. Löwe-Krahl, PStR 2005, 235; erg. Madauß, NZWiSt 2013, 100; ein „gelungenes“ Bsp. findet sich in PStR 2014, 82 („Meldung eines Arbeitsgerichts“). 91  Instr. Bülte, NStZ 2009, 57 zur Unterverbriefung von Grundstücken (erg. S. 240 m. w. N.); grdlg. Dusch / Rommel, NStZ 2014, 188. 92  Z. B. §§ 12 I 1, 35 MOG; weit. Bsp. im 2. Teil, Fn. 119; erg. M. Ebner, in: Flore / Tsambikakis, § 375 AO Rn. 6 f. 93  RAO v. 13.12.1919 (RGBl. S. 1993). 94  Vgl. Joecks, in: Franzen / Gast / Joecks, Einl. Rn. 28. 95  Außerhalb der AO (§§ 378–383a) finden sich praxisrelevante Steuer-OWi’en u. a. in §§ 50e I, 50f EStG, § 33 IV ErbStG, §§ 36, 37 TabStG und §§ 26a, 26b UStG. 96  Vgl. Art. 105 II, IIa GG.



A. Steuerstrafrecht – Was ist das?

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reich der Abgabenordnung (vgl. § 1 AO), verweisen die Abgabengesetze der Länder hinsichtlich der von diesen erhobenen Kommunalabgaben97 entweder generell auf die §§ 369 ff. AO oder es bestehen eigene, § 370 AO nachgebildete Straftatbestände98. Diese Normen verdrängen gemäß Art. 4 III EGStGB die Vorschriften des Besonderen Teils des StGB über Betrug, Hehlerei und Begünstigung. Im Übrigen gilt der Allgemeine Teil des StGB, soweit die Strafvorschriften der Steuergesetze nicht etwas Abweichendes bestimmen. Für das Bundesrecht sieht dies § 369 II AO ausdrücklich so vor; im Steuerstrafrecht der Länder ergibt sich die Anwendbarkeit des StGB-AT, sofern nicht auf § 369 II AO verwiesen wird, aus Art. 1 II EGStGB bzw. den landesrechtlichen Entsprechungen dieser Vorschrift99. Das verfahrensrechtliche Pendant zu § 369 II AO bildet § 385 I AO. Danach beanspruchen insbesondere die StPO, das GVG und das JGG einschließlich aller, auch ungeschriebenen Prozessrechtsgrundsätze im Steuerstrafverfahren Geltung. § 369 II AO und § 385 I AO sind deklaratorische Globalverweisungen und damit eigentlich überflüssig. Denn nach dem lex specialis-Grundsatz geht die Abgabenordnung den von dieser für anwendbar erklärten „allgemeinen Gesetzen“ ohnehin stets vor. Dieser überschaubare gesetzliche Rahmen wird durch in erster Linie für das steuerstrafrechtliche Ermittlungsverfahren bedeutsame Verwaltungsvorschriften ergänzt: Zu nennen sind hier zunächst die zuletzt mit Wirkung zum 1.11.2013 novellierten Anweisungen für das Straf- und Bußgeldverfahren (Steuer) – AStBV  (St) 2014 bzw., wie hier, kurz ASB100. Dabei handelt es sich – parallel zu den Richtlinien für das Strafverfahren und Bußgeldverfahren101 – um gemeinsame Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder zur bundesweit einheitlichen Durchführung von Steuerstrafverfahren durch die ihnen unterstellen Dienststellen102. Demselben Zweck dient die nach wie vor (fälschlicherweise) so bezeichnete Betriebsprüfungsordnung – BpO103, mit der die Vorschriften der Abgabenordnung über die steuerliche Außenprüfung (§§ 193 ff. AO) ergänzt und konkretisiert werden. Außenprüfungen sind, wie sich aus § 201 II AO und 97  Das sind nicht nur Steuern (z. B. Zweitwohnung-, Hunde- oder Vergnügungsteuer), sondern auch Gebühren und Beiträge. 98  Z. B. Art. 14 BayKAG; s. d. Nachw. in Teil 2, Fn. 123, 124 sowie erg. S. 151 f. 99  Z. B. Art. 2 BayLStVG. 100  BStBl.  I 2013, S. 1395 = BeckVerw 279250; erg. Gehm, StBW 2014, 65. 101  RiStBV, abgedr. in: Meyer-Goßner / Schmitt, Anh. 12. 102  Vgl. Nr. 1 I ASB; erg. Hellmann, wistra 1994, 13 (ASB rechtswidrig [zw.]). 103  BStBl. I 2000, S. 358 = BeckVerw 027626. Die Außenprüfung wurde bis zum Inkrafttreten der AO am 1.1.1977 als „Betriebsprüfung“ bezeichnet.

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1. Teil: Grundlagen und -begriffe

§ 10 I BpO ergibt, häufig Ausgangspunkt für die Einleitung eines steuerstrafrechtlichen Ermittlungsverfahrens (§ 397 AO), wobei Außenprüfer erfahrungsgemäß tendenziell eher zögerlich mit der zeitnahen Weitergabe entsprechender Informationen an die Strafverfolgungsbehörden sind, um das Prüfungsklima nicht zu „vergiften“. Diese Verhaltensweise kann – ungeachtet der damit verbundenen strafrechtlichen Risiken (§§ 258, 258a, 13 StGB) – wegen § 393 I 2–4, II AO sowohl in steuerlicher als auch in strafrechtlicher Hinsicht zu Verwend- bzw. Verwertbarkeitsproblemen führen104. Außerdem existiert für das seit 1.1.1996 aufgrund verfassungsgericht­ licher Vorgaben105 im Wesentlichen vom Bundeskindergeldgesetz (BKGG) in das Einkommensteuergesetz (§§ 62 ff. EStG) verlagerte106 Kindergeld eine gesonderte Dienstanweisung zur Durchführung von Steuerstraf- und Ordnungswidrigkeitenverfahren im Zusammenhang mit dem steuerlichen Familienleistungsausgleich nach dem X. Abschnitt des Einkommensteuergesetzes – DA-FamBuStra, die seit 1.7.2014 inhaltlich unverändert als „Kapitel S“ in die neu geschaffene Dienstanweisung zum Kindergeld nach dem EStG – DA-KG integriert ist107. Die Familienkasse ist „Finanzbehörde“ i. S. v. § 386 I AO und damit bei unberechtigtem Bezug von Kindergeld als „klein(st)e“ Steuer-Staatsanwaltschaft in den Grenzen der §§ 386 II Nr. 1, 400 1. Hs. AO zur Durchführung von Steuerstrafverfahren befugt108.

Bundes(steuer-)StrafR StGB §§ 369 ff. AO, (§ 369 II AO) §§ 26b, 26c UStG, StPO etc. § 23 RennwLottG (§ 385 I AO) und Analogtaten

Landes(abgaben-)StrafR Verweisungen auf die §§ 369 ff. AO oder eigene Tatbestände (Art. 4 III EGStGB)

Verwaltungsanweisungen: ASB, BpO, DA-KG Kap. S, RiStBV, MiStra, RiVASt

Abbildung 1: Steuerstrafrechtsgrundlagen im Überblick 104  Vgl. Jäger, in: Klein, § 393 Rn. 35, 45 ff. m. w. N.; grenzwertig Brenner, StBp 1979, 121 („oft haben es die Außenprüfer … in der Hand, den Steuerhinterzieher vor der Strafe zu schützen. Das Verhalten des Prüfers kann den Verjährungsablauf stoppen, durch sein Unterlassen kann er den Straftäter vor dem Straftrichter bewahren.“). 105  Vgl. BVerfGE 82, 60 = NJW 1990, 2869. 106  Krit. u. a. Dostmann, DStR 1999, 884. 107  s. dazu BZSt-Schreiben v. 1.7.2014, St  II 2-S 2280-DA / 14 / 00004, BStBl.  I, S. 918 = BeckVerw 287610. 108  Ausf. dazu S. 325 ff.



A. Steuerstrafrecht – Was ist das?51

III. Neustrukturierung des „Steuerstrafrechts BT“ zum 1.1.2008 Mit den §§ 370, 370a, 373, 374 AO sind die wichtigsten Tatbestände des, wenn man so will, „Besonderen Teils“ des Steuerstrafrechts durch das Gesetz zur Neuregelung der Telekommunikationsüberwachung und anderer verdeckter Ermittlungsmaßnahmen109 mit Wirkung zum 1.1.2008 in wesentlichen Punkten geändert bzw. aufgehoben worden. Ausgangspunkt dieser – wie nicht selten der Fall – „bei Gelegenheit“ erfolgten Novellierung des Kernbestands des materiellen Steuerstrafrechts waren verfassungsrechtliche Bedenken an dem in der Folge gestrichenen Verbrechenstatbestand des § 370a AO, die der damals noch für Revisionen in Steuer- und Zollstraf­ sachen zuständige110 5. Strafsenat des BGH bereits gut dreieinhalb Jahre zuvor in einem Beschluss vom 22.7.2004111 zum Ausdruck gebracht hatte. Ferner sollten Wertungswidersprüche behoben und seit Langem notwendige Klarstellungen innerhalb der Steuerstraftatbestände vorgenommen werden112. Abgesehen von der nur kurze Zeit später mit Wirkung zum 25.12.2008 erfolgten (teilweisen) Verdoppelung der Verjährungsfrist in § 376 I AO und den andauernden113 Verschärfungen des § 371 AO, handelt es sich bei der Novelle zum 1.1.2008 um die bedeutendste Änderung des materiellen Steuerstrafrechts seit dem Inkrafttreten der AO 1977. Die dabei nicht nur in der Abgabenordnung, sondern auch in flankierenden Gesetzen, wie z. B. in § 100a StPO, vorgenommenen Modifikationen wirken sich bis heute wesentlich auf die Handhabung des Steuerstrafrechts in der Praxis aus. Durch die Anpassung des Strafrahmens einzelner Vorschriften und die Klarstellung ihrer dogmatischen Einordnung haben sich vor dem Hintergrund des § 78 IV StGB zudem mittelbar verjährungsrelevante Folgewirkungen ergeben. Die Kenntnis der zum 1.1.2008 erfolgten Änderungen ist mithin unverzichtbare Grundlage für das Verständnis des heutigen Steuerstrafrechts und damit naturgemäß auch des darin eingebetteten Verfolgungsverjährungsrechts. Im Einzelnen:

109  G.

v. 21.12.2007 (BGBl. I, S. 3198). Fn. 3. 111  NJW 2004, 2990 (2991); zusf. Schneider, S.  276 ff. 112  Vgl. BT-Drs. 16 / 5846, S. 74. 113  s. nur 2. Teil, Fn. 160 zum aktuellen RegE eines G. zur Änderung der AO und des EGAO des BMF v. 27.8.2014. 110  s.

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1. Teil: Grundlagen und -begriffe

1. Steuerhinterziehung Bei dem betrugsähnlich ausgestalteten Tatbestand des § 370 AO handelt es sich um das „Zentraldelikt“114 des Steuer- / Abgabenstrafrechts. Die Vorschrift dient nach herrschender Meinung dem Schutz des öffentlichen Interesses am rechtzeitigen und vollständigen Aufkommen einer jeden Steuerart115. Gemäß § 370 I AO wird aus einem (Grund-)Straf­rahmen von Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren bestraft, „wer“ (d. h. grundsätzlich Jedermann, also nicht nur der Steuerpflichtige selbst) vorsätzlich – den Finanzbehörden (§ 6 II AO) oder anderen Behörden über steuerlich erhebliche Tatsachen unrichtige oder unvollständige Angaben macht (Nr. 1), – die Finanzbehörden pflichtwidrig über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis lässt (Nr. 2) oder – die Verwendung von Steuerzeichen116 oder Steuerstemplern pflichtwidrig unterlässt (Nr. 3). Steht eine dieser Verhaltensweisen (Erklärungsdelikt) hinreichend sicher fest, muss noch hinzutreten, dass „dadurch“ – Kausalität – Steuern (vgl. §§ 1 I, 3 AO) verkürzt oder nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt worden sind (Erfolgsdelikt). Der Begriff der Steuerverkürzung ist in § 370 IV 1 AO legaldefiniert (Faustformel: „Soll-Steuer minus Ist-Steuer“). Die Tatbestandsmerkmale „Steuerverkürzung“ und „Steuervorteil“ (§ 370 IV 2 AO) bilden die Einfallstore für das gesamte formelle und materielle Steuerrecht (daher: Blankettstraftatbestand117). Das schlichte Nichtbezahlen von Steuern ohne eine damit einhergehende Verletzung steuerlicher Erklärungs- oder Mitwirkungspflichten ist, anders als beispielsweise im Fall des § 266a I StGB, strafrechtlich grundsätzlich118 irrelevant. Innerhalb des § 370 AO ist mit Wirkung zum 1.1.2008 „nur“ die Strafzumessungsregel des § 370 III 2 AO (Strafrahmen – wie bisher – Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren) in folgenden Punkten geändert worden: 114  Seer,

in: Tipke / Lang, § 23 Rn. 20. nur Jäger, in: Klein, § 370 Rn. 2 m. w. N. 116  Tabaksteuerbanderolen i. S. v. § 17 TabStG (= § 12 TabStG a. F.) bilden derzeit den einzigen Anwendungsfall von § 370 I Nr. 3 AO (s. a. Fn. 394 sowie d. weit. Nachw. auf S. 303 ff.). 117  Vgl. Jäger, in: Klein, § 370 Rn. 5. 118  Einzige Ausnahme ist der durch das Steuerverkürzungsbekämpfungsgesetz – StVBG v. 19.12.2001 (BGBl. I, S. 3922) zeitgleich mit § 370a AO m. W. z. 1.1.2002 eingeführte § 26c UStG (so jüngst BGH, NStZ-RR 2014, 310). Im Steuer-OWiRecht erfasst § 380 I AO insbes. die Nichtabführung von Lohn- und Kapitalertragsteuer. 115  Vgl.



A. Steuerstrafrecht – Was ist das?53

– Erweiterung des Regelbeispiels in Nr. 1 (Steuerverkürzung „in großem Ausmaß“) durch Streichung der Einschränkung „aus grobem Eigennutz“; – Einführung von Nr. 5 als Ersatz119 für den gleichzeitig aufgehobenen § 370a AO. Als Annex dazu ist § 370 AO erstmals auch in den Vortatenkatalog der Geldwäsche aufgenommen worden (§ 261 I 2 Nr. 4b StGB)120. Das hat zur Folge, dass seither grundsätzlich jede Steuerhinterziehung taugliche Vortat einer Geldwäsche sein kann, sobald der Täter – was nicht selten vorkommt – wenigstens gewerbsmäßig handelt. Damit hat der Gesetzgeber eine wegen des meist fehlenden Bezugs zur Organisierten Kriminalität von Jahn121 zutreffend als „kriminalpolitisch bedenklich“ eingestufte Gleichstellung mit den Zolldelikten (§§ 373, 374 II AO) vorgenommen, die wegen ihrer – tatsächlich – regelmäßig organisiert-kriminellen Begehungsweise bereits seit 1998 taugliche Geldwäschevortaten sind (vgl. § 261 I 2 Nr. 3 StGB)122. Diesen Bedenken faktisch123 Rechnung tragend, ist die Steuerhinterziehung dagegen bei der Überwachung der Telekommunikation seit 1.1.2008 gemäß § 100a II Nr. 2a StPO allein in den Fällen des § 370 III 2 Nr. 5 AO als Katalogtat erfasst124. 2. Schmuggel Die dogmatische Einordung des § 373 AO war bis zum 1.1.2008 weitestgehend unklar und daher umstritten, obwohl die Vorschrift seit jeher strukturelle Ähnlichkeiten mit den Qualifikationstatbeständen der §§ 244, 244a StGB aufwies. Die überwiegende Auffassung im Steuerstrafrecht hatte in ihr bis dato dennoch keine Strafzumessungsregel („Regelbeispiel“) oder gar einen Qualifikationstatbestand gesehen, sondern – denkbar ungünstig, da „rechtstechnisch“ konturlos – eine „unselbstständige tatbestandliche Abwandlung“125 der §§ 370, 372 AO angenommen. Nach119  Vgl.

BT-Drs. 16 / 5846, S. 75. dazu BT-Drs. 16 / 5846, S. 76. 121  M. Jahn, in: Satzger / Schluckebier / Widmaier, § 261 Rn. 25. 122  s. a. M. Jahn, in: Satzger / Schluckebier / Widmaier, § 261 Rn. 23 („leider nicht nur … Abs. 3 Nr. 5“). 123  Die Gesetzesbegründung (BT-Drs. 16 / 5846, S. 42; BR-Drs. 275 / 07, S. 93) verhält sich hierzu nicht. 124  Erg. Kramer, NJW 2014, 1561; s. a. S. 161 f. 125  Quedenfeld / Füllsack, 3. Aufl., Rn. 240. In der Urteilsformel (§ 260 IV 1, 2 StPO) war (und ist) deshalb wegen „Schmuggels“ schuldig zu sprechen, vgl. Harms / Jäger, NStZ-RR 2000, 129 (133); erg. Leplow, PStR 2008, 63 (67) sowie Fn. 152. 120  s.

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1. Teil: Grundlagen und -begriffe

dem der Gesetzgeber § 373 AO in der Begründung des Artikelgesetzes vom 21.12.2007 ausdrücklich als „selbstständigen Qualifikationstatbestand zu § 370 Abs. 1 AO“ bezeichnet hat und dies auch durch die Einfügung von § 373 III AO „klargestellt“ wissen wollte126, hat sich der Meinungsstreit endgültig zugunsten eines gemäß § 78 IV StGB verjährungswirksamen Qualifikationstatbestands127 erledigt. Sein Anwendungsbereich ist zwar auf die Hinterziehung (§ 370 AO) von Ein- und Ausfuhrabgaben128 sowie den Bannbruch (§ 372 AO) beschränkt, aber nach wie vor vorallem in Fällen des „Zigarettenschmuggels“129 von großer praktischer Bedeutung. Der unverändert gebliebene Bannbruch (vormals: „Kontrebande“) ist eine genuin zollstrafrechtliche Norm. Sie soll(te) die Ahndung von Zuwiderhandlungen gegen Ein-, Aus- und Durchfuhrverbote (sog. Verbringungsverbote) ermöglichen, die sich heute nur noch aus nichtsteuerlichen Gesetzen, wie z. B. dem BtMG, WaffG oder KrWaffKG, ergeben. Da mittlerweile ausnahmslos all diese Gesetze eigene Strafund / oder Bußgeldtatbestände enthalten130, führt die Subsidiaritätsklausel in § 372 II 2. Hs. AO dazu, dass der Bannbruch als solcher praktisch bedeutungslos geworden ist. Allerdings bewirkt § 372 AO auch heute noch, dass Verstöße gegen Verbringungsverbote gemäß § 369 I Nr. 2 AO zu Steuerstraftaten „umqualifiziert“ werden, mit der Folge, dass die strafverfahrensrechtlichen Vorschriften der Abgabenordnung (§§ 385 ff. AO) unmittelbar anwendbar sind (formelle Konsequenz131). (Nur) Bei bandenmäßigen oder gewaltsamen Verstößen gegen Verbringungsverbote kommt gemäß § 373 II 1. Hs. AO zudem eine Strafbarkeit wegen (qualifizierten) Schmuggels in Betracht (materielle Konsequenz132), was auch verjährungsrechtlich relevant sein kann133. Die Tat bleibt unter diesen beiden Gesichtspunkten folglich auch Bannbruch.

§ 373 AO setzt voraus, dass eines der in Absatz  1 und 2 abschließend aufgezählten Qualifikationsmerkmale (Gewerbs- oder Bandenmäßigkeit, Beisichführen von Schuss- oder sonstigen Waffen bzw. Werkzeugen) erfüllt ist. Diese sind in Entsprechung zum Kernstrafrecht in erster Linie anhand der zu § 244 StGB entwickelten Kriterien auszulegen. Auch § 373 AO wurde mit Wirkung zum 1.1.2008 in mehrfacher Hinsicht geändert134: 126  BT-Drs.  16 / 5846,

S. 75. Jäger, in: Klein, § 373 Rn. 3; Leplow, PStR 2008, 63 (65). 128  Oberbegriff: „Eingangsabgaben“ (z. B. EG-Zoll, EUSt [erg. Fn. 193]). 129  s. S.  58 ff. 130  Bsp.: § 29 I 1 Nr. 1, 5 BtMG; § 52 I Nr. 2d WaffG. 131  Vgl. BGHSt  24, 137 (139); erg. S. 132 f. 132  Vgl. Jäger, in: Klein, § 372 Rn. 2 u. in: Franzen / Gast / Joecks, § 372 Rn. 44 jew. m. w. N. 133  s. S. 345. 134  Zusf. Jäger, in: Klein, § 373 Rn. 3. 127  Zust.



A. Steuerstrafrecht – Was ist das?55

– verjährungsrechtlich relevante (§ 78 IV StGB) Anhebung des Strafrahmens auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren (bisher: drei Monate bis zu fünf Jahren) und damit Gleichstellung mit § 370 III AO135; – Einführung eines minder schweren Falls in § 373 I 2 AO n. F.; – tatbestandliche Ausweitung des bandenmäßigen Schmuggels in § 373 II Nr. 3 AO n. F. durch Streichung des sog. Mitwirkungmerkmals136; – ausdrückliche Regelung der Versuchsstrafbarkeit in § 373 III AO137; – Anordnung der entsprechenden Geltung von § 370 IV 1 und VII AO, mit der Folge, dass § 373 AO nunmehr erstmals auch Einfuhrabgaben, die von anderen EU-Mitgliedsstaaten verwaltet werden oder einem Mitgliedsstaat der Europäischen Freihandelsassoziation138 oder einem mit dieser assoziierten Staat zustehen, als Schmuggel verfolgt werden können (§ 373 IV AO; bisher nur als Steuerhinterziehung fassbar). Außerdem wurde § 373 AO in § 100a II Nr. 2b StPO zur „TKÜ-Katalogtat“ aufgewertet. Damit ist der vor allem beim „Zigarettenschmuggel“139 und in Fällen des Umsatzsteuer(karussell-)betrugs140 bis dato häufig hilfsweise141 erfolgte Rückgriff auf § 129 i. V. m. § 261 I 2 Nr. 3 StGB142 zur Begründung von Telekommunikationsüberwachungsmaßnahmen obsolet geworden143. 3. Steuerhehlerei Parallel zur Sachhehlerei des Kernstrafrechts enthält das Steuerstrafrecht mit § 374 AO einen eigenen Tatbestand der Steuer- bzw. Zollhehlerei. Die Existenz der Vorschrift liegt in der nur unzureichenden Reichweite des § 259 StGB begründet, der ausschließlich Sachen (§§ 90, 90a BGB) erfasst, die 135  Vgl.

BT-Drs. 16 / 5846, S. 75. Jäger, in: Klein, § 373 Rn. 50. 137  Vgl. Jäger, in: Klein, § 373 Rn. 61. 138  Kurz: „EFTA“. Ihr gehören Island, Liechtenstein, Norwegen und die Schweiz an. 139  s. S.  58 ff. 140  Erg. S.  358 f. 141  Krit. u. a. Buse / Bohnert, NJW 2008, 618 f. 142  Vgl. § 100a II Nr. 1 d, m StPO. 143  s. BT-Drs. 16 / 5846, S. 42; erg. Leplow, PStR 2008, 63 (67); Jäger, NStZ 2008, 21 f. (zur alten Rechtslage). 136  Vgl.

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1. Teil: Grundlagen und -begriffe

„ein anderer gestohlen oder sonst durch eine gegen Vermögen gerichtete rechtswidrige Tat erlangt hat“.

Im Gegensatz bzw. in Ergänzung144 dazu soll § 374 AO als sog. Anschlussdelikt bewirken, dass „Erzeugnisse oder Waren, hinsichtlich deren Verbrauchsteuern oder Einfuhr- und Ausfuhrabgaben im Sinne des Artikels 4 Nr. 10[145] und 11[146] des Zollkodexes hinterzogen oder Bannbruch nach § 372 Abs. 2, § 373 begangen worden ist“,

weitestgehend verkehrsunfähig gemacht werden. Die Vorschrift zielt damit, anders als § 259 StGB147, nicht darauf ab, die Aufrechterhaltung einer (zivil-) rechtswidrig erlangten Vermögensposition (z. B. Besitz an einem gestohlenen Gegenstand) zu sanktionieren. In ihrem Fokus steht vielmehr, dass der Täter eine steuerrechts- oder bannwidrige Rechtslage perpetuiert; der Besitz an dem Gegenstand der Steuerhehlerei als solcher kann (z. B. bei Betäubungsmitteln), muss aber nicht (z. B. bei Zigaretten) rechtswidrig und strafbar sein148. Da § 374 I AO bewusst der Sachhehlerei nachgebildet ist, sind die jeweiligen Tathandlungen deckungsgleich. Beim Ankauf steuerlich „kontaminierter“ Ware genügt es daher beispielsweise nicht, dass bereits ein Kaufvertrag (§ 433 BGB) abgeschlossen worden ist. Für eine vollendete Steuerhehlerei muss es vielmehr zur tatsächlichen Übergabe der Ware(n) gekommen sein; andernfalls kommt nur eine (jetzt in § 374 III AO eigens unter Strafe gestellte) versuchte Steuerhehlerei in Betracht149. 144  § 259 StGB und § 374 AO können in Tateinheit zueinander stehen (Jäger, in: Klein, § 374 Rn. 52). 145  Künftig: Art. 5 Nr. 20 UZK. Der Zollkodex der Union – UZK (= VO [EU] Nr. 952 / 2013 [ABl. Nr. L  269 v. 9.10.2013, S. 1, ber. in: ABl. Nr. L  287 v. 29.10.2013, S. 90]) wurde am 9.10.2013 – anstelle des Modernisierten Zollkodex (MZK) – beschlossen und ist gem. Art. 287, 288 I UZK am 30.10.2013 formell in Kraft getreten. Ein wesentlicher Teil der Vorschriften des Unionszollkodex ist jedoch gem. Art. 288 II UZK erst ab 1.5.2016 anwendbar (zusf. Klötzer-Assion, wistra 2014, 92; erg. Jäger, in: Klein, § 370 Rn. 150; Lux, ZfZ 2014, 178). In der Abgabenordnung werden in diesem Kontext u. a. die §§ 169 II 1 Nr. 2, 374 I und 375 II Nr. 1 AO angepasst werden müssen, was aktuell im diesbzgl. RegE eines G. zur Anpassung der AO an den UZK und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften – ZollkodexAnpG v. 26.9.2014 (BR-Drs. 432 / 14) bereits berücksichtigt ist (vgl. Art. 2 Nr. 5 RegE). 146  Künftig (s. Fn. 145): Art. 5 Nr. 21 UZK. 147  Grdlg. Jahn / Palm, JuS 2009, 501. 148  Vgl. nur Jäger, in: Klein, § 374 Rn. 1. Wegner (in: PStR 2010, 113) bringt dieses wie folgt auf den Punkt: „Die kriminalpolitische Bedeutung des § 374 AO liegt darin, die Personen bestrafen zu können, denen der Umgang mit unversteuerten bzw. verbotswidrig eingeführten Waren, jedoch nicht die vorausgegangene Steuerhinterziehung bzw. das verbotswidrige Verbringen zur Last gelegt werden kann.“ 149  Vgl. Jäger, in: Klein, § 374 Rn. 22.



A. Steuerstrafrecht – Was ist das?57

§ 374 AO ist zum 1.1.2008 wie folgt neu strukturiert und erweitert worden150: – Streichung der (unübersichtlichen) Verweisungen auf § 370 I und II AO in Absatz  1 zugunsten einer eigenständigen Strafdrohung in § 374 I AO n. F. (Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu 5  Jahren) und einer ausdrücklichen Regelung der Versuchsstrafbarkeit in § 374 III AO; – Streichung der Verweisung auf § 373 AO in Absatz  1 a. F. zugunsten eines eigenständigen Qualifikationstatbestands in § 374 II AO n. F., der neben der (bisher über die Verweisung auf § 373 AO abgedeckten) gewerbsmäßigen Tatbegehung jetzt alternativ („oder“) auch die vom Unrechtsgehalt her auf gleicher Ebene stehende151 bandenmäßige Steuerhehlerei erfasst152; – verjährungsrechtlich relevante (§ 78 IV StGB) Anhebung des Strafrahmens der qualifizierten Steuerhehlerei in Absatz 2 n. F. (bisher [über die Verweisung auf § 373 AO]: Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren) auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren und damit Gleichstellung mit § 373 AO n. F.; – Einführung einer minder schweren qualifizierten Steuerhehlerei in § 374 II 2 AO, parallel zu § 373 I 2 AO; – Streichung von § 374 II AO a. F. zugunsten eines übersichtlicheren, den bisherigen Regelungsinhalt unberührt lassenden Verweises auf § 370 VI 1, VII AO in § 374 IV AO. Konsequenterweise nimmt auch § 261 I 2 Nr. 3 StGB seit 1.1.2008 nicht mehr nur auf die gewerbsmäßige Steuerhehlerei, sondern jetzt einschränkungslos auf § 374 II AO n. F. Bezug. In der Folge kann sich – durchaus bemerkenswert – nur der gewerbs- und / oder bandenmäßig handelnde Steuer­hehler wegen seiner Vortatbeteiligung nach Maßgabe von § 261 IX 2 StGB nicht zugleich wegen Geldwäsche strafbar machen153, ein den Qualifikationstatbestand nicht verwirklichender (und daher mit weniger kriminel150  Zusf.

Jäger, in: Klein, § 374 Rn. 2. BT-Drs. 16 / 5846, S. 76. 152  Bei der rechtlichen Bezeichnung der Tat (§§ 200 I 1, 260 IV 1, 2 StPO) ist bei § 374 II AO n. F. zu beachten, dass wegen „gewerbs-“ und / oder „bandenmäßiger Steuerhehlerei“ anzuklagen bzw. schuldig zu sprechen ist. Da es sich bei Qualifikationen um besondere persönliche Merkmale (§ 28 II StGB) handelt, ist bei Teilnehmern speziell darauf achten, ob auch diese den Qualifikationstatbestand objektiv und subjektiv erfüllt haben. Ist dieses nicht der Fall, können diese nur wegen „Anstiftung“ oder „Beihilfe zur Steuerhehlerei“ belangt werden, auch wenn die Haupttat gewerbs- und / oder bandenmäßig begangen ist (so zutr. Leplow, PStR 2008, 63 [65 u. 67]); erg. Fn. 125 (zu § 373 AO). 153  Erg. BGH, NStZ 2000, 653 (654); Harms / Jäger, NStZ 2001, 236 (237 f.). 151  Vgl.

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1. Teil: Grundlagen und -begriffe

ler Energie handelnder) Beteiligter (§ 28 II StGB) dagegen schon – ein vom Gesetzgeber so sicher nicht bedachter Wertungswiderspruch, der durch den Rechtsanwender, wenn nicht bereits straftatsystematisch154, dann jedenfalls auf der Rechtsfolgenseite aufgelöst werden muss155. Ein ähnliches Problem stellt sich bei der Sachhehlerei, weil § 261 I 2 Nr. 4a StGB die §§ 260, 260a StGB nicht erfasst. Zudem ist auch nur die qualifizierte Steuerhehlerei (§ 374 II AO n. F.) taugliche Anlasstat für Maßnahmen nach § 100a II Nr. 2c StPO geworden.

IV. Ausgewähltes Praxisbeispiel: Der „Zigarettenschmuggel“ Die Einfuhr von und der Handel mit unverzollten und unversteuerten Zigaretten (sog. Zigarettenschmuggel) sind in der Praxis nach wie vor von großer Bedeutung156. Im Gegensatz dazu hat sich die Literatur bisher nur vergleichsweise selten ausführlich mit dem Themengebiet befasst. Schwierigkeiten bereitet diese im Kern zollstrafrechtliche Fallgruppe zum einen deshalb, weil sich die Abgrenzung zwischen den zum Teil nebeneinander, zum Teil alternativ in Betracht kommenden Tatbeständen der §§ 370, 373 und § 374 AO nicht immer einfach gestaltet. Ihre Bezeichnung als „Zigarettenschmuggel“ wird dem Phänomenkreis nicht gerecht. Denn dabei handelt es sich nur um einen Sammelbegriff, der keinesfalls bedeutet, dass die Täter stets („nur“) nach § 373 AO („Schmuggel“) bestraft werden. Zum anderen muss in jedem Einzelfall genau geprüft werden, welche (ggf. ausländischen) Abgaben konkret hinterzogen wurden. 1. Schmuggel oder Steuerhehlerei? Werden solche Zigaretten in großen Mengen (häufig getarnt auf Lkws und regelmäßig unter dem – fiktiven – Markennamen „Jin Ling“157) in das Bundesgebiet verbracht, stellt sich bei Personen, die nach der Einfuhr aus 154  Vgl. M. Jahn, in: Satzger / Schluckebier / Widmaier, § 261 Rn. 79, wonach § 261 StGB durch mitverwirklichte Tatbestände wie etwa § 374 AO im Wege der Gesetzeskonkurrenz verdrängt werden soll, wenn diese hinsichtlich des bemakelten Gegenstands dasselbe Ziel verfolgen (zw.). 155  Der gleichzeitig verwirklichten Geldwäsche dürfte in Fällen dieser Art bei der Strafzumessung i. e. S. kein wesentliches Gewicht mehr zukommen (vgl. etwa BGH, NStZ 1993, 434; NStZ-RR 2000, 104). 156  Vgl. nur Harms / Jäger, NStZ 2004, 191 (194); zum Umfang des Phänomens BT-Drs. 16 / 9966, S. 3 f. (Sicherstellungsmenge in 2007: 465  Mio. Stck. [Höchststand]); Harder, in: Wabnitz / Janovsky, 4. Aufl., 22.  Kap. Rn. 97 (Sicherstellungen von 2002–2011 [Tiefststand in 2010: 157  Mio. Stck.]). 157  So etwa im Fall BGHSt 57, 151 = NJW 2012, 1746.



A. Steuerstrafrecht – Was ist das?

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einem Staat außerhalb der Europäischen Union (z. B. Ukraine)158 über ein EU-Transitland (z. B. Polen159) in Deutschland an diesem Geschehen mitwirken (sog. Transitfall), regelmäßig die deliktssystematische Frage, ob diese noch Beteiligte am „Schmuggel“160 oder schon Steuerhehler sind161. Analog zur Sachhehlerei im Kernstrafrecht (§ 259 StGB) ist auch bei § 374 AO anerkannt, dass sich ein an der Vortat (d. h. hier in erster Linie am „Schmuggel“ in die bzw. innerhalb der EU) Beteiligter wegen des Exklusivitätsverhältnisses der beiden Tatbestände im Grundsatz nicht zugleich wegen Steuerhehlerei strafbar machen kann162. Da eine solche Beteiligung am „Schmuggel“ je nach Tatherrschaft und Willensrichtung des Handelnden auch noch im Stadium zwischen Vollendung und Beendigung der Vortat denkbar ist163, scheidet eine Vortatbeteiligung erst mit Beendigung des Schmuggels rechtlich zwingend aus. Hinsichtlich des Zeitpunkts der Beendigung der Vortat, die, wie zum Teil vertreten wird164, auch für den Beginn der Verjährungsfrist maßgeblich sein soll, hat der BGH165 im Anschluss an das Reichsgericht166 inzwischen mehrfach klargestellt, dass das – untechnisch formuliert – „Schmuggeln“ „erst dann beendet [ist], wenn das geschmuggelte Gut in Sicherheit gebracht und ‚zur Ruhe gekommen‘ …, d. h. seinem Bestimmungsort zugeführt worden ist“.

Wann hiervon auszugehen ist, ist nach den vom BGH noch nicht näher konkretisierten „Umständen des Einzelfalls“ zu beurteilen und bedarf daher einer tatrichterlichen (Be-)Wertung im Einzelfall167. 158  Werden die Zigaretten innerhalb der EU hergestellt, fallen keine Einfuhrabgaben an, weil sich diese dann von Anfang an im steuerrechtlich freien Verkehr eines Mitgliedstaats befunden haben. 159  Vgl. die Fälle BGH, wistra 2011, 348 u. 394 – jew. Zwischenhändler. 160  In diesem Kontext relevante Einfuhrabgaben sind der unionseinheitliche Zoll, die (von § 12 UStG i. d. R. abweichende) Einfuhrumsatzsteuer des (ersten) Transitlandes (nach Überschreitung der EU-Außengrenze) und dessen Tabaksteuer, falls diese wie eine Einfuhrabgabe erhoben wird. § 373 AO scheidet dagegen mangels erneuter Einfuhr aus (vgl. BGH, NStZ 2007, 592 [595]). 161  Vgl. Harms / Jäger, NStZ 2001, 236 (237 f.). 162  Vgl. Jäger, in: Franzen / Gast / Joecks, § 374 Rn. 14; erg. Leplow, PStR 2008, 213 (215). 163  In Form von (sukzessiver) Mittäterschaft oder Beihilfe. 164  Ausf. dazu S. 354 ff. 165  NStZ 2000, 594 m. w. N.; s. a. BGHSt 3, 40 (44); BGH, NJW 1954, 480; NStZ 2007, 592 (594); 2010, 644 (645); BGHSt 57, 151 (154) = NJW 2012, 1746 (1747); zusf. Möller / Retemeyer, in: Bender / Möller / Retemeyer, B II Rn. 146 f., C IV Rn. 676 f. 166  Vgl. RGSt 67, 345 (348 f.). 167  Die bisher einzig greifbare Kontur besteht nach BGH, wistra 2007, 224 (225) darin, dass das bloße Umladen der Zigaretten noch nicht zu einer Tatbeendigung führt.

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1. Teil: Grundlagen und -begriffe

2. Bagatellfälle In Bagatellfällen sieht § 37 I 2 TabStG168 mit Blick auf § 374 AO einen Tatbestandsausschluss zugunsten einer Ordnungswidrigkeit vor, wenn im Rahmen einer prozessualen Tat (§ 264 I StPO) maximal 1.000 „Schmug­ gelzigaretten“169 zum eigenen Verbrauch im Bundesgebiet erworben werden (sog. Hehlerprivileg). Damit wird der Grundsatz der Subsidiarität von Ordnungswidrigkeiten gegenüber Straftaten (§ 21 I 1 OWiG) zugunsten einer Beweis-170 und damit Verfahrenserleichterung ausnahmsweise umgekehrt. Daneben normiert § 32 ZollVG ein Verfolgungshindernis171 („werden … nicht verfolgt“) für Steuerstraftaten und -ordnungswidrigkeiten, die im grenzüberschreitenden Reiseverkehr begangen werden, wenn sich die Tat auf Waren bezieht, die weder zum Handel noch zur gewerblichen Verwendung bestimmt sind, und die (angestrebte) Einfuhrabgabenverkürzung einen Betrag von 130 € nicht übersteigt (sog. Schmuggel- bzw. Schmugglerprivileg). Da auf die im privaten Reiseverkehr zwischen den Mitgliedsstaaten mitgeführten Waren ohnehin keine Zölle und Verbrauchsteuern (mehr) anfallen, wird die Vorschrift im Wesentlichen bei der Einreise in die BRD aus Drittländern auf dem See- oder Luftweg relevant (auf dem Landweg kommt insofern nur die Schweiz in Betracht)172. Wenn nicht sicher feststellbar ist, ob der Täter „Bagatellschmuggler“ (§ 32 ZollVG) oder „Bagatellhehler“ (§ 37 TabStG) ist, jedoch feststeht, dass jedenfalls eine der beiden Alternativen vorliegt, ist nach dem Zweifelsgrundsatz von der jeweils günstigen auszugehen. 3. Welche Abgaben sind hinterzogen? Die in Fällen des „Zigarettenschmuggels“ für die Ermittlungsbehörden und Gerichte schwierigste Frage ist mitunter diejenige nach Art und Höhe der im Einzelfall hinterzogenen Abgabe(n). Im Grundsatz können bei der Einfuhr unverzollter und unversteuerter Zigaretten in das Steuergebiet der 168  Bis

1.4.2010: § 30a I 2 TabStG. Kleinverkaufspackung („Schachtel“) muss mindestens 19 Zigaretten enthalten (§ 25 II TabStG; erg. BT-Drs. 16 / 12257, S. 80). Eine Stange Zigaretten besteht i. d. R. aus zehn Schachteln, d. h. aus mindestens 190 Zigaretten. 1.000 Zigaretten sind danach etwas mehr fünf Stangen. 170  Die OWi kann gem. § 37 I 1 TabStG, § 10 OWiG auch fahrlässig verwirklicht werden. 171  Vgl. nur Häberle, in: Erbs / Kohlhaas, § 32 ZollVG Rn. 1 m. w. N. 172  Vgl. Jäger, in: Franzen / Gast / Joecks, § 32 ZollVG Rn. 2, 5, 18 ff.; erg. BFHE 216, 468 = DStRE 2007, 789 zur Benutzung des „grünen Ausgangs“ am Flughafen. 169  Eine



A. Steuerstrafrecht – Was ist das?61

BRD Einfuhrabgaben in Form von (1) EU-Zoll, (2) Einfuhrumsatzsteuer und (3) Tabaksteuer anfallen. Wegen §§ 370 VI 1, VII, 373 IV und 374 IV AO kann das neben der deutschen Tabaksteuer173 auch die Einfuhrumsatzsteuer und die Tabaksteuer umfassen, die von einem anderen EU-Mitgliedsstaat (z. B. Polen) nach dem dort geltenden Recht verwaltet wird. Zur genauen Ermittlung der betroffenen Abgaben ist, sofern sich der Weg der Zigaretten in das Bundesgebiet überhaupt hinreichend sicher nachvollziehen lässt174, danach zu unterscheiden, ob die Zigaretten – über Freihäfen175 oder den Luftweg unmittelbar aus einem Drittland (§ 4 Nr. 7 TabStG) in die BRD „geschmuggelt“, d. h. im tabaksteuerrechtlichen Sinne eingeführt, worden sind (sog. Nichtgemeinschafts- / -unionsware176 [§§ 19 ff. TabStG]) oder ob sie sich – vor der Einfuhr im freien Verkehr eines anderen Mitgliedstaats177 befunden haben und von dort aus lediglich in das Steuergebiet der BRD verbracht wurden (sog. Transitfall [§§ 22 ff. TabStG]). a) Transitfall Im Transitfall (Bsp.: die Zigaretten werden auf dem Landweg von der Ukraine über Polen nach Deutschland verbracht) kommt es zu keiner Verkürzung von Einfuhrabgaben (d. h. § 373 AO greift nicht ein178), weil beim Grenzübertritt in die BRD keine (erstmalige bzw. erneute) „Einfuhr“ in das Zollgebiet der Europäischen Union stattfindet. § 19 I TabStG179 ist nicht einschlägig. Eine Tabaksteuerschuld entsteht hier vielmehr über §§ 23, 22 I, 17 I TabStG180, sodass nach dem Verbringen der Zigaretten in das deutsche Steuergebiet „unverzüglich“ eine Steuererklärung bei dem gemäß § 23 AO zuständigen Hauptzollamt abzugeben ist, § 23 I 3 TabStG181. Tut der (ge173  Grdlg. u. a. Heil, in: Bestlex, Stichwort „Tabaksteuer“; Middendorp, ZfZ 2011, 197 (198 ff.); Weidemann, wistra 2012, 1 (2 ff.), 49 ff. 174  I. d. R. aufgrund eines auf Grundlage von § 100g StPO erstellten Bewegungsbildes („Geodaten“). 175  Bsp.: BGH, NStZ 2007, 592; LG  Hamburg, NStZ-RR 2001, 277. 176  Vgl. Art. 4 Nr. 7, 8 ZK (künftig [s. Fn. 145]: Art. 5 Nr. 23, 24 UZK [Unions- /  Nichtunionsware]). 177  Vgl. Art. 7 II RL 2008 / 118 / EG des Rates v. 16.12.2008 – VerbrauchsteuerSystemrichtlinie (AblEU 2009, Nr. L  9, S. 12); erg. Middendorp, ZfZ 2011, 197 (199 f.). 178  Vgl. BGH, NStZ 2007, 592 – von der Türkei auf dem Landweg nach Deutschland geschmuggelte Zigaretten; Middendorp, ZfZ 2011, 197 (203 f.) m. w. N. 179  = § 21 S. 1 TabStG a. F. 180  = §§ 19, 12 I 1 TabStG a. F. 181  = § 19 S. 3 TabStG a. F.

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1. Teil: Grundlagen und -begriffe

werbliche [vgl. § 23 I 1 TabStG]) „Verbringer“ oder der „Empfänger“ (letzterer, „sobald er den Besitz an den Tabakwaren erlangt hat“, § 23 I 2 ­TabStG) dies nicht, hinterzieht er deutsche Tabaksteuer (§ 370 I Nr. 2 AO182), was seit 1.1.2008 auch § 370 III 2 Nr. 5 AO unterfallen kann, da die Tabaksteuer eine Verbrauchsteuer ist. Daneben (§ 53 I StGB183) kann in der BRD gemäß § 370 VI 1 AO auch die Hinterziehung des – im Beispiel – in Polen nicht entrichteten unionseinheitlichen Einfuhrzolls sowie der polnischen Einfuhrumsatz- und Tabaksteuer unter dem Gesichtspunkt des Schmuggels (§§ 370, 373 AO) verfolgt werden. Das gilt gemäß § 370 VII AO, der eine Sonderreglung zu den §§ 5–7 StGB darstellt, ungeachtet dessen, dass die Tat im Ausland begangen worden ist. Nach dem zum 1.1.2008 neu eingeführten § 373 IV AO ist in diesen Fällen erstmals auch eine Anwendung des Schmuggeltatbetands möglich. Hinsichtlich der ausländischen Tabaksteuer ist das aber nur der Fall, wenn diese auch dort wie eine Einfuhrabgabe erhoben wird. Der Tatrichter steht dabei vor dem Problem, dass er wegen der Ausgestaltung des Steuerstrafrechts als Blankettstrafrecht neben der ohnehin schon schwierigen Bestimmung des Zollwerts184 und des Kleinverkaufspreises185 der Zigaretten auch das materielle Steuerrecht des jeweiligen Transitlandes (im Bsp.: Polen) anwenden muss, um den für die Strafzumessung maßgeblichen Verkürzungsumfang zutreffend berechnen zu können186. Diese Berechnung ist durch das Revisionsgericht in vollem Umfang nachprüfbar187 und naturgemäß fehleranfällig188. In der Praxis bietet es sich daher an, insoweit großzügig von den Einstellungsmöglichkeiten der §§ 154, 154a StPO Gebrauch zu machen. Das ist, von verfahrensökonomischen Aspekten abge182  Einschr. bzgl. des „Empfängers“ BGH, NStZ 2010, 644 zu § 19 S. 2 TabStG a.F. (ggf. alternativ § 374 AO); (nur) auf steuerlicher Ebene abw. EuGH, wistra 2014, 433 nach Vorlage durch den BFH (E 240, 458 = DStRE 2013, 636 m. Anm. Allgayer / Sackreuther, NZWiSt 2014, 235). Zum Verjährungsbeginn in diesen Fällen und zu § 370 I Nr. 3 AO s. S. 303 ff. 183  Vgl. BGH, wistra 2008, 470; erg. Allgayer / Sackreuther, PStR 2009, 44. 184  Vgl. Art. 28 ff. ZK (künftig [s. Fn. 145]: Art. 69 ff. UZK); s. zur Berechnung Jäger, in: Amelung FS, S. 447 (452 ff.); Weidemann, wistra 2012, 49 (54). 185  s. jetzt BGH, NStZ-RR 2009, 343; erg. Jäger u. Weidemann (Fn. 184). 186  Vgl. BGH, NStZ 2007, 595 (596) – spanische Tabak- u. Einfuhrumsatzsteuer. 187  Vgl. Jäger, NStZ 2008, 21 (24 f.); Leplow, PStR 2008, 63 (64); erg. Harms / Jäger, NStZ 2001, 181 (185 f.); NStZ 2002, 244 (250 f.); Leplow, PStR 2008, 213. 188  Dies gilt sowohl für die Steuerberechnung als solche (= materiell-rechtlicher Rechtsanwendungsfehler) als auch für die Berechnungsdarstellung, ohne die das RevGer. den „Rechenweg“ des Tatgerichts nicht im Einzelnen nachvollziehen kann (= Darstellungsmangel i. S. eines sachlich-rechtlichen Verstoßes gegen § 267 I 1 StPO; Ausn.: BGH, Beschl. v. 8.7.2014, 1 StR 240 / 14, BeckRS 2014, 18089, Tz. 6 ff.; s. zum Ganzen auch Jäger, StraFo 2006, 477 [479 ff.]).



B. Rechtsinstitut der Verjährung im Steuer-, Straf- und Steuerstrafrecht63

sehen, für den Tatrichter insbesondere deshalb „attraktiv“, weil er so revisible Rechtsfehler sicher vermeiden kann, ohne dass sich der Gesamtverkürzungsumfang wesentlich verringert und damit keine gravierenden Auswirkungen auf die Strafzumessung zu erwarten sind189. Nicht zuletzt deshalb empfiehlt mittlerweile selbst der BGH, in diesen Fällen jedenfalls die ausländische Tabaksteuer generell von der Strafverfolgung auszunehmen190. b) Nichtgemeinschafts- / -unionsware Werden die Zigaretten unmittelbar aus einem Drittland in die BRD eingeführt, ohne dass diese pflichtgemäß „gestellt“191 worden sind, liegt eine Hinterziehung des unionseinheitlichen Zolls und der deutschen Tabaksteuer vor. Nur in dieser (seit der EU-Osterweiterung zur Ausnahme gewordenen192) Konstellation wird zusätzlich auch einmal die Verkürzung deutscher Einfuhrumsatzsteuer193 relevant.

B. Das Rechtsinstitut der Verjährung im Steuer-, Straf- und Steuerstrafrecht I. Rechtsgrundlagen und -folgen 1. Im Strafrecht Die allgemeinen strafrechtlichen Verjährungsregeln sind in den §§ 78 ff. StGB normiert. Das Gesetz unterscheidet hier zwischen (1) der Strafverfolgungsverjährung (§§ 78–78c StGB), d. h. dem Zeitraum, innerhalb dessen Straftaten ermittelt194, angeklagt und einer gerichtlichen Entscheidung in 1. Instanz195 zugeführt werden können, und (2) der Strafvollstreckungsver189  Erg.

S.  66 f. nur BGH, wistra 2011, 348 (349) m. w. N. – polnische Akzise; s. zuletzt BGH, NJW 2012, 1746 („sachgerecht“). 191  Vgl. Art. 4 Nr. 19, Art. 40 ZK (künftig [s. Fn. 145]: Art. 5 Nr. 24 Art. 69 UZK). 192  Vgl. Jäger, in: Amelung FS, S. 447 (451, 454); anders noch Middendorp, ZfZ 2011, 197 (203, Fn. 64: „Der ‚klassische‘ Fall“). 193  Grdlg. zur EUSt Kock, ZfZ 2012, 38; s. a. Weidemann, wistra 2012, 49 (54). 194  Vgl. § 152 II StPO: „Sie [die StA] ist, soweit nicht gesetzlich ein anderes bestimmt ist, verpflichtet, wegen aller verfolgbaren [das umfasst auch: nicht verjährten] Straftaten einzuschreiten, sofern zureichende tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen.“ 195  Vgl. § 78b III StGB. Der Lauf der Verfolgungsverjährungsfrist endet spätestens mit der Rechtskraft des Strafausspruchs (vgl. § 79 VI StGB; Fischer, Vor § 78 Rn. 2). 190  Vgl.

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1. Teil: Grundlagen und -begriffe

jährung (§§ 79–79b StGB). Letztere bestimmt diejenige Zeitspanne, in der rechtskräftig ausgeurteilte Strafen oder Maßnahmen vollstreckt werden können (§§ 449 ff. StPO). Das Ordnungswidrigkeitenrecht enthält in den §§ 31 ff. OWiG parallele Regelungen196, die aber nicht Gegenstand der vorliegenden Untersuchung sind. Diese allgemeinen Vorschriften finden über die deklaratorische197 Globalverweisung in § 369 II AO (bzw. § 377 II AO) auch im Steuerstrafrecht (-ordnungswidrigkeitenrecht) Anwendung. Sie werden allenfalls durch die steuerstrafrechtlichen Spezialvorschriften zur Verjährung, namentlich die §§ 376, 396 AO bzw. – für das Ordnungswidrigkeitenrecht – § 384 AO, modifiziert. Sonderregelungen dieser Art gibt es, soweit ersichtlich, mit Ausnahme von §§ 153a III, 154e III StPO und § 48 KunstUrhG auf Ebene des Bundesrechts198 nur im Steuerstrafrecht199. Da der Verjährungseintritt nach ganz überwiegender Auffassung zu einem Verfahrenshindernis führt, liegt ab diesem Zeitpunkt keine verfolgbare Straftat mehr vor200. Das hat zur Konsequenz, dass grundsätzlich keine (weiteren) Ermittlungen mehr durchgeführt werden dürfen201. Bereits eingeleitete Ermittlungsverfahren sind gemäß § 170 II StPO einzustellen. Ergibt sich im Zwischenverfahren, dass die angeklagte(n) Tat(en) (teilweise) verjährt ist (sind), kann das Hauptverfahren nicht eröffnet werden, d. h. es ergeht (insoweit) ein Nichteröffnungsbeschluss (§§ 203, 204  I StPO). Bei Verjährungseintritt nach Eröffnung des Hauptverfahrens ist entweder gemäß § 206a I StPO ein (Teil-)Einstellungsbeschluss außerhalb202 der Hauptver196  Verfolgungsverjährung: §§ 31–33 OWiG; Vollstreckungsverjährung: § 34 OWiG. 197  Die Vorschrift ist wegen Art. 1 I EGStGB eigentlich überflüssig. 198  Zu den landesrechtlichen Regelungen betr. sog. Presseinhaltsdelikte s. Fn. 361. 199  Zur Verjährung von DDR-Alttaten s. das Zweite G. zur Berechnung strafrechtlicher Verjährungsfristen v. 26.3.1993 (BGBl. I, S. 392); zusf. Fischer, Vor § 78 Rn. 5 ff.; erg. Brüchert, NJ 1993, 401 (403 f.) zur Rehabilitierung von DDR-Steuerstraftätern. 200  § 78 I 1 StGB: „Die Verjährung schließt die Ahndung der Tat und die Anordnung von Maßnahmen (§ 11 I Nr. 8 StGB) aus.“ 201  s. aber S. 67 f. 202  D.  h. zwischen Eröffnungsbeschluss und vor Beginn der Hauptverhandlung oder nach deren Abschluss, nicht aber während einer Unterbrechung (§ 229 StPO). Im zuletzt genannten Fall muss das Gericht ein (teilweises) Einstellungsurteil aussprechen (Meyer-Goßner, in: Meyer-Goßner / Schmitt, § 206a Rn. 1). Im Revisionsverfahren ist wie folgt zu unterscheiden: Tritt die Verjährung erst dort ein, erfolgt ein Einstellungsbeschluss gem. § 206a StPO. Wurde der Verjährungseintritt dagegen durch den Tatrichter übersehen, ist str., ob das Verfahren durch Beschluss nach § 206a StPO eingestellt oder das Urteil gem. § 349 IV StPO aufgehoben und das Verfahren gem. § 354 I StPO durch eigene Sachentscheidung des RevGer. eingestellt



B. Rechtsinstitut der Verjährung im Steuer-, Straf- und Steuerstrafrecht65

handlung zu fassen oder das Verfahren wird gemäß § 260 III StPO (teilweise) durch Urteil eingestellt203. Ein Freispruch erfolgt dagegen nicht204. Das mit Ablauf der Verfolgungsverjährungsfrist eintretende und von Amts wegen zu beachtende Verfahrenshindernis führt also generell in jedem Stadium des Strafverfahrens dazu, dass dieses (insoweit) umgehend endet bzw. zu beenden ist. Das gilt jedoch nicht uneingeschränkt: Erstreckt sich die Verfolgungsverjährung nur auf bestimmte abgrenzbare Teile einer Tat (§ 264 I StPO) oder auf eine von mehreren, voneinander abgrenzbaren Taten, können bereits verjährte (Teile von) Taten, ebenso wie Taten, von deren Verfolgung gemäß §§ 154, 154a StPO abgesehen wurde205, als „Vorleben“ des Täters (§ 46 II  2  8.  Var.) bei der Strafzumessung im engeren Sinne strafschärfend berücksichtigt werden206. Voraussetzung hierfür ist, dass die verjährten Taten prozessordnungsgemäß, d. h. im Strengbeweisverfahren, festgestellt und der Angeklagte auf deren strafschärfende Berücksichtigung entsprechend § 265 StPO hingewiesen worden ist207. Dabei reichen freilich solche Feststellungen aus, aufgrund derer sich der Unwertgehalt dieser anderen Taten abschätzen lässt208. Eine strafschärfende Berücksichtung verjährter Tatteile bzw. Taten kommt insbesondere dann in Betracht, wenn es sich, wie im Steuerstrafrecht immer wieder der Fall, um Serienstraftaten handelt, bei denen die „eigentliche kriminelle Initialzündung“ in verjährter Zeit liegt209. Die Frist der Vollstreckungsverjährung schließt nahtlos an diejenige der Verfolgungsverjährung an210. Sie beginnt, sofern nicht lebenslange Freiwerden muss (vgl. Meyer-Goßner, a. a. O., § 206a Rn. 6); s. jetzt auch BGH, NStZRR 2013, 251 zur vorläufigen Verfahrenseinstellung im Revisionsverfahren entsprechend § 205 StPO. 203  Zu den Anforderungen an Einstellungsurteile wegen Verjährung s. BGHSt 56, 6 (8 f.) = NJW 2011, 547 (548); BGH, NStZ 2012, 511 (512) – Fall Schreiber. 204  Vgl. etwa Puhl, BLJ 2008, 129 m. w. N.; erg. zum „Vorrang des Freispruchs“ Meyer-Goßner, in: Meyer-Goßner / Schmitt, § 260 Rn. 44 ff. 205  St.  Rspr., vgl. BGH, NStZ-RR 2012, 368 m. w. N.; speziell zur Steuerhinterziehung BGH, NStZ 2000, 594. 206  Vgl. nur Blesinger, in: Kühn / v.  Wedelstädt, § 376 Rn. 14; Fischer, § 46 Rn. 38d; Joecks, in: Franzen / Gast / Joecks, § 376 Rn. 7; T. Meyer, JA 2014, 342 (343); Rolletschke, Steuerstrafrecht, Rn. 451; ders., ZWH 2014, 129; s. a. Sander, StraFo 2004, 47 (Fn. 12) m. zahlr. weit. Rspr.-Nachweisen; einschr. neuerdings BGH, NJW 2014, 645 (646) zur strafschärfenden Berücksichtigung nicht angeklagter Taten („innerer Zusammenhang“ erf.); zur dogmatischen Rechtfertigung s. S. 87. 207  Vgl. Sander, StraFo 2004, 47 / 48 m. w. N. 208  Vgl. Redeker / Busse, in: Schäfer / Sander / van Gemmeren, Rn. 374 m. w. N. 209  Redeker / Busse, in: Schäfer / Sander / van Gemmeren, Rn. 372. 210  s. Fn. 195.

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1. Teil: Grundlagen und -begriffe

heitsstrafe verhängt oder Sicherungsverwahrung angeordnet ist (vgl. § 79 II, IV 1 StGB)211, gemäß § 79 VI StGB „mit der Rechtskraft der Entscheidung“. Der Eintritt der Vollstreckungsverjährung bewirkt – selbstredend –, dass die Strafvollstreckung nicht mehr eingeleitet bzw. fortgesetzt werden darf212. 2. Exkurs: Strafschärfende Berücksichtigung verjährter / eingestellter Tatteile oder Taten im Urteil Bis dato ist nicht abschließend geklärt, wie genau die soeben beschriebene strafschärfende Berücksichtigung von verjährten oder gemäß §§ 154, 154a StPO eingestellten Tatteilen bzw. Taten bei der Strafzumessung erfolgen kann213. Zwar führen der BGH214 und im Anschluss daran sämtliche Literaturstimmen215 gleichermaßen formelhaft aus, dass „derartige Taten auch mittelbar nicht, etwa im Rahmen der Strafzumessung für nichtverjährte Taten, ihrer vollen Schwere nach zu Lasten des Betreffenden gewertet werden“ (Hervorh. v. hier)

dürfen, weil – was zutrifft – das Rechtsinstitut der Verjährung andernfalls faktisch unterlaufen würde216. Doch wie soll der Tatrichter diese Vorgabe vor allem mit Blick auf § 267 III 1 StPO revisionsrechtlich einwandfrei umsetzen? Auch der BGH217 liefert hier kein Patentrezept, sondern beschränkt sich auf den sehr allgemein gehaltenen Hinweis, dass 211  Erg.

Fischer, § 79 Rn. 2. Meyer-Goßner, in: Meyer-Goßner / Schmitt, Einl. Rn. 65 ff. Einer gleichwie gearteten Verjährung im o. g. Sinne unterliegen die gem. § 36 II 1 StPO von der StA zu vollstreckenden gerichtlichen Entscheidungen (z. B. Haftbefehle) dagegen nicht. Sie können aber einer richterrechtlichen „Quasi-Vollstreckungsver­ jährung“ (i. e. Verwirkung) unterfallen, wie insbes. Durchsuchungsbeschlüsse, die ihre „rechtfertigende Kraft“ (BVerfGE 96, 44 [54] = NJW 1997, 2165 [2166]) nach sechs Monaten verlieren (erg. Schmitt, in: Meyer-Goßner / Schmitt, § 105 Rn. 8); s. a. Rüsken, in: Klein, § 228 Rn. 13 zu der im Steuerrecht praeter legem entwickelten Verwirkung von Steueransprüchen; zur zivilrechtlichen Verwirkung s. Grüneberg, in: Palandt, § 242 Rn. 87 ff. 213  Zur „technischen“ Umsetzung (Schilderung im Anklagesatz oder im „WE“?) s. S.  88 f. 214  wistra 1994, 223 (224). 215  Vgl. nur Fischer, § 46 Rn. 41; Schmitt, in: Meyer-Goßner / Schmitt, § 154 Rn. 25, § 154a Rn. 2. 216  So BGH, wistra 1994, 223 (224); ebenso OLG Dresden, StraFo 2014, 254 (256); v. Briel, SAM 2007, 207 (211). 217  wistra 1994, 223 (224). 212  Grdlg.



B. Rechtsinstitut der Verjährung im Steuer-, Straf- und Steuerstrafrecht67 „die Urteilsgründe erkennen lassen [müssen], daß sich der Tatrichter des Eintritts der Verjährung und der damit einhergehenden nur eingeschränkten Bedeutung jener Taten für die Strafzumessung bewußt war“.

Dies war im konkret entschiedenen Einzelfall ausreichend, weil das zugrunde liegende Urteil überhaupt keine Ausführungen zur eingeschränkten Gewichtung der verjährten Taten enthielt. Entsprechendes dürfte daher gelten, wenn das Gericht die Vorgabe des BGH als bloße Leerformel in sein Urteil aufgenommen hat (z. B. „…, wobei die verjährten Taten nicht ihrer vollen Schwere nach berücksichtigt wurden“) bzw. sich das nicht hinreichend sicher ausschließen lässt. Leistet sich das Tatgericht einen derartigen faux pas allerdings nicht, dürfte auch in diesem Punkt der allgemeine Grundsatz gelten, dass entsprechende Erörterungen im Urteil umso eingehender sein müssen, je mehr die Strafhöhe im Einzelfall auch von den verjährten Tatteilen bzw. Taten abhängig gemacht worden ist218. Das darf freilich nie so weit gehen, dass das Gericht die verjährten (Teile von) Taten „sowohl bei der Strafrahmenfindung als auch bei der konkreten Strafzumessung ‚maßgeblich zu Lasten des Angeklagten‘ “ wertet219. Weiter lassen sich die vagen Vorgaben des BGH nicht abstrakt ausdifferenzieren. Danach spricht im Grundsatz nichts dagegen, verjährte oder gemäß §§ 154, 154a StPO eingestellte Tatteile bzw. Taten – mit vermindertem Gewicht – auch bei der Beantwortung der Frage in Ansatz zu bringen, ob in casu ein unbenannter besonders schwerer Fall (§ 370 III 1 AO220) oder eine Steuerhinterziehung „in großem Ausmaß“ (§ 370 III 2 Nr. 1 AO) gegeben ist221.

Wenn aber eine Berücksichtung verjährter Tatteile und / oder Taten in diesem Umfang möglich ist, dann muss der Staatsanwaltschaft bzw. der „BuStra“ auch die Kompetenz zugestanden werden, diese mit den ihr nach der Strafprozessordnung zur Verfügung stehenden Mitteln jedenfalls mitaufzuklären222. Das ist für verjährte Tatteile bzw. Taten, soweit erkennbar, so 218  Vgl.

Meyer-Goßner, in: Meyer-Goßner / Schmitt, § 267 Rn. 18. BGH, Beschl. v. 3.4.2002, 3  StR 55 / 02, BeckRS 2002, 03721; Sander, StraFo 2004, 47 (50). 220  Z. B. angesichts des „hohen und professionellen Organisationsgrads“ der Täter (vgl. BGH, Urt. v. 14.3.2007, 5  StR 461 / 06, BeckRS 2007, 07907, Tz. 60 [in NStZ 2007, 592 insoweit n. abgedr.]). 221  So jetzt ausdr. OLG Dresden, StraFo 2014, 254 (255 f.) zu § 263 III 2 Nr. 1 StGB. 222  Wenig zielführend ist dagegen der pauschale Hinweis von Weller (Voraufl.) bzw. – jetzt – Graf (jew. in: KK-OWiG, § 31 Rn. 13) auf § 344 StGB (Verfolgung Unschuldiger). Denn zum einen können diesbzgl. Ermittlungen schon deshalb angezeigt sein, um festzustellen, welche Tatteile bzw. Tat(en) überhaupt von einer evtl. Verjährung umfasst sind. Zum anderen ist bspw. allgemein anerkannt, dass ein Steuerstrafverfahren auch dann eingeleitet werden muss (§ 152 II StPO), wenn eine 219  Vgl.

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1. Teil: Grundlagen und -begriffe

noch nie ausdrücklich festgestellt worden223. Die generelle Ablehnung derartiger Ermittlungsbefugnisse224 ließe die vorgenannten Berücksichtigungsmöglichkeiten größtenteils faktisch leerlaufen. Denn sie wären dann auf Fälle beschränkt, in denen die Verjährung während des laufenden Verfahrens eingetreten oder schlicht übersehen worden ist. Für eine isolierte Aufklärung verjährter Tatteile bzw. Taten im Ermittlungsverfahren sollte jedoch – einschränkend – vorausgesetzt werden, dass zwischenzeitlich hinsichtlich der noch nicht verjährten Bezugstaten ein über den bloßen Anfangsverdacht hinausgehender, hinreichender Tatverdacht (§ 203 StPO) besteht. Denn nur dann stehen Strafzumessungserwägungen überhaupt erst greifbar zu erwarten225. Zudem sollte beachtet werden, dass dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz hier ein besonders hohes Gewicht zukommt, weil die verjährten Tatteile bzw. Taten dem Angeklagten gerade nicht mehr ihrer vollen Schwere nach zur Last gelegt werden dürfen. Ist bereits Strafverfolgungsverjährung eingetreten, aber eine Festsetzung der hinterzogenen Steuern gemäß § 169 II 2 1. Hs. AO noch möglich, herrscht Streit darüber, ob nach wie vor auch die „Steufa“ befugt ist, die Besteuerungsgrundlagen (nach steuerverfahrensrechtlichen Grundsätzen, §§ 85 ff. AO) zu ermitteln. Der BFH226 und eine im Vordringen befindliche Literaturauffassung227 bejahen dies mit dem Argument, dass der gemäß § 208 I 1 Nr. 2 AO erforderliche „Zusammenhang“ – und damit die sachliche Zuständigkeit der „Steufa“ – auch in diesem Fall noch besteht. Die u. a. von Joecks228 vertretene Gegenansicht überzeugt nicht. Zum einen sind, wie soeben gezeigt, auch in diesem Stadium grundsätzlich noch strafzumessungsbezogene Ermittlungen der „Steufa“ nach Maßgabe der StPO denkbar. Im Übrigen ist der Betroffene in jedem Fall ausreichend über § 393 AO geschützt229. Rein steuerrechtlich dürfte sich der Meinungsstreit angesichts der vorgenannten BFH-Entscheidung inzwischen erledigt haben, zumal die von Seiten der „Steufa“ gewonnenen Erkenntnisse im Besteuerungsverfahren Selbstanzeige (§ 371 AO) vorliegt, die sich nicht ganz offensichtlich und ohne weitere Prüfung als wirksam darstellt (s. nur BFHE 222, 1 [5 ff.] = NJW-RR 2009, 212 [213 ff.]). Und selbst gegen einen rechtskräftig Freigesprochenen darf / muss die StA (erneut) Ermittlungen führen, wenn dies zur Vorbereitung eines Wiederaufnahmeverfahrens dient (vgl. OLG Nürnberg, NStZ 1988, 555 [556]). 223  s. in diesem Kontext einzig BGH, StV 2004, 415 (416) zur Zulässigkeit der Beweisaufnahme über gem. § 154 I StPO eingestellte Taten zum Zwecke der Strafzumessung. 224  Das Legalitätsprinzip gilt insoweit freilich nicht, weil wegen der eingetretenen Verjährung keine verfolgbaren Straftaten mehr vorliegen. Stattdessen ist § 160 III 1 StPO (Soll-Vorschrift) einschlägig. 225  Vgl. Schmitt, in: Meyer-Goßner / Schmitt, § 160 Rn. 19. 226  BFHE 184, 266 = NJW 1998, 1734. 227  So u. a. Rüsken, in: Klein, § 208 Rn. 30 ff. 228  In: Franzen / Gast / Joecks, § 404 Rn. 24 ff. m. w. N. 229  So auch Rüsken, in: Klein, § 208 Rn. 30 a. E., 35.



B. Rechtsinstitut der Verjährung im Steuer-, Straf- und Steuerstrafrecht

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selbst dann keinem Verwertungsverbot230 unterlägen, wenn man die „Steufa“ als sachlich unzuständig ansehen wollte.

3. Im Steuerrecht Ähnlich wie im Strafrecht, wird auch im Steuerrecht zwischen einer Festsetzungs- und einer Zahlungsverjährung unterschieden. Während die in §§ 169 ff. AO geregelte Festsetzungsverjährung denjenigen Zeitraum eingrenzt, innerhalb dessen die Finanzbehörde Steuern (in der Regel durch Bescheid231) festsetzen bzw. von ihr bereits getroffene Festsetzungen aufheben oder ändern232 kann (Festsetzungsverfahren), unterstellt die Zahlungsverjährung (§§ 228 ff. AO) die Geltendmachung bzw. Durchsetzung der Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis (vgl. § 37 AO) im – deshalb so genannten – Erhebungsverfahren einer einheitlichen 5-jährigen Verjährungsfrist (§ 228 I 2 AO). Rechtsfolge des Eintritts der Festsetzungs- bzw. Zahlungsverjährung ist stets das ersatzlose Erlöschen233 des betroffenen Steueranspruchs (vgl. §§ 47, 232 AO)234. Auf die vorgenannten strafrechtlichen Kategorien übertragen, lässt sich das steuerliche Festsetzungsverfahren (Ziel: Erlangung bestandskräftiger und damit vollstreckbarer Steuerbescheide [vgl. § 218 I AO]) mit dem Strafprozess bis zur Rechtskraft des Urteils vergleichen. Der sich anschließenden Strafvollstreckung entspräche dann das Erhebungsverfahren. Diese zweispurige Konstruktion lässt sich deutschen Recht durchweg auch in anderen Rechtsgebieten ausmachen235, sodass hieraus ein Grundmuster abgeleitet werden kann: Abstrakt gesprochen, ist die Verjährung danach stets zuerst auf einen (hier sog.) materiellen Teil, der bis zur Erlangung eines durchsetzbaren (d. h. rechts- bzw. bestandskräftigen) „Titels“ reicht, und im Anschluss – gesondert – auf einen (hier sog.) formellen Teil bezogen. Letzterer beschränkt die Frist für die 230  Grdlg.

Rätke, in: Klein, § 92 Rn. 7 ff.; Schützeberg, PStR 2010, 22. § 155 I (Grundnorm) u. § 168 AO; erg. Rüsken, in: Klein, § 169 Rn. 1. 232  Vgl. §§ 172 ff. AO in Abgrenzung zur „bloßen“ Berichtigung gem. § 129 AO. 233  Grds. entstehen Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis gem. § 38 AO, „sobald der Tatbestand verwirklicht ist, an den das Gesetz die Leistungspflicht knüpft“. Anders ist dies etwa im Fall des § 36 I EStG. 234  So ausdr. auch für die Festsetzungsverjährung Rüsken, in: Klein, § 169 Rn. 1. 235  Vgl. etwa die §§ 194–218 BGB (materielle Verjährung) und – als formelle Komponente – die §§ 197 I Nr. 3, 4, 201 BGB (30-jährige Frist zur Durchführung der Zwangsvollstreckung) oder § 53 VwVfG für das Verwaltungsrecht. Im Unterschied zum öffentlichen Recht, wozu auch das Straf- und das Steuerrecht zählen, ist die Verjährung im Zivilrecht nicht von Amts wegen zu beachten. Sie gewährt nur ein Leistungsverweigerungsrecht in Gestalt einer dauernden Einrede (vgl. § 214 I BGB). Das entspricht der Grundausrichtung des Zivilrechts als Konfliktlösungsordnung inter pares. 231  Vgl.

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1. Teil: Grundlagen und -begriffe

Durchsetzung bzw. Vollstreckung des jeweiligen „Titels“. Kennzeichen des streng formalisierten Vollstreckungsverfahrens ist es daher, dass im Zuge der Vollstreckung nicht mehr überprüft wird, ob der „Titel“ materiell rechtmäßig ist, also insbesondere auch, ob der darin verbriefte staatliche Straf- oder Steueranspruch bereits verfolgungs- bzw. festsetzungsverjährt war236.

4. Wechselwirkungen zwischen Straf- und Steuerrecht im Überblick a) § 171 VII AO und das Paradoxon der „Endlosschleife“ Im Steuerrecht hat der Gesetzgeber die Festsetzungsverjährung in § 169 II 2 1. Hs. AO auf eine Maximalfrist237 von zehn Jahren angehoben, „soweit eine Steuer hinterzogen … worden ist“. Dies ist im Wesentlichen der erschwerten Aufklärbarkeit der Steuerhinterziehung geschuldet238. Diese Verknüpfung zwischen steuerlicher Festsetzungsfrist und Straftat wird in der Vorschrift des § 171 VII AO verjährungsrechtlich insofern „auf die Spitze getrieben“, als das Gesetz an dieser Stelle weitergehend bestimmt: „§ 171 Ablaufhemmung.[239] … (7)  In den Fällen des § 169 Abs. 2 Satz  2 AO endet die Festsetzungsfrist nicht, bevor die Verfolgung der Steuerstraftat … verjährt ist.“

Da das (Steuer-)Strafrecht in § 369 II AO i. V. m. § 78a S. 1 StGB seinerseits festlegt, dass der Lauf der Verfolgungsverjährungsfrist erst beginnt, sobald die Tat „beendet“ ist, kann diese Koppelung – theoretisch – zu einer gegenseitig bedingten Unverjährbarkeit von Steuerstraftat und Steuerfestsetzung führen, wenn der Steuerpflichtige die Erklärungsabgabe pflichtwidrig in der Erwartung unterlässt, er werde (1) überhaupt nicht, (2) – etwa aufgrund unzutreffender Schätzung – zu niedrig oder (3) nicht rechtzeitig veranlagt (vgl. § 370 IV 1 1. Hs. AO). Diese absurde Folge tritt allerdings nur ein, wenn man davon ausgeht, die darin liegende Steuerhinterziehung (§ 370 I Nr. 2 AO) sei erst mit dem Wegfall der steuerlichen Erklärungspflicht beendet (§ 78a S. 1 StGB). Denn dann endet die Steuererklärungspflicht nicht, bevor auch die Festsetzungs236  Vgl.

nur Seiler, in: Thomas / Putzo, § 704 Vorbem  VI Rn. 33. § 169 II 1 AO beträgt die allgemeine Festsetzungsfrist vier Jahre (bei Verbrauchsteuern und Zöllen: ein Jahr). Bei einer leichtfertigen Steuerverkürzung (§ 378 AO) beträgt sie fünf Jahre (§ 169 II 2 2.  Hs. AO [einzige Ausn.: Art. 97a § 3 I 2 EGAO für den Anwendungsbereich des D-Markbilanzgesetzes: sieben Jahre]). 238  Vgl. Rüsken, in: Klein, § 169 Rn. 25 m. w. N. 239  Definition: S.  102 f. 237  Gem.



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frist abgelaufen ist240, die ihrerseits aber gemäß § 171 VII AO vom Eintritt der Strafverfolgungsverjährung abhängt. Dies würde gleich einem „perpetuum mobile“241 zu einem „Zirkelschluss“242 bzw. einer „Endlosschleife“243 mit sich wechselseitig bedingender Unverjährbarkeit führen. Zur Vermeidung dieses vom Gesetzgeber so sicher nicht gewollten Effekts sowie des darin ersichtlich liegenden Verstoßes gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz244, besteht in der strafrechtlichen Literatur Einigkeit, dass der Verjährungsbeginn bei der Hinterziehung von Veranlagungssteuern durch (formal) „echtes“ Unterlassen jedenfalls nicht auf den Wegfall der Steuererklärungspflicht gestützt werden kann245. Für das Steuerrecht weist das Schrifttum darauf hin, dass § 171 VII AO mit dem Wegfall des Fortsetzungszusammenhangs246 „praktisch bedeu­tungs­ los“247 geworden sei, weil die Verjährung von über mehrere Veranlagungszeiträume hinweg verübten Steuerhinterziehungen – anders als zuvor – nicht mehr einheitlich mit der Beendigung der insgesamt letzten Tat, sondern nunmehr für jede Steuerhinterziehung gesondert beginne248. Ungeachtet dessen bietet die aufgrund dieser Vorschrift drohende Unverjährbarkeitsfolge, wie sich im Folgenden noch an mehreren Stellen zeigen wird, immer wieder einen wichtigen Argumentationsansatz im hiesigen Themenkomplex. b) Weitere Verknüpfungen Das Strafrecht erlangt im Steuerrecht zudem über folgende, zum Teil auch mit Verjährungsfragen in Zusammenhang stehende „Einfallstore“ an Bedeutung249: 240  Arg.

ex §§ 149 I 4, 393 I 1, 2 AO. ZStW 124, 711 (725); Puhl, BLJ 2008, 129 (130); Reichling / Winsel, JR 2014, 331 (334); G.  Schäfer, in: Dünnebier FS, S. 541 (544); Wulf, wistra 2003, 89 (91). 242  Schauf, in: Kohlmann, § 376 Rn. 69. 243  Schmitz, wistra 1993, 248. 244  s. S.  82 ff. 245  s. S.  230 ff. 246  Grdlg. BGHSt (GrS) 40, 138 = NJW 1994, 1663; s. a. BGHSt 40, 195 = NJW 1994, 2368 (zu § 370 AO); erg. Fischer, Vor § 52 Rn. 47 ff.; Messner, DB 1995, 1735; Volk, DStR 1983, 343. 247  Statt vieler: Cöster, in: Pahlke / Koenig, § 171 Rn. 125; Streck / Spatschek, Rn. 1192 („läuft … leer“); krit. Lindwurm, AO-StB 2012, 339. 248  Vgl. u. a. Cöster, in: Pahlke / Koenig, § 171 Rn. 127. 249  Erg. M. Ebner, PStR 2008, 119; 2009, 258; 2010, 272; 2011, 304; 2012, 303; 2013, 303. 241  Dallmeyer,

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1. Teil: Grundlagen und -begriffe

aa) § 71 AO – Haftung (nur) des Steuerhinterziehers oder ‑hehlers „§ 71 Haftung des Steuerhinterziehers und des Steuerhehlers. Wer eine Steuerhinterziehung oder eine Steuerhehlerei begeht oder an einer solchen Tat teilnimmt, haftet für die verkürzten Steuern und die zu Unrecht gewährten Steuervorteile sowie für die Zinsen nach § 235.“

Die Haftung gemäß § 71 AO stellt keine zusätzliche (materielle) Sanktion für steuerunehrliches Verhalten dar, wie etwa die im anglo-amerikanischen Rechtsraum anerkannten „punitive damages“. Stattdessen soll der durch die Hinterziehung verursachte Steuerausfall des Fiskus durch Schaffung zusätzlicher Steuerschuldner minimiert und – bestenfalls – behoben werden (d. h. im übertragenen Sinne also nur „compensatory damages“). Es handelt sich demnach um eine rein fiskalische Norm250. Der Umfang einer etwaigen Haftung nach § 71 AO kann indes bei der Strafzumessung Berücksichtigung finden. Zudem führt die steuerliche Haftung wegen § 73 I 2 StGB regelmäßig zum Ausschluss von Verfallsanordnungen251. bb) § 171 V AO – Ablaufhemmung bei Fahndungsprüfung und Bekanntgabe der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens „§ 171 Ablaufhemmung. … (5) 1Beginnen die Zollfahndungsämter oder die mit der Steuerfahndung betrauten Dienststellen der Landesfinanzbehörden vor Ablauf der Festsetzungsfrist beim Steuerpflichtigen mit Ermittlungen der Besteuerungsgrundlagen, so läuft die Festsetzungsfrist insoweit nicht ab, bevor die auf Grund der Ermittlungen zu erlassenden Steuerbescheide unanfechtbar geworden sind; Absatz 4 Satz 2 gilt sinngemäß. 2 Das Gleiche gilt, wenn dem Steuerpflichtigen vor Ablauf der Festsetzungsfrist die Einleitung des Steuerstrafverfahrens … bekannt gegeben worden ist; § 169 Abs. 1 Satz 3 gilt sinngemäß.“

Im Steuerrecht ist strittig, ob und wenn ja, wann die Ablaufhemmung252 in § 171 V AO endet: Einer Ansicht zufolge soll die Vorschrift im Gegensatz zu § 171 IV 3 AO weder eine Frist für die Umsetzung der Ermittlungsergebnisse statuieren noch sei ein Ende der einmal eingetretenen Ablaufhemmung (Endfrist) vorgesehen. Während die herrschende Meinung im Schrifttum253 hier von einer „planwidrigen Unvollständigkeit des Gesetzes“254 ausgeht, um im Anschluss 250  Vgl.

Rüsken, in: Klein, § 71 Rn. 2. BGH, NStZ-RR 2007, 237 (238); wistra 2011, 394 (395) jew. zum „Zigarettenschmuggel“; erg. M. Ebner, in: Flore / Tsambikakis, § 375 AO Rn. 41 m. w. N. 252  Definition: S.  102 f. 253  Vgl. Rüsken, in: Klein, § 171 Rn. 82 m. w. N. 251  Vgl.



B. Rechtsinstitut der Verjährung im Steuer-, Straf- und Steuerstrafrecht73

aus der Entstehungsgeschichte der Vorschrift abzuleiten, dass die Begrenzungen des § 171 IV 3 AO (analog) auf § 171 V AO zu übertragen seien, lehnt der BFH255 dies mit Recht ab, weil im Fall des § 171 V AO kein mit § 171 IV 3 AO vergleichbares schutzwürdiges Interesse des straffälligen Steuerpflichtigen bestehe. Zutreffend bestätigt der I. Senat des BFH daher die gesetz­liche Regelung im zweiten amtlichen Leitsatz der genannten Entscheidung wie folgt: 254

„Die durch eine Fahndungsprüfung ausgelöste Ablaufhemmung endet nur dann, wenn aufgrund der Prüfung Steuerbescheide ergangen und diese unanfechtbar geworden sind.“

Dies belegt, dass bereits die Ausgangsthese der Literatur falsch ist, die meint, das Gesetz sehe kein Ende der einmal eingetretenen Ablaufhemmung vor256. Da es im Anschluss an eine Fahndungsprüfung und / oder die Bekanntgabe der Einleitung des Ermittlungsverfahrens (§ 397 AO) früher oder später stets zum Erlass von (ggf. auf Schätzungen beruhenden, ggf. geänderten) Steuerbescheiden kommt und es der Steuerpflichtige selbst in der Hand hat, ob bzw. wann diese unanfechtbar werden, kann es hier faktisch nicht zu dem bei § 171 VII AO denkbaren Problem der „Endlosschleife“ mit bilateral verursachter Unverjährbarkeitsfolge kommen. Sollte tatsächlich einmal eine anders gelagerte Ausnahmekonstellation auftreten, bleibt auch nach der vom BFH vertretenen Ansicht nur der – strafrechtlich mit Blick auf den Bestimmtheitsgrundsatz (Art. 103 II GG, § 1 StGB) eher kritisch zu sehende – Rückgriff auf das allgemeine Rechtsinstitut der Verwirkung257. cc) § 171 IX AO – Ablaufhemmung bei Berichtigung oder Selbstanzeige „§ 171 Ablaufhemmung. … (9) Erstattet der Steuerpflichtige vor Ablauf der Festsetzungsfrist eine Anzeige nach §§ 153, 371 und 378 Abs. 3 AO, so endet die Festsetzungsfrist nicht vor Ablauf eines Jahres nach Eingang der Anzeige.“ (Hervorh. v. hier)

Mithilfe von § 171 IX AO soll der zuständigen258 Finanzbehörde ein ausreichendes Zeitfenster eröffnet werden, um die in der Berichtigungserklärung 254  Söffing,

DStZ 1996, 713. 198, 303 (306 ff.) = DStR 2002, 1297 (1298 f.). 256  s. a. Cöster, in: Pahlke / Koenig, § 171 Rn. 112. 257  Erg. v. Briel, SAM 2009, 184 f.; Rolletschke, in: Rolletschke / Kemper, § 376 Rn. 82. 258  Die Jahresfrist beginnt erst zu laufen, wenn die Berichtigungserklärung bzw. Selbstanzeige bei der für die Steuerfestsetzung konkret zuständigen FinB eingeht (h. M., vgl. Cöster, in: Pahlke / Koenig, § 171 Rn. 140 m. w. N.). 255  BFHE

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1. Teil: Grundlagen und -begriffe

bzw. Selbstanzeige enthaltenen Angaben überprüfen und steuerlich umsetzen zu können. Bei dem bei der (abschließenden259) Aufzählung der die Ablaufhemmung auslösenden „Anzeigen“ verwendeten Wort „und“ handelt es sich um ein gesetzgeberisches Redaktionsversehen (richtig: „oder“). Selbstverständlich müssen nicht alle drei Anzeigen kumulativ vorliegen. Wenig einleuchtend erscheint die in Rechtsprechung und Literatur zum Teil vertretene Auffassung, eine innerhalb der Jahresfrist im Anschluss an eine Berichtigung oder Selbstanzeige begonnene Außen- oder Fahndungsprüfung könne entweder schlechthin260 oder jedenfalls nach dem Ablauf der regulären Festsetzungsfrist261 keine weitere Ablaufhemmung nach § 171 IV, V AO262 auslösen. Für beide Ansichten gibt es im Gesetz keinen Anhalt263. Folgte man Rüsken264, könnte der Steuerpflichtige mit einer taktisch aus diesem Grund bewusst kurz vor der anstehenden Außen- oder Fahndungsprüfung platzierten Berichtigung oder Selbstanzeige die Wirkungen des § 171 IV, V AO gezielt unterlaufen265. Auch der obiter dictu und ohne nähere Begründung geäußerten Rechtsansicht des FG Düsseldorf266, wonach „[§ 171] Abs. 5 lediglich für den Fall, dass der Steuerpflichtige vor Ablauf der 10-jährigen Festsetzungsfrist Selbstanzeige erstattet und die Finanzbehörde erst nach Ablauf dieser Frist ein Steuerstrafverfahren einleitet“,

gelten soll, kann nicht gefolgt werden, weil die Festsetzungsfrist in diesem Fall wegen § 171 IX AO gerade noch nicht abgelaufen, sondern gehemmt ist. Insofern ist schon der Ausgangspunkt des FG Düsseldorf unzutreffend. dd) § 173 II AO – Änderungssperre nach Außenprüfung „§ 173 Aufhebung oder Änderung von Steuerbescheiden wegen neuer Tatsachen oder Beweismittel. … (2)  Abweichend von Abs. 1 können Steuerbescheide, soweit sie auf Grund einer Außenprüfung ergangen sind, nur aufgehoben oder geändert werden, wenn eine Steuerhinterziehung … vorliegt.“ 259  Cöster,

in: Pahlke / Koenig, § 171 Rn. 138. Rüsken, in: Klein, § 171 Rn. 93. 261  So FG Düsseldorf, DStRE 2007, 1458 (1459); Cöster, in: Pahlke / Koenig, § 171 Rn. 139. 262  Zum ebenfalls str. Verhältnis zu § 171 III AO s. Rolletschke, in: Rolletschke /  Kemper, § 376 Rn. 89. 263  A.  A. ohne nachvollziehbare Begr. Rüsken, in: Klein, § 171 Rn. 93 („angesichts des klaren Wortlautes der Vorschrift“). 264  In: Klein, § 171 Rn. 93. 265  Ebenfalls abl. BFH, Beschl. v. 28.11.2000, IV B  95 / 00, BeckRS 2000, 25005442; BFH / NV 2007, 2071 (2072). 266  DStRE 2007, 1458 (1459). 260  So



B. Rechtsinstitut der Verjährung im Steuer-, Straf- und Steuerstrafrecht75

§ 173 I AO ist unmittelbarer Ausfluss des Postulats der Abgabengerechtigkeit. Die Vorschrift verpflichtet („sind aufzuheben oder zu ändern“) die ­Finanzbehörde in den dort genannten Konstellationen, die materielle Richtigkeit der Steuerfestsetzung von Amts wegen zu verwirklichen, wenn nachträglich (neue) steuerlich erhebliche Tatsachen oder Beweismittel bekannt werden, aus denen sich die Unrichtigkeit einer bereits bestandskräftigen Festsetzung ergibt267. Zum Ausgleich für diese weitgehende Bestandskraftdurchbrechung bestimmt § 173 II AO für den Fall, dass der Steuerfestsetzung eine Außenprüfung vorausgegangen ist, grundsätzlich keine Änderungen im o. g. Sinne möglich sind (sog. Änderungssperre). Dem liegt der (angesichts der auch in der Finanzverwaltung immer knapper werdenden Personalkapazitäten zweifelhafte) Gedanke zugrunde, dass nach Durchführung einer Außenprüfung davon ausgegangen werden kann, dass aufgrund der dabei verwirklichten Prüfungstiefe nunmehr alle für die Steuerfestsetzung bedeutsamen Umständen zu Tage getreten sein müss(t)en268. Mangels Schutzwürdigkeit des Steuerpflichtigen269 gilt dies allerdings dann nicht, wenn eine Steuerhinterziehung bzw. ein Fall des § 378 AO vorliegt (sog. Teildurchbrechung der Bestandskraft). ee) § 235 I AO – Verzinsung hinterzogener Steuern „§ 235 Verzinsung von hinterzogenen Steuern. (1)  1Hinterzogene Steuern sind zu verzinsen. 2Zinsschuldner ist derjenige, zu dessen Vorteil die Steuern hinterzogen worden sind.“

Die Erhebung von Hinterziehungszinsen ist – ebenso wie die Haftung nach § 71 AO – keine zusätzliche materielle Sanktionierung des Steuerhinterziehers, sondern soll aus rein fiskalischen Gründen den Zinsvorteil des (u. U. nicht einmal tatbeteiligten) Nutznießers einer Steuerhinterziehung (§ 370 AO) abschöpfen270. Für die anderen Steuerstraftaten (z. B. § 374 AO) gilt § 235 I AO nach einhelliger Meinung nicht271. c) Bindung der Strafgerichte an die Finanzrechtsprechung und umgekehrt? Die vorgenannten Verknüpfungen zwischen Straf- und Steuerrecht haben zur Folge, dass sich die Strafgerichte mit dem Steuerrecht und – umge267  Vgl.

Rüsken, in: Klein, § 173 Rn. 1 m. w. N. Rüsken, in: Klein, § 173 Rn. 141. 269  So auch Rüsken, in: Klein, § 173 Rn. 144. 270  Vgl. Rüsken, in: Klein, § 235 Rn. 1 m. w. N.; grdlg. zum Ganzen Steinhauff, AO-StB 2014, 112. 271  Rüsken, in: Klein, § 235 Rn. 7. 268  Vgl.

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1. Teil: Grundlagen und -begriffe

kehrt – auch die Finanzgerichte mit dem Strafrecht zu befassen haben. Die Spruchkörper der Straf- und Finanzgerichte sind indes unabhängig voneinander (Art. 97 I GG)272. Es besteht (heute273) grundsätzlich keine Bindung an die jeweils andere Fachgerichtsbarkeit mehr – und zwar ungeachtet dessen, ob es sich um steuer-, straf- oder steuerstrafrechtliche Fragestellungen handelt274. Dieser Grundsatz hat seine einfachrechtliche Ausprägung in § 1 GVG und § 1 FGO erfahren. Dem steht nicht entgegen, dass die Strafjustiz bei schwierigen steuerrechtlichen Fragestellungen in der Praxis aus Gründen der Prozessökonomie und der Rechtseinheit weitestgehend der (höchstrichterlichen) Finanzrechtsprechung folgt, sodass insofern durchaus von einer zumindest faktischen Bindungswirkung gesprochen werden kann. Der Rechtsprechung der Finanzgerichte und vor allem derjenigen des BFH kann unter diesem Gesichtspunkt im Steuerstrafverfahren daher eine erhebliche Präjudizwirkung zukommen275. Neben dieser rein faktischen Bindungswirkung existiert noch eine nur selten beachtete gegenseitige gesetzliche Bindung der obersten Bundesgerichte (d. h. im hiesigen Kontext insbesondere des BGH und des BFH) auf gerichtsverfassungsrechtlicher Ebene, die sich nach den Vorschriften des Rechtsprechungs-Einheitlichkeitsgesetzes – RsprEinhG richtet. Konkret ergibt sich aus § 2 I RsprEinhG, dass die abweichende Beurteilung einer bereits judizierten (Steuer-)Rechtsfrage durch das jeweils andere oberste Bundesgericht (sog. Außendivergenz) nur nach Entscheidung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes276 in Betracht kommt. 272  s. a.

Hellmann, S. 124. vormaligen „strengen Bindung der Strafgerichte an die Entscheidungen des Reichs- bzw. Bundesfinanzhofs“ s. – auch de lege ferenda – Hellmann, S. 58, 124 f.; erg. Troeger / Meyer, S. 217 ff. m. w. N sowie Fn. 284. 274  Vgl. etwa BFH, PStR 2007, 94 = BFH / NV 2007, 400 (401); krit. etwa J. Jahn, DRiZ 2013, 86, der die Einrichtung „gemeinsamer Spruchkörper“ nach dem Vorbild der Kammern für Baulandsachen (§ 220 I 2, II BauGB) fordert; s. a. Harms / Heine, in: Spindler FS, S. 429 (444); Rammert, S. 105 ff.; erg. Lotz, DRiZ 2014, 20; Wisser, S.  188 ff. 275  So bereits M. Ebner, PStR 2008, 119 (120); ähnl. im Zusammenhang mit den „Cum- / Ex-Dividende-Geschäften“ Seer / Krumm, DStR 2013, 1814 (1817: „Präjudizienphänomen“). Im finanzgerichtlichen Verfahren führt eine steuerstrafrechtliche Verurteilung dazu, dass der Kläger die davon ausgehende Indizwirkung durch substantiierten Vortrag entkräften muss. Gelingt ihm dies nicht, kann sich das FG die tatsächlichen Feststellungen aus dem Strafbefehl / -urteil im Wege des Urkundenbeweises zu Eigen machen (vgl. nur FG BW, EFG 2008, 360 [361]; BFH, BFH / NV 2010, 2003 [2004] jew. m. w. N.). Umgekehrt ist das FG an einen Freispruch im Steuerstrafverfahren nicht gebunden (BFH, BFH / NV 2008, 805). 276  Kurz: „Gemeinsamer Senat“. Davon ist der beim BGH und BFH gem. § 132 GVG bzw. § 155 FGO jeweils gesondert zu bildende „Große Senat“ zu unterscheiden, der dann entscheidet, wenn einzelne Senate innerhalb dieser Bundesgerichte 273  Zur



B. Rechtsinstitut der Verjährung im Steuer-, Straf- und Steuerstrafrecht77

Will also z. B. der für Revisionen in Steuer- und Zollstrafsachen derzeit ausschließlich zuständige 1. Strafsenat des BGH von der Rechtsprechung des BFH zur steuerlichen Festsetzungsverjährung abweichen277, muss er das Verfahren aussetzen (§ 11 II 2 RsprEinhG) und die Rechtsfrage dem Gemeinsamen Senat zur Entscheidung vorlegen, § 11 I RsprEinhG. Dessen Entscheidung ist dann nur in der vorliegenden Sache und nur für das erkennende Gericht (im Bsp.: den 1.  Strafsenat des BGH) bindend, § 16 RsprEinhG. Die Wirksamkeit früherer Entscheidungen des vorlegenden Gerichts oder anderer Gerichte wird durch die Entscheidung des Gemeinsamen Senats nicht berührt, insbesondere resultiert daraus im Strafverfahren kein Wiederaufnahmegrund im Sinne von § 359 Nr. 4 oder 5 StPO278. Die Oberlandesgerichte, die als Revisionsgerichte im Steuerstrafrecht dann zur Entscheidung berufen sind, wenn die Sache in 1. Instanz vom „Steueramtsgericht“279 abgeurteilt wurden, unterliegen gemäß § 121 II GVG einer ähnlichen, wenngleich in steuerrechtlicher Hinsicht nicht derart weitgehenden Bindung: So besteht eine Vorlagepflicht an den BGH nur dann, wenn ein Oberlandesgericht von der „Entscheidung“280 eines anderen Oberlandesgerichts oder des BGH abweichen will. Eine gleichwie geartete Pflicht zur Vorlage bei einer in Steuerstrafsachen virulenten Abweichung von der Rechtsprechung des BFH sehen für die Oberlandesgerichte weder das GVG noch das RsprEinhG vor. Insbesondere greift § 18 II RsprEinhG nicht (auch nicht analog281 bzw. „a maiore ad minus“282) ein, weil die Vorschrift offenkundig nur das Abweichen von einer Entscheidung des Gemeinsamen Senats betrifft. Im Ergebnis führt dies dazu, dass die Oberlandesgerichte – weniger weitgehend als der BGH – nur insoweit (mittelbar bzw. „eingleisig“) an die Finanzrechtsprechung gebunden sind, als der BGH in Übereinstimmung mit dem BFH zu einer bestimmten Steuerrechtsfrage bereits tragend Stellung bezogen hat. Solange das nicht der Fall ist, unterliegen die Oberlandesgevoneinander abweichen wollen (sog. Innendivergenz; s. dazu jüngst Fischer, StraFo 2014, 309 mit [u. a.] einer Aufzählung aller bisherigen Entscheidungen des Großen Strafsenats und der Schilderung „subjektiver Erfahrungen“). Einen „Vereinigten Großen Senat“ (vgl. § 132 I GVG) gibt es nur beim BGH (Zivil- und Strafsenate). Soweit ersichtlich, wurde der „Gemeinsame Senat“ im Steuerstrafecht bisher noch nie angerufen; erg. Harms / Heine, in: Spindler FS, S. 429 (443, 444: „horror pleni“). 277  Z. B. von BFHE 229, 49 = DStR 2010, 1285 zu § 171 IX AO. 278  So M. Ebner, PStR 2008, 119 f. Gleiches gilt für die Wiederaufnahme im finanzgerichtlichen Verfahren gem. § 134 FGO i. V. m. § 580 Nr. 6 ZPO; erg. Wisser, S. 258 ff.; abw. Hellmann, S. 128 f. (zw.). 279  s. Fn. 10. 280  s. dazu Franke, in: Löwe / Rosenberg, § 121 GVG Rn. 58 ff.; erg. M. Ebner, NZWiSt 2013, 355 (357). 281  Mangels planwidriger Regelungslücke. 282  Weil der Anwendungsbereich des RsprEinhG hier nicht eröffnet ist.

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1. Teil: Grundlagen und -begriffe

richte bei der steuerrechtlichen Beurteilung der Sache keiner Vorlagepflicht, d. h. sie können von der Rechtsprechung des BFH abweichen, soweit kein entsprechendes Präjudiz des BGH oder eines anderen Oberlandesgerichts vorliegt. Mit Blick auf den Grundsatz der Einheitlichkeit der Rechtsprechung (vgl. § 115 II Nr. 2 FGO) ist das ein bedenklicher und, soweit ersichtlich, vom Gesetzgeber gerade für das Steuerstrafrecht anscheinend nicht bedachter Befund, der – weil er die Rechtssicherheit nicht nur unerheblich tangiert283 – behoben werden sollte284; und zwar ungeachtet dessen, dass die Nichtbeachtung der Vorlagepflicht für die daraufhin ergehende Entscheidung in der Regel faktisch folgenlos bleibt, wenn dem Gesetzesverstoß nicht der Anschein der Willkür anhaftet285. Die Tatrichter bei den „Steueramtsgerichten“ und Wirtschaftsstrafkammern sind an die Finanzrechtsprechung ohnehin nicht unmittelbar gebunden. Eine echte Bindungswirkung besteht dagegen gemäß § 31 I BVerfGG für „alle“ mit Steuerrechtsfragen befassten „Gerichte“, wenn – was nicht gerade selten vorkommt286 – das BVerfG zur Vereinbarkeit von Steuergesetzen mit dem Grundgesetz Stellung genommen hat287. In den in § 31 II BVerfGG genannten Fällen haben die Entscheidungen des BVerfG sogar Gesetzeskraft288. Bei innerhalb der Europäischen Union harmonisierten Abgaben kommt darüber hinaus auch der Rechtsprechung des EuGH in (insbesondere) Vorabentscheidungsverfahren (Art. 267 AEUV; vormals: Art. 234 EG289) eine 283  Allg.

dazu Franke, in: Löwe / Rosenberg, § 121 GVG Rn. 25. Betracht käme z. B., § 121 II GVG in einem neu zu schaffenden § 391a AO im Steuerstrafverfahren für entsprechend anwendbar zu erklären, wenn ein OLG von einer Entscheidung des BFH zu einer konkreten Steuerrechtsfrage abweichen will. In der Folge müsste das OLG auch in diesem Fall die Sache dem BGH vorlegen, der – wenn er eine Abweichung von der Rspr. des BFH für notwendig hielte – dann den „Gemeinsamen Senat“ anrufen müsste. Das ginge jedenfalls nicht so weit, wie die durch das 1. AOStrafÄndG v. 10.8.1967 (BGBl. I, S. 877) aufgehobene strenge Bindung der Strafgerichte an die BFH-Rechtsprechung nach § 468 RAO (s. dazu Harms / Heine, in: Spindler FS, S. 429 [430 f.] sowie d. weit. Nachw. in Fn. 273). 285  Grdlg. Franke, in: Löwe / Rosenberg, § 121 GVG Rn. 73 m. w. N. Insbes. verstößt die irrtümliche Nichtvorlage nicht gegen Art. 101 I 2 GG (vgl. Joecks, Praxis, S. 189). 286  Z. B. BVerfGE 93, 121 = NJW 1995, 2615 (zu § 10 Nr. 1 VStG) u. 117, 1 = NJW 2007, 573 (zu § 19 I ErbStG). 287  Zum Umfang der Bindungswirkung (nur Entscheidungsformel oder auch „tragende Gründe“ [h. M.]) s. Heuer, in: Umbach / Clemens / Dollinger, § 31 Rn. 57 ff. m. w. N. 288  Erg. Heuer, in: Umbach / Clemens / Dollinger, § 31 Rn. 77 ff. 289  s. dazu das Bsp. auf S. 109 ff. u. Harms / Heine, in: Spindler FS, S. 429 (437 ff.). 284  In



B. Rechtsinstitut der Verjährung im Steuer-, Straf- und Steuerstrafrecht

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echte Bindungswirkung zu290. Das betrifft in der steuerstrafrechtlichen Praxis in erster Linie die Umsatzsteuer.

II. Das Wesen der Strafverfolgungsverjährung 1. Denktheoretische und dogmatische Wurzeln Das Rechtsinstitut der Verfolgungsverjährung dient nach überwiegender Auffassung der Verwirklichung verschiedener, zum Teil ineinander verschränkter Ziele291. Im Zentrum der ratio legis stehen dabei der Schutz und die Wahrung des durch die Straftat gestörten, trotz fehlender strafrechtlicher Ahndung aber irgendwann – zumindest theoretisch – durch Zeitablauf von selbst wieder einkehrenden Rechtsfriedens. Der BGH hat dazu in einem bis heute grundlegenden Beschluss vom 19.2.1963292 zur – von ihm bejahten – Anwendbarkeit des Zweifelsgrundsatzes im Verjährungsrecht293 Folgendes ausgeführt: „Die Verjährung ist eine Einrichtung im Grenzbereich zwischen Gerechtigkeit und Rechtssicherheit. Die Gerechtigkeit gebietet es, Schuldige sühnender Strafe zuzuführen. Rechtssicherheit strebt nach Rechtsfrieden. Wird dieser durch eine Straftat gestört, so dient es ihm, wenn die Gerechtigkeit durch Eingriff mit strafender Hand die Störung beseitigt. Ist der Rechtsfriede jedoch von selbst durch heilenden Zeitablauf wieder eingekehrt und die Rechtsordnung wiederhergestellt, so hat ein Eingriff der Strafgewalt keinen Nutzen mehr. Er führt nur zu neuer Unruhe. Daher verbietet ihn das Gesetz.“294

Wie die Praxis zeigt, ist das durch den BGH gezeichnete Bild eines nach Ablauf der in § 78 III StGB festgelegten Fristen gleich einem Pendel „in die Ruhestellung zurück schwingenden“ Rechtsfriedens ein trügerisches, wissenschaftlich durch nichts belegtes und vielfach sicher unzutreffendes Postulat295 290  Vgl. BVerfGE 75, 223 = NJW 1988, 1459; Jäger, in: Franzen / Gast / Joecks, § 396 Rn. 20; s. a. Harms, in: Schlüchter GS, S. 451 (456, Fn. 13); Heuer, in: Umbach / Clemens / Dollinger, § 31 Rn. 11 m. w. N. 291  Zusf. u. a. Lorenz, S. 90 ff.; Radke, S. 5 ff.; Satzger, JURA 2012, 433 (434 f.); krit. Romberg, S. 23 ff. m. zahlr. weit. Nachw.; erg. zu den historischen Wurzeln des Instituts Hong, S. 39 ff.; v.  Stackelberg, in: Bockelmann FS, S. 759 ff.; s. a. Haug, S. 46 ff. u. – jüngst – BVerfG, NVwZ 2013, 1004 zur „Rechtfertigung“ der Verjährung im Steuerrecht. 292  BGHSt 18, 274 = NJW 1963, 1209. 293  In Bezug auf die Tatzeit und damit mittelbar auch auf den Verjährungsbeginn (§ 78a StGB). 294  BGHSt 18, 274 (278) = NJW 1963, 1209 (1210). 295  s. a. BVerfGE 25, 269 (287) = NJW 1969, 1059 (1061): „Mit der Strafbarkeit entfällt die Verfolgbarkeit, nicht dagegen mit der Verfolgbarkeit die Strafbarkeit. Eine einmal begangene strafbare Handlung verliert ihren Unrechtscharakter nicht

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– nicht umsonst sieht etwa Mitsch296 in diesem Erklärungsmodell die bloße „Fiktion einer Aussöhnung des Täters mit der Gesellschaft, die ihm von nun an seine Verfehlung nicht mehr vorhalten wird.“ Da dies (u. a.297) bei schwersten Straftaten gegen das Leben augenscheinlich nicht so ist298, hat der Gesetzgeber 1979 mit dem 16. Strafrechtsänderungsgesetz299 reagiert und in § 78 II StGB letztendlich300 die Unverjährbarkeit von Mord bestimmt301. Gleicher­ maßen sind Völkermord (§ 6 VStGB), Verbrechen gegen die Menschlichkeit (§ 7 VStGB) und Kriegsverbrechen (§§ 8 ff. VStGB) als per se niemals in diesem Sinne „ausöhnungsfähige“ Straftaten gemäß § 5 VStGB unverjährbar302. dadurch, daß sie aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht verfolgt wird oder nicht verfolgt werden kann.“ 296  In: MüKo-StGB, § 78 Rn. 3 (Hervorh. v. hier). 297  Auf Sexualdelikte, insbesondere zum Nachteil von Kindern und Jugendlichen, dürfte dies ebenso zutreffen, was sich aktuell an dem von Bundesjustizminister Heiko Maas initiierten RegE eines StÄG zur „Umsetzung europäischer Vorgaben zum Sexualstrafrecht“ v. 18.9.2014 (BR-Drs. 422 / 14) zeigt. Nach Art. 1 Nr. 4 RegE soll – weit über den anlässlich der sog. Edathy-Affäre erkannten Novellierungsbedarf hinaus (s. dazu FD-StrafR 2014, 355585) – außerhalb europäischer Vorgaben jetzt auch § 78b I Nr. 1 StGB dergestalt erweitert werden, dass der Verjährungsfristlauf bei Sexualstraftaten der vorgenannten Art künftig bis zur Vollendung des 30. Lebensjahres des / der Geschädigten ruht (erg. S. 100). Dabei ist es erklärtes Ziel des RegE, dass solche Delikte „frühestens mit Vollendung des 50. Lebensjahrs des Opfers verjähren, wobei sich diese Frist durch … Unterbrechungshandlungen gemäß § 78c StGB … sogar bis zur Vollendung des 70.  Lebensjahres des Opfers verlängern“ können soll (BR-Drs. 422 / 14, S. 25). 298  Ähnl. BVerfGE 25, 269 (294) = NJW 1969, 1059 (1062); Habel, NJW 1995, 2830 (2831). 299  16.  StÄG v. 16.7.1979 (BGBl. I, S. 1046). 300  Verbrechen des Mordes verjährten ursprünglich nach 20  Jahren (§ 67 I StGB a. F.). Um die bevorstehende Verjährung zahlreicher nationalsozialistischer Gewalttaten zu verhindern, bestimmte § 1  I des G. über die Berechnung strafrechtlicher Verjährungsfristen – BerechnungsG v. 13.4.1965 (BGBl. I, S. 315) in einem 1. Schritt, dass die Zeit vom 8.5.1945 bis 31.12.1949 bei der Berechnung der Verjährung außer Ansatz blieb und die Verjährung währenddessen geruht hatte. Durch das 9.  StÄG v. 4.8.1969 (BGBl. I, S. 1065) wurde die Verjährung von Mord in einem 2. Schritt auf 30 Jahre verlängert. Ansonsten wären erneut zahlreiche NS-spezifische Taten spätestens zum 31.12.1969 verjährt, da mangels hinreichender Täterindividualisierung keine Unterbrechungsmöglichkeiten bestanden (erg. S. 116 u. Satzger, JURA 2012, 433 [442]; s. a. BGHSt 41, 72 = NStZ 1995, 394 – Fall Mielke [Polizistenmorde am Berliner Bülow-Platz am 9.8.1931]; zu aktuellen Tendenzen de lege ferenda [Verjährung bereits nach 30 Jahren] T. Walter, NStZ 2014, 368 [371 f.; zutr. abl.]). 301  s. a. § 79 II StGB, der – weitergehend – nicht nur bei Mord, sondern auch bei Totschlag oder anderen Gewaltdelikten mit Todesfolge (z. B. §§ 178, 251 StGB) eingreift, wenn lebenslange Freiheitsstrafe verhängt wird. 302  s. Sternberg-Lieben / Bosch, in: Schönke / Schröder, § 78 Rn. 1 („beruht auf der Erwägung, dass bei solchen Taten das Strafbedürfnis nie entfällt.“); krit. Hong, S.  157 ff. m. w. N.



B. Rechtsinstitut der Verjährung im Steuer-, Straf- und Steuerstrafrecht81

Bei Wirtschaftsstraftaten, insbesondere solchen, bei denen es aus Tätersicht (und nach wie vor auch aus Sicht nicht unerheblicher Teile der Bevölkerung303) „kein Opfer“ gibt304 oder vermeintlich „nur der Staat geschädigt“305 ist, mag dies vielleicht (generell oder im Einzelfall) anders zu sehen sein – gerade mit Blick auf die Steuerhinterziehung hat der Gesetzgeber aber erst vor Kurzem mit der neu geschaffenen Regelung des § 376 I AO zum Ausdruck gebracht, dass es mit der Verfolgung von Vergehen der dort bezeichneten Art (besonders schwere Steuerhinterziehung „in den in § 370 Abs. 3 Satz  2 Nr. 1 bis  5 genannten Fällen“) fortan frühestens306 nach zehn Jahren sein Bewenden haben soll. Der Begriff des Rechtsfriedens erweist sich nach alledem als außerordentlich ambivalent. Die Frage, wann – im Sinne eines „Schlussstrichs“307 – „Gras über die Sache gewachsen ist“308, hängt folglich zu einem ganz wesentlichen Teil vom jeweiligen Zeitgeist ab309. Das gilt zumindest dann, wenn es nicht um den Schutz höchstpersönlicher Rechtsgüter, sondern um „weniger wichtige“ oder gar nur um (angeblich) solche der Allgemeinheit geht310. Ob sich das Institut der Strafverfolgungsverjährung – bei Lichte betrachtet – allein damit in ausreichendem Umfang rechtfertigen lässt, erscheint danach eher fragwürdig. Im Schrifttum werden (daher?) seit jeher folgende weitere Gesichtspunkte angeführt, die den Eintritt einer Verfolgungsverjährung zusätzlich erklären bzw. in der Gesamtschau rechtfertigen sollen311: (1) das ursprünglich bestehende Strafbedürfnis schwindet im Laufe der Zeit immer mehr312, 303  Vgl.

S. 39. wird vor allem bei Korruptionsdelikten häufig ausgegangen. 305  Diese Sichtweise ist schon deshalb unzutreffend, weil diejenigen Lasten, die das Gemeinwesen zu tragen hat und deren Finanzierung sich der Hinterzieher enthält, von den übrigen Steuerpflichtigen mitgetragen werden müssen. Das hat eine nachhaltige Störung des Gleichgewichts der Lastenverteilung zur Folge. Die Steuerhinterziehung ist demnach ein jeden Einzelnen zumindest mittelbar schädigendes Allgemeindelikt (s. S. 39 f.; ähnl. Kiel, S. 1). 306  Absolute Verjährung tritt gem. § 78c III 2 StGB erst nach 20  Jahren ein. 307  Mitsch, in: MüKo-StGB, § 78 Rn. 3 a. E. 308  Roxin, § 23 Rn. 56. 309  Erg. Hamm, in: Schiller FS, S. 262 (263, 266, 280). 310  Mittlerweile „klassisches“ Beispiel hierfür ist die Streichung von § 175 StGB (Strafbarkeit homosexueller Handlungen) durch das 29. StÄG v. 21.5.1994 (BGBl. I, S. 1168). 311  s. u. a. Satzger, JURA 2012, 433 (434 f.); Schmid, in: LK-StGB, Vor § 78 Rn. 9 a. E. jew. m. w. N. 312  Vgl. BGH, NJW 1985, 1719 (1720). Ein Unterschied zu dem bereits dargestellten Theorem des „von selbst“ wieder einkehrenden Rechtsfriedens ist nicht erkennbar. 304  Davon

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1. Teil: Grundlagen und -begriffe

(2) mit fortschreitendem Zeitablauf können313 mit immer höher werdender Wahrscheinlichkeit Beweisschwierigkeiten auftreten314 und (3) einer etwaigen (bewussten) Untätigkeit der Strafverfolgungsbehörden und Gerichte soll in jedem Verfahrensabschnitt entgegen gewirkt werden315. Mitsch316 bezieht in diese Gemengelage – im Anschluss an Bloy317 – schließlich noch mit ein, dass die mit der Ahndung strafbaren Unrechts verfolgten Zwecke mit zunehmendem zeitlichen Abstand zur Tat eine immer schwächer werdende (general- und spezial-) präventive Wirkung entfalten könnten. Dem ist freilich entgegen zu halten, dass die Strafzwecke – umgekehrt – gerade dadurch, dass Straftaten auch nach längerer Zeit noch verfolgt und die Täter bestraft werden, erst ihre volle Wirkung entfalten. Vor allem der gerade für das Steuerstrafrecht bedeutsame Effekt der Generalprävention wird dadurch zusätzlich verstärkt. Die in diesem Zusammenhang ebenfalls von Mitsch318 beschriebene strafähnliche Wirkung der unter Umständen jahrelangen Furcht des Täters vor Verfolgung und Entdeckung sowie des Drucks seines Gewissens („poena naturalis“) tut dem unter dem Gesichtspunkt der Strafzwecke keinen Abbruch. Letztlich sind jedoch all diese Gründe weder einzeln noch in ihrer Gesamtheit geeignet, die Berechtigung einer Verjährung der Verfolgung von Straftaten dogmatisch hinreichend zu begründen. Ausschlaggebend ist vielmehr der Umstand, dass jede Form staatlichen Handelns, allem voran der Eingriff in die Freiheitsrechte des Einzelnen mit den Mitteln des Strafrechts, dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit unterliegt. Das hat das BVerfG im sog. Wencker-Beschluss vom 15.12.1965319, der die bis heute aktuellen320 verfassungskonformen Auslegung von § 112 III StPO behandelt, wie folgt beschrieben: 313  Müssen

aber nicht, insbesondere wenn ein glaubhaftes (überprüfbares) Geständnis oder aussagekräftige Papierspuren vorliegen (zust. Mitsch, in: MüKo-StGB, § 78 Rn. 2). 314  Ebenso BGH, NJW 1985, 1719 (1720: Gesichtspunkt der Beweisvergänglichkeit). Wie Mitsch (in: NJW 2005, 3036 [3037]) zutr. ausführt, lässt sich das Institut des Ruhens der Verjährung dann überhaupt nicht mehr erklären („vollkommen unvereinbar“). 315  Dieser Aspekt ist jedenfalls seit BGHSt (GrS) 52, 124 = NJW 2008, 860 – „Vollstreckungslösung“ keine Frage der Verfolgungsverjährung mehr, sondern der Strafvollstreckung (s. Fn. 322). 316  In: MüKo-StGB, § 78 Rn. 3. 317  s. Bloy, S. 181 ff. (187). 318  In: MüKo-StGB, § 78 Rn. 3. 319  BVerfGE 19, 342 (348 f.) = NJW 1966, 243 (244); erg. BVerfG, NJW 1993, 3254 (3255) m. w. N. 320  Vgl. Schmitt, in: Meyer-Goßner / Schmitt, § 112 Rn. 37.



B. Rechtsinstitut der Verjährung im Steuer-, Straf- und Steuerstrafrecht83 „In der Bundesrepublik Deutschland hat der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verfassungsrechtlichen Rang. Er ergibt sich aus dem Rechtsstaatsprinzip, im Grunde bereits aus dem Wesen der Grundrechte selbst, die als Ausdruck des allgemeinen Freiheitsanspruchs des Bürgers gegenüber dem Staat von der öffentlichen Gewalt jeweils nur so weit beschränkt werden dürfen, als es zum Schutz öffentlicher Interessen unerläßlich ist. Für das Grundrecht der persönlichen Freiheit folgt dies auch aus der besonderen Bedeutung, die gerade diesem Grundrecht als der Basis der allgemeinen Rechtsstellung und Entfaltungsmöglichkeit des Bürgers zukommt und die das GG dadurch anerkennt, daß es in Art. 2 Abs. 2 die Freiheit der Person als ‚unverletzlich‘ bezeichnet.“

Aus dieser ganz grundlegenden Vorgabe und dem daraus (auch) abzuleitenden Gebot schuldangemessenen Strafens321 ergibt sich zum einen, dass ein langer Zeitablauf zwischen Tat und Verurteilung bei der Strafzumessung zugunsten des Angeklagten zu berücksichtigen ist; Entsprechendes gilt für eine („über-“)lange Verfahrensdauer322. Überschreitet diese Zeitspanne die in § 78 III StGB abgesteckten Grenzen, ohne dass die Strafverfolgungsbehörden durch Unterbrechungshandlungen (§ 78c I StGB) zum Ausdruck gebracht haben, dass sie gewillt und in der Lage sind, den staatlichen Strafverfolgungsanspruch (weiterhin) wahrzunehmen, erstarkt dieser verfassungsrechtliche Grundsatz vom – je nach Zeitablauf im Einzelfall mehr oder minder bedeutsamen – Strafzumessungsfaktor zum absolut wirkenden Strafverfolgungshindernis der Verjährung. Die aus Tätersicht positive Wirkung des Zeitablaufs ist ab diesem „break-even point“ dann nämlich so groß, dass der unmittelbare323 Strafverfolgungsanspruch suspendiert wird. Ob diese Wirkung nach der geltenden Verhältnismäßigkeitsdogmatik324 an der fehlenden Geeignetheit, Erforderlichkeit oder Angemessenheit einer Bestrafung festzumachen ist, kann hier letztlich dahinstehen, wenngleich das Bild des mit fortschreitendem Zeitablauf von selbst wieder einkehrenden Rechtsfriedens einer mangelnden Erforderlichkeit am ehesten entsprä321  Sog.

Schuldmaßprinzip, vgl. Fischer, § 46 Rn. 19. Fischer, § 46 Rn. 61. Bei einer Art. 6 EMRK zuwider laufenden Verfahrensverzögerung ist nach BGHSt (GrS) 52, 124 = NJW 2008, 860 in Abkehr von der überholten Strafabschlagslösung in der Urteilsformel auszusprechen, dass zur Entschädigung für eine überlange Verfahrensdauer ein konkret zu beziffernder Teil der verhängten Strafe als vollstreckt gilt (Vollstreckungslösung). Alternativ dazu (§ 199 III GVG) steht es den Betroffenen seit 3.12.2011 offen, nach Maßgabe der §§ 198 ff. GVG einen Entschädigungsanspruch geltend zu machen. Nur in außergewöhnlichen Einzelfällen (z. B. BGHSt 35, 137 = NJW 1988, 2188) kann aus einem Verstoß gegen Art. 6 EMRK ein Verfahrenshindernis erwachsen (BGHSt 46, 160 [168 ff.] = NJW 2001, 1146 [1148]). 323  Eine mittelbare Berücksichtigung bei der Strafzumessung i. e. S. bleibt davon allerdings unberührt (s. S. 66 f.). 324  Vgl. etwa Jarass, in: Jarass / Pieroth, Art. 20 Rn. 83 ff. 322  Vgl.

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1. Teil: Grundlagen und -begriffe

che. Von diesem in neuerer Zeit kaum325 so ausgeführten Standpunkt aus betrachtet, ist das Institut der Verjährung ein im Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wurzelndes verfassungsrechtliches Gebot, das in erster Linie im Strafrecht, darüber hinaus aber auch im gesamten übrigen öffentlichen (Eingriffs-)Recht zwingend Platz greifen muss. Man könnte daher, um im üblichen Duktus zu bleiben326, von einem vierten Erklärungsmodell sprechen – der verfassungsrechtlichen Verjährungstheorie. Gerade im Strafrecht tritt noch hinzu, dass der Beschuldigte, Angeschuldigte, Angeklagte bzw. Verurteilte327 mit Blick auf Art. 1 I GG in keinem Stadium des Verfahrens zu dessen bloßem Objekt („degradiert“) werden darf. In der Folge darf diesem auch nicht die Aussicht genommen werden, irgendwann einmal wieder frei von (potentieller) Strafverfolgung und -vollstreckung bzw. deren Folgen leben zu können, sofern er keine neuen Straftaten begeht. Dieser (Resozialisierungs-)Gedanke kommt im geltenden Recht etwa in § 51 BZRG zum Ausdruck und hat auch in der Entscheidung des BVerfG328 zur Verfassungsmäßigkeit der lebenslangen Freiheitsstrafe einen Niederschlag gefunden. Die in §§ 78 II, 79 II StGB und § 5 VStGB angeordnete Unverjährbarkeit bildet hiervon wegen der besonderen Schwere der dort in Bezug genommenen Straftaten eine verfassungsrechtlich hinnehmbare Ausnahme329. Die Fristen für die Strafverfolgungsverjährung in § 78 III StGB halten sich mit Maximallängen von 20 Jahren (bei angedrohter zeitiger Freiheitsstrafe) bzw. 30  Jahren (bei lebenslanger Freiheitsstrafe) im Rahmen des 325  s. etwa BVerfGK 2, 149 (161: „Eine wesentliche Ursache des Verzichts [, nach einer bestimmten Zeitspanne gegen den Straftäter mit den Mitteln des Strafrechts vorzugehen,] liegt im Verhältnismäßigkeitsgrundsatz; der Zeitablauf lässt die drohende Rechtsfolge, die sich als Eingriff in Freiheits- oder Vermögensrechte realisiert, sowohl unter spezialpräventiven als auch unter generalpräventiven Gesichtspunkten als unverhältnismäßig erscheinen“ [in NJ 2004, 214 insoweit n. abgedr.]); ähnl. Reichling / Winsel, JR 2014, 331. Der Legitimationsansatz der Unverhältnismäßigkeit hat seine Wurzeln, wie Radke (S. 4, Fn. 7) näher belegt, in vorkonstitutioneller Zeit; erg. BVerfG, NVwZ 2013, 1004 (1005: „Ausdruck der Gewährleistung von Rechtssicherheit“) sowie Haug, S. 65, 80 ff. zu den verfassungsrechtlichen Aspekten aus Sicht des Steuerrechts. 326  s. S.  86 f. 327  Vgl. § 157 StPO. 328  BVerfGE 45, 187 = NJW 1977, 1525; erg. BVerfG, Beschl. v. 29.11.2011, 2  BvR 1758 / 10, BeckRS 2011, 56804 – „Mittagsmörder“; zu den Hintergründen dieses in Mittelfranken bis heute Aufsehen erregenden Nürnberger Kriminalfalls aus den 1960er Jahren s. Daucher / H. Ebner, S. 73 ff.; Mauz, DER SPIEGEL Nr. 30 / 1967, S.  51 f. 329  Das wird z. B. in BVerfG, Beschl. v. 30.11.2000, 2  BvR 1473 / 00, BeckRS 2001, 20016, Tz. 23 – Fall Reinhold Huhn – vorausgesetzt.



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dem Gesetzgeber zuzubilligenden „Spielraums“330. Sie erscheinen angesichts des Gewichts der davon erfassten Verbrechen und der mit ihrer Begehung verbundenen gravierenden Störung des Rechtsfriedens331 ebenfalls – ohne Weiteres – mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz vereinbar332. 2. Gedanken zur rechtssystematischen Einordnung Im Hinblick auf die dogmatische Wirkweise der Verfolgungsverjährung besteht Uneinigkeit darüber, ob ihr Eintritt dazu führt, dass der staatliche Strafverfolgungsanspruch untergeht oder dass er zwar fortbesteht, seine Durchsetzung aber aufgrund des Wegfalls einer Verfahrensvoraussetzung dauerhaft unmöglich geworden ist333. Auf das Zivilrecht334 übertragen, würde sich insofern die Frage stellen, ob der (Strafverfolgungs-)Anspruch im Sinne von § 242 BGB verwirkt und damit – wie beim Strafklageverbrauch, der, um im Bild zu bleiben, § 362 I BGB entspräche – erloschen335 ist, oder ob er dem Grunde nach weiter existiert336, seine unmittelbare Geltendmachung aber (wie bei § 275 I BGB) aufgrund einer von Amts wegen zu berücksichtigenden Einwendung kraft Gesetzes ausgeschlossen ist. Auch wenn dieser Vergleich etwas „hinken“ mag, stellt er das systematische Grundproblem doch plastisch dar – ganz zu schweigen von den praktischen Auswirkungen der unterschiedlichen Sichtweisen, die enorm sein können: Man denke nur an das bereits angesprochene Problem, ob bereits verjährte (Teile von) Taten – mit Abstrichen in der Gewichtung – bei der Strafzumessung zu Lasten des Angeklagten in Ansatz gebracht werden dürfen. Weitere Beispiele sind die Frage, ob verjährte Straftaten bei der Beweiswürdigung indiziell zum Tatnachweis verwertet dürfen oder ob sie tauglicher Anknüpfungspunkt für Anschlussdelikte (§§ 257 ff. StGB, § 374 AO) bleiben337. Gin330  Vgl.

BVerfGE 25, 269 (292 f.) = NJW 1969, 1059 (1062). erscheint diese Begrifflichkeit in der Tat einmal passend. 332  Dass das strafrechtsähnlich ausgestaltete „Disziplinarrecht … keine Verfolgungsverjährung als Verfahrenshindernis [kennt], sondern lediglich ein nach Reaktionen gestaffeltes Disziplinarmaßnahmeverbot wegen Zeitablaufs (§ 15 BDG, Art. 16 BayDG)“ (Lübbersmann, PStR 2013, 229 [230]) ist zwar verfassungsrechtlich bedenklich, mit Blick auf die vorgenommene Rechtsfolgenabstufung aber noch tolerabel. 333  Statt vieler: Schauf, in: Kohlmann, § 376 Rn. 44 m. w. N. 334  Im Steuerrecht führt der Eintritt der Verjährung gem. § 47 AO zum Erlöschen des Steueranspruchs. 335  Vgl. Mansel, in: Jauernig, § 242 Rn. 63. 336  So etwa Stadler, in: Jauernig, § 275 Rn. 31 hinsichtl. des Schuldverhältnisses im Ganzen. 337  Die h. M. bejaht im Grundsatz beides, vgl. Schmid, in: LK-StGB, Vor § 78 Rn.  17 m. w. N. 331  Hier

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1. Teil: Grundlagen und -begriffe

ge man davon aus, dass der staatliche Strafverfolgungsanspruch mit Eintritt der Verfolgungsverjährung gänzlich erlischt, würde – was von der herrschenden Meinung und in der Rechtsprechung gerade nicht vertreten wird338 – eine solche Berücksichtigung rechtsdogmatisch zweifelhaft erscheinen, wenn nicht gar ausscheiden. Denn wo nichts mehr vorhanden ist, kann im Grundsatz auch nichts mehr berücksichtigt werden; und „dass da schon Mal ‚etwas‘ war“, wäre vor dem Hintergrund des Rechtsgedankens, dass im Regelfall (zumindest formal) irgendwann einmal Rechtsfrieden einkehren muss, nur ein sehr schwaches Argument. Zu einem anderen Ergebnis käme man hingegen ohne Weiteres unter der Annahme, dass mit dem Verjährungseintritt zwar die unmittelbare Durchsetzbarkeit des Strafverfolgungsanspruchs suspendiert ist, dieser aber wegen seiner andauernden Existenz zumindest mittelbar (daher „mit Abstrichen“) bei der Bemessung der wegen noch nicht verjährter Taten zu verhängenden Strafe(n) in Ansatz gebracht darf. Der Gesetzgeber hat sich der Beantwortung dieser Frage bewusst enthalten und die Lösung des Problems ausdrücklich der Rechtsprechung und der Wissenschaft überantwortet339. Erstere hatte hierzu allerdings schon weitaus früher Stellung bezogen: So war das Reichsgericht, als es sich anno 1885 erstmals mit der Frage zu befassen hatte, ob der Eintritt der Verfolgungsverjährung in der Revision „ohne ausdrücklich hierauf gerichteten Revisionsangriff“ bereits auf die allgemeine Sachrüge hin (heute: von Amts wegen) zu prüfen ist, zunächst zu dem Ergebnis gelangt, dass es sich um ein Institut des materiellen Rechts handele. Die Verjährung sei daher als Strafaufhebungsgrund einzustufen, der den staatlichen Verfolgungsanspruch auf Ebene des materiellen Rechts entfallen lasse (sog. materiell-rechtliche Verjährungstheorie)340. Nach einer Übergangsphase, in der das Reichsgericht eine „gemischte“ Verjährungstheo­ 338  s.

d. Nachw. in Fn. 343, 344. BT-Drs. V / 4095, S. 43. Insofern kann, wie Schmid (in: LK-StGB, Vor § 78 Rn. 7) zutreffend ausführt, auch der Vorschrift des § 263 III StPO kein über den Ablauf der Abstimmung bei Kollegialgerichten hinausgehender Inhalt entnommen werden. Anders ist dies allenfalls bei den §§ 78 I 2, 76a II 1 Nr. 1 StGB, wo der Gesetzgeber ausdrücklich klargestellt hat, dass eine ebenfalls im staatlichen Strafverfolgungsanspruch wurzelnde Verfallsanordnung auch dann noch möglich ist, wenn „die Verfolgung der Straftat verjährt ist“. 340  RGSt 12, 434 (436: „Die Bestimmungen des Strafgesetzbuches über die Verjährung der Strafverfolgung sind nicht, jedenfalls nicht ausschließlich prozeßrecht­ licher Natur, sondern gehören wesentlich dem materiellen Rechte an. Die Folge des Eintrittes der Verjährung ist nicht sowohl der Wegfall der prozeßualen Voraussetzung für die Statthaftigkeit der Strafverfolgung, als vielmehr der Wegfall des materiellen Rechtes des Staates zur Strafverfolgung, des Strafanspruches selbst und damit der Strafbarkeit der vom Gesetze an sich unter Strafe gestellten That.“ [Hervorh. v. hier]); dem zust. etwa Troeger / Meyer, S.  283 f. 339  Vgl.



B. Rechtsinstitut der Verjährung im Steuer-, Straf- und Steuerstrafrecht87

rie vertreten hatte341, ordnete es die Verjährung letztlich als ein sich prozessual auswirkendes Verfahrens- bzw. Strafverfolgungshindernis ein (sog. verfahrensrechtliche Verjährungstheorie)342. Dem sind die bis heute herrschende Meinung343 und auch der BGH344 zu Recht gefolgt.345 Es ist im Grundsatz weder dem Verhältnismäßigkeitsprinzip noch einem anderen für das Strafrecht maßgebenden Systemgedanken geschuldet, davon auszugehen, dass der staatliche Strafverfolgungsanspruch nach Ablauf einer bestimmten Zeitspanne untergeht. Dass dies so ist und dass vor allem auch der Gesetzgeber hiervon ausgeht, belegen nicht nur § 78 II StGB und § 5 VStGB. Auch der Wortlaut von § 78  I 1 StGB liefert einen – wenngleich vagen – Anhaltspunkt, weil das Gesetz dort davon spricht, dass die Verjährung (nur) „die Ahndung der Tat“346 ausschließt. Von (der Fiktion) einer Unrechtsrelativierung ist dort ersichtlich nicht die Rede. Die Wendung „Ausschluss der Ahndung“ lässt sich vielmehr dahin deuten, dass nur die unmittelbare Durchsetzung des Strafanspruchs nicht mehr möglich sein soll – eine weitergehende Interpretation ist keineswegs zwingend, sodass der Berücksichtigung bereits verjährter (Teile von) Taten bei der Strafzumessung letztlich keine grundlegenden normativen Bedenken entgegen stehen. Insbesondere existiert auch keine § 51 I BZRG entsprechende Vorschrift, sodass insofern lediglich die vorgenannten allgemeinen verfassungsrecht­ lichen Prämissen einzuhalten sind347. Darin ist auch auf der Wertungsebene kein Verstoß gegen das Übermaßverbot zu sehen, weil der Betroffene mit der neuerlichen, noch nicht verjährten Straftat selbst die Grundlage für die sanktionenmäßige Gesamtbewertung seines bisherigen Verhaltens (§ 46 II StGB: „Vorleben des Täters“348) geschaffen hat. Dass dies bei Delikten mit 341  Vgl.

RGSt 41, 167 (168); 46, 269 (274); 66, 328. 76, 159 (160 f.: „Die Strafverfolgungsverjährung bewirkt zwar, daß das Bestrafungsrecht nicht mehr verfolgt werden kann; sie tilgt es aber nicht. Der Ablauf der Frist für die Verjährung der Strafverfolgung schafft nur ein Verfahrenshindernis, keine sachlichrechtliche Lage, die es ausschlösse, das Recht zur Strafverfolgung dadurch wieder aufleben zu lassen, daß die Verjährungsfrist verlängert wird.“ [Hervorh. v. hier]). A. A. nach wie vor etwa Müller, AO-StB 2007, 246 („Erlöschen … des Rechts auf Verfolgung einer Straftat“); dto. ders., AO-StB 2008, 80 (84). 343  Vgl. nur Schmid, in: LK-StGB, Vor § 78 Rn. 8 m. w. N. 344  s. bereits BGHSt 2, 301 (306 ff.) m. w. N.; dem zust. BVerfGE 25, 269 (292) = NJW 1969, 1059 (1061). 345  Zusf. u. a. Feigen / Graf, in: MAH-WiStra, § 6 Rn. 3 ff.; Graf, in: KK-OWiG, § 31 Rn. 5 f.; Lorenz, S. 20 ff.; Radke, S. 18 ff.; Satzger, JURA 2012, 433 (435 f.); v.  Stackelberg, in: Bockelmann FS, S. 759 (762 ff.) jew. m. w. N. 346  Hervorh. v. hier. 347  s. S. 84. 348  Auch i. S.  einer negativen „Lebensleistung“, vgl. BGHSt 53, 71 (86) = NJW 2009, 528 (533). 342  RGSt

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1. Teil: Grundlagen und -begriffe

unterschiedlicher Schutzrichtung, die zumeist in gesonderten Verfahren behandelt werden, – wenn überhaupt – nur ausnahmsweise erkannt wird349, ist ebenso offensichtlich, wie der Umstand, dass ein solches Vorgehen bei gleichgerichteten Delikten zwar grundsätzlich immer nahe liegt, praktisch aber nur sehr selten zur Umsetzung gelangt. Das wiederum findet seinen Ursprung nicht zuletzt darin, dass das Tatgericht auch die verjährten Tatteile bzw. Taten prozessordnungsgemäß feststellen muss, um sie bei der Strafzumessung berücksichtigen zu können350. Es wird dem daher stets – offen oder verdeckt – eine entsprechende „Kosten-Nutzen-Rechnung“ vorausgehen. 3. Exkurs: Einführung verjährter Taten in die Hauptverhandlung In der Praxis stellt sich mit Blick auf §§ 155 I, 261, 264 I StPO die Frage, wie verjährte351 Tatteile bzw. Taten zum Gegenstand der Hauptverhandlung gemacht werden können. Abgesehen von der Konstellation, dass erst im Hauptverfahren festgestellt wird, dass einzelne (Teile der angeklagten) Taten verjährt sind und das Gericht seine Feststellungen zu den rechtsfolgenrelevanten Umständen daher ohnehin bereits vom Anklagesatz ausgehend treffen kann, stehen im Grundsatz zwei Möglichkeiten im Raum: Entweder (1) die verjährten Tatteile / Taten werden ausdrücklich als „in verjährter Zeit begangen“ im Anklagesatz (§ 200 I 1 StPO) (mit-)geschildert352 und / oder (2) sie werden zum Gegenstand des „Wesentlichen Ergebnisses der Ermittlungen“ (§ 200 II StPO353) gemacht354. Gegen eine Aufnahme in den Anklagesatz spricht, dass der Angeklagte wegen der verjährten Tat(en) nicht mehr schuldig gesprochen werden soll (und auch nicht darf [§ 78 I 1 StGB]). Vielmehr handelt es sich um Aspek349  s.

dazu jüngst BGH, NJW 2014, 645 (646: „innerer Zusammenhang“ erf.). S. 65. 351  Entsprechendes gilt für im Ermittlungsverfahren gem. §§ 154 I, 154a I StPO eingestellte Taten (s. S. 66 f.). 352  Zum notwendigen Inhalt der Anklage in Steuerstrafsachen s. BGH, NStZ-RR 2009, 340 f.; erg. BGH, NJW 2010, 308 (309) m. w. N. – Fall Coesfeld; s. aber auch BGH, NJW 1987, 1209 zum zu langen Anklagesatz. 353  Seit den Entscheidungen BGH, NJW 2008, 2131 f. und BGHSt (GrS) 56, 109 = NJW 2011, 1687 hat das „WE“ in Wirtschaftsstrafsachen eine deutliche funktionale Aufwertung erfahren; erg. M. Jahn, in: Schiller FS, S. 339 ff. zur Strafbarkeit wegen Beleidigungsdelikten durch unwahre Tatsachenbehauptungen in einer Anklageschrift. 354  Meyer-Goßner (in: Meyer-Goßner / Schmitt, § 244 Rn. 54) stellt pauschal auf die „Anklage“ ab. Nach Foth (in: NStZ 1995, 375) besteht auch die Möglichkeit, verjährte Taten durch Beweisanträge einzuführen. Dies erscheint mit Blick auf den fair-trail-Grundsatz jedoch zumindest dann zweifelhaft, wenn die Berücksichtigung des verjährten Prozessstoffes bei der Strafzumessung von Anfang an beabsichtigt war. 350  s.



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te, die – zumal „mit Abstrichen“ – nur noch für die Strafzumessung relevant sind. Um andernfalls latent drohenden Missverständnissen von Anfang den Boden zu entziehen, erscheint es daher zielführender, die verjährten Tatteile bzw. Taten ausschließlich im „Wesentlichen Ermittlungsergebnis“ zu schildern355. Etwaigen Unsicherheiten sollte der Tatrichter aufgrund seiner prozessualen Fürsorgepflicht356 und mit Blick auf den Grundsatz des fairen Verfahrens357 gegebenenfalls flankierend durch entsprechende Hinweise entsprechend § 265 II StPO begegnen – auch wenn das mit Blick auf die Ausführungen im „Wesentlichen Ergebnis der Ermittlungen“ eigentlich überflüssig sein sollte358.

III. Das verjährungsrechtliche Instrumentarium 1. Die allgemeinen Verfolgungsverjährungsfristen a) Normbestand und Regelungstechnik Die insgesamt fünf im (bundes-)deutschen Strafrecht existenten Verfolgungsverjährungsfristen sind – für das gesamte Rechtsgebiet gleichbleibend359 – in erster Linie in § 78 III StGB niedergelegt. § 78 II StGB und § 5 VStGB enthalten mit der in diesen Vorschriften festgeschriebenen Unverjährbarkeit von Mord, Völkermord etc. keine Verjährungsfristen, die als solche irgendwann einmal ablaufen, d. h. zu einem (Frist-)Ende gelangen können. Die amtliche Überschrift des § 78 StGB – „Verjährungsfrist“ – ist aber nicht nur unter diesem Gesichtspunkt unglücklich gewählt. Denn die Vorschrift befasst sich genau genommen nur im dritten und vierten Absatz mit Verjährungsfristen als solchen. § 78 I StGB normiert die Rechtsfolgen des Eintritts der Verfolgungsverjährung und wäre daher aus systematischen Gründen eigenständig, d. h. von den Absätzen 2 bis 4 getrennt, unter der Überschrift „Rechtsfolgen der Verjährung“ besser positioniert gewesen. Entsprechendes gilt für § 78 II StGB. Auch bei dieser 355  Ausschließlich

rechtsfolgenrelevante Tatsachen müssen im Anklagesatz nicht geschildert werden, vgl. Meyer-Goßner, in: Meyer-Goßner / Schmitt, § 200 Rn. 10. 356  Vgl. Meyer-Goßner, in: Meyer-Goßner / Schmitt, Einl. Rn. 155 ff. 357  Vgl. Meyer-Goßner, in: Meyer-Goßner / Schmitt, Einl. Rn. 19. 358  Allg. zur Zulässigkeit überschießender Feststellungen Meyer-Goßner, in: Meyer-Goßner / Schmitt, § 264 Rn. 11. 359  Davon weicht das OWi-Recht bereits in der Grundkonzeption ab: So geht § 31 II OWiG (= Parallelregelung zu § 78 III StGB, die um § 33 III 3 OWiG ergänzt gelesen werden muss) per se davon aus, dass spezialgesetzliche Bestimmungen (z. B. § 26 III StVG, § 384 AO oder § 128 III BranntwMonG) existieren, die der allgemeinen, ebenfalls an das Höchstmaß der abstrakten Bußgeldandrohung anknüpfenden Regel vorgehen.

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Norm hätte es durchaus nahegelegen, eine am Vorbild des § 5 VStGB orientierte abgesetzte Regelung innerhalb eines eigenen Paragraphen, etwa mit der Überschrift „Unverjährbarkeit“, zu wählen.

§ 78 StGB gilt – wie alle anderen Vorschriften des Allgemeinen Teils des StGB – gemäß Art. 1 II 1 EGStGB nicht nur für das Kernstrafrecht, sondern auch für das gesamte Nebenstrafrecht, d. h. insbesondere für die in und außerhalb der Abgabenordnung geregelten Steuerstraftatbestände. Das Bundesrecht enthält daher nur ganz ausnahmsweise Sonderregelungen zur Verfolgungsverjährungsfrist, die, wie etwa § 48 I Kunst­UrhG (Verjährungsfrist: drei Jahre), häufig noch vorkonstitutionellen Ursprungs sind und auch nicht in der Kritik stehen, § 78 III, IV StGB zuwider zu laufen360. Letzteres gilt freilich nicht für § 376 I AO. Ungeachtet der einzigartigen Besonderheiten bei der Verjährung von sog. Presseinhaltsdelikten361, richtet sich die Verjährung der bereits erwähnten landesrechtlichen Abgabendelikte362 wegen Art. 1 II 1 EGStGB ebenfalls nach den §§ 78 ff. StGB. Vergehen der Abgabenhinterziehung nach Art. 14 I 1 BayKAG (Strafdrohung: Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren) verjähren daher beispielsweise (grundsätzlich) in fünf Jahren (§ 78 I Nr. 4 StGB), wobei hier auch Art. 14 I 2 BayKAG zu beachten ist, der 360  Vergehen

nach 33 I KunstUrhG sind mit Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr bedroht und verjähren daher auch nach Maßgabe von § 78 III Nr. 5 StGB in drei Jahren. 361  Grdlg. BGH, wistra 2004, 339 zu § 15 I BayPrG a. F.; s. a. Schmid, in: LKStGB, Vor § 78 Rn. 4, § 78 Rn. 14 m. w. N. Presseinhaltsdelikte sind alle Straftaten, die mittels Verbreiten eines Druckwerks begangen werden (Gegenbegriff: Presseordnungsdelikt [i. e. strafbewehrter Verstoß gegen ein Landespressegesetz]). Das umfasst naturgemäß insbesondere die §§ 185 ff. StGB, können grds. aber auch Deliktstatbestände aus dem Wirtschaftsstrafrecht, wie z. B. §§ 263, 264a [s. BGH, wistra 2004, 339], § 38 WpHG (s. dazu aktuell BGH, Beschl. v. 4.12.2013, 1  StR 106 / 13, BeckRS 2014, 08440, Tz. 10 [in NJW 2014, 1896 insoweit n. abgedr.]) oder § 399 AktG, sein. Die Verjährungsfrist beträgt je nach landesrechtlicher Ausgestaltung i. d. R. sechs Monate, wobei die vorgenannten Wirtschaftsstraftaten davon mittlerweile z. T. ausdrücklich ausgenommen sind (vgl. Art. 14 I 2 BayPrG einerseits u. § 23 I HbgPrG andererseits). Obschon angesichts von Art. 70 I, 74 I Nr. 1 GG, Art. 1 II EGStGB eigentlich kein Raum für landesrechtliche Sonderregeln zu den §§ 78 ff. StGB besteht (insbes. wenn bundesrechtliche Straftatbestände durch Verbreiten eines Druckwerks verwirklicht werden), hat das BVerfG in einer heftig kritisierten Entscheidung vom 4.6.1957 (E  7, 29 [36 ff.] = DVBl. 1957, 611 [612 ff.]) ausgesprochen, dass die Verjährung allein der „Pressedelikte“ nicht Art. 74 I Nr. 1 GG, sondern dem Rahmenkompetenztitel des Art. 75 I 1 Nr. 2 GG unterfällt (erg. Schoene, NJW 1975, 1544). Spätestens seit der Einführung von § 81 VIII 1 GWB zum 13.7.2005, wonach auch die dort genannten Kartell-OWi’en von der presserechtlichen Verjährung ausgenommen sind, hatte sich diese Auslegung endgültig verfestigt. 362  s. S. 49.



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§ 376 AO – nach wie vor unverändert – „in der jeweils geltenden Fassung“ für anwendbar erklärt und damit den im 2. Teil zu behandelnden Auslegungsschwierigkeiten einen weiteren Problemkreis hinzufügt363. Welche der in § 78 III StGB genannten Verjährungsfristen konkret eingreift, richtet sich nach der vom Gesetzgeber grundsätzlich-abstrakt „vortaxierten“ Deliktsschwere, die an der maximalen Regelstrafdrohung des jeweils verwirklichten Straftatbestands ablesbar sein soll. Diese Einordnung erfolgt – ebenso wie bei § 12 III StGB – losgelöst von der Strafzumessung im Einzelfall und nach § 78 IV StGB auch ohne Rücksicht auf Schärfungen oder Milderungen für besonders schwere364 oder minder schwere365 Fälle. Anders ist dies nur bei „echten“ Qualifikations- bzw. Privilegierungstatbeständen, die als eigenständiger Typus eingestuft werden366. Qualifikationen367 lassen sich von den als Strafzumessungsregeln ausgestalteten „bloßen“ Regelbeispielen im Gesetz dadurch unterscheiden, dass hier die (im Steuerstrafrecht nur in § 370 III AO enthaltenen) Formulierungen „1In besonders schweren Fällen …“ und „2Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn  …“ (Hervorh. v. hier)

fehlen. Die Sanktionsart „Freiheitsstrafe“ wiegt dabei stets abstrakt schwerer als die Sanktionsart „Geldstrafe“368. Die Verjährungsfristen sind in § 78 III StGB nach vollen Jahren bemessen und in absteigender Reihenfolge nach dem Höchstmaß der abstrakten Strafdrohung wie folgt fünffach gestaffelt369: – lebenslange Freiheitsstrafe (Nr. 1): 30 Jahre370, – max.: Freiheitsstrafe > zehn Jahre (Nr. 2): 20 Jahre, – max.: Freiheitsstrafe > fünf bis zu zehn Jahre (Nr. 3): 10 Jahre, – max.: Freiheitsstrafe > ein Jahr bis zu fünf Jahre (Nr. 4): 5 Jahre, – max.: Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr (Nr. 5): 3 Jahre. 363  s.

S.  151 f. Steuerstrafrecht nur § 370 III AO; unzutr. Hentschel, UR 1999, 476 (478: „Die strafrechtliche Verjährung … im besonders schweren Fall 10  Jahre gem. § 78 Abs. 3 Nr. 3 StGB, § 370 Abs. 3 AO …“; Hervorh. v. hier). 365  Im Steuerstrafrecht nur §§ 373 I 2, 374 II 2 AO. 366  Schmid, in: LK-StGB, § 78 Rn. 18. 367  Im Steuerstrafrecht nur §§ 373, 374 II AO. 368  Vgl. Schmid, in: LK-StGB, § 78 Rn. 18. 369  s. a. Bock, JuS 2006, 12 (14); zur Verlängerung der Verfolgungsverjährungsfrist de lege ferenda bei Wirtschaftsstraftaten Hennig, wistra 2000, 321 (i. Erg. abl.); erg. Gallandi, wistra 1993, 255. 370  Ausn.: § 78 II StGB und § 5 VStGB. 364  Im

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1. Teil: Grundlagen und -begriffe

Die jeweils einschlägige Verjährungsfrist ist für jeden verwirklichten Straftatbestand gesondert zu bestimmen. Das gilt es vor allem dann zu beachten, wenn die jeweilige Gesetzesverletzung mit anderen, gegebenenfalls schwerwiegenderen und damit (deshalb) unter Umständen noch nicht verjährten Delikten zusammentrifft371. b) Grundlagen der Fristberechnung Eine ausdrückliche Aussage dazu, wie die Verfolgungsverjährungsfrist bzw. ihr Ende konkret zu „berechnen“ ist, hat der Gesetzgeber – anders als in vielen anderen Regelungsbereichen372 – nicht getroffen. Vor allem enthalten die §§ 78 ff. StGB weder Normen, die den §§ 42, 43 StPO entsprechen, noch wird in irgendeiner Weise auf diese Vorschriften verwiesen. Dasselbe gilt für die unmittelbar davor in § 77b I, II StGB enthaltenen Regeln zur Berechnung der Strafantragsfrist. Es entspricht daher ganz herrschender Meinung, dass auch diese Vorschriften bei der Berechnung der Verfolgungsverjährungsfrist weder unmittelbar noch analog angewendet werden dürfen373. Stattdessen wird vor allem mit Blick auf das strafrechtliche Analogieverbot (Art. 103 II GG, § 1 StGB) – wohl374 – zutreffend und, soweit ersichtlich, auch einstimmig im Wege einer keineswegs zwingenden ZugunstenBetrachtung angenommen, dass die Verjährungsfrist noch an dem Tag zu laufen beginnt, an dem das fristauslösende Ereignis (d. h. die Beendigung i. S. v. § 78a StGB oder das Eingreifen eines Ruhens- oder Unterbrechungs371  Vgl. Fischer, § 78 Rn. 5a, § 78a Rn. 5; Praxisbeispiel: fahrlässige Insolvenzverschleppung (§ 15a I, V InsO; Verjährungsfrist: 3 Jahre) in Tateinheit – § 52 I StGB – mit fahrlässigem Bankrott (§ 283 I, VI Nr. 1, VI StGB; Verjährungsfrist: 5  Jahre). 372  Vgl. insbes. §§ 186 ff. BGB, auf die § 222 ZPO, § 31 VwVfG, § 57 VwGO, § 108 AO und § 57 FGO jew. Bezug nehmen; erg. Druckenbrodt, NJW 2013, 2390 zur Berechnung sog. „Rückwärtsfristen“. 373  Vgl. nur Bülte, in: Hübschmann / Hepp / Spitaler, § 376 AO Rn. 125; Mitsch, in: MüKo-StGB, § 78 Rn. 19 jew. m. w. N. 374  Streng genommen müsste gem. § 186 BGB auf die §§ 187, 188 BGB abgestellt werden, die den §§ 42, 43 StPO und § 77b I, II StGB entsprechen (vgl. Dumke, in: Schwarz, § 376 Rn. 2; Ellenberger, in: Palandt, § 186 Rn. 2; Petersen, JURA 2012, 432; Rolletschke, in: Rolletschke / Kemper, § 376 Rn. 36; a. A. noch Hübner, in: Hübschmann / Hepp / Spitaler, 98. EL, § 376 AO Rn. 40). Dem ließe sich allenfalls die abweichende praktische Handhabung entgegen halten, die inzwischen in Richterrecht erwachsen sein dürfte. Problematisch ist freilich, dass der BGH den Beginn der Verfolgungsverjährungsfrist selbst z.  T. unterschiedlich bestimmt hat (zusf. ­Wickern, NStZ 1994, 572 f.). Zudem mutet widersprüchlich an, dass im Strafrecht etwa bei der Berechnung des Alters eines Kindes durchaus auf die §§ 186 ff. BGB abgestellt wird (vgl. nur Fischer, § 176 Rn. 3).



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tatbestands) stattgefunden haben und dieser Tag damit – ebenso wie bei § 187 II 1 BGB oder § 36 I BZRG – bei der Fristberechnung mitgezählt wird375. Dafür spricht nicht zuletzt auch der Wortlaut („sobald“) von § 78a S. 1 StGB. Diese Annäherung an eine im Verjährungsrecht ansonsten unübliche Naturalkomputation376 kann im Extremfall dazu führen, dass die Verjährungsfrist für eine Tat, die nicht ausschließbar etwa am 1.7.2014 um 23.59.59 Uhr377 beendet ist, noch am 1.7. zu laufen beginnt, und der 1.7. damit, auch wenn er – nicht ausschließbar – nur noch eine Sekunde gedauert hat, als voller Tag bei der Fristberechnung mitgezählt wird. Dies verschafft dem Täter – plastisch dargestellt – einen Zeitvorteil von 23 Stunden, 59  Minuten und 59  Sekunden, was freilich allenfalls in Ausnahmekonstellationen fallentscheidend ist. Dennoch ist hier festzuhalten, dass diese Berechnungsweise sowohl den §§ 42, 43 StPO378 als auch § 77b II 1 StGB379 zuwiderläuft. Ist die Tat dagegen am 1.7. um exakt 24.00 Uhr beendet, zählt der 1.7. bei der Fristberechnung nicht mehr als ganzer Tag mit, „weil zwischen 24:00 Uhr und 00:00 Uhr keine, auch keine logische [‚juristische‘] Sekunde existiert“380. Solche Fragen sind nicht nur rein akademischer Natur, sondern durchaus bereits praktisch relevant geworden381.

Eine derartige Bestimmung des Beginns des Fristlaufs hat überdies zur Folge, dass die Verjährungsfrist (erst) um 24.00 Uhr desjenigen Tages ab375  s.

u. a. Bock, JuS 2006, 12 (13); Brenner, BB 1985, 2041 (2042); Bülte, in: Hübschmann / Hepp / Spitaler, § 376 AO Rn. 125; Goebel, ZfZ 1955, 171; Jäger, in: Klein, § 376 Rn. 20; I. Meyer, in: Beermann / Gosch, § 376 AO Rn. 23; T. Meyer, JA 2014, 342 (345); Müller, SteuerStud 2003, 371 (380); Rolletschke, in: Rolletschke /  Kemper, § 376 Rn. 36; ders., Steuerstrafrecht, Rn. 493a; ders., ZWH 2014, 129; Schauf, in: Kohlmann, § 376 Rn. 123; Wenzler, in: Flore / Tsambikakis, § 78a StGB Rn. 22; Zanzinger, in: Leopold / Madle / Rader, § 376 Rn. 49; a. A., soweit ersichtlich, nur Dumke, in: Schwarz, § 376 Rn. 2, der § 187 I BGB anwenden will. 376  D. h., die Frist wird in ihrer natürlichen Länge von Augenblick zu Augenblick berechnet; das Gegenstück hierzu bildet die Zivilkomputation, d. h. die Frist wird (nur) nach vollen Tagen berechnet (vgl. Ellenberger, in: Palandt, § 187 Rn. 1; Petersen, JURA 2012, 432). 377  Für Zeitangaben ist die sog. gesetzliche Zeit, d. h. die mitteleuropäische Zeit (MEZ), maßgeblich, die gem. § 4 I EinhZeitG durch die koordinierte Weltzeit unter Hinzufügung einer Stunde bestimmt wird. Sie wird durch die Physikalisch-Technische Bundesanstalt in Braunschweig dargestellt und verbreitet (§ 6 II 1 Nr. 2 EinhZeitG). Das ZeitG v. 25.7.1978 (BGBl. I, S. 1110, ber. S. 1262) ist m. W. z. 12.7.2008 aufgehoben worden (erg. BGH, NJW 2003, 3487; Ekrutt, NJW 1978, 1844). 378  Vgl. Schmitt, in: Meyer-Goßner / Schmitt, § 43 Rn. 1. 379  Vgl. Fischer, § 77b Rn. 2. 380  OLG Nürnberg, NJW-RR 2012, 1149 m. w. N. 381  Vgl. etwa BFH, BFH / NV 2000, 1344 (1345); BGH, NJW 2003, 3487; NJW 2005, 678 (679).

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1. Teil: Grundlagen und -begriffe

läuft, der dem Tag, an dem das fristauslösende Ereignis (z. B. Tatbeendigung) stattgefunden hat, nach seiner kalendermäßigen Bezeichnung vorausgegangen ist382. Das heißt, dass eine – um an das vorgenannte Beispiel anzuknüpfen – am 1.7.2014 um 23.59.59 Uhr beendete Steuerhinterziehung („nur“ § 370 I AO, nicht § 370 III i. V. m. § 376 I AO) ungeachtet etwaiger Ruhens- und Unterbrechungstatbestände gemäß § 78 III Nr. 4 StGB frühestens am 1.7.2019, 0.00 Uhr, verjährt ist (tätergünstig nicht erst am 2.7.2019, 0.00 Uhr). Danach wäre eine erst am 1.7.2019 erstmals erfolgte Unterbrechungshandlung nicht mehr rechtzeitig – denn diese hätte bis spätestens 30.6.2019, 23.59.59 Uhr, vorgenommen werden müssen. Auch dies widerspricht den Vorgaben in §§ 42, 43 StPO und § 77b II 1 StGB. Da auch § 43 II StPO und § 77b I 2 StGB (oder § 193 BGB, s. o.) mangels entsprechender Verweisung bzw. planwidriger Regelungslücke nicht (analog) anwendbar sind, hat es – wiederum zugunsten des Täters – des Weiteren keinen Einfluss auf den Ablauf der Verfolgungsverjährungsfrist, wenn das Fristende auf einen Sonntag, einen allgemeinen Feiertag oder einen Sonnabend (i. e. Samstag) fällt383. Dagegen sollen sich sog. Schaltjahre nach einer in der Literatur zum Teil vertretenen Ansicht täterungünstig auswirken384: Beispiele: (1) Tatbeendigung einer Steuerhinterziehung gem. § 370 I AO im Verlauf des 1.3.2007; Verjährungsbeginn: 1.3.2007 (wird als voller Tag mitgezählt), mit der Folge, dass die Regelverjährung im Grundsatz am 1.3.2012, 0.00 Uhr, eintrat. Da es sich bei dem Jahr 2012 allerdings um ein Schaltjahr handelte, d. h. auf den 28.2.2012 nicht der 1.3.2012, sondern der 29.2.2012 folgte, ist fraglich, ob die regelmäßige Verjährung nicht schon am 29.2.2012, 0.00 Uhr, anzunehmen war. (2)  Noch augenscheinlicher wird das Problem, wenn die Tat im Verlauf des 29.2.2012 beendet war. Denn einen „29.2.2017“ gibt es nicht, weil das Jahr 2017 kein Schaltjahr ist. Es stellt sich dann die Frage, ob die Tat am 28.2.2017 oder am 1.3.2017 (jeweils um 0.00 Uhr) regelmäßig verjährt.

Sollte eine dieser Konstellationen tatsächlich einmal auftreten, wird mangels gesetzlicher Regelung auch hier einer weitestgehenden Zugunsten-Betrachtung der Vorzug zu gewähren sein. Das bedeutet in concreto: Im Bei382  s. u. a. Hübner, in: Hübschmann / Hepp / Spitaler, 98.  EL, § 376 AO Rn. 40; T. Meyer, JA 2014, 342 (345); Wenzler, in: Flore / Tsambikakis, § 78a StGB Rn. 22; Wulf, PStR 2010, 13 (14). 383  v. Briel, SAM 2006, 115 (116); Dumke, in: Schwarz, § 376 Rn. 2; Fischer, § 78a Rn. 6; I. Meyer, in: Beermann / Gosch, § 376 AO Rn. 23; Schauf, in: Kohlmann, § 376 Rn. 123; Wenzler, in: Flore / Tsambikakis, § 78a StGB Rn. 23; Zanzinger, in: Leopold / Madle / Rader, § 376 Rn. 49. 384  So etwa Hübner, in: Hübschmann / Hepp / Spitaler, 98.  EL, § 376 AO Rn. 40; Vogelberg, in: Simon / Vogelberg, S. 96; zust. für das OWi-Recht Graf, in: KKOWiG, § 31 Rn. 35.



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spiel  (1) wird davon auszugehen sein, dass die Verjährung bereits am 29.2.2012, 0.00 Uhr, eingetreten ist. Denn ein Abstellen auf den 1.3.2012, 0.00 Uhr, würde bedeuten, die Verjährungsfrist zulasten des Täters um einen Tag zu verlängern, ohne dass hierfür eine entsprechende Rechtsgrundlage385 besteht. Schließlich beruht die Einführung eines „29.2.“ in Schaltjahren, ebenso wie die Unterscheidung zwischen Sommer- und Winterzeit386, auf einer willkürlichen kalendarischen Anpassung. Im Beispiel  (2) wird dagegen auf den 1.3.2017, 0.00 Uhr, abzustellen sein, da der Täter dadurch nicht beschwert wird. Dies deshalb, weil der 1.3.2017 zeitlich gesehen an die Stelle des „29.2.2017“ tritt, sodass die effektive Dauer der Verjährungsfrist nicht berührt wird. Ein Grund, den Täter durch einen Rückgriff auf den 28.2.2017 um einen Tag zu privilegieren, besteht indes nicht. 2. Der Beginn des Laufs der Verfolgungsverjährungsfrist Neben der Frage, ob, wie und wenn ja, wann die Verfolgungsverjährung einer Steuerstraftat unterbrochen worden ist (§ 78c StGB), bildet die Frage nach ihrem Beginn den in der Praxis mit Abstand wichtigsten Prüfungspunkt. Mit Blick auf § 78a S. 1 StGB387 ist genau genommen nicht danach zu fragen, wann die jeweils einschlägige Frist aus § 78 III StGB bzw. § 376 I AO „zu laufen“ begonnen hat, sondern – juristisch präziser – wann die in casu zu beurteilende Straftat in Gestalt des konkret zu prüfenden Deliktstatbestands beendet war: „§ 78a Beginn. 1Die Verjährung beginnt, sobald die Tat beendet ist.“

Das Gesetz stellt – anders als die bis 31.12.1974 geltende („missglückte“388) Vorgängerregelung des § 67 IV (R)StGB389 – jetzt auf die Kategorie der 385  Im Strafrecht scheidet insofern auch eine (ggf. „doppelt“) analoge Anwendung des § 188 III BGB aus („doppelt“ deshalb, weil der umgekehrte Fall des § 188 III BGB vorliegt; erg. Fn. 374). 386  Zur diesbzgl. Kritik Ekrutt, NJW 1978, 1844 f. 387  Für Presseinhaltsdelikte (Fn. 361) existieren auch zum Beginn der Verfolgungsverjährungsfrist Sonderregeln (z. B. in Art. 14 III 1 BayPrG). Entsprechendes gilt gem. § 48 II KunstUrhG für Vergehen nach § 33 I KunstUrhG (s. Fn. 360). 388  So Schmid, in: LK-StGB, § 78a Rn. 1; dto. Dallmeyer, ZStW 124, 711 (712). § 67 IV RStGB (s. S. 128 f.) stand in der Kritik, weil die Vorschrift den Verjährungsbeginn an die „Handlung … ohne Rücksicht auf den Zeitpunkt des eingetretenen Erfolges“ anknüpfte, eine Tat jedoch denklogisch nicht verjähren kann, bevor ihr Erfolg eingetreten ist (Fischer, § 78a Rn. 2; s. a. Otto, in: Lackner FS, S. 715 f. m. w. N.; erg. Nazarian, S. 99 ff. zur Normengenese u. Troeger / Meyer, S. 284 ff. zur damaligen Rechtsanwendung). Auch die Neuregelung des § 78a StGB wird teilweise als unstimmig angesehen, weil § 78a S. 2 StGB funktionslos sei (s. nur Schmid, 129

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1. Teil: Grundlagen und -begriffe

Tatbeendigung in Abgrenzung zur früher allein maßgeblichen Vollendung ab390. Die Frage, wann eine „Tat“391 in diesem Sinne „beendet“ ist, kann jedoch nicht abstrakt-generell vorab beantwortet werden, sondern hängt von der konkreten Ausgestaltung des jeweils im Fokus stehenden Straftatbestands ab. Die Einzelheiten sind daher in vielen Fällen umstritten. Das gilt insbesondere für das Steuerstrafrecht392. Außerdem können durch eine Handlung im Sinne von § 52 I StGB nicht nur unterschiedliche Straftatbestände mit voneinander abweichenden Verjährungsfristen verwirklicht sein – paradoxerweise kann auch noch der Lauf dieser Fristen zu verschiedenen Zeitpunkten beginnen393. 389

Einigkeit herrscht im Gegensatz dazu dahingehend, dass die Beendigung den Schlusspunkt der Verwirklichungsstufen der vorsätzlichen Straftat bildet, die sich beginnend mit der (in der Regel straflosen394) – Vorbereitungsphase über den (nur im Fall des § 26c UStG straflosen395) in: LK-StGB, § 78a Rn. 1: „Der in Satz  2 ‚geregelte‘ Fall, dass der tatbestandsmäßige Erfolg nach Beendigung der Tat eintritt, ist nicht denkbar, weil nach der Definition des § 11 Abs. 1 Nr. 5 der Erfolg Teil der Tat ist und ihr nicht nachfolgen kann. Satz  2 geht daher ins Leere und ist überflüssig.“; zu Recht abw. Otto, in: Lackner FS, S. 715 (716, 721: „dient … der Klarstellung“); Nazarian (S. 9 ff.) geht sogar davon aus, dass die „gegenwärtige Auslegung des § 78a StGB“ (S. 139) zu unbestimmt sei (Art. 103 II GG) und gegen das allgemeine Schuldprinzip verstoße; eine verfassungskonforme Auslegung sei jedoch möglich (S. 91 ff.). 389  Abgedr. auf S. 128 f. Zur Entstehungsgeschichte von § 78a StGB s. u. a. Kiel, S.  22 ff. 390  Unklar Wulf, JuS 2008, 314 (318: „Verjährung beginnt … wenn der Erfolg … eingetreten ist“). Brenner (in: BB 1985, 2041 [2042]) spricht von „Beendung“. 391  § 31 III 1 OWiG stellt ähnl. wie § 67 IV (R)StGB auf die Beendigung der „Handlung“ ab. Das ist aber weder ein Anachronismus noch gesetzgeberische Nachlässigkeit. Der Begriff „Handlung“ ist vielmehr ein Grundbegriff des OWi-Rechts, der gezielt in Abgrenzung zur „Tat“ i. S. d. StGB gewählt wurde (vgl. Rogall, in: KK-OWiG, § 1 Rn. 4); erg. Romberg, S. 91 f. (Abgrenzung zum Begriff „Verhalten“). 392  Kiel (S. 62) sieht darin sogar eine „bisweilen scheinbar kaum lösbar Auf­ gabe“. 393  Vgl. Fischer, § 78a Rn. 5 m. w. N.; bsphft.: BGH, Beschl. v. 20.12.1989, 3  StR 276 / 88, BeckRS 1989, 04361 = BGHR AO § 370 Abs. 1 Nr. 1 Mittäter  4 m. w. N. 394  Einzige Ausnahme im Steuerstrafrecht: § 149 StGB i. V. m. § 369 I Nr. 3 AO (Vorbereitung der Fälschung von Steuerzeichen bzw. Tabaksteuerbanderolen [erg. S. 345 ff.]). Mit der Streichung von § 370a AO zum 1.1.2008 besteht im Steuerstrafrecht mangels Verbrechenstatbestand kein Anwendungsbereich für § 30 StGB mehr. 395  Vgl. §§ 370 II, 372 II, 373 III, 374 III AO sowie die § 370 AO vollumfänglich in Bezug nehmende Strafvorschrift des § 23 RennwLottG (erg. S. 363 ff.).



B. Rechtsinstitut der Verjährung im Steuer-, Straf- und Steuerstrafrecht

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– Versuch bis zur – Vollendung und schließlich der – Beendigung der Tat erstreckt. Oder anders gewendet: Von der Vollendung, mit der die Beendigung zeitlich, aber nicht nach materiell-rechtlichem Verständnis zusammenfallen kann, unterscheidet sich die Beendigung dadurch, dass, wie Jäger396 prägnant formuliert, „das Tatunrecht [nicht: die ‚Tätigkeit‘ des jeweils Handelnden397] seinen tatsächlichen Abschluss erreicht hat“ (Hervorh. v. hier).

Vollendung tritt dagegen bereits mit der Verwirklichung aller Merkmale des gesetzlichen Tatbestands ein398. Nicht zu Unrecht sprechen Wessels / Beulke399 im Zusammenhang mit der Beendigung daher von einer nicht weiter fassbaren „tatbestandlichen ‚Nachzone‘ “400. Beispiele: (1) Klassisches Lehrbeispiel zur Unterscheidung zwischen Vollendung und Beendigung ist der Ladendiebstahl (§ 242 I StGB), bei dem die Tat bereits mit dem Einstecken des Diebesguts in die Kleidung wegen der damit begründeten Gewahrsamsenklave vollendet ist; Beendigung tritt dagegen erst mit der Beute­ sicherung ein, d. h. mit dem Verlassen des Verkaufsraums beim unbeobachteten Diebstahl und im Übrigen mit dem erfolgreichen Verbringen des Diebesguts in die Räumlichkeiten (Wohnung) des Täters oder ein Versteck401. 396  In: Klein, § 376 Rn. 20; krit. Brenner, BB 1985, 2041 (2042: „wenig aussagende … Formel“). 397  Missverständlich z. B. Reichling / Winsel, JR 2014, 331 (332); Rolletschke, ZSteu 2006, 74; ders., Steuerstrafrecht, Rn. 453; Sternberg-Lieben / Bosch, in: Schönke / Schröder, § 78a Rn. 1; Wenzler, in: Flore / Tsambikakis, § 78a StGB Rn. 1. Auch der BGH hat sich z. T. unglücklich ausgedrückt: Nach BGHSt 43, 1 (7) = NJW 1997, 1715 (1716) kann die Verjährung „erst einsetzen, wenn der Täter sein rechtsverneinendes Tun insgesamt abgeschlossen hat. Vorher besteht kein Anlaß, durch den Beginn der Verjährungsfrist einen Verfolgungsverzicht in Aussicht zu stellen.“ (Hervorh. v. hier); dto. BGH, NJW 2003, 2996 (2997); erg. Dallmeyer, ZStW 124, 711 (712 ff.); Satzger, JURA 2012, 433 (437); unklar auch Bock, JuS 2006, 12 (13: „Vorhaben“). Cordes / Sartorius, NJW 2013, 2635 (zu § 266 StGB) unterscheiden zwischen einem „materiellen“ und einem „tatbestandlichen“ Beendigungsbegriff; ähnl. Wulf, Stbg 2008, 445 (446, Fn. 3); ders., in: MüKo-StGB, § 376 AO Rn. 10 m. w. N. 398  Vgl. Eser / Bosch, in: Schönke / Schröder, Vor § 22 Rn. 2; Fischer, § 22 Rn. 4 jew. m. w. N. 399  Rn. 591. 400  Erg. Kiel, S. 41 ff. u. Romberg, S. 92 ff. zu den versch. Auslegungsansätzen in der Lit. 401  Vgl. Fischer, § 242 Rn. 53 f.

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1. Teil: Grundlagen und -begriffe

(2)  Ein weiteres Beispiel aus dem Wirtschaftsstrafrecht ist § 266a II StGB. Hier ist die Tat erst mit dem Wegfall der sozialversicherungsrechtlichen Beitragspflicht beendet402. Da Ansprüche auf gezielt vorenthaltene Beiträge gemäß § 25 I 2 SGB IV erst 30 Jahre nach Ablauf des Kalenderjahrs verjähren, in dem sie fällig geworden sind, beginnt die Strafverfolgungsverjährung bei Nichtentrichtung der geschuldeten Beiträge durch natürliche Personen in der Regel erst ab diesem Zeitpunkt; bei juristischen Personen endet die Beitragspflicht – und damit die strafrechtliche Verantwortlichkeit der ([noch] nicht [wirksam] ausgeschiedenen) Leitungsperson(en) – bereits mit deren Löschung im Handelsre­gister403.

Im Falle der Teilnahme an Steuerstraftaten (Anstiftung / Beihilfe) beginnt die Verjährung grundsätzlich jeweils zeitgleich mit der Beendigung der (ggf. letzten) Haupttat404. Das ist insbesondere in den sog. Bankenfällen405 umstritten und bisher auch von der Rechtsprechung noch nicht abschließend geklärt406. Im Ergebnis wird hier allenfalls auf Ebene des Gehilfenvorsatzes eine Einschränkung zu machen sein407, wobei zu bedenken ist, dass aufgrund des bewusst auf „Steuerersparnis“ angelegten Charakters derartiger Geschäfte nicht selten ein globaler Eventualhinterziehungsvorsatz des Bankmitarbeiters vorliegen kann408. Letztlich führt dies dazu, 402  Vgl.

BGH, wistra 1992, 23. zuletzt BGH, NStZ 2012, 510 (511) u. wistra 2014, 180 (182); insges. krit. Bachmann, Samson FS, S. 233 ff. (Übertragung der bei der Steuerhinterziehung geltenden Grundsätze); Hüls / Reichling, StraFo 2011, 305; zusf. Reichling / Winsel, JR 2014, 331 (341). 404  So u. a. Blesinger, in: Kühn / v.  Wedelstädt, § 376 Rn. 7; v. Briel, SAM 2006, 115 (119 f.); Bülte, in: Hübschmann / Hepp / Spitaler, § 376 AO Rn. 62 f.; Jäger, wistra 2000, 344 (347); ders., in: Klein, § 376 Rn. 55; Pelz, wistra 2001, 11 f.; Rolletschke, in: Rolletschke / Kemper, § 376 Rn. 32; ders., Steuerstrafrecht, Rn. 492; Scheurmann-Kettner, in: Koch / Scholtz, § 376 Rn. 7; Stoffers / Landowski, StraFo 2005, 228 (229); Zanzinger, in: Leopold / Madle / Rader, § 376 Rn. 44; unklar Joecks, in: Franzen / Gast / Joecks, § 376 Rn. 35 („Verjährung … beginnt grds. mit der Vollendung … der Haupttat“ [Hervorh. v. hier]); ähnl. Dumke, in: Schwarz, § 370 Rn. 276; Schauf, in: Kohlmann, § 376 Rn. 110. 405  I. e. anonymer Kapitaltransfer ins Ausland durch Bankmitarbeiter mit der Folge daran anknüpfender, serienmäßig begangener Steuerstraftaten der „Kunden“; erg. M. Ebner, wistra 2014, 264 m. w. N. 406  Vgl. Bülte, in: Hübschmann / Hepp / Spitaler, § 376 AO Rn. 63  ff; Jäger, in: Klein, § 376 Rn. 55. 407  Ähnl. Grötsch, in: Wannemacher & Partner, Rn. 728; Jäger, wistra 2000, 344 (347); I. Meyer, in: Beermann / Gosch, § 376 AO Rn. 39; Pelz, wistra 2001, 11 (13 f.); Stoffers / Landowski, StraFo 2005, 228 (233); Wulf, in: MüKo-StGB, § 376 AO Rn. 42; Zanzinger, in: Leopold / Madle / Rader, § 376 Rn. 44; grdlg. zum Ganzen Müller, Beihilfestrafbarkeit, S. 305 ff.; tendenziell abl. LG Oldenburg, wistra 2005, 69 (70). 408  Statt vieler: Joecks, in: Franzen / Gast / Joecks, § 376 Rn. 35a m. w. N.; einschr. u. a. Schauf, in: Kohlmann, § 376 Rn. 112; Voßmeyer, DStR 1998, 842; s. a. Hardtke, AO-StB 2001, 273 (275). 403  s.



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dass die Strafbarkeit einer Teilnahmehandlung bei einer Vielzahl von Haupttaten jeweils (nicht: insgesamt) erst dann zu verjähren beginnt, wenn die betreffende Haupttat beendet ist (sog. gleichartige Tateinheit). Andernfalls, d. h. bei einem Abstellen auf die insgesamt letzte Haupttat, wäre der Gehilfe im Verhältnis zu den Haupttätern ohne erkennbaren Grund schlechter gestellt409.

Eine Anstiftung zur voll- oder – gar schon – beendeten Tat ist schon begrifflich ausgeschlossen. Beihilfe ist dagegen auch noch im Stadium zwischen Vollendung und Beendigung möglich. Nach Eintritt der Tatbeendigung kann dagegen insgesamt nur noch eine (Steuerstraftat-)Begünstigung (§ 257 StGB i. V. m. § 369 I Nr. 3 AO) vorliegen, für deren Verjährung eigene (andere) Grundsätze gelten410. Bei der Mittäterschaft löst – wegen der gesetzlich angeordneten gegenseitigen Zurechnung der Tatbeiträge (§ 25 II StGB) – erst der Eintritt der Tatbeendigung beim letzten Mittäter den Verjährungsfristlauf aus411. Im Falle mittelbarer Täterschaft (§ 25 I 2. Alt. StGB), die im Steuerstrafrecht etwa im Verhältnis Mandant / Steuerberater oder bei der Lohnsteuerhinterziehung in Betracht kommt, wenn der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber gegenüber unrichtige Angaben zu Umständen macht, die letzterer für das von ihm durchzuführende Lohnsteuerabzugsverfahren benötigt412, ist der Verjährungsbeginn für den mittelbaren Täter – konstruktiv konsequent – insoweit auch an das Verhalten des Tatmittlers geknüpft413. 3. Ruhen der Verjährung Mit dem „Ruhen“ des Laufs der Verfolgungsverjährungsfrist muss sich der Strafrechtsanwender nur selten en detail befassen. Anders als im Zivilrecht, 409  Vgl. Joecks, in: Franzen / Gast / Joecks, § 376 Rn. 35b; Pelz, wistra 2001, 11 (14); etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Entscheidung BGHSt 46, 107 (116) = NJW 2000, 3010 (3012) – Wuppertaler Bankenfall m. Bespr. Jäger, wistra 2000, 344 (347); grdlg. zum Phänomen Löwe-Krahl, Bankgeschäfte, S. 47 ff.; zur steuerlichen Haftung des Bankmitarbeiters gem. § 71 AO s. BFHE 240, 195 = NJW 2013, 2141 (in casu verneint) sowie M. Ebner, wistra 2014, 264 (265) m. w. N. 410  Grdlg. M. Jahn, in: Satzger / Schluckebier / Widmaier, § 257 Rn. 11 f.; erg. S. 347 ff. zur Steuerstraftatbegünstigung. 411  Vgl. u. a. Bülte, in: Hübschmann / Hepp / Spitaler, § 376 AO Rn. 61; Jäger, in: Klein, § 376 Rn. 56; Rolletschke, in: Rolletschke / Kemper, § 376 Rn. 33; Schauf, in: Kohlmann, § 376 Rn. 114; Zanzinger, in: Leopold / Madle / Rader, § 376 Rn. 44 jew. m. w. N.; teilw. abw. noch BGH, Beschl. v. 20.12.1989, 3 StR 276 / 88, BeckRS 1989, 04361 = BGHR AO § 370 Abs. 1 Nr. 1 Mittäter  4 bei der fortgesetzten Handlung bzw. im Exzessfall. 412  Vgl. BGHSt 56, 153 (157 f.) = NJW 2011, 2526 (2527); Joecks, in: Franzen / Gast / Joecks, § 370 Rn. 201; erg. Merz / Ebner, PStR 2013, 60. 413  s. nur Bock, JuS 2006, 12 (14).

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1. Teil: Grundlagen und -begriffe

wo der dort sog. Hemmung der Verjährung schon angesichts des Umfangs der dazu getroffenen Regelungen414 ein weitaus größeres, auch praktisches Gewicht zukommt, führt § 78b StGB, der das Institut im Strafrecht nahezu abschließend regelt, ein eher unauffälliges Dasein. Dass das Ruhen in § 78b StGB nicht von Anfang an erschöpfend geregelt war und die Vorschrift bis heute immer wieder Gegenstand von Erweiterungen gewesen ist bzw. nach wie vor sein soll415, ergibt sich nicht aus dem Zusatz „b“, der die Norm nur vermeintlich416 als erst nachträglich in das StGB eingefügt ausweist. Der bis dato zuletzt wegen des auf die absolute Verjährung zusteuernden (Steuer-) Strafverfahrens gegen Karlheinz Schreiber417 mit Wirkung zum 1.8.2005 eingefügte Absatz  5 des § 78b StGB418 ist dabei ebenso heftig kritisiert worden419, wie zuvor schon der am 30.7.1994 in Kraft getretene, im Wesentlichen Sexualdelikte zum Nachteil von Kindern und Jugendlichen erfassende § 78b I Nr. 1 StGB420. a) Der Grundtatbestand des § 78b I Nr. 2 StGB Der im Gegensatz zu der vergleichsweise einfach strukturierten Parallelregelung des § 32 OWiG weitaus vielschichtigere § 78b StGB wirkt auf den ersten Blick unübersichtlich und ist ohne Kenntnis der Normenhistorie praktisch kaum verständlich. Bei näherer Betrachtung lässt sich die Vorschrift aber auch für das Steuerstrafrecht vergleichsweise einfach systematisieren: 414  Vgl. §§ 203 ff. BGB, wobei der Zivilgesetzgeber hier trennscharf zwischen Hemmung, Ablaufhemmung und dem Neubeginn der Verjährung unterschieden hat. 415  s. Fn. 297 zur geplanten Erweiterung von § 78b I Nr. 1 StGB. 416  Bis 1974: § 69 StGB; zur Entstehungsgeschichte s. Schmid, in: LK-StGB, § 78b Vor Rn. 1. 417  Vgl. BGHSt 49, 317 = NJW 2005, 300, BGH, NJW 2005, 3584 u. BGHSt 51, 202 = NJW 2007, 853 – System Schreiber. Der „Waffenlobbyist“ Karlheinz Schreiber wurde nach über zehn Jahren Flucht im August 2009 von Kanada an die BRD ausgeliefert und am 5.5.2010 durch die 9. Strafkammer des LG Augsburg (Az. 9  KLs 501  Js 127135 / 95, n. v.) wegen Steuerhinterziehung in sechs Fällen zur Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren verurteilt. Der BGH hat das Urteil am 6.9.2011 aufgehoben und die Sache an eine andere Strafkammer des LG Augsburg zu zurückverwiesen (NStZ 2012, 511 – der Autor war i. R. seiner Abordnung zum GBA als Prozessbeobachter in der Revisionshauptverhandlung anwesend; zusf. zum „Fall Schreiber-Pfahls-Holzer“ Kraatz, JR 2013, 465 [466 ff.]). 418  Eingefügt durch das 38.  StÄG v. 4.8.2005 (BGBl. I, S. 2272). 419  Vgl. Mitsch, NJW 2005, 3036 („Die Ruhens-Lösung musste … gewählt werden, um an § 78c III 2 StGB vorbeizukommen.“). Fischer (§ 78b Rn. 13) sieht es zu Unrecht als „wohl übertrieben“ an, die Regelung deshalb als „Lex Schreiber“ zu bezeichnen. 420  s. dazu BVerfG, NJW 2000, 1554; erg. Satzger, JURA 2012, 433 (439) sowie Fn. 297.



B. Rechtsinstitut der Verjährung im Steuer-, Straf- und Steuerstrafrecht101

§ 78b I Nr. 2 StGB (vormals: § 78b I StGB) enthält den Grundtatbestand421 des Ruhens, der gesetzliche Verfahrenshemmnisse erfasst: „§ 78b Ruhen. Die Verjährung ruht … 2. solange nach dem Gesetz die Verfolgung nicht begonnen oder nicht fortgesetzt werden kann;“

Dies betrifft unterschiedliche Fallgruppen, in denen die Strafverfolgung nach deutschem Recht nicht begonnen oder fortgesetzt werden darf. Voraussetzung ist, dass jedes Tätigwerden der zuständigen Strafverfolgungsorgane aus Rechtsgründen ausgeschlossen ist422. Auf das hier maßgebliche Steuerstrafrecht gemünzt, kann dies etwa dann der Fall sein, wenn dem Täter ein Abgeordnetenstatus zukommt, er also Immunität genießt (Bsp.: Hinterziehung der Berliner Zweitwohnungsteuer durch Bundestagsabgordnete), der Spezialitätsgrundsatz423 (auch nur zum Teil) eingreift, eine Vorfrage relevant ist, die – wie etwa in der Konstellation des Art. 100 I GG424 – der Beurteilung durch das Tatgericht entzogen ist425 oder im Fall des Ausspruchs einer Verwarnung mit Strafvorbehalt (§ 59 StGB) bis zu der nach § 59b StGB zu treffenden Entscheidung426. „Ruhen“ als solches bedeutet im Gegensatz zur Unterbrechung, bei der die Verjährung jeweils von Neuem beginnt (§ 78c III 1 StGB), dass der Fristlauf stillsteht. Die Verjährungsfrist läuft also entweder gar nicht erst an oder eine bereits in Gang gekommene Frist setzt sich nicht fort427. Wie für das in diesem Punkt gleichlaufende Zivilrecht in § 209 BGB ausdrücklich angeordnet, wird der Zeitraum des Ruhens nicht in die Verjährungsfrist mit eingerechnet. Fällt der Ruhenstatbestand weg, läuft die Frist ab diesem Zeitpunkt mit ihrem noch nicht verbrauchten Anteil weiter, wobei auch der absolute Verjährungszeitpunkt (§ 78c III 2 StGB) durch das Ruhen hinausgeschoben wird. Bildlich gesprochen bewirkt das Ruhen ein „Einfrieren der Sanduhr“, während die „Sanduhr“ bei der Unterbrechung neu gestartet wird428. 421  Insofern

ziert.

wirkt der systematisch davor eingefügte § 78b I Nr. 1 StGB deplat-

422  Vgl. Schmid, in: LK-StGB, § 78b Rn. 2 (Kontrollfrage [„Ruhensprobe“]: Besteht rechtlich die Möglichkeit einer Unterbrechungsmaßnahme?). 423  s. dazu insbes. § 83h IRG, Art. 14 EuAlÜbk sowie BGHSt 57, 138 = NJW 2012, 1301, BGH, wistra 2013, 71 u. BGHSt 58, 76 = NJW 2013, 1175. 424  Z. B. BVerfG, wistra 1994, 263; wistra 1996, 225 jew. zu § 400 AO (erg. M. Ebner, in: Flore / Tsambikakis, § 400 AO Rn. 15). 425  s. Fischer, § 78b Rn. 4a. 426  Zanzinger, in: Leopold / Madle / Rader, § 376 Rn. 52 a. E. 427  Vgl. u. a. Scheuermann-Kettner, in: Koch / Scholtz, § 376 Rn. 8, 10; Schmid, in: LK-StGB, § 78b Rn. 1. 428  Ähnl. Heß, StW 2010, 145 (146, Fn. 11, 12).

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1. Teil: Grundlagen und -begriffe

b) Exkurs: Fristberechnung und Abgrenzung zur Ablaufhemmung Auch im vorliegenden Kontext429 bereitet die Bestimmung („Berechnung“) des (neuen) Verjährungstermins Schwierigkeiten: Zwar handelt es sich, wie Peters / Jacoby430 zutreffend feststellen, beim Ruhen bzw. der Hemmung der Verjährung nicht um eine „Frist“ im Sinne der §§ 186 ff. BGB. Allerdings erfasst § 186 BGB, was die beiden Autoren übersehen, auch „Terminsbestimmungen“. Ungeachtet der Frage, ob die §§ 186 ff. BGB im Anwendungsbereich der §§ 78 ff. StGB Geltung beanspruchen431, ist die bereits hergeleitete Zugunsten-Betrachtung in Ermangelung einer gesetz­ lichen Regelung konsequenterweise auch auf diese Nahtstelle zu transferieren. Dies hat zur Folge, dass der Tag, an dem der Ruhenstatbestand erstmals eingreift (und damit unstreitig einen Eintritt der Verjährung an diesem Tag hindert), bei der Berechnung des Ruhenszeitraums nicht mitgezählt werden darf432: Beispiel: Tatbeendigung Steuerhinterziehung (§ 370 I AO): 1.6.2008; (erster) regelmäßiger Verjährungstermin: 1.6.2013, 0.00 Uhr. Ruhenstatbestand im Verlauf des 1.5.2013 verwirklicht (Feiertag egal, s. o.); Wegfall desselben im Verlauf des 1.7.2013. Berechnung: (1) Feststellung der Dauer des Ruhens in Tagen433 im Zeitraum 2.5.2013 (der 1.5. ist bereits Teil des Verjährungsfristlaufs geworden434 – also schon [teilweise] „verjährt“ –, sodass sich seine zusätzliche Berücksichtung bei der Bestimmung der Anzahl der Ruhenstage täterungünstig auswirken würde) bis einschließlich 1.7.2013 (auf den 30.6. kann nicht abgestellt werden, weil die Verjährung am 1.7. noch geruht hat435): 61  Tage; sodann (2) Neubestimmung des Verjährungstermins; hier: 0.00 Uhr des 61.  Tages nach dem 1.6.2013, konkret also am 1.8.2013, 0.00 Uhr.

Bestätigt wird dies durch einen Umkehrschluss (arg. e contrario) zum – hier sog. – Abgeordnetenprivileg des § 78b II StGB (s. sogleich): Nur dort hat der Gesetzgeber in Anlehnung an § 187 I BGB, § 77b II 1 StGB und § 42 StPO bestimmt, dass „die Verjährung erst mit Ablauf des Tages zu ruhen beginnt“ (Hervorh. v. hier), an dem die in § 78b II Nr. 1, 2 StGB genannten Ereignisse eingetreten sind. Von dem so verstandenen „Ruhen“ ist das Instrument der Ablaufhemmung zu unterscheiden, dessen sich der Gesetzgeber u. a. in § 78b III StGB und 429  s.

bereits S. 92 ff. Peters / Jacoby, in: Staudinger, § 209 Rn. 7 m. w. N. 431  s. dazu Fn. 374. 432  A. A. Peters / Jacoby, in: Staudinger, § 209 Rn. 7 für die Berechnung des Hemmungszeitraums im Zivilrecht. 433  Dies wirkt sich i. R. d. gebotenen Zivilkomputation (Fn. 376) am tätergünstigsten aus. 434  Extremfall: Der Ruhenstatbestand ist erst am 1.5.2013 um 23.59.59 Uhr erfüllt. 435  Extremfall: Der Ruhenstatbestand entfällt bereits am 1.7.2013 um 0.00 Uhr. 430  Vgl.



B. Rechtsinstitut der Verjährung im Steuer-, Straf- und Steuerstrafrecht103

§ 171 AO bedient hat436. Im Gegensatz zum Ruhen führt eine Ablaufhemmung nicht dazu, dass die Verjährungsfrist mit dem Wegfall des Tatbestands an dem Punkt weiterläuft, an dem sie sich bei Eintritt der Ablaufhemmung befunden hat (kein „Einfrieren“ oder „Neustart der Sanduhr“, s. o.). Stattdessen schiebt sie den Eintritt der Verjährung gegebenenfalls bis zum Wegfall der Ablaufhemmung hinaus, was den weiteren Fristlauf jedoch nicht beeinflusst437. Im Ergebnis bedeutet dies, dass eine Ablaufhemmung, die sich vor438 dem Ende des durch sie ungehinderten Laufs der Verjährungsfrist wieder erledigt, letztlich keinerlei Auswirkungen zeitigt – anders das Ruhen und die Unterbrechung der Verjährung, die den Verjährungstermin in jedem Fall beeinflussen; die Ablaufhemmung wirkt sich also nur dann tatsächlich aus, wenn sie auch nach dem „regulären“ Verjährungstermin noch andauert.439 Bildlich könnte man dies wiederum so beschreiben, dass das Eingreifen einer Ablaufhemmung nötigenfalls verhindert, dass das letzte „Sandkorn“ von der oberen in die untere Kammer der „Sanduhr“ fällt.

c) Die übrigen Ruhenstatbestände des § 78b StGB aa) § 78b II StGB – Abgeordnetenprivileg Durch § 78b II StGB werden (nur) die dort genannten Abgeordneten440 im Verhältnis zu anderen Personen privilegiert, indem die Vorschrift eine Ausnahme zu der im Übrigen geltenden Regel macht, dass eine Kenntnis der Strafverfolgungsbehörden von der Tat für den Eintritt des Ruhens ohne Bedeutung ist. Als Grund hierfür wird – dogmatisch wenig einleuchtend – angegeben441, dass der Zweck der Immunität, die eigentlich per se zu einem Ruhen der Verjährung führt (§ 78b I Nr. 2 StGB), nicht tangiert sei, solange die ungestörte Tätigkeit des Parlaments durch das Bekanntwerden der Tat 436  s. S. 72 ff. zu den spezifisch steuerstrafrechtliche Fragen betreffenden Ablaufhemmungen in § 171 V, IX AO; erg. § 32a KStG, §§ 210, 211 BGB; unzutr. Hardtke, in: Bockemühl, Teil  6 Kap. 2 Rn. 89 a. E.: „Eine Ablaufhemmung entsprechend dem § 171 AO gibt es strafrechtlich nicht.“; wortlautidentisch bereits ders., Steuerstrafrecht, S. 110. 437  Vgl. BFHE 156, 59 (62 f.) = NVwZ 1990, 702 f. 438  Erst nach Ablauf der Verjährungsfrist eingreifende Hemmungs-, Ruhens- oder Unterbrechungstatbestände sind – selbstredend – stets ohne Belang. 439  Vgl. Rüsken, in: Klein, § 171 Rn. 1 m. w. N.; offensichtlich unzutr. dagegen Cöster, in: Pahlke / Koenig, § 171 Rn. 1: „Der Zeitraum, während dessen der Ablauf der Festsetzungsfrist gehemmt ist, wird nicht in die Festsetzungsfrist eingerechnet.“ 440  Erg. § 152a StPO, Nr. 191 ff. RiStBV, Nr. 151 ff. ASB. 441  So erstmals BGHSt 20, 248 = NJW 1965, 1971; zusf. BVerfGE 50, 42 (44 ff.) = BeckRS 1978, 00660 m. w. N., insbes. zum Gesetzgebungsverfahren.

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1. Teil: Grundlagen und -begriffe

nicht leide; zudem sollen Abgeordnete nicht durch ein gegebenenfalls zu langes Ruhen benachteiligt werden. Diese, soweit ersichtlich, kaum jemals angewendete oder in der Literatur ernsthaft diskutierte Vorschrift ist nicht mehr zeitgemäß. Sie enthält eine nicht zu erklärende Besserstellung eines begrenzten Personenkreises, der sich freiwillig in die Stellung als „Abgeordneter“ begeben hat, diese – zumindest theoretisch – jederzeit wieder aufgeben kann und auch sonst von den Vorzügen dieses Status umfänglich profitiert. Letztlich fehlt es also an einem sachlichen Grund für die Privilegierung – das gilt auch und gerade im Kontext der Steuerdelinquenz. bb) § 78b III StGB – allgemeine Ablaufhemmung ab erstinstanzlichem Urteil § 78b III StGB normiert keinen Ruhenstatbestand, sondern statuiert nach überwiegender Auffassung442 eine Ablaufhemmung im vorgenannten Sinne. Die Verjährungsfrist läuft hier also ungehindert weiter. Bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens kann jedoch keine Verfolgungsverjährung mehr eintreten. Das ergibt sich unzweideutig aus dem Wortlaut der Vorschrift, wo es im Unterschied zu den übrigen Absätzen (dort stets ausdrücklich: die Verjährung „ruht“) heißt: „Ist vor Ablauf der Verjährungsfrist ein Urteil des ersten Rechtszuges ergangen, so läuft die Verjährungsfrist nicht vor dem Zeitpunkt ab, in dem das Verfahren rechtskräftig abgeschlossen ist.“ (Hervorh. v. hier).

Dies ist der – nicht nur in Steuerstrafsachen – in der Praxis am häufigsten vorkommende und zugleich wichtigste Ruhenstatbestand. Die Ablaufhemmung wird selbst durch die sog. Grenze des Doppelten in § 78c III 2 StGB nicht tangiert443. Hintergrund der Regelung ist, dass der Angeklagte nicht in der Lage sein soll, durch rein taktisch motivierte Rechtsmittel („Spiel auf Zeit“444) die Verjährung (aus seiner Sicht: „doch noch“) herbeizuführen, ohne dass die Strafverfolgungsbehörden bzw. Gerichte in diesem Verfahrensstadium zureichende Möglichkeiten hätten, die Verjährung durch Maßnahmen nach § 78c I StGB zu unterbrechen445. Zwar hat der Betroffene durchweg mannigfaltige Gelegenheiten, das Verfahren durch lauteres oder unlauteres Verteidigungsverhalten446 künstlich in die Länge zu ziehen und 442  Vgl.

Fischer, § 78b Rn. 11; Schmid, in: LK-StGB, § 78b Rn. 13 jew. m. w. N. § 78b Rn. 11. 444  Mitsch, in: MüKo-StGB, § 78b Rn. 18. 445  Vgl. Schmid, in: LK-StGB, § 78b Rn. 1; Sternberg-Lieben / Bosch, in: Schönke / Schröder, § 78b Rn. 12 jew. unter Bezugnahme auf die Gesetzesmaterialien. 446  Grdlg. M.  Jahn, Konfliktverteidigung, S. 40 ff. 443  Fischer,



B. Rechtsinstitut der Verjährung im Steuer-, Straf- und Steuerstrafrecht105

damit gezielt auf die Verjährung hinzuarbeiten447. Die insofern durch § 78c StGB für das Ermittlungsverfahren geschaffene „Waffengleichheit“ fehlt jedoch im Haupt- und Rechtsmittelverfahren. Hier soll § 78b III StGB für einen entsprechenden Ausgleich sorgen. Tatbestandlich setzt die Norm voraus, dass ein Urteil des 1. Rechtszuges „ergangen“ ist, d. h. ein solches muss verkündet (§ 268 StPO) worden sein. Auf die Absetzung des Urteils (§ 275 StPO) oder den Eintritt der Rechtskraft kommt es nicht an. Dies gilt unabhängig davon, ob das Urteil auf Verurteilung oder Freispruch lautet oder ob es sich um ein Einstellungsurteil handelt. Auch die sachliche Richtigkeit der Entscheidung spielt keine Rolle. Unberücksichtigt bleiben selbst Mängel der Anklage448 und – gegebenenfalls darauf basierend – des Eröffnungsbeschlusses, solange die jeweiligen Taten im Urteil hinreichend beschrieben sind449. Allenfalls nichtige Urteile450 und – trotz § 410 III StPO – Strafbefehle (vgl. § 400 AO) lösen die Ablaufhemmung nicht aus.451 Mangels gesetzlicher Regelung ist bis heute nicht abschließend geklärt, welche Folgen mit Blick auf § 78b III StGB eintreten, wenn das „ergangene“ Urteil aufgrund einer erfolgreichen Wiederaufnahme (§§ 359 ff. StPO) hinfällig wird452. Während eine Ansicht453 in diesen seltenen Fällen davon ausgeht, dass mit dem 447  s.

bspw. Fn. 519 zum Verkehrs-OWi-Verfahren. zu den diesbzgl. Anforderungen im Steuerstrafrecht M. Ebner, in: Flore /  Tsambikakis, § 400 AO Rn. 20 f. 449  Vgl. BGH, NStZ-RR 1997, 167 (168). 450  Vgl. Meyer-Goßner, in: Meyer-Goßner / Schmitt, Einl. Rn. 105 ff. („In einem Rechtsstaat … nicht vorstellbar.“); s. aber OLG München, NJW 2013, 2371 (2375 ff.) – Nichtigkeit aufgrund informeller Verständigung. 451  Zusf. Fischer, § 78b Rn. 11 m. w. N. All dies lässt freilich nicht besorgen, § 78b III StGB könne den Strafverfolgungsbehörden bzw. Gerichten per se einen Anreiz zu rechtmissbräuchlicher Gesetzesanwendung bieten. Zwar können derartige Befürchtungen seit den bedenklich stimmenden rechtstatsächlichen Befunden in Bezug auf die (Nicht-)Einhaltung der Vorgaben des § 257c StPO zur Verständigung im Strafverfahren (BVerfGE 133, 168 [194 ff., 233 ff.] = NJW 2013, 1058 [1059, 1069 f.]) derzeit wohl nicht mehr allein mit einem pauschalen Verweis auf Art. 20 III GG entkräftet werden (erg. S. 260). Wie soeben gezeigt, ist gerade § 78b III StGB aber so weit gefasst, dass Fälle, in denen gleichwie geartete Manipulationen überhaupt noch – theoretisch – denkbar wären, jedenfalls die Schwelle zu § 339 StGB überschreiten würden (erg. M. Jahn, in: Satzger / Schluckebier / Widmaier, § 258 Rn. 9a f. im Kontext des § 257c StPO). Die Annahme, dass in der Justiz auch / selbst hierzu eine generelle Bereitschaft bestünde, erscheint abwegig. 452  Ähnl. Fragen können sich bei der Wiedereinsetzung oder einer Urteilsauf­ hebung durch das BVerfG stellen, vgl. Schauf, in: Kohlmann, § 376 Rn. 47 f., 173 m. w. N.). 453  s. u. a. BGH, GA 1974, 149 (150); OLG Stuttgart, MDR 1986, 608; OLG Düsseldorf, NStZ-RR 2001, 142 (143 / 144); erg. Schmid, in: LK-StGB, § 78 Rn. 11 m. zahlr. weit. Nachw. 448  Zusf.

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1. Teil: Grundlagen und -begriffe

Eintritt der Rechtskraft des Wiederaufnahmebeschlusses eine volle neue Verfolgungsverjährungsfrist zu laufen beginnt, vertritt die Gegenauffassung454, dass sich die bis dahin – praeter legem – weiter ruhende455 Verjährungsfrist ab Rechtskraft des Wiederaufnahmebeschlusses schlicht fortsetzt. Die letztgenannte Ansicht ist vorzugswürdig, weil sich weder aus § 78b StGB noch aus § 370 II StPO ergibt, dass eine einmal eingetretene Ablaufhemmung rückwirkend wieder entfällt – im Gegenteil: § 78b III StGB stellt ausschließlich darauf ab, dass „vor Ablauf der Verjährungsfrist ein Urteil des ersten Rechtszuges ergangen“ ist. Genau dies war bzw. ist bei der Wiederaufnahme – nach wie vor – der Fall. Auch die geringen Anforderungen an ein „Urteil“ in diesem Sinne sprechen dafür, dass dessen nachträglicher Wegfall, zu dem es gemäß § 328 StPO bereits in der Berufungsinstanz kommen kann456, keinen Einfluss auf die Ablaufhemmung hat457.

cc) § 78b IV StGB – Fünfjähriges Ruhen bei „LG-Eröffnungsbeschluss“ § 78b IV StGB enthält eine gerade in (Wirtschafts- und) Steuerstrafsachen äußerst bedeutsame458, in der Rechtswirklichkeit jedoch zum Teil nicht genügend wahrgenommene Ruhensregelung. Ausgangspunkt ist hier ein landgerichtlicher (§ 74c I 1 Nr. 3 GVG) Eröffnungsbeschluss (§ 203 StPO), der hier den Zeitpunkt des Eintritts der Ruhenswirkung markiert. Dabei kommt ein Verjährungsstillstand nur hinsichtlich solcher zur Aburteilung gelangter459 Straftatbestände (nicht: Taten i. S. v. § 264 I StPO) in Betracht, die § 78 III Nr. 4 StGB unterfallen und – kumulativ – abstrakt einen mit 454  Vgl. etwa OLG Nürnberg, NStZ 1988, 555 (556) m. abl. Anm. Gössel, NStZ 1988, 537; Bülte, in: Hübschmann / Hepp / Spitaler, § 376 AO Rn. 197; Fischer, § 78b Rn. 11a; Meyer-Goßner, in: Meyer-Goßner / Schmitt, § 362 Rn. 1, § 370 Rn. 14; Mitsch, in: MüKo-StGB, § 78b Rn. 19; Schauf, in: Kohlmann, § 376 Rn. 48; Zanzinger, in: Leopold / Madle / Rader, § 376 Rn. 16 jew. m. w. N. 455  Zum diesbzgl. Meinungsstand OLG Düsseldorf, NStZ-RR 2001, 142 (143). 456  Nicht entschieden werden braucht der Streit für den Fall, dass nicht das erstinstanzliche Urteil, sondern ein daraufhin ergangenes Berufungsurteil rechtkräftig geworden und dann i. R. d. Wiederaufnahme in Wegfall gelangt ist. Denn hier wird das Verfahren nach allg. M. in den Zustand nach Anberaumung der Berufungsverhandlung zurück versetzt, mit der Folge, dass das die Ablaufhemmung bewirkende erstinstanzliche Urteil nach wie vor existent ist und damit unmittelbar die Wirkungen des § 78b III StGB entfaltet. Vor einer nachträglichen Beseitigung der Ablaufhemmung kann insofern keine Rede sein. 457  Insoweit zust. Schmid, in: LK-StGB, § 78b Rn. 15 f. 458  Ebenso Bülte, in: Hübschmann / Hepp / Spitaler, § 376 AO Rn. 198; Weigell, in: Kuhn / Weigell, Rn. 194; generell abw. Vogelberg, in: Simon / Vogelberg, S. 115 („ Ruhen … spielt … in der täglichen Praxis keine große Rolle“); ähnl. Zanzinger, in: Leopold / Madle / Rader, § 376 Rn. 54 („dürfte im Bereich des Steuerstrafrechts mit der Sonderregelung des § 376 Abs. 1 seine Bedeutung verloren haben“). 459  Vgl. BGHSt 56, 146 (149 f.) = NJW 2011, 1157 (1158).



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Freiheitsstrafe von mehr als fünf Jahren bedrohten besonders schweren Fall vorsehen. Dies betrifft in erster Linie die klassischen Wirtschaftsdelikte wie Betrug, Untreue und – wegen § 370 III AO – vor allem auch die Steuerhinterziehung, nicht aber die übrigen Steuerstraftatbestände. Daran hat sich auch durch die Einführung von § 376 I AO nichts geändert. Obschon, soweit ersichtlich, bisher noch nirgends ausdrücklich festgestellt, dürfte unstreitig sein, dass bei einem Eingreifen von § 376 I AO kein Fall des § 78 III Nr. 4 StGB, sondern ein solcher des § 78 III Nr. 3 StGB vorliegt. Aus diesem Grund kann dann – ebenso eindeutig – trotz „LG-Eröffnungsbeschluss“ insoweit auch keine Ruhenswirkung nach § 78b IV StGB eintreten460. Dies ist angesichts der in § 376 I AO auf zehn Jahre verdoppelten Regelverjährungsfrist durchaus nachvollziehbar und war im Übrigen auch in den Fällen des § 370a AO nicht anders.

Hierdurch soll der Anreiz zu Verfahrensverzögerungen, etwa durch sachlich nicht gebotene Beweisanträge, verringert und zugleich sichergestellt werden, dass auch Umfangsverfahren (vor allem Wirtschaftsstrafsachen) trotz der in §§ 78 IV, 78c III 1 StGB gesteckten Grenzen durch Urteil abgeschlossen werden können461. Diesem Ziel wird die Vorschrift mit der maximal fünf Jahre andauernden Ruhensfolge gerecht. Die Strafkammer am Landgericht hat danach (ggf. unter Suspendierung von § 78c III 2 StGB462) ab Eröffnung des Hauptverfahrens (weitere) fünf Jahre Zeit, zu einem erstinstanzlichen Urteil zu kommen, das dann seinerseits wiederum die Ablaufhemmung nach § 78b III StGB auslöst463. Anders als bei Qualifikationstatbeständen im Kontext von § 78 III StGB muss bei § 78b IV StGB im konkreten Fall kein besonders schwerer Fall vorliegen, d. h. angeklagt, eröffnet oder gar ausgeurteilt werden. Die bloße Existenz eines Regelbeispiels im Gesetz genügt, solange das Tatgericht den hinreichenden Verdacht (§ 203 StPO) vertretbar bejaht hat, dass der „Grundtatbestand“ verwirklicht ist464. Die in diesem Kontext mit Blick auf § 78 IV StGB aufgekommene Kritik eines – tatsächlich nicht gegebenen – Systembruchs hat der Gesetzgeber, ähnlich wie bei § 376 I AO465, hier bewusst in Kauf genommen466. 460  A. A.

wohl Bülte, in: Hübschmann / Hepp / Spitaler, § 376 AO Rn. 49, 198. BVerfG, NJW 1995, 1145 m. w. N.; Wenzler, in: Flore / Tsambikakis, § 78b StGB Rn. 7. 462  Vgl. § 78c III 3 StGB. 463  Vgl. Schmid, in: LK-StGB, § 78b Rn. 17. 464  Vgl. Meyer-Goßner, in: Meyer-Goßner / Schmitt, § 203 Rn. 2 („Dabei besteht ein gewisser Beurteilungsspielraum …“); s. a. T. Meyer, JA 2014, 342 (346). 465  s. S.  136 ff. 466  Vgl. dazu Siegismund / Wickern, wistra 1993, 136 (141); krit. dagegen Mitsch, in: MüKo-StGB, § 78b Rn. 18. 461  s.

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1. Teil: Grundlagen und -begriffe

Der Staatsanwaltschaft steht ein Beurteilungsspielraum zu, ob sie in Steuerstrafsachen bei der Wirtschaftsstrafkammer am Landgericht (§ 74c I Nr. 3 GVG) Anklage erhebt467. Dabei darf sie auch in den Blick nehmen, dass wegen § 78b IV StGB unter Umständen nur noch auf diese Weise der Eintritt der Verfolgungsverjährung abgewendet werden kann – denn gerade daraus kann in casu eine besondere Sachbedeutung im Sinne von § 24 I Nr. 3 3.  Var. GVG erwachsen468. Etwas anderes gilt nur, wenn eine Landgerichtsanklage unter keinem Gesichtspunkt mehr vertretbar und damit objektiv willkürlich ist. (Nur) Dann liegt eine Verletzung des Rechts auf den gesetzlichen Richter (Art. 101 I 2 GG, § 16 Satz  2 GVG, § 338 Nr. 1 StPO) vor469.

dd) § 78b V StGB – Ruhen im Auslieferungsverfahren Die im hiesigen Kontext bereits als „Lex Schreiber“ erwähnte470, vor noch nicht allzu langer Zeit mit Wirkung zum 1.8.2005 in Kraft getretene Vorschrift führt zu einem Ruhen der Verfolgungsverjährung, wenn sich der (flüchtige) Täter in einem ausländischen Staat aufhält und die Strafverfolgungsbehörden ein förmliches Auslieferungsverfahren betreiben. Ihre Existenzberechtigung leitet sich daraus ab, dass die – wenn überhaupt, allenfalls mittelbar beeinflussbare – Dauer eines solchen Verfahrens vor allem mit Blick auf die „Grenze des Doppelten“ (§ 78c III 2 StGB) bei einer kalkulierten Flucht nicht zu einem – dann – als ungerechtfertigt empfundenen Verjährungseintritt führen können soll471. Die nach der gesetz­lichen Konzeption im Grundsatz zeitlich unbegrenzte Ruhenswirkung tritt gemäß § 78b V 1, 2 StGB ab dem (fingierten) Zeitpunkt des Zugangs des Rechtshilfeersuchens bei dem ausländischen Staat ein. Allerdings kann der Betroffene die Ruhenswirkung durch Verlassen des jeweiligen Staates selbst wieder beseitigen (§ 78b V 1 Nr. 2 StGB). Aufgrund dessen kann er sich faktisch gezwungen sehen, regelmäßig sein „Versteck“ zu wechseln, um dadurch irgendwann einmal doch den Verjährungseintritt herbeizuführen. Ob dies in letzter Konsequenz verhältnismäßig ist, wird vordergründig am Einzelfall festzumachen sein. Wie die §§ 78 II, 79 II StGB und § 5 VStGB zeigen, ist 467  Vgl.

Meyer-Goßner, in: Meyer-Goßner / Schmitt, § 24 GVG Rn. 4 ff. („überschlägige Prognoseentscheidung“). 468  I. Erg. zust. Schmid, in: LK-StGB, § 78b Rn. 18; zw. Siegismund / Wickern, wistra 1993, 136 (141: „dürfte … nicht anwendbar sein“); erg. KG, NStZ-RR 2005, 26 (28 f.) – Umfangsverfahren u. Nr. 113 II 1 RiStBV. 469  Vgl. Schmid, in: LK-StGB, § 78b Rn. 18 a. E. 470  s. S. 100; die Bezeichnung „Lex Schreiber“ ist der Kommentierung von Fischer (§ 78b Rn. 13) entnommen; sie findet sich bspw. auch bei T. Meyer, JA 2014, 342 (346). 471  Vgl. Fischer, § 78b Rn. 13. Der Grundtatbestand des § 78b I Nr. 2 StGB greift nicht ein, weil Unterbrechungshandlungen gem. § 78c I 1 Nr. 10, 12 StGB möglich sind (vgl. Fn. 422).



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es jedoch keinesfalls von vornherein ausgeschlossen, dem Täter bei entsprechender Deliktsschwere auch eine sehr lange bzw. gar „lebenslange“ Flucht zuzumuten. d) Weitere in Steuerstrafsachen relevante Ruhenstatbestände aa) § 153a III StPO – Ruhen während Auflagenerfüllung Ein zusätzlicher, die Grundnorm des § 78b I Nr. 2 StGB ergänzender und oftmals unbekannter Ruhenstatbestand findet sich in § 153a III StPO. Der Gesetzgeber hat diese Vorschrift, die nach ihrem Regelungsgehalt eher dem materiellen Strafrecht zuzuordnen ist, wegen des Sachzusammenhangs mit dem Einstellungstatbestand prozessrechtlich loziert. Die Ruhenswirkung beginnt mit der staatsanwaltschaftlichen Einstellungsverfügung472 bzw. dem gerichtlichen Einstellungsbeschluss473. Dass der Gesetzgeber nur hier (und – außerhalb der Ruhensvorschriften – noch in § 154e III StPO), nicht aber bei den ebenfalls vorläufig wirkenden §§ 154, 154a StPO oder in den Fällen der §§ 154d S. 1, 262 II StPO eine derartige Ruhensanordnung getroffen hat, lässt sich mit guten Gründen in Frage stellen474. Letzteres führt gerade im Steuerstrafrecht dazu, dass sich eine Verfahrenseinstellung wegen einer im finanzgerichtlichen Verfahren zu klärenden steuerrechtlichen Vorfrage gemäß § 154d StPO (analog475) aus Sicht der Strafverfolgungsbehörden nachteilig auswirken kann. Denn die Vorschrift sieht – anders als § 396 III AO  – für diesen Fall kein Ruhen der Verjährung vor. Just dieses Problem ist vor noch nicht allzu langer Zeit im Zusammenhang mit der Auslegung von § 6a I UStG praktisch virulent geworden. Der 1. Strafsenat des BGH hatte in einem Beschluss vom 20.11.2008 – Az. 1  StR 354 / 08 – judiziert, dass eine steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung im Sinne dieser Vorschrift ausscheide, „wenn der inländische Unternehmer in kollusivem Zusammenwirken mit dem tatsächlichen 472  Vgl.

§ 78c II StGB. in: Meyer-Goßner / Schmitt, § 153a Rn. 56. 474  Wegen des im Gegensatz zu § 396 AO uneingeschränkt weiten Anwendungsbereichs von § 153a StPO kann insofern jedenfalls nicht isoliert darauf abgestellt werden, dass „Steuervergehen oft erst zu einem Zeitpunkt entdeckt werden, zu dem bereits ein nicht unerheblicher Teil der Verjährungsfrist verstrichen ist“ (Jäger, in: Franzen / Gast / Joecks, § 396 Rn. 56). 475  § 154d StPO ist trotz seines engen, auf das „bürgerliche Recht“ und das „Verwaltungsrecht“ beschränkten Wortlauts auch auf Vorfragen anwendbar, die andere Rechtsgebiete betreffen (vgl. Schmitt, in: Meyer-Goßner / Schmitt, § 154d Rn. 3). Gegen die vorbehaltslose Subsumtion auch des Steuerrechts unter die Vorschrift spricht, dass mit § 396 AO eine lex specialis existiert, die § 154d StPO gem. § 385 I AO innerhalb ihres Anwendungsbereiches verdrängt (vgl. u. a. Hellmann, S. 57; ders., in: Hübschmann / Hepp / Spitaler, § 396 AO Rn. 9, 29 f.; Jäger, in: Franzen / Gast / Joecks, § 396 Rn. 18; Schauf, in: Kohlmann, § 396 Rn. 32 f.). 473  Schmitt,

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1. Teil: Grundlagen und -begriffe

Abnehmer die Lieferung an einen Zwischenhändler vortäuscht, um dem Abnehmer die Hinterziehung von Steuern zu ermöglichen“476, und die Revisionen beider Angeklagter gegen das zugrunde liegende Urteil des LG München II477 in der Folge gemäß § 349 II StPO verworfen. Dieser Rechtsauffassung trat zunächst das FG Baden-Württemberg478 in einem Parallelfall des BGH – Az. 1  StR 41 / 09 – entgegen. Daraufhin legte der Senat die Sache 1  StR 41 / 09 am 7.7.2009 gemäß Art. 234 III EG (heute: Art. 267 III AEUV) dem EuGH zur (steuerrechtlichen) Vorabentscheidung vor479. Im Verfahren 1  StR 354 / 08 setzte das BVerfG480 auf Antrag der Angeklagten die Vollziehung der verhängten Gesamtfreiheitsstrafen mit Blick auf die zugleich aufgeworfene Frage nach der ausreichenden Bestimmtheit (Art. 103 II GG) von § 370 I AO i. V. m. § 6a I UStG im Wege der einstweiligen Anordnung ab 23.7.2009 fortlaufend aus (vgl. § 32 VI 1 BVerfGG). Zudem trat der BFH481 am 29.7.2009 der Auffassung des FG Baden-Württemberg bei.482 Bis zu den – die Auslegung des BGH letztlich bestätigenden – Entscheidungen des EuGH am 7.12.2010483 und des BVerfG am 16.6.2011484 war durch die Staatsanwaltschaften zu entscheiden, wie gleichgelagerte, aber noch unerledigte Ermittlungsverfahren zwischenzeitlich sachbehandelt werden sollten. In Fällen, in denen angesichts der unklar gewordenen Rechtslage eine vorläufige Einstellung in Erwägung zu ziehen war, lag es nahe, die betroffenen Verfahren mit Blick auf § 396 III AO möglichst gemäß § 396 I AO auszusetzen485. Eine Einstellung gemäß § 154d StPO (analog) kam – ungeachtet der Frage nach dem Verhältnis der beiden Vorschriften zueinander486 – im Vergleich dazu allenfalls subsidiär in Betracht, weil § 154d StPO angesichts des ex ante nicht absehbaren Zeitpunkts der Entscheidungen des EuGH und des BVerfG (unter Umständen487) keine Ruhens476  BGHSt

53, 45 (47) = NJW 2009, 1516. Ws 68  Js 11618 / 06, n. v. 478  Beschl. v. 11.3.2009, 1  V 4305 / 08, BeckRS 2009, 26026977. 479  DStR 2009, 1688. 480  BFH / NV 2009, 1767 = BeckRS 2009, 36279. 481  BFHE 226, 449 = DStR 2009, 1693. 482  Zusf. Adick / Höink, PStR 2011, 280; Harms / Heine, in: Spindler FS, S. 429 (438 ff.); Höink / Adick, PStR 2011, 37; Schauf / Höink, PStR 2009, 200. 483  NJW 2011, 203 (GrK). 484  BVerfGK 18, 482 = NJW 2011, 3778; zusf. Hüls, NZWiSt 2013, 12 (14 ff.). 485  Die Literatur (s. nur Jäger, in: Franzen / Gast / Joecks, § 396 Rn. 20 m. w. N.) hat das bisher nur für den Fall erwogen, dass ein FG oder der BFH ein Vorabentscheidungsverfahren (Art. 267 AEUV) anstrengt. Wegen der umfassenden Bindungswirkung der Entscheidung des EuGH für das Straf- und Besteuerungsverfahren (s. d. Nachw. in Fn. 290; erg. Hellmann, S. 61 f.) kann hier nichts anderes gelten. Dies ist wegen § 31 BVerfGG auch auf die Hauptsacheentscheidung des BVerfG übertragbar. 486  s. Fn. 475. 487  Ungeklärt ist, welche Folgen eintreten, wenn das Verfahren ausdrücklich gem. § 154d StPO (analog) eingestellt wird, obwohl die Voraussetzungen des § 396 AO vorliegen. Gesichert ist nur, dass ein Falschzitat der angewendeten Norm als solches unschädlich ist, wenn dies versehentlich erfolgt oder § 396 AO offensichtlich über477  Az.



B. Rechtsinstitut der Verjährung im Steuer-, Straf- und Steuerstrafrecht111 wirkung entfaltet hätte. Wegen der von § 31 BVerfGG ausgehenden Bindungswirkung der BVerfG-Entscheidung488 konnte jedenfalls vor diesem Hintergrund eine Aussetzung nach § 396 AO erfolgen489.

bb) § 396 III AO – Ruhen bei Aussetzung zur Klärung steuerrechtlicher Vorfragen § 396 AO gibt den Strafverfolgungsbehörden und Gerichten trotz fehlender Bindung an die Rechtsprechung der Finanzgerichte490 die Möglichkeit („kann“), das Steuerstrafverfahren zur Vermeidung divergierender Entscheidungen bis zum ­Abschluss des Besteuerungsverfahrens mit Ruhenswirkung (§ 396 III AO) auszusetzen. Voraussetzung ist, dass die Finanzverwaltung im Zeitpunkt der Aussetzung ein den (straf-)verfahrensgegenständlichen Fiskalanspruch betreffendes Besteuerungsverfahren eingeleitet hat bzw. ein solches – wenigstens – einleiten könnte491 und dieses (potentielle) Verfahren noch nicht rechtskräftig abgeschlossen ist (§ 396 I AO). Die Ruhenswirkung des § 396 III AO entfällt erst, wenn das Strafverfahren – was jederzeit möglich ist – (konkludent) wieder aufgenommen worden oder das Besteuerungsverfahren bestands- bzw. rechtskräftig abgeschlossen ist492. Letzteres kann der Täter, falls er der betroffene Steuerpflichtige oder – etwa bei juristischen Personen – sein Vertreter ist493, sehen worden ist (Rechtsgedanke des § 300 StPO). Ist die Einstellung dagegen in bewusster, jedoch fehlerhaft vorgenommener Abgrenzung zu § 396 AO explizit auf § 154d StPO gestützt worden, könnten einer Ruhenswirkung gem. § 396 III AO im Einzelfall Vertrauensschutzgesichtspunkte bzw. der fair trail-Grundsatz entgegenstehen (s. a. AG Münster, NStZ-RR 2003, 372 [373]). Keine sach­gerechte(re) Lösung des Problems stellt es freilich dar, beide Normen in praxi einfach zusammen zu zitieren. 488  s. d. Nachw. in Fn. 287 f. 489  s. Fn. 493. 490  s. S.  75 ff. 491  Vgl. Weyand, in: Graf / Jäger / Wittig, § 396 AO Rn. 7 m. w. N. 492  Statt vieler: Rolletschke, in: Rolletschke / Kemper, § 396 Rn. 60 m. w. N. 493  Das Ruhen setzt unstreitig nicht voraus, dass die am Straf- und Besteuerungsverfahren beteiligten Personen übereinstimmen (vgl. Jäger, in: Klein, § 396 Rn. 4; Wisser, S. 51 f.). Problematisch ist hingegen, ob auch die den beiden Verfahren zugrunde liegenden Lebenssachverhalte identisch sein müssen. Die wohl h. M. verlangt – freilich ohne zureichenden Anhalt im Gesetz –, dass es sich um „ ‚denselben Lebenssachverhalt‘ iSd § 264 StPO“ handeln muss (vgl. etwa Weyand, in: Graf / Jäger / Wittig, § 396 AO Rn. 8 m. w. N.). Dies erscheint angesichts des Zwecks der Vorschrift und vor allem auch bei anstehenden Entscheidungen des BVerfG mit Blick auf § 31 BVerfGG (s. S. 78) überaus zweifelhaft (s. nur LG Augsburg, wistra 2007, 272 [274]; gl. A. Rolletschke, in: Rolletschke / Kemper, § 396 Rn. 22). Entsprechendes gilt, wenn auf Initiative des BGH oder BFH vor dem EuGH ein (auch) steuerrechtlich relevantes Vorabentscheidungsverfahren i. S. v. Art.  267 AEUV (s. S. 78 f.) durchführt wird (ebenso Hellmann, in: Hübschmann / Hepp / Spitaler, § 396

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1. Teil: Grundlagen und -begriffe

mittels Rücknahme von Einspruch oder Klage in diesem Stadium jederzeit gezielt selbst herbeiführen494. Die Ruhenswirkung des § 396 III AO erfasst nach kaum noch bestrittener Auffassung495 nicht nur die Steuerhinterziehung, sondern alle tateinheitlich (§ 52 I StGB) oder innerhalb derselben prozessualen Tat (§ 264 I StPO) verwirklichten, auch allgemeinen Straftaten. Dies ergibt sich daraus, dass weder § 396 AO selbst noch die gemäß § 369 II AO (ergänzend) anwendbaren §§ 78 ff. StGB entsprechende Einschränkungen enthalten. Zudem wird nach dem insoweit eindeutigen Wortlaut von § 396 I AO „das Strafverfahren“ und nicht nur die Verfolgung derjenigen Abgabendelikte, die sich auf den Gegenstand des Besteuerungsverfahrens beziehen, ausgesetzt. In der Sache ist eine Aussetzung gemäß § 396 I AO nur zur Klärung der Vorfrage (bei der „Beurteilung der Tat als Steuerhinterziehung“) möglich, „ob ein Steueranspruch besteht, ob Steuern verkürzt oder ob nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt sind“.

Zusammengefasst bedeutet dies, dass nur solche Vorfragen aussetzungstauglich sind, die die Auslegung des materiellen Steuerrechts (nach h. M. nur) im Zuge der Anwendung von § 370 (ggf. i. V. m. § 373) AO betreffen496. Dagegen sind Unklarheiten auf tatsächlicher Ebene (z. B. hinsichtlich des Hinterziehungsvorsatzes) ebenso wenig geeignet, eine Aussetzung zu rechtfertigen, wie offene Rechtsfragen aus anderen Bereichen. In der Aussetzungsentscheidung sollte(n) die konkrete(n) Vorfrage(n) daher möglichst genau bezeichnet werden, um ihre spätere Nachvollziehbarkeit und Überprüfbarkeit zu gewährleisten. Die Rechtmäßigkeit der Aussetzung ist wegen § 305 S. 1 StPO mit der Beschwerde nur beschränkt, im Berufungs- und Revisionsverfahren (§§ 327, 336 StPO) dagegen voll überprüfbar497. Letzterenfalls ist der Eintritt der Ruhenswirkung schon bei der von Amts wegen AO Rn. 17, 35 ff.; Schauf, in: Kohlmann, § 396 Rn. 35; erg. S. 109 f. [Fallbeispiel zu § 6a UStG]. 494  Dazu darf ihm selbstverständlich auch der Strafverteidiger raten, ohne dass er sich dadurch selbst gem. § 258 I StGB strafbar macht. 495  Vgl. nur Jäger, in: Klein, § 396 Rn. 19 u. Mitsch, in: MüKo-StGB, § 78b StGB Rn. 6 m. w. N.; a. A. Cratz, in: Rolletschke / Kemper, 60.  EL, § 396 Rn. 22 (Kommentierung überholt); Schauf, in: Kohlmann, § 396 Rn. 95; Weyand, in: Graf / Jäger / Wittig, § 396 AO Rn. 39; unklar BGH, wistra 1988, 263 (264). 496  s. nur Wisser, S. 49; ebenso Gehm, NZWiSt 2012, 244 (245: „Analogie … wegen … Verlängerung der Strafverfolgungsverjährung unzulässig“); erg. LG Cottbus, Beschl. v. 14.6.2010, 22 Wi Qs 16 / 10, BeckRS 2012, 11687; LG Halle (Saale), NZWiSt 2014, 385 (386); Brenner, BB 1985, 2041 (2044). 497  Vgl. Jäger, in: Klein, § 396 Rn. 16; erg. LG Bremen, NStZ-RR 2012, 14 m. krit. Anm. Weidemann, StV 2013, 379 f.; LG Halle (Saale), NZWiSt 2014, 385 m. zust. Anm. Rolletschke.



B. Rechtsinstitut der Verjährung im Steuer-, Straf- und Steuerstrafrecht113

vorzunehmenden Prüfung der Verfahrensvoraussetzungen ([teilweiser] Verjährungseintritt?) mit in den Blick zu nehmen. Diese Prüfroutine wird bereits durch die Erhebung der (allgemeinen) Sachrüge ausgelöst. Zu beachten ist aber, dass nur die Nichtigkeit der Aussetzungsentscheidung zu einem Wegfall der Folgen des § 396 III AO führt (denn dann liegt ein rechtliches „Nullum“ vor), nicht jedoch deren „bloße“ Fehlerhaftigkeit498. Die Ruhenswirkung gemäß § 396 III AO entspricht wegen § 369 II AO derjenigen des § 78b I StGB („Einfrieren der Sanduhr“, s. o.); § 249 I ZPO gilt nicht (analog)499. Aus demselben Grund greift auch § 78c III 3 StGB ein, mit der Folge, dass die „Grenze des Doppelten“ (§ 78c III 2 StGB) durch § 396 III AO zeitlich „nach hinten“ verschoben wird500. Den als Reaktion auf die hohe Arbeitsbelastung zum Teil zu beobachtenden „Wettlauf“ zwischen Finanz- und Strafverfolgungsbehörden um die – zeitlich – erste Aussetzungsentscheidung501 können letztere nicht „gewinnen“. Denn ungeachtet des sich aus Art. 6 I EMRK ergebenden Beschleunigungsgebots und der sich anschließenden Entschädigungspflicht bei überlanger Verfahrensdauer502 setzt eine Aussetzung nach § 396 AO voraus, dass im Besteuerungsverfahren „in absehbarer Zeit“ mit einer Entscheidung über die Vorfrage zu rechnen ist503. Das ist bei einem gleichzeitigen Ruhen des Besteuerungsverfahrens aber nicht (mehr) der Fall504.

Führen die Strafverfolgungsbehörden nach einer Aussetzungsentscheidung gemäß § 396 I AO weitere Ermittlungsmaßnahmen durch, die über eine schlichte Beweissicherung hinausgehen (z. B. Abklärung etwaiger / weiterer 498  Hellmann, in: Hübschmann / Hepp / Spitaler, § 396 AO Rn. 81; a. A. AG Münster, NStZ-RR 2003, 372 (373); Gehm, NZWiSt 2012, 244 (248) m. w. N. 499  Unklar Weyand, in: Graf / Jäger / Wittig, § 396 AO Rn. 36. 500  So zutr. BayObLGSt 1990, 19 (20 f.); OLG Karlsruhe, NStZ 1985, 277 (228); wistra 1990, 205 f.; dto. u. a. Bachler, in: BeckOK-StPO, § 396 AO Rn. 8; Blesinger, in: Kühn / v.  Wedelstädt, § 376 Rn. 8; Brenner, BB 1985, 2041 (2042); Gehm, NZWiSt 2012, 244; Meine, wistra 1986, 58 (59); Quedenfeld, in: Quedenfeld / Füllsack, Rn. 312; Rolletschke, in: Rolletschke / Kemper, § 396 Rn. 62; Vogelberg, in: Simon / Vogelberg, S. 117; Wisser, S. 256 f.; abl. v. Briel, SAM 2007, 207 (211); Grezesch, wistra 1990, 289; Rainer / Schwedhelm, NWB Fach  13 (40 / 1989), 747 (753 f.); kryptisch BGH, wistra 1988, 263 (264). 501  Entweder gem. § 396 AO (i. e. „BuStra“, StA oder Strafgericht) oder gem. § 363 AO (i. e. FinB) bzw. §§ 74, 155 FGO, §§ 249, 251 ZPO (i. e. FG). Erg. Gehm, NZWiSt 2012, 244 (250 f.); Hellmann, in: Hübschmann / Hepp / Spitaler, § 396 AO Rn. 31; Heß, StW 2010, 145 (148 / 149); Muhler, ZWH 2013, 489 (490). 502  Erg. Fn. 322. 503  Vgl. OLG Karlsruhe, NStZ 1985, 277 (228). 504  Vgl. u. a. Gehm, NZWiSt 2012, 244 (246 ff.); Hellmann, in: Hübschmann /  Hepp / Spitaler, § 396 AO Rn. 34; s. aber auch LG Bremen, NStZ-RR 2012, 14, wonach der Umstand, dass „das Besteuerungsverfahren trotz Aufforderung des FinanzGer. durch die Finanzbehörden seit Jahren nicht gefördert worden ist … [, den] Aussetzungserfolg … nicht unerreichbar“ erscheinen lassen soll.

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1. Teil: Grundlagen und -begriffe

Durchsuchungsobjekte), kann darin gegebenenfalls eine konkludente Wiederaufnahme des Verfahrens mit der Folge des Wegfalls der Ruhenswirkung ex nunc zu sehen sein505. Die Grenze zwischen Beweissicherung und weitergehenden Ermittlungen ist in der Praxis häufig nicht trennscharf zu ziehen. Die Strafverfolgungsbehörden sollten daher durch eine genaue Dokumentation des Zwecks von noch nach der Aussetzung vorgenommenen Maßnahmen in den Akten für Klarheit sorgen. (Regelmäßige) Anfragen zum Stand des Bezugsverfahrens an die Finanzverwaltung sind dagegen stets zulässig. 4. Unterbrechung der Verjährung (§ 78c StGB) a) Grundparameter Die Unterbrechung der Verjährung ist vor allem bei lang andauernden Wirtschafts- und Steuerstrafverfahren regelmäßig von fallentscheidender Bedeutung506. Anders als das Ruhen der Verjährung ist dem Strafrechtsanwender der „Dreiklang des Unterbrechungsrechts“, namentlich (1) die Rechtsfolge in Gestalt des Neubeginns des Fristlaufs, (2) der abschließende Katalog des § 78c I 1 StGB und (3) die „Grenze des Doppelten“, erfahrungsgemäß ohne Weiteres bekannt. Vom Ruhen unterscheidet sich die Unterbrechung der Verjährung dadurch, dass – bildlich gesprochen – die „Sanduhr“ nicht angehalten, sondern neu gestartet wird, § 78c III 1 StGB507. Eingeschränkt wird das grundsätzlich beliebig oft auslösbare Institut508 nur durch den Numerus clausus der Unterbrechungsmöglichkeiten und § 78c III 2 StGB – 505  Vgl.

Gehm, NZWiSt 2012, 244 f. m. w. N. vieler: G.  Schäfer, in: Dünnebier FS, S. 541 (546). Eine vergleichbare Regelung enthält nur noch § 33 OWiG. Auch das Zivilrecht unterscheidet in den §§ 194 ff. BGB zwischen den Instituten der Hemmung (≈ Ruhen), Ablaufhemmung (s. o.) und dem Neubeginn (≈ Unterbrechung) der Verjährung. Das Steuerrecht kennt hingegen einen Neubeginn bzw. eine Unterbrechung der Verjährung nicht. 507  s. a. § 212 BGB, wo anstatt des Begriffs „Unterbrechung“ bereits in der gesetzlichen Überschrift von einem „Neubeginn“ der Verjährung die Rede ist. 508  Z. T. einschr. Nr. 22 S. 2 RiStBV, was mit Blick auf §§ 258, 258a StGB nicht unbedenklich erscheint. Verunsichernd wirkt in diesem Kontext der im Schrifttum bisweilen gegebene Hinweis, die Verjährung dürfe „nur zum Zweck der Verfahrensförderung“ unterbrochen werden (vgl. u. a. Bülte, in: Hübschmann / Hepp / Spitaler, § 376 AO Rn. 153; Jäger, in: Klein, § 376 Rn. 65). Diese von Teilen der Rspr. zu § 68 S. 1 RStGB (abgedr. auf S. 129) praeter legem entwickelte Voraussetzung (abw. bereits OLG Köln, BB 1970, 1335 [1336]) ist jedenfalls seit Einführung von § 78c StGB überholt, weil nunmehr alle in § 78c I 1 StGB genannten Unterbrechungshandlungen (auch) auf eine Verfahrensförderung abzielen (vgl. Zanzinger, in: Leopold / Madle /  Rader, § 376 Rn. 68; zweifelnd Schauf, in: Kohlmann, § 376 Rn. 143). 506  Statt



B. Rechtsinstitut der Verjährung im Steuer-, Straf- und Steuerstrafrecht115 die sog. Grenze des Doppelten. Danach tritt Verjährung ungeachtet vorgenommener Unterbrechungshandlungen spätestens dann ein, wenn seit Fristbeginn das Doppelte der gesetzlichen Verjährungsfrist abgelaufen ist509. Diese absolute Grenze kann, wie sich aus § 78c III 3 StGB ergibt, nur durch ein Ruhen der Verjährung überwunden werden. Und auch sie muss für jeden Straftatbestand gesondert bestimmt werden.

Im Übrigen sind für das Steuerstrafrecht folgende Grundparameter des Unterbrechungsrechts von Bedeutung: aa) Ungehinderter Eintritt der Unterbrechungswirkung Die Wirkung des § 78c III 1 StGB tritt unabhängig davon ein, ob die jeweilige Unterbrechungshandlung unzweckmäßig510 oder rechtswidrig war bzw. einwandfrei vollzogen wurde. Folglich lassen auch die nachträgliche Feststellung der Rechtswidrigkeit der Maßnahme (z.  B. einer Durchsuchungsanordnung, § 78c I 1 Nr. 4 StGB) oder gar ihre Aufhebung (z. B. eines Haftbefehls, § 78c I 1 Nr. 5 StGB) die Unterbrechungswirkung nicht rückwirkend entfallen. Wie beim Ruhen, steht dem Neubeginn des Verjährungsfristlaufs in der Regel nur die Nichtigkeit511 der Unterbrechungsmaßnahme entgegen.512 Bei der im Steuerstrafrecht neben der Bekanntgabe der Verfahrenseinleitung (§ 78c I 1 Nr. 1 StGB, § 397 III AO, § 10 I 3 BpO513) praktisch am häufigsten vorkommenden Durchsuchungsanordnung müssen mit Blick auf Art. 13 II GG die verdachtsbegründenden Tatsachen, die nach bestehender Verdachtslage verwirklichten Steuerstraftatbestände und die gesuchten Gegenstände (Beweismittel) hinreichend konkret bezeichnet werden514. 509  Das richtet sich grds. nach § 78 III StGB (vgl. S. 133 ff.). In Fällen des § 376 I i. V. m. § 370 III 2 AO ist die „Grenze des Doppelten“ erst nach 20  Jahren erreicht (s. bereits das Bsp. auf S. 30 f.). 510  Vgl. BGH, NStZ 1985, 545 (546). Zur Beurteilung der Notwendigkeit oder Zweckmäßigkeit von durch die StA beantragten richterlichen Ermittlungsmaßnahmen ist das Gericht nicht befugt (vgl. Schmitt, in: Meyer-Goßner / Schmitt, § 162 Rn. 17). 511  Der BGH greift zwar begrifflich auf die Kategorie der „Wirksamkeit“ zurück, legt diese aber eng i. S. v. Nichtigkeit aus; die Judikatur ist insges. uneinheitlich (vgl. BGHSt 29, 94 = NJW 1979, 2483 [Eröffnungsbeschluss unter Verstoß gegen den Spezialitätsgrundsatz: Unterbrechungswirkung verneint]; BGHSt 29, 351 = NJW 1981, 133 [Mitwirkung eines ausgeschlossenen Richters am Eröffnungsbeschluss: Unterbrechungswirkung bejaht]). 512  Vgl. Mitsch, in: MüKo-StGB, § 78c Rn. 7. 513  s. Brenner, StBp 1976, 121 (122 f.); Zanzinger, in: Leopold / Madle / Rader, § 376 Rn. 64. 514  Bsphft. BGH, Beschl. v. 2.11.2010, 1 StR 544 / 09, BeckRS 2011, 00863, Tz. 8 m. w. N. (in NStZ 2011, 294 insoweit n. abgedr.); vgl. i. Ü. Jäger, in: Klein, § 376

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1. Teil: Grundlagen und -begriffe

bb) Inhaltliche Konkretisierung der Unterbrechungsmaßnahme Die Unterbrechungsmaßnahme muss sich gemäß § 78c IV StGB gegen eine soweit als möglich individualisierte (nicht – als Minus – individualisier­ bare oder gar – als Plus – namentlich bekannte515) Person richten und sich auf eine bestimmte Steuerstraftat beziehen. Letztere ist die durch Bezeichnung der betroffenen Steuerart(en) samt Veranlagungszeitraum und Steuersubjekt sowie der dem Beschuldigten zur Last gelegten Tathandlung (z. B.: § 370 I Nr. 1, 2 oder 3 AO?) etwa in einem Einleitungsvermerk (§ 397 II AO) oder den Gründen eines Durchsuchungsbeschlusses ausreichend umschrieben516. Die Angabe der Steuererklärungs- und -bescheidsdaten oder eines ungefähren bzw. des Mindestverkürzungsumfangs sind wünschenswert („Kür“), zur Konkretisierung der Tat aber nicht zwingend erforderlich. Durchsuchungsbeschlüsse (§ 78c I 1 Nr. 4 StGB) richten sich als „breiter wirkende Ermittlungshandlungen“ gegen jeden bekannten Tatverdächtigen, auch wenn dieser im Rubrum (noch) nicht genannt ist517 oder der Beschluss einen Dritten betrifft (§ 103 StPO)518.

Die Wirkung des § 78c III 1 StGB tritt nur innerhalb der auf diese Weise konkretisierten persönlichen und sachlichen Reichweite der jeweiligen UnRn. 73 m. w. N.; erg. Volk, wistra 1998, 281 u. PStR 1999, 84; zusf. Spatschek / Dinkgraeve, AO-StB 2004, 262. 515  Eine Unterbrechung ist daher grds. auch in Verfahren gegen Unbekannt (z. B. verhafteter, aber noch nicht identifizierter „Zigarettenschmuggler“) denkbar (vgl. BGH, wistra 1991, 217; a. A. bzw. dieses Bsp. nicht berücksichtigend u. a. Bülte, in: Hübschmann / Hepp / Spitaler, § 376 AO Rn. 144; Dumke, in: Schwarz, § 376 Rn. 8; I. Meyer, in: Beermann / Gosch, § 376 AO Rn. 60; Rolletschke, in: Graf / Jäger / Wittig, § 376 AO Rn. 72; ders., ZSteu 2006, 74 (77); ders., Steuerstrafrecht, Rn. 500 m. w. N.), nicht aber im Vorermittlungsverfahren (vgl. Nr. 13 ASB), da hier noch kein Anfangsverdacht besteht; zutr. diff. Rainer / Schwedhelm, NWB Fach 13 (40 / 1989), 747 (752). 516  Vgl. BGH, NZWiSt 2012, 75 m. w. N.; s. a. BGH, wistra 1988, 23; Beschl. v. 18.5.2011, 1  StR 687 / 10, BeckRS 2011, 16117 – Bekanntgabe der Einleitung des Ermittlungsverfahrens betr. UStJE unterbricht auch Verjährung bzgl. UStVA’en; HansOLG, wistra 1987, 189 (119); erg. Zanzinger, in: Leopold / Madle /  Rader, § 376 Rn. 84. 517  So zutr. BGH, NStZ 2011, 711 f. m. w. N.; HansOLG, wistra 1993, 272 (273) m. abl. Bespr. Hees, wistra 1994, 81; OLG Karlsruhe, NStZ 1987, 331 (332); Rolletschke, in: Graf / Jäger / Wittig, § 376 AO Rn. 73; Zanzinger, in: Leopold / Madle /  Rader, § 376 Rn. 88; abw. Joecks, in: Franzen / Gast / Joecks, § 376 Rn. 44; I. Meyer, in: Beermann / Gosch, § 376 AO Rn. 60; erg. Heuer, wistra 1987, 170. Zum Prüfungsduktus im Einzelfall s. LG Dortmund, wistra 1991, 186 (Durchsuchungsanordnung gegen „die Verantwortlichen der Firma V-Ag“ [Unterbrechungswirkung verneint]). 518  Vgl. BGH, NStZ 2007, 213 (214); Quedenfeld, in: Quedenfeld / Füllsack, Rn. 309.



B. Rechtsinstitut der Verjährung im Steuer-, Straf- und Steuerstrafrecht117

terbrechungshandlung ein519. Die an die Bestimmtheit der Schilderung des Tatgeschehens zu stellenden Anforderungen sind jedoch insgesamt nicht besonders hoch anzusetzen, weil das Ermittlungsverfahren naturgemäß darauf abzielt, dessen nicht bekannte Einzelheiten erst noch aufzuklären520. cc) Sachliche Reichweite der Unterbrechung Die Unterbrechungswirkung erfasst (nur) die (avisierte) prozessuale Tat (§ 264 I StPO) unter allen rechtlichen Gesichtspunkten. Dies gilt auch dann, wenn (noch) nicht alle Gesetzesverletzungen erkannt oder (zutreffend) bezeichnet sind521, sowie für durch Finanzbehörden im Steuerstrafverfahren vorgenommene Verjährungsunterbrechungen522. Auf welche (von ggf. mehreren) Tat(en) sich die jeweilige Unterbrechungshandlung (sachlich) bezieht, bestimmt sich nach dem der konkreten Maßnahme zugrunde liegenden Verfolgungswillen der Ermittlungsbehörden, der, sofern etwaige Unklarheiten nicht unmittelbar durch Auslegung ausgeräumt werden können, anhand des gesamten Akteninhalts festzustellen ist523. Das betrifft in letzter Konsequenz auch das Revisionsgericht. Haben die Ermittlungsbehörden ihren Verfolgungswillen von Anfang an (bewusst) sachlich nicht begrenzt, bezieht sich die Unterbrechungswirkung auf sämtliche Taten, die im Maßnahmezeitpunkt bereits bekannt waren524. 519  Vgl. etwa BGH, wistra 2001, 309 sowie jüngst BGH, NJW 2013, 1174. Insbesondere in Verkehrs-OWi-Verfahren nach § 24 StVG stellt es eine gängige „Verteidigungsstrategie“ dar, das Verfahren mit Blick auf die nur dreimonatige Verjährungsfrist des § 26 III StVG nach Zugang des Anhörungsbogens an den Halter (der bestenfalls nicht mit dem Täter identisch ist) bewusst möglichst lange hinauszuzögern. Davon umfasst ist in der Folge auch die sog. „anwaltliche Verjährungsfalle“ (Schwind, NStZ 2012, 484), die darauf hinaus läuft, eine (erneute) Unterbrechung gem. § 33 I  1 Nr. 9 OWiG durch die Provokation eines Zustellungsmangels zu verhindern (zu den Einzelheiten Schwind, a. a. O.; s. a. Schmuck / Jung, ZfS 2003, 330 u. Fromm, StraFo 2010, 223). 520  Vgl. nur Fischer, § 78c Rn. 6. 521  Allg. M. seit BGHSt 22, 105 = NJW 1968, 901. 522  s. S.  120 ff. 523  Grdlg. BGH, NStZ 2000, 427 (428); erg. BGHSt 16, 354 (357 f., 360) = NJW 1962, 821 f.; BGH, NStZ 1983, 559 (560); NStZ 2007, 213 f. Wie Wulf (in: MüKoStGB, § 376 AO Rn. 53) zu Recht feststellt, sollten die Ermittlungsbehörden ihren Verfolgungswillen daher gerade bei steuerlich (noch) unklaren Sachverhalten in alle Richtungen „aufgefächert“ in der Akte dokumentieren. Ebenso bereits Ehlers / Lohmeyer, S. 61; erg. I. Meyer, in: Beermann / Gosch, § 376 AO Rn. 62 f. Zweifelhaft ist dagegen die Annahme Spörleins („Verfolgungsverjährung“, Rn. 19), wonach sich der Verfolgungswille der Finanzbehörden „Grundsätzlich … nur auf Steuerstraftaten“ erstrecke. 524  Vgl. BGH, NStZ 1996, 274; a. A. etwa Streck / Spatschek, Rn. 1199.

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1. Teil: Grundlagen und -begriffe

Danach geht auch die, soweit ersichtlich, bisher einzig von Wulf525 vertretene Auffassung fehl, wonach es für den Tatumfang auf die von den Ermittlungsbehörden (anfangs) gewählte „steuerrechtliche ‚Einkleidung‘ “ ankommen soll. Denn die prozessuale Tat im verjährungsrechtlichen Sinne bestimmt sich nach dem konkreten, durch Auslegung zu ermittelnden behördlichen Verfolgungswillen (s. o.). Dieser wird sich realiter stets auf jede denkbare steuerrechtliche Konstruktion des den Gegenstand der Ermittlungen bildenden Lebenssachverhalts erstrecken, sodass es letztlich keinen Unterschied macht, ob – wie im Beispiel von Wulf – die zunächst unter dem Gesichtspunkt der Einkommensteuerhinterziehung verfolgten „laufende[n] Zuwendungen“ des X an F später als Schenkungsteuerhinterziehung gewertet werden.

Mangelt es dagegen erst im Nachhinein an einer tatsächlichen Begrenzbarkeit der Unterbrechungshandlung, kann dies zu einer Anwendung des Zweifelsgrundsatzes zugunsten des Täters führen; Entsprechendes gilt, wenn sich der Unterbrechungszeitpunkt nicht (mehr) eindeutig bestimmen lässt526. Bei der Prüfung der Rechtzeitigkeit der Unterbrechungsmaßnahme wird allzu oft nicht genügend beachtet, dass bestimmte Ermittlungshandlungen, wie z. B. der Vollzug einer Durchsuchungsanordnung (§ 107 S. 1 StPO), eine weitere Verjährungsunterbrechung gleichsam mitbewirken können (im Bsp. etwa die Bekanntgabe der Einleitung des Ermittlungsverfahrens, § 78c I 1 Nr. 1 StGB, § 397 III AO), mit der Folge, dass diese dann – gegebenenfalls unerkannt – in concreto „verbraucht“ ist527. Weil nach § 78c I 1 Nr. 1 StGB schon die Anordnung der Bekanntgabe der Verfahrenseinleitung die Verjährung unterbricht, kann (und wird in praxi regelmäßig) bereits die Unterzeichnung der staatsanwaltschaftlichen Verfügung (§ 78c II StGB528), mit der die Durchsuchungsanordnung zum Vollzug an die Polizei bzw. „Steufa“ übermittelt wird, zu einer nach dieser Vorschrift für jede Tat nur einmal möglichen529 Unterbrechung gemäß § 78c I 1 Nr. 1 StGB führen. Ersucht die Staatsanwaltschaft im Antrag auf Erlass eines Durchsuchungsbeschlusses bei dem Ermittlungsrichter zugleich um direkte Weiterleitung der Akten an ihre Ermittlungspersonen zum Zwecke des (sofortigen) Vollzugs, kann auch darin die – schlüssige – Anordnung der Bekanntgabe der Einleitung des Ermittlungsverfahrens liegen. Dasselbe gilt für den ebenfalls nicht gerade selten vorkommenden Fall, dass die (Anordnung der) Bekanntgabe der Einleitung des Ermittlungsverfahrens bei einer 525  PStR

2010, 13 (21). Jäger, in: Klein, § 376 Rn. 81. 527  Bsphft. BGH, NStZ-RR 2014, 340; LG Cottbus, Beschl. v. 14.6.2010, 22  Wi Qs 16 / 10, BeckRS 2012, 11687; vgl. i. Ü. v. Briel, SAM 2007, 207 (208); Bülte, in: Hübschmann / Hepp / Spitaler, § 376 AO Rn. 161; Feigen / Graf, in: MAH-WiStra, § 6 Rn. 66; G.  Schäfer, in: Dünnebier FS, S. 541 (550 ff.); Schmid, in: LK-StGB, § 78c Rn. 21; eine ins Einzelne gehende Prüfung findet sich auch bei LG Dortmund, wistra 1991, 186 (187 f.); erg. Brenner, StBp 1979, 121 (122 f.) zur diesbzgl. Gefahr i. R. d. Außenprüfung (§ 10 I 3 BpO). 528  s. dazu S. 125 f. 529  Vgl. BGH, NStZ-RR 2014, 340; Fischer, § 78c Rn. 11; erg. M. Ebner, SVR 2007, 69 (70). 526  Vgl.



B. Rechtsinstitut der Verjährung im Steuer-, Straf- und Steuerstrafrecht 119 Erweiterung des Tatvorwurfs mittels (Verfügung [§ 78c II StGB] der) Gewährung von Akteneinsicht erfolgt530.

b) Steuerstrafrechtliche Spezifika aa) § 376 II AO – Unterbrechung durch Bekanntgabe der Einleitung des Bußgeldverfahrens Überdies besteht mit § 376 II AO531 für das Steuerstrafrecht ein spezieller, ausschließlich § 78c I 1 Nr. 1 StGB erweiternder Unterbrechungstatbestand. Hiernach wird die Verjährung der Verfolgung einer Steuerstraftat (§ 369 I AO) „auch dadurch unterbrochen, dass dem Beschuldigten die Einleitung des Bußgeldverfahrens bekannt gegeben [§ 410 I Nr. 6 i. V. m. § 397 III AO] oder diese Bekanntgabe angeordnet wird.“

Diese in der Rechtswirklichkeit bedeutungsarme Vorschrift zielt in erster Linie auf Straftaten gemäß § 370 AO ab. Sie soll dem Umstand Rechnung tragen, dass sich der für die Abgrenzung zu § 378 AO maßgebliche subjektive Tatbestand532 im Rahmen der „Anfangsverdachtsprüfung“ bisweilen nicht ad hoc abschließend beurteilen lässt und daher – zugunsten des Betroffenen – (noch) von einer Ordnungswidrigkeit ausgegangen wird533. Damit regelt die Vorschrift den „umgekehrten Fall“ des § 33 IV 2 OWiG534. Rechtlich ist sie unnötig, weil § 78c I 1 Nr. 1 StGB und § 33 I 1 Nr. 1 OWiG bis auf die Begrifflichkeit des „Beschuldigten“ bzw. „Betroffenen“ identisch sind und sich Unterbrechungshandlungen stets auf die prozessuale Tat (§ 264 I StPO) als solche beziehen, ohne dass es auf deren (vorläufige) rechtliche Einordnung als Straftat oder Ordnungswidrigkeit ankommt535. Wird danach die Einleitung des (bei unklarem Sachverhalt stets offen in straf- und ordnungswidrigkeitenrechtlicher Richtung zu führenden) Ermittlungsverfahrens in Bezug auf eine bestimmte Tat bekannt gegeben und diese dabei angesichts des aktuellen Ermittlungsstands zunächst nur bzw. „jedenfalls“ als Ordnungswidrigkeit qualifiziert, ist solches auch zur strafrechtlichen Verjährungsunterbrechung geeignet, wenn sich die Umstände, 530  Vgl.

BGH, NStZ 2002, 429; NStZ 2008, 214. 25.12.2008 gleich lautend: § 376 AO (erg. S. 136 ff.). 532  s. dazu BGH, NStZ 2012, 160 (161 f.). 533  So u. a. Dumke, in: Schwarz, § 376 Rn. 16; Ehlers / Lohmeyer, S. 61; Möller /  Retemeyer, in: Bender / Möller / Retemeyer, B  V Rn. 562; Rolletschke, in: Rolletschke / Kemper, § 376 Rn. 65; ders., in: Graf / Jäger / Wittig, § 376 AO Rn. 109. 534  Ebenso Zanzinger, in: Leopold / Madle / Rader, § 376 Rn. 57. 535  s. aber Mitsch, NZWiSt 2013, 1 (4 f.), der aus der Existenz von § 376 II AO weitergehende Schlüsse ziehen will (zw.). 531  Bis

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1. Teil: Grundlagen und -begriffe

aufgrund derer sich die Tat dann später doch als Straftat darstellt (bei §§ 370 / 378 AO: der wenigstens bedingte Vorsatz, der für die Umschreibung der prozessualen Tat ohnehin nicht maßgebend ist), erst später herausstellen536. Die Vorschrift des § 376 II AO stellt dies für das Steuerstrafrecht aus heutiger Sicht537 nur noch deklaratorisch fest und ist damit streng genommen insgesamt entbehrlich538. Dennoch hat der Gesetzgeber im Zuge der Einführung von § 376 I AO weiterhin (bewusst?) an ihr festgehalten. bb) Reichweite finanzbehördlicher Unterbrechungsmaßnahmen Anhand desselben Gradmessers (prozessuale Tat) lässt sich auch die durch den BGH539 im Grundsatz bereits entschiedene, in der Literatur540 aber nach wie vor noch auf allen Ebenen umstrittene Frage beantworten, ob Unterbrechungsmaßnahmen, die von der „Steufa“ oder „BuStra“ vorgenommen werden, auch bei Nicht-Steuer­straftaten den Neubeginn des Laufs der Verjährungsfrist bewirken. Konkret geht es hier also darum, ob die Unterbrechungshandlungen nach – § 78c I 1 Nr. 1 StGB, § 376 II AO (betrifft „Steufa“ und „BuStra“), – § 78c I 1 Nr. 6 StGB i. V. m. § 400 1. Hs. AO, § 407 I 4 StPO (nur „BuStra“)541 oder – praktisch nicht so häufig – – § 78c I 1 Nr. 10 2. Hs. [, Nr. 11 2. Hs.] StGB (nur „BuStra“), die sich aufgrund ihrer „offenen“ Ausrichtung auch auf allgemeine Straftatbestände erstrecken können, auch deren Verjährung unterbrechen. Andere Unterbrechungstatbestände (insbesondere § 78c I 1 Nr. 4 StGB) können von der „Steufa“ oder „BuStra“ ohnehin nicht (unmittelbar) selbst ausgelöst werden. Unterbrechungshandlungen nach § 78c I 1 Nr. 10 (und Nr. 11) StGB setzen angesichts der Verwendung des Begriffs „Angeschuldigter“ (vgl. § 157 StPO) einen gerichtlichen Einstellungsbeschluss nach Erhebung der öffentlichen Klage (ggf. 536  Abw. Schauf, in: Kohlmann, § 376 Rn. 11 (im „Beispiel“); Bülte (in: Hübschmann / Hepp / Spitaler, § 376 AO Rn. 23) nimmt zwar ausdr. auf Schauf Bezug, geht hierauf aber leider nicht weiter ein. 537  Erg. zur Normenhistorie Bülte, in: Hübschmann / Hepp / Spitaler, § 376 AO Rn.  21 f. 538  Ähnl. noch Hübner, in: Hübschmann / Hepp / Spitaler, 98.  EL, § 376 AO Rn. 72 ff. („Die Vorschrift ist ziemlich überflüssig“); a. A. jetzt Bülte, in: Hübschmann / Hepp / Spitaler, § 376 AO Rn. 23, 185. 539  BGHSt 36, 283 = NJW 1990, 845 m. abl. Anm. Reiche, wistra 1990, 90. 540  Zusf. u. a. Kemper, in: Rolletschke / Kemper, § 386 Rn. 76 ff. m. w. N.; abl. etwa Reiche, wistra 1988, 329 (335 f.). 541  Vgl. M. Ebner, in: Flore / Tsambikakis, § 400 AO Rn. 8.



B. Rechtsinstitut der Verjährung im Steuer-, Straf- und Steuerstrafrecht121 gem. § 407 I 4 StPO) voraus542. Da die „BuStra“ im gerichtlichen Verfahren gemäß § 406 I AO nurmehr beschränkt zuständig ist, bleibt für die weiterhin denkbaren Fälle des § 78c I 1 Nr. 10, 11 StGB regelmäßig nur der schmale Zeitkorridor ab dem Eingang der Akten samt Strafbefehlsantrag bei Gericht (vgl. § 199 II 2 StPO) bis zur Entscheidung nach § 408 III 2 StPO oder zur Einspruchseinlegung (§ 410 I StPO). In der Praxis sind dies insbesondere diejenigen Fälle, in denen der Strafbefehl wegen (zwischenzeitlich) unbekannten Aufenthalts des Betroffenen nicht zugestellt werden kann, das Verfahren daher gemäß § 205 StPO vorläufig eingestellt werden muss und die „BuStra“ als Steuer-Staatsanwaltschaft mit der Aufenthaltsermittlung (ggf. unter [selbstständiger] Zuhilfenahme der Polizei) beauftragt ist.

Das Problem stellt sich jedenfalls dann nicht, wenn die „Steufa“ im von der Staatsanwaltschaft durchgeführten Ermittlungsverfahren (§ 402 I AO) in deren Auftrag tätig wird und dem Beschuldigten dabei – gegebenenfalls auch ohne gesonderten Auftrag – gemäß § 78c I 1 Nr. 1 StGB bekannt gibt, dass gegen ihn wegen einer bestimmten Tat (§ 264 I StPO) das Strafverfahren eingeleitet ist. Denn in diesem Fall werden die Beamten der Steuerfahndung als „verlängerter Arm“ der Staatsanwaltschaft tätig543. Dies hat zur Folge, dass sich die Unterbrechungswirkung auf alle durch die Tat verwirklichten Delikte, d. h. Abgaben- und Allgemeindelikte (z. B. § 370 III 2 Nr. 4 AO und § 267 StGB), bezieht, weil es von Gesetzes wegen keinen Unterschied macht, ob sich die Staatsanwaltschaft im „gemischten“ (Steuer-) Strafverfahren zur Durchführung von Ermittlungen der „Steufa“ oder der „Kripo“ bedient (vgl. § 404 S. 1 AO, Nr. 142 ASB). Die andernfalls entstehende künstliche Aufspaltung der „Unterbrechungsbefugnis“ würde überdies erhebliche Schwierigkeiten bei der Vornahme von Unterbrechungshandlungen mit sich bringen544. So wäre es kaum praktikabel, von der Finanzbehörde bei drohender Teil-Verjährung zu verlangen, in jedem dieser Fälle mit dem Begehren an die Staatsanwaltschaft heranzutreten, die notwendige Unterbrechungsmaßnahme entweder ausdrücklich anzuweisen oder diese selbst vorzunehmen bzw. durch die Kriminalpolizei ins Werk setzen zu lassen, um den Vorgang sodann zur Fortsetzung der Ermittlung des zusammenhängenden „Sachverhalts“ (§ 386 I 1 AO) sogleich wieder an die Finanzbehörde zurückzugeben. Entsprechendes gilt gemäß § 402 I AO für die „BuStra“, wenn diese (etwa aus Kapazitätsgründen) im „gemischten“ Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft außenwirksame Maßnahmen nach § 78c I 1 Nr. 1 StGB 542  Vgl. 543  Vgl.

(148).

BGH, NStZ-RR 1996, 163 zu § 78c I 1 Nr. 10 StGB. BGHSt 36, 283 (284 f.) = NJW 1990, 845 (846); BGH, wistra 1990, 146

544  Dto. BGHSt 36, 283 (285) = NJW 1990, 845 (846); OLG Braunschweig, NStZ-RR 1998, 212 (213); zust. u. a. Blesinger, in: Kühn / v.  Wedelstädt, § 376 Rn. 11.

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1. Teil: Grundlagen und -begriffe

vornimmt545. Unschädlich ist dabei, dass ihre Beamten, anders als die Beamten der „Steufa“ (§ 404 Satz 2 2. Hs. AO), keine Ermittlungspersonen im Sinne von § 152 GVG sind546. Besonders strittig und vom BGH, soweit ersichtlich, noch nicht judiziert sind dagegen diejenigen Fälle, in denen nicht die Staatsanwaltschaft, sondern die „BuStra“ das Steuerstrafverfahren selbstständig durchführt. Hierfür setzt § 386 II Nr. 1 AO (Nr. 2 ist nicht praxisrelevant) voraus, dass die Tat „ausschließlich eine Steuerstraftat darstellt“. Im Schrifttum wird daraus zum Teil der Schluss gezogen, Unterbrechungshandlungen in Bezug auf von derselben prozessualen Tat umfasste allgemeine Straftaten seien daher „rechtswidrig und unwirksam“547, wenn sie von den Finanzbehörden vorgenommen werden, ohne dass / bevor das Verfahren an die Staatsanwaltschaft abgegeben wird. Diese Auffassung trifft nicht zu548. Ihre Vertreter verkennen, dass § 386 AO nur Zuständigkeiten, nicht aber Ermittlungsbefugnisse regelt549. Zutreffend führt das OLG Braunschweig550 überdies noch an, dass die Finanzbehörde nach § 386 I 1 AO nicht „Steuerstraftaten“, sondern „den Sachverhalt“, d. h. die „Tat“ im Sinne von § 264 I StPO, zu ermitteln hat. Auch bezieht sich § 386 II Nr. 1 AO nicht unmittelbar auf § 386 I AO; vielmehr besteht ein Stufenverhältnis im Regelungsgehalt beider Vorschriften, wonach dem in § 386 I 1 AO kodifizierten gesetzlichen Auftrag (Sachverhaltsermittlung) der Vorrang einräumt ist. Unabhängig davon, führt ohnehin nur die – hier nicht vorliegende – Nichtigkeit der Unterbrechungshandlung zu deren Unwirksamkeit (s. o.). cc) § 78c I 1 Nr. 3 StGB – Beauftragung des Wirtschaftsreferenten der Staatsanwaltschaft als Sachverständigen Die Beantwortung steuerrechtlicher Fragen ist – wenngleich auch in casu schwierig – in keinem Fall dem Sachverständigenbeweis (§§ 72 ff. ­StPO) zugänglich, sondern stets Rechtsanwendung und damit ureigenste Aufgabe des Tatrichters551. Ungeachtet dessen stellt sich in der steuerstrafrechtlichen Pra545  Erg.

M. Ebner, in: Flore / Tsambikakis, § 402 AO Rn. 10 f. M. Ebner, in: Flore / Tsambikakis, § 402 AO Rn. 8 f. 547  So noch Kohlmann, in: Kohlmann, 32. EL, § 402 Rn. 5.1; ebenso OLG Frankfurt a. M., wistra 1987, 32 jew. m. w. N. 548  Vgl. M. Ebner, in: Flore / Tsambikakis, § 402 AO Rn. 5; s. dazu auch Bülte, in: Hübschmann / Hepp / Spitaler, § 376 AO Rn. 133 ff. m. w. N. 549  So schon BGHSt 36, 283 (285) = NJW 1990, 845 (846). 550  NStZ-RR 1998,  212 (213). 551  Grdlg. Harms, in: Schlüchter GS, S. 451 (469 f.) m. w. N., auch zur faktischen Umgehung dieser Prämisse durch die Einvernahme von Finanzbeamten (i. d. R. des / r die Ermittlungen führenden Beamten der „Steufa“) als (sachverständige) „Zeugen“. 546  Vgl.



B. Rechtsinstitut der Verjährung im Steuer-, Straf- und Steuerstrafrecht123

xis bisweilen die Frage, ob die Unterbrechungswirkung des § 78c I  1 Nr. 3 StGB auch durch die Beauftragung eines Wirtschaftsreferenten der Staatsanwaltschaft mit der Erstellung eines Gutachtens ausgelöst werden kann. Bei diesen Wirtschaftsreferenten handelt es sich um im Justizdienst angestellte (Fach‑)Hochschul­absolventen (z. B. diplomierte Volks-, Betriebs- oder Finanzwirte), (Bilanz-)Buchhalter, Bankkaufleute etc. oder um verbeamtete Angehörige der Finanzverwaltung, die aufgrund ihrer Berufserfahrung und besonderen wirtschaftlichen Sachkunde zur Unterstützung der Ermittlungsbehörden tätig werden. Sie sind dabei der behördlichen Organisationsstruktur der Staatsanwaltschaft (oder der Polizei552, wo sich die Bezeichnung „Wirtschaftsfachkraft“ eingebürgert hat) unterstellt. Im „Tagesgeschäft“ der Ermittlungsbehörden sind sie vor allem damit befasst, umfangreiches Beweismaterial (z. B. Bankauskünfte) zu sichten und auszuwerten, vorbereitende Arbeiten im Rahmen der sog. Insolvenzüberwachung553 durchzuführen oder den Zeitpunkt des Eintritts der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung von natürlichen und juristischen Personen mit Blick auf eine Strafbarkeit gemäß §§ 283 ff. StGB, § 15a InsO zu bestimmen554. Von den Wirtschaftsreferenten sind „bloße“ Hilfs- und Auswertekräfte zu unterscheiden, die über keine besondere Ausbildung verfügen und ihrerseits nur zur Unterstützung der Wirtschaftsreferenten tätig werden sollen. Diese können mangels eigener Sachkunde nicht mit der Erstattung von Gutachten beauftragt, sondern allenfalls mit vorbereitenden Aufgaben betraut werden. Bestehen hier Unklarheiten, sollte die fachliche Befähigung des als Sachverständiger oder sachverständiger Zeuge (§ 85 StPO) auftretenden Wirtschaftsreferenten durch das Gericht bzw. die Verteidigung – günstigstenfalls bereits im Vorfeld der Hauptverhandlung – näher eruiert werden.

Die herrschende Meinung bejaht dies mit Recht555. Es ist allerdings vorauszusetzen, dass der Wirtschaftsreferent im konkreten Fall nicht nur als „sachverständiger Ermittlungsgehilfe“556 agiert, sondern (am besten ausdrücklich und schriftlich, wenigstens aber durch einen Aktenvermerk dokumentiert557) damit beauftragt wird, ein Gutachten zu einem bestimmten, von 552  So etwa im Fall BGH, NStZ 1984, 215; erg. OLG Zweibrücken, NStZ-RR 2004, 298. 553  s. dazu Zweiter Teil, 3. Abschn., Ziff.  X, XIIa MiZi. 554  Vgl. Bittmann, wistra 2011, 47 (48); Wolf, ZWH 2012, 125; erg. Rammert, S.  48 ff. 555  A. A. – ohne nähere Begr. – Fischer, § 78c Rn. 13 („genügt idR nicht“); abl. auch Rammert, S. 58 ff., 69 ff. 556  G.  Schäfer, in: Dünnebier FS, S. 541 (557). Vgl. BGHSt 28, 381 (382 ff.) = NJW 1979, 2414 ([nur] Sichtung sichergestellter Unterlagen); anders noch OLG Zweibrücken, NJW 1979, 1995 zum Auftrag, „Geschäftsunterlagen sachverständig zu sichten und nach ihrer Bedeutung für das … Verfahren auszusondern und zu ordnen“; zusf. Rammert, S.  56 f. 557  Jedenfalls dem schriftlichen Gutachten des Wirtschaftsreferenten sollten der Tag seiner Beauftragung und der genaue Inhalt des Auftrags zu entnehmen sein.

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1. Teil: Grundlagen und -begriffe

der Staatsanwaltschaft, der „BuStra“ (im Fall des § 386 II AO558) oder dem Gericht vorgegebenen Beweisthema eigenverantwortlich und weisungsfrei zu erstatten559. Hierzu sind die Wirtschaftsreferenten trotz ihrer behörd­ lichen Einbindung erfahrungsgemäß durchweg willens und in der Lage, zumal ihnen in der Regel bewusst ist, dass sie ihre Ergebnisse im weiteren Verlauf des Verfahrens gegebenenfalls auch in der Hauptverhandlung nach Maßgabe der §§ 72 ff. StPO vertreten müssen und dabei stets in erhöhter Gefahr stehen, durch die Verteidigung als „Haussachverständiger der Staatsanwaltschaft“560 abgelehnt zu werden561. Der vielfältig ausgestaltbare Gutachtenauftrag kann zum Beispiel562 mit Blick auf § 370 I Nr. 1, III 2 Nr. 4 oder § 379 I AO pauschal die Prüfung der Schlüssigkeit und Ordnungsgemäßheit der Buchführung umfassen oder – auf den Einzelfall zugeschnitten – die Feststellung der Verteilung der „insgesamt geltend gemachten Verluste auf … einzelne Gesellschaften … und … Gesellschafter“ zum Gegenstand haben, um auf dieser Grundlage die (eventuellen) Mehrsteuern berechnen zu können563. Liegt hiernach eine „echte“ Sachverständigenbeauftragung vor, erstreckt sich die Unterbrechungswirkung des § 78c I 1 Nr. 3 StGB564 – bei Vorliegen der Voraussetzungen im Übrigen – auf sämtliche Taten im prozessualen Sinne (§ 264 I StPO), deren Aufklärung durch die Erteilung des Gutachtenauftrags (potentiell) gefördert werden sollte. Auf die Zweckmäßigkeit der Beauftragung des Wirtschaftsreferenten kommt es auch hier nicht an565. Ergibt sich die Reichweite der Unterbrechung nicht aus der Sache selbst bzw. lässt sie sich im Nachgang nicht unmittelbar dem Gutachtenauftrag 558  Dto. v. Briel, SAM 2007, 207 (208). Die Finanzbehörden verfügen i. d. R. nicht über eigene Wirtschaftsreferenten. Sie können nach Rücksprache mit der StA im Einzelfall (insbes. bei parallel geführten Ermittlungen, etwa nach Tatkomplexabtrennungen) aber durchaus auch auf deren Wirtschaftsreferenten bzw. die Ergebnisse von doppelrelevanten Auswertungen und Gutachten zurückgreifen. 559  Vgl. u. a. Bittmann, wistra 2011, 47 (48); v. Briel, SAM 2007, 207 (209); Pelz, in: Wabnitz / Janovsky, 4. Aufl., 9.  Kap. Rn. 446 f.; Quedenfeld, in: Quedenfeld / Füllsack, Rn. 308; Rolletschke, in: Graf / Jäger / Wittig, § 376 AO Rn. 95; G.  Schäfer, in: Dünnebier FS, S. 541 (557 ff.); Schauf, in: Kohlmann, § 376 Rn. 153; Spörlein, „Verfolgungsverjährung“, Rn. 23; Wolf, ZWH 2012, 125. 560  Lemme, wistra 2002, 281. 561  s. dazu Bittmann, wistra 2011, 47 (51 ff.), Lemme, wistra 2002, 281 (283 ff.) sowie aktuell LG Köln, StraFo 2014, 19. 562  Vgl. Bittmann, wistra 2011, 47 (48 f.). 563  BGH, wistra 1986, 257 (258); einschr. OLG Zweibrücken, StV 2004, 658 (659); BGH, wistra 2011, 228 (bloße Sichtung und Erhebung elektronischer Daten bzw. rein technische Unterstützung nicht ausreichend). 564  s. a. die Parallelregelung des § 33 I 1 Nr. 3 OWiG. 565  So zutr. Fischer, § 78c Rn. 13.



B. Rechtsinstitut der Verjährung im Steuer-, Straf- und Steuerstrafrecht125

entnehmen, kann zur Auslegung – wie im vorliegenden Kontext stets566 – auf den gesamten Akteninhalt zurückgegriffen werden. c) Berechnung des neuen Verjährungstermins Hinsichtlich der Berechnung des nach einer Unterbrechungshandlung zeitlich „nach hinten“ verschobenen, neuen Verjährungstermins ist unstreitig anerkannt, dass der Tag, in den das verjährungsunterbrechende Ereignis fällt, bereits als erster Tag des neuen Fristlaufs mitzuzählen ist567. Dem ist zuzustimmen, weil diese Sichtweise abermals568 die in Ermangelung einer entsprechenden gesetzlichen Regelung vorzunehmende tätergünstigste Betrachtung darstellt. Beispiel: Tatbeendigung Steuerhinterziehung (§ 370 I AO): 1.6.2008; (erster) regelmäßiger Verjährungstermin: 1.6.2013, 0.00 Uhr; absolute Verjährung: 1.6.2018, 0.00 Uhr. Unterbrechungshandlung (§ 78c I 1 StGB) im Verlauf des 2.6.2009. Folge: Beginn des neuen Fristlaufs noch am 2.6.2009 (nicht: 3.6.2009); neuer Verjährungstermin: 2.6.2014, 0.00 Uhr (nicht: 3.6.2014, 0.00 Uhr); die absolute Verjährung am 1.6.2018 wird dadurch nicht tangiert (vgl. § 78c III 2 StGB, „Grenze des Doppelten“).

aa) Vorverlagerung des Unterbrechungszeitpunkts (§ 78c II StGB) Beruht die Unterbrechung auf einer schriftlichen Anordnung (Verfügung) oder Entscheidung, ist – in Abweichung zu § 35 II StPO – gemäß § 78c II 1, 2 StGB der Zeitpunkt ihrer Unterzeichnung maßgeblich, sofern das betreffende Schriftstück „alsbald … in den Geschäftsgang gelangt“ ist. Damit ist im Grundsatz diejenige Zeitspanne gemeint, die die Urkunde mit der darin niedergelegten Unterbrechungshandlung (z.  B. Anordnung der Bekanntgabe der Einleitung des Steuerstrafverfahrens gem. § 78c I 1 Nr. 1 StGB, § 397 III AO gegenüber der „Steufa“) – plastisch ausgedrückt – vom Schreibtisch des Urhebers auf den Abtrag bzw. in dessen Aktenhunt benötigen darf569. Sobald dies (in der Regel mit einem Handgriff) geschehen ist, 566  s.

d. Nachw. in Fn. 523. schon RGSt 65, 287 (289 f.); aus der Lit. statt vieler: Fischer, § 78c Rn. 2; Zanzinger, in: Leopold / Madle / Rader, § 376 Rn. 49, 81 m. w. N.; s. a. Wulf, PStR 2010, 13 (20), der moniert, dass dies „von den Strafverfolgungsbehörden immer wieder übersehen“ werde. 568  s. bereits S. 92 ff., 102. 569  Vgl. Bülte, in: Hübschmann / Hepp / Spitaler, § 376 AO Rn. 149; Schmid, in: LK-StGB, § 78c Rn. 17 m. w. N.; erg. M. Ebner, SVR 2005, 438 (439) zu dem von der Parallelregelung in § 33 II 2 OWiG erfassten EDV-gesteuerten Ausdruck eines Anhörungsbogens im OWi-Verfahren. 567  So

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1. Teil: Grundlagen und -begriffe

gilt das (tagesaktuelle) Verfügungsdatum als Unterbrechungszeitpunkt. Auf die Dauer der Ausführung der Verfügung kommt es dann nicht mehr an, insbesondere muss dies nicht im Verhältnis zum Verfügungsdatum „alsbald“ (§ 78c II 2 StGB) erfolgt sein, sodass die von Schmid in diesem Kontext vorgeschlagene Formel, wonach hierunter eine „Zeitspanne von höchstens einem Arbeitstag“ zu verstehen sei570, zumindest missverständlich ist. Selbst wenn etwa der Dezernent die bereits von ihm erstellte und unterzeichnete Verfügung, die die Unterbrechungshandlung beinhaltet, nicht umgehend auf den Abtrag legt, sondern – z. B. wegen eines unerwartet dazwischen gekommenen dringende(re)n Dienstgeschäfts – erst später dazu kommt, ist dies unschädlich. Denn in diesen Fall kann zur Auslegung des Merkmals „alsbald“ auf die im Zivilrecht zum inhaltsgleichen Begriff „demnächst“ entwickelten Grundsätze zurückgegriffen werden. Das etwa auch in § 696 III ZPO aufgenommene Merkmal „alsbald“ wird dort einhellig wie das in § 167 ZPO enthaltene „demnächst“ als „innerhalb eines den Umständen nach angemessenen Zeitraums“ interpretiert571. Dies kann aus Gründen der Rechtseinheit auf das Strafrecht übertragen werden. Ungeachtet dessen wird angesichts des Umstands, dass eine § 275 I 5 StPO entsprechende allgemeine Regelung für den Eingang staatsanwaltschaftlicher oder gerichtlicher Verfügungen auf der Geschäftsstelle fehlt, ohne weitergehende Anhaltspunkte kaum jemals ein Anwendungsfall des § 78c II 2 StGB angenommen werden können572. In den Fällen des § 78c I 1 Nr. 10 2. Hs. StGB wird in der staatsanwaltschaft­ lichen Praxis bisweilen verkannt, dass bereits die aktenmäßige Verfügung, mit der eine Aufenthaltsermittlung angeordnet wird (sog. Suchvermerk, vgl. § 27 BZRG), immer wieder aufs Neue die Verjährung unterbricht. Die entsprechende Standardverfügung nach dem Formblatt-System „TV-StA“573 bzw. dem darauf basierenden Programm „web.sta“ sieht vor, dass der Dezernent vorab in einem Vermerk die neue Verjährung berechnet. Dabei ist mit Blick auf § 78c II StGB als letzte verjährungsunterbrechende Maßnahme das aktuelle Datum der soeben erstellten Verfügung in den Vermerk aufzunehmen.

bb) „Gestreckte“ Unterbrechungshandlungen Speziell (bzw. nur) bei verjährungsunterbrechenden Ereignissen im Sinne von § 78c I 1 Nr. 1 und 2 StGB besteht das Problem, dass sich diese über einen längeren Zeitraum hinziehen können (z. B. die erste Beschuldigtenver570  Schmid,

in: LK-StGB, § 78c Rn. 17. nur Hüßtege, in: Thomas / Putzo, § 167 Rn. 10 ff., § 696 Rn. 12. 572  So auch Schmid, in: LK-StGB, § 78c Rn. 17. 573  Abgedr. bei Schnabl / T. Dallmayer / H. Vordermayer, in: Vordermayer / v. Heintschel-Heinegg, 1. Teil 2. Kap. Rn. 32. 571  Vgl.



B. Rechtsinstitut der Verjährung im Steuer-, Straf- und Steuerstrafrecht127

nehmung in der Zeit von 23.00 Uhr [Festnahme] bis 1.00 Uhr). Es stellt sich dann die Frage, ob für den Unterbrechungszeitpunkt auf den Beginn oder das Ende einer auf diese Weise von einem in den anderen Tag hinein „gestreckten“ Maßnahme abzustellen ist. In der Rechtsprechung ist das Problem, soweit erkennbar, noch nicht aufgetreten. Nach einer bislang nicht in Frage gestellten Auffassung im Schrifttum574 soll der Abschluss der Maßnahme maßgeblich sein. Dem ist nicht zuzustimmen. Denn mangels gesetzlicher Regelung muss auch hier die tätergünstigste Auslegung Anwendung finden (Zugunsten-Betrachtung, s. o.). Diese verlangt, dass bereits der Beginn der entsprechenden Maßnahme zur Unterbrechung der Verjährung führt. Andernfalls würde dem Betroffenen bei „gestreckten“ Maßnahmen, die vor 24.00 Uhr beginnen und nach 0.00 Uhr am darauf folgenden Tag enden575, ohne die erforderliche Rechtsgrundlage ein zusätzlicher Tag im Lauf der Verjährungsfrist aufgebürdet. Beispiel: Tatbeendigung Steuerhinterziehung (§ 370 I AO): 1.6.2008; (erster) regelmäßiger Verjährungstermin: 1.6.2013, 0.00 Uhr; „gestreckte“ Unterbrechungshandlung (z. B. erste Beschuldigtenvernehmung, § 78c I 1 Nr. 1 StGB) im Zeitraum 2.6.2008, 23.00 Uhr, bis 3.6.2008, 1.00 Uhr. Folge: Beginn neuer Fristlauf: noch am 2.6.2008 (nicht: mit Abschluss der Vernehmung am 3.6.2008); neuer Verjährungstermin: 2.6.2013, 0.00 Uhr (nicht: 3.6.2013, 0.00 Uhr).

Im Übrigen liegt es auch im Interesse der Strafverfolgungsbehörden, dass eine „gestreckte“ Maßnahme dieser Art unmittelbar zu einer Verjährungsunterbrechung führt. Dies wirkt sich nämlich insbesondere dann aus, wenn sie am letzten Tag der Frist begonnen wird. Andernfalls müsste die erste Beschuldigtenvernehmung aus dem vorgenannten Beispiel bis spätestens 23.59.59 Uhr beendet sein bzw. „künstlich“ (rechtsmissbräuchlich?) abgebrochen werden, um die Wirkung des § 78c III 1 StGB zu erzielen. Das wäre nicht nachvollziehbar. Beispiel: wie vor, nun aber Beginn der ersten Beschuldigtenvernehmung am 1.6.2013, 23.00 Uhr; Vernehmungsende am 2.6.2013, 1.00 Uhr. Folge: Würde man der Literaturansicht (Abschluss der „gestreckten“ Unterbrechungshandlung maßgeblich) folgen, wäre die Tat verjährt.

574  Vgl.

Rn. 6.

575  Zur

Kühl, in: Lackner / Kühl, § 78c Rn. 19; Mitsch, in: MüKo-StGB, § 78c praktischen Relevanz s. d. Nachw. in Fn. 381.

2. Teil

Die Verfolgungsverjährungsfristen A. Rechtshistorischer Überblick Das im Wesentlichen im 5. Abschnitt des Allgemeinen Teils des Strafgesetzbuchs geregelte Recht der Verfolgungsverjährung (§§ 78 ff. StGB) stellt – anders als das heute vielfach empfunden werden mag – bei Weitem keine Selbstverständlichkeit dar1. Eine gefestigte Tradition dahingehend, dass es überhaupt Verjährungsregeln gibt und auch sämtliche Straftatbestände der Verjährung unterliegen bzw. nur ganz ausnahmsweise davon ausgenommen sind, besteht im deutschsprachigen Rechtsraum erst seit Mitte des 19. Jahrhunderts2: So hatte der Gesetzgeber im Reichsstrafgesetzbuch von 18713 mit den §§ 66–69 die „Urzelle“ des heutigen Verjährungsrechts geschaffen. Wie sich diesen Vorschriften entnehmen lässt, haben sich in den vergangenen über 140 Jahren keine wesentlichen strukturellen Veränderungen in diesem Bereich mehr ergeben4: „§ 66. Durch Verjährung wird die Strafverfolgung und die Strafvollstreckung ausgeschlossen. § 67. (1)  Die Strafverfolgung von Verbrechen verjährt, – wenn sie mit dem Tode oder mit lebenslänglichem Zuchthaus bedroht sind, in zwanzig Jahren; – wenn sie im Höchstbetrage mit einer Freiheitsstrafe von einer längeren als zehnjährigen Dauer bedroht sind, in fünfzehn Jahren; – wenn sie mit einer geringeren Freiheitsstrafe bedroht sind, in zehn Jahren. (2)  Die Strafverfolgung von Vergehen, die im Höchstbetrage mit einer längeren als dreimonatlichen Gefängnißstrafe bedroht sind, verjährt in fünf Jahren, von anderen Vergehen in drei Jahren. 1  Das Allgemeine Preußische Landrecht von 1794 etwa verzichtete aus generalpräventiven Gründen ganz auf die Kodifizierung eines Verjährungsrechts (s. B. Erhard, S. 4). 2  Vgl. B. Erhard, S. 2. 3  Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich – RStGB v. 15.5.1871 (RGBl. S. 127). 4  Zur Ablösung von § 67 IV RStGB („Handlung begangen“) durch § 78a S. 1 StGB („Tat beendet“) zum 1.1.1975 s. Kiel, S. 7 ff.; erg. 1.  Teil, Fn. 388 (beide Regelungen „missglückt“).



A. Rechtshistorischer Überblick

129

(3)  Die Strafverfolgung von Uebertretungen verjährt in drei Monaten. (4)  Die Verjährung beginnt mit dem Tage, an welchem die Handlung begangen ist, ohne Rücksicht auf den Zeitpunkt des eingetretenen Erfolges. § 68. (1)  Jede Handlung des Richters, welche wegen der begangenen That gegen den Thäter gerichtet ist, unterbricht die Verjährung. (2)  Die Unterbrechung findet nur rücksichtlich desjenigen statt, auf welchen die Handlung sich bezieht. (3)  Nach der Unterbrechung beginnt eine neue Verjährung. § 69. Ist der Beginn oder die Fortsetzung eines Strafverfahrens von einer Vorfrage abhängig, deren Entscheidung in einem anderen Verfahren erfolgen muß, so ruht die Verjährung bis zu dessen Beendigung.“5

Dann, 48 Jahre später, wurde im Zuge der ersten einheitlichen Kodifikation des deutschen Steuerstrafrechts mit § 384 im 3.  Teil der Reichsabgabenordnung – RAO 19196 folgende, an die §§ 66 ff.  RStGB anknüpfende Sonderregelung für die Verjährung von Steuerstraftaten geschaffen: „§ 384. (1)  Die Strafverfolgung von Steuerzuwiderhandlungen verjährt in fünf Jahren, wenn es sich um Zuwiderhandlungen handelt, die mit Ordnungsstrafen bedroht sind, in einem Jahre. (2)  Die Einleitung der Untersuchung und der Erlaß eines Strafbescheides unterbrechen die Verjährung gegen den, gegen den sie gerichtet ist.“

Dabei fällt auf, dass die in § 384 I RAO aufgenommene, bis heute geltende Regelverjährung für Steuerstraftaten von fünf Jahren der in § 67 II 1. Alt. RStGB bestimmten Frist entspricht. Während § 67 RStGB bereits in dreifacher Hinsicht zwischen „Ver­brechen“, „Vergehen“ und „Uebertretung“ unterschied, kannte das Steuerstrafrecht insofern nur eine Kategorie: die „Steuerzuwiderhandlung“, die mit Kriminal- oder Ordnungsstrafe geahndet wurde. Hier zeichnete sich demnach bereits die heutige Zweiteilung zwischen Steuerstraftat (§ 369 I AO) und Steuerordnungswidrigkeit (§ 377 I AO) ab. Bei § 384 II RAO handelte es sich – entgegen dem ersten Anschein – nicht nur um eine deklaratorische Wiederholung von § 68 I, II RStGB, sondern um eine beträchtliche Erweiterung dieser Normen. Während § 68 I RStGB „nur“ auf jede „Handlung des Richters“7 abstellte, waren im Steuerstrafrecht auch die nichtrichterliche „Einleitung der Untersuchung“ und der „Erlaß eines Strafbescheides“ durch die Finanzbehörde geeignet, die Verjährung zu unterbrechen. 5  Erg. Goebel, ZfZ 1955, 171; Kopacek, FR 1965, 275; Lohmeyer, ZfZ 1966, 197; ders., SchlHA 1967, 34; Lorenz, S.  2 ff. 6  Zusf. Bülte, in: Hübschmann / Hepp / Spitaler, § 376 AO Rn. 5 ff.; erg. S. 48 f. 7  Hervorh. v. hier.

130

2. Teil: Die Verfolgungsverjährungsfristen

Nach einer im Jahr 1931 erfolgten redaktionellen Änderung der Paragraphenbezeichnung von § 384 in § 419 RAO, wurde die Vorschrift durch das Steueranpassungsgesetz vom 16.10.19348 um einen dritten, speziell auf den Beginn der Verjährung bei Vergehen nach dem Wechselsteuergesetz9 zugeschnittenen Absatz erweitert: „§ 419. (1) Die Strafverfolgung von Steuerzuwiderhandlungen verjährt in fünf Jahren, wenn es sich um Zuwiderhandlungen handelt, die mit Ordnungsstrafen bedroht sind, in einem Jahre. (2) Die Einleitung der Untersuchung und der Erlaß eines Strafbescheides unterbrechen die Verjährung gegen den, gegen den sie gerichtet ist. (3)  Bei Steuervergehen, die die Wechselsteuer betreffen, beginnt die Verjährung mit dem Ablauf des Jahres, in dem der Wechsel fällig geworden ist.“ (Hervorh. von hier).

Eine inhaltliche Änderung des § 419 RAO war dann erst wieder erforderlich, als das BVerfG am 6.6.196710 das sog. Verwaltungsstrafverfahren, das die Finanzbehörden dazu berechtigte, in einem „Unterwerfungs-“ oder „Strafbescheidsverfahren“ selbst Kriminalstrafen zu verhängen, wegen Verstoßes gegen Art. 101 I 2 i. V. m. Art. 92 1. Hs. GG für verfassungswidrig erklärte11. In der Folge wurde durch das 1. AOStrafÄndG12 die Möglichkeit gestrichen, die Verjährung durch Erlass eines Strafbescheids zu unterbrechen (§ 419 II RAO). Zugleich wurde die Formulierung „Einleitung der Untersuchung“ in die (heute als amtliche Überschrift von § 397 I AO dienende) Wendung „Einleitung des Strafverfahrens“ abgeändert. Das kurz darauf folgende, in erster Linie der Einführung der neuen Kategorie der Steuerordnungswidrigkeit13 dienende 2. AOStrafÄndG14 führte 1968 zu einer erneuten Verschiebung der Paragraphennummerierung in § 402 RAO. Zudem wurde die Vorschrift aus Anlass dieser Änderung erstmals mit einer amtlichen Überschrift versehen und im Ganzen neu gefasst, 8  RGBl.  I,

S. 925. Wechselsteuer wurde zum 1.1.1991 abgeschafft. Der diesbzgl. Straftatbestand in § 13 WechselStG („Vertrieb und Vermittlung unversteuerter Wechsel“) erinnert an § 23 RennwLottG (s. S. 363 ff.). 10  BVerfGE 22, 49 = NJW 1967, 1219. 11  Erg. Harms, in: Schlüchter GS, S. 451 (467 f.), die zutr. beschreibt, dass sich die Praxis in den Fällen des § 386 II AO durch eine (zu) extensive Anwendung von § 153a StPO durch die Finanzbehörden „an der Justiz vorbei“ faktisch wieder dahin entwickelt. 12  G. zur Änderung strafrechtlicher Vorschriften der RAO und anderer Gesetze v. 10.8.1967 (BGBl. I, S. 877). 13  Das OWiG selbst datiert 24.5.1968. 14  G. v. 12.8.1968 (BGBl. I, S. 953), in Kraft getreten zusammen mit dem OWiG m. W. z. 1.10.1968. 9  Die



A. Rechtshistorischer Überblick131

wobei ihr dritter, die Wechselsteuerhinterziehung betreffender Absatz als überflüssig wieder gestrichen wurde15: „§ 402 Verfolgungsverjährung bei Steuervergehen. (1)  Die Verfolgung von Steuervergehen verjährt in fünf Jahren. (2)  Die Verjährung der Verfolgung von Steuervergehen wird auch dadurch unterbrochen, daß dem Beschuldigten die Einleitung des Straf‑ oder Bußgeldverfahrens wegen der Tat bekannt gegeben wird.“

Durch Art. 161 Nr. 7 EGStGB vom 2.3.197416 wurde mit Blick auf § 78 III Nr. 4 StGB auch § 402 I RAO wegen Funktionslosigkeit ersatzlos gestrichen; § 402 II RAO wurde sprachlich und inhaltlich an die Regelung des mit Wirkung zum 1.1.1975 eingeführten § 78c I 1 Nr. 1 StGB angepasst, mit dem Ziel, dass gegebenenfalls auch die Bekanntgabe der Einleitung eines Bußgeldverfahrens die strafrechtliche Verjährung unterbrechen sollte17. Der so verbliebene „Torso“ des § 402 RAO wurde schließlich vollständig an den Wortlaut des § 78c I 1 Nr. 1 StGB angepasst und als § 376 AO in die am 1.1.1977 in Kraft getretene neue Abgabenordnung übernommen: „§ 376 Unterbrechung der Verfolgungsverjährung. Die Verjährung der Verfolgung einer Steuerstraftat wird auch dadurch unterbrochen, daß dem Beschuldigten die Einleitung des Bußgeldverfahrens bekanntgegeben oder die Bekanntgabe angeordnet wird.“

Durch das mit Wirkung zum 25.12.2008 in Kraft getretene JStG 200918 hat § 376 AO seine bislang letzte Änderung erfahren. In einem neu eingefügten Absatz 1 wurde die Verjährung der besonders schweren Steuerhinterziehung (§ 370 III 2 AO) in – scheinbar – bis dato einmaliger Abweichung von § 78 III Nr. 4 und IV StGB auf zehn Jahre angehoben. Der vormalige § 376 AO a. F. wurde inhaltlich unverändert in Absatz 2 verschoben. Zudem erhielt die Vorschrift eine neue amtliche Überschrift: „§ 376 Verfolgungsverjährung. (1) In den in § 370 Abs. 3 Satz  2 Nr. 1 bis 5 genannten Fällen besonders schwerer Steuerhinterziehung beträgt die Verjährungsfrist zehn Jahre. (2)  Die Verjährung der Verfolgung einer Steuerstraftat wird auch dadurch unterbrochen, dass dem Beschuldigten die Einleitung des Bußgeldverfahrens bekannt gegeben oder diese Bekanntgabe angeordnet wird.“

15  s.

dazu BT-Drs.  V / 1812, S. 26. S. 469. 17  s. S. 119 f. 18  Jahressteuergesetz 2009 v. 19.12.2008 (BGBl. I, S. 2794). 16  BGBl. I,

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2. Teil: Die Verfolgungsverjährungsfristen

B. Die Verjährungsfristen im Steuerstrafrecht I. Bezugspunkt der Verjährung: Die „Steuer- / Zollstraftat“ Die „Steuer- und Zollstraftaten“19 (besser: Steuer- / Zollstraftatbestände) sind in § 369 I AO abschließend aufgezählt. Wie sich bereits auf den ersten Blick ergibt, sind nicht nur die unmittelbar im Anschluss daran normierten §§ 370, 373, 374 AO als solche zu qualifizieren. Denn § 369 I Nr. 1 AO erfasst als „geborene“ Steuerstraftaten darüber hinaus alle „Taten, die [im Anwendungsbereich der AO20] nach den Steuergesetzen strafbar sind“. Das trifft heute nur noch auf die §§ 26b, 26c UStG und § 23 RennwLottG zu21. Unstreitig nicht zu den Steuerstraftaten im Sinne von § 369 I Nr. 1 AO zählen dagegen die landesrechtlichen Abgabendelikte22, § 353 StGB (Abgabenüberhebung) und § 355 StGB (Verletzung des Steuergeheimnisses)23. Keine Steuerstraftaten sind zudem etwa die in Nr. 19 ASB aufgezählten „gleichgestellten Straftaten“ (Analogtaten), bei denen es sich lediglich um Verweisungen auf bestimmte Straf- und / oder Verfahrensvorschriften aus dem Regelungskomplex der §§ 369 ff. AO handelt. Die übrigen in § 369 I Nr. 2–4 AO genannten Straftatbestände sind bewusst zu Steuerstraftaten „gekoren“ worden. Ziel war es, den Anwendungsbereich der §§ 385 ff. AO durch eine möglichst einfache Gesetzgebungstechnik auf diese Delikte auszuweiten und so insbesondere auch insoweit eine Ermittlungs- und Abschlusskompetenz der Finanzbehörden zu begründen24. Ob es einer gesonderten Erwähnung des praktisch kaum mehr bedeutsamen25 Bannbruchs in § 369 I Nr. 2 AO bedurft hätte, ist umstritten. Während eine Ansicht davon ausgeht, dass § 369 I Nr. 2 AO wegen § 369 I Nr. 1 AO überflüssig ist (der Bannbruch ist in der AO – einem Steuergesetz – geregelt), liest die andere Auffassung § 369 I Nr. 1 AO (deswegen) so, dass der verletzte Tatbestand dem Schutz des Steueraufkommens dienen müsse, was beim Bannbruch regelmäßig nicht der Fall sei. Denn strafbewehrt sei danach in der Regel nur der Verstoß ge19  Als „Zollstraftaten“ werden Vergehen bezeichnet, die sich auf Ein- und Ausfuhrabgaben (Zölle) i. S. v. § 3 III AO, Art. 4 Nr. 10 und 11 ZK (künftig [s. 1.  Teil, Fn. 145]: Art. 5 Nr. 20, 21 UZK) beziehen. Aus dieser Typisierung können sich u. a. abweichende Zuständigkeiten ergeben (vgl. § 208 AO, §§ 24 ff. ZFdG: Zollfahndung). 20  Vgl. § 1 AO. 21  s. S. 48. 22  s. S. 49, 90 f., 151 f. 23  Das war nicht immer so: § 355 StGB war bis zum 1.1.1975 als § 412 RAO auch eine „geborene“ Steuerstraftat (erg. Schmitz, in: MüKo-StGB, § 355 Rn. 8). 24  Statt vieler: Joecks, in: Franzen / Gast / Joecks, § 369 Rn. 3. 25  s. S. 54.



B. Die Verjährungsfristen im Steuerstrafrecht133 gen ein nichtsteuerliches Verbringungsverbot. Da bei dieser Auslegung aber auch § 355 StGB (wieder) zur Steuerstraftat würde (§ 30 AO schützt mittelbar [auch] das Steueraufkommen), geht die offenbar herrschende Meinung davon aus, dass eine Tat nur dann „nach den Steuergesetzen strafbar“ ist, wenn die jeweilige Strafnorm Verhaltensweisen erfasst, die das Steueraufkommen unmittelbar verringern oder gefährden26. Dies ist schwer nachvollziehbar und dient nur zur (unnötigen) Rechtfertigung der letztlich funktionslosen Vorschrift des § 369 I Nr. 2 AO. Der Meinungsstreit ist für die praktische Rechtsanwendung demnach ohne Belang.

Gemäß § 369 I Nr. 3, 4 AO gelten als „gekorene“ Steuerstraftaten ferner die (Vorbereitung der) Wertzeichenfälschung (§§ 148 f. StGB), soweit die Tat ein Steuerzeichen, d. h. eine Tabaksteuerbanderole27, betrifft, und die Begünstigung (§ 257 StGB) von Steuerstraftaten28. Die weiteren Anschlussdelikte in §§ 258, 261 StGB29 werden demgegenüber – streng genommen systemwidrig30 – nicht zu Steuerstraftaten umqualifiziert31. De lege ferenda erschiene eine entsprechende Erweiterung von § 369 I Nr. 4 AO freilich überlegenswert, weil dies wie im Fall der „gleichgestellten Straftaten“ im Sinne von Nr. 19 ASB zu einer Entlastung der Staatsanwaltschaften führen könnte.

II. Die Verjährungsfristen im Einzelnen Nach dem in § 78 III StGB vorgegebenen Raster verjähren die vorgenannten Steuerstraftaten innerhalb folgender Fristen32: 1. Zehn Jahre a) Gemäß § 376 I AO – § 370 III 3 Nr. 1–5 AO („Begehungsweise“33 eines benannten besonders schweren Falls der Steuerhinterziehung) 26  s.

zum Ganzen Joecks, in: Franzen / Gast / Joecks, § 369 Rn. 5 m. w. N. 1.  Teil, Fn. 116, 394. 28  Zum Verjährungsbeginn in diesen Fällen s. S. 345 ff. 29  Mit § 374 AO existiert bereits ein Pendant zu § 259 StGB, das über § 369 I Nr. 1 AO als Steuerstraftat erfasst ist. 30  So auch Beil, in: Wannemacher & Partner, Rn. 1916. 31  Vgl. Jäger, in: Klein, § 369 Rn. 7; a. A. nur Lohr, in: MAH-WiStra, § 29 Rn. 16 [u. 679] für die Geldwäsche (§ 261 StGB) und den Subventionsbetrug (§ 264 StGB). 32  Auch hier bestehen, wie der BGH in einer aktuellen Entscheidung (wistra 2012, 484 [485, Tz. 7]) feststellen musste, in der Praxis z. T. noch erhebliche Unsicherheiten. 33  s. S. 159 ff. 27  s.

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2. Teil: Die Verfolgungsverjährungsfristen

Auf § 78 III Nr. 3 StGB kann hier wegen § 78 IV StGB keinesfalls abgestellt werden34. Vielmehr ist davon auszugehen, dass § 376 I AO beide Vorschriften als steuerstrafrechtliche Sonderbestimmung im Sinne von § 369 II AO („soweit die Vorschriften der Steuergesetze nichts anders bestimmen“) verdrängt.

b) Gemäß § 78 III Nr. 3 StGB – § 373 AO (gewerbsmäßiger, gewaltsamer oder bandenmäßiger Schmuggel) Da es sich bei § 373 AO in der seit 1.1.2008 geltenden Fassung nunmehr unstreitig um einen Qualifikationstatbestand zu § 370 AO handelt35, greift insofern ohne Bedenken im Hinblick auf § 78 IV StGB erstmals36 § 78 III Nr. 3 StGB ein37. Dass § 373 I 2 AO (ebenso wie § 374 II 2 AO) einen minder schweren Fall vorsieht, ändert an der 10-jährigen Verjährungsfrist nichts.

– § 374 II AO (gewerbs- oder bandenmäßige Steuerhehlerei)38 2. Fünf Jahre gemäß § 78 III Nr. 4 StGB – § 370 I AO („einfache“39 Steuerhinterziehung) – § 372 II i. V. m. § 370 I AO (Bannbruch)40 Der in § 370 I AO vorgegebene Strafrahmen kommt nach der Subsidiaritätsklausel in § 372 II AO nicht zur Anwendung, wenn die Tat in anderen Gesetzen (z. B. BtMG, WaffG, KrWaffKG) mit Strafe oder Geldbuße bedroht ist. Da dies heute ausnahmslos der Fall ist, ist die Verjährungsfrist des („Auch‑“41)Bannbruchs anhand der Strafdrohung des verletzten Spezialgesetzes zu bestimmen (z. B. gemäß § 30a I BtMG i. V. m. § 78 III Nr. 2 StGB: 20 Jahre). 34  Das

übersieht z. B. Müller, AO-StB 2007, 246 (247, 250). S. 54. 36  Strafdrohung bis 31.12.2007: Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren (s. S. 55). 37  Das wird in der Lit. z. T. verkannt (so etwa von Dumke, in: Schwarz, § 376 Rn. 4 f.; Gußen, Rn. 497; Wegner, in: MüKo-StGB, § 373 AO Rn. 74; Wenzler, in: Flore / Tsambikakis, § 78 StGB Rn. 3; Wulf, in: MüKo-StGB, § 376 AO Rn. 2; ders., PStR 2010, 15 [16]; Zanzinger, in: Leopold / Madle / Rader, § 376 Rn. 9). Hardtke (in: Bockemühl, Teil  6 Kap. 2 Rn. 87) übersieht die Neuregelung des § 376 I AO sogar gänzlich. 38  A. A. – entgegen § 78 IV StGB – ohne nähere Begr. Wulf, in: MüKo-StGB, § 374 AO Rn. 75, § 376 AO Rn. 2 a. E.; unklar Bülte, in: Hübschmann / Hepp / Spitaler, § 376 AO Rn. 36 („Taten nach § 374 [Anm. v. hier: § 373?] und § 374 Abs. 2“). 39  Eine „untechnische“, aber, wie z. B. BT-Drs. 16 / 11108, S. 7 zeigt, durchaus gebräuchliche Diktion. 40  So auch Wegner, in: MüKo-StGB, § 372 AO Rn. 103. 41  s. S. 54, 344 f. 35  s.



B. Die Verjährungsfristen im Steuerstrafrecht135

– § 374 I AO („einfache“ Steuerhehlerei) – §§ 26b, 26c UStG (gewerbs- oder bandenmäßige Schädigung des Umsatzsteueraufkommens) – § 23 RennwLottG („Hinterziehung“42) – § 148 I StGB i. V. m. § 369 I Nr. 3 AO (Steuerzeichenfälschung) – § 149 I StGB i. V. m. § 369 I Nr. 3 AO (Vorbereitung der Steuerzeichenfälschung43) – § 257 I StGB i. V. m. § 369 I Nr. 4 AO („Steuerstraftatbegünstigung“) – landesrechtliche Hinterziehungstatbestände, z. B. Art. 14 I 1 BayKAG44 3. Drei Jahre gemäß § 78 III Nr. 5 StGB45 – § 148 II StGB i. V. m. § 369 I Nr. 3 AO (Verwendung / Inverkehrbringen entwerteter Steuerzeichen [i. e. Tabaksteuerbanderolen]) – §§ 257 I, II46, 148 II StGB i. V. m. § 369 I Nr. 3, 4 AO (Begünstigung der Verwendung oder des Inverkehrbringen entwerteter Tabaksteuerbande­ rolen) 4. Verjährungsfrist bei Teilnahme und Mittäterschaft Die für die Anstiftung und Beihilfe (§§ 26, 27 StGB) zu Steuerstraftaten maßgeblichen Verjährungsfristen47 richten sich gemäß § 78 IV StGB nach der für die Bestrafung des jeweiligen Teilnehmers konkret maßgeblichen Haupttat. Deren rechtliche Qualifizierung kann bei unterschiedlichem Tatvorsatz bzw. wegen der Akzessorietätslimitierung in § 28 II StGB von dem durch den Haupttäter verwirklichten Straftatbestand abweichen. Dies kann zur Folge haben, dass für Täter und Teilnehmer unterschiedliche Verjäh42  Die

Vorschrift hat keine amtliche Überschrift. (Verjährungsfrist nur drei Jahre) v.  Briel, in: v.  Briel / Ehlscheid, § 1 Rn. 34; Grötsch, in: Wannemacher, Rn. 857. 44  s. S. 49, 90 f., 151 f. 45  A. A. Wulf, in: MüKo-StGB, § 376 AO Rn. 2 a. E. in Bezug auf § 376 I AO („Für alle anderen Fälle beträgt die Verjährungsfrist – unverändert – fünf Jahre.“); ähnl. bereits Rainer / Schwedhelm, NWB Fach  13 (40 / 1989), 747 („durchweg fünf Jahre“). 46  Im Fall des § 257 II StGB richtet sich die Verjährungsfrist nach der für die Vortat angedrohten Maximalstrafe (BGH, wistra 1999, 103 [104]; Fischer, § 257 Rn. 13 a. E.). 47  Zur Beendigung (§ 78a S. 1 StGB) in diesen Fällen s. S. 98 f. 43  A.  A.

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2. Teil: Die Verfolgungsverjährungsfristen

rungsfristen laufen48. Entsprechendes gilt für die mittäterschaftliche Tatbeteiligung (§ 25 II StGB). Das wird im Steuerstrafrecht aber nur im Verhältnis von – § 370 AO zu § 373 AO, – § 374 I zu II AO sowie – neuerdings – – § 370 I AO zu § 370 III i. V. m. § 376 I AO virulent. Beispiele: (1) A schmuggelt Zigaretten über den Hamburger Hafen nach Deutschland, wobei er bei der Tat eine Schusswaffe bei sich führt. B unterstützt A bei der Tat, weiß aber nichts von dessen Schusswaffe. Folge: Der gewaltsame Schmuggel des A (§ 373 II Nr. 1 AO) verjährt erstmals nach zehn Jahren, wohingegen die dem B zur Last zu legende Beihilfe zur Steuerhinterziehung (§ 370 I Nr. 2 AO, §§ 27, 15 StGB) bereits nach fünf Jahren regelverjährt ist. (2)  A kauft im Inland Schmuggelzigaretten zum gewinnbringenden Weiterverkauf an. B unterstützt ihn dabei durch Ausreichung eines zinslosen Darlehens. Folge: Die gewerbsmäßige Steuerhehlerei des A (§ 374 II AO) verjährt regelmäßig nach zehn Jahren, während die von B begangene Beihilfe zur („einfachen“) Steuerhehlerei (§ 374 I AO, §§ 27, 28 II StGB) schon nach fünf Jahren verjährt sein kann. (3)  B stiftet A zur Steuerhinterziehung an (§ 26 StGB). Dabei nutzt A – ohne dass dies vom Vorsatz des B umfasst war und ohne dass B nachträglich hiervon Kenntnis erlangt hat – die Mithilfe des Amtsträgers C aus, der seine Befugnisse missbraucht. Folge: Die Steuerhinterziehung des A (§ 370 I, III 2 Nr. 3 AO) verjährt erstmals nach zehn Jahren (§ 376 I AO); die Anstiftung des B hierzu (§ 370 I AO, §§ 26, 15 StGB) ist regelmäßig bereits nach fünf Jahren verjährt49.

III. Die Neuregelung des § 376 I AO Die mit § 376 I AO zum 25.12.2008 vollzogene Verdoppelung der Verjährungsfrist „in den in § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 bis 5 genannten Fällen besonders schwerer Steuerhinterziehung“ von fünf auf zehn Jahre stellt in mehrfacher Hinsicht einen weiteren „Meilenstein“50 in der seit 1.1.2008 abwechselnd durch den Gesetzgeber und die Rechtsprechung vorangetriebenen Verschärfung des heutigen Steuerstrafrechts dar51. Denn die Vorschrift hebt die Steuerhinterziehung aus dem Kanon der übrigen Vermögensdelikte heraus, die im Grundtatbestand nach wie vor traditionell gemäß § 78 III Nr. 4 StGB 48  Vgl. Schmid, in: LK-StGB, § 78 Rn. 4; Sternberg-Lieben / Bosch, in: Schönke /  Schröder, § 78 Rn. 10. 49  Ähnl. Bsp. bei Haas / Wilke, NStZ 2010, 297 (305 f.), die das Ergebnis allerdings für „widersinnig“ halten. 50  Koops / Kossmann, sj 7 / 2009, 19. 51  Erg. S.  51 ff.



B. Die Verjährungsfristen im Steuerstrafrecht137

einer 5-jährigen Verjährungsfrist unterliegen. Außerdem verleitet sie durch ihre Bezugnahme auf den primär als Strafzumessungsregel ausgestalteten § 370 III 2 AO mit Blick auf § 78 IV StGB zu dem – wie noch auszuführen sein wird – letztlich unzutreffenden Verdikt des „Systembruch[s]“52. Der bereits im Stadium des Referentenentwurfs zum JStG 2009 im Schrifttum beförderte Streit um die Legitimation der Norm wird dabei im Kern auf verfassungsrechtlicher Ebene ausgetragen. In sachlich-rechtlicher Hinsicht stehen in erster Linie die Regelungstechnik als solche und der an § 370a AO anknüpfende § 370 III 2 Nr. 1 AO (Steuerhinterziehung „in großem Ausmaß“) in der Kritik. Die nachstehenden Ausführungen werden zeigen, dass sich die Verdoppelung der Verjährungsfrist innerhalb des gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums bewegt und sich die im Schrifttum erhobenen verfassungsrechtlichen Bedenken jedenfalls durch eine verfassungskonforme Auslegung der Norm zerstreuen lassen. 1. Gesetzgebungsgeschichte a) Normengenese Die „äußere“ Entwicklung der Vorschrift ist in der Literatur bereits vielfach rezipiert worden53. Zwar lässt sich ihr tatsächlicher Ausgangspunkt (vor allem: Von wem aus welchem Grund [politisch] gewünscht und wann erstmals angestoßen?) für Außenstehende nicht lückenlos zurückverfolgen. Die Chronologie ihrer Gesetzwerdung kann jedoch mitsamt den gegenläufigen Strömungen, die in erster Linie von Seiten der FDP ausgingen54, anhand der Materialien in ihren wichtigsten Punkten nachgezeichnet werden. Besonders interessant – und auch für die heutige Auslegung von § 376 I AO bedeutsam – ist dabei, dass die Reichweite der Verjährungsverlängerung im Gesetzgebungsverfahren immer weiter eingeschränkt worden ist: – 28.4.2008: erstmaliges Auftreten im Kontext der „Liechtenstein-Affäre“55 als Art. 9 Nr. 13 des unter Federführung des BMF erarbeiteten Referentenentwurfs zum JStG 200956. § 376 I AO-RefE bezog sich in dieser 52  Wulf, DStR 2009, 459; ebenso – statt vieler – Schauf, in: Kohlmann, § 376 Rn. 18. 53  Am ausführlichsten Haas / Wilke, NStZ 2010, 297 (299 f.); s. a. Bülte, in: Hübschmann / Hepp / Spitaler, § 376 AO Rn. 8 ff. 54  Vgl. Rolletschke / Jope, Stbg 2009, 213 („Intervention der FDP-Fraktion“). 55  s. d. Nachw. in Fn. 6 der Einführung. 56  Der RefE ist nicht als Drucksache veröffentlicht worden. Er ist aber im Internet unter http: /  / www2.nwb.de / portal / content / ir / downloads / 160601 / JStG2009_Ref Entwurf_20080428.pdf abrufbar (zuletzt abger. am 5.10.2014).

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2. Teil: Die Verfolgungsverjährungsfristen

Ursprungsfassung nicht nur, wie jetzt, allein auf die in § 370 III 2 Nr. 1–5 genannten Fälle besonders schwerer Steuerhinterziehung, sondern erfasste alle Steuerstraftaten im Sinne von § 369 I AO: „§ 376 Verfolgungsverjährung (1) Die Verfolgung von Steuerstraftaten verjährt in zehn Jahren.“57

Nach ihrer Zielsetzung sollte u. a. auch diese Vorschrift als Teil eines Maßnahmenpakets „zur Verhinderung von Steuerausfällen bzw. zur Sicherung des Steueraufkommens“ dienen. Im Einzelnen ist hierzu im Referentenentwurf Folgendes ausgeführt58: „In einem Gemeinwesen gibt es viele Aufgaben, die der Staat für seine Bürger wahrnimmt. Seine Leistungen finanziert er mit Steuereinnahmen, die die wichtigste Einnahmequelle darstellen. Der Gesetzentwurf dient daher auch der Verhinderung von Steuerausfällen und der Sicherung des Steueraufkommens. Zu nennen sind hier insbesondere folgende Maßnahmen: … –  Verlängerung der Vervolgungsverjährungsfristen für Steuerstraftaten, § 376 AO“

Zur näheren Begründung heißt es weiter59: „Nach § 169 Abs. 2 Satz  2 AO beträgt die steuerliche Festsetzungsfrist zehn Jahre, soweit eine Steuer hinterzogen wurde. Unter Berücksichtigung von An- und Ablaufhemmungen nach §§ 170 und 171 AO können hinterzogene Steuern im Einzelfall auch noch nach mehr als zehn Jahren festgesetzt und erhoben werden. Die AO enthält für Straftaten bisher keine eigenständige Regelung zur Verfolgungsverjährung. Deshalb gelten die allgemeinen Regelungen des Strafgesetzbuches mit der Folge einer grundsätzlich fünfjährigen Verfolgungsverjährungsfrist nach § 78 Abs. 3 Nr. 4 StGB. Es besteht damit eine erhebliche Diskrepanz zwischen der Steuerfestsetzungsverjährung und der Strafverfolgungsverjährung bei Steuerstraftaten. Entstanden ist diese Diskrepanz durch die Rechtsprechungsänderung des Bundesgerichtshofs, die zur Aufgabe des bis dahin angenommenen sog. Fortsetzungszusammenhangs führte (zuletzt BGH, Beschluss vom 20. Juni 1994 – 5 StR 595 / 93 –, BStBl 1994 II Seite  673). Zudem besteht ein Wertungswiderspruch zwischen der Verfolgung von Steuerstraftaten und der Verfolgung von Steuerordnungswidrigkeiten. Steuerordnungswidrigkeiten verjähren nach § 384 AO abweichend von allgemeinen Regelungen nach fünf Jahren, genau so wie die Steuerhinterziehung. Durch eine von § 78 StGB abweichende Sonderregelung in § 376 AO zur Verfolgungsverjährung von Steuerstraftaten soll eine grundsätzliche Parallelität zwischen Steuerfestsetzungsverjährung und steuerstrafrechtlicher Verfolgungsverjährung her­ beigeführt werden. 57  RefE

JStG 2009, S. 29; Fettdruck im Original. JStG 2009, S. 40; der Rechtschreibfehler im Wort „Vervolgungsverjährungsfristen“ (Hervorh. v. hier) entstammt dem Original. 59  RefE JStG 2009, S. 101 f. 58  RefE



B. Die Verjährungsfristen im Steuerstrafrecht

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Der bisherige § 376 AO wird ohne inhaltliche Änderung Absatz  2. Die Änderung tritt am Tag nach der Verkündung des Gesetzes in Kraft. Sie gilt dabei nur für Steuerstraftaten, die bei Inkrafttreten des Gesetzes noch nicht verjährt sind.“

Eine Art. 97 § 23 EGAO entsprechende Übergangsregelung war im Referentenentwurf noch nicht vorgesehen. – bis 16.5.200860: durch BMF-Schreiben vom 28.4.200861 gewährte Möglichkeit zur schriftlichen Stellungnahme zum Referentenentwurf; ablehnende Stellungnahmen u. a.62 der Bundesrechtsanwaltskammer63 und des Deutschen Anwaltvereins64. – 8.8. bzw. 2.9.2008: Gesetzentwurf der Bundesregierung zum JStG 200965; § 376 I AO-E findet sich nun unter Art. 10 Nr. 11. In einer ersten Einschränkung des Referentenentwurfs soll die Neuregelung nicht mehr alle Steuerstraftaten, sondern nur noch § 370 AO (insgesamt) erfassen: „§ 376 Verfolgungsverjährung (1) Die Verjährungsfrist für Fälle der Steuerhinterziehung (§ 370) beträgt zehn Jahre.“66

Die Ausführungen zur Zielsetzung der Vorschrift67 in der Fassung des Gesetzentwurfs entsprechen dem Referentenentwurf. Der besondere Teil der Begründung ist aus dem Referentenentwurf entwickelt, wobei diese zum Teil nicht unerheblich gekürzt (Auslassungen im Folgenden in eckigen Klammern und Kursivdruck), an den nunmehr auf § 370 AO beschränkten Anwendungsbereich angepasst (Anpassungen im Fettdruck) und teilweise auch ergänzt worden ist (Ergänzungen unterstrichen)68: „Die AO enthält für die Steuerhinterziehung (§ 370 AO) bisher keine eigenständige Regelung zur Verfolgungsverjährung. Deshalb gelten die allgemeinen Rege60  Vgl.

http: /  / www2.nwb.de, Sucheingabe „JStG 2009“ (wie Fn. 56). IV A  3 – S  1910 / 080002-2, n. v. 62  Erste Kritik im Schrifttum von Schaefer, NJW-Spezial 2008, 408 u. Wegner, PStR 2008, 125 (127). 63  StN Nr. 15 / 2008, im Internet abrufbar unter http: /  / www.brak.de (zuletzt abger. am 5.10.2014). 64  StN Nr. 28 / 2008, SAM 2008, 136. 65  BR-Drs. 545 / 08 bzw. BT-Drs. 16 / 10189. 66  BT-Drs. 16 / 10189, S. 26; Hervorh. im Original. Der am 3.5.2013 vom Bundesrat erneut eingebrachte Gesetzentwurf (s. S. 176 ff.) ist wortlautidentisch (vgl. BRDrs. 339 / 13). 67  BT-Drs. 16 / 10189, S. 31. 68  BT-Drs. 16 / 10189, S. 82. Hier wurden nur die Stellen mit Änderungen erneut abgedruckt, im Übrigen ist die Begründung des RegE wortlautidentisch mit derjenigen des RefE. 61  Az.

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2. Teil: Die Verfolgungsverjährungsfristen

lungen des Strafgesetzbuches mit der Folge einer grundsätzlich fünfjährigen Verfolgungsverjährungsfrist nach § 78 Abs. 3 Nr. 4 StGB. Es besteht damit eine erhebliche Diskrepanz zwischen der Steuerfestsetzungsverjährung und der Strafverfolgungsverjährung in Fällen der Steuerhinterziehung. [Entstanden ist diese Diskrepanz durch die Rechtsprechungsänderung des Bundesgerichtshofs, die zur Aufgabe des bis dahin angenommenen sog. Fortsetzungszusammenhangs führte (zuletzt BGH, Beschluss vom 20.  Juni 1994 – 5  StR 595 / 93 –, BStBl 1994 II Seite  673). Zudem besteht ein Wertungswiderspruch zwischen der Verfolgung von Steuerstraftaten und der Verfolgung von Steuerordnungswidrigkeiten. Steuerordnungswidrigkeiten verjähren nach § 384 AO abweichend von allgemeinen Regelungen nach fünf Jahren, genau so wie die Steuerhinterziehung.] Durch eine von § 78 StGB abweichende Sonderregelung in § 376 AO zur Verfolgungsverjährung in Fällen des § 370 AO soll eine grundsätzliche Parallelität zwischen Steuerfestsetzungsverjährung und steuerstrafrechtlicher Verfolgungsverjährung herbeigeführt werden. Die strafrechtliche Ahndung in Steuerhinterziehungsfällen kann sich so auf einen längeren Zeitraum erstrecken, das Strafrisiko für den Hinterzieher steigt. Steuerhinterziehung kann so wirkungsvoller als bisher bekämpft werden.“

Außerdem enthält der Gesetzentwurf – wohl nicht zuletzt aufgrund der entsprechenden Kritik des Deutschen Anwaltvereins69 – in Art. 11 Nr. 2 erstmals eine Übergangsregelung, die dem später Gesetz gewordenen Art. 97 § 23 EGAO entspricht. – 19.9.2008: Stellungnahme des Bundesrats zum JStG 2009-E, wobei § 376 I AO-E inhaltlich nicht behandelt wird; dementsprechend kam es auch nicht zu einer diesbezüglichen Gegenäußerung der Bundesregierung70. – 25.9.2008: 1.  Beratung des JStG 2009-E im Bundestag mit – nur – drei Redebeiträgen zu § 376 I AO-E: Nicolette Kressl, Parlamentarische Staatssekretärin im BMF (einführende Rede): „Wir schlagen auch vor, die bestehende Diskrepanz zwischen der Steuerfestsetzungsverjährung und der Strafverfolgungsverjährung in Fällen der Steuerhinterziehung durch eine Verlängerung der Verjährungsverfolgungsfrist für Steuerhinterziehung in § 376 der Abgabenordnung zu beseitigen. Ich halte das für eine Frage der Steuergerechtigkeit. Dies ist eben nicht nur eine technische Frage. Nach der Debatte, die wir in den letzten Monaten hatten, ist die Frage eben, ob Steuerhinterziehung wie ein Kavaliersdelikt behandelt werden soll. Mit der vorgeschlagenen Änderung bekennt sich die Politik ausdrücklich dazu: Steuerhinterziehung ist eben kein Kavaliersdelikt und wird entsprechend langfristig verfolgt.“71 Volker Wissing (FDP): „Sie haben ein großes Problem angesprochen, Frau Kressl, nämlich das Thema der Verlängerung der Verfolgungsverjährung bei Steuerhinter69  Vgl.

SAM 2008, 136 (139). BT-Drs. 16 / 10494, S. 30, 38 ff. 71  BT-Plenarprot. 16 / 179, S. 19033B. 70  Vgl.



B. Die Verjährungsfristen im Steuerstrafrecht141 ziehung von fünf Jahren auf zehn Jahre. Es ist natürlich ein Argument, wenn die Finanzverwaltung und vor allen Dingen die Strafbehörden sagen, sie schafften es nicht, Steuerstraftaten innerhalb von fünf Jahren aufzuklären, und brauchten deswegen eine längere Verjährungsfrist. Nur hat die Ermittlungsarbeit bei einem normalen Betrug nach § 263 StGB einen ähnlichen Umfang. Dort tun Sie nichts. Es stellt sich die Frage, warum das Steuerstrafrecht isoliert geändert wird und warum man die hier bestehenden Probleme nicht auf das allgemeine Strafrecht überträgt. Wir könnten es dann nämlich einmal systematisch diskutieren. Die FDP lehnt ein Sonderstrafrecht im Bereich des Steuerstrafrechts ab. Wir sind der Meinung, dass Steuerstraftäter in Deutschland genauso behandelt werden müssen wie andere Straftäter auch. Wir wollen hier keinen Sonderweg. Mit diesem Jahressteuergesetz sind Sie dabei, Sonderregelungen in diesen Bereich einzuführen. Dies halte ich für rechtspolitisch verfehlt.“72 Antje Tillmann (CDU / CSU): „Das Thema strafrechtliche Verjährungsfristen wird sehr kritisch diskutiert. Liebe Frau Kollegin Kressl, ich stimme nicht ganz mit Ihnen überein, dass die fünfjährige Verjährungsfrist ein Zeichen für ein Kavaliersdelikt ist. Fünf Jahre sind ein langer Zeitraum. Aber wir sind uns schnell wieder darin einig, dass es das allein sowieso nicht bringen wird. Am besten hilft gegen Steuerhinterziehung, wenn derjenige, der es tut, damit rechnen muss, entdeckt zu werden. Hier kämpfen wir gemeinsam in der Föderalismuskommission darum, die Steuerverwaltung effektiver zu machen. Bund und Länder müssen hier zusammenarbeiten. Gestern haben wir dabei die ersten Erfolge erzielt und erreicht, dass bei den Steuerhinterziehungstatbeständen und auch bei den Betriebsprüfungen noch enger zusammengearbeitet wird. Darauf sollten wir für die Zukunft einen Schwerpunkt setzen.“73

– 8.10.2008: öffentliche Anhörung zum Gesetzentwurf durch den Finanzausschuss des Bundestags74. – bis 25.11.2008: Beratungen im Finanzausschuss mit folgenden Stellungnahmen, Entwicklungen und Beschlüssen in Bezug auf § 376 I AO-E: FDP-Fraktion: „… die Regelung zur Verlängerung der Verfolgungsverjährung nach § 376 AO [stellt] eine strukturelle Verschlechterung des Steuerstrafrechts und den Einstieg in ein Sonderstrafrecht dar und sei daher ebenfalls abzulehnen.“75 Fraktionen der CDU / CSU und der SPD: „… erklärten zur Verlängerung der Verfolgungsverjährung für Steuerhinterziehung in § 376 AO, diese sei erforderlich, um der geänderten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) zum Fortsetzungszusammenhang Rechnung zu tragen. Nachdem diese Rechtsprechung aufgegeben worden sei, komme es auf steuerlichem Gebiet bei über einen längeren Zeitraum ausgeübten Steuerhinterziehungen zu einem Auseinanderfallen von Festsetzungs- und Verfolgungsverjährung. In der Praxis werde der steuerrechtlich 72  BT-Plenarprot.

16 / 179, S. 19035A. 16 / 179, S. 19045A. 74  Vgl. BT-Drs. 16 / 11108, S. 2. 75  BT-Drs. 16 / 11108, S. 4. 73  BT-Plenarprot.

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2. Teil: Die Verfolgungsverjährungsfristen

bestehende Anspruch, dessen Festsetzung noch nicht verjährt sei, durch den Wegfall der strafrechtlichen Ermittlungsmöglichkeiten vorzeitig beendet. Durch den Wegfall von § 370a AO und der damit einhergehenden Umqualifizierung in ein Vergehen sei die Verjährung auch für die Tatbestände, die weiterhin unter § 370 Abs. 3 AO fielen, auf fünf Jahre vermindert worden. Mit dem Gesetzentwurf werde damit im Grundsatz angestrebt, den Gleichklang mit der zehnjährigen Festsetzungsverjährung wieder herzustellen.“76

Sodann nahmen die Ausschussberatungen folgenden, für den heutigen Inhalt des § 376 I AO entscheidenden Verlauf: „Die Fraktion der FDP sprach sich gegen die beabsichtigte Verlängerung der Verfolgungsverjährungsfrist aus. Das deutsche Strafrecht löse vergleichbare Sachverhaltslagen beispielsweise im Bereich des Betrugs … ohne Sonderregelungen. Einer besonderen steuerrechtlichen Regelung bedürfe es nicht und es sei verfehlt, im Steuerstrafrecht einen Sonderweg zu beschreiten. Im weiteren Verlauf der Ausschussberatungen[77] legten die Fraktionen der CDU / CSU und SPD einen Änderungsantrag vor. Danach wird die Änderung von § 376 AO für den Grundtatbestand der Steuerhinterziehung nach § 370 AO nicht mehr für erforderlich gehalten. Die Verjährungsfrist für die Verfolgung einfacher Steuerstraftaten solle sich wie bisher nach § 78 Abs. 3 Nr. 4 StGB richten, da die Tat im Höchstmaß mit Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren bedroht sei. In besonders schweren Fällen der Steuerhinterziehung solle die Verjährungsfrist für die Verfolgung der Steuerhinterziehung nach dem neuen § 376 Abs. 1 AO künftig zehn Jahre betragen. Der Antrag der Fraktionen der CDU / CSU und SPD wurde mit den Stimmen der Fraktionen der CDU / CSU und SPD gegen die Stimmen der Fraktion BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN bei Stimmenthaltung der Fraktionen FDP und DIE LINKE. angenommen.“78

Erst nach alledem wird verständlich, weshalb die Begründung zur darauf folgenden Beschlussempfehlung schlicht formuliert: „Die im Gesetzentwurf der Bundesregierung vorgeschlagene Änderung des § 376 AO wird für den Grundtatbestand der Steuerhinterziehung nach § 370 AO nicht für erforderlich gehalten. Die Verjährungsfrist für die Verfolgung ‚einfacher‘ Steuerstraftaten soll sich wie bisher nach § 78 Abs. 3 Nr. 4 StGB richten, da die Tat im Höchstmaß mit Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren bedroht ist. In besonders schweren Fällen der Steuerhinterziehung kann die Tat allerdings mit Freiheitsstrafe von bis zu zehn Jahren geahndet werden (§ 370 Abs. 3 S. 1 AO). Die Verjährungsfrist für die Verfolgung der Steuerhinterziehung soll nach dem neuen § 376 Abs. 1 AO künftig zehn Jahre betragen, sofern eine der in § 370 76  BT-Drs.

16 / 11108, S. 7. Einzelheiten sind unbekannt; s. a. Haas / Wilke, NStZ 2010, 297 (301 f.: „Im Bericht des Finanzausschusses erfährt man über die Gründe dieses Sinneswandels nichts, obwohl die Abwendung vom ursprünglich verfolgten Ziel den umfänglichen Begründungsbemühungen weitgehend den Boden entzog.“). 78  BT-Drs. 16 / 11108, S. 7. 77  Die



B. Die Verjährungsfristen im Steuerstrafrecht143 Abs. 3 Satz 2 AO namentlich aufgezählten Begehungsweisen der besonders schweren Steuerhinterziehung vorliegt.“79

– 25.11.2008: Beschlussempfehlung des Finanzausschusses, wonach § 376 I AO-E nur noch die in § 370 III 2 AO genannten Fälle besonders schwerer Steuerhinterziehung erfassen soll80. Dies entspricht bereits der heutigen Gesetzesfassung: „§ 376 Verfolgungsverjährung (1) In den in § 370 Abs. 3 Satz  2 Nr. 1 bis 5 genannten Fällen besonders schwerer Steuerhinterziehung beträgt die Verjährungsfrist zehn Jahre.“81

Die Übergangsregelung in Art. 97 § 23 EGAO akzeptierte der Finanzausschuss „unverändert“82. – 28.11.2008: 2. / 3.  Beratung des JStG 2009-E im Bundestag mit nachstehendem konkret auf § 376 I AO-E bezogenen Redebeitrag und Gesetzesbeschluss83. Volker Wissing (FDP): „Es mag für viele Ohren zunächst einmal gut klingen, wenn die Bundesregierung die Verjährungsfrist für Steuerhinterziehung von fünf auf zehn Jahre anhebt. Das klingt nach starkem Staat und konsequentem Steuervollzug. Aber im Grunde genommen ist genau das Gegenteil der Fall. Diese Bestimmung ist doch ein Hilferuf. Die Strafverfolgungsbehörden sind nicht mehr in der Lage, mit den Verfahren hinterherzukommen, und anstatt die Zahl der Ermittler zu erhöhen und die Fehlanreize im Bereich des effizienten Steuervollzugs im Rahmen der Föderalismuskommission zu beseitigen, verlängern Sie einfach die Verjährungsfristen. Sie schaffen damit nicht mehr Steuerehrlichkeit, sondern einen Trödelfreibrief für Verwaltungen. Das sind die falschen Ansätze. Sie verweigern Deutschland ein vereinfachtes Steuerrecht, mit dem man die Probleme lösen könnte. Aus dem Problem eines zu komplizierten Steuerrechts machen Sie einfach ein Zeitproblem.“84

– 19.12.2008: Zustimmung des Bundesrats zum JStG 200985 und Ausfertigung durch den Bundespräsidenten86. 79  BT-Drs.

16 / 11108, S. 47. 16 / 11055, S. 2: „Der Finanzausschuss empfiehlt insbesondere folgende Änderungen des Gesetzentwurfs: … Absehen von der Verlängerung der Verjährungsfrist für die Verfolgung ‚einfacher‘ Steuerstraftaten“. 81  BT-Drs. 16 / 11055, S. 83. 82  BT-Drs. 16 / 11055, S. 86. 83  Vgl. BT-Plenarprot. 16 / 191, S. 20650C: „Der Gesetzentwurf ist mit den Stimmen der Unionsfraktion und der SPD-Fraktion gegen die Stimmen der FDP-Fraktion bei Enthaltung der Fraktion Die Linke und der Fraktion Bündnis 90 / Die Grünen angenommen.“; erg. BR-Drs. 896 / 08. 84  BT-Plenarprot. 16 / 191, S. 20644B / C. 85  BR-Drs. 896 / 08. 86  BGBl. I, S. 2845. 80  BT-Drs.

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2. Teil: Die Verfolgungsverjährungsfristen

– 24.12.2008: Verkündung im Bundesgesetzblatt87. – 25.12.2008: Tag des Inkrafttretens (Art. 39 I JStG 2009). b) Apokryphe Regelungshintergründe? Lässt man das soeben dargestellte Gesetzgebungsverfahren zu § 376 I AO noch einmal gedanklich Revue passieren, stellt sich die Frage, welche Gründe für die Verlängerung der Verfolgungsverjährungsfrist die – im Vergleich zum Referentenentwurf – weitestgehende Einschränkung des Anwendungs­ be­reichs der Neuregelung (von § 369 I AO über § 370 AO bis hin zu § 370 III 2 Nr. 1–5 AO) überdauert haben, um sie – insbesondere – bei der historischen und teleologischen Gesetzesauslegung mit in Betracht ziehen zu können. Die Antwort auf diese Frage ist ebenso kurz und wie verwunderlich: Von den anfangs im Referentenentwurf genannten drei Gründen, namentlich (1) der „Verhinderung von Steuerausfällen“ bzw. – gleichbedeutend – der „Sicherung des Steueraufkommens“, (2) der „Herbeiführung einer grundsätzlichen Parallelität zwischen Steuerfestsetzungsverjährung und steuerstrafrechtlicher Verfolgungsverjährung“ und (3) der Auflösung des „Wertungswiderspruch[s] zwischen der [Verjährung der] Verfolgung von Steuerstraftaten und der [atypisch gleich langen Verjährung der] Verfolgung von Steuerordnungswidrigkeiten“, ist nur noch der zuerst angeführte Allgemeinposten88 übrig geblieben. Dagegen ist der auf das Verhältnis zum Steuerordnungswidrigkeitenrecht und einen angeblichen Wertungswiderspruch abhebende Begründungsansatz schon im Entwurf der Bundesregierung wieder gestrichen worden. Und das Ansinnen der Angleichung der Verjährungsfristen im Steuerfestsetzungsund Steuerstrafverfahren ist – ungeachtet der ohnehin eher zweifelhaften Berechtigung dieser Forderung89 bzw. ihrer wegen des unterschiedlichen Fristbeginns kaum spürbaren Auswirkung90 – jedenfalls seit der im Finanzausschuss ohne erkennbare Erklärung beschlossenen Beschränkung von § 376 I AO-E auf § 370 III 2 AO obsolet geworden. Denn Fälle der besonders schweren Steuerhinterziehung kommen auch nach dem Grundsatzurteil 87  BGBl. I,

S. 2794. NStZ 2010, 297 (299: „Lehrbuchweisheit“). 89  Vgl. DAV, SAM 2008, 136 (137 f.); Joecks, in: Schaumburg FS, S. 1225 (1235); krit. auch Bender, wistra 2009, 215 (216); I. Meyer, in: Beermann / Gosch, § 376 AO Rn. 2; Wulf, Stbg 2008, 445 (542). 90  Vgl. u. a. Haas / Wilke, NStZ 2010, 297 (299); Wegner, PStR 2009, 33. 88  Haas / Wilke,



B. Die Verjährungsfristen im Steuerstrafrecht145

des 1. Strafsenats des BGH91 beileibe nicht so häufig vor, dass aufgrund der Einführung von § 376 I AO nunmehr von einer „grundsätzlichen Parallelität“ der Verjährungsfristen gesprochen werden könnte92. Daran ändert auch die im Nachgang eingefügte, allein auf § 370 AO bezogene Leerformel, wonach die „strafrechtliche Ahndung in Steuerhinterziehungsfällen … sich so auf einen längeren Zeitraum erstrecken [könne], das Strafrisiko für den Hinterzieher … [steige und] Steuerhinterziehung … so wirkungsvoller als bisher bekämpft werden [könne]“93,

nichts. Es stellt sich daher die Frage, ob bzw. welche weiteren, gegebenenfalls apokryphen Ziele im Hintergrund der Regelung stehen. Dabei fällt zum einen auf, dass einige Stimmen in der Literatur94 als zusätzlichen politischen Grund für die Einführung von § 376 I AO die sog. „Liechtenstein-Affäre“95 anführen. Das wird zwar nicht oder nur unzureichend belegt. Allerdings ist dieser Gesichtspunkt angesichts des engen zeitlichen Zusammenhangs letztlich nicht ganz von der Hand zu weisen. Denn ihr am 14.2.2008 unmittelbar durch die Medien begleiteter Auftakt mit der Durchsuchung des in Köln gelegenen Wohnhauses des damaligen Vorstandsvorsitzenden der Deutsche Post AG, Klaus Zumwinkel96, und die anschließende kritische Berichterstattung und öffentliche Diskussion97 spielen im unmittelbaren Vorfeld der Veröffentlichung des Referentenentwurfs. 91  BGHSt

53, 71 (79 ff.) = NJW 2009, 528 (531 ff.). Haumann, AO-StB 2012, 157 (159). 93  s. Fn. 67. 94  Vgl. Haumann, AO-StB 2012, 157 f. („hochpolitische Gesetzesänderung, die nicht aus rechtlichen Notwendigkeiten heraus erfolgt ist“); Koops / Kossmann, sj 7 / 2009, 19; Rolletschke / Jope, Stbg 2009, 213 (Fn. 4, unter Berufung auf einen im Internet nicht mehr verfügbaren „Begleittext zum Referentenentwurf“); Rolletschke, in: Rolletschke / Kemper, § 376 Rn. 6; Schaefer, NJW-Spezial 2008, 408; Wegner, PStR 2008, 125 (127: „tagespolitisch motivierter Reflex“); ders., PStR 2009, 33; Wulf, DStR 2009, 459. 95  Rolletschke / Jope, Stbg 2009, 213; s.  d. weit. Nachw. in Fn. 6 der Einführung. 96  Die 12. Strafkammer des LG Bochum verurteilte Zumwinkel im Nachgang mit Urteil vom 26.1.2009 (12  KLs 350  Js 1 / 08, juris) wegen Einkommensteuerhinterziehung in fünf Fällen zu der Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren. Die Voll­ streckung hat es trotz des Gesamthinterziehungsumfangs von 917.361  € (zzgl. 50.454,85 € SolZ) und des bereits vorliegenden Grundsatzurteils zur Strafzumessung vom 2.12.2008 (Fn. 91) zur Bewährung ausgesetzt (dem zust. Peters, NZWiSt 2012, 201 [203 f.: „mustergültig“]). 97  s. dazu Göres / Kleinert, NJW 2008, 1353; Wagner, SAM 2008, 101 (102: „nichts als eine Art moderner Medienpranger“) jew. m. w. N.; ähnl. Haumann, AOStB 2012, 157 (159). 92  Ähnl.

146

2. Teil: Die Verfolgungsverjährungsfristen

Aber selbst wenn damit (auch) ein politisches Signal „contra Steuerhinterziehung“ bezweckt gewesen sein sollte – ein direkter politisch-taktischer Zusammenhang, etwa mit der Bundestagswahl am 27.9.2009 oder einer der zeitgleich bzw. zuvor in 2008 / 09 stattgefundenen Landtagswahlen, lässt sich rückblickend nicht sicher belegen. Unabhängig davon steht zum anderen im Raum, dass sich der Gesetzgeber durch den Referentenentwurf bzw. – auch noch – die letztlich Gesetz gewordene Regelung ohne Personalaufstockungen in den 16 Landesjustizund -finanzressorts gezielt gerade diejenigen Steuerquellen „kostenneutral“ hat sichern wollen, deren Existenz durch die Liechtenstein-Affäre seit Langem erstmals wieder greifbar bestätigt worden ist. Dieser Gedanke ist – in abgeschwächter Form – insbesondere von Wissing, der in der 16. Wahlperiode Mitglied des Finanzausschusses und Sprecher der FDP-Fraktion war, formuliert worden98. Allerdings würde dies bedeuten, dass bereits zum damaligen Zeitpunkt belastbar mit dem Angebot (und Ankauf) weiterer, jedenfalls im Herkunftsland illegal beschaffter Steuerdaten gerechnet werden konnte, was trotz der dann tatsächlich so eingetretenen weiteren Entwicklung aus ex ante-Sicht auf Basis der öffentlich gewordenen Fakten eher unwahrscheinlich erscheint. Zudem übersieht dieser Ansatz, dass das durch die Verlängerung der Verfolgungsverjährungsfrist geschaffene „Mehr an Zeit“ auch ein „Mehr an Arbeit“ bedeutet, weil jetzt noch viel weiter in der Vergangenheit liegende Steuersachverhalte und -straftaten aufgeklärt werden müssen (§§ 85, 88  I AO bzw. § 152 II StPO). Diese Arbeitsmehrbelastung bleibt aber ohne ein gleichzeitiges „Mehr an Personal“ nach wie vor nur schwer zu bewältigen, mit der Folge, dass das „Mehr an Zeit“ letztlich nicht gleichsam automatisch zu einer wesentlichen Verbesserung der Einnahmesituation führt. Im Ergebnis ist danach festzustellen, dass der Auslegung von § 376 I AO als gesetzgeberischer Hintergrund – positiv formuliert – ausschließlich das Ziel der „Sicherung des Steueraufkommens“ zugrunde gelegt werden kann. 2. Rechtsanwendungsfragen Obwohl es zu § 376 I AO noch kaum veröffentlichte Gerichtsentscheidungen gibt, sind in der Literatur bereits grundlegende Fragen zum Anwendungsbereich der Vorschrift gestellt worden. Allem voran wird dabei mit Blick auf die sachliche Reichweite diskutiert, ob die von § 376 I AO in Bezug genommenen Regelbeispiele des § 370 III 2 AO im Einzelfall nur tatbestandlich vorliegen müssen (sog. „Tatbestands-“99 oder – wie hier – 98  Vgl.

BT-Plenarprot. 16 / 191, S. 20644B / C; ähnl. DAV, SAM 2008, 136 (138 f.). ZWH 2014, 43.

99  Fingerle,



B. Die Verjährungsfristen im Steuerstrafrecht147

„Begehungsweisenlösung“100) oder ob notwendig ist, dass der Tatrichter nach umfassender Gesamtwürdigung des von ihm festgestellten Strafzumessungssachverhalts eine der dort in Nr. 1–5 genannten Fallgruppen tatsächlich zur Anwendung gebracht hat (sog. Anwendungs-, „Indiz-“101, „Strafzumessungs-“102 oder – wie im Folgenden – „Ahndungslösung“103). An diese Grundsatzfrage der neuen Verjährungsvorschrift knüpfen im Wesentlichen auch die in zunehmendem Umfang artikulierten verfassungsrechtlichen Bedenken an. a) Zeitlicher Geltungsbereich Zuerst ist aber der zeitliche Geltungsbereich des mit Wirkung zum 25.12.2008 in Kraft getretenen § 376 I AO zu untersuchen. Dazu bestimmt Art. 97 § 23 EGAO: „§ 376 der Abgabenordnung in der Fassung des Artikels  10 des Gesetzes vom 19.  Dezember 2008 (BGBl. I, S. 2794) gilt für alle bei Inkrafttreten dieses Gesetzes [nach bisheriger Rechtslage] noch nicht abgelaufenen Verjährungsfristen.“

Hieraus wird in der Literatur104 zum Teil abgeleitet, der exakt fünf Jahre (§ 78 III Nr. 4 StGB) vor dem Tag des Inkrafttretens liegende 25.12.2003 bilde in zeitlicher Hinsicht den absoluten Schlusspunkt der Strafverfolgung. Der dadurch hervorgerufene Eindruck eines verjährungsrechtlichen „safe harbour“ für vor diesem Datum beendete Steuerhinterziehungen ist jedoch trügerisch. Denn legt man den 25.12.2008 als Variable für das Erreichen der „Grenze des Doppelten“ (§ 78c III 2 StGB) fest, gelangt man – von da ab rückwärts gerechnet105 – zum 25.12.1998 als frühestem nicht mehr erfassten Beendigungstag106. Aber auch dies ist wegen der unabhängig davon bestehenden Möglichkeit des Ruhens der Verjährung (§ 78c III 3 i. V. m. § 78b 100  So erstmals Rolletschke / Jope, Stbg 2009, 213; in der Folge übernommen von Rolletschke, in: Rolletschke / Kemper, § 376 Rn. 7c. 101  Lübbersmann, PStR 2010, 256 (260); I. Meyer, in: Beermann / Gosch, § 376 AO Rn.  11 f. 102  Fingerle, ZWH 2014, 43 (44). 103  s. Fn. 100. 104  Vgl. Joecks, Schaumburg FS, S. 1225 (1235); Rolletschke, in: Rolletschke /  Kemper, § 376 Rn. 7h; ders. / Jope, Stbg 2009, 213 (215); ders., PStR 2010, 75 (76); ders., Steuerstrafrecht, Rn. 452a; ders., in: Graf / Jäger / Wittig, § 376 AO Rn. 7; Pelz, NJW 2009, 470 (472); Wulf, DStR 2009, 459 (462); ders., PStR 2010, 13 (17); ders., SAM 2013, 132 (137). 105  Erg. S.  125 ff. 106  So u. a. auch Rolletschke, in: Rolletschke / Kemper, § 376 Rn. 7h („Extremfall“; dto. ders., in: Steuerstrafrecht, Rn. 452a a. E.; ders., ZWH 2013, 231; ders., ZWH 2014, 129).

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2. Teil: Die Verfolgungsverjährungsfristen

[insbes. IV] StGB) streng genommen noch zu kurz gegriffen107. Solche Fälle dürften heute aber kaum noch praktische Relevanz haben. Daraus ergibt sich in weiterer Konkretisierung von Art. 97 § 23 EGAO für den zeitlichen Geltungsbereich des § 376 I AO Folgendes: Vorbehaltlich des Eingreifens etwaiger Ruhenstatbestände unterfällt eine Steuerhinterziehung als „Altfall“ der neuen, 10-jährigen Verjährungsfrist, wenn sie – nach dem 25.12.1998, 0.00 Uhr, beendet war108 und – bis spätestens 24.12.2008, 23.59.59 Uhr109, zureichende, sich fortlaufend „überlappende“ Unterbrechungshandlungen vorgenommen worden sind. Nach dem eindeutigen Wortlaut von Art. 97 § 23 EGAO kommt es dagegen nicht darauf an, dass die in § 376 I AO in Bezug genommenen Nrn. 1 (n. F.) und 5 des § 370 III 2 AO ihrerseits erst am 1.1.2008 in Kraft getreten sind, also in der Zeit davor (so) nicht galten110. All das hat zur Folge, dass von § 376 I AO unter Umständen Taten bzw. Veranlagungszeiträume bis in die Mitte der 1990er Jahre zurück erfasst sein können. Dabei wäre gegebenenfalls noch zu beachten, dass § 376 I AO ausnahmsweise durch die in § 11 StraBEG 2003 normierte „Besondere Verfolgungsverjährung“ für Besteuerungszeiträume vor 1993 überlagert werden kann. Dies kommt aber nur in Betracht, wenn der Betroffene eine wirksame strafbefreiende Erklärung im Sinne von § 1 I StraBEG 2003 abgegeben hat, der danach berechnete Pauschalsteuerbetrag fristgerecht bezahlt wurde und kein Ausschlussgrund für die Gewährung der Steueramnestie vorlag (vgl. §§ 1, 7 StraBEG 2003)111. 107  Dagegen Mosbacher, in: Steueranwalt 2009 / 10, S. 131 (146: „wohl eher aus Gründen teleologischer Reduktion abzulehnen“ [zw.]); erg. Wulf, AG 2009, 75 (77 f.) für die insoweit gem. § 171 VII AO (s. S. 70 f.) ebenfalls erweiterte Reichweite der steuerlichen Überprüfbarkeit („Sachverhalte, die mehr als 15 Jahre zurückliegen“). 108  Bei einer Beendigung am 25.12.1998 (oder früher) ist am 25.12.2008 (oder früher) absolute Verjährung (§ 78c III 2 StGB) eingetreten, sodass Art. 97 § 23 EGAO eingreift. 109  s. erg. d. Bsp. im 1. Teil, Fn. 380. 110  s. dazu BGH, NStZ 2013, 415 (obiter dictu) m. Anm. M. Ebner, NJ 2013, 479 (zust.) u. Gehm, PStR 2013, 136 (abl.); NZWiSt 2013, 438 (439 [tragend]); Grötsch, in: Wannemacher & Partner, Rn. 773; Jäger, in: Klein, § 376 Rn. 14; Rau, in: Streck FS, S. 533 (542); Schauf, in: Kohlmann, § 376 Rn. 26; Rolletschke, Steuerstrafrecht, Rn. 452e; ders., in: Graf / Jäger / Wittig, § 376 AO Rn. 10; ders., PStR 2010, 75 (76); ders., ZWH 2013, 231 a. E.; a. A. Joecks, in: Franzen / Gast / Joecks, § 376 Rn. 14e; Spatschek / Albrecht, Stbg 2012, 501 (506). 111  Vgl. Spatschek, in: Streck, § 11 Rn. 6, 8; erg. S. 185 ff.



B. Die Verjährungsfristen im Steuerstrafrecht

149

Die Verdoppelung der Verjährungsfrist hätte es aus Sicht der Strafverfolgungsbehörden nahelegen können, vor dem Hintergrund von § 152 II StPO alle Altverfahren wegen Steuerhinterziehung auf entgegen § 376 I AO erfolgte Einstellungsentscheidungen hin zu überprüfen112. Denn insoweit hätte möglicherweise aus Rechtsgründen eine (formlose) Wiederaufnahme des Ermittlungsverfahrens von Amts wegen in Betracht zu ziehen sein können. Hierzu ist es aber, soweit ersichtlich, mit Recht nicht gekommen, weil § 376 I AO gemäß Art. 97 § 23 EGAO nur dann eingreifen kann, wenn die betreffende Tat am 25.12.2008 noch nicht verjährt war. Es erscheint daher nahezu ausgeschlossen, dass die Verfolgung von Alttaten, insbesondere solche aus dem Zeitraum vor dem 24.12.2003, die am 25.12.2008 bereits entdeckt waren, in Unkenntnis der neuen Rechtslage gemäß § 170 II StPO wegen Verfolgungsverjährung eingestellt worden ist. Sollte das dennoch vereinzelt der Fall gewesen und noch immer keine Verjährung eingetreten sein, bestand (besteht) dennoch kein Anlass, sämtliche Akten – sofern überhaupt noch vorhanden113 – durchzusehen. Denn dafür genügt das eigens auch diesem Zweck dienende Instrument der Geschäftsprüfung114. Bei dieser könnten Steuerstrafverfahren aber in der nächsten Zeit durchaus noch einen Prüfungsschwerpunkt darstellen.

b) Sachlicher Anwendungsbereich In sachlich-rechtlicher Hinsicht wirft § 376 I AO, wie im Schrifttum berechtigterweise moniert wird, zwar einige Fragen auf, die im Kern allesamt die Regelungstechnik der Inbezugnahme von § 370 III 2 AO zum Gegenstand haben. Die Norm allein deswegen – wohl in Anspielung auf das Datum ihres Inkrafttretens – mit einem „nicht hinreichend ausgebackenen Lebkuchen“115 zu vergleichen, d. h. sie als insgesamt missglückt zu bewerten, mutet allerdings etwas voreilig an. aa) „Äußeres“ Anwendungsspektrum Zu klären ist zunächst, welche Straftatbestände § 376 I AO potentiell erfasst. Diese Frage erscheint zwar angesichts des klaren Wortlauts der Vorschrift („In den in § 370 Abs. 3 Satz  2 Nr. 1 bis  5 genannten Fällen“) auf den ersten Blick überflüssig und ist (deshalb?) in der Literatur bisher 112  Ähnl. Joecks, in: Schaumburg FS, S. 1225 (1237). Bei einem gerichtlichen Nichteröffnungsbeschluss wegen vermeintlicher Verjährung (§ 204 I StPO) kommt eine gleichwie geartete Wiederaufnahme nicht in Betracht, weil § 211 StPO diesen Fall nicht erfasst. Dasselbe gilt für ein Einstellungsurteil gem. § 260 III StPO im Verhältnis zu den §§ 359 ff. StPO. Zum insoweit str. Fall des Einstellungsbeschlusses nach § 206a I StPO s. BGHSt 52, 119 = NStZ 2008, 296 m. w. N. 113  Vgl. etwa Art. 51a, 51b BayAGGVG und die m. W. z. 1.1.2010 in Kraft getretene BayAufbewV (GVBl.  2010, S. 644). 114  Vgl. z. B. Nr. 4 I 5 BayOrgStA. 115  Bender, wistra 2009, 215 (216).

150

2. Teil: Die Verfolgungsverjährungsfristen

kaum gestellt worden116. Auch die Materialien lassen nach dem im Gesetzgebungsverfahren immer enger gewordenen Bezugspunkt der Neuregelung (zuerst alle Steuerstraftaten, dann nur noch § 370 AO, zuletzt allein die Fälle des § 370 III 2 AO) scheinbar nur eine Antwort zu: § 376 I AO erfasst ausschließlich § 370 AO (d. h. die Hinterziehung jedweder hiervon erfasster Steuer) und greift nur dann ein, wenn die Tat in der Modalität eines besonders schweren Falls im Sinne von § 370 III 2 AO begangen (nicht: bestraft; str., s. sogleich) worden ist. Doch auch das ist – auf den zweiten Blick – zu kurz gegriffen. Denn diese Argumentation übersieht, dass (1) § 370 AO aufgrund gesetzlicher Anordnung auch für sog. Analogtaten (z. B. die in Nr. 19 Nr. 1–3 ASB aufgezählten Tatbestände) gilt, (2) die Strafnorm des § 23 RennwLottG hinsichtlich der Rechtsfolgen auf die „Hinterziehung“, d. h. § 370 AO117, zurückgreift und (3) das Kommunalabgabenstrafrecht der Länder vielfach explizit § 376 AO bzw. die Abgabenordnung insgesamt für entsprechend anwendbar erklärt. Ganz offensichtlich nicht in den Anwendungsbereich des § 376 I AO fällt dagegen der Bannbruch, weil § 372 AO nur auf § 370 I und II AO verweist. Entsprechendes gilt für § 373 AO, bei dem es sich zwar um eine Qualifikation zu § 370 AO handelt, der gemäß § 78 III Nr. 3 StGB aber ohnehin einer 10-jährigen Verjährungsfrist unterliegt, sowie die weiteren von § 370 AO gänzlich unabhängigen Steuerstraftatbestände, wie insbesondere § 374 AO.118

Vollkommen ungeklärt ist bis dato, ob § 376 I AO auch in diesen Fällen gelten kann. Dabei ist bei den Analogtaten und im Abgabenstrafrecht der Länder vorab genau zu prüfen, ob der Wortlaut der jeweiligen Verweisungsnorm im Einzelfall tatsächlich auch § 376 (I) AO umfasst. Dies ist (bzw. war) bei allen „klassischen“ Analogtaten der Fall119. Und auch der als Beispiel aus dem Kommunalabgabenstrafrecht bereits erwähnte Art. 14 I 2 BayKAG erklärt § 376 AO – ausdrücklich – in der „jeweils geltenden Fassung“ für entsprechend anwendbar. Dass dieser Zusatz („in der jeweils geltenden Fassung“) bei den Analogtatverweisungen durchweg fehlt, könnte bei historischer Auslegung einen (freilich nicht besonders starken) Argumentationsansatz dafür bieten, dass 116  s.

dazu bisher nur Schauf, in: Kohlmann, § 376 Rn. 30 ff. in: Flore / Tsambikakis, § 23 RennwLottG Rn. 2, 11. 118  A. A. anscheinend Bülte, in: Hübschmann / Hepp / Spitaler, § 376 AO Rn. 2. 119  Vgl. etwa § 14 AbwAG, § 5a I 1 BergPG [aufgeh. m. W. z. 1.1.2012], § 29a I BerlinFG, § 96 VII 1 EStG, §§ 12 I 1, 35 MOG, § 8 II 1 WoPG oder auch § 6 I NdsKiStRG. 117  M. Ebner,



B. Die Verjährungsfristen im Steuerstrafrecht151

§ 376 I AO dort gerade keine Anwendung finden soll. Denn es ist aufgrund der Normenhistorie offensichtlich, dass der Gesetzgeber die Analogtaten bei Schaffung der Neuregelung nicht im Blick hatte. Dasselbe muss – erst recht – für den seit 13.8.1967 unverändert gebliebenen § 23 Rennw­LottG120 gelten. Letztlich ist dies aber alles andere als eindeutig, zumal der Wortlaut des § 376 I AO seine Anwendung auch in diesen beiden (weiteren) Fällen zulässt und zudem unter rechtspolitischen Gesichtspunkten nicht einzusehen ist, weshalb die verlängerte 10-jährige Verjährungsfrist – wenn in diesen praktisch ohnehin kaum bedeutsamen Bereichen tatsächlich einmal ein besonders schwerer Fall gegeben ist – dennoch nicht eingreifen sollte. Im praxisrelevanteren121 Fall des Art. 14 I 2 BayKAG führt aufgrund des eindeutigen Wortlauts ohnehin kein Weg an § 376 I AO vorbei. Mit dem Zusatz „in … [der] jeweils geltenden Fassung“ hat der Landesgesetzgeber ausdrücklich kundgetan, dass er jedwede Gesetzesänderung, d. h. auch im Bereich des schon von § 376 AO a. F. tangierten Verjährungsrechts, vorgreiflich in seinen Willen aufgenommen wissen will122. Das gilt ebenso für die Art. 14 I 2 BayKAG entsprechenden Vorschriften in anderen Bundesländern123. Darüber hilft auch eine historische Auslegung nicht hinweg. Soweit im übrigen Kommunalabgabenstrafrecht nicht explizit auf die „jeweils geltende Fassung“ von § 376 AO abgestellt124 bzw. generell auf die AO verwiesen wird125, könnte allerdings im Gegenzug eingewandt werden, dass es 120  Vgl.

M. Ebner, in: Flore / Tsambikakis, § 23 RennwLottG Rn. 1. Wegner, PStR 2008, 195 (196) zu § 7 I 2 KAG BW in einem Fall illegaler Wasserentnahme (VGH BW, Beschl. v. 18.12.2007, 2 S 1830 / 07, BeckRS 2008, 33242 [der Abgabenschaden von insges. 13.973,40 € erreichte allerdings auch hier kein „großes Ausmaß“ i. S. v. § 370 III 2 Nr. 1 AO; in praxi wichtiger dürften dagegen die Nrn.  3 und 4 des § 370 III 2 AO sein, vgl. VG München, Urt. v. 29.7.1998, M  10 K  96.40, juris – hinterzogene Gewerbemüllbeseitigungsgebühren i. H. v. 430.272,08  DM]). Die Gewerbesteuer ist, auch wenn sie durch die Gemeinden nach einem von diesen durch Satzung festgelegten Hebesatz erhoben wird (§§ 1, 4, 16 GewStG), keine Kommunalabgabe i. d. S., sondern eine Realsteuer, auf die die §§ 369 ff. AO unmittelbar anwendbar sind, vgl. §§ 1 II Nr. 7, 3 II AO. 122  Dass Art. 14 I 2 BayKAG bzw. die dem entsprechenden Landesvorschriften (s. Fn. 123 ff.) weiter nur auf § 370 IV AO, nicht aber auch auf dessen Absatz 3 verweisen, ist damit zu erklären, dass das Kommunalabgabenstrafrecht gem. Art. 3 I Nr. 1, 4 III Nr. 2 2. Hs. EGStGB nur Freiheitsstrafen bis maximal zwei Jahre vorsehen darf. Auch dies spricht – freilich beschränkt auf diesen speziellen Kontext – für die „Begehungsweisenlösung“. 123  Das sind § 14 I 2 BraKAG, § 5 I 2 HessKAG, § 16 III NdsKAG, § 17 I 2 KAG NRW, § 13 I 2 SaarlKAG, § 5 I 2 SächsKAG, § 15 III S.-AnhKAG und § 16 I 2 ThürKAG. 124  So in § 7 I 2 KAG BW, § 16 I 2 KAG MV, § 15 I 2 RPfKAG und § 16 I 2 SchlHKAG. 125  § 1 I Nr. 1 BlnAOAnwG, § 3 I Nr. 1 BreAbgG und §§ 1 Nr. 1, 3 Nr. 1 HbgAbgG. 121  Vgl.

152

2. Teil: Die Verfolgungsverjährungsfristen

zumindest fragwürdig erscheint, ob der jeweilige Landesgesetzgeber die Verdoppelung der Verjährungsfrist auf Bundesebene vorab bzw. zwischenzeitlich rezipiert hat. Aber auch diese Argumentationslinie läuft spätestens ab dem Zeitpunkt leer, in dem das jeweilige Landesgesetz seit dem 25.12.2008 in irgendeinem anderen Punkt geändert worden ist, ohne dass davon auch die Regelungen über die Abgabenhinterziehung betroffen waren. Denn spätestens dann kommt man nicht mehr umhin, dem Schweigen des Gesetzgebers zu der Verweisung auf § 376 I AO nach dem allgemeinen Rechtssatz „qui tacet consentire videtur, ubi loqui debuit atque potuit“ einen insoweit bestätigenden Erklärungswert beizumessen. Überdies ist zweifelhaft, ob ein Anwendungsausschluss von § 376 I AO im Abgabenstrafrecht der Länder der Entsprechungsklausel in Art. 4 III Nr. 2 1. Hs. EGStGB gerecht würde. bb) Einzelne Anwendungsfragen Vor der Behandlung des bereits eingangs aufgezeigten Grundsatzproblems „ ‚Ahndungs-‘ vs. ‚Begehungsweisenlösung‘ “ sind in den Unterpunkten (1) bis (3) zunächst einige weniger problematische Fragen zur Anwendung des § 376 I AO zu klären: (1) Unbenannte besonders schwere Fälle (§ 370 III 1 AO) Es gilt heute schon als allgemein anerkannt, dass § 376 I AO nur eingreift, wenn ein in § 370 III 2 Nr. 1–5 AO ausdrücklich benannter besonders schwerer Fall der Steuerhinterziehung vorliegt126. Denn, dass sog. unbenannte besonders schwere Fälle im Sinne des Satzes 1 der Vorschrift – umgekehrt formuliert – vom Geltungsbereich der Neuregelung ausgenommen sind, ergibt sich unzweifelhaft aus ihrem insoweit eindeutigen Wortlaut („In den in § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 bis 5 genannten Fällen“; Hervorh. v. hier) und auch aus den Gesetzes­ materialien127. Außerdem ist dies das Ergebnis der gebotenen verfassungs­ konformen Auslegung von § 376 I AO unter Bestimmtheits­gesichtspunkten (dazu sogleich). Soweit u. a. daraus ein Verstoß gegen Art. 3 I GG abgeleitet wird128, wird hierauf im Gliederungspunkt 3. näher eingegangen. 126  s. u. a. Bender, wistra 2009, 215 (217); Jäger, in: Klein, § 376 Rn. 12; Mitsch, in: MüKo-StGB, § 78 Rn. 22; Rolletschke / Jope, Stbg 2009, 213 (215); Samson / Brüning, wistra 2010, 1; Schauf, in: Kohlmann, § 376 Rn. 20; Spatschek / Engler, SAM 2009, 122 (124); Tormöhlen, AO-StB 2011, 27 (29); Wenzler, in: Flore / Tsambikakis, § 376 AO Rn. 9; Wulf, in: MüKo-StGB, § 376 AO Rn. 6; ders., DStR 2009, 459 (462). 127  Vgl. Haas / Wilke, NStZ 2010, 297 (302); Joecks, in: Franzen / Gast / Joecks, § 376 Rn. 14a; Weigell, in: Kuhn / Weigell, Rn. 185. 128  Vgl. Bender, wistra 2009, 215 (217).



B. Die Verjährungsfristen im Steuerstrafrecht153

(2) Das „große Ausmaß“ (§ 370 III 2 Nr. 1 AO) Aus dem umfangreichen Tatbestandskatalog des § 370 III 2 AO ist für das vorliegende Thema lediglich die Nr. 1 und darin – genauer gesagt – das Merkmal des „großen Ausmaßes“ von näherem Interesse. Das liegt nicht in erster Linie daran, dass der Gesetzgeber die gesteigerte praktische Bedeutung gerade dieses Regelbeispiels durch die mit Wirkung zum 1.1.2008 erfolgte Streichung des einschränkenden Momentums „aus grobem Eigennutz“129 vervielfacht hat130. Diese Eigennutzklausel hatte eine Anwendung von § 370 III 2 Nr. 1 AO (a. F.) in der Vergangenheit angesichts der damit verbundenen Feststellungsschwierigkeiten in der überwiegenden Anzahl der Fälle ausgeschlossen131. Dass § 376 I AO ausschließlich auf die im Vergleich dazu viel weitergehende Neufassung des § 370 III 2 Nr. 1 AO Bezug nimmt, also in keinem Fall mehr – auch nicht in (noch nicht verjährten) Altfällen, deren Tatzeitpunkt vor dem 1.1.2008 liegt – einen „groben Eigennutz“ des Täters voraussetzt, ergibt sich daraus, dass § 376 I AO erst am 25.12.2008 in Kraft getreten ist. Zu diesem Zeitpunkt galt § 370 III 2 Nr. 1 AO bereits in seiner reformierten Fassung, sodass insoweit nur die neue Vorschrift als Bezugspunkt in Betracht kommt132. Daran ändern weder § 2 III StGB133 noch Art. 97 § 23 EGAO etwas.

129  Vgl. BGH, NStZ 1985, 459: „Grob eigennützig handelt …, wer seinen Vorteil in besonders anstößiger Weise erstrebt …, dessen Gewinnstreben also das bei jedem Steuerstraftäter vorhandene Gewinnstreben deutlich übersteigt …, wobei die kriminelle Energie, insb. Art und Häufigkeit der Begehung und der Grad der zutage getretenen Gewinnsucht von Bedeutung sind.“; s. dazu zuletzt BGH, NZWiSt 2013, 438 = NStZ 2014, 105 m. Anm. M. Ebner, NJ 2014, 173. 130  s. S. 53; die übrigen Regelbeispiele sind unverändert geblieben und werfen auch keine verjährungsspezifischen Fragen auf. 131  Vgl. BT-Drs. 16 / 5846, S. 75. 132  s. BGH, NStZ 2013, 415 (obiter dictu) m. Anm. M. Ebner, NJ 2013, 479; NZWiSt 2013, 438 (439 [tragend; in NStZ 2014, 105 insoweit n. abgedr.]) m. Anm. M. Ebner, NJ 2014, 173; LG Düsseldorf, NZWiSt 2014, 70 (71) m. zust. Anm. Rolletschke; Bürger, BB 2013, 2592 (2594: „Wortlaut lässt keine andere Deutung zu“); Jäger, in: Klein, § 376 Rn. 14b; Rolletschke, ZWH 2014, 129 (130); a. A. noch Rolletschke, PStR 2010, 75 (76); ders., Steuerstrafrecht, Rn. 452e; abw. auch Bülte, in: Hübschmann / Hepp / Spitaler, § 376 AO Rn. 17 ff.; Stahl, KÖSDI 2013, 18578 (18580: „nicht einsichtig und eventuell sogar verfassungswidrig“); unklar Weigell, in: Kuhn / Weigell, Rn. 185. 133  s. dazu Jäger, in: Klein, § 370 Rn. 283; a. A. insbes. Schauf, in: Kohlmann, § 376 Rn. 26, wonach § 376 I i. V. m. § 370 I Nr. 1 und 5 AO „erst für ab dem 1.1.2008 begangene Taten“ greifen soll; ähnl. Bülte, in: Hübschmann / Hepp / Spitaler, § 376 AO Rn. 19 f., der meint, Art. 49 I 3 EUGRCh sei verletzt (zw.); diff. Joecks, in: Franzen / Gast / Joecks, § 376 Rn. 14e. Die Auffassung Schaufs et al. ist abzulehnen, weil § 376 I AO nur die in § 370 III 2 AO normierten Tatbestandsmerkmale in Bezug nimmt (der Gesetzgeber hätte die dort genannten Nrn. 1–5 auch schlicht in

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2. Teil: Die Verfolgungsverjährungsfristen

Gleiches gilt für die neu ins Gesetz aufgenommene Nr. 5 des § 370 I 2 AO134.

Der entscheidende Grund besteht vielmehr darin, dass einige Stimmen in der Literatur die Verfassungswidrigkeit von § 376 I AO insgesamt auch damit begründen wollen, dass der unbestimmte Rechtsbegriff einer Steuerverkürzung „in großem Ausmaß“ zwar bei der wertungsgeprägten Strafzumessung, d. h. im genuinen Anwendungsbereich des § 370 III AO, zum Einsatz kommen könne; als wörtlich zu nehmendes Tatbestandsmerkmal einer materiellen Verjährungsregelung tauge diese ausfüllungsbedürftige Leerformel dagegen nichts, weil der Normadressat auf dieser Grundlage die im Einzelfall geltende Verjährungsfrist nicht sicher feststellen könne. Die Bestimmtheitsfrage (Art. 103 II GG) – „Was bedeutet ‚in großem Ausmaß‘?“ – stelle sich hier daher in aller Schärfe135. Bevor dieser Ansatz im Einzelnen überprüft wird, liegt es nahe, sich vorab nochmals die mit dem Grundsatzurteil des 1. Strafsenats des BGH vom 2.12.2008136 auf den Weg gebrachten (damals „neuen“) Leitlinien zur Strafzumessung bei Steuerhinterziehungen „in Millionenhöhe“ vor Augen zu führen. Denn auch diese knüpfen rechtsdogmatisch an das Merkmal „in großem Ausmaß“ an. Die insoweit maßgeblichen Auslegungskriterien wurden durch denselben Senat fast auf den Tag genau drei Jahre später in einem weiteren, erneut wegweisenden Beschluss vom 15.12.2011137 weiterent­ wickelt. In der Zusammenschau dieser beiden Entscheidungen ist bereits an dieser Stelle zu konstatieren, dass sich die Anwendung von § 370 III 2 Nr. 1 AO nach „objektiven Maßstäben“ richtet, die an folgenden (Hinterziehungs-) Betragsgrenzen (bzw. Fallgruppen) orientiert sind: – Bis einschließlich 50.000  €: Überschreitet der Verkürzungsbetrag die 50.000 €-Schwelle nicht, kommt eine Steuerhinterziehung „in großem Ausmaß“ nicht in Betracht. – Über 50.000  € bis einschließlich 100.000  €: Hier liegt eine Steuerhinterziehung „in großem Ausmaß“ vor, wenn der Täter entweder (1) „ungerechtfertigte Zahlungen vom Finanzamt erlangt hat, etwa bei Steuererstattungen durch Umsatzsteuerkarusselle, Kettengeschäfte oder durch Einschaltung von sog. Serviceunternehmen [genuiner ‚Griff in die Kasse‘ des Staates, s. sogleich]“, oder (2) steuermindernde Umstände vorspiegelt, § 376 I AO implantieren können) und es sich um einen zulässigen Fall unechter Rückwirkung handelt (s. u.). 134  s. dazu d. Nachw. in Fn. 110. 135  Nachw. im Einzelnen unter Gliederungspunkt 3.b. 136  BGHSt 53, 71 (79 ff.) = NJW 2009, 528 (531 ff.). 137  NJW 2012, 1015 – „Griff in die Kasse“ des Staates m. Anm. M. Ebner, NJ 2013, 347 (348: „Korrelat steuerstrafrechtlicher Strafzumessungdogmatik“); zusf. Wulf, SAM 2013, 132.



B. Die Verjährungsfristen im Steuerstrafrecht155

„indem er etwa tatsächlich nicht vorhandene Betriebsausgaben vortäuscht oder nicht bestehende Vorsteuerbeträge geltend macht“. Die Gleichstellung der zweiten mit der ersten Fallgruppe begründet der Senat wie folgt: „… in einem solchen Fall beschränkt sich das Verhalten des Täters nicht darauf, den bestehenden Steueranspruch durch bloßes Verschweigen von Einkünften oder Umsätzen zu gefährden. Vielmehr unternimmt er [– auch hier –] einen ‚Griff in die Kasse‘ des Staates, weil die Tat zu einer Erstattung eines (tatsächlich nicht bestehenden) Steuerguthabens oder zum (scheinbaren) Erlöschen einer bestehenden Steuerforderung führen soll.“ Diese Wertung ist überzeugend. – Über 100.000  €: Dagegen setzt die Annahme eines „großen Ausmaßes“ im vorgenannten Sinne die Überschreitung der 100.000 € voraus, wenn sich (1) „das Verhalten des Täters … darauf [beschränkt hat], die Finanzbehörden pflichtwidrig über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis zu lassen [d. h. ein Fall des § 370 I Nr. 2 AO vorliegt] und … das lediglich zu einer Gefährdung des Steueranspruchs führt“ bzw. – dem gleichgestellt – (2) „der Steuerpflichtige zwar eine Steuerhinterziehung durch aktives Tun (§ 370 Abs. 1 Nr. 1 AO) begeht, indem er eine unvollständige Steuererklärung abgibt, er dabei aber lediglich steuerpflichtige Einkünfte oder Umsätze verschweigt … und allein dadurch eine Gefährdung des Steueranspruchs herbeiführt.“ Treffen beide Fallgruppen zusammen, liegt ein „großes Ausmaß“ „jedenfalls dann“ vor, „wenn der Täter vom Finanzamt ungerechtfertigte Zahlungen in Höhe von mindestens 50.000 Euro erlangt hat“ bzw. „ein aufgrund falscher Angaben scheinbar in dieser Höhe (50.000  Euro) bestehender Auszahlungsanspruch ganz oder teilweise mit anderweitigen Steuerverbindlichkeiten verrechnet worden ist.“ Das leuchtet ein, denn das Hinzutreten des Verschweigens von Einkünften bzw. Umsätzen ändert an der Qualität des Vortäuschens von Abzugsposten als „Griff in die Kasse“ des Staates nichts. Es ist daher nicht ganz nachvollziehbar, warum der Senat dies nicht auch ausdrücklich so ausgesprochen, sondern – eher zurückhaltend – hier nur mit einer „jedenfalls dann“-Argumentation operiert hat. Klar ist dagegen wieder, dass es bei der 100.000 €-Grenze verbleibt, wenn „die Vortäuschung von steuermindernden Umständen für sich allein noch nicht zu einer Steuerverkürzung von mindestens 50.000 Euro geführt“ hat bzw. – in konsequenter Fortführung der vorgenannten Wertung zum „Griff in die Kasse“ – führen sollte. – Bezugspunkt: Die Tat im materiellen Sinne Maßgeblich für die Bestimmung des Hinterziehungsbetrags ist die Steuerhinterziehungstat im materiellen Sinne, die regelmäßig, aber nicht im-

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2. Teil: Die Verfolgungsverjährungsfristen

mer138 mit der prozessualen Tat (§ 264 I StPO) übereinstimmt. Dabei sind die einzelnen Hinterziehungsbeträge – nur – dann zu addieren, wenn der Tatbestand des § 370 I AO durch eine einheitliche Tat im Sinne von § 52 I StGB mehrfach verwirklicht wird139. Danach sind – zusammengefasst – letztlich zwei Faktoren für das Vorliegen einer Steuerhinterziehung „in großem Ausmaß“ von Bedeutung, die sich graduell abgestuft wie folgt darstellen: – Primärfaktor: Höhe des Hinterziehungsbetrags. Liegt dieser über 100.000 € kann das „große Ausmaß“ (im Sinne eines Regelbeispiels bei der Strafzumessung) stets ohne Rücksicht auf die Begehungs- und Erfolgsform bejaht werden, wenn nicht ausnahmsweise besondere Milderungsgründe entgegenstehen. Bei Verkürzungsbeträgen von 1 € bis einschließlich 50.000 € scheidet § 370 III 2 Nr. 1 AO als benannter besonders schwerer Fall dagegen per se aus. Im Bereich zwischen 50.000,01 € und 100.000 € (hier sog. variabler Bereich) muss ein „Griff in die Kasse“ des Staates im vorgenannten bzw. nachstehenden Duktus vorliegen. – Sekundärfaktor: Begehungsweise. Im „variablen Bereich“ verlangt der Senat buchstäblich einen „Griff in die Kasse“ des Staates (Hervorh. v. hier), der – das legt schon der Wortsinn nahe – aktiv, d. h. unter den tatbestandlichen Voraussetzungen des § 370 I Nr. 1 AO, vorgenommen worden sein muss. Ist dies der Fall, führt bereits ein Überschreiten der 50.000 €-Grenze zum „großen Ausmaß“, außer die Tat erschöpft sich „allein“ darin, dass den Finanzbehörden in der abgegebenen Steuererklärung steuererhebliche Tatsachen schlicht verschwiegen (nicht: weitere Tatsachen hinzuerfunden) worden sind und allein dies zur Tatbestands­ verwirklichung (wenigstens im Sinne einer Gefährdung des Steuer­ anspruchs) geführt hat. Oder anders gewendet: Die 100.000  €-Schwelle 138  Vgl. Meyer-Goßner, in: Meyer-Goßner / Schmitt, § 264 Rn. 6. Eine Über­ einstimmung zwischen materieller und prozessualer Tat liegt insbesondere nicht bei unrichtigen UStVA’en und der sich anschließenden, ebenfalls unrichtigen UStJE des nämlichen Jahres vor. In diesem Fall sind zwar 13 materiell-rechtliche Taten, jedoch nur eine prozessuale Tat gegeben (BGHSt 49, 359 [361] = NJW 2005, 836 f.). Das soll nach Ansicht des OLG Zweibrücken (PStR 2005, 207 = BeckRS 2005, 07542) indes nicht für das Verhältnis zwischen unrichtigen Lohnsteueranmeldungen des Arbeitgebers und der den denselben Veranlagungszeitraum betreffenden, ebenfalls falschen ESt-Erklärung des Arbeitnehmers gelten, auch wenn beide aufgrund einer Schwarzlohnabrede kollusiv zusammenwirken (a. A. Merz / Ebner, PStR 2013, 60). 139  Erg. Wulf, DStR 2009, 459 (460), der „für die Berechnung der Verjährungsfrist zusätzlich noch nach den einzelnen Steuerarten innerhalb der Taten … differenzieren“ will. Dafür gibt es jedoch weder einen Anhalt im Gesetz noch sonst einen sachlichen Grund.



B. Die Verjährungsfristen im Steuerstrafrecht157

muss nur dann überschritten sein, wenn sich der Steuerhinterzieher – untechnisch ausgedrückt – im Wesentlichen passiv verhalten hat, d. h. ausschließlich ein Nichtabgabefall (§ 370 I Nr. 2 AO) vorliegt oder sich das tatbestandliche Verhalten darauf beschränkt, dass eine unvollständige Erklärung ohne weitere positive Falschangaben eingereicht worden ist (§ 370 I Nr. 1 AO). Dies stuft der Senat zu Recht nicht als aktiven „Griff in die Kasse“ des Staates ein. Danach kann die im Schrifttum140 vertretene Auffassung, es sei nicht nach der Begehungsweise, sondern – nur – danach zu differenzieren, ob es „zu einer [für die Tatbestandsverwirklichung gemäß § 370 IV 1 AO ausreichenden] bloßen Gefährdung des Steueranspruchs“ (dann: 100.000 €Grenze) oder zum Eintritt einer tatsächlichen Schädigung  des Fiskus im Sinne eines Vermögensabflusses mittels gezielt bewirkter ungerechtfertigter Steuererstattungen bzw. -vergütungen (dann: 50.000  €-Grenze) gekommen ist, so wohl nicht mehr uneingeschränkt aufrecht erhalten werden. (3) Verjährungsfrist beim „Versuch des Regelbeispiels“ Ist die in die verjährungsrechtliche Systematik einzuordnende Tat lediglich versucht (§ 370 II AO) und umfasste der zugrunde liegende Tatentschluss (nachweislich) auch eine der in § 370 III 2 Nr. 1–5 AO beschriebenen „besonders schweren“ Begehungsweisen, stellt sich die Frage, ob § 376 I AO auch in diesem Fall anzuwenden ist. Dagegen könnten zum einen die in der Literatur vorgebrachten grundlegenden dogmatischen Bedenken gegen die – pauschal so bezeichnete – Figur des „Versuchs des Regelbeispiels“ sprechen141. Das ginge jedoch an der Sache vorbei. Denn der Gesetzgeber hat die in § 370 III 2 Nr. 1–5 AO normierten Fallgruppen aus dem Bereich der Strafzumessung in das Verjährungsrecht übertragen und dort zu „Verjährungstatbestandsmerkmalen“ des § 376 I AO umqualifiziert (s. sogleich), so dass es im hiesigen Kontext gar nicht um einen „Versuch des Regelbeispiels“ in diesem Sinne geht; nicht umsonst verweist § 376 I AO nicht auch zusätzlich auf § 370 II AO. Zum anderen ist zu sehen, dass ein bloßer Versuch der Nrn. 1, 4 oder 5 des § 370 III 2 AO in dieser „vertatbestandlichten“ bzw. objektivierten Form per se nicht geeignet ist, die verlängerte 10-jährige Verjährungsfrist des § 376 I AO auszulösen142. Das liegt daran, dass diese Regelbeispiele 140  So

etwa Rolletschke, PStR 2010, 75 (77); ders., NZWiSt 2012, 18 (19). dazu Steinberg / Burghaus, ZIS 2011, 578. 142  A. A. Rolletschke, in: Rolletschke / Kemper, § 376 Rn. 7g; ders., PStR 2010, 75 (78); ders., ZWH 2014, 129 (130); Schauf, in: Kohlmann, § 376 Rn. 108; unklar Bülte, in: Hübschmann / Hepp / Spitaler, § 376 AO Rn. 51 f. 141  s.

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2. Teil: Die Verfolgungsverjährungsfristen

aufgrund ihrer allein „typisierend[en]“143 Implementierung stets voraussetzen, dass tatsächlich (d. h. objektiv) Steuern „verkürzt“ worden sind, und zwar – falls dies der Fall ist – unter den von ihnen beschriebenen erschwerenden Umständen. Dies ist bei einem (unabhängig vom Verständnis) nur „versuchten“ Regelbeispiel nicht anzunehmen. Damit kann die Wirkung des § 376 I AO bei § 370 III 2 Nr. 1, 4 und 5 AO weder in dem Fall, dass das Grunddelikt der Steuerhinterziehung und das Regelbeispiel im Versuch stecken geblieben sind (Konstellation „Versuch / Versuch“)144, noch im Fall „Vollendung Grunddelikt / Versuch Regelbeispiel“145 ausgelöst werden. Und in der zuletzt denkbaren Variante „Versuch Grunddelikt / Vollendung Regelbeispiel“, ist dies bereits konstruktiv ausgeschlossen, weil eine lediglich versuchte Steuerhinterziehung nicht dazu führen kann, dass beispielsweise „in großem Ausmaß Steuern verkürzt“ sind (Hervorh. v. hier). Was § 370 III 2 Nr. 2 und 3 AO anbelangt, ist dagegen festzustellen, dass eine Anwendung von § 376 I AO in der Konstellation „Versuch Grunddelikt / Vollendung Regelbeispiel“146 prinzipiell in Betracht kommen kann, da die für das Verjährungsrecht zu Tatbestandsmerkmalen „gekorenen“ (amtsträgerbezogenen) Regelbeispiele auf Tatbestandsebene (objektiv) nicht den Eintritt eines Verkürzungserfolgs bedingen und demnach grundsätzlich auch bei einem nur versuchten Grunddelikt vollständig erfüllt („vollendet“) sein können. In den Fällen „Versuch / Versuch“ und „Vollendung Grunddelikt / Versuch Regelbeispiel“ sind die Regelbeispiele dagegen auch hier jeweils nur „versucht“, d. h. bereits objektiv nicht verwirklicht. Damit ist dort für die Anwendung des § 376 I AO ebenfalls ganz generell kein Raum.147 Als Ergebnis lässt sich festhalten, dass § 376 I AO beim „Versuch des Regelbeispiels“ nur in den Fällen von § 370 III 2 Nr. 2 oder 3 AO und das 143  So

Jäger, in: Klein, § 376 Rn. 15. BGH, NStZ 2011, 167 – versuchte Geltendmachung von Vorsteuern aus Scheinrechnungen über 534.000 € (Regelwirkung bejaht). 145  Bsp. nach Lübbersmann, PStR 2010, 256 (258 [„Fall 3“]: vollendete Steuerhinterziehung führt entgegen dem Plan des Täters nicht zu einem Hinterziehungsbetrag von über 100.000  €); erg. BGH, NStZ-RR 1997, 293 zu § 176 III StGB; NStZ 2003, 602 zu § 177 II Nr. 1 StGB (jew. keine Regelwirkung); erg. Jäger, in: Klein, § 370 Rn. 277a m. w. N. zur parallelen Fragestellung i. R. d. Strafzumessung („nur … geringe praktische Bedeutung …, weil andernfalls ein unbenannter besonders schwerer Fall nahe liegen würde“). 146  Bsp. nach Lübbersmann, PStR 2010, 256 (257 [„Fall 1“]: Täter missbraucht seine Befugnisse als Amtsträger zur Begehung einer Steuerhinterziehung, die dann entgegen seinem Tatplan im Versuchsstadium stecken bleibt [§ 370 III 2 Nr. 2 AO]). 147  Im Grundsatz wie hier Lübbersmann, PStR 2010, 256 (261); s. a. I. Meyer, in: Beermann / Gosch, § 376 AO Rn. 41; Rolletschke, Steuerstrafrecht, Rn. 452d. 144  Vgl.



B. Die Verjährungsfristen im Steuerstrafrecht

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auch nur in der Variante „Versuch Grunddelikt / Vollendung Regelbeispiel“ eingreifen kann. (4) Grundsatzfrage: „Ahndungs-“ vs. „Begehungsweisenlösung“ Die in der Literatur bisher am intensivsten diskutierte Frage zu § 376 I AO hängt unmittelbar mit der Implementierung der in § 370 III 2 AO genannten Regelbeispiele zusammen. Denn diese scheint auf den ersten Blick der grundlegenden Weichenstellung des § 78 IV StGB zu widersprechen, wonach „Schärfungen …, die … für besonders schwere … Fälle vorgesehen sind“, keinen Einfluss auf die Verjährungsfrist haben. Dieser Ansatz greift jedoch schon deshalb zu kurz, weil es grundsätzlich im (weiten) gesetzgeberischen Ermessen liegt, Ausnahmen von an anderer Stelle aufgestellten Grundsätzen zuzulassen, wenn sich daraus – wie hier – keine weitergehenden Verstöße gegen übergeordnete Prinzipien ergeben. Man denke nur an § 78b IV StGB, wo das Gesetz für die Frage des Ruhens der Verjährung in ähnlicher Form ausnahmsweise an die Existenz eines besonders schweren Falls anknüpft. Davon abgesehen hat der Gesetzgeber mit § 376 I AO, wenn man die Norm einmal genauer betrachtet, gar keine Ausnahme von § 78 IV StGB gemacht, sondern lediglich die in § 370 III 2 AO genannten Tatbestandsmerkmale mittels abstrakter Textverweisung in § 376 I AO übernommen, anstatt die Nrn. 1–5, was genauso gut möglich gewesen wäre, schlicht abzuschreiben148. Dessen ungeachtet konzentriert sich die Kritik im Wesentlichen darauf, dass dem Wortlaut von § 376 I AO nicht eindeutig zu entnehmen sei, ob die Anwendung der 10-jährigen Verjährungsfrist voraussetzt, dass das Gericht die konkret begangene Steuerhinterziehung tatsächlich als besonders schweren Fall eingestuft und innerhalb des – dann erhöhten – Strafrahmens des § 370 III 1 AO geahndet hat („Ahndungslösung“), oder ob es genügt, dass die Tat unter den erschwerten Bedingungen des § 370 III 2 AO begangen wurde. Um das Ergebnis vorwegzunehmen: Es ist der zuletzt genannten, zwischenzeitlich in Literatur149 herrschenden und in der Rechtsprechung neuer148  A. A. Fischer, § 78 Rn. 7; krit. auch Gehm, StBW 2013, 939 (940: „Schattenprüfung“). 149  Vgl. Bülte, in: Hübschmann / Hepp / Spitaler, § 376 AO Rn. 41 f.; Bürger, BB 2013, 2592 (2595); Dumke, in: Schwarz, § 376 Rn. 3b; Jäger, in: Klein, § 376 Rn. 11, 15; Joecks, in: Franzen / Gast / Joecks, § 376 Rn. 14 f.; Mosbacher, in: Steueranwalt 2009 / 10, S. 131 (142); Rolletschke, in: Rolletschke / Kemper, § 376 Rn. 7b; ders. / Jope, Stbg 2009, 213 (214); ders., Steuerstrafrecht, Rn. 452b; ders., in: Graf / Jäger / Wittig, § 376 AO Rn. 8; ders., PStR 2010, 75; ders., ZWH 2014, 129 f.; Tormöhlen, AO-StB 2011, 27 (29); Wulf, DStR 2009, 459 f. (treffend: „Die in … [§ 370 III 2 Nr. 1–5 AO] aufgeführten Voraussetzungen werden … zu Tatbestandsmerkmalen einer aus § 376 Abs. 1 n. F. und § 370 Abs. 2 Satz  2 AO bestehenden

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2. Teil: Die Verfolgungsverjährungsfristen

dings insbesondere150 auch vom BGH151 vertretenen „Begehungsweisenlösung“ zu folgen. Dies in erster Linie deshalb, weil § 376 I AO ansonsten schlicht nicht praktikabel wäre152. Denn wie soll beginnend mit der Einleitung des Ermittlungsverfahrens und von da ab fortlaufend153 antizipiert werden, wie das Tatgericht den konkreten Einzelfall später einmal, d. h. nach durchgeführter Beweisaufnahme, auf Ebene der Strafzumessung taxieren wird? Zumal der Beschuldigte durch ein (auch) unter diesem Gesichtspunkt „nachgeschobenes“ positives Nachtatverhalten (vgl. § 46 II 2 StGB) auf die Gesamtabwägung des Gerichts bei der Einstufung „seines“ Falls als „besonders schwer“ (und damit mittelbar auch auf die Verjährungsfrist) einwirken könnte154. Dass dies vom Gesetzgeber so nicht gewollt war, liegt auf der Hand. Aber auch ansonsten ist niemandem mit der – all dies sehenden Auges in Kauf nehmenden – Gegenansicht gedient, da damit „nichts gewonnen“ wäre, sondern all dies letztlich „nur“ auf eine ganz erhebliche Rechtsunsicherheit hinauslaufen würde. Vor diesem Hintergrund verwundert es nicht, dass die von den Vertretern der „Ahndungslösung“ vorgetragenen Argumente allesamt in der Sache nicht überzeugen: Verjährungsvorschrift transformiert“); ders., PStR 2010, 13 (17 [insoweit wortlaut­ identisch]); ders., in: MüKo-StGB, § 376 AO Rn. 6 („gesetzestechnisch handelt es sich um eine (unbedingte) Rechtsfolgenanweisung“); ders., SAM 2013, 132 (137). Offen gelassen von Lübbersmann, PStR 2012, 256 (260); I. Meyer, in: Beermann / Gosch, § 376 AO Rn. 11 ff., Wenzler, in: Flore / Tsambikakis, § 376 AO Rn. 10, Wollschläger, NZWiSt 2013, 273 f.; unklar Dönmez, NWB 2013, 2866 (2867: „soweit ein strafschärfendes Regelbeispiel … vorliegt“): Spatschek / Birkenmaier, Stbg 2009, 361 (362: „erfasst … nur Fälle, die als Regelbeispiele formuliert sind“; Hervorh. v. hier). 150  Ebenso bereits LG Düsseldorf, NZWiSt 2014, 70 (71) m. zust. Anm. Rol­ letschke. 151  NStZ 2013, 415 (obiter dictu) m. Anm. M. Ebner, NJ 2013, 479 (zust.) u. Gehm, PStR 2013, 136 (abl.); NZWiSt 2013, 438 (439 [tragend; in NStZ 2014, 105 insoweit n. abgedr.]) m. Anm. M. Ebner, NJ 2014, 173; s. a. Wollschläger, NZWiSt 2013, 273 f. 152  So einhellig Bender, wistra 2009, 215 (217); Haumann, AO-StB 2012, 157 (159); Jäger, in: Klein, § 376 Rn. 11; Mosbacher, in: Steueranwalt 2009 / 10, S. 131 (142); Rolletschke, in: Rolletschke / Kemper, § 376 Rn. 7c; ders. / Jope, Stbg 2009, 213 (214); Schauf, in: Kohlmann, § 376 Rn. 23; Tormöhlen, AO-StB 2011, 27 (29); Wegner, PStR 2009, 33 (34). 153  Das Verfahrenshindernis der Verjährung ist von Amts wegen in jedem Stadium des Verfahrens, also insbesondere auch schon vom Ermittlungsrichter bei der Anordnung von i. d. R. erheblich in Grundrechte eingreifenden Ermittlungsmaßnahmen, zu beachten. 154  Vgl. Jäger, in: Klein, § 376 Rn. 11; Rolletschke / Jope, Stbg 2009, 213 (214); Rolletschke, PStR 2010, 75; ders., ZWH 2013, 231; Tormöhlen, AO-StB 2011, 27 (29: „absurd“); a. A. Korts, Stbg 2011, 357 (362) ohne nähere Begr.



B. Die Verjährungsfristen im Steuerstrafrecht161

(a) Wortlautargument Ein, wenn nicht gar das „zentrale“155 materiell-rechtliche Argument für die „Ahndungslösung“ wird unmittelbar aus dem Wortlaut der Neuregelung hergeleitet. Hätte der Gesetzgeber nur eine „Begehungsweisenlösung“ installieren wollen, hätte es – so die Anhänger der „Ahndungslösung“ – augenscheinlich genügt, die Neuregelung wie folgt zu fassen: „In den in § 370 Abs. 3 Satz  2 Nr. 1 bis  5 genannten Fällen beträgt die Verjährungsfrist zehn Jahre.“

Daraus, dass sich das Gesetz aber hierauf nicht beschränkt, sondern zusätzlich explizit formuliert, „In den in § 370 Abs. 3 Satz  2 Nr. 1 bis  5 genannten Fällen besonders schwerer Steuerhinterziehung beträgt die Verjährungsfrist zehn Jahre.“ (Hervorh. v. hier),

sei zu schließen, dass auch im konkreten Einzelfall ein besonders schwerer Fall vorliegen müsse156. Dieses Wortlautargument überzeugt nicht. Denn der von den Vertretern der „Ahndungslösung“ in den Fokus gerückte Zusatz „besonders schwerer Steuerhinterziehung“ besagt als solcher nicht, dass § 376 I AO nur dann gilt, wenn das Gericht tatsächlich auf einen besonders schweren Fall erkannt hat. Dieser – damit letztlich überflüssige157 – Satzteil kann (und soll nach der Gesetzgebungsgeschichte158 wohl auch) vielmehr nur als zusätzliche, zur besseren Verständlichkeit in das Gesetz aufgenommene (auch) namentliche Bezeichnung der rein tatbestandlichen Inkorporation von § 370 III 2 AO begriffen werden. Diese Gesetzgebungstechnik ist vom Gesetzgeber in ähnlicher Form bereits in § 100a II Nr. 2a StPO159 („Steuerhinterziehung unter den in § 370 Abs. 3 Satz  2 Nr. 5 genannten Voraussetzungen“) angewendet worden, wo für die Zulässigkeit der hauptsächlich im Ermittlungsverfahren angeordneten Überwachung und Aufzeichnung der Telekommunikation sowie die Verwertung der dadurch gewonnenen Erkenntnisse ebenfalls nicht vorausgesetzt ist, dass später, im Hauptverfahren, eine Verurteilung wegen besonders schwerer Steuerhinterziehung in diesem Sinne erfolgt160. 155  Samson / Brüning,

wistra 2010, 1 (2). z. B. Bender, wistra 2009, 215 (218); Haas / Wilke, NStZ 2010, 297 (305); Pelz, NJW 2009, 470; Schauf, in: Kohlmann, § 376 Rn. 20; s. a. Bülte, in: Hübschmann / Hepp / Spitaler, § 376 AO Rn. 37; unklar dagegen Samson / Brüning, wistra 2010, 1 (2: „systematische“ Betrachtung); dem pauschal zust. Kuhlen, S. 14. 157  Ebenso Mosbacher, in: Steueranwalt 2009 / 10, S. 131 (142). 158  s. S.  137 ff. 159  s. S. 53. 160  Vgl. Schmitt, in: Meyer-Goßner / Schmitt, § 100a Rn. 32; s. a. Mosbacher, in: Steueranwalt 2009 / 10, S. 131 (142); ähnl. Haas / Wilke, NStZ 2010, 297 (304 f.) zu 156  So

162

2. Teil: Die Verfolgungsverjährungsfristen

Danach ist offensichtlich, dass aus dem ambivalenten Wortlaut an dieser Stelle keine – schon gar nicht zwingende – Schlüsse für die Gesetzesauslegung gezogen werden können161. (b) Historisch-teleologisches Argument Des Weiteren wird die vermeintliche Richtigkeit der „Ahndungslösung“ auch auf die Normengenese von § 376 I AO zurückgeführt. Die – i. d. R. zusätzlich – darauf abstellenden Literaturvertreter162 verweisen auf den längere Zeit als Neuregelung im Raum stehenden, im Vergleich zum Referentenentwurf (sämtliche „Steuerstraftaten“) allerdings bereits weitaus enger gefassten Entwurf der Bundesregierung. Danach sollten künftig alle „Fälle der Steuerhinterziehung (§ 370)“ erstmals nach zehn Jahren verjähren. Weil man das im Gesetzgebungsverfahren aber (aus nicht mehr nachvollziehbaren Gründen163) letztlich doch „nicht für erforderlich gehalten“, sondern gewollt habe, dass sich die „Verjährungsfrist für die Verfolgung ‚einfacher‘ Steuerstraftaten … wie bisher nach § 78 Abs. 3 Nr. 4 StGB … [richtet], da die Tat im Höchstmaß mit Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren bedroht ist“164,

könne es nicht angehen, dass dieser gesetzgeberische Wille durch die „Begehungsweisenlösung“ unterlaufen werde. Diese Gefahr bestehe deshalb, weil nach der „Begehungsweisenlösung“ in denjenigen Konstellationen, in denen die Indizwirkung eines (tatbestandlich verwirklichten) Regelbeispiels ausnahmsweise entkräftet sei, dennoch die auf zehn Jahre verdoppelte Verjährungsfrist gelte, obwohl hier letztlich nur der Strafrahmen des § 370 I AO eingreife. §§ 127 II, 100c, d StPO. Wiederum ähnlich formuliert aktuell auch der RegE eines G. zur Änderung der AO und des EGAO v. 26.9.2014 (BR-Drs. 431 / 14) einen in § 371 II Nr. 4 AO-E neu zu schaffenden Sperrgrund für die strafbefreiende Selbstanzeige: „Straffreiheit tritt nicht ein, wenn … 4. ein in § 370 Abs. 3 Satz 2 Nummer 2 bis 5 genannter besonders schwerer Fall vorliegt“ (Art. 1 Nr. 3a E [S. 2]; Begr.: „besondere Strafwürdigkeit dieser Fälle“ [S. 10]). 161  So zutr. etwa Joecks, in: Franzen / Gast / Joecks, § 376 Rn. 14 f.; Rolletschke, in: Rolletschke / Kemper, § 376 Rn. 7b; ders. / Jope, Stbg 2009, 213; Tormöhlen, AOStB 2011, 27 (29); nicht eindeutig Wegner, PStR 2009, 33 (35). 162  Das sind zuvorderst Pelz, NJW 2009, 470 / 471 und Schauf, in: Kohlmann, § 376 Rn. 21. 163  s. S. 137 ff.; auch die SPD-Fraktion im Finanzausschuss spricht in ihrer Stellungnahme zum BR-Entwurf eines G. zur Verbesserung der Bekämpfung von Steuer­ straftaten v. 3.5.2013 (s. S. 176 ff.) rückblickend nur ganz kryptisch von einem „Kompromiss“ (S. 182). 164  s. S.  142 m. w. N.



B. Die Verjährungsfristen im Steuerstrafrecht163

Diese Argumentationslinie geht in dieselbe Richtung wie die im Folgenden unter (c) behandelten „Wertungswidersprüche“ und ist im Ergebnis zu kurz gegriffen. In concreto verschweigen die Anhänger dieser Auffassung nämlich den weiteren auf das vorgenannte Zitat folgenden, hier letztlich maßgeblichen Teil der abschließenden Beschlussempfehlung des Finanzausschusses, der am Ende auch Gesetz geworden ist. Dieser lautet: „Die Verjährungsfrist für die Verfolgung der Steuerhinterziehung soll nach dem neuen § 376 Abs. 1 AO künftig zehn Jahre betragen, sofern eine der in § 370 Abs. 3 Satz 2 AO namentlich aufgezählten Begehungsweisen der besonders schweren Steuerhinterziehung vorliegt.“165

Daraus ergibt sich, dass der Gesetzgeber – nur – die „in § 370 Abs. 3 Satz 2 AO namentlich aufgezählten Begehungsweisen“ (Hervorh. v. hier) und nicht zusätzlich noch die Einstufung der Tat als besonders schweren Fall als Anwendungsvoraussetzung für § 376 I AO im Auge hatte. Hätte der Gesetzgeber diese Formulierung in die Neuregelung übernommen, wäre es zu dem Streit zwischen „Ahndungs-“ und „Begehungsweisenlösung“ so sicher nicht gekommen. Jedenfalls ist aber festzuhalten, dass die entscheidende gesetzgeberische Willensbildung am Ende des Gesetzgebungsverfahrens nicht für die „Ahndungslösung“ spricht – im Gegenteil: die Materia­ lien zeigen vielmehr erkennbar einen gesetzgeberischen Willen hin zur „Begehungsweisenlösung“ auf166. (c) Wertungswidersprüche Soweit der „Begehungsweisenlösung“ bisweilen entgegen gehalten wird167, sie führe in denjenigen Fällen zu einem Wertungswiderspruch, in denen (1) ein unbenannter besonders schwerer Fall mit einem Strafrahmen von bis zu zehn Jahren Freiheitsstrafe vorliege, dieser aber schon nach fünf Jahren verjähre, oder – umgekehrt – (2) die Merkmale des § 370 III 2 Nr. 1–5 AO als solche zwar erfüllt seien (Verjährungsfrist: zehn Jahre), der Täter aber dennoch nur aus dem Strafrahmen des § 370 I AO (bis zu fünf Jahre Freiheitsstrafe) bestraft werden könne, weil die Indizwirkung des Regelbeispiels entkräftet sei, geht das schon im Ansatz fehl. Denn diese – wenn man über165  s.

S. 142 f. (= BT-Drs. 16 / 11108, S. 47). Bülte, in: Hübschmann / Hepp / Spitaler, § 376 AO Rn. 41; Rolletschke, in: Rolletschke / Kemper, § 376 Rn. 6a, 7b; ders. / Jope Stbg 2009, 213 (214); ders. PStR 2010, 75; ders., ZWH 2013, 231; ders., ZWH 2014, 129 (130); abl., mit Tendenz zur „Ahndungslösung“ Samson / Brüning, wistra 2010, 1 (2: „Gesetzesmaterialien … unergiebig“). 167  Vgl. Wulf, DStR 2009, 459 (463); ähnl. Blesinger, in: Kühn / v.  Wedelstädt, § 376 Rn. 1a a. E.; Pelz, NJW 2009, 470 / 471. 166  Ähnl.

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2. Teil: Die Verfolgungsverjährungsfristen

haupt so weit gehen will – allenfalls materiellen Wertungsunschärfen halten sich im gesetzgeberischen Spielraum und konfligieren unter dem Regime der „Begehungsweisenlösung“ auch nicht mit der in § 78 IV StGB getroffenen Grundaussage. Danach ist die Dauer der Verjährungsfrist von der Rechtsfigur des besonders schweren Falls gänzlich abgekoppelt. Sie orientiert sich nicht nach der am konkreten Zumessungssachverhalt ausgeurteilten Strafe, sondern wird abstrakt bestimmt. Es bestehen keinerlei Anhaltspunkte, dass der Normgeber von diesem althergebrachten Systemverständnis abweichen wollte. Umso mehr gilt daher für § 376 I AO, dass die in § 370 III 2 AO beschriebenen „Fallgruppen“ nur „typisierend“168 und nicht strafzumessungsgebunden in den Verjährungstatbestand integriert worden sind. (d) „Rückausnahme“ für Bagatellfälle? Vor diesem Hintergrund ist letztlich auch die in der Literatur vereinzelt169 geforderte „Einschränkung der ‚Begehungsweisenlösung‘ “170 in sog. Bagatellfällen nicht nachvollziehbar. Nicht nur, dass sich die Vertreter dieser Ansicht scheinbar davor scheuen, sich ausdrücklich dazu zu bekennen, dass sie in den von ihnen allenfalls vage umschriebenen Konstellationen171 ausnahmsweise doch die „Ahndungslösung“ zur Anwendung bringen wollen und damit die von ihnen grundsätzlich gebilligte „Begehungsweisenlösung“ gleichsam „durch die Hintertür“ doch wieder insgesamt in Frage stellen172 – für die geforderte „Rückausnahme“ fehlt es schlicht an einem nachvollziehbaren, der verjährungsrechtlichen Systematik nicht zuwider laufenden Grund, um die vom Gesetzgeber implementierte Neuregelung in nicht näher 168  s.

d. Nachw in Fn. 143. Rolletschke, in: Rolletschke / Kemper, § 376 Rn. 7 f. u. ders. / Jope, Stbg 2009, 213 (214; jew. „zur Vermeidung unbilliger Ergebnisse“); Wulf, in: MüKoStGB, § 376 AO Rn. 6 a. E. („sollten … nicht unter § 376 Abs. 1 zu subsumieren sein“; Hervorh. v. hier); ders., DStR 2009, 459 (462); ders., PStR 2010, 13 (19: „bislang offen“); s. a. Rolletschke, ZWH 2014, 129 (130: „… da sich RiBGH Jäger demgegenüber jedoch kritisch geäußert hat, steht nicht zu erwarten, dass sich diese Erwägung in der Praxis durchsetzen wird“). 170  Rolletschke / Jope, Stbg 2009, 213 (214). 171  Rolletschke, in: Rolletschke / Kemper, § 376 Rn. 7 f. („Geringfügigkeitsfälle sowie Fälle, in denen letztlich gar kein Steuerschaden eingetreten ist bzw. der eingetretene Schaden kein großes Ausmaß erreicht [Anm. v. hier: § 370 III 2 Nr. 1 AO fiele dann ohnehin weg] … Kompensationsverbotsfälle … Steuerverkürzungen auf Zeit … Steuervorteilserlangung i. S. d. § 370 Abs. 4 Satz 2 AO“); ähnl. Bender, wistra 2009, 215 (218) unter Verweis auf LG Dresden, NStZ-RR 1999, 371 (Zigarettenschmuggel durch BGS-Beamten [§ 370 III 2 Nr. 3 AO]). Unklar Spatschek / Birkenmaier, Stbg 2009, 361 (366 [bei „Steuerhinterziehung auf Zeit“]). 172  Ähnl. Wollschläger, NZWiSt 2013, 273 (274: „Annäherung“ an die Ahndungslösung). 169  Vgl.



B. Die Verjährungsfristen im Steuerstrafrecht165

(willkürlich?173) bestimmten Einzelfällen praeter legem174 einer (teleologischen?) „Reduktion“175 zuzuführen. Außerdem wird außer Acht gelassen, dass Bagatellfälle, gerade wenn sie schon länger zurück liegen, für eine Anwendung der §§ 153 ff. StPO, § 398 AO prädestiniert sind, sodass das Problem praktisch kaum auftreten dürfte176.177 3. Verfassungsmäßigkeit Die Verfassungsmäßigkeit von § 376 I AO ist in der vergleichsweise kurzen Zeit des Bestehens der Norm im Schrifttum bereits verschiedentlich bezweifelt bzw. auch schon definitiv verneint worden178. Das Tableau verfassungsrechtlicher Kritik konzentriert sich dabei insbesondere auf folgende Aspekte: – Verstoß gegen das Rückwirkungsverbot (Art. 103 II GG), – Verletzung des Bestimmtheitsgebots (Art. 103 II GG), vor allem im Hinblick auf das Merkmal „in großem Ausmaß“ in § 370 III 2 Nr. 1 AO, und – Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 I GG) unter den Gesichtspunkten, dass (1) die unbenannten besonders schweren Fälle der Steuerhinterziehung (§ 370 III 1 AO) von der Neuregelung nicht erfasst seien und (2) die Steuerhinterziehung jetzt ohne sachlichen Grund zum Teil erst weitaus später verjähre, als andere vergleichbare Wirtschaftsstraftatbestände, wie etwa § 263 oder § 266 StGB. Darüber hinaus sehen einzelne Stimmen in der Literatur das im Strafrecht im Verhältnis zu Art. 103 II GG grundsätzlich nachrangige179 Rechtsstaatsgebot (Art. 20 III GG)180, den „Gesetzesvorbehalt“181 und – sogar – den „verfassungsgleichen Grundsatz ‚in dubio pro reo‘ “182 als verletzt an. 173  Nach Wulf (in: DStR 2009, 459 [462]) „sollte jedenfalls unterhalb eines Steuerschadens von 1.000 € [Anm. v. hier: Warum nicht 500 € oder 1.500 €?] pro Fall von einem nur geringfügigen Steuerschaden auszugehen sein, der … für die verlängerte Verfolgungsverjährung nicht ausreichend ist.“ 174  Ebenso Jäger, in: Klein, § 376 Rn. 16. 175  Rolletschke, in: Rolletschke / Kemper, § 376 Rn. 7 f. 176  Vgl. Joecks, in: Franzen / Gast / Joecks, § 376 Rn. 14d. 177  Wie hier Bülte, in: Hübschmann / Hepp / Spitaler, § 376 AO Rn. 53. 178  So etwa Haumann, AO-StB 2012, 157 („Norm … leider verfassungswidrig ausgefallen“); Wegner, PStR 2009, 33 (34: „ ‚Dezembernorm‘ … offenkundig verfassungswidrig“; Hervorh. v. hier). 179  Vgl. Jarass, in: Jarass / Pieroth, Art. 20 Rn. 30, 57. 180  Bender, wistra 2009, 215 (218 f.); Wulf, DStR 2009, 459 (461). 181  Wulf, DStR 2009, 459 (461). 182  Bender, wistra 2009, 215 (218 f.).

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2. Teil: Die Verfolgungsverjährungsfristen

Die Diskussion ist inzwischen sehr vielschichtig geworden und wirkt angesichts zahlreicher Meinungsfacetten gerade an dieser Stelle besonders unübersichtlich183. Dabei entsteht zum Teil der Eindruck, dass das Verdikt der Verfassungswidrigkeit oftmals sehr schnell, wenn nicht gar voreilig, ausgesprochen wird, ohne auch eine verfassungskonforme Auslegung von § 376 I AO in Betracht zu ziehen, die, soweit sie möglich ist, obligatorisch vorzunehmen wäre184. Vor diesem Hintergrund erweist sich der Ausspruch des 1. Strafsenats des BGH im – nach wie vor – aktuellen Beschluss vom 5.3.2013185, wonach die „typisierende Anknüpfung der Verjährungsregelung des § 376 Abs. 1 AO an Regelbeispielen besonders schwerer Fälle der Steuerhinterziehung … verfassungsrechtlich unbedenklich“ sei,

als (im übertragenen Sinne) eine Art „Befreiungsschlag“. Das gilt ungeachtet dessen, dass der Senat seine Auffassung nicht weiter begründet hat186. Umso mehr lohnt der Blick auf die im Folgenden vorgenommene Untersuchung der entsprechenden Gegenargumente. a) Rückwirkungsverbot § 376 I AO verstößt ersichtlich nicht gegen das Rückwirkungsverbot. Darüber ist man sich auch im Schrifttum nahezu einig187. Denn zum einen sind die Verjährungsvorschriften nicht vom Schutzbereich des Rückwirkungsverbots in Art. 103 II GG erfasst, weil sie als Teil des Verfahrensrechts 183  Ähnl.

Samson / Brüning, wistra 2010, 1 (2). v.  Heintschel-Heinegg, in: BeckOK-StGB, § 1 Rn. 21 ff. 185  NStZ 2013, 415 m. Anm. M. Ebner NJ 2013, 479 (zust.) u. Gehm PStR 2013, 136 (abl.); dto. jetzt BGH, NZWiSt 2013, 438 (439 [tragend; in NStZ 2014, 105 insoweit n. abgedr.]) m. Anm. M. Ebner, NJ 2014, 173. 186  Das bedauern etwa auch Gehm, StBW 2013, 939 (941) u. Wulf, SAM 2013, 132 (137); s. a. Ch. Dannecker, NZWiSt 2014, 6 („apodiktische Feststellung“). 187  Vgl. Bender wistra, 2009, 215 (218 f.); Blesinger, in: Kühn / v. Wedelstädt, § 376 Rn. 1a; Haas / Wilke, NStZ 2010, 297 (302 f.); Joecks, in: Franzen / Gast / Joecks, § 376 Rn. 14c; ders., in: Schaumburg FS, S. 1225 (1235); Mosbacher, in: Steueranwalt 2009 / 10, S. 131 (141); Pelz, NJW 2009, 470; Rolletschke, in: Rolletschke / Kemper, § 376 Rn. 7j; ders. / Jope, Stbg 2009, 213 (215); ders., Steuerstrafrecht, Rn. 452g; ders., ZWH 2014, 129 (130); Samson / Brüning, wistra 2010, 1 (3, Fn. 17); Schaefer, NJW-Spezial 2008, 408; Scheffler, ZWH 4 / 2014, R5 f.; Wenzler, in: Flore / Tsambikakis, § 376 Rn. 6; Wulf, DStR 2009, 459 (462 a. E.); schwankend bzw. unklar Bülte, in: Hübschmann / Hepp / Spitaler, § 376 AO Rn. 14 („wohl“); Ch. Dannecker, NZWiSt 2014, 6 (7 a. E.: „eine auf Art. 103 Abs. 2 GG gestützte Verfassungsbeschwerde gegen § 376 AO [dürfte] nur begrenzte Erfolgsaussichten haben.“). 184  Zusf.



B. Die Verjährungsfristen im Steuerstrafrecht167

im weitesten Sinne nicht die Strafbarkeit als solche (Frage des „Ob’s“ der Strafverfolgung bzw. des „Ab wann?“), sondern nur die (Dauer der) Verfolgbarkeit einer Tat (Frage des „Wielange?“) betreffen. Dies hat das BVerfG bereits in seinem grundlegenden Beschluss zur Verfassungsmäßigkeit des Berechnungsgesetzes vom 26.2.1969188 so festgestellt189. Zum anderen liegt auch keine Verletzung des verfassungsrechtlichen Vertrauensschutzes vor, der aus dem Rechtsstaatsprinzip und dem davon umfassten Postulat der Rechtssicherheit (Art. 20 III GG) abgeleitet wird. Letzteres wäre allenfalls dann der Fall, wenn § 376 I AO auch Taten erfassen würde, die nach bisheriger Rechtslage bereits verjährt sind ([nur] dann: unzulässige, sog. „echte“ Rückwirkung)190. Das schließt Art. 97 § 23 EGAO aber gerade aus. Danach werden von § 376 I AO nur solche Taten erfasst, die im Zeitpunkt des Inkrafttretens der Neuregelung noch nicht verjährt waren (i. e. zulässige, sog. „unechte“ Rückwirkung). Anderer Auffassung ist, soweit ersichtlich, einzig Haumann191. Er stützt seine Ansicht, wonach § 376 I AO gegen das Rückwirkungsverbot verstoße, augenscheinlich ebenfalls auf den Beschluss des BVerfG vom 26.2.1969, allerdings ohne dies mit einer entsprechenden Verweisung offen zu legen. Dabei verkennt er, dass die Entscheidung zum Berechnungsgesetz nicht die Frage betraf, „ob es gegen das Grundgesetz verstoße, wenn die bis dahin zeitlich befristete Verjährung beim Tatbestand des Mordes dahingehend geändert wurde, dass Mord keine[r] Verjährung mehr unterliege“192. Denn die Unverjährbarkeit von Mord wurde erst mehr als zehn Jahre später durch das 16.  Strafrechtsänderungsgesetz vom 16.7.1979193 in § 78 II StGB festgelegt – und eine BVerfG-Entscheidung, die sich explizit auch damit befasst, gibt es, soweit erkennbar, nicht. Haumann begründet seine Auffassung dennoch mit folgendem wörtlichen Zitat aus dem dritten amtlichen Leitsatz des Beschlusses vom 26.2.1969: „Die Verlängerung oder Aufhebung noch nicht abgelaufener Verjährungsfristen verstößt jedenfalls bei Verbrechen, die mit lebenslangem Zuchthaus bedroht sind weder gegen das Rechtsstaatsprinzip noch gegen den Gleichheitssatz.“ (Hervorh. v. Haumann)

Die (hier im Kursivdruck) hervorgehobenen Worte lassen nach Auffassung Haumanns „nur den Schluss zu, dass das Verfassungsgericht bei der 188  BVerfGE

25, 269 (286) = NJW 1969, 1059 (1061). 1. Teil, Fn. 300. 190  Vgl. BVerfGE 25, 269 (289 ff.) = NJW 1969, 1059 (1061 f.); zusf. Satzger, JURA 2012, 433 (442). 191  AO-StB 2012, 157 (160). 192  Haumann, AO-StB 2012, 157 (160). 193  BGBl. I, S. 1046. 189  Erg.

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2. Teil: Die Verfolgungsverjährungsfristen

parallelen Situation der Verjährung der Steuerhinterziehung eine andere Entscheidung treffen würde“194. Das ist – vor allem in der von Haumann vorgetragenen Absolutheit – nicht nachvollziehbar. Er übersieht, dass das BVerfG seine Rechtsprechung zur Zulässigkeit der „unechten“ Rückwirkung von Verjährungsvorschriften inzwischen mehrfach bestätigt hat. Dies betraf etwa Art.  315a I, II EGStGB195, § 78b II Nr. 1 StGB196 und insbesondere § 78b IV StGB197. Dabei hat das Gericht – in der Tat ausgehend von der von Haumann hervorgehobenen „jedenfalls“-Passage, die sich nicht nur im dritten Leitsatz des Beschlusses, sondern in ähnlicher Form auch in den Gründen der Entscheidung wiederfindet198 – stets eine „auf den Gesichtspunkt der Vergangenheitsanknüpfung“ beschränkte Verhältnismäßigkeitsprüfung durchgeführt. Insofern ist es vor allem auch bei § 78b IV StGB, dessen Ruhensfolge (sogar noch weitergehend als § 376 I AO) nur an die bloße Existenz eines besonders schweren Falls anknüpft199, zu dem Ergebnis gelangt, dass „der rechtsstaatliche Schutz des Vertrauens dem Ziel der Aufklärung schwerer Straftaten als wesentlichem Auftrag eines rechtsstaatlichen Gemeinwesens … untergeordnet“ ist200. Es liegt auf der Hand, dass dies vor dem Hintergrund der existentiellen Zielsetzung von § 376 I AO („Sicherung des Steueraufkommens“201) auch auf diese Vorschrift zutrifft. b) Bestimmtheitsgebot Im Gegensatz zur Diskussion um das Rückwirkungsverbot sind nicht wenige Literaturvertreter der Ansicht, § 376 I AO sei zu unbestimmt und deshalb verfassungswidrig (Art. 103 II GG). Zu diesem Ergebnis gelangen die Anhänger dieser Auffassung entweder ganz generell, weil sie die „Ahndungslösung“ favorisieren202, oder jedenfalls insoweit (punktuell), als § 376 194  Haumann,

AO-StB 2012, 157 (160). 2, 149 (161 ff.) = NJ 2004, 214 (216). 196  BVerfG, NJW 2000, 1554. 197  BVerfG, NJW 1995, 1145. 198  s. BVerfGE 25, 269 (292) = NJW 1969, 1059 (1062). 199  s. S.  106 ff. 200  BVerfG, NJW 1995, 1145. 201  s. S.  144 ff. 202  Vgl. Bender, wistra 2009, 215 (218); Pelz, NJW 2009, 470 (471 f.); Samson / Brüning, wistra 2010, 1 (3); Spatschek / Albrecht, Stbg 2012, 501; Wulf, DStR 2009, 459 (460 f.); so wohl auch Mack, BRAK-Magazin 4 / 2009, S. 10; unklar noch Spatschek / Birkenmaier, Stbg 2009, 361 (366). 195  BVerfGK



B. Die Verjährungsfristen im Steuerstrafrecht

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I AO auf § 370 III 2 Nr. 1 AO und das darin enthaltene Merkmal „in großem Ausmaß“ Bezug nimmt203. Die – für sich gesehen durchaus konsequente204 – Argumentation der ersten Autorengruppe versagt bereits deshalb, weil die „Ahndungslösung“ nach hier vertretener Auffassung abzulehnen ist205. Soweit die zweite Gruppe die Bestimmtheit von § 370 III 2 Nr. 1 AO nicht zuletzt unter Hinweis auf die Entscheidung des 5. Strafsenats des BGH vom 22.7.2004 zu § 370a AO206 in Frage stellt, müsste zuerst geklärt werden, ob überhaupt und wenn ja, inwiefern Verjährungsvorschriften dem Schutzbereich des Bestimmtheitsgebots unterfallen. Dies ist, anders als bei dem ebenfalls in Art. 103 II GG normierten Rückwirkungsverbot, im Schrifttum umstritten207 und von der Rechtsprechung bislang nicht geklärt worden208. Doch selbst wenn man – was nahe liegt – dazu käme, dass sich der Schutzbereich des Art. 103 II GG insoweit nicht auf Regelungen des 203  Vgl. Bender, wistra 2009, 215 (217); Koops / Kossmann, sj 7 / 2009, 19; I. Meyer, in: Beermann / Gosch, § 376 AO Rn. 17 ff.; Samson / Brüning, wistra 2010, 1 (3); Schauf, in: Kohlmann, § 376 Rn. 28; Weigell, in: Kuhn / Weigell, Rn. 185; Wenzler, in: Flore / Tsambikakis, § 376 AO Rn. 6 f.; dahin tendierend auch Wulf, DStR 2009, 459 (460 f.). 204  Allein der Verweis von Bender (in: wistra 2009, 215 [218 f.]) auf den Zweifelsgrundsatz geht fehl. Zwar hat der BGH in der Tat im Jahr 1963 entschieden, dass sich ausnahmsweise auch Zweifel über Verfahrenstatsachen (dort: den Beendigungszeitpunkt) zugunsten des Täters auswirken können (vgl. BGHSt 18, 274 [278 f.] = NJW 1963, 1209 [1210]; zust. Satzger, JURA 2012, 433 [442 f.]). Um solche Zweifel, die (1) beim Tatrichter, d. h. nicht bei anderen Verfahrensbeteiligten, und (2) nach durchgeführter Beweisaufnahme vorliegen müssen, geht es hier jedoch nicht, selbst wenn man der „Ahndungslösung“ folgt. Denn auch nach dieser Auffassung kann der Tatrichter jedenfalls erst am Ende der Hauptverhandlung sicher aussagen, ob er § 370 III 2 Nr. 1–5 AO zur Anwendung bringen wird. 205  So auch Rolletschke, Steuerstrafrecht, Rn. 452g; Wollschläger, NZWiSt 2013, 273 (274). 206  NJW 2004, 2990; erg. S. 51 f. 207  U.  a. verneint von Ch. Dannecker, NZWiSt 2014, 6 (13); Pieroth, in: Jarass / Pieroth, Art. 103 Rn. 47; Rolletschke / Jope Stbg 2009, 213 (214); ebenso wohl auch Wulf, DStR 2009, 459 (461: „nicht zwangsläufig“) s. a. Nolte, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, Art. 103 Abs. 2 Rn. 111 m. w. N.; bejaht von Pelz, NJW 2009, 470 (471 f.); Samson / Brüning, wistra 2010, 1 (3); Schauf, in: Kohlmann, § 376 Rn. 28; zw. Haas / Wilke, NStZ 2010, 297 (303, Fn. 82); offen gelassen von Mosbacher, in: Steueranwalt 2009 / 10, S. 131 (143); Rolletschke, in: Rolletschke / Kemper, § 376 Rn. 7j. 208  Das BVerfG (NJW 1992, 223) hat dies ausdrücklich offen gelassen. Die Entscheidung BVerfGK 2, 149 (= NJ 2004, 214) bezieht sich, wie Pelz (in: NJW 2009, 470 [471, Fn. 17]) zutreffend ausführt, trotz ihres offenen Wortlauts (a. a. O., S. 161: „Als Verjährungsregelung ist Art. 315a I und II EGStGB nicht am Maßstab des Bestimmtheitsgrundsatzes gemäß Art. 103 II GG zu messen“) ersichtlich nur auf das

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2. Teil: Die Verfolgungsverjährungsfristen

Verjährungsrechts erstreckt, wäre in einem zweiten Schritt die in der Literatur209 zusätzlich aufgeworfene Frage zu beantworten, ob sich dann nicht zumindest mit Blick auf das – ansonsten nachrangige – Rechtsstaatsgebot (Art. 20 III GG) verfassungsrechtliche Bedenken dahingehend ergeben könnten, dass es dem Verjährungstatbestand in § 376 I i. V. m. § 370 III 2 Nr. 1 AO an der nötigen Normenklarheit fehlt. Dies wäre nicht von vornherein von der Hand zu weisen. Denn vor dem Hintergrund der wegen des andauernden Ankaufs von „Steuerdaten“ heute mehr denn je relevanten strafbefreienden Selbstanzeige ist es von großer praktischer Bedeutung – und letztlich auch dem Gebot der Fairness („fair trial“) geschuldet –, dass vor Abgabe einer Selbstanzeige Klarheit über alle „unverjährten“ und damit nach derzeitiger Rechtslage noch zwingend in die Anzeige aufzunehmenden Steuerstraftaten einer Steuerart herrscht (vgl. § 371 I AO)210. All das kann hier jedoch (weiterhin) dahinstehen, weil § 376 I AO jedenfalls bei verfassungskonformer Auslegung sowohl insgesamt als auch speziell in Bezug auf die in die Vorschrift integrierten Tatbestandsmerkmale des § 370 III 2 Nr. 1 AO hinreichend bestimmt ist211. Dies setzt zum einen die als Grundlage einer verfassungskonformen Auslegung von § 376 I AO ohnehin zwingende Anwendung der „Begehungsweisenlösung“ voraus212. Zum anderen besteht kein Zweifel daran, dass der einheitliche Verjährungstatbestand in § 376 I i. V. m. § 370 III 2 Nr. 1 AO den von der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung aufgestellten Anforderungen an die Gesetzesbestimmtheit bei Verjährungsvorschriften genügt. Das BVerfG213 hat Rückwirkungsverbot; BGHSt 40, 113 (= NJW 1994, 2240) befasst sich mit dem (nach dortiger Auffassung hier ebenfalls nicht geltenden) Analogieverbot. 209  Bender, wistra 2009, 215 (218 f.); I. Meyer, in: Beermann / Gosch, § 376 AO Rn. 18; Wulf, DStR 2009, 459 (460 f.). 210  Vgl. Pelz, NJW 2009, 470 (471). Nach Art. 1 Nr. 3a des RegE eines G. zur Änderung der AO und des EGAO v. 26.9.2014 (BR-Drs. 431/14) soll § 371 I AO insoweit modifiziert werden („mindestens innerhalb der letzten zehn Kalender­ jahre“). 211  So auch Blesinger, in: Kühn / v.  Wedelstädt, § 376 Rn. 1a; Jäger, in: Klein, § 376 Rn. 15; Mosbacher, in: Steueranwalt 2009 / 10, S. 131 (143); Rolletschke, in: Rolletschke / Kemper, § 376 Rn. 7j; Tormöhlen, AO-StB 2011, 27 (29); unklar Haas / Wilke, NStZ 2010, 297 (303: „nicht offenkundig, dass die Novelle insoweit Bedenken auslöst“). 212  Ebenso Rolletschke, in: Rolletschke / Kemper, § 376 Rn. 7j; Tormöhlen, AOStB 2011, 27 (29); unklar Rolletschke / Jope, Stbg 2009, 213 (214). 213  NJW 1992, 223. Dieser Nichtannahmebeschluss der 2.  Kammer des 2. Senats vom 19.2.1992 (2 BvR 102 / 91) betrifft entgegen dem ersten Anschein nicht nur den dort in concreto zu beurteilenden (überholten) Sonderfall der „fortgesetzten Handlung“ (Gliederungspunkt II.2.b; erg. Teil  1, Fn. 246), sondern – unter Punkt II.2.a



B. Die Verjährungsfristen im Steuerstrafrecht171

dazu in Bezug auf die Bestimmtheit von § 78a S. 1 StGB, der – aus Sicht der Kritiker fast noch unbestimmter – den Verjährungsbeginn schlicht an die „Beendigung“ der Tat anknüpft, Folgendes ausgeführt: „Das Gebot der Bestimmtheit des Gesetzes darf nicht übersteigert werden; die Gesetze würden sonst zu starr und kasuistisch und könnten der Vielgestaltigkeit des Lebens, dem Wandel der Verhältnisse oder der Besonderheit des Einzelfalls nicht mehr gerecht werden … Das Strafrecht kann deshalb nicht darauf verzichten, allgemeine Begriffe zu verwenden, die formal nicht allgemeingültig umschrieben werden können und mithin in besonderem Maße einer Deutung durch den Richter bedürfen. Das Gebot der Gesetzes­bestimmtheit bedeutet also nicht, daß der Gesetzgeber gezwungen ist, sämtliche Straftatbestände ausschließlich mit rein deskriptiven, exakt erfaßbaren Tatbestandsmerkmalen zu umschreiben … Generalklauseln oder unbestimmte, wertausfüllungsbedürftige Begriffe im Strafrecht sind deshalb nicht von vornherein verfassungsrechtlich zu beanstanden. Gegen die Verwendung derartiger Klauseln oder Rechtsbegriffe bestehen jedenfalls dann keine Bedenken, wenn sich mit Hilfe der üblichen Auslegungsmethoden, insbesondere durch Heranziehung anderer Vorschriften desselben Gesetzes, durch Berück­ sichtigung des Normzusammenhangs oder aufgrund einer gefestigten Rechtsprechung eine zuverlässige Grundlage für die Auslegung und Anwendung der Norm gewinnen läßt, so daß der einzelne die Möglichkeit hat, den durch die Strafnorm geschützten Wert sowie das Verbot bestimmter Verhaltensweisen zu erkennen und die staatliche Reaktion vorauszusehen … Dies gilt gerade auch für die Bestimmungen des Allgemeinen Teils des StGB.“ (Hervorh. v. hier)

Dem wird § 370 III 2 Nr. 1 AO jedenfalls heute gerecht, weil sich beginnend mit dem Grundsatzurteil des 1. Strafsenats des BGH vom 2.12.2008214 bis hin zum Beschluss vom 15.12.2011 zum „ ‚Griff in die Kasse‘ des Staates“215 zwischenzeitlich unbestreitbar eine gefestigte Rechtsprechung zur Auslegung des Merkmals „in großem Ausmaß“ etabliert hat216. Danach geht auch der im Schrifttum angestrengte Vergleich mit § 370a AO ins vor die Klammer gezogen – ganz generell die Verfassungsmäßigkeit von § 78a StGB: „Gegen die von den Gerichten des Ausgangsverfahrens angewendete Vorschrift des § 78a StGB bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Sie genügt insbesondere den Anforderungen, die Art. 103 Abs. 2 GG an die inhaltliche Bestimmtheit eines Strafgesetzes stellt. … Mit Hilfe der üblichen Auslegungsmethoden und der gefestigten Rechtsprechung des BGH läßt sich eine zuverlässige Grundlage für den Beginn der Verfolgungsverjährung gewinnen.“ (Hervorh. v. hier). 214  BGHSt 53, 71 (79 ff.) = NJW 2009, 528 (531 ff.). 215  NJW 2012, 1015 (1016) m. Anm. M. Ebner, NJ 2013, 347. 216  So bereits M. Ebner, NJ 2014, 173 (175); insoweit zust. Bülte, in: Hübschmann / Hepp / Spitaler, § 376 AO Rn. 39 f.; Ch. Dannecker, NZWiSt 2014, 6 (12); s. a. Jäger (in: Klein, § 376 Rn. 15), der davon ausgeht, dass der Gesetzgeber bereits bei der Schaffung von § 376 I AO auf hinreichende Auslegungsgrundsätze der Rspr. zurückgreifen konnte; gl. A. betr. § 370a AO Schneider, S. 288 ff. (294); insges. a. A. I. Meyer, in: Beermann / Gosch, § 376 AO Rn. 19; Schauf, in: Kohlmann, § 376 Rn. 28; Wulf, DStR 2009, 459 (461).

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2. Teil: Die Verfolgungsverjährungsfristen

Leere, weil die damals vom 5. Strafsenat des BGH aufgeworfenen Fragen zur Bestimmtheit des Verbrechenstatbestands, „[1] unter welchen Voraussetzungen … [das] Tatbestandmerkmal [‚in großem Ausmaß‘] erfüllt ist, [2] welche Anknüpfungspunkte maßgeblich sein sollen und ob es auf den jeweiligen Einzelfall ankommt oder ob [3] bei einer Vielzahl von Hinterziehungstaten … eine Gesamtbetrachtung des Tatbilds entscheidend sein soll“217,

nunmehr eindeutig beantwortet sind218. In der Folge ist es jetzt sogar oftmals einfacher zu bestimmen, ab welchem Hinterziehungsbetrag von einer Steuerverkürzung „in großen Ausmaß“ auszugehen ist, als sicher auszusagen, wann die konkrete Tat beendet war und die Verjährungsfrist zu laufen begonnen hat. Somit kann, wenn schon § 78a S. 1 StGB nach der Rechtsprechung des BVerfG ausreichend bestimmt ist, „erst recht“ für den Verjährungstatbestand in § 376 I i. V. m. § 370 III 2 Nr. 1 AO nicht anderes gelten (arg. a maiore ad minus)219. Alles andere würde auf einen Wertungswiderspruch hinauslaufen. Für das, soweit ersichtlich, bisher nur von Wulf220 ebenfalls für nicht bestimmt genug erachtete Merkmal der „Bande“ in § 370 III 2 Nr. 5 AO gilt dies gleichermaßen. Denn eine „steuerstrafrechtsspezifische“ Auslegung des Bandenbegriffs gibt es ebenso wenig wie eine „diebstahlsspezifische“ (§§ 244 I Nr. 2, 244a I StGB) oder „betrugsspezifische“ (§ 263 III 2 Nr. 1, V StGB). Die von Wulf beschriebene Konstellation, „dass sich drei oder mehr Beteiligte – sei es im Rahmen einer Personengesellschaft oder als mehrköpfige Geschäftsführung einer Körperschaft – zu einem legalen Zweck zusammenfinden, um ein Unternehmen zu betreiben, wenn dann innerhalb dieser Unternehmenstätigkeit (auch) Umsatz‑ oder Verbrauchsteuern hinterzogen werden“221,

lässt sich, wie seine weiteren Ausführungen zeigen, mit den hergebrachten Auslegungskriterien der Rechtsprechung zur „Bandeneigenschaft“ lösen222. Eine darüber hinausgehende teleologische Reduktion des § 370 III 2 Nr. 5 217  NJW

2004, 2990 (2991). S. 153 ff.; ähnl. Wulf, DStR 2009, 459 (460 f.). 219  A. A. Ch. Dannecker, NZWiSt 2014, 6 (12) unter ambivalentem Rekurs auf BVerfGE 126, 170 = NJW 2010, 3209 – hinreichende Bestimmtheit des Untreuetatbestands (2. amtl. Ls.: „Die Rechtsprechung ist gehalten, Unklarheiten über den Anwendungsbereich von Strafnormen durch Präzisierung und Konkretisierung im Wege der Auslegung nach Möglichkeit auszuräumen (Präzisierungsgebot).“). 220  In: MüKo-StGB, § 370 AO Rn. 440 f., § 376 AO Rn. 5 u. DStR 2009, 459 (462). 221  Wortlautidentisch in: MüKo-StGB, § 370 AO Rn. 441 u. DStR 2009, 459 (462). 222  Vgl. nur Fischer, § 244 Rn. 34 ff. m. w. N. 218  s.



B. Die Verjährungsfristen im Steuerstrafrecht173

AO ist, wie der 5.  Strafsenat bereits zur Vorgängerregelung des § 370a S. 1 Nr. 2 AO ausgeführt hat223, nicht erforderlich224. Im Übrigen entspräche solches auch – ersichtlich – nicht dem Willen des Gesetzgebers. c) Allgemeiner Gleichheitssatz Am weitaus häufigsten225 wird gegen § 376 I AO vorgebracht, die Vorschrift laufe dem allgemeinen Gleichheitssatz zuwider. Ausgehend von der klassischen Formel, wonach Art. 3 I GG gebietet „wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich“ zu behandeln, sei zum einen nicht einzusehen, weshalb das Vorliegen eines vom Unrechts- und Schuldgehalt her gleichgelagerten unbenannten besonders schweren Falls im Sinne von § 370 III 1 AO nicht auch zum Eingreifen der 10-jährigen Verjährungsfrist führen können solle (hier sog. Innenverstoß226)227. Zum anderen habe man durch den mit § 376 I AO eingeschlagenen Sonderweg die „Parallelität“ der Verjährung der Steuerhinterziehung zu den anderen „vergleichbaren Wirtschaftsstraftaten“, allen voran den §§ 263, 266 StGB, ohne zureichende Rechtfertigung „aufgebrochen“228 (hier sog. Außenverstoß229)230.

223  NJW

2004, 2990 (2991); erg. S. 51. auch Mosbacher, in: Steueranwalt 2009 / 10, S. 131 (144 f.). 225  Ebenso Samson / Brüning, wistra 2012, 1 (2). 226  „Innenverstoß“, weil die Kritik auf die innere Struktur von § 376 I bzw. § 370 III AO abzielt. 227  Vgl. Bender, wistra 2009, 215 (217, 219); Haas / Wilke, NStZ 2010, 302 (305); Koops / Kossmann, sj 7 / 2009, 19; I. Meyer, in: Beermann / Gosch, § 376 AO Rn. 15; Mitsch, in: MüKo-StGB, § 78 Rn. 22; Pelz, NJW 2009, 470 (471); Samson / Brüning, wistra 2012, 1 (3); Schauf, in: Kohlmann, § 376 Rn. 29; Spatschek / Engler, SAM 2009, 122 (124); Wegner, PStR 2009, 33 (34); Weigell, in: Kuhn / Weigell, Rn. 185; Wenzler, in: Flore / Tsambikakis, § 376 AO Rn. 6; Wulf, DStR 2009, 459 (463: Verstoß „gegen die Folgerichtigkeit der Strafgesetzgebung als besondere Ausformung des allgemeinen Gleichheitssatzes“); zweifelnd dagegen Tormöhlen, AO-StB 2011, 27 (29: „könnte gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstoßen“); offen gelassen von Ch. Dannecker, NZWiSt 2014, 6 (8, 11 f.: „Grenzfall“). 228  Diktion nach Wegner, PStR 2009, 33 (35). 229  „Außenverstoß“, weil bei dieser Argumentation das (Außen-)Verhältnis von § 376 I AO zu anderen Wirtschaftsstraftatbeständen im Fokus steht. 230  So Koops / Kossmann, sj 7 / 2009, 19 (20); Mitsch, in: MüKo-StGB, § 78 Rn. 22, der (auch) auf die §§ 264 II 2, 266a IV 2 StGB abstellt; Schauf, in: Kohlmann, § 376 Rn. 27; Wegner, PStR 2009, 33 (35); Weigell, in: Kuhn / Weigell, Rn. 185; ähnl. I. Meyer, in: Beermann / Gosch, § 376 AO Rn. 16 („nicht ganz nachvollziehbar“); weitergehend Wulf, Stbg 2008, 445 (452), der darin gar einen „deutlichen Bruch im System der Strafverfolgungsverjährung“ sieht; s. dazu jüngst auch Ch. Dannecker, NZWiSt 2014, 6 (9: „insoweit … Systembruch“). 224  So

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2. Teil: Die Verfolgungsverjährungsfristen

Bei einzelnen Autoren münden diese Bedenken sogar in den schwerwiegenden Befund, die Neuregelung sei „eklatant gleichheitswidrig“231 bzw. „offenkundig verfassungswidrig“232. Alledem kann freilich nicht zugestimmt werden. Denn die Literaturvertreter verkennen bei ihrer Kritik, dass der Gesetzgeber auch bei der Schaffung neuer Verjährungsregeln über einen sehr weiten Ermessensspielraum verfügt233. Dabei unterliegen, wie Haas und Wilke234 in diesem Zusammenhang zutreffend ausführen, insbesondere auch Normen wie § 78 IV StGB keinem gleichwie gearteten verfassungsrechtlichen „Bestands­ schutz“235. Diese beiden Aspekte führen letztlich zu dem Schluss, dass der Gesetzgeber – mithin erst recht – die in § 370 III 2 Nr. 1–5 AO enthaltenen Tatbestandsmerkmale in § 376 I AO integrieren durfte, um (nach der „Begehungsweisenlösung“ ohne Verstoß gegen § 78 IV StGB) einen neuen Verjährungstatbestand zu generieren. Die Grenzen legislativer Gestaltungsfreiheit sind erst bei einer offensichtlich willkürlichen Rechtsetzung erreicht, die sachlich überhaupt nicht mehr nachvollziehbar und / oder vertretbar ist. Dies ist hier jedoch ersichtlich nicht der Fall. Das BVerfG236 hat sich dazu in einem ähnlich gelagerten Fall in einer Kammerentscheidung aus dem Jahr 2003 wie folgt grundlegend verhalten: „Dieser [i. e. der allgemeine Gleichheitssatz] gebietet dem Gesetzgeber, wesentlich Gleiches nicht willkürlich ungleich und wesentlich Ungleiches nicht willkürlich gleich zu behandeln. Dabei bleibt ihm die Auswahl der Parameter überlassen, die für dieselben oder für unterschiedliche Rechtsfolgen den Ausschlag geben sollen, im Rechtssinne also ‚gleiche‘ und ‚ungleiche‘ Sachverhalte schaffen … Ihm kommt eine weitgehende Gestaltungsfreiheit zu, die erst dort endet, wo die ungleiche Behandlung der Lebenssachverhalte nicht mehr mit einer am Gerechtigkeitsgedanken orientierten Betrachtungsweise vereinbar ist, weil ein einleuchtender 231  Haas / Wilke,

NStZ 2010, 302 (306). PStR 2009, 33 (34 f.). 233  Vgl. Bülte, in: Hübschmann / Hepp / Spitaler, § 376 AO Rn. 43; Jäger, in: Klein, § 376 Rn. 15; Joecks, in: Franzen / Gast / Joecks, § 376 Rn. 14d; Mosbacher, in: Steueranwalt 2009 / 10, S. 131 (143). 234  NStZ 2010, 302 (303). 235  Ähnl. Bülte, in: Hübschmann / Hepp / Spitaler, § 376 AO Rn. 44 f. Neuerdings hat Ch. Dannecker (in: NZWiSt 2014, 6 [8 ff.]) erwogen, ob dem ein verfassungsrechtlich loziertes „Folgerichtigkeits- und Konsistenzgebot“ (a. a. O., S. 9, re. Sp. oben) entgegen stehen könnte; schließlich bestehe nach „der einfachgesetzlichen Konzeption“ in § 78 III StGB eine „Korrelation von Unrecht und Verjährungsdauer“ (a. a. O., S. 9, li. Sp. unten). Allerdings vermag auch Ch. Dannecker nicht zu begründen, weshalb der Gesetzgeber hiervon in concreto nicht hätte abweichen dürfen (a. a. O., S. 10: „Irrationalitätsprivileg der Politik“). 236  BVerfGK 2, 149 (163; in NJ 2004, 214 [216] insoweit n. vollst. abgedr.); s. dazu auch BVerfG, Beschl. v. 27.1.2004, 2  BvR 1166 / 03, BeckRS 2004, 20559. 232  Wegner,



B. Die Verjährungsfristen im Steuerstrafrecht175 Grund für die gesetzliche Differenzierung offensichtlich fehlt, es sich demnach um Regelungen handelt, die unter keinem sachlichen Gesichtspunkt gerechtfertigt sind und damit als willkürlich erscheinen.“ (Hervorh. v. hier)

In casu ging es um die – vom BVerfG verneinte – Frage, ob der anlässlich der Deutschen Wiedervereinigung geschaffene besondere Verjährungstatbestand des Art. 315a EGStGB dem allgemeinen Gleichheitssatz zuwider läuft, weil er Straftäter in den neuen und alten Bundesländern unterschiedlich behandelt. Misst man § 376 I AO an den vom BVerfG aufgestellten Grundsätzen, ist eine Verletzung von Art. 3 I GG weder unter dem Gesichtspunkt eines „Innen-“ noch eines „Außenverstoßes“ zu besorgen: aa) „Außenverstoß“ Ein „Außenverstoß“ kommt mit Blick auf das ohne Weiteres sachlich gerechtfertigte Telos der Neuregelung (i. e. „Sicherung des Steuer­auf­kom­ mens“237) nicht in Betracht. Denn diesen Zweck darf der Gesetzgeber einerseits ganz generell mit den Mitteln des Strafrechts bzw. seiner Verschärfung in einem bestimmten Teilbereich (§ 376 I AO) verfolgen, zumal wenn ihm, wie hier, eine partielle Verlängerung / Verdoppelung der Verfolgungsverjährungsfrist bei der Steuerhinterziehung im aktuellen zeitlichen Kontext (Stichwort „Liechtenstein-Affäre“, s. o.) opportun erscheint238. Dies mag man aus verschiedensten Gründen, insbesondere aus Betroffenen- bzw. Verteidigersicht, rechtspolitisch anders sehen können239. Ein Verstoß gegen Art. 3 I GG liegt allein deshalb jedoch noch nicht vor.240 Andererseits erschließt sich nicht, worauf die Vertreter dieser Ansicht ihre Ausgangsthese stützen, die Verjährungsfrist der Steuerhinterziehung (d. h. nur § 370 AO) müsse (stets) derjenigen „vergleichbarer“ Wirtschaftsstraftaten entsprechen. Ein solches grundlegendes Postulat kennt weder das Straf- noch das Verfassungsrecht241, zumal gerade der Vergleich der Steuerhinterziehung mit den §§ 263, 264, 266 und – vor allem – § 266a StGB hinkt: Denn zum einen läuft die Verjährung in der Praxis wegen der unterschiedlichen Beendigungszeitpunkte (§ 78a S. 1 StGB) ohnehin kaum jemals 237  s.

S.  144 ff. Bülte, in: Hübschmann / Hepp / Spitaler, § 376 AO Rn. 44; Ch. Dannecker, NZWiSt 2014, 6 (11); erg. S. 144 ff. 239  So argumentiert etwa Wulf, Stbg 2008, 445 (452: „kein kriminalpolitisches Bedürfnis erkennbar“); erg. S. 35 zum sog. „Klimawandel“. 240  Ähnl. Haas / Wilke, NStZ 2010, 302 (303: „verfassungsrechtlich nicht anstößig“). 241  Vgl. Pelz, NJW 2009, 470 (471); Samson / Brüning, wistra 2010, 1 (3). 238  Dto.

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2. Teil: Die Verfolgungsverjährungsfristen

parallel. Zum anderen nimmt § 266a II StGB in diesem Kontext auch noch eine Sonderstellung ein, weil die Tat hier erst mit dem Wegfall der sozialversicherungsrechtlichen Beitragspflicht beendet ist. Das ist, insbesondere wenn der Beitragsschuldner eine natürliche Person ist, oft erst 30 Jahre nach Ablauf des Kalenderjahrs der Fall, in dem die Ansprüche fällig geworden sind (vgl. § 25 I 2 SGB IV)242. Klarzustellen ist außerdem, dass eine 10-jährige Verfolgungsverjährungsfrist dem Steuerstrafrecht keineswegs gänzlich fremd ist, wie die §§ 373, 374 II und § 370a S. 1 AO beleg(t)en. Schließlich kennt das Steuerordnungswidrigkeitenrecht mit § 384 AO oder § 128 III BranntwMonG ebenfalls Sondertatbestände, die die Ver­ folgungsverjährungsfrist für Ordnungswidrigkeiten nach §§ 378–380 AO bzw. § 126 II BranntwMonG in Abweichung von der Maximalfrist des § 31 II Nr. 1 OWiG (drei Jahre) auf fünf Jahre ausdehnen. Verfassungsrechtliche Einwände dagegen sind, soweit erkennbar, bisher noch nicht erhoben worden. Letztendlich handelt es sich also – wie gerade an dieser Stelle besonders deutlich wird – im Kern nicht um einen verfassungsrechtlichen, sondern vielmehr um einen rechtspolitischen Diskurs. bb) Exkurs: Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Bekämpfung von Steuerstraftaten vom 3.5.2013 Dass das Thema nach wie vor in erheblichem Umfang „rechtpolitisch aufgeladen“ ist, belegt nicht zuletzt der vom Bundesrat eingebrachte Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Bekämpfung von Steuerstraftaten vom 3.5.2013243, mit dem dieser das Ziel verfolgte, in einer erneuten Abänderung des § 376 I AO die Verjährungsfrist für sämtliche Fälle der Steuerhinterziehung (also bezogen auf § 370 I AO, nicht „nur“ auf § 370 III 2 AO) auf zehn Jahre auszuweiten244. Mit dieser Initiative, die auf einen Antrag der Bundes242  s.

S. 98 m. w. N. 339 / 13. 244  Just dasselbe Ziel verfolgte ganz aktuell abermals der RefE eines G. zur Änderung der AO und des EGAO des BMF v. 27.8.2014 (im Internet abrufbar unter http: /  / www2.nwb.de / portal / content / ir / downloads / 267999 / 2014-08-27-G-zur-Aende rung-der-Abgabenordnung-und-Einfuehrungsgesetz-zur-Abgabenordnung.pdf [zuletzt abger. am 5.10.2014]) in Art. 1 Nr. 5 (§ 376 I AO-RefE: „Die Verjährungsfrist in Fällen der Steuerhinterziehung nach § 370 beträgt zehn Jahre.“ [S. 4]; Begr. wiederum „Gleichklang mit der … zehnjährigen Festsetzungsfrist bei Steuerhinterziehung“ [S. 13]). In den Gesetzentwurf der Bundesregierung v. 26.9.2014 (BR-Drs. 431 / 14) 243  BR-Drs.



B. Die Verjährungsfristen im Steuerstrafrecht177

länder Baden-Württemberg und Hamburg zurückging, betrat der Bundesrat freilich kein Neuland. Denn es handelte sich bei Artikel 1 des Gesetzentwurfs um den bereits bekannten Entwurf der Bundesregierung aus dem Jahr 2008 (§ 376 I AO-E), der nach Diskussionen im Finanzausschuss des Bundestags auf Intervention der FDP mit Zustimmung der CDU / CSU- und der SPDFraktion am Ende einvernehmlich abgelehnt worden war245. Irgendein nachvollziehbarer Grund dafür, § 376 I AO-E 2008 nach derart kurzer Zeit erneut auf das legislative Tableau zu bringen, lässt sich weder der Begründung des Gesetzentwurfs entnehmen, noch ist ein solcher sonst erkennbar. Der Bundesrat sah dies freilich anders und führte nach den einleitenden Allgemeinerwägungen „Steuerhinterziehung ist kein Kavaliersdelikt. Sie schädigt das Steueraufkommen und damit das Gemeinwesen. Es ist deshalb Aufgabe des Staates, für eine wirksame Bekämpfung von Steuerhinterziehung Sorge zu tragen. Dies erfordert auch eine Angleichung der Fristen, innerhalb derer eine strafrechtliche Verfolgung von Steuerhinterziehung und der Festsetzung der verkürzten Steuern möglich ist.“

Folgendes aus: „Nach § 169 Absatz  2 Satz  2 AO beträgt die steuerliche Festsetzungsfrist zehn Jahre, soweit eine Steuer hinterzogen wurde. Unter Berücksichtigung der An- und Ablaufhemmungen nach §§ 170 und 171 AO können hinterzogene Steuern im Einzelfall auch noch nach mehr als zehn Jahren festgesetzt und erhoben werden. Bis zum Inkrafttreten des Jahressteuergesetzes 2009 enthielt die Abgabenordnung für die Steuerhinterziehung nach § 370 AO keine eigenständige Regelung zur Verfolgungsverjährung. Es galten die allgemeinen Regelungen des Strafgesetzbuches mit der Folge einer grundsätzlich fünfjährigen Verfolgungsverjährungsfrist nach § 78 Absatz  3 Nummer  4 StGB. Mit dem Jahressteuergesetz 2009 wurde für Taten im Sinne des § 370 Absatz  3 AO (Steuerhinterziehung in einem besonders schweren Fall) eine von § 78 StGB abweichende Sonderregelung in § 376 Absatz  1 AO geschaffen. In diesen Fällen besteht eine grundsätzliche Parallelität zwischen Steuerfestsetzungsverjährung und steuerstrafrechtlicher Verfolgungsverjährung. Die strafrechtliche Ahndung bei Steuerhinterziehung in besonders schweren Fällen kann sich so auf einen längeren Zeitraum erstrecken, das Strafrisiko für den Hinterzieher steigt. Dadurch kann Steuerhinterziehung wirkungsvoller bekämpft werden. Handelt es sich hingegen nicht um eine Steuerhinterziehung in einem besonders schweren Fall, besteht nach wie vor eine erhebliche Diskrepanz zwischen der Steuerfestsetzungsverjährung, die in der Regel zehn Jahre beträgt, und der Strafverfolgungsverjährung, die bei einer Steuerhinterziehung im Sinne des § 370 Absatz 1 AO fünf Jahre beträgt. ist das Vorhaben nach durchgeführter Ressortabstimmung allerdings nicht mehr über­ nommen worden. 245  s. S.  137 ff.

178

2. Teil: Die Verfolgungsverjährungsfristen

Nicht zuletzt im Hinblick auf die Fülle der seit dem Jahre 2010 aufgedeckten Steuerhinterziehungsfälle im Zusammenhang mit ausländischen Vermögensanlagen sollten alle Steuerstraftaten möglichst (gleich) lang strafrechtlich geahndet werden können. Denn besonders in diesen Fällen ist die Diskrepanz zwischen der regulären Steuerfestsetzungsfrist von zehn Jahren und der Strafverfolgungsverjährung von fünf Jahren bei Steuerhinterziehungen im Sinne des § 370 Absatz  1 AO – wenn keines der in § 370 Absatz  3 Satz  2 Nummer  1 bis Nummer  5 AO ausdrücklich aufgeführten Regelbeispiele erfüllt ist – mit Blick auf den Unrechtsgehalt unsachgemäß und erschwert die strafrechtliche Ahndung. Überdies führt das Auseinanderfallen der Steuerfestsetzungsverjährung und der Strafverfolgungsverjährung auch in Selbstanzeigefällen zu Verwerfungen, da sich eine wirksame Berichtigungserklärung nach § 371 Absatz  1 AO zwar auf alle strafrechtlich nicht verjährten Zeiträume beziehen muss, die Steuern aber für alle nicht festsetzungsverjährten Besteuerungszeiträume nachträglich festgesetzt werden müssen und ohne entsprechende Berichtigungserklärung für diese Jahre häufig nicht mehr sachgerecht ermittelt werden können. Das läuft im Ergebnis auch der Intention des § 371 AO in der Fassung durch das Schwarzgeldbekämpfungsgesetz 2011 zuwider: Die Straffreiheit sollte ausdrücklich daran geknüpft werden, dass ein Steuerhinterzieher jedenfalls bezogen auf eine Steuerart ‚reinen Tisch macht‘. De facto ist das in Fällen der Steuerhinterziehung nach § 370 Absatz  1 AO dann nicht der Fall, wenn die Berichtigungserklärung im Sinne des § 371 Absatz  1 AO für die nicht strafverfolgungsverjährten (fünf) Besteuerungszeiträume abgegeben wird und damit wirksam ist, in Ansehung der steuerrechtlich zusätzlich relevanten weiteren fünf Veranlagungszeiträume aber keine Offenlegung erfolgt und unter Umständen ganz bewusst eine möglicherweise zu niedrige Schätzung der Besteuerungsgrundlagen durch die Finanzbehörden in Kauf genommen wird.“246

All das war, wie bereits ausgeführt, nichts wesentlich Neues. Im Kern begründete der Bundesrat die von ihm angestrebte Verlängerung der Regelverjährungsfrist aller (!) Steuerhinterziehungen247 auf zehn Jahre mit der „Fülle der seit dem Jahre 2010 aufgedeckten Steuerhinterziehungsfälle im Zusammenhang mit ausländischen Vermögensanlagen“ und verknüpfte dies mit dem – aus seiner Sicht im Vergleich zu anderen Hinterziehungsdelikten höheren – Unrechtsgehalt sowie möglichen „Verwerfungen“ bei der Selbstanzeige. Dabei verkennt jedoch auch dieser Gesetzentwurf die enorme Bandbreite der im Phänomenkreis „Steuerhinterziehung“ in praxi auftretenden Fallgestaltungen und – vor allem – die hier besonders zum Tragen kommende unterschiedliche Höhe der jeweiligen Verkürzungsbeträge. Die bereits gegen § 376 I AO-E 2008 ins Feld geführten Bedenken gegen die Verhältnismä246  BR-Drs.

339 / 13, S. 2 f. der Entwurfsbegründung spricht der Bundesrat – wohl versehentlich, weil selbst seine eigene Initiative nicht so weit ging – davon, dass „alle Steuerstraftaten [das hieße § 369 I AO!] möglichst (gleich) lang strafrechtlich geahndet werden können“ sollen. 247  In



B. Die Verjährungsfristen im Steuerstrafrecht

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ßigkeit einer 10-jährigen Verjährungsfrist für sämtliche, also auch nur geringfügige und Kleinstverkürzungen betreffende Steuerhinterziehungen kamen daher nicht von ungefähr und gelten nach wie vor (entsprechend). Ganz zu schweigen davon, dass sich allein mit den „Steuerdaten-CD“-Fällen, die in der Entwurfsbegründung angesprochen sein dürften, eine derart weitreichende Verschiebung der allgemeinen Verjährungssystematik kaum überzeugend begründen lässt, weil die Tatbegehung just in diesen Fallkonstellationen (§ 370  I Nr. 2 AO) regelmäßig gerade keine überdurchschnittlich hohe kriminelle Energie erfordert(e). Hinzu kommt, dass auf Landesebene kaum mehr ausreichende Kapazitäten bei den Strafverfolgungsbehörden bestehen dürften, um die aufgrund einer solchen Novelle – wiederum – zusätzlich zu erwartenden Verfahren neben dem bereits bestehenden Arbeitsvolumen zeitnah und sachgerecht abarbeiten zu können248. Denn nach Artikel 2 des Gesetzentwurfs sollte auch die Neuregelung „alle bei [ihrem] Inkrafttreten … noch nicht abgelaufenen Verjährungsfristen“

erfassen. Zuletzt übersieht der Entwurf, dass die von ihm avisierte „Angleichung der Fristen, innerhalb derer eine strafrechtliche Verfolgung von Steuerhinterziehung und der Festsetzung der verkürzten Steuern möglich ist“, aufgrund der unterschiedlichen systematischen Ausgestaltung der straf- und steuerrechtlichen Verjährungsregeln ohne wirklich tiefgreifende Veränderungen in dem einen oder anderen Regelungsbereich gar nicht zu realisieren ist. Denn die wirklich entscheidenden Unterschiede liegen hier nicht in der Länge der jeweiligen Verjährungsfrist, sondern in deren unterschiedlichem Beginn249. Damit konnte das Ziel des Gesetzentwurfs mit einer bloßen Harmonisierung der Fristlänge nicht erreicht werden. Nicht zu Unrecht hat sich die Bundesregierung daher bereits am 29.5.2013 gegen den Gesetzentwurf des Bundesrats ausgesprochen und dies wie folgt begründet: „Die Bundesregierung hält den Vorschlag des Bundesrates, für alle Fälle einer Steuerhinterziehung die Verjährungsfrist für die Strafverfolgung auf zehn Jahre festzulegen, nicht für überzeugend. Der Vorschlag zielt auf eine Verlängerung der Verfolgungsverjährung bei Steuerhinterziehung (§ 370 Abgabenordnung – AO) in allen Fällen und nicht nur in besonders schweren Fällen auf zehn Jahre. Eine derartige Verlängerung begegnet Bedenken im Vergleich zu anderen Straftatbeständen sowie im Hinblick auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. 248  Ähnl. bereits Wulf, Stbg 2008, 445 (452) zu § 376 I AO in der heute geltenden Fassung („ansteigende Überbelastung“). 249  Vgl. DAV, SAM 2008, 136 (137 f.); erg. S. 144 ff. m. weit. Nachw. zu § 376 I AO-E 2008.

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2. Teil: Die Verfolgungsverjährungsfristen

Mit dem Jahressteuergesetz 2009 wurde bereits als Ausnahme zu den geltenden Regeln über die Verjährung in den §§ 78 ff. des Strafgesetzbuchs (StGB) für Fälle der besonders schweren Steuerhinterziehung, die durch Regelbeispiel konkretisiert sind, eine zehnjährige Verfolgungsverjährung geschaffen (§ 376 Absatz  1 AO). Die Verfolgungsverjährung betrug bis dahin – wie bei mit vergleichbarer Strafandrohung bedrohten Delikten – fünf Jahre. Bereits diese Verlängerung der Strafverfolgungsverjährung war rechtssystematisch umstritten. Eine weitere Ausdehnung der Verjährungsverlängerung auch auf Fälle einfacher Steuerhinterziehung würde der Systematik des Strafrechts, die auch für das Nebenstrafrecht gilt, deutlich widersprechen. Denn schon gegen die geltende Regelung des § 376 Absatz  1 AO wurde eingewandt, dass diese Norm gegen den Gleichheitsgrundsatz (Artikel  3 des Grundgesetzes) verstoße, weil die Verjährungsregelung von der vergleichbarer Delikte (Diebstahl, § 242 StGB, Betrug, § 263 StGB und Untreue, § 266 StGB) abweiche. Selbst für Subventionsbetrug (§ 264 StGB), der sich auch gegen den Staat richten kann, beträgt die Verjährungsfrist nur fünf Jahre. Infolge einer Verlängerung der strafrechtlichen Verfolgbarkeit der einfachen Steuerhinterziehung auf zehn Jahre würde ein Betrug zu Lasten des Staates länger verfolgbar sein als ein Betrug zu Lasten einer privaten Person. Dogmatisch würde dies auch der Wertung der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs widersprechen, der gerade seine Rechtsprechung zur Steuerhinterziehung seiner Rechtsprechung zum Betrug angenähert hat. Neben den rechtssystematischen Bedenken droht aus Sicht der Bundesregierung auch ein Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Die vom Bundesrat vorgeschlagene Verlängerung der Strafverfolgungsverjährung hätte zur Folge, dass jede in der Praxis noch so geringfügige Falschangabe in einer Steuererklärung wie z. B. die wahrheitswidrige Angaben eines zu langen Fahrweges zwischen Wohnung und Arbeitsstätte oder die falsche Behauptung, man nutze den eigenen PKW zwischen Wohnung und Arbeit, obwohl tatsächlich die Fahrgemeinschaft genutzt wird, zu einer strafrechtlichen Verfolgbarkeit von zehn Jahren führen würde. Dies begegnet Bedenken im Hinblick auf die Verhältnismäßigkeit. Nach Auffassung der Bundesregierung ist der Vorschlag des Bundesrates vor dem Hintergrund der seit dem Jahre 2010 aufgedeckten Steuerhinterziehungsfälle im Zusammenhang mit dem Ausland zu sehen. Gerade in diesen Fällen dürfte bereits das geltende Recht dem Ziel des Bundesrates gerecht werden. In diesen Fällen handelt es sich in der Regel gerade nicht um die Fälle, die von der jetzt geforderten Verlängerung erfasst würden, sondern regelmäßig ohnehin der zehnjährigen Verlängerungsfrist unterliegen.“250

Dem ist uneingeschränkt zuzustimmen. Mit der etwas ungenau formulierten Erwägung, dass nach dem Gesetzentwurf „jede in der Praxis noch so geringfügige Falschangabe in einer Steuererklärung … zu einer strafrechtlichen Verfolgbarkeit von zehn Jahren führen 250  BT-Drs.

17 / 13664, S. 7.



B. Die Verjährungsfristen im Steuerstrafrecht181

würde“, meinte die Bundesregierung ersichtlich die bereits angesprochenen Variationen in der Höhe des jeweiligen Verkürzungsbetrags. Denn darauf, ob die „Falschangabe“ (§ 370 I Nr. 1 AO) – sofern man diesen Terminus hier überhaupt verwenden will – „geringfügig“ ist, kommt es weder für die Tatbestandsverwirklichung noch bei der Strafzumessung an. Maßgeblich ist vielmehr die (Höhe der) dadurch bewirkte(n) Steuerverkürzung. Mit ähnlichen Erwägungen und im Ergebnis zu Recht hat daher auch der Finanzausschuss des Bundestages im Einvernehmen mit dem mitberatenden Rechtsausschuss am 26.6.2013 die Beschlussempfehlung abgegeben, den Gesetzentwurf abzulehnen. Den Beratungsverlauf und die Beratungsergebnisse im federführenden Finanzausschuss gibt dieser wie folgt wieder: „Der Finanzausschuss empfiehlt mit den Stimmen der Fraktionen der CDU / CSU und FDP gegen die Stimmen der Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN bei Stimmenthaltung der Fraktion DIE LINKE. Ablehnung. Die Koalitionsfraktionen der CDU / CSU und FDP betonten, den vorliegenden Gesetzentwurf des Bundesrates abzulehnen. Die Bundesregierung unter Angela Merkel habe für besonders schwere Fälle der Steuerhinterziehung in § 370 Abs. 3 AO eine zehnjährige Verjährungsfrist eingeführt. Eine Beschränkung auf besonders schwere Fälle sei erfolgt, um Wertungswidersprüche zum allgemeinen Strafrecht zu vermeiden. Für Diebstahl, Betrug, Subventionsbetrug und Untreue – die mit einer Steuerhinterziehung vergleichbar seien − würde weiterhin die allgemeine Verjährungsfrist von fünf Jahren gelten. Es entstünde daher ein Wertungswiderspruch, wenn man – wie im Antrag gefordert − auch für leichte Fälle der Steuerhinterziehung eine zehnjährige Verjährungsfrist einführen würde. Ein leichter Fall von Steuerhinterziehung, bei dem z. B. bei den Werbungskosten wenige Kilometer Fahrstrecke zu viel angegeben würden, würde dann dieser hohen Verjährungsfrist unterliegen. Die vorgesehene Regelung verstieße somit gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und wäre verfassungswidrig. Zudem sei es der falsche Weg, aus emotionalen Gründen strafrechtliche Verjährungsfristen zu verändern, selbst wenn die Öffentlichkeit das Thema stark bewege. Gerade wenn es um das Strafrecht gehe, müsse der Gesetzgeber rational handeln, da ein besonders sensibler Bereich betroffen sei. Bei Steuerhinterziehungen, die keine besonders schweren Fälle darstellen würden, sei z. B. im Vergleich zu einem einfachen Betrug kein höherer Unwertgehalt festzustellen. Dort werde aber keine Verlängerung der Verjährungsfrist diskutiert. Die Rechtsordnung müsse in sich stimmig sein. Man könne nicht annehmen, dass es einen höheren Unwertgehalt darstelle, wenn der Staat anstelle eines Bürgers betrogen werde. Die Fraktion der SPD betonte, der Bundesrat verfolge mit dem vorgelegten Gesetzentwurf das Ziel, Steuerstraftaten wirksam zu bekämpfen. Es handele sich auch um einen Beitrag für mehr Steuergerechtigkeit, der dazu führen würde, dass möglichst alle Steuerpflichtigen auch tatsächlich Steuern zahlten und der Staat die Steuereinnahmen bekäme, die er dringend bräuchte. Derzeit sei eine Strafverfolgung von Steuerhinterziehung regelmäßig bis zu fünf Jahre nach Beendigung der Tat möglich. Lediglich in den Fällen einer besonders schweren Steuerhinterziehung im Sinne des § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 bis 5 AO betrage die Verjährungsfrist

182

2. Teil: Die Verfolgungsverjährungsfristen

zehn Jahre (§ 376 Abs  1 AO). Demgegenüber betrage steuerrechtlich die Festsetzungsfrist für hinterzogene Steuern stets zehn Jahre (§ 169 Abs. 2 S. 2 AO). Mit dem Jahressteuergesetz 2009 sei schon einmal der Versuch unternommen worden, die Verjährungsfrist für die Strafverfolgung einer Steuerhinterziehung der Festsetzungsverjährungsfrist von zehn Jahren anzugleichen. Dies sei seinerzeit an der entsprechenden Kritik im Deutschen Bundestag gescheitert. Als Kompromiss sei damals im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens zum Jahressteuergesetz 2009 die Verfolgungsverjährung lediglich für besonders schwere Fälle der Steuerhinterziehung auf zehn Jahre ausgedehnt worden. Jetzt zeige die Praxis aber, dass diese Regelung unbefriedigend sei, insbesondere deshalb, weil man im Zuge der Anhäufung von Datenträgern vermehrt Steuerhinterziehungsfälle aufgedeckt habe. Zudem gäbe es Probleme mit der Regelung zur strafbefreienden Selbstanzeige. Es gäbe drei Punkte, die zeigten, dass die jetzige Situation unbefriedigend sei. Erstens: Auch wenn keines der Regelbeispiele des § 370 Abs. 3 AO vorliege − etwa, weil das Hinterziehungsvolumen je Besteuerungszeitraum und Steuerart kleiner 50.000 Euro sei und damit keine Steuerhinterziehung großen Ausmaßes vorliege −, könne dennoch gerade bei den Fällen mit Auslandsbezug ein erheb­ licher Unwertgehalt vorliegen. Zweitens: Die Diskrepanz der Verjährungsfristen führe zu praktischen Verwerfungen bei der Auswertung von Selbstanzeigen. Seit Anfang 2010 seien allein in Baden-Württemberg im Zusammenhang mit Kapitalanlagen in der Schweiz mehr als 11.000 Selbstanzeigen eingegangen. Drittens: Die jetzige Regelung laufe der eigentlichen Intention des Schwarzgeldbekämpfungsgesetzes zuwider, wonach Straffreiheit nur derjenige erlangen solle, der ‚reinen Tisch mache‘, da gegenwärtig auch ohne vollständige Bereinigung der steuerrechtlich noch nicht verjährten Zeiträume Straffreiheit erlangt werden könne. Die Berichtigungserklärung nach § 371 Abs. 1 AO müsse sich nur auf die strafrechtlich unverjährten Zeiträume erstrecken, um wirksam zu sein. Das werde in der Praxis insbesondere von anwaltlich beratenen Steuerpflichtigen häufig ausgenutzt. Hierdurch werde auch die Festsetzung der hinterzogenen Steuern für frühere Jahre, für die die zehnjährige Festsetzungsfrist noch nicht, die derzeit fünfjährige Verfolgungsverjährung bei einer ‚einfachen‘ Steuerhinterziehung aber bereits abgelaufen sei, erschwert. Die Fraktion DIE LINKE. erklärte, dem grundsätzlichen Anliegen der Bundesratsinitiative zuzustimmen, da eine höhere Verjährungsfrist die Handlungschancen der Steuerbehörden verbessere und damit auch das Strafrisiko für die Hinterziehenden erhöhe. Allerdings befände sich die Fraktion DIE LINKE. bei der vorgeschlagenen Maßnahme in einem Zielkonflikt, da nicht von der Hand zu weisen sei, dass sie zu einer Ungleichbehandlung von Straftaten führe. Es passe nicht zusammen, dass der Betrug gegenüber dem Staat nach zehn Jahren und der gegenüber dem Bürger nach fünf Jahren verjähren solle. Im Hinblick auf den angesprochenen Zielkonflikt sei der Ansatz der Fraktion DIE LINKE., Bagatelldelikte zu entkriminalisieren bzw. als Ordnungswidrigkeiten zu charakterisieren. Man wisse, dass sich die Staatsanwaltschaft mehr mit wirklicher Kriminalität als mit Bagatellsachen auseinandersetzen sollte. Man könne sich auch den Katalog des § 370 Abs. 3 AO anschauen und entsprechende Korrekturen vornehmen. Man



B. Die Verjährungsfristen im Steuerstrafrecht183 könne zudem darüber diskutieren, ob 50.000 Euro als ‚großes Ausmaß‘ i. S. d. § 370 Abs. 3 S. 2 Nr. 1 AO zu hoch angesetzt seien. Eine weitere Möglichkeit wäre, solche Fälle in § 370 Abs. 3 AO einzubeziehen, die von der Öffentlichkeit als besonders wichtig angesehen würden. Die Fraktion BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN schloss sich den Ausführungen der Fraktion der SPD an.“251

Auch dem ist kaum noch etwas hinzuzufügen. Unter Bestimmtheitsgesichtspunkten gänzlich fehl geht allerdings der von der Fraktion DIE LINKE. gemachte Vorschlag, in § 370 III 2 AO (nur?) für die Verjährungsfrage eine – nicht näher beschriebene – Art Öffnungsklausel für „von der Öffentlichkeit als besonders wichtig angesehen[e]“ Fälle aufzunehmen. Solches erinnert an die gerichtsverfassungsrechtliche Kategorie der besonderen Sachbedeutung für eine Landgerichtsanklage (§ 24 I Nr. 3 3. Var. GVG). Diese ist jedoch sowohl bei der Strafzumessung als auch für die Verjährungsprüfung kein tauglicher Anknüpfungspunkt, denn das wäre aus Sicht des Normadressaten bei weitem zu konturlos. Und sollte der Vorschlag auf den z. B. in § 248a StGB installierten „Mechanismus“ des Einschreitens von Amts wegen bei relativen Antragsdelikten abheben, ist auch das unbehelflich. Dann nämlich hätte die Staatsanwaltschaft die Dauer der Verjährungsfrist mittels Bejahung bzw. Verneinung des „besonderen öffentlichen Interesses an der Strafverfolgung“ in der Hand. Dies aber wäre letztlich kaum zielführend, weil sich hierauf die Argumente der Anhänger der „Ahndungslösung“ übertragen ließen. cc) „Innenverstoß“ Auch der Einwand, es sei kein sachlicher Grund dafür erkennbar, die unbenannten besonders schweren Fälle nicht in § 376 I AO mit einzubeziehen252, ist nicht nachvollziehbar. Denn das kam nach der vom Gesetzgeber ins Auge gefassten bzw. eingesetzten Verweisungstechnik offensichtlich nicht Betracht. Anders als bei den in § 370 III 2 Nr. 1–5 AO tatbestandlich festgeschriebenen besonders schweren Fällen, wäre eine Bezugnahme auch auf § 370 III 1 AO praktisch nicht handhabbar – weil schlicht zu unbestimmt – gewesen253 und letztlich auf die aus vorgenannten Gründen abzu251  BT-Drs.

17 / 14159 (Hervorh. v. dort). insbes. Haas / Wilke, NStZ 2010, 302 (305); Samson / Brüning, wistra 2010, 1 (3); Schauf, in: Kohlmann, § 376 Rn. 29; dem anscheinend zust. Kuhlen, S. 14 u. Wollschläger, NZWiSt 2013, 273 (274 a. E.). 253  Ähnl. Blesinger, in: Kühn / v.  Wedelstädt, § 376 Rn. 1a (hätte „Unsicherheit vergrößert, wenn nicht sogar erst geschaffen“); s. a. Bülte, in: Hübschmann / Hepp / Spitaler, § 376 AO Rn. 48. 252  So

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2. Teil: Die Verfolgungsverjährungsfristen

lehnende „Ahndungslösung“ hinausgelaufen. Dass der Gesetzgeber keinesfalls eine (auch nur teilweise) zu unbestimmte und damit nicht anwendbare Regelung schaffen wollte, versteht sich dabei von selbst. Dies musste er in den Gesetzesmaterialien nicht eigens zum Ausdruck bringen254. Auf den Punkt gebracht: Der in der Literatur vermisste sachliche Grund für die Nichteinbeziehung der unbenannten besonders schweren Fälle besteht darin, dass § 376 I AO andernfalls tatsächlich zu unbestimmt und damit (insoweit) nicht sicher anwendbar gewesen wäre255. Das ist, anders als Wulf256 meint, durchaus folgerichtig. Gegen eine solche Differenzierung ist auch von Verfassungs wegen nichts zu erinnern257. Aufgrund dieser rechtssystematisch eindeutigen Ausgangssituation kann letztlich offen bleiben, ob – was die These vom „Innenverstoß“ in einem ersten Schritt impliziert – die Sätze 1 und 2 des § 370 III AO unter dem Gesichtspunkt eines tatbestandlich-bestimmten Anknüpfungspunkts für § 376 I AO tatsächlich als etwas „wesentlich Gleiches“ im Sinne von Art. 3 I GG anzusehen sind. Denn es fehlt – im zweiten Schritt – jedenfalls an der für einen Verfassungsverstoß erforderlichen willkürlichen Ungleichbehandlung. Ohne Belang ist auch, dass die benannten und die unbenannten besonders schweren Fälle „keine anderen Rechtsgüter“ schützen258. Schließlich mutet das Ergebnis der Gegenauffassung (i. e. ein [„Innen-“] Verstoß gegen Art. 3 I GG liegt vor) zirkelschlussartig an. Denn denkt man dieses Ergebnis zu Ende, würde das bedeuten, dass § 376 I AO verfassungswidrig wäre, weil der Gesetzgeber die Verjährungsverdoppelung nicht auch noch auf weitere Fälle ausgedehnt hat. Um einen Verfassungsverstoß zu vermeiden, hätte er also eine aus Sicht des Normadressaten weitaus weniger fassbare Fallgruppe in den Tatbestand des § 376 I AO mit einbeziehen und diesen somit noch ausweiten müssen259. Dies erscheint widersinnig. 254  Abw.

wohl Haas / Wilke, NStZ 2010, 302 (306). Mosbacher, in: Steueranwalt 2009 / 10, S. 131 (143: „unter Bestimmtheitsgesichtspunkten sinnvoller, für die Verjährung an eine konkrete tatbestandsähnliche Unrechtsumschreibung anzuknüpfen als an eine Generalklausel“); Rolletschke, in: Rolletschke / Kemper, § 376 Rn. 7j („Differenzierungsgrund ist das Vorliegen einer Begehungsweise …, an das die Fristverlängerung gerade anknüpft“); ders. / Jope Stbg 2009, 213 (215: „Ausgehend von der Begehungsweisenlösung ist diese Unterscheidung zwingend“); s. a. Ch. Dannecker, NZWiSt 2014, 6 (11: „unvermeidbares Folgeproblem … Insoweit blieb dem Gesetzgeber keine Alternative“); Rolletschke, Steuerstrafrecht, Rn. 452g; ders., ZWH 2014, 129 (130). 256  In: DStR 2009, 459 (463). 257  Einen „Innenverstoß“ ebenfalls abl. Jäger, in: Klein, § 376 Rn. 15; Joecks, in: Franzen / Gast / Joecks, § 376 Rn. 14d. 258  A. A. Samson / Brüning, wistra 2010, 1 (3). 259  So Haas / Wilke, NStZ 2010, 302 (305). 255  Ebenso



B. Die Verjährungsfristen im Steuerstrafrecht185

IV. Exkurs: Die „Besondere Verfolgungsverjährung“ nach § 11 StraBEG „§ 11 Besondere Verfolgungsverjährung. (1) Taten im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz  1 und Handlungen im Sinne des § 6, die sich auf vor dem 1.  Januar 1993 entstandene Ansprüche auf Einkommen- oder Körperschaftsteuer, Umsatzsteuer, Vermögensteuer, Gewerbesteuer und Erbschaft- und Schenkungsteuer sowie auf damit zusammenhängende steuerliche Nebenleistungen beziehen, können nach dem 31. Dezember 2003 nicht mehr verfolgt werden, wenn eine wirksame strafbefreiende Erklärung abgegeben wurde; dies gilt auch, wenn sich später herausstellt, dass diese Erklärung unvollständig war. Satz 1 gilt auch dann, wenn die Tat oder Handlung erst nach dem 31.  Dezember 1992 begangen wurde. (2)  Absatz  1 gilt auch für Taten und Handlungen, die sich auf Ansprüche auf Steuerabzugsbeträge beziehen, die nach dem Einkommensteuergesetz vor dem 1.  Januar 1993 einzubehalten waren.“

§ 11 StraBEG260 beinhaltet eine weithin unbekannte Sonderregel des steuerstrafrechtlichen Verjährungsrechts, die sich allein auf Fälle des mit Wirkung zum 30.12.2003 in Kraft getretenen Gesetzes über die strafbefreiende Erklärung261 bezieht. Dabei handelt es sich um ein sog. Amnestiegesetz, das bestimmten Steuerstraftätern (§§ 370, 370a AO, § 26c UStG) im Zeitraum vom 31.12.2003 bis 1.1.2005 die Möglichkeit eröffnete, durch Abgabe einer „strafbefreienden Erklärung“ und Nachentrichtung der nur nach Pauschalsätzen ermittelten Hinterziehungsbeträge (Abgeltungssteuer) Straffreiheit zu erlangen262. Der Amnestiezeitraum des StraBEG erfasste die in den Jahren 1993–2002 entstandene Einkommensteuer einschließlich Lohn- und Kapitalertragsteuer, Körperschaft-, Gewerbe-, Umsatz- und Vermögensteuer sowie die Erbschaft- und Schenkungsteuer für Erwerbe zwischen dem 31.12.1992 und dem 1.1.2003 (vgl. § 1 II–VI StraBEG), soweit kein Ausschlussgrund nach §§ 1 VII und 7 StraBEG vorlag. Die Möglichkeit der strafbefreienden Selbstanzeige (§ 371 AO a. F.) bestand daneben fort und wurde durch das StraBEG nicht berührt263. Das StraBEG zielte darauf ab, zur Verbesserung der Steuergerechtigkeit264 „durch eine attraktive Regelung für die Vergangenheit einen Anreiz zu bieten, in die 260  Zur

Vorgängerregelung in Art. 17 des G. über die strafbefreiende Erklärung von Einkünften aus Kapitalvermögen und von Kapitalvermögen – StRefG 1990 v. 25.7.1988 (BGBl. I, S. 1093) s. Joecks / Randt Rn. 9 ff.; Ransiek, in: Kohlmann, § 370 Rn. 1021; Streck / Kamps, in: Streck, Einl. Rn. 5. 261  StraBEG v. 23.12.2003 (BGBl. I, S. 2928). 262  Zur Entstehungsgeschichte Streck / Kamps, in: Streck, Einl. Rn. 2 ff. 263  Vgl. nur Jäger, in: Klein, § 371 Rn. 115. Die Wahl zwischen beiden Instituten oder gar deren Kombination richtete sich vorrangig nach einem „Vergleich der [jeweils] errechneten Zahllast“ (Bohnert, in: MAH-WiStra, § 30 Rn. 690). 264  s. dazu S. 41 ff.

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2. Teil: Die Verfolgungsverjährungsfristen

Steuerehrlichkeit zurückzukehren und damit einen Beitrag zum Rechtsfrieden zu leisten“ (sog. Brücke in die Steuerehrlichkeit) sowie gleichzeitig „die Überprüfungsmöglichkeiten der Finanzverwaltung maßvoll“ zu verbessern, „um Steuerhinterziehung in der Zukunft zu erschweren“265. Ob diese Ziele tatsächlich erreicht worden sind, lässt sich nicht sicher aussagen. Aus der vom Bundesfinanzministerium veröffentlichten „Bilanz der ‚Steueramnestie‘ “ ergibt sich nur, dass aus den insgesamt 56.274 abgegebenen strafbefreienden Erklärungen Steuermehreinnahmen in Höhe von 1,4 Mrd. € erzielt wurden266.

§ 11 StraBEG enthält einen fragwürdigen Annex zu den strafrechtlichen Rechtsfolgen einer wirksamen strafbefreienden Erklärung. Die Vorschrift sollte, wie Spatschek267 es ausdrückt, eine „Amnestielücke“ schließen, die in Ausnahmekonstellationen für Altfälle außerhalb des Amnestiezeitraums (1993–2002), also aus den Jahren 1992 und früher, eintreten konnte. Konkret betraf dies vor dem Amnestiezeitraum entstandene, hinterziehungsbefangene Steueransprüche, hinsichtlich derer die Strafverfolgung im Abgabezeitraum (31.12.2003 bis 1.1.2005) noch nicht verjährt war und die aufgrund ihres Zusammenhangs mit dem Inhalt der strafbefreienden Erklärung dadurch entdeckt zu werden drohten268. An der Erforderlichkeit dieser Regelung bestehen allein schon wegen den – parallel dazu geltenden – umfassenden Verwendungsbeschränkungen in § 13 StraBEG erhebliche Bedenken. Das gilt umso mehr vor dem Hintergrund, dass selbst eine absichtlich unvollständig gehaltene strafbefreiende Erklärung die Rechtsfolgen des § 11 StraBEG herbeiführen269 und die „erfolgreiche Teilnahme an der Amnestie“ bewirken können sollte, auch wenn sie nur Kleinsthinterziehungen betraf270. Dieses offensichtliche Missverhältnis wird aus strafrechtlicher Perspektive allein dadurch relativiert, dass § 11 StraBEG rechtstatsächlich bis jetzt 265  BT-Drs. 15 / 1521, S. 1; zur Verfassungsmäßigkeit des StraBEG s. u. a. Streck / Kamps, in: Streck, Einl. Rn. 10 ff. Eine entsprechende Richtervorlage gem. Art. 100 I GG des FG Köln (DStRE 2005, 1398) hat das BVerfG für unzulässig erachtet (BVerfGK 13, 327 [330 ff.] = DStRE 2008, 1067 [1068 ff.]). 266  MoB 9 / 2005, S. 41. 267  In: Streck, § 11 Rn. 1; s. a. Blesinger, in: Kühn / v.  Wedelstädt, 18. Aufl., § 11 StraBEG Rn. 1. 268  Konstruiertes Bsp. bei Spatschek, in: Streck, § 11 Rn. 4. 269  Spatschek, in: Streck, § 11 Rn. 7; ebenso Joecks, in: Franzen / Gast / Joecks, 6. Aufl., § 11 StraBEG Rn. 3. 270  Spatschek, in: Streck, § 11 Rn. 12: „Straf- und Steuerfreiheit für die gesamte Vergangenheit vor 1993, zB auch für die Millionen-Schenkung in 1992 (Verjährungsbeginn erst mit dem Tod des Schenkers, § 170 Abs. 5 Nr. 2 AO)“; ebenso bereits Schwedhelm / Spatschek, DStR 2004, 109 (115); s. dazu auch Joecks, in: Franzen / Gast / Joecks, 6. Aufl., § 11 StraBEG Rn. 2 u. Rottpeter / Webel, in: Schwarz, § 12 StraBEG Rn. 4 jew. m. w. N.



B. Die Verjährungsfristen im Steuerstrafrecht187

nur in der finanzgerichtlichen Judikatur relevant geworden ist. Die, soweit erkennbar, einzigen beiden hierzu ergangenen Entscheidungen betrafen jeweils nur die steuerliche Seite, weil § 12 S. 1 StraBEG für die dort geregelte „Besondere Festsetzungsverjährung“ auf § 11 StraBEG Bezug nimmt271. Daran hat sich auch durch die Einführung von § 376 I AO nichts mehr geändert272. Bei künftigen Amnestiegesetzen sollte die erneute Schaffung einer derartigen Regelung freilich überdacht werden, zumal diese jetzt auch mit § 371 I AO in der seit dem Schwarzgeldbekämpfungsgesetz273 geltenden Fassung (Stichwort: „reinen Tisch“ machen274) kollidieren würde.

271  FG

Köln, DStRE 2006, 1031; FG Düsseldorf, EFG 2011, 382. S. 147 f.; ähnl. bereits vor der Einführung von § 376 I AO Bohnert, in: MAH-WiStra, § 30 Rn. 672 („Die Vorschrift wird kaum je praktische Bedeutung erlangen, da Steuerstraftaten, die sich auf Steueransprüche aus der Zeit vor dem 1.  Januar 1993 beziehen, zwischenzeitlich verjährt sein dürften“); Joecks, in: Franzen / Gast / Joecks, 6. Aufl., § 11 StraBEG Rn. 1, 4. 273  G. zur Verbesserung der Bekämpfung der Geldwäsche und Steuerhinterziehung v. 28.4.2011 (BGBl. I, S. 676); erg. Teil  3, Fn. 42 zum Verhältnis von § 371 AO zu § 24 StGB. 274  So erstmals BGHSt 55, 180 (182) = NJW 2010, 2146 (2147). 272  s.

3. Teil

Der Verjährungsbeginn bei § 370 AO Wie bereits im 1. Teil skizziert, beginnt der Lauf der Verfolgungsverjährungsfrist gemäß § 78a S. 1 StGB erst mit der „Beendigung“ der jeweiligen Tat. Dies ist mangels einer entsprechenden Sonderregelung im gesamten Steuerstrafrecht und damit auch bei der Steuerhinterziehung der Fall (vgl. § 369 II AO). Insbesondere enthält § 376 AO insofern keine weitergehenden Modifizierungen. Aufgrund der engen Verknüpfung des Steuerstrafrechts mit dem Steuerrecht müssen bei der Bestimmung des im Einzelfall maßgeblichen Beendigungszeitpunkts folgende grundlegende Unterscheidungen getroffen werden1: (1) Verjährungsbeginn bei § 370 AO im steuerlichen Festsetzungsverfahren und im – als Oberbegriff – Beitreibungsverfahren; (2) Differenzierung zwischen Fälligkeits- und Veranlagungssteuern im Festsetzungsverfahren sowie (3) in der Folge jeweils zwischen den verschiedenen Begehungsvarianten in § 370 I Nr. 1, 2 und 3 AO. Das Festsetzungsverfahren ist in den §§ 155 ff. AO geregelt. Es bildet das „Herzstück“ des Besteuerungsverfahrens nach der Abgabenordnung. Die sich daran anschließende Beitreibung der festgesetzten Steuern fußt hierauf. Hinterziehungen sind zwar auch außerhalb des Festsetzungsverfahrens im steuerlichen Ermittlungs-, Erhebungs-, Vollstreckungs-2, Rechtsbehelfs- und sogar noch im finanzgerichtlichen3 Verfahren denkbar4. Sie kommen dort rechtstatsächlich allerdings bei Weitem nicht so häufig vor und weisen mit Blick auf den Verjährungsbeginn dann in der Regel keine spezifisch steuer1  Ebenso

Jäger, in: Klein, § 376 Rn. 20. BGHSt 43, 381 = NJW 1998, 1568 – Fall Zwick; BGH, NStZ-RR 2012, 372 – Vereitelung der Beitreibung geschuldeter Steuern durch bewusste und systematische Vermögenslosstellung; erg. BGHSt 58, 115 = NJW 2013, 949 – Fall Holzer m. Anm. Kraatz, JR 2013, 465 (466 ff.). 3  Bsp.: OLG Hamm, NStZ-RR 2009, 177 – versuchte Erschleichung der Wieder­ einsetzung in die Klagefrist; OLG München, NStZ-RR 2013, 15 – wahrheitswidrige Angaben in der Klagebegründung; erg. S. 227 ff. 4  Ausf. etwa Joecks, in: Franzen / Gast / Joecks, § 370 Rn. 226 ff. 2  Grdlg.



3. Teil: Der Verjährungsbeginn bei § 370 AO

189

strafrechtlichen Besonderheiten auf, weil die Tatbeendigung hier mit Vollendung zusammenfällt5. Die – u. a.6 – davon abweichende Konstellation des Erschleichens von Steuervergütungen7 (§ 370 IV 2 1. Hs. AO), bei der die Tat im Falle der Auszahlung von Geldleistungen nach herrschender Meinung erst dann beendet ist, wenn die getäuschte Finanzbehörde die (letzte) schädigende Verfügung vorgenommen hat, soll im Folgenden en detail am Praxisfall der „Kindergeldhinterziehung“ vorgestellt werden8. Dieser eignet sich nicht nur sehr gut zur Veranschaulichung der verjährungsrechtlichen Problematik. Es handelt sich darüber hinaus um eine Fallgruppe, die im Schrifttum sowohl insgesamt als auch gerade mit Blick auf die Verfolgungsverjährung bisher nur vereinzelt näher betrachtet worden ist. Die Trennung zwischen Fälligkeits- und Veranlagungssteuern ist notwendig, weil mit diesen beiden Kategorien erhebliche strukturelle Unterschiede im verfahrensmäßigen Ablauf der Besteuerung einhergehen9. Diese führen dazu, dass der Zeitpunkt des Erfolgseintritts bei der Steuerhinterziehung (Vollendung) und die Beendigung der Tat bisweilen auseinander fallen (können). Es ist daher für das Verständnis der verjährungsrechtlichen Systematik im Steuerstrafrecht unumgänglich, sich die konstruktiven Unterschiede zwischen Fälligkeits- und Veranlagungssteuern vorab wie folgt vor Augen zu führen: – Die Gruppe der Fälligkeitssteuern zeichnet sich dadurch aus, dass die jeweilige Steuer ohne gesonderten Rechts- bzw. Festsetzungsakt der Finanzbehörde zu einem gesetzlich festgelegten Termin automatisch zur Zahlung fällig wird (vgl. § 220 I AO). Solche Termins- bzw. Fristbestimmungen enthalten unter anderem der in der Praxis besonders wichtige § 18 I UStG für die Umsatzsteuer und § 41a I EStG für die Lohnsteuer (jeweils: „bis zum“ bzw. „spätestens am“ zehnten Tag nach Ablauf des Anmeldungszeitraums). 5  Vgl.

Jäger, in: Klein, § 376 Rn. 45. weiteren Sonderfällen s. S. 208 ff. 7  Eine (in der AO nicht definierte) Steuervergütung liegt vor, wenn Steuern, die ein anderer wirtschaftlich getragen hat, bei diesem anderen steuermindernd in Ansatz gebracht werden („Paradebeispiel“: Vorsteuerabzug gem. § 15 UStG). In Abgrenzung dazu ist die Steuererstattung (§ 37 II AO) zu sehen, bei der zu viel bezahlte Steuern an denjenigen, der die Steuer entrichtet hat, ausgekehrt werden (vgl. Koenig, in: Pahlke / Koenig, § 37 Rn. 7, 10; erg. S. 212 ff.). 8  s. S.  325 ff. 9  Allg. M., vgl. statt vieler Jäger, in: Klein, § 376 Rn. 20; krit. Kürzinger, in: Wannemacher, Rn. 262 („wenig hilfreich“). 6  Zu

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3. Teil: Der Verjährungsbeginn bei § 370 AO

Wird die Steuer zu diesem Termin pflichtwidrig nicht bezahlt, liegt es auf den ersten Blick nahe, bereits darin die (gleichzeitige) Voll‑ und Beendigung einer Steuerhinterziehung durch Unterlassen (§ 370 I Nr. 2 AO) zu sehen10. Dies ist jedoch unzutreffend. Denn das Nichtbezahlen fälliger Steuern ist, wie schon dargestellt11, grundsätzlich nicht – und erst recht nicht in § 370 I AO – unter Strafe gestellt, weil es sich um ein Erklärungsdelikt handelt. (Auch) Bei den Fälligkeitssteuern muss vielmehr darauf abgestellt werden, dass diese konstruktiv als sog. Anmeldungssteuern im Sinne von § 150 I 3 AO ausgestaltet sind. Das hat zur Folge, dass der Steuerpflichtige zu den Fälligkeitszeitpunkten nicht nur bezahlt, sondern auch eine Steueranmeldung abgegeben haben muss, in der er die Steuer aufgrund seiner tatsächlichen Angaben selbst berechnet hat12. Allein die von ihm dabei angegebenen „steuerlich erheblichen Tatsachen“, die natur­ gemäß vollständig und richtig sein müssen13, sind der Anknüpfungspunkt für § 370 I Nr. 1 AO. Auf die (mathematische) Richtigkeit der eigenen Steuerberechnung des Erklärenden kommt es dagegen nicht an, da es sich insofern nicht um Tatsachenangaben, sondern um Rechtsanwendung handelt. Die Steueranmeldung steht qua gesetzlicher Fiktion in § 168 S. 1 AO einer für die Tatvollendung gemäß § 370 IV 1 2. Hs. AO zumindest erforderlichen „Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung“14 ­ gleich. Nur wenn die Steueranmeldung zur Herabsetzung der nach bisherigem Stand zu entrichtenden Steuer oder gar zu einer Steuervergütung führt, tritt die Vollendung erst mit Zustimmung der Finanzbehörde, die auch konkludent erklärt werden kann, ein (vgl. § 168 S. 2, 3 AO). Ist die Berechnung des Steuerpflichtigen korrekt, erfolgt gemäß § 167 I 1 AO keine weitere Steuerfestsetzung durch Bescheid. Unterlässt der Steuerpflichtige die Abgabe der ihm obliegenden Steu­er­ anmeldung(en), kommt mit dem Ablauf des Fälligkeitstags eine Steuerhinterziehung durch Unterlassen (§ 370 I Nr. 2 AO) in Betracht. – Bei den Veranlagungssteuern ist dagegen kein starrer gesetzlicher Fälligkeitstermin zur Zahlung vorgegeben. Stattdessen werden diese erst nach Durchführung einer zeitlich variablen, auf einer Steuererklärung fußenden 10  So

in der Tat Kuhn, in: Kuhn / Weigell, Rn. 112. 1. Teil, Fn. 118. 12  Vgl. § 18 I–IIa UStG (= UStVA), § 18 III, IV UStG (= UStJE); § 41a I 1 Nr. 1 EStG (= LSt-Anmeldung). 13  Vgl. §§ 90 I 2, 150 I 1 AO. 14  Vgl. § 164 AO. 11  s.



A. Veranlagungssteuern

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Veranlagung und Festsetzung durch Steuerbescheid innerhalb einer daran anknüpfenden Frist zur Zahlung fällig (vgl. § 220 II 2 AO). Beispiele hierfür sind die Einkommensteuer15, die an diese angelehnte Körperschaftsteuer (vgl. § 31 I 1 KStG) und die Gewerbesteuer16. Von der Zahlungsfälligkeit ist die auch bei den Veranlagungssteuern bestehende Frist zur Abgabe einer Steuererklärung zu unterscheiden. Diese endet bei Steuern, die sich auf das Kalenderjahr beziehen, mit Ablauf des 31.5. des Folgejahres (§ 149 II 1 AO). Dies trifft beispielsweise auf die Einkommensteuer (vgl. § 25 I, III 1 EStG) und auch die Umsatzsteuerjahreserklärung zu (§ 18 III UStG). Anknüpfungspunkt für Steuerhinterziehungen (§ 370 I Nr. 1, 2 AO) ist hier ebenfalls die Vollständigkeit und Richtigkeit der Tatsachenangaben in der Steuererklärung bzw. – im Unterlassungsfall – die Missachtung der Steuererklärungspflicht. Aufgrund der bei den Veranlagungssteuern stets erforderlichen Bekanntgabe eines Steuerbescheids (§ 168 S. 1 AO gilt hier nicht!) und der zeitlich flexibleren Gestaltung des Besteuerungsverfahrens treten in diesem Zusammenhang bei der Bestimmung des Beendigungszeitpunkts die weitaus meisten tatsächlichen und rechtlichen Schwierigkeiten auf. Es liegt daher nahe, die verschiedenen Tatbestandsvarianten des § 370 I AO hinsichtlich ihres Beendigungszeitpunkts zuerst mit den Veranlagungssteuern durchzuspielen.

A. Veranlagungssteuern I. Vollendetes Begehungsdelikt (§ 370 I Nr. 1 AO) Bei den Veranlagungssteuern (relevant sind hier insbesondere die Einkommen-, Körperschaft-, Gewerbe- und Grunderwerbsteuer) ist anerkannt, dass unrichtige oder unvollständige Angaben über steuerlich erhebliche Tatsachen in jedweder Form – also auch solche, die nicht in einer Steuer­ erklärung enthalten sind – frühestens dann zum Eintritt eines Hinterziehungserfolgs (Vollendung) führen, wenn die jeweilige Steuer aufgrund der Falschangaben unzutreffend festgesetzt worden ist. Das ist im Grundsatz zutreffend und ergibt sich so bereits aus dem Wortlaut des § 370 IV 1 1. Hs. AO: 15  Vgl. §§ 25 ff. EStG; Zahlungsfrist: „innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des Steuerbescheids“ (§ 36 IV 1 EStG). 16  Vgl. §§ 14 ff. GewStG; Zahlungsfrist: „sofort, im Übrigen innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des Steuerbescheids“ (§ 20 II GewStG).

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3. Teil: Der Verjährungsbeginn bei § 370 AO

„(4) 1Steuern sind namentlich dann verkürzt, wenn sie nicht, nicht in voller Höhe oder nicht rechtzeitig festgesetzt werden;“.

Im Stadium vor dieser Tatvollendung kann allenfalls eine versuchte Steuerhinterziehung (§ 370 II AO) vorliegen. Die (unzutreffende) Steuerfestsetzung erfolgt bei den Veranlagungssteuern durch förmlichen Steuerbescheid (§§ 155 I 1, 157 I AO). Da ein solcher Steuerbescheid einen abgabenrechtlichen Verwaltungsakt (§ 118 AO) darstellt, der gemäß §§ 124 I 1, 155 I 2 AO erst mit seiner Bekanntgabe (§ 122 AO) wirksam wird, entspricht es allgemeiner Meinung, dass just dies im Fall des § 370 I Nr. 1 AO auch den Zeitpunkt der Tatvollendung darstellt17. Das bedeutet auf den Punkt gebracht: Ohne Bekanntgabe des inhaltlich unzutreffenden Steuerbescheids an den jeweiligen Adressaten kommt eine Vollendung der Steuerhinterziehung nicht in Betracht. An diese sehr überschaubare Ausgangssituation schließen sich im Blick auf die für den Verjährungsbeginn maßgebliche Beendigung folgende Streitfragen an: 1. Festlegung des Beendigungszeitpunkts Ausgehend von der bereits vorgestellten18, bei Jäger19 entlehnten Formel ist für die Frage, wann eine Tat im Sinne von § 78a S. 1 StGB beendet ist, auch im Steuerstrafrecht auf den Zeitpunkt abzustellen, in dem „[1]  der Taterfolg eingetreten ist und [2] das Tatunrecht seinen tatsächlichen Abschluss erreicht hat.“

Wann bei § 370 I Nr. 1 AO davon ausgegangen werden kann, dass der Taterfolg eingetreten ist, ist vor dem Hintergrund der Legaldefinition in § 370 IV AO im Grundsatz unstreitig. Viel schwieriger zu beantworten ist dagegen, zu welchem Zeitpunkt das Tatunrecht im Anschluss daran seinen tatsächlichen Abschluss gefunden hat. Dies kann jedenfalls nicht bereits mit der durch den Täter zuletzt ausgeführten Handlung (z.  B. dem Einwerfen einer inhaltlich unzutreffenden Steuererklärung in den Briefkasten des Finanzamts) der Fall sein, weil dadurch mangels Hinterziehungserfolg noch nicht einmal Tatvollendung eingetreten ist. Entsprechendes gilt für die Paraphierung / Unterzeichnung bzw. 17  Vgl. nur BGH, NJW 1988, 1679 (1680); Beschl. v. 10.8.1988, 3  StR 246 / 88, BeckRS 1988, 31105456 = BGHR AO § 370 Abs. 1 Vollendung  2; Jäger, in: Klein, § 370 Rn. 90 m. w. N. 18  s. S. 97. 19  In: Klein, § 376 Rn. 20 m. w. N.



A. Veranlagungssteuern

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den (automatisierten) Ausdruck des Steuerbescheids20 oder die (elektronische) Freigabe der Steuerfestsetzung auf Seiten der Finanzverwaltung21 – denn zu all dies stellt noch keine Bekanntgabe des fehlerhaften Steuerbescheids dar. Keinesfalls gefolgt werden kann auch der bislang nur von Volk22 vertretenen Auffassung, wonach der Lauf der Verjährungsfrist unter Ausblendung von § 78a StGB generell zeitgleich mit der Vollendung beginnen soll. Denn dies würde bedeuten, geltendes Gesetzesrecht zu ignorieren23. De lege ferenda könnte man allerdings durchaus in Erwägung ziehen, die Kategorie der Tatbeendigung als Anknüpfungspunkt für den Beginn der Verjährungsfrist gänzlich abzuschaffen und stattdessen immer auf die Vollendung abzustellen. Das würde zu einem einheitlicheren und klareren Fixpunkt für den Verjährungsbeginn führen. Auch wäre nicht zu besorgen, dass dadurch ähnlich unbillige Ergebnisse eintreten könnten, wie sie in der Literatur während der Geltung von § 67 IV StGB a. F.24 befürchtet wurden, weil der Bezugspunkt jener Norm („Handlung“) noch vor dem Erfolgseintritt lag25.

Mit den §§ 124 I 1, 370 IV AO nicht vereinbar wäre es außerdem, auf den Eintritt der Bestandskraft des Steuerbescheids abzustellen26. Denn dadurch würde der Beginn der Verjährungsfrist zum Nachteil des Betroffenen um wenigstens einen Monat (vgl. § 355 I AO) „nach hinten“ verschoben. Gleiches gilt für den Vorschlag von Kiel, den Verjährungsbeginn an die Zahlungsfälligkeit der jeweiligen Veranlagungssteuer zu knüpfen27. Der von ihm gezogene Vergleich mit den Fälligkeitssteuern hinkt, denn das bloße Nichtbezahlen von Steuern ist in § 370 AO nicht unter Strafe gestellt (s. o.). Dementsprechend zieht die ganz herrschende Meinung im Steuerstrafrecht für die Beendigung zu Recht den einzig verbleibenden Zeitpunkt heran: die Bekanntgabe des inhaltlich unzutreffenden Steuerbescheids. Darin sieht sie – zeitgleich mit der Tatvollendung – die Beendigung der Steuerhinterziehung. Konsequenz ist, dass die Verfolgungsverjährungsfrist in den Fällen 20  Vgl. BGH, wistra 1984, 182 / 183; erg. M. Ebner SVR 2005, 438 (439) – Verjährungsunterbrechung durch automatisierten Ausdruck eines Anhörungsbogens im OWi-Verfahren. 21  Vgl. Rolletschke, in: Rolletschke / Kemper, § 370 Rn. 428. 22  In: DStR 1983, 343 (345). 23  s. a. Kiel, S. 98 ff. 24  Abgedr. auf S. 128 f. 25  s. dazu 1. Teil, Fn. 388 sowie Kiel, S.  11 ff. m. w. N. 26  Dto. Dallmeyer, ZStW 124, 711 (721); Rolletschke, in: Rolletschke / Kemper, § 370 Rn. 391, § 376 Rn. 10. 27  Kiel, S. 100.

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3. Teil: Der Verjährungsbeginn bei § 370 AO

des § 370 I Nr. 1 AO ab dem Zeitpunkt der Bescheidsbekanntgabe zu laufen beginnt28. Die Strafverfolgungsbehörden stellen in der Regel aus Vereinfachungsgründen zunächst auf das Erlassdatum des jeweiligen Steuerbescheids ab. Da es am Erlass­ tag aber kaum jemals noch zu einer Bekanntgabe kommt, kann dies nur als erster Anhaltspunkt dafür dienen, ob im konkreten Fall mit Blick auf die Verjährung überhaupt Probleme im Raum stehen. Streng dogmatisch betrachtet, ist diese Vorgehensweise rechtlich unzutreffend29.

Dem lässt sich nicht entgegen halten, das Tatunrecht habe mit der Bescheidsbekanntgabe noch keinen tatsächlichen Abschluss gefunden, weil fehlerhafte Bescheide bei vorsätzlichen Hinterziehungen gemäß § 169 II 2 AO zehn Jahre lang und beim Eingreifen von Ablaufhemmungen gegebenenfalls sogar noch länger aufgehoben oder geändert werden können. Denn danach würden dem Täter die durch Steuerhinterziehungen rechtswidrig erlangten Vorteile erst dann endgültig verbleiben, wenn auch die steuerliche Festsetzungsverjährung eingetreten ist. Die Beendigung müsste somit auf den Eintritt der Festsetzungsverjährung verlegt werden. Dies geht jedoch fehl. Eine solche Auslegung des § 78a S. 1 StGB scheitert jedenfalls an der Existenz von § 171 VII AO30: Nach dieser Vorschrift endet die Festsetzungsfrist in den Fällen des § 169 II 2 AO nicht, bevor die Verfolgung der Steuerstraftat verjährt ist. Das lässt sich – nur – damit in Einklang bringen, dass der Gesetzgeber in § 171 VII AO selbst davon ausgeht, dass die Strafverfolgungsverjährung bei der Steuerhinterziehung nicht nur vor dem Eintritt der Festsetzungsverjährung beginnt, sondern vor allem auch enden kann. Andernfalls wäre die Schaffung des § 171 VII AO nicht notwendig gewesen. Dazu stünde aber ein Verständnis des § 78a S. 1 StGB, wonach die Strafverfolgungsverjährung generell erst mit Eintritt der Festsetzungsverjährung beginnt, in Widerspruch. Zudem wäre eine wechselseitig bedingte Unverjährbarkeit von Steuerhinterziehung und steuerlicher Festsetzung die Folge31. Das wiederum liefe aber, wie bereits ausgeführt, dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zuwider und war so sicher auch vom Gesetzgeber nicht intendiert32. Für die einmal mit der Bescheidsbekanntgabe eingetretene Tatbeendigung ist es mithin unerheblich, ob 28  Statt vieler: Jäger, in: Klein, § 376 Rn. 21; grds. zur Vorsicht mahnend Dallmeyer, ZStW 124, 711 (720 f.: „Skylla-Gefahr“). 29  Zu den forensischen Möglichkeiten zur Feststellung der Bekanntgabe und ihres Zeitpunkts s. S. 199 ff. 30  Jäger (in: Klein, § 376 Rn. 21) begründet dies damit, dass die Änderung von Steuerbescheiden „nicht den Regelfall“ darstelle (zw.). 31  s. bereits S. 62 f. 32  So auch Schauf, in: Kohlmann, § 376 Rn. 69.



A. Veranlagungssteuern

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– die Steuerfestsetzung vorläufig (§ 165 I 1 AO)33 oder unter Vorbehalt der Nachprüfung (§§ 164 I 1, 168 S. 1 AO)34 erfolgt ist, – der Steuerbescheid nachträglich abgeändert wird35, – die Tat im Vorfeld oder im Anschluss durch flankierende Täuschungshandlungen „gesichert“36 worden ist37 oder – steuerliche Erklärungspflichten, wie etwa nach dem Erlass eines (teilweisen) Schätzbescheids oder gemäß § 153 I 1 Nr. 1 AO, fortbestehen38.39 2. Wirksamkeit der Bekanntgabe des Steuerbescheids Die Frage nach der Wirksamkeit der Bekanntgabe des für die Beendigung maßgeblichen Steuerbescheids ist ein im strafrechtlichen Schrifttum bisher vergleichsweise spärlich behandeltes Problemfeld. Obwohl § 124 I 1 AO ausdrücklich bestimmt, dass ein Steuerverwaltungsakt – erst / nur – „in dem Zeitpunkt wirksam wird, in dem er … bekannt gegeben wird“40, beschränkt sich die Literatur im Wesentlichen auf den eher unverständlichen Hinweis „Bekanntgabemängel sind im Übrigen nicht zu Lasten des Steuerpflichtigen zu berücksichtigen.“41

Das leuchtet nicht ein. Wie sollen sich Bekanntgabemängel hinsichtlich des jeweiligen Steuerbescheids im Strafverfahren „zu Lasten“ des Betroffenen auswirken, wenn doch Vollendung und Beendigung von der Wirksamkeit der Bekanntgabe abhängen? Oder anders gewendet: Liegt keine wirksame Bekanntgabe des Steuerbescheids vor, kann es sich bei der dem Täter vorgeworfenen Tat allenfalls um eine versuchte Steuerhinterziehung (§ 370 II AO) handeln. Dies ist ein im hiesigen Kontext bislang unterschätzter 33  Vgl.

BGH, wistra 1984, 182 (183). BGH, NJW 1989, 2140 (2141). 35  Vgl. BGH, wistra 2001, 309 – Verlustrücktrag gem. § 10d I EStG; erg. S. 211 f.; a. A. – laut Kuhlmann, wistra 1987, 281 (282) – LG Hamburg, Beschl. v. 23.12.1980, (38) Qs 24 / 80 (n. v.), für den (dann: Regel-)Fall der möglichen Außenprüfung. 36  Zum gleichgelagerten Problem beim sog. Sicherungsbetrug Fischer, § 263 Rn. 233. 37  s. aber BGHSt 38, 366 (368 f.) = NJW 1993, 476 (477) u. BGHSt 39, 233 (235) = NJW 1993, 2692 – jew. zum Wiederaufleben einer als mitbestrafte Nachtat grds. subsidiären Steuerhinterziehung bei Verjährung der Vortat. 38  Vgl. Grötsch, in: Wannemacher & Partner, Rn. 727 m. w. N. 39  Zusf. Dallmeyer, ZStW 124, 711 (721 f.). 40  In der Zeit davor handelt es sich nur um ein unverbindliches Verwaltungs­ internum, vgl. Pahlke, in: Pahlke / Koenig, § 122 Rn. 7, 22 („Nichtakt“). 41  Vgl. etwa Grötsch, in: Wannemacher, Rn. 818; Joecks, in: Franzen / Gast / Joecks, § 376 Rn. 17; Schauf, in: Kohlmann, § 376 Rn. 71. 34  Vgl.

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3. Teil: Der Verjährungsbeginn bei § 370 AO

Verteidigungsansatz. Denn im Versuchsfall könnte unter den gemäß § 369 II AO auch im Steuerstrafrecht geltenden Voraussetzungen des § 24 StGB eventuell – alternativ zu § 371 AO42 – noch die Gelegenheit zum strafbefreienden Rücktritt vom Versuch bestehen. Hinzu kommt außerdem, dass die Strafmilderungsmöglichkeit nach §§ 23 II, 49 I StGB eröffnet sein kann. Das ist aus Sicht des Betroffenen in keinster Weise nachteilig – im Gegenteil. Es lohnt sich daher in jedem Fall, sich mit den Voraussetzungen der Bekanntgabe im Abgabenrecht näher zu befassen. a) Die Bekanntgabe als solche Die Abgabenordnung enthält weder in den §§ 122, 124 AO noch an irgendeiner anderen Stelle eine Legaldefinition der „Bekanntgabe“ eines Steuerbescheids. Sie setzt diese vielmehr – ebenso wie die §§ 41, 43 VwVfG im Verwaltungsrecht – schlicht voraus. Nach allgemeiner Meinung liegt eine wirksame Bekanntgabe vor, wenn der Steuerbescheid durch einen generell zum Bescheidserlass befugten Bediensteten der Finanzbehörde mit Bekanntgabewillen derart in den Machtbereich seines Adressaten entäußert worden ist, dass eine Kenntnisnahme möglich ist und unter gewöhnlichen Umständen auch erwartet werden kann43. Dies entspricht dem bürgerlich-rechtlichen Zugangsbegriff des § 130 I 1 BGB44. Bei dem „Machtbereich“ des Adressaten wird es sich in praxi in aller Regel um dessen Briefkasten handeln45. Neben der postalischen Versendung 42  Grdlg.

zum Verhältnis zur strafbefreienden Selbstanzeige Jäger, in: Klein, § 371 Rn. 5. Die im Anschluss an die Vorgaben des 1.  Strafsenats des BGH (vgl. BGHSt 55, 180 [182: „reinen Tisch“ machen] = NJW 2010, 2146 [2147]) durch das Schwarzgeldbekämpfungsgesetz (s. 2. Teil, Fn. 272) m. W. z. 3.5.2011 neu modellierte Regelung der strafbefreienden Selbstanzeige ist im Vergleich zur alten Rechtslage an deutlich strengere Voraussetzungen gebunden, sodass § 24 StGB heute in vielen Fällen die aus Betroffenensicht deutlich attraktivere Regelung darstellen kann; s. aber auch Rolletschke, ZWH 2013, 186, wonach § 24 StGB im Anwendungsbereich des neuen § 371 AO jetzt gar nicht mehr gelten soll (sehr zw.; zutr. abl. Webel, PStR 2014, 263 [265 ff.]). 43  Vgl. Pahlke, in: Pahlke / Koenig, § 122 Rn. 6 ff. m. w. N.; dto. Müller, wistra 2004, 11 (12); erg. Pump, StBp 2011, 133 zur Bekanntgabe bei unbekanntem Aufenthalt oder Inhaftierung u. Pedak, DStZ 2013, 104 im Fall der Betreuung. 44  Ebenso Ehlers / Lohmeyer, S. 60; I. Meyer, in: Beermann / Gosch, § 376 AO Rn. 24. 45  Vgl. nur BFHE 119, 201 (205) = BeckRS 1975, 22003328; erg. M.  Ebner /  St. Ebner, SVR 2006, 372 zur vereinfachten Zustellung gem. § 180 ZPO im Strafund Bußgeldverfahren.



A. Veranlagungssteuern

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ist es der Finanzbehörde aber auch möglich, den Steuerbescheid nach eigenem Ermessen durch Amtsboten46, per Telefax47 oder elektronisch48 bekannt zu geben. Die Bekanntgabe wird dabei zumeist gegenüber dem Inhaltsadressaten vorgenommen. Sie kann aber auch gegenüber anderen, von diesem (ggf. konkludent49) bevollmächtigen Personen erfolgen (sog. Bekannt­gabe­adres­ sat)50. Eine bereits wirksam vorgenommene Bekanntgabe an den Vertreter kann durch den nachträglichen Widerruf der Vollmacht nicht rückwirkend beseitigt ­werden51. Eine tatsächliche Kenntnisnahme des Bescheids durch den Adressaten bzw. dessen Bevollmächtigten ist für die Wirksamkeit der Bekanntgabe nach nahezu einhelliger Auffassung ebenso wenig erforderlich52, wie (s)eine förmliche Zustellung53. Die Verweigerung der Annahme oder eine andere schuldhafte Zugangsvereitelung54, z. B. durch Entfernung des (Namensschildes am) Briefkasten(s), hindern den Zugang des Bescheids im Zeitpunkt der Annahmeverweigerung bzw. des Wirksamwerdens der Vereitelungsmaßnahme nicht55. Dagegen führt der – egal von wem – versehentlich veranlasste Zugang eines Bescheidsausdrucks aufgrund des dann fehlenden Bekanntgabewillens nicht zu einer wirksamen Bekanntgabe56. 46  Vgl.

BFH, BFH / NV 2001, 887 (888). vgl. zuletzt BFHE 245, 484 = DStRE 2014, 1136 – „Ferrari-Fax“. 48  Vgl. §§ 87a IV, 122 IIa AO. 49  s. z. B. BFH, BFH / NV 2010, 432 – Anscheinsvollmacht; FG Berlin, EFG 1985, 540 – Duldungsvollmacht. 50  Vgl. § 122 I 3 AO; Heß, StW 2010, 145 (146); s. aber die Ausnahme in § 32 ErbStG. 51  Vgl. FG Nürnberg, Urt. v. 20.11.2009, V  289 / 2005, BeckRS 2009, 26029486. 52  Vgl. Ratschow, in: Klein, § 122 Rn. 10. 53  Vgl. Ratschow, in: Klein, § 122 Rn. 76; abw. Hardtke, vGA, S. 163: „Erst der zugestellte Steuerbescheid … verwirklicht die Steuerhinterziehung, so daß damit die Verjährung beginnt“ (Hervorh. v. hier; dto. etwa Brenner, StBp 1979, 121; Müller, StBp 2003, 78; Schmidt, JR 1966, 127 [128]; Schott, PStR 2014, 25; unklar Lohmeyer, ZfZ 1966, 197 [199: „Bekanntgabe (Zustellung)“]). Zur Bekanntgabe ggü. dem Steuerberater s. BFH, Beschl. v. 13.10.2011, IX B 99 / 11, BeckRS 2011, 96949. 54  Etwa aus der Motivation heraus, dass den Täter sein Verhalten reut, er sich aber (noch) nicht zur Berichtigung seiner unzutreffenden Angaben durchringen kann. 55  Vgl. etwa BFH, BFH / NV 1998, 1447 (1449) – Rücklauf mit Vermerk „Empfänger nicht zuständig“; erg. Kopp / Ramsauer, § 41 Rn. 19 f.; Ellenberger, in: Palandt, § 130 Rn. 16 ff. 56  Vgl. FG Nürnberg, EFG 1984, 210 u. FG Münster, EFG 88, 1956 m. w. N.; erg. Kopp / Ramsauer, § 41 Rn. 7a f. 47  St. Rspr.,

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3. Teil: Der Verjährungsbeginn bei § 370 AO

Der dem Steuerpflichtigen zugegangene Bescheid braucht nicht unterzeichnet zu sein. Er ist dies heute wegen des weitgehend automatisierten Festsetzungsverfahrens im absoluten Regelfall ohnehin nicht mehr57. b) Heilung von Bekanntgabemängeln Im Besteuerungsverfahren können Bekanntgabemängel ex nunc geheilt werden. Das geschieht etwa durch wiederholte (zur besseren Beweisbarkeit dann ggf. auch förmliche) Bekanntgabe einer Ausfertigung bzw. Zweitschrift des Bescheids oder dadurch, dass der Bescheid dem Adressaten (erneut) in Kopie übersandt wird58. Es ist sogar ausreichend, dass ein irrtümlich als Bekanntgabeadressat eingesetzter Dritter den Bescheid unverzüglich an den Inhaltsadressaten weiterleitet59. Außerdem ist anerkannt, dass die Heilung einer fehlerhaften Bekanntgabe durch die ordnungsgemäße Bekanntgabe einer Einspruchsentscheidung (§ 367 AO) bewirkt werden kann60. Eine Übertagung dieser Grundsätze auf das Steuerstrafverfahren ist unbedenklich, sofern nicht eine rückwirkende Heilung (ex tunc) angenommen werden soll. Dies ist, soweit ersichtlich, bereits im Steuerrecht nicht möglich und stößt zu Recht im allgemeinen Verwaltungsrecht insgesamt auf Ablehnung61. Im Strafrecht wäre die Folge, dass einem bis zur Heilung gegebenenfalls möglichen Rücktritt vom Hinterziehungsversuch (§ 24 StGB) nachträglich der Boden entzogen werden könnte. Das wäre mit dem Schuldprinzip nicht vereinbar. Bei der Heilung von Bekanntgabemängeln ist daher jedenfalls im Steuerstrafrecht stets auf den Zeitpunkt der Vornahme des im Einzelfall maßgeblichen „heilenden“ Rechtsakts abzustellen (ex nunc-Betrachtung). c) Feststellung (des Zeitpunkts) der Bekanntgabe in der Hauptverhandlung Da in der vorliegenden Fallgruppe erst die Bekanntgabe des Steuerbescheids zum Eintritt der Vollendung der Tat (§ 370 IV 1 AO) führt, muss der Tatrichter die zugrunde liegenden Tatsachen im Strengbeweisverfahren62 57  Vgl.

§ 119 III 2 2.  Hs. AO. BFH, BFH / NV 1990, 409 (411); 1992, 81 (85); 2009, 195 (196). 59  So FG Sachsen-Anhalt, Urt. v. 2.5.2012, 2  K 1152 / 11, BeckRS 2012, 96674. 60  Allg. M., vgl. Ratschow, in: Klein, § 122 Rn. 16 m. w. N. 61  Vgl. nur Kopp / Ramsauer, § 41 Rn. 26 („Eine rückwirkende Heilung ist nicht möglich“). 62  Vgl. Meyer-Goßner, in: Meyer-Goßner / Schmitt, § 244 Rn. 6. Ransiek (in: Kohlmann, § 370 Rn. 466 ff.), der sich ebenfalls mit den notwendigen tatrichterlichen Feststellungen bei Steuerhinterziehungen befasst, lässt das unerwähnt. 58  Vgl.



A. Veranlagungssteuern

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feststellen. Ist der Urteilssachverhalt insoweit lückenhaft und lässt sich auch dem Gesamtzusammenhang der Entscheidungsgründe nicht entnehmen, dass überhaupt eine wirksame Bescheidsbekanntgabe im vorgenannten Sinne erfolgt ist (sog. Darstellungsmangel), hat dies zur Folge, dass der Schuldspruch wegen vollendeter Steuerhinterziehung nicht von den getroffenen Feststellungen getragen wird. In diesem Fall muss das Urteil im Revisionsrechtszug bereits auf die (allgemeine) Sachrüge hin wegen eines Verstoßes gegen § 267 I 1 StPO aufgehoben werden. Fehlt lediglich die Angabe des genauen Bekanntgabezeitpunkts, muss das Urteil zwar nicht unbedingt der Aufhebung anheimfallen, allerdings können dann im Einzelfall erhebliche Schwierigkeiten bei der zeitlichen Abgrenzung zwischen versuchter und vollendeter Steuerhinterziehung auftreten, die dann ihrerseits – beispielsweise – die daran anknüpfende Frage nach dem Vorliegen eines strafbefreienden Rücktritts vom Versuch (§ 24 StGB) komplizieren. Bei der Beendigung (§ 78a S. 1 StGB) handelt es sich dagegen – außer in den Fällen sukzessiver Tatbeteiligung63 – nur um ein bei der Prüfung der Verfahrensvoraussetzungen („Verjährung“?) maßgebliches Kriterium, das deshalb im Freibeweisverfahren eruiert werden kann64 und zu dem sich das Urteil gemäß § 267 I StPO auch nicht zwingend verhalten muss. Etwas anderes gilt allenfalls beim Einstellungsurteil wegen Verjährung nach § 260 III StPO65. Darauf kommt es aber letztlich nicht an, weil Vollendung und Beendigung hier ohnehin unu actu zusammenfallen, also doppelrelevant sind, sodass letztlich insgesamt das Erfordernis des Strengbeweises gilt66. Es stellt sich somit die Frage, welche Möglichkeiten dem Tatrichter zur Feststellung der die Bekanntgabe begründenden Tatsachen zur Verfügung stehen. aa) Tatsächlich-forensische Ermittlungsmöglichkeiten Die einfachste Möglichkeit zur Feststellung der wirksamen Bescheidsbekanntgabe besteht darin, dass der Angeklagte den Zugang des Steuerbescheids einräumt, wenn er, was nicht unbedingt erforderlich ist, von diesem (im Nachgang) Kenntnis erlangt hat. Das kann auch konkludent geschehen. Eine solche geständige Einlassung, die bestenfalls den Zugangszeitpunkt 63  Vgl. Kummer, in: Wabnitz / Janovsky, 3. Aufl., 18.  Kap. Rn. 51 („Bei Beihilfe zur Steuerhinterziehung ist Selbstanzeige (§ 371 AO) möglich, bei Begünstigung hingegen nicht.“); das str. Stadium zwischen Vollendung und Beendigung (s. dazu M. Jahn, in: Satzger / Schluckebier / Widmaier, § 257 Rn. 11 f.) fällt hier weg. 64  Vgl. Meyer-Goßner, in: Meyer-Goßner / Schmitt, § 244 Rn. 7, 9. 65  Vgl. BGHSt 56, 6 (8 ff.) = NJW 2011, 547 (548). 66  Vgl. Meyer-Goßner, in: Meyer-Goßner / Schmitt, § 244 Rn. 8 m. w. N.

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3. Teil: Der Verjährungsbeginn bei § 370 AO

oder wenigstens einen entsprechenden Zeitraum mitumfasst, kann dann anhand des Bescheidsdatums und / oder der in den Steuerakten vermerkten Aufgabe zur Post67 weiter verifiziert werden. Der Zugang bzw. sein Zeitpunkt können zudem durch Zeugen (z. B. Mitarbeiter) bekundet resp. bestätigt werden. Ist es zu Durchsuchungsmaßnahmen gekommen, lässt sich der Zugang des Steuerbescheids alternativ durch dessen Auffinden beim Steuerpflichtigen nachweisen. Entsprechendes gilt für andere Schriftstücke oder auch E-Mail-Nachrichten, in denen der Angeklagte selbst oder Dritte auf den Inhalt des Bescheids Bezug nehmen68. Der Steuerbescheid und darauf bezogene Aufzeichnungen bzw. Nachrichten sollten daher immer als zu suchende Beweismittel in einen Durchsuchungsbeschluss mit aufgenommen werden. Nötigenfalls können Durchsuchungen mit dieser Zielrichtung auch noch vom Tatgericht im Hauptverfahren angeordnet werden. Bei schweigenden oder den Bescheidszugang gar positiv bestreitenden69 Angeklagten können zudem Einsprüche (§§ 347 ff. AO) im Vorfeld des Strafverfahrens oder andere – auch formlose – Einwendungen gegen den Steuerbescheid bzw. Beschwerden gegen den Sachbearbeiter des Finanzamts70 oder anderweitige diesbezügliche Korrespondenzen Rückschlüsse darauf zulassen, ob der Bescheid zugegangen ist. Dasselbe gilt für Zahlungen auf die durch den Bescheid zu niedrig festgesetzte Steuer oder Anträge auf Stundung (§ 222 AO), Aufrechnung (§ 226 AO) oder Erlass (§ 227 AO). Wendet sich der Angeklagte parallel zum Strafverfahren mittels Einspruch und Klage gegen die Änderung des von ihm erschlichenen Steuerbescheids, können sich auch aus darauf bezogenen Schreiben / Schriftsätzen sowie den sonstigen Angaben gegenüber dem Finanzgericht zureichende Hinweise auf die genauen Umstände des Zugangs des Ursprungsbescheids ergeben. Im Steuerstrafverfahren sollten daher – auch – aus diesen Gründen stets die Steuer- bzw. finanzgerichtlichen Akten beigezogen werden71. 67  Bsphft.

HansOLG, wistra 1987, 189. zur Beschlagnahmefreiheit (§ 97 StPO) von im Gewahrsam des Steuerberaters befindlichen Unterlagen LG Essen, NStZ-RR 2010, 150, zur Schweigepflichtentbindung durch den Insolvenzverwalter OLG Nürnberg, NJW 2010, 610; LG Bonn, NStZ 2012, 712; zusf. Bittmann, wistra 2012, 173; erg. – aus steuerrechtlicher Sicht – BFH, PStR 2010, 116. 69  Erg. Rolletschke, PStR 2006, 163 zur Frage, ob das bewusst wahrheitswidrige Bestreiten des Bescheidszugangs im Besteuerungsverfahren den Tatbestand des § 370 I Nr. 1 AO erfüllt (i. Erg. abl.). 70  Das kommt nach den Praxiserfahrungen des Autors durchaus vor. 71  Grdlg. zur Bedeutung der Steuerakten im (finanz-)gerichtlichen Verfahren Grube, DStZ 2014, 380. 68  s.



A. Veranlagungssteuern201

Ist der Tatrichter über die im Regelfall noch verhältnismäßig leicht zu umschiffende Klippe des „Ob’s“ der Bekanntgabe hinweg, kann es, wie bereits angedeutet, im Einzelfall auch auf die Feststellung bzw. Eingrenzung des genauen Bekanntgabezeitpunkts ankommen (Frage des „Wann“). Auch hier ergeben sich etwa dann keinerlei Probleme, wenn der Angeklagte den Tag des Zugangs (z. B. nach einem Blick in seinen Kalender bzw. den Fristenkalender seines Steuerberaters72) selbst preisgibt oder der ihm zugegangene Steuerbescheid (ggf. samt Briefumschlag) mit Post- und / oder Eingangsstempel sichergestellt werden konnte. Auch die vorgenannten weiteren Anknüpfungspunkte könne hier eine Rolle spielen. Aber selbst wenn der Tag der Bekanntgabe nicht mehr (exakt) feststellbar ist, kann sich das Gericht bei der Prüfung der Verjährungsfrage damit behelfen, dass es im Wege einer einzelfallbezogenen Zugunsten-Betrachtung unter Berücksichtung normaler (kürzester) Postlaufzeiten auf den Tag abstellt, der auf den Bescheidserlass (Bescheidsdatum) bzw. den sich aus der Steuerakte ergebenden Absendetag (Postaufgabevermerk) gefolgt ist73 und prüft, ob die Tat danach bereits verjährt wäre. Ist dies nicht der Fall, so kann – wenn am Zugang als solchem (Frage des „Ob“) keine vernünftigen Zweifel bestehen – die mangelnde (nähere) Feststellbarkeit des Bekanntgabetages bei der Verjährungsberechnung auch damit behoben werden. Bei der Prüfung eines wegen Tatvollendung unter Umständen bereits ausgeschlossenen Rücktritts vom Versuch (§ 24 StGB) oder einer im Tatzeitpunkt noch bestehenden Möglichkeit zu sukzessiver Beteiligung wird im Zweifelsfall nach der Entscheidungsregel „in dubio pro reo“ ebenfalls auf den jeweils tätergünstigsten Vollendungs- bzw. Beendigungszeitpunkt abzustellen sein. bb) Rechtlicher Ansatz: Die Drei-Tages-Fiktion (§ 122 II, IIa AO) „§ 122 Bekanntgabe des Verwaltungsakts. … (2)  Ein schriftlicher Verwaltungsakt, der durch die Post übermittelt wird, gilt als bekannt gegeben 72  Einspruchsfrist:

ein Monat ab Bekanntgabe des Steuerbescheids (§ 355 I 1 AO). OLG Hamm, DStRE 2002, 1095 (1096); Burkhard, DStZ 2004, 443; Dönmez, NWB 2013, 2866 (2868: „Bescheiddatum + ein Tag“); Joecks, in: Franzen / Gast / Joecks, § 376 Rn. 19. Wegen des früheren Beginns der Verjährung wäre es zwar noch günstiger, die Beendigung auf den Tag des Bescheidserlasses selbst zurückzuverlegen. Dies ist aber nur unter außergewöhnlichen Umständen denkbar, weil der (i. d. R. maschinelle) Erlass des Bescheids und seine Bekanntgabe mit Blick auf die Postlaufzeiten kaum jemals zusammenfallen werden. Solches ohne Weiteres zu unterstellen, gebietet der Zweifelsgrundsatz jedoch gerade nicht (st. Rspr., vgl. zuletzt BGH wistra 2012, 484 [485] m. zahlr. weit. Nachw.; s. a. Fn. 237). 73  Vgl.

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3. Teil: Der Verjährungsbeginn bei § 370 AO

1.  bei einer Übermittlung im Inland am dritten Tage nach der Aufgabe zur Post, 2. bei einer Übermittlung im Ausland einen Monat nach der Aufgabe zur Post, außer wenn er nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist; … (2a)  Ein elektronisch übermittelter Verwaltungsakt gilt am dritten Tage nach der Absendung als bekannt gegeben, außer wenn er nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist;“

Es ist in der Literatur umstritten und auch höchstrichterlich noch nicht geklärt, ob die Bekanntgabe bzw. ihr Zeitpunkt alternativ nach der sog. Drei-Tages-Fiktion in § 122 II, IIa AO74 ermittelt werden kann oder sogar muss. Eine Mindermeinung hält die Vorschrift im Steuerstrafrecht für gänzlich anwendbar, weil sich der Anwendungsbereich der Abgabenordnung (vgl. § 1 AO) nicht auf das Strafverfahren erstrecke und § 122 AO in § 369 II AO auch nicht für entsprechend anwendbar erklärt worden sei75. Das sieht die herrschende Meinung aber zu Recht bereits im Grundsatz anders, denn das Steuerstrafrecht ist Blankettstrafrecht. Dennoch besteht Uneinigkeit darüber, ob es dem Zweifelsgrundsatz zuwider läuft, die in § 122 II 1. Hs. bzw. IIa 1. Hs. AO normierte Bekanntgabefiktion auf das Steuerstrafrecht zu übertragen76. Dies verneint eine sich mittlerweile im Vordringen befindliche Ansicht, der sich insbesondere auch Jäger77 angeschlossen hat, mit dem Argument, dass es sich bei § 122 AO nach der Rechtsprechung des BFH78 nicht nur um eine Vermutung79, sondern um eine Fiktion handele, die den Zeitpunkt des Wirksamwerdens eines Steuerbescheids gesetzlich festlege80. Dadurch werde der ausschließlich auf Tatsachenzweifel bezogene Grundsatz „in dubio pro reo“ nicht berührt. 74  Zur

weiteren Drei-Tages-Fiktion in § 224 III 3 AO s. S. 216 ff. Müller, StBp 2003, 78 (79); ders., SteuerStud 2003, 371 (375 f.); ders., wistra 2004, 11 (12 f.); i. Erg. zust. (d. h. § 122 II AO gilt nicht) u. a. Hardkte, Steuerstrafrecht, S. 108; ders., in: Bockemühl, Teil  6 Kap. 2 Rn. 88; Korts, Stbg 2011, 357 (363); Lohr, in: MAH-WiStra, § 29 Rn. 685. 76  Vgl. OLG Hamm, DStRE 2002, 1095 (1096) zu § 370  I Nr. 2 AO; Grötsch, in: Wannemacher, Rn. 825; Joecks, in: Franzen / Gast / Joecks, § 376 Rn. 19; Müller, SteuerStud 2003, 371 (376); ders., wistra 2004, 11 (13); Quedenfeld, in: Quedenfeld / Füllsack, Rn. 297; Wenzler, in: Flore / Tsambikakis, § 78a StGB Rn. 23; Wulf, in: MüKo-StGB, § 376 AO Rn. 16. 77  In: Klein, § 370 Rn. 90a (Vollendung), § 376 Rn. 21 (Beendigung). 78  Vgl. BFHE 193, 512 (514) = DStR 2001, 395 (396); BFH / NV 2002, 1409 (1410); 2010, 818 (820); s. a. BFHE 203, 26 (27 ff.) = NJW 2004, 94 zur „Verlängerung“ der Drei-Tages-Fiktion bis zum nächsten Werktag, wenn das Fristende auf einen Samstag, Sonntag oder gesetzlichen Feiertag fällt; zust. Heß, StW 2010, 145 (146, Fn. 17: „§ 108 Abs. 3 ist hier lex specialis zu § 193 BGB“). 79  Abw. Schmitz / Wulf, in: MüKo-StGB, § 370 AO Rn. 89 („unwiderlegliche Vermutung“) u. 90 („Vermutungsregel“). 80  s. etwa Bülte, in: Hübschmann / Hepp / Spitaler, § 376 AO Rn. 82; Bürger, PStR 2013, 293 (294); Heß, StW 2010, 145 (146); Rolletschke, in: Rolletschke /  Kemper, § 370 Rn. 183, § 376 Rn. 9; ders., Steuerstrafrecht, Rn. 129, 456, 458; 75  Vgl.



A. Veranlagungssteuern203

Die Diskussion geht freilich in weiten Teilen an der Realität des Steuerstrafverfahrens vorbei. Denn § 122 II 1. Hs., IIa 1. Hs. AO ist bereits nach dem Gesetzeswortlaut nicht einschlägig, wenn der Steuerbescheid „nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist“. Das bedeutet für die Praxis, dass bei schweigenden, den Zugang abstreitenden oder einen viel späteren Zugang behauptenden Angeklagten stets positiv festgestellt werden muss, (1) dass und (2) wann die Bescheidsbekanntgabe tatsächlich erfolgt ist81. Es kann nämlich nicht ohne Weiteres ausgeschlossen werden, dass der Zugang gar nicht oder erst ab dem vierten Tag nach der Aufgabe zur Post bzw. der elektronischen Absendung erfolgt ist. Dazu berechtigt (auch82) § 122 II, IIa AO die Strafgerichte nicht, wie sich für beide Absätze eindeutig jeweils aus dem zweiten Teil des ersten Halbsatzes („außer wenn“) ergibt. Eine echte Relevanz hat der Streit um die Anwendbarkeit von § 122 AO im hiesigen Kontext daher nur für diejenigen Fälle, in denen der Steuerbescheid zur Überzeugung des Gerichts (§ 261 StPO) zeitlich vor dem Eingreifen der Drei-Tages-Fiktion zugegangen ist. Dies betrifft den Zeitraum zwischen dem Bescheidserlass und dem Beginn (0.00 Uhr) des dritten Tages nach seiner Aufgabe zur Post (Absatz  2) bzw. seiner elektronischen Absendung (Absatz 2a). Daraus können sich je nachdem, wann der Bescheid nach seinem Erlass in die Post gegeben bzw. abgesandt worden ist, durchaus fallentscheidende Zeiträume ergeben. Dabei ist zunächst aus Betroffenensicht festzustellen, dass sich die Anwendung von § 122 II, IIa AO in diesen Fällen einerseits nachteilig auswirkt. Denn obwohl der Bescheid schon zugegangen ist, beginnt die Verjährungsfrist für das vollendete Delikt nicht unmittelbar, sondern erst verspätet zu laufen. Andererseits bestünde für den Betroffenen bis zum Eingreifen der DreiTages-Fiktion aber weiterhin die Möglichkeit zum strafbefreienden Rücktritt vom Versuch (§ 24 StGB), weil bis dahin auch noch keine Vollendung eingetreten ist. Das ist für sich gesehen positiv zu bewerten. Allerdings dürfte diese längere Rücktrittsmöglichkeit aus der Perspektive eines ohnehin fest zur Tat entschlossenen Täters kaum diejenige zeitlich Einbuße aufwiegen, die er wegen der mit § 122 AO verbundenen Ausdehnung der Verfolgungsverjährung hinnehmen muss. Beim schwankenden Täter mag das aber wiederum anders sein, sodass sich die Anwendung der Drei-Tages-Fiktion aus Tätersicht letztlich als ambivalent darstellt. Dies lässt sich auf den sukzessiv Tatbeteiligten entsprechend übertragen. ders., in: Graf / Jäger / Wittig, § 370 AO Rn. 93, § 376 Rn. 19; ders., ZWH 2014, 129 (131); Schmitz / Wulf, in: MüKo-StGB, § 370 AO Rn. 90 f. 81  So jetzt auch Rolletschke, in: Rolletschke / Kemper, § 370 Rn. 184. 82  s. bereits Fn. 73 zum Zweifelsgrundsatz.

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3. Teil: Der Verjährungsbeginn bei § 370 AO

Damit kommt es in erster Linie auf die Rechtsfrage an, ob der Gesetzgeber mit § 122 II, IIa AO eine gesetzliche Ausnahme zu § 78a S. 1 StGB geschaffen hat. Denn man könnte sich durchaus auf den Standpunkt stellen, dass „das tatbestandliche Geschehen seinen Abschluss gefunden [hat] – auch wenn … [der Täter] den Bescheid vor Ablauf der Drei-Tages-Frist i. S. v. § 122 Abs. 2 erhält“83. Dabei ist aber zu beachten, dass § 78a StGB in Satz 2 der Vorschrift eine (hier sog.) „Öffnungsklausel“ enthält, die es speziell bei Erfolgsdelikten zulässt, den Beendigungszeitpunkt auf einen erst später eintretenden Erfolg zu verschieben. Genau dies wäre hier der Fall, wenn man § 122 AO mit dem BFH (a. a. O.) so versteht, dass der Steuerbescheid auch bei einem tatsächlich früheren Zugang stets erst nach Maßgabe der Drei-Tages-Fiktion wirksam wird. In der Folge stünde § 78a StGB einer Anwendung von § 122 AO nicht entgegen. Fraglich ist in einem zweiten Schritt aber, ob der von der noch herrschenden Meinung gesehene Verstoß gegen den Grundsatz „in dubio pro reo“ wirklich vorliegt. Dieser verlangt (als Entscheidungs- und nicht als Beweisregel), dass bei Tatsachenzweifeln von der für den Täter jeweils günstigsten Sachverhaltsvariante auszugehen ist. Hier stellt sich schon die Frage, welche Zweifel das konkret sein sollen. Dabei kommt es, wie die Betrachtung aus Tätersicht bereits gezeigt hat, zum einen darauf an, ob es um die Verjährungsfrage (frühere Beendigung günstiger) oder die Rücktrittsmöglichkeit (gleichzeitige / frühere Vollendung ungünstig) geht. Von dieser Warte aus betrachtet, wäre im Einzelfall unter Umständen sogar eine gegensätzliche Anwendung des Zweifelsgrundsatzes in Bezug auf dieselbe Tat geboten. Solches würde, wie gesagt, aber voraussetzen, dass dessen Anwendungsbereich überhaupt eröffnet ist. Dies ist jedenfalls dann nicht der Fall, wenn nach durchgeführter Beweisaufnahme zur Überzeugung des Gerichts feststeht, dass der Steuerbescheid tatsächlich zu einem bestimmten Zeitpunkt innerhalb des Zeitraums zwischen seinem Erlass und vor dem Eingreifen der Drei-Tages-Fiktion zugegangen ist. In diesem Fall bestehen schlicht keine Zweifel in tatsächlicher Hinsicht. Dass § 122 II, IIa AO den Vollendungs- und Beendigungszeitpunkt in der Folge (auch zugunsten des Betroffenen) rechtlich unwiderlegbar84 weiter in die Zukunft verschiebt, verstößt weder gegen den Zweifelsgrundsatz noch gegen § 78a StGB. Bleibt dagegen unklar, wann genau der Steuerbescheid in diesem Zeitfenster zugegangen ist (bei einem noch späteren oder nicht nachweisbaren Zugang greift § 122 AO ohnehin nicht ein, s. o.), stellt sich bei der Verjäh83  Wulf, 84  Vgl.

in: MüKo-StGB, § 376 AO Rn. 16. nur Heß, StW 2010, 145 (146) m. w. N.



A. Veranlagungssteuern205

rungsprüfung in der Tat die Gretchen­frage85. Denn hier wäre – soweit einzelfallrelevant – ein möglichst früher Zugang für den Täter verjährungsrecht­ lich am günstigsten. Konkret fragt sich dann also: Kann die aus Verein­fa­ chungsgründen86 und zur Steigerung der Verwaltungseffizienz87 geschaffene Bekanntgabefiktion in § 122 II, IIa AO den im Lichte des Rechts­staatsprinzips zu wägenden Zweifelsgrundsatz88 entkräften? Das ist äußerst zweifelhaft. Begründet werden kann dies jedenfalls nicht allein mit dem Gedanken der Einheit der Rechtsordnung89. Denn im Steuerstrafverfahren muss das Steuerrecht strafrechtsspezifisch ausgelegt bzw. angewendet werden. Daran ändern auch die vorgenannten, sich allein auf das Steuerrecht beziehenden Entscheidungen des BFH nichts, weil Finanzgerichtsverfahren nicht denselben Maximen unterliegen wie der Strafprozess90. Das gilt zuvorderst für die – im Vergleich zu § 76 I 1–4 FGO weitergehende – Amtsaufklärungspflicht nach § 244 II StPO und den Zweifelsgrundsatz. Die damit letztlich gebotene Abwägung der widerstreitenden Interessen führt dazu, dass hier dem strafverfahrensrechtlichen Zweifelsgrundsatz der Vorrang vor der mit § 122 II, IIa AO bezweckten Vereinfachung des steuerlichen Festsetzungsverfahrens zu gewähren ist. Denn es ist weder sachgerecht noch angemessen, die schwerwiegende Entscheidung über Schuldspruch und Bestrafung von einer für das steuerliche Massenverfahren konzipierten Verfahrenserleichterung abhängig zu machen. Im Übrigen sieht selbst das Besteuerungsverfahren vor, dass die Drei-Tages-Fiktion durch „substantiiertes Bestreiten“ entkräftet werden kann91. Dies müsste dann konsequenterweise auch auf das Steuerstrafverfahren übertragen werden. 85  Ähnl.

Rolletschke, in: Graf / Jäger / Wittig, § 370 AO Rn. 93. Müller, SteuerStud 2003, 371 (376); ders., wistra 2004, 11 (12); Pahlke, in: Pahlke / Koenig, § 122 Rn. 51; s. a. Kopp / Ramsauer, § 41 Rn. 38 zur Parallelregelung des § 41 II VwVfG. 87  So bspw. Tiedemann, in: BeckOK-VwVfG, § 41 Rn. 63 (ebenfalls zu § 41 VwVfG). 88  Vgl. BayVerfGH, NJW 1983, 1600 (1602); offen gelassen von BVerfG, NJW 1988, 477. 89  So scheinbar Schmitz / Wulf, in: MüKo-StGB, § 370 AO Rn. 90: „Nicht erklärt wird dabei aber, wieso strafrechtlich ein Ereignis – das Wirksamwerden des Verwaltungsakts ‚Steuerbescheid‘ – schon eingetreten sein soll, obwohl es steuerrechtlich noch nicht der Fall ist. Angesichts dessen, dass das Steuerstrafrecht grds. akzessorisch zum Steuerrecht ist … wird sich eine Begründung dafür auch nicht finden lassen.“ 90  Insbes. liegt damit auch kein Vorlagefall i. S. v. § 2 I RsprEinhG vor (s. S. 75 f.), weil die in Fn. 78 genannten BFH-Entscheidungen jew. nur Spezialfragen des Besteuerungsverfahrens betreffen, die keinen Bezug zum Beginn der strafrechtlichen Verfolgungsverjährung aufweisen; erg. Muhler, ZWH 2013, 489 f. 91  Vgl. Ratschow, in: Klein, § 122 Rn. 58 ff. 86  Vgl.

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3. Teil: Der Verjährungsbeginn bei § 370 AO

Eine derartige „Beweislastumkehr“ liefe jedoch § 244 II StPO zuwider und würde sich auch konstruktiv nicht in das Strafverfahren einpassen lassen. Das hat im Ergebnis zur Konsequenz, dass bei der Verjährungsfrage von Rechts wegen (nur) dann auf den frühest möglichen Bekanntgabezeitpunkt abgestellt werden darf / muss, wenn zur Überzeugung des Gerichts feststeht, dass der Steuerbescheid tatsächlich im Zeitraum vor dem Eingreifen der Drei-Tages-Fiktion zugegangen ist, aber nicht mehr hinreichend sicher aufklärbar ist, wann genau dies der Fall war. Daran schließt sich die Frage an, was als „frühester“ Bekanntgabezeitpunkt zugrunde gelegt werden soll. Der – abstrakt betrachtet – früheste überhaupt nur denkbare Zeitpunkt (das wäre der Erlasstag [Bescheidsdatum]) oder die – bei konkreter Einzelfallbetrachtung – regelmäßig benötigte Bekanntgabedauer bei postalischer Übermittlung? Nur letzteres ist der Fall. Denn der Zweifelsgrundsatz gebietet es nicht, zu Gunsten des Betroffenen gleichsam willkürlich von Annahmen auszugehen, für die es keine zureichenden tatsächlichen Anhaltspunkte gibt92. Danach kann es nicht angehen, „in dubio pro reo“ eine persönliche Bekanntgabe am Erlasstag zu unterstellen, wenn die Bescheidsbekanntgabe durch das konkrete Veranlagungsfinanzamt – wie auch sonst üblich – nur bzw. im absoluten Regelfall auf dem Postweg vorgenommen wird. Entscheidend ist somit der regelmäßige Geschäftsgang, über den nötigenfalls auch Beweis zu erheben ist. Erfahrungsgemäß wird die Sache so liegen, dass der Steuerbescheid entweder noch am Erlasstag, spätestens aber am darauf folgenden Werktag in die Post gegeben wird. Darüber kann ein Zeuge aus der Sphäre des Veranlagungsfinanzamts Auskunft geben. Insofern kann es aber auch genügen, einen entsprechenden Aktenvermerk (etwa im Wege des § 249 II StPO93) in die Hauptverhandlung einzuführen. Die Postlaufzeit beträgt im innerdeutschen Briefverkehr bei „einfachen“ Sendungen üblicherweise einen Tag94, sodass der Bescheid im Normalfall am zweiten Werktag nach seiner Aufgabe zur Post zugeht. Im Ergebnis läuft diese Konstellation daher vielfach faktisch auf eine „Zwei-Tages-Fiktion“ hinaus, wodurch der Täter im Vergleich zur Anwendung des § 122 II, IIa AO einen (u. U. entscheidenden) Tag „gewinnt“. Hier kann es allenfalls dann zu einer noch weitergehenden Anwendung des Zweifelsgrundsatzes kommen, wenn sich das Tatgericht nach durchgeführter Gesamtwürdigung aller Indizien keine ausreichende Überzeugung zum regelmäßigen Geschäftsgang im konkreten Finanzamt bilden kann. Das wird aber nur ganz ausnahmsweise der Fall sein. 92  St. Rspr., vgl. zuletzt BGH, wistra 2012, 484 (485) m. zahlr. weit. Nachw.; s. a. Fn. 237. 93  Erg. Jahn / Ebner, ZWH 2012, 386 zum „Selbstleseverfahren im Wirtschaftsstrafprozess“. 94  So zutr. OLG Hamm, DStRE 2002, 1095 (1096); s. aber auch HansOLG, wistra 1987, 189 („spätestens zwei bis drei Tage danach“).



A. Veranlagungssteuern207

d) Exkurs: Der nichtige Steuerbescheid Ein nach § 125 AO nichtiger Steuerbescheid ist als rechtliches Nullum auch im Steuerstrafrecht unbeachtlich95. Er entfaltet keinerlei Rechtswirkungen. Da er in jeder Hinsicht unwirksam ist, ist seine „Bekanntgabe“ bedeutungslos (vgl. § 124 III AO). Er kann, was der Gesetzgeber in § 126 I AO deklaratorisch festgeschrieben hat, folglich auch nicht „geheilt“ werden. Damit kann der nichtige Bescheid nicht zur Vollendung und Beendigung der Steuerhinterziehung führen bzw. beim vollendeten Delikt den Verjährungsbeginn auslösen. Stattdessen kommt in solchen Fällen stets nur eine Versuchsstrafbarkeit (§ 370 II AO) in Betracht. Die Nichtigkeit eines Steuerbescheids stellt in der Praxis allerdings eine seltene Ausnahme dar. Nach der in § 125 I AO Gesetz gewordenen Evidenztheorie liegt ein solcher Fall – parallel zu § 44 VwVfG – dann vor, wenn der Bescheid offenkundig („evident“) an einem besonders schwerwiegenden Fehler leidet96. Danach begründen insbesondere Verstöße gegen das materielle Steuerrecht in der Regel keine Nichtigkeit, sondern nur die Anfechtbarkeit des Bescheids. Erfolgt die Anfechtung nicht fristgemäß und wird der Steuerbescheid daraufhin bestandskräftig, kommt seine Nichtigkeit selbst dann nicht in mehr Betracht, wenn die ihm zugrunde liegende Norm oder eine bestimmte Auslegung des materiellen Steuerrechts im Nachhinein durch das BVerfG für verfassungswidrig erklärt wird.97 Gleiches gilt für – selbst grobe – Schätzungsfehler98, außer die Schätzung ist bewusst willkürlich vorgenommen worden99. § 125 III AO schränkt den Anwendungsbereich von Absatz  1 – im Sinne einer insgesamt eher restriktiven Handhabung – weiter ein. Beispiele aus der Rechtsprechung des BFH für gemäß § 125 I AO nichtige Steuerbescheide sind: – ein an ein im Bekanntgabezeitpunkt nicht (mehr) existentes Rechtssubjekt gerichteter Steuerbescheid100, 95  (Scheinbar) A. A. nur Rainer / Schwedhelm, NWB Fach  13 (40 / 1989), 747 (748). 96  Vgl. Ratschow, in: Klein, § 125 Rn. 2. 97  Vgl. Ratschow, in: Klein, § 125 Rn. 12 f.; erg. Jäger, in: Klein, § 370 Rn. 6c zur Hinterziehung verfassungswidriger Steuern. 98  Vgl. BFHE 156, 376 (378 f.) = NVwZ 1990, 800. 99  Vgl. BFHE 194, 1 (4 ff.) = DStR 2001, 847 (848); erg. Wegner, PStR 2013, 176 (177 [Checkliste]). 100  Vgl. BFHE 134, 519 (522 f.) = NVwZ 1982, 703; 169, 103 (107 f.) = DStR 1993, 92 (93) – jew. verstorbener Stpfl.; BFHE 145, 110 (117) = DStR 1986, 193 f.

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3. Teil: Der Verjährungsbeginn bei § 370 AO

– die Nichtbezeichnung der Art der (nach-)geforderten Steuer101, – ein zweiter Bescheid über denselben Veranlagungszeitraum ohne Klarstellung des Verhältnisses zum ersten Bescheid102 oder – ein Feststellungsbescheid (§ 179 I AO), der inhaltlich zwar für mehrere Personen bestimmt, aber nicht an alle Personen gerichtet ist103. Die selbstständige Regelung des § 125 II AO betrifft Fälle außerhalb des Anwendungsbereichs der Evidenztheorie, in denen die gravierende Fehlerhaftigkeit des Steuerbescheids nicht offensichtlich ist. Die absoluten Nichtigkeitsgründe der Vorschrift sind im automatisierten Festsetzungsverfahren ohne erkennbare praktische Relevanz104. Das trifft insbesondere auch auf § 125 II Nr. 1 AO zu. 3. Sonderfälle In der Praxis des Steuerstrafrechts sind es vor allem die zwei im Folgenden beschriebenen Kon­stellationen, in denen es zu einem Auseinanderfallen von Vollendung und Beendigung kommen kann. Beide Fallgruppen beruhen auf Eigenheiten des Besteuerungsverfahrens, die dadurch gekennzeichnet sind, dass es hier im Gegensatz zum „Normalfall“ der auf Falschangaben zurückzuführenden materiell-unrichtigen Steuerfestsetzung zu weiteren struk­turellen und zeit­lichen Abstufungen kommt. a) Erschlichener Feststellungsbescheid Bei dem in §§ 179 ff. AO geregelten Feststellungsverfahren handelt es sich um ein der eigentlichen Steuerfestsetzung vorgelagertes Instrument zur allseits verbindlichen Bestimmung der Besteuerungsgrundlagen. Es kommt in dieser Form nur in bestimmten Fällen zur Anwendung105 und zeichnet – durch Umwandlung erloschene GmbH; BFHE 150, 1 (3) = DStR 1987, 591 – vermeintlich existente GbR. 101  Vgl. BFHE 145, 7 (9) = NVwZ 1986, 792 – KiSt-Nachforderungsbescheid. 102  Vgl. BFHE 193, 19 (23 f.) = NVwZ 2001, 599 / 600 – wiederholter ESt-Bescheid. 103  Vgl. BFH, BFH / NV 2005, 214 (216) – Erbengemeinschaft. 104  Kurioses Bsp. zu § 125 II Nr. 3 AO: BFH, DStRE 2005, 566 – Verpflichtung zur Durchführung eines LSt-Abzugverfahrens bei nichtselbstständigen Prostituierten als Aufforderung zur Zuhälterei (§ 181a I Nr. 2 StGB; offen gelassen). 105  Vgl. insbes. §§ 179 I, 180 I AO, § 10d IV 1 EStG und § 10a S. 6 GewStG. Zu dem im Körperschaftsteuerrecht seit 1.1.2001 mit dem Wechsel vom Anrechnungs- zum Halbeinkünfteverfahren für Neufälle obsolet gewordenen Gliederungsfeststellungsbescheid nach § 47 KStG s. u. a. v. Briel, SAM 2006, 115 (117); Grötsch,



A. Veranlagungssteuern

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sich im Wesentlichen durch die auf diese Weise geschaffene strukturelle Zweigliedrigkeit der Steuerfestsetzung aus. Diese kann dazu führen, dass bei bewussten Falschangaben über steuerlich erhebliche Tatsachen verschiedene Hinterziehungstaten im Raum stehen, bei denen Vollendung und Beendigung in der Folge möglicherweise auseinanderfallen. Denn bei diesem speziellen Verfahren werden die Besteuerungsgrundlagen106 zuerst in einem Feststellungs- bzw. Grundlagenbescheid (vgl. § 171 X 1 AO) „gesondert“ festgestellt. Dieser beruht auf einer bzw. mehreren Feststellungserklärung / en (vgl. § 181 AO). Erst daran schließen sich die Folgebescheide an, in denen der Grundlagenbescheid „umgesetzt“ und die eigentliche Steuerschuld (z. B. Einkommensteuer) individuell festgesetzt wird. Der einheitliche Feststellungsbescheid ist für alle Folgebescheide bindend107. Seine Bekanntgabe kann daher nach zutreffender Auffassung des BGH108 und der mittlerweile fast einhelligen Meinung im Schrifttum109 für sich gesehen bereits einen den Eintritt des Hinterziehungserfolgs bewirkenden „Steuervorteil“ (§ 370 IV 2 AO) darstellen. Danach kann bereits mit Bekanntgabe des Grundlagenbescheids eine vollendete Steuerhinterziehung im Sinne von § 370 I Nr. 1 AO vorliegen110. Dieses Tatgeschehen ist schon nach der älteren Rechtsprechung des BGH111 erst dann beendet (§ 78a S. 1 StGB), wenn der – bei mehreren Feststellungsbeteiligten insgesamt letzte – auf dem unrichtigen Grundlagenbescheid beruhende Folgebescheid bekannt gegeben wurde. Das ist, obwohl in: Wannemacher, Rn. 834 ff.; Hardtke, vGA, S. 168 ff.; ders. / Leip, NStZ 1996, 217 (218 ff.). 106  Legaldefinition: § 199 I AO. 107  Vgl. §§ 175 I Nr. 1, 182 I 1, 351 II AO. 108  Vgl. BGH, NJW 2013, 1750 f.; BGHSt 53, 99 (105 ff.) = NJW 2009, 381 (383 f.) – Medienfonds-Fall (zu § 180 I Nr. 2a AO); BGH, Beschl. v. 2.1.2010, 1  StR 544 / 09, BeckRS 2011, 00863, Tz. 94 (zu § 10a GewStG; in NStZ 2011, 294 insoweit n. abgedr.); dem zust. FG München, EFG 2010, 1924 (1926). 109  s. bereits Otto, in: Lackner FS, S. 715 (735); Patzelt, S. 107; aus der neueren Lit. statt vieler: Dallmeyer, ZStW 124, 711 (722 f.); Jäger, in: Klein, § 370 Rn. 122, § 376 Rn. 25 m. w. N.; a. A. etwa Beckemper, NStZ 2002, 518 (520 ff.); Hellmann, in: Hübschmann / Hepp / Spitaler, § 370 AO Rn. 299 f.; Kiel, S. 189; Weigell, in: Kuhn, Rn. 191; diff. Schmitz, in: MüKo-StGB, § 370 AO Rn. 98 („nur … wenn der Feststellungsbescheid dem Veranlagungsbescheid nachfolgt“). 110  Abw. etwa Rolletschke, in: Graf / Jäger / Wittig, § 376 AO Rn. 30 (Vollendung erst mit Bekanntgabe des ESt-Bescheids). 111  s. BGH, NStZ 1984, 414 – zu hohe Verlustquote; wistra 1986, 257 – Abschreibungsgesellschaft; HansOLG, wistra 1985, 110 – ESt-Hinterziehung bei Fracht­ schiff-KG m. abl. Bespr. Herdemerten, wistra 1985, 98; zusf. Spörlein, „Verfolgungs­ verjährung“, Rn. 5 f.; krit. Grötsch, in: Wannemacher & Partner, Rn. 746; Wenzler, in: Flore / Tsambikakis, § 78a Rn. 8.

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3. Teil: Der Verjährungsbeginn bei § 370 AO

es in den bisher dazu ergangenen BGH-Entscheidungen nicht auf den Eintritt eines Steuervorteils durch die Erschleichung des Grundlagenbescheids, sondern auf die mit Bekanntgabe der Folgebescheide eintretende Steuerverkürzung (§ 370 IV 1 AO) ankam, nach wie vor konsequent112. Denn das von den Tätern im Feststellungsverfahren einvernehmlich auf den Weg gebrachte Unrecht hat – weiterhin – erst zu diesem (finalen) Zeitpunkt seinen tatsächlichen Abschluss erreicht. Diese Sichtweise führt vor dem Hintergrund der auch noch nach Bekanntgabe eines Grundlagenbescheids bestehenden Möglichkeit zur strafbefreienden Selbstanzeige (§ 371 AO) nicht zu untragbaren Ergebnissen in Gestalt unverhältnismäßig langer Verjährungsfristen. Einer Vorverlagerung des Beendigungszeitpunkts auf die Bekanntgabe des Grundlagenbescheids bedarf es daher selbst bei einer großen Anzahl von Gesellschaftern (etwa bei sog. Publikumsgesellschaften113) nicht114. Mit Blick auf die durch die Bekanntgabe der Folgebescheide verwirklichten weiteren Steuerhinterziehungen ist wie folgt zu unterscheiden: Gelangt der unzutreffende Grundlagenbescheid, wie im praktisch besonders bedeutsamen Fall des § 180 I Nr. 2a AO (Gewinn- / Verlustfeststellung bei der Beteiligung an Personengesellschaften), dem Veranlagungsfinanzamt durch Mitteilung des Betriebsstätten- bzw. Feststellungsfinanzamts von Amts wegen zur Kenntnis, mit der Folge, dass er nurmehr automatisch umgesetzt wird, bedarf es keiner weiteren Falschangaben in der individuellen Steuererklärung des / der Feststellungsbeteiligten. Vielmehr liegt dann im Verhältnis zur Erschleichung des unzutreffenden Grundlagenbescheids nach wie vor eine einheitliche Tat vor, die mit der Bekanntgabe der Folgebescheide zu einem weitergehenden Hinterziehungserfolg in Gestalt einer (im vorgenannten Sinne) „zusätzlichen“ Verkürzung führt. Hier bleibt es dabei, dass die Tat erst mit der Bekanntgabe des (bei mehreren Feststellungsbeteiligten letzten) Folgebescheids beendet ist115. 112  Ebenso wohl BGHSt 53, 99 (107) = NJW 2009, 381 (384); s. a. Bülte, in: Hübschmann / Hepp / Spitaler, § 376 AO Rn. 74  ff; Schauf, in: Kohlmann, § 376 Rn. 73 a. E. („im Hinblick auf den Beginn der Verjährung … keine Änderung“); Rolletschke, in: Rolletschke / Kemper, § 376 Rn. 31c; krit. Jope, DStZ 2009, 247 (248, 250). 113  Vgl. Kiel, S. 181 ff. („Bauherrenmodell“). 114  A. A. Schauf, in: Kohlmann, § 376 Rn. 75 m. w. N.; krit. Wenzler, in: Flore /  Tsambikakis, § 78a StGB Rn. 8. 115  Vgl. u. a. Joecks, in: Franzen / Gast / Joecks, § 376 Rn. 21a; I. Meyer, in: Beermann / Gosch, § 376 Rn. 25; Rolletschke, in: Rolletschke / Kemper, § 376 Rn. 31c; ders., ZSteu 2006, 74 (75); ders., Steuerstrafrecht, Rn. 465; krit. etwa Hardtke, Steuerstrafrecht, S. 108 f.; wortlautidentisch ders., in: Bockemühl, Teil 6 Kap. 2 Rn. 88; Kiel, S. 193 ff.



A. Veranlagungssteuern211 Das trifft beispielsweise gleichermaßen auf eine auf falschen Angaben beruhende (insgesamt ungerechtfertigte oder überhöhte) Verlustfeststellung nach § 10d IV 1 EStG zu. Denn auch diese stellt nach richtiger Auffassung einen Steuervorteil dar, der sich nach Maßgabe von § 10d I, II EStG (Verlustrücktrag / -vortrag) unmittelbar auf frühere oder künftige Einkommensteuerfestsetzungen auswirken kann116. Dies hat nach vorgenannten Maßstäben zur Konsequenz, dass die Tat hier zwar schon mit der materiell unrichtigen Verlustfeststellung vollendet ist; Tatbeendigung tritt aber erst ein, wenn sich die Verlustfeststellung in einem Folgebescheid (Änderungs- bzw. künftiger Einkommensteuerbescheid) effektiv ausgewirkt hat117. Die dagegen von Rolletschke118 vorgebrachten Bedenken, wonach dies im Fall des Verlustvortrags (§ 10d II EStG) eine „faktische Unverjährbarkeit“ zur Folge haben könnte, wenn sich eine „ ‚Gewinnphase‘ des Beschuldigten nicht mehr erwarten lässt“, sind unbegründet. Denn der Verlustabzug ist im Steuerrecht zeitlich unbegrenzt und von Amts wegen im gesetzlich höchstmöglichen Umfang vorzunehmen119. Die Erschleichung eines derart außergewöhnlichen Steuervorteils muss auf steuerstrafrechtlicher Ebene durch eine entsprechend lange Verfolgungsverjährung adäquat kompensiert werden. Dadurch wird der Täter nicht unverhältnismäßig benachteiligt. Denn er hat es mittels § 371 AO in der Hand, nicht nur die Beendigung, sondern sogar die Straflosigkeit seiner Tat betreffend den Grundlagenbescheid jederzeit selbst herbei zu führen. Die eingangs beschriebene Betrachtung lässt sich inbesondere auch auf die Gewerbesteuer übertragen, wenn es aufgrund von Falschangaben zum Gewerbeertrag (§§ 7 ff. GewStG) zu einer unrichtigen Festsetzung des Steuermessbetrags (vgl. §§ 11 I 2, 14 GewStG) kommt. Denn erst die hebeberechtigte Gemeinde setzt die eigentliche Gewerbesteuer unter Anwendung ihres individuellen Hebesatzes auf den Steuermessbetrag fest (vgl. § 16 I 1 GewStG), mit der Folge, dass erst die Bekanntgabe dieses Bescheids den Beendigungszeitpunkt markiert120. Unterhält

116  Vgl. FG München, EFG 2010, 1924 (1926); a. A. Zanzinger, in: Leopold / Madle / Rader, § 376 Rn. 23 (Bekanntgabe des Bescheids für das Rücktrags- / Vortragsjahr). 117  Bülte, in: Hübschmann / Hepp / Spitaler, § 376 AO Rn. 78; Vogelberg, in: Simon / Vogelberg, S. 107; a. A. etwa v. Briel, SAM 2006, 115 (118); Dallmeyer, ZStW 124, 711 (724); Grötsch, in: Wannemacher & Partner, Rn. 747; Patzelt, S.  138 f. (jew.: Beendigung mit Bekanntgabe des [Verlust-]Feststellungsbescheids); abw. auch Bublitz, DStR 1985, 653 (654: Vollendung und Beendigung mit ESt-Festsetzung, im Zeitraum davor allenfalls Versuch). 118  In: Rolletschke / Kemper, § 376 Rn. 31 f.; ders, Steuerstrafecht, Rn. 468; ders., in: Graf / Jäger / Wittig, § 376 AO Rn. 35; ders., ZWH 2014, 129 (134); dem zust. Dallmeyer, ZStW 124, 711 (724); ähnl. Vogelberg, in: Simon / Vogelberg, 2. Aufl., S. 102. 119  Vgl. Schlenker, in: Blümich, § 10d EStG Rn. 64, 133. 120  Vgl. etwa OLG Köln, BB 1970, 1335 (1336 [„Zustellung“]); OLG Hamm, DStRE 2002, 1095 (1096); Bülte, in: Hübschmann / Hepp / Spitaler, § 376 AO Rn. 79; Grötsch, in: Wannemacher & Partner, Rn. 751; Jäger, in: Klein, § 376 Rn. 22; Joecks, in: Franzen / Gast / Joecks, § 376 Rn. 15 a. E.; I. Meyer, in: Beermann / Gosch, § 376 AO Rn. 25; Müller, SteuerStud 2003, 371 (375); Rolletschke, in: Rolletschke / Kemper, § 376 Rn. 31g; ders., ZSteu 2006, 74 (75); ders., Steuerstrafrecht, Rn. 130d,

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3. Teil: Der Verjährungsbeginn bei § 370 AO

der Unternehmer in mehreren Gemeinden Betriebsstätten (sog. Zerlegungsfall, vgl. §§ 28 ff. GewStG, §§ 185 ff. AO), kommt es konsequenterweise auf die Bekanntgabe des letzten gemeindlichen Gewerbesteuerbescheids an121.

Liegt im Gegensatz dazu ein erschlichener Grundlagenbescheid (i. w. S.) vor, der dem Veranlagungsfinanzamt – etwa weil er von einer Behörde außerhalb des Finanzressorts stammt – nicht automatisch mitgeteilt wird und der als solcher auch keinen Steuervorteil im vorgenannten Sinne darstellt, führt erst die Vorlage dieses Bescheids bei den Finanzbehörden zu einer Straftat im Sinne von § 370 I Nr. 1 AO. Das ist zum Beispiel bei der Erschleichung einer Bescheinigung der Landesdenkmalbehörde für die erhöhte Absetzung bei Baudenkmalen (§ 7i II 1 EStG) der Fall, wenn diese zusammen mit der Einkommensteuererklärung beim Finanzamt eingereicht wird. Eine solche Tat ist – wie gehabt – nur / erst mit der Bekanntgabe des unrichtigen Einkommensteuerbescheids (Folgebescheid) zugleich voll- und beendet, weil ein solcher „Grundlagenbescheid“ mangels entsprechender Bindungswirkung für sich gesehen noch nicht zu einer Gefährdung des Steueranspruchs führt122. b) Festsetzung von Steuererstattungen Kommt es aufgrund unzutreffender Angaben über steuerlich erhebliche Tatsachen nicht nur zu einer zu niedrigen Festsetzung bzw. einer „Nullfestsetzung“ von Steuern, sondern – darüber hinausgehend – zur Festsetzung eines Erstattungsbetrags (vgl. § 37 II AO), ist die Tat nach heute überwiegender Auffassung erst mit der Auszahlung der Steuererstattung an den 467; ders., in: Graf / Jäger / Wittig, § 370 AO Rn. 163, § 376 AO Rn. 33; ders., ZWH 2014, 129 (134); Schauf, in: Kohlmann, § 376 Rn. 77; Seipl, in: Wannemacher & Partner, Rn. 1042; Stahl, Rn. 554; Wenzler, in: Flore / Tsambikakis, § 78a StGB Rn. 9; Vogelberg, in: Simon / Vogelberg, S. 109; a. A., soweit ersichtlich, nur Kiel, S. 150 f. („Tag der Fälligkeit des Gewerbesteuerbescheids“); unklar Dallmeyer, ZStW 124, 711 (723 [„Es ist … von zwei Taten auszugehen, die jeweils eigenständige Beendigungszeitpunkte aufweisen.“]). 121  Dto. Bülte, in: Hübschmann / Hepp / Spitaler, § 376 AO Rn. 79; Rolletschke, in: Rolletschke / Kemper, § 376 Rn. 31h m. w. N.; ders., ZSteu 2006, 74 (75); ders., Steuerstrafrecht, Rn. 467; ders., ZWH 2014, 129 (134); Spörlein, „Verfolgungsverjährung“, Rn. 5; a. A. Grötsch, in: Wannemacher & Partner, Rn. 751 („Da mehrere Gläubiger vorhanden sind, … erscheint es gerechtfertigt, die Verjährung der jeweiligen Taten getrennt zu beurteilen.“; zw.); s. a. Suhr / Naumann / Bilsdorfer, Rn. 323 („[es] … kann … vorkommen, daß die Einkommen- und Umsatzsteuerdelikte bereits verjährt sind, das dazugehörige Gewerbesteuerdelikt dagegen noch nicht.“). 122  Vgl. Joecks, in: Franzen / Gast / Joecks, § 376 Rn. 21 a. E.; Rolletschke, in: Rolletschke / Kemper, § 370 Rn. 289; erg. zum Fall des § 7i II EStG Fehn / Schultehinrichs, wistra 2014, 257.



A. Veranlagungssteuern213

Täter – d. h. konkret mit der Gutschrift (§ 675t I BGB) auf dessen Konto – beendet; die Bekanntgabe des Steuerbescheids, die im Regelfall zeitlich vor dieser Auszahlung liegt123, führt hier somit nur zur Tatvollendung124. Beispiel125: Aufgrund falscher Tatsachenangaben erfolgt eine zu niedrige Einkommensteuerfestsetzung. Dies führt aufgrund bereits geleisteter Vorauszahlungen des Steuerpflichtigen bei der Abrechnung zu einem Überschuss zu dessen Gunsten, der in der Folge an ihn ausbezahlt wird (§ 36 IV 2 EStG).

Dieses Auseinanderfallen von Vollendung und Beendigung wird damit begründet, dass das Unrecht der Tat nicht schon mit der unrichtigen Erstattungsfestsetzung seinen tatsächlichen Abschluss gefunden habe. Dadurch sei zwar die für die Tatbestandsverwirklichung ausreichende Gefährdung des Steueraufkommens eingetreten. Den eigentlichen Unrechtsabschluss bilde jedoch die – auch zeitlich erst darauf folgende – Auszahlung der Steuererstattung. Insoweit sei eine Parallele zum Betrug (§ 263 StGB) zu ziehen, bei dem eine schadensgleiche Vermögensgefährdung ebenfalls „nur“ zur Vollendung, nicht aber auch schon zur Beendigung führe126. Dies leuchtet ein. Rolletschke127 kommt über einen Vergleich mit dem Subventionsbetrug infolge „Deliktsparallelität“ zum demselben Ergebnis. Das ist jedoch konstruktiv zweifelhaft, weil § 264 I Nr. 1 StGB im Gegensatz zu § 370 AO keinen Taterfolg voraussetzt128.

Gegen diese heute herrschende Lehre wird von Wulf129 eingewandt, dass es für den Straftatbestand der Steuerhinterziehung strukturell nicht darauf 123  Vgl.

§ 220 II 2 AO („Fälligkeit nicht vor Bekanntgabe der Festsetzung“) u. bsphft. § 36 IV 2 EStG („Überschuss … wird … nach Bekanntgabe des Steuer­ bescheids ausgezahlt“); Hervorh. jew. v. hier; abw. ohne nähere Begr. Joecks, in: Franzen / Gast / Joecks, § 376 Rn. 18. 124  So zutr. u. a. Bülte, in: Hübschmann / Hepp / Spitaler, § 376 AO Rn. 70; Dallmeyer, ZStW 124, 711 (721 [„liegt auf der Hand“]); Heß, StW 2010, 145 (146 [„Erhalt der Erstattung“]); s. a. Grötsch, in: Wannemacher, Rn. 741; Jäger, in: Klein, § 376 Rn. 24; Joecks, in: Franzen / Gast / Joecks, § 376 Rn. 18; I. Meyer, in: Beermann / Gosch, § 376 AO Rn. 26; Rolletschke, in: Rolletschke / Kemper, § 376 Rn. 14 (anders bis zur 85.  EL, dort § 376 Rn. 11 [Vollendung / Beendigung mit Bescheidsbekanntgabe]); ders., Steuerstrafrecht, Rn. 462; ders., in: Graf / Jäger / Wittig § 376 AO Rn. 24; ders., ZWH 2014, 129 (131); a. A. Wulf, in: MüKo-StGB, § 376 AO Rn. 18 f. (Bescheidsbekanntgabe); insges. krit. Wenzler, in: Flore / Tsambikakis, § 78a StGB Rn. 5. 125  Nach Wulf, in: MüKo-StGB, § 376 AO Rn. 18. 126  So insbes. Jäger, in: Klein, § 376 Rn. 24 m. w. N.; s. dazu auch Dallmeyer, ZStW 124, 711 (723). 127  In: Rolletschke / Kemper, § 376 Rn. 14; dem i. Erg. zust. Bülte, in: Hübschmann / Hepp / Spitaler, § 376 AO Rn. 71; unklar Dallmeyer, ZStW 124, 711 (721). 128  Statt vieler: Momsen, in: BeckOK-StGB, § 264 Rn. 5. 129  In: MüKo-StGB, § 376 AO Rn. 18 f.

214

3. Teil: Der Verjährungsbeginn bei § 370 AO

ankomme, ob tatsächlich ein Vermögensschaden des Fiskus eingetreten sei. Zudem sei es auch bei der Festsetzung einer Nach- / Abschlusszahlung (§ 36 IV 1 EStG) für den Verjährungsbeginn irrelevant, ob es der Steuerpflichtige schaffe, sich seiner Zahlungspflicht letztlich erfolgreich zu entziehen. Dem ist zwar zuzugeben, dass es sich bei § 370 AO in der Tat nur um ein Erfolgs-, nicht aber zwingend auch um ein Verletzungsdelikt handelt130. Dies ändert jedoch nichts daran, dass es folgerichtig erscheint, den tatsächlichen Abschluss des Tatunrechts bei einer mit Bescheidserlass bereits absehbaren, über den von § 370 IV AO wenigstens geforderten Gefährdungserfolg hinausgehenden Rechtsgutsverletzung dennoch erst mit deren Eintritt anzunehmen. Der Vergleich Wulfs mit dem „Nachzahlungsfall“ hinkt, weil einem solchen Steuerbescheid allein gerade nicht sicher entnommen werden kann, ob sich der Steuerpflichtige „letztlich erfolgreich der Zahlungspflicht entzieht“131. Wie Wulf132 im weiteren Verlauf seiner Argumentation zu dem weitergehenden Schluss kommt, die herrschende Meinung müsse eigentlich konsequenterweise „innerhalb eines Steuerbescheids nach unterschiedlichen Beträgen differenzieren“ erschließt sich nicht. Denn bei der Einkommensteuerhinterziehung handelt sich um eine Tat, die auch nur einheitlich in das Beendigungsstadium eintreten kann. Schließlich geht auch der von Wulf in diesem Kontext gegebene Hinweis auf den bei der Beendigung der Hinterziehung von Fälligkeitssteuern maßgeblichen § 168 S. 2 AO ins Leere. Denn diese Vorschrift betrifft allein Steuervergütungen, nicht aber die davon zu trennenden Steuererstattungen133. Außerdem ist Wulfs These, nach der „bei den Anmeldungssteuern … ganz einheitlich nur auf den Zeitpunkt der Zustimmung … abgestellt werden soll“134, keineswegs zweifelsfrei und jedenfalls in Erstattungsfällen auch wertungsmäßig nicht zwingend. Dies belegen seine eigenen Hinweise auf den BGH135 und Joecks136.

130  Vgl.

nur BGHSt 53, 99 (106) = NJW 2009, 381 (384). in: MüKo-StGB, § 376 AO Rn. 18; Hervorh. v. hier. 132  In: MüKo-StGB, § 376 AO Rn. 18. 133  Vgl. Fn. 7. 134  Wulf, in: MüKo-StGB, § 376 AO Rn. 19; Hervorh. v. hier. 135  NJW 1991, 2847. 136  In: Franzen / Gast / Joecks, § 376 Rn. 22 a. E. 131  Wulf,



A. Veranlagungssteuern215

aa) Bestimmung des Auszahlungszeitpunkts (§ 224 III 3 AO) Somit ist in erster Linie zu klären, wann genau die für den Verjährungsbeginn maßgebliche „Auszahlung“ des Erstattungsbetrags erfolgt ist. Ausgehend von § 224 III 1 AO, wonach Zahlungen der Finanzbehörden in der Regel unbar zu leisten sind, stehen dafür mehrere Anknüpfungspunkte im Raum, zwischen denen de facto einige wenige, im Einzelfall aber durchaus über „Wohl und Wehe“ der Strafverfolgung entscheidende Tage liegen können. So könnte man etwa auf den Tag der behördeninternen Auszahlungsverfügung in den Steuerakten bzw. die Auslösung ihres elektronischen Pendants in der Finanzamts-EDV durch einen generell dazu befugten Behördenmitarbeiter abstellen137. Das brächte den „Charme“ der aktenmäßigen bzw. computergestützten Nachvollziehbarkeit mit sich. Entsprechendes gilt für den (ggf. gleichen) Tag der – möglicherweise sogar unu actu – veranlassten Banküberweisung an den Täter durch die Finanzkasse. Dabei wäre aber das umfangreiche zivilrechtliche Regelwerk über den Zahlungsdienstevertrag (§§ 675 f ff. BGB138) zu beachten. Danach erteilt das Finanzamt als „Zahler“ seinem Kreditinstitut („Zahlungsdienstleister“) einen Zahlungsauftrag, der gemäß § 675n I 1 BGB (erst) mit seinem Zugang dort wirksam wird und von da ab grundsätzlich nicht mehr widerrufen werden kann (§ 675p I BGB). Der Zahlungsbetrag muss gemäß § 675s I 1 1. Hs. BGB spätestens am Ende des auf den Zugangszeitpunkt des Zahlungsauftrags folgenden Geschäftstags beim Zahlungsdienstleister des Steuerpflichtigen („Zahlungsempfänger“) eingehen. Dieser muss den Zahlungsbetrag für den Steuerpflichtigen „unverzüglich“ verfügbar machen, d. h. dessen Konto gutschreiben (§ 675t I 1, 2 BGB). Beispiele: (1) Elektronischer Versand des Zahlungsauftrags durch das Finanzamt (Zahler) an die A-Bank (Zahlungsdienstleister des Zahlers) am Montag, dem 1.7.2013. Zugang (elektronisch) am gleichen Tag. Folgen: (a) Wirksamwerden des von da ab unwiderruflichen Zahlungsauftrags, (b) Pflicht der A-Bank, den Zahlungsauftrag bis spätestens Dienstag, dem 2.7.2013, 24.00 Uhr, an die B-Bank (Zahlungsdienstleister des Steuerpflichtigen [i. e. Zahlungsempfänger]) zu übermitteln, (c) Pflicht der B-Bank, den Zahlungsbetrag ohne schuldhaftes Zögern (§ 121 I 1 BGB) dem Konto des Steuerpflichtigen gutzuschreiben. Das wird im Beispiel am 2. oder 3.7.2013 erfolgen können. (2)  Wie Beispiel 1, jedoch mit der Modifikation, dass das Finanzamt den Zahlungsauftrag bereits am Freitag, dem 28.6.2013, elektronisch an die A-Bank abgesendet hat und dieser dort am gleichen Tag gegen Ende des Geschäftstags um 14.00 Uhr eingegangen ist. Da die A-Bank für diesen Fall gemäß § 675n I 3 BGB festgelegt 137  So

scheinbar Joecks, in: Franzen / Gast / Joecks, § 370 Rn. 104. Jahn / Ebner, ZWH 2013, 18 (20) zu § 261 VI StGB.

138  Erg.

216

3. Teil: Der Verjährungsbeginn bei § 370 AO

hat, dass der Zahlungsauftrag für die Zwecke des § 675s I BGB erst als am darauf folgenden Geschäftstag (vgl. § 675n I 4 BGB) zugegangen gilt, ist insofern – wie im Beispiel 1 – auf Montag, den 1.7.2013, abzustellen. Folglich kann die Gutschrift auf dem Konto des Steuerpflichtigen hier ebenfalls am 2. oder 3.7.2013 erfolgen, obwohl der Zahlungsauftrag drei Tage früher versendet worden ist. Dies belegt eindrucksvoll die mit Blick auf die Verjährungsfrage nicht unerheblichen zeitlichen Diskrepanzen, die zwischen der Erteilung des Zahlungsauftrags und der Gutschrift beim Steuerpflichtigen gerade auch im unbaren Zahlungsverkehr auftreten können, selbst bzw. gerade wenn alles „mustergültig“ nach den entsprechenden gesetzlichen Vorgaben abläuft.

Vor diesem Hintergrund böte es sich an, unter Ausblendung der zivilrechtlichen Vorgaben des Rechts über den Zahlungsdienstevertrag in jedem Fall ausschließlich auf den Zeitpunkt der Gutschrift des Erstattungsbetrags auf dem Konto des Steuerpflichtigen abzustellen. Das entspräche nicht nur am ehesten der Wertung eines tatsächlichen Abschlusses des Tatunrechts, sondern wäre auch durch die Einholung von Bankauskünften forensisch einwandfrei nachweisbar. Da Steuerstrafrecht Blankettstrafrecht ist, darf aber die vom Gesetzgeber in § 224 III 3 AO normierte (weitere) Drei-Tages-Fiktion nicht übersehen werden, durch die der in §§ 675n ff. BGB vorgegebene zeitliche Rahmen hier überlagert wird. Die Vorschrift lautet: „§ 224 Leistungsort; Tag der Zahlung. … (3) … 3Als Tag der Zahlung gilt bei Überweisung oder Zahlungsanweisung der dritte Tag nach der Hingabe oder Absendung des Auftrags an das Kreditinstitut oder, wenn der Betrag nicht sofort abgebucht werden soll, der dritte Tag nach der Abbuchung.“

Dabei handelt es sich – wie bei § 122 II, IIa AO139 – um eine im Grundsatz unwiderlegbare gesetzliche Fiktion und nicht nur um eine Vermutung140. Dies hat zur Folge, dass sich dieselben Probleme auftun können wie bei der Drei-Tages-Bekanntgabefiktion (s. o.). Im Unterschied zu § 122 II 1. Hs., IIa 1. Hs. AO enthält § 224 III 3 AO auch keine „außer wenn“-Klausel, wonach die Fiktion nicht eingreift, wenn der Zugang (hier: die Zahlung) gar nicht oder später erfolgt ist. Allerdings wird in der Literatur für die Fiktion des Zahlungszeitpunkts eine tatsächlich erfolgte Gutschrift vorausgesetzt141. Überträgt man die für die Anwendung von § 122 II, IIa AO gefundenen Ergebnisse auf § 224 III 3 AO, ergibt sich für die Bestimmung des steuerstrafrechtlichen Beendigungszeitpunkts Folgendes: 139  s.

S.  201 ff. Fritsch, in: Pahlke / Koenig, § 224 Rn. 18. 141  Fritsch, in: Pahlke / Koenig, § 224 Rn. 18. 140  Vgl.



A. Veranlagungssteuern217

(1) § 224 III 3 AO enthält zwingendes Recht und gilt daher auch im Steuer­ strafrecht. Das hat weiter zur Konsequenz, dass hier nötigenfalls auch § 108 AO angewendet muss142. (2) Liegt der tatsächliche Zeitpunkt der Gutschrift des Erstattungsbetrags auf dem Konto des Steuerpflichtigen zeitlich nach bzw. „hinter“ dem dritten Tag nach der (elektronischen) Absendung des Zahlungsauftrags an den Zahlungsdienstleister der Finanzverwaltung, ist die Fiktion des § 224 III 3 AO für die Beantwortung der Verjährungsfrage uneingeschränkt zu beachten. Denn durch die damit bewirkte Vorverlegung des Beendigungszeitpunkts wird der Täter aufgrund gesetzlicher Anordnung begünstigt. Beispiel: Elektronische Absendung des Zahlungsauftrags durch das Finanzamt an die A-Bank am Montag, dem 1.7.2013; fingierter Zahlungszeitpunkt gemäß §§ 108 I, 224 III 3 AO i. V. m. § 187 I BGB: Donnerstag, der 4.7.2013; tatsächliche Gutschrift erst am Freitag, dem 5.7.2013. Folge: Verjährungsbeginn bereits am 4.7.2013.

(3) Ist die Gutschrift dagegen vor dem nach Maßgabe der Drei-TagesZahlungsfiktion einschlägigen Termin erfolgt, greift § 224 III 3 AO – anders als im Fall des § 122 AO – nicht ein. Dies wird durch § 78a S. 2 StGB nicht legitimiert, da die Auszahlung der Erstattung an den Steuerpflichtigen im Gegensatz zu deren Festsetzung im Veranlagungsbescheid kein „zum Tatbestand gehörender Erfolg“ ist (s. o.). Beispiel wie vor; tatsächliche Gutschrift allerdings bereits am 3.7.2013. Folge: Verjährungsbeginn gemäß § 78a S. 1 StGB am 3.7.2013.



Dies führt rechtstatsächlich dennoch nicht zu einer weitergehenden Anwendung des Zweifelsgrundsatzes, weil der Fall, dass im Zuge der Ermittlungen offen bleibt, wann die Kontogutschrift erfolgt ist, bei unbaren Zahlungen praktisch nicht denkbar ist. Der elektronische Zahlungsverkehr ist als „Papierspur“ im weiteren Sinne auch nach sehr langer Zeit noch lückenlos rekonstruierbar.

Kommt es erst gar nicht zur (teilweisen) Auszahlung des Erstattungsbetrags, weil mit Blick auf offene Zahlungsbeträge des Täters für andere Steuern eine Aufrechnung erfolgt ist, ist für die Tatbeendigung nicht der Zugang der darauf bezogenen Aufrechnungserklärung des Finanzamts143 (§ 226 I AO 142  Fritsch, in: Pahlke / Koenig, § 224 Rn. 18. Die zu § 122 II AO ergangene Grundsatzentscheidung BFHE 203, 26 (27 ff.) = NJW 2004, 94 zur „Verlängerung“ der Drei-Tages-Fiktion bis zum nächsten Werktag, wenn das Fristende auf einen Samstag, Sonntag oder gesetzlichen Feiertag fällt, dürfte auf § 224 III 3 AO übertragbar sein. Dafür spricht auch die gesetzgeberische Wertung in § 675n I 3 BGB. 143  Grdlg. Rüsken, in: Klein, § 226 Rn. 7.

218

3. Teil: Der Verjährungsbeginn bei § 370 AO

i. V. m. § 388 S. 1 BGB) maßgeblich144. Gemäß § 389 BGB ist vielmehr auf den Zeitpunkt abzustellen, in dem sich die Forderungen zum ersten Mal aufrechenbar gegenüber standen. Das ist der Zeitpunkt der Bekanntgabe des Veranlagungsbescheids, weil die Erstattungsfestsetzung erst ab diesem ­Moment wirksam wird. Es ist insoweit kein Grund ersichtlich, dieser sich zugunsten des Täters auswirkenden gesetzgeberischen Wertung nicht genauso Folge zu leisten, wie im Falle der §§ 122 II, IIa, 224 III 3 AO (s. o.). Erfolgt dagegen – weil die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Aufrechnung nicht vorliegen – lediglich eine zwischen dem Steuerpflichtigen und dem Finanzamt vertraglich vereinbarte „Verrechnung“, ist wie folgt zu unterscheiden145: – Liegt ein obligatorischer Verrechnungsvertrag vor, aufgrund dessen das Finanzamt (i. d. R. dauerhaft) einseitig verrechnen darf, kommt es für die Tatbeendigung auf die Vornahme der entsprechenden Buchung innerhalb der Finanzverwaltung an. Diese wirkt ex nunc, entspricht damit der Auszahlung des Erstattungsbetrags und markiert folglich den tatsächlichen Abschluss des Tatunrechts. Der (Tag des) Buchungsvorgang(s) kann zumeist leicht anhand der Steuerakten bzw. der EDV der Finanzverwaltung festgestellt werden. – Dasselbe gilt für den verfügenden Verrechnungsvertrag, durch den die Verrechnung zwar (einmalig) unmittelbar erfolgt. Allerdings kommt das Tatunrecht auch hier erst mit der – wenngleich nur noch „formalen“ – Umbuchung zu einem tatsächlichen Abschluss. bb) Exkurs: Erschleichung eines unrichtigen Vorauszahlungsbescheids Beschränkt sich die Tat auf die Erschleichung eines unrichtigen Vorauszahlungsbescheids, in dem zu Unrecht (künftig) gar keine oder zu niedrige Steuervorauszahlungen (etwa nach § 37 EStG, §§ 30 Nr. 2, 31 I 2 KStG oder §§ 19 ff. GewStG) festgesetzt werden, ist diese mit der Bekanntgabe dieses Bescheids vollendet. Beendigung tritt dagegen nach hier vertretener Auffassung erst im Zeitpunkt der Fälligkeit der jeweiligen Vorauszahlung ein, weil frühestens dann davon die Rede sein kann, dass das Tatunrecht seinen tatsächlichen Abschluss gefunden hat146. Hierauf wird es freilich in 144  So aber Joecks, in: Franzen / Gast / Joecks, § 376 Rn. 18, der zudem ungenau von „Verrechnung“ spricht; dem scheinbar zust. Dallmeyer, ZStW 124, 711 (721). 145  Vgl. Rüsken, in: Klein, § 226 Rn. 75. 146  Str.; a. A. etwa Dallmeyer, ZStW 124, 711 (731); Joecks, in: Franzen / Gast /  Joecks, § 376 Rn. 23; Schauf, in: Kohlmann, § 376 Rn. 80; Zanzinger, in: Leopold / Madle / Rader, § 376 Rn. 33 (jew.: Vollendung / Beendigung mit Bekanntgabe des Vorauszahlungsbescheids).



A. Veranlagungssteuern

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der Praxis vielfach nicht ankommen. Denn setzen sich die falschen Angaben – wie so oft – in der jeweiligen Jahreserklärung fort, weil nicht nur eine Steuerverkürzung „auf Zeit“, sondern eine solche „auf Dauer“ angestrebt wird, gelangt das Tatunrecht ohnehin erst mit der Bekanntgabe des eigentlichen Veranlagungsbescheids insgesamt zu einem tatsächlichen Abschluss. Dies hat zur Folge, dass es für den strafrechtlichen Verjährungsbeginn in der Regel allein auf diesen späteren Zeitpunkt ankommt147. Dass die Vorauszahlungsbeträge aufgrund der unzutreffend festgesetzten Steuer in den darauf folgenden Veranlagungszeiträumen von Amts wegen bestätigt oder weiter verringert werden, schiebt den Beendigungszeitpunkt dagegen mit Blick auf das Prinzip der Abschnittsbesteuerung nicht noch weiter hinaus148.

II. Versuchtes Begehungsdelikt (§ 370 I Nr. 1, II AO) Es bedarf eigentlich keiner gesonderten Erwähnung, dass auch eine nur bis ins Versuchsstadium gelangte – also noch vor der „Falschfestsetzung“ rechtzeitig als solche erkannte – Hinterziehungstat der Strafverfolgungsverjährung unterliegt. Hinsichtlich der Vollendung und Beendigung (§ 78a S. 1 StGB) des Versuchs wird dabei von der ganz herrschenden Meinung – ebenso wie im Kernstrafrecht149 – auf das „Ende der Tätigkeit …, die zum Erfolg [§ 370 IV AO] führen sollte“150, abgestellt151. Das ist als solches zutreffend, bereits seit Langem anerkannt und demnach in rechtlicher Hinsicht eher „unspektakulär“. Umso mehr erstaunt es, dass die Übertragung dieses Dogmas auf die versuchte Hinterziehung von Veranlagungssteuern in der Falscherklärungsvariante des § 370 I Nr. 1 AO bislang nur pauschal und – zu – ungenau erfolgt ist. Im Schrifttum findet sich dazu meist allein der Hinweis, dass für die Versuchsbeendigung auf die „Abgabe“ bzw. „Einreichung“ der (bei mehrstufiger Tatbegehung „letzten“) unzutreffenden (Steuer-152)Erklärung abzustellen sei153. 152

147  So zutr. Bülte, in: Hübschmann / Hepp / Spitaler, § 376 AO Rn. 111; Otto, in: Lackner FS, S. 715 (734); ähnl. Vogelberg, in: Simon / Vogelberg, S. 110; a. A. Dallmeyer, ZStW 124, 711 (731 [„weitere, selbstständige Tat“]). 148  So bereits RGSt 76, 334; dem zust. Otto, in: Lackner FS, S. 715 (734). 149  s. nur Fischer, § 78a Rn. 4 a. E. m. w. N. 150  Schauf, in: Kohlmann, § 376 Rn. 103; abw. etwa Bülte, in: Hübschmann / Hepp / Spitaler, § 376 Rn. 67 („erst mit dem Scheitern der Tatvollendung“), 84 f. 151  s. d. Nachw. in Fn. 153. 152  Die Falschangaben können auch außerhalb einer formularmäßigen Steuererklärung i. S. v. § 149 I AO erfolgen, z. B. in einem nachgereichten „Erläuterungsschreiben“.

220

3. Teil: Der Verjährungsbeginn bei § 370 AO

Das ist mit Blick auf die Vielgestaltigkeit der praktisch vorkommenden Fälle jedoch zu kurz gegriffen. Denn für die Feststellung des konkret maßgeblichen Beendigungszeitpunkts kommt es gerade beim Hinterziehungsversuch darauf an, auf welche Art und Weise die unrichtige Tatsachenerklärung an die jeweilige Finanzbehörde gelangt ist. Dies kann durch (persönliche) Abgabe vor Ort, Übersendung per Brief, Telefax oder neuerdings auch in elektronischer Form geschehen sein. Außerdem setzen sich zunächst erfolglose Versuchshandlungen häufig im Rechtsbehelfsverfahren (Einspruch und Klage) fort, wenn die Finanzbehörde den Falschangaben entweder in tatsächlicher Hinsicht keinen Glauben geschenkt oder daraus andere rechtliche Konsequenzen gezogen hat, als vom Täter beabsichtigt. Dem soll dann durch weitere Falschangaben entgegen gewirkt werden. 153

Die eingangs zitierte Formel vom Ende der auf die Erfolgsherbeiführung gerichteten Tätigkeit ist, wie die folgenden Ausführungen zeigen werden, unter beiden Gesichtspunkten (Erklärungsform?; evtl. weitere Falschangaben?) nicht nur aus praktischer Sicht, sondern insgesamt zu unspezifisch. Entsprechendes gilt für die in der Literatur zum Teil vertretene154, im hiesigen Kontext aber viel zu oberflächliche und zudem erhebliche Missdeutungsgefahren bergende Auffassung, es sei – pauschal – solange von einer straflosen Vorbereitungshandlung auszugehen, als die auf eine Steuerhinterziehung abzielenden Handlungen zeitlich vor dem gesetzlichen Termin zur Abgabe der Steuererklärung (vgl. § 149 II 1 AO) erfolgten. Diese Formel darf keinesfalls zur Bestimmung des Beendigungszeitpunkts beim Hinterziehungsversuch i. S. v. § 78a S. 1 StGB herangezogen werden. Denn es liegt auf der Hand, dass Vergehen der Steuerhinterziehung selbstverständlich auch schon vor dem jeweiligen Abgabetermin in strafrechtlich relevanter Weise versucht werden können155.

153  Allg. M., vgl. nur BGH, NStZ 1988, 322; NStZ-RR 2003, 20 (21); Herdemerten, wistra 1985, 98 (99); Jäger, in: Klein, § 376 Rn. 26; Joecks, in: Franzen / Gast / Joecks, § 376 Rn. 33; I. Meyer, in: Beermann / Gosch, § 376 AO Rn. 40; Quedenfeld, in: Quedenfeld / Füllsack, Rn. 299; Rainer / Schwedhelm, NWB Fach 13 (40 / 1989), 747 (751); Rolletschke, in: Rolletschke / Kemper, § 376 Rn. 15; ders., in: Graf / Jäger / Wittig, § 376 AO Rn. 26; ders., ZSteu 2006, 74 (75); ders., ZWH 2014, 129 (131); Wulf, in: MüKo-StGB, § 376 AO Rn. 43; abw. etwa Vogelberg, in: Simon / Vogelberg, S. 103, 108, der zwischen tauglichem („Verjährungsbeginn … Tag der Bestandskraft des Steuerbescheides“) und untauglichem Versuch („Ende der Tätigkeit“) unterscheiden will (zw.); ähnl. Dumke, in: Schwarz, § 370 Rn. 272. 154  Vgl. etwa Joecks, in: Franzen / Gast / Joecks, § 370 Rn. 261; Kuhn, in: Kuhn / Weigell, Rn. 109. 155  Ebenso Rolletschke, Steuerstrafrecht, Rn. 127.



A. Veranlagungssteuern221

1. Erscheinungsformen des „aktiven“ Hinterziehungsversuchs Sieht man von den im Festsetzungsverfahren bei Veranlagungssteuern relativ selten vorkommenden Fällen ab, in denen sich der Vorwurf eines (versuchten) Steuervergehens allein auf mündliche Falschangaben stützt, ist die Bestimmung des Beendigungszeitpunkts bei den in der Praxis regelmäßig anzutreffenden „schriftlichen“ Hinterziehungstaten durchweg problematisch. Dies mag zum einen daran liegen, dass § 122 II, IIa AO hier naturgemäß nicht zur Anwendung kommen kann, weil es der Täter ist, der die Falscherklärung auf den Weg zur Finanzbehörde bringt. Dabei handelt es sich ganz offensichtlich weder um einen „Verwaltungsakt“ (ein solcher wird in Form eines den Täter begünstigenden Steuerbescheids erst angestrebt), noch kann die Vorschrift etwa „umgekehrt“ analog angewendet werden. Dafür fehlt es augenscheinlich an einer planwidrigen Regelungslücke. Wirklich problembehaftet sind die Fälle schriftlicher Falschangaben mit Blick auf § 78a S. 1 StGB aber vor allem deshalb, weil hier – anders als bei mündlichen Erklärungen, die unmittelbar gegenüber der Finanzbehörde abgegeben werden und bereits im Moment ihrer Wahrnehmung durch den jeweiligen Behördenvertreter zur Vollendung und Beendigung des Versuchs führen – zwischen der Entäußerung des Schriftstücks in den Rechtsverkehr und seinem Ein- / Zugang ein nicht unerheblicher Zeitraum liegen kann. Dieser ist potentiell geeignet, sich auf die Verjährungsfrage auszuwirken, so dass es im Einzelfall durchaus entscheidend darauf ankommen kann, auf welchen Zeitpunkt man für die Versuchsbeendigung abstellt. Anders als beim vollendeten Begehungsdelikt liegt beim Versuch nämlich gerade kein die Tat verkörpernder Steuerbescheid vor, dessen Bekanntgabe ansonsten vor dem Hintergrund von § 370 IV 1 AO für die Tatbeendigung maßgeblich ist. Bei schriftlichen Falscherklärungen muss im Steuerstrafrecht daher grund­ sätzlich zwischen folgenden drei Varianten differenziert werden, die sich vor allem in den Möglichkeiten des forensischen Nachweises des Beendigungszeitpunkts unterschieden: (1) die unmittelbare persönliche Abgabe der schriftlichen Falscherklärung durch den Täter beim Finanzamt bzw. ihr eigenhändiger Einwurf in den Finanzamtsbriefkasten, (2) ihre Übermittlung durch Dritte, d. h. in der Regel auf dem Postweg oder per Boten (z. B. Steuerberater), und (3) die elektronische Falscherklärung.

222

3. Teil: Der Verjährungsbeginn bei § 370 AO

a) Unmittelbare Abgabe schriftlicher Falscherklärungen Eine der beiden „klassischen“ Erscheinungsformen des Hinterziehungsversuchs in der Begehungsvariante liegt vor, wenn der Täter eine inhaltlich unzutreffende Steuererklärung in Papierform (amtlicher Vordruck) samt zugehörigen Belegen persönlich beim Finanzamt abgegeben, d. h. einem Mitarbeiter selbst ausgehändigt oder direkt in den Behördenbriefkasten eingeworfen hat. Günstigstenfalls räumt er dies einschließlich des betreffenden Zeitpunkts im Steuerstrafverfahren ein. Andernfalls müssen diese Umstände zur Überzeugung des Gerichts (§ 261 StPO) durch andere Beweismittel nachgewiesen werden. Gelingt dies, wird bei der Bestimmung des Verjährungsbeginns in der Praxis häufig – unscharf – auf den zeitgleich bzw. eine „juristische Sekunde“156 später erfolgten „Zugang“ der Falscherklärung abgestellt. Das mag im Ergebnis oftmals zutreffen, diese Umschreibung ist jedoch in der Sache irreführend: Denn ein Zugang im Rechtssinne (§ 130 I 1 BGB) setzt nach gängiger, nur terminologisch dem vorliegenden Problemkreis angepasster Definition voraus, dass die inhaltlich unrichtige Steuererklärung nach ihrer willentlichen Entäußerung in den Rechtsverkehr so in den Machtbereich der Finanzbehörde gelangt ist, dass deren Vertreter unter normalen Umständen die Möglichkeit haben, von ihrem Inhalt Kenntnis zu nehmen. Erforderlich ist überdies nicht nur, dass die Kenntnisnahme der Falscherklärung möglich ist, sondern, dass sie nach der Verkehrsanschauung auch erwartet werden kann157. Dies wäre bei der unmittelbaren Übergabe der schriftlichen Falscherklärung an einen Finanzamtsmitarbeiter sofort der Fall (Zugang unter Anwesenden158). Beim Einwurf in den Hausbriefkasten (Zugang unter Abwesenden) käme es für den Verjährungsbeginn beim Hinterziehungsversuch dagegen darauf an, wann genau im Einzelfall nach der Verkehrsanschauung mit der nächsten Entleerung zu rechnen ist159. Insofern ist anerkannt, dass ein während der Nachtzeit eingeworfener Brief erst am nächsten Morgen bzw. mit Wiederbeginn der Geschäftsstunden zugegangen ist160. Gleiches gilt, wenn die Falscherklärung an einem Samstag, Sonntag oder Feiertag eingeworfen wird, weil an diesen Tagen eine Kenntnisnahme der Sendung nicht erwartet werden kann. Das könnte im – aus Tätersicht – „schlimmsten“ Fall dazu führen, dass sich der Zugang – und damit auch der Verjährungsbeginn – um mehrere Tage hinauszögert, wie etwa dann, wenn die Erklärung donnerstagnachts (5.4.2012) in den Finanzamtsbriefkasten eingeworfen 156  s.

dazu S. 93. Ellenberger, in: Palandt, § 130 Rn. 5; erg. S. 196 f. 158  Vgl. Einsele, in: MüKo-BGB, § 130 Rn. 2, 27. 159  Vgl. Ellenberger, in: Palandt, § 130 Rn. 6. 160  Exemplarisch: RGZ 142, 402 (407). 157  Vgl.



A. Veranlagungssteuern223 und der Zugang daraufhin erst am nächsten Dienstagmorgen (10.4.2012) eintreten würde, weil am 6.4.2012 Karfreitag und am 9.4.2012 Ostermontag (i. e. bundesweite Feiertage) war.

Auf all das kommt es jedoch nicht entscheidend an. Maßgeblich ist vielmehr sowohl bei der persönlichen Abgabe als auch beim unmittelbaren Einwurf in den Briefkasten schon die Erklärungsabgabe, die hier mit dem Erklärungseingang (d. h. der persönlichen Entgegennahme der Falscherklärung durch einen Finanzamtsmitarbeiter bzw. deren Einlegung in den Hausbriefkasten) zusammenfällt. Denn damit gibt der Täter den weiteren Kausalverlauf aus der Hand und setzt in der Folge aus seiner Sicht unmittelbar zur Tat an161. Beide Zeitpunkte lassen sich anhand des durch die Finanzbehörde auf der Sendung anzubringenden Eingangsstempels in der Regel unproblematisch feststellen162. Liegt ein solcher Stempelaufdruck nicht vor, ist er unleserlich (geworden) und kann auch durch die Spurensicherung des Zolls bzw. der Kriminalpolizei (vgl. Nr. 139 II, 141 ASB) nicht mehr lesbar gemacht werden, wird er angezweifelt (etwa weil die Trennungsfunktion des Nachtbriefkastens nicht vorhanden oder defekt gewesen sein soll163) oder ist die Steuererklärung als solche gar abhandengekommen, kann der Zeitpunkt der Erklärungsabgabe oftmals anhand anderer Anhaltspunkte zeitlich sehr eng eingegrenzt werden. Entsprechende Indizien kann der Tatrichter aus den Steuerakten oder durch Zeugenbefragungen gewinnen. Von Bedeutung können dabei auch das (nicht zwingend [zutreffend] angegebene) Datum auf der Falscherklärung164 oder das gegebenenfalls anhand der Finanzamts-EDV (Aktenkontrolle) nachvollziehbare Datum der ersten Vorlage des Steuerfalls bei dem zuständigen Sachbearbeiter sein. Kann sich das Gericht nicht von einem bestimmten Beendigungszeitpunkt, sondern nur von einem entsprechenden Zeitkorridor überzeugen, bleibt ihm nichts anders übrig, als nach dem Zweifelsgrundsatz von der für den Angeklagten günstigen Fallgestaltung auszugehen165.

161  So auch Rolletschke, in: Rolletschke / Kemper, § 370 Rn. 387; ders., Steuerstrafrecht, Rn. 127, 131; Wulf, in: MüKo-StGB, § 376 AO Rn. 386; Zanzinger, in: Leopold / Madle / Rader, § 376 Rn. 34 a. E.; s. a. Eschenbach, DStZ 1997, 851 (855, Fn. 50) m. w. N. 162  Vgl. z. B. § 12 II 1 BayAGO. 163  s. dazu Rätke, in: Klein, § 108 Rn. 7. 164  Eine Unterschrift ist – strafrechtlich – nicht erforderlich (vgl. BGHSt 39, 233 [235 f.] = NStZ 1993, 493; BGH, NStZ-RR 2003, 20 [21]). 165  Vgl. BGH, NStZ-RR 2009, 270 (271); Fischer, § 78a Rn. 6.

224

3. Teil: Der Verjährungsbeginn bei § 370 AO

b) Übermittlung von Falscherklärungen durch Dritte (Post, Bote) Nicht wesentlich anders stellt sich die Rechtslage dar, wenn der Täter die Falscherklärung unter Vermittlung eines Dritten an die Finanzbehörde gelangen lässt. Hier ist der Hinterziehungsversuch nach vorgenannten Maßstäben ebenfalls bereits dann voll- und beendet, sobald der Täter die Dokumente in Richtung der Finanzbehörde auf den Weg gebracht und damit das Geschehen nach seiner Vorstellung von der Tat aus der Hand gegeben hat. Davon kann jedenfalls dann ausgegangen werden, wenn er die Erklärung selbst bei der Post aufgegeben oder in einen Briefkasten der Deutsche Post AG oder eines anderen Zustelldienstleisters eingeworfen hat166. Ob die Sendung versehentlich falsch adressiert (dann u. U. untauglicher Versuch) oder nicht bzw. nicht ausreichend frankiert ist, spielt dabei ebenso wenig eine Rolle167 wie die Frage, wann sie gegebenenfalls aus einem Postfach entnommen oder – bei postlagernden oder eingeschriebenen Sendungen – nach Hinterlegung eines Benachrichtigungszettels beim Zustelldienstleister abgeholt wird168. Bei einer Frankierung mittels Briefmarke kann sich das Gericht – woran oft nicht gedacht wird – möglicherweise auch anhand des darauf unter Umständen noch nachweisbaren genetischen Materials (Stichwort: „Ablecken“) eine Überzeugung von der Person des Absenders bilden (§ 81e StPO)169. Das setzt freilich voraus, dass der Umschlag samt Briefmarke noch vorhanden ist, d. h. sich bei der Steuerakte befindet. Entsprechendes gilt für daktyloskopische Spuren auf dem Kuvert oder der Falscherklärung170. Alle tatbezogenen Schriftstücke (d. h. Steuererklärungen samt Briefkuverts, Belege, Rechnungen usw.) sollten daher stets zum frühest möglichen Zeitpunkt fachgerecht asserviert werden, um die Spurenlage unverändert zu konservieren und weitere Spurenantragungen, insbesondere von FremdDNA, zu vermeiden. Dazu kann es bereits genügen, die Dokumente unter Einsatz von Einweghandschuhen in eine Klarsichthülle zu überführen. Dabei bietet es sich erfahrungsgemäß an, das Schriftstück zu fotokopieren oder einzuscannen, nachdem es in eine derartige Hülle gesteckt wurde, um einen weiteren unmittelbaren 166  Vgl.

Jäger, in: Klein, § 370 Rn. 193; Rolletschke, in: Rolletschke / Kemper, § 370 Rn. 387 m. w. N. 167  Nicht oder nur unzureichend freigemachte Sendungen „sollen“ behördlicherseits angenommen werden (vgl. § 12 V 1 BayAGO). 168  Erg. Rätke, in: Klein, § 108 Rn. 7 zur Fristwahrung gegenüber der Finanzbehörde. 169  Bsp.: BGH, NStZ-RR 2006, 212 (213) – ohne Erfolg; zu den Darstellungsanforderungen im Urteil BGH, NStZ 2014, 477 (478 ff.). 170  Das war in einem vom Verf. als Dezernent bei der StA Nürnberg-Fürth geführten Ermittlungsverfahren wegen „Kindergeldhinterziehung“ (s. S. 325 ff.) erfolgreich. Dort konnte der Tatnachweis aufgrund von Fingerspuren auf einer totalgefälschten Schulbescheinigung geführt werden; erg. Bartko, Kriminalistik 2000, 405; de Vries, StRR 2013, 417; zum forensischen Handschriftengutachten s. d. Nachw. in Fn. 176; s. a. § 3 XI  1 ZFdG, Nr. 139 II, 141 ASB.



A. Veranlagungssteuern225 Kontakt mit den potentiellen Spurenträgern vor einer eventuellen kriminaltechnischen Untersuchung entbehrlich zu machen.

Bedient er sich der Täter zur Aufgabe der Falscherklärung bei der Post oder zu deren Einwurf in den Briefkasten des Zustelldienstleisters resp. des Finanzamts eines Boten (z. B. Steuerberater), ist der Versuch mit der Übergabe der Sendung an diesen voll- und beendet171. Dasselbe gilt, wenn der Dritte die Sendung direkt bei einem Finanzamtsmitarbeiter abgeben soll oder seinerseits auf einen Gehilfen (z. B. Steuerfachangestellte / r) zurückgreift. Der Tag der Versuchsbeendigung (§ 78a S. 1 StGB) lässt sich bei Postsendungen sehr gut über den darauf angebrachten Poststempel eingrenzen (§ 261 StPO), sofern das Kuvert noch vorhanden ist. Eine Beweisaufnahme über die im örtlichen Zustellbezirk herrschenden Gepflogenheiten hinsichtlich der Entleerung von Briefkästen und / oder des zeitnahen Abstempelns eingebrachter Sendungen erübrigt sich damit in der Regel. Denn eine Aufgabe zur Post ist dann nach allgemeiner Lebenserfahrung am selben Tag, ein Einwurf in einen Zustellerbriefkasten spätestens am Vortrag des Stempeldatums erfolgt. Fehlt der Umschlag, in dem die Falscherklärung übermittelt wurde, ist der naheliegendste tatsächliche Anhaltspunkt wiederum der Eingangsstempel der Finanzbehörde. Von dem auf diese Weise bestimmten Eingangsdatum ausgehend, können unter Berücksichtigung der weiteren äußeren Umstände (Wochentag des Eingangs, übliche Postlaufzeiten, Einlassung des Angeklagten) weitere Rückschlüsse auf den Zeitpunkt der Erklärungsabgabe im vorgenannten Sinne gezogen werden. Bei der Übermittlung durch einen Boten sind in erster Linie Ermittlungen zum Zeitpunkt der Übergabe an diesen anzustellen. Ist ein Steuerberater involviert, darf dabei freilich § 160a II StPO nicht aus dem Blick verloren werden. c) Die elektronische Falscherklärung Reicht der Täter die unzutreffende Steuererklärung nach Maßgabe von § 87a AO auf elektronischem Weg ein, ist ebenso wie im Fall ihrer – im Wortsinne – „verkörperten“ Übersendung per Post oder Telefax auf denjenigen Tag als Beendigungszeitpunkt abzustellen, an dem er die elektronische Übermittlung eingeleitet hat, d. h. der entsprechende Steuerdatensatz digital auf den Weg gebracht worden ist172. 171  Vgl.

nur Rolletschke, Steuerstrafrecht, Rn. 127. Rolletschke, Steuerstrafrecht, Rn. 127, 131; Wulf, in: MüKo-StGB, § 376 AO Rn. 386 f. 172  Vgl.

226

3. Teil: Der Verjährungsbeginn bei § 370 AO

Dies ist nicht zuletzt deshalb von hoher praktischer Relevanz, weil die elektronische Übermittlung insbesondere von Lohnsteueranmeldungen und Umsatzsteuervoranmeldungen vom Gesetzgeber in § 41a I 2 EStG bzw. § 18 I 1 UStG inzwischen ausdrücklich angeordnet worden ist173.

Dabei kommt es für die Beendigung des Hinterziehungsversuchs nicht darauf an, ob der Datensatz tatsächlich in das elektronische „Postfach“ der Finanzbehörde gelangt174, also ein „Zugang“ im Sinne von § 87a I 2 AO erfolgt ist (falls nicht: untauglicher Versuch). Lassen sich das „Ob“, „Wann“ und „Was“ (d. h. der Inhalt) der elektronischen Kommunikation noch verhältnismäßig einfach über die bei der Finanzbehörde gespeicherten (oder ausgedruckten) Daten feststellen, ist die Ermittlung der Identität des Absenders der Falscherklärung (Frage des „Wer“) aufgrund der spezi­fischen Eigenheiten der eingesetzten Software bislang nicht ohne Weiteres möglich175. Da nicht zu erwarten ist, dass dieses essentielle Manko in absehbarer Zeit behoben wird, muss in solchen Fällen oftmals die Hardware des Tatverdächtigen sichergestellt und forensisch ausgewertet werden, wenn dieser schweigt oder die Tat bestreitet. Die bislang zur Feststellung der Urheberschaft „falscher“ Steuererklärungen durchaus ergiebigen graphologischen176 und daktyloskopischen177 Untersuchungen scheiden im elektronischen Übermittlungsverfahren naturgemäß aus. Damit sind entsprechenden Schutzbehauptungen gerade im Unternehmensbereich Tür und Tor geöffnet.

173  s. Lewandowski / Ackermann, DStR 2014, 1646 (1651), auch zu den übrigen Fällen. Im Gegensatz dazu schließt etwa § 18 I 3 GrEStG die elektronische Anzeige der dort genannten Vorgänge explizit aus. 174  Vgl. Lewandowski / Ackermann, DStR 2014, 1646 (1647: „wenn die für den Empfang bestimmte Einrichtung (z. B. der E-Mail-Server der Finanzverwaltung) die Nachricht für den Empfänger in bearbeitbarer Weise aufgezeichnet hat“); erg. Einsele, in: MüKo-BGB, § 130 Rn. 18. 175  Ebenso Gehm, Kompendium, S. 168, 183; im Einzelnen Mössner / Flämig / Grürmann / Pezzer / Scheffler, DStR 2006, 1588 (1590) zum ElsterOnline-Verfahren, der mangelnden Authentizität der Daten und der daraus resultierenden schlechten Beweislage im Strafprozess; erg. Schelling, PStR 2008, 114; s. a. Musil / Burchard / Hechtner, DStR 2007, 2290 (2296 f.), die zu dem Ergebnis kommen, dass trotz der Änderungen in § 87a VI AO und der StDÜV zum 1.1.2007 eine elektronisch übermittelte Erklärung nach wie vor keinem bestimmten Absender zugeordnet werden kann; dto. Lewandowski / Ackermann, DStR 2014, 1646 (1651 ff., 1653). 176  Grdlg. Hecker, NStZ 1990, 463; s. a. § 3 XI  1 ZFdG, Nr. 139 II, 141 ASB. 177  s. d. Nachw. in Fn. 170.



A. Veranlagungssteuern227

2. Im Rechtsbehelfsverfahren „fortgesetzte“ Steuerhinterziehung Geht der Hinterziehungsversuch anfänglich fehl, weil die Steuer trotz der Falschangaben zutreffend festgesetzt wird, oder ist er nur teilweise erfolgreich, kommt es nicht selten vor, dass der Täter bemüht ist, den Eintritt des – aus seiner Sicht – vollständigen Taterfolgs durch Einlegung der ihm zur Verfügung stehenden Rechtsbehelfe „doch noch“ herbeizuführen. Dies kann schlicht wirtschaftliche Hintergründe haben und / oder der Befürchtung geschuldet sein, dass die bereits getätigten Falschangaben andernfalls endgültig als (teilweiser) Hinterziehungsversuch gewertet würden. Beispiele: (1) Fallgruppe „Gänzlicher Fehlschlag“: festzusetzende (Soll-)Steuer und tatsächlich festgesetzte (Ist-)Steuer: jeweils 100 T€; angestrebte Steuerfestsetzung: 0 €. (2)  Fallgruppe „Teilerfolg“: Soll-Steuer: 100  T€; Ist-Steuer: 50  T€; vom Täter angestrebter Erfolg: Nichtveranlagungsverfügung178 bzw. Nullfestsetzung.

Die „Fortsetzung“ der Tat vollzieht sich regelmäßig in einem ersten Schritt durch Einlegung eines Einspruchs (§§ 347 ff. AO) und, falls das nicht zum angestrebten Erfolg führt (d. h. keine entsprechende Abhilfeentscheidung gem. § 367 II 3 AO ergeht), in der Konsequenz durch Klageerhebung zum Finanzgericht (zweiter Schritt). Dabei stellt sich stets die Frage, wie lange das Versuchsstadium hier andauert bzw. wann der Hinterziehungsversuch beendet ist. Darauf gibt es bislang keine abschließende Antwort. Dies führt zu folgenden Überlegungen: In der Fallgruppe „Teilerfolg“ liegt es auf der Hand, dass ab der Bekanntgabe eines unzutreffenden Steuerbescheids jedenfalls insoweit kein Versuch mehr vorliegt, als Steuer zu niedrig festgesetzt wird (im Beispiel  2 um 50  T€). Vielmehr ist die Steuerhinterziehung, auch wenn noch keine Verkürzung in – aus Tätersicht – „voller“ Höhe (im Beispiel  1: 100  T€) eingetreten ist, in Höhe der Differenz vom Versuchs- in das Vollendungsstadium übergetreten und daher in diesem Umfang bereits beendet (§ 78a S. 1 StGB). Insoweit ist dann denklogisch auch ein Rücktritt vom Versuch nicht mehr möglich. Das wird mit Blick auf die Entscheidung BGHSt 38, 37 (39 f.)179 in der Literatur zum Teil anders gesehen180. Danach sei das Versuchsstadium einheitlich zu beurteilen und dauere insgesamt solange an, wie dieselbe Falscherklärung in Streit stehe und der Steuerbescheid noch nicht bestandskräftig sei. Dem ist im hiesigen Kontext jedoch zu widersprechen. Denn die vorgenannte BGH-Entscheidung dazu Guntermann, PStR 2013, 68 (69). NJW 1991, 3227 (3228). 180  Vgl. Rolletschke, in: Rolletschke / Kemper, § 370 Rn. 389; ders., Steuerstrafrecht, Rn. 128; ders., in: Graf / Jäger / Wittig, § 370 AO Rn. 248 f.; unklar Zanzinger, in: Leopold / Madle / Rader, § 376 Rn. 35. 178  s. 179  =

228

3. Teil: Der Verjährungsbeginn bei § 370 AO

betrifft keinen Fall des „Teilerfolgs“, sondern die Fallgruppe „gänzlicher Fehlschlag“.

In Frage steht aber, ob an den „Teilerfolg“ anknüpfende weitere Täuschungshandlungen in einem vom Täter initiierten Rechtsbehelfsverfahren als eigenständige materiell-rechtliche Taten (§ 53 I StGB) anzusehen sind oder ob insofern von einer natürlichen Handlungs- bzw. Bewertungseinheit (§ 52 I StGB)181 ausgegangen werden muss. Das hat unabhängig von der hier regelmäßig zu bejahenden prozessualen Tatidentität (§ 264 I StPO) unterschiedliche Konsequenzen für die Festlegung des Beendigungszeitpunkts: Während im Fall des § 53 I StGB wenigstens eine weitere Tat im materiellen Sinne vorläge, die ihrerseits im Versuchsstadium stecken bleiben oder auch vollendet sein kann und vor allem – je nach Tatverlauf – auch nach eigenen Parametern verjähren würde, hätte die Annahme von Tateinheit einen einheitlichen Beendigungszeitpunkt zur Folge. Für die Anwendung von § 52 I StGB spräche hier – ebenso wie bei der Frage nach dem Vorliegen einer prozessualen Tat182 –, dass der Streitgegenstand zumindest im Kern unverändert bleibt, die sich gegenüberstehenden „Parteien“ gleich bleiben und regelmäßig ein (im allerdings eher weiteren Sinne) einheitlicher geschichtlicher Vorgang gegeben ist. Dabei ist aber zu bedenken, dass der Täter beim „Teilerfolg“, anders als im Fall des „gänzlichen Fehlschlags“, bereits einen gewissen „Hinterziehungsstatus“ erreicht hat, den die erneuten Falschangaben nicht mehr vordergründig betreffen. Stattdessen soll sein Verhalten nach der durch den Erstbescheid bewirkten, primär zeitlichen Zäsur in eine weitergehende Verkürzung münden. Solches unterfällt nach der Rechtsprechung des BGH183 aber bereits deshalb § 53 I StGB, weil es am erforderlichen engen Zusammenhang der Tathandlungen fehlt. Darauf, dass die Tathandlungen (nicht unbedingt der Inhalt der Falscherklärung184) nicht (teil-) identisch sind, kommt es daneben allenfalls am Rande an. Beispiel: Auf Nullfestsetzung abzielende Falschangaben am 1.2.2012; Steuerfestsetzung in Höhe von 50  T€ anstatt von 100  T€ (= „Teilerfolg“ i. H. v. 50  T€) am 2.5.2012 (1.5.2012 = Feiertag); sodann erfolgloser Einspruch und Klage zum Finanzgericht, in deren Zuge am 2.5.2013 der letzte auf die Herbeiführung des ge181  s.

dazu Fischer, Vor § 52 Rn. 12 f., 53. BGHSt 38, 37 (40) = NJW 1991, 3227 (3228). 183  s. BGHSt 43, 381 (386 ff.) = NJW 1998, 1568 (1570 ff.) zur sukzessiven Ausführung von Steuerhinterziehungen im Beitreibungsverfahren (Fall Zwick). 184  Auch wenn ohne weitergehende Begründung (vgl. § 357 III AO) Einspruch eingelegt wird, führt das dazu, dass die Rechtsbehelfsstelle der Finanzbehörde die unzutreffenden Angaben des Täters in der ursprünglichen Falscherklärung gem. § 367 II 1 AO umfänglich prüft und dabei naturgemäß erneut zur Kenntnis nim­mt. Es kommt daher nicht darauf an, ob keine, dieselben oder neue falsche Tatsachenangaben gemacht wer­den. 182  Vgl.



A. Veranlagungssteuern

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samten Hinterziehungserfolgs abzielende falsche Sachvortrag erfolgt; Revisionsentscheidung des BFH: 4.5.2015, mit der Folge, dass der Steuerbescheid am selben Tag bestandskräftig wird. Strafrechtliche Konsequenzen: (1) Bei Anwendung von § 52 I StGB: (a) Verurteilung wegen (vollendeter) Steuerhinterziehung in Tateinheit mit versuchter Steuerhinterziehung (die Annahme eines „einheitlichen“ Versuchs kommt wegen des teilweise eingetretenen Hinterziehungserfolgs nicht in Betracht; bei Verurteilung – nur – wegen vollendeter Steuerhinterziehung bliebe das im Rechtsbehelfsverfahren zusätzlich verwirklichte Unrecht unberücksichtigt185); (b) einheitlicher Verjährungsbeginn mit letzter Ausführungshandlung am 2.5.2013. (2) Bei Anwendung von § 53 I StGB: (a) Verurteilung wegen vollendeter Steuerhinterziehung in Tatmehrheit mit versuchter Steuerhinterziehung; (b) gespaltener Verjährungsbeginn: (aa) vollendete Steuerhinterziehung (Teilerfolg durch Bekanntgabe des Erstbescheids): 2.5.2012; (bb) (weiterer) Hinterziehungsversuch im Rechtsbehelfsverfahren: 2.5.2013.

Wie das Beispiel zeigt, wirkt sich die Anwendung von § 53 I StGB auch aus Tätersicht günstiger aus, weil dann zumindest ein Teil seiner „Tat“ früher verjähren kann. Auf den Abschluss der Versuchstätigkeit, der von Fall zu Fall anders liegen kann, ist danach erst recht auch dann isoliert abzustellen, wenn es bei der von Anfang an zutreffenden Steuerfestsetzung bleibt (Fallgruppe „gänzlicher Fehlschlag“)186. Die von einer Mindermeinung187 favorisierte Anknüpfung an die Bestandskraft des „richtigen“ Bescheids ist abzulehnen. Denn es ist kein Grund ersichtlich, hier von der Beendigungsdogmatik beim „aktiven“ Hinterziehungsversuch abzuweichen. Insbesondere kommt es auch nicht darauf an, ob ein nach Rücktrittsrecht (§ 24 StGB) fehlgeschlagener Versuch188 vorliegt189. 185  Es kommt ebenfalls nicht in Betracht, die „zweite“ Steuerhinterziehung als mitbestrafte Nachtat auf Konkurrenzebene auszuscheiden. Durch diese Tat wird nämlich nicht nur der Erfolg der Vortat ausgenutzt und gesichert, sondern der bereits eingetretene Erfolg weiter vertieft und damit neues, eigenständiges Unrecht geschaffen; dem zust. Bülte (in: Hübschmann / Hepp / Spitaler, § 376 AO Rn. 86 ff.), der allerdings die Tatbestandsmäßigkeit verneint. 186  H. M., vgl. u. a. BGH, NStZ 1988, 322 – untauglicher Versuch; BGHSt 36, 105 (117) = NJW 1989, 1615 (1618) – offen gelassen; Grötsch, in: Wannemacher & Partner, Rn. 742; Joecks, in: Franzen / Gast / Joecks, § 376 Rn. 33; Rolletschke, in: Rolletschke / Kemper, § 376 Rn. 15. 187  Vgl. v. Briel, in: v.  Briel / Ehlscheid, § 1 Rn. 70; Vogelberg, in: Simon / Vogelberg, S. 102, 108; Zanzinger, in: Leopold / Madle / Rader, § 376 Rn. 35; anders Grötsch, in: Wannemacher, Rn. 829, der darauf abstellt, dass der Verjährungsbeginn ansonsten durch bloßes Untätigbleiben enorm hinausgezögert werden könnte. 188  Grdlg. BGHSt 38, 37 = NJW 1991, 3227. 189  So aber scheinbar v. Briel, in: v. Briel / Ehlscheid, § 1 Rn. 70 u. Vogelberg, in: Simon / Vogelberg, S. 102, 108.

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3. Teil: Der Verjährungsbeginn bei § 370 AO

III. Vollendetes („echtes“) Unterlassungsdelikt (§ 370 I Nr. 2 AO) Die Frage, ab wann das – nach hiesigem Sprachgebrauch – „echte“190 Unterlassungsdelikt in § 370 I Nr. 2 AO bei der Hinterziehung von Veranlagungssteuern beendet ist, ist das im steuerstrafrechtlichen Kontext bislang am heftigsten umstrittene Verjährungsproblem. Klare, verlässliche und vor allem in der Praxis ohne Weiteres umsetzbare Leitlinien sind dabei kaum erkennbar. Neben verschiedensten Auffassungen im Schrifttum existiert dazu eine uneinheitliche, zum Teil auch schon ältere / überholte Jurisdiktion der Oberlandesgerichte191, die ihrerseits bisweilen nicht mit der vom BGH192 vertretenen Auffassung in Einklang zu bringen ist. Dass dieses unübersichtliche Meinungsspektrum bei der praktischen Fallbearbeitung bisweilen erhebliche Schwierigkeiten bereiten kann, liegt auf der Hand. Dabei handelt es sich um einen im Grunde vollkommen unnötigen Missstand, der von allen Seiten beklagt wird und eigentlich einer gesetzgeberischen Lösung zugeführt werden müsste. Da damit vorerst aber nicht zu rechnen ist, ist vor allem der jüngste Vorstoß des 1. Strafsenats des BGH193 in diesem Bereich, auf den im Folgenden noch näher einzugehen sein wird, ausdrücklich zu begrüßen. Von diesem juristischen Disput ist im steuerstrafrechtlichen „Tagesgeschäft“ freilich nicht viel zu bemerken: Denn die Finanzbehörden begegnen dem Problem meist pragmatisch, indem sie den Verjährungsbeginn bei jährlich wiederkehrend zu veranlagenden Steuern (z. B. Einkommensteuer) 190  Nach

der „formalen“, u. a. auch von Joecks (in: Franzen / Gast / Joecks, § 369 Rn. 85 a. E.) in Anlehnung an A. Kaufmann verwendeten Diktion, liegt ein „echtes“ Unterlassungsdelikt vor, wenn die Nichtvornahme einer rechtlich gebotenen Handlung bereits per se unter Strafe gestellt ist. Das ist offenkundig (auch) in § 370 I Nr. 2 AO der Fall (zust. Rainer / Schwedhelm, NWB Fach  13 [40 / 1989], 747 [750]; Spörlein, „Verfolgungsverjährung“, Rn. 14). Ist dagegen die Anwendung von § 13 StGB erforderlich, liegt ein „unechtes“ Unterlassungsdelikt vor. Diese – hier umgesetzte – rein formale Differenzierung ist nicht unumstritten (s. etwa Wulf, wistra 2003, 89 u. im Folgenden S. 233 f. zur „materiellen Unterscheidungslehre“). 191  Vgl. OLG Hamm, DStRE 2002, 1095 (1096 f.) – ESt / USt: 15.10. des Folgejahres; GewSt: 31.10. des Folgejahres; OLG München, wistra 2002, 34 (35) – ESt: 31.5. des übernächsten Jahres aufgrund entspr. OFD-Verfügung (insoweit krit. Rolletschke, in: Graf / Jäger / Wittig, § 370 AO Rn. 269); weit. Nachw. aus der älteren Rspr. bei Schauf, in: Kohlmann, § 376 Rn. 89. 192  s. aus der neueren Rspr. BGHSt 47, 138 (144 ff.) = NJW 2002, 762 (764 f.) – VSt u. BGHSt 56, 298 (312 ff.) = NJW 2011, 3249 (3253 f.) – SchenkungSt jew. m. w. N. 193  BGH, wistra 2012, 484 (485 [obiter dictu]: „Der Senat hat … erwogen, ob zumindest bei einfach gelagerten Sachverhalten … von einer Zeitspanne der Bearbeitung fristgerecht eingereichter Steuererklärungen von längstens einem Jahr auszugehen ist.“).



A. Veranlagungssteuern231

– wohl noch in Anlehnung an den vormals durch die Oberfinanzdirektionen jährlich verfügten „allgemeinen Veranlagungsschluss“ – in ihren Ermittlungsberichten pauschal auf den 31.5. des übernächsten auf den verfahrensgegenständlichen Veranlagungszeitraum folgenden Kalenderjahres legen (hier sog. Pauschallösung). Beispiel194: Für den VZ  1994 wurde bis zum 31.5.1995 (§ 149 II 1 AO) pflichtwidrig keine Einkommensteuererklärung abgegeben. Nach der Pauschallösung ist in diesem Fall generell auf den 31.5.1996 als Beendigungszeitpunkt (§ 78a S. 1 StGB) abzustellen.

Dem schließen sich Staatsanwaltschaft und Tatgericht oftmals kommentarlos an. In Fällen aber, in denen die Verjährung (ggf. unerkannt) ernsthaft in Frage steht, genügt dies der geltenden Gesetzeslage nicht. Ein Urteil, das keine zureichenden Feststellungen zur Tatvollendung / -beendigung trifft, sondern in Zweifelsfällen unreflektiert die finanzbehördliche Pauschallösung übernimmt, läuft daher ernsthaft Gefahr, wegen eines sachlich-rechtlichen Darstellungsmangels (Verstoß gegen § 267 I 1 StPO) der (teilweisen) Aufhebung durch das Revisionsgericht (§ 349 IV StPO) zu unterliegen195. Ob es dann zugleich zu einer Verfahrens(teil-)einstellung196 oder zur Zurückverweisung an den Tatrichter (§ 354 II StPO) kommt, hängt maßgeblich davon ab, ob zu erwarten ist, dass die fehlenden Feststellungen zum konkreten Zeitpunkt des „allgemeinen Veranlagungsschlusses“ im zweiten Rechtsgang nachgeholt werden können. Das wird allerdings oftmals der Fall sein. Da Vollendung und Beendigung der Tat, wie noch zu zeigen ist, auch bei § 370 I Nr. 2 AO zeitlich zusammenfallen und es sich beim „allgemeinen Veranlagungsschluss“ mithin um eine doppelrelevante Tatsache handelt197, muss dabei stets das der Tatsacheninstanz vorbehaltene Strengbeweisverfahren zur Anwendung kommen. Doch woran liegt es genau, dass der Zeitpunkt der Tatbeendigung bei § 370 I Nr. 2 AO so schwer zu bestimmen ist? 1. Die Wurzeln des Problems Es ist für das Steuerstrafrecht als Blankettstrafrecht geradezu typisch, dass die Ursachen dieser Schwierigkeiten gleichermaßen im Straf- und im 194  In

Anlehnung an OLG München, wistra 2002, 34 (35). das RevGer. kann – wie etwa im Fall BGH, wistra 2012, 484 (485) – „nach dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe“ ausschließen, „dass die Veranlagungsarbeiten … in dem für den Angeklagten zuständigen Finanzamt … noch nicht abgeschlossen waren“; s. aber auch S. 244 ff. zur Pauschallösung bei der ErbSt. 196  Erg. 1. Teil, Fn. 202. 197  s. d. Nachw. in Fn. 66. 195  Außer

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3. Teil: Der Verjährungsbeginn bei § 370 AO

Steuerrecht zu suchen sind. Ausgangspunkt ist die schon nach kernstrafrechtlichen Parametern jenseits aller Begrifflichkeiten ganz generell nicht leicht zu beantwortende Frage, wann bei Unterlassungsdelikten die Verjährungsfrist zu laufen beginnt. Die insoweit herrschende Meinung sieht insofern zwei Anknüpfungspunkte als maßgeblich an: – Den Wegfall der Handlungspflicht (bei [dort sog.] „echten“ Unterlassungsdelikten) oder – den Eintritt des tatbestandlichen Erfolgs, wenn die verletzte Handlungspflicht dessen Verhinderung bezweckt hat (bei [dort sog.] „unechten“ Unterlassungsdelikten)198. Gegen diesen Grundansatz ist für sich gesehen nichts zu erinnern. Auch hört sich beides „auf den ersten Blick“ ähnlich an und läuft bisweilen sogar auf dasselbe hinaus. Gerade am Beispiel des § 370 I Nr. 2 AO – und nun kommt die steuerrechtliche Komponente ins Spiel – wird aber deutlich, dass die unterschiedlichen Alternativen zu stark voneinander abweichenden Ergebnissen führen können. Denn stellte man bei § 370 I Nr. 2 AO als – formal – „echtem“ Unterlassungsdelikt darauf ab, dass für den Verjährungsbeginn die Pflicht zum Handeln entfallen sein muss, würde dies bedeuten, dass Tatbeendigung hier erst dann eintritt, wenn die Pflicht zur Abgabe einer Steuererklärung entfallen ist. Die Steuererklärungspflicht dauert jedoch solange an, bis sie (1) erfüllt, d. h. die Steuererklärung nachgeholt, wurde (Rechtsgedanke des § 362 I BGB), (2) ihre Abgabe unmöglich geworden (Rechtsgedanke des § 275 I BGB, z. B. beim Tod des Erklärungspflichtigen) oder (3) Festsetzungsverjährung (§ 169 II AO) eingetreten ist199. Dass eine Steuerfestsetzung (beim steuerlich geführten Täter) auch ohne Abgabe einer Steuererklärung mittels Schätzung der Besteuerungsgrundlagen (§ 162 AO) erfolgen kann, lässt die Erklärungspflicht dagegen gemäß § 149 I 4 AO ebenso wenig entfallen200, wie der Umstand, dass das Steuerstrafverfahren eingeleitet wurde, vgl. § 393 I 1, 3 AO. Letzterenfalls können seine Steuererklärungspflichten gemäß § 393 I 2 AO nur nicht mehr mit Zwangsmitteln (§§ 328 ff. AO) durchgesetzt werden.

Konsequenz dieser vormals herrschenden201, in jüngerer Zeit allenfalls noch vom OLG München202 gestützten Meinung wäre wegen § 171 VII AO 198  Vgl.

nur Fischer, § 78a Rn. 14, 16 m. w. N. Schmitz, wistra 1993, 248 („Abgabe einer ordnungsgemäßen Erklärung“ oder „Ablauf der Festsetzungsverjährung“). 200  Insoweit jedenfalls unzutr. OLG München, wistra 2002, 34 (35). 201  s. bereits RGSt 68, 45 (60); vgl. i. Ü. Schmitz, wistra 1993, 248 (249) m. zahlr. weit. Nachw. 202  Vgl. wistra 2002, 34 (35) mit insofern zumindest missverständlichen Ausführungen. 199  Vgl.



A. Veranlagungssteuern233

eine wechselseitig bedingte Unverjährbarkeit von Steuerfestsetzung und Straftat, die solange andauern würde, bis der Täter eine Steuererklärung abgibt oder ihm dies unmöglich geworden ist203. Denn die Erklärungspflicht würde nicht enden, bevor nicht auch die Festsetzungsfrist abgelaufen ist; die Festsetzungsfrist könnte ihrerseits aber nicht ablaufen, bevor Strafverfolgungsverjährung eintritt204. Ein solcher, wie Schmitz205 treffend formuliert, „infiniter Regress“ ist aber ersichtlich weder vom Gesetzgeber gewollt bzw. bedacht worden, noch ist er verhältnismäßig206. Danach steht fest, dass der Verjährungsbeginn bei § 370 I Nr. 2 AO auf keinen Fall an den Wegfall der Steuererklärungspflicht geknüpft werden kann207. Aber reicht das als Begründung dafür, in § 370 I Nr. 2 AO gleichsam ergebnisorientiert kein „echtes“, sondern ein „unechtes“ Unterlassungsdelikt zu sehen? Die Frage ist schon falsch gestellt. Denn das Gesetz kennt keine eigenständige Kategorie eines „echten“ bzw. „unechten“ Unterlassungsdelikts. Diese Attribute fungieren vielmehr nur als Hilfszusätze, um die Unterscheidung zwischen konstruktiv verschiedenen Deliktstypen zu erleichtern. Sie werden demzufolge auch insgesamt nicht einheitlich verwendet208: Insbesondere sehen die „wohl“209 herrschende Lehre und auch der BGH210 in § 370 I Nr. 2 AO ein „unechtes“ Unterlassungsdelikt. Auf diese Weise ist es möglich, für die Tatbeendigung nicht erst auf den Wegfall der Steuererklärungspflicht, sondern auf den Erfolgseintritt abzustellen und so ohne systematischen Bruch die andernfalls drohende Unverjährbarkeitsfolge zu vermeiden. Begründet wird dies mit einer „materiellen Unterscheidungslehre“, die – anders als die „formale“ Dik­ 203  s. dazu bereits S. 70 f. Wird die Erklärungspflicht irgendwann doch noch erfüllt, würde die Verjährung des Unterlassungsdelikts nach dieser Auffassung im Zeitpunkt des Zugangs der Erklärung bei der Finanzbehörde beginnen. Der Taterfolg bestünde dann in der nicht rechtzeitigen Steuerfestsetzung (§ 370 IV 1 1.  Hs. AO). 204  s. statt vieler Dallmeyer, ZStW 124, 711 (725 f.); Rolletschke, in: Rolletschke / Kemper, § 376 Rn. 22a jew. m. w. N. 205  In: Kohlmann FS, S. 517 (522). 206  s. S.  82 ff. 207  s. nur Grötsch, in: Wannemacher & Partner, Rn. 736, der Steuerhinterziehung ansonsten verjährungsrechtlich mit Mord (§ 78 II StGB) gleichgesetzt sieht. 208  s. Joecks, in: Franzen / Gast / Joecks, § 369 Rn. 85. Mglw. spricht Schmitz (in: Kohlmann FS, S. 517 [518]) in diesem Kontext deshalb von einem „originären“ Unterlassungsdelikt. 209  Puhl, BLJ 2008, 129 (131). 210  BGHSt 47, 138 (146) = NJW 2002, 762 (764).

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3. Teil: Der Verjährungsbeginn bei § 370 AO

tion211 – nicht an die Notwendigkeit der Anwendung von § 13 StGB anknüpft, sondern daran, ob es sich um ein Erfolgsdelikt handelt. Danach handele es sich etwa bei § 138 oder § 323c StGB um „echte“ Unterlassungsdelikte, weil diese Tatbestände den Eintritt eines bestimmten Erfolgs nicht voraussetzten. Vielmehr genüge es, dass eine gebotene Handlung nicht vorgenommen werde. Da sich aber aus § 370 IV AO ergebe, dass die Steuerhinterziehung ein Erfolgsdelikt sei, müsse man § 370 I Nr. 2 AO als „unechtes“ Unterlassungsdelikt einstufen212. Ob dieses angesichts drängender praktischer Notwendigkeiten eher verwirrend als erhellend wirkende „Glasperlenspiel“ den vordergründig im Gesetz zu suchenden Realitäten entspricht, kann für die Frage nach dem Beginn der Verfolgungsverjährung bei § 370 I Nr. 2 AO letztlich dahinstehen213. Obschon sich durchaus die Frage aufdrängt, wie die materielle Unterscheidungslehre zu der Grundannahme gelangt, es gebe insgesamt nur zwei Arten von Unterlassungsdelikten, ohne dass innerhalb der beiden Gruppen („mit“ und „ohne“ § 13 StGB) weitere Unterschiede auszumachen wären. Oder anders gewendet: Warum sollte es innerhalb der Gruppe der – formal – „echten“ Unterlassungsdelikte („ohne“ § 13 StGB) nicht zugleich Tatbestände geben, die einen Erfolg voraussetzen (z. B. § 370 I Nr. 2 AO) und solche die das nicht tun (z. B. §§ 138, 323c StGB)? Darauf ist, soweit ersichtlich, bislang keine befriedigende Antwort gegeben worden, was den Charakter der Attribute „echt“ und „unechte“ als bloße Hilfszusätze nochmals unterstreicht.

Denn unabhängig davon, ob man § 370 I Nr. 2 AO als „echtes“ oder „unechtes“ Unterlassungsdelikt bezeichnet oder – wie das OLG Hamm – vermittelnd davon ausgeht, § 370 I Nr. 2 AO sei zumindest „wie ein unechtes Unterlassungsdelikt zu behandeln“214, besteht auch an dieser Stelle jedenfalls im Ergebnis allgemein Einigkeit darüber, dass der Verjährungsbeginn nicht an den Wegfall der Steuererklärungspflicht geknüpft werden kann. Trotz der hier vertretenen – wenn man so will – „formalen Unterscheidungslehre“ (d. h. bei § 370 I Nr. 2 AO handelt es sich um ein „echtes“ Unterlassungsdelikt, weil § 13 StGB nicht angewendet werden muss), ist dies unabhängig von der jeweiligen Terminologie damit zu begründen, dass die offensichtlich unverhältnismäßige Unverjährbarkeitsfolge durch eine dahingehende verfassungskonforme Auslegung von § 78a S. 1215 StGB in jedem Fall vermieden werden muss. 211  s.

Fn. 190. Schmitz, wistra 1993, 248 (249 f.) m. w. N. 213  Ebenso G.  Schäfer, in: Dünnebier FS, S. 541 (543). 214  OLG Hamm, DStRE 2002, 1095 (1096), Hervorh. v. hier; dto. Schauf, in: Kohlmann, § 376 Rn. 88. 215  Satz 2 der Vorschrift lässt sich hierfür nicht fruchtbar machen, weil dort (nur) der Fall angesprochen ist, dass der tatbestandliche Erfolg „später“ eintritt. 212  Zusf.



A. Veranlagungssteuern235

Die „materielle Unterscheidungslehre“ hat mit einer etwaigen Unverjährbarkeit bereits deshalb kein Problem, weil sie § 370 I Nr. 2 AO nach dem von ihr zugrunde gelegten Begriffsverständnis als „unechtes“ Unterlassungsdelikt einstuft und damit – aus ihrer Sicht konsequent – auf diesem Weg dazu kommt, dass nicht auf den Wegfall der Steuererklärungspflicht abzustellen ist, sondern auf den Eintritt des Verkürzungserfolgs. Wegen der andernfalls drohenden Unverjährbarkeitsfolge kann im Ergebnis auch dem HansOLG216 nicht gefolgt werden, das davon ausgeht, bei § 370 I Nr. 2 AO handele es sich um ein Dauerdelikt, was zur Folge habe, dass die Tat erst mit dem Ende des rechtswidrigen, weil „erklärungslosen“, Zustands beendet sei217.

Nachdem gemeinhin Einigkeit über das Ausscheiden des Wegfalls der Steuererklärungspflicht als Beendigungszeitpunkt bei § 370 I Nr. 2 AO besteht, stellt sich weiterhin – ganz allgemein – die Frage nach anderen potentiellen Anknüpfungspunkten. Doch welche Alternativen gibt es? Die diesbezügliche Bestandsaufnahme ist schnell abgeschlossen: Neben der in Zweifelsfällen unbehelflichen Pauschallösung218 (s. o.) bleiben als Anknüpfungspunkte für Verjährungsbeginn nurmehr (1) der von der herrschenden Meinung219 für maßgeblich erachtete Eintritt des Verkürzungserfolgs und (2) der, soweit ersichtlich, bislang allein von Burkhard220 herangezogene erste denkbare Zeitpunkt, d. h. die „frühestmögliche [fiktive] Abgabe … 216  Urt. v. 27.1.1970, 2  Ss 191 / 69, MDR 1970, 441 (insoweit weder in NJW 1970, 1385 noch in DStR 1970, 572 abgedr.). 217  s. bereits Schmidt, JR 1966, 127 (128 f.); i. Erg. zust. Joecks, in: Franzen / Gast / Joecks, § 376 Rn. 27; Schmitz, wistra 1993, 248 (249); Wulf, wistra 2003, 89 (91). Die hierfür jeweils gegebene Begründung, in § 370 I Nr. 2 AO könne bei der Hinterziehung von Veranlagungssteuern insbesondere deshalb kein Dauerdelikt gesehen werden, weil das Unrecht bei bereits eingetretenem Erfolg nicht weiter zu vertiefen sei, ist nicht zweifelsfrei. Denn eine materielle Unrechtsvertiefung durch Zeitablauf ist dadurch nicht ausgeschlossen, weil die Geltendmachung des Steueranspruchs durch den Fiskus erst mit dem Eintritt der Festsetzungsverjährung gänzlich vereitelt ist. Das wäre die „Endstufe“ eines steuerlich zunächst noch behebbaren Erfolgs. Zudem ist der in § 235 AO erkennbare Gedanke eines sich laufend weiter vertiefenden Zinsschadens mit ins Kalkül zu ziehen. Gleichwie geartete Rechtsfolgen lassen sich daraus mit Blick auf § 171 VII AO allerdings nicht ableiten. 218  Zu beachten ist aber, dass sich der BGH (wistra 2012, 484 [485]) vor Kurzem in einem obiter dictum dafür ausgesprochen hat, für den Vollendungszeitpunkt „zumindest bei einfach gelagerten Sachverhalten … von einer Zeitspanne der Bearbeitung fristgerecht eingereichter Steuererklärungen von längstens einem Jahr auszugehen“. Dies käme (faktisch) einer Pauschallösung gleich; s. a. Jäger, in: Klein, § 370 Rn. 92 sowie im Folgenden S. 244 ff. 219  Vgl. nur Schmitz, wistra 1993, 248 (250); ders., in: Kohlmann FS, S. 517 (520) m. w. N. 220  In: DStZ 2004, 443 (445).

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3. Teil: Der Verjährungsbeginn bei § 370 AO

am 1.1.“, mit der Folge einer hypothetischen Bescheidsbekanntgabe am 3.1. des Folgejahres. Letzteres scheitert jedoch schon an § 149 II 1 AO, der festlegt, dass die Steuererklärung „spätestens“ fünf Monate nach Ablauf des Veranlagungszeitraums abzugeben ist. Selbst wenn sich der Täter bereits am bzw. vor dem 1.1. dazu entschlossen haben sollte, keine Steuererklärung abzugeben, führt der Ablauf der Erklärungsfrist bei Veranlagungssteuern allenfalls zum Hinterziehungsversuch, keinesfalls aber zum vollendeten Delikt. Folgte man daher dem Vorschlag Burkhards, wäre die Tat bereits zu einem Zeitpunkt beendet, zu dem noch nicht einmal feststeht, ob es überhaupt jemals zur Vollendung kommt. Das erscheint nicht nur vor dem Hintergrund unschlüssig, dass sich der bewusst untätige Steuerpflichtige in der Zeit vom 1.1. bis 31.5. jederzeit umentscheiden kann. Hinzu kommt, dass damit auch § 78a S. 2 StGB gänzlich außer Acht gelassen würde221. Schließlich kann die Beendigung nicht nur mit Blick auf § 11 I Nr. 5 StGB, sondern auch nach dieser Norm bereits konstruktiv nicht vor der Vollendung eintreten222. Somit ist endgültig festzuhalten, dass für den Verjährungsbeginn bei § 370 I Nr. 2 AO zwingend auf den Eintritt des Verkürzungserfolgs abgestellt werden muss. Dies bringt zusätzlich den „Vorteil“ mit sich, dass Voll­ endung und Beendigung auch hier grundsätzlich zeitlich zusammenfallen, womit zumindest insofern eine die Rechtsanwendung erleichternde Parallelität zum Verjährungsbeginn bei § 370 I Nr. 1 AO hergestellt ist. 2. Die „Zweifelsgrundsatz-Problematik“ Der „Haken“ an dieser auf den ersten Blick durchaus überzeugend anmutenden Lösung offenbart sich jedoch gleich im nächsten gedanklichen Schritt: Denn wann tritt der Verkürzungserfolg bei der Hinterziehung von Veranlagungssteuern durch Unterlassen gemäß § 370 I Nr. 2 AO genau ein? Irgendeinen konkreten Bekanntgabetag, an dem die Tatbeendigung wie bei § 370 I Nr. 1 AO festgemacht werden könnte, gibt es im Nichtabgabefall nicht. Ab diesem Punkt besteht, wie im Folgenden näher zu belegen sein wird, in Rechtsprechung und Literatur einzig noch dahingehend Einigkeit, dass im Nichtabgabefall ein hypothetischer Beendigungszeitpunkt bestimmt werden muss223. Im Übrigen ist heftigst umstritten, wie dieses Dilemma zu lösen 221  Ebenso Rolletschke, in: Rolletschke / Kemper, § 376 Rn. 25; ders., Steuerstrafrecht, Rn. 480; erg. 1.  Teil, Fn. 388. 222  So zutr. bereits Otto, in: Lackner FS, S. 715 (721) m. w. N.; s. a. Jäger, in: Klein, § 370 Rn. 201. 223  Schmitz (in: wistra 1993, 248 [251]) moniert deshalb nicht ganz zu Unrecht eine „prinzipielle Unmöglichkeit der Feststellung des Beendigungszeitpunkts“.



A. Veranlagungssteuern237

ist. Während eine Auffassung im Schrifttum224 und im Anschluss daran auch das OLG Hamm225 unter Anwendung des Zweifelsgrundsatzes zu dem Ergebnis gelangen, es müsse dabei durchweg auf den günstigsten, d. h. denkbar frühesten, Veranlagungszeitpunkt abgestellt werden (hypothetische Veranlagung „als Erster“226), gehen der BGH227, das OLG München228 und die bis dato herrschende Lehre229 davon aus, bei § 370 I Nr. 2 AO sei jedenfalls im Grundsatz maßgeblich, wann der Unterlassungstäter spätestens veranlagt worden wäre (hypothetische Veranlagung „als Letzter“). Dies sei erst mit dem („allgemeinen“) Abschluss der Veranlagungsarbeiten der Fall. Die zuerst genannte Auffassung geht im Wesentlichen auf Schmitz230 zurück. Sie begründet die von ihr für notwendig erachtete Anwendung des Zweifelsgrundsatzes im Kern damit, dass hinsichtlich des hypothetischen Erfolgseintritts nicht überwindbare Unklarheiten auf tatsächlicher Ebene bestünden, die sich nicht zum Nachteil des Betroffenen auswirken dürften. Denn stellte man auf den Zeitpunkt ab, zu dem der Täter spätestens veranlagt worden wäre, sei „völlig offen …, ob der hypothetische Veranlagungszeitpunkt bei fristgemäßer Abgabe der Erklärung nicht viel früher gelegen hätte und damit Beendigung der Tat und Verjährungsbeginn ebenfalls früher eingetreten wäre.“231

224  So u. a. v. Briel, in: v.  Briel / Ehlscheid, § 1 Rn. 74 ff.; Eich, KÖSDI 2001, 13036 (13038); Grötsch, in: Wannemacher & Partner, Rn. 739; Hardtke, AO-StB 2001, 273 (274); Joecks, in: Franzen / Gast / Joecks, § 376 Rn. 28; ders., Praxis, S. 55 f. (zweifelnd); Lohr, in: MAH-WiStra, § 29 Rn. 692; Müller, StBp 2003, 78 (80); ders., SteuerStud 2003, 371 (379); ders., wistra 2004, 11 (14); Puhl, BLJ 2008, 129 (132); Schmitz, wistra 1993, 248 (250 f.); ders., in: Kohlmann FS, S. 517 (533 f.); Stahlschmidt, S. 228 f.; Vogelberg, PStR 2001, 223 (226); Wulf, wistra 2003, 89; ders., Stbg 2008, 445 (446); ders., PStR 2010, 13 (15), ders., in: MüKo-StGB § 376 AO Rn. 35 f.; ders., wistra 2012, 485; unklar Wenzler, in: Flore / Tsambikakis, § 78a StGB Rn. 14. 225  DStRE 2002, 1095 (1096). 226  Burkhard, DStZ 2004, 443 (445). 227  St. Rspr., vgl. nur BGHSt 47, 138 (144 f.) = NJW 2002, 762 (764) – zur VSt; BGHSt 56, 298 (312 f.) = NJW 2011, 3249 (3253) – zur SchenkungSt; BGH, ­wistra 2011, 346 u. 2012, 484 (485) – zur ESt / GewSt. 228  Wistra 2002, 34 (35). 229  s. u. a. Dallmeyer, ZStW 124, 711 (726); Dörn, DStZ 2002, 219 (221); Heß, StW 2010, 145 (146); Jäger, in: Klein, § 370 Rn. 92, 201, § 376 Rn. 28; Rolletschke, in: Rolletschke / Kemper, § 376 Rn. 25; ders., Steuerstrafrecht, Rn. 479; ders., in: Graf / Jäger / Wittig, § 370 AO Rn. 268; G. Schäfer, in: Dünnebier FS, S. 541 (543 f.); Schmid, in: LK-StGB, § 78a Rn. 7; Vogelberg, in: Simon / Vogelberg, S. 103 jew. m. w. N.; diff. Joecks, in: Franzen / Gast / Joecks, § 376 Rn. 29h. 230  In: wistra 1993, 248. 231  Schmitz, wistra 1993, 248 (251).

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3. Teil: Der Verjährungsbeginn bei § 370 AO

Ungeachtet der Prämisse, dass der Zweifelsgrundsatz keine Beweis-, sondern eine Entscheidungsregel darstellt, die erst bzw. nur nach abgeschlossener Beweiswürdigung eingreifen kann232, ist Schmitz und den ihm folgenden Stimmen zuzugeben, dass es prima facie tatsächlich so scheint, als ob bezüglich des hypothetischen Veranlagungszeitpunkts bei § 370 I Nr. 2 AO ein nur schwer behebbares Tatsachendefizit bestünde, das für sich gesehen prinzipiell geeignet wäre, den Anwendungsbereich des Grundsatzes „in dubio pro reo“ zu eröffnen. Klar ist selbstverständlich auch, dass derartige Unklarheiten, sofern sie wirklich bestehen, keinesfalls zu Lasten des Täters, d. h. „in dubio contra reum“233, gehen dürften. Aber liegen die von Schmitz et al. angenommenen, für die Anwendung dieses Grundsatzes notwendigen Zweifel („in dubio“) wirklich vor? Auf den denkbar frühesten Veranlagungszeitpunkt könnte man nur dann abstellen, wenn – eine fristgerechte Steuererklärung unterstellt – nicht überwindbare Zweifel (des Tatrichters) bestünden, wann der Täter in diesem Fall konkret fiktiv (!?) veranlagt worden wäre. Bereits dieser Obersatz zeigt, dass der „in dubio“-Grundsatz hier, salopp ausgedrückt, insgesamt einfach nicht „passt“: Zum einen ist es schon dogmatisch nicht leicht zu begründen, weshalb zugunsten des Täters überhaupt davon ausgegangen werden sollte, er habe fristgerecht eine Steuererklärung abgegeben. Denn gerade das Gegenteil steht als Ausgangspunkt des strafrechtlichen Vorwurfs zweifelsfrei fest, sodass für den Zweifelsgrundsatz eigentlich schon an dieser Stelle kein Raum mehr ist234. Zwar mag man die Fiktion einer fristgerechten Steuererklärung noch als unumgängliche, „rechtstechnisch“ mit einer verfassungskonformen Auslegung des § 78a StGB erklärbare Hilfskonstruktion hinnehmen, um in diesen Fällen überhaupt zu irgendeinem tauglichen Anknüpfungspunkt für die Tatbeendigung zu gelangen – denn andernfalls wäre die Unterlassungstat aus eben diesem Grund unverjährbar235. 232  Vgl.

nur Meyer-Goßner, in: Meyer-Goßner / Schmitt, § 261 Rn. 26 m. w. N. wistra 1993, 248 (251). 234  Ebenso Dallmeyer, ZStW 124, 711 (727); Joecks, in: Franzen / Gast / Joecks, § 376 Rn. 29c; Rolletschke, ZWH 2014, 129 (133). Vor diesem Hintergrund lässt sich u. U. die Zurückhaltung Wulfs in folgenden Passagen erklären: „Eine starke Auffassung in der Literatur vertritt …, die Unsicherheit hinsichtlich der Feststellung des hypothetischen Geschehensablaufs … sei als tatsächliche Ungewissheit iSd. ‚in dubio pro reo‘-Grundsatzes zu behandeln“ und „Betrachtet man die anzustellenden hypothetischen Überlegungen als ein Problem der Sachverhaltsfeststellung, so gilt der Zweifelsgrundsatz“ (in: MüKo-StGB § 376 AO Rn. 30 bzw. 35). 235  Ähnl. Joecks, in: Franzen / Gast / Joecks, § 376 Rn. 29c („dient … dem Rechtsfrieden“); s. dazu auch Bülte, in: Hübschmann / Hepp / Spitaler, § 376 AO Rn. 99. 233  Schmitz,



A. Veranlagungssteuern

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Dann ist es – zum anderen – aber sachlich überhaupt nicht mehr vermittelbar, warum zusätzlich zugunsten des Täters davon ausgegangen werden sollte, seine fiktive Veranlagung sei auch noch zum frühest möglichen Zeitpunkt nach Ablauf der Erklärungsfrist erfolgt. Schließlich ist es in tatsäch­licher Hinsicht auch insofern ohne jeden Zweifel so, dass dies nicht der Fall war – im Gegenteil: Eine Steuerfestsetzung samt Bescheidsbekanntgabe ist überhaupt nicht erfolgt. Warum sollte also die erste Fiktion (fristgerechte Steuererklärung) noch um eine weitere Fiktion (denkbar frühester Veranlagungszeitpunkt) ergänzt werden? Das ist zur Abwendung der unerwünschten, sich aus § 171 VII AO ergebenden Unverjährbarkeitsfolge nicht erforderlich. Und auch der Zweifelsgrundsatz gebietet die zweite Fiktion nicht, weil hinsichtlich des Veranlagungszeitpunkts in tatsächlicher Hinsicht keinerlei Zweifel bestehen. Mithin ist auch (sonst) kein Grund ersichtlich, weshalb die zweite Fiktion gleichsam „notwendige“ Folge der ersten sein sollte. Danach steht es dem Täter rechtlich schlicht nicht zu, so behandelt zu werden, als sei er als Erster bzw. einer der Ersten veranlagt worden. Denn er wurde tatsächlich gar nicht veranlagt. Vielmehr kann er zur Vermeidung der Unverjährbarkeit seiner Tat aus Verhältnismäßigkeitsgründen allenfalls für sich in Anspruch nehmen, so gestellt zu werden, als sei dies zum denkbar spätesten Zeitpunkt geschehen. Allein das ist erforderlich, um zu vermeiden, dass die Tat nach § 370 I Nr. 2 AO nie verjährt. Alles andere liefe auf eine weder vom Zweifelsgrundsatz geforderte noch mit verfassungsrechtlichen Erwägungen begründbare Besserstellung „optimum pro reo“ hinaus236. Dies wäre jedoch willkürlich, denn das „Tatgericht ist weder nach dem Zweifelssatz noch sonst gehalten, zu Gunsten des Angeklagten von Annahmen auszugehen, für deren Vorliegen es an zureichenden Anhaltspunkten fehlt“237. Etwas anderes kann hinsichtlich der hypothetisch spätesten Veranlagung folglich nur dann gelten, wenn sich aufgrund der Verhältnisse in dem für die Veranlagung des Täters zuständigen Finanzamt oder aus dessen steuerlichen Verhältnissen konkrete Anhaltspunkte für eine frühere Veranlagung ergeben238. Solche Besonderheiten liegen indes im Regelfall nicht vor. 236  Auch das OLG Hamm (DStRE 2002, 1095 [1096]) rechtfertigt die aus seiner Sicht gebotene Anwendung des „in dubio“-Grundsatzes nur ungenügend: „Zu Gunsten des Steuerpflichtigen muss … der hypothetische Beendigungszeitpunkt im Sinne des § 78a StGB soweit wie möglich vorgezogen werden. … Nur so können Zweifel über den hypothetischen Veranlagungszeitpunkt nicht zu Ungunsten des Täters ausschlagen“; krit. auch Dörn, DStZ 2002, 219 (221: „Rosinentheorie“). 237  St. Rspr., vgl. BGH, wistra 2012, 484 (485) m. zahlr. weit. Nachw.; s. a. BGHSt 47, 138 (147) = NJW 2002, 762 (765); Jäger, in: Klein, § 370 Rn. 201, § 376 Rn. 28; Rolletschke, in: Rolletschke / Kemper, § 376 Rn. 25a; Zanzinger, in: Leopold / Madle / Rader, § 376 Rn. 21. 238  Vgl. BGH, wistra 2012, 484 (485).

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3. Teil: Der Verjährungsbeginn bei § 370 AO

Für die sich unmittelbar anschließende Frage, wie der für die Berechnung der Verjährungsfrist im Einzelfall maßgebliche Zeitpunkt zu bestimmen ist, kommt es in erster Linie darauf an, ob es sich um eine Steuer mit oder ohne regelmäßig wiederkehrendes (periodisches) Veranlagungsverfahren handelt. Denn nur ersterenfalls gibt es überhaupt einen „allgemeinen Ver­ anlagungsschluss“, auf den für den Verjährungsbeginn abgestellt werden könnte. 3. Nicht periodisch veranlagte Steuern Im Gegensatz zu den Einkommen-, Körperschaft- oder Gewerbesteuern, bei denen jedes Jahr aufs Neue – d. h. fortlaufend – ein Veranlagungsverfahren durchgeführt wird, gibt es auch Steuern, deren Festsetzung an einen einmaligen steuerbaren Vorgang anknüpft. Solche Steuern, die nicht periodisch veranlagt werden, sind insbesondere die Erbschaft- und Schenkungsteuer239 sowie die Grunderwerbsteuer240. Genau diese beiden Steuern sind es demnach auch, die aus dem Kreis der nicht „turnusmäßigen“ Steuern in der Strafverfolgungspraxis oftmals relevant werden241. Insbesondere die Grunderwerbsteuer ist häufig im Zusammenhang mit der Unterverbriefung von Grundstücksverkäufen von Bedeutung. Dabei steht neben einem (versuchten242) Gebührenbetrug zum Nachteil des beurkundenden Notars und des Justizfiskus in der Regel die darin liegende Steuerhinterziehung (§ 370 I Nr. 1 AO) im Zentrum des Vorwurfs243. Für die Bestimmung des Beendigungszeitpunkts (§ 78a S. 1 StGB) sind daher umso mehr die Vorgaben der Einzelsteuergesetze maßgeblich. Denn jeder Steuerpflichtige wird anlässlich des konkreten steuerauslösenden Ereignisses innerhalb des dort festgelegten zeitlichen Rahmens einmalig bzw. gesondert veranlagt. Beispiele: (1) Ein der Erbschaftsteuer unterliegender „Erwerb“ im Sinne von § 1 ErbStG ist gem. § 30 I ErbStG binnen drei Monaten nach Kenntnis von dem Anfall des Erwerbs bei dem zuständigen Finanzamt anzuzeigen. (Nur) Nach Aufforderung des Finanzamts ist innerhalb eines weiteren Monats (bei entsprechender 239  Zusf.

Sackreuther, PStR 2011, 254. die Grundsteuer, bei der es sich um eine jährlich wiederkehrende Abgabe handelt. 241  Abw. ohne nähere Begr. für die ErbSt-Hinterziehung Rolletschke, wistra 2001, 287 (290: „spielt in der Praxis … kaum eine Rolle“). 242  Abw. BayObLGSt 1955, 132 (134 ff.) – allenfalls Versuch (zw.). 243  s. Bülte, NStZ 2009, 57 zur Missachtung der Anzeigepflicht nach § 116 AO, BGHZ 89, 41 = NJW 1984, 973 u. BGH NJW-RR 2002, 1527 zur Zivilrechtslage sowie FG Münster, Urt. v. 24.11.2010, 8  K 4132 / 07, BeckRS 2011, 94811 zu den steuerrechtlichen Auswirkungen; s. a. 1.  Teil, Fn. 91. 240  Nicht:



A. Veranlagungssteuern241 Fristsetzung ggf. auch später) zusätzlich eine Steuererklärung abzugeben, § 31 I ErbStG. (2) Beim Erwerb von Immobilen (§ 1 GrESt) ist in § 19 III 1 GrESt eine zweiwöchige Anzeigefrist des Steuerschuldners (§ 10 GrStG) ab Kenntniserlangung normiert.

Während bei diesen Steuern nach der gesetzgeberischen Konzeption ein Festsetzungsverfahren (§§ 155 ff. AO) erst aus Anlass derartiger Anzeigen in Gang kommt, ist etwa eine Einkommensteuererklärung gemäß § 25 III 1 EStG im Grundsatz von jedem244 für jeden Veranlagungszeitraum bis spätestens 31.5. des Folgejahres abzugeben (§ 149 II 1 AO). Das hat zur Konsequenz, dass eine Veranlagung auch dann erfolgen kann, wenn ein „steuerlich geführter“, d. h. bekannter, Steuerpflichtiger keine Erklärung abgegeben hat. Die Festsetzung wird dann mittels einer an die Vorjahre angelehnten Schätzung der Besteuerungsgrundlagen vorgenommen (§ 162 AO). Nur dort kann daher von „allgemeinen Veranlagungsarbeiten“ und in der Folge auch von einem „allgemeinen Veranlagungsschluss“ gesprochen werden. Dies bedeutet wiederum, dass bei nicht periodisch veranlagten Steuern grundsätzlich im Wege einer konkreten Einzelfallbetrachtung ermittelt bzw. festgestellt werden muss, wann bei – fiktiv – fristgerechter Anzeige (bzw. Erklärung) spätestens eine Veranlagung stattgefunden hätte245. Denn auch hier ist es so, dass nicht auf den Wegfall der Anzeigepflicht abgestellt werden kann, weil andernfalls wegen § 171 VII AO die Steuerhinterziehung potentiell niemals verjähren würde. Die Fiktion einer hypothetisch-fristgerechten Anzeigeerstattung ist im Vergleich zu der ansonsten drohenden, offensichtlich unverhältnismäßigen Unverjährbarkeit des Steuervergehens das „kleinere Übel“, welches zudem dogmatisch mit einer verfassungskonformen Auslegung des § 78a S. 1 StGB begründet werden kann. Eine Anwendung des Grundsatzes „in dubio pro reo“ ist dagegen nicht erforderlich und mangels Zweifeln in tatsächlicher Hinsicht auch rechtlich gar nicht möglich. Damit steht fest, dass zunächst das Ende der jeweiligen Anzeige- / Erklärungsfrist der Ausgangspunkt sämtlicher weiterer Überlegungen bzw. Fest244  Einschr.

§ 46 EStG, § 56 EStDV. jetzt ausdr. für die SchenkungSt BGHSt 56, 298 (312 f.) = NJW 2011, 3249 (3253) m. Zusf. Esskandari / Bick, ErbStB 2012, 108 (112); wie hier Dall­meyer, ZStW 124, 711 (728); a. A. (frühestmöglicher Veranlagungszeitpunkt) Eich, KÖSDI 2001, 13036 (13040); ders., ErbStB 2008, 76 (78 f.); Joecks, in: Franzen / Gast / Joecks, § 370 Rn. 233 f.; Wulf, in: MüKo-StGB, § 376 AO Rn. 36; ders., Stbg 2008, 445 (446); Grötsch, in: Wannemacher & Partner, Rn. 739 – jew. für die ErbSt; Vogelberg, in: Simon / Vogelberg, S. 109; Wulf, PStR 2010, 13 (15); krit. auch Grötsch, in Wannemacher & Partner, Rn. 735, 748 u. Seipl, in Wannemacher & Partner, Rn. 1071 (amtl. Vordruck nicht existent); unklar v. Briel, in: v.  Briel / Ehlscheid, § 1 Rn. 82. 245  So

242

3. Teil: Der Verjährungsbeginn bei § 370 AO

stellungen bei der Bestimmung des hypothetischen Beendigungszeitpunkts sein muss. Im weiteren Prüfungsverlauf ist dann maßgeblich, (1) wie lange die Bearbeitung des konkreten Steuerfalls (d. h. der Zeitraum vom Eingang der Anzeige bis zum Bescheidserlass) gedauert hätte und (2) wann im Anschluss daran die Bekanntgabe des Steuerbescheids erfolgt wäre246. Nur wenn man dies weiß, kann eine sichere Aussage darüber getroffen werden, wann der Verkürzungserfolg im Einzelfall spätestens eingetreten ist. Beispiel: Bei einem am 1.5.2012 erfolgten Erwerb von Todes wegen (§ 1922 BGB) endet die 3-Monats-Frist für die Anzeige nach § 30 I ErbStG bei einer (gesichert247) am 2.5.2012 erlangten Kenntnis vom Anfall der Erbschaft mit Ablauf des 2.8.2012 (§ 108 I AO i. V. m. §§ 187 I, 188 II BGB). Das bedeutet aber nicht, dass ab dem 3.8.2012, 0.00 Uhr, eine voll- und beendete Steuerhinterziehung vorläge. Vielmehr müssen zu der hypothetisch ausgeschöpften Frist eine fiktive (regelmäßige) Veranlagungszeit und – mit Blick auf §§ 122, 124 AO – eine fiktive Bekanntgabedauer hinzugerechnet werden248. Es besteht jedoch Einigkeit, dass das bewusst pflichtwidrige Unterlassen der Anzeige nach § 30 I ErbStG (hier ab dem 3.8.2012) einen Hinterziehungsversuch (§ 370 I Nr. 2, II AO) begründet249.

Lässt sich ein (teilweiser) Verjährungseintritt daher nicht auf anderem Wege sicher ausschließen, kann sich das Gericht im Zweifelsfall verpflichtet sehen, tatsächliche Feststellungen zur Veranlagungs- und / oder Bekanntgabedauer im Strengbeweisverfahren zu treffen. Dabei ist im Grundsatz auch hier nur auf die regelmäßige Dauer des jeweiligen Vorgangs abzustellen250. Denn es ist kein Grund ersichtlich, den Unterlassungstäter prima facie besser zu stellen, als zur Vermeidung der Unverjährbarkeit seiner Tat erforderlich ist. Somit kann es auch in diesem Kontext nicht auf die kürzestmögliche Veranlagungsdauer ankommen251. Es steht allerdings in Frage, welche Beweismittel zur Aufklärung der regelmäßigen Veranlagungs- und Bekanntgabedauer zur Verfügung stünden und ob bzw. inwieweit das rechtlich überhaupt notwendig ist.

246  So, soweit erkennbar, erstmals Schmitz, wistra 1993, 248 (250 f.); dem im Grundsatz folgend OLG Hamm, DStRE 2002, 1095 (1096). 247  Erg. Eich, ErbStB 2008, 76 (77). 248  Vgl. das Bsp. auf S. 248. 249  Vgl. nur Jäger, in: Klein, § 370 Rn. 195. 250  So für die ErbSt FG Köln, EFG 1998, 1171 (1173); ähnl. Müller, wistra 2004, 11 (14: „gewöhnliche Bearbeitungszeit“); Rolletschke, wistra 2001, 287 (289); ders., in: Graf / Jäger / Wittig, § 370 AO Rn. 487 (jew. „zu erwartende Bearbeitungsdauer“); s. a. Rolletschke, ZWH 2014, 129 (133). 251  s. d. Nachw. zur Gegenauffassung in Fn. 245.



A. Veranlagungssteuern243

a) Feststellung der regelmäßigen Veranlagungsdauer aa) Ermittlung der tatsächlichen Verhältnisse Als tatsächliche Informationsquellen für die im Einzelfall maßgebliche – fiktive – Bearbeitungsdauer kommen in erster Linie die Sachbearbeiter des zuständigen Veranlagungsfinanzamts252, deren Dienstvorgesetzte oder der Amtsvorsteher in Betracht. Da sich das Gericht im Zuge der Beweiswürdigung (§ 261 StPO) lediglich eine Überzeugung hinsichtlich der regelmäßigen Bearbeitungsdauer des Steuerfalls bilden muss, ist es nicht unbedingt erforderlich, den im Zeitpunkt des Ablaufs der Anzeigefrist konkret zuständigen Veranlagungsbeamten zu ermitteln und zu befragen oder gar dessen Arbeitsleistung insgesamt oder über einen bestimmten Zeitraum hinweg zu evaluieren253. Ebenso wenig müssen statistische Erhebungen zur (damaligen) durchschnittlichen Bearbeitungsdauer in dem konkret betroffenen Finanzamt o. ä. zum Gegenstand der Hauptverhandlung gemacht oder gar im Urteil dargestellt werden. Auch eine (zusätzliche) Beteiligung des Landesfinanzministeriums scheint hier, da es um die Verhältnisse „vor Ort“ geht, nur wenig hilfreich und wird daher unter Aufklärungsgesichtspunkten (§ 244 II StPO) kaum jemals ernsthaft in Betracht kommen. Bei auf derartige Beweiserhebungen gerichteten Anträgen254 wird daher zuerst genau zu prüfen sein, ob überhaupt ein gemäß § 244 III–V StPO zu verbescheidender Beweisantrag oder nur ein nach Maßgabe von § 244 II StPO zu behandelnder Beweisermittlungsantrag vorliegt. Von letzterem ist – ungeachtet der offenkundigen Fälle (z. B. „zum Beweis, ob“) – insbesondere dann auszugehen, wenn der Antrag keine konkrete Beweistatsache, sondern nur das Beweisziel (z. B. „zum Beweis der Tatsache, dass die Veranlagung innerhalb eines Tages erfolgt wäre“255) enthält256. Liegt ein Beweisantrag im Rechtssinne vor, wird der Antrag oftmals als tatsächlich bedeutungslos abgelehnt werden können (§ 244 III 2 2. Var. StPO), weil die Indiztatsache selbst im Falle ihres Erwiesenseins keine zwingenden, sondern nur mögliche Schlüsse auf die regelmäßige Bearbeitungsdauer zulässt, die das Gericht (gegebenenfalls) nicht ziehen will257. Bei präsenten Beweismitteln ist insofern allerdings § 245 II StPO zu beachten.

Als weiteres gewichtiges Indiz kann auch die Dauer der im Zuge des Steuerstrafverfahrens nachträglich durchgeführten Veranlagung dienen. Dies 252  Vgl. HessFG, Urt. v. 16.9.2003, 13  K 29 / 00, BeckRS 2003, 26016250 – Zeugenladung des Sachbearbeiters abgelehnt. 253  Abw. wohl Dörn, Unterlassen, S. 35, 87; unklar Dallmeyer, ZStW 124, 711 (728: „Höchstbearbeitungsdauer“). 254  s. nur Gußen, Rn. 498; Wulf, wistra 2012, 485 (486). 255  Vgl. Puhl, BLJ 2008, 129 (134); Schmitz, in: Kohlmann FS, S. 517 (532). 256  Vgl. Meyer-Goßner, in: Meyer-Goßner / Schmitt, § 244 Rn. 20. 257  Vgl. Meyer-Goßner, in: Meyer-Goßner / Schmitt, § 244 Rn. 56 m. w. N.

244

3. Teil: Der Verjährungsbeginn bei § 370 AO

gilt umso mehr, wenn sich die Situation im Finanzamt im Vergleich zum maßgeblichen Abgabezeitpunkt nicht wesentlich verändert und – bestenfalls – nach wie vor derselbe Sachbearbeiter zuständig ist. Allerdings darf dabei auch nicht aus dem Blick verloren werden, dass die Dauer einer Veranlagung, die parallel zu einem Steuerstrafverfahren vorgenommen wird, nicht ohne Weiteres mit einer unter „normalen“ Umständen erfolgten Veranlagung gleichgesetzt werden kann. Das zeigt sich bereits daran, dass etwa das in Haftsachen besonders zu beachtende Beschleunigungsgebot wegen des Blankettrechtscharakters des Steuerstrafrechts regelmäßig zumindest faktisch auch auf die Dauer der Nachveranlagung durchschlägt. bb) Alternative: Pauschallösung? Nach einem vor noch nicht allzu langer Zeit am 25.7.2011 zur Schenkungsteuer ergangenen Beschluss des 1. Strafsenats des BGH258 steht in Zweifel, ob sich das Tatgericht die Ermittlung der konkreten Umstände des Einzelfalls nicht doch „ersparen“ und stattdessen auf eine Pauschallösung ausweichen kann bzw. sogar muss. Denn der Senat hat sich hierzu nicht nur (wie erst kürzlich zur Verjährung der Einkommensteuerhinterziehung durch Unterlassen259) in einem obiter dictum verhalten, sondern tragend ausgesprochen, dass die „Bearbeitungsdauer bei den Finanzbehörden … bei dieser fiktiven Steuerfestsetzung mit einem Monat anzusetzen [sei], denn das Finanzamt könnte gemäß § 31 Abs. 1 und Abs. 7 ErbStG die Abgabe einer Steuererklärung binnen eines Monats verlangen, in welcher der Steuerpflichtige die Steuer selbst zu berechnen hat“260.

Dieser Gedankengang ist im Grunde nichts Neues. Denn sowohl in der Finanzrechtsprechung261 als auch im Schrifttum262 waren bereits seit Längerem Tendenzen erkennbar, die auf die Etablierung einer Pauschallösung hinausliefen. Dennoch wurde von der herrschenden Lehre263 bislang stets 258  BGHSt

56, 298 (312 f.) = NJW 2011, 3249 (3253). wistra 2012, 484 (485) zur ESt (s. Fn. 218). 260  BGHSt 56, 298 (313) = NJW 2011, 3249 (3253); Hervorh. v. hier; dem zust. Jäger, in: Klein, § 376 Rn. 23a. 261  Vgl. FG Köln, EFG 1998, 1171 (1173: „Hätte der Kl. … die Vorschenkung offengelegt, würde der Bekl. die daraus resultierende SchenkSt mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit i. R. d. weiteren Bearbeitung innerhalb der nächsten vier Wochen festgesetzt haben“; Hervorh. v. hier). 262  s. etwa v. Briel, in: v. Briel / Ehlscheid, § 1 Rn. 82 (2–3 Monate); Eich, ErbStB 2008, 76 (79 [bis zu 2  Wochen]); Gehm, Kompendium, S. 177 (3–6 Wochen nach Erklärungsanforderung); Grötsch, in: Wannemacher, Rn. 840 (4 Monate); Korts, Stbg 2011, 357 (364: spätestens 1  Jahr nach Kenntnis vom Erwerb); Rolletschke, wistra 2001, 287 (289 [3 Monate]); Stahl, Rn. 567 (4 Monate). 263  Statt vieler: Rolletschke, in: Graf / Jäger / Wittig, § 376 AO Rn. 48 m. w. N. 259  BGH,



A. Veranlagungssteuern245

eine möglichst konkrete Einzelfallbetrachtung favorisiert. Angesichts der vorgenannten Entscheidung des 1. Strafsenats werden jetzt aber die folgenden beiden Fragen virulent: Ist die knappe Begründung des BGH für eine pauschal anzusetzende Bearbeitungsdauer von einem Monat überzeugend und, falls ja, wie ist zu verfahren, wenn – etwa aufgrund substantiierten Verteidigungsvortrags – ernstzunehmende tatsächliche Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die regelmäßige Bearbeitungsdauer kürzer oder länger als dieser Zeitraum gewesen wäre? Die Rechtsargumentation des Senats stellt – umgekehrt ausgedrückt – darauf ab, dass der Steuerpflichtige die von ihm zu entrichtende Schenkungsteuer nach Vorgabe des Gesetzes innerhalb eines Monats selbst berechnet haben muss. Folglich, so offenkundig die Schlussfolgerung des BGH, können die Steuerfachleute des Finanzamts keinesfalls länger für die Bearbeitung des Steuerfalls brauchen, als der Steuerpflichtige selbst (arg. a maiore ad minus). Das ist auf den ersten Blick einleuchtend. Lässt man den Gedanken freilich etwas länger auf sich wirken, erscheint dann aber doch zweifelhaft, ob er auch in der Sache trägt. Denn die spezialisierten Sachbearbeiter der jeweiligen Veranlagungsstelle könnten die Steuer – isoliert betrachtet – sicherlich sogar noch weitaus schneller berechnen, als der Steuerpflichtige. Dem stehen faktisch jedoch die übrigen dort (grds. nach dem Prioritätsprinzip) zu erledigenden Veranlagungsarbeiten und die damit einhergehende Bindung von „Veranlagungskapazitäten“ entgegen. Man könnte daher durch­ aus einwenden, dass es dem vom Senat aus § 31 ErbStG abgeleiteten ErstRecht-Schluss unter diesem Gesichtspunkt an der notwendigen praktischen Schlüssigkeit fehlt. Dieses Manko war bisher aber jedenfalls dann vernachlässigbar, wenn im Einzelfall eine länger als einen Monat dauernde regelmäßige Bearbeitungszeit im Raum stand. Denn der Betroffene ist nicht dadurch beschwert und kann sich folglich insbesondere auch in der Revision nicht darauf berufen (§ 337 I StPO), dass zu seinen Gunsten auf Grundlage der Pauschallösung ein zu frühes Ende der Verjährungsfrist angenommen worden ist. Dagegen hätte sich allenfalls die Staatsanwaltschaft wenden können. Ein derartiger Rechtsmittelangriff erschien aber angesichts der gegenläufigen Rechtsprechung des für Revisionen in Steuer- und Zollstrafsachen ausschließlich zuständigen 1. Strafsenats bislang nur wenig aussichtsreich. Hier ist nun aber eine beachtenswerte Neuentwicklung im Gange: In dem bereits angesprochenen obiter dictum des BGH264 zum Verjährungsbeginn bei der Einkommensteuerhinterziehung durch Unterlassen hat das Gericht jetzt ausdrücklich auf 264  Wistra

2012, 484 (485).

246

3. Teil: Der Verjährungsbeginn bei § 370 AO

„die konkreten Verhältnisse in dem für die Veranlagung des Steuerpflichtigen zuständigen Finanzamt“

abgestellt und zusätzlich weiter einschränkend ausgeführt, dass auch „keine Besonderheiten, die Abweichungen rechtfertigen könnten, festgestellt“

worden sein dürfen. Überträgt man das auf die nicht periodisch veranlagten Steuern, kommt man dazu, dass bei Vorliegen zureichender tatsächlicher Anhaltspunkte, die die Annahme einer kürzeren oder längeren regelmäßigen Bearbeitungsdauer nahelegen, von der Pauschallösung insgesamt kein Gebrauch (mehr) gemacht werden darf. Dies erscheint vor allem auch in der Gesamtschau beider Entscheidungen durchaus schlüssig. Daraus ergibt sich Folgendes: Die auf § 31 I, VII ErbStG fußende Pauschallösung muss der Verjährungsberechnung immer dann zugrunde gelegt werden, wenn ein einfach gelagerter Sachverhalt, d. h. ein „normaler“ Steuerrechtsfall, gegeben ist. Zeichnen sich auf Seiten des Veranlagungsfinanzamts und / oder in den steuerlichen Verhältnissen des Betroffenen jedoch konkrete verjährungsrelevante Besonderheiten ab, kann das Gericht unter Aufklärungsgesichtspunkten (§ 244 II StPO) gehalten sein, (vorerst nur) zu diesem Punkt weitere Ermittlungen anzustellen. Der Weg über die Pauschallösung ist dann erst einmal versperrt. Allerdings muss dem Gericht, da es sich um eine Tatsachenfrage handelt, dabei ein gewisser, an die Grundsätze freier Beweiswürdigung (§ 261 StPO) anknüpfender Beurteilungsspielraum265 zugebilligt werden, der revisionsrechtlich nicht bis ins Letzte überprüfbar ist. Das lässt sich auf Basis der vorgenannten BGH-Entscheidungen aber nur für die Erbschaft- und Schenkungsteuer so sicher aussagen. Auf die Grunderwerbsteuer sind diese Erwägungen nicht ohne Weiteres übertragbar. Denn diese unterliegt einer anderen Besteuerungssystematik. Insbesondere sieht das GrEStG keine Selbstberechnung der Steuer innerhalb einer bestimmten Frist vor. Dennoch wäre es auch hier wegen der Ähnlichkeit mit einfach gelagerten Fällen der Erbschaft- und Schenkungsteuer denkbar, pauschal eine regelmäßige Bearbeitungsdauer von einem Monat anzunehmen266. Ein gesetzlicher Anknüpfungspunkt hierfür existiert freilich – anders als bei der Erbschaft- und Schenkungsteuer – nicht. Im Ergebnis sollte daher jedenfalls in der Praxis solange von einer gleichwie gearteten Pauschallösung bei der Verjährungsberechnung in Fällen der Hinterziehung von Grunderwerbsteuer Abstand genommen werden, bis sich der BGH irgendwann einmal auch hierzu äußert. Entsprechendes gilt für alle übrigen Fälle nicht periodisch veranlagter Steuern. 265  Ähnl. Jäger, in: Klein, § 370 Rn. 92 zur Bestimmung des allgemeinen Veranlagungsschlusses bei periodisch veranlagten Steuern. 266  So wohl auch Grötsch, in: Wannemacher & Partner, Rn. 752.



A. Veranlagungssteuern247

b) Die hypothetische Bekanntgabedauer aa) Bestimmung anhand der Drei-Tages-Fiktion (§ 122 II, IIa AO)? Die gemäß § 122 II, IIa AO im Grundsatz auch im Steuerstrafrecht zu beachtende Drei-Tages-Fiktion267 greift im Nichtabgabefall, bei dem es hier naturgemäß keinen Steuerbescheid gibt, bereits nach dem Gesetzeswortlaut („außer wenn er [i. e. der Steuerbescheid] nicht … zugegangen ist“) nicht ein. Eine analoge Anwendung dieser Vorschrift kommt angesichts dessen offensichtlich nicht in Betracht, zumal es sich bereits bei der zur Ermittlung des hypothetischen Bekanntgabezeitpunkts zugrunde zu legenden rechtzeitigen Anzeige / Erklärung um eine Fiktion praeter legem handelt. Eine solche Analogie wäre daher auch zur Abwendung der Unverjährbarkeitsfolge nicht erforderlich. Der Zweifelsgrundsatz muss zur Begründung dieses Ergebnisses demnach nicht bemüht werden268. In diesem Sinne konsequent, enthält auch der hier richtungweisende BGH-Beschluss vom 25.7.2011 keinerlei Ausführungen zur Anwendbarkeit der Drei-Tages-Fiktion, sondern stellt schlicht fest, dass „für den Verjährungsbeginn maßgeblich [ist], wann die Veranlagung der Schenkungsteuer dem Steuerpflichtigen bei rechtzeitiger Anzeige der Schenkung frühestens bekanntgegeben worden wäre“269.

bb) Ermittlung des regelmäßigen Bekanntgabezeitpunkts Mit der im vorgenannten Beschluss für maßgeblich erachteten „frühesten“ Bekanntgabe kann nur der regelmäßige Bekanntgabezeitpunkt gemeint sein. Denn auch im hiesigen Kontext besteht keine Veranlassung, den Täter besser zu stellen, als zur Vermeidung der Unverjährbarkeit seiner Tat unbedingt erforderlich. Zur entsprechenden Klarstellung könnte man sich daher vor der Wendung „frühestens“ den vom BGH angesichts seiner bisherigen Judikatur anscheinend für überflüssig erachteten Zusatz „im regelmäßigen Geschäftsgang“ hinzudenken. Dieser regelmäßige Bekanntgabezeitpunkt wird, wie bereits dargestellt270, in der Rechtswirklichkeit zumeist auf eine „Zwei-Tages-Fiktion“ hinaus­ laufen. 267  s.

S.  201 ff. etwa OLG Hamm, DStRE 2002, 1095 (1096). 269  BGHSt 56, 298 (313) = NJW 2011, 3249 (3253). 270  s. S. 206. 268  Abw.

248

3. Teil: Der Verjährungsbeginn bei § 370 AO

Beispiel: Zieht man den eingangs geschilderten („normalen“) Steuerfall271 nochmals heran, kommt man bei Anwendung der vom BGH entwickelten Pauschallösung in einem ersten Schritt dazu, dass die Tat (§ 370 I Nr. 2 AO) frühestens vier Monate272 nach dem 2.5.2012, also nicht vor Sonntag, dem 2.9.2012, 24.00  Uhr, voll- und beendet sein kann273. Da das Fristende auf einen Sonntag fällt, verschiebt sich dieser früheste Vollendungs- und Beendigungszeitpunkt (zumindest) nach (dem Rechtsgedanken des) § 108 III AO auf Montag, den 3.9.2012274. Dies deshalb, weil die Pauschallösung taggenau anzuwenden ist und sonntags offenkundig keine Veranlagungsarbeiten stattfinden. In Fällen, in denen es noch darauf ankommt, ist dann in einem zweiten Schritt zusätzlich die hypothetische Bekanntgabedauer zu berücksichtigen. Unter Zugrundelegung der „Zwei-Tages-Fiktion“ käme man hier zum Ablauf des 5.9.2012 (Mittwoch = Werktag, an dem eine Briefzustellung stattfindet) als – dann – (i. S. v. § 261 StPO) exakt berechneten Vollendungs- und Beendigungszeitpunkt für den „Normalfall“ des Unterlassungsdelikts. Für die Nichtanzeigefälle aus dem ErbStG könnte man danach grundsätzlich einen pauschalen Zeitraum von vier Monaten und zwei Tagen ab Kenntnis der Anzeigepflicht bis zur Tatvollendung und -beendigung als Richtwert heranziehen. Wie das Beispiel zeigt, wären in casu bei der Pauschallösung freilich noch § 108 III AO und bei der „Zwei-Tages-Fiktion“ der Umstand, dass Postsendungen nur an Werktagen auf den Weg gebracht und ausgeliefert werden, zu berücksichtigen.

4. Periodisch veranlagte Steuern Bei Steuern, die einem laufend wiederkehrenden („periodischen“) Veranlagungsverfahren unterliegen, muss – zusätzlich – grundlegend zwischen „steuerlich geführten“275, d. h. den Finanzbehörden (zumindest im Kontext einer bestimmten Einkunftsart) bekannten, und steuerlich „nicht geführten“, d. h. vor der Verfahrenseinleitung (insoweit) gänzlich unbekannten, Steuerpflichtigen unterschieden werden. 271  s.

S. 242. Monate deshalb, weil (1) die Anzeigefrist des § 30 I ErbStG am 2.5.2012 begonnen hat und drei Monate später, mit Ablauf des 2.8.2012, endete; als (fiktive) regelmäßige Veranlagungsdauer war (2) nach der Pauschallösung ein weiterer Monat hinzuzurechnen. 273  Vgl. die genauso vorgenommene Berechnung in BGHSt 56, 298 (313 f.) = NJW 2011, 3249 (3254). 274  s. d. Nachw. in Fn. 78. 275  Die Verwendung dieses Praxisbegriffs im Schrifttum geht, soweit ersichtlich, auf Dörn zurück (vgl. Dörn, wistra 1989, 290 [292 ff.] sowie – u. a. – ders., wistra 1993, 241 [242]; ders., Unterlassen, S. 23; ders., NStZ 2002, 189) und wurde in der Folge vornehmlich von Rolletschke übernommen (vgl. etwa Rolletschke, in: Rol­ letschke / Kemper, § 370 Rn. 405 ff., § 376 Rn. 20, 21; ders., NZWiSt 2013, 35; ders., Steuerstrafrecht, Rn. 133; ders., in: Graf / Jäger / Wittig, § 370 AO Rn. 259). 272  Vier



A. Veranlagungssteuern

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Die Attribute „geführt“ / „bekannt“ bzw. „nicht geführt“ / „unbekannt“ beziehen sich dabei nicht nur auf die „Existenz“ des Steuerpflichtigen als solchem im finanzbehördlichen Datenbestand, sondern vor allem auch auf die Tatsache, dass dieser Einkünfte einer bestimmten Art erzielt. So kann es beispielsweise sein, dass ein Steuerpflichtiger, der seit jeher Einkünfte aus selbstständiger Arbeit (§ 2 I 1 Nr. 3 EStG) erklärt, ab einem bestimmten Zeitpunkt zusätzlich gewerbliche Einkünfte (§ 2 I 1 Nr. 2 EStG, z. B. aus vielfachen Verkäufen über die Internetplattform „eBay“276) erzielt, die neben der (zusätzlichen) Einkommensteuer u. a.277 auch der Gewerbesteuer unterliegen, ohne dass er dies gemäß § 138 AO bei der Gemeinde angezeigt hat. In diesem Fall ist der Steuerpflichtige (nur) hinsichtlich seiner Einkünfte aus selbstständiger Arbeit „bekannt“, d. h. (nur) seine diesbezüglichen Einkünfte würden im Nichtabgabefall geschätzt werden. Dagegen ist er hinsichtlich seiner Gewerbeeinkünfte „unbekannt“, mit der Folge, dass insoweit eine Schätzung mangels Kenntnis der entsprechenden wirtschaftlichen Betätigung auf Ebene der Einkommen- (, Umsatz-) und Gewerbesteuer ausscheidet. Anders als bei den zuerst behandelten, „nicht periodischen“ Veranlagungssteuern, die sich durch ein nur singulär auftretendes steuerbares Ereignis (z. B. Schenkung, Erbschaft) auszeichnen, ist es bei den turnusmäßigen („periodischen“) Veranlagungssteuern denkbar (und kommt auch immer wieder so vor), dass ein bereits „bekannter“ Steuerpflichtiger, der in den Jahren zuvor regelmäßig (zumindest formal) seiner Erklärungspflicht nachgekommen ist, auf einmal ohne erkennbaren Grund keine Steuererklärung(en) mehr abgibt. Dies führt nach entsprechender Erklärungsanforderung, Erinnerung und / oder Mahnung des säumigen Steuerpflichtigen nach der Ver­ fahrensmaxime des § 85 AO zwangsläufig dazu, dass die Finanzbehörde entweder die Abgabe einer Steuererklärung erzwingen (§§ 328 ff. AO) oder – alternativ (§ 5 AO) – die Besteuerungsgrundlagen (nicht: die Steuer selbst) auf Basis der Angaben in früheren Veranlagungszeiträumen (ggf. i. V. m. einer Außenprüfung, §§ 193 ff. AO) schätzen muss (§ 162 I 1 AO: „hat“)278. Letzteres, d. h. die Schätzung, wird in der Praxis regelmäßig bevorzugt, weil dies mit weniger Arbeitsaufwand verbunden ist, Sicherheitszuschläge „pro fisco“ ermöglicht (vgl. § 162 III, IV AO279) und – vor allem – den untätigen 276  Vgl. Nds. FG, Urt. v. 3.8.2011, 10 K 200 / 09, BeckRS 2011, 96709 – gewerb­ licher Verkauf von Schmuck bzw. „Flohmarktartikeln“; einschr. FG BW, DStRE 2013, 1249. 277  Die außerdem in Betracht kommende Umsatzsteuer ist keine Veranlagungssteuer (einschr. auch insofern FG  BW, DStRE 2013, 1249). 278  So zutr. Rolletschke, in: Rolletschke / Kemper, § 370 Rn. 429; s. a. Luer / Lühn, BB 2012, 2019 (2021 f.). 279  Grdlg. BFHE 88, 212 = NJW 1967, 2380; vgl. aus neuerer Zeit FG München, Urt. v. 30.3.2010, 13  K 2600 / 08, BeckRS 2010, 26029355; erg. Fn. 307.

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3. Teil: Der Verjährungsbeginn bei § 370 AO

Steuerpflichtigen faktisch in die Initiativrolle versetzt. Denn nach Bekanntgabe eines aus seiner Sicht „zu hohen“ Schätzbescheids ist er es, der rechtzeitig mit Einspruch und Klage reagieren muss. Und auch dies hat in der Sache nur dann Aussicht auf Erfolg, wenn er seinen Mitwirkungspflichten (vgl. insbesondere §§ 90, 93, 97 AO) nunmehr doch nachkommt und die tatsächlichen, aus seiner Sicht steuermindernd zu beurteilenden Besteuerungsgrundlagen umfassend aufdeckt. Diese Möglichkeiten bestehen bei einem „nicht geführten“ Steuerpflichtigen, der sich einem „periodischen“ Veranlagungsverfahren (teilweise) pflicht­ widrig entzieht, naturgemäß nicht. Ist der Steuerfall bzw. -pflichtige unbekannt, ist es der Finanzbehörde schlicht nicht möglich, auf dessen Untätigbleiben entsprechend zu reagieren. Es stellt sich demnach die Frage, ob bzw. inwiefern sich dies auf den Beginn der strafrechtlichen Verfolgungsverjährung wegen Steuerhinterziehung (§ 370 I Nr. 2 AO) auswirkt. a) Der „steuerlich geführte“ Unterlassungstäter (Schätzungsfälle) Dem Umstand, dass ein bereits bekannter Steuerpflichtiger (auf einmal) keine periodisch abzugebende Steuererklärung (mehr) einreicht, liegt aus Tätersicht vielfach die – subjektiv „gestaffelte“ – Hoffnung zugrunde, die jeweilige Steuer werde (1) „bestenfalls“ gar nicht, (2) aufgrund unzutreffender Schätzung jedenfalls zu niedrig bzw. „auf Null“ oder (3) zumindest zu einem späteren Zeitpunkt festgesetzt280. Dieser subjektive „Dreiklang“ wurzelt nicht selten in Liquiditätsschwierigkeiten, die in der Regel nur vermeintlich vorübergehender Natur sind und die die nicht selten verzweifelten Täter auf diese Weise zu überwinden suchen281. Dies geht erfahrungsgemäß mit weiteren (Insolvenz-)Straftaten (§ 15a InsO, §§ 283 ff. StGB) einher. Die Einsicht, dass es zielführender gewesen wäre, die Steuerfestsetzung zunächst pflichtgemäß in die Wege zu leiten, das Ergebnis abzuwarten und im Anschluss daran hierauf mit den rechtlich zur Verfügung stehenden Mitteln zu reagieren282, stellt sich in der Regel erst rückblickend ein. Das liegt nicht zuletzt an der – bisweilen nicht unbegründeten – Befürchtung, das Finanzamt werde aufgrund seiner eigenen Gläubigerstellung selbst einen Insolvenzantrag stellen (vgl. §§ 13 I 2, 14 I 1 InsO)283. 280  Vgl.

Rolletschke, in: Rolletschke / Kemper, § 370 Rn. 189. dazu just das Beispiel bei Aue, PStR 2010, 207. 282  Das sind im Anschluss an einen (1) Einspruch (§§ 347 ff. AO) verbunden mit dem Antrag auf Aussetzung der Vollziehung – „AdV“ – (§ 361 II AO) vor allem (2) der Antrag auf Gewährung von Ratenzahlung bzw. eines Vollstreckungsaufschubs, (3) der Stundungsantrag und (4) der Antrag auf Erlass der Steuerschuld (ausf. zum Ganzen Brete / Thomsen, AO-StB 2008, 73; Obermair, StB 2005, 212; ders., BB 2006, 582). 283  Grdlg. Frotscher, in: Gottwald, § 126 Rn. 1 ff. 281  s.



A. Veranlagungssteuern251 Dieses Szenario korrespondiert exakt mit der in § 370 IV 1 1. Hs. AO festgeschriebenen Definition des Verkürzungserfolgs, die nicht zuletzt deshalb auch in erster Linie vor diesem Hintergrund zu sehen ist.

Im Einzelnen sind beim „steuerlich geführten“ Täter je nachdem, ob infolge der Nichtabgabe ein Schätzbescheid bekannt gegeben worden ist oder nicht, die nachfolgend unter bb) / cc) beschriebenen beiden Fallgruppen zu unterscheiden, die ihrerseits jeweils in verschiedenen Varianten auftreten können. aa) Revisionsrechtlicher Exkurs (Schätzbescheid) Aus revisionsrechtlicher Sicht ist besonders zu beachten, dass der Tatrichter in Nichtabgabefällen, die Veranlagungssteuern betreffen, auf jeden Fall im Urteil auch Feststellungen dazu treffen muss, (1) ob (und günstigstenfalls auch wann) ein Schätzbescheid bekannt gegeben worden ist und wenn ja, (2) welchen Inhalt dieser hatte und wie sich die darin festgesetzte (Ist-) Steuer zur tatsächlich geschuldeten (Soll-)Steuer verhält (niedriger, übereinstimmend, höher?). Denn ohne diese Informationen lässt sich nicht sicher aussagen, ob die jeweilige Tat vollendet oder nur versucht ist (sog. Darstellungsmangel [Verstoß gegen § 267 I 1 StPO]). Damit stünde nicht nur der Schuldspruch (den das Revisionsgericht als solchen entsprechend § 354 I StPO noch berichtigen könnte284), sondern auch der Strafausspruch in Frage, weil § 23 II StGB die Wahl eines anderen Strafrahmens ermöglicht. Darüber mittels § 354 Ia StPO hinweg zu kommen, kann sich im Einzelfall schwierig gestalten. Bisweilen wird sich auch dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe noch hinreichend sicher entnehmen lassen, dass kein Schätzbescheid bekannt gegeben wurde. Ist dies nicht der Fall und fehlen Feststellungen zum Inhalt des Schätzbescheids, bleibt letztlich nur der Weg über § 154 II i. V. m. I Nr. 1 StPO285. Andernfalls muss das Urteil aufgrund seiner Lückenhaftigkeit der (teilweisen) Aufhebung anheimfallen286. Um dies herbeizuführen, genügt aus Sicht des Revisionsführers die Erhebung einer (allgemeinen) Sachrüge. Entsprechendes gilt, wie der BGH etwa in einer Entscheidung vom 22.8.2012287 zum wiederholten Male ausgeführt hat, für den Zeitpunkt der Einleitung bzw. Erweiterung des steuerstrafrechtlichen Ermittlungsverfahrens (§ 397 AO). Denn ab diesem Zeitpunkt entfällt aufgrund des verfas284  Vgl. 285  So

Meyer-Goßner, in: Meyer-Goßner / Schmitt, § 354 Rn. 12 ff. bspw. im Fall BGH, Beschl. v. 10.7.2012, 1  StR 148 / 12, BeckRS 2012,

15989. 286  Vgl. BGH, NZWiSt 2013, 33 (34); BayObLGSt 1989, 145 (147). 287  BGH, NZWiSt 2013, 33 (34).

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3. Teil: Der Verjährungsbeginn bei § 370 AO

sungsrechtlich in Art. 2 I GG zu verortenden Grundsatzes des Selbstbelastungsfreiheit („nemo tenetur se ipsum accusare“) die strafbewehrte Pflicht zur Abgabe einer Steuererklärung, sodass es von da ab nicht mehr zur vollendeten Hinterziehung kommen kann (vgl. § 393 AO). Es verbleibt dann, wenn die Tat nicht schon zuvor aus anderen Gründen voll- / beendet war, beim Hinterziehungsversuch. bb) Verjährungsbeginn bei Bekanntgabe eines Schätzbescheids (1) „Zu niedriger“ Schätzbescheid Ergeht vor dem „allgemeinen Veranlagungsschluss“ ein „zu niedriger“ Schätzbescheid, ist unstreitig anerkannt, dass damit eine zugleich288 vollund beendete Steuerhinterziehung (§ 370 I Nr. 2 AO) vorliegt, sobald dem Täter der unrichtige Bescheid bekannt gegeben worden ist289. Mit anderen Worten: Die Verjährungsfrist beginnt hier – gesichert – an dem Tag zu laufen (§ 78a S. 1 StGB), an dem der die Steuer zugunsten des Unterlassungstäters zu niedrig festsetzende Schätzbescheid bekannt gegeben wird. Für diesen Fall steht – in der Literatur vordergründig diskutiert – in Streit, ob sich der Verkürzungsumfang allein aus der Differenz zwischen der kraft Gesetzes geschuldeten Soll-Steuer und der aufgrund der Schätzung festgesetzten Ist-Steuer ergibt290 oder ob dem die festgesetzte Steuer hinzugerechnet werden kann bzw. muss. Das Problem reicht jedoch tiefer: Denn es geht dabei ganz generell um die Frage, ob neben der mit Bekanntgabe des „zu niedrigen“ Schätzbescheids voll- und beendeten Steuerhinterziehung eine tateinheitlich (§ 52 I StGB) verwirklichte versuchte Steuerhinterziehung hinsichtlich des gesamten Soll-Steuerbetrags vorliegt291. Das erscheint auf Ebene des Schuldspruchs wenig plausibel. Die hier vorliegende einheitliche Unterlassungstat kann schwerlich hinsichtlich desselben Angriffs­ objekts (Steueranspruch) gleichzeitig versucht und voll- / beendet sein292. 288  Der

BGH (wistra 2012, 484 [485]) hat kürzlich obiter dictu erwogen, die (für den Verjährungsbeginn als solche unmaßgebliche) Vollendung von der Beendigung abzukoppeln, indem „bei einfach gelagerten Sachverhalten“ eine fiktive Bearbeitungszeit „von längstens einem Jahr“ nach Ablauf der Frist zur Einreichung der Steuererklärung (§ 149 II 1 AO) angesetzt wird (d. h. Vollendung mit Ablauf des 31.5. bzw. am 1.6., 0.00 Uhr, des übernächsten Jahres). 289  s. jüngst BGH, NZWiSt 2013, 33 (34); aus der Lit. statt vieler: Jäger, in: Klein, § 370 Rn. 92, § 376 Rn. 27; erg. Nr. 4.1.3 S. 1 AEAO zu § 235. 290  Allg. M., s. nur BayObLGSt 2000, 148 (150); Schmitz, in: Kohlmann FS, S. 517 (518, Fn. 5); Rolletschke, in: Rolletschke / Kemper, § 370 Rn. 426, § 376 Rn. 24; ders., in: Graf/Jäger/Wittig, § 370 AO Rn. 278, § 376 AO Rn. 45 jew. m. w. N. 291  So Ferschl, wistra 1990, 177 (178). 292  Ähnl. Rolletschke, in: Rolletschke / Kemper, § 370 Rn. 427 („Subsidiarität“); ders., in: Graf / Jäger / Wittig, § 370 AO Rn. 278 („subsidiär“).



A. Veranlagungssteuern253 Auf Strafzumessungsebene stellt sich dies jedoch anders dar: Denn wenn sich der Tatrichter von einem entsprechenden Gesamtverkürzungsvorsatz des Angeklagten (Stichwort: „Dreiklang“) überzeugen kann, spricht nichts dagegen, dies etwa unter dem Gesichtspunkt „Beweggründe und Ziele des Täters“ (§ 46 II 1 StGB) strafschärfend in Ansatz zu bringen293.

Ist der „zu niedrige“ Schätzbescheid erst nach dem „allgemeinen Veranlagungsschluss“ bekannt gegeben worden, wirkt sich das auf den Verjährungsbeginn konsequenterweise nicht mehr aus, und zwar unabhängig von seinem Inhalt und auch unabhängig davon, wann der Schätzbescheid erlassen wurde. Denn die Tat war in diesem Fall mit dem „allgemeinen Veranlagungsschluss“ jedenfalls in Gestalt einer nicht rechtzeitigen Steuerfestsetzung (§ 370 IV 1 1. Hs. 3. Var. AO) voll- und beendet. Daran kann die nachträgliche Bekanntgabe eines Schätzbescheids nichts mehr ändern. Vor allem kann dadurch weder der Lauf der Verjährungsfrist zum Nachteil der Täters „verlängert“ noch die zwischenzeitlich verstrichene Rücktrittsmöglichkeit zu seinen Gunsten ausgeweitet werden (hier sog. Vollendungslösung).294 Dies ist jedoch nicht unumstritten: Dagegen ist zuerst in der obergerichtlichen Rechtsprechung eingewandt worden, dass es sich bei dem „allgemeinen Veranlagungsschluss“ um eine richterrechtliche Hilfskonstruktion ohne Anhalt im Gesetz handele, für die bei Vorliegen eines realen Anknüpfungspunkts für den Verjährungsbeginn (hier: die Bekanntgabe des Schätzbescheids) kein Bedürfnis mehr bestehe. Werde irgendwann (!) ein Schätzbescheid bekannt gegeben, sei allein auf diesen abzustellen, sodass trotz eines bereits erfolgten Veranlagungsschlusses nach wie vor nur ein Hinterziehungsversuch vorliegen könne, wenn es im Nachgang zur Bekanntgabe eines Schätzbescheids komme. Eine Tatvollendung sei bei „steuerlich geführten“ Tätern in Nichtabgabefällen folglich nur in Betracht zu ziehen, wenn und soweit gar keine Schätzveranlagung durchgeführt worden sei bzw. werden könne (hier sog. Versuchslösung).295 293  Dto. Rolletschke, in: Rolletschke / Kemper, § 370 Rn. 427; ders., in: Graf / Jäger / Wittig, § 370 AO Rn. 278. 294  H. M., vgl. nur BGH, NZWiSt 2013, 33 (34: „Sind bei der Hinterziehung von Veranlagungssteuern durch Unterlassen die Taten nicht bereits zuvor vollendet …“; Hervorh. v. hier); OLG Karlsruhe, MDR 1976, 1042 (1043); BayObLGSt 1989, 145 (147); 2000, 148 (149); OLG Düsseldorf, NJW 2005, 1960 (1961); Dörn, NStZ 2002, 189 (190); Ferschl, wistra 1990, 177 (180); Grötsch, in: Wannemacher & Partner, Rn. 743; Hübner, MDR 1977, 1040; Rolletschke, in: Rolletschke / Kemper, § 376 Rn. 24; ders., in: Graf / Jäger / Wittig, § 376 AO Rn. 44; zusf. Rolletschke, in: Rolletschke / Kemper, § 370 Rn. 429. 295  So – zusammengefasst – OLG Celle, MDR 1965, 504; OLG Karlsruhe, MDR 1977, 600 (601 [weitere a. a. O. nicht abgedr. Teile der Entscheidung sind in BayObLGSt 1989, 145 [149] wiedergegeben]); OLG Köln, wistra 1982, 156; Hans­OLG, wistra 1993, 274 (275); wie hier Rolletschke, in: Rolletschke / Kemper, § 370 Rn. 429 m. w. N.

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3. Teil: Der Verjährungsbeginn bei § 370 AO

Im Schrifttum sind der „Versuchslösung“ ursprünglich Dietz296 und im Anschluss daran vor allem Dörn297 beigetreten: Im Kern bemängeln beide Autoren weitergehend, die Vollendungslösung führe dazu, dass es letztlich „im Belieben“ der Finanzverwaltung stehe, ob sie bei gegebener Schätzmöglichkeit davon erst nach dem Veranlagungsschluss Gebrauch mache, und den Täter damit in die Vollendung „dränge“, oder nach eigenem Gutdünken doch bereits vorher schätze und die Maßnahme nicht „unterdrücke“. Dogmatisch ordnet Dörn298 dies als „Problem ‚kumulativer Kausalität‘ “ ein und will die beim Abstellen auf den Veranlagungsschluss eintretende Vollendungsfolge auf Ebene der objektiven Zurechnung über die Figur des „dazwischentretenden Dritt- oder Opferverhaltens“ abwenden – denn, so Dörn: der tatbestandsmäßige Erfolg der nicht rechtzeitigen Steuerfestsetzung werde nicht nur durch die Nichtabgabe der Erklärung des Täters, sondern auch durch die schon zuvor mögliche, aber – gegebenenfalls gezielt – erst nach dem Veranlagungsschluss vorgenommene Schätzung des Finanzbeamten herbeigeführt. Alternativ könne das Problem daher auch über die Figur der „Risikoverwirklichung infolge … Obliegenheitsverletzung des Opfers“ gelöst werden. Kurzum: Dörn meint, die Finanzverwaltung sei aufgrund der erst nach Veranlagungsschluss erfolgten und damit „verspäteten“ Schätzung gleichsam selbst Schuld daran, dass es zur Tatvollendung gekommen sei. Solches könne dem Täter nicht zugerechnet werden. Dieser Argumentation kann, wie schon das BayObLG299 ausführlich begründet hat, nicht gefolgt werden. Ungeachtet dessen, dass bereits nicht nachvollziehbar ist, woher Dietz und Dörn (letzterer war bzw. ist selbst in der Finanzverwaltung tätig) die Befürchtung nehmen, die Finanzbehörden hätten irgendein Interesse daran, Steuerpflichtige in die vollendete Steuerhinterziehung zu „drängen“300, überzeugen vor allem die dogmatischen Ausführungen Dörns nicht: 296  In: Leise / Dietz, Steuerverfehlungen, Stand: 08 / 1989, § 370 Rn. 33 (jetzt: Rolletschke / Kemper, Steuerstrafrecht – AO – UStG – ZollVG), zit. nach Bay­ ObLGSt 1989, 145 (150 ff.). 297  Vgl. Dörn, Unterlassen, S. 37 ff., 46; dto. ders., wistra 1989, 290 (292 ff.), 1991, 10 (15 ff.), 1993, 241 (242 ff.); ders., StB 1992, 361 (363, 365), 1992, 404 (408 [mit graphischer Übersicht]); ders., NWB Fach 13 (36 / 1992), 813 (818); ders., DStZ 1997, 73 (76 [m. zahlr. Fallbeispielen]), 1998, 164 (165 [offen gelassen]); ders., NStZ 2002, 189 (190); ähnl. auch Joecks, in: Franzen / Gast / Joecks, § 376 Rn. 29f f.; Rolletschke, Steuerstrafrecht, Rn. 147. 298  Dörn, Unterlassen, S. 45 f.; ders., NStZ 2002, 189 (190 f. [z. T. wortlautidentisch]). 299  BayObLGSt 1989, 145 (150 ff.). 300  s. d. Nachw. in Fn. 296, 297; ähnl. Schmitz, wistra 1993, 248 (250), der von der „Manipulation der Strafbarkeit einzelner Steuerpflichtiger“ spricht. Dagegen zutr. BayObLGSt 1989, 145 (152: „Es ist in erster Linie der Steuerpflichtige, der es



A. Veranlagungssteuern255

Zum einen ist die Bekanntgabe eines Schätzbescheids nach Veranlagungsschluss nicht, schon gar nicht kumulativ301 kausal für die Vollendung und Beendigung von Taten nach § 370 I Nr. 2 AO. Die Äquivalenztheorie302 besagt, dass eine Handlung nur dann kausal für den Erfolgseintritt ist, wenn sie nicht hinweg gedacht werden kann, ohne dass der Erfolg in seiner konkreten Gestalt entfiele (sog. conditio sine qua non-Formel). Denkt man sich hier die Bekanntgabe des Schätzbescheids weg, ändert dies an der mit dem „allgemeinen Veranlagungsschluss“ eintretenden Tatvollendung nichts. Der Angriff Dörns kann sich folglich allenfalls gegen das Institut des „allgemeinen Veranlagungsschlusses“ als solches richten. Das hätte aber zur Konsequenz, dass seine Argumentation widersprüchlich bzw. zirkulär würde: Denn dann dürfte für die Vollendung / Beendigung einerseits nicht auf den „allgemeinen Veranlagungsschluss“ abgestellt werden, andererseits argumentiert Dörn aber, der Schätzbescheid sei kumulativ (!) kausal für die Tatvollendung, weil die Finanzbehörde diesen erst nach dem Veranlagungsschluss bekannt gegeben habe. Dies ist nicht nachvollziehbar. Auch liegt kein Fall der – eine objektive Zurechnung gegebenenfalls ausschließenden – eigenverantwortlichen Selbstgefährdung vor. Der Fiskus ist nämlich nicht verpflichtet, der Vollendung einer gegen ihn gerichteten Straftat aktiv entgegen zu wirken, d. h. hier ungeachtet des Entschließungsund Auswahlermessens der Finanzbehörde (§ 5 AO)303 stets vor dem Veranlagungsschluss Schätzbescheide zu erlassen und bekannt zu geben304. Im Gegenteil lässt es sich aus verwaltungsökonomischen Gründen gut vertreten, mit einem Schätzbescheid bis zum Veranlagungsschluss abzuwarten, um sowohl die bereits eingegangenen Steuererklärungen nach dem Prioritätsprinzip zeitnah abarbeiten zu können als auch dem Steuerpflichtigen die Möglichkeit einer eigenen Erklärung möglichst lange offen zu halten, bevor er durch die Schätzung vor „vollendete Tatsachen“ gestellt wird. Ganz abgesehen davon, dass ein bis dahin eventuell noch möglicher strafbefreiender in der Hand hat, die Vollendung durch schließliche Abgabe der Steuererklärung zu verhindern.“). 301  Kumulative Kausalität liegt vor, wenn der Erfolg erst durch das Zusammenwirken mehrerer, voneinander unabhängiger Handlungen herbeigeführt wird. In diesem Fall sind sämtliche dieser Handlungen kausal (vgl. nur Fischer, Vor § 13 Rn. 18). 302  Vgl. Fischer, Vor § 13 Rn. 16. 303  Vgl. Ferschl, wistra 1990, 177 (179). Dieses Ermessen bezieht sich hier sowohl darauf, ob bei bereits zureichender Schätzgrundlage eine weitere Mahnung erfolgt oder ob vor Erlass eines Schätzbescheids ggf. noch zusätzliche Ermittlungen (z. B. im Wege einer Außenprüfung) vorgenommen werden, als auch darauf, wie und wann die Bescheidsbekanntgabe erfolgt. 304  So auch BayObLGSt 1989, 145 (152); Ferschl, wistra 1990, 177 (179).

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3. Teil: Der Verjährungsbeginn bei § 370 AO

Rücktritt vom Versuch durch die Bekanntgabe des Schätzbescheids frühzeitig vereitelt würde. Entsprechendes gilt für das von Dörn nur kurz abgehandelte Dazwischentreten eines eigenverantwortlich handelnden Dritten (hier: des Finanzbeamten, der die Schätzbescheidsbekanntgabe erst nach dem Veranlagungsschluss verfügt), weil ein einmal etablierter Zurechnungszusammenhang nicht durch im Nachhinein eintretende Ereignisse wieder aufgelöst werden kann305. Etwas anderes könnte im hiesigen Zusammenhang lediglich dann gelten, wenn die Finanzbehörde ihr Entschließungs- und Auswahlermessens nachweislich pflichtwidrig, also willkürlich bzw. bewusst rechtsmissbräuchlich, ausgeübt hat306. Dafür wird aber im absoluten Regelfall nichts ersichtlich sein. In der Gesamtschau ist danach kein sachlicher Grund erkennbar, weshalb ein „steuerlich geführter“ Täter bei der Bestimmung des Zeitpunkts der Vollendung bzw. Beendigung allein deshalb, weil er der Finanzbehörde bekannt ist, im Vergleich zum unbekannten Steuerpflichtigen privilegiert werden sollte. Darauf läuft die von den zitierten Oberlandesgerichten vertretene und in der Literatur von einer Mindermeinung rezipierte Versuchslösung aber hinaus. Und genau darin liegt auch das primäre Argument dafür, dass die „Hilfskonstruktion“ des „allgemeinen Veranlagungsschlusses“ umfassend, d. h. vor allem auch bei „steuerlich geführten“ Tätern gelten muss, selbst wenn es im Nachgang zur Bekanntgabe eines Schätzbescheids kommt. Denn andernfalls stünde ein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 I GG) zu besorgen. Außerdem handelt es sich bei dem „allgemeinen Veranlagungsschluss“ – zweitens – nicht nur um eine Fiktion (wie die hypothetisch rechtzeitige Anzeige / Erklärung bei nicht periodisch veranlagten Steuern), sondern um ein tatsächlich feststellbares (§ 261 StPO) Ereignis (s. u.). Seine Bezeichnung als „Hilfskonstruktion“ ist daher streng genommen irreführend. Und drittens übersieht die Mindermeinung auf der Wertungsebene, dass der „steuerlich geführte“ Täter im Vergleich zum „unbekannten“ Steuerpflichtigen subjektiv eine höhere Hemmschwelle überwinden und daher mehr kriminelle Energie aufwenden muss, wenn er – anders als in früheren Veranlagungszeiträumen – auf einmal ohne erkennbaren Grund keine Steuer­ erklärung mehr abgibt, um auf diese Weise Steuern „zu sparen“. Für eine Bevorzugung des bereits bekannten Steuerpflichtigen durch eine möglichst weite Ausdehnung der Versuchsstrafbarkeit besteht mithin auch unter materiellen Gerechtigkeitsgesichtspunkten kein Anlass. 305  Vgl. für das Steuerstrafrecht etwa BGH, wistra 2001, 309 – Verlustrücktrag gem. § 10d I EStG. 306  Vgl. BGH, NJW 2005, 763 (764) – Verstoß gegen Art. 6 I 1 EMRK.



A. Veranlagungssteuern257

(2) Zutreffender oder „zu hoher“ Schätzbescheid Stimmt der bekannt gegebene Schätzbescheid mit den tatsächlichen Gegebenheiten überein, d. h. wird (eher unwahrscheinlich) zufällig genau die richtige Steuer festgesetzt, oder fällt die schätzweise Steuerfestsetzung (weitaus wahrscheinlicher307) zu hoch aus, steht zwar unstreitig fest, dass dann – entsprechend dem jeweils nachweisbaren Tatentschluss – nur ein (fehlgeschlagener308) Hinterziehungsversuch vorliegen kann309. Allerdings werden im Schrifttum gerade im zuletzt genannten Kontext („zu hoher“ Schätzbescheid) immer wieder Zweifel laut, ob hier bei entsprechendem Einlassungsverhalten der Vorsatznachweis überhaupt geführt kann310. Diese Unsicherheiten gehen auf ein – nach hier vertretener Auffassung „unglücklich“ abgefasstes – Urteil des 5. Strafsenats des BGH vom 30.9.1980 zurück, in dem dieser ausgeführt hat: „Daraus, daß der Angeklagte die Fristen zur Abgabe der Einkommensteuererklärungen hat verstreichen lassen, ergibt sich nicht ohne weiteres, daß er den Versuch der Steuerhinterziehung … unternommen hat. Der Angeklagte hatte bereits vor dem Ablauf der Frist, die für den ersten der hier in Rede stehenden Steuerzeiträume (1972) zur Abgabe der Steuererklärung gesetzt worden war, die Erfahrung gemacht, daß die Steuerbehörde die Versäumung solcher Fristen mit Steuerfestsetzungen beantwortete, die auf Schätzungen beruhten und der Höhe nach die tatsächlich bestehende Steuerschuld überschritten … Die Erwartung, daß die Steuerbehörde solche Bescheide in Zukunft noch vor dem Abschluß der allgemeinen Veranlagungsarbeiten erlassen werde, lag nahe und ist durch den weiteren Geschehensablauf bestätigt worden. Unter diesen Umständen versteht es sich nicht von selbst, daß der Angeklagte angenommen hat, er könne mit der Versäumung weiterer Abgabefristen Steuern verkürzen.“311

Diese Erwägungen erscheinen deshalb „unglücklich“ im Sinne von zumindest missverständlich, weil sie – isoliert betrachtet – einerseits geeignet 307  Vgl. nur Dörn, NStZ 2002, 189 („fast ausnahmslos … nicht zu niedrig, sondern mindestens zutreffend, oftmals auch zu hoch“); Rolletschke, in: Rolletschke / Kemper, § 370 Rn. 424 („Bei der üblichen Praxis der Festsetzungsfinanzämter … mit einem 10 %igen Aufschlag zu reagieren …“); s. a. die Rspr.-Nachweise zum Sicherheitszuschlag bei der Schätzung in Fn. 279. 308  So zutr. etwa Grötsch, in: Wannemacher & Partner, Rn. 745; Joecks, in: Franzen / Gast / Joecks, § 376 Rn. 29e. 309  Vgl. BGH, NZWiSt 2013, 33 (34) sowie d. weit. Nachw. in Fn. 294. Zum Verjährungsbeginn im Fall des § 370 I Nr. 2, II AO s. S. 298 ff. 310  s. u. a. Dörn, wistra 1989, 290 (293); ders., wistra 1993, 241 (244 ff.); ders., Unterlassen, S. 46 f.; Ferschl, wistra 1990, 177 (178); Stahl, Rn. 559 ff.; Rolletschke (in: Rolletschke / Kemper, § 370 Rn. 424) hält eine derartige Einlassung gar für „praktisch unwiderlegbar“ (vorsichtiger ders., Steuerstrafrecht, Rn. 144 [„schwer zu widerlegen“]; s. a. ders., ZWH 2014, 129 [132]). 311  HFR 1981, 286 (287).

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3. Teil: Der Verjährungsbeginn bei § 370 AO

sind, den Anschein zu erwecken, der Senat habe seine Kompetenzen als Revisionsgericht überschritten und eine eigene Beweiswürdigung vorgenommen312. Zum anderen legen sie den Schluss nahe, das Gericht habe abstrakt-generell ausgesprochen, dass bei einer derartigen Beweislage ein Vorsatznachweis niemals gelingen könne. Beides ist indes nicht der Fall. Denn die Frage, ob der für die Tatbestandsverwirklichung notwendige, aber auch ausreichende bedingte Hinterziehungsvorsatz vorlag, unterliegt der freien Beweiswürdigung des Tatgerichts (§ 261 StPO). Seine aus den Indiztatsachen gezogenen Schlüsse müssen nicht zwingend, sondern nur möglich sein, und sind selbst dann hinzunehmen, wenn ein anderes Ergebnis ebenso denkbar gewesen wäre oder sogar näher gelegen hätte313. An diesen „althergebrachten“ revisionsrechtlichen Grundsätzen wollte der Senat, wie seine unmittelbar darauf folgenden, im Schrifttum bislang nicht genügend beachteten Ausführungen zeigen, ersichtlich nicht rütteln: „Das Landgericht hätte sich mit dieser Frage im Hinblick auf den Vorsatz der Steuerverkürzung auseinandersetzen müssen. Daß dies geschehen ist, belegen die formelhaften Hinweise auf die Vorstellungen und Absichten des Angeklagten … nicht in ausreichendem Maße“ (BGH a. a. O.).

Demnach ging es dem 5. Strafsenat vielmehr um ein „technisches“ Manko des Urteils, konkret ein sog. Erörterungsdefizit, das der Tatrichter bei Ausschöpfung des gesamten Beweisstoffes leicht vermeiden kann. Erforderlich ist insofern, dass sich die Urteilsgründe im Zuge einer umfassenden, auf den Einzelfall bezogenen Gesamtwürdigung ausführlich mit der Einlassung auseinandersetzen, der Angeklagte habe auf eine noch rechtzeitige314 und auch der Höhe nach zutreffende bzw. gar „zu hohe“315 Schätzveranlagung vertraut316. Dabei wird ein pauschaler Verweis auf den Zeitpunkt der Bekanntgabe früherer Schätzbescheide oftmals nicht genügen können, um den Verdacht auszuräumen, der Steuerpflichtige habe vor dem Hintergrund der Gesamtumstände nicht wenigstens auch die Möglichkeit erkannt und („mitgedanklich“) billigend in Kauf genommen317, dass die Bekanntgabe 312  Erg.

Jahn / Ebner, ZWH 2013, 18 (19) m. w. N. etwa Wiedner, in: BeckOK-StPO, § 337 Rn. 87 f. m. w. N.; s. dazu auch Rolletschke, in: Rolletschke / Kemper, § 370 Rn. 363. 314  I. e. § 370 IV 1 1.  Hs. 3. Var. AO. 315  I. e. § 370 IV 1 1.  Hs. 2. Var. AO. 316  Die Einlassung, man habe auf eine „zu hohe“ Schätzveranlagung „vertraut“, erscheint unter ökonomischen Gesichtspunkt widersinnig und ist daher i. d. R. weitergehend erklärungsbedürftig. 317  Grdlg. BGHSt 7, 363 (369 f.: „Bedingter Vorsatz kann auch dann gegeben sein, wenn dem Täter der Eintritt des Erfolges unerwünscht ist. Im Rechtssinne billigt … diesen Erfolg trotzdem, … [wer], um des erstrebten Zieles willen, notfalls 313  Zusf.



A. Veranlagungssteuern

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eines erneuten Schätzbescheids diesmal unter Umständen verspätet erfolgen kann318. Denn dem stehen indiziell schon im Grundsatz die allgemein bekannten Unwägbarkeiten im zeitlichen Ablauf des Besteuerungsverfahrens entgegen. Mit Blick auf § 370 IV 1 1. Hs. 2. Var. AO könnten als weitere Beweismomente z. B. eine bereits zuvor erfolgte zu niedrige Schätzung oder wesentliche, mit Sicherheitszuschlägen im Umfang der „üblichen“ 10 %319 erkennbar nur noch schwer fassbare Gewinnsteigerungen im Tatzeitraum hinzutreten320. All das ist freilich stets einzelfallorientiert und in jede Richtung ergebnisoffen zu beurteilen. Dabei muss das Tatgericht in jedem Fall eine besonders sorgfältige Beweiswürdigung vornehmen – dies gilt auch dann, wenn es die Tat zur Ordnungswidrigkeit (§ 378 AO) „herabstufen“ oder den Angeklagten freisprechen will321. Eine ebenso große Sorgfalt müssen aber auch schon die Ermittlungsbehörden bei der Prüfung des hinreichenden Tatverdachts (§ 170 I StPO) an den Tag legen. Ihre diesbezüglichen Erwägungen sollten sie möglichst in den Gründen einer etwaigen Einstellungsentscheidung bzw. – im Fall der Anklageerhebung – in einem Aktenvermerk bzw. im wesent­ lichen Ermittlungsergebnis (vgl. § 200 II StPO) in ausreichendem Umfang nachvollziehbar machen322. cc) Verjährungsbeginn bei unterbliebenem Schätzbescheid Wird infolge der Nichtabgabe kein Schätzbescheid erlassen, d. h. bleibt eine Festsetzung vollständig aus, oder gibt der Steuerpflichtige nach Verstreichenlassen des gesetzlich bzw. für ihn individuell maßgeblichen Ab­ gabetermins) doch noch eine zutreffende Steuererklärung ab, richtet sich die … sich auch damit abfindet, daß seine Handlung den an sich unerwünschten Erfolg herbeiführt, und ihn damit für den Fall seines Eintritts will. … Der bedingte Vorsatz unterscheidet sich … von der bewußten Fahrlässigkeit dadurch, daß der bewußt fahrlässig handelnde Täter darauf vertraut, der als möglich vorausgesehene Erfolg werde nicht eintreten, und deshalb die Gefahr in Kauf nimmt, während der bedingt vorsätzlich handelnde Täter sie um deswillen in Kauf nimmt, weil er, wenn er sein Ziel nicht anders erreichen kann, es auch durch das unerwünschte Mittel erreichen will.“) – Lederriemen-Fall. 318  s. a. BayObLGSt 1989, 145 (153 a. E.). 319  Rolletschke, in: Rolletschke / Kemper, § 370 Rn. 424. 320  Erg. Dörn, NWB Fach  13 (36 / 1992), 813 (815 ff.) u. Lammerding / Hackenbroch, S. 65 f. jew. zum Vorsatznachweis. 321  Vgl. etwa BGH, NStZ-RR 1998, 185; NStZ-RR 2009, 248 (249 f.); NStZ 2011, 108 (109 f.); erg. AG Nürnberg, ZWH 2014, 114 m. krit. Anm. M. Ebner zum Freispruch in „Steuerdaten-CD“-Fällen. 322  Erg. M. Ebner, in: Flore / Tsambikakis, § 403 AO Rn. 24 zur Pflicht der StA, die FinB vor der Verfahrenseinstellung anzuhören; s. a. S. 88 f. zum „WE“.

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3. Teil: Der Verjährungsbeginn bei § 370 AO

Frage, ob und wenn ja, ab wann eine voll- und beendete Steuerhinterziehung vorliegt, nach denselben Maßstäben wie bei dem im Folgenden besprochenen „steuerlich nicht geführten“ Unterlassungstäter. Unstreitig fest steht bereits an dieser Stelle: Ab dem Verstreichen des maßgeblichen Abgabetermins (d. h. konkret ab 0.00 Uhr des Folgetags) kann unabhängig davon, ob der Täter „steuerlich geführt“ ist oder nicht, jedenfalls eine versuchte Steuerhinterziehung (§ 370 I Nr. 2, II AO) vorliegen, wobei der genaue Zeitpunkt des Versuchsbeginns vom jeweiligen Tat­ entschluss – also vom Subjektiven – abhängt323. Nicht gefolgt werden kann der u. a. von Joecks324 vertretenen Auffassung, wonach die Verjährungsfrist bei „steuerlich geführten“ Unterlassungstätern unabhängig vom „allgemeinen Veranlagungsschluss“ stets schon mit der ersten Schätzmöglichkeit („wenige Tage nach Verstreichenlassen der Ab­ gabefrist“) zu laufen beginnen soll. Ungeachtet dessen, dass Joecks offen lässt, wie insofern der exakte Zeitpunkt (Tag) des Verjährungsbeginns in der Praxis festgestellt werden soll, geht seine Argumentation schon von einem unzutreffenden Ansatzpunkt aus: Denn es ist nicht die „Sphäre“ (gemeint wohl: das Verschulden) der Finanzbehörde, in die „diese Nichtveranlagung“ (d. h. der von Joecks als zu spät empfundene Verjährungsbeginn) fällt, sondern ganz offenkundig diejenige des Unterlassungstäters. Er hat es in der Hand, die Tat (§ 370 I Nr. 2, II AO) jederzeit vor dem „allgemeinen Veranlagungsschluss“ einer Beendigung im Sinne von § 78a S. 1 StGB zuzuführen – und zwar durch die Abgabe einer zutreffenden Steuererklärung, was dann in den meisten Fällen zusätzlich noch den Anwendungsbereich von § 24 StGB bzw. § 371 AO eröffnen würde. Damit ist der Unterlassungstäter nach wie vor „Herr“ seiner eigenen Strafbarkeit. Nochmals: Es geht, wie es nunmehr auch bei Joecks anklingt, auch an dieser Stelle nicht an, den Finanzbehörden pauschal zu unterstellen, säumige Steuerpflichtige gezielt in die Vollendungsstrafbarkeit drängen zu wollen, etwa um die verlängerte Festsetzungsfrist nach § 169 II 2 AO auszulösen325. Auch kann nicht ohne Weiteres als eine Art „Grundhypothese“ davon ausgegangen werden, dass die Behörden quasi „auf breiter Front“ gegen § 85 S. 2 AO verstoßen und sich damit bewusst über geltendes Gesetzesrecht hinwegsetzen. Die bloß abstrakte Missbrauchsmöglichkeit bietet als solche 323  s.

S. 298 ff. in: Franzen / Gast / Joecks, § 376 Rn. 29d, 29 f ff.; dto. I. Meyer, in: Beermann / Gosch, § 376 AO Rn. 36 a. E. 325  Vgl. Cöster, in: Pahlke / Koenig, § 169 Rn. 57 („Die Tat muss vollendet sein. Der bloße Versuch einer StHinterziehung genügt nicht.“); abw. ohne nähere Begr. Joecks, in: Franzen / Gast / Joecks, § 376 Rn. 29g („Auf der steuerlichen Seite verbleibt es bei der zehnjährigen Festsetzungsfrist …“; zw.). 324  Joecks,



A. Veranlagungssteuern261

keine belastbare Argumentationsgrundlage326. Denn Möglichkeiten, sich gesetzwidrig zu verhalten, bestehen allenthalben für jedermann. Daraus lassen sich keine tragfähigen Schlüsse ziehen327. Im Ergebnis liefe Joecks’ Ansicht darauf hinaus, säumige Steuerpflichtige, die von den Möglichkeiten des § 24 StGB bzw. § 371 AO (u. U. bewusst) keinen Gebrauch gemacht haben, dafür mit einem möglichst frühzeitig einsetzenden Verjährungslauf zu „belohnen“. Das ist nicht nachvollziehbar, zumal der von Joecks dafür herangezogene (hier sog.) „Sphärenansatz“ im Kern einer zivilrechtlichen Mitverschuldenszurechnung analog (?) § 254 BGB gleichkäme – eine Argumentationslinie, bei der sich nicht erschließt, wie sie rechtlich fundiert in den vorliegenden Strafrechtskontext eingepasst werden soll. Hinzu kommt schließlich, dass es Joecks auch nicht gelingt, das von ihm – mit Recht – selbst in Bezug auf seine Lösung aufgebrachte Verdikt der Willkürlichkeit328 zu entkräften. Nach alledem kommt es schon gar nicht mehr darauf an, dass nach seiner Auffassung hier zusätzlich noch in Umkehr der gesetzlichen Systematik die Beendigung vor der Vollendung eintreten soll329. In der Konsequenz ist der „Sphärenansatz“ nicht nur wertungsmäßig verfehlt, sondern er hängt vor allem auch – um im Sprachbild zu bleiben – rechtlich „in der Luft“. b) Der „steuerlich nicht geführte“ Unterlassungstäter Wie schon den bisherigen Ausführungen verschiedentlich entnommen werden konnte, besteht auch bei „steuerlich nicht geführten“ Unterlassungstätern offenkundig das Problem, dass – auf den ersten Blick – kein greif­ barer Anknüpfungspunkt für den Verjährungsbeginn ersichtlich ist. Ein Schätzbescheid kann in diesen Fällen nicht ergehen, andere steuer­ver­fah­ rensrecht­liche Maßnahmen können nicht getroffen werden, weil es der Finanzbehörde entweder bereits an der Kenntnis von der Existenz des Steuerpflichtigen als solchem oder zumindest von dessen (weiteren) steuerbaren Einkünften fehlt. Aus diesem Grund stellt die herrschende Meinung in 326  s. bspw. BGH, NStZ 1990, 138 zur Frage der Zulässigkeit einer beweglichen („rollierenden“) Geschäftsverteilung unter mehreren Wirtschaftsstrafkammern; erg. zur Handhabung von § 74c I GVG BGH, NJW 2014, 2295 (2296) – Resort Schwielowsee. 327  s. aber auch 1. Teil, Fn. 451. 328  Joecks, in: Franzen / Gast / Joecks, § 376 Rn. 29g. 329  Joecks, in: Franzen / Gast / Joecks, § 376 Rn. 29h („in dubio pro reo“).

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3. Teil: Der Verjährungsbeginn bei § 370 AO

Rechtsprechung330 und Literatur331 seit jeher auf den im Rahmen dieser Untersuchung bereits mehrfach erwähnten „allgemeinen Veranlagungsschluss“ ab, zu dem der „steuerlich nicht geführte“ Unterlassungstäter unter der Hypothese ordnungsgemäßen Verhaltens (d. h. der Fiktion einer noch fristgemäß abgegebenen zutreffenden Steuererklärung), spätestens veranlagt worden wäre332. Alles anderes ist, wie bereits ausgeführt, zur Abwendung der andernfalls wegen § 171 VII AO drohenden (unverhältnismäßigen) Unverjährbarkeit der Unterlassungstat nicht erforderlich. Das betrifft im vorliegenden Kontext insbesondere ein mit dem (mangels Tatsachenzweifeln auch hier nicht anwendbaren) Grundsatz „in dubio pro reo“ begründetes Abstellen auf den frühest möglichen hypothetischen Veranlagungszeitpunkt. Danach bleibt als einzig sinnvoller und auch praktikabler Anknüpfungspunkt für die Tatbeendigung in diesen Fällen nur noch der „allgemeine Veranlagungsschluss“, auf den – wie bereits bei den nicht periodisch veranlagten Steuern333 – nötigenfalls die hypothetische Bekanntgabedauer „aufzuschlagen“ ist, wenn es im Einzelfall tatsächlich einmal auf den exakten Verjährungsbeginn ankommen sollte. Diese Grundprämissen sind vor dem Hintergrund der diesbezüglichen ständigen Rechtsprechung, insbesondere des BGH, heute kaum mehr als problematisch anzusehen. Dies gilt vor allem für die Rechtsanwendung in der Praxis. Die eigentlichen, viel dringenderen Probleme liegen in diesem Kontext stattdessen an einer anderen, im Schrifttum neben der ab und zu aufscheinenden Globalkritik am „allgemeinen Veranlagungsschluss“ bisher noch viel zu selten aufgegriffenen Stelle. Dabei handelt es sich namentlich um die folgenden beiden Fragen: (1) Wann genau ist von einem „allgemeinen Veranlagungsschluss“ auszugehen, d. h. welche tatsächlichen und rechtlichen Kriterien müssen dafür erfüllt sein? – und aus tatrichterlicher Sicht viel wichtiger noch – 330  St. höchstrichterliche Rspr., vgl. zuletzt BGH, wistra 2012, 484 (485) m. weit. Nachw. aus neuerer Zeit; s. a. d. Nachw. in Fn. 227. Diese BGH-Rechtsprechung geht für die nachkonstitutionelle Steuerstrafrechtsjudikatur auf eine Entscheidung des 1. Strafsenats vom 6.10.1953 zurück (1 StR 448 / 53, juris, Tz. 5: „Gibt ein Steuerpflichtiger keine Steuererklärung ab, so ist in solchen Fällen die Steuer erst dann verkürzt, wenn das Finanzamt sie infolge der Unterlassung nicht festsetzt. Die Hinterziehung ist dann erst in dem Zeitpunkt vollendet, zu dem im regelmäßigen Geschäftsgang die Veranlagung des Steuerpflichtigen – wie die der anderen – beendet gewesen wäre.“; Hervorh. v. hier); s. dazu aus der ebenfalls umfänglichen obergerichtlichen Rspr. BayObLGSt 1989, 145 (147); 2000, 148 (149); OLG Düsseldorf, NJW 2005, 1960 (1961). 331  Statt aller: Jäger, in: Klein, § 370 Rn. 92, 201, § 376 Rn. 28. 332  s. S.  236 ff. 333  s. S.  247 f.



A. Veranlagungssteuern263

(2) Wie stellt man den „allgemeinen Veranlagungsschluss“ im Urteil rechtsfehlerfrei fest? aa) Der „allgemeine Veranlagungsschluss“ als tatsächliche Größe Der „allgemeine Veranlagungsschluss“ ist – anders als die Hypothese einer noch fristgerechten Steuererklärung – keine bloße Fik­tion334, sondern eine tatsächlich messbare und mithin auch gerichtlich feststellbare Größe335. Dies wird schon dadurch belegt, dass die Finanzverwaltungen der Länder den Veranlagungsschluss anhand ihres behördeninternen Controllings nötigenfalls taggenau feststellen und auf entsprechende Anfrage mitteilen können (s. u.). Damit reduziert sich das eigentliche Problem an dieser Stelle auf die Frage, wie man den „allgemeinen Veranlagungsschluss“ rechtlich definieren soll. Nur das ist bislang weder in der Rechtsprechung noch in der Literatur abschließend geklärt. Ungeachtet der zum Teil unterschiedlichen, jedoch offensichtlich synonym verwendeten Terminologie336 ist dabei eine generelle Tendenz dahingehend zu erkennen, den „allgemeinen Veranlagungsschluss“ an bestimmten Prozentwerten festzumachen. Als vorläufiger Endpunkt dieser Entwicklung hat sich in der Rechtsprechung der Oberlandesgerichte zuletzt ein Wert von „etwa 95 %“ herauskristallisiert337, den mittlerweile auch die Finanzverwaltung bzw. -rechtsprechung zur Beurteilung des Veranlagungsschlusses übernommen hat. Der BGH hat es indes bislang vermieden, einen bestimmten Prozentwert als maßgeblich vorzugeben338. 334  Anders

etwa Dörn, Unterlassen, S. 36 a. E. bereits Pfaff, StBp 1981, 232 (233: „Sache tatrichterlicher Feststellungen“). 336  So wird u. a. auch von einem Abschluss der Veranlagungsarbeiten „im Allgemeinen“ (z. B. Rolletschke, in: Rolletschke / Kemper, § 370 Rn. 412), „im Wesentlichen“ (z. B. BGH, wistra 2012, 484 [485]; BayObLGSt 2000, 148 [149]) oder „im Großen und Ganzen“ (z. B. OLG Karlsruhe, MDR 1976, 1042 [1043]; Jäger, in: Klein, § 370 Rn. 92, § 376 Rn. 28; Joecks, in: Franzen / Gast / Joecks, § 370 Rn. 37a) gesprochen. Zur Vereinfachung wird i. R. d. vorliegenden Untersuchung nur der Begriff „allgemeiner Veranlagungsschluss“ verwendet. 337  Vgl. OLG Hamm, DStRE 2002, 1095 (1096) m. w. N.; dto. HessFG, EFG 2004, 1274 („ca. 95  v. H.“); ähnl. FG Düsseldorf, EFG 2011, 381 (382: „95  v. H.Grenze“); LG Cottbus, Beschl. v. 14.6.2010, 22 Wi Qs 16 / 10, BeckRS 2012, 11687 („95 %“); anders (90 %) noch OFD Hamburg, DStZ 1992, 429 (430); LG Hamburg (n. v.) in den Fällen, die den Entscheidungen HansOLG, NJW 1966, 843 (845) u. wistra 1993, 274 (275) zugrunde liegen. Dem ist das HansOLG a. a. O. jew. ausdr. entgegen getreten; erg. Fischer, § 78a Rn. 15 m. w. N. 338  Ebenso Wenzler, in: Flore / Tsambikakis, § 78a StGB Rn. 15; s. aber BGHSt 47, 138 (148) = NJW 2002, 762 (765): 94,34 % nicht ausreichend. Entsprechendes 335  s.

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3. Teil: Der Verjährungsbeginn bei § 370 AO

Die Zurückhaltung des BGH ist nicht unbegründet, denn das schematische Abstellen auf einen bestimmten Prozentwert könnte sich in mehrfacher Hinsicht als problembehaftet erweisen: Zwar ergäben sich daraus keine Schwierigkeiten in puncto Bestimmtheit. Allerdings könnte man schon über den konkreten Bezugspunkt einer (hier sog.) „95 %-Regel“ bzw. „-Schwelle“ streiten339. Dafür stünden (1) der konkrete Veranlagungsplatz, d.  h. der Sachbearbeiter desjenigen Finanzamts, bei dem der Täter veranlagt worden wäre340, (2) der (gesamte) Bezirk dieses Finanzamts341 oder (3) der jeweilige „OFD-Bezirk“342 bzw. (4) das gesamte Bundesland343 zur Auswahl344. Bei den bis 31.12.2007 bestehenden 23 Oberfinanzdirektionen (kurz: „OFD“) handelt(e) es sich um obligatorische gemeinsame Mittelbehörden der Finanzverwaltung des Bundes und der Länder345. Seit 1.1.2008 werden die Bundesaufgaben in diesem Bereich von den gemäß § 1 Nr. 3 FVG neu einzurichtenden Bundesfinanzdirektionen wahrgenommen; die Oberfinanzdirektionen sind gemäß § 2 I Nr. 3 FVG zu reinen Landesfinanzbehörden geworden, auf die gemäß § 2a FVG auch verzichtet werden kann346. In Bayern wurden die beiden seit 1.8.2005 ohnehin nur noch als mittlere Bundesbehörden tätigen Oberfinanzdirektionen München und Nürnberg zum 31.12.2007 gilt, soweit ersichtlich, auch für den BFH, wo sich das Problem etwa im Zusammenhang mit dem Beginn des Zinslaufs bei § 235 AO stellt (erg. S. 293). 339  Das problematisiert neuerdings auch Rolletschke, in: Rolletschke / Kemper, § 370 Rn. 414, § 376 Rn. 25. 340  So die heute wohl h. M., vgl. nur Dörn, Unterlassen, S. 34 f. m. zahlr. weit. Nachw.; insoweit unklar HessFG, Urt. v. 16.9.2003, 13  K 29 / 00, BeckRS 2003, 26016250. 341  s. etwa FG Düsseldorf, Urt. v. 26.5.2010, 7  K 298 / 09  E, BeckRS 2010, 26030261; Dönmez, NWB 2013, 2866 (2868); Gehm, StBW 2013, 939 (941); Guntermann, StC 2013, 14 (15 f.), ders., PStR 2014, 212; Gußen, Rn. 498; Müller, SteuerStud 2003, 371 (379), Schott, PStR 2014, 25 (26); Schmidt, JR 1966, 127 (128); Suhr / Naumann / Bilsdorfer, Rn. 323; unklar BGH, wistra 2012, 484 (485: „wenn das zuständige Finanzamt die Veranlagungsarbeiten für die betreffende Steuerart und den betreffenden Zeitraum im Wesentlichen abgeschlossen hat“); der vormalige Hinweis von Rolletschke (in: Rolletschke / Kemper, 91. EL, § 370 Rn. 62) auf die „praktischen Schwierigkeiten (wenn nicht gar … Unmöglichkeit)“ bei der „Ermittlung der seinerzeitigen geschäftsverteilungsplanmäßigen Zuständigkeit“ ist mit Recht überholt; s. a. Steinhauff, AO-StB 2013, 311 (312) der die 95 %-Grenze treffend als „allgemeinen Hauptveranlagungsschluss“ bezeichnet. 342  OLG München, wistra 2002, 34 (35); Stumm, BB 2014, 412 (413). 343  So, soweit ersichtlich, nur OLG Hamm, FR 1963, 301 („landeseinheitlich“); dies ausdr. abl. Rolletschke, in: Rolletschke / Kemper, § 370 Rn. 414 („Zu ‚grob‘ “). Bei den Stadtstaaten bezieht sich der OFD-Bezirk allerdings – naturgemäß – auf das gesamte Bundesland. 344  s. a. Dörn, DStZ 1998, 164 (165); Puhl, BLJ 2008, 129 (131 f.) jew. m. w. N.; zusf. Rolletschke, Steuerstrafrecht, Rn. 138 (Fn. 536). 345  Sog. Mischverwaltung, vgl. Art. 108 IV 1 GG. 346  Zusf. Igelmann / Köhler, NVwZ 2008, 48.



A. Veranlagungssteuern265 endgültig aufgelöst, weil die Aufgaben der mittleren Landesfinanzbehörde bereits seit 1.8.2005 generell durch das Bayerische Landesamt für Steuern wahrgenommen wurden. Nachfolgebehörde der bis 31.12.2007 allein noch als Mittelbehörde der Bundeszollverwaltung fortbestehenden Oberfinanzdirektion Nürnberg ist die Bundesfinanzdirektion Südost (vgl. § 23 I 1 Nr. 5 FVG zur Überleitung der Verwaltungsangehörigen). Was den Veranlagungsschluss angeht, gehört(e) es zu den landesspezifischen Aufgaben der Oberfinanzdirektionen, für ihren Bezirk einen Termin zu verfügen, bis zu dem die Veranlagungsarbeiten für einen bestimmten Veranlagungszeitraum durch die ihnen nachgeordneten Finanzämter abzuschließen waren (hier sog. „OFD-Zeitpunkt“).

Hinzu tritt aber ein noch weitaus gewichtigerer Vorwurf: So wird in der Literatur gegen das Abstellen auf bestimmte Prozentwerte geltend gemacht, dass dies willkürlich sei. Es sei nämlich nicht ersichtlich, woraus sich ergebe, dass die Veranlagungsarbeiten erst bzw. bereits dann als „allgemein“ abgeschlossen anzusehen seien, wenn ein Bearbeitungsstand von 95 % erreicht sei. Weshalb werde nicht alternativ auf z. B. 96, 97, 98, 99,99 oder gar 100 % abgestellt347? Die Vertreter dieser Ansicht verkennen aber, dass dem Tatrichter bei der Ermittlung des Beendigungszeitpunkts im Einzelfall ein Beurteilungsspielraum verbleibt, innerhalb dessen ein (etwa durch Nachfrage bei der Finanzverwaltung ermittelter) Erledigungsstand (in %) zu einem bestimmten Zeitpunkt ein – und im Einzelfall durchaus auch das maßgebliche – Abgrenzungskriterium sein kann348. Diese Sichtweise hat zur Folge, dass etwaige von den Finanzbehörden mitgeteilte Prozentwerte niemals absolut gelten bzw. angewendet werden dürfen. Vielmehr muss sich aus den Urteilsgründen ergeben, dass das Gericht den ihm hier zustehenden Beurteilungsspielraum erkannt und den Prozentwert in seine einzelfallbezogene Überzeugungsbildung (§ 261 StPO) zum Zeitpunkt des „allgemeinen349 Veranlagungsschlusses“ mit einbezogen hat. Das reicht ohne Weiteres aus, um den Willkürvorwurf zu entkräften. Denn der Prozentwert wandelt sich dann vom absoluten (i. e. willkürlichen) Kriterium in ein sachliches Unterscheidungskriterium, auf das die folgende, mit dem Schlagwort „allgemeiner Veranlagungsschluss“ ohnehin nur verkürzt umschriebenen Feststellung gestützt werden darf: 347  Vgl. Dörn, Unterlassen, S. 34 f.; Puhl, BLJ 2008, 129 (132); Schmitz, in: Kohlmann FS, S. 517 (519); ähnl. Stahl, Rn. 567 a. E. zur ErbSt. 348  So Jäger, in: Klein, § 370 Rn. 92; krit. Wiese, in: Wannemacher & Partner, Rn. 516 (S. 213, Fn. 1 a. E.: „Warum bei aufklärbaren Tatsachen ein Beurteilungsspielraum bestehen soll, ist unerfindlich.“); s. a. Bülte, in: Hübschmann / Hepp /  Spitaler, § 376 AO Rn. 100 f. 349  Nicht: „vollständigen“ (so aber Wiese, in: Wannemacher & Partner, Rn. 516 m. w. N.), denn das ist nach der allgemeinen Beendigungsformel (s. S. 97) keineswegs zwingend.

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3. Teil: Der Verjährungsbeginn bei § 370 AO

„Die Unterlassungstat ist voll- und beendet, weil der Angeklagte zur Überzeugung des Gerichts – bei unterstellt noch fristgerechter Abgabe der Steuererklärung – im konkreten Fall spätestens zum Zeitpunkt ‚x‘ veranlagt worden wäre.“

Etwaige weitere Differenzierungskriterien sind hier nur schwer antizipierbar. Sie müssen am jeweiligen Einzelfall festgemacht werden. Grundsätzlich in Betracht kämen die spezifischen Verhältnisse im jeweiligen Veranlagungsfinanzamt und auf dem – letztlich entscheidenden – konkreten Veranlagungsplatz. Dabei stellen sich z. B. folgende Fragen: Längerer Ausfall des zuständigen Sachbearbeiters?, – falls ja – Durchgängige und gleichwertige Vertretung?, Evtl. Sachbearbeiterwechsel350?, Sonstige personelle Veränderungen, die sich ggf. mittelbar auf den Abschluss der Veranlagungsarbeiten ausgewirkt haben können?, Sind im Vergleich zum Vorjahr weitere Steuerfälle („Signale“351) hinzu gekommen oder haben diese abgenommen? Sollten diesbezüglich keine Besonderheiten erkennbar sein, muss auch dies in die tatrichterliche Überzeugungsbildung einfließen. Im Zweifelsfall bzw. alternativ kann hier aber auch die im Folgenden unter cc) dargestellte „Annäherungsmethode“ weiterhelfen. bb) Rechtstatsächliche Befragung der 16  Landesfinanzministerien zum „allgemeinen Veranlagungsschluss“ Neben diesen rechtlichen Erwägungen erschien es vor dem Hintergrund, dass bisher kaum konkrete Daten zum „allgemeinen Veranlagungsschluss“ veröffentlicht sind, angezeigt, im Rahmen dieser Untersuchung erstmals eine bundesweite tatsächliche Erhebung durchzuführen. In der Literatur bekannt geworden waren – soweit erkennbar – bis dato nur die nachbenannten Zeitpunkte, die von den Oberfinanzdirektionen Berlin, München, Nürnberg und Saarbrücken als Veranlagungsschluss verfügt, d. h. vorgegeben, wurden: – OFD Berlin für die Einkommen- und Gewerbesteuer in folgenden Veranlagungszeiträumen352: 1987: 30.3.1989, 1988: 28.3.1991, 1989: 31.3.1992, 1990: 30.6.1993 (West-Berlin), 1991: 30.6.1994, 350  Vgl.

HessFG, EFG 2004, 1274 (1276). „Signal“ (z. B. „ESt-Signal“) werden die von einem Sachbearbeiter auf einem bestimmten Veranlagungsplatz zu erledigenden (bekannten) Steuerfälle bezeichnet (Dörn, Unterlassen, S. 34). 352  Zit. nach Dörn, Unterlassen, S. 35. 351  Als



A. Veranlagungssteuern267

1992: 30.6.1995, 1993: 31.3.1996, 1994: 31.3.1997. – OFD München / Nürnberg für die Einkommensteuer in folgenden Veran­la­ gungs­zeiträumen: 1994: 31.5.1996353, 1995: 30.6.1997354, 2004: 31.5.2006355. – OFD Saarbrücken für den Veranlagungszeitraum 1993356: Einkommensteuer: 30.9.1995, Gewerbesteuer: 30.10.1995. Daraus lassen sich freilich keine allgemeingültigen Schlüsse ziehen. Auf dieser Grundlage könnte der „allgemeine Veranlagungsschluss“ allenfalls grob in den Zeitraum vor Ende März des übernächsten auf den jeweiligen Veranlagungszeitraum folgenden Jahres eingeordnet werden. Doch dies ist noch viel zu unspezifisch. Aus diesem Grund wurde durch den Verfasser im Zeitraum Ende August 2010 bis Mai 2013 eine Befragung sämtlicher Landesfinanzministerien durchgeführt. Das jeweils gleichlautende, nur per E-Mail übersandte Auskunftsersuchen hatte im Kern folgenden Wortlaut: „… im Rahmen eines … Promotionsprojekts zur Verjährung in Steuerstrafsachen ist die Frage aufgetreten, ob und wenn ja, durch welche Behörde [in Ihrem Zuständigkeitsbereich] und zu welchem Zeitpunkt der Abschluss der Veranlagungsarbeiten für bestimmte Steuerarten verfügt wird. Dieser sog. allgemeine Veranlagungsschluss (vormals: ‚OFD-Zeitpunkt‘) markiert nach Auffassung von Teilen der Literatur und der Rechtsprechung den Zeitpunkt, ab dem die Strafverfolgungsverjährungsfrist bei Straftaten gemäß § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO zu laufen beginnt. Unter diesem Gesichtspunkt sollen im Rahmen des vorgenannten Dissertationsprojekts bundesweit Daten zur wissenschaftlichen Auswertung erhoben werden. Soweit möglich, wäre ich für die Übersendung einer 10-Jahres-Aufstellung betreffend den jeweils verfügten allgemeinen Veranlagungsschluss sowie – gegebenen353  Zit.

nach OLG München, wistra 2002, 34 (35). nach BayObLGSt 2002, 54, wobei unklar ist, ob der Senat dabei zwischen Einkommen- und Gewerbesteuer differenziert hat. Das FG München stellt weitergehend allgemein fest, dass „der Veranlagungsschluß bei den bayerischen Finanzämtern auf den 31. Mai des zweiten auf den Veranlagungszeitraum folgenden Jahres terminiert“ sei (Urt. v. 22.4.1992, 13  K 3926 / 91, juris Tz. 29). 355  Zit. nach FG München, Urt. v. 30.3.2010, 13  K 2600 / 08, juris Tz. 20. 356  Zit. nach Dörn, Unterlassen, S. 35 (Fn. 70). 354  Zit.

268

3. Teil: Der Verjährungsbeginn bei § 370 AO

falls – für die Benennung eines Ansprechpartners für etwaige Rückfragen dankbar. Zudem wäre mir mit der Mitteilung sehr geholfen, inwieweit die Veranlagungsarbeiten … im Zeitpunkt des durch Verfügung bestimmten allgemeinen Veranlagungsschlusses jeweils tatsächlich vorangeschritten waren.“

Die daraufhin eingegangenen Antworten der Landesfinanzministerien fielen zum Teil sehr unterschiedlich aus. Sie sollen im Folgenden in alphabetischer Reihenfolge nach Bundesländern sortiert wiedergegeben werden: (1) Baden-Württemberg Antwort formlos per E-Mail am 3.8.2011: „… vielen Dank für Ihre o. g. Anfrage. Aufgrund der Vielzahl entsprechender Eingaben und der bestehenden anderweitigen Aufgaben des Ministeriums für Finanzen und Wirtschaft ist es leider grundsätzlich nicht möglich, Dissertationsprojekte mit statistischem Zahlenmaterial aus der Finanzverwaltung zu unterstützen bzw. steuerliche Grundsatzfragen zu beantworten.“

(2) Bayern Antwort mittels Schreiben vom 3.8.2011, Gz. 37-O  1040-004-25  356 / 11: „… ich danke für Ihre Schreiben, zuletzt vom 30. Juni 2011. Ich bitte Sie um Verständnis, dass ich Ihre Anfrage im Hinblick auf den mit einer derartigen Erhebung verbundenen Verwaltungsaufwand nicht beantworten kann. Allgemein kann ich Ihnen aber mitteilen, dass das Bayerische Landesamt für Steuern (vormals die Oberfinanzdirektionen München und Nürnberg) die bayerischen Finanzämter und Außenstellen alljährlich anweist, die Veranlagungen bis Ende Mai des auf den Veranlagungszeitraum folgenden zweiten Kalenderjahres abzuschließen. So waren z. B. die Veranlagungen für 2007 bis zum 29.  Mai 2009, für 2008 bis zum 31.  Mai 2010 und für 2009 bis zum 31.  Mai 2011 abzuschließen. Für die früheren Veranlagungsjahre ist von einem entsprechenden Zeithorizont auszugehen.“

(3) Berlin Antwort formlos per E-Mail am 8.9.2010: „… im Land Berlin wurden folgende Veranlagungs-Schlusstermine in der Vergangenheit festgelegt:



A. Veranlagungssteuern Veranlagungszeitraum

Schlusstermin

1997

31.03.2000

1998

31.03.2001

1999

31.03.2002

2000

31.03.2003

2001

29.02.2004

2002

28.02.2005

2003

28.02.2006

2004

28.02.2007

2005

29.02.2008

2006

31.12.2008

2007

30.11.2009

269

Daten über den Stand der Veranlagungsarbeiten kann ich Ihnen leider nicht mitteilen, da es sich hierbei um verwaltungsinterne Daten handelt.“

(4) Brandenburg Antwort mittels Schreiben vom 7.9.2010, Gz. 35-S  1633; B-1 / 10: „… im Land Brandenburg wird der Stand der Veranlagungsarbeiten jeweils zum Monatsende über ein landeseigenes Controllingsystem erfasst. Rückwirkend bis 2003 kann der allgemeine Abschluss der Veranlagungsarbeiten (‚95 %-Grenze‘) je Stelle, Finanzamt oder bezogen auf das Land Brandenburg online abgerufen werden. Für weiter zurückliegende Jahre sind die von der damals zuständigen Oberfinanzdirektion Cottbus erstellten Papierstatistiken nutzbar. Eine gesonderte Feststellung des Veranlagungsabschlusses durch Erlass erfolgt hier nicht. Im Bedarfsfall (Ermittlung des Tatbeendigungszeitpunkts bei Steuerstraftaten) wird die entsprechende Information durch die zuständige Strafverfolgungsbehörde abgerufen und in den Akten vermerkt. Der ermittelte Zeitpunkt stimmt damit in der Regel mit den tatsächlichen Gegebenheiten im zuständigen Veranlagungsbezirk überein.“

(5) Bremen Antwort formlos per E-Mail am 4.4.2011: „… zu Ihrer Dissertationsanfrage sende ich Ihnen in der Anlage die gewünschten Informationen zum Veranlagungsschluss in den hiesigen Finanzämtern. (…) Erreichen der Grenze von 95 % der erledigten Veranlagungen im Amtsschnitt im Bereich des Finanzamts Bremen-Mitte:

270

3. Teil: Der Verjährungsbeginn bei § 370 AO VZ

KSt

ESt

GewSt

1991

nicht bekannt

01.06.1995

nicht bekannt

1992

01.11.1995

01.02.1996

01.02.1996

1993

02.09.1996

01.11.1996

02.12.1996

1994

01.08.1997

03.11.1997

01.11.1997

1995

01.04.1998

04.05.1998

01.09.1998

1996

03.05.1999

01.04.1999

02.12.1999

1997

01.06.2000

01.05.2000

01.12.2000

1998

01.06.2001

01.05.2001

01.08.2001

1999

01.01.2002

01.02.2002

01.08.2002

2000

01.02.2003

01.03.2003

01.08.2003

2001

01.02.2004

02.01.2004

01.08.2004

2002

03.01.2005

01.02.2005

01.07.2005

2003

01.02.2006

01.02.2006

01.02.2006

2004

01.02.2007

01.02.2007

01.02.2007

2005

01.12.2007

01.03.2008

01.06.2008

2006

01.03.2009

01.03.2009

01.09.2009

2007

01.03.2010

01.02.2010

01.08.2010

2008

01.09.2010 90,90 %

fehlt

fehlt

Erreichen der Grenze von 95 % der erledigten Veranlagungen im Amtsschnitt im Bereich des Finanzamts Bremen-Ost: [357]

VZ

ESt

GewSt

1988

01.11.1990

01.08.1991

1989

01.10.1991

01.03.1992

1990

01.11.1992

01.11.1993

1991

01.10.1993

01.09.1994

357  Die

Veranlagungszeitpunkt[357]

VSt

01.01.1989

01.10.1992

Bedeutung dieser Spalte erschließt sich nicht.



A. Veranlagungssteuern271 VZ

ESt

GewSt

Veranlagungszeitpunkt[357]

VSt

1992

01.03.1995

01.06.1995

1993

01.04.1996

01.09.1996

01.01.1993

01.11.1995

1994

01.03.1997

01.04.1998

01.01.1994

01.01.1998

1995

01.02.1998

01.12.1998

01.01.1995

01.12.1997

1996

01.02.1998

01.11.1999

01.01.1996

01.01.1999

1997

03.01.2000

01.09.2000

1998

01.03.2001

03.09.2001

1999

01.01.2002

03.06.2002

2000

01.12.2002

01.06.2003

2001

01.09.2003 94,65 %

01.06.2004

2002

01.09.2004

01.02.2005

2003

01.09.2005

01.01.2006

2004

01.09.2006

01.02.2007

2005

01.08.2007

02.05.2008

2006

01.11.2008

02.03.2009

2007

01.11.2009

01.01.2010

2008

01.09.2010 94,48 %

2009

01.09.2010 35,36 %

Erreichen der Grenze von 95 % der erledigten Veranlagungen im Amtsschnitt im Bereich des Finanzamts Bremen-West: VZ

ESt

GewSt

1987

01.01.1990

01.09.1990

1988

01.10.1990

01.01.1992

1989

01.09.1991

01.02.1993

Veranlagungszeitpunkt

VSt

01.01.1989

01.10.1992

(Fortsetzung nächste Seite)

272

3. Teil: Der Verjährungsbeginn bei § 370 AO

Tabelle (Fortsetzung) VZ

ESt

GewSt

Veranlagungszeitpunkt

VSt

1990

01.11.1992

01.12.1993

1991

01.11.1993

01.07.1994

1992

01.02.1995

01.02.1996

1993

01.03.1996

01.01.1997

01.01.1993

01.12.1995

1994

01.03.1997

01.12.1997

1995

01.01.1998

01.12.1998

01.01.1995

01.01.1998

1996

01.01.1999

01.12.1999

01.01.1996

01.12.1997

1997

01.01.2000

01.12.2000

1998

01.02.2001

01.12.2001

1999

01.04.2002

02.01.2003

2000

02.05.2003

01.12.2003

2001

03.05.2004

03.05.2004

2002

01.03.2005

01.12.2005

2003

01.03.2006

01.11.2006

2004

01.02.2007

01.09.2007

2005

03.03.2008

02.08.2008

2006

04.05.2009

02.11.2009

2007

01.04.2010

01.09.2010

2008

01.08.2010 85 %

28.02.2010 48,98 %

Erreichen der Grenze von 95 % der erledigten Veranlagungen im Amtsschnitt im Bereich des Finanzamts Bremen-Nord: VZ

ESt

GewSt

1993

01.11.1995

01.11.1996

1994

01.11.1996

01.11.1997

1995

01.11.1997

01.11.1998

Veranlagungszeitpunkt

VSt



A. Veranlagungssteuern273 VZ

ESt

GewSt

1996

01.08.1998

01.08.1999

1997

01.08.1999

Keine gesonderte Statistik

1998

01.09.2000

1999

01.10.2001

2000

01.11.2002

2001

01.09.2003

2002

01.10.2004

01.04.2005

2003

01.10.2005

01.09.2006

2004

01.09.2006

01.04.2007

2005

01.09.2007

01.05.2008

2006

01.12.2008

01.04.2009

2007

01.12.2009

01.04.2010

2008

01.08.2010 88,59 %

01.08.2010 78,77 %

Veranlagungszeitpunkt

VSt

Erreichen der Grenze von 95 % der erledigten Veranlagungen im Amtsschnitt im Bereich des Finanzamts Bremerhaven: VZ

ESt

GewSt

Veranlagungszeitpunkt

1987

01.04.1990

01.01.1991

1988

01.02.1991

01.11.1991

1989

01.01.1992

01.11.1992

1990

05.07.1993

01.11.1993

1991

02.05.1994

01.03.1995

1992

01.03.1995

01.04.1996

01.12.1995

1993

01.04.1996

03.02.1997

02.09.1996

VSt

(Fortsetzung nächste Seite)

274

3. Teil: Der Verjährungsbeginn bei § 370 AO

Tabelle (Fortsetzung) VZ

ESt

GewSt

Veranlagungszeitpunkt

1994

03.03.1997

02.03.1998

09.12.1995

1995

01.12.1997

01.02.1999

04.05.1998

1996

04.01.1999

01.11.1999

01.12.1999

1997

01.12.1999

02.10.2000

1998

01.10.2000

01.10.2001

1999

10.01.2002

01.10.2002

2000

02.01.2003

01.09.2003

2001

01.12.2003

01.11.2004

2002

03.01.2005

04.10.2005

2003

02.01.2006

03.07.2006

2004

02.01.2007

01.06.2007

2005

01.10.2007

01.06.2008

2006

01.03.2009

01.10.2009

2007

01.04.2010

01.06.2010

2008

02.08.2010 84,81 %

02.08.2010 80,72 %

VSt



(6) Hamburg Antwort formlos per E-Mail am 30.8.2010: „… Der allgemeine Abschluss der Veranlagungsarbeiten wird in Hamburg für Zwecke der Verjährungsbestimmung in Steuerstrafsachen nicht mehr verfügt. In Übereinstimmung mit der Staatsanwaltschaft Hamburg wird in ‚dubio pro reo‘ davon ausgegangen, dass 28 Monate nach Schluss des Veranlagungszeitraumes die Veranlagungsarbeiten im Großen und Ganzen abgeschlossen sind. Wird in bedeutenden Einzelfällen ein genauerer Zeitpunkt benötigt, wird dieser Zeitpunkt bei der Steuerverwaltung abgefragt.“

Rückfrage per E-Mail am 9.9.2010: „… Darf ich mir zu Ihrer Antwort noch folgende Nachfragen erlauben: – Wie wird der ‚genauere Zeitpunkt‘ in den von Ihnen genannten ‚bedeutenden Einzelfällen‘ bestimmt?



A. Veranlagungssteuern275 – Wie ist der tatsächliche (durchschnittliche) Veranlagungsstand im Zeitraum von 28 Monaten nach Veranlagungsschluss?“

Antwort formlos per E-Mail am 24.9.2010: „… Ihre beiden Fragen beantworte ich wie folgt: Frage  1: … Die genaue Ermittlung des Veranlagungsschlusses erfolgt auf Anfrage des Finanzamts für Prüfungsdienste und Strafsachen beim zuständigen Referat der Finanzbehörde – Steuerverwaltung. Aufgrund der Daten aus dem Controlling wird für den betreffenden Veranlagungsbezirk, in dem der Steuerpflichtige geführt wird bzw. würde, der Monat ermittelt, in dem der Veranlagungsstand 95 % überschreitet. Das Ergebnis wird getrennt nach den einzelnen Steuerarten (ESt, GewSt, USt) ermittelt und dem Finanzamt mitgeteilt. Frage  2: Die Erledigungsquote für die gesamte Steuerverwaltung Hamburg beträgt für den Veranlagungszeitraum 2007: Steuerart

Erledigungsquote nach 28 Monaten

Tatsächlicher Zeitpunkt für das Überschreiten der 95 %-Grenze

Einkommensteuer (o. Arbeitnehmer)

97,7 %

Dezember 2009 (24  Monate)

Gewerbesteuer

96,1 %

März 2010 (27  Monate)

Umsatzsteuer

97,4 %

Dezember 2009 (24 Monate)“

(7) Hessen Antwort mittels Schreiben vom 8.9.2010, Gz. O  1000 A-096-II  61 / 7: „… die hessische Finanzverwaltung stellt keinen allgemeinen Veranlagungsschluss fest. Im Einzelfall muss für den zuständigen Veranlagungsteilbezirk der konkrete Veranlagungsschluss ermittelt werden. Ich bitte daher um Ihr Verständnis, dass ich Ihnen keine statistischen Werte der letzten Jahre mitteilen kann.“

(8) Mecklenburg-Vorpommern Antwort mittels Schreiben vom 1.9.2010, Gz. IV  301-S  2319-000002009 / 001–006: „… bereits seit einigen Jahren wird ein Veranlagungsschlusstermin in Mecklenburg-Vorpommern nicht mehr angewiesen. Stattdessen werden zwischen dem Finanzministerium und den einzelnen Finanzämtern Zielvereinbarungen abgeschlossen, welche regelmäßig einen Erledigungsstand von 95 % zum 30.09. des Zweit-

276

3. Teil: Der Verjährungsbeginn bei § 370 AO

folgejahres vorsehen. Dies entspricht den in der Vergangenheit (zuletzt mit Ver­ fügung der Oberfinanzdirektion Rostock vom 11.02.2004 …) verfügten Veranlagungsschlussterminen. Die verfügten bzw. vereinbarten Veranlagungsschlusstermine wurden tatsächlich auch erreicht (…).“

(9) Niedersachsen Antwort mittels Schreiben vom 4.7.2011, Gz. S 0700-36-33 22: „… Eine Tatvollendung der Steuerhinterziehung tritt beispielsweise durch unterlassene Einkommensteuererklärung in dem Zeitpunkt ein, in dem die Steuer bei rechtzeitiger Erklärung spätestens festgesetzt worden wäre. Dies ist der Zeitpunkt, zu dem die Veranlagungsarbeiten zu mindestens 95 % in dem betreffenden Finanzamt (Bezirk) abgeschlossen sind. Bis zu diesem Zeitpunkt liegt nur eine versuchte Tat vor. Zu meinem Bedauern kann ich Ihnen die gewünschten Angaben hinsichtlich einer 10-Jahres-Aufstellung leider nicht zur Verfügung stellen. Der nicht zu verantwortende Verwaltungsaufwand in Zeiten begrenzter Personalressourcen hindert mich, Ihrem Anliegen zu entsprechen.“

Rückfrage per E-Mail am 16.7.2011: „… Darf ich Sie … in Ergänzung zu Ihrem Schreiben … um Auskunft bitten, auf welche Weise der 95 %-Zeitpunkt in Niedersachsen ermittelt wird.“

Antwort formlos per E-Mail am 28.7.2011: „… zu Ihrer Rückfrage kann ich Ihnen folgende Auskunft geben: Grundlage für die Ermittlung des 95 %-Zeitpunktes ist der tatsächliche Erklärungseingang bezogen auf den Finanzamtsbezirk.“

(10) Nordrhein-Westfalen Antwort formlos per E-Mail am 10.5.2011: „… Hat ein Steuerpflichtiger keine Steuererklärung abgegeben und ist aus diesem Grund eine Steuerfestsetzung unterblieben, so ist die Steuer zu dem Zeitpunkt verkürzt, zu dem die Veranlagungsarbeiten für den betreffenden Veranlagungszeitraum durch den zuständigen Veranlagungsbezirk im Wesentlichen abgeschlossen sind – sog. 95 %-Zeitpunkt (vgl. AO-Kartei NRW, § 235 Karte 801-11 / 04). Der Zeitpunkt, an dem 95 % der Veranlagungstätigkeiten eines Veranlagungsjahres erledigt sind, wird individuell für den jeweiligen Veranlagungsbezirk bzw. nach einem statistischen Mittelwert für das jeweilige Finanzamt ermittelt. Damit ist sichergestellt, dass in jedem Einzelfall der maßgebende Zeitpunkt, an dem die Strafverfolgungsverjährungsfrist bei Straftaten gem. § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO zu laufen beginnt, ermittelt werden kann. Aus diesem Grund lässt sich für NRW kein allgemeingültiger Zeitpunkt benennen, an dem 95 % der Veranlagungstätigkeiten erledigt sind.



A. Veranlagungssteuern277 Wie auch schon telefonisch dargestellt, kann ich Ihnen daher keine 10-JahresAufstellung zur Verfügung stellen.“

(11) Rheinland-Pfalz Antwort mittels Schreiben vom 20.10.2010, Gz. S 0700 A-01-001-447: „… in Rheinland-Pfalz wurden die Finanzämter bis einschließlich des Veranlagungsjahres 2002 einheitlich durch die Oberfinanzdirektion Koblenz angewiesen, die Veranlagungsarbeiten bis zu bestimmten Zeitpunkten abzuschließen. Diese Regelungen sahen vor, dass die Veranlagungsarbeiten für die Einkommensteuer bis zum 30.09. des übernächsten Kalenderjahres und die Veranlagungsarbeiten für die Körperschaftsteuer, Gewerbesteuer, Umsatzsteuer sowie die gesonderten Feststellungen bis zum 31.12. des übernächsten Kalenderjahres mit einer Erledigungsquote von 95 % durchgeführt werden. Bis einschließlich des Veranlagungsjahres 2006 wurden diese Regelungen von den Finanzämtern ohne ausdrückliche Anweisung ebenfalls angewandt. Seit 2007 vereinbaren die einzelnen Finanzämter individuell mit der Oberfinanzdirektion Koblenz, bis zu welchem Zeitpunkt die Veranlagungsarbeiten abzuschließen sind.“

(12) Saarland Antwort mittels Schreiben des Referatsleiters „B / 4“ ohne Datum und Geschäftszeichen: „… gerne will ich Ihnen bei Ihrem Promotionsvorhaben behilflich sein. Nach meinen Feststellungen gibt es in einer Reihe von Ländern die von Ihnen aufgezeigten Verfügungen. So ist mir z. B. die Verfügung der OFD Magdeburg vom 9.2.2010 (Az: O  10729-St 267  V) bekannt, mit der für jedes Finanzamt und dort für jede Steuerart der Abschlusstermin der Veranlagungsarbeiten bezeichnet wird. Die Oberfinanzdirektion Karlsruhe hat in einer Verfügung vom 2.2.2004 (Az: S  0700-0735, S  0700, S  0735) bestimmt, dass die Veranlagungsarbeiten mit dem 31. Dezember des zweiten dem Veranlagungszeitraum folgenden Kalenderjahres als abgeschlossen gelten. Im Saarland gibt es derartige Erlasse nicht. Im Rahmen des Controllings wird aber für jedes saarländische Finanzamt und dort jeweils für jede Steuerart monatlich der Stand der Veranlagungsarbeiten festgestellt. Daraus ist ersichtlich, wann und für welche Steuerarten der Abschluss der Veranlagungsarbeiten vorliegt.“

278

3. Teil: Der Verjährungsbeginn bei § 370 AO

(13) Sachsen Antwort mittels Schreiben vom 30.9.2010, Gz. 31-S  0700 / U-9 / 1-40607: „… Für die Tatvollendung und -beendigung ist bei Nichtabgabe von Steuererklärungen bei Veranlagungssteuern der allgemeine Veranlagungsschluss von Bedeutung. Die Überlegung ist hierbei, dass einem Steuerpflichtigen, wenn er eine Steuererklärung abgegeben hätte, ein Steuerbescheid spätestens dann erteilt worden wäre, wenn die Veranlagungen der jeweiligen Steuerart für den betreffenden Zeitraum abgeschlossen wurden. In Sachsen wird hierbei auf den Veranlagungsschluss in dem konkreten Finanzamt abgestellt. Eine Verfügung des Abschlusses der Veranlagungsarbeiten seitens der Oberfinanzdirektion erfolgt nicht.“

(14) Sachsen-Anhalt Antwort mittels Schreiben vom 15.4.2011, Gz. 41-S 0700-142: „… Ihre Anfrage liegt dem Ministerium der Finanzen erstmalig vor. Ein Eingang im August 2010 konnte entgegen Ihrem Vortrag nicht verzeichnet werden. Für die Beantwortung Ihres Schreibens ist eine Beteiligung der Oberfinanzdirektion Magdeburg erforderlich. Nach Vorliegen der Stellungnahme werde ich unaufgefordert auf Ihr Anliegen zurückkommen.“

Nach erneuter Sachstandsanfrage per E-Mail am 9.5.2013 Antwort mittels Schreiben vom 28.5.2013, Gz. 44-S 0700-142: „Der Abschluss der Veranlagungsarbeiten wird den Finanzämtern durch die Oberfinanzdirektion Magdeburg jährlich bekannt gegeben. Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung der Karteikarte sind die Veranlagungsarbeiten in den betroffenen Arbeitsbereichen zu mind. 95 % abgeschlossen. Eine frühere Bekanntgabe erfolgt nicht. In der Anlage übersende ich Ihnen die statistischen Übersichten über den Abschluss der Veranlagungsarbeiten für den Zeitraum 1991 bis 2010. Abschluß der Veranlagungsarbeiten (95 %) Veranlagungszeiträume 1991–1993 Kalenderjahr

358359360

1991

1992

1993

07.04.94

27.10.94

27.12.95

07.04.94

30.11.94

01.11.95

07.04.94

28.03.95

27.02.96

Finanzämter MD I-101[358] MD II-102 GNT-103

[359]

[360]

358  „MD  I“

= Finanzamt Magdeburg  I. = Finanzamt Magdeburg  II. 360  „GNT“ = Finanzamt Genthin. 359  „MD  II“



A. Veranlagungssteuern Kalenderjahr

279

1991

1992

1993

HBS-104[361]

31.01.94

30.09.94

01.11.95

HDL-105[362]

02.03.94

29.12.94

27.12.95

SAW-106[363]

Finanzämter

02.03.94

28.03.95

27.12.95

[364]

31.01.94

31.01.95

28.11.95

[365]

07.04.94

30.11.94

01.11.95

WR-109[366]

02.03.94

31.01.95

27.12.95

HAL-S-110[367]

31.01.94

30.09.94

26.09.95

[368]

02.03.94

30.09.94

26.08.95

31.01.94

30.09.94

26.09.95

BTF-113[370]

31.01.94

30.11.94

26.09.95

DE-114[371]

31.01.94

30.09.94

26.09.95

STF-107

SDL-108

HAL-N-111 MER-112

WB-115

[369]

[372]

02.03.94

30.09.94

26.09.95

[373]

01.12.93

27.10.94

01.11.95

QDL-117[374]

31.01.94

30.09.94

26.09.95

EIS-118[375]

02.05.94

30.11.94

28.11.95

KÖT-116

(Fortsetzung nächste Seite) 361362363364365366367368369370371372373374375

361  „HBS“

= Finanzamt Halberstadt. = Finanzamt Haldensleben. 363  „SAW“ = Finanzamt Salzwedel. 364  „STF“ = Finanzamt Staßfurt. 365  „SDL“ = Finanzamt Stendal. 366  „WR“ = Finanzamt Wernigerode. 367  „HAL-S“ = Finanzamt Halle-Süd. 368  „HAL-N“ = Finanzamt Halle-Nord. 369  „MER“ = Finanzamt Merseburg. 370  „BTF“ = Finanzamt Bitterfeld. 371  „DE“ = Finanzamt Dessau. 372  „WB“ = Finanzamt Wittenberg. 373  „KÖT“ = Finanzamt Köthen. 374  „QDL“ = Finanzamt Quedlinburg. 375  „EIS“ = Finanzamt Eisleben. 362  „HDL“

280

3. Teil: Der Verjährungsbeginn bei § 370 AO

(Fortsetzung) Tabelle Kalenderjahr

1991

1992

1993

NMB-119[376]

31.01.94

30.09.94

29.08.95

ZZ-120[377]

07.04.94

30.11.94

28.11.95

01.06.94

30.11.94

26.09.95

1994

1995

1996

MD I-101

25.12.96

30.10.97

30.11.98

MD II-102

03.10.96

30.09.97

30.09.98

GNT-103

26.11.96

30.09.97

30.09.98

HBS-104

30.10.96

29.08.97

30.09.98

HDL-105

26.11.96

30.10.97

31.10.98

SAW-106

28.02.97

31.01.98

29.01.99

STF-107

26.11.96

30.10.97

30.09.98

SDL-108

30.10.96

30.09.97

31.08.98

WR-109

26.11.96

30.09.97

30.09.98

HAL-S-110

30.10.96

30.09.97

30.09.98

HAL-N-111

26.11.96

30.09.97

30.09.98

MER-112

03.10.96

29.08.97

31.08.98

BTF-113

30.10.96

30.09.97

31.08.98

DE-114

03.10.96

29.08.97

31.08.98

WB-115

03.10.96

30.09.97

30.09.98

KÖT-116

26.11.96

30.09.97

30.09.98

Finanzämter

SGH-121

[378]

Veranlagungszeiträume 1994–1996 Kalenderjahr

376377378

Finanzämter

376  „NMB“

= Finanzamt Naumburg. = Finanzamt Zeitz. 378  „SGH“ = Finanzamt Sangerhausen. 377  „ZZ“



A. Veranlagungssteuern281 Kalenderjahr

1994

1995

1996

QDL-117

03.10.96

29.08.97

30.09.98

EIS-118

03.10.96

30.09.97

30.09.98

NMB-119

03.10.96

30.09.97

30.09.98

ZZ-120

28.01.97

30.10.97

30.09.98

SGH-121

03.10.96

30.09.97

30.09.98

Finanzämter

Veranlagungszeiträume 1997–1998 Kalenderjahr

1997

1998

MD I-101

30.10.99

01.12.00

MD II-102

01.10.99

01.12.00

GNT-103

01.09.99

30.09.00

HBS-104

01.10.99

30.09.00

HDL-105

01.10.99

30.09.00

SAW-106

30.10.99

30.09.00

STF-107

30.10.99

30.09.00

SDL-108

01.10.99

30.09.00

WR-109

01.10.99

31.10.00

HAL-S-110

01.10.99

30.09.00

HAL-N-111

01.10.99

30.09.00

MER-112

01.09.99

30.09.00

BTF-113

01.10.99

30.09.00

DE-114

02.08.99

01.09.00

WB-115

01.10.99

30.09.00

KÖT-116

30.10.99

30.09.00

QDL-117

01.09.99

30.09.00

Finanzämter

(Fortsetzung nächste Seite)

282

3. Teil: Der Verjährungsbeginn bei § 370 AO

(Fortsetzung) Tabelle Kalenderjahr

1997

1998

EIS-118

01.10.99

30.09.00

NMB-119

30.11.99

29.12.00

ZZ-120

30.11.99

30.09.00

SGH-121

30.11.99

31.10.00

Finanzämter

Veranlagungszeiträume 1999–2000 Kalenderjahr

1999

2000

MD I-101

31.10.01

31.10.02

MD II-102

29.09.01

31.10.02

GNT-103

29.09.01

01.10.02

HBS-104

29.09.01

01.10.02

HDL-105

01.03.02

30.11.02

SAW-106

29.09.01

31.08.02

STF-107

31.10.01

31.12.02

SDL-108

31.10.01

01.10.02

WR-109

29.09.01

31.08.02

HAL-S-110

01.09.01

01.10.02

HAL-N-111

29.09.01

01.10.02

MER-112

29.09.01

01.10.02

BTF-113

29.09.01

31.10.02

DE-114

01.09.01

31.08.02

WB-115

29.09.01

01.10.02

KÖT-116

29.09.01

01.10.02

QDL-117

29.09.01

31.10.02

EIS-118

29.09.01

01.10.02

Finanzämter



A. Veranlagungssteuern283 Kalenderjahr

1999

2000

NMB-119

29.09.01

01.10.02

ZZ-120

31.10.01

01.10.02

SGH-121

01.02.02

01.10.02

ESt

KSt

GewSt

MD I

01.10.2003

01.10.2003

02.02.2004

MD II

29.11.2003

30.08.2003

28.02.2004

Genthin

30.08.2003

01.10.2003

29.11.2003

Halberstadt

01.10.2003

31.05.2003

01.10.2003

Haldensleben

01.10.2003

29.11.2003

31.07.2004

Salzwedel

30.08.2003

01.10.2003

01.10.2003

Staßfurt

31.10.2003

30.08.2003

31.10.2003

Stendal

01.10.2003

31.12.2003

31.12.2003

Wernigerode

01.10.2003

30.08.2003

02.02.2004

Halle-Süd

01.10.2003

01.10.2003

29.11.2003

Halle-Nord

01.10.2003

31.10.2003

01.07.2004

Merseburg

30.08.2003

01.10.2003

29.11.2003

Bitterfeld

30.08.2003

30.08.2003

31.10.2003

Dessau

01.08.2003

31.10.2003

01.10.2003

Wittenberg

01.10.2003

31.12.2003

29.11.2003

Köthen

01.10.2003

01.10.2003

28.02.2004

Quedlinburg

01.10.2003

01.08.2003

29.11.2003

Eisleben

01.10.2003

01.04.2003

31.12.2003

Naumburg

01.10.2003

01.08.2003

31.12.2003

Zeitz

31.10.2003

01.04.2003

29.11.2003

Sangerhausen

01.10.2003

01.05.2003

31.10.2003

Finanzämter

Veranlagungszeitraum 2001

284

3. Teil: Der Verjährungsbeginn bei § 370 AO

Veranlagungszeitraum 2002 ESt

KSt

GewSt

MD I

30.09.2004

01.10.2004

30.10.2004

MD II

30.09.2004

31.07.2004

01.12.2004

Genthin

31.08.2004

31.08.2004

31.12.2004

Halberstadt

31.08.2004

31.07.2004

30.09.2004

Haldensleben

31.08.2004

am 21.04.2005 noch offen

31.12.2004

Salzwedel

31.08.2004

31.12.2004

30.09.2004

Staßfurt

30.09.2004

30.10.2004

30.09.2004

Stendal

31.08.2004

01.10.2004

01.12.2004

Wernigerode

30.09.2004

01.07.2004

30.09.2004

Halle-Süd

31.08.2004

31.08.2004

30.10.2004

Halle-Nord

31.08.2004

30.12.2004

01.12.2004

Merseburg

31.08.2004

31.08.2004

01.12.2004

Bitterfeld

31.08.2004

31.12.2004

30.10.2004

Dessau

01.07.2004

01.12.2004

30.09.2004

Wittenberg

31.08.2004

am 21.04.2005 noch offen

30.09.2004

Köthen

31.08.2004

31.12.2004

01.12.2004

Quedlinburg

30.09.2004

29.05.2004

30.10.2004

Eisleben

30.09.2004

01.10.2004

01.12.2004

Naumburg

30.09.2004

01.10.2004

30.10.2004

Zeitz

31.08.2004

01.05.2004

30.09.2004

Sangerhausen

31.08.2004

31.07.2004

30.09.2004

ESt

KSt

GewSt

Bitterfeld

01.09.2005

01.09.2005

01.10.2005

Dessau

01.08.2005

01.09.2005

01.09.2005

Veranlagungszeitraum 2003



A. Veranlagungssteuern285 ESt

KSt

GewSt

Eisleben

01.09.2005

01.10.2005

01.12.2005

Genthin

01.09.2005

01.08.2005

01.12.2005

Halberstadt

01.08.2005

01.06.2005

01.09.2005

Haldensleben

01.10.2005

01.08.2005

01.11.2005

Halle-Nord

01.09.2005

01.09.2005

01.10.2005

Halle-Süd

01.09.2005

01.09.2005

01.10.2005

Köthen

01.10.2005

01.10.2005

01.11.2005

Magdeburg I

01.10.2005

01.09.2005

01.10.2005

Magdeburg II

01.09.2005

01.08.2005

01.10.2005

Merseburg

01.09.2005

01.07.2005

01.10.2005

Naumburg

01.09.2005

01.09.2005

01.10.2005

Quedlinburg

01.09.2005

01.09.2005

01.10.2005

Salzwedel

01.10.2005

01.10.2005

01.10.2005

Sangerhausen

01.08.2005

01.08.2005

01.09.2005

Staßfurt

01.09.2005

01.09.2005

01.10.2005

Stendal

01.09.2005

01.08.2005

01.10.2005

Wernigerode

01.09.2005

01.08.2005

01.09.2005

Wittenberg

01.09.2005

01.08.2005

01.10.2005

Zeitz

01.08.2005

01.07.2005

01.10.2005

ESt

KSt

GewSt

Bitterfeld

01.09.2006

01.10.2006

01.11.2006

Dessau

01.08.2006

01.10.2006

01.09.2006

Eisleben

01.09.2006

01.10.2006

01.11.2006

Genthin

01.09.2006

01.09.2006

01.11.2006

Halberstadt

01.08.2006

01.08.2006

01.09.2006

Veranlagungszeitraum 2004

(Fortsetzung nächste Seite)

286

3. Teil: Der Verjährungsbeginn bei § 370 AO

(Fortsetzung) Tabelle Haldensleben

01.10.2006

01.08.2006

01.11.2006

Halle-Nord

01.10.2006

01.10.2006

01.12.2006

Halle-Süd

01.08.2006

01.09.2006

01.09.2006

Köthen

01.09.2006

01.10.2006

01.10.2006

Magdeburg I

01.10.2006

01.09.2006

01.10.2006

Magdeburg II

01.10.2006

01.09.2006

01.10.2006

Merseburg

01.09.2006

01.07.2006

01.10.2006

Naumburg

01.08.2006

01.09.2006

01.09.2006

Quedlinburg

01.10.2006

01.09.2006

01.10.2006

Salzwedel

01.10.2006

01.10.2006

01.11.2006

Sangerhausen

01.07.2006

01.08.2006

01.08.2006

Staßfurt

01.10.2006

01.10.2006

01.11.2006

Stendal

01.09.2006

01.08.2006

01.10.2006

Wernigerode

01.09.2006

01.08.2006

01.10.2006

Wittenberg

01.09.2006

01.09.2006

01.11.2006

Zeitz

01.08.2006

01.08.2006

01.09.2006

ESt

KSt

GewSt

Bitterfeld

01.10.2007

01.10.2007

01.11.2007

Dessau

01.08.2007

01.08.2007

01.09.2007

Eisleben

01.09.2007

01.10.2007

01.10.2007

Genthin

01.10.2007

01.09.2007

01.10.2007

Halberstadt

01.10.2007

01.08.2007

01.10.2007

Haldensleben

01.10.2007

01.08.2007

01.11.2007

Halle-Nord

01.10.2007

01.09.2007

01.02.2008

Halle-Süd

01.09.2007

01.09.2007

01.10.2007

Köthen

01.10.2007

01.10.2007

01.11.2007

Veranlagungszeitraum 2005



A. Veranlagungssteuern287 ESt

KSt

GewSt

Magdeburg I

01.10.2007

01.09.2007

01.11.2007

Magdeburg II

01.10.2007

01.10.2007

01.11.2007

Merseburg

01.09.2007

01.09.2007

01.10.2007

Naumburg

01.09.2007

01.09.2007

01.10.2007

Quedlinburg

01.09.2007

01.08.2007

01.09.2007

Salzwedel

01.10.2007

01.09.2007

01.12.2007

Sangerhausen

01.08.2007

01.07.2007

01.08.2007

Staßfurt

01.10.2007

01.10.2007

01.11.2007

Stendal

01.10.2007

01.08.2007

01.12.2007

Wernigerode

01.10.2007

01.08.2007

01.10.2007

Wittenberg

01.10.2007

01.08.2007

01.10.2007

Zeitz

01.10.2007

01.07.2007

01.09.2007

ESt

KSt

GewSt

Bitterfeld-Wolfen

01.10.2008

01.08.2008

01.10.2008

Dessau-Roßlau

01.08.2008

01.07.2008

01.08.2008

Eisleben

01.10.2008

01.10.2008

01.11.2008

Genthin

01.10.2008

01.09.2008

01.11.2008

Halberstadt

01.09.2008

01.07.2008

01.09.2008

Haldensleben

01.10.2008

01.08.2008

01.11.2008

Halle (Saale)-Nord

01.09.2008

01.08.2008

01.10.2008

Halle (Saale)-Süd

01.09.2008

01.08.2008

01.12.2008

Köthen

01.10.2008

01.07.2008

01.10.2008

Magdeburg I

01.10.2008

01.08.2008

01.02.2009

Magdeburg II

01.11.2008

01.08.2008

01.12.2008

Merseburg

01.09.2008

01.08.2008

01.10.2008

Veranlagungszeitraum 2006

(Fortsetzung nächste Seite)

288

3. Teil: Der Verjährungsbeginn bei § 370 AO

(Fortsetzung) Tabelle ESt

KSt

GewSt

Naumburg

01.09.2008

01.08.2008

01.11.2008

Quedlinburg

01.10.2008

01.07.2008

01.09.2008

Salzwedel

01.10.2008

01.07.2008

01.10.2008

Sangerhausen

01.08.2008

01.07.2008

01.09.2008

Staßfurt

01.10.2008

01.10.2008

01.10.2008

Stendal

01.10.2008

01.07.2008

01.01.2009

Wernigerode

01.09.2008

01.08.2008

01.09.2008

Wittenberg

01.10.2008

01.08.2008

01.10.2008

Zeitz

01.10.2008

01.07.2008

01.11.2008

ESt

KSt

GewSt

Bitterfeld-Wolfen

01.11.2009

01.10.2009

01.11.2009

Dessau-Roßlau

01.09.2009

01.09.2009

01.10.2009

Eisleben

01.10.2009

01.10.2009

01.11.2009

Genthin

01.10.2009

01.09.2009

01.02.2010

Haldensleben

01.10.2009

01.09.2009

01.01.2010

Halle (Saale)-Nord

01.09.2009

01.09.2009

01.10.2009

Halle (Saale)-Süd

01.10.2009

01.10.2009

01.12.2009

Köthen

01.10.2009

01.11.2009

01.12.2009

Magdeburg

01.01.2010

01.10.2009

01.02.2010

Merseburg

01.09.2009

01.08.2009

01.09.2009

Naumburg

01.10.2009

01.10.2009

01.10.2009

Quedlinburg

01.11.2009

01.07.2009

01.12.2009

Salzwedel

01.10.2009

01.09.2009

01.10.2009

Veranlagungszeitraum 2007[379]

379  Die Finanzämter Halberstadt, Magdeburg II und Wernigerode wurden mit anderen Finanzämtern fusioniert.



A. Veranlagungssteuern

289

ESt

KSt

GewSt

Sangerhausen

01.10.2009

01.10.2009

01.10.2009

Staßfurt

01.10.2009

01.09.2009

01.10.2009

Stendal

01.10.2009

01.09.2009

01.01.2010

Wittenberg

01.08.2009

01.09.2009

01.09.2009

Zeitz

01.09.2009

01.09.2009

01.10.2009

ESt

KSt

GewSt

Bitterfeld-Wolfen[381]

01.10.2010 /  01.02.2011

10.10.2010

01.09.2010 /  01.01.2011

Dessau-Roßlau

01.08.2010

01.09.2010

01.09.2010

Eisleben

01.11.2010

01.10.2010

01.12.2010

Genthin

01.10.2010

01.09.2010

01.02.2011

Haldensleben

01.10.2010

01.09.2010

01.01.2011

Halle (Saale)-Nord

01.09.2010

01.08.2010

01.12.2010

Halle (Saale)-Süd

01.09.2010

01.10.2010

01.12.2010

Magdeburg

01.12.2010

01.09.2010

01.01.2011

Merseburg

01.10.2010

01.08.2010

01.11.2010

Naumburg

01.10.2010

01.09.2010

01.10.2010

Quedlinburg

01.12.2010

01.07.2010

01.12.2010

Salzwedel

01.10.2010

01.10.2010

01.10.2010

Staßfurt

01.10.2010

01.09.2010

01.11.2010

Stendal

01.10.2010

01.09.2010

01.11.2010

Wittenberg

01.09.2010

01.08.2010

01.10.2010

Zeitz

01.09.2010

01.09.2010

01.10.2010

Veranlagungszeitraum 2008[380]

381

380  Die Finanzämter Köthen und Sangerhausen wurden mit anderen Finanzämtern fusioniert. 381  1.  Datum = vor, 2.  Datum = nach der Fusion mit dem Finanzamt Köthen.

290

3. Teil: Der Verjährungsbeginn bei § 370 AO

Veranlagungszeitraum 2009[382] ESt

KSt

GewSt

Bitterfeld-Wolfen

01.10.2011

01.11.2011

01.11.2011

Dessau-Roßlau

01.09.2011

01.09.2011

01.09.2011

Eisleben

01.10.2011

01.10.2011

01.10.2011

Genthin

01.01.2012

01.09.2011

01.05.2012

Haldensleben

01.10.2011

01.09.2011

01.10.2011

Halle (Saale)-Nord

01.09.2011

01.08.2011

01.12.2011

Halle (Saale)-Süd

01.10.2011

01.09.2011

01.12.2011

Magdeburg

01.10.2011

01.09.2011

01.12.2011

Merseburg

01.10.2011

01.07.2011

01.12.2011

Naumburg

01.10.2011

01.10.2011

01.10.2011

Quedlinburg

01.10.2011

01.07.2011

01.11.2011

Salzwedel

01.10.2011

01.10.2011

01.10.2011

Staßfurt

01.01.2012

01.09.2011

01.01.2012

Stendal

01.10.2011

01.09.2011

01.12.2011

Wittenberg

01.09.2011

01.08.2011

01.10.2011

ESt

KSt

GewSt

Bitterfeld-Wolfen

01.10.2012

01.09.2012

10.10.2012

Dessau-Roßlau

01.08.2012

01.07.2012

01.09.2012

Eisleben

01.10.2012

01.09.2012

01.10.2012

Genthin

01.10.2012

01.09.2012

01.11.2012

Haldensleben

01.09.2012

01.09.2012

01.12.2012

Halle (Saale)-Nord

01.10.2012

01.06.2012

01.12.2012

Halle (Saale)-Süd

01.10.2012

01.09.2012

01.12.2012

Magdeburg

01.01.2012

01.09.2012

01.11.2012

Merseburg

01.09.2012

01.07.2012

01.10.2012

Veranlagungszeitraum 2010

382  Das

Finanzamt Zeitz wurde mit einem anderen Finanzamt fusioniert.



A. Veranlagungssteuern

291

ESt

KSt

GewSt

Naumburg

01.10.2012

01.10.2012

01.10.2012

Quedlinburg

01.10.2012

01.06.2012

01.11.2012

Salzwedel

01.10.2012

01.10.2012

01.11.2012

Staßfurt

01.10.2012

01.10.2012

01.11.2012

Stendal

01.11.2012

01.09.2012

01.12.2012

Wittenberg

01.10.2012

01.07.2012

01.10.2012“

(15) Schleswig-Holstein Antwort formlos per E-Mail am 7.3.2011: „… Der Veranlagungsschluss hat für die Einkommen- und Körperschaftsteuerveranlagung keine materiell-rechtliche Bedeutung. Er ist vielmehr dem fachaufsichtlichen bzw. organisatorischen Bereich zuzuordnen. Er wird den Finanzämtern mit einer innerdienstlichen Weisung vorgegeben bzw. ist Gegenstand von Zielvereinbarungen. Dieser Veranlagungsschluss ist bestimmt – getrennt nach Pflichtver­ anlagungen i. S. d. § 46 EStG und den übrigen Pflichtveranlagungsfällen – als ein Prozentsatz der bis zu einem bestimmten Zeitpunkt zu erledigenden Veranlagungen.“

(16) Thüringen Antwort mittels Schreiben der Thüringer Landesfinanzdirektion vom 8.10.2010, Gz. S 2544 A-07-A 2.11: „… das Thüringer Finanzministerium (TFM) hat mir Ihre v. g. Email mit der Bitte um Beantwortung weitergeleitet. Hierzu nehme ich wie folgt Stellung: Der Zeitpunkt des Abschlusses der Veranlagungsarbeiten wird durch die Thüringer Landesfinanzdirektion in Abstimmung mit dem TFM verfügt. Die Veranlagungsarbeiten für die Veranlagungsteilbezirke Einkommensteuer / Personengesellschaften und Körperschaftsteuer waren seit dem Veranlagungszeitraum 2000 1,5 Jahre nach Ablauf des Veranlagungszeitraumes jeweils zum 30.06. abzuschließen, d. h. für den Veranlagungszeitraum 2000 zum 30.06.2002. Zum Zeitpunkt des Abschlusses der Veranlagungsarbeiten gelten 95 % der zu bearbeitenden Fälle als statistische Erledigung. Hierzu ergingen entsprechende verwaltungsinterne Verfügungen. Tatsächlich wurde im Freistaat Thüringen regelmäßig das Ziel des Veranlagungsschlusses – die 95 % – erreicht.“

292

3. Teil: Der Verjährungsbeginn bei § 370 AO

(17) Bewertung, insbesondere aus Sicht des Tatrichters Die Antworten der Landesfinanzministerien sprechen im Wesentlichen für sich. Über die zahlreichen, so bisher nicht zugänglichen Einzelinformationen hinaus, lassen sich aus ihnen aber auch drei länderübergreifende, insbesondere für den Tatrichter aufschlussreiche allgemeine Feststellungen ableiten: So geht aus den Länderantworten zum einen hervor, dass dort im Hinblick auf die hier interessierende Frage nach dem „allgemeinen Veranlagungsschluss“ als Ausgangspunkt für die Verjährungsberechnung bei § 370 I Nr. 2 AO nicht überall dieselben (straf-)rechtlichen Fachkenntnisse vorhanden sind – und damit, als erste und wichtigste Erkenntnis, auch vom Tatrichter nicht erwartet werden kann. Dies betrifft namentlich die Unterscheidung zwischen dem OFD-Zeitpunkt, der lediglich eine aufsichtliche Erledigungsvorgabe bezogen auf einen bestimmten Zeitpunkt enthält, und dem damit naturgemäß nicht zwingend übereinstimmenden tatsächlichen Erledigungsstand zu diesem Zeitpunkt383. Das kann aufgrund der zum Teil zusätzlich noch erfolgten Verschränkung dieser beiden Parameter (der OFDZeitpunkt wurde „erreicht“ bzw. mit einem Prozentwert „x“ sogar übertroffen) zu Missverständnissen führen384. Jedenfalls muss der Tatrichter hier aufpassen, dass es nicht zu terminologischen oder gar inhaltlichen Verwechslungen kommt: So darf er nicht ohne Weiteres auf die tatsächliche Erledigungsquote zu einem bestimmten Zeitpunkt „y“ abstellen, wenn er bisher nur Feststellungen zum OFD-Zeitpunkt getroffen hat und umgekehrt. Die Urteilsgründe sollten hier klar erkennen lassen, welcher Parameter gemeint und wie das Gericht zu der entsprechenden Information gelangt ist. Nur so lässt sich die tatrichterliche Überzeugungsbildung an dieser Stelle widerspruchsfrei und lückenlos nachvollziehen. Eine weitere – die zweite – beachtenswerte Erkenntnis ist, dass die Finanzbehörden aufgrund interner (EDV-gestützter) Controllingmaßnahmen heute durchaus in der Lage sind, auf Anfrage ihre Erledigungsquoten zu bestimmten Zeitpunkten an die Strafverfolgungsbehörden mitzuteilen385. Wie die Lücken in dem zum Teil übermittelten Statistikmaterial älterer Ver383  So zutr. Bülte, in: Hübschmann / Hepp / Spitaler, § 376 AO Rn. 92. Auffällig ist in diesem Zusammenhang etwa, dass der „allgemeine Veranlagungsschluss“ im Bundesland Sachsen-Anhalt seit dem VZ 2003 ausnahmslos auf den 1. eines Monats fällt. 384  s. z. B. Heß, StW 2010, 145 (146: „Der maßgebliche sog. allgemeine Veranlagungsschluss wird alljährlich durch Verwaltungsanweisung bestimmt“). 385  Davon geht u. a. auch Jeschkies, PStR 2012, 310 (311) aus. Gußen (Rn. 498) meint, hierfür sei eine „sog. V-Liste“ maßgeblich (zw.); er versteht darunter „ein Verzeichnis, in dem alle Steuerzahler eines Steuerbezirks verzeichnet sind“. Das alleine sagt aber noch nichts über den jeweiligen Stand der Veranlagungsarbeiten aus.



A. Veranlagungssteuern

293

anlagungszeiträume zeigen, war das nicht immer so. In jedem Fall dürfte sich der technische Aufwand hierzu deutlich verringert haben. Und drittens belegen die Länderantworten eindeutig, dass auch die Finanzverwaltung die „95 %-Schwelle“ – bezogen auf das „Finanzamt“ bzw. den „Veranlagungsbezirk“386 – mehrheitlich adaptiert hat. Der in der Antwort des Finanzministeriums Nordrhein-Westfalen enthaltene Verweis auf die AO-Kartei NRW, § 235 Karte 801-11 / 04387 verwundert vor dem Hintergrund des in Fußnote  338 aufgezeigten Parallelproblems bei § 235 AO nicht. Allerdings enthält auch diese (an den AEAO angelehnte388) Karteikarte keinen spezifischen Prozentwert, sondern ist in diesem Punkt ebenfalls nur vage: „Nr. 5 Beginn des Zinslaufs … Hat der Steuerpflichtige keine Steuererklärung abgegeben und ist aus diesem Grunde eine Steuerfestsetzung unterblieben, so ist die Steuer zu dem Zeitpunkt verkürzt, zu dem die Veranlagungsarbeiten für den betreffenden Veranlagungszeitraum durch den zuständigen Veranlagungsbezirk im wesentlichen abgeschlossen sind. Für den Beginn des Zinslaufs ist der Tag zu ermitteln, an dem der Steuerpflichtige spätestens den Steuerbescheid erhalten hätte.“

cc) Die „Annäherungsmethode“ Viele Fälle lassen sich in praxi aber schon mit der hier sog. Annährungsmethode lösen389. Diese besteht darin, in einem ersten Schritt denjenigen zeitlichen Rahmen abzustecken, innerhalb dessen der „allgemeine Veranlagungsschluss“ im konkreten Einzelfall denknotwendig liegen muss. Das könnte man auch als Eingrenzungsverfahren („frühester / spätester“ Zeitpunkt) bezeichnen. Dem liegt folgende Prüfroutine zugrunde: „Zum Zeitpunkt ‚x‘ kann ein ‚allgemeiner Veranlagungsschluss‘ noch keinesfalls, zum Zeitpunkt ‚y‘ dagegen auf jeden Fall schon angenommen werden.“

Zu dem so ermittelten, bestenfalls möglichst „engen“ Zeitkorridor „x–y“, in dem der „allgemeine Veranlagungsschluss“ liegen muss, ist dann in einem zweiten Schritt diejenige (erste) Unterbrechungshandlung in Beziehung zu 386  Erg.

S. 264. VV NRW FinMin. 1997-08-01 S  0462, juris. 388  Nr. 4.1.3 S. 2, 3 AEAO zu § 235: „Hat der Steuerpflichtige keine Steuererklärung abgegeben und ist aus diesem Grunde die Steuerfestsetzung unterblieben, so ist die Steuer zu dem Zeitpunkt verkürzt, zu dem die Veranlagungsarbeiten für das betreffende Kalenderjahr im Wesentlichen abgeschlossen waren. Dieser Zeitpunkt ist zugleich Zinslaufbeginn.“ 389  Ähnl., jedoch weniger differenziert Schott, PStR 2014, 25 (26: „allgemeine Eingrenzung“). 387  =

294

3. Teil: Der Verjährungsbeginn bei § 370 AO

setzen, von der aus sich erstmals eine lückenlose Kette von bis zum aktuellen Datum wirksam gewordenen Unterbrechungs- und / oder Ruhenstatbeständen (§§ 78b, 78c StGB) nachvollziehen lässt. Auf dieser Grundlage kann der Verjährungseintritt dann – für jede Gesetzesverletzung gesondert – nach dem Ausschlussprinzip verneint werden, wenn der erste Unterbrechungszeitpunkt zeitlich nicht mehr als fünf bzw. zehn Jahre (§ 78 III Nr. 3 StGB, § 376 I AO) „hinter“, d. h. nach, dem ermittelten Beendigungskorridor liegt. Dabei ist naturgemäß vordergründig auf den Beginn des „Korridors“ abzustellen. Nur wenn die Tat hiernach verjährt wäre, muss sich das Gericht eine endgültige Überzeugung (§ 261 StPO) zur konkreten zeitlichen Lage des „allgemeinen Veranlagungsschlusses“ innerhalb des gefundenen Zeitfensters bilden. Falls sich dies im Einzelfall als nicht (mehr) prozessökonomisch erweisen sollte, könnte an dieser Stelle insoweit alternativ auch eine Verfolgungsbeschränkung gemäß §§ 154, 154a StPO vorgenommen werden. Beispiele: (1) Verjährungseintritt bejaht: „… hat das Landgericht für die Frage des Verjährungsbeginns auf den ‚allgemeinen Veranlagungsschluss‘ abgestellt und ausgeführt, dieses Datum zwar nicht exakt bestimmen zu können, es sei aber ‚deutlich‘ vor dem 2.  Juni 1992 mit der Folge anzusiedeln, dass die Verjährung schon vor der ersten verjährungsunterbrechenden Maßnahme (Durchsuchungsbeschluss des Amtsgerichts Bochum vom 2.  Juni 1997) eingetreten war.“390 (2)  Verjährungseintritt verneint: „Bei einer Verjährungsfrist von fünf Jahren ist hier somit auch die erste verfahrensgegenständliche Schenkungsteuerhinterziehung nicht verjährt: Die ihr zugrundeliegende Schenkung erfolgte am 15. Dezember 1999, damit lief die diesbezügliche Anzeigefrist am 15.  März 2000 ab. Die Unterlassungstat war somit (frühestens) am 15. April 2000 beendet. Mit Bekanntgabe der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens am 13. Januar 2005 wurde die Verjährungsfrist vor Ablauf der regulären Verjährungsfrist unterbrochen. Die Verurteilung des Angeklagten durch das Landgericht am 26. März 2010 fand vor Eintritt der absoluten Verjährung (§ 78b Abs. 3, Abs. 4 StGB) statt.“391

Wichtig ist, dass sich das Urteil ansonsten auf jeden Fall in irgendeiner Art und Weise konkret zum „allgemeinen Veranlagungsschluss“ und seiner zeitlichen Lage verhalten muss – und das bei verschiedenen Steuerarten bzw. Veranlagungszeiträumen unter Umständen sogar mehrfach. Dies wird in der Praxis zum Teil nicht genügend beachtetet392. Davon ist nämlich nicht nur eine (evtl. außer Frage stehende) Verjährungsproblematik betroffen, sondern auch die Feststellung der Tatvollendung. Denn ungeachtet des neueren obiter dictums des BGH393 ist nach wie vor im Grundsatz davon 390  OLG

Hamm, DStRE 2002, 1095 (1096). 56, 298 (313 f.) = NJW 2011, 3249 (3254); ähnl. auch BGH, wistra 2012, 484 (485, Tz. 10) zu Frage des Vollendungseintritts. 392  Krit. auch Dörn, Unterlassen, S. 35; ders., DStZ 2002, 219 (220). 393  Wistra 2012, 484 (485). 391  BGHSt



A. Veranlagungssteuern

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auszugehen, dass Vollendung und Beendigung bei der Hinterziehung periodisch veranlagter Steuern in der Unterlassungsvariante des § 370 I Nr. 2 AO – unu actu – im „allgemeinen Veranlagungsschluss“ zusammenfallen. Tritt insofern ein Manko auf, kann das Urteil in der revisionsrechtlichen Überprüfung Gefahr laufen, als lückenhaft angesehen zu werden, weil die vom Tatrichter getroffenen Feststellungen den Schuldspruch wegen vollendeter Steuerhinterziehung nicht tragen. Ein solcher sachlich-rechtlicher Darstellungsmangel (Verstoß gegen § 267 I 1 StPO) hat grundsätzlich eine (teilweise) Urteils­aufhebung (§ 349 IV StPO) zur Folge. Fehlende ausdrück­ liche Feststellungen zum „allgemeinen Veranlagungsschluss“ können im Ein­zelfall allerdings dadurch relativiert sein, dass sich der Abschluss der Veranlagungsarbeiten (noch) dem „Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe“ entnehmen lässt394. (1) Frühester Zeitpunkt Die nachstehende Feststellung liegt im Grunde genommen auf der Hand, sie muss hier aber dennoch einmal ausdrücklich getroffen werden: Der „allgemeine Veranlagungsschluss“ kann, wie sich aus § 149 II 1 AO ergibt, bereits dem Wortsinne nach und auch denklogisch nicht (genau) auf den 31.5. des Folgejahres fallen oder gar davor liegen.

Damit markiert der 31.5. des Folgejahres den, wenn man so will, „absolu­ ten Nullpunkt“ bei der Ermittlung des „allgemeinen Veranlagungsschlusses“ bzw. des vorgenannten „Zeitkorridors ‚x – y‘ “, wenn es um die Strafbarkeit wegen vollendeter Steuerhinterziehung gemäß § 370 I Nr. 2 AO geht395. Hinzu tritt aber noch folgender, in der Praxis bisweilen übersehener Aspekt: Nur396 für steuerlich beratene Steuerpflichtige existiert eine letztlich auf § 109 AO gestützte allgemeine Fristverlängerung für die Abgabe von Steuererklärungen bis (aktuell397) 31.12. des Folgejahres398. Ihre nähere Aus­ gestaltung erfolgt in jährlichen, im Wesentlichen inhaltsgleichen Verwaltungs­ anweisungen der Landesfinanzverwaltungen, den sog. koordinierten Bund394  BGH,

wistra 2012, 484 (485). unklar Dönmez, NWB 2013, 2866 (2868 f. [„sicherheitshalber“]). 396  A. A. Ceffinato, wistra 2014, 88 (90 f.), der darauf abstellen will, ob der jeweilige Steuerpflichtige „bei Ablauf der Frist zum 31.5.02 die Möglichkeit hatte, einen Steuerberater zu beauftragen“ (zw.; Hervorh. v. hier.). 397  Bis einschl. 2004 war der 30.9. des Folgejahres maßgeblich (vgl. zuletzt BStBl.  I 2005, S. 389). 398  Abschn.  II. I  1 BLE; zusf. Luer / Lühn, BB 2012, 2019 f.; s. a. BGH, wistra 2013, 430 (431) m. w. N. 395  Insoweit

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3. Teil: Der Verjährungsbeginn bei § 370 AO

Länder-Erlassen (kurz: „BLE“399), die sich (wiederum: nur) auf die Einkommen-, Körperschaft-, Gewerbe- und Umsatzsteuer beziehen. Wie sich aus Abschn. II. III 1 BLE ergibt, wird die Abgabefrist aufgrund „begründeter Einzelanträge“ zudem sogar noch bis zum 28. / 29.2. des übernächsten Kalenderjahres (sog. Zweitfolgejahr) verlängert400. Dies hat zur Konsequenz, dass der „allgemeine Veranlagungsschluss“ wegen der erfahrungsgemäß auftretenden Vielzahl solcher Anträge im Ergebnis auch nicht vor diesem Termin liegen wird. Da – denkbare – noch weitergehende Individualfristverlängerungen nach § 109 I AO gemäß Abschn.  II. III  2 BLE „grundsätzlich“ nicht in Betracht kommen, spielen sie für die Bestimmung des „allgemeinen Veranlagungsschlusses“ keine Rolle. Der in diesem Kontext naheliegende Verteidigungseinwand, der Betroffene habe noch vor dem 31.12. des Folgejahres einen steuerlichen Berater beauftragen wollen, um bis dahin rechtzeitig eine Steuererklärung abgeben zu können, wird vielfach nicht geeignet sein, den Vorwurf einer (wenigstens) versuchten Steuerhinterziehung durch – formal – „echtes“ Unterlassen (§ 370 I Nr. 2, II AO)401 zuverlässig zu entkräften402. Fällt die Entdeckung der Tat, was eher unwahrscheinlich ist, in den kurzen Zeitraum zwischen dem 31.5. und dem 31.12. des Folgejahres, wird ein solcher Vortrag, der letztlich auf das Fehlen eines Tatentschlusses zur Steuerhinterziehung abzielt403, mit Blick auf die regelmäßig nicht unerhebliche Bearbeitungsdauer beim Steuerberater (zumal, wenn dieser ex nunc beauftragt werden soll) umso 399  Gleichlautende Erlasse der obersten Finanzbehörden des Bundes und der Länder über Steuererklärungsfristen, zuletzt v. 2.1.2014 für Steuererklärungen für das Kalenderjahr 2013 (BStBl.  I 2014, S. 64; grdlg. dazu Buse, wistra 1997, 173; Puhl, BLJ 2008, 129 [132 ff.]; Riehl, wistra 1996, 130 [131 f.] m. zahlr. weit. Nachw.; der bei Puhl a. a. O. dargestellte Meinungsstreit zum Verjährungsbeginn unter Berücksichtigung der BLE-Regelungen geht ins Leere, weil kein Anwendungsfall des von ihm zugrunde gelegten Zweifelsgrundsatzes vorliegt). Bei Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft, denen ein abweichendes Wirtschaftsjahr zugrunde liegt, ist die Abgabefrist sogar bis 31.5. des Zweitfolgejahres allgemein verlängert (Abschn.  II. I  2 BLE). 400  s. aber auch BFHE 201, 399 = DStRE 2003, 755 – Fristverlängerungsantrag eines Steuerberaters in Bezug auf dessen eigene Steuererklärung. Bei Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft mit abweichendem Wirtschaftsjahr gilt die Verlängerung bis 31.7. des Zweitfolgejahres (Abschn.  II. III  1 2. Alt. BLE). 401  s. dazu S. 298 ff. 402  Ähnl. Rolletschke, in: Rolletschke / Kemper, § 376 Rn. 22a, der hinsichtlich der Glaubhaftigkeit des Verteidigungseinwands zwischen „steuerlich geführten“ und „nicht geführten“ Betroffenen unterscheiden will; s. a. ders., Steuerstrafrecht, Rn. 473 ff.; ders., ZWH 2014, 129 (132); zu den strafrechtlichen Folgen der tatsächlich erfolgten Beauftragung eines steuerlichen Beraters in diesem Zeitraum s. S.  300 ff. 403  Dies scheint der BGH in der Entscheidung wistra 2013, 430 (431, Tz. 15) verkannt zu haben.



A. Veranlagungssteuern

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unglaubhafter, je näher die Tatentdeckung an den 31.12. gerückt ist. Denn es ist allgemein bekannt, dass nur bei rechtzeitiger Beauftragung eines Steuerberaters (z. B. im Dauermandat) hinreichend sichergestellt werden kann, dass es bis spätestens 31.12. des Folgejahres tatsächlich zu einer Erklärungsabgabe kommt. Oder anders gewendet: Das Vorliegen eines bedingten Vorsatzes im Sinne von § 370 I Nr. 2, II AO (Hinterziehungsversuch) wird – indiziell – umso wahrscheinlicher, je näher der 31.12. des Folgejahres bereits gerückt ist. Letztlich hängt der Erfolg eines solchen Vorbringens aber stets von der tatrichterlichen Beweiswürdigung im Einzelfall ab. Dabei kann – nach Schweigepflichtentbindung – insbesondere die Kommunikation mit einem (früher) eventuell tatsächlich tätig gewordenen steuerlichen Berater relevant sein. Liegt die Tatentdeckung – wie im Regelfall – nach dem 31.12. des Folgejahres, steht der Erfolg eines derartigen Verteidigungseinwands erst recht in Frage, weil dann feststeht, dass der Betroffene entgegen seiner vorgeblichen Absicht keinen Steuerberater beauftragt hat. Ob die dafür (ggf.) angegebenen Gründe geeignet sind, den Verdacht eines Hinterziehungsversuchs auszuräumen, ist Tatfrage (§ 261 StPO). Gleiches gilt für die alternative bzw. zusätzliche Einlassung, man habe – mit oder ohne Steuerberater – beabsichtigt, (auch) noch individuelle Fristverlängerungsanträge gem. § 109 I 1 AO bzw. Abschn.  II. III  1 BLE zu stellen404.

(2) Spätester Zeitpunkt Zwar können sich die Veranlagungsarbeiten von zwei aufeinander folgenden Besteuerungszeiträumen durchaus überschneiden – sie tun dies in der Regel auch. Vor dem Hintergrund von § 149 II 1 AO bzw. Abschn.  II. I  1 BLE fällt das Gros der den jeweiligen Veranlagungszeitraum betreffenden Arbeiten aber naturgemäß erst ab bzw. nach dem 31.5. des Folgejahres an. Das hat umgekehrt zur Folge, dass die Finanzverwaltung stets bemüht ist, die Veranlagungsarbeiten eines Besteuerungszeitraums (z. B. 2012) spätestens bis zum 31.5. des Zweitfolgejahres (z. B. 2014) „allgemein“ abzuschließen. Denn vom Besteuerungszeitraum 2012 aus betrachtet, beginnen ab dem 31.5. / 1.6.2014 bereits die Veranlagungsarbeiten für den Besteuerungszeitraum 2013. Beispiel: Der Besteuerungszeitraum 2012 endete am 31.12.2012. Die Steuererklärungen für 2012 waren gemäß § 149 II 1 AO bis spätestens 31.5.2013, für steuer­ lich beratene Steuerpflichtige gem. Abschn. II. I 1 BLE bis spätestens 31.12.2013 und bei Individualfristverlängerungen bis spätestens 28.2.2014 einzureichen 404  Rolletschke, in: Rolletschke / Kemper, § 376 Rn. 22b hält dieses Vorbringen beim steuerlich – bis dahin – immer noch „nicht geführten“ Täter gar für aussichtlos; s. dazu auch Ceffinato, wistra 2014, 88 (90: „Täter [hat] nach seiner allein maßgeblichen Vorstellung keine sichere Erfolgsabwendungsmöglichkeit mehr“); abw. Guntermann, PStR 2014, 212 (214 f.) unter Hinweis auf die Möglichkeit einer (ggf. von Amts wegen zu gewährenden) rückwirkenden Individualfristverlängerung (zw.).

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3. Teil: Der Verjährungsbeginn bei § 370 AO

(Abschn.  II. III  1 BLE). In der Zeit davor kann, wie bereits dargestellt, nicht von einem „allgemeinen“ Veranlagungsschluss ausgegangen werden. Der nachfolgende Besteuerungszeitraum 2013 endete am 31.12.2013. Die Steuererklärungen für 2013 waren grundsätzlich bis spätestens 31.5.2014 abzugeben, mit der Folge, dass das Gros der Veranlagungsarbeiten 2013 ab dem 31.5. / 1.6.2014 beginnt. Spätestens zu diesem Zeitpunkt müssen die Veranlagungsarbeiten für 2012 größtenteils – d. h. „allgemein“ – abgeschlossen sein, da der Besteuerungszeitraum 2012 dann faktisch in den Hintergrund tritt und der Besteuerungszeitraum 2013 in den Fokus der Aufmerksamkeit rückt.

(3) Fazit Daraus ergibt sich, dass der „allgemeine Veranlagungsschluss“ regelmäßig im (engen) Zeitraum zwischen dem 1.3. und dem 31.5. des Zweitfolgejahres liegen wird. Oder im Sinne der Programmatik der „Annährungsmethode“ etwas absoluter ausgedrückt: Der „allgemeine Veranlagungsschluss“ wird im Regelfall nicht zu einem Zeitpunkt vor dem 1.3. des Zweitfolgejahres angenommen werden können405.

Dies wird auch durch die empirischen Befunde aus der Befragung der Landesfinanzministerien bestätigt. Aus den sehr detaillierten Antworten der Bundesländer Bremen und Sachsen-Anhalt lässt sich außerdem ableiten, dass häufig zuerst die Veranlagungsarbeiten für die Einkommensteuer allgemein abgeschlossen sind, worauf die Körperschaftsteuer und dann – zuletzt – die Gewerbesteuer folgt. Aber auch das ist nur ein grober Richt- bzw. Erfahrungswert.

IV. Versuchtes („echtes“) Unterlassungsdelikt (§ 370 I Nr. 2, II AO) Wie schon beim versuchten Begehungsdelikt (§ 370 I Nr. 1, II AO), besteht auch beim Versuch des – formal – „echten“ Unterlassungsdelikts durchweg Einigkeit darüber, dass die Verfolgungsverjährungsfrist zeitgleich mit dem Einsetzen der Versuchsstrafbarkeit (i. e. „Vollendung“ des versuchten Delikts) zu laufen beginnt – kurzum: auch der Hinterziehungsversuch durch Unterlassen (§ 370 I Nr. 2, II AO) ist gleichzeitig voll- und beendet406. 405  Ähnl., jedoch sogar noch weitergehend Aue, PStR 2010, 207 („im Bereich von 18 bis 24 Monaten nach Beendigung des VZ“); dto. Wulf, Stbg 2008, 445 (446: „1 ½-1 ¾ Jahre nach Ende des Veranlagungsjahres“); s. a. Schott, PStR 2014, 25 (26: „etwa Anfang Juni des übernächsten Jahres … aber immer unter 24  Monate“). 406  Vgl. nur Rolletschke, in: Rolletschke / Kemper, § 376 Rn. 21, 22.



A. Veranlagungssteuern

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Diese zutreffende Annahme wird – sofern in Rechtsprechung und Literatur überhaupt thematisiert – allenfalls als Faktum so mitgeteilt, ohne dass dies, soweit ersichtlich, bisher jemals hinterfragt bzw. positiv begründet worden wäre. Das soll hier in der gebotenen Kürze nachgeholt werden: Die Tatbeendigung setzt nach der hier bereits mehrfach applizierten, auch für den Hinterziehungsversuch beim „echten“ Unterlassungsdelikt nicht zu modifizierenden Allgemeinformel voraus, dass das Tatunrecht seinen tatsächlichen Abschluss gefunden hat407. Dies ist hier bereits mit dem Eintritt in das Versuchsstadium der Fall (i. e. Verstreichenlassen der Abgabefrist, s. u.), weil die damit einhergehende Gefährdung des Steueranspruchs auf der Versuchsebene (Tatentschluss und unmittelbares Ansetzen) von da ab nicht mehr weiter zu vertiefen ist – auch nicht durch das „bloße“ Fortdauern des Versuchsstadiums408. Aus diesem Grund kann insbesondere die sich anschließende Tatvollendung (i. e. Bekanntgabe eines „zu niedrigen“ Schätzbescheids oder „allgemeiner Veranlagungsschluss“, s. o.) nicht mit der Versuchsbeendigung gleichgesetzt werden. Dieser Zeitpunkt wäre zu spät gewählt, weil das Versuchsunrecht (nicht: die Deliktsbegehung als solche) bereits zuvor mit dem Ablauf der Abgabefrist seinen vollen Umfang erreicht hat. 1. Versuchsbeginn Umstritten ist indes, ab wann bei der Steuerhinterziehung in der – formal – „echten“ Unterlassungsvariante von einem Versuchsbeginn ausgegangen werden kann. Keinesfalls in Betracht kommt auch hier der 1.1. des auf den jeweiligen Veranlagungszeitraum folgenden Kalenderjahres. Denn ein Abstellen auf diesen denkbar frühesten Zeitpunkt (der Erfolgsabwendung) liefe offensichtlich § 149 II 1 AO zuwider. Damit ist bereits an dieser Stelle festzustellen: Egal, ob es sich um eine Veranlagungssteuer mit oder ohne periodisch wiederkehrendes Veranlagungsverfahren handelt – das pflichtwidrige Verstreichenlassen der für den Täter jeweils maßgeblichen gesetzlichen oder allgemein bzw. individuell verlängerten Abgabefrist stellt den ersten und einzig ernsthaft in Erwägung zu ziehenden Anknüpfungspunkt für den Versuchs- und Verjährungsbeginn dar409. Dies wird in der Literatur vereinzelt in Zweifel gezogen: So meint nicht zuletzt Joecks, der Unterlassungsversuch sei erst dann beendet, „wenn sich 407  s.

S. 97. anderes ergibt sich auch nicht aus den Ausführungen in Fn. 217, weil in der dort diskutierten Konstellation bereits der Taterfolg eingetreten ist. 409  H. M., vgl. statt vieler Jäger, in: Klein, § 370 Rn. 195 m. w. N. 408  Etwas

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3. Teil: Der Verjährungsbeginn bei § 370 AO

der Zeitlauf dem Zeitpunkt genähert … [habe], in dem die Veranlagungsarbeiten im großen und ganzen … abgeschlossen sind“, was vor dem Hintergrund der Regelungen der BLE (s. o.) erst kurz vor dem 31.12. des Folgejahres der Fall sei410. Die Notwendigkeit, auf diesen für eine Erfolgsabwendung „spätest“ denkbaren Zeitpunkt abzustellen, begründet Joecks damit, dass der Versuch des Unterlassungsdelikts erst dann beginnen könne, wenn das weitere Untätigbleiben des Steuerpflichtigen die Gefahr für den Steueranspruch erhöht habe. Dies sei erst dann der Fall, wenn die Gefahr bestehe, dass die Veranlagungsarbeiten „im Großen und Ganzen“ abgeschlossen werden, bevor die Steuererklärung eingereicht worden ist. Dem kann nicht gefolgt werden. Das liegt nicht nur daran, dass der von Joecks vorgeschlagene Beendigungszeitpunkt für den Unterlassungsversuch denkbar unpräzise und damit unpraktikabel ist. Entscheidend ist vielmehr Folgendes: Wie bereits eingangs dargestellt, tritt die für den Versuchsbeginn maßgebliche und – nicht zu vergessen – hier in erster Linie aufgrund der Tätervorstellung (Tatentschluss) zu beurteilende Gefährdung des Steueranspruchs bereits dann mit ihrem vollen Potential ein, wenn der Täter die für ihn maßgebliche Abgabefrist mit wenigstens bedingtem Hinterziehungsvorsatz bewusst verstreichen lässt. Der Fortschritt der Veranlagungsarbeiten bis kurz vor dem „allgemeinen Veranlagungsschluss“ steigert diese mit dem Fristablauf (unmittelbares Ansetzen) begründete Gefahr des Erfolgseintritts in der Folge nicht weiter. Das bloße Näherrücken des Vollendungszeitpunkts, worauf Joecks im Grunde abstellt, ist eine für den von Anfang an zur Tatbegehung entschlossenen Täter der Sache nach nur noch eine unwesentliche zeitliche Komponente, die die bereits von Beginn an voll ausgeprägte Hinterziehungsgefahr als solche unberührt lässt. Lediglich der Moment ihrer Realisierung rückt immer näher. 2. Exkurs: Beauftragung eines steuerlichen Beraters im „BLE-Zeitraum“ Beauftragt der Unterlassungstäter in dem von Abschn. II. II 1 BLE statuierten verlängerten Abgabezeitraum, d. h. nach Ablauf des 31.5. und vor dem 31.12. des Folgejahres (hier sog. BLE-Zeitraum), tatsächlich einen steuerlichen Berater, stellt sich die Frage, welche Folgen das für seine Strafbarkeit wegen versuchter Steuerhinterziehung hat. Dies betrifft in erster Linie den Fall, dass ein bisher steuerlich nicht beratener Täter im vorgenannten Zeitraum zum ersten Mal einen Steuerberater 410  Joecks, in: Franzen / Gast / Joecks, § 370 Rn. 263a, 263c; ebenso zuletzt Aue, PStR 2010, 207 (208).



A. Veranlagungssteuern301

mandatiert. Denn nach hier und u. a. jüngst auch vom BGH411 vertretener Auffassung steht fest, dass (1) Abschn. II. I 1 BLE nicht eingreift, wenn der Steuerpflichtige überhaupt keinen steuerlichen Berater beauftragt hat412, und – umgekehrt – dass (2) die verlängerte Abgabefrist uneingeschränkt zu beachten ist, wenn ein (ungekündigtes413 Dauer-) Beratungsverhältnis vorliegt414. Unabhängig davon, wie glaubhaft im Fall (2) eine entsprechende Absichtsbekundung im Einzelfall auch sein mag415 – wenn tatsächlich entsprechende Fakten geschaffen wurden, käme es in Betracht, in der Steuerberaterbeauftragung zwischen dem 31.5. und dem 31.12. des Folgejahres gegebenenfalls einen Rücktritt vom Hinterziehungsversuch (§ 24 StGB) zu sehen. Das würde einerseits voraussetzen, dass der Unterlassungstäter den Abgabetermin mit zumindest bedingtem Steuerhinterziehungsvorsatz hat verstreichen lassen. War dies (nachweislich) der Fall und hat er sich zwischenzeitlich noch vor dem 31.12. in Richtung „Erklärungsabgabe“ umentschieden, könnte man auf den ersten Blick erwägen, die nachträgliche Beraterkonsultation unter § 24 I 1 StGB zu subsumieren. Dies ginge jedoch fehl, weil diese Konsultation alleine beim Unterlassungsdelikt noch nicht zur Straffreiheit führen kann. Stattdessen ist anerkannt, dass die Rücktrittsleistung hier in der pflichtgemäßen Abgabe der versäumten Erklärung liegt; eine Unterscheidung zwischen beendetem und unbeendetem Versuch wie beim versuchten Begehungsdelikt wird in derartigen Konstellationen nicht vorgenommen, vielmehr ist stets § 24 I 1 2. Alt. StGB zur Anwendung zu bringen416. Im Ergebnis kann die Beauftragung eines Steuerberaters im „BLE-Zeitraum“ daher nur dann zur Straffreiheit führen, wenn es dem Unterlassungstäter zusätzlich gelingt, die bislang verabsäumte Steuererklärung entweder vor dem 31.12. vom Steuerberater anfertigen zu lassen und abzugeben oder mittels begründetem Einzelantrag (Abschn. II. III 1 BLE) eine weitergehende individuelle Abgabefristverlängerung zu erreichen und die Steuererklärung dann nach deren Maßgabe fristgerecht von (s)einem Berater anfertigen zu lassen und einzureichen. Die Beauftragung des Beraters als solche führt 411  BGH,

wistra 2013, 430 (431, Tz. 14) m. w. N. etwa Ceffinato, wistra 2014, 88 (90 f.) m. w. N. 413  Dazu jüngst BGH, wistra 2013, 430 (431 f.) – kein unmittelbares Ansetzen zum Hinterziehungsversuch durch Kündigung des Steuerberatermandats. 414  s. Schmitz, wistra 1993, 249 (252) zu weiteren Fallgruppen, die in praxi im Wege tatrichterlicher Beweiswürdigung (§ 261 StPO) zu lösen sind. 415  s. S. 296 f. 416  Vgl. Fischer, § 24 Rn. 5 m. w. N. Das gilt – selbstredend – für die strafbefreiende Selbstanzeige entsprechend. 412  Abw.

302

3. Teil: Der Verjährungsbeginn bei § 370 AO

für sich gesehen dagegen zu keinerlei unmittelbar strafrechtsrelevanten Auswirkungen. Das alles ist (nur) deshalb möglich, weil die koordinierten Bund-LänderErlasse (bewusst?) keine Aussage dazu treffen, wann der steuerliche Berater beauftragt worden sein muss, sondern ausschließlich darauf abstellen, dass die – rechtzeitig abgegebene – Steuererklärung von diesem „angefertigt“ wurde417. Dagegen ist freilich nichts zu erinnern. Insbesondere geht der Einwand fehl, dass auf diese Weise die in § 149 II 1 AO gesetzlich festgelegte Abgabefrist bedeutungslos würde418. Vielmehr ist es so, dass § 109 I AO die Finanzverwaltung gerade dazu berechtigt und verpflichtet, Ausnahmen von § 149 II 1 AO zuzulassen. Dies kann auch in generalisierender Form für häufig wiederkehrende identische Fallkonstellationen erfolgen. Dementsprechend sind die Bund-Länder-Erlasse, welche in erster Linie eine sachgerechte Steuerberatung durch Schaffung ausreichender zeitlicher Spielräume gewährleisten sollen419, auch von der Finanzrechtsprechung ausdrücklich gebilligt worden420. Und auch auf Ebene des Steuerstrafrechts führt dies nicht dazu, dass die Nichtabgabe einer Steuererklärung durch den (bedingt) hinterziehungswilligen Täter am 31.5. des Folgejahres faktisch „nie pflichtwidrig“ wäre und dieses Datum damit auch „nie den Versuchsbeginn der Steuerhinterziehung“421 markieren könnte. Denn ein eventueller Rücktritt vom Versuch würde an der Pflichtwidrigkeit des Vorverhaltens nichts ändern, sondern den Täter lediglich „auf der Rechtsfolgenseite“ von einer strafrechtlichen Sanktionierung freistellen. Dasselbe gilt für die Selbstanzeige (§ 371 AO). Alle anderen (faktischen) Auswirkungen der BLE hängen, wie bereits gezeigt, von der tatrichterlichen Beweiswürdigung im Einzelfall ab. Entscheidend ist danach ohnehin stets der im Subjektiven liegende und daher nur anhand äußerer Umstände (Indizien) erschließbare Umfang des Tatentschlusses des erklärungssäumigen Täters.

417  A. A. v. Briel, in: v.  Briel / Ehlscheid, § 1 Rn. 78; Grötsch, in: Wannemacher, Rn. 825, 850 (jew.: Berater muss bereits am 31.5. des Folgejahres beauftragt sein [ohne nähere Begr.]). 418  So aber Grötsch, in: Wannemacher, Rn. 825. 419  Vgl. BGH, wistra 2013, 430 (431, Tz. 14); Buse, wistra 1997, 173; Ceffinato, wistra 2014, 88 (90). 420  Vgl. FG Münster, EFG 2000, 103 (104 f.); BFH, Beschl. v. 14.6.2000, X  B 129 / 99 = BeckRS 2000, 25004932; BFHE 192, 32 (40 ff.) = DStRE 2000, 1056 (1059). 421  Schmitz, wistra 1993, 248 (253); dem zust. OLG Hamm, DStRE 2002, 1095 (1096).



A. Veranlagungssteuern303

V. Nichtverwendung von Tabaksteuerbanderolen (§ 370 I Nr. 3 AO) Das in § 370 I Nr. 3 AO normierte Sonderdelikt422 führt in der Praxis nach wie vor ein Schattendasein423. Dies liegt zum einen daran, dass die Vorschrift heute nur noch die Nichtverwendung von Tabaksteuerbanderolen erfasst424 und ihre Anwendung damit allenfalls in Fällen des „Ziga­retten­ schmuggels“425 in Betracht zu ziehen ist. Zum anderen wird in der prak­ tischen Fallbearbeitung selbst in derartigen Konstellationen nahezu ausschließlich auf den tabaksteuerspezifischen Nichtabgabefall – und damit auf eine Strafbarkeit nach § 370 I Nr. 2 AO – abgestellt. Weshalb das so ist, ist weitestgehend unklar. Vor diesem Hintergrund und nicht zuletzt auch deshalb, weil es sich bei der Tabaksteuer um ein „Zwitterwesen“426 zwischen Veranlagungs- und Fälligkeitssteuer handelt, erscheint es naheliegend den Verjährungsbeginn bei § 370 I Nr. 3 AO bereits an dieser Stelle (d. h. bei den Veranlagungssteuern) zu behandeln. Im Fall des § 370 I Nr. 3 AO knüpft die Strafbarkeit unmittelbar an die in § 17 I, II TabStG normierten Verwendungspflichten an, die sich an den „Hersteller“ und den „Einführer“ richten. Letzteres meint (nur) solche Personen, die die „Schmuggelzigaretten“ aus einem Drittland in das Zollgebiet der Europäischen Union einführen (Nichtgemeinschafts- / -unions­ware). Befanden sich die Zigaretten bereits im steuerrechtlich freien Verkehr eines Mitgliedsstaats und werden diese im Anschluss „nur“ in das deutsche Steuergebiet verbracht (Transitfall), betrifft der Pflichtenkatalog in § 17 TabStG zwar nicht direkt den „Verbringer“. Dies führt jedoch nicht dazu, dass sich dieser nicht auch gemäß § 370 I Nr. 3 AO strafbar machen kann. Denn zum einen ist es denkbar, dass der „Verbringer“ mit dem „Hersteller“ bzw. „Einführer“ personenidentisch ist oder in dessen Auftrag handelt (dann wird regelmäßig § 27 StGB eingreifen). Zum anderen darf die Tatbestandsumschreibung der pflichtwidrigen Nichtverwendung von Steuerzeichen in § 370 I Nr. 3 AO nicht mit dem engeren Ver­wendungsbegriff des § 17 I TabStG gleichgesetzt werden427. Denn § 370 I Nr. 3 AO nimmt in Fällen der „Verbringungstabak422  Es

handelt sich zugleich um ein – formal – „echtes“ Unterlassungsdelikt. FG Düsseldorf, ZfZ 1996, 152 m. abl. Anm. Hampel, ZfZ 1996, 358. 424  Bis 1.1.1991 bzw. 1992 gab es daneben noch Börsenumsatz- und Wechselsteuermarken (vgl. Ransiek, in: Kohlmann, § 370 Rn. 360 m. w. N.). Von der in §§ 13, 22 RennwLottG vorgesehenen Möglichkeit, die Steuer auf Rennwetten und Lotterien durch Stempelzeichen zu entrichten ist, wurde bis dato kein Gebrauch gemacht. 425  Vgl. S.  58 ff. 426  Weidemann, wistra 2009, 174 (175). 427  Abw. Weidemann, wistra 2009, 174 (175) u. wistra 2012, 1 (6 f.) unter Berufung auf Hampel, ZfZ 1996, 358. Der angesichts fehlender Bezugsmöglichkeiten 423  Bsp.:

304

3. Teil: Der Verjährungsbeginn bei § 370 AO

steuer“ auch § 23 I 1 TabStG in Bezug. Aus dieser Vorschrift ergibt sich in Verbindung mit der dort erfolgten Verweisung auf § 17 I 3 TabStG, dass nur solche Zigaretten nach Deutschland in den freien Verkehr überführt werden dürfen, auf deren Kleinverkaufspackung eine deutsche Tabaksteuerbanderole angebracht ist428. Leistet der „Verbringer“ dem keine Folge, liegt danach auch in Bezug auf diesen eine im Sinne von § 370 I Nr. 3 AO pflichtwidrige Nichtverwendung von Steuerzeichen vor, die nach richtiger Auffassung tateinheitlich (§ 52 I StGB) neben das bereits beschriebene Vergehen gemäß § 370 I Nr. 2 AO i. V. m. § 23 I 3 TabStG tritt429. Da § 370 I Nr. 3 AO im Vergleich dazu allerdings keinen weitergehenden Schuldvorwurf zu begründen vermag, sondern die Strafbarkeit nur an einen anderen steuerrechtlichen Gesichtspunkt koppelt430, wird der Tatbestand in der Praxis – sofern er überhaupt als einschlägig erkannt wird – regelmäßig noch vor Anklageerhebung gemäß § 154a I StPO von der Verfolgung ausgenommen. Das kann sich aus Sicht der Strafverfolgungsbehörden je nach Beweislage und Verteidigungsvorbringen im Einzelfall als „ungeschickt“ erweisen: So wird sich beispielsweise die Behauptung, man habe beim Verbringen der Zigaretten nach Deutschland zwar gewusst, dass auf den Schachteln keine deutschen Steuerbanderolen angebracht sind, aber darauf vertraut, dass ein Dritter die erforderliche Tabaksteuererklärung beim Hauptzollamt abgeben werde, vielfach eher unter § 370 I Nr. 3 AO als unter § 370 I Nr. 2 AO subsumieren lassen.

des „Verbringers“ erhobene Unmöglichkeitseinwand verfängt nicht, da dieser die Banderolen nicht selbst bezogen haben muss und – falls der Bezug misslingt – die Überführung unversteuerter Zigaretten in der freien Verkehr der BRD schlicht zu unterlassen hat (vgl. § 17 I 3 TabStG; diff. Ransiek, in: Kohlmann, § 370 Rn. 362). 428  Entsprechendes gilt bei der „Einfuhrtabaksteuer“, denn die Gestellungspflicht aus § 21 III 1 TabStG i. V. m. Art. 40 ZK bzw. künftig (s. 1.  Teil, Fn. 145) Art. 139 UZK wird nur virulent, wenn keine Steuerzeichen verwendet worden sind (s. u.). Der dagegen vorgebrachte Einwand Weidemanns (in: wistra 2009, 174 [175]), wonach der „Einführer“ die Wahl habe, ob er die Steuer mittels Steuerzeichen oder erst später nach Gestellung und Festsetzung durch den Zoll entrichtet, geht bereits deshalb fehl, weil in diesem Fällen in praxi regelmäßig ein globaler Hinterziehungsvorsatz gegeben sein wird. 429  Vgl. Jäger, in: Franzen / Gast / Joecks, § 370 Rn. 225b; ders., in: Amelung FS, S. 447 (465 ff., 468); Middendorp, ZfZ 2011, 197 (204 f.); Ransiek, in: Kohlmann, § 370 Rn. 362. 430  Vgl. Allgayer / Sackreuther, PStR 2009, 44 (46 f.: „ohne wesentliche praktische Bedeutung“ wegen „ ‚wirtschaftlicher Identität‘ des jeweils verursachten Schadens“); a. A. Hampel, ZfZ 1996, 358 (subsidiärer „Auffangtatbestand“ [zw.]).



A. Veranlagungssteuern305

1. Vollendetes Sonderdelikt Betrachtet man das Sonderdelikt in § 370 I Nr. 3 AO isoliert, ist festzustellen, dass Vollendung und Beendigung in Fällen des „Zigarettenschmuggels“ mit der die Entstehung der Tabaksteuer auslösenden Handlung zusammenfallen. Dies hat zur Folge, dass die Verjährungsfrist zu einem sehr frühen Zeitpunkt zu laufen beginnt. Wann genau hiervon auszugehen ist, richtet sich im „Verbringungsfall“ nach §§ 23 I, 17 I TabStG. Danach ist die Tat in Bezug auf die Person des „Verbringers“ im Zeitpunkt des Grenzübertritts nach Deutschland mit den nicht mit Tabaksteuerbanderolen versehenen Zigarettenschachteln voll- und beendet (§ 23 I 1 TabStG: „Werden Tabakwaren … in das Steuergebiet verbracht“; Hervorh. v. hier)431. Denn das Tatunrecht kann unter dem Gesichtspunkt von § 370 I Nr. 3 AO i. V. m. §§ 23 I 1, 17 I 3 TabStG nicht mehr weiter vertieft werden und hat damit insofern zugleich seinen tatsächlichen Abschluss erreicht. Dasselbe gilt im „Einfuhrfall“, für den die §§ 21 I 1, 19 I Nr. 1 TabStG auf den „Eingang von Tabakwaren aus Drittländern … in das Steuergebiet“ (Hervorh. v. hier) abstellen. Einer gesonderten Verweisung auf § 17 I 3 TabStG bedurfte es dabei nicht, weil diese Vorschrift den „Einführer“ unmittelbar erfasst. 2. Exkurs: Verjährungsbeginn bei von § 370 I Nr. 2 AO erfassten Tabaksteuerhinterziehungen Da bei der Verfolgung des „Zigarettenschmuggels“ regelmäßig nicht die Strafbarkeit gemäß § 370 I Nr. 3 AO, sondern (nur) diejenige nach § 370 I Nr. 2 AO im Vordergrund steht, liegt es nahe, die „Verbringungs-“ und die „Einfuhr-Konstellation“ auch unter diesem Gesichtspunkt näher zu beleuchten, um sodann den Verjährungsbeginn bei beiden Straftatbeständen vergleichen zu können. Zur Rekapitulation: Im „Verbringungsfall“ werden Tabakwaren aus dem steuerrechtlich freien Verkehr eines EU-Mitgliedsstaats in die BRD verbracht, ohne dass an den Kleinverkaufspackungen deutsche Steuerzeichen angebracht sind. In diesem Fall muss gemäß § 23 I 3 TabStG nach deren Verbringen in das deutsche Steuergebiet „unverzüglich“ eine entsprechende Steuererklärung bei dem nächst gelegenen Hauptzollamt432 abgegeben werden. Geschieht das nicht, steht ein Vergehen nach § 370 I Nr. 2 AO im Raum. 431  Vgl. Fischer, § 22 Rn. 16 m. w. N.; erg. BFH, BFH / NV 2013, 1131 m. Bespr. Wegner, PStR 2013, 175. 432  Das richtet sich nach §§ 16, 17, 23 AO, § 12 II FVG.

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3. Teil: Der Verjährungsbeginn bei § 370 AO

Auch hier gilt für den „Einfuhrfall“ Entsprechendes: Werden Zigaretten aus einem Drittland ins Bundesgebiet eingeführt, verweist § 21 II 1 Nr. 1 TabStG433 für die Person des Steuerschuldners (deklaratorisch) auf die Zollvorschriften. Danach hat gemäß Art. 40 ZK434 eine Gestellung der Nichtgemeinschafts- / -unionsware bei den Zollbehörden zu erfolgen, die die Tabaksteuer dann unmittelbar vor Ort festsetzen (Art. 144 ZK435). Dabei geht § 21 III 1 TabStG im Grundsatz davon aus, dass die Tabaksteuer nach der Vorgabe in § 17 I 3 TabStG bereits durch die Verwendung von Steuerzeichen entrichtet worden ist. Die „Gestellung“ ist in Art. 4 Nr. 19 ZK436 als „Mitteilung an die Zollbehörden in der vorgeschriebenen Form, daß sich die Waren bei der Zollstelle oder an einem anderen von den Zollbehörden bezeichneten oder zugelassenen Ort befinden“ legaldefiniert. Unter den Vorzeichen des § 370 I Nr. 2 AO entspricht dies der bewusst unterlassenen Abgabe der Tabaksteuererklärung im „Verbringungsfall“. Denn die „Gestellungspflicht betrifft alle Waren, auch versteckte / verheimlichte“437. Konsequenterweise bestimmt dann auch § 8 S. 2 ZollV, dass die ordnungsgemäße Gestellung „versteckter oder durch besonders angebrachte Vorrichtungen verheimlichter Waren … einer ausdrück­lichen Mitteilung“ bedarf438. Mit Blick auf die Tatbeendigung und den Beginn der Strafverfolgungsverjährung bedeutet dies Folgendes: Im „Verbringungsfall“ ist ein Vergehen nach § 370 I Nr. 2 AO, anders als bei der idealkonkurrierenden Tatvariante in § 370 I Nr. 3 AO, nicht schon dann beendet, wenn die Ware die bundesdeutsche Staatsgrenze überschritten hat. Wie bei anderen „nicht periodischen“ Veranlagungssteuern, kann vielmehr erst dann von einer Tatbeendigung ausgegangen werden, wenn die Frist zur Abgabe der Steuererklärung abgelaufen ist (Versuchsbeginn) und der Tabaksteuerbescheid im regelmäßigen Geschäftsgang hypothetisch bekanntgegeben worden wäre (Vollendung / Beendigung). Letzteres geschieht in der Regel noch am selben Tag gleich vor Ort. Eine Frist zur Abgabe der Steuererklärung hat der Gesetzgeber hier in Gestalt des vergleichsweise unscharfen Merkmals „unverzüglich“ statuiert. Wie die § 121 I 1 BGB zu entnehmende, auf das Steuerstrafrecht uneingeschränkt übertragbare439 Legaldefinition „ohne schuldhaftes Zögern“ nahe legt, kann hiernach zwischen der Realhandlung des Verbringens und der 433  Dasselbe

bestimmt § 21 II 1.  Hs. UStG für die Einfuhrumsatzsteuer. (s. 1.  Teil, Fn. 145): Art. 139 UZK. 435  Künftig (s. 1.  Teil, Fn. 145): Art. 101 I UZK. 436  Künftig (s. 1.  Teil, Fn. 145): Art. 5 Nr. 33 UZK. 437  Kampf, in: Witte, Art. 40 Rn. 2a (Hervorh. v. hier); s. dort auch Rn. 4. 438  Erg. BFHE 207, 81 = DStRE 2004, 1490. 439  Vgl. nur BGHSt 53, 210 (214) = NJW 2009, 1984 (1985) zu § 153 AO. 434  Künftig



A. Veranlagungssteuern307

durch die Kategorie individueller Vertretbarkeit („schuldhaft“) – auch – mit normativen Elementen angereicherten Pflicht zur Abgabe einer Steuererklärung durchaus ein verjährungsrelevanter Zeitraum liegen440. Beispiel: Grenzübertritt am 2.6.2008 um 23.00 Uhr. Abgabe der Steuererklärung „ohne schuldhaftes Zögern“ – hypothetisch – möglich bis spätestens 3.6.2008, 06.00  Uhr (ggf. auch später, z. B. mit Blick auf § 3  I ZollVG oder wegen akuter Krankheit des „Verbringers“); fiktive Bekanntgabe im üblichen Geschäftsgang: 3.6.2008, 12.00 Uhr. Folge: Ablauf der Regelverjährungsfrist für § 370 I Nr. 2 AO am 2.6.2013, 24.00  Uhr (nicht, wie bei § 370 I Nr. 3 AO, am 1.6.2013, 24.00 Uhr, weil es hier gerade nicht auf den Zeitpunkt des Grenzübertritts ankommt).

Im „Einfuhrfall“ ist dies grundsätzlich nicht anders, jedoch im zeitlichen Ablauf etwas „enger“ ausgestaltet: Denn die Gestellungspflicht greift hier unmittelbar (nicht „nur“ unverzüglich) nach dem Grenzübertritt (Art. 40 S. 1 1. Hs. ZK: „beim Eingang in das Zollgebiet der Gemeinschaft“441), was in den meisten Fällen aber faktisch keinen Unterschied macht. Dies hat zur Folge, dass die Steuerstraftat nach § 370 I Nr. 2 AO im „Einfuhrfall“ beendet ist, wenn die Gestellung nicht direkt nach dem Grenzübertritt erfolgt, wobei aber auch hier bei der Bestimmung des Verjährungsbeginns zusätzlich die fiktive Zeitdauer bis zur Erstellung und Bekanntgabe des Tabaksteuerbescheids im üblichen Geschäftsgang hinzuzurechnen ist. Das kann, wie das nachfolgende Beispiel zeigt, vor allem bei einem Überschreiten der 24.00 Uhr / 0.00 Uhr-Grenze bedeutsam werden. Beispiel: Grenzübertritt (EU-Außengrenze) mit Gestellungspflicht am 2.6.2008 um 23.00  Uhr. Hypothetische Bekanntgabe des Tabaksteuerbescheids im üblichen Geschäftsgang unter Berücksichtung der Bearbeitungsdauer nach Gestellung: 3.6.2008, 08.00 Uhr. Folge: Ablauf der regelmäßigen Verjährungsfrist für § 370 I Nr. 2 AO – ebenfalls – am 2.6.2013, 24.00 Uhr, und nicht schon am 1.6.2013, 24.00  Uhr wie im Fall des § 370 I Nr. 3 AO.

Da der „Einführer“ nach Maßgabe von Art. 38 ZK442 verpflichtet ist, die EU-Außengrenze an einer Stelle zu überschreiten, an der eine Gestellungsmöglichkeit besteht (Zollanmeldestelle), ergeben sich in Fällen, in denen die Grenze auf Schleichwegen überquert wird („grüne Grenze“), keinerlei Ab440  So auch Weidemann, wistra 2012, 1 (6: „ ‚Unverzüglich‘ heißt nicht ‚sofort‘.“). Unklar dagegen BGH, NStZ 2008, 409 (411), wonach eine Tabaksteuerverkürzung bereits dadurch bewirkt worden sein soll, dass für die Zigaretten „nicht sofort nach dem Verbringen eine Steuererklärung abgegeben“ wurde (Hervorh. v. hier; insoweit mit Recht krit. Weidemann, wistra 2009, 174 [175]). Anders noch BGH, NStZ 2007, 590 (592: „unverzüglich nach … Verbringen in das Steuergebiet der BR Deutschland“; Hervorh. v. hier). 441  Hervorh. v. hier; Art. 139 I UZK: „bei ihrer Ankunft“. 442  Künftig (s. 1.  Teil, Fn. 145): Art. 135 UZK.

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3. Teil: Der Verjährungsbeginn bei § 370 AO

weichungen; ein derart pflichtwidriges Verhalten ist verjährungsrechtlich nicht berücksichtigungsfähig443. Für das Zusammentreffen von Straftaten gemäß § 370 I Nr. 2 und 3 AO bedeutet dies, dass für beide Tatbestände unterschiedliche Verjährungsfristen laufen können, wenn bzw. solange nicht eine einheitliche Unterbrechungshandlung vorgenommen worden ist. Dabei lässt sich aus obigen Beispielen ableiten, dass die Verjährungsfrist von Vergehen nach § 370 I Nr. 3 AO in der Regel vor derjenigen nach § 370 I Nr. 2 AO zu laufen beginnt. Dagegen kann für den Verjährungsbeginn hier weder im „Verbringungs-“ noch im „Einfuhrfall“ auf das „Zur-Ruhe-Kommen“ der „Schmuggelware“ an ihrem endgültigen Bestimmungsort abgestellt werden444. 3. Versuchtes Sonderdelikt Auch beim Versuch der Tabaksteuerhinterziehung (§ 370 I Nr. 3, II AO) liegt bereits mit dem Übertritt von der Vorbereitungsphase in das Versuchsstadium eine den Beginn des Laufs der diesbezüglichen Verjährungsfrist auslösende Tatbeendigung vor. Ab wann genau das Versuchsstadium erreicht ist, richtet sich danach, zu welchem Zeitpunkt der Täter nach seiner Vorstellung von der Tat zu der die Tabaksteuerentstehung auslösenden Handlung „unmittelbar“ im Sinne von § 22 StGB ansetzt. Davon ist bei einem Täter, der von Beginn an weder vorhat, Steuerbanderolen auf den Zigarettenschachteln anzubringen noch eine Steuererklärung abzugeben bzw. die Tabakwaren zu gestellen, spätestens mit dem (Beginn des) Grenzübertritt(s) auszugehen445. Das gilt unabhängig davon, ob Zigaretten aus dem steuerrechtlich freien Verkehr eines anderen Mitgliedsstaats in das Bundesgebiet verbracht werden (Transitfall) oder eine Einfuhr von Nichtgemeinschafts- / -unionsware vorliegt. Mit Blick auf die – soeben im Rahmen eines Exkurses behandelte – Tat nach § 370 I Nr. 2 AO ist in der Versuchsvariante zu beachten, dass das Versuchsstadium auch hier (d. h. im Fall des § 370 I Nr. 3, II AO) erst mit dem Ablauf der jeweiligen Steuererklärungsfrist beginnt. Davon kann im (insoweit etwas unscharf konturierten) „Verbringungsfall“ erst nach Verstreichenlassen der einzelfallbezogen festzustellenden „Unverzüglichkeits443  s. dazu BGH, NStZ 2007, 590 (591); Möller / Retemeyer, in: Bender / Möller /  Retemeyer, B  II Rn. 146 f., C  V Rn. 886 ff.; Weidemann, wistra 2009 174 (175 f.). 444  Str., s. S. 354 ff. 445  Vgl. Fischer, § 22 Rn. 15; erg. Möller / Retemeyer, in: Bender / Möller / Retemeyer, C  V Rn. 879 ff.



A. Veranlagungssteuern

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phase“ ausgegangen werden446. Im „Einfuhrfall“ kommt es dagegen auf die mit dem Grenzübertritt zusammenfallende Nichtgestellung an. Zwischen dem Versuchsbeginn und der gleichzeitigen Vollendung und Beendigung der Tat liegt dort folglich nurmehr der – hypothetische – Zeitraum des üblichen Geschäftsgangs bis zur Bekanntgabe des Steuerbescheids.

VI. „Unechtes“ Unterlassungsdelikt (§ 370 I Nr. 1 AO i. V. m. § 13 I StGB) 1. Mögliche / notwendige Konstruktion? Vor dem Hintergrund der sorgsam austarierten tatbestandsmäßigen Struktur des § 370 I AO, der in Nr. 1 ein Begehungs- und in Nr. 2 und 3 zwei – formal – „echte“ Unterlassungsdelikte enthält, ist in der Literatur seit geraumer Zeit umstritten, ob auf die Begehungsvariante in § 370 I Nr. 1 AO zusätzlich noch die allgemeinstrafrechtliche Vorschrift des § 13 StGB angewendet werden kann. Die Befürworter447 dieser Möglichkeit berufen sich auf § 369 II AO sowie darauf, dass ohne die Anwendung von § 13 I StGB nicht hinnehmbare Strafbarkeitslücken entstünden448. Dem kann die Gegenauffassung, wie Wulf449 nachgewiesen hat, insbesondere die Normenhistorie des § 370 I Nr. 1 AO entgegen halten, wonach der Gesetzgeber mit § 370 I AO eine abschließende Regelung der Hinterziehungstatbestände vor Augen hatte450. Letzteres entkräftet vor allem das „§ 369 II AO-Argument“. Denn die darin enthaltene Globalverweisung steht ausdrücklich unter dem Vorbehalt „soweit die Strafvorschriften der Steuergesetze nichts anderes bestimmen“. Daraus folgt: Wenn nach dem gesetzgeberischen Willen davon auszugehen ist, dass § 370 I AO eine abschließende Regelung der Hinterziehungstatbestände beinhaltet, dann ist es just so, dass „Strafvorschriften der Steuergesetze“ – zu denen augenscheinlich auch § 370 AO zählt – etwas „anderes bestimmen“. 446  Ebenso

Weidemann, wistra 2009, 174 (175 f.); ders., wistra 2012, 1 (6). u. a. Joecks, in: Franzen / Gast / Joecks, § 370 Rn. 112 ff.; Harms, Stbg 2005, 12 (14). 448  Zusf. Wulf, Handeln und Unterlassen, S. 129 ff. (s. insbes. S. 130 zu dem bereits von Samson gebildeten, hier sog. Vater-Sohn-Fall [i. e. garantenpflichtiger Vater unterbindet Schmuggel seines minderjährigen Sohnes nicht durch Anzeige bei der Zollstelle], den auch Joecks [in: Franzen / Gast / Joecks, § 370 Rn. 109, 115] nach wie vor aufgreift). 449  In: Handeln und Unterlassen, S. 135 ff. 450  Vgl. Schmitz / Wulf, in: MüKo-StGB, § 370 AO Rn. 298 ff.; Wulf, Handeln und Unterlassen, S. 129 ff. (139 f.) erg. Rolletschke, in: Rolletschke / Kemper, § 370 Rn.  117 ff. m. w. N. 447  So

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3. Teil: Der Verjährungsbeginn bei § 370 AO

In der Strafverfolgungspraxis ist dieser Streit, soweit erkennbar, freilich noch nie fallentscheidend gewesen451. Auch in der jüngsten Entscheidung des BGH zum sog. Schwetzinger Goldkreis452 wird § 13 StGB in der thematisch durchaus einschlägigen „Fallgruppe I.2.a“ nicht einmal angesprochen – und zwar zu Recht, denn es handelt sich nach hier vertretener Auffassung letztlich um ein Scheinproblem: Im Kern geht es bei der Frage, ob § 13 I StGB auf § 370 I Nr. 1 AO angewendet werden kann, nämlich nur darum, ob der in § 370 I AO gesetzlich festgelegte Umfang der Strafbarkeit durch eine mit § 13 StGB begründete Erweiterung des strafbewehrten Pflichtenkreises ausgedehnt werden kann453. Dazu wäre der Rückgriff auf § 13 I StGB aber gar nicht nötig, wenn man das bereits in § 370 I Nr. 2 AO enthaltene Tatbestandsmerkmal „pflichtwidrig“ nur entsprechend weit auslegt, sodass auch die von § 13 I StGB erfassten, über den bisher geltenden steuerrechtlichen Pflichtenkreis hinaus gehenden Garantenpflichten, insbesondere aus pflichtwidrigem Vorverhalten (sog. Ingerenz), erfasst sind454. Der einzige, praktisch allerdings durchaus bedeutsame Unterschied besteht darin, dass § 13  II StGB die Möglichkeit einer Strafrahmenverschiebung nach § 49 I StGB vorsieht. Das 451  s. aber die nur im Leitsatz veröffentlichte Entscheidung OLG München, Beschl. v. 29.4.1983, 2  Ws 378 / 83  H, juris: „Wer bereits vor Eintritt eines Verlustes – unzutreffende – Verlustbescheinigungen ausstellt, ist wegen vorausgegangenen Tuns [Anm. v. hier: i. e. Ingerenz i. S. v. § 13 I StGB?] verpflichtet, dafür zu sorgen, daß sie nicht verwendet werden.“ 452  DStR 2013, 1177 (1180 f.) m. Bespr. Steinlein PStR 2013, 142. 453  So u. a. auch Wulf, Handeln und Unterlassen, S. 134; ähnl. Eschenbach, DStZ 1997, 851 (852); Rolletschke, in: Rolletschke / Kemper, § 370 Rn. 118 f. 454  Insofern nicht ganz eindeutig BGH, DStR 2013, 1177 (1180: „Dabei können sich Offenbarungspflichten sowohl aus den gesetzlich besonders festgelegten steuerlichen Erklärungspflichten wie auch aus allgemeinen Garantenpflichten ergeben.“); Rolletschke (in: Rolletschke / Kemper, § 370 Rn. 118 f.) zieht daraus generell den Schluss, dass sich „Angesichts der BGH-Grundsatzentscheidung … die Frage, ob die allgemeinen Garantenpflichten im Rahmen der §§ 370 Abs. 1 Nr. 1 AO, 13 StGB zur Anwendung kommen, nicht (mehr)“ stelle (zw.). Instr. auch BFH, ZfZ 2001, 162 (164: „jedenfalls würde die Begehung einer … Steuerhinterziehung in der in § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977 geregelten Form durch Unterlassen gemäß § 13 StGB voraussetzen, dass der Täter rechtlich dafür einzustehen hat, dass der missbilligte Erfolg nicht eintritt … Den Ausführungen des FG lässt sich nicht entnehmen, dass der Kläger eine solche Garantenpflicht hatte. Tatsächlich bestand eine solche Pflicht für den Kläger auch nicht. Sie könnte sich nur aus gesetzlichen Vorschriften ergeben, denn eine allgemeine Pflicht zur Verhinderung einer Steuerhinterziehung … gibt es nicht. Sie folgt auch nicht aus dem Wissen davon, dass eine Steuerhinterziehung begangen werden soll … Eine gesetzliche Garantenpflicht zur Verhinderung von Steuerhinterziehung, wie sie z. B. das Reichsgericht … in dem von ihm entschiedenen Fall eines Schiffsoffiziers angenommen hat, dem es kraft Gesetzes oblag, Straftaten der Mannschaft zu verhindern …, hatte der Kläger jedenfalls nicht.“).



A. Veranlagungssteuern311

könnte im Einzelfall aber im Rahmen der Strafzumessung im engeren Sinne ausgeglichen werden. 2. Gedanken zum Verjährungsbeginn Für die hier vorrangig zu beantwortende Frage nach dem Beginn des Laufs der Verfolgungsverjährungsfrist kann der Streit letztlich dahinstehen. Denn unabhängig davon, ob man dem Täter die Verletzung außersteuer­ licher (Garanten-)Pflichten über § 13 I StGB oder mittels einer extensiven Auslegung von § 370 I Nr. 2 AO zur Last legt, beginnt der Lauf der Verjährungsfrist in diesen Fällen jedenfalls mit Eintritt des Verkürzungserfolgs (§ 370 IV 1 1. Hs. AO). Dies deshalb, weil die in diesem Kontext zum Anknüpfungspunkt der Strafbarkeit gemachte Erfolgsverhinderungs­pflicht455 dann wieder in Wegfall gerät, sodass das tatbestandsspezifische Unrecht ab diesem Zeitpunkt seinen tatsächlichen Abschluss gefunden hat456. Ein Abstellen auf den Wegfall der (speziell von § 370 I Nr. 2 AO erfassten) Steuererklärungspflicht kommt mit Blick auf § 171 VII AO und die damit einhergehenden Weiterungen (s. o.) im Gegensatz dazu auch hier nicht in Betracht. Für den Verjährungsbeginn beim selbst nicht steuerpflichtigen, – formal – „unechten“ Unterlassungstäter (z. B. den Steuerberater457) kommt es demnach auf die Beendigung derjenigen „Haupttat“ an, für deren Verhinderung er aufgrund seiner Garantenpflichten einzustehen hat. Insofern besteht, wie bei der Teilnahme, ein strenges Akzessorietätsverhältnis. Tritt die Erfolgsverhinderungspflicht – etwa durch den Wegfall der Garantenstellung oder aus Gründen der Unzumutbarkeit458 – bereits früher außer Kraft, ist hierin die für ihn maßgebliche Tatbeendigung zu sehen. Die Anknüpfung an eine gleichwie geartete, nach dem Eintritt des tatbestandsmäßigen Erfolgs be­ stehende „Nachholungspflicht“459, wie sie etwa bei der Insolvenzverschleppung (§ 15a InsO) allgemein angenommen wird460, ist dagegen nicht angezeigt. Die Vollendung und Beendigung des theoretisch denkbaren, praktisch aber ebenfalls noch niemals relevant gewordenen Versuchs einer Straftat gemäß § 370 I Nr. 1, II AO i. V. m. § 13 I StGB müsste konsequenterweise 455  Nach

dieser Diktion beschreibt § 153 I AO eine Erfolgsbeseitigungspflicht. nur Sternberg-Lieben / Bosch, in: Schönke / Schröder, § 78a Rn. 6 m. w. N. 457  Vgl. Harms, Stbg 2005, 12 (14). 458  Vgl. Fischer, § 13 Rn. 36 ff. 459  Sternberg-Lieben / Bosch, in: Schönke / Schröder, § 78a Rn. 6. 460  Vgl. nur BGHSt 53, 24 (26) = NJW 2009, 157 (158). 456  Vgl.

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3. Teil: Der Verjährungsbeginn bei § 370 AO

in dem Zeitpunkt angenommen werden, in dem der Betroffene erstmals in der Pflicht stand, den Taterfolg zu verhindern, und dies trotz entsprechender Möglichkeit und Zumutbarkeit nicht getan hat.

B. Fälligkeitssteuern Die zweite große Gruppe der „Steuerarten“, die bei der Bestimmung des Beginns des Laufs der Verfolgungsverjährungsfrist zu unterscheiden sind, ist diejenige der sog. Fälligkeitssteuern. In der Praxis kommt dabei die Hinterziehung von Umsatzsteuer461 mit Abstand am häufigsten vor. Parallel dazu erfreut sich die Umsatzsteuerhinterziehung aufgrund ihrer vergleichsweise einfachen Berechnung (vgl. § 12 UStG) und Darstellung im Urteil462 auch bei den Tatgerichten entsprechender „Beliebtheit“. Das hat nicht selten zur Folge, dass es spätestens im gerichtlichen Teil des Steuerstrafverfahrens auf Anregung des Vorsitzenden gemäß §§ 154 II, 154a II StPO zur Beschränkung eines steuerlich weiter ausgedehnten Verfahrensstoffes allein auf die Umsatzsteuer kommt. Von der praktischen Häufigkeit her unmittelbar danach rangiert die Hinterziehung von Lohnsteuer. Dabei ist zunächst zu beachten, dass es sich bei der Lohnsteuer, anders als der Begriff auf den ersten Blick suggerieren mag, nicht um eine eigenständige Steuer(-art) handelt. Vielmehr fasst das Gesetz hierunter den „Steuerabzug vom Arbeitslohn“ als besondere Erhebungsform der Einkommensteuer (vgl. § 38 I 1 EStG), bei der es sich ganz offenkundig um eine Veranlagungssteuer handelt. Allerdings besteht ebenso unbestritten Einigkeit darüber, dass die Lohnsteuer in verjährungsrechtlicher Hinsicht „wie“ eine Fälligkeitssteuer zu handhaben ist463. Dies deshalb, weil die Lohnsteuer nach den in § 41a EStG vorgegebenen Parametern vom Arbeitgeber selbst zu berechnen, vom Lohn einzubehalten und fristgerecht anzumelden und abzuführen ist. Das entspricht den in § 18 UStG normierten Voranmeldungspflichten bei der Umsatzsteuer, bei der es sich – nicht nur verjährungsspezifisch – um den „Prototyp“ der Fälligkeitssteuer handelt. Als Synonym für den Begriff „Fälligkeitssteuer“ hat sich daher in Anlehnung an § 150 I 3 AO auch die Bezeichnung „Anmeldungssteuer“ etabliert464. 461  Im Beschluss BGH, wistra 1983, 70 wird sie missverständlich als „Veranlagungssteuer“ bezeichnet. 462  Grdlg. BGH, NJW 2009, 2546 (2547 f.); Jäger, StraFo 2006, 477 m. w. N.; s. a. das in der Entscheidung BGH, wistra 2013, 353 m. Bespr. Meyberg, PStR 2013, 195 beschriebene Negativbeispiel. 463  Vgl. BGH, wistra 1983, 70; Grötsch, in: Wannemacher & Partner, Rn. 762 ff.; Joecks, in: Franzen / Gast / Joecks, § 376 Rn. 24. 464  Vgl. Jäger, in: Klein, § 376 Rn. 35 ff.; Rolletschke, Steuerstrafrecht, Rn. 126.



B. Fälligkeitssteuern313

Weitere Fälligkeitssteuern in diesem Sinne, deren Hinterziehung in der praktischen Fallbearbeitung immer wieder relevant wird, sind die Kapitalertragsteuer465 und die Energiesteuer (bis zum 31.7.2006: Mineralölsteuer)466. Gerade letzterer kommt in der wissenschaftlich bisher kaum betrachteten Fallgruppe der „Verdieselung von Heizöl“ vor dem Hintergrund steigender Kraftstoffpreise in letzter Zeit wieder eine größere Bedeutung zu. Bei der sog. „Heizölverdieselung“467 werden mit Dieselkraftstoff betriebene Fahrzeuge (z. B. Lkws, Bau- oder landwirtschaftliche Maschinen) bestimmungswidrig mit Heizöl bzw. einem Heizöl-Diesel-Gemisch betankt. Dies ist nicht nur technisch möglich, sondern hat vor allem einen wirtschaftlichen Hintergrund. Denn zum Verheizen bestimmtes Heizöl ist steuerbegünstigt, d. h. der Steuertarif beträgt gemäß § 2 III 1 Nr. 1 EnergieStG derzeit höchstens 76,35  € / 1.000  l. Das entspricht in etwa 7  Cent / l. Der Steuertarif für Dieselkraftstoff beträgt dagegen gemäß § 2 I Nr. 4a EnergieStG bis zu 485,70  € / 1.000  l (d. h. ca. 48  Cent / l), er ist also gut sechsmal so hoch wie beim Heizöl. Der steuerstrafrechtliche Vorwurf stützt sich hier i. d. R. auf § 21 I 1 EnergieStG. Danach entsteht die Energiesteuer für gekennzeichnetes468 Heizöl, das „als Kraftstoff bereitgehalten, abgegeben, mitgeführt oder verwendet“ wird, mit dem erhöhten Steuertarif für Diesel (i. e. § 2 I Nr. 4a EnergieStG). Nimmt eine Person derartige Handlungen mit entsprechender Verwendungsabsicht vor, hat sie gemäß § 21 II 1, 4 EnergieStG „unverzüglich“ eine entsprechende Steuererklärung bei dem jeweils zuständigen Hauptzollamt (vgl. § 1a EnergieStV, §§ 8, 23 AO) abzugeben und die – sofort fällige – Energiesteuer darin selbst zu berechnen (vgl. § 21 II 1, 4, 5 EnergieStG). Genau das geschieht in der Rechtswirklichkeit oftmals bewusst nicht (§ 370 I Nr. 2 AO).

Anders als bei den Veranlagungssteuern herrscht hinsichtlich des Beginns des Laufs der Verjährungsfrist bei Fälligkeitssteuern kaum Streit. Dies ist letztlich dem Wesen der Fälligkeitssteuern geschuldet, welches sich – wie die Bezeichnung schon indiziert – dadurch auszeichnet, dass diese Steuern nicht erst mit der Bestandskraft eines zuvor erlassenen und bekanntgegebe465  s. nur Schott, PStR 2014, 25. Die Hinterziehung von Kapitalertragsteuer wird regelmäßig in Fällen relevant, in denen – wie anscheinend auch im aktuellen Fall Hoeneß (Nachw. in Teil  1, Fn. 65) – inländische Steuerpflichtige ausländische Kapitaleinkünfte (§ 43 I 1 Nr. 1, 6 EStG) nicht nach Maßgabe der §§ 44, 45a EStG versteuern (erg. Gehm, Kompendium, S. 179 f.; Jäger, in: Klein, § 370 Rn. 103 sowie Fn. 538 zum Verjährungsbeginn). 466  Weitere Beispiele u. a. bei Rätke, in: Klein, § 150 Rn. 7 u. Rolletschke, in: Rolletschke / Kemper, § 370 Rn. 200. 467  Ausf. zum Ganzen M. Ebner, in: Bachmeier / Müller / Starkgraff, § 370 AO Rn.  7 ff. 468  Zur Erleichterung der Ermittlungen der „Kontrolleinheiten Verkehrswege“ des Zolls wird Heizöl rot eingefärbt und mit einem chemischen Marker versehen (vgl. § 2 EnergieStV), der es ermöglicht, Heizölrückstände in Tanks und Leitungen nachzuweisen sowie den Heizölanteil bei Heizöl-Diesel-Gemischen zu bestimmen (s. dazu M. Ebner, in: Bachmeier / Müller / Starkgraff, § 370 AO Rn. 10).

314

3. Teil: Der Verjährungsbeginn bei § 370 AO

nen Steuerbescheids zahlungsfällig werden (§ 220 II 2 AO), sondern, wie die Abgabe der betreffenden Steueranmeldung selbst, zu einem bestimmten gesetzlich festgelegten Termin (§ 220 I AO). Dabei erlangt vor allem die allgemeine Vorschrift des § 168 AO, die hinsichtlich des Verkürzungserfolgs unmittelbar mit § 370 VI 1 2. Hs. AO korrespondiert, besondere Bedeutung: Nach § 168 S. 1 AO steht eine Steuer­ anmeldung eo ipso einer durch Bescheid erfolgten Steuer(vorauszahlungs-469) festsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung (§ 164 AO) gleich, wenn sich aus ihr eine Zahllast des Steuerpflichtigen zugunsten des Fiskus ergibt (sog. Zahllast- oder – missverständlich – „Schwarzfälle“470). Um diese Wirkung herbeizuführen, bedarf es von Gesetzes wegen keines gesonderten Bescheids­ erlasses und auch keiner Bescheidsbekanntgabe. Dieser – durchaus bemerkenswerte – Regelungsmechanismus ist daher in der Literatur zu Recht schon als „Selbstfestsetzung“471 oder „Selbstveranlagung“472 beschrieben worden. Jedenfalls liegt genau hier der wesentliche Unterschied zu den Veranlagungssteuern – und zwar vor allem auch in Bezug auf den Beginn der Verfolgungsverjährungsfrist. Etwas „schwerfälliger“ ist diese Selbstfestsetzungswirkung zum einen dann, wenn die Finanzbehörde von einer solchen Anmeldung abweichen will. Denn dazu ist gemäß § 167 I 1 AO eine gesonderte modifizierende Steuerfestsetzung erforderlich, die ihrerseits jedoch kaum jemals zum eigenständigen Objekt einer Steuerhinterziehung wird, weil dem dann regelmäßig anlassbezogene und genaue Sachverhaltsprüfungen vorausgegangen sind. Zum anderen – und das sind die praxisrelevanten Fälle – bedarf es gemäß § 168 S. 2 AO der Zustimmung der Finanzbehörde, wenn die inkriminierte Steueranmeldung zu einer Herabsetzung der bisher zu entrichtenden Steuer oder gar zu einer Steuervergütung473 führt (sog. Herabsetzungs-, Vergütungs- oder „Rotfälle“474). Hintergrund ist, dass der Steuerpflichtige nicht in der Lage sein soll, durch die Abgabe einer Steueranmeldung einseitig einen 469  Erg.

Joecks, in: Franzen / Gast / Joecks, § 376 Rn. 23 f. Rolletschke, in: Rolletschke / Kemper, § 370 Rn. 202, § 376 Rn. 30; ders., Steuerstrafrecht, Rn. 132. Die Begrifflichkeit ist an den Ausdruck „schwarze Zahlen schreiben“ (d. h. Einnahmen / Gewinn machen) angelehnt. 471  Gribbohm / Utech, NStZ 1990, 209 (211). 472  v. Briel, SAM 2006, 115 (118); Dallmeyer, ZStW 124, 711 (729); dto. Reichling / Winsel, JR 2014, 331 (339). 473  s. Fn. 7. 474  Rolletschke, in: Rolletschke / Kemper, § 370 Rn. 204; ders., SteuerStR, Rn. 132. Die Begrifflichkeit „Rotfall“ ist an den Ausdruck „rote Zahlen schreiben“ (d. h. Ausgaben / Verlust machen) angelehnt. 470  Vgl.



B. Fälligkeitssteuern315

Auszahlungsanspruch gegen die Finanzbehörde zu begründen475. Da es sich bei dieser Zustimmung um einen Finanzverwaltungsakt im Sinne von § 118 S. 1 AO handelt, gelten hinsichtlich ihres Wirksamwerdens dieselben Grund­ sätze wie bei der Bekanntgabe von Steuerbescheiden (§§ 122, 124 AO)476, die die Festsetzung von Veranlagungssteuern zum Gegenstand haben477. Das hat zur Folge, dass die Tatvollendung und -beendigung hier – mutatis mutandis – an den Zeitpunkt der Bekanntgabe der Zustimmung geknüpft ist. Insbesondere kann gemäß Nr. 4 S. 2, Nr. 9 S. 3 AEAO zu § 168 auch hier eine Drei-Tages-Bekanntgabefiktion zu beachten sein478. Was die Wirksamkeit der Zustimmung als solcher angeht, ist es nach einer neueren Entscheidung des 1. Strafsenats des BGH ohne Belang, wenn diese aus ermittlungstaktischen Gründen insgeheim nur vorläufig erteilt wird479. Dies leuchtet nicht zuletzt vor dem Hintergrund des (vom BGH nicht erwähnten) § 116 S. 1 BGB ohne Weiteres ein480. Fraglich ist allerdings, wann im Fall des § 168 S. 3 AO von einer Zustimmungsbekanntgabe ausgegangen werden kann. Nach dieser Vorschrift kann die Zustimmung formlos erteilt werden, also insbesondere auch konkludent, etwa durch Überweisung eines Vergütungs- bzw. Erstattungsbetrags auf das Konto des Steuerpflichtigen481. Ist Letzteres der Fall, ist der – auch in diesem Zusammenhang maßgebliche – Zugang (vgl. § 130 I 1 BGB) einer auf solche Weise zum Ausdruck gebrachten Zustimmungserklärung mit der Gutschrift des Zahlungsbetrages auf dem Konto des Steuerpflichtigen identisch. Denn dann ist die konkludente Zustimmungserklärung so in den Machtbereich des Anmeldenden gelangt, dass eine Kenntnisnahme mittels (am Automaten ausgedruckten oder – beim Online-Banking – elektronisch eingesehenen) Kontoauszug möglich und unter gewöhnlichen Umständen auch zu erwarten ist. Der Zeitpunkt der Gutschrift richtet sich im Grundsatz nach den in §§ 675 f ff. BGB niedergelegten Regeln über den Zahlungsdienstevertrag, die aber, wie bereits gezeigt, ihrerseits auch durch die Drei-Tages-Zahlungsfiktion in § 224 III 3 AO überlagert sein können482. 475  Cöster,

in: Pahlke / Koenig, § 168 Rn. 14. Cöster, in: Pahlke / Koenig, § 168 Rn. 17 f. m. w. N.; s. a. Joecks, in: Franzen / Gast / Joecks, § 376 Rn. 22. 477  s. S. 195 ff. 478  Erg. S.  201 ff. 479  Vgl. BGH, DStR 2013, 140 (141 f.) m. krit. Anm. Zugmaier / Kaiser – Umsatz­ steuerkarussell­betrug beim Handel mit Emissionszertifikaten. 480  Erg. Koenig, in: Pahlke / Koenig, § 41 Rn. 38. 481  Vgl. Cöster, in: Pahlke / Koenig, § 168 Rn. 23 m. w. N. 482  s. S.  215 ff. Abw. BGH, NJW 1991, 2847 (2847 f.) im Anschluss an Gribbohm / Utech, NStZ 1990, 209 (211), wonach bereits auf die „Anordnung der Auszahlung“ abzustellen sei. Das läuft jedoch insbes. § 124 I 1 AO zuwider. 476  Vgl.

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3. Teil: Der Verjährungsbeginn bei § 370 AO

Angesichts all dessen ist § 168 AO die Schlüsselnorm für die Bestimmung des Vollendungs- und Beendigungszeitpunkts bei der Hinterziehung von Fälligkeitssteuern. Aus diesem Grund sind nicht zuletzt auch aus revisionsrechtlicher Sicht in jedem Fall im Urteil entsprechend eindeutige Feststellungen hierzu zu treffen. Denn andernfalls kann unter Umständen schon nicht geprüft werden, ob die Tat vollendet ist oder – z. B. mangels wirksamer Zustimmungsbekanntgabe gemäß § 168 S. 2 AO – nur ein Hinterziehungsversuch vorliegt (i. e. sachlich-rechtlicher Darstellungsmangel [Verstoß gegen § 267 I 1 StPO])483. Daraus ergibt sich für den Verjährungsbeginn in den verschiedenen Tatbestandsvarianten des § 370 I AO (mit Ausnahme von Nr. 3, s. o.) Folgendes:

I. Im Fall des § 370 I Nr. 1 AO Wird eine unzutreffende Steuer(vor-)anmeldung vor dem oder genau am Fälligkeitstag484, der sich aus den jeweiligen Einzelsteuergesetzen ergibt, abgegeben, muss beim vollendeten Begehungsdelikt hinsichtlich des Verjährungsbeginns zwischen (1) Zahllast- bzw. – wegen des aus Sicht der Finanzbehörde zu erwartenden Geldzuflusses – sog. „Schwarzfällen“ und (2) Erstattungs- bzw. „Rotfällen“ unterschieden werden485. 1. Zahllast- bzw. „Schwarzfälle“ Ergibt sich für den Täter trotz seiner unrichtigen Angaben doch noch eine (dann: zu niedrige) Zahllast, so ist die Steuerhinterziehung durch „aktives“ Tun bereits im Moment des Eingangs486 der inhaltlich unrichtigen Steuer(vor-)anmeldung bei der zuständigen Finanzbehörde vollendet – und 483  Vgl. nur BGH, HFR 1989, 685; NJW 1991, 2847 (2847 f.) und – als aktuelle Praxisbeispiele – BGH, Beschl. v. 5.6.2013, 1  StR 64 / 13, BeckRS 2013, 10568 u. Beschl. v. 23.7.2014, 1  StR 196 / 14, BeckRS 2014, 18088, Tz. 6. 484  Wird bis zum Ablauf des Fälligkeitstags (24.00 Uhr) keine Steueranmeldung abgegeben, liegt eine Straftat nach § 370 I Nr. 2 AO vor (s. zuletzt BGH, wistra 2012, 484 [485] m. zahlr. weit. Nachw.). Auf Sonnabende, Sonntage und gesetzliche Feiertage kommt es dabei nicht an. Die nach diesem Zeitpunkt erfolgte Einreichung einer (zutreffenden!) Steueranmeldung kann dann allenfalls noch als Selbstanzeige i. S. v. § 371 AO zu werten sein (vgl. Jäger, in: Klein, § 370 Rn. 105, 112 m. w. N.). 485  Vgl. nur Jäger, in: Klein, § 370 Rn. 106; unklar Dönmez, NWB 2013, 2866 (2868). 486  Nr. 1 S. 1 AEAO zu § 168; dto. u. a. Dallmeyer, ZStW 124, 711 (729); Grötsch, in: Wannemacher & Partner, Rn. 759; Guntermann, PStR 2013, 68; Heß, StW 2010, 145 (147); Rolletschke, Steuerstrafrecht, Rn. 131, 485; s. a. Eschenbach, DStZ 1997, 881 (884), der dies aus § 355 I 2 AO ableitet.



B. Fälligkeitssteuern317

zwar unabhängig davon, ob der Fälligkeitstermin bereits eingetreten war487. Dabei ist mit „Eingang“ weder der Zugang488 der Falschanmeldung noch deren Abgabe im Sinne einer bewussten Entäußerung in den Rechtsverkehr489 gemeint. Dass es vor allem auf Letztere nicht ankommen kann, zeigt sich bereits daran, dass weder die persönliche „Abgabe“ der Falschanmeldung bei einer unzuständigen Behörde noch ihr Einwurf in einen Briefkasten der Deutsche Post AG geeignet ist, die Rechtswirkungen des § 168 S. 1 AO unmittelbar auszulösen. Vielmehr führt solches zunächst nur zum Hinterziehungsversuch (s. u.). Auf der anderen Seite können Abgabe, Eingang und Zugang der inkriminierten Steueranmeldung beim direkten Einwurf in den Briefkasten des (zuständigen) Finanzamts auch zusammen­ fallen. Auf den Eingang der Falschanmeldung kommt es deshalb an, weil Steuer­anmeldungen in Zahllastfällen ab diesem Zeitpunkt gemäß § 168 S. 1 AO i. V. m. Nr. 1 S. 1 AEAO zu § 168 einer Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung gleichstehen. Damit tritt der Hinterziehungserfolg nach § 370 IV 1 2. Hs. 3.  Var. AO ein. In diesen Zeitpunkt ist die Tat dann auch im Sinne von § 78a S. 1 StGB beendet490. Das ist heute insoweit unstreitig. In der forensischen Praxis markiert damit regelmäßig der behördliche Eingangsstempel (vgl. z. B. § 12 II BayAGO) auf der schriftlichen Steueranmeldung bzw. das gespeicherte Datum ihrer elektronischen Übermittlung (sog. Zeitstempel) den Tag des Beginns des Laufs der Verjährungsfrist491. Einzig bei der Umsatzsteuer wird diese Rechtslage von der herrschenden Meinung in Rechtsprechung und Literatur anders beurteilt492 – und zwar ungeachtet dessen, dass es sich bei der Abgabe inhaltlich unrichtiger Umsatzsteuervoranmeldungen (§ 18 I 1 UStG) im Verhältnis zur unzutreffenden oder unterlassenen Umsatzsteuerjahreserklärung (§ 18 III 1 UStG) desselben 487  s.

(730).

488  s.

u. a. Jäger, in: Klein, § 376 Rn. 37 m. w. N.; dto. Dallmeyer, ZStW 124, 711

dazu S. 222 ff. Unklar Eschenbach, DStZ 1997, 881 (885, Fn. 50), der moniert, die h. M. stelle einheitlich auf den Vorgang des „Einreichens“ der Steuererklärung bzw. der Steuer(vor-)anmel­dung ab, anstatt „exakt zwischen Abgabe und Zugang der Willenserklärung“ zu unterscheiden (Hervorh. v. hier); ähnl. Zanzinger, in: Leopold / Madle / Rader, § 376 Rn. 28 („Zugang“). 489  So zutr. Rolletschke, in: Rolletschke / Kemper, § 376 Rn. 29; abw. Burkhard, DStZ 2004, 443 (444); I. Meyer, in: Beermann / Gosch, § 376 AO Rn. 28 jew. ohne nähere Begr. 490  Vgl. etwa Jäger, in: Klein, § 376 Rn. 37; Rolletschke, ZWH 2014, 129 (133); Schauf, in: Kohlmann, § 376 Rn. 83. 491  Erg. S. 223. 492  Instr. die tabellarische Darstellung bei Dörn, DStZ 1996, 491 (492 f.).

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3. Teil: Der Verjährungsbeginn bei § 370 AO

Kalenderjahrs um (maximal 13) materiell-rechtlich selbstständige Taten (§ 53 I StGB) handelt493. Konkret soll die Verjährungsfrist für Steuerhinterziehungen, die aufgrund „falscher“ Umsatzsteuervoranmeldungen zu einer geringeren Zahllast im Sinne von § 18 I 3 UStG und damit jedenfalls zu einem temporären Liquiditätsvorteil für den Täter führen (sog. Steuerverkürzung „auf Zeit“), nicht zu laufen beginnen, bevor nicht auch die hinsichtlich der Jahreserklärung begangene Tat beendet ist494. Oder anders ausgedrückt: Die Verjährungsfrist für Steuerhinterziehungen, die sich auf Voranmeldungen beziehen, soll – einheitlich – nicht vor derjenigen Verjährungsfrist zu laufen beginnen, die für die Hinterziehungstat betreffend die jeweilige Jahreserklärung gilt. Begründet wird das im Wesentlichen mit der Rechtsfigur der Steuerverkürzung „auf Dauer“. Bei der Umsatzsteuerhinterziehung könne der Täter aufgrund „der engen Verzahnung der … Erklärungspflichten, die sich jeweils auf dasselbe Kalenderjahr beziehen“495, nämlich erst dann davon ausgehen, dass die Vorteile der Tat dauerhaft gesichert sind, wenn auch die inkriminierte (bzw. unterlassene) Jahreserklärung von den Finanzbehörden nicht beanstandet wurde; erst dann sei das Tatgeschehen hier endgültig abgeschlossen. Diese Begründung und die damit einhergehende erhebliche Verzögerung des Verjährungsbeginns für „Voranmeldungshinterziehungen“ erscheinen nach der Aufgabe des sog. Fortsetzungszusammenhangs im Jahr 1994496 nicht zweifelsfrei497. Denn das impliziert einerseits einen Wertungswiderspruch zum materiell-rechtlich selbstständigen Charakter der die Umsatzsteuervoranmeldungen betreffenden Hinterziehungen498. Weshalb sollte diese 493  Grdlg. BGH, NStZ 1996, 136 (137). Ungeachtet dessen bilden die UStVA’en eines Jahres und die UStJE desselben Jahres eine einheitliche prozessuale Tat i. S. v. §§ 155, 264 StPO (BGHSt 49, 359 [362 ff.] = NJW  2005, 836 [837]; s. dazu jüngst BGH, Beschl. v. 12.6.2013, 1  StR 6 / 13, BeckRS 2013, 15152, Tz. 21 ff.). Zur insoweit str. Rechtslage bei der Lohnsteuer s. Merz / Ebner, PStR 2013, 60. 494  So, soweit ersichtlich, erstmals BGH, wistra 1983, 70; als diesbzgl. Grundsatzentscheidung kann jedoch BGHSt 53, 221 (227 f. = NJW 2009, 1979 (1982) v. 17.3.2009 gelten; a. A. OLG Frankfurt a. M., wistra 2006, 198 (199); Grötsch, in: Wannemacher, Rn. 846; Hardtke, AO-StB 2001, 273 (275); Randt, Abschn. E Rn. 204; zusf. Bülte, in: Hübschmann / Hepp / Spitaler, § 376 AO Rn. 112 ff.; Rol­ letschke, in: Rolletschke / Kemper, § 376 Rn. 30 ff. jew. m. zahlr. weit. Nachw.; unklar dagegen Dallmeyer, ZStW 124, 711 (730 f.). 495  BGHSt 53, 221 (227 f.) = NJW 2009, 1979 (1982). 496  s. d. Nachw. in Teil 1, Fn. 246 sowie im hiesigen Kontext Dörn, DStZ 1996, 491. 497  Wie hier bereits Nöhren, S. 111 f.; s. a. Jeschkies, PStR 2012, 310 (311), der das ohne Weiteres so umsetzt. 498  Ausdr. a. A. Riehl, wistra 1996, 130 (131), jedoch ohne nachvollziehbare Begr.



B. Fälligkeitssteuern

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– vom BGH zu Recht so festgestellte – Eigenständigkeit der Voranmeldungen nicht auf den Beginn des Laufs der Verfolgungsverjährungsfrist durchschlagen? Und vor allem: Wie soll sich die Rechtslage gestalten, wenn es aufgrund einer vorherigen „offenen“ Einleitung bzw. Erweiterung der Steuerstrafverfahrens und der damit wegen des Grundsatzes des Selbstbelastungsfreiheit499 suspendierten Pflicht zur Abgabe einer Umsatzsteuerjahreserklärung gar nicht mehr zu einer solchen kommt500? Andererseits erscheint es vor diesem Hintergrund fraglich, ob die Fristlaufverschiebung der herrschenden Ansicht mit § 78a StGB in Einklang zu bringen ist. Ein Fall des § 78a S. 2 StGB liegt jedenfalls nicht vor, weil auch schon bei der Steuerverkürzung „auf Zeit“ ein Verkürzungserfolg in Gestalt der nicht rechtzeitigen Steuerfestsetzung (§ 370 IV 1 1. Hs. 3. Var. AO) eingetreten ist. Insoweit wäre das Tatunrecht dann auch zu einem tatsächlichen Abschluss gelangt, zumal es durchaus Täter gibt, denen es „nur“ auf den damit verbundenen vorübergehenden Liquiditätsvorteil ankommt (faktischer Kredit)501. Geben diese am Jahresende (u. U. wie von Anfang an geplant) eine zutreffende Umsatzsteuerjahreserklärung ab, fehlt es wie im Fall der Offenlegung des Tatvorwurfs und der daraufhin suspendierten Steuererklärungspflicht an einer inkriminierten Jahreserklärung als finalem Anknüpfungspunkt für den Verjährungsbeginn. Nicht nur, aber gerade angesichts dieser beiden Konstellationen sollte die von der herrschenden Meinung vertretene „Sonderrolle“502 der Umsatzsteuer generell überdacht werden. In der praktischen Fallbearbeitung spielt das Problem freilich nur eine untergeordnete Rolle. Denn es erfolgt hier – nicht 499  Vgl.

jüngst BGH, NZWiSt 2013, 33 (34) m. w. N. BayObLGSt 1991, 65 (73 f.) – Beendigung mit (schlüssiger) Einleitungs- bzw. Erweiterungsmitteilung (allerdings unter den Vorzeichen des Fortsetzungszusammenhangs [erg. 1. Teil, Fn. 246]); BGH, NJW 1991, 2847 (2848) – Beendigung jedenfalls nicht bevor die erschlichene Steuervergütung ausbezahlt bzw. sonst gutgebracht wurde. Anders wiederum BGHSt 38, 165 (170) = NJW 1992, 1054 (1056) für den Fall, dass ohne (Offenlegung der) Tatentdeckung zwar falsche UStVA’en eingereicht werden, es aber willkürlich nicht zur Abgabe einer UStJE kommt („Beendigung der Tat auch hier das Verstreichen des Fristablaufs für die Abgabe der Umsatzsteuerjahreserklärung“); s. a. Grötsch, in: Wannemacher & Partner, Rn. 757 („Zeitpunkt des Wegfalls (bzw. der Suspendierung) der Pflicht zur Abgabe“ der UStJE); ebenso jetzt Vogelberg, in: Simon / Vogelberg, S. 105. 501  Ähnl. noch Rolletschke, in: Rolletschke / Kemper, 96.  EL, § 376 Rn. 30 a. E.; ders., Steuerstrafrecht, Rn. 488; insges. krit. zur Unterscheidung zw. Hinterziehungen „auf Zeit“ und „auf Dauer“ Schmitz, Unrecht und Zeit, S. 99 ff. (110: „Steuerhinterziehung immer auf Zeit“). 502  v. Briel, in: v.  Briel / Ehlscheid, § 1 Rn. 88. 500  Vgl.

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3. Teil: Der Verjährungsbeginn bei § 370 AO

zuletzt aufgrund ausdrücklicher Empfehlung des BGH503 – inzwischen üblicherweise eine Beschränkung der Strafverfolgung auf die „falsche“ bzw. unterlassene Umsatzsteuerjahreserklärung gemäß § 154a I bzw. II StPO504. 2. Erstattungs- bzw. „Rotfälle“ Führt die Falschanmeldung dagegen zu einem – aus Sicht der Finanzbehörde wegen des drohenden Geldverlusts – sog. „Rotfall“, treten Vollendung und Beendigung erst mit der Bekanntgabe der gemäß § 168 S. 2 AO erforderlichen Zustimmung gegenüber dem Steuerpflichtigen ein505. Auf die Aufhebung oder den Wegfall des Nachprüfungsvorbehalts (§ 164 AO) kommt es dagegen nicht an506. Entsprechendes gilt für die Möglichkeit der Rechnungsberichtigung nach § 14c I 2, II 3–5 UStG507. Vor der Bekanntgabe ist die Zustimmung gemäß § 124 I 1 AO noch nicht wirksam erteilt. Das gilt auch dann, wenn die Steuerakte schon einen entsprechenden (Zustimmungs-)Vermerk enthält und / oder die Erklärung bereits anderweitig (konkludent) innerhalb (z. B. durch interne Sollbuchung eines Rotbetrags508) oder außerhalb der Finanzbehörde (z. B. in der Situation des § 675n I 1 oder § 675s I 1 BGB509) in der Rechtsverkehr gelangt ist510. Die Verfolgungsverjährungsfrist beginnt in „Rotfällen“ daher auf jeden Fall erst im Zeitpunkt der – durch das Tatgericht im Urteil eigens festzustellenden – Zustimmungsbekanntgabe, die naturgemäß auch ihrerseits materiell-rechtlich wirksam gewesen sein muss511.

503  Vgl. BGH, wistra 2002, 185 (186); BGHSt 49, 359 (365) = NJW 2005, 836 (837); 53, 221 (228) = NJW 2009, 1979 (1982); Jäger, in: Klein, § 370 Rn. 111 a. E.; Rolletschke, in: Rolletschke / Kemper, § 376 Rn. 30e. 504  Nicht gem. § 154 StPO, weil hier eine prozessuale Tat (§ 264 I StPO) vorliegt (vgl. Fn. 493). Insoweit unzutr. BGH, wistra 2002, 185 (186). 505  Ganz h. M., vgl. statt vieler Jäger, in: Klein, § 376 Rn. 36. Zu ungenau BGH, wistra 1988, 355 u. NStZ 2000, 427 (428) – jew. nur „Zustimmung“; ähnl. Zanzinger, in: Leopold / Madle / Rader, § 376 Rn. 32 („Zeichnung [Anm. v. hier: § 78c II StGB?] der Zustimmung“). 506  Vgl. nur BGH, NJW 1989, 2140 (2141). 507  Vgl. BayObLGSt 2002, 3 (5) zu § 14 II 2 UStG a. F.; zusf. Nöhren, S.  113 f. 508  s. aber Nr. 4 S. 1 AEAO zu § 168: „Die kassenmäßige Sollstellung eines Rotbetrags ist keine Zustimmung zur Anmeldung i. S. d. § 168 Satz  2; sie darf dem Anmeldenden nicht mitgeteilt werden.“ (Hervorh. v. hier). 509  Vgl. Heß, StW 2010, 145 (147). 510  A. A. Wulf, in: MüKo-StGB, § 376 AO Rn. 17 a. E. 511  Erg. S. 195 ff.



B. Fälligkeitssteuern321

II. Im Fall des § 370 I Nr. 2 AO (Nichteingangsfälle) Werden Steueranmeldungen nicht rechtzeitig oder – in der Folge – gar nicht (mehr) abgegeben, ist es seit jeher (fast512) einhellige Meinung, dass damit eine Steuerhinterziehung gemäß § 370 I Nr. 2 AO zugleich voll- und beendet ist513. Konkret maßgeblich ist dabei der Ablauf der im Einzelfall zu beachtenden gesetzlichen Eingangsfrist514. Das ist um 24.00 Uhr des letzten Tages der jeweiligen Frist der Fall. Dieser letztmögliche Eingangstag zählt bei der Fristberechnung jedoch nicht als erster Tag der Verfolgungsverjährungsfrist mit515. Denn der darauf folgende Tag beginnt um 0.00 Uhr – und zwischen 24.00 Uhr und 0.00 Uhr liegt keine logische („juristische“) Sekunde; es handelt sich vielmehr just um denselben Zeitpunkt516. Beispiel517: Die Eingangsfrist für Umsatzsteuerjahreserklärungen läuft grundsätzlich am 31.5. des Folgejahres ab (§ 18 III 1 UStG i. V. m. § 149 II 1 AO). Demnach musste die Jahreserklärung für 2000 bis spätestens 31.5.2001, 23.59.59 Uhr, beim Finanzamt eingegangen sein. War dies nicht der Fall, begann die Verjährungsfrist am 1.6.2001, 0.00 Uhr, zu laufen518, d. h. der 31.5.2001 zählte bei der Fristberechnung nicht mit. Die Regelverjährung trat dann mit Ablauf des 31.5.2006 (nicht: des 30.5.2006) ein. Das hatte zur Folge, dass diesbezügliche Unterbrechungsmaßnahmen bis spätestens 31.5.2006, 23.59.59 Uhr, vorgenommen werden konnten.

Diese in Ausnahmefällen durchaus bedeutsame Unterscheidung wird im Schrifttum oftmals nicht eindeutig genug getroffen519. 512  A. A. nur FG Bremen, EFG 1991, 510 (511 f.) = ZfZ 1991, 352 (353 f.), wonach die Kausalität einer unterlassenen Steueranmeldung für den Eintritt des Verkürzungserfolgs mit Blick auf die Schätzmöglichkeit zu verneinen sein soll; ähnl. Hentschel, UR 1999, 476 (480), der hier jedenfalls den Vorsatz verneinen will. Beide Ansichten gehen schon im Ansatz fehl, weil keine Pflicht zur Schätzung besteht (s. o.; erg. Müller, AO-StB 2006, 208: „bedeutungslos, ob … geschätzt werden kann“). 513  St. Rspr., vgl. nur BGH, wistra 2012, 484 (485, Tz. 6 f.) m. w. N.; Jäger, in: Klein, § 376 Rn. 38. 514  Vgl. BGH, NStZ-RR 2011, 278 m. w. N.; dem zust. u. a. Bilsdorfer, NJW 2012, 1413 (1416); Dallmeyer, ZStW 124, 711 (731 f.); Zanzinger, in: Leopold / Madle / Rader, § 376 Rn. 49. 515  Ebenso Jäger, in: Klein, § 376 Rn. 38. 516  s. S. 93. 517  Nach BGH, NStZ-RR 2011, 278; abl. Vogelberg (in: PStR 2011, 243), der zu Unrecht meint, dass „der BGH damit ohne Begründung von der bisherigen ständigen Rechtsprechung abweicht“ (dto. Flore, in: Flore / Tsambikakis, § 370 AO Rn. 537; Wenzler, in: Flore / Tsambikakis, § 78a StGB Rn. 22). 518  So z. B. auch Schott, PStR 2014, 25. 519  Vgl. z. B. Joecks, in: Franzen / Gast / Joecks, § 376 Rn. 31 („Bei Fälligkeit­ steuern ist die Steuerverkürzung eingetreten, wenn der Tag der gesetzlichen Frist verstrichen ist … Mit diesem Zeitpunkt ist zugleich die Tat beendet und die Verjährung beginnt …“).

322

3. Teil: Der Verjährungsbeginn bei § 370 AO

Eine sehr anschauliche Begründung dafür, dass die Hinterziehung von Anmeldungssteuern durch Unterlassen gemäß § 370 I Nr. 2 AO mit Ablauf des Fälligkeitstages im verjährungsrechtlichen Sinne voll- und beendet ist, geben Lammerding und Hackenbroch520: Sie ziehen dabei, soweit ersichtlich, erstmals eine direkte Parallele zur Hinterziehung von Veranlagungssteuern durch – formal – „echtes“ Unterlassen521. Genauso wie dort, treten Vollendung und Beendigung auch hier erst zu dem Zeitpunkt ein, in dem es bei – hypothetisch – noch rechtzeitigem Anmeldungsverhalten spätestens zu einer Steuerfestsetzung hätte kommen können bzw. müssen. Nur, dass die Festsetzung im Nichteingangsfall nicht in Form der Bekanntgabe eines vom Finanzamt erlassenen Steuerbescheids erfolgt wäre, sondern auf dem in § 168 S. 1 AO vorgegebenen Weg der „Selbstfestsetzung“ (s. o.). Diese ist am Fälligkeitstag bis 23.59.59 Uhr möglich, danach, also ab 24.00  Uhr /  0.00 Uhr, nicht mehr. Die daraus resultierende nicht rechtzeitige Steuerfestsetzung führt für sich gesehen bereits zu einem Verkürzungserfolg im Sinne von § 370 IV 1 1. Hs.  3. Var. AO. Damit ist die Tat voll- und zugleich beendet. Denn diese Steuerverkürzung kann mit Ausnahme der (insoweit unbedeutenden) zeitlichen Komponente und des damit einhergehenden (von § 370 IV AO nicht erfassten) Zinsschadens522 tatsächlich nicht mehr weiter vertieft werden. Aufgrund dieser konstruktiven Eigenheit können Vollendung und Beendigung bei Anmeldungssteuern nicht auseinander fallen (etwas anderes gilt nach überwiegender Auffassung nur bei der Umsatzsteuer im Verhältnis zwischen Voranmeldung[en] und Jahreserklärung, s. o.). Vor diesem Hintergrund ist es für die Frage nach dem Verjährungsbeginn auch unerheblich, ob bei ordnungsgemäßem Verlauf – hypothetisch – ein Fall des § 168 S. 2 AO vorgelegen hätte, d. h. die Unterscheidung zwischen „Zahllast-“ und „Rotfällen“ kommt hier nicht zum Tragen. Dogmatisch verfehlt wäre es dagegen anzunehmen, die Nichtabgabe einer Steueranmeldung führe – da § 168 AO auch diesem Verhalten einen Erklärungswert zumesse – zu einer Nullfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung und damit zu einem Verkürzungserfolg nach § 370 I 1 1. Hs. 2. Var. AO. Dies ist weder vom Wortlaut des § 168 AO (der dann eine „aktive“ Nullanmeldung voraussetzen würde) gedeckt noch ist eine derartige Auslegung der Vorschrift jemals vertreten worden. Und das mit Recht. Denn eine Nullfestsetzung ist keine Nicht(selbst-) festsetzung.523 520  s.

Lammerding / Hackenbroch, S. 52. S.  230 ff. 522  Erg. Fn. 217. 523  Wollte man dies anders sehen, müsste man weiter danach fragen, ob dann auch das Zustimmungserfordernis gemäß § 168 S. 2, 3 AO (analog) eingreifen würde. Die besseren Gründe sprächen dafür, weil auch die Nullfestsetzung für den Fiskus wirtschaftlich betrachtet grds. nachteilig ist. 521  s.



B. Fälligkeitssteuern323

Damit interessiert zum Verjährungsbeginn bei Anmeldungssteuern in Nichteingangsfällen in praxi in erster Linie der konkret versäumte Fälligkeitstermin. Dieser richtet sich, wie bereits ausgeführt, in der Regel nach spezialgesetzlichen Vorgaben (z. B. in § 18 I 1 UStG und § 41a I 1 Nr. 1 EStG) und im Übrigen, wie etwa im Fall des § 18 III 1 UStG, nach § 149 II AO. Dabei darf bei steuerlich beratenen Anmeldungspflichtigen – ausschließlich – im Fall der Umsatzsteuerjahreserklärung nicht die in Abschn. I. I, II. I BLE524 allgemein angeordnete Eingangsfristverlängerung bis 31.12. des Folgejahres aus dem Blick verloren werden525. Dies muss in Fortentwicklung der herrschenden Auffassung weitergehend zur Folge haben, dass auch Hinterziehungen, die einzelne Umsatzsteuervoranmeldungen betreffen, nicht vor diesem Termin zu verjähren beginnen, wenn (wohl nur) hinsichtlich der Jahreserklärung ein „BLE-Fall“ gegeben ist. Zusätzlich können in casu antragsgebundene individuelle Eingangsfristverlängerungen gemäß § 109 I AO eingreifen, die den Verjährungsbeginn weiter hinausschieben526. Davon können gemäß §§ 46 S. 1, 48 I UStDV zwar potentiell auch einzelne oder alle Umsatzsteuervoranmeldungen eines Kalenderjahres betroffen sein (Dauerfristverlängerung um einen Monat). Mit Blick auf den nach allgemeiner Meinung gemeinsamen Verjährungsbeginn mit der die Umsatzsteuerjahreserklärung betreffenden Hinterziehungstat ist das jedoch verjährungsrechtlich ohne weiteren Belang. Entsprechendes gilt für die in § 240 III 1 AO vorgesehene fünftägige Schonfrist für Säumniszuschläge527.

III. In den Fällen des § 370 II AO Der Versuch der Hinterziehung von Fälligkeitssteuern bildet in der Praxis vergleichsweise selten den (alleinigen) Gegenstand eines Steuerstrafverfahrens. Dies liegt daran, dass hier mehrheitlich Nichteingangsfälle (§ 370 I Nr. 2 AO) auftreten, bei denen die Tat wegen § 168 AO mit Ablauf der Anmeldungsfrist zugleich voll- und beendet ist. Im Zeitraum davor liegt nur das unter dem Gesichtspunkt des § 370 I AO straflose Vorbereitungsstadium – und zwar selbst dann, wenn der Täter bereits vorher einen entsprechenden Tatentschluss gefasst hat, denn es fehlt dann immer noch am – hier im 524  s.

S. 295 ff. bspw. BGH, NJW 2009, 2546 (2546 f.). 526  Vgl. Jäger, in: Klein, § 376 Rn. 38; dto. etwa Nöhren, S.  112 f. 527  Unklar v. Briel, in: v.  Briel / Ehlscheid, § 1 Rn. 88; wie hier Randt, Abschn. E Rn. 203. 525  s.

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3. Teil: Der Verjährungsbeginn bei § 370 AO

Fristablauf zu sehenden – unmittelbaren Ansetzen. Dies lässt faktisch keinen Raum für einen Versuch in der Unterlassungsalternative528. Dabei könnte der Unterschied zu den Veranlagungssteuern hier nicht größer sein529. Denn dort führt das Verstreichenlassen der Steuererklärungsfrist nicht per se zur Vollendung und Beendigung der Tat, sondern „nur“ zum Versuchsbeginn. Voll- und beendet ist eine durch – formal – „echtes“ Unterlassen begangene Veranlagungssteuerhinterziehung erst mit der Bekanntgabe eines „zu niedrigen“ Schätzbescheids oder dem weit nach Ablauf der Steuererklärungsfrist liegenden „allgemeinen“ Veranlagungsschluss. Etwas anders ist dies zwar beim „aktiven“ Hinterziehungsversuch in der Begehungsalternative des § 370 I Nr. 1 AO. Hier können selbst in Zahllastfällen (§ 168 S. 1 AO) zwischen der willentlichen Entäußerung der an die Finanzbehörde gerichteten Falschanmeldung in den Rechtsverkehr („Abgabe“, z. B. durch Einwurf in einen Briefkasten der Deutsche Post AG530), und ihrem Eingang (vor Ablauf des Fälligkeitstags531) nicht unerhebliche Zeitspannen liegen532. Aber auch diese Fälle werden mit Blick auf die relativ kurzen Postlaufzeiten, innerhalb derer sich das (rücktritts­ fähige) Versuchsstadium dann bewegt, nur ganz ausnahmsweise praktisch relevant. Dass das Versuchsstadium in „Rotfällen“ (§ 168 S. 2, 3 AO) über den bloßen Eingang hinaus bis zur Zustimmungsbekanntgabe – also etwas länger – dauert, ändert an dieser Einschätzung erfahrungsgemäß nichts533. Geht die Falschanmeldung auf dem Postweg verloren (d. h. es wird niemals zu deren Eingang kommen), liegt ein fehlgeschlagener Versuch vor534, dessen Bestrafung allerdings den eher schwierig zu führenden Nachweis der Absendung der Falschanmeldung einschließlich des entsprechenden Hinterziehungsvorsatzes voraussetzt. Ungeachtet des­ sen beginnt der Lauf der 528  So zutr. Grötsch, in: Wannemacher & Partner, Rn. 762; Joecks, in: Franzen / Gast / Joecks, § 376 Rn. 33; Wiese, in: Wannemacher & Partner, Rn. 511; ähnl. I. Meyer, in: Beermann / Gosch, § 376 AO Rn. 40. 529  Ebenso BayObLGSt 1992, 32 (38 a. E.). 530  Nicht in den Briefkasten des Finanzamts selbst, weil damit schon ein „Eingang“ i. S. v. Nr. 1 S. 1 AEAO zu § 168 und folglich ein unmittelbar voll- und beendetes Delikt vorläge. 531  Andernfalls greift bereits § 370 I Nr. 2 AO ein und das potentielle Versuchsstadium ist vorüber. Bei den Veranlagungssteuern kommt es hierfür dagegen auf die Bekanntgabe des auf der Falscherklärung beruhenden Steuerbescheids an. 532  Das übersieht Wiese, in: Wannemacher & Partner, Rn. 511. 533  Die zwischenzeitliche Überschreitung des Fälligkeitstermins führt nicht zu einer Strafbarkeit nach § 370 I Nr. 2 AO, weil gerade kein Nichteingangsfall, sondern eine (versuchte) Falschanmeldung vorliegt. 534  Vgl. Mösbauer, S. 47.



C. Ausgewähltes Praxisbeispiel: Die „Kindergeldhinterziehung“ 325

Verjährungsfrist aber auch hier, sobald der Täter die Falschanmeldung bewusst in Richtung der Finanzbehörde auf den Weg gebracht hat (i. e. „Beendigung des Versuchs“). Die bereits vorgestellte „Sonderrolle“ der Umsatzsteuerhinterziehung kommt dabei nicht zum Tragen, weil sich diese Rechtsprechung nur auf das vollendete Delikt bezieht.

C. Ausgewähltes Praxisbeispiel: Die „Kindergeldhinterziehung“ Die einzelfallbezogene Übertragung der in den Gliederungspunkten A. und B. dargestellten Grundsätze zur Bestimmung des Verjährungsbeginns ist nicht nur generell mit Schwierigkeiten behaftet – je nachdem, welcher Abschnitt des Besteuerungsverfahrens mit einem hinterziehungsrelevanten Vorgang belastet ist und welche Steuerart mit ihren individuellen Besonderheiten im Zentrum der strafrechtlichen Beurteilung steht, können sich hieraus vielfältige weitere Rechts- und Tatsachenfragen ergeben. Der weit überwiegende Teil dieser Konstellationen ist bereits umfänglich in der Literatur diskutiert und inzwischen wenigstens obergerichtlich, wenn nicht gar durch den BGH abschließend entschieden. Zu denken ist etwa an die vor noch nicht allzu langer Zeit durch den 1. Strafsenat im sog. MedienfondsFall535 endgültig judizierte Frage, wann die Hinterziehungstat in Fällen der einheit­ lichen und gesonderten Feststellung von Besteuerungsgrundlagen (§§ 179 ff. AO) beendet ist536. Gleiches gilt für die ebenfalls im allgemeinen Abgabenrecht wurzelnde, im Steuerstrafrecht geradezu „klassische“ Frage nach dem Verjährungsbeginn bei einer Verletzung der „unverzüglich“ zu befolgenden Anzeige- und Berichtigungspflichten nach § 153 AO537 oder – ebenso geläufig – die regelungstechnischen Besonderheiten der in der Strafverfolgungspraxis immer wieder relevanten Steuerarten, die auch auf die Frage nach dem Verjährungsbeginn durchschlagen: Das sind beispielsweise 535  BGHSt

53, 99 (105 ff.) = NJW 2009, 381 (383 f.). S.  208 ff. 537  Grdlg. BGHSt 53, 210 (212 ff.) = NJW 2009, 1984 (1985 ff.). Die Verjährung einer Tat nach § 370 I Nr. 2 AO beginnt hier zu dem – hypothetischen – Zeitpunkt, zu dem die Bekanntgabe der Änderung des unzutreffenden Steuerbescheids erfolgt wäre, wenn der Unterlassungstäter rechtzeitig eine Berichtigungsanzeige erstattet hätte (dto. I. Meyer, in: Beermann / Gosch, § 376 AO Rn. 38; die h. M. stellt – zu ungenau – auf den fiktiven Änderungszeitpunkt ab, meint aber faktisch dasselbe, vgl. u. a. Jäger, in: Klein, § 376 Rn. 29; Joecks, in: Franzen / Gast / Joecks, § 376 Rn. 30; Rolletschke, in: Rolletschke / Kemper, § 376 Rn. 27; a. A. Grötsch, in: Wannemacher & Partner, Rn. 755 [pauschal 1 Monat 1 Woche nach Kenntniserlangung]; Schauf, in: Kohlmann, § 376 Rn. 100 [„Ablauf der Frist zur Richtigstellung“]). 536  s.

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3. Teil: Der Verjährungsbeginn bei § 370 AO

die Lohn- und Kapitalertragsteuer538 als besondere Erhebungsformen der Einkommensteuer oder – schon als solche – die Körperschaft-539, Gewerbe-540, Umsatz-541, Erbschaft- und Schenkung-542, Tabak-543 und Energiesteuer544. Neben diesem (steuer-)strafrechtsdogmatisch wie auch praktisch größtenteils erschlossenen „Mainstream“, hat sich seit der Neuregelung des sog. Familienlasten- bzw. -leistungsausgleichs545 durch das JStG 1996546 zum 1.1.1996 ein neues, im Abgabenstrafrecht so bisher noch nicht dagewesenes verjährungsrechtliches Phänomen ergeben: Die konstruktive Ausgestaltung dieses Instituts als Steuervorteil (Steuervergütung547) in der Form, dass es zu monatlichen Kindergeldauszahlungen durch die Familienkasse kommt, kann, wie sogleich zu zeigen sein wird, dazu führen, dass die Verjährungsfrist auch bei bereits im Rahmen der Erstantragstellung (§ 67 S. 1 EStG) gemachten Falschangaben erst 18 bzw. 25 Jahre548 nach der ersten Kindergeldauszahlung (§ 66 II EStG) zu laufen beginnt. Damit ist das – im Vergleich zur Praxisdiktion „Kindergeldhinterziehung“ genauer ausgedrückt – Erschleichen von Kindergeld neben dem bereits erwähnten § 266a II StGB (Verjährungsbeginn in der Regel erst 30 Jahre nach Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Beiträge fällig geworden sind549) eine derjenigen Fallgruppen im geltenden Strafrecht, bei der es de lege lata mitunter am längsten bis zur Tatbeendigung im Sinne von § 78a S. 1 StGB dauern kann. Dennoch hat eine nähere wissenschaftliche Betrachtung dieser häufig anzutreffenden Konstellation bislang nicht stattgefunden.

538  Trotz Einführung der Abgeltungsteuer i. H. v. 25 % (§ 32d I 1 EStG) zum 1.1.2009 ist gem. §§ 45a I 1, 44 I 5 EStG grds. nach wie vor bis zum 10.  des auf den Zufluss von Kapitalerträgen folgenden Monats eine Kapitalertragsteueranmeldung abzugeben, es sei denn, es liegt ein Freistellungsauftrag oder eine Nichtveranlagungsbescheinigung vor (vgl. § 44a I, II 1 EStG). Für den Verjährungsbeginn kann der Termin daher auch künftig noch Bedeutung erlangen (erg. Fn. 465). 539  s. dazu d. Nachw. in Fn. 105. 540  s. S.  211 f. 541  s. insbes. S. 317 ff. 542  s. S.  240 ff. 543  s. S.  58 ff., 303 ff. 544  s. S. 313. 545  Zu den Begrifflichkeiten: § 31 EStG u. BT-Drs. 16 / 1360, S. 56 (Fn. 35). 546  Jahressteuergesetz 1996 v. 11.10.1995 (BGBl. I, S. 1250). 547  Trotz § 31 S. 3 EStG zweifelnd Schmitz, in: MüKo-StGB, § 370 AO Rn. 125 a. E.; erg. Fn. 7. 548  Zu der vom Alter des Kindes abhängigen Maximaldauer des Kindergeldbezugs s. § 63 I 2 i. V. m. § 32 IV, V EStG. 549  s. S. 98.



C. Ausgewähltes Praxisbeispiel: Die „Kindergeldhinterziehung“ 327

I. Erschleichen von Kindergeld Das Erschleichen von Kindergeld ist ohnehin ganz generell eine im Schrifttum zu Unrecht nur vergleichsweise selten aufgegriffene Spielart der Steuerhinterziehung bzw. des – im weitesten Sinne – Sozialleistungsbetrugs550. Das steht, wie bereits angedeutet, im krassen Gegensatz zur immensen Bedeutung dieser Fälle, vor allem in der tatrichterlichen Praxis der Steueramtsgerichte551. Im staatsanwaltschaftlichen Tätigkeitsbereich ist der Kontakt mit der Materie wegen § 406 I AO spätestens in Gestalt der Wahrnehmung der Sitzungsvertretung durch einen Dezernenten der Schwerpunktabteilung für Wirtschaftsstrafsachen „vorprogrammiert“. Und auch die Dezernenten der Abteilung(en) für allgemeine Strafsachen kommen bisweilen in die Verlegenheit, sich im Zuge einer von der Kriminalpolizei vorgelegten Betrugsanzeige mit dem ungerechtfertigten Bezug von Kindergeld nach dem Bundeskindergeldgesetz befassen zu müssen. All das macht es erforderlich, sich unabhängig von der hier im Speziellen interessierenden verjährungsrechtlichen Problematik zunächst einen Überblick über die rechtlichen Grundlagen der „Kindergeldhinterziehung“ zu verschaffen. 1. (Straf-)Rechtliche Rahmenbedingungen Seit 1.1.1996 wird das Kindergeld im Wesentlichen nach den Vorschriften des Einkommensteuergesetzes (§§ 31 f., 62 ff. EStG) in Form von monatlich ausbezahlten Steuervergütungen gewährt (§ 31 S. 3 EStG, § 37 I AO)552. Gemäß § 66 I 1 EStG beträgt die Höhe des Kindergelds seit 31.12.2009 monatlich – für das erste und zweite Kind jeweils 184 €553, 550  In materiell-strafrechtlicher Hinsicht sind das im Wesentlichen die Aufsätze von Blesinger, wistra 1996, 255, Braun, PStR 2008, 37, Elden, FamFR 2013, 4, Haag, ZTR 1999, 12 und Kahlen, PStR 1999, 92. Hinzu kommen die Beiträge von M. Ebner, PStR 2013, 231 und Wegner, PStR 2012, 225 zur DA-FamBuStra sowie von Lindwurm, AO-StB 2012, 339 speziell zur Verjährungsfrage. 551  Nach den Erfahrungen des Autors gibt es z. B. beim AG Nürnberg regelmäßig ganze Sitzungstage, an denen ausschließlich Einsprüche gegen ursprünglich von der Familienkasse beantragte Strafbefehle verhandelt werden; s. erg. die im Internet unter http: /  / www.bzst.de veröffentlichten Formulare „KGStB11“ und „KGStB12“ (zuletzt abger. am 5.10.2014). 552  Grdlg. Bilsdorfer, NJW 2011, 2913 u. NJW 2013, 897. Der Kinderfreibetrag i. H. v. 2.184  € (§ 32 VI 1 EStG) ist im Verhältnis zum Kindergeld nach der durch das Finanzamt gem. § 31 S. 4 EStG von Amts wegen durchzuführenden Günstigerprüfung (sog. Vergleichsrechnung, vgl. Loschelder, in: Schmidt, § 31 Rn. 10 ff.) i. d. R. subsidiär. Ein Wahlrecht zwischen Freibetrag und Kindergeld besteht nicht. 553  Vormals: 154  € (2002–2008) bzw. 164  € (2009).

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3. Teil: Der Verjährungsbeginn bei § 370 AO

– für das dritte Kind 190  €554 und – für das vierte und jedes weitere Kind jeweils 215 €555. Im Wachstumsbeschleunigungsgesetz vom 22.12.2009556 hat der Gesetzgeber zudem für jedes Kind, für das im Kalenderjahr 2009 mindestens für einen Monat ein Anspruch auf Kindergeld bestand, eine Einmalzahlung in Höhe von 100  € vorgesehen (§ 66 I 2 EStG, sog. Kinderbonus). Bereits danach ist offensichtlich, dass bei einer sich über längere Zeiträume hinziehenden Kindergelderschleichung je nach Anzahl der vorgeblich (noch) berücksichtigungsfähigen Kinder mitunter erhebliche Verkürzungsvolumina (§ 370 IV 2 AO) auflaufen können. Hinzu kommt, dass die „Kindergeldhinterziehung“ – ebenso wie der Vorsteuerbetrug bei der Umsatzsteuer – nicht darauf gerichtet ist, keine oder geringere Steuern zu bezahlen, sondern – im Gegenteil – nach der Diktion des BGH einen „ ‚Griff in die Kasse‘ des Staates“557 darstellt. Dies muss sich nach der grundsätzlichen Stoßrichtung der Entscheidung BGH, NJW 2012, 1015 und im Anschluss an den strukturell gleichgelagerten Sozialleistungsbetrug auch auf Ebene der Strafzumessung auswirken. Es mutet daher gleich in mehrfacher unangemessen an, dass die DA-KG558 in Kap. S Nr. 8 II S. 4 1. Hs. bestimmt: „Anhaltspunkt [vormals: ‚Ausgangspunkt‘] der Strafzumessung ist, dass je Monat und Kind, für die zu Unrecht Kindergeld bezogen worden ist, grundsätzlich zwei Tagessätze zu verhängen sind“ (Hervorh. v. hier).

Nicht nur, dass die darin angelegte schematisch-mathematische Strafzumessungsmethodik – falls Kap. S Nr. 8 II S. 4 1. Hs. DA-KG in der Praxis so verstanden und angewendet werden sollte – kaum mit dem Schuldmaßprinzip (§ 46 I 1 StGB) in Einklang zu bringen sein dürfte und daher bereits deshalb zweifelhaft erscheint. Weitaus bedenklicher ist, dass die auf diese Weise „rein rechnerisch“ zugemessenen Strafen erfahrungsgemäß zu niedrig angesetzt und damit in der Sache nicht mehr schuldangemessen wären. Das wird allenfalls dadurch etwas relativiert, dass Kap. S Nr. 8 II S. 4 2. Hs. DA-KG eine Öffnungsklausel in Richtung der Nrn. 75 ff. ASB enthält und Nr. 76 II 4 ASB jetzt auch auf die BGH-Entscheidung zum „ ‚Griff in die Kasse‘ des Staates“ verweist. Soll als „Anhaltspunkt“ der Strafzumessung überhaupt auf ein gleichwie geartetes Schema zurückgegriffen werden, wäre es vor diesem Hintergrund 554  Vormals:

154  € (2002–2008) bzw. 170  € (2009). 179  € (2002–2008) bzw. 195  € (2009). 556  BGBl. I, S. 3950. 557  Vgl. BGH, NJW 2012, 1015 (1016) m. Anm. M. Ebner, NJ 2013, 347; erg. S.  154 ff. 558  s. 1. Teil, Fn. 107. 555  Vormals:



C. Ausgewähltes Praxisbeispiel: Die „Kindergeldhinterziehung“ 

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insgesamt sinnvoller, das bei den Justizbehörden zum Teil gebräuchliche Grobraster559 zur Anwendung zu bringen. Diesem liegt wegen der augenscheinlichen Deliktsparallelität zwischen der „Kindergeldhinterziehung“ und dem Sozialleistungsbetrug ein im Vergleich zur DA-KG etwas strengerer Maßstab zugrunde, indem die Anzahl der Tagessätze als Orientierungshilfe bei der Geldstrafenbemessung auf Grundlage der „Formel“ „Anzahl der Kinder mal Anzahl der Monate des ungerechtfertigten Kindergeldbezugs mal drei“

bemessen und dann in der Regel auf volle 5er- bzw. 10er-Stellen auf- oder abgerundet wird560. Beispiel561: Wurde Kindergeld von 2005 bis 2008, also vier Jahre (d. h. 48 Monate) lang, für ein (das erste) Kind zu Unrecht bezogen (Verkürzungsumfang: 7.392  €), steht nach Maßgabe von Kapitel  S der DA-KG ein Geldstrafensockel von 96 Tagessätzen (wegen § 32 II Nr. 5a BZRG i. d. R. abzurunden auf 90 Tagessätze) im Raum. Der Ausgangspunkt der Rechtsfolgenerwartung aus Sicht der Staatsanwaltschaft läge demgegenüber bei 144 Tagessätzen, in praxi also bei – abgerundet – 140 Tagessätzen.

Für die Verfolgung der „Kindergeldhinterziehung“ sind, sofern nicht allgemeine Straftaten, wie etwa gemäß § 267 StGB, hinzutreten (vgl. § 386 II AO), grundsätzlich die strukturell bei der Bundesagentur für Arbeit angesiedelten (Bundes-)Familienkassen zuständig. Diese werden dabei im Wege gesetzlich angeordneter Amtshilfe bzw. Organleihe gemäß § 5 I Nr. 11 FVG funktional für das Bundeszentralamt für Steuern tätig562. Die Familienkasse ist danach bei Steuerstraftaten, die sich in der Erschleichung von Kindergeld nach dem EStG erschöpfen, eigenständige „Steuer-Staatsanwaltschaft“ (§§ 386 I 1, 2, 399 AO). Das Bundesfinanzministerium hat die Zuständigkeiten der Familienkassen durch Rechtsverordnung563 auf bundesweit insgesamt 23 Bußgeld- und Strafsachenstellen (kurz: „FamBuStra“) konzentriert. Darüber hinaus sind auch die in § 72 EStG genannten Dienstherren bzw. öffentlichen Arbeitgeber der Länder „Familienkassen“ in diesem Sinne Das hat die durchaus bemerkenswerte Folge, dass auch diese Strafverfolgungsbehörden im vorgenannten Sinne sind, soweit das durch sie für ihre Beamten bzw. Bediensteten festgesetzte und durch Verrechnung mit der einzubehaltenden Lohnsteuer (vgl. § 72 VII EStG) zur Auszahlung gebrachte Kindergeld unberechtigt erlangt wird. Diese (Bundes-)Aufgaben sind entsprechend der in 559  So

wert.

nach den Praxiserfahrungen d. Verf. zumindest bis 2011 als grober Richt-

560  Erg.

M. Ebner, in: Flore / Tsambikakis, § 400 AO Rn. 11. Braun, PStR 2008, 37 (38 a. E.). 562  Vgl. Kap.  O Nr. 2.1 DA-KG; Blesinger, wistra 1996, 255. 563  FamZustV v. 8.6.2006 (BGBl. I, S. 1309). 561  Nach

330

3. Teil: Der Verjährungsbeginn bei § 370 AO

§ 5 I Nr. 11 S. 7 und 9 FVG eingeräumten Konzentra­tions­mög­lich­keiten auch auf Landesebene ausgewählten Behörden übertragen564. Dabei ist zu beachten, dass falsche Angaben im Zusammenhang mit der Beantragung von Kindergeld gegenüber diesen Stellen des öffentlichen Dienstes doppelrelevant sind, weil sie sich auch in Bezug auf einen eventuell gewährten Familienbzw. Ortszuschlag sowie die Höhe des Beihilfesatzes auswirken können. Da in solchen Fällen mithin stets auch Vergehen des (versuchten) Betrugs (§ 263 StGB) im Raum stehen565, muss die (Landes-)Familienkasse die Sache regelmäßig mangels Verfolgungskompetenz gemäß § 386 II Nr. 1, IV 1 AO an die zuständige Staatsanwaltschaft abgeben. 2. Exkurs: Das „BKGG-Kindergeld“ Personen, die keinen Anspruch auf den Familienleistungsausgleich nach den Vorschriften des EStG haben, kann ein rein sozialrechtlicher566 Kindergeldanspruch nach Maßgabe von § 25 SGB I in Verbindung mit dem BKGG zustehen. Wesentliche Voraussetzung hierfür ist, dass weder eine unbeschränkte Steuerpflicht im Sinne von § 1 I, II EStG besteht, noch ein Fall des § 1 III EStG vorliegt (§ 1 I, II BKGG). Auch der Kindergeldanspruch nach dem BKGG kann gemäß § 2 II Nr. 2, III BKGG die Auszahlung von Kindergeld über einen Zeitraum von durchgängig mehr als 25 Jahren umfassen, mit der Folge, dass die Tat – parallel zu der hier zum „EStG-Kindergeld“ vertretenen Auffassung (s. u.) – erst nach diesem Zeitraum beendet sein kann (§ 78a S. 1 StGB). Die Höhe des „BKGG-Kindergelds“ entspricht derjenigen des „EStG-Kindergelds“ (vgl. § 6 BKGG). Zudem sieht § 6a BKGG für einkommensschwache Kindergeldberechtigte einen sog. Kinderzuschlag vor, der neben dem bzw. zusätzlich zum „EStG-Kindergeld“ in Höhe von „bis zu 140 € monatlich“ für jedes berücksichtigungsfähige Kind gewährt werden kann (§ 6a II 1 BKGG)567. Das BKGG wird ebenfalls von 564  In Bayern werden diese Aufgaben u. a. durch das Bayerische Landesamt für Finanzen (für Landesbeamte, z. B. der Justiz, Polizei oder Finanzverwaltung) und die Anstalt für Kommunale Datenverarbeitung in Bayern (für die Beamten der Kommunen und der Körperschaften und Anstalten des öffentlichen Rechts, z. B. Universitäten) wahrgenommen, vgl. § 1 I Nr. 1, 2, II, III BayLFamkV. 565  Ebenso Braun, PStR 2008, 37 (38); Haag, ZTR 1999, 12 (15, 17 ff.). 566  Blesinger, wistra 1996, 255 (256). 567  Im Erschleichungsfall kann auch hier der Verdacht der Steuerhinterziehung (in Bezug auf das „EStG-Kindergeld“) und (d. h. § 52 I StGB, wg. § 13 I 1 BKGG) des Betruges (in Bezug auf den Kinderzuschlag) bestehen, mit der Folge, dass die Sache dann wegen § 386 II AO insgesamt an die StA abzugeben ist. Endet die Gewährung des Kinderzuschlages vor dem Kindergeldbezug (vgl. § 6a II 3 BKGG), kommen freilich unterschiedliche Beendigungszeitpunkte (§ 78a S. 1 StGB) in Betracht.



C. Ausgewähltes Praxisbeispiel: Die „Kindergeldhinterziehung“ 331

der Bundesagentur für Arbeit bzw. den Familienkassen durchgeführt (vgl. § 13 BKGG, mit der Auffangzuständigkeit Nürnberg), jedoch nicht für das Bundeszentralamt für Steuern, sondern gemäß § 7 BKGG nach Weisung Bundesfamilienministeriums568. Die §§ 369 ff. AO gelten hier nicht, weil das Kindergeld und der Kinderzuschlag nach dem BKGG nicht als Steuervergütung, sondern als „reguläre“ Sozialleistung gewährt werden. Werden das „BKGG-Kindergeld“ oder der Kinderzuschlag erschlichen, steht demnach (insoweit) keine Steuerhinterziehung, sondern ein Betrug im Sinne von § 263 StGB569 im Raum. 3. Hinterziehungsformen und Problemfeld „Vorsatz“ Die deliktsspezifischen Ausprägungen der Steuerhinterziehung im Zusammenhang mit dem Erschleichen von Kindergeld scheinen auf den ersten Blick vielfältig und unübersichtlich. Sie lassen sich aber relativ schnell auf bestimmte, in der Praxis immer wiederkehrende Fallgruppen reduzieren. Die beiden Grundkonstellationen bestehen dabei entweder (1) in der – realiter am häufigsten vorkommenden – pflichtwidrigen (§ 68 I 1 EStG) Nichtmitteilung von im Zeitraum seit der Antragstellung eingetretenen Änderungen leistungserheblicher Umstände (§ 370 I Nr. 2 AO; z. B. Wegzug ins Ausland570, Aufnahme eines Beschäftigungsverhältnisses durch ein arbeitslos gemeldetes Kind zwischen 18 und 21 Jahren571 oder vorzeitige Beendigung eines Ausbildungsverhältnisses eines 18 – 25 Jahre alten Kindes572) oder es werden (2) bereits bei der (Erst- oder Fortsetzungs-)Antragstellung unwahre leistungserhebliche Tatsachen positiv behauptet (§ 370 I Nr. 1 AO). Das ist vor allem bei Kindergeldanträgen für nicht existente, bereits verstorbene oder niemals im Bundesgebiet wohnhafte Kinder573 der Fall. Nicht selten 568  Vgl.

Kap. O Nr. 1.1 III 2, 3 DA-KG. und wenn ja, inwieweit § 263 StGB entgegen § 21 I 1 OWiG ausnahmsweise durch den OWi-Tatbestand des § 16 BKGG verdrängt wird (grdlg. dazu Mitsch, in: KK-OWiG, § 21 Rn. 7 ff.), ist bis dato nicht eindeutig geklärt. Die Rspr. zum BKGG i. d. F. vor dem 1.1.1996 deutete zwar auf eine Verdrängungswirkung unter Gesichtspunkt des lex specialis-Grundsatzes hin (vgl. BayObLG, Beschl. v. 2.8.1995, 3 ObOWi 74 / 95, BeckRS 1995, 11056 zu § 29 I Nr. 2 BKGG a. F. [Nichtmitteilung eines Stipendiums]). Angesichts der seit 1.1.1996 etablierten umfassenden Strafbarkeit des Erschleichens von „EStG-Kindergeld“ wegen Steuerhinterziehung ist eine Privilegierung des Erschleichens von „BKGG-Kindergeld“ jedenfalls heute nur noch schwer zu rechtfertigen (ein ähnl. Gedanke findet sich in Kap. S Nr. 9.1 II 2 DA-KG). 570  Vgl. § 62 I EStG. 571  Vgl. § 63 I 2 i. V. m. § 32 IV 1 Nr. 1 EStG. 572  Vgl. § 63 I 2 i. V. m. § 32 IV 1 Nr. 2a EStG. 573  Vgl. § 63 I 3 EStG. 569  Ob

332

3. Teil: Der Verjährungsbeginn bei § 370 AO

kommt auch der gleichzeitige Bezug von Kindergeld bei (typischerweise zwei) verschiedenen Familienkassen vor (sog. Doppel- oder Mehrfachbezug574). Falschangabefälle dieser Art gehen wegen der sich aus § 60 I Nr. 3 SGB I ergebenden Pflicht zur Vorlage von Beweisurkunden nicht selten mit Urkundsdelikten einher (§ 267 I StGB, z. B. durch Vorlage einer totalgefälschten Schulbescheinigung575), was dann gemäß § 386 II AO zur Abgabe des Verfahrens an die Staatsanwaltschaft führt. Wie bereits angedeutet, lassen sich diese Grundkonstellationen relativ leicht in das vom Gesetz vorgegebene Schema einordnen: Positive Falsch­ angaben in Erst- oder Fortsetzungsanträgen bzw. auf Fragebögen zur periodischen Überprüfung der Bezugsberechtigung unterfallen § 370 I Nr. 1 AO, wohingegen das bewusste Unterlassen einer gemäß § 68 I 1 EStG576 gebotenen Veränderungsanzeige den Tatbestand von § 370 I Nr. 2 AO erfüllt. Auf das BKGG übertragen bedeutet dies, dass „aktive“ Täuschungshandlungen den Tatbestand des Betruges verwirklichen können; spiegelbildlich dazu stellt die Nichtvornahme einer – hier gemäß § 60 I 1 Nr. 2 SGB  I – erforderlichen Änderungsmitteilung einen Betrug durch Unterlassen (§§ 263, 13 StGB) dar577. Weitaus mehr Schwierigkeiten kann dagegen der hinreichend sichere Nachweis des subjektiven Tatbestands in der auf § 68 I 1 EStG (bzw. § 60 I 1 Nr. 2 SGB  I) bezogenen Unterlassungsalternative bereiten. Zwar versichern Kindergeldberechtigte bei der Antragstellung, von dem Hinweis auf ihre besonderen Mitwirkungspflichten auf dem jeweiligen Antragsformular578 und auch vom Inhalt des diesbezüglichen, jeweils gesondert übergebenen Merkblatts579 Kenntnis genommen zu haben. Der hiergegen vorge­ brachte Einwand, sich aufgrund des langen Zeitablaufs, wegen mangelnder 574  s. bspw. FG Köln, DStRE 2010, 766; FG Rheinland-Pfalz, EFG 2010, 612; erg. Reuß, EFG 2010, 385 (Überzahlungen von „mehr als 8  Mio.  €“ in 2009); zu den beamtenrechtlichen Folgen: VG Münster, PStR 2012, 1. 575  In dem zugrunde liegenden Praxisfall des AG Nürnberg (n. v.) konnte der Täter durch eine daktyloskopische Untersuchung der bei der Familienkasse eingereichten Bescheinigung überführt werden (s. dazu bereits Fn. 170). 576  Dabei handelt es sich um einen Spezialfall der hier nicht geltenden §§ 60 I Nr. 2 SGB I, 153 AO (vgl. Treiber, in: Blümich, § 68 EStG Rn. 2, 5). 577  Erg. Fn. 569. 578  Dieser lautet: „Ich versichere, dass ich alle Angaben wahrheitsgetreu gemacht habe. Mir ist bekannt, dass ich alle Änderungen, die für den Anspruch auf Kindergeld von Bedeutung sind, unverzüglich der Familienkasse mitzuteilen habe. Das Merkblatt über Kindergeld habe ich erhalten.“ 579  Zur aktuellen Fassung s. Schreiben des BZSt v. 14.3.2014, St II 2-S 2280BA / 14 / 00001, BeckVerw 284016; das „Merkblatt Kindergeld Stand: Juni 2013“ ist in BStBl. I 2013, S. 199 abgedr.; erg. FG München, Urt. v. 14.6.2012, 5 K 1058 / 10,



C. Ausgewähltes Praxisbeispiel: Die „Kindergeldhinterziehung“ 333

Rechts- und / oder Sprachkenntnisse580 o. ä. im tatrelevanten Zeitraum der Mitwirkungspflicht nicht mehr gewärtig gewesen zu sein, sprich lediglich fahrlässig gehandelt zu haben, kann jedoch im Einzelfall nur schwer widerlegt werden. Dies gilt umso mehr, wenn das Kindergeld an ein Kind, für das kein (ausreichender) Unterhalt (mehr) geleistet wird, gemäß § 74 I EStG direkt ausbezahlt („abgezweigt“) wird. Die hierzu in Kap. S Nr. 2.3.1.1 II („Beispiel für bedingten Vorsatz“) und Nr. 2.3.1.2 I 4 DA-KG gegebenen Hinweise, dass wegen der umfänglichen Belehrung über die Mitwirkungspflicht „in der Regel vorsätzliches Handeln unterstellt“ werden könne bzw. „ein entsprechendes Vorbringen [gegen vorsätzliches Handeln] i. d. R. als Schutzbehauptung zu werten“ sei581, sind jedenfalls in der dort suggerierten Allgemeingültigkeit nicht tragfähig. Liegt kein Geständnis oder ein eindeutiger Fall (offensichtliche Falschangaben, etwa über nicht existente Kinder, Doppelbezug von Kindergeld oder Vorlage gefälschter Urkunden) vor, ist vielmehr eine auf Indizien gestützte Gesamtwürdigung aller Umstände, die für und gegen vorsätzliches Handeln sprechen, vorzunehmen. Dabei kann sich – in der Zusammenschau mit den Hinweisen im Kindergeldantrag bzw. -bescheid und den Merkblättern – vor allem der Umstand zu Lasten des Verdächtigen auswirken, dass dieser trotz einer offensichtlich leistungserheblichen Veränderung der Lebensumstände das Kindergeld schlicht weiterbezogen hat (vgl. Kontoauszug bzw. Gehaltsmitteilung), ohne sich um das Fortbestehen der Anspruchsberechtigung zu kümmern. Ein solches „bewusstes Wegschauen“ kann im Einzelfall zu der Überzeugungsbildung führen (§ 261 StPO), dass ein zumindest bedingter Steuerhinterziehungsvorsatz vorlag582. Ist dies nicht der Fall, muss vorrangig vor einem Freispruch eine Verurteilung wegen leichtfertiger Steuerverkürzung (§ 378 AO) geprüft werden583. Zur Vermeidung weitergehender (unverhältnismäßiger) Ermittlungen in Bezug auf die subjektiven Tatumstände kann an dieser Stelle unter Opportunitätsgesichtspunkten alternativ auch eine Verfahrenseinstellung gemäß §§ 153, 153a, 154 / 154a StPO bzw. § 398 AO erfolgen.

BeckRS 2013, 94083 – Merkblatt in 1995 unklar hinsichtlich Schulbesuch in der Türkei; EFG 2013, 2025 – dto. bzgl. Merkblatt 1998. 580  Vgl. FG München, Urt. v. 14.2.2007, 9  K 2906 / 06, BeckRS 2007, 26023018 – Privatschulbesuch in Syrien; FG Hamburg, Urt. v. 18.6.2012, 6 K 41 / 12, BeckRS 2012, 96037 – Auszug des Bezugsberechtigten aus der Ehewohnung. 581  Hervorh. jew. v. hier; zust. Braun, PStR 2008, 37 (38); Haag, ZTR 1999, 12 (14); Kahlen, PStR 1999, 92 (93); einschr. dagegen Elden, FamFR 2013, 4 (5: „bedingter Vorsatz wird wohl in der Regel anzunehmen sein“); krit. zum Begriff „Schutzbehauptung“ Wegner, PStR 2012, 225 (228: „sprachlich und dogmatisch unschön“); erg. FG München, EFG 2011, 2173 (2176). 582  Vgl. Haag, ZTR 1999, 12 (14). 583  Vgl. BGH, NStZ 2012, 160 (161) m. w. N.

334

3. Teil: Der Verjährungsbeginn bei § 370 AO

II. Verjährungsbeginn Da der monatlichen Auszahlung von Kindergeld – egal ob es als Steuervergütung oder aufgrund des BKGG gewährt wird – jeweils ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung zugrunde liegt584, herrscht im steuerstrafrecht­ lichen Schrifttum Einigkeit, dass die durch vorsätzliche Falschangaben oder eine pflichtwidrig unterlassene Veränderungsanzeige begangene Kindergeld­ erschleichung jeweils erst, wie zuerst Blesinger585 insoweit zutreffend formuliert hat, „mit der Auszahlung des letzten Kindergeldbetrages, der auf der fehlerhaften Festsetzung beruht“,

beendet ist (§ 78a S. 1 StGB)586. Zu begründen ist dies in erster Linie damit, dass der auf einem entweder bereits als solchem erschlichenen Dauersteuerverwaltungsakt beruhende, spätestens aber mit einem Verstoß gegen § 68 I 1 EStG inkriminierte Geldfluss in Richtung des Täters – und damit das Tatunrecht – erst dann zu seinem tatsächlichen Abschluss gekommen ist587. Diese sozusagen „Fortwirkung“588 des deliktischen Verhaltens wird zusätzlich durch den Umstand gestützt, dass die Familienkassen nach der Erstgewährung des Kindergelds keine weitergehenden Kontrollmaßnahmen durchführen, sondern, wie aktuell in Kap. O Nr. 2.8 DA-KG beschrieben589, 584  Vgl.

§ 70 I EStG bzw. § 31 S. 1 SGB  X i. V. m. §§ 11 I, 14 BKGG. wistra 1996, 255, wobei er allerdings die Rechtsbegriffe „Vollendung“ und „Beendigung“ verwechselt. 586  Gl. A. Braun, PStR 2008, 37 (38), Haag, ZTR 1999, 12 (15); Kahlen, PStR 1999, 92 (93); Lindwurm, AO-StB 2012, 339 (342); dem zust. BFH, Urt. v. 26.6.2014, III R 21 / 13, BeckRS 2014, 96434, Tz. 14 ff.; FG München [10. Senat], EFG 2013, 910 (912); EFG 2014, 1939 (1942); ähnl. bereits OLG Hamm, Beschl. v. 15.2.1995, 2 Ss OWi 1396 / 95, juris („spätestens mit dem Zeitpunkt der Zahlungseinstellung“); a. A. FG München [9. Senat], EFG 2013, 135 (137 f.) u. im Anschluss daran FG Köln, Urt. v. 26.2.2014, 12  K 1957 / 13, juris, Tz. 72 ff., 76. 587  Kahlen (in: PStR 1999, 92 [93]) stützt das zusätzlich auf den Rechtsgedanken des § 78a S. 2 StGB. 588  Auf einen „Fortsetzungszusammenhang“ i. S. d. früheren (aufgegebenen) Rspr. (s. d. Nachw. in Teil  1, Fn. 246) liefe das, anders als etwa das FG Köln (Urt. v. 26.2.2014, 12  K 1957 / 13, juris, Tz. 86; ähnl. bereits FG München, EFG 2013, 135 [137]) meint, nicht hinaus, weil insofern keine gesonderten Taten vorliegen (s. u.). 589  s. insbes. Kap. O Nr. 2.8 III DA-KG: „1Bei der Überprüfung ist der Kindergeldberechtigte aufzufordern, innerhalb einer Frist von einem Monat das Vorliegen der erforderlichen Anspruchsvoraussetzungen nachzuweisen. 2Dabei ist er auf die Folgen fehlender Mitwirkung gemäß § 68 Abs. 1 EStG hinzuweisen. 3Nach ergebnislosem Ablauf der Frist ist der Kindergeldberechtigte einmalig mit einer Frist von einem Monat an die Einreichung der Unterlagen zu erinnern. 4Bei fehlender Mitwirkung (vgl. V  7.2 und V  7.4) sind je nach Sachlage im Rahmen der freien Beweiswürdigung zu Lasten des Kindergeldberechtigten nachteilige Schlüsse zu ziehen.“ 585  In:



C. Ausgewähltes Praxisbeispiel: Die „Kindergeldhinterziehung“ 335

„voll auf die Mitwirkung des Kindergeldberechtigten“ setzen590. In systematischer Hinsicht kann außerdem ergänzend auf die in § 370 IV 2 2. Hs. AO getroffene Unterscheidung zwischen der erschlichenen Gewährung und dem zu Unrecht erfolgten Belassen einer Steuervergütung sowie die – in diesem Kontext ebenfalls bereits von Blesinger591 erwogenen – Grundsätze zu Bestimmung des Verjährungsbeginns bei Grundlagenbescheiden592 verwiesen werden. Und auch die Rechtsprechung des BGH zum Renten-, BAföG- und Anlagebetrag geht damit konform593. Schließlich findet sich dieselbe Auffassung in Kap. S Nr. 2.5 S. 4–6 ­DA-KG: „4Tatbeendigung tritt solange nicht ein, wie zu Unrecht die Wirkung der Kindergeld-Festsetzung fortbesteht, § 370 Abs. 4 Satz  2 AO. 5Nach § 78a Satz  2 StGB beginnt die Verjährungsfrist erst zu laufen, wenn der Taterfolg vollständig eingetreten ist. 6Für den Familienleistungsausgleich bedeutet dies, dass erst nach der letzten Auszahlung aufgrund einer auf einer strafbaren Handlung beruhenden Festsetzung die Tat beendet ist und die Verjährung beginnt.“594

1. Vollendung Unzutreffend ist die – scheinbar – Kap. S Nr. 2.5 S. 3 DA-KG zugrunde gelegte und im Anschluss daran insbesondere von Blesinger595 vertretene Auffassung, die „Kindergeldhinterziehung“ sei in der Begehungsalternative des § 370 I Nr. 1 AO bereits dann vollendet, wenn der die Falschangaben enthaltende Kindergeldantrag bei der Familienkasse eingegangen bzw. dieser zugegangen ist: „3Eine vorsätzlich begangene Tat ist vollendet, wenn der Täter alle Tatbestandsmerkmale verwirklicht hat, z. B. einen unzutreffenden Antrag gestellt hat und nach seiner Vorstellung keine weiteren Handlungen zur Sicherung des Erfolges notwendig sind.“

Da die Vollendung nach einhelliger Auffassung erfordert, dass alle Merkmale des gesetzlichen Tatbestands erfüllt sind, kann es im Zeitpunkt des Eingangs der inhaltlich unzutreffenden Antragsunterlagen noch nicht zu einer vollendeten Steuerhinterziehung gekommen sein. Denn allein „dadurch“ 590  Lindwurm,

AO-StB 2012, 339 (342). Blesinger, wistra 1996, 255. 592  s. S.  208 ff. m. w. N. 593  s.  d. Nachw. in BFH, Urt. v. 26.6.2014, III R 21 / 13, BeckRS 2014, 96434, Tz. 15 und bei Lindwurm, AO-StB 2012, 339 (341 f.); erg. Otto, in: Lackner FS, S. 715 (732 f.); s. a. Nazarian, S. 49 ff. zum Rentenbetrug. 594  Hervorh. v. hier; zum Widerspruch mit Kap. S Nr. 4.1 S. 4, 6 a. F. DA-KG s. sogleich. 595  In: wistra 1996, 255. 591  Vgl.

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3. Teil: Der Verjährungsbeginn bei § 370 AO

hat der Täter noch keinen nicht gerechtfertigten Steuervorteil erlangt (§ 370 I 2. Hs. AO); auch § 168 S. 1 AO gilt hier augenscheinlich nicht. Erforderlich ist vielmehr, dass die Familienkasse entweder einen förmlichen Kindergeldbescheid erlässt (§ 70 I EStG) und diesen gegenüber dem Nichtberechtigten bekannt gibt oder wenigstens die (im weiteren Verlauf automatisiert erfolgende) Auszahlung des Kindergelds an diesen auslöst und es in der Folge zu einer ersten Gutschrift auf dessen Konto gekommen ist (konkludente Bekanntgabe der Kindergeldfestsetzung)596. Letzterenfalls wären auch hier die zur Drei-Tages-Zahlungsfiktion in § 224 III 3 AO entwickelten Grundsätze zu beachten597. Was die DA-KG in Kap. S Nr. 2.5 S. 3 als Beispiel beschreibt, ist vielmehr der beendete Versuch der „Kindergeldhinterziehung“598 – und zwar „beendet“ sowohl im Sinne der Versuchs- als auch im Sinne der Verjährungsdogmatik599. Beim pflichtwidrigen Unterlassen der nach § 68 I 1 EStG „unverzüglich“ gebotenen Veränderungsanzeige (§ 370 I Nr. 2 AO) stellt sich die Situation ähnlich dar. Auch hier ist die Tat ab dem Zeitpunkt vollendet, zu dem nach Eintritt der leistungserheblichen Veränderung der Umstände erstmals zu Unrecht Kindergeld an den Täter ausbezahlt worden ist. Das Überschreiten der Unverzüglichkeitsschwelle markiert demgegenüber – ebenso wie das Verstreichenlassen der Steuererklärungsfrist bei Veranlagungssteuern – lediglich den Eintritt in das Versuchsstadium600. Hinsichtlich des Zeitpunkts der Auszahlung des Kindergelds an den Täter bzw. der Gutschrift auf dessen Konto ist in beiden Fällen (d. h. § 370 I Nr. 1 und 2 AO) auf den Zeitpunkt abzustellen, in dem der Zahlungsauftrag der Finanzkasse dem damit befassten Zahlungsdienstleister zugeht (§ 675n I 1 BGB). Denn aufgrund des dadurch in Gang gesetzten zivilrechtlichen Automatismus hat sich das Risiko eines 596  Das ist seit der Streichung von § 70 I 2 EStG m. W. z. 1.1.2007 ab dem VZ 2007 nicht mehr gestattet (vgl. Treiber, in: Blümich, § 70 EStG Rn. 13 f.), kann aber in den Fällen des § 70 II 2 EStG generell oder mit Blick auf § 32 IV 1 Nr. 2 EStG für Altfälle noch 25 Jahre lang, d. h. bis Ende 2031, relevant sein; erg. FG Münster, EFG 2010, 489 (490); SaarlFG, EFG 2011, 254 – jew. zu § 70 I 2 EStG. 597  s. S.  216 ff. 598  s. bereits M. Ebner, PStR 2013, 231 (232). 599  Erg. S.  221 ff. 600  Vgl. M. Ebner, PStR 2013, 231 (232). Nr. 2.5 DA-FamBuStra (seit 1.7.2014 inhaltsgleich Kap. S Nr. 2.5 DA-KG [s. 1. Teil, Fn. 107]) wurde nach Erscheinen des vorgenannten Beitrags m. W. z. 18.12.2013 um folgenden Satz 7 ergänzt: „Dies gilt sowohl für eine Steuerhinterziehung gem. § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO als auch für eine gem. § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO (Unterlassen), als auch für eine leichtfertige Steuerverkürzung gem. § 378 AO.“ (BZSt-Schreiben v. 18.12.2013, St  II  2-S  0700PB / 13 / 00001, BStBl.  I, S. 53). Eine weitergehende Klarstellung ist damit freilich nicht verbunden.



C. Ausgewähltes Praxisbeispiel: Die „Kindergeldhinterziehung“ 337 zu Unrecht erfolgten Vermögensverlusts auf Seiten des Fiskus bereits derart verdichtet, dass bereits von der Gewährung eines nicht gerechtfertigten Steuervorteils – und damit der Tatvollendung – gesprochen werden muss. Im Falle eines Dauerauftrags kommt es im Rahmen von § 675n I 1 BGB nicht auf den Zugang des (dann bereits vorliegenden) Zahlungsauftrags, sondern auf den konkret vereinbarten Ausführungstermin (0.00 Uhr) an. Dies ist nicht zuletzt für die Frage relevant, bis wann vom Versuch einer „Kindergeldhinterziehung“ noch zurückgetreten werden kann (§ 24 StGB), weil zwischen dem Zugang des Zahlungsauftrags (Ausführungstermins) und der Gutschrift ein nicht unerheblicher Zeitraum liegen kann601. § 224 III AO spielt hier dagegen keine Rolle, weil es nicht um die Tatbeendigung geht.

2. Beendigung Dass die „Kindergeldhinterziehung“ erst im Zeitpunkt der letzten inkriminierten Gutschrift im Sinne von § 78a S. 1 StGB beendet ist, wurde bereits erläutert602. An dieser Stelle soll in Ergänzung dazu auf die anderen beiden denkbaren Beendigungszeitpunkte eingegangen und gezeigt werden, dass diese als Anknüpfungspunkt für den Verjährungsbeginn untauglich sind. Außerdem tut es Not zu demonstrieren, dass die in Kap. S Nr. 4.1 S. 4, 5 und 6 a. F.603 DA-KG hinsichtlich des Verjährungsbeginns vorgenommene Differenzierung nach der Art der Bekanntgabe der Kindergeldfestsetzung (durch förmlichen Bescheid oder konkludent durch Auszahlung) irreführend ist bzw. war. a) Weitere Anknüpfungspunkte Für die Beendigung der „Kindergeldhinterziehung“ stehen realistischer Weise604 zwei weitere Anknüpfungspunkte zur Auswahl: So könnte man zum einen daran denken, auf den frühestmöglichen Beendigungszeitpunkt 601  Erg.

S.  215 f. S.  334 f. m. w. N. 603  Nr. 4.1 S. 6 DA-FamBuStra wurde entsprechend dem Vorschlag d. Verf. in PStR 2013, 231 (233) m. W. z. 18.12.2013 gestrichen (s. Fn. 600). Die vormaligen Sätze 7, 8 rückten zu Sätzen 6, 7 auf. 604  Nicht in Betracht kommt dagegen die vom HansOLG (MDR 1990, 850; dto. BayObLG, NJW 1991, 711 [712]) zur vormaligen OWi nach § 29 I Nr. 2 BKGG vertretene Auffassung, es könne hier erst dann von einer Beendigung ausgegangen werden, „wenn der Behörde der mitteilungspflichtige Sachverhalt bekannt geworden ist, da sie erst dann nicht nur … Ahndungsmöglichkeiten wahrnehmen, sondern vor allem erst ab diesem Zeitpunkt … Rückzahlungsforderungen geltend machen kann“. Dies würde dazu führen, dass die Tat, solange sie unentdeckt bleibt, nicht (nie) beendet wäre und dementsprechend auch nicht (nie) verjähren würde. Solches widerspricht der verjährungsrechtlichen Systematik und wäre offenkundig unverhältnismäßig. 602  s.

338

3. Teil: Der Verjährungsbeginn bei § 370 AO

abzustellen, der dann mit der Vollendung zusammenfallen müsste. Das wären die Bekanntgabe des Kindergeldbescheids bzw. die erste Auszahlung. Hierauf kann jedoch bereits deshalb nicht rekurriert werden, weil sich das Erschleichen von Kindergeld nicht im Bescheidserlass bzw. der erstmaligen (Weiter-)Zahlung des Kindergelds erschöpft, sondern angesichts des Charakters der Kindergeldfestsetzung als Steuerverwaltungsakt mit Dauerwirkung beständig aufs Neue dadurch perpetuiert wird, dass es – fortlaufend – jeden Monat zu einer weiteren inkriminierten Auszahlung kommt605. Vor diesem Hintergrund kann im frühestmöglichen Zeitpunkt keinesfalls von einem tatsächlichen Abschluss des Tatunrechts die Rede sein. Gleiches gilt für den Ansatz, in jeder einzelnen zu Unrecht erfolgten Kindergeldauszahlung eine – zumindest materiell-rechtlich – selbstständige Tat zu sehen, mit der Folge, dass jedesmal im Zeitpunkt einer Kindergeldgutschrift auf dem Konto des Täters insoweit eine gesonderte Verjährungsfrist zu laufen beginnen würde606. Denn zum einen liegen hier nicht  Monat für Monat selbstständige Taten vor, sondern ein Dauerdelikt nach § 370 I Nr. 1 bzw. 2 AO. Aber auch wenn man die hiesige Konstellation rein verjährungsrechtlich „wie“ selbstständige Taten behandeln wollte, liefe eine – dann – derart gestaffelte Strafverfolgungsverjährung dem steuerrechtlichen Charakter der Kindergeldfestsetzung als Dauerverwaltungsakt zuwider und würde zudem zu einer unnatürlichen Aufspaltung eines augenscheinlich einheitlichen Lebenssachverhalts führen. Ganz abgesehen davon, dass sich solches auf Ebene der Strafzumessung mit Blick auf §§ 53 I, 54 I 2, II 1 StGB (sog. Asperationsprinzip) durchaus nachteilig für den Täter auswirken könnte, auch wenn dafür „im Gegenzug“ einige Taten aufgrund zwischenzeitlich eingetretener Verjährung wegfielen. Denn auch diese verjährten Taten wären bei der Strafzumessung berücksichtigungsfähig607. b) Kap. S Nr. 4.1 S. 4, 5 und 6 a. F. DA-KG Obwohl Kapitel S der DA-KG (bis 1.7.2014 isoliert: DA-FamBuStra608) neben den ASB und den RiStBV die für die Praxis der Verfolgung der „Kindergeldhinterziehung“ wichtigste untergesetzliche Verwaltungsvor605  Ebenso Blesinger, wistra 1996, 255; abw. Nr. 4.1 S. 6 a. F. DA-FamBuStra für den Fall, dass es zu einer förmlichen Bescheidsbekanntgabe gekommen ist (s. u.). 606  So FG München [9. Senat], EFG 2013, 135 (137 f.) unter Hinweis auf § 66 II EStG; dem zust. FG Köln, Urt. v. 26.2.2014, 12 K 1957 / 13, juris, Tz. 72 ff., 73, 76; Zanzinger (in: Leopold / Madle / Rader, § 376 Rn. 48a) scheint das für die h. M. zu halten („Überwiegend wird das Monatsprinzip betont …“). 607  s. S.  66 ff. 608  s. 1. Teil, Fn. 107.



C. Ausgewähltes Praxisbeispiel: Die „Kindergeldhinterziehung“ 

339

schrift darstellt, enthält (bzw. enthielt) sie in Bezug auf die Frage nach dem Beginn der Strafverfolgungsverjährung widersprüchliche und sogar materiell-rechtlich falsche Vorgaben. Das betrifft konkret die Sätze 4 und 5 sowie die bis zum 18.12.2013 geltende Fassung des Satzes 6 der Nr. 4.1 DAFamBuStra (seit 1.7.2014 inhaltsgleich Kap. S Nr. 4.1 DA-KG), die wie folgt laute(te)n: „4Bei konkludenter Bekanntgabe2 der Festsetzung beginnt die Verjährung demnach mit der letzten Auszahlung des Kindergeldes. 5Danach können auch Handlungen[609] verfolgt werden, die weit mehr als fünf Jahre zurückliegen. 6Bei der Erteilung eines Bescheids beginnt die Verjährung mit dessen Bekanntgabe.[610]“

Diese Differenzierung widersprach zum einen diametral der in Kap. S Nr. 2.5 S. 6 DA-KG611 – richtigerweise – getroffenen Feststellung, „dass erst nach der letzten Auszahlung aufgrund einer auf einer strafbaren Handlung beruhenden Festsetzung die Tat beendet ist und die Verjährung beginnt“. Zum anderen konnte und kann es aus den bereits genannten Gründen für den Verjährungsbeginn auch in der Sache nicht darauf ankommen, ob die Kindergeldfestsetzung förmlich durch Bescheid oder konkludent durch Auszahlung (Gutschrift) bekannt gegeben wurde. Denn auch im Fall der Bescheidsbekanntgabe hat das Tatunrecht seinen tatsächlichen Abschluss nicht vor der letzten Kindergeldauszahlung gefunden612. Auf den Punkt gebracht: Nr. 4.1 S. 6 a. F. DA-FamBuStra war daher rechtlich schlicht unzutreffend. Dass das Bundeszentralamt für Steuern den vormaligen Satz 6 in Nr. 4.1 DAFamBuStra mit Wirkung zum 18.12.2013 gestrichen hat, entschärft das Problem nicht vollends. Denn die unverändert gebliebene Regelung in – heute – Kap. S Nr. 4.1 S. 4 DA-KG nimmt nach wie vor ausdrücklich auf die „konkludente Bekanntgabe“ der Kindergeldfestsetzung Bezug. Das löst, wenn nicht ohnehin ein Altfall vorliegt613, bei juristisch vorgebildeten Lesern gleichsam „reflexartig“ die Frage nach „anderen“ Bekanntgabeformen – konkret also derjenigen durch Bescheid – und damit eventuell einhergehenden Unterschieden beim Verjährungsbeginn aus, da es andernfalls, so die juristische Denkweise, der Regelung in Kap. S Nr. 4.1 S. 4 DA-KG nicht bedurft hätte. Die Gefahr von Missverständnissen steigt zudem aufgrund des jetzt buchstäblich „in der Luft hängenden“ Fußnotenverweises nach dem Wort „Bekanntgabe“ zu Beginn des Satzes 4614, weil die dortige 609  Bis

18.12.2013 (s. Fn. 600): „Taten“. v. hier. Die Fußnote „2“ (vormals: „1“) nach dem Wort „Bekanntgabe“ in Satz 4 lautet nach wie vor: „Konkludente Bekanntgabe bis 31.12.2006; vgl. DA 70.2 der DA-FamEStG 2004 vom 5.8.2004 – BStBl. I S. 742“. Dem liegt die zum 1.1.2007 erfolgte Streichung des § 70 I 2 EStG zugrunde. 611  Abgedr. auf S. 335. 612  Ebenso M. Ebner, PStR 2013, 231 (233); Lindwurm, AO-StB 2012, 339 (342 f.). 613  s. Fn. 596. 614  Abgedr. in Fn. 610. 610  Kursivdruck

340

3. Teil: Der Verjährungsbeginn bei § 370 AO

Formulierung – zumindest auf den ersten Blick – den (trügerischen) Anschein erweckt, eine konkludente Bekanntgabe sei, was nicht zutrifft, nur „bis 31.12.2006“ möglich gewesen. Es hätte daher unter Klarstellungsgesichtspunkten nicht geschadet, die Fußnote in Satz 4 zusammen mit Satz 6 a. F. zu streichen, auch wenn sich das Kapitel S der DA-KG vornehmlich an die mit der Verfolgung von „Kindergeldhinterziehungen“ betrauten Familienkassen richtet, deren Beamten / -innen im Kindergeldrecht des EStG im Regelfall weitaus kundiger sind als andere Strafrechtsanwender und daher um die Hintergründe des Fußnotenverweises (Streichung von § 70 I 2 EStG zum 1.1.2007) wissen (dürften).

3. Verhältnismäßigkeit Fraglich und bisher noch nicht diskutiert ist, ob die sich aus dem relativ späten Ver­jährungsbeginn faktisch ergebende sehr lange Verfolgbarkeit der „Kindergeldhinter­ziehung“ auf dem Boden der hier vertretenen verfassungsrechtlichen Verjährungstheorie615 mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz vereinbar ist. Denn nach einer erstmaligen Kindergeldfestsetzung für den Monat der Geburt eines Kindes (vgl. § 63 I 2 i. V. m. § 32 III EStG) können bis zu 18  Jahre vergehen, bis im Hinblick auf die dann gemäß § 63 I 2 i. V. m. § 32 IV, V EStG eingreifenden zusätzlichen Anspruchsvoraussetzungen ein Fortsetzungsantrag gestellt werden muss616. Und auf dessen Grundlage kann es dann dazu kommen, dass das Kindergeld – trotz Kap. O Nr. 2.8 III DA-KG617 – just (auch) aufgrund derselben falschen Tatsachenangaben fortlaufend für weitere sieben Jahre ausbezahlt wird. Letztlich sind also Fälle denkbar, in denen eine „Kindergeldhinterziehung“ erst 25 Jahre nach der Erstantragsstellung tatsächlich abgeschlossen ist, weil erst zu diesem Zeitpunkt die letzte auf den ursprünglichen Falschangaben beruhende Auszahlung erfolgt ist. a) Konkurrenzrechtliche Vorüberlegungen Das wirft im Hinblick auf das Verhältnis zwischen Erst- und Fortsetzungs­ antrag zuerst konkurrenzrechtliche Fragestellungen auf. Hier ist zu beachten, dass es sich bei der mittels Falschangaben im Fortsetzungsantrag verwirklichten Steuerhinterziehung im Verhältnis zur Kindergelderschleichung durch den Erstantrag nicht um eine mitbestrafte Nachtat handelt, weil / wenn es aufgrund dessen zu einer weiteren Kindergeldauszahlung gekommen ist. Dies gilt selbst dann, wenn die Falschangaben aus dem Erstantrag lediglich wiederholt werden. Grund hierfür ist, dass durch den Fortsetzungsantrag 615  s.

S.  82 ff. das „BKGG-Kindergeld“ s. § 9 II BKGG. 617  Abgedr. in Fn. 589. 616  Für



C. Ausgewähltes Praxisbeispiel: Die „Kindergeldhinterziehung“ 341

nicht nur – wie etwa beim Sicherungsbetrug618 – der durch die erste „Kindergeldhinterziehung“ geschaffene Erfolg gesichert, sondern der darauf fußende Steuerschaden darüber hinausgehend noch weiter vertieft werden soll. In diesem Fall kommt der zweiten Hinterziehung ein eigenständiger Unrechtsgehalt zu, der ihr Zurücktreten auf Konkurrenzebene ausschließt619. Bei einer Maximalbezugsdauer von 25 Jahren können demnach nach Wegfall des Fortsetzungszusammenhangs620 zwei materiell-rechtlich und auch prozessual eigenständige Steuerhinterziehungen vorliegen, die sich über einen Zeitraum von 18 und – gesondert – sieben Jahren hingezogen haben. In verjährungsrechtlicher Hinsicht muss hier für den Beginn der jeweiligen Verjährungsfrist auf den Zeitpunkt der jeweils letzten Kindergeldgutschrift nach 18 bzw. sieben Jahren abgestellt werden. Dies gilt aber nur, wenn die mittels Fortsetzungsantrag begangene (zweite) Hinterziehung nicht zumindest auch auf den falschen Angaben im Erstantrag beruht, sondern ihr gänzlich eigenständige Falschangaben zugrunde liegen. Andernfalls wirkt die auf dem Erstantrag beruhende „Kindergeldhinterziehung“ unmittelbar fort und ist mit Blick auf das durch sie verwirklichte Tatunrecht – nach wie vor – nicht zu einem tatsächlichen Abschluss gelangt. In diesem Fall läuft nur eine einheitliche Verjährungsfrist, die dann mit der allerletzten Kindergeldauszahlung nach maximal 25 Jahren beginnt. Dass sich wiederholende Falschangaben im Fortsetzungsantrag zugleich bewirken, dass dem vermeintlich Berechtigten das auf Grundlage des Erstantrags gewährte Kindergeld auch „belassen“ wird (§ 370 IV 2 2. Hs. AO), ist dagegen, soweit es das bisherige Kindergeld betrifft, in der Tat als mitbestrafte Nachtat einzustufen. Ist in diesen Fällen die erste „Kindergeldhinterziehung“ mangels rechtzeitiger Unterbrechungshandlung bereits verjährt, die zweite aber noch verfolgbar, lebt die mitbestrafte Nachtat nach richtiger Ansicht wieder auf. Dies hat zur Folge, dass auch die Hinterziehung des „alten“ Kindergelds auf diese Weise in jedem Fall noch erfasst werden kann621. Dabei handelt es sich entgegen dem ersten Anschein jedoch nicht um das bereits gegebenenfalls lange zurück liegende Erstvergehen, sondern um die durch den inhaltlich unzutreffenden Fortsetzungsantrag begangene Tat, durch die – auch – eine Rückforderung der vormals gewährten Kindergeldzahlungen vereitelt wird. 618  Vgl. 619  s.

Fischer, § 263 Rn. 233. bereits BGHSt 6, 67 (68); dto. – statt vieler – Jäger, in: Klein, § 370

Rn. 245. 620  s. d. Nachw. in Teil 1, Fn. 246. 621  Grdlg. BGHSt 38, 366 (368 f.) = NJW 1993, 476 (477); 39, 233 (235) = NJW 1993, 2692 – jew. zur USt; erg. Fischer, Vor § 52 Rn. 66 m. w. N.

342

3. Teil: Der Verjährungsbeginn bei § 370 AO

b) Verstoß gegen das Schuldmaßprinzip? Die verfassungsrechtliche Verjährungstheorie622 ist nach hier vertretener Auffassung unabhängig davon zu beachten, ob es um die Länge der Verfolgungsverjährungsfrist oder um die hier inmitten stehende Frage geht, wann die – als solche unangetastet gebliebene – Frist zu laufen beginnt. Denn die Verschiebung des Verjährungsbeginns um 18 bzw. 25 Jahre „nach hinten“ führt gleichsam faktisch dazu, dass die Tat unabhängig von der Dauer der Verjährungsfrist 18 bzw. 25 Jahre länger verfolgt werden kann. Der davon betroffene Kindergeldempfänger sieht sich folglich nicht nur einem ständigen Verfolgungsrisiko ab Beginn des unberechtigten Kindergeldbezugs ausgesetzt, sondern unterliegt dieser Gefahr auch nach dessen Abschluss nach (maximal) 18 bzw. 25 Jahren für – potentiell – weitere zehn Jahre623, also insgesamt (maximal) 28 bzw. 35 Jahre, und mit Blick auf § 376 I AO624 und § 78c III 3 i. V. m. § 78b III, IV oder V StGB gegebenenfalls sogar noch länger. Diese vergleichsweise langen Zeiträume versperren jedoch – wenn man sie sich so dezidiert vor Augen führt – den Blick auf das Wesentliche: Denn die unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten einzig maßgebliche Frage ist, ob es gegen das Schuldmaßprinzip verstößt, den Täter für derart lange zurückliegende Handlungen aktuell noch strafrechtlich zu belangen. Oder anders gewendet: Hat der zugunsten des Täters sprechende Strafzumessungsgesichtspunkt des langen Zeitablaufs seit der Tatbegehung in den vorliegenden Fällen ein so hohes Gewicht erlangt, dass hieraus aus Gründen der Verhältnismäßigkeit gleichsam zwingend das Strafverfolgungshindernis der Verjährung erwachsen muss? Um das Ergebnis vorweg zu nehmen: Dies ist nicht der Fall. Das dem Täter primär vorzuwerfende Verhalten (z. B. Falschangaben im Erstantrag) mag zwar lange zurück liegen. Doch die Auswirkungen dieser strafbaren Handlung waren damit noch keinesfalls abschließend eingetreten. Vielmehr wirkte die Ursprungshandlung bis in die Gegenwart zur letzten Kindergeldauszahlung fort und führte fortlaufend (monatlich) zu einer weiteren Schadensvertiefung. Die Tat als solche, zu der insbesondere auch ihre verschuldeten Auswirkungen gehören (vgl. § 46 II 2 StGB), hat demnach bis zur letzten auf ihr beruhenden Auszahlung angedauert, mit der Konsequenz, dass der Zeitraum zwischen der Tat und einer eventuellen Strafverfolgung nicht derart lang ist, dass eine Bestrafung des ursprünglich kausalen Verhal622  s.

S.  82 ff. III Nr. 4 i. V. m. § 78c III 2 StGB („Grenze des Doppelten“). 624  Insbes. i. V. m. § 370 III 2 Nr. 4 AO, wie etwa im Fall der totalgefälschten Schulbescheinigung (s. Fn. 575). 623  § 78



C. Ausgewähltes Praxisbeispiel: Die „Kindergeldhinterziehung“ 343

tens per se unverhältnismäßig wäre. Es ist also keineswegs so, dass der lange Zeitablauf seit der initialen Handlung des Täters so weit zurück liegt, dass diesem Gesichtspunkt bei der Strafzumessung allein oder in der Zusammenschau mit anderen Milderungsgründen ein derartiges Übergewicht zukäme, dass dadurch alle zu dessen Lasten sprechenden Gesichtspunkte von vornherein relativiert würden. Auf der anderen Seite ist aber auch zu sehen, dass es hier durchaus als bestimmender Strafzumessungsgesichtspunkt (§ 267 III 1 StPO) zugunsten des Täters gewertet werden kann, dass die Ausgangshandlung (i. e. Falschangaben im Erstantrag) bereits lange zurückliegt und sich der Schaden aufgrund der in der Folge automatisiert vorgenommenen Auszahlungen quasi „von selbst“ immer weiter vertieft hat625. Dies läuft in der Sache darauf hinaus, in die Strafzumessungserwägungen im engeren Sinne mit einzustellen, dass im weiteren Verlauf der Tatbegehung keine hohe kriminelle Energie mehr aufgewendet werden musste626. Gegen diese Möglichkeit ist im Grundsatz nichts zu erinnern.

625  s. aber Kap. O Nr. 2.8 III DA-KG („Überprüfung von Kindergeldfestsetzungen“), abgedr. in Fn. 589. 626  Ähnl. Erwägungen finden sich etwa in den Entscheidungen BVerwG, Urt. v. 11.1.2012, 2  WD 40 / 10, juris, Tz. 41 u. VG Berlin, Urt. v. 11.9.2012, 85 K 6.11 OB, juris, Tz. 27 = BeckRS 2012, 60663 – jew. Doppelbezug von Kindergeld – für die Unterlassungsalternative (§ 370 I Nr. 2 AO i. V. m. § 68 I 1 EStG).

4. Teil

Der Verjährungsbeginn bei den übrigen Steuerstraftatbeständen Anders als bei § 370 AO wird die Frage nach dem Verjährungsbeginn bei den übrigen Steuerstraftatbeständen (§ 369 I Nr. 1–4 AO) in Rechtsprechung und Literatur kaum jemals oder nur ganz rudimentär diskutiert. Grund hierfür dürfte sein, dass es sich bei der Steuerhinterziehung seit jeher konzeptionell um das „Zentraldelikt“1 des Abgabenstrafrechts handelt. Dies führt dazu, dass der Vorschrift nicht nur im Verjährungsrecht, sondern per se die mit Abstand größte Aufmerksamkeit zuteil wird. Außerdem gilt es zu beachten, dass § 370 AO aufgrund seiner steuerlich in jede Richtung offenen Ausgestaltung derjenige Deliktstatbestand ist, bei dem sich der Blankettrechtscharakter des Steuerstrafrechts in all seinen Facetten auch auf die Verjährung am deutlichsten auswirkt. Um sich hiervon nicht den Blick auf das Gesamtbild verstellen zu lassen, soll ungeachtet dessen im Folgenden näher untersucht werden, wann der Lauf der Verjährungsfrist bei den übrigen „geborenen“2 (§ 369 I Nr. 1 AO) Steuerstraftatbeständen beginnt. Das sind in erster Linie die praktisch sehr bedeutsamen §§ 373, 374 AO und auch die mittlerweile scheinbar etwas in Vergessenheit geratenen3 §§ 26b, 26c UStG; hinzu kommt der Vollständigkeit halber noch die im Gegensatz dazu tatsächlich eher bedeutungsarme4 Strafvorschrift des § 23 RennwLottG. Der Verjährungsbeginn beim Bannbruch (§ 369 I Nr. 2 AO) interessiert hingegen angesichts seiner heute wegen § 372 II 2. Hs. AO durchweg bestehenden Subsidiarität nicht mehr en detail – zumal die Verjährungsfrist und auch ihr Beginn in der Regel mit den vorrangigen nichtsteuerlichen Strafnormen des jeweiligen Verbringungsverbotsgesetzes übereinstimmen. Mit Blick auf die materielle Konsequenz des § 372 I AO5, die sich, wie das nachfolgende Beispiel zeigt, wegen der über §§ 372 II 1. Hs., 370 I AO 1  Seer,

in: Tipke / Lang, § 23 Rn. 20; s. a. S. 52. S. 48. 3  Symptomatisch: OLG Nürnberg, IStR 2013, 718 m. Anm. M. Ebner. 4  M. Ebner, in: Flore / Tsambikakis, § 23 RennwLottG Rn. 1. 5  s. S. 54. 2  s.



A. Steuerzeichenfälschung und Begünstigung von Steuerstraftaten 345

erfolgten Verweisung auf § 373 AO auch verjährungsrechtlich auswirken kann, wird der Bannbruch beim Schmuggel mitbehandelt. Beispiel: Die Verjährungsfrist bei Verbrechen der bandenmäßigen Einfuhr von Kriegswaffen beträgt gemäß § 22a I Nr. 4, II 26 KrWaffKG i. V. m. § 78 III Nr. 4, IV StGB fünf Jahre7. Erfolgt die Strafverfolgung dagegen unter dem wegen § 3 III KrWaffKG ebenfalls eingreifenden Gesichtspunkt eines bandenmäßigen Schmuggels (§ 372 II 1. Hs. i. V. m. § 373 II Nr. 38 AO) verdoppelt sich die Verjährungs­frist gemäß § 78 III Nr. 3, IV StGB auf zehn Jahre9. Das hat zur Folge, dass unmittelbar die lange, 10-jährige Verjährungsfrist zum Tragen kommt10. Der Verjährungseintritt des „KrWaffKG-Verbrechens“ muss hierfür nicht eigens abgewartet werden.

A. Steuerzeichenfälschung und Begünstigung von Steuerstraftaten(§ 369 I Nr. 3, 4 AO) Die in ihrem Ursprung kernstrafrechtlichen, über § 369 I Nr. 3, 4 AO formal zu Steuerstraftaten umqualifizierten Vergehen der Wert- bzw. – mutatis mutandis – Steuerzeichenfälschung (§§ 148 f. StGB) und der Begünstigung (§ 257 StGB) müssen bezüglich ihres Verjährungsbeginns keiner tiefergehenden Betrachtung unterworfen werden. Dies deshalb, weil die Tatbeendigung bei diesen beiden Delikten zum einen keine genuin steuerstrafrechtlichen Fragen aufwirft und zum anderen auch allgemein-strafrechtlich im Wesent­lichen unumstritten ist. Folglich findet sich im Schrifttum, wenn überhaupt, allenfalls der kurze Hinweis, dass diese Tatbestände in puncto Verjährungsbeginn mit der Steuerhehlerei (s. im Folgenden Gliederungspunkt  B.) gleichzusetzen seien. Mit zum Teil nur geringfügig voneinander abweichenden Formulierungen heißt es im Einklang mit der gängigen allgemeinen Beendigungsformel11 insoweit so oder ähnlich: „Steuerhehlerei (§ 374), Steuerzeichenfälschung (§ 369 I Nr. 3 iVm. § 148 StGB) und Begünstigung (§ 369 I Nr. 4) sind Delikte mit überschießender Innentendenz, die zwar bereits mit Vornahme der tatbestandsmäßigen Handlung vollendet sind, deren Beendigung aber erst gegeben ist, wenn die im subjektiven Tatbestand vorausgesetzte Absicht realisiert wurde“12. 6  I. e.

„bloße“ Strafzumessungsregel. Lampe, in: Erbs / Kohlhaas, § 22a KrWaffKG Rn. 26. 8  I. e. „echte“ Qualifikation. 9  s. S. 134. 10  Vgl. nur Jäger, in: Franzen / Gast / Joecks, § 372 Rn. 44 m. w. N. 11  s. S. 192. 12  Joecks, in: Franzen / Gast / Joecks, § 376 Rn. 36 (Hervorh. v. hier); ähnl. u. a. Bülte, in: Hübschmann / Hepp / Spitaler, § 376 AO Rn. 123; Grötsch, in: Wannema7  Vgl.

346 4. Teil: Der Verjährungsbeginn bei den übrigen Steuerstraftatbeständen

Dem ist zuzustimmen, weil das Tatunrecht erst dann seinen tatsächlichen Abschluss gefunden hat. Ein Fall des § 78a S. 2 StGB liegt aber gleichwohl nicht vor, weil die Absichtsverwirklichung kein zum Deliktstatbestand gehörender Erfolg ist (sog. kupiertes Erfolgsdelikt13).

I. Tabaksteuerbanderolenfälschung Dies hat zur Konsequenz, dass die Steuerzeichenfälschung nach § 369 I Nr. 3 AO, die – ebenso wie § 370 I Nr. 3 AO14 – heute nur noch in Tabaksteuerbanderolen ein geeignetes Tatobjekt findet (daher: „Tabaksteuer­ban­ derolenfälschung“), in den Fällen des § 148 I Nr. 1, 2 StGB erst im Zeitpunkt der Realisierung der im Deliktstatbestand geforderten Absicht zu verjähren beginnt15. Für die Beendigung (§ 78a S. 1 StGB) ist demnach erforderlich, dass die nachgemachten oder verfälschten Tabaksteuerbanderolen tatsächlich „als echt“ verwendet oder in den Verkehr gebracht worden sind bzw. dass dies einem Dritten konkret ermöglicht wurde. Erst zu diesem Zeitpunkt ist das von § 148 StGB erfasste Tatgeschehen allgemein abgeschlossen und die diesbezügliche Verjährungsfrist läuft an. Dabei ist zu beachten, dass die Grenzen zur Strafbarkeit nach § 370 I AO in allen drei Deliktsvarianten fließend sind. In den in § 148 I Nr. 3 1. und 3. Var. und II StGB beschriebenen Fallgruppen enthält das Gesetz zwar kein entsprechendes Absichtserfordernis im Subjektiven. Die Begehungsvarianten der unmittelbaren (Eigen-)Verwendung der (entwerteten) Tabaksteuerbanderolen „als echt“ bzw. „als gültig“ oder ihres (in persona vorgenommenen) Inverkehrbringens sind gleichwohl auch hier in eben jenen Zeitpunkten zugleich voll- und beendet16. Da dem Gesetz beim Feilhalten falscher Tabaksteuerbanderolen (§ 148 I Nr. 3 2. Var. StGB) – allenfalls – eine sich aus dem Begriff „feilhält“ abgeleitete Verkaufsabsicht zu entnehmen ist17, kommt es dort für die Tatbeendigung auf den Abschluss der Durchführung des jeweiligen Veräußerungscher & Partner, Rn. 769; Jäger, in: Klein, § 376 Rn. 52; I. Meyer, in: Beermann /  Gosch, § 376 AO Rn. 43; Rolletschke, in: Rolletschke / Kemper, § 376 Rn. 34b; Schauf, in: Kohlmann, § 376 Rn. 102; Senge, in: Erbs / Kohlhaas, § 376 AO Rn. 3; Wulf, in: MüKo-StGB, § 376 AO Rn. 45; Zanzinger, in: Leopold / Madle / Rader, § 376 Rn. 48. 13  Vgl. nur Rüping, GA 1985, 437 (438). 14  s. 1.  Teil, Fn. 116, 394 sowie S. 303 ff. 15  Vgl. Bülte, in: Hübschmann / Hepp / Spitaler, § 376 AO Rn. 123. 16  So zutr. noch Hübner, in: Hübschmann / Hepp / Spitaler, 98.  EL, § 376 AO Rn. 36 („wie sich von selbst versteht“). 17  Vgl. BGHSt 23, 286 (291 f.).



A. Steuerzeichenfälschung und Begünstigung von Steuerstraftaten 347

geschäfts und nicht erst auf deren außerhalb des Einflussbereichs des Täters liegende, weil durch Dritte vorgenommene, Echtheitsverwendung bzw. ihr Inverkehrbringen an18. Bleibt die Tat im – hier ausnahmsweise strafbewährten – Vorbereitungsstadium stecken, fallen Vollendung und Beendigung zumindest in den Begehungsformen der Herstellung und der Sich- oder Drittverschaffung bzw. -überlassung zusammen, weil auch § 149 I StGB in der 1., 2., 3. und 6. Variante kein Absichtserfordernis enthält19. Hinsichtlich des in diesem Kontext ebenfalls strafbaren Feilhaltens (§ 149 I 4. Var. StGB) gelten die Ausführungen zu § 148 I Nr. 3 2.  Var. StGB entsprechend. Der Verwahrungstatbestand in § 149 I 5. Var. StGB ist zwar bereits mit der Entgegennahme des jeweiligen Vorbereitungsgegenstands durch den Verwahrer vollendet; seine Beendigung im Sinne eines tatsächlichen Abschlusses des Tatunrechts wird dagegen erst im Zeitpunkt der erneuten Besitzaufgabe des Verwahrers vorliegen (Dauerdelikt)20. Von einem Zusammentreffen von Vollendung und Beendigung ist jedoch wiederum bei dem deliktssystematisch unmittelbar nachgelagerten Versuch der Steuerzeichenfälschung (§ 148 III StGB) auszugehen, weil es hier denknotwendig nicht zu einer Absichtsverwirklichung kommen kann.

II. Steuerstraftatbegünstigung Die Begünstigung einer Steuerstraftat ist – im Grundsatz – erst dann als „beendet“ im Sinne von § 78a S. 1 StGB anzusehen, wenn dem Vor(steuerstraf-)täter die Vorteile seiner Tat endgültig gesichert sind21. Auch 18  Bereits

urspr. offen gelassen von Hübner, in: Hübschmann / Hepp / Spitaler, 98. EL, § 376 AO Rn. 36 („wird … von den jeweiligen Umständen abhängen“); dem hat sich nach der Neustrukturierung der Kommentierung im November 2013 nunmehr auch Bülte (in: Hübschmann / Hepp / Spitaler, § 376 AO Rn. 123) angeschlossen („soll … eine Frage des Einzelfall sein“); dto. u. a. Joecks, in: Franzen / Gast / Joecks, § 376 Rn. 36; I. Meyer, in: Beermann / Gosch, § 376 AO Rn. 43. 19  Vgl. Hübner, in: Hübschmann / Hepp / Spitaler, 98.  EL, § 376 AO Rn. 36 m. w. N. 20  Zu undifferenziert ehedem selbst Hübner, in: Hübschmann / Hepp / Spitaler, 98. EL, § 376 AO Rn. 36 („wird die jeweilige Tathandlung regelmäßig mit der Vollendung auch beendet sein“). 21  Vgl. etwa Bülte, in: Hübschmann / Hepp / Spitaler, § 376 AO Rn. 123; Joecks, in: Franzen / Gast / Joecks, § 376 Rn. 36; I. Meyer, in: Beermann / Gosch, § 376 AO Rn. 43 a. E.; abw. Zanzinger, in: Leopold / Madle / Rader, § 376 Rn. 48 ([Anm. v. hier: erst / schon?] bei einer „Verfügung über die Tatvorteile“; zw.); Löwe-Krahl, Bankgeschäfte, S. 70 („Zeitpunkt der strafrechtlichen ‚Vorteilssicherung‘ “, d. h. Verjährung der Vortat analog zur Beihilfe [erg. Fn. 26]).

348 4. Teil: Der Verjährungsbeginn bei den übrigen Steuerstraftatbeständen

dies ist als solches (nahezu) unstreitig und ergibt sich nach – wie bereits eingangs ausgeführt – allgemeiner Meinung zu § 257 StGB unmittelbar aus dem Tatbestand (Absatz  1) des Absichtsdelikts. Ab wann eine „endgültige“ Vorteilssicherung in diesem Sinne angenommen werden kann, wird dagegen weder in der Literatur näher beschrieben, noch hat dieses Erfordernis bisher durch die Rechtsprechung eine gleichwie geartete Konturierung erfahren. Ausgehend von der Prämisse des BGH22, dass die unmittelbaren23 „Vorteile der Tat“ (§ 257 I StGB) bei der Steuerhinterziehung (§ 370 AO) in der Regel entweder in einer „zu niedrigen“ bzw. gar nicht erfolgten Festsetzung von Steuern (Steuerersparnis) oder dem monetären bzw. verrechnungsweisen „Zufluss“ von Steuervorteilen (Erstattungsfälle) liegen, kann von der dauernden Sicherung solcher Vorteile frühestens ausgegangen werden, wenn dem Steuerfiskus der (erneute) Zugriff darauf mit den Mitteln des Steuerrechts erstmals tatsächlich wie rechtlich unmöglich geworden ist. Erst dann ist die durch Hilfeleistungen im Sinne von § 257 I StGB verhinderte Wiederherstellung des (steuer-)gesetzmäßigen Zustands dauerhaft (endgültig) unmöglich gemacht (Restitutions­ver­eite­ lung)24. Auf die für die Deliktsverwirklichung (Vollendung) ebenfalls ausreichende, im Vergleich zur Vortat weitergehende Erschwerung der Durchsetzung des Steueranspruchs25 kann es für den Verjährungsbeginn dagegen nicht ankommen, weil es dieser am notwendigen Endgültigkeitscharakter fehlt. Abgesehen von den insoweit eindeutigen Fällen der unmittelbar-ersatzlosen Verausgabung von in Geld erlangten Steuervorteilen (z. B. Kindergeld), kann von einer „Zugriffsvereitelung“ im vorgenannten Sinne regelmäßig nicht vor dem Eintritt der Festsetzungsverjährung (§§ 169 ff. AO) ausgegangen werden26. Sie kann aber auch – etwa bei nachträglich erlassenen Korrekturbescheiden bzw. Erstfestsetzungen in der Unterlassungsalternative des § 370 I Nr. 2 AO – erst mit Ablauf der Zahlungsverjährungsfrist (§§ 228, 229 I 2 AO) anzunehmen sein. 22  NStZ-RR

1999, 184 (185) m. w. N. M. Jahn, in: Satzger / Schluckebier / Widmaier, § 257 Rn. 17. 24  Der Begünstiger selbst haftet nach dem eindeutigen Wortlaut von § 71 AO nicht für die verkürzten Abgaben oder zu Unrecht gewährten Steuervorteile. 25  s. BGHSt 46, 107 (117 f.) = NJW 2000, 3010 (3012) – Beihilfe zur Steuerhinterziehung durch Bankmitarbeiter; erg. BFHE 240, 195 = NJW 2013, 2141. 26  Abl. Löwe-Krahl, Bankgeschäfte, S. 70 („unangemessen“, weil „Beihilfe … wesentlich rascher verjährt ist“). Diese Wertung lässt freilich den von § 27 StGB abweichenden Schutzzweck der Begünstigung (i. e. Wiederherstellung des gesetzmäßigen Zustands [vgl. M. Jahn, in: Satzger / Schmitt / Widmaier, § 257 Rn. 4]) gänzlich außer Acht. 23  Vgl.



A. Steuerzeichenfälschung und Begünstigung von Steuerstraftaten 

349

Das bereits mehrfach angesprochene Problem der „Endlosschleife“27 stellt sich in diesem Kontext nicht, weil sich dieses nur auf die Verjährung der Vortat (Steuerhinterziehung), nicht aber auf diejenige des Anschlussdelikts bezieht und die insoweit maßgeblichen §§ 169 II 2, 171 VII AO auf Fälle der Begünstigung (§ 369 I Nr. 4 AO) im Übrigen auch nicht anwendbar sind28. Der Versuch der Steuerstraftatbegünstigung ist mangels ausdrücklicher gesetzlicher Regelung nicht strafbar (vgl. § 23 I 2. Alt. StGB), so dass es im Hinblick auf dessen Beendigung hier keiner weiteren Ausführungen bedarf.

III. Unmöglichkeit der Absichtsverwirklichung Die verjährungsspezifische Einordnung der §§ 148, 257 StGB im Steuerstrafrecht als – jeweils – sog. Absichtsdelikt29 stimmt mit dem kernstrafrechtlichen Verständnis dieser Normen überein. Das bringt es mit sich, dass in beiden Fällen alternativ auch dann eine den Lauf der Verjährungsfrist in Gang setzende Beendigung angenommen werden muss, wenn sich die vom Täter verfolgte Absicht – etwa aufgrund zwischenzeitlicher Tatentdeckung (bei § 257 I StGB auch in Bezug auf die Vortat) – nach der Vollendung nicht mehr realisieren kann30. Denn auch dann hat das Tatunrecht seinen tatsächlichen Abschluss gefunden. Würde man dies anders sehen, könnten die Tabaksteuerbanderolenfälschung und die Steuerstraftatbegünstigung in solchen Fällen mangels Tatbeendigung nie verjähren. Das wäre – im Sinne der verfassungsrechtlichen Verjährungstheorie31 – unverhältnismäßig

IV. Zusammenfassung In der Gesamtschau führt dies zu dem Ergebnis, dass (vor allem die hier vorliegenden) Absichtsdelikte dann „beendet“ (§ 78a S. 1 StGB) sind, wenn sich (1) die konkrete tatbestandsbezogene Absicht realisiert hat oder 27  s.

S. 70 f., 232. Cöster, in: Pahlke / Koenig, § 169 Rn. 60 m. zahlr. weit. Nachw. 29  So ausdr. Schauf, in: Kohlmann, § 376 Rn. 102 u. Wulf, in: MüKo-StGB, § 376 AO Rn. 45. 30  Ebenso BGH, NStZ 1990, 39 zur Betäubungsmitteleinfuhr unter Verweis auf die unveröffentlichte Entscheidung BGH, Urt. v. 19.12.1952, 3 StR 118 / 52; wie hier Bülte, in: Hübschmann / Hepp / Spitaler, § 376 AO Rn. 123; dto. Möller / Retemeyer, in: Bender / Möller / Retemeyer, C  IV Rn. 602 für den Bannbruch. 31  s. S.  82 ff. 28  Vgl.

350 4. Teil: Der Verjährungsbeginn bei den übrigen Steuerstraftatbeständen

(2) diese aufgrund des weiteren Verlaufs der Ereignisse im Zeitraum nach der Vollendung nicht mehr entsprechend dem ursprünglichen Tatplan verwirklicht werden kann (Unmöglichkeit der Absichtsverwirklichung).

B. Steuerhehlerei (§ 374 AO) I. Grundsätzliches Aus dem Wortlaut von § 374 I AO lässt sich ableiten, dass es sich auch bei diesem Tatbestand um ein Absichtsdelikt im vorgenannten Sinne handelt. Zwar findet das Wort „Absicht“, anders als bei § 148 oder § 257 StGB, in der Vorschrift keine ausdrückliche Erwähnung. Es ist jedoch unstreitig, dass sich ein Absichtserfordernis in Form einer überschießenden Innentendenz aus der Wendung „um sich oder einen Dritten zu bereichern“ (Hervorh. v. hier)

ergibt32. Auf den Beginn der Verfolgungsverjährungsfrist wirkt sich dies, wie bereits ausgeführt, grundsätzlich so aus, dass erst dann von einer Tatbeendigung ausgegangen werden kann, wenn sich die (Selbst- bzw. Dritt-)Bereicherungsabsicht des Steuerhehlers tatsächlich realisiert hat33. Ähnlich wie bei der Steuerstraftatbegünstigung34 stellt sich auch hier die Frage, ab wann konkret anzunehmen ist, dass bei Vergehen gemäß § 374 AO eine dahingehende „Bereicherung“ eingetreten ist. Auch hierzu schweigen sich Schrifttum und Rechtsprechung bislang aus. Eine erste Einschränkung der Fragestellung lässt sich in direkter Abgrenzung zur Begünstigung – gesichert – dahingehend vornehmen, dass eine Beendigung der Steuerhehlerei nicht erfordert, dass die Bereicherung des Täters bzw. Dritten in irgendeiner Form „endgültig“ ist. Das Erfordernis der Endgültigkeit ergibt sich bei § 257 I StGB aus dem Tatziel (Absicht) der Vorteilssicherung, welches in § 374 I AO keine Entsprechung findet. Vielmehr ist hier ab dem ersten, gegebenenfalls auch nur vorübergehenden Moment, in dem sich die Vermögenssituation des Steuerhehlers bzw. des von ihm bedachten Dritten aufgrund der Tat verbessert hat, eine Bereiche32  Vgl.

nur Jäger, in: Klein, § 374 Rn. 41, § 376 Rn. 52. Bülte, in: Hübschmann / Hepp / Spitaler, § 376 AO Rn. 123; Jäger, in: Klein, § 376 Rn. 52; Joecks, in: Franzen / Gast / Joecks, § 376 Rn. 36; I. Meyer, in: Beermann / Gosch, § 376 AO Rn. 46; Rolletschke, in: Rolletschke / Kemper, § 376 Rn. 34b; Schauf, in: Kohlmann, § 376 Rn. 102; Wulf, in: MüKo-StGB, § 376 AO Rn. 45; Zanzinger, in: Leopold / Madle / Rader, § 376 Rn. 48. 34  s. S.  347 ff. 33  Vgl.



B. Steuerhehlerei (§ 374 AO)351

rung in diesem – auch verjährungsrechtlich bedeutsamen – Sinne zu bejahen35. Der Bereicherungseintritt muss durch das Tatgericht allerdings nicht in jedem Fall positiv festgestellt werden. Denn davon hängt, anders als von der diesbezüglichen Absicht36, ausschließlich die Beendigung der Tat (Verjährungsbeginn), nicht aber ihre Vollendung ab. Es handelt sich dabei demnach nicht um eine doppelrelevante Tatsache und auch nicht um einen Fall des § 78a S. 2 StGB. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass der Eintritt der mit der Tat angestrebten Bereicherung bei der Strafzumessung als ein zu Lasten des Täters zu wertender Gesichtspunkt zu berücksichtigen sein kann. Für den Bereicherungseintritt als solchen ist lediglich vorausgesetzt, dass sich die Vermögenslage des Täters bzw. Dritten aufgrund der Tat günstiger gestaltet, also objektiv betrachtet ein Vermögenszuwachs eingetreten ist, und sei es auch nur mittelbar37. Letztlich muss demnach bei der Prüfung der Tatbeendigung durch das Gericht ein – in der Regel unschwer durchzuführender – Vergleich der wirtschaftlichen Lage des Steuerhehlers bzw. Drittbegünstigten vor und nach der Tat vorgenommen werden. Auf dieser Grundlage scheidet die Annahme des Bereicherungseintritts jedenfalls dann aus, wenn – eine Bereicherung von Anfang an subjektiv gar nicht, auch nicht als Nebeneffekt der Tat, bezweckt war (z. B. Ankauf von Schwarzmarktzigaretten aus jedweder Quelle allein aus immateriellen Gründen, wie etwa zum Eigenverbrauch aufgrund akuten [!] Suchtdrucks38, oder Absatzhilfe durch den Vortäter, ausschließlich um die Entdeckung der Vortat zu verhindern39), – der Vortäter und der Steuerhehler gleichwertige Leistungen austauschen, wobei bei der Wertermittlung auf den regulären (i. e. „legalen“) Ladenbzw. Marktpreis des Hehlguts am Tatort und nicht etwa auf den Schwarzmarktpreis oder gar den bloßen Materialwert abzustellen ist, oder – es dem Hehler möglich gewesen wäre, die Sache legal (d. h. insbesondere nicht bei einem anderen Vortäter) zum gleichen Preis zu erwerben 35  Vgl.

Jäger, in: Klein, § 374 Rn. 41. OLG Hamm, NStZ-RR 2003, 237 (238). 37  Jäger, in: Klein, § 374 Rn. 41. 38  Vgl. BGH, NJW 1979, 2358 (2359) u. NStZ 1981, 147 – jew. Heroin; OLG Stuttgart, NJW 1977, 770 (771) – „Haschisch, LSD, Heroin und Aufputschtabletten“; NStZ 2003, 40 (41: „Fall der subjektiv notwendigen Beschaffung von Genussmitteln“) – Schwarzmarktzigaretten. 39  Vgl. Jäger, in: Franzen / Gast / Joecks, § 374 Rn. 28 a. E.; Kemper, in: Rolletschke / Kemper, § 374 Rn. 42. 36  Vgl.

352 4. Teil: Der Verjährungsbeginn bei den übrigen Steuerstraftatbeständen

(z. B. im Fall des praktisch wohl ausgeschlossenen, weil wirtschaftlich sinnlosen Ankaufs von „Schmuggelzigaretten“ zum regulären Preis im Inland)40. In all diesen eher seltenen Fällen ist der Tatbestand des § 374 I AO zumeist aber schon deshalb nicht erfüllt, weil es an der erforderlichen Bereicherungsabsicht insgesamt fehlt. Die Frage nach dem Verjährungsbeginn stellt sich dann naturgemäß erst gar nicht. Dies gilt insbesondere auch für einen gemäß § 374 III AO möglichen Versuch der Steuerhehlerei (s. dazu Gliederungspunkt  III.), weil es dann am Tatentschluss fehlt.

II. Absatz- und Endverbrauchsteuerhehler Für den besonders praxisbedeutsamen Fall des Absatz- bzw. Zwischensteuerhehlers, der das Hehlgut (z. B. Zigaretten, Kaffee) von Anfang an gewinnbringend weiterveräußern („absetzen“) will (§ 374 I 4.  Var. AO), gilt in Abgrenzung zu solchen Steuerhehlern, die letztlich als „Endverbraucher“ in Erscheinung treten, Folgendes: Zwar ist auch beim Absatz- / Zwischenhehler die (erste) Tat in Form des Sich-Verschaffens bzw. Ankaufs der „Schmuggelware“ mit der Erlangung der Verfügungsgewalt hierüber vollendet41. Da er mit dem bloßen Ankauf der steuerlich bemakelten Gegenstände (Genussmittel) aber entgegen seiner Absicht noch keine „Bereicherung“ erzielt hat, tritt die Beendigung hier erst dann ein, wenn auch der gewinnbringende Weiterverkauf der Hehlerware geglückt ist. Anders als der Endverbrauchsteuerhehler, dessen Bereicherung darin liegt, dass er die – in der Regel zeitnah selbst konsumierten – Waren zu einem im Vergleich zum „legalen“ Einkauf weitaus günstigeren Preis erworben hat42, kommt es erst mit der Weiterveräußerung des Hehlguts zu der vom Absatzhehler angestrebten wirtschaftlichen Besserstellung43. Das damit verbundene Absetzen des Hehlguts tritt dabei nach herrschender Meinung auf Konkurrenz­ ebene als mitbestrafte Nachtat hinter dem Ankauf des „Schmuggelguts“ zurück44. 40  Vgl. Jäger, in: Klein, § 374 Rn. 41; erg. M. Jahn, in: Satzger / Schluckebier /  Widmaier, § 259 Rn. 31 jew. m. w. N. 41  Vgl. nur Fischer, § 259 Rn. 21 m. w. N. für die Sachhehlerei. 42  Vgl. OLG Stuttgart, NStZ 2003, 40 (41). 43  So auch Wegner, in: MüKo-StGB, § 374 AO Rn. 57 a. E. 44  Vgl. BGH, NJW 1975, 2109 (2110); NStZ 1981, 147; Jäger, in: Klein, § 374 Rn. 50; a. A. M. Jahn, in: Satzger / Schluckebier / Widmaier, § 259 Rn. 39 („Tatbestandslösung“ betr. die Sachhehlerei). Damit kommt es hier auch nicht auf den im Kernstrafrecht herrschenden Streit an, ob die Vollendung bei den Tatmodalitäten „Absetzen“ und „Absatzhilfe“ einen Absatzerfolg im Sinne eines Übergangs der Herrschafts- und Verfügungsgewalt über das Hehlgut voraussetzt (bejahend M. Jahn,



B. Steuerhehlerei (§ 374 AO)353

Dies kann dazu führen, dass die Verjährungsfrist bei einer nicht nur vorübergehenden Zwischenlagerung des Hehlguts erst nach geraumer Zeit zu laufen beginnt45. Die Gefahr einer – im verfassungsrechtlichen Sinne – unverhältnismäßig langen Strafverfolgung besteht jedoch nicht, weil es der Täter auch hier in der Hand hat, die Tatbeendigung jederzeit selbst herbeizuführen, indem er seine Bereicherungsabsicht – äußerlich erkennbar – aufgibt. Das kann er etwa dadurch tun, dass er die „Schmuggelware“ vernichtet oder (anonym46) bei den Ermittlungsbehörden abliefert. Entsprechendes gilt (wie bei den §§ 148, 257 StGB47), wenn ein Absatz der Waren z. B. aufgrund zwischenzeitlich erfolgter Tatentdeckung (Sicherstellung) unmöglich geworden ist, weil derartige Taten ansonsten nie verjähren könnten48. In der Praxis kommen Fälle, in denen ein Absatzsteuerhehler im Stadium zwischen Tatvollendung und -beendigung seine Bereicherungsabsicht im zuerst genannten Sinne freiwillig aufgibt, kaum zum Tragen, weil Steuerhehlerwaren (insbesondere Zigaretten) allein schon mit Rücksicht auf das Entdeckungsrisiko in der Regel zeitnah umgeschlagen werden. Wird das zwischengelagerte „Schmuggelgut“ nur teilweise weiterveräußert und bleibt es im Übrigen ein- bzw. (weiterhin) zwischengelagert49, beginnt die Verjährungsfrist einheitlich erst dann zu laufen, wenn auch der Rest der ursprünglichen Gesamtlieferung abverkauft ist. Denn es ist anerkannt, in solchen Fällen von einer Bewertungseinheit auszugehen50. Dies muss auch dann gelten, wenn der „Warenbestand“ durch neues Hehlgut wieder aufgestockt wird.

III. Versuchte Steuerhehlerei Beim „bloßen“ Versuch der Steuerhehlerei (§ 374 III AO) kann es denklogisch nicht zu einer Realisierung der (Selbst- / Dritt-) Bereicherungsabsicht des Täters kommen51. Deshalb ist hier – genauso wie bei der versuchten Tabaksteuerbanderolenfälschung bzw. ihrer Vorbereitung (§§ 148 III, 149 a. a. O., § 259 Rn. 22 [h. Lit.]; abl. – speziell für § 374 AO – Jäger, a. a. O., § 374 Rn. 29 unter Bezugnahme auf die diesbzgl. st. Rspr. des BGH; beide jew. m. zahlr. weit. Nachw.). 45  So auch Schauf, in: Kohlmann, § 376 Rn. 102. 46  § 371 AO erfasst Straftaten gem. § 374 AO bereits dem Wortlaut nach nicht („wird … nicht nach § 370 bestraft“; Hervorh. v. hier). 47  s. S. 349 f. m. w. N. 48  Dto. Bülte, in: Hübschmann / Hepp / Spitaler, § 376 AO Rn. 123. 49  Erg. BGH, NJW 2007, 1294 (1295). 50  Vgl. nur Fischer, Vor § 52 Rn. 19 m. w. N. 51  Andernfalls wäre die Tat nicht versucht, sondern voll- und beendet.

354 4. Teil: Der Verjährungsbeginn bei den übrigen Steuerstraftatbeständen

StGB) – davon auszugehen, dass Vollendung und Beendigung des Versuchs der Steuerhehlerei zusammenfallen.52

C. Schmuggel und Bannbruch (§§ 373, 372 AO) I. Schmuggel Da sich an die Hinterziehung von Ein- und Ausfuhrabgaben (§§ 370, 373 AO) in der Rechtswirklichkeit häufig Steuerhehlereidelikte (§ 374 AO) anschließen, stellt sich in der Praxis – wie schon ausgeführt53 – vielfach die Frage, ob der konkret zu beurteilende Täter noch „Schmuggler“ oder schon Steuerhehler ist. Wie ebenfalls bereits dargestellt, hat der BGH die Grenze zwischen den beiden Deliktsgruppen in Fortführung der reichsgerichtlichen Rechtsprechung zu diesen Fällen so definiert, dass der Vorgang des „Schmuggelns“ nicht abgeschlossen – und damit bis dahin auch (sukzessiv) beteiligungs- bzw. teilnahmefähig – ist, bis „das geschmuggelte Gut in Sicherheit gebracht und ‚zur Ruhe gekommen‘ …, d. h. seinem Bestimmungsort zugeführt worden ist“,

wobei er diese Abgrenzung ausdrücklich mit dem Etikett „Beendigung des Schmuggels“ versehen hat, obwohl Verjährungsfragen in den bisher dazu veröffentlichten Entscheidungen keine Rolle spielten54. Das hatte zur Folge, dass die auch in der obergerichtlichen Rechtsprechung55 ausschließlich deliktssystematisch eingesetzte Abgrenzungsformel des BGH von wesentlichen Teilen des Schrifttums ohne weitere Begründung auf § 78a S. 1 StGB übertragen und mithin auch zur Grundlage der Bestimmung des Verjährungsbeginns in „Schmuggelfällen“ gemacht wurde56. Der Großteil der Literatur57 52  Erg. BGH, NStZ 2008, 409 (410 f.) zum Beginn des Versuchs der Steuerhehlerei (§ 374 III AO) beim „Zigarettenschmuggel“. 53  s. S.  58 f. 54  Vgl. BGH, NStZ 2000, 594 m. w. N.; anders jetzt erstmals BGH, Beschl. v. 8.7.2014, 1 StR 240 / 14, BeckRS 2014, 18089, Tz. 3 ohne nähere Begr. 55  Vgl. etwa BayObLGSt 2003, 30 (32); KG, Beschl. v. 7.1.1998, (4)  1  Ss 324 / 97 (141 / 97), BeckRS 1998, 15393. 56  So etwa Jäger, in: Klein, § 376 Rn. 51; Rolletschke, in: Rolletschke / Kemper, § 376 Rn. 34a; Schmid, in: LK-StGB, § 78a Rn. 8; Senge, in: Erbs / Kohlhaas, § 370 AO Rn. 109. 57  Vgl. Grötsch, in: Wannemacher & Partner, Rn. 769; Joecks, in: Franzen / Gast / Joecks, § 376 Rn. 36; Schauf, in: Kohlmann, § 376 Rn. 101; ehedem auch Hübner, in: Hübschmann / Hepp / Spitaler, 98.  EL, § 376 AO Rn. 35; anders etwa Bülte, in: Hübschmann / Hepp / Spitaler, § 376 AO Rn. 122; I. Meyer, in: Beermann / Gosch, § 376 AO Rn. 45; Rolletschke, Steuerstrafrecht, Rn. 490a; Zanzinger, in: Leopold / Madle / Rader, § 376 Rn. 47.



C. Schmuggel und Bannbruch (§§ 373, 372 AO)355

bezieht im Gegensatz dazu zum Verjährungsbeginn beim Schmuggel nach wie vor überhaupt keine Stellung, sodass die Frage heute immer noch als weitestgehend ungeklärt gelten muss. Einzig Wulf58 hat vor Kurzem erstmals näher hinterfragt, ob die althergebrachte „Beendigungsformel“ des Reichsgerichts bzw. des BGH aus dem Bereich der Tatbestandsabgrenzung tatsächlich auch ein geeignetes Instrument ist, um den Beginn des Laufs der Verfolgungsverjährungsfrist zu bestimmen. Die im Ergebnis berechtigten Bedenken Wulfs rühren daher, dass es sich beim „Schmuggel“, egal ob „einfach“ (§ 370 AO) oder qualifiziert (§ 373 AO), in jedem Fall um eine Steuerhinterziehung handelt – und damit dem Grunde nach um ein (Nicht-)Erklärungsdelikt. Da sich die „Schmuggelfälle“ regelmäßig dadurch auszeichnen, dass die Finanzbehörden über die steuerlich erhebliche Bewegung der inkriminierten Waren in oder durch das Bundesgebiet pflichtwidrig in Unkenntnis gelassen werden (§ 370 I Nr. 2 AO), liegt es, wie Wulf daraus zutreffend ableitet, auf der Hand, zur Bestimmung des Verjährungsbeginns auch insofern auf die entsprechenden Grundsätze bei der Hinterziehung von nicht periodisch veranlagten Steuern59 bzw. der Hinterziehung von Fälligkeitssteuern durch – formal – „unechtes“ Unterlassen60 zurückzugreifen61. Wulf geht dabei jedoch noch einen Schritt weiter. Denn er will den Verjährungsbeginn in diesen Fällen generell auf den Vollendungszeitpunkt legen, weil hier nach seiner Auffassung „ein nachgelagerter ‚Beendigungszeitraum‘ nicht existiert“62. Das ist jedoch, wie sich aus den in Bezug genommenen Untersuchungsteilen ergibt, unzutreffend. Aber auch ein Hinausschieben des Verjährungsbeginns bis zum Eintreffen der Ware am endgültigen Zielort lässt sich bei einem stets vom Grundtatbestand des § 370 AO erfassten „Schmuggel“ dogmatisch kaum begründen. Oder anders gewendet: Warum sollten die § 370 AO unterfallenden Eingangsabgaben hinsichtlich des Verjährungsbeginns anders behandelt werden, als die übrigen Steuern? Ein sachlicher Grund hierfür ist nicht ersichtlich und kann insbesondere auch nicht der deliktssystematischen Abgrenzungsformel des BGH entnommen werden. Folgt man der hier vertretenen Auffassung und überträgt die für Erklärungsdelikte geltenden Grundsätze zur Bestimmung des Verjährungsbeginns 58  In: MüKo-StGB, § 376 AO Rn. 46; ähnl. Zanzinger, in: Leopold / Madle /  Rader, § 376 Rn. 48. 59  s. z. B. S. 305 ff. zur Tabaksteuerhinterziehung. 60  s. S.  321 ff. 61  A. A. Bülte (in: Hübschmann / Hepp / Spitaler, § 376 AO Rn. 122), der auf eine „tatsächliche Betrachtung“ abstellen und eine „Parallele zum Diebstahl oder Raub“ ziehen will (zw.). 62  In: MüKo-StGB, § 376 AO Rn. 46.

356 4. Teil: Der Verjährungsbeginn bei den übrigen Steuerstraftatbeständen

auf den vollendeten „Schmuggel“, kann konsequenterweise für dessen Versuch (§ 373 III AO) nichts anderes gelten63.

II. Bannbruch Da es sich bei § 372 AO – im Gegensatz zur Steuerhinterziehung – nicht um ein Erklärungs-, sondern um ein reines Tätigkeitsdelikt handelt („wer … einführt, ausführt oder durchführt“)64, ist der im Schrifttum65 einheitlich vertretenen Auffassung uneingeschränkt zuzustimmen, wonach es für die Beendigung des Bannbruchs „auch“ hier (s. o.) auf das Eintreffen und ZurRuhe-Kommen der Bannware an ihrem Bestimmungsort ankommt. Denn das in § 372 I AO (heute nur noch aus formalen Gründen66) pönalisierte Unrecht (i. e. Verstoß gegen ein Verbringungsverbot) ist in der Tat erst dann im Sinne von § 78a S. 1 StGB tatsächlich abgeschlossen, wenn „das geschmuggelte Gut in Sicherheit gebracht und ‚zur Ruhe gekommen‘ …, d. h. seinem Bestimmungsort zugeführt worden ist“67.

Wie dieser „Bestimmungsort“ zu definieren ist bzw. wo er liegt und ab wann er erreicht ist, kann naturgemäß nicht generell, sondern nur einzelfallbezogen, d. h. insbesondere anhand des zugrunde liegenden Tatplans der Beteiligten68, beantwortet werden. Eine erste abstrakte Spezifizierung des Bestimmungsortsbegriffs hatte bereits das Reichsgericht69 in einer auch heute noch weitestgehend unbekannten Leitentscheidung vom 9.11.1933 vorgenommen. Danach ist unter „Bestimmungsort“ „nicht … eine politisch abgegrenzte Fläche, ein Gemeindebezirk, eine Ortschaft zu verstehen, sondern der eng begrenzte Raum, der das Ziel der Beförderung ist.“

Dem hat die Rechtsprechung seither nichts wesentlich Neues hinzufügen können bzw. müssen. Dass, wie der BGH70 vor noch nicht allzu langer Zeit 63  Im

Einzelnen S. 308 f., ebenfalls am Beispiel der Tabaksteuerhinterziehung. zutreffend u. a. Wulf, in: MüKo-StGB, § 376 AO Rn. 44. 65  Vgl. Bülte, in: Hübschmann / Hepp / Spitaler, § 376 AO Rn. 122; Grötsch, in: Wannemacher & Partner, Rn. 769; Jäger, in: Klein, § 376 Rn. 51; Joecks, in: Franzen / Gast / Joecks, § 376 Rn. 36; Lohr, in: MAH-WiStra, § 29 Rn. 551; I. Meyer, in: Beermann / Gosch, § 376 AO Rn. 44; Möller / Retemeyer, in: Bender / Möller / Retemeyer, C  IV Rn. 601; Rolletschke, in: Rolletschke / Kemper, § 376 Rn. 34; Schauf, in: Kohlmann, § 376 Rn. 101; Scheurmann-Kettner, in: Koch / Scholtz, § 372 Rn. 9; Wegner, in: MüKo-StGB, § 372 AO Rn. 92; Wulf, in: MüKo-StGB, § 376 AO Rn. 44. 66  s. S. 54. 67  BGH, NStZ 2000, 594 m. w. N. 68  Vgl. BayObLGSt 2003, 30 (32). 69  RGSt 67, 345 (348). 70  NJW 2007, 1294 (1295). 64  So

D. Gewerbs- oder bandenmäßige Schädigung des Umsatzsteueraufkommens357

judiziert hat, das bloße Umladen der Bannware – anders als ihre (unangetastete) „Zwischenlagerung“ für geraume Zeit – keine die Beendigung herbeiführende Handlung darstellt, ergibt sich dabei zwanglos aus der vorgenannten Formel des Reichsgerichts und ist daher strenggenommen kein Novum mehr. Entsprechendes gilt, wenn die Bannware in ein „Zwischenlager“ verbracht wird, von wo aus dann ihr tranchenweiser Abverkauf (ggf. unter Einschluss eigener Auslieferungsfahrten durch die Täter) erfolgt71. Dies deshalb, weil die Bannware dort bereits an dem für die von Anfang an beabsichtigte Weiterveräußerung erforderlichen „safe harbour“ angekommen ist, nach dessen Erreichen sie in ihrer Gesamtheit (vorerst) dem unmittelbaren Zugriff der Finanz- bzw. Strafverfolgungsbehörden entzogen ist. Das „Zwischenlager“ für den Abverkauf ist dabei nach dem Tatplan der Beteiligten der – aus ihrer Sicht – endgültige „Bestimmungsort“, auch wenn von dort aus noch der Abverkauf an Zwischenhändler und / oder Endabnehmer erfolgt. Im Fall des nur versuchten Einfuhr-, Ausfuhr- oder Durchfuhrbannbruchs (§ 372 II i. V. m. § 370 II AO) fallen Vollendung und Beendigung faktisch im Zeitpunkt des unmittelbaren Ansetzens zum Grenzübertritt zusammen72. Zwar ist es theoretisch denkbar, dass zwischen dem Ansetzen zum Grenzübertritt und der Überschreitung der Staatsgrenze als solcher (ab dann: vollendeter Bannbruch) ein im Einzelfall nicht unerheblicher Zeitraum liegen kann, wie etwa dann, wenn der mit der Abfertigung befasste Zollbeamte erst noch über die Bannwareneinfuhr hinweg getäuscht werden muss. Diese Phase zwischen Vollendung und Beendigung des Versuchs ist jedoch, wenn sie nicht ausnahmsweise die 24.00 Uhr / 0.00 Uhr-Grenze tangiert, d. h. die Bannware nicht noch am selben Tag entdeckt wird, ohne Auswirkung auf den Beginn der Strafverfolgungsverjährung. Zu einem gleichwie gearteten Erreichen des „Bestimmungsorts“ kann es in der Versuchskonstellation denknotwendig nicht kommen, sodass die Formel vom „Zur-Ruhe-Kommen“ insofern generell nicht anwendbar ist.

D. §§ 26b, 26c UStG: Gewerbs- oder bandenmäßige ­Schädigung des Umsatzsteueraufkommens I. Avisierter Phänomenkreis Die §§ 26b, 26c UStG sind erst mit Wirkung zum 1.1.2002 in das Gesetz eingefügt worden und enthalten damit noch relativ „junges“ Steuerstraf71  Vgl. 72  Erg.

BGH, NStZ 2000, 594. Fischer, § 22 Rn. 15 ff.

358 4. Teil: Der Verjährungsbeginn bei den übrigen Steuerstraftatbeständen

recht73. Der darin umschriebene Straftatbestand der gewerbs- oder bandenmäßigen Schädigung des Umsatzsteueraufkommens wurde vom Gesetzgeber „maßgeschneidert“, um bestimmte Strafbarkeitslücken im weit gefächerten Phänomenkreis des Umsatzsteuer(karussell-)betrugs zu schließen. Vereinfacht dargestellt, werden im Rahmen sog. Umsatzsteuerkarussellgeschäfte meist kleinteilige (das ist glaubwürdiger, da nur geringe Lagerkapazitäten benötigt werden) und / oder hochwertige Waren (z. B. Computerprozessoren74, Mobilfunkgeräte75, in praxi oft auch Pkws76) in mehrgliedrigen Lieferketten – tatsächlich oder nur auf dem Papier – „im Kreis“ bewegt, um die Wirtschaftsgüter entweder auf Kosten des Fiskus und zum Nachteil der Konkurrenz ohne (vollen) Umsatzsteueraufschlag (d. h. „verbilligt“) weiterveräußern zu können oder für die beteiligten Unternehmer durch Scheinrechnungen nicht gerechtfertigte Vorsteuererstattungen (§ 15 I 1 Nr. 1 UStG) zu generieren.77

Dazu hat er nicht nur systemwidrig78 einen neuen Steuerstraftatbestand außerhalb der Abgabenordnung geschaffen, sondern zum ersten Mal auch das Nicht- oder nur unvollständige Bezahlen von Steuern mit Kriminalstrafe bedroht79. Strafrechtsdogmatisch qualifiziert § 26c UStG – die eigentliche Strafnorm – hierzu die in § 26b I UStG enthaltene Ordnungswidrigkeit für den Fall einer gewerbs- oder bandenmäßigen Begehungsweise zur Straftat um. Konkret getroffen werden sollen damit Täter, die unter planmäßiger Ausnutzung der äußerst betrugsanfälligen Spezifika des geltenden Umsatzsteuerrechts zwar formal ihren steuerlichen Erklärungspflichten nachkommen und damit nicht von den in § 370 I Nr. 1, 2 AO normierten Erklärungsdelikten erfasst werden, jedoch die von ihnen im Rahmen mehrgliedriger Lieferketten (zum Schein) vereinnahmte Umsatzsteuern – wie von Anfang an beabsichtigt – zum Fälligkeitszeitpunkt nicht (vollständig) an das Finanzamt abführen. Gerade darauf baut das Umsatzsteuersystem aber auf. Die von §§ 26b, 26c UStG avisierten Straftaten treffen dieses daher im Kern.80 73  s. d.

Nachw. in Teil 1, Fn. 118. BGH, wistra 2007, 18; NStZ 2004, 574; Jäger, NStZ 2007, 688 (689). 75  Vgl. BGH, wistra 2009, 238; erg. SaarlFG, EFG 2010, 1740. 76  Vgl. BGHSt 53, 45 = NJW 2009, 1516. 77  Ausf. zum Ganzen Gehm, NJW 2012, 1257; Muhler, wistra 2009, 1 (2 ff.); Nöhren, S. 250 ff.; s. a. die Phänomenbeschreibung in BT-Drs. 15 / 1495, S. 8 – Fall Chipdeal. 78  So auch Kemper, in: Plückebaum / Malitzky, § 26c Rn. 5. 79  Dto. Kemper, in: Wannemacher & Partner, Rn. 1181. Bei § 380 I AO handelt es sich ausschließlich um einen OWi-Tatbestand. 80  Zusf. Kemper, in: Rolletschke / Kemper, § 26c UStG Rn. 1 ff.; Wilhelm, UR 2005, 474 (475 ff.); krit. insbes. Kemper, in: Wannemacher & Partner, Rn. 1182; erg. zum Umfang des dadurch EU-weit verursachten Schadens BT-Drs. 15 / 1495, S. 3 74  Vgl.

D. Gewerbs- oder bandenmäßige Schädigung des Umsatzsteueraufkommens 359

Ungeachtet dessen ist bei der Einzelfallprüfung zu beachten, dass jedenfalls dann, wenn im Zuge der vielfältigen Gestaltungen von Umsatzsteuerkarussellen Scheinrechnungen (§ 14c II 2 UStG) zum Einsatz gekommen sind, eine Strafbarkeit alternativ auch auf § 370 I Nr. 181 – ggf. i. V. m. § 370 III 2 Nr. 1 und / oder Nr. 5 – AO gestützt werden kann82. Daneben (§ 53 I StGB) kann (muss aber nicht) dann auch der Anwendungsbereich der §§ 26b, 26c UStG eröffnet sein83. In Ausnahmefällen ist zudem (§ 52 I StGB) eine Strafbarkeit gemäß § 129 StGB in Erwägung zu ziehen84.

II. Verjährungsbeginn Die Regelverjährungsfrist für Vergehen nach §§ 26b, 26c UStG beträgt, wie bereits ausgeführt85, unstreitig fünf Jahre (§ 78 III Nr. 4 StGB). Heftig umstritten ist dagegen, ab wann diese Frist zu laufen beginnt, d. h. wann das „Nichtzahlungsdelikt“ beendet ist. Während eine Ansicht den Tag für maßgeblich erachtet, an dem die Umsatzsteuerzahlung erstmals fällig war (vgl. § 18 I 4, IV 1, 2 UStG, ggf. i. V. m. § 222 AO oder § 46 UStDV) und pflichtwidrig nicht entrichtet wurde86, stellt die herrschende Gegenauffassung auf den Eintritt der Zahlungsverjährung (§§ 228 ff. AO) ab87. („annähernd 12  Mrd.  € pro Jahr“); Muhler, wistra 2009, 1 (Fn. 1: „im Jahr 2007 … rund 14  Mrd.  €“). 81  Ob die §§ 26b, 26c UStG auch im Nichtabgabefall (§ 370 I Nr. 2 AO) anwendbar sind, ist str., vgl. Bülte, in: Graf / Jäger / Wittig, §§ 26b, 26c UStG Rn. 19 (aufgrund des offenen Gesetzeswortlauts – mit Recht – bejaht; abl. dagegen Gaede, in: Flore / Tsambikakis, § 26b UStG Rn. 16; Wilhelm, UR 2005, 474 [477] jew. m. w. N.). 82  Nach Nöhren (S. 210 ff.) soll bei nicht existenten Rechnungsstellern wegen der damit verbundenen Identitätstäuschung zudem (§ 53 I StGB) „zwangsläufig“ eine Urkundenfälschung vorliegen. 83  Str., vgl. Fahl, wistra 2003, 10 (11 ff.); a. A. etwa Jäger, in: Klein, § 370 Rn. 483 („allein § 370 … anwendbar“); s. a. Bülte, in: Graf / Jäger / Wittig, §§ 26b, 26c UStG Rn. 42 u. Muhler, wistra 2009, 1 (5) – jew. Tateinheit; krit. Gehm, NJW 2012, 1257 (1261 [eingeschr. Selbstanzeigemöglichkeiten]); Traub, in: Wannemacher, Rn. 1371; unklar Kemper, in: Rolletschke / Kemper, § 26c UStG Rn. 68 f. 84  s. dazu BGH, NStZ 2004, 574; Jäger, NStZ 2005, 552 (554 f.); Nöhren, S. 289 ff.; erg. BGH, StV 2012, 339 – „Diebe im Gesetz“; Rübenstahl, wistra 2014, 166. 85  s. S. 135. 86  Gehm, Kompendium, S. 165; Joecks, in: Franzen / Gast / Joecks, § 370 Rn. 358; Kemper, in: Rolletschke / Kemper, § 26c UStG Rn. 63; ders., in: Plückebaum / Malitzky, § 26c Rn. 75; ders., in: Vogel / Schwarz, § 26c Rn. 75; Vogelberg, in: Simon /  Vogelberg, S. 106. 87  Blesinger, in: Offerhaus / Söhn / Lange, § 26c Rn. 50; Bülte, in: Hübschmann / Hepp / Spitaler, § 376 AO Rn. 124; ders., in: Graf / Jäger / Wittig, §§ 26b, 26c UStG

360 4. Teil: Der Verjährungsbeginn bei den übrigen Steuerstraftatbeständen

Letzteres ist – im Kern – zutreffend, weil bei – formal – „echten“ Unterlassungsdelikten wie den §§ 26b, 26c UStG von einem tatsächlichen Abschluss des Tatunrechts im Grundsatz erst dann gesprochen werden kann, wenn die vom Täter missachtete Rechtspflicht zum Handeln (wieder) entfallen ist88. Das ist hier die in § 26b I UStG normierte Pflicht, „die in einer Rechnung im Sinne von § 14 [UStG] ausgewiesene Umsatzsteuer zu einem in § 18 Absatz 1 Satz 4[89] oder Abs. 4 Satz 1 oder 2 [UStG] genannten Fälligkeitszeitpunkt“ (Hervorh. v. hier)

vollständig zu entrichten. Anders als bei § 370 I Nr. 2 AO steht dem auch § 171 VII AO nicht entgegen. Denn die von der Ablaufhemmung konkret in Bezug genommene Vorschrift des § 169 II 2 AO findet schon ihrem Wortlaut nach („soweit eine Steuer hinterzogen … ist“) auf die Nichtzahlungskonstellation der §§ 26b, 26c UStG keine Anwendung90. Und da insbesondere auch die §§ 228 ff. AO keine dem § 171 VII AO entsprechende Regelung vorsehen, droht insgesamt keine „Endlosschleife“ mit der unverhältnismäßigen Folge einer Unverjährbarkeit91 der strafbaren Gefährdung des Umsatzsteueraufkommens92. Dies hat zur Konsequenz, dass im Fall der §§ 26b, 26c UStG für die Tatbeendigung (§ 78a S. 1 StGB) durchaus – auch – auf das Erlöschen der Pflicht zur Entrichtung der Umsatzsteuer abgestellt werden kann93. Die dagegen von Teilen der Literatur vorgebrachten Bedenken verfangen nicht. Denn der von den Vertretern dieser Auffassung als Verjährungsbeginn favorisierte Tag der ersten Zahlungsfälligkeit markiert eindeutig nur die Rn. 43; Gaede, in: Flore / Tsambikakis, § 26c UStG Rn. 42; Rolletschke, in: Rol­ letschke / Kemper, § 376 Rn. 35; ders., Steuerstrafrecht, Rn. 491. 88  Vgl. nur Bülte, in: Graf / Jäger / Wittig, §§ 26b, 26c UStG Rn. 43 m. w. N. 89  Dabei handelt es sich um die durch Art. 10 Nr. 14 des AmtshilferichtlinienUmsetzungsgesetzes – AmtshilfeRLUmsG v. 26.6.2013 (BGBl. I, S. 1809) korrigierte, erst seit 30.6.2013 geltende Fassung des § 26b I 1.  Var. UStG. In der Zeit vom 1.1.2009 bis dahin enthielt die Vorschrift einen (anfangs zutreffenden) Verweis auf „§ 18 Abs. 1 Satz 3 UStG“, dessen Inhalt durch Art. 8 Nr. 2a Steuerbürokratieabbaugesetz (BGBl. I 2008, S. 2850) aber in § 18 I 4 UStG transferiert wurde. Ob dieses offenkundige, vorübergehend bestehende (s. aber § 2 III StGB) und auch nur partielle Redaktionsversehen für die Vergangenheit (1.1.2009 bis 30.6.2013) mit Blick auf den Wortlaut von § 26b I UStG durch Gesetzesauslegung behoben werden kann, ist zweifelhaft (grdlg. dazu BVerfG, wistra 2003, 255 [257 f.]; vor Kurzem bejaht von BGH, NStZ 2014, 329 in Bezug auf § 370 VI 2 AO a. F.; abl. dagegen Gaede, PStR 2011, 233 [235 f.]; ders., in: Flore / Tsambikakis, § 26b UStG Rn. 17; Webel, PStR 2013, 20 [21]; offen gelassen von M. Ebner, IStR 2013, 718 [719 f.]). 90  Vgl. Cöster, in: Pahlke / Koenig, § 169 Rn. 54 m. w. N. 91  s. S.  70 f., 232 f. 92  Ebenso Blesinger, in: Offerhaus / Söhn / Lange, § 26c Rn. 50. 93  So auch Bülte, in: Graf / Jäger / Wittig, §§ 26b, 26c UStG Rn. 43.

D. Gewerbs- oder bandenmäßige Schädigung des Umsatzsteueraufkommens361

Deliktsvollendung. Darin zugleich den tatsächlichen Abschluss des Tatunrechts zu sehen geht an der Sache vorbei und lässt sich spätestens seit Einführung der 10-jährigen Verjährungsfrist in § 376 I AO auch nicht mehr mit der pauschal geübten Kritik an der hier – nur – im Fall der Zahlungsverjährung erst vergleichsweise spät eintretenden Regelverjährung rechtfertigen94. Ungeachtet der generellen Fragwürdigkeit einer derartigen, letztlich rein wertenden Kritik, liegt es auf der Hand, dass die in §§ 26b, 26c UStG vorausgesetzte gewerbs- oder bandenmäßige Begehungsweise den von § 376 I AO in Bezug genommenen Regelbeispielen des § 370 III 2 AO – auch wertungsmäßig – gleichzustellen ist. Außerdem hat es der Täter hier abermals jederzeit selbst in der Hand, den Beginn des Verjährungsfristlaufs durch Entrichtung der abzuführenden Umsatzsteuer selbst herbeizuführen (vgl. § 47 1. Var. AO). Und fehlen ihm ab einem bestimmten Zeitpunkt die dazu erforderlichen finanziellen Mittel, liegt – vorbehaltlich der Tatbestandsverwirklichung im Übrigen – dann darin die Beendigung, wie sogleich noch zu zeigen sein wird. Damit steht bei der „Verjährungsberechnung“ in Fällen der §§ 26b, 26c UStG ausschließlich in Frage, ob der Umsatzsteuerzahlungsanspruch des Fiskus im konkreten Fall überhaupt schon und wenn ja, wann genau erloschen ist (§ 47 AO). Denn erst an diesem Tag beginnt die Verjährungsfrist zu laufen. Das ist – wie in der Literatur mehrheitlich angeführt – zum einen dann der Fall, wenn nach Maßgabe der §§ 228 ff. AO Zahlungsverjährung eingetreten ist (vgl. § 232 AO). Die diesbezügliche Frist beträgt gemäß § 228 S. 2 AO fünf Jahre, beginnt „mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem der Anspruch erstmals fällig geworden ist“ (§ 229 I 1, 2 2. Hs. AO, sog. Kalenderverjährung), und kann nach Maßgabe von § 231 AO insbesondere durch die schriftliche Geltendmachung des Anspruchs unterbrochen werden95. Letzteres hat zur Folge, dass (erst) mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Unterbrechung geendet hat, die Zahlungsverjährungsfrist neu zu laufen beginnt (§ 231 III AO). Eine „Grenze des Doppelten“, wie sie § 78c III  2 StGB normiert, oder eine gleichwie geartete andere „Deckelung“ der Möglichkeit zur wiederholten Unterbrechung der Zahlungsverjährung sieht das Gesetz nicht vor. Wie § 47 AO weiter zu entnehmen ist, führt daneben auch die nachträgliche Zahlung als solche ex nunc zum Erlöschen des Steueranspruchs – und damit naturgemäß auch zum Erlöschen der Zahlungspflicht (Rechtsgedanke 94  So aber Joecks, in: Franzen / Gast / Joecks, § 370 Rn. 358; Kemper, in: Rol­ letschke / Kemper, § 26c UStG Rn. 63; ders., in: Plückebaum / Malitzky, § 26c Rn. 75; ders., in: Vogel / Schwarz, § 26c Rn. 75. 95  Zusf. Carlé, AO-StB 2004, 293 (294 ff.); erg. S. 69 sowie Haug, S.  157 f.

362 4. Teil: Der Verjährungsbeginn bei den übrigen Steuerstraftatbeständen

des § 362 I BGB). Die Strafverfolgungsverjährung beginnt in Fällen der verspäteten Zahlung der gesetzlich abzuführenden Umsatzsteuer folglich am Zahlungs(eingangs-)tag zu laufen. Bei (regelmäßig zu erwartenden) unbaren Zahlungen kommt es dabei gemäß § 224 II Nr. 2 AO auf den Tag der Gutschrift auf dem Konto der Finanzbehörde an. Eine § 224 III 3 AO (DreiTages-Zahlungsfiktion) entsprechende Regelung existiert für Zahlungen des Steuerpflichtigen an die Finanzbehörde nicht, sondern nur für solche in umgekehrter Richtung96. Dasselbe gilt für die weiteren in § 47 AO genannten „zahlungsgleichen“97 Erlö­schensgründe der Aufrechnung98 gegen die Umsatzsteuerzahlschuld bzw. ihres Erlasses (vgl. § 227 1. Hs. AO). Fraglich ist, ob über den Katalog der Erlöschenstatbestände in § 47 AO hinaus auch die – auf den Fälligkeitszeitpunkt bezogen – nachträgliche Unmöglichkeit der Zahlung zum Eintritt der Tatbeendigung führt. Steht bereits vor dem Fälligkeitstermin fest, dass die Umsatzsteuerzahlung unmöglich ist, greifen die §§ 26b, 26c UStG nach allgemeiner Auffassung schon tatbestandlich nicht ein, es sei denn die abzuführende Umsatzsteuer wurde zuvor schon vereinnahmt („durchlaufender Posten“)99 oder es trifft den Steuerpflichtigen an der eingetretenen Zahlungsunfähigkeit sonst ein ihm vorwerfbares Verschulden100.

Zwar ist die Zahlungsunfähigkeit per se rechtlich nicht geeignet, den Steueranspruch zum Erlöschen zu bringen. Allerdings wird in der Literatur in diesem Zusammenhang mit Recht vorgebracht, dass „die Rechtsordnung nur fordern kann, was auch möglich ist“101. Es ist daher in Anlehnung an die – insoweit parallel gelagerte – Rechtsprechung des BGH102 zur tatsächlichen Unmöglichkeit des Abführens von Sozialversicherungsbeiträgen (§ 266a I StGB) bzw. der Buchführung und Bilanzerstellung (§ 283 I Nr. 5, 7b StGB) bei bestehender Notwendigkeit der Inanspruchnahme eines Steuer­ beraters davon auszugehen, dass die Tat nach §§ 26b, 26c UStG im Zeitpunkt des Eintritts der endgültigen Zahlungsunfähigkeit des Steuerpflichtigen auch bezüglich seiner Umsatzsteuerzahllast jedenfalls dann als „been96  s.

S.  216 f. in: Franzen / Gast / Joecks, § 370 Rn. 358. 98  Erg. S.  217 f. 99  Nach Stadie (§ 26c Rn. 4) soll es sich dabei gar um ein „ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal“ handeln. 100  Str., vgl. Gaede, in: Flore / Tsambikakis, § 26b UStG Rn. 28; Webel, PStR 2013, 20 (21) jew. m. w. N.; a. A. Küffner, in: Hartmann / Metzenmacher, § 26b Rn. 22 f., 36 ff., § 26c Rn. 31; erg. Nöhren, S. 81 ff. m. zahlr. weit. Nachw. 101  Wilhelm, UR 2005, 474 (477) m. w. N. 102  Vgl. NJW 2011, 3047 (3048) zu § 266a StGB; NStZ 2012, 511 zu § 283 StGB. 97  Joecks,



E. Lotteriesteuerhinterziehung (§ 23 RennwLottG)363

det“ im Sinne von § 78a S. 1 StGB anzusehen ist, wenn sein Verhalten zur Deliktsvollendung geführt hat. Ob letzteres der Fall ist oder der Täter mit dem Verteidigungseinwand nachträglicher Illiquidität durchdringt, hängt maßgeblich von den bereits im Absatz zuvor beschriebenen Parametern ab.

E. Lotteriesteuerhinterziehung (§ 23 RennwLottG) § 23 RennwLottG ist ein nicht nur aus steuerstrafrechtlicher Sicht äußerst bemerkenswerter Tatbestand. Diese, dem ältesten noch geltenden Verkehrsteuergesetz103 – dem Rennwett- und Lotteriegesetz vom 8.4.1922104 – entstammende Vorschrift ist bis dato allen Änderungen zum Trotz als einzige vorkonstitutionelle Steuerstrafvorschrift (vgl. Art. 123 I GG) außerhalb der Abgabenordnung bestehen geblieben105. Dennoch hat der Tatbestand, anders als das Rennwett- und Lotteriegesetz selbst106, nie eine eigenständige Bedeutung erlangt, geschweige denn eine gleichwie geartete Renaissance erfahren107. Dementsprechend soll er hier nur kurz abgehandelt werden. Die überschaubare praktische Relevanz von § 23 RennwLottG rührt zum einen daher, dass die Vorschrift einen sehr begrenzten Anwendungsbereich hat. Denn sie erfasst ausdrücklich nur den vergleichsweise selten vorkommenden108 Fall des Vertriebs unversteuerter ausländischer Lose und Spielscheine im Inland (§ 21 RennwLottG). Hinzu kommt, dass die Hinterziehung von Lotteriesteuer, sofern sie tatsächlich einmal in Betracht kommt, in der Strafrechtswirklichkeit nur ausnahmsweise zum Gegenstand des Strafverfahrens gemacht wird, weil sie regelmäßig von Vergehen aus dem Bereich des strafbaren Eigennutzes (§§ 284 ff. StGB, insbes. § 287 StGB) überlagert und deshalb entweder übersehen oder gezielt gemäß §§ 154, 154a StPO von der Verfolgung ausgenommen wird109. § 23 RennwLottG hat heute folgenden Wortlaut: „§ 23. Wegen Hinterziehung wird auch bestraft, wer im Inland den Vertrieb unversteuerter (§ 21) ausländischer Lose oder ausländischer Ausweise über Ausspielungen besorgt.“110 103  Bruschke,

S. 396. I, S. 393; erg. M. Ebner, in: Flore / Tsambikakis, § 23 RennwLottG Rn. 1 zur Gesetzgebungshistorie. 105  Erg. S.  48 f. 106  Vgl. Maslaton / Sensburg, DStZ 2002, 24; Welz, UVR 2010, 308 (310 f.). 107  M. Ebner, in: Flore / Tsambikakis, § 23 RennwLottG Rn. 1. 108  Bruschke, S. 417. 109  Vgl. M. Ebner, in: Flore / Tsambikakis, § 23 RennwLottG Rn. 1, 13 f. 110  Der durch das AOStrafÄndG v. 10.8.1967 (BGBl. I, S. 877) aufgehobene Satz 1 der Vorschrift enthielt noch eine Multiplarstrafdrohung und lautete wie folgt: 104  RGBl. 

364 4. Teil: Der Verjährungsbeginn bei den übrigen Steuerstraftatbeständen

Die Vorschrift erhebt damit den ansonsten allenfalls als (psychische) Beihilfe oder Begünstigung (§ 369 I Nr. 4 AO) einzustufenden „Vertrieb“ von entgegen §§ 17, 21 RennwLottG unversteuert gebliebenen ausländischen Losen bzw. Ausweisen über Ausspielungen zur täterschaftlichen „Hinterziehung“ im Sinne von – nur – § 370 AO. Infolge dieser Hochstufung wird der Kreis der wegen täterschaftlicher Lotteriesteuerhinterziehung strafbarer (und steuerlich gem. § 71 AO haftender) Personen auf die gesamte im Inland operierende Vertriebsstruktur (sog. „Drücker“) einer ausländischen Lotterie oder Ausspielung erstreckt und somit ganz erheblich erweitert. Da gemäß § 35 S. 1 RennwLottAB nur der Verbringer der Lose bzw. Spielausweise ins Inland oder ihr erster inländischer Empfänger als Steuerschuldner111 verpflichtet ist, vor Beginn des Vertriebs, spätestens aber innerhalb von drei Tagen nach dem Einbringen bzw. Empfang, eine „Anmeldung“, d. h. Steuererklärung (§ 149 I AO)112, abzugeben (vgl. § 35 S. 1 RennwLottAB i. V. m. § 21 IV RennwLottG), könnten die den Vertrieb besorgenden, gerade im Nichtanmeldungsfall weitaus leichter zu fassenden Hilfspersonen ohne § 23 RennwLottG auf steuerstrafrechtlicher Ebene allenfalls wegen Beihilfe zur Lotteriesteuerhinterziehung bzw. Begünstigung belangt werden. Dies führt neben dem Ausschluss der Strafmilderung gemäß § 27 II 2 StGB113 insbesondere zu einer erleichterten Nachweis- und Verfolgbarkeit, weil der bei „bloßer“ Teilnahme erforderliche Haupttatnachweis nicht umfänglich geführt werden muss, und so – vielleicht – auch zu einer erhöhten Abschreckungswirkung114. Ungeachtet des Verjährungsbeginns der Tat des Verbringers oder Empfängers im Nichtanmeldungsfall (§ 370 I Nr. 2 AO)115, stellt sich hinsichtlich der Vertriebsperson(en), die Frage, wann deren Tat „beendet“ ist. Zunächst ist Tatvollendung anzunehmen, wenn die erste nach außen hin in Erscheinung tretende Vertriebshandlung, die nach dem Gesetzeswortlaut („wer … den Vertrieb … besorgt“) auch in Werbemaßnahmen bestehen „Die Hinterziehung der Lotteriesteuer wird mit einer Geldstrafe im fünffachen Betrage der hinterzogenen Steuer, mindestens aber mit einer Geldstrafe von fünfhundert Mark bestraft“. 111  Vgl. § 21 III 2.  Hs. RennwLottG. 112  Vgl. Bruschke, S. 425; M. Ebner, in: Flore / Tsambikakis, § 23 RennwLottG Rn. 2. 113  Vormals: § 49 S. 2 RStGB. 114  Vgl. M. Ebner, in: Flore / Tsambikakis, § 23 RennwLottG Rn. 4. 115  Der Beendigungszeitpunkt (§ 78a S. 1 StGB) richtet sich hier – wie auch in anderen Fällen der Hinterziehung nicht periodisch veranlagter Steuern durch (formal) „echtes“ Unterlassen – danach, wann bei hypothetisch noch fristgerechter Abgabe der „Anmeldung“ im regelmäßigen Geschäftsgang spätestens eine Veranlagung stattgefunden hätte (s. S. 240 ff.).



E. Lotteriesteuerhinterziehung (§ 23 RennwLottG)365

kann, abgeschlossen ist, also jedenfalls dann, wenn der Täter das erste unversteuerte ausländische Los weitergegeben bzw. verkauft hat116. Seinen tatsächlichen Abschluss im Sinne von § 78a S. 1 StGB hat das Tatunrecht mit Blick auf die Vertriebspersonen dagegen erst gefunden, wenn sämtliche in die BRD eingebrachten Lose bzw. Spielausweise von ihnen im Bundesgebiet vertrieben worden sind oder der Vertrieb zuvor in toto eingestellt wurde (schlichtes Tätigkeitsdelikt117). Bei mehreren Vertriebspersonen, die nicht unabhängig und ohne Kenntnis voneinander (dann: Nebentäterschaft118), sondern gemeinschaftlich (d. h. als Mittäter im Sinne von § 25 II StGB), agieren, bedeutet dies, dass die Tat für jeden Mittäter im verjährungsrechtlichen Sinne erst beendet ist, wenn die (zeitlich) insgesamt letzte Vertriebshandlung abgeschlossen ist119.

116  Vgl.

M. Ebner, in: Flore / Tsambikakis, § 23 RennwLottG Rn. 6 f. Fischer, § 78a Rn. 11. 118  Vgl. Fischer, § 25 Rn. 53. 119  s. S. 99 sowie M. Ebner, in: Flore / Tsambikakis, § 23 RennwLottG Rn. 7 m. w. N. 117  Vgl.

5. Teil

Schlussbetrachtung und „Verjährungskompass“ A. „Amerikanische Verhältnisse“ im deutschen ­ Steuerstraf- und -verjährungsrecht? Wenn die vorliegende Untersuchung eines belegt hat, dann Folgendes: Das deutsche Steuerstrafrecht ist als solches in der Tat vergleichsweise komplex. Dies gilt erst recht, wenn es um den Beginn des Laufs der Verfolgungsverjährungsfrist bei den einzelnen Steuerstraftatbeständen geht. Aber trotz all dieser Schwierigkeiten im Detail ist es auch im Steuerstrafrecht so, dass die althergebrachten und seit Langem bewährten Grundsätze des deutschen Straf- und Strafprozessrechts gelten. „Und das ist“ – um mit den längst zum Allgemeingut gewordenen Worten des SPD-Politikers und ehemaligen Regierenden Bürgermeisters von Berlin, Klaus Wowereit, zu sprechen – „auch gut so“. Denn das Steuerstraf(verjährungs-)recht ist zwar eine Spezialmaterie, aber kein gleichwie geartetes Sonderstrafrecht für „white collar criminals“. Dazu war es nie gedacht und das soll es auch in Zukunft nicht sein. An diesem Befund hat der in seiner Genese mit einiger Wahrscheinlichkeit zumindest auch politisch motivierte1 § 376 I AO – noch – nichts geändert. Allerdings zeichnen sich allenthalben gegenläufige Tendenzen ab: Das betrifft zum einen den, wie bereits ausgeführt2, im Ergebnis aus Gründen der Verhältnismäßigkeit abzulehnenden Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Bekämpfung von Steuerstraftaten vom 3.5.2013, mit dem in erneuter Abänderung des § 376 I AO die Verjährungsfrist für sämtliche Fälle der Steuerhinterziehung (§ 370 AO) auf zehn Jahre ausgedehnt werden sollte. Dieses Vorhaben ist ganz aktuell erneut durch einen Referentenentwurf des BMF zur Änderung der Abgabenordnung und des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung vom 27.8.2014 – inhaltlich unverändert – aufgegriffen worden3. 1  s.

S.  144 ff. S.  176 ff. 3  s. 2. Teil, Fn. 244. 2  s.



A. „Amerikanische Verhältnisse“ im Steuerstraf- und -verjährungsrecht?367

Darüber noch hinausgehend hatte die SPD für den Fall eines Regierungswechsels nach der 18.  Bundestagswahl am 22.9.2013 geplant, auch den Verjährungsbeginn beim „Steuerbetrug“ zu vereinheitlichen, und zwar nach – angeblich – US-amerikanischem Vorbild. Angesichts der nur schwer überschaubaren bundesdeutschen Rechtslage bei der Bestimmung des Verjährungsbeginns erscheint der Gedanke einer entsprechenden Vereinfachung verlockend und ist daher – unabhängig von dem u. a. damit avisierten Regierungswechsel – als solcher in jedem Fall auch strafrechtswissenschaftlich interessant. In dem vom (Bundes-)Parteivorstand der SPD herausgegebenen „Regierungsprogramm 2013–2017“4 wird die geplante Änderung auf Seite 70 wie folgt skizziert: „Die Verjährungsfristen für Steuerbetrug werden wir anpassen. Verstöße gegen das Steuerrecht sollen künftig nicht mehr automatisch schon nach zehn Jahren verjähren, sondern zumindest die Laufzeit verdächtiger Finanzkonstrukte abdecken. Unsere Reform der Verjährungsfristen soll sich an der Praxis in den Vereinigten Staaten orientieren: Dort beginnt die Verjährungsfrist erst mit der Abgabe einer korrekten Steuererklärung.“ (Fettdruck v. dort, Kursivdruck v. hier)

I. Exkurs: Verjährung von Steuerstraftaten im US-Bundesrecht Ungeachtet dessen, dass im „Regierungsprogramm“ leider offen bleibt, was konkret unter „Steuerbetrug“ zu verstehen sein soll (nur § 370 AO oder auch andere / alle Steuerstraftaten?), und ohne Rücksicht darauf, dass es jedenfalls seit der Einführung von § 376 I AO in 2008 längst keine „automatische“ Verjährung nach zehn Jahren mehr gibt5, stellt sich vordergründig die Frage nach der von der SPD in Bezug genommenen Rechtslage in den USA. Denn sollte im dortigen Steuerstrafrecht eine im Vergleich zum bundesdeutschen Regelungsansatz leichter zu handhabende Form der Bestimmung des Verjährungsbeginns existieren, spräche im Grundsatz nichts dagegen, eine entsprechende Adaption für das hiesige Steuerstrafrecht zumindest näher in Erwägung zu ziehen. Um das Ergebnis vorweg zu nehmen: Die im SPD-Regierungsprogramm beschriebene „Praxis“, die Verjährung von Steuerstraftaten erst mit der Abgabe einer korrekten Steuererklärung beginnen zu lassen, ist jedenfalls auf Ebene des US-Bundesrechts so nicht nachvollziehbar. Vielmehr ähnelt auch 4  Im Internet abrufbar unter http: /  / www.spd.de / linkableblob / 96686 / data / 2013 0415_regierungsprogramm_2013_2017.pdf (zuletzt abger. am 5.10.2014). 5  Dabei dürfte es sich um eine von der 5-jährigen Regelverjährungsfrist des § 78 III Nr. 4 StGB ausgehende Anspielung auf die „Grenze des Doppelten“ (§ 78c III 2 StGB) handeln.

368

5. Teil: Schlussbetrachtung und „Verjährungskompass“

die Rechtslage in den USA sehr stark derjenigen, die nach deutschem Strafrecht maßgeblich ist. Das lässt sich auch ohne spezifische Kenntnisse des amerikanischen Steuerstrafrechts vergleichsweise einfach anhand des United States Code – U.S.C.6, der im insgesamt 9.834 Paragraphen (sections) umfassenden „Title 26“ das Bundessteuer(straf-)recht – Internal Revenue Code – regelt, und des vom Department of Justice herausgegebenen „Criminal Tax Manual“ – CTM7, das man am ehesten mit den deutschen ASB vergleichen könnte, nachvollziehen8. Daraus ergibt sich für das steuerstrafrecht­ liche Verjährungsrecht – dem sog. Statute of Limitations (26 U.S.C. Chapter  66 [§§ 6501–6533]) – Folgendes: 1. Verjährungsfristen Die Verjährung im US-amerikanischen Steuerstrafrecht ist positiv-rechtlich im Wesentlichen in 26  U.S.C. § 6531 geregelt und kennt Verfolgungsverjährungsfristen von drei und sechs Jahren. 26  U.S.C. § 6531 lautet: „§ 6531. Periods of limitation on criminal prosecutions No person shall be prosecuted, tried, or punished for any of the various offenses arising under the internal revenue laws unless the indictment is found or the information instituted within 3  years next after the commission of the offense, except that the period of limitation shall be 6 years [for the offense / offenses] …“ (Hervorh. v. hier)

Zu Deutsch etwa: „§ 6531. Strafverfolgungsverjährungsfristen Niemand darf wegen einer Steuerstraftat verfolgt, verurteilt oder bestraft werden, wenn nicht innerhalb von drei Jahren nach der Tatbegehung Anklage erhoben oder er hiervon benachrichtigt worden ist; die Verjährungsfrist beträgt [in folgenden Fällen] ausnahmsweise sechs Jahre …“

Aus dieser zentralen Vorschrift ergeben sich für die einzelnen Steuerstraftatbestände entsprechend einer Aufstellung im „Criminal Tax Manual“ (dort Seite  2 / 3) folgende Verjährungsfristen:

6  Im Internet abrufbar unter http: /  / www.gpo.gov / fdsys / browse / collectionUS code.action?collection Code=USCODE (zuletzt abger. am 5.10.2014). 7  In der aktuellen Fassung von 2012 im Internet abrufbar unter http: /  / www. justice.gov / tax / readingroom / 2008ctm / CTMTOC.pdf (zuletzt abger. am 5.10.2014). 8  Erg. Scherer, in: Wannemacher, Rn. 74 ff.



A. „Amerikanische Verhältnisse“ im Steuerstraf- und -verjährungsrecht? 369 Tabelle 3 Steuerstrafrechtliche Verjährungsfristen im US-Bundesrecht Description of Offense9

Code Section10

Statute of Limitations11

Code Section12

Tax Evasion13

26 U.S.C. § 7201

6  years

26 U.S.C. § 6531(2)

Failure to Collect, Account For or Pay Over14

26 U.S.C. § 7202

6  years

26 U.S.C. § 6531(4)

Failure to Pay Tax15

26 U.S.C. § 7203

6  years

26 U.S.C. § 6531(4)

Failure to File a Return16

26 U.S.C. § 7203

6  years

26 U.S.C. § 6531(4)

Failure to Keep Records17

26 U.S.C. § 7203

3  years

26 U.S.C. § 6531

Failure to Supply Information18

26 U.S.C. § 7203

3  years

26 U.S.C. § 6531

Supplying False Withholding Exemption Certificate19

26 U.S.C. § 7205

3  years

26 U.S.C. § 6531

Filing a False Tax Return20

26 U.S.C. § 7206(1)

6  years

26 U.S.C. § 6531(5) (Fortsetzung nächste Seite)

Fußnoten 91011121314151617181920

9  Beschreibung 10  Strafnorm.

des Straftatbestands.

11  Verjährungsfrist.

12  Verjährungsvorschrift. 13  „Steuerhinterziehung“

(vgl. § 370 AO). Einbehalten und Abführen von Steuern“ (vgl. § 379 AO). 15  „Unterlassene Steuerzahlung“ (vgl. §§ 26b, 26c UStG). 16  „Nichtabgabe von Steuererklärungen“ (vgl. § 370 I Nr. 2 AO). 17  „Verstoß gegen Aufbewahrungspflichten“ (vgl. § 147 III AO, §§ 274 I Nr. 1, 283 I Nr. 6, 283b I Nr. 2 StGB). 18  „Verstoß gegen Mitwirkungspflichten“ (vgl. § 90 AO). 19  „Vorlage eines falschen Freistellungsauftrags“ (vgl. § 370 I Nr. 1 AO). 20  „Abgabe einer falschen Steuererklärung“ (vgl. § 370 I Nr. 1 AO). 14  „Unterlassenes

370

5. Teil: Schlussbetrachtung und „Verjährungskompass“

Tabelle 3 (Fortsetzung) Description of Offense

Code Section

Statute of Limitations

Code Section

Aid or Assist in Preparation or Presentation of False Tax Return21

26 U.S.C. § 7206(2)

6  years

26 U.S.C. § 6531(3)

Deliver or Disclose False Document22

26 U.S.C. § 7207

6  years

26 U.S.C. § 6531(5)

Attempt to Interfere With Administration of Internal Revenue Laws23

26 U.S.C. § 7212(a)

6  years

26 U.S.C. § 6531(6)

Conspiracy to Commit Tax Evasion24

18 U.S.C. § 371

6  years

26 U.S.C. § 6531(8)

Conspiracy to Defraud the Internal Revenue Service25

18 U.S.C. § 371

6  years

26 U.S.C. § 6531(1)

False Claim for Refund26

18 U.S.C. § 286 / 287

6  years

26 U.S.C. § 6531(1)

False Statement27

18 U.S.C. § 1001

5  years

18 U.S.C. § 3282

2. Verjährungsbeginn Der Beginn des Laufs dieser Verjährungsfristen selbst ist nicht positivrechtlich geregelt, sondern „case law“, also Richterrecht. Das „Criminal Tax 21222324252627

21  „Beihilfe

zur (Vorbereitung der) Falschabgabe“ (vgl. § 27 StGB). falscher Belege“ (vgl. § 379 AO). 23  „Versuchte Behinderung der [Bundes-]Steuerbehörden“. 24  „Verschwörung zur Steuerhinterziehung“ (vgl. § 25 II StGB). 25  „Verschwörung zum Steuerbetrug“ (vgl. § 129 StGB). 26  „Geltendmachung einer unberechtigten Steuererstattung“ (vgl. § 370 I Nr. 1 AO). 27  „Falsche Angaben“ (vgl. § 370 I Nr. 1 AO). 22  „Vorlage



A. „Amerikanische Verhältnisse“ im Steuerstraf- und -verjährungsrecht?371

Manual“ fasst hierzu in Bezug auf die Steuerhinterziehung nach deutschem Verständnis folgende Grundsätze zusammen: (1) Grundregel: „The general rule is that the statute of limitations for tax evasion begins to run on the date the last affirmative act took place or the statutory due date of the return, whichever is late.“28 Zu Deutsch etwa: „Die Verjährungsfrist bei Steuerhinterziehung beginnt im Zeitpunkt der letzten Tathandlung oder an dem Tag, an dem die Steuererklärung nach den Steuergesetzen abzugeben war, je nachdem, was später eintritt.“

(2) Falschabgabe: „The general rule is that the statute of limitations for the filing of a false tax return starts on the day the return is filed. … However, if the return is filed early (i. e., before the statutory due date), the statute of limitations does not start to run until the statutory due date. … Conversely, if a return is filed late (i. e., after the statutory due date), the statute of limitations begins running the day the return is filed.“29 Zu Deutsch etwa: „Bei der Abgabe einer falschen Steuererklärung beginnt die Verjährungsfrist grundsätzlich im Zeitpunkt ihrer Einreichung zu laufen. … Wird die falsche Steuererklärung jedoch zu früh (d. h. vor dem gesetzlichen Fälligkeitstag) eingereicht, beginnt die Verjährung nicht vor dem gesetzlichen Abgabetag. … Umgekehrt beginnt die Verjährungsfrist bei einer zu spät (d. h. nach dem gesetzlichen Fälligkeitstag) eingereichten Steuererklärung erst am Einreichungstag.“

(3) Nichtabgabe: „In cases in which the defendant has failed to file a tax return, the statute of limitations begins to run when the return is due.“30 Zu Deutsch etwa: „Im Nichtabgabefall beginnt die Verjährung an dem Tag, an dem die Steuererklärung abzugeben war.“

Das belegt zweierlei: Zum einen, dass die im „Regierungsprogramm“ der SPD in Bezug genommene „Praxis“ der US-Behörden zumindest auf Bundesebene so nicht zutreffen kann. Und zum anderen, dass das amerikanische Verjährungsrecht in Steuerstrafsachen dem deutschen sehr stark ähnelt, auch wenn dort – naturgemäß – zum Teil abweichende Straftatbestände existieren. Dennoch stimmen die Dauer der Verjährungsfristen (drei bzw. sechs Jahre) und auch der Beginn ihres Laufs zumindest im Grundsatz mit dem deutschen Systemverständnis überein. Die eingangs in der Abschnittsüberschrift gestellte Frage kann daher bereits an dieser Stelle wie folgt beantwortet werden: Im deutschen Steuerstraf(verjährungs-)recht herrschen längst „amerikanische Verhältnisse“ – das gilt aber auch umgekehrt.

28  CTM,

S. 7; Hervorh. v. hier. S. 4 f.; Hervorh. v. hier. 30  CTM, S. 6; Hervorh. v. hier. 29  CTM,

372

5. Teil: Schlussbetrachtung und „Verjährungskompass“

II. Umsetzbarkeit der Idee eines modifizierten ­Verjährungsbeginns im Steuerstrafrecht im Übrigen? Damit kann der SPD-Vorschlag zur Vereinheitlichung des Verjährungsbeginns bei Steuerstraftaten aber noch nicht ad acta gelegt werden. Denn es stellt sich nach wie vor die Frage, ob es nach deutschem Rechtsverständnis sinnvoll bzw. überhaupt möglich wäre, den Verjährungsbeginn in Fällen des „Steuerbetrugs“ dahingehend zu modifizieren, dass die Strafverfolgungsverjährungsfrist erst zu laufen beginnt, wenn der Täter eine korrekte Steuererklärung abgegeben hat. Dass die SPD damit im Kern den Druck zu – letztendlich – steuerehrlichem Verhalten erhöhen wollte, liegt auf der Hand. Dies lässt aber besorgen, dass der staatliche Steueranspruch auf diese Weise mit den Mitteln des Strafrechts gleichsam zwangsweise durchgesetzt werden soll – und zwar mit einer weit über den bisher bestehenden, bereits eingangs erläuterten Funktionszusammenhang31 hinausgehenden Intensität. Einem solchen absoluten Strafrechtsverständnis könnte gerade im Zusammenhang mit dem Besteuerungsverfahren entgegenstehen, dass es gemäß § 393 I 2 AO grundsätzlich unzulässig ist, Zwangsmittel gegen den Steuerpflichtigen zur Anwendung zu bringen, wenn dieser dadurch zugleich gezwungen würde, sich wegen einer von ihm begangenen Steuerstraftat selbst zu belasten. Das ist Ausfluss des mit Verfassungsrang ausgestatteten Grundsatzes des Verbots des Zwangs zur Selbstbelastung („nemo tenetur se ipsum accusare“). Allerdings ist anerkannt, dass sich das Zwangsmittelverbot in § 393 I 2 AO nur auf die in § 328 AO genannten spezifischen Zwangsmittel (Zwangsgeld, Ersatzvornahme, unmittelbarer Zwang) bezieht32. Der insoweit über den modifizierten Anknüpfungspunkt für den Verjährungsbeginn ausgelöste mittelbare Zwang ist damit prima facie nicht gleichzusetzen. Zu bedenken ist jedoch, dass der Reformvorschlag wegen der Verknüpfung auch mit § 171 VII AO zur Unverjährbarkeit von Straftat und Steuerfestsetzung führen würde, wenn der mit einem Strafverfahren konfrontierte Steuerpflichtige nachträglich keine zutreffende Steuererklärung abgibt. Dies wäre offensichtlich unverhältnismäßig, was erst recht gilt, wenn der Vorschlag der SPD – was unklar ist – so zu verstehen gewesen sein sollte, dass die Verjährungsfrist selbst dann noch nicht zu laufen beginnen soll, wenn zwischenzeitlich eine Schätzveranlagung (§ 162 AO) erfolgt ist. Dem Verdikt der Unverhältnismäßigkeit wird hier kaum entgegen gehalten werden können, dass der Täter nach den einfach-rechtlichen Steuerverfahrensgrundsätzen auch noch nach einer Strafverfahrenseinleitung verpflichtet ist, seinen Erklärungspflich31  s.

S.  41 ff. nur Jäger, in: Klein, § 393 Rn. 10 f.

32  Vgl.



A. „Amerikanische Verhältnisse“ im Steuerstraf- und -verjährungsrecht?373

ten wahrheitsgemäß nachzukommen. Denn dabei gilt es insbesondere zu beachten, dass sich dieser bei im Nachgang gemachten zutreffenden Angaben auf strafrechtlicher Ebene nicht einmal mehr auf das in § 393 II 1 AO normierte Verwendungsverbot berufen kann, weil sich dieses nur auf „Tatsachen oder Beweismittel“ bezieht, „die der Steuerpflichtige der Finanzbehörde vor Einleitung … oder in Unkenntnis der Einleitung des Strafverfahrens … offenbart hat“33. Das unterstreicht nicht nur die Unverhältnismäßigkeit der ins Auge gefassten Reform, sondern läuft in der Sache tendenziell auf einen außerhalb des Anwendungsbereichs von § 393 II 1 AO angesiedelten Verstoß gegen den nemo tenetur-Grundsatz hinaus (Art. 2 I i. V. m. Art. 1 I GG34).

III. Zusammenfassung Im Ergebnis lässt sich daher zum SPD-Vorschlag sagen, dass dieser nicht nur von – soweit ersichtlich – unzutreffenden materiell-rechtlichen Vor­ gaben des US-amerikanischen Steuerstrafrechts ausging, sondern nach bundesdeutschem Rechtsverständnis auch eine Verletzung der Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und der Selbstbelastungsfreiheit zur Folge hehabt hätte, weil er die dabei bestehende Konfliktlage des Steuerstraftäters außer Acht ließ. Wollte man den Vorschlag nicht nur rein rechtlich, sondern auch rechtspolitisch bewerten, käme man angesichts des unmittelbaren Zusammenhangs mit der im Zeitpunkt der Veröffentlichung des „Regierungsprogramms“ bevorstehenden Bundestagswahl kaum umhin, darin nichts anderes als den abermaligen – zwischenzeitlich scheinbar allfälligen – Ruf nach dem „ ‚guten Prinzen‘ Strafrecht“35 zu sehen, der sich möglicherweise in Wahlkampfzeiten gut macht, in der Sache selbst aber regelmäßig nichts zu bewirken vermag. Dies ist ein eher bedenklicher Befund, der aber auch zeigt, dass das viele Jahre ein Nischendasein fristende Steuerstrafrecht nunmehr endgültig auf der politischen Ebene angekommen ist – und zwar erfreu­licherweise vor allem auch in puncto Verjährung. Dass der hier untersuchte Vorschlag aus dem SPD-„Regierungsprogramm 2013–2017“ in dem kurz darauf, am 16.12.2013 abgeschlossenen „Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD“36 keinen Niederschlag mehr gefunden hat, tut dem sicherlich keinen Abbruch37. 33  Hervorh.

v. hier; zusf. Jäger, in: Klein, § 393 Rn. 32 m. w. N. BVerfGK 4, 105 (108) = NJW 2005, 352. 35  M. Jahn, wistra 2013, 41. 36  s. dort insbes. S. 65 f.; im Internet abrufbar unter https: /  / www.cdu.de / sites /  default / files / media / dokumente / koalitionsvertrag.pdf (zuletzt abger. am 5.10. 2014). 37  Erg. Scheffler, ZWH 4 / 2014, R6 zu den weiteren sich in puncto Steuerstrafrecht aus dem Koalitionsvertrag ergebenden Planungen der Großen Koalition. 34  Vgl.

374

5. Teil: Schlussbetrachtung und „Verjährungskompass“

B. „Verjährungskompass“ I. § 370 I, II AO – Tatbeendigung bei Veranlagungssteuern Nr. 2 – Nichtabgabe Eintritt Verkürzungserfolg: Bekanntgabe Schätzbescheid oder allgemeiner Veranlagungsschluss Vollendung Versuch

Eintritt in das Versuchsstadium (: Tatentschluss?) Nr. 2 – Nichtabgabe

Abbildung 2: Tatbeendigung bei Veranlagungssteuern

II. § 370 I, II AO – Tatbeendigung bei Fälligkeitssteuern

Ablauf der gesetzlichen Eingangsfrist

„S

chw

arz

fal

l“:

Nr. 2 – Nichteingang

Vollendung Versuch

faktisch kein Raum für Versuch (§ 168 AO) Nr. 2 – Nichteingang

Abbildung 3: Tatbeendigung bei Fälligkeitssteuern



B. „Verjährungskompass“375

III. Tatbeendigung bei den übrigen Steuerstraftatbeständen Steuerstraftatbegünstigung Absichtsrealisierung bzw. deren Unmöglichkeit

Beendigung

Erlöschen der Pflicht zur Entrichtung der Umsatzsteuer Schädigung USt-Aufkommen

Abbildung 4: Tatbeendigung bei den übrigen Steuerstraftatbeständen

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Sachregister 95 %-Regel  264, 293 50.000 €-Schwelle  154 100.000 €-Schwelle  154 Abgabenhinterziehung  90, 152 Abgabenüberhebung  132 Abgeltungssteuer  43, 185 Ablaufhemmung  72, 102, 104, 194, 360 Absatzsteuerhehler  352 Abschreibungsgesellschaft  209 Absichtsdelikt  346, 349, 350 Abtrag  125 Ahndungslösung  147, 159 Aktenhunt  125 Al Capone-Prinzip  46 allgemeiner Gleichheitssatz  165, 173, 256 allgemeiner Veranlagungsschluss  231, 241, 253, 255, 260, 262, 263, 299 Altfälle  148, 153, 186, 339 Amtsaufklärungspflicht  205 Analogieverbot  92 Analogtaten  48, 132, 150 Änderungssperre  75 Anmeldungssteuer  190, 312, 322 Annäherungsmethode  266, 293 Annahmeverweigerung  197 Anrechnungsverfahren  208 Anschlussdelikte  56, 85, 133 Anstalt für Kommunale Daten­ verarbeitung in Bayern  330 Anstiftung  98, 135 anwaltliche Verjährungsfalle  117 Anweisungen für das Straf- und Bußgeldverfahren (Steuer)  49 Anwendungslösung  147

Äquivalenztheorie  255 Asperationsprinzip  338 Aufrechnung  200, 217, 362 Ausfuhrbannbruch  357 Außendivergenz  76 Außenprüfung  45, 49, 74, 75, 249 Außenverstoß  173, 175 Aussetzung des Strafverfahrens  110 Auszahlungsverfügung  215 Auszahlungszeitpunkt  215 Bagatellfälle –– der besonders schweren Steuer­ hinterziehung  164 –– des Zigarettenschmuggels  60 Bagatellhehler  60 Bagatellschmuggler  60 Bande  172 Bankenfälle  98 Bankrott  123, 250, 362 Banküberweisung  215, 315 Bannbruch  54, 132, 134, 150, 344, 356 Bauherrenmodell  210 Bayerisches Landesamt für Finanzen  330 Bayerisches Landesamt für Steuern  265 Beendigung (Definition)  97 Begehungsweisenlösung  147, 159 Begünstigung  48, 99, 133, 135, 350, 364 Beihilfe  98, 135, 364 Beiträge  49 Beitreibungsverfahren  188 Bekanntgabe –– Adressat  197 –– Annahmeverweigerung  197

400 Sachregister –– Dauer  206 –– des Steuerbescheids  208 –– durch Einlegen in den Briefkasten  196 –– elektronisch  197 –– Fiktion  202 –– Heilung von Mängeln  198 –– Inhaltsadressat  198 –– Mängel  195 –– mittels Telefax  197 –– per Post  196 –– Wille  197 –– Zugangsvereitelung  197 Bekanntgabeadressat  197, 198 Berechnungsgesetz  80, 167 Bescheidsdatum  200, 206 Beschlagnahmefreiheit  200 Bestimmtheitsgebot  168 Bestimmungsort  308, 354, 356 Betriebsprüfungsordnung  49 Beurteilungsspielraum  107, 246, 265 Beweisantrag  243 Beweisermittlungsantrag  243 Bindungswirkung  75 Blankett  31, 52, 62, 202, 231, 244, 344 BLE-Zeitraum  300 Bote  225 Briefkasten  222, 224, 317 Briefmarke  224 Bundesagentur für Arbeit  329 Bundesfamilienministerium  331 Bundesfinanzdirektion  264 Bundesfinanzministerium  39–41, 137, 186, 329, 366 Bundeszentralamt für Steuern  47, 329, 339 Bundeszollverwaltung  265 Bußgeld- und Strafsachenstelle  37 compensatory damages  72 conditio sine qua non-Formel  255 Controlling  263, 269, 275, 277, 292

DA-FamBuStra  50, 338 DA-KG  50, 328, 333, 335, 337 daktyloskopische Spuren  224, 226 Darstellungsmangel  62, 199, 231, 251, 295, 316 Dauerfristverlängerung  323 DDR-Alttaten  64 Deutsche Post AG  145, 224, 317, 324 DNA-Spurenanalyse  224 Doppelfunktionalität der Steuerfahndung  37 Drei-Tages-Fiktion  202, 216, 247, 315, 336, 362 Dunkelfeld  39 Durchfuhrbannbruch  357 eBay  249 Eigennutzklausel  53, 153 eigenverantwortliche Selbstgefährdung  255 Einfuhrbannbruch  357 Einfuhrfall  305, 306, 309 Einfuhrtabaksteuer  304 Einfuhrumsatzsteuer  59, 61, 306 Eingangsfristverlängerung  323 Eingangsstempel  201, 223, 225, 317 Eingrenzungsverfahren  293 Einheit der Rechtsordnung  76, 205 Einkommensteuer  185, 191, 240, 249, 266, 296, 298 Einschreiben  224 ElsterOnline-Verfahren  226 Endverbrauchsteuerhehler  352 Energiesteuer  313 Erbschaftsteuer  185, 240, 246 Erhebungsverfahren  69, 188 Erklärungsabgabe  223 Erklärungsdelikt  190 Erklärungseingang  223 Erlassdatum  194 Erlasstag  194, 206 Erlass von Steueransprüchen  200 Erörterungsdefizit  258

Sachregister401 Erschleichen von Kindergeld  327 Erstattungsfälle  320 Evidenztheorie  207 Fahndungsprüfung  74 fair trail-Grundsatz  88, 111, 170 Fall Alice Schwarzer  44 Fall Chipdeal  358 Fall Coesfeld  88 Fall Edathy  80 Fall Hoeneß  44, 313 Fall Holzer  188 Fall Kieber  29 Fall Mielke  80 Fall Reinhold Huhn  84 Fall Schreiber  100 Fall Zumwinkel  29, 145 Fall Zwick  188, 228 Fälligkeitssteuern  189, 312 Familienkasse  36, 50, 326, 329, 331, 334, 335 Familienlastenausgleich  326 Familienleistungsausgleich  50, 326, 330 Ferrari-Fax  197 Festsetzungsverfahren  69, 188 Festsetzungsverjährung  69, 144, 187, 194, 232, 348 Feststellungsbescheid  209 Feststellungserklärung  209 Feststellungsverfahren  208 Finanzamtsbezirk  264 Fingerabdrücke  224, 226 Folgebescheide  209 Folgerichtigkeitsgebot  174 Fortsetzungszusammenhang  71, 318, 341 Frankierung  224 Freibeweisverfahren  199 Freistellungsauftrag  326 Fristberechnung  92, 102, 125 Gebühren  49 Geldwäsche  53, 55, 57, 58, 133

Gemeinsamer Senat  76 gemischte Verjährungstheorie  87 Generalprävention  42, 44, 82 Geschäftsprüfung  149 Gesetzesvorbehalt  166 gesetzliche Zeit  93 gesetzlicher Richter  108 Gestellung  63, 306 Gewerbeertrag  211 Gewerbesteuer  151, 185, 191, 211, 240, 249, 266, 296, 298 Gewerbeuntersagung  45 Gewinnfeststellung  210 Gleichheit der Lastenverteilung  42 Gliederungsfeststellungsbescheid  208 graphologische Untersuchung  226 Grenze des Doppelten  31, 104, 108, 113, 114, 125, 147 Grenzübertritt  61, 305, 306, 357 Griff in die Kasse des Staates  155, 171, 328 grober Eigennutz  53, 153 Großer Senat  76 großes Ausmaß  151, 153, 165, 169, 171 Grunderwerbsteuer  191, 240, 246 Grundlagenbescheid  209 Grundsatz der Spezialität  101 Grundsteuer  240 grüne Grenze  307 grüner Ausgang  60 Gutschrift  213, 216 Haftung –– des Beraters  38 –– steuerliche (§ 71 AO)  72 Halbeinkünfteverfahren  208 Hauptzollamt  36 Hebesatz  151, 211 Hehlerprivileg  60 Heizölverdieselung  313 Herabsetzungsfälle  314 Hinterziehung –– im Erhebungsverfahren  188

402 Sachregister –– im Festsetzungsverfahren  188 –– im Feststellungsverfahren  208 –– im finanzgerichtlichen Verfahren  188 –– im Rechtsbehelfsverfahren  188, 227 –– im steuerlichen Ermittlungsverfahren  188 –– im Vollstreckungsverfahren  188 Hinterziehung von Rennwett- und Lotteriesteuer  48, 132, 135, 151, 344, 363 Hinterziehungszinsen  75 Hundesteuer  49 Immunität  101, 103 Individualfristverlängerung  296 Indizlösung  147 in dubio pro reo  60, 79, 118, 166, 201, 202, 204, 205, 217, 223, 237, 238, 241, 262 Ingerenz  310 Inhaltsadressat  197, 198 Innendivergenz  77 Innenverstoß  173, 183 Insolvenzüberwachung  123 Insolvenzverschleppung  123, 250, 311 Insolvenzverwalter  200 Internal Revenue Code  368 Irrationalitätsprivileg  174 Jahressteuergesetz 2009  131, 137 Jin Ling  58 Kalenderverjährung  361 Kapitalertragsteuer  43, 46, 52, 185, 313 Kapitalertragsteueranmeldung  326 Kinderbonus  328 Kindergeld –– Doppelbezug  332, 343 –– Erstantrag  340 –– Fortsetzungsantrag  340 –– Gewährung nach dem BKGG  330 –– Gewährung nach dem EStG  327 –– Mehrfachbezug  332

Kindergeldhinterziehung  189, 327 Kinderzuschlag  330 Kleinstverkürzung  41, 179 Kleinverkaufspackung  60, 304, 305 Kleinverkaufspreis  62 Klimawandel  36 Kommunalabgaben  49, 151 Kommunalabgabenstrafrecht  135, 150, 151 Konsistenzgebot  174 koordinierte Bund-Länder-Erlasse  296, 323 Körperschaftsteuer  185, 191, 240, 296, 298 kumulative Kausalität  254 kupiertes Erfolgsdelikt  346 Lederriemen-Fall  259 Lex Schreiber  100, 108 lex specialis-Grundsatz  49, 109, 202, 331 Liechtenstein-Affäre  29, 137, 145, 175 Lohnsteuer  46, 52, 99, 185, 189, 312 Lohnsteueranmeldung  156, 226 Lückenfüller-Funktion  46 materielle Unterscheidungslehre  234, 235 materiell-rechtliche Verjährungstheorie  86 Medienfonds-Fall  209, 325 Mineralölsteuer  313 Mischverwaltung  264 Mittagsmörder  84 Mittäterschaft  99, 136, 365 mittelbare Täterschaft  99 mitteleuropäische Zeit  93 Modernisierter Zollkodex  56 Multiplarstrafe  43, 48, 363 Nachtbriefkasten  223 Nachveranlagung  244 Naturalkomputation  93 Nebentäterschaft  365

Sachregister403 nemo tenetur-Grundsatz  252, 319, 372 Nichtabgabefall  236, 247, 249, 251, 253, 303, 371 Nichtanmeldungsfall  364 Nichtanzeigefall  248 Nichteingangsfall  321, 323 Nichtgemeinschaftsware  61, 63, 303, 306, 308 Nichtigkeit des Steuerbescheids  207 Nichtunionsware  61, 63, 303, 306, 308 Nichtveranlagungsbescheinigung  326 Nichtveranlagungsverfügung  227 Normenklarheit  170 Nullfestsetzung  212, 227, 322 Nürnberger Zahngoldfall  46 Oberfinanzdirektion  231, 264 objektive Zurechnung  254 OFD-Bezirk  264 OFD-Zeitpunkt  265, 292 Öffnungsklausel  183, 204, 328 Organisierte Kriminalität  53 Pauschallösung  231, 235, 244, 248 poena naturalis  82 Post  203, 224, 225 Postaufgabevermerk  200, 201 Postfach  224 –– elektronisches  226 postlagernde Sendung  224 Postlaufzeit  201, 206 Poststempel  201, 225 Postweg  206, 221 Presseinhaltsdelikt  90 Presseordnungsdelikt  90 Prozessökonomie  76 Publikumsgesellschaft  210 punitive damages  72 Quellensteuer  43 Realsteuer  151 Rechtsfrieden  85, 186

Rechtsprechungs-Einheitlichkeitsgesetz  76, 205 Rechtssicherheit  167 Rechtsstaatsgebot  166, 170 Rechtsstaatsprinzip  167, 205 Reichsabgabenordnung  48, 129 Reichsstrafgesetzbuch  128 Rennwett- und Lotteriegesetz  363 Restitutionsvereitelung  348 Revision  62, 64, 66, 77, 86, 110, 112, 117, 199, 231, 245, 246, 251, 258, 316 Richtlinien für das Strafverfahren und Bußgeldverfahren  49 Rotfälle  314, 320 Rücktritt vom Versuch  196, 198, 199, 201, 203, 227, 253, 256, 260, 301, 337 Rückwirkung –– echte  167 –– unechte  167 Rückwirkungsverbot  165, 166 Ruhen der Verjährung  99 Sachhehlerei  55, 59 Schädigung des Umsatzsteuer­ aufkommens  48, 132, 135, 344 Schaltjahr  94 Schätzbescheid  195, 251–253, 257, 259 Schätzung  232, 241, 249 Schätzungsfehler  207 Scheinrechnung  359 Schenkungsteuer  185, 240, 246 Schmuggel  53, 134, 136, 150, 354 Schmuggelprivileg  60 Schriftgutachten  226 Schuldmaßprinzip  328, 342 Schwarzfälle  314, 316 Schwarzgeldbekämpfungsgesetz  187 Schwarzlohnabrede  156 Schweigepflichtentbindung –– des Steuerberaters  297 –– durch Insolvenzverwalter  200

404 Sachregister Schwetzinger Goldkreis  310 Selbstanzeige  44, 67, 74, 170, 178, 185, 187, 196, 199, 210, 211, 260, 302, 316 Selbstbelastungsfreiheit  252, 319 Sommerzeit  95 Sozialleistungsbetrug  327 Spezialitätsgrundsatz  101 Spezialprävention  42, 44, 82 Spurensicherung  223 Statute of Limitations  368 Steueramnestie  148, 185 Steueramtsgericht  77, 327 Steueranmeldung  190 Steueranpassungsgesetz  130 Steuerberater  38, 99, 201, 221, 225, 296, 300, 311, 323, 362 Steuerbescheid  192 Steuerdaten-CD  29, 44, 170, 179 Steuererstattung  189, 212 Steuerfachangestellter  225 Steuerfahndung  36, 37 Steuergeheimnis  47 Steuergerechtigkeit  41 Steuerhehlerei  55, 59, 134, 135, 150, 350 Steuermessbetrag  211 Steuerordnungswidrigkeit  45, 48, 52, 60, 64, 89, 96, 129, 130, 144, 176, 358 Steuerpflichtiger –– (nicht) geführter  248 –– (un-)bekannter  248 Steuer-Staatsanwaltschaft  37, 50, 121, 329 Steuerstrafsachenstatistik  39 Steuervergütung  189, 214, 314, 326 Steuerverkürzung –– auf Dauer  318 –– auf Zeit  318 Steuervorauszahlung  218 Steuerzeichen  133 Steuerzeichenfälschung  135, 345

Steuerzuwiderhandlung  129 Strafabschlagslösung  83 strafbefreiende Erklärung  185 Strafbefreiungserklärungsgesetz  148, 185 Strafbescheidsverfahren  130 Strafvereitelung im Amt  48, 50 Strafzumessung  66 Strafzumessungslösung  147 Strengbeweisverfahren  65, 88, 198, 199, 231, 242 Stundung  200 Subventionsbetrug  133, 176, 213 Tabaksteuer  59, 61, 303, 306 Tabaksteuerbanderole  52, 96, 133, 135, 303, 304, 346 Tabaksteuerbanderolenfälschung  346 Tatbestandslösung  146 tatsächliche Verständigung  37 Teilnahme  98, 135 Telefax  197 Telekommunikationsüberwachung  53, 55, 58 Transitfall  59, 61, 303, 308 Überschuldung  123 Überweisung  215, 315 Umladen  357 Umsatzsteuer  185, 189, 249, 296, 312, 317 Umsatzsteuerbetrug  358 Umsatzsteuerjahreserklärung  116, 156, 191, 317, 321, 323 Umsatzsteuerkarussell  55, 155, 358 Umsatzsteuervoranmeldung  116, 156, 226, 317, 323 unbenannte besonders schwere Fälle der Steuerhinterziehung  152 unechte Rückwirkung  154 Unionsware  61 Unionszollkodex  56 United States Code  368

Sachregister405 Unterbrechung der Verjährung  114 Unterlassungsdelikt –– formale Unterscheidungslehre  230, 234 –– materielle Unterscheidungslehre  230, 233 Unterverbriefung von Grundstücken  48, 240 Unterwerfungsverfahren  130 Unverjährbarkeit  71, 233, 235, 238, 241, 247, 262, 311, 349, 360, 372 Veränderungsanzeige  332, 334, 336 Veranlagung –– (nicht) periodisch  240, 248 Veranlagungsplatz  264 Veranlagungssteuern  190, 191 Verbrechervernunft  47 Verbringungsfall  305, 308 Verbringungstabaksteuer  304 Verbringungsverbote  54, 133, 344, 356 Verdieselung von Heizöl  313 Vereinigter Großer Senat  77 Verfahrenshindernis  64 verfahrensrechtliche Verjährungstheorie  87 verfassungsrechtliche Verjährungstheorie  84, 340, 349 Verfolgung Unschuldiger  67 Verfolgungswille  117 Verfügungsdatum  126 Vergnügungsteuer  49 Vergütungsfälle  314 Verhältnismäßigkeit  68, 71, 82, 83, 87, 179 Verjährungsfalle  117 Verjährungshemmung  99 Verletzung des Steuergeheimnisses  132 Verlustfeststellung  210, 211 Verlustrücktrag  211 Verlustvortrag  211 Vermögensteuer  185 Verrechnung  218

Verrechnungsvertrag –– obligatorischer  218 –– verfügender  218 Verständigung im Strafverfahren  105 Versuchslösung  253 Vertrauensschutz  167 Verwaltungsstrafverfahren  130 Verwarnung mit Strafvorbehalt  101 Verwendbarkeit  50 Verwendungsverbot  47, 373 Verwertbarkeit  50 Verwertungsverbot  69 Vollendung (Definition)  97 Vollendungslösung  253 Vollstreckungslösung  83 Vollstreckungsverjährung  64, 65 Vorabentscheidungsverfahren  78, 110, 111 Vorauszahlungsbescheid  218 Vorbehalt der Nachprüfung  195 Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt  52, 98, 176, 326, 362 Wechselsteuer  130 Wencker-Beschluss  82 Wertzeichenfälschung  133 Wesentliches Ergebnis der Ermittlungen  88 Wiederaufnahme  68, 77, 105 Winterzeit  95 Wirtschaftsfachkraft der Polizei  123 Wirtschaftsreferent der Staatsanwaltschaft  123 Wuppertaler Bankenfall  99 Zahllastfälle  314, 316 Zahlungsdienstevertrag  215 Zahlungsunfähigkeit  123, 362 Zahlungsverjährung  69, 348, 359, 361 Zahngoldfall  46 Zeitstempel  317 Zentraldelikt  31, 52, 344 Zerlegungsfall  212

406 Sachregister Zigarettenschmuggel  54, 55, 58, 72, 136, 303, 305, 352, 354 Zinsurteil  43 Zivilkomputation  93, 102 Zoll  59, 61 Zollfahndung  36, 132 Zollhehlerei  55 Zollkodex der Union  56 Zollwert  62 Zugang  196, 222, 315 –– elektronischer  226 –– unter Abwesenden  222 –– unter Anwesenden  222

Zugangsvereitelung  197 Zugunsten-Betrachtung  92, 94, 102, 125, 127 Zustelldienstleister  224 Zustellerbriefkasten  225 Zwangsmittel  232, 249, 372 Zweifelsgrundsatz  60, 79, 118, 166, 201, 202, 204, 205, 217, 223, 237, 238, 241, 262 Zwei-Tages-Fiktion  206, 247 Zweitwohnungsteuer  49, 101 Zwischenlagerung  353, 357 Zwischensteuerhehler  352