Die Selbstanzeige im Steuerstrafrecht: vor und nach dem Schwarzgeldbekämpfungsgesetz (2011) mit besonderem Augenmerk auf den neu geschaffenen Sperrgrund gemäß §§ 371 Abs. 2 Nr. 3, 398a AO [1 ed.] 9783428544790, 9783428144792

Das Rechtsinstitut der Selbstanzeige im Steuerstrafrecht hat im Jahr 2011 weitreichende Änderungen und Verschärfungen du

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German Pages 230 Year 2015

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Die Selbstanzeige im Steuerstrafrecht: vor und nach dem Schwarzgeldbekämpfungsgesetz (2011) mit besonderem Augenmerk auf den neu geschaffenen Sperrgrund gemäß §§ 371 Abs. 2 Nr. 3, 398a AO [1 ed.]
 9783428544790, 9783428144792

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Schriften zum Strafrecht Band 273

Die Selbstanzeige im Steuerstrafrecht vor und nach dem Schwarzgeldbekämpfungsgesetz (2011) mit besonderem Augenmerk auf den neu geschaffenen Sperrgrund gemäß §§ 371 Abs. 2 Nr. 3, 398a AO

Von

Michael Müller

Duncker & Humblot · Berlin

MICHAEL MÜLLER

Die Selbstanzeige im Steuerstrafrecht

Schriften zum Strafrecht Band 273

Die Selbstanzeige im Steuerstrafrecht vor und nach dem Schwarzgeldbekämpfungsgesetz (2011) mit besonderem Augenmerk auf den neu geschaffenen Sperrgrund gemäß §§ 371 Abs. 2 Nr. 3, 398a AO

Von

Michael Müller

Duncker & Humblot · Berlin

Die Juristische Fakultät der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg hat diese Arbeit im Jahre 2014 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten

© 2015 Duncker & Humblot GmbH, Berlin

Fremddatenübernahme: L101 Mediengestaltung, Berlin Druck: buchbücher.de gmbh, Birkach Printed in Germany ISSN 0558-9126 ISBN 978-3-428-14479-2 (Print) ISBN 978-3-428-54479-0 (E-Book) ISBN 978-3-428-84479-1 (Print & E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Vorwort Die weitreichenden Änderungen und Verschärfungen des Rechtsinstituts der Selbstanzeige durch das Schwarzgeldbekämpfungsgesetz im Jahr 2011 bieten aufgrund zahlreicher Ungenauigkeiten Anlass zu kritischer Auseinan­ dersetzung. Die daraus resultierenden Schwierigkeiten bei der Rechtsanwen­ dung in der Praxis gaben letztlich den Anstoß für die Entscheidung, die vorliegende Arbeit zu verfassen. Wenngleich bei Weitem noch nicht sämt­ liche Fragen, die durch das Schwarzgeldbekämpfungsgesetz hervorgerufen worden sind, in Wissenschaft und Praxis geklärt sind, ist bereits die nächs­ te Gesetzesänderung in greifbarer Nähe, die zu weiteren Verschärfungen, möglicherweise auch zu weiteren Unschärfen, führen wird. Jedoch behalten die in dieser Arbeit gefundenen Ergebnisse und Aussagen auch nach den gegenwärtig geplanten Änderungen weitgehend Gültigkeit. Die Fertigstellung der Arbeit innerhalb eines guten Jahres wäre nicht möglich gewesen, wenn mein Doktorvater Herr Prof. Dr. Hans Kudlich mich nicht derart engagiert begleitet hätte: Er hat sich immer Zeit für mich und meine Fragen genommen und den Fortschritt meiner Arbeit mit durch­ wegs konstruktiver, mich fordernder und fördernder Kritik unterstützt. Schon aus diesem Grund gebührt ihm mein besonderer Dank! Unbedingt erwähnen möchte ich aber auch die große Herzlichkeit und richtiggehende Fürsorglichkeit, mit der mein Doktorvater mir stets begegnet ist. Nicht zu­ letzt bin ich ihm und dem Zweitgutachter Herrn Prof. Dr. Michael Fischer sehr dankbar für die zügige Erstellung von Erst- und Zweitgutachten. Mein besonderer Dank gilt außerdem meiner Frau, die mich in meiner Entscheidung, die vorliegende Arbeit zu verfassen, ganz erheblich bestärkt hat. Ihr und meiner ganzen Familie danke ich von Herzen für die verschie­ densten Hilfestellungen, insbesondere für stundenlanges Korrekturlesen. Die Arbeit ist nicht in dienstlicher Eigenschaft verfasst und gibt aus­ schließlich meine persönliche Meinung wieder. Nürnberg, im Oktober 2014

Michael Müller

Inhaltsübersicht A. Einführung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 B. Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 I. Ausmaß von Steuerverkürzungen in der Bundesrepublik Deutschland  . 20 II. Maßnahmen zur Generierung von Steuereinnahmen neben der Selbst­ anzeige und Wechselwirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 1. Ankauf von Steuerdaten-CDs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 2. Steuerabkommen Deutschland – Schweiz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 3. Abschaffung des Bankgeheimnisses und weitere Maßnahmen . . . . . . 43 C. Die Selbstanzeige vor dem Schwarzgeldbekämpfungsgesetz (2011) . . . . 47 I. Die Entwicklung der Selbstanzeige vor Inkrafttreten der AO 1977 . . . . 47 1. Die Selbstanzeige vor Einführung der Reichsabgabenordnung 1919  . 47 2. § 374 RAO 1919 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 3. § 410 RAO 1931 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 4. Gesetz zur Änderung der RAO vom 04.07.1939 . . . . . . . . . . . . . . . . 55 5. Änderung des § 410 RAO 1939 durch das 2. Gesetz zur vorläufigen Neuordnung von Steuern vom 20.04.1949 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 6. Neufassung des § 410 RAO durch die Novelle vom 07.12.1951 . . . 56 7. Weitere Änderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 II. Situation durch § 371 AO 1977 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 1. Grundlegendes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 2. Verfassungsmäßigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 3. Positive Anforderungen des § 371 AO 1977 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 4. § 371 Abs. 2 AO 1977: Die Sperrgründe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 5. Sonderfälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 D. Die Vorschriften zur Selbstanzeige nach dem Schwarzgeldbekämpfungs­ gesetz (2011)  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 I. Wortlaut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 1. §  371 AO n. F. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 2. § 398a AO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 II. Darstellung der Änderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 1. § 371 Abs. 1 AO: Die neue Berichtigungseinheit . . . . . . . . . . . . . . . . 124 2. § 371 Abs. 2 AO: Die Sperrgründe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 3. § 371 Abs. 3 AO: Nachentrichtung der verkürzten Steuern . . . . . . . . 188 III. Warum überhaupt eine Gesetzesänderung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 IV. Behandlung einer missglückten Selbstanzeige im Ermittlungs- und Strafverfahren – Der Fall Uli H. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193

8 Inhaltsübersicht 1. Der Fall Hoeneß: Sachverhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194 2. Subsumtion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 3. Die missglückte Selbstanzeige im Allgemeinen und im Besonderen   199 V. Übergangsregelung für Altfälle: Art. 97 § 24 EGAO  . . . . . . . . . . . . . . . 205 E. Schlussbetrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 Quellenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222 Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227

Inhaltsverzeichnis A. Einführung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 B. Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 I. Ausmaß von Steuerverkürzungen in der Bundesrepublik Deutschland  . 20 II. Maßnahmen zur Generierung von Steuereinnahmen neben der Selbst­ anzeige und Wechselwirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 1. Ankauf von Steuerdaten-CDs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 b) Kritik am Ankauf von Steuerdaten-CDs  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 c) Beschluss des BVerfG vom 09.11.2010 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 d) Beschluss des LG Düsseldorf vom 17.09.2010 . . . . . . . . . . . . . . . 26 e) Stellungnahme und Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 2. Steuerabkommen Deutschland – Schweiz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 a) Inhalt des Abkommens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 aa) Vergangenheitsbesteuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 bb) Abgeltungswirkung für die Zukunft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 b) Scheitern im Bundesrat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 3. Abschaffung des Bankgeheimnisses und weitere Maßnahmen . . . . . . 43 C. Die Selbstanzeige vor dem Schwarzgeldbekämpfungsgesetz (2011) . . . . 47 I. Die Entwicklung der Selbstanzeige vor Inkrafttreten der AO 1977 . . . . 47 1. Die Selbstanzeige vor Einführung der Reichsabgabenordnung 1919  . 47 a) Wurzeln des Rechts zur Selbstanzeige . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 b) Einzelsteuergesetze der Länder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 c) Sonderregel: § 25 Satz 1 SteuerfluchtG vom 26.07.1918 . . . . . . . 48 2. § 374 RAO 1919 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 a) Inhalt der Regelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 aa) Gesetzeswortlaut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 bb) Voraussetzungen und Rechtsfolge einer wirksamen Selbstanzeige nach § 374 RAO 1919  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 b) Ergänzung durch das Gesetz über Steuernachsicht vom 03.01.1920 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 c) Gesetzeszweck und widerstreitende Interessen . . . . . . . . . . . . . . . 54 3. § 410 RAO 1931 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 4. Gesetz zur Änderung der RAO vom 04.07.1939 . . . . . . . . . . . . . . . . 55 5. Änderung des § 410 RAO 1939 durch das 2. Gesetz zur vorläufigen Neuordnung von Steuern vom 20.04.1949 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55

10 Inhaltsverzeichnis a) Inhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 b) Kritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 6. Neufassung des § 410 RAO durch die Novelle vom 07.12.1951 . . . 56 7. Weitere Änderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 II. Situation durch § 371 AO 1977 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 1. Grundlegendes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 a) Wortlaut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 b) Rechtsnatur und Wirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 aa) Rechtsnatur: Persönlicher Strafaufhebungsgrund . . . . . . . . . . 61 bb) Verhältnis zum Rücktritt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 c) Sinn und Zweck der Vorschrift . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 aa) Fiskalischer Zweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 (1) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 (2) Ermittlungsnotstand des Staates . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 bb) Honorierung und Erleichterung der Rückkehr in die Steuer­ ehrlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 cc) Strafrechtliche Aspekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 d) Konsequenzen für die Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 e) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 2. Verfassungsmäßigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 a) Allgemeines und Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 b) Allgemeines zu Art. 3 Abs. 1 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 c) Subsumtion und Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 3. Positive Anforderungen des § 371 AO 1977 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 a) § 371 Abs. 1 AO 1977: Berichtigung, Ergänzung oder Nachholung von Angaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 aa) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 bb)  Unvollständige Angaben im weiteren Sinn . . . . . . . . . . . . . . . 84 (1) Selbstanzeige dem Grunde nach – Gestufte Selbstanzeige . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 (2) Teilselbstanzeige und die Auslegung des Wortes „insoweit“ – Frühere und neuere Rechtsprechung des BGH  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 (a) Begriff der Teilselbstanzeige. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 (b) Meinungsstand bis zum 20.05.2010 . . . . . . . . . . . . . . 89 (c) Entscheidung des BGH vom 20.05.2010 . . . . . . . . . . 92 (d) Kritik und Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 b) § 371 Abs. 3 AO 1977: Nachentrichtung verkürzter Steuern . . . . 97 4. § 371 Abs. 2 AO 1977: Die Sperrgründe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 b) § 371 Abs. 2 Nr. 1 lit. a AO 1977: Erscheinen eines Amtsträgers . 98 c) § 371 Abs. 2 Nr. 1 lit. b AO 1977: Bekanntgabe der Einleitung des Straf- oder Bußgeldverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100

Inhaltsverzeichnis11 d) § 371 Abs. 2 Nr. 2 AO 1977: Tatentdeckung . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 aa) Entdeckung der Tat – Entdeckung des Täters . . . . . . . . . . . . . 103 bb) Person des Entdeckers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 cc) Subjektives Element . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 (1) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 (2) Begriff des Täters – Analogie in bonam partem trotz Ausnahmecharakters? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 5. Sonderfälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 a) Tatentdeckung bei Steuerdaten-CD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 b) Selbstanzeige des Teilnehmers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 c) § 371 Abs. 4 AO 1977 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 D. Die Vorschriften zur Selbstanzeige nach dem Schwarzgeldbekämpfungsgesetz (2011) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 I. Wortlaut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 1. §  371 AO n. F. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 2. § 398a AO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 II. Darstellung der Änderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 1. § 371 Abs. 1 AO: Die neue Berichtigungseinheit . . . . . . . . . . . . . . . . 124 a) Umfang der Berichtigung, Ergänzung oder Nachholung . . . . . . . . 124 aa) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 bb) Sachliche Vollständigkeit: „Alles-oder-nichts-Prinzip“ oder Geringfügigkeitsgrenze? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 (1) Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 (2) Stellungnahme und Lösungsvorschlag . . . . . . . . . . . . . . . 129 b) Undolose Teilselbstanzeige . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 2. § 371 Abs. 2 AO: Die Sperrgründe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 a) § 371 Abs. 2 Nr. 1 lit. a AO: Bekanntgabe einer Prüfungsanordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 b) § 371 Abs. 2 Nr. 1 lit. b AO: Bekanntgabe der Einleitung des Straf- oder Bußgeldverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 c) § 371 Abs. 2 Nr. 1 lit. c AO: Erscheinen eines Amtsträgers . . . . . 142 d) § 371 Abs. 2 Nr. 2 AO: Tatentdeckung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 e) §§ 371 Abs. 2 Nr. 3, 398a AO: Steuerhinterziehungen über 50.000 € . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 aa) Grundlegendes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 (1) Zusammenspiel mit § 398a AO  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 (2) Verhältnis des § 398a AO zu § 153a StPO . . . . . . . . . . . 148 (3) Rechtsnatur des § 398a AO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 (4) Bestimmung der Tat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 bb) Verfassungsmäßigkeit der §§ 371 Abs. 2 Nr. 3, 398a AO . . . . 154 cc) Umfang der Sperrwirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 dd) Streit um die Zahlen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160

12 Inhaltsverzeichnis (1) Höhe der Zahlung i. S. d. § 398a Nr. 2 AO bei Personen­ mehrheiten – Gesamtschuldnerschaft? . . . . . . . . . . . . . . . 161 (2) Bemessung der verkürzten Steuern – Nominalbetrag oder strafzumessungsrelevanter Steuerschaden? . . . . . . . . . . . . . 162 (a) Steuerverkürzung auf Zeit und Kompensationsverbot – Begriffsbestimmungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 (b) Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 (c) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 ee) Selbstanzeige des Teilnehmers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 (1) Problemaufriss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 (2) Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 (3) Stellungnahme und Lösungsvorschlag . . . . . . . . . . . . . . . 178 ff) Rechtsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 3. § 371 Abs. 3 AO: Nachentrichtung der verkürzten Steuern . . . . . . . . 188 III. Warum überhaupt eine Gesetzesänderung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 IV. Behandlung einer missglückten Selbstanzeige im Ermittlungs- und ­Strafverfahren – Der Fall Uli H. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 1. Der Fall Hoeneß: Sachverhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194 2. Subsumtion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 3. Die missglückte Selbstanzeige im Allgemeinen und im Besonderen   199 V. Übergangsregelung für Altfälle: Art. 97 § 24 EGAO  . . . . . . . . . . . . . . . 205 E. Schlussbetrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 Quellenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222 Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227

Abkürzungsverzeichnis a. A. andere Ansicht Abs. Absatz a. E. am Ende a. F. alte Fassung AG Amtsgericht / Aktiengesellschaft Anm. Anmerkung AO Abgabenordnung AO-StB Der AO-Steuer-Berater Art. Artikel AStBV (St) Anweisungen für das Straf- und Bußgeldverfahren (Steuer) Aufl. Auflage Bay Bayerische(r / s) BayObLG Bayerisches Oberstes Landesgericht BayObLGSt Entscheidungen des Bayerischen Obersten Landesgerichts in Straf­ sachen BB Betriebs-Berater Bd. Band Beschl. Beschluss BGB Bürgerliches Gesetzbuch BGBl. Bundesgesetzblatt BGH Bundesgerichtshof BGHSt Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Strafsachen BND Bundesnachrichtendienst BR-Drucks. Bundesrat-Drucksache Bsp. Beispiel BStBl. Bundessteuerblatt BT-Drucks. Bundestag-Drucksache BuStra Bußgeld- und Strafsachenstelle BVerfG Bundesverfassungsgericht BVerfGE Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts CDU Christlich Demokratische Union CSU Christlich Soziale Union DB Der Betrieb

14 Abkürzungsverzeichnis ders. derselbe dies. dieselbe(n) DM

Deutsche Mark

DStZ

Deutsche Steuer-Zeitung

DStR

Deutsches Steuerrecht

EGAO

Einführungsgesetz zur Abgabenordnung

EGGVG

Einführungsgesetz zum Gerichtsverfassungsgesetz

Einl. Einleitung etc.

et cetera

EStG Einkommensteuergesetz EU

Europäische Union

EUR Euro f. folgende FDP

Freie Demokratische Partei

ff. fortfolgende FGO Finanzgerichtsordnung Fn. Fußnote FS Festschrift G Gesetz GA

Goltdammer’s Archiv für Strafrecht

gem. gemäß GG Grundgesetz GmbH

Gesellschaft mit beschränkter Haftung

Hj. Halbjahr h. M.

herrschende Meinung

HRRS

Online-Zeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung im Straf­ recht

Hrsg. Herausgeber i. S. d.

im Sinne des / der

i. V. m.

in Verbindung mit

i. w. S.

im weiteren Sinn

IWW

Institut für Wirtschaftspublizistik

JA

Juristische Arbeitsblätter

JuS

Juristische Schulung

JR

Juristische Rundschau

JZ Juristenzeitung KÖSDI

Kölner Steuerdialog

KStG Körperschaftsteuergesetz

Abkürzungsverzeichnis15 LG Landgericht lit. Buchstabe m. E.

meines Erachtens

Mio. Million(en) Mrd. Milliarde(n) m. w. N.

mit weiteren Nachweisen

n. F.

neue Fassung

NJW

Neue Juristische Wochenschrift

Nr. Nummer NZWiSt

Neue Zeitschrift für Wirtschafts-, Steuer- und Unternehmensstrafrecht

ö

österreichisch(e / s)

OECD

Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung

OLG Oberlandesgericht Preuß

Preußische(r / s)

PStR

Praxis Steuerstrafrecht

RAO Reichsabgabenordnung Rdnr. Randnummer(n) RGBl. Reichsgesetzblatt RGSt

Entscheidungen des Reichsgerichts in Strafsachen

Rspr. Rechtsprechung S. Seite sog.

sogenannte(r / s)

SPD

Sozialdemokratische Partei Deutschlands

StB

Der Steuerberater

Stbg.

Die Steuerberatung

StBp.

Die steuerliche Betriebsprüfung

StBW

Steuerberater Woche

StGB Strafgesetzbuch StPO Strafprozessordnung StraFo

Strafverteidiger Forum

StRR StrafRechtsReport StuW

Steuer und Wirtschaft

StV Strafverteidiger u. a.

und andere

UWG

Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb

usw.

und so weiter

v. vom vgl. vergleiche

16 Abkürzungsverzeichnis wistra Zeitschrift für Wirtschafts- und Steuerstrafrecht Württ Württembergische(r / s) z. B. zum Beispiel ZollVG Zollverwaltungsgesetz ZRP Zeitschrift für Rechtspolitik

A. Einführung „Recht ist in Sätzen (Rechtssätzen) gefaßt. Es existiert nur in sprachlicher Formu­ lierung. Es kann ohne Sprache nicht gedacht werden. Es kann nur in der Sprache vermittelt, angewendet, verändert werden. Sprache ist die Existenzform des Rechts. Die Sprache ist – nicht nur, aber auch – das unverzichtbare, unentrinnba­ re Arbeitsgerät des Juristen. (…) Diese Sprache ist als Arbeitsgerät ungenau, mehrdeutig und durch wechselnde Begriffsinhalte gekennzeichnet. (…)“

So beschreibt Rüthers in „Das Ungerechte an der Gerechtigkeit“ das Verhältnis zwischen Sprache und Recht1. Diese der Sprache innewohnenden Ungenauigkeiten und Mehrdeutigkeiten finden sich natürlich auch in Geset­ zestexten. Dort sind die Folgen dieser Ungenauigkeiten für sich genommen schon besonders prekär. Hinzu kommt aber noch, dass sich diese von Natur aus gegebenen Unschärfen mit teils unsystematischem und ungenauem Ar­ beiten des Gesetzgebers paaren. Gibt das Gesetz als Folge daraus keine eindeutige Antwort für einen bestimmten Sachverhalt, bedient sich der Rechtsanwender der verschiedenen Methoden der Auslegung, was je nach Fallgestaltung ein hohes Maß an Argumentation erfordern kann. Hat dann zusätzlich ein Rechtsinstitut wie die Selbstanzeige im Steuerstrafrecht eine weit über hundertjährige Tradition mit zahlreichen Gesetzesänderungen hinter sich, ist es nicht verwunderlich, dass eine einzige Norm – § 371 AO2 – ausreichend Stoff bietet, um eine Arbeit wie die vorliegende darüber zu verfassen, ohne auch nur annähernd abschließend sämtliche Problempunkte rund um die Selbstanzeige zu behandeln. Die Arbeit setzt zunächst das Rechtsinsitut der Selbstanzeige in den richtigen Kontext, indem staatliche Maßnahmen beschrieben werden, die in einer Wechselwirkung mit der Selbstanzeige stehen (dazu im Anschluss B.). Hier bildet aus der jüngeren Vergangenheit der Ankauf von Steuerda­ ten-CDs einen ersten Schwerpunkt der Arbeit, weil der Ankauf dieser CDs einerseits die Zahl der erstatteten Selbstanzeigen massiv in die Höhe schnellen ließ und andererseits in rechtlicher als auch rechtspolitischer Hinsicht heftig umstritten ist. Nicht zuletzt war auch der durch den An­ kauf der CDs verursachte Anstieg von Selbstanzeigen Grund und Anlass für den Gesetzgeber, die Regelungen zur Selbstanzeige im Jahre 2011 zu verschärfen. 1  Rüthers, 2  Ab

Das Ungerechte an der Gerechtigkeit, S. 62. 2011 ergänzt durch eine weitere Norm: § 398a AO.

18

A. Einführung

Sodann wird in einem zweiten Schritt (dazu sogleich C. I.) zunächst ein geschichtlicher Abriss über Wurzeln und Entwicklung des Rechtsinstituts bis zur Einführung des § 371 AO im Jahre 1977 gegeben; dieser Abschnitt soll die lange Tradition des Rechtsinstituts darstellen und über die Beweg­ gründe des Gesetzgebers zur Schaffung der Selbstanzeige im Steuerstraf­ recht Aufschluss geben. Im Anschluss daran wird der bis in das Jahr 2011 und auch heute in weiten Teilen noch geltende § 371 AO 1977 näher beleuchtet (dazu sogleich C. II.): Zunächst werden Rechtsnatur, Sinn und Zweck der Vorschrift, die gebotene Art der Auslegung und danach ihre Verfassungsgemäßheit darge­ stellt. Sodann wird der Regelungsgehalt des § 371 Abs. 1 AO beschrieben. In diesem Zusammenhang wird in einem zweiten Schwerpunkt der Arbeit eine kritische Auseinandersetzung mit der Rechtsprechung des BGH aus dem Jahre 20103 erfolgen, im Rahmen derer der BGH die Möglichkeit der Erstattung einer Teilselbstanzeige abschaffte, obwohl er dies jahrelang bei gleichbleibendem Gesetzeswortlaut entgegengesetzt vertreten hatte. Auf die vielfach kritisierte Entscheidung passen die weiteren Ausführungen von Rüthers zu dem Verhältnis von Sprache und Gerechtigkeit4: „(…) Jedes Wort und jeder Text beziehen ihren Sinn zu erheblichen Teilen aus dem Kontext, aus dem zeitlichen und räumlichen Umfeld. (…) Der Versuch einer Auslegung nach dem schlichten („vernünftigen“) Wortlaut ist einer FreiballonFahrt vergleichbar. Der Text wird aufgeblasen wie ein Luftballon, und der Wind des jeweiligen Zeitgeistes treibt ihn, wohin er will. (…)“

So scheint der 1. Strafsenat des BGH insgesamt den Steuerhinterzieher in der jüngeren Vergangenheit „härter anpacken“ zu wollen. Diese Entwick­ lung nahm ihren Anfang bereits in einer Entscheidung aus dem Jahre 20085, als der BGH urteilte, dass bei Steuerverkürzungen von über 1 Million Euro in der Regel keine bewährungsfähige Strafe mehr verhängt werden könne. In diese Richtung geht auch die Abschaffung der Teilselbstanzeige, wodurch der steuerunehrliche Bürger weniger bevorzugt wird. So formuliert Schwed­ helm – freilich überspitzt –, dass es für den 1. Strafsenat des BGH schein­ bar „keinen größeren Staatsfeind“ als den Steuerhinterzieher gebe6. Die Entscheidung wird auch aus einem weiteren Grund ausführlich be­ handelt: Die Änderungen durch das Schwarzgeldbekämpfungsgesetz im Jahre 2011 wurden durch die Entscheidung deutlich beeinflusst. Deswegen werden nach einer Darstellung der Sperrgründe gemäß § 371 Abs. 2 AO 1977 in einem weiteren Schritt die aktuelle Rechtslage nach dem Schwarz­ 3  BGHSt

55, 180. Das Ungerechte an der Gerechtigkeit, S. 63 f. 5  BGHSt 53, 71 (86). 6  Schwedhelm, in: Stbg. 2010, 348 (349). 4  Rüthers,



A. Einführung19

geldbekämpfungsgesetz (2011) und die damit einhergehenden Verschärfun­ gen zu Lasten des Selbstanzeigeerstatters näher betrachtet (dazu sogleich D.). Zum Schluss wird hierbei ein weiterer Schwerpunkt auf dem neu ge­ schaffenen Sperrgrund des § 371 Abs. 2 Nr. 3 AO und dessen Zusammen­ spiel mit dem ebenfalls neu geschaffenen § 398a AO liegen. Im Rahmen der §§ 371 Abs. 2 Nr. 3, 398a AO treten „handwerkliche“ Fehler des Gesetzge­ bers besonders offen zu Tage, die Anlass zu kritischer Auseinandersetzung bieten.

B. Grundlagen Weil nicht jeder Bürger seiner Steuerpflicht nachkommt, entgehen dem deutschen Fiskus jedes Jahr Steuereinnahmen in erheblichem Umfang. Zur Eindämmung von Steuerverkürzungen bedient sich der Staat unterschiedli­ cher Mittel. In erster Linie ist hier an die Tätigkeit der Steuer- und Zoll­ fahndungsämter zu denken. Daneben existieren aber weitere staatliche Maßnahmen und Instrumentarien zur Erschließung bislang unbekannter Steuerquellen. Eines dieser Instrumentarien ist die Selbstanzeige im Steuer­ strafrecht, die – vereinfacht gesagt – demjenigen Straffreiheit gewährt, der sich nach Begehung einer Steuerhinterziehung selbst bei der zuständigen Behörde anzeigt, sofern seine Tat nicht bereits entdeckt ist, und er die ver­ kürzten Steuern nachentrichtet. Neben der Selbstanzeige existieren noch weitere Vorgehensweisen zur Aufdeckung von Steuerstraftaten und Steuer­ verkürzungen, die teilweise mit der Selbstanzeige in Wechselwirkung stehen und die Bereitschaft zur Erstattung von Selbstanzeigen erheblich steigern. Aus diesem Grunde soll in dieser Einführung in einem ersten Schritt ein Einblick gegeben werden, in welchem Umfang Steuern in der Bundesrepub­ lik Deutschland verkürzt werden. Sodann sollen einzelne staatliche Maßnah­ men dargestellt werden, die mit der Selbstanzeige in Wechselwirkung stehen.

I. Ausmaß von Steuerverkürzungen in der Bundesrepublik Deutschland Belastbare Zahlen für das Ausmaß begangener Steuerverkürzungen lassen sich nicht nennen, da ein mehr oder weniger großes Dunkelfeld besteht7. Statistiken existieren lediglich für die durch die Steuerfahndung aufgedeck­ ten Fälle, welche wenigstens andeuten, in welcher Größenordnung sich Steuerverkürzungen in Deutschland bewegen. So konnten aufgrund der Er­ mittlungen der Steuerfahndungen der Länder z. B. im Jahr 2009 1.565,8 Mio., im Jahr 2010 1.745,7 Mio. und im Jahr 2011 2.228,6 Mio. Euro be­ standskräftige Mehrsteuern festgesetzt werden8. 7  Joecks,

in: Franzen / Gast / Joecks, Steuerstrafrecht, § 370 Rdnr. 6. des Bundesfinanzministeriums vom 20.08.2012 (abrufbar unter: http: /  / www.bundesfinanzministerium.de / Content / DE / Monatsberichte / 2012 / 08 / Inhal te / Kapitel-3-Analysen / 3-2-ergebnisse-der-steuerfahndung-in-den-jahren-2010-und2011.html). 8  Monatsbericht



II. Maßnahmen zur Generierung von Steuereinnahmen 21

Obwohl die Dunkelziffer nicht bekannt ist, zeigt die große Flut an Selbst­ anzeigen, die insbesondere durch den Ankauf von Steuerdaten-CDs ausge­ löst wurde – im Jahr 2012 rund 7.000 Selbstanzeigen9, im Jahr 2013 rund dreimal so viele wie im Vorjahr10 –, dass die Dunkelziffer an begangenen Steuerverkürzungen erheblich sein muss, welche durch die Ermittlungsbe­ hörden nicht ohne Weiteres aufgedeckt werden könnten. Seit Ankauf der ersten Daten-CD aus der Schweiz im Februar 2010 wurden laut einem Bericht der Süddeutschen Zeitung vom 02.01.2014 mehr als 60.000 Selbst­ anzeigen gezählt, die zu zusätzlichen Steuereinnahmen von rund 3,5 Mrd. Euro führten11.

II. Maßnahmen zur Generierung von Steuereinnahmen  neben der Selbstanzeige und Wechselwirkung Besondere Schwierigkeiten bei der Ermittlung von Steuerhinterziehungen bereiten naturgemäß Fälle, in denen deutsche Steuerpflichtige Gelder im Ausland anlegen, bei denen es sich entweder um nicht versteuerte Einnah­ men handelt oder um versteuerte Einnahmen, bei denen aber wenigstens die Zinserträge der Besteuerung im Inland entzogen werden. Die Anreizfunktion12, die von den Vorschriften zur Selbstanzeige durch Gewährung von Straffreiheit bei dem Steuerpflichtigen erzeugt wird, wird verstärkt durch eine Reihe von – teils nicht unumstrittenen – Maßnahmen verschiedener staatlicher Stellen, welche – insbesondere in Gestalt des An­ kaufs von Steuerdaten-CDs – die Entdeckungsgefahr für Steuerstraftäter deutlich erhöhen. Dies wiederum steigert die Bereitschaft zur Erstattung von Selbstanzeigen erheblich. Es entsteht eine Wechselwirkung. Folgende Maßnahmen aus der jüngeren Vergangenheit seien auszugsweise erwähnt: 1. Ankauf von Steuerdaten-CDs a) Allgemeines In den letzten Jahren wurden mehrfach sog. Steuerdaten-CDs von deut­ schen Behörden erworben. Hierunter versteht man in diesem Zusammen­ 9  Http: /  / www.spiegel.de / wirtschaft / soziales / selbstanzeigen-von-steuersuendernsteigen-stark-an-a-905088.html. 10  Http: /  / www.sueddeutsche.de / wirtschaft / kriterien-fuer-straffreiheit-mehr-haertegegen-steuerhinterzieher-1.1854292. 11  Http: /  / www.sueddeutsche.de / wirtschaft / kriterien-fuer-straffreiheit-mehr-haertegegen-steuerhinterzieher-1.1854292. 12  Schauf, in: Kohlmann, Steuerstrafrecht, Bd. I, § 371 Rdnr. 12.

22

B. Grundlagen

hang Datenträger, auf denen Informationen zu deutschen Steuerpflichtigen enthalten sind, welche Kapital im Ausland, vor allem in Liechtenstein, der Schweiz und Luxemburg, zumeist bei Banken oder in Stiftungen an­ gelegt haben. Bei dem Kapital handelt es sich teilweise um im deutschen Inland bereits versteuerte Einnahmen, teils um noch nicht versteuerte Ein­ nahmen. In beiden Fällen erwirtschaften deutsche Steuerpflichtige im Ausland Erträge aus dem Kapital. Vielfach geschah die Verlagerung des Kapitals ins Ausland gerade deswegen, um einer Besteuerung im deut­ schen Inland zu entgehen. Die Daten-CDs wurden den deutschen Behör­ den in der Regel durch ausländische Bankmitarbeiter zugespielt, welche heimlich und unter Verstoß gegen ausländisches Recht Kopien von den Daten deutscher S ­teuerpflichtiger machten. Nach gegenwärtigem Kennt­ nisstand kann nicht davon ausgegangen werden, dass diese Bankmitarbei­ ter auf Geheiß d ­ eutscher Behörden agierten. Sie handelten offenbar eigen­ initiativ, boten im Anschluss die Daten zum Verkauf an. Einer der be­ kanntesten Ankäufe einer derartigen CD (oder auch DVD) fand im Jahr 2006 statt: Es ­ handelte sich um eine Steuerdaten-CD aus Liechtenstein, auf der insbesondere ­ Informationen über den Ex-Post-Chef Klaus Zum­ winkel enthalten waren13. Der Ankauf dieser Datensätze ist sowohl in rechtlicher als auch in rechts­ politischer Hinsicht vielfach umstritten: In rechtlicher Hinsicht geht es vor allem um die Frage, ob die erlangten Daten im Strafverfahren verwertbar sind. In der Literatur wird überwiegend vertreten, dass dies nicht der Fall sei. Die Begründungen hierfür sind unterschiedlich: Teilweise werden völ­ kerrechtliche Verstöße geltend gemacht, teils Verstöße gegen das Trennungs­ gebot zwischen Bundesnachrichtendienst und Ermittlungsbehörden, teils Straftaten von Informanten und deutschen Ermittlungsbeamten. In der Rechtsprechung wurde bislang von einer Verwertbarkeit ausgegangen. In rechtspolitischer Hinsicht geht es im Kern um die Frage, inwieweit es die Glaubwürdigkeit des Staates und seiner Ermittlungsbehörden beeinträchtigt, wenn mit Straftätern zusammengearbeitet wird, um andere Straftäter zu verfolgen und zusätzliche Steuereinnahmen zu generieren. b) Kritik am Ankauf von Steuerdaten-CDs Mehrfach wurde in der Literatur Kritik geübt an dem Ankauf von Steuer­ daten-CDs. Im Fokus steht dabei die Verwertbarkeit der erlangten Daten14. 13  Göres / Kleinert, in: NJW 2008, 1353 (1353); http: /  / www.focus.de / finanzen / steu ern / steuerfahndung / steuerhinterziehung_aid_261687.html. 14  Einen guten Überblick über sämtliche betroffenen Problemfelder bietet Pawlik, in: JZ 2010, 693 ff.



II. Maßnahmen zur Generierung von Steuereinnahmen 23

Folgende Ansatzpunkte rechtswidriger Beweiserhebung werden als Anknüp­ fungspunkte für das Vorliegen eines Verwertungsverbots vertreten15: Teilweise wird geäußert, dass die Daten in völkerrechtswidriger Weise erlangt worden seien, weil unzulässigerweise das Institut der Rechtshilfe umgangen worden sei16. Zudem wird argumentiert – und hierbei handelt es 15  Ein dritter Kritikpunkt soll nur am Rande erwähnt werden: Teilweise wird auch kritisiert, dass die Einbindung des BND in die Datenbeschaffung gegen das Tren­ nungsgebot zwischen Ermittlungsbehörden und Geheimdienst verstoße (so Spatscheck, in: FS Volk, S. 778 f.; Schauf, in: Kohlmann, Steuerstrafrecht, Bd. I, § 371 Rdnr. 230.5; Schünemann, in: NStZ 2008, 305 [306 f.]; Kelnhofer / Krug, in: StV 2008, 660 [664 f.]; Junker, in: StRR 2008, 129 [133 f.]; Trüg / Habetha, in: NStZ 2008, 481 [489]; Salditt, in: PStR 2008, 84 [84 ff.], der vielfach nur im Konjunktiv formuliert und auf den teils unklaren Sachverhalt und eine mögliche Desinformation durch den BND hinweist; einschränkend Sieber, in: NJW 2008, 881 [883, 886], der zwar eine Weitergabe der Daten durch den BND grundsätzlich für möglich hält, die Daten aber nur zur Verfolgung „schwerer Steuerkriminalität“ verwerten will; a. A. Kauffmann, in: JA 2010, 597 [600]; Kölbel, in: NStZ 2008, 241 [243 f.]; Göres / Kleinert, in: NJW 2008, 1353 [1357]; Pawlik, in: JZ 2010, 693 [695 ff.]). Dieser Punkt wird aus zwei Gründen nur am Rande erwähnt: Einerseits wird eine Stellungnahme dadurch erschwert, dass bei der Einschaltung des BND vieles im Dunklen geblieben ist (Hilgers-Klautzsch, in: Kohlmann, Steuerstrafrecht, Bd. II, § 385 Rdnr. 608.1; Schünemann spricht in: NStZ 2008, 305 [307] von einer „von einem Nebel umwaberten Gesamtaktion“); teilweise wird bezweifelt, dass die Daten tatsächlich dem BND „schlicht in den Schoß gefallen“ sind (Flore, in: Flore / Tsam­ bikakis, Steuerstrafrecht, § 370 Rdnr. 460). Vieles spricht aber hier – mangels gegen­ teiliger Erkenntnisse – für die Sichtweise des BVerfG, das davon ausging, dass der BND lediglich im Wege der Amtshilfe die Daten entgegen genommen und weiter­ geleitet, nicht aber in unzulässiger Weise aktiv an der Erstellung und Beschaffung der Daten mitgewirkt habe (BVerfG NStZ 2011, 103 [106]). Andererseits handelt es sich nur um ein Sonderproblem, weil der BND – soweit erkennbar – nur bei dem Ankauf einer Daten-CD aus Liechtenstein eingeschaltet wurde und in der Folge – insbesondere bei dem Ankauf Schweizer Steuerdaten-CDs – nicht mehr (Kauffmann, in: JA 2010, 597 [601]; Hilgers-Klautzsch, in: Kohlmann, Steuerstrafrecht, Bd. II, § 385 Rdnr. 608.2). Gegen einen Verstoß gegen das Trennungsgebot liefert auch Pawlik ein interes­ santes Argument (Pawlik, in: JZ 2010, 693 [696]): Hintergrund des Trennungsgebots sei die Tatsache, dass für Ermittlungsbehörden und Geheimdienste unterschiedliche Eingriffsschwellen bestehen, die durch einen gegenseitigen Informationsaustausch nicht umgangen werden sollen. Der Geheimdienst habe weitreichende verdachtsun­ abhängige Befugnisse zur Informationsgewinnung, jedoch keine polizeilichen Ein­ griffsbefugnisse; die Ermittlungsbehörden haben diese Eingriffsbefugnisse dagegen schon, benötigen für deren Anwendung aber einen Anfangsverdacht. Ein Unterlaufen dieser unterschiedlichen Eingriffsschwellen sei vorliegend aber nicht gegeben, weil der BND nach den Steuerdaten nicht mit Hilfe seiner spezifischen Befugnisse zu verdachtslosen Ermittlungen gezielt gesucht habe, sondern ihm die Daten von dem Informanten schlicht angeboten worden seien. 16  Trüg / Habetha, in: NJW 2008, 887 (890); Kelnhofer / Krug, in: StV 2008, 660 (666 f.); Kauffmann, in: JA 2010, 597 (599); Junker, in: StRR 2008, 129 (134);

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B. Grundlagen

sich sicherlich um den zentralen und gewichtigsten Kritikpunkt –, dass deutsche Ermittler durch den Ankauf der Daten selbst Straftaten – insbeson­ dere Beihilfe oder Anstiftung zur Straftat des Informanten gemäß § 17 Abs. 2 Nr. 2 UWG – begingen, was den Ankauf rechtswidrig mache17. c) Beschluss des BVerfG vom 09.11.2010 Das Bundesverfassungsgericht nahm in seinem Beschluss vom 09.11.201018 zur Frage der Verwertbarkeit von Steuerdaten-CDs Stellung und bejahte diese. Die wesentlichen Entscheidungsgründe sollen im Folgen­ den wiedergegeben werden: Das BVerfG hatte zu entscheiden, ob die Informationen aus einer Steuer­ daten-CD für die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens und die Anordnung von Durchsuchungsmaßnahmen herangezogen werden dürfen. Es ging hier­ bei zwar – wie das BVerfG in seiner Entscheidung auch klargestellt hat19 – nicht vorrangig um die Frage der Verwertbarkeit der Daten, da sich diese erst im Strafverfahren stellt. Ob Tatsachen, die einem Beweisverwertungs­ verbot unterliegen, zur Begründung eines Anfangsverdachts herangezogen werden dürfen, betreffe vielmehr die Frage der Fernwirkung beziehungswei­ se Vorauswirkung von Verwertungsverboten20. Dennoch äußerte sich das Spatscheck, in: FS Volk, S. 781 f., 785, der zwar von einer Umgehung der Rechts­ hilfe ausgeht, die Unverwertbarkeit der Daten aber vor allem an die unzulässige Einbindung des BND und die Beteiligung deutscher Beamter an Straftaten an­ knüpft. 17  Durst, in: PStR 2008, 134 (134); Kauffmann, in: JA 2010, 597 (597); Ignor / Jahn, in: JuS 2010, 390 (393 ff.); Schünemann, in: NStZ 2008, 305 (308); Trüg, in: StV 2011, 111 (112 ff.); ders. / Habetha, in: NJW 2008, 887 (888 ff.); dies., in: NStZ 2008, 481 (489); Spatscheck, in: FS Volk, S. 780; wohl auch Beulke, in: Jura 2008, 653 (664) mit Hinweis auf den in Detailfragen noch unklaren Sachverhalt; Bruns, in: StraFo 2008, 189 (191); Kelnhofer / Krug, in: StV 2008, 660 (662 ff.); Kühne, in: GA 2010, 275 (277 ff.), der aber schwerpunktmäßig das Problem der Strafbarkeit des Bundesfinanzministers wegen Untreue behandelt; Sieber, in: NJW 2008, 881 (883 ff.), der jedoch die Annahme eines unvermeidbaren Verbotsirrtums für möglich hält; Betzinger / Rutemöller, in: ZRP 2008, 95 (96), die darauf hinweisen, dass der Rechtsstaat „auf einem Auge blind“ sei; Pawlik, in: JZ 2010, 693 (699, 702), der aber trotz der Bejahung einer Strafbarkeit der Ermittlungsbeamten wegen Beihilfe zu § 17 Abs. 2 Nr. 2 UWG nicht zwingend ein Verwertungsverbot annimmt; Rüping, in: DStR 2010, 1768 (1770 in der Fn. 22); ähnlich Wulf, in: PStR 2013, 33 (38 ff.) mit weiteren Differenzierungen hinsichtlich der Beteiligungsformen. 18  BVerfG NStZ 2011, 103. 19  BVerfG NStZ 2011, 103 (104). 20  Das BVerfG nimmt hier Bezug auf Beulke, in: Löwe / Rosenberg, Bd. 5, § 152 Rdnr. 26 f., wo die Problematik der Vorauswirkung von Verwertungsverboten be­ schrieben wird, bei der es um die Frage geht, ob Tatsachen, die einem Beweisver­



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BVerfG – entgegen teilweise vertretener Ansicht21 – auch zur Verwertbar­ keit, weil dies die Vorfrage zu dem Problem der Vorauswirkung ist22. Ab­ gesehen von der Unterscheidung Beweisverwertungsverbot – Vorauswirkung – Fernwirkung ist aber klarzustellen, dass das BVerfG nur prüfte, ob sich von Verfassungs wegen zwingend ein Beweisverwertungsverbot ergibt23. Das BVerfG prüfte nicht, ob sich aus rein strafprozessualen Gründen ein Beweisverwertungsverbot ergebe. Ausgangspunkt sei, dass nach Rechtsprechung der Fachgerichte nicht je­ der Verfahrensverstoß zu einem Verwertungsverbot führe, vielmehr nach den Umständen des Einzelfalls zu entscheiden sei, ob ein Beweisverwer­ tungsverbot vorliege. Diese Entscheidung richte sich insbesondere nach der Art des Verbots und dem Gewicht des Verstoßes unter Abwägung der wi­ derstreitenden Interessen24. Von Verfassungs wegen sei aber ein Verwer­ tungsverbot anzunehmen bei schwerwiegenden, bewussten oder willkürli­ chen Verfahrensverstößen, bei denen die grundrechtlichen Sicherungen planmäßig außer Acht gelassen worden seien25. Einen derartigen Verstoß konnte das BVerfG nicht feststellen26. Offen gelassen hat das BVerfG, ob sich Angehörige deutscher Behörden durch den Ankauf der Datensätze strafbar machen, weil die mit dem zu entscheidenden Fall beschäftigten Gerichte jeweils unterstellt hatten, dass die Beschaffung der Daten nicht im Einklang mit geltendem deutschen Recht erfolgt war27, dieser Gesichtspunkt damit in die für die Feststellung eines Verwertungsverbots erforderliche Abwägung eingestellt worden war. Ebenfalls offen gelassen hat das BVerfG, ob sich der ausländische Infor­ mant strafbar gemacht hat, weil dies für die Frage eines Verwertungsverbots ohne Belang sei, weil sich die Vorschriften der Strafprozessordnung zu Beweiserhebung und -verwertung ausschließlich an die staatlichen Verfol­ gungsorgane richten und daher etwaige von dem Informanten begangene Straftaten von vornherein nicht berücksichtigt werden müssten28. wertungsverbot unterliegen, zur Begründung eines Anfangsverdachts herangezogen werden dürfen. 21  Schauf, in: Kohlmann, Steuerstrafrecht, Bd. I, § 371 Rdnr. 230.5. 22  Vgl. dazu die Ausführungen des BVerfG (BVerfG NStZ 2011, 103 [106]): „(…) Soweit die Gerichte aufgrund ihrer Abwägung zu dem Ergebnis kommen, dass ein Verwertungsverbot (Hervorhebung durch Verfasser) für die gewonnenen Daten nicht besteht, wird der fachgerichtliche Wertungsrahmen nicht überschritten. (…)“. 23  BVerfG NStZ 2011, 103 (105). 24  BVerfG NStZ 2011, 103 (104) mit Hinweis auf BGHSt 51, 285 (289). 25  BVerfG NStZ 2011, 103 (105) mit Hinweis auf BVerfGE 113, 29 (61). 26  BVerfG NStZ 2011, 103 (105). 27  BVerfG NStZ 2011, 103 (105). 28  BVerfG NStZ 2011, 103 (105).

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B. Grundlagen

Das BVerfG stellte im Ergebnis fest29: „(…) Die von den Gerichten unterstellten Verfahrensverstöße und die Möglichkeit rechtswidrigen oder gar strafbaren Verhaltens beim Erwerb der Daten führen nicht zu einem absoluten Verwertungsverbot. Die Gerichte haben die verschiedenen rechtserheblichen Aspekte erkannt und in die Abwägung (…) eingestellt. Soweit die Gerichte aufgrund ihrer Abwägung zu dem Ergebnis kommen, dass ein Ver­ wertungsverbot (…) nicht besteht, wird der fachgerichtliche Wertungsrahmen nicht überschritten. Insbesondere ist nicht erkennbar, dass es sich bei den unter­ stellten Rechtsverletzungen um schwerwiegende, bewusste oder willkürliche Ver­ fahrensverstöße handelt, bei denen die grundrechtlichen Sicherungen planmäßig oder systematisch außer acht gelassen worden sind. (…)“

In der Ausgangsentscheidung des LG Bochum vom 07.08.2009 wird die Verwertbarkeit der Daten zwar festgestellt, Ausführungen zur Interessenab­ wägung finden sich jedoch nicht30. d) Beschluss des LG Düsseldorf vom 17.09.201031 Das LG Düsseldorf setzte sich in seinem Beschluss vom 17.09.2010 ebenfalls mit der Problematik auseinander, stellte im Ergebnis eine Ver­ wertbarkeit fest und nahm auch zu einer etwaigen Strafbarkeit deutscher Ermittler aufgrund des Ankaufs der Daten Stellung. Die Argumentations­ linie des Landgerichts ist verkürzt dargestellt folgende: Es liege schon kei­ ne Beweiserhebung vor, ohne Beweiserhebung könne es kein Verwertungs­ verbot geben. Selbst wenn man davon ausgehe, dass in dem Ankauf des Datenmaterials eine Beweiserhebung zu sehen sei, so sei diese Beweiser­ hebung rechtmäßig. Unterstelle man wiederum, dass die Beweiserhebung rechtswidrig sei, so führe dies nach einer Interessenabwägung nicht zu einem Verwertungsverbot. Im Einzelnen führte das LG Düsseldorf aus, dass eine Steuerdaten-CD grundsätzlich herangezogen werden könne, um einen Anfangsverdacht gegen einen Steuerpflichtigen zu begründen, über dessen Kapitalanlagen im Ausland Informationen auf der CD gespeichert seien; ein Beweisverwertungsverbot bestehe nicht32. Das Landgericht bezweifelte bereits das Vorliegen einer Beweiserhebung der Ermittlungsbehörden, welche im Falle ihrer Rechtswidrigkeit Vorausset­ zung einer Unverwertbarkeit sei, da der Datenträger nicht von den Ermitt­ lungsbehörden erstellt oder beschafft worden sei, sondern von einer Privat­ person33. Bei derartig „privat-deliktisch“ beigebrachtem Datenmaterial sei 29  BVerfG

NStZ 2011, 103 (106). Bochum NStZ 2010, 351 (352). 31  LG Düsseldorf wistra 2011, 37. 32  LG Düsseldorf wistra 2011, 37 (38). 33  LG Düsseldorf wistra 2011, 37 (38). 30  LG



II. Maßnahmen zur Generierung von Steuereinnahmen 27

nach herrschender Meinung Unverwertbarkeit nur anzunehmen, wenn die Beweisbeschaffung durch den Privatmann extrem menschenrechtswidrig ge­ wesen sei, die Verwertung des Materials einen eigenen und ungerechtfertig­ ten Grundrechtseingriff darstelle oder das „privat-deliktische“ Handeln von den Ermittlungsbehörden gezielt veranlasst worden sei; keiner dieser Fälle sei gegeben34. Weiter führte das Landgericht aus, dass selbst dann, wenn man bereits in dem Ankauf eine Beweiserhebung sehe, diese nicht rechtswidrig gewesen sei und sich die Beamten bei dem Ankauf nicht strafbar gemacht hätten35: Eine Strafbarkeit gemäß § 259 StGB scheide bereits aus, weil das Speicher­ medium nicht Gegenstand der Vortat gewesen sei, die Daten selbst keine Sachen im Sinne des § 259 StGB seien. Eine Beihilfe zu einer etwaigen Straftat gemäß § 202a StGB komme schon deswegen nicht in Betracht, weil die Haupttat – das Ausspähen der Daten bei der Bank – im Zeitpunkt des Ankaufs durch Steuerfahnder bereits beendet und damit nicht mehr bei­hilfe­ fähig sei. Auch eine Strafbarkeit gemäß § 17 UWG scheide aus, da der Ankauf der Daten von der allgemeinen Ermittlungsbefugnis gemäß §§ 399 Abs. 1, 404 AO i. V. m. §§ 161 Abs. 1, 163 Abs. 1 StPO gedeckt sei und der Informant als Zeuge im Ermittlungsverfahren gegen den deutschen Steuerpflichtigen mangels Zeugnisverweigerungsrechts aussagen müsse. Durch die Offenba­ rung der Daten werde lediglich der Zustand hergestellt, den die StPO mit der Aussagepflicht des Zeugen erreichen wolle. Die Bezahlung für die Da­ ten sei zulässig, eine spezielle Ermächtigungsgrundlage sei hierfür nicht erforderlich. Dies sei vergleichbar mit der Bezahlung einer Belohnung für Hinweise zur Aufklärung von Straftaten36. Würde man unterstellen, dass der Ankauf der Daten durch deutsche Steu­ erfahnder eine rechtswidrige Beweiserhebung darstellt, so führe dies nach der erforderlichen Abwägung zwischen dem Interesse des Staates an der Tataufklärung und dem Individualinteresse des Steuerpflichtigen an der Bewahrung seiner Rechtsgüter nicht zu einem Verwertungsverbot37: Das Interesse des Staates an der Verfolgung von Straftaten würde das Individu­ alinteresse des Steuerpflichtigen überwiegen. Insbesondere sei zu berück­ sichtigen, dass die Beschuldigten nicht in ihrer absolut geschützten Intim­ sphäre verletzt seien, sondern in ihrer allgemeinen Geheimnissphäre, wobei die Daten lediglich einen kleinen Ausschnitt daraus beträfen. 34  LG

Düsseldorf wistra Düsseldorf wistra 36  Vgl. zum Ganzen LG 37  LG Düsseldorf wistra 35  LG

2011, 37 (38) m. w. N. 2011, 37 (38). Düsseldorf wistra 2011, 37 (38). 2011, 37 (38 f.).

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B. Grundlagen

e) Stellungnahme und Zwischenergebnis Die dargestellte Rechtsprechung überzeugt nur zum Teil: Die Sichtweise des LG Düsseldorf hinsichtlich der Strafbarkeit deutscher Beamter ist unzu­ treffend. Soweit die oben zitierten Gerichte von einer Verwertbarkeit der Daten-CDs ausgehen, ist dies im Ergebnis vertretbar. Der Weg zu diesem Ergebnis ist indes „kurvenreicher“38, als es die Ausführungen der Gerichte vermuten lassen. Zu kurz kommt insbesondere die Behandlung des Gedan­ kens, dass vorliegend deutsche Beamte mit Straftätern nicht nur kollaborie­ ren, um andere Straftaten aufzudecken, sondern auch eigene Straftaten be­ gehen, und wie sich dies mit dem Rechtsstaatsprinzip gemäß Art. 20 Abs. 3 GG vereinbaren lässt. Im Einzelnen gilt Folgendes: aa) Eine Umgehung der Rechtshilfevorschriften und damit eine völker­ rechtswidrige Beweismittelerlangung sind nicht gegeben. Hintergrund der Rechtshilfevorschriften ist die Tatsache, dass nach dem Souveränitätsver­ ständnis der internationalen Staatengemeinschaft die Hoheitsgewalt eines Staates an der eigenen Grenze endet; deutsche Behörden dürfen daher nicht selbständig auf fremdem Hoheitsgebiet tätig werden, sondern müssen den anderen Staat um Unterstützung – namentlich um Rechtshilfe – bitten39. Wird aber deutschen Behörden eine Daten-CD, die ein Informant – aus ei­ genem Antrieb und ohne von deutschen Behörden dazu angehalten worden zu sein – im Ausland beschafft hat, auf deutschem Hoheitsgebiet angeboten und übergeben, so ist nicht erkennbar, worin ein Eingriff in die Souveräni­ tät eines anderen Staates bestehen soll40. bb) Die weitere Stellungnahme beschränkt sich daher auf den Kern der Problematik, nämlich die Frage, ob und gegebenenfalls wie sich deutsche Ermittler durch den Ankauf einer Steuerdaten-CD selbst strafbar machen und – bejahendenfalls – ob hieraus ein Verwertungsverbot abgeleitet werden kann. (1) Als Ausgangspunkt ist die Frage zu beantworten, welche Straftatbe­ stände der ausländische Informant verwirklicht: Neben den Straftatbeständen auch Pawlik, in: JZ 2010, 693 (693). in: JZ 2010, 693 (694). 40  Im Ergebnis auch Pawlik, in: JZ 2010, 693 (695); Coen, in: NStZ 2011, 433 (436), der sich sehr ausführlich und überzeugend dem Problem des Ankaufs und der Verwertung deliktisch erlangter Beweismittel aus völkerrechtlicher Sicht widmet; ähnlich Trüg, in: StV 2011, 111 (117), der in der Fn. 106 darauf hinweist, dass ein Verstoß gegen das Territorialitätsprinzip nur dann zu bejahen sei, wenn der Ankauf auf ausländischem Boden stattfinde; ebenso Beulke, in: Jura 2008, 653 (664); Jahn, in: FS Stöckel, S. 273; a. A. Trüg / Habetha, in: NJW 2008, 887 (890); Kelnhofer /  Krug, in: StV 2008, 660 (666 f.); Kauffmann, in: JA 2010, 597 (599); Spatscheck, in: FS Volk, S. 781 f. 38  So

39  Pawlik,



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nach schweizerischem oder liechtensteinischem Recht, auf welche sich die Betrachtung nicht beziehen soll, erfüllt die Weitergabe der Daten-CD an deutsche Behörden den Tatbestand des § 17 Abs. 2 Nr. 2, Abs. 4 UWG41. Die Anwendbarkeit deutschen Strafrechts ergibt sich aus § 9 Abs. 1 StGB: Erfolgsort ist der Sitz des Mitteilungsempfängers, also in jedem Fall das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland als Sitz deutscher Ermittlungsbe­ hörden42. Bei den auf der CD gespeicherten Daten handelt es sich um Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse der ausländischen Banken, nämlich um mit dem Be­ trieb in Zusammenhang stehende Tatsachen, die nicht offenkundig sind, nur einem eng begrenzten Personenkreis bekannt sind und nach dem Willen des Betriebsinhabers geheim gehalten werden sollen43. Diese Betriebs- und Ge­ schäftsgeheimnisse werden vor allem aus Eigennutz einem Dritten, nämlich den deutschen Behörden, mitgeteilt. „Aus Eigennutz handelt der Täter, der sich bei der Tathandlung von einem Streben nach einem beliebigen Vorteil leiten lässt, wenn also die Aussicht auf die Erlan­ gung irgendeines materiellen Vorteils Beweggrund seines Handelns ist“44.

Hierunter ist unproblematisch das Entgelt für den Verkauf der CD zu subsumieren. Eine Rechtfertigung dieses tatbestandsmäßigen Handelns ist nicht gegeben, der Informant handelt unbefugt i. S. d. § 17 Abs. 2 UWG: Einerseits kann sich eine Befugnis zur Übergabe der Daten-CD nicht aus dem Gesichtspunkt ergeben, dass darin eine Strafanzeige zu sehen sein könnte und jedermann ein Recht zur Strafanzeige habe45. Zwar weisen Ig­ nor und Jahn zutreffend darauf hin, dass in dem Angebot zur Übergabe der CD gegen Zahlung einer Geldsumme keine Strafanzeige i. S. d. § 158 StPO zu sehen sei, weil es hier an der dafür erforderlichen Mitteilung eines Sach­ verhalts fehle46. Man könnte aber in der Übergabe der Daten-CD selbst die Mitteilung eines Sachverhalts und damit eine Strafanzeige sehen. Im Ergeb­ nis greift dieser Gesichtspunkt dennoch nicht durch, weil man von der bloßen Möglichkeit zur Strafanzeige weder auf eine Pflicht zur Strafanzeige 41  Spatscheck, in: FS Volk, S. 779 f.; Trüg, in: StV 2011, 111 (112); a. A. Kaiser, in: NStZ 2011, 383 (388), der kein „unbefugtes“ Handeln des Informanten sieht wegen dessen Rechts zur Erstattung einer Strafanzeige (dazu sogleich). 42  Pawlik, in: JZ 2010, 693 (697) – Die Anwendbarkeit des § 9 StGB wird auch nicht durch § 17 Abs. 6 UWG i. V. m. § 5 Nr. 7 StGB ausgeschlossen, worauf Pawlik in der Fn. 67 zutreffend hinweist. 43  Trüg, in: StV 2011, 111 (111). 44  Diemer, in: Erbs / Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze, Bd. 4, § 17 UWG, Rdnr. 30. 45  Sieber, in: NJW 2008, 881 (884); Ignor / Jahn, in: JuS 2010, 390 (392); Trüg, in: StV 2011, 111 (112). 46  Ignor / Jahn, in: JuS 2010, 390 (392).

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noch auf eine Berechtigung zum Geheimnisbruch schließen kann47. Eine Rechtfertigung gemäß § 34 StGB scheitert jedenfalls am Fehlen des volun­ tativen Elements: Der Informant übergibt die CD gerade nicht, weil er dem deutschen Fiskus bei der Erhöhung seiner Steuereinnahmen helfen will, sondern aus eigenem wirtschaftlichen Interesse48. Auf eine Abwägung zwi­ schen den Interessen der ausländischen Bank und den Interessen der Bun­ desrepublik Deutschland kommt es damit gar nicht an. (2)  In der Folge stellt sich die Frage nach einer eventuellen Strafbarkeit der deutschen Ankäufer. Im Mittelpunkt der Betrachtung steht die Strafbar­ keit wegen einer Teilnahmehandlung bezogen auf § 17 Abs. 2 Nr. 2 UWG: (a)  Die Anwendbarkeit deutschen Strafrechts auf die Aufkäufer der CDs ergibt sich aus § 9 Abs. 2 Satz 1 StGB49. Vielfach wird hier von einer Beihil­ fe zur Geheimnisverwertung des ausländischen Informanten ausgegangen, weil dieser bereits zur Geheimnisverwertung entschlossen sei50. Diese Be­ trachtung ist unzutreffend: Der Informant ist vor einer verbindlichen Verein­ barung hinsichtlich seiner Entlohnung und Übergabe derselben gerade noch nicht entschlossen zur Übergabe der Daten-CD, also gerade kein omnimodo facturus51. Erst zu dem Zeitpunkt, an dem man sich einig wird und der deut­ sche Aufkäufer „grünes Licht“ gibt, ist der Informant zur Übergabe entschlos­ sen. Der endgültige Tatentschluss wird also gerade durch den deutschen Auf­ käufer hervorgerufen. Dessen Tathandlung ist die konkrete Zusage, einen gewissen Geldbetrag an den Informanten als Gegenleistung für die Übergabe der CD zu bezahlen. Erst aufgrund dieser Zusage ist dieser entschlossen, die CD zu übergeben und dadurch den Tatbestand des § 17 Abs. 2 Nr. 2 UWG zu verwirklichen, weil er ohne Bezahlung die CD gewiss nicht übergeben wür­ de. Das Verhalten des deutschen Aufkäufers ist damit als Anstiftung zur Ge­ heimnisverwertung gemäß § 17 Abs. 2 Nr. 2 UWG, § 26 StGB einzustufen52. (b) Wenn das LG Düsseldorf ausführt, dass das Handeln deutscher Er­ mittler von der allgemeinen Ermittlungsbefugnis gemäß §§ 399 Abs. 1, 404 AO i. V. m. §§ 161 Abs. 1, 163 Abs. 1 StPO gedeckt sei53, so ist dies zumin­ auch Ignor / Jahn, in: JuS 2010, 390 (392); Trüg, in: StV 2011, 111 (112). in: JuS 2010, 390 (392); Trüg, in: StV 2011, 111 (112). 49  Ignor / Jahn, in: JuS 2010, 390 (393). 50  Durst, in: PStR 2008, 134 (134); Pawlik, in: JZ 2010, 693 (699); Trüg, in: StV 2011, 111 (113); ders. / Habetha, in: NJW 2008, 887 (889); Beulke, in: Jura 2008, 653 (664); Sieber, in: NJW 2008, 881 (883); Spatscheck, in: FS Volk, S. 780. 51  So auch Ignor / Jahn, in: JuS 2010, 390 (393); Schünemann, in: NStZ 2008, 305 (308). 52  Ebenso Ignor / Jahn, in: JuS 2010, 390 (393); Schünemann, in: NStZ 2008, 305 (308); a. A. Kaiser, in: NStZ 2011, 383 (388). 53  LG Düsseldorf wistra 2011, 37 (38); so vertritt dies auch Kölbel, in: NStZ 2008, 241 (243). 47  So

48  Ignor / Jahn,



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dest unscharf formuliert. An der Erfüllung des Tatbestands ändert die allge­ meine Ermittlungsbefugnis jedenfalls nichts. Es handelt sich vielmehr um eine Frage der Rechtfertigung: Entgegen der Ansicht des LG Düsseldorf wird zu Recht vertreten, dass § 161 StPO keine ausreichende Rechtsgrund­ lage für den Ankauf der Daten darstelle54; begründet wird dies im Wesent­ lichen damit, dass durch den Ankauf der Daten in das Recht auf informa­ tionelle Selbstbestimmung gemäß Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG der Bankkunden eingegriffen werde, dies einen „intensiven“ Eingriff darstelle und schwerwiegende Grundrechtseingriffe nicht auf die Ermittlungsgeneral­ klausel des § 161 StPO gestützt werden können. Richtig ist hieran, dass § 161 StPO nur weniger intensive Grundrechtseingriffe erlaubt55. Pawlik weist zwar zu Recht darauf hin, dass der Eingriff in das Recht auf informa­ tionelle Selbstbestimmung vorliegend eher geringeres Gewicht habe56. Er begründet dies einerseits damit, dass die Daten gerade nicht den Kernbe­ reich privater Lebensgestaltung, sondern den geschäftlichen Bereich beträ­ fen, der nach der Dreistufenlehre des BVerfG erheblich geringeren Schutz genieße, zum anderen damit, dass es sich um Daten handle, die die Steuer­ pflichtigen ohnehin gemäß § 90 Abs. 2 AO hätten offenbaren müssen. Dies führt aber nicht dazu, dass der Eingriff nur so geringes Gewicht entfaltet, dass er von der Generalklausel des § 161 StPO gedeckt wird: Erstens wer­ den hier nicht steuerlich erhebliche Daten nur eines Steuerpflichtigen erwor­ ben, sondern eine ganz erhebliche Anzahl von Datensätzen. Geht es um die Rechtfertigung der Erwerbshandlung, kann man bei der Beurteilung des Eingriffs nicht die Rechte sämtlicher auf einer CD erfassten Personen ge­ trennt voneinander betrachten; schließlich wird durch eine Handlung in die Rechte von Hunderten von Bürgern eingegriffen. Außerdem mögen auch Datensätze von Steuerpflichtigen auf den Datenträgern enthalten sein, die gar keine Steuerhinterziehungen begangen haben und nicht über § 90 Abs. 2 AO auskunftspflichtig sind57, wenngleich dies bei lebensnaher Betrachtung gewiss der kleinere Teil ist. Hinzu kommt noch, dass im Rahmen des Er­ werbs eine Belohnung in exorbitanter Höhe bezahlt wird, was in der StPO nicht vorgesehen ist58. 54  Trüg, in: StV 2011, 111 (114 f.); Ignor / Jahn, in: JuS 2010, 390 (393) m. w. N.; a. A. Roth, in: Stbg. 2013, 29 (29). 55  Meyer-Goßner, StPO, § 161 Rdnr. 1. 56  Pawlik, in: JZ 2010, 693 (697). 57  Wulf, in: wistra 2010, 286 (288); ders., in: PStR 2012, 33 (35), der an dieser Stelle auch Zahlen nennt: Im Credit Suisse-Fall wurde den Behörden von dem In­ formanten eine Liste zur Verprobung übergeben, die 108 Datensätze enthielt. Nur in 86 Fällen war „von einer Steuernacherhebung auszugehen“. 58  Ähnlich Hilgers-Klautzsch, in: Kohlmann, Steuerstrafrecht, Bd.  II, §  385 Rdnr. 608.1; vgl. zu den Details dieses Gesichtspunkts auch Jahn, in: FS Stöckel, S.  272 f.

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B. Grundlagen

Sowohl von den Befürwortern als auch von den Gegnern der Anwendung des § 161 StPO wird aber ein weiterer Gesichtspunkt übersehen: Es geht vorliegend um die Frage der Rechtfertigung eines gemäß § 17 Abs. 2 Nr. 2 UWG tatbestandsmäßigen Verhaltens. § 17 UWG schützt nicht den Bank­ kunden – vorliegend den Steuerpflichtigen – vor einer Verletzung seines Geheimhaltungsinteresses, sondern den Unternehmensinhaber vor einer Verletzung seiner Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse und zugleich den Wettbewerb vor Verfälschung59. Man muss sich m. E. also zumindest auch die Frage stellen, inwieweit in Rechte der Banken eingegriffen wird. Durch die Anstiftung zur Übergabe der Daten wird das seitens des Informanten mittels Entwendung der Daten begangene Unrecht erst vertieft. In Anbe­ tracht der Tatsache, dass es sich jeweils um eine erhebliche Menge an Daten handelt und die Banken im Gegensatz zu den einzelnen Steuerpflichtigen gerade nicht zur Offenbarung der Daten verpflichtet gewesen wären, handelt es sich hier um einen intensiveren Eingriff in den Geschäftsbereich60 der Banken. Auf die Frage, ob § 161 StPO überhaupt einen – auch nur unwe­ sentlichen – Eingriff in die Rechtspositionen ausländischer Rechtsträger rechtfertigen kann, kommt es damit vorliegend nicht an, da der Eingriff ohnehin wesentlich und damit nicht über § 161 StPO zu rechtfertigen ist. Der Vollständigkeit halber sei aber darauf hingewiesen, dass dieser Ein­ griff in der gewählten Form zwar nicht von nur untergeordneter Bedeutung ist. Die Banken sind jedoch nicht nur Opfer von Straftaten geworden: Ver­ antwortliche eben dieser Banken haben vielfach auch Beihilfe zu den Steu­ erhinterziehungen deutscher Steuerpflichtiger geleistet. Nicht umsonst zah­ len dieselben Banken nun Strafzahlungen bis zu 200 Millionen Euro an den deutschen Fiskus wegen dieser Gehilfentätigkeiten ihrer Mitarbeiter61. (c)  Darüber hinaus ist die Frage zu beantworten, ob nicht eine Rechtfer­ tigung deutscher Ermittler gemäß § 34 StGB in Betracht kommt. Ob § 34 StGB überhaupt auf staatliches Handeln anwendbar ist, ist umstritten, eine Streitentscheidung aber vorliegend nicht erforderlich, da jedenfalls hier eine 59  Köhler, in: Köhler / Bornkamm, UWG, § 17 Rdnr. 2; Pawlik, in: JZ 2010, 693 (701) m. w. N. in der Fn. 108. 60  Genauer gesagt dürften die Art. 26 (Eigentumsgarantie) und Art. 27 (Wirt­ schaftsfreiheit) der Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft betrof­ fen sein (http: /  / www.admin.ch / opc / de / classified-compilation / 19995395 / 20130303 0000 / 101.pdf; vgl. im Übrigen die Ausführungen zu den parallelen Vorschriften der Art. 12 und 14 GG bei Jarass, in: Jarass / Pieroth, Art. 12 Rdnr. 14 und Art. 14 Rdnr. 9a); die Souveränität der Schweizerischen Eidgenossenschaft ist dadurch aber nicht verletzt, da gerade keine Hoheitsgewalt auf fremdem Staatsgebiet ausgeübt wurde (vgl. zu den Details dieser Voraussetzung: Coen, in: NStZ 2011, 433 [433]). 61  Http: /  / www.sueddeutsche.de / wirtschaft / kompromiss-nach-steuerhinterziehungfeilschen-um-die-strafe-1.1897588.



II. Maßnahmen zur Generierung von Steuereinnahmen 33

Anwendung des § 34 StGB ausscheidet: Nach einer Ansicht scheidet § 34 StGB nämlich gänzlich als Rechtsgrundlage für staatliches Handeln aus, nach anderer Ansicht dann, wenn es sich nicht um eine unvorhersehbare, außerordentliche Lage „bei tatsächlich bestehender Gefahr für höchste Rechtsgüter“ handle62. Bei dem Ankauf von Steuerdaten-CDs wird man zumindest zwischenzeitlich nicht mehr von einem unvorhersehbaren Ereig­ nis sprechen können. Außerdem wird man auch bei einem Kollektivrechts­ gut wie der Steuergerechtigkeit nicht von einem höchsten Rechtsgut ausge­ hen können, das ausnahmsweise eine Anwendung des § 34 StGB auf staatliches Handeln zulässt63. Auch vor dem Hintergrund, dass in der StPO die Möglichkeiten zur Beweisbeschaffung abschließend geregelt sind, schei­ det § 34 StGB als Auffangnorm zur Beweisbeschaffung aus64. (d) Als Zwischenergebnis bleibt festzuhalten, dass sich deutsche Ermitt­ ler durch den Ankauf von Steuerdaten-CDs gemäß § 17 Abs. 2 Nr. 2 UWG, § 26 StGB strafbar machen65. Daneben ist an eine Strafbarkeit wegen Be­ günstigung gemäß § 257 StGB zu denken66. Wegen § 257 Abs. 3 StGB scheidet § 17 Abs. 2 Nr. 2 UWG als Vortat aus, weil deutsche Ermittler hierzu selbst angestiftet haben. Als Vortat kommen aber die im Ausland verwirklichten Tatbestände – namentlich die Betriebsspionage – in Betracht, da deutsche Ermittler daran nicht beteiligt waren67. Außerdem ist an die Verwirklichung des § 266 StGB (Haushaltsuntreue68) zu denken, da es kei­ nen Haushaltstitel für den strafbaren Ankauf von Steuerdaten-CDs gibt und ein solcher mangels eines unvorgesehenen und unabweisbaren Bedürfnisses auch nicht ausnahmsweise entbehrlich ist69. An dieser Stelle sei wenigstens kurz erwähnt, dass zentraler Punkt bei der Frage der Verwirklichung des § 266 StGB in den Daten-CD-Fällen die Frage nach dem Vermögensnachteil ist: Schließlich werden zwar staatliche Gelder dafür aufgewendet, um die Daten-CDs zu erwerben. In der Folge werden aber auch wieder Steuerein­ nahmen in die Staatskasse gespült, sowohl durch Steuerfestsetzungen betref­ zu den Einzelheiten und zum Meinungsstand Fischer, StGB, § 34 Rdnr. 34. im Ergebnis auch Ignor / Jahn, in: JuS 2010, 390 (393); Trüg, in: StV 2011, 111 (115). 64  Bruns, in: StraFo 2008, 189 (190); Kühl, in: Lackner / Kühl, StGB, § 34 Rdnr.  14 m. w. N. 65  A. A. Roth, in: Stbg. 2013, 29 (30), der grundsätzlich gegen eine Strafbarkeit deutscher Ermittlungsbeamter argumentiert. 66  Durst, in: PStR 2008, 134 (134); Kelnhofer / Krug, in: StV 2008, 660 (662 f.); Kauffmann, in: JA 2010, 597 (597); Trüg, in: StV 2011, 111 (113 f.) m. w. N. 67  Vgl. dazu Trüg, in: StV 2011, 111 (114). 68  Zu den Voraussetzungen Fischer, StGB, § 266 Rdnr. 86 ff. 69  Vgl. zu den Einzelheiten Kelnhofer / Krug, in: StV 2008, 660 (663 f.); Trüg, in: StV 2011, 111 (114) m. w. N. 62  Vgl. 63  So

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B. Grundlagen

fend die auf den CDs gespeicherten Steuerpflichtigen, als auch ganz allge­ mein aufgrund des durch den Ankauf von Steuerdaten-CDs verursachten Ermittlungsdrucks und der damit einhergehenden Selbstanzeigenwelle. Es stellt sich also die Frage, ob der auf den ersten Blick eingetretene Schaden nicht durch die zusätzlich generierten Steuereinnahmen kompensiert wird70. Kompensationsfähig ist aber nicht jeder wirtschaftliche Vorteil, sondern nur ein solcher, der unmittelbar mit der schädigenden Handlung zusammen­ hängt71. Nach der Rechtsprechung des BGH bedeutet „unmittelbar“ aber nicht notwendig, dass der Vorteil zeitgleich eintritt, sondern, dass er ohne weitere selbständige Handlung eintritt72. Vor diesem Hintergrund bestehen Bedenken an der Unmittelbarkeit: Bei den zusätzlichen Steuereinnahmen hinsichtlich der auf der CD gespeicherten Steuerpflichtigen fehlt es m. E. an der Unmittelbarkeit, da erst aufgrund weiterer selbständiger Handlungen (Auswertung der CD, weitere Ermittlungsschritte wie z. B. Durchsuchungs­ maßnahmen, Steuerberechnungen, Steuerbescheide etc.) zusätzliche Steuer­ einnahmen generiert werden. Zwingend ist diese Annahme indes nicht, wenn man sich auf den Standpunkt stellt, dass bereits mit dem Erwerb der CD unmittelbar ein wirtschaftlicher Vorteil erlangt ist, weil der weitere Fortgang der Ermittlungen nach Erwerb der CD zwingend vorgegeben ist. Nicht umsonst wird daher zum Teil hilsweise auf einen Gefährdungsschaden abgestellt73. Im Hinblick auf die allgemeine Selbstanzeigenwelle scheint lediglich eine vage Chance auf einen ausgleichenden Vorteil zu bestehen, die nicht kompensationsfähig ist74. Ein unvermeidbarer Verbotsirrtum – wie ihn Sieber75 annimmt – scheidet wegen der Vermeidbarkeit des Irrtums aus: Aufgrund der intensiv geführten juristischen Diskussion um den Ankauf der Daten-CDs wird man jedenfalls für gegenwärtige und künftige Fälle schwerlich Unvermeidbarkeit anneh­ men können76. cc)  Somit ist die zweite Frage zu beantworten, nämlich ob die so erlang­ ten Beweismittel in einem Strafverfahren verwertbar sind. Zunächst ist festzuhalten, dass die Tatsache, dass die Daten durch Straftaten der auslän­ dischen Informanten erlangt wurden, nicht zu einem Verwertungsverbot führt. Das LG Düsseldorf hat zutreffend darauf hingewiesen, dass bei „privat-deliktisch“ beigebrachtem Datenmaterial Unverwertbarkeit nur an­ zu den Details dieses Problemkreises Fischer, StGB, § 266 Rdnr. 164 ff. StGB, § 266 Rdnr. 166. 72  BGHSt 55, 288 (305). 73  Kelnhofer / Krug, in: StV 2008, 660 (664). 74  Ähnlich Fischer, StGB, § 266 Rdnr. 167. 75  Sieber, in: NJW 2008, 881 (885). 76  Ähnlich auch Ignor / Jahn, in: JuS 2010, 390 (394). 70  Vgl.

71  Fischer,



II. Maßnahmen zur Generierung von Steuereinnahmen 35

zunehmen sei, wenn die Beweisbeschaffung durch den Privatmann – und nichts anderes ist der Informant in diesem Zusammenhang – extrem men­ schenrechtswidrig gewesen sei, die Verwertung des Materials einen eigenen und ungerechtfertigten Grundrechtseingriff darstelle oder das „privat-deliktische“ Handeln von den Ermittlungsbehörden gezielt veranlasst worden sei; keiner dieser Fälle sei gegeben77. Diese vom LG Düsseldorf zitierten Fallgruppen sind nicht im Gesetz verankert. Sie ergeben sich letztlich aus einer Diskussion um die Frage, inwieweit eine rechtswidrige Erlangung von Beweismitteln durch Private Auswirkung auf die Verwertbarkeit eben dieser Beweismittel hat. Ausgangs­ punkt dieses Problems ist die Tatsache, dass sich die Beweisvorschriften der StPO ausschließlich an die Strafverfolgungsorgane und nicht an Privatper­ sonen richten (h. M.). Das Gesetz trifft keine ausdrückliche Aussage darüber, ob solches Beweismaterial verwertbar ist. Auf der einen Seite gilt es zu berücksichtigen, dass der Staat eine Pflicht zur Gewährung eines effektiven Grundrechtsschutzes hat78. Außerdem besteht gerade im Falle erfolgloser staatlicher Ermittlungstätigkeit die Gefahr, dass diese durch private Ermitt­ lungstätigkeit ersetzt wird, welche keiner Kontrolle unterliegt. Daher wird teilweise für ein umfassendes Verwertungsverbot plädiert. Diese Lösung wäre jedoch zu einseitig. Auf der anderen Seite gilt es nämlich auch zu berücksichtigen, dass der Staat zu einer effektiven Strafrechtspflege und Strafverfolgung verpflichtet ist. Nach h. M. ist das Problem deshalb so zu lösen, dass die Frage der Verwertbarkeit nach einer Abwägung der wider­ streitenden Interessen (effektiver Grundrechtsschutz versus effektive Straf­ rechtspflege) zu beantworten ist. Die vom LG Düsseldorf zitierten Fallgrup­ pen sind Konstellationen, in denen nach h. M. das staatliche Interesse an einer effektiven Srafverfolgung zurücktreten muss79. Ausgehend von diesem Hintergrund ist m. E. die Argumentation des LG Düsseldorf in diesem Punkt gut vertretbar. Auch wenn man mit einbezieht, dass der deutsche Staat deutliche Tatanreize für ausländische Informanten schafft, indem er weitere Daten-CDs ankauft80, kann von einem gezielten Einsatz nicht die Rede sein. Die Informanten handeln eigenmächtig und eigeninitiativ. Unabhängig davon und ohne starr an dieser Fallgruppe des gezielten Einsatzes Privater zu haften, kann man sich natürlich die Frage stellen, ob im konkreten Fall das Strafverfolgungsinteresse solches Gewicht hat, dass der Eingriff in den Geschäftsbereich der Banken einer Verwertung nicht entgegensteht. Hier ist jedoch bereits fraglich, ob den deutschen Staat 77  LG

Düsseldorf wistra 2011, 37 (38) m. w. N. in: StV 2008, 660 (662). 79  Vgl. zum Ganzen Eisenberg, Beweisrecht der StPO, Rdnr. 395 ff. 80  Vgl. dazu insbesondere Pawlik, in: JZ 2010, 693 (699). 78  Kelnhofer / Krug,

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B. Grundlagen

überhaupt eine Schutzpflicht hinsichtlich der Rechte der ausländischen Ban­ ken trifft. Ungeachtet dessen bleibt aber zu bedenken, dass zwar der Eingriff in den Geschäftsbereich dieser Banken von nicht nur untergeordneter Be­ deutung ist, es aber konkret um die Frage der Verwertbarkeit in den gegen die einzelnen Steuerpflichtigen geführten Verfahren geht. Zentraler Ge­ sichtspunkt ist daher, wer das Schutzobjekt der von dem Privaten (Infor­ mant) verletzten Strafnormen ist: Dies sind vorliegend die Banken, nicht die Steuerpflichtigen, was für eine Verwertbarkeit spricht (vgl. zu den Details dieser Argumentation sogleich bei dem Parallelproblem der Verwertbarkeit wegen der von deutschen Ermittlern begangenen Straftaten). Ungeachtet dessen kommt aber ein wesentlicher Gesichtspunkt hinzu, der im Zentrum der weiteren Betrachtungen steht: Deutsche Ermittler begehen selbst Straftaten bei der Beschaffung der Daten. Dadurch ist die Beweiser­ hebung zweifellos in rechtswidriger Weise erfolgt. Ausgangspunkt der nun folgenden Überlegungen zur Frage der Verwertbarkeit der Daten ist, dass Gerichte gemäß § 244 Abs. 2 StPO zur Wahrheitserforschung verpflichtet sind. Beweisverwertungsverbote stellen lediglich eine Ausnahme von die­ sem Grundsatz dar81. Nicht jede rechtswidrige Beweismittelerlangung hat daher ein Beweisverwertungsverbot zur Folge82. Ist eine Beweiserhebung in rechtswidriger Weise erfolgt und ein Beweisverwertungsverbot – wie hier – nicht ausdrücklich im Gesetz normiert, so ist die Frage, ob ein Beweisver­ wertungsverbot besteht, nach der von der höchstrichterlichen Rechtspre­ chung entwickelten Abwägungslehre im Rahmen einer Einzelfallabwägung zwischen staatlichem Verfolgungsinteresse und Individualinteressen des Angeklagten zu beantworten83. Auf staatlicher Seite sind neben dem Verfolgungsinteresse auch fiskali­ sche Interessen und ein gewisser Ermittlungsnotstand anzuführen. Dem steht vor allem das Rechtsstaatsgebot gemäß Art. 20 Abs. 3 GG gegenüber, wonach staatliche Organe an Recht und Gesetz gebunden sind. Damit ver­ bunden ist die Frage, wie schwer die Tatsache wirkt, dass deutsche Ermitt­ ler nicht „nur“ mit Straftätern zusammenarbeiten, um andere Straftäter zu 81  Ignor / Jahn,

in: JuS 2010, 390 (394). StPO, Einl. Rdnr. 55. 83  Die Berechtigung der von der Rechtsprechung vertretenen Abwägungslehre soll hier nicht überprüft werden. Die Einzelheiten zu der Frage, wann in solchen Fällen ein Verwertungsverbot anzunehmen ist, sind heftig umstritten (einen Über­ blick zum Streitstand bietet Meyer-Goßner, StPO, Einl. Rdnr. 55a). Lediglich der Vollständigkeit halber sei darauf hingewiesen, dass die Abwägungslehre auch von einem Teil der Literatur so oder ähnlich vertreten wird, während ein großer Teil der Lehre die Frage nach dem persönlichen und sachlichen Schutzbereich der verletzten Norm in das Zentrum der Überlegungen stellt (vgl. Pawlik, in: JZ 2010, 693 [698]; Beulke, Strafprozessrecht, Rdnr. 458 m. w. N.). 82  Meyer-Goßner,



II. Maßnahmen zur Generierung von Steuereinnahmen 37

überführen, sondern darüber hinaus nach der hier vertretenen Auffassung sogar selbst zur Begehung von Straftaten anstiften. Bei der vorzunehmenden Abwägung84 ist insbesondere die Schwere des Verstoßes durch die Ermitt­ lungsbehörden von besonderer Bedeutung85. In Anbetracht des Paktierens mit Straftätern und vor allem der Begehung weiterer Straftaten durch deut­ sche Ermittlungsbehörden wird man keinesfalls von einem nur leichteren Verstoß sprechen können. Den Befürwortern eines Verwertungsverbots ist auch zuzugeben, dass nicht nur eine Verrechnung von Steuereinnahmen gegen den Verlust an Rechtsstaatlichkeit stattfinden dürfe, und dass es keine Wahrheitsermittlung um jeden Preis geben dürfe86. Auch wird zu Recht unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des BGH87 darauf hingewiesen, dass rechtsstaatswidriges Verhalten von Ermittlungsbeamten zu einem „Ansehensverlust des rechtsstaatlichen Ermittlungsverfahrens infolge schwindenden Vertrauens in die Lauterkeit seiner Organe“ führen könne88. Auf der anderen Seite ist nicht zu verkennen, dass durch den Ankauf von Steuerdaten-CDs Steuerstraftaten aufgedeckt werden, die anderenfalls un­ entdeckt geblieben wären, was aus Gründen der effektiven Strafverfolgung und aus fiskalischen Gründen zu begrüßen ist. Immer wieder war nämlich festzustellen, dass nach Bekanntwerden von erneuten Ankäufen von Steuer­ daten-CDs die Zahl der Selbstanzeigen anstieg89. Der Aspekt dieses Ermitt­ lungsnotstands betrifft natürlich auch wiederum den einzelnen Steuerpflich­ tigen, dessen Steuerstraftat aufgrund seiner kriminellen Energie vielfach nicht hätte aufgedeckt werden können. 84  Vereinzelt wird auch vertreten, dass die Begehung von Straftaten durch Ermitt­ lungsbeamte und der damit verbundene Verstoß gegen das Rechtsstaatsgebot derart schwer wiegen, dass überhaupt kein Raum für eine Abwägung sei und daher zwin­ gend von einem Verwertungsverbot auszugehen sei (so Durst, in: PStR 2008, 134 [135]; Trüg, in: StV 2011, 111 [117 f.]; ders. / Habetha, in: NJW 2008, 887 [890]; dies., in: NStZ 2008, 481 [490]; Kauffmann, in: JA 2010, 597 [599; Wendt, in: DStZ 1998, 145 [149; Junker, in: StRR 2008, 129 [132). M. E. ist diese Sichtweise aber abzulehnen. Einerseits findet sie – wie die Abwägungslehre selbst – schon keine Stütze im Gesetz und erlaubt nicht die Berücksichtigung sämtlicher Besonderheiten des Einzelfalls. Andererseits würde die gemäß § 244 Abs. 2 StPO bestehende Pflicht zur Wahrheitsermittlung zu stark und zu pauschal eingeschränkt. 85  Ignor / Jahn, in: JuS 2010, 390 (394). 86  So Ignor / Jahn, in: JuS 2010, 390 (394). 87  BGHSt 51, 285 (297). 88  Ignor / Jahn, in: JuS 2010, 390 (394). 89  Vgl. dazu auch die Presseberichterstattung: http: /  / www.ftd.de / politik / deutsch­ land / :steuerhinterziehung-steuersuender-in-panik / 70104208.html; http: /  / www.faz.net /  aktuell / wirtschaft / steuersuender-die-zahl-der-selbstanzeigen-steigt-deutlich-1185 6399.html; ergänzend sei nochmals auf die Steuermehreinnahmen seit seit dem Ankauf der ersten Steuerdaten-CD aus der Schweiz im Jahre 2010 in Höhe von ­ 3,5 Mrd. Euro hingewiesen (vgl. dazu bereits oben B.).

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B. Grundlagen

Würde man dem staatlichen Verfolgungsinteresse den Verstoß gegen das Rechtsstaatsgebot gegenüberstellen und beides gegeneinander abwägen, würde dies ohne einen weiteren Aspekt dem Kern des Problems noch nicht gerecht: Ein wesentlicher in der Abwägung zu berücksichtigender Gesichts­ punkt ist die Frage, wen die Strafnormen, gegen die deutsche Ermittler verstoßen haben, eigentlich schützen. Würde man hier zu dem Ergebnis kommen, dass gegen Strafnormen verstoßen wurde, die gerade auch den Steuerstraftäter schützen sollen, wäre die Annahme eines Verwertungsver­ bots m. E. zwingend. Der Fall liegt indes anders: § 17 UWG schützt nicht den Bankkunden vor Verletzung seines Geheimhaltungsinteresses, sondern den Unternehmensinhaber vor einer Verletzung seiner Geschäfts- und Be­ triebsgeheimnisse und zugleich den Wettbewerb vor Verfälschung90. Auch die weiteren in Betracht kommenden Delikte der Begünstigung und Untreue gemäß §§ 257, 266 StGB schützen vorliegend nicht den Steuerhinterzieher: Geschütztes Rechtsgut bei § 266 StGB ist das Vermögen des Treugebers91, hier also das des Staates. § 257 StGB schützt einerseits die Rechtspflege als Kollektivrechtsgut und zumindest nach der herrschenden Lehre auch Indivi­ dualinteressen, die sich nach der Schutzrichtung des durch die Vortat ver­ letzten Gesetzes bestimmen92. Dies wären vorliegend wiederum die Interes­ sen der durch die ausländischen Informanten geschädigten Banken. Unab­ hängig davon, ob man Individualinteressen als von § 257 StGB geschützt ansieht oder nicht, schützt die Vorschrift vorliegend jedenfalls nicht den Steuerhinterzieher. Teilweise wird auch vorgebracht, dass sich ein Verwertungsverbot aus einem Verstoß deutscher Ermittler gegen das Steuergeheimnis gemäß § 30 AO ergebe, weil es an einer Ermächtigungsgrundlage für das Vorgehen deutscher Ermittler fehle93. Diese Argumentation ist nicht nachvollziehbar: Die Handlungen, die das Steuergeheimnis verletzen, sind abschließend in § 30 Abs. 2 AO geregelt. Das Vorgehen deutscher Ermittler ist unter keine der dort genannten Alternativen zu subsumieren. Zusammenfassend geht es doch bei § 30 Abs. 2 AO immer um Fälle, in denen ein Amtsträger eine Tatsache, die unter das Steuergeheimnis fällt und die ihm in einem Verwal­ tungs- oder Strafverfahren oder einem vergleichbaren Verfahren bekannt geworden ist, – außerhalb des Verfahrens – offenbart oder verwertet. Hier ist der Fall aber umgekehrt: Es wird eine steuerlich erhebliche Tatsache in 90  Köhler, in: Köhler / Bornkamm, UWG, § 17 Rdnr. 2; Pawlik, in: JZ 2010, 693 (701) m. w. N. in der Fn. 108. 91  Fischer, StGB, § 266 Rdnr. 2. 92  Walter, in: Leipziger Kommentar, Bd. 8, § 257 Rdnr. 5, der aber selbst in Rdnr. 11 die Meinung vertritt, dass § 257 StGB ein reines Gemeinrechtsgut zugrun­ de liege. 93  Trüg, in: StV 2011, 111 (117).



II. Maßnahmen zur Generierung von Steuereinnahmen 39

ein derartiges Verfahren „eingeführt“ und nicht aus dem Verfahren heraus verwertet oder offenbart. Wenngleich dies nicht zwingend ist94, sprechen m. E. die besseren Argu­ mente für eine Verwertbarkeit der Steuerdaten-CDs: Im Kern muss man sich die Frage stellen, ob bei Berücksichtigung sämtlicher obiger Erwägungen das staatliche Strafverfolgungsinteresse und das Interesse an der Generierung von Steuereinnahmen die Verstöße gegen das Rechtsstaatsgebot überwiegen. Dies ist nach der hier vertretenen Ansicht der Fall, weil die Verstöße gegen das Rechtsstaatsgebot zwar einerseits gewiss nicht nur unerheblich sind, auf der anderen Seite aber doch abgeschwächt werden: Zu beachten ist, dass deutsche Ermittler nicht bewusst95 oder objektiv willkürlich handelten96. In Anbetracht der oben dargestellten rechtlichen Lage ist die Frage nach der Strafbarkeit deutscher Ermittler nicht leicht zu beantworten und überdies nicht unumstrit­ ten. Darüber hinaus wird deren Handeln von der Rechtsprechung gebilligt97. Außerdem enthalten die Daten auf den CDs keine Informationen, die die In­ timsphäre der Bankkunden betreffen, was dazu führt, dass der Eingriff in das Allgemeine Persönlichkeitsrecht des – einzelnen98 – Steuerhinterziehers doch relativ gering ist99. Zu guter Letzt – und dies ist m. E. der zentrale Punkt – dienen die verletzten Strafnormen gerade nicht dem Steuerhinterzieher100. Pawlik, in: JZ 2010, 693 (702). auch Ignor / Jahn, in: JuS 2010, 390 (394). 96  Ebenso Beulke, in: Jura 2008, 653 (665); wäre dies der Fall, so würde dies nach der Rechtsprechung des BVerfG zu einem Verwertungsverbot führen, wenn „grundrechtliche Sicherungen planmäßig oder systematisch außer Acht gelassen worden sind“ (BVerfGE 130, 1 [28]). 97  Vgl. dazu bereits oben B. II. 1. c) und d); vor dem Hintergrund dieser Recht­ sprechung mag sich der eine oder andere Ermittler die Frage stellen, ob er sich umgekehrt im Falle der Verweigerung des Ankaufs einer angebotenen CD nicht selbst der Gefahr einer Strafverfolgung aussetzt (zu denken wäre hier z. B. auch an den Tatbestand des § 266 StGB). 98  Dies ist der Unterschied zu den oben bei § 161 StPO angestellten Erwägungen: Bei der Beurteilung der Erwerbshandlung durch deutsche Beamte und deren Recht­ fertigung geht es um die Rechte sämtlicher auf einer CD gespeicherten Personen. Bei der Frage der Verwertbarkeit geht es um den Eingriff in die Rechtsgüter des einzelnen Steuerhinterziehers. 99  Pawlik, in: JZ 2010, 693 (697). 100  Vor diesem Hintergrund dürfte man auch bei Zugrundelegung der Schutz­ zwecklehre (vgl. dazu bereits die Fn. 83) zu einer Verwertbarkeit der Daten-CDs kommen, wenngleich natürlich nicht verkannt wird, dass es sich bei den verletzten Normen des materiellen Strafrechts nicht um Vorschriften der Beweiserhebung han­ delt; die verletzten Strafnormen sind aber dennoch die Vorschriften, deren Verlet­ zung die Rechtswidrigkeit der Beweiserhebung zur Folge hat. Stellt man grundsätz­ lich den Schutzzweck der verletzten (Erhebungs-)Norm in das Zentrum der Überle­ gungen, so ist nicht erkennbar, warum man dies als Vertreter der Schutzzwecklehre nicht auch im vorliegenden Fall hinsichtlich der verletzten Strafnormen tun sollte; 94  Ebenso

95  So

40

B. Grundlagen

Daher überwiegen nach der hier vertretenen Auffassung die staatlichen Interessen, was zu einer Verwertbarkeit der Daten-CDs führt101. Das Folge­ problem der Fernwirkung stellt sich nach der hier vertretenen Auffassung nicht und soll daher auch nicht vertieft werden102. dd) Wenn die Frage aufgeworfen wird, ob es „aus Gründen kollektiver Selbstachtung schlechterdings nicht sein sollte, dass der Staat sich dazu hergibt, Straftätern relevante Informationen abzukaufen“103, so ist die Ant­ wort eindeutig: Natürlich darf das nicht sein! Dies gilt vor allem vor dem Hintergrund, dass staatliche Organe Straftaten begehen. Auf die Verwert­ barkeit der bereits angekauften CDs hat dies nach der hier vertretenen Auffassung indes keine Auswirkung. Dennoch muss der Ankauf von Steu­ erdaten-CDs unterbunden werden, um die erforderliche Distanz zwischen Strafverfolgungsbehörden und Straftätern wieder herzustellen und das Ver­ trauen in die Lauterkeit staatlicher Organe nicht in Frage zu stellen. Der richtige Weg sollte sein, einen erweiterten (automatisierten) Informations­ austausch auf zwischenstaatlicher Basis voranzutreiben, um effektiv gegen Steuerflucht vorzugehen (dazu sogleich ausführlich B. II. 3.). Dies hätte zugleich die Lösung des von Coen104 treffend beschriebenen Konflikts zur Folge: für eine Verwertbarkeit bei Zugrundelegung (einer) Schutzzwecklehre Jäger, in: GA 2008, 473 (493), der aber nur darauf abstellt, dass die von dem ausländischen In­ formanten verletzte Strafnorm keinerlei „beweisgegenständlichen“ Schutzzweck verfolgt; gegen eine Verwertbarkeit trotz Zugrundelegung der Schutzzwecklehre Beulke, in: Jura 2008, 653 (665), der darauf hinweist, dass der Ankauf von Beweis­ mitteln nicht dem Bild der StPO entspreche und dass die Objektivität der Ermitt­ lungsbehörden gefährdet sei, weil diese wohl kaum für entlastende Beweismittel Geld bezahlen würden. Gerade wegen des zweiten Gesichtspunkts nimmt er dann zum Schutz des Beschuldigten ein Verwertungsverbot an. 101  Im Ergebnis ebenso Roth, in: Stbg. 2013, 29 (30); Kaiser, in: NStZ 2011, 383 (390); Kölbel, in: NStZ 2008, 241 (244); Göres / Kleinert, in: NJW 2008, 1353 (1359); BVerfG NStZ 2011, 103 (106); LG Düsseldorf wistra 2011, 37 (38 f.); LG Bochum NStZ 2010, 351 (352)); ähnlich Jäger, in: GA 2008, 473 (493), der nur dann ein Verwertungsverbot annehmen würde, wenn der Informant nicht von sich aus auf den BND zugekommen und „provozierend“ zum Geheimnisverrat aufgefor­ dert worden wäre; dagegen ein Verwertungsverbot bejahend Bruns, in: StraFo 2008, 189 (191); Ignor / Jahn, in: JuS 2010, 390 (395); Trüg, in: StV 2011, 111 (117); ders. / Habetha, in: NJW 2008, 887 (890); dies., in: NStZ 2008, 481 (490); Beulke, in: Jura 2008, 653 (665); Kelnhofer / Krug, in: StV 2008, 660 (667 f.); Durst, in: PStR 2008, 134 (135); Wendt, in: DStZ 1998, 145 (149); Kauffmann, in: JA 2010, 597 (598 f.); Betzinger / Rutemöller, in: ZRP 2008, 95 (96); Schauf, in: Kohlmann, Steuerstrafrecht, Bd. I, § 371 Rdnr. 230.5; Junker, in: StRR 2008, 129 (132 ff.); Schünemann, in: NStZ 2008, 305 (309); Spatscheck, in: FS Volk, S. 785. 102  Vgl. zu diesem Folgeproblem z. B. Trüg, in: StV 2011, 111 (118 f.). 103  Pawlik, in: JZ 2010, 693 (701). 104  Coen, in: NStZ 2011, 433 (436).



II. Maßnahmen zur Generierung von Steuereinnahmen 41 „(…) Moralisch mag man über die Vorgehensweise der deutschen Behörden in diesen Fällen durchaus streiten – ebenso wie man sicherlich darüber streiten kann, wie es moralisch zu bewerten ist, wenn Staaten Schwarzgelder aus dem Ausland anlocken und ihre Souveränität dabei in voller Absicht in den Dienst einer Schä­ digung ausländischer Fiskalinteressen stellen, um so bestimmte inländische Inte­ ressengruppen zu bereichern. Politisch mag jeder Staat das Verhalten des anderen als unfreundlichen Akt empfinden. (…)“

Dass auch von Seiten der Politik der Ankauf von Steuerdaten-CDs nicht kritiklos hingenommen wird, zeigt beispielhaft eine Aussage des vormaligen Bundesaußenministers Guido Westerwelle, der diese Praktiken als „unappetitlich“ bezeichnete105. 2. Steuerabkommen Deutschland – Schweiz106 Am 21.09.2011 haben Deutschland und die Schweiz ein Abkommen zur Zusammenarbeit in den Bereichen Steuern und Finanzmarkt unterzeich­ net107. Hintergrund des Abkommens war, dass die Bundesrepublik Deutsch­ land eingestehen musste, durch einseitige Maßnahmen nicht nachhaltig da­ gegen vorgehen zu können, dass deutsche Steuerpflichtige Vermögen in der Schweiz anlegen und nicht der Besteuerung unterwerfen108. a) Inhalt des Abkommens aa) Vergangenheitsbesteuerung Für die rückwirkende Besteuerung von Vermögen, das bei Schweizer Banken angelegt wurde, sah das Abkommen zwei Möglichkeiten vor: Der Steuerpflichtige konnte wählen zwischen einer anonymen und pauschalen Einmalzahlung (Art. 7 des Abkommens) und einer freiwilligen Meldung (Art. 9 des Abkommens). Interessant an dieser Wahlmöglichkeit wäre gewe­ sen, dass dem Steuerpflichtigen nur diese zwei Wege zur Verfügung gestan­ den hätten, er also zum Handeln gezwungen gewesen wäre109. Die anonyme Einmalzahlung hätte zum Erlöschen der deutschen Steuer­ ansprüche geführt (Art. 7 Abs. 6 des Abkommens), sofern nicht zum Zeit­ 105  Http: /  / www.welt.de / wirtschaft / article108660061 / Westerwelle-nennt-SteuerCD-Kauf-unappetitlich.html. 106  Vgl. zu den Details: Schauf, in: Kohlmann, Steuerstrafrecht, Bd. I, vor § 371 Rdnr.  1 ff. 107  BT-Drucks. 17 / 10059. 108  BT-Drucks. 17 / 10059, S. 1. 109  Schauf, in: Kohlmann, Steuerstrafrecht, Bd. I, vor § 371 Rdnr. 3.

42

B. Grundlagen

punkt der Unterzeichnung (21.09.2011110) des Abkommens bereits ein An­ fangsverdacht hinsichtlich nicht versteuerter Vermögenswerte in der Schweiz bestanden hätte (Art. 7 Abs. 9 lit. b des Abkommens). Im Falle des Erlö­ schens der Steueransprüche wäre eine Strafverfolgung in Deutschland nicht mehr möglich gewesen (Art. 8 des Abkommens). Im Falle der anonymen Einmalzahlung wäre die Identität des Steuerpflichtigen deutschen Behörden unbekannt geblieben. Diese Art der Rückkehr in die Steuerehrlichkeit wäre für einige Steuerpflichtige ziemlich „attraktiv“ gewesen, gerade wenn die Befürchtung bestand, dass die zugrundeliegenden Sachverhalte an die Öf­ fentlichkeit gelangen würden. Im Falle der freiwilligen Meldung (Art. 9 des Abkommens) wären per­ sönliche Daten über den Steuerpflichtigen an den deutschen Staat übermit­ telt worden. Die freiwillige Meldung hätte die Wirkung einer Selbstanzeige gemäß § 371 AO gehabt (Art. 10 Abs. 1 des Abkommens). bb) Abgeltungswirkung für die Zukunft Hinsichtlich künftiger Fälle sah das Abkommen vor, dass für Erträge, die nach dem 01.01.2013 erzielt würden, eine Abgeltungssteuer in Höhe von 26,375 % von der Schweiz an Deutschland abzuführen sei, was der in Deutschland geltenden Abgeltungssteuer zzgl. Solidaritätszuschlag entspricht (Art. 18 des Abkommens)111. b) Scheitern im Bundesrat Das Steuerabkommen zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Bundesrepublik Deutschland stellt einen völkerrechtlichen Vertrag – also eine Übereinkunft „zwischen zwei oder mehr Völkerrechtssubjek­ ten“112 – dar, auf den Art. 59 Abs. 2 Satz 1 GG anzuwenden ist, das heißt, dass das Abkommen dem parlamentarischen Zustimmungsvorbehalt unter­ liegt. Die Zustimmung des Bundesrates ist nach Art. 105 Abs. 2 und 3 GG erforderlich, da das Aufkommen aus den von dem Abkommen betroffenen Steuern gemäß Art. 106 Abs. 2, 3 und 6 GG ganz oder zum Teil den Ländern oder den Gemeinden zusteht; außerdem ist die Zustimmung des Bundesrates nach Art. 108 Abs. 5 Satz 2 GG erforderlich, da das Abkommen Verfahrens­ regelungen enthält, die sich auch an die Landesfinanzbehörden richten113. 110  Schauf,

in: Kohlmann, Steuerstrafrecht, Bd. I, vor § 371 Rdnr. 5. in: Kohlmann, Steuerstrafrecht, Bd. I, vor § 371 Rdnr. 7. 112  Jarass, in: Jarass / Pieroth, GG, Art. 59 Rdnr. 9. 113  BT-Drucks. 17 / 10059, S. 9. 111  Schauf,



II. Maßnahmen zur Generierung von Steuereinnahmen 43

Nachdem der Bundesrat erstmalig dem Gesetz zu dem Abkommen vom 21.09.2011 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweizeri­ schen Eidgenossenschaft über Zusammenarbeit in den Bereichen Steuern und Finanzmarkt in der Fassung vom 05.04.2012 am 23.11.2012 seine Zu­ stimmung verweigerte und das Gesetz in der Folge im Vermittlungsaus­ schuss behandelt wurde, verweigerte der Bundesrat dem (unveränderten) Gesetz erneut am 01.02.2013 seine Zustimmung114 mit der Konsequenz, dass das Gesetz gemäß Art. 78 GG nicht zustande gekommen und das Ab­ kommen nicht in Kraft getreten ist (Art. 43 Abs. 1 des Abkommens). Die weitere Entwicklung bleibt abzuwarten. 3. Abschaffung des Bankgeheimnisses und weitere Maßnahmen Auf dem EU-Gipfel in Brüssel am 22.05.2013 wurde beschlossen, dass zwischen den EU-Staaten ein automatisierter Datenabgleich stattfinden sol­ le, der faktisch eine Abschaffung des Bankgeheimnisses zur Folge haben und einen wesentlichen Schritt gegen die Steuerflucht ins Ausland darstellen wird. Eine rasche Umsetzung dieses Vorhabens wurde zwar zunächst von Österreich und Luxemburg verhindert, da Vertreter beider Länder der An­ sicht waren, dass zuvor entsprechende Abkommen mit den Nicht-EU-Län­ dern Schweiz, Liechtenstein, Monaco, San Marino und Andorra geschlossen werden sollen, damit keine Nachteile im Wettbewerb mit diesen Ländern entstünden. Die Verhandlungen mit diesen Staaten sollten so schnell wie möglich starten, die Umsetzung des automatisierten Datenaustauschs sollte nach dem Willen der Staats- und Regierungschefs innerhalb der EU bis Ende des Jahres 2013 erfolgen115. Diese Tendenz hin zu einem umfangreicheren und teils automatisierten Datenaustausch zur Bekämpfung von Steuerflucht ins Ausland lässt sich aber nicht nur innerhalb der EU feststellen. So wurde am 31.05.2013 ein Abkommen mit den USA unterzeichnet, das einen regelmäßigen Austausch von Daten von Finanzinstituten zwischen den USA und der Bundesrepublik Deutschland vorsieht, was eine Verkürzung von Steuern durch Einschaltung ausländischer Finanzdienstleister unmöglich machen soll116. Außerdem hat das Fürstentum Liechtenstein zwischenzeitlich signalisiert, grundsätzlich bereit zu sein, sich an einem automatisierten Datenaustausch zu beteiligen, wobei dies bislang von der Gewährung von Straffreiheit für die jeweiligen 114  Bundesrat,

Stenografischer Bericht, 906. Sitzung vom 01.02.2013, S. 20 f. zum Ganzen: http: /  / www.sueddeutsche.de / wirtschaft / gipfel-in-bruesseleuropa-schafft-das-bankgeheimnis-ab-1.1678565). 116  Http: /  / www.bundesfinanzministerium.de / Content / DE / Pressemitteilungen / Fi nanzpolitik / 2013 / 05 / 2013-05-29-PM37.html. 115  Vgl.

44

B. Grundlagen

Steuerpflichtigen abhängig gemacht wurde117. Die Schweiz zeigte ebenfalls Kompromissbereitschaft beim Datenaustausch, wobei zunächst der Aus­ tausch davon abhängig gemacht wurde, dass „die bedeutenden Finanzplätze der Welt an einem solchen Datenaustausch teilnehmen“118. Luxemburg wird ab 2015 an einem automatisierten Datenaustausch innerhalb der EU teilneh­ men, soweit dies Zinserträge von EU-Bürgern betrifft119. Bei einem Treffen der G7120 im Mai 2013 waren sich auch sämtliche Teil­ nehmer einig, den automatisierten Datenaustausch zum internationalen Stan­ dard machen zu wollen121. Auf dem G20122-Gipfel im September 2013 in Sankt Petersburg beschlossen alle G20 Staaten, untereinander einen automati­ sierten Datenaustausch einführen zu wollen123. Auf dem Gipfel wurde davon ausgegangen, dass die Details zu den Modalitäten des Datenaustauschs im Jahre 2014 bekannt gegeben werden können und der Datenaustausch selbst im Jahre 2015 beginnen wird124. In der Folge legte die OECD im Februar 2014 ihren Common Reporting Standard (CRS) für den automatischen Aus­ tausch von Finanzinformationen (AIA) vor, in dem die auszutauschenden In­ formationen in Grundzügen dargelegt wurden; bislang haben sich ca. 42 Staa­ ten, darunter die EU-Staaten, bereit erklärt, sich dem AIA zu unterwerfen125. Diese Beispiele zeigen, dass sich – wie der BGH zwischenzeitlich zu Recht annimmt126 – die internationale Zusammenarbeit und die damit in Zusammenhang stehenden Ermittlungsmethoden tatsächlich verbessern. 117  Http: /  / www.handelsblatt.com / politik / international / informationsaustauch-mit-euliechtenstein-laesst-locker / 8194108.html. 118  Http: /  / www.handelsblatt.com / politik / international / treffen-der-industrienatio nen-g7-wollen-steuerbetruegern-an-den-kragen / 8193078.html. 119  Stahl, in: KÖSDI 2013, 18578 (18579). 120  Gruppe der sieben führenden westlichen Industrienationen, zu denen die USA, Japan, Kanada, Deutschland, Frankreich, Großbritannien und Italien gehören (vgl.: http: /  / www.bundesfinanzministerium.de / Content / DE / Standardartikel / Themen / Inter nationales_Finanzmarkt / Internationale_Finanzpolitik / Informelle_Gremien_der_Zu sammenarbeit / Gruppe-G7-und-8.html?__act=renderPdf&__iDocId=168468). 121  Http: /  / www.spiegel.de / wirtschaft / soziales / g7-gipfel-wirtschaftsmaechte-wol len-steueroasen-bekaempfen-a-899279.html. 122  Vgl. zum Begriff der G 20: http: /  / www.bundesregierung.de / Content / DE / Stati scheSeiten / Breg / G8G20 / G20-uebersicht.html. 123  Http: /  / www.bundesregierung.de / Content / DE / Mitschrift / Pressekonferenzen /  2013 / 09 / 2013-09-06-statement-nach-g20.html;jsessionid=630271BC2305CABEF439 24F393A637EB.s3t1. 124  Http: /  / www.bundesregierung.de / Content / DE / _Anlagen / G8_G20 / G20-erklae rung-petersburg-annex-en.pdf?__blob=publicationFile&v=3. 125  Http: /  / www.nzz.ch / wirtschaft / wirtschafts-und-finanzportal / schritt-in-richtungsteuertransparenz-1.18242595. 126  BGHSt 55, 180 (183).



II. Maßnahmen zur Generierung von Steuereinnahmen 45

Hinzu kommt, dass die Zahl der Selbstanzeigen gegenwärtig durch ein Zusammenspiel verschiedener Aspekte immens weiter wächst: Einerseits beflügelt – wie bereits beschrieben (vgl. dazu B. I. und B. II. 1.) – der Ankauf von Steuerdaten-CDs die Bereitschaft dazu. Hinzu kommt aber, dass zahlreiche Steuerhinterzieher darauf spekuliert hatten, über das ge­ scheiterte deutsch-schweizerische Steuerabkommen den Weg in die Straf­ freiheit anonym beschreiten zu können. Einer dieser Steuerhinterzieher war scheinbar Uli Hoeneß. Die öffentliche Debatte um seine Selbstanzeige hat offensichtlich auch weitere Steuerhinterzieher dazu bewegt, Selbstanzeige zu erstatten. In der Presse wird hier teilweise von einem „Hoeneß-Effekt“ gesprochen127. Dieses Zusammenspiel führte zu einem deutlichen Anstieg der Zahl der Selbstanzeigen. So wurde bereits im ersten Halbjahr 2013 beinahe die Anzahl der Selbstanzeigen aus dem gesamten Jahr 2012 er­ reicht, was die folgende Tabelle zeigt128: Bundesland

Zahl der Selbstanzeigen

Stichtag

2012 gesamt

Baden-Württemberg

1580

15. Mai

2630

Bayern

 981

31. Mai

1038

Berlin

 285

05. Juni

 303

Brandenburg

  31

02. Mai

  16

Bremen

  58

10. Juni

  42

Hamburg

 143

31. Mai

 187

Hessen

 697

4. Juni

 492

Mecklenburg-Vorpommern

   5

31. Mai

  10

Niedersachsen

 480

10. April

1206

Nordrhein-Westfalen

1076

06. Juni

 254 (1. Hj.)

Rheinland-Pfalz

 776

10. Juni

 730

Saarland

  66

31. Mai

  62

(Fortsetzung nächste Seite) 127  Http: /  / www.spiegel.de / wirtschaft / soziales / selbstanzeigen-von-steuersuendernsteigen-stark-an-a-905088.html. 128  Http: /  / www.spiegel.de / wirtschaft / soziales / selbstanzeigen-von-steuersuendernsteigen-stark-an-a-905088.html.

46

B. Grundlagen

(Fortsetzung) Bundesland

Zahl der Selbstanzeigen

Stichtag

2012 gesamt

Sachsen

  34

31. Mai

  25 (geschätzt)

Sachsen-Anhalt

   3

31. Mai

   3

Schleswig-Holstein

 127

03. Juni

 116

Thüringen

  16

31. Mai

  13

Summe

6358

7127

Nach einer Umfrage der Süddeutschen Zeitung unter allen 16 Bundeslän­ dern hat sich die Zahl der Selbstanzeigen im Jahr 2013 im Vergleich zum Vorjahr sogar verdreifacht und erreichte eine absolute Zahl von fast 25.000129.

129  Http: /  / www.sueddeutsche.de / wirtschaft / kriterien-fuer-straffreiheit-mehr-haertegegen-steuerhinterzieher-1.1854292.

C. Die Selbstanzeige vor dem Schwarzgeldbekämpfungsgesetz (2011) I. Die Entwicklung der Selbstanzeige vor Inkrafttreten der AO 1977130 1. Die Selbstanzeige vor Einführung der Reichsabgabenordnung 1919 Auch wenn man aufgrund der gegenwärtigen Presseberichterstattung ins­ besondere nach Bekanntwerden der Selbstanzeigen von Uli Hoeneß im Frühjahr 2013 und von Alice Schwarzer im Frühjahr 2014 den Eindruck gewinnen könnte, dass es sich bei den Vorschriften zur Selbstanzeige und deren Rechtfertigung um ein neueres Problem handeln würde, so ist doch zu konstatieren, dass die Wurzeln des Rechts zur Selbstanzeige im Steuer­ strafrecht bis in das 19. Jahrhundert und weiter zurückgehen, und somit bereits eine lange Tradition haben131. a) Wurzeln des Rechts zur Selbstanzeige Im 17. und 18. Jahrhundert wurde die Schadenswiedergutmachung beim Diebstahl vor Tatentdeckung überwiegend nur strafmildernd gewertet; den­ noch fanden sich bereits damals immer wieder Bestrebungen, in diesen Konstellationen ganz von Strafe abzusehen132. Insbesondere in Österreich entstand eine Tradition, bei Vermögensdelikten in diesen Fällen gänzlich von Strafe abzusehen133, welche bis heute im österreichischen Strafgesetz­ buch verankert ist134. Vereinzelt kannten auch deutsche Partikularrechte des 19. Jahrhunderts Vorschriften für Vermögensdelikte, die Straffreiheit bei 130  BGBl. I

1976, S. 613. Selbstanzeige, Rdnr. 3. 132  Vgl. dazu ausführlich: Rüping, in: FS Müller-Dietz, S. 720 f. 133  Rüping, in: FS Müller-Dietz, S. 720 f. 134  Vgl. § 167 des österreichischen Strafgesetzbuchs (Tätige Reue), der bei Be­ trug, Untreue, Unterschlagung und zahlreichen weiteren Delikten den Weg in die Straffreiheit durch Selbstanzeige ermöglicht (vgl. http: /  / www.jusline.at / 167_Tätige_ Reue_StGB.html). 131  Stahl,

48

C. Selbstanzeige vor dem Schwarzgeldbekämpfungsgesetz (2011)

Selbstanzeige vorsahen. Als Beispiel sei hier das Strafgesetzbuch für Sach­ sen von 1855 genannt135. b) Einzelsteuergesetze der Länder Die Einzelsteuergesetze der Länder vor Einführung der Reichsabgaben­ ordnung 1919 folgten dem Grundsatz, dass unrichtige oder unvollständige Angaben in steuerlichen Erklärungen strafbar sind. Jedoch kannten sie auch Ausnahmen für den Fall, dass vor einer Anzeige oder Einleitung eines Ver­ fahrens Berichtigungen oder Ergänzungen der Erklärungen erfolgten und die verkürzten Steuern nachentrichtet wurden136. So lautete beispielsweise Art. 66 Abs. 2 BayEStG vom 19.05.1881137: „Werden (…) die unrichtigen oder unvollständigen Angaben (…) noch vor der Einleitung eines Strafverfahrens bei dem einschlägigen Rentamte berichtigt oder ergänzt, so tritt anstatt der Hinterziehungsstrafe eine Ordnungsstrafe bis zu 100 Mark ein.“

Ähnliche Vorschriften gab es z. B. in § 66 Abs. 3 PreußEStG vom 24.06. 1891 oder in Art. 73 WürttEStG vom 08.08.1903, die gleichermaßen Straf­ freiheit zur Folge hatten138. Pauschalierend lässt sich sagen, dass die Vor­ schriften in den einzelnen Ländern sich ähnelten, dass es aber eine einheit­ liche Regelung zur Selbstanzeige im Steuerstrafrecht vor Einführung der Reichsabgabenordnung 1919 nicht gab139. c) Sonderregel: § 25 Satz 1 SteuerfluchtG vom 26.07.1918140 Wegen seiner äußerst großzügigen Gewährung von Straffreiheit sei § 25 Satz 1 des Gesetzes gegen die Steuerflucht vom 26.07.1918 kurz erwähnt: „Werden die hinterzogenen Steuerbeträge (…) ab gezahlt und die geschuldete Sicherheit geleistet, bevor eine zwangsweise Beitreibung stattgefunden hat, so tritt Straffreiheit für Täter und Teilnehmer ein; (…)“

Die Besonderheit an dieser Vorschrift der Reichsgesetzgebung war, dass einzige Voraussetzung der Straffreiheit die Rückzahlung der verkürzten Steuern samt Zinsen war. Die Tat konnte also schon entdeckt gewesen und ein Ermittlungsverfahren eingeleitet worden sein, ohne dass dies der Straf­ 135  Rüping,

in: FS Müller-Dietz, S. 721. Selbstanzeige, Rdnr.  3; Rüping, in: Hübschmann / Hepp / Spitaler, AO / FGO, Bd. IX, § 371 Rdnr. 1 (m. w. N. in der Fn. 2). 137  Joecks, in: Franzen / Gast / Joecks, Steuerstrafrecht, § 371 Rdnr. 1. 138  Joecks, in: Franzen / Gast / Joecks, Steuerstrafrecht, § 371 Rdnr. 1. 139  Frees, Die steuerliche Selbstanzeige, S. 6. 140  RGBl. 1918, S. 957. 136  Stahl,



I. Entwicklung der Selbstanzeige vor Inkrafttreten der AO 197749

freiheit entgegenstand. Die Vorschrift war aber der Tatsache geschuldet, dass man der im Jahre 1918 zum Ende des Ersten Weltkriegs fortschreiten­ den Kapital- und Steuerflucht entgegenwirken musste, weshalb der Staat zu derartigen Zugeständnissen gezwungen war141. 2. § 374 RAO 1919 Mit Einführung der Reichsabgabenordnung von 1919142, die auf einen Entwurf von Enno Becker zurückging143, wurde das Rechtsinstitut der Selbstanzeige im Steuerstrafrecht reichseinheitlich in § 374 RAO normiert. a) Inhalt der Regelung aa) Gesetzeswortlaut Der Wortlaut des § 374 RAO 1919 lautete wie folgt: Wer in den Fällen der §§ 359, 367, 371 bis 373, bevor er angezeigt oder eine Untersuchung gegen ihn eingeleitet ist (§ 406 Abs. 2), unrichtige oder unvollstän­ dige Angaben bei der Steuerbehörde, ohne dazu durch eine unmittelbare Gefahr der Entdeckung veranlaßt zu sein, berichtigt oder ergänzt oder unterlassene Anga­ ben nachholt, bleibt insoweit straffrei. Sind in den Fällen der §§ 359, 371 Steuer­ verkürzungen bereits eingetreten oder Steuervorteile gewährt oder belassen, so tritt die Straffreiheit nur ein, wenn der Täter die Summe, die er schuldet, nach ihrer Festsetzung innerhalb der ihm bestimmten Frist entrichtet; das gleiche gilt im Falle des § 367. Wird die im § 97 vorgeschriebene Anzeige rechtzeitig und ordnungsgemäß erstat­ tet, so werden diejenigen, welche die dort bezeichneten Erklärungen abzugeben unterlassen oder unrichtig oder unvollständig abgegeben haben, dieserhalb nicht strafrechtlich verfolgt, es sei denn, daß vorher gegen sie Strafanzeige erstattet oder eine Untersuchung eingeleitet worden ist.

bb) Voraussetzungen und Rechtsfolge einer wirksamen Selbstanzeige nach § 374 RAO 1919 Der in Bezug genommene § 359 der RAO 1919 normierte den Grundtat­ bestand der vorsätzlichen Steuerhinterziehung. Die weiteren in Bezug ge­ 141  Frees, Die steuerliche Selbstanzeige, S. 4; vgl. dazu auch § 1 SteuerfluchtG, der sich an Reichsangehörige richtete, die ihren dauernden Aufenthalt im Deutschen Reich aufgeben wollten oder die bereits eine fremde Staatsangehörigkeit angenom­ men hatten (vgl. RGBl. 1918, S. 951). 142  RGBl. 1919, S. 2079. 143  Tipke, StuW 1990, 74 (74).

50

C. Selbstanzeige vor dem Schwarzgeldbekämpfungsgesetz (2011)

nommenen Normen der RAO 1919 hatten einige Sonderfälle – insbesonde­ re die Rechtsfolgen für fahrlässiges Handeln – zum Gegenstand, welche hier nicht weiter vertieft werden sollen. Voraussetzung für eine wirksame Selbstanzeige war damit, dass der Täter, der noch nicht angezeigt und gegen den keine Untersuchung eingeleitet war, unrichtige oder unvollständige Angaben ergänzte oder berichtigte. Bei bereits eingetretenen Steuervorteilen mussten die verkürzten Steuern zurückgezahlt werden (§ 374 Abs. 1 Satz 2 RAO 1919). Der Täter durfte nicht durch die Gefahr einer „unmittelbar drohenden Gefahr der Entdeckung“ zur Selbstanzeige veranlasst sein (§ 374 Abs. 1 Satz 1 RAO 1919). Damit wurde eine subjektive Voraussetzung aufgestellt, die später wieder aufgegeben wurde [vgl. dazu unten C. I. 5. a)]144. Voraussetzung einer wirksamen Selbstanzeige war gemäß § 374 RAO 1919 gerade nicht, dass die Tat nicht bereits entdeckt war, sondern dass der Täter subjektiv nicht durch eine Entdeckungsgefahr zur Erstattung der Selbstanzeige veranlasst worden war145. Die hier durch den Reichsgesetzgeber im Jahre 1919 aufgestellten Vo­ raussetzungen einer wirksamen Selbstanzeige wurden zwar – was noch zu zeigen sein wird – immer wieder geringfügig geändert, blieben aber vom Grundsatz her bis zum Gesetz zur Verbesserung der Bekämpfung der Geld­ wäsche und Steuerhinterziehung (Schwarzgeldbekämpfungsgesetz) vom 28.04.2011 bestehen. Weitere Sperrgründe – wie aktuell z. B. in § 371 Abs. 2 Nr. 3 AO normiert – waren nicht enthalten, wenngleich dies diskutiert wor­ den war146. Ebenso wenig waren neben der Rückerstattung verkürzter Steu­ ern bei eingetretenen Steuerverkürzungen weitere Strafzahlungen normiert, wie sie aktuell § 398a AO bei Selbstanzeigen bei Steuerverkürzungen über 50.000 € vorsieht. Rechtsfolge war Straffreiheit. b) Ergänzung durch das Gesetz über Steuernachsicht vom 03.01.1920147 Weil die Reichsabgabenordnung 1919 zahlreiche Kontrollmechanismen enthielt, die Steuerhinterziehung deutlich erschwerten, wurde als Gegenge­ wicht zu diesen ergänzend zu § 374 RAO 1919 das Gesetz über Steuernach­ sicht erlassen; für Täter, die vor Einführung der Reichsabgabenordnung 1919 Steuern verkürzt hatten, bestand die Gefahr, dass sie die von ihnen begangenen Steuerhinterziehungen wegen der erwähnten neuen Kontrollme­ 144  Westpfahl,

Die strafbefreiende Selbstanzeige im Steuerrecht, S. 3. Die steuerliche Selbstanzeige, S. 7. 146  Protokoll über die Verhandlungen der Verfassunggebenden Deutschen Natio­ nalversammlung vom 17.12.1919, S. 4139. 147  RGBl. 1920, S. 45 ff. 145  Frees,



I. Entwicklung der Selbstanzeige vor Inkrafttreten der AO 197751

chanismen nicht auf Dauer vor den Steuerbehörden würden geheim halten können148. Da aber die mit einer Selbstanzeige verbundene Rückzahlungs­ pflicht bei Verkürzungen, die sich über mehrere Jahre hinzogen, als unbil­ lige Härte für einzelne Steuerpflichtige empfunden wurde, war eine zentra­ le Regelung des neuen Gesetzes, dass bei einer Selbstanzeige die vor dem 01.04.1915 verkürzten Steuern nicht zurückgezahlt werden mussten, um Straffreiheit zu erlangen (§ 1 des Gesetzes über Steuernachsicht)149. Die Regelung galt nicht, wenn bereits ein Ermittlungsverfahren gegen den Steu­ erpflichtigen eingeleitet worden war (§ 1 Abs. 2 des Gesetzes über Steuer­ nachsicht). Die Gewährung von Straffreiheit ohne Rückzahlung der verkürz­ ten Steuern war – soweit erkennbar – ein Novum. Den Protokollen über die Verhandlungen der Verfassunggebenden Deut­ schen Nationalversammlung vom 17.12.1919150 lassen sich interessante Redebeiträge einzelner Abgeordneter zum Gesetz über Steuernachsicht ent­ nehmen, die anschaulich zeigen, dass das Rechtsinstitut der Selbstanzeige im Steuerstrafrecht schon damals ein streitbares Thema war. Aus diesem Grund werden im Folgenden Auszüge aus den Beratungen vom 17.12.1919 in wörtlicher Rede wiedergegeben: So führte der Abgeordnete Löbe aus151: „(…) Das hier vorgeschlagene, neben der Reichsabgabenordnung unseres Erach­ tens ganz unnötige Gesetz wird nun plötzlich mit steuerfiskalischen Rücksichten begründet, und auch der Herr Berichterstatter hat ja auf diese Seite der Begrün­ dung hingewiesen. Es soll geeignet sein, hartnäckige Steuersünder aus ihrem Versteck hervorzulocken und samt ihrem Beutel zum Wohle der Staatskasse noch gefügig zu machen. Wir stehen dieser Begründung mit großem Mißtrauen gegen­ über. (…) Das scheint uns die Auffassung zu bestätigen, daß dieses aus der Ini­ tia­tive des Hauses hervorgegangene Gesetz nicht um des Staates willen oder we­ nigstens nicht allein um des Staates willen, sondern daß es erlassen werden soll im Interesse von Steuersündern, die eine Schonung nicht mehr verdienen. (…) Wir sind der Meinung, daß auch hier die Konsequenz ist: gleiches Recht für alle, besonders aber gleiches Recht dem ehrlichen Steuerzahler, der es nicht verdient, daß diejenigen geschont werden, die in den vergangenen Jahren ihrer Pflicht ge­ genüber der Allgemeinheit nicht nachgekommen sind. (Beifall bei den Sozialde­ mokraten)“ 148  Vgl. zu diesem Gesichtspunkt die nachfolgend auszugsweise zitierte Diskus­ sion im Rahmen der Verfassunggebenden Nationalversammlung. 149  Vgl. zu diesem Gesichtspunkt auch den Redebeitrag des Abgeordneten Bur­ lage (Protokoll über die Verhandlungen der Verfassunggebenden Deutschen Natio­ nalversammlung vom 17.12.1919, S. 4136). 150  Protokoll über die Verhandlungen der Verfassunggebenden Deutschen Natio­ nalversammlung vom 17.12.1919, S. 4136 ff. 151  Protokoll über die Verhandlungen der Verfassunggebenden Deutschen Natio­ nalversammlung vom 17.12.1919, S. 4137.

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C. Selbstanzeige vor dem Schwarzgeldbekämpfungsgesetz (2011)

Die angesprochenen Argumente geben den Kern der widerstreitenden Interessen wieder: Fiskalische Erwägungen und die Ermöglichung der Rückkehr zur Steuerehrlichkeit als Gesetzeszweck auf der einen Seite und die Frage, ob der Steuerstraftäter durch das Gesetz über Steuernachsicht nicht übermäßig geschont wird, auf der anderen Seite. Angeblich sollen zu Beginn der Beratungen des 10. Ausschusses, der sich mit der Frage eines „Generalpardons“ zu beschäftigen hatte, weniger fiskalische Erwägungen bei den Abgeordneten im Vordergrund gestanden haben, sondern vielmehr der „Gesichtspunkt des guten Herzens“152. Letzteres darf bezweifelt werden. Auch der Abgeordnete Dr. Becker stellte fiskalische Erwägungen in den Vordergrund153: „(…) Lediglich diese fiskalische Rücksicht ist es, die uns veranlaßt, dem Gesetz zuzustimmen, so sehr wir an und für sich beklagen, daß auf diese Weise Steuer­ drückeberger, die seit Jahren zu wenig Steuern bezahlen, nun noch nachträglich einen gewissen Vorteil von ihrer seitherigen Haltung haben (Bravo! bei der Deut­ schen Volkspartei)“

Der Abgeordnete Dr. Ritter von Wolf154: „(…) Die Bayerische Regierung ist im allgemeinen auch kein Freund von Steuer­ nachsichten und war es auch früher nicht. Sie hat aber gleichwohl jetzt geglaubt, eine Ausnahme befürworten zu müssen mit Rücksicht auf eine Reihe von Beobach­ tungen, die in der letzten Zeit in Bayern zu machen waren. (…) Wenn das auch zum Teil auf andere Gründe zurückzuführen ist, so ist doch nicht zu verkennen, daß auch die Angst sehr mit daran schuld ist, demnächst wegen Steuerhinterziehung bestraft zu werden. Die Pflichtigen befinden sich jetzt in einer Gewissensnot, aus der sie sich bloß auf dem Wege der Steuernachsicht glauben heraushelfen zu können. Dabei handelt es sich nicht etwa bloß um Defraudanten großen Stils, sondern man hat die Beobachtung gerade auch bei sehr vielen kleinen Leuten gemacht, (sehr richtig! im Zentrum) die vielfach aus Unerfahrenheit bisher bei ihren Steuersassionen nicht die Genauigkeit beobachtet haben, die das Gesetz vorgeschrieben hat. (…)“

Wie eben angedeutet und oben bereits erwähnt, war ein weiterer vorge­ tragener Grund für die Gewährung von Steuernachsicht, dass mit Einfüh­ rung der Reichsabgabenordnung aufgrund diverser Mechanismen Steuerhin­ terziehung deutlich erschwert wurde. Täter, die Steuern vor Einführung der Reichsabgabenordnung verkürzt hatten, waren damit einem erhöhten Entde­ ckungsrisiko ausgesetzt. Diesen Tätern wollte man deswegen auch einen Ausweg zurück zur Steuerehrlichkeit belassen. 152  Protokoll über die Verhandlungen der Verfassunggebenden Deutschen Natio­ nalversammlung vom 17.12.1919, S. 4138. 153  Protokoll über die Verhandlungen der Verfassunggebenden Deutschen Natio­ nalversammlung vom 17.12.1919, S. 4137 f. 154  Protokoll über die Verhandlungen der Verfassunggebenden Deutschen Natio­ nalversammlung vom 17.12.1919, S. 4138.



I. Entwicklung der Selbstanzeige vor Inkrafttreten der AO 197753

Zu diesem Punkt führte der Abgeordnete Dr. Ludewig aus155: „(…) Wir haben vor allen Dingen zu berücksichtigen, daß mit dem Erlaß der Reichsabgabenordnung Steuerdrückeberger auf des allerschwerste erfaßt werden. Das müssen sie. Aber wir halten es für gut, wenn zum letzten Mal eine Appell an sie gerichtet wird und ihnen eine Gnade erwiesen wird, um Sünden, die sich überall vorfinden – ich möchte sagen: peccatur intra muros et extra; ich will es aber nicht sagen – gutzumachen. Dazu ist ihnen mit diesem Generalpardon Gele­ genheit gegeben. Wir glauben, daß, alles in allem genommen, die Annahme dieses Gesetzes einerseits zur Entlastung vieler Sünder dienen und andererseits den fis­ kalischen Interessen zugute kommen wird. (…) (Bravo! bei den Deutschen Demo­ kraten.)“

Interessant ist auch, dass man das Gesetz zunächst nur auf kleine Steuer­ hinterziehungen beschränken wollte, was aber im Ergebnis nicht geschah, weil eine Grenzziehung nicht gelang156. Hierzu der Abgeordnete Burlage157: „(…) Ich habe es in der letzten Zeit erlebt, daß in Versammlungen Vertreter klei­ ner Leute an mich herangetreten sind und gesagt haben, man möge doch gerade jetzt noch einmal den Steuerpflichtigen einen gangbaren Weg bieten, steuerehrlich zu werden. Solchem Ansuchen sind wir weiter nachgegangen und kamen dann dahin, daß ein Initiativantrag oder zunächst ein Antrag zur Reichsabgabenordnung gerechtfertigt sei, und zwar – ich betone das – haben wir diesen Antrag zunächst nur in der Beschränkung auf kleine Hinterziehungen gestellt. Wir haben unsern [sic] Antrag auf die Nichtangabe von Vermögen von nicht mehr als 10 000 Mark beschränkt und auf falsche Angaben bei der Veranlagung zur Einkommensteuer, bei denen ein Einkommen von nicht mehr als 500 Mark verhehlt worden sei. Es erwies sich dann aber, daß man in der Weise eine Scheidung zwischen kleinen Vermögen und größeren nicht durchführen könne. Man konnte eine wirklich halt­ bare Scheidelinie nicht ziehen, und so sind wir dahin gekommen, eine allgemeine Steuernachsicht zu beantragen. Wir wurden in der Meinung, daß ein solcher Antrag gerechtfertigt sei, dadurch bestärkt, daß aus allen Teilen des Deutschen Reiches Zuschriften an meine Frak­ tion gelangten, des Inhalts, jetzt sei der geeignete Augenblick gekommen, um für die Herbeiführung der Steuerehrlichkeit ein neues Mittel zu schaffen; denn gerade jetzt, wo die Reichsabgabenordnung in Kraft tritt, habe sich die Ansicht Bahn gebrochen, daß man nunmehr so scharfen Nachforschungsmitteln nach der Abga­ benordnung gegenüberstehe, daß es schwer sei, die verhehlten Vermögen und Einkommen auch in Zukunft der Kenntnis der Steuerbehörden zu entziehen. (…)“ 155  Protokoll über die Verhandlungen der Verfassunggebenden Deutschen Natio­ nalversammlung vom 17.12.1919, S. 4139. 156  Ähnliche Schwierigkeiten gab es im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens zu dem Schwarzgeldbekämpfungsgesetz, als es um die Festlegung der 50.000 €-Grenze in § 371 Abs. 2 Nr. 3 AO 2011 ging (vgl. hierzu BT-Drucks. 17 / 5067 [neu], S. 20). 157  Protokoll über die Verhandlungen der Verfassunggebenden Deutschen Natio­ nalversammlung vom 17.12.1919, S. 4139.

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C. Selbstanzeige vor dem Schwarzgeldbekämpfungsgesetz (2011)

c) Gesetzeszweck und widerstreitende Interessen Wenngleich die oben dargestellte Diskussion unter dem Tagesordnungs­ punkt „Zweite Beratung des von den Abgeordneten Trimborn und Genossen eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über Steuernachsicht“ geführt wur­ de, gibt sie doch insgesamt das Spannungsfeld der widerstreitenden Interes­ sen bei der Selbstanzeige im Steuerstrafrecht anschaulich wieder: Vorder­ gründig fiskalische Interessen neben der Ermöglichung der Rückkehr zur Steuerehrlichkeit auf der einen Seite und das Bestreben, den Straftäter nicht zu sehr verschonen zu wollen auf der anderen Seite. Als Zwischenergebnis lässt sich somit festhalten, dass es vor Einführung der Reichsabgabenordnung 1919 mit Ausnahme des oben erwähnten Geset­ zes gegen die Steuerflucht von 1918 keine reichseinheitlichen Regelungen zur Selbstanzeige gab, wenngleich man das Rechtsinstitut teilweise schon kannte und dieses insbesondere im 19. Jahrhundert schon in Einzelsteuerge­ setzen der Länder verankert war. Zielsetzung sowohl des § 374 RAO 1919 als auch des Gesetzes über Steuernachsicht war in erster Linie das Bestre­ ben, neue Steuerquellen zu erschließen158. Fiskalische Interessen standen damit im Vordergrund. Voraussetzungen einer wirksamen Selbstanzeige waren für die Fälle der Steuerhinterziehung ab Einführung des § 374 RAO 1919 die Ergänzung oder Berichtigung unrichtiger oder unvollständiger Angaben, die Rückführung der verkürzten Steuern und in subjektiver Hin­ sicht die Erstattung der Selbstanzeige nicht vor dem Hintergrund einer drohenden Tatentdeckung. Für Altfälle war der Gesetzgeber aufgrund des Gesetzes über Steuernachsicht deutlich großzügiger. 3. § 410 RAO 1931159 In der Neufassung der Reichsabgabenordnung vom 22.05.1931 wurde die Regelung des § 374 RAO 1919 sachlich unverändert in § 410 RAO 1931 übernommen160. Lediglich die Nummer des Paragraphen und die Nummern der in Bezug genommenen Paragraphen änderten sich. Hier handelte es sich aber nur um redaktionelle Änderungen.

Joecks, in: Franzen / Gast / Joecks, Steuerstrafrecht, § 371 Rdnr. 3. I 1931, S. 213. 160  Rüping, in: Hübschmann / Hepp / Spitaler, AO / FGO, Bd. IX, § 371 Rdnr. 5. 158  Ähnlich 159  RGBl.



I. Entwicklung der Selbstanzeige vor Inkrafttreten der AO 197755

4. Gesetz zur Änderung der RAO vom 04.07.1939161 Mit dem Gesetz zur Änderung der RAO vom 04.07.1939 wurde der An­ wendungsbereich auf die Vergehen des Bannbruchs (§ 401a RAO 1939) und des gewerbsmäßigen und des gewaltsamen Schmuggels (§ 401b RAO 1939) ausgedehnt. Die Vorschrift erhielt erstmals die Überschrift „Selbstanzeige“162. Im Übrigen erfuhr die Vorschrift des § 410 RAO 1939 auch bis 1949 keine wesentlichen Änderungen an den Voraussetzungen und Rechtsfolgen, die bereits durch § 374 RAO 1919 aufgestellt wurden163. 5. Änderung des § 410 RAO 1939 durch das 2. Gesetz zur vorläufigen Neuordnung von Steuern vom 20.04.1949164 a) Inhalt Durch das 2. Gesetz zur vorläufigen Neuordnung von Steuern vom 20.04.1949 wurde Abs. 1 Satz 1 des § 410 RAO 1939 neu gefasst wie folgt: Wer (…), bevor ihm die Einleitung einer Untersuchung gegen ihn durch die Steu­ erbehörde eröffnet worden ist, unrichtige oder unvollständige Angaben bei der Steuerbehörde berichtigt oder ergänzt oder unterlassene Angaben nachholt, bleibt insoweit straffrei. Sind (…) Steuerverkürzungen bereits eingetreten oder Steuer­ vorteile gewährt oder belassen, so tritt Straffreiheit nur ein, wenn der Täter die Summe, die er schuldet, nach ihrer Festsetzung innerhalb der ihm bestimmten Frist entrichtet.

Die in der Neufassung vorgenommene Änderung war seit der Einführung des § 374 RAO 1919 die Wesentlichste. Der Wirtschaftsrat als Gesetzgeber der Nachkriegszeit erleichterte dem Steuerstraftäter die Selbstanzeige, in­ dem er den Zeitpunkt, ab dem die Selbstanzeige nicht mehr wirksam mög­ lich war, deutlich nach hinten verlegte: Entscheidend war seit 1949 nicht mehr die Tatentdeckung oder die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens gegen den Beschuldigten, sondern die Bekanntgabe der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens wegen Steuerhinterziehung. Relevant war damit nur noch die subjektive Kenntnis des Steuerpflichtigen von der Einleitung der Ermittlungen165. Das subjektive negative Wirksamkeitserfordernis der Ent­ 161  RGBl.

I 1939, S. 1181. I 1939, S. 1184; Rüping, in: Hübschmann / Hepp / Spitaler, AO / FGO, Bd. IX, § 371 Rdnr. 5. 163  Schauf, in: Kohlmann, Steuerstrafrecht, Bd. I, § 371 Rdnr. 4. 164  Gesetzblatt der Verwaltung des Vereinigten Wirtschaftsgebietes, Jahrgang 1949, S. 72. 165  Rüping, in: Hübschmann / Hepp / Spitaler, AO / FGO, Bd. IX, § 371 Rdnr. 6. 162  RGBl.

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C. Selbstanzeige vor dem Schwarzgeldbekämpfungsgesetz (2011)

deckungsgefahr wurde gestrichen166. Zweck der Änderungen war die He­ bung der sinkenden Steuermoral in Nachkriegsdeutschland und damit die Erhöhung der Steuereinnahmen167. b) Kritik Die vorgenommenen Änderungen wurden vielfach kritisiert. Dies wurde vor allem damit begründet, dass der Zweck der Änderungen – die Hebung der Steuermoral – nicht erreicht wurde168. Dass die Neuregelung diesen Zweck auch gar nicht erreichen konnte, sondern vielmehr dazu führte, dass Steuerpflichtige ohne die Gefahr einer späteren Bestrafung ruhig zuwarten konnten, ihre Einkünfte zu erklären, bis eine Entdeckung unmittelbar droh­ te, zeigt die folgende Sachverhaltskonstellation: Der Täter konnte bei einer Betriebsprüfung zuwarten, bis diese abge­ schlossen war, um das Ergebnis der Betriebsprüfung als Selbstanzeige vor­ zutragen, bevor ein Ermittlungsverfahren eingeleitet war (wenngleich natür­ lich der Täter riskierte, dass die Einleitung für ihn überraschend erfolgte und ihm bekanntgegeben wurde, bevor er Selbstanzeige erstatten konnte). Dies wurde zu Recht durch das OLG Stuttgart169 so gesehen und mit dem insoweit eindeutigen Wortlaut des § 410 AO (1949) begründet. Der BGH bestätigte dies später170. 6. Neufassung des § 410 RAO durch die Novelle vom 07.12.1951171 Der Gesetzgeber reagierte auf die oben dargestellte Kritik und insbeson­ dere auf die im Urteil des OLG Stuttgart zum Ausdruck kommende Fehl­ entwicklung172 ziemlich schnell mit der erneuten Änderung des § 410 RAO durch die Novelle vom 07.12.1951, und schränkte damit die Möglichkeiten einer wirksamen Selbstanzeige deutlich ein. In der Gesetzesbegründung173 166  Westpfahl,

Die strafbefreiende Selbstanzeige im Steuerrecht, S. 5. Die strafbefreiende Selbstanzeige im Steuerrecht, S. 4; Rüping, in: Hübschmann / Hepp / Spitaler, AO / FGO, Bd. IX, § 371 Rdnr. 6; Schauf, in: Kohlmann, Steuerstrafrecht, Bd. I, § 371 Rdnr. 5. 168  Mattern, in: NJW 1951, 937 (939); Westpfahl, Die strafbefreiende Selbstan­ zeige im Steuerrecht, S. 5 f. 169  OLG Stuttgart, BB 1950, 582 (582 f.). 170  Westpfahl, Die strafbefreiende Selbstanzeige im Steuerrecht, S. 6. 171  BGBl. I 1951, S. 941. 172  Schauf, in: Kohlmann, Steuerstrafrecht, Bd. I, § 371 Rdnr. 5. 173  BT-Drucks. 1 / 2395. 167  Westpfahl,



I. Entwicklung der Selbstanzeige vor Inkrafttreten der AO 197757

wurde ausgeführt, dass das Ziel des neu gefassten § 410 RAO vom 20.04.1949 – die Hebung der Steuermoral – gänzlich verfehlt worden sei, da einzelne Steuerpflichtige länger zuwarteten, bis sie ihren steuerlichen Pflichten nachkommen, bis sie damit rechnen müssten, dass Ermittlungen gegen sie eingeleitet würden. Die gesetzliche Regelung habe damit eher das Gegenteil des bezweckten Ziels erbracht. § 410 RAO wurde daher wie folgt neu gefasst: (1) Wer (…) unrichtige oder unvollständige Angaben bei der Steuerbehörde be­ richtigt oder ergänzt oder unterlassene Angaben nachholt, bleibt insoweit straffrei. Dies gilt nicht, wenn ein Prüfer der Finanzbehörde zur steuerlichen oder steuer­ strafrechtlichen Prüfung erschienen ist oder wenn dem Täter oder seinem Vertreter die Einleitung einer steuerstrafrechtlichen Untersuchung eröffnet worden ist. (2) Straffreiheit tritt nicht ein, wenn der Täter im Zeitpunkt der Berichtigung, Ergänzung oder Nachholung wußte oder bei verständiger Würdigung der Sachlage damit rechnen mußte, daß die Tat ganz oder zum Teil bereits entdeckt war. (3)  Sind (…) Steuerverkürzungen bereits eingetreten (…), so tritt die Straffreiheit nur ein, wenn der Täter die Summe, die er schuldet, (…) entrichtet. (4)  Einleitung der steuerstrafrechtlichen Untersuchung im Sinne von Absatz 1 ist jede Maßnahme des Finanzamts (…), durch die der Entschluß, steuerstrafrechtlich gegen den Beschuldigten einzuschreiten, äußerlich erkennbar betätigt worden ist. Die Einleitung der Untersuchung ist dem Beschuldigten in dem Zeitpunkt eröff­ net, in dem ihm eine gegen ihn gerichtete Maßnahme der in Satz 1 bezeichneten Art amtlich mitgeteilt wird. (5) (…)

Erstmalig wurde damit der Sperrgrund des Erscheinens eines Betriebsprüfers beim Beschuldigten in das Gesetz aufgenommen, der bis heute in § 371 Abs. 2 Nr. 1 lit. c AO normiert ist. Dies war die Reaktion auf das oben erwähnte Urteil des OLG Stuttgart und den durch die vorherige Gesetzes­ fassung provozierten „Wettlauf mit dem Prüfer“174. Mit der negativen Voraussetzung, dass der Täter nicht ernsthaft mit einer Tatentdeckung rechnen durfte, wurden auch wieder subjektive Elemente175 in die Regelung aufgenommen176. Insgesamt ähnelte die Vorschrift des § 410 RAO 1951 sehr stark der bis zum Schwarzgeldbekämpfungsgesetz 174  Westpfahl,

Die strafbefreiende Selbstanzeige im Steuerrecht, S. 6. dem Begriff subjektive Elemente ist in diesem Zusammenhang lediglich gemeint, dass bei dem Sperrgrund der Tatentdeckung nicht nur an die rein objektive Voraussetzungen der Entdeckung der Tat angeknüpft wurde, sondern zusätzlich auch an die subjektive Voraussetzung, dass der Täter im Zeitpunkt der Erstattung der Selbstanzeige nicht wissen durfte, dass die Tat bereits entdeckt war (Abs. 2). Anders gewendet konnte eine wirksame Selbstanzeige auch nach Tatentdeckung noch wirk­ sam erstattet werden, wenn der Täter hiervon nichts wusste und auch nicht mit Entdeckung rechnen musste. 176  Westpfahl, Die strafbefreiende Selbstanzeige im Steuerrecht, S. 7. 175  Mit

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C. Selbstanzeige vor dem Schwarzgeldbekämpfungsgesetz (2011)

vom 28.04.2011 geltenden Fassung des § 371 AO (dazu sogleich C. II.). Wesentliche Änderungen wurden erst rund 60 Jahre später durch dieses Gesetz vorgenommen. 7. Weitere Änderungen In der Folge wurden allenfalls kleinere Änderungen vorgenommen177. Durch das Zweite Gesetz zur Änderung strafrechtlicher Vorschriften der Reichsabgabenordnung und anderer Gesetze (2. AOStrafÄndG) vom 12.08.1968 wurde der bislang geltende § 410 RAO in § 395 RAO nahezu unverändert übernommen und erhielt die Überschrift „Selbstanzeige bei Steuerhinterziehung“178.

II. Situation durch § 371 AO 1977179 Am 01.01.1977180 trat die neue Abgabenordnung181 in Kraft. Die Selbst­ anzeige wurde nun in § 371 AO 1977 verankert, wo sie auch heute noch geregelt ist. 1. Grundlegendes a) Wortlaut (1) Wer in den Fällen des § 370 unrichtige oder unvollständige Angaben bei der Finanzbehörde berichtigt oder ergänzt oder unterlassene Angaben nachholt, wird insoweit straffrei. (2) Straffreiheit tritt nicht ein, wenn 1. Vor der Berichtigung, Ergänzung oder Nachholung a) ein Amtsträger der Finanzbehörde zur steuerlichen Prüfung oder zur Ermittlung einer Steuerstraftat oder einer Steuerordnungswidrigkeit er­ schienen ist oder b) dem Täter oder seinem Vertreter die Einleitung des Straf- oder Bußgeld­ verfahrens wegen der Tat bekanntgegeben worden ist oder 177  Vgl. zu den Änderungen im Einzelnen: Westpfahl, Die strafbefreiende Selbst­ anzeige im Steuerrecht, S. 7 f.; Rüping, in: Hübschmann / Hepp / Spitaler, AO / FGO, Bd. IX, § 371 Rdnr. 8 f. 178  BGBl. I 1968, S. 953 f. 179  BGBl. I 1976, S. 689 f. 180  BGBl. I 1976, S. 697. 181  Diese hieß nun auch nicht mehr Reichsabgabenordnung sondern nur noch Abgabenordnung (vgl. dazu: BGBl. I 1976, S. 613).



II. Situation durch § 371 AO 197759 2. die Tat im Zeitpunkt der Berichtigung, Ergänzung oder Nachholung ganz oder zum Teil bereits entdeckt war und der Täter dies wußte oder bei ver­ ständiger Würdigung der Sachlage damit rechnen mußte. (3) Sind Steuerverkürzungen bereits eingetreten oder Steuervorteile erlangt, so tritt für einen an der Tat Beteiligten Straffreiheit nur ein, soweit er die zu seinen Gunsten hinterzogenen Steuern innerhalb der ihm bestimmten ange­ messenen Frist entrichtet. (4) Wird die in § 153 vorgesehene Anzeige rechtzeitig und ordnungsgemäß erstat­ tet, so wird ein Dritter, der die in § 153 bezeichneten Erklärungen abzugeben unterlassen oder unrichtig oder unvollständig abgegeben hat, strafrechtlich nicht verfolgt, es sei denn, daß ihm oder seinem Vertreter vorher die Einlei­ tung eines Straf- oder Bußgeldverfahrens wegen der Tat bekannt gegeben worden ist. Hat der Dritte zum eigenen Vorteil gehandelt, so gilt Absatz 3 entsprechend.

Der Wortlaut stimmte fast wörtlich mit § 354 des Entwurfs einer Abga­ benordnung 1974 überein182. Wesentliche Änderung im Vergleich zu der Vorgängerregelung des § 395 Abs. 3 RAO 1968 war die Neufassung des Abs. 3, in dem nun ausdrücklich festgelegt wurde, dass die Rückführung verkürzter Steuern auch derjenige Täter oder Teilnehmer leisten musste, der sie zu seinen eigenen Gunsten verkürzt hat, auch wenn er nicht Steu­ erschuldner war183. Als Beispiel für einen Sachverhalt, bei dem jemand eine Steuerhinterziehung zu eigenen Gunsten begeht, selbst aber nicht Steuerschuldner ist, wäre ein Geschäftsführer einer GmbH zu nennen, der zugleich alleiniger Gesellschafter der GmbH ist. Hier kommen, vereinfacht ausgedrückt, sämtliche Steuern, die die GmbH nicht bezahlt, letztlich dem Gesellschafter-Geschäftsführer zugute, sei es durch Entnahmen oder durch Steigerung des Unternehmenswerts durch Erhöhung des Betriebsvermö­ gens. Die Neufassung wurde damit begründet, dass bislang durch § 395 Abs. 3 RAO zur Erlangung von Straffreiheit die Rückführung verkürzter Steuern nur dem Täter auferlegt wurde, der auch Steuerschuldner war; dies sei in Fällen unbillig, in denen der Täter zwar nicht Schuldner der ver­ kürzten Steuer ist, die Steuern aber zu seinen eigenen Gunsten verkürzt wurden184. Das BayObLG interpretierte das Gesetz dagegen anders: Es ur­ teilte nämlich, dass es aufgrund der Vorgängerregelung zur Begründung einer Nachzahlungspflicht ausreichend sein solle, wenn der Täter, der Selbstanzeige erstattet, zwar nicht Steuerschuldner sei, aber kraft Haftungs­ 182  BT-Drucks. 6 / 1982, S. 80; Schauf, in: Kohlmann, Steuerstrafrecht, Bd.  I, § 371 Rdnr. 7. 183  Schauf, in: Kohlmann, Steuerstrafrecht, Bd. I, § 371 Rdnr. 7, 89. 184  Vgl. zum Ganzen: BT-Drucks. 6 / 1982, S. 195; dort ist das m. E. wenig an­ schauliche Beispiel des Diebes genannt, der in einem Fabrikationsbetrieb stiehlt, was nach der Vorgängerregelung zu unbefriedigenden Ergebnissen geführt haben soll, weil ja Steuerschuldner der verkürzten Verbrauchssteuer nur der Fabrikant sei.

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C. Selbstanzeige vor dem Schwarzgeldbekämpfungsgesetz (2011)

bescheids185 in Anspruch genommen werde186. Diese Ansicht war nicht unumstritten, so dass die Neuregelung hier sicherstellen sollte, dass derje­ nige, der den wirtschaftlichen Vorteil aus der Tat zieht, auch die Steuern nachentrichten muss unabhängig davon, ob er Steuerschuldner ist187. Die Vorschrift des § 371 AO blieb in der oben zitierten Form bis in das Jahr 2011 unverändert. Im Folgenden sollen Rechtsnatur, Sinn und Zweck sowie die einzelnen Absätze des § 371 AO 1977 und deren Regelungsgehalt detailliert darge­ stellt werden. Dies geschieht einerseits schon deswegen, weil die Vorschrift rund 34 Jahre geltendes Recht war, andererseits deswegen, weil ein Großteil des Regelungsgehalts des § 371 AO 1977 – teils wörtlich – in die heute gültige Fassung übernommen wurde188. Ein weiterer wichtiger Grund für die detaillierte Darstellung des heute nicht mehr geltenden § 371 AO 1977 ist die Tatsache, dass zu dieser Vorschrift eine wichtige Entscheidung des BGH im Jahr 2010 ergangen ist189, die für die Auslegung der Vorschrift und die Selbstanzeige im Steuerstrafrecht insgesamt wesentliche Bedeutung hat und die aktuell geltende Fassung des § 371 AO stark geprägt hat. Außerdem kommt hinzu, dass die unter § 371 AO 1977 geltende Rechtslage – hier 185  Ein Haftungsbescheid ergeht gegen den Haftungsschuldner (§ 191 Abs. 1 Satz 1 AO). Zum besseren Verständnis sei hier auf den Unterschied zwischen Haf­ tungsschuldner und Steuerschuldner im Steuerrecht hingewiesen: Wie sich aus § 33 Abs. 1 AO ergibt, ist der Oberbegriff für Steuerschuldner und Haftungsschuldner der des Steuerpflichtigen. Steuerschuldner ist, „wer die in den einzelnen Steuergesetzen geregelten subjektiven und objektiven Voraussetzungen der Besteuerung in seiner Person verwirklicht“ (z. B. im Rahmen der Körperschaftsteuer die in § 1 KStG ge­ nannten juristischen Personen, also vor allem die AG und die GmbH; vgl. Rüsken, in: Klein, AO, 11. Aufl., § 33 Rdnr. 16, 18); Haftungsschuldner ist dagegen, wer „für eine fremde Steuerschuld mit seinem eigenen Vermögen einzustehen hat“; für wel­ che Konstellationen dies insbesondere gilt, regeln die §§ 69–76 AO; vgl. Rüsken, in: Klein, AO, 11. Aufl., § 33 Rdnr. 26). Hervorzuheben sind hier die Haftung des GmbH-Geschäftsführers für die Steuerverbindlichkeiten der GmbH bei Verletzung seiner steuerlichen Pflichten für die GmbH (§§ 34, 69 AO), und die Haftung des Steuerhinterziehers gemäß § 71 AO (z. B. Gehilfen einer Steuerhinterziehung in Ge­ stalt eines Angestellten oder eines Steuerberaters; vgl. Rüsken, in: Klein, AO, 11. Aufl., § 71 Rdnr. 3). 186  BayObLGSt 1972, 105 (108); im Ergebnis a.  A. Lohmeyer, in: DStR 1970, 558 (558). 187  Schauf, in: Kohlmann, Steuerstrafrecht, Bd. I, § 371 Rdnr. 89 m. w. N. zum damals bestehenden Streitstand. 188  Aus diesem Grund sind die folgenden Ausführungen im Präsens gehalten, um den Eindruck zu vermeiden, dass die Regelungen des § 371 AO 1977 überhaupt nicht mehr gelten. Im Rahmen der Ausführungen zu den Neuregelungen nach dem Schwarzgeldbekämpfungsgesetz (D.) wird dann nur noch auf die Änderungen eingegangen, um unnötige Wiederholungen zu vermeiden. 189  BGHSt 55, 180.



II. Situation durch § 371 AO 197761

insbesondere die Möglichkeit der Erstattung von Teilselbstanzeigen [vgl. dazu später C. II. 3. a) bb) (2)]. – für Altfälle gemäß Art. 97 § 24 EGAO fortgilt (zu dieser Vorschrift D. V.). b) Rechtsnatur und Wirkung aa) Rechtsnatur: Persönlicher Strafaufhebungsgrund In § 371 Abs. 1, Abs. 3 AO ist ein persönlicher Strafaufhebungsgrund normiert190. Dies hat zur Folge, dass die Strafbarkeit des Steuerstraftäters nachträglich entfällt, obwohl eine tatbestandsmäßige, rechtswidrige und schuldhafte Tat vorliegt191. Im Gegensatz zu Strafausschließungsgründen, bei denen zwar auch die Strafbarkeit trotz tatbestandsmäßigen, rechtswidri­ gen und schuldhaften Handelns entfällt, treten die Voraussetzungen bei ei­ nem Strafaufhebungsgrund erst nach der Tat ein192. Grundsätzlich ist im Fall einer Selbstanzeige ein Ermittlungsverfahren einzuleiten, in dessen Rahmen die Wirksamkeit der Selbstanzeige überprüft wird193. Liegen die positiven Voraussetzungen des § 371 AO und keine Sperrgründe vor, so ist das Ermittlungsverfahren gemäß § 170 Abs. 2 StPO einzustellen; ist bereits Anklage erhoben, so ist die Eröffnung des Haupt­ verfahrens gemäß § 205 StPO abzulehnen; hat bereits eine Hauptverhand­ lung stattgefunden, so ist der Angeklagte gemäß § 267 Abs. 5 StPO freizu­ sprechen194. Letzteres wird in der Regel nur dann der Fall sein, wenn das Tatgericht die Wirksamkeit abweichend vom Zwischenverfahren beurteilt. Als persönlicher Strafaufhebungsgrund wirkt die Selbstanzeige nur für den Tatbeteiligten, der sie wirksam erklärt195. bb) Verhältnis zum Rücktritt Zwischen dem Rücktritt gemäß § 24 StGB und der Selbstanzeige gemäß § 371 AO bestehen Ähnlichkeiten und Parallelen: In beiden Vorschriften ist jeweils ein persönlicher Strafaufhebungsgrund normiert196. Zudem ist in 190  Jäger,

in: Klein, AO, 11. Aufl., § 371 Rdnr. 1. StGB, vor § 32 Rdnr. 17; Lenckner / Sternberg-Lieben, in: Schönke /  Schröder, StGB, vor § 32 Rdnr. 133. 192  Fischer, StGB, vor § 32 Rdnr. 17. 193  Jäger, in: Klein, AO, 11. Aufl., § 371 Rdnr. 36. 194  Wessing, in: Flore / Tsambikakis, Steuerstrafrecht, § 371 (n. F.) Rdnr. 185 f. 195  Rüping, in: Hübschmann / Hepp / Spitaler, AO / FGO, Bd. IX, § 371 Rdnr. 29. 196  Für die Selbstanzeige vgl. bereits oben C. II. 1. b) aa); für den Rücktritt: Lenckner / Sternberg-Lieben, in: Schönke / Schröder, StGB, vor § 32 Rdnr. 133. 191  Fischer,

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C. Selbstanzeige vor dem Schwarzgeldbekämpfungsgesetz (2011)

beiden Fällen zumindest ein Teil des Handlungsunrechts bereits verwirk­ licht, wobei der Täter, der „dem entgegenwirkt, was er bereits getan hat“, straffrei bleibt. Beschäftigt man sich das erste Mal mit der Selbstanzeige im Steuerstrafrecht, denkt man unweigerlich sofort auch an § 24 StGB. Auf der anderen Seite bestehen aber auch deutliche Unterschiede zwischen beiden Rechtsinstituten. Die wichtigsten Unterschiede sind Folgende: – Ein Rücktritt gemäß § 24 StGB ist nur vom Versuch, also vor Vollendung der Tat, möglich, während eine wirksame Selbstanzeige sogar noch Jahre nach Vollendung oder gar Beendigung der Tat möglich ist197. – Die Selbstanzeige gemäß § 371 AO verlangt eine Mitteilung gegenüber dem Finanzamt oder einer anderen zur Entgegennahme zuständigen Stel­ le198, der Rücktritt verlangt dies nicht. – Die Voraussetzungen des § 24 StGB zur Erlangung von Straffreiheit sind nicht nur im Hinblick auf den Zeitpunkt deutlich strenger als bei § 371 AO, sondern auch in subjektiver Hinsicht: Voraussetzung für einen wirk­ samen Rücktritt ist freiwilliges Handeln des Täters199. Freiwilliges Han­ deln des Steuerstraftäters ist keine Voraussetzung einer wirksamen Selbst­ anzeige200. Letzteres führt bei der Prüfung der Selbstanzeige offenkundig zu mehr Rechtssicherheit, auf der anderen Seite aber auch dazu, dass derjenige, der aus reiner Angst vor Entdeckung eine Selbstanzeige erstat­ tet, dies wirksam tun kann201. Eine Selbstanzeige ist auch bei versuchter Steuerhinterziehung möglich202. Dies ergibt sich bereits aus dem Wortlaut des § 371 AO. Rücktritt und Selbst­ anzeige stehen selbständig nebeneinander203. Trotz identischer Rechtsfolge 197  Rolletschke,

Steuerstrafrecht, Rdnr. 547. in: Franzen / Gast / Joecks, Steuerstrafrecht, § 371 Rdnr. 88 ff. 199  Fischer, StGB, § 24 Rdnr. 18. 200  Joecks, in: Franzen / Gast / Joecks, Steuerstrafrecht, § 371 Rdnr. 232; Schauf, in: Kohlmann, Steuerstrafrecht, Bd. I, § 371 Rdnr. 13; Rüping, in: Hübschmann / Hepp / Spitaler, AO / FGO, Bd. IX, § 371 Rdnr. 225. 201  Vgl. dazu ausführlich: Schauf, in: Kohlmann, Steuerstrafrecht, Bd. I, § 371 Rdnr.  13 ff.; Schauf weist auch auf die früher vertretene Mindermeinung hin, wonach freiwilliges Handeln ungeschriebene Voraussetzung einer wirksamen Selbstanzeige sein sollte. Zu Recht wird darauf hingewiesen, dass eine derartige Sichtweise nicht mit dem Wortlaut des § 371 AO in Einklang zu bringen sei und zudem gegen Art 103 Abs. 2 GG verstoße. 202  Joecks, in: Franzen / Gast / Joecks, Steuerstrafrecht, § 371 Rdnr. 232. 203  BGHSt 37, 340 (345 f.); Helml, Die Reform der Selbstanzeige im Steuerstraf­ recht, S. 31; Rüping, in: Hübschmann / Hepp / Spitaler, AO / FGO, Bd. IX, § 371 Rdnr. 226; Rolletschke, Steuerstrafrecht, Rdnr. 549; Joecks, in: Franzen / Gast / Joecks, Steuerstrafrecht, § 371 Rdnr. 232; Jäger, in: Klein, AO, 11. Aufl., § 371 Rdnr. 5; Wessing, in: Flore / Tsambikakis, Steuerstrafrecht, § 371 (n. F.) Rdnr. 209; a. A. die 198  Joecks,



II. Situation durch § 371 AO 197763

ist das Verhältnis beider Rechtsinstitute zueinander nicht nur von theoreti­ scher Bedeutung, was folgende Konstellation204 zeigt: Der Täter, in dessen Räumlichkeiten gerade eine Betriebsprüfung stattfindet, ersetzt freiwillig ei­ ne unrichtige Steuererklärung durch eine richtige, obwohl er nicht davon aus­ geht, dass der Betriebsprüfer die unrichtigen Angaben entdecken würde. Hier scheidet eine Selbstanzeige wegen § 371 Abs. 2 Nr. 1 lit. a AO aus. Es kommt darauf an, ob § 24 StGB neben § 371 AO Anwendung findet. Bereits die aufgeführten deutlichen Unterschiede zwischen beiden Rege­ lungen zeigen, dass § 371 AO nicht lex specialis im Verhältnis zu § 24 StGB ist, sondern eine gänzlich andere Regelung mit teils anderem Rege­ lungszweck. Käme man hier zu einer Verdrängung des § 24 StGB, würde dies der Überlegung zuwiderlaufen, dass § 371 AO allgemeine Straffrei­ heitsvorschriften nicht einschränken, sondern erweitern soll205. Das Gegen­ teil wäre der Fall, was zugleich dem fiskalischen Zweck des § 371 wider­ sprechen würde. In der beschriebenen Konstellation wäre daher ein Rücktritt gemäß § 24 StGB möglich. c) Sinn und Zweck der Vorschrift Die Vorschriften zur Selbstanzeige haben mehrere Zielsetzungen, die wesentliche Bedeutung für die Auslegung der einzelnen Tatbestandsmerk­ male haben. Im Einzelnen gilt Folgendes: aa) Fiskalischer Zweck (1) Allgemeines Seit jeher ist Leitmotiv der Vorschriften zur Selbstanzeige die Generie­ rung zusätzlicher Steuereinnahmen durch Aufdeckung bislang nicht bekann­ ter Steuerquellen206. Dies wurde in der Vergangenheit auch von Rechtspre­ chung207 und Vertretern aus der Literatur208 so oder ähnlich gesehen, frühere Rspr.: BGH BStBl. I 1957, 122 (123); weitere Nachweise bei: Rüping, in: Hübschmann / Hepp / Spitaler, AO / FGO, Bd. IX, § 371 Rdnr. 225 in der Fn. 1. 204  Bsp. wie: Jäger, in: Klein, AO, 11. Aufl., § 371 Rdnr. 5. 205  Joecks, in: Franzen / Gast / Joecks, Steuerstrafrecht, § 371 Rdnr. 232. 206  Frees, Die steuerliche Selbstanzeige, S. 39. 207  RGSt 57, 313 (315); BayObLGSt 1972, 105 (108): Das BayObLG führt hier mit Hinweis auf BGHSt 12, 100 (101) sogar aus, dass die „Rechtswohltat der Selbstanzeige“ nach der AO ihre „Aufgabe und Rechtfertigung allein in dem Bestre­ ben des Staates habe, tunlichst in den Besitz aller ihm geschuldeten Steuern zu gelangen, derer er bedarf, um seine Aufgaben zu erfüllen“; die Ausführungen des

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C. Selbstanzeige vor dem Schwarzgeldbekämpfungsgesetz (2011)

wenngleich die Gesetzesmaterialien großteils Ausführungen zum Motiv des Gesetzgebers vermissen lassen209. Aufschluss geben lediglich die Verhand­ lungen der Verfassunggebenden Deutschen Nationalversammlung über das Gesetz über Steuernachsicht im Jahre 1919 [dazu bereits oben C. I. 2. b)], welche aus diesem Grunde oben teils wörtlich wiedergegeben wurden. Hier ergab sich jedenfalls eindeutig, dass fiskalische Erwägungen beim Gesetz über Steuernachsicht im Vordergrund standen. In der Gesetzesbegründung zu § 410 RAO 1951 ist die Hebung der Steuermoral als Gesetzeszweck genannt210. Erst später in der Gesetzesbegründung zum Schwarzgeldbe­ kämpfungsgesetz (2011) nennt der Gesetzgeber ausdrücklich fiskalische Beweggründe zur Generierung von weiteren Steuereinnahmen neben dem Bau einer Brücke in die Steuerehrlichkeit für den Steuerstraftäter211. 208

Dass der fiskalische Zweck durch Erhöhung der Steuereinnahmen tat­ sächlich erreicht werde, wird teilweise bezweifelt: So spricht Kummer212 von einem „Pseudooptimismus des Gesetzgebers“, wenn dieser glaube, dass durch die Selbstanzeige die Steuerehrlichkeit und das Steueraufkommen erhöht würden. Reuige Sünder seien selten. Der Täter erstatte Selbstanzeige nicht, weil er wieder steuerehrlich werden oder dem Fiskus zu mehr Ein­ nahmen verhelfen wolle, sondern wenn ihm Tatentdeckung drohe. Wenn­ gleich es richtig sein mag, dass überwiegend Selbstanzeigen aus Furcht vor Entdeckung erstattet werden, so greift diese einseitige Sichtweise zu kurz: BGH zum Gesetzeszweck sind nicht einheitlich; so wird teilweise ausgeführt, dass die Generierung weiterer Steuereinnahmen der alleinige Zweck der Vorschriften zur Selbstanzeige sei (so BGHSt 29, 37 [40]; BGHSt 35, 36 [37]; BGHSt 37, 340 [346]; BGH NJW 1974, 2293 [2293]), teilweise wurde zusätzlich auf die Erleichterung der Rückkehr in die Steuerehrlichkeit hingewiesen (so BGHSt 12, 100 [101]; BGHSt 3, 373, [375]); der BGH sah aber in den beiden zitierten Entscheidungen die Erleich­ terung der Rückkehr in die Steuerehrlichkeit nur als Mittel zur Erreichung des fis­ kalischen Zwecks an; in BGHSt 55, 180 (182) führt der BGH dagegen aus: „Allein fiskalische Interessen an der Entrichtung hinterzogener Steuern können diese Pri­ vilegierung aber schwerlich rechtfertigen. Hinzukommen muss die Rückkehr zur Steuer­ehrlichkeit; diese soll honoriert werden“. 208  Blumers, in: wistra 1985, 85 (85, 87); Westpfahl, Die strafbefreiende Selbst­ anzeige im Steuerrecht, S. 26; Bilsdorfer, in: wistra 1984, 93 (93); ders., in: BB 1982, 670 (673); Jäger, in: Klein: AO, 10. Aufl., § 371 Rdnr. 4; Webel, in: Schwarz, AO, Bd. 4, § 371 Rdnr. 3a; Wessing, in: Flore / Tsambikakis, Steuerstrafrecht, § 371 (n. F.) Rdnr.  12; Schauf, in: Kohlmann, Steuerstrafrecht, Bd. I, § 371 Rdnr. 11 m. w. N. 209  Frees, Die steuerliche Selbstanzeige, S. 32; Helml, Die Reform der Selbstan­ zeige im Steuerstrafrecht, S. 31. 210  BT-Drucks. 1 / 2395, S. 2. 211  BT-Drucks. 17 / 4182, S. 4. 212  Kummer, in: Wabnitz / Janovsky, Handbuch des Wirtschafts- und Steuerstraf­ rechts, 18. Kapitel Rdnr. 128 f.; ähnlich kritisch Tiedemann, in: JR 1975, 385 (387).



II. Situation durch § 371 AO 197765

Auch wenn für zahlreiche Selbstanzeigen die Angst vor Entdeckung aus­ schlaggebend ist, so heißt dies umgekehrt ja nicht, dass diese Steuerstraf­ taten auch tatsächlich entdeckt worden wären. Denn nur dann würde das Steueraufkommen unter dem Strich tatsächlich nicht erhöht werden. (2) Ermittlungsnotstand des Staates Teilweise wird auch ein mit dem fiskalischen korrespondierendes krimi­ nalpolitisches Interesse an der Aufklärung von Steuerstraftaten angeführt; hier bestehe ein Ermittlungsnotstand seitens der Ermittlungsbehörden, der auch dadurch begründet sei, dass Steuerstraftaten besonders schwer ermit­ telbar seien, weil es insbesondere an einem geschädigten Anzeigeerstatter fehle213. Es mag zutreffen, dass Steuerstraftaten – insbesondere in den Fällen, in denen „Schwarzgeld“ im Ausland der Besteuerung entzogen wird – teilwei­ se schwer zu ermitteln sind214. Fraglich ist allerdings, ob hier ein Interesse des Staates an einer Aufdeckung aus kriminalpolitischen Erwägungen im Vordergrund steht: Rechtsfolge einer wirksamen Selbstanzeige ist Straffrei­ heit. Weshalb also sollte der Staat ein Interesse an der Aufdeckung einer Straftat haben, die letztendlich ohnehin nicht bestraft wird? Daher ist der beschriebene Ermittlungsnotstand ein Gesichtspunkt des staatlichen Interes­ ses, weitere Steuereinnahmen zu generieren. Das Strafverfolgungsinteresse rückt hier zumindest in den Hintergrund. bb) Honorierung und Erleichterung der Rückkehr in die Steuerehrlichkeit Wenngleich verschiedentlich geäußert wurde, dass die Generierung zu­ sätzlicher Steuereinnahmen der alleinige Zweck der Vorschriften zur Selbst­ anzeige sei215, so ist dies letztlich nicht der Fall: Überwiegend wird richti­ gerweise davon ausgegangen, dass zumindest auch die Rückkehr des Steu­ erstraftäters in die Steuerehrlichkeit erleichtert werden soll216. Nicht zu übersehen ist freilich, dass die Schaffung eines Anreizes zur Rückkehr in 213  Schauf,

in: Kohlmann, Steuerstrafrecht, Bd. I, § 371 Rdnr. 18. beispielhaft auch Blumers, in: wistra 1985, 85 (87), der auf „die sehr ungünstige Beweissituation des Fiskus“ hinweist. 215  BayObLGSt 1972, 105 (108); BayObLGSt 1985, 18 (19); BGHSt 29, 37 (40); BGHSt 35, 36 (37); BGHSt 37, 340 (346); BGH NJW 1974, 2293 (2293); Bilsdorfer, in: wistra 1984, 93 (93); ders., in: BB 1982, 670 (673); Westpfahl, Die strafbe­ freiende Selbstanzeige im Steuerrecht, S. 26; Blumers, in: wistra 1985, 85 (85, 87). 216  Joecks, in: Franzen / Gast / Joecks, Steuerstrafrecht, § 371 Rdnr. 19 m. w. N. 214  Vgl.

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C. Selbstanzeige vor dem Schwarzgeldbekämpfungsgesetz (2011)

die Steuerehrlichkeit auch wieder eine starke fiskalpolitische Komponente hat: Wer in die Steuerehrlichkeit zurückkehrt, zahlt in Zukunft auch wieder mehr Steuern217. Letztgenannter Gesetzeszweck hatte zunächst neben dem Fiskalischen eine untergeordnete Bedeutung218. In jüngerer Vergangenheit ist aber zu beobachten, dass der Aspekt der Rückkehr in die Steuerehrlichkeit zuneh­ mend in den Vordergrund gerückt wird219. Der BGH begründet dies damit, dass der fiskalische Zweck zunehmend an Bedeutung verliere, weil sowohl die Ermittlungsmethoden als auch die internationale Zusammenarbeit immer besser würden220. Diese Argumentation vermag nur soweit zu überzeugen, als man davon ausgeht, dass die fiskalischen Interessen immer noch eine wesentliche Rolle spielen. Dies muss schon deswegen gelten, weil immer wieder Konstellationen auftreten werden, in denen der Staat ohne eine Selbstanzeige bislang nicht bekannte Steuerquellen nicht wird aufdecken können221. Auch der Gesetzgeber selbst geht in der Gesetzesbegründung zum Schwarzgeldbekämpfungsgesetz (2011), welches die Vorschriften zur 217  Ähnlich Beckemper / Schmitz / Wegner / Wulf, in: wistra 2011, 281 (281); ähnlich auch Helml, Die Reform der Selbstanzeige im Steuerstrafrecht, S. 47, die ausführt, dass man die Selbstanzeige am besten dadurch erklären könne, „wenn man diese mit fiskal- und kriminalpolitischen Ansätzen (gemeint ist hiermit die von der Selbstan­ zeige ausgehende Anreizwirkung, vgl. Helml, Die Reform der Selbstanzeige im Steuerstrafrecht, S. 35; Anmerkung des Verfassers) rechtfertigt, welche man unter den Deckmantel des dem Rücktritt immanenten Opferschutz [sic] stellt.“ Im Rahmen des Opferschutzes kann es bei der Steuerhinterziehung aber nur darum gehen, dem Fiskus die ihm zustehenden Steuereinnahmen zukommen zu lassen; es geht also wieder um fiskalische Gesichtspunkte; differenzierend Breyer, Der Inhalt der straf­ befreienden Selbstanzeige, S. 155 und 138, der zwar die von dem Rechtsinstitut der Selbstanzeige ausgehende Anreizwirkung als Hauptzweck sieht, der zur Wiedergut­ machung führen solle, welche er aber vor allem in der Berichtigung und Nachholung von Angaben sieht; die Nachentrichtung von Steuern versteht er auch lediglich als Rückgängigmachung der Folgen der Tat durch „Abschöpfung des wirtschaftlichen Vorteils“, nicht aber als einen fiskalischen Erfolg; er weist auf eine „strafrechtliche Orientierung“ des Rechtsinstituts hin. 218  Ähnlich Schauf, in: Kohlmann, Steuerstrafrecht, Bd. I, § 371 Rdnr. 22 f. 219  BGHSt 55, 180 (183); Webel, in: Schwarz, AO, Bd. 4, § 371 Rdnr. 3b; Joecks, in: Franzen / Gast / Joecks, Steuerstrafrecht, § 371 Rdnr. 22. 220  BGHSt 55, 180 (183). 221  Zur Verdeutlichung folgendes Beispiel: Weil die Anlage von „Schwarzgeld“ in der Schweiz zunehmend risikoreicher für deutsche Steuerpflichtige wurde, konn­ ten Geldtransfers aus der Schweiz nach Asien, hier insbesondere nach Singapur, festgestellt werden (vgl. dazu: http: /  / www.sueddeutsche.de / wirtschaft / daten-cdsvon-schweizer-grossbank-steuerfahnder-suchen-schwarzgeld-in-singapur-1.1437795); zwar reagierte man mit einem Abkommen mit Singapur, das den Datenaustausch zwischen beiden Ländern verbessern sollte (vgl. dazu: http: /  / www.tagesspiegel. de / wirtschaft / neue-steuer-cd-aus-der-schweiz-deutschland-vereinbart-steuerabkom men-mit-singapur / 7253688.html); es zeigt sich aber, dass es immer wieder Konstel­



II. Situation durch § 371 AO 197767

Selbstanzeige teilweise änderte, davon aus, dass auch weiterhin fiskalische Interessen eine zentrale Bedeutung für die Selbstanzeige haben werden222. Grundsätzlich richtig ist, dass der Staat zunehmend unbekannte Steuerquel­ len aufdeckt, was aber nicht nur an den vom BGH angesprochenen Ermitt­ lungsmethoden und der verbesserten internationalen Zusammenarbeit liegt, sondern auch an weiteren von den Bundes- und Landesregierungen getrof­ fenen Maßnahmen (dazu bereits oben B. II.). Im Zusammenhang mit der Schaffung eines Anreizes zur Rückkehr in die Steuerehrlichkeit ist ein weiterer Aspekt von Bedeutung, auf den insbeson­ dere Stahl zutreffend hingewiesen hat223: Der Steuerpflichtige steht lebens­ lang in einem Dauerrechtsverhältnis zum deutschen Fiskus, was bedeutet, dass er in der Regel jährlich inhaltlich zutreffende Steuererklärungen abzu­ geben verpflichtet ist. Entschließt sich also z. B. der Steuerpflichtige, der seit Jahren Kapitaleinkünfte in seinen Einkommensteuererklärungen ver­ schweigt, von nun an sämtliche Einkünfte erklären zu wollen, kann er dies nicht tun, ohne sich hinsichtlich der in der Vergangenheit begangenen Steuerhinterziehungen selbst zu belasten. Der Weg hin zu einem künftig rechtstreuen Verhalten ist für den Steuerstraftäter im Vergleich zu anderen Straftätern aus dem Bereich der Vermögensdelikte schwieriger: Letztere können sich vereinfacht gesagt von heute auf morgen dazu entscheiden, künftig beispielsweise keine Betrugsstraftaten mehr zu begehen. Dies kann der Steuerstraftäter in der Regel nicht. Diesen Weg eröffnet die Selbstanzei­ ge224. Ähnlich beschreibt Salditt225 den Konflikt des Steuerpflichtigen zwi­ lationen geben wird, in denen der Staat Steuerquellen gar nicht oder erst mit Zeit­ verzögerung aufdecken kann. 222  BT-Drucks. 17 / 4182, S. 4. 223  Stahl, Selbstanzeige, Rdnr. 16 ff. 224  Zur Verdeutlichung: Gemeint ist nicht die Fallgestaltung, in der gegen den Steuerpflichtigen bereits für vergangene Veranlagungszeiträume ein Ermittlungsver­ fahren eingeleitet wurde. Dann nämlich geht der BGH für künftige Veranlagungs­ zeiträume, hinsichtlich derer noch kein Ermittlungsverfahren eingeleitet ist, von ei­ ner fortbestehenden Pflicht zur wahrheitsgemäßen Erklärung aus, auch wenn dadurch die Gefahr der Selbstbelastung bestehen sollte (BGH wistra 2002, 149 [149]). Im Gegenzug wird von einem strafrechtlichen Verwertungsverbot hinsichtlich der ge­ machten Angaben für zurückliegende strafbefangene Zeiträume ausgegangen (BGH wistra 2005, 148 [148, 150]; vgl. dazu auch Joecks, in: Franzen / Gast / Joecks, Steu­ erstrafrecht, § 370 Rdnr. 163a). Hier besteht aufgrund der bereits erfolgten Einlei­ tung eines Ermittlungsverfahrens gerade keine Möglichkeit für den Steuerpflichtigen, eine Selbstanzeige im Hinblick auf die zurückliegenden Veranlagungszeiträume zu erstatten. Auf die beschriebene Konstellation beziehen sich obige Ausführungen gerade nicht, sondern vielmehr auf solche, in denen sich der Steuerpflichtige ohne Einleitung eines Ermittlungsverfahrens dazu entschließen möchte, fortan steuer­ ehrlich zu leben. 225  Salditt, in: PStR 2010, 168 (172).

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C. Selbstanzeige vor dem Schwarzgeldbekämpfungsgesetz (2011)

schen Selbstbelastungsfreiheit (nemo tenetur se ipsum accusare) und der sich jährlich erneuernden Pflicht zur Steuerehrlichkeit, der durch die Mög­ lichkeit einer Selbstanzeige gelöst wird226. Nicht nur aus fiskalischen Grün­ den, sondern auch wegen dieses für den Steuerpflichtigen bestehenden Konflikts eröffnet die Selbstanzeige den Weg in die Steuerehrlichkeit. Dieser Aspekt der Erleichterung hat m. E. weitaus größeres Gewicht als der Gesichtspunkt der Honorierung der Rückkehr in die Steuerehrlichkeit. Schließlich ist freiwilliges Handeln gerade nicht erforderlich, um eine wirk­ same Selbstanzeige abzugeben. Die Freiwilligkeit des Handelns ist aber doch zumindest ein wesentlicher Bestandteil eines zu honorierenden Verhal­ tens. Wer aus Angst vor einer drohenden Tatentdeckung Selbstanzeige er­ stattet, ersetzt sein ursprüngliches egoistisches Motiv, sich auf Kosten der Allgemeinheit zu bereichern, durch ein anderes egoistisches Motiv, nämlich das der Verhinderung seiner eigenen Bestrafung227. cc) Strafrechtliche Aspekte Der BGH hat bislang – mit unterschiedlicher Gewichtung – lediglich auf die beiden oben genannten Zwecke (Fiskalische Interessen und die „Golde­ ne Brücke zurück in die Steuerehrlichkeit“) abgestellt228. Daneben wird in der Literatur auch auf strafrechtliche Aspekte und eine strafrechtliche Legi­ timation der Selbstanzeige hingewiesen229. Auf folgende drei Gesichtspunk­ te soll in diesem Zusammenhang besonders aufmerksam gemacht werden: Zunächst stellt sich die Frage, ob die generalpräventive Wirkung der Straf­ barkeit der Steuerhinterziehung durch die großzügige Gewährung von Straf­ 226  Ähnlich auch Beckemper / Schmitz / Wegner / Wulf, in: wistra 2011, 281 (282); Breyer, Der Inhalt der strafbefreienden Selbstanzeige, S. 64 ff.; Wessing, in: Flo­ re / Tsambikakis, Steuerstrafrecht, § 371 (n. F.) Rdnr. 13; Schauf, in: Kohlmann, Steu­ erstrafrecht, Bd. I, § 371 Rdnr. 19; Kohler, in: Münchener Kommentar zum Strafge­ setzbuch, Band  6 / 1, § 371 AO Rdnr. 25; ausführlich zu diesem Punkt auch Helml, Die Reform der Selbstanzeige im Steuerstrafrecht, S. 26 ff., die sich am angegebenen Ort weiterführend mit der Frage beschäftigt, wie mit zusammen mit der Steuerhin­ terziehung verwirklichten allgemeinen Straftaten (beispielsweise einer Urkundenfäl­ schung) im Falle einer Selbstanzeige verfahren wird und wie sich dies auf den oben beschreibenen Konflikt mit der Selbstbelastungsfreiheit auswirkt. 227  So auch Müller, in: DB 1981, 1480 (1481). 228  BGHSt 12, 100 (101); BGHSt 25, 6 (10); BGHSt 55, 180 (181 ff.). 229  Rüping, in: Hübschmann / Hepp / Spitaler, AO / FGO, Bd. IX, § 371 Rdnr. 21 ff.; Schauf, in: Kohlmann, Steuerstrafrecht, Bd. I, § 371 Rdnr. 16, 20, 23; Joecks, in: Franzen / Gast / Joecks, Steuerstrafrecht, § 371 Rdnr. 20, 22; Kratzsch, in: StuW 1974, 68 (72); Frees, Die steuerliche Selbstanzeige, S. 38 f.; Brauns, in: wistra 1985, 171 (178); Webel, in: Schwarz, AO, Bd. 4, § 371 Rdnr. 3b; Wessing, in: Flore / Tsambika­ kis, Steuerstrafrecht, § 371 (n. F.) Rdnr. 14 f.



II. Situation durch § 371 AO 197769

freiheit durch § 371 AO zu weit beschränkt wird. Überdies geht es um die Frage, ob die Existenz des § 371 AO in ähnlicher Weise zu rechtfertigen ist wie die des § 24 StGB. Außerdem könnte man daran denken, die Norm des § 371 AO in ähnlicher Weise zu rechtfertigen wie § 46 StGB, und damit der Schadenswiedergutmachung eine zentrale Rolle zuweisen. Teilweise wurde vor einer Übergewichtung des fiskalpolitischen Zwecks gewarnt230. Dies fördere einerseits die verbreitete Fehleinschätzung, dass es sich bei der Steuerhinterziehung nur um ein Kavaliersdelikt handle231. Ge­ währe man über § 371 AO in großzügigem Maße Straffreiheit, so laufe dies dem strafrechtlichen – insbesondere generalpräventiven – Zweck des § 370 AO zuwider232. M. E. besteht keine Gefahr, dass die generalpräventive Wir­ kung des § 370 AO durch § 371 AO beseitigt wird, weil vielfach aufgrund der Sperrgründe des § 371 Abs. 2 AO keine wirksame Selbstanzeige mehr erstattet werden kann233, der Täter also mit Strafverfolgung zu rechnen hat. Außerdem werden zahllose Fälle der Steuerhinterziehung verfolgt, ohne dass überhaupt eine Selbstanzeige – wirksam oder unwirksam – erstattet worden wäre. Auf der anderen Seite dürfen die Wechselwirkung zwischen § 370 AO und § 371 AO und die generalpräventive Funktion des § 370 AO nicht unberücksichtigt bleiben: Es liegt auf der Hand, dass die generalprä­ ventive Wirkung, die von § 370 AO ausgeht, sinkt, je weniger der Täter mit Sanktionen zu rechnen hat und je leichter er mit Hilfe einer Selbstanzeige den Weg in die Straffreiheit beschreiten kann. Dies ist ein wesentlicher Gesichtspunkt, der für eine restriktive Auslegung der Voraussetzungen einer Selbstanzeige spricht [dazu C. II. 1. d)]. Insoweit sind auch strafrechtliche Aspekte bei der Auslegung der materiellen Strafrechtsnorm234 des § 371 AO zu berücksichtigen235. Dagegen ist § 371 AO weder – wie dies bei § 24 StGB geschieht – da­ durch zu rechtfertigen, dass der rechtsbrecherische Wille des Täters zur Durchsetzung seiner Tat nicht stark genug gewesen und die Tat im Ver­ suchsstadium stecken geblieben ist und deswegen auf die Durchsetzung der Strafzwecke verzichtet werden kann, weil eine Selbstanzeige gerade auch 230  Brauns,

in: wistra 1985, 171 (178). in: JR 1975, 385 (387); Müller, in: DB 1981, 1480 (1482). 232  Zusammenfassend: Frees, Die steuerliche Selbstanzeige, S. 37 ff. 233  So auch: Schauf, in: Kohlmann, Steuerstrafrecht, Bd. I, § 371 Rdnr. 16. 234  Wessing, in: Flore / Tsambikakis, Steuerstrafrecht, § 371 (n. F.) Rdnr. 15; Schauf, in: Kohlmann, Steuerstrafrecht, Bd. I, § 371 Rdnr. 23. 235  Vgl. in diesem Zusammenhang auch die Ausführungen von Helml, Die Re­ form der Selbstanzeige im Steuerstrafrecht, S. 41 f. zu Herzbergs Schulderfüllungs­ theorie: Helml weist darauf hin, dass nicht allein anhand zivilrechtlicher Grundsätze beurteilt werden könne, ob ein Verhalten noch strafwürdig sei; stets seien generalund spezialpräventive Aspekte im Blick zu behalten. 231  Tiedemann,

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C. Selbstanzeige vor dem Schwarzgeldbekämpfungsgesetz (2011)

noch nach Vollendung der Tat wirksam erstattet werden kann [dazu bereits C. II. 1. b) bb)], noch dadurch, dass der Täter für seine freiwillige Aufgabe der Tat entlohnt werden soll, da freiwilliges Handeln gerade keine Voraus­ setzung des § 371 AO ist236. Auch die Schadenswiedergutmachung als das das Erfolgsunrecht beseiti­ gende Element ist kein taugliches Kriterium zur Rechtfertigung des § 371 AO, da die Schadenswiedergutmachung nicht in jedem Fall Voraussetzung einer wirksamen Selbstanzeige ist; denn § 371 Abs. 3 AO verlangt eine Be­ zahlung der verkürzten Steuern nur von demjenigen, der die Steuern auch zu seinen eigenen Gunsten verkürzt hat237. Der Gehilfe wird also z. B. in aller Regel Straffreiheit ohne Rückerstattung der verkürzten Steuern erlangen. d) Konsequenzen für die Auslegung § 371 AO bietet an verschiedenen Stellen Raum für Auslegung, die grundsätzlich weit oder eng erfolgen kann238, je nach den gesetzgeberischen Motiven und den sonstigen Zielsetzungen und Zwecken der Vorschrift. Stellte man allein den fiskalpolitischen Zweck der Vorschrift in den Vorder­ grund, so wäre die Folge, dass die Generierung weiterer bislang nicht be­ kannter Steuerquellen am besten dadurch erreicht werden könnte, dass man den Anwendungsbereich der Vorschrift möglichst weit fasst, sprich die posi­ tiven Voraussetzungen einer wirksamen Selbstanzeige (§ 371 Abs. 1 AO) möglichst weit auslegt und die Sperrgründe (§ 371 Abs. 2 AO) mög­ lichst eng239. Dies wurde vielfach so vertreten240. Entgegen dieser Auffassung spricht Vieles für eine umgekehrte Handha­ bung, nämlich eine eher restriktive Auslegung des § 371 Abs. 1 AO sowie eine extensive Auslegung des § 371 Abs. 2 AO: Einerseits kann nicht (mehr) davon ausgegangen werden, dass fiskalische Zwecke allein im Mittelpunkt stehen, da sich die Ermittlungsmethoden und die internationale Zusammen­ arbeit zunehmend verbessern241. Auch angesichts der mit § 370 AO beste­ 236  Rüping, in: Hübschmann / Hepp / Spitaler, AO / FGO, Bd. IX, § 371 Rdnr. 23; Schauf, in: Kohlmann, Steuerstrafrecht, Bd. I, § 371 Rdnr. 12, 22. 237  Schauf, in: Kohlmann, Steuerstrafrecht, Bd. I, § 371 Rdnr. 22; a. A. Rüping, in: Hübschmann / Hepp / Spitaler, AO / FGO, Bd. IX, § 371 Rdnr. 25. 238  Vgl. dazu im Einzelnen: Brauns, in: wistra 1985, 171 (173 ff.). 239  Webel, in: Schwarz, AO, Bd. 4, § 371 Rdnr. 4. 240  BayObLG wistra 1985, 117 (118); OLG Celle wistra 2000, 277 (278); Rüping, in: wistra 2001, 121 (122); Keller / Kelnhofer, in: wistra 2001, 369 (370); Schauf, in: Kohlmann, Steuerstrafrecht, Bd. I, § 371 Rdnr. 239.3; Randt / Schauf, in: DStR 2008, 489 (491). 241  BGHSt 55, 180 (183).



II. Situation durch § 371 AO 197771

henden Wechselwirkung erscheint eine restriktive Auslegung geboten, um insbesondere die generalpräventive Funktion des § 370 AO weitgehend zu erhalten und der landläufigen Meinung entgegenzuwirken, dass es sich bei der Steuerhinterziehung nur um ein Kavaliersdelikt handle242. Wichtigstes Argument für eine restriktive Auslegung von § 371 Abs. 1 AO ist sein Ausnahmecharakter243 im deutschen Strafrecht244. Die Gewäh­ rung von Straffreiheit bei wirksamer Selbstanzeige trotz Beendigung der Tat ist dem deutschen Strafrecht – mit Ausnahme von § 266a Abs. 6 und § 261 Abs. 9 StGB – fremd245. In diesem Zusammenhang ist auch zu sehen, dass der Grundsatz gemäß § 370 AO die Strafbarkeit der Steuerhinterziehung ist, von dem § 371 AO nur eine Ausnahme macht. Dies unterstreicht ergänzend den Ausnahmecharakter der Vorschrift. Somit ist eine restriktive Auslegung angezeigt246. e) Zwischenergebnis Wenn im Rahmen der Presseberichtersattung um die von Alice Schwarzer im Jahre 2013 erstattete Selbstanzeige polemisch geäußert wird, dass es das Rechtsinstitut der Selbstanzeige nur deswegen gebe, weil dem Staat Geld wichtiger sei als Gerechtigkeit247, so greift dies sicherlich zu kurz. Der Grund für die Existenz der Selbstanzeige im Steuerstrafrecht ist gewiss vielschichtiger und setzt sich zusammen aus verschiedenen Aspekten: Fis­ kalische Gesichtspunkte nehmen trotz verbesserter internationaler Zusam­ menarbeit und Ermittlungsmethoden auch weiterhin einen wichtigen Stel­ lenwert ein, wobei dies nicht allein der tragende Gesichtspunkt ist. Daneben soll die Rückkehr in die Steuerehrlichkeit honoriert und erleichtert werden. Hier kommt dem Gesichtspunkt der Erleichterung der Rückkehr besondere Bedeutung zu, weil für den Steuerstraftäter in der Regel der Weg hin zu rechtstreuem Verhalten aufgrund seines Dauerrechtsverhältnisses zum deut­ schen Fiskus und der periodisch wiederkehrenden Pflicht zur Abgabe inhalt­ lich richtiger Steuererklärungen schwieriger ist als bei anderen Straftätern. Dieser Aspekt hat aber natürlich auch wieder eine starke fiskalische Kom­ ponente. im Ergebnis auch Tiedemann, in: JR 1975, 385 (387). in: Kohlmann, Steuerstrafrecht, Bd. I, § 371 Rdnr. 8. 244  BGHSt 55, 180 (184); Tiedemann, in: JR 1975, 385 (387). 245  Wessing, in: Flore / Tsambikakis, Steuerstrafrecht, § 371 (n. F.) Rdnr. 11. 246  Tiedemann, in: JR 1975, 385 (387); Jäger, in: Klein, AO, 11. Aufl., § 371 Rdnr. 2; BGHSt 55, 180 (184). 247  Http: /  / www.sueddeutsche.de / politik / steuerfall-alice-schwarzer-die-last-derspaeten-reue-1.1878983. 242  So

243  Schauf,

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C. Selbstanzeige vor dem Schwarzgeldbekämpfungsgesetz (2011)

Sinn und Zweck der Vorschriften zur Selbstanzeige und ihr Charakter als Ausnahmevorschrift gebieten es, den Anwendungsbereich möglichst eng zu fassen; dies ist natürlich nur dort möglich, wo es der Wortlaut des § 371 AO zulässt, namentlich bei der Auslegung der einzelnen Voraussetzungen. Das heißt im Ergebnis, dass grundsätzlich eine restriktive Auslegung der positiven Voraussetzungen und eine extensive Auslegung der Sperrgründe geboten ist. 2. Verfassungsmäßigkeit a) Allgemeines und Meinungsstand Die Vorschriften zur Selbstanzeige stellen zweifellos eine Privilegierung des Steuerstraftäters gegenüber anderen Straftätern dar. Hier mag man sich fragen, wieso gerade der Steuerstraftäter in den Genuss dieser Privilegie­ rung kommt und nicht auch andere Straftäter, die Vermögensstraftaten be­ gangen haben. Vergleichbare Regelungen gibt es ja z. B. in § 167 des öster­ reichischen Strafgesetzbuchs248. Diese Frage ist im Rahmen einer Prüfung des Art. 3 Abs. 1 GG zu beantworten. Nach nahezu einhelliger Auffassung wird von einer Verfassungsmäßigkeit des Rechtsinstituts der Selbstanzeige im Steuerstrafrecht ausgegangen249. Begründet wird dies insbesondere mit dem Gestaltungsspielraum des Ge­ setzgebers250 und sachlichen Gründen für die Differenzierung zwischen Steuerstraftätern und anderen Straftätern251. Als sachliche Gründe werden 248  Vgl.

dazu bereits die Fn. 134. wistra 1983, 197 (197); Theil, in: BB 1983, 1274 (1274 in der Fn. 1); Zöbeley, in: DStZ 1984, 198 (198 f.); Streck, in: DStR 1985, 9 (13); Breyer, Der Inhalt der strafbefreienden Selbstanzeige, S. 64; Hoffmann, Die Ausschlußtatbestän­ de der Selbstanzeige bei Steuerhinterziehung, S. 25; Joecks, in: Franzen / Gast / Joecks, Steuerstrafrecht, § 371 Rdnr. 30; Frees, Die steuerliche Selbstanzeige, S. 116; Schauf, in: Kohlmann, Steuerstrafrecht, Bd. I, § 371 Rdnr. 24; Jäger, in: Klein, AO, 11. Aufl., § 371 Rdnr. 3; Rüping, in: Hübschmann / Hepp / Spitaler, AO / FGO, Bd. IX, § 371 Rdnr. 26; Webel, in: Schwarz, AO, Bd. 4, § 371 Rdnr. 26; Stahl, Selbstanzeige, Rdnr. 14; Wessing, in: Flore / Tsambikakis, Steuerstrafrecht, § 371 (n. F.) Rdnr. 17; Kohler, in: Münchener Kommentar zum Strafgesetzbuch, Band  6 / 1, § 371 AO Rdnr. 24; a. A. AG Saarbrücken wistra 1983, 84 (84); Abramowski, in: DStZ 1992, 460 (465); Bilsdorfer, in: DStZ 1983, 131 (132), der wohl nicht zwingend von einer Verfassungswidrigkeit des § 371 AO ausgeht, aber davon spricht, dass es schwierig sein dürfte, Sachgründe für die Privilegierung zu finden, die den Verstoß gegen Art. 3 GG rechtfertigen. 250  Theil, in: BB 1983, 1274 (1274 in der Fn. 1). 251  Joecks, in: Franzen / Gast / Joecks, Steuerstrafrecht, § 371 Rdnr. 30; Jäger, in: Klein, AO, 11.  Aufl., §  371 Rdnr.  3; Rüping, in: Hübschmann / Hepp / Spitaler, AO / FGO, Bd. IX, § 371 Rdnr. 26. 249  BGH



II. Situation durch § 371 AO 197773

angeführt, dass bei der Steuerhinterziehung die Allgemeinheit geschädigt werde und dass die Steuerhinterziehung ein besonders leicht zu begehendes Delikt252 sei. Im Übrigen wird auf die ähnliche Vorschrift des § 266a Abs. 6 StGB hingewiesen und darauf, dass auch insbesondere bei Vermögensstraf­ taten nach erfolgter Schadenswiedergutmachung gemäß § 46a StGB ein Absehen von Strafe möglich sei253. Außerdem wird auf das bereits darge­ stellte Dauerrechtsverhältnis des Steuerpflichtigen mit dem Fiskus aufmerk­ sam gemacht, das ihm eine Rückkehr in die Steuerehrlichkeit im Vergleich zu anderen Straftätern deutlich erschwert254. Das BVerfG musste die Frage der Verfassungsmäßigkeit bislang nicht entscheiden. Auch auf eine Vorlage des AG Saarbrücken255 gemäß Art. 100 GG befasste sich das BVerfG nicht mit dieser Frage, da es von einer Un­ zulässigkeit der Vorlage ausging256. Nichtsdestotrotz äußerte aber das BVerfG in seiner Entscheidung, dass die Tatsache, dass der Gesetzgeber eine der Selbstanzeige im Steuerstrafrecht vergleichbare Regelung für ande­ re Straftatbestände nicht geschaffen hat, die Gültigkeit des § 371 AO nicht berühre257. Der BGH ging – ohne nähere Begründung – von einer Verfas­ sungsmäßigkeit der Vorschrift aus258. Die Gegenansicht259 moniert vor allem, dass eine im Sinne des Art. 3 Abs. 1 GG nicht zu rechtfertigende Ungleichbehandlung vorliege. Nach Ansicht des AG Saarbrücken stellt die fiskalische Zwecksetzung des § 371 AO eine sachfremde Erwägung dar. Außerdem gebe es keine mit § 371 AO vergleichbare Regelung im allgemeinen Strafrecht. Im Vergleich zu allen anderen Straftätern könne sich der Steuerstraftäter über § 371 Abs. 3 AO „freikaufen“. Ähnlich argumentiert Abramowski: Die Rückkehr in die Steuerehrlichkeit sei kein sachlicher Grund für eine Ungleichbehandlung, da das Gesetz keine Freiwilligkeit des Selbstanzeigenden voraussetze260. Auch die Schadenswie­ dergutmachung als ein das Erfolgsunrecht beseitigendes Element sei keine 252  Zöbeley, in: DStZ 1984, 198 (198); Frees, Die steuerliche Selbstanzeige, S. 116. 253  Schauf, in: Kohlmann, Steuerstrafrecht, Bd. I, § 371 Rdnr. 24; Wessing, in: Flore / Tsambikakis, Steuerstrafrecht, § 371 (n. F.) Rdnr. 17. 254  Stahl, Selbstanzeige, 3. Aufl., Rdnr. 16 ff. 255  AG Saarbrücken DStZ 1983, 130 (130 f.). 256  BVerfGE 64, 251 (251). 257  BVerfGE 64, 251 (255). 258  BGH wistra 1983, 197 (197). 259  AG Saarbrücken wistra 1983, 84 (84); Abramowski, in: DStZ 1992, 460 (465). 260  Abramowski, in: DStZ 1992, 460 (461).

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C. Selbstanzeige vor dem Schwarzgeldbekämpfungsgesetz (2011)

zwingende Voraussetzung für eine wirksame Selbstanzeige261. Ein sachlicher Grund für eine Rechtfertigung könne sich auch nicht daraus ergeben, dass die Steuerhinterziehung im Vergleich zu anderen Straftaten weniger strafwürdig sei, dies sei gerade nicht der Fall262. Ebenso sei die Gefahr der Selbstbelas­ tung hinsichtlich früherer Steuerhinterziehungen bei Rückkehr in die Steuer­ ehrlichkeit durch wahrheitsgemäße Angaben kein sachlicher Grund, da der Täter diese Situation selbst durch seine Vortat verschuldet habe263. Letztlich sei auch die fiskalische Zwecksetzung kein taugliches Kriterium, da der da­ mit in Zusammenhang stehende Ermittlungsnotstand des Staates durch das Bankgeheimnis (§ 30a AO) verursacht sei; Letzteres dürfe nach Abramowski spätestens seit dem sog. „Zinsurteil“ des BVerfG264 zur Rechtfertigung einer ungleichen Besteuerung nicht mehr herangezogen werden265. b) Allgemeines zu Art. 3 Abs. 1 GG266 Die Prüfung des Art. 3 Abs. 1 GG erfolgt zweistufig: Zunächst hat eine Willkürprüfung zu erfolgen, anschließend eine Verhältnismäßigkeitsprüfung. Eine Verletzung des Art. 3 Abs. 1 GG liegt zunächst dann vor, wenn der Staat – insbesondere der Gesetzgeber – willkürlich handelt, das heißt, wenn wesentlich Gleiches willkürlich ungleich oder wesentlich Ungleiches will­ kürlich gleich behandelt wird267. Dies ist dann der Fall, wenn sich für eine gesetzliche Regelung kein sachlicher Grund finden lässt268. Außerdem hat nach der „neuen Formel“ des BVerfG eine Verhältnismäßig­ keitsprüfung stattzufinden, wonach der Gleichheitssatz verletzt ist, „wenn der Staat eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, daß sie die Ungleichbehandlung rechtfertigen könnten“269. Es hat also eine Verhältnismäßigkeits­ prüfung hinsichtlich der Ungleichbehandlung stattzufinden, im Rahmen derer nach legitimem Zweck, Geeignetheit, Erforderlichkeit und Verhältnismäßig­ keit im engeren Sinne der Ungleichbehandlung gefragt werden muss. 261  Abramowski,

in: DStZ 1992, 460 (461 f.). in: DStZ 1992, 460 (462). 263  Abramowski, in: DStZ 1992, 460 (463). 264  BVerfGE 84, 239. 265  Abramowski, in: DStZ 1992, 460 (465). 266  Die Darstellung unter diesem Gliederungspunkt orientiert sich an den Ausfüh­ rungen bei Manssen, Staatsrecht II, Rdnr. 841 ff. 267  BVerfGE 78, 104 (121). 268  BVerfGE 91, 118 (123). 269  BVerfGE 82, 60 (86). 262  Abramowski,



II. Situation durch § 371 AO 197775

c) Subsumtion und Stellungnahme aa) Willkürliches Handeln des Gesetzgebers ist nicht gegeben, weil sich für die Selbstanzeige im Steuerstrafrecht – wie oben bereits gezeigt [C. II. 1. c)] – sachliche Gründe finden lassen, so dass sich die weitere Untersu­ chung auf die Prüfung der Verhältnismäßigkeit beschränkt. Als Vergleichspaar bieten sich die Steuerhinterziehung und sonstige Vermögensdelikte an, weil in beiden Fällen die Rechtsgutsverletzungen reparabel270, die Delikte mithin vergleichbar sind. Man könnte den Kreis der zu vergleichenden Delikte auch noch enger fassen und nur den Subventionsbetrug einbeziehen, weil dieses Delikt „noch vergleichbarer“ ist, weil der Schaden nicht nur repara­ bel, sondern der Geschädigte auch der Fiskus ist. Vor diesem Hintergrund dürfte das Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt „am vergleich­ barsten sein“, weil hier neben der geschädigten öffentlichen Hand auch noch die (monatlich) wiederkehrende Komponente gegeben ist. Für die folgenden Ausführungen macht dies aber keinen Unterscheid. bb) Ausgangspunkt ist, dass jedenfalls eine Ungleichbehandlung besteht, weil eine dem § 371 AO vergleichbare Regelung für die Vermögensstrafta­ ten des StGB nicht besteht. Fraglich ist also, ob diese Ungleichbehandlung verhältnismäßig ist. (1)  Die fiskalische Zwecksetzung und die Honorierung und Erleichterung der Rückkehr des Steuerstraftäters zurück in die Steuerehrlichkeit stellen legitime Zwecke der Regelung dar. (2) Die Vorschrift des § 371 AO ist geeignet, den dargestellten Zweck zumindest zu fördern271. Durch Erstattung von Selbstanzeigen werden zu­ sätzliche Steuereinnahmen generiert, die dem Staat ansonsten verborgen geblieben wären. Man denke in diesem Zusammenhang nur an die Flut von Selbstanzeigen, die aus Furcht vor Entdeckung aufgrund des Ankaufs von Steuerdaten-CDs erstattet wurden. Dass die Rückkehr in die Steuerehrlich­ keit erleichtert und durch die Gewährung von Straffreiheit honoriert wird, liegt auf der Hand. (3) Ein gleichermaßen effektives Mittel zur Zweckerreichung272 steht nicht zur Verfügung. Die Gewährung von Straffreiheit als zwingende Rechtsfolge einer wirksamen Selbstanzeige bietet einen ganz erheblichen Anreiz zur Erstattung einer solchen. Es kann nicht erwartet werden, dass weniger weitgehende Rechtsfolgen – wie sie z. B. § 46a StGB vorsieht – einen ähnlich großen Anreiz zur Erstattung von Selbstanzeigen darstellen 270  Joecks,

in: Franzen / Gast / Joecks, Steuerstrafrecht, § 371 Rdnr. 23. zu dieser Voraussetzung Manssen, Staatsrecht II, Rdnr. 845. 272  Manssen, Staatsrecht II, Rdnr. 845. 271  Vgl.

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C. Selbstanzeige vor dem Schwarzgeldbekämpfungsgesetz (2011)

würden. Gerade die zwingende Rechtsfolge der Straffreiheit bietet für den Selbstanzeige erstattenden Steuerpflichtigen in hohem Maße Rechtssicher­ heit, die § 46a StGB nicht bietet, da diese Vorschrift Strafmilderung oder Absehen von Strafe „nur“ in das Ermessen des Gerichts stellt273. (4) Fraglich ist, ob auch Verhältnismäßigkeit im engeren Sinn gegeben ist. Hierbei muss zwischen der Bedeutung der Ungleichbehandlung und dem angestrebten Ziel abgewogen werden274. Wenig überzeugend ist die Argu­ mentation, dass die großzügige Gewährung von Straffreiheit sich dadurch rechtfertigt, dass die Steuerhinterziehung ein besonders einfach zu begehen­ des Delikt sei. Dies mag teilweise zutreffen, keinesfalls aber in dieser Pauschalität. Es gibt auch zahlreiche denkbare Konstellationen, in denen auch die Steuerhinterziehung ein erhebliches Maß an krimineller Energie und Erfindungsreichtum des Steuerpflichtigen erfordert. Man denke z. B. an den Steuerpflichtigen, der zunächst sein „Schwarzgeld“ auf einem Schwei­ zer Nummernkonto jahrelang vor dem deutschen Fiskus versteckt hat, ge­ gebenenfalls sogar ursprünglich einmal das Geld in Form von Bargeld persönlich in die Schweiz verbracht hat, um keine Spuren zu hinterlassen. Da nun Entdeckungsgefahr in der Schweiz droht, erstattet er nicht etwa Selbstanzeige, sondern transferiert das „Schwarzgeld“ weiter nach Asien. Hier kann man nicht davon ausgehen, dass es sich um ein leicht zu bege­ hendes Delikt handelt. Andererseits sind auch Konstellationen denkbar, in denen allgemeine Vermögensdelikte sehr leicht zu begehen sind. Auch ist die Differenzierung nach der Person des Geschädigten kein taugliches Kriterium. Die Steuerhinterziehung ist gerade nicht nur ein Ka­ valiersdelikt. Aus der Tatsache, dass „bloß“ der Staat geschädigt ist, lässt sich kein geringeres Unrecht herleiten. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Steuereinnahmen benötigt werden, um Gemeinschafts­ aufgaben wie Bildung, Infrastruktur etc. zu gewährleisten275. Im Verhältnis zu den Delikten des Subventionsbetrugs und des Vorenthaltens und Verun­ treuens von Arbeitsentgelt kann dies erst recht kein taugliches Differenzie­ rungskriterium sein. Ebenfalls keine Rechtfertigung für die Gewährung von Straffreiheit bietet die Tatsache, dass durch die Rückzahlungspflicht gemäß § 371 Abs. 3 AO das Erfolgsunrecht der Steuerhinterziehung wieder beseitigt wird. Schließ­ lich trifft diese Pflicht nicht jeden Selbstanzeigeerstatter, sondern nur den­ jenigen, der die Steuern auch zu seinen Gunsten verkürzt hat. Auch unter einem weiteren Gesichtspunkt kann die Rückerstattung der verkürzten 273  Ähnlich in anderem Zusammenhang Breyer, Der Inhalt der strafbefreienden Selbstanzeige, S. 143. 274  Manssen, Staatsrecht II, Rdnr. 845 a. E. 275  So auch: Abramowski, in: DStZ 1992, 460 (462).



II. Situation durch § 371 AO 197777

Steuern die Ungleichbehandlung gegenüber allgemeinen Vermögensdelikten nicht rechtfertigen: Der eingetretene Vermögensschaden ist ebenso bei all­ gemeinen Vermögensdelikten wie dem Diebstahl oder dem Betrug reparabel. Die „Reparatur“ des eingetretenen Schadens kann daher keinesfalls eine Ungleichbehandlung rechtfertigen, da in beiden Fällen der Schaden – gleich – reparabel ist. Zutreffend ist, dass rein fiskalische Erwägungen – für sich genommen – keine Ungleichbehandlung rechtfertigen können276. Dieser Grundsatz ist aber auf den Fall der Selbstanzeige nicht zu übertragen. Gemeint sind näm­ lich Fälle, in denen der Staat Steuerpflichtige bei der Besteuerung ungleich behandelt, obwohl er sie gleich behandeln könnte. Diese Wahl hat der Staat jedoch im Falle der Selbstanzeige nicht. Das Rechtsinstitut der Selbstanzei­ ge wurde für Sachverhalte geschaffen, bei denen die Ermittlungsbehörden die zugrundeliegenden Steuerverkürzungen gerade nicht aufdecken könnten. Wie schwierig die Situation des Staates ist, zeigt sich auch dadurch, dass er teilweise zu so umstrittenen Maßnahmen wie dem Ankauf von SteuerdatenCDs greift (dazu bereits B. II. 1.). Dass einzelne Fälle auch ohne Selbstan­ zeige aufgedeckt werden könnten, schadet hierbei nicht, da der Gesetzgeber insbesondere bei der Regelung von „Massenerscheinungen“ das Recht hat, „generalisierende, typisierende und pauschalierende Regelungen zu treffen“, ohne gegen Art. 3 Abs. 1 GG zu verstoßen277. Selbst wenn es also das Rechtsinstitut der Selbstanzeige nicht gäbe, käme es in der weit überwiegenden Zahl der Fälle weder zu einer Bestrafung der Steuerstraftäter noch zu einer Versteuerung der verkürzten Beträge. Die Ungleichbehandlung gegenüber allgemeinen Straftätern wäre also gleicher­ maßen gegeben. Die Vorschriften der Selbstanzeige führen daher sogar zu einem „Mehr“ an Gleichbehandlung, da zumindest im Vergleich zu den Steuerpflichtigen, die Steuern regelmäßig bezahlen, eine Gleichbehandlung über die Rückerstattung der verkürzten Steuern hergestellt wird (§ 371 Abs. 3 AO). Etwas anderes ergibt sich entgegen den Ausführungen von Abramowski auch nicht aus dem sog. „Zinsurteil“ des BVerfG278. Dort stellte das BVerfG fest, dass es bei der Besteuerung von Kapitaleinkünften zu nicht zu recht­ fertigenden Ungleichbehandlungen kam. Die Ungleichbehandlungen lagen nicht bereits in einer ungleichen Verteilung der Steuerpflicht, sondern erst 276  Osterloh, in: Sachs, Grundgesetz, Kommentar, Art. 3 Rdnr. 145; BVerfGE 6, 55 (80); BVerfGE 82, 60 (89): In beiden Entscheidungen führte das BVerfG aus, dass der Finanzbedarf des Staates eine verfassungswidrige Steuer nicht zu rechtfer­ tigen vermag. 277  Manssen, Staatsrecht II, Rdnr. 854. 278  BVerfGE 84, 239.

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C. Selbstanzeige vor dem Schwarzgeldbekämpfungsgesetz (2011)

in einer unzureichenden Erhebung von Steuern auf einzelne Kapitaleinkünf­ te. Dies betraf insbesondere die Zinseinkünfte beim „Kontensparen“ bei Kreditinstituten279. Das BVerfG stellte fest, dass der Fiskus faktisch auf die reine „Erklärungsbereitschaft“280 der Steuerpflichtigen hinsichtlich ihrer Zinseinkünfte vertraute, ohne entsprechende Kontrollmechanismen zu schaf­ fen, was zu erheblichen Steuerverkürzungen führte. Kritisiert wurde hier insbesondere das Zusammenspiel aus dem Bankgeheimnis281, das Kontroll­ mitteilungen nicht zuließ, und einem fehlenden Quellensteuerabzug282. Dem Urteil des BVerfG lässt sich auch die Befürchtung entnehmen, dass bei einer Änderung der Erhebungspraxis eine Kapitalflucht einsetzen könnte, weil Kapitalanleger bei jeder Veränderung wie ein „scheues Reh“ reagieren wür­ den283. In diesem Kontext ist auch der Tenor unter Nr. 3 der Entscheidung zu verstehen, wonach gesamtwirtschaftliche Gründe einen Verzicht des Gesetzgebers auf eine hinreichende Kontrolle der im Veranlagungszeitraum abgegebenen Erklärungen des Steuerpflichtigen verfassungsrechtlich nicht rechtfertigen284. Wenn also Abramowski ausführt, dass seit dem „Zinsurteil“ „gesamtwirtschaftliche Gründe“ keine tauglichen Differenzierungsgründe im Rahmen des Art. 3 Abs. 1 GG seien285 und das Bankgeheimnis nicht zu einem Er­ mittlungsnotstand des Staates führen dürfe286, so ist dies letztlich nur die „halbe Wahrheit“. Die vom BVerfG behandelte Sachverhaltskonstellation ist nämlich nicht auf die hiesige Problematik übertragbar. In dem dem „Zinsurteil“ zugrunde­ liegenden Sachverhalt hatte der Gesetzgeber eine Wahl: Es gab Alternativen zur Ausgestaltung der damals geltenden Regelungspraxis. Man hätte entwe­ der an die Abschaffung oder Änderung des Bankgeheimnisses z. B. durch Kontrollmitteilungen oder an einen Wechsel hin zum Quellensteuerabzug287 279  BVerfGE

84, 239 (245). 84, 239 (273). 281  Das Bankgeheimnis war zunächst im sog. Bankenerlass geregelt. Inzwischen ist das Bankgeheimnis in § 30a AO verankert (vgl. Rüsken, in: Klein, AO, 11. Aufl., § 30a Rdnr. 1). 282  BVerfGE 84, 239 (275, 278). 283  BVerfGE 84, 239 (266). 284  BVerfGE 84, 239 (239, 273 f.). 285  Abramowski, in: DStZ 1992, 460 (460). 286  Abramowski, in: DStZ 1992, 460 (465). 287  Die Quellensteuer ist keine eigene Steuerart, sondern eine spezielle Form der Einkommensteuererhebung. Beim Quellensteuerabzug wird die Steuer direkt bei der Quelle erhoben. Beispiele hierfür sind die Lohnsteuer (diese wird direkt beim Ar­ beitgeber erhoben) und die Abgeltungssteuer (diese wird direkt bei den Kreditinsti­ tuten erhoben), welche abgeltende Wirkung hat und daher keine Erklärung durch 280  BVerfGE



II. Situation durch § 371 AO 197779

denken können. Das BVerfG gab dem Gesetzgeber auch lediglich auf, „hinreichende gesetzliche Vorkehrungen für die Zukunft“ zu treffen288. Der Gesetzgeber entschied sich damals für eine dritte Variante, nämlich neben einem Kapitalertragsteuerabzug und der Einführung des Zinsabschlaggeset­ zes für die Erhöhung des Sparerfreibetrags, wodurch er die Mehrzahl der Steuerpflichtigen von der Besteuerung ausnahm289. Diese Wahlmöglichkei­ ten hat der Gesetzgeber im Rahmen der Sachverhaltskonstellationen, die die Selbstanzeigevorschriften vorrangig betreffen, gerade nicht. Der dem Zins­ urteil zugrundeliegende Ermittlungsnotstand war ohne weiteres durch Ände­ rung verschiedener Vorschriften zu beseitigen. Somit sind die durch den Ermittlungsnotstand des Staates verursachten fiskalischen Zielsetzungen sachlicher Differenzierungsgrund. Es bleibt natürlich in Zukunft kritisch zu beobachten, inwieweit auch weiterhin dieser Ermittlungsnotstand bestehen wird. Eine wichtige Rolle wird hierbei insbesondere spielen, inwieweit der (automatisierte) Informationsaustausch mit anderen Staaten vorangetrieben werden kann. Dieser Ermittlungsnotstand ist aber nicht der einzige sachliche Differen­ zierungsgrund: Auch die Honorierung und Erleichterung der Rückkehr in die Steuerehrlichkeit sind sachliche Differenzierungsgründe: Selbst wenn freiwilliges Handeln nicht vorausgesetzt wird und dadurch das zu honorie­ rende Verhalten zumindest abgewertet wird [dazu bereits oben C. II. 1. c) bb)], ist die Rückkehr in die Steuerehrlichkeit positiv zu werten. Der Ver­ zicht auf das Merkmal der Freiwilligkeit führt zu mehr Rechtssicherheit für den Steuerpflichtigen, was wiederum den fiskalischen Zweck fördert. Dieser Gesichtspunkt ist aber kein taugliches Differenzierungskriterium im Verhält­ nis zum Tatbestand des Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt, weil in beiden Fällen der Täter in die Abgabenehrlichkeit zurückkehrt und künftig die von ihm zu fordernden Abgaben entrichten wird. Taugliches Differenzierungskriterium wäre dieser Gesichtspunkt beispielsweise nur im Verhältnis zum Diebstahl oder zum Betrug: Bei diesen Delikten kann sich zwar der Täter auch dazu entscheiden, sich künftig rechtstreu verhalten zu wollen, es fehlt aber in der Regel die in die Zukunft gerichtete Komponen­ te, die es bei § 370, 371 AO und § 266a StGB gibt: Wer in die „Abgaben­ ehrlichkeit“ zurückkehrt, entrichtet auch künftig (mehr) Steuern und Sozial­ versicherungsbeiträge. Vor allem aber befindet sich der Steuerhinterzieher in einem Dauerrechts­ verhältnis zum deutschen Fiskus, was für ihn die Rückkehr in die Steuer­ den Steuerpflichtigen mehr erforderlich macht (vgl. zum Ganzen: Birk / Desens / Tappe, Steuerrecht, Rdnr. 652). 288  BVerfGE 84, 239 (285). 289  von Beckerath, in: Kirchhof, EStG, § 20 Rdnr. 470, 32.

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C. Selbstanzeige vor dem Schwarzgeldbekämpfungsgesetz (2011)

ehrlichkeit im Vergleich zu anderen Straftätern besonders schwierig macht. Zwar hat er sich zugegebenermaßen selbst in diese Situation manövriert. Dies ändert aber nichts an deren Bestehen. Gerade das Bestehen dieses Dauerrechtsverhältnisses und der damit in Zusammenhang stehende Kon­ flikt des Steuerpflichtigen zwischen Selbstbelastungsfreiheit (nemo tenetur se ipsum accusare) und der sich jährlich erneuernden Pflicht zur Steuerehr­ lichkeit [dazu bereits oben C. II. 1. c) bb)] rechtfertigen die Ungleichbe­ handlung, da der Staat anderenfalls entweder weitere Steuerhinterziehungen des sich eigentlich inzwischen rechtstreu verhalten wollenden Bürgers för­ dern würde, oder diesen unter Umständen dazu zwingen würde, sich selbst zu belasten290. Die bestehende Ungleichbehandlung wird ergänzend dadurch abgemildert, dass auch der Straftäter, der andere Straftaten begeht und sich stellt und Schadenswiedergutmachung leistet, Vergünstigungen erfährt. Man denke nur an die §§ 46a, 261 Abs. 9, 266a Abs. 6 StGB. Dieser Gesichts­ punkt der Erleichterung der Rückkehr in die „Abgabenehrlichkeit“ ist auch im Verhältnis zu § 266a StGB taugliches Differenzierungskriterium, da die bestehenden Situationen nicht vergleichbar sind: Deutlich wird dies, wenn man sich beispielsweise den Steuerhinterzieher vor Augen führt, der über Jahre hinweg nicht versteuerte Einnahmen auf einem Konto in der Schweiz ansammelt und nun steuerehrlich werden möchte: Sicherlich würde man bei den Finanzbehörden stutzig werden, wenn plötzlich Einnahmen aus Kapital­ einkünften versteuert würden, denen z. B. ein Vermögen von über einer Million Euro zugrunde läge. Dem würde gewiss nachgegangen werden. Anders bei den Sozialversicherungsbeiträgen: Wer einen Arbeitnehmer über Monate hin „schwarz“ beschäftigt und dies ändern und künftig die Sozial­ abgaben entrichten möchte, kann den Arbeitnehmer schlicht anmelden, ohne dass hieran etwas verdächtig wäre. Vor dem Hintergrund der dargestellten Erwägungen ist die Ungleichbe­ handlung von Steuerhinterziehern, die Selbstanzeige erstatten können, und Straftätern, die Vermögensstraftaten begangen haben und in der Regel keine Straffreiheit durch eine Selbstanzeige erlangen können, verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, weil sachliche Gründe für die Ungleichbehandlung bestehen und die Ungleichbehandlung insbesondere verhältnismäßig im engeren Sinne ist. Wenngleich eine Ausdehnung des Rechtsinstituts der Selbstanzeige auf allgemeine Vermögensstraftaten verfassungsrechtlich nicht geboten ist291, 290  Ähnlich Breyer, Der Inhalt der strafbefreienden Selbstanzeige, S. 64 ff.; Hoffmann, Die Ausschlußtatbestände der Selbstanzeige bei Steuerhinterziehung, S. 25 f.; Rüping, in: Hübschmann / Hepp / Spitaler, AO / FGO, Bd. IX, § 371 Rdnr. 26. 291  Ähnlich Helml, die Reform der Selbstanzeige im Steuerstrafrecht, S. 21, 29, die auch die gegenteilige Auffassung von Patzschke, Die Selbstanzeige als Strafauf­



II. Situation durch § 371 AO 197781

wäre dies – ähnlich wie dies in § 167 öStGB geschehen ist – erstrebenswert. Die Steuerhinterziehung wird vielfach – zu Unrecht – lediglich als Kava­ liersdelikt gesehen292. Durch die Möglichkeit der strafbefreienden Selbstan­ zeige wird dieses „Image“ der Steuerhinterziehung zusätzlich verstärkt. Es wäre wünschenswert, wenn der Gesetzgeber im Rahmen seines Gestaltungs­ spielraums dem entgegenwirken würde. 3. Positive Anforderungen des § 371 AO 1977 Eine Selbstanzeige ist gemäß § 371 AO 1977 wirksam abgegeben, wenn eine den Anforderungen des § 371 Abs. 1 AO entsprechende Erklärung ge­ genüber der Finanzbehörde abgegeben wird und der Täter innerhalb der ihm gesetzten Frist die zu seinen Gunsten verkürzten Steuern gemäß § 371 Abs. 3 AO zurückzahlt. Dies sind die positiven Voraussetzungen einer wirk­ samen Selbstanzeige. Außerdem darf kein Sperrgrund gemäß § 371 Abs. 2 AO verwirklicht sein (zu den negativen Voraussetzungen sogleich C. II. 4.). Die Berichtigungserklärung bewirkt damit für den Steuerstraftäter eine An­ wartschaft auf Straffreiheit, welche sich bei Erfüllung sämtlicher Vorausset­ zungen zur endgültigen Straffreiheit verstärkt293.

hebungsgrund des allgemeinen Strafrechts, S. 136 f. erwähnt, der von einer verfas­ sungsrechtlich gebotenen Ausweitung des Rechtsinstituts der Selbstanzeige ausgeht; Helml weist aber zutreffend darauf hin, „dass durch die Besonderheiten des Steuer­ strafrechts zwar der Grundsatz nemo tenetur se ipsum accusare tangiert wird, diese Betroffenheit allerdings innerhalb der Grenzen des Steuerstrafrechts liegt und damit auch die (…) verfassungsmäßige Notwendigkeit in diesem Bereich verbleibt und mittels der Möglichkeit der Selbstanzeige auch in diesem Bereich gelöst werden kann.“ Ebenfalls a. A. Breyer, Der Inhalt der strafbefreienden Selbstanzeige, S. 64 ff., der eine etwaige Verfassungswidrigkeit nicht in dem Bestehen des Rechtsinstituts der Selbstanzeige sieht, sondern „eher“ in dem Nichtvorhandensein eines solchen In­ struments bei anderen Delikten; gerade im Hinblick darauf, dass auch Breyer wegen des nemo-tenetur-Grundsatzes und des bestehenden Dauerschuldverhältnisses davon ausgeht, dass das Rechtsinstitut der Selbstanzeige verfassungsrechtlich geboten ist, verwundert diese Aussage, ist doch gerade dies taugliches Differenzierungskriterium (vgl. oben im Fließtext). 292  So ermittelten Schneider und Feld in einer repräsentativen Umfrage aus dem Jahre 2009, dass lediglich knapp 50 % der Befragten falsche Angaben in ihrer Steu­ ererklärung für unvertretbar hielten (Tagungsbericht der Stiftung Marktwirtschaft vom 18.01.2010, Guter Bürger – Böser Bürger? – Schattenwirtschaft und Steuerhin­ terziehung, S. 5). 293  Rolletschke, in: wistra 2002, 17 (18).

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C. Selbstanzeige vor dem Schwarzgeldbekämpfungsgesetz (2011)

a) § 371 Abs. 1 AO 1977: Berichtigung, Ergänzung oder Nachholung von Angaben aa) Allgemeines Die Selbstanzeige wird grundsätzlich gegenüber der zuständigen Behörde – das heißt gegenüber dem Finanzamt – erklärt294. Die Erstattung einer Selbstanzeige ist formfrei möglich, das heißt mündlich, schriftlich, elektro­ nisch oder z. B. auch in Form einer Steuererklärung; sie braucht nicht als Selbstanzeige bezeichnet zu werden295. Eine Stellvertretung bei der Erstat­ tung der Selbstanzeige ist möglich, sofern der insoweit erteilte Auftrag nach Begehung der Steuerstraftat erteilt wurde296. Wirksamkeitsvoraussetzung ist der Eingang bei der Behörde, die Erklä­ rung muss also derart in den Amtsbereich gelangen, „dass sie im normalen Geschäftsgang zur Kenntnis genommen werden kann“297; die bloße Aufgabe zur Post genügt nicht298. Eine Ausnahme davon soll lediglich dann gelten, wenn es zu Verzögerungen bei der Zustellung kommt, die dem Selbstanzei­ geerstatter nicht zuzurechnen sind, und er den Zeitpunkt der Aufgabe zur Post nachweisen kann: In diesem Fall gilt mittels Fiktion die Anzeige als in dem Zeitpunkt zugegangen, der einem regulären Postlauf entspricht299. Die­ se Ausnahme erscheint sachgerecht: Die Interessenlage ist vergleichbar mit der Fristversäumung bei der Rechtsmitteleinlegung. Hier ist anerkannt, dass bei unverhältnismäßig langen Postlaufzeiten die Fristversäumung unver­ schuldet ist; aus diesem Grund wird hier gemäß § 44 StPO in der Regel Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt300. Eine „Wiedereinsetzung“ 294  Dies ergibt sich aus § 371 Abs. 1 AO, der vorschreibt, dass die Selbstanzeige bei der „Finanzbehörde“ zu erstatten ist, i. V. m. § 6 Abs. 2 AO, wo der Begriff der Finanzbehörde definiert ist. Unter § 6 Abs. 2 Nr. 5 AO sind die Finanzämter ge­ nannt. Richtigerweise wird vertreten, dass die Selbstanzeige auch bei einer unzustän­ digen Finanzbehörde oder der Staatsanwaltschaft erstattet werden kann, da die ge­ nannten Behörden gemäß § 111 AO zur Weiterleitung an die zuständige Behörde verpflichtet sind (vgl. dazu im Einzelnen: Joecks, in: Franzen / Gast / Joecks, Steuer­ strafrecht, § 371 Rdnr. 88 ff.). 295  Webel, in: Schwarz, AO, Bd. 4, § 371 Rdnr. 37 f.; Joecks, in: Franzen /  Gast / Joecks, Steuerstrafrecht, § 371 Rdnr. 65 ff.; Rüping, in: Hübschmann / Hepp / Spi­ taler, AO / FGO, Bd. IX, § 371 Rdnr. 54 ff. 296  Rüping, in: Hübschmann / Hepp / Spitaler, AO / FGO, Bd. IX, § 371 Rdnr. 40; Joecks, in: Franzen / Gast / Joecks, Steuerstrafrecht, § 371 Rdnr. 79 m. w. N. 297  BayObLGSt 1980, 142 (145); Webel, in: Schwarz, AO, Bd. 4, § 371 Rdnr. 36. 298  Schauf, in: Kohlmann, Steuerstrafrecht, Bd. I, § 371 Rdnr. 85. 299  Rüping, in: Hübschmann / Hepp / Spitaler, AO / FGO, Bd. IX, § 371 Rdnr. 65; Schauf, in: Kohlmann, Steuerstrafrecht, Bd. I, § 371 Rdnr. 85. 300  Meyer-Goßner, StPO, § 44 Rdnr. 16.



II. Situation durch § 371 AO 197783

gibt es aber bei § 371 AO nicht, so dass die oben beschriebene Fiktion des Zugangs eine sachgerechte Lösung ist. Der sicherste Weg ist jedenfalls – gerade bei drohender Tatentdeckung – die persönliche Abgabe bei der zu­ ständigen Behörde. Dass dies kein rein theoretisches Problem ist, ergibt sich bereits daraus, dass Selbstanzeigen oft innerhalb kürzester Zeit vorbereitet werden müssen, wenn Tatentdeckung droht. Besonders anschaulich ergibt sich dies aus der Presseberichterstattung um den Fall Hoeneß: Nach einem Bericht der Süddeutschen Zeitung war hier der enorme Zeitdruck Grund für eine mögliche Unvollständigkeit der Selbstanzeige301. Für die Frage der Tatentdeckung kann es also entscheidend sein, ob der Zugang bei der Be­ hörde ein paar Tage früher oder später erfolgt. § 371 Abs. 1 AO 1977 verlangt die Berichtigung unrichtiger oder unvoll­ ständiger oder die Nachholung unterlassener Angaben bei der Finanzbehör­ de. Anders gesagt fordert die Vorschrift die Mitteilung der richtigen Besteu­ erungsgrundlagen, also der für die zutreffende Besteuerung notwendigen Tatsachen302. Die Berichtigungserklärung muss die Angaben enthalten, die der Steuerpflichtige bei ordnungsgemäßer Erfüllung seiner steuerlichen Pflichten schon früher hätte machen müssen, wobei er die steuerlich erheb­ lichen Tatsachen in der Weise mitteilen muss, dass die Finanzbehörde in die Lage versetzt wird, die Steuern nachträglich festzusetzen303. Dabei dürfen die Anforderungen an den Inhalt aber auch nicht überspannt werden. Dies könnte anderenfalls sogar abschreckende Wirkung haben und dem Zweck der Selbstanzeige zuwiderlaufen. Der BGH führte dazu zutreffend aus304: „Es kann nicht verlangt werden, daß das Finanzamt durch die Berichtigung in den Stand gesetzt wird, ohne weitere Aufklärungstätigkeit die nachzufordernde Steuer sofort festzusetzen. Es genügt vielmehr, daß die dem Finanzamt bisher infolge des Verhaltens des Steuerpflichtigen verschlossene Steuerquelle durch dessen eigene Tätigkeit offengelegt wird, so daß das Finanzamt auf dieser Grundlage ohne lang­ wierige Nachforschungen den Sachverhalt aufklären und die Steuer berechnen kann.“

Unschädlich ist damit, dass noch „veranlagungsübliche Maßnahmen“ wie z. B. das Beiziehen der Steuerakten durchgeführt werden müssen305. 301  Http: /  / www.sueddeutsche.de / sport / chronologie-der-hoeness-affaere-der-falldes-uli-h-1.1674888; http: /  / www.sueddeutsche.de / sport / chronologie-der-hoeness-af faere-der-fall-des-uli-h-1.1674888-2. 302  Jäger, in: Klein, AO, 10. Aufl., § 371 Rdnr. 18. 303  Wessing, in: Flore / Tsambikakis, Steuerstrafrecht, § 371 (n. F.) Rdnr. 43. 304  BGH NJW 1974, 2293 (2293); die Entscheidung erging zwar noch zu der Vorgängervorschrift des § 371 AO 1977. Das Berichtigungserfordernis war aber in gleicher Form auch dort normiert (vgl. dazu die obigen Ausführungen unter C. I. 6. und 7. zu den Vorgängervorschriften § 410 RAO und § 395 RAO). 305  Webel, in: Schwarz, AO, Bd. 4, § 371 Rdnr. 47.

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C. Selbstanzeige vor dem Schwarzgeldbekämpfungsgesetz (2011)

Grundvoraussetzung einer jeden Selbstanzeige ist die Verwirklichung des Tatbestands der Steuerhinterziehung gemäß § 370 AO, wobei der Versuch des § 370 AO ausreichend ist306. Dies ergibt sich schon daraus, dass § 371 Abs. 1 AO ganz allgemein auf § 370 AO Bezug nimmt und der Versuch der Steuerhinterziehung gemäß § 370 Abs. 2 AO unter Strafe gestellt ist. Das Motiv für die Erstattung einer Selbstanzeige spielt bei der Frage ihrer Wirksamkeit keine Rolle, freiwilliges Handeln ist nicht erforderlich307. Der Wortlaut des § 371 AO ist insoweit eindeutig. Sogar vor dem Hinter­ grund einer drohenden Tatentdeckung ist die Erstattung einer Selbstanzeige wirksam möglich. bb)  Unvollständige Angaben im weiteren Sinn Grundsätzlich sind nach § 371 Abs. 1 AO unrichtige oder unvollständige Angaben bei der Finanzbehörde zu berichtigen oder zu ergänzen oder un­ terlassene Angaben nachzuholen. Es stellt sich die Frage, wie es sich auf die Wirksamkeit der Selbstanzeige auswirkt, wenn zwar derartige Erklärun­ gen abgegeben werden, diese aber unzureichend oder nicht umfassend sind. Hier sind verschiedene Konstellationen zu unterscheiden: (1) Selbstanzeige dem Grunde nach – Gestufte Selbstanzeige Denkbar sind Konstellationen, in denen der Steuerpflichtige – gerade bei drohender Tatentdeckung und in Fällen, in denen die Zusammenstellung der verkürzten Umsätze aufgrund des lange zurückliegenden Tatzeitraums oder des Umfangs sehr zeitaufwändig ist – der Finanzbehörde mitteilt, dass Steu­ ern verkürzt wurden und er die Zusammenstellung der erforderlichen Unter­ lagen nachreichen werde. Letztlich erstattet der Steuerpflichtige „dem Grunde nach“ Selbstanzeige, behält sich aber die exakte Bezifferung der Besteuerungsgrundlagen vor308. Unproblematisch wirksam ist eine aus meh­ reren Erklärungen bestehende Selbstanzeige, sofern nicht zwischen den einzelnen Erklärungen ein Sperrgrund im Sinne des § 371 Abs. 2 AO ein­ tritt309. Zweifel an der Wirksamkeit der Selbstanzeige können aber bestehen, wenn zwischen den Erklärungen ein Sperrgrund eintritt. Lediglich auf die letztgenannte Konstellation beziehen sich die folgenden Ausführungen. Die Lösung des Problems ist umstritten: 306  Webel,

in: Schwarz, AO, Bd. 4, § 371 Rdnr. 28. in: Hübschmann / Hepp / Spitaler, AO / FGO, Bd. IX, § 371 Rdnr. 74. 308  Rolletschke, in: wistra 2002, 17 (18). 309  Joecks, in: Franzen / Gast / Joecks, Steuerstrafrecht, § 371 Rdnr. 76. 307  Rüping,



II. Situation durch § 371 AO 197785

Verschiedentlich wurde mit unterschiedlichen Argumenten bislang vertre­ ten, dass eine Selbstanzeige dem Grunde nach möglich sei. Teilweise wurde dies damit begründet, dass hier eine erste Erklärung dem Grunde nach und die spätere Konkretisierung eine rechtliche Einheit bilden würden310, wobei teilweise darauf hingewiesen wurde, dass die erste Teilerklärung den Sach­ verhalt ausreichend individualisieren müsse, wenngleich Zahlenangaben nicht zwingend erforderlich seien311. Ähnlich vertritt dies auch Rüping312: Eine gestufte Selbstanzeige sei mög­ lich. Nach Eingang der ersten Erklärung setze die Finanzbehörde dem Steuerpflichtigen eine angemessene Frist zur Nachzahlung der verkürzten Steuern gemäß § 371 Abs. 3 AO, im Rahmen derer auch aufgegeben werde, die Angaben zu den verkürzten Steuern zu konkretisieren. Gehe dann eine derart konkretisierende Erklärung ein, bilde diese eine rechtliche Einheit mit der ersten Erklärung. Begründet wird diese Lösung damit, dass der Steuer­ pflichtige einen Anspruch auf Fristsetzung habe und sich die Finanzbehörde durch die Fristsetzung selbst binde und daher keine Sperre nach § 371 Abs. 2 Nr. 1 lit. a AO durch Erscheinen eines Betriebsprüfers ausgelöst werden könne313. Auch Rolletschke hält eine gestufte Selbstanzeige für möglich314: Er kommt über eine Wortlautauslegung des § 371 Abs. 1 AO zu dem Ergebnis, dass dieser lediglich die Berichtigung verlangt, nicht aber die Berichtigung durch eine einheitliche Handlung; § 371 Abs. 2 Nr. 1 lit. b AO führe bei Einleitung eines Ermittlungsverfahrens vor Eingang der zweiten konkretisie­ renden Erklärung nicht zur Unwirksamkeit der Selbstanzeige im Ganzen, da diese Vorschrift entsprechend dem Sinn und Zweck der Vorschriften teleo­ logisch zu reduzieren sei. Vertreten wurde auch, dass für den Zeitpunkt der Selbstanzeige eine Rückwirkung auf den Zeitpunkt des Eingangs der ersten Erklärung eintrete, sofern darin „die den hinterziehungsrelevanten Sachverhalt individualisierenden Umstände mitgeteilt“ würden315; unklar bleibt hier aber, ob auch die Lieferung von Zahlen erforderlich ist oder ob die Angabe des Tatzeitraums und des zugrundeliegenden Sachverhalts als ausreichend angesehen wird. Joecks begründet die Rückwirkung der zweiten Erklärung damit, dass die 310  BGHSt 3, 373 (374); OLG Frankfurt NJW 1962, 974 (976); Zacharias / Rinne­ witz / Spahn, in: DStZ 1988, 391 (394). 311  Zacharias / Rinnewitz / Spahn, in: DStZ 1988, 391 (394). 312  Rüping, in: Hübschmann / Hepp / Spitaler, AO / FGO, Bd. IX, § 371 Rdnr. 82 ff. 313  Rüping, in: Hübschmann / Hepp / Spitaler, AO / FGO, Bd. IX, § 371 Rdnr. 84. 314  Rolletschke, in: wistra 2002, 17 (18 f.). 315  Joecks, in: Franzen / Gast / Joecks, Steuerstrafrecht, § 371 Rdnr. 78.

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C. Selbstanzeige vor dem Schwarzgeldbekämpfungsgesetz (2011)

Finanzbehörde gemäß „§ 89 AO auf sachgerechte Anträge usw. hinwirken“ müsse. Als Argument für die Möglichkeit einer Selbstanzeige dem Grunde nach konnte man früher auch Nr. 120316 der Anweisungen für das Straf- und Bußgeldverfahren (Steuer) – AStBV (St) – heranziehen; danach prüfte die BuStra, ob die Angaben für eine wirksame Selbstanzeige ausreichten, gege­ benenfalls, ob dem Täter Gelegenheit zu geben war, die Angaben zu ver­ vollständigen. Von Seiten der Finanzverwaltung ging man – zunächst – of­ fenbar davon aus, dass eine zweistufige Selbstanzeige grundsätzlich rechtlich möglich sei. In späteren Fassungen der AStBV ist diese Möglichkeit der Fristsetzung zur Vervollständigung aber gerade nicht mehr enthalten317. Nach heute überwiegender Auffassung ist eine stufenweise Selbstanzeige nicht wirksam möglich, wenn vor der zweiten konkretisierenden Erklärung ein Sperrgrund gemäß § 371 Abs. 2 AO eintritt318. Diese Auffassung ist vorzugswürdig. Die gegenteilige Auffassung überzeugt nicht: Der Rechtsgedanke des § 89 AO ist nicht übertragbar. § 89 Abs. 1 AO hält die Finanzbehörde im Rahmen ihrer Fürsorgepflicht dazu an, den Steu­ erpflichtigen zu unterstützen, wenn dieser „offensichtlich versehentlich“ oder „aus Unkenntnis“ falsch handelt. Beides ist vorliegend nicht der Fall. Der Steuerpflichtige, den die vorliegende Konstellation trifft, hat in der Regel über einen besonders langen Zeitraum und / oder in erheblichem Um­ fang Steuern verkürzt, was ihm selbst die Sachverhaltsermittlung erschwert. Deswegen möchte er die Selbstanzeige in Stufen erstatten. Von einem of­ fensichtlichen Versehen oder Unkenntnis kann nicht die Rede sein. 316  BStBl.

I 1996, 959 (1009 f.). I 2003, 654 (682); Wessing, in: Flore / Tsambikakis, Steuerstrafrecht, § 371 (n. F.) Rdnr. 71. 318  BGHSt 55, 180 (190); Jäger, in: Klein, AO, 11. Aufl., § 371 Rdnr. 22 (Jäger vertrat dies auch bereits in der Vorauflage aus dem Jahre 2009, also vor der Ent­ scheidung BGHSt 55, 180 vom 20.05.2010; vgl. dort die Rdnr. 20); Wessing, in: Flore / Tsambikakis, Steuerstrafrecht, § 371 (n. F.) Rdnr. 70; wohl auch Streck, in: DStR 1985, 9 (10), der darauf hinwies, dass zwar in Praxis und Literatur die Mög­ lichkeit einer Selbstanzeige in Stufen anerkannt sei, auf der anderen Seite aber dazu riet, keinesfalls in der ersten Erklärung auf die Angabe von Zahlen – die auch ge­ schätzt werden können – zu verzichten; ähnlich Bilsdorfer, in: wistra 1984, 93 (95 f.); Schauf, in: Kohlmann, Steuerstrafrecht, Bd. I, § 371 Rdnr. 53.2 f.; Webel, in: Schwarz, AO, Bd. 4, § 371 Rdnr. 49 m. w. N. (Der Vollständigkeit halber ist darauf hinzuweisen, dass die Ausführungen von Schauf, Wessing und Webel sich auf § 371 AO n. F. beziehen. Gerade die Ausführungen Wessings und Webels passen aber glei­ chermaßen zu § 371 AO a. F.); ebenso Helml, Die Reform der Selbstanzeige im Steuerstrafrecht, S. 92 f., die zutreffend feststellt, dass die Figur der gestuften Selbst­ anzeige sowohl unter Anwendung des § 371 AO a. F. als auch des § 371 AO n. F. abzulehnen sei. 317  BStBl.



II. Situation durch § 371 AO 197787

Auch ist nicht erkennbar, woraus sich ein Anspruch auf Fristsetzung zur Vervollständigung ergeben soll. § 371 Abs. 3 AO hilft hier nicht weiter. Dort ist nämlich nur die Fristsetzung für die Nachzahlung der verkürzten Steuern geregelt. Eine Fristsetzung für die Vervollständigung der Selbstan­ zeige ist im Gesetz gerade nicht erwähnt. Auch die Aussage, dass die Selbstanzeige dem Grunde nach und die vervollständigende zweite Erklä­ rung eine rechtliche Einheit bilden würden, findet im Gesetz keine Stütze. Nicht verkannt wird, dass die Selbstanzeige in mehreren Erklärungen enthalten sein kann. Nur darf nicht übersehen werden, dass eine Selbstan­ zeige dem Grunde nach die zuständige Behörde nicht hindert, einen Sperr­ grund gemäß § 371 Abs. 2 AO zu schaffen319. Dies ergibt sich schon aus dem insoweit eindeutigen Gesetzeswortlaut. Darüber hilft auch eine teleolo­ gische Reduktion des § 371 Abs. 2 AO nicht hinweg, da für diese vorliegend kein Raum ist: Eine teleologische Reduktion setzt eine planwidrige Rege­ lungslücke voraus320, welche vorliegend nicht erkennbar ist. Die Regelung zur Selbstanzeige dient einerseits fiskalischen Erwägungen, soll aber auf der anderen Seite die Rückkehr in die Steuerehrlichkeit erleichtern. Daneben sind auch strafrechtliche Aspekte bei der Anwendung und Auslegung der Norm zu berücksichtigen [dazu bereits oben C. II. 1. c)]. Die Vorschriften zur Selbstanzeige kommen dem Steuerstraftäter im Vergleich zu anderen Straftätern durch die Gewährung von Straffreiheit weit entgegen. § 371 Abs. 1 AO verlangt die Berichtigung, Ergänzung oder Nachholung falscher Angaben. Diese Voraussetzung erfüllt die Selbstanzeige dem Grunde nach gerade nicht, da hier allenfalls erklärt wird, dass „etwas falsch gemacht wurde“, die richtigen oder vollständigen Angaben aber nicht enthalten sind. Nicht zu übersehen ist auch, dass der Steuerpflichtige, der Interesse an der Erstattung einer Selbstanzeige dem Grunde nach hat, in der Regel besonders verwerflich gehandelt hat, weil er über einen besonders langen Zeitraum und / oder in erheblichem Umfang Steuern verkürzt hat, was ihm die Sach­ verhaltsermittlung besonders erschwert. Gerade diesem Steuerstraftäter über eine telelogische Reduktion des § 371 Abs. 2 AO noch weiter entgegen zu kommen, als dies vom eindeutigen Wortlaut her der Fall ist, erscheint auch angesichts des Zusammenspiels zwischen § 371 und § 370 AO und der dabei zu berücksichtigenden strafrechtlichen Aspekte nicht angezeigt; schließlich darf die general- und spezialpräventive Funktion des § 370 AO nicht zu weit beschränkt werden [dazu bereits C. II. 1. c) cc)]. Auch unter zwei weiteren Gesichtspunkten erscheint eine teleologische Reduktion nicht geboten: Dem Steuerstraftäter wird es in der Regel un­ 319  Jäger, in: Klein, AO, 11. Aufl., § 371 Rdnr. 22; BGHSt 55, 180 (190); Webel, in: Schwarz, AO, Bd. 4, § 371 Rdnr. 49 m. w. N. 320  Sprau, in: Palandt, BGB, Einl. Rdnr. 49.

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C. Selbstanzeige vor dem Schwarzgeldbekämpfungsgesetz (2011)

schwer möglich sein, Angaben zu den betroffenen Steuerarten und Tatzeit­ räumen zu machen. Ergänzt er diese Angaben durch eine großzügige Schät­ zung, erfüllt bereits die erste Erklärung die wesentlichen Voraussetzungen des § 371 AO321. Auf diese Weise kann wirksam Selbstanzeige erstattet werden und die Schätzung zu einem späteren Zeitpunkt durch die exakten Zahlen konkretisiert werden. Sachgerechte Ergebnisse könnten bei einer unwirksamen Selbstanzeige dem Grunde nach auch über § 398 AO und die §§ 153, 153a StPO erreicht werden, wenn der Steuerpflichtige maßgeblich an der Aufdeckung mitge­ wirkt hat. Vor diesem Hintergrund kann jedenfalls nicht von einer planwid­ rigen Regelungslücke gesprochen werden, die Raum für eine teleologische Reduktion bieten würde. Ob und gegebenenfalls welchen Sperrgrund die Finanzbehörde schafft, hängt von den Umständen des Einzelfalles ab: Kündigt der Steuerpflichtige lediglich eine Selbstanzeige an, ohne irgendwelche Angaben zu den Einzel­ heiten der begangenen Steuerhinterziehung (Umfang, Steuerart, Zeitpunkt) zu machen, besteht noch kein Anfangsverdacht für eine Steuerhinterziehung, so dass weder die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens geboten erscheint noch von Tatentdeckung ausgegangen werden kann; der Steuerpflichtige riskiert aber, dass aufgrund der Ankündigung eine Betriebsprüfung durchge­ führt wird und aufgrund des Sperrgrundes des § 371 Abs. 2 Nr. 1 lit. a AO keine wirksame Selbstanzeige mehr erstattet werden kann322. Macht der Steuerpflichtige dagegen Angaben zu Tatzeitraum und Steuer­ art und leitet die zuständige Behörde ein Ermittlungsverfahren ein und gibt dies bekannt, und reicht der Steuerpflichtige danach die erforderlichen Unterlagen ein, aus denen sich auch die Höhe der Umsätze ergibt, so ist auch im Nachreichen der Unterlagen keine wirksame Selbstanzeige zu se­ hen, da die Sperrgründe der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens gemäß § 371 Abs. 2 Nr. 1 lit. b AO und der Tatentdeckung gemäß § 371 Abs. 2 Nr. 2 AO gegeben sind. Die Finanzbehörde ist bei Vorliegen eines Anfangs­ verdachts sogar verpflichtet, ein Ermittlungsverfahren einzuleiten, hat also insoweit gar keine Handlungsalternative323.

321  So auch: BGHSt 55, 180 (190); Jäger, in: Klein, AO, 11.  Aufl., § 371 Rdnr. 22; Wessing, in: Flore / Tsambikakis, Steuerstrafrecht, § 371 (n. F.) Rdnr. 71; Bilsdorfer, in: wistra 1984, 93 (95 f.); Schauf, in: Kohlmann, Steuerstrafrecht, Bd. I, § 371 Rdnr. 54; wohl auch Streck, in: DStR 1985, 9 (10). 322  Joecks, in: Franzen / Gast / Joecks, Steuerstrafrecht, § 371 Rdnr. 78. 323  So auch Rolletschke, in: wistra 2002, 17 (18).



II. Situation durch § 371 AO 197789

(2) T  eilselbstanzeige und die Auslegung des Wortes „insoweit“ – Frühere und neuere Rechtsprechung des BGH (a) Begriff der Teilselbstanzeige Unter einer Teilselbstanzeige versteht man eine Selbstanzeige im Sinne des § 371 AO, die im Gegensatz zu einer Selbstanzeige dem Grunde nach auch Zahlen hinsichtlich des verkürzten Betrags enthält, welche aber den tatsäch­ lich verkürzten Betrag unterschreiten. In der Selbstanzeige wird also nur ein Teil der unrichtigen oder unterlassenen Angaben berichtigt oder ergänzt324, die steuerlich erheblichen Tatsachen werden nicht in vollem Umfang zutreffend offengelegt325. Dies kann z. B. in der Form geschehen, dass der Steuerpflichti­ ge zwei Schwarzgeldkonten unterhält, eines in der Schweiz und eines in Liechtenstein, in seiner Selbstanzeige aber nur die nicht erklärten Kapitalein­ künfte (§ 20 EStG) aus dem Konto in der Schweiz nacherklärt326. Gleicherma­ ßen denkbar wäre z. B., dass der Steuerpflichtige neben Einkünften aus nicht­ selbständiger Arbeit (§ 19 EStG) noch gewerbliche Einkünfte (§ 15 EStG) und Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung (§ 21 EStG) hat, welche er beide bislang nicht in seinen Einkommensteuererklärungen angibt. Würde er nun im Rahmen einer Selbstanzeige die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung nacherklären, würde es sich ebenfalls um eine Teilselbstanzeige handeln. Nicht gemeint sind demgegenüber Fälle, in denen sich der Steuerpflichtige entschließt, nur eine von zwei verschiedenen Steuerstraftaten anzuzeigen (Beispiel: Berichtigung der falschen Angaben in der Einkommensteuererklä­ rung 2009, nicht aber der falschen Angaben in der Umsatzsteuerjahreserklä­ rung 2011). Hier handelt es sich begrifflich nicht um eine Teilselbstanzeige, sondern bezogen auf die Einkommensteuererklärung 2009 um eine vollstän­ dige Selbstanzeige. Die Prüfung der Wirksamkeit einer Selbstanzeige gemäß § 371 AO 1977 erfolgt tatbezogen. Dies ergibt sich auch aus der Verwendung des Singulars bei dem Wort „Tat“ in § 371 Abs. 2 Nr. 2, Abs. 3 AO 1977. (b) Meinungsstand bis zum 20.05.2010 Bislang wurde nach nahezu einhelliger Meinung in der Literatur von der Zulässigkeit einer Teilselbstanzeige ausgegangen327; begründet wurde dies insbesondere mit dem Wortlaut des § 371 Abs. 1 AO 1977: 324  Wessing,

in: Flore / Tsambikakis, Steuerstrafrecht, § 371 (n. F.) Rdnr. 72. in: Kohlmann, Steuerstrafrecht, Bd. I, § 371 Rdnr. 66. 326  Schauf, in: Kohlmann, Steuerstrafrecht, Bd. I, § 371 Rdnr. 66.2. 327  Barske, in: DB 1978, 2155 (2156); Jäger, in: Klein, AO, 10. Aufl., § 371 Rdnr. 20; Wessing, in: Flore / Tsambikakis, Steuerstrafrecht, § 371 (n. F.) Rdnr. 74; 325  Schauf,

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C. Selbstanzeige vor dem Schwarzgeldbekämpfungsgesetz (2011)

Wer in den Fällen des § 370 unrichtige oder unvollständige Angaben bei der Fi­ nanzbehörde berichtigt oder ergänzt oder unterlassene Angaben nachholt, wird insoweit (Hervorhebung des Verfassers) straffrei.

Auch das Reichsgericht328 und das BayObLG329 gingen von der grund­ sätzlichen Zulässigkeit von Teilselbstanzeigen aus. Die Norm wurde dabei so verstanden, dass über eine Selbstanzeige in dem Umfang Straffreiheit erlangt werden könne, soweit die Berichtigung, Ergänzung oder Nachholung von Angaben gingen. Nach h. M. hatte es auf die Wirksamkeit der Teil­ selbstanzeige auch keine Auswirkung, ob die Berichtigung absichtlich (do­ los) – z. B. weil der Steuerpflichtige nur hinsichtlich des offenbarten Teils mit Tatentdeckung rechnete – oder unbewusst nur teilweise erfolgte330. Die Rechtsprechung des BGH war in der Vergangenheit nicht einheitlich: Der BGH ging zwar lange Zeit von der grundsätzlichen Möglichkeit der Erstattung von Teilselbstanzeigen aus331, entschied dies aber zunächst nur für Fälle der fortgesetzten Steuerhinterziehung, als noch von der im Gesetz nicht verankerten Rechtsfigur der fortgesetzten Handlung ausgegangen wur­ de332. Besonders interessant ist eine Entscheidung des BGH aus dem Jahre Joecks, in: Franzen / Gast / Joecks, Steuerstrafrecht, § 371 Rdnr. 75, 213 f.; Zacharias / Rinnewitz / Spahn, in: DStZ 1988, 391 (392); Kohler, in: Münchener Kommentar zum Strafgesetzbuch, Band  6 / 1, § 371 AO Rdnr. 57; Schauf, in: Kohlmann, Steuer­ strafrecht, Bd. I, § 371 Rdnr. 66.2.; Koops, in: DB 1999, 2183 (2186); Rüping, in: Hübschmann / Hepp / Spitaler, AO / FGO, Bd. IX, § 371 Rdnr. 71; Leise, in: BB 1978, 698 (699) m. w. N. in der Fn. 6; Webel, in: Schwarz, AO, Bd. 4, § 371 Rdnr. 53 ff. m. w. N.; a. A. Kummer, in: Wabnitz / Janovsky, Handbuch des Wirtschafts- und Steu­ erstrafrechts, 18. Kapitel, Rdnr. 133. 328  RGSt 70, 104 (107). 329  BayObLG vom 20.01.1994 – 4 St RR 202 / 93. 330  Wessing, in: Flore / Tsambikakis, Steuerstrafrecht, § 371 (n. F.) Rdnr. 72; Joecks, in: Franzen / Gast / Joecks, Steuerstrafrecht, § 371 Rdnr. 64a; Schauf, in: Kohl­ mann, Steuerstrafrecht, Bd. I, § 371 Rdnr. 68.3. 331  BGHSt 35, 36 (37); BGH wistra 1988, 356 (356); BGH NJW 1974, 2293 (2293); BGH wistra 1999, 27 (28); BGHSt 12, 100 (101 f.): In der letztgenannten Entscheidung ging es zwar nicht unmittelbar um eine Teilselbstanzeige. Aus den Ausführungen des BGH zum Gesetzeszweck lässt sich aber erkennen, dass er von der Zulässigkeit einer Teilselbstanzeige ausging. Danach verdiene der Steuerstraftä­ ter eben nur insoweit Straffreiheit, als er der Steuerbehörde durch eigenes Zutun dazu verhelfe, dass er richtig veranlagt werden könne. 332  So in den Entscheidungen BGHSt 35, 36 (37), BGH wistra 1988, 356 (356) und BGH NJW 1974, 2293 (2293); unter einer fortgesetzten Handlung verstand man ganz allgemein eine Rechtsfigur, im Rahmen derer bei Serien- oder Wiederholungsta­ ten alle „Einzeltaten als unselbstständige Teilakte einer einzigen Handlung im Rechts­ sinn“ angesehen wurden (vgl. dazu im Einzelnen: Fischer, StGB, vor § 52 Rdnr. 47 ff.). Voraussetzung einer fortgesetzten Handlung war insbesondere ein einheitlicher Vor­ satz und die Gleichheit der Begehungsform und des verletzten Rechtsguts; bei der Steuerhinterziehung wurde die gleiche Begehungsform beispielsweise in der Abgabe



II. Situation durch § 371 AO 197791

1976333: Hier war ein Fall zu entscheiden, in dem die berichtigenden Anga­ ben des Steuerpflichtigen bezogen auf die geschuldeten Steuern weit hinter den tatsächlich erwirtschafteten Umsätzen zurückblieben („berichtigt“: 82.980 DM, tatsächlich: 159.750 DM). Der BGH urteilte, dass überhaupt keine wirksame Selbstanzeige vorlag, weil bei diesen Divergenzen nicht von einer Berichtigung gesprochen werden könne. Im Ergebnis ging der BGH also davon aus, dass zumindest bei erheblichen Abweichungen eine Teilberichtigung nicht möglich sei. Die letztgenannte Entscheidung des BGH wurde zu Recht kritisiert334. Die Entscheidung erging zwar auch zu einem Fall der fortgesetzten Steuerhinterziehung335. Es ist aber davon aus­ zugehen, dass der BGH dies für eine Teilberichtigung bei nur einer Hand­ lung erst recht so entschieden hätte. Schließlich wäre dort die Frage, ob bei einer erheblichen Abweichung überhaupt noch von einer Berichtigung ge­ sprochen werden kann, dieselbe. Erstmals führte der BGH in einer Entscheidung aus dem Jahre 1987336 und später in einer Entscheidung aus dem Jahre 1998337 aus, dass eine Teilberichtigung auch bei nur einer Handlung möglich sei. Erhebliche Ab­ weichungen scheinen dabei für den BGH inzwischen unschädlich gewesen zu sein, da bei der letztgenannten Entscheidung immerhin nur rund 1 Mio. DM von rund 3,3 Mio. DM an erwirtschafteten Umsätzen nacherklärt wur­ den und der BGH dennoch von einer möglichen338 Wirksamkeit der Teil­ selbstanzeige ausgegangen ist339. zweier unrichtiger Einkommensteuererklärungen erblickt (Ehlers / Lohmeyer, Steuer­ straf- und Steuerordnungswidrigkeitenrecht, S. 55). Die Rechtsfigur wurde zwischen­ zeitlich mit Entscheidung des Großen Senats des BGH vom 03.05.1994 zu Recht aufgegeben (BGHSt 40, 138); für den hier ausschließlich relevanten Bereich des Steuerrechts hat der BGH ausdrücklich klargestellt, nicht an der Rechtsfigur der fort­ gesetzten Handlung festhalten zu wollen (BGHSt 40, 195 [195]). In den Entscheidun­ gen BGHSt 35, 36 (37); BGH wistra 1988, 356 (356); BGH NJW 1974, 2293 (2293) hatten die Steuerpflichtigen für einzelne Jahre Berichtigungen vorgenommen, für an­ dere Jahre nicht. Es waren keine Konstellationen, in denen für nur ein Jahr eine Teil­ berichtigung vorgenommen worden war. Ob auch von einer wirksamen Teilselbstan­ zeige auszugehen war, wenn bezogen auf ein einzelnes Jahr nur teilweise berichtigt wurde, hat der BGH in BGH wistra 1988, 356 (356) offen gelassen. 333  BGH DB 1977, 1347 (1347). 334  So z. B. Barske, in: DB 1978, 2155 (2156); Leise, in: BB 1978, 698 (698); Joecks, in: Franzen / Gast / Joecks, Steuerstrafrecht, § 371 Rdnr. 64; a. A. Jäger, in: Klein, AO, 10. Aufl., § 371 Rdnr. 19. 335  Leise, in: BB 1978, 698 (698). 336  BGH wistra 1987, 293 (294). 337  BGH wistra 1999, 27 (28). 338  „Möglich“ nur deshalb, weil noch weitere Aufklärung zum Sachverhalt erfor­ derlich war. 339  BGH wistra 1999, 27 (28).

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C. Selbstanzeige vor dem Schwarzgeldbekämpfungsgesetz (2011)

(c) Entscheidung des BGH vom 20.05.2010 Die soeben dargestellte Rechtsprechung änderte der BGH im Jahre 2010 wieder grundlegend340; die Entscheidung soll wegen ihrer Bedeutung insbe­ sondere für die Änderungen durch das Schwarzgeldbekämpfungsgesetz (2011)341 auszugsweise wörtlich wiedergegeben werden: „(…) Diese im Verzicht auf den staatlichen Strafanspruch liegende Privilegierung des Steuerstraftäters gegenüber anderen Straftätern (gemeint ist die Möglichkeit einer Selbstanzeige gemäß § 371 AO; Anm. des Verfassers) bedarf einer doppelten Rechtfertigung: Zum einen sollen verborgene Steuerquellen erschlossen werden; zum anderen soll dem Steuerhinterzieher ein Anreiz gegeben werden, zur Steuer­ ehrlichkeit zurückzukehren. Aus fiskalischen Gründen soll für den Steuerhinterzieher ein Anreiz geschaffen werden, von sich aus den Finanzbehörden bisher verheimlichte Steuerquellen durch wahrheitsgemäße Angaben zu erschließen (…). Allein fiskalische Interessen an der Entrichtung hinterzogener Steuern können diese Privilegierung aber schwerlich rechtfertigen. Hinzukommen muss die Rückkehr zur Steuerehrlichkeit; diese soll honoriert werden (…). Eine Rückkehr zur Steuerehrlichkeit ist dann gegeben, wenn der Täter nunmehr vollständige und richtige Angaben – mithin ‚reinen Tisch‘ – macht. Erst dann liegt eine strafbefreiende Selbstanzeige i. S. d. § 371 Abs. 1 AO vor. (…). Das (…) Wort ‚insoweit‘ bezieht sich nicht auf den Umfang der gemachten An­ gaben, sondern allein auf den Umfang der Strafbefreiung. (…) ‚Insoweit‘ bedeutet daher namentlich: Neben der Straffreiheit für (…) Steuerdelikte könnte auch ein Täter, der zusätzlich verfälschte Belege gebraucht oder ein Bestechungsdelikt begeht (…), Straffreiheit (nur) wegen der Steuerhinterziehung erlangen. (…). Der Senat hält eine Teilselbstanzeige nicht für ausreichend, um die Strafbefreiung zu erlangen. Denn hier fehlt gerade die Rückkehr zur vollständigen Steuerehrlich­ keit (…). Soweit in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bislang eine solche Teilselbstanzeige als wirksam angesehen worden ist, weil das Wort ‚inso­ weit‘ in § 371 Abs. 1 AO eine nur teilweise Nachholung fehlender zutreffender Angaben erlaube (…), hält der Senat daran nicht fest. (…). Eine danach nicht ausreichende Teilselbstanzeige ist beispielsweise gegeben, wenn ein Steuerpflichtiger eine unvollständige Einkommensteuererklärung dahin ‚be­ richtigt‘, dass er von bislang gänzlich verschwiegenen Zinseinkünften nunmehr nur diejenigen eines Kontos angibt, aber immer noch weitere Konten verschweigt, weil er insoweit keine Entdeckung durch die Finanzbehörden befürchtet (dolose Selbstanzeige). (…).“

Der Entscheidung ist nicht eindeutig zu entnehmen, wie die Wendung „reinen Tisch machen“ zu verstehen ist342: Bezieht sie sich immer nur auf 340  BGHSt

55, 180. 2011, S. 676 f. 342  So auch: Wessing, in: Flore / Tsambikakis, Steuerstrafrecht, § 371 (n. F.) Rdnr. 74; Webel, in: PStR 2010, 189 (191 f.); Roth / Schützeberg, in: PStR 2010, 214 341  BGBl. I



II. Situation durch § 371 AO 197793

eine Tat oder auf sämtliche begangenen und nicht verjährten Steuerstrafta­ ten, bezieht sie sich immer nur auf eine Steuerart oder auf sämtliche Steu­ erarten in einem Veranlagungszeitraum oder gar in sämtlichen nicht verjähr­ ten Zeiträumen? Auf dem 12. IWW-Kongress am 22.10.2010 hat Jäger als Mitglied des erkennenden 1. Strafsenats des BGH343 allerdings klargestellt, dass die Wendung „reinen Tisch machen“ nicht als „Lebensbeichte“ ver­ standen werden dürfe, sondern immer nur bezogen auf die jeweilige Tat (also Steuerart, Steuerjahr, Steuererklärung)344. Wenngleich sich dies nicht eindeutig aus der Entscheidung ergibt, ist daher zu erwarten, dass der BGH künftig wie von Jäger dargestellt entscheiden wird. (d) Kritik und Bewertung Nur vereinzelt wurde die Entscheidung begrüßt345, dagegen vielfach und teilweise heftig kritisiert346: Hauptkritikpunkt war erstens, dass die Interpre­ tation des BGH dem Wortlaut des § 371 Abs. 1 AO 1977 widerspreche347 und dass das Wort „insoweit“ bei der Interpretation des BGH sinnentleert (215 f.); Buse, in: Stbg. 2010, 350 (352 f.); Schauf, in: Kohlmann, Steuerstrafrecht, Bd. I, § 371 Rdnr. 67.5; Kamps, in: DB 2010, 1488 (1491); Salditt, in: PStR 2010, 168 (173); Rüping, in: JZ 2010, 1075 (1076). 343  Http: /  / www.bundesgerichtshof.de / DE / Richter / BesetzungSenate / Strafsenate /  1strafsenat.html?nn=589462. 344  Wegner, in: PStR 2010, 309 (310). 345  Meyberg, in: PStR 2010, 162 (167), der darauf hinweist, dass die Entschei­ dung für Klarheit und Steuergerechtigkeit sorgt. 346  Salditt, in: PStR 2010, 168 (171 ff.); Webel, in: PStR 2010, 189 (190 f.); Wessing, in: Flore / Tsambikakis, Steuerstrafrecht, § 371 (n. F.) Rdnr. 74; Weidemann, in: PStR 2010, 175 (175  f.); Schauf, in: Kohlmann, Steuerstrafrecht, Bd. I, § 371 Rdnr.  66.2. ff.; ders. / Schwartz, in: PStR 2010, 195 (195); Rüping, in: Hübsch­ mann / Hepp / Spitaler, AO / FGO, Bd. IX, § 371 Rdnr. 71; ders., in: JZ 2010, 1075 (1076); Füllsack / Bürger, in: BB 2010, 2403 (2405 f.); Gaede, in: PStR 2010, 282 (282 ff.); Schwedhelm, in: Stbg. 2010, 348 (348 ff.), der darauf hinweist, dass die vornehmlich moralisierende Begründung des BGH wenig überzeugend sei und dass es für den 1. Strafsenat offenbar keinen größeren „Staatsfeind“ gebe als den Steuer­ hinterzieher; Buse, in: Stbg. 2010, 350 (357); Webel, in: Schwarz, AO, Bd. 4, § 371 Rdnr. 54a; Kamps, in: DB 2010, 1488 (1490 ff.), der darauf hinweist, dass die Kehrt­ wende des BGH eher politisch und moralisch bedingt gewesen sein dürfte; Wulf, in: wistra 2010, 286 (287 ff.); Roth / Schützeberg, in: PStR 2010, 214 (215 f., 218). 347  Weidemann, in: PStR 2010, 175 (175); Wessing, in: Flore / Tsambikakis, Steu­ erstrafrecht, § 371 (n. F.) Rdnr. 74; Schauf, in: Kohlmann, Steuerstrafrecht, Bd. I, § 371 Rdnr. 67.1; ders. / Schwartz, in: PStR 2010, 195 (195), die dieses Argument noch deutlicher formulieren: Es ist die Rede davon, dass erst durch die Streichung des Wortes „insoweit“ in der Neufassung des § 371 AO eine Übereinstimmung zwi­ schen Gesetzeswortlaut und Rechtsprechung wiederhergestellt werde, die nach der Entscheidung des BGH vom 20.05.2010 gerade nicht mehr bestehe; Kamps, in: DB

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C. Selbstanzeige vor dem Schwarzgeldbekämpfungsgesetz (2011)

sei, da sich bereits aus dem übrigen Wortlaut des § 371 eindeutig ergebe, dass die Norm nur für die Steuerhinterziehung gelte348. Zweitens wurde bemängelt, dass sich aus der Entscheidung nicht ergebe, ob sich die vom BGH eingeforderte Vollständigkeit der Angaben immer nur auf eine Tat oder alle noch nicht verjährten Steuerstraftaten eines Steuerpflichtigen be­ ziehe349. Außerdem wurde vorgebracht, dass die „zweckrationale“ Argu­ mentation des BGH die Grenzen, die der Wortlaut des § 371 Abs. 1 AO 1977 vorgibt, überschreite, der BGH mithin eine unzulässige Rechtsfortbil­ dung zu Lasten des Täters betreibe, die gegen Art. 103 Abs. 2 GG versto­ ße350. Überdies wurden Zweifel geäußert, ob die Selbstanzeige tatsächlich dem Schutz der Steuerehrlichkeit diene und nicht vielmehr nur der Siche­ rung des Steueraufkommens351; die Rückkehr zur Steuerehrlichkeit aus Gewissensgründen sei nur „Wunschdenken“352. Zudem wurde auf Unsicher­ heiten und Schwierigkeiten für die Praxis hingewiesen353. Die Kritik ist großteils berechtigt: Bei einer genaueren Betrachtung des Wortlauts, der Stellung und des Zwecks des § 371 AO ist festzustellen, dass die Interpretation insbesondere des Wortes „insoweit“ des BGH fehlgeht: Zwar ist bei einer rein grammatikalischen Auslegung des § 371 Abs. 1 AO dem BGH zuzugeben, dass sich seine Interpretation der Vorschrift im Rah­ men des Wortlauts des § 371 Abs. 1 AO bewegt, weil man das Wort „inso­ weit“ auch auf den im ersten Halbsatz der Vorschrift genannten § 370 AO beziehen könnte und somit zu einer Straffreiheit „insoweit“ kommen könn­ te, als es den Tatbestand der Steuerhinterziehung gemäß § 370 AO betrifft und nicht etwa andere Straftatbestände wie z. B. die Urkundenfälschung354. Die Interpretation des BGH ist aber fernliegend. Besonders der Wortlaut und die Stellung des § 371 AO 1977 sprechen für die Möglichkeit von Teil­ selbstanzeigen: Es ergibt sich unzweideutig einerseits aus der Formulierung „in den Fällen des § 370“ in Abs. 1 der Vorschrift und andererseits aus der Überschrift des § 371 AO („Selbstanzeige bei Steuerhinterziehung“), dass § 371 ausschließlich auf die Steuerhinterziehung Anwendung findet; weiter 2010, 1488 (1490, 1493); Rüping, in: Hübschmann / Hepp / Spitaler, AO / FGO, Bd. IX, § 371 Rdnr. 71. 348  Webel, in: PStR 2010, 189 (190); Gaede, in: PStR 2010, 282 (284). 349  Vgl. zu diesem Gesichtspunkt bereits die Nachweise in der Fn. 342. 350  Gaede, in: PStR 2010, 282 (282 ff.); Rüping, in: Hübschmann / Hepp / Spitaler, AO / FGO, Bd. IX, § 371 Rdnr. 71; ähnlich: Schauf, in: Kohlmann, Steuerstrafrecht, Bd. I, § 371 Rdnr. 67.1. a. E. 351  Schwedhelm, in: Stbg. 2010, 348 (349). 352  Webel, in: Schwarz, AO, Bd. 4, § 371 Rdnr. 54a. 353  Roth / Schützeberg, in: PStR 2010, 214 (218); Schauf, in: Kohlmann, Steuer­ strafrecht, Bd. I, § 371 Rdnr. 67.5; Webel, in: Schwarz, AO, Bd. 4, § 371 Rdnr. 54a. 354  So im Ergebnis auch Wulf, in: wistra 2010, 286 (290).



II. Situation durch § 371 AO 197795

ergibt sich dies aus der Stellung des § 371 AO direkt nach § 370 AO und ganz allgemein in der AO und eben nicht im StGB, das über § 369 Abs. 2 AO auch für die Abgabenordnung gelten würde355. Dass der Gesetzgeber dies mit dem Wort „insoweit“ nochmals – überflüssig und weit weniger deutlich – un­ termauern wollte, ist doch äußerst fernliegend356. Tatsächlich wäre das Wort „insoweit“ bei der Interpretation des BGH sinnentleert357. Auch die vom BGH angesprochene Aufzählung sämtlicher Handlungsalternativen in § 371 Abs. 1 AO führt zu keinem anderen Ergebnis, weil die Verbindung der Hand­ lungsalternativen mit dem Wort „oder“ zum Ausdruck bringt, dass alternati­ ves und nicht kumulatives Handeln verlangt wird358. Außerdem stellt bereits eine Teilberichtigung eine Berichtigung dar, so dass es – entgegen der An­ sicht des BGH – nicht der Formulierung „insoweit berichtigen“ bedurfte, um Teilselbstanzeigen zuzulassen. Wer z. B. 100 € von 1.000 € an verkürzten Steuern in einer Selbstanzeige korrigiert, der berichtigt. Daneben wird der Honorierung der Rückkehr in die Steuerehrlichkeit zu großes Gewicht beigemessen: M. E. steht die Erleichterung und nicht die Ho­ norierung der Rückkehr in die Steuerehrlichkeit im Vordergrund [vgl. zu die­ sem Gesichtspunkt bereits die Ausführungen unter C. II. 1. c) bb)]. Außerdem hat die Vorschrift eben auch einen fiskalischen Zweck, der eher gefördert wird, wenn man auch Teilselbstanzeigen als vom Wortlaut erfasst ansieht359. Der BGH kommt daher im Rahmen seiner Auslegung zu einem Ergebnis, dem zahlreiche Gesichtspunkte entgegenstehen und das daher unzutreffend ist. Auf der anderen Seite ist aber kein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 2 GG festzustellen360: Kern dieses Problems ist die Frage, wo die gerade noch zulässige Auslegung im Strafrecht aufhört und wo die unzulässige und ge­ gen Art. 103 Abs. 2 GG verstoßende Analogie beginnt. Nach der h. M. ist die Grenzlinie zwischen verbotener Analogie und erlaubter Auslegung nach dem möglichen Wortsinn des Gesetzes zu bestimmen; hierbei beginnt die verbotene Analogie erst „jenseits der äußersten sprachlichen Sinngrenze“; auch innerhalb des möglichen Wortsinns darf „die Auslegung nicht weiter gehen, als es Zweck und Sinnzusammenhang der Norm zulassen“361. 355  Schauf, in: Kohlmann, Steuerstrafrecht, Bd. I, § 371 Rdnr. 67.1; Gaede, in: PStR 2010, 282 (284). 356  Ähnlich Gaede, in: PStR 2010, 282 (284). 357  Vgl. dazu bereits die Nachweise in der Fn. 348. 358  Gaede, in: PStR 2010, 282 (285). 359  Wessing, in: Flore / Tsambikakis, Steuerstrafrecht, § 371 (n. F.) Rdnr. 74 a. E. 360  A. A. Gaede, in: PStR 2010, 282 (282 ff.); Rüping, in: Hübschmann / Hepp / Spi­ taler, AO / FGO, Bd. IX, § 371 Rdnr. 71; Schauf, in: Kohlmann, Steuerstrafrecht, Bd. I, § 371 Rdnr. 67.1. a. E. 361  Vgl. zum Ganzen: Dannecker, in: Leipziger Kommentar, Bd. 1, § 1 Rdnr. 250 f. m. w. N.

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C. Selbstanzeige vor dem Schwarzgeldbekämpfungsgesetz (2011)

Wie bereits beschrieben, bewegt sich der BGH bei einer rein grammatika­ lischen Auslegung mit seiner Interpretation nicht jenseits des „(noch) möglichen Wortsinns“362, da der Wortlaut des § 371 Abs. 1 AO die Interpretation des BGH zulässt. Die Interpretation des BGH geht auch nicht weiter, als dies der Sinn und Zweck der Vorschrift, der zur Bestimmung der Wortlautgrenze mit herangezogen werden muss363, zulässt, weil der BGH ja gerade mit dem Sinn und Zweck der Vorschrift argumentiert, dabei aber dem fiskalischen Zweck zu wenig und der Honorierung der Rückkehr in die Steuerehrlichkeit zu viel Gewicht beimisst. Die Grenze zur unzulässigen Analogie zu Lasten des Täters ist damit aber noch nicht überschritten, weil die Auslegung des BGH zwar „schlicht falsch“, nicht jedoch – und das wäre Voraussetzung für einen Verstoß gegen Art. 103 Abs. 2 GG – „unvertretbar“ ist364. Als Zwischenfazit lässt sich festhalten, dass das grundsätzliche Ansinnen des BGH, dolose Teilselbstanzeigen abzuschaffen, aus rechtspolitischen Gründen zu begrüßen ist. Die Unterbindung derartigen Verhaltens des Steu­ erpflichtigen war primäres Ziel des BGH365. Nur war der Weg über eine fernliegende Auslegung wenig glücklich. Der einzig richtige Weg zur Ab­ schaffung von Teilselbstanzeigen war eine Gesetzesänderung, wie sie mit dem Schwarzgeldbekämpfungsgesetz im Jahre 2011 erfolgte. Im Ergebnis wären aber die Gesetzesänderungen durch das Schwarzgeldbekämpfungsge­ setz aller Wahrscheinlichkeit nach nicht derart weitgehend ausgefallen, wenn die Entscheidung des BGH im Jahre 2010 nicht ergangen wäre (dazu im Einzelnen unten D. III.). Im Hinblick auf die Änderung der Rechtsprechung an sich wird der Ent­ scheidung m. E. zu viel Bedeutung beigemessen: Einerseits hat der BGH bereits früher die Möglichkeit von Teilselbstanzeigen zumindest bei erheb­ licher Abweichung zwischen tatsächlich verkürztem und in der Selbstanzei­ ge nacherklärtem Betrag abgelehnt366. Eine Teilselbstanzeige bei nur einer Handlung ließ der BGH erstmals ausdrücklich im Jahre 1987 zu367. Diese 362  Fischer,

StGB, § 1 Rdnr. 24. dazu Kudlich, in: FS Stöckel, S. 104, der darauf hinweist, dass zur Be­ stimmung der Wortlautgrenze nicht nur die grammatikalische Auslegung, sondern auch „die übrigen Kanones der Auslegung“ angewandt werden müssen. 364  Vgl. zu diesen Kategorien und den Voraussetzungen für deren Annahme Kudlich, in: FS Stöckel, S. 104 f.: Danach ist von schlichter Falschheit auszugehen, wenn für eine Auslegung „nur“ die schlechteren Argumente bestehen, von „Unver­ tretbarkeit“ hingegen, wenn „sprachbezogene Argumente der klassischen Kanones normgelösten Argumenten untergeordnet werden“. Letzteres ist vorliegend nicht er­ kennbar, wenn der BGH mit dem Sinn und Zweck des § 371 AO argumentiert. 365  So auch Schauf, in: Kohlmann, Steuerstrafrecht, Bd. I, § 371 Rdnr. 67. 366  BGH DB 1977, 1347 (1347). 367  BGH wistra 1987, 293 (294). 363  Vgl.



II. Situation durch § 371 AO 197797

Rechtsprechung hat der BGH im Jahre 2010 dann wieder aufgegeben. Die früher vertretene Möglichkeit der Teilselbstanzeige bei fortgesetzter Steuer­ hinterziehung spielt heute nach Aufgabe der Rechtsfigur der fortgesetzten Handlung keine Rolle mehr, da heute von mehreren Handlungen und Taten auszugehen ist und begrifflich schon keine Teilselbstanzeige mehr vorliegt. Eine Änderung von großer Bedeutung war weniger die Änderung der Rechtsprechung des BGH als vielmehr die in der Folge der Entscheidung ergangenen Gesetzesänderungen durch das Schwarzgeldbekämpfungsgesetz, die weit über die vom BGH im Jahre 2010 aufgestellten Grundsätze hinaus­ gingen (dazu sogleich D. II. und III.). b) § 371 Abs. 3 AO 1977: Nachentrichtung verkürzter Steuern Gemäß § 371 Abs. 3 AO 1977 „tritt Straffreiheit für einen an der Tat Beteiligten nur ein, soweit er die zu seinen Gunsten hinterzogenen Steuern innerhalb der ihm bestimmten angemessenen Frist entrichtet, wenn Steuerverkürzungen bereits eingetreten oder Steuervorteile erlangt sind“. Unstrei­ tig ist davon der Grundfall erfasst, dass der Steuerschuldner die im Rahmen seines Steuerschuldverhältnisses verkürzten Steuern nachentrichten muss, um Straffreiheit zu erlangen368. Nach h. M. genügen aber auch nichtsteuer­ liche Vorteile, die der Beteiligte sich angeeignet hat369. Die Nachzahlungs­ pflicht trifft also nicht nur den unmittelbaren Steuerschuldner, sondern auch den wirtschaftlichen Nutznießer370. Zu denken wäre hier z. B. an den Ge­ sellschafter-Geschäftsführer einer Ein-Mann-GmbH, weil die Verkürzung von Steuern, die die GmbH schuldet, quasi zu seinen Gunsten erfolgt, da er bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise Inhaber des Vermögens der GmbH ist; denkbar wäre auch, dass ein Angestellter falsche Umsatzsteuervoranmel­ dungen für seinen Arbeitgeber abgibt und dann die erstatteten Beträge un­ terschlägt, und damit auch unmittelbarer Nutznießer der Steuerhinterziehung ist, ohne Steuerschuldner zu sein371. Kein ausreichender wirtschaftlicher Vorteil bestünde aber darin, dass ein Angestellter die Steuerhinterziehung 368  Joecks,

in: Franzen / Gast / Joecks, Steuerstrafrecht, § 371 Rdnr. 98. in: Kohlmann, Steuerstrafrecht, Bd. I, § 371 Rdnr. 89.4 m. w. N. – Der Meinungsstreit spielt insbesondere im Gesellschaftsrecht eine Rolle, wenn beispiels­ weise der Geschäftsführer einer GmbH unrichtige Steuererklärungen für diese ab­ gibt. Bei der gebotenen wirtschaftlichen Betrachtungsweise ist daher stets von Be­ deutung, inwieweit das jeweilige Organ am Gewinn der Gesellschaft beteiligt ist (vgl. zu den Einzelheiten Schauf, in: Kohlmann, Steuerstrafrecht, Bd. I, § 371 Rdnr.  89.2 ff.). 370  Jäger, in: Klein, AO, 11. Aufl., § 371 Rdnr. 81. 371  Beide Beispiele nach Jäger, in: Klein, AO, 11. Aufl., § 371 Rdnr. 81; zum Begriff des Steuerschuldners vgl. bereits oben Fn. 185. 369  Schauf,

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C. Selbstanzeige vor dem Schwarzgeldbekämpfungsgesetz (2011)

lediglich zu Gunsten seines Arbeitgebers oder der nicht am Gesellschafts­ vermögen beteiligte GmbH-Geschäftsführer zu Gunsten der GmbH begeht, um jeweils den eigenen Arbeitsplatz zu sichern372. Hier bleiben der Arbeit­ geber und die Gesellschaft(er) die unmittelbaren wirtschaftlichen Profiteure der Steuerverkürzung. 4. § 371 Abs. 2 AO 1977: Die Sperrgründe a) Allgemeines In § 371 Abs. 2 AO sind mehrere sog. Sperrgründe normiert: Ist ein sol­ cher Sperrgrund verwirklicht, tritt trotz einer Selbstanzeige gemäß § 371 Abs. 1 AO ausnahmsweise keine Straffreiheit mehr ein. Es handelt sich um Konstellationen, in denen die Steuerstraftat bereits entdeckt ist (§ 371 Abs. 2 Nr. 1 lit. b und Nr. 2 AO) oder Tatentdeckung unmittelbar droht (so bei § 371 Abs. 2 Nr. 1 lit. a z. B. im Falle der Betriebsprüfung). In allen Kon­ stellationen hat der Steuerpflichtige erkannt, dass sein Festhalten am ur­ sprünglichen Tatplan aussichtslos ist373. Wenngleich freiwilliges Handeln für eine wirksame Selbstanzeige gerade nicht erforderlich ist [dazu bereits oben C. II. 1. b) bb)], erinnern die Sperrgründe doch an das beim Rücktritt ge­ mäß § 24 StGB normierte Prinzip der Freiwilligkeit374. b) § 371 Abs. 2 Nr. 1 lit. a AO 1977: Erscheinen eines Amtsträgers Straffreiheit tritt gemäß § 371 Abs. 2 Nr. 1 lit. a AO 1977 nicht ein, wenn „vor der Berichtigung, Ergänzung oder Nachholung ein Amtsträger der Finanzbehörde zur steuerlichen Prüfung oder zur Ermittlung einer Steuerstraftat oder einer Steuerordnungswidrigkeit erschienen ist“. Dieser Sperr­ grund wurde mit Gesetz vom 07.12.1951 eingeführt als Reaktion auf die mit der Vorgängerregelung einhergehende Fehlentwicklung, dass der Steu­ erpflichtige das Ergebnis der Betriebsprüfung abwarten, sich deren Ergebnis in einer Selbstanzeige zu eigen machen und auf diese Weise nach erfolgter Betriebsprüfung noch Straffreiheit erlangen konnte (zu den Einzelheiten bereits oben C. I. 6.). „Erschienen ist der Amtsträger, sobald er in Prüfungsabsicht den Prüfungsort (Wohn- oder Geschäftsräume) des Steuerpflichtigen tatsächlich 372  BGHSt 29, 37 (42); BGH wistra 1987, 343 (344); Jäger, in: Klein, AO, 11. Aufl., § 371 Rdnr. 81; Joecks, in: Franzen / Gast / Joecks, Steuerstrafrecht, § 371 Rdnr. 100. 373  Ähnlich Joecks, in: Franzen / Gast / Joecks, Steuerstrafrecht, § 371 Rdnr. 129. 374  Joecks, in: Franzen / Gast / Joecks, Steuerstrafrecht, § 371 Rdnr. 131.



II. Situation durch § 371 AO 197799

betritt“375. Die mündliche oder schriftliche Ankündigung der Prüfung ge­ nügt nicht376. Auch an diesem Punkt wird deutlich, dass freiwilliges Han­ deln, anders als beim Rückritt, gerade keine Voraussetzung einer wirksamen Selbstanzeige ist. Der Gesetzgeber ermöglicht bis zu einem relativ späten Zeitpunkt die Erstattung einer wirksamen Selbstanzeige. Der Steuerpflichti­ ge, der bei angekündigter Betriebsprüfung und lebensnaher Betrachtung davon ausgeht, dass er die Steuerstraftat nicht mehr wird verheimlichen können, und deswegen Selbstanzeige erstattet, handelt gewiss nicht freiwil­ lig, wird aber gleichwohl bei Erfüllung der übrigen Voraussetzungen straf­ frei377. Obwohl das Gesetz keine Aussage darüber trifft, auf welche Person sich der Sperrgrund bezieht, besteht Einigkeit darüber, dass der persönliche An­ wendungsbereich begrenzt ist378. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass die Sperrwirkung nur für den zu prüfenden Steuerpflichtigen gilt379. Anders ist dies bei betriebsbezogenen Steuerstraftaten: Hier tritt die Sperrwirkung nicht nur gegenüber dem Betriebsinhaber ein, sondern grundsätzlich auch gegenüber sämtlichen an der Tat beteiligten Mitarbeitern im Betrieb380. Dies gilt schon wegen des Wortlauts der Norm, der so weit gefasst ist, dass der Sperrgrund auch für den an der Steuerstraftat Beteiligten gelten kann, gegen den sich die Prüfung nicht richtet. Überdies gilt dies wegen des hinter der Vorschrift stehenden Gedankens, dass im Falle der unmittelbar bevorstehen­ den Tatentdeckung im Zeitpunkt des Erscheinens zur Betriebsprüfung kein zu würdigendes Verhalten des Steuerpflichtigen mehr bestehe. Bei betriebs­ bezogenen Steuerverkürzungen droht bei Erscheinen des Prüfers aber auch für die an der Tat beteiligten Mitarbeiter unmittelbar die Tatentdeckung, was eine Anwendung auf sie gebietet381. Auch die Entstehungsgeschichte der 375  Jäger, in: Klein, AO, 11. Aufl., § 371 Rdnr. 47; vgl. zu dem umstrittenen Sonderproblem, ob auch ein „Erscheinen beim Steuerpflichtigen“ in den Fällen an­ zunehmen ist, wenn die Prüfung an Amtsstelle stattfindet: Schauf, in: Kohlmann, Steuerstrafrecht, Bd. I, § 371 Rdnr. 126; Joecks, in: Franzen / Gast / Joecks, Steuer­ strafrecht, § 371 Rdnr. 145 f. 376  Schauf, in: Kohlmann, Steuerstrafrecht, Bd. I, § 371 Rdnr. 123. 377  § 371 Abs. 2 Nr. 1 lit. a AO in der Fassung, die er durch das Schwarzgeldbe­ kämpfungsgesetz (2011) erhalten hat, erlaubt dieses Taktieren des Steuerpflichtigen gerade nicht mehr, da eine wirksame Selbstanzeige nach Bekanntgabe einer Prü­ fungsanordnung nicht mehr möglich ist; vgl. zu den Details unten D. II. 2. a). 378  Schauf, in: Kohlmann, Steuerstrafrecht, Bd. I, § 371 Rdnr. 139. 379  Jäger, in: Klein, AO, 11. Aufl., § 371 Rdnr. 53. 380  Dies gilt jedenfalls dann, wenn der jeweilige Mitarbeiter Kenntnis vom Be­ ginn der Prüfung hatte (vgl. zu den Details Joecks, in: Franzen / Gast / Joecks, Steu­ erstrafrecht, § 371 Rdnr. 148; Schauf, in: Kohlmann, Steuerstrafrecht, Bd. I, § 371 Rdnr.  143 ff.). 381  Ähnlich Jäger, in: Klein, AO, 11. Aufl., § 371 Rdnr. 53.

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Vorschrift spricht für eine Anwendung auf die weiteren Mitarbeiter: Die Vorschrift wurde geschaffen, um zu vermeiden, dass der Steuerpflichtige die Betriebsprüfung abwartet, um das Ergebnis einer Selbstanzeige zugrunde zu legen, und so Straffreiheit erlangt382. Würde man den Sperrgrund nicht auf die weiteren Mitarbeiter anwenden, bestünde aber genau diese Gefahr. Da­ neben spricht der Ausnahmecharakter des Rechtsinstituts der Selbstanzeige für eine extensive Auslegung der Sperrgründe [dazu bereits oben C. II. 1. d) und e)]. Der sachliche Umfang der Sperrwirkung richtet sich – wenngleich auch in diesem Punkt der Wortlaut weder eine zeitliche noch eine sachliche Be­ grenzung vornimmt – im Falle der Betriebsprüfung nach dem Inhalt der Prüfungsanordnung, im Falle des Erscheinens der Steuer- oder Zollfahndung nach dem Ermittlungswillen der Fahnder383. c) § 371 Abs. 2 Nr. 1 lit. b AO 1977: Bekanntgabe der Einleitung des Straf- oder Bußgeldverfahrens Gemäß § 371 Abs. 2 Nr. 1 lit. b AO 1977 tritt Straffreiheit nicht ein, wenn „vor der Berichtigung, Ergänzung oder Nachholung dem Täter oder seinem Vertreter die Einleitung des Straf- oder Bußgeldverfahrens wegen der Tat bekanntgegeben worden ist“. Aus dem Wortlaut ergibt sich eindeutig, dass nicht bereits die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens eine wirksame Selbstanzeige ausschließt, sondern erst die Bekanntgabe der Einleitung384. Der sachliche Umfang der Sperrwirkung richtet sich nach dem Inhalt der Bekanntgabe und der darin genannten Steuerarten und Zeiträume385. Auffällig ist, dass § 371 Abs. 2 Nr. 1 lit. b AO 1977 nur vom Täter spricht und nicht auch vom Teilnehmer. Bedeutet dies, dass der Teilnehmer trotz Verfahrenseinleitung und Bekanntgabe noch wirksam Selbstanzeige erstatten kann, der Täter aber nicht? Nach (wohl) überwiegender Ansicht soll sich der Sperrgrund auf sämtliche Beteiligten – also auch auf Teilnehmer – bezie­ hen386. Die von den Gegnern dieser Sichtweise vorgebrachten Argumente 382  Schauf,

in: Kohlmann, Steuerstrafrecht, Bd. I, § 371 Rdnr. 145. in: Klein, AO, 11. Aufl., § 371 Rdnr. 52 f.; auch in diesem Punkt sind Detailfragen äußerst umstritten, vgl. zu den Details und zu den vertretenen Meinun­ gen Schauf, in: Kohlmann, Steuerstrafrecht, Bd. I, § 371 Rdnr. 147 ff. 384  Im Falle der Einleitung ohne bereits erfolgte Bekanntgabe ist aber an Tatent­ deckung und damit an den Sperrgrund des § 371 Abs. 2 Nr. 2 AO zu denken. 385  Jäger, in: Klein, AO, 10. Aufl., § 371 Rdnr. 55; Joecks, in: Franzen / Gast / Joecks, Steuerstrafrecht, § 371 Rdnr. 182; die Details sind streitig (vgl. zum Streitstand Joecks, in: Franzen / Gast / Joecks, Steuerstrafrecht, § 371 Rdnr. 180 f.). 386  Marschall, in: BB 1998, 2553 (2555); Schauf, in: Kohlmann, Steuerstrafrecht, Bd. I, § 371 Rdnr. 177; Jäger, in: Klein, AO, 11. Aufl., § 371 Rdnr. 41; Rolletschke, 383  Jäger,



II. Situation durch § 371 AO 1977101

gegen eine Anwendung des § 371 Abs. 2 Nr. 1 lit. b AO 1977 auf den Teil­ nehmer überzeugen dagegen: Der eindeutige Wortlaut des § 371 Abs. 2 Nr. 1 lit. b AO 1977 lässt keine Auslegung zu, die eine Anwendung des Sperrgrun­ des auf den Teilnehmer möglich machen würde, weil eine derartige Ausle­ gung sich „jenseits des sprachlich möglichen Wortsinns“ bewegen würde387. Über § 369 Abs. 2 AO finden die allgemeinen Vorschriften des StGB Anwendung auf § 371 AO, somit auch § 28 StGB, der unmissverständlich definiert, dass der Teilnehmer eben kein Täter ist388. Hätte der Gesetzgeber den Sperrgrund auch auf den Teilnehmer anwenden wollen, hätte er den in § 28 Abs. 2 StGB definierten Oberbegriff des Beteiligten verwenden müs­ sen. Dass dem Gesetzgeber diese Unterscheidung bekannt war und bekannt sein musste, ergibt sich aus § 371 Abs. 3 AO, in dem der Gesetzgeber selbst den Begriff des Beteiligten verwendet hat389. Wenngleich diese Streitfrage – soweit erkennbar – obergerichtlich noch nicht entschieden ist, wäre zu erwarten, dass insoweit ebenfalls eine Anwendbarkeit des § 371 Abs. 2 Nr. 1 lit. b AO 1977 verneint werden würde. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund einer Entscheidung des BVerfG aus dem Jahre 2007390, in der zu klären war, ob im Rahmen des § 142 Abs. 2 Nr. 2 StGB die Subsumtion des unvorsätzlichen Handelns unter die Begriffe „berechtigt oder entschuldigt“ gegen Art. 103 Abs. 2 GG verstoße. Das BVerfG bejahte einen Verstoß gegen Art. 103 Abs. 2 GG und begründete dies vorwiegend mit dem Wort­ laut des Gesetzes und dem Sprachgebrauch und wies insbesondere darauf hin, dass die Begriffe „berechtigt oder entschuldigt“ aufgrund ihres norma­ tiven Gehalts nicht in einem „nicht-normativen Sinne“ ausgelegt werden dürften391. Dieses Ergebnis wurde seitens des BVerfG durch historische, systematische und teleologische Auslegungsgesichtspunkte „gestützt“392. Steuerstrafrecht, Rdnr. 605, 609; Webel, in: Schwarz, AO, Bd. 4, § 371 Rdnr. 100; Rüping, in: Hübschmann / Hepp / Spitaler, AO / FGO, Bd. IX, § 371 Rdnr. 173; a. A. Joecks, in: Franzen / Gast / Joecks, Steuerstrafrecht, § 371 Rdnr. 177; Grötsch, in: Stbg. 1998, 559 (560); Simon, in: Simon / Vogelberg, Steuerstrafrecht, S. 217; offen lassend Wessing, in: Flore / Tsambikakis, Steuerstrafrecht, § 371 (n. F.) Rdnr. 100; Kohler, in: Münchener Kommentar zum Strafgesetzbuch, Band  6 / 1, § 371 AO Rdnr. 199. 387  Grötsch, in: Stbg. 1998, 559 (560). 388  Ähnlich Grötsch, in: Stbg. 1998, 559 (560); Simon, in: Simon / Vogelberg, Steuerstrafrecht, S. 217; Joecks, in: Franzen / Gast / Joecks, Steuerstrafrecht, § 371 Rdnr. 177. 389  Simon, in: Simon / Vogelberg, Steuerstrafrecht, S. 217; Joecks, in: Franzen /  Gast / Joecks, Steuerstrafrecht, § 371 Rdnr. 177. 390  BVerfG NJW 2007, 1666. 391  BVerfG NJW 2007, 1666 (1667). 392  BVerfG NJW 2007, 1666 (1667 f.); vgl. zur Systematik der Argumentation des BVerfG Kudlich, in: FS Stöckel, S. 97 f.

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C. Selbstanzeige vor dem Schwarzgeldbekämpfungsgesetz (2011)

Die Argumentation des BVerfG ist auf den hier zu interessierenden Fall übertragbar: Um den Teilnehmer unter den Begriff des Täters zu subsumieren, be­ dürfte es schon einer nicht-normativen Auslegung des Begriffs des Täters. Dagegen spricht aber schon, dass der Gesetzgeber durch die Verwendung des Oberbegriffs Beteiligter in § 371 Abs. 3 AO zeigt, dass ihm die nor­ mative Verwendung der unterschiedlichen Begriffe nicht fremd ist. Selbst wenn man – wie hier vertreten [dazu bereits oben C. II. 1. d) und e)] – eine extensive Auslegung der Sperrgründe befürwortet, kann eine derart weitgehende, vom gesetzlichen Wortlaut und den klaren in § 28 StGB nie­ dergelegten Definitionen losgelöste „Auslegung“ nicht überzeugen. Eine solche Auslegung wäre nicht nur „schlicht falsch“, sondern „unvertretbar“ [zu diesen Kategorien bereits oben C. II. 3. a) bb) (2) (d), dort insbeson­ dere die Fn. 364]. Auf die übrigen Kanones der Auslegung kommt es vor­ liegend gar nicht mehr an, da auch bei deren Heranziehung das gefundene Ergebnis dem Normtext zugerechnet werden können müsste393. Käme man unter Heranziehung der weiteren Auslegungsmethoden zu dem Ergebnis, dass eine Anwendung des § 371 Abs. 2 Nr. 1 lit. b AO 1977 auf den Teil­ nehmer möglicherweise vom Gesetzgeber gewollt war, mit dem Sinn und Zweck des Gesetzes korrespondiert und aus rechtspolitischen Gründen wünschenswert wäre, so käme es darauf nicht an, da dieses Ergebnis nicht mehr dem Normtext zugerechnet werden könnte, weil die Begriffe Täter, Teilnehmer und Beteiligter in § 28 StGB unzweideutig definiert sind. Oder vereinfacht gesagt: Wenn der Gesetzgeber tatsächlich den Teilnehmer auch von dem Sperrgrund erfasst haben wollte, hätte er dies auch in das Gesetz schreiben müssen394. Die Anwendung des § 371 Abs. 2 Nr. 1 lit. b AO 1977 auf den Teilnehmer verstößt nach alledem gegen Art. 103 Abs. 2 GG395 und ist daher abzulehnen. Ein gesetzgeberisches Versehen erscheint nicht ausgeschlossen. d) § 371 Abs. 2 Nr. 2 AO 1977: Tatentdeckung Gemäß § 371 Abs. 2 Nr. 2 AO 1977 tritt Straffreiheit ausnahmsweise nicht ein, wenn „die Tat im Zeitpunkt der Berichtigung, Ergänzung oder Nachho393  Kudlich,

in: FS Stöckel, S. 105. Klarstellung ist leider auch nicht im Rahmen der Änderungen durch das Schwarzgeldbekämpfungsgesetz (2011) erfolgt: Der Wortlaut ist identisch geblieben (vgl. dazu unten D. I. 1.), und in der Gesetzesbegründung vermisst man Ausführun­ gen dazu, ob eine Aufnahme des Teilnehmers absichtlich unterblieben ist [vgl. BTDrucks. 17 / 4182, S. 5: Keine Ausführungen zu Abs. 2 Nr. 1 lit. b; Wessing, in: Flore / Tsambikakis, Steuerstrafrecht, § 371 (n. F.) Rdnr. 100]. 395  Grötsch, in: Stbg. 1998, 559 (560). 394  Eine



II. Situation durch § 371 AO 1977103

lung ganz oder zum Teil bereits entdeckt war und der Täter dies wußte oder bei verständiger Würdigung der Sachlage damit rechnen mußte“. aa) Entdeckung der Tat – Entdeckung des Täters Tatentdeckung ist zu unterscheiden von den aus der StPO bekannten Verdachtsgraden des Anfangsverdachts (§ 152 Abs. 2 StPO) und des hinreichenden Tatverdachts (§§ 170 Abs. 1, 203 StPO)396. Ein Anfangsverdacht besteht, wenn es nach kriminalistischen Erfahrungen als möglich erscheint, dass eine verfolgbare Straftat vorliegt, wobei bereits konkrete Tatsachen den Tatverdacht begründen müssen397. Hinreichender Tatverdacht besteht, wenn die Verurteilung des Beschuldigten / Angeschuldigten bei vorläufiger Tatbe­ wertung mit Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist398. Tatentdeckung erfordert eine Verdachtslage gegen den Beschuldigten, deren Grad zwischen dem Anfangsverdacht und dem hinreichenden Tatverdacht liegt. Im Einzelnen gilt Folgendes: Abzulehnen ist die vereinzelt vertretene Auffassung399, nach der Tatent­ deckung eine Vorstufe des Anfangsverdachts sei, weil hier verkannt wird, dass es ein Mehr an Verdacht als beim Anfangsverdacht erfordert, um von Tatentdeckung sprechen zu können400 oder anders gewendet die Tatentde­ 55, 180 (186 f.); Jäger, in: Klein, AO, 11. Aufl., § 371 Rdnr. 60. StPO, § 152 Rdnr. 4. 398  Meyer-Goßner, StPO, § 170 Rdnr. 1. 399  OLG Celle BB 1971, 205 (206); Dietz, in: DStR 1981, 372 (373); Bilsdorfer, in: wistra 1984, 131 (134); ders., in: BB 1982, 670 (673) m. w. N. und einer über­ sichtlichen und strukturierten Darstellung des zum Zeitpunkt der Verfassung des Aufsatzes bestehenden Meinungsspektrums; ähnlich ein Teil der älteren Rechtspre­ chung, vgl. BayObLGSt 1970, 132 (133); OLG Hamburg NJW 1970, 1385 (1387), die Tatentdeckung aber erst im Zeitpunkt der Bejahung eines Anfangsverdachts an­ nahmen. 400  Im Ergebnis wie hier BGH wistra 1983, 197 (197); BGH wistra 1985, 74 (75); BGH wistra 1993, 227 (227); BGHSt 55, 180 (186); Jäger, in: Klein, AO, 11. Aufl., § 371 Rdnr. 60; Stahl, Selbstanzeige, Rdnr. 375; Volk, in: DStR 1987, 644 (646); Randt / Schauf, in: DStR 2008, 489 (490); Wrenger, in: DB 1987, 2325 (2327); Fehling / Rothbächer, in: DStZ 2008, 821 (824); Blumers, in: wistra 1985, 85 (87); Streck, in: DStR 1985, 9 (10); Lüttger, in: StB 1993, 372 (377); Göggerle / Frank, in: BB 1984, 398 (398); Baur, in: BB 1983, 498 (500); Brauns, in: StV 1985, 325 (326); Keller / Kelnhofer, in: wistra 2001, 369 (371 f.); Marschall, in: BB 1998, 2553 (2556 f.); Joecks, in: Franzen / Gast / Joecks, Steuerstrafrecht, § 371 Rdnr. 184; Schauf, in: Kohlmann, Steuerstrafrecht, Bd. I, § 371 Rdnr. 203; Rüping, in: JZ 2010, 1075 (1076); ders., in: Hübschmann / Hepp / Spitaler, AO / FGO, Bd. IX, § 371 Rdnr. 183; Simon, in: Simon / Vogelberg, Steuerstrafrecht, S. 224; Kohler, in: Münchener Kom­ mentar zum Strafgesetzbuch, Band  6 / 1, § 371 AO Rdnr. 212; Webel, in: Schwarz, AO, Bd. 4, § 371 Rdnr. 114 ff. 396  BGHSt

397  Meyer-Goßner,

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C. Selbstanzeige vor dem Schwarzgeldbekämpfungsgesetz (2011)

ckung zu einem Mehr an Verdacht führt, und daher von den Vertretern dieser Auffassung „die Stufenfolge der Erkenntnis“ umgekehrt wird401. Von Vertretern dieser Mindermeinung wurde insbesondere vorgebracht, dass nicht erkennbar sei, wie man – vorausgesetzt man fordere für die Tatentde­ ckung das Vorliegen eines hinreichenden Tatverdachts – diesen Verdachts­ grad mit sämtlichen Ermittlungsmaßnahmen (Vernehmungen etc.) erreichen wolle, ohne ein Ermittlungsverfahren einzuleiten402. Dem ist entgegenzuhal­ ten, dass Tatentdeckung nicht mit hinreichendem Tatverdacht gleichzusetzen ist403. Außerdem liefe der Sperrgrund des § 371 Abs. 2 Nr. 1 lit. b AO 1977 leer, da die Bejahung des Anfangsverdachts der Bekanntgabe des Ermitt­ lungsverfahrens denknotwendig vorgeht404. Verkannt wird aber noch ein weiterer, ganz wesentlicher Gesichtspunkt: Minimalvoraussetzung eines Anfangsverdachts ist eine Verdachtslage, bei der eine verfolgbare Straftat zumindest als möglich erscheint. Der Ausgang des sodann eingeleiteten Ermittlungsverfahrens ist bei Vorliegen nur dieser Minimalvoraussetzung noch gänzlich offen. Nicht selten werden Ermitt­ lungsverfahren wieder gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt. Die Beweislage kann aber bei Einleitung des Ermittlungsverfahrens schon viel erdrückender sein, so dass bei Einleitung des Ermittlungsverfahrens bereits die Verurtei­ lung wahrscheinlich ist405. Auch eine solche – bereits bei Beginn der Er­ mittlungen erdrückende – Beweislage erfüllt die Voraussetzungen eines Anfangsverdachts. Übertragen auf den Fall der Tatentdeckung gilt daher Folgendes: Mit Tatentdeckung ist die Verdachtslage bereits so deutlich, dass auch ein Anfangsverdacht zu bejahen und ein Ermittlungsverfahren einzu­ leiten ist. Der Verdachtsgrad geht aber weiter, als dies nach den Minimalan­ forderungen für die Begründung eines Anfangsverdachts erforderlich wäre. Eine Einstellung gemäß § 170 Abs. 2 StPO kommt nach Tatentdeckung in der Regel gerade nicht mehr in Betracht406. Anders ausgedrückt: Man kann 401  Joecks, in: Franzen / Gast / Joecks, Steuerstrafrecht, § 371 Rdnr. 184 a. E.; ähn­ lich Baur, in: BB 1983, 498 (500). 402  Dietz, in: DStR 1981, 372 (373); Bilsdorfer, in: BB 1982, 670 (673); ders., in: wistra 1984, 131 (134). 403  Dazu sogleich. 404  So auch Brauns, in: StV 1985, 325 (326); Rüping, in: Hübschmann / Hepp / Spi­ taler, AO / FGO, Bd. IX, § 371 Rdnr. 183; ähnlich BGH wistra 1983, 197, der darauf hinweist, dass sich aus § 371 Abs. 2 Nr. 1 lit. b AO 1977 ergebe, dass die Entde­ ckung der Tat und der Zeitpunkt, in dem die Finanzbehörde verpflichtet ist, ein Ermittlungsverfahren einzuleiten, nicht notwendig zeitlich zusammenfallen. 405  Man denke z. B. an eine fundierte Strafanzeige, die bereits zahlreiche Beweis­ mittel beinhaltet. Hier wird ein Ermittlungsverfahren eingeleitet, weil ein Anfangs­ verdacht besteht, der aber bereits über die bloße Möglichkeit einer späteren Verur­ teilung hinausgeht. 406  Ähnlich Wrenger, in: DB 1987, 2325 (2327).



II. Situation durch § 371 AO 1977105

stets von Tatentdeckung auf einen Anfangsverdacht schließen, nicht aber umgekehrt von einem Anfangsverdacht auf Tatentdeckung. In zeitlicher Hinsicht tritt also Tatentdeckung zeitgleich mit Bejahung eines Anfangsver­ dachts oder diesem Zeitpunkt nachfolgend ein. Auf der anderen Seite ist aber entgegen vielfach vertretener Auffassung407 Tatentdeckung nicht mit hinreichendem Tatverdacht gleichzusetzen408. Rich­ tig ist, dass sowohl für den hinreichenden Tatverdacht als auch für Tatent­ deckung die Wahrscheinlichkeit eines verurteilenden Erkenntnisses gegeben sein muss; der wesentliche Unterschied ist aber, dass im Falle der Tatentde­ ckung die Wahrscheinlichkeitsprognose auf einer schmaleren Tatsachen­ grundlage erfolgt als beim hinreichenden Tatverdacht, bei dem regelmäßig ein ausermittelter Sachverhalt am Ende eines Ermittlungsverfahrens steht409. Für diese Sichtweise sprechen auch folgende Gesichtspunkte: Würde man hinreichenden Tatverdacht mit Tatentdeckung gleichsetzen, liefe die Vorschrift des § 371 Abs. 2 Nr. 2 AO 1977 leer, weil in der Regel vor der Annahme eines hinreichenden Tatverdachts die Einleitung des Er­ mittlungsverfahrens bekanntgegeben wird und damit der Sperrgrund des § 371 Abs. 2 Nr. 1 lit. b AO 1977 griffe; gleiches gilt für Maßnahmen ge­ mäß § 371 Abs. 2 Nr. 1 lit. a AO 1977410. Außerdem würde die Gleichset­ zung mit dem hinreichenden Tatverdacht den Anwendungsbereich des § 371 Abs. 2 Nr. 2 AO 1977 extrem einengen, was dem Sinn und Zweck und dem Ausnahmecharakter der Vorschrift widerspräche. Wie bereits oben gezeigt wurde [C. II. 1. d)], ist grundsätzlich eine extensive Auslegung der Sperr­ gründe angezeigt. Auch wenn § 371 Abs. 2 Nr. 2 AO 1977 nur von der Entdeckung der Tat und nicht der Entdeckung des Täters spricht, ist nur bei identifiziertem411 407  Marschall, in: BB 1998, 2553 (2557); Göggerle / Frank, in: BB 1984, 398 (398); Randt / Schauf, in: DStR 2008, 489 (490); Fehling / Rothbächer, in: DStZ 2008, 821 (824); Kohler, in: Münchener Kommentar zum Strafgesetzbuch, Band  6 / 1, § 371 AO Rdnr. 212; Schauf, in: Kohlmann, Steuerstrafrecht, Bd. I, § 371 Rdnr. 230.2; Rüping, in: Hübschmann / Hepp / Spitaler, AO / FGO, Bd. IX, § 371 Rdnr. 183; wohl auch Helml, Die Reform der Selbstanzeige im Steuerstrafrecht, S. 129. 408  Ebenso BGHSt 55, 180 (187); Simon, in: Simon / Vogelberg, Steuerstrafrecht, S. 224; Jäger, in: Klein, AO, 11. Aufl., § 371 Rdnr. 60; Webel, in: Schwarz, AO, Bd. 4, § 371 Rdnr. 114; wohl auch Joecks, in: Franzen / Gast / Joecks, Steuerstrafrecht, § 371 Rdnr. 187. 409  BHGSt 55, 180 (187); Simon, in: Simon / Vogelberg, Steuerstrafrecht, S. 224 f.; Joecks, in: Franzen / Gast / Joecks, Steuerstrafrecht, § 371 Rdnr. 187, der äußerst an­ schaulich davon spricht, dass Tatentdeckung nicht erst dann angenommen werden kann, wenn der Fall „durchermittelt“ ist. 410  BGHSt 55, 180 (187). 411  Dörn, in: wistra 1993, 169 (170); Marschall, in: BB 1998, 2553 (2557); Schauf, in: Kohlmann, Steuerstrafrecht, Bd. I, § 371 Rdnr. 210.

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oder identifizierbarem412 Täter von Tatentdeckung auszugehen, weil Tat und Täter gerade im Steuerstrafrecht untrennbar miteinander verbunden sind413. Die Vertreter der Gegenauffassung widersprechen sich selbst, wenn sie für die Annahme von Tatentdeckung zwar die Wahrscheinlichkeit eines verurtei­ lenden Erkenntnisses fordern, nicht aber, dass der Täter bereits entdeckt ist414. Beides schließt sich gegenseitig aus, weil bei der Beurteilung einer späteren Verurteilungswahrscheinlichkeit die Person des Täters Berücksichtigung fin­ den muss415. Ein weiterer Gesichtspunkt spricht für die hier vertretene Sicht­ weise: Nach zutreffender Ansicht muss die Tat auch als (vorsätzliche) Steuer­ straftat entdeckt sein, was bedeutet, dass auch vorsätzliches Handeln erkenn­ bar sein muss416. Ohne Zuordnung der Tat zu einem konkreten Täter wird aber häufig keine Aussage zur subjektiven Tatseite möglich sein417. 412  Wulf, in: wistra 2010, 286 (288); Fehling / Rothbächer, in: DStZ 2008, 821 (825); Kohler, in: Münchener Kommentar zum Strafgesetzbuch, Band  6 / 1, § 371 AO Rdnr. 220; Rüping, in: Hübschmann / Hepp / Spitaler, AO / FGO, Bd. IX, § 371 Rdnr. 184; Joecks, in: Franzen / Gast / Joecks, Steuerstrafrecht, § 371 Rdnr. 191. 413  Salditt, in: PStR 2010, 168 (174); a. A. BGH wistra 1983, 197 (197); BGHSt 49, 136 (142); BGHSt 55, 180 (187), der streng mit dem Wortlaut des Gesetzes argumentiert, das von der Entdeckung der Tat und nicht des Täters spricht; Jäger, in: Klein, AO, 11. Aufl., § 371 Rdnr. 61; Göggerle / Frank, in: BB 1984, 398 (398); Roth / Schützeberg, in: PStR 2010, 214 (217); Webel, in: Schwarz, AO, Bd. 4, § 371 Rdnr. 116; der Vollständigkeit halber wird darauf hingewiesen, dass der BGH in der Entscheidung BGH wistra 1993, 227 (227) beschreibt, dass „der Täter auch ausrei­ chend identifiziert“ sei. 414  So aber BGH wistra 1983, 197 (197); BGHSt 49, 136 (141 f.); BGHSt 55, 180 (186 f.); Jäger, in: Klein, AO, 11. Aufl., § 371 Rdnr. 60; Göggerle / Frank, in: BB 1984, 398 (398); ähnlich wie hier Schauf, in: Kohlmann, Steuerstrafrecht, Bd. I, § 371 Rdnr. 210; Dörn, in: wistra 1993, 169 (170); Joecks, in: Franzen / Gast / Joecks, Steuerstrafrecht, § 371 Rdnr. 187. 415  Kohler, in: Münchener Kommentar zum Strafgesetzbuch, Band 6 / 1, § 371 AO Rdnr. 220. 416  Blumers, in: wistra 1985, 85 (87 f.); Keller / Kelnhofer, in: wistra 2001, 369 (372); Marschall, in: BB 1998, 2553 (2557); Henneberg, in: BB 1984, 1679 (1680 f.); Füllsack / Bürger, in: BB 2010, 2403 (2406); Fehling / Rothbächer, in: DStZ 2008, 821 (825); Kohler, in: Münchener Kommentar zum Strafgesetzbuch, Band 6 / 1, § 371 AO Rdnr. 219; Rüping, in: Hübschmann / Hepp / Spitaler, AO / FGO, Bd. IX, § 371 Rdnr. 182; Schauf, in: Kohlmann, Steuerstrafrecht, Bd. I, § 371 Rdnr. 209; Joecks, in: Franzen / Gast / Joecks, Steuerstrafrecht, § 371 Rdnr. 185; Wessing, in: Flo­ re / Tsambikakis, Steuerstrafrecht, § 371 (n. F.) Rdnr. 128; a. A. BGHSt  55, 180 (188 f.); Jäger, in: Klein, AO, 11. Aufl., § 371 Rdnr. 61a; Göggerle / Frank, in: BB 1984, 398 (399); Webel, in: Schwarz, AO, Bd. 4, § 371 Rdnr. 116. 417  Fehling / Rothbächer, in: DStZ 2008, 821 (825); Kohler, in: Münchener Kom­ mentar zum Strafgesetzbuch, Band  6 / 1, § 371 AO Rdnr. 220; Joecks, in: Fran­ zen / Gast / Joecks, Steuerstrafrecht, § 371 Rdnr. 191; ähnlich Henneberg, in: BB 1984, 1679 (1681); ähnlich auch Marschall, in: BB 1998, 2553 (2557), der davon ausgeht, dass bloße Identifizierbarkeit nicht ausreicht.



II. Situation durch § 371 AO 1977107

Dass es auf der anderen Seite bereits ausreicht, wenn der Täter zweifellos identifizierbar ist, ergibt sich daraus, dass dann die konkrete Tat – inklusive Täter – bereits ausreichend konkretisiert ist. Man denke z. B an die auf einem den Täter überführenden Dokument befindliche Unterschrift, die le­ diglich noch nicht zugeordnet ist, oder an fest umgrenzte Aufgabenkreise in einem Unternehmen, aus denen sich nach weiteren Ermittlungen der Täter zweifellos ermitteln lassen wird418. Auch die grundsätzlich gebotene exten­ sive Auslegung [dazu oben C. II. 1. d) und e)] spricht dafür, bereits bei einem identifizierbaren Täter von Tatentdeckung auszugehen, weil dies den Anwendungsbereich des § 371 Abs. 1 AO eingrenzt. Nach alledem ist von Tatentdeckung auszugehen, wenn „bei vorläufiger Tatbewertung die Wahrscheinlichkeit eines verurteilenden Erkenntnisses gegeben ist“419, wobei – entgegen der Beurteilung beim hinreichenden Tat­ verdacht – die „Wahrscheinlichkeitsprognose auf einer (noch) schmalen Tatsachenbasis“ erfolgt420. Der Begriff der Tat ist dabei nach zutreffender 418  Ähnlich Dörn in wistra 1998, 175 (176), der zwischen betrieblichen und per­ sönlichen Steuern unterscheiden will, wobei diese Unterscheidung m. E. zu pauschal ist: Gerade bei betrieblichen Steuern in großen Unternehmen kann der als Täter und vor allem als Teilnehmer in Betracht kommende Personenkreis so groß sein, dass man im konkreten Fall noch nicht von Tatentdeckung sprechen kann. Gerade für den Teilnehmer kommt es für die Frage der Tatentdeckung nicht darauf an, dass bekannt ist, dass bei einer betrieblichen Steuererklärung falsche Angaben gemacht wurden (Haupttat), sondern auf die seine Person und seine Beteiligung (= Tat) betreffende Wahrscheinlichkeitsprognose; es geht also gerade auch um die Frage, ob seine Teil­ nahme entdeckt ist (vgl. auch Schauf, in: Kohlmann, Steuerstrafrecht, Bd. I, § 371 Rdnr. 248.1). 419  BGH wistra 1983, 197 (197); BGH wistra 1985, 74 (74); BGH wistra 1993, 227 (227); BGHSt 49, 136 (141); BGHSt 55, 180 (186); Keller / Kelnhofer, in: wis­ tra 2001, 369 (371 f.); Marschall, in: BB 1998, 2553 (2556 f.); Streck, in: DStR 1985, 9 (10); Volk, in: DStR 1987, 644 (646); Wrenger, in: DB 1987, 2325 (2327); Randt / Schauf, in: DStR 2008, 489 (490); Lüttger, in: StB 1993, 372 (377); Durst, in: PStR 2008, 134 (136); Fehling / Rothbächer, in: DStZ 2008, 821 (824); Göggerle / Frank, in: BB 1984, 398 (398); Kohler, in: Münchener Kommentar zum Strafge­ setzbuch, Band  6 / 1, § 371 AO Rdnr. 212; Schauf, in: Kohlmann, Steuerstrafrecht, Bd. I, § 371 Rdnr. 203; Joecks, in: Franzen / Gast / Joecks, Steuerstrafrecht, § 371 Rdnr. 186; Webel, in: Schwarz, AO, Bd. 4, § 371 Rdnr. 115 – In seiner Entscheidung vom 20.05.2010 widerspricht sich der BGH selbst und der von ihm verwendeten soeben gefundenen Definition, wenn er nur zwei Seiten nach Beschreibung eben dieser Definiton (BGHSt 55, 180 [188]) ausführt, dass in der Regel von Tatentde­ ckung auszugehen sei, wenn „nach allgemeiner kriminalistischer Erfahrung eine Steuerstraftat oder -ordnungswidrigkeit nahe liegt“. Dies entspricht doch eher den Voraussetzungen des Anfangsverdachts, beschreibt aber gewiss keinen Verdachts­ grad, bei dem bereits eine Verurteilung wahrscheinlich ist (ebenso Wulf, in: wistra 2010, 286 [289]). 420  BGHSt 55, 180 (187); ähnlich Joecks, in: Franzen / Gast / Joecks, Steuerstraf­ recht, § 371 Rdnr. 187; Webel, in: Schwarz, AO, Bd. 4, § 371 Rdnr. 115.

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überwiegender Ansicht nicht prozessual, sondern materiell-rechtlich zu ver­ stehen, weil § 371 AO keine verfahrensrechtliche Vorschrift, sondern eine Norm des materiellen Strafrechts ist [dazu bereits oben C. II. 1. c) cc)]. Die materiell-rechtliche Tat ist aber nicht wie im Rahmen des § 52 StGB zu bestimmen, sondern nach zutreffender Ansicht nach Steuerarten421. An einem Beispiel erklärt bedeutet dies Folgendes: Werden in einem Um­ schlag bei dem Finanzamt eine unrichtige Einkommensteuererklärung und eine unrichtige Umsatzsteuererklärung eingereicht – beide Verkürzungen wären in diesem Fall tateinheitlich i. S. d. § 52 StGB verwirklicht – und wird nur entdeckt, dass die Einkommensteuererklärung unrichtig war, so bezieht sich die Sperrwirkung auch nur auf die Einkommensteuerverkür­ zung, nicht auf die Umsatzsteuerverkürzung. Für die Umsatzsteuerverkür­ zung könnte also noch wirksam eine Selbstanzeige abgegeben werden. Dieses Ergebnis steht in Einklang einerseits mit dem Sinn und Zweck der Sperrgründe, wonach Straffreiheit nicht mehr erlangt werden soll, soweit Steuerverkürzungen auch ohne Zutun des Steuerpflichtigen aufgedeckt werden können, und andererseits mit § 371 Abs. 1 AO, nach dem Straffrei­ heit erreicht werden kann, soweit die Selbstanzeige reicht; Letzteres gilt sogar bei einer Teilberichtigung innerhalb nur einer Steuererklärung [zu den Details bereits oben C. II. 3. a) bb) (2)]. Es ist also folgerichtig, wenn der Sperrgrund der Tatentdeckung auch nur soweit sperrt, als tatsächlich Entdeckung eingetreten ist. bb) Person des Entdeckers Das Gesetz schreibt in § 371 Abs. 2 Nr. 2 AO 1977 nicht vor, von wem die Tat entdeckt sein muss. Der Wortlaut der Vorschrift ist also insoweit eindeutig, als die Tat nicht zwingend von einem Ermittlungsbeamten, Steu­ erfahnder oder Staatsanwalt entdeckt zu sein braucht, wobei gerade diese Fälle die unproblematischen sind, die in der Praxis am häufigsten vorkom­ men dürften. Auf der anderen Seite genügt aber auch nicht die Entdeckung durch jeden beliebigen Dritten, wenngleich grundsätzlich auch Tatentde­ ckung durch Private möglich ist. Im Einzelnen gilt Folgendes: Ausgangspunkt muss mangels klarer Aussage des Gesetzes zur Person des Tatentdeckers die soeben gefundene Definition der Entdeckungsgefahr sein: Bei vorläufiger Tatbewertung kann aber nur dann die Wahrscheinlich­ 421  Helml, Die Reform der Selbstanzeige im Steuerstrafrecht, S. 118 f. mit einem guten Überblick zum Streitstand; BGH wistra 2000, 219 (219); ähnlich Rüping, in: Hübschmann / Hepp / Spitaler, AO / FGO, Bd. IX, § 371 Rdnr. 190, der die materiellrechtliche Tat ausgehend von der einzelnen Steuererklärung bestimmen will, was im Ergebnis keinen Unterschied machen dürfte.



II. Situation durch § 371 AO 1977109

keit eines verurteilenden Erkenntnisses gegeben sein, wenn der (private) Entdecker „das Verhalten des Steuerpflichtigen in seinem Sinngehalt erfasst und damit zu rechnen ist, dass er seine Kenntnis an die zuständige Behörde weiterleitet“422. Eine solche Wahrscheinlichkeit fehlt aber, wenn der Entdecker im „Lager“ des Steuerpflichtigen steht, wobei hier in erster Linie an Angehörige, Mitgesellschafter und Tatbeteiligte zu denken ist, oder wenn der Entdecker zur Wahrnehmung der Interessen des Steuer­ pflichtigen und zur Verschwiegenheit verpflichtet ist, so dass in diesem Zusammenhang vor allem Rechtsanwälte oder Steuerberater in Betracht kommen423. cc) Subjektives Element (1) Allgemeines Der Sperrgrund der Tatentdeckung verlangt, dass der Täter von der Ent­ deckung wusste oder bei verständiger Würdigung der Sachlage damit rech­ nete. Kenntnis von der Tatentdeckung ist anzunehmen, wenn „er aus den ihm bekannten Tatsachen den Schluss gezogen hat, eine Behörde oder ein anzeigewilliger Dritter habe von seiner Tat so viel erfahren, dass seine Verurteilung bei vorläufiger Beurteilung wahrscheinlich sei“424. Mit der Entdeckung musste der Täter rechnen, wenn er „aus den ihm (nachweislich) bekannten Tatsachen den Schluss hätte ziehen müssen, dass eine Behörde von seiner Tat der Steuerhinterziehung erfahren hatte“425. Der BGH hat in seiner Entscheidung vom 20.05.2010 darauf hingewiesen, dass nach seiner Auffassung angesichts der verbesserten Ermittlungsmöglichkeiten und der stärkeren Kooperation bei der internationalen Zusammenarbeit keine hohen Anforderungen mehr an das Merkmal des Kennenmüssens gestellt werden können und der Sperrgrund daher künftig maßgeblich durch die objektive Komponente bestimmt werden wird426. Diese Sichtweise mag punktuell zutreffen, trotz der grundsätzlich gebotenen extensiven Auslegung der Sperrgründe [dazu bereits oben C. II. 1. d) und e)] jedoch nicht in dieser verallgemeinernden Weise. Liest man die Ausführungen des BGH, möchte 422  Joecks, in: Franzen / Gast / Joecks, Steuerstrafrecht, § 371 Rdnr. 193 m. w. N.; Rüping, in: Hübschmann / Hepp / Spitaler, AO / FGO, Bd. IX, § 371 Rdnr. 188 m. w. N. 423  Rüping, in: Hübschmann / Hepp / Spitaler, AO / FGO, Bd. IX, § 371 Rdnr. 189. 424  Jäger, in: Klein, AO, 11. Aufl., § 371 Rdnr. 69. 425  Joecks, in: Franzen / Gast / Joecks, Steuerstrafrecht, § 371 Rdnr. 198. 426  BGHSt 55, 180 (189); zur Kritik an diesen Aussagen des BGH Wulf, in: wistra 2010, 286 (289); Salditt, in: PStR 2010, 168 (173 f.), der insbesondere darauf hinweist, dass es der Dritten Gewalt nicht zusteht, den Norminhalt zu verändern; Rüping, in: Hübschmann / Hepp / Spitaler, AO / FGO, Bd. IX, § 371 Rdnr. 194.

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man meinen, dass die Verfolgungsbehörden ausnahmslos alle Steuerstrafta­ ten ermitteln können. Das Gegenteil ist der Fall. Daher wird man bei der Beurteilung des Kennenmüssens auch künftig jeden Einzelfall gesondert beurteilen müssen, wobei die konkreten Ermittlungsmöglichkeiten und bei Auslandssachverhalten die konkrete Ausprägung der zwischenstaatlichen Zusammenarbeit Berücksichtigung finden. (2) B  egriff des Täters – Analogie in bonam partem427 trotz Ausnahmecharakters? (a) Auffällig ist, dass das Gesetz bei den subjektiven Voraussetzungen wieder nur vom Täter spricht. Nimmt man den Gesetzgeber beim Wort, so hat dies eine Schlechterstellung des Teilnehmers im Vergleich zum Haupt­ täter zur Folge: Für den Teilnehmer ist der Sperrgrund der Tatentdeckung eher gegeben, weil bei ihm nur objektiv Tatentdeckung gegeben sein muss, nicht aber zusätzlich die beschriebenen subjektiven Voraussetzungen vorlie­ gen müssen. Relevant wird dies in Konstellationen, in denen die Tat zwar objektiv entdeckt wurde, der Steuerpflichtige aber davon nichts wusste und auch nicht mit einer Entdeckung rechnen musste. In dieser Konstellation könnte der Teilnehmer nach dem Wortlaut des Gesetzes keine wirksame Selbstanzeige mehr erstatten, der Täter aber schon. Für den Teilnehmer wäre es also schwieriger, Straffreiheit nach § 371 Abs. 1 AO zu erlangen. Vielfach wird (zumeist ohne nähere Begründung) – ähnlich wie bei dem Sperrgrund der Bekanntgabe der Einleitung eines Straf- oder Bußgeldverfahrens [dazu bereits oben C. II. 4. c)] – vertreten, dass unter den Begriff des Täters auch der Teilnehmer zu subsumieren sei428, wodurch der Anwen­ dungsbereich des Sperrgrundes für den Teilnehmer eingeschränkt wird. Wie bereits in diesem Kontext beschrieben, handelt es sich aber bei dieser Inter­ pretation nicht mehr um eine zulässige Auslegung, sondern um eine nicht mehr vom Wortlaut gedeckte „Interpretation“; technisch gesehen ist dies aber keine Analogie, sondern eine teleologische Reduktion, da der Anwen­ dungsbereich einer Vorschrift – hier des Sperrgrundes der Tatentdeckung – entgegen dem Wortlaut eingeschränkt wird429. 427  Vgl. zu diesem Begriff Montiel, Grundlagen und Grenzen der Analogie in bonam partem im Strafrecht, S. 17. 428  Kohler, in: Münchener Kommentar zum Strafgesetzbuch, Band 6 / 1, § 371 AO Rdnr. 233; Wessing, in: Flore / Tsambikakis, Steuerstrafrecht, § 371 (n. F.) Rdnr. 135; Webel, in: Schwarz, AO, Bd. 4, § 371 Rdnr. 119 ff.; Jäger, in: Klein, AO, 11. Aufl., § 371 Rdnr. 68; Rüping, in: Hübschmann / Hepp / Spitaler, AO / FGO, Bd. IX, § 371 Rdnr. 193. 429  Vgl. zur Abgrenzung zwischen Analogie und teleologischer Reduktion Sprau, in: Palandt, BGB, Einl. Rdnr. 48 f.



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(b)  Teilweise wird daher eine Anwendung des Sperrgrundes auf den Teil­ nehmer wegen des eindeutigen Wortlauts der Norm abgelehnt430. Dabei wird aber übersehen, dass vorliegend ein wesentlicher Unterschied zum Sperrgrund der Bekanntgabe der Einleitung eines Straf- oder Bußgeldverfahrens besteht: Während die Anwendung des Sperrgrundes der Einleitung eines Straf- oder Bußgeldverfahrens auf den Teilnehmer entgegen dem eindeutigen Wortlaut eine Analogie zu seinen Lasten darstellt, würde eine Anwendung der subjektiven Voraussetzungen beim Sperrgrund der Tatentdeckung entgegen dem Wortlaut eine teleologische Reduktion zugunsten des Teilnehmers darstellen. Eine teleologische Reduktion zugunsten des Straftä­ ters verstößt nicht gegen Art. 103 Abs. 2 GG, § 1 StGB: Nach dem Analo­ gieverbot ist nämlich jede Rechtsanwendung zu Lasten des Täters untersagt, die „über den Inhalt einer gesetzlichen Sanktionsnorm hinausgeht“431. Dies bedeutet umgekehrt, dass eine teleologische Reduktion nur dann untersagt ist, wenn sie auf Bestimmungen angewandt wird, welche die Strafbarkeit einschränken432. Die Sperrgründe schränken aber den Strafaufhebungsgrund des § 371 Abs. 1 AO ein, erweitern daher die Strafbarkeit wieder und schränken diese nicht ein. (c)  Für eine teleologische Reduktion ist eine planwidrige Regelungslücke erforderlich433. Vorliegend ist kein Grund ersichtlich, warum der Gesetzge­ ber absichtlich zwischen dem Teilnehmer und dem Täter unterschieden ha­ ben soll. Es kann nicht von einer geplanten Regelungslücke gesprochen werden: Weder aus kriminalpolitischen noch aus fiskalischen Gründen er­ scheint diese Unterscheidung geboten oder gerechtfertigt. Würde man an­ nehmen, dass dem Gesetzgeber bei dem Sperrgrund der Einleitung eines Straf- oder Bußgeldverfahrens kein Versehen unterlaufen ist, als er nur den Täter in das Gesetz aufnahm, so könnte man dies noch dadurch rechtferti­ gen, dass dem Teilnehmer, der in der Regel im Vergleich zum Täter das geringere Unrecht begeht, die Möglichkeit zur Straffreiheit in größerem Umfang gewährt werden soll als dem Täter. Dass der Gesetzgeber aber beim Sperrgrund der Tatentdeckung für den Teilnehmer die Möglichkeit, Straffreiheit zu erlangen, weiter beschränken wollte als für den Täter, er­ scheint ausgeschlossen. Zweifellos ist daher von einem gesetzgeberischen Versehen und einer planwidrigen Regelungslücke auszugehen. (d) Zur Ablehnung einer teleologischen Reduktion könnte man vorlie­ gend allenfalls dann gelangen, wenn man den Ausnahmecharakter des § 371 430  Simon, in: Simon / Vogelberg, Steuerstrafrecht, S. 227; Joecks, in: Franzen /  Gast / Joecks, Steuerstrafrecht, § 371 Rdnr. 177, 197. 431  Eser / Hecker, in: Schönke / Schröder, StGB, § 1 Rdnr. 26 m. w. N. 432  Dannecker, in: Leipziger Kommentar, Bd. 1, § 1 Rdnr. 238. 433  Sprau, in: Palandt, BGB, Einl. Rdnr. 49, 55 f.

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AO mehr in den Mittelpunkt der Betrachtung rückt und deswegen an dessen Analogiefähigkeit im Hinblick auf das Gesetzlichkeitsprinzip und die daraus folgende Gesetzesbindung des Richters zweifelt: Ausgangspunkt dieser Überlegung ist die Tatsache, dass in der Regel Ausnahmevorschriften nicht analogiefähig sind434. Dies hängt damit zusammen, dass wegen der Geset­ zesbindung des Richters gemäß Art. 20 Abs. 3 GG der Analogie Grenzen gesetzt sind, wenn der Gesetzgeber erkennbar eine abschließende Regelung geschaffen hat435. Vergegenwärtigt man sich, was unter Analogie zu verste­ hen ist, ergibt sich diese Schlussfolgerung automatisch: Unter Analogie versteht man ganz allgemein „die Übertragung der für einen Tatbestand (A) oder für mehrere, untereinander ähnliche Tatbestände im Gesetz gegebenen Regel auf einen vom Gesetz nicht geregelten, ihm ähnlichen Tatbestand (B)“436. Üblicherweise wird sodann zwischen Gesetzes- und Rechtsanalogie unterschieden: Bei der Gesetzesanalogie wird der Rechtsgedanke einer ein­ zelnen Norm auf einen ähnlichen nicht geregelten Sachverhalt übertragen, bei der Rechtsanalogie wird aus mehreren Vorschriften ein ihnen innewoh­ nender Rechtsgedanke ermittelt und auf einen nicht geregelten Sachverhalt angewandt437. Da die gesetzliche Normierung eines Ausnahmefalls nur eine ganz spezielle Konstellation regelt, ist eine solche Vorschrift in der Regel keiner Verallgemeinerung zugänglich438. Zudem liegt es in der Natur einer Ausnahme, dass sie Unterschiede zu anderen Konstellationen aufweist, bei­ de Konstellationen mithin nicht ähnlich im Sinne der oben zitierten Defini­ tion der Analogie sind. Für das Strafrecht bestimmen die Art. 103 Abs. 2 GG, § 1 StGB, dass eine Analogie zu Lasten des Täters ausgeschlossen ist. Grundsätzlich zu­ lässig ist dagegen die Analogie zugunsten des Täters439, wobei dem auch Grenzen gesetzt werden durch das soeben beschriebene Ausnahmekriteri­ um. Besonders instruktiv sind hier die Ausführungen von Montiel in „Grundlagen und Grenzen der Analogie in bonam partem im Strafrecht“, der zunächst allgemein darauf hinweist, dass es für eine Analogie in bonam partem – also zugunsten des Täters – einer „Ausnahmelücke“ bedür­ fe, welche auf einer Unaufmerksamkeit des Gesetzgebers beruhe; eine sol­ che Unaufmerksamkeit des Gesetzgebers sei nur gegeben, wenn der Ge­ setzgeber eine bestimmte Eigenschaft nicht vorgesehen und deswegen auch 434  Montiel, Grundlagen und Grenzen der Analogie in bonam partem im Straf­ recht, S. 146; Engisch, Einführung in das juristische Denken, S. 256 f. 435  Dannecker, in: Leipziger Kommentar, Bd. 1, § 1 Rdnr. 282. 436  Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 381. 437  Dannecker, in: Leipziger Kommentar, Bd. 1, § 1 Rdnr. 244. 438  Ähnlich Montiel, Grundlagen und Grenzen der Analogie in bonam partem im Strafrecht, S. 146. 439  Dannecker, in: Leipziger Kommentar, Bd. 1, § 1 Rdnr. 282 ff.



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nicht von der Strafbarkeit ausgeschlossen habe440. Um eine solche Ausnah­ melücke aufzuzeigen, müsse der Rechtsanwender darlegen, dass der Ge­ setzgeber manche Besonderheit übersehen habe441. Davon zu unterscheiden seien „Wertunstimmigkeiten“, bei denen zwar auch eine „axiologisch oder teleologisch“442 unbefriedigend geregelte Konstellation vorliege, die aber nicht auf einer Unaufmerksamkeit des Gesetzgebers beruhe, sondern da­ rauf, dass der Gesetzgeber diese Konstellation bewusst nicht von der Straf­ barkeit ausnehmen wollte443. Versuche der Richter eine solche Wertunstim­ migkeit zu korrigieren, arbeite er als „Politikaktivist, der sich gegen die Gesetzgebung auflehne“; es handle sich dann um „Strafrechtsfortbildung contra legem“444. Letztlich wurde bereits festgestellt, dass vorliegend die Unstimmigkeiten im Gesetz keinesfalls planvoll, sondern vielmehr plan­ widrig entstanden sind, so dass nicht nur von einer „Wertunstimmigkeit“ ausgegangen werden kann. Montiel zeigt dann im letzten Kapitel seiner Abhandlung – und dies ist hier von besonderem Interesse – die Grenzen der Analogie in bonam partem im Strafrecht auf445. Im Rahmen der Darstellung der strafrechtlichen Grenzen weist er darauf hin, dass Ausnahmevorschriften grundsätzlich nicht analogiefähig seien und dass in diesen Fällen die Schließung der jeweiligen Lücke „die maximale Legitimation des zur Schließung der Lücken berufenen Organs“ erfordere; dies könne nur dieselbe Institu­ ­ tion sein, die das Gesetz (und damit die jeweilige Ausnahmevorschrift) in die Rechtsordnung eingefügt habe, also ausschließlich der Gesetzgeber 440  Montiel, Grundlagen und Grenzen der Analogie in bonam partem im Straf­ recht, S.48 f. 441  Montiel, Grundlagen und Grenzen der Analogie in bonam partem im Straf­ recht, S. 49. 442  Montiel, Grundlagen und Grenzen der Analogie in bonam partem im Straf­ recht, S. 44. 443  Montiel, Grundlagen und Grenzen der Analogie in bonam partem im Straf­ recht, S. 49. 444  Montiel, Grundlagen und Grenzen der Analogie in bonam partem im Straf­ recht, S. 50. 445  Montiel, Grundlagen und Grenzen der Analogie in bonam partem im Straf­ recht, S. 139 ff. – Der Klarstellung halber sei darauf hingewiesen, dass auch andere Autoren zu der Frage der Analogie zugunsten des Täters im Strafrecht Stellung nehmen und auch eine andere Ansicht als Montiel vertreten (vgl. z. B. Dannecker, in: Leipziger Kommentar, Bd. 1, § 1 Rdnr. 282 ff. und insbesondere Rdnr. 285 für die Fälle der Strafaufhebungsgründe). Eine umfassendere Darstellung des Meinungs­ stands würde aber den Rahmen der Arbeit an dieser Stelle sprengen. Montiels Arbeit widmet sich besonders ausführlich und umfassend dem zugrundeliegenden Problem der Analogie zugunsten des Straftäters, so dass im Rahmen einer kritischen Ausein­ andersetzung mit seinen Aussagen eine überzeugende Antwort auf die hier interes­ sierende Frage gegeben werden kann.

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selbst446. Gleichzeitig relativiert er diese Aussage wieder, indem er richti­ gerweise darauf hinweist, dass es bei der Charakterisierung einer Norm als Ausnahmevorschrift kein „Alles oder Nichts“-Prinzip gebe, sondern der „Ausnahmestatus“ Abstufungen erlaube mit unterschiedlich hohem „Ausnahmegrad“ und in der Folge mit einer unterschiedlich stark ausge­ prägten Analogiefähigkeit447. Sodann stellt er zwei Kriterien zur Bestim­ mung des Ausnahmecharakters und -niveaus auf448: Das eine „institutionsbezogene“ Kriterium sei in einem ersten Schritt heranzuziehen, um allge­ mein das Ausnahmeniveau von Rechtfertigungs-, Schuldausschließungs-, Strafausschließungs- und Strafmilderungsgründen abstrakt zu bestimmen, das andere „systembezogene“ Kriterium sei in einem zweiten Schritt he­ ranzuziehen, im Rahmen dessen die konkrete Stellung der „privilegierenden Vorschrift“ Berücksichtigung finde, beispielweise im Besonderen Teil des StGB mit Bezug auf nur eine kleine Deliktsgruppe mit der Folge ei­ nes höheren Ausnahmeniveaus449. Für die hier interessierenden Strafausschließungsgründe450 stellt Montiel „das höchste Ausnahmeniveau innerhalb des Katalogs an Straffreistellungsgründen i. w. S.“ fest451. Er begründet dies insbesondere damit, dass bei den Strafausschließungsgründen im Gegensatz zu den („deliktsausschließenden“) Rechtfertigungs- und Schuldausschließungsgründen der Charakter des ver­ wirklichten Delikts unberührt bleibe, dem Staat nur ausnahmsweise gestattet sei, den Täter dennoch nicht zu bestrafen; daneben weist er darauf hin, dass im Hinblick auf die „präventiven Strafzwecke (…) die Straflosigkeit eines Delikts nur unter außergewöhnlichen Umständen zu tolerieren“ sei452. Im Weiteren stellt Montiel fest, dass ausgehend von der besonderen Tragweite, die die Entscheidung des Gesetzgebers beinhalte, ein bestimmtes Verhalten von einer Bestrafung auszunehmen, umgekehrt von einer „Vermutung iuris tantum“ auszugehen sei, dass der Gesetzgeber bei der Schaffung des Straf­ 446  Montiel, Grundlagen und Grenzen der Analogie in bonam partem im Straf­ recht, S. 148. 447  Montiel, Grundlagen und Grenzen der Analogie in bonam partem im Straf­ recht, S. 149. 448  Montiel, Grundlagen und Grenzen der Analogie in bonam partem im Straf­ recht, S. 152. 449  Montiel, Grundlagen und Grenzen der Analogie in bonam partem im Straf­ recht, S.  152 f. 450  Als Oberbegriff für persönliche Strafausschließungs- und aufhebungsgründe (Montiel, Grundlagen und Grenzen der Analogie in bonam partem im Strafrecht, S. 150). 451  Montiel, Grundlagen und Grenzen der Analogie in bonam partem im Straf­ recht, S. 160. 452  Montiel, Grundlagen und Grenzen der Analogie in bonam partem im Straf­ recht, S. 159, 162.



II. Situation durch § 371 AO 1977115

ausschließungsgrundes besonders sorgfältig und überlegt vorgegangen sei und daher nicht von dem Strafausschließungsgrund umfasste Konstellationen bewusst nicht aufgenommen habe453. Auch diese Aussage relativiert Montiel durch die Klarstellung, dass dies lediglich eine Vermutung sei, die gewiss widerlegbar sei, da der Gesetzgeber kaum alle künftigen und relevanten Kon­ stellationen vorhersehen könne, auf der anderen Seite aber in vielen Fällen nicht sicher zu bestimmen sei, ob der Gesetzgeber einen bestimmten Sach­ verhalt nicht habe aufnehmen wollen454. Zuletzt wird darauf hingewiesen, dass in systematischer Hinsicht die Verortung eines Strafausschließungsgrun­ des im Besonderen Teil des StGB diesen besonders stark mit dem Schutz eines bestimmten Rechtsguts verknüpfe; dies lege die Vermutung nahe, dass der Gesetzgeber gerade keine Ausweitung über den betreffenden „Deliktskreis“ auf andere Delikte gewollt habe455. Aus all diesen Gründen kommt Montiel zu dem Ergebnis, dass bei Strafausschließungsgründen eine Analo­ gie in bonam partem „nicht akzeptiert werden“ könne456. (e) So überzeugend die Argumentation Montiels im Grundsatz ist: Auf die vorliegende Konstellation ist sie dennoch nicht übertragbar. Dies zeigt zugleich, dass die These der grundsätzlich fehlenden Analogiefähigkeit von Strafaufhebungsgründen jedenfalls nicht ohne Ausnahme zutreffend sein kann. Trotz der Tatsache, dass es sich bei § 371 AO um einen Strafaufhe­ bungsgrund mit extrem hohem Ausnahmecharakter handelt, sprechen die weitaus besseren Argumente für eine Analogie in bonam partem. Sämtliche dargestellten Argumente Montiels greifen in der vorliegenden Konstellation nicht durch: Zwar ist § 371 AO eine Ausnahmevorschrift im deutschen Strafrecht. Ausgehend davon und unter Berücksichtigung des „institutsbezogenen“ Charakters als Strafaufhebungsgrund wäre Montiel zweifellos zuzu­ stimmen in der Aussage, dass § 371 Abs. 1 AO ohne Ausnahme nicht ana­ logiefähig ist. Offenkundig hat sich der Gesetzgeber dafür entschieden, Straflosigkeit im Hinblick auf Steuerstrafaten zu gewähren, wenn eine wirksame Selbstanzeige vorliegt. Kein vernünftiger Jurist käme ernsthaft auf die Idee, § 371 AO analog z. B. auf eine Selbstanzeige bei einem Dieb­ stahl anzuwenden. So wünschenswert eine Ausdehnung auf andere Delikts­ gruppen wäre, so müsste diese Entscheidung zweifelsohne der Gesetzgeber und nicht der Rechtsanwender treffen. 453  Montiel, recht, S. 162. 454  Montiel, recht, S. 163. 455  Montiel, recht, S. 168. 456  Montiel, recht, S. 162.

Grundlagen und Grenzen der Analogie in bonam partem im Straf­ Grundlagen und Grenzen der Analogie in bonam partem im Straf­ Grundlagen und Grenzen der Analogie in bonam partem im Straf­ Grundlagen und Grenzen der Analogie in bonam partem im Straf­

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C. Selbstanzeige vor dem Schwarzgeldbekämpfungsgesetz (2011)

Im Rahmen des § 371 AO kommt aber im Gegensatz zu sonstigen Straf­ aufhebungsgründen eine Besonderheit hinzu, nämlich die Sperrgründe ge­ mäß § 371 Abs. 2 AO. Hier ist nicht unmittelbar ein Strafaufhebungsgrund normiert, sondern vielmehr Rückausnahmen des Strafaufhebungsgrundes des Abs. 1, die wieder zur grundsätzlichen Strafbarkeit des § 370 AO füh­ ren. Vor diesem Hintergrund ist bereits fraglich, ob die von Montiel auf­ gestellte These zur fehlenden Analogiefähigkeit von Strafaufhebungsgrün­ den überhaupt auf den Sonderfall der Sperrgründe anwendbar ist, da hier keine Strafaufhebungsgründe normiert sind. Ungeachtet dessen kann man aber die Meinung vertreten, dass vorliegend die Subsumtion des Teilneh­ mers unter den Begriff des Täters zu einer Straflosigkeit des Teilnehmers führen kann und deswegen wie ein Strafaufhebungsgrund wirkt, womit die These Montiels übertragbar ist. Dennoch greifen seine Argumente im vor­ liegenden Sonderfall nicht durch: Zutreffend weist Montiel selbst darauf hin, dass es erstens eine gut zu widerlegende Vermutung sei, dass der Gesetzgeber gerade bei den Strafaus­ schließungsgründen besonders gründlich und bedacht gearbeitet habe, und dass zweitens vielfach der wirkliche gesetzgeberische Wille nicht sicher festzustellen sei457. Wie bereits beschrieben, handelt es sich um ein offen­ sichtliches gesetzgeberisches Versehen, dass nur der Täter in § 371 Abs. 2 Nr. 2 AO genannt ist, so dass der Gesetzgeber in diesem Punkt weder gründlich noch bedacht gearbeitet hat; überdies ist sein Wille aufgrund des offensichtlichen Fehlers deutlich erkennbar. Auch systembezogene Gesichtspunkte sprechen nicht gegen eine Analo­ gie in bonam partem: Zwar ist § 371 AO offenkundig nicht im Allgemei­ nen Teil des StGB geregelt. Die Argumentation, dass damit eine besonde­ re Verknüpfung mit bestimmten Deliktsgruppen vom Gesetzgeber beweckt gewesen sein kann, greift nicht durch. Eine Übertragung auf andere De­ liktsgruppen soll gerade nicht erfolgen. Plädiert wird für eine analoge An­ wendung auf den Steuerstraftäter, so dass die betroffene und durch das Gesetz angesprochene Deliktsgruppe der Steuerstraftäter nicht verlassen wird. Der Ausnahmecharakter des § 371 AO steht daher vorliegend unter keinem Gesichtspunkt einer Analogie in bonam partem entgegen. Nicht zuletzt spricht auch Art. 3 Abs. GG für eine Analogie. Schließlich handelt es sich sowohl bei dem Teilnehmer als auch bei dem Täter um Beteiligte einer Steuerstraftat; beide sind mithin vergleichbar, so dass sich mangels sachlichen Differenzierungsgrundes keine Rechtfertigung für eine Un­ gleichbehandlung finden lässt. 457  Montiel, Grundlagen und Grenzen der Analogie in bonam partem im Straf­ recht, S. 163.



II. Situation durch § 371 AO 1977117

Abschließend lässt sich sagen, dass ein Gesichtspunkt bei Montiel zu kurz kommt, auf den Engisch458 zutreffend hinweist und der exakt auf die vorliegend gegebene Situation zutrifft: Zunächst stellt Engisch klar, dass eine Vorschrift, die einen Ausnahmefall regele, nicht auf einen anderen Sachverhalt angewandt werden dürfe, in dem diese Ausnahmesituation nicht gegeben sei. Zu beachten sei aber – und das ist hier besonders treffend –, dass eine analoge Anwendung innerhalb des Grundgedankens der Ausnah­ mevorschrift zulässig sei459. Noch etwas plakativer könnte man auch von einer zulässigen Analogie in der Ausnahme sprechen. Das Gleiche gilt für § 371 AO. Würde man den Strafaufhebungsgrund des § 371 Abs. 1 AO analog auf eine andere Deliktsgruppe anwenden, würde man sich außerhalb des dem § 371 AO innewohnenden Grundgedankens der Privilegierung des Steuerstrafttäters aus den bereits geschilderten Gründen [dazu bereits oben zum Sinn und Zweck der Vorschrift: C. II. 1. c)] bewegen, was zur Unzu­ lässigkeit einer Analogie führen würde. Verlangt man aber im Rahmen einer teleologischen Reduktion, dass auch der Teilnehmer Kenntnis von der Tat­ entdeckung haben oder zumindest damit rechnen müsse, um einen Gleich­ lauf mit dem Täter herzustellen, bewegt man sich innerhalb des der Vor­ schrift innewohnenden Grundgedankens, so dass eine Analogie in jeder Hinsicht zulässig ist. Nach alledem sprechen die besseren Gründe für eine Analogie in bonam partem. 5. Sonderfälle a) Tatentdeckung bei Steuerdaten-CD Es besteht Einigkeit darüber, dass in objektiver Hinsicht jedenfalls dann von Tatentdeckung auszugehen ist, wenn ein Abgleich der Daten auf einer Steuerdaten-CD mit den Steuerakten des Steuerpflichtigen ergeben hat, dass die Steuerquelle im Ausland keinen (vollständigen) Eingang in die Steuer­ erklärungen gefunden hat460. In diesem Zeitpunkt ist jedenfalls ein Ver­ 458  Engisch,

Einführung in das juristische Denken, S. 256 ff. wird diese These anhand eines Beispiels aus der reichsgerichtlichen Rechtsprechung: § 247 StPO a. F. ließ ausnahmsweise (!) die Entfernung des Ange­ klagten aus dem Sitzungssaal zu, wenn zu befürchten war, dass ein Mitangeklagter oder ein Zeuge in dessen Beisein „nicht die Wahrheit sagen werde“. Eine analoge Anwendung sei aber dennoch für die Konstellation möglich, in der der Zeuge in Anwesenheit des Angeklagten überhaupt nicht aussagen könne, weil hier der Grund­ gedanke des § 247 StPO a. F., dass die Wahrheitserforschung nicht durch die Anwe­ senheit des Angeklagten beeinträchtigt werden dürfe, gleichermaßen gelte. 460  BGHSt 55, 180 (188); Randt / Schauf, in: DStR 2008, 489 (490); Trüg, in: StV 2011, 111 (120); Fehling / Rothbächer, in: DStZ 2008, 821 (825); Durst, in: PStR 459  Erklärt

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C. Selbstanzeige vor dem Schwarzgeldbekämpfungsgesetz (2011)

dachtsgrad erreicht, der bei vorläufiger Bewertung eine spätere Verurteilung wahrscheinlich erscheinen lässt. Nicht auszuschließen ist aber, dass der BGH künftig auch schon früher von Tatentdeckung ausgehen wird. In seiner Entscheidung vom 20.05.2010 führte er insbesondere aus461: „(…) Entdeckung ist aber auch schon vor einem Abgleich denkbar (…) bei ver­ schleierten Steuerquellen, wenn die Art und Weise der Verschleierung nach krimi­ nalistischer Erfahrung ein signifikantes Indiz für unvollständige oder unrichtige Angaben ist.“

Auch wenn der BGH an dieser Stelle nicht ausdrücklich von den Fällen der Steuerdaten-CDs spricht, ist es nicht unwahrscheinlich, dass er künftig aufgrund der zitierten Ausführungen bereits mit dem Erwerb der Daten-CDs oder im Zeitpunkt der Zuordnung des Nummernkontos zu dem Steuerpflich­ tigen und nicht erst mit dem Abgleich der Steuerakten Entdeckung anneh­ men wird462. Eine solch weitgehende Auslegung des Merkmals der Tatent­ deckung ist aber auch bei der grundsätzlich gebotenen extensiven Auslegung der Sperrgründe nicht zutreffend. Bei der oben gefundenen Definition des Merkmals der Tatentdeckung kann nicht bereits von einer Verurteilungs­ wahrscheinlichkeit bei vorläufiger Tatbewertung gesprochen werden. Diese Wahrscheinlichkeit ergibt sich nach zutreffender h. M.463 erst, wenn ein Abgleich mit den Steuerakten ergeben hat, dass die Steuerquelle keinen Eingang in die Steuererklärung(en) gefunden hat, weil sich erst in diesem Moment der Verdacht einer Steuerhinterziehung ausreichend verdichtet hat. Im Übrigen bleibt abzuwarten, ob der BGH mit den zitierten Anmerkungen auch tatsächlich die Fälle der Steuerdaten-CDs gemeint hat. Kenntnis von der Tatentdeckung wird zumeist auch nach umfangreichen Presseberichten über weitere Ankäufe von Steuerdaten-CDs nicht gegeben sein, da der Täter „um seinen (und nicht nur um einen) Fall“ wissen 2008, 134 (136); Buse, in: Stbg. 2010, 350 (356); Joecks, in: Franzen / Gast / Joecks, Steuerstrafrecht, § 371 Rdnr. 187a; Schauf, in: Kohlmann, Steuerstrafrecht, Bd. I, § 371 Rdnr. 230.3; Rüping, in: Hübschmann / Hepp / Spitaler, AO / FGO, Bd. IX, § 371 Rdnr. 186. 461  BGHSt 55, 180 (188). 462  So auch Buse, in: Stbg. 2010, 350 (356 f.); Trüg, in: StV 2011, 111 (121); Wessing, in: Flore / Tsambikakis, Steuerstrafrecht, § 371 (n. F.) Rdnr. 127; ders. / Biesgen, in: NJW 2010, 2689 (2692); Roth / Schützeberg, in: PStR 2010, 214 (217). 463  Randt / Schauf, in: DStR 2008, 489 (490); Trüg, in: StV 2011, 111 (120 f.); Durst, in: PStR 2008, 134 (136); Joecks, in: Franzen / Gast / Joecks, Steuerstrafrecht, § 371 Rdnr. 187a; Schauf, in: Kohlmann, Steuerstrafrecht, Bd. I, § 371 Rdnr. 230.3; Rüping, in: Hübschmann / Hepp / Spitaler, AO / FGO, Bd. IX, § 371 Rdnr. 186; a. A. Roth, in: Stbg. 2013, 29 (33), der den Eintritt der Tatentdeckung vorverlagern möch­ te auf den Zeitpunkt, in dem „die – vorab auf Werthaltigkeit geprüfte – Daten-CD das erste Mal von dem mit der Sache zuerst befassten Steuerfahnder geöffnet und die enthaltenen Daten erstmalig gesichtet werden“.



II. Situation durch § 371 AO 1977119

muss464. Das Merkmal des Kennenmüssens ist gerade im Fall der Steuer­ daten-CDs nicht leicht zu bestimmen. Auch in diesem Punkt ist zu erwar­ ten, dass der BGH künftig den Zeitpunkt des Kennenmüssens zeitlich nach vorne verlagern wird, da nach seiner Auffassung – wie bereits dar­ gelegt [C. II. 4. d) cc)] – künftig keine hohen Anforderungen mehr an das Merkmal des Kennenmüssens gestellt werden dürfen und der Sperr­ grund maßgeblich durch die objektive Voraussetzung der Tatentdeckung bestimmt werden wird465. Auf die bereits beschriebene Kritik an dieser zu pauschalen Sichtweise wird Bezug genommen. Nach der oben gefundenen Definition [C. II. 4. d) cc)] ist aber von Kennenmüssen auszugehen, wenn der Steuerstraftäter aus den ihm bekannten Tatsachen den Schluss hätte ziehen müssen, dass eine Behörde von seiner Tat der Steuerhinterziehung erfahren hatte. Dementsprechend ist in jedem Einzelfall zu prüfen, ob der Steuerpflichtige die Möglichkeit hatte, die Entdeckung seiner indivi­ duel­ len Steuerhinterziehung zu erkennen466. Die bloße Erhöhung des Ent­ deckungsrisikos genügt dabei nicht, um von einem Kennenmüssen auszu­ gehen467. Ob eine bestimmte Presseberichterstattung über CD-Ankäufe zu einem Kennenmüssen führt, kann m. E. nicht verallgemeinernd dargestellt werden, sondern ist im konkreten Einzelfall insbesondere anhand der im jeweiligen Artikel genannten Fakten zu bestimmen. Es wird aber zu verlangen sein, dass der Steuerpflichtige aufgrund der konkreten Berichterstattung „den Schluss ziehen konnte, dass konkret seine Steuerhinterziehung entdeckt ist“468. Ein in der Einzelfallabwägung zu berücksichtigender Aspekt dürfte sein, wie viele Datensätze sich auf der CD befinden und wie viele deut­ sche Kunden die ausländische Bank hat – vorausgesetzt, deren Name ist überhaupt in der Berichterstattung genannt -; befindet sich nur ein kleiner Prozentsatz der Kunden einer Bank auf der CD, wird man kaum von ei­ nem Kennenmüssen ausgehen können469. Ein weiterer Gesichtspunkt ist, ob 464  Schauf,

in: Kohlmann, Steuerstrafrecht, Bd. I, § 371 Rdnr. 234.1. 55, 180 (189). 466  Durst, in: PStR 2008, 134 (136); Randt / Schauf, in: DStR 2008, 489 (491); ähnlich Buse, in: Stbg. 2010, 350 (357), der auf die gebotene Einzelfallbetrachtung hinweist. 467  Randt / Schauf, in: DStR 2008, 489 (491). 468  Schauf, in: Kohlmann, Steuerstrafrecht, Bd. I, § 371 Rdnr. 239.1; insoweit un­ scharf Roth / Schützeberg, in: PStR 2010, 214 (217), die davon ausgehen, dass mit Tatentdeckung zu rechnen ist, wenn „entsprechende Medienberichte bekannt werden“. 469  Wulf, in: wistra 2010, 286 (289) geht davon aus, dass z. B. eine Schweizer Großbank mindestens 30.000 deutsche Kunden hat. Verglichen mit einer CD, auf der rund 1.500 Kundennamen gespeichert sind, ist die Entdeckungswahrscheinlichkeit ziemlich gering. 465  BGHSt

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C. Selbstanzeige vor dem Schwarzgeldbekämpfungsgesetz (2011)

der Steuerpflichtige auch Zugang zu einem bestimmten Medium hatte; ein Indiz hierfür könnte z. B. ein Zeitungsabonnement sein470. b) Selbstanzeige des Teilnehmers Auch der Teilnehmer kann über § 371 Abs. 1 AO Selbstanzeige erstatten und somit Straffreiheit erlangen. Dabei muss er zumindest seinen eigenen Tat­ beitrag offenlegen471. Besonderheiten ergeben sich im Vergleich zum Haupttä­ ter bei den Sperrgründen: Der Sperrgrund der Bekanntgabe der Einleitung eines Straf- oder Bußgeldverfahrens ist gemäß § 371 Abs. 2 Nr. 1 lit. b AO 1977 aufgrund des eindeutigen Wortlauts und des im Strafrecht geltenden Analogieverbots nicht auf den Teilnehmer anwendbar. Der Sperrgrund der Tat­ entdeckung gemäß § 371 Abs. 2 Nr. 2 AO 1977 ist dahingehend teleologisch zu reduzieren, dass entgegen dem Wortlaut der Norm auch der Teilnehmer mit der Entdeckung zumindest rechnen muss; das Analogieverbot steht dem nicht entgegen, da es sich um eine Abweichung vom Wortlaut der Norm zugunsten des Straftäters handelt. Dies zeigt, dass der Gesetzgeber zumindest im Falle des § 371 Abs. 2 Nr. 2 AO 1977 den Begriff des Täters aller Wahrscheinlich­ keit entgegen der in der AO auch geltenden Definition des § 28 StGB fälsch­ licherweise als Oberbegriff für Täter und Teilnehmer wählte, obwohl ihm be­ kannt gewesen sein muss, dass der zutreffende Begriff der des Beteiligten gewesen wäre. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass der Gesetz­ geber den Begriff des Beteiligten in § 371 Abs. 3 AO selbst verwendet. Vieles spricht auch im Falle des § 371 Abs. 2 Nr. 1 lit. b AO 1977 für ein gesetzge­ berisches Versehen [zum Ganzen bereits oben C. II. 4. c) und d) cc) (2)]. Im Hinblick auf den Sperrgrund der Tatentdeckung sei auf eine Frage im Zusammenhang mit dem Teilnehmer gesondert hingewiesen: Kann der Teil­ nehmer noch Straffreiheit erlangen, wenn die Haupttat bereits entdeckt ist, seine Beteiligung aber noch nicht? Ist die Beteiligung an der Tat den Er­ mittlungsbehörden noch nicht bekannt, wird man anhand der oben darge­ stellten Kriterien [C. II. 4. d) aa)] in der Regel nicht davon ausgehen kön­ nen, dass bei vorläufiger Bewertung der Tat eine spätere Verurteilung des Teilnehmers wahrscheinlich ist; außerdem erfolgt nach der hier vertretenen Auffassung die Beurteilung der Tatentdeckung personenbezogen, so dass es auch vor diesem Hintergrund nicht auf die Entdeckung des Haupttäters und der Haupttat ankommen kann472. 470  Fehling / Rothbächer,

in: DStZ 2008, 821 (827). wistra 2003, 385 (388); Schauf, in: Kohlmann, Steuerstrafrecht, Bd. I, § 371 Rdnr. 65.2. 472  Ähnlich Wessing, in: Flore / Tsambikakis, Steuerstrafrecht, § 371 (n. F.) Rdnr. 135; Schauf, in: Kohlmann, Steuerstrafrecht, Bd. I, § 371 Rdnr. 248. 471  BGH



II. Situation durch § 371 AO 1977121

c) § 371 Abs. 4 AO 1977 § 153 AO normiert insbesondere eine Berichtigungspflicht desjenigen Steuerpflichtigen, der nach Abgabe einer Steuererklärung erkennt, dass sei­ ne Angaben unrichtig oder unvollständig waren. Besteht durch die Anzeige nach § 153 AO die Gefahr, dass ein Dritter einer Strafverfolgung ausgesetzt wird, so könnte dies den Anzeigeverpflichteten davon abhalten, die Erklä­ rung gemäß § 153 AO abzugeben. Um dies zu verhindern, normiert § 371 Abs. 4 AO für den Dritten ein Verfolgungshindernis, jedoch keinen Straf­ aufhebungsgrund473.

473  Vgl. zum Ganzen Joecks, in: Franzen / Gast / Joecks, Steuerstrafrecht, § 371 Rdnr.  220 ff.

D. Die Vorschriften zur Selbstanzeige nach dem Schwarzgeldbekämpfungsgesetz (2011)474 I. Wortlaut 1. § 371 AO n. F. (1) Wer gegenüber der Finanzbehörde zu allen unverjährten Steuerstraftaten einer Steuerart in vollem Umfang die unrichtigen Angaben berichtigt, die unvoll­ ständigen Angaben ergänzt oder die unterlassenen Angaben nachholt, wird wegen dieser Steuerstraftaten nicht nach § 370 bestraft. (2) Straffreiheit tritt nicht ein, wenn 1. bei einer der zur Selbstanzeige gebrachten unverjährten Steuerstraftaten vor der Berichtigung, Ergänzung oder Nachholung a) dem Täter oder seinem Vertreter eine Prüfungsanordnung nach § 196 bekannt gegeben worden ist oder b) dem Täter oder seinem Vertreter die Einleitung des Straf- oder Bußgeld­ verfahrens bekanntgegeben worden ist oder c) ein Amtsträger der Finanzbehörde zur steuerlichen Prüfung, zur Ermitt­ lung einer Steuerstraftat oder einer Steuerordnungswidrigkeit erschienen ist oder 2. eine der Steuerstraftaten im Zeitpunkt der Berichtigung, Ergänzung oder Nachholung ganz oder zum Teil bereits entdeckt war und der Täter dies wusste oder bei verständiger Würdigung der Sachlage damit rechnen muss­ te oder 3. die nach § 370 Abs. 1 verkürzte Steuer oder der für sich oder einen anderen erlangte nicht gerechtfertigte Steuervorteil einen Betrag von 50.000 Euro je Tat übersteigt. (3) Sind Steuerverkürzungen bereits eingetreten oder Steuervorteile erlangt, so tritt für den an der Tat Beteiligten Straffreiheit nur ein, wenn er die aus der Tat zu seinen Gunsten hinterzogenen Steuern innerhalb der ihm bestimmten angemessenen Frist entrichtet. (4) (wie Abs. 4 der Vorgängervorschrift)

474  BGBl. I

2011, S. 676 f.



II. Darstellung der Änderungen123

2. § 398a AO In Fällen, in denen Straffreiheit nur deswegen nicht eintritt, weil der Hinterzie­ hungsbetrag 50 000 Euro übersteigt (§ 371 Absatz 2 Nummer 3), wird von der Verfolgung einer Steuerstraftat abgesehen, wenn der Täter innerhalb einer ihm bestimmten angemessenen Frist 1. die aus der Tat zu seinen Gunsten hinterzogenen Steuern entrichtet und 2. einen Geldbetrag in Höhe von 5 Prozent der hinterzogenen Steuer zugunsten der Staatskasse zahlt.

II. Darstellung der Änderungen Die durch das Schwarzgeldbekämpfungsgesetz (2011) im Rahmen des § 371 AO vollzogenen Änderungen haben eine wesentliche Verschärfung des Rechtsinstituts zu Lasten des Steuerpflichtigen zur Folge. Das Schwarz­ geldbekämpfungsgesetz trat am 03.05.2011 in Kraft475. Hintergrund476 der Änderungen war vor allem die Tatsache, dass das Instrument der Selbstan­ zeige häufig im Rahmen einer sog. Hinterziehungsstrategie missbraucht wurde und der Verdacht bestand, dass vielfach nicht alle Steuerverkürzun­ gen im Rahmen von Selbstanzeigen offengelegt wurden; dieser Vorgehens­ weise der „Reue nach Stand der Ermittlungen“ sollte entgegengewirkt werden477. In § 371 Abs. 1 AO wurde daher die Möglichkeit einer Teil­ selbstanzeige weitgehend abgeschafft und die Reichweite der Sperrgründe des § 371 Abs. 2 Nr. 1 und 2 AO erheblich erweitert. Daneben sollen durch die Einführung des neuen Sperrgrundes des § 371 Abs. 2 Nr. 3 AO Steuer­ hinterzieher bei Steuerverkürzungen großen Ausmaßes im Vergleich zu le­ diglich säumigen Steuerzahlern durch die Zahlung eines Zuschlags wirt­ schaftlich stärker belastet werden als lediglich durch die Rückerstattung der verkürzten Steuern zuzüglich Zinsen, wie sie der säumige Steuerpflichtige leisten muss478. Bei der Neufassung der §§ 371, 398a AO formuliert der Gesetzgeber teils sehr unscharf und missverständlich, teils sind dem Gesetzgeber offensicht­ lich Fehler unterlaufen, sodass vielfach Streitpunkte und Unsicherheiten bei der Rechtsanwendung entstehen. Am deutlichsten treten diese Schwach­ 475  Jäger,

in: Klein, AO, 11. Aufl., § 371 Rdnr. 16. detaillierte Darstellung des Sinn und Zwecks der Neuregelungen und die Bedeutung der BGH-Entscheidung vom 20.05.2010 in diesem Zusammenhang folgt weiter unten (D.III.), da diese Ausführungen nach einer konkreten Darstellung der Änderungen verständlicher sind. 477  BT-Drucks. 17 / 5067 (neu), S. 2, 3, 11. 478  BT-Drucks. 17 / 5067 (neu), S. 19 f. 476  Eine

124

D. Selbstanzeige nach dem Schwarzgeldbekämpfungsgesetz (2011)

punkte im Rahmen der §§ 371 Abs. 2 Nr. 3, 398a AO zu Tage. Wenn nun die Selbstanzeige mit einer Autowaschanlage und der Steuerpflichtige mit einem Autofahrer verglichen wird, der das Geld bezahlt, anschließend in die Waschanlage hineinfährt und dabei damit rechnen muss, die Waschanlage zerbeult und zerkratzt wieder zu verlassen479, so ist dies freilich überspitzt und polemisch ausgedrückt. Richtig ist aber, dass es mit den Verschärfun­ gen, Verkomplizierungen und Unschärfen durch das Schwarzgeldbekämp­ fungsgesetz für den Steuerpflichtigen deutlich schwieriger geworden ist, eine wirksame Selbstanzeige zu erstatten. Die folgenden Ausführungen sollen sich nur auf die Unterschiede nach dem Schwarzgeldbekämpfungsge­ setz (2011) im Vergleich zu § 371 AO 1977 beziehen, um unnötige Wieder­ holungen zu vermeiden480. 1. § 371 Abs. 1 AO: Die neue Berichtigungseinheit a) Umfang der Berichtigung, Ergänzung oder Nachholung aa) Allgemeines Die gesetzliche Regelung des § 371 Abs. 1 AO nach dem Schwarzgeldbe­ kämpfungsgesetz (2011) geht über die vom BGH in seiner Entscheidung vom 20.05.2010481 aufgestellten Grundsätze zur Wirksamkeit von Teilselbstanzei­ gen hinaus482. Während nach der Rechtsprechung des BGH zur Vorgängerre­ gelung des § 371 Abs. 1 AO 1977 in Verbindung mit den von Jäger gemach­ ten Äußerungen die im Rahmen einer Selbstanzeige gemachten Angaben richtig und vollständig sein mussten bezogen auf jeweils eine Steuerart, ein Steuerjahr und eine Steuererklärung [dazu bereits ausführlich oben C. II. 3. a) bb) (2) (c)], geht die Neuregelung weit darüber hinaus und verlangt die Richtigstellung zu allen unverjährten483 Steuerstraftaten einer Steuerart in vollem Umfang. Dagegen verlangt die Neuregelung ausweislich des eindeuti­ gen Wortlauts nicht eine Art Lebensbeichte bezogen auf alle unverjährten Steuerstraftaten aus allen Steuerarten484; Bezug nehmend hierauf wird auch formuliert, dass durch das Schwarzgeldbekämpfungsgesetz lediglich ein 479  Http: /  / www.sueddeutsche.de / wirtschaft / selbstanzeige-nach-steuerbetrug-derstaat-als-schweinchen-schlau-1.1879208-2. 480  Einen guten Überblick über die Änderungen durch das Schwarzgeldbekämp­ fungsgesetz (2011) bieten Füllsack / Bürger, in: BB 2011, 1239 (1240 ff.). 481  BGHSt 55, 180. 482  Beckemper / Schmitz / Wegner / Wulf, in: wistra 2011, 281 (282). 483  Weiterführend zu der Frage der Verjährung im konkreten Kontext Helml, Die Reform der Selbstanzeige im Steuerstrafrecht, S. 76 ff. 484  Füllsack / Bürger, in: BB 2011, 1239 (1240).



II. Darstellung der Änderungen125

„teilweiser Ausschluss der Teilselbstanzeige“ bewirkt wurde485. Daneben wurde auch von einer „Sparten-Lebensbeichte“ gesprochen486. Für alle un­ verjährten Steuerstraftaten einer Steuerart, auf die § 371 Abs. 1 AO Bezug nimmt, werden auch die Begriffe „Berichtigungseinheit“487 oder „Berichti­ gungs­verbund“488 verwendet. Das Vollständigkeitsgebot des neuen § 371 Abs. 1 AO hat damit eine zeitliche („alle unverjährten Steuerstraftaten einer Steuerart“) und eine sachliche Komponente („in vollem Umfang“)489. Letztlich muss auch klargestellt werden, dass die Feststellung, dass das Rechtsinstitut der gestuften Selbstanzeige nach hier vertretener Auffassung bereits unter Geltung des § 371 Abs. 1 AO 1977 im Grundsatz abzulehnen war [dazu bereits oben C. II. 3. a) bb) (1)], erst recht unter Anwendung des § 371 Abs. 1 AO n. F. gilt. Neben den bereits oben angeführten Argumenten kommt nun noch das Vollständigkeitserfordernis des neuen § 371 Abs. 1 AO hinzu, das gegen eine Anerkennung einer Selbstanzeige dem Grunde nach spricht, welche gerade auf erster Stufe keine Vollständigkeit aufweist490. Im Folgenden soll nun das Vollständigkeitserfordernis in sachlicher Hin­ sicht noch etwas genauer beleuchtet werden. In diesem Zusammenhang soll auch danach gefragt werden, ob geringfügige Abweichungen trotz Vollstän­ digkeitsgebots unschädlich sein können. bb) Sachliche Vollständigkeit: „Alles-oder-nichts-Prinzip“ oder Geringfügigkeitsgrenze? Die sachliche Vollständigkeit verlangt ganz grundsätzlich Folgendes: Die Berichtigungserklärung muss die Angaben enthalten, die der Steuerpflichti­ 485  Füllsack / Bürger, in: BB 2011, 1239 (1240); ob diese Aussage zutreffend ist, hängt von dem begrifflichen Verständnis der Teilselbstanzeige ab; sieht man – wie hier [vgl. dazu oben C. II. 3. a) bb) (2) (a)] – eine Teilselbstanzeige nur dann als gegeben an, wenn innerhalb einer Tat nur teilweise berichtigt wird, trifft diese Aus­ sage nicht zu. 486  Rolletschke / Roth, in: Stbg. 2011, 200 (200). 487  Zanzinger, in: DStR 2011, 1397 (1398). 488  Helml, Die Reform der Selbstanzeige im Steuerstrafrecht, S. 70. 489  Ähnlich Zanzinger, in: DStR 2011, 1397 (1398 f.); weiterführend zu der Frage der persönlichen Reichweite Helml, Die Reform der Selbstanzeige im Steuerstraf­ recht, S. 74 ff. m. w. N. zur gegenteiligen Auffassung, die überzeugend darlegt, dass das Vollständigkeitserfordernis nicht nur verlangt, die eigenen Taten offenzulegen und zu berichtigen, sondern auch fremde Taten, hinsichtlich derer der Anzeigeerstat­ ter nur Teilnehmer ist, sofern es sich um dieselbe Steuerart handelt. 490  Ähnlich Helml, Die Reform der Selbstanzeige im Steuerstrafrecht, S. 92, die ebenfalls das Erfordernis vollumfänglicher Berichtigungen anführt; weiterführend zu dem mit der Stufenselbstanzeige verwandten Problem der Selbstanzeige nach der Selbstanzeige Helml, Die Reform der Selbstanzeige im Steuerstrafrecht, S. 94 ff.

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D. Selbstanzeige nach dem Schwarzgeldbekämpfungsgesetz (2011)

ge bei ordnungsgemäßer Erfüllung seiner steuerlichen Pflichten schon früher hätte machen müssen, wobei er die steuerlich erheblichen Tatsachen in einer Weise mitteilen muss, die die Finanzbehörde in die Lage versetzt, die Steu­ ern nachträglich festzusetzen, wobei entscheidend ist, dass „die Besteuerungsgrundlagen nach Art und Höhe erkennbar werden“491. Das Finanzamt muss durch die Selbstanzeige in die Lage versetzt werden, „den Sachverhalt ohne die weitere gutwillige Mithilfe des Anzeigeerstatters aufzuklären“492. Vor der Gesetzesänderung 2011 und vor der Entscheidung des BGH vom 20.05.2010 spielte es keine wesentliche Rolle, wie vollständig die Angaben im Rahmen der Selbstanzeige waren, da wegen der Möglichkeit von Teil­ selbstanzeigen zumindest im Umfang der gemachten Korrekturen Straffrei­ heit erlangt werden konnte. Außerdem war bereits für die Vorgängerregelung des § 371 Abs. 1 AO 1977 im Grunde anerkannt, dass geringfügige Abwei­ chungen für eine wirksame Selbstanzeige gänzlich unschädlich waren493; uneinheitlich wurde aber die Höhe dieser Geringfügigkeitsgrenze festgelegt: Es wurden Grenzen zwischen 3,3 % und 10 % für richtig erachtet494. Diese Problematik der geringfügigen Abweichungen gewinnt aber nun durch die Neuregelungen durch das Schwarzgeldbekämpfungsgesetz erheb­ lich an Bedeutung: Nimmt man den Gesetzgeber nämlich beim Wort, be­ steht jetzt die Gefahr, dass bereits bei kleinsten Unrichtigkeiten und Un­ vollständigkeiten die Selbstanzeige insgesamt unwirksam ist, weil teilwei­ se Berichtigungen gerade nicht mehr vorgesehen sind (§ 371 Abs. 1 AO 2011: „in vollem Umfang die unrichtigen Angaben berichtigt“). Dass dies in der Praxis zu erheblichen Schwierigkeiten führen kann, liegt auf der Hand. Selten wird der Fall so einfach liegen, dass beispielsweise der Un­ ternehmer den Finanzbehörden mitteilt, dass er die Umsatzsteuer aus einer von ihm gestellten Rechnung nicht abgeführt hat. In dieser Konstellation könnte der Steuerpflichtige sogar unproblematisch die verkürzte Steuer selbst berechnen, ohne sich der Mithilfe eines Steuerberaters bedienen zu müssen. Sind dagegen Steuern in verschiedenen Jahren betreffend ver­ schiedene Steuerarten verkürzt, kann die Zusammenstellung des an die Fi­ nanzbehörden zu liefernden Zahlenmaterials ungleich schwieriger sein. Man denke nur an den Fall Hoeneß, bei dem Zahlenmaterial von etwa 70.000 Seiten an die Staatsanwaltschaft übergeben wurde495. Im Hinblick 491  Wessing,

in: Flore / Tsambikakis, Steuerstrafrecht, § 371 (n. F.) Rdnr. 43. in: Franzen / Gast / Joecks, Steuerstrafrecht, § 371 Rdnr. 52 m. w. N. 493  BGH wistra 1999, 27 (28); Jäger, in: Klein, AO, 10. Aufl., § 371 Rdnr. 20 a. E.; a. A. Joecks, in: Franzen / Gast / Joecks, Steuerstrafrecht, § 371 Rdnr. 215 m. w. N. zur h. M. 494  Hunsmann, in: NJW 2011, 1482 (1483) m. w. N. 495  Http: /  / www.nzz.ch / aktuell / international / auslandnachrichten / steueraffaere-vor wuerfe-gegen-hoeness-umfassender-als-bekannt-1.18259641. 492  Joecks,



II. Darstellung der Änderungen127

darauf und unter Berücksichtigung des häufig bei der Erstattung von Selbstanzeigen gegebenen Zeitdrucks und der damit einhergehenden Feh­ leranfälligkeit stellt sich daher die Frage, ob dem Steuerpflichtigen nicht ein Toleranzbereich zuzugestehen ist, im Rahmen dessen Unrichtigkeiten und Unvollständigkeiten der Wirksamkeit seiner Selbstanzeige nicht entge­ genstehen, um die Anforderungen an eine wirksame Selbstanzeige nicht zu überspannen. (1) Meinungsstand Einhellig wird in Rechtsprechung496 und Literatur497 davon ausgegangen, dass auch nach den Änderungen des § 371 AO durch das Schwarzgeldbe­ kämpfungsgesetz geringfügige Abweichungen zwischen den Angaben in der Selbstanzeige und den tatsächlich geschuldeten Steuern unschädlich sein sollen. Zur Begründung wird vor allem die Entstehungsgeschichte des § 371 Abs. 1 AO 2011 angeführt498: Im Rahmen der Beratungen des Finanzaus­ 496  BGHSt 56, 298 (317); die für die Selbstanzeige wesentlichen Punkte der Ent­ scheidung zusammenfassend Sackreuther, in: PStR 2011, 244 (244 f.), der darauf hinweist, dass der Entscheidung nicht ausdrücklich zu entnehmen sei, ob die Gering­ fügigkeit der Abweichung für die einzelne Tat oder den gesamten Berichtigungsver­ bund zu bestimmen sei, der BGH aber künftig auf die einzelne Tat abstellen dürfte; Spatscheck und Höll ziehen in Stbg. 2011, 561 (561) eine gegenteilige Schlussfol­ gerung aus den Ausführungen des BGH. 497  Rübenstahl, in: PStR 2011, 278 (278); Spatscheck / Höll, in: Stbg. 2011, 561 (562); Jope, in: NZWiSt 2012, 59 (60); Bürger, in: BB 2012, 34 (35 ff.); Rolletschke / Roth, in: Stbg. 2011, 200 (201); Prowatke / Kelterborn, in: DStR 2012, 640 (641); Bruschke, in: StB 2012, 39 (40); Adick, in: HRRS 2011, 197 (199); Zanzinger, in: DStR 2011, 1397 (1399); Hechtner, in: DStZ 2011, 265 (268); Heuel / Beyer, in: StBW 2011, 315 (315 f.); Wulf / Kamps, in: DB 2011, 1711 (1714); Beyer, in: AO-StB 2011, 119 (120); Hunsmann, in: NJW 2011, 1482 (1483 f.); Buse, in: StBp. 2011, 153 (154 f.); Helml, Die Reform der Selbstanzeige im Steuerstrafrecht, S. 84; Schauf, in: Kohlmann, Steuerstrafrecht, Bd. I, § 371 Rdnr. 68; ders. / Schwartz, in: PStR 2011, 117 (121); Schwartz, in: PStR 2011, 122 (123); ders. / Külz, in: PStR 2011, 249 (249); Beckemper / Schmitz / Wegner / Wulf, in: wistra 2011, 281 (284); Jäger, in: Klein, AO, 11. Aufl., § 371 Rdnr. 27 ff.; Webel, in: Schwarz, AO, Bd. 4, § 371 Rdnr. 50 f. mit Hinweis auf die gegenteilige Auffassung von Dumke in der Vorauflage in Rdnr. 57a; Rüping, in: Hübschmann / Hepp / Spitaler, AO / FGO, Bd. IX, § 371 Rdnr. 79; Wessing, in: Flore / Tsambikakis, Steuerstrafrecht, § 371 (n. F.) Rdnr. 60 f.; wohl auch Stahl, in: KÖSDI 2011, 17442 (17444). 498  BGHSt 56, 298 (316); Bruschke, in: StB 2012, 39 (40); Wulf / Kamps, in: DB 2011, 1711 (1714); Rolletschke / Roth, in: Stbg. 2011, 200 (201); Zanzinger, in: DStR 2011, 1397 (1399); Beyer, in: AO-StB 2011, 119 (120); Hechtner, in: DStZ 2011, 265 (268); Buse, in: StBp. 2011, 153 (155); Beckemper / Schmitz / Wegner / Wulf, in: wistra 2011, 281 (284); Heuel / Beyer, in: StBW 2011, 315 (316); Helml, Die Reform der Selbstanzeige im Steuerstrafrecht, S. 84 f.; Schauf, in: Kohlmann, Steuerstraf­ recht, Bd. I, § 371 Rdnr. 68; ders. / Schwartz, in: PStR 2011, 117 (121); Schwartz, in:

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D. Selbstanzeige nach dem Schwarzgeldbekämpfungsgesetz (2011)

schusses zum Schwarzgeldbekämpfungsgsetz haben die Koalitionsfraktionen auf Folgendes hingewiesen: „Die in § 371 Absatz 1 AO gewählte Formulierung in vollen [sic] Umfang bedeu­ te aber nicht, dass nunmehr im praktischen Vollzug jede Selbstanzeige auf Euro und Cent genau deckungsgleich mit der am Ende des Verfahrens von der Finanz­ behörde festzusetzenden Steuer sein müsse. Genau wie bisher müssten im prakti­ schen Vollzug Unschärfen hingenommen werden. Dies gelte umso mehr, wenn man berücksichtige, dass nunmehr statt eines Besteuerungszeitraumes alle noch nicht verjährten Besteuerungszeiträume der Steuerart betroffen seien. Bagatellab­ weichungen würden wie bisher nicht zur Unwirksamkeit der strafbefreienden Selbstanzeige als solcher führen“499.

Außerdem wolle der Steuerpflichtige bei nur geringfügigen Abweichun­ gen in der Regel vollständig in die Steuerehrlichkeit zurückkehren, habe nur in der Regel noch nicht alle Unterlagen parat500. Daneben werden Praktikabilitätserwägungen501 und der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz502 ins Feld geführt. Zuletzt wird darauf hingewiesen, dass bereits vor der Geset­ zesänderung die Unschädlichkeit geringfügiger Abweichungen hingenom­ men wurde, was dem Gesetzgeber bekannt gewesen sei; hätte er diese Praxis unterbinden wollen, hätte er eine entsprechende Regelung schaffen müssen503. Der BGH setzt die Geringfügigkeitsgrenze bei 5 % des Verkürzungsbe­ trags fest504. Teilweise wird auch für eine betragsmäßige Höchstgrenze von 1.500 € plädiert505. Der BGH stellt aber ergänzend Folgendes klar506: Nicht jede Abweichung unterhalb dieser Grenze sei automatisch unschädlich. Letztlich habe bei Abweichungen von unter 5 % eine „wertende Betrachtung“ dahingehend stattzufinden, ob im konkreten Fall noch eine Unschäd­ PStR 2011, 122 (123); Jäger, in: Klein, AO, 11. Aufl., § 371 Rdnr. 27; Wessing, in: Flore / Tsambikakis, Steuerstrafrecht, § 371 (n. F.) Rdnr. 60. 499  BT-Drucks. 17 / 5067 (neu), S. 19. 500  Schauf, in: Kohlmann, Steuerstrafrecht, Bd. I, § 371 Rdnr. 68. 501  Prowatke / Kelterborn, in: DStR 2012, 640 (641); Webel, in: Schwarz, AO, Bd. 4, § 371 Rdnr. 50 f. 502  Rübenstahl, in: PStR 2011, 278 (278); Rolletschke / Roth, in: Stbg. 2011, 200 (201); Heuel / Beyer, in: StBW 2011, 315 (316); Helml, Die Reform der Selbstanzei­ ge im Steuerstrafrecht, S. 84. 503  Rüping, in: Hübschmann / Hepp / Spitaler, AO / FGO, Bd. IX, § 371 Rdnr. 79. 504  BGHSt 56, 298 (317); zustimmend Schwartz / Külz, in: PStR 2011, 249 (249); Spatscheck / Höll, in: Stbg. 2011, 561 (562); Schauf, in: Kohlmann, Steuerstrafrecht, Bd. I, § 371 Rdnr. 68; Jäger, in: Klein, AO, 11. Aufl., § 371 Rdnr. 28; Webel, in: Schwarz, AO, Bd. 4, § 371 Rdnr. 50 f.; Wessing, in: Flore / Tsambikakis, Steuerstraf­ recht, § 371 (n. F.) Rdnr. 61. 505  Rolletschke / Roth, in: Stbg. 2011, 200 (201). 506  BGHSt 56, 298 (317 f.).



II. Darstellung der Änderungen129

lichkeit der Abweichung vorliege, im Rahmen derer insbesondere die rela­ tive Größe der Abweichungen und die Umstände, die zu den Abweichungen geführt haben, zu berücksichtigen seien; im Hinblick auf diesen zweiten Punkt weist der BGH darauf hin, dass bewusste Abweichungen in der Regel nicht geringfügig oder unschädlich sein können, da diese nicht vom Willen zur vollständigen Rückkehr in die Steuerehrlichkeit getragen seien. Darüber hinaus wird dann die Frage gestellt, ob die Geringfügigkeitsgrenze auf die einzelne Tat oder die gesamte Berichtigungseinheit bezogen werden soll507: Teilweise wird auf die einzelne Tat abgestellt508, überwiegend aber auf den gesamten Berichtigungsverbund509. (2) Stellungnahme und Lösungsvorschlag M. E. besteht ein zwingendes Bedürfnis für die Anerkennung einer Ge­ ringfügigkeitsgrenze, anderenfalls würden die Anforderungen an eine wirk­ same Selbstanzeige überspannt. Dies gilt insbesondere, da sich eine Selbst­ anzeige vielfach auf mehrere Jahre bezieht und damit umso mehr Raum für Fehler ist510. Man denke nur nochmals an die 70.000 Seiten umfassenden Unterlagen, aus denen sich die von Uli Hoeneß verkürzten Steuern ergeben 507  Als Beispiel zur Verdeutlichung: Im Jahr 2012 werden 10.000 € Umsatzsteu­ er verkürzt, im Jahr 2013 ebenfalls. Berichtigt werden in einer Selbstanzeige für das Jahr 2012 9.300 € (= 7 % Abweichung auf den Verkürzungsbetrag für 2012) und für das Jahr 2013 9.900  € (=  1 % auf den Verkürzungsbetrag für 2013). Stellte man auf die einzelne Tat ab, so könnte wegen der Überschreitung der Geringfügigkeitsgrenze im Jahr 2012 insgesamt keine Straffreiheit mehr eintreten, da grundsätzlich keine teilweise Straffreiheit mehr innerhalb einer Steuerart eintreten kann (§ 371 Abs. 1 AO). Stellt man aber auf den Berichtigungsverbund im vorliegenden Fall ab, so wären insgesamt 20.000 € an Steuern verkürzt, die Abweichung würde insgesamt 800 € (100 € + 700 €) betragen, was nur eine Abweichung von 4 % darstellen würde. Die Abweichung wäre gemessen an der 5 %-Grenze unschädlich, Straffreiheit könnte noch erlangt werden. 508  Jope, in: NZWiSt 2012, 59 (60  f.); Rolletschke / Roth, in: Stbg. 2011, 200 (201 f.); Jäger, in: Klein, AO, 11. Aufl., § 371 Rdnr. 28a; Helml, Die Reform der Selbstanzeige im Steuerstrafrecht, S. 89; Webel, in: Schwarz, AO, Bd. 4, § 371 Rdnr. 50g. 509  Schwartz, in: PStR 2011, 122 (124); ders. / Külz, in: PStR 2011, 249 (249); Geuenich / Kiesel, in: BB 2012, 155 (158 f.); Prowatke / Kelterborn, in: DStR 2012, 640 (643); Stahl, in: KÖSDI 2013, 18578 (18587); Spatscheck / Höll, in: Stbg. 2011, 561 (563); Beyer, in: AO-StB 2011, 119 (120); Bürger, in: BB 2012, 34 (36); Hunsmann, in: NJW 2011, 1482 (1484); Beckemper / Schmitz / Wegner / Wulf, in: wistra 2011, 281 (284); Buse, in: StBp. 2011, 153 (155); Wulf / Kamps, in: DB 2011, 1711 (1714); Schauf, in: Kohlmann, Steuerstrafrecht, Bd. I, § 371 Rdnr. 68.1; Rüping, in: Hübschmann / Hepp / Spitaler, AO / FGO, Bd. IX, § 371 Rdnr. 79; Wessing, in: Flore /  Tsambikakis, Steuerstrafrecht, § 371 (n. F.) Rdnr. 62. 510  Ähnlich BT-Drucks. 17 / 5067 (neu), S. 19.

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D. Selbstanzeige nach dem Schwarzgeldbekämpfungsgesetz (2011)

haben sollen. Es stellt sich nur die Frage, ob man über eine Auslegung oder eine Analogie zu diesem Ergebnis gelangen kann, oder ob letztlich eine Gesetzesänderung erforderlich ist. Auffällig ist jedenfalls, dass kaum einer der Befürworter der Unschädlichkeit geringfügiger Abweichungen darlegt, auf welchem dogmatisch richtigen Weg man zu diesem Ergebnis kommt511. Häufig wird schlicht pragmatisch argumentiert. Ausgehend vom Wortlaut verlangt § 371 Abs. 1 AO zutreffende Angaben „in vollem Umfang“ und nicht „in nahezu vollem Umfang“. In Anbetracht dieser Formulierung liegt es nicht gerade auf der Hand, dass das Gesetz kleinere Unrichtigkeiten zulassen will. Zunächst stellt sich die Frage, ob es möglich ist, das Gesetz so auszule­ gen, dass geringfügige Abweichungen einer wirksamen Selbstanzeige nicht entgegenstehen. Konkret ist also zu überlegen, ob die gesetzliche Formulie­ rung „in vollem Umfang“ auch so zu verstehen sein kann, dass berichtigen­ de Angaben „in nahezu vollem Umfang“ ausreichend sind, um Straffreiheit zu erlangen. Dieses Ergebnis kann jedoch nicht mehr das Resultat einer Auslegung sein, weil die Grenze zur Analogie bereits überschritten würde. Zwar ist bei der Bestimmung dieser Grenze nicht nur auf den Wortlaut der Norm, sondern auch auf den Sinn und Zweck der Vorschrift zu achten; das Ergebnis der Auslegung muss aber dem Wortlaut der Norm noch zurechen­ bar sein [vgl. zu diesen Grundsätzen bereits ausführlich oben C. II. 3. a) bb) (2) (d) und 4. c)]. Übertragen auf die vorliegende Konstellation bedeu­ tet dies Folgendes: Der Sinn und Zweck der Vorschrift und hier insbeson­ dere des Schwarzgeldbekämpfungsgesetzes würde zwar für eine Unbeacht­ lichkeit geringfügiger und undoloser Unrichtigkeiten oder Unvollständigkei­ ten in der Selbstanzeige sprechen, da vor allem das Vorgehen im Rahmen von planvollen Hinterziehungsstrategien unterbunden und die vollständige Rückkehr in die Steuerehrlichkeit gefördert werden sollen. Die Anerken­ nung der Unbeachtlichkeit geringfügiger undoloser Abweichungen wider­ 511  Man vergleiche beispielsweise BGHSt 56, 298 (316 ff.); Rübenstahl, in: PStR 2011, 278 (278); Spatscheck / Höll, in: Stbg. 2011, 561 (562 f.); Prowatke / Kelterborn, in: DStR 2012, 640 (641); Rolletschke / Roth, in: Stbg. 2011, 200 (201); Buse, in: StBp. 2011, 153 (154 f.); Wulf / Kamps, in: DB 2011, 1711 (1714); Heuel / Beyer, in: StBW 2011, 315 (316); Beckemper / Schmitz / Wegner / Wulf, in: wistra 2011, 281 (284); Beyer, in: AO-StB 2011, 119 (120); Hunsmann, in: NJW 2011, 1482 (1483 f.); Schauf, in: Kohlmann, Steuerstrafrecht, Bd. I, § 371 Rdnr. 68; Jäger, in: Klein, AO, 11. Aufl., § 371 Rdnr. 27; Webel, in: Schwarz, AO, Bd. 4, § 371 Rdnr. 50 f.; Rüping, in: Hübschmann / Hepp / Spitaler, AO / FGO, Bd. IX, § 371 Rdnr. 79; Wessing, in: Flo­ re / Tsambikakis, Steuerstrafrecht, § 371 (n. F.) Rdnr. 60 f.; Helml, Die Reform der Selbstanzeige im Steuerstrafrecht, S. 82 ff.; lediglich Schwartz weist in PStR 2011, 122 (123) darauf hin, dass er den Weg einer Auslegung beschreitet, im Rahmen derer die Äußerungen der Koalitionsfraktionen im Vorfeld der Verabschiedung des Gesetzes Berücksichtigung finden.



II. Darstellung der Änderungen131

spräche diesem Zweck nicht, da gerade kleinere Unrichtigkeiten zumeist undolos geschehen, und gleichzeitig der Wille zur vollständigen Rückkehr in die Steuererhrlichkeit gegeben ist. Dieser Form der Auslegung setzt aber der Wortlaut der Norm eine klare Grenze: Bei einer grammatikalischen Auslegung ist es ausgeschlossen, die Merkmale „in vollem Umfang“ und „in nahezu vollem Umfang“ gleichzusetzen; anders ausgedrückt stellt eine nahezu vollständige Berichtigung eben keine vollständige Berichtigung dar. Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass die Koalitionsfraktionen im Gesetzgebungsverfahren geäußert haben, kleinere Abweichungen für unschädlich zu halten. Der Wortlaut der Norm setzt klare Grenzen. Somit stellt sich die Frage, ob eine Analogie in Betracht kommt. Zunächst ist festzuhalten, dass es sich bei der Anerkennung einer Geringfügigkeits­ grenze um eine Analogie handeln würde und nicht um eine teleologische Re­ duktion: Auf den ersten Blick ist man geneigt, an eine teleologische Reduk­ tion zu denken, weil die Fälle von geringfügigen Abweichungen gegen den Wortlaut des § 371 Abs. 1 AO aus dem Bereich der Strafbarkeit herausgenommen werden sollen. Diese Sichtweise wäre aber unzutreffend: Nach sei­ nem Wortlaut gilt § 371 Abs. 1 AO für sämtliche Steuerpflichtige, die eine zu 100 % vollständige und richtige Selbstanzeige erstatten. Erkennt man die Un­ schädlichkeit von geringfügigen Abweichungen an, würde der Anwendungs­ bereich des § 371 Abs. 1 AO über seinen Wortlaut hinaus zusätzlich auf Steu­ erpflichtige angewandt, die eine nahezu vollständige Selbstanzeige erstatten. Der Anwendungsbereich des § 371 Abs. 1 AO würde daher erweitert und nicht eingeschränkt, was über eine Analogie erreicht werden kann. Als Grundvoraussetzung einer Analogie muss eine planwidrige Rege­ lungslücke gegeben sein. Zunächst ist festzuhalten, dass die Tatsache, dass es eine Regelung gibt, der der zugrundeliegende Sachverhalt (geringfügige Abweichung) unterfällt (§ 371 Abs. 1 AO: keine Straflosigkeit), der Annah­ me einer Regelungslücke nicht entgegensteht. Um mit den Worten von Larenz512 zu sprechen, muss herausgestellt werden, dass „eine Lücke des Gesetzes nicht etwa ein Nichts darstellt, sondern das Fehlen einer bestimmten nach dem Regelungsplan oder dem Gesamtzusammenhang des Gesetzes zu erwartenden Regel bedeutet. (…) Ein Gesetz ist lückenhaft oder unvollständig immer nur im Hinblick auf die von ihm erstrebte, sachlich erschöpfende und in diesem Sinne vollständige sowie sachgerechte Regelung.“ Dieser Regelungsplan ist mittels einer historischen und teleologischen Auslegung zu ermitteln513. Sodann ist die Lücke „in möglichst enger Anlehnung an das geltende Recht zu schließen“514. 512  Larenz,

Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 375. Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 373. 514  BVerfGE 37, 67 (81). 513  Larenz,

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D. Selbstanzeige nach dem Schwarzgeldbekämpfungsgesetz (2011)

Ausgehend hiervon stellt sich der Regelungsplan des Gesetzes wie folgt dar: Die Selbstanzeige gibt es aus fiskalischen Gründen; im Übrigen soll die Rückkehr in die Steuerehrlichkeit vor allem erleichtert, daneben aber auch honoriert werden [dazu bereits oben C. II. 1. c)]. Speziell durch die Änderungen durch das Schwarzgeldbekämpfungsgesetz sollte verhindert werden, dass die Selbstanzeige als Instrument innerhalb einer planvollen Hinterziehungsstrategie missbraucht wird; Reue, die sich nur an dem je­ weils aktuellen Stand der Ermittlungen orientiert, sollte nicht weiter hono­ riert werden (dazu unten ausführlich D. III). Daher wurden Teilselbstanzei­ gen innerhalb einer Steuerart ausgeschlossen. Aufgrund dieser teleologi­ schen Erwägungen ist festzustellen, dass nach dem Sinn und Zweck des Gesetzes bloße Bagatellabweichungen der strafbefreienden Wirkung nicht entgegenstehen sollten. Würde man in jedem noch so komplizierten Fall eine 100 %ige Berichtigung postulieren, ohne auch nur die kleinste Unrich­ tigkeit zuzulassen, würde dies die Anforderung an eine wirksame Selbst­ anzeige überspannen. Vielfach wäre die Erstattung einer wirksamen Selbst­ anzeige kaum möglich. Dies würde der grundsätzlich beabsichtigten Er­ leichterung der Selbstanzeige widersprechen und dem fiskalischen Zweck des Rechtsinstituts zuwiderlaufen. Auch der Zweck des Schwarzgeldbe­ kämpfungsgesetzes spricht nicht gegen die Anerkennung einer Geringfü­ gigkeitsgrenze: Vorliegend geht es ja nur um Konstellationen, in denen kleinere Unrichtigkeiten in der Selbstanzeige enthalten sind, denen wohl kaum planvolle Hinterziehungsstrategien zugrunde liegen. In der Regel wird es sich um Fälle handeln, in denen noch nicht alle Unterlagen vor­ liegen, aber aus Zeitdruck oder anderen Gründen nicht mehr zugewartet werden soll mit der Erstattung der Selbstanzeige. Sollte sich dennoch eine absichtliche geringfügige Abweichung ergeben, so muss dies aber der Wirksamkeit der Selbstanzeige entgegenstehen, da nur so dem Regelungs­ plan des Schwarzgeldbekämpfungsgesetzes entsprochen werden kann. Im Übrigen wird bei ganz geringfügigen Abweichungen in aller Regel eine Rückkehr in die Steuerehrlichkeit gegeben sein, wie sie § 371 Abs. 1 AO vorgibt; es bestehen lediglich geringfügige Unrichtigkeiten, die im Rahmen des Ermittlungs- und Besteuerungsverfahrens meist unproblematisch korri­ giert werden können. Der Sinn und Zweck der Vorschrift spricht also ein­ deutig für die Anerkennung einer Geringfügigkeitsgrenze. Gleiches gilt für die Entstehungsgeschichte: Die Koalitionsfraktionen haben geäußert, dass geringfügige Abweichungen einer wirksamen Selbstanzeige nicht entgegen­ stehen dürften515. Der anhand einer teleologischen und historischen Ausle­ gung ermittelte Regelungsplan des Gesetzes spricht für die Anerkennung einer Geringfügigkeitsgrenze. 515  BT-Drucks.

17 / 5067 (neu), S. 19.



II. Darstellung der Änderungen133

Auch der Ausnahmecharakter der Norm spricht nicht gegen eine Analogie im vorliegenden Fall. So wurde bereits oben festgestellt, dass eine Analogie in bonam partem bei Ausnahmevorschriften zulässig ist, wenn es sich um eine Analogie in der Ausnahme handelt [C. II. 4. d) cc) (2)]. So ist es auch hier: § 371 Abs. 1 AO wird nicht auf eine ganz andere Konstellation ange­ wandt, sondern ebenfalls auf den Ausnahmefall des Steuerhinterziehers, der eine Selbstanzeige erstattet. Beide Konstellationen sind einander äußerst ähnlich: Der einzige Unterschied ist eine Abweichung der richtigstellenden Angaben im Bagatellbereich. Auch ist nicht erkennbar, dass der Gesetzgeber die Selbstanzeigen mit nur geringfügigen Abweichungen absichtlich nicht in den Anwendungsbereich aufnehmen wollte: Der Gesetzgeber selbst ging ausdrücklich davon aus, dass Abweichungen im Bagatellbereich unschädlich sein sollen. Nur scheinbar war er irrtümlich der Meinung, dass es hierfür keiner ausdrücklichen Regelung bedürfe. Hieraus ergibt sich die Planwidrig­ keit der Lücke. Nach alledem sind alle Voraussetzungen einer Analogie gegeben. In der Folge ist es konsequent, für die Ermittlung des konkreten Umfangs der Abweichung auf die gesamte Berichtigungseinheit abzustellen, weil dies § 371 Abs. 1 AO so vorzeichnet: Dort wird für die Beurteilung der Wirk­ samkeit und Vollständigkeit stets auf die gesamte Berichtigungseinheit ab­ gestellt, nicht auf die einzelne Tat516. Der Klarstellung halber sei noch auf folgenden Gesichtspunkt hingewiesen: Weil sich die Höhe der Abweichung durch einen Vergleich des tatsächlichen Verkürzungsbetrags und dem in der Selbstanzeige angegebenen oder aus ihr zu errechnenden Verkürzungsbe­ trags ergibt, wirken sich Besteuerungszeiträume derselben Steuerat, in denen überhaupt keine Verkürzungen begangen wurden, in dieser Berechnung nicht aus517. Erkennt man die grundsätzliche Unschädlichkeit von geringfügigen Ab­ weichungen an, bestehen hinsichtlich des Umfangs keinerlei Bedenken an den durch den BGH aufgestellten Grundsätzen518, im Rahmen derer dann nach hiesiger Auffassung eine Analogie für zulässig erachtet wird. Insbeson­ 516  So auch Schwartz, in: PStR 2011, 122 (124); ders. / Külz, in: PStR 2011, 249 (249); Prowatke / Kelterborn, in: DStR 2012, 640 (643); Spatscheck / Höll, in: Stbg. 2011, 561 (563); Wulf / Kamps, in: DB 2011, 1711 (1714); Hunsmann, in: NJW 2011, 1482 (1484); Schauf, in: Kohlmann, Steuerstrafrecht, Bd. I, § 371 Rdnr. 68.1; Wessing, in: Flore / Tsambikakis, Steuerstrafrecht, § 371 (n. F.) Rdnr. 62. 517  Beispiel: Einkommensteuerverkürzungen 2009 und 2011 insgesamt 10.000 €, in 2010 keine Einkommensteuerverkürzung. In der Selbstanzeige werden für 2009 und 2011 9.700 € berichtigt. Die Abweichung beträgt 3 %. In der Berechnung wirkt sich also das Jahr 2010 nicht aus, schafft also auch keinen weiteren Spielraum für Abweichungen innerhalb der Berichtigungseinheit. 518  BGHSt 56, 298 (317 f.).

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D. Selbstanzeige nach dem Schwarzgeldbekämpfungsgesetz (2011)

dere ist es richtig, bei dolosen Abweichungen stets von der Unwirksamkeit der Selbstanzeige auszugehen. Im Übrigen ist auch zutreffend, dass es Konstellationen geben kann, in denen bereits bei Abweichungen von unter 5 % nicht mehr nur von einer unschädlichen Bagatellabweichung gespro­ chen werden kann. Zu denken wäre hier insbesondere an hohe Hinterzie­ hungsvolumina. b) Undolose Teilselbstanzeige Durch die Neufassung des § 371 Abs. 1 AO ergeben sich Änderungen bei der Behandlung sogenannter undoloser Selbstanzeigen. Eine undolose Teil­ selbstanzeige liegt vor, wenn der Steuerstraftäter eine Selbstanzeige in dem Glauben abgibt, die nunmehr gemachten Angaben seien vollständig, was diese aber nicht sind519. Die Lösung dieses speziellen Problems520 hatte nach der früheren Rechtslage keine besondere Bedeutung, da hier Teilselbst­ anzeigen – unabhängig davon, ob dolos oder undolos erstattet – nach h. M. zumindest in dem angegebenen Umfang zur Straffreiheit führten521. In dem ursprünglichen Entwurf zum Schwarzgeldbekämpfungsgesetz war vorgese­ hen, dass undolose Teilselbstanzeigen einer Straffreiheit nicht entgegenste­ hen522. In der Gesetz gewordenen endgültigen Fassung des § 371 AO n. F. war diese Regelung allerdings nicht mehr enthalten, sodass nach dem Wort­ laut des Gesetzes Teilselbstanzeigen ausgeschlossen sind, unabhängig da­ von, ob dolos oder undolos erstattet523. Überwiegend wird aber – entgegen dem eindeutigen Wortlaut – davon aus­ gegangen, dass Teilselbstanzeigen nach dem Schwarzgeldbekämpfungsgesetz nur ausgeschlossen sein sollen, wenn sie dolos erstattet wurden524. Begründet 519  Schauf,

in: Kohlmann, Steuerstrafrecht, Bd. I, § 371 Rdnr. 68.3. hierzu Hölzl, Die undolose Teilselbstanzeige. 521  Schauf, in: Kohlmann, Steuerstrafrecht, Bd. I, § 371 Rdnr. 68.3. 522  Vgl. den ursprünglich vorgesehenen Sperrgrund des § 371 Abs. 2 Nr. 3 AO, nach dem Straffreiheit nicht eintreten sollte, wenn „die Berichtigung, Ergänzung oder Nachholung ihrerseits unrichtige oder unvollständige Angaben im Sinne des § 370 Absatz 1 Nummer 1 enthält und der Täter dies wusste oder bei verständiger Würdigung der Sachlage damit rechnen musste“ (vgl. BT-Drucks. 17 / 4182, S. 3). 523  Vgl. dazu den insoweit eindeutigen Wortlaut (D. I. 1.). 524  Beckemper / Schmitz / Wegner / Wulf, in: wistra 2011, 281 (284); Adick, in: HRRS 2011, 197 (199); Hunsmann, in: NJW 2011, 1482 (1484); Heuel / Beyer, in: StBW 2011, 315 (316); Buse, in: StBp. 2011, 153 (154); Wulf / Kamps, in: DB 2011, 1711 (1714); Beyer, in: AO-StB 2011, 119 (121); Schauf / Schwartz, in: PStR 2011, 117 (120 f.), die für eine einschränkende „Auslegung“ des Gesetzeswortlauts plädieren; Hechtner, in: DStZ 2011, 265 (267 f.); Helml, Die Reform der Selbstanzeige im Steuerstrafrecht, S. 82; wohl auch Rübenstahl, in: PStR 2011, 278 (278); Schauf, in: Kohlmann, Steuerstrafrecht, Bd. I, § 371 Rdnr. 68.3; Rüping, in: Hübschmann / Hepp /  520  Eingehend



II. Darstellung der Änderungen135

wird dies vor allem mit dem Sinn und Zweck des Schwarzgeldbekämpfungs­ gesetzes, mit dem planvolle Hinterziehungsstrategien bekämpft werden sol­ len, wovon bei einer undolos fehlerhaften und unvollständigen Selbstanzeige nicht die Rede sein könne525. Nach anderer Auffassung in der Literatur ste­ hen auch undolose Teilselbstanzeigen nach dem Schwarzgeldbekämpfungs­ gesetz einer Straffreiheit entgegen526. Begründet wird dies vor allem mit dem Wortlaut der Norm527, aber auch mit der Entstehungsgeschichte der Vor­ schrift, weil die ursprünglich vorgesehene Regelung der Zulassung von undo­ losen Teilselbstanzeigen gerade nicht Gesetz geworden ist528. Auch der BGH geht scheinbar davon aus, dass undolose Teilselbstanzeigen nach § 371 Abs. 1 AO n. F. nicht zur Straffreiheit führen: Dies lässt sich – wenn auch nur im Umkehrschluss – einer Entscheidung vom 25.07.2011529 entnehmen. Dort führte der BGH aus, dass geringfügige Abweichungen bei der Selbstanzeige einer Straffreiheit nicht entgegenstehen und legte die Grenze zu den gering­ fügigen Abweichungen bei 5 % des verkürzten Betrags fest530. Der BGH nahm aber eine weitere Einschränkung vor531: „(…) Bewusst vorgenommene Abweichungen dürften schon deshalb, weil sie nicht vom Willen zur vollständigen Rückkehr zur Steuerehrlichkeit getragen sind, in der Regel nicht als geringfügig anzusehen sein (…).“

Daraus folgt, dass die vom BGH festgelegte Grenze von 5 % des verkürz­ ten Betrags nur für undolose Abweichungen gilt. Im Umkehrschluss bedeu­ tet dies, dass der BGH bei undolosen Abweichungen von mehr als 5 % des verkürzten Betrags davon ausgeht, dass die Teilselbstanzeige nicht zur Straffreiheit führt532. Spitaler, AO / FGO, Bd. IX, § 371 Rdnr. 81; Wessing, in: Flore / Tsambikakis, Steuer­ strafrecht, § 371 (n. F.) Rdnr. 81. 525  Rübenstahl, in: PStR 2011, 278 (278); Beckemper / Schmitz / Wegner / Wulf, in: wistra 2011, 281 (284); Adick, in: HRRS 2011, 197 (199); Hunsmann, in: NJW 2011, 1482 (1484); Helml, Die Reform der Selbstanzeige im Steuerstrafrecht, S. 81; Schauf, in: Kohlmann, Steuerstrafrecht, Bd. I, § 371 Rdnr. 68.3; Rüping, in: Hübsch­ mann / Hepp / Spitaler, AO / FGO, Bd. IX, § 371 Rdnr. 81; Wessing, in: Flore / Tsam­ bikakis, Steuerstrafrecht, § 371 (n. F.) Rdnr. 80. 526  Bürger, in: BB 2012, 34 (37); Zanzinger, in: DStR 2011, 1397 (1399 f.); Rolletschke / Roth, in: Stbg. 2011, 200 (201); Ransiek / Hinghaus, in: BB 2011, 2271 (2273); Jäger, in: Klein, AO, 11. Aufl., § 371 Rdnr. 24. 527  Zanzinger, in: DStR 2011, 1397 (1399); Rolletschke / Roth, in: Stbg. 2011, 200 (201); Ransiek / Hinghaus, in: BB 2011, 2271 (2273); Jäger, in: Klein, AO, 11. Aufl., § 371 Rdnr. 24. 528  Zanzinger, in: DStR 2011, 1397 (1399); Rolletschke / Roth, in: Stbg. 2011, 200 (201); Ransiek / Hinghaus, in: BB 2011, 2271 (2273). 529  BGHSt 56, 298. 530  BGHSt 56, 298 (317). 531  BGHSt 56, 298 (318). 532  So auch Wessing, in: Flore / Tsambikakis, Steuerstrafrecht, § 371 (n. F.) Rdnr. 82.

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D. Selbstanzeige nach dem Schwarzgeldbekämpfungsgesetz (2011)

Die letztgenannte Ansicht überzeugt. Ausgehend von dem eindeutigen Wortlaut der Norm bewegen sich die Vertreter der Gegenansicht nicht mehr im Rahmen des noch möglichen Wortsinns; auch bei Beachtung von Sinn und Zweck der Vorschrift bei der Bestimmung der Wortlautgrenze ist deren Sichtweise nicht mehr dem Normtext zurechenbar533. Zwar sind vorliegend die Grenzen des Art. 103 Abs. 2 GG nicht zu beachten, da durch die erst­ genannte Ansicht die Möglichkeit, Straffreiheit zu erlangen, erweitert und nicht begrenzt wird. Fehlt es – wie vorliegend – an einer einschränkenden Norm, so ist die Regelungslücke durch teleologische Reduktion zu schlie­ ßen534. Für eine teleologische Reduktion des § 371 Abs. 1 AO ist vorliegend allerdings kein Raum, da keine planwidrige Regelungslücke erkennbar ist. Zwar ist den Vertretern der Gegenansicht zuzugeben, dass nach dem Sinn und Zweck der Vorschrift eine Anwendung auf undolose Teilselbstanzeigen nicht geboten erscheint. Auch im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens wurde immer wieder geäußert, dass undolose Teilselbstanzeigen zur Straf­ freiheit führen sollen535. Warum undolose Teilselbstanzeigen aber in der endgültigen Fassung des § 371 Abs. 1 AO bei dem Vollständigkeitserforder­ nis nicht ausgeklammert wurden, ist nicht erkennbar und auch der Geset­ zesbegründung nicht zu entnehmen536. Ein Nachweis für die Planwidrigkeit der Regelungslücke ist dies aber nicht: Möglich ist auch, dass bewusst auf die Einschränkung des Vollständigkeitserfordernisses für undolose Teil­ selbstanzeigen verzichtet wurde. Schließlich zeigt der Gesetzgeber durch die Erwähnung des Problems in den Gesetzesmaterialien, dass er sich des Pro­ blems bewusst war. Eine Regelung wurde dennoch – möglicherweise be­ wusst – nicht getroffen. Nicht zu verkennen ist auch, dass die Ausnahme der undolosen Teilselbstanzeige vom Anwendungsbereich des § 371 AO zu erheblichen Problemen in der Praxis geführt hätte. In zahlreichen Fällen wäre es sicherlich kaum möglich, zu entscheiden, ob eine Teilselbstanzeige dolos oder undolos erfolgt ist537. Eine erhebliche Rechtsunsicherheit wäre die Folge gewesen. Dies könnte den Gesetzgeber auch bewogen haben, auf eine entsprechende Regelung zu verzichten. Da also auch denkbar ist, dass 533  Vgl. zu den Details die Ausführungen zu dem ähnlichen Sachverhalt bei C. II. 4. c). 534  Sprau, in: Palandt, BGB, Einl. Rdnr. 56. 535  Vgl. den ursprünglich vorgesehenen Sperrgrund des § 371 Abs. 2 Nr. 3 AO (vgl. dazu bereits die Fn. 522 und BT-Drucks. 17 / 4182, S. 3 und 5), die Stellung­ nahme des Bundesrats vom 11.02.2011 (BT-Drucks. 17 / 4802, S. 8) und die Gegen­ äußerung der Bundesregierung vom 16.02.2011 (BT-Drucks. 17 / 4802, S. 10); BTDrucks. 17 / 5067 (neu), S. 20. 536  Ransiek / Hinghaus, in: BB 2011, 2271 (2273). 537  Auf diesen Gesichtspunkt weisen auch Wulf / Kamps, in: DB 2011, 1711 (1714) und Beckemper / Schmitz / Wegner / Wulf, in: wistra 2011, 281 (284) hin, die aber im Ergebnis Vertreter der Gegenauffassung sind.



II. Darstellung der Änderungen137

die undolose Teilselbstanzeige bewusst nicht vom Anwendungsbereich der Norm ausgenommen wurde, muss es bei der strikten Beachtung des Wort­ lauts der Norm bleiben, wonach auch die undolos erstattete Teilselbstanzei­ ge nicht zur Straffreiheit nach § 371 Abs. 1 AO führt. Für diese Sichtweise spricht auch der Ausnahmecharakter des § 371 Abs. 1 AO, der in einzelnen Fällen entgegen dem Grundsatz des § 370 AO zu einer Straffreiheit führt. Nicht zu vergessen ist, dass derjenige, der – wenn auch undolos – nur eine unvollständige Selbstanzeige erstattet, in der Vergangenheit eine vorsätzli­ che Steuerhinterziehung begangen hat. Denn nur in diesen Fällen kommt es auf die Wirksamkeit einer Teilselbstanzeige überhaupt an. 2. § 371 Abs. 2 AO: Die Sperrgründe Im Rahmen der Änderungen durch das Schwarzgeldbekämpfungsgesetz wurden zwei neue Sperrgründe eingefügt (Abs. 2 Nr. 1 lit. a und Nr. 3) und die bestehenden Sperrgründe zu Lasten des Steuerpflichtigen teils erheblich ver­ schärft538. Die grundlegende und allen Sperrgründen mit Ausnahme des § 371 Abs. 2 Nr. 3 AO gemeine Verschärfung besteht darin, dass die Verwirklichung eines Sperrgrundes für eine Steuerart in einem Jahr (z. B. Tatentdeckung hin­ sichtlich Einkommensteuerverkürzung 2010) die Erlangung von Straffrei­ heit für sämtliche nicht verjährten Taten derselben Steuerart (im genannten Beispiel: sämtliche nicht verjährten Einkommensteuerverkürzungen) aus­ ­ schließt539. Diese Verschärfung ist im Hinblick auf die Abschaffung der Teil­ selbstanzeige in § 371 Abs. 1 AO n. F. nur folgerichtig540, weil dieser grund­ sätzlich keine teilweise Straffreiheit innerhalb derselben Steuerart mehr kennt. a) § 371 Abs. 2 Nr. 1 lit. a AO: Bekanntgabe einer Prüfungsanordnung In § 371 Abs. 2 Nr. 1 lit. a AO ist nicht mehr der Sperrgrund des Erscheinens eines Amtsträgers normiert, welcher nun in § 371 Abs. 2 Nr. 1 lit. c AO geregelt ist, sondern ein neuer Sperrgrund: Gemäß § 371 Abs. 2 Nr. 1 lit. a AO tritt Straffreiheit nun nicht mehr ein, wenn „bei einer der zur Selbstanzeige gebrachten unverjährten Steuerstraftaten vor der Berichti538  Wessing,

in: Flore / Tsambikakis, Steuerstrafrecht, § 371 (n. F.) Rdnr. 85. in: BB 2011, 1239 (1242 f.); Schauf / Schwartz, in: PStR 2011, 117 (118); Rolletschke / Roth, in: Stbg. 2011, 200 (202); Wessing, in: Flore /  Tsambikakis, Steuerstrafrecht, § 371 (n. F.) Rdnr. 85 m. w. N. auch zur vereinzelt vertretenen Gegenauffassung. 540  Ähnlich Obenhaus, in: Stbg. 2011, 166 (174) für den sachlichen Umfang der Sperrwirkung bei dem Sperrgrund der Tatentdeckung. 539  Füllsack / Bürger,

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D. Selbstanzeige nach dem Schwarzgeldbekämpfungsgesetz (2011)

gung, Ergänzung oder Nachholung dem Täter oder seinem Vertreter eine Prüfungsanordnung nach § 196 bekannt gegeben worden ist“. Der Zeitpunkt des Ausschlusses der Straffreiheit wurde durch die Schaffung dieses neuen Sperrgrundes im Vergleich zu § 371 Abs. 2 Nr. 1 lit. a AO 1977 deutlich nach vorne verlegt541. Die Regelung wurde geschaffen, „um Taktieren und Abwägen des Entdeckungsrisikos durch die Täter zu vermeiden“542. Ihm wird so die Möglichkeit genommen, unmittelbar vor Beginn der Außenprü­ fung noch Selbstanzeige zu erstatten543. „Bloßes Taktieren und Reue nach Stand der Ermittlungen dürften“ nach der Gesetzesbegründung „nicht weiter belohnt werden“, weswegen der Zeitpunkt des Ausschlusses der Straf­ freiheit in diesem Punkt merklich vorverlagert wurde544. Eine Anwendung des Sperrgrundes auf den Teilnehmer ist ausweislich des eindeutigen Wort­ lauts ausgeschlossen; einer analogen Anwendung steht Art. 103 Abs. 2 GG entgegen545. Auch hier zeigt sich wieder, dass der Gesetzgeber bei den Begriffen des Täters, des Teilnehmers und des Beteiligten im Rahmen des § 371 AO nicht ausreichend sorgfältig gearbeitet hat. Im Hinblick auf den Umfang der Sperrwirkung gilt Folgendes: Die Prü­ fungsanordnung schließt ohne Rücksicht auf die in ihr genannten Besteue­ rungszeiträume die Erlangung von Straffreiheit für alle unverjährten Steuer­ verkürzungen aller in der Anordnung enthaltenen Steuerarten aus546. Dies ergibt sich unzweideutig aus dem Wortlaut der Norm547 und hierbei insbeson­ dere aus dem Zusammenspiel mit § 371 Abs. 1 AO. Zugleich wird in diesem Punkt eine deutliche Verschärfung zu Lasten des Steuerstraftäters nicht nur in zeitlicher, sondern auch in sachlicher Hinsicht im Vergleich zu § 371 Abs. 2 541  Rolletschke / Roth,

in: Stbg. 2011, 200 (203). in: Flore / Tsambikakis, Steuerstrafrecht, § 371 (n. F.) Rdnr. 87. 543  Hunsmann, in: NJW 2011, 1482 (1485). 544  BT-Drucks. 17 / 5067 (neu), S.11. 545  Vgl. zu den Einzelheiten der identischen Argumentation bereits oben C. II. 4. c); a. A. mit fragwürdiger Begründung Helml, Die Reform der Selbstanzeige im Steuerstrafrecht, S.  101 m. w. N. 546  Adick, in: HRRS 2011, 197 (200); Kemper, in: NZWiSt 2012, 56 (59); Bruschke, in: StB 2012, 39 (41); Schauf / Schwartz, in: PStR 2011, 117 (118); Füllsack / Bürger, in: BB 2011, 1239 (1242); Buse, in: StBp. 2011, 153 (156); Hechtner, in: DStZ 2011, 265 (269); Hunsmann, in: BB 2011, 2519 (2522); Rolletschke / Roth, in: Stbg. 2011, 200 (202); Wulf / Kamps, in: DB 2011, 1711 (1716); Zanzinger, in: DStR 2011, 1397 (1400); Helml, Die Reform der Selbstanzeige im Steuerstrafrecht, S. 100; Webel, in: Schwarz, AO, Bd. 4, § 371 Rdnr. 64 f.; Jäger, in: Klein, AO, 11. Aufl., § 371 Rdnr. 39b; Schauf, in: Kohlmann, Steuerstrafrecht, Bd. I, § 371 Rdnr. 119.3; Wessing, in: Flore / Tsambikakis, Steuerstrafrecht, § 371 (n. F.) Rdnr. 91; wohl auch Obenhaus, in: Stbg. 2011, 166 (173); a. A. Hunsmann, in: NJW 2011, 1482 (1485); Prowatke / Felten, in: DStR 2011, 899 (900 f.); Stahl, in: KÖSDI 2011, 17442 (17445); Beyer, in: AO-StB 2011, 119 (122). 547  Helml, Die Reform der Selbstanzeige im Steuerstrafrecht, S. 99. 542  Wessing,



II. Darstellung der Änderungen139

Nr. 1 lit. a AO 1977 erkennbar: Der Umfang der Sperrwirkung bei dem Er­ scheinen des Betriebsprüfers richtete sich unter Geltung des § 371 Abs. 2 Nr. 1 lit. a AO 1977 nach dem Inhalt der Prüfungsanordnung, wenngleich sich diese Einschränkung nicht ausdrücklich aus dem Wortlaut der Norm er­ gab [dazu bereits oben C. II. 4. b)]. Diese Sichtweise lag aber deswegen auf der Hand, weil § 371 Abs. 2 AO – unabhängig davon, in welcher Fassung – immer in Verbindung mit § 371 Abs. 1 AO zu sehen war und ist. § 371 Abs. 1 AO 1977 sah noch die Möglichkeit von Teilselbstanzeigen vor [dazu bereits oben C. II. 3. a) bb) (2)], sodass es auch folgerichtig war, eine teilweise Sperrwirkung im Rahmen des § 371 Abs. 1 Nr. 1 lit. a AO 1977 anzunehmen, soweit die Prüfungsanordnung reichte. § 371 Abs. 1 AO n. F. lässt aber keine Teilselbstanzeigen im Rahmen einer Steuerart mehr zu (dazu bereits oben D. II. 1.). Straffreiheit erlangt nach § 371 Abs. 1 AO n. F. nur noch derjenige, der umfänglich richtige Angaben zu allen unverjährten Steuerverkürzungen der­ selben Steuerart macht. Legt nun § 371 Abs. 2 Nr. 1 lit. a AO n. F. fest, dass Straffreiheit nicht eintritt, wenn bei einer in der Selbstanzeige enthaltenen unverjährten Steuerstraftat vor Erstattung derselben dem Täter eine Prüfungs­ anordnung bekannt gegeben worden ist, ist mit dem Wort „Straffreiheit“ die­ jenige nach § 371 Abs. 1 AO n. F. in Bezug genommen548. § 371 Abs. 1 AO n. F. kennt keine teilweise Straffreiheit innerhalb derselben Steuerart mehr, oder anders gewendet ist über § 371 Abs. 1 AO n. F. nur Straffreiheit hin­ sichtlich sämtlicher nicht verjährter Steuerstraftaten einer Steuerart zu erlan­ gen oder gar keine Straffreiheit hinsichtlich derselben Steuerart. Es wäre schließlich wenig konsequent549, den Steuerpflichtigen im Rahmen des § 371 Abs. 1 AO zu einer umfänglichen Berichtigung innerhalb einer Steuerart an­ zuhalten, den Umfang der Sperrwirkung nach Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 aber anders zu fassen als den Umfang der Berichtigungspflicht in Abs. 1, sei es weiter sogar über die betroffene Steuerart hinaus550 oder enger nur hinsicht­ lich der Tat (Steuerart und Besteuerungszeitraums), die die Sperre ausgelöst hat551. Zanzinger552 drückt diesen Gedanken für Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 an­ ders aus: „Die Berichtigungseinheit (nach Abs. 1, also Steuerart und Besteu­ erungszeitraum; Anm. des Verfassers) entspricht der Sperreinheit (Umfang der Sperrwirkung; Anm. des Verfassers).“ Auch die Formulierung, dass keine Straffreiheit eintritt, wenn bei einer der zur Selbstanzeige gebrachten Steuerstraftaten eine Prüfungsanordnung Gedanken führt auch Zanzinger, in: DStR 2011, 1397 (1400) an. zu diesem Gedanken auch die Ausführungen unten bei dem Sperrgrund des § 371 Abs. 2 Nr. 3 AO bei D. II. 2. e) cc). 550  Buse, in: StBp. 2011, 153 (155). 551  Hechtner, in: DStZ 2011, 265 (269). 552  Zanzinger, in: DStR 2011, 1397 (1400). 548  Diesen 549  Vgl.

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D. Selbstanzeige nach dem Schwarzgeldbekämpfungsgesetz (2011)

bekannt gegeben wurde, spricht für diese Auslegung; schließlich spricht der Gesetzgeber sowohl im Rahmen des Abs. 2 Nr. 1 als auch im Rahmen des Abs. 2 Nr. 2 jeweils von „einer der Steuerstraftaten“ und nicht wie bei Abs. 2 Nr. 3 von einer Steuerverkürzung „je Tat“, bei dem sich ausnahms­ weise die Sperrwirkung nur auf die einzelne Tat im hier verstandenen Sinn erstrecken soll [dazu sogleich D. II. 2. e) cc)]. Hätte der Gesetzgeber den Umfang der Sperrwirkung auch für Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 auf die jeweilige Tat beschränken wollen, hätte er ebenso wie in Abs. 2 Nr. 3 formuliert und nicht jeweils den Plural „Steuerstraftaten“ verwendet553; dies gilt umso mehr, als der in § 371 Abs. 2 AO 1977 durchgängig hinsichtlich des Merk­ mals der Tat verwendete Singular bewusst gestrichen wurde und damit nicht mehr auf die einzelne Tat Bezug genommen wird554. Außerdem spricht die im Rahmen der Sperrgründe grundsätzlich gebotene extensive Auslegung [dazu bereits oben C. II. 1. d) und e)] für die hier vertretene Sichtweise und die umfangreiche Sperrwirkung über den betrof­ fenen Besteuerungszeitraum hinaus. Zuletzt sprechen auch der Sinn und Zweck der Vorschrift für die hier vertretene Form der Auslegung: Mit der Bekanntgabe der Prüfungsanordnung wird dem Steuerpflichtigen klar, dass er nun in den Fokus der Betriebsprüfer und ggf. später in den Fokus der Steuerfahndung rückt, oder anders ausgedrückt: Es droht Tatentdeckung. Ebenso sah es auch der Gesetzgeber, der in der Gesetzesbegründung bezo­ gen auf § 371 Abs. 2 AO wie folgt formulierte555: „Die Rechtsfolge Straffreiheit wird künftig dann nicht eintreten, wenn bei einer der offenbarten Taten Entdeckung droht. Das ist bereits dann der Fall, wenn dem Täter eine Prüfungsanordnung oder die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens zu einer der offenbarten Taten bekannt gegeben worden ist.“

Auch wenn sich die Prüfungsanordnung nur auf einzelne Taten richtet, erhöht doch die Tatsache, dass „die Betriebsprüfung im Hause ist“ und der Steuerpflichtige in deren Fokus rückt, die Entdeckungsgefahr für ihn auch hinsichtlich nicht in der Prüfungsanordnung genannter Zeiträume, was ihn zu einer umfassenden Selbstanzeige verleiten kann. Dies gilt umso mehr, wenn Einnahmen aus ein und derselben Einkunftsquelle über mehrere Jahre nicht erklärt wurden und sich die Prüfungsanordnung nicht auf sämtliche betroffene Besteuerungszeiträume erstreckt556. „Reue nach Stand der ErRolletschke / Roth, in: Stbg. 2011, 200 (202). in: Stbg. 2011, 200 (202). 555  BT-Drucks. 17 / 5067 (neu), S. 21. 556  Dieser Gedanke wurde auch von Seiten des BGH bereits in ähnlicher Form formuliert (BGHSt 55, 180 [185]), der die Sperrwirkung des § 371 Abs. 2 Nr. 1 lit. a AO 1977 auch auf Taten erstrecken wollte, wenn diese zwar noch nicht vom Ermitt­ lungswillen erfasst waren, „sich die neuen Tatvorwürfe“ aber „lediglich auf weitere Besteuerungszeiträume hinsichtlich derselben Steuerarten bei identischer Einkunfts­ 553  Ebenso

554  Rolletschke / Roth,



II. Darstellung der Änderungen141

mittlungen“ soll durch die Neuregelung aber gerade nicht mehr honoriert werden557. Vor diesem Hintergrund ist die ganz vereinzelt vertretene Gegenauffas­ sung, die den Umfang der Sperrwirkung auch aus Gründen der Rechtssi­ cherheit vom Inhalt der Prüfungsanordnung abhängig machen will558, abzu­ lehnen. Ist also in der Prüfungsanordnung nur die Einkommensteuer 2009 genannt, ist über eine Selbstanzeige keine Straffreiheit für Einkommensteu­ erverkürzungen für andere Veranlagungszeiträume als 2009 zu erlangen, da nach dem eindeutigen Wortlaut der Norm die Prüfungsanordnung hinsicht­ lich der Einkommensteuerverkürzung 2009 den Eintritt von Straffreiheit nach Abs. 1 hinsichtlich aller anderen nicht verjährten EinkommensteuerStraftaten (z. B. Einkommensteuer 2008 und 2010) verhindert559. Weil nun die Verwirklichung des Sperrgrunds im Hinblick auf nur einen Besteuerungszeitraum die Erlangung von Straffreiheit hinsichtlich sämt­ licher weiterer Steuerverkürzungen innerhalb derselben Steuerart aus­ schließt560, wird bei dieser Form der Sperrwirkung auch von einer „Infek­ tionswirkung“ oder einer „Infektion von Tatzeiträumen“ gesprochen561. b) § 371 Abs. 2 Nr. 1 lit. b AO: Bekanntgabe der Einleitung des Straf- oder Bußgeldverfahrens Auf den ersten Blick könnte man meinen, dass dieser Sperrgrund an gleicher Stelle und vor allem unverändert belassen wurde. Tatsächlich wur­ de aber der Sperrgrund der Bekanntgabe der Einleitung des Straf- oder Bußgeldverfahrens zu Lasten des Steuerpflichtigen erheblich ausgeweitet. Dies ergibt sich vor allem aus dem Zusammenspiel zwischen Abs. 1 und Abs. 2 des § 371 AO und dem den Buchstaben a) bis c) der Nr. 1 des Abs. 2 vorangestellten Einleitungssatz, der festlegt, dass der jeweils in den Buch­ quelle erstrecken“; Zanzinger weist in DStR 2011, 1397 (1400) darauf hin, dass die zitierte BGH-Entscheidung die Regelungen des Schwarzgeldbekämpfungsgesetzes stark beeinflusst habe, sodass davon auszugehen ist, dass der Gesetzgeber den so­ eben angesprochen Gedanken bewusst aufgegriffen und die Sperrwirkung ausgewei­ tet hat. 557  BT-Drucks. 17 / 5067 (neu), S. 11. 558  Hunsmann, in: NJW 2011, 1482 (1485); Prowatke / Felten, in: DStR 2011, 899 (900 f.), die irrtümlich davon ausgehen, dass dem Gesetz der Umfang der Sperrwir­ kung nicht zu entnehmen sei; Stahl, Selbstanzeige, Rdnr. 255. 559  Zu weiteren Detailfragen hinsichtlich des neuen Sperrgrunds vgl. Helml, Die Reform der Selbstanzeige im Steuerstrafrecht, S. 102 ff. 560  Dies gilt für sämtliche Sperrgründe des § 371 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 1 AO (vgl. dazu die folgenden Ausführungen zu den betreffenden Sperrgründen). 561  Beckemper / Schmitz / Wegner / Wulf, in: wistra 2011, 281 (289).

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staben a) bis c) genannte Sperrgrund nur im Hinblick auf eine unverjährte Steuerstraftat verwirklicht sein muss, damit hinsichtlich dieser Steuerart überhaupt keine Straffreiheit, auch nicht hinsichtlich anderer nicht verjährter Zeiträume, mehr eintreten kann562. c) § 371 Abs. 2 Nr. 1 lit. c AO: Erscheinen eines Amtsträgers Der ursprünglich in § 371 Abs. 2 Nr. 1 lit. a AO normierte Sperrgrund und Regelfall wurde zum Ausnahmefall563. Die praktische Bedeutung des Sperrgrundes hat sich durch Einführung des neuen Sperrgrundes der Bekanntgabe einer Prüfungsanordnung zumindest im Fall von Betriebsprüfun­ gen erheblich reduziert, da in der Regel vor der Betriebsprüfung deren Anordnung bekannt gegeben wird, damit zumeist der Sperrgrund des § 371 Abs. 2 Nr. 1 lit. a AO zuerst verwirklicht sein wird564. d) § 371 Abs. 2 Nr. 2 AO: Tatentdeckung Der Sperrgrund der Tatentdeckung wurde in weiten Teilen unverändert belassen565, so dass auf die obigen Ausführungen zu § 371 AO 1977 [C. II. 4. d)] Bezug genommen werden kann, soweit sie die Fragen betreffen, wel­ cher Verdachtsgrad für eine Tatentdeckung erforderlich ist, ob nur die Tat oder auch der Täter entdeckt sein muss, welche Anforderungen an die Per­ son des Entdeckers gestellt werden müssen, wie die subjektiven Vorausset­ zungen genau zu bestimmen sind und ob letztere entgegen dem eindeutigen 562  Vgl. zu den Details im Hinblick auf die nahezu identische Argumentation bereits oben D. II. 2. a); einziger Unterschied im Vergleich zu der Argumentation bei § 371 Abs. 2 Nr. 1 lit. a AO ist, dass der Steuerpflichtige nicht in den Fokus von Betriebsprüfern rückt, sondern direkt in den Fokus von Steuerfahndung oder Staats­ anwaltschaft; dies ändert aber an der erhöhten Entdeckungsgefahr nichts, die hier in der Regel sogar höher sein dürfte, weil Durchsuchungsmaßnahmen durchgeführt werden, mit denen häufig auch Zufallsfunde einhergehen; im Ergebnis ebenso Schauf / Schwartz, in: PStR 2011, 117 (118); Rolletschke / Roth, in: Stbg. 2011, 200 (202); Wulf / Kamps, in: DB 2011, 1711 (1716); Füllsack / Bürger, in: BB 2011, 1239 (1242 f.); Helml, Die Reform der Selbstanzeige im Steuerstrafrecht, S. 100; Wessing, in: Flore / Tsambikakis, Steuerstrafrecht, § 371 (n. F.) Rdnr. 104 f.; Schauf, in: Kohl­ mann, Steuerstrafrecht, Bd. I, § 371 Rdnr. 190, 193.1, 196; ähnlich Hunsmann, in: NJW 2011, 1482 (1484 f.), der aber die Sperrwirkung wohl sogar über die jeweilige Steuerart hinaus begründen will, weil er davon spricht, dass die „Verfahrenseinlei­ tung wegen einer der (…) Steuerstraftaten (…) die gesamte Selbstanzeige sperrt“. Dies ist aber insbesondere aufgrund des bereits beschriebenen logischen Zusammen­ hangs mit § 371 Abs. 1 AO abzulehnen. 563  BT-Drucks. 17 / 4182, S. 5. 564  Wessing, in: Flore / Tsambikakis, Steuerstrafrecht, § 371 (n. F.) Rdnr. 106. 565  Wessing, in: Flore / Tsambikakis, Steuerstrafrecht, § 371 (n. F.) Rdnr. 124.



II. Darstellung der Änderungen143

Wortlaut auch für den Teilnehmer gelten sollen. Insbesondere im Hinblick auf den letztgenannten Punkt brachten die Neuregelungen durch das Schwarzgeldbekämpfungsgesetz leider keine Klarheit, weil bei den subjek­ tiven Voraussetzungen unverändert nur der Täter und nicht der Teilnehmer genannt ist, so dass weiterhin das oben bereits Gesagte gelten muss. Eine Klarstellung durch den Gesetzgeber wäre wünschenswert gewesen. Der zwischenzeitlich diskutierte vollständige Verzicht auf das subjektive Erfor­ dernis wurde im Schwarzgeldbekämpfungsgesetz nicht übernommen566. Hinsichtlich der Frage, ob die Tat auch als vorsätzliche Tat erkannt sein muss, was oben bereits bejaht wurde, liefert die Neufassung des Sperrgrun­ des ein weiteres Argument für die hier vertretene Sichtweise: Während § 371 Abs. 2 Nr. 2 AO 1977 noch allgemein von der Tat sprach, verwendet die Neufassung den Begriff der Steuerstraftat; diese existiert aber nur in der vorsätzlichen Form, die fahrlässige Steuerverkürzung ist nicht strafbar567. Hinsichtlich des Tatbegriffs gilt im Ergebnis dasselbe wie oben [C. II. 4. d) aa)]: Die Tat ist materiell-rechtlich zu bestimmen, in geringfügiger Abwand­ lung zu § 52 StGB aber nach Steuerarten. Für diese Sichtweise führt Helml568 zutreffend speziell für die Gesetzesfassung nach dem Schwarz­ geldbekämpfungsgesetz ergänzend als Argument an, dass dies zu der nun geschaffenen Berichtigungseinheit passe, die auch nach Steuerarten diffe­ renziere. Eine wesentliche Änderung betrifft aber – ähnlich wie bei fast allen ande­ ren Sperrgründen auch – den Umfang der Sperrwirkung. Während sich bei § 371 Abs. 2 Nr. 2 AO 1977 die Sperrwirkung nur auf die Tat569 bezog, die entdeckt worden war [„die Tat (…) entdeckt war“], genügt bei der Neurege­ lung die Entdeckung „einer der Steuerstraftaten“, um die Sperrwirkung für alle unverjährten Steuerverkürzungen derselben Steuerart zu bewirken570. 566  Adick, in: HRRS 2011, 197 (200); Prowatke / Felten, in: DStR 2011, 899 (901); Wessing, in: Flore / Tsambikakis, Steuerstrafrecht, § 371 (n. F.) Rdnr. 133. 567  Ebenso Wessing, in: Flore / Tsambikakis, Steuerstrafrecht, § 371 (n. F.) Rdnr. 128. 568  Helml, Die Reform der Selbstanzeige im Steuerstrafrecht, S. 119. 569  Vgl. zum Tatbegriff oben C. II. 4. d) aa). 570  Buse, in: StBp. 2011, 153 (157); Rolletschke / Roth, in: Stbg. 2011, 200 (202); Hunsmann, in: BB 2011, 2519 (2522); Hechtner, in: DStZ 2011, 265 (270); Schauf / Schwartz, in: PStR 2011, 117 (118); Füllsack / Bürger, in: BB 2011, 1239 (1242 f.); Wulf / Kamps, in: DB 2011, 1711 (1716); Zanzinger, in: DStR 2011, 1397 (1400); Beckemper / Schmitz / Wegner / Wulf, in: wistra 2011, 281 (289); Helml, Die Reform der Selbstanzeige im Steuerstrafrecht, S. 100; Wessing, in: Flore / Tsambika­ kis, Steuerstrafrecht, § 371 (n. F.) Rdnr. 124; unscharf Obenhaus, in: Stbg. 2011, 166 (174) und Hunsmann, in: NJW 2011, 1482 (1484 f.), bei denen m. E. nicht klar hervorgeht, ob sie die Sperrwirkung sogar über die jeweilige Steuerart hinaus be­ gründen wollen.

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D. Selbstanzeige nach dem Schwarzgeldbekämpfungsgesetz (2011)

Von Vertretern der Gegenauffassung571, die den Umfang der Sperrwirkung nur auf die entdeckte Tat beziehen wollen, wird vorgebracht, dass dem Wort­ laut des § 371 Abs. 2 Nr. 2 AO nicht eindeutig zu entnehmen sei, ob sich die sachliche Sperrwirkung nur auf die entdeckte materiell-rechtliche Tat be­ schränken soll oder auf sämtliche Steuerstraftaten, die die Steuerart betreffen, hinsichtlich derer Entdeckung eingetreten ist572; weiter wird vorgebracht, dass die Gesetzesmaterialien keinen Aufschluss darüber geben, welchen Um­ fang der Sperrwirkung der Gesetzgeber tatsächlich schaffen wollte, während er dies bei § 371 Abs. 2 Nr. 1 AO n. F. ausdrücklich getan habe573. Diese Argumentation kann indes nicht überzeugen: Die in Bezug genom­ mene Stelle in den Gesetzesmaterialien bezieht sich auf den gesamten Abs. 2 des § 371 AO n. F. und eben nicht nur auf Abs. 2 Nr. 2. Außerdem zeigt der Gesetzgeber durch die Formulierung „einer der Steuerstraftaten“ eindeutig, dass er hinsichtlich einer Steuerart den gesamten unverjährten Zeitraum sperren wollte574. Um unnötige Wiederholungen zu vermeiden, kann hier auf die nahezu identische Argumentation bei § 371 Abs. 2 Nr. 1 lit. a AO [oben D. II. 2. a)] Bezug genommen werden. Wenn teilweise die Frage aufgeworfen wird575, ob sich die Sperrwirkung des Abs. 2 Nr. 2 auch auf andere Steuerarten als die der entdeckten Tat beziehen kann, da in Abs. 2 Nr. 2 nur von „einer der Steuerstraftaten“ und nicht wie in § 371 Abs. 2 Nr. 1 AO von „einer der zur Strafanzeige gebrachten unverjährten Steuerstraftaten“ die Rede ist und somit die Formu­ lierung „zur Selbstanzeige gebrachten unverjährten“ fehlt, so ist dies zu verneinen576: Dies wird am deutlichsten anhand eines Beispiels: 571  Prowatke / Felten, in: DStR 2011, 899 (902); Schauf, in: Kohlmann, Steuer­ strafrecht, Bd. I, § 371 Rdnr. 241; Stahl, Selbstanzeige, Rdnr. 397. 572  Schauf, in: Kohlmann, Steuerstrafrecht, Bd. I, § 371 Rdnr. 241; Stahl, Selbst­ anzeige, Rdnr. 397. 573  Schauf, in: Kohlmann, Steuerstrafrecht, Bd. I, § 371 Rdnr. 241; Schauf weist hier auf BT-Drucks. 17 / 5067, S. 24 hin (in BT-Drucks. 17 / 5067 [neu] findet sich die entsprechende Stelle auf S. 21): „Die Rechtsfolge Straffreiheit wird künftig dann nicht eintreten, wenn bei einer der offenbarten Taten Entdeckung droht. Das ist bereits dann der Fall, wenn dem Täter eine Prüfungsanordnung oder die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens zu einer der offenbarten Taten bekannt gegeben worden ist.“ 574  So insbesondere auch Buse, in: StBp. 2011, 153 (157) und Helml, Die Reform der Selbstanzeige im Steuerstrafrecht, S. 99. 575  Wessing, in: Flore / Tsambikakis, Steuerstrafrecht, § 371 (n. F.) Rdnr. 124. 576  Zur Verdeutlichung: Sperrt die Tatentdeckung hinsichtlich der Einkommen­ steuerhinterziehung 2008 eine wirksame Selbstanzeige hinsichtlich einer Umsatz­ steuerhinterziehung im Jahre 2009? Würde man die oben aufgeworfene Frage beja­ hen, wäre dies entgegen der hier vertretenen Auffassung der Fall.



II. Darstellung der Änderungen145 Beispiel Folgende Steuerstraftaten wurden begangen: 1. Einkommensteuerverkürzung im Jahre 2009 2. Einkommensteuerverkürzung im Jahre 2010 3. Umsatzsteuerverkürzung im Jahre 2010 Variante 1: Eine Selbstanzeige wird abgegeben für die Einkommensteuerverkür­ zungen 2009 und 2010. Hinsichtlich der Umsatzsteuer für 2010 war im Zeitpunkt der Erstattung der Selbstanzeige bereits eine Prüfungsanordnung bekannt gegeben. Lösung: Die Selbstanzeige für die Einkommensteuerverkürzungen 2009 und 2010 bleibt wirksam, weil der Sperrgrund des § 371 Abs. 2 Nr. 1 lit. a AO nicht ein­ schlägig ist: Die Prüfungsanordnung wurde nicht „bei einer zur Selbstanzeige gebrachten unverjährten Steuerstraftat“ (Einkommensteuer 2009 und 2010) be­ kannt gegeben, sondern bei einer anderen Steuerstraftat (Umsatzsteuer 2010). Variante 2: Eine Selbstanzeige wird abgegeben für die Einkommensteuerverkür­ zung 2009. Hinsichtlich der Umsatzsteuer für 2010 war im Zeitpunkt der Erstat­ tung der Selbstanzeige bereits eine Prüfungsanordnung bekannt gegeben. Lösung: Die Selbstanzeige ist mangels Vollständigkeit bezogen auf die Steuerart der Einkommensteuer unvollständig (§ 371 Abs. 1 AO), weil die Verkürzung für den Veranlagungszeitraum 2010 nicht in der Selbstanzeige angegeben war. Die Selbstanzeige entfaltet hinsichtlich der Einkommensteuerverkürzungen insgesamt keine strafbefreiende Wirkung. Auf den Sperrgrund des § 371 Abs. 2 Nr. 1 lit. a AO kommt es gar nicht mehr an. Er würde aber einer weiteren Selbstanzeige hinsichtlich der Umsatzsteuerverkürzung 2010 die strafbefreiende Wirkung neh­ men. Variante 3: Eine Selbstanzeige wird abgegeben für die Einkommensteuerverkür­ zungen 2009 und 2010. Hinsichtlich der Umsatzsteuer für 2010 war im Zeitpunkt der Erstattung der Selbstanzeige bereits Tatentdeckung eingetreten. Lösung: Hinsichtlich der Umsatzsteuerverkürzung 2010 ist Tatentdeckung einge­ treten. Es stellt sich die Frage, ob dies der strafbefreienden Wirkung der Selbst­ anzeige hinsichtlich der Einkommensteuerverkürzungen entgegensteht, ob also der Sperrgrund des § 371 Abs. 2 Nr. 2 AO sogar steuerartübergreifend wirkt (Fortset­ zung der Lösung weiter unten).

Zwar würde der Wortlaut des § 371 Abs. 2 Nr. 2 AO – isoliert betrachtet und bei rein grammatikalischer Auslegung – eine steuerartübergreifende Sperrwirkung zulassen: Man könnte § 371 Abs. 2 Nr. 2 AO nämlich auch so lesen: „Straffreiheit tritt nicht ein, wenn irgendeine Steuerstraftat (Gesetzeswortlaut: „eine der Steuerstraftaten“) (…) entdeckt war (…).“

In Variante 3 würde dies bedeuten, dass die Entdeckung einer Steuerstraf­ tat – hier der Umsatzsteuerverkürzung 2010 – der Erlangung von Straffrei­ heit hinsichtlich der Einkommensteuerverkürzungen 2009 und 2010 entge­ genstünde. Diese Auslegung ist m. E. aber fernliegend. Hätte der Gesetzge­

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D. Selbstanzeige nach dem Schwarzgeldbekämpfungsgesetz (2011)

ber gewollt, dass jede entdeckte Steuerstraftat zu einer Sperrwirkung führen soll, hätte er dies deutlicher formuliert wie z. B. „wenn eine (oder irgendeine) Steuerstraftat entdeckt war“. Nach der näherliegenden Deutung der im Gesetz gewählten Formulierung „eine der Steuerstraftaten (…) entdeckt war“ bezieht sich diese auf eine der in der Selbstanzeige enthaltenen Steu­ erstraftaten und ist somit wie in § 371 Abs. 2 Nr. 1 AO geregelt. Außerdem ist – wie bereits mehrfach angesprochen – Abs. 2 in Verbindung mit Abs. 1 des § 371 AO zu lesen, der stets eine Betrachtung innerhalb derselben Steu­ erart vorzeichnet, so dass auch vor diesem Hintergrund nicht davon auszu­ gehen ist, dass die Sperrwirkung über die jeweilige Steuerart hinausgehen soll577. Zu guter Letzt sind auch den Beratungen des Finanzausschusses keinerlei Anhaltspunkte dahingehend zu entnehmen, dass mit den unter­ schiedlichen Eingangsformulierungen in Nr. 1 und Nr. 2 tatsächlich eine unterschiedliche Handhabung gewollt war578. Mehr Klarheit, z. B. durch Verwendung identischer Formulierungen oder Ausführungen in der Geset­ zesbegründung zum Hintergrund der Verwendung unterschiedlicher Formu­ lierungen, wäre dennoch wünschenswert gewesen579. Fortsetzung Falllösung Variante 3: Die Entdeckung der Umsatzsteuerverkürzung 2010 steht der strafbefreienden Wirkung der Selbstanzeige hinsichtlich der Einkom­ mensteuerverkürzungen 2009 und 2010 nicht entgegen, weil keine der in der Selbstanzeige offenbarten Einkommensteuersteuerstraftaten bereits entdeckt war. Die Entdeckung der Umsatzsteuerverkürzung 2010 ist unschädlich.

e) §§ 371 Abs. 2 Nr. 3, 398a AO: Steuerhinterziehungen über 50.000 € Die Neuregelungen durch das Schwarzgeldbekämpfungsgesetz wurden mit „heißer Nadel gestickt [sic]“580. Ungenauigkeiten und handwerkliche Fehler des Gesetzgebers treten bei dem neu geschaffenen Sperrgrund beson­ ders offen zu Tage581. Dies gilt im Allgemeinen und im Speziellen für Selbstanzeigen des Teilnehmers, weshalb dieser Sperrgrund besonderen Anlass zu kritischer Auseinandersetzung bietet. Aus diesem Grund soll im Rahmen der vorliegenden Arbeit ein besonderes Augenmerk auf den §§ 371 Abs. 2 Nr. 3, 398a AO, und hier insbesondere auf der Selbstanzeige des Teilnehmers [dazu sogleich D. II. 2. e) ee)] liegen. 577  Im Ergebnis ebenso Hechtner, in: DStZ 2011, 265 (270) und Wessing, in: Flore / Tsambikakis, Steuerstrafrecht, § 371 (n. F.) Rdnr. 124. 578  Wessing, in: Flore / Tsambikakis, Steuerstrafrecht, § 371 (n. F.) Rdnr. 124. 579  Ähnlich Hechtner, in: DStZ 2011, 265 (270). 580  Heuel / Beyer, in: StBW 2011, 315 (315). 581  Ähnlich Wulf / Kamps, in: DB 2011, 1711 (1715); allgemein zur Kritik an den Neuerungen durch das Schwarzgeldbekämpfungsgesetz Beckemper / Schmitz / Wegner /  Wulf, in: wistra 2011, 281 (281 ff.).



II. Darstellung der Änderungen147

aa) Grundlegendes Die Erlangung von Straffreiheit ist nach diesem durch das Schwarzgeld­ bekämpfungsgesetz neu geschaffenen Sperrgrund dann ausgeschlossen, wenn „die nach § 370 Abs. 1 verkürzte Steuer oder der für sich oder einen anderen erlangte nicht gerechtfertigte Steuervorteil einen Betrag von 50.000 Euro je Tat übersteigt“. Damit wurde in § 371 AO erstmals eine betragsmä­ ßige Grenze eingeführt, ab der der Steuerpflichtige trotz Erstattung einer Selbstanzeige keine Straffreiheit mehr erlangen kann582. Ausweislich der Gesetzesbegründung orientierte sich der Gesetzgeber bei der Festlegung der Betragsgrenze an der Rechtsprechung des BGH zu dem Regelbeispiel des § 370 Abs. 3 Nr. 1 AO583: Nach § 370 Abs. 3 Nr. 1 liegt ein besonders schwerer Fall der Steuerhinterziehung mit einer Mindestfreiheitsstrafe von 6 Monaten vor, wenn der Täter Steuern in großem Ausmaß verkürzt. In einer Entscheidung aus dem Jahre 2008 urteilte der BGH, dass grundsätz­ lich ab einem Verkürzungsbetrag von 50.000 € von einer Steuerverkürzung großen Ausmaßes auszugehen ist584. Bei der Schaffung des neuen Sperr­ grundes hat der Gesetzgeber aber scheinbar übersehen, dass der BGH bei der Hinterziehung von Kapitalerträgen durch Nichterklärung, die sehr häufig Gegenstand von Selbstanzeigen sind, die Wertgrenze höher, nämlich bei 100.000 €585, ansetzt586. Die Wertgrenze von nur 50.000 € wurde dennoch Gesetz. (1) Zusammenspiel mit § 398a AO Ist der Sperrgrund des § 371 Abs. 2 Nr. 3 AO verwirklicht, richtet sich das weitere Vorgehen nach dem ebenfalls durch das Schwarzgeldbekämp­ fungsgesetz neu geschaffenen § 398a AO587, der für den Steuerstraftäter die Möglichkeit schafft, trotz Verwirklichung des Sperrgrundes des § 371 Abs. 2 Nr. 3 AO einer Bestrafung zu entgehen. § 398a AO spricht aber nicht von der Erlangung von Straffreiheit, sondern statuiert „nur“588 ein 582  Schauf, in: Kohlmann, Steuerstrafrecht, Bd. I, § 371 Rdnr. 249.3; BT-Drucks. 17 / 5067, S. 21. 583  BT-Drucks. 17 / 5067, S. 21. 584  BGHSt 53, 72 (84). 585  BGHSt 53, 72 (85); BGH wistra 2011, 396 (396); BGH NJW 2012, 1015 (1016). 586  Schauf / Schwartz, in: PStR 2011, 117 (119); Erb / Schmitt, in: PStR 2011, 144 (144); Schauf, in: Kohlmann, Steuerstrafrecht, Bd. I, § 371 Rdnr. 249.3. 587  Jäger, in: Klein, AO, 11. Aufl., § 371 Rdnr. 76. 588  Teilweise wird von „einer Selbstanzeige zweiter Klasse“ gesprochen (so Hechtner, in: DStZ 2011, 265 [270] und Wagner, in: DStZ 2011, 875 [875]).

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D. Selbstanzeige nach dem Schwarzgeldbekämpfungsgesetz (2011)

strafprozessuales Verfolgungshindernis589, nicht wie § 371 Abs. 1 AO einen persönlichen Strafaufhebungsgrund [zu dieser Einordnung bereits oben C. II. 1. b) aa)]. Im Gegensatz zu § 153a StPO ist die Vorschrift des § 398a AO keine Ermessensnorm, eine Einstellung des Ermittlungsverfahrens hat demnach zwingend zu erfolgen, wenn die Voraussetzungen des § 398a AO vorliegen590. Dies ist einerseits die in § 398a Nr. 1 AO normierte Pflicht zur Nachent­ richtung der zu Gunsten des Selbstanzeigeerstatters verkürzten Steuern. Diese Voraussetzung entspricht damit der für die übrigen Fälle der Selbst­ anzeige geltenden Vorschrift des § 371 Abs. 3 AO. Eine weitere Vorausset­ zung – und dies ist der Kern des neuen Sperrgrundes der Steuerverkürzung in Höhe von 50.000 € je Tat – ist in § 398a Nr. 2 AO normiert: Derjenige, der das in § 398a AO normierte Verfolgungshindernis herbeiführen möchte, muss zusätzlich zu den verkürzten Steuern weitere 5 % des verkürzten Be­ trags zugunsten der Staatskasse entrichten. Im Rahmen des Zusammenspiels des § 371 Abs. 2 Nr. 3 AO mit § 398a AO ergibt sich für die Behandlung des Teilnehmers eine Problematik, die aus einer unklaren Formulierung des Gesetzgebers resultiert. Sie soll an dieser Stelle nur kurz angedeutet und weiter unten [D. II. 2. e) ee)] detail­ liert dargestellt werden: Der Sperrgrund des § 371 Abs. 2 Nr. 3 AO verhin­ dert den Eintritt von Straffreiheit bei Steuerverkürzungen über 50.000 € auch für den Teilnehmer, weil das Gesetz dort ausdrücklich von einem „für sich oder einen anderen erlangten Steuervorteil“ spricht. § 398a AO regelt ein Verfolgungshindernis für den Täter, der die oben genannten Vorausset­ zungen erfüllt. Nimmt man den Gesetzgeber also beim Wort, kann der Teilnehmer, der in der Regel das geringere Unrecht verwirklicht, kein Straf­ verfolgungshindernis schaffen. Dies kann der Gesetzgeber offensichtlich nicht gewollt haben. (2) Verhältnis des § 398a AO zu § 153a StPO § 153a StPO ist über § 385 AO auch anwendbar bei der Verfolgung von ­ teuerstraftaten. Eine Anwendung des § 153a StPO neben § 398a AO ist S grundsätzlich möglich591. § 398a AO ist ausweislich der Gesetzesbegrün­ 589  Jäger, in: Klein, AO, 11. Aufl., § 398a Rdnr. 35; Quedenfeld, in: Flore / Tsam­ bikakis, Steuerstrafrecht, § 398a Rdnr. 44; Hunsmann, in: BB 2011, 2519 (2519) m. w. N. 590  Schauf, in: Kohlmann, Steuerstrafrecht, Bd. II, § 398a Rdnr. 11; Quedenfeld, in: Flore / Tsambikakis, Steuerstrafrecht, § 398a Rdnr. 43. 591  Jäger, in: Klein, AO, 11. Aufl., § 398a Rdnr. 27; Schmedding, in: Wannema­ cher & Partner, Steuerstrafrecht, Rdnr. 2194; Quedenfeld, in: Flore / Tsambikakis,



II. Darstellung der Änderungen149

dung592 zwar dem § 153a StPO nachempfunden, was eine gewisse Ähnlich­ keit der beiden Vorschriften zur Folge hat; der Regelungsgehalt beider Vorschriften ist aber offenkundig nicht identisch, so dass sich auch einige Unterschiede ergeben, die auszugsweise erwähnt werden sollen593: Ein wesentlicher Unterschied ist, dass § 398a AO keinen Strafklagever­ brauch zur Folge hat594: In § 153a Abs. 1 Satz 5 StPO ist für den Fall der Erfüllung der Auflagen ein beschränkter Strafklageverbrauch vorgesehen595. Eine vergleichbare Regelung fehlt bei § 398a AO. Hätte der Gesetzgeber dies beabsichtigt, hätte er eine entsprechende Regelung auch bei § 398a AO geschaffen596. Dies gilt umso mehr, als der Gesetzgeber den § 153a StPO als Vorlage bei der Schaffung des § 398a AO im Blick hatte597. Ein weiterer Gesichtspunkt spricht gegen einen Strafklageverbrauch bei einer Anwen­ dung des § 398a AO598: Die Frage eines Strafklageverbrauchs stellt sich in der Regel dann, wenn ein Wiederaufgreifen des Ermittlungsverfahrens in Betracht kommt. Dies wird wiederum zumeist dann durch die Ermittlungs­ behörden angestrebt, wenn die Selbstanzeige unvollständig war. In diesen Fällen scheidet aber bereits die Erlangung von Straffreiheit nach § 371 Abs. 1 AO aus, der gerade keine Teilselbstanzeigen mehr zulässt [dazu be­ reits oben D. II. 1. a)]. Auf die §§ 371 Abs. 2 Nr. 3, 398a AO kommt es Steuerstrafrecht, § 398a Rdnr. 53; Hunsmann, in: BB 2011, 2519 (2526) mit einigen überzeugenden Argumenten für diese Sichtweise. 592  BT-Drucks. 17 / 5067 (neu), S. 20. 593  Eine Gegenüberstellung beider Vorschriften findet sich bei Hunsmann, in: PStR 2011, 288 (288 ff.). 594  Obenhaus, in: Stbg. 2011, 166 (175); Wulf / Kamps, in: DB 2011, 1711 (1716); Rolletschke / Roth, in: Stbg. 2011, 200 (207); Heuel / Beyer, in: StBW 2011, 315 (320); Buse, in: StBp. 2011, 153 (158); Beckemper / Schmitz / Wegner / Wulf, in: wistra 2011, 281 (285 f.); Hunsmann, in: PStR 2011, 288 (290); ders., in: BB 2011, 2519 (2525); Zanzinger, in: DStR 2011, 1397 (1402). Erb / Schmitt, in: PStR 2011, 144 (149); Schauf, in: Kohlmann, Steuerstrafrecht, Bd. II, § 398a Rdnr. 13; ders. / Schwartz, in: PStR 2011, 117 (121); Quedenfeld, in: Flore / Tsambikakis, Steuerstrafrecht, § 398a Rdnr. 57; Jäger, in: Klein, AO, 11. Aufl., § 398a Rdnr. 38; Rüping, in: Hübsch­ mann / Hepp / Spitaler, AO / FGO, Bd. X, § 398a Rdnr. 18; Schmedding, in: Wanne­ macher & Partner, Steuerstrafrecht, Rdnr. 2187; a. A. Stahl, in: KÖSDI 2011, 17442 (17450). 595  Vgl. zu den Details Meyer-Goßner, StPO, § 153a Rdnr. 45. 596  Ebenso Beckemper / Schmitz / Wegner / Wulf, in: wistra 2011, 281 (285 f.); Schauf, in: Kohlmann, Steuerstrafrecht, Bd. II, § 398a Rdnr. 13; ders. / Schwartz, in: PStR 2011, 117 (121). 597  BT-Drucks. 17 / 5067 (neu), S. 20; Schauf, in: Kohlmann, Steuerstrafrecht, Bd. II, § 398a Rdnr. 13; ders. / Schwartz, in: PStR 2011, 117 (121). 598  Diesen Gedanken führen auch Adick, in: HRRS 2011, 197 (202), Schauf, in: Kohlmann, Steuerstrafrecht, Bd. II, § 398a Rdnr. 13 und ders. / Schwartz, in: PStR 2011, 117 (121) an.

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dann gar nicht mehr an, da diese nur Ausnahmen und Rückausnahmen von der gemäß § 371 Abs. 1 AO zu erlangenden Straffreiheit darstellen. Die Voraussetzungen des § 398a AO lagen in dieser Konstellation damit nie vor599. Die Einstellung erfolgte in dieser Sachverhaltskonstellation zu Un­ recht. Mangels Strafklageverbrauchs steht einem Wiederaufgreifen des Er­ mittlungsverfahrens nichts entgegen. Vor diesem Hintergrund ist auch die von Stahl vertretene These eines „beschränkten Strafklageverbrauchs“ abzulehnen, die so zu verstehen sei, dass bei unvollständigen Angaben nur noch insoweit eine Verfolgung statt­ findenfinden könne, als diese den nicht erklärten Teil betreffe600. Stahl verdeutlicht dies anhand folgenden Beispiels: Verkürzt sind innerhalb einer Tat tatsächlich 120.000 €, in der Selbstanzeige wurden nur 60.000 € nach­ erklärt; ist nun eine Einstellung gemäß § 398a AO erfolgt, könnte zu einem späteren Zeitpunkt, wenn die Verkürzung der weiteren 60.000 € bekannt wird, nur noch eine Bestrafung hinsichtlich der weiteren 60.000 € erfolgen, nicht hinsichtlich der gesamten 120.000 €601. Diese Aufassung überzeugt nicht, da die Voraussetzungen des § 371 Abs. 1 AO in diesem Beispiel nicht vorlagen und § 398a AO daher ange­ wandt wurde, obwohl dessen Anwendungsbereich gar nicht eröffnet war; zu einer Anwendung der Sperrgründe und hier der §§ 371 Abs. 2 Nr. 3, 398a AO kommt man ja erst in einem zweiten Schritt, wenn eine den Anforde­ rungen des § 371 Abs. 1 AO genügende – also eine vollständige – Selbst­ anzeige vorliegt. Dies ergibt sich aus der Systematik des Regel-AusnahmeVerhältnisses der §§ 370, 371, 398a AO [dazu ausführlich unten D. II. 2. e) ee) (1)]. Außerdem würde eine derartige „Aufspaltung“ innerhalb nur einer Steuerstraftat dem Grundgedanken des § 371 AO 2011 widersprechen, dass innerhalb einer Steuerstraftat keine teilweise Straffreiheit mehr eintreten könne; zwar geht es im Rahmen des § 398a AO nicht um die Erlangung von Straffreiheit, sondern um die Statuierung eines Verfolgungshindernisses; der Grundgedanke ist aber derselbe. Dass aber eine – zwar unvollständige – Selbstanzeige vorlag, kann nach einem Wiederaufgreifen des Verfahrens im Rahmen einer späteren Strafzumessung Berücksichtigung finden; hier wird sich das Ausmaß der Berücksichtigung nach dem Umfang der im Rahmen der unvollständigen Selbstanzeige gemachten korrigierenden Angaben rich­ ten (vgl. ausführlich zur missglückten Selbstanzeige D. IV.). Sind aber umgekehrt sämtliche Voraussetzungen des § 398a AO erfüllt und liegt eine vollständige Selbstanzeige vor, kann das einmal eingestellte 599  So auch Adick, in: HRRS 2011, 197 (202); Schauf, in: Kohlmann, Steuerstraf­ recht, Bd. II, § 398a Rdnr. 13; ders. / Schwartz, in: PStR 2011, 117 (121). 600  Stahl, in: KÖSDI 2011, 17442 (17450). 601  Stahl, in: KÖSDI 2011, 17442 (17450).



II. Darstellung der Änderungen151

Ermittlungsverfahren durch die Strafverfolgungsbehörden nicht wieder auf­ genommen werden. Im Gesetz ist zwar kein Strafklageverbrauch verankert. Für diese Konstellation ist der Beschuldigte allerdings dennoch nicht schutzlos. Dies ergibt sich daraus, dass die Einstellung nach Erfüllung der Voraussetzungen der §§ 371 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 3, 398 Nr. 1, Nr. 2 AO nicht im Ermessen der Verfolgungsbehörde liegt, sondern zwingend ist. Würde also theoretisch eine Verfolgungsbehörde das Ermittlungsverfahren wieder aufgreifen, wäre sie in derselben Sekunde verpflichtet, das Ermittlungsver­ fahren wieder einzustellen. Sollte sie dies dennoch nicht tun und Anklage erheben, könnte das Gericht das Verfahren im Zwischenverfahren einstellen [vgl. zu den Rechtsschutzmöglichkeiten im Einzelnen unten D. II. 2. e) ff)]. Im Übrigen ergeben sich folgende weitere Unterschiede: Während § 153a StPO nur Anwendung findet, wenn die Schwere der Schuld nicht entge­ gensteht, und damit vorwiegend auf leichtere und mittlere Kriminalität be­ schränkt ist, gilt § 398a AO i. V. m. § 371 Abs. 2 Nr. 3 AO erst ab Hinter­ ziehungsbeträgen von 50.000 € und ist damit keinesfalls nur auf die klei­ neren und mittleren Fälle beschränkt, sondern gilt gerade erst für die schwerere Steuerkriminalität602. Darüber hinaus bedarf es, anders als im Falle des § 153a Abs. 1 Satz 7 StPO, für eine Einstellung gemäß § 398a AO keiner Zustimmung des Gerichts603. Außerdem werden im Rahmen des § 153a StPO Art und Umfang der Auflagen in das Ermessen von Gericht und Staatsanwaltschaft gestellt, während Höhe und Art der Auflage bei § 398a AO in Form des 5 %igen Zuschlags auf den Verkürzungsbetrag be­ reits durch das Gesetz festgelegt werden604. Ebenso ist die Entscheidung über das „ob“ der Einstellung bei § 398a AO bei Erfüllung der normierten Voraussetzungen zwingend vorgegeben, während bei § 153a StPO auch diese Entscheidung in das Ermessen von Gericht und Staatsanwaltschaft gestellt wird605. (3) Rechtsnatur des § 398a AO Relativ einfach festzustellen ist, dass es sich bei § 398a AO um eine strafprozessuale Vorschrift handelt606; dies ergibt sich schließlich schon aus dem Wortlaut der Norm und ihrer Ähnlichkeit zu § 153a StPO. Nicht so ohne Weiteres zu bestimmen ist die Rechtsnatur des 5 %igen Zuschlags im Sinne des § 398a Nr. 2 AO. Die Gesetzesbegründung gibt wenig Aufschluss 602  Hunsmann,

in: PStR 2011, 288 (288); Erb / Schmitt, in: PStR 2011, 144 (147). in: wistra 2011, 281 (285). 604  Erb / Schmitt, in: PStR 2011, 144 (147); Hunsmann, in: PStR 2011, 288 (289). 605  Hunsmann, in: PStR 2011, 288 (289). 606  Jäger, in: Klein, AO, 11. Aufl., § 398a Rdnr. 1. 603  Beckemper / Schmitz / Wegner / Wulf,

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D. Selbstanzeige nach dem Schwarzgeldbekämpfungsgesetz (2011)

darüber: Dort ist lediglich die Rede davon, dass er eine „freiwillige Zahlung“ darstelle607. Geht man nach dem Ausschlussprinzip vor, ist jedenfalls festzustellen, dass es sich nicht um eine Strafe handelt608: Eine Strafe ist nämlich „ein den Täter treffendes Übel, eine missbilligende hoheitliche Reaktion auf kriminelles Unrecht“609. Aus dieser Definition ergibt sich, dass Freiwilligkeit gewiss kein der Strafe innewohnendes Element ist, vielmehr die Strafe gegen den Willen des Betroffenen kraft hoheitlichen Handelns verhängt wird, da dieser sicher nicht bereitwillig „das ihn treffende Übel“ hinnehmen wird. Übertra­ gen auf den Fall des § 398a Nr. 2 AO bedeutet dies Folgendes: In der Geset­ zesbegründung wird vollkommen zu Recht darauf hingewiesen, dass es sich bei der Zahlung im Rahmen des § 398a Nr. 2 AO um eine freiwillige handelt. Oberflächlich betrachtet mag man sich die Frage stellen, wo das freiwillige Element zu finden ist, wo doch kaum ein Steuerpflichtiger neben der Rück­ erstattung der verkürzten Steuern zusätzlich noch weitere 5 % des Verkür­ zungsbetrags an die Staatskasse entrichten möchte. Die Freiwilligkeit seines Handelns ergibt sich denoch in zweierlei Hinsicht: Der Steuerstraftäter hat es selbst in der Hand, Selbstanzeige zu erstatten. Entscheidet er sich – freiwil­ lig – dafür, um Straffreiheit zu erlangen, ist der Preis hierfür bei Steuerver­ kürzungen von über 50.000 € je Tat ein 5 %iger Aufschlag, deren Bezahlung ihm auch freisteht. Das der Strafe innewohnende zwingende und hoheitliche Element fehlt hier sowohl bei der unmittelbaren Erstattung der Selbstanzeige als auch bei der Zahlung des Aufschlags. Beides ist in Kombination lediglich ein Angebot an den Steuerpflichtigen, die von ihm selbst gesetzte Gefahr ei­ ner Bestrafung abzuwenden. Ob er dieses Angebot annimmt, ist seine Ent­ scheidung, es handelt sich um keine Rechtspflicht610. Richtigerweise handelt es sich daher um eine besondere „nichtstrafrechtliche Sanktion“611, die ver­ 607  BT-Drucks.

17 / 5067 (neu), S. 22. in: BB 2011,1239 (1241); Rolletschke / Roth, in: Stbg. 2011, 200 (206); Bruschke, in: StB 2012, 39 (43); Quedenfeld, in: Flore / Tsambikakis, Steuerstrafrecht, § 398a Rdnr. 12, 15; Stahl, Selbstanzeige, Rdnr. 414; ders., in: KÖSDI 2011, 17442 (17449); Hunsmann, in: BB 2011, 2519 (2520); Heuel / Beyer, in: StBW 2011, 315 (320); Beyer, in: AO-StB 2011, 119 (124). 609  Theune, in: Leipziger Kommentar, Zweiter Band, Vor §§ 46–50 Rdnr. 3; ähn­ lich BVerfGE 105, 135 (153). 610  Ähnlich Jäger, in: Klein, AO, 11. Aufl., § 398a Rdnr. 2; Schauf, in: Kohl­ mann, Steuerstrafrecht, Bd. II, § 398a Rdnr. 9; Hunsmann, in: BB 2011, 2519 (2520); Heuel / Beyer, in: StBW 2011, 315 (320); Quedenfeld, in: Flore / Tsambikakis, Steuer­ strafrecht, § 398a Rdnr. 12. 611  Rüping, in: Hübschmann / Hepp / Spitaler, AO / FGO, Bd. X, § 398a Rdnr. 13; Quedenfeld, in: Flore / Tsambikakis, Steuerstrafrecht, § 398a Rdnr. 15; Dumke, in: Schwarz, AO, Bd. 4, § 398a Rdnr. 12; Füllsack / Bürger, in: BB 2011,1239 (1241); ähnlich Schauf, in: Kohlmann, Steuerstrafrecht, Bd. II, § 398a Rdnr. 9. 608  Füllsack / Bürger,



II. Darstellung der Änderungen153

gleichbar ist mit der Zahlung im Rahmen des § 153a StPO612. Für § 153a StPO ist ebenfalls anerkannt, dass es sich bei den verhängten Auflagen weder um Strafen noch um Sanktionen strafähnlicher Art handelt613. Die Vergleich­ barkeit mit § 153a StPO ergibt sich auch daraus, dass, wie erwähnt, § 398a AO dem § 153a StPO nachempfunden ist614, und dass § 398a AO wie § 153a StPO ein strafprozessuales Verfolgungshindernis statuiert [dazu bereits oben D. II. 2. e) aa) (1)], dessen Schaffung der Beschuldigte durch freiwillige Er­ füllung der jeweiligen Auflage selbst in der Hand hat. Beide Vorschriften haben keine Schuldfeststellung zur Folge615. Zu guter Letzt spricht gegen den Charakter des Zuschlags als Strafe, dass die Verhängung von Strafen grund­ sätzlich dem Richter vorbehalten ist und nicht der Staatsanwaltschaft oder der Bußgeld- und Strafsachenstelle616. (4) Bestimmung der Tat Fraglich ist weiter, wie das Merkmal der Tat zu bestimmen ist, entspre­ chend der Steuerart oder entsprechend dem Rahmen des § 52 StGB617. Die Beantwortung der Frage ist umstritten. Teilweise wird bei tateinheitlicher Begehung für eine Zusammenrechnung plädiert618. Die Gegenauffassung spricht sich zu Recht für eine isolierte Betrachtung je Steuerart und Besteu­ erungszeitraum und gegen eine Addition aus619: Einerseits entspricht dies 612  Füllsack / Bürger, in: BB 2011,1239 (1241); Rüping, in: Hübschmann / Hepp / Spi­ taler, AO / FGO, Bd. X, § 398a Rdnr. 13; ähnlich Dumke, in: Schwarz, AO, Bd. 4, § 398a Rdnr. 6; Schauf, in: Kohlmann, Steuerstrafrecht, Bd. II, § 398a Rdnr. 9 – Bei § 153a StPO handelt es sich um ein „Beendigungsverfahren mit Selbstunterwerfung, wobei die Auflagen den Charakter besonderer nichtstrafrechtlicher Sanktionen ha­ ben“ (Meyer-Goßner, StPO, § 153a Rdnr. 12). 613  Beulke, in: Löwe / Rosenberg, Bd. 5, § 153a Rdnr. 8 m. w. N. in der Fn. 23. 614  BT-Drucks. 17 / 5067 (neu), S. 20. 615  Für § 153a StPO: Beulke, in: Löwe / Rosenberg, Bd. 5, § 153a Rdnr. 9; für § 398a AO: Stahl, in: KÖSDI 2011, 17442 (17449). 616  Eschelbach, in: Satzger / Schluckebier / Widmaier, StGB, § 46 Rdnr. 50; Füllsack / Bürger, in: BB 2011,1239 (1241). 617  Zur Verdeutlichung folgendes Beispiel: In einem Umschlag werden zwei in­ haltlich unrichtige Steuererklärungen (Einkommensteuer und Umsatzsteuer) an das Finanzamt übersandt, was eine tateinheitliche Begehung darstellt. Der auf jede Er­ klärung entfallende Verkürzungsbetrag beträgt 30.000 €. Stellt man auf die jeweilige Steuerart ab, ist der Sperrgrund nicht erfüllt. Wählt man die gleiche Betrachtung wie im Rahmen des § 52 StGB, hat eine Zusammenrechnung zu erfolgen, was zur Ver­ wirklichung des Sperrgrundes führt. 618  Jäger, in: Klein, AO, 11. Aufl., § 371 Rdnr. 75; BGH NJW 2012, 1015 (1016). 619  Hunsmann, in: NJW 2011, 1482 (1486); Wulf / Kamps, in: DB 2011, 1711 (1715); Rolletschke / Roth, in: Stbg. 2011, 200 (204); Erb / Schmitt, in: PStR 2011, 144 (145). Schauf, in: Kohlmann, Steuerstrafrecht, Bd. I, § 371 Rdnr. 249.6; Wes-

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D. Selbstanzeige nach dem Schwarzgeldbekämpfungsgesetz (2011)

dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers620. Andererseits deckt sich dies mit der auch im Übrigen gefundenen Bestimmung des Tatbegriffs im Rahmen des § 371 AO [dazu bereits oben C. II. 4. d) aa)], bei dem nach der hier vertretenen Auffassung nicht auf die Tat i. S. d § 52 StGB abzustel­ len ist, sondern auf die jeweilige Steuerart und den jeweiligen Besteue­ rungszeitraum. Es wäre widersprüchlich, den Begriff der Tat in ein und derselben Norm unterschiedlich zu verwenden. Zuletzt spricht auch Abs. 1 für diese Sichtweise, der eine grundsätzlich steuerartbezogene Sichtweise vorgibt: Die Frage der Zusammenrechnung wird sich in aller Regel nur bei der gleichzeitigen Abgabe von Steuererklä­ rungen unterschiedlicher Steuerarten stellen. Zumeist werden nicht mehrere Steuererklärungen für eine Steuerart für unterschiedliche Besteuerungszeit­ räume zeitgleich abgegeben. Darüber hinaus wäre die Verwirklichung des Sperrgrundes teilweise von Zufälligkeiten abhängig wie z. B. davon, ob zwei Erklärungen, bei denen die Steuerverkürzungen lediglich in der Sum­ me die Grenze von 50.000 € übersteigen, zeitgleich oder im Abstand von wenigen Tagen abgegeben werden621. Es zeigt sich hier besonders, dass es wünschenswert gewesen wäre, wenn der Gesetzgeber im Rahmen der Än­ derungen durch das Schwarzgeldbekämpfungsgesetz auch im Rahmen des Tatbegriffs für mehr Klarheit gesorgt hätte. bb) Verfassungsmäßigkeit der §§ 371 Abs. 2 Nr. 3, 398a AO Die Vorschriften der §§ 371 Abs. 2 Nr. 3, 398a AO werden teilweise kri­ tisiert622. In erster Linie wird dabei die Verfassungsmäßigkeit der Vorschrif­ ten bezweifelt623. Als Anknüpfungspunkt für eine etwaige Verfassungswid­ sing, in: Flore / Tsambikakis, Steuerstrafrecht, § 371 (n. F.) Rdnr. 140; Beckemper / Schmitz / Wegner / Wulf, in: wistra 2011, 281 (286); Rolletschke, Steuerstrafrecht, Rdnr. 769e; Hechntner, in: DStZ 2011, 265 (271). 620  BT-Drucks. 17 / 5067 (neu), S. 21. 621  Ausführlich zu diesem Gedanken Beckemper / Schmitz / Wegner / Wulf, in: wistra 2011, 281 (285); ähnlich Schauf, in: Kohlmann, Steuerstrafrecht, Bd. I, § 371 Rdnr. 249.6. 622  Mack, in: Stbg. 2011, 162 (164 f.); Obenhaus, in: Stbg. 2011, 166 (175 f.); Stahl, in: KÖSDI 2011, 17442 (17450); Beckemper / Schmitz / Wegner / Wulf, in: wistra 2011, 281 (285); Wulf / Kamps, in: DB 2011, 1711 (1715 f.); Wessing, in: Flore / Tsam­ bikakis, Steuerstrafrecht, § 371 (n. F.) Rdnr. 18 ff.; Schauf, in: Kohlmann, Steuer­ strafrecht, Bd. II, § 398a Rdnr. 4; noch zum Vorschlag des Bundesrats, die Hinter­ ziehungszinsen bei strafbefreiender Selbstanzeige um einen Zuschlag von 5 % zu ergänzen: Joecks, Stellungnahme zur Anhörung des Finanzausschusses zum Gesetz­ entwurf des Schwarzgeldbekämpfungsgesetzes vom 18.02.2011, S. 8. 623  Stahl, in: KÖSDI 2011, 17442 (17450); Beckemper / Schmitz / Wegner / Wulf, in: wistra 2011, 281 (285); Wulf / Kamps, in: DB 2011, 1711 (1716); Heuel / Beyer, in:



II. Darstellung der Änderungen155

rigkeit wird einerseits vorgebracht, dass der zu zahlende Zuschlag wie eine Geldstrafe wirke, welche grundsätzlich nach der persönlichen Schuld zu bemessen sei; letztere werde in der Neuregelung gerade nicht berücksich­ tigt, vielmehr knüpfe der Zuschlag ausschließlich an die Höhe der verkürz­ ten Steuer an624. Weiter wird für eine etwaige Verfassungswidrigkeit ange­ führt, dass ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG gegeben sei, weil der reuige Steuersünder, der Selbstanzeige erstatte und alle Verkürzungen offenlege, durch den 5 %igen Zuschlag mehr bezahlen müsse als der nicht kooperative Steuerstraftäter, der erst noch überführt werden müsse625. Richtig ist zwar, dass Straftat und Strafe in einem angemessenen Verhält­ nis zueinander stehen müssen und dass dieser Grundsatz (nulla poena sine culpa) Verfassungsrang und seine Grundlage im Rechtsstaatsprinzip und in Art. 1 Abs. 1 GG hat626. Nach den obigen Ausführungen zur Rechtsnatur des § 398a AO [D. II. 2. e) aa) (3)] liegt aber in dem 5 %igen Aufschlag schon keine Strafe. Vor diesem Hintergrund scheidet auch ein Verstoß gegen das einfachgesetzlich in § 46 StGB normierte627 Schuldprinzip aus, weil dieses nur bei der Verhängung von Strafen zu beachten ist628. Auch ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG ist nicht erkennbar629: Zwar ist grundsätzlich richtig, dass derjenige, der Selbstanzeige erstattet, bei einem StBW 2011, 315 (322); Wessing, in: Flore / Tsambikakis, Steuerstrafrecht, § 371 (n. F.) Rdnr.  18 ff.; Schauf, in: Kohlmann, Steuerstrafrecht, Bd. II, § 398a Rdnr. 4; Joecks, Stellungnahme zur Anhörung des Finanzausschusses zum Gesetzentwurf des Schwarzgeldbekämpfungsgesetzes vom 18.02.2011, S. 8. 624  Wessing, in: Flore / Tsambikakis, Steuerstrafrecht, § 371 (n. F.) Rdnr. 19; Beckemper / Schmitz / Wegner / Wulf, in: wistra 2011, 281 (285), die aber auch in die­ sem Punkt einen Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz sehen; ähnlich Wulf / Kamps, in: DB 2011, 1711 (1716). 625  Joecks, Stellungnahme zur Anhörung des Finanzausschusses zum Gesetzent­ wurf des Schwarzgeldbekämpfungsgesetzes vom 18.02.2011, S. 8; ähnlich Wulf /  Kamps, in: DB 2011, 1711 (1716), die zwar auch einen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG geltend machen, diesen aber insbesondere daran anknüpfen, dass uneigennützig handelnde Mitarbeiter großer Unternehmen gegenüber eigennützig handelnden Per­ sonen durch die Regelung benachteiligt sind, da sie im Vergleich zu diesen das geringere Unrecht begehen und häufig nicht die Mittel zur Bezahlung des 5 %igen Aufschlags besitzen. 626  BVerfGE 50, 205 (214 f.) m. w. N.; Roxin, in: FS Volk, S. 607 f.; Kühl, in: Lackner / Kühl, StGB, § 46 Rdnr. 1. 627  Vgl. dazu Fischer, StGB, § 46 Rdnr. 19. 628  Roxin, in: FS Volk, S. 607 f.; Eschelbach, in: Satzger / Schluckebier / Widmaier, StGB, § 46 Rdnr. 47 f.; Kühl, in: Lackner / Kühl, StGB, § 46 Rdnr. 1; Joecks, Stel­ lungnahme zur Anhörung des Finanzausschusses zum Gesetzentwurf des Schwarz­ geldbekämpfungsgesetzes vom 18.02.2011, S. 8; ähnlich in der Begründung auch Quedenfeld, in: Flore / Tsambikakis, Steuerstrafrecht, § 398a Rdnr. 12, 15 f. 629  Vgl. insbesondere Hunsmann, in: BB 2011, 2519 (2521).

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D. Selbstanzeige nach dem Schwarzgeldbekämpfungsgesetz (2011)

Verkürzungsbetrag von über 50.000 € zunächst 5 % mehr bezahlt als der Steuerpflichtige, der erst noch überführt werden muss. Dafür schafft er sich aber auch ein Verfahrenshindernis630. Eine isolierte Betrachtung des 5 %igen Zuschlags wird der Fragestellung, ob hier ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG gegeben ist, nicht gerecht. Einerseits gilt es nämlich, das im Rahmen der Prüfung des Art. 3 Abs. 1 GG zu bildende Vergleichspaar richtig auszu­ wählen: Das ist jeweils ein Steuerpflichtiger, der eine Steuerverkürzung von über 50.000 € begangen hat. Wird in derartigen Konstellationen keine (wirksame) Selbstanzeige erstattet und der Täter überführt, drohen ihm bei derart hohen Verkürzungsbeträgen empfindliche Geld- oder Freiheitsstrafen. Diese Rechtsfolge verhindert der Steuerpflichtige, der Selbstanzeige erstat­ tet. Der „Preis“ dafür beträgt 5 % des Verkürzungsbetrags. Ist dem Steuer­ pflichtigen dieser „Preis“ zu hoch, hat er es selbst in der Hand, von der Erstattung einer Selbstanzeige abzusehen und dafür eine im Sinne des § 46 StGB tat- und schuldangemessene Strafe zu erhalten. Die Erlangung von Straffreiheit und die dem Steuerpflichtigen zustehende freie Entscheidungs­ möglichkeit stellen daher in jeder Hinsicht sachliche Gründe für eine Dif­ ferenzierung dar. Im Übrigen hat der Gesetzgeber ja im Verhältnis zu dem Steuerhinterzie­ her, der Selbstanzeige erstattet, noch eine weitere Vergleichsgruppe im Blick zu behalten, nämlich den steuerehrlichen Bürger. Beide Gruppen sind nicht vergleichbar, dürfen also nach dem allgemeinen Gleichheitssatz nicht will­ kürlich gleich behandelt werden [dazu bereits oben C. II. 2. b)]. Gerade bei Steuerkürzungen großen Ausmaßes über 50.000 € treten die Unterschiede zwischen dem Steuerhinterzieher, der besonders hohes kriminelles Unrecht begangen hat, und dem steuerehrlichen Bürger sehr deutlich hervor: Durch den 5 %igen Zuschlag verhindert der Gesetzgeber eine Gleichbehandlung von „ungleichen“ Steuerpflichtigen und trägt daher den Anforderungen des Art. 3 Abs. 1 GG in besonderem Maße Rechnung631. Auch wenn teilweise vorgebracht wird, dass die Anknüpfung des 5 %igen Zuschlags allein an die Höhe der verkürzten Steuern und nicht an weitere Strafzumessungsgesichts­ punkte in bestimmten Einzelfällen zu nicht zu rechtfertigenden Ungleichbe­ handlungen führen könne632, so hat auch dies keinen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG zur Folge. Zu sehen ist einerseits, dass bei der Steuerhinterzie­ hung der Verkürzungsbetrag der bestimmende Strafzumessungsgesichtspunkt ist633 und dass der Gesetzgeber bei „Massenerscheinungen“, wie sie vor allem im Steuerrecht auftreten, das Recht hat, „generalisierende, typisierenHunsmann, in: BB 2011, 2519 (2521). Erb / Schmitt, in: PStR 2011, 144 (144). 632  Beckemper / Schmitz / Wegner / Wulf, in: wistra 2011, 281 (285). 633  Jäger, in: Klein, AO, 11. Aufl., § 398a Rdnr. 2. 630  Ähnlich 631  Ähnlich



II. Darstellung der Änderungen157

de und pauschalierende Regelungen“ zu schaffen, im Rahmen derer nicht jede Besonderheit Berücksichtigung finden muss634. Auch die teilweise vorgebrachte Kritik635, dass uneigennützig handelnde Mitarbeiter großer Unternehmen gegenüber eigennützig handelnden Perso­ nen durch die Regelung benachteiligt seien, da sie im Vergleich zu diesen das geringere Unrecht begingen und häufig nicht die Mittel zur Bezah­ lung des 5 %igen Aufschlags besäßen, führt zu keinem anderen Ergebnis: Zu beachten ist nämlich zunächst, dass ein solcher Mitarbeiter auch Täter oder Teilnehmer einer Steuerverkürzung großen Ausmaßes ist, und damit ein besonders hohes kriminelles Unrecht begangen hat. Weiterhin handelt es sich um eine Sonderkonstellation. Wie bereits dargestellt, ist der Ge­ setzgeber berechtigt, „generalisierende, typisierende und pauschalierende Regelungen“ zu schaffen. Führt die Verhängung des 5 %igen Zuschlags in einer solchen Konstellation zu nicht hinnehmbaren Ergebnissen und Ungleichbehandlungen, kann darauf durch den Einsatz der §§ 153, 153a ­ StPO, § 385 AO636 reagiert werden, deren Anwendung neben den §§ 371, 398a AO nicht ausgeschlossen ist637. Gerade § 153a StPO erlaubt dann 634  Manssen,

Staatsrecht II, Rdnr. 854; BVerfGE 111, 115 (137). in: DB 2011, 1711 (1716). 636  Eine Anwendung des § 398 AO dürfte ausgeschlossen sein, da man bei einem Verkürzungsbetrag über 50.000 € nicht mehr von einem „geringwertigen Verkür­ zungsbetrag“ sprechen kann. 637  Jäger, in: Klein, AO, 11. Aufl., § 398a Rdnr. 2 – Weiterführend sei noch eine These Helmls angedeutet (Helml, Die Reform der Selbstanzeige im Steuerstrafrecht, S. 136 f.), die in der Festsetzung des 5 %igen Zuschlags einen Verstoß gegen den nemo-tenetur-Grundsatz erblickt, weil der Steuerpflichtige, der in die Steuerehrlich­ keit zurückkehren wolle, gezwungen sei, eine Bestrafung in Kauf zu nehmen. Das Problem möchte Helml mittels einer teleologischen Reduktion des § 371 Abs. 1 AO dahingehend lösen, dass Steuerstraftaten mit einem Verkürzungsvolumen von über 50.000 € nicht dem Vollständigkeitserfordernis des § 371 Abs. 1 AO unterfallen und aus dem Berichtigungsverbund herauszunehmen sein sollen. Damit lässt Helml den Regelungsplan des Gesetzgebers (keine Teilselbstanzeige innerhalb einer Steuerart mehr; Steuerhinterzieher, die besonders viele Steuern hinterziehen, sollen „härter angepackt werden“) in zweifacher Hinsicht außer Acht, indem sie den Steuerstraftä­ ter, der Steuerstraftaten großen Ausmaßes begangen hat, noch mit der Möglichkeit einer Teilselbstanzeige belohnt. Wenig überzeugend sind dann auch die anschließen­ den Ausführungen Helmls (Die Reform der Selbstanzeige im Steuerstrafrecht, S. 137 ff.), die eine Verfassungswidrigkeit des § 371 Abs. 2 Nr. 3 AO andeutet, weil durch diesen Sperrgrund die Anreizwirkung der Selbstanzeige entfalle und Letztere in der Folge auch ihrem fiskalischen Zweck nicht mehr gerecht werde. Helml unter­ liegt der Fehleinschätzung, dass bei Steuerverkürzungen von über 50.000 € über­ haupt keine Anreizwirkung mehr gegeben sei. Dies entspricht gewiss nicht den Tatsachen, da gerade bei solchen Verkürzungen ohne Selbstanzeige häufig ein be­ sonders schwerer Fall der Steuerhinterziehung gemäß § 370 Abs. 3 S. 2 Nr. 1 AO mit einer Mindestfreiheitsstrafe von sechs Monaten gegeben wäre, der der Steuer­ 635  Wulf / Kamps,

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D. Selbstanzeige nach dem Schwarzgeldbekämpfungsgesetz (2011)

die Berücksichtigung aller weiteren strafzumessungsrelevanten Gesichts­ punkte638. cc) Umfang der Sperrwirkung Besonders schwierig ist der Umfang der Sperrwirkung festzulegen. Es geht letztlich um die Frage, ob die Verwirklichung des Sperrgrundes für einen Besteuerungszeitraum (Beispiel: Einkommensteuer 2009 mit einem Verkürzungsbetrag von 60.000 €) ebenso wie bei den Sperrgründen des Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 die Erstattung einer wirksamen Selbstanzeige für andere Besteuerungszeiträume im Rahmen derselben Steuerart sperrt (Bei­ spiel: Einkommensteuer 2008 mit einem Verkürzungsbetrag von 40.000 €). Der Wortlaut der Norm lässt drei verschiedene Auslegungsvarianten zu: Einerseits könnte man das schon mehrfach angesprochene Zusammen­ spiel mit § 371 Abs. 1 AO in den Vordergrund rücken und eine Sperrwir­ kung wie bei Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 annehmen. Dies wird auch ganz ver­ einzelt so vertreten639. Von den Vertretern dieser Auffassung wird vorge­ bracht, dass diese Auslegung dem gesetzgeberischen Ansinnen entspreche, eine teilweise Strafbefreiung nicht mehr zulassen zu wollen640. Der Wortlaut lässt aber auch eine weitere Lesart zu: Wegen der Formu­ lierung „50.000 € je Tat“ könnte man auch vertreten, dass bei allen began­ genen Steuerverkürzungen einer Steuerart jeweils der Verkürzungsbetrag über 50.000 € liegen muss, also im oben erwähnten Beispiel sowohl bei der Einkommensteuer 2008 als auch 2009 jeweils der Verkürzungsbetrag 50.000 € übersteigen müsste. Da dies im oben erwähnten Beispiel nicht der Fall wäre, würde dann nach dieser Lesart überhaupt keine Sperrwirkung eintreten. Man könnte also die Formulierung „50.000 € je Tat“ als kumu­ lative Voraussetzung verstehen. Dies wird aber – soweit erkennbar – richti­ gerweise nicht vertreten. Nach der dritten Auslegungsvariante bezieht sich die Sperrwirkung – an­ ders als bei den Sperrgründen des Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 – nur auf die je­ weilige Tat, bei der der Verkürzungsbetrag über 50.000 € liegt, also nicht auch auf andere Taten im Rahmen derselben Steuerart, bei der die Grenze von 50.000 € nicht überschritten ist, im obigen Beispiel also nur für die hinterzieher durch Zahlung eines nur 5 %igen Zuschlags entgehen kann. Selbstver­ ständlich stellt dies einen Anreiz dar, der im Ergebnis wieder zu höheren Steuerein­ nahmen führt. 638  Schmedding, in: Wannemacher & Partner, Steuerstrafrecht, Rdnr. 2194; ähn­ lich Jäger, in: Klein, AO, 11. Aufl., § 398a Rdnr. 2. 639  Erb / Schmitt, in: PStR 2011, 144 (145). 640  Erb / Schmitt, in: PStR 2011, 144 (145).



II. Darstellung der Änderungen159

Einkommensteuerverkürzung 2009 mit einem Verkürzungsbetrag von 60.000 €. Für diese Sichtweise sprechen nach der hier vertretenen Auffas­ sung auch trotz der grundsätzlich gebotenen extensiven Auslegung der Sperrgründe die besseren Argumente mit der Folge, dass eine sog. Infek­ tionswirkung hinsichtlich weiterer Taten bezüglich derselben Steuerart, bei denen die Freigrenze von 50.000 € nicht überschritten ist, nicht besteht641: Zunächst ist anzuführen, dass diese Sichtweise dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers entspricht642. Auch der Wortlaut der Norm643 spricht am ehesten für die hier vertretene Auffassung: Schließlich wird die Formulie­ rung „je Tat“ nur bei dem hier näher betrachteten Sperrgrund verwendet. Hätte der Gesetzgeber regeln wollen, dass die Verwirklichung des Sperr­ grundes für einen Besteuerungszeitraum einer Steuerart die Sperrwirkung hinsichtlich aller anderen nicht verjährten Besteuerungszeiträume derselben Steuerart, bei denen der Verkürzungsbetrag die Grenze von 50.000 € nicht übersteigt, herbeiführt, so hätte er doch ähnlich wie bei den Sperrgründen des Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 formuliert: „(…) wenn bei einer der Steuerstraftaten der Verkürzungsbetrag die Grenze von 50.000 € übersteigt (…)“.

Dies ist aber bewusst nicht geschehen. Der Gesetzgeber hat absichtlich eine andere Formulierung gewählt, bei der mit dem Ausdruck „je Tat“ klargestellt werden soll, dass hier nur eine tatbezogene Betrachtung vorzu­ nehmen ist, auf die sich auch die Sperrwirkung bezieht. Auch Sinn und Zweck der Vorschrift sprechen für diese Art der Ausle­ gung: Die Sperrgründe des Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 sollen die Erlangung von 641  Im Ergebnis ebenso Rolletschke / Roth, in: Stbg. 2011, 200 (204); Buse, in: StBp. 2011, 153 (157); Hechtner, in: DStZ 2011, 265 (271); Spatscheck, in: DB 2013, 1073 (1076); Wulf / Kamps, in: DB 2011, 1711 (1716); Hunsmann, in: NJW 2011, 1482 (1486); Helml, Die Reform der Selbstanzeige im Steuerstrafrecht, S. 100; Schauf, in: Kohlmann, Steuerstrafrecht, Bd. I, § 371 Rdnr. 249.7; ders. / Schwartz, in: PStR 2011, 117 (118); Stahl, Selbstanzeige, Rdnr. 410; Zanzinger, in: DStR 2011, 1397 (1400 f.); Beckemper / Schmitz / Wegner / Wulf, in: wistra 2011, 281 (289); Wessing, in: Flore / Tsambikakis, Steuerstrafrecht, § 371 (n. F.) Rdnr. 137, 143; Jäger, in: Klein, AO, 11. Aufl., § 371 Rdnr. 77; Schmedding, in: Wannemacher & Partner, Steuerstrafrecht, Rdnr. 2183; Rolletschke, Steuerstrafrecht, Rdnr. 619d. 642  BT-Drucks. 17 / 5067 (neu), S. 21: „Übersteigt der Hinterziehungsbetrag für die einzelne hinterzogene Steuer den Betrag von 50 000 Euro, dann tritt die Rechts­ folge Straffreiheit für diese (Hervorhebung des Verfassers) Steuerverkürzung nicht mehr ein. (…) Für die übrigen Taten bleibt es dabei, dass Straffreiheit für die jewei­ lige einzelne Tat dann eintritt, wenn die Steuern nebst angefallenen Zinsen nachent­ richtet worden sind.“; ebenso Wessing, in: Flore / Tsambikakis, Steuerstrafrecht, § 371 (n. F.) Rdnr.  137; Helml, Die Reform der Selbstanzeige im Steuerstrafrecht, S. 100. 643  Ähnlich Wessing, in: Flore / Tsambikakis, Steuerstrafrecht, § 371 (n. F.) Rdnr. 137; Schmedding, in: Wannemacher & Partner, Steuerstrafrecht, Rdnr. 2183.

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D. Selbstanzeige nach dem Schwarzgeldbekämpfungsgesetz (2011)

Straffreiheit in Fällen verhindern, in denen dem Steuerstraftäter Entdeckung droht644. Im Rahmen aller in den Nummern 1 und 2 genannten Fälle ist der Täter bereits in den Fokus von Betriebsprüfung oder Steuerfahndung ge­ rückt, so dass auch eine Aufdeckung weiterer Taten besonders bei gleich­ bleibender verheimlichter Einkunftsquelle möglich erscheint, so dass wiede­ rum auch die Erstreckung der Sperrwirkung auf sämtliche nicht verjährten Taten derselben Steuerart konsequent ist. Deutlicher wird dies aber noch, wenn man sich Sinn und Zweck des Sperrgrundes gemäß § 371 Abs. 2 Nr. 3 AO genauer betrachtet: Es geht in keiner Weise um drohende Tatentdeckung oder darum, zu verhindern, dass die Selbstanzeige im Rahmen einer Hinter­ ziehungsstrategie missbraucht wird, sondern darum, den Steuerhinterzieher bei Steuerverkürzungen großen Ausmaßes wirtschaftlich stärker zu belasten als den bloß säumigen Steuerzahler645. Oder anders gewendet: Wer Steuern in erheblichem Ausmaß verkürzt, soll mit einer Selbstanzeige „nicht zu billig davonkommen“. Deshalb ist auch das Zusammenspiel mit § 371 Abs. 1 AO hier nicht von tragender Bedeutung. In § 371 Abs. 1 AO wurde die Möglichkeit der Erstattung einer Teilselbstanzeige innerhalb nur einer Steuerart beseitigt, um den Missbrauch des Rechtsinstituts im Rahmen einer Hinterziehungsstrategie und nur „Reue nach Stand der Ermittlungen“ zu unterbinden646. Diese Gedanken spielen auch bei den Sperrgründen des Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 eine zentrale Rolle, nicht jedoch bei Abs. 2 Nr. 3. Vor diesem Hintergrund ist es folgerichtig, die Sperrwirkung hier nicht auf Ver­ kürzungen im Rahmen derselben Steuerart zu erstrecken, bei denen der verkürzte Betrag die Grenze von 50.000 € nicht übersteigt. dd) Streit um die Zahlen Weitere Streitpunkte betreffen die Frage, ob mehrere Beteiligte nur antei­ lig für den 5 %igen Zuschlag haften sollen einerseits, und die Frage, wie der Betrag von 50.000 € zu bestimmen ist andererseits.

644  BT-Drucks.

17 / 5067 (neu), S. 21. 17 / 5067 (neu), S. 19; ähnlich Erb / Schmitt, in: PStR 2011, 144 (144), die davon sprechen, dass die unter den Sperrgrund fallenden Steuerhinterzie­ her „härter angepackt“ werden sollen. 646  BT-Drucks. 17 / 5067 (neu), S. 11. 645  BT-Drucks.



II. Darstellung der Änderungen161

(1) H  öhe der Zahlung i. S. d. § 398a Nr. 2 AO bei Personenmehrheiten – Gesamtschuldnerschaft? Fraglich ist, ob bei Steuerverkürzungen, die durch mehrere Personen, beispielsweise mittäterschaftlich647, bewirkt wurden, jeder zur Zahlung des vollen 5 %igen Aufschlags verpflichtet ist, oder ob alle Mittäter gesamt­ schuldnerisch nur einmal in Anspruch genommen werden können. Teilweise wird vertreten, dass sämtliche Täter (gesamtschuldnerisch648) nur einmal für den Aufschlag haften sollen649, oder jeder nur 5 % auf die zu seinen Guns­ ten hinterzogene Steuer bezahlen soll650. Diese Auffassung ist jedoch abzu­ lehnen651. Bei dem Aufschlag handelt es sich gerade nicht um einen „Steuerzuschlag“652, für dessen Erfüllung unter Umständen653 mehrere Steuerschuldner gesamtschuldnerisch haften würden, sondern um eine „nichtstrafrechtliche Sanktion“654. § 398a AO ist dem § 153a StPO nach­ empfunden655. Bei § 153a StPO käme man richtigerweise aber auch nicht auf die Idee, die Höhe der Auflage anteilig zu reduzieren, weil an der Tat mehrere Personen beteiligt waren656, im Gegenteil: Wirken mehrere Perso­ nen an der Tatbeteiligung mit, kann sich dies sogar erschwerend bei der 647  Die Betrachtung der Problematik hinsichtlich des Teilnehmers soll an dieser Stelle ausgeklammert werden, da die Selbstanzeige des Teilnehmers in den Fällen der §§ 371 Abs. 2 Nr. 3, 398a AO weiter unten behandelt wird, weil sich dort ein Sonderproblem stellt [vgl. D. II. 2. e) ee)]. 648  Die Definition des Gesamtschuldners für das Steuerrecht ist § 44 AO zu ent­ nehmen (Ratschow, in: Klein, AO, 11. Aufl., § 44 Rdnr. 1). 649  Külz / Maurer, in: PStR 2013, 150 (152); Wulf / Kamps, in: DB 2011, 1711 (1716); Stahl, in: KÖSDI 2011, 17442 (17450); ders., Selbstanzeige, Rdnr. 418; ähnlich Schauf, in: Kohlmann, Steuerstrafrecht, Bd. II, § 398a Rdnr. 4. 650  Buse, in: StBp. 2011, 153 (158); Zanzinger, in: DStR 2011, 1397 (1402), der die 5 % auf die zugunsten des Einzelnen hinterzogenen Steuern beziehen will, weil diese auch in § 398a Nr. 1 AO in Bezug genommen sind. 651  Im Ergebnis ebenso Roth, in: NZWiSt 2012, 23 (25); Schwartz / Külz, in: PStR 2011, 249 (253); Quedenfeld, in: Flore / Tsambikakis, Steuerstrafrecht, § 398a Rdnr. 36; Dumke, in: Schwarz, AO, Bd. 4, § 398a Rdnr. 13b; Rolletschke, Steuer­ strafrecht, Rdnr. 769q und 769u; Rüping, in: Hübschmann / Hepp / Spitaler, AO / FGO, Bd. X, § 398a Rdnr. 11; Schmedding, in: Wannemacher & Partner, Steuerstrafrecht, Rdnr. 2191; wohl auch Beckemper / Schmitz / Wegner / Wulf, in: wistra 2011, 281 (287). 652  Dumke, in: Schwarz, AO, Bd. 4, § 398a Rdnr. 13b. 653  Vgl. zu den Details einer gesamtschuldnerischen Haftung Ratschow, in: Klein, AO, 11. Aufl., § 44 Rdnr. 5. 654  Rüping, in: Hübschmann / Hepp / Spitaler, AO / FGO, Bd. X, § 398a Rdnr. 13; Dumke, in: Schwarz, AO, Bd. 4, § 398a Rdnr. 12; Füllsack / Bürger, in: BB 2011,1239 (1241); ähnlich Schauf, in: Kohlmann, Steuerstrafrecht, Bd. II, § 398a Rdnr. 9. 655  BT-Drucks. 17 / 5067 (neu), S. 20; Schwartz / Külz, in: PStR 2011, 249 (253). 656  Ähnlich Roth, in: NZWiSt 2012, 23 (25); Rolletschke, Steuerstrafrecht, Rdnr. 769q.

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Strafzumessung auswirken657. Zu guter Letzt ist auch der Wortlaut der Norm eindeutig und lässt keine andere Auslegung zu: § 398a AO spricht davon, dass „der“ und nicht „die“ Täter den Aufschlag zu zahlen habe, um Straffreiheit zu erlangen. Außerdem ist in § 398a Nr. 2 AO gerade nicht wie in § 398a Nr. 1 AO von den „zu seinen Gunsten hinterzogenen Steuern“ sondern von „der hinterzogenen Steuer“ die Rede658, so dass auch die von Zanzinger angeführte Argumentation659 nicht überzeugen kann. (2) B  emessung der verkürzten Steuern – Nominalbetrag oder strafzumessungsrelevanter Steuerschaden? Überschreitet die nach § 370 Abs. 1 AO verkürzte Steuer oder der für sich oder einen anderen erlangte nicht gerechtfertigte Steuervorteil die Grenze von 50.000 €, ist gemäß § 371 Abs. 2 Nr. 3 AO die Erlangung von Straffreiheit ausgeschlossen. Hintergrund des neu geschaffenen Sperrgrun­ des ist vor allem die Tatsache, dass der Steuerhinterzieher, der eine Steuer­ hinterziehung großen Ausmaßes – also in der Regel erhöhten Unrechtsge­ halts – begeht, wirtschaftlich stärker belastet werden soll [dazu bereits oben D. II. 2. e) cc)]. Problematisch ist, dass es Fallkonstellationen gibt, bei denen selbst bei einem nominalen Verkürzungsbetrag von 50.000 € und mehr der Unrechtsgehalt gering ist. Zu denken ist hierbei vor allem an Steuerverkürzungen auf Zeit und Konstellationen, bei denen das Kompensationsverbot gemäß § 370 Abs. 4 Satz 3 AO zum Tragen kommt. Deswegen stellt sich insbesondere vor dem Hintergrund des Sinns und Zwecks der Vorschrift die Frage, ob es bei der Bestimmung der Grenze von 50.000 € auf den Nominalbetrag der verkürzten Steuer oder den strafzumessungsre­ levanten Schaden ankommt. Die Beantwortung dieser Frage ist umstritten und wirkt sich in zweierlei Hinsicht aus: Einerseits bei der Frage, wann der Sperrgrund des § 371 Abs. 2 Nr. 3 AO überhaupt zum Tragen kommt (sind Steuern in Höhe von mehr als 50.000 € pro Tat verkürzt?), andererseits bei der Berechnung des 5 %igen Zuschlags in § 398a Nr. 2 AO („5 Prozent der hinterzogenen Steuer“). Zum besseren Verständnis sollen im Folgenden in der gebotenen Kürze die Begriffe der Steuerverkürzung auf Zeit und des Kompensationsverbots dargestellt werden:

657  Miebach, in: Münchener Kommentar zum Strafgesetzbuch, Bd.  2, §  46 Rdnr. 92. 658  Schwartz / Külz, in: PStR 2011, 249 (253). 659  Vgl. Fn. 650.



II. Darstellung der Änderungen163

(a) S  teuerverkürzung auf Zeit und Kompensationsverbot – Begriffsbestimmungen Ausgangspunkt der Begriffsbestimmungen ist § 370 AO, der auszugs­ weise wie folgt lautet: Abs. 1: Mit Freiheitsstrafe bis zu 5 Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer Nr. 1 den Finanzbehörden (…) über steuerlich erhebliche Tatsachen unrichtige oder unvollständige Angaben macht, Nr. 2 die Finanzbehörden pflichtwidrig über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis lässt (…) und dadurch Steuern verkürzt oder für sich oder einen anderen nicht gerechtfer­ tigte Steuervorteile erlangt. Abs. 4 Satz 1: Steuern sind namentlich dann verkürzt, wenn sie nicht, nicht in voller Höhe oder nicht rechtzeitig festgesetzt werden; (…). Abs. 4 Satz 3: Die Voraussetzungen der Sätze 1 und 2 sind auch dann erfüllt, wenn die Steuer, auf die sich die Tat bezieht, aus anderen Gründen hätte ermäßigt oder der Steuervorteil aus anderen Gründen hätte beansprucht werden können. (Hervorhebungen durch Verf.)

(aa)  Bei einer Steuerverkürzung auf Zeit – grundsätzlich strafbar gemäß § 370 Abs. 4 Satz 1 AO – handelt es sich um eine Steuerverkürzung, bei der der Täter, dessen subjektive Vorstellung maßgeblich ist für die Ab­ grenzung zu einer Steuerhinterziehung auf Dauer, Steuern nicht endgültig und auf Dauer verkürzen, sondern nur eine verspätete zutreffende Steuer­ festsetzung bewirken will660; wichtiges Anwendungsbeispiel ist die verspä­ tete Abgabe einer Umsatzsteuervoranmeldung: Eine solche Voranmeldung bildet die Grundlage für eine Steuervorauszahlung und hat damit per se nur einen zeitlich begrenzten Charakter im Gegensatz zu einer Umsatz­ steuerjahreserklärung661. Gibt also der Steuerpflichtige seine Umsatzsteuer­ voranmeldung für Mai 2011 mit einer Zahllast von 60.000 € nicht am 10.06.2011, sondern erst am 28.06.2011 ab, so ist der tatbestandliche Erfolg insbesondere nach der Rechtsprechung des BGH662 in Höhe von ­ 60.000 € (Nominalbetrag) eingetreten, während der strafzumesssungsre­ levante Zins- oder Verzögerungsschaden lediglich 300  € (1 Monat × 60.000 € × 0,5 %) beträgt663. Die verspätete Abgabe der Umsatzsteuervor­ anmeldung wirkt dabei faktisch wie ein kurzfristiger Kredit, wobei die 660  Rolletschke, Steuerstrafrecht, Rdnr. 78 f.; vgl. zu den Details zu einer Steuer­ hinterziehung auf Zeit auch Flore, in: Flore / Tsambikakis, Steuerstrafrecht, § 370 Rdnr.  319 ff. 661  Rolletschke, Steuerstrafrecht, Rdnr. 80. 662  BGHSt 53, 221 (230). 663  Gesamtes Bsp. nach Roth, in: NZWiSt 2012, 174 (174).

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verspätet abgegebene Voranmeldung als strafbefreiende Selbstanzeige ge­ wertet werden kann664. Bei einer Steuerverkürzung auf Zeit richtet sich der gemäß § 371 Abs. 3 AO zu erstattende Betrag richtigerweise nach h. M.665 nach dem Nominal­ betrag der verkürzten Steuern und nicht nur nach dem Zinsschaden666. Dies ist auch nur folgerichtig, da kein Grund ersichtlich ist, auf die Einforderung der von dem Täter noch nicht entrichteten Steuern zu verzichten, auf die doch ein Anspruch des Fiskus besteht667, und die Erlangung von Straffrei­ heit mittels Selbstanzeige ohnehin ein Entgegenkommen an den Steuer­ pflichtigen ist. (bb) Das Kompensationsverbot ist in § 370 Abs. 4 Satz 3 AO normiert. Es stellt eine Ausnahme von dem Grundsatz dar, dass sich der verkürzte Steuerbetrag aus einem Vergleich der gesetzlich geschuldeten Steuer mit derjenigen Steuer ergibt, die infolge der Tathandlung tatsächlich festgesetzt wurde668. Die folgende Problematik ist besser nachvollziehbar, wenn man die jeweiligen Fallgestaltungen anhand von Zahlenbeispielen erklärt: Beispiel zum Grundfall der Ermittlung des Verkürzungsbetrags: Der Steuerpflich­ tige macht in seiner Einkommensteuererklärung unrichtige Angaben, was zu einer Steuerschuld von 60.000 € führt. Hätte er zutreffende Angaben gemacht, hätte die Steuerschuld 90.000 € betragen. Der Verkürzungsbetrag ergibt sich aus einer Sub­ traktion beider Beträge, beläuft sich also auf 30.000 €. Die verkürzte Steuer ergibt sich demnach aus einem Vergleich der tatsächlich geschuldeten Steuer und der Steuer, die das Finanzamt infolge der Tathandlung festgesetzt, oder bei Nichtab­ gabe einer Steuererklärung nicht festgesetzt hat. Beispiel zum Eingreifen des Kompensationsverbots: Hat der Steuerpflichtige in dem eben genannten Beispiel Betriebsausgaben in der gleichen Steuererklärung nicht angegeben, die die Steuerschuld um 25.000 € gemindert hätten, beträgt die infolge der Tathandlung festgesetzte Steuer 60.000 €, die tatsächlich geschuldete Steuer 65.000 €. Zunächst sind zwar 30.000 € verkürzt aufgrund unrichtiger Anga­ ben, was die tatsächlich geschuldete Steuer erst einmal um 30.000 € erhöht; die Steuerschuld wird aber auf der anderen Seite durch die nicht angegebenen Betriebs­ ausgaben wieder um 25.000 € verringert (teilweise Kompensation der Verkürzung). Würde man nun die oben beschriebene Grundregel (Verkürzungsbetrag = tatsäch­ 664  Albrecht, in: DB 2006, 1696 (1696); Schwartz, in: PStR 2012, 116 (116); Pegel, in: Stbg. 2011, 348 (348 f.). 665  Blesinger, in: DB 2007, 485 (488); Schwabe, in: DB 2007, 485 (488); Joecks, in: Franzen / Gast / Joecks, Steuerstrafrecht, § 371 Rdnr. 106; Jäger, in: Klein, AO, 11. Aufl., § 371 Rdnr. 84 m. w. N.; a. A. Albrecht, in: DB 2006, 1696 (1698 f.). 666  Lediglich der Klarstellung halber sei darauf hingewiesen, dass im Rahmen der vorliegenden Begriffsbestimmung der Fokus noch nicht auf dem Sperrgrund des § 371 Abs. 2 Nr. 3 AO liegt. 667  Ähnlich Blesinger, in: DB 2007, 485 (487 f.). 668  Joecks, in: Franzen / Gast / Joecks, Steuerstrafrecht, § 370 Rdnr. 63 f.



II. Darstellung der Änderungen165 lich geschuldete Steuer abzüglich infolge der Tathandlung festgesetzte Steuer) an­ wenden, ergäbe dies einen Verkürzungsbetrag von 5.000 €. Dieses Ergebnis modi­ fiziert das Kompensationsverbot, indem es bestimmt, dass die Betriebsausgaben für die Bestimmung des Verkürzungsbetrags ohne Bedeutung sein sollen. Dies führt zu einem Verkürzungsbetrag von 30.000 €. Ist ein Anwendungsfall des Kompensationsverbots gegeben, soll aber dennoch nicht unberücksichtigt bleiben, dass die tatsächlich geschuldete Steuer geringer ist als ohne kompensationsfähige Beträge. Diese Berücksichtigung ist im Rahmen der Strafzumessung bei den „verschuldeten Auswirkungen der Tat“ (§ 46 Abs. 2 Satz 2 StGB) zu verorten669. Im Beispielsfall beträgt der strafzumessungsrelevante Schaden damit nur 5.000 €, der Nominalbetrag 30.000 €670.

Das Kompensationsverbot sollte nach dem Willen des historischen Ge­ setzgebers bewirken, dass „das Strafgericht nicht den gesamten Steuerfall aufrollen muss“671. Details zum Kompensationsverbot sind umstritten und von zahlreicher Kasuistik geprägt672. Beruht die Steuerverkürzung nur auf einer Anwendung des Kompensationsverbotes, besteht gemäß § 371 Abs. 3 AO keine Rückzahlungspflicht, um Straffreiheit zu erlangen, weil andern­ falls der Fiskus mangels Rechtsgrundes die erstatteten Beträge sofort wieder zurückerstatten müsste673. Schließlich besteht in dieser Konstellation im Gegensatz zu einer Steuerhinterziehung auf Zeit gerade kein tatsächlicher Steueranspruch des Fiskus674. (b) Meinungsstand Der Meinungsstand zu dem Ausgangsproblem der Bestimmung der 50.000 €-Grenze lässt sich wie folgt zusammenfassen: Ein Teil der Literatur spricht sich dafür aus, im Rahmen des § 371 Abs. 2 Nr. 3 AO auf den Nomi­ nalbetrag der Steuerhinterziehung abzustellen675, was zur Folge hat, dass bei 669  Rolletschke,

Steuerstrafrecht, Rdnr.108. dazu auch das ähnliche Beispiel bei Roth, in: NZWiSt 2012, 174 (174). 671  Rolletschke, Steuerstrafrecht, Rdnr. 104 m. w. N. 672  Vgl. hierzu insbesondere Rolletschke, Steuerstrafrecht, Rdnr. 105 ff.; Jäger, in: Klein, AO, 11. Aufl., § 370 Rdnr. 134 ff.; Joecks, in: Franzen / Gast / Joecks, Steuer­ strafrecht, § 370 Rdnr. 67 ff. 673  Jäger, in: Klein, AO, 11. Aufl., § 371 Rdnr. 85; Rolletschke, Steuerstrafrecht, Rdnr. 638; Kohler, in: Münchener Kommentar zum Strafgesetzbuch, Band  6 / 1, § 371 AO Rdnr. 126 f.; Joecks, in: Franzen / Gast / Joecks, Steuerstrafrecht, § 371 Rdnr.  105 m. w. N. 674  Blesinger, in: DB 2007, 485 (487). 675  Roth, in: NZWiSt 2012, 174 (175); Schwartz / Külz, in: PStR 2011, 249 (252); Schauf, in: Kohlmann, Steuerstrafrecht, Bd. I, § 371 Rdnr. 249.5; Jäger, in: Klein, AO, 11. Aufl., § 371 Rdnr. 75; Schmedding, in: Wannemacher & Partner, Steuer­ strafrecht, Rdnr. 2180 jedoch mit kritischer Stellungnahme; ähnlich auch Beckem670  Vgl.

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der Bestimmung des Verkürzungsbetrags im Rahmen des § 371 Abs. 2 Nr. 3 AO bei Anwendung des Kompensationsverbots nicht auf den strafzumes­ sungsrelevanten Schaden und bei Steuerverkürzungen auf Zeit ebenfalls nicht auf den strafzumessungsrelevanten Schaden und damit nicht auf den Zins­ schaden abzustellen ist. Begründet wird dies einerseits mit der Verweisung in § 371 Abs. 2 Nr. 3 AO auf § 370 Abs. 1 AO, die insbesondere einer Einbezie­ hung von Kompensationsbeträgen entgegenstehe676. Die Gesetzesbegründung sei im Hinblick auf die vorliegende Problematik nicht eindeutig, spreche aber eher für ein Abstellen auf den Nominalbetrag677. Außerdem spreche die grundsätzlich gebotene weite Auslegung der Sperrgründe gegen ein Abstellen auf den strafzumessungsrelevanten Schaden, da dies den Anwendungsbereich des § 371 Abs. 2 Nr. 3 AO einschränken würde678. Plädiert wird daher von Vertretern dieser Auffassung teilweise für eine verfahrensrechtliche Lösung des Problems, das heißt, in geeigneten Fällen für eine Anwendung der §§ 153, 153a StPO, § 398 AO, wenn die strafmildernden Umstände ausreichendes Gewicht haben679. Auch im Rahmen des § 398a Nr. 2 AO wird von Vertretern der letztge­ nannten Auffassung teilweise auf den Nominalbetrag der verkürzten Steuern und nicht auf den strafzumessungsrelevanten Schaden abgestellt680. Dies per / Schmitz / Wegner / Wulf, in: wistra 2011, 281 (285), die wohl auch von einer Anwendung des Nominalbetrags bei § 371 Abs. 2 Nr. 3 AO ausgehen, dies aber deutlich kritisieren und verfassungsrechtliche Bedenken äußern; unscharf Roth, in: PStR 2013, 310 (311) mit Hinweis auf AG Stuttgart v. 10.07.2013, 23 Cs 147 Js 95252 / 12, der m. E. an dieser Stelle nicht ausreichend klar zwischen der Bestim­ mung der 50.000 €-Grenze bei § 398a AO und § 371 Abs. 2 Nr. 3 AO unterschei­ det; gemeint ist aber wohl die Bestimmung im Rahmen des § 371 Abs. 2 Nr. 3, da in dem vom AG Stuttgart zu entscheidenden Fall überhaupt kein Zuschlag gezahlt wurde, so dass es auf die Berechnung des Zuschlags nach § 398a Nr. 2 AO gar nicht ankam, wenngleich die Überschrift des Aufsatzes („Amtsgericht zu § 398a AO: Nominalbetrag und Verfahrenslösung“) auf das Gegenteil hindeutet; offen las­ send Wessing, in: Flore / Tsambikakis, Steuerstrafrecht, § 371 (n. F.) Rdnr. 138, der auf „eventuelle Berechnungsprobleme“ hinweist; unscharf Quedenfeld, in: Flore /  Tsambikakis, Steuerstrafrecht, § 398a Rdnr. 28 für § 371 Abs. 2 Nr. 3 AO, deut­ licher aber in Rdnr. 30 f., 35 f. jedenfalls für ein Abstellen auf den strafzumessungs­ relevanten Schaden in § 398a Nr. 1 und Nr. 2 AO. 676  Roth, in: NZWiSt 2012, 174 (175); Schwartz / Külz, in: PStR 2011, 249 (252); Schauf, in: Kohlmann, Steuerstrafrecht, Bd. I, § 371 Rdnr. 249.5. 677  Roth, in: NZWiSt 2012, 174 (175); Pegel, in: Stbg. 2011, 348 (349), der aber eine andere Schlussfolgerung zieht; ähnlich Schmedding, in: Wannemacher & Part­ ner, Steuerstrafrecht, Rdnr. 2180, der darauf hinweist, dass sich aus der Gesetzesbe­ gründung zumindest nichts Gegenteiliges ergebe. 678  Roth, in: NZWiSt 2012, 174 (175). 679  Roth, in: NZWiSt 2012, 174 (175 f.). 680  Jäger, in: Klein, AO, 11. Aufl., § 398a Rdnr. 26 f.; Schmedding, in: Wannema­ cher & Partner, Steuerstrafrecht, Rdnr. 2185; ohne ausdrückliche Stellungnahme zur



II. Darstellung der Änderungen167

hätte zur Folge, dass der 5 %ige Zuschlag gemäß § 398a Nr. 2 AO nach dem in der Regel deutlich höheren Nominalbetrag errechnet würde, was im Er­ gebnis zu einer erhöhten Zahllast für den Steuerpflichtigen führte. Begrün­ det wird dies für die Fälle der Steuerverkürzung auf Zeit damit, dass der Gesetzeswortlaut nicht nach der Verkürzungsdauer differenziere681. Dagegen bleibe bei § 398a Nr. 1 AO das Kompensationsverbot wie bei § 371 Abs. 3 AO unberücksichtigt682. Diese Auffassung teilt auch das Bundesfinanzmi­ nisterium: Dort ist man der Auffassung, dass im Rahmen des § 398a Nr. 2 AO das Kompensationsverbot Anwendung finden müsse und auch bei Steu­ erverkürzungen auf Zeit keine wirtschaftliche Betrachtung stattzufinden habe, also in beiden Fällen strafzumessungsrelevante Gesichtspunkte außer Betracht zu bleiben haben683. Andere Befürworter der Anwendung des Nominalbetrags bei § 371 Abs. 2 Nr. 3 AO vertreten dagegen, dass die Bestimmung des Verkürzungsbetrags im Rahmen von § 371 Abs. 2 Nr. 3 AO und § 398a AO unterschiedlich er­ folgen könne, also im Rahmen des § 371 Abs. 2 Nr. 3 AO nach dem Nomi­ nalbetrag und bei § 398a Nr. 2 AO nach dem strafzumessungsrelevanten Schaden684. Begründet wird dies insbesondere damit, dass das Kompensa­ tionsverbot in § 398a Nr. 1 genauso wie in § 371 Abs. 3 AO [dazu bereits Art der Berechnung im Rahmen des § 371 Abs. 2 Nr. 3 AO: Erb / Schmitt in PStR 2011, 144 (145 f.), die von einer Anwendung des Kompensationsverbots bei § 398a Nr. 2 AO ausgehen. 681  Jäger, in: Klein, AO, 11. Aufl., § 398a Rdnr. 27. 682  Jäger, in: Klein, AO, 11. Aufl., § 371 Rdnr. 85 und § 398a Rdnr. 20. 683  So der Parlamentarische Staatssekretär Kampeter (Bundesfinanzministerium) in einer Fragestunde im Deutschen Bundestag auf die Frage des Abgeordneten ­Troost (DIE LINKE), wie der Betrag in § 398a Nr. 2 AO steuer- und abgabenrecht­ lich einzuordnen sei (Plenarprotokoll 17 / 218 über die 218. Sitzung des Deutschen Bundestags vom 30.01.2013, S. 27063). 684  Roth, in: NZWiSt 2012, 174 (175); Schauf, in: Kohlmann, Steuerstrafrecht, Bd. II, § 398a Rdnr. 7; Pegel, in: Stbg. 2011, 348 (349 f.), der aber keine Aussage zur Art der Berechnung bei § 371 Abs. 2 Nr. 3 AO macht; Schwartz, in: PStR 2012, 116 (119) und ders. / Külz, in: PStR 2011, 249 (253), die diese Aussage aber nur auf die Berücksichtigung des Kompensationsverbots beziehen; Külz / Maurer, in: PStR 2013, 150 (150 f.) ohne ausdrückliche Aussage zur Art der Berechnung bei § 371 Abs. 2 Nr. 3 AO; differenzierend Beckemper / Schmitz / Wegner / Wulf, in: wistra 2011, 281 (286), die bei Steuerverkürzungen auf Zeit von einer Anwendung des Nominal­ betrags ausgehen, dies jedoch im Hinblick auf das Schuldprinzip kritisieren, sich aber auf der anderen Seite gegen eine Berücksichtigung des Kompensationsverbots im Rahmen des § 398a Nr. 2 AO aussprechen, insoweit also vom strafzumessungs­ relevanten Schaden ausgehen; ähnlich in der Differenzierung Rolletschke / Roth, in: Stbg. 2011, 200 (205), die bei Steuerverkürzungen auf Zeit von einer Anwendung des Nominalbetrags ausgehen, das Kompensationsverbot allerdings nicht anwenden wollen, wobei keine Aussage zur Berechnung im Rahmen des § 371 Abs. 2 Nr. 3 AO getroffen wird, was wohl daran liegt, dass Rolletschke im Gegensatz zu Roth im

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oben D. II. 2. e) dd) (2) (a)] keine Anwendung finde; es liege daher nahe, dass in § 398a Nr. 2 AO das Gleiche gemeint sei, der Verkürzungsbetrag also in beiden Nummern nach dem strafzumessungsrelevanten Schaden zu bestimmen sei685. Außerdem wird das Schuldprinzip ins Feld geführt, das bei einem Abstellen auf den Nominalbetrag verletzt würde686. Ein anderer Teil der Literatur spricht sich hingegen dafür aus, den Verkür­ zungsbetrag in § 371 Abs. 2 Nr. 3 AO nach dem strafzumessungsrelevanten Schaden zu bestimmen, also das Kompensationsverbot außer Acht zu lassen und auch bei Steuerverkürzungen auf Zeit nicht auf den Nominalbetrag, son­ dern auf den Zinsschaden abzustellen687. Begründet wird dies damit, dass das Kompensationsverbot auch im Rahmen des § 371 Abs. 3 AO nicht berück­ sichtigt werde und ein Abstellen auf den Nominalbetrag dem Schuldprinzip widerspreche688. Außerdem wird darauf hingewiesen, dass im Wortlaut des § 371 Abs. 2 Nr. 3 AO auf die Steuerhinterziehung i. S. d. § 370 Abs. 1 AO Bezug genommen wird, das Kompensationsverbot und die Steuerverkürzung auf Zeit aber in § 370 Abs. 4 AO normiert sind689. Darüber hinaus wird vor­ gebracht, dass sich in den Fällen des Eingreifens des Kompensationsverbots und von Steuerverkürzungen auf Zeit ergebenden Verwerfungen bei einem Abstellen auf den Nominalbetrag erst dadurch entstünden, dass der Gesetzge­ ber Strafzumessungskriterien – wie hier das Hinterziehungsvolumen – „systemdurchbrechend“ zu echten Tatbestandsmerkmalen gemacht hätte; im Rah­ men der Strafzumessung sei aber in den beiden genannten Konstellation ge­ rade nicht der Nominalbetrag entscheidend, so dass es nur folgerichtig sei, im Rahmen des § 371 Abs. 2 Nr. 2 AO auf den strafzumessungsrelevanten Scha­ den abzustellen690. Teilweise bleibt hierbei aber offen, ob bei der Berechnung des 5 %igen Zuschlags in § 398a Nr. 2 AO auf den Nominalbetrag oder den strafzumessungsrelevanten Schaden abzustellen ist691. Vereinzelt wird bei Rahmen des § 371 Abs. 2 Nr. 3 AO auf den strafzumessungsrelevanten Schaden abstellen will (vgl. Fn. 675 und 687). 685  Schwartz / Külz, in: PStR 2011, 249 (253); Schauf, in: Kohlmann, Steuerstraf­ recht, Bd. II, § 398a Rdnr. 7; ähnlich Beckemper / Schmitz / Wegner / Wulf, in: wistra 2011, 281 (286). 686  Schauf, in: Kohlmann, Steuerstrafrecht, Bd.  II, §  398a Rdnr.  7; ähnlich Schwartz, in: PStR 2012, 116 (119); Beckemper / Schmitz / Wegner / Wulf, in: wistra 2011, 281 (286). 687  Stahl, Selbstanzeige, Rdnr. 410; Madauß, in: NZWiSt 2014, 21 (22); Helml, Die Reform der Selbstanzeige im Steuerstrafrecht, S. 135 f.; Wulf / Kamps, in: DB 2011, 1711 (1715); Rolletschke, Steuerstrafrecht, Rdnr. 619c. 688  Stahl, Selbstanzeige, Rdnr. 410; ähnlich Wulf / Kamps, in: DB 2011, 1711 (1715); Madauß, in: NZWiSt 2014, 21 (22). 689  Rolletschke, Steuerstrafrecht, Rdnr. 619c. 690  Ähnlich Rolletschke, Steuerstrafrecht, Rdnr. 619c. 691  Vgl. Stahl, Selbstanzeige, Rdnr. 412.



II. Darstellung der Änderungen169

§ 398a AO auch zwischen Steuerverkürzungen auf Zeit und Fällen des Kom­ pensationsverbots differenziert: So soll bei Steuerverkürzungen auf Zeit so­ wohl bei § 398a Nr. 1 AO als auch bei Nr. 2 auf den nominellen Verkür­ zungsbetrag abzustellen sein, das Kompensationsverbot dagegen sowohl in Nr. 1 als auch in Nr. 2 unberücksichtigt bleiben, dort also auf den strafzumes­ sungsrelevanten Schaden abzustellen sein692. (c) Stellungnahme In einem ersten Schritt wird zur Bestimmung der 50.000 €-Grenze im Rahmen des § 371 Abs. 2 Nr. 3 AO Stellung genommen, in einem zweiten Schritt zur Festlegung der Grenze bei § 398a AO. Ausgehend vom Wortlaut des § 371 Abs. 2 Nr. 3 AO ist festzustellen, dass bei grammatikalischer Auslegung sowohl ein Abstellen auf den Nomi­ nalbetrag als auch auf den strafzumessungsrelevanten Schaden möglich ist: § 371 Abs. 2 Nr. 3 AO nimmt Bezug auf „die nach § 370 Absatz 1 verkürzte Steuer“. Hier kann man sich auf den Standpunkt stellen, dass damit der im Rahmen des § 370 Abs. 1 AO grundsätzlich relevante nominelle Scha­ densbetrag in Bezug genommen ist, was sich aus § 370 Abs. 4 AO ergibt, in dem wiederum ausdrücklich klargestellt ist, dass auch Steuerverkürzungen auf Zeit tatbestandsmäßig im Sinne des § 370 Abs. 1 AO sind, und in dem auch das Kompensationsverbot normiert ist. Man kann aber auch darauf abstellen, dass § 371 Abs. 2 Nr. 3 AO eben nur § 370 Abs. 1 AO und gerade nicht § 370 Abs. 4 AO in Bezug nimmt und so­ mit die Steuerverkürzungen auf Zeit und das Kompensationsverbot in § 371 Abs. 2 Nr. 3 AO unberücksichtigt bleiben sollen. Letztere Sichtweise ist m. E. näherliegend, da anderenfalls der Gesetzgeber besser allgemein auf § 370 AO oder auf § 370 Abs. 1 i. V. m. Abs. 4 AO hätte verweisen müssen. Eine gram­ matikalische Auslegung führt jedoch isoliert angewandt noch zu keinem ein­ deutigen und befriedigenden Ergebnis. Auch die Entstehungsgeschichte der Norm hilft nicht weiter; wie bereits mehrfach angemerkt, lassen sich den Gesetzesmaterialien keine ausdrücklichen Hinweise in die eine oder andere Richtung entnehmen693. Ein Blick auf den Sinn und Zweck der Norm ist schon eher zielführend: Der Gesetzgeber wollte mit der Einführung der §§ 371 Abs. 2 Nr. 3, 398a AO nur noch die leichteren Fälle von Steuerhinter­ ziehungen bei ansonsten wirksamer Selbstanzeige ohne Zahlung des 5 %igen Zuschlags straffrei halten694. Wenn aber bei der Steuerhinterziehung der Ver­ 692  Rolletschke,

Steuerstrafrecht, Rdnr. 769o und 769t. BT-Drucks. 17 / 5067 (neu), S. 20 ff. 694  BT-Drucks. 17 / 5067 (neu), S. 20, 22. 693  Vgl.

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kürzungsbetrag der bestimmende Strafzumessungsgesichtspunkt ist695, so ist doch in Fällen von Steuerverkürzungen auf Zeit und bei Konstellationen, in denen das Kompensationsverbot grundsätzlich greifen würde, die Schuld denkbar gering und damit trotz hohen nominellen Verkürzungsbetrags ein leichterer Fall gegeben, den der Gesetzgeber offensichtlich gerade nicht er­ fasst haben wollte. Aller Wahrscheinlichkeit nach hat der Gesetzgeber diese Fälle gar nicht bedacht. Überzeugend ist auch die Argumentation, dass der Gesetzgeber durch Festlegung der 50.000 €-Grenze systemdurchbrechend ei­ nen Strafzumessungsgesichtspunkt als Tatbestandsmerkmal normiert hat. Dann ist es aber folgerichtig, Strafzumessungskriterien in diesem Punkt bei der Auslegung des Tatbestandsmerkmals einfließen zu lassen, sofern diese – wie hier – bei Steuerverkürzungen auf Zeit und bei Fällen, auf die grundsätz­ lich das Kompensationsverbot anzuwenden wäre, bezifferbar sind. Festzuhal­ ten ist damit, dass zumindest in den Fällen der Steuerverkürzung auf Zeit und in den Fällen, in denen grundsätzlich das Kompensationsverbot greifen wür­ de, bei § 371 Abs. 2 Nr. 3 AO auf den strafzumessungsrelevanten Schaden abzustellen ist. Dies ist das Ergebnis einer an Wortlaut sowie Sinn und Zweck der Vorschrift orientierten Aus­legung. Nicht verkannt wird, dass dieses Ergebnis zu einer Einschränkung des Anwendungsbereichs des § 371 Abs. 2 Nr. 3 AO führt und damit nicht der grundsätzlich gebotenen extensiven Auslegung der Sperrgründe [dazu be­ reits oben C. II. 1. d) und e)] entspricht. An diesem Grundsatz darf aber nicht für jeden Fall starr und ohne Ausnahme gehaftet werden. Vorliegend überwiegen die oben beschriebenen Argumente gegen eine erweiternde Aus­ legung. Ergänzend sei angemerkt, dass selbst Vertreter der Auffassung, die die gefundene Lösung nicht als vom Wortlaut umfasst ansehen696, zu kei­ nem anderen Ergebnis kommen sollten, da der Willle des Gesetzgebers, bei leichteren Fällen von Steuerhinterziehung auch ohne Zahlung des Zuschlags Straffreiheit zu gewähren, derart deutlich in der Gesetzesbegründung formu­ liert ist, dass dann von einer planwidrigen Regelungslücke auszugehen wäre, die vorliegend im Wege der teleologischen Reduktion zu schließen wäre. Das Ergebnis wäre dasselbe. Im Rahmen des § 398a AO bedarf es dagegen einer Differenzierung: Grundsätzlich spricht die enge Verzahnung mit § 371 Abs. 2 Nr. 3 AO dafür, den 50.000 €-Betrag in beiden Fällen identisch zu ermitteln. Gerade im Zusammenspiel mit § 371 Abs. 2 Nr. 3 AO lässt der Wortlaut des § 398a AO bei grammatikalischer Auslegung wiederum ein Abstellen auf den Nominal­ betrag der verkürzten Steuer und den strafzumessungsrelevanten Schaden 695  Jäger,

in: Klein, AO, 11. Aufl., § 398a Rdnr. 2. z. B. Roth, in: NZWiSt 2012, 174 (175); Schauf, in: Kohlmann, Steuer­ strafrecht, Bd. I, § 371 Rdnr. 249.5. 696  So



II. Darstellung der Änderungen171

zu. Es ist aber eine einzige Ausnahme zu machen: Es besteht keinerlei Anlass, bei Steuerverkürzungen auf Zeit im Rahmen des § 398a Nr. 1 AO nur den Zinsschaden vom Steuerpflichtigen zu fordern, wo doch auch im Falle einer bloßen Verspätung der volle Betrag gegenüber dem Fiskus ge­ schuldet ist [zur identischen Argumentation bei § 371 Abs. 3 AO bereits oben D. II. 2. e) dd) (2) (a)]. Insoweit ist bei Steuerverkürzungen auf Zeit in § 398a Nr. 1 AO auf den Nominalbetrag der Steuer abzustellen. In den meisten Fällen wird ohnehin auf eine Steuerhinterziehung auf Zeit erst ab­ gestellt, wenn der Steuerpflichtige verspätet gezahlt hat. Daher wird sich diese Frage kaum stellen. In Fällen des Kompensationsverbots ist gemäß § 398a Nr. 1 AO – wie bei der Parallelvorschrift des § 371 Abs. 3 AO [D. II. 2. e) dd) (2) (a)] – nur der strafzumessungsrelevante Schaden an den Fiskus zu erstatten. Insoweit unterscheiden sich beide Fälle (Kompensa­ tionsverbot und Steuerverkürzung auf Zeit) in § 398a Nr. 1 AO erheblich. Im Rahmen des § 398a Nr. 2 AO ist in beiden Fällen nur vom strafzu­ messungsrelevanten Schaden auszugehen. Bezugnehmend auf Sinn und Zweck des Zuschlags, der den Steuerstraftäter in schwereren Fällen der Steuerhinterziehung wirtschaftlich stärker belasten soll [dazu auch bereits oben D. II. 2. e) cc)], ist zu sehen, dass der Gesetzgeber im Rahmen seines Gestaltungsspielraums an ein Strafzumessungskriterium anknüpft, um leich­ te von schweren Fällen zu unterscheiden. Dann ist es wiederum folgerichtig, auch auf den strafzumessungsrelevanten Schaden bei der Auslegung des Tatbestandsmerkmals abzustellen. Im Übrigen besteht hier – im Gegensatz zu § 398a Nr. 1 AO – kein sachlicher Grund, die Fälle von Steuerverkür­ zungen auf Zeit und solche, die grundsätzlich dem Kompensationsverbot unterfallen würden, unterschiedlich zu behandeln. In beiden Fällen ist die Schuld des Täters eher gering. Zuletzt spricht die bereits angesprochene systematische Verbindung mit § 371 Abs. 2 Nr. 3 AO für eine identische Bestimmung des Betrags in beiden Normen. Im Ergebnis bleibt damit fest­ zuhalten, dass die von Rolletschke vertretene Aufassung697 – mit Ausnahme des Abstellens auf den Nominalbetrag bei Steuerverkürzungen auf Zeit im Rahmen des § 398a Nr. 2 – am überzeugendsten ist. ee) Selbstanzeige des Teilnehmers (1) Problemaufriss Am deutlichsten wird die im Folgenden zu behandelnde Problematik, wenn man sie anhand des zwischen den §§ 370, 371, 398a AO bestehenden 697  Rolletschke,

Steuerstrafrecht, Rdnr. 619c, 769o, 769t.

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Regel-Ausnahme-Verhältnisses darstellt: Grundsatz ist die Strafbarkeit der Steuerhinterziehung gemäß § 370 AO. Hiervon macht § 371 Abs. 1 AO eine Ausnahme, wenn der Täter oder Teilnehmer „gegenüber der Finanzbehörde zu allen unverjährten Steuerstraftaten einer Steuerart in vollem Umfang die unrichtigen Angaben berichtigt, die unvollständigen Angaben ergänzt oder die unterlassenen Angaben nachholt“. Von dieser Ausnahme macht § 371 Abs. 2 AO durch die Normierung von Sperrgründen Rückausnahmen, die wiederum den Grundsatz der Strafbarkeit gemäß § 370 AO zur Folge haben. Gemäß § 371 Abs. 2 Nr. 3 AO „tritt Straffreiheit nicht ein, wenn die nach § 370 Abs. 1 verkürzte Steuer oder der für sich oder einen anderen erlangte nicht gerechtfertigte Steuervorteil einen Betrag von 50.000 Euro je Tat übersteigt“. Ist der Sperrgrund des § 371 Abs. 2 Nr. 3 AO gegeben, hat es der Steuerpflichtige selbst in der Hand, ob er die nun grundsätzlich gebote­ ne Bestrafung gemäß § 370 AO verhindert, indem er gemäß § 398a AO ein Verfolgungshindernis schafft durch Nachentrichtung der zu seinen Gunsten verkürzten Steuern (§ 398a Nr. 1 AO) und Bezahlung eines zusätzlichen 5 %igen Zuschlags auf die hinterzogenen Steuern zugunsten der Staatskasse (§ 398a Nr. 2 AO). § 398a AO stellt so wieder eine Rückausnahme von dem Sperrgrund des § 371 Abs. 2 Nr. 3 AO und damit einen Ausweg aus der Strafbarkeit dar. Die Neuregelungen der §§ 371 Abs. 2 Nr. 3, 398a AO beinhalten ein Problem bei der Anwendung auf den Teilnehmer: § 371 Abs. 2 Nr. 3 AO gilt ausweislich seines Wortlauts eindeutig auch für den Teilnehmer, der in der Regel die Steuern zugunsten eines Dritten verkürzt. Hat also der Teilnehmer Beihilfe zu einer Steuerhinterziehung von mehr als 50.000 € geleistet, tritt für ihn Straffreiheit nach § 371 Abs. 1 AO wegen § 371 Abs. 2 Nr. 3 AO grundsätzlich nicht ein. Für den Täter, zu dessen Haupttat er Hilfe geleistet hat, gilt vom Grundsatz her das Gleiche; nur kann der Haupttäter gemäß § 398a Nr. 1 AO die zu seinen Gunsten verkürzten Steuern nachentrichten, gemäß § 398a Nr. 2 AO den 5 %igen Zuschlag zugunsten der Staatskasse bezahlen und so seine eigene Strafverfolgung verhindern. Nimmt man den Gesetzgeber beim Wort, steht dem Teilnehmer dieser Ausweg nicht offen. § 398a AO spricht nur vom Täter. Beließe man es bei diesem Ergebnis, wäre die Folge doch höchst unbefriedigend: Der Teilneh­ mer, der in der Regel das geringere Unrecht begangen hat, wird bestraft, der Täter nach Erfüllung der Voraussetzungen des § 398a AO nicht. Dies kann vom Gesetzgeber nicht gewollt gewesen sein. Es zeigt sich wieder [dazu auch schon oben C. II. 4. b) und d) cc)] die – vorsichtig ausgedrückt – unscharfe Verwendung der Begriffe des Täters, des Teilnehmers und des Beteiligten durch den Gesetzgeber im Rahmen der §§ 371, 398a AO.



II. Darstellung der Änderungen173

(2) Meinungsstand Die Lösung des Problems ist umstritten. Folgende Lösungsmöglichkeiten werden angeboten: Ein kleiner Teil der Literatur gibt sich scheinbar mit dem Ergebnis einer schlichten wortlautgetreuen Anwendung der §§ 371 Abs. 2 Nr. 3, 398a AO zufrieden: Bruschke698 problematisiert das gesetzge­ berische Versehen nicht weiter und beschränkt seine Ausführungen darauf, dass § 398a AO ausweislich seines Wortlauts nur auf den Haupttäter an­ wendbar ist. Zanzinger699 scheint sich auch mit einer reinen Wortlautausle­ gung zu begnügen: Nach seiner Auffassung scheint es unerheblich zu sein, dass der Teilnehmer in § 398a AO nicht genannt ist, da eine Nachzahlungs­ pflicht auf die zugunsten des Anzeigeerstatters verkürzten Steuern begrenzt sei, was ja beim Teilnehmer in der Regel ohnehin nicht der Fall sei. Ob der Teilnehmer schlicht „Pech hat“ und deswegen im Gegensatz zum Täter bestraft wird oder ob die Leistung der Zahlungen nach § 398a Nr. 1 und Nr. 2 AO durch den Täter auch dem Teilnehmer zugute kommen soll, führen weder Bruschke noch Zanzinger aus. Buse700 geht auch von einer Nichtan­ wendbarkeit des § 398a AO auf den Teilnehmer aus, stellt aber immerhin fest, dass die Erfüllung der Zahlungspflichten durch den Täter nicht dem Teilnehmer zugute kommen soll. Auch Wagner701 plädiert für eine strenge Wortlautanwendung mit der Folge der Nichtanwendbarkeit des § 398a AO auf den Teilnehmer und zieht dann den Schluss, dass der Teilnehmer vom Gesetzgeber schlicht „im Regen stehen gelassen wird“702. Er scheint damit wie Buse nicht davon auszugehen, dass eine Zahlung durch den Täter auch ein Verfolgungshindernis zugunsten des Teilnehmers bewirkt. Dagegen besteht überwiegend Einigkeit darin, dass die aus einer streng am Wortlaut orientierten Anwendung der §§ 371 Abs. 2 Nr. 3, 398a AO resultierenden Ergebnisse vom Gesetzgeber so nicht gewollt gewesen sein können. Streitig ist hier jedoch, wie dies zu korrigieren ist: Einerseits wird die Berichtigung über § 371 Abs. 2 Nr. 3 AO vorgenommen, aus dessen Anwendungsbereich der Teilnehmer ausgenommen werden soll703. Eine andere Lösungsmöglichkeit wird darin gesehen, § 398a AO auch auf den Teilnehmer anzuwenden704, wobei zum Teil die Akzessorietät der Teilnahme 698  Bruschke,

in: StB 2012, 39 (42). in: DStR 2011, 1397 (1402). 700  Buse, in: StBp. 2011, 153 (158). 701  Wagner, in: DStZ 2011, 875 (876). 702  Wagner, in: DStZ 2011, 875 (877). 703  Hunsmann, in: NJW 2011, 1482 (1487); ders., in: BB 2011, 2519 (2520). 704  Rolletschke / Roth, in: Stbg. 2011, 200 (206); Jäger, in: Klein, AO, 11. Aufl., § 398a Rdnr. 50 ff.; Dumke, in: Schwarz, AO, Bd. 4, § 398a Rdnr. 15; Schmedding, in: Wannemacher & Partner, Steuerstrafrecht, Rdnr. 2189 f.; Wessing, in: Flore / Tsam­ 699  Zanzinger,

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in den Mittelpunkt der Betrachtung gestellt wird, um die Erfüllung der Voraussetzungen der § 398a Nr. 1 und Nr. 2 AO durch den Täter auch dem Teilnehmer zugute kommen zu lassen705. Im Einzelnen werden folgende Meinungen vertreten: Auf der einen Seite wollen Jäger, Roth und Schmedding § 398a AO auch auf den Teilnehmer anwenden und begründen ihre Aufassung damit, dass in § 398a AO vom Gesetzgeber nicht der Täterbegriff aus § 25 StGB verwen­ det worden sei, sondern ein „verfahrensrechtlicher Täterbegriff“, unter den auch der Teilnehmer zu subsumieren sei706. Die Selbstanzeigevorschriften seien seit jeher hinsichtlich des persönlichen Anwendungsbereichs nicht eindeutig formuliert707. Außerdem sei auch für andere strafrechtliche Vor­ schriften anerkannt, dass der Begriff des Täters auch den Teilnehmer erfas­ sen könne708. Weiter führt Roth an, dass auch das gesetzgeberische Vorbild für § 398a AO, § 153a StPO, ebenfalls auf Täter und Teilnehmer anwendbar sei709. Außerdem spreche die Rechtsnatur des § 398a AO als strafprozessu­ ale Vorschrift für die Verwendung eines prozessualen Täterbegriffs710. Wür­ de man die Anwendung des § 398a AO auf den Teilnehmer ablehnen, müsste man, um ungerechte Ergebnisse zu vermeiden, den Sperrgrund des § 371 Abs. 2 Nr. 3 AO teleologisch reduzieren, was wiederum der grund­ sätzlich gebotenen extensiven Auslegung der Sperrgründe widerspräche711. Um letztlich Straffreiheit zu erlangen, müsse der Teilnehmer die verkürzten Steuern gemäß § 398a Nr. 1 AO bezahlen, sofern er sie zu seinen Gunsten verkürzt hat, er also einen wirtschaftlichen Vorteil aus der Tat gezogen hat712. Den 5 %igen Zuschlag müsse er stets an die Staatskasse entrichten, bikakis, Steuerstrafrecht, § 371 (n. F.) Rdnr. 142; ähnlich Schauf, in: Kohlmann, Steuerstrafrecht, Bd. II, § 398a Rdnr. 3. 705  Obenhaus, in: Stbg. 2011, 166 (175); Stahl, in: KÖSDI 2011, 17442 (17450); ders., in: KÖSDI 2013, 18578 (18587); Rüping, in: Hübschmann / Hepp / Spitaler, AO / FGO, Bd. X, § 398a Rdnr. 12; Simon, in: Simon / Vogelberg, Steuerstrafrecht, S. 233. 706  Jäger, in: Klein, AO, 11. Aufl., § 398a Rdnr. 53; Roth, in: NZWiSt 2012, 23 (24); Schmedding, in: Wannemacher & Partner, Steuerstrafrecht, Rdnr. 2189; ähnlich vertritt dies auch Dumke, in: Schwarz, AO, Bd. 4, § 398a Rdnr. 15. 707  Roth, in: NZWiSt 2012, 23 (24): Roth weist hier insbesondere auf die Formu­ lierungen in § 371 Abs. 1 AO („wer“), § 371 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 AO („Täter“) und § 371 Abs. 3 AO („an der Tat Beteiligten“) hin. 708  Roth, in: NZWiSt 2012, 23 (24) unter Hinweis auf die Vorschriften der §§ 153e, 163d StPO, § 306e StGB und § 398 AO. 709  Roth, in: NZWiSt 2012, 23 (24). 710  Roth, in: NZWiSt 2012, 23 (24). 711  Roth, in: NZWiSt 2012, 23 (24 f.). 712  Jäger, in: Klein, AO, 11. Aufl., § 398a Rdnr. 55; Roth, in: NZWiSt 2012, 23 (25); Schmedding, in: Wannemacher & Partner, Steuerstrafrecht, Rdnr. 2190.



II. Darstellung der Änderungen175

was sich schon aus den unterschiedlichen Formulierungen in § 398a Nr. 1 und Nr. 2 AO ergebe, hier insbesondere daraus, dass in Nr. 2 die Formulie­ rung fehle, dass die Steuern zu seinen Gunsten verkürzt worden sein müs­ sen713. Außerdem habe der Gesetzgeber durch den Sperrgrund des § 371 Abs. 2 Nr. 3 AO deutlich gemacht, dass er dem erhöhten Unrechtsgehalt bei Steuerhinterziehungen großen Ausmaßes Rechnung tragen wolle, sodass es auch unter diesem Gesichtspunkt nur folgerichtig sei, dass auch der Teilneh­ mer den 5 %igen Zuschlag entrichten müsse714. In eine ähnliche Richtung gehen Wessing und Quedenfeld, die § 398a AO ebenfalls auf den Teilnehmer anwenden wollen; ihr Ergebnis erreichen sie aber nicht über ein verfahrensrechtliches Verständnis des Täterbegriffs, son­ dern über eine „erweiternde Auslegung“715. Für eine Anwendung des § 398a Nr. 2 AO auf den Teilnehmer, ohne dass sich eine Zahlung durch den Täter zu dessen Gunsten auswirken würde, sprechen sich ohne nähere Begrün­ dung auch Belcke und Westermann aus716. Füllsack und Bürger weisen darauf hin, dass die Erfüllung der Vorausset­ zungen des § 398a AO durch den Täter nicht den übrigen an der Tat Betei­ ligten zugute kommen soll717. Zur Begründung führen sie an, dass es für die Strafverfolgung des Gehilfen irrelevant sei, ob der Haupttäter wegen eines persönlichen Strafaufhebungsgrundes im Falle einer Selbstanzeige oder wegen eines Verfolgungshindernisses im Falle des § 398a AO nicht mehr verfolgt werden könne; im Übrigen sei § 398a AO dem § 153a StPO nachempfunden, bei dem auch die Verfahren eines jeden Betroffenen ge­ trennt beurteilt würden718. Im Hinblick auf die Zahlung der verkürzten Steuern solle es bei § 371 Abs. 3 AO verbleiben, der aber in der Regel für den Gehilfen nicht einschlägig sei, weil dieser zumeist keine Steuern zu eigenen Gunsten verkürze719. Füllsack und Bürger verhalten sich aber weder zu § 371 Abs. 2 Nr. 3 AO noch zu § 389a Nr. 2 AO im Falle der Selbstan­ zeige des Teilnehmers720. Dagegen weist Rüping zunächst darauf hin, dass die Regelung des § 398a AO wenig durchdacht sei und eine streng grammatikalische Auslegung zu 713  Jäger, in: Klein, AO, 11. Aufl., § 398a Rdnr. 57; Roth, in: NZWiSt 2012, 23 (25); Schmedding, in: Wannemacher & Partner, Steuerstrafrecht, Rdnr. 2190 ohne nähere Begründung. 714  Jäger, in: Klein, AO, 11. Aufl., § 398a Rdnr. 57. 715  Wessing, in: Flore / Tsambikakis, Steuerstrafrecht, § 371 (n. F.) Rdnr. 142; Quedenfeld, in: Flore / Tsambikakis, Steuerstrafrecht, § 398a Rdnr. 37. 716  Belcke / Westermann, in: BB 2012, 2473 (2478). 717  Füllsack / Bürger, in: BB 2011, 1239 (1241 f.). 718  Füllsack / Bürger, in: BB 2011, 1239 (1242). 719  Füllsack / Bürger, in: BB 2011, 1239 (1242). 720  Füllsack / Bürger, in: BB 2011, 1239 (1241 f.).

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D. Selbstanzeige nach dem Schwarzgeldbekämpfungsgesetz (2011)

widersinnigen Konsequenzen führe721. Er befürwortet eine Lösung über eine teleologische Reduktion des § 398a AO dahingehend, dass eine durch den Haupttäter erreichte Einstellung auch dem Teilnehmer zugute kommen sol­ le; eine teleologische Reduktion sei aber nicht erforderlich, wenn der Teil­ nehmer keinen unmittelbaren Vorteil aus der Tat erlangt habe722. Wie es sich mit dem 5 %igen Zuschlag verhält, bleibt bei Rüping offen723. Ähnlich vertritt dies Simon, der § 398a AO auf den Teilnehmer anwenden will, ohne dass diesen die Verpflichtungen aus § 398a Nr. 1 und Nr. 2 AO treffen wür­ den; dies hätte seiner Ansicht nach ebenfalls zur Folge, dass die Erfüllung der Verpflichtungen aus Nr. 1 und Nr. 2 durch den Haupttäter auch dem Teilnehmer zugute käme724. Beide stellen damit die Akzessorietät der Teil­ nahme in den Mittelpunkt der Betrachtung725. Auch Obenhaus versteht § 398a AO so, dass die Zahlungen nach dessen Wortlaut vom Täter zu bezahlen sind und dem Teilnehmer bei der Schaf­ fung des Verfolgungshindernisses zugute kommen726. Das „gesetzgeberische Versehen“, dass der Teilnehmer davon abhängig ist, dass der Haupttäter die Zahlungen nach § 398a Nr. 1 und Nr. 2 AO leistet, gleicht er dadurch aus, dass er mit Hinweis auf § 267 BGB empfiehlt, dass der Teilnehmer die Zahlungen im Namen des Haupttäters leisten solle727. Wie der Teilnehmer aber von der genauen Höhe der zu leistenden Zahlungen und der Frist, in­ nerhalb derer zu leisten ist, Kenntnis erlangen soll, wo doch diese Details seiner Auffassung nach offensichtlich nur dem Täter mitgeteilt werden, führt Obenhaus nicht aus. Genauso sieht es Stahl, der im Gegensatz zu Obenhaus aber darauf hinweist, dass den Tatbeteiligten Gelegenheit zu ge­ ben sei, die Zahlung für den Haupttäter zu leisten728. Stahl begründet sein Ergebnis mit einer „am Sinn des Gesetzes orientierten Auslegung“ und hier insbesondere damit, dass Teilnehmer nicht schlechter stehen dürften als Haupttäter729. In eine ähnliche Richtung geht Schauf, der vorschlägt, § 398a AO insge­ samt nur dann auf den Teilnehmer anzuwenden, wenn diesem ein wirt­ schaftlicher Vorteil aus der Tat zugeflossen sei, was aber in der Regel nicht 721  Rüping,

in: Hübschmann / Hepp / Spitaler, AO / FGO, Bd. X, § 398a Rdnr. 12. in: Hübschmann / Hepp / Spitaler, AO / FGO, Bd. X, § 398a Rdnr. 12. 723  Rüping, in: Hübschmann / Hepp / Spitaler, AO / FGO, Bd. X, § 398a Rdnr. 12. 724  Simon, in: Simon / Vogelberg, Steuerstrafrecht, S. 233 f. 725  Simon, in: Simon / Vogelberg, Steuerstrafrecht, S. 233; Rüping, in: Hübsch­ mann / Hepp / Spitaler, AO / FGO, Bd. X, § 398a Rdnr. 12. 726  Obenhaus, in: Stbg. 2011, 166 (175). 727  Obenhaus, in: Stbg. 2011, 166 (175). 728  Stahl, in: KÖSDI 2011, 17442 (17450); ders., Selbstanzeige, Rdnr. 417. 729  Stahl, in: KÖSDI 2011, 17442 (17450); ders., Selbstanzeige, Rdnr. 417. 722  Rüping,



II. Darstellung der Änderungen177

der Fall sei: Sei dem Teilnehmer kein wirtschaftlicher Vorteil aus der Tat zugeflossen, so treffe ihn weder die Verpflichtung aus § 398a Nr. 1 AO zur Nachentrichtung der verkürzten Steuern noch diejenige aus § 398a Nr. 2 AO zur Zahlung des 5 %igen Zuschlags; die Einstellung solle in diesem Fall auch gemäß § 398a AO erfolgen730. Im Gegensatz zu Rüping, Simon und Obenhaus will Schauf aber in diesen Fällen das Ermittlungsverfahren gegen den Teilnehmer unabhängig von der Erfüllung der Verpflichtungen gemäß § 398a Nr. 1 und Nr. 2 AO durch den Haupttäter einstellen731. Dieses Ergeb­ nis erreicht er über ein „untechnisches Verständnis des Täterbegriffs“732. Genauso sehen dies Rolletschke und Roth, die ebenfalls über einen „untechnischen Täterbegriff“ zu einer Anwendung des § 398a AO auf den Teilnehmer kommen, die Zahlungspflichten nach Nr. 1 und Nr. 2 aber davon abhängig machen wollen, ob dem Teilnehmer „bei wirtschaftlicher Betrachtung ein unmittelbarer Vorteil aus der Tat zugeflossen ist“733. Ob dann die Entstehung eines Verfolgungshindernisses für den Teilnehmer von der Zah­ lung des Haupttäters abhängig ist, bleibt bei Rolletschke und Roth offen734; Rolletschke scheint aber nicht davon auszugehen, wenn er ausführt, dass mehrere Mittäter oder Teilnehmer nebeneinander zur Zahlung des Zuschlags verpflichtet sein können735. Dagegen geht Hunsmann zunächst von dem Wortlaut des § 398a AO aus und stellt fest, dass dieser nicht auf den Teilnehmer anwendbar ist736. Er stellt dabei nicht auf einen verfahrensrechtlichen Täterbegriff ab, sondern auf den Täterbegriff im Sinne des § 25 StGB737. In einem zweiten Schritt 730  Schauf, in: Kohlmann, Steuerstrafrecht, Bd. II, § 398a Rdnr. 3; ähnlich wohl auch Külz / Maurer, in: PStR 2013, 150 (151 f.), die sich aber nicht explizit zu der vorliegenden Problematik der Selbstanzeige des Teilnehmers im Fall des § 398a AO verhalten, sondern nur allgemein ausführen, dass ungeschriebene Voraussetzung des § 398a Nr. 2 AO sei, dass der Anzeigeerstatter Steuern zu eigenen Gunsten verkürzt hat; wie Külz und Maurer: Erb / Schmitt, in: PStR 2011, 144 (146). 731  Schauf, in: Kohlmann, Steuerstrafrecht, Bd. II, § 398a Rdnr. 3. 732  Schauf, in: Kohlmann, Steuerstrafrecht, Bd. II, § 398a Rdnr. 3. 733  Rolletschke / Roth, in: Stbg. 2011, 200 (206); ähnlich Rolletschke, Steuerstraf­ recht, Rdnr. 769c, der auch auf ein verfahrensrechtliches Verständnis des Täters im Sinne eines Beschuldigten abstellt und damit für eine Anwendung auch auf den Teilnehmer plädiert; Rolletschke sieht dagegen in Steuerstrafrecht, Rdnr. 769q die Voraussetzungen des § 398a Nr. 2 AO etwas anders: Dort macht er die Anwendbar­ keit des § 398a Nr. 2 AO auf den Teilnehmer gerade nicht davon abhängig, ob dieser Steuern zu eigenen Gunsten verkürzt hat, und begründet dies mit dem Wort­ laut der Norm. 734  Rolletschke / Roth, in: Stbg. 2011, 200 (206). 735  Rolletschke, Steuerstrafrecht, Rdnr. 769q. 736  Hunsmann, in: NJW 2011, 1482 (1487); ders., in: PStR 2011, 288 (288); ders., in: BB 2011, 2519 (2520). 737  Hunsmann, in: BB 2011, 2519 (2520).

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stellt er fest, dass die mit § 398a AO korrespondierende Vorschrift des § 371 Abs. 2 Nr. 3 AO insoweit teleologisch zu reduzieren sei, als sie grundsätz­ lich von ihrem Wortlaut her auf den Teilnehmer anwendbar ist, um diesen nicht schlechter zu stellen als den Täter738. Anders ausgedrückt soll der Sperrgrund des § 371 Abs. 2 Nr. 3 AO nur noch für den Täter gelten. So vertreten dies auch Beckemper, Schmitz, Wegner und Wulf739. Ähnlich sehen dies auch Heuel und Beyer, die wegen des eindeutigen Wortlauts von einer Unanwendbarkeit des § 398a AO auf den Teilnehmer ausgehen, diesen aber, um Ungleichbehandlungen zu vermeiden, nicht im Wege einer teleologischen Reduktion aus dem Anwendungsbereich des § 371 Abs. 2 Nr. 3 AO ausnehmen, sondern über eine „verfassungskonforme einschränkende Auslegung“740. (3) Stellungnahme und Lösungsvorschlag Ausgangspunkt der Überlegungen ist, dass die sich bei einer strengen Wortlautanwendung zwingend ergebende Lösung weder sachgerecht ist noch vom Gesetzgeber so gewollt gewesen sein kann: Danach würden Täter und Teilnehmer bei einer wirksamen Selbstanzeige im Falle von Steuerver­ kürzungen von über 50.000 € wegen § 371 Abs. 2 Nr. 3 AO nicht straffrei; der Teilnehmer, der in der Regel das geringere Unrecht begeht, hätte im Gegensatz zum Täter aber keine Möglichkeit, ein Verfahrenshindernis ge­ mäß § 398a AO zu schaffen. Dieses Ergebnis bedarf einer zwingenden Korrektur. Auffassungen, die es bei einer schlichten Anwendung des Wort­ lauts belassen, sind daher abzulehnen. Am besten nähert man sich der Lösung der Problematik nach dem Aus­ schlussprinzip: Nicht überzeugend ist die teilweise vertretene Ansicht, dass die Erfüllung der Voraussetzungen aus § 398a AO durch den Täter wegen der Akzessorietät der Teilnahme auch dem Teilnehmer zugute kommen soll. Die­ se Auffassung verkennt die Rechtsnatur des § 398a AO und des mit ihm in Zusammenhang stehenden § 371 AO: Im Rahmen des § 398a AO werden be­ sondere nichtstrafrechtliche Sanktionen verhängt, wobei § 398a AO dem § 153a StPO nachempfunden ist [dazu schon D. II. 2. e) aa) (2)]. Bei § 153a StPO werden aber doch auch die Verfahren sämtlicher Beschuldigten und Angeschuldigten getrennt voneinander betrachtet741. Im Rahmen des § 153a StPO kommt auch die Erfüllung von ihm aufgegebenen Auflagen durch den 738  Hunsmann, in: NJW 2011, 1482 (1487); ders., in: BB 2011, 2519 (2520); wohl auch Helml, Die Reform der Selbstanzeige im Steuerstrafrecht, S. 177 f. 739  Beckemper / Schmitz / Wegner / Wulf, in: wistra 2011, 281 (287). 740  Heuel / Beyer, in: StBW 2011, 315 (321); Beyer, in: AO-StB 2011, 119 (125). 741  Füllsack / Bürger, in: BB 2011, 1239 (1242).



II. Darstellung der Änderungen179

Täter nicht dem Teilnehmer zugute. Gegen diese Auffassung spricht ein wei­ terer Gesichtspunkt: § 398a AO steht in engem Zusammenhang mit dem per­ sönlichen Strafaufhebungsgrund des § 371 Abs. 1 AO. Wie sich schon aus der Bezeichnung „persönlicher Strafaufhebungsgrund“ ergibt, wirkt die Er­ stattung einer wirksamen Selbstanzeige immer nur zugunsten des jeweiligen Anzeigeerstatters, niemals zugunsten der weiteren Beteiligten. Es wäre un­ systematisch, wenn man dies ausnahmsweise doch annehmen wollte, wenn die Steuerverkürzung von großem Ausmaß ist. Für diese Differenzierung las­ sen sich keine sachlichen Kriterien finden. Für den Beteiligten macht es kei­ nen Unterschied, ob der Täter wegen eines persönlichen Strafaufhebungs­ grundes oder wegen eines Verfahrenshindernisses nicht bestraft wird742. Abzulehnen sind weiter sämtliche oben geschilderten Auffassungen, die eine Lösung über verschiedene Auslegungen suchen, also über eine ein­ schränkende Auslegung des § 371 Abs. 2 Nr. 3 AO oder eine erweiternde Auslegung des § 398a AO, weil vorliegend kein Raum für eine Auslegung ist. Wie bereits oben in anderem Zusammenhang ausgeführt [C. II. 3. a) bb) (2) (d)], kann eine Auslegung nur dort stattfinden, wo sie sich innerhalb des möglichen Wortsinns bewegt, also nicht jenseits der äußersten sprachlichen Sinngrenze. Zur Verdeutlichung sei der Wortlaut des § 371 Abs. 2 Nr. 3 AO nochmals wiedergegeben: „Straffreiheit tritt nicht ein, wenn die nach § 370 Abs. 1 verkürzte Steuer oder der für sich oder einen anderen erlangte nicht gerechtfertigte Steuervorteil einen Be­ trag von 50.000 Euro je Tat übersteigt.“

Dieser Wortlaut ist in einer Weise eindeutig, die man sich an anderen Stellen vom Gesetzgeber gewünscht hätte. Durch die Formulierung „für (…) einen anderen erlangte Steuervorteil“ macht der Gesetzgeber unmiss­ verständlich deutlich, dass auch der Teilnehmer von dieser Norm umfasst sein soll, weil dieser doch den Paradefall darstellt, in dem Steuervorteile zugunsten eines anderen – nämlich zugunsten des Haupttäters – erlangt werden. Auch aus der Enstehungsgeschichte der Norm lässt sich nichts Anderes schließen. In den Gesetzesmaterialien finden sich keinerlei An­ haltspunkte dahingehend, dass der Teilnehmer aus dem Anwendungsbereich des § 371 Abs. 2 Nr. 3 AO ausgenommen werden sollte743. Aus dem Sinn und Zweck der Vorschrift ergibt sich für die Bestimmung der Wortlautgren­ ze nichts anderes: Im Falle von Steuerverkürzungen großen Ausmaßes soll der Steuerhinterzieher vereinfacht gesagt „nicht zu billig davon kommen“. Dieser Gesichtspunkt gilt auch für den Teilnehmer, der zwar nicht Täter ist, dennoch aber eine Steuerverkürzung großen Ausmaßes fördert und damit erhöhtes Unrecht begeht. Würde man nach alledem den Teilnehmer aus dem 742  Füllsack / Bürger, 743  BT-Drucks.

in: BB 2011, 1239 (1242). 17 / 5067 (neu).

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D. Selbstanzeige nach dem Schwarzgeldbekämpfungsgesetz (2011)

Anwendungsbereich herausnehmen, würde man den Bereich der Auslegung verlassen, weil die äußerste sprachliche Sinngrenze überschritten wäre. Sucht man die Lösung über eine „Beschränkung“ des Regelungsgehalts des § 371 Abs. 2 Nr. 3 AO, wäre diese Lösung allenfalls über eine teleologische Reduktion zu suchen (dazu sogleich). Auch § 398a AO bietet keinen Raum für eine Auslegung. Auch dessen Wortlaut sei aus Gründen der Verdeutlichung nochmals wiedergegeben: „In Fällen, in denen Straffreiheit nur deswegen nicht eintritt, weil der Hinterzie­ hungsbetrag 50.000 Euro übersteigt (§ 371 Absatz 2 Nummer 3), wird von der Verfolgung einer Steuerstraftat abgesehen, wenn der Täter (Hervorhebung des Verfassers) innerhalb einer ihm bestimmten angemessenen Frist 1.  die aus der Tat zu seinen Gunsten hinterzogenen Steuern entrichtet und 2. einen Geldbetrag in Höhe von 5 Prozent der hinterzogenen Steuer zugunsten der Staatskasse zahlt.“

Auch hier ist der Wortlaut derart eindeutig, dass kein Raum für eine Auslegung bleibt, die zu einer Anwendbarkeit auf den Teilnehmer führen wird. Das Gesetz spricht eindeutig vom Täter. Der Täter ist kein Teilnehmer [dazu bereits die Ausführungen oben C. II. 4. c)]. Abzulehnen ist dabei auch der Lösungsweg über ein verfahrensrechtliches Verständnis des Täterbe­ griffs, bei dem es sich im Grunde ebenfalls um eine Art der Auslegung handelt. Zunächst ist festzustellen, dass über § 369 Abs. 2 AO die allgemei­ nen Vorschriften des StGB anwendbar sind, also auch die §§ 25, 28 StGB, aus denen sich ergibt, dass der Teilnehmer eben kein Täter ist. Sowohl § 369 AO als auch § 398a AO sind im Achten Teil der AO normiert. Vor diesem Hintergrund ist nicht erkennbar, warum § 369 AO nicht auch für § 398a AO gelten sollte, schließlich geht es ja – wie es § 369 Abs. 2 AO voraussetzt – auch im Rahmen des § 398a AO um eine Steuerstraftat. Dass die Selbstanzeigevorschriften hinsichtlich des persönlichen Anwen­ dungsbereichs seit jeher nicht eindeutig formuliert sind oder auch an ande­ rer Stelle in der StPO oder im StGB hinsichtlich des persönlichen Anwen­ dungsbereichs vom Gesetzgeber unscharf formuliert werden744, reicht als Argumentationsgrundlage nicht aus. Dass der Gesetzgeber an anderer Stelle nicht gründlich gearbeitet hat, rechtfertigt keine gesetzgeberischen Fehler an dieser Stelle. Das Argument, dass § 153a StPO ja auch gleichermaßen für Täter und Teilnehmer gelte, verfängt nicht: So ist doch bei § 153a StPO gerade nicht wie in § 398a AO die Rede vom Täter, sondern zutreffend in Abhängigkeit vom jeweiligen Verfahrensstand vom Beschuldigten (Abs. 1) oder vom Angeschuldigten (Abs. 2). Auch im übrigen Verfahrensrecht sind die Begriffe des Beschuldigten, Angeschuldigten oder Angeklagten die Re­ 744  Roth,

in: NZWiSt 2012, 23 (24).



II. Darstellung der Änderungen181

gel, der Begriff des Täters die Ausnahme. Gebraucht der Gesetzgeber den Begriff des Täters in der StPO, zeigt er durch Verwendung der Formulie­ rung „Täter oder Teilnehmer“745 mehrfach, dass ihm der Unterschied zwi­ schen Täter und Teilnehmer eigentlich auch im Verfahrensrecht geläufig ist. Jedenfalls kann keinesfalls die Rede davon sein, dass im Verfahrensrecht der Begriff des Täters synonym für den des Beschuldigten verwendet wird. Daher scheidet auch ein verfahrensrechtliches Verständnis des Täterbegriffs aus. Dies bedeutet aber nicht, dass eine Anwendung des § 398a AO auf den Teilnehmer gänzlich ausscheidet, lediglich die vorgeschlagenen Wege dort­ hin überzeugen aus systematischen Gründen nicht. Da also eine Erweiterung des Anwendungsbereichs des § 398a AO über eine Auslegung nicht zu er­ reichen ist, wäre nur an eine Analogie zu denken. Als Zwischenergebnis ist zunächst festzuhalten, dass man es nicht bei einer schlichten Wortlautanwendung belassen kann. Nach Feststellung eines Korrekturbedarfs kommen als Möglichkeiten entweder eine „Beschränkung“ des § 371 Abs. 2 Nr. 3 AO auf den Täter oder eine „Erweiterung“ des § 398a AO auf den Teilnehmer in Betracht. Hierbei sind aber weder eine einschränkende Auslegung des § 371 Abs. 2 Nr. 3 AO noch eine erweiternde Auslegung des § 398a AO aufgrund des jeweils eindeutigen Wortlauts der Vorschriften möglich. Zu entscheiden hat man sich deswegen zwischen ei­ ner teleologischen Reduktion des § 371 Abs. 2 Nr. 3 AO auf den Täter und einer analogen Anwendung des § 398a AO auf den Teilnehmer. Aufgrund des bei einer schlichten Wortlautanwendung eintretenden offensichtlich un­ billigen Ergebnisses fällt die Feststellung einer planwidrigen Regelungslü­ cke vorliegend nicht schwer. Die Entscheidung für eine der beiden Alterna­ tiven hat daher richtigerweise danach zu erfolgen, wo diese Regelungslücke entstanden ist. Es sei zu diesem Zweck nochmals an das bereits angesprochene RegelAusnahme-Verhältnis der §§ 370, 371, 398a AO erinnert: Vom Grundsatz der Strafbarkeit der Steuerhinterziehung macht der Gesetzgeber in § 371 Abs. 1 AO eine Ausnahme. Ausnahmsweise wirkt die Selbstanzeige nicht strafbefreiend, wenn der Verkürzungsbetrag über 50.000 € liegt (§ 371 Abs. 2 Nr. 3 AO). Folgt man dieser Regelungssystematik, ist festzustellen, dass bis zu diesem Punkt kein gesetzgeberischer Fehler zu erkennen ist. Wie bereits ausgeführt, sind nach dem Wortlaut der Norm bei grammatikalischer Auslegung, nach der Entstehungsgeschichte und dem Sinn und Zweck der Norm keinerlei Anhaltspunkte erkennbar, die dafür sprechen würden, dass der Gesetzgeber den Teilnehmer aus dem Anwendungsbereich des § 371 745  § 102 StPO: „Bei dem, welcher als Täter oder Teilnehmer einer Straftat (…) verdächtig ist, kann eine Durchsuchung der Wohnung (…)“; ebenso z. B. §§ 100a Abs. 1 Nr. 1, 100c Abs. 1 Nr. 1, 100f Abs. 1, 100g Abs. 1 S. 1, 100i Abs. 1 StPO.

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D. Selbstanzeige nach dem Schwarzgeldbekämpfungsgesetz (2011)

Abs. 2 Nr. 3 AO ausnehmen wollte. Es fehlt damit an einer planwidrigen Regelungslücke im Rahmen des § 371 Abs. 2 Nr. 3 AO, die stets Vorausset­ zung einer teleologischen Reduktion oder einer Analogie ist. § 371 Abs. 2 Nr. 3 AO ist damit einer teleogischen Reduktion nicht zugänglich. Somit verbleibt als einziger Lösungsweg eine analoge Anwendung des § 398a AO auf den Teilnehmer. Nach hier vertretener Auffassung führt eine Selbstanzeige bei Steuerverkürzungen über 50.000 € nicht zu Straffreiheit, unabhängigig davon, ob von einem Täter oder Teilnehmer erstattet. Es kann aber unter keinen Umständen vom Gesetzgeber gewollt gewesen sein, nur dem Täter einen Ausweg aus der Strafbarkeit über § 398a AO zu ermögli­ chen, dem Teilnehmer aber nicht, wo dieser doch das geringere Unrecht verwirklicht hat. Dies wäre grob unbillig und ungerecht. Es kann sich nur um gesetzgeberisches Versehen handeln. Dafür spricht auch, dass § 398a AO dem § 153a StPO nachempfunden ist, der ebenfalls für Täter und Teil­ nehmer gilt. Das Analogieverbot steht dieser Lösung nicht entgegen, weil es sich vorliegend um keine Analogie zu Lasten des Täters oder Teilnehmers handelt [dazu bereits oben C. II. 4. d) cc)]. Zwar sind in § 398a AO Zah­ lungen zu Lasten des Steuerpflichtigen normiert, die zu leisten er aber nicht verpflichtet ist. § 398a AO stellt lediglich eine zusätzliche Option für den Beschuldigten dar, um einer Bestrafung zu entgehen. Es handelt sich daher um eine Analogie zugunsten des Beschuldigten. Eine solche Analogie in bonam partem ist vorliegend auch nicht wegen des Ausnahmecharakters der §§ 371, 398a AO unzulässig, weil es sich wiederum um eine Analogie in der Ausnahme handelt [dazu bereits ausführlich oben C. II. 4. d) cc) (2)]: Die zu schließende Lücke befindet sich in der Ausnahmevorschrift selbst und nicht außerhalb; nur in letzterem Fall kann der Ausnahmecharakter ei­ ner Vorschrift gegen deren Analogiefähigkeit sprechen. Die planwidrige Regelungslücke ist nach alledem in § 398a AO entstanden, sodass es nur folgerichtig ist, sie auch dort im Wege der Analogie zu schließen. Somit bleibt als letzte Frage zu beantworten, welche der Zahlungen der § 398a Nr. 1 und Nr. 2 der Teilnehmer zu leisten hat. Über eine Analogie kommt man zu einer Lesart des § 398a AO, die nach dem Begriff des Täters die Formulierung „oder der Teilnehmer“ einfügt. Die eben aufgeworfene Frage beantwortet sich dann von alleine: Da der Teilnehmer in der Regel keine Steuern zu seinen eigenen Gunsten verkürzt, trifft ihn die Verpflich­ tung aus § 398a Nr. 1 AO nicht, die Verpflichtung zur Zahlung des 5 %igen Zuschlags dagegen schon. Hier hat der Gesetzgeber bewusst auf die Formu­ lierung verzichtet, dass Steuern zu eigenen Gunsten verkürzt sein müssen. Dies spricht deutlich für eine Anwendung auf den Teilnehmer. Außerdem passt dies dazu, dass § 398a AO dem § 153a StPO nachempfunden ist, bei dem auch der Teilnehmer die ihm aufgegebene Auflage selbst begleichen muss, um eine Einstellung des gegen ihn geführten Verfahrens zu erwirken.



II. Darstellung der Änderungen183

Im Übrigen wurde bereits dargestellt, dass grundsätzlich die Verpflichtung zur Zahlung des 5 %igen Zuschlags nicht von allen Beteiligten in der Sum­ me nur einmal zu bezahlen, sondern von jedem einzeln zu tragen ist [D. II. 2. e) dd) (1)]. ff) Rechtsschutz Insbesondere vor dem Hintergrund der zahlreichen Streitpunkte und Rechtsunsicherheiten im Rahmen des § 398a AO sind Konflikte zwischen den Verfolgungsbehörden und dem Steuerpflichtigen beziehungsweise des­ sen Verteidigung vorprogrammiert. Dies betrifft insbesondere Fälle, in denen Uneinigkeit darüber besteht, ob die 50.000 €-Grenze im Rahmen des § 371 Abs. 2 Nr. 3 AO überschritten ist, in welcher Höhe Steuern gemäß § 398a Nr. 1 AO zurückzuerstatten sind, wie die 5 %ige Auflage zu bemessen ist und ob die nach § 398a AO gesetzte Frist angemessen ist. Sofern eine ein­ vernehmliche Verfahrensbeendigung nicht gelingt, stellt sich die Frage nach einem effektiven Rechtsschutz für den Steuerpflichtigen. Der Gesetzgeber hat es unterlassen, eine Rechtsschutzmöglichkeit direkt in § 398a AO zu normieren. Eine Lösung des Problems ist daher in allgemeinen Vorschriften zu suchen. In der Literatur werden wieder, was angesichts der zahlreichen bereits dargestellten Streitpunkte nicht verwunderlich ist, verschiedene Lö­ sungsmöglichkeiten angeboten: Einigkeit besteht zunächst darin, dass angesichts des strafverfahrensrecht­ lichen Charakters des § 398a AO finanzgerichtliche Rechtsbehelfe von vornherein ausscheiden746. Darüber hinaus wird nach den verschiedenen Verfahrensstadien zu unterscheiden sein. Versucht man das Pferd von hinten aufzuzäumen, sind zunächst die Konstellationen nach Abschluss des Ermitt­ lungsverfahrens eher unproblematisch: Im gerichtlichen Verfahren gelten die allgemeinen strafprozessualen Rechtsbehelfe747. Ist bereits Anklage erhoben, weil die Staatsanwaltschaft davon ausging, dass die Voraussetzungen des § 398a AO nicht vorliegen, kann das Gericht, wenn es anderer Meinung ist, das Verfahren gemäß § 206a Abs. 1 StPO durch Beschluss einstellen, wobei gegen diesen Beschluss der statthafte Rechtsbehelf die sofortige Beschwerde gemäß §§ 206a Abs. 2, 311 StPO ist748. Mangels Beschwer kann sich hiergegen aber nicht der Ange­ 746  Vgl. z. B. Hunsmann, in: NZWiSt 2012, 102 (102); Schauf, in: Kohlmann, Steuerstrafrecht, Bd. II, § 398a Rdnr. 16; Jäger, in: Klein, AO, 11. Aufl., § 398a Rdnr. 32. 747  Schauf, in: Kohlmann, Steuerstrafrecht, Bd. II, § 398a Rdnr. 18. 748  Hunsmann, in: NZWiSt 2012, 102 (104); Schauf, in: Kohlmann, Steuerstraf­ recht, Bd. II, § 398a Rdnr. 18.

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D. Selbstanzeige nach dem Schwarzgeldbekämpfungsgesetz (2011)

schuldigte wehren, sondern nur die Staatsanwaltschaft749. Für den Ange­ klagten bedeutsamer ist die Frage nach seinen Rechtsmitteln bei einer Ver­ urteilung unter Verkennung der Voraussetzungen des § 398a AO durch das Gericht: Hier stehen ihm die allgemeinen Rechtsmittel der Berufung und der Revision zu750. Stellt dagegen die Ermittlungsbehörde das Ermittlungs­ verfahren gemäß § 398a AO ein, stehen dem Beschuldigten hiergegen keine Rechtsbehelfe zur Verfügung, da er dadurch nicht in seinen Rechten verletzt wird751. Schwieriger zu beantworten ist dagegen die Frage nach effektivem Rechts­ schutz im Ermittlungsverfahren. Zutreffend ist jedenfalls, dass es mit dem Grundsatz der Gewährung effektiven Rechtsschutzes gemäß Art. 19 Abs. 4 GG nicht vereinbar wäre, den Beschuldigten, der z. B. mit der Ermittlungsbe­ hörde darüber streitet, ob oder in welcher Höhe der Zuschlag nach § 398a Nr. 2 AO zu entrichten ist oder ob die Fristsetzung angemessen ist, darauf zu verweisen, den Zuschlag schlicht nicht zu bezahlen oder die Frist verstrei­ chen zu lassen, damit die jeweilige Frage dann in einer Hauptverhandlung oder im Zwischenverfahren geklärt werden kann752. Zum einen ist gerade wegen der in der Öffentlichkeit stattfindenden Hauptverhandlung diese Form des Rechtsschutzes nicht vergleichbar mit einer Überprüfungsmöglichkeit im Rahmen des Ermittlungsverfahrens im Bürowege. Außerdem kann sich im 749  Hunsmann, in: NZWiSt 2012, 102 (104); Schauf, in: Kohlmann, Steuerstraf­ recht, Bd. II, § 398a Rdnr. 18. 750  Hunsmann, in: NZWiSt 2012, 102 (105); Schauf, in: Kohlmann, Steuerstraf­ recht, Bd. II, § 398a Rdnr. 18. 751  Hunsmann, in: NZWiSt 2012, 102 (103); ders., in: BB 2011, 2519 (2526); Rolletschke, Steuerstrafrecht, Rdnr. 770c; Schauf, in: Kohlmann, Steuerstrafrecht, Bd. II, § 398a Rdnr. 17. 752  Schmedding, in: Wannemacher & Partner, Steuerstrafrecht, Rdnr. 2193; Schauf, in: Kohlmann, Steuerstrafrecht, Bd. II, § 398a Rdnr. 17; deutlicher noch in seiner Ablehnung Rüping, in: Hübschmann / Hepp / Spitaler, AO / FGO, Bd. X, § 398a Rdnr. 16, der davon spricht, dass dies „den verfassungsrechtlichen Anforderungen an den Rechtsschutz Hohn“ spräche; a. A. Hunsmann, in: BB 2011, 2519 (2526); ders., in: NZWiSt 2012, 102 (103 f.) dagegen differenzierend (Erfordernis eines effektiven Rechtsschutzes nur für Zuschlagszahlung); im Hinblick auf die Überprüfung der Fristsetzung Dumke, in: Schwarz, AO, Bd. 4, § 398a Rdnr. 30 und für die Parallel­ vorschrift des § 371 Abs. 3 AO Webel, in: Schwarz, AO, Bd. 4, § 371 Rdnr. 170; im Hinblick auf die Überprüfung der Zuschlagszahlung Rolletschke / Roth, in: Stbg. 2011, 200 (205); ähnlich Rolletschke, Steuerstrafrecht, Rdnr. 770d und 770e, der meint, dass auch im Falle des Streits darüber, ob der Zuschlag überhaupt zu zahlen sei, nicht zwingend eine Rechtsschutzmöglichkeit gegeben sein müsse: Man könne nach seiner Auffassung auch an ein unverschuldetes Fristversäumnis gemäß § 44 Satz 1 StPO denken und dem Steuerpflichtigen so nachträglich die Zahlung des Zuschlags ermöglichen. Diese Auffassung wirkt doch sehr umständlich und hat für den Steuerpflichtigen den Nachteil, dass die Klärung meist erst in einem Strafver­ fahren stattfinden würde. Sie ist daher abzulehnen.



II. Darstellung der Änderungen185

Rahmen des Hauptverfahrens die Situation ergeben, dass die Fristsetzung oder die angeordnete Zahlung entgegen der Auffassung des Steuerpflichtigen angemessen und zutreffend war, die Frist aber nun abgelaufen ist; in dieser Konstellation besteht dann keine Möglichkeit mehr für den Angeklagten, zu einer Einstellung gemäß § 398a AO zu gelangen753. Auch eine Zahlung des Zuschlags „unter Vorbehalt“ würde dem Steuerpflichtigen nichts nützen, da dann eine (gerichtliche) Überprüfung wegen der geleisteten Zahlung gerade nicht mehr stattfinden würde754. Vorgeschlagen wird755 daher in verschiede­ nen Abwandlungen die Anwendung des § 98 Abs. 2 Satz 2 StPO analog756, des § 23 EGGVG757 und der §§ 304 ff. StPO analog758: Teilweise wird für die Anwendung der §§ 23 ff. EGGVG plädiert759. Be­ gründet wird dies damit, dass die Lösung über die §§ 23 ff. EGGVG am sachnächsten sei, weil die Anfechtung unabhängig von weiteren Ermitt­ lungsmaßnahmen durchgeführt werden könne760. Diese Aussage nimmt 753  Beckemper / Schmitz / Wegner / Wulf,

in: wistra 2011, 281 (287). in: wistra 2011, 281 (288). 755  Ohne eigene Stellungnahme Jäger, in: Klein, AO, 11. Aufl., § 398a Rdnr. 32. 756  Bei der Rechtsschutzmöglichkeit nach § 98 Abs. 2 Satz 2 StPO analog handelt es sich um ein seit langem anerkanntes Rechtsinstitut, im Rahmen dessen nichtrich­ terliche Zwangsmaßnahmen wegen Art. 19 Abs. 4 GG durch den nach § 162 StPO zuständigen Ermittlungsrichter überprüft werden, wenn das Gesetz hierfür keine besonderen Regeln zur Verfügung stellt (vgl. Beulke, Strafprozessrecht, Rdnr. 323; Menges, in: Löwe / Rosenberg, Strafprozeßordnung und Gerichtsverfassungsgesetz, Bd. 3, § 98 Rdnr. 50). 757  Im Rahmen der §§ 23 ff. EGGVG kann die Rechtmäßigkeit von Justizverwal­ tungsakten zur Überprüfung gestellt werden, die zur Regelung einzelner Angelegen­ heiten auf dem Gebiet der Strafrechtspflege getroffen werden (§ 23 Abs. 1 EGGVG). Zuständig hierfür ist gemäß § 25 Abs. 1 EGGVG ein Strafsenat des OLG, in dessen Bezirk die Justizbehörde ihren Sitz hat. Die Anrufung des OLG im Rahmen der §§ 23 ff. EGGVG ist grundsätzlich subsidiär gemäß § 23 Abs. 3 EGGVG. 758  Die Beschwerde nach den §§ 304 ff. StPO ist statthaft nach § 304 Abs. 1 StPO gegen alle von den Gerichten (…) erlassenen Beschlüsse und gegen die Verfügungen des Vorsitzenden, des Richters im Vorverfahren und eines beauftragten oder ersuch­ ten Richters. Offensichtlich ist die Beschwerde dagegen nicht statthaft gegen Ent­ scheidungen der Ermittlungsbehörden. Daher wird auch nicht für eine direkte, son­ dern für eine analoge Anwendung plädiert, wie dies übrigens auch teilweise für die Parallelvorschrift des § 371 Abs. 3 AO für die Anfechtung der Fristsetzung vertreten wird (vgl. z. B. Schauf, in: Kohlmann, Steuerstrafrecht, Bd. I, § 371 Rdnr. 110.3 m. w. N.). Unterschied zu § 98 Abs. 2 Satz 2 StPO analog wäre im Ergebnis, dass nicht der Ermittlungsrichter gemäß § 162 StPO, sondern das Gericht der Hauptsache für die Entscheidung zuständig wäre (vgl. für § 371 Abs. 3 AO Schauf, in: Kohl­ mann, Steuerstrafrecht, Bd. I, § 371 Rdnr. 110.3). 759  Wulf / Kamps, in: DB 2011, 1711 (1716); Schmedding, in: Wannemacher & Partner, Steuerstrafrecht, Rdnr. 2192. 760  Schmedding, in: Wannemacher & Partner, Steuerstrafrecht, Rdnr. 2192. 754  Beckemper / Schmitz / Wegner / Wulf,

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D. Selbstanzeige nach dem Schwarzgeldbekämpfungsgesetz (2011)

Bezug auf die teilweise befürwortete Möglichkeit, eine Überprüfung im Rahmen von Rechtsschutz gegen andere strafprozessuale Eingriffsmaßnah­ men herbeizuführen761. Eine Anwendung der §§ 23 ff. EGGVG ist jedoch abzulehnen, weil es sich bei der Bestimmung des Zuschlags oder der Frist nicht um Justizverwaltungsakte handelt762. Gegeben sein müsste nämlich ein behördliches „Vorgehen in Form einer Anordnung, Verfügung oder in sonstiger Weise, das der Regelung einer Einzelangelegenheit dient und geeignet ist, den Betroffenen in seinen Rechten zu verletzen“763, was hier nicht gegeben ist, weil es sich bei den Maßnahmen um solche von „verfahrens­ einleitender oder -fortführender“ Art handelt, die mangels Regelungswir­ kung nicht unter die beschriebene Definition fallen764. Außerdem ist § 23 EGGVG gemäß § 23 Abs. 3 EGGVG nur subsidiär anzuwenden765 und vorliegend lassen sich – wie zu zeigen sein wird – auch andere Rechts­ schutzmöglichkeiten finden, die unabhängig von der Überprüfung weiterer Ermittlungsmaßnahmen ergriffen werden können. Ausgangspunkt der Überlegungen ist jedenfalls, dass keine Vorschrift existiert, die den gemäß Art. 19 Abs. 4 GG grundsätzlich gebotenen Rechts­ schutz gewährt. Weder § 98 Abs. 2 Satz 2 StPO noch die §§ 304 ff. StPO sind auf die vorliegende Konstellation direkt anwendbar. Von einer planwid­ rigen Regelungslücke ist daher unproblematisch auszugehen. Deswegen wird jeweils in der Literatur für eine analoge Anwendung der entsprechen­ den Vorschriften plädiert. Die teilweise vertretene Auffassung, die für eine analoge Anwendung der §§ 304 ff. StPO (i. V. m. Art. 19 Abs. 4 GG) strei­ tet766, ist jedoch ebenfalls abzulehnen: Die in § 98 Abs. 2 Satz 2 StPO Jäger, in: Klein, AO, 11. Aufl., § 398a Rdnr. 32. in: NZWiSt 2012, 102 (102 f.); für die Qualifizierung der Anord­ nung des Zuschlags Schauf, in: Kohlmann, Steuerstrafrecht, Bd. II, § 398a Rdnr. 17; ohne nähere Begründung Rolletschke, Steuerstrafrecht, Rdnr. 770b. 763  Meyer-Goßner, StPO, § 23 EGGVG Rdnr. 6. 764  Allgemein für verfahrenseinleitende oder -fortführende Maßnahmen der Staatsanwaltschaft Meyer-Goßner, StPO, § 23 EGGVG Rdnr. 9; ähnlich (aber für das Strafverfahren) für die Erklärung der Zustimmung der Staatsanwaltschaft zu einer Verfahrensbeendigung gemäß § 153a Abs. 2 StPO OLG Hamm NStZ 1985, 472 (472). 765  Hunsmann, in: NZWiSt 2012, 102 (103); Schauf, in: Kohlmann, Steuerstraf­ recht, Bd. II, § 398a Rdnr. 17. 766  Differenzierend Schauf, in: Kohlmann, Steuerstrafrecht, Bd.  II, §  398a Rdnr. 17: Anwendung des § 98 Abs. 2 Satz 2 StPO analog für die Überprüfung der Festsetzung des 5 %igen Zuschlags, und Anwendung der §§ 304 ff. StPO analog für die Überprüfung der Fristsetzung – Zu dem identischen Problem der Überprüfung der Fristsetzung bei § 371 Abs. 3 AO: Wessing, in: Flore / Tsambikakis, Steuerstraf­ recht, § 371 (n. F.) Rdnr. 173; Schauf, in: Kohlmann, Steuerstrafrecht, Bd. I, § 371 Rdnr. 110.3 m. w. N.; vgl. auch die schon etwas älteren Nachweise bei Webel, in: Schwarz, AO, Bd. 4, § 371 Rdnr. 170, der aber selbst anderer Meinung ist. 761  So

762  Hunsmann,



II. Darstellung der Änderungen187

normierte Fallgestaltung ist der vorliegenden Situation weitaus vergleichba­ rer; in § 98 Abs. 2 Satz 2 StPO wird nämlich in seiner direkten Anwendung gerichtlicher Rechtsschutz gegen eine Zwangsmaßnahme der Ermittlungsbe­ hörden gewährt und nicht wie im Rahmen der §§ 304 ff. StPO gerichtlicher Rechtsschutz gegen gerichtliche Maßnahmen. Da es sich bei der Anwendung des § 398a AO im Ermittlungsverfahren um Maßnahmen der Ermittlungsbe­ hörden handelt, ist bei § 98 Abs. 2 Satz 2 StPO schon eher Vergleichbarkeit gegeben. Geht es um die Anwendung des § 398a AO, handelt es sich zwar nicht unmittelbar um Zwangsmaßnahmen, da sich der Beschuldigte freiwil­ lig für die Erstattung einer Selbstanzeige und die Erfüllung der Vorausset­ zungen des § 398a AO entscheiden kann [dazu bereits oben D. II. 2. e) aa) (3)]. Die Bestimmung der Frist und der zu zahlenden Beträge im Rahmen der § 398a Nr. 1 und Nr. 2 AO erfolgt aber einseitig durch die Ermittlungs­ behörden und wird nicht etwa zwischen diesen und dem Steuerpflichtigen ausgehandelt767. Die Maßnahmen sind daher einer Zwangsmaßnahme zu­ mindest ähnlich. Die vorliegende Konstellation kommt der § 98 Abs. 2 Satz 2 StPO zugrundeliegenden Situation am nächsten, weswegen Rechts­ schutz analog dieser Vorschrift bei dem zuständigen Ermittlungsrichter (§ 162 StPO i. V. m. § 98 Abs. 2 Satz 3 StPO analog) zu gewähren ist768. Der teilweise zusätzlich zu § 98 Abs. 2 Satz 2 StPO analog angewandte § 161a Abs. 3 StPO769 führt zu demselben Ergebnis der ermittlungsrichter­ lichen Überprüfung; § 161a StPO ist der hier zugrundeliegenden Situation ebenfalls vergleichbarer als die §§ 304 ff. StPO, weil es um die Überprüfung staatsanwaltschaftlicher Maßnahmen im Ermittlungsverfahren geht. Ob § 161a StPO kumulativ analog angewandt werden soll, kann angesichts identischer Ergebnisse dahingestellt bleiben. Eine kombinierte Anwendung der §§ 304 ff. StPO analog auf die Fristset­ zung und des § 98 Abs. 2 Satz 2 StPO analog auf die Anordnung der Zu­ 767  Dies gilt zumindest in den hier streitigen Fällen, in denen aufgrund unter­ schiedlicher Sichtweisen bei Ermittlungsbehörden und Steuerpflichtigem ein Bedarf für Rechtsschutz besteht. 768  Im Ergebnis ähnlich Schwartz / Külz, in: PStR 2011, 249 (253) wenn auch nur für die Festsetzung des Zuschlags; ebenso wie Schwartz / Külz Hunsmann, in: NZWiSt 2012, 102 (104); Rüping, in: Hübschmann / Hepp / Spitaler, AO / FGO, Bd. X, § 398a Rdnr. 16 auch nur für die Bestimmung des Zuschlags; für den Rechtsschutz gegen die Fristsetzung meint Rüping zwar auch, dass die Anwendung des § 98 Abs. 2 Satz 2 StPO analog näher liege als die Anwendung der §§ 304 ff. StPO analog (vgl. Rüping, in: Hübschmann / Hepp / Spitaler, AO / FGO, Bd. IX, § 371 Rdnr. 128 f. in der Fn. 8); er spricht sich aber im Ergebnis dafür aus, die Fristsetzung im außergericht­ lichen Rechtsbehelfsverfahren nach der AO mit dem Einspruch gemäß den §§ 347 ff. AO anzugreifen; offen lassend, aber mit Tendenz zu der Anwendung des § 98 Abs. 2 Satz 2 StPO analog Beckemper / Schmitz / Wegner / Wulf, in: wistra 2011, 281 (288). 769  So z. B. Schwartz / Külz, in: PStR 2011, 249 (253).

188

D. Selbstanzeige nach dem Schwarzgeldbekämpfungsgesetz (2011)

schlagszahlung770 überzeugt dagegen nicht; eine solche Lösung ist weder praktikabel noch sachgerecht. In Anbetracht der soben gemachten Ausfüh­ rungen passt die Anwendung des § 98 Abs. 2 Satz 2 StPO analog auf beide Konstellationen am besten wegen der zugrundeliegenden Anordnung der Ermittlungsbehörden und der Ähnlichkeit zu den Zwangsmaßnahmen. 3. § 371 Abs. 3 AO: Nachentrichtung der verkürzten Steuern Das Vollständigkeitserfordernis aus § 371 Abs. 1 AO wurde in § 371 Abs. 3 AO nicht umgesetzt; in Anbetracht des Zwecks der Neuregelungen ist dies ist aber folgerichtig und konsequent: § 371 Abs. 3 AO 2011 wurde verglichen mit § 371 Abs. 3 AO 1977 fast wörtlich übernommen. Wesentli­ cher Unterschied ist, dass Straffreiheit nicht mehr eintritt, soweit der Täter die zu seinen Gunsten hinterzogenen Steuern entrichtet, sondern wenn er die aus der Tat zu seinen Gunsten hinterzogenen Steuern entrichtet. Dadurch ist jedenfalls eindeutig klargestellt, dass nun eine teilweise Straffreiheit auf­ grund einer teilweisen Nachentrichtung innerhalb einer Tat nicht mehr ein­ tritt. Fraglich ist aber darüber hinaus, ob auch eine Nachentrichtung aller im Rahmen der Berichtigungseinheit erfolgten Verkürzungen erforderlich ist, um Straffreiheit zu erlangen, oder ob auch eine Nachentrichtung für nur eine Tat die Erlangung von teilweiser Straffreiheit für nur diese eine Tat ermöglicht. Auf den ersten Blick erscheint dies zwar unwahrscheinlich, da die §§ 371 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 AO keine teilweise Straffrei­ heit innerhalb einer Steuerart mehr kennen. Dennoch wird dies in § 371 Abs. 3 AO richtigerweise so geregelt: Bereits der Wortlaut der Norm ist insoweit eindeutig771, der von der Nachentrichtung der „aus der Tat“ verkürzten Steuern spricht, und eben nicht den Plural verwendet, wie es bei § 371 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 AO der Fall ist, wo stets auf die gesamte Berichtigungseinheit abge­ stellt wird [dazu oben D. II 1. a) und 2. a) bis d)]. Lediglich bei § 371 Abs. 2 Nr. 3 AO wird für die Tat der Singular verwendet; dort wird aber nach hier vertretener Auffassung auch nicht von einer Sperrwirkung hin­ sichtlich der gesamten Berichtigungseinheit, sondern nur hinsichtlich der einzelnen Tat ausgegangen [D. II. 2. e) cc)]. Auch der Sinn und Zweck des Schwarzgeldbekämpfungsgesetzes, nach dem ein Missbrauch der Selbstan­ zeige im Rahmen von Hinterziehungsstrategien verhindert werden sollte, spricht für die Anerkennung einer teilweisen Straffreiheit innerhalb einer 770  So

aber Schauf, in: Kohlmann, Steuerstrafrecht, Bd. II, § 398a Rdnr. 17. Helml, Die Reform der Selbstanzeige im Steuerstrafrecht, S. 151.

771  Ebenso



III. Warum überhaupt eine Gesetzesänderung?189

Steuerart: Wer vollständige Angaben macht, letztlich aber nur einen Teil der verkürzten Steuern nachentrichten kann, nutzt das Instrument nicht im Rah­ men einer Hinterziehungsstrategie. Er hat ja schließlich alles offenbart, wie es § 371 Abs. 1 AO vorschreibt. Zuletzt spricht auch die Entstehungsge­ schichte für die hier vertretene Sichtweise772: In der Gesetzesbegründung finden sich folgende Ausführungen zu § 371 Abs. 3 AO773: „Die Formulierung stellt lediglich klar, dass für alle übrigen (…) Taten Straffrei­ heit für die jeweilige einzelne Tat (Hervorhebung durch den Verfasser) nur dann eintritt, wenn die Steuern nebst angefallenen Zinsen nachentrichtet worden sind.“

Nach alledem ist davon auszugehen, dass die teilweise Nachentrichtung auch innerhalb einer Steuerart zu teilweiser Straffreiheit führt, sofern sich die teilweise Entrichtung auf unterschiedliche Taten bezieht774.

III. Warum überhaupt eine Gesetzesänderung? Wie bereits oben ausgeführt (B. I. und II. 1.), steigerte der Ankauf von Steuerdaten-CDs aus der Schweiz und aus Liechtenstein die Zahl der Selbstanzeigen deutlich. In diesem Zusammenhang wurde insbesondere von Seiten der Politik die Frage diskutiert, ob das Rechtsinstitut der Selbstan­ zeige nicht zumindest eingeschränkt werden sollte775. Zeitlich parallel zu diesen Diskussionen verschärfte der BGH seine Rechtsprechung zur Selbst­ anzeige erheblich zu Lasten des Steuerpflichtigen [zu den Einzelheiten be­ reits oben C. II. 3. a) bb) (2) (c)]776. Die Frage nach der Berechtigung des Rechtsinstituts ging sogar so weit, dass die SPD einen Gesetzentwurf zur vollständigen Abschaffung der Selbstanzeige einbrachte777. Begründet wurde dieser Schritt im Wesentli­ chen wie folgt778: 772  Helml,

Die Reform der Selbstanzeige im Steuerstrafrecht, S. 152. 17 / 5067 (neu), S. 21 f. 774  Helml, Die Reform der Selbstanzeige im Steuerstrafrecht, S. 152; ähnlich wie hier mit Hinweis auf die Gesetzesbegründung und den für die Tat vom Gesetzgeber verwendeten Singular Rolletschke / Roth, in: Stbg. 2011, 200 (204), wobei m. E. nicht ausreichend deutlich wird, ob die Verfasser auch eine teilweise Nachentrichtung innerhalb nur einer Tat als strafbefreiend anerkennen wollen; dies wäre jedenfalls wegen der Ersetzung des Wortes „soweit“ durch das Wort „wenn“ abzulehnen; a. A. Schauf, in: Kohlmann, Steuerstrafrecht, Bd. I, § 371 Rdnr. 114 a. E. m. w. N. 775  Wessing, in: Flore / Tsambikakis, Steuerstrafrecht, § 371 (n. F.) Rdnr. 6. 776  BGHSt 55, 180; Wessing, in: Flore / Tsambikakis, Steuerstrafrecht, § 371 (n. F.) Rdnr. 7. 777  BT-Drucks. 17 / 1411; Wessing, in: Flore / Tsambikakis, Steuerstrafrecht, § 371 (n. F.) Rdnr.  8. 778  BT-Drucks. 17 / 1411, S. 1, 4. 773  BT-Drucks.

190

D. Selbstanzeige nach dem Schwarzgeldbekämpfungsgesetz (2011)

„(…) Die Erfahrungen der vergangenen Jahrzehnte haben gelehrt, dass die Rege­ lung des § 371 AO keinen Rückgang der Steuerhinterziehung bewirkt, sondern letztlich nur den Täter vor Bestrafung bewahrt. Dies verletzt zunehmend das Rechtsempfinden der steuerehrlichen Bürgerinnen und Bürger, zumal Täter selbst in Fällen langjähriger und gravierender Steuerverkürzung bei Selbstanzeige straf­ frei werden. Der Gesetzgeber muss hieraus die zwingende Konsequenz ziehen. (…) Sowohl die Begehung einer Steuerhinterziehung als auch ihre Selbstanzeige sind letztlich abhängig von der individuellen Einschätzung des Entdeckungsrisikos durch den Steuerpflichtigen. Dies belegen derzeit die Selbstanzeigen im Zuge des Ankaufs von Daten über mutmaßliche Steuerstraftäter durch die Länder. Insofern ist die Selbstanzeige als Instrument zur Wiederherstellung der Steuerehrlichkeit auch überholt und nicht verbesserungsfähig (…).“

Inwieweit tatsächlich die Furcht vor Entdeckung ausschlaggebendes Ele­ ment bei der Erstattung von Selbstanzeigen ist, wäre eine empirische Frage, die vorliegend nicht beantwortet werden kann. Vielfach wird aber die Furcht vor Entdeckung eine nicht unerhebliche Rolle spielen. Dies gilt insbesonde­ re für die Selbstanzeigenwelle, die durch den Ankauf von Steuerdaten-CDs ausgelöst wurde. Denkbar sind aber auch Konstellationen, in denen der Steuerpflichtige Tatentdeckung befürchtet, tatsächlich aber gar nicht ent­ deckt worden wäre. Jedenfalls in diesen Fällen werden Steuereinnahmen in die Staatskasse gespült, die ansonsten ausgeblieben wären. So oder so wird zudem dem Steuerpflichtigen eine Brücke in die Steuerehrlichkeit gebaut. Dies zeigt, dass die Vorschriften zur Selbstanzeige durchaus ihren Zweck erfüllen. Die Begründung zu dem Gesetzentwurf fällt insoweit recht einsei­ tig aus. Dementsprechend konnte sich, wie man an den Änderungen durch das Schwarzgeldbekämpfungsgesetz sehen kann, die SPD mit ihrem Antrag nicht durchsetzen. Immerhin wurden die Vorschriften zur Selbstanzeige, wie sich bereits bei der obigen Darstellung zu den Änderungen (D. II.) zeigte, erheblich ver­ schärft. Insbesondere die durch den Ankauf von Steuerdaten-CDs gesteiger­ te Entdeckungsgefahr für Steuerpflichtige habe zu einer Flut von Selbstan­ zeigen geführt; in diesem Zusammenhang bestand die Befürchtung, dass das Instrument der Selbstanzeige vielfach lediglich im Rahmen einer Hinterzie­ hungsstrategie missbraucht werde, und dass die Berichtigungen jeweils nur so weit reichen würden, wie Tatentdeckung befürchtet werde779. Dem sollten die Gesetzesänderungen entgegenwirken; auszugsweise finden sich folgende Ausführungen in den Gesetzesmaterialien780: „(…) Die Neuregelung der Selbstanzeige nach § 371 AO hat das Ziel, zu verhin­ dern, dass die Selbstanzeige als Teil einer Hinterziehungsstrategie missbraucht wird. (…) Bloßes Taktieren und Reue nach Stand der Ermittlungen dürften (…) 779  BT-Drucks. 780  BT-Drucks.

17 / 5067 (neu), S. 2. 17 / 5067 (neu), S. 11.



III. Warum überhaupt eine Gesetzesänderung?191 nicht weiter belohnt werden. Dazu beabsichtigen die Gesetzentwürfe, einerseits die Strafbefreiung bei einer bloßen Teilselbstanzeige künftig auszuschließen, und verlegen andererseits den Zeitpunkt, ab dem eine Selbstanzeige nicht mehr straf­ befreiend wirkt, vom Erscheinen des Prüfers auf die Bekanntmachung der Prü­ fungsanordnung vor. (…).“

Mit der Abschaffung der Teilselbstanzeige sollte an die Rechtsprechung des BGH aus dem Jahre 2010781 angeknüpft werden782. Der nun in den §§ 371 Abs. 2 Nr. 3, 398a AO verankerte Zuschlag von 5 % auf die verkürzten Steuern bei Verkürzungen in großem Ausmaß war in den ursprünglichen Gesetzentwürfen der Bundesregierung783 und der Frak­ tionen von CDU / CSU und FDP784 noch nicht enthalten. Diese Verschärfung ergab sich erst nach einer Stellungnahme des Bundesrates785, der zunächst einen pauschalen 5 %igen Zuschlag auf die verkürzten Steuern in allen Fäl­ len der Selbstanzeige unabhängig von der Höhe des Verkürzungsbetrags forderte. Wie man an den nun Gesetz gewordenen §§ 371 Abs. 2 Nr. 3, 398a AO sehen kann, konnte sich der Bundesrat mit dieser Forderung nicht um­ fassend durchsetzen, weil insbesondere Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit eines solchen Zuschlags geäußert wurden786. Die Regelungen der §§ 371, 398a AO stellen einen politischen Kompromiss dar787. Die neuere Rechtsprechung des BGH zur Selbstanzeige788 und die damit einhergehenden Verschärfungen hatten einen nicht unerheblichen Einfluss auf die Neuregelungen der §§ 371, 398a AO789. Durch die Abschaffung der Teilselbstanzeige sollte insbesondere an die Rechtsprechung des BGH ange­ knüpft werden, der die Teilselbstanzeige unter Geltung des § 371 Abs. 1 AO 781  BGHSt

55, 180. 17 / 5067 (neu), S. 19. 783  BT-Drucks. 17 / 4802, S. 5 mit Bezugnahme auf den gleichlautenden Gesetzes­ text in BT-Drucks. 17 / 4182, S. 3 ff. 784  BT-Drucks. 17 / 4182, S. 3. 785  Vgl. dazu BT-Drucks. 17 / 4802, S. 7. 786  Hunsmann, in: BB 2011, 2519 (2519); Beckemper / Schmitz / Wegner / Wulf, in: wistra 2011, 281 (285). 787  Rüping, in: Hübschmann / Hepp / Spitaler, AO / FGO, Bd. IX, § 371 Rdnr. 13; Rolletschke, Steuerstrafrecht, Rdnr. 619a. 788  BGHSt 55, 180. 789  Wessing, in: Flore / Tsambikakis, Steuerstrafrecht, § 371 (n. F.) Rdnr. 7; BRDrucks. 318 / 1 / 10, S. 81; BT-Drucks. 17 / 4802, S. 7; BT-Drucks. 17 / 5067 (neu), S. 19; Zanzinger, in: DStR 2011, 1397 (1400); Hechtner, in: DStZ 2011, 265 (266); Hunsmann, in: NJW 2011, 1482 (1482); Beckemper / Schmitz / Wegner / Wulf, in: wist­ ra 2011, 281 (282); Rüping, in: Hübschmann / Hepp / Spitaler, AO / FGO, Bd. IX, § 371 Rdnr. 12, der zudem in Rdnr. 13 in der Fn. 4 einen chronologischen Überblick über den Gang der politischen Diskussion und zum Gesetzgebungsverfahren zu dem Schwarzgeldbekämpfungsgesetz bietet. 782  BT-Drucks.

192

D. Selbstanzeige nach dem Schwarzgeldbekämpfungsgesetz (2011)

1977 abgeschafft hatte790. Im Rahmen der an der BGH-Rechtsprechung791 geäußerten Kritik [dazu bereits oben C. II. 3. a) bb) (2) (d)] wurde teilwei­ se sogar geäußert, dass durch die Gesetzesänderungen der Gesetzeswortlaut wieder an die Rechtsprechung des BGH angepasst werden solle792. Diese Kritik ist zwar m. E. zu hart, da sich nach hier vertretener Auffassung [C. II. 3. a) bb) (2) (d)] der BGH mit der Abschaffung der Teilselbstanzeige im Rahmen des vom Wortlaut der Norm vorgegebenen Rahmens bewegte und damit nicht gegen Art. 103 Abs. 2 GG verstieß, wenn seine Interpretation des § 371 Abs. 1 AO 1977 auch fernliegend war. Schauf und Schwartz weisen jedoch zutreffend darauf hin793, dass sich scheinbar der Gesetzgeber nicht sicher war, ob die neuere Rechtsprechung des BGH mit dem Wortlaut der Norm vereinbar sei: So führten die Ausschüsse in ihren Empfehlungen an den Bundesrat zu dem Entwurf eines Jahressteuergesetzes 2010, in dem zunächst die Änderung des § 371 AO 1977 vollzogen werden sollte, aus794: „In § 371 Abs. 1 AO geltender Fassung wurde das Wort ‚insoweit‘ in ständiger Rechtsprechung in der Weise ausgelegt, dass auch eine Teilselbstanzeige in der nacherklärten Höhe strafbefreiende Wirkung entfalte. Diese Rechtsprechung hat der Bundesgerichtshof nunmehr aufgegeben. Das Wort ‚insoweit‘ beziehe sich nur auf die Bestrafung der Tat als Steuerhinterziehung. Die neue Formulierung stellt dies jetzt auch im Wortlaut klar (Hervorhebung des Verfassers) und untersagt die gestückelte, mehrfache Selbstanzeige je nach Entdeckungsrisiko.“

Der Entscheidung war nicht eindeutig zu entnehmen, wie umfassend die Angaben des Steuerpflichtigen im Rahmen des § 371 Abs. 1 AO 1977 sein mussten, ob der BGH nun eine Art Lebensbeichte von demjenigen verlangt, der über eine Selbstanzeige Straffreiheit erlangen möchte, und auf welche Besteuerungszeiträume und Steuerarten sich die berichtigenden Angaben beziehen sollten795. Dies führte auch im Gesetzgebungsverfahren zu Verwir­ rung: Die Bundesregierung verstand die Entscheidung des BGH (zunächst796) 790  BT-Drucks. 17 / 5067 (neu), S. 19; BT-Drucks. 17 / 4802, S. 7 f.; BR-Drucks. 318 / 1 / 10, S. 81 zu den ursprünglich geplanten Änderungen bereits im Jahressteuer­ gesetz 2010; vgl. zu der einschlägigen BGH-Rspr. bereits oben C. II. 3. a) bb) (2) (c). 791  BGHSt 55, 180. 792  Schauf / Schwartz, in: PStR 2010, 195 (195). 793  Schauf / Schwartz, in: PStR 2010, 195 (195). 794  BR-Drucks. 318 / 1 / 10, S. 81; Schauf, in: Kohlmann, Steuerstrafrecht, Bd. I, § 371 Rdnr. 67.3. 795  Vgl. dazu ebenfalls bereits oben C. II. 3. a) bb) (2) (c) und hier insbesondere die klarstellenden Äußerungen von Jäger als Mitglied des erkennenden Senats, auf die Wegner, in: PStR 2010, 309 (310) hinweist. 796  So spricht der Abgeordnete Kolbe (CDU / CSU) in der 96. Sitzung des Deut­ schen Bundestags davon, dass nach dem Gesetzentwurf nur noch im Rahmen einer Steuerart umfassend zu berichtigen sei, um Straffreiheit zu erlangen (Plenarprotokoll



IV. Behandlung einer missglückten Selbstanzeige – Der Fall Uli H.193

so, dass der Steuerpflichtige nicht dazu angehalten werden solle, Einzelsachverhalte – sukzessive – zu offenbaren und Teilselbstanzeigen vorzunehmen, sondern alle strafrechtlich noch nicht verjährten Taten der Vergangenheit den Finanzbehörden zur Kenntnis bringen müsse, um Straffreiheit zu erlangen797. Dagegen verstand der Bundesrat die Entscheidung, wie sie offenbar ge­ meint war, nämlich so, dass die berichtigenden Angaben bezogen nur auf eine Steuerart, ein Steuerjahr und eine Steuererklärung umfassend korrekt sein müssen798. Gesetz wurde erstaunlicherweise der oben bereits dargestell­ te „Mittelweg“ zwischen beiden Positionen, nämlich eine Richtigstellung im Hinblick auf sämtliche unverjährten Steuerstraftaten einer Steuerart. Der Gesetzgeber ging damit deutlich über die vom BGH formulierten Einschrän­ kungen der Selbstanzeige hinaus799. Warum sich der Gesetzgeber für diesen Mittelweg entschieden hat, ist – soweit erkennbar – den Gesetzesmaterialien nicht ausdrücklich zu entnehmen800; scheinbar stellt die Entscheidung einen politischen Kompromiss dar, der wohl auch in den Unschärfen der BGHEntscheidung aus dem Jahre 2010 und den dadurch verursachten Verwirrun­ gen seine Ursache hat.

IV. Behandlung einer missglückten Selbstanzeige im Ermittlungs- und Strafverfahren – Der Fall Uli H. Keine Selbstanzeige im Steuerstrafrecht hat in der jüngeren Vergangen­ heit für mehr Aufsehen gesorgt als diejenige des Uli Hoeneß im Januar 2013. Weil anhand seines Falles einige rechtliche Fragestellungen anschau­ lich dargelegt werden können, soll im Folgenden geschildert werden, wie sich – auf Grundlage der erfolgten Presseberichterstattung – der zugrunde­ liegende Sachverhalt in etwa zugetragen haben wird. Anhand dieses Sach­ verhalts wird dann in einem zweiten Schritt aufgezeigt, weshalb die Selbst­ 17 / 96 über die 96. Sitzung des Deutschen Bundestags vom 17.03.2011, S. 10953); auch den Beratungen im Finanzausschuss lag nicht mehr der ursprüngliche Gesetz­ entwurf der Koalitionsfraktionen zugrunde, da die Koalitionsfraktionen im Hinblick auf den Umfang der berichtigenden Angaben einen Änderungsantrag gestellt hatten www.bundestag.de / presse / hib / 2011_03 / 2011_110 / 02.html: Pressemitteilung vom 16.03.2011; BT-Drucks. 17 / 5067 (neu), S. 19]. 797  BT-Drucks. 17 / 4802, S. 10. 798  BT-Drucks. 17 / 4802, S. 7 f. 799  Beckemper / Schmitz / Wegner / Wulf, in: wistra 2011, 281 (282); Helml, Die Re­ form der Selbstanzeige im Steuerstrafrecht, S. 70. 800  Ähnlich Füllsack / Bürger, in: BB 2011, 1239 (1240), die davon sprechen, dass sich die nun endgültige Ausgestaltung des § 371 Abs. 1 AO im Gesetzgebungsver­ fahren nicht angedeutet hatte.

194

D. Selbstanzeige nach dem Schwarzgeldbekämpfungsgesetz (2011)

anzeige des Uli Hoeneß missglückt ist. Abschließend wird dargestellt, in­ wieweit im Fall Hoeneß und ganz allgemein in einem Ermittlungs- oder Strafverfahren auch eine missglückte Selbstanzeige noch Berücksichtigung finden kann. 1. Der Fall Hoeneß: Sachverhalt Der zugrundeliegende Sachverhalt stellt sich – nach der erfolgten Presse­ berichterstattung – in etwa wie folgt dar: Im Jahr 2001 werden Uli Hoeneß 20 Millionen Deutsche Mark von einem Freund zur Verfügung gestellt, mit denen er in der Folge über ein Schweizer Konto bei der Privatbankengrup­ pe Vontobel vor allem in den Jahren 2001 bis 2006 massiv an der Börse spekuliert und teils erhebliche Gewinne erwirtschaftet; zeitweise liegen weit über 100 Millionen Euro in diesem Depot; das Konto und die damit zusam­ menhängenden Gewinne verschweigt Hoeneß den Finanzbehörden801. Nach einigen Jahren sucht Hoeneß offenbar nach einer Möglichkeit, irgendwie den Weg in die Straffreiheit wegen der nicht erklärten Gewinne beschreiten zu können. Zu diesem Zweck hofft er zunächst auf das Zustandekommen des deutsch-schweizerischen Steuerabkommens (hierzu bereits oben B. II. 2.); als sich im Dezember 2012 abzeichnet, dass das Abkommen wohl nicht zustande kommen werde, entscheidet sich Hoeneß nach eigenen Angaben für eine Selbstanzeige802. Als Hoeneß am Nachmittag des 15.01.2013 eine telefonische Mitteilung eines Mitarbeiters der Schweizer Bank erhält, dass am Tag zuvor ein Re­ porter der Zeitung der Stern wegen eines Kontos eines Prominenten aus dem Sportbereich nachgefragt habe, will er sofort eine Selbstanzeige erstat­ ten803. Wegen der Komplexität des Sachverhalts bräuchte es eigentlich eini­ ge Zeit, diese Selbstanzeige vorzubereiten; Hoeneß und sein Team – ein ehemaliger Steuerfahnder, ein Rechtsanwalt und ein Steuerberater – erledi­ gen es offenbar in einer Nacht: Am 16.01.2013 werden die Unterlagen bei der Vontobel angefordert804. Hoeneß’ Bank hat wohl aufgrund der gebotenen 801  Http: /  / www.sueddeutsche.de / news / sport / fussball-hoeness-steuerschuld-im mer-hoeher---272-millionen-im-best-case-dpa.urn-newsml-dpa-com-20090101-1403 11-99-00610; http: /  / www.sueddeutsche.de / sport / chronologie-der-hoeness-affaere-derfall-des-uli-h-1.1674888. 802  Http: /  / www.sueddeutsche.de / sport / chronologie-der-hoeness-affaere-der-falldes-uli-h-1.1674888. 803  Http: /  / www.stern.de / wirtschaft / news / steueraffaere-der-fall-hoeness-2021596. html. 804  Http: /  / www.stern.de / wirtschaft / news / steueraffaere-der-fall-hoeness-2021596. html; http: /  / www.sueddeutsche.de / sport / chronologie-der-hoeness-affaere-der-fall-desuli-h-1.1674888.



IV. Behandlung einer missglückten Selbstanzeige – Der Fall Uli H.195

Eile keine Möglichkeit, die Belege für jede einzelne seiner vielen Transak­ tionen in den Jahren vollständig zusammenzustellen, sodass in der Selbst­ anzeige offenbar nur Jahresendstände saldiert und belegt werden können805. Zudem wird in der Selbstanzeige von Hoeneß’ Steuerberater überhaupt nicht erwähnt, dass in den Jahren 2006 bis 2009 auch Gewinne erwirtschaf­ tet wurden806. Eine Schätzung der Besteuerungsgrundlagen ist in der Selbst­ anzeige scheinbar auch nicht enthalten807. Die Selbstanzeige wird trotz allem am Morgen des 17.01.2013 um 8.15 Uhr beim Finanzamt Rosenheim abge­ geben808. Die Finanzbehörde gibt Hoeneß Gelegenheit, die Selbstanzeige nachzu­ bessern; erst nach Ablauf der dafür gesetzten Frist werden Ermittlungsmaß­ nahmen eingeleitet809. Am 20.03.2013 finden Durchsuchungsmaßnahmen bei Hoeneß statt; er wird aufgrund eines Haftbefehls festgenommen, der gegen Kaution am selben Tag wieder außer Vollzug gesetzt wird810. Am 30.07.2013 wird Anklage zum Landgericht München II erhoben; zur Last gelegt werden Steuerverkürzungen von rund 3,5 Millionen Euro im Zeit­ raum von 2003 bis 2009; der Prozess beginnt nach Eröffnung des Haupt­ verfahrens im März 2014811. Erst wenige Tage vor Prozessbeginn und etwa 13 Monate nach Erstattung der Selbstanzeige werden Staatsanwaltschaft und Steuerfahndung am 27.02.2014 die vollständigen Unterlagen zu Hoeneß’ Selbstanzeige zur Verfügung gestellt812. Zu Beginn der Verhandlung gesteht Hoeneß Steuerschulden in Höhe von 18,5 Millionen Euro; diese Summe 805  Http: /  / www.stern.de / wirtschaft / news / steueraffaere-der-fall-hoeness-2021596.

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806  Http: /  / www.focus.de / finanzen / steuern / steuerprozess_uli_hoeness / hoenessprozess-im-news-ticker-verteidiger-beantragt-bewaehrungsstrafe_id_3684990.html; http: /  / www.n-tv.de / panorama / Verteidigung-hofft-auf-Straffreiheit-fuer-Hoeness-ar ticle12444851.html. 807  Http: /  / www.nzz.ch / aktuell / international / auslandnachrichten / es-wird-eng-fuerhoeness-1.18260704; http: /  / www.focus.de / finanzen / steuern / steuerprozess_uli_hoe ness / hoeness-prozess-im-news-ticker-verteidiger-beantragt-bewaehrungsstrafe_id_36 84990.html. 808  Http: /  / www.sueddeutsche.de / sport / chronologie-der-hoeness-affaere-der-falldes-uli-h-1.1674888. 809  Http: /  / www.sueddeutsche.de / news / sport / fussball-hoeness-steuerschuld-im mer-hoeher---272-millionen-im-best-case-dpa.urn-newsml-dpa-com-20090101140311-99-00610. 810  Http: /  / www.sueddeutsche.de / sport / chronologie-der-hoeness-affaere-der-falldes-uli-h-1.1674888-2. 811  Http: /  / www.sueddeutsche.de / sport / chronologie-der-hoeness-affaere-der-falldes-uli-h-1.1674888-3; http: /  / www.nzz.ch / aktuell / international / auslandnachrichten /  steueraffaere-vorwuerfe-gegen-hoeness-umfassender-als-bekannt-1.18259641. 812  Http: /  / www.n-tv.de / panorama / Verteidigung-hofft-auf-Straffreiheit-fuer-Hoe ness-article12444851.html.

196

D. Selbstanzeige nach dem Schwarzgeldbekämpfungsgesetz (2011)

erhöht sich im Lauf des Prozesses noch einmal auf 27,2 Millionen Euro813. Hoeneß’ Verteidigung stellt sich auf den Standpunkt, dass die Selbstanzeige wirksam gewesen sei, weil anhand der in der Selbstanzeige enthaltenen Daten die Steuerbehörden im Wege der Schätzung die Steuerschuld hätten errechnen können; selbst wenn man von einer „formal“ unwirksamen Selbstanzeige ausgehen wolle, sei sie nichtsdestotrotz vom Willen zur Rück­ kehr in die Steuerehrlichkeit getragen gewesen, was den zentralen Strafzu­ messungsgesichtspunkt darstelle, so dass es nicht auf die Rechtsprechung des BGH zur „Millionengrenze“ ankomme814. Außerdem habe man aufgrund der Angaben in der Selbstanzeige im Wege der Schätzung, die man bei der Finanzverwaltung auch tatsächlich in Form einer Probeberechnung durchge­ führt habe, eine Steuerschuld in der Größenordnung von etwa 70 Millionen Euro errechnen können; die sich im Rahmen der Hauptverhandlung erge­ benden verkürzten Steuern betrügen nur rund 27 Millionen Euro, blieben damit deutlich „unter den in der Selbstmitteilung mitgeteilten Zahlen“815. Diese Argumentation ist in Bezug genommen, wenn in der Presse berichtet wurde, dass die Verteidigung davon ausgehe, dass „die Selbstanzeige sogar eine Hinterziehung von 60 bis 70 Millionen Euro abgedeckt habe“816. Hoeneß wird dennoch zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 3 Jahren und 6 Monaten verurteilt817. Zwischenzeitlich hat sich gezeigt, dass der Stern-Reporter, der im Januar zu dem fraglichen Schweizer Konto recherchierte, am 16. Januar 2013 noch nicht in der Lage war, dieses Konto Hoeneß zuzurechnen818. Am Tag der Selbstanzeige, dem 17.01.2013, veröffentlicht der Stern einen Artikel „über das geheime Fußballkonto“, in dem zwar von einem „Spitzenvertreter aus der Bundesliga“ die Rede ist, Hoeneß aber nicht namentlich genannt wird819. Zudem zeigen eine Aktennotiz vom Februar 2013 sowie die Ver­ nehmung mehrerer Fahnder im Prozess, dass erst am Nachmittag des 17.01.2013 Ermittlungen eingeleitet werden sollten und dass ohne die 813  Http: /  / www.mdr.de / brisant / steuerprozess-hoeness114.html.

814  Http: /  / www.focus.de / finanzen / steuern / steuerprozess_uli_hoeness / hoenessprozess-im-news-ticker-verteidiger-beantragt-bewaehrungsstrafe_id_3684990.html. 815  Http: /  / www.focus.de / finanzen / steuern / steuerprozess_uli_hoeness / hoenessprozess-im-news-ticker-verteidiger-beantragt-bewaehrungsstrafe_id_3684990.html. 816  Http: /  / www.faz.net / aktuell / wirtschaft / recht-steuern / prozess-gegen-uli-hoe ness-anwaelte-halten-selbstanzeige-fuer-wirksam-12843383.html. 817  Http: /  / www.spiegel.de / wirtschaft / soziales / uli-hoeness-urteil-im-steuer-pro zess-gegen-fc-bayern-boss-a-958388.html. 818  Http: /  / www.n-tv.de / panorama / Verteidigung-hofft-auf-Straffreiheit-fuer-Hoe ness-article12444851.html. 819  Http: /  / www.sueddeutsche.de / sport / chronologie-der-hoeness-affaere-der-falldes-uli-h-1.1674888.



IV. Behandlung einer missglückten Selbstanzeige – Der Fall Uli H.197

Selbstanzeige aller Wahrscheinlichkeit nach die Ermittlungen der Behörden ergebnislos verlaufen wären820. 2. Subsumtion Anhand dieses Sachverhalts kann nochmals ergänzend auf einige Rechts­ probleme rund um die Selbstanzeige eingegangen werden: Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass man bei den Finanzbehörden – entgegen der hier vertretenen Auffassung [dazu oben C. II. 3. a) bb) (1)] – im vorliegenden Fall scheinbar von der Anerkennung der Wirksamkeit einer Stufenselbstan­ zeige ausgegangen ist. Dies wird aus der Fristsetzung zur Nachbesserung der Selbstanzeige geschlossen. Außerdem stellt sich im Hoeneß-Fall die Frage der Tatentdeckung [dazu oben C. II. 4. d)] durch den Reporter des Stern. Dieser stand gewiss nicht im Lager des Uli Hoeneß. Hätte er im Zeitpunkt der Selbstanzeige das Konto schon namentlich zuordnen können, wäre er ein tauglicher Entdecker gewesen, da damit zu rechnen gewesen wäre, dass er sein Wissen den Fi­ nanzbehörden offenbart. Er hatte aber den Steuerpflichtigen Hoeneß noch nicht entdeckt. Gleiches gilt für die zuständigen Finanzbehörden, die ohne die Selbstanzeige den Steuerpflichtigen hinter dem Konto wohl nicht ermit­ telt hätten. Das zentrale Problem bei der Selbstanzeige des Uli Hoeneß war die Fra­ ge der Vollständigkeit. Ausgehend von den oben [D. II. 1. a)] dargestellten Grundsätzen war die Selbstanzeige unvollständig. In ihr waren keine Zahlen enthalten, aufgrund derer die Finanzbehörden die tatsächliche Steuerschuld hätten errechnen können. Nicht umsonst hat sein Verteidiger ausgeführt, dass aufgrund der in der Selbstanzeige enthaltenen Fakten die Finanzbehör­ den die tatsächlich bestehene Steuerschuld hätten schätzen können. Dies genügt aber für eine wirksame Selbstanzeige nicht. Es sei nochmals auf die zutreffenden Ausführungen des BGH hingewiesen821: „Es kann nicht verlangt werden, daß das Finanzamt durch die Berichtigung in den Stand gesetzt wird, ohne weitere Aufklärungstätigkeit die nachzufordernde Steuer sofort festzusetzen. Es genügt vielmehr, daß die dem Finanzamt bisher infolge des Verhaltens des Steuerpflichtigen verschlossene Steuerquelle durch dessen eigene 820  Http: /  / www.faz.net / aktuell / wirtschaft / recht-steuern / prozess-gegen-uli-hoe ness-anwaelte-halten-selbstanzeige-fuer-wirksam-12843383.html. http: /  / www.n-tv.de /  panorama / Verteidigung-hofft-auf-Straffreiheit-fuer-Hoeness-article12444851.html. 821  BGH NJW 1974, 2293 (2293); die Entscheidung erging zwar noch zu der Vorgängervorschrift des § 371 AO 1977. Das Berichtigungserfordernis war aber auch dort normiert (vgl. dazu die obigen Ausführungen unter C. I. 6. und 7. zu den Vorgängervorschriften § 410 RAO und § 395 RAO).

198

D. Selbstanzeige nach dem Schwarzgeldbekämpfungsgesetz (2011)

­ ätigkeit offengelegt wird, so daß das Finanzamt auf dieser Grundlage ohne langwie­ T rige Nachforschungen den Sachverhalt aufklären und die Steuer berechnen kann.“

Es genügt damit nicht, dass das Finanzamt in den Stand gesetzt wird, die Steuer ungefähr zu schätzen. Dies stellt noch keine Sachverhaltsaufklärung dar. Auch prozentual gesehen genügte die Selbstanzeige nicht den Anforde­ rungen des § 371 Abs. 1 AO. Wenn man grundsätzlich die Unschädlichkeit geringfügiger Abweichungen bis zu 5 % anerkennt, war dies jedenfalls nicht mehr gegeben. Scheinbar konnte man anhand der Zahlen in der Selbstan­ zeige belastbar eine Steuerverkürzung von rund 3,5 Millionen Euro errech­ nen und der Anklage zugrundelegen. Die nun mindestens verkürzten 27,2 Millionen Euro an Steuern stellen eine Abweichung um ein Vielfaches dar. Außerdem waren Verkürzungen in der Selbstanzeige für die Jahre 2006 bis 2009 gar nicht angegeben. Auch aus diesem Grund entsprach die Selbstanzei­ ge nicht dem Vollständigkeitsgebot des § 371 Abs. 1 AO, wonach alle unver­ jährten Steuerverkürzungen betreffend eine Steuerart offengelegt werden müssen. Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass die Finanzbehör­ den im Wege einer Schätzung nur für die Jahre vor 2006 zu einem Verkür­ zungsumfang von rund 70 Millionen Euro gekommen sind und letztlich für den gesamten Zeitraum bis 2009 eine Verkürzungssumme von 27,2 Millionen Euro zugrunde gelegt wurde; hat sich der Steuerpflichtige in einer Selbstan­ zeige bei einer Tat zu seinen Gunsten und bei einer anderen Tat zu seinen Lasten verrechnet, kann dies nur bei der Frage Berücksichtigung finden, ob eine geringfügige Abweichung vorliegt, da hierbei auf die gesamte Berichti­ gungseinheit abzustellen ist [dazu bereits oben D. II. 1. a) bb)]. Eine solche war vorliegend aber offensichtlich nicht gegeben. Nicht verkannt werden darf auch, dass es Sache des Steuerpflichtigen ist, eine Schätzung vorzunehmen, wenn er (noch) keine exakte Berechnung vornehmen kann [dazu bereits oben C. II. 3. a) bb) (1)]. Auch dies ist vorliegend nicht geschehen. Unabhängig davon kann in Konstellationen wie der vorliegenden, in de­ nen für einzelne Besteuerungszeiträume überhaupt keine berichtigenden Angaben gemacht werden, keine Verrechnung der unrichtigen Angaben stattfinden. Hinterziehungsstrategien wäre Tür und Tor geöffnet: Der Steu­ erpflichtige, der in zwei Jahren Steuerverkürzungen begangen hat, könnte nur eine Selbstanzeige für ein Jahr abgeben und die Selbstanzeige mit einer großzügigen Schätzung versehen, in der im Umfang auch die Falschangaben für das nicht berichtigte Jahr enthalten wären. Würde die zweite Steuerhin­ terziehung entdeckt, wäre sie dennoch nicht mehr zu bestrafen, da sie zah­ lenmäßig in der Selbstanzeige enthalten war. Dies wäre keinesfalls anzuer­ kennen und widerspricht auch offensichtlich dem Wortlaut des § 371 Abs. 1 AO. Zu guter Letzt spricht auch gegen die Anerkennung einer solchen Verrechnung, dass Schätzungen häufig deswegen vorgenommen werden,



IV. Behandlung einer missglückten Selbstanzeige – Der Fall Uli H.199

weil die für eine exakte Berechnung der geschuldeteten Steuern erforderli­ chen Zahlen noch nicht greifbar sind; die Unterlagen werden aber häufig – wie im Fall Hoeneß – später nachgereicht und die Summen exakt berech­ net. Spätestens in diesem Zeitpunkt sind andere nicht erklärte Steuerverkür­ zungen auch im Volumen der angezeigten Steuerverkürzung(en) nicht mehr enthalten. Weil die Selbstanzeige nicht dem Vollständigkeitsgebot des § 371 Abs. 1 AO genügte, war die Selbstanzeige insgesamt unwirksam. Folgerich­ tig wurde Hoeneß der Steuerhinterziehung schuldig gesprochen. 3. Die missglückte Selbstanzeige im Allgemeinen und im Besonderen Eine Selbstanzeige kann aus verschiedenen Gründen missglückt sein. Sie kann z. B. unvollständig sein im Sinne des § 371 Abs. 1 AO, es können im Zeitpunkt der Selbstanzeige ein oder mehrere Sperrgründe im Sinne des § 371 Abs. 2 AO verwirklicht sein, oder der Steuerpflichtige ist seiner Nachentrichtungspflicht gemäß § 371 Abs. 3 AO nicht oder nur teilweise nachgekommen. In den Fällen des § 371 Abs. 2 Nr. 3 AO und des § 371 Abs. 3 AO kann eine Selbstanzeige auch teilweise missglückt sein, da hier nicht auf die Berichtigungseinheit abgestellt wird, so dass auch einzelne Taten derselben Steuerart ein unterschiedliches Schicksal nehmen können [dazu im Einzelnen oben D. II. 2. e) cc) und 3.]. Ist eine Selbstanzeige missglückt, ist die Erlangung von Straffreiheit aus­ geschlossen. Ist also beispielsweise – wie bei Hoeneß – die Selbstanzeige bezogen auf eine Steuerart unvollständig, so ist die Erlangung von Straffrei­ heit für sämtliche Steuerstraftaten dieser Steuerart ausgeschlossen. Der Steuerpflichtige hat aber nichtsdestotrotz eine Selbstanzeige erstattet, im Rahmen derer er sich in mehr oder weniger erheblichem Umfang selbst belastet und zur Tatermittlung beigetragen hat. Es stellt sich daher die Fra­ ge, ob und inwieweit eine missglückte Selbstanzeige im Ermittlungs- und Strafverfahren Berücksichtigung finden kann. Diese Frage gewinnt an Be­ deutung, da mit dem Schwarzgeldbekämpfungsgesetz durch die Statuierung des Vollständigkeitsgebots bezogen auf eine Steuerart, und wegen zahlrei­ cher Fragen und Probleme, die die Neuregelung aufwirft, die Erstattung einer wirksamen Selbstanzeige deutlich schwieriger geworden ist. Unstreitig ist, dass eine missglückte Selbstanzeige dem Grunde nach strafmildernd berücksicht werden und unter Umständen sogar zu einer Einstellung im Ermittlungsverfahren gemäß § 398 AO, §§ 153, 153a StPO führen kann822. 822  Wessing, in: Flore / Tsambikakis, Steuerstrafrecht, § 371 (n. F.) Rdnr. 201; Jäger, in: Klein, AO, 11. Aufl., § 371 Rdnr. 29; Webel, in: Schwarz, AO, Bd. 4, § 371 Rdnr. 50g.

200

D. Selbstanzeige nach dem Schwarzgeldbekämpfungsgesetz (2011)

Fraglich ist jedoch der Umfang der strafmildernden Wirkung. Soweit er­ kennbar, wurde bislang erst in einem einzigen Beitrag823 der Versuch unter­ nommen, die Antworten auf diese Frage zu systematisieren. Klarzustellen ist, dass bei der Strafzumessung stets alle Umstände des Einzelfalls Berück­ sichtigung finden müssen (§ 46 StGB). Es wäre unmöglich, an dieser Stelle auf alle denkbaren Einzelkonstellationen und Variationen einzugehen und die jeweiligen Strafzumessungskriterien herauszuarbeiten. Im Rahmen der folgenden Ausführungen sollen daher grundlegende Erwägungen angestellt werden; es wird letztlich ein Rahmen aufgespannt, in dem sich die Strafzu­ messung bewegen muss; es werden Grenzen aufgezeigt, die im Rahmen der Strafzmessung nicht überschritten werden dürfen, ohne den verbleibenden Raum für die jeweilige Einzelfallbetrachtung zu sehr einzuengen. Dabei wird in einem ersten Schritt auf unvollständige Selbstanzeigen, in einem zweiten Schritt auf Selbstanzeigen eingegangen, in denen ein Sperrgrund zum Tragen kommt. In einem dritten Schritt wird dargelegt, wie sich Selbst­ anzeigen auswirken, die wegen Nichterfüllung der Voraussetzungen des § 371 Abs. 3 AO unwirksam sind, in einem vierten Schritt werden ausge­ wählte Detailprobleme behandelt. a) Als Ausgangspunkt der Betrachtung der Strafzumessungskriterien bei einer wegen Unvollständigkeit missglückten Selbstanzeige soll folgender Gedanke dienen: Man könnte sich fragen, ob nicht folgende „Rechnung“ zu sachgerechten Ergebnissen führen würde: Wer Steuern in Höhe von 1 Mil­ lion Euro verkürzt und später in einer Selbstanzeige 500.000 € berichtigt, könnte bestraft werden wie ein Steuerhinterzieher, der von Haus aus nur 500.000 € verkürzt hat und gar keine Selbstanzeige erstattet hat. Diese „Rechnung“ ist strikt abzulehnen, da dies faktisch wieder zur Anerkennung einer Teilselbstanzeige führen würde, welche der Gesetzgeber bewusst ab­ geschafft hat. Dies stellt gleichzeitig die erste Grenze dar: Ergebnis der Strafzumessung darf nicht sein, dass der Erstatter einer Teilselbstanzeige so bestraft wird wie ein im Übrigen vergleichbarer Steuerhinterzieher, der so viele Steuern verkürzt hat, wie der Anzeigeerstatter in der Selbstanzeige verschwiegen hat; er muss härter bestraft werden. In der Praxis dürften hier die jeweiligen Maßstäbe und „Straftarife“ im jeweiligen Gerichtsbezirk für die Ziehung dieser ersten Trennlinie taugliche Anhaltspunkte bieten. Die nächste Weichenstellung ist die Unterscheidung von dolosen und undolosen Teilselbstanzeigen824. Ausgehend vom Willen des Gesetzgebers, planvolle Hinterziehungsstrategien zu unterbinden, kann die Teilselbstanzei­ ge desjenigen, der absichtlich nur zum Teil berichtigt, nicht in gleichem Maße zu seinen Gunsten berücksichtigt werden wie diejenige des Steuer­ 823  Webel, 824  Diese

in: PStR 2014, 70. Weichenstellung nimmt auch Webel, in: PStR 2014, 70 (71) vor.



IV. Behandlung einer missglückten Selbstanzeige – Der Fall Uli H.201

pflichtigen, dessen Selbstanzeige nur aus Versehen in gleichem Umfang unvollständig ist. Dies ist eine zweite Grenze, die es zu beachten gilt. M. E. ist es aber unzutreffend825, die – wenn auch dolose – Teilselbstan­ zeige im Rahmen der Strafzumessung überhaupt nicht zu Gunsten des Steuerpflichtigen zu berücksichtigen. Man betrachte wiederum zwei Steuer­ pflichtige: Beide verkürzen 1 Million Euro, nur einer von beiden erstattet eine Selbstanzeige über 500.000 €, weil er glaubt, dass die weiteren 500.000 € ohnehin nicht entdeckt werden. Der Andere erstattet überhaupt keine Selbstanzeige. Würde man die dolose Teilselbstanzeige gar nicht strafmildernd werten, würden bei ansonsten gleichen Rahmenbedingungen beide Steuerpflichtige gleich bestraft. Dies würde einen Verstoß gegen Art. 3 GG darstellen, weil Ungleiches gleich behandelt würde. Dieser Gedanke beinhaltet zugleich eine dritte Grenze, die es zu beachten gilt: Ein Steuer­ pflichtiger, der eine dolose Teilselbstanzeige erstattet hat, darf nicht genau so hart bestraft werden wie ein Steuerpflichtiger, der überhaupt keine Selbstanzeige erstattet und die gleiche Summe an Steuern verkürzt hat. Diese Grenze gilt es für den Steuerpflichtigen, der eine undolose Teilselbst­ anzeige erstattet hat, erst recht zu beachten. Der Umfang der Strafmilderung ist dann abhängig vom Umfang der Unvollständigkeit und bei undolosen Abweichungen zusätzlich davon, wie leicht der Fehler zu erkennen war826. Bei Bagatellabweichungen bis zu 5 % ist die Erlangung von Straffreiheit nicht ausgeschlossen [dazu ausführlich oben D. II. 1. a) bb)]. In diesem Zusammenhang kann ein weiterer Grundsatz aufgestellt werden: Der im Rahmen der Strafzumessung zu machende Strafabschlag ist umso höher, je näher die Abweichung an der 5 %-Grenze liegt827. b)  Ist ein Sperrgrund gegeben, so ist vor allem in den Fällen des § 371 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 AO die Situation die Folgende: Tatentdeckung ist eingetreten oder droht aufgrund der Ermittlungshandlungen der Behörden. Eine Rückkehr in die Steuerehrlichkeit hat hier „keinen großen Wert“ mehr, weder aus fiskalischen Gründen noch aus Gründen der Honorierung der jeweiligen Handlung; Strafmilderung aufgrund einer dennoch abgegebenen Selbstanzeige kann daher allenfalls in geringem Umfang erfolgen828. c) Liegt eine vollständige Selbstanzeige im Sinne des § 371 Abs. 1 AO vor und kein Sperrgrund im Sinne des § 371 Abs. 2 AO, kann eine wirk­ same Selbstanzeige daran scheitern, dass die geschuldeten Steuern gemäß 825  So aber Webel, in: PStR 2014, 70 (71), der diese Aussage lediglich dahinge­ hend relativiert, dass eine geringe Strafmilderung in Betracht komme, wenn teilwei­ se die verkürzten Steuern erstattet wurden. 826  Ähnlich Webel, in: PStR 2014, 70 (71). 827  Webel, in: PStR 2014, 70 (71). 828  Ähnlich Webel, in: PStR 2014, 70 (72) mit Beispielen.

202

D. Selbstanzeige nach dem Schwarzgeldbekämpfungsgesetz (2011)

§ 371 Abs. 3 AO nicht oder nicht vollständig entrichtet werden. Hier ist jedenfalls eine erhebliche Strafmilderung zu gewähren: Der Steuerpflichtige hat den Willen, vollständig in die Steuerehrlichkeit zurückzukehren, nur häufig keine ausreichenden Geldmittel, um die Steuerschuld zu begleichen. Nach hier vertretener Auffassung (D. II. 3.) tritt bei teilweiser Nachentrich­ tung auch teilweise Straffreiheit ein, sofern die Steuern bezogen auf eine Tat vollständig entrichtet wurden; für diese Tat kommt es folgerichtig nicht mehr auf Strafzumessungserwägungen an. Im Übrigen kommt eine Anwen­ dung des § 46a Nr. 2 StGB und, wenn der Umfang der entrichteten Steuern nicht für dessen Anwendung genügt, ganz allgemein eine Strafmilderung in Abhängigkeit vom Umfang der Nachentrichtung in Betracht. Dies wird vor allem eine Rolle spielen, wenn für einzelne Taten nur teilweise nachentrich­ tet wurde. Auch bei gänzlich fehlender Nachzahlung (für einzelne oder alle Taten) kommt eine Strafmilderung in Betracht, da auch hier eine Rückkehr in die Steuerehrlichkeit vorliegt und bislang unbekannte Steuerquellen er­ schlossen werden, die zwar nicht im Rahmen der nach § 371 Abs. 3 AO bestimmten Frist zu einem Geldzufluss in die Staatskasse führen, mögli­ cherweise aber zu einem späteren Zeitpunkt829. d) Webel stellt richtigerweise folgende Grundregel auf: Die Strafmilde­ rung müsse umso großzügiger ausfallen, „je knapper die Selbstanzeige gescheitert ist“830. Sind die Milderungsgründe von ausreichendem Gewicht, so kommt bereits im Ermittlungsverfahren eine Anwendung der §§ 153, 153a StPO und § 398 AO in Betracht831. Da – wie bereits beschrieben – die Darstellung sämtlicher denkbarer Einzelkonstellationen an dieser Stelle nicht möglich ist, soll im Folgenden nur auf einzelne Detailfragen eingegan­ gen werden, die sich insbesondere auch im Fall des Uli Hoeneß gestellt haben: aa) Ausgangspunkt der weiteren Überlegungen ist, dass im Fall des Uli Hoeneß ganz erhebliche Strafmilderungsgründe durch das erkennende Ge­ richt gesehen wurden. Anders wäre es kaum zu erklären, dass bei einem Verkürzungsbetrag von rund 27 Millionen Euro (nur) eine Gesamtfreiheits­ strafe von 3 Jahren und 6 Monaten verhängt wurde. Außerdem zeigt sich, dass eine Strafzumessung nur bezogen auf den jeweiligen Einzelfall möglich ist: So bewegt sich die Selbstanzeige des Uli Hoeneß zwischen den oben beschriebenen Kategorien der dolosen und der undolosen Selbstanzeige: Einerseits war die Selbstanzeige wohl vom Willen zur vollständigen Rück­ kehr in die Steuerehrlichkeit getragen, auf der anderen Seite aber mangels greifbarer Unterlagen bewusst unvollständig. Weiter war die Selbstanzeige zum Ganzen Webel, in: PStR 2014, 70 (72 f.). in: PStR 2014, 70 (73). 831  Webel, in: PStR 2014, 70 (73). 829  Vgl.

830  Webel,



IV. Behandlung einer missglückten Selbstanzeige – Der Fall Uli H.203

nicht nur in geringem Umfang – keinesfalls in der Nähe der 5 %-Grenze – unvollständig, sondern in erheblichem Umfang. Eine Berechnung der ver­ kürzten Steuern war anhand der Selbstanzeige nicht möglich. Auch wenn freiwilliges Handeln für eine wirksame Selbstanzeige nicht erforderlich ist, kann es natürlich sein, dass jemand eine Selbstanzeige aus freien Stücken ohne befürchtete Tatentdeckung erstattet. Ist eine solche Selbstanzeige dann unvollständig, wird sie sich in größerem Umfang strafmildernd auswirken, als bei einem Steuerpflichtigen, der die Steuerfahndung auf seinen Fersen wähnt. Ein solches Strafmilderungskriterium war bei Hoeneß jedenfalls nicht gegeben, weil er unmittelbar befürchtete, durch die Recherchen des Stern entdeckt zu werden. Von einer (missglückten) Selbstanzeige aus freien Stücken kann keine Rede sein. bb)  Eine weitere Frage stellt sich – allgemein und im Fall Hoeneß – bei Steuerverkürzungen von über einer Million Euro. Nach der zutreffenden Rechtsprechung des BGH832 kommt eine bewährungsfähige Strafe bei Steu­ erverkürzungen von über einer Million Euro nur ausnahmsweise bei besonders gewichtigen Milderungsgründen in Betracht. Es stellt sich daher die Frage, ob eine missglückte Selbstanzeige einen solchen Milderungsgrund darstellen kann. M. E. ist dies grundsätzlich zu bejahen. Aber auch hier ist auf den jeweiligen Einzelfall abzustellen, so dass wiederum nur ein paar grundlegende Erwägungen angestellt werden können: Von einem ganz ge­ wichtigen Milderungsgrund wird man nicht sprechen können, wenn die Selbstanzeige dolos im Rahmen einer Hinterziehungsstrategie missbraucht wurde und deswegen unvollständig war; hier fehlt der vom Gesetzgeber grundsätzlich geforderte Wille zur Rückkehr in die Steuerehrlichkeit. Man wird also nur bei undolosen Teilselbstanzeigen von einem gewichtigen Mil­ derungsgrund sprechen können. Bei einem Scheitern der Selbstanzeige wegen des Eintritts eines Sperr­ grundes wird nach den obigen Ausführungen die Strafe allenfalls geringfü­ gig gemildert, so dass auch in diesen Fällen nicht von einem gewichtigen Milderungsgrund gesprochen werden kann. Anders verhält sich dies bei ei­ nem Scheitern wegen nur teilweiser Nachentrichtung der verkürzten Steu­ ern. Hier kommt grundsätzlich eine größere Strafmilderung in Betracht, so dass unter Umständen auch eine bewährungsfähige Strafe möglich erscheint. Es gilt jedenfalls wieder der obige Grundsatz: Je knapper eine wirksame Selbstanzeige verfehlt wurde, desto umfangreicher sollte die Strafmilderung ausfallen, desto wahrscheinlicher wird auch bei einem Verkürzungsbetrag von über einer Million Euro eine bewährungsfähige Strafe. Bezugnehmend auf den Fall Hoeneß wurde eine wirksame Selbstanzeige nicht nur knapp verfehlt, so dass das Gericht m. E. zutreffend davon ausge­ 832  BGHSt

53, 71 (86).

204

D. Selbstanzeige nach dem Schwarzgeldbekämpfungsgesetz (2011)

gangen ist, dass die Milderungsgründe für eine bewährungsfähige Gesamt­ freiheitsstrafe kein ausreichendes Gewicht hatten. Schließlich war auch zu sehen, dass die Millionen-Grenze im Fall Hoeneß nicht nur knapp über­ schritten war, sondern deutlich. Auch dies stellt einen in der Strafzumessung zu berücksichtigenden Gesichtspunkt dar. cc)  Zuletzt könnte man sich noch die Frage stellen, ob Steuerberaterver­ schulden (zu denken wäre auch an ein Verschulden des Rechtsanwalts) bei der Erstattung einer missglückten Selbstanzeige im Rahmen der Strafzumes­ sung Berücksichtigung finden kann. Das Risiko einer missglückten Selbst­ anzeige trägt der Steuerpflichtige. Dies gilt auch bei Steuerberaterverschul­ den. Dies ergibt sich schon aus dem Wortlaut der Norm, die nicht danach unterscheidet, auf wessen Verschulden die Unwirksamkeit beruht. Aufgrund des Ausnahmecharakters des § 371 AO verbietet sich eine Analogie in bonam partem [dazu ausführlich oben C. II. 4. d) cc)] dahingehend, dass auch die wegen eines Steuerberaterverschuldens unvollständige Selbstanzeige strafbefreiend wirkt, wenn der Steuerpflichtige vollständig zur Steuerehr­ lichkeit zurückkehren wollte. Zwar würde sich eine derartige Analogie noch in dem Bereich der Ausnahmevorschrift selbst bewegen. Der Fall einer unwirksamen Selbstanzeige wegen Steuerberaterverschuldens ist aber deut­ lich zu unterscheiden vom Fall der wirksamen Selbstanzeige; anders ausge­ drückt fehlt es an einer für eine Analogie erforderlichen Ähnlichkeit der beiden Konstellationen. Im Hinblick auf den Ausnahmecharakter des § 371 AO ist es wahrscheinlicher, dass der Gesetzgeber den Fall des Steuerbera­ terverschuldens bewusst nicht in das Gesetz aufgenommen hat. Für eine Anerkennung von Steuerberaterverschulden als unschädlich bräuchte es daher eine Gesetzesänderung. Da dies aber faktisch auf eine Zurechnung von Steuerberaterverschulden zu Lasten des Steuerpflichtigen hinausläuft, stellt sich nun die Ausgangsfra­ ge, ob im Rahmen der Strafzumessung zugunsten des Steuerpflichtigen Abschläge zu machen sind. Dies ist grundsätzlich zu bejahen. Es ist jedoch folgende Unterscheidung zu machen: Beruht die missglückte Selbstanzeige auf dolosen Teilangaben, wird sich die Frage des Steuerberaterverschuldens nicht stellen, da es in der Regel die Entscheidung des Steuerpflichten sein wird, nur teilweise zu berichtigen. In ähnlicher Form ist bei den Sperrgrün­ den des § 371 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 AO kaum ein Steuerberaterverschulden denkbar, da dieser grundsätzlich keinen Einfluss auf die Frage der Tatent­ deckung hat. Möglich wären allenfalls schuldhafte Verzögerungen durch den Steuerberater bei der Erstattung der Selbstanzeige, was dann eine Tat­ entdeckung ermöglicht. Virulent wird die Frage des Steuerberaterverschul­ dens vor allem bei undolosen Unrichtigkeiten (Beispiel: Der Steuerberater vergisst, Gewinne für ein Jahr zu erklären; so wohl auch wieder im Fall Hoeneß für die Gewinne aus den Jahren 2006 bis 2009). Für diese Kon­



V. Übergangsregelung für Altfälle: Art. 97 § 24 EGAO205

stellation kann man sich grundsätzlich an den obigen Ausführungen orien­ tieren. Ausschlaggebend ist, dass der Wille zur vollständigen Rückkehr in die Steuerehrlichkeit gegeben ist. Im Vergleich zu einer eigenen undolos unvollständigen Selbstanzeige wird man im vorliegenden Fall noch einen etwas größeren Abschlag zugunsten des Steuerpflichtigen machen müssen, da bei Steuerberaterverschulden in der Regel überhaupt kein Verschulden des Steuerpflichtigen gegeben ist.

V. Übergangsregelung für Altfälle: Art. 97 § 24 EGAO Art. 97 § 24 EGAO wurde mit dem Schwarzgeldbekämpfungsgesetz ein­ geführt und trat ebenfalls am 03.05.2011 mit Wirkung ausschließlich für die Vergangenheit in Kraft833; er lautet wie folgt834: Bei Selbstanzeigen nach § 371 der Abgabenordnung, die bis zum 28. April 2011 bei der zuständigen Finanzbehörde eingegangen sind, ist § 371 der Abgabenord­ nung in der bis zu diesem Zeitpunkt geltenden Fassung mit der Maßgabe anzu­ wenden, dass im Umfang der gegenüber der Finanzbehörde berichtigten, ergänzten oder nachgeholten Angaben Straffreiheit eintritt. Das Gleiche gilt im Fall der leichtfertigen Steuerverkürzung für die Anwendung des § 378 Absatz 3 der Abga­ benordnung.

Damit wurde denjenigen Steuerpflichtigen Vertrauensschutz gewährt, die im Vertrauen auf die frühere Rechtsprechung des BGH zur Wirksamkeit von Teilselbstanzeigen eine solche erstattet hatten. In den Gesetzesmaterialien ist die Rede davon, dass solche Steuerpflichtigen „sozusagen in eine Falle gelaufen“ seien835. Die Regelung stellt damit eine unmittelbare Reaktion auf die Entscheidung des BGH vom 20.05.2010836 dar. Die grundsätzliche Gewährung von Vertrauensschutz ist zu begrüßen. Zweifelhaft ist jedoch, ob der Gesetzgeber das Datum, bis zu welchem Vertrauensschutz gewährt wird, zutreffend gewählt hat. Bei dem in der Norm gewählten Datum (28.04.2011) handelt es sich um das des Gesetzes, weder das des Inkrafttretens (03.05.2011) noch das der Entscheidung des BGH (20.05.2010) oder deren Veröffentlichung (28.05.2010)837. Teilweise wird deswegen kritisiert, dass nicht nachvollziehbar sei, warum Vertrauens­ schutz nicht bis zu der Entscheidung des BGH oder deren Veröffentlichung gewährt wurde; schließlich bestehe doch ab diesem Zeitpunkt kein schüt­ 833  Jäger, in: Klein, AO, 11. Aufl., § 371 Rdnr. 96; Schauf, in: Kohlmann, Steu­ erstrafrecht, Bd. I, § 371 Rdnr. 67.6. 834  BGBl. I 2011, S. 677. 835  BT-Drucks. 17 / 5067 (neu), S. 20. 836  BGHSt 55, 180. 837  Schauf, in: Kohlmann, Steuerstrafrecht, Bd. I, § 371 Rdnr. 67.6.

206

D. Selbstanzeige nach dem Schwarzgeldbekämpfungsgesetz (2011)

zenswertes Vertrauen von Steuerpflichtigen mehr, die Teilselbstanzeigen erstatteten838. Diese Argumentation ist durchaus nachvollziehbar. Dennoch ist es auch vertretbar, dass der Gesetzgeber einen anderen Zeitpunkt gewählt hat: Geht man mit der – nicht unumstrittenen839 – Auffassung der obergerichtlichen Rechtsprechung840 davon aus, dass eine Änderung der höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht dem Rückwirkungsverbot unterfalle, ist die Folge daraus, dass die Änderung der Rechtsprechung in der Rechtsanwendung in letzter Konsequenz keine Zäsur darstellt: Sowohl für den Zeitraum vor als auch nach der Entscheidung des BGH geht derselbe von der grundsätzlichen Unwirksamkeit von Teilselbstanzeigen aus. Umgekehrt ist es dann auch vertretbar und konsequent, wenn der Gesetzgeber mit der Anerkennung von Teilselbstanzeigen durch Art. 97 § 24 EGAO eine Zäsur nicht schafft, die die BGH-Entscheidung auch nicht gesetzt hat. Schließlich hätte dies zur Folge gehabt, dass bei gleichbleibendem Gesetzeswortlaut des § 371 AO a. F. für den Zeitraum bis zur Entscheidung des BGH Teilselbstanzeigen anerkannt worden wären, für den Zeitraum von der Entscheidung bis zum Schwarzgeldbekämpfungsgesetz nicht. Gerade vor dem Hintergrund des gleichbleibenden Gesetzeswortlauts ist aus Gründen der Gleichbehandlung die Entscheidung des Gesetzgebers vertretbar. Zwingend geboten war dies gerade aus Gründen der Gleichbehandlung m. E. aber nicht: Die Tatsache, dass ab Veröffentlichung der Entscheidung des BGH kein schützensenswer­ tes Vertrauen mehr in die Anerkennung von Teilselbstanzeigen bestehen konnte, wäre tauglicher Differenzierungsgrund für eine Ungleichbehandlung von Teilselbstanzeigen vor und nach der Entscheidung des BGH gewesen. Jedenfalls hätte der Gesetzgeber aber das Datum des Inkrafttretens des Schwarzgeldbekämpfungsgesetzes wählen sollen, da nun in der Zeit zwi­ schen dem 28.04.2011 (Tag des Gesetzes) und dem 03.05.2011 (Tag des Inkrafttretens) nach dem Gesetzswortlaut für nur wenige Tage bei § 371 AO a. F. die Auslegung des BGH zur Unwirksamkeit von Teilselbstanzeigen anzuwenden ist, was wohl kaum von dem Gesetzgeber gewollt gewesen und aus Gründen der Gleichbehandlung wohl kaum zu rechtfertigen sein kann841.

838  Schauf, in: Kohlmann, Steuerstrafrecht, Bd. I, § 371 Rdnr. 67.6 m. w. N.; ähn­ lich Hechtner, in: DStZ 2011, 265 (274). 839  Einen ausführlichen Überblick über den Streitstand bietet Dannecker, in: Leipziger Kommentar, Bd. 1, § 1 Rdnr. 432 ff. 840  Fischer, StGB, § 1 Rdnr. 31 m. w. N. 841  Ähnlich Schauf, in: Kohlmann, Steuerstrafrecht, Bd. I, § 371 Rdnr. 67.6.

E. Schlussbetrachtung Das Rechtsinstitut der Selbstanzeige hat eine lange Tradition und geht bis in das 19. Jahrhundert zurück. Es rechtfertigt sich schon von Beginn an aus fiskalischen Gründen, die auch heute noch eine wesentliche Bedeutung ha­ ben. Daneben soll die Rückkehr in die Steuerehrlichkeit honoriert und er­ leichtert werden, wobei dem Gesichtspunkt der Erleichterung ein größerer Stellenwert zukommt, da Freiwilligkeit gerade keine Voraussetzung einer wirksamen Selbstanzeige ist. Die Selbstanzeige steht mit verschiedenen staatlichen Maßnahmen in Wechselwirkung. Von besonderer Relevanz ist hier der staatliche Ankauf von sog. Steuerdaten-CDs, der die Zahl der Selbstanzeigen in der Bundes­ republik Deutschland in den vergangenen Jahren massiv ansteigen ließ. In diesem Zusammenhang ist festzustellen, dass der Ankauf von derartigen CDs zu unterbleiben hat, weil sich sowohl der ausländische Verkäufer als auch die deutschen Ankäufer nach deutschem Strafrecht strafbar machen. Einen Einfluss auf die Verwertbarkeit der Daten-CDs hat dies nach hier vertretener Auffassung nicht. Die Selbstanzeige stellt im Hinblick auf ihre Rechtsnatur einen persön­ lichen Strafaufhebungsgrund dar. Sofern die Norm des § 371 AO Ausle­ gungsspielraum bietet, sind insbesondere wegen ihres Ausnahmecharakters eine restriktive Auslegung des § 371 Abs. 1 AO und eine extensive Ausle­ gung der Sperrgründe angezeigt, was die Erlangung von Straffreiheit er­ schwert. Die Selbstanzeige ist verfassungsgemäß. Dies galt schon für die Regelung vor dem Schwarzgeldbekämpfungsgesetz und es gilt für die Neufassung erst recht, da die Möglichkeiten zur Erlangung von Straffreiheit eingeschränkt wurden. Eine Ausdehnung auf andere Vermögensdelikte wie in Österreich wäre wünschenswert, um dem „Image“ der Steuerhinterzie­ hung als Kavaliersdelikt entgegen zu wirken. Zunächst war über Jahre hinweg die Erstattung von sog. Teilselbstanzei­ gen insbesondere in der höchstrichterlichen Rechtsprechung anerkannt. Die Selbstanzeige konnte damit im Rahmen einer Hinterziehungsstrategie miss­ braucht werden, indem nur soweit berichtigt wurde, als mit Tatentdeckung gerechnet wurde. Insoweit führte dann die Selbstanzeige auch zu Straffrei­ heit. Diese Rechtsprechung gab der BGH in einer vielfach kritisierten Ent­ scheidung vom 20.05.2010 auf.

208

E. Schlussbetrachtung

Im Rahmen der in § 371 Abs. 2 AO normierten Sperrgründe – sowohl vor als auch nach dem Schwarzgeldbekämpfungsgesetz – tritt offen zu Tage, dass der Gesetzgeber die Begriffe des Täters, des Teilnehmers und des Be­ teiligten immer wieder vermischt und nicht zutreffend anwendet. In § 371 Abs. 2 Nr. 2 AO hat dies zur Folge, dass die subjektiven Voraussetzungen des Sperrgrundes im Wege einer Analogie auch auf den Teilnehmer anwend­ bar sind, obwohl nur der Täter in der Vorschrift genannt ist. Einer Analogie in bonam partem steht vorliegend der Ausnahmecharakter der Vorschrift nicht entgegen, da es sich um eine Analogie in der Ausnahme handelt. Dies gilt auch nach dem Schwarzgeldbekämpfungsgesetz fort. Im Falle der Be­ kanntgabe einer Prüfungsanordnung gemäß § 371 Abs. 2 Nr. 1 lit. a AO und der Bekanntgabe der Einleitung des Ermittlungsverfahrens gemäß § 371 Abs. 2 Nr. 1 lit. b AO ist wiederum nur der Täter im Gesetz genannt. Eine Anwendung auf den Teilnehmer würde aber eine Analogie zu seinen Lasten darstellen, welche Art. 103 Abs. 2 GG untersagt. Dies gilt insbesondere nach dem Schwarzgeldbekämpfungsgesetz. Im Jahr 2011 gab es eine weitreichende Gesetzesänderung durch das Schwarzgeldbekämpfungsgesetz. Eine Verschärfung des Rechtsinstituts der Selbstanzeige wurde bereits vor der eben genannten Entscheidung des BGH wegen des starken Anstiegs der eingereichten Selbstanzeigen disku­ tiert. Der Gesetzgeber versuchte im Rahmen des Schwarzgeldbekämp­ fungsgesetzes, die Vorgaben des BGH aus seiner Entscheidung vom 20.05.2010 umzusetzen, entschied sich jedoch offenbar wegen einiger „Unschärfen“ in der Entscheidung für eine gesetzliche Formulierung, die weit über die Vorgaben des BGH hinausging: Der BGH bezog die Ab­ schaffung einer Teilselbstanzeige auf teilweise Berichtigungen innerhalb einer Steuerart, eines Besteuerungszeitraums und einer Steuererklärung. Nach der Neufassung des Gesetzes muss der Steuerpflichtige nun sämtli­ che unverjährte Steuerstraftaten bezogen auf eine Steuerart offenlegen, um Straffreiheit zu erlangen. Geringfügige Unrichtigkeiten von in der Regel bis zu 5 % sind dabei grundsätzlich unschädlich. Dies ergibt sich nicht aus dem Gesetz, sondern aus einer gebotenen Analogie. Spiegelbildlich dazu wurden die Sperrgründe ebenfalls erheblich zu Lasten des Steuerpflichti­ gen verschärft: So entfaltet grundsätzlich ein Sperrgrund, wenn er nur für einen Besteuerungszeitraum verwirklicht ist, Sperrwirkung für sämtliche Zeiträume der betroffenen Steuerarten. Eine Selbstanzeige in Stufen ist nach nach den Änderungen durch das Schwarzgeldbekämpfungsgesetz erst recht abzulehnen. Eine weitere wesentliche Neuerung durch das Schwarzgeldbekämpfungs­ gesetz ist die Neueinführung der §§ 371 Abs. 2 Nr. 3, 398a AO. Danach tritt bei ansonsten wirksamer Selbstanzeige keine Straffreiheit mehr ein, wenn der Verkürzungsbetrag über 50.000 € liegt. Dieser neu geschaffene Sperr­



E. Schlussbetrachtung209

grund ist der einzige, bei dem die Sperrwirkung nur tatbezogen erfolgt, somit keine anderen Besteuerungszeiträume „infiziert“ werden. Will der Beschuldigte in diesen Fällen einer Bestrafung entgehen, muss er gemäß § 398a Nr. 1 AO die zu seinen Gunsten verkürzten Steuern entrichten und einen 5 %igen Zuschlag auf die verkürzten Steuern an die Staatskasse be­ zahlen. Dies gilt gleichermaßen für Täter und Teilnehmer. Für Letzteren ergibt sich dies zwar nicht aus dem Wortlaut der Norm, jedoch über eine gebotene Analogie, um Ungleichbehandlungen gegenüber dem Haupttäter zu vermeiden. § 398a AO ist verfassungsgemäß. Dies gilt insbesondere, weil in dem 5 %igen Zuschlag keine Strafe zu sehen ist. Bei der Bestimmung der 50.000 €-Grenze ist sowohl in § 371 Abs. 2 Nr. 3 AO als auch in § 398a AO das Kompensationsverbot außer Acht zu lassen und bei Steuerverkürzungen auf Zeit auf den Verzögerungsschaden abzustellen. Eine Ausnahme hiervon ist aber zu machen bei der Rücker­ stattung der verkürzten Steuern. Der zurückzuerstattende Betrag richtet sich bei Steuerverkürzungen auf Zeit sowohl bei § 371 Abs. 3 AO als auch bei § 398a Nr. 1 AO nach dem Nominalbetrag, weil dieser schließlich auch geschuldet ist. Der Gesetzgeber hat es unterlassen, gegen Maßnahmen nach § 398a AO einen effektiven Rechtsschutz für den Steuerpflichtigen zu kodifizieren. Insbesondere vor dem Hintergrund der vielen Unsicherheiten und Streit­ punkte, die die §§ 371 Abs. 2 Nr. 3, 398a AO verursachen, und vor allem vor dem Hintergrund des Art. 19 Abs. 4 GG besteht hierfür aber ein Bedürf­ nis. Diese Gesetzeslücke ist durch eine analoge Anwendung des § 98 Abs. 2 Satz 2 StPO zu schließen, indem die Entscheidungen der Ermittlungsbehör­ den nach § 398a AO bei dem gemäß § 162 StPO zuständigen Ermittlungs­ richter überprüft werden können. Ist die Selbstanzeige vollständig im Sinne des § 371 Abs. 1 AO erstattet worden und kein Sperrgrund im Sinne des § 371 Abs. 2 AO verwirklicht, müssen grundsätzlich die verkürzten Steuern gemäß § 371 Abs. 3 AO erstat­ tet werden. Leistet der Steuerpflichtige diese Zahlungen nur für einzelne angezeigte Steuerstraftaten, für andere dagegen nicht, kann er ausnahmswei­ se teilweise Straffreiheit für einzelne Steuerstraftaten erlangen. Für die Fälle von Selbstanzeigen bis zum Schwarzgeldbekämpfungsgesetz hat der Gesetzgeber zugunsten von Steuerpflichtigen eine Übergangsrege­ lung geschaffen, nach der § 371 AO 1977 mit der Maßgabe anzuwenden ist, dass Teilselbstanzeigen entgegen der Rechtsprechung des BGH teilweise Straffreiheit bewirken. Sind die Voraussetzungen des § 371 Abs. 1 bis 3 AO (teilweise) nicht erfüllt, liegt eine missglückte Selbstanzeige vor. Diese kann je nach den Umständen des Einzelfalles strafmildernd gewertet werden. Hierbei gilt

210

E. Schlussbetrachtung

folgende Grundregel: Je knapper eine wirksame Selbstanzeige verfehlt wur­ de, desto größer deren strafmildernde Wirkung. Es wäre wünschenswert, wenn der Gesetzgeber insbesondere die For­ mulierungen hinsichtlich der verschiedenen Beteiligungsformen in den §§ 371, 398a AO korrigieren würde, um zahllose Unsicherheiten zu besei­ tigen. Auch im Hinblick auf den Umfang der Sperrwirkung bei den ein­ zelnen Sperrgründen könnte man im Gesetz für deutlich mehr Klarheit sorgen. Daneben sollte die Möglichkeit eines Rechtsschutzes gegen Maß­ nahmen nach § 398a AO im Gesetz verankert werden. Im Übrigen wären Gesetzgeber und Bundesregierung gut beraten, nicht jede Selbstanzeige ei­ ner Person des öffentlichen Lebens dazu zu nutzen, einen mehr oder we­ niger künstlichen Aktionismus an den Tag zu legen, indem immer wieder erneut über Verschärfung und Abschaffung des Rechtsinstituts diskutiert wird842. Es wäre für Rechtsanwender und Steuerpflichtige weitaus hilfrei­ cher, wenn diese Ressourcen darauf verwendet würden, ein Gesetz zu schaffen, das nicht derart viele Unschärfen, Widersprüche und Fehler ent­ hält, und dieses dann für einen längeren Zeitraum beizubehalten. Mit der dadurch geschaffenen Rechtssicherheit wäre allen Beteiligten am ehesten gedient. Bundesfinanzminister Schäuble wandte sich kürzlich gegen die Forderun­ gen aus der SPD, die Selbstanzeige abzuschaffen, schloss aber gleichzeitig Verschärfungen nicht aus; in diesem Zusammenhang wies er darauf hin, dass man dabei aber vorsichtig vorgehen müsse, „wenn man das Instrument nicht erledigen will“843. Diese Aussage ist zwar im Kern und vor allem im Ergebnis richtig. Sie ist aber noch viel wichtiger im Zusammenhang mit den vielen Unsicherheiten und Fehlern im Gesetz. So ist es doch für Rechtsan­ wender und Steuerpflichtige zweitrangig, ob der Grenzbetrag in § 371 Abs. 2 Nr. 3 AO bei 50.000 €, 60.000 € oder 70.000 € liegt oder ob ein 5, 6 oder 7 %iger Zuschlag zu zahlen ist. Entscheidend ist doch, ob mittels Selbstanzeige kalkulierbar Straffreiheit erlangt wird. Besteht hier keine Rechtssicherheit, erledigt sich das Rechtsinstitut möglicherweise tatsächlich zunehmend von selbst. Dies gilt insbesondere dann, wenn der Gesetzgeber, 842  Beispielhaft erwähnt sei die neu entfachte Diskussion nach Bekanntwerden der Selbstanzeige von Alice Schwarzer im Frühjahr 2014: Hier wurde innerhalb der Großen Koalition insbesondere über Abschaffung oder Verschärfung der Selbstanzei­ ge durch Anhebung des 5 %igen Zuschlags auf 10 % diskutiert, wo doch die Ände­ rungen durch das Schwarzgeldbekämpfungsgesetz gerade 2011 erst in Kraft getreten sind und im Zuge dessen der 5 %ige Zuschlag erstmals eingeführt wurde (vgl. dazu http: /  / www.tagesschau.de / inland / steuerdebatte130.html); im Ergebnis ähnlich Kemper, in: DStZ 2013, 538 (544), der darauf hinweist, dass jegliche Reformdebatten eingestellt werden sollten. 843  Http: /  / www.tagesschau.de / inland / steuerhinterziehung-schaeuble100.html.



E. Schlussbetrachtung211

wie geplant, weitere Änderungen am Gesetz durchführt, die – sind sie so umgesetzt wie zuletzt im Rahmen des Schwarzgeldbekämpfungsgesetzes – gewiss nicht zu mehr Rechtssicherheit führen werden. Vielleicht ist die Selbstanzeige doch schon bald einer Waschanlage vergleichbar, bei der man vorher nicht sagen kann, ob man sie zerbeult und zerkratzt wieder ver­ lässt844.

844  Vgl. dazu http: /  / www.sueddeutsche.de / wirtschaft / selbstanzeige-nach-steuerbe trug-der-staat-als-schweinchen-schlau-1.1879208-2 und oben D. II.

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Quellenverzeichnis223 Artikel vom 22.05.2013, Ende des Bankgeheimnisses rückt näher (abrufbar unter: http: /  / www.sueddeutsche.de / wirtschaft / gipfel-in-bruessel-europa-schafft-dasbankgeheimnis-ab-1.1678565; zuletzt abgerufen am 15.02.2014) Artikel vom 06.06.2013, Der Fall Hoeneß (abrufbar unter: http: /  / www.stern.de / wirt schaft / news / steueraffaere-der-fall-hoeness-2021596.html; zuletzt abgerufen am 01.04.2014) Artikel vom 11.06.2013, Steuersünder: Hoeneß-Effekt sorgt für Tausende Selbstan­ zeigen (abrufbar unter: http: /  / www.spiegel.de / wirtschaft / soziales / selbstanzeigenvon-steuersuendern-steigen-stark-an-a-905088.html; zuletzt abgerufen am 13.02. 2014) Artikel vom 02.01.2014, Mehr Härte gegen Steuerhinterzieher (abrufbar unter: http: /  / www.sueddeutsche.de / wirtschaft / kriterien-fuer-straffreiheit-mehr-haertegegen-steuerhinterzieher-1.1854292; zuletzt abgerufen am 13.02.2014) Artikel vom 03.02.2014, Die Last der späten Reue (abrufbar unter: http: /  / www.sued deutsche.de / politik / steuerfall-alice-schwarzer-die-last-der-spaeten-reue-1.1878983 (Seite 1) und http: /  / www.sueddeutsche.de / politik / steuerfall-alice-schwarzer-dielast-der-spaeten-reue-1.1878983-2 (Seite 2); zuletzt abgerufen am 17.02.2014) Artikel vom 04.02.2014, Der Staat als Schweinchen Schlau (abrufbar unter: http: /  / www.sueddeutsche.de / wirtschaft / selbstanzeige-nach-steuerbetrug-der-staatals-schweinchen-schlau-1.1879208 (Seite 1) und http: /  / www.sueddeutsche.de / wirt schaft / selbstanzeige-nach-steuerbetrug-der-staat-als-schweinchen-schlau-1.18792 08-2 (Seite 2); zuletzt abgerufen am 04.03.2014) Artikel vom 04.02.2014, Koalition streitet über Straffreiheit (abrufbar unter: http: /  / www.tagesschau.de / inland / steuerdebatte130.html; zuletzt abgerufen am 22.03.2014) Artikel vom 07.02.2014, Schäuble hält an Selbstanzeigen fest (abrufbar unter: http: /  / www.tagesschau.de / inland / steuerhinterziehung-schaeuble100.html; zuletzt abgerufen am 22.03.2014) Artikel vom 13.02.2014, Schritt in Richtung Steuertransparenz (abrufbar unter: http: /  / www.nzz.ch / wirtschaft / wirtschafts-und-finanzportal / schritt-in-richtungsteuertransparenz-1.18242595; zuletzt abgerufen am 14.04.2014) Artikel vom 24.02.2014, Feilschen um die Strafe (abrufbar unter: http: /  / www.sued deutsche.de / wirtschaft / kompromiss-nach-steuerhinterziehung-feilschen-um-diestrafe-1.1897588; zuletzt abgerufen am 25.03.2014) Artikel vom 09.03.2014, Der Fall des Uli H. (abrufbar unter: http: /  / www.sued deutsche.de / sport / chronologie-der-hoeness-affaere-der-fall-des-uli-h-1.1674888 (Seite 1); http: /  / www.sueddeutsche.de / sport / chronologie-der-hoeness-affaere-derfall-des-uli-h-1.1674888-2 (Seite 2); http: /  / www.sueddeutsche.de / sport / chronolo gie-der-hoeness-affaere-der-fall-des-uli-h-1.1674888-3 (Seite 3); zuletzt abgeru­ fen am 01.04.2014) Artikel vom 10.03.2014, Steuersünder Hoeness gesteht vor Gericht (abrufbar unter: http: /  / www.nzz.ch / aktuell / international / auslandnachrichten / steueraffaere-vor wuerfe-gegen-hoeness-umfassender-als-bekannt-1.18259641; zuletzt abgerufen am 04.04.2014)

224 Quellenverzeichnis Artikel vom 11.03.2014, Es wird eng für Hoeness (abrufbar unter: http: /  / www.nzz. ch / aktuell / international / auslandnachrichten / es-wird-eng-fuer-hoeness-1.182607 04; zuletzt abgerufen am 04.04.2014) Artikel vom 11.03.2014, Hoeneß’ Steuerschuld immer höher – 27,2 Millionen im (abrufbar unter: http: /  / www.sueddeutsche.de / news / sport / fussballhoeness-steuerschuld-immer-hoeher---272-millionen-im-best-case-dpa.urn-news ml-dpa-com-20090101-140311-99-00610; zuletzt abgerufen am 01.04.2014) Artikel vom 12.03.2014, Hoeneß akzeptiert Steuerschuld – und verteidigt Selbstan­ zeige (abrufbar unter: http: /  / www.mdr.de / brisant / steuerprozess-hoeness114.html; zuletzt abgerufen am 01.04.2014) Artikel vom 12.03.2014, Verteidiger: Selbstanzeige reicht für 60 Millionen Euro (abrufbar unter: http: /  / www.faz.net / aktuell / wirtschaft / recht-steuern / prozess-gegenuli-hoeness-anwaelte-halten-selbstanzeige-fuer-wirksam-12843383.html; zuletzt abgerufen am 04.04.2014) Artikel vom 12.03.2014, Verteidigung hofft auf Straffreiheit für Hoeneß (abrufbar unter: http: /  / www.n-tv.de / panorama / Verteidigung-hofft-auf-Straffreiheit-fuer-Hoe ness-article12444851.html; zuletzt abgerufen am 01.04.2014) Artikel vom 13.03.2014, Steuerhinterziehung: Gericht verurteilt Uli Hoeneß zu drei­ einhalb Jahren Haft (abrufbar unter: http: /  / www.spiegel.de / wirtschaft / soziales /  uli-hoeness-urteil-im-steuer-prozess-gegen-fc-bayern-boss-a-958388.html; zuletzt abgerufen am 01.04.2014) Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses (7. Ausschuss) vom 16.03. 2011, BT-Drucks. 17 / 5067 (neu) Besetzung des 1. Strafsenats des BGH (abrufbar unter: http: /  / www.bundesgerichts hof.de / DE / Richter / BesetzungSenate / Strafsenate / 1strafsenat.html?nn=589462; zuletzt abgerufen am 04.03.2014) Bundesministerium der Finanzen, Gruppe der Sieben / Acht (G 7 / 8) (abrufbar unter: http: /  / www.bundesfinanzministerium.de / Content / DE / Standardartikel / Themen / In ternationales_Finanzmarkt / Internationale_Finanzpolitik / Informelle_Gremien_der_ Zusammenarbeit / Gruppe-G7-und-8.html?__act=renderPdf&__iDocId=168468; zuletzt abgerufen am 14.09.2013) Bundesrat, Stenografischer Bericht, 906. Sitzung vom 01.02.2013 (abrufbar unter: http: /  / www.bundesrat.de / cln_320 / nn_2373648 / SharedDocs / Downloads / DE / Ple narprotokolle / 2013 / Plenarprotokoll-906,templateId=raw,property=publicationFile. pdf / Plenarprotokoll-906.pdf; zuletzt abgerufen am 15.02.2014) Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 (Stand am 03.03.2013; abrufbar unter: http: /  / www.admin.ch / opc / de / classifiedcompilation / 19995395 / 201303030000 / 101.pdf; zuletzt abgerufen am 15.02.2014) Die G 20 (abrufbar unter: http: /  / www.bundesregierung.de / Content / DE / StatischeSei ten / Breg / G8G20 / G20-uebersicht.html; zuletzt abgerufen am 15.02.2014) Empfehlungen der Ausschüsse zu Punkt … der 873. Sitzung des Bundesrates am 9.  Juli 2010, BR-Drucks. 318 / 1 / 10 (abrufbar unter: http: /  / www.google.de / url? sa=t&rct=j&q=br-drucks. %20318 %2F1 %2F10&source=web&cd=1&ved=0CC8

Quellenverzeichnis225 QFjAA&url=http %3A %2F %2Fwww.der-betrieb.de %2Fcontent %2Fpdfft % 2C227 %2C394340&ei=ktkqU5HVHcabtQaksYDoCw&usg=AFQjCNFqyhe6r6f AkWzk94O2fbQ-N7Xb-w&bvm=bv.62922401,d.Yms; zuletzt abgerufen am 20.04. 2014) Entwurf einer Abgabenordnung (AO 1974) vom 19.03.1971, BT-Drucks. 6 / 1982 Entwurf eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 21. September 2011 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen Eidgenossenschaft über Zusammenarbeit in den Bereichen Steuern und Finanzmarkt in der Fassung vom 5. April 2012, BT-Drucks. 17 / 10059 Entwurf eines … Gesetzes zur Änderung der Abgabenordnung (Abschaffung der strafbefreienden Selbstanzeige bei Steuerhinterziehung) vom 20.04.2010, BTDrucks. 17 / 1411 Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des § 410 der Reichsabgabenordnung vom 30.06.1951, BT-Drucks. 1 / 2395 Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Bekämpfung von Geldwäsche und Steuerhinterziehung (Schwarzgeldbekämpfungsgesetz) vom 14.12.2010 (Gesetz­ entwurf der Fraktionen der CDU / CSU und FDP), BT-Drucks. 17 / 4182 Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Bekämpfung von Geldwäsche und Steuerhinterziehung (Schwarzgeldbekämpfungsgesetz) vom 17.02.2011 (Gesetz­ entwurf der Bundesregierung), BT-Drucks. 17 / 4802 Gesetz gegen die Steuerflucht vom 26.07.1918, RGBl. 1918, S. 951–958 Gesetz über Steuernachsicht vom 03.01.1920, RGBl. 1920, S. 45–47. Gesetz zur Änderung der Reichsabgabenordnung vom 04.07.1939, RGBl. I 1939, S. 1181–1185 Gesetz zur Änderung des § 410 Reichsabgabenordnung vom 07.12.1951, BGBl. I 1951, S. 941 Gesetz zur Verbesserung der Bekämpfung der Geldwäsche und Steuerhinterziehung (Schwarzgeldbekämpfungsgesetz) vom 28. April 2011, BGBl. I 2011, S. 676 f. Hoeneß-Urteil im News-Ticker, „Ohne Haft könnte Hoeneß viel Gutes tun“, Seite 8 von 18 (abrufbar unter: http: /  / www.focus.de / finanzen / steuern / steuerprozess_uli_ hoeness / hoeness-prozess-im-news-ticker-verteidiger-beantragt-bewaehrungsstra fe_id_3684990.html; zuletzt abgerufen am 04.04.2014) Joecks, Wolfgang, Stellungnahme zur Anhörung des Finanzausschusses zum Gesetz­ entwurf des Schwarzgeldbekämpfungsgesetzes vom 18.02.2011 (abrufbar unter: http: /  / www.bundestag.de / bundestag / ausschuesse17 / a07 / anhoerungen / 2011 / 042 /  Stellungnahmen / 19-Prof__Joecks.pdf; zuletzt abgerufen am 11.12.2013) Monatsbericht des Bundesfinanzministeriums vom 20.08.2012 (abrufbar unter: http: /  / www.bundesfinanzministerium.de / Content / DE / Monatsberichte / 2012 / 08 / In halte / Kapitel-3-Analysen / 3-2-ergebnisse-der-steuerfahndung-in-den-jahren2010-und-2011.html; zuletzt abgerufen am 13.02.2014) Plenarprotokoll 17 / 96 des Deutschen Bundestags vom 17.  März 2011, 96. Sitzung (abrufbar unter: dip21.bundestag.de / dip21 / btp / 17 / 17096.pdf; zuletzt abgerufen am 22.03.2014)

226 Quellenverzeichnis Plenarprotokoll 17 / 218 des Deutschen Bundestags vom 30.  Januar 2013, 218. Sit­ zung (abrufbar unter: http: /  / dip21.bundestag.de / dip21 / btp / 17 / 17218.pdf; zuletzt abgerufen am 22.03.2014) Presseerklärung von Bundeskanzlerin Merkel vom 6. September 2013 auf dem G20Gipfel (abrufbar unter: http: /  / www.bundesregierung.de / Content / DE / Mitschrift /  Pressekonferenzen / 2013 / 09 / 2013-09-06-statement-nach-g20.html;jsessionid=630 271BC2305CABEF43924F393A637EB.s3t1; zuletzt abgerufen am 14.09.2013) Pressemitteilung des Bundesfinanzministeriums vom 29.05.2013, Förderung der Steuerehrlichkeit: Bundeskabinett beschließt Abkommen mit den USA (abrufbar unter: http: /  / www.bundesfinanzministerium.de / Content / DE / Pressemitteilungen /  Finanzpolitik / 2013 / 05 / 2013-05-29-PM37.html; zuletzt abgerufen am 14.09.2013) Pressemitteilung des Deutschen Bundestags vom 16.03.2011, Koalition ändert Schwarzgeldbekämpfungsgesetz (abrufbar unter: www.bundestag.de / presse / hib /  2011_03 / 2011_110 / 02.html; zuletzt abgerufen am 10.01.2014) Protokoll über die Verhandlungen der Verfassunggebenden Deutschen Nationalver­ sammlung, 132. Sitzung vom 17.12.1919, S. 4136–4139 (abrufbar unter: http: /  /  www.reichstagsprotokolle.de / Blatt2_wv_bsb00000015_00542.html, http: /  / www. reichstagsprotokolle.de / Blatt2_wv_bsb00000015_00543.html, http: /  / www.reichs tagsprotokolle.de / Blatt2_wv_bsb00000015_00544.html, http: /  / www.reichstags protokolle.de / Blatt2_wv_bsb00000015_00545.html; jeweils zuletzt abgerufen am 17.02.2014) Reichsabgabenordnung vom 13.12.1919, RGBl. 1919, S. 1993–2100 Reichsabgabenordnung vom 22.05.1931, RGBl. I 1931, S. 161–222 Tagungsbericht der Stiftung Marktwirtschaft vom 18.01.2010, Guter Bürger – Böser Bürger? – Schattenwirtschaft und Steuerhinterziehung (abrufbar unter: http: /  /  www.stiftung-marktwirt-schaft.de / fileadmin / user_upload / Tagungsberichte / Ta gungsbericht_Schattenwirtschaft_18_01_2010.pdf; zuletzt abgerufen am 20.04. 2014) Tax annex to the St. Petersburg G20 leaders’ declaration, September 2013 (abrufbar unter: http: /  / www.bundesregierung.de / Content / DE / _Anlagen / G8_G20 / G20-erklae rung-petersburg-annex-en.pdf?__blob=publicationFile&v=3; zuletzt abgerufen am 15.02.2014) Zweites Gesetz zur vorläufigen Neuordnung von Steuern vom 20.04.1949, Gesetz­ blatt der Verwaltung des Vereinigten Wirtschaftsgebiets, 1947–49, Jahrgang 1949, S. 69–73. Zweites Gesetz zur Änderung strafrechtlicher Vorschriften der Reichsabgabenord­ nung und anderer Gesetze (2. AOStrafÄndG) vom 12.08.1968, BGBl. I 1968, S.953–963 § 167 öStGB, Tätige Reue, (abrufbar unter: http: /  / www.jusline.at / 167_Tätige_Reue_ StGB.html; zuletzt abgerufen am 15.02.2014)

Stichwortverzeichnis Abgeltungssteuer  42, 78 Abschaffung der Selbstanzeige  189 Allgemeine Ermittlungsbefugnis  27, 30 Altfälle  54, 205 f. Analogie in bonam partem  110 ff., 133, 182 Analogie in der Ausnahme  117, 182 Analogieverbot  120, 182 Anfangsverdacht  23 ff., 88, 103 ff. Auslegung  70 f., 85, 89, 94 ff., 101 f., 130 f., 145, 158 f., 162, 169 f., 175 ff. – extensiv  70, 100, 102, 118, 140, 159, 166, 170, 174 – restriktiv  69 ff. Ausnahmecharakter  71, 100, 110 ff., 137, 182, 204 Ausnahmelücke  112 Ausnahmevorschrift  72, 112 ff., 133, 182, 204 Automatisierter Datenabgleich  43 Bagatellabweichung  128, 132 ff., 201 Bankgeheimnis  43, 74, 78 Bekanntgabe der Einleitung des Straf- oder Bußgeldverfahrens  siehe Sperrgründe Bekanntgabe einer Prüfungsanordnung  siehe Sperrgründe Berichtigungseinheit  124 f., 129, 133, 139, 143, 188, 199 Berichtigungspflicht  121, 139 Berichtigungsverbund  129, 157 Beteiligter  100 ff., 116, 120, 138, 172, 174 Betriebs- und Geschäftsgeheimnis  29 Betriebsprüfung  56, 63, 88, 98 ff., 140, 142 Brücke in die Steuerehrlichkeit  64

CRS  44 Dauerrechtsverhältnis  67, 73, 80 Dolose Teilselbstanzeige  siehe ­Teilselbstanzeige Dunkelziffer  21 Erfolgsunrecht  70, 73, 76 Erleichterung der Rückkehr in die Steuerehrlichkeit  64 f., 68, 75, 79 f. Ermittlungsnotstand  36, 65, 79 Erscheinen eines Amtsträgers  siehe Sperrgründe Fiskalischer Zweck  63 Fortgesetzte Steuerhinterziehung  90 f., 97 Freiwillige Zahlung  152 Freiwilliges Handeln  62, 68, 70, 79, 84, 98 Fristsetzung zur Vervollständigung  86 f. G7  44 G20  44 Generalpräventive Wirkung  68 f., 71 Geringfügigkeitsgrenze  125 ff. Gesamtschuldner  161 Gesetzesanalogie  112 Gestufte Selbstanzeige  siehe Selbst­ anzeige Haftungsschuldner  60 Haushaltsuntreue  33 Hinreichender Tatverdacht  103 ff. Hinterziehungsstrategie  123, 130, 132, 135, 160, 188 ff., 200, 203 Hoeneß  45, 193 ff.

228 Stichwortverzeichnis Hoeneß-Effekt  45 Honorierung der Rückkehr in die Steuer­ ehrlichkeit  65, 75, 79, 95 f. Infektion  141 Internationale Zusammenarbeit  44, 66, 109 Justizverwaltungsakt  186 Kavaliersdelikt  69, 71 Kennenmüssen  109 ff., 119 Kompensationsverbot  162 ff. Lebensbeichte  93, 124 f., 192 Missglückte Selbstanzeige  siehe Selbstanzeige Mittäter  161, 177 Nachentrichtung  66, 97, 172, 177, 188 f., 202 f. Nemo-tenetur-Grundsatz  68, 80 f., 157 Neue Formel  74 Nichtstrafrechtliche Sanktion  152 f., 161, 178 Nominalbetrag  162 ff. Nulla poena sine culpa  155 OECD  44 Omnimodo facturus  30 Personenmehrheit  161 Persönlicher Strafaufhebungsgrund  61, 179 Planwidrige Regelungslücke  87, 111, 131, 136, 170, 181 ff. Rechtliche Einheit  85, 87 Rechtsanalogie  112 Rechtsnatur  61, 151, 155 Rechtsschutz  183 ff. Regelungsplan  131 f., 157

Reinen Tisch machen  92 f. Reue nach Stand der Ermittlungen  123, 132, 138, 140, 160, 190 Rücktritt  61 f. Rückwirkende Besteuerung   41 Rückwirkungsverbot  206 Sachliche Vollständigkeit  125 Schadenswiedergutmachung  69 f., 73, 80 Schätzung  88, 195 f., 198 Schuldprinzip  155, 167 f. Selbstanzeige – dem Grunde nach  84 ff. – gestufte  84 ff., 125 – missglückte  193 ff., 199 ff. Sparten-Lebensbeichte  125 Sperreinheit  139 Sperrgründe  98 ff., 137 ff. – Bekanntgabe der Einleitung des Straf- oder Bußgeldverfahrens  55, 100, 111, 120, 141 – Bekanntgabe einer Prüfungsanordnung 137, 145 – Erscheinen eines Amtsträgers  98, 142 – Steuerhinterziehungen über 50.000 €  146 ff. – Tatentdeckung  102 ff., 117, 142 ff. Steuerberaterverschulden  204 f. Steuerdaten-CD  21 ff., 117 Steuergeheimnis  38 Steuerhinterziehungen über 50.000 €  siehe Sperrgründe Steuerschuldner  59 f., 97 Steuerverkürzung auf Zeit  162 ff. Strafklageverbrauch  149 ff. Strafprozessuale Rechtsbehelfe  183 f. Strafzumessungsrelevanter Schaden  162 ff. Stufenselbstanzeige  siehe Selbst­ anzeige, gestufte Subjektives Element  57, 109

Stichwortverzeichnis229 Tat  103, 153 Tatentdeckung  siehe Sperrgründe Täter  100 ff., 120, 138, 143, 172 ff. Täterbegriff – prozessualer  174 – untechnischer  177 – verfahrensrechtlicher  174 f., 177, 181 Teilnehmer  100 ff., 110 f., 116, 120, 138, 143, 171 ff. Teilselbstanzeige  89 ff., 125, 139, 160, 191 ff., 200 f., 205 f. – dolose  201 – undolose  134 ff., 203 Teleologische Reduktion  87 f., 110 f., 117, 120, 131, 136, 157, 170, 174 ff. Trennungsgebot  23 Übergangsregelung  205 f. Umfang der Sperrwirkung  100, 137 ff., 158 ff., 188

Undolose Teilselbstanzeige  siehe Teilselbstanzeige Verfahrensrechtliche Lösung  166 Verfassungsmäßigkeit  72 ff., 154 ff., 191 Verfolgungshindernis  121, 148, 150, 153, 172 ff. Vertrauensschutz  205 Verwertbarkeit  22, 24, 26, 28, 35 f., 39 f. Verzögerungsschaden  163 Vollständigkeitsgebot  125, 198 f. Wechselwirkung  21, 69 Wertunstimmigkeit  113 Wettlauf mit dem Prüfer  57 Zäsur  206 Zinsschaden  164, 168, 171