Wirtschaftsstrafrecht: Kommentar mit Steuerstrafrecht und Verfahrensrecht 9783504384852

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German Pages 3789 [3797] Year 2017

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Wirtschaftsstrafrecht: Kommentar mit Steuerstrafrecht und Verfahrensrecht
 9783504384852

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Esser/Rübenstahl/Saliger/Tsambikakis . Wirtschaftsstrafrecht

Wirtschaftsstrafrecht mit Steuerstrafrecht und Verfahrensrecht

Kommentar herausgegeben von

Prof. Dr. Robert Esser Passau

RA Dr. Markus Rübenstahl, Mag. iur. Frankfurt a.M.

Prof. Dr. Frank Saliger München

RA Prof. Dr. Michael Tsambikakis Köln

1. Auflage

2017

Bearbeiter RA Dr. Florian Bach, Sindelfingen

RA Prof. Dr. Tobias Lenz, Köln

RA Dr. Ingo Bott, Düsseldorf

Prof. Dr. Marco Mansdörfer, Saarbrücken

Akad. Rat Dr. Christian Brand, Konstanz

RA Ole Mückenberger, Frankfurt a.M.

RA Dr. Johannes Corsten, Frankfurt a.M.

RA Dr. Sebastian Münkel, Mannheim

RA Dr. Matthias Dann, LL.M., Düsseldorf

Prof. Dr. Nina Nestler, Bayreuth RA Dr. Thomas Nuzinger, Mannheim

Priv.-Doz. Dr. Lutz Eidam, LL.M. (UB), Frankfurt a.M.

RAin Hannah Milena Piel, Düsseldorf

RA Dr. Marc Engelhart, Freiburg

RA Dr. Markus Rübenstahl, Mag. iur., Frankfurt a.M.

Prof. Dr. Robert Esser, Passau Prof. Dr. Frank Saliger, München RAin Sonja Fingerle, LL.M., Stuttgart Dr. Lena Santoro, Köln RAin Dr. Barbara Fleckenstein-Weiland, LL.M., Frankfurt a.M. Prof. Dr. Karsten Gaede, Hamburg RA Prof. Dr. Björn Gercke, Köln RA Prof. Dr. Marco Gercke, Köln RA Dr. Hans-Joachim Gerst, Hamburg RAin Dr. Friederike Goltsche, München LOStA Prof. Dr. Georg-Friedrich Güntge, Schleswig VRiLG Dr. Daniel Hunsmann, Aurich StA Dr. Claudio Kirch-Heim, LL.M. (Harvard), Hamburg

RA Dr. Dirk Sauer, Mannheim RAin Dr. Tine Schauenburg, Berlin RAin Dr. Hellen Schilling, Frankfurt a.M. RA Dr. Alexander Schork, LL.M., Frankfurt a.M. Wiss. Mitarbeiterin Theresa Schweiger, München RA Dr. André-M. Szesny, LL.M., Düsseldorf/Frankfurt a.M. RA Dr. Patrick Teubner, Berlin Prof. Dr. Hans Theile, LL.M., Konstanz

RA Thomas C. Knierim, Mainz

RA Prof. Dr. Gerson Trüg, Freiburg

Prof. Dr. Dr. h.c. Michael Kubiciel, Köln

RA Prof. Dr. Michael Tsambikakis, Köln

RAin Anne Laurinat, MLE, Köln RA Dr. Constantin Lauterwein, LL.M. (Sydney), Berlin RA Dr. Ulrich Leimenstoll, Köln

RA Dr. Alexander v. Saucken, München RA Karl-Jörg Xylander, Berlin

Zitierempfehlung: Bearbeiter in Esser/Rübenstahl/Saliger/Tsambikakis (ERST), Wirtschaftsstrafrecht, 2017, § … (mit Gesetzesangabe) Rz. …

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Verlag Dr. Otto Schmidt KG Gustav-Heinemann-Ufer 58, 50968 Köln Tel. 02 21/9 37 38-01, Fax 02 21/9 37 38-943 [email protected] www.otto-schmidt.de ISBN 978-3-504-40016-3

©2017 by Verlag Dr. Otto Schmidt KG, Köln Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlages. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeiche­ rung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das verwendete Papier ist aus chlorfrei gebleichten Rohstoffen hergestellt, holz- und säurefrei, alterungs­ beständig und umweltfreundlich. Einbandgestaltung: Lichtenford, Mettmann Satz: WMTP, Birkenau Druck und Verarbeitung: Kösel, Krugzell Printed in Germany

Vorwort Der vorliegende Spezialkommentar zum gesamten Wirtschaftsstrafrecht versteht sich als Kommentar „aus einer Hand“ („one size fits all“), geschrieben von Praktikern und beratungsnahen Hochschullehrern für Anwälte, Unternehmensjuristen und Justizpraktiker, die in Wirtschaftsstrafsachen tätig sind, sowie für einschlägig interessierte Hochschullehrer. Das Werk fokussiert den Blick auf die relevanten Bereiche des materiellen Wirtschafts- und Steuerstrafrechts, berücksichtigt darüber hinaus aber auch die für Wirtschaftsstrafverfahren einschlägigen Verfahrensvorschriften der StPO und anderer Verfahrensgesetze (insbesondere des OWiG und der AO) sowie ergänzender Verordnungen (MiStra). Die Einzelkommentierungen sind systematisch nach Sachgebieten aufgebaut. Sie konzentrieren sich dabei stets auf das wirtschaftsstrafrechtlich Wesentliche und verdichten die rechtlichen Besonderheiten der jeweiligen Spezialmaterie. Von den bereits vorhandenen Hand- und Lehrbüchern sowie Kommentaren zum Wirtschaftsstrafrecht unterscheidet sich dieser Kommentar vor allem durch das neue systematische Darstellungsprofil der Materie, das dem Leser eine bessere Orientierung im Dschungel wirtschaftsstrafrechtlicher Normen vermitteln soll. So sind mehr als 80 Gesetze und Verordnungen in eine stimmige Systematik gebracht worden. Die bei der Konzeption des Werkes in dieser Form nicht abzusehende intensive Tätigkeit des Gesetzgebers auf dem Gebiet des Strafrechts – bis an die Grenzen einer „ultima ratio“ und manchmal auch darüber hinaus – war für alle an der Entstehung des Werkes Beteiligten eine stete Herausforderung, darüber hinaus auch der Grund für zwischenzeitlich eingetretene Verzögerungen bei der Drucklegung. Den Autoren und dem Verlag ist für die aufgewendete Geduld nachdrücklich zu danken. Durch das gemeinschaftliche Engagement und den stets auf die Qualität des Gesamtwerkes gerichteten Willen von Autoren, Herausgebern und Verlag ist es am Ende gelungen, auch den zahlreichen, gerade in jüngerer Zeit ergangenen Gesetzesänderungen und Reforminitiativen im Bereich des Wirtschaftsstrafrechts hinreichend Rechnung zu tragen. Um die Aktualität des Werkes und seine Praxistauglichkeit zu garantieren, wurden neben dem Gesetz zur Bekämpfung der Korruption v. 20.11.2015 (BGBl. I, 2025) insbesondere auch das Gesetz zur Bekämpfung von Korruption im Gesundheitswesen v. 30.5.2016 (BGBl. I, 1254) sowie das Erste Finanzmarktnovellierungsgesetz v. 1.7.2016 (BGBl. I, 1514) umfassend eingearbeitet. Bei Drucklegung noch nicht verabschiedet war das Gesetz zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung. Um auch hier aktuell zu sein, ist geplant, nach Verabschiedung des Gesetzes eine Erstkommentierung der neuen Vorschriften für die Käufer dieses Buches unter www.ottoschmidt.de/erst zur Verfügung zu stellen. Die persönlichen Zugangsdaten finden sich an Ort und Stelle der von der Änderung betroffenen Vorschriften. Kritik und Verbesserungsvorschläge sind jederzeit willkommen und können direkt an den Verlag gerichtet werden ([email protected]). Passau/Frankfurt a.M./München/Köln, im Dezember 2016 Robert Esser, Markus Rübenstahl, Frank Saliger, Michael Tsambikakis

VII

Bearbeiterverzeichnis Bach

§§ 372–375, 377, 379–383a, 384, Vor §§ 409 ff., §§ 409–413 AO

Bott

§§ 112–121, 127, 128 StPO

Brand

§§ 399, 401 AktG; §§ 82 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1, 84 GmbHG

Corsten

Vorbem. zu BZRG, §§ 18, 32, 39 BZRG; Vorbem. zu MiStra, Nrn. 24, 44, 46–48 MiStra; §§ 406e, 475–478 StPO (mit Rübenstahl)

Dann

§§ 136–138, 146, 147–148 StPO

Eidam

§§ 15–31, Vor §§ 32 ff., §§ 32–37 StGB

Engelhart

Vor § 1, §§ 1–14, Vor §§ 15 f., §§ 15–16, § 17 (mit Rübenstahl), §§ 18–29a, § 30 (mit Rübenstahl und Tsambikakis), §§ 31–34, Vor §§ 35 ff., §§ 35–88, 130 OWiG

Esser

§§ 1–2 StGB; gesamtes Arbeitsstrafrecht (§ 23 AEntG; § 14 AltTZG; § 10 ArbMedVV; §§ 25, 26 ArbSchG; §§ 22, 23 ArbZG; §§ 85, 86 AsylG; Einf. zu AÜG, §§ 15–16 AÜG; §§ 95–98 AufenthG; § 7 BaustellV; §§ 22, 23 BetrSichV; §§ 119, 120 BetrVG; §§ 20, 21 BioStoffV; §§ 21–24 GefStoffV; §§ 31–32a HAG; §§ 58–60 JArbSchG; § 3 JArbSchSittV; §§ 27, 28 JuSchG; §§ 24, 25 LadSchlG; § 21 MiLoG; § 6 MuSchArbV; § 21 MuSchG; §§ 8–11 SchwarzArbG; § 404 SGB III; §§ 306–307b SGB V; §§ 85, 85a SGB X; §§ 34–36 SprAuG); gesamtes Urheberschutzstrafrecht/Strafrecht des gewerblichen Rechtsschutzes (§§ 51, 65 DesignG; § 25 GebrMG; § 10 HalblSchG; § 33 KUG; §§ 143–145 MarkenG; § 142 PatG; §§ 39, 40 SortSchG; Vor §§ 106 ff., §§ 106–108b, 111a UrhG)

Fingerle

§§ 1, 2 BauFordSiG; §§ 15a, 97 InsO; Vor §§ 283 ff., §§ 283–283d StGB (sämtlich mit Schork)

Fleckenstein-Weiland

§§ 30–31b AO; §§ 26a–26c UStG

Gaede

§ 370 AO (Rz. 1–277)

B. Gercke

§§ 38–41, 46, 52–56, 56b–56c, 59–61, 70–70b StGB

M. Gercke

§§ 43–44 BDSG; §§ 202a–206, 269, 303a–303c StGB; §§ 148–149 TKG

Gerst

Art. 5, 6, 8 EMRK; Vor §§ 198 ff., §§ 198–201 GVG

Goltsche

Vor §§ 111b ff., §§ 111b–111l StPO

Güntge

§§ 385–398, 399–408 AO; § 14 EGGVG; §§ 483–495 StPO

Hunsmann

§§ 371, 398a AO

Kirch-Heim

§§ 74c, 143 GVG

Knierim

gesamtes Lebens- und Genussmittelstrafrecht (Vor § 16, § 16 FleischG; § 13 FleischV; §§ 30–31 KäseV; Vor §§ 58 ff., §§ 58–61 LFGB; § 10 LMKV; Vor §§ 8 f., §§ 8–9 MilchMargG; § 5 PharmStV; §§ 10–12 RiFlEtikettG; Vor §§ 48 ff., §§ 48–50, 52 WeinG; § 10 ZZulV); Vor §§ 212 ff., §§ 212–214, 225a–226, 228, 238, 240–241a, 243–245, 249–250, 257–258, 260–261, 270, 273, 276, 295 StPO

Kubiciel

§ 81 GWB; Vor §§ 324 ff., §§ 324–330d StGB

Laurinat

gesamtes Arzneimittelstrafrecht (Vor §§ 95 ff., §§ 95–98a AMG; §§ 1–2 FrischZV; Vor §§ 19 ff., §§ 19–21 GÜG; Vor §§ 40 ff., §§ 40–43 MPG; §§ 31–32 TFG; Vor §§ 18 ff., §§ 18–20 TPG)

IX

Bearbeiterverzeichnis

Lauterwein

§§ 399–401, 403 AktG; §§ 147 Abs. 2, 150 GenG; § 82 Abs. 2 Nr. 2 GmbHG; §§ 331–332, 334–335b, 340m–340o, 341m–341n, 341p HGB; §§ 17–18 PublG; §§ 313–314 UmwG (sämtlich mit Xylander)

Leimenstoll

§§ 284–287, 291 StGB

Lenz

gesamtes Produkt- und Verbraucherschutzstrafrecht (§ 5 FeuerzV; §§ 38–39 GenTG; §§ 8–9 KosmetikV; §§ 39–40 ProdSG); § 20 UWG

Mansdörfer

Vor § 13, § 13 StGB

Mückenberger

Vor §§ 257 ff., §§ 257–262 StGB

Münkel

§§ 151–152, 153–153a, 153c, 154–154a, 154d, 160a–160b, 177 StPO (sämtlich mit Nuzinger)

Nestler

gesamtes Außenwirtschaftsstrafrecht (§§ 17–22 AWG; §§ 80–82 AWV; §§ 19–22b KrWaffG)

Nuzinger

§§ 151–152, 153–153a, 153c, 154–154a, 154d, 160a–160b, 177 StPO (sämtlich mit Münkel)

Piel

§§ 331–335, § 338, Anh § 338 StGB (mit Rübenstahl)

Rübenstahl

§§ 369, 370 (Rz. 278–536), 376, 378 AO; § 17 (mit Engelhart), § 30 (mit Engelhart und Tsambikakis) OWiG; § 11, § 108e; §§ 299–300 (mit Teubner), §§ 331–335 (mit Piel), § 335a, § 338, Anh § 338 (mit Piel) StGB; §§ 406e, 475–478 StPO (mit Corsten)

Saliger

§§ 77–77e, Vor §§ 78 ff., §§ 78 - 79b (mit Schweiger), §§ 263–266b StGB

Santoro

§§ 22–31 StPO

Sauer

Vor §§ 296 ff., §§ 297, 302, Vor §§ 304 ff., Vor §§ 312 ff., Vor §§ 333 ff., §§ 337–338, 349 StPO

Schauenburg

Vor §§ 3 ff., §§ 3–9 StGB; §§ 374–393, §§ 395–406d, §§ 406f–406l StPO

Schilling

Vor §§ 73 ff., §§ 73–73e, 76–76a StGB; Vor §§ 430 ff., §§ 430–443 StPO

Schork

§§ 1, 2 BauFordSiG; §§ 15a, 97 InsO; Vor §§ 283 ff., §§ 283–283d StGB (sämtlich mit Fingerle)

Schweiger

§§ 77–77e, Vor §§ 78 ff., §§ 78–79b StGB (mit Saliger)

Szesny

§§ 33, 38, 47–48, 52–59, 68–68b, 72–78, 80, 81b, 82–83, 85–86, 92–93, 407–410 StPO

Teubner

§§ 299–300 StGB (mit Rübenstahl); §§ 199–211 StPO

Theile

§§ 54–56 KWG; Vor §§ 38, 39 a.F., §§ 38, 39 a.F. WpHG; Vor §§ 38, 39, §§ 38, 39 WpHG

Trüg

§ 14 StGB

Tsambikakis

§ 404 AktG; § 14 EWIVAG; § 151 GenG; § 85 GmbHG; § 333 HGB; § 30 OWiG (mit Engelhart und Rübenstahl); § 19 PublG; § 298 StGB; § 315 UmwG; §§ 16–18 UWG

von Saucken

Vor §§ 1 ff., §§ 1–21, 94–110c StPO

Xylander

§§ 399–401, 403 AktG; §§ 147 Abs. 2, 150 GenG; § 82 Abs. 2 Nr. 2 GmbHG; §§ 331–332, 334–335b, 340m–340o, 341m–341n, 341p HGB; §§ 17–18 PublG; §§ 313–314 UmwG (sämtlich mit Lauterwein)

X

Inhaltsübersicht Seite

Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII Bearbeiterverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IX Alphabetische Inhaltsübersicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XV Allgemeines Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XIX Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XXIX

Erster Teil Allgemeines Straf- und Ordnungswidrigkeitenrecht 1. Kapitel:

Strafgesetzbuch

StGB

Strafgesetzbuch – §§ 1–9, 11–43, 46, 52–56c, 59–61, 70–70b, 73–73e, 76–79b, 108e, 202a–206, 257–266b, 269, 283–287, 291, 298–302, 303a–303c, 324–Anh. 338 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

5

2. Kapitel:

Gesetz über Ordnungswidrigkeiten

OWiG

Gesetz über Ordnungswidrigkeiten – §§ 1–88, 130 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1009

Zweiter Teil Besonderes Straf- und Ordnungswidrigkeitenrecht 1. Kapitel:

Arbeitsstrafrecht

AEntG

Arbeitnehmer-Entsendegesetz – § 23 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1183

AltTZG

Altersteilzeitgesetz – § 14 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1189

ArbMedVV

Verordnung zur arbeitsmedizinischen Vorsorge – § 10 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1191

ArbSchG

Arbeitsschutzgesetz – §§ 25, 26 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1193

ArbZG

Arbeitszeitgesetz – §§ 22, 23 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1198

AsylG

Asylgesetz – §§ 85, 86 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1205

AÜG

Arbeitnehmerüberlassungsgesetz – §§ 15–16 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1211

AufenthG

Aufenthaltsgesetz – §§ 95–98 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1220

BaustellV

Baustellenverordnung – § 7 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1236

BetrSichV

Betriebssicherheitsverordnung – §§ 22, 23 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1240

BetrVG

Betriebsverfassungsgesetz – §§ 119, 120 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1247

BiostoffV

Biostoffverordnung – §§ 20, 21 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1254

GefStoffV

Gefahrstoffverordnung – §§ 21–24 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1258

HAG

Heimarbeitsgesetz – §§ 31–32a . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1266

XI

Inhaltsübersicht

JArbSchG

Jugendarbeitsschutzgesetz – §§ 58–60 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1270

JArbSchSittV

Verordnung über das Verbot der Beschäftigung von Personen unter 18 Jahren mit sittlich gefährdenden Tätigkeiten – § 3 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1281

JuSchG

Jugendschutzgesetz – §§ 27, 28 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1283

LadSchlG

Ladenschlussgesetz – §§ 24, 25 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1291

MiLoG

Mindestlohngesetz – § 21 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1295

MuSchArbV

Verordnung zum Schutze der Mütter am Arbeitsplatz – § 6 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1300

MuSchG

Mutterschutzgesetz – § 21 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1302

SchwarzArbG Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz – §§ 8–11 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1307 SGB III

Sozialgesetzbuch Drittes Buch – § 404 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1323

SGB V

Sozialgesetzbuch Fünftes Buch – §§ 306–307b . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1328

SGB X

Sozialgesetzbuch Zehntes Buch – §§ 85, 85a . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1335

SprAuG

Sprecherausschußgesetz – §§ 34–36 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1339

2. Kapitel:

Arzneimittelstrafrecht

AMG

Arzneimittelgesetz – Vor §§ 95 ff., §§ 95–98a . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1345

FrischZV

Frischzellen-Verordnung – §§ 1, 2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1388

GÜG

Grundstoffüberwachungsgesetz – Vor §§ 19 ff., §§ 19–21 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1390

MPG

Medizinproduktegesetz – Vor §§ 40 ff., §§ 40–43 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1407

TFG

Transfusionsgesetz – §§ 31, 32 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1429

TPG

Transplantationsgesetz – Vor §§ 18 ff., §§ 18–20 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1436

3. Kapitel:

Außenwirtschaftsstrafrecht

AWG

Außenwirtschaftsgesetz – §§ 17–22 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1455

AWV

Außenwirtschaftsverordnung – §§ 80–82 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1507

KrWaffG

Kriegswaffenkontrollgesetz – §§ 19–22b . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1516

4. Kapitel:

Datenschutz- und IT-Strafrecht

BDSG

Bundesdatenschutzgesetz – §§ 43, 44 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1539

TKG

Telekommunikationsgesetz – §§ 148, 149 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1551

5. Kapitel:

Gesellschaftsstrafrecht

AktG

Aktiengesetz – §§ 399–404 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1565

EWIVAG

EWIV-Ausführungsgesetz – § 14 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1590

XII

Inhaltsübersicht

GenG

Genossenschaftsgesetz – §§ 147 Abs. 2, 150, 151 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1594

GmbHG

GmbH-Gesetz – §§ 82, 84, 85 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1607

HGB

Handelsgesetzbuch – §§ 331–333, 334–335b, 340m, n, o, 341m, n, p . . . . . . . . . . . . 1726

PublG

Publizitätsgesetz – §§ 17–19 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1836

UmwG

Umwandlungsgesetz – §§ 313–315 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1847

6. Kapitel:

Insolvenzstrafrecht

BauFordSiG

Bauforderungssicherungsgesetz – §§ 1, 2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1867

InsO

Insolvenzordnung – §§ 15a, 97 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1878

7. Kapitel:

Kapitalmarkt- und Kreditwesenstrafrecht

KWG

Kreditwesengesetz – §§ 54–56 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1913

WpHG

Wertpapierhandelsgesetz – §§ 38, 39 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1957

8. Kapitel:

Lebens- und Genussmittelstrafrecht

FleischG

Fleischgesetz – Vor § 16, § 16 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2091

FleischV

Fleisch-Verordnung – § 13 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2094

KäseV

Käseverordnung – §§ 30, 31 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2097

LFGB

Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch – Vor §§ 58 ff., §§ 58–61 . . . . . . . . . . . . . 2101

LMKV

Lebensmittel-Kennzeichnungsverordnung – § 10 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2134

MilchMargG

Milch- und Margarinegesetz – Vor §§ 8 f., §§ 8, 9 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2136

PharmStV

Verordnung über Stoffe mit pharmakologischer Wirkung – § 5 . . . . . . . . . . . . . . . . 2141

RiFlEtikettG

Rindfleischetikettierungsgesetz – §§ 10–12 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2143

WeinG

Weingesetz – Vor §§ 48 ff., §§ 48–50, 52 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2147

ZZulV

Zusatzstoff-Zulassungsverordnung – § 10 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2163

9. Kapitel:

Produkt- und Verbraucherschutzstrafrecht

FeuerzV

Feuerzeugverordnung – § 5 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2169

GenTG

Gentechnikgesetz – §§ 38, 39 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2170

KosmetikV

Kosmetik-Verordnung – §§ 8, 9 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2172

ProdSG

Produktsicherheitsgesetz – §§ 39, 40 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2175

UWG

Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb – § 20 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2191

XIII

Inhaltsübersicht

10. Kapitel: Steuerstrafrecht AO

Abgabenordnung, §§ 30–31b, 369–383a, 384–413 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2195

UStG

Umsatzsteuergesetz, §§ 26a–26c . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2616

11. Kapitel: Urheberschutzstrafrecht/Strafrecht des gewerblichen Rechtsschutzes DesignG

Designgesetz – §§ 51, 65 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2637

GebrMG

Gebrauchsmustergesetz – § 25 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2644

HalblSchG

Halbleiterschutzgesetz – § 10 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2648

KUG

Kunsturhebergesetz – § 33 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2651

MarkenG

Markengesetz – §§ 143–145 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2659

PatG

Patentgesetz – § 142 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2681

SortSchG

Sortenschutzgesetz – §§ 39, 40 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2687

UrhG

Urheberrechtsgesetz – Vor §§ 106 ff., §§ 106–108b, 111a . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2693

12. Kapitel: Wettbewerbsstrafrecht (einschl. Kartellstrafrecht) GWB

Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen – § 81 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2737

UWG

Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb – §§ 16–18, 20 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2759

Dritter Teil Wirtschaftsstrafverfahrensrecht AO

Abgabenordnung – §§ 30–31b, 385–413 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2795

BZRG

Bundeszentralregistergesetz – Vorbem., §§ 18, 32, 39 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2795

EGGVG

Einführungsgesetz zum Gerichtsverfassungsgesetz – § 14 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2813

EMRK

Europäische Menschenrechtskonvention – Art. 5, 6, 8 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2818

GVG

Gerichtsverfassungsgesetz – §§ 74c, 143, Vor §§ 198 ff., 198–201 . . . . . . . . . . . . . . . 2844

InSO

Insolvenzordnung – § 97 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2870

MiStra

Anordnung über Mitteilungen in Strafsachen, Vorbem., Nr. 24, 44, 46–48 . . . . . . . . 2871

OWiG

Gesetz über Ordnungswidrigkeiten – §§ 35–88 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2890

StPO

Strafprozessordnung – §§ 1–33, 38, 47–48, 52–59, 68–68b, 72–78, 80, 81b, 82–83, 85–86, 92–110c, 111b–111l, 112–138, 146–148, 151–152, 153–153a, 153c, 154–154a, 154d, 160a–160b, 177, 199–214, 225a–228, 238, 240–241a, 243–245, 249–250, 257–258, 260–261, 270, 273, 276, 295, 297, 302, Vor 304 ff., Vor 312 ff., Vor 333 ff., 337, 338, 349, 374–393, 395–410, 430–443, 475–478, 483–495 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2891

Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3697 XIV

Alphabetische Inhaltsübersicht Seite

Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII Bearbeiterverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IX Inhaltsübersicht. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XI Allgemeines Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XIX Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XXIX

Kommentierte Gesetze und Verordnungen AEntG

Arbeitnehmer-Entsendegesetz – § 23 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1183

AktG

Aktiengesetz – §§ 399–404 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1565

AltTZG

Altersteilzeitgesetz – § 14 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1189

AMG

Arzneimittelgesetz – Vor §§ 95 ff., §§ 95–98a . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1345

AO

Abgabenordnung – §§ 30–31b, 369–383a, 384–413 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2195

ArbMedVV

Verordnung zur arbeitsmedizinischen Vorsorge – § 10 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1191

ArbSchG

Arbeitsschutzgesetz – §§ 25, 26 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1193

ArbZG

Arbeitszeitgesetz – §§ 22, 23 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1198

AsylG

Asylgesetz – §§ 85, 86 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1205

AÜG

Arbeitnehmerüberlassungsgesetz – §§ 15–16 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1211

AufenthG

Aufenthaltsgesetz – §§ 95–98 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1220

AWG

Außenwirtschaftsgesetz – §§ 17–22 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1455

AWV

Außenwirtschaftsverordnung – §§ 80–82 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1507

BauFordSiG

Bauforderungssicherungsgesetz – §§ 1, 2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1867

BaustellV

Baustellenverordnung – § 7 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1236

BDSG

Bundesdatenschutzgesetz – §§ 43, 44 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1539

BetrSichV

Betriebssicherheitsverordnung – §§ 22, 23 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1240

BetrVG

Betriebsverfassungsgesetz – §§ 119, 120 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1247

BiostoffV

Biostoffverordnung – §§ 20, 21 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1254

BZRG

Bundeszentralregistergesetz – Vorbem., §§ 18, 32, 39 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2795

DesignG

Designgesetz – §§ 51, 65 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2637

EGGVG

Einführungsgesetz zum Gerichtsverfassungsgesetz – § 14 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2813

EMRK

Europäische Menschenrechtskonvention – Art. 5, 6, 8 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2818

EWIVAG

EWIV-Ausführungsgesetz – § 14 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1590 XV

Alphabetische Inhaltsübersicht

FeuerzV

Feuerzeugverordnung – § 5 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2169

FleischG

Fleischgesetz – Vor § 16, § 16 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2091

FleischV

Fleisch-Verordnung – § 13 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2094

FrischZV

Frischzellen-Verordnung – §§ 1, 2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1388

GebrMG

Gebrauchsmustergesetz – § 25 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2644

GefStoffV

Gefahrstoffverordnung – §§ 21–24 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1258

GenG

Genossenschaftsgesetz – §§ 147 Abs. 2, 150, 151 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1594

GenTG

Gentechnikgesetz – §§ 38, 39 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2170

GmbHG

GmbH-Gesetz – §§ 82, 84, 85 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1607

GÜG

Grundstoffüberwachungsgesetz – Vor §§ 19 ff., §§ 19–21 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1390

GVG

Gerichtsverfassungsgesetz – §§ 74c, 143, Vor §§ 198 ff., 198–201 . . . . . . . . . . . . . . . 2844

GWB

Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen – § 81 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2737

HAG

Heimarbeitsgesetz – §§ 31–32a . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1266

HalblSchG

Halbleiterschutzgesetz – § 10 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2648

HGB

Handelsgesetzbuch – §§ 331–333, 334–335b, 340m, n, o, 341m, n, p . . . . . . . . . . . . 1726

InsO

Insolvenzordnung – §§ 15a, 97 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1878

JArbSchG

Jugendarbeitsschutzgesetz – §§ 58–60 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1270

JArbSchSittV

Verordnung über das Verbot der Beschäftigung von Personen unter 18 Jahren mit sittlich gefährdenden Tätigkeiten – § 3 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1281

JuSchG

Jugendschutzgesetz – §§ 27, 28 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1283

KäseV

Käseverordnung – §§ 30, 31 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2097

KosmetikV

Kosmetik-Verordnung – §§ 8, 9 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2172

KrWaffG

Kriegswaffenkontrollgesetz – §§ 19–22b . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1516

KUG

Kunsturhebergesetz – § 33 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2651

KWG

Kreditwesengesetz – §§ 54–56 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1913

LadSchlG

Ladenschlussgesetz – §§ 24, 25 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1291

LFGB

Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch – Vor §§ 58 ff., §§ 58–61 . . . . . . . . . . . . . 2101

LMKV

Lebensmittel-Kennzeichnungsverordnung – § 10 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2134

MarkenG

Markengesetz – §§ 143–145 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2659

MilchMargG

Milch- und Margarinegesetz – Vor §§ 8 f., §§ 8, 9 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2136

XVI

Alphabetische Inhaltsübersicht

MiLoG

Mindestlohngesetz – § 21 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1295

MiStra

Anordnung über Mitteilungen in Strafsachen – Vorbem., Nr. 24, 44, 46–48 . . . . . . . 2871

MPG

Medizinproduktegesetz – Vor §§ 40 ff., §§ 40–43 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1407

MuSchArbV

Verordnung zum Schutze der Mütter am Arbeitsplatz – § 6 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1300

MuSchG

Mutterschutzgesetz – § 21 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1302

OWiG

Gesetz über Ordnungswidrigkeiten – §§ 1–88, 130 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1009

PatG

Patentgesetz – § 142 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2681

PharmStV

Verordnung über Stoffe mit pharmakologischer Wirkung – § 5 . . . . . . . . . . . . . . . . 2141

ProdSG

Produktsicherheitsgesetz – §§ 39, 40 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2175

PublG

Publizitätsgesetz – §§ 17–19 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1836

RiFlEtikettG

Rindfleischetikettierungsgesetz – §§ 10–12 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2143

SchwarzArbG Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz – §§ 8–11 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1307 SGB III

Sozialgesetzbuch Drittes Buch – § 404 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1323

SGB V

Sozialgesetzbuch Fünftes Buch – §§ 306–307b . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1328

SGB X

Sozialgesetzbuch Zehntes Buch – §§ 85, 85a . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1335

SortSchG

Sortenschutzgesetz – §§ 39, 40 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2687

SprAuG

Sprecherausschußgesetz – §§ 34–36 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1339

StGB

Strafgesetzbuch – §§ 1–9, 11–43, 46, 52–56c, 59–61, 70–70b, 73–73e, 76–79b, 108e, 202a–206, 257–266b, 269, 283–287, 291, 298–302, 303a–303c, 324–Anh. 338 . . . . . .

5

StPO

Strafprozessordnung – §§ 1–33, 38, 47–48, 52–59, 68–68b, 72–78, 80, 81b, 82–83, 85–86, 92–110c, 111b–111l, 112–138, 146–148, 151–152, 153–153a, 153c, 154–154a, 154d, 160a–160b, 177, 199–214, 225a–228, 238, 240–241a, 243–245, 249–250, 257–258, 260–261, 270, 273, 276, 295, 297, 302, Vor 304 ff., Vor 312 ff., Vor 333 ff., 337, 338, 349, 374–393, 395–410, 430–443, 475–478, 483–495 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2891

TFG

Transfusionsgesetz – §§ 31, 32 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1429

TKG

Telekommunikationsgesetz – §§ 148, 149 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1551

TPG

Transplantationsgesetz – Vor §§ 18 ff., §§ 18–20 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1436

UmwG

Umwandlungsgesetz – §§ 313–315 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1847

UrhG

Urheberrechtsgesetz – Vor §§ 106 ff., §§ 106–108b, 111a . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2693

UStG

Umsatzsteuergesetz, §§ 26a–26c . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2616

UWG

Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb – §§ 16–18, 20 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2759

XVII

Alphabetische Inhaltsübersicht

WeinG

Weingesetz – Vor §§ 48 ff., §§ 48–50, 52 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2147

WpHG

Wertpapierhandelsgesetz – §§ 38, 39 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1957

ZZulV

Zusatzstoff-Zulassungsverordnung – § 10 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2163

Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3697

XVIII

Allgemeines Literaturverzeichnis Handbücher – Kommentare – Lehrbücher – Monographien I. Wirtschaftsstrafrecht Achenbach/Ransiek/Rönnau (Hrsg.) Handbuch Wirtschaftsstrafrecht, 4. Aufl. 2015 Berndt/Theile Unternehmensstrafrecht und Unternehmensverteidigung, 2016 Böttger (Hrsg.) Wirtschaftsstrafrecht in der Praxis, 2. Aufl. 2015 Eidam Unternehmen und Strafe – Vorsorge und Krisenmanagement, 4. Aufl. 2014 Geilen Aktienstrafrecht, Sonderausgabe aus Kölner Kommentar zum Aktiengesetz, 1984 Graf/Jäger/Wittig (Hrsg.) Wirtschafts- und Steuerstrafrecht, 2011 Große-Vorholt Wirtschaftsstrafrecht, Risiken – Verteidigung – Prävention, 3. Aufl. 2013 Hellmann/Beckemper Wirtschaftsstrafrecht, 4. Aufl. 2013 Kasiske Strafrecht II: Wirtschaftsstrafrecht, 2013 Krekeler/Tiedemann/Ulsenheimer/ Handwörterbuch des Wirtschafts- und Steuerstrafrechts, 1985–1990 Weinmann (Hrsg.) Krekeler/Werner Unternehmer und Strafrecht, 2006 Kudlich/Oglakcioglu Wirtschaftsstrafrecht, 2. Aufl. 2014 Mansdörfer Zur Theorie des Wirtschaftsstrafrechts, 2011 Momsen/Grützner (Hrsg.) Wirtschaftsstrafrecht, 2013 Müller-Gugenberger (Hrsg.) Wirtschaftsstrafrecht, Handbuch des Wirtschaftsstraf- und -ordnungswidrigkeitenrechts, 6. Aufl. 2015 Nöckel Grund und Grenzen eines Marktwirtschaftsstrafrechts, 2012 Otto Aktienstrafrecht, Sonderausgabe aus Großkommentar Aktiengesetz, 4. Aufl. 1997 Popp/Steinberg/Valerius (Hrsg.) Das Wirtschaftsstrafrecht des StGB, 2011 Ransiek Unternehmensstrafrecht – Strafrecht, Verfassungsrecht, Regelungsalternativen, 1996 Stober/Paschke (Hrsg.) Deutsches und Internationales Wirtschaftsstrafrecht, 2. Aufl. 2012 Tiedemann Wirtschaftsstrafrecht – Einführung und Allgemeiner Teil, 4. Aufl. 2014 Wirtschaftsstrafrecht – Besonderer Teil, 3. Aufl. 2011 GmbH-Strafrecht (Sonderausgabe aus Scholz, GmbHG), 5. Aufl. 2010 Wirtschaftsstrafrecht und Wirtschaftskriminalität, 1976 Többens Wirtschaftsstrafrecht, 2006 Volk (Hrsg.) Münchener Anwaltshandbuch Verteidigung in Wirtschafts- und Steuerstrafsachen, 2. Aufl. 2014 Wabnitz/Janovsky (Hrsg.) Handbuch des Wirtschafts- und Steuerstrafrechts, 4. Aufl. 2014 Wittig Wirtschaftsstrafrecht, 3. Aufl. 2014 II. Steuer- und Steuerstrafrecht Beermann/Gosch (Hrsg.) Flore/Tsambikakis (Hrsg.) Hübschmann/Hepp/Spitaler Joecks/Jäger/Randt (Hrsg.) Klein (Hrsg.) Kohlmann Kuhn/Weigell Lippross/Seibel (Hrsg.) Quedenfeld/Füllsack Rolletschke Rolletschke/Kemper

Abgabenordnung – Finanzgerichtsordnung (Loseblatt) Steuerstrafrecht, 2. Aufl. 2016 Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung (Loseblatt) Steuerstrafrecht (mit Zoll- und Verbraucherstrafrecht), 8. Aufl. 2015 Abgabenordnung, 13. Aufl. 2016 Steuerstrafrecht, Kommentar zu den §§ 369–412 AO (Loseblatt) Steuerstrafrecht, 2. Aufl. 2013 Basiskommentar Steuerrecht (Loseblatt) Verteidigung in Steuerstrafsachen, 5. Aufl. 2016 Steuerstrafrecht, 4. Aufl. 2012 Steuerverfehlungen – Kommentar zum Steuerstrafrecht (Loseblatt)

XIX

Allgemeines Literaturverzeichnis

Schwarz/Pahlke Tipke/Kruse Wannemacher & Partner von Wedelstädt (Hrsg.) III. Allgemeines Strafrecht Arzt/Weber/Heinrich/Hilgendorf Baumann/Weber/Mitsch/Eisele Dölling/Duttge/Rössner (Hrsg.) Erbs/Kohlhaas Fischer Freund Frister Gropp Hardtung/Putzke Heinrich von Heintschell-Heinegg (Hrsg.) Hilgendorf/Valerius Jaeger Jakobs Jescheck/Weigend Joecks Kaspar Kempf/Lüderssen/Volk (Hrsg.) Kindhäuser

Kommentar zur Abgabenordnung/Finanzgerichtsordnung (Loseblatt) Abgabenordnung – Finanzgerichtsordnung (Loseblatt) Steuerstrafrecht, 6. Aufl. 2013 Abgabenordnung und Finanzgerichtsordnung, 21. Aufl. 2015

Strafrecht Besonderer Teil, 3. Aufl. 2015 Strafrecht Allgemeiner Teil, 12. Aufl. 2016 Gesamtes Strafrecht, 3. Aufl. 2013 Strafrechtliche Nebengesetze (Loseblatt) Strafgesetzbuch, 63. Aufl. 2016 Strafrecht Allgemeiner Teil – Personale Straftatlehre, 2. Aufl. 2008 Strafrecht, Allgemeiner Teil, 7. Aufl. 2015 Strafrecht, Allgemeiner Teil, 4. Aufl. 2015 Examinatorium Strafrecht AT, 2016 Strafrecht, Allgemeiner Teil, 5. Aufl. 2016 Beck’scher Online-Kommentar StGB Strafrecht, Allgemeiner Teil, 2. Aufl. 2015 Strafrecht, Allgemeiner Teil, 7. Aufl. 2015 Strafrecht, Allgemeiner Teil, 2. Aufl. 1991 Lehrbuch des Strafrechts, Allgemeiner Teil, 5. Aufl. 1996 Studienkommentar StGB, 11. Aufl. 2014 Strafrecht, Allgemeiner Teil, 2015 Unternehmensstrafrecht, 2012 Strafgesetzbuch, 6. Aufl. 2015 Strafrecht, Allgemeiner Teil, 7. Aufl. 2015 Strafrecht, Besonderer Teil I, 7. Aufl. 2015 Strafrecht, Besonderer Teil II, 9. Aufl. 2016 Klesczewski Strafrecht, Besonderer Teil, 2016 Krey/Esser Deutsches Strafrecht, Allgemeiner Teil, 6. Aufl. 2016 Krey/Heinrich/Hellmann Strafrecht, Besonderer Teil, Band 1, 16. Aufl. 2015 Krey/Hellmann Strafrecht, Besonderer Teil, Band 2, 17. Aufl. 2015 Kühl Strafrecht, Allgemeiner Teil, 7. Aufl. 2012 Lackner/Kühl Strafgesetzbuch, 28. Aufl. 2014 Leipold/Tsambikakis/Zöller (Hrsg.) AnwaltKommentar StGB, 2. Aufl. 2015 LK-StGB Laufhütte/Rissing-van Saan/Tiedemann (Hrsg.), Leipziger Kommentar StGB (14 Bände), 12. Aufl. 2010 ff. Matt/Renzikowski (Hrsg.) Strafgesetzbuch, Kommentar, 2013 Maurach/Gössel/Zipf Strafrecht, Allgemeiner Teil, Teilband 2, 8. Aufl. 2014 Maurach/Schröder/Maiwald Strafrecht, Besonderer Teil, Teilband 2, 10. Aufl. 2013 Strafrecht, Besonderer Teil, Teilband 1, 10. Aufl. 2009 Maurach/Zipf/Jäger Strafrecht, Allgemeiner Teil, Teilband 1, 8. Aufl. 1992 Mitsch Strafrecht, Besonderer Teil 2, 3. Aufl. 2015 MüKo-StGB Joecks/Miebach (Hrsg.), Münchener Kommentar zum Strafgesetzbuch (6 Bände), 2. Aufl. 2005 ff. Murmann Grundkurs Strafrecht, 3. Aufl. 2015 NK-StGB Kindhäuser/Neumann/Paeffgen (Hrsg.), Strafgesetzbuch (3 Bände), 4. Aufl. 2013 Otto Grundkurs Strafrecht – Allgemeine Strafrechtslehre, 2004 Rengier Strafrecht Allgemeiner Teil, 8. Aufl. 2016 Strafrecht Besonderer Teil, Band I, Vermögensdelikte, 18. Aufl. 2016 Strafrecht Besonderer Teil, Band II, Delikte gegen die Person und gegen die Allgemeinheit, 17. Aufl. 2016 Roxin Täterschaft und Tatherrschaft, 9. Aufl. 2015 Strafrecht Allgemeiner Teil, Band I, 4. Aufl. 2006; Band II, 2003 Schönke/Schröder Strafgesetzbuch, 29. Aufl. 2014 SK-StGB Systematischer Kommentar zum Strafgesetzbuch (6 Bände), 9. Aufl. 2015 ff. XX

Allgemeines Literaturverzeichnis

SSW-StGB Stratenwerth/Kuhlen Wessels/Beulke/Satzger Wessels/Hettinger Wessels/Hillenkamp

Satzger/Schluckebier/Widmaier (Hrsg.), Strafgesetzbuch, 2. Aufl. 2013 Strafrecht, Allgemeiner Teil, 6. Aufl. 2011 Strafrecht Allgemeiner Teil, 46. Aufl. 2016 Strafrecht, Besonderer Teil 1, 40. Aufl. 2016 Strafrecht, Besonderer Teil 2, 39. Aufl. 2016

IV. Strafverfahrens- und Gerichtsverfassungsrecht Alsberg Der Beweisantrag im Strafprozess, 6. Aufl. 2013 Beulke Strafprozessrecht, 13. Aufl. 2016 Bockemühl (Hrsg.) Handbuch des Fachanwalts Strafrecht, 6. Aufl. 2015 Burhoff Handbuch für die strafrechtliche Hauptverhandlung, 8. Aufl. 2015 Handbuch für das strafrechtliche Ermittlungsverfahren, 7. Aufl. 2015 Dahs Handbuch des Strafverteidigers, 8. Aufl. 2015 Eisenberg Beweisrecht der StPO, 9. Aufl. 2015 Geipel Handbuch der Beweiswürdigung, 2. Aufl. 2013 Gercke/Julius/Temming/Graf Beck’scher Online-Kommentar zur StPO mit RiStBV und MiStra (Hrsg.) Graf Strafprozessordnung, 2. Aufl. 2012 Grützner/Pötz/Kreß Internationaler Rechtshilfeverkehr in Strafsachen (Loseblatt) Hamm Die Revision in Strafsachen, 7. Aufl. 2010 Heghmanns Das Arbeitsgebiet des Staatsanwalts, 4. Aufl. 2010 Heghmanns/Scheffler (Hrsg.) Handbuch zum Strafverfahren, 2008 HK-StPO Gercke/Julius/Temming/Zöller (Hrsg.), Strafprozessordnung (Heidelberger Kommentar), 5. Aufl. 2012 Katholnigg Strafgerichtsverfassungsrecht, 3. Aufl. 1999 Kindhäuser Strafprozessrecht, 4. Aufl. 2015 Kissel/Mayer Gerichtsverfassungsgesetz, 8. Aufl. 2015 KK-StPO Hannich (Hrsg.), Strafprozessordnung (Karlsruher Kommentar), 7. Aufl. 2013 KMR von Heintschel-Heinegg/Stöckl (Hrsg.), Kommentar zur Strafprozessordnung (Loseblatt) Krekeler/Löffelmann/Sommer AnwaltKommentar StPO, 2. Aufl. 2010 (Hrsg.) Kühne Strafprozessrecht, 9. Aufl. 2015 Löwe/Rosenberg Erb/Esser/Franke/Graalmann-Scheerer/Hilger/Ignor (Hrsg.), Die Strafprozessordnung und das Gerichtsverfassungsgesetz (13 Bände), 26. Aufl. 2006–2014; 27. Aufl., Band 1 (2016) Meyer-Goßner/Schmitt Strafprozessordnung, Kommentar, 59. Aufl. 2016 MüKo-StPO Knauer/Kudlich/Schneider (Hrsg.), Münchener Kommentar zur Strafprozessordnung, 2014 ff. Pfeiffer Strafprozessordnung, 5. Aufl. 2005 Pfordte/Degenhard Der Anwalt im Strafrecht, 2005 Radtke/Hohmann Strafprozessordnung, 2011 Roxin/Schünemann Strafverfahrensrecht, 28. Aufl. 2014 SK-StPO Wolter (Hrsg.), Systematischer Kommentar zur Strafprozeßordnung (mit GVG und EMRK), 10 Bände, 4. Aufl. 2011 ff. Sommer Effektive Srafverteidigung, 3. Aufl. 2016 SSW-StPO Satzger/Schluckebier/Widmaier (Hrsg.), Strafprozessordnung, 2. Aufl. 2015 Vordermayer/von HeintschelHandbuch für den Staatsanwalt, 5. Aufl. 2015 Heinegg (Hrsg.) Widmaier/Müller/Schlothauer Münchener Anwaltshandbuch Strafverteidigung, 2. Aufl. 2014 (Hrsg.) V. Sanktionenrecht Detter Meier Schäfer/Sander/van Gemmeren Streng

Einführung in die Praxis des Strafzumessungsrechts, 2009 Strafrechtliche Sanktionen, 4. Aufl. 2014 Praxis der Strafzumessung, 6. Aufl. 2016 Strafrechtliche Sanktionen, 3. Aufl. 2012 XXI

Allgemeines Literaturverzeichnis

VI. Compliance und Internal Investigations Bay (Hrsg.) Handbuch Internal Investigations, 2013 Bay/Hastenrath Compliance-Management-Systeme – Praxiserprobte Elemente, Prozesse und Tools, 2. Aufl. 2016 Behringer Compliance kompakt, 3. Aufl. 2013 Bürkle/Hauschka Der Compliance Officer, 2015 Grützner/Jakob Compliance from A-Z, 2. Aufl. 2015 Hauschka/Moosmayer/Lösler Corporate Compliance – Handbuch der Haftungsvermeidung im (Hrsg.) Unternehmen, 3. Aufl. 2016 Inderst/Bannenberg/Poppe (Hrsg.) Compliance – Aufbau, Management, Risikobereiche, 2. Aufl. 2013 Knierim/Rübenstahl/Tsambikakis Internal Investigations – Ermittlungen im Unternehmen, 2. Aufl. (Hrsg.) 2016 Kuhlen/Kudlich/Oritz de Urbina Compliance und Strafrecht, 2013 (Hrsg.) Mansdörfer/Habetha Strafbarkeitsrisiken des Unternehmers – Verhaltensstrategien, Krisenmanagement, Compliance, 2015 Moosmayer Compliance – Praxisleitfaden für Unternehmen, 3. Aufl. 2015 Passarge/Behringer (Hrsg.) Handbuch Compliance international – Recht und Praxis der Korruptionsprävention, 2015 Ruhmannseder/Lehner/Beukelmann Compliance aktuell, 2016 (Hrsg.) Teichmann Compliance, Rechtliche Grundlagen, 2014 VII. Ordnungswidrigkeitenrecht Bohnert/Bülte Bohnert/Krenberger/Krumm Brenner Göhler Graf (Hrsg.) KK-OWiG Klesczewski Lemke/Mosbacher Mitsch Müller/Starkgraff (Hrsg.) Rebmann/Roth/Herrmann Rosenkötter/Louis Schwacke Thieß Wieser VIII. Handelsrecht Baetge/Kirsch/Thiele Baumbach/Hopt Bertram/Brinkmann/Kessler/Müller Brox/Hennsler Claussen/Scherrer Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn (Hrsg.) Ellrot/Förschle/Kozikowski/ Winkeljohann (Hrsg.) Ensthaler (Hrsg.) Fischinger Förschle/Grottel/Schmidt et al. Glanegger/Kirnberger/Kusterer (Hrsg.) XXII

Ordnungswidrigkeitenrecht, 5. Aufl. 2016 OWiG – Kommentar zum Ordnungswidrigkeitengesetz, 4. Aufl. 2016 Ordnungswidrigkeitenrecht, 2000 Ordnungswidrigkeitengesetz, 16. Aufl. 2012 Beck’scher Online-Kommentar OWiG Senge (Hrsg.), Karlsruher Kommentar zum Ordnungswidrigkeitengesetz, 4. Aufl. 2014 Ordnungswidrigkeitenrecht, 2. Aufl. 2016 Ordnungswidrigkeitengesetz, 2. Aufl. 2005 Recht der Ordnungswidrigkeiten, 2. Aufl. 2005 Gesetz über Ordnungswidrigkeiten (Loseblatt) Gesetz über Ordnungswidrigkeiten (Loseblatt) Das Recht der Ordnungswidrigkeiten, 7. Aufl. 2011 Recht der Ordnungswidrigkeiten, 4. Aufl. 2006 Ordnungswidrigkeitenrecht, 2002 Gesetz über Ordnungswidrigkeiten (Loseblatt) Handbuch des Bußgeldverfahrens, 7. Aufl. 2015

Bilanzrecht (Loseblatt) Handelsgesetzbuch, 37. Aufl. 2016 Haufe HGB Bilanz Kommentar, 7. Aufl. 2016 Handelsrecht, 22. Aufl. 2016 Kölner Kommentar zum Rechnungslegungsrecht, 2010 Handelsgesetzbuch (2 Bände), 3. Aufl. 2014 Beck’scher Bilanz-Kommentar, Handels- und Steuerbilanz, 8. Aufl. 2012 Gemeinschaftskommentar zum Handelsgesetzbuch mit UN-Kaufrecht, 8. Aufl. 2015 Handelsrecht, 2015 Beck’scher Bilanz-Kommentar, 9. Aufl. 2014 Handelsgesetzbuch (Heidelberger Kommentar), 7. Aufl. 2007

Allgemeines Literaturverzeichnis

Haag/Löffler (Hrsg.) Handelsgesetzbuch – HGB, 2. Aufl. 2014 Heidel/Schall (Hrsg.) Handelsgesetzbuch – HGB, 2. Aufl. 2015 Hennrichs/Kleindiek/Watrin (Hrsg.)Münchener Kommentar zum Bilanzrecht (2 Bände; Print und Loseblatt), 2013 ff. Horn/Heymann/Balzer (Hrsg.) Heymann-Handelsgesetzbuch (4 Bände), 2. Aufl. 2005 ff. Jung Handelsrecht, 11. Aufl. 2016 Kindler Grundkurs Handels- und Gesellschaftsrecht, 8. Aufl. 2016 Koller/Kindler/Roth/Morck Handelsgesetzbuch, 8. Aufl. 2015 Lettl Handelsrecht, 3. Aufl. 2015 Maties/Wank Handels- und Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2016 Oetker Handelsrecht, 7. Aufl. 2015 Oetker (Hrsg.) Handelsgesetzbuch, 4. Aufl. 2015 Röhricht/Graf von Westphalen/ Handelsgesetzbuch, 4. Aufl. 2014 Haas (Hrsg.) Schade Handels- und Gesellschaftsrecht, 3. Aufl. 2014 Schmidt, K. Handelsrecht, 6. Aufl. 2014 Schmidt, K. (Hrsg.) Münchener Kommentar zum HGB (7 Bände), 4. Aufl. 2016 ff. Staub Handelsgesetzbuch (15 Bände), 5. Aufl. 2008 ff. Steinbeck Handelsrecht, 3. Aufl. 2014 Teichmann Handelsrecht, 3. Aufl. 2013 Ulmer (Hrsg.) HGB-Bilanzrecht, 2002 Wank Handels- und Gesellschaftsrecht, 2. Aufl. 2010 Wiedmann/Böcking/Gros Bilanzrecht, 3. Aufl. 2014 Wörlen/Kokemoor Handelsrecht, 12. Aufl. 2015 IX. Unternehmens- und Gesellschaftsrecht Bartl/Bartl/Fichtelmann/Koch/ GmbH-Recht (Heidelberger Kommentar), 7. Aufl. 2014 Schlarb/Schmitt Baumbach/Hueck GmbHG, 20. Aufl. 2013 Beuthien/Wolff/Schöpflin Genossenschaftsgesetz, 15. Aufl. 2011 Bitter/Heim Gesellschaftsrecht, 3. Aufl. 2016 Böttcher/Habighorst/Schulte Umwandlungsrecht, 2015 Bork/Schäfer (Hrsg.) GmbHG, 3. Aufl. 2015 Bürgers/Körber (Hrsg.) Aktiengesetz (Heidelberger Kommentar), 3. Aufl. 2014 Dauner-Lieb/Simon Kölner Kommentar zum Umwandlungsgesetz, 2009 Eckhardt/Hermanns (Hrsg.) Kölner Handbuch Gesellschaftsrecht, 3. Aufl. 2016 Ensthaler/Füller/Schmidt GmbHG, 2. Aufl. 2009 Fleischer/Goette (Hrsg.) Münchener Kommentar zum GmbHG (3 Bände), 2. Aufl. 2015 f. Gehrlein/Ekkenga/Simon (Hrsg.) GmbHG, 2. Aufl. 2015 Goette/Habersack (Hrsg.) Münchener Kommentar zum Aktiengesetz (7 Bände), 4. Aufl. 2014 ff. Grigoleit Aktiengesetz, 2013 Grunewald Gesellschaftsrecht, 9. Aufl. 2014 Gummert (Hrsg.) Münchener Anwaltshandbuch Personengesellschaftsrecht, 2. Aufl. 2015 Gummert/Riegger/Weipert (Hrsg.) Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, 4. Aufl. 2013 ff. Habersack/Verse Europäisches Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2011 Heidel (Hrsg.) Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, 4. Aufl. 2014 Henssler/Strohn (Hrsg.) Gesellschaftsrecht, 3. Aufl. 2016 Hillebrandt/Keßler Berliner Kommentar zum Genossenschaftsgesetz, 2. Aufl. 2011 Hölters Aktiengesetz, 2. Aufl. 2014 Hopt/Hehl Gesellschaftsrecht, 5. Aufl. 2016 Hopt/Wiedemann (Hrsg.) Aktiengesetz, Großkommentar (16 Bände), 5. Aufl. 2015 ff. Hüffer/Koch Aktiengesetz, 12. Aufl. 2016 Kallmeyer Umwandlungsgesetz, 6. Aufl. 2016 Keßler/Kühnberger (Hrsg.) Umwandlungsrecht, 2009 Kindl Gesellschaftsrecht, 2011 Klunzinger Grundzüge des Gesellschaftsrechts, 16. Aufl. 2012 Koch Gesellschaftsrecht, 9. Aufl. 2015

XXIII

Allgemeines Literaturverzeichnis

Kohlmann/Reinhart Lang/Weidmüller Lutter Lutter/Hommelhoff Michalski (Hrsg.) Mock Pöhlmann/Fandrich/Bloehs Roth/Altmeppen Rowedder/Schmidt-Leithoff Saenger Saenger/Aderhold/Lenkaitis/ Speckmann (Hrsg.) Saenger/Inhester (Hrsg.) Schäfer Schmidt, K. Schmidt, K./Lutter (Hrsg.) Scholz Schüppen/Staub (Hrsg.) Schwerdtfeger (Hrsg.) Semler/Stengel Spindler/Stilz (Hrsg.) Ulmer/Habersack/Löbbe (Hrsg.) Wachter (Hrsg.) Wicke Widmann/Mayer Wiedemann/Frey Windbichler Ziemons/Binnewies Ziemons/Jaeger (Hrsg.) Zöllner/Noack (Hrsg.)

Die strafrechtliche Verantwortlichkeit des GmbH-Geschäftsführers, 1990 Genossenschaftsgesetz, 38. Aufl. 2016 Umwandlungsgesetz, 5. Aufl. 2014 GmbH-Gesetz, 19. Aufl. 2016 GmbHG, 2. Aufl. 2010 Gesellschaftsrecht, 2015 Genossenschaftasgesetz, 4. Aufl. 2012 GmbHG, 8. Aufl. 2015 GmbHG, 5. Aufl. 2013 Gesellschaftsrecht, 3. Aufl. 2015 Handels- und Gesellschaftsrecht, Praxishandbuch, 2. Aufl. 2011 GmbHG, 3. Aufl. 2016 Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2015 Publizitätsgesetz (Nomos-Online-Kommentar) Gesellschaftsrecht, 5. Aufl. 2016 Aktiengesetz, 3. Aufl. 2015 GmbHG (3 Bände), 11. Aufl. 2012 ff. Münchener Anwaltshandbuch Aktienrecht, 2. Aufl. 2010 Gesellschaftsrecht, 3. Aufl. 2015 Umwandlungsgesetz, 3. Aufl. 2012 Aktiengesetz (2 Bände), 3. Aufl. 2015 GmbHG, Großkommentar (3 Bände), 2. Aufl. 2013 ff. Aktiengesetz, 2. Aufl. 2014 GmbHG, 3. Aufl. 2016 Umwandlungsrecht (Loseblatt) Gesellschaftsrecht, 9. Aufl. 2016 Gesellschaftsrecht, 23. Aufl. 2013 Handbuch Aktiengesellschaft (Loseblatt) Beck’scher Online-Kommentar GmbHG Kölner Kommentar zum Aktiengesetz (9 Bände), 3. Aufl. 2009 ff.

X. Arbeitsrecht Brüssow/Petri Arbeitsstrafrecht, 2. Aufl. 2016 Däubler/Hjort/Schubert/ Arbeitsrecht, Handkommentar (HK-ArbR), 3. Aufl. 2013 Wollmerath (Hrsg.) Deinert Internationales Arbeitsrecht, 2013 Gercke/Kraft/Richter Arbeitsstrafrecht, 2. Aufl. 2015 Grobys/Panzer (Hrsg.) StichwortKommentar Arbeitsrecht, 2. Aufl. 2014 Henssler/Willemsen/Kalb (Hrsg.) Arbeitsrecht, 7. Aufl. 2016 Ignor/Mosbacher Handbuch Arbeitsstrafrecht, 3. Aufl. 2016 Junker Grundkurs Arbeitsrecht, 15. Aufl. 2016 Lansnicker (Hrsg.) Prozesse in Arbeitssachen, 3. Aufl. 2013 Moll (Hrsg.) Münchener Anwaltshandbuch Arbeitsrecht, 3. Aufl. 2012 Müller-Glöge/Preis/Schmidt (Hrsg.) Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 16. Aufl. 2016 Natter/Gross (Hrsg.) Arbeitsgerichtsgesetz, 2. Aufl. 2013 Rolfs Studienkommentar Arbeitsrecht, 4. Aufl. 2014 Schaub Arbeitsrecht-Handbuch, 16. Aufl. 2015 Tschöpe (Hrsg.) Arbeitsrecht, 9. Aufl. 2015 XI. Arzneimittelrecht Buchwald Arzneimittelgesetz, 8. Aufl. 2014 Kügel/Müller/Hofmann (Hrsg.) Arzneimittelgesetz, 2. Aufl. 2016 Meier/v. Czettrik/Gabriel/Kaufmann Pharmarecht, 2014 Meyer/Streinz (Hrsg.) LGBG, BasisVO, HCVO, 2. Aufl. 2012 Ratzel/Luxenburger (Hrsg.) Handbuch Medizinrecht, 3. Aufl. 2015 Rehmann Arzneimittelgesetz, 4. Aufl. 2014 XXIV

Allgemeines Literaturverzeichnis

Rixen/Krämer Sander Stellpflug/Meier/Tadayon (Hrsg.)

Apothekengesetz, 2014 Arzneimittelrecht (Loseblatt) Handbuch Medizinrecht (Loseblatt)

XII. Außenwirtschaftsrecht Bieneck (Hrsg.) Grablitz/Hilf/Nettesheim Hocke/Friedrich Wolffgang/Simonsen/Rogmann (Hrsg.)

Handbuch des Außenwirtschaftsrechts, 2. Aufl. 2004 Das Recht der Europäischen Union: EUV/AEUV, 59. Aufl. 2016 Außenwirtschaftsrecht (Loseblatt) AWR-Kommentar (Loseblatt)

XIII. Datenschutzrecht Auer-Reinsdorff/Conrad Bergmann/Möhrle/Herb Däubler/Klebe/Wedde/Weichert Gierschmann/Thoma/Säugling (Hrsg.) Gola/Klug/Reif Gola/Schomerus Plath (Hrsg.) Roßnagel (Hrsg.) Wolff/Brink (Hrsg.) XIV. Insolvenzrecht Andres/Leithaus Bittmann Braun (Hrsg.) Dannecker/Knierim/Hagemeier Graf-Schlicker (Hrsg.) Haarmeyer/Wutzke/Förster Hess/Gross/Reill-Ruppe/Roth Kayser/Thole (Hrsg.) Kirchhof/Stürner/Eidenmüller (Hrsg.) Kraemer/Vallender/Vogelsang Nehrlich/Römermann (Hrsg.) Reul/Heckschen/Wienberg Roth Runkel/Schmidt (Hrsg.) Schmidt, K. (Hrsg.) Uhlenbruck (Hrsg.) Waza/Uhländer/Schmittmann Weyand/Diversy Wimmer (Hrsg.)

Handbuch IT- und Datenschutzrecht, 2. Aufl. 2016 Datenschutzrecht, 2016 Bundesdatenschutzgesetz, 5. Aufl. 2016 Systematischer Praxiskommentar Datenschutzrecht, 2014 Grundzüge des Datenschutzrechts, 2. Aufl. 2013 BDSG – Bundesdatenschutzgesetz, 12. Aufl. 2015 BDSG/DSGVO, 2. Aufl. 2016 Europäische Datenschutz-Grundverordnung, 2016 Datenschutzrecht in Bund und Ländern, 2013 Beck'scher Online-Kommentar Datenschutzrecht

Insolvenzordnung, 3. Aufl. 2014 Insolvenzstrafrecht, 2004 Insolvenzordnung, 6. Aufl. 2014 Insolvenzstrafrecht, 2. Aufl. 2011 Insolvenzordnung, 4. Aufl. 2014 Handbuch zur Insolvenzordnung, 4. Aufl. 2013 Insolvenzplan, Sanierungsgewinn, Restschuldbefreiung und Verbraucherinsolvenz, 4. Aufl. 2015 Insolvenzordnung, 8. Aufl. 2016 Münchener Kommentar zur Insolvenzordnung (4 Bände), 3. Aufl. 2013 ff. Handbuch zur Insolvenz (Loseblatt) Insolvenzordnung (Loseblatt) Insolvenzrecht in der Gestaltungspraxis, 2012 Insolvenzsteuerrecht, 2. Aufl. 2015 Anwalts-Handbuch Insolvenzrecht, 3. Aufl. 2015 Insolvenzordnung, 19. Aufl. 2016 Insolvenzordnung, 14. Aufl. 2015 Insolvenzen und Steuern, 11. Aufl. 2015 Insolvenzdelikte, 10. Aufl. 2016 Frankfurter Kommentar zur Insolvenzordnung, 8. Aufl. 2015

XV. Lebens- und Genussmittelrecht Bertling/Claußen/Hammerl et al. Lebensmittelrechts-Handbuch (Loseblatt) (Hrsg.) Meyer (Hrsg.) Lebensmittelrecht (Loseblatt) Meyer/Streinz LFGB, BasisVO, HCVO, 2. Aufl. 2012 Zipfel/Rathke Lebensmittelrecht (Loseblatt) XVI. Produkt- und Verbraucherrecht Bydlinski/Lurger Die Richtlinie über die Rechte der Verbraucher, 2012 Foerste/Graf von Westphalen Produkthaftungshandbuch, 3. Aufl. 2012 Kullmann ProdHaftG, 6. Aufl. 2010 XXV

Allgemeines Literaturverzeichnis

Kullmann/Pfister/Stöhr/Spindler Lenz Rödl & Partner (Hrsg.) Tamm/Tonner (Hrsg.)

Produzentenhaftung (Loseblatt) Produkthaftung, 2014 Handbuch internationale Produkthaftung, 2. Aufl. 2013 Verbraucherrecht, 2. Aufl. 2016

XVII. Umweltrecht Burhenne Epiney Erbguth/Schlacke Fischer-Hüftle Hansmann/Sellner (Hrsg.) Kloepfer Koch Landmann/Rohmer Sack Saliger Storm/Lohse

Umweltrecht (Loseblatt) Umweltrecht der Europäischen Union, 3. Aufl. 2013 Umweltrecht, 6. Aufl. 2016 Naturschutz (Loseblatt) Grundzüge des Umweltrechts, 4. Aufl. 2012 Umweltrecht, 4. Aufl. 2016 Umweltrecht, 4. Aufl. 2014 Umweltrecht (Loseblatt) Umweltschutz-Strafrecht (Loseblatt) Umweltstrafrecht, 2012 EG-Umweltrecht (Loseblatt)

XVIII. Urheber- und Markenrecht/Gewerblicher Rechtsschutz Berlit Markenrecht, 10. Aufl. 2015 Bingener Markenrecht, 2. Aufl. 2012 Bosch/Bung/Klippel Geistiges Eigentum und Strafrecht, 2011 Büschner/Dittmer/Schiwy (Hrsg.) Gewerblicher Rechtsschutz, Urheberrecht, Medienrecht, 3. Aufl. 2015 Dreier/Schulze Urheberrechtsgesetz, 5. Aufl. 2015 Eichmann/v. Falckenstein/Kühne Designgesetz, 2015 Fezer Markenrecht, 4. Aufl. 2009 Fezer (Hrsg.) Handbuch der Markenpraxis, 3. Aufl. 2016 Fitzner/Lutz/Bodewig Patentrechtskommentar, 4. Aufl. 2012 Götting Gewerblicher Rechtsschutz, 10. Aufl. 2014 Götting/Meyer/Vormbrock Gewerblicher Rechtsschutz, 2011 Hacker Markenrecht, 4. Aufl. 2016 Haedicke/Timmann Handbuch des Patentrechts, 2012 Hasselblatt (Hrsg.) Münchener Anwaltshandbuch Gewerblicher Rechtsschutz, 4. Aufl. 2012 Ingerl/Rohnke Markengesetz, 3. Aufl. 2010 Lange Marken- und Kennzeichenrecht, 2. Aufl. 2012 Lettl Urheberrecht, 2. Aufl. 2013 Loewenheim (Hrsg.) Handbuch des Urheberrechts, 2. Aufl. 2010 Mes Patentgesetz, Gebrauchsmustergesetz, 4. Aufl. 2015 Metzger/Zech Sortenschutzrecht, 2016 Raue/Hegemann (Hrsg.) Münchener Anwaltshandbuch Urheber- und Medienrecht, 2011 Schack Urheber- und Urhebervertragsrecht, 7. Aufl. 2015 Schricker/Loewenheim Urheberrecht, 4. Aufl. 2010 Ströbele/Hacker (Hrsg.) Markengesetz, 11. Aufl. 2015 Wandtke/Bullinger (Hrsg.) Praxiskommentar zum Urheberrecht, 4. Aufl. 2014 XIX. Wettbewerbsrecht (einschl. Kartellrecht) Busche/Röhling (Hrsg.) Kölner Kommentar zum Kartellrecht (4 Bände), 2013 ff. Fezer/Büscher/Obergfell (Hrsg.) Lauterkeitsrecht: UWG (2 Bände), 3. Aufl. 2016 Gloy/Loschelder/Erdmann Handbuch des Wettbewerbsrechts, 4. Aufl. 2010 Götting/Nordemann (Hrsg.) UWG Handkommentar, 3. Aufl. 2016 Harte-Bavendamm/HenningUWG, 4. Aufl. 2016 Bodewig (Hrsg.) Hirsch/Montag/Säcker (Hrsg.) Münchener Kommentar Europäisches und Deutsches Wettbewerbsrecht (4 Bände), 2. Aufl. 2015 ff. Immenga/Mestmäcker (Hrsg.) Wettbewerbsrecht (3 Bände), 5. Aufl. 2012 ff. Jaeger u.a. (Hrsg.) Frankfurter Kommentar zum Kartellrecht (Loseblatt) Köhler/Bornkamm Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb, 34. Aufl. 2016 XXVI

Allgemeines Literaturverzeichnis

Lettl Nordemann/Nordemann/ Nordemann-Schiffel Ohly/Sosnitza Schröter/Jakob/Klotz/Mederer (Hrsg.) Teplitzky/Peifer/Leistner (Hrsg.)

Wettbewerbsrecht, 3. Aufl. 2016 Wettbewerbsrecht, Markenrecht, 11. Aufl. 2012 UWG, 7. Aufl. 2016 Europäisches Wettbewerbsrecht, 2. Aufl. 2014 UWG, Großkommentar (3 Bände), 2. Aufl. 2013

XX. Kapitalmarktrecht Assmann/Uwe H. Schneider (Hrsg.) Wertpapierhandelsgesetz, 6. Aufl. 2012 Assmann/Schütze (Hrsg.) Handbuch des Kapitalanlagerechts, 4. Aufl. 2015 Fandrich/Karper (Hrsg.) Münchener Anwaltshandbuch Bank- und Kapitalmarktrecht, 2012 Groß Kapitalmarktrecht, 6. Aufl. 2016 Heidel (Hrsg.) Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, 4. Aufl. 2014 Hohnel (Hrsg.) Kapitalmarktstrafrecht, 2013 Knops/Korff/Lassen Bank- und Kapitalmarktrecht, 2012 Park (Hrsg.) Kapitalmarktstrafrecht, 3. Aufl. 2013 Schäfer/Hamann (Hrsg.) Kapitalmarktgesetze (Loseblatt) Schimansky/Bunte/Lwowski Bankrechts-Handbuch (2 Bände), 5. Aufl. 2016 Schröder Handbuch Kapitalmarktstrafrecht, 3. Aufl. 2015 Schwark/Zimmer (Hrsg.) Kapitalmarktrechts-Kommentar, 4. Aufl. 2010 XXI. Sonstiges Wirtschafts- und Zivil-/Zivilverfahrensrecht Baumbach/Lauterbach/ Zivilprozessordnung, 74. Aufl. 2016 Albers/Hartmann Dauner-Lieb/Heidel/Ring (Hrsg.) Bürgerliches Gesetzbuch (6 Bände), 2. Aufl. 2016 Erman BGB, Kommentar (2 Bände), 14. Aufl. 2014 Herdegen Internationales Wirtschaftsrecht, 10. Aufl. 2014 Jauernig Bürgerliches Gesetzbuch, 16. Aufl. 2015 Limperg (Hrsg.) Münchener Kommentar zum BGB (12 Bände), 7. Aufl. 2015 ff. Palandt Bürgerliches Gesetzbuch, 75. Aufl. 2016 Prölss/Dreher Versicherungsaufsichtsgesetz, 12. Aufl. 2005 Prütting/Wegen/Weinreich (Hrsg.) Bürgerliches Gesetzbuch, 11. Aufl. 2016 Rittner/Dreher Europäisches und deutsches Wirtschaftsrecht, 3. Aufl. 2007 Rosenberg/Schwab/Gottwald Zivilprozessrecht, 17. Aufl. 2010 Schwennicke/Auerbach (Hrsg.) Kreditwesengesetz, 3. Aufl. 2016 Stober/Paschke (Hrsg.) Deutsches und internationales Wirtschaftsrecht, 2. Aufl. 2012 Thomas/Putzo Zivilprozessordnung, 37. Aufl. 2016 Zöller Zivilprozessordnung, 31. Aufl. 2016

XXVII

Abkürzungsverzeichnis a.A. AA a.a.O. AbgG abl. ABl. Abs. AbwAG Ad legendum AdVermiG a.E. AEAO AEG AEMR AEntG AEUV a.F. AFG Aflatoxin VerbotsV AfP AFWoG AG AGB AGeV AGS AiB AK-StPO AktG AL AlkopopStG Alt. AltTZG a.M. AMBtAngV AMFarbV AMG AMGKostV AMGrHdlBetrV AMGVwV AM-HandelsV AMHV AMPreisV AMRadV AMRK

andere(r) Ansicht Auswärtiges Amt am angegebenen Ort Gesetz über die Rechtsverhältnisse der Mitglieder des Deutschen Bundestages (Abgeordnetengesetz) ablehnend Amtsblatt Absatz Gesetz über Abgaben für das Einleiten von Abwasser in Gewässer (Abwasserabgabengesetz) Juristische Ausbildungszeitschrift Gesetz über die Vermittlung der Annahme als Kind und über das Verbot der Vermittlung von Ersatzmüttern (Adoptionsvermittlungsgesetz) am Ende Anwendungserlass zur Abgabenordnung Allgemeines Eisenbahngesetz Allgemeine Erklärung der Menschenrechte Arbeitnehmer-Entsendegesetz Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union alte Fassung Arbeitsförderungsgesetz Verordnung über das Verbot der Verwendung von mit Aflatoxinen kontaminierten Stoffen bei der Herstellung von Arzneimitteln Archiv für Presserecht – Zeitschrift für Medien- und Kommunikationsrecht Gesetz über den Abbau der Fehlsubventionierung im Wohnungswesen Die Aktiengesellschaft (ZS); auch: Amtsgericht; Aktiengesellschaft; Arbeitgeber/in Allgemeine Geschäftsbedingungen Verordnung über bestimmte alkoholhaltige Getränke Anwaltsgebühren spezial (ZS) Arbeitsrecht im Betrieb (ZS) Achenbach/Amelung/Dästner, Kommentar zur Strafprozessordnung in der Reihe Alternativkommentare (Hrsg. Wassermann) Aktiengesetz s. Ad legendum Gesetz über die Erhebung einer Sondersteuer auf alkoholhaltige Süßgetränke (Alkopops) zum Schutz junger Menschen (Alkopopsteuergesetz) Alternative Altersteilzeitgesetz andere(r) Meinung Verordnung über die Angabe von Arzneimittelbestandteilen Arzneimittelfarbstoffverordnung Gesetz über den Verkehr mit Arzneimitteln (Arzneimittelgesetz) Kostenverordnung für die Zulassung und Registrierung von Arzneimitteln durch das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte und das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (AMG-Kostenverordnung) Betriebsverordnung für Arzneimittelgroßhandelsbetriebe Allgemeine Verwaltungsvorschrift zur Durchführung des Arzneimittelgesetzes Verordnung über den Großhandel und die Arzneimittelvermittlung (Arzneimittelhandelsverordnung) Verordnung über das Inverkehrbringen von Arzneimitteln ohne Genehmigung oder ohne Zulassung in Härtefällen (Arzneimittel-Härtefall-Verordnung) Arzneimittelpreisverordnung Verordnung über radioaktive oder mit ionisierenden Strahlen behandelte Arzneimittel Amerikanische Menschenrechtskonvention XXIX

Abkürzungsverzeichnis

AMSachKV AMVerkRV AMVV AMWarnV AMWHV

AN Anh. Anl. Anm. AnSVG AntiDopG AnwBl AnwK-ArbR AnwK-StGB AnwK-StPO AO AOÄndG AO-StB APAAN APAReG ApBetrO ApoG A/R ArbG ArbMedVV ArbNErfG ArbRAktuell ArbSchG ArbSG ArbStättV ArbuR ArbZG AReG ArGV AromenV A/R/R Art. ARUG Arzneimittel-TSEVerordnung Ärzte-ZV AStBV (St) AStG AStVBV (St) AsylbLG AsylVfG AT XXX

Verordnung über den Nachweis der Sachkenntnis im Einzelhandel mit freiverkäuflichen Arzneimitteln Verordnung über apothekenpflichtige und freiverkäufliche Arzneimittel Verordnung über die Verschreibungspflicht von Arzneimitteln (Arzneimittelverschreibungsverordnung) Arzneimittel-Warnhinweisverordnung Verordnung über die Anwendung der Guten Herstellungspraxis bei der Herstellung von Arzneimitteln und Wirkstoffen und über die Anwendung der Guten fachlichen Praxis bei der Herstellung von Produkten menschlicher Herkunft (Arzneimittelund Wirkstoffherstellungsverordnung) Arbeitnehmer/in Anhang Anlage Anmerkung Gesetz zur Verbesserung des Anlegerschutzes (Anlegerschutzverbesserungsgesetz) Gesetz gegen Doping im Sport (Anti-Doping-Gesetz) Anwaltsblatt (ZS) Hümmerich/Boecken/Düwell u.a., AnwaltKommentar Arbeitsrecht Leipold/Tsambikakis/Zöller (Hrsg.), AnwaltKommentar StGB Krekeler/Löffelmann/Sommer (Hrsg.), AnwaltKommentar StPO Abgabenordnung Gesetz zur Änderung der Abgabenordnung und des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung AO-Steuer-Berater (ZS) Alpha-Phenylacetyl-Acetonitril Abschlussprüferaufsichtsreformgesetz Verordnung über den Betrieb von Apotheken (Apothekenbetriebsordnung) Gesetz über das Apothekenwesen (Apothekengesetz) Ackenbach/Ransiek (Hrsg.), Handbuch Wirtschaftsstrafrecht (bis 3. Aufl. 2011); s. auch A/R/R Arbeitsgericht Verordnung zur arbeitsmedizinischen Vorsorge Gesetz über Arbeitnehmererfindungen Arbeitsrecht Aktuell (ZS) Gesetz über die Durchführung von Maßnahmen des Arbeitsschutzes zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Beschäftigten bei der Arbeit (Arbeitsschutzgesetz) Arbeitssicherstellungsgesetz Verordnung über Arbeitsstätten (Arbeitsstättenverordnung) Arbeit und Recht (ZS) Arbeitszeitgesetz Abschlussprüfungsreformgesetz Verordnung über die Arbeitsgenehmigung für ausländische Arbeitnehmer (Arbeitsgenehmigungsverordnung) Aromenverordnung Achenbach/Ransiek/Rönnau (Hrsg.), Handbuch Wirtschaftsstrafrecht (ab 4. Aufl. 2015) Artikel Gesetz zur Umsetzung der Aktionärsrichtlinie Verordnung zum Verbot der Verwendung bestimmter Stoffe zur Vermeidung des Risikos der Übertragung transmissibler spongiformer Enzephalopathien durch Arzneimittel Zulassungsverordnung für Vertragsärzte Anweisungen für das Straf- und Bußgeldverfahren (Steuer) Gesetz über die Besteuerung bei Auslandsbeziehungen (Außensteuergesetz) Anweisungen für das Straf- und Bußgeldverfahren (Steuer) Asylbewerberleistungsgesetz Asylverfahrensgesetz Allgemeiner Teil

Abkürzungsverzeichnis

AtG AtomG AuA AufenthG AufenthV AÜG ausf. AusglLeistG AuslG AVG AVmG AWG A/W/H/H AW-Prax AWV AZRG BAFA BaFin BAföG BAG BÄK BankBiRiLiG BAnz BÄO BArbBl BArchG BArtSchV BasisVO BAT BauFordSiG BauGB BauR BaustellV BayBO BayGZVJu BayObLG BayObLGSt BayVBl BayZuVOWiG BB BB Special BBergG BBG

s. AtomG Gesetz über die friedliche Verwendung der Kernenergie und den Schutz gegen ihre Gefahren (Atomgesetz) Arbeit und Arbeitsrecht (ZS) Gesetz über den Aufenthalt, die Erwerbstätigkeit und die Integration von Ausländern im Bundesgebiet Aufenthaltsverordnung Gesetz zur Regelung der Arbeitnehmerüberlassung (Arbeitnehmerüberlassungsgesetz) ausführlich Gesetz über staatliche Ausgleichsleistungen für Enteignungen auf besatzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Grundlage, die nicht mehr rückgängig gemacht werden können (Ausgleichsleistungsgesetz) Gesetz über die Einreise und den Aufenthalt von Ausländern im Bundesgebiet (Ausländergesetz) Angestelltenversicherungsgesetz Altersvermögensgesetz Außenwirtschaftsgesetz Arzt/Weber/Heinrich/Hilgendorf, Strafrecht Besonderer Teil (Lehrbuch) Außenwirtschaftliche Praxis (ZS) Außenwirtschaftsverordnung Gesetz über das Ausländerzentralregister Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht Bundesgesetz über individuelle Förderung der Ausbildung (Bundesausbildungsförderungsgesetz) Bundesamt für Güterverkehr; auch: Bundesarbeitsgericht Bundesärztekammer Gesetz zur Angleichung von Vorschriften des deutschen Rechts an die EG-Bankbilanzrichtlinie (Bankbilanzrichtlinie-Gesetz) Bundesanzeiger Bundesärzteordnung Bundesarbeitsblatt Gesetz über die Sicherung und Nutzung von Archivgut des Bundes (Bundesarchivgesetz) Verordnung zum Schutz wild lebender Tier- und Pflanzenarten (Bundesartenschutzverordnung) I. Verordnung (EG) Nr. 178/2002 zur Festlegung der allgemeinen Grundsätze und Anforderungen des Lebensmittelrechts, zur Errichtung der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit und zur Festlegung von Verfahren zur Lebensmittelsicherheit Bundes-Angestelltentarifvertrag Gesetz über die Sicherung der Bauforderungen (Bauforderungssicherungsgesetz) Baugesetzbuch Baurecht (ZS) Verordnung über Sicherheit und Gesundheitsschutz auf Baustellen Bayerische Bauordnung Verordnung über gerichtliche Zuständigkeiten im Bereich des (bayerischen) Staatsministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz Bayerisches Oberstes Landesgericht (aufgelöst zum 30.6.2006) Entscheidungen des Bayerischen Obersten Landesgerichts in Strafsachen Bayerische Verwaltungsblätter – Zeitschrift für öffentliches Recht und öffentliche Verwaltung Bayerische Verordnung über Zuständigkeiten im Ordnungswidrigkeitenrecht Betriebs-Berater (ZS) Betriebs-Berater Special (Themenhefte des BB) Bundesberggesetz Bundesbeamtengesetz

XXXI

Abkürzungsverzeichnis

BBodSchG BC BDG BDSG BE BeamtStG BeamtVG BeckOK-ArbR BeckOK-GewO BeckOK-GG BeckOK-GmbHG BeckOK-JMStV BeckOK-MarkenR BeckOK-OWiG BeckOK-StGB BeckOK-StPO BeckOK-UrhR BeckRS BedGgstV BEEG BEMA BergPG BerlinFG BeschV BetrSichV

BetrVG BeurkG BewH BfArM BFH BFHE BFH/NV BfJ BFStrMG BGB BGBl BGE BGH BGHR BGHSt BGHZ BGS BGSG BGV BHO BierStG BierStV BiLiRiG

XXXII

Gesetz zum Schutz vor schädlichen Bodenveränderungen und zur Sanierung von Altlasten (Bundes-Bodenschutzgesetz) Zeitschrift für Bilanzierung, Rechnungswesen und Controlling Bundesdisziplinargesetz Bundesdatenschutzgesetz Berichterstatter Gesetz zur Regelung des Statusrechts der Beamtinnen und Beamten in den Ländern (Beamtenstatusgesetz) Gesetz über die Versorgung der Beamten und Richter des Bundes (Beamtenversorgungsgesetz) Beck’scher Online-Kommentar Arbeitsrecht Beck’scher Online-Kommentar GewO Beck’scher Online-Kommentar Grundgesetz Beck’scher Online-Kommentar GmbHG Beck’scher Online-Kommentar JMStV Beck’scher Online-Kommentar Markenrecht Beck’scher Online-Kommentar OWiG Beck’scher Online-Kommentar StGB Beck’scher Online-Kommentar StPO Beck’scher Online-Kommentar Urheberrecht Beck online Rechtsprechung Bedarfsgegenständeverordnung Gesetz zum Elterngeld und zur Elternzeit (Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz) Bewertungsmaßstab zahnärztlicher Leistungen Gesetz über Bergmannsprämien (Bergmannsprämien-Gesetz) Gesetz zur Förderung der Berliner Wirtschaft Verordnung über die Beschäftigung von Ausländerinnen und Ausländern (Beschäftigungsverordnung) Verordnung über Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der Bereitstellung von Arbeitsmitteln und deren Benutzung bei der Arbeit, über Sicherheit beim Betrieb überwachungsbedürftiger Anlagen und über die Organisation des betrieblichen Arbeitsschutzes (Betriebssicherheitsverordnung) Betriebsverfassungsgesetz Beurkundungsgesetz Bewährungshilfe (ZS) Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte Bundesfinanzhof Entscheidungen des Bundesfinanzhofs Sammlung der nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlichten Entscheidungen des Bundesfinanzhofs Bundesamt für Justiz Gesetz über die Erhebung von streckenbezogenen Gebühren für die Benutzung von Bundesautobahnen und Bundesstraßen Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgesetzblatt Bundesgerichtsentscheidungen (Schweiz) Bundesgerichtshof BGH-Rechtsprechung Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Strafsachen Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen Bundesgrenzschutz Gesetz über den Bundesgrenzschutz Berufsgenossenschaftliche Vorschriften Bundeshaushaltsordnung Biersteuergesetz Verordnung zur Durchführung des Biersteuergesetzes (Biersteuerverordnung) Bilanzrichtliniengesetz

Abkürzungsverzeichnis

BilModG BilReG BilRUG BImSchG BImSchV BinSchAufgG BinSchGerG BiostoffV BJ BKA BKAG BKartA BKatV BKGG BKostV-MPG BKR B/L/A/H BLJ BlPMZ BMÄ BMAS BMF BMinG BMJV BMV-Ä BNatSchG BND BNDG BNetzA BNotO BO-BW BO-NRW BORA BörsG BPatG BPersG bpM BpO BPolG BPräsWahlG BR BRAGO BRAK BranntwMonG BRAO BRD

Gesetz zur Modernisierung des Bilanzrechts (Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz) Gesetz zur Einführung internationaler Rechnungslegungsstandards und zur Sicherung der Qualität der Abschlussprüfung (Bilanzrechtsreformgesetz) Bilanzrichtlinie-Umsetzungsgesetz Gesetz zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen durch Luftverunreinigungen, Geräusche, Erschütterungen und ähnliche Vorgänge (Bundes-Immissionsschutzgesetz) Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (Bundes-Immissionsschutzverordnung) Gesetz über die Aufgaben des Bundes auf dem Gebiet der Binnenschiffahrt (Binnenschiffahrtsaufgabengesetz) Gesetz über das gerichtliche Verfahren in Binnenschiffahrtssachen Verordnung über Sicherheit und Gesundheitsschutz bei Tätigkeiten mit Biologischen Arbeitsstoffen Betrifft Justiz (ZS) Bundeskriminalamt Gesetz über das Bundeskriminalamt und die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder in kriminalpolizeilichen Angelegenheiten Bundeskartellamt Verordnung über die Erteilung einer Verwarnung, Regelsätze für Geldbußen und die Anordnung eines Fahrverbotes wegen Ordnungswidrigkeiten im Straßenverkehr (Bußgeldkatalog-Verordnung) Bundeskindergeldgesetz Gebührenverordnung zum Medizinproduktegesetz und den zu seiner Ausführung ergangenen Rechtsverordnungen (Medizinprodukte-Gebührenverordnung) Zeitschrift für Bank- und Kapitalmarktrecht Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, Zivilprozessordnung (Kommentar) Bucerius Law Journal (online-ZS) Blatt für Patent-, Muster- und Zeichenwesen (ZS) Bewertungsmaßstab Ärzte Bundesminister(ium) für Arbeit und Sozialordnung Bundesminister(ium) der Finanzen Gesetz über die Rechtsverhältnisse der Mitglieder der Bundesregierung Bundesminister(ium) der Justiz und für Verbraucherschutz Bundesmantelvertrag – Ärzte Gesetz über Naturschutz und Landschaftspflege (Bundesnaturschutzgesetz) Bundesnachrichtendienst Gesetz über den Bundesnachrichtendienst Bundesnetzagentur Bundesnotarordnung Berufsordnung der Landesärztekammer Baden-Württemberg Berufsordnung für die nordrheinischen Ärztinnen und Ärzte Berufsordnung der Rechtsanwälte Börsengesetz Bundespatentgericht Bundespersonalvertretungsgesetz besondere persönliche Merkmale Betriebsprüfungsordnung Gesetz über die Bundespolizei Gesetz über die Wahl des Bundespräsidenten durch die Bundesversammlung Bundesrat Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte (bis 1.7.2004) Bundesrechtsanwaltskammer Gesetz über das Branntweinmonopol Bundesrechtsanwaltsordnung Bundesrepublik Deutschland

XXXIII

Abkürzungsverzeichnis

BRRD-Umsetzungs- Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie 2014/59/EU des Europäischen Parlaments und gesetz des Rates vom 15. Mai 2014 zur Festlegung eines Rahmens für die Sanierung und Abwicklung von Kreditinstituten und Wertpapierfirmen und zur Änderung der Richtlinie 82/891/EWG des Rates, der Richtlinien 2001/24/EG, 2002/47/EG, 2004/25/EG, 2005/56/EG, 2007/36/EG, 2011/35/EU, 2012/30/EU und 2013/36/EU sowie der Verordnungen (EU) Nr. 1093/2010 und (EU) Nr. 648/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates BRRG Beamtenrechtsrahmengesetz BSG Bundessozialgericht BSI Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik Bsp. Beispiel Bspr. Besprechung bspw. beispielsweise BT Bundestag; auch: Besonderer Teil BtMG Gesetz über den Verkehr mit Betäubungsmitteln (Betäubungsmittelgesetz) BUA Bundesumweltamt BuchPrG Gesetz über die Preisbindung für Bücher (Buchpreisbindungsgesetz) BuStra Bußgeld- und Strafsachenstelle der Finanzbehörden ButterV Verordnung über Butter und andere Milchstreichfette (Butterverordnung) BuW Betrieb und Wirtschaft (ZS) BVerfG Bundesverfassungsgericht BVerfGE Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts BVerfGG Gesetz über das Bundesverfassungsgericht BVerfGK Kammerentscheidungen des Bundesverfassungsgerichts BVerfSchG Gesetz über die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder in Angelegenheiten des Verfassungsschutzes und über das Bundesamt für Verfassungsschutz BVerwG Bundesverwaltungsgericht BVL Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit BVV Verordnung über die Berechnung, Zahlung, Weiterleitung, Abrechnung und Prüfung des Gesamtsozialversicherungsbeitrages (Beitragsverfahrensordnung) BW Baden-Württemberg BW OWiZuVO Verordnung der Landesregierung Baden-Württemberg über Zuständigkeiten nach dem Gesetz über Ordnungswidrigkeiten BWahlG Bundeswahlgesetz BWaldG Gesetz zur Erhaltung des Waldes und zur Förderung der Forstwirtschaft (Bundeswaldgesetz) BWGZ Die Gemeindezeitung (Organ des Gemeindetags Baden-Württemberg) BZR Bundeszentralregister BZRG Gesetz über das Zentralregister und das Erziehungsregister (Bundeszentralregistergesetz) BZRGVwV Allgemeine Verwaltungsvorschrift zur Durchführung des Bundeszentralregistergesetzes BZSt Bundeszentralamt für Steuern bzw. beziehungsweise causa sport CB CCZ CFL ChemG COMI CpD CR CRD CRi Crim LF CRR

XXXIV

Sport-Zeitschrift für nationales und internationales Recht Compliance-Berater (ZS) Corporate Compliance Zeitschrift Corporate Finance Law (ZS) Gesetz zum Schutz vor gefährlichen Stoffen (Chemikaliengesetz) Center of main Interest Conto-pro-Diverse Computer und Recht (ZS) Capital Requirements Directive Computer Law Review International (ZS) Criminal Law Forum (ZS) Capital Requirements Regulation

Abkürzungsverzeichnis

CWÜAG CWÜV DÄ DAR DAV DAVorm DB DDR Der Konzern DepotG DesignG DEÜV d.h. DiätV Die Justiz Die Polizei DIMDIV DJT DJZ DLR DNotZ DÖV DPC DPMA DPR DRG DRiG DrittelbG DRiZ Drs. DruckLV Drucks. DRV DSB DSO DStJG DStR DStRE DStZ DSWR DuD DüngemittelG DVBl DVO DVStraBu DZWIR E EAEGÄndG

Ausführungsgesetz zu dem Übereinkommen vom 13. Januar 1993 über das Verbot der Entwicklung, Herstellung, Lagerung und des Einsatzes chemischer Waffen und über die Vernichtung solcher Waffen Ausführungsverordnung zum Chemiewaffenübereinkommen vom 20. November 1996 Deutsches Ärzteblatt Deutsches Autorecht (ZS) Deutscher Anwaltverein Der Amtsvormund (ZS) Der Betrieb (ZS) Deutsche Demokratische Republik Zeitschrift für Gesellschaftsrecht, Steuerrecht, Bilanzrecht und Rechnungslegung der verbundenen Unternehmen Gesetz über die Verwahrung und Anschaffung von Wertpapieren (Depotgesetz) Gesetz über den rechtlichen Schutz von Design (Designgesetz); vor 2014: Geschmacksmustergesetz Verordnung über die Erfassung und Übermittlung von Daten für die Träger der Sozialversicherung (Datenerfassungs- und übermittlungsverordnung) das heißt Verordnung über diätetische Lebensmittel Amtsblatt des Justizministeriums Baden-Württemberg Fachzeitschrift für das Polizeiwesen Verordnung über das datenbankgestützte Informationssystem über Medizinprodukte des Deutschen Instituts für Medizinische Dokumentation und Information (DIMDI-Verordnung) Deutscher Juristentag Deutsche Juristen-Zeitung Deutsche Lebensmittelrundschau Deutsche Notar-Zeitschrift Die öffentliche Verwaltung (ZS) Diritto Penale Contemporaneo Rivista Trimestrale (ZS) Deutsches Patent- und Markenamt Deutsche Prüfstelle für Rechnungslegung Diagnosis Related Groups (diagnosebezogene Fallgruppen) Deutsches Richtergesetz Gesetz über die Drittelbeteiligung der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat Deutsche Richterzeitung s. Drucks. Verordnung über Arbeiten in Druckluft (Druckluftverordnung) Drucksache Deutsche Rentenversicherung Datenschutz-Berater (ZS) Deutsche Stiftung Organtransplantation Tagungsbände der Deutschen Steuerjuristischen Gesellschaft Deutsches Steuerrecht (ZS) Deutsches Steuerrecht – Entscheidungsdienst Deutsche Steuer-Zeitung Datenverarbeitung – Steuern – Wirtschaft – Recht (ZS) Datenschutz und Datensicherheit (ZS) Düngemittelgesetz Deutsches Verwaltungsblatt (ZS) Durchführungsverordnung Dienstvorschrift für Strafsachen- und Bußgeldstellen Deutsche Zeitschrift für Wirtschafts- und Insolvenzrecht Entwurf Gesetz zur Änderung des Einlagensicherungs- und Anlegerentschädigungsgesetzes und anderer Gesetze XXXV

Abkürzungsverzeichnis

EALG

EBAO E/B/J/S EBM EFG EFRE EFSM EFTA EFZG eG EG-AbfVerbrV EGAO EGBGB EGFinSchG EGFL EGGmbHG EGGVG EGH EGInsO eGK EGMR E-GO EGOWiG EGStGB EGStPO EGV EGZPO EHG EHUG EichG EigZulG EinzelhandelsG ELER ELR EMA EMRK EnergieStG EntgFG EnWG EPA ErbStG ErdölBevG ErfK-ArbR ERP ErwG ESchG ESFS ESM XXXVI

Gesetz über die Entschädigung nach dem Gesetz zur Regelung offener Vermögensfragen und über staatliche Ausgleichsleistungen für Enteignungen auf besatzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Grundlage (Entschädigungs- und Ausgleichsleistungsgesetz) Einforderungs- und Beitreibungsanordnung Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn (Hrsg.), Handelsgesetzbuch (Kommentar) Einheitlicher Bewertungsmaßstab (Vergütungssystem der vertragsärztlichen Versorgung in Deutschland) Entscheidungen der Finanzgerichte (ZS) Europäischer Fonds für regionale Entwicklung (EU-Regionalfonds) Europäischer Finanzstabilisierungsmechanismus (European Financial Stabilisation Mechanism) European Free Trade Association (Europäische Freihandelsassoziation) s. EntGFG eingetragene Genossenschaft Verordnung (EG) Nr. 1013/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Juni 2006 über die Verbringung von Abfällen (EG-Abfallverbringungsverordnung) Einführungsgesetz zur Abgabenordnung Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch Gesetz zu dem Übereinkommen vom 26. Juli 1995 über den Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Gemeinschaften (EG-Finanzschutzgesetz) Europäischer Garantiefonds für die Landwirtschaft Einführungsgesetz zum Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung Einführungsgesetz zum Gerichtsverfassungsgesetz Ehrengerichtshof für Rechtsanwälte Einführungsgesetz zur Insolvenzordnung Elektronische Gesundheitskarte Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte Ersatzkassengebührenordnung Einführungsgesetz zum Gesetz über Ordnungswidrigkeiten Einführungsgesetz zum Strafgesetzbuch Einführungsgesetz zur Strafprozessordnung Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (EG-Vertrag) Gesetz betreffend die Einführung der Zivilprozeßordnung s. EinzelhandelsG Gesetz über elektronische Handelsregister und Genossenschaftsregister sowie das Unternehmensregister Gesetz über das Meß- und Eichwesen (Eichgesetz) Eigenheimzulagengesetz Gesetz über die Berufsausübung im Einzelhandel (Einzelhandelsgesetz) Europäischer Landwirtschaftsfonds für die ländliche Entwicklung European Law Reporter (ZS) European Medicines Agency (Europäische Arzneimittel-Agentur) Europäische Menschenrechtskonvention Energiesteuergesetz Gesetz über die Zahlung des Arbeitsentgelts an Feiertagen und im Krankheitsfall (Entgeltfortzahlungsgesetz) Gesetz über die Elektrizitäts- und Gasversorgung (Energiewirtschaftsgesetz) Europäisches Patentamt Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz Gesetz über die Bevorratung mit Erdöl und Erdölerzeugnisssen Dieterich u.a., Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht Energy-related Products (energiebetriebene Produkte) Erwägungsgrund Gesetz zum Schutz von Embryonen (Embryonenschutzgesetz) Europäische Finanzstabilisierungsfazilität (European Financial Stability Facility) Europäischer Stabilitätsmechanismus (European Stability Mechanism)

Abkürzungsverzeichnis

ESMA EStB EStG EStR ESUG ESZ EthylenoxidV EU EuAbgG EUBestG eucrim EuG EuGH EU-GMP-Leitfaden EUGöD EUGRCh EuGRZ EuGVVO EuInsVO EuR EuRAG EURhÜbk EuroBilG

EuropolG EURLUmsG EUV EuZA EuZW e.V. EWiR EWIV EWIVAG EWIV-VO EWR FAER FAG FAK MedR FamFG FamRZ FAZ FCPA FD-HGR FD-MA FD-StrafR

Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (European Securities and Markets Authority) Ertrag-Steuer-Berater (ZS) Einkommensteuergesetz Einkommensteuer-Richtlinien Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen Ergänzendes Schutzzertifikat Verordnung über ein Verbot der Verwendung von Ethylenoxid bei Arzneimitteln Europäische Union Gesetz über die Rechtsverhältnisse der Mitglieder des Europäischen Parlaments aus der Bundesrepublik Deutschland (Europaabgeordnetengesetz) Gesetz zu dem Protokoll vom 27.9.1996 zum Übereinkommen über den Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Gemeinschaften (EU-Bestechungsgesetz) online-Journal für das Europäische Strafrecht Gericht der Europäischen Union (vormals: Europäisches Gericht erster Instanz) Europäischer Gerichtshof EU-Leitfaden der Guten Herstellungspraxis Gericht für den öffentlichen Dienst der Europäischen Union Charta der Grundrechte der Europäischen Union (EU-Grundrechtecharta) Europäische Grundrechte-Zeitschrift Europäische Gerichtsstands- und Vollstreckungsverordnung, aufgehoben am 10.1.2015 und ersetzt durch Brüssel Ia-VO Verordnung (EG) Nr. 1346/2000 über Insolvenzverfahren (Europäische Insolvenzverordnung) Europarecht (ZS) Gesetz über die Tätigkeit europäischer Rechtsanwälte in Deutschland Europäisches Übereinkommen über die Rechtshilfe in Strafsachen Gesetz zur Anpassung bilanzrechtlicher Bestimmungen an die Einführung des Euro, zur Erleichterung der Publizität für Zweigniederlassungen ausländischer Unternehmen sowie zur Einführung einer Qualitätskontrolle für genossenschaftliche Prüfungsverbände (Euro-Bilanzgesetz) Gesetz zur Umsetzung des Beschlusses des Rates 2009/371/JI vom 6. April 2009 zur Errichtung des Europäischen Polizeiamts (Europol-Gesetz) Gesetz zur Umsetzung von EU-Richtlinien in nationales Steuerrecht und zur Änderung weiterer Vorschriften (Richtlinien-Umsetzungsgesetz) Vertrag über die Europäische Union Europäische Zeitschrift für Arbeitsrecht Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht eingetragener Verein Entscheidungen zum Wirtschaftsrecht (ZS) Europäische wirtschaftliche Interessenvereinigung Gesetz zur Ausführung der EWG-Verordnung über die Europäische wirtschaftliche Interessenvereinigung Verordnung (EWG) Nr. 2137/85 des Rates vom 25. Juli 1985 über die Schaffung einer Europäischen wirtschaftlichen Interessenvereinigung Europäischer Wirtschaftsraum Fahreignungsregister Gesetz über Fernmeldeanlagen (außer Kraft seit 1.1.2002) D. Prütting (Hrsg.), Fachanwaltskommentar Medizinrecht; ab 4. Aufl. (2016): Medizinrecht Kommentar Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit Zeitschrift für das gesamte Familienrecht Frankfurter Allgemeine Zeitung Foreign Corrupt Practices Act Fachdienst Handels- und Gesellschaftsrecht (online-Informationen) Fachdienst Mergers & Acquisitions (online-Informationen zu M&A) Fachdienst Strafrecht (ZS) XXXVII

Abkürzungsverzeichnis

FeuerzeugV FeuerzV FFG FFH-RL FG FGG F/G/J FGO FHOeffR FiMaNoG FIS FK FKS FKVO FleischG FleischGDV FleischHygG FleischV FlErwV FlHG FlRG FMSA FMStFG FMStG FMS-WM Fn. FPersG FR FreizügG/EU FrischZV FS FÜR FVG G10-Gesetz GA GastG GBA GBO GbR GbV GCP GCP-V GebrMG

XXXVIII

Verordnung über die Bereitstellung kindergesicherter Feuerzeuge auf dem Markt (Feuerzeugverordnung) s. FeuerzeugV Gesetz über Maßnahmen zur Förderung des deutschen Films (Filmförderungsgesetz) Richtlinie 92/43/EWG des Rates vom 21. Mai 1992 zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen (Fauna-Flora-Habitatrichtlinie) Finanzgericht; auch: Festgabe Gesetz über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit Franzen/Gast/Joecks, Steuerstrafrecht, 7. Aufl. 2009 (ab 8. Aufl. s. J/J/R) Finanzgerichtsordnung Fundheft für Öffentliches Recht Gesetz zur Novellierung von Finanzmarktvorschriften auf Grund europäischer Rechtsakte (Finanzmarktnovellierungsgesetz) Fédération Internationale de Ski Jaeger u.a. (Hrsg.), Frankfurter Kommentar zum Kartellrecht (Loseblatt) Finanzkontrolle Schwarzarbeit Fusionskontrollverordnung Fleischgesetz Verordnung über die Preismeldung bei Schlachtkörpern und deren Kennzeichnung (Fleischgesetz-Durchführungsverordnung) Fleischhygienegesetz (aufgehoben) Verordnung über Fleisch und Fleischerzeugnisse (aufgehoben) Verordnung über den Erwerb land- und forstwirtschaftlicher Flächen und das Verfahren nach dem Ausgleichsleistungsgesetz s. FleischHygG Flaggenrechtsgesetz Bundesanstalt für Finanzmarktstabilisierung Gesetz zur Errichtung eines Finanzmarktstabilisierungsfonds Gesetz zur Umsetzung eines Maßnahmenpakets zur Stabilisierung des Finanzmarktes (Finanzmarktstabilisierungsgesetz) FMS Wertmanagement Fußnote Gesetz über das Fahrpersonal von Kraftfahrzeugen und Straßenbahnen (Fahrpersonalgesetz) Finanzrundschau (ZS) Gesetz über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern (Freizügigkeitsgesetz/ EU) Verordnung über das Verbot der Verwendung bestimmter Stoffe zur Herstellung von Arzneimitteln (Frischzellen-Verordnung) Festschrift Familie Partnerschaft Recht (ZS) Gesetz über die Finanzverwaltung (Finanzverwaltungsgesetz) Gesetz zur Beschränkung des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses Goltdammer’s Archiv für Strafrecht (ZS) Gaststättengesetz Generalbundesanwalt Grundbuchordnung Gesellschaft bürgerlichen Rechts Verordnung über die Bestellung von Gefahrgutbeauftragten in Unternehmen (Gefahrgutbeauftragtenverordnung) Good Clinical Practice (Gute klinische Praxis) Verordnung über die Anwendung der Guten Klinischen Praxis bei der Durchführung von klinischen Prüfungen mit Arzneimitteln zur Anwendung am Menschen (GCPVerordnung) Gebrauchsmustergesetz

Abkürzungsverzeichnis

GefStoffVO gem. GemSortVO GenG GenStA GenTG GeschmMG GesR GewArch GewO GewStR GG GGBefG GGV G/J/W GK-AktG GKG GK-GmbHG GK-HGB GK-UWG GKV GKV-OrgWG GlRStG GlüÄndStV GlüStV GmbH GmbH & Co. KG GmbHG GmbHR GMP GmS-OBG GMV GNotKG GOÄ GPSG GRCh grds. GRECO GRUR GRUR Int GRUR-Prax GRUR-RR GRUR-RS GS GSB GÜG GüKG

Verordnung zum Schutz vor Gefahrstoffen (Gefahrstoffverordnung) gemäß Verordnung (EG) Nr. 2100/94 des Rates vom 27. Juli 1994 über den gemeinschaftlichen Sortenschutz (Sortenschutzverordnung) Gesetz betreffend die Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften (Genossenschaftsgesetz) Generalstaatsanwalt Gesetz zur Regelung der Gentechnik Geschmacksmustergesetz (seit 2014: DesignG) GesundheitsRecht (ZS) Das Gewerbearchiv (ZS) Gewerbeordnung Gewerbesteuer-Richtlinien Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland Gesetz über die Beförderung gefährlicher Güter (Gefahrgutbeförderungsgesetz) Verordnung (EG) Nr. 6/2002 des Rates über das Gemeinschaftsgeschmacksmuster (EU-Gemeinschaftsgeschmacksmuster-Verordnung) Graf/Jäger/Wittig (Hrsg.), Wirtschafts- und Steuerstrafrecht (Kommentar) Hopt/Wiedemann et al. (Hrsg.), Großkommentar Aktiengesetz Gerichtskostengesetz Ulmer/Habersack/Winter (Hrsg.), Großkommentar GmbHG Ensthaler (Hrsg.), Gemeinschaftskommentar zum Handelsgesetzbuch Teplitzky/Peifer/Leistner (Hrsg.), Großkommentar UWG Gesetzliche Krerankenversicherung Gesetz zur Weiterentwicklung der Organisationsstrukturen in der gesetzlichen Krankenversicherung Gesetz zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Stärkung der Gläubigerrechte Staatsvertrag zur Änderung des Staatsvertrages zum Glücksspielwesen in Deutschland Staatsvertrag zum Glücksspielwesen in Deutschland (Glücksspielstaatsvertrag) Gesellschaft mit beschränkter Haftung Gesellschaft mit beschränkter Haftung & Compagnie Kommanditgesellschaft Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung GmbH-Rundschau (ZS) Good Manufacturing Practice (Gute Herstellungspraxis für Arzneimittel) Gemeinsamer Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes Verordnung (EG) Nr. 207/2009 des Rates über die Gemeinschaftsmarke (Gemeinschaftsmarkenverordnung) Gesetz über Kosten der freiwilligen Gerichtsbarkeit für Gerichte und Notare (Gerichts- und Notarkostengesetz) Gebührenordnung für Ärzte Geräte- und Produktsicherheitsgesetz (aufgehoben) Charta der Grundrechte der Europäischen Union grundsätzlich Group of States against Corruption Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht (ZS) Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht, Internationaler Teil Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht. Praxis im Immaterialgüter- und Wettbewerbsrecht (ZS) GRUR Rechtsprechungs-Report GRUR redaktionell bearbeitete Rspr. Gedächtnisschrift; auch: ‚Geprüfte Sicherheit‘ Gesetz zur Sicherung von Bauforderungen (abgelöst 2009 durch BauFordSiG) Gesetz zur Überwachung des Verkehrs mit Grundstoffen, die für die unerlaubte Herstellung von Betäubungsmitteln missbraucht werden können (Grundstoffüberwachungsgesetz) Güterkraftverkehrsgesetz

XXXIX

Abkürzungsverzeichnis

GuV GUV-V GVBl GVG GVOBl GVP GWB GwG GwGErgG GWR GZRVwV h.A. HackfleischV HAG HalblSchG HandwerksO HdB/Hdb HebG HeilBerG HeilprG HFR HGB HGrG H/H/Sp HinterlO HintG HK-AktG HK-ArbR HK-GmbHG HK-GS HK-HGB HK-InsO HK-SchwarzArbG HK-SteuerStR HK-StPO h.L. h.M. HöfeVfO HRG HRRS Hs. HundVerbrEinfG HWG

XL

Gewinn- und Verlustrechnung Gemeindeunfallversicherungsverbände-Vorschrift (Unfallverhütungsvorschriften der Unfallversicherungsträger der öffentlichen Hand) s. GVOBl Gerichtsverfassungsgesetz Gesetz- und Verordnungsblatt Good Pharmacovigilance Practices (Gute Pharmakovigilanz Praxis) Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen Gesetz über das Aufspüren von Gewinnen aus schweren Straftaten (Geldwäschegesetz) Gesetz zur Ergänzung des Geldwäschegesetzes Gesellschafts- und Wirtschaftsrecht (ZS) Allgemeine Verwaltungsvorschrift zur Durchführung des Titels XI – Gewerbezentralregister – der Gewerbeordnung herrschende Auffassung Verordnung über Hackfleisch, Schabefleisch und anderes zerkleinertes rohes Fleisch (Hackfleischverordnung) Heimarbeitsgesetz Gesetz über den Schutz der Topographien von mikroelektronischen Halbleitererzeugnissen (Halbleiterschutzgesetz) Gesetz zur Ordnung des Handwerks (Handwerksordnung) Handbuch Gesetz über den Beruf der Hebamme und des Entbindungspflegers (Hebammengesetz) Heilberufsgesetz Gesetz über die berufsmäßige Ausübung der Heilkunde ohne Bestallung (Heilpraktikergesetz) Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung (ZS) Handelsgesetzbuch Gesetz über die Grundsätze des Haushaltsrechts des Bundes und der Länder (Haushaltsgrundsätzegesetz) Hübschmann/Hepp/Spitaler (Hrsg.), Abgabenordnung – Finanzgerichtsordnung (Kommentar) Hinterlegungsordnung (aufgehoben) Hinterlegungsgesetz Bürgers/Körber (Hrsg.), Heidelberger Kommentar zum Aktiengesetz Däubler/Hjort/Schubert/Wolmerath (Hrsg.), Arbeitsrecht, Handkommentar Bartl/Bartl/Fichtelmann/Koch/Schlarb/Schmitt, Heidelberger Kommentar zum GmbHG Dölling/Duttge/Rössner (Hrsg.), Gesamtes Strafrecht, Handkommentar Glanegger/Kirnberger/Kusterer et al. (Hrsg.), Heidelberger Kommentar zum Handelsgesetzbuch Kreft (Hrsg.), Heidelberger Kommentar zur Insolvenzordnung Fehn, Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz, Handkommentar Hüls/Reichling (Hrsg.) Heidelberger Kommentar zum Steuerstrafrecht Gercke/Julius/Temming/Zöller (Hrsg.), Heidelberger Kommentar zur Strafprozessordnung herrschende Lehre herrschende Meinung Verfahrensordnung für Höfesachen Hochschulrahmengesetz Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht (online-ZS) Halbsatz Gesetz zur Beschränkung des Verbringens oder der Einfuhr gefährlicher Hunde in das Inland Gesetz über die Werbung auf dem Gebiete des Heilwesens (Heilmittelwerbegesetz)

Abkürzungsverzeichnis

HWiStR HwO HZA IAS IAS-VO IB IBR IBRRS i.d.F. i.d.R. i.d.S. IDW IDW RH HFA i.e. i.E. i.e.S. IES IFG IfKuR IFRS IfSG I/M IMK IMR INDat Report INF Inf Stw InfAuslR InfSchG InsO IntBestG InVo InvStG InvZulG IPBPR IPRax i.R.d. IRG i.R.v. ISAF i.S.d. IStGH IStHG-GleichstellungsG IStR i.S.v. ITRB i.Ü. i.V.m. i.w.S.

Krekeler/Tiedemann/Ulsenheimer/Weinmann (Hrsg.), Handwörterbuch des Wirtschafts- und Steuerstrafrechts s. HandwerksO Hauptzollamt International Accounting Standards IAS-Verordnung Industrielle Beziehungen – Zeitschrift für Arbeit, Organisation und Management Immobilien- und Baurecht (online-Zeitschrift) IBR-Rechtsprechung in der Fassung in der Regel in diesem Sinne Institut der Wirtschaftsprüfer in Deutschland e.V. IDW Rechnungslegungshinweis: Externe (handelsrechtliche) Rechnungslegung im Insolvenzverfahren id est (das heißt) im Einzelnen; auch: im Ergebnis im engeren Sinne Satzger, Internationales und Europäisches Strafrecht Gesetz zur Regelung des Zugangs zu Informationen des Bundes Institut für Kunst und Recht – Kunstrechtsspiegel (ZS des IfKuR) International Financial Reporting Standards s. InfSchG Immenga/Mestmäcker/Körber (Hrsg.), Wettbewerbsrecht (Kommentar) Innenministerkonferenz Immobilien- und Mietrecht (ZS) Fachmagazin für Restrukturierung, Sanierung und Insolvenz (ZS) Information für Steuerberater und Wirtschaftsprüfer (bis 2002: Information über Steuer und Wirtschaft), ZS s. INF Informationsbrief Ausländerrecht (ZS) Gesetz zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen (Infektionsschutzgesetz) Insolvenzordnung Gesetz zu dem Übereinkommen vom 17. Dezember 1997 über die Bekämpfung der Bestechung ausländischer Amtsträger im internationalen Geschäftsverkehr Insolvenz und Vollstreckung (ZS) Investmentsteuergesetz Investitionszulagengesetz Internationaler Pakt über bürgerliche und politische Rechte (International Covenant on Civil and Political Rights) Praxis des Internationalen Privat- und Verfahrensrechts (ZS) im Rahmen der/des Gesetz über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen im Rahmen von International Security Assistance Force im Sinne der/des Internationaler Strafgerichtshof Gesetz über das Ruhen der Verfolgungsverjährung und die Gleichstellung der Richter und Bediensteten des Internationalen Strafgerichtshofs (aufgehoben durch Art. 3 des Gesetzes zur Bekämpfung der Korruption v. 20.11.2015, BGBl I, S. 2025) Internationales Steuerrecht (ZS) im Sinne von IT-Rechts-Berater (ZS) im Übrigen in Verbindung mit im weiteren Sinne

XLI

Abkürzungsverzeichnis

JA JAbschlVUV JAbschlWUV JArbSchG JArbSchSittV JbBauR JBeitrO JGG J/J/R JK jM JMBl NW JMStV JR JStG JuMiKo JuMoG JURA/Jura JurionRS jurisPK jurisPR-HaGesR jurisPR-ITR jurisPR-SteuerR jurisPR-StrafR jurPC JuS JuSchG JVA JVEG

JW JZ KaffeeStG KaffeeStV KAGB Kap. KapAEG KapCoGes KapCoRiLiG KapEStG KartellVO KäseV KdöR KernbrStG KfSachVG KG KGaA KHBV KindArbSchV KiStG KiStRG XLII

Juristische Arbeitsblätter (ZS) Verordnung über die Gliederung des Jahresabschlusses von Verkehrsunternehmen Verordnung über Formblätter für die Gliederung des Jahresabschlusses von Wohnungsunternehmen Gesetz zum Schutz der arbeitenden Jugend (Jugendarbeitsschutzgesetz) Verordnung über das Verbot der Beschäftigung von Personen unter 18 Jahren mit sittlich gefährdenden Tätigkeiten Jahrbuch für Baurecht (Zeitschrift) Justizbeitreibungsordnung Jugendgerichtsgesetz Joecks/Jäger/Randt (Hrsg.), Steuerstrafrecht (Kommentar) JURA-Kartei (Ergänzung der Fachzeitschrift JURA) juris – Die Monatszeitschrift Justizministerialblatt für das Land Nordrhein-Westfalen Jugendmedienschutz-Staatsvertrag Juristische Rundschau (ZS) Jahressteuergesetz Justizministerkonferenz Gesetz zur Modernisierung der Justiz (Justizmodernisierungsgesetz) Juristische Ausbildung (ZS) Online-Portal für die Recherche nach juristischen Fachinformationen jurisPraxiskommentar jurisPraxisReport Handels- und Gesellschaftsrecht jurisPraxisReport IT-Recht jurisPraxisReport Steuerrecht juris PraxisReport Strafrecht Internet-Zeitschrift für Rechtsinformatik und Informationsrecht Juristische Schulung (ZS) Jugendschutzgesetz Justizvollzugsanstalt Gesetz über die Vergütung von Sachverständigen, Dolmetscherinnen, Dolmetschern, Übersetzerinnen und Übersetzern sowie die Entschädigung von ehrenamtlichen Richterinnen, ehrenamtlichen Richtern, Zeuginnen, Zeugen und Dritten (Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz) Juristische Woche (ZS); auch: Juristische Wochenschrift Juristenzeitung Kaffeesteuergesetz Verordnung zur Durchführung des Kaffeesteuergesetzes (Kaffeesteuerverordnung) Kapitalanlagegesetzbuch Kapitel Gesetz zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit deutscher Konzerne an Kapitalmärkten und zur Erleichterung der Aufnahme von Gesellschafterdarlehen (Kapitalaufnahmeerleichterungsgesetz) Kapitalgesellschaft & Co. Kapitalgesellschaften- und Co.-Richtlinie-Gesetz Kapitalertragsteuergesetz Kartellverordnung Käseverordnung Körperschaft des öffentlichen Rechts Kernbrennstoffsteuergesetz Gesetz über amtlich anerkannte Sachverständige und amtlich anerkannte Prüfer für den Kraftfahrzeugverkehr (Kraftfahrsachverständigengesetz) Kommanditgesellschaft; auch: Kammergericht Kommanditgesellschaft auf Aktien Verordnung über die Rechnungs- und Buchführungspflichten von Krankenhäusern Verordnung über den Kinderarbeitsschutz (Kinderarbeitsschutzverordnung) Gesetz über die Erhebung von Kirchensteuern (Kirchensteuergesetz) Kirchensteuerrahmengesetz

Abkürzungsverzeichnis

KK KK-OWiG KK-StPO KK-WpHG KMR KMU KO KöKo-AktG KöKo-RLR KöKo-UmwG KöKo-WpHG Komm. KommJur KonBefrV

KonsG KonTraG KoR KÖSDI KosmetikV KostO KPzKp K&R KredReorgG Kriminalistik KrimJ krit. KritV KrPflG KrWaffG KrWaffKontrG KrWG KStG KStR KStZ KSzW KTS KUG KultgSchG KuMaKV KunstUrhG KV KVGKG KWG KWKG LadSchlG LAG LärmVibrationsArbSchV

Krankenkasse Senge (Hrsg.), Karlsruher Kommentar zum Ordnungswidrigkeitengesetz Hannich (Hrsg.), Karlsruher Kommentar zur Strafprozessordnung Hirte/Möllers (Hrsg.), Kölner Kommentar zum WpHG von Heintschel-Heinegg/Stöckel (Hrsg.), Kommentar zu Strafprozessordnung Sammelbezeichnung für kleine und mittlere Unternehmen, die definierte Grenzen hins. bestimmter Kriterien nicht überschreiten Konkursordnung (gültig bis 31.12.1998) Zöllner/Noack (Hrsg.), Kölner Kommentar zum Aktiengesetz Claussen/Scherrer (Hrsg.), Kölner Kommentar zum Rechnungslegungsrecht Dauner-Lieb/Simon (Hrsg.), Kölner Kommentar zum Umwandlungsgesetz Hirte/Möller (Hrsg.), Kölner Kommentar zum WpHG Kommentar, Kommentierung Kommunaljurist (ZS) Verordnung über befreiende Konzernabschlüsse und Konzernlageberichte von Mutterunternehmen mit Sitz in einem Staat, der nicht Mitglied der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft ist, zur Durchführung des Art. 11 der Siebenten Richtlinie 83/349/EWG des Rates vom 13.6.1983 (Konzernabschlussbefreiungsverordnung) Gesetz über die Konsularbeamten, ihre Aufgaben und Befugnisse (Konsulargesetz) Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich Zeitschrift für internationale und kapitalmarktorientierte Rechnungslegung Kölner Steuerdialog (ZS) Verordnung über kosmetische Mittel (Kosmetik-Verordnung) Kostenordnung (aufgehoben zum 1.8.2013) Kölner Papiere zur Kriminalpolitik Kommunikation & Recht (ZS) Gesetz zur Reorganisation von Kreditinstituten Kriminalistik – Unabhängige Zeitschrift für die kriminalistische Wissenschaft und Praxis Kriminologisches Journal (ZS) kritisch Kritische Vierteljahresschrift für Gesetzgebung und Rechtswissenschaft Gesetz über die Berufe in der Krankenpflege (Krankenpflegegesetz) Ausführungsgesetz zu Artikel 26 Abs. 2 des Grundgesetzes (Gesetz über die Kontrolle von Kriegswaffen – Kriegswaffenkontrollgesetz) s. KrWaffG Gesetz zur Förderung der Kreislaufwirtschaft und Sicherung der umweltverträglichen Bewirtschaftung von Abfällen (Kreislaufwirtschaftsgesetz) Körperschaftsteuergesetz Körperschaftsteuer-Richtlinien Kommunale Steuer-Zeitschrift Kölner Schrift zum Wirtschaftsrecht (ZS) Zeitschrift für Insolvenzrecht Gesetz betreffend das Urheberrecht an Werken der bildenden Künste und der Photographie (Kunsturheberrechtsgesetz) Gesetz zum Schutz deutschen Kulturgutes gegen Abwanderung Verordnung zur Konkretisierung des Verbotes der Kurs- und Marktpreismanipulation (Kursmanipulation-KonkretisierungsVO) s. KUG Kassen(zahn)ärztliche Vereinigung Kostenverzeichnis zum GKG Gesetz über das Kreditwesen (Kreditwesengesetz) Gesetz für die Erhaltung, die Modernisierung und den Ausbau der Kraft-WärmeKopplung (Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz) Gesetz über den Ladenschluss Landesarbeitsgericht Verordnung zum Schutz der Beschäftigten vor Gefährdungen durch Lärm und Vibrationen (Lärm- und Vibrations-Arbeitsschutzverordnung) XLIII

Abkürzungsverzeichnis

L/B LBerufsG LfD LFGB LG LImSchG Bln LK-StGB LKV Lkw LM LMBG LMHV LMK LMKV LMRR LMRStrafVO LÖG LogopG LoStV LottStV LPK L/R LRE LRiStAG Ls/LS LSG LStR Ltd. LT-Drucks. LTO LuftFzgG LuftRegV LuftSiG LuftVG LuftVZO LVwVfG LwVfG MAC MAD MAH MAH Strafverteidigung MaKonV MAR MargMFV MaRisk MarkenG MarkenR

XLIV

Langen/Bunte (Hrsg.), Kartellrecht (Kommentar) Landesberufsgericht für Heilberufe Landesbeauftragte(r) für den Datenschutz Lebensmittel-, Bedarfsgegenstände- und Futtermittelgesetzbuch Landgericht Landes-Immissionsschutzgesetz Berlin Laufhütte/Rissing-van Saan/Tiedemann (Hrsg.), Leipziger Kommentar Strafgesetzbuch Landes- und Kommunalverwaltung (ZS) Lastkraftwagen Lindenmaier-Möhring, Kommentierte BGH-Rechtsprechung; s. jetzt LMK Lebensmittel- und Bedarfsgegenständegesetz (außer Kraft) Verordnung über Anforderungen an die Hygiene beim Herstellen, Behandeln und Inverkehrbringen von Lebensmitteln Beck-Fachdienst Zivilrecht (Kommentierte BGH-Rechtsprechung), vormals Kommentierte BGH-Rechtsprechung Lindenmaier-Möhring Verordnung über die Kennzeichnung von Lebensmitteln (Lebensmittel-Kennzeichnungsverordnung) Lebensmittelrecht Rechtsprechung Lebensmittelrechtliche Straf- und Bußgeldverordnung Ladenöffnungsgesetz Gesetz über den Beruf des Logopäden Gesetz zu dem Staatsvertrag zum Lotteriewesen in Deutschland (Lotteriestaatsvertrag) Verordnung zur Vereinfachung der Steuererhebung bei der Lotteriesteuer Lehr- und Praxiskommentar Erb/Esser/Franke/Graalmann-Scheerer/Hilger/Ignor (Hrsg.): Löwe/Rosenberg, Die Strafprozessordnung und das Gerichtsverfassungsgesetz (Kommentar) Lebensmittelrechtliche Entscheidungen (ZS) Landesrichter- und -staatsanwaltsgesetz Leitsatz Landessozialgericht Lohnsteuer-Richtlinien Limited Company Landtagsdrucksache Legal Tribune Online (ZS) Gesetz über Rechte an Luftfahrzeugen Vordnung über die Einrichtung und die Führung des Registers für Pfandrechte an Luftfahrzeugen (Luftfahrzeugpfandregister-VO) Luftsicherheitsgesetz Luftverkehrsgesetz Luftverkehrs-Zulassungs-Ordnung Landesverwaltungsverfahrensgesetz Gesetz über das gerichtliche Verfahren in Landwirtschaftssachen Media-Access-Control Militärischer Abschirmdienst Münchener Anwaltshandbuch Müller/Schlothauer (Hrsg.), Münchener Anwaltshandbuch Strafverteidigung Verordnung zur Konkretisierung des Verbotes der Marktmanipulation (Marktmanipulations-Konkretisierungsverordnung) Verordnung (EU) Nr. 596/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. April 2014 über Marktmissbrauch (Marktmissbrauchsverordnung) Verordnung über Margarine- und Mischfetterzeugnisse Mindestanforderungen an das Risikomanagement Gesetz über den Schutz von Marken und sonstigen Kennzeichen (Markengesetz) Markenrecht, Zeitschrift für deutsches, europäisches und internationales Kennzeichenrecht

Abkürzungsverzeichnis

MarkStrG MBergG MBO-Ä MDR MedR medstra MEK MessEG M/G M-G M-G/B M-G/S-StPO MicroBilG MilchErzV MilchFettG MilchMargG MiLoG MIP MiStra MitbestG MittBayNot MittdtPatA MiZi MMR MOG MoMiG MontanMitbestErgG MontanMitbestG MPAV MPBetreibV MPG MPKPV MPR MPSV MPV MRK MRRG M/R-StGB MschKrim MTAG MüKo-AktG MüKo-BGB MüKo-BilR

Gesetz zur Anpassung der landwirtschaftlichen Erzeugung an die Erfordernisse des Marktes (Marktstrukturgesetz) Gesetz zur Regelung des Meeresbodenbergbaus (Meeresbodenbergbaugesetz) (Muster-)Berufsordnung für die in Deutschland tätigen Ärztinnen und Ärzte Monatsschrift für Deutsches Recht (ZS); auch: Medical Device Regulation (Medizinprodukteverordnung) Medizinrecht (ZS) Zeitschrift für Medizinstrafrecht Mobiles Einsatzkommando Gesetz über das Inverkehrbringen und die Bereitstellung von Messgeräten auf dem Markt, ihre Verwendung und Eichung sowie über Fertigpackungen (Mess- und Eichgesetz) Momsen/Grützner (Hrsg.), Wirtschaftsstrafrecht (Handbuch) Müller-Gugenberger (Hrsg.), Wirtschaftsstrafrecht, Handbuch (ab 6. Aufl. 2015) Müller-Gugenberger/Bieneck (Hrsg.), Wirtschaftsstrafrecht, Handbuch (bis 5. Aufl. 2011) Meyer-Goßner/Schmitt (Hrsg.), Strafprozessordnung (Kommentar) Kleinstkapitalgesellschaften-Bilanzrechtsänderungsgesetz Verordnung über Milcherzeugnisse (Milcherzeugnisverordnung) Gesetz über den Verkehr mit Milch, Milcherzeugnissen und Fetten Gesetz über Milch, Milcherzeugnisse, Margarineerzeugnisse und ähnliche Erzeugnisse Gesetz zur Regelung eines allgemeinen Mindestlohns (Mindestlohngesetz) Mitteilungen des Instituts für Deutsches und Internationales Parteienrecht und Parteienforschung (ZS) Anordnung über Mitteilungen in Strafsachen Gesetz über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer Mitteilungen des Bayerischen Notarvereins, der Notarkasse und der Landesnotarkammer Bayern (ZS) Mitteilungen der deutschen Patentanwälte (ZS) Anordnung über die Mitteilungen in Zivilsachen MultiMedia und Recht (ZS) Gesetz zur Durchführung der gemeinsamen Marktorganisationen und der Direktzahlungen (Marktorganisationsgesetz) Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen Montanmitbestimmungs-Ergänzungsgesetz Gesetz über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer in den Aufsichtsräten und Vorständen der Unternehmen des Bergbaus und der Eisen und Stahl erzeugenden Industrie (Montanmitbestimmungsgesetz) Verordnung zur Regelung der Abgabe von Medizinprodukten (MedizinprodukteAbgabeverordnung) Verordnung über das Errichten, Betreiben und Anwenden von Medizinprodukten (Medizinprodukte-Betreiberverordnung) Gesetz über Medizinprodukte Verordnung über klinische Prüfungen von Medizinprodukten Medizin Produkte Recht (ZS) Verordnung über die Erfassung, Bewertung und Abwehr von Risiken bei Medizinprodukten (Medizinprodukte-Sicherheitsplanverordnung) Verordnung über Medizinprodukte (Medizinprodukte-Verordnung) Menschenrechtskonvention Melderechtsrahmengesetz Matt/Renzikowski (Hrsg.), Strafgesetzbuch (Kommentar) Monatsschrift für Kriminologie und Strafrechtsreform Gesetz über technische Assistenten in der Medizin Goette/Habersack (Hrsg.), Münchener Kommentar zum Aktiengesetz Oetker/Rixecker/Säcker (Hrsg.), Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch Hennrichs/Kleindiek/Watrin (Hrsg.), Münchener Kommentar zum Bilanzrecht XLV

Abkürzungsverzeichnis

MüKo-GmbHG MüKo-HGB MüKo-InsO MüKo-StGB MüKo-StPO MüKo-WBR MuR MuR-Int MuSchArbV MuSchG MuSchSoldV m.w.N. MwStR NATO Nds NdsBO-Ä NdsRpfl NemV NeubestG n.F. NJ NJOZ NJW NJW-RR NJW-Spezial NK NK-StGB NK-WSS NLMR NordÖR NotBZ NPE NStE NStZ NStZ-RR NTSG

Goette/Fleischer (Hrsg.), Münchener Kommentar zum GmbH-Gesetz K. Schmidt (Hrsg.), Münchener Kommentar zum Handelsgesetzbuch Kirchhof u.a. (Hrsg.), Münchener Kommentar zur Insolvenzordnung Joecks/Miebach (Hrsg.), Münchener Kommentar zum Strafgesetzbuch Knauer/Kudlich/Schneider (Hrsg.), Münchener Kommentar zur Strafprozessordnung Hirsch/Montag/Säcker Hrsg.), Münchener Kommentar zum Europäischen und Deutschen Wettbewerbsrecht Medien und Recht (ZS) Medien und Recht International (ZS) Verordnung zum Schutze der Mütter am Arbeitsplatz Gesetz zum Schutze der erwerbstätigen Mutter (Mutterschutzgesetz) Verordnung über den Mutterschutz für Soldatinnen mit weiteren Nachweisen MehrwertSteuerrecht (ZS)

NuR n.v. NVwZ NWB NZA NZA-RR NZBau NZG NZI NZKart NZS NZS-RR NZV NZWehrr NZWiSt

North Atlantic Treaty Organization (Nordatlantikpakt-Organisation) Niedersachsen; auch: niedersächsisch Berufsordnung der Ärztekammer Niedersachsen Niedersächsische Rechtspflege (ZS) Verordnung über Nahrungsergänzungsmittel Gesetz zur Neubestimmung des Bleiberechts und der Aufenthaltsbeendigung neue Fassung Neue Justiz (ZS) Neue Juristische Online-Zeitschrift Neue Juristische Wochenschrift NJW-Rechtsprechungsreport Beilage zur NJW (monatlich) Neue Kriminalpolitik (ZS) Kindhäuser/Neumann/Paeffgen (Hrsg.), Nomos-Großkommentar Strafgesetzbuch Leitner/Rosenau (Hrsg.), Nomos-Kommentar Wirtschafts- und Steuerstrafrecht Newsletter Menschenrechte (ZS) Zeitschrift für Öffentliches Recht in Norddeutschland Zeitschrift für die notarielle Beratungs- und Beurkundungspraxis Non Practicing Entity Neue Entscheidungssammlung für Strafrecht Neue Zeischrift für Strafrecht NStZ-Rechtsprechungsreport Gesetz über den Schutz der Truppen des Nordatlantikpaktes durch das Straf- und Ordnungswidrigkeitenrecht (Nato-Truppen-Schutzgesetz) Natur und Recht (ZS) nicht veröffentlicht Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht Neue Wirtschafts-Briefe (ZS) Neue Zeitschrift für Arbeitsrecht NZA-Rechtsprechungsreport Neue Zeitschrift für Bau- und Vergaberecht Neue Zeitschrift für Gesellschaftsrecht Neue Zeitschrift für Insolvenz- und Sanierungsrecht Neue Zeitschrift für Kartellrecht Neue Zeitschrift für Sozialrecht NZS-Rechtsprechungsreport Neue Zeitschrift für Verkehrsrecht Neue Zeitschrift für Wehrrecht Neue Zeitschrift für Wirtschafts-, Steuer- und Unternehmensstrafrecht

ÖAnwBl öAT

Österreichisches Anwaltsblatt Zeitschrift für das öffentliche Arbeits- und Tarifrecht

XLVI

Abkürzungsverzeichnis

OBG OECD OFD OGH OHG ÖJZ OLG OLG-NL OLGR OLGReport OLGSt OLGZ openJur OpferRRG ÖPNV OrgKG OSZE OTC OVG OWiG PAngV PAO ParteiFinG PartG PartGG PassG PatAO PatG PBefG PBV PflSchG PharmR PharmStV PIN PiR PKH PKS PKV Pkw PostG P&R PreisStatG PrGewO ProdSG ProdSV 13. ProdSV 14. ProdSV ProstG PrPG PStR PUAG

Gesetz über Aufbau und Befugnisse der Ordnungsbehörden (Ordnungsbehördengesetz) Organisation for Economic Co-operation and Development (Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung) Oberfinanzdirektion Oberster Gerichtshof (Österreich) Offene Handelsgesellschaft Österreichische Juristen-Zeitung Oberlandesgericht OLG-Rechtsprechung Neue Länder (ZS) OLGReport (ZS) s. OLGR Entscheidungen der Oberlandesgerichte in Strafsachen Entscheidungen der Oberlandesgerichte in Zivilsachen (freie) juristische online-Datenbank Gesetz zur Stärkung der Opferrechte im Strafverfahren (Opferrechtsreformgesetz) Öffentlicher Personennahverkehr Gesetz zur Bekämpfung des illegalen Rauschgifthandels und anderer Erscheinungsformen der Organisierten Kriminalität Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa over the counter (außerbörslicher Handel) Oberverwaltungsgericht Gesetz über Ordnungswidrigkeiten Preisangabenverordnung Patentanwaltsordnung Parteienfinanzierungsgesetz Gesetz über die politischen Parteien (Parteiengesetz); auch: Partnerschaftsgesellschaft Gesetz über Partnerschaftsgesellschaften Angehöriger Freier Berufe Paßgesetz Patentanwaltsordnung Patentgesetz Personenbeförderungsgesetz Verordnung über die Rechnungs- und Buchführungspflichten von Pflegeeinrichtungen Gesetz zum Schutz der Kulturpflanzen (Pflanzenschutzgesetz) Pharma Recht (ZS) Verordnung über Stoffe mit pharmakologischer Wirkung Persönliche Identifikationsnummer Internationale Rechnungslegung (ZS) Prozesskostenhilfe Polizeiliche Kriminalstatistik Private Krankenversicherung Personenkraftwagen Postgesetz Personal und Recht (ZS) Gesetz über die Preisstatistik Preußische Gewerbeordnung Gesetz über die Bereitstellung von Produkten auf dem Markt Verordnung zum Produktsicherheitsgesetz Dreizehnte Verordnung zum Produktsicherheitsgesetz (Aerosolpackungsverordnung) Vierzehnte Verordnung zum Produktsicherheitsgesetz (Druckgeräteverordnung) Gesetz zur Regelung der Rechtsverhältnisse der Prostituierten (Prostitutionsgesetz) Gesetz zur Stärkung des Schutzes des geistigen Eigentums und zur Bekämpfung der Produktpiraterie Praxis Steuerstrafrecht (ZS) Gesetz zur Regelung des Rechts der Untersuchungsausschüsse des Deutschen Bundestages (Untersuchungsausschussgesetz) XLVII

Abkürzungsverzeichnis

PublG PZU RA RAB RabelsZ RAK RAO RBerG RDG RDV RechKredV RechPensV RechVersV RechZahlV RefE RegE REIT RennwLottG RG RGSt RGZ RHmV R/H-StPO RiA RiFlEtikettG

RiFlEtikettStrV RiStBV RiVASt RIW R/K RKG RL RohrFtgV RöV Rpfleger RPflEntlG RPflG Rs. Rspr. RStellVerbG RStPO RStruktG

XLVIII

Gesetz über die Rechnungslegung von bestimmten Unternehmen und Konzernen (Publizitätsgesetz) Postzustellungsurkunde Rechtsanwalt Regeln zum Arbeitsschutz auf Baustellen Rabels Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht Rechtsanwaltskammer Reichsabgabenordnung Rechtsberatungsgesetz Gesetz über außergerichtliche Rechtsdienstleistungen (Rechtsdienstleistungsgesetz); auch: Rechtsdepesche für das Gesundheitswesen (ZS) Recht der Datenverarbeitung (ZS) Verordnung über die Rechnungslegung der Kreditinstitute und Finanzdienstleistungsinstitute (Kreditinstituts-Rechnungslegungsverordnung) Verordnung über die Rechnungslegung von Pensionsfonds (Pensionsfonds-Rechnungslegungsverordnung) Verordnung über die Rechnungslegung von Versicherungsunternehmen (Versicherungsunternehmens-Rechnungslegungsverordnung) Verordnung über die Rechnungslegung der Zahlungsinstitute und E-Geld-Institute (Zahlungsinstituts-Rechnungslegungsverordnung) Referentenentwurf Regierungsentwurf Real-Estate-Investment-Trust Rennwett- und Lotteriegesetz Reichsgericht Entscheidungen des Reichsgerichts in Strafsachen Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen Verordnung über Höchstmengen an Rückständen von Pflanzenschutz- und Schädlingsbekämpfungsmitteln, Düngemitteln und sonstigen Mitteln in oder auf Lebensmitteln (Rückstands-Höchstmengenverordnung) Radtke/Hohmann (Hrsg.), Strafprozessordnung (Kommentar) Recht im Amt (ZS) Gesetz zur Durchführung der Rechtsakte der Europäischen Gemeinschaft oder der Europäischen Union über die besondere Etikettierung von Rindfleisch und Rindfleischerzeugnissen und über die Verkehrsbezeichnung und Kennzeichnung von Fleisch von weniger als zwölf Monate alten Rindern Verordnung zur Durchsetzung des Rindfleischetikettierungsrechts Richtlinien für das Strafverfahren und das Bußgeldverfahren Richtlinien für den Verkehr mit dem Ausland in strafrechtlichen Angelegenheiten Recht der Internationalen Wirtschaft (ZS) Rolletschke/Kemper, Steuerverfehlungen Kommentar zum Steuerstrafrecht (Loseblatt) Reichsknappschaftsgesetz Richtlinie Verordnung über Rohrfernleitungsanlagen (Rohrfernleitungsanlagenverordnung) Verordnung über den Schutz vor Schäden durch Röntgenstrahlen (Röntgenverordnung) Der Deutsche Rechtspfleger (ZS) Gesetz zur Entlastung der Rechtspflege Rechtspflegergesetz Rechtssache Rechtsprechung Gesetz zur Verbesserung der Rechtsstellung von asylsuchenden und geduldeten Ausländern Reichsstrafprozeßordnung Gesetz zur Restrukturierung und geordneten Abwicklung von Kreditinstituten, zur Errichtung eines Restrukturierungsfonds für Kreditinstitute und zur Verlängerung der Verjährungsfrist der aktienrechtlichen Organhaftung (Restrukturierungsgesetz)

Abkürzungsverzeichnis

RuP RVG RVGreport RVO Rz. S. SAEGÜSchG SAG SAM SARL S.A.S. SCE SCEAG SCEBG SchaumwZwStG SchAZtg ScheckG SchKG SchlHA SchRegDV SchRegO SchuFV SchwarzArbG SchwarzGBekG SchwZStr scil. SDÜ SE SEAG SEBG SeeArbG SeefischereiG SeemG SeuffArch SG SGB SGG SiGe-Plan SigG SJZ SK-StGB SK-StPO SmogVO SoFFin sog. SoldG SortSchG SoSi

Recht und Politik (ZS) Gesetz über die Vergütung der Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte (Rechtsanwaltsvergütungsgesetz) Zeitschrift zum anwaltlichen Vergütungsrecht Reichsversicherungsordnung Randzahl Siehe; auch: Satz, Seite Gesetz zur Gewährleistung der Geheimhaltung der dem Statistischen Amt der Europäischen Gemeinschaften übermittelten vertraulichen Daten (SAEG-Übermittlungsschutzgesetz) Schweizerische Aktiengesellschaft (ZS) Steueranwaltsmagazin (ZS) Société à responsabilité limitée Société par actions simplifiée Societas Cooperativa Europaea Gesetz zur Ausführung der Verordnung (EG) Nr. 1435/2003 des Rates vom 22. Juli 2003 über das Statut der Europäischen Genossenschaft (SCE) Gesetz über die Beteiligung der Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen in einer Europäischen Genossenschaft (SCE-Beteiligungsgesetz) Schaumwein- und Zwischenerzeugnissteuergesetz Schiedamtszeitung Scheckgesetz Gesetz zur Vermeidung und Bewältigung von Schwangerschaftskonflikten (Schwangerschaftskonfliktgesetz) Schleswig-Holsteinische Anzeigen (Justizministerialblatt des Landes Schleswig-Holstein) Verordnung zur Durchführung der Schiffsregisterordnung Schiffsregisterordnung Schuldnerverzeichnisführungsverordnung Gesetz zur Bekämpfung der Schwarzarbeit und illegalen Beschäftigung Gesetz zur Verbesserung der Bekämpfung der Geldwäsche und Steuerhinterziehung (Schwarzgeldbekämpfungsgesetz) Schweizerische Zeitschrift für Strafrecht scilicet (nämlich) Schengener Durchführungsübereinkommen Societas Europaea (Europäische Aktiengesellschaft) Gesetz zur Ausführung der Verordnung (EG) Nr. 2157/2001 des Rates vom 8. Oktober 2001 über das Statut der Europäischen Gesellschaft (SE) Gesetz über die Beteiligung der Arbeitnehmer in einer Europäischen Gesellschaft Seearbeitsgesetz Gesetz zur Regelung der Seefischerei und zur Durchführung des Fischereirechts der Europäischen Union (Seefischereigesetz) Seemannsgesetz Seufferts Archiv für Entscheidungen der obersten Gerichte in den deutschen Staaten Sozialgericht; s. auch SoldG Sozialgesetzbuch Sozialgerichtsgesetz Sicherheits- und Gesundheitsschutzplan Gesetz über Rahmenbedingungen für elektronische Signaturen (Signaturgesetz) Schweizerische Juristen-Zeitung Wolter (Hrsg.), Systematischer Kommentar zum Strafgesetzbuch Wolter (Hrsg.), Systematischer Kommentar zur Strafprozessordnung Smog-Verordnung Sonderfonds Finanzmarktstabilisierung so genannte/r Soldatengesetz Sortenschutzgesetz Soziale Sicherheit (ZS) XLIX

Abkürzungsverzeichnis

SpielV SprAuG SprengG SpuRt SRÜ SSID S/S-StGB S/S/W-StGB S/S/W-StPO StA StAG StÄG StahlInvZulG StÄndG StBereinG StBerG Stbg StBGebV StbJb StBp StBVV StBW StC StE SteuerStud SteuK StGB StoffR StORMG StPO StraFo StrEG StrFinG StrlSchV StromStG StRR StrRegV StrRG StrVG StStatG StuB StuW StV StVG StVO StVollzG StVZO StW StZG SubvG SVR

L

Verordnung über Spielgeräte und andere Spiele mit Gewinnmöglichkeit (Spielverordnung) Gesetz über Sprecherausschüsse der leitenden Angestellten Gesetz über explosionsgefährliche Stoffe (Sprengstoffgesetz) Zeitschrift für Sport und Recht Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen (‚United Nations Convention on the Law of the Sea, UNCLOS‘) Basic Service Set Identification Schönke/Schröder, StGB (Kommentar) Satzger/Schmitt/Widmaier (Hrsg.), Strafgesetzbuch (Kommentar) Satzger/Schluckebier/Widmaier (Hrsg.), Strafprozessordnung (Kommentar) Staatsanwaltschaft, Staatsanwalt Staatsangehörigkeitsgesetz Strafrechtsänderungsgesetz Gesetz über eine Investitionszulage für Investitionen in der Eisen- und Stahlindustrie (Stahlinvestitionszulagengesetz) Steueränderungsgesetz Steuerbereinigungsgesetz Steuerberatungsgesetz Die Steuerberatung (ZS) Steuerberatergebührenverordnung Steuerberater-Jahrbuch Die steuerliche Betriebsprüfung (Zeitschrift) Steuerberatervergütungsverordnung Steuerberater Woche (ZS) SteuerConsultant (ZS) Der Steuerentscheid, Sammlung aktueller steuerrechtlicher Entscheidungen Steuer und Studium (ZS) Steuerrecht kurzgefaßt (ZS) Strafgesetzbuch Zeitschrift für Stoffrecht Gesetz zur Stärkung der Rechte von Opfern sexuellen Missbrauchs Strafprozessordnung Strafverteidiger-Forum (ZS) Gesetz über die Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen Straßenbaufinanzierungsgesetz Verordnung über den Schutz vor Schäden durch ionisierende Strahlen (Strahlenschutzverordnung) Stromsteuergesetz Strafrechtsreport (ZS) Strafregisterverordnung Gesetz zur Reform des Strafrechts (Strafrechtsreformgesetz) Gesetz zum vorsorgenden Schutz der Bevölkerung gegen Strahlenbelastung (Strahlenschutzvorsorgegesetz) Gesetz über Steuerstatistiken Steuern und Bilanzen (ZS) Steuer und Wirtschaft (ZS) Strafverteidiger (ZS) Straßenverkehrsgesetz Straßenverkehrs-Ordnung Gesetz über den Vollzug der Freiheitsstrafe und der freiheitsentziehenden Maßregeln der Besserung und Sicherung (Strafvollzugsgesetz) Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung Die Steuer-Warte (ZS) Gesetz zur Sicherstellung des Embryonenschutzes im Zusammenhang mit Einfuhr und Verwendung menschlicher embryonaler Stammzellen (Stammzellgesetz) Subventionsgesetz Straßenverkehrsrecht (ZS)

Abkürzungsverzeichnis

TabStG TabStV TÄHAV TAN TB LfD TB NÖB TFG TierGesG Tier-LMHV Tier-LMÜV TierSG TKG TKÜ TKÜNReglG TKÜV TPG TPG-GewV TPG-OrganV

TransPubG TRIPS TrZollG

TrZollV TUG Ubg UG UhVorschG umstr. UmweltSchProtAG UmwG UN UNCAC UNCAT UNTOC UPOV UR UrhG

Tabaksteuergesetz Verordnung zur Durchführung des Tabaksteuergesetzes (Tabaksteuerverordnung) Verordnung über tierärztliche Hausapotheken Transaktionsnummer Tätigkeitsbericht des Landesbeauftragten für den Datenschutz Bericht über die Tätigkeit der für den Datenschutz im nicht öffentlichen Bereich zuständigen Aufsichtsbehörde Gesetz zur Regelung des Transfusionswesens (Transfusionsgesetz) Gesetz zur Vorbeugung vor und Bekämpfung von Tierseuchen Verordnung über Anforderungen an die Hygiene beim Herstellen, Behandeln und Inverkehrbringen von bestimmten Lebensmitteln tierischen Ursprungs Verordnung zur Regelung bestimmter Fragen der amtlichen Überwachung des Herstellens, Behandelns und Inverkehrbringens von Lebensmitteln tierischen Ursprungs Tierseuchengesetz Telekommunikationsgesetz Telekommunikationsüberwachung Gesetz zur Neuregelung der Telekommunikationsüberwachung und anderer verdeckter Ermittlungsmaßnahmen sowie zur Umsetzung der Richtlinie 2006/24/EG Verordnung über die technische und organisatorische Umsetzung von Maßnahmen zur Überwachung der Telekommunikation (Telekommunikations-Überwachungsverordnung) Gesetz über die Spende, Entnahme und Übertragung von Organen und Geweben (Transplantationsgesetz) Verordnung über die Anforderungen an Qualität und Sicherheit der Entnahme von Geweben und deren Übertragung nach dem Transplantationsgesetz (TPG-Gewebeverordnung) Verordnung über die Anforderungen an die Organ- und Spendercharakterisierung und an den Transport von Organen sowie über die Anforderungen an die Meldung schwerwiegender Zwischenfälle und schwerwiegender unerwünschter Reaktionen (TPG-Verordnung über Qualität und Sicherheit von Organen) Gesetz zur weiteren Reform des Aktien- und Bilanzrechts, zu Transparenz und Publizität (Transparenz- und Publizitätsgesetz) Agreement on Trade-Related Aspects of Intellectual Property Rights (Übereinkommen über handelsbezogene Aspekte der Rechte des geistigen Eigentums) Gesetz zur Ausführung der zoll- und steuerrechtlichen Bestimmungen des NATOTruppenstatuts, des Zusatzabkommens zum NATO-Truppenstatut hinsichtlich der in der Bundesrepublik Deutschland stationierten ausländischen Streitkräfte und des Protokolls und der Abkommen betreffend die in der Bundesrepublik Deutschland errichteten internationalen militärischen Hauptquartiere (Truppenzollgesetz) Verordnung zur Durchführung des Truppenzollgesetzes Transparenzrichtlinie-Umsetzungsgesetz Die Unternehmensbesteuerung (ZS) Unternehmergesellschaft; auch: Universitätsgesetz Gesetz zur Sicherung des Unterhalts von Kindern alleinstehender Mütter und Väter durch Unterhaltsvorschüsse oder -ausfalleistungen (Unterhaltsvorschussgesetz) umstritten Gesetz zur Ausführung des. Umweltschutzprotokolls vom 4. Oktober 1991 zum Antarktis-Vertrag (Umweltschutzprotokoll-Ausführungsgesetz) Umwandlungsgesetz United Nations (Vereinte Nationen) United Nations Convention against Corruption Convention against Torture and Other Cruel, Inhuman or Degrading Treatment or Punishment United Nations Convention against Transnational Organized Crime Union internationale pour la protection des obtentions végétales (Internationaler Verband zum Schutz von Pflanzenzüchtungen) Umsatzsteuer-Rundschau (ZS) Gesetz über Urheberrecht und verwandte Schutzrechte (Urheberrechtsgesetz) LI

Abkürzungsverzeichnis

USG US-GAAP UStG UStR u.U. UVPG UWG UZK

Unterhaltssicherungsgesetz United States Generally Accepted Accounting Principles Umsatzsteuergesetz Umsatzsteuer-Richtlinien unter Umständen Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb Zollkodex der Europäischen Union (Unionszollkodex)

V VA VAG

s. VO Verwaltungsakt Gesetz über die Beaufsichtigung der Versicherungsunternehmen (Versicherungsaufsichtsgesetz) Variante Verkehrsdienst (ZS) Verdeckter Ermittler Gesetz zur Änderung des Strafgesetzbuches, der Strafprozeßordnung und anderer Gesetze v. 28.10.1994 (Verbrechensbekämpfungsgesetz) Entwurf eines Verbandsstrafgesetzbuchs Gesetz zur Regelung des öffentlichen Vereinsrechts (Vereinsgesetz) Verfassungsgerichtshof Gesetz über die weitere Finanzierung von Maßnahmen zur Verbesserung der Verkehrsverhältnisse der Gemeinden und des Bundesfernstraßenbaus (Verkehrsfinanzgesetz) Gesetz zur Förderung der Vermögensbildung der Arbeitnehmer (Vermögensbildungsgesetz) Gesetz zur Regelung offener Vermögensfragen Gesetz über die förmliche Verpflichtung nichtbeamteter Personen (Verpflichtungsgesetz) Zeitschrift für Versicherungsrecht, Haftungs- und Schadensrecht Gesetz zur Durchführung der Richtlinie des Rates der Europäischen Gemeinschaften über den Jahresabschluß und den konsolidierten Abschluß von Versicherungsunternehmen (Versicherungsbilanzrichtlinie-Gesetz) Versicherungsteuergesetz Gesetz über die weitere Sicherung des Einsatzes von Gemeinschaftskohle in der Elektrizitätswirtschaft (Drittes Verstromungsgesetz) vertiefend Verwaltungsrechtsprechung in Deutschland – Sammlung obergerichtlicher Entscheidungen aus dem Verfassungs- und Verwaltungsrecht (Band, Seite) Verband forschender Arzneimittelhersteller Verwaltungsgericht Verwaltungsgerichtshof Vergabeverordnung Verkehrsblatt (Amtsblatt des BM für Verkehr) Verfahrenskostenhilfe Verwaltung & Management (ZS) Verordnung Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen – Teil A: Allgemeine Bestimmungen für die Vergabe von Bauleistungen Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen – Teil B: Allgemeine Vertragsbedingungen für die Ausführung von Bauleistungen Vergabeordnung für freiberufliche Leistungen Vergabe- und Vertragsordnung für Leistungen – Teil A Volk (Hrsg.), Münchener Anwaltshandbuch Verteidigung in Wirtschafts- und Steuerstrafsachen Zeitschrift für Verkehrs- und Ordnungswidrigkeitenrecht Gesetz über die Offenlegung der Vorstandsvergütungen VerkehrsRechtsReport (ZS) Verkehrsrechts-Sammlung, Entscheidungen aus allen Gebieten des Verkehrsrechts

Var. VD VE VerbrBekG VerbStrG-E VereinsG VerfGH VerkehrsfinanzG VermBG VermG VerpflG VersR VersRiLiG VerStG VerstromG vert. VerwRspr vfa VG VGH VgV VKBl VKH VM VO VOB/A VOB/B VOF VOL/A Volk, MAH VOR VorstOG VRR VRS LII

Abkürzungsverzeichnis

VStG VStGB VTabakG VuR VVaG VVDStRL VVG VVRVG VwDVG VwGO VwVfG VwZG

Vermögensteuergesetz Völkerstrafgesetzbuch Vorläufiges Tabakgesetz Verbraucher und Recht (ZS) Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer Gesetz über den Versicherungsvertrag (Versicherungsvertragsgesetz) Vergütungsverzeichnis, Anlage 1 (zu § 2 Abs. 2) zum RVG Verwaltungsdatenverwendungsgesetz Verwaltungsgerichtsordnung Verwaltungsverfahrensgesetz Verwaltungszustellungsgesetz

WaffG WEG WeimRV WeinG WeinRV WeinSBV WeinÜV WeinV WEU WG WHG WiJ WiKG WIPO WiPrO WiRO WissR WiStG wistra WiStrG WiVerw W/J WM WoBauG WoBindG WoFG WoPG WoVermG WPflG WPg WpHG WPK WPO WpÜG WRP WRV WsFPP WStG WuB WÜD WÜK WuW WuW/E BGB WuW/E DE-R WZG

Waffengesetz Wohnungseigentumsgesetz Weimarer Reichsverfassung Weingsetz Verordnung zur Durchsetzung des gemeinschaftlichen Weinrechts Weinrechtliche Straf- und Bußgeldverordnung Wein-Überwachungsverordnung Weinverordnung Westeuropäische Union Wechselgesetz Gesetz zur Ordnung des Wasserhaushalts (Wasserhaushaltsgesetz) WisteV-Journal (online-ZS der Wirtschaftsstrafrechtlichen Vereinigung e.V.) Gesetz zur Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität World Intellectual Property Organization (Weltorganisation für geistiges Eigentum) Gesetz über eine Berufsordnung der Wirtschaftsprüfer (Wirtschaftsprüferordnung) Wirtschaft und Recht in Osturopa (ZS) Wissenschaftsrecht (ZS) Gesetz zur weiteren Vereinfachung des Wirtschaftsstrafrechts (Wirtschaftsstrafgesetz) Zeitschrift für Wirtschafts- und Steuerstrafrecht Wirtschaftsstrafgesetz 1954 Wirtschaft und Verwaltung (Beilage zur Zeitschrift Gewerbearchiv) Wabnitz/Janovsky (Hrsg.), Handbuch des Wirtschafts- und Steuerstrafrechts Wertpapier-Mitteilungen – Zeitschrift für Wirtschafts- und Bankrecht Wohnungsbau- und Familienheimgesetz Wohnungsbindungsgesetz Wohnraumförderungsgesetz Wohnungsbau-Prämiengesetz Gesetz zur Regelung der Wohnungsvermittlung (Wohnungsvermittlungsgesetz) Wehrpflichtgesetz Die Wirtschaftsprüfung (ZS) Wertpapierhandelsgesetz Wirtschaftsprüferkammer Gesetz über eine Berufsordnung der Wirtschaftsprüfer (Wirtschaftsprüferordnung) Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz Wettbewerb in Recht und Praxis (ZS) Weimarer Reichsverfassung Werkstattschriften Forensische Psychiatrie und Psychotherapie (ZS) Wehrstrafgesetz Entscheidungsanmerkungen zum Wirtschafts- und Bankrecht Wiener Übereinkommen über diplomatische Beziehungen v. 18.4.1961 Wiener Übereinkommen über konsularische Beziehungen v. 24.4.1963 Wirtschaft und Wettbewerb (ZS) Wirtschaft und Wettbewerb – Entscheidungen des BGH Wirtschaft und Wettbewerb Entscheidungssammlung Deutschland Rechtsprechung Warenzeichengesetz (außer Kraft mit Wirkung vom 1.1.1995)

LIII

Abkürzungsverzeichnis

ZAG ZAkDR ZAP ZBB ZD ZDG ZEuS ZfBR ZFdG ZfJ zfs, auch: ZfSch ZfWG ZfZ ZG ZGR ZHR ZInsO ZIP ZIS ZJJ ZJS ZK ZKA ZKDSG ZK-DVO ZLR ZMGR ZollV ZollVG ZPO ZR ZRG (Germ. Abt.) ZRP ZS ZSchwR ZSHG ZSteu ZStR ZStV ZStW ZTR ZUM ZUM-RD ZUR zust. ZVerkV ZVG ZVI ZWeR ZWH zwh. ZZulV

LIV

Zahlungsdienstaufsichtsgesetz Zeitschrift der Akademie für Deutsches Recht Zeitschrift für die Anwaltspraxis Zeitschrift für Bankrecht und Bankwirtschaft Zeitschrift für Datenschutz Gesetz über den Zivildienst der Kriegsdienstverweigerer Zeitschrift für Europarechtliche Studien Zeitschrift für deutsches und internationales Bau- und Vergaberecht Gesetz über das Zollkriminalamt und die Zollfahndungsämter Zentralblatt für Jugendrecht (ZS) Zeitschrift für Schadensrecht Zeitschrift für Wett- und Glücksspielrecht Zeitschrift für Zölle und Verbrauchsteuern Zeitschrift für Gesetzgebung Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht Zeitschrift für das gesamte Handelsrecht und Wirtschaftsrecht Zeitschrift für das gesamte Insolvenzrecht Zeitschrift für Wirtschaftsrecht Zeitschrift für Internationale Strafrechtsdogmatik Zeitschrift für Jugendkriminalrecht und Jugendhilfe Zeitschrift für das Juristische Studium Zollkodex Zollkriminalamt Gesetz über den Schutz von zugangskontrollierten Diensten und von Zugangskontrolldiensten Zollkodex-Durchführungsverordnung Zeitschrift für das gesamte Lebensmittelrecht Zeitschrift für das gesamte Medizin- und Gesundheitsrecht Zollverordnung Zollverwaltungsgesetz Zivilprozessordnung Blätter für Zürcherische Rechtsprechung (Schweiz) Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte (Germanistische Abteilung) Zeitschrift für Rechtspolitik Zeitschrift Zeitschrift für schweizeriches Recht Zeugenschutz-Harmonisierungsgesetz Zeitschrift für Steuern & Recht Schweizerische Zeitschrift für Strafrecht Zentrales Staatsanwaltschaftliches Verfahrensregister Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissenschaft Zeitschrift für Tarifrecht Zeitschrift für Urheber- und Medienrecht Rechtsprechungsdienst, Zeitschrift für Urheber- und Medienrecht Zeitschrift für Umweltrecht zustimmend Verordnung über Anforderungen an Zusatzstoffe und das Inverkehrbringen von Zusatzstoffen für technologische Zwecke (Zusatzstoff-Verkehrsverordnung) Gesetz über die Zwangsversteigerung und die Zwangsverwaltung; auch: Zeitschrift der Verwaltungsgerichtsbarkeit (Österreich) Zeitschrift für Verbraucher- und Privat-Insolvenzrecht Zeitschrift für Wettbewerbsrecht Zeitschrift für Wirtschaftsstrafrecht und Haftung im Unternehmen zweifelhaft Verordnung über die Zulassung von Zusatzstoffen zu Lebensmitteln zu technologischen Zwecken

Gesellschaftsstrafrecht

Insolvenzstrafrecht

Kapitalmarkt- und Kreditwesenstrafrecht

Lebensmittel- und Genussmittelstrafrecht

Produkt- und Verbraucherschutzstrafrecht

Steuerstrafrecht

Urheberstrafrecht/Strafrecht des gewerblichen Rechtsschutzes

Wettbewerbsstrafrecht (einschl. Kartellstrafrecht) Verfahrensrecht

StGB OWiG Arbeitsstrafrecht Arzneimittelstrafrecht Außenwirtschaftsstrafrecht Gesellschafts- Datenschutzstrafrecht und IT-Strafrecht

Datenschutz- und IT-Strafrecht

Insolvenzstrafrecht

Außenwirtschaftsstrafrecht

Prod.-/Verbr.Lebens-/ Kapitalmarkt-/ schutzGenussmittel- Kreditwesenstrafrecht strafrecht strafrecht

Arzneimittelstrafrecht

Steuerstrafrecht

Arbeitsstrafrecht

Wettbewerbs-/ Urheber/ KartellGewerbl. strafrecht Rechtsschutz

OWiG

Verfahren

StGB

Gesellschaftsstrafrecht

Insolvenzstrafrecht

Kapitalmarkt- und Kreditwesenstrafrecht

Lebensmittel- und Genussmittelstrafrecht

Produkt- und Verbraucherschutzstrafrecht

Steuerstrafrecht

Urheberstrafrecht/Strafrecht des gewerblichen Rechtsschutzes

Wettbewerbsstrafrecht (einschl. Kartellstrafrecht) Verfahrensrecht

StGB OWiG Arbeitsstrafrecht Arzneimittelstrafrecht Außenwirtschaftsstrafrecht Gesellschafts- Datenschutzstrafrecht und IT-Strafrecht

Datenschutz- und IT-Strafrecht

Insolvenzstrafrecht

Außenwirtschaftsstrafrecht

Prod.-/Verbr.Lebens-/ Kapitalmarkt-/ schutzGenussmittel- Kreditwesenstrafrecht strafrecht strafrecht

Arzneimittelstrafrecht

Steuerstrafrecht

Arbeitsstrafrecht

Wettbewerbs-/ Urheber/ KartellGewerbl. strafrecht Rechtsschutz

OWiG

Verfahren

StGB

StGB

Erster Teil Allgemeines Straf- und Ordnungswidrigkeitenrecht 1. Kapitel: Strafgesetzbuch in der Fassung der Bekanntmachung vom 13. November 1998 (BGBl. I S. 3322), zuletzt geändert durch Artikel 1 des Gesetzes vom 4. November 2016 (BGBl. I S. 2460) Auszug

Allgemeiner Teil Erster Abschnitt. Das Strafgesetz Erster Titel. Geltungsbereich

§ 1 Keine Strafe ohne Gesetz Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde. Literatur: Becker, Das Bundesverfassungsgericht und die Untreue: Weißer Ritter oder feindliche Übernahme?, HRRS 2010, 383; Bosch, Bestimmtheitsgebot und unbestimmte Rechtsbegriffe – Das Bundesverfassungsgericht als Superrevisionsinstanz, JA 2010, 472; Böse, Verweisungen auf das EU-Recht und das Bestimmtheitsgebot (Art. 103 Abs. 2 GG), in: Amelung u.a. (Hrsg.), FS für Volker Krey, 2010, S. 7; Ceffinato, Das Institut der Wahlfeststellung und seine verfassungsmäßige Zulässigkeit, Jura 2014, 655; Deiters, Organuntreue durch Spenden und prospektiv kompensationslose Anerkennung, ZIS 2006, 152; Fischer, Anm. zu BVerfG v. 16.6.2011 – 2 BvR 542/09 (NJW 2011, 3778), jurisPR-SteuerR 33/2011 Anm. 2; Freund, Anm. zu BGH v. 18.9.2013 – 2 StR 365/12 (NJW 2014, 325), JZ 2014, 362; Fröhlich, Anm. zu BVerfG. v. 9.1.2014 – 1 BvR 299/13 (NJW 2014, 1431), GWR 2014, 102; Gaede, Verfassungswidrigkeit der gewerbsmäßigen bzw. bandenmäßigen Steuerhinterziehung (§ 370a AO), HRRS 2000, 318; Gaede, Der BGH bestätigt die Strafbarkeit der „einfachen Schwarzfahrt“ – Zu Unrecht und mit problematischen Weiterungen, HRRS 2009, 69; Hanft, Die Lehre vom bedingten Vorsatz unter besonderer Berücksichtigung des wirtschaftlichen Betrugs, ZStW 88 (1976) 165; Harms, § 370a AO – Optimierung des steuerstrafrechtlichen Sanktionensystems oder gesetzgeberischer Fehlgriff?, in: Hirsch u.a. (Hrsg.), FS für Günter Kohlmann, 2003, S. 413; Hecker, Anm. zu BGH v. 20.11.2013 – 1 StR 544/13 (NJW 2014, 1029), JuS 2014, 458; von Heintschel-Heinegg, Die „ungleichartige“ Wahlfeststellung ist verfassungswidrig, JA 2014, 710; Hüls, Bestimmtheitsgrundsatz, § 266 StGB und § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO, NZWiSt 2012, 12; Jahn, Zur Frage der Verfassungsmäßigkeit der ungleichartigen Wahlfeststellung, JuS 2014, 753; Kirsch, Zur Geltung des Gesetzlichkeitsprinzips im Allgemeinen Teil des Strafgesetzbuches, 2014; Otto, Die Bedeutung des Bestimmtheitsgrundsatzes für die Auslegung nicht strafrechtlicher Bezugsnormen, in: Schneider u.a. (Hrsg.), FS für Manfred Seebode, 2008, S. 81; Raabe, Der Bestimmtheitsgrundsatz bei Blankettstrafgesetzen am Beispiel der unzulässigen Markmanipulation, 2007; Ransiek, § 370 AO und Steuerbefreiungen für innergemeinschaftliche Lieferungen, HRRS 2009, 421; Ransiek, Bestimmtheitsgrundsatz, Analogieverbot und § 370 AO, in: Sieber u.a. (Hrsg.), Strafrecht und Wirtschaftsstrafrecht – Dogmatik, Rechtsvergleich, Rechtstatsachen – FS für Klaus Tiedemann, 2008, S. 171; Rotsch, Betrug durch Wegnahme – Der lange Abschied vom Bestimmtheitsgrundsatz, ZJS 2008, 132; Rönnau, Untreue als Wirtschaftsdelikt, ZStW 116 (2006) 887; Rönnau/Soyka, Der „Quotenschaden“ im Fall „Hoyzer“ – ein Verstoß gegen das Bestimmtheitsgebot?, NStZ 2009, 12; Satzger, Die Internationalisierung des Strafrechts als Herausforderung für den strafrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatz, JuS 2004, 943; Satzger/Langheld, Europarechtliche Verweisungen in Blankettstrafgesetzen und ihre Vereinbarkeit mit dem Bestimmtheitsgebot, HRRS 2011, 460; Sax, Überlegungen zum Treubruchstatbestand des § 266 StGB, JZ 1977, 663; Schmitz, Der strafrechtliche Schutz des Kapitalmarkts in Europa, ZStW 115 (2003) 521; Schmitz, Der Bestimmtheitsgrundsatz im Verbraucherschutzstrafrecht, in: Hefendehl u.a. (Hrsg.), FS für Bernd Schünemann, 2014, S. 235; Schuhr, Wahlfeststellung und strafrechtliches Gesetzlichkeitsprinzip – Bemerkungen aus Anlass des Anfragebeschlusses vom 28.1.2014 in der Sache BGH 2 StR 495/12, NStZ 2014, 437; Schützendübel, Die Bezugnahme auf EUVerordnungen in Blankettstrafgesetzen, 2012; Stuckenberg, Entscheidungsbesprechung – Zur Verfassungsmäßigkeit der echten Wahlfeststellung, ZIS 2014, 461; Theile, Konvergenzen und Divergenzen zwischen Gesellschaftsrecht und Strafrecht, ZIS 2011, 616; Wagner, Entscheidungsbesprechung – Anfragebeschluss zur Aufgabe der bisherigen Rspr.: Verfassungswidrigkeit der echten Wahlfeststellung, ZJS 2014, 436; Weyand, Faktische Geschäftsführung – eine aktuelle Bestandsaufnahme, ZInsO 2015, 1773.

A. Grundsätzliches In § 1 StGB ist das sog. Gesetzlichkeitsprinzip niedergelegt, das in Übereinstimmung mit Art. 103 Abs. 2 GG den 1 Grundsatz „nulla poena, nullum crimen sine lege“ – keine Strafe, kein Verbrechen ohne Gesetz – normiert. Dieser allgemeine Grundsatz enthält vier Einzelgarantien: das Verbot strafbarkeitsbegründenden/-verschärfenden GeEsser

5

StGB

§ 1 StGB Rz. 2

Strafgesetzbuch

wohnheitsrechts, das Bestimmtheitsgebot, das Analogieverbot und das Rückwirkungsverbot.1 Auf europäischer und internationaler Ebene ist das Gesetzlichkeitsprinzip insbesondere in Art. 7 Abs. 1 EMRK, Art. 49 EU-Grundrechtecharta2 sowie in Art. 15 IPBPR niedergelegt. 2

Die Rspr. des EGMR3 deutet darauf hin, dass die Anforderungen von Art. 7 Abs. 1 EMRK an die Bestimmtheit einer Strafnorm die Standards des BVerfG nicht übertreffen, eher hinter ihnen zurückbleiben, was aber keinesfalls den Schluss zulässt, dass deutsche Strafgerichte unter Berufung auf Art. 7 Abs. 1 EMRK das verfassungsrechtliche Bestimmtheitsgebot aufweichen könnten oder gar dass Deutschland seine Standards aufweichen müsse, s. schon Art. 53 EMRK.4

B. Geltungsbereich 3

Der Geltungsbereich des Art. 103 Abs. 2 GG und damit auch des § 1 StGB erstreckt sich auf alle „staatlichen Maßnahmen …, die eine missbilligende hoheitliche Reaktion auf ein rechtswidriges, schuldhaftes Verhalten darstellen und wegen dieses Verhaltens ein Übel verhängen, das dem Schuldausgleich dient.“5 Erfasst sind daher das Kriminalstrafrecht und das Ordnungswidrigkeitenrecht (vgl. § 3 OWiG).6 Auch der Ordnungsgeldtatbestand des § 335 HGB muss wegen seiner doppelten Funktion als Beugemittel und repressive Sanktion dem Bestimmtheitsgrundsatz genügen.7 Eine Erstreckung auf Maßregeln der Besserung und Sicherung ergibt sich mittelbar, wenn der Verstoß gegen ein durch die Maßregel ausgesprochenes Verbot (z.B. ein hinreichend bestimmtes Berufsverbot, § 70 StGB) seinerseits strafbewehrt ist (§ 145c StGB).

4

Sämtliche anderen staatlichen Eingriffsmaßnahmen sollen hingegen nicht dem Anwendungsbereich von Art. 103 Abs. 2 GG unterfallen; insbesondere genügt es nicht, dass eine Maßnahme an ein rechtswidriges Verhalten anknüpft. Für reine Verbotsnormen, wie z.B. Sperrbezirksverordnungen, gilt etwa der Bestimmtheitsgrundsatz aus diesem Grund nur insoweit, als die Zulässigkeit der Verhängung straf- oder ordnungswidrigkeitenrechtlicher Sanktionen in Rede steht und nicht etwa, wenn es ohne Anknüpfung von Sanktionen allein um die Zulässigkeit des in einer Verbotsnorm enthaltenen Verhaltensbefehls geht.8

C. Bestimmtheitsgrundsatz 5

Im Wirtschaftsstrafrecht erlangt vor allem der Bestimmtheitsgrundsatz Bedeutung, insbesondere und aktuell – neben Fragen des Allgemeinen Teils des StGB9 – bei der Auslegung des Tatbestandes der Untreue (§ 266 StGB) und bei den sog. Blankettstrafgesetzen (Rz. 17).

6

Der Schutzbereich des strafrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatzes wirkt in verschiedene Richtungen. Zum einen muss der parlamentarische Gesetzgeber die Entscheidung über das „Ob“ der Strafbarkeit treffen.10 Zum anderen muss die jeweilige Strafvorschrift so genau gefasst sein, dass der Normadressat daraus ersehen kann, welches Verhalten verboten und mit Strafe bedroht ist.11 Damit der Gesetzgeber jedoch „der Vielgestaltigkeit des Lebens Herr … werden“12 kann, ist teilweise ein gewisses Maß an Allgemeinheit und damit verbundener Abstraktheit von Strafnormen unvermeidlich. Ob solche generalklauselartige Strafnormen Art. 103 Abs. 2 GG genügen, ist jeweils eine Frage des Einzelfalls.13

1 Krey/Esser, Strafrecht AT, § 3 Rz. 49; Gaede in AnwK-StGB, § 1 Rz. 12; eingehend zu den einzelnen Garantien Satzger in S/S/W-StGB, § 1 Rz. 13 ff. 2 Hierzu eingehend Dannecker/Bülte in W/J, 2. Kap. Rz. 209 ff. 3 S. etwa EGMR v. 6.10.2011 – 50425/06 (Soros ./. Frankreich), NJW-RR 2012, 1502 = NZG 2012, 1229, §§ 53, 58 f. (Insiderhandel; für den verurteilten Finanzinvestor gilt eine erhöhte Sorgfaltspflicht; dass es für die hier einschlägige Fallkonstellation, wonach „Insider“ auch sein konnte, wer mit dem Unternehmen [dem Zielobjekt] nicht verbunden war, noch keine Rspr. gegeben hatte, verwendet die Richtermehrheit [4:3] eher zulasten des Angeklagten, der mangels Präzedenzfalles besondere Vorsicht hätte walten lassen müssen). 4 Vgl. auch Sinner in Karpenstein/Mayer, EMRK, 2. Aufl. 2015, Art. 7 Rz. 15 ff. („pragmatische Orientierung“); Esser in L/R26, EMRK, Art. 7 Rz. 8 ff. 5 BVerfG v. 28.4.2009 – 1 BvR 224/07, NVwZ 2009, 905. 6 BVerfG v. 17.11.2009 – 1 BvR 2717/08, Tz. 15, NJW 2010, 754, 755; Satzger in S/S/W-StGB, § 1 Rz. 9b. 7 BVerfG v. 9.1.2014 – 1 BvR 299/13, NJW 2014, 1431 m. zust. Anm. Fröhlich, GWR 2014, 102 (Verstoß gegen Art. 103 Abs. 2 GG bei Verhängung eines Ordnungsgeldes gem. § 335 HGB wegen Nichtvorlage eines Aufsichtsratsberichts bei fehlendem Aufsichtsrat). 8 BVerfG v. 28.4.2009 – 1 BvR 224/07, NVwZ 2009, 905. 9 Kirsch, Zur Geltung des Gesetzlichkeitsprinzips im Allgemeinen Teil des Strafgesetzbuches, 2014. 10 BVerfG v. 23.6.2010 – 2 BvR 2559/08, BVerfGE 126, 170, 194. 11 BVerfG v. 23.6.2010 – 2 BvR 2559/08, BVerfGE 126, 170, 195; BVerfG v. 7.3.2011 – 1 BvR - 388/05, NJW 2011, 3020, 3021; auch bei der Festsetzung einer bewährungsflankierenden Arbeitsauflage nach § 56b Abs. 2 Nr. 3 StGB müssen Art und der Umfang der geforderten Arbeitsleistung sowie der Zeitraum, innerhalb dessen diese zu erbringen ist, hinreichend genau vom Gericht bestimmt werden, vgl. BVerfG v. 2.9.2015 – 2 BvR 2343/14, NJW 2016, 148, 149. 12 BVerfG v. 15.4.1970 – 2 BvR 396/69, BVerfGE 28, 175, 183; BVerfG v. 23.6.2010 – 2 BvR 2559/08, BVerfGE 126, 170, 195. 13 BVerfG v. 23.6.2010 – 2 BvR 2559/08, BVerfGE 126, 170, 195 f.

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Esser

Rz. 11 § 1 StGB

Der Tatbestand der Untreue (§ 266 StGB) an sich, obwohl sehr allgemein und unscharf gefasst, verstößt nach 7 Ansicht des BVerfG nicht gegen das verfassungsrechtliche Bestimmtheitsgebot.1 Die Rspr. ist allerdings dazu angehalten, etwaige Unklarheiten bezüglich des Anwendungsbereichs der Norm durch Präzisierung und Konkretisierung im Wege der Auslegung nach Möglichkeit auszuräumen (sog. Präzisierungsgebot).2 Bei der Untreue besteht bezüglich der Tatbestandsmerkmale der Pflichtverletzung und des Vermögensnachteils aus diesem Grund ein sog. Verschleifungsverbot.3 Demnach muss dem Tatbestandsmerkmal des Vermögensnachteils neben dem der Pflichtverletzung grundsätzlich ein eigener Bedeutungsgehalt verbleiben; der Nachteil muss sich also klar von einer etwaigen Pflichtverletzung durch eigene bestimmbare Merkmale abgrenzen lassen.4 Weiterhin muss der eingetretene Vermögensschaden mit Ausnahme eindeutig gelagerter Fälle – ggf. durch Beauftragung eines Sachverständigen zur wirtschaftlichen Schadensfeststellung – in seiner Höhe konkret beziffert werden und die Berechnung wirtschaftlich nachvollziehbar sein.5 Verbleibende Prognose- und Beurteilungsspielräume sind durch vorsichtige Schätzung auszufüllen. Im Zweifel muss freigesprochen werden.6 Während normative Gesichtspunkte zur Bestimmung und Bewertung eines Vermögensschadens durchaus he- 8 rangezogen werden können, muss es im Ergebnis bei einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise bleiben, um dem Charakter der Untreue7 als Vermögens- und Erfolgsdelikt in ausreichendem Maße Rechnung zu tragen. Sofern genaue Feststellungen nicht möglich sind, sind Mindestfeststellungen zu treffen, um den eingetretenen wirtschaftlichen Schaden unter Beachtung des Zweifelsatzes zu schätzen.8 Auch eine sog. schadensgleiche Vermögensgefährdung kann unter Bestimmtheitsgesichtspunkten einen Ver- 9 mögensnachteil i.S.v. § 266 StGB darstellen. Das BVerfG hat hierzu entschieden, dass dieses Tatbestandsmerkmal grundsätzlich durch die Rspr. konkretisiert und ausgelegt werden kann und somit auch die Subsumtion der schadensgleichen Vermögensgefährdung unter den Nachteilsbegriff dem Bestimmtheitsgebot genügt.9 Um jedoch weitere Ungenauigkeiten im Hinblick auf die Bestimmung des ohnehin schon sehr weiten Untreuetatbestandes zu vermeiden, hat eine strikte Orientierung an den durch die Rspr. entwickelten Abgrenzungskriterien zu erfolgen.10 So hat es das BVerfG etwa als zulässig angesehen, die Auszahlung eines ungesicherten Darlehens entgegen der treuhänderischen Auflage als schadensgleiche Vermögensgefährdung und damit im Ergebnis als Vermögensnachteil i.S.d. § 266 StGB zu interpretieren.11 Die vom BVerfG zur Feststellung eines Vermögensnachteils bei der Untreue (§ 266 StGB) entwickelten Grund- 10 sätze gelten gleichermaßen für das Merkmal des Vermögensschadens im Rahmen von § 263 StGB.12 Die Anforderungen des Bestimmtheitsgrundsatzes an die §§ 263, 266 StGB sollen dagegen nach Ansicht des BGH 11 auf den tatbestandsmäßigen Erfolg des „nicht gerechtfertigten Steuervorteils“ nach § 370 Abs. 1 AO nicht übertragbar sein, da sich die Steuerhinterziehung von den Delikten des Betrugs und der Untreue in ihren tatbestandlichen Strukturen, dem geschützten Rechtsgut und in dem Deliktscharakter wesentlich unterscheide:13 Während die §§ 263, 266 StGB lediglich einen Erfolg in Form der Beeinträchtigung des strafrechtlich geschützten Vermögens forderten, umfasse der Tatbestand der Steuerhinterziehung zwei tatbestandsmäßige Erfolge, nämlich die Steuerverkürzung und den „nicht gerechtfertigten Steuervorteil“.14 Die Steuerhinterziehung sei auch kein Delikt,

1 So auch Becker, HRRS 2010, 383, 386; Theile, ZIS 2011, 616, 621; a.A. Dierlamm in MüKo-StGB, § 266 Rz. 3 ff. m.w.N. 2 BVerfG v. 23.6.2010 – 2 BvR 2559/08, BVerfGE 126, 170; BVerfG v. 23.6.2010 – 2 BvR 2559/08, 105/09, 491/09 = NJW 2010, 3209, Tz. 81; Schünemann in LK-StGB, § 266 Rz. 27; Seier in A/R, Kap. 2 Rz. 19 f.; vertiefend: Saliger in S/S/WStGB, § 266 Rz. 50a ff.; krit. Satzger in S/S/W-StGB, § 1 Rz. 19a. 3 BVerfG v. 1.11.2012 – 2 BvR 1235/11, NJW 2013, 365, 366 = wistra 2013, 56, 58 (satzungswidrige Aufnahme eines Kassenkredits durch Bürgermeister); Gaede in AnwK-StGB, § 1 Rz. 29; Wittig in BeckOK-StGB, § 266 Rz. 44. 4 Hierzu BGH v. 3.12.2013 – 1 StR 526/13, NStZ 2014, 158, 159 = wistra 2014, 139 (Untreue; Versicherungsmakler: Vereinnahmung von Versicherungsprämien auf allgemeinem Geschäftskonto); BGH v. 20.3.2013 – 5 StR 344/12, BGHSt 58, 205, 210; BGH. v. 20.3.2013 – 5 StR 344/12, NStZ 2013, 404, 405 (Eingehungsbetrug, Schaden). 5 BVerfG v. 23.6.2010 – 2 BvR 2559/08, BVerfGE 126, 170, 229, 230 = NJW 2010, 3209, 3220, Tz. 151; BVerfG v. 1.11.2012 – 2 BvR 1235/11, NJW 2013, 365, 366; BGH v. 13.4.2011 – 1 StR 592/10, wistra 2011, 263 (Kassenkredit Bürgermeister; § 266 StGB: „eigenständige, wirtschaftlich nachvollziehbare Feststellung“; Wittig in BeckOK-StGB, § 266 Rz. 44 a.E. 6 BVerfG v. 23.6.2010 – 2 BvR 2559/08, BVerfGE 126, 170, 230 = NJW 2010, 3209, 3220, Tz. 151. 7 Vgl. ebenso für den Betrug (§ 263 StGB): BGH v. 25.1.2012 – 1 StR 45/11, BGHSt 57, 95, Tz. 75: „Normative Gesichtspunkte können bei der Bewertung von Schäden eine Rolle spielen; sie dürfen die wirtschaftliche Betrachtung allerdings nicht überlagern oder verdrängen“. 8 BGH v. 10.10.2012 – 2 StR 591/11, NJW 2013, 401, 403, Tz. 33 (Begleichung nichtiger Forderung – „Telekom-Spitzelaffäre“). 9 BVerfG v. 10.3.2009 – 2 BvR 1980/07, NJW 2009, 2370 (Notaranderkonto); Gaede in AnwK-StGB, § 1 Rz. 26. 10 BVerfG v. 10.3.2009 – 2 BvR 1980/07, NJW 2009, 2370, Tz. 33. 11 BVerfG v. 10.3.2009 – 2 BvR 1980/07, NJW 2009, 2370, Tz. 37. 12 BVerfG v. 7.12.2011 – 2 BvR 2500/09, Tz. 176, NJW 2012, 907, 916 (keine schadensgleiche Vermögensgefährdung durch Abschluss einer Lebensversicherung); BGH v. 25.1.2012 – 1 StR 45/11, BGHSt 57, 95, 101 ; BGH v. 25.1.2012 – 1 StR 45/11, NJW 2012, 1377, 1382, Tz. 75 (Abrechnungsbetrug Privatarzt); BGH v. 8.6.2011 – 3 StR 115/11, NStZ 2013, 37, 38; zur mangelnden Bestimmtheit des „Quotenschadens“ vgl. Rönnau/Soyka, NStZ 2009, 12. 13 BGH v. 27.10.2015 – 1 StR 373/15, NJW 2016, 965, 966; BGH v. 22.11.2012 – 1 StR 537/12, NJW 2013, 1750, 1751. 14 Ebenda.

Esser

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StGB

Keine Strafe ohne Gesetz

StGB

§ 1 StGB Rz. 12

Strafgesetzbuch

das eine Rechtsgutsverletzung verlange. Die Vollendung der Tat in Form einer Steuerverkürzung setze keine tatsächlich eingetretene Beeinträchtigung des tatbestandlich geschützten Rechtsguts voraus, wie § 370 Abs. 4 S. 1 AO zeige. Ob der Steuerschuldner über ausreichende finanzielle Mittel zur Begleichung der Steuerschuld verfügt, ist ohne Bedeutung.1 12

Dass ein Schaden „gegenwärtig“ noch nicht bezifferbar ist, soll im Rahmen der Anordnung von Untersuchungshaft der Annahme eines dringenden Tatverdachts (§§ 112 ff. StPO) nicht entgegenstehen, solange mit der gebotenen hohen Wahrscheinlichkeit (wenigstens) davon auszugehen ist, dass überhaupt ein Schaden entstanden ist.2

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Nach höchstrichterlicher Rspr. ist der Tatbestand des § 265a Abs. 1 StGB auch erfüllt, wenn der Täter ein Verkehrsmittel unberechtigt benutzt und sich dabei allgemein mit dem Anschein umgibt, er erfülle die nach den Geschäftsbedingungen des Betreibers erforderlichen Voraussetzungen. Da das Merkmal des „Erschleichens“ ohnehin nur eine lückenfüllende Funktion habe, widerspreche es nicht dem strafrechtlichen Bestimmtheitsgebot, diese Voraussetzung weiter auszulegen. Ein täuschungsähnliches Verhalten des Täters sei nicht erforderlich.3

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Höchst zweifelhaft ist auch die Vereinbarkeit des Straftatbestands der Kurs- und Marktmanipulation (§ 20a WpHG) mit dem Bestimmtheitsgrundsatz, da dieser in § 20a Abs. 1 Nr. 3 WpHG „sonstige Täuschungshandlungen“ verbietet oder die Bestimmung der Täuschungshandlung in § 20a Abs. 2 WpHG an die BaFin delegiert. Die Vorschrift wird mitunter als noch mit Art. 103 Abs. 2 GG vereinbar angesehen, da sie inhaltlich durch die Marktmissbrauchsrichtlinie4 konkretisiert werde.5

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Auch verstößt der Straftatbestand des Kreditbetrugs, § 265b StGB, nicht gegen das Bestimmtheitsgebot, obwohl er durch einige, gesetzlich nicht näher definierte Begriffe gekennzeichnet ist („unvollständig“; „unrichtig“; „erheblich“).6 Das Wirtschafts(straf)recht zeichne sich jedoch gerade durch die Verwendung von Generalklauseln bzw. normativ unbestimmten Tatbestandsmerkmalen aus, „um der Vielgestaltigkeit des Lebens … Rechnung tragen“7 zu können.8 Die nähere Ausfüllung dieser Begriffe obliegt der jeweiligen Bewertung durch den Richter.9

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Zu den Anforderungen des Bestimmtheitsgrundsatzes für das Ordnungswidrigkeitenrecht, speziell zum Tatbestand des § 3 S. 1 Nr. 13 TierSchG, hat das BVerfG eingehend Stellung genommen und die betreffende Norm für hinreichend bestimmt betrachtet.10

D. Blankettgesetze/-tatbestände 17

Gerade im Wirtschafts(straf)recht sind aufgrund der Komplexität und Wechselhaftigkeit der Materie sog. Blanketttatbestände verbreitet.11 Als Blankettgesetz oder -tatbestand bezeichnet man eine Norm, die selbst nur (auf der Rechtsfolgenseite) eine Strafdrohung enthält, bezüglich der verbotenen oder gebotenen Verhaltensweise aber auf andere Gesetze, Verordnungen oder Verwaltungsakte (sog. Ausfüllungsnorm) verweist (oder zumindest zum Teil, dann: Teilblankettgesetz).12 Dabei ist zwischen echten Blanketten, bei denen die Ausfüllung des Tatbestandes einem anderen Normgeber überlassen ist, und unechten Blanketten, die auf Normen desselben Normgebers verweisen, zu unterscheiden.13 Eine derartige Verweisungstechnik führt regelmäßig zu einer sog. Normspaltung, wonach eine Vorschrift unterschiedlich auszulegen sein kann, je nachdem, ob die in Bezug genommene Regelung isoliert oder innerhalb eines Verweises ausgelegt wird.14 In jedem Fall müssen beide Vorschriften in ihrer Gesamt-

1 Zum Ganzen BGH v. 22.11.2012 – 1 StR 537/12, NJW 2013, 1750, 1751 f.; krit. Wittig, HRRS 2013, 393, 397. 2 KG v. 21.8.2014 – 1 Ws 61/14, NStZ-RR 2014, 374 (noch laufende Verkehrswertbestimmung von Immobilien durch Sachverständigen zum Zeitpunkt des Erlasses eines Haftbefehls). 3 BGH v. 8.1.2009 – 4 StR 117/08, BGHSt 53, 122; abl. Gaede, HRRS 2009, 69. 4 Früher: RL 2003/6/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28.1.2003 über Insider-Geschäfte und Marktmanipulation, ABl. EU Nr. L 96 v. 12.4.2003, S. 16; jetzt: RL 2014/57/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16.4.2014 über strafrechtliche Sanktionen bei Marktmanipulation (MarktmissbrauchsRL), ABl. EU Nr. L 173 v. 12.6.2014, S. 179. 5 BGH v. 6.11.2003 – 1 StR 24/03, BGHSt 48, 373, 383 f.; BGH v. 25.2.2016 – 3 StR 142/15, NJW 2016, 3459 = wistra 2016, 365; Schmitz, ZStW 115 (2003) 501, 528; Tiedemann, Wirtschaftsstrafrecht AT, Rz. 201; eingehend Raabe, Der Bestimmtheitsgrundsatz bei Blankettstrafgesetzen am Beispiel der unzulässigen Marktmanipulation (2007). 6 BGH v. 8.12.1981 – 1 StR 706/81, BGHSt 30, 285, 286 f.; krit. Haft, ZStW 88 (1976) 365, 369; Wohlers/Mühlbauer in MüKo-StGB, § 265b Rz. 7; Tiedemann, Wirtschaftsstrafrecht AT, Rz. 215 (Unrichtigkeit von Bilanzen nur, wenn die Wertangabe „schlechterdings nicht mehr vertretbar erscheint“); ebenso Perron in S/S-StGB, § 265b Rz. 39. 7 BVerfG v. 30.11.1955 – 1 BvL 120/53, BVerfGE 4, 352, 357; BGH v. 8.12.1981 – 1 StR 706/81, BGHSt 30, 285, 287. 8 Eingehend auch Tiedemann, Wirtschaftsstrafrecht AT, Rz. 209 ff. 9 BGH v. 8.12.1981 – 1 StR 706/81, BGHSt 30, 285, 287 f. 10 Zum Ganzen: BVerfG v. 8.12.2015 – 1 BvR 1864/14, NJW 2016, 1229. 11 Bock in G/J/W, § 1 StGB Rz. 34; zur Blankettgesetzgebung im Lebensmittelstraf- und -ordnungswidrigkeitenrecht vgl. Dannecker/Bülte in A/R, 2. Teil Kap. 2 Rz. 35 ff. 12 Fischer, StGB, § 1 Rz. 9; Joecks in MüKo-StGB, § 16 Rz. 73; Puppe in NK-StGB, § 16 Rz. 18. 13 Dannecker/Bülte in A/R, 2. Teil Kap. 2 Rz. 36. 14 Kudlich/Og˘lakciog˘lu, Rz. 49b; Satzger in S/S/W-StGB, § 1 Rz. 55; hierzu auch Otto in FS Seebode, S. 81, 84 f.

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Esser

Rz. 19 § 1 StGB

heit einschließlich ihres Regelungszusammenhangs sowie ihre Auslegung und Anwendung im Einzelfall den verfassungsrechtlichen Vorgaben des Art. 103 Abs. 2 GG genügen.1 Das Bestimmtheitsgebot des Art. 103 Abs. 2 GG gilt auch dann, wenn sich die Sanktionsnorm aus einem gesetzli- 18 chen Blanketttatbestand und etwa einem diesen ausfüllenden Verwaltungsakt zusammensetzt.2 Art. 103 Abs. 2 GG gebietet, dass sich für den Adressaten das eigentliche Verbot bereits aus dem Gesetzestext und nicht erst aus der behördlichen Entscheidung ergibt.3 Auf diese Weise wird sichergestellt, dass der strafbare Tatbestand für den Adressaten erkennbar festgelegt ist und der Auslegung der verwaltungsbehördlichen Konkretisierung durch die Gerichte Grenzen gesetzt werden. Es müssen folglich auch hier beide Vorschriften in ihrer Gesamtheit sowie ihre Auslegung und Anwendung im Einzelfall den verfassungsrechtlichen Vorgaben des Art. 103 Abs. 2 GG genügen.4 Dies gilt auch dann, wenn sich die – so das BVerfG – in Bezug genommene Norm grundsätzlich nur am allgemeinen Bestimmtheitsgrundsatz des Art. 20 Abs. 3 GG messen lassen muss.5 Darüber hinaus muss auch der Verweis auf das in Bezug genommene Recht dem Bestimmtheitsgrundsatz genügen, damit die maßgebliche Norm ohne unzumutbaren Aufwand für den Adressaten auffindbar ist.6 Schwierigkeiten bereitet die Abgrenzung von Blanketttatbeständen zu sog. normativen Tatbestandsmerkmalen,7 19 da beide Institute an außertatbestandliche Vorschriften anknüpfen.8 Grundsätzlich liegt ein Tatbestand mit normativen Merkmalen vor, wenn sich alle Voraussetzungen der Strafbarkeit aus dem Straftatbestand selbst ergeben. Ein Blankett hingegen muss Merkmale der Norm, auf die verwiesen wird, zwangsläufig „importieren“, um einen vollständigen Straftatbestand zu regeln.9 Eine Besonderheit bilden sog. Mischtatbestände oder versteckte Verweisungen, die zwar einer normativen Bewertung zugänglich sind, gleichzeitig aber auf andere Ge- oder Verbotsnormen verweisen. So erfasst das Merkmal des „falsches Überholens“ i.S.d. § 315c Abs. 1 Nr. 2 StGB neben § 5 StVO auch sonstiges, nicht in der StVO geregeltes Fehlverhalten.10 Der Bestimmtheitsgrundsatz gem. Art. 103 Abs. 2 GG gilt für die außertatbestandliche Norm nur, wenn eine Blankettnorm vorliegt. Für die ausfüllenden Vorschriften normativer Merkmale gilt hingegen der allgemeine Bestimmtheitsgrundsatz (Art. 20 Abs. 3 GG), für die Strafvorschrift, die das normative Merkmal enthält, dann allerdings Art. 103 Abs. 2 GG wieder direkt. So wird etwa das Merkmal der Pflichtwidrigkeit i.S. eines Verstoßes gegen eine sog. Vermögensbetreuungspflicht gem. § 266 StGB überwiegend als „komplexes normatives Tatbestandsmerkmal“ charakterisiert, da es sich nicht in der Verweisung auf genau bezeichnete Vorschriften erschöpfe.11 Auch die Qualifizierung der Steuerhinterziehung nach § 370 Abs. 1 AO ist umstritten. Nach der Rspr. stellt § 370 Abs. 1 AO12 eine Blankettstrafnorm dar, die (erst) durch die Vorschriften der Einzelsteuergesetze hinreichend ausgefüllt wird.13 Das BVerfG hat in diesem Zusammenhang auch die so in Bezug genommene Vorschrift des § 6a Abs. 1 S. 1 Nr. 3 UStG mit Art. 103 Abs. 2 GG für vereinbar erklärt.14 Der Wortlaut des § 6a Abs. 1 S. 1 Nr. 3 UStG, wonach die Steuerbefreiung für die sog. inner1 Schmitz in FS Schünemann, S. 235, 239 f. – mit dem Hinweis auf den besonders problematischen Fall der Rückverweisung in Bezug genommener untergesetzlicher Normen (z.B. einer Rechtsverordnung) auf die strafrechtliche Sanktionsnorm (241 f.). 2 BVerfG v. 15.9.2011 – 1 BvR 519/10, NVwZ 2012, 404; m.w.N. bzgl. der Bestimmtheit konkreter Blankettnormen vgl. Eser/Hecker in S/S-StGB, § 1 Rz. 18; Kudlich/Og˘lakciog˘lu, Rz. 48 ff. („Außenverweisung“). 3 BVerfG v. 15.9.2011 – 1 BvR 519/10, Tz. 39, NVwZ 2012, 504, 505; Tiedemann, Wirtschaftsstrafrecht AT, Rz. 201; Bock in G/J/W, § 1 StGB Rz. 42; Ransiek in FS Tiedemann, S. 171, 176. 4 BVerfG v. 17.11.2009 – 1 BvR 2717/08, NJW 2010, 754; Dannecker in LK-StGB, § 1 Rz. 152, 216. 5 BVerfG v. 17.11.2009 – 1 BvR 2717/08, Tz. 15, NJW 2010, 754 m. abl. Anm. Bosch, JA 2010, 472 (mangelnde Bestimmtheit der „erheblichen Ruhestörung“ gem. §§ 4, 15 Abs. 1 Nr. 4 LImSchG Bln durch Klavierspiel in der eigenen Wohnung). 6 Satzger in S/S/W-StGB, § 1 Rz. 54; Tiedemann, Wirtschaftsstrafrecht AT, Rz. 203; Satzger/Langheld, HRRS 2011, 460, 461. 7 Der Begriff „fremd“ in den §§ 242, 246 StGB ist ein normatives Merkmal, das sich allein nach zivilrechtlichen Kriterien beurteilt, vgl. Dannecker in LK-StGB, § 1 Rz. 149. 8 Eingehend zur Streitdarstellung Tiedemann, Wirtschaftsstrafrecht AT, Rz. 198; zu den Auswirkungen der Abgrenzungsschwierigkeiten auf die Irrtumslehre vgl. Kudlich/Og˘lakciog˘lu, Rz. 57 ff. 9 Vgl. Hüls, NZWiSt 2012, 12, 16. 10 Vgl. Bülte, JuS 2015, 769, 772; von den Strafgerichten wird § 315c Abs. 1 Nr. 2 StGB als vollständige Strafrechtsnorm eingestuft, vgl. BVerfG v. 22.8.1994 – 2 BvR 1884/93, NJW 1995, 315, 316. 11 BVerfG v. 23.6.2010 – 2 BvR 2559/08, BVerfGE 126, 170, 200; Satzger in S/S/W-StGB, § 1 Rz. 35; Saliger in S/S/W-StGB, § 266 Rz. 31a; Rönnau, ZStW 119 (2006) 887, 904 f.; Hüls, NZWiSt 2012, 12, 13 f.; Esser in AnwK-StGB, § 266 Rn. 234; krit. Gaede in AnwK-StGB, § 1 Rz. 9; Tiedemann, Wirtschaftsstrafrecht AT, Rz. 205, 220 („blankettartig“); a.A. Deiters, ZIS 2006, 152, 159 („Blankett“); Sax, JZ 1977, 663, 664. 12 Zur Verfassungswidrigkeit von § 370a a.F. AO vgl. BGH v. 22.7.2004 – 5 StR 85/04, NJW 2004, 2990, 2991 m. zust. Anm. Gaede, HRRS 2004, 318; hierzu auch Harms in FS Kohlmann, S. 413, 419 ff.; Ransiek in FS Tiedemann, S. 171, 176 ff. 13 BVerfG v. 16.6.2011 – 2 BvR 542/09, Tz. 59, NJW 2011, 3778, 3779 m. zust. Anm. Fischer, jurisPR-SteuerR 33/2011 Anm. 2; BVerfG v. 7.5.2008 – 2 BvR 2392/07, NJW 2008, 3205, 3206; BVerfG v. 15.10.1990 – 2 BvR 385/87, NStZ 1991, 88; BGH v. 20.11.2008 – 1 StR 354/08, BGHSt 53, 45, 53; BGH v. 28.1.1987 – 3 StR 373/86, BGHSt 34, 272, 282; Satzger in S/S/W-StGB, § 1 Rz. 56; Harms in FS Kohlmann, S. 413, 414; krit. Kudlich/Og˘lakciog˘lu, Rz. 52, 162; offengelassen von Pflaum in W/J, 20. Kap. Rz. 10; a.A. Tiedemann, Wirtschaftsstrafrecht AT, Rz. 198; Dannecker in LK-StGB, § 1 Rz. 149; Ransiek, HRRS 2009, 421, 424; Ransiek in FS Tiedemann, S. 171, 188; Hüls, NZWiSt 2012, 12, 16 ff.; Böse in FS Krey, S. 7, 13; zum Merkmal „steuerlich erhebliche Tatsachen“ vgl. Pflaum in W/J, 20. Kap. Rz. 48 f. S. auch EGMR v. 25.7.2013 – 11082/06 und 13772/05 (Khodorkovskiy u. Lebedev ./. Russland), §§ 791, 821. 14 BVerfG v. 16.6.2011 – 2 BvR 542/09, Tz. 61, NJW 2011, 3778, 3779; im Ergebnis zust. Hüls, NZWiSt 2012, 12, 18; zur Thematik vgl. auch Ransiek, HRRS 2009, 421.

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Keine Strafe ohne Gesetz

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§ 1 StGB Rz. 20

Strafgesetzbuch

gemeinschaftliche Lieferung voraussetzt, dass der Erwerb im Zielland der Umsatzbesteuerung „unterliegt“, könne auch so verstanden werden, dass der konkrete Erwerb im Zielland auch tatsächlich der Umsatzbesteuerung unterworfen werde. Die Auslegung dahingehend, dass lediglich die Existenz entsprechender Vorschriften erforderlich ist, sei nicht zwingend.1 Auch § 42 Abs. 1 AO, wonach das Steuergesetz nicht durch den Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten umgangen werden kann, soll hinreichend bestimmt sein.2 20

Das BVerfG hat offengelassen, ob der Straftatbestand § 240 Abs. 1 Nr. 4 KO a.F. (heute: § 283 Abs. 1 Nr. 7 lit. b StGB) mit der Verweisung auf das Handelsgesetzbuch (heute: Handelsrecht) eine Blankettnorm darstellt. Jedenfalls genüge er dem Bestimmtheitsgrundsatz. Mag das Erfordernis der Erstellung der Jahresbilanz innerhalb „der einem ordnungsgemäßen Geschäftsgang entsprechenden Zeit“ (§ 39 Abs. 2 a.F. HGB)3 unter handelsrechtlichen Gesichtspunkten im Einzelfall schwierig bleiben, so sollen sich doch aus strafrechtlicher Sicht für eine den Anforderungen des Art. 103 Abs. 2 GG genügende Eingrenzung jenes Zeitraums hinreichende Anhaltspunkte ergeben. Das BVerfG mahnt jedoch zur restriktiven Auslegung dieses Merkmals.4

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Wenn der Gesetzgeber in einer Strafnorm auf eine Rechtsverordnung verweist, die mit Art. 80 GG in Einklang steht, muss er die Voraussetzungen der Strafbarkeit und die Art der Strafe schon im Gesetz hinreichend festlegen. Vor diesem Hintergrund ist § 52 Abs. 2 Nr. 1 VTabakG verfassungsgemäß. Die Tatbestandsvariante nach § 52 Abs. 2 Nr. 1 VTabakG i.V.m. § 21 Abs. 1 Nr. 1 lit. g VTabakG, §§ 5a, 6 TabV ist bereits innerhalb desselben Gesetzes umschrieben, § 21 Abs. 1 Nr. 1 lit. g VTabakG.5

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Durch eine Vorlage des LG Berlin6 (Art. 100 Abs. 1 GG) war die Frage aufgeworfen, ob § 10 Abs. 1 und Abs. 3 des Rindfleischetikettierungsgesetzes (RiFlEtikettG) mit Art. 103 Abs. 2 GG vereinbar sind. § 10 Abs. 1 RiFlEtikettG ist dabei als Blankettgesetz zu qualifizieren. Er verweist auf unionsrechtliche Vorschriften, § 1 Abs. 1 RiFlEtikettG. Nach § 10 Abs. 3 RiFlEtikettG wird „das Bundesministerium“ allerdings ermächtigt, durch Rechtsverordnung die Tatbestände zu bezeichnen, die als Straftat nach § 10 Abs. 1 RiFlEtikettG zu ahnden sind, soweit dies zur Durchsetzung der Rechtsakte der Europäischen Union erforderlich ist. Damit richten sich die Voraussetzungen der Strafbarkeit nicht mehr aus der gesetzlichen Ermächtigung, sondern erst aus der Verordnung selbst.7 Das BVerfG hat § 10 Abs. 1, Abs. 3 RiFlEtikettG aus diesem Grund als „unzulässige pauschale Blankoermächtigung zur Schaffung von Straftatbeständen bei Verstößen gegen gemeinschaftsrechtliche Regelungen zur Rindfleischetikettierung durch den Verordnungsgeber“ eingestuft, die sowohl mit Art. 103 Abs. 2 GG iVm Art. 104 Abs. 1 Satz 1 GG als auch mit Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG unvereinbar und nichtig ist.8 § 10 Abs. 1 RiFlEtikettG lasse auch iVm § 1 Abs. 1 RiFlEtikettG nicht hinreichend klar erkennen, welche Verstöße gegen unionsrechtliche Vorgaben sanktioniert werden sollen; es fehle an einem gesetzlich geregelten, wenngleich konkretisierungsbedürftigen Straftatbestand.9 In Hinblick auf Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG fehle es § 10 Abs. 1 RiFlEtikettG an einer gesetzgeberischen Entscheidung zu Inhalt und Programm der über § 10 Abs. 3 RiFlEtikettG erteilten Ermächtigung zum Erlass einer Rechtsverordnung, so dass weder erkennbar noch vorhersehbar sei, in welchen Fällen und mit welcher Tendenz der Verordnungsgeber von dieser Ermächtigung und unbegrenzt an ihn delegierten Entscheidungsbefugnis Gebrauch machen wird und welchen Inhalt die aufgrund der Ermächtigung erlassene Verordnung haben kann.10

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Ein Blankett(straf)tatbestand kann auch eine Verweisung auf Rechtsakte der EU enthalten.11 Ausgeschlossen sind hierbei jedoch RL, da diese nicht unmittelbar an den Bürger adressiert sind.12 Das Bestimmtheitsgebot gilt dann für das in Bezug genommene Unionsrecht gleichermaßen.13 Hinzu kommt jedoch, dass der Rechtsakt der EU nach den unionsrechtlichen Auslegungsgrundsätzen zu interpretieren ist.14 Dient eine Verweisung auf uni-

1 BVerfG v. 16.6.2011 – 2 BvR 542/09, Tz. 61, NJW 2011, 3778, 3779. Der Bf. war wegen USt-Hinterziehung verurteilt worden. Er hatte gebrauchte Kfz nach Italien verkauft, an die Abnehmer jedoch keine Rechnungen ausgestellt, sondern über einen Kreisel von Scheinverkäufen bewirkt, dass die Empfänger Rechnungen mit ausgewiesener USt des Ziellandes zwecks Geltendmachung der Vorsteuer erhalten hatten. Auch die (der Steuerbefreiung des UStG zugrundeliegende) einschlägige EU-RL gebietet nicht die Steuerfreiheit für derartige Umsätze, EuGH v. 7.12.2010 – C-285/09, Slg. 2010, I-12605 ff., NJW 2011, 203. In dieser Sache auch BGH v. 20.11.2008 – 1 StR 354/08, DStR 2009, 577 m. krit. Anm. Bielefeld (in Hinblick auf Art. 103 Abs. 2 GG). 2 BGH v. 17.2.1982 – 3 StR 19/82, NStZ 1982, 206; krit. Ransiek in FS Tiedemann, S. 171, 178 ff. 3 Auch nach geltendem Handelsrecht sind keine bestimmten Fristen für die Aufstellung von Bilanz und Inventar vorgesehen (vgl. §§ 240 Abs. 2 S. 3, 243 Abs. 3 HGB). Vgl. hierzu Lackner/Kühl, § 283 StGB Rz. 20. 4 BVerfG v. 1.3.1978 – 2 BvR 927/76, BVerfGE 48, 48 = NJW 1978, 1423. 5 Näher BGH v. 23.12.2015 – 2 StR 525/13 (E-Zigarette), NJW 2016, 1251, 1256 m. Anm. Brand. 6 LG Berlin v. 16.4.2015 – (572) 242 AR 27/12 Ns (82/12), NZWiSt 2016, 112 mit Anm. Bülte, NZWiSt 2016, 117. 7 Siehe zum Ganzen auch die Stellungnahme des DAV, SN 08/2016, S. 13 ff. 8 BVerfG v. 21.9.2016 – 2 BvL 1/15, NJW 2016, 3648, 3651, Tz. 51, 3653, Tz. 64 m. Anm. Hecker. Zur Thematik: Hoven, NStZ 2016, 377; Dannecker, ZIS 2016, 723; Hecker, Europäisches Strafrecht, 5. Aufl. 2015, § 7 Rn. 98 ff. 9 BVerfG v. 21.9.2016 – 2 BvL 1/15, NJW 2016, 3648, 3651, Tz. 51 f. 10 BVerfG v. 21.9.2016 – 2 BvL 1/15, NJW 2016, 3648, 3653, Tz. 64. 11 Eingehend hierzu Schützendübel, Die Bezugnahme auf EU-Verordnungen in Blankettstrafgesetzen (2012). 12 Bock in G/J/W, § 1 StGB Rz. 41; Sackreuther in G/J/W, Vor §§ 58–61 LFGB Rz. 23. 13 S/S/W-StGB/Satzger, § 1 Rz. 57; einschränkend Schmitz in FS Schünemann, S. 235, 239. 14 Satzger in S/S/W-StGB, § 1 Rz. 57; Dannecker/Bülte in A/R, 2. Teil Kap. 2 Rz. 40; zur Problematik der Maßgeblichkeit verschiedener Sprachfassungen vgl. Satzger/Langheld, HRRS 2011, 460, 464.

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Esser

Rz. 27 § 1 StGB

onsrechtliche Vorschriften lediglich der begrifflichen Konkretisierung, soll Art. 103 Abs. 2 GG nicht verletzt sein, wenn das in Bezug genommene EU-Recht im Tatzeitpunkt keine Geltung mehr hatte. Dies hat der BGH für § 370 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 6 S. 2 Var. 2 a.F. AO entschieden, der im Zeitpunkt der Tat noch auf Art. 3 Abs. 1 der RL 92/12/EWG des Rates vom 25.2.1992 verwiesen hatte, obwohl diese RL bereits außer Kraft war.1 Verbreitet und vom BVerfG gebilligt2 sind auch sog. dynamische Verweisungen, die etwa auf ein anderes Ge- 24 setz in der „jeweils geltenden Fassung“ verweisen (vgl. § 6a Abs. 2 S. 1 AMG).3 Dynamische Verweisungen auf Rechtsakte des Unionsrechts sind hingegen grundsätzlich unzulässig, denn es ist, anders als bei sog. statischen Verweisungen, nicht möglich, auf eine bestimmte Fassung des Gesetzes Bezug zu nehmen. Dem verständigen Bürger ist es nicht zumutbar, die jeweils gültige Fassung des Gesetzes im komplexen europäischen Recht ausfindig zu machen.4 Verfassungswidrig sind dagegen sog. Rückverweisungsklauseln, die den deutschen Verordnungsgeber ermäch- 25 tigen, zu bestimmen, welche unionsrechtlichen Ge- und Verbote sanktionsbewehrt sein sollen.5 Die Entscheidung über das „Ob“ der Strafbarkeit unterfällt dem Parlamentsvorbehalt, so dass ausschließlich der nationale Gesetzgeber darüber befinden darf. Unproblematisch sind hingegen sog. deklaratorische Rückverweisungsklauseln (z.B. § 3 Abs. 1 WiStG), die die Bestimmtheit des Tatbestandes sogar steigern.6

E. Analogieverbot/Verbot strafbegründenden Gewohnheitsrechts Besonders zu beachten ist auch das Verbot analoger und gewohnheitsrechtlicher Strafbegründung-/verschär- 26 fung und Bußgeldbewehrung. Das BVerfG legt dabei einen „untechnischen Analogiebegriff“ zugrunde. Ausgeschlossen soll danach jede Rechtsanwendung sein, die über den Inhalt einer gesetzlichen Sanktionsnorm hinausgeht. Da gem. § 31 Abs. 2 BVerfGG bestimmte Entscheidungen des BVerfG in Gesetzeskraft erwachsen, liegt ein Verstoß gegen das Analogieverbot auch im Falle einer strafrechtlichen Verurteilung vor, die auf der Anwendung einer Norm des materiellen Strafrechts beruht, welche zuvor durch das BVerfG als nichtig oder mit dem Grundgesetz als unvereinbar erklärt worden ist.7 Maßgebend für die Auslegung einer Gesetzesbestimmung sei der in der Norm zum Ausdruck kommende ob- 27 jektivierte Wille des Gesetzgebers, so wie er sich aus dem Wortlaut der Vorschrift und dem Sinnzusammenhang ergebe, in dem sie stehe.8 Eine Analogie zulasten des Täters ist sowohl im Strafrecht als auch im Recht der Ordnungswidrigkeiten ausgeschlossen.9 Der Wortlaut als äußerste Grenze der Auslegung gilt auch für Blankettstrafgesetze (hierzu Rz. 17) und die sie ausfüllenden Vorschriften.10 Die Ausdehnung von § 84 GmbHG (heute: § 15a InsO) auf den faktischen Geschäftsführer soll dabei nicht gegen das Analogieverbot verstoßen, denn Normadressat sei nicht allein der förmlich zum Geschäftsführer Bestellte, sondern auch derjenige, der die Geschäftsführung tatsächlich übernommen habe.11 Der BGH12 zog darüber hinaus die Gesetzesmaterialien zum

1 BGH v. 20.11.2013 – 1 StR 544/13, NJW 2014, 1029 = BeckRS 2014, 02098 m. krit. Anm. Hecker, JuS 2014, 458; abl. wegen Verstoß gegen das Analogieverbot wohl auch Satzger in S/S/W-StGB, § 1 Rz. 58. 2 OLG Frankfurt a.M. v. 9.3.2004 – 2 Ss 237/03, NStZ-RR 2004, 275, 278 (zu § 370 AO i.V.m. §§ 8 Abs. 2, 12 Abs. 1 MOG); BVerfG v. 6.5.1987 – 2 BvL 11/85, BVerfGE 75, 329, 345 ff. (zu § 327 Abs. 2 StGB); BVerfG v. 25.7.1962 – 2 BvL 4/62, BVerfGE 14, 245, 252 ff. (zu § 21 StVG); krit. hingegen Tiedemann, Wirtschaftsstrafrecht AT, Rz. 206; Dannecker in LK-StGB, § 1 Rz. 158. 3 Vgl. § 6a Abs. 1 AMG: „Arzneimittel, die Stoffe der in der jeweils geltenden Fassung des Anhangs des Übereinkommens gegen Doping (Gesetz vom 2.3.1994 zu dem Übereinkommen vom 16. November 1989 gegen Doping, BGBl. 1994 II S. 334) aufgeführten Gruppen von verbotenen Wirkstoffen oder Stoffe enthalten“. Zu § 6a Abs. 2 a.F. AMG vgl. BGH v. 18.9.2013 – 2 StR 365/12, NJW 2014, 325 = JZ 2014, 360 = ZWH 2014, 103 (m. krit. Anm. Og˘lakciog˘lu), wonach der Gesetzgeber trotz fehlender dynamischer Verweisung im Wortlaut die jeweils aktuellen Listen verbotener Wirkstoffe (jährlich angepasst durch die Beobachtende Begleitgruppe des Europarates) in seinen Willen aufgenommen habe. Abl. Freund, JZ 2014, 362. Zum Begriff des „Arzneimittels“ s. auch EuGH v. 10.7.2014 – C-358/13 u. C-181/14 (synthetische Cannabinoide; „legal highs“), NStZ 2014, 461 m. krit. Anm. Volkmer/Ewald = EuZW 2014, 742 m. Anm. Müller – auf Vorlage von BGH v. 28.5.2013 – 3 StR 437/12, MedR 2014, 236 = NStZ-RR 2014, 180 = PharmR 2013, 379; als Reaktion auf den EuGH: BGH v. 4.9.2014 – 3 StR 437/12, BeckRS 2014, 18564 = PharmR 2015, 264. 4 Eingehend hierzu Satzger/Langheld, HRRS 2011, 460, 461 ff.; Satzger, JuS 2004, 943, 947 ff.; a.A. Böse in FS Krey, S. 7, 14 f. (keine strengeren Anforderungen als an dynamische Verweisungen ins nationale Recht). 5 Satzger in S/S/W-StGB, § 1 Rz. 57; Dannecker in LK-StGB, § 1 Rz. 161; Rotsch, ZJS 2008, 132, 135 (zu § 62 LFGB); für eine weite Auslegung hingegen Böse in FS Krey, S. 7, 11 f. 6 Tiedemann, Wirtschaftsstrafrecht AT, Rz. 207; Dannecker in LK-StGB, § 1 Rz. 161; Kudlich/Og˘lakciog˘lu, Rz. 50. 7 BVerfG v. 27.6.2014 – 2 BvR 429/12, NJW 2014, 2777 (§ 353d Nr. 3 StGB). 8 BVerfG v. 17.11.2009 – 1 BvR 2717/08, NJW 2010, 754, 755; BVerfG v. 7.3.2011 – 1 BvR 388/05, NJW 2011, 3020, 3021 (zu § 240 StGB – Sitzblockade); abl. Bosch, JZ 2010, 472, 474 (BVerfG als „Superrevisionsinstanz“); krit. hinsichtlich der Geltung eines absoluten Analogieverbots Ransiek in FS Tiedemann, S. 171, 184 ff. 9 BGH v. 10.3.1983 – 4 StR 375/82, BGHSt 31, 264, 289 (zu §§ 18, 56 Abs. 1 Nr. 6 KWG). 10 BVerfG v. 16.6.2011 – 2 BvR 542/09, NJW 2011, 3778, 3779; Satzger in S/S/W-StGB, § 1 Rz. 35. 11 BGH v. 22.9.1982 – 3 StR 287/82, BGHSt 31, 118; einen Rechtsprechungsüberblick über den faktischen Geschäftsführer gibt, Weyand, ZInsO 2015, 1773; dort auch zu den „8-Kriterien“ nach Dierlamm. 12 BGH v. 18.12.2014 – 4 StR 323/14, 4 StR 324/14; dazu auch Weyand, ZInsO 2015, 1773, 1774 ff.

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Keine Strafe ohne Gesetz

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§ 1 StGB Rz. 28

Strafgesetzbuch

MoMiG1 heran, um die Fortgeltung der Grundsätze des Rechtsinstituts des faktischen Geschäftsführers zu belegen. Demzufolge sollte gerade der § 15a Abs. 3 InsO die bewährte Rechtsprechung zum faktischen Geschäftsführer nicht entkräften. 28

Ebenfalls verstößt es nach Ansicht des BVerfG nicht gegen das Analogieverbot, wenn Fachgerichte den Zugriff auf Auslandsvermögen als „Vereitelung der Sicherstellung“ i.S.d. § 261 Abs. 1 Satz 1 StGB bewerten. Das erlangt bei der Honorarauszahlung von Anwälten besondere Relevanz. Den Geldfluss an den Strafverteidiger objektiv-tatbestandlich als Angriff auf eine Sicherstellung zu verstehen, errege zwar zunächst keinen Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Auslegung. Nach der zu § 261 Abs. 2 Nr. 1 StGB ergangenen Rechtsprechung sei allerdings nur dann von einem gerechtfertigten Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit auszugehen, wenn der Strafverteidiger im Zeitpunkt der Entgegennahme des Honorars mit Sicherheit wisse, dass dieses aus einer von § 261 StGB umfassten Vortat herrühre. Da nunmehr der Verfall von Vermögen aus einer rechtswidrigen Tat zwingend ist, und dabei die vorbereitende Sicherstellung den Regelfall darstellt, könne sich eine Strafbarkeit, wenn nicht wegen § 261 Abs. 2 Nr. 1 StGB, so doch weiterhin zumindest wegen Gefährdung des Verfalls oder der Sicherstellung von bemakeltem Vermögen nach § 261 Abs. 1 Satz 1 StGB ergeben.2 Damit liefen die bezogen auf den Verschleierungstatbestand entwickelten Restriktionen (vgl. „manipulative Tendenz des Täters“) allerdings leer. Das wiederum kann nach Ansicht des BVerfG erneut zu Friktionen mit der Berufsfreiheit (Art. 12 GG) führen, so dass auch der Vereitelungs- und Gefährdungstatbestand (wie der Verschleierungstatbestand) im Fall der Honorarannahme durch Strafverteidiger grundsätzlich verfassungskonform eingeschränkt werden muss.3 Wie das stattzufinden hat, ließ das BVerfG offen.

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In den Bereich strafrechtlich verbotener Analogie träte man dagegen etwa bei einem Gleichlauf des zivilrechtlichen Verbreitungsbegriffs aus § 17 UrhG mit dem strafrechtlichen Verbreitungsbegriff. Im Strafrecht ist daher eine engere Auslegung des Verbreitungsbegriffs als im Zivilrecht zugrunde zu legen. Insbesondere soll das bloße Anbieten eines Werks gegenüber der Öffentlichkeit eine straffreie Vorbereitungshandlung darstellen; auch das nach zivilrechtlichem Verständnis der Verbreitung unterfallende Vermieten und Verleihen soll straffrei sein.4

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Besonderheiten ergeben sich zum Teil bei Verbandsgeldbußen. Durch die 8. GWB-Novelle wurde § 30 Abs. 2a OWiG neu eingefügt.5 Dieser soll nunmehr verhindern, dass Unternehmen, die mit einer Geldbuße belegt wurden, der Ahndung dadurch entgehen, dass sie durch Umstrukturierungen oder Umwandelungen eine neue juristische Person erschaffen. So kann nun im Fall einer Gesamtrechtsnachfolge durch Aufspaltung die Geldbuße auch gegen den Rechtsnachfolger des ursprünglichen Verursachers festgesetzt werden.

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Diese Modifikation war nach einem Beschluss des BGH6 notwendig geworden, nachdem das Analogieverbot, welches auch im Ordnungswidrigkeitenrecht Anwendung findet, es untersagt, den § 30 Abs. 1 OWiG auf Fälle anzuwenden, in denen das geahndete Unternehmen durch interne Umwandlungen eine neue juristische Person erschaffen hat, die somit zunächst nicht mehr als Verantwortungsadressat herangezogen werden kann.7 Es handelt sich dann nicht mehr um „diese“ juristische Person i.S.d. § 30 Abs. 1 OWiG, deren Organ oder Gesellschafter die Ordnungswidrigkeit begangen hat.

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Nur in Fällen einer sog. „Nahezu-Identität“ ist eine Geldbuße gegen das Nachfolgeunternehmen auf der Grundlage des § 30 Abs. 1 OWiG möglich. Hierzu führte der BGH aus, dass wirtschaftliche Identität i.d.R. genüge. Dies sei der Fall, wenn das „haftende Vermögen“ i.S.d. § 30 OWiG weiterhin vom Vermögen des Verantwortlichen getrennt, in gleicher oder in ähnlicher Weise wie bisher eingesetzt werde und in der neuen juristischen Person einen wesentlichen Teil des Gesamtvermögens ausmache.8 Liege diese nicht vor, wäre eine „Weiterahndung“ der neu entstanden juristischer Person nach § 30 a.F. OWiG als Verstoß gegen das Analogieverbot unzulässig.9 Damit kommt § 30 Abs. 2a OWiG in den Fällen zur Geltung, in denen eine Haftung nicht schon aufgrund einer wirtschaftlichen Identität zwischen den Beteiligten begründet werden kann.10

33

Die Europarechtskonformität des § 30 OWiG wird im Lichte des Effektivitätsgrundsatzes vereinzelt in Zweifel gezogen.11 Die europäische Sanktionsnorm des Art. 23 Abs. 2 Satz 1 lit. a VO Nr. 1/2003 knüpft über 1 Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG) v. 23.10.2008, BGBl. I 2008, 2026. 2 Vgl. BVerfG. v. 28.7.2015, 2 BvR 2558/14, 2 BvR 2573/14, 2 BvR 2571/14. 3 BVerfG v. 28.7.2015, 2 BvR 2558/14, 2 BvR 2573/14, 2 BvR 2571/14, im Anschluss an BVerfG v. 30.3.2004 – 2 BvR 1520/01, 2 BvR 1521/01. 4 Vgl. Dreier in Dreier/Schulze, § 106 UrhG Rz. 5. 5 Zur rechtspolitischen Entwicklung vgl. Könen, ZIP 2015, 2106, 2108 f. 6 BGH v. 10.8.2011 – KRB 55/10, BGHSt 57, 193 ff. = ZWH 2012, 573 (Versicherungsfusion); vgl. auch BGH v, 10.8.2011 – KRB 2/10 = wistra 2012, 152 (Transportbeton). 7 BGH v. 10.8.2011 – KRB 55/10, Tz. 15, BGHSt 57, 193 ff. = ZWH 2012, 573 (Versicherungsfusion); vgl. dazu auch Werner, wistra 2015, 176. 8 BGH v. 10.8.2011 – KRB 55/10, Tz. 17, BGHSt 57, 193 ff. = ZWH 2012, 573 (Versicherungsfusion); bestätigt durch BVerfG NJW 2015, 3641, 3642. 9 BGH v. 10.8.2011 – KRB 55/10, Tz. 8 f. BGHSt 57, 193 ff. = ZWH 2012, 573 (Versicherungsfusion). 10 Meyberg in: BeckOK OWiG, § 30, Rz. 42c m.w.N. 11 Becker/Vollmer, KSzW 2015, 235, 241.

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Esser

Rz. 39 § 1 StGB

Art. 101/102 AEUV an den europäischen Unternehmensbegriff an, der sich hauptsächlich durch eine wirtschaftliche Betrachtungsweise auszeichnet.1 Dieser Betrachtungsweise ist es auch geschuldet, dass ein Kartellverstoß einem außenstehenden Unternehmen gegenüber zuzurechnen sein kann, wenn zwischen diesem und dem Täterunternehmen eine wirtschaftliche Einheit besteht, so beispielsweise bei dem Verhältnis zwischen Mutterund Tochterunternehmen.2 § 30 Abs. 1 OWiG bleibt hinter einem derart weiten Verständnis zurück. Eine Geldbuße kann nach dessen 34 Wortlaut nur gegen die juristische Person verhängt werden, für die der Täter gehandelt hat, sog. Rechtsträgerprinzip.3 Diese Bindung bestätigt damit gleichzeitig das ordungswidrigkeitenrechtliche Schuldprinzip.4 Aufgrund des Effektivitätsgrundsatzes dürfen Vorschriften, die die Mitgliedsstaaten erlassen oder anwenden, 35 die wirksame Anwendung der Art. 101, 102 AEUV nicht beeinträchtigen.5 Nach der Rs. „Schenker“6 wird hierzu vertreten, dass Art. 23 VO 1/2003 Mindeststandards festlegt, die als Maßstab für ein Untermaßverbot im Bereich des Sanktionsrechts der Mitgliedsstaaten zu beachten sind.7 § 30 OWiG soll diesem Maßstab zurzeit nicht gerecht werden,8 da im Vergleich zur europäischen Regelung noch Lücken in Fällen der partiellen Gesamtrechtsnachfolge und der Einzelrechtsnachfolge bestehen.9

F. Zweifelssatz Der Grundsatz „in dubio pro reo“ ist eine weitere Ausprägung des Gesetzlichkeitsprinzips.10 So hat der BGH 36 im Rahmen der Beurteilung der Frage des Vermögensschadens (§ 266 StGB) entschieden, dass zur Bestimmung des Wertes eines Unternehmens die anerkannten Bewertungsmaßstäbe heranzuziehen sind, die für den Beschuldigten am günstigsten sind. Nur so könne wegen der im Zivilrecht bestehenden Bewertungsunsicherheiten und ungeklärten Bewertungsmaßstäben dem Grundsatz „in dubio pro reo“ Rechnung getragen werden. Im Zweifel muss ein Freispruch erfolgen.11

G. Wahlfeststellung Mit Beschluss v. 28.1.2014 hat der 2. Strafsenat des BGH in einem Anfragebeschluss an die übrigen Senate zum 37 Ausdruck gebracht, dass es sich seiner Ansicht nach bei der echten Wahlfeststellung um eine materiell-strafbegründende Rechtsfrage (Art. 103 Abs. 2 GG) und deshalb verfassungswidrige richterliche Rechtsfortbildung handele.12 Begründet hat der Senat dies u.a. damit, dass die in Frage kommenden Tatbestände durch das Erfordernis einer rechtsethischen und psychologischen Vergleichbarkeit oder eines gemeinsamen Unrechtskerns verschliffen würden. Diesem Ansatz sind die anderen vier Strafsenate des BGH13 allerdings nicht gefolgt; sie haben der Wahlfeststellung 38 lediglich prozessuale Wirkung zugeschrieben. Der in Art. 103 Abs. 2 GG angelegte Bestimmtheitsgrundsatz gelte, wie auch der 2. Strafsenat erkannt hat, nur für materielles Recht, nicht aber für prozessuales Fragen. Ferner soll auch nicht der Anwendungsbereich für den Grundsatz „in dubio pro reo“ eröffnet sein, da es sich hierbei um eine Beweis-/Entscheidungsregel handelt, wohingegen die Wahlfeststellung eine Entscheidungsregel sei, die dann zur Anwendung komme, wenn feststehe, dass der Angeklagte sich in jedem denkbaren Fall strafbar gemacht habe. In der Literatur hat der Vorstoß des 2. Strafsenats sowohl Zuspruch14 als auch Widerspruch erfahren.15 So 39 wurde der Ansicht, die Rechtsfigur der Wahlfeststellung begründe materielles Recht, zugestimmt, denn gerade

1 EuGH v. 1.7.2010 – Rs. C-407/08 P, Rz. 64 f. „Knauf Gips“; Kühling in: Streinz, EUV/AEUV, Art. 106 AEUV, Rz. 6 f.; Hirsbrunner/Rating in von der Groeben/Schwarze/Hatje, Art. 3 VO 139/2004, Rz. 8 f. 2 Feddersen in Grabitz/Hilf, VO 1/2003, Art. 23, Rz. 49; umfassend Kienapfel in von der Groeben/Schwarze/Hatje, Europäisches Unionsrecht, Art. 23 VO 1/2003, Rz. 31 f. 3 Meyberg in BeckOK OWiG, § 30, Rz. 36. 4 Näher Mäger/von Schreitter, KSzW 2015, 243, 244. 5 EuGH. v. 20.9.2001 – Rs. C-453/99, Tz. 29 „Courage“; Becker/Vollmer, KSzW 2015, 235, 240. 6 EuGH v. 18.6.2013 – Rs. C-681/11, Tz. 36 „Schenker“. 7 Becker/Vollmer, KSzW 2015, 235, 241 m.w.N. 8 Becker/Vollmer, KSzW 2015, 235, 241. 9 Zu den bestehenden Regelungslücken umfassend Wiedmann/Funk, BB 2015, 2627, 2628 f.; ebenso Könen, ZIP 2015, 2106, 2112. 10 Satzger in S/S/W-StGB, § 1 Rz. 68. 11 BVerfG v. 23.6.2010 – 2 BvR 2559/08, BVerfGE 126, 170, 230 = NJW 2010, 3209, 3220, Tz. 151; s. auch BGH v. 11.9.2003 – 5 StR 524/02, wistra 2003, 457, = StraFo 2004, 64. 12 BGH v. 28.1.2014 – 2 StR 495/12, NStZ 2014, 392 = BeckRS 2014, 11593. 13 BGH v. 24.6.2014 – 1 ARs 14/14, NStZ-RR 2014, 308 = BeckRS 2014, 16613; BGH v. 16.7.2014 – 5 ARs 39/14, NStZ-RR 2014, 307 = BeckRS 2014, 16018; BGH v. 11.9.2014 – 4 ARs 12/14, NStZ-RR 2015, 40 = BeckRS 2014, 21652; BGH v. 30.9.2014 – 3 ARs 13/14, NStZ-RR 2014, 39 = BeckRS 2014, 22851. 14 Stuckenberg, ZIS 2014, 461; Wagner, ZJS 2014, 436, 443; Schuhr, NStZ 2014, 437; Wagner, ZJS 2014, 436, 443; Heintschel-Heinegg, JA 2014, 710, 712. 15 Stuckenberg, ZIS 2014, 461, 471.

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StGB

Keine Strafe ohne Gesetz

StGB

§ 1 StGB Rz. 40

Strafgesetzbuch

durch eine wahlweise Verurteilung werde eine Strafe begründet,1 die es so im positiven Recht nicht gebe. Dagegen wird angeführt, dass die Wahlfeststellung durch die bloße Ermöglichung einer Verurteilung noch nicht als materielles Strafrecht zu qualifizieren sei.2 40

Aufgrund der einmütigen Ablehnung der im Anfragebeschluss angedeuteten Rechtsänderung durch die vier übrigen Strafsenate hatte der 2. Strafsenat den Großen Senat für Strafsachen3 zur Entscheidung angerufen,4 diese Vorlage aber wenig später wieder zurückgenommen,5 da noch zu prüfen war, ob im konkreten zur Entscheidung anstehenden Fall (gewerbsmäßiger Diebstahl bzw. Hehlerei) der Tatbestand der Geldwäsche als gesetzlicher Auffangtatbestand der richterrechtlichen Praxis der Wahlfeststellung entgegenstehen könnte (§ 261 Abs. 9 Satz 2 StGB, persönlicher Strafausschließungsgrund bzw. Konkurrenzregel). Nachdem dann der 5. Strafsenat diesen Gedanken in einem anderen Fall umgehend verworfen und weiterhin eine „wahldeutige“ Verurteilung favorisiert hatte,6 hat der 2. Strafsenat am 2.11.2016 dem GSSt erneut die Frage vorgelegt, ob eine wahldeutige Verurteilung auf der Grundlage einer sog. „Wahlfeststellung“ allgemein zulässig ist bzw. im Einzelfall durch gesetzliche Regelungen (etwa § 261 StGB) verdrängt wird.7

§ 2 Zeitliche Geltung (1) Die Strafe und ihre Nebenfolgen bestimmen sich nach dem Gesetz, das zur Zeit der Tat gilt. (2) Wird die Strafdrohung während der Begehung der Tat geändert, so ist das Gesetz anzuwenden, das bei Beendigung der Tat gilt. (3) Wird das Gesetz, das bei Beendigung der Tat gilt, vor der Entscheidung geändert, so ist das mildeste Gesetz anzuwenden. (4) Ein Gesetz, das nur für eine bestimmte Zeit gelten soll, ist auf Taten, die während seiner Geltung begangen sind, auch dann anzuwenden, wenn es außer Kraft getreten ist. Dies gilt nicht, soweit ein Gesetz etwas anderes bestimmt. (5) Für Verfall, Einziehung und Unbrauchbarmachung gelten die Absätze 1 bis 4 entsprechend. (6) Über Maßregeln der Besserung und Sicherung ist, wenn gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, nach dem Gesetz zu entscheiden, das zur Zeit der Entscheidung gilt. Literatur: Büttner, Der neue Überschuldungsbegriff und die Änderung des Insolvenzstrafrechts, ZInsO 2009, 841; Fromm/ Gierthmühlen, Zeitliche Geltung des neuen Überschuldungsbegriffs in Insolvenzstrafverfahren – Hintertür für Straftaten wegen Insolvenzverschleppung bei Altfällen?, NZI 2009, 665; Fromm, Zuwiderhandlungen gegen die EU-Arbeitsgenehmigungspflicht für die Staatsangehörigen der neuen EU-Mitgliedsstaaten nach § 404 Abs. 2 Nr. 3 bzw. 4 SGB III – Zur zeitlichen Geltung des Ordnungswidrigkeitentatbestands nach dem Erlöschen der EU-Arbeitserlaubnis nach dem 30.4.2011 – WiRO 2011, 114; Gaede, Zeitgesetze im Wirtschaftsstrafrecht und rückwirkend geschlossene Ahndungslücken, wistra 2011, 365; Grötsch, Zeitlicher Anwendungsbereich der neuen Selbstanzeigeregelung, NZWiSt 2015, 409; Jakobs, Strafrecht, Allgemeiner Teil, 2. Aufl. 1991 (= Studienausgabe 1993); Kunert, Zur Rückwirkung des milderen Steuerstrafgesetzes – Nicht nur ein Beitrag zur Parteispendenaffäre, NStZ 1982, 276; Mosbacher, Keine Straffreiheit für Altfälle unerlaubter Beschäftigung von Unionsbürgern, NStZ 2015, 255; Park, Kapitalmarktstrafrechtliche Neuerungen des Vierten Finanzmarktförderungsgesetzes, BB 2003, 1513; Schmitz, Die Neufassung des § 19 Abs. 2 InsO durch das FMStG und seine Bedeutung für strafrechtliche „Altfälle“, wistra 2009, 369; Tiedemann, Die Parteispenden-Entscheidung des BGH, NJW 1987, 1247 f.; Tuengerthal/Geißer, Zur seltsamen Vernachlässigung der Rechtsfolgen des § 2 Abs. 3 StGB im Rahmen der Entwicklung der Arbeitnehmerfreizügigkeit im EU-Recht, NZWiSt 2014, 412; Tuengerthal/Rothenhöfer, Die Strafbarkeit von Altfällen illegaler Beschäftigung, wistra 2014, 417; Tuengerthal/Rothenhöfer/Hennecke, Straffreiheit für Altfälle unerlaubter Beschäftigung von Unionsbürgern!, NZWiSt 2015, 445.

A. Rückwirkungsverbot/Intertemporales Strafrecht 1

§ 2 StGB enthält eine detaillierte Regelung der zeitlichen Geltung des Strafrechts und konkretisiert in Absatz 1 vor allem das aus Art. 103 Abs. 2 GG folgende Rückwirkungsverbot.8 Darüber hinaus ist geregelt, wie sich Änderungen des Strafgesetzes auf die Rechtsanwendung auswirken, sog. intertemporales Strafrecht.9 Ändert sich die Gesetzeslage zwischen der Tatbegehung und der zu treffenden gerichtlichen Entscheidung, muss das Gesetz 1 Heintschel-Heinegg, JA 2014, 710, 711; Wagner, ZJS 2014, 436, 441. 2 Stuckenberg, ZIS 2014, 461, 468; weitergehend Schuhr, NStZ 2014, 437, 438, 439; Lilie-Hutz, NStZ-RR 2014, 11593 = BGH v. 28.1.2014 – 2 StR 495/12, BeckRS 2014, 11593. 3 Vgl. BGH v. 11.3.2015 – 2 StR 495/12, StV 2016, 212 ff. m. Anm. Haas, HRRS 2016, 190 ff. 4 BGH v. 11.3.2015 – 2 StR 495/12. 5 BGH v. 9.8.2016 – 2 StR 495/12. Das Verfahren BGH – GSSt 2/15 war daher ohne Entscheidung erledigt worden. 6 BGH v. 16.8.2016 – 5 StR 182/16. 7 BGH v. 2.11.2016 – 2 StR 495/12. 8 Vgl. Hassemer/Kargl in NK-StGB, § 2 Rz. 11; Kudlich/Og˘lakciog˘lu, Rz. 49a; allgemein zur echten Rückwirkung vgl. BVerfG v. 17.12.2013 – 1 BvL 5/08, NVwZ 2014, 577; zum unionsrechtlichen Rückwirkungsverbot vgl. Dannecker/Bülte in W/J, 2. Kap. Rz. 215 ff. 9 Dannecker in LK-StGB, § 2 Rz. 1, 3; Hassemer/Kargl in NK-StGB, § 2 Rz. 3 f., 8 ff.

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Esser

Rz. 5 § 2 StGB

bestimmt werden, welches auf den entsprechenden Sachverhalt anzuwenden ist.1 Für das Recht der Ordnungswidrigkeiten ist in § 4 OWiG eine entsprechende Regel niedergelegt.2 Diesen Normen kommt im Wirtschaftsstrafrecht erhebliche Bedeutung zu, weil sich die Rechtsnormen mit dem Wandel der Zeit ständig ändern.3 Absatz 1 ordnet für Strafen und ihre Nebenfolgen die Anwendbarkeit des zur Tatzeit geltenden Rechts an. Diese 2 Vorschrift konkretisiert das strafrechtliche Rückwirkungsverbot des Art. 103 Abs. 2 GG,4 gilt also nur für strafbegründende und strafschärfende Vorschriften. Rechtsnormen, die eine gesetzlich angedrohte Strafe nachträglich mildern, fallen naturgemäß nicht unter das Rückwirkungsverbot des Art. 103 Abs. 2 GG (s. hierzu § 1 StGB Rz. 1). Auch ist die rückwirkende Änderung einer blankettausfüllenden Norm zulässig und beachtlich, wenn dies vor der Tatbegehung geschieht.5 Das Rückwirkungsverbot gilt zudem nicht für Änderungen der höchstrichterlichen Judikatur,6 wohl aber für Regelungen des AT des StGB, also bspw. strafbarkeitsbegründende und -ausdehnende Normen.7 Dementsprechend können auch Strafschärfungen eines persönlichen Strafaufhebungsgrundes, wie der Selbstanzeige nach § 371 AO, nicht rückwirkend auf den Täter angewandt werden.8 Absatz 2 ordnet an, dass bei einer Änderung der Strafandrohung während der Begehung der Tat das Gesetz an- 3 zuwenden ist, das bei Beendigung der Tat gilt. Wenn die Strafbarkeit erst während der Tatbegehung gesetzlich bestimmt wird, ist eine rückwirkende Strafbarkeit also ausgeschlossen. In Frage kommt eine Strafbarkeit in diesem Fall nur dann, wenn auf die nach der Gesetzesänderung ablaufenden Tatteile abgestellt wird. Dies bedeutet, dass die nach der Gesetzesänderung vollzogenen Handlungen alle Merkmale des jeweiligen Delikts verwirklichen müssen.9 Eine Strafbarkeit muss z.B. wegen Vorteilsannahme zugunsten Dritter (§ 331 n.F. StGB) ausscheiden, wenn der Abschluss der ursprünglichen Übereinkunft straflos war und sich die folgende strafbare Annahme der Drittvorteile allein auf die frühere Übereinkunft stützte.10

B. Rückwirkungsgebot („lex mitior-Klausel“) Für Gesetze, die eine bestehende Strafbarkeit gänzlich aufheben, also zugunsten des Täters zurückwirken, ent- 4 hält Absatz 3 ein Rückwirkungsgebot. Die sog. lex mitior-Klausel findet sich ebenfalls in Art. 49 Abs. 1 S. 3 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union11 sowie in Art. 15 Abs. 1 S. 3 IPBPR wieder. Darüber hinaus gilt sie nach einer Änderung der Rspr. des EGMR auch für Art. 7 Abs. 1 EMRK, obwohl sie dort nicht im Wortlaut enthalten ist.12 Sie gilt für die eine Blankettnorm ausfüllenden Normen gleichermaßen; nicht hingegen für Vorschriften, die den Gehalt normativer Tatbestandsmerkmale prägen.13 Die Formulierung des § 2 Abs. 3 StGB ist wie § 2 Abs. 1 StGB jedoch missverständlich.14 Sie ist folgendermaßen zu verstehen: § 2 Abs. 3 StGB meint mit „mildestem Gesetz“ nicht nur ein solches, das eine bestehende Strafbarkeit beibehält und allein die Strafe mildert. Vielmehr gilt die „lex mitior-Klausel“ erst recht, wenn vor der Entscheidung des Strafgerichts die zur Tatzeit bestehende Strafbarkeit vollständig aufgehoben wird.15 Bei der Modifizierung von einzelnen Tatbeständen fragt die Rspr. vor dem Hintergrund der Feststellung des mildesten Gesetzes danach, ob sich die Tatbestände trotz ihrer Änderung im Hinblick auf die Kontinuität des Unrechtstyps noch ähneln.16 Dies wurde etwa im Fall eines GmbH-Geschäftsführers bejaht, der sich wegen eines existenzvernichtenden 5 Eingriffs durch Rückzahlung von Gesellschafterdarlehen strafbar gemacht hatte, vgl. § 266 Abs. 1 Var. 2 StGB i.V.m. § 64 S. 1, S. 3 [n.F.] GmbHG. Die Strafbarkeit bleibe auch nach Abschaffung des Eigenkapitalersatzrechts aufrechterhalten, wenn dies für den Geschäftsführer erkennbar zur Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft führt. Hier ging das OLG Stuttgart von einer Unrechtskontinuität für Taten, die vor dem Inkrafttreten des MoMiG (1.11.2008) begangen worden waren, im Vergleich zur heute geltenden Rechtslage aus.17 Die Literatur verneint diese Betrachtungsweise, die aufgrund ihrer Unklarheit Verstöße gegen Art. 103 Abs. 2 GG möglich erscheinen lässt.18 So soll die Lehre vom Unrechtskern an ihre Grenzen stoßen, wenn es um die Neuregelung von Konkurs1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18

Nach v. Heintschel-Heinegg in BeckOK-StGB, § 2 Rz. 1 enthält § 2 StGB auch eine sog. „Objektivitätsgarantie“. Bock in G/J/W, § 2 StGB Rz. 3. Bock in G/J/W, § 2 StGB Rz. 6. Rudolphi/Jäger in SK-StGB, § 2 Rz. 1; Eser/Hecker in S/S-StGB, § 2 Rz. 1, 3 f. Bock in G/J/W, § 2 StGB Rz. 10. BGH v. 28.6.1990 – 4 StR 297/90, BGHSt 37, 89, 90 ff.; BVerfG v. 23.6.1990 – 2 BvR 752/90, NStZ 1990, 537; Roxin, AT § 5 Rz. 61; Bock in G/J/W, § 2 StGB Rz. 17. Grötsch, NZWiSt 2015, 409, 413 m.w.N. Ebenda. OLG Stuttgart v. 28.10.2002 – 1 Ss 304/02, NJW 2003, 228, 229. Gaede in AnwK-StGB, § 2 Rz. 2. Eingehend Gaede, wistra 2011, 365. EGMR (GK) v. 17.9.2009 – 10249/03 (Scoppola ./. Italien [Nr. 2]), NJOZ 2010, 2726. Bock in G/J/W, § 2 StGB Rz. 37 f. Roxin, AT, § 5 Rz. 62. Vgl. Jescheck/Weigend, § 15 IV 5; Roxin, AT, § 5 Rz. 55. BGH v. 12.2.1991 – 5 StR 523/90, BGHSt (GS) 37, 320, 322; Eser/Hecker in S/S-StGB, § 2 Rz. 23 f. Vgl. OLG Stuttgart v. 14.4.2009 – 1 WS 32/09, StV 2010, 80. Vgl. Hassemer/Kargl in NK-StGB, § 2 Rz. 30 ff.; Dannecker in LK-StGB, § 2 Rz. 75 ff.; Schmitz in MüKo-StGB, § 2 Rz. 25 ff.

Esser

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StGB

Zeitliche Geltung

StGB

§ 2 StGB Rz. 6

Strafgesetzbuch

straftaten (§ 239 Abs. 1 KO a.F.) in § 283 Abs. 1 StGB geht oder wenn das Verhältnis des Scheckkartenmissbrauchs (§ 266b StGB) zu § 263 StGB betrachtet wird. Dasselbe gilt für den Computerbetrug (§ 263a StGB) hinsichtlich § 242 StGB.1 6

Die Frage nach dem mildesten Gesetz stellt sich auch für eine vor dem 1.7.2002 begangene Kursmanipulation, die nach diesem Datum abgeurteilt werden soll. Fraglich ist, ob § 88 BörsG a.F. oder § 38 Abs. 1 WpHG i.V.m. §§ 39 Abs. 1, 20a WpHG das mildere Gesetz darstellt.2 Während die ältere Norm eine Strafdrohung von bis zu drei Jahren vorsah, kann nach aktueller Rechtslage eine Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren in Betracht kommen. Jedoch kann die Frage, welches Gesetz „milder“ ist, nur in Hinsicht auf die Rechtslage im konkreten Fall beantwortet werden.3 Demnach kommt in den hier genannten Fällen grundsätzlich § 88 BörsG zur Anwendung, sofern nicht eine in § 39 Abs. 1 Nr. 1 oder 2 WpHG normierte Handlung vorliegt, die die Strafdrohung in den dort genannten Fällen auf eine Ordnungswidrigkeit absenkt.

7

Der Begriff der Gesetzesänderung in § 2 Abs. 3 StGB bestimmt sich wie folgt: Wenn die Strafbarkeit und das Ausmaß der Bestrafung festgelegt werden, handelt es sich um ein Gesetz i.S.d. Vorschrift.4 Änderungen sind alle Umgestaltungen dieser Normen durch anerkannte Rechtsquellen, wobei als geändertes Gesetz nur materielles Recht in Betracht kommt.5 Auch die Änderung einer blankettausfüllenden Norm stellt nach überwiegender Ansicht eine Gesetzesänderung dar.6 Im Hinblick auf Absenkungen von Steuertarifen, Abschreibungsmöglichkeiten oder anderen begünstigenden steuerlichen Regelungen wird eine Anwendung des Gesetzesänderungsbegriffs i.S.d. § 2 Abs. 3 StGB von der Rspr. verneint.7 Eine Gesetzesänderung liegt ebenfalls nicht vor, sofern das geänderte Recht nur für zukünftige Fälle gilt, ältere Fälle aber nach bisherigem Recht geregelt werden sollen. In diesem Zusammenhang findet § 2 Abs. 3 StGB beim ParteiFinG vom 22.12.1983 – unabhängig von der Fragestellung nach dessen Zeitgesetzcharakter – wegen der darin enthaltenen Fortgeltungsanordnung keine Anwendung.8

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Bei § 2 Abs. 3 StGB geht es im Grunde um ein rechtsstaatliches Postulat, d.h. um die Vermeidung von – aus heutiger Sicht – unnötigen bzw. unnötig strengen Strafen.9 Es ist daher sachgerecht, dass § 2 Abs. 3 StGB auch noch vom Revisionsgericht berücksichtigt werden muss (§ 354a StPO), sofern mit der Revision die Verletzung materiellen Rechts gerügt wird, d.h. das Urteil nicht nur wegen der Verletzung von Strafprozessrecht angefochten wird.10 § 2 Abs. 3 StGB gilt i.Ü. auch für mildere „Zwischengesetze“. Ist die Tat zwar nach dem Recht der Tatzeit und dem zur Zeit der Entscheidung geltenden Recht strafbar, war sie aber zwischenzeitlich vom Gesetzgeber entkriminalisiert worden, so kann sie gem. § 2 Abs. 3 StGB nicht bestraft werden.11 War die angedrohte Strafe nach der Tatbegehung gesetzlich gemildert worden, so bleibt diese Milderung maßgeblich, auch wenn zur Zeit der Entscheidung des Gerichts wieder die ursprünglich strengere Strafdrohung gilt.12

9

Eine von § 2 Abs. 3 StGB gewährte Begünstigung muss also vom jeweiligen Gericht in jeder Lage des Verfahrens beachtet werden. Das zur Tatzeit geltende Recht gem. Absatz 1 und Absatz 2 muss angewandt werden, wenn das Gericht nicht unterscheiden kann, welche Vorschrift das mildere Gesetz darstellt.13 Stellt sich die Frage nach der den Betroffenen am meisten begünstigenden Regelung, sind die Rechtsfolgen und sämtliche Strafbarkeitsvoraussetzungen der in Betracht kommenden Normen isoliert zu prüfen und die jeweils milderen anzuwenden.14 Als milder wurde das Insolvenzstrafrecht nach Einführung der §§ 241a, 242 Abs. 4 HGB angesehen.15 Nicht milder sind die §§ 265, 263 Abs. 1, Abs. 3 S. 2 Nr. 5 n.F. StGB gegenüber § 265 a.F. StGB.16 Der durch Gesetz vom

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Hassemer/Kargl in NK-StGB, § 2 Rz. 26, mit weiteren Beispielen. Näher Park, BB 2003, 1513. Hassemer/Kargl in NK-StGB, § 2 Rz. 24. BGH v. 8.9.1964 – 1 StR 292/64, BGHSt 20, 22, 25; Satzger in S/S/W-StGB, § 2 Rz. 4. Gaede in AnwK-StGB, § 2 Rz. 5. Schmitz in MüKo-StGB, § 2 Rz. 34 f.; m.w.N. Bülte, JuS 2015, 769, 775 f. So zur Parteispendenaffäre der 1980er Jahre BGH v. 28.1.1987 – 3 StR 373/86, BGHSt 34, 272, 282 ff. m. abl. Anm. Tiedemann, NJW 1987, 1247 f.; zusf. Lackner/Kühl, § 2 StGB Rz. 4; Rudolphi/Jäger in SK-StGB, § 2 Rz. 8c: fortbestehender Steueranspruch. Eser/Hecker in S/S-StGB, § 2 Rz. 20 f. So offenbar Jakobs, 4/51. Vgl. BGH v. 26.2.1975 – 2 StR 681/74, BGHSt 26, 94; BGH v. 8.7.2008 – 3 StR 229/08, NStZ-RR 2008, 342; v. Heintschel-Heinegg in BeckOK-StGB, § 2 Rz. 5; Fischer, StGB, § 2 Rz. 12 m.w.N. Vgl. Roxin, AT, § 5 Rz. 63; Fischer, StGB, § 2 Rz. 4. Bedenklich: BVerfG v. 29.11.1989 – 2 BvR 1491/87, BVerfGE 81, 132, 135 ff.; richtig demgegenüber: BGH v. 23.7.1992 – 4 StR 194/92, NStZ 1992, 535 f. BGH v. 20.10.1993 – 5 StR 473/93, BGHSt 39, 353, 370; Roxin, AT, § 5 Rz. 63; Schmitz in MüKo-StGB, § 2 Rz. 18. Gaede in AnwK-StGB, § 2 Rz. 11; BGH v. 17.12.1953 – 4 StR 466/53, JR 1953, 109 f.; BayObLG v. 20.12.1994 – St RR 190/94, NJW 1995, 540, 541; Fischer, StGB, § 2 Rz. 4. So Schmitz in MüKo-StGB, § 2 Rz. 44; Dannecker in LK-StGB, § 2 Rz. 115; Grötsch, NZWiSt 2015, 409, 412; a.A. u.a. BGH v. 8.9.1964 – 1 StR 292/64, NJW 1964, 2359, 2360; OLG Koblenz v. 30.5.1973 – 1 Ss 14/73, NJW 1973, 1759, 1760 f.; Rudolphi/Jäger in SK-StGB, § 2 Rz. 12, die alle von dem Grundsatz strikter Alternativität ausgehen, also ein Gesetz stets nur im Ganzen anwenden und eine Vermengung der alten und neuen Norm hinsichtlich der mildesten Folge verneinen. Zu den Taten nach § 283 Abs. 1 Nr. 5, 7b, 283b Nr. 1, 3b StGB m.w.N.: Ebner, wistra 2010, 92, 94 f. M.w.N.: BGH v. 26.2.1998 – 4 StR 54/98, NStZ-RR 1998, 235; Fischer, StGB, § 2 Rz. 11.

Esser

Rz. 12 § 2 StGB

23.7.2004 neugefasste Tatbestand des § 266a StGB, der (als lex specialis gegenüber § 263 StGB) auch betrugsähnliche Begehungsweisen erfasst, geht in sog. Altfällen (vor 2004) gem. § 2 Abs. 3 StGB dem Tatbestand des Betrugs, § 263 StGB, vor.1

C. Zeitgesetze Der Grundgedanke der Regelung des Absatzes 4 („Zeitgesetze“ als Ausnahme vom Rückwirkungsgebot des Ab- 10 satzes 3) ist, dass der Wegfall des Zeitgesetzes nicht auf einer veränderten kriminalpolitischen Bewertung des Gesetzgebers beruht, sondern nur auf einer Änderung der wirtschaftlichen (oder anderer tatsächlicher) Umstände.2 Zeitgesetze sind „Notgesetze“ zur Bekämpfung von drohenden Hungersnöten, Energiemangel, Seuchengefahr etc.3 Sie gelten für eine kalendermäßig oder in anderer Weise beschränkte Zeit. Nach h.A. sind Zeitgesetze nicht nur solche, bei denen ihr Außer-Kraft-Treten ausdrücklich bestimmt ist (Zeitgesetze i.e.S.). Vielmehr soll es genügen, dass das Gesetz auch ohne eine solche ausdrückliche Befristung „seiner Natur nach zeitbedingt ist“, d.h. von vornherein mit Rücksicht auf außergewöhnliche Verhältnisse nur für deren Dauer Geltung haben soll (Zeitgesetz i.w.S.).4 Umstr. ist in diesem Zusammenhang, ob der neugefasste Überschuldungsbegriff für Insolvenzstraftaten gilt, die vor dem Inkrafttreten des FMStG am 18.10.20085 begangen worden sind, jedoch noch nicht strafrechtlich abgeurteilt sind.6 Nach diesem Begriff liegt eine Überschuldung vor, wenn das Vermögen des Schuldners die bestehenden Verbindlichkeiten nicht mehr deckt, es sei denn, die Fortführung des Unternehmens ist nach den Umständen überwiegend wahrscheinlich.7 Die Anwendung der „lex-mitior-Klausel“ wird hier jedoch durch § 2 Abs. 4 StGB ausgeschlossen, da dieser Anwendungsbereich nach h.M. nur für Straftaten gilt, die während dieser zeitlich begrenzten Dauer begangen wurden.8 Nicht immer als Zeitgesetze anzusehen sind solche Bestimmungen, die Blankettstatbestände ausfüllen.9 Das 11 verfassungswidrige, aber zeitweise auf Anordnung des BVerfG fortgeltende VStG10 wurde im Hinblick auf § 370 AO als Zeitgesetz qualifiziert. Umstr. ist, ob Steuergesetze immer Zeitgesetze darstellen. Dies wurde von einem Teil der Rspr.11 bejaht, die Mehrheit des Schrifttums steht dem jedoch ablehnend gegenüber.12 Bei der im Rahmen der Strafnorm des § 373 AO anzuwendenden EG-Verordnung Nr. 1470/2001 (Antidumpingzölle) handelt es sich um ein Zeitgesetz, das für den Zeitraum seiner Gültigkeit auch nach seinem Außerkrafttreten weiterhin anwendbar bleiben soll.13 Ebenso keine Zeitgesetze i.S.d. § 2 Abs. 3 StGB sind die Strafbestimmungen der besatzungsrechtlichen Devisengesetze gegen ungenehmigte Einfuhrgeschäfte, die bis zum Inkrafttreten des Außenwirtschaftsgesetzes am 1.9.1961 galten.14 Besondere Bedeutung können Zeitgesetze bei der illegalen Beschäftigung von Arbeitskräften innerhalb der 12 EU entwickeln, d.h. wenn Arbeitnehmer beschäftigt werden, deren Heimatland der Union erst beitritt oder kürzlich beigetreten ist.15 Zwar sind Unionsbürger ab dem Zeitpunkt des Beitritts ihres Heimatlandes zur EU i.d.R. in vollem Umfang freizügigkeitsberechtigt und unterliegen in ihren Arbeitsverhältnissen keinen anderen Einschränkungen als etwa deutsche Arbeitnehmer.16 Für zahlreiche Beitrittsländer Osteuropas galten und gelten gleichwohl Übergangsregelungen.17 Der strafrechtlich relevante Umstand liegt in der Unterscheidung der straf1 BGH v. 7.3.2012 – 1 StR 662/11, NStZ 2012, 510, 511 = NZWiSt 2013, 64 m. Anm. Steinberg. 2 Roxin, AT, § 5 Rz. 66; zur Fehleranfälligkeit vgl. Kudlich/Og˘lakciog˘lu, Rz. 49a. 3 Baumann/Weber/Mitsch, § 9 Rz. 50, z.B. Höchstpreisfestsetzungen zu Preisstrafrechtsvorschriften während eines Krieges; BGH v. 2.11.1951 – 2 StR 212/51, NJW 1952, 72 f.; BGH v. 8.7.1955 – 2 StR 245/55, NJW 1955, 1406 f.; Eser/Hecker in S/S-StGB, § 2 Rz. 38, a.A. BFH v. 19.8.1959 – II 259/57 S, OGHSt 2, 259, 267 f. 4 BGH v. 17.8.1962 – 4 StR 40/62, BGHSt 18, 12, 14 f.; Jescheck/Weigend, § 15 IV 6; krit. Jakobs, 4/65. 5 BGBl. I, S. 1982. 6 Vgl. m.w.N. Fromm/Gierthmühlen, NZI 2009, 665, 666. 7 Der Zeitpunkt des Außerkrafttretens von § 19 Abs. 2 InsO wurde so festgesetzt, dass nach Art. 7 Abs. 1 i.V.m. Art. 6 Abs. 3 FMStG i.V.m. Art. 1 der Änderung des FMStG v. 8.9.2009 am 1.1.2014 eine erneut geänderte Fassung von § 19 Abs. 2 InsO in Kraft tritt, die den alten Rechtszustand wiederherstellt. Hierzu Büttner, ZInsO 2009, 841. 8 Fischer, StGB, § 2 Rz. 13; Schmitz in MüKo-StGB, § 2 Rz. 40; a.A. Schmitz, wistra 2009, 369. 9 Bock in G/J/Wg, § 2 StGB Rz. 70 f. 10 BGH v. 7.11.2001 – 5 StR 395/01, BGHSt 47, 138, 143 f.; OLG Hamburg v. 5.12.2000 – III – 6/00, wistra 2001, 112, 113; a.A. z.B. Dannecker in LK-StGB, § 2 Rz. 86. 11 AG Köln v. 5.11.1984 – 584 Ls 36/84, NJW 1985, 1037, 1040 (für absolute Betragsgrenzen); AG Düsseldorf v. 20.9.1984 – 105 Cs 42, NJW 1985, 1971, offengelassen von BGH v. 28.1.1987 – 3 StR 373/86, BGHSt 34, 272, 284 (Verdeckte Parteienfinanzierung) m. abl. Anm. Tiedemann, NJW 1987, 1247. 12 Kunert, NStZ 1982, 276 ff.; Eser/Hecker in S/S-StGB, § 2 Rz. 37; Lackner/Kühl, § 2 Rz. 8. 13 BGH v. 27.8.2010 – 1 StR 217/10, wistra 2011, 70; Fischer, StGB, § 2 Rz. 13; abl. hinsichtlich der Vereinbarkeit mit Art. 49 Abs. 1 S. 3 GrCh Gaede, wistra 2011, 365, 367. 14 Vgl. BGH v. 17.8.1962 – 4 StR 40/62, NJW 1962, 2115. 15 Instruktiv Mosbacher, NStZ 2015, 255 ff.; vgl. auch die gegenteiligen Auffassungen von Tuengerthal/Geißer, NZWiSt 2014, 412; Tuengerthal/Rothenhöfer, wistra 2014, 417; und vorsichtig differenzierend Fromm, WiRO 2011, 114. 16 Mosbacher, NStZ 2015, 255, 256. 17 Für eine Karenzzeit von teilweise bis zu sieben Jahren durften/dürfen die Kern-Mitgliedsstaaten den Bürgern der neu beigetretenen Länder einen unbeschränkten Zugang zum Arbeitsmarkt vorenthalten; hierzu: Tuengerthal/Geißer, NZWiSt 2014, 412.

Esser

17

StGB

Zeitliche Geltung

StGB

§ 2 StGB Rz. 13

Strafgesetzbuch

freien Beauftragung selbständiger osteuropäischer Unionsbürger im Gegensatz zur strafbaren ungenehmigten Beschäftigung.1 Aufgrund der Übergangsregelungen und der Karenzzeiten wird vertreten, dass die Strafbarkeit für die Beschäftigung eines Arbeitnehmers nach §§ 10, 11 SchwarzArbG i.V.m. §§ 284, 404 SGB III in Bezug auf den durch die dauerhafte Änderung durch Übergangsregelungen inkonsistent gewordenen § 284 SGB III trotz entgegenstehender früherer Übergangsregelung rückwirkend entfallen müsse.2 Mosbacher wendet hingegen ein, dass diese Rechtsfrage bereits abschließend durch den BGH3 und das OLG Bamberg4 geklärt worden sei.5 In einem Fall des BGH wurde versucht, die Übergangsregelung zu umgehen, indem die ungarischen Arbeiter in eine „ScheinGesellschaft“ eingegliedert wurden.6 Gleichwohl nahm der BGH einen Verstoß gegen § 284 Abs. 1 SGB III (damalige Fassung) an.7 Dies bestätigte der BGH, als er die Verurteilung wegen einer Straftat nach § 11 Abs. 1 SchwarzArbG durch das LG Augsburg nicht aufhob.8 Im Fall des OLG Bamberg wurde diese Rspr. für die parallele Regelung in § 4 Abs. 3 OWiG übernommen.9 Die entgegenstehende Ansicht nimmt hingegen an, dass es sich beim Ordnungswidrigkeitentatbestand des § 11 SchwarzArbG i.V.m. §§ 284, 404 SGB III gerade nicht um ein Zeitgesetz handele.10 Das begründe sich damit, dass das Außerkrafttreten nicht kalendermäßig festgelegt und es zudem keine nur vorübergehende Regelung sei. Selbst wenn es allerdings ein Zeitgesetz wäre, käme gleichwohl der Meistbegünstigungsgrundsatz zur Geltung.11 Nach Mosbacher gilt das Meistbegünstigungsprinzip gerade nicht, wenn es sich um ein Zeitgesetz handele.12 Entscheidend komme es somit darauf an, ob die Beschäftigung des betreffenden Ausländers genehmigungspflichtig zum Tatzeitpunkt war und ob in diesem Fall die erforderliche Genehmigung existierte.13 Die Gegenansicht bringt hingegen das unionsrechtliche Meistbegünstigungsprinzip (Art. 49 Abs. 1 S. 3 GRCh) in Stellung14 und folgert, da die Charta das „Zeitgesetz“ als solches nicht kenne und es sich in dieser Konstellation um die „Durchführung von Unionsrecht“ nach Art. 51 GRCh handele, dass eine Strafbarkeit gerade nicht in Frage komme.15 13

Ob die bei Zeitgesetzen erfolgende Ausnahme vom Rückwirkungsverbot im Lichte internationalen Rechts haltbar ist, ist unklar. Hinsichtlich Art. 15 Abs. 1 IPBPR hat Deutschland bei der Ratifizierung einen Vorbehalt erklärt, der genau dies ermöglichen soll.16 Zur GRCh und zur EMRK wurden keine derartigen Vorbehalte abgegeben. Die „lex-mitior“-Regel soll sicherstellen, dass nicht bestraft wird, wenn und soweit Politik und Gesellschaft das betreffende Verhalten infolge einer Neubewertung nicht mehr für strafwürdig erachten oder milder beurteilen;17 diese Begründung passt nicht auf Zeitgesetze, durch die ein bestimmtes Verhalten von vornherein nur für einige Zeit pönalisiert werden sollte, so dass § 2 Abs. 4 StGB mit internationalem Recht, insbesondere mit der seit 2009 geänderten EGMR-Rspr., vereinbar sein könnte.

D. Verfall, Einziehung, Unbrauchbarmachung 14

Absatz 5 ordnet an, dass die Regeln der Absätze 1 bis 4 entsprechend für die Anordnung des Verfalls, der Einziehung und der Unbrauchbarmachung (§§ 73 ff. StGB) gelten.18 Diese strafähnlichen Maßnahmen werden damit sowohl vom Rückwirkungsgebot, als auch von der „lex mitior-Klausel“ erfasst.19 Taten, die vor dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Stärkung der Rückgewinnungshilfe und der Vermögensabschöpfung begangen wurden, dürfen in diesem Zusammenhang nicht von der Regelung der Rückgewinnungshilfe des § 111i StPO betroffen sein, da es sich bei dieser um eine materiell-rechtliche Regelung handelt und sie damit von § 2 Abs. 3 StGB betroffen ist.20

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Aktuell wird über eine Verschärfung der Vorschriften zu Verfall und Einziehung, §§ 73 ff. StGB, diskutiert. Dazu liegen seit März 2016 ein RefE des BMJV und seit Juli 2016 ein RegE für ein „Gesetz zur Reform der

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Mosbacher, NStZ 2015, 255, 256. Tuengerthal/Geißer, NZWiSt 2014, 412, 416; ebenso Tuengerthal/Rothenhöfer, wistra 2014, 417, 418. BGH v. 4.9.2013 – 1 StR 94/13, NStZ 2014, 321; BGH v. 27.9.2011 – 1 StR 399/11, NStZ-RR 2012, 13. OLG Bamberg v. 28.1.2014 – 3 Ss OWi 1488/13, NZS 2014, 478. Mosbacher, NStZ 2015, 255, 256. BGH v. 27.9.2011 – 1 StR 399/11, NStZ-RR 2012, 13. Die Entscheidung erging bereits nach der unbeschränkt zulässigen Freizügigkeit der ungarischen Arbeitnehmer, sodass nicht davon ausgegangen werden kann, dass eine Milderung des Rechts nach § 2 Abs. 3 StGB anzunehmen war; so auch Mosbacher, NStZ 2015, 255, 256. BGH v. 4.9.2013 – 1 StR 94/13, NStZ 2014, 321. Vgl. OLG Bamberg v. 28.1.2014 – 3 Ss OWi 1488/13, NZS 2014, 478. Fromm, WiRO 2011, 114, 115; Tuengerthal/Geißer, NZWiSt 2014, 412, 415 (ohne Bezug auf die Judikatur). Fromm, WiRO 2011, 114, 115 f.; ebenso Tuengerthal/Geißer, NZWiSt 2014, 412, 416 mit unionsrechtlicher Begründung. Mosbacher, NStZ 2015, 255, 257. Mosbacher, NStZ 2015, 255, 258. Tuengerthal/Geißer, NZWiSt 2014, 412, 416. Tuengerthal/Geißer, NZWiSt 2014, 412, 415 f. Vgl. Art. 1 Abs. 4 des Gesetzes v. 15.11.1973 (BGBl. II, S. 1533). So auch EGMR (GK) v. 17.9.2009 – 10249/03 (Scoppola ./. Italien [Nr. 2]), NJOZ 2010, 2726, § 108. Vgl. BVerfG NJW 1993, 321, 322; Schmitz in MüKo-StGB, § 2 Rz. 59. Vgl. Hassemer/Kargl in NK-StGB, § 2 Rz. 56. Vgl. Schmitz in MüKo-StGB, § 2 Rz. 59.

Esser

Vor §§ 3–7 StGB

strafrechtlichen Vermögensabschöpfung“1 vor. Nach den Grundsätzen des § 2 Abs. 1, 3, 5 StGB haben die bestehenden milderen Regelungen der §§ 73 ff. StGB nach der möglichen Gesetzänderung zunächst weiter Relevanz.

E. Maßregeln der Besserung und Sicherung Bei Maßregeln der Besserung und Sicherung (§§ 61 ff. StGB) galt das Rückwirkungsverbot nach h.A. nicht, 16 denn diese sind keine Kriminalstrafen, werden also von Wortlaut und Sinn des Art. 103 Abs. 2 GG nicht erfasst.2 Davon ging auch der Gesetzgeber aus; § 2 Abs. 6 StGB galt insofern als verfassungskonform,3 da das Prinzip „nulla poena sine lege“ auf jene Maßregeln prinzipiell nicht für anwendbar gehalten wurde. Diese Rechtsauffassung ist jedoch nicht mehr uneingeschränkt haltbar, nachdem der EGMR, unbeeindruckt von der Zweispurigkeit des deutschen Rechtsfolgensystems, die Sicherungsverwahrung als „Strafe“ und ihre nachträgliche Verlängerung unter Anwendung eines rückwirkenden Gesetzes folglich als Verletzung des menschenrechtlichen Rückwirkungsverbots aus Art. 7 Abs. 1 S. 2 EMRK sowie Art. 5 Abs. 1 EMRK eingestuft hat.4 Das BVerfG hat in Reaktion auf dieses Urteil zwar nicht die parallele Regelung des Art. 103 Abs. 2 GG für einschlägig erachtet, jedoch hat es das aus Art. 2 Abs. 2, Art. 20 Abs. 3 GG folgende Gebot des Vertrauensschutzes aufgewertet.5

Vorbemerkungen zu §§ 3–7 Literatur: Ambos, Internationales Strafrecht, 4. Aufl. 2014; Androulakis, Die Globalisierung der Korruptionsbekämpfung, 2007; Barton/Gercke/Janssen, Die Veranstaltung von Glücksspielen durch ausländische Anbieter per Internet unter besonderer Berücksichtigung der Rechtsprechung des EuGH, wistra 2004, 321; Becker, Anm. zu BGH v. 19.8.2014 – 3 StR 88/14, NStZ 2015, 83; Bielefeld/Prinz, Riskante Hilfe zur Hinterziehung deutscher Steuern aus dem Ausland?, DStR 2008, 1122; Busching, Der Begehungsort von Äußerungsdelikten im Internet – Grenzüberschreitende Sachverhalte und Zuständigkeitsprobleme, MMR 2015, 295; Caracas, § 130 OWiG – Das lange Schwert der Korruptionsbekämpfung im privaten Sektor – Teil 2, CCZ 2015, 218; Cornils, Der Begehungsort von Äußerungsdelikten im Internet, JZ 1999, 394; Duesberg/Buchholz, Aktuelle glücksspiel- und steuerstrafrechtliche Risiken der Nutzung von Online-Casinos, NZWiSt 2015, 16; Golombek, Der Schutz ausländischer Rechtsgüter im System des deutschen Strafanwendungsrechts, 2010; Günther-Nicolay, Die Erfassung von Umweltstraftaten mit Auslandsbezug durch das deutsche Umweltstrafrecht gemäß §§ 324 ff. StGB, 2003; Hecker, Anm. zu BGH v. 19.8.2014 – 3 StR 88/14, JuS 2015, 274; Hecker, Die Strafbarkeit grenzüberschreitender Luftverunreinigung im deutschen und europäischen Umweltstrafrecht, ZStW 115, 880 (2003); Hecker, Tatortbegründung gem. §§ 3, 9 Abs. 1 Var. 3 StGB durch Eintritt einer objektiven Bedingung der Strafbarkeit?, ZIS 2011, 398; Heinrich, Der Erfolgsort beim abstrakten Gefährdungsdelikt, GA 1999, 72; Heinrich, Handlung und Erfolg bei Distanzdelikten, FS Weber (2004), S. 91; Hörnle, Anm. zu BGH v. 12.12.2000 – 1 StR 184/00, NStZ 2001, 309; Klengel/Heckler, Geltung des deutschen Strafrechts für vom Ausland aus im Internet angebotenes Glücksspiel, CR 2001, 243; Kloepfer/Heger, Umweltstrafrecht, 3. Aufl. (2014); Knaut, Die Europäisierung des Umweltstrafrechts, 2005; Kraatz, Zu den Grenzen einer „Fremdrechtsanwendung“ im Wirtschaftsstrafrecht am Beispiel der Untreuestrafbarkeit des Direktors einer in Deutschland ansässigen Private Company Limited by Shares, JR 2011, 58; Lesch, Sportwetten via Internet – Spiel ohne Grenzen?, wistra 2005, 241; Mankowski/Bock, Fremdrechtsanwendung im Strafrecht durch Zivilrechtsakzessorietät bei Sachverhalten mit Auslandsbezug für Blanketttatbestände und Tatbestände mit normativem Tatbestandsmerkmal, ZStW 120 (2008), 704; Martin, Grenzüberschreitende Umweltbeeinträchtigungen im deutschen Strafrecht, ZRP 1992, 19; Martin, Strafbarkeit grenzüberschreitender Umweltbeeinträchtigungen, 1989; Merkel/Scheinfeld, Ne bis in idem in der Europäischen Union – zum Streit um das „Vollstreckungselement“, ZIS 2012, 206; Liebelt, Anm. zu OLG Karlsruhe v. 21.2.1985 – 4 Ss 1/85, NStZ 1989, 182; Magnus, Kinderwunschbehandlung im Ausland: Strafbarkeit beteiligter deutscher Ärzte nach internationalem Strafrecht (§ 9 StGB), NStZ 2015, 57; Miller/Rackow, Transnationale Täterschaft und Teilnahme – Beteiligungsdogmatik und Strafanwendungsrecht, ZStW 117 (2005), 379; Mosiek, Fremdrechtsanwendung – quo vadis? – Zur Anwendung ausländischen Rechts im deutschen Wirtschaftsstrafrecht, StV 2008, 94; Mölders, Bestechung und Bestechlichkeit im internationalen Verkehr, 2009; Namavicˇius, Terrorialgrundsatz und Distanzdelikt, 2012; Niemöller, Zur Geltung des inländischen Strafrechts für Auslandstaten Deutscher, NStZ 1993, 171; Radtke/Rönnau, Untreue durch den „Director“ einer Offshore-Gesellschaft, NStZ 2011, 556; Reinbacher, Zur Strafbarkeit der Betreiber und Nutzer von Kino.to, NStZ 2014, 57; Rotsch, Der Handlungsort i.S.d. § 9 Abs. 1 StGB – Zur Anwendung deutschen Strafrechts im Falle des Unterlassens und der Mittäterschaft, ZIS 2010, 168; Rönnau, „Angestelltenbestechung“ in Fällen mit Auslandsbezug, JZ 2007, 1084; Rönnau, Haftung der Direktoren einer in Deutschland ansässigen englischen Private Company Limited by Shares nach deutschem Strafrecht – eine Annäherung, ZGR 2005, 832; Satzger, Die Anwendung deutschen Strafrechts auf grenzüberschreitende Gefährdungsdelikte, NStZ 1998, 112; Schlösser, Die Strafbarkeit des Geschäftsführers einer private company limited by shares in Deutschland, wistra 2006, 81; Schramm/Hinderer, Die Untreue-Strafbarkeit eines 1 BT-Drucks. 18/9525. 2 BVerfG v. 5.2.2004 – 2 BvR 2029/01, BVerfGE 109, 133, 176 – Sicherungsverwahrung; BVerfG v. 23.8.2006 – 2 BvR 226/06, JZ 2007, 582; BGH v. 2.3.1971 – 1 StR 1/71, BGHSt 24, 103, 106. 3 Sehr krit. u.a. Roxin, AT, § 5 Rz. 56 m.w.N. 4 EGMR v. 17.12.2009 – 19359/04, ECHR 2009-VI (M. ./. Deutschland), NJW 2010, 2495 = NStZ 2010, 263 = StV 2010, 181. Daraus kann allerdings nicht geschlossen werden, dass der EGMR sämtliche Maßregeln als Strafe i.S.d. Art. 7 Abs. 1 EMRK ansehen würde. Hierzu in Bezug auf die Führungsaufsicht (§ 68c Abs. 3 StGB) abl. OLG Nürnberg v. 10.11.2014 – 2 Ws 509/14, BeckRS 2014, 22548, Tz. 8–10. 5 BVerfG v. 4.5.2011 – 2 BvR 2365/09, BVerfGE 128, 326, 388 ff.; vgl. zu Art. 7 Abs. 1 S. 2 EMRK als eine einfachgesetzliche „andere Bestimmung“ i.S.v. § 2 Abs. 6 StGB: BGH v. 18.1.2011 – 4 ARs 27/10, NStZ-RR 2011, 139; BGH v. 12.5.2010 – 4 StR 577/09, NStZ 2010, 567; a.A. BGH v. 9.11.2010 – 5 StR 394/10, BGHSt 56, 73; Gaede in AnwK-StGB, § 1 Rz. 18 m.w.N.

Schauenburg

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StGB

Vorbemerkungen zu §§ 3–7

StGB

Vor §§ 3–7 StGB Rz. 1

Strafgesetzbuch

Limited-Directors, § 266 StGB, insbesondere im Lichte des europäischen Strafrechts, ZIS 2010, 494; Sieber, Internationales Strafrecht im Internet – Das Territorialitätsprinzip des §§ 3, 9 StGB im globalen Cyberspace, NJW 1999, 2065; Sieren, Ausländische Umweltmedien als Schutzgüter des deutschen Umweltstrafrechts, 2001; Tinkl, Strafbarkeit von Bestechung nach dem EUBestG und dem IntBestG, wistra 2006, 126; Velten, Grenzüberschreitende Gefährdungsdelikte, FS Rudolphi (2004), S. 329; Weber, Urheberstrafrecht und Auslandsberührung, FS Stree/Wessels (1993), S. 613; Werle/Jeßberger, Grundfälle zum Strafanwendungsrecht, JuS 2001, 35, 141; Wolf, Internationalisierung des Antikorruptionsstrafrechts: Kritische Analyse zum Zweiten Korruptionsbekämpfungsgesetz, ZRP 2007, 44; Wörner, Einseitiges Strafanwendungsrecht und entgrenztes Internet, ZIS 2012, 458.

A. Allgemeines 1

Wirtschaftsstrafrechtliche Sachverhalte sind häufig grenzüberschreitend. Der Reichweite des deutschen Strafrechts kommt damit gerade auch im Wirtschaftsstrafrecht fundamentale Bedeutung zu. Die §§ 3–7 und 9 Abs. 2 S. 2 StGB regeln den Anwendungsbereich des StGB in Fällen mit Auslandsbezug; sie sind innerstaatliches Strafanwendungsrecht.1 Die Normen beantworten die Frage, wie weit die deutsche Strafgewalt reicht und damit gleichzeitig die Frage nach der Anwendbarkeit des deutschen Strafrechts, weil die Anwendbarkeit ausländischen Strafrechts im deutschen StGB nicht vorgesehen ist.2 § 9 Abs. 1 und Abs. 2 S. 1 StGB sind für die Regelungen des Strafanwendungsrechts von Bedeutung, weil sie bestimmen, an welchem Ort eine Tat als begangen gilt.

2

Grundprinzip des deutschen Strafanwendungsrechts ist der Territorialitätsgrundsatz. Nach diesem völkerrechtlich anerkannten Prinzip unterfallen alle Straftaten im Hoheitsgebiet eines Staates auch dessen Strafgewalt. Die Ausweitung der Strafrechtsanwendung auf Sachverhalte im Ausland bedarf – beruhend auf dem sog. Interventionsverbot – eines anderen völkerrechtlich anerkannten Anknüpfungspunkts.3 Nach § 3 StGB ist das deutsche Strafrecht auf alle im Inland begangenen Straftaten anwendbar, unabhängig von der Nationalität des Täters. Straftaten im Ausland unterfallen dem StGB nur, soweit eine der Ausnahmeregelungen der §§ 4–7 StGB greift. Diese Normen beruhen ebenfalls auf völkerrechtlich anerkannten Anknüpfungspunkten, namentlich dem Flaggen-, dem Schutz-, dem aktiven und passiven Personalitäts- und dem Weltrechtsprinzip sowie dem Grundsatz der stellvertretenden Strafrechtspflege.4

3

Das Strafanwendungsrecht unterliegt als Teil des materiellen Strafrechts den Grundsätzen des Art. 103 Abs. 2 GG.5 Zugleich handelt es sich bei der Anwendbarkeit des deutschen Strafrechts aber auch um eine Verfahrensvoraussetzung, deren Fehlen zur Einstellung des Verfahrens und nicht zum Freispruch führt.6

4

Dogmatisch werden die Strafanwendungsregelungen von der h.M. als objektive Bedingungen der Strafbarkeit eingeordnet, so dass sich der Vorsatz des Täters nicht auf die Anwendbarkeit des deutschen Strafrechts beziehen müsse.7

B. Schutzbereich 5

Unabhängig von den §§ 3–7 StGB zu beantworten und dort nicht geregelt ist nach überwiegender Auffassung die Frage, ob der Schutzbereich des jeweiligen Tatbestands auch ausländische Rechtsgüter erfasst oder ob er sich auf inländische Rechtsgüter beschränkt.8

6

Die Prüfungsreihenfolge ist umstr., allerdings von geringer praktischer Relevanz. Teilweise wird vertreten, dass die Frage des Schutzbereichs der Anwendungsfrage nachrangig sei, weil bei fehlender Anwendbarkeit des deutschen Strafrechts nach §§ 3–7 StGB bereits ein Prozesshindernis vorliege.9 Die Gegenmeinung argumentiert, dass es bei einem fehlenden Eingriff in den Schutzbereich bereits an einer „Tat“ i.S.d. § 3 StGB fehle, so dass die Prüfung des Schutzbereichs der Frage der Anwendbarkeit vorzuschalten sei.10

1 Vgl. Fischer, StGB63, Vor §§ 3–7 Rz. 1; Rotsch, ZIS 2010, 168; zur Terminologie Werle/Jeßberger in LK-StGB12, Vor § 3 Rz. 1 ff.; Werle/Jeßberger, JuS 2001, 35, 36. 2 Ambos in MüKo-StGB2, Vor §§ 3–7 Rz. 2. 3 Dazu ausf. Böse in NK-StGB4, Vor § 3 Rz. 12 ff. und Werle/Jeßberger, JuS 2001, 35, 36 f. 4 Erläuterungen zu den einzelnen Prinzipien bei Ambos, S. 29 ff.; Böse in NK-StGB4, Vor § 3 Rz. 15 ff.; Möhrenschlager in W/J4, 3. Kap. Rz. 40 ff.; Satzger in S/S/W-StGB2, Vor §§ 3–7 Rz. 5. 5 BVerfG v. 19.12.2002 – 2 BvR 666/02, wistra 2003, 255, 257; BGH v. 8.9.1964 – 1 StR 292/64, BGHSt 20, 22, 25; Böse in NK-StGB4, Vor § 3 Rz. 45 ff. 6 BGH v. 22.1.1986 – 3 StR 472/85, BGHSt 34, 1, 3 f. 7 Eser in S/S-StGB29, Vor §§ 3–9 Rz. 79; Satzger in S/S/W-StGB2, Vor §§ 3–7 Rz. 3; Werle/Jeßberger in LK-StGB12, Vor § 3 Rz. 452 f.; vgl. auch BGH v. 20.10.1976 – 3 StR 298/76, BGHSt 27, 30, 34: Irrtum über den Umfang der deutschen Gerichtsbarkeit unbeachtlich. A.A. Böse in NK-StGB4, Vor § 3 Rz. 51 f.; s. zur Inkonsequenz der h.M. vor dem Hintergrund des heute herrschenden Verständnisses vom beschränkten Bewertungsanspruch des deutschen Strafrechts (hierzu etwa Ambos in MüKo-StGB2, Vor §§ 3–7 Rz. 3) auch Golombek, S. 51 f. m.w.N. 8 A.A. (Frage durch §§ 3–7 grundsätzlich geregelt) Golombek, passim. 9 Rotsch in G/J/W1, Vor §§ 3 ff. StGB Rz. 16; Werle/Jeßberger in LK-StGB12, Vor § 3 Rz. 273. 10 Vgl. BGH v. 31.7.1979 – 1 StR 21/79, NJW 1979, 2482; Böse in NK-StGB4, Vor § 3 Rz. 55; Eser in in S/S-StGB29, Vor §§ 3–9 Rz. 31 m.w.N.

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Rz. 13 Vor §§ 3–7 StGB

Nach dem völkerrechtlichen Grundsatz des „minimum standard of justice“ unterfallen jedenfalls die Individual- 7 rechtsgüter ausländischer Rechtsträger dem Schutzbereich deutscher Straftatbestände.1 Im Hinblick auf Kollektivrechtsgüter wird ganz überwiegend angenommen, dass sich der deutsche Strafrechts- 8 schutz grundsätzlich auf inländische Rechtsgüter beschränkt und nur bei einzelnen Tatbeständen dazu Ausnahmen bestehen.2 Teilweise hat der Gesetzgeber nach h.M. eine Ausweitung normiert, in einigen weiteren Fällen soll dies im Wege der Auslegung dem jeweiligen Tatbestand zu entnehmen sein.3 Beispiele für eine ausdrückliche Ausweitung des Schutzbereichs durch den Gesetzgeber finden sich nach h.M. 9 in Art. 7 des 4. StrÄndG, Art. 42 SDÜ und § 370 Abs. 6 AO.4 In den §§ 120, 121 UrhG finden sich Regelungen betreffend die Erstreckung des deutschen Urheberrechts auf ausländische Urheber.5 Die pauschale Differenzierung der h.M. zwischen Individualrechtsgütern einerseits und Kollektivrechtsgütern an- 10 dererseits und die Auffassung, die Schutzbereichsfrage sei allein anhand der Auslegung der einzelnen Straftatbestände zu beantworten, ist abzulehnen. Eine systematische Analyse der §§ 3 und 7 Abs. 2 Nr. 1 Var. 1 StGB ergibt, dass das deutsche Strafrecht im Fall von Inlandstaten oder Auslandstaten deutscher Staatsangehöriger grundsätzlich auch „ausländische“ Rechtsgüter schützt, ohne dass eine Unterscheidung danach vorzunehmen wäre, ob der betreffende Tatbestand „nur“ dem Schutz kollektiver Interessen dient.6 Daraus ergibt sich ein „zweigleisiges“ System für das Strafanwendungsrecht: Das deutsche Strafrecht schützt auch ausländische Rechtsgüter (und zwar grundsätzlich unterschiedslos Individual- und Kollektivrechtsgüter), soweit mit einer Inlandshandlung oder der Staatsangehörigkeit des Täters ein legitimer völkerrechtlicher Anknüpfungspunkt besteht.7 Im Fall der Auslandstat eines Ausländers werden ausländische Rechtsgüter nicht erfasst; als Anknüpfungspunkt, der die Anwendbarkeit deutschen Strafrechts rechtfertigt, ist insoweit die Beeinträchtigung eines inländischen Rechtsguts erforderlich. Der „Schutzbereichsfrage“ im Sinne einer Auslegung der einzelnen Tatbestände kommt, nachdem die diesbezügliche Grundregel in § 3–7 StGB enthalten ist, noch die Aufgabe zu, die grundsätzliche Erstreckung des deutschen Strafrechts auf ausländische Rechtsgüter (im Fall von Auslandstaten Deutscher und Inlandstaten) im Einzelfall einzuschränken.8 Für die Gruppe der „staatlichen“ Kollektivrechtsgüter ergibt sich die Beschränkung auf inländische (oder eu- 11 ropäische) Rechtsgüter regelmäßig aus dem Wortlaut der Norm, weil dort bspw. Bezug auf Einrichtungen des deutschen Staates genommen wird, „Amtsträger“ i.S.d. §§ 331 ff. StGB nach den Legaldefinitionen in § 11 StGB nur ist, wer nach deutschem Recht Beamter oder Europäischer Amtsträger ist und § 1 AO klarstellt, dass die AO nur für Steuern gilt, die durch Bundes- oder EU-Recht geregelt sind und durch die Bundes- oder Länderfinanzverwaltungen verwaltet werden, was zu einer entsprechenden Einschränkung des „Schutzbereichs“ des § 370 AO führt (vgl. aber wiederum die Erweiterung in § 370 Abs. 6 AO).9 Die zweite Gruppe bilden die „gesellschaftlichen“ Kollektivrechtsgüter, die im Wirtschaftsstrafrecht weit ver- 12 breitet sind. Beispielhaft sind hier zu nennen das Vertrauen der Allgemeinheit in den Kapitalmarkt (§ 264a StGB), die Funktionsfähigkeit des Versicherungswesens (§ 265 StGB), die Funktionsfähigkeit des Kreditwesens (§ 265b StGB), der Schutz der Allgemeinheit vor der Ausbeutung des natürlichen Spieltriebs (§ 284 StGB) und der freie Wettbewerb (§§ 298, 299 StGB). Hier ergibt sich aus dem Wortlaut zumeist keine ausdrückliche Beschränkung des Schutzbereichs auf inländische Rechtsgüter; in § 299 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 1 StGB wird sogar eine (nach hiesiger Ansicht nur deklaratorisch wirkende10) „Erstreckung“ auf den ausländischen Wettbewerb angeordnet. Eine Einschränkung auf inländische Rechtsgüter kann sich hier aber aus anderen Umständen ergeben, bspw. 13 aus der akzessorischen Struktur eines Tatbestands und der damit verbundenen Frage der Möglichkeit einer „Fremdrechtsanwendung“ (dazu Rz. 14 ff.). So kann im Einzelfall – aber keineswegs immer – die Möglichkeit der Heranziehung ausländischen (Zivil- oder Verwaltungs-)Rechts Voraussetzung dafür sein, dass die faktische 1 Böse in NK-StGB4, Vor § 3 Rz. 56; Werle/Jeßberger in LK-StGB12, Vor § 3 Rz. 276 m.w.N; Eser in S/S-StGB29, Vor §§ 3–9 Rz. 33; vgl. aber Golombek, S. 70 f. m.w.N.: Gilt uneingeschränkt nur für Inlandstaten. 2 BGH v. 15.12.1955 – 4 StR 342/55, BGHSt 8, 349, 355; BGH v. 9.10.1964 – 3 StR 34/64, BGHSt 20, 45, 51; BGH v. 26.7.1967 – 4 StR 38/67, BGHSt 21, 277, 280; BGH v. 17.12.1968 – 1 StR 161/68, BGHSt 22, 282, 288; BGH v. 25.7.1979 – 3 StR 182/79, BGHSt 29, 73, 76; speziell zum Wirtschaftsstrafrecht Vogel in Volk, MAH2, § 15 Rz. 29 ff., 36 f. m.w.N. 3 BVerfG v. 4.12.2007 – 2 BvR 38/06, BeckRS 2007, 32414, Rz. 42; Böse in NK-StGB4, Vor § 3 Rz. 55 ff.; Möhrenschlager in W/J4, 3. Kap. Rz. 2 ff., 12 ff. Vgl. zur Auslegung des § 299 a.F. StGB BGH v. 29.8.2008 – 2 StR 587/07 - Siemens, BeckRS 2008, 23926, Rz. 50 ff. = BGHSt 52, 323 und dazu Mölders, passim, und Rönnau, JZ 2007, 1084, 1087 ff. 4 Dasselbe galt für Art. 2 § 1 IntBestG und Art. 2 § 1 EUBestG, durch die ausländische bzw. europäische Amtsträger für bestimmte Tatbestände deutschen gleichgestellt wurden und deren Regelungen mittlerweile in das StGB überführt wurden; s. dazu auch noch unten § 5 StGB Rz. 8. 5 Vgl. Sternberg-Lieben in BeckOK-UrhG, § 106 Rz. 11; ausf. Weber in FS Stree/Wessels, S. 613. 6 Im Einzelnen Golombek, S. 63 ff. 7 Golombek, S. 70 ff., 75. 8 Golombek, S. 108 ff. 9 Vgl. im Einzelnen Golombek, S. 112 ff. 10 Dazu Golombek, S. 101 ff.; a.A. aber BGH v. 29.8.2008 – 2 StR 587/07 - Siemens, BeckRS 2008, 23926, Rz. 50 ff. = BGHSt 52, 323.

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StGB

Vorbemerkungen zu §§ 3–7

StGB

Vor §§ 3–7 StGB Rz. 14

Strafgesetzbuch

Reichweite eines Tatbestands sich auch auf ausländische Rechtsgüter erstreckt; umgekehrt kann dies auch davon abhängen, inwieweit bei der Beurteilung von Sachverhalten mit Auslandsbezug inländische Ausfüllungsnormen heranzuziehen sind.1

C. Fremdrechtsanwendung 14

Die §§ 3–7 StGB sind – anders als bspw. die Normen des Internationalen Privatrechts – „einseitige Kollisionsnormen“, d.h. sie ordnen stets nur die Anwendung deutschen Strafrechts an.2 Ausländisches Strafrecht spielt im Rahmen der §§ 3–7 StGB nur insoweit eine Rolle, als Auslandstaten nach § 7 StGB grundsätzlich nur in den Anwendungsbereich des StGB fallen, wenn die Tat auch am Tatort mit Strafe bedroht ist.

15

Keine spezifische Frage des Strafanwendungsrechts ist die Frage der Fremdrechtsanwendung innerhalb von Blankett- und sonstigen zivil- oder verwaltungsrechtsakzessorisch ausgestalteten Tatbeständen.3 Weil diese Tatbestände einer „Ausfüllung“ durch Normen anderer Rechtsgebiete erfordern, stellt sich bei Sachverhalten mit Auslandsbezug die Frage, welche Rechtsordnung hierfür heranzuziehen ist. Überwiegend wird sie im Zusammenhang mit Auslandstaten thematisiert oder bei sog. Distanzdelikten;4 tatsächlich kann sie sich aber auch bei reinen Inlandstaten stellen, z.B. bei einer Untreuetat eines Directors einer in Deutschland ansässigen Limited, s. dazu noch Rz. 18.

16

Dem Grundsatz nach ist bei normativen Tatbestandsmerkmalen eine Konkretisierung durch ausländisches Recht möglich und bei Auslandsbezug u.U. angezeigt,5 während Blanketttatbestände, die zur Bildung einer vollständigen Verhaltensnorm einer Ergänzung durch andere Normen bedürfen, aufgrund des verfassungsrechtlichen Parlamentsvorbehalts nicht durch ausländische Gesetze vervollständigt werden können.6 Bei normativen Tatbestandsmerkmalen ändert die Heranziehung ausländischen Rechts dagegen grundsätzlich nichts daran, dass die Verhaltensnorm des deutschen Strafgesetzes verletzt ist, und sie ist u.U. geboten, um Schutzlücken für unter einer fremden Rechtsordnung entstandene Rechtsgüter zu vermeiden. Eine Grenze liegt allerdings dort, wo die Heranziehung des ausländischen Rechtssatzes dazu führen würde, dass ein Interesse geschützt wird, das nicht dem Rechtsgut entspricht, dessen Schutz die (deutsche) Strafnorm bezweckt.7

17

Für normative Tatbestandsmerkmale in zivilrechtsakzessorischen Tatbeständen richtet sich das anwendbare Recht grundsätzlich nach den Kollisionsnormen des deutschen IPR in Art. 3 ff. EGBGB,8 was insbesondere bei Auslandstaten häufig zur Anwendbarkeit ausländischen Rechts führen wird. So ist z.B. allgemein anerkannt, dass sich die Fremdheit einer im Ausland belegenen Sache für die §§ 242, 246 StGB nach dem dortigen Zivilrecht richtet.9

18

In jüngerer Zeit wurde die Problematik der Fremdrechtsanwendung insbesondere im Zusammenhang mit ausländischen Gesellschaftsformen und der Pflichtwidrigkeit im Rahmen des § 266 StGB erörtert.10 Ausgangspunkt einer Entscheidung des 5. Strafsenats des BGH hierzu waren Handlungen des Directors einer nach dem Recht der British Virgin Islands gegründeten Limited in Deutschland. Nach Auffassung des BGH ist die Pflichtwidrigkeit der möglichen Untreuehandlung, ausgehend von der „Gründungstheorie“, nach dem Gesellschaftsrecht des Gründungslandes zu beurteilen.11 Teilweise wird im Schrifttum eine entsprechende Geltung dieses Grundsatzes auf das Merkmal der Pflichtwidrigkeit in § 299 Abs. 1 Nr. 2 StGB befürwortet.12

19

Str. ist weiterhin die Frage der Anwendbarkeit von ausländischem Handelsrecht im Rahmen der Insolvenzund Buchführungsdelikte; das Ergebnis hängt (auch) hier im Wesentlichen von der jeweiligen Einordnung (Blankett- oder normatives Tatbestandsmerkmal) ab.13 Die Frage der Fremdrechtsanwendung stellt sich auch im Bereich grenzüberschreitender Umweltkriminalität, weil viele Tatbestände des Umweltstrafrechts verwal1 Dazu im Einzelnen Golombek, S. 114 ff. 2 Ambos in MüKo-StGB2, Vor §§ 3–7 Rz. 1 f.; Schuster, S. 350. 3 Grundlegend zur Fremdrechtsanwendung Cornils, passim; ausf. zu einzelnen Fallgruppen Schuster, S. 352 ff.; Mosiek, StV 2008, 94. 4 Nachweise bei Golombek, S. 116 Fn. 469 f. 5 So – ausgehend davon, dass die „Pflichtwidrigkeit“ im Untreuetatbestand als normatives Tatbestandsmerkmal einzuordnen ist – für § 266 StGB BGH v. 13.4.2010 – 5 StR 428/09, NStZ 2010, 632, 634. 6 Böse in NK-StGB4, Vor § 3 Rz. 67; Werle/Jeßberger in LK-StGB12, Vor § 3 Rz. 333 f.; jeweils m.w.N; im Einzelnen Golombek, S. 114 ff. (130 ff.); a.A. Mankowski/Bock, ZStW 120, 704 (721 f.). 7 Im Einzelnen Golombek, S. 135 ff. 8 Böse in NK-StGB4, Vor § 3 Rz. 63; Golombek, S. 140 ff. m.w.N. 9 RG v. 1.4.1895 – 690/95, RGSt 27, 135; Rönnau, ZGR 2005, 832 (847 f.) m.w.N. 10 Grundlegend Rönnau, ZGR 2005, 832; weiterhin etwa Altenhain/Wietz, NZG 2008, 569; zahlreiche weitere Nachweise bei Radtke/Rönnau, NStZ 2011, 556. 11 BGH v. 13.4.2010 – 5 StR 428/09, NStZ 2010, 632 (634); zust. Radtke, NStZ 2011, 556; krit. Rönnau, NStZ 2011, 558; s. zu der Entscheidung weiterhin etwa Kraatz, JR 2011, 58 und Schramm/Hinderer, ZIS 2010, 494. 12 Böse in NK-StGB4, Vor § 3 Rz. 63; Mosiek, StV 2008, 94 (96). 13 Vgl. zu § 283b StGB OLG Karlsruhe v. 21.2.1985 – 4 Ss 1/85, NStZ 1985, 317 mit abl. Anm. Liebelt, NStZ 1989, 182; generell für eine Fremdrechtsanwendung im Rahmen von Insolvenz- und Buchführungsdelikten Möhrenschlager in W/J4, 3. Kap. Rz. 10 f. m.w.N.

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§ 3 StGB

tungsrechtsakzessorisch ausgestaltet sind.1 Eine ausdrückliche Regelung für die europäische Union hat der Gesetzgeber insoweit – zumindest teilweise – in § 330d Abs. 2 StGB getroffen.2 Ähnliche Fragen stellen sich aufgrund der verwaltungsakzessorischen Ausgestaltung des § 284 StGB im Bereich des Veranstaltens von OnlineGlücksspielen durch Anbieter mit Standort im Ausland.3 Genehmigungen von Staaten außerhalb der EU sollen für eine Legalisierung nicht ausreichen, die Berücksichtigungsfähigkeit von Genehmigungen anderer EU-Mitgliedsstaaten ist umstritten.4

D. Grundbegriffe Der Begriff Tat wird in den §§ 3, 4 und 7 StGB im prozessualen Sinne verwendet; gemeint ist der konkrete Le- 20 benssachverhalt.5 Die §§ 5, 6 StGB knüpfen dagegen an bestimmte Straftatbestände an.6 Die §§ 3, 4 und 7 StGB unterwerfen den Lebenssachverhalt also unter sämtlichen rechtlichen Gesichtspunkten dem deutschen Strafrecht, während die §§ 5, 6 StGB nur die Anwendbarkeit der dort jeweils genannten Straftatbestände begründen.7 Nach einer im Schrifttum teilweise vertretenen Auffassung soll der Tatbegriff hier nur die Täterschaft umfassen, 21 weil ansonsten die Regelung des § 9 Abs. 2 S. 2 StGB überflüssig wäre.8 Ganz überwiegend wird aber davon ausgegangen, dass der Tatbegriff hier sowohl Täterschaft als auch Teilnahme umfasst, weil § 9 Abs. 2 S. 2 StGB nur die inländische Teilnahme an einer ausländischen Tat regelt und es ansonsten für Teilnahmehandlungen im Inland an Inlandstaten an einer Regelung fehlen würde.9 Der Begriff Inland knüpft im Strafanwendungsrecht an eine funktionierende Staatsgewalt an und umfasst die 22 in der Präambel des GG genannten Länder sowie die angrenzenden Gewässer, einschließlich des Luftraums sowie des Erdbodens darüber bzw. darunter.10 Als Kehrseite des Inlandbegriffs umfasst der Begriff Ausland alle Gebiete, die nicht zum Inland gehören, unabhängig davon, ob sie unter einer Staatshoheit stehen oder nicht.11 Der Begriff Deutscher bestimmt sich nach Art. 116 Abs. 1 GG; Deutscher ist, wer die deutsche Staatsangehörig- 23 keit besitzt (§ 1 StAG). Im Umkehrschluss daraus ergibt sich, dass jeder Nicht-Deutsche Ausländer ist. Dies gilt auch für Staatenlose.12

E. Prozessuales In prozessualer Hinsicht durchbricht § 153c StPO Abs. 1 das Legalitätsprinzip insbesondere im Fall von Aus- 24 landstaten und Inlandsteilnahme an einer Auslandstat zugunsten des Opportunitätsprinzips und stellt die Verfolgung insoweit in das Ermessen der StA.13 Unter den dort genannten Voraussetzungen besteht nach § 153c Abs. 3 StPO auch für Auslandsdistanzdelikte kein Verfolgungszwang.14 Schließlich erlaubt § 153c Abs. 2 StPO bei im Ausland bereits vollstreckter Strafe oder rechtskräftigem Freispruch ein Absehen von der Strafverfolgung.15

§ 3 Geltung für Inlandstaten Das deutsche Strafrecht gilt für Taten, die im Inland begangen werden. 1 Vgl. zum Umweltstrafrecht im grenzüberschreitenden Zusammenhang Günther-Nicolay, passim; Hecker, ZStW 115, 880; Kloepfer/Heger, S. 133; Martin, passim; Sieren, passim; zu den europarechtlichen Problemstellungen Knaut, passim. 2 Dazu Ransiek in NK-StGB4, § 330d Rz. 6; vgl. zu europäischen Bezugsnormen im deutschen Strafrecht allgemein Schuster, S. 304 ff. 3 Dazu Fischer, StGB63, § 284 Rz. 14 ff.; Barton/Gercke/Janssen, wistra 2004, 321; Duesberger/Buchholz, NZWiSt 2015, 16. 4 Fischer, StGB63, § 284 Rz. 15 ff. m.w.N; Rosenau in S/S/W-StGB2, § 284 Rz. 20 f. m.w.N.; vgl. zur Problematik im Hinblick auf die Niederlassungsfreiheit Lesch, wistra 2005, 241. 5 Werle/Jeßberger in LK-StGB12, Vor § 3 Rz. 314 ff., 319; Ambos in MüKo-StGB2, § 3 Rz. 6; Satzger in S/S/W-StGB2, § 3 Rz. 2. 6 Ambos in MüKo-StGB2, § 3 Rz. 6; Werle/Jeßberger in LK-StGB12, Vor § 3 Rz. 314 ff., 317. 7 Werle/Jeßberger in LK-StGB12, Vor § 3 Rz. 318 f. 8 Eser in S/S-StGB29, § 3 Rz. 4. 9 Ambos in MüKo-StGB2, § 3 Rz. 7; Werle/Jeßberger in LK-StGB12, Vor § 3 Rz. 320; Miller/Rackow, ZStW 117 (2005), 379, 381 f. 10 Ausf. Darstellung bei Fischer, StGB63, Vor §§ 3–7 Rz. 13 ff.; Böse in NK-StGB4, § 3 Rz. 3 ff.; Möhrenschlager in W/J4, 3. Kap. Rz. 29. 11 Fischer, StGB63, Vor §§ 3–7 Rz. 20. 12 Fischer, StGB63, § 7 Rz. 5. 13 Werle/Jeßberger in LK-StGB12, Vor § 3 Rz. 349 ff. 14 Werle/Jeßberger in LK-StGB12, Vor § 3 Rz. 355. 15 Vgl. zum (weitergehenden) Verbot der Doppelbestrafung im europäischen Bereich außerdem Art. 54 SDÜ und zu dessen Verhältnis zu Art. 50 der EU-Grundrechtscharta BGH v. 25.10.2010 – 1 StR 57/10, BGHSt 56, 11 = BeckRS 2010, 27838 (Rz. 7 ff.) und eingehend Merkel/Scheinfeld, ZIS 2012, 206 (207 ff.).

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StGB

Geltung für Inlandstaten

StGB

§ 3 StGB Rz. 1

Strafgesetzbuch

1

Die Norm ist Ausdruck des Territorialitätsprinzips. Auf Inlandstaten ist unabhängig von der Staatsangehörigkeit des Täters und ggf. des Opfers stets deutsches Strafrecht anwendbar.

2

Das deutsche Strafrecht ist die Gesamtheit aller strafrechtlichen Normen der Bundesländer und der Bundesrepublik.

3

Vgl. zum Begriff der Tat Vor §§ 3–7 StGB Rz. 20 und zum Begriff Inland Vor §§ 3–7 StGB Rz. 22. Ob es sich bei einer grenzüberschreitenden Tat um eine Inlandstat handelt, richtet sich nach § 9 StGB.

4

Für das Ordnungswidrigkeitenrecht gilt nach § 5 OWiG das Territorialitäts- und ergänzend das Flaggenprinzip.1 Das hier Ausgeführte gilt daher entsprechend. Darüber hinaus erlaubt § 5 OWiG eine Ausweitung des Anwendungsbereichs auf Auslandstaten mittels Spezialgesetz (sog. Vorbehaltsklausel).2 Bei der Anwendung des § 130 OWiG in Fällen mit Auslandsbezug muss (auch) für die begangene Zuwiderhandlung der Geltungsbereich des deutschen Straf- bzw. Ordnungswidrigkeitenrechts nach §§ 3 ff. StGB bzw. § 5 OWiG eröffnet sein.3

§ 4 Geltung für Taten auf deutschen Schiffen und Luftfahrzeugen Das deutsche Strafrecht gilt, unabhängig vom Recht des Tatorts, für Taten, die auf einem Schiff oder in einem Luftfahrzeug begangen werden, das berechtigt ist, die Bundesflagge oder ein Staatszugehörigkeitszeichen der Bundesrepublik Deutschland zu führen. 1

§ 4 StGB ist Ausdruck des Flaggenprinzips und dient überwiegend der Vermeidung von Strafbarkeitslücken, sofern sich das Schiff oder Luftfahrzeug auf staatenlosem Gebiet befindet oder die Feststellung eines Staatsgebiets aufgrund der Reisegeschwindigkeit schwer feststellbar ist.4

§ 5 Auslandstaten mit besonderem Inlandsbezug Das deutsche Strafrecht gilt, unabhängig vom Recht des Tatorts, für folgende Taten, die im Ausland begangen werden: 1. Vorbereitung eines Angriffskrieges (§ 80); 2. Hochverrat (§§ 81 bis 83); 3. Gefährdung des demokratischen Rechtsstaates a) in den Fällen der §§ 89, 90a Abs. 1 und des § 90b, wenn der Täter Deutscher ist und seine Lebensgrundlage im räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes hat, und b) in den Fällen der §§ 90 und 90a Abs. 2; 4. Landesverrat und Gefährdung der äußeren Sicherheit (§§ 94 bis 100a); 5. Straftaten gegen die Landesverteidigung a) in den Fällen der §§ 109 und 109e bis 109g und b) in den Fällen der §§ 109a, 109d und 109h, wenn der Täter Deutscher ist und seine Lebensgrundlage im räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes hat; 6. Straftaten gegen die persönliche Freiheit a) in den Fällen der §§ 234a und 241a, wenn die Tat sich gegen eine Person richtet, die zur Zeit der Tat Deutsche ist und ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat, b) in den Fällen des § 235 Absatz 2 Nummer 2, wenn die Tat sich gegen eine Person richtet, die zur Zeit der Tat ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat, und c) in den Fällen des § 237, wenn der Täter zur Zeit der Tat Deutscher ist oder wenn die Tat sich gegen eine Person richtet, die zur Zeit der Tat ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat; 7. Verletzung von Betriebs- oder Geschäftsgeheimnissen eines im räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes liegenden Betriebs, eines Unternehmens, das dort seinen Sitz hat, oder eines Unternehmens mit Sitz im Ausland, das von einem Unternehmen mit Sitz im räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes abhängig ist und mit diesem einen Konzern bildet;

1 Rogall in KK-OWiG4, § 5 Rz. 1. 2 Rogall in KK-OWiG4, § 5 Rz. 30 ff. mit Beispielen für Fälle, in denen der Gesetzgeber hiervon Gebrauch gemacht hat. 3 Zu dieser bislang wenig erörterten Frage (mit allerdings abweichender Auffassung) jüngst Caracas, CCZ 2015, 218, 220 f. 4 Böse in NK-StGB4, § 4 Rz. 1; zu den Voraussetzungen Werle/Jeßberger in LK-StGB12, § 4 Rz. 29 ff.

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Rz. 1 § 5 StGB

8. Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung in den Fällen des § 174 Absatz 1, 2 und 4, der §§ 176 bis 178 und des § 182, wenn der Täter zur Zeit der Tat Deutscher ist; 9. Straftaten gegen das Leben a) in den Fällen des § 218 Absatz 2 Satz 2 Nummer 1 und Absatz 4 Satz 1, wenn der Täter zur Zeit der Tat Deutscher ist, und b) in den übrigen Fällen des § 218, wenn der Täter zur Zeit der Tat Deutscher ist und seine Lebensgrundlage im Inland hat; 9a. Straftaten gegen die körperliche Unversehrtheit a) in den Fällen des § 226 Absatz 1 Nummer 1 in Verbindung mit Absatz 2 bei Verlust der Fortpflanzungsfähigkeit, wenn der Täter zur Zeit der Tat Deutscher ist, und b) in den Fällen des § 226a, wenn der Täter zur Zeit der Tat Deutscher ist oder wenn die Tat sich gegen eine Person richtet, die zur Zeit der Tat ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat; 10. falsche uneidliche Aussage, Meineid und falsche Versicherung an Eides Statt (§§ 153 bis 156) in einem Verfahren, das im räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes bei einem Gericht oder einer anderen deutschen Stelle anhängig ist, die zur Abnahme von Eiden oder eidesstattlichen Versicherungen zuständig ist; 11. Straftaten gegen die Umwelt in den Fällen der §§ 324, 326, 330 und 330a, die im Bereich der deutschen ausschließlichen Wirtschaftszone begangen werden, soweit völkerrechtliche Übereinkommen zum Schutze des Meeres ihre Verfolgung als Straftaten gestatten; 11a. Straftaten nach § 328 Abs. 2 Nr. 3 und 4, Abs. 4 und 5, auch in Verbindung mit § 330, wenn der Täter zur Zeit der Tat Deutscher ist; 12. Taten, die ein deutscher Amtsträger oder für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichteter während eines dienstlichen Aufenthalts oder in Beziehung auf den Dienst begeht; 13. Taten, die ein Ausländer als Amtsträger oder für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichteter begeht; 14. Taten, die jemand gegen einen Amtsträger, einen für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichteten oder einen Soldaten der Bundeswehr während der Ausübung ihres Dienstes oder in Beziehung auf ihren Dienst begeht; 15. Straftaten im Amt nach den §§ 331 bis 337, wenn a) der Täter zur Zeit der Tat Deutscher ist b) der Täter zur Zeit der Tat Europäischer Amtsträger ist und seine Dienststelle ihren Sitz im Inland hat, c) die Tat gegenüber einem Amtsträger, einem für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichteten oder einem Soldaten der Bundeswehr begangen wird oder d) die Tat gegenüber einem Europäischen Amtsträger oder Schiedsrichter, der zur Zeit der Tat Deutscher ist, oder einer nach § 335a gleichgestellten Person begangen wird, die zur Zeit der Tat Deutsche ist; 16. Bestechlichkeit und Bestechung von Mandatsträgern (§ 108e), wenn a) der Täter zur Zeit der Tat Mitglied einer deutschen Volksvertretung oder Deutscher ist oder b) die Tat gegenüber einem Mitglied einer deutschen Volksvertretung oder einer Person, die zur Zeit der Tat Deutsche ist, begangen wird; 17. Organ- und Gewebehandel (§ 18 des Transplantationsgesetzes), wenn der Täter zur Zeit der Tat Deutscher ist.

A. Allgemeines § 5 StGB durchbricht das Territorialitätsprinzip zu Gunsten bestimmter Straftaten mit Inlandsbezug. Auf die 1 Katalogtaten des § 5 StGB1 ist deutsches Strafrecht unabhängig vom Tatort und von der Strafbarkeit am Ort der Begehung anwendbar. Völkerrechtliche Anknüpfungspunkte sind dabei insbesondere das Staatschutz-, das passive und das aktive Personalitätsprinzip.2 Zweck der Norm ist die Schließung von Strafbarkeitslücken, die sich daraus ergeben, dass bestimmte Rechtsgüter entweder im Ausland nicht geschützt werden (typischerweise die den Staatsschutzdelikten zugrunde liegenden) oder die Verfolgung der Taten am Begehungsort aus anderen Gründen nicht ausreichend gesichert erscheint.3 § 5 StGB hat in erster Linie Auffangwirkung, weil Auslands1 Zur uneinheitlichen Regelungstechnik der Norm Werle/Jeßberger in LK-StGB12, § 5 Rz. 10. 2 Werle/Jeßberger in LK-StGB12, § 5 Rz. 11; Böse in NK-StGB4, § 5 Rz. 1. 3 Satzger in S/S/W-StGB2, § 5 Rz. 4.

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StGB

Auslandstaten mit besonderem Inlandsbezug

StGB

§ 5 StGB Rz. 2

Strafgesetzbuch

taten, wenn Täter oder Opfer Deutscher sind und die Strafbarkeit auch am Tatort gegeben ist, bereits nach § 7 StGB erfasst werden.1 2

Gemeinsame Voraussetzung für alle Katalogtaten ist eine Auslandstat mit Inlandsbezug. Die Begriffe Ausland, Ausländer und Deutscher entsprechen der allgemeinen Terminologie des Abschnitts, vgl. Vor §§ 3–7 StGB Rz. 22 f.

B. Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen, Nr. 7 3

§ 5 Nr. 7 StGB betrifft – ohne bestimmte Straftatbestände zu nennen – den Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen. Damit sind insbesondere die §§ 202a, 203, 204 StGB und (was deren Abs. 6 bzw. Abs. 4 bzw. Abs. 5 jeweils klarstellt) die Straftatbestände der §§ 17, 18 und 19 UWG erfasst. Nach h.M. sollen auch allgemeine Eigentums- und Vermögensdelikte wie §§ 242, 246, 263, 266 StGB erfasst sein, wenn die Tat der Beschaffung von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen dient.2

4

Erfasst werden nur Geheimnisträger mit hinreichender Beziehung zum Inland. Bei Betrieben (Var. 1) ist eine Betriebs- oder Geschäftstätigkeit im Inland erforderlich, bloße Briefkastenadressen reichen nicht aus.3 Unternehmen (Var. 2) benötigen einen inländischen Sitz nach handels- oder gesellschaftsrechtlichen Bestimmungen (Var. 2)4 oder müssen von einem Mutterunternehmen mit inländischem Sitz abhängig sein (Var. 3), wobei Mutter- und Tochterunternehmen einen einheitlichen Konzern nach § 18 Abs. 1 AktG bilden müssen.5

C. Umweltdelikte, Nr. 11 5

§ 5 Nr. 11 StGB erfasst bestimmte Umweltdelikte von ausländischen Tätern in der ausschließlichen Wirtschaftszone, soweit völkerrechtliche Übereinkommen zum Schutz der Meere ihre Verfolgung gestatten.6 Umweltstraftaten auf deutschen Schiffen oder von Deutschen werden bereits von § 4 StGB sowie § 7 Abs. 2 Nr. 1 StGB erfasst bzw. unterfallen in Küstengewässern ohnehin nach § 3 StGB deutschem Recht. Die ausschließliche Wirtschaftszone ist die an das Küstenmeer angrenzende See.7 Neben den Umweltstraftaten nach §§ 324, 326 und 330a StGB erfasst § 5 Nr. 11 über den Verweis auf § 330 StGB auch besonders schwere Fälle der §§ 324a, 325, 325a, 327, 328 und 329 StGB.8

D. Auslandstaten von Amtsträgern, Nrn. 12 und 13 6

§ 5 Nr. 12 und 13 StGB betreffen die Anwendbarkeit des deutschen Strafrechts auf Auslandstaten von Amtsträgern (§ 11 Abs. 1 Nr. 2 StGB) und für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichteten (§ 11 Abs. 1 Nr. 4 StGB). Nr. 12 erfasst in der 1. Var. alle Straftaten, die von einem deutschen Amtsträger während eines dienstlichen Auslandsaufenthalts (nicht notwendig mit Dienstbezug) begangen werden; die 2. Var. erfasst Straftaten mit Dienstbezug (nicht notwendig Amtsdelikte, bspw. Delikte nach §§ 331, 332, § 203 Abs. 2, 353b StGB) während eines privaten Aufenthalts.9 Nr. 13 betrifft Straftaten von Amtsträgern und für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichteten ohne deutsche Staatsangehörigkeit, die diese als solche begehen, also nur (echte und unechte) Amtsdelikte.10

E. Amtsträgerbestechungsvorschriften, Nrn. 15 und 16 7

Durch das Gesetz zur Bekämpfung der Korruption vom 20.11.2015 sind in § 5 StGB im Bereich der Korruptionsdelikte die Nrn. 15 und 16 neu eingefügt worden. Durch das Gesetz sind mehrere internationale Vereinbarungen zur Korruptionsbekämpfung umgesetzt worden.11 Neben Änderungen im Bereich des § 299 StGB sind u.a. die Amtsträgerbestechungsvorschriften des Nebenstrafrechts (EUBestG und IntBestG) in das StGB integriert und erweitert worden.12 Durch die neue Nr. 15 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12

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Werle/Jeßberger in LK-StGB12, § 5 Rz. 8. Werle/Jeßberger in LK-StGB12, § 5 Rz. 116; Ambos in MüKo-StGB2, § 5 Rz. 25; a.A. Böse in NK-StGB4, § 5 Rz. 23. Ambos in MüKo-StGB2, § 5 Rz. 25; Eser in S/S-StGB29, § 5 Rz. 13. Böse in NK-StGB4, § 5 Rz. 23; Werle/Jeßberger in LK-StGB12, § 5 Rz. 120. Vgl. BT-Drucks. V/4095, S. 5. Zur darüber hinausgehenden Ausdehnung des Geltungsbereichs auf bestimmte Umweltdelikte im Bereich der Nordund Ostsee durch Art. 12 des Gesetzes zur Ausführung des Seerechtsübereinkommens der Vereinten Nationen Eser in S/S-StGB29, § 5 Rz. 18a. Näher Werle/Jeßberger in LK-StGB12, § 5 Rz. 55 ff. Werle/Jeßberger in LK-StGB12, § 5 Rz. 145. Satzger in S/S/W-StGB2, § 5 Rz. 25; Böse in NK-StGB4, § 5 Rz. 16. Fischer, StGB63, § 5 Rz. 13; Böse in NK-StGB4, § 5 Rz. 18; weiter etwa Eser in S/S-StGB29, § 5 Rz. 20 und Satzger in S/S/ W-StGB2, § 5 Rz. 26: „in der Regel“ Amtsdelikt. Detaillierte Übersicht in BR-Drucks. 25/15, S. 1, 9 f.; krit. zur Genese bereits Wolf, ZRP 2007, 44. Neu ist, dass nicht nur §§ 332 und 334 StGB auch auf europäische Amtsträger anwendbar sind, sondern auch §§ 331 und 333 StGB; neu ist auch, dass sich nach Einführung des § 335a StGB jetzt auch ausländische Bedienstete wegen Bestechlichkeit strafbar machen können.

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§ 7 StGB

wurden im Wesentlichen strafanwendungsrechtliche Regelungen, die bisher im Nebenstrafrecht (insbesondere Art. 2 § 3 IntBestG und Art. 2 § 2 EUBestG) enthalten waren, in das StGB überführt und geringfügig erweitert; i.Ü. gibt es Überschneidungen zu Nr. 12. Nr. 16 schließt Lücken bei der Abgeordnetenbestechung, die auftreten können, wenn die Tat am Tatort nicht mit Strafe bedroht ist.1 Die ehemals in Nr. 14a enthaltene Regelung wurde insofern erweitert, als es nicht mehr auf die deutsche Staatsangehörigkeit des Bestochenen ankommt, sondern ausreicht, dass er Mitglied einer deutschen Volksvertretung ist.

§ 6 Auslandstaten gegen international geschützte Rechtsgüter Das deutsche Strafrecht gilt weiter, unabhängig vom Recht des Tatorts, für folgende Taten, die im Ausland begangen werden: 1. (weggefallen) 2. Kernenergie-, Sprengstoff- und Strahlungsverbrechen in den Fällen der §§ 307 und 308 Abs. 1 bis 4, des § 309 Abs. 2 und des § 310; 3. Angriffe auf den Luft- und Seeverkehr (§ 316c); 4. Menschenhandel (§ 232); 5. unbefugter Vertrieb von Betäubungsmitteln; 6. Verbreitung pornographischer Schriften in den Fällen der §§ 184a, 184b Abs. 1 bis 3 und § 184c Abs. 1 bis 3, jeweils auch in Verbindung mit § 184d Satz 1; 7. Geld- und Wertpapierfälschung (§§ 146, 151 und 152), Fälschung von Zahlungskarten mit Garantiefunktion und Vordrucken für Euroschecks (§ 152b Abs. 1 bis 4) sowie deren Vorbereitung (§§ 149, 151, 152 und 152b Abs. 5); 8. Subventionsbetrug (§ 264); 9. Taten, die auf Grund eines für die Bundesrepublik Deutschland verbindlichen zwischenstaatlichen Abkommens auch dann zu verfolgen sind, wenn sie im Ausland begangen werden. Die Ausdehnung des Anwendungsbereichs des deutschen Strafrechts durch § 6 StGB beruht überwiegend auf 1 dem Weltrechtsprinzip.2 Die Nrn. 2–8 erfassen international als schützenswert anerkannte Rechtsgüter, unabhängig vom Tatort, von der Tatortstrafbarkeit und der Täter- bzw. Opfernationalität. Über die Generalklausel des § 6 Nr. 9 StGB kann der Gesetzgeber im Rahmen verbindlicher zwischenstaatlicher Abkommen für weitere Auslandstaten eine Verfolgungspflicht konstituieren, ohne dass er jedes Mal den Katalog des § 6 StGB erweitern müsste. § 6 Nr. 8 StGB wurde durch das 1. WiKG vom 29.7.1976 (BGBl. I S. 2034) eingeführt, um die Erschleichung 2 von Subventionen aus Mitteln der Europäischen Gemeinschaften unabhängig vom Tatortrecht und der Staatsangehörigkeit des Täters sanktionieren zu können.3 Die Anwendbarkeit des deutschen Strafrechts in Fällen der Subventionsvergabe durch deutsche Stellen ergibt sich regelmäßig bereits aus §§ 3, 9 StGB. Ausländische Subventionen werden wegen der Definition in § 264 Abs. 7 StGB nur erfasst, wenn es sich um solche der Europäischen Gemeinschaften handelt (Schutzbereichsbegrenzung); völkerrechtliche Bedenken gegen die Vorschrift sind, weil sie auf das (Gemeinschafts-)Schutzprinzip gestützt werden kann, unbegründet.4

§ 7 Geltung für Auslandstaten in anderen Fällen (1) Das deutsche Strafrecht gilt für Taten, die im Ausland gegen einen Deutschen begangen werden, wenn die Tat am Tatort mit Strafe bedroht ist oder der Tatort keiner Strafgewalt unterliegt. (2) Für andere Taten, die im Ausland begangen werden, gilt das deutsche Strafrecht, wenn die Tat am Tatort mit Strafe bedroht ist oder der Tatort keiner Strafgewalt unterliegt und wenn der Täter 1. zur Zeit der Tat Deutscher war oder es nach der Tat geworden ist oder 2. zur Zeit der Tat Ausländer war, im Inland betroffen und, obwohl das Auslieferungsgesetz seine Auslieferung nach der Art der Tat zuließe, nicht ausgeliefert wird, weil ein Auslieferungsersuchen innerhalb angemessener Frist nicht gestellt oder abgelehnt wird oder die Auslieferung nicht ausführbar ist.

1 2 3 4

Satzger in S/S/W-StGB2, § 5 Rz. 28; Böse in NK-StGB4, § 5 Rz. 19. Böse in NK-StGB4, § 6 Rz. 1; a.A. Werle/Jeßberger in LK-StGB12, § 6 Rz. 10 ff. Werle/Jeßberger in LK-StGB12, § 6 Rz. 96 ff. Werle/Jeßberger in LK-StGB12, § 6 Rz. 97 ff.; a.A. für Taten außerhalb des Gemeinschaftsgebiets Ambos in MüKo-StGB2, § 6 Rz. 18 und Satzger in S/S/W-StGB2, § 6 Rz. 11.

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StGB

Geltung für Auslandstaten in anderen Fällen

StGB

§ 7 StGB Rz. 1

Strafgesetzbuch

1

§ 7 StGB knüpft in einer weiteren Ausnahme vom Territorialitätsprinzip an die deutsche Staatsangehörigkeit des Opfers (Absatz 1) oder des Täters (Abs. 2 Nr. 1) an. Absatz 1 beruht auf dem passiven Personalitätsprinzip,1 Abs. 2 Nr. 1 Var. 1 auf dem aktiven Personalitätsprinzip2 und/oder dem Prinzip stellvertretender Strafrechtspflege3 (zu Var. 2 s. Rz. 5). Unterliegt der Tatort einer staatlichen Strafgewalt, ist Voraussetzung für die Anwendung des deutschen Strafrechts, dass die Tat auch nach dortigem Recht strafbar ist.

2

Die konkrete Tat muss – was gegebenenfalls mit Hilfe eines Sachverständigengutachtens festzustellen ist – am Tatort mit Strafe bedroht sein. Dabei reicht es aus, wenn die Tat unter irgendeinem rechtlichen Gesichtspunkt strafbar ist; die Tatortnorm muss nicht denselben Schutzzweck verfolgen (Tatidentität, keine Tatbestandsidentität).4 Nicht ausreichend ist allerdings eine Sanktionierbarkeit als Ordnungswidrigkeit.5 Eine dem ordre public widersprechende Auslandsstraflosigkeit (etwa aufgrund menschenrechtswidriger Straffreistellungsgründe) steht der Anwendung des deutschen Strafrechts nicht entgegen.6

3

Verfolgungshindernisse am Tatort sind (bei Absatz 1 und Abs. 2 Nr. 1, Var. 1) unbeachtlich, es kommt nur auf die materiell-rechtliche Strafbarkeit an.7 Eine faktische Nichtverfolgung ist ebenso unbeachtlich.8

4

Der Begriff des Deutschen in Absatz 1 umfasst nach h.M. nur natürliche Personen.9

5

Die sog. Neubürgerklausel in Abs. 2 Nr. 1 Var. 2 ist Ausdruck des Prinzips stellvertretender Strafrechtspflege und wird trotz teilweise geäußerter Bedenken überwiegend für verfassungsrechtlich zulässig erachtet.10

6

Abs. 2 Nr. 2 ist ebenfalls Ausdruck des Prinzips stellvertretender Strafrechtspflege. Die Norm erfasst Fälle, in denen die Anwesenheit des (ausländischen) Täters im Inland festgestellt wird und eine Auslieferung zulässig wäre, aber aus bestimmten Gründen nicht stattfindet.11

§ 8 Zeit der Tat Eine Tat ist zu der Zeit begangen, zu welcher der Täter oder der Teilnehmer gehandelt hat oder im Falle des Unterlassens hätte handeln müssen. Wann der Erfolg eintritt, ist nicht maßgebend. 1

Die Norm definiert den Zeitpunkt der Tatbegehung. Dabei kommt es – anders als bei § 9 StGB – nur auf den Zeitpunkt der Handlung an (Tätigkeitstheorie).12 § 8 StGB ist insbesondere für die zeitliche (§§ 1, 2 StGB) und räumliche (z.B. § 7 Abs. 2 StGB) Geltung des Strafgesetzes relevant, für §§ 55 Abs. 1, 56g Abs. 2 StGB, für die Frage der Rechtswidrigkeit (z.B. Vorliegen einer Einwilligung) und Schuld (z.B. § 19 StGB) und für die Anwendbarkeit von Amnestiegesetzen.13 Für die Verjährung beinhaltet § 78a StGB eine abweichende Regelung.14

2

Bei Begehungsdelikten ist die Tat mit der Vornahme der Tathandlung begangen, also mit dem Zeitpunkt, in dem der Täter tut, was (im Fall eines schlichten Tätigkeitsdelikts) tatbestandlich verboten ist bzw. was (im Fall eines Erfolgsdelikts) den tatbestandlichen Erfolg herbeiführen soll.15 Beim Versuch kommt es auf das unmittelbare Ansetzen an und ggf. weitere Handlungen, die auf die Erfolgsverwirklichung gerichtet sind.16 Bei der mit-

1 Böse in NK-StGB4, § 7 Rz. 2; Werle/Jeßberger in LK-StGB12, § 7 Rz. 8 m.w.N. 2 So die h.M., BGH v. 8.3.2000 – 3 StR 437/99, NStZ-RR 2000, 208, 209; s. etwa auch Fischer, StGB63, § 7 Rz. 1; Werle/ Jeßberger in LK-StGB12, § 7 Rz. 8; Eser in S/S-StGB29, § 7 Rz. 1; jeweils m.w.N. 3 So Böse in NK-StGB4, § 7 Rz. 12; für ein Zugrundeliegen beider Prinzipien Hoyer in SK-StGB, § 7 Rz. 3. 4 Ambos in MüKo-StGB2, § 7 Rz. 6; Fischer, StGB63, § 7 Rz. 7; Böse in NK-StGB4, § 7 Rz. 7; ausf. Niemöller, NStZ 1993, 171. 5 BGH v. 30.9.1976 – 4 StR 683/75, BGHSt 27, 5 = NJW 1976, 2354; Fischer, StGB63, § 7 Rz. 7a m.w.N. 6 BGH v. 23.10.1996 – 5 StR 183/95, BGHSt 42, 275 = NJW 1997, 951, 952; Böse in NK-StGB4, § 7 Rz. 7; Werle/Jeßberger in LK-StGB12, § 7 Rz. 38; Satzger in S/S/W-StGB2, § 7 Rz. 20. 7 BGH v. 8.3.2000 – 3 StR 437/99, NStZ-RR 2000, 208, 209 (zu § 7 Abs. 2 Nr. 1 StGB; offengelassen für § 7 Abs. 2 Nr. 2 StGB); Fischer, StGB63, § 7 Rz. 7; zutreffend differenzierend Werle/Jeßberger in LK-StGB12, § 7 Rz. 41 ff.; Ambos in MüKo-StGB2, § 7 Rz. 12 f. 8 OLG Düsseldorf v. 10.4.1984 – 2 Ss 42/84 - 23/84 III, NStZ 1985, 268; Fischer, StGB63, § 7 Rz. 7; zutreffend nach § 7 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1, Var. 1 StGB einerseits und § 7 Abs. 2 Nr. 1, Var. 2 und Abs. 2 Nr. 2 StGB andererseits differenzierend wiederum Werle/Jeßberger in LK-StGB12, § 7 Rz. 48 ff. 9 Vgl. OLG Stuttgart v. 30.10.2003 – 1 Ws 288/03, NStZ 2004, 402, 403; KG Berlin v. 24.3.2006 – Ws 52/06, NJW 2006, 3016, 3017; a.A. (auch juristische Personen mit Sitz im Inland) Böse in NK-StGB4, § 7 Rz. 4 m.w.N. 10 Werle/Jeßberger in LK-StGB12, § 7 Rz. 86 f. m.w.N. 11 Fischer, StGB63, § 7 Rz. 10 f. 12 Eser in S/S-StGB29, § 8 Rz. 2. 13 Werle/Jeßberger in LK-StGB12, § 8 Rz. 1; Heintschel-Heinegg in BeckOK-StGB, § 8 Rz. 2. 14 Fischer, StGB63, § 8 Rz. 1; Satzger in S/S/W-StGB2, § 8 Rz. 1. 15 Fischer, StGB63, § 8 Rz. 3; Eser in S/S-StGB29, § 8 Rz. 3. 16 Ambos in MüKo-StGB2, § 8 Rz. 11; Fischer, StGB63, § 8 Rz. 3; nur auf den Versuchsbeginn abstellend Werle/Jeßberger in LK-StGB12, § 8 Rz. 8; für den Zeitraum vom unmittelbaren Ansetzen bis zur Versuchsbeendigung Böse in NK-StGB4, § 8 Rz. 2; Eser in S/S-StGB29, § 8 Rz. 3.

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Rz. 4 § 9 StGB

StGB

Ort der Tat

telbaren Täterschaft ist auf die Handlung zur Einwirkung auf den Tatmittler sowie dessen dem Täter zurechenbare Handlungen abzustellen.1 Bei Dauerdelikten dauert das Handeln über einen längeren Zeitraum an; bei Zustandsdelikten ist auf die Handlung abzustellen, die den rechtswidrigen Zustand herbeiführt.2 Bei Unterlassungsdelikten beginnt die Tatbegehung mit der Auslösung der Handlungspflicht; sie dauert an, so- 3 lange dem Täter die Erfüllung der Pflicht möglich und nicht (z.B. wegen Aussichtslosigkeit) erloschen ist.3 Für den Teilnehmer kommt es ausschließlich auf den Zeitpunkt seiner Handlung bzw. Unterlassung an; der 4 Zeitpunkt der Haupttat ist unbeachtlich.4 Das OWiG enthält in § 6 eine Parallelvorschrift.

5

§ 9 Ort der Tat (1) Eine Tat ist an jedem Ort begangen, an dem der Täter gehandelt hat oder im Falle des Unterlassens hätte handeln müssen oder an dem der zum Tatbestand gehörende Erfolg eingetreten ist oder nach der Vorstellung des Täters eintreten sollte. (2) Die Teilnahme ist sowohl an dem Ort begangen, an dem die Tat begangen ist, als auch an jedem Ort, an dem der Teilnehmer gehandelt hat oder im Falle des Unterlassens hätte handeln müssen oder an dem nach seiner Vorstellung die Tat begangen werden sollte. Hat der Teilnehmer an einer Auslandstat im Inland gehandelt, so gilt für die Teilnahme das deutsche Strafrecht, auch wenn die Tat nach dem Recht des Tatorts nicht mit Strafe bedroht ist.

A. Allgemeines Die Vorschrift bestimmt den Ort der Tat für Täter (Absatz 1) und Teilnehmer (Abs. 2 S. 1) gesondert. Ort der 1 Tat kann danach sowohl der Handlungs- als auch der tatsächliche oder beabsichtigte Erfolgsort sein (sog. Ubiquitäts- oder Einheitstheorie).5 § 9 StGB ist für die Bestimmung des Tatorts im Rahmen der §§ 3–7 StGB und für die Bestimmung der Gerichtszuständigkeit nach § 7 StPO6 von Bedeutung. Das OWiG enthält in § 7 eine Parallelvorschrift.

2

B. Handlungsort Bei Begehungsdelikten ist Handlungsort der Ort, an dem der Täter die Tathandlung vornimmt oder versucht.7 3 Bei Distanzdelikten und Straftaten im Internet ist dies der Ort, an dem sich der Täter körperlich aufhält.8 Vereinzelt wird für Internetdelikte vertreten, dass auch am Standort des Servers ein Handlungsort liegen soll.9 Mehrheitlich wird dies jedoch abgelehnt, weil die Wahl des Servers regelmäßig von technischen Zufälligkeiten abhängt.10 Mehraktige und Dauerdelikte, die teilweise im Inland begangen werden, sind als Inlandstaten zu bewerten.11 Vorbereitungshandlungen begründen nur dann einen Tatort, wenn sie selbständig unter Strafe stehen (z.B. nach § 30 Abs. 2 StGB); auf eine mögliche spätere Subsidiarität der Vorbereitungshandlung kommt es nicht an.12 Bei mittelbarer Täterschaft liegt der Tatort sowohl am Tätigkeitsort des mittelbaren Täters als auch am Hand- 4 lungsort des Tatmittlers. Das bloße Durchqueren des Staatsgebiets ohne damit einhergehendes tatbestandsrelevantes Verhalten begründet keinen Handlungsort; anders, wenn der Transitvorgang als solcher mit Strafe bedroht ist (z.B. Transport illegaler Betäubungsmittel).13

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13

Ambos in MüKo-StGB2, § 8 Rz. 10; Fischer, StGB63, § 8 Rz. 3. Fischer, StGB63, § 8 Rz. 3. Böse in NK-StGB4, § 8 Rz. 2; Eser in S/S-StGB29, § 8 Rz. 4 m.w.N. BGH v. 29.9.1999 – 3 StR 359/99, NStZ 2000, 197, 198 f.; BGH v. 11.1.2005 – 5 StR 510/04, NStZ-RR 2005, 151. Ambos in MüKo-StGB2, § 9 Rz. 4. Satzger in S/S/W-StGB2, § 9 Rz. 1. Werle/Jeßberger in LK-StGB12, § 9 Rz. 10. Dazu ausf. Heinrich in FS Weber, S. 91; zu Straftaten im Internet auch Werle/Jeßberger in LK-StGB12, § 9 Rz. 77 ff. Für internet-vermittelte Urheberrechtsverletzungen differenzierend Sternberg-Lieben in BeckOK-UrhG, § 106 Rz. 18 f. Cornils, JZ 1999, 394, 396 f.; Eser in S/S-StGB29, § 9 Rz. 4, 7b. Werle/Jeßberger in LK-StGB12, § 9 Rz. 80; klar abl. auch BGH v. 19.8.2014 – 3 StR 88/14, NStZ 2015, 81, 82; unentschlossen Ambos in MüKo-StGB2, § 9 Rz. 29. Vgl. BGH v. 11.9.2012 – 1 StR 154/12, BeckRS 2012, 19689 (zum Eintritt eines „Zwischenerfolgs“ in Form von Irrtum oder Vermögensverfügung beim Betrug); Fischer, StGB63, § 9 Rz. 3. BGH v. 4.12.1992 – 2 StR 442/92, NJW 1993, 1405; OLG Koblenz v. 16.8.2011 – 1 Ws 427/11, wistra 2012, 39. Satzger in S/S/W-StGB2, § 9 Rz. 2; Ambos in MüKo-StGB2, § 9 Rz. 24; Fischer, StGB63, § 9 Rz. 3a; Werle/Jeßberger in LKStGB12, § 9 Rz. 40 f.

Schauenburg

29

StGB

§ 9 StGB Rz. 5

Strafgesetzbuch

5

Bei Unterlassungsdelikten (Abs. 1 2. Alt.) ist Ort der Tat nach h.M. sowohl der Aufenthaltsort des Täters zum Zeitpunkt des pflichtwidrigen Unterlassens als auch der Ort, an dem der Täter hätte handeln müssen, um den Erfolg abzuwenden.1

6

Bei mittäterschaftlicher Begehung ist nach h.M. für jeden Mittäter ein inländischer Begehungsort gegeben, sofern nur ein Täter im Inland gehandelt hat, weil die Zurechnung auch den Ort erfasse.2 Dies gilt nach der Rspr. auch dann, wenn es sich nur um Tatbeiträge im Vorbereitungsstadium handelt.3

C. Erfolgsort 7

Neben dem Handlungsort begründet auch der Erfolgsort einen Tatort. Dies gilt für Begehungs- und unechte Unterlassungsdelikte gleichermaßen; echte Unterlassungsdelikte haben typischerweise keinen Erfolgsort.4 Es muss sich um einen Erfolg handeln, der Teil des gesetzlichen Tatbestands ist;5 faktische Auswirkungen der Tat, die für die Tatbestandsverwirklichung keine Bedeutung haben, schaffen keinen Erfolgsort.6 Ein Zwischenerfolg ist ausreichend, sofern er notwendiger Teil des gesetzlichen Tatbestands ist, wie bspw. der Irrtum oder die Vermögensverfügung im Rahmen des Betrugs.7 Nach h.M. begründet auch der Ort, an dem eine objektive Bedingung der Strafbarkeit eintritt, einen Erfolgsort i.S.d. § 9 StGB;8 dasselbe gilt für Qualifikationsmerkmale.9 Bei Delikten mit überschießender Innentendenz begründet der Ort, an dem der beabsichtige Erfolg eintritt oder eintreten soll, keinen Tatort.10

8

Für Betrug und Untreue kommt es nach diesen Grundsätzen darauf an, wo der tatbestandsmäßige Vermögensschaden eintritt. Deshalb begründet eine Untreuehandlung gegenüber einer Kapitalgesellschaft keinen Erfolgsort am Wohnort der Gesellschafter,11 und Betrug oder Untreue gegenüber einer ausländischen Tochtergesellschaft begründen keinen Erfolgsort am (inländischen) Sitz der Muttergesellschaft, weil der tatbestandsmäßige Vermögensschaden nur bei der Tochtergesellschaft eintritt.12 Zu beachten ist weiterhin, dass mit dem Vorliegen eines Gefährdungsschadens regelmäßig der tatbestandsmäßige Erfolg eingetreten ist und die spätere Weiterleitung oder der Verbrauch der erlangten Gelder keinen weiteren Erfolgsort begründen kann.13

9

Die Diskussion um einen möglichen Erfolgsort bei abstrakten Gefährdungsdelikten dürfte an praktischer Bedeutung verlieren, nachdem der 3. Strafsenat des BGH sich hier in einer Entscheidung zu § 86a StGB für eine strikt am Wortlaut orientierte Auslegung ausgesprochen hat.14 Während konkrete Gefährdungsdelikte mit dem Ort des Eintritts der Gefahr nach allgemeiner Ansicht über einen Erfolgsort i.S.d. § 9 StGB verfügen,15 ist dies für abstrakte Gefährdungsdelikte umstr. Für den Bereich des Wirtschaftsstrafrechts, das den Schutz überindividueller Interessen häufig durch als abstrakte Gefährdungsdelikte ausgestaltete Tatbestände bezweckt,16 hat die Frage besondere Relevanz. 1 Ambos in MüKo-StGB2, § 9 Rz. 14, 15; Satzger in S/S/W-StGB2, § 9 Rz. 3; Fischer, StGB63, § 9 Rz. 3, 9; Eser in S/SStGB29, § 9 Rz. 5. A.A. Böse in NK-StGB4, § 9 Rz. 7: Nur Aufenthaltsort. Tendenziell umgekehrt Werle/Jeßberger in LKStGB12, § 9 Rz. 20: Nur Ort, an dem der Täter hätte handeln müssen. Eingehend zur Problematik Rotsch, ZIS 2010, 168, 171 f. 2 Böse in NK-StGB4, § 9 Rz. 5; Satzger in S/S/W-StGB2, § 9 Rz. 10; Eser in S/S-StGB29, § 9 Rz. 4; Werle/Jeßberger in LKStGB12, § 9 Rz. 11; OLG Hamm v. 7.5.2009 – (2) 4 Ausl. A 12/07, BeckRS 2010, 22926; a.A. Valerius, NStZ 2008, 121, 123 f.; Ambos in MüKo-StGB2, § 9 Rz. 10: Bei Straflosigkeit im Ausland nicht mit dem völkerrechtlichen Nichteinmischungsgrundsatz vereinbar. Eingehend zur Problematik Miller/Rackow, ZStW 117 (2005), 379, 407 f. 3 BGH v. 14.4.1999 – 3 StR 22–99, NJW 1999, 2683, 2684; BGH v. 20.1.2009 – 1 StR 705/08, NStZ-RR 2009, 197; BGH v. 14.4.2011 – 1 StR 458/10, wistra 2011, 335, 336. 4 Rotsch, ZIS 2010, 168, 171 f. 5 BGH v. 9.10.1964 – 3 StR 34/64, NJW 1965, 53, 55 = BGHSt 20, 45; BGH v. 25.4.2006 – 1 StR 519/05, NStZ 2006, 401, 401 f.; BGH v. 27.6.2006 – 3 StR 403/05, NStZ-RR 2007, 48, 50; OLG Köln v. 19.11.2008 – 82 Ss 89/08, StraFo 2009, 162. Zur Anwendbarkeit deutschen Strafrechts bei Unterstützung zur Hinterziehung deutscher Steuern im Ausland Bielefeld/Prinz, DStR 2008, 1122, 1123 f. 6 Vgl. OLG Stuttgart v. 30.10.2003 – 1 Ws 288/03, NStZ 2004, 402, 403; KG Berlin v. 24.3.2006 – Ws 52/06, NJW 2006, 3016, 3017 (jeweils für Hehlerei als schlichtes Tätigkeitsdelikt). 7 BGH v. 11.9.2012 – 1 StR 154/12, BeckRS 2012, 19689. 8 BGH v. 22.8.1996 – 4 StR 217/96, NJW 1997, 138, 140 = BGHSt 42, 235 (zu § 323a StGB); Hecker, ZIS 2011, 398, 399 ff.; Werle/Jeßberger in LK-StGB12, § 9 Rz. 37 m.w.N.; a.A. Satzger NStZ 1998, 112, 116 und Satzger in S/S/W-StGB, § 9 Rz. 5. 9 Böse in NK-StGB4, § 9 Rz. 9 m.w.N. Str. für Verwirklichung eines in einer Strafzumessungsregel enthaltenen „Erfolgs“; dagegen Böse in NK-StGB4, § 9 Rz. 9; a.A. Ambos in MüKo-StGB2, § 9 Rz. 9; Werle/Jeßberger in LK-StGB12, § 9 Rz. 37. 10 Werle/Jeßberger in LK-StGB12, § 9 Rz. 39; Rotsch in G/J/W, § 9 StGB Rz. 18; jeweils m.w.N. 11 BGH v. 25.4.2006 – 1 StR 519/05, NStZ 2006, 401, 402. 12 OLG Frankfurt v. 12.12.1988 – 1 Ws 229/88, NJW 1989, 675, 676; Böse in NK-StGB4, § 9 Rz. 10 m.w.N.; a.A. OLG Koblenz v. 17.11.1983 – 1 Ss 428/83, wistra 1984, 79, 80 („wirtschaftliche Betrachtungsweise“). 13 BGH v. 27.6.2006 – 3 StR 403/05, NStZ-RR 2007, 48, 50; Fischer, StGB63, § 9 Rz. 4a. 14 BGH v. 19.8.2014 – 3 StR 88/14, NStZ 2015, 81 m. abl. Anm. C. Becker; abl. auch Hecker, JuS 2015, 274, 275 f.; zu der Entscheidung weiterhin Busching, MMR 2015, 295. 15 Werle/Jeßberger in LK-StGB12, § 9 Rz. 27; Fischer, StGB63, § 9 Rz. 4d; jeweils m.w.N. 16 S. etwa Dannecker in W/J4, 1. Kap. Rz. 106 f.

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Schauenburg

§ 11 StGB

In einer Entscheidung zu § 130 StGB hatte der 1. Strafsenat des BGH sie für rein abstrakte Gefährdungsdelikte 10 noch offengelassen, für sog. abstrakt-konkrete Gefährdungsdelikte einen Erfolgsort aber dort bejaht, „wo die konkrete Tat ihre Gefährlichkeit im Hinblick auf das im Tatbestand umschriebene Rechtsgut entfalten kann“.1 Wegen der Beschränkung der Aussage auf abstrakt-konkrete Gefährdungsdelikte und den Ausführungen des Senats zum Rechtsgut des § 130 StGB mit seinem besonderen Bezug zur Bundesrepublik Deutschland und damit nach Auffassung des Gerichts gegebenen völkerrechtlich legitimierenden Anknüpfungspunkt2 war umstr., inwieweit sich die Entscheidung generell auf abstrakte Gefährdungsdelikte übertragen lässt. Der Auffassung, auch (rein) abstrakte Gefährdungsdelikte würden (überall dort, wo die abstrakte in eine kon- 11 krete Gefahr umschlagen kann) über einen Erfolgsort verfügen,3 hat der 3. Strafsenat des BGH eine klare Absage erteilt4 und sich damit der Meinung im Schrifttum angeschlossen, die davon ausgeht, dass bei abstrakten Gefährdungsdelikten allein der Handlungsort einen Tatort i.S.d. § 9 StGB begründen kann.5 Die Strafbarkeitslücken, die dadurch entstehen können, dass potentielle Täter „gezielt die Grenze überqueren“, erkennt der Senat, sieht hier aufgrund des eindeutigen Wortlauts des § 9 Abs. 1 StGB aber – „falls er dies für erforderlich hält“ – den Gesetzgeber in der Pflicht.6

D. Ort der Teilnahme; Inlandsteilnahme an Auslandstat Abs. 2 S. 1 bestimmt den Ort der Teilnahme, der danach sowohl am Ort der Haupttat (Var. 1) als auch an 12 dem Ort liegt, an dem der Teilnehmer gehandelt hat (Var. 2) oder handeln hätte müssen (Var. 3). Für die versuchte Teilnahme (§ 30 StGB) ist ein (zusätzlicher) Tatort dort begründet, wo nach Vorstellung des Täters die Tat begangen werden sollte (Var. 4).7 Über die Festlegung des Teilnahmeorts hinaus enthält Absatz 2 – in Satz 2 – eine spezielle strafanwendungs- 13 rechtliche Regelung für die Teilnahme an einer Auslandstat im Inland. Die Regelung, nach der die Inlandsteilnahme auch dann strafbar ist, wenn die Auslandstat nach dem Recht des Tatorts nicht strafbar ist, ist zu Recht umstr.8 Weil in dieser Konstellation die Haupttat regelmäßig nicht (über § 7 StGB) deutschem Strafrecht unterliegt, wird der Grundsatz der Akzessorietät der Teilnahme hier durchbrochen.9

§ 10

(vom Abdruck wird abgesehen)

Zweiter Titel. Sprachgebrauch

§ 11 Personen- und Sachbegriffe (1) Im Sinne dieses Gesetzes ist 1. Angehöriger: wer zu den folgenden Personen gehört: a) Verwandte und Verschwägerte gerader Linie, der Ehegatte, der Lebenspartner, der Verlobte, auch im Sinne des Lebenspartnerschaftsgesetzes, Geschwister, Ehegatten oder Lebenspartner der Geschwister, Geschwister der Ehegatten oder Lebenspartner, und zwar auch dann, wenn die Ehe oder die Lebenspartnerschaft, welche die Beziehung begründet hat, nicht mehr besteht oder wenn die Verwandtschaft oder Schwägerschaft erloschen ist, b) Pflegeeltern und Pflegekinder; 1 BGH v. 12.12.2000 – 1 StR 184/00, BGHSt 46, 212, 221 = NStZ 2001, 305, 308 m. Anm. Hörnle; eingehende Kritik bei Velten in FS Rudolphi, S. 329; krit. auch Fischer, StGB63, § 9 Rz. 8a. 2 BGH v. 12.12.2000 – 1 StR 184/00, NStZ 2001, 305, 309. 3 Werle/Jeßberger in LK-StGB12, § 9 Rz. 30 ff. m.w.N.; insbesondere für die abstrakten Gefährdungsdelikte im Bereich des Umweltstrafrechts Martin, passim; Martin, ZRP 1992, 19, 20 ff.; wohl auch Heinrich, GA 1999, 72 (nur, sofern keine völkerrechtlichen Grundsätze entgegenstehen). 4 BGH v. 19.8.2014 – 3 StR 88/14, NStZ 2015, 81, 82. 5 Eser in S/S-StGB29, § 9 Rz. 6a; Satzger in S/S/W-StGB2, § 9 Rz. 7; grundsätzlich (Ausnahme: Tatbestände mit „Tathandlungserfolg“) auch Sieber, NJW 1999, 2065, 2068 ff.; Ambos in MüKo-StGB2, § 9 Rz. 28 ff. und Böse in NK-StGB4, § 9 Rz. 10 ff.; speziell zu § 284 StGB Klengel/Heckler, CR 2001, 243, 248 f. 6 BGH v. 19.8.2014 – 3 StR 88/14, NStZ 2015, 81, 83. 7 Ambos in MüKo-StGB2, § 9 Rz. 37; Satzger in S/S/W-StGB2, § 9 Rz. 12; Werle/Jeßberger in LK-StGB12, § 9 Rz. 44. 8 Krit. insbesondere im Hinblick auf den völkerrechtlichen Nichteinmischungsgrundsatz etwa Ambos in MüKo-StGB2, § 9 Rz. 40 f.; insbesondere im Hinblick auf die Durchbrechung des Grundsatzes der Akzessorietät der Teilnahme Werle/ Jeßberger in LK-StGB12, § 9 Rz. 48 ff.; Magnus, NStZ 2015, 57, 61 ff.; s. insoweit auch Golombek, S. 180; a.A. (Norm mit Völkerrecht und Teilnahmeakzessorietät vereinbar) Satzger in S/S/W-StGB2, § 9 Rz. 13; grundsätzlich auch Böse in NKStGB4, § 9 Rz. 21 f. Eingehend zur Problematik Miller/Rackow, ZStW 117, 379, 389 ff. 9 Ambos in MüKo-StGB2, § 9 Rz. 39; Werle/Jeßberger in LK-StGB12, § 9 Rz. 48 ff.

Rübenstahl

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StGB

Personen- und Sachbegriffe

StGB

§ 11 StGB

Strafgesetzbuch

2. Amtsträger: wer nach deutschem Recht a) Beamter oder Richter ist, b) in einem sonstigen öffentlich-rechtlichen Amtsverhältnis steht oder c) sonst dazu bestellt ist, bei einer Behörde oder bei einer sonstigen Stelle oder in deren Auftrag Aufgaben der öffentlichen Verwaltung unbeschadet der zur Aufgabenerfüllung gewählten Organisationsform wahrzunehmen; 2a. Europäischer Amtsträger wer a) Mitglied der Europäischen Kommission, der Europäischen Zentralbank, des Rechnungshofs oder eines Gerichts der Europäischen Union ist, b) Beamter oder sonstiger Bediensteter der Europäischen Union oder einer auf der Grundlage des Rechts der Europäischen Union geschaffenen Einrichtung ist, oder c) mit der Wahrnehmung von Aufgaben der Europäischen Union oder von Aufgaben einer auf der Grundlage des Rechts der Europäischen Union geschaffenen Einrichtung ist. 3. Richter: wer nach deutschem Recht Berufsrichter oder ehrenamtlicher Richter ist; 4. für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichteter: wer, ohne Amtsträger zu sein, a) bei einer Behörde oder bei einer sonstigen Stelle, die Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnimmt, oder b) bei einem Verband oder sonstigen Zusammenschluß, Betrieb oder Unternehmen, die für eine Behörde oder für eine sonstige Stelle Aufgaben der öffentlichen Verwaltung ausführen, beschäftigt oder für sie tätig und auf die gewissenhafte Erfüllung seiner Obliegenheiten auf Grund eines Gesetzes förmlich verpflichtet ist; 5. rechtswidrige Tat: nur eine solche, die den Tatbestand eines Strafgesetzes verwirklicht; 6. Unternehmen einer Tat: deren Versuch und deren Vollendung; 7. Behörde: auch ein Gericht; 8. Maßnahmen: jede Maßregel der Besserung und Sicherung, der Verfall, die Einziehung und die Unbrauchbarmachung; 9. Entgelt: jede in einem Vermögensvorteil bestehende Gegenleistung. (2) Vorsätzlich im Sinne dieses Gesetzes ist eine Tat auch dann, wenn sie einen gesetzlichen Tatbestand verwirklicht, der hinsichtlich der Handlung Vorsatz voraussetzt, hinsichtlich einer dadurch verursachten besonderen Folge jedoch Fahrlässigkeit ausreichen läßt. (3) Den Schriften stehen Ton- und Bildträger, Datenspeicher, Abbildungen und andere Darstellungen in denjenigen Vorschriften gleich, die auf diesen Absatz verweisen. A. B. I. II.

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Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Absatz 1 Nr. 2 (Amtsträger) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Vorschrift im Einzelnen 1. Beamte im staatsrechtlichen Sinne (Absatz 1 Nr. 2 Buchst. a) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Sonstiges öffentlich-rechtliches Amtsverhältnis (Absatz 1 Nr. 2 Buchst. b) . . . . . . . . . . . . . . . 3. Bestellung zur Wahrnehmung von Aufgaben der öffentlichen Verwaltung (Absatz 1 Nr. 2 Buchst. c) a) Merkmale des Absatzes 1 Nr. 2 Buchst. c . . b) Fallgruppen zu Absatz 1 Nr. 2 Buchst. c . . . 4. Soldaten der Bundeswehr (§ 48 WStG) . . . . . .

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C. Absatz 1 Nr. 2a (Europäische Amtsträger) I. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die Vorschrift im Einzelnen 1. Merkmale des Absatzes 1 Nr. 2a a) Absatz 1 Nr. 2a Buchst. a (Mitglieder der EU-Institutionen) . . . . . . . . . . . b) Absatz 1 Nr. 2a Buchst. b (Sonstige Bedienstete) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Absatz 1 Nr. 2a Buchst. c (Wahrnehmung von Aufgaben der EU) . . . . 2. Praktischer Anwendungsbereich des Absatzes 1 Nr. 2a . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichtete (Absatz 1 Nr. 4) . . . . . . . . . .

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Rz. 2 § 11 StGB

Literatur: Bernsmann, Untreue und Korruption – der BGH auf Abwegen, GA 2009, 296 ; Bernsmann, Öffentliche Rundfunkanstalten – ohne „Amtsträger“?! in FS Herzberg, S. 167; Brockhaus/Haak, Praxistaugliche Änderungen zur Bekämpfung der Auslandskorruption?, HRRS 2015, 218; Deiters, Zur Frage der Strafbarkeit von Gemeinderäten wegen Vorteilsnahme und Bestechlichkeit, NStZ 2003, 453; Dölling, Anm. zu BGH v. 19.6.2008 – 3 StR 490/07, JR 2009, 426; Dölling, Amtsträgereigenschaft bei einer kommunalen Wohnungsbaugesellschaft, JR 2008, 171; Dölling, Anm. zu BGH v. 14.11.2003 – 2 StR 164/03, JR 2005, 30; Dötterl, Der Begriff des Amtsträgers in IntBestG und EUBestG, ZWH 2012, 54; Geppert, Amtsdelikte (§ 331 ff. StGB), Jura 1981, 42; Haft, Freiberufler sind keine Amtsträger, NJW 1995, 1113; Hauck, Über Sinn und Widersinn der von GRECO unterbreiteten Vorschläge zur Änderung der Korruptionstatbestände in §§ 108e, 299 und 331 ff. StGB, wistra 2010, 255; Heinrich, Der Amtsträgerbegriff im Strafrecht, Auslegungsrichtlinien unter besonderer Berücksichtigung des Rechtsguts der Amtsdelikte (2001); Hellmann, Amtsträgereigenschaft der Mitarbeiter der Gebühreneinzugszentrale der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten (GEZ)?, wistra 2007, 281; Hettinger, Das Strafrecht als Büttel?, NJW 1996, 2263; Horrer, Korruptionsbekämpfung auf Auslandsmärkten durch deutsches Strafrecht?, KritV 2010, 304; Jutzi, Genehmigung der Vorteilsannahme bei nicht in einem öffentlich-rechtlichen Amtsverhältnis stehenden Amtsträger, NStZ 1991, 105; Korte, Der Einsatz des Strafrechts zur Bekämpfung der internationalen Korruption, wistra 1999, 81; Krehl, Zur Amtsträgereigenschaft des Geschäftsführers einer GmbH, StV 2005, 325; Kubiciel/Spörl, Gesetz zur Bekämpfung der Korruption – Stellungnahme zum Referentenentwurf des Bundesministeriums für Justiz und für Verbraucherschutz, KPzKp 2014, 8; Kuhlen, Zu den Tathandlungen bei Vorteilsannahme und Bestechlichkeit, NStZ 1988, 433; Lenckner, Privatisierung der Verwaltung und „Abwahl des Strafrechts“?, ZStW 106 (1994), 502; Marel, Die Strafbarkeit kommunaler Mandatsträger gem. §§ 331, 332 StGB, StraFo 2003, 259; Mayen, Privatisierung öffentlicher Aufgaben – Rechtliche Grenzen und rechtliche Möglichkeiten, DÖV 2001, 111; Möhrenschlager, Erweiterung des strafrechtlichen Schutzes von Wehrdienstgeheimnissen, NZWehrr 1980, 81; Noltensmeier, Zur Amtsträgereigenschaft nach § 11 Abs. 1 Nr. 2 c StGB, StV 2006, 135; Ossenbühl, Zu StGB § 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c, JR 1992, 473; Otto, Amtsträgerbegriff innerhalb zivilrechtlich organisierter Daseinsvorsorge, Jura 1997, 47; Paeffgen, Amtsträgerbegriff und die Unabhängigkeit des Datenschutzbeauftragten, JZ 1997, 178; Rudolphi, Spenden an politische Parteien als Bestechungsstraftaten, NJW 1982, 1417; Radtke, Der strafrechtliche Amtsträgerbegriff und neue Kooperationsformen zwischen der öffentlichen Hand und Privaten (Public Private Partnership) im Bereich der Daseinsvorsorge, NStZ 2007, 57; Ransiek, Zur Amtsträgereigenschaft nach § 11 I Nr. 2c StGB, NStZ 1997, 519; Rübenstahl, Die Amtsträgerkorruptionsdelikte nach italienischem und deutschem Recht, 2012; Rübenstahl, Der Amtsträger eines anderen EU-Mitgliedsstaats im EUBestG, ZWH 2012, 179; Rübenstahl, Korruptionsdelikte und Pharmamarketing – Sind Vertragsärzte Amtsträger oder Beauftragte der Krankenkassen?, HRRS 2011, 324; Rübenstahl, Amtsträgereigenschaft bei Ingenieur eines Tochterunternehmens der Deutschen Bahn, NJW 2008, 3727; Rübenstahl, Die Angehörigen kommunaler Parlamente als Amtsträger (§ 11 Abs. 1 Nr. 2b StGB) und ihre Strafbarkeit nach den Bestechungsdelikten (§§ 331 ff. StGB), HRRS 2006, 23; Rust/Wostry, Die Tätertauglichkeit des Vorstandes gesetzlichen Krankenkasse, MedR 2009, 320; Saliger, Kick-Back, PPP, Verfall – Korruptionsbekämpfung im Kölner Müllfall, NJW 2006, 3377; Satzger, „Schwarze Kassen“ zwischen Untreue und Korruption, NStZ 2009, 297; Schoch, Rechtsfragen der Privatisierung von Abwasserbeseitigung und Abfallentsorgung, DVBl 1994, 3; Schuster/Rübenstahl, Praxisrelevante Probleme des internationalen Korruptionsstrafrechts, wistra 2008, 201; Sinner, Aufgabenprivatisierung und Amtsträgerbegriff, HRRS 2008, 327; Tsambikakis, Zur Frage der Korruptionsstrafbarkeit von Ärzten, JR 2011, 538; Weiser, Die Amtsträgereigenschaft der Mitarbeiter von staatlich beauftragten privaten Planungsbüros, NJW 1994, 968; Welp, Der Amtsträgerbegriff, in FS Lackner (1987), S. 761; Zieschang, Amtsträgereigenschaft nach erfolgter Privatisierung“ StV 2009, 74.

A. Einführung § 11 verfolgt als Norm des Allgemeinen Teils den Zweck, im Strafgesetzbuch oft vorkommende Begriffe – Per- 1 sonen- und Sachbegriffe – zur Verbesserung einer einheitlichen Rechtsanwendung allgemein zu definieren.1 Nach Art. 1 EGStGB gelten die Bestimmungen für das gesamte Bundes- und Landesstrafrecht, somit auch für das Nebenstrafrecht.2 Die Zusammenstellung von Legaldefinitionen in den §§ 11 und 12 ist nicht erschöpfend, solche finden sich verstreut im StGB. Überwiegend sind die Legaldefinitionen für das Wirtschaftsstrafrecht ohne praktische Bedeutung. Insofern bleiben sie hier unkommentiert; dies gilt insbesondere für Abs. 1 Nr. 1, Absatz 2. Soweit sie keine besondere Relevanz im Wirtschaftsstrafrecht haben (Abs. 1 Nr. 5, Nr. 6 und Absatz 3) erfolgen nur knappe Anmerkungen.

B. Absatz 1 Nr. 2 (Amtsträger) I. Allgemeines Die Vorschrift beinhaltet in Nr. 2 Buchst. a bis c abschließende Legaldefinitionen des Begriffs des Amtsträgers.3 2 Als Amtsträger sind insgesamt solche Personen bezeichnet, die in einem bestimmten Dienst- oder Auftragsverhältnis zu einer öffentlichen Stelle stehen.4 Nr. 2 Buchst. a und Buchst. b bestimmen den Amtsträgerbegriff primär formell-institutionell, Buchst. c hat einen überwiegend materiell-funktionellen Anknüpfungspunkt.5 Maßgeblich ist für die Amtsträgerstellung nach dem Wortlaut des Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a und b grundsätzlich nicht die Tätigkeit im konkreten Einzelfall, sondern eine zumindest auf eine gewisse Dauer angelegte Aufgabenstellung. Zur Beschreibung der Stellung und Funktion greifen die Legaldefinitionen des Abs. 1 Nr. 2 vielfach auf Begriffe des öffentlichen Rechts zurück. Hierdurch ergibt sich eine gewisse Orientierung der strafrechtlichen Amtsträger1 BT-Drucks. IV/650, S. 114; vgl. BR-Drucks. 25/15, S. 11. 2 Saliger in NK-StGB, § 11 Rz. 3. Durch das 2. KorrbekG wurden Normen des Nebenstrafrechts in § 11 Nr. 2a überführt und Anpassungen in § 5 StGB vorgenommen, vgl. BR-Drucks. 25/15, S. 1. 3 BT-Drucks. 7/550, S. 208 ff.; Fischer, StGB, § 11 Rz. 12; Saliger in NK-StGB, § 11 Rz. 15. 4 Saliger in NK-StGB, § 11 Rz. 17. 5 Saliger in NK-StGB, § 11 Rz. 15; Radtke in MüKo-StGB, § 11 StGB Rz. 17 m.w.N.

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Personen- und Sachbegriffe

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§ 11 StGB Rz. 3

Strafgesetzbuch

eigenschaft am öffentlichen Recht, aber keine strikte Verwaltungsrechtsakzessorietät.1 Systematisch steht die Regelung im Zusammenhang mit Abs. 1 Nr. 3 und 4 (s. unten Rz. 57). Abs. 1 Nr. 2 ist vor allem bei der Bekämpfung der Korruption rechtspraktisch von großer Bedeutung, weil die Vorschrift entweder über die Strafbarkeit nach den §§ 331 ff. überhaupt oder über die Anwendbarkeit der schärferen §§ 331 ff. im Verhältnis zu §§ 299, 299a, 299b entscheidet.2 3

Die Vorschrift der Nr. 2 erfasst allein Amtsträger, die nach deutschem Recht zu ihren Aufgaben bestellt worden sind. Eine Bestellung beruht auf deutschem Recht, wenn ihre Beurteilungsgrundlage das innerhalb der Bundesrepublik Deutschland geltende Bundes- oder Landesrecht ist, womit die im Dienste des Bundes, der Länder, der Gemeinden, Gemeindeverbände, Körperschaften, Anstalten oder Stiftungen des öffentlichen Rechts tätigen Amtsträger erfasst werden.3 Der Amtsträgerbegriff der Nr. 2 erfasst grundsätzlich nicht kirchliche Amtsträger und Amtsträger anderer Religionsgesellschaften des öffentlichen Rechts, wohl aber Kirchenbeamte, soweit diese ihnen besonders übertragene Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnehmen, wie bspw. Religionslehrer an öffentlichen Schulen oder kirchliche Mitarbeiter in öffentlichen Sozialdiensten.4 Nicht erfasst sind ferner Soldaten, die militärische Aufgaben wahrnehmen; für sie gilt als lex specialis § 48 WStG.5

II. Die Vorschrift im Einzelnen 1. Beamte im staatsrechtlichen Sinne (Absatz 1 Nr. 2 Buchst. a) 4

Die Bestimmung der Amtsträgerstellung nach § 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a (Beamter oder Richter) verursacht in der Praxis kaum rechtliche Probleme, da sich diese streng nach dem öffentlichen Recht richtet.6 Amtsträger nach § 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a sind alle Beamten im sog. staatsrechtlichen Sinne, Wesensmerkmal ist hiernach das Bestehen eines öffentlich-rechtlichen Gewaltverhältnisses.7 Dieses entsteht, wenn der Betreffende nach Bundes- oder Landesrecht – je nach Anstellungsbehörde8 – von einer zuständigen Stelle durch einen öffentlich-rechtlichen Akt in das Beamtenverhältnis9 berufen wird. Hierbei kann nicht ins Gewicht fallen, ob er als Wahlbeamter,10 im Nebenamt,11 auf Lebenszeit, auf Zeit, auf Widerruf oder auf Probe angestellt wird.12 Strafrechtlich zwingend ist nur die wirksame Berufung in das Beamtenverhältnis nach den Beamtengesetzen des Bundes oder der Länder, Rechtsfehler unterhalb der (Nichtigkeits-)Schwelle sind unbeachtlich.13 In Betracht kommt bei Nichtigkeit indes eine Amtsträgerstellung nach § 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c.14

5

Aufgrund des staatsrechtlichen, also formell-institutionellen Beamtenbegriffes,15 ist unerheblich, in welcher Handlungsform die Aufgabe ausgeübt wird, etwa innerhalb privatrechtlicher oder hoheitlicher Struktur. Umfasst ist demnach auch ein Handeln in einem privatrechtlich organisierten Unternehmen der öffentlichen Hand oder eine Ausübung nach Art eines Geschäftsmannes oder Gewerbebetreibenden.16 Ausnahmen macht die h.M. in Rspr. und Literatur allenfalls, wenn die dem Beamten im staatsrechtlichen Sinn übertragene Aufgabe völlig außerhalb des Aufgabenbereichs der Anstellungsbehörde liegt.17 Der Beamte im (endgültigen) Ruhestand ist nicht mehr Beamter im staatsrechtlichen Sinn und deshalb kein Amtsträger bei einer Versetzung in den vorläufigen Ruhestand oder bei einer vorläufigen Amtsenthebung bleibt die Amtsträgerstellung erhalten.18

1 Rübenstahl, Amtsträgerkorruptionsdelikte, S. 286 m.w.N. 2 Vgl. BGH v. 18.4.2007 – 5 StR 506/06 = NJW 2007, 2932; OLG Stuttgart v. 15.10.2008 – 2 Ss 371/08, StV 2009, 77 und BGH v. 15.3.2001 – 5 StR 454/00, BGHSt 46, 310, 311; v. 16.7.2004 – 2 StR 486/03, BGHSt 49, 214, 227; v. 2.12.2005 – 5 StR 119/05, BGHSt 50, 299, 303. 3 BT-Drucks. 7/550, S. 210; Saliger in NK-StGB, § 11 Rz. 17. 4 BT-Drucks. 7/550, S. 209; BGH v. 9.10.1990 – 1 StR 538/89, BGHSt 37, 191, 194 ff.; OLG Düsseldorf v. 16.10.2000 – 1 Ws 534/00 = NJW 2001, 85; OLG Karlsruhe v. 21.9.1988 – 3 Ws 13/88 = NJW 1989, 238. 5 BT-Drucks. 7/550, S. 209; Fischer, StGB, § 11 Rz. 16; Möhrenschlager, NZWehrr 1980, 81. 6 Radtke in MüKo-StGB, § 11 Rz. 19; Eser/Hecker in S/S-StGB, § 11 Rz. 18/19. 7 BT-Drucks. 7/550, S. 209; BGH v. 24.1.1952 – 3 StR 913/51, BGHSt 2, 119, 120; BGH v. 9.10.1990 – 1 StR 538/89, BGHSt 37, 192; Fischer, StGB, § 11 Rz. 13–15. 8 BGH v. 24.1.1952 – 3 StR 913/51, BGHSt 2, 119, 120. 9 Vgl. etwa §§ 2, 6, 52 ff., 79 ff. BBG, vgl. BGH v. 24.1.1952 – 3 StR 913/51, BGHSt 2, 119, 120. 10 BGH v. 3.12.1987 – 4 StR 554/87, BGHSt 35, 128, 132; Kuhlen, NStZ 1988, 433. 11 Fischer, StGB, § 11 Rz. 13; Radtke in MüKo-StGB, § 11 Rz. 20. 12 Fischer, StGB, § 11 Rz. 14; Befristung bzw. Vorläufigkeit ist unschädlich. 13 Aushändigung einer Ernennungsurkunde ist erforderlich, Radtke in MüKo-StGB, § 11 Rz. 20 m.w.N.; Fischer, StGB, § 11 Rz. 14. 14 Fischer, StGB, § 11 Rz. 14; dem könnte entgegen gehalten werden, dass Buchst. c kein Auffangtatbestand ist, sondern einen eigenen Funktionsbereich hat, der bei einer nichtigen Beamtenernennung nicht berührt wird. 15 Saliger in NK-StGB, § 11 Rz. 20. 16 Saliger in NK-StGB, § 11 Rz. 20. 17 Eser/Hecker in S/S-StGB, § 11 Rz. 18; a.A. zu Recht Radtke in MüKo-StGB, § 11 Rz. 23, danach ist allein die formale Rechtsstellung maßgeblich, an diese knüpft sich schließlich auch das Vertrauen des Bürgers in das lautere Handeln des Amtsträgers. 18 Fischer, StGB, § 11 Rz. 14; Radtke in MüKo-StGB, § 11 Rz. 24 ff. (vgl. § 35 BBG).

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Rübenstahl

Rz. 10 § 11 StGB

Richter i.S.v. §§ 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a Alt. 2 und Nr. 3 sind Personen, die nach deutschem Recht, d.h. nach 6 Bundesrecht (insb. § 2 DRiG) oder Landesrecht, Berufsrichter oder ehrenamtliche Richter sind, d.h. die richterliche Staatsgewalt gem. Artt. 92, 97 GG unabhängig ausüben und nur an Gesetz und Recht gebunden sind.1 Berufsrichter sind die durch Aushändigung einer Ernennungsurkunde von der nach dem Gesetz zuständigen 7 Stelle wirksam in das Richteramt berufenen Personen, d.h. Richter in allen Zweigen der staatlichen Gerichtsbarkeit, auch Richter auf Zeit, auf Probe und kraft Auftrags und die Richter des Bundesverfassungsgerichts.2 Ehrenamtliche Richter sind in der Strafgerichtsbarkeit die Schöffen, bei den Kammern für Handelssachen die Handelsrichter, i.Ü. in der Zivil-, Verwaltungs-, Finanz-, Arbeits- und Sozialgerichtsbarkeit die explizit so genannten „ehrenamtlichen Richter“, ferner die Mitglieder der Ehrengerichte und die anwaltlichen Mitglieder des Ehrengerichtshofs für Rechtsanwälte.3 Schiedsrichter, die ihre Tätigkeit auf privatrechtlicher Grundlage – etwa einer Schiedsvereinbarung – ausüben, sind mangels Ausübung der rechtsprechenden Staatsgewalt keine Richter i.S.d. Nr. 3 und haben mithin keine Amtsträgerstellung; dies gilt insbesondere auch für Sportschiedsrichter.4 2. Sonstiges öffentlich-rechtliches Amtsverhältnis (Absatz 1 Nr. 2 Buchst. b) Bei dem sonstigen öffentlich-rechtlichen Amtsverhältnis handelt es sich um ein Rechtsverhältnis mit dem Staat 8 oder mit ihm nachgeordneten Rechtssubjekten, das einem Beamtenverhältnis in Hinblick auf Dienst- und Treuepflichten ähnelt, ohne dass es hier für die Begründung der Amtsträgereigenschaft auf den Inhalt der übertragenen und ausgeübten Tätigkeiten ankäme.5 Der Begriff ist im Gegensatz zu dem des Beamten nicht verwaltungs- bzw. staatsrechtsakzessorisch bestimmbar, da entsprechende Regelungen zu „sonstigen Amtsverhältnissen“ fehlen.6 Aus dem Wortlaut „sonstigen“ ergibt sich aber, dass auch hier ein „ähnlich formell-institutionell(es)“ Grundverhältnis der Anknüpfungspunkt ist.7 Es finden sich einzelne gesetzliche Bestimmungen öffentlich-rechtlichen Charakters, die die Rechtsstellung der im 9 öffentlichen Sektor, insbesondere in Regierung und sonstiger Exekutive, tätigen Funktionsträger beschreiben und denen durch Auslegung zu entnehmen ist, dass sie öffentlich-rechtliche Amtsverhältnisse beschreiben.8 § 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b erfasst deshalb eine heterogene Gruppe von Funktionsträgern mit öffentlich-rechtlicher Bindung an Körperschaften des öffentlichen Rechts, deren sonstige Amtsträgerstellung nach Nr. 2 Buchst. b allgemein anerkannt ist.9 Dies gilt etwa für den Bundespräsidenten,10 den Bundeskanzler und die Bundesminister,11 die parlamentarischen 10 Staatssekretäre in den Bundesministerien,12 den Wehrbeauftragten des Bundestages,13 die Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder,14 Notare und Notarassessoren, die nicht schon Beamte im staatsrechtlichen Sinne sind,15 sowie Rechtsreferendare und Referendare, die nicht in einem Beamtenverhältnis stehen.16 Entsprechendes gilt nach h.M. für die Präsidenten des Bundestages und der Landtage, deren Ausschussvorsitzende17 und wohl auch für Angehörige von Untersuchungsausschüssen,18 soweit sie der Sache nach durch hoheitliche Befugnisse geprägte Verwaltungstätigkeiten19 ausführen, die funktionell von ihrer organschaftlichen Stellung als bloße Mitglie1 Eser/Hecker in S/S-StGB, § 11 Rz. 29; Radtke in MüKo-StGB, § 11 Rz. 93. Maßgeblich ist die Nennung in § 11 Abs. 1 Nr. 3, dagegen stellt § 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a, Alt. 2 klar, dass der Richter zwar Amtsträger, nicht aber Beamter im beamtenrechtlichen Sinne ist, s. Saliger in NK-StGB, § 11 Rz. 23. 2 Fischer, StGB, § 11 Rz. 24; vgl. §§ 11 ff., 69 DRiG; Saliger in NK-StGB, § 11 Rz. 45. 3 Fischer, StGB, § 11 Rz. 24; Radtke in MüKo-StGB, § 11 Rz. 95 m.w.N.; vgl. §§ 44, 45, 45a DRiG und §§ 92 ff. BRAO. 4 Fischer, StGB, § 11 Rz. 24; Radtke in MüKo-StGB, § 11 Rz. 96; Eser/Hecker in S/S-StGB, § 11 Rz. 30; vgl. Heinrich, Amtsträgerbegriff, S. 347 m.w.N. 5 Radtke in MüKo-StGB, § 11 Rz. 32; Heinrich, Amtsträgerbegriff, S. 350–353; Lenckner, ZStW 106 (1994), 502, 523; Welp in FS Lackner, S. 761, 763. 6 Radtke in MüKo-StGB, § 11 Rz. 32. 7 Saliger in NK-StGB, § 11 Rz. 24. 8 Radtke in MüKo-StGB, § 11 Rz. 33. 9 Heinrich, Amtsträgerbegriff, S. 353; eingehend auch Rübenstahl, Amtsträgerkorruptionsdelikte, S. 295 ff. 10 Radtke in MüKo-StGB, § 11 Rz. 35; Rudolphi/Stein in SK-StGB, § 11 Rz. 20; Rudolphi, NJW 1982, 1417, 1418; a.A. Geppert, Jura 1981, 42, 44. 11 Eser/Hecker in S/S-StGB, § 11 Rz. 19; Radtke in MüKo-StGB, § 11 Rz. 34; Heinrich, Amtsträgerbegriff, S. 355. 12 Fischer, StGB, § 11 Rz. 16; Heger in Lackner/Kühl, StGB, § 11 Rz. 5; Radtke in MüKo-StGB, § 11 Rz. 34; Heinrich, Amtsträgerbegriff, S. 356; Rudolphi, NJW 1982, 1417, 1418; Welp in FS Lackner, S. 761, 764. 13 Vgl. BGBl. I 1982, 677. 14 Vgl. BT-Drucks. 7/550, S. 209; Eser/Hecker in S/S-StGB, § 11 Rz. 19; Radtke in MüKo-StGB, § 11 Rz. 38; Rudolphi/Stein in SK-StGB, § 11 Rz. 20; Heinrich, Amtsträgerbegriff, S. 357; Paeffgen, JZ 1997, 178. 15 Beamte i.S.v. Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a sind die badischen (Amts-)Notare und die württembergische (Bezirks-)Notare, vgl. §§ 114, 115 BNotO. 16 Radtke in MüKo-StGB, § 11 Rz. 37. 17 Vgl. Heinrich, Amtsträgerbegriff im Strafrecht, S. 672. 18 Vgl. §§ 4, 5, 36 PUAG v. 19.6.2001, BGBl. I 2001, 1142 ff. 19 Vgl. Paeffgen, JZ 1997, 178 ff. (Ausübung des Hausrechts und der Polizeigewalt, Verwaltung der wirtschaftlichen Angelegenheiten des Parlaments, Vertretung des Landes bzw. Bundes im Rahmen der Verwaltung des Parlaments, Einstellung und Entlassung sowie Dienstaufsicht über Beamte, Angestellte und Arbeiter des Parlaments).

Rübenstahl

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Personen- und Sachbegriffe

StGB

§ 11 StGB Rz. 11

Strafgesetzbuch

der der legislativen Gewalt zu trennen sind, so dass sie nicht als Parlamentarier, sondern als Dienstvorgesetzte der Bediensteten des Parlaments oder als Leiter (ggf. eines Teils) der Parlamentsverwaltung mit unmittelbarer Außenwirkung tätig werden.1 11

Abgeordnete des Bundes und der Länder sowie vergleichbare kommunale Mandatsträger fallen hingegen nach h.M. nicht unter Abs. 2 Nr. 2 Buchst. b oder Nr. 2 Buchst. c, da seit 1994 § 108e StGB eine abschließende Sondervorschrift für die Strafbarkeit der aktiven und passiven Bestechung von (Parlaments-)Abgeordneten darstellt, der die §§ 331 ff. i.V.m. 11 Abs. 1 Nr. 2 verdrängt.2 3. Bestellung zur Wahrnehmung von Aufgaben der öffentlichen Verwaltung (Absatz 1 Nr. 2 Buchst. c) a) Merkmale des Absatzes 1 Nr. 2 Buchst. c

12

Nach Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c sind Amtsträger auch Personen, die sonst dazu bestellt (Rz. 28) sind, bei einer Behörde (Rz. 17) oder bei einer sonstigen Stelle (Rz. 18 ff.) oder in deren Auftrag (Rz. 28) Aufgaben der öffentlichen Verwaltung (Rz. 13 ff.) wahrzunehmen. Entscheidend ist für Buchst. c besonders die Wahrnehmung von Aufgaben der öffentlichen Verwaltung (vgl. Art. 130 Abs. 1 GG; § 1 VwVfG), wobei nicht die Form der Aufgabenausübung, sondern die damit verbundene Funktion maßgeblich ist (sog. eingeschränkt-funktionale Betrachtungsweise).3 Außerdem ergibt sich aus Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c (a.E.) „unbeschadet der (…) Organisationsform“, dass aus einer privatrechtlichen Organisationsform nicht zwingend auf die fehlende Amtsträgereigenschaft der handelnden Personen geschlossen werden kann.4

13

Aufgaben der öffentlichen Verwaltung sind solche (str.), die ein Hoheitsträger zulässigerweise für sich in Anspruch nehmen bzw. an sich ziehen darf.5 Von dieser weiten Definition werden nur negativ solche Tätigkeitsbereiche ausgeschlossen, denen jegliche öffentliche, allgemeinwohlorientierte Zielsetzung fehlt.6 Nach allgemeiner Auffassung ist jedenfalls die sog. Eingriffsverwaltung stets eine Aufgabe öffentlicher Verwaltung i.S.v. Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c.7

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Nach herrschender Rspr. gehört auch die Leistungsverwaltung einschließlich der Daseinsvorsorge durchgängig zu den Aufgaben der öffentlichen Verwaltung i.S.d. Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c.8 Daseinsvorsorge liegt vor, wenn die Erfüllung der durch den Staat übernommenen Aufgabe vorrangig im Interesse der Allgemeinheit liegt.9 Eine zusätzlich bestehende Gewinnerzielungsabsicht steht der Einstufung als öffentliche Aufgabe unter den Gegebenheiten moderner, d.h. in marktwirtschaftliche Zusammenhänge integrierter Verwaltung nicht entgegen.10

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Nach langjähriger Rspr. sind auch fiskalische (Hilfs-)Geschäfte der öffentlichen Verwaltung, die sich als Verwaltung des staatlichen Vermögens und damit als Ausdruck der Staatshoheit verstehen lassen, als hoheitliche Tätigkeiten anzusehen.11 Jedenfalls die im engen Zusammenhang mit der Erfüllung von Aufgaben der öffentlichen Verwaltung stehenden Maßnahmen der Auftragsvergabe und Beschaffung sind somit nach h.M. ebenfalls (akzessorische) Aufgaben der öffentlichen Verwaltung i.S.d. § 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c.12 Abzulehnen ist hingegen 1 Paeffgen, JZ 1997, 178, 181; Heinrich, Amtsträgerbegriff, S. 672 ff. a.A. OLG Dresden v. 19.4.1995 – 1 SW 233/94 (unveröffentlicht, teilw. abgedruckt bei Paeffgen a.a.O.). 2 BGH v. 9.5.2006 – 5 StR 453/05, BGHSt 5, 105 ff.; BGH v. 9.5.2006 – 5 StR 453/05, BGHSt 51, 44, 46 ff., 59 f.; Fischer, StGB, § 11 Rz. 16; Heinrich, Amtsträgerbegriff, S. 673/674; Deiters, NStZ 2003, 453 m.w.N. 3 Eingehend Rübenstahl, Amtsträgerkorruptionsdelikte, S. 299 ff. m.w.N. 4 Entsprechende Änderung des Wortlauts durch das Gesetz zur Bekämpfung der Korruption v. 13.8.1997, BGBl. I, 2038; Gesetzesbegründung in BT-Drucks. 13/5584, S. 9; BGH v. 19.12.1997 – 2 StR 521/97, BGHSt 43, 370, 377; BGH v. 15.3.2001 – 5 StR 454/00, BGHSt 46, 310, 312; Fischer, StGB, § 11 Rz. 21; Radtke in MüKo-StGB, § 11 Rz. 47; Heger in Lackner/Kühl, StGB, § 11 Rz. 9. 5 Radtke in MüKo-StGB, § 11 Rz. 48 m.w.N. 6 KG v. 15.11.1993 – (4) 2 HEs 15/93 (177/93) - Ws 272/93, NStZ 1994, 242; Eser/Hecker in S/S-StGB, § 11 Rz. 22; Fischer, StGB, § 11 Rz. 22; Ossenbühl, JR 1992, 473 m.w.N.; krit. gegenüber dem Aussagewert des Merkmals Radtke in MüKo-StGB, § 11 Rz. 48. 7 BT-Drucks. 7/550, S. 209; BGH v. 29.1.1992 – 5 StR 338/91, BGHSt 38, 199, 201; OLG Karlsruhe v. 26.10.1982 – 3 Ws 149/82, NJW 1983, 352; Fischer, StGB, § 11 Rz. 22; Eser/Hecker in S/S-StGB, § 11 Rz. 21; Radtke in MüKo-StGB, § 11 Rz. 49; Lenckner, ZStW 106 (1994), 502, 526; Ransiek, NStZ 1997, 519, 521. 8 BGH v. 6.4.1954 – 2 StR 70/54, BGHSt 6, 17, 19; BGH v. 10.3.1983 – 4 StR 375/82, BGHSt 31, 264, 268; BGH v. 29.1.1992 – 5 StR 338/91, BGHSt 38, 199, 201; BGH v. 19.12.1997 – 2 StR 521/97, BGHSt 43, 370 ff.; OLG Karlsruhe v. 26.10.1982 – 3 Ws 149/82 0, NJW 1983, 352; vgl. bereits, RGSt 74, 268; RGSt 76, 105, 106; Fischer, StGB, § 11 Rz. 22; Eser/Hecker in S/S-StGB, § 11 Rz. 22; Heger in Lackner/Kühl, StGB, § 11 Rz. 9; Radtke in MüKo-StGB, § 11 Rz. 50. 9 KG v. 15.11.1993 – (4) 2 HEs 15/93 (177/93) - Ws 272/93, NStZ 1994, 242; Ransiek, NStZ 1997, 519, 520/521; Radtke in MüKo-StGB, § 11 Rz. 52. 10 BGH v. 12.7.2001 – 4 StR 550/00, NJW 2001, 3062, 3064; BGH v. 14.11.2003 – 2 StR 164/03, NJW 2004, 693 ff.; BGH v. 11.5.2006 – 3 StR 389/05, NStZ 2006, 628, 639; BGH v. 18.4.2007 – 5 StR 506/06, NJW 2007, 2932, 2934. 11 RGSt 67, 299, 300 ff.; RGSt 74, 105, 108; RGSt 74, 251, 253; BGH v. 24.1.1952 – 3 StR 913/51, BGHSt 2, 119, 120; BGH v. 13.11.1951 – 1 StR 89/51, NJW 1952, 191. 12 BGH v. 10.2.1994 – 1 StR 792/93, NStZ 1994, 277; BGH v. 19.12.1997 – 2 StR 521/97, BGHSt 43, 370, 372 (Ankauf von Containern für die Entwicklungshilfe); BGH v. 29.1.1998 – 1 StR 64–97, NJW 1998, 2373 (Ausschreibung, Vergabe und Überwachung von öffentlichen Bauaufträgen); BGH v. 29.1.1998 – 1 StR 64/97, NJW 1998, 2373 (Auftragsvergabe

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Rübenstahl

Rz. 19 § 11 StGB

die Einbeziehung rein gewinnorientierter, erwerbswirtschaftlicher Betätigung von Körperschaften des öffentlichen Rechts, da insofern eine Teilnahme am privatwirtschaftlich organisierten Wettbewerb stattfindet.1 Dies muss jedenfalls insoweit gelten, als der entsprechende Markt und die konkrete Form der erwerbswirtschaftlichen Teilnahme der Behörde oder Stelle an diesem Marktgeschehen nicht bzw. nicht mehr öffentlich-rechtlich geprägt sind.2 Der BGH hat sich einer eindeutigen Stellungnahme hierzu bisher enthalten.3 Neben dem behandelten funktionellen Aspekt – der Wahrnehmung von Aufgaben der öffentlichen Verwaltung 16 – ist nach dem Wortlaut der Norm für das Vorliegen der Voraussetzungen des Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c grundsätzlich auch die Existenz gewisser institutioneller Gegebenheiten erforderlich. Die betreffende Person muss Aufgaben der öffentlichen Verwaltung bei einer Behörde, bei einer sonstigen Stelle der öffentlichen Verwaltung oder in deren Auftrag wahrnehmen. Bei der Prüfung, ob Tätigkeiten „bei einer Behörde“ ausgeübt werden (vgl. § 11 Abs. 1 Nr. 7) ist grundsätzlich auf 17 den staats- bzw. verwaltungsrechtlichen Behördenbegriff abzustellen.4 Nach allgemeiner Auffassung ist der Amtsträger nur dann „bei“ einer Behörde tätig, wenn er in deren Organisationsstruktur eingegliedert ist. Dies ist regelmäßig der Fall, wenn ein Beschäftigungsverhältnis im Hauptamt oder im Nebenamt mit der Behörde gegeben ist,5 ohne dass es auf die Art des Beschäftigungsverhältnisses, den Vertragstypus6 oder die zeitliche Dauer der Beschäftigung ankäme.7 Auch ein zusätzlicher, öffentlich-rechtlicher Bestellungsakt ist bei der Erfüllung öffentlicher Aufgaben bei einer Behörde (und bei einer sonstigen Stelle) nach der herrschenden Rspr. nicht erforderlich.8 Nach der zweiten Alt. der Nr. 2 Buchst. c begründet die Wahrnehmung von Aufgaben der öffentlichen Verwaltung 18 „bei einer sonstigen Stelle“ der öffentlichen Verwaltung die Amtsträgereigenschaft. Im Grundsatz besteht Einigkeit darüber, dass sonstige Stellen ohne Rücksicht auf ihre rechtliche Organisationsform9 und ihren Organisationsgrad solche Einrichtungen sind, die, ohne Behörden zu sein, in den staatlichen Verwaltungsapparat eingegliedert oder aufgrund öffentlich-rechtlicher Vorschriften an diesen angebunden sind,10 insbesondere soweit ihnen aufgegeben ist, bei der Ausführung von Gesetzen mitzuwirken.11 Körperschaften und Anstalten des öffentlichen Rechts, die keine Behörden sind, unterfallen nach allgemeiner 19 Meinung regelmäßig sonstigen Stellen i.S.d. Nr. 2 Buchst. c.12 Nach dem BGH ist nicht ausnahmslos erforderlich, dass sie nach dem Kriterium des „verlängerten Arms des Staates“ in Erscheinung treten.13 Nicht erfasst sind – ausnahmsweise – atypische staatsferne Körperschaften des öffentlichen Rechts, denen die öffentlich-rechtliche Stellung weder im Hinblick auf die Erfüllung staatlicher Aufgaben noch durch Angliederung an den staatlichen Verwaltungsaufbau noch unter Verleihung hoheitlicher Befugnisse verliehen wurde, sondern als immaterielle Anerkennung ihrer (gemeinnützigen) Tätigkeit (Beispielsfall: Bayerisches Rotes Kreuz).14 Darüber hinaus werden sämtliche Einrichtungen erfasst, deren regelmäßige und bestimmungsgemäße Funktion in der Wahrnehmung von gesetzlich vorgegebenen Aufgaben der öffentlichen Verwaltung besteht. Dazu gehören Stellen, die nur Teile einer Behörde im organisatorischen Sinne sind, sowie öffentlich-rechtlich geprägte Vereinigungen, Ausschüsse oder

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einer privatrechtlichen Tochtergesellschaft der Treuhandanstalt); vgl. auch BGH v. 15.5.1997 – 1 StR 233/96, BGHSt 43, 96, 102 (Bauüberwachung bzgl. öffentlicher Aufträge); vgl. auch Lenckner, ZStW 106 (1994), 502, 525 ff.; Ransiek, NStZ 1997, 519, 520; Weiser, NJW 1994, 968, 970; i.E. Eser/Hecker in S/S-StGB, § 11 Rz. 21; Fischer, StGB, § 11 Rz. 22. Rübenstahl, Amtsträgerkorruptionsdelikte, S. 305–307 m.w.N. Saliger in NK-StGB, § 11 Rz. 33. Vgl. BGH v. 10.3.1983 – 4 StR 375/82, BGHSt 31, 264, 269; BGH v. 29.1.1992 – 5 StR 338/91, BGHSt 38, 199, 202; BGH v. 14.11.2003 – 2 StR 164/03, NJW 2004, 693 ff.; soweit BGH v. 16.7.2004 – 2 StR 486/03, StV 2004, 648, 649 auch der privatisierten und vorrangig erwerbswirtschaftlich-gewinnorientiert ausgerichteten Deutschen Bahn AG die Erfüllung öffentlicher Aufgaben der Daseinsvorsorge zuschreibt, gilt dies nur hinsichtlich der Eisenbahninfrastruktur, mithin also gerade nicht bzgl. der erwerbswirtschaftlichen Tätigkeit. Eser/Hecker in S/S-StGB, § 11 Rz. 24; Radtke in MüKo-StGB, § 11 Rz. 125; Heinrich, Amtsträgerbegriff, S. 517 f.; Jutzi, NStZ 1991, 105, 106. Der Begriff der Behörde wird daneben in den §§ 44 Abs. 2, 90a Abs. 2, 138 Abs. 2, 145d Abs. 1, 156, 203 Abs. 1 Nr. 4 StGBverwendet, ohne definiert zu werden. BGH v. 15.5.1997 – 1 StR 233/96, BGHSt 43, 96, 105; anders anscheinend BGH v. 5.5.2011 – 3 StR 458/10, der für Vertragsärzte eine solche Eingliederung in die Organisation der Krankenkasse offenbar nicht verlangt; vgl. auch KG v. 24.1.2008 – 3 Ws 66/07, 1 AR 1590/06 - 3 Ws 66/07, NStZ-RR 2008, 198 (Praktikantin). Weiser, NJW 1994, 968, 970; Radtke in MüKo-StGB, § 11 Rz. 58. Eser/Hecker in S/S-StGB, § 11 Rz. 26. BGH v. 19.12.1997 – 2 StR 521/97, BGHSt 43, 370, 379 f. m.w.N. BGH v. 19.12.1997 – 2 StR 521/97, BGHSt 43, 370, 377; Fischer, StGB, § 11 Rz. 19; Eser/Hecker in S/S-StGB, § 11 Rz. 24; Heinrich, Amtsträgerbegriff, S. 379; Ossenbühl, JR 1992, 473, 474. Radtke in MüKo-StGB, § 11 Rz. 80; Rudolphi/Stein in SK-StGB, § 11 Rz. 31; Fischer, StGB, § 11 Rz. 19. BGH v. 19.12.1997 – 2 StR 521/97, BGHSt 43, 370, 376; Eser/Hecker in S/S-StGB, § 11 Rz. 24; Radtke in MüKo-StGB, § 11 Rz. 80; Haft, NJW 1995, 1113, 1114. BT-Drucks. 7/550, S. 209; Fischer, StGB, § 11 Rz. 19; Eser/Hecker in S/S-StGB, § 11 Rz. 25; Heger in Lackner/Kühl, StGB, § 11 Rz. 8; Lenckner, ZStW 106 (1994), 502, 515. BGH v. 27.11.2009 – 2 StR 104/09, BGHSt 54, 202, 212 = NJW 2010, 784, 787; Fischer, StGB, § 11 Rz. 22. BGH v. 15.3.2001 – 5 StR 454/00, BGHSt 46, 310 ff., m. Anm. Erlinger, MedR 2002, 60.

Rübenstahl

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StGB

Personen- und Sachbegriffe

StGB

§ 11 StGB Rz. 20

Strafgesetzbuch

Beiräte.1 Unproblematisch ist die Einordnung als entsprechende Stelle stets, wenn die Struktur einer Behörde ähnelt und Normen des öffentlichen Rechts Aufbau, Funktionen und Tätigkeit regeln.2 20

Bei der Übertragung hoheitlicher Anordnungs- und Zwangsbefugnisse auf eine Person des Privatrechts (den sog. Beliehenen) sowie auch an einen Freiberufler kommt es auf den materiell-funktionellen Gehalt der Tätigkeit an, also tendenziell auf die Frage, ob der Private (Beliehene) „als verlängerter Arm“ des Staates Hoheitsrechte ausübt.3

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Umstr. ist die Einbeziehung von privatrechtlich organisierten Rechtssubjekten – etwa juristischen Personen des Privatrechts, insbesondere Kapitalgesellschaften – in den Kreis der sonstigen Stellen,4 vgl. Fallgruppen Rz. 40 ff. Die privatrechtliche Organisationsform selbst steht dem nicht entgegen,5 da § 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c gerade die zur Aufgabenerfüllung gewählte Organisationsform ausdrücklich für unbeachtlich erklärt. Der Normtext erhielt 1997 diese Fassung, um zu vermeiden, dass die Rspr. die Privatrechtsform zum Anlass nimmt, die Amtsträgereigenschaft der Mitarbeiter einer juristischen Person auszuschließen.6 Die Rspr. hat Merkmale entwickelt, anhand derer im Wege einer Gesamtbetrachtung auf die Qualität als „sonstige Stelle“ geschlossen werden kann:

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Merkmal der Mitbegründung: Dabei kann hinsichtlich der Eigenschaft von juristischen Personen des Privatrechts – insbesondere von Kapitalgesellschaften wie Aktiengesellschaften (AG) und Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbH) – danach unterschieden werden, ob die jeweilige Rechtspersönlichkeit durch die Organe einer (i.d.R. Gebiets-)Körperschaft des öffentlichen Rechts mitbegründet wurde.7 Eine Mitbegründung ist nach diesseitiger Auffassung ein Indiz für die Qualität als sonstige Stelle, aber weder eine hinreichende noch eine notwendige Bedingung.

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Merkmal der Erfüllung öffentlicher Verwaltungsaufgaben: Weiteres Merkmal ist die zumindest auch beabsichtigte Erfüllung von Aufgaben der öffentlichen Verwaltung, wie etwa der Daseinsvorsorge.8 Eine (gesetzliche) Privatisierung der wahrgenommenen Aufgaben schließt nach richtiger Ansicht die Eigenschaft der Privatrechtsperson als einer „sonstigen Stelle“ aus. Nur bei Organisationsprivatisierung, nicht bei (vollständiger) Aufgabenprivatisierung kann daher § 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c zur Anwendung kommen.9

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Merkmal der Beteiligung der öffentlichen Hand: Überdies muss die öffentliche Hand an der juristischen Person des Privatrechts zumindest beteiligt sein.10 Eine volle wirtschaftliche Privatisierung, d.h. der Übergang aller Gesellschaftsanteile an (echte) Private – unbeschadet der Zwecksetzung und der gesetzlich vorbehaltenen staatlichen Steuerungsmöglichkeiten – führt bei einer Kapitalgesellschaft nach h.A. wohl zum Verlust der Eigenschaft als „sonstige Stelle.11

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Merkmal des „verlängerten Armes“: Der BGH verlangt darüber hinaus zumeist, dass die Kapitalgesellschaft bei einer Gesamtbewertung der sie kennzeichnenden Merkmale als „verlängerter Arm des Staates“ und deshalb

1 BT-Drucks. 7/550, S. 209 mit Beispielen; BGH v. 19.12.1997 – 2 StR 521/97, BGHSt 43, 370, 377; Fischer, StGB, § 11 Rz. 19; Eser/Hecker in S/S-StGB, § 11 Rz. 25; Rudolphi/Stein in SK-StGB, § 11 Rz. 31; Radtke in MüKo-StGB, § 11 Rz. 54 jeweils m.w.N. 2 Vgl. BGH v. 19.12.1997 – 2 StR 521/97, BGHSt 43, 370, 377 m.w.N. 3 BGH v. 10.3.1983 – 4 StR 375/82, BGHSt 31, 264, 268; BGH v. 29.1.1992 – 5 StR 338/91, St 38, 199 (201), BGHSt 38, 199, 201; vgl. zuletzt auch BGH v. 5.5.2011 – 3 StR 458/10, NStZ 2012, 35 ff.; OLG München v. 12.1.1978 – 1 U 3187/77, NJW 1979, 608. 4 Zusammenfassend Rübenstahl, Amtsträgerkorruptionsdelikte, S. 312–320. 5 Vgl. BT-Drucks. 7/550, S. 208 f.; BGH v. 19.12.1997 – 2 StR 521/97, BGHSt 43, 370, 377 ff.; Welp in FS Lackner, S. 761, 770 ff.; Heger in Lackner/Kühl, StGB, § 11 Rz. 9, jew. m.w.N.; BGH v. 5.5.2011 – 3 StR 458/10, HRRS 2011 Nr. 800 und Nr. 801 (Vertragsarzt). 6 Vgl. zum früheren Recht BGH v. 29.1.1992 – 5 StR 338/91, BGHSt 38, 199 ff.; die Entscheidung ist insoweit überholt. 7 BGH v. 19.12.1997 – 2 StR 521/97, BGHSt 43, 370, 376 und 379; BGH v. 3.3.1999 – 2 StR 437/98, BGHSt 45, 16, 19 ff.; BGH v. 15.3.2001 – 5 StR 454/00, BGHSt 46, 310, 312; BGH v. 12.7.2001 – 4 StR 550/00, NJW 2001, 3062 ff.; BGH v. 14.11.2003 – 2 StR 164/03, NJW 2004, 693 ff. = BGHR StGB § 11 Abs. 1 Nr. 2 Amtsträger 7; BGH v. 16.7.2004 – 2 StR 486/03, StV 2004, 648, 649 ff.; vgl. in der Literatur Radtke in MüKo-StGB, § 11 Rz. 81; Heinrich, Amtsträgerbegriff, S. 383. 8 BGH v. 16.7.2004 – 2 StR 486/03, StV 2004, 648, 649 m.w.N.; vgl. auch BGH v. 26.10.2006 – 5 StR 70/06, NStZ 2007, 211; BGH v. 29.8.2007 – 5 StR 103/07, NStZ 2008, 87, 88; BGH v. 19.6.2008 – 3 StR 490/07, BGHSt 52, 290, 299 f. m. Anm. Rübenstahl, NJW 2008, 3727; Saliger in NK-StGB, § 11 Rz. 32. 9 BGH v. 19.12.1997 – 2 StR 521/97, BGHSt 43, 370 (374); BGH v. 14.11.2003 – 2 StR 164/03, NJW 2004, 693 ff.; BGH v. 16.7.2004 – 2 StR 486/03, StV 2004, 648 (649); vgl. schon Ossenbühl, JR 1992, 473, 475; Mayen, DÖV 2001, 111 f.; Schoch, DVBl 1994, 3, 8–10. 10 BGH v. 3.3.1999 – 2 StR 437/98, BGHSt 45, 16, 19; BGH v. 16.7.2004 – 2 StR 486/03, StV 2004, 648, 649; vgl. auch BGH v. 26.10.2006 – 5 StR 70/06, NStZ 2007, 211; BGH v. 29.8.2007 – 5 StR 103/07, NStZ 2008, 87, 88; BGH v. 19.6.2008 – 3 StR 490/07, BGHSt 52, 290, 299 f. m. Anm. Rübenstahl, NJW 2008, 3727; explizit Radtke in MüKo-StGB, § 11 Rz. 82; Heinrich, Amtsträgerbegriff, S. 382 m.w.N. 11 BGH v. 16.7.2004 – 2 StR 486/03, StV 2004, 648, 649; BGH v. 3.3.1999 – 2 StR 437/98, BGHSt 45, 16, 19 ff.; vgl. Ossenbühl, JR 1992, 473, 475.

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Rübenstahl

Rz. 27 § 11 StGB

einer Behörde vergleichbar erscheint.1 Voraussetzung dafür ist die Fähigkeit von hinter der Gesellschaft stehenden staatlichen bzw. kommunalen Stellen, regelmäßig mittelbare oder unmittelbare Gesellschafter, die Gesellschaft im wesentlichen Umfang zu steuern.2 Für sich betrachtet führen jedoch weder die überwiegende noch die alleinige Inhaberschaft aller Gesellschaftsanteile noch die damit verbundenen Aufsichtsbefugnisse zu einer ausreichenden Steuerung durch die öffentliche Hand,3 auch wenn diese in solchen Fällen im Ergebnis oft anzunehmen ist. Es kommt vielmehr – nach neuerer Rspr. – darauf an, ob die öffentliche Hand über ihre Stellung als Gesellschafter in der Lage ist, die tatsächlichen, personellen und rechtlichen Verhältnisse der Privatrechtsperson derart zu beeinflussen bzw. – sofern notwendig – zu verändern, dass eine Steuerung des laufenden Geschäftsbetriebs4 – d.h. auch von Einzelentscheidungen5 – auch gegen den Willen der Organe der Gesellschaft (Geschäftsführer, Vorstand) möglich ist. Die bloße Möglichkeit oder die Ausübung einer Rahmen- und Globalsteuerung genügt danach nicht.6 Bei Beteiligung von juristischen oder natürlichen Personen des Privatrechts an einer Kapitalgesellschaft mit 26 mehrheitlich öffentlicher Beteiligung ist dieses Unternehmen – konkret entschieden am Beispiel eines Unternehmens der Daseinsvorsorge – dann keine „sonstige Stelle“, wenn der Private durch eine Sperrminorität der Gesellschaftsanteile wesentliche Entscheidungen des Unternehmens mitbestimmen bzw. zumindest vereiteln kann.7 Die Einfluss- und Steuerungsmöglichkeiten beurteilen sich im Wesentlichen nach den einschlägigen (überwiegend gesellschaftsrechtlichen) Rechtsvorschriften, die die Tätigkeit des Unternehmens und damit auch die des potenziellen Amtsträgers regeln.8 Nach Auffassung der Rspr. ist daher eine solche Steuerungsmöglichkeit bei Aktiengesellschaften, auch wenn die öffentliche Hand Alleinaktionär ist, nicht ohne weiteres gegeben, da die Entscheidungszuständigkeit der Hauptversammlung als Beschlussorgan der Aktionäre auf wenige abschließend aufgezählte Entscheidungen mit formellem oder grundsätzlichem Charakter beschränkt sind (§ 119 Abs. 1 AktG), während Fragen der Geschäftsführung grundsätzlich nicht in die Kompetenz der Hauptversammlung fallen, sondern allein der Vorstand zuständig ist (§ 119 Abs. 2 AktG).9 Entgegengesetzt beurteilt der BGH – aufgrund der gesellschaftsrechtlich gegebenen weitergehenden Entscheidungs- und Durchgriffsmöglichkeiten nach dem GmbH-Gesetz und den typischerweise anzutreffenden Gesellschaftsverträgen – i.d.R. die Lage bei einer im Alleinbesitz der öffentlichen Hand befindlichen GmbH.10 Hier wird eine Alleineigentümerschaft oder schon das fehlende Vorliegen einer Sperrminorität seitens privater Anteilseigner zu einer hinreichenden Steuerungsmöglichkeit der öffentlichen Hand führen. Entsprechendes sollte – erst recht – für Kommanditgesellschaften sowie GmbHs & Co. KGs gelten, in letzterem Falle jedenfalls, wenn die Dominanz der öffentlichen Hand auch bei der Komplementär-GmbH besteht. Die Kommanditgesellschaft auf Aktien (KGaA) dürfte im Hinblick auf § 278 Abs. 3 AktG, wonach die Kommanditaktionäre über dieselben mitgliedschaftlichen Rechte wie die Aktionäre einer AG verfügen, wie die AG zu behandeln sein. Darüber hinaus wird in der Rspr. (zu Recht) angeführt, eine Stelle i.S.d. Nr. 2 Buchst. c dürfe dem Bürger nicht 27 wie ein Anbieter unter mehreren gegenübertreten,11 ein faktisches Monopol bzw. das Bestehen eines Anschlussund Benutzungszwanges sind insoweit zumindest typische Merkmale der Beziehung zwischen dem Privatmann und einer privatrechtlich organisierten Stelle der öffentlichen Verwaltung im Sinne einer „sonstigen Stelle“.12 Wenn die Gesellschaft wie ein privates, gewinnorientiertes Unternehmen unter vielen grundsätzlich gleichberechtigten privaten Marktteilnehmern geführt wird, mit dem Ziel, einen Börsengang und die vollständige – wirtschaft1 BGH v. 3.3.1999 – 2 StR 437/98, BGHSt 43, 370, 376 ff.; BGH v. 3.3.1999 – 2 StR 437/98, BGHSt 45, 16, 19 ff.; BGH v. 15.3.2001 – 5 StR 454/00, BGHSt 46, 310, 312 f.; BGH v. 12.7.2001 – 4 StR 550/00, NJW 2001, 3062 f.; BGH v. 14.11.2003 – 2 StR 164/03, NJW 2004, 693 ff. = BGHR StGB § 11 Abs. 1 Nr. 2 Amtsträger 7; BGH v. 16.7.2004 – 2 StR 486/03, StV 2004, 648, 649; BGH v. 2.12.2005 – 5 StR 119/05, BGHSt 50, 299, 303; BGH v. 18.4.2007 – 5 StR 506/06, NJW 2007, 2932, 2933; BGH v. 14.1.2009 – 1 StR 470/08, wistra 2009, 229, 230; vgl. auch Dölling, JR 2008, 171; Sinner, HRRS 2008, 327. 2 BGH v. 14.11.2003 – 2 StR 164/03, JR 2005, 27 = StV 2005, 322. 3 BGH v. 19.12.1997 – 2 StR 521/97, BGHSt 43, 370, 378; BGH v. 3.3.1999 – 2 StR 437/98, BGHSt 45, 16, 20; BGH v. 12.7.2001 – 4 StR 550/00, NJW 2001, 3062, 3064; BGH v. 16.7.2004 – 2 StR 486/03, StV 2004, 648, 650. 4 BGH v. 12.2.2004 – 3 StR 185/03, StV 2004, 248, 250 m. zust. Anm. Dölling, JR 2005, 30; Krehl, StV 2005, 325; vgl. auch BGH v. 19.12.1997 – 2 StR 521/97, BGHSt 43, 370, 378 f.; BGH v. 3.3.1999 – 2 StR 437/98, BGHSt 45, 16, 20 f.; 49, 214, 224 f. Krit. Radtke in MüKo-StGB, § 11 Rz. 82. 5 So wohl BGH v. 3.3.1999 – 2 StR 437/98, BGHSt 45, 16, 19 f. 6 BGH v. 16.7.2004 – 2 StR 486/03, StV 2004, 648, 650. 7 BGH v. 2.12.2005 – 5 StR 119/05, BGHSt 50, 299, 303 ff.; dazu auch Saliger, NJW 2006, 3377, 3379 f.; Noltensmeier, StV 2006, 135; Radtke, NStZ 2007, 57; gegen eine Maßgeblichkeit des Gesellschaftsrechts BGH v. 19.6.2008 – 3 StR 490/07, BGHSt 52, 290, 299; krit. Rübenstahl, NJW 2008, 3727; Bernsmann, StV 2009, 309 f.; Zieschang, StV 2009, 74; vgl. bereits Krehl, StV 2005, 327; Dölling, JR 2005, 30. 8 BGH v. 19.12.1997 – 2 StR 521/97, BGHSt 43, 370, 378; BGH v. 3.3.1999 – 2 StR 437/98, BGHSt 45, 16, 20; BGH v. 16.7.2004 – 2 StR 486/03, BGHSt 49, 214, 226; Saliger in NK-StGB, § 11 Rz. 41; Krehl, StV 2005, 327; Rübenstahl, NJW 2008, 3727. 9 Vgl. BGH v. 25.2.1982 – II ZR 174/80, BGHZ 83, 122, 131; Hüffer, AktG, § 119 Rz. 16–18 m.w.N. 10 Vgl. BGH v. 19.12.1997 – 2 StR 521/97, BGHSt 43, 370 ff.; BGH v. 14.11.2003 – 2 StR 164/03, BGHR § 11 Abs. 1 Nr. 2 Amtsträger 7; vgl. auch BGH v. 16.7.2004 – 2 StR 486/03, StV 2004, 648, 650 zur abweichenden Situation bei Aktiengesellschaften. 11 BGH v. 18.4.2007 – 5 StR 506/06, NJW 2007, 2932, 2933. 12 BGH v. 3.3.1999 – 2 StR 437/98, BGHSt 45, 16, 19 ff.; BGH v. 14.11.2003 – 2 StR 164/03, JR 2005, 27 = StV 2005, 322.

Rübenstahl

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StGB

Personen- und Sachbegriffe

StGB

§ 11 StGB Rz. 28

Strafgesetzbuch

liche – Privatisierung herbeizuführen, spricht dies im Rahmen der Gesamtwürdigung entscheidend gegen eine „sonstige Stelle“ i.S.d. Nr. 2 Buchst. c.1 28

Bei „im Auftrag“ der Behörde oder der sonstigen Stelle tätigen Amtsträgern handelt es sich um Personen, die nicht in die Behördenstruktur bzw. Organisation der sonstigen Stelle eingegliedert sind2 und dennoch Aufgaben öffentlicher Verwaltung wahrnehmen. Der Begriff des Auftrags kann grundsätzlich sämtliche Delegationsverhältnisse erfassen, die sich nach dem natürlichen Sprachgebrauch als Beauftragung verstehen lassen.3 Allein das privatrechtliche Vertragsverhältnis mit einer Behörde oder einer sonstigen Stelle der öffentlichen Verwaltung reicht allerdings nicht aus, es bedarf eines öffentlich-rechtlichen Bestellungsaktes.4 Insbesondere gilt dies für die Rechtsfigur des Beliehenen, d.h. einer privaten Rechtspersönlichkeit,5 die aufgrund (öffentlich-rechtlicher) Rechtsvorschriften bzw. sonstiger Rechtsakte hoheitliche Aufgaben übertragen bekommt. Nach h.M. bedarf dieser Bestellungsakt keiner bestimmten Form.6 Die herrschende Rspr.7 fordert – zuletzt explizit nur noch für Privatrechtssubjekte8 – bzgl. der zweiten Alt. der Nr. 2 Buchst. c aber einen öffentlich-rechtlichen Bestellungsakt, durch den der Betreffende zu einer über den einzelnen Auftrag hinaus gehenden längerfristigen Tätigkeit für die öffentliche Verwaltung bestellt wird, und gibt damit einer organisatorischen Betrachtungsweise grundsätzlich den Vorzug vor einer (rein) funktionalen Betrachtungsweise.9 Alternativ soll der beauftragte Private nach der Rspr. wohl auch dann als Amtsträger i.S.v. Nr. 2c gelten, wenn eine (faktische) Eingliederung des Privatrechtssubjekts in die Behördenstruktur vorliegt.10 b) Fallgruppen zu Absatz 1 Nr. 2 Buchst. c

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Bezogen auf Sachverhalte des Wirtschaftsstrafrechts folgt hier eine nach Fallgruppen sortierte Übersicht über nach Buchst. c potentiell relevante Berufs- und Personengruppen und ihre Qualifikation als Amtsträger.

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Angestellte des Bundes, der Länder und der kommunalen Gebietskörperschaften: Die Amtsträgereigenschaft gem. § 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c wurde in der Rspr. bei Angestellten – bei Beamten gilt Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a – der Universitäten,11 eines Arbeitsamts,12 oder Straßenbauamts,13 bei Angestellten des Wohnungsamts,14 beim Kontrolleur eines städtischen Bauamtes,15 bei einem städtischen Überwacher von Straßenarbeiten16 sowie bei Mitgliedern einer städtischen Wohnungskommission bejaht.17 Nach herrschender Rspr. sind somit alle Angestellten des 1 Vgl. BGH v. 16.7.2004 – 2 StR 486/03, BGHSt 49, 214, 219 ff. = StV 2004, 648, 650 m.w.N. bzgl. der Deutschen Bahn AG. 2 BGH v. 2.12.2005 – 5 StR 119/05, BGHSt 50, 299, 303; BGH v. 19.6.2008 – 3 StR 490/07, BGHSt 52, 290, 293 ff.; BGH v. 14.11.2003 – 2 StR 164/03, NJW 2004, 693; BGH v. 18.4.2007 – 5 StR 506/06, NJW 2007, 2932, 2933; BGH v. 14.1.2009 – 1 StR 470/08, wistra 2009, 229, 230; BayObLG v. 20.7.1995 – 4St RR 4/95, NJW 1996, 268, 270; Fischer, StGB, § 11 Rz. 18; Rudolphi/Stein in SK-StGB, § 11 Rz. 29; Radtke in MüKo-StGB, § 11 Rz. 85. 3 BT-Drucks. 7/550, S. 208; Radtke in MüKo-StGB, § 11 Rz. 85; Heinrich, Amtsträgerbegriff, S. 388. 4 BGH v. 15.5.1997 – 1 StR 233/96, BGHSt 43, 96, 105; BGH v. 19.12.1997 – 2 StR 521/97, BGHSt 43, 370, 380; BGH v. 19.6.2008 – 3 StR 490/07, BGHSt 52, 290, 299; BayObLG v. 20.7.1995 – 4St RR 4/95, NJW 1996, 268, 270; Radtke in MüKo-StGB, § 11 Rz. 88; Fischer, StGB, § 11 Rz. 20; Heinrich, Amtsträgerbegriff, S. 525 ff.; Lenckner, ZStW 106 (1994), 502, 524; Otto, Jura 1997, 47, 49; Ransiek, NStZ 1997, 519, 525. 5 Vgl. BGH v. 29.8.2007 – 5 StR 103/07, NStZ 2008, 87, 88 (Flutschadensabwickler); KG v. 24.1.2008 – 3 Ws 66/07, 1 AR 1590/06 - 3 Ws 66/07, NStZ-RR 2008, 198 (Praktikantin der Berliner Feuerwehr); BGH v. 19.6.2008 – 3 StR 490/07, BGHSt 52, 290, 299 (bei einer Tochter der Deutschen Bahn AG beschäftigten selbständigen Ingenieur); BGH v. 9.7.2009 – 5 StR 263/08, NJW 2009, 3248, 3249 f. (stellvertretender Verwaltungsausschuss-Vorsitzenden eines Anwaltsversorgungswerks). Z.B. die Technischen Überwachungsvereine (TÜV) im Zusammenhang mit der Zulassung von Kraftfahrzeugen aufgrund der StVZO, vgl. BGH v. 21.8.1996 – 2 StR 324/96, BGHSt 42, 230, 233 m.w.N; zuletzt AG Strausberg v. 8.1.2014 – 22 Ds 273 Js 17331/13 (344/13), 22 Ds 344/13, Rz. 73. 6 BGH v. 19.6.2008 – 3 StR 490/07, BGHSt 52, 290, 299; BGH v. 29.8.2007 – 5 StR 103/07, NStZ 2008, 87, 88; BGH v. 9.7.2009 – 5 StR 263/08, NJW 2009, 3248, 3249; Fischer, StGB, § 11 Rz. 20 m.w.N.; Eser/Hecker in S/S-StGB, § 11 Rz. 27; Rudolphi/Stein in SK-StGB, § 11 Rz. 26; Welp in FS Lackner, S. 761, 764. 7 BGH v. 15.5.1997 – 1 StR 233/96, BGHSt 43, 96, 103 ff.; BGH v. 29.1.1998 – 1 StR 64/97, NJW 1998, 2373 ff. = BGHR StGB § 11 Abs. 1 Nr. 2 Amtsträger 4. 8 BGH v. 27.11.2009 – 2 StR 104/09, BGHSt 54, 202, 212; BGH v. 5.5.2011 – 3 StR 458/10, wistra 2011, 375 ff. = NStZ 2012, 35 ff. (Vertragsarzt). 9 Zu den Einzelheiten der Diskussion Rübenstahl, Amtsträgerkorruptionsdelikte, S. 325–329. 10 BGH v. 29.1.1998 – 1 StR 64/97, BGHR StGB § 11 Abs. 1 Nr. 2 Amtsträger 4: „Bei einer solchen langjährigen und intensiven Verbindung … ist es rechtlich unzweifelhaft, dass der Ingenieur von der Stadt persönlich beauftragt sein und wie eines ihrer Organe nach außen auftreten sollte.“ Vgl. auch BGH v. 16.7.2004 – 2 StR 486/03, BGHSt 49, 214, 219; BGH v. 2.12.2005 – 5 StR 119/05, BGHSt 50, 299, 303; BGH v. 27.11.2009 – 2 StR 104/09, BGHSt 54, 202, 212; BGH v. 29.1.1998 – 1 StR 64/97, NJW 1998, 2373; BGH v. 18.4.2007 – 5 StR 506/06, NJW 2007, 2932, 2933 f.; BGH v. 29.8.2007 – 5 StR 103/07, NStZ 2008, 87, 88. 11 RGSt 74, 251. 12 RGSt 70, 235. 13 RG HRR 1940, 964. 14 RGSt 56, 367. 15 OLG Hamm v. 26.10.1972 – 5 Ss 751/72, NJW 1973, 716. 16 OLG Frankfurt v. 23.6.1955 – 3 StR 157/55, NJW 1990, 2074. 17 RGSt 57, 366; BGH v. 23.6.1955 – 3 StR 157/55, BGHSt 8, 21.

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Rübenstahl

Rz. 34 § 11 StGB

Bundes und der Bundesländer sowie der kommunalen Gebietskörperschaften (Landkreise, Städte und Gemeinden) regelmäßig als Amtsträger anzusehen. Dasselbe gilt für Angestellte und Arbeiter von städtischen Lichtund Wasserwerken und städtischen Verkehrsunternehmen (Eigenbetrieben), Ärzte kommunaler Krankenhäuser etc., d.h. allgemein wohl für bei öffentlich-rechtlich organisierten kommunalen Unternehmen beschäftigte Personen,1 wenn die Bedeutung ihrer Tätigkeit nicht völlig untergeordneten Charakter hat. Einschränkend ist zu berücksichtigen, dass die Amtsträgereigenschaft funktionell begrenzt sein dürfte. Angestell- 31 te Ärzte in staatlichen und kommunalen Krankenhäusern (z.B. Kreiskrankenhaus) in öffentlicher Trägerschaft sind zwar nach der Rspr. grundsätzlich Amtsträger.2 Nicht in jedem konkreten Fall ihrer ärztlichen oder nichtärztlichen Tätigkeit nehmen Krankenhausärzte aber auch eine öffentliche Aufgabe im Rahmen ihrer Amtsträgereigenschaft wahr. Im Rahmen der am Patienten durchzuführenden Heilbehandlung etwa tritt der Arzt dem Patienten nicht als in Ausübung seines Amtes handelnder Amtsträger gegenüber, sondern als Arzt, der zum Patienten ein vom Krankenhausträger unabhängiges Vertrauensverhältnis hat.3 Im Rahmen der Amtsträgereigenschaft wird hier die Tätigkeit um die eigentliche ärztliche Heilmaßnahme herum erbracht, die sich als Daseinsvorsorge bzw. fiskalische Hilfstätigkeit darstellt, insbesondere etwa Tätigkeiten im Rahmen der Beschaffung und organisatorische bzw. Verwaltungstätigkeiten. Auch wenn die Gewährleistung des Anspruchs des Patienten auf die medizinisch gebotene ärztliche Behandlung öffentliche Aufgabe des angestellten Krankenhausarztes ist und die daraus und aus dem Dienstvertrag folgende allgemeine Verpflichtung des Arztes zu ärztlicher Behandlung und Hilfeleistung sich grundsätzlich als Wahrnehmung von Aufgaben der öffentlichen Verwaltung darstellt, ist die eigentliche Heilmaßnahme gegenüber dem Patienten eine ärztlich-freiberufliche und unabhängig zu erbringende.4 Erst recht muss dies bei privatärztlich erbrachten Leistungen (Wahlleistungen; privatärztliche Ambulanz; Beleg- 32 arzt) von angestellten Chefärzten in staatlichen oder kommunalen Krankenhäusern für Heilbehandlungsmaßnahmen oder bei deren Tätigkeit als Arzt eines Medizinischen Versorgungszentrums (MVZ) bzw. als (vertragsärztlich) ermächtigter Arzt – d.h. rechtlich jeweils als Vertragsarzt (vgl. § 95 Abs. 1, Abs. 1a SGB V) – gelten. Insoweit ist jedoch auch im Hinblick auf Tätigkeiten im Bereich Verwaltung, Organisation und Beschaffung im Zusammenhang mit privatärztlichen oder vertragsärztlichen Tätigkeiten der aufgeführten Art nicht von einem funktionalen Zusammenhang mit der dem Grunde nach bestehenden Amtsträgerstellung auszugehen, da ein funktionaler Zusammenhang nur mit der privatärztlichen bzw. vertragsärztlichen Tätigkeit besteht. Für Letztere ist zwischenzeitlich anerkannt, dass sie nicht unter § 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c fallen kann (s. unten Rz. 35). Im Hinblick auf privatärztliche Wahlleistungen muss die Nichtanwendbarkeit der Amtsträgerstellung selbst dann gelten, wenn diese Leistungen nicht durch den Arzt selbst, sondern über das öffentlich-rechtliche Krankenhaus gegenüber dem Patienten zur Abrechnung gebracht werden, da dies nichts an dem zugrunde liegenden privatrechtlichen Vertragsverhältnis ändert. Ebenfalls unter § 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c können die Mitarbeiter von Sparkassen und Landesbanken in ihrer 33 Funktion als Mitarbeiter von Sparkassenzentral-, Staats- und Kommunalbanken fallen.5 Gleiches gilt nach der wohl h.A. für die Mitarbeiter – jedenfalls die Redakteure - des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und Fernsehens (ARD, ZDF, Landesrundfunkanstalten) da sie gemäß ihrem Auftrag der informationellen Grundversorgung der Bevölkerung eine Aufgabe der öffentlichen Verwaltung wahrnehmen.6 Für die Gebührenzentrale der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten (GEZ) tendiert die h.M. in dieselbe Richtung.7 Funktionäre der unterschiedlichen Krankenkassen, Berufsgenossenschaften und Industrie- und Handelskammern werden in der Praxis ebenfalls als Amtsträger behandelt.8 Kommunale Mandatsträger, die aufgrund dieser Eigenschaft zu Mitgliedern von Organen der Kommunalver- 34 waltung – beratende Ausschüsse etc. – bestellt (bzw. gewählt) werden, sind nach h.M. jedenfalls in dieser Funktion Amtsträger gem. § 11 Abs. 1 Nr. 2 StGB.9 Hinsichtlich der „parlamentarischen“ Tätigkeit kommunaler Mandatsträger hat der BGH dagegen allein § 108e StGB unter Ausschluss der Amtsträgerstellung sowie der 1 RG JW 1935, 2433, JW 1936, 1606 und JW 1936, 3005; RGSt 75, 356; OLG Karlsruhe v. 26.10.1982 – 3 Ws 149/82, NJW 1983, 352. 2 OLG Hamburg v. 14.1.2000 – 2 Ws 243/99, MedR 2000, 371, 372; OLG Karlsruhe v. 26.10.1982 – 3 Ws 149/82, NJW 1983, 352. 3 OLG Karlsruhe v. 26.10.1982 – 3 Ws 149/82, NJW 1983, 352, 353, LG Hamburg v. 10.7.2000 – 611 KLs 14/99, MedR 2001, 525. 4 OLG Karlsruhe v. 26.10.1982 – 3 Ws 149/82, NJW 1983, 352 f. mit detaillierter Begründung. 5 BGH v. 10.3.1983 – 4 StR 375/82, BGHSt 31, 269, 271; OLG Frankfurt v. 27.1.1994 – 1 Ws 24/94, NJW 1994, 2242. Insoweit dürfte nach der konkreten Tätigkeit zu differenzieren sein. Das allgemeine, kommerzielle, privatrechtlich ausgestaltete Bankgeschäft und die hierfür zuständigen Personen können nicht entsprechend behandelt werden. 6 BGH v. 27.11.2009 – 2 StR 104/09, NJW 2010, 784 ff.; anders Bernsmann in FS Herzberg, S. 169 ff. 7 BGH v. 11.5.2001 – 3 StR 549/00, BGHSt 47, 22; tendenziell auch Fischer, StGB, § 11 Rz. 22d; a.A. Hellmann, wistra 2007, 281 ff. 8 BGH v. 28.10.2004 – 3 StR 460/03, NStZ 2005, 214 (Vorstand gesetzliche Krankenkasse) a.A. Rust/Wostry, MedR 2009, 320 ff.; krit. auch Rübenstahl, HRRS 2011, 324, 326 ff.; vgl. schon RGSt 74, 269; 76, 107; 76, 211; BGH v. 6.4.1954 – 2 StR 70/54, BGHSt 6, 17; 6, 276; 11, 345; OLG Stuttgart v. 24.3.1950 – Ss 10/50, MDR 1950, 627. 9 BGH v. 23.6.1955 – 3 StR 157/55, BGHSt 8, 21, 22-24; 51, 44, 48; Fischer, StGB, § 11 Rz. 23a; Heger in Lackner/Kühl, StGB, § 11 Rz. 11; Heinrich, Amtsträgerbegriff, S. 675 ff.; Deiters, NStZ 2003, 453, 458; Marel, StraFo 2003, 259, 262.

Rübenstahl

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StGB

Personen- und Sachbegriffe

StGB

§ 11 StGB Rz. 35

Strafgesetzbuch

§§ 331 ff. StGB für anwendbar erklärt.1 § 108e StGB enthalte eine abschließende Sonderregelung für die korruptive Beeinflussung von Mandatsträgern in dem Bereich, in dem der kommunale Mandatsträger eine Abgeordnetentätigkeit als Volksvertreter ausübe.2 Der kommunale Mandatsträger sei nicht in eine Amts- oder Behördenstruktur eingegliedert und damit nicht zur Aufgabenwahrnehmung bei einer Behörde oder sonstigen Stelle bestellt, wenn er in Ausübung seines – kommunalrechtlich anerkannten – freien Mandats in der „Volksvertretung“ – auch in Fraktionen und Ausschüssen – tätig werde.3 Bei einer Doppelstellung (kommunales Mandat und Amtsträger) ist folglich zu entscheiden, in welcher Funktion der Handelnde tätig wird.4 35

Organisationsprivatisierte Unternehmen der öffentlichen Hand: Sofern diese Unternehmen bei einer Gesamtbetrachtung als verlängerter Arm des Staates erscheinen und Aufgaben der Daseinsfürsorge vornehmen, sind sie Amtsträger.5 Dies gilt etwa bei einer in städtischem Alleinbesitz stehenden GmbH, deren wesentliche Geschäftstätigkeit die Versorgung der Einwohner mit Fernwärme ist.6 Entsprechendes gilt bei als AG organisierten Stadtwerken und privatrechtlich organisierten kommunalen Müllentsorgungsbetrieben, wenn keine gesellschaftsrechtliche Sperrminorität privater Gesellschafter vorliegt.7 Selbst wenn im Aufsichtsrat eines im Bereich der Daseinsvorsorge tätigen Unternehmens die Vertreter der öffentlichen Hand in der Minderheit sind, können dem BGH zufolge sonstige Einfluss- und Kontrollmöglichkeiten im Vorfeld einer etwaigen Entscheidung des Aufsichtsrats eine hinreichend konkrete staatliche Steuerung und damit die Amtsträgereigenschaft der Mitarbeiter begründen.8 Soweit der Staat – die Bundesrepublik, Bundesländer oder Kommunen – eine Mehrheitsbeteiligung an organisationsprivatisierten Unternehmen der öffentlichen Hand in der Rechtsform von juristischen Personen des Privatrechts hält, ist nicht auszuschließen, dass deren Entscheidungsträger nach herrschender Rspr. insoweit als Amtsträger anzusehen sind, als ihr Aufgabenbereich die Daseinsvorsorge betrifft und eine faktische Steuerungsmöglichkeit staatlicherseits besteht.9 Richtigerweise wäre für eine Amtsträgereigenschaft jedoch ergänzend zu fordern, dass diese Kapitalgesellschaften auf einem staatlich besonders regulierten Markt agieren und aufgrund staatlicher Eingriffe (etwaigen) privaten Marktteilnehmern übergeordnet sind.10

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Beliehene: Das Unternehmen Toll-Collect GmbH wurde gem. § 4 Abs. 3 BFStrMG mit dem Hoheitsrecht beliehen, Maut-Gebühren zu erheben bzw. daran mitzuwirken. Soweit dessen Mitarbeiter in dieser Funktion tätig werden, handeln sie als Amtsträger. Nach § 12 Abs. 1 LuftSiG ist der verantwortliche Luftfahrzeugführer (Flugzeugkapitän) an Bord eines Luftfahrzeuges hinsichtlich der Ausübung der Ordnungsgewalt Beliehener des Staates, mithin Amtsträger.

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Angehörige der freien Berufe: Keine Amtsträger sind regelmäßig Rechtsanwälte, Ärzte, Apotheker oder Angehörige sonstiger freier Berufe, auch wenn sie einer besonderen Ehrengerichtsbarkeit unterstehen und in Kammern organisiert sind.11 Zwei Strafsenate des BGH haben ungeachtet dieses Erfordernisses die Eingliederung unter Betonung der sozialrechtlichen Regulierung von niedergelassenen Vertragsärzten im staatlichen Gesundheitswesen („im Auftrag einer sonstigen Stelle“) zur Begründung einer Amtsträgerstellung von Vertragsärzten herangezogen;12 der Große Senat für Strafsachen hat allerdings zwischenzeitlich verbindlich festgehalten, dass Vertragsärzte keine Amtsträger sind.13

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Sonstige private Kapitalgesellschaften mit öffentlicher Beteiligung können unter die „sonstigen Stellen“ fallen, wenn sich dies im Wege einer Gesamtbetrachtung anhand der etablierten Merkmale (vgl. Rz. 21 ff.) ergibt. 1 BGH v. 9.5.2006 – 5 StR 453/05, BGHSt 51, 44 ff. = NJW 2006, 2050 ff.; BGH v. 12.7.2006 – 2 StR 557/05, NStZ 2007, 36; a.A. Rübenstahl, HRRS 2006, 23, 27 ff. 2 BGH v. 9.5.2006 – 5 StR 453/05, BGHSt 51, 44, 59; zust. Feinendegen, NJW 2006, 2014 f.; Szesny/Brockhaus, NStZ 2007, 624 f.; a.A. Rübenstahl, HRRS 2006, 23, 27 ff. 3 BGH v. 12.7.2006 – 2 StR 557/05, S. 7 (insoweit nicht abgedruckt in NStZ 2007, 36); a.A. Rübenstahl, HRRS 2006, 23, 27 ff.; zusammenfassend Rübenstahl, Amtsträgerkorruptionsdelikte, S. 320–324. 4 BGH v. 17.3.2015 – 2 StR 281/14 (Rz. 22), ZWH 2015, 221. Der Angeklagte war Träger eines Mandats im Stadtrat, zugleich aber ehrenamtlicher Beigeordneter und daher Amtsträger, die strafbaren Handlungen erfolgten laut BGH in letzterer Eigenschaft. 5 BGH v. 10.3.1983 – 4 StR 375/82, BGHSt 31, 269 ff.; BGH v. 2.12.2005 – 5 StR 119/05, BGHSt 50, 299 ff.; BGH v. 12.7.2001 – 4 StR 550/00, NJW 2001, 3062 ff.; BGH v. 18.4.2007 – 5 StR 506/06, NJW 2007, 2933 ff.; BGH v. 9.7.2009 – 5 StR 263/08, NJW 2009, 2900 ff.; BGH v. 26.10.2006 – 5 StR 70/06, NJW 2009, 3249 ff.; BGH v. 26.10.2006 – 5 StR 70/06, NStZ 2007, 212; KG v. 15.11.1993 – (4) 2 HEs 15/93 (177/93) - Ws 272/93, NStZ 1994, 242. 6 BGH v. 14.11.2003 – 2 StR 164/03, NJW 2004, 693. 7 BGH v. 2.12.2005 – 5 StR 119/05, BGHSt 50, 299 ff. = NStZ 2006, 210 ff.; BGH v. 11.5.2006 – 3 StR 389/05, NStZ 2006, 629 f. (Stadtwerke AG); BGH v. 26.10.2006 – 5 StR 70/06, NStZ 2007, 211 (kommunaler Müllentsorgungsbetrieb). 8 BGH v. 19.6.2008 – 3 StR 490/07, BGHSt 52, 290, 299 f. m. Anm. Rübenstahl, NJW 2008, 3727; Dölling, JR 2009, 426; Zieschang, StV 2009, 74 (100 %-Deutsche Bahn-Tochterunternehmen). 9 Vgl. BGH v. 2.12.2005 – 5 StR 119/05, BGHSt 50, 299 ff. = NJW 2006, 925 ff.; LG Köln v. 1.8.2003 – 114 Qs 23/03, NJW 2004, 2173. 10 Entsprechend dem zutreffenden Rechtsgedanken von BGH v. 18.4.2007 – 5 StR 506/06, NStZ 2007, 461. 11 RGSt 19, 86; vgl. aber auch im Ergebnis anders OLG Karlsruhe v. 26.10.1982 – 3 Ws 149/82, NJW 1983, 352; OLG Karlsruhe v. 16.10.2000 – 2 Ws 304/99, NStZ-RR 2001, 144 zu Ärzten in kommunalen oder Universitätskrankenhäusern. 12 BGH v. 5.5.2011 – 3 StR 458/10, wistra 2011, 375 ff. = NStZ 2012, 35 ff. (Vertragsarzt) und BGH v. 20.7.2011 – 5 StR 115/11, NStZ-RR 2011, 303; krit. Rübenstahl, HRRS 2011, 324 ff.; Tsambikakis, JR 2011, 538 ff. 13 BGH v. 29.3.2012 – GSSt 2/11, NZWiSt 2012, 268 ff. m. Anm. Kraatz.

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Rübenstahl

Rz. 42 § 11 StGB

Staatlich rekapitalisierte Gesellschaften: Problematisch ist, ob deutsche Banken, die im Rahmen der Banken- 39 rettung mit z.T. erheblichen Staatsmitteln rekapitalisiert wurden, unter die „sonstigen Stellen“ fallen können. Eine Mitbegründung des Unternehmens durch ein Organ des öffentlichen Rechts besteht regelmäßig nicht, was gegen das Vorliegen einer sonstigen Stelle spricht. Ein anderes Ergebnis könnte aber möglich sein, wenn die Bank in der Gesamtschau überwiegender staatlicher Kontrolle unterliegt. Hier ist im Wesentlichen auf die gesellschaftsrechtliche Situation abzustellen, s. oben Rz. 21 ff. Zu erwähnen ist hier zunächst die Commerzbank AG. Im Dezember 2008 musste die Commerzbank den staatli- 40 chen Sonderfonds Finanzmarktstabilisierung (SoFFin) in Anspruch nehmen. Dessen Verwaltung ist gem. § 1 FMStFV einer rechtlich unselbständigen Finanzmarktstabilisierungsanstalt – FMSA (§ 3a FMStFG) – übertragen, die im eigenen Namen im Rechtsverkehr aktiv und passiv legitimiert tätig werden kann und der Rechts- und Fachaufsicht des Bundesministeriums der Finanzen untersteht. Grundsatzfragen und Angelegenheiten von besonderer Bedeutung entscheidet ein Lenkungsausschuss auf Vorschlag der Finanzmarktstabilisierungsanstalt (§ 4 Abs. 1 S. 2 FMStFG). Der SoFFin erhielt für entsprechende Zahlungen 8,2 Milliarden Euro an stillen Einlagen der Commerzbank, die jährlich mit einem Kupon zu neun Prozent verzinst wurden. Die stille Einlage wurde – wirtschaftlich bzw. bankaufsichtsrechtlich – zu 100 Prozent als Kernkapital angerechnet, womit die Eigenkapitalquote (Tier 1) auf etwa zehn Prozent der Bank gestärkt wurde. Wie am 8.1.2009 bekannt wurde, übernahm der SoFFin des Bundes im Zuge einer Kapitalerhöhung kurz vor dem Vollzug der Dresdner-Bank-Übernahme 25 Prozent plus eine Aktie an der Commerzbank AG (Teilverstaatlichung). Der Fonds zahlte 1,8 Milliarden Euro für die Anteile und stellte zusätzliche 8,2 Milliarden Euro an stillen Einlagen zu denselben Konditionen wie bei der ersten Inanspruchnahme des Sonderfonds Finanzmarktstabilisierung der Bank zur Verfügung. Die dafür neu emittierten 295 Millionen Aktien zu je sechs Euro sollten dabei nicht dauerhaft gehalten, sondern nach einigen Jahren möglichst mit Gewinn wieder verkauft werden. Der Anteil der stillen Einlagen des Bundes an der Commerzbank stieg somit auf 16,4 Milliarden Euro. Insgesamt wurden der Commerzbank zusammen mit der Kapitalerhöhung damit 18,2 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt.1 Vor dem Hintergrund, dass der Bund über den SoFFin letztlich nur eine Sperrminorität erwarb und über die stillen Einlagen keine gesellschaftsrechtlich wirksamen Steuerungsrechte bekam, dürfte nach den Maßstäben der Rspr. nicht davon auszugehen sein, dass die Commerzbank AG im Zeitraum zwischen Januar 2009 und der weitestgehenden Rückführung staatlicher Mittel im Jahr 2013 eine sonstige Stelle gewesen ist. Die bankaufsichtsrechtliche Bewertung der stillen Einlagen als Eigenkapital ändert mangels gesellschaftsrechtlicher Relevanz hieran nichts. Anders könnte es möglicherweise im Falle der voll verstaatlichten Hypo Real Estate Holding AG (HRE) seit Juni, 41 August oder jedenfalls Oktober 2009 aussehen. Am 17.4.2009 teilte der SoFFin mit, dass die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) das Übernahmeangebot der Bundesrepublik Deutschland an alle Aktionäre der HRE in Höhe von 1,39 Euro pro Aktie am Vortage genehmigt habe. Das relativ günstige Angebot erfolgte, weil man erhoffte, auf diese Weise 100 Prozent der Anteile der HRE erwerben zu können. Der Bund konnte durch das Übernahmeangebot keine Kontrollmehrheit erreichen, weil insbesondere US-Investor J. Christopher Flowers keine Bereitschaft zeigte, sein 21,7-Prozent-Paket abzugeben. Immerhin konnte der Bund durch das Übernahmeangebot und auch weitere Aktienkäufe an der Börse aber 47,3 Prozent der Aktien erwerben. Der Bund berief zum 2.6.2009 eine außerordentliche Hauptversammlung ein, auf der über eine Kapitalerhöhung abgestimmt werden sollte. Diese soll, anders als eine gewöhnliche Kapitalerhöhung, nur vom Bund gezeichnet werden können. Der Vorschlag zur Kapitalerhöhung wurde angenommen; nachdem der Bund 986,5 Millionen neue Aktien gezeichnet hatte, wurde sein Anteil auf 90 Prozent erhöht. Damit konnte er im nächsten Schritt auch nach geltender Gesetzeslage einen sog. Squeeze-out durchführen, bei dem die restlichen Aktionäre ihre Anteilsscheine zwangsweise verkaufen müssen. Der Aufsichtsrat wurde sodann nach Maßgabe des Bundes – des Alleingesellschafters – im August 2009 umbesetzt. Am 5.10.2009 wurde die HRE durch Beschluss der außerordentlichen Hauptversammlung verstaatlicht.2 Man wird somit wohl spätestens mit der Umbesetzung des Aufsichtsrats im August 2009 oder der Verstaatlichung im Oktober 2009 von einer faktischen Beherrschung durch den Bund ausgehen können. Ob man die HRE damit aber schon als sonstige Stelle i.S.d. § 11 Abs. 1 Nr. 2c ansehen muss, ist zu bezweifeln. In ihrer Funktion als Strategie- und Finanzholding, die selbst nicht im operativen Bankgeschäft tätig ist, aber über entsprechende Tochtergesellschaften (bisher: DEPFA Group bzw. Deutsche Pfandbriefbank AG) verfügt, nimmt die HRE wie ein privater Marktteilnehmer ertragsorientiert am Marktgeschehen teil (vgl. unten Rz. 21 ff.) und dürfte auch in der Öffentlichkeit wie ein solcher wahrgenommen werden; ihre Tätigkeit ist nicht hoheitlich oder als eine solche der Daseinsfürsorge anzusehen, da die Tochtergesellschaften als Finanzierer für gewerbliche Immobilieninvestitionen und öffentliche Investitionsvorhaben und als Emittenten von Pfandbriefen agieren. Letztlich sind daher weder die Mitarbeiter der Holding noch die der Tochtergesellschaften als Amtsträger anzusehen. Selbständig verwaltete Kapitalgesellschaften: Nicht als Amtsträger angesehen werden von der Rspr. die Be- 42 schäftigten der überwiegend im staatlichen Eigentum stehenden Flughafen Frankfurt/Main AG (jetzt: Fraport AG)3 sowie des Blutspendedienstes des Bayrischen Roten Kreuzes4 mangels Eingliederung in die staatliche Ver1 2 3 4

https://de.wikipedia.org/wiki/Commerzbank mit weiteren Nachweisen. https://de.wikipedia.org/wiki/Hypo_Real_Estate m.w.N. BGH v. 3.3.1999 – 2 StR 437/98, BGHSt 45, 16 ff. = NJW 1999, 2373. BGH v. 15.3.2001 – 5 StR 454/00, NJW 2001, 2102.

Rübenstahl

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StGB

Personen- und Sachbegriffe

StGB

§ 11 StGB Rz. 43

Strafgesetzbuch

waltung. Entsprechend sind auch Mitarbeiter kommunaler Abfallbeseitigungsunternehmen jedenfalls bei Sperrminorität eines Privaten nicht als Amtsträger anzusehen.1 43

Am Wettbewerb gleichberechtigt teilnehmende Kapitalgesellschaften: Keine sonstigen Stellen dürften regelmäßig auch alle anderen Kapitalgesellschaften mit öffentlicher Beteiligung sein, die in gleichberechtigter Weise dem Wettbewerb an einem im Wesentlichen freien Markt ausgesetzt sind. Dies ist grundsätzlich auch für die privatisierte Deutsche Bahn AG als Gesamtunternehmen,2 die Telekom AG, die Deutsche Post AG oder Energieversorgungsunternehmen (Strom, Gas) anzunehmen, da sie am Markt im Wettbewerb stehen. Nach den Grundsätzen der aktuellen Rspr. ist insbesondere davon auszugehen, dass heute die Mitarbeiter und Organe der DB-Tochtergesellschaften insbesondere im Bereich des Personen- und Güterverkehrs (Schienenverkehr), d.h. der Unternehmen DB Reise- und Touristik AG, DB Regio AG, DB Cargo AG und DB Station und Services AG nicht als Amtsträger anzusehen sind. Anderes gilt hingegen nach herrschender Rspr. für die DB Netz AG.3

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Dasselbe gilt regelmäßig auch für andere Kapitalgesellschaften mit staatlicher oder kommunaler Beteiligung, so nach herrschender Rspr. etwa für die Mitarbeiter einer kommunalen Wohnungsbaugesellschaft, wenn diese nur eine von mehreren Anbietern von Wohnraum ist, der mit städtischen Belastungsrechten belastet ist.4 Erst recht führt die gänzliche Aufgabenprivatisierung zum Verlust der Qualität einer „sonstigen Stelle“. 4. Soldaten der Bundeswehr (§ 48 WStG)

45

Wegen der Sonderregelung des § 48 WStG sind Soldaten der Bundeswehr keine Amtsträger nach § 11 Abs. 1 Nr. 2 StGB.5

C. Absatz 1 Nr. 2a (Europäische Amtsträger) I. Allgemeines 46

§ 11 Abs. 1 Nr. 2a wurde durch das zweite Korruptionsbekämpfungsgesetz6 eingefügt. Die Norm beruht im Wesentlichen auf einer Überführung der Regelung des EUBestG in die Norm des § 11, betrifft also die Gleichstellung von ausländischen mit inländischen Amtsträgern. Amtsträger nach § 11 Abs. 1 Nr. 2a sind danach insbesondere Mitglieder der Europäischen Institutionen (Buchst. a), Bedienstete ihrer Einrichtungen (Buchst. b) sowie sonst mit der Wahrnehmung der Aufgaben der EU betraute Personen (Buchst. c).7 Anders als nach der alten Fassung des EUBestG, gilt § 11 Abs. 1 Nr. 2a nunmehr auch für die §§ 331, 333 StGB.8 Ferner wurde die noch im EUBestG enthaltene Gleichstellung deutscher Amtsträger mit in anderen EU-Ländern tätigen Amtsträgern nicht in § 11, sondern in der Norm des § 335a geregelt. Die Regeln des IntBestG a.F. sind nicht in § 11, sondern ebenfalls die Norm des § 335a n.F. überführt worden.9 Somit stehen gem. § 335a Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a n.F. Bedienstete eines ausländischen Staates einem sonstigen Amtsträger gleich.10

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Die Übertragung aus dem Nebenstrafrecht in das StGB erhöht die Klarheit und Kohärenz des Korruptionsstrafrechts.11 Hinter der Gesetzesänderung verbirgt sich außerdem der verstärkte kriminalpolitische Wille des Gesetzgebers, die Risiken grenzüberschreitender Korruption zu bekämpfen.12 Insgesamt ist die Erstreckung der Strafgewalt auf von und gegenüber Europäischen Amtsträgern begangenen Korruptionsstraftaten ein Ergebnis europäischer Integrationsprozesse, die auch vor dem Strafrecht nicht Halt machen.13 1 BGH v. 2.12.2005 – 5 StR 119/05, BGHSt 50, 299 ff. = NStZ 2006, 210; LG Köln v. 1.8.2003 – 114 Qs 23/03, NJW 2004, 2173; vgl. auch Saliger, NJW 2006, 3379. 2 BGH v. 16.7.2004 – 2 StR 486/03, BGHSt 49, 214 ff. = NJW 2004, 3129 (betreffend die DB AG insgesamt), vgl. aber andererseits BGH v. 19.6.2008 – 3 StR 490/07, BGHSt 52, 290, 299: Mitarbeiter einer Bahn-Tochter (DB Netz AG, ab 1999 sonstige Stelle) als Amtsträger, wenn die Stelle und er selbst für die öffentliche Aufgabe der Erhaltung und des Ausbaus des Schienennetzes zuständig sind. 3 BGH v. 19.6.2008 – 3 StR 490/07, BGHSt 52, 290, 299. 4 BGH v. 18.4.2007 – 5 StR 506/06, NStZ 2007, 461. 5 Fischer, StGB, § 11 Rz. 23c; Heger in Lackner/Kühl, StGB, § 11 Rz. 11; Radtke in MüKo-StGB, § 11 Rz. 76. 6 V. 20.11.2015, BGBl I, S. 2025. 7 Vgl. Brockhaus/Haak, HRRS 2015, 218; Dötterl, ZWH 2012, 54; Rübenstahl, ZWH 2012, 179; Hauck, wistra 2010, 255; Horrer, KritV 2010, 304; Satzger, NStZ 2009, 114; Schuster/Rübenstahl, wistra 2008, 201; Korte, wistra 1999, 81. 8 Krit. DAV, Stellungnahme Nr. 46/2014, der für eine restriktive Fassung der Straftatbestände der Vorteilsannahme und Vorteilsgewährung plädiert. 9 Die Erweiterung des Amtsträgerbegriffes erfolgt im AT, da auf diesen auch in den §§ 263, 264 StGB sowie § 370 AO Bezug genommen wird, s. auch BT-Drucks. 18/4350, S. 18. 10 Diese Bestimmung richtet sich laut RegE (BT-Drucks. 18/4350, S. 25) nach den Vorgaben des entsprechenden OECDÜbereinkommens, Europarat-Übereinkommens und VN-Übereinkommens. Diese sind kumulativ anzuwenden, vgl. Kubiciel/Spörl, KPzKp 4/2014, S. 22, als „doppelter Filter“. 11 Kubiciel/Spörl, KPzKp 2014, 8. 12 Mit Nachweisen zur Internationalisierung der Korruptionstaten Kuhlen in NK-StGB, § 331 Rz. 5. Vgl. Hettinger, NJW 1996, 2263 mit krit. Bemerkungen zur Erweiterung der Normen des Korruptionsstrafrechts. 13 Vgl. auch Kubiciel/Spörl, KPzKp 2014, 6 wonach der Verwaltungsapparat der EU bislang nicht ausreichend mit strafrechtlichen Mitteln geschützt sei.S. hinsichtlich der von ausländischen Europäischen Amtsträgern begangenen Korruptionsdelikte die Neufassung des § 5 Nr. 15 StGB.

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Rübenstahl

Rz. 53 § 11 StGB

Der Aufbau der § 11 Abs. 1 Nr. 2a folgt der Systematik der Nr. 2. Somit knüpfen die Nr. 2a Buchst. a und b. an 48 die primär formell-institutionelle Stellung als Mitglied, Beamteter oder sonstiger Bediensteter der EU an, Buchst. c hingegen an das eher materiell-funktionale Merkmal der Wahrnehmung von Aufgaben der EU oder sonst auf Grundlage des Rechts der EU geschaffener Einrichtungen.

II. Die Vorschrift im Einzelnen 1. Merkmale des Absatzes 1 Nr. 2a a) Absatz 1 Nr. 2a Buchst. a (Mitglieder der EU-Institutionen) Merkmal ist die Mitgliedschaft in der Europäischen Kommission, der Europäischen Zentralbank, dem Rech- 49 nungshof oder einem Gericht der EU. Unter Gericht der EU fallen der Gerichtshof der EU, das Gericht der EU sowie das Gericht für den öffentlichen Dienst, ferner zukünftig geschaffene dem Gericht beigeordnete Fachgerichte für Sonderbereiche.1 Bestimmungen zur jeweiligen Mitgliedschaft finden sich in dem europäischen Primär- bzw. Sekundärrecht.2 b) Absatz 1 Nr. 2a Buchst. b (Sonstige Bedienstete) Europäischer Amtsträger ist ferner, wer Beamter oder sonstiger Bediensteter der EU oder von einer auf der 50 Grundlage des Rechts der EU geschaffenen Einrichtung ist. Nicht hierunter zu fassen sind das Europäische Parlament sowie der Rat, da diese unter Buchst. a explizit nicht genannt sind.3 Hingegen stellt § 108e Abs. 3 Nr. 4 i.V.m. Absatz 1 StGB die von einem Mitglied des Europäischen Parlaments begangene Vorteilsannahme unter Strafe. Beamter bzw. Bediensteter der EU ist, wer nach der Verordnung über das Statut der Beamten und über die Beschäftigungsbedingungen für die sonstigen Bediensteten der EU hierzu bestellt wird.4 Abzugrenzen sind diese nach dem Wortlaut von den Beamten oder Bediensteten sonstiger europäischer Einrichtungen. Hierunter können nur die – zahlreichen – Einrichtungen zu verstehen sein, die in den Gründungsverträgen nicht genannt sind,5 aber später auf Grundlage des EU-Primärrechts geschaffen wurden, vgl. hierzu Rz. 52 ff. c) Absatz 1 Nr. 2a Buchst. c (Wahrnehmung von Aufgaben der EU) Nach der Regelung des Buchst. c führt ferner die Wahrnehmung von Aufgaben der EU oder von Aufgaben einer 51 auf der Grundlage des Rechts der EU geschaffenen Einrichtung zur europäischen Amtsträgereigenschaft. Es handelt sich um eine Auffangbestimmung.6 Einen solchen materiellen Anknüpfungspunkt gab es unter der Geltung des EUBestG nicht. Entsprechend der Regelung zu § 11 Abs. Nr. 2 Buchst. c kann auch hier gelten, dass Aufgaben der EU oder auf Grundlage des Rechts der EU geschaffener Einrichtungen solche sind, die nach EU-Primär- und Sekundärrecht zulässigerweise von diesen ausgeübt werden dürfen.7 Erfasst ist somit bspw. die Tätigkeit nationaler Sachverständiger von Mitgliedstaaten oder öffentlichen sowie privaten Einrichtungen, die der EU zur Verfügung gestellt werden.8 2. Praktischer Anwendungsbereich des Absatzes 1 Nr. 2a Bezogen auf Sachverhalte des Wirtschaftsstrafrechts werden nachfolgend einige EU-Einrichtungen genannt, die 52 nicht ausschließbar unter die Neuregelung fallen. Praxisrelevant könnten besonders die seit 2008 im Zuge der europäischen Bankenkrise neu gegründeten Einrichtungen mit Bezug zum Finanzmarkt werden. Der European Stability Mechanism (ESM) ist gem. Art. 1 ESM-Vertrag eine durch die EU-Mitglieder geschaffene 53 internationale Finanzinstitution, mithin nach EU-Primärrecht geschaffene Einrichtung. Die Bediensteten, deren Beschäftigungsbedingungen gem. Art. 33 ESM-Vertrag vom Direktorium bestimmt werden, dürften somit Europäische Amtsträger gem. Buchst. c Alt. 2 sein. Der ESM übernimmt i.Ü. die Aufgaben des „EFSF“ und „EFSM“, vgl. Erwägungsgrund (1) des ESM-Vertrages.9

1 Vgl. BT-Drucks. 18/4350, S. 18. 2 Vgl. für die Kommission Art. 17 EUV, für die Europäische Zentralbank Art. 13 Abs. 3 EUV i.V.m. 282 f. AEUV, für den Rechnungshof Art. 13 Abs. 3 i.V.m. 285–287 AEUV, für ein Gericht der EU Art. 281 AEUV i.V.m. der Satzung des Gerichtshofes der EU (Amtsblatt der EU - C 83/210). 3 BT-Drucks. 18/4350, S. 19. Wenn überhaupt, so hätte die Nennung in Abs. 1 Nr. 2a Buchst. a erfolgen müssen, da hier die europäischen Organe angesprochen werden, vgl. Art. 13 Abs. 1 EUV. 4 Verordnung Nr. 31 (EWG) 11 (EAG) v. 1962, zuletzt geändert durch Verordnung (EU) Nr. 423/2014 v. 16.4.2014. 5 S. Art. 13 Abs. 1 EUV, der die klassischen EU-Institutionen aufführt. 6 So BT-Drucks. 18/4350, S. 19. 7 Es bedarf somit, mangels einer Kompetenz-Kompetenz der EU, einer ausdrücklichen Kompetenznorm, die mit sonstigem EU-Recht vereinbar ist, also bspw. nicht gegen das Subsidiaritätsprinzip verstößt. 8 Nach alter Rechtslage waren diese den Gemeinschaftsbeamten gem. Art. 1 § 2 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b gleichgestellt, s. noch Korte in MüKo-StGB, § 332 Rz. 6; vgl. auch BT-Drucks. 18/4350, S. 19. 9 Der ESM wurde durch den Vertrag zur Einrichtung des Europäischen Stabilitätsmechanismus geschaffen, der am 27.9.2012 in Kraft getreten ist und 700 Mrd. Euro Stammkapital aufweist.

Rübenstahl

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StGB

Personen- und Sachbegriffe

StGB

§ 11 StGB Rz. 54

Strafgesetzbuch

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Die Europäische Bankenaufsichtsbehörde mit Sitz in London wurde durch Verordnung vom 24.11.2010 gegründet, stellt folglich eine auf Grundlage des Primärrechts der EU gegründete Einrichtung dar, deren Bedienstete unter § 11 Abs. 1 Nr. 2a Buchst. b. Alt. 2 zu fassen sein dürften. Gleiches gilt für die Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde mit Sitz in Paris, die durch Verordnung mit Wirkung zum. 1.1.2011 gegründet wurde.

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Die Bankenabwicklungsrichtlinie verpflichtet die Mitgliedstaaten zu einer einheitlich national geregelten Abwicklung von Banken und großen Wertpapierfirmen. Die Abwicklung wird von einer durch den Mitgliedstaat zu bestimmenden Behörde vorgenommen,1 in Deutschland die Bundesanstalt für Finanzmarktstabilisierung (FMSA).2 Zwar gibt die Richtlinie Verfahrensabläufe vor, der Nationalstaat nimmt diese jedoch als eigene wahr, womit eine Anwendung des § 11 Abs. 1 Nr. 2a Buchst. c („Aufgaben der Europäischen Union“) in solchen Fällen wohl nicht denkbar ist. Als Anstalt des öffentlichen Rechts fällt sie indes unter den Regelungsbereich des § 11 Abs. 1 Nr. 2 (s. oben Rz. 2 ff., 12 ff.) und ist daher als eine Behörde bzw. sonstige Stelle anzusehen; ihre Mitarbeiter sind – auch soweit es sich nicht um Beamte handelt – nicht europäische Amtsträger i.S.d. § 11 Abs. 1 Nr. 2a, aber deutsche Amtsträger i.S.d. § 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c, da sie mit der Abwicklung von Banken eine öffentliche Aufgabe erfüllen und staatlicher Steuerung unterliegen.

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Entsprechendes gilt für die der Aufsicht der Bundesanstalt für Finanzmarktstabilisierung unterstellten selbständigen, (teil-)rechtsfähigen „bad banks“ (Abwickungsanstalten), soweit sie in der Form einer Anstalt des öffentlichen Rechts oder sonst in öffentlich-rechtlicher Form konstituiert sind. Beispielhaft zu erwähnen ist hier die FMS Wertmanagement (FMS-WM), die am 8.7.2010 gegründet wurde. Ihr Zweck als Abwicklungsanstalt ist es, die während der Finanzkrise in eine existenzbedrohende Schieflage geratene und dann verstaatlichte Hypo Real Estate-Gruppe (HRE) von Risikopositionen und nicht strategienotwendigen Geschäftsbereichen zu befreien und die HRE-Gruppe damit zu stabilisieren. Die FMS-WM ist eine organisatorisch und wirtschaftlich selbständige, teilrechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts innerhalb der Bundesanstalt für Finanzmarktstabilisierung. Sie nimmt nicht im eigentlichen Sinne als Finanzdienstleistungsinstitut wie ein Privater am Markt teil, denn sie verfügt nicht über eine Banklizenz, sie darf – gemäß ihrer Zwecksetzung – alle Arten von Bankgeschäften nur insoweit betreiben, als dies der Abwicklung des Portfolios dient und wird zudem vom SoFFin subventioniert.3

D. Für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichtete (Absatz 1 Nr. 4) 57

Nach deutschem Recht sind die Bestechungsdelikte in den §§ 331 ff. StGB nicht nur auf Amtsträger, sondern auch auf Personen anwendbar, die den Amtsträgern aufgrund einer förmlichen Verpflichtung und der Art ihrer Tätigkeit im Interesse und im weiteren Umkreis der öffentlichen Verwaltung gleichgestellt werden (§ 11 Abs. 1 Nr. 4). Für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichteter ist, wer, ohne Amtsträger zu sein, (Buchst. a) bei einer Behörde oder bei einer sonstigen Stelle, die Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnimmt oder (Buchst. b) bei einem Verband oder sonstigen Zusammenschluss, Betrieb oder Unternehmen, die für eine Behörde oder für eine sonstige Stelle Aufgaben der öffentlichen Verwaltung ausführen, beschäftigt oder für sie tätig ist und auf die gewissenhafte Erfüllung seiner Obliegenheit aufgrund eines Gesetzes förmlich verpflichtet ist (§ 11 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. a und Nr. 4 Buchst. b).

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Die zur Begründung der Tätereigenschaft erforderliche förmliche Verpflichtung richtet sich seit 1975 nach dem in Ausführung des § 11 Abs. 1 Nr. 4 eingeführten Verpflichtungsgesetz (VerpflG).4 Sie ist das Funktionsäquivalent der Bestellung i.S.d. § 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c und rechtfertigt nach h.M. die Gleichbehandlung mit einem Amtsträger,5 da sie die Kenntnis der strafrechtlichen Risiken begründet und in einem formalisierten Akt eine Treuebindung zu den öffentlichen Interessen herstellt. Gem. § 1 Abs. 1 und 2 VerpflG ist die Person mündlich auf die gewissenhafte Erfüllung ihrer Obliegenheiten zu verpflichten und ausdrücklich auf die strafrechtlichen Folgen einer Verpflichtung – u.a. die Strafbarkeit gem. den §§ 331 ff. StGB – hinzuweisen. Wenn diese gesetzlichen Formvorschriften nicht eingehalten werden, wird eine Stellung i.S.d. § 11 Abs. 1 Nr. 4 nicht begründet.6

§ 12 Verbrechen und Vergehen (1) Verbrechen sind rechtswidrige Taten, die im Mindestmaß mit Freiheitsstrafe von einem Jahr oder darüber bedroht sind. (2) Vergehen sind rechtswidrige Taten, die im Mindestmaß mit einer geringeren Freiheitsstrafe oder die mit Geldstrafe bedroht sind. (3) Schärfungen oder Milderungen, die nach den Vorschriften des Allgemeinen Teils oder für besonders schwere oder minder schwere Fälle vorgesehen sind, bleiben für die Einteilung außer Betracht. 1 2 3 4

Vgl. Art. 3 Abs. 1 Bankenabwicklungsrichtlinie (ABl. der EU L 173/190). Festgelegt durch § 3 Abs. 1 des BRRD-Umsetzungsgesetzes v. 10.12.2014 (BGBl. I 2014, S. 2091). https://de.wikipedia.org/wiki/FMS_Wertmanagement. Gesetz über die förmlichen Verpflichtung nichtbeamteter Personen v. 2.3.1974, eingeführt durch Art. 42 EGStGB, BGBl. I, S. 469, 547. 5 Fischer, StGB, § 11 Rz. 25; BayObLG v. 20.7.1995 – 4 St RR 4/95, NJW 1996, 270. 6 BGH v. 28.11.1979 – 3 StR 405/79, NJW 1980, 846; Radtke in MüKo-StGB, § 11 Rz. 98.

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Rübenstahl

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Zweiter Abschnitt. Die Tat Erster Titel. Grundlagen der Strafbarkeit Vorbemerkungen zu § 13 A. Das Wirtschaftsstrafrecht des StGB I. Wirtschaftsstrafrecht als präventionsorientiertes Tatstrafrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Kriminologische Tätertypologie . . . . . . . . . . . . 2. Neuere dogmatische Erklärungsmodelle . . . . . . 3. Frühere Erklärungsmodelle . . . . . . . . . . . . . . . 4. Kriminalpolitische Tendenzen . . . . . . . . . . . . . II. Tat, Täterpersönlichkeit und Deliktsfolgen . . . . . . B. Wesen der Wirtschaftsstraftat und Tatbestandstypen I. Wesen der Wirtschaftsstraftat . . . . . . . . . . . . . . . . II. Tatbestandsbestimmtheit und Tatbestandstypen des Wirtschaftsstrafrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Verletzungs- und Gefährdungsdelikte a) Prinzipielle Unterscheidung. . . . . . . . . . . . . b) Problem der Vorfeldkriminalisierung . . . . . . 2. Blankettstraftatbestände. . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Unterscheidung zwischen normativen Tatbestandsmerkmalen und Blankettgesetzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Interpretations- und Irrtumsfragen . . . . . . . 3. Tatbestände mit Generalklauseln und Maßfiguren a) Generalklauseln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Maßfiguren des bürgerlichen Rechts und des Verwaltungsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Maßfiguren des Strafrechts . . . . . . . . . . . . . 4. Schein- und Umgehungstatbestände . . . . . . . . . 5. Verschleifung von materiellem und formellem Recht a) Phänomen der Verschleifung . . . . . . . . . . . . b) Fallgruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Handlung, Kausalität und Zurechnung. . . . . . . . I. „Handlung“ als Voraussetzung einer Straftat . . . . . II. Kausalität 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Kausalität von Entscheidungsverhalten . . . . . . . 3. Gremien- und Kollegialentscheidungen . . . . . . 4. Produkthaftung und komplexe naturwissenschaftliche oder soziale Kausalität . . . . . . . . . . . 5. Psychisch vermittelte Kausalität . . . . . . . . . . . . III. Objektive Zurechnung des Erfolgs 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Rechtlich missbilligte Gefahrenschaffung . . . . . 3. Risikorealisierung a) Grundsätze. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Der Vertrauensgrundsatz . . . . . . . . . . . . . . . c) Ressortzuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Mitverschulden des Opfers oder Dritter . . . . e) Drittbedingtes Versagen von Sicherheitssystemen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Zurechnung von Langfristfolgen . . . . . . . . .

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D. Der Erfolgsbegriff im Wirtschaftsstrafrecht I. Grundsätze 1. Fehlen einer allgemeinen Theorie des Erfolgs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Bedeutung des Erfolgskriteriums im Wirtschaftsstrafrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Bedeutung für die Strafbegründung. . . . b) Bedeutung für die Strafzumessung . . . . II. Feststellung des Erfolgs im Wege der Schätzung 1. Rechtliche Grundlagen der Schätzung . . . . 2. Schätzmethoden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die revisionsgerichtliche Überprüfung . . . . E. Subjektiver Tatbestand I. Grundsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Funktion und Bedeutung des dolus eventualis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Die besondere Bedeutung der Leichtfertigkeit. F. Rechtswidrigkeit und Unrecht I. Die Bedeutung der Rechtfertigung im Allgemeinen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Wirtschaftsstrafrechtliche Besonderheiten . . . G. Vorwerfbarkeit und Schuld I. Das Schuldprinzip im Wirtschaftsstrafrecht . . II. Individuelle Schuld in systemischen und automatisierten Prozessen 1. Klassische Fragen der Schuldfähigkeit . . . . 2. Individuelle Schuld in systemischen Prozessen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Gesinnungsmerkmale . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Objektive Schuldmerkmale . . . . . . . . . . . . . . V. Normativer Schuldbegriff und Verbandsstrafbarkeit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Maßnahmen und Sanktionen gegen juristische Personen und Verbände 1. Befund de lege lata . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Kriminologischer Hintergrund . . . . . . . . . 3. Strafrechtsdogmatische Modelle zur Verbandshaftung und Vereinbarkeit mit dem Schuldprinzip a) Modelle der Verbandshaftung . . . . . . . . b) Vereinbarkeit mit dem Schuldprinzip . . H. Unterlassungsdelikte im Besonderen I. Grundsätze 1. Echtes und unechtes Unterlassen . . . . . . . . 2. Wesen des Unterlassungsdelikts . . . . . . . . . 3. Delegation der Handlungspflicht und Unternehmenscompliance . . . . . . . . . . . . . . . II. Abgrenzung von Tun und Unterlassen 1. Grundsätzliches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Sachverhalte mit Unternehmensbezug . . . .

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A. Das Wirtschaftsstrafrecht des StGB Literatur: Ackermann in Ackermann/Heine (Hrsg.), Wirtschaftsstrafrecht der Schweiz, 2013, § 1; Becker, Der ökonomische Ansatz zu Erklärung menschlichen Verhaltens, 1982; Braithwaite, White Collar Crime, Competition and Capitalism, Ame-

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StGB

Vorbemerkungen zu § 13

StGB

Vor § 13 StGB Rz. 1

Strafgesetzbuch

rican Journal of Sociology 94 (1988), 627; Cleff/Naderer/Volkert, Tätermotivation in der Wirtschaftskriminalität, Beiträge der Hochschule Pforzheim, Nr. 128, 2008; Cleff/Naderer/Volkert, Motives behind white-collar crime, Results of a quantitative and qualitative study in Germany, Society and Business Review (SABR), Vol. 8 Iss: 2, 145–159; Coleman, Toward an integrated Theory of White collar Crime, American Journal of Sociology, 93 (1987), 406 ff.; Englerth, Der beschränkt rationale Verbrecher – Behavioral Economics in der Kriminologie, 2010; Hassemer, Sicherheit durch Strafrecht, HRRS 2006, 130 ff.; Hefendehl, Kollektive Rechtsgüter im Strafrecht, 2002; Hefendehl, Die technische Prävention und das Strafrecht, NJ 2006, 1 ff.; Kühne, Gegenstand und Reichweite von Präventionskonzepten, DRiZ 2002, 18 ff.; Kunz, Strafrechtsmodelle und Gesellschaftsstruktur, Krim.J 42 (2010), 9 ff.; Lindemann, Voraussetzungen und Grenzen legitimen Wirtschaftsstrafrechts, Tübingen, 2012; Mansdörfer, Zur Theorie des Wirtschaftsstrafrechts, Heidelberg, 2011; Mansdörfer/A. Schmidt, Die historische Entwicklung des Wirtschaftsstrafrechts hin zur Emergenz eines neuen Strafrechtssystems, Ad legendum 2014, 1 ff.; H. Schneider, Das Leipziger Verlaufsmodell wirtschaftskriminellen Verhaltens, NStZ 2007, 555 ff.; E. Sutherland, White collar crime – The uncut version, 1983; Zabel, Interventionsstrafrecht?, StraFo 2011, 20 ff.

I. Wirtschaftsstrafrecht als präventionsorientiertes Tatstrafrecht 1

Das Wirtschaftsstrafrecht des StGB knüpft die Strafe an ein bestimmtes Verhalten an, das in den Tatbeständen des Besonderen Teils umschrieben und dem Täter zum Vorwurf gemacht wird (sog. Tatschuld). Die Tat als konkretes Geschehen im Wirtschaftsleben begründet die Strafbarkeit. Die Täterpersönlichkeit spielt dagegen für die Beschreibung der Wirtschaftsstraftat als solches keine Rolle. Das geltende Wirtschaftsstrafrecht ist Tatstrafrecht und kein Täterstrafrecht. Gleichwohl sollen vorab einige kriminologische und rechtspolitische Spezifika des Wirtschaftsstrafrecht hervorgehoben werden, welche nachfolgend aufgezeigte Besonderheiten in der Entwicklung der allgemeinen Straftatlehre mit erklären können und für eine wirksame Prävention und Compliance von Bedeutung sind. 1. Kriminologische Tätertypologie

2

Die Wirtschaftskriminologie hat in den letzten Jahren verschiedene kriminologische Tätertypen entwickelt und näher konkretisiert. Jenseits der klassischen Beschreibung des Wirtschaftsstraftäters als white-collar-Täter (E. Sutherland)1 differenzieren die neueren Ansätze in der deutschen Kriminologie nach dem Tatverlauf und der Täterpersönlichkeit. Nach H. Schneider folgen Wirtschaftsstraftaten typisierbaren Mustern (Leipziger Verlaufsmodell wirtschaftskriminellen Handelns).2 Maßgeblich sei, ob der Täter die strafbare Handlung ggf. aufgrund besonderer Neutralisierungsmechanismen (Coleman) als akzeptable Verhaltensalternative wahrnehme. Zu unterscheiden sei zwischen Tätern, die aktiv nach Gelegenheiten kriminellen Verhaltens suchen (sog. Gelegenheitssuchern), und solchen, die vorhandene Gelegenheiten ergreifen (sog. Gelegenheitsergreifern). Eher ergänzend als alternativ analysiert der Pforzheimer Motivationsansatz von Cleff/Naderer/Volkert die Motivstrukturen für Wirtschaftskriminalität. Die typischen Wirtschaftsstraftäter werden demnach in fünf Grundtypen klassifiziert: den egozentrischen, frustrierten oder narzisstischen Visionär, den Abhängigen und den Naiven. Insgesamt dominieren bei der Tätertypologie und der kriminologischen Erklärung von Wirtschaftskriminalität multifaktorielle Erklärungsansätze, bei denen insbesondere auch Zusammenhänge mit dem Täterumfeld und der Unternehmenskultur zu berücksichtigen sind. Kriminalbiologische Ansätze werden derzeit nicht ernsthaft vertreten. 2. Neuere dogmatische Erklärungsmodelle

3

Neuere strafrechtsdogmatische Erklärungsmodelle orientieren sich zur Konstruktion eines legitimen und eingrenzbaren Wirtschaftsstrafrechts als Mikrostrafrecht an den elementaren Grundvoraussetzungen individuellen wirtschaftlichen Handelns.3 Aufgrund der Selbstbeschränkung des Erklärungszwecks ist es verfehlt, diesem Vorgehen einen schlichten Verweis auf – dem Modell des homo oeconomicus möglicherweise widersprechende – Erkenntnisse der Verhaltensökonomie (behavioral economics) entgegenzuhalten.4 Der dabei zugrunde gelegte „methodische Individualismus“ stellt sicher, dass „Maßnahmen die die Politik ergreift, niemals mit der Fehlbarkeit des Menschen und dessen Irrationalität erklärt werden, sondern immer nur mit Fehlern der Spielregeln, unter denen der Mensch agiert. Dies schützt davor in einen diktatorischen Paternalismus abzugleiten.“5 Ergänzend schützen makrostrafrechtliche Ansätze – vornehmlich über Ordnungswidrigkeiten, z.T. aber auch über Strafnormen (etwa in §§ 298–300 StGB) – funktionierende Märkte ebenfalls als wirtschaftliche Basis des Bürgers und seiner individuellen Freiheit.6

1 Zentral E. Sutherland, white collar crime, 140. 2 Schneider, NStZ 2007, 555; ähnlich bereits Becker, 47 f. 3 Normativer Individualismus, Mansdörfer, 2011, Rz. 23, 25, 54; ähnlich Lindemann, 2012, 6; für den Tatbestand der Untreue zuletzt auch Reiß, Das „Treueverhältnis“ des § 266 StGB, 2014. Zur Einordnung dieses Ansatzes auch Wittig, Wirtschaftsstrafrecht3, § 2 Rz. 27 ff., 35a. 4 Vgl. zur angesprochenen Kritik Wohlers, ZStW 125 (2014), 443, 464; ausf. zur Bedeutung der behavioral economics für das Wirtschaftsstrafrecht Englerth, 2010. 5 H.-W. Sinn, Der große Irrtum, SZ v. 31.10.2014 Nr. 251 (abrufbar unter http://sz.de/1.2198333). 6 Ackermann, 2013, Rz. 9.

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Rz. 6 Vor § 13 StGB

3. Frühere Erklärungsmodelle Dem zuvor genannten Makrostrafrecht nahe stehen früher entwickelte strafrechtsdogmatische Erklärungs- 4 modelle, die Besonderheiten des Wirtschaftsstrafrechts mit dem Schutz (zunehmend inflationär anerkannter1) überindividueller Rechtsgüter2 unter Hervorhebung der Angriffsart auf einen Missbrauch des Vertrauens in die Wirtschaftsordnung oder deren Institutionen erklären.3 Bei einem modernen Verständnis des Wirtschaftsstrafrechts als einer der drei Säulen des Wirtschaftsrechts4 lässt sich dagegen durchaus eine Konvergenz strafrechtlicher und ökonomischer Steuerungsmechanismen erkennen. 4. Kriminalpolitische Tendenzen Die neuere Kriminalpolitik betont trotz der Entwicklung der letzten zwanzig Jahre seit 1990 eine angeblich noch 5 immer mangelnde Präventionseffizienz des Wirtschaftsstrafrechts.5 Prinzipiell in die gleiche Richtung gehen europarechtliche Forderungen nach effektiven, wirksamen und abschreckenden Sanktionen.6 Folge dieser kriminalpolitischen Tendenzen ist eine gefährliche Entwicklung hin zu einem vermehrt durch Figuren des Organisationsverschuldens oder Kumulations- und Eignungsdelikte geprägten Präventionsstrafrecht, dem die Strafrechtsdogmatik bislang wenig eingrenzende Parameter7 entgegenzusetzen hat. Sowohl Tat- als auch Täterbezug verkümmern. In den Vordergrund treten – statt der an sich sinnvollen8 Frage nach dem Transaktionskosten reduzierenden und freiheitssichernden Einsatz des Strafrechts – das Streben nach steuernder, situativer Risikobeherrschung, präventiver Überwachung und Verminderung krimineller Gelegenheiten sowie einem übergreifenden Konzept des „Empowerment der Rechtschaffenen“.9

II. Tat, Täterpersönlichkeit und Deliktsfolgen Von unterschiedlicher Bedeutung sind die Täterpersönlichkeit und die Prävention bei der Auswahl und Bemes- 6 sung der Deliktsfolgen. Zwar ist die Strafe nach geltendem Recht in erster Linie eine Tatstrafe (§ 46 StGB). Gleichwohl wird die Strafzumessung im Rahmen des Schuldangemessenen nicht unerheblich von generalpräventiven Erwägungen getragen. Im Wirtschafts- und Steuerstrafrecht droht diese Entwicklung durch zunehmend engere strafzumessungsrechtliche Entscheidungsspielräume der Tatgerichte und ein praeter legem entwickeltes Straftaxensystem zusätzlich gefördert zu werden.10 Im Ordnungswidrigkeitenrecht wird ein solches System unter Berufung auf das Prinzip der Gleichbehandlung für behördeninterne Bußgeldrichtlinien offensiv vertreten.11 Für die Gerichte sind derartige Richtlinien als rein interne Verwaltungsrichtlinien freilich nicht verbindlich.12

B. Wesen der Wirtschaftsstraftat und Tatbestandstypen Literatur: Enderle, Blankettgesetze, Frankfurt, 2000; Faller, Das Analogieverbot im Wirtschaftsstrafrecht, DB 1972, 1757 ff.; Harms/S. Heine, EG-Verordnung und Blankettgesetz, FS Amelung, 2009, 393 ff.; Hefendehl, Kollektive Rechtsgüter im Strafrecht, 2002; Kölbel, Das Rechtsmissbrauchsargument im Strafrecht, GA 2005, 36 ff.; Kubiciel, Die Finanzmarktkrise zwischen Wirtschaftsstrafrecht und politischem Strafrecht, ZIS 2013, 53; Kuhlen, Zum Verhältnis vom Bestimmtheitsgrundsatz und Analogieverbot, in FS Otto, 2007, 89 ff.; Mansdörfer/Habetha, Strafbarkeitsrisiken des Unternehmers, 2015; Nippoldt, Die Strafbarkeit von Umgehungshandlungen, Gießen, 1974; Satzger, Die Europäisierung des Strafrechts, 2001; Sax, Das strafrechtliche „Analogieverbot“, 1953; Schröder T., Zum Begriff der Gesetzesumgehung im materiellen Strafrecht und seiner Bedeutung für die praktische Anwendung des Rechts, 2013; Schützendübel, Die Bezugnahme auf EU-Verord1 Krit. insoweit, aber die grundsätzliche Legitimation solcher Rechtsgüter bejahend Hefendehl, Kollektive Rechtsgüter, 175 ff. 2 Stellvertretend Tiedemann, AT4, Rz. 45. 3 Otto, ZStW 96 (1984), 339, 346. 4 Ackermann, Rz. 12; Lindemann, 2: „Wirtschaftsstrafrecht als Instrument der Erwartungsstabilisierung“. 5 Z.B. Entwurf eines Verbandsstrafgesetzbuchs des Landes NRW S. 23 f., abrufbar unter: www.justiz.nrw.de/JM/justizpolitik/ jumiko/beschluesse/2013/herbstkonferenz13/zw3/TOP_II_5_Gesetzentwurf.pdf Deskriptiv krit. Zabel, StraFo 2011, 22; Mansdörfer/A. Schmidt, Ad legendum 2014, 1, 8 f. 6 Mehr bei Vogel/Brodowski in Sieber/Brüner/Satzger/v. Heintschel-Heinegg (Hrsg.), Europäisches Strafrecht2, §§ 5 f. 7 Deskriptiv-krit. Kühne, DRiZ 2002, 23 f.; im Ansatz mit Recht krit. auch Hefendehl, 2002, 33 ff.; konkret zur Begrenzung der Gefährdungsdelikte unten Rz. 50. 8 Für eine „in Maßen am Effizienzprinzip“ orientierte Ausrichtung des Wirtschaftsstrafrechts auch Beckemper, FS Otto, 29, 36 ff. 9 Ähnlich bereits Tiedemann, Tatbestandsfunktionen im Nebenstrafrecht, 104 ff.: „Aktivierung der Sozialperson“; krit. zu diesen Ansätzen Kunz, Krim. Journal, 42 (2010), 18, 20 und NJ 2006, 18. 10 Beispielhaft für die Entwicklung im Steuerstrafrecht: BGH v. 2.12.2008 – 1 StR 416/08, BGHSt 53, 71 = NJW 2009, 528 = NStZ 2009, 271; BGH v. 7.2.2012 – 1 StR 525/11, BGHSt 57, 123 = NJW 2012, 1458 = wistra 2012, 236; BGH v. 26.9.2012 – 1 StR 423/12, wistra 2013, 31; beispielhaft ein nicht veröffentlichter Erlass einer OFD zur Strafzumessung bei Steuerstraftaten und Steuerordnungswidrigkeiten bei Schäfer/Sander/van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung5, Rz. 1879 ff.; für die Bedeutung der Schadenshöhe bei den Tatbeständen des Betrugs und der Untreue BGH v. 30.9.2010 – 5 StR 259/10, NStZ 2011, 160, 161 = wistra 2011, 22; mit Recht differenzierend Fischer, StGB63, § 46 Rz. 7a, 34a. 11 Vgl. etwa BaFin (Hrsg.), WpHG-Bußgeldrichtlinien, Stand Nov. 2013, 1, abrufbar unter www.bafin.de; andere Ämter wie z.B. auch Arbeitsämter erlassen in ihrem Zuständigkeitsbereich zunehmend entsprechende Richtlinien. 12 OLG Hamm v. 9.1.2001 – 1 Ss OWi 1230/00, BeckRS 2001, 30153781..

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StGB

Vorbemerkungen zu § 13

StGB

Vor § 13 StGB Rz. 7

Strafgesetzbuch

nungen in Blankettgesetzen, 2011; Silva Sanchez/Miró Llinares, La teoría del delito en la práctica penal económica, 1a ed., Madrid, 2013; Stöckel, Gesetzesumgehung und Umgehungsgesetze im Strafrecht, 1966; Vogel, Schein- und Umgehungshandlungen im Strafrecht, in: Madrid-Symposium Tiedemann, München, 1994, 151 ff.; Vogel, How to determine individual criminal responsibility in systemic contexts: twelve models, Cahiers de défense sociale 2002, 151 ff.; Wabnitz/Janovsky, Handbuch des Wirtschafts- und Steuerstrafrechts, 2014; Wohlers, Deliktstypen des Präventionsstrafrechts – zur Dogmatik moderner Gefährdungsdelikte, 2000; Wolsfeld, Wann ist Gestaltungsmissbrauch strafbar?, PStR 2000, 158; Zieschang, Gefährdungsdelikte, 1998.

I. Wesen der Wirtschaftsstraftat 7

Ihrem Wesen besteht die Wirtschaftsstraftat nach neuerem dogmatischen Verständnis zunächst mikrostrafrechtlich in der Beeinträchtigung der elementaren Grundvoraussetzungen wirtschaftlichen Handelns (vgl. oben Rz. 3). Damit dient auch Wirtschaftsstrafrecht vorrangig der Gewährleistung individueller Rechtsgüter. Auf diese Weise wird eine Gegenposition zu Ansätzen vertreten, die das Wesen der Wirtschaftsstraftat allgemein oder zumindest vorrangig in einer Erschütterung funktionierender Märkte und gesamtgesellschaftlicher Institutionen sehen, mit der Folge, dass der Unwert der Wirtschaftsstraftat unter Einbeziehung von Sogwirkungen, Kumulations- oder Spiraleffekten1 den Unwert von Straftaten zum Nachteil von Individualrechtsgütern weit übertrifft. Zugleich wird auf dieser Basis einer wirtschaftsstrafrechtlichen Sonderdogmatik2 eine Absage erteilt und das Wirtschaftsstrafrecht dezidiert und i.S.v. Art. 1 EGStGB an die allgemeine Straftatentwicklung angeschlossen.3 Dabei wird nicht verkannt, dass verschiedene Figuren der überkommenen Strafrechtsdogmatik für den Transfer auf wirtschaftsstrafrechtliche Sachverhalte „modifiziert“4 werden müssen. Zugleich soll der Tendenz einer „Nivellierung dogmatischer Figuren“5 und der effektivitätsmaximierenden Schließung von Strafbarkeitslücken6 entgegengewirkt werden.

II. Tatbestandsbestimmtheit und Tatbestandstypen des Wirtschaftsstrafrechts 8

Der Tatbestand muss auch im Wirtschaftsstrafrecht in erster Linie der in § 1 StGB normierten und in Art. 103 Abs. 2 GG verfassungsrechtlich verankerten Garantiefunktion gerecht werden. Trotz der Vielgestaltigkeit wirtschaftlichen Handelns kann ein Verhalten nur bestraft werden, wenn dessen Strafbarkeit zuvor hinreichend bestimmt normiert war. Erhöhte Bedeutung hat dem Bestimmtheitsgrundsatz zuletzt das BVerfG in seiner Rspr. zum Untreuetatbestand zugemessen.7 So wurde besonders die Bedeutung des Bestimmtheitsgebots bei der tatrichterlichen Auslegung und Anwendung des einfachen Rechts hervorgehoben8 und eine erhöhte verfassungsrechtliche Kontrolldichte in Aussicht gestellt. Hieraus resultieren die durchaus verallgemeinerbaren Gebote der bestimmten Rechtsanwendung und der Präzisierung unbestimmter Rechtsbegriffe sowie die Verbote der Verschleifung und Entgrenzung einzelner Tatbestandsmerkmale.9 Zugleich wurde Tendenzen der Verschleifung im materiellen Recht (wie z.B. der Verschleifung von Pflichtverletzung und Vermögensschaden im Rahmen von § 266 StGB oder dort angesiedelten Fällen der sog. Rechtsgutsvertauschung) Grenzen gesetzt. 1. Verletzungs- und Gefährdungsdelikte a) Prinzipielle Unterscheidung

9

Den Prototyp des Straftatbestandes bildet auch im Wirtschaftsstrafrecht das Verletzungsdelikt, bei dem sich der Verletzungserfolg typischerweise in einer von der Täterhandlung räumlich und zeitlich getrennten Verletzungswirkung zeigt (z.B. §§ 240, 263, 266 StGB). Der Gesetzgeber sanktioniert hiermit jede Verhaltensweise, die den im Tatbestand näher umschriebenen Verletzungserfolg in zurechenbarer Weise herbeiführt. Die zweite zentrale Tatbestandskategorie bilden die sog. Gefährdungsdelikte (z.B. §§ 261, 264a, 265b, 299, 331 StGB, 331 ff. HGB, 16 UWG). Im Gegensatz zu Verletzungsdelikten verbieten Gefährdungsdelikte keinen substantiellen Verletzungserfolg, sondern beziehen sich auf einen bestimmten Gefahrenraum und erlauben dem Gesetzgeber konkrete

1 2 3 4 5

6 7 8 9

50

Näher dazu S. Shapiro, American Sociological Review 1990, 364 ff. Beispielhaft dazu die Beobachtungen von Kubiciel, ZIS 2013, 53, 56 f. Zu Entwicklung der allgemeinen Straftatlehre T. Walter in LK-StGB12, vor § 13 Rz. 21 ff. BGH v. 6.4.2000 – 1 StR 280/99, BGHSt 46, 30 = NStZ 2000, 656 = NJW 2000, 2364 für die Bestimmung des bedingten Vorsatzes; grundsätzlich Volk in MAH-WirtschaftsstrafR § 2 Rz. 1. Volk in MAH-WirtschaftsstrafR § 2 Rz. 3, der hierfür m.E. zu nachsichtig auch „Gründe in der Sache“ anführt. Beispiele sind eine abnehmende Bedeutung der Unterscheidung zwischen Tun und Unterlassen, die Tendenz zu einer Einheitstäterschaft, die Allzuständigkeit der Unternehmensleitung in Unternehmenskrisen (dazu § 13 StGB Rz. 11, 22 ff.; krit. dazu Mansdörfer, 2011, Rz. 598–882) oder die Verschleifung von materiellem und formellem Recht (dazu unten Rz. 33). Zur dieser bei einem bereichsspezifischen Zuschnitt allgemeiner Lehren grundsätzlichen Gefahr Weigend in FS Roxin, 2001, 1375, 1381. BVerfG v. 10.3.2009 – 2 BvR 1980/07, NJW 2009, 2370; BVerfG v. 23.6.2010 – 2 BvR 2559/08, BVerfGE 126, 170, 200 ff. = NStZ 2010, 626. Ebenso Mansdörfer, 2011, Rz. 359. Beispielhaft für eine Übertragung der verfassungsgerichtlichen Überlegungen auf § 370 AO Wittig, ZIS 2011, 660.

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Rz. 14 Vor § 13 StGB

Handlungsweisen aufgrund ihres typischen abstrakten Gefahrenpotentials zu untersagen.1 Das verfassungsrechtliche Entgrenzungsverbot gebietet, bei abstrakten Gefährdungsdelikten darauf zu achten, dass eine extensive Interpretation der Gefährdungsdelikte letztlich nicht zu einer (grundsätzlich lediglich ordnungswidrigen) Sanktionierung von Verstößen gegen bloße Form- und Ordnungsvorschriften führt.2 b) Problem der Vorfeldkriminalisierung Weithin missbilligt wird der Umstand, dass Gefährdungsdelikte die Strafbarkeit in das Vorfeld der materiellen 10 Rechtsgutsverletzung zu verlagern drohen (sog. Vorfeldkriminalisierung3). Einer ungerechtfertigten Expansion in räumlicher, zeitlicher und personaler Hinsicht muss hier also auch bei der Anwendung der (im Grunde am Verletzungsdelikt entwickelten) Rechtsfiguren der Allgemeinen Straftatlehre Rechnung getragen werden. In der Literatur wird hier regelmäßig der mangelnde Rechtsgutsbezug kritisiert. Dieser Maßstab ist für sich freilich wenig aussagekräftig, kaum trennscharf und wurde bislang, soweit ersichtlich, von der Rspr. nicht rezipiert. Ebenfalls wenig hilfreich (weil am Ende zirkulär) sind Verweise darauf, dass ein Verhalten eine rechtlich missbilligte Gefahrschaffung darstellen müsse oder kein „erlaubtes Risiko“ darstellen dürfe. Als Faustformel zur Konkretisierung der Grenze der Vorverlagerung sollte demnach äußerlich neutrales Ver- 11 halten (in Anlehnung an die gefestigte Rspr. zur sog. neutralen Beihilfe4) räumlich-personal nur bei einem hinreichenden (nachweisbedürftigen) deliktischen Sinnbezug in den Tatbestand des Gefährdungsdelikts einbezogen werden. Aus nebenstrafrechtlicher Perspektive spricht sich Lagodny für ein strafrechtsdogmatisches Verbot der „Doppelverwertung ein- und desselben Wertungsaspekts“ aus.5 Dieser Gedanke verspricht noch etwas deutlichere Einschränkungen der Strafbarkeit, weil der Aspekt der Gefährlichkeit und die hieraus ableitbare strafrechtliche Missbilligung mit der Normierung eines Gefährdungsdelikts bereits hinreichend verarbeitet wurde. Im Bereich der Unterlassungsdelikte votiert Dehne-Niemann darüber hinaus für einen weitgehenden Verzicht auf die Idee eines Vorverschuldens i.S. einer omissio libera in causa.6 2. Blankettstraftatbestände Wo das Wirtschaftsstrafrecht auf normativ erheblich vorgeprägte Rechtsbereiche Bezug nimmt, bedient es sich 12 regelmäßig stark normativer Tatbestandsmerkmale bzw. der Technik des Blanketts. a) Unterscheidung zwischen normativen Tatbestandsmerkmalen und Blankettgesetzen Obwohl verschiedentlich die Relevanz der Unterscheidung zwischen normativen Tatbestandsmerkmalen und 13 Blankett (z.B. §§ 266 StGB bezüglich der Vermögensbetreuungspflicht „kraft Gesetzes“;7 § 370 AO,8 „gesetzlich verpflichtet“ in §§ 283 Abs. 1 Nr. 5–7, 283b StGB)9 negiert wird, ist die Differenzierung in der Sache berechtigt und angesichts der Europäisierung des Strafrechts im Grunde zwingend:10 Beim normativen Tatbestandsmerkmal wird der genaue Gehalt eines in einem Straftatbestand verwendeten Begriffs nicht primär von dessen faktischem Kern, sondern wesentlich von den mit dem Begriff verbundenen wertausfüllenden (normativen) Umständen geprägt. Verweist ein Tatbestand direkt auf eine andere nationale oder unionseuropäische Norm bzw. Normenkette, ist der äußerste Grad an Normativität erreicht. Der Straftatbestand nimmt den Gehalt der außerstrafrechtlichen Verweisung vollständig in sich auf. An einer solchen vollständigen Übernahme der außerstrafrechtlichen Wertung fehlt es bei nur normativen Tatbestandsmerkmalen. Im Gegensatz zum Blankett ist das normative Tatbestandsmerkmal damit offen für Zieldivergenzen zwischen Strafrecht und zivil- oder öffentlich-rechtlicher Ordnung. b) Interpretations- und Irrtumsfragen Trotz der direkten Bezugnahme bleibt die Auslegung des in Bezug genommenen Rechts an strafrechtsspezifische 14 Grenzen – z.B. das in Art. 103 Abs. 2 GG niedergelegte Bestimmtheitsgebot,11 die Wortlautgrenze oder das in-

1 Unten Rz. 50. 2 Zur dieser bei einem bereichsspezifischen Zuschnitt allgemeiner Lehren grundsätzlichen Gefahr Weigend in FS Roxin, 2001, 1375, 1381. 3 BVerfG v. 10.3.2009 – 2 BvR 1980/07, NJW 2009, 2370; BVerfG v. 23.6.2010 – 2 BvR 2559/08, BVerfGE 126, 170, 200 ff. = NStZ 2010, 626. 4 BGH v. 1.8.2000 – 5 StR 624/99, BGHSt 46, 107, 112. 5 Ebenso Mansdörfer, 2011, Rz. 359. 6 Dehne-Niemann, GA 2009, 150, 170 f., beispielhaft für eine Übertragung der verfassungsgerichtlichen Überlegungen auf § 370 AO Wittig, ZIS 2011, 660. 7 OLG Stuttgart v. 14.4.2009 – 1 Ws 32/09, wistra 2010, 34 = StV 2010, 80. 8 BVerfG v. 16.6.2011 – 2 BvR 542/09 (LS 1b), BVerfGK 18, 482 = NJW 2011, 3778. 9 Zum Begriff ursprünglich Binding, Normen I, 161. 10 So etwa Schützendübel, 70 ff. 11 Zuletzt ausdrücklich BVerfG v. 16.6.2011 – 2 BvR 542/09 (LS 1b), BVerfGK 18, 482 = NJW 2011, 3778.

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Vorbemerkungen zu § 13

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tertemporale Strafrecht (§ 2 Abs. 3 StGB)1 – gebunden. Namentlich analoge Anwendungsfälle der Bezugsnorm können bei der Bestimmung der strafrechtlichen Reichweite der Norm gerade nicht berücksichtigt werden. Zulässig ist dagegen etwa bei gekreuzten Außenverweisungen auf unionseuropäische Richtlinien oder Verordnungen2 die Übernahme im supranationalen Recht begründeter Auslegungsmethoden,3 soweit diese nicht mit spezielleren nationalen Auslegungsmethoden kollidieren.4 15

Streitig ist, ob auf Blankette insbesondere bei Irrtumsfragen und bei der Anwendung des § 17 StGB im Einzelnen nachsichtigere Maßstäbe anzuwenden sind.5 Schwierigkeiten wirft namentlich der Fall auf, dass der Normadressat aufgrund einer irrtümlichen Auslegung der in Bezug genommenen außerstrafrechtlichen Rechtsnormen die an ihn gerichtete strafrechtliche Verhaltensnorm erst gar nicht zur Kenntnis nimmt.6 Speziell im Steuerstrafrecht ordnet die Rspr. auf der Basis der sog. Steueranspruchstheorie entsprechende Irrtümer in großem Umfang als vorsatzausschließende Irrtümer über den Tatbestand (§ 16 Abs. 1 StGB) ein.7 Gegenüber großzügigen Irrtumsregelungen vorzugswürdig ist es freilich, bereits auf der Ebene des Tatbestandes strikt den verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatz anzuwenden und einen Tatbestand im Zweifel restriktiv auszulegen.8 Praktische Konsequenzen hat dies etwa dort, wo Maßnahmen – wie z.B. die Anordnung eines Verfalls nach §§ 73 ff. StGB, 29a OWiG – oder die Beteiligung Dritter (insbesondere § 27 StGB) bereits an eine tatbestandsmäßige und rechtswidrige, nicht aber schuldhafte Haupttat anknüpfen. 3. Tatbestände mit Generalklauseln und Maßfiguren a) Generalklauseln

16

Generalklauseln und Maßfiguren kommt eine unterschiedliche Funktion zu: Generalklauseln sind Rechtssätze, die in ihrer Aussage besonders allgemein und inhaltlich unbestimmt sind.9 Gerade die sog. innerstrafrechtlichen Generalklauseln10 haben ab den 1990er Jahren die Entwicklung und Expansion des Wirtschaftsstrafrechts überhaupt erst ermöglicht und schützen die wesentlichen Voraussetzungen individuellen Wirtschaftens. Beispiele hierfür sind die Entwicklung des Produktstrafrechts auf der Grundlage der §§ 223, 229 StGB, die grundsätzliche Überprüfung von Prinzipal-Agenten-Verhältnissen am Maßstab des § 266 StGB oder die zunehmende Normativierung des Betrugstatbestands. Maßfiguren dienen dagegen der einerseits flexiblen und andererseits verkehrskreisnahen Beschreibung des tatbestandsmäßigen Verhaltens. b) Maßfiguren des bürgerlichen Rechts und des Verwaltungsrechts

17

Maßfiguren des bürgerlichen Rechts (z.B. §§ 43 Abs. 1 GmbHG, 93 Abs. 1 S. 1 AktG, sog. business-judgement-rule) und des Verwaltungsrechts (z.B. § 25a KWG „ordnungsgemäße Geschäftsorganisation“) müssen bei der Übernahme nach den dort geltenden Regeln und insbesondere nach dem Maß des strafrechtlich Zumutbaren (einschränkend) ausgelegt werden.11 Insbesondere bloß formale Verstöße (z.B. die mangelnde Dokumentation von Vorgängen etc.) bleiben strafrechtlich grundsätzlich folgenlos, solange sich daraus keine substantiellen Gefahren für Rechtsgüter entwickeln. c) Maßfiguren des Strafrechts

18

Bei Maßfiguren des Strafrechts (z.B. § 331 HGB „unrichtig wiedergeben“, § 283 StGB „ordnungsgemäße Wirtschaft“) ist im Einzelfall zu prüfen, ob das Strafrecht an dieser Stelle auf außerstrafrechtlich konturierte rechtliche Pflichten (z.B. §§ 91 AktG, 43 GmbHG, 243 HGB, 60 InsO) Bezug nimmt (sog. Akzessorietät des Strafrechts12) oder ob die entsprechenden Pflichten originär strafrechtsspezifisch entwickelt werden können und sollen. Maßgebende Faktoren sind insoweit das Telos und die Praktikabilität der entsprechenden Norm. In ei1 OLG Stuttgart v. 14.4.2009 – 1 Ws 32/09, wistra 2010, 34 = StV 2010, 80; zur Zulässigkeit einer rückwirkenden Inklusion BVerfG v. 18.9.2008 – 2 BvR 1817/08, NJW 2008, 3769; im Kontext des Europäischen Strafrechts Harms/S. Heine in FS Amelung, 2009, 393, 398. 2 Eingehend dazu Schützendübel, 59–89. 3 Satzger, Die Europäisierung des Strafrechts, 2001, 232 ff. 4 Zu Blankettverweisungen im Europäischen Strafrecht auch Esser, Europäisches und Internationales Strafrecht, 2014, § 2 IV. 5 Umfassend hierzu Schuster, Das Verhältnis von Strafnormen und Bezugsnormen aus anderen Rechtsgebieten, 2012, 146 ff., 153 ff. 6 Ausf. dazu Ransiek, wistra 2012, 365, für eine weitgehende Einordnung entsprechender Irrtumsfälle als Tatbestandsirrtum Bülte, NStZ 2013, 65. 7 Stellvertretend BGH v. 13.11.1953 – 5 StR 342/53, BGHSt 5, 90; BGH v. 9.2.1995 – 5 StR 722/94, wistra 1995, 191, 192; OLG Köln v. 4.3.2004 – 2 Ws 702/03, NJW 2004, 3504. 8 Vgl. BVerfG v. 15.3.1978 – 2 BvR 927/76, BVerfGE 48, 61. 9 So die Definition bei Tiedemann, Tatbestandsfunktionen im Nebenstrafrecht, 95 f. 10 Dazu gehören neben einzelnen Tatbeständen mit generalklauselartig gefassten einzelnen Tatbestandsmerkmalen (wie z.B. § 283 Abs. 1, 291, 299 StGB) die großen Generalklauseln der §§ 223, 240, 263, 266 StGB. 11 Ähnlich auch Wittig in Wirtschaftsstrafrecht3, § 6 Rz. 23 f. 12 T. Walter in LK-StGB12, vor § 13 Rz. 4 f.

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Rz. 25 Vor § 13 StGB

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Vorbemerkungen zu § 13

nem weiteren Schritt sind sodann die Umstände des Einzelfalls, wie z.B. die Art und Größe des Geschäfts, die Branche, bestehende technische Möglichkeiten und externe Standards, zu berücksichtigen (z.B. § 130 OWiG: „erforderliche Aufsichtsmaßnahmen“, „gehörige Aufsicht“). In der Literatur wird vereinzelt abweichend eine generell restriktive Interpretation von Maßstabsfiguren eingefordert, so dass ein Verhalten bereits dann aus dem Tatbestand ausscheiden würde, wenn aus der ex-ante Perspektive auch nur eine Ansicht eine geschäftliche Entscheidung bzw. eine Handlung vertretbar erscheint.1 4. Schein- und Umgehungstatbestände Der Grundsatz nullum crimen wird im Wirtschaftsstrafrecht aufgrund des auch dort geltenden Analogieverbots 19 und der besonderen Gewinnorientierung der Akteure vor gesteigerte Herausforderungen gestellt:2 Im Grundsatz gesetzestreue Unternehmer sind im Rahmen des allgemeinen Wettbewerbs und der damit verbundenen Suche nach Wettbewerbsvorteilen gehalten, die (straf-)rechtliche Rahmenordnung bis zu ihren Grenzen auszutesten3 und straffreie „teleologische Lücken“4 im Gesetz zu finden. Hieraus resultieren häufig neuartige soziale Phänomene – wie z.B. die Scheinselbständigkeit, der Vorzug von Werkverträgen gegenüber Dienstverträgen, Umwandlung von Lohnbestandteile in steuer- und abgabenbefreite Zulagen, steuerliche Verlustgeschäfte u.V.m. –, die der Gesetzgeber oft erst mit nachträglichen klarstellenden Eingriffen korrigieren kann. Die Problematik der Gesetzesumgehung bzw. Rechtsfolgenvermeidung ist damit möglicherweise größer als gemeinhin angenommen.5 Ein allgemeiner Umgehungstatbestand ist im Strafrecht gleichwohl zu Recht nicht normiert. Ungeachtet dessen haben Judikative und Legislative für das Wirtschaftsstrafrecht reagiert und Rechtsfiguren entwickelt, die typische Umgehungshandlungen auffangen. Die auf diese Weise entstandene „Umgehungsdogmatik“ muss bei der Beurteilung über das Vorliegen einer teleologischen Lücke zwingend berücksichtigt werden. Dazu gehören im Rahmen der Allgemeinen Straftatlehre die extensive teleologische Interpretation, die faktische Betrachtungsweise als Sonderform der teleologischen Auslegung oder die Rechtsfigur der Organ- und Vertreterhaftung (§§ 14 StGB, 9 OWiG) einschließlich der Rechtsfiguren der faktischen Geschäftsführung und des faktischen Beauftragten. Daneben werden in einigen Bereichen typische Umgehungshandlungen in generalisierender Art und Weise unter Strafe gestellt und spezielle Straftatbestände geschaffen (z.B. §§ 145c StGB, 265a StGB, 291 Abs. 1 S. 2 StGB, 16 Abs. 2 UWG, 20a Abs. 1 Nr. 3 WpHG).6 S. vertiefend die nachstehenden Beispiele in alphabetischer Reihenfolge: Außenwirtschaftsgesetz/Kriegswaffenkontrollgesetz: Umgehungshandlungen betreffen in erster Linie Anga- 20 ben zu Bestimmungs- oder Verbrauchsländern bzw. zur (Zusammensetzung der) Ware an sich.7 Exportgenehmigungen enthalten daher heute regelmäßig eine Endverbleibklausel (§ 10 Abs. 1 KWKG). Ein Rückgriff auf die allgemeine Missbrauchsklausel (§§ 34 AWG, 22a KWKG) ist wegen der vorrangig eingreifenden Endverbleibklausel nur selten notwendig. Beitragsstrafrecht: In beitragsfreie Zulagen umgewandeltes geschuldetes Arbeitsentgelt unterliegt der Sozialver- 21 sicherungspflicht und kann daher eine Strafbarkeit nach § 266a StGB begründen.8 Maßgeblich ist dabei, ob die Zahlung der Zulagen nach dem Zweck der Zulagen sinnentsprechend erfolgt. Berufsverbot: Die Umgehung eines strafrechtlichen Berufsverbots (§ 77 Abs. 1 StGB) wird zunächst in § 70 22 Abs. 3 StGB ausdrücklich um die typischen Umgehungsszenarien ergänzt, dass der Betroffene die Tätigkeit „durch eine von seinen Weisungen abhängige Person für sich“ ausüben lässt. Darüber hinaus wird der Einsatz von Strohleuten in § 145c StGB zur eigenständigen Straftat erhoben. Betrug: Eine Täuschung trotz objektiv wahrer Erklärungen soll nach herrschender Auffassung dann möglich 23 sein, wenn der Gesamteindruck einer Erklärung geeignet ist, jedenfalls geschäftlich unerfahrene Personen zu täuschen, z.B. bei als Rechnung gestalteten Insertionsofferten9 oder bei nur erschwert lesbaren klarstellenden Hinweisen zu einem Lockangebot10 Einlagenrückgewähr: S. unten Sacheinlage, verschleierte

24

Gewerberecht, allgemein: Erschlichene gewerberechtliche Genehmigungen sind grundsätzlich wirksam, solan- 25 ge sie nicht nach den regelmäßig anwendbaren allgemeinen Vorschriften zur Nichtigkeit, zum Widerruf bzw. zur Rücknahme eines Verwaltungsaktes ihre Wirksamkeit verloren haben (argumentum ex §§ 330d Nr. 5 StGB,

1 2 3 4 5 6 7

I.d.S. mit spezifischem Bezug auf § 283 StGB Kudlich/Oglakcioglu, Wirtschaftsstrafrecht, Rz. 74. Umfassend zur Problematik Dannecker in LK-StGB12, § 1 Rz. 263 ff. Ebenso T. Schröder, 2013, 91. Vogel, 1994, 162. Zurückhaltend etwa Vogel, 1994, 151. Ausf. dazu T. Schröder, 2013, 90-182. BGH v. 19.2.2.1985 – 5 StR 780 u. 796/84, NStZ 1985, 367 – Maschinenpistolen; BGH v. 23.11.1995 – 1 StR 296/95, BGHSt 41, 348, 352 ff.; LG Düsseldorf v. 27.5.1986 – X – 64/83, NStZ 1988, 231 – Rheinmetall. 8 BGH v. 8.7.2009 – 1 StR 150/09, NStZ-RR 2009, 339. 9 BGH v. 26.4.2001 – 4 StR 439/00, BGHSt 47, 1 ff. 10 BGH v. 5.3.2014 – 2 StR 616/12 – Routenplaner, NJW 2014, 2595.

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Vor § 13 StGB Rz. 26

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34 AWG, 22a KWKG als leges speciales).1 Seltene Fälle einer ipso iure Nichtigkeit einer Genehmigung fallen aus Gründen der Rechtssicherheit nicht unter den Tatbestand des „Handelns ohne Genehmigung“.2 26

Mindestlohn und Mindestarbeitsbedingungen: Bei der Berechnung des Mindestlohns dürfen Zuschläge und Zulagen berücksichtigt werden, die im Arbeitsvertrag ausdrücklich als nicht von einer zusätzlichen, von der Normalleistung abweichenden Arbeitsleistung abhängiger fester Lohn ausgewiesen sind.3

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Sacheinlagen verschleierte: Um eine effektive Aufbringung des Stammkapitals einer Kapitalgesellschaft zu sichern (sog. Grundsatz der umfassenden Vermögensbindung), werden die Tatbestandsmerkmale der §§ 82 GmbHG, 399 AktG extensiv interpretiert. Grenzen aus Art. 103 Abs. 2 StGB bestehen dort, wo die Einordnung eines Vorgangs als verdeckte Sacheinlage rechtlich umstritten ist.4

28

Scheinauslandsgesellschaften/vorgeschobene Auslandsgesellschaften: Gesellschaften, die im Ausland nach ausländischem Recht gegründet wurden, ihren effektiven Verwaltungssitz aber de facto in Deutschland haben, sind seit der gesellschaftsrechtlichen Aufgabe der sog. Sitztheorie als Rechtssubjekte im inländischen Rechtsverkehr anerkannt.5 Bei nur zum Schein vorgeschobenen ausländischen Gesellschaften gelten im Zweifel entsprechend dem Rechtsgedanken des § 117 BGB die Vorschriften der GbR bzw. oHG.6

29

Subventionserschleichung: Gem. § 4 Abs. 2 SubVG schließt der Missbrauch von Gestaltungen die Gewähr von Subventionen aus. Scheingeschäfte und Scheinhandlungen sind unerheblich gem. § 4 Abs. 1 SubVG. Eine Strafbarkeit kann sich hier insbesondere aus § 264 Abs. 1 Nr. 3 StGB ergeben. Entsprechendes gilt unter Heranziehung von Art. 4 Abs. 3 VO 2988/95 vom 18.12.1995 für Subventionen der EU.

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Steuerumgehung: Eine Steuerhinterziehung gem. § 370 AO liegt auch bei Scheingeschäften und rechtsmissbräuchlichen Gestaltungen vor. Scheingeschäfte sind für die Besteuerung unerheblich (§ 41 Abs. 2 AO). Ein Steuergesetz kann nicht durch rechtsmissbräuchliche Gestaltungen (§ 42 Abs. 2 AO) umgangen werden (§ 42 AO). Das legale Vermeiden von Steuern ist dagegen keine Steuerumgehung.

31

Umweltstrafrecht: Für das Umweltstrafrecht erweitert § 330d Abs. 1 Nr. 5 StGB den Tatbestand des Handelns ohne Genehmigung, Planfeststellung oder Zulassung auf Fälle, in denen der behördliche Akt durch eine Drohung, Bestechung, Kollusion oder durch unrichtige bzw. unvollständige Angaben erwirkt wurde.

32

Zollstrafrecht: Gem. §§ 370, 373 AO macht sich strafbar, wer entgegen § 2 ZollVG und Art. 87, 92, 95 ZZK die Zollstraßen nicht einhält, die Ware nicht unverzüglich zur Zollstelle befördert und dieser Mitteilung erstattet (sog. Schmuggel über die grüne Grenze). Das mehrfache Passieren einer Grenze unter Einhaltung von Höchstgrenzen (z.B. für Waren oder Bargeld) ist dagegen straflos (sog. Ameisenschmuggel). Davon unberührt bleibt eine (ggf. nachfolgende) Täterschaft oder Teilnahme an Steuerstraftaten.7 5. Verschleifung von materiellem und formellem Recht a) Phänomen der Verschleifung

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Eine über einzelne Tatbestandsbereiche hinausgehende und damit durchaus einer verallgemeinernden Betrachtung zugängliche Entwicklung lässt eine Verschleifung von materiellem Recht und Prozessrecht bzw. Beweisrecht erkennen. Schwierige rechtsdogmatische Fragen werden durch spezifische Beweisformen aufgefangen und umgekehrt werden Formen des Indizienbeweises durch Definitionen in Form eines Katalogs von Auswahlkriterien ersetzt. b) Fallgruppen

34

Fragen der Kausalität bei ungeklärten naturwissenschaftlichen Zusammenhängen werden prozessual durch spezifische Anforderungen im Rahmen der Beweiswürdigung aufgefangen (näher dazu unten Rz. 47). Umgekehrt werden Beweisprobleme bei Gremienentscheidungen durch dogmatische Konstruktionen zu bewältigen versucht (näher dazu unten Rz. 45). Der Nachweis des Erfolgs oder einer Bereicherung wird schließlich an verschiedenen Stellen durch Schätzungen erleichtert (beispielhaft § 73a StGB; näher dazu unten Rz. 67 ff.). Der bedingte Vorsatz

1 Vgl. näher Winkelbauer, NStZ 1988, 201. 2 Ebenso T. Schröder, 139; in der Tendenz auch BVerfG v. 1.12.1992 – 1 BvR 88/91, NJW 1993, 581 (Ahndung einer Ordnungswidrigkeit nur bei „festgestellter Rechtswidrigkeit“ des Handelns); für eine vorherige Rechtmäßigkeitsprüfung auch BVerfG v. 7.3.1995 – 1 BvR 1564/92, NJW 1995, 3110; aus der Rspr. BGH v. 27.4.2005 – 2 StR 457/04, BGHSt 50, 105, 110 sowie zuletzt BGH v. 25.9.2012 – 4 StR 142/12, NStZ 2013, 481. 3 Richtarsky in W/J4, Kap. 19 Rz. 177. 4 Ebenso T. Schröder, 2013, 134; generell gegen die Strafbarkeit der Leistung verschleierten Sacheinlagen Altmeppen in Altmeppen/Roth, GmbHG7, § 82 Rz. 10 ff. 5 Grundlegend EuGH v. 9.3.1999 – Rs. C-212/97 – Centros, NJW 1999, 2027 = EuZW 1999, 216. 6 Näher dazu Mansdörfer/Habetha, 2015, Rz. 235. 7 Vgl. T. Schröder, 2013, 113 ff.

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Rz. 38 Vor § 13 StGB

wird im Einzelfall durch Beweisregeln an spezielle Sachverhalte angepasst1 (näher dazu unten Rz. 72 ff.). Das Vorliegen einer faktischen Geschäftsführung oder der Arbeitnehmerstellung gem. § 266a StGB wird anhand einer Reihe von Einzelmerkmalen bestimmt (hier sog. Ersatz einer Definition durch einen Indizienschluss2). Die Einleitung von Ermittlungsverfahren wird durch die Formulierung voraussetzungsarmer sog. Aufgreiftatbestände erleichtert. c) Konsequenzen Für die Strafrechtsdogmatik bewirken derartige Verschleifungen, dass komplexe Zurechnungsfragen prozessual 35 über das Institut der richterlichen Überzeugung einer Scheinlösung zugeführt werden und zugleich die dogmatische Diskussion ihrerseits zur akademischen Übung entwertet wird. Rechtstatsächlich wirkt sich die Verschleifung angesichts der sog. erweiterten Revision nur geringfügig aus. Gerade die „erweiterte Revision“ misst die richterliche Überzeugungsbildung gem. § 261 StPO im Rahmen der allgemeinen Sachrüge (!) auf Vollständigkeit, Geschlossenheit und innere Widersprüchlichkeit. Der Umfang der revisionsgerichtlichen Kontrolle auf die allgemeinen Sachrüge bleibt daher von der Einordnung einzelner Merkmale als materielle Tatbestandsvoraussetzungen oder als Beweisregel im Wesentlichen unberührt.

C. Handlung, Kausalität und Zurechnung Literatur (Auswahl): Corell, FS I. Roxin, 2012, 117; Dencker, Kausalität und Gesamttat, 1996; Dencker, Mittäterschaft in Gremien, in Amelung (Hrsg.) Organisationen, 2000, 63; Engisch, Das Problem der psychischen Kausalität beim Betrug, FS H. von Weber, 1963, 247 ff.; Frisch, Defizite empirischen Wissens und ihre Bewältigung im Strafrecht, FS Maiwald, 239 ff.; Hoyer, Die traditionelle Strafrechtsdogmatik vor neuen Herausforderungen: Probleme der strafrechtlichen Produkthaftung, GA 1996, 160; Knauer, Die Kollegialentscheidung im Strafrecht, 2001; Koriath, Kausalität, Bedingungstheorie und psychische Kausalität, 1988; Koriath, Kausalität und objektive Zurechnung, 2007; Mansdörfer, Die Verantwortlichkeit der Unternehmensleitung bei geheimen Abstimmungen, FS Frisch, 2013, 315 ff.; Montaner Fernandez, Gestión empresarial y atribución der responsabilidad penal, 2008; Neudecker, Die strafrechtliche Verantwortlichkeit der Mitglieder von Kollegialorganen, 1995; Puppe, Die Erfolgszurechnung im Strafrecht, 2000; Rolinski, Statistische Kausalität, FS Miyazawa, 1995, 483 ff.; Schaal, Strafrechtlicher Verantwortlichkeit bei Gremienentscheidungen in Unternehmen, 1988; Silva Sanchez, Aufsichtspflichten und Compliance in Unternehmen, in Kuhlen u.a. (Hrsg.), Compliance und Strafrecht, 2013, 71; Silva Sanchez/Miró Llinares, La teoría del delito en la práctica penal económica, 1a ed., Madrid, 2013; Vogel, How to determine individual criminal responsibility in systemic contexts: twelve models, Cahiers de défense sociale 2002, 151 ff.; Vogel, Elemente der Straftat, GA 1998, 127; Weißer, Kausalitäts- und Täterschaftsprobleme bei der strafrechtlichen Würdigung pflichtwidriger Kollegialentscheidungen, 1996.

Auf der Basis eines methodisch-individualistischen Verständnisses kann die Entwicklung einer das Wirtschafts- 36 strafrecht tragenden Dogmatik im Grunde zwangslos an die i.Ü. entwickelte Dogmatik der Allgemeinen Straftatlehre anknüpfen. Der verstärkte Übergang von naturalistischen zu normativen Betrachtungen wird freilich deutlicher als anderswo.3

I. „Handlung“ als Voraussetzung einer Straftat In der traditionellen Straftatlehre wird die Straftat als tatbestandsmäßige, rechtswidrige und schuldhafte Hand- 37 lung verstanden (§ 1 OWiG).4 Eine Handlung setzt daher nach dem rechtspraktisch relevanten sog. natürlichen Handlungsbegriff ein gewillkürtes menschliches Verhalten voraus,5 so dass vis absoluta, Bewegungen im Zustand der Bewusstlosigkeit oder Trance sowie Reflexhandlungen regelmäßig ausgeschlossen sind.6 Komplexere und multikausale wirtschaftliche Sachverhalte lassen sich freilich mit kausalen Handlungslehren nur eingeschränkt erklären. Wie im Kernstrafrecht grundlegend diskutiert, bedarf der Handlungsbegriff erst recht bei der normativen Bewertung wirtschaftlicher Zusammenhänge der Erweiterung: Neben der bereits im Gesetz ausdrücklich vorgesehenen Ergänzung der Verhaltensnormen durch verschiedene 38 Formen des Unterlassens (echtes Unterlassen und unechtes Unterlassen) beschränkt sich das tatbestandsmäßige Verhalten in komplexen organisierten Einheiten häufig in der Ausübung von Leitungsmacht und nicht unmittelbar Kausalverläufe bedingendem Entscheidungsverhalten.7 Gleichermaßen können auf nachgelagerten Ebenen 1 Beispielhaft BGH v. 6.12.2001 – 1 StR 215/01, BGHSt 47, 187 = NJW 2002, 1585 für den Nachweis eines Untreuevorsatzes bei unangemessenem Unternehmenssponsoring; BGH v. 14.12.2000 – 5 StR 123/00, NJW 2001, 2411 zu erhöhten Anforderungen an den prozessualen Nachweis von Vorsatz bei nicht eigennützigem Handeln. 2 Vgl. zum faktischen Geschäftsführer BayObLG v. 20.2.1997 – 5St RR 159/96, NJW 1997, 1936. 3 Vogel, Cahier de défense sociale 2002, 151, 154 f., macht ähnliche Tendenzen aus für das Umwelt- und das Völkerstrafrecht. 4 BGH v. 24.4.1951 – 1 StR 130/51, BGHSt 1, 132 f. 5 Grundlegend Beling, Lehre vom Verbrechen, 1906, 9, 17. 6 Fischer, StGB63, vor § 13 Rz. 7. 7 Ähnlich bereits Vogel, Cahier de défense sociale 2002, 151, 156 „key factor of responsibility is the power to act in an organisation or to control it“, sowie Vogel, GA 1998, 127, 132; zur Ausübung von Leitungsmacht als Zurechnungsfaktor Habetha, Bankrott und strafrechtliche Organhaftung, 2014, Rz. 124, 194 ff.

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Vorbemerkungen zu § 13

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Vor § 13 StGB Rz. 39

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unzureichende Handlungskompetenzen jedenfalls Informations- und Kommunikationspflichten auslösen. Insgesamt entsteht so speziell für das Verhalten in komplexen Organisationen ein eigenständiges Verhaltensnormprogramm i.S. wechselseitiger Information und Koordination.1 39

Noch wenig geklärt ist, ob und mit welcher Funktion bei größeren Einheiten ein Unternehmenshandeln anerkannt werden soll. Die höchstrichterliche Rspr. hat den Begriff in einer Reihe von Entscheidungen aufgegriffen.2 Der Begriff dient freilich keineswegs analog zum Individualstrafrecht zur Begründung eines Kollektivstrafrechts (dazu unten Rz. 78). Stattdessen bildet die Rspr. auf dieser Grundlage eine eigenständige Zurechnungskategorie für komplexe Situationen in Organisationen mit Elementen des Tuns und des Unterlassens (z.B. im Vertrieb, Produkthaftung, Arzneimittelrecht, Umweltstrafrecht, Vermögensstrafrecht). Zuletzt erscheint die Verwendung dieser Rechtsfigur zwar rückläufig; möglicherweise handelt es sich aber hier im Grunde um zurechnungstheoretische Präzisierungen, wann bei der Ausübung von Leitungsmacht im Unternehmen der Zurechnungszusammenhang nicht durch das Dazwischenhandeln Dritter unterbrochen wird und damit eine unmittelbare Täterschaft anzunehmen ist.3

II. Kausalität 1. Allgemeines 40

Die Kausalität eines Verhaltens wird traditionell nach der „conditio sine qua non“-Lehre bestimmt. Ein Verhalten ist danach dann kausal, wenn es im Rahmen einer hypothetischen Betrachtung nicht hinweg gedacht werden kann, ohne dass der (Verletzungs-)Erfolg entfällt.4 Die Problematik dieser Formel liegt freilich darin, dass sie bei genauerer Betrachtung keine Kausalverläufe belegt, sondern die Kenntnis allgemeiner Kausalverläufe voraussetzt.5 Wesentlich exakter, im Einzelfall aber auch schwieriger anzuwenden ist daher die Formel von der gesetzmäßigen Bedingung. Danach ist ein Verhalten für einen (Verletzungs-)Erfolg dann kausal, wenn es naturgesetzmäßig reproduzierbar einen bestimmten Erfolg herbeiführt.6 Ansätze, die Kausalbeziehungen namentlich im Kontext wirtschaftsstrafrechtlicher Sachverhalte insgesamt durch Wahrscheinlichkeitsbeziehungen zu ersetzen, konnten sich bislang zu Recht nicht durchsetzen.7 Besonders bei der Verletzung individueller Rechtsgüter wird hier der Schaden in nicht hinnehmbarer Art und Weise entpersonalisiert. Bereits auf dieser an sich rein naturgesetzlichen Prüfungsstufe ergänzt die strafrechtliche Lehre die naturalistische Prüfung um grundlegende normative Wertungen:

41

Zunächst sollen grundsätzlich alle Bedingungen gleichwertig sein. Dies hat nicht nur zur Folge, dass die Kausalitätslehre normativ einen Regress ad infinitum erlaubt. Für das Wirtschaftsstrafrecht wichtiger sind zwei weitere Konsequenzen: Erstens ist auch eine den (Verletzungs-)Erfolg nicht zwingend herbeiführende, sondern nur fördernde Ursache für sich bereits kausal i.S.d. Strafrechts.8 Zum anderen erlaubt die Idee der Gleichwertigkeit aller Ursachen bei Erfolgen, die aus komplexen Organisationen heraus bewirkt werden, stets einen Regress bis zum engsten Führungskern der Organisation. Bewirken mehrere Ursachen gleichzeitig und unabhängig voneinander einen bestimmten (Verletzungs-)Erfolg, sollen überdies beide Ursachen kausal sein. Mögliche Ersatzursachen haben bei der Bewertung eines Verhaltens außer Betracht zu bleiben. Der in größeren Organisationen stereotype Einwand, hätte der Beschuldigte nicht gehandelt, wäre die identische Handlung durch einen Stellvertreter vorgenommen worden, ist damit bedeutungslos.9

42

Bei der Beurteilung von Individualverhalten in komplexen Systemen wird diese Kausalitätslehre weiter zugunsten einer stärker normativen Betrachtungsweise zurückgedrängt.10 S. dazu im Folgenden. 2. Kausalität von Entscheidungsverhalten

43

Entscheidungen (als grundsätzliches Internum) werden für einen tatsächlichen Umwelterfolg kausal, wenn sie im Wesentlichen entsprechend einer im Voraus festgelegten Organisation umgesetzt werden. Auch die Entscheidungsträger sind daher primär für erfolgsnähere Umsetzungshandlungen zur Verantwortung zu ziehen. 1 Näher dazu Mansdörfer, 2011, Rz. 759 ff. 2 BGH v. 6.7.1990 – 2 StR 549/89, BGHSt 37, 106, 120; BGH v. 6.6.1997 – 2 StR 339/96, BGHSt 43, 219, 231; BGH v. 11.12.1997 – 4 StR 323/97, NJW 1998, 767, 769; BGH v. 3.7.2003 – 1 StR 453/02. 3 In dieser Richtung bereits Mansdörfer, 2011, Rz. 641–643 allerdings ohne den Rückbezug auf die mit einer Handlung ausgeübte Leitungsmacht; mit weiterführenden Überlegungen hierzu Lüderssen in Kempf/Lüderssen/Volk, Unternehmensstrafrecht, 2012, 79, 102 ff. 4 Grundlegend und stellvertretend BGH v. 28.9.1951 – 2 StR 391/51, BGHSt 1, 332. 5 Zur Bewältigung von empirischen Wissensdefiziten allgemein Frisch, FS Maiwald, 239 ff. und beispielhaft unten zu Sachverhalten ungewisser naturwissenschaftlicher Kausalität Rz. 47 und psychischer Kausalität Rz. 48. 6 Kühl, Strafrecht AT, § 4 Rz. 22; Rudolphi/Stein in SK-StGB8, vor § 13 Rz. 22. 7 I.d.S. auch Silva Sanchez/Miró Llinares, teoría del delito, 2013, p. 42 f.; beispielhaft für solche Versuche etwa Rolinski in FS Miyazawa, 1995, 483 ff.; Hoyer, GA 1996, 160, 165, 169. 8 BGH v. 27.11.1951 – 1 StR 303/51, BGHSt 2, 20, 24. 9 BGH v. 8.11.1999 – 5 StR 632/98, BGHSt 45, 270. 10 Vogel, Cahier de défense sociale 2002, 151, 157 ff.

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Mansdörfer

Rz. 48 Vor § 13 StGB

3. Gremien- und Kollegialentscheidungen Bei der Gremien- bzw. Kollegialentscheidung handelt es sich um einen im Wirtschaftsleben häufigen und primär- 44 rechtlich normativ grundsätzlich gebilligten Entscheidungsmechanismus, der zuvorderst einer richtigen Einordnung in strafrechtliche Kategorien bedarf.1 Keine Schwierigkeiten bereiten unter Kausalitäts- und Zurechnungsgesichtspunkten Entscheidungen nach dem Einstimmigkeitsprinzip, die also nur von allen Gremienmitgliedern gemeinsam getroffen werden können, da dort jede Stimme kausal i.S.d. conditio-sine-qua-non-Lehre geworden ist. Jenseits von Entscheidungen nach dem Einstimmigkeitsprinzip scheinen sich Probleme zu stellen, wenn Entschei- 45 dungen mit einer größeren als nach dem konkreten Entscheidungsprinzip notwendigen Mehrheit getroffen werden (sog. überbedingte Entscheidungen). Versuche, diese Fragestellungen durch Modifikationen der allgemeinen Kausalitätslehren zu lösen,2 stoßen hier an ihre Grenzen.3 Ein Rückgriff auf die Regeln der Mittäterschaft4 oder des begehungsgleichen Unterlassens5 beinhaltet einen verdeckten Rekurs auf ganz bestimmte normative Wertungen, der die normative Diskussion in der Sache eher verhindert als fördert. Tatsächlich ist die Stimmabgabe ein (hier nur zufällig äußerlicher) Akt der Entscheidungsfindung, der je nach der Funktion des konkreten Gremiums mit der Umsetzung eine (neben-)täterschaftliche oder Gehilfenverantwortung begründen kann.6 Wenig thematisiert ist die Verantwortlichkeit der Einzelpersonen jenseits der konkreten Abstimmung. Soweit 46 die Gremienentscheidung vom Gremium tatsächlich umgesetzt wird, ist ein Rückgriff auf den Entscheidungsakt ohnehin überflüssig. Gleiches gilt aber auch, wenn einem Gremienmitglied nachfolgend zumindest ein Unterlassen vorgeworfen werden kann, „weil ein rechtswidriges Unterlassen nicht durch einen Mehrheitsbeschluss ersetzt werden kann“.7 Bei richtiger Betrachtung verbleibt der Diskussion um Gremienentscheidung damit im Wesentlichen dogmatische, aber kaum rechtstatsächliche Bedeutung. 4. Produkthaftung und komplexe naturwissenschaftliche oder soziale Kausalität Wird ein Schaden durch ein Produkt in einer Weise herbeigeführt, dass zwar nicht der konkret schädigende Stoff 47 herausgefunden, aber alle anderen Ursachen ausgeschlossen werden können, so soll Kausalität in Form einer sog. generellen Kausalität vorliegen.8 Weitergehende Feststellungen (etwa hinsichtlich der konkret wirkenden Naturgesetze) sind für eine revisionsfeste richterliche Überzeugungsbildung nicht notwendig.9 Naturwissenschaftlich umstrittene Fragen können von den Gerichten ebenfalls entschieden werden, soweit es dem Gericht gelingt, seine Überzeugungsbildung jedenfalls revisionssicher zu begründen.10 Die Formel zur Bestimmung ungewisser naturwissenschaftlicher Zusammenhänge aus der Produkthaftung wurde in der Rspr. bislang jedoch nicht auf ähnlich gelagerte Fälle übertragen. Dies kann erstaunen, da die Anwendung auf multifaktorielle (naturwissenschaftlich oder sozial geprägte) Kausalzusammenhänge im Wirtschaftsbereich wie z.B. bei Herbeiführen einer Insolvenz gem. § 283 Abs. 2 StGB naheliegt. Auch hier sind Naturgesetzlichkeiten im strengen Sinn nicht feststellbar. 5. Psychisch vermittelte Kausalität Ob psychisch vermittelte Kausalität tatsächlich Kausalität im naturwissenschaftlichen Sinne darstellt, ist bislang 48 noch nicht endgültig geklärt.11 Die Annahme einer gesetzlichen Regel i.S.d. der conditio sine qua non würde eine konkrete Beschreibung der psychischen Disposition der haftungsvermittelnden Person in der Weise voraussetzen, dass eine Person X mit exakt der Disposition der haftungsvermittelnden Disposition durch die konkrete Art der Einwirkung durch den Täter z.B. zu der Tat in ihrer konkreten Gestalt veranlasst (§ 26 StGB), zur Tatbegehung bestärkt (§ 27 StGB) oder getäuscht (§ 263 StGB) worden wäre.12 Ausreichen soll nach h.M. freilich, dass die Einwir1 I.d.S. auch Volk in MAH-WirtschaftsstrafR, § 2 Rz. 1. 2 Dreher, JuS 2004, 17, 18; Hilgendorf, NStZ 1994, 561, 565; Kuhlen, NStZ 1990, 570; Roxin, AT I4, § 11 Rz. 8; für einen Überblick über die angebotenen Lösungen Schaal, 22 ff. 3 Vgl. krit. auch T. Walter in LK-StGB12, vor § 13 Rz. 82 ff. 4 Dencker, Kausalität und Gesamttat,169. 5 So etwa BGH v. 6.7.1990 – 2 StR 549/89 – Lederspray, BGHSt 37, 106, 123 f.; BGH v. 6.4.2000 – 1 StR 280/99, BGHSt 46, 30, 35; BGH v. 9.1.2001 – VI ZR 407/99, NJW 2001, 969 = ZIP 2001, 422; zust. Beulke/Bachmann, JuS 1992, 791; Weißer, 72 ff. 6 Ausf. dazu Mansdörfer in FS Frisch, 315, 327 f. 7 Insoweit nunmehr ausdrücklich Raum in W/J4, Kap. 4 Rz. 31. 8 BGH v. 6.7.1990 – 2 StR 549/89 – Lederspray, BGHSt 37, 106, 111 f. = NStZ 1990, 587; BGH v. 19.7.1995 – 2 StR 758/94 – Weinverschnitt, NJW 1995, 2933. 9 Eingehend BGH v. 2.8.1995 – 2 StR 221/94 – Holzschutzmittel, BGHSt 41, 206, 214 = NJW 1995, 2930; OLG Frankfurt v. 19.12.1991 – 1 Ws 206/90, VuR 1992, 40. 10 Vgl. T. Walter in LK-StGB12, vor § 13 Rz. 81. 11 Zum Diskussionsstand Puppe in NK-StGB4, vor § 13 Rz. 125, die dem Kausalitätsbegriff an dieser Stelle selbst aber einen eigenständigen Inhalt zuschreibt (Puppe, 2000, 59); krit. Koriath, 2006, 136: „innerhalb der einflussreichen Kommentar- und Lehrbuchliteratur ist es eine bare Selbstverständlichkeit anzunehmen, dass das Verhältnis (…) eine Kausalität ist.“ 12 I.d.S. auch Koriath, 2006, 136, der insoweit auch auf mögliche Erklärungswege über einen weichen Determinismus hinweist (aaO. 138); dagegen Puppe, 57 ff.

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Vorbemerkungen zu § 13

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Vor § 13 StGB Rz. 49

Strafgesetzbuch

kung „mitbestimmend“ war.1 In der Sache genügt damit zur Begründung von psychischer „Kausalität“ möglicherweise ein nur mitwirkendes Handlungsmotiv.2 Rechtstatsächlich eröffnet dies (wie sonst bei ungeklärten und nicht unmittelbar einsichtigen Naturgesetzlichkeiten) wieder den Ausweg über eine strafprozessuale Lösung im Rahmen der richterlichen Überzeugungsbildung (§ 261 StPO).3 Zu kurz greift dagegen die Feststellung, bei psychisch vermittelter Kausalität würden an die Stelle strikter Kausalgesetze allgemeine Erfahrungssätze treten.4 Gerade an solchen „allgemeinen Erfahrungssätzen“ fehlt es schließlich.

III. Objektive Zurechnung des Erfolgs 1. Allgemeines 49

Soweit der Tatbestand den Eintritt eines Verletzungserfolgs voraussetzt, hängt die strafrechtliche Verantwortlichkeit des Handelnden jenseits der reinen Kausalität des tatbestandsmäßigen Verhaltens für den (Verletzungs-)Erfolg von der Zurechenbarkeit des Erfolgs zum tatbestandsmäßigen Verhalten ab. In der Literatur zur allgemeinen Straftatlehre wird daher zwischenzeitlich weithin erstens nur solches Verhalten als tatbestandsmäßig angesehen, dem eine rechtlich missbilligte Risikoschaffung implizit ist. Zweitens wird vorausgesetzt, dass sich gerade die rechtlich missbillige Gefahrenschaffung im (Verletzungs-)Erfolg realisiert hat. Von der höchstrichterlichen Rspr. wurde diese Lehre bislang nur ansatzweise und fallbezogen übernommen. So ist etwa das Unterlassungsdelikt lediglich in Ansätzen nach den Grundsätzen der allgemeinen Zurechnungslehre systematisiert (vgl. dazu im Kontext der Garantenstellung aus Ingerenz § 13 StGB Rz. 37). Durch Gefährdungs- und Kumulationsdelikte oder Spezialregeln wie etwa Art. 13 Corpus Iuris zum Schutz der finanziellen Interessen der Union5 wird die Zurechnung zwischen Handlung und Handlungsfolgen zusätzlich aufgeweicht. I.Ü. ist die Auslegung insbesondere der Tatbestände des Nebenstrafrechts aber auch des Besonderen Teils z.B. im Insolvenzstrafrecht häufig noch von einer durch die kausale Handlungslehre geprägten und in ihren Grundzügen noch vom Reichsgericht entwickelten Sicht dominiert.6 Daneben werden (im Grunde systemfremd) etwa in §§ 266a StGB, 15a InsO, 370 AO höchstpersönliche und im Grunde nicht delegierbare strafrechtliche Pflichten normiert. 2. Rechtlich missbilligte Gefahrenschaffung

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Unternehmerisches Wirtschaften als am Ergiebigkeitsprinzip orientiertes Handeln unter Risiko und Unsicherheit ist grundsätzlich normativ gewünscht damit keine rechtlich missbilligte Gefahrschaffung.7 Namentlich das dieser Wirtschaftsform immanente Verlustrisiko ist ein allgemeines Lebensrisiko. Dies ändert sich erst durch eine einfachrechtliche Begrenzung i.S. z.B. eines Genehmigungsvorbehalts, limitierende Sicherheitsstandards oder eine sonstige institutionelle Ordnung, mit der das unternehmerische Wirtschaften zum rechtlich missbilligten Wirtschaften wird. Kriterien zur Bestimmung individueller Sorgfaltspflichten sind die Bedeutung der gefährdeten Rechtsgüter, der Grad der den Rechtsgütern drohenden Gefahren, die Stellung des Einzelnen im gesamten Komplex des arbeitsteiligen Zusammenwirkens, die Bedeutung der rechtlich missbilligten Gefahrschaffung im Rahmen der Gesamtheit der einer Person obliegenden Pflichten und der Grad der Erkennbarkeit der aus dem Zusammenwirken verschiedener Personen folgenden Gefahr.8 Alle Maßnahmen zur Risikoverringerung scheiden dagegen (auch wenn sie für sich defizitär ausgeführt wurden) als Anknüpfungspunkt für eine strafrechtliche Haftung aus.9 3. Risikorealisierung a) Grundsätze

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Wie im Strafrecht generell scheidet auch im Wirtschaftsstrafrecht eine Erfolgszurechnung aus, wenn der eingetretene Erfolg außerhalb des Schutzzwecks der Norm liegt. Exemplarisch angeführt werden hier regelmäßig 1 Grundlegend BGH v. 24.2.1959 – 5 StR 618/58 – Referendarsfall, BGHSt 13, 13, 14. 2 Fischer, StGB62, § 263 Rz. 63, formuliert diesen Gedanken, dass es an einer Kausalität fehlt, wenn der Adressat der Äußerung „kein Gewicht beimisst“. 3 Weitergehend will Puppe in NK-StGB4, vor § 13 Rz. 126, in diesem Beispiel einen Beleg für eine implizite fallweise Anerkennung der Risikoerhöhungslehre sehen. 4 Wessels/Beulke/Satzger, Strafrecht AT44, Rz. 156. 5 Art. 13 Corpus Iuris lautet: „Wird eine Straftat für Rechnung eines Unternehmens von einer Person begangen, die der Autorität des Unternehmensleiters oder einen anderen mit Entscheidungs- und Kontrollmacht im Unternehmen ausgestatteten Person untersteht, so ist auch der Unternehmensleiter oder der Entscheidungs- oder Kontrollträger strafrechtlich verantwortlich, wenn er von der Begehung der Straftat Kenntnis hatte, Anweisung zu ihrer Begehung gab, die Straftat geschehen ließ oder die erforderlichen Kontrollmaßnahmen unterließ.“ 6 Paradebeispiel hierfür sind die Bankrottdelikte, die sich trotz mehrfacher Änderung der primärrechtlichen Bezugsordnung bis heute nicht von den reichsgerichtlich entwickelten Grundsätzen lösen konnten. 7 Mansdörfer, 2011, Rz. 76, 261 ff. 8 Näher dazu Mansdörfer, 2011, Rz. 767 ff. 9 A.A. für die Produkthaftung bei Markenprodukten Schünemann in FS 50 Jahre BGH, S. 621, 640, weil mit der Marke und der entsprechenden Werbung eine größere Zuverlässigkeit oder eine Zusatzleistung versprochen werde.

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Rz. 57 Vor § 13 StGB

Fälle atypischer Kausalverläufe, des Eingreifens Dritter, der eigenverantwortlichen Selbstgefährdung oder der einverständlichen Fremdgefährdung.1 Es fehlt dann am sog. Risikozusammenhang. Für das Wirtschaftsstrafrecht lassen sich daneben andere phänomenologisch gehäuft auftretende Sachverhalte 52 herausarbeiten. Zentrale Aussagen zur normativ angemessenen Beurteilung für eine arbeitsteilige Wirtschaft typischer Situationen (nachfolgend b–f) setzen insbesondere ein richtiges Verständnis des Vertrauensgrundsatzes und dessen Bedeutung bei der Kooperation mit Dritten sowie der Trennung von Verantwortungssphären voraus.2 Das Proprium des Vertrauensgrundsatzes besteht dabei darin, dass mit der Geltung des Vertrauensgrundsatzes eine Informationsbeschaffungspflicht hinsichtlich etwaigen Fehlverhaltens Dritter ausgeschlossen ist.3 b) Der Vertrauensgrundsatz Wichtig ist zunächst als Ausgangspunkt, dass der Vertrauensgrundsatz im Wirtschaftsstrafrecht keine generelle 53 Geltung beanspruchen kann. Der Vertrauensgrundsatz wurde (freilich mit Einschränkungen) für den Straßenverkehr als einem „anonymen Verkehr“ entwickelt.4 Für einen anonymen Verkehr, bei dem aufgrund der Geschwindigkeit die Anonymität wesensbedingt ist, ist der Vertrauensgrundsatz institutionell alternativlos. Entsprechendes gilt für Bereiche klar aufgeteilter Kooperation von Spezialisten wie etwa bei der ärztlichen Behandlung durch ein Team spezialisierter Ärzte5 oder bei der Verwendung gefährlicher (Massenkonsum-)Produkten.6 Für den Wirtschaftsverkehr und eine arbeitsteilige Wirtschaft allgemein gilt dies indessen nicht.7 Obwohl gera- 54 de in größeren wirtschaftlichen Einheiten wechselseitiges Vertrauen in gewissem Maß als Grundlage der Arbeitsteilung unabdingbar ist, unterscheidet sich dieses Vertrauen vom abstrakten Vertrauen im anonymen Verkehr. Vertrauen im Wirtschaftsverkehr ist regelmäßig persönliches, durch Erfahrung in der gemeinsamen Kooperation erworbenes Vertrauen i.S. eines auf einer tatsächlichen Grundlage erwartbaren Verhaltens. Entscheidend ist diese abweichende Basis des Vertrauens für die Begründung, Entwicklung und Begrenzung des Vertrauensgrundsatzes i.S. einer Zumutbarkeit von Aufsicht und Überwachung sowie von Compliancemaßnahmen generell. Grundlegend abzulehnen sind dagegen Ansätze, die Aufsichts- und Überwachungspflichten ganz entgegen der 55 hier vertretenen Auffassung im Ansatz auf eine Kultur des Misstrauens im Unternehmen begründen.8 Sie widersprechen einer effizienten Allokation von Ressourcen zur Bewältigung ökonomischer Herausforderungen, grundlegenden spieltheoretischen Erwägungen und tatsächlichen Erfahrungen, nach denen Misstrauen gerade nicht zur Basis auf längere Dauer angelegter Kooperationen gemacht wird.9 Eine solche Kultur normativ einzufordern, wäre nur unter Inkaufnahme exorbitanter Transaktionskosten möglich. Anderes gilt freilich, wenn eine hinreichende Basis wechselseitigen Vertrauens nicht vorhanden oder aufgrund vorangegangener Ereignisse erschüttert ist. c) Ressortzuständigkeit Aus entsprechenden Erwägungen lässt sich die normative Bedeutung unterschiedlicher Ressortzuständigkeiten 56 innerhalb einer Gruppe (z.B. innerhalb eines mehrköpfigen Vorstands, Überwachungsorgans bis hin zu einer einfachen Arbeitsgruppe) ableiten: Die Aufteilung einer an sich gemeinsamen Aufgabe auf spezialisierte Einzelpersonen oder Gruppen ist grundsätzlich zulässig, so dass einzelne Rechtsverletzungen den nicht zuständigen Personen zunächst nicht zurechenbar sind. d) Mitverschulden des Opfers oder Dritter Im Grunde aus den vorhergehenden Erwägungen folgt auch die Lösung der Frage nach den Auswirkungen ei- 57 nes Mitverschuldens des Opfers oder Dritter auf die Zurechnung von Erfolgen. Nach ganz herrschender Auffassung schließt solch rechtswidriges Drittverhalten den Erfolg gerade nicht aus und ist erst (bis hin zu ganz erheblichen Milderungen) im Rahmen der Strafzumessung zu berücksichtigen.10 Normativ ist das Vertrauen auf rechtmäßiges Verhalten eben gerade nicht geschützt, und i.Ü. wäre es unangemessen, unvorsichtige Per1 Ausf. hierzu etwa T. Walter in LK-StGB12 vor § 13 Rz. 95 ff. 2 Den Vertrauensgrundsatz dagegen (wie etwa T. Walter in LK-StGB12 vor § 13 Rz. 92) allein der Bestimmung des erlaubten Risikos zuordnen, erscheint angesichts der Vielgestaltigkeit der relevanten Sachverhalte zu einseitig. 3 So ausdrücklich Silva Sanchez in Kuhlen u.a. (Hrsg.), Compliance und Strafrecht, 71, 74. 4 Näher dazu Mansdörfer, 2011, Rz. 776. 5 BGH v. 16.10.1979 – 1 StR 360/79, NJW 1980, 650. 6 Vgl. auch Bloy in FS Maiwald, 35, 49. 7 BGH v. 31.1.2002 – 4 StR 289/01, BGHSt 47, 224 = wistra 2002, 219; a.A. Stree/Bosch in S/S-StGB29, vor § 13 Rz. 152, sowie Sternberg-Lieben/Schuster in S/S-StGB29, § 15 Rz. 221. 8 So ausdrücklich Silva Sanchez in Kuhlen u.a. (Hrsg.), Compliance und Strafrecht, 71, 74. 9 Mansdörfer, 2011, Rz. 87. 10 Bei groben Verstößen des Opfers, wie z.B. der Verletzung der Gurtpflicht durch einen PKW-Insassen, wird regelmäßig eine strafprozessuale Opportunitätseinstellung naheliegen.

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Vorbemerkungen zu § 13

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Vor § 13 StGB Rz. 58

Strafgesetzbuch

sonen per se (strafrechtlich) schutzlos zu stellen. Die Grenze wird mit der sog. eigenverantwortlichen Selbstgefährdung des Opfers gezogen,1 das Gefahren bewusst in Kauf nimmt.2 e) Drittbedingtes Versagen von Sicherheitssystemen 58

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Ein im Wirtschaftsstrafrecht häufiger zu beobachtender Spezialfall ist die Unterbrechung des Zurechnungszusammenhangs bei grob fehlerhaftem Verhalten von Kontroll- bzw. Rettungsinstitutionen bzw. die Zurechnung von Schäden bei drittbedingtem Versagen von Sicherungssystemen. Oft realisieren sich bei Betriebsunfällen mit Gefahren für Personen oder Umweltgüter endgültige Rechtsgutsverletzung erst aufgrund eines fehlenden, fehlerhaften oder evident unzureichenden Einschreitens/Vorverhaltens von Behörden, Polizei, Feuerwehr, Ärzten etc.3 In anderen Fällen sind für einkalkulierte typische Fehler Sicherungssysteme bereits vorhanden, versagen aber aufgrund Drittverhalten. Die Rechtslage ähnelt hier der allgemeinen Fallgruppe einer Unterbrechung des Zurechnungszusammenhangs aufgrund eines nachfolgenden grob fehlerhaften Tuns oder Unterlassens eines Dritten. Der sorgfaltswidrig Handelnde muss jedenfalls für solche Folgen nicht (mehr) einstehen, die erst durch das Hinzutreten fremder, nach dem Vertrauensgrundsatz außer Betracht zu lassender Sorgfaltswidrigkeiten eintreten.4 Dies gilt erst recht, wenn dem Dritten insoweit eine spezielle Zuständigkeit obliegt und die Versäumnisse für den Ersthandelnden nicht erkennbar sind. Vorheriges Fehlverhalten verhindert insoweit nicht, dass sich der Ersthandelnde auf den Vertrauensgrundsatz beruft.5 Beispiel: Nach jahrelang richtigem Gebrauch eines Vorratsbehältnisses für Öl tritt auf einem Betriebsgelände aufgrund eines vermeidbaren Fehlers Öl aus. Das Öl kann aber vom vorhandenen Ölabscheider nicht aufgenommen und von der Feuerwehr nicht am Eintritt in das Grundwasser gehindert werden, weil die Stadt ohne Wissen des Grundstücksinhabers für diesen nicht erkennbar und in öffentlichen Plänen nicht eingetragen einen weiteren Entwässerungsgraben am Rand des Grundstücks gebaut hat, über den das Öl ungehindert in freie Gewässer ablaufen kann.6

f) Zurechnung von Langfristfolgen 60

Das vorstehende Beispiel weist freilich auf ein weiteres, bislang nur vereinzelt diskutiertes Problem:7 Die Zurechnung von Folgen eines (i.d.R. fahrlässigen) Handelns, die sich erst Jahre oder Jahrzehnte nach dem eigentlichen Fehlverhalten zeigen (hier sog. Langfristfolgen). Weitere Beispiele sind der Einsturz eines zu schwach geplanten Hallendaches nach über dreißig Jahren8 oder die Einrichtung sich bis in die Gegenwart stetig vergrößernder schwarzer Kassen in Unternehmen Ende der 1980er Jahre. Den Grundgedanken der objektiven Zurechnung sind zeitliche Zurechnungsgrenzen zwar ursprünglich an sich nicht immanent.9 Die Fristen der Verjährung als Institution (auch) des materiellen Rechts, das das Unrecht der Tat aufhebt,10 beginnen außerdem nach der ausdrücklichen Regelung des § 78a S. 2 StGB erst mit dem Eintritt des zum Tatbestand gehörenden Erfolgs zu laufen. Insbesondere im Fall (unbewusst) fahrlässigen Handelns kann dies zu einer der Sache nicht angemessenen Ausdehnung der Verantwortlichkeit führen.11 § 78a S. 2 StGB darf daher nicht dazu führen, dass bei Langfristfolgen das Institut der Verjährung im Grunde ausgehebelt wird. Die dem Einzelnen rechtsstaatlich zu gewährende Rechtssicherheit innerhalb der gegebenen Rechtsordnung würde dadurch namentlich für die unbe-

1 Fischer, StGB63, vor § 13 Rz. 30. 2 Wessels/Beulke/Satzger, Strafrecht AT44, Rz. 186. 3 Vgl. zur Wahrnehmung von Sicherungsaufgaben durch Behörden oder staatlich betraute Institutionen am Beispiel des Bundeseisenbahnamtes Otto, FS F.C. Schröder, 339, 354 f. 4 Ebenso (zwar für den Straßenverkehr, insoweit aber verallgemeinerbar) BGH v. 12.9.1952 – 3 StR 435/52, VRS 4, 612, 614; OLG Zweibrücken v. 11.3.1971 – Ss 6/71, VRS 41, 113, 114; Cramer, Sternberg-Lieben und Schuster in S/S-StGB27/28 § 15 Rz. 215 sowie 29. Aufl. § 15 Rz. 210. 5 Ebenso BGH v. 2.5.1961 – VI ZR 181/60, VRS 21, 5, 6. 6 Sachverhalt angelehnt an StA Karlsruhe, 540 Js 17727/14. 7 Im Wesentlichen konzentriert sich die Diskussion hier auf die Verjährung, vgl. Gallandi, wistra 1993, 225; Hruschka, GA 1968, 193; Kuhlen, JR 2009, 53; Reichling, StraFo 2011, 11; Sickor, GA 2007, 590; s. z.B. aber auch Schmitz, Unrecht und Zeit, 2001; aus der Rspr. aber z.B. LG Traunstein v. 18.11.2008 – 2 KLs 200 Js 865/06, juris. 8 Vgl. LG Traunstein v. 18.11.2008 – 2 KLs 200 Js 865/06, juris. 9 I.d.S. ausdrücklich LG Traunstein v. 18.11.2008 – 2 KLs 200 Js 865/06: „Die Tatsache, dass zwischen den Sorgfaltspflichtverletzungen (…) und dem Erfolgseintritt über 30 Jahre liegen, führt nicht dazu, den Zurechnungszusammenhang entfallen zu lassen.“ Eine Ausnahme bildet international gesehen die aus dem common law stammende – und heute soweit ersichtlich nur noch in Neuseeland gültige – „year and a day rule“ für die Zurechenbarkeit des Todeseintritts zu einer Tötungshandlung. 10 I.d.S. etwa Bloy, Die dogmatische Bedeutung der Strafausschließungs- und Strafaufhebungsgründe, 1975, 180 ff. 251. Gegen eine zeitliche Dimension der Zurechnungslehre auch Jakobs, AT, 7/81; Lenckner/Eisele in S/S-StGB27, vor § 13 Rz. 92. 11 Vgl. ähnliche Erwägungen zum Wegfall der Handlungspflicht bei unbewusst fahrlässigem Unterlassen BGH v. 18.12.1957 – 4 StR 106/57, BGHSt 11, 119, 124; für eine analoge Anwendung der Verjährungsregeln bei der Zurechnung Herzberg in Szwarcz, Aids und Strafrecht, 1996, 61, 66 ff.; Schlehofer, NJW 1989, 2025 sieht in den Verjährungsregeln zumindest ein „erstes Kriterium“ neben anderen.

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Rz. 66 Vor § 13 StGB

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Vorbemerkungen zu § 13

wusste Fahrlässigkeit in der Sache aufgegeben.1 Der Sanktionsanspruch wird ausgerechnet in einem Bereich ausgedehnt, in dem die im Wirtschaftsstrafrecht herausgehobene Funktion der Verhaltenssteuerung des Strafrechts ohnehin nicht mehr erfüllt werden kann und Überwachungspflichten i.Ü. spezifiziert durch die Grundsätze des Produktstrafrechts etabliert sind. Langfristfolgen, bei denen eine nach der Tathandlung fiktiv beginnende Verjährungsfrist abgelaufen wäre, können daher nach der hier vertretenen Auffassung wegen des dann durch Zeitablauf normativ aufgehobenen Handlungsunrechts diesem nicht mehr zugerechnet werden.2

D. Der Erfolgsbegriff im Wirtschaftsstrafrecht I. Grundsätze 1. Fehlen einer allgemeinen Theorie des Erfolgs Eine generelle Theorie des Erfolgs wurde bislang weder für die allgemeine Straftatlehre3 noch speziell für das Wirt- 61 schaftsstrafrecht entwickelt. Die Zurechnung eines Erfolgs zu einem Verhalten setzt voraus, dass das Verhalten den „Erfolg in seiner ganz konkreten Gestalt“4 verwirklicht. Für arbeitsteilige Zusammenhänge ist diese Lehre dahin zu ergänzen, dass aufgrund der Gleichwertigkeit aller Bedingungen jedem, der auch nur irgendeinen Anteil an diesem Erfolg hat, der gesamte Erfolg zugerechnet wird. Eine normative Korrektur des Erfolgs kann etwa im Steuerrecht geboten sein, wenn sich Verlustvor- bzw. 62 -rückträge (§§ 10d EStG, 8 KStG) im konkreten Veranlagungszeitraum zusätzlich steuerverkürzend auswirken. 2. Bedeutung des Erfolgskriteriums im Wirtschaftsstrafrecht Die Bedeutung des Erfolgskriteriums im Wirtschaftsstrafrecht variiert freilich je nach Blickwinkel:

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a) Bedeutung für die Strafbegründung Für die Strafbegründung scheint der Erfolg an Bedeutung zu verlieren. Im sog. Kernstrafrecht des StGB wurde 64 längst eine Entwicklung vollzogen, die an die Stelle des Erfolgs eine „schadensgleiche“ Vermögensgefährdung gesetzt hat. Auch die in BVerfGE 126, 170 angeregten Einschränkungen haben hier keine prinzipiellen Änderungen gebracht. Die substanzielle Verletzung ist damit nach heutigem Stand zur bilanzierbaren Gefahr erodiert. Die hier sog. Theorie vom Erfolg als bilanzierbarer Gefahr bietet freilich ein über die Vermögensdelikte hinausgehendes einschränkendes Kriterium. So ist es sinngemäß anwendbar auf Sachverhalte im Umweltstrafrecht5 oder im Handeln im Unternehmen, wenn die Zurechnung des Gesamterfolgs angesichts der geringen Bedeutung oder der Vertretbarkeit der Handlung unangemessen erscheint. Eine Saldierung der negativen Auswirkungen mit gleichzeitig erlangtem Nutzen nach der hier sog. Theorie vom Erfolg als negativem Interessensaldo6 ist freilich unzulässig. Im Nebenstrafrecht hat der Gesetzgeber weithin ein durch (abstrakte) Gefährdungsdelikte dominiertes Präventionsstrafrecht normiert, so dass der Erfolg als eigenständiges Zurechnungskriterium weithin obsolet wurde. b) Bedeutung für die Strafzumessung Geradezu gegenläufig zugenommen hat die Bedeutung des Erfolgs bei der Strafzumessung: Angestoßen durch 65 die Rspr. des 1. Strafsenats des BGH7 wurden namentlich im Steuer- und Abgabenrecht ungeschriebene Strafzumessungsrichtlinien entwickelt: bis 50 000 Euro (bzw. 100 000 Euro bei versäumtem Offenlegen von abgabenrechtlich erheblichen Tatsachen) Geldstrafe; bei Beträgen oberhalb dieser Grenzen bis zu einer Million Euro Strafaussetzung zur Bewährung; jenseits von einer Million Euro eine unbedingte Freiheitsstrafe. Obwohl damit die Bedeutung anderer Strafzumessungsfaktoren nicht grundsätzlich negiert wird, findet sich in dem der Rspr. nahestehenden Schrifttum die generalisierende Feststellung, „die Wirtschaftsstraftat beziehe ihren eigentlich kriminellen Unrechtsgehalt in erster Linie aus dem Umfang des angerichteten Schadens“.8 Zustimmung könnten diese Ansätze unter Umständen dann verdienen, wenn damit erste Schritte hin zu einer 66 auch für die Strafzumessung relevanten Unrechtsgraduierung gemacht würden. Obwohl Unrecht und Schuld (vgl. unten Rz. 76 ff.) längst als die Strafzumessung prägende Faktoren ausgemacht sind, wurde die allgemeine 1 Ganz grundsätzlich hierzu in Zusammenhang mit der Begründung der Rechtskraft allgemein Mansdörfer, Das Prinzip des ne bis in idem im europäischen Strafrecht, 2004, 32 ff. 2 Für die Anerkennung einer solchen zeitlichen Dimension der objektiven Zurechnung Wolters/Beckschäfer in FS f. Herzberg, 2008, S. 141, 144, 150 „Verblassen des Handlungsunrechts“) mit einer Obergrenze von 30 Jahren, dort auch mit Hinweis auf eine entsprechend begründete Einstellung des Verfahrens nach § 153a StPO durch das LG Düsseldorf wegen des sog. Düsseldorfer Flughafenbrandes bei 20 Jahre nach der Handlung eintretendem Schaden; ähnlich auch Schünemann in Schünemann/Pfeiffer (Hrsg.), Rechtsprobleme von AIDS, 1988, S. 483 ff. 3 Vgl. nur Puppe in NK-StGB4, vor § 13 Rz. 62. 4 RG v. 12.4.1880 – Rep. 570/80, RGSt 1, 373; BGH v. 28.9.1951 – 2 StR 391/51, BGHSt 1, 332. 5 In diese Richtung bereits Samson, ZStW 99 (1987), 617, 626. 6 Näher zu diesem Definitionsversuch Puppe in NK-StGB4, vor § 13 Rz. 77. 7 BGH v. 2.12.2008 – 1 StR 416/08, NJW 2009, 528;näher dazu Flore, HRRS 2009, 493; Bilsdorfer, NJW 2009, 476. 8 Raum in W/J4, Kap. 4 Rz. 153.

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StGB

Vor § 13 StGB Rz. 67

Strafgesetzbuch

Straftatdogmatik bislang noch nicht hinreichend in Richtung auf die Strafzumessung fortentwickelt.1 Insoweit würde sich das Wirtschaftsstrafrecht (z.B. auch mit Fallkonstellationen des Zusammenwirkens mehrerer) als (Experimentier-)Feld für eine noch stärker vereinheitlichende komparative Revisionsrechtsprechung anbieten.

II. Feststellung des Erfolgs im Wege der Schätzung 1. Rechtliche Grundlagen der Schätzung 67

Die Feststellung des schädigenden Erfolgs kann im Rahmen von § 261 StPO (z.B. bei §§ 263, 266a StGB, 370 AO) bzw. auf der Grundlage von spezialgesetzlichen Ermächtigungen (z.B. § 73b StGB beim Verfall) im Wege der Schätzung erfolgen.2 Außerstrafrechtliche Normen zur Schätzung wie insbesondere § 162 AO können im Strafrecht dagegen wegen des dort geltend In-dubio-Grundsatzes nur eingeschränkt angewendet werden.

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Der 1. Strafsenat des BGH hat für die Durchführung einer Schätzung die nachstehenden grundlegenden und einer Verallgemeinerung zugänglichen Kriterien entwickelt.3 Erstens: Für eine annährend genaue Berechnung fehlen aussagekräftige Beweismittel, namentlich Belege und Aufzeichnungen. Zweitens: Die Parameter der Schätzgrundlage müssen tragfähig sein. Drittens: Im Rahmen der Gesamtwürdigung des Schätzergebnisses ist der Zweifelssatz zu beachten. Viertens: Die Grundlagen der Schätzung müssen im tatrichterlichen Urteil für das Revisionsgericht nachvollziehbar dargelegt sein. Eine von den Instanzgerichten vereinzelt praktizierte sog. doppelte Schätzung erst des Gesamtschadens und sodann des Schadens hinsichtlich einzelner Veranlagungszeiträume (z.B. bei §§ 266a StGB, 370 AO) ist zwar grundsätzlich zulässig.4 Jedoch muss jede einzelne Schätzung den vorgenannten Kriterien genügen. 2. Schätzmethoden

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Die Schätzmethode muss grundsätzlich ihrem Gegenstand angemessen sein. Dazu gehören durchschnittliche, an Wahrscheinlichkeitskriterien entwickelte Ertragsberechnungen, Berechnungen nach Richtsatzkarteien und Branchenwerten, Personenstundenansätze, Geldverbauchs- oder -verkehrsrechnungen etc. Für einzelne Bereiche (z.B. bei der Schätzung von Schwarzarbeitslöhnen5) hat die Rspr. daher nochmals spezifizierte Kriterien entwickelt. 3. Die revisionsgerichtliche Überprüfung

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Die Darstellung der Schätzung im Urteil unterliegt in verschiedener Hinsicht der revisionsgerichtlichen Überprüfung: Rechtsfehler können sich sowohl hinsichtlich der Voraussetzungen als auch der Darstellung der Schätzung im Urteil selbst ergeben. Grundsätzlich müssen die Urteilsgründe nicht nur die Schadenssumme, sondern auch deren Berechnung im Einzelnen ergeben.6 Bei der Entscheidung, welche Schätzmethode dem vorgegebenen Ziel, der Wirklichkeit durch Wahrscheinlichkeitsüberlegungen möglichst nahe zu kommen, am besten gerecht wird, steht dem Tatsachengericht ein Beurteilungsspielraum zu. Die revisionsgerichtliche Kontrolle beschränkt sich darauf, ob das Tatgericht nachvollziehbar dargelegt hat, warum es sich der gewählten Schätzmethode bedient hat und weshalb diese dafür geeignet ist.7 I.Ü. muss das in den Urteilsgründen dokumentierte Tatsachenmaterial die konkrete Schadensberechnung tragen. Insbesondere die bloße Feststellung einer Schadenssumme Y genügt daher beim nicht geständigen Angeklagten regelmäßig nicht dem Erfordernis einer nachvollziehbaren Begründung.8

E. Subjektiver Tatbestand I. Grundsätze 71

Eigenständige Entwicklungstendenzen zur Bestimmung des Vorsatzes haben sich im Wirtschaftsstrafrecht bislang nicht bemerkbar gemacht. Der Grundsatz des § 15 StGB, wonach nur vorsätzliches Handeln strafbar ist, wenn nicht das Gesetz fahrlässiges Handeln ausdrücklich mit Strafe bedroht, gilt also uneingeschränkt. Besonderheiten bestehen im Einzelfall hinsichtlich der Feststellung des Vorsatzes (z.B. bei der Untreue § 266 StGB9). 1 Vgl. auch Vogel, Cahier de défense sociale 2002, 151, 159 mit dem Hinweis auf eine durch vermehrte Normativierung der Straftat bedingte stärkere Orientierung hin zu Fragen der Strafzumessung. 2 Krit. insoweit Joecks, JZ 2009, 526. 3 BGH v. 10.11.2009 – 1 StR 283/09, wistra 2010, 635; ergänzend auch BGH v. 8.2.2011 – 1 StR 651/10, BGHSt 56, 153 = NJW 2011, 2526 = wistra 2011, 267 = NStZ 2011, 641. 4 Ebenso Raum in W/J4, Kap. 4 Rz. 161. 5 Vgl. BGH v. 8.2.2011 – 1 StR 651/10, BGHSt 56, 153, sowie ausf. Richtarsky in W/J4, Kap. 19 Rz. 74 ff. 6 Für die Steuerhinterziehung BGH v. 12.5.1989 – 3 StR 55/89, wistra 1989, 264, 265 f.; BGH v. 3.1.1990 – 3 StR 399/89, wistra 1990, 150, 151; BGH v. 22.10.1991 – 5 StR 302/91, wistra 1992, 102; für § 266a StGB BGH v. 28.5.2002 – 5 StR 16/02, NJW 2002, 2480, 2483 = NStZ 2002, 548 = wistra 2002, 340; für § 263 StGB BGH v. 12.2.2003 – 5 StR 165/02, NJW 2003, 1821 = wistra 2003, 262. 7 BGH v. 14.6.2011 – 1 StR 90/11, NStZ 2011, 645 = wistra 2011, 344. 8 BGH v. 13.12.2005 – 5 StR 427/05, wistra 2006, 110. 9 Vgl. beispielhaft BGH v. 6.12.2001 – 1 StR 215/01 - Sportsponsoring, BGHSt 47, 187 = NJW 2002, 1585 = NStZ 2002, 322.

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Rz. 76 Vor § 13 StGB

II. Funktion und Bedeutung des dolus eventualis Die Leistungsfähigkeit und Angemessenheit des dolus eventualis als Mindestform vorsätzlichen Handelns bei 72 wirtschaftsstrafrechtlichen Sachverhalten ist bislang wenig erforscht. Obwohl die gängigen Abgrenzungskriterien zur bewussten Fahrlässigkeit ursprünglich im Hinblick auf andere Sachverhalte entwickelt wurden,1 führt der dolus eventualis aber auch zu wirtschaftstheoretisch sinnvollen Abgrenzungen des zulässigen vom unzulässigen unternehmerischen Wagnis und der Bestimmung der hierauf bezogenen erforderlichen Kontrolle: Angesichts der beim Wirtschaften gegebenen Knappheitssituationen lässt das Recht das Wagnis zwar grundsätz- 73 lich zu, aber nur in der positiven Form, dass das Risiko in dem Vertrauen eingegangen wird, eine entsprechende Rendite zu erreichen. Das Eingehen von Risiken ist unserer Wirtschaftsordnung immanent. Die immer mitgedachte Knappheitssituation entfacht den für unser System notwendigen „Wettbewerb“, die damit verbundene Suche nach besseren Lösungen (Entdeckungsfunktion)2 und eine am Ende effiziente Allokation der Güter. Auch der allgemeine Geschäftsverkehr verlangt zwar keine generelle Redlichkeit, aber doch ein „Minimum an Redlichkeit“.3 Gegen dieses Minimum verstößt, wer mit seinem ökonomischen Handeln gegen seine eigene Überzeugung verstößt oder sich sogar offen in einen Widerspruch zu seinem eigenen Verhalten setzt und sich mit dem Eintritt eines Rechtsgutsverlustes abfindet: Venire contra factum proprium nemini licet.

III. Die besondere Bedeutung der Leichtfertigkeit An verschiedenen Stellen normiert der Gesetzgeber anstelle einer Vorsatzstrafbarkeit das Erfordernis „leichtferti- 74 gen“ Verhaltens (z.B. §§ 261 Abs. 5, 264 Abs. 4, 283 StGB, 378 AO). Der Begriff der Leichtfertigkeit wird in der Literatur4 teilweise zu Unrecht mit dem zivilrechtlichen Verschuldensgrad der „groben Fahrlässigkeit“ gleichgesetzt: Während die grobe Fahrlässigkeit einen objektiv gesteigerten Grad an Fahrlässigkeit voraussetzt und damit auf die konkrete Höhe des eingegangenen Risikos abstellt, stellt die „Leichtfertigkeit“ nach Ansicht der Rspr.5 stärker auf die subjektive Haltung des Adressaten des Verhaltensnormbefehls ab. Praktisch wird damit die voluntative Schwelle des dolus eventualis abgesenkt, so dass der Normadressat bereits dann strafrechtlich verantwortlich gemacht werden kann, wenn ihm ein konkretes rechtlich missbilligtes Risiko leicht erkennbar war bzw. wenn er „besonders gleichgültig“6 oder „grob unachtsam“7 war. Das Strafrecht nimmt damit den Normadressaten als Experten samt seinen speziellen Fähigkeiten und Kenntnissen (z.B. bei § 38 Abs. 4 i.V.m. Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2a Nr. 1 WpHG) oder als Person mit einer erhöhten Pflichtenstellung (z.B. bei § 264 Abs. 4 StGB, 378 AO) in Bezug und verlangt dem Normadressaten seiner Person angemessene Reaktionen ab. Allenfalls ausnahmsweise zu rechtfertigen ist die Bestrafung leichtfertigen Verhaltens dagegen, wenn dies – wie in 75 der Gesetzgebung zum Wirtschaftsstrafrecht regelmäßig8 – lediglich mit Beweisproblemen und der Notwendigkeit eines Auffangtatbestandes für nicht voll beweisbare Fälle vorsätzlicher Tatbegehung legitimiert wird. Nicht ausreichend sind nur pauschal und ohne empirische Grundlage behauptete Beweisdefizite. Valide kriminologische Studien, die mit der konkreten Tatbestandsformulierung begründete Nachweisdefizite belegen, stehen derzeit freilich kaum zur Verfügung.

F. Rechtswidrigkeit und Unrecht I. Die Bedeutung der Rechtfertigung im Allgemeinen Nach der Definition einer Straftat als vorsätzliche, rechtswidrige und schuldhafte Handlung sind Unrecht und 76 Schuld die für eine Beurteilung einer Wirtschaftsstraftat maßgeblichen Kategorien. Die Rechtswidrigkeit eines Verhaltens wird durch die Erfüllung des Unrechtstatbestands begründet und darf nicht durch einen Rechtfertigungsgrund ausgeschlossen sein. Auf der Basis der sog. personalen Unrechtslehre setzt sich das Gesamtunrecht zusammen aus dem stärker personalen Handlungsunwert und dem primär objektiv bestimmbaren Erfolgsunwert. Der Unrechtstatbestand setzt sich daher gleichermaßen aus objektiven wie subjektiven Elementen zusammen.

1 Stellvertretend RG v. 7.12.1899 – g. K. Rep. 4196/99, RGSt 33, 4, 5. 2 Dazu grundlegend von Hayek, Wettbewerb als Entdeckungsverfahren (1968) in Bosch, Alfred u.a. (Hrsg.), Friedrich A. von Hayek – Gesammelte Schriften in deutscher Sprache, Abteilung A: Aufsätze Band 4, Rechtsordnung und Handelsordnung, Tübingen, 2003, 132 ff. 3 I.d.S. ausdrücklich BGH v. 15.12.2006 – 5 StR 181/06 – Fall Hoyzer, BGHSt 51, 165 = NJW 2007, 782 = wistra 2007, 102; ähnlich auch bereits BGH v. 3.11.1955 – 3 StR 172/55, BGHSt 8, 289 (Zurückhalten des Hauptgewinnloses einer Lotterie) sowie BGH v. 8.1.1992 – 2 StR 102/91, BGHSt 38, 186 (Abgabe eines Angebots ohne vorherige Absprache). 4 So z.B. bei Wittig, Wirtschaftsstrafrecht4, § 6 Rz. 40; s. aber auch allgemein zur Leichtfertigkeit Wegscheider, ZStW 98 (1986), 627 ff.; Park, Leichtfertigkeit, 1994. 5 BGH v. 13.4.1960 – 2 StR 593/59, BGHSt 14, 240, 255; BGH v. 17.7.1997 – 1 StR 791/96, BGHSt 43, 158, 168. 6 BGH v. 13.4.1960 – 2 StR 593/59, BGHSt 14, 240, 255. 7 BGH v. 10.12.1965 – 1 StR 327/65, BGHSt 20, 315, 324. 8 Vgl. BT-Drucks. 7/334, S. 27; 7/5291, S. 8.

Mansdörfer

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StGB

Vorbemerkungen zu § 13

StGB

Vor § 13 StGB Rz. 77

Strafgesetzbuch

II. Wirtschaftsstrafrechtliche Besonderheiten 77

Phänomenologisch sind Rechtfertigungssachverhalte in wirtschaftsstrafrechtlichem Kontext weitaus seltener als im Kernstrafrecht. Eigenständige strafrechtlich relevante Maßnahmen zur Abwehr gegenwärtiger rechtswidriger Angriffe Dritter i.S.v. § 32 StGB sind rechtstatsächlich kaum nachweisbar. Auch Notstandsituationen sind im Grunde nur als absolute Ausnahmen denkbar (etwa in Form von erpressten Schmiergeldzahlungen). Insbesondere der (drohende) Verlust des Arbeitsplatzes begründet regelmäßig keinen Notstand. Die insoweit zur Überprüfung stehende Notstandshandlung wird das in Anspruch genommene Gut im Rahmen der erforderlichen Güterabwägung – zumal in einem System sozialer Marktwirtschaft – kaum wesentlich überwiegen können.1 Eine Rechtfertigung soll hier im Wesentlichen auf vom Gesetzgeber nicht vorhergesehene Gefahren beschränkt sein. Die Größe eines Unternehmens (etwa im Unterschied zum wirtschaftenden Individuum) oder die Zahl geschützter Arbeitsplätze ist dagegen kein entscheidender Faktor.2

78

Für das Wirtschaftsstrafrecht typisch sind dagegen spezielle Rechtfertigungssituationen. Dazu gehören z.B. privatrechtliche Weisungen, die Einwilligung etwa bei der Untreue zum Nachteil einer Gesellschaft oder die hypothetische Einwilligung insbesondere als Rechtsfigur des Medizinstrafrechts. Eine gesteigerte Bedeutung erhalten öffentlich-rechtliche Genehmigungen und verwaltungsrechtliche Erlaubnisse. Namentlich Tatbestände des Nebenstrafrechts setzen häufig ein Handeln ohne verwaltungsrechtliche Erlaubnis voraus. Entsprechend der verwaltungsrechtlichen Unterscheidung zwischen präventivem Verbot mit Erlaubnisvorbehalt und repressivem Verbot mit Befreiungsvorbehalt wird die verwaltungsrechtliche Erlaubnis bereits als Merkmal des objektiven Tatbestandes bzw. als besonderer Rechtfertigungsgrund angesehen.3

G. Vorwerfbarkeit und Schuld Literatur (Auswahl): Böse, Strafbarkeit juristischer Personen, ZStW 126 (2014), 132; Eisele/Koch/Theile (Hrsg.), Der Sanktionsdurchgriff im Unternehmensverbund, Tübingen, 2014; Heine, Die strafrechtliche Verantwortlichkeit von Unternehmen, 1995; Hörnle, Die verfassungsrechtliche Begründung des Schuldprinzips, in: FS f. Tiedemann, 2008, 325; Jahn/ Schmitt-Leonardy/Schoop, Das Unternehmensstrafrecht und seine Alternativen, 2010; Kaspar, Verhältnismäßigkeit und Grundrechtsschutz im Präventionsstrafrecht, 2014; Kempf/Lüderssen/Volk (Hrsg.), Unternehmensstrafrecht, 2012; Kindler, Das Unternehmen als haftender Täter, 2008; Mansdörfer/Timmerbeil, Das Modell der Verbandshaftung im europäischen Kartellbußgeldrecht, EuZW 2011, 214; Salditt, Normativ ansprechbar: Börsennotierte Kapitalgesellschaften, in FS Achenbach, 2011, 433; Schmitt-Leonardy, Unternehmenskriminalität ohne Strafrecht?, Heidelberg, 2013; Tschierschke, Die Sanktionierung des Unternehmensverbundes, 2013; Vogel, How to determine criminal responsibility in systemic contexts: twelve models, Cahiers de défense sociale 2002, 151 ff.; Wohlers, Die Strafbarkeit des Unternehmens, ZStR 2000, 381.

I. Das Schuldprinzip im Wirtschaftsstrafrecht 79

Strafe setzt Schuld auf der Grundlage eigenverantwortlichen und selbstbestimmten Handelns voraus. Das Schuldprinzip folgt aus dem Rechtsstaatsprinzip und bezogen auf natürliche Personen aus Art. 1 GG.4 I.d.S. kann die Schuld sogar als unveränderlicher Bestandteil unserer Verfassungsidentität angesehen werden.5 Anknüpfungspunkt für die Schuld ist daher auch die konkrete Tat als Grundlage eines Schuldurteils (sog. normativer Schuldbegriff). Im Ausgangspunkt wird dem Täter eine normwidrige Willensbildung vorgeworfen. Die Schwierigkeiten der Beschränkung von Schuld auf diesen Vorwurf sind in der allgemeinen Straftatlehre für den Fall unbewusster Fahrlässigkeit intensiv diskutiert.6 Im Wirtschaftsstrafrecht gesellen sich weitere Probleme hinzu. Wichtige Fallgruppen sind etwa Handeln des Einzelnen in einer Gruppe, Handeln in systemischen oder automatisierten Prozessen und die Diskussion um die Verbandsschuld. Umgekehrt sind tradierte normative Einschränkungen der individuellen Schuld (etwa der Schuldunfähigkeit oder der Entschuldigung) im Wirtschaftsstrafrecht kaum von Bedeutung. Trotz dieser und der eingangs beschriebenen Tendenzen Wirtschaftsstrafrechts hin zu einem Präventionsstrafrecht (oben Rz. 5) schlagen sich diese Entwicklungen im Verständnis der Schuld erst langsam in einer verstärkten Entwicklung hin zu einem funktionalen Schuldbegriff nieder.7 Es ist daher auch im Wirtschaftsstrafrecht8 verfehlt, die Schuld des Individuums schon vorrangig von den Präventionszwecken her bestimmen und durch solche ergänzen zu wollen. Die Idee, im Rahmen der Schuld allerdings verstärkt die Frage einer präventiven Bestrafungsnotwendigkeit zu diskutieren,9 verdient dagegen durchaus Zustimmung. 1 2 3 4 5 6 7 8 9

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Im Ergebnis ebenso Wittig, Wirtschafsstrafrecht3, § 7 Rz. 3; Perron in S/S-StGB29, § 34 Rz. 35. Perron in S/S-StGB29, § 34 Rz. 35. Krit. zu dieser Kategorisierung T. Walter in LK-StGB12, vor § 13 Rz. 53. BVerfG v. 4.2.1959 – 1 BvR 197/53, BVerfGE 9, 167, 169; BVerfG v. 17.1.1979 – 2 BvL 12/77, BVerfGE 50, 205; ausf. Hörnle in FS Tiedemann, 325 ff. BVerfG v. 30.6.2009 – 2 BvE 2/08 – Lissabon, Rz. 364, BVerfGE 123, 267. Stellvertretend T. Walter in LK-StGB12, vor § 13 Rz. 166 m.w.N. Den aktuell fortschrittlichsten Ansatz verfolgt Kaspar, Präventionsstrafrecht, 2014, 709 ff. Stellvertretend gegen entsprechende Tendenzen in Bezug auf das Gesamtstrafrecht Eisele in S/S-StGB29, vor § 13 Rz. 117 m.w.N.; zurückhaltend auch T. Walter in LK-StGB12, vor § 13 Rz. 7, 172 ff. Wolter in Wolter/Freund (Hrsg.), Straftat, Strafzumessung und Strafprozess im gesamten Strafrechtssystem, 1996, 1, 11; Roxin, AT I4, § 19 Rz. 3; ähnlich Kaspar, Präventionsstrafrecht, 2014, 720 ff. mit dem Konzept „absolut/relativ unverhältnismäßiger Bestrafung“.

Mansdörfer

Rz. 85 Vor § 13 StGB

II. Individuelle Schuld in systemischen und automatisierten Prozessen 1. Klassische Fragen der Schuldfähigkeit Klassische Fragen der Schuldfähigkeit i.S.d. der §§ 20, 21 StGB werden im Rahmen der wirtschaftsstrafrecht- 80 lichen Aufbereitung einzelner Vorfälle praktisch nicht thematisiert. Das Instrument der psychiatrischen Begutachtung von white-collar-Tätern bleibt rechtstatsächlich selbst in naheliegenden Fällen unbenutzt.1 Kriminologische Studien deuten freilich im Einzelfall durchaus auf das Vorhandensein die normative Ansprechbarkeit reduzierender und nach ICD-10-GM klassifizierbarer psychischer Störungen. 2. Individuelle Schuld in systemischen Prozessen Wenig thematisiert wurde bislang, welche Auswirkungen im Wesentlichen systemisch ablaufende oder automati- 81 sierte Prozesse auf die Bewertung der individuellen Schuld haben.2 Beispiele sind die Einrichtung laufender (und zu ursprünglich nicht zwingend strafbarer Auslandskorruption genutzter) schwarzer Kassen in einem Unternehmen mit der Folge einer Untreue in Milliardenhöhe oder der einmalige Entschluss zur Verlagerung von Vermögen ins Ausland zu einer über Jahre fortdauernden wiederholten Steuerhinterziehung etc. Eine Eingrenzung des Schuldvorwurfs im Rahmen der allgemeinen Straftatlehre müsste an den Kategorien ansetzen, die über das Unrecht hinaus für die Vorwerfbarkeit der Tat von Bedeutung sind. Die hierzu bereits vorhandenen Kategorien eignen sich dabei allenfalls sehr eingeschränkt, da ihnen eine quantifizierende Betrachtung der Schuld grundsätzlich fremd ist. Systematisch zutreffender Anknüpfungspunkt für eine sachangemessene Behandlung entsprechender Sachver- 82 halte ist daher im gegenwärtigen System die Unterscheidung zwischen Strafbegründungs- und Strafzumessungsschuld:3 Bei Straftaten in Unternehmen ist das Maß der individuell übernommenen Verantwortung für die konkrete Strafe von erheblicher Bedeutung.4 Gleichwohl bleibt individuelle Verantwortung hier regelmäßig eine Detailverantwortung und ist grundsätzlich keine Gesamtverantwortung. Bereits eingetretene Schäden oder Gefährdungen dürfen einem später hinzukommenden Täter nicht persönlich angelastet werden.5 Bei Tatserien und innerbetrieblichen Neutralisationsmechanismen wird regelmäßig eine herabgesetzte Hemmschwelle zu berücksichtigen sein.6 Unzureichende innerbetriebliche Kontrollen können i.S. eines Mitverschuldens des Tatopfers (bei Straftaten gegen das Unternehmen) oder einer mangelnden Aufsicht der Unternehmensleitung (z.B. bei fahrlässigen Straftaten aus dem Unternehmen) strafmildernd zu berücksichtigen sein.7

III. Gesinnungsmerkmale In einzelnen Strafnormen aufgeführte Gesinnungsmerkmale charakterisieren einen spezifischen Schuldgehalt 83 (Bsp. StGB § 211 „niedrige Beweggründe“; §§ 90a, 130, 225 „Böswilligkeit“, § 315c Abs. 1 Nr. 2 „Rücksichtslosigkeit). Bedeutung hat dies insbesondere für Irrtumsfragen und bei der Beteiligung (§ 28 StGB). Im Wirtschaftsstrafrecht sind Gesinnungsmerkmale freilich die absolute Ausnahme.

IV. Objektive Schuldmerkmale Zu den objektiv gefassten Schuldmerkmalen gehören solche Umstände, die in ihrer normativen Bedeutung nicht 84 das Unrecht, sondern die Schuld betreffen und eine unwiderlegliche Vermutung für eine weniger verwerfliche Einstellung des Täters gegenüber dem Recht enthalten (z.B. §§ 177 Abs. 3, 258 Abs. 6 StGB). Die mit den objektiv gefassten Schuldmerkmalen verbundene Privilegierung entfällt allerdings, wenn der Täter insoweit keine Kenntnis hatte. Bildet sich der Täter solche Umstände irrtümlich ein, gilt § 16 Abs. 2 StGB. § 28 StGB ist auf objektive Schuldmerkmale anwendbar.

V. Normativer Schuldbegriff und Verbandsstrafbarkeit Der zuvor entwickelte normative Schuldbegriff setzt zwar regelmäßig, wie die Strafbarkeit der unbewussten Fahr- 85 lässigkeit zeigt, aber nicht zwingend eine psychische Verbindung des Täters zum Erfolg voraus. Bereits das geltende Recht stellte damit (im Grunde seit James Goldschmidt8) auf die „Vorwerfbarkeit“ i.S. einer abstrakten Motivierbarkeit des Normadressaten ab, aus der dann die Grenze der „Zumutbarkeit“ normgemäßen Verhaltens ableitbar ist. Basis dieses Schuldbegriffs ist damit für das Individuum die letztlich nicht bewiesene und damit dem Recht als Fiktion zugrunde liegende Willensfreiheit. Wenn anerkannt wird, dass die strafrechtliche Individualschuld als Institution letztlich auf einer Fiktion beruht, fällt es aber schwer, die Möglichkeit einer Verbandsstrafe damit ab1 2 3 4 5 6 7 8

Volk in MAH-WirtschaftsstrafR, § 2 Rz. 2. Zu vereinzelten Ausnahmen s. etwa Vogel, Cahiers de défense sociale 2002, 151 ff. Stellvertretend Eisele in S/S-StGB29, vor § 13 Rz. 111 f. Ebenso Stree/Kinzig in S/S-StGB29, § 46 Rz. 35. Vgl. BGH v. 18.8.2009 – 5 StR 257/09, NStZ 2010, 147 (am Beispiel der sukzessiven Mittäterschaft). BGH v. 22.12.2011 – 4 StR 581/11, StV 2012, 289 (für Tatserien). BGH v. 15.1.1986 – 2 StR 567/85, wistra 1986, 172. Goldschmidt in FS Frank, Bd. I, 1930, 442.

Mansdörfer

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StGB

Vorbemerkungen zu § 13

StGB

Vor § 13 StGB Rz. 86

Strafgesetzbuch

zulehnen, dass die mangelnde Motivierbarkeit eines Verbandes nicht nachgewiesen sei. Das geltende Wirtschaftsstrafrecht ist damit für entsprechende Konzepte einer Verbandsstrafe grundsätzlich offen.

VI. Maßnahmen und Sanktionen gegen juristische Personen und Verbände 1. Befund de lege lata 86

Maßnahmen und Sanktionen gegen juristische Personen, Unternehmen oder Verbände dominieren das Wirtschaftsstrafrecht gegenwärtig in höchst unterschiedlichem Umfang. Erhebliche Bedeutung erlangen Verbandssanktionen (oft mangels Individualstrafbarkeit als dann einzige Sanktionen) namentlich im europäischen Kartellrecht der Art. 101 f. AEUV i.V.m. VO 1/2003, das sich ausdrücklich nicht an Individualpersonen, sondern an Unternehmen i.S. einer wirtschaftlichen Einheit adressiert.1 Jenseits des Kartellrechts werden Unternehmen regional unterschiedlich häufig, aber zunehmend neben den handelnden Personen zum Adressaten von Unternehmensgeldbußen i.S.v. § 30 OWiG oder von Verfallsanordnungen gem. §§ 29a OWiG, 73 ff. StGB.2 2. Kriminologischer Hintergrund

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Während sich das klassische Individualstrafrecht den Einzeltäter zum Normadressat macht, adressieren sich Sanktionen gegen Unternehmen an den Verband in seiner überindividuellen Personengesamtheit. Rechtspolitisch wird eine auch sanktionenrechtlich untermauerte Corporate Governance postuliert. Zumindest börsennotierte Gesellschaften werden in diesem Kontext als normativ ansprechbar eingestuft.3 Aus kriminologischer Sicht soll damit auf einer ersten Ebene Neutralisierungsmechanismen innerhalb eines Unternehmensverbundes entgegen gewirkt werden. Ein jüngeres von Schmitt-Leonardy entwickeltes Konzept von Unternehmenssanktionen will darüber hinaus die Unternehmen als sozial relevante Einheit in einen „parastrafrechtlichen Folgenverantwortungsdialog“ einbeziehen.4 Zwar könne das Unternehmen „nicht vollständig als Strafrechtsperson analogisiert“ werden, dem dennoch bestehenden gesellschaftlichen Bedürfnis nach einer Feststellung des dem Unternehmen (in Grenzen) zurechenbaren Unrechts solle durch eine „strafrechtsnahe Reaktion“ Rechnung getragen werden.5 3. Strafrechtsdogmatische Modelle zur Verbandshaftung und Vereinbarkeit mit dem Schuldprinzip a) Modelle der Verbandshaftung

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Unabhängig von der theoretischen Diskussion um die Unternehmensstrafe sind im Wirtschaftsstrafrecht unterschiedliche Modelle der Verbandshaftung verankert.6 Im deutschen Kriminalstrafrecht werden Unternehmenssanktionen in Form von Sanktionen „sui generis“ im Rahmen des Maßnahmemodells des Verfalls gem. §§ 73 ff. StGB verhängt. Daneben stehen im europäischen Rechtsvergleich echte sanktionenrechtliche Modelle, die theoretisch auf einer unmittelbaren Verschuldenshaftung, einer objektiven Zustandshaftung oder einer Haftungszurechnung beruhen können.7 Das deutsche Ordnungswidrigkeitenrecht und das europäische Recht der Kartellgeldbußen verfolgen insoweit ein Modell der Sanktionierung von Verbänden auf der Basis einer Zurechnung von personaler Verantwortlichkeit.8 b) Vereinbarkeit mit dem Schuldprinzip

89

Zum kriminalstrafrechtlichen Schuldprinzip stehen diese Modelle in höchst unterschiedlichem Maß in einem Spannungsverhältnis: Echte Maßnahmemodelle kollidieren mit dem Schuldprinzip i.d.R. deshalb nicht, wenn und weil die entsprechenden Maßnahmen unabhängig von einem Schulvorwurf erhoben werden. Unstimmigkeiten treten freilich auf, soweit Maßnahmen in ihrer konkreten Ausgestaltung und insbesondere durch die Anwendung des Bruttoprinzips bei der Berechnung des Abschöpfungsbetrags über die Abschöpfung hinaus Sanktionscharakter erlangen. Modelle einer eigenen Verbandsschuld und Zurechnungsmodelle kollidieren zwar mit einem an der Personalität des Individuums anknüpfenden Schuldbegriff (oben Rz. 81). De lege lata sind diese Formen der Verantwortlichkeit aber nur in Form von Ordnungswidrigkeiten (§ 30 OWiG) bzw. Verwaltungssanktionen (EU-Bußgeldrecht) verankert, so dass diese Modelle gerade keine personale Schuld im kriminalstrafrechtlichen Sinn voraussetzen. Modelle einer echten Zustandshaftung bleiben bislang auf den Rechtsraum des common law,9

1 Näher dazu Tschierschke, Die Sanktionierung des Unternehmensverbundes, 2013, 35–70 m.w.N.; Mansdörfer/Timmerbeil, EuZW 2011, 214 ff. 2 Vgl. auch Kindler, Das Unternehmen als haftender Täter, 2008, 130-208. 3 Vgl. insoweit Salditt, FS Achenbach, 433, 438, 441 ff. zugleich mit dem Votum für eine auf börsennotierte Gesellschaften begrenzte „kleine“ Lösung. 4 Schmitt-Leonardy, Unternehmenskriminalität, Rz. 759 ff., 771. 5 Schmitt-Leonardy, Unternehmenskriminalität, Rz. 759, 770. 6 Vgl. jüngst den Überblick bei Böse, ZStW 126 (2014), 132, 136; Mansdörfer, in Jahn/Schmitt-Leonardy/Schoop, Unternehmensstrafrecht, S. 113, 120 ff. 7 Vgl. Böse, ZStW 126 (2014), 132. 8 Zum europäischen Kartellbußgeldrecht Mansdörfer/Timmerbeil, EuZW 2011, 214. 9 Hörster, Die strict liability des englischen Strafrechts, 2009.

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Rz. 94 Vor § 13 StGB

Frankreich1 und Dänemark2 begrenzt. Nach der Rspr. des EGMR zulässig sind diese Modelle, solange sie sich systemgerecht und in „angemessenen Grenzen“ in das nationale Strafrecht im weiteren Sinne einfügen.3 Mit dem Erfordernis der „angemessenen Grenzen“ hat der EuGH freilich einen wenigstens weichen Maßstab eingeführt, um einem ausufernden Einsatz dieser Haftungsform Einhalt zu gebieten.

H. Unterlassungsdelikte im Besonderen Literatur: S. die Literaturangaben zu § 13 StGB

I. Grundsätze 1. Echtes und unechtes Unterlassen Neben dem positiven Tun stellt der Gesetzgeber entweder ausdrücklich oder über die Entsprechungsklausel des 90 § 13 StGB auch die Nichtvornahme einer gebotenen Handlung (Unterlassen) unter Strafe. Trotz nicht ganz einheitlichem Sprachgebrauch4 wird das im Gesetz ausdrücklich unter Strafe gestellte Unterlassen als „echtes Unterlassen“ (z.B. §§ 266a, 323c StGB) und der über § 13 StGB geregelten Fall des sog. begehungsgleichen Unterlassens als „unechtes Unterlassen“ bezeichnet. 2. Wesen des Unterlassungsdelikts Das spezifische Unrecht des Unterlassungsdelikts liegt darin, dass der Täter die rechtlich gebotene Handlung trotz 91 der ihm grundsätzlich offenstehenden Handlungsmöglichkeit nicht vorgenommen hat.5 Die Bilanzierungspflichten nach §§ 283 Abs. 1 Nr. 7b, 283b Abs. 3b StGB verletzt daher nicht, wer (etwa mangels Bereitschaft des externen Buchhalters) außerstande ist, die entsprechenden Bilanzen rechtzeitig aufzustellen.6 Gleichermaßen bleibt straflos, wer mangels Zahlungsfähigkeit nach § 266a StGB erforderliche Beiträge nicht erbringen kann.7 Fehlt eine konkrete Handlungsmöglichkeit, kommt zwar grundsätzlich ein Vorverschulden i.S. einer actio oder re- 92 gelmäßig omissio libera in causa in Betracht.8 Hier wird aber im Einzelfall eingehend zu prüfen sein, ob der durch das Vorverhalten begründete Vorwurf dem (möglicherweise verhaltensgebundenen) Unterlassensvorwurf entspricht. In der Literatur wird gerade wegen einer fehlenden Entsprechung ein Rückgriff auf die Rechtsfigur der omissio libera in causa vereinzelt generell abgelehnt.9 3. Delegation der Handlungspflicht und Unternehmenscompliance Die Übertragung der Handlungspflicht auf Dritte (Delegation der Handlungspflicht) ist unabhängig vom Ent- 93 stehungsgrund der Garantenstellung grundsätzlich zulässig und gerade bei arbeitsteiligen Organisationen rechtstatsächlich häufig. Wer seine Handlungspflicht delegiert, hat allerdings für die Handlungsfähigkeit der in Anspruch genommenen Hilfsperson einzustehen. Die persönliche Handlungspflicht verwandelt sich dann (generell und insbesondere im betrieblichen Bereich) in eine Informations-, Koordinations- und Aufsichtspflicht gegenüber der eingesetzten Hilfsperson.10 Noch nicht geklärt ist, welche Bedeutung in diesem Zusammenhang dem Vertrauensgrundsatz zukommt. Unzutreffend erscheint es aber, dem Vertrauensgrundsatz die Bedeutung eines allgemeinen Rechtssatzes zuzumessen.11 Die ordnungsgemäße Delegation kann je nach der Größe des Betriebes (namentlich bei Großunternehmen un- 94 abhängig von der gesellschaftsrechtlichen Organisationsform) auch die Einrichtung eines dem Unternehmen angemessenen Compliancemanagementsystems (CMS) einschließlich eines Compliancebeauftragten bedingen, das eine hinreichende Schulung und eine betriebsspezifische Sensibilität der Mitarbeiter sicherstellen soll.12 Dabei kann im Einzelfall sogar eine konkludente Übertragung entsprechender Pflichten auf das CMS ausreichen, wobei 1 Dazu EGMR v. 7.10.1988 – Salabiaku gegen Frankreich, Serie A Nr. 141-A. 2 EGMR v. 11.7.2000 – Hansen gegen Dänemark, Nr. 28971/95. 3 Insbesondere zum Kriterium der „angemessenen Grenzen“ Radio France u.a. gegen Frankreich EGMR v. 30.3.2004, Nr. 53984/00. 4 Zu den unterschiedlichen Begriffsbestimmungen im Detail Stree/Bosch in S/S-StGB29, vor § 13 Rz. 137. 5 Vgl. BGH v. 13.9.1994 – 1 StR 357/94, BGHSt 40, 257 = NJW 1995, 204. 6 Grundlegend BGH v. 20.12.1978 – 3 StR 408/78, BGHSt 28, 231 = NJW 1979, 1418; zuletzt BGH v. 20.10.2011 – 1 StR 354/11, NZWiSt 2012, 110 = NStZ 2012, 511; Hagemaier, NZWiSt 2012, 105. 7 BGH v. 28.5.2002 – 5 StR 16/02, BGHSt 47, 318, 320 = NJW 2002, 2480; OLG Hamm v. 7.10.2002 – 2 Ss 795/02, wistra 2003, 7. Demgegenüber weist BGH v. 11.8.2011 – 1 StR 295/11, NJW 2011, 3047 mit Recht darauf hin, dass § 266a Abs. 2 StGB lediglich eine Meldung und keine Zahlung voraussetzt. 8 Speziell zu § 266a StGB BGH v. 28.5.2002 – 5 StR 16/02, NJW 2002, 2480 = BGHSt 47, 318; Fischer, StGB63, § 283, Rz. 23a, 29c. 9 So etwa Dehne-Niemann, GA 2009, 150, 170 f. 10 Bosch, Organisationsverschulden in Unternehmen, 2002, 379 ff. 11 In diese Richtung weisen die Ausführungen von Stree/Bosch in S/S-StGB29, vor § 13 Rz. 152 zu den „pflichtenbegrenzenden Auswirkungen des Vertrauensgrundsatzes“. 12 BGH v. 12.9.2012 – 5 StR 363/12, BGHSt 58, 10 = NJW 2012, 3385; Klein, NZWiSt 2013, 119.

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Vorbemerkungen zu § 13

StGB

Vor § 13 StGB Rz. 95

Strafgesetzbuch

sich Anhaltspunkte für eine solche Übertragung aus dem gesetzlichen Wertungsmodell des § 14 Abs. 2 StGB ergeben können sollen.1 Die Garantenstellung von Compliancebeauftragten leitet sich damit nicht (was dogmatisch einen unzulässigen Schluss von der Aufgabe auf die Pflicht bedingen würde) abstrakt aus dem Wesen der Compliance her, sondern derivativ aus der mit der Eröffnung des Unternehmens bedingten Betriebsgefahr und der von dem Compliance Officer übernommenen Aufgabe her.2 Die Pflichten des Compliance Officers reichen daher nicht weiter als die ursprünglichen Pflichten der Unternehmensleitung.3

II. Abgrenzung von Tun und Unterlassen 1. Grundsätzliches 95

Die Entscheidung, ob einer Person ein Handeln oder ein Unterlassen vorgeworfen werden soll, wirft insbesondere bei sog. ambivalenten Verhaltensweisen Schwierigkeiten auf. Eindeutig zu verwerfen sind rein pragmatische Ansätze einer ergebnisorientierten Einzelfallentscheidung:4 Die Spezifika des Unterlassungsdelikts, die Unterschiede hinsichtlich der Verjährung5 und in der Folge unterschiedliche prozessuale Beweisfragen etwa hinsichtlich der Kausalität oder des Vorsatzes fordern möglichst klare und vorhersehbare Abgrenzungskriterien. Auch die weithin gängige Formel vom „Schwerpunkt der Vorwerfbarkeit“6 bietet keine hinreichende Rechtssicherheit. Im Gegenteil öffnet gerade diese Formel Tür und Tor für Zweckmäßigkeitserwägungen und desavouiert (wie die lange Zeit über die Kategorien des Unterlassens geführte Debatte um die Sterbehilfe)7 notwendige Diskussionen um die grundsätzlich rechtliche Missbilligung eines Verhaltens auf einer ersten Ebene zu einer (sinnlosen) naturalistischen Unterscheidungen zwischen Tun und Unterlassen. Vorzugswürdig erscheint es daher, auch8 bei wirtschaftsstrafrechtlichen Sachverhalten wieder verstärkt die Grundkonzeption des StGB aufzunehmen, das unechte Unterlassen als Ausnahme und das positive Tun als die Regel zu begreifen.9 2. Sachverhalte mit Unternehmensbezug

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Insbesondere für Sachverhalte mit Unternehmensbezug hat die unter Rz. 95 kritisierte Beliebigkeit der Schwerpunktformel ein massives Ausweichen auf Unterlassungskonstruktionen zur Begründung einer strafrechtlichen Verantwortlichkeit von primär mit Leitungsfunktionen betrauten Mitarbeitern zur Folge (näher dazu § 13 StGB Rz. 23).

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Arbeitsabläufe in einem Unternehmen können sowohl in einer Weise gestaltet werden, dass jeder Arbeitsgang auf einer neuen, aber standardisierten Anweisung oder auf einer fortlaufenden und im Einzelfall zu unterbrechenden Arbeitsroutine beruht. Managementhandeln wird daher weithin nicht als möglicherweise defizitäres aktives Tun, sondern als „unterlassene Zuständigkeitswahrnehmung“ fehlqualifiziert.10 Die notwendige Konkretisierung strafrechtlicher Mindestanforderungen an das aktive Ausüben der Leitungsbefugnisse bzw. der Leitungsmacht in einem Unternehmen wurde daher bislang nicht versucht. Freilich erscheint es – i.S. einer klareren Konturierung des individuellen Unrechts – auch hier möglich, auf Kriterien zurückzugreifen, die sich allgemein bei der Konturierung individueller Sorgfaltspflichten bewährt haben, wie z.B. das Kriterium des Energieeinsatzes, die Bedeutung der gefährdeten Rechtsgütern, der Grad der drohenden Gefahr, die Stellung des Einzelnen im Gesamtkontext, die Bedeutung der konkreten Pflicht im Gesamtkontext der Gesamtheit einer Person obliegenden Pflichten und der Grad der Erkennbarkeit einer Gefahr.11 1 Raum in W/J4, Kap. 4 Rz. 149. 2 Vgl. bereits Mansdörfer, 2011, Rz. 670; für eine Begründung der Garantenstellung mit dem Gedanken der Übernahme eines Pflichtenkreises auch BGH v. 17.7.2009 – 5 StR 394/08 – Berliner Stadtreinigung, BGHSt 54, 44 = NJW 2009, 3173 = wistra 2009, 433 m. Anm. Berndt, StV 2009, 689; Stoffers, NJW 2009, 3176; Mosbacher/Dierlamm, NStZ 2010, 268; C. Dannecker, NZWist 2012, 441; Wittig, Wirtschaftsstrafrecht3, § 6 Rz. 58d; abl. Rotsch in FS I. Roxin, 2012, 485 ff.; Bock, Criminal Compliance, 317 sieht den „kriminalstrafrechtsdogmatischen Dreh- und Angelpunkt der Criminal Compliance i.e.S.“ dagegen im Kern in der Geschäftsherrenhaftung. 3 So auch Wittig, Wirtschaftsstrafrecht3, § 6 Rz. 58d; einen Überblick über den Diskussionstand bietet Konu, Die Garantenstellung des Compliance Officers, 2014, 91-144. 4 Dazu deskriptiv Volk in FS Tröndle, S. 221; beispielhaft zur „Nichtaufdeckung“ aktiv geführter schwarzer Kassen BGH v. 29.8.2008 – 2 StR 587/07, NJW 2009, 89; zur Einstellung der künstlichen Ernährung als Unterlassen BGH v. 13.9.1994 – 1 StR 357/94, BGHSt 40, 257, 265. 5 Zutreffend OLG Celle v. 31.5.2011 – 32 Ss 187/10, NStZ-RR 2012, 75 = StV 2012, 156; vgl. auch mit Bezug zur illegalen Abfallbeseitigung Ransiek in NK-StGB4, § 326 Rz. 33. 6 Grundlegend dazu die Entscheidung des Großen Senats des BGH v. 17.2.1954 – GSSt 3/53, BGHSt 6, 59; jüngst etwa bestätigt durch BGH v. 7.7.2011 – 5 StR 561/10, BGHSt 56, 277; aus der Literatur dezidiert Stree/Bosch in S/S-StGB29, § 13 Rz. 158, 160. 7 Im Kern zutreffend und generalisierungsfähig sind daher die Erwägungen des BGH v. 25.6.2010 – 2 StR 454/09, BGHSt 55, 191 = NJW 2010, 2963 = NStZ 2010, 630. 8 Zu einem entsprechenden Trend für die allgemeine Straftatdogmatik Roxin, AT II, § 31 Rz. 78 ff. m.w.N. 9 Eingehend Mansdörfer, 2011, Rz. 804 ff. 10 Zutreffend aber LG Nürnberg-Fürth v. 8.2.2006 – 2 Ns 915 Js 144710/2003, NJW 2006, 1824: positives Tun eines Spediteurs durch eine massive Lenkzeitüberschreitungen fördernde Routenplanung. 11 Ausf. hierzu Mansdörfer, 2011, Rz. 767, 769.

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§ 13 StGB

Gleichermaßen knüpft das Produktstrafrecht regelmäßig an den Vertrieb gesundheitsgefährdender Produkte 98 an. Wurden zunächst nicht erkennbar gefährliche Produkte vertrieben, besteht allein für diese Menge eine Informationspflicht hinsichtlich der Verbraucher. Im Bereich der Arbeitssicherheit macht sich wegen eines positiven Tuns strafbar, wer seine Arbeitnehmer mit 99 unsicherem Werkzeug oder Arbeitsmaterial arbeiten lässt.1 Das fehlerhafte Erbringen einer vertraglich geschuldeten Leistung etwa aufgrund eines Dienst- oder Werkver- 100 trages ist positives Tun und nicht ein Unterlassen der gebotenen Leistung.2

§ 13 Begehen durch Unterlassen (1) Wer es unterläßt, einen Erfolg abzuwenden, der zum Tatbestand eines Strafgesetzes gehört, ist nach diesem Gesetz nur dann strafbar, wenn er rechtlich dafür einzustehen hat, daß der Erfolg nicht eintritt, und wenn das Unterlassen der Verwirklichung des gesetzlichen Tatbestandes durch ein Tun entspricht. (2) Die Strafe kann nach § 49 Abs. 1 gemildert werden. A. Kriminologische und rechtsdogmatische Grundlagen im wirtschaftsstrafrechtlichen Kontext I. Funktion und kriminologischer Hintergrund . . . . II. Kritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Grundlagen des Unterlassungsdelikts . . . . . . . . . . B. Abgrenzung von Tun und Unterlassen . . . . . . . . C. Der Tatbestand des unechten Unterlassens I. Garantenstellung und Garantenpflicht 1. Garantenstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Garantenpflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Garantenstellungen aus enger persönlicher Verbundenheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Die Garantenstellung kraft Gefahrengemeinschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Garantenstellung aus der Herrschaft über eine Gefahrenquelle und der Eröffnung eines Verkehrs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Unternehmen und betriebsbezogene Straftaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Einzelfälle. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Die Garantenstellung kraft Pflichtenübernahme, insbesondere auch bei Delegation und Amtsübernahme. . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1 2 3 4 II. 5 6 7 9 10 11 13

III. IV. D. E. F. I. II.

7. Garantenstellung aus Verantwortlichkeit für Drittverhalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Geschäftsherrenhaftung . . . . . . . . . . . b) Personen mit Aufsichts- und Überwachungsfunktionen . . . . . . . . . . . . . c) Compliance Officer . . . . . . . . . . . . . . 8. Garantenstellung aus Vertrag im Übrigen . 9. Garantenstellung kraft Ingerenz . . . . . . . . Kausalität, Erfolg und Zurechnung 1. Kausalität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Erfolg und Zurechnung. . . . . . . . . . . . . . Die Entsprechungsklausel . . . . . . . . . . . . . . Vorsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Beteiligung am Unterlassen . . . . . . . . . . . . Versuch des Unterlassens . . . . . . . . . . . . . . Rechtsfolgen, insbesondere die Strafmilderung nach Absatz 2 Fakultative Strafmilderung . . . . . . . . . . . . . Anwendbarkeit auf echte Unterlassungsdelikte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

. .

22 23

. . . .

27 30 31 37

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38 39 42 43 44 47

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48

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49

17

Literatur: Basualto, Die Betriebsbezogenheit der Garantenstellung von Leitungspersonen im Unternehmen, FS Frisch, 315; Beulke, Der „Compliance-Officer“ als Aufsichtsgarant, FS Geppert, 2011, 23; Beulke/Bachmann, Die „Lederspray-Entscheidung“, JuS 1992, 737; Beulke/Bachmann, Beschützergarant Jugendamt, FS Gössel, 2002, 73; Bloy, Die strafrechtliche Produkthaftung auf dem Prüfstand der Dogmatik, FS Maiwald, 2010, 35; Bock, Corporate Compliance, 2011; Bode, Zur strafrechtlichen Produkthaftung, FS 50 Jahre BGH, 515; Böse, Die Garantenstellung des Betriebsbeauftragten, NStZ 2003, 636; Böse, Die gesellschaftlichen Regeln über die Geschäftsführung als Grenze von Garantenpflichten am Beispiel der strafrechtlichen Produkthaftung, wistra 2005, 41; Bosch, Organisationsverschulden in Unternehmen, 2002; Brammsen, Strafrechtliche Rückrufpflichten bei fehlerhaften Produkten?, GA 1993, 97; Brammsen, Unterlassungshaftung in formellen Organisationen, in: Amelung (Hrsg.), Individuelle Verantwortung und Beteiligungsverhältnisse bei Straftaten in bürokratischen Organisationen des Staates, der Wirtschaft und der Gesellschaft, 2000, 105; Bringewat, Sozialrechtliche Mitwirkungs“pflichten“ und Sozial(leistungs)betrug, NStZ 2011, 131; Bülte, Die Strafbarkeit des Amtsträgers wegen Strafvereitelung und Steuerhinterziehung bei Verletzung der Mitwirkungspflicht aus § 116 Abs. 1 S. 1 AO, NStZ 2009, 59; Dannecker/Dannecker, Die „Verteilung“ der strafrechtlichen Geschäftsherrenhaftung im Unternehmen, JZ 2010, 981; Frister, Begehung und Unterlassung bei der Steuerung von Maschinen, FS Samson, 2010, 19; Gallas, Die strafrechtliche Verantwortlichkeit der am Bau Beteiligten, 1963; Gallas, Unechte Unterlassung und Risikoerhöhung im Unternehmensstrafrecht, FS Roxin, 2001, 651; Gercke, Die strafrechtliche Verantwortlichkeit für Hyperlinks, CR 2006, 844; Gimbernat, Unechte Unterlassung und Risikoerhöhung im Unternehmensstrafrecht, FS Roxin, 2001, 651; Göhler, Zur strafrechtlichen Verantwortlichkeit des Betriebsinhabers für die in seinem Betrieb begangenen Zuwiderhandlungen, FS Dreher, 1977, 611; Groß/Pfohl, Zur Strafbarkeit von Bürgermeistern im Bereich kommunaler Abwasserreinigungsanlagen, NStZ 1992, 119; Grunst, Steuerhinterziehung durch Unterlassen, 1996; Grunst,

1 RG v. 23.4.1929 – g. G. I 1265/28, RGSt 63, 211 – Ziegenhaarfall. 2 BGH v. 7.7.2011 – 5 StR 561/10, BGHSt 56, 286 = NJW 2011, 2895 = NStZ 2012, 86 am Beispiel der ärztlichen Behandlung.

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Begehen durch Unterlassen

StGB

§ 13 StGB Rz. 1

Strafgesetzbuch

Strafrechtlich relevante Pflicht von Amtsträgern außerhalb der Strafverfolgungsorgane zur Anzeige bzw. Verhinderung von Straftaten innerhalb der Behörde?, StV 2005, 453; Gunia, Strafrechtliche Garantenstellungen von Wachpersonen des privaten Sicherheitsgewerbes, 2001; Hassemer, Produktverantwortung im modernen Strafrecht, 1996; Hilgendorf, Strafrechtliche Produzentenhaftung in der „Risikogesellschaft“, 1993; Horn, Strafbares Fehlverhalten von Genehmigungs- und Aufsichtsbehörden, NJW 1981, 1; Hsü, Garantenstellung des Betriebsinhabers zur Verhinderung strafbarer Handlungen seiner Angestellten?, 1986; Iburg, Zur Unterlassungstäterschaft im Abfallstrafrecht, NJW 1988, 2338; Kudlich, Garantenstellung und Garantenpflicht bei arbeitsteiliger Beseitigung einer Gefahrenquelle, JR 2002, 468; Kudlich, Mobbing als Betriebsaufgabe?, HRRS 2012, 177; Kühne, Geschäftstüchtigkeit oder Betrug, 1976; Kuhlen, Strafhaftung bei unterlassenem Rückruf gesundheitsgefährdender Produkte, NStZ 1990, 566; Kuhlen, Strafrechtliche Produkthaftung, FS 50 Jahre BGH, 2000, Bd. IV, 647; Langkeit, Garantenpflicht der Mitglieder des Holding-Vorstands auf Unterbindung von Straftaten der Geschäftsführer von Tochtergesellschaften, FS Otto, 2007, 649; Mansdörfer/Trüg, Umfang und Grenzen der strafrechtlichen Geschäftsherrenhaftung, StV 2012, 433; Meinberg, Amtsträgerstrafbarkeit bei Umweltbehörden, NJW 1986, 2220; Odersky, Zur Strafrechtlichen Verantwortlichkeit für Gewässerverunreinigungen, FS Tröndle, 1989, 221; Otto, Die strafrechtliche Haftung für die Auslieferung gefährlicher Produkte, in FS Hirsch, 1999, 291; Otto, Die strafrechtliche Verantwortung für die Verletzung von Sicherungspflichten im Unternehmen, FS Schroeder, 2006, 339; Paul, Primärrechtliche Regelungen zur Verantwortlichkeit von Internetprovidern aus strafrechtlicher Sicht, 2005; Papier, Strafbarkeit von Amtsträgern im Umweltrecht, NJW 1988, 1113; Ransiek, Zur strafrechtlichen Verantwortung des Compliance Officers, AG 2010, 147; Rogall, Dogmatische und kriminalpolitische der Aufsichtspflichtverletzung in Betrieben und Unternehmen (§ 130 OWiG) ZStW 98 (1986), 573; Rogall, Die Strafbarkeit von Amtsträgern im Umweltbereich, 1991; Rönnau/Schneider, Der Compliance Officer als strafrechtlicher Garant, ZIP 2010, 53; Rudolphi, Probleme der strafrechtlichen Verantwortlichkeit von Amtsträgern für Gewässerverunreinigungen, FS Dünnebier, 1982, 561; Rudolphi, Strafrechtliche Verantwortlichkeit der Bediensteten von Betrieben für Gewässerverunreinigungen und ihre Begrenzung durch den Einleitungsbescheid, FS Lackner, 1987, 863; Rübenstahl, Zur „regelmäßigen“ Garantenstellung des Compliance Officers, NZG 2009, 1341; Sangenstedt, Garantenstellung und Garantenpflicht von Amtsträgern, 1981; Schlösser, Vertraglich vereinbarte Integritätsklauseln und strafrechtliche Haftung der Unternehmensleitung, wistra 2006, 446; Silva Sanchez, Aufsichtspflichten und Compliance in Unternehmen, in Kuhlen u.a., Compliance und Strafrecht, Heidelberg, 2013, 71 ff.; Stree, Garantenstellung kraft Übernahme, in FS Mayer, 1966, 145 f.; Zaczyk, Zur Garantenstellung von Amtsträgern, FS Rudolphi, 2004, 361.

A. Kriminologische und rechtsdogmatische Grundlagen im wirtschaftsstrafrechtlichen Kontext I. Funktion und kriminologischer Hintergrund 1

Das (namentlich unechte) Unterlassen hat im Wirtschaftsstrafrecht eine gegenüber der allgemeinen Straftatlehre herausgehobene und wachsende Bedeutung. Wesentlicher Hintergrund dafür ist ein tatsächlicher Wandel insbesondere in der Ermittlungsstrategie der zuständigen Behörden: Während lange Zeit Vorfälle nach dem sog. bottom-up-Prinzip vom Tatnächsten her ermittelt wurden, dominiert in der Zwischenzeit das sog. top-down-Prinzip, das zunächst eine Verantwortlichkeit der Unternehmensleitung für den konkret infrage stehenden Vorfall postuliert.1 Normativ gestützt wird diese vereinfachende Vorgehensweise durch die von der Rspr. postulierte Allzuständigkeit und Generalverantwortlichkeit der Unternehmensleitung für den Bestand des Unternehmens gefährdende Entwicklungen.2 Mit der Delegation dieser Pflichten auf dem unmittelbaren Kern der Geschäftsführung nachgelagerte Ebenen3 wird das Unterlassen damit zu einem zunehmend dominierenden Prinzip der Zuschreibung von Verantwortung im Wirtschaftsstrafrecht. In dieses Konzept fügt es sich dann ein, wenn schwierige Kausalitäts- und Zurechnungsfragen etwa bei Gremienentscheidungen ebenfalls über Unterlassungskonstruktionen gelöst werden.4

II. Kritik 2

Infolge der vorgenannten Umstände erlangt das unechte Unterlassen eine systematisch nicht zu rechtfertigende hohe Relevanz und bedingt rechtstatsächlich eine Überhaftung der Leitungspersonen. Notwendig ist insoweit ein grundlegender Wandel hin zum Verständnis von organisatorischem Handeln als positivem Tun, der Ermittlung der funktionalen Zuständigkeiten in einem Unternehmen ausgehend von der formalen sowie tatsächlich praktizierten Organisation.5

III. Grundlagen des Unterlassungsdelikts 3

Zu den rechtsdogmatischen Grundlagen des Unterlassungsdelikts ausf. Vor § 13 StGB Rz. 90 ff.

B. Abgrenzung von Tun und Unterlassen 4

Dazu ausf. Vor § 13 StGB Rz. 95 ff. 1 Vgl. bereits Kuhlen, JZ 1994, 1142, 1144. 2 Grundlegend BGH v. 6.7.1990 – 2 StR 549/89, BGHSt 37, 106, 123 f., sowie BGH v. 15.10.1996 – VI ZR 319/95, BGHZ 133, 370, 375. 3 Dazu etwa Raum in W/J4, Kap. 4 Rz. 148 ff.; Silva Sanchez in Kuhlen u.a. (Hrsg.) Compliance und Strafrecht, 71, 72. 4 Dazu die Diskussion Vor § 13 StGB Rz. 44 ff. 5 Eingehend dazu Mansdörfer, Theorie des Wirtschaftsstrafrechts, 2011, Rz. 738 ff.

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Begehen durch Unterlassen

C. Der Tatbestand des unechten Unterlassens I. Garantenstellung und Garantenpflicht 1. Garantenstellung Wer es unterlässt, eine tatbestandsmäßige Rechtsgutsverletzung abzuwenden, wird nach § 13 StGB begehungs- 5 gleich bestraft, wenn er rechtlich für das Ausbleiben des Erfolgs einzustehen hat. Sieht man § 13 StGB als Verweis auf näher benannte rechtliche Einstandspflichten, geht die Norm freilich ins Leere.1 § 13 StGB kann deshalb nur so verstanden werden, dass die nähere Bestimmung der Einstandspflicht vom Gesetzgeber der Rechtswissenschaft und -praxis überlassen wurde.2 Der Entstehungsgrund für eine Garantenstellung wird daher auch über spezifisch wirtschaftsstrafrechtliche Sachverhalte hinaus (i.S. einer Kombination von Rechtspflichttheorie und Funktionenlehre)3 materiell in einer aus einem spezifischen normativen Näheverhältnis4 folgenden Rechtspflicht gesehen, die den Einzelnen über die allgemeine Solidarität hinaus funktional zu einem erhöhten Schutz für ein Rechtsgut (sog. Beschützergarant) bzw. zu einer erhöhten Gefahrenvorsorge vor Schädigungen von Rechtsgütern (sog. Überwachungsgarant) verpflichtet. Die Entstehungsgründe für das geforderte besondere normative Näheverhältnis können variieren. Als Orientierungshilfe, wann ein solches Näheverhältnis vorliegt, dient traditionell eine Orientierung an dem Entstehungsgrund einer Garantenstellung durch Gesetz, Vertrag, Ingerenz (vorangegangenes gefahrerhöhendes Verhalten) oder enge persönliche Beziehungs-/oder Gefahrengemeinschaften. Auch diese phänomenologisch orientierte Einteilung lässt freilich den normativen Grund der besonderen Inanspruchnahme des Normadressaten offen. Institutionell betrachtet dient die mit dem Unterlassensdelikt sanktionierte Eingriffspflicht der wechselseitigen Sicherung und der Minimierung von individuell zurechenbaren Gefahren. Im Einzelfall lässt sich die konkrete Pflichtenstellung nur durch Einbeziehung und Bewertung aller individuellen Tatumstände bestimmen. 2. Garantenpflicht Von der Garantenstellung klar zu unterscheiden ist die konkret bestehende Garantenpflicht. In der Garanten- 6 pflicht wird die abstrakte Garantenstellung zu einer spezifischen Verhaltenserwartung unter Berücksichtigung der in der jeweiligen Situation bestehenden realen Handlungsbedingungen und individuellen Handlungsmöglichkeiten konkretisiert. Die jeweiligen Garantenpflichten müssen dabei in einer Weise formuliert sein, dass sie auch tatsächlich durchführbar sind.5 Unzumutbar ist etwa eine Pflicht zur lückenlosen Überwachung fachkompetenter und jahrelang zuverlässiger Personen.6 Ein wesentlicher Faktor für die Bestimmung der Garantenpflicht ist darüber hinaus der Grad der vorhersehbaren Gefahr.7 3. Garantenstellungen aus enger persönlicher Verbundenheit Garantenstellungen aus enger persönlicher Verbundenheit, wie sie typischer Weise in familiären Beziehungen 7 bestehen, werden durch rein wirtschaftliche Beziehungen regelmäßig nicht begründet. Selbst langjährige Geschäftsbeziehungen können eine Garantenstellung per se nicht begründen, soweit sich aus dem Vertragsverhältnis keine spezielle Inpflichtnahme ableiten lässt (dazu unten Rz. 31 ff.) Umgekehrt kann sich aus der Garantenstellung als Betriebsinhaber auch die Pflicht zur Verhinderung von Straftaten von Angehörigen ergeben. Beispiel: Pflicht des Geschäftsinhabers, in der Unternehmenskrise im Unternehmen mitarbeitende Familienangehörige von der Einziehung von betriebsbezogenen Forderungen abzuhalten.8

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4. Die Garantenstellung kraft Gefahrengemeinschaft Entstehungsgrund für eine aus einer Gefahrengemeinschaft resultierende Garantenstellung ist die zwischen den 9 Einzelnen (auch konkludent) geschlossene Vereinbarung, durch das Zusammenlegen der Kräfte die erwarteten Gefahren besser beherrschen zu können oder eine gefährliche Situation nur aufgrund der bestehenden Gemeinschaft angehen zu wollen. Aus welchem Grund diese Verpflichtung eingegangen wird und ob die Gefahr möglicherweise nur aus ökonomischen Erwägungen eingegangen wird, ist nicht von Bedeutung. Bloße Zufallsgemein-

1 Weigend in LK-StGB12, § 13 Rz. 18. 2 Zu daraus resultierenden Zweifeln an einer hinreichenden verfassungsrechtlichen Bestimmtheit vgl. Weigend in LKStGB12, § 13 Rz. 18 ff. m.w.N. 3 Krit. zu beiden Systematisierungsansätzen Stree/Bosch in S/S-StGB29, § 13 Rz. 7–9. 4 Den Begriff „Näheverhältnis“ verwendet auch Zaczyk in FS Rudolphi, 361, 362; ähnlich Stree/Bosch in S/S-StGB29, § 13 Rz. 8: „rechtliche Stellung zum gefährdeten Rechtsgut oder zum schädigenden Ereignis maßgeblich“. 5 BGH v. 1.7.1997 – 1 StR 244/97, NStZ 1997, 545. 6 BGH v. 1.7.1997 – 1 StR 244/97, NStZ 1997, 545. 7 BGH v. 19.1.1988 – 1 StR 635/87, BeckRS 1988, 31091584. 8 LG Hildesheim v. 13.2.2014 – 21a Ns 25 Js 34542/12, juris Rz. 52.

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§ 13 StGB Rz. 10

Strafgesetzbuch

schaften wie z.B. die Betriebsgemeinschaft oder eine Arbeitsgemeinschaft begründen dagegen aus sich allein heraus ohne zusätzliche verpflichtende Elemente keine wechselseitigen Einstandspflichten.1 5. Garantenstellung aus der Herrschaft über eine Gefahrenquelle und der Eröffnung eines Verkehrs 10

Bei der Garantenstellung aus der Herrschaft über eine Gefahrenquelle und der Eröffnung eines Verkehrs folgt die Inanspruchnahme des Einzelnen im Kern aus einer Inanspruchnahme von Sonderfreiheiten, die (auch) deshalb gewährt werden, weil dem Betroffenen im Gegenzug besondere Verkehrssicherungspflichten auferlegt werden.2 a) Unternehmen und betriebsbezogene Straftaten

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Unternehmen werden hier verstanden als eine spezifische Form der Kumulation von individuellen Ressourcen zur effizienteren wirtschaftlichen Betätigung. Die Unternehmensleitung ist dabei nach zutreffender Ansicht der Rspr. zur Verhinderung aller Gefahren aus dem Betrieb, von Anlagen und Maschinen zuständig (zu sog. Personalgefahren s. unten Rz. 22 ff.). Zugleich beschränkt sich die Verantwortlichkeit aber auf solche Taten, die einen konkreten Betriebsbezug aufweisen.3 Entsprechend der grundlegend vorgebrachten Kritik an der sachlich nicht gerechtfertigten Dominanz des Unterlassens (dazu oben Rz. 2) sollte freilich die strafrechtliche Verantwortlichkeit der Leitungsorgane primär an eine defizitär ausgeübte Leitungsmacht anknüpfen.4 Ein stets hinreichender Betriebsbezug besteht aber, wenn einer in dem Unternehmen tätigen Person i.S.v. § 14 Abs. 2 S. 2 StGB konkrete Pflichten zur Wahrnehmung in eigener Verantwortung übertragen wurden. Der Betriebsinhaber ist dann zunächst verpflichtet, durch entsprechende Anweisungen sicherzustellen, dass diese Pflichten grundsätzlich eingehalten werden.5 Erfährt er von einem Fehlverhalten, muss er diesem aktiv entgegenwirken.

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Die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers aus § 618 Abs. 1 BGB begründet entsprechend den vorstehenden Erwägungen zwar auch eine strafrechtliche Garantenstellung zugunsten der Arbeitnehmer.6 Inhaltlich ist diese Garantenstellung freilich wiederum auf spezifische Betriebsgefahren beschränkt. Der (die Zurechnung ausschließende) Grundsatz der eigenverantwortlichen Selbstgefährdung bleibt hiervon jedenfalls dann unberührt, wenn der Arbeitgeber die Willensbildung des Arbeitnehmers nicht beeinflusst hat.7 b) Einzelfälle

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Rückrufpflichten im Rahmen der strafrechtlichen Produkthaftung begründen sich in entsprechender Weise aus dem räumlich-gegenständlichen Organisationsbereich.8 Literatur: Zur Garantenpflicht von Internetprovidern: Blanke, Über die Verantwortlichkeit des Internet-Providers, 2006; Conradi/Schloemer, Die Verantwortlichkeit der Internet-Provider, NStZ 1996, 366; Hörnle, Pornographische Schriften im Internet: Die Verbotsnormen im deutschen Strafrecht und ihre Reichweite, NJW 2002, 1011 f.; Park, Die Strafbarkeit von Internet-Providern wegen rechtswidrigen Internet-Inhalte, GA 2001, 23; Pelz, Die Strafbarkeit von Online-Anbietern, wistra 1999, 53; Popp, Die strafrechtliche Verantwortung von Internet-Providern, 2002; Ritz, Inhalteverantwortlichkeit von Online-Diensten, 1998; Sieber, Die Verantwortlichkeit von Internet-Providern im Rechtsvergleich, ZUM 1999, 196; Trüg/ Mansdörfer in Hilber (Hrsg.), Handbuch Cloud Computing, Teil 7 Rz. 79 ff. (zur Verantwortlichkeit der Anbieter von Cloud-Diensten); s. auch BVerfG v. 8.4.2009 – 2 BvR 945/08, StV 2009, 452.

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Einstweilen frei.

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Keine strafrechtlich relevante Herrschaft über eine Gefahrenquelle hat grundsätzlich der Sicherungs-/Vorbehaltseigentümer oder der Vermieter von Räumen hinsichtlich des Geschehens in den Räumen (für die allgemeine Gebäudegefahr bleibt er aber Garant).9

1 Stree in FS Mayer, 145, 147. 2 Für die Begründung einer Garantenstellung aus Verkehrssicherungspflichten vgl. etwa auch Fischer, StGB63, § 13 Rz. 27. 3 RG v. 28.3.1924 – I 818/23, RGSt 58, 130; BGH v. 20.10.2011 – 4 StR 71/11, BGHSt 57, 42, Rz. 13 ff. m. Anm. Roxin, JR 2012, 305; Grütner, BB 2012, 152; Raum in W/J4, Kap. 4 Rz. 147; im Anschluss daran LG Hildesheim v. 13.2.2014 – 21a Ns 25 Js 34542/12, juris Rz. 52. 4 Zurückhaltend insoweit Langkeit, FS Otto, 649, 651 ff. 5 RG v. 28.3.1924 – I 818/23, RGSt 58, 130 unter Bezug auf den damaligen § 151 GewO; näher dazu Mansdörfer, Theorie des Wirtschaftsstrafrechts, Rz. 616. 6 BGH v. 25.6.2009 – 4 StR 610/08, BGHR StGB § 222 Pflichtverletzung 9; OLG Rostock v. 10.9.2004 – 1 Ss 80/04, ArbuR 2006, 128; OLG Naumburg v. 25.3.1996 – 2 Ss 27/96, NStZ-RR 1996, 229; offengelassen in BGH v. 20.10.2011 – 4 StR 71/11, BGHSt 57, 42, 45; enger Wittig, Wirtschaftsstrafrecht3, § 6 Rz. 57a sowie Stree/Bosch in S/S-StGB29, § 13 Rz. 7 f., die noch „weitere materielle Erwägungen“ einfordern. 7 OLG Rostock v. 10.9.2004 – 1 Ss 80/04, ArbuR 2006, 128. 8 So die Terminologie bei Bloy in FS Maiwald, 35, 46; zum Diskussionsstand Wittig in Wirtschaftsstrafrecht3, § 6 Rz. 55. 9 So zutreffend auch Stree/Bosch in S/S-StGB29, § 13 Rz. 49.

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Rz. 19 § 13 StGB

Gleichfalls kann ein Auftrag zur Prüfung von Bauwerksmängeln die Stellung eines Schutzgaranten gegenüber 16 der Allgemeinheit begründen, die in den durch unzureichende Prüfung geschaffenen Gefahrenbereich gelangt.1 6. Die Garantenstellung kraft Pflichtenübernahme, insbesondere auch bei Delegation und Amtsübernahme Phänomenologisch häufig und geradezu ein grundlegendes marktwirtschaftliches Geschäftsmodell ist die (Kom- 17 plett- oder Mit-)Übernahme2 von Pflichten gegen Entgelt.3 Bei der Komplettübernahme enden die Garantenpflichten, während bei der Mitübernahme die ursprüngliche Garantenstellung in Richtung auf die Funktion einer Aufsichtsperson, der Funktion eines Koordinators und eines Informanten hin modifiziert wird.4 Eine Einschränkung auf bestimmte Vertragstypen (z.B. Dienstvertrag oder Auftrag) besteht insoweit nicht. Notwendig ist lediglich, dass die Pflichtenübernahme wesentlicher Vertragsgegenstand ist. Die Garantenstellung kraft Pflichtenübernahme ist daher auch wesentliches Element und zwingende Folge einer wirksamen Pflichtendelegation im Rahmen von Dienst- oder Arbeitsverträgen, die insoweit durch das Weisungsrecht des Dienstherrn geprägt sind.5 Eine strenge zivilrechtliche Wirksamkeit des Vertrages ist insoweit nicht Voraussetzung (str.);6 in der Sache spricht viel dafür, hier die Grundsätze des § 14 StGB entsprechend anzuwenden. Das Entstehen der Garantenpflicht hängt vielmehr davon ab, ob der Einzelne Grund hatte, sein Verhalten auf die Übernahme der Pflicht durch den anderen einzurichten. Ausreichend ist somit ein faktischer Vertrag, der (wie etwa bei Bereitschaftsärzten oder Betriebsärzten)7 institutionell auch Schutzwirkung zugunsten eines Dritten entfalten kann. Der Delegierende muss bei der Auswahl des Vertreters und der Zuteilung der Aufgaben freilich insgesamt eine hinreichende Sorgfalt walten lassen.8 Nimmt der ursprünglich Verpflichtete wahr, dass der von ihm eingesetzte Dritte nachlässig arbeitet, muss er einschreiten und wird wieder selbst verkehrssicherungspflichtig, wenn er Gefahrenquellen erkennt oder erkennen müsste.9 Entsprechend endet die Garantenpflicht, indem das entsprechende Übernahmeverhältnis (z.B. durch Kündigung, Widerruf, Rücknahme des Auftrags etc.) beendet wird. Beispiele für eine Pflichtenübernahme sind die Übernahme von Überwachungspflichten hinsichtlich einzelner 18 Objekte, Personen oder Tätigkeiten wie etwa die Übernahme der Wartung von Fahrzeugen,10 die Übernahme von Sicherheitspflichten am Bau durch eine Sicherheitskoordinator oder einen Bauleiter,11 die Übernahme einer Person in Pflege. Die Pflichten des Geschäftsführers einer GmbH aus § 43 Abs. 1 GmbHG oder des Vorstands einer AG aus § 93 19 Abs. 1 S. 1 AktG zur ordnungsmäßigen Geschäftsführung umfassen dabei auch die Verpflichtung, dass sich die Gesellschaft rechtmäßig verhält (sog. Legalitätspflicht).12 Daneben treffen die Unternehmensleitung Kooperationspflichten im Verhältnis zu anderen Organen und Loyalitätspflichten zur Wahrnehmung von Geschäftschancen im Interesse des Unternehmens.13 Die letztgenannten Pflichten bestehen aber nur der Gesellschaft gegenüber und nicht auch im Verhältnis zu außenstehenden Dritten. Die Vorschriften „dienen nicht dem Zweck, Dritte vor den mittelbaren Folgen einer sorgfaltswidrigen Geschäftsleitung zu schützen.“14 Dagegen haben faktische Geschäftsführer nur eine Garantenstellung, soweit sie bestimmte Arten von Geschäften auch tatsächlich führen. Der formelle Geschäftsführer bleibt aber auch in diesen Fällen Garant neben dem faktischen Geschäftsführer. Im wirtschaftsstrafrechtlichen Kontext bedeutsam sind weiter Garantenstellungen von Aufsichtsräten, der internen Revision oder wechselseitig Aufsichtspflichten in mehrgliedrigen Gremien. Nachgeordnete Mitarbeiter können, soweit ihnen spezielle Kontrollpflichten überantwortet sind, in diesem Rahmen ebenfalls als Garanten für das Ausbleiben entsprechender Erfolge verantwortlich sein.15 Die Garantenstellung endet hier mit der Erfüllung der Auf-

1 BGH v. 12.1.2010 – 1 StR 272/09 – Eissporthalle, NJW 2010, 1087. 2 BGH v. 31.1.2002 – 4 StR 289/01 – Wuppertaler Schwebebahn, BGHSt 47, 224. 3 Eine aus der Fallkonstellation der freiwilligen Pflichtenübernahme hervorgegangene eigenständige Gruppe innerhalb der Garantenstellungen sieht hierin Heinrich, AT4, Rz. 947 ff. 4 OLG Celle v. 12.11.1985 – 1 Ss 331/85, NdsRpfl 1986, 133 spricht insoweit von „Oberaufsicht“. 5 Ebenso Raum in W/J4, Kap. 4 Rz. 148 ff. 6 A.A. Wohlers in NK-StGB4, § 13 Rz. 38; wie hier dagegen die Rspr. seit RGSt 16, 269; aus jüngerer Zeit etwa BGH v. 31.1.2002 – 4 StR 289/01 – Wuppertaler Schwebebahn, BGHSt 47, 224. 7 Ebenso z.B. Stree/Bosch in S/S-StGB29, § 13 Rz. 28a. 8 OLG Celle v. 12.11.1985 – 1 Ss 331/85, NdsRpfl 1986, 133. 9 OLG Stuttgart v. 5.4.2005 – 5 Ss 12/05, NJW 2005, 2567 im Anschluss an BGH v. 21.4.1964 – 1 StR 72/64, BGHSt 19, 286; OLG Düsseldorf v. 17.4.1998 – 22 U 168/97, NJW-RR 318. 10 BGH v. 6.3.2008 – 4 StR 669/07, NJW 2008, 1898. 11 BGH v. 21.4.1964 – 1 StR 72/64, BGHSt 19, 286. 12 BGH v. 10.7.2012 – VI ZR 341/10, BGHZ 194, 26, Rz. 22 = NJW 2012, 3439 = wistra 2012, 380. 13 LG Wiesbaden v. 12.5.2009 – 6 KLs -1160 Js 26113/05, juris. 14 BGH v. 10.7.2012 – VI ZR 341/10, BGHZ 194, 26, Rz. 23 = NJW 2012, 3439 = wistra 2012, 380 = NZWist 2012, 460. 15 BGH v. 6.3.2008 – 4 StR 669/07 - Bremskontrolle, BGHSt 52, 159 = NJW 2008, 1897 m. Anm. Kühl, NJW 2008, 1899, im Anschluss an BGH v. 31.1.2002 – 4 StR 289/01 – Wuppertaler Schwebebahn, BGHSt 47, 224 = NJW 2002, 1887 = wistra 2002, 219 m. Anm. Freund, NStZ 2002, 424; Bußmann, NStZ 2009, 386.

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Begehen durch Unterlassen

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§ 13 StGB Rz. 20

Strafgesetzbuch

gabe oder einer den ursprünglichen Auftrag zurücknehmende Weisung.1 Stellvertreter werden nur bei konkreter Verhinderung des Vorgesetzten garantenpflichtig.2 20

Zur Bedeutung von Sicherungserklärungen oder Integritätsklauseln s. unten Rz. 34.

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Der Amtsträger reiht sich mit der Annahme seines Amtes in die ihm im Rahmen der vorgegebenen Organisation zugedachte Funktion ein und wird damit grundsätzlich auch strafrechtlich sonderpflichtig.3 Ob er damit eine dem Staat gegenüber seinen Bürgern allgemein obliegende Schutzpflicht übernimmt4 oder ob staatliche Schutzpflichten nur innerhalb von Sonderbeziehungen (z.B. gegenüber Beamten, Schutzbedürftigen, wegen des Betriebs öffentlicher Einrichtungen etc.) bestehen,5 ist zwar umstritten.6 Für die Verantwortlichkeit des einzelnen Amtsträgers maßgeblich ist freilich stets die konkret übernommene Funktion in ihrer spezifischen normativen Ausprägung und nicht etwa das abstrakte Berufsbild. Beispiele: Während der Lehrer bei der Schulaufsicht die Schüler beaufsichtigen muss,7 muss der Schulleiter auch sexuelle Übergriffe der ihm unterstellten Lehrer auf die Schüler unterbinden.8 Zur Sicherungspflicht des städtischen Leiters des Sachgebiets Bauerhaltung.9 Zur Garantenstellung von Amtsträgern in Aufsichtsbehörden unten Rz. 22 ff. Bei der Bestimmung der Garantenpflicht kommt dem Merkmal der Zumutbarkeit erhebliche Bedeutung zu. Gerade bei verwaltungsrechtlichem Ermessen besteht eine Garantenpflicht zum konkreten Tätigwerden nur, wenn das Einschreiten nach verwaltungsrechtlichen Grundsätzen die einzig mögliche Entscheidung ist (sog. Ermessensreduzierung auf null).10 7. Garantenstellung aus Verantwortlichkeit für Drittverhalten

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Eine Garantenstellung aus einer Verantwortlichkeit für Drittverhalten kann wegen der Prinzipien der Eigenverantwortlichkeit bzw. der Trennung der Verantwortungssphären jedes Einzelnen nur eine Ausnahme sein.11 Die Fallgruppe ist daher grundsätzlich eng zu fassen. Eine Pflicht zur Verhinderung von Straftaten Dritter folgt insbesondere auch nicht aus der Inhaberschaft über ein Grundstück oder ein Gebäude.12 Die Entwicklung ist aber im Fluss, und schematische Lösungen sind verfehlt. a) Geschäftsherrenhaftung Literatur: Basualto, Die Betriebsbezogenheit der Garantenstellung von Leitungspersonen im Unternehmen, FS Frisch, 2013 S. 333; Bottke, Haftung aus der Nichtverhütung von Straftaten Untergebener in Wirtschaftsunternehmen, 1994; C. Dannecker, Die Folgen der strafrechtlichen Geschäftsherrenhaftung der Unternehmensleitung für die Haftungsverfassung juristischer Personen, NZWist 2012, 441; Dannecker/Dannecker JZ 2010, 918 ff.; Kretschmer, Anmerkungen zur strafrechtlichen Verantwortlichkeit der Unternehmensleitung für das Verhalten von Mitarbeitern, StraFo 2012, 259; Mansdörfer/Trüg, Umfang und Grenzen der strafrechtlichen Geschäftsherrenhaftung StV 2012, 432; Otto, Die strafrechtliche Verantwortung für die Verletzung von Sicherungspflichten im Unternehmen, FS F.C. Schröder, 2006, S. 339; Schall, Grund und Grenzen der strafrechtlichen Geschäftsherrenhaftung, FS Rudolphi, 2004, S. 267 ff.; Schlösser, Die Anerkennung der Geschäftsherrenhaftung durch den BGH, NZWist 2012, 281; Schünemann, FS Amelung, 2009, S. 303; Silva Sanchez, Aufsichtspflichten und Compliance in Unternehmen, in Kuhlen u.a. (Hrsg.) Compliance und Strafrecht, 2013, S. 71; Spring, Die strafrechtliche Geschäftsherrenhaftung, 2009; Waßmer, Die strafrechtliche Geschäftsherrenhaftung, 2006.

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Eine allgemeine Geschäftsherrenhaftung dergestalt, dass ein Betriebsinhaber generell zur Verhinderung von Straftaten seiner Angestellten verpflichtet wäre, besteht gerade nicht.13 Strafrechtliche Leitentscheidung für eine

1 BGH v. 31.1.2002 – 4 StR 289/01 – Wuppertaler Schwebebahn, BGHSt 47, 224. 2 BGH v. 19.4.2000 – 3 StR 442/99, NJW 2000, 2754 = BGHR StGB § 13 Garantenstellung 17. 3 Wie hier für eine Garantenstellung kraft Pflichtenübernahme Weigend in LK-StGB12 § 13 Rz. 25, 30 ff.: Übernahme der den Bürger durch den Staat geschuldeten Schutzpflichten; krit. dazu Rudolphi in SK-StGB8, § 13 Rz. 54b; anders auch Fischer, StGB63, § 13 Rz. 29 ff.: Garantenstellung aus Gesetz; für das Eisenbahnbundesamt ebenso Otto, FS F.C. Schröder, 339, 354 f.; umfassend Sangenstedt, Garantenstellung und Garantenpflicht von Amtsträgern, 1981. 4 BGH v. 19.8.1992 – 2 StR 86/92, BGHSt 38, 325, 333; BGH v. 29.9.1992 – 4 StR 358/92, BGHSt 38, 388, 390. 5 So etwa Rudolphi, JR 1987, 336. 6 Zu dem hier im Kern zu bewältigenden staatstheoretischen Problem Zaczyk, FS Rudolphi, 361, 363 ff. 7 OLG Köln v. 29.10.1985 – Ss 301/85, NJW 1986, 1947. 8 BGH v. 26.7.2007 – 4 StR 240/07, NStZ-RR 2008, 9. 9 LG Saarbrücken v. 24.10.2005 – 8 Qs 73/05, NStZ-RR 2006, 76. 10 GenStA Celle v. 27.4.1987 – Zs 1773/86, NJW 1988, 2394. 11 Vgl. etwa OLG Celle v. 21.11.2007 – 32 Ss 99/07, NJW 2008, 1012 m. abl. Anm. Bienwald, FamRZ 2008, 1028 zur Garantenstellung eines Betreuers, wenn die Betreuung gerade wegen der fehlenden Eigenverantwortlichkeit des Betreuten angeordnet wurde; OLG Stuttgart v. 3.2.1997 – 4 Ws 230/96 zur Gartenstellung des verantwortlichen Arztes einer psychiatrischen Klinik für Jugendliche bei der Aufnahme einer 17-jährigen latent suizidalen Patientin; zur Bedeutung des Prinzips der Eigenverantwortlichkeit eingehend Schall, FS Rudolphi, 267, 271 ff.; Mansdörfer, 2011, Rz. 746 ff.; Silva Sanchez in Kuhlen u.a. (Hrsg.), Compliance und Strafrecht, 71, 73 betont dagegen stärker das Prinzip der Trennung der Verantwortungssphären. 12 BGH v. 24.2.1982 – 3 StR 34/82, BGHSt 30, 391; OLG Zweibrücken v. 14.1.1999 – 1 Ss 3/99, StV 1999, 212. 13 Stree/Bosch in S/S-StGB29, § 13 Rz. 53; Spring, Geschäftsherrenhaftung, 166.

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Rz. 26 § 13 StGB

echte strafrechtliche Geschäftsherrenhaftung ist die sog. Mobbing-Entscheidung des BGH von 2011.1 Der 4. Strafsenat stellt dort fest, dass sich aus der Stellung als Betriebsinhaber bzw. Vorgesetzter eine Pflicht zur Verhinderung betriebsbezogener Straftaten ergeben kann. In der Sache konkretisiert das Kriterium des Betriebsbezugs allgemeine Zurechnungskriterien.2 Betriebsbezogen sind danach Straftaten, die einen inneren Zusammenhang mit der betrieblichen Tätigkeit des unmittelbar Tatverantwortlichen oder mit der Art des Betriebs aufweisen.3 Deutlich wird das, wenn sich die Taten als Ausdruck der „Firmenpolitik“4 verstehen lassen. Eine Einordnung der Tat als „Exzesstat“ ist damit also nicht unbedingt notwendig;5 der Betriebsbezug fehlt schon dann, wenn die Tat lediglich „bei Gelegenheit der Tätigkeit im Betrieb“ begangen wird.6 Roxin definiert den Begriff des Betriebsbezugs dagegen enger als spezifische Betriebsgefahr.7 Schall begrenzt die Eingriffspflicht unnötig auf die Verletzung außenstehender Personen.8 Lüderssen weist dem Kriterium des Betriebsbezugs eine weit über die Zurechnung beim Unterlassen in allgemeine Beteiligungsfragen hineinreichende Bedeutung zu.9 Die konkrete Begründung der Garantenstellung wird vom 4. Strafsenat für die Beschränkung der Garantenpflicht 24 auf betriebsbezogene Taten zu Unrecht als unerheblich eingeordnet.10 Erst die konkrete Begründung zeigt etwa, ob primär der Inhaber des Unternehmens oder die Leitung des Unternehmens als Normadressat in Anspruch genommen wird und ob die Garantenstellung des Inhabers gem. § 14 StGB bzw. § 9 OWiG auf die Leitungsorgane übertragen werden muss oder eine originäre Verantwortlichkeit besteht. Ersteres bietet sich an, wenn man die Garantenpflicht etwa mit der im Betrieb zum Ausdruck kommenden „Manifestation der Ausdehnung der Organisationssphäre des Geschäftsherrn“ begründet.11 Offen bleibt der Adressat der Bestimmungsnorm, wenn lediglich der Betrieb als Gefahren- oder Risikoquelle angesehen wird.12 Mit dem vom 4. Strafsenat zum Ausgangspunkt genommenen und in Anführungszeichen gesetzten Begriff der 25 „Firmenpolitik“ werden freilich zutreffend die Leitungsbefugnisse der Geschäftsführung als Ausgangspunkt ihrer strafrechtlichen Verantwortung angesprochen.13 Mit Recht hat daher auch das Schweizer Bundesgericht in seiner Leitentscheidung zur Geschäftsherrenhaftung im sog. Fall Bührle14 eine Verantwortlichkeit des Inhabers des Unternehmens Oerlikon für illegale Waffenlieferungen bejaht, weil „er nicht durchgriff, sondern den Dingen freien Lauf ließ, um mit diesem Land im Geschäft zu bleiben.“15 Gerade in solchen Konstellationen liegt freilich eine aktive Unterstützung der unmittelbar Handelnden und damit eine Verantwortlichkeit der Unternehmensleitung aus positivem Tun nahe.16 Die Unterlassungshaftung der Geschäftsleitung aus dem Grundgedanken der Geschäftsherrenhaftung ist daher bislang mit Recht eine Ausnahmeerscheinung geblieben.17 Abzulehnen sind auch weitergehende Ansätze in der Literatur, wonach „ab einer bestimmten übergeordneten Hierarchiestufe gleichsam eine Allzuständigkeit zum Schutz der Mitarbeiter im Betrieb besteht“.18 Mit Recht nicht gefolgt ist der 4. Senat im Schrifttum vertretenen Auffassungen, die Geschäftsherrenhaftung 26 auf Sonderpflichten i.S.v. § 130 OWiG einzuschränken19 oder auf ein Handeln „im Interesse des Unterneh-

1 BGH v. 20.10.2011 – 4 StR 71/11, BGHSt 57, 42 m. Bspr. Roxin, JR 2012, 305; Schramm, JZ 2012, 969; Kudlich, HRRS 2012, 177; Zimmermann, WiJ 2013, 94; Selbmann, HRRS 2014, 235. 2 Mansdörfer/Trüg, StV 2012, 432, 436. 3 BGH v. 20.10.2011 – 4 StR 71/11, BGHSt 57, 42, 46 Rz. 14; speziell zum Kriterium der Betriebsbezogenheit Basualto, FS Frisch, 333, 338; Schall, FS Rudolphi, 267, 282 f.; Otto, FS Schröder, 339, 343. 4 BGH v. 20.10.2011 – 4 StR 71/11, BGHSt 57, 42, 47, Rz. 16. 5 Dahingehend aber Silva Sanchez in Kuhlen u.a. (Hrsg.), Compliance und Strafrecht, 71, 72; s. dazu Kretschmer, StraFo 2012 259, 262, der gerade bei einem eingerichteten Compliancesystem den Exzess sehr weit fasst und einen solchen bereits mit Überschreiten der Compliancevorschriften annimmt. 6 BGH v. 20.10.2011 – 4 StR 71/11, BGHSt 57, 42 (Rz. 13), dazu Roxin, JR 2012, 305. 7 Roxin, JR 2012, 305, 307. 8 Schall, FS Rudolphi, 267, 279. 9 Lüderssen in Kempf/Lüderssen/Volk, Unternehmensstrafrecht, 79, 101. 10 BGH v. 20.10.2011 – 4 StR 71/11, BGHSt 57, 42 (46 Rz. 15). 11 Silva Sanchez in Kuhlen u.a. (Hrsg.), Compliance und Strafrecht, 71. 12 Zum Betrieb als Risikoquelle Bottke, Haftung aus der Nichtverhütung von Straftaten Untergebener in Wirtschaftsunternehmen, 1994, 73. 13 Dazu bereits Mansdörfer/Trüg, StV 2012, 432, 436. 14 BGE 96 IV 155. 15 BGE 96 IV 155, 180. 16 Eine entsprechende „Firmenpolitik“ kann die unmittelbar Handelnden zumindest psychisch bestärken. Ein direkter Auftrag würde eine Anstiftung begründen (für diesen Fall auch Kudlich, HRRS 2012, 177, 178). Werden dem unmittelbar Handelnden sogar noch entsprechende Machtbefugnisse übertragen, kommt je nach Bedeutung des Tatbeitrags eine Täterschaft der Geschäftsführung in Betracht. 17 Vgl. zu den vereinzelten Fällen RG v. 28.3.1924 – I 818/28, RGSt 58, 130; OLG Karlsruhe v. 25.3.1971 – 3 Ss 5/71, GA 1971, 281, 283; eine Geschäftsherrenhaftung im konkreten Fall jüngst abl. auch die zivilrechtliche Rspr. des BGH v. 10.7.2012 – VI ZR 341/10, BGHZ 194, 26 m. Anm. Szesny, WiJ 2013, 37 und BGH v. 18.6.2014 – I ZR 242/12, WM 2014, 1479; ebenso als sehr restriktiv eingeordnet wird der Ansatz des BGH von Basualto, FS Frisch, 333, 341: „drohende Gegenstandslosigkeit“. 18 Kudlich, HRRS 2012, 177, 178. 19 Rogall, ZStW 98 (1986), 573, 618 f.; im Ergebnis ähnlich Waßmer, Geschäftsherrenhaftung, 2006, 297 f.

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§ 13 StGB Rz. 27

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mens“1 auszudehnen. Die Eigenheiten betrieblichen Handelns kommen in diesen Einschränkungen gerade nicht zum Zug. b) Personen mit Aufsichts- und Überwachungsfunktionen 27

Schwierige Abgrenzungsfragen stellten sich, wenn Personen speziell mit Aufsichts- und Überwachungsfunktionen betraut wurden. Regelmäßig gründen die Garantenstellungen dieser Personen aber nicht aus einer konkreten Verantwortlichkeit für Drittverhalten, sondern aus der Übernahme (zusätzlicher oder ergänzender) Pflichten mit Überwachungscharakter. Auch aus dem Phänomen der horizontalen/vertikalen Arbeitsteilung folgt noch nicht per se ein Verantwortungsdefizit der in den arbeitsteiligen Prozess eingebunden Personen. Kontroll- und Überwachungsorgane sind daher nicht anstelle der, sondern als zusätzliche Sicherungspersonen neben den unmittelbar Beteiligten verantwortlich. Anderes kann freilich gelten, wenn einzelne an dem Produktionsprozess beteiligte Personen aufgrund der Vereinzelung des Gesamtwerkes einzelne Gefahren nicht mehr hinreichend übersehen oder in ihren Abwehrmöglichkeiten gegenüber bestimmten Gefahren eingeschränkt sind2 und die Kontrollperson damit übergeordnete Überwachungsfunktionen ausübt.

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Mitgliedern eines Aufsichtsrats obliegt (etwa in der AG gem. § 111 Abs. 1 AktG) die Aufgabe, den Vorstand bei dessen Geschäftsleitungsmaßnahmen zu überwachen. Damit ist zugleich die Pflicht verbunden, den Vorstand nicht von sich aus zu Maßnahmen zu veranlassen, die dieser nicht vornehmen darf.3 Ebenso untersagt sind entsprechende Einwirkungen auf vom Vorstand mit bestimmten Aufgaben betraute Personen.4 Die Vermögensbetreuungspflicht des Aufsichtsrats endet, soweit der Aufsichtsrat seine eigene Vergütung mit der Gesellschaft aushandelt.5 Erlangt ein Aufsichtsrat im Rahmen seiner Überwachungspflicht Kenntnis von rechtswidrigen Handlungen, besteht die Garantenpflicht, zumindest faktisch auf den Vorstand einzuwirken, um den Pflichtverstoß zu verhindern.6 Wird diese Pflicht verletzt, soll dies (auch bei einem bloßen Zulassen der Tat) zu einer täterschaftlichen Verantwortlichkeit des Aufsichtsrats führen.7 Wegen der Struktur des Aufsichtsrats als Kollegialorgan bezieht sich die Garantenpflicht des einzelnen Mitglieds i.Ü. regelmäßig darauf, alles ihm Mögliche und Zumutbare zu tun, um eine notwendige Kollegialentscheidung herbeizuführen.8

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In verbundenen Unternehmen und im Konzern besteht grundsätzlich keine strafrechtliche Garantenstellung und keine Konzernaufsichtspflicht der Unternehmensleitung der Muttergesellschaft hinsichtlich eventueller Verfehlungen bei der Tochtergesellschaft.9 Nach dem gesellschaftsrechtlichen sog. Rechtsträgerprinzip sind Mutter- und Tochtergesellschaft grundsätzlich rechtlich selbständige Einheiten. Garantenstellungen können sich im Einzelfall freilich aus personellen Verflechtungen, wenn Leitungsorgane der Obergesellschaft in Aufsichtsgremien u. ä. der Tochtergesellschaft amtieren, oder über Kapitalbeteiligungen ergeben.10 Unberührt hiervon bleibt die Möglichkeit einer Sanktionierung der Leitung der Obergesellschaft wegen Aufsichtspflichtverletzungen nach den Voraussetzungen des § 130 OWiG.11 c) Compliance Officer

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Dazu s. bereits Vor § 13 StGB Rz. 94. 8. Garantenstellung aus Vertrag im Übrigen

31

Vertragliche Beziehungen i.Ü. begründen lediglich ausnahmsweise ein- oder wechselseitige Garantenpflichten, wenn dies spezifischer Vertragsinhalt ist und der Vertrag hierdurch geprägt wird. Der allgemeine Grundsatz von Treu und Glauben ist ebenfalls nicht geeignet, eine strafbewehrte Garantenstellung zu begründen.12 Dies gilt erst recht im Bereich vorvertraglicher Pflichten, in denen das Gesetz (etwa durch das Erfordernis einer notariellen Be-

1 Schünemann, Unternehmenskriminalität und Strafrecht, 1979, 105 f.; Bottke, Haftung aus Nichtverhütung von Straftaten Untergebener in Wirtschaftsunternehmen de lege lata, 1994, 342. 2 BGH v. 20.10.2011 – 4 StR 71/11 - Mobbing, BGHSt 57, 42; ausf. zu dieser Diskussion Stree/Bosch in S/S-StGB29, § 13 Rz. 53. 3 BGH v. 6.12.2001 – 1 StR 215/01 – SSV Reutlingen, BGHSt 47, 187, 201. 4 OLG Braunschweig v. 14.6.2012 – Ws 44/12, NJW 2012, 3798 = wistra 2012, 391. 5 BGH v. 6.12.2001 – 1 StR 215/01 – SSV Reutlingen, BGHSt 47, 187, 201; BGH v. 17.9.2008 – 5 StR 521/08 – Volkswagen, BGHSt 54, 148 = NJW 2010, 148. 6 OLG Braunschweig v. 14.6.2012 – Ws 44/12, NJW 2012, 3798 = wistra 2012, 391. 7 OLG Braunschweig v. 14.6.2012 – Ws 44/12, NJW 2012, 3798 = wistra 2012, 391. 8 OLG Braunschweig v. 14.6.2012 – Ws 44/12, NJW 2012, 3798 = wistra 2012, 391. 9 Ebenso Aberle/Holle in Eisele/Koch/Theile, Der Sanktionsdurchgriff im Unternehmensverbund, 117, 126; ausf. auch Langkeit, FS Otto, 649, 654 ff. mit Differenzierungen hinsichtlich einzelner Konzerntypen. 10 Eingehend dazu Mansdörfer/Habetha, Die Strafbarkeitsrisiken des Unternehmers, 2015, Rz. 207 ff. 11 Näher dazu Theile in Eisele/Koch/Theile, Der Sanktionsdurchgriff im Unternehmensverbund, 73, 86 ff. 12 BGH v. 16.11.1993 – 4 StR 648/13, BGHSt 39, 392; BGH v. 25.7.200 – 1 StR 162/00, NJW 2000, 3013; OLG Bamberg v. 8.3.2012 – 3 Ws 4/12, wistra 2012, 279 = NZWist 2012, 313; zu weitgehend noch BGH v. 15.6.1954 – 1 StR 526/53 (Verpflichtung aus Treu und Glauben zur Offenbarung einer nach Vertragsschluss eingetretenen Zahlungsunfähigkeit bei Vorleistungspflicht der anderen Vertragspartei).

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urkundung) den Vertragsschluss einer Form unterwirft, die der Warnung und dem Schutz der Beteiligten vor Übereilung dient. Eine strafbewehrte Aufklärungspflicht setzt vielmehr weitere Umstände wie etwa ein besonderes Vertrauensverhältnis oder eine laufende Geschäftsbeziehung voraus.1 Beispiele: Allgemeine Austauschverträge wie z.B. Kauf-, Werk- oder Darlehensverträge begründen grundsätzlich keine wechselseitigen Garantenpflichten. Ebenso verpflichtet ein langjähriger Arbeitsvertrag den Arbeitnehmer noch nicht dazu, den Arbeitgeber über ungerechtfertigt überhöhte Lohnzahlungen aufzuklären.2

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Andererseits kann gerade bei dauernden Geschäftsbeziehungen ein wechselseitiges Vertrauen auf einen be- 33 stimmten Leistungsinhalt etc. erweckt werden, so dass Verhaltensroutinen entstehen und regelmäßige Abläufe ausgelöst werden. Entsprechend soll auch die mietvertragliche Nebenpflicht zum Wegfall des Grundes einer Eigenbedarfskündigung eine strafrechtliche Garantenpflicht begründen.3 Wenig diskutiert ist bislang die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen aus Sicherungserklärungen und 34 Integritätsklauseln Garantenstellungen erwachsen können.4 In solchen Klauseln verpflichten sich Unternehmen (praktisch häufig Zulieferbetriebe oder Subunternehmer), in ihren Unternehmen Maßnahmen zur Vorbeugung von Straftaten (i.d.R. Korruptions- und Bestechungsdelikte) zu ergreifen. In der Sache werden hier regelmäßig (oft durch ausländisches Recht, wie z.B. den US-amerikanischen FCPA begründete) Compliancepflichten auf Zulieferbetriebe ausgedehnt. Die konkrete Art der Einbeziehung in den Vertrag ist unterschiedlich. Z.T. finden sich entsprechende Verpflichtungen in den AGB; z.T. werden aber auch laufende Verträge im Wege einer Vertragsänderung angepasst. Eine Einbindung von Integritätsklauseln in AGB wird freilich in aller Regel nicht ausreichen, um eine besondere Garantenstellung zu begründen. Solche allgemeinen Bedingungen begründen im Gegenteil gerade keine besondere Stellung des Vertragspartners und prägen als Nebenpflichten auch nicht das Wesen des Vertrags.5 Auch i.Ü. ist bei der Annahme einer Garantenstellung Vorsicht geboten. Im technischen Bereich hat die Rspr. aus 35 der Verpflichtung von Subunternehmen zu bestimmten technischen Zertifizierungen bislang in keinem einzigen Fall eine besondere Garantenstellung abgeleitet. Jedenfalls sehr restriktiv wären aus einer Garantenstellung zu folgernde Garantenpflichten zu fassen. Die mit Recht zurückhaltende Diskussion um die Garantenpflichten eines Compliancebeauftragten lässt darauf schließen, dass aus einer bloßen Integritätszusage nur im Ausnahmefall konkrete Pflichten ableitbar sind. Zuletzt dürfte der Nachweis, dass konkrete Compliancemaßnahmen eine Straftat mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen hätten, rechtstatsächlich nicht zu führen sein. Beispiel: Im VW-Abgasskandal würde die Annahme einer generellen Garantenstellung von Mitarbeitern des Zulieferers Bosch (bei unterstellter Herstellung von entspr. „Manipulationssoftware“) für manipulatives Handelns von VW den Rahmen strafrechtlicher Zurechnung sprengen und die differenzierenden Regeln der für das aktive Tun entwickelten Beteiligungslehre außer Kraft setzen. Der Gesetzgeber selbst hat Überwachungspflichten hinsichtlich Dritter bislang nur in wenigen Fällen ausdrück- 36 lich und dann nur als Ordnungswidrigkeiten normiert. Beispielhaft hierfür sind etwa KYC-Pflichten (Know Your Customers) und Anzeigepflichten in Bezug auf Verdachtsfälle im Bereich der Geldwäsche und ihre Bußgeldbewährung nach § 17 GWG. 9. Garantenstellung kraft Ingerenz Die Garantenstellung kraft Ingerenz folgt aus einem dem Garant zurechenbaren pflichtwidrigen6 Vorverhal- 37 ten,7 aus dem eine zurechenbare Gefahr für einen nachfolgenden Schadenseintritt resultiert. Das Kriterium der zurechenbaren Gefahr für einen nachfolgenden Schadenseintritt bezweckt eine dem Begehungsdelikt entsprechende8 normativ sinnvolle Eingrenzung der Ingerenzverantwortung und ist in Rspr. und Literatur (wenn auch 1 BGH v. 8.11.2000 – 5 StR 433/00, BGHSt 46, 196; OLG Bamberg v. 8.3.2012 – 3 Ws 4/12, wistra 2012, 279 = NZWist 2012, 313; Fischer, StGB632, § 263 Rz. 38 ff. 2 OLG Celle v. 9.2.2010 – 32 Ss 205/09, wistra 2010, 278; i.d.S. auch für Beamte BayObLG v. 18.2.1988 – RReg 1 St 309/87 m. krit. Anm. Seebode, JR 1989, 301; zu weitgehend eine entsprechende Rechtspflicht für Beamte bejahend dagegen OLG Köln v. 12.10.1982 – 1 Ss 553/82, JMBl NW 1983, 184. 3 OLG Koblenz v. 22.7.1988 – 1 Ss 298/88, BeckRS 2001, 30170319.. 4 Vgl. etwa Schlösser, wistra 2006, 446, 447 ff.; Fischer, StGB632, § 13 Rz. 40 stellt demgegenüber darauf ab, ob durch die Integritätsklausel „ein besonderes Vertrauensverhältnis geschaffen“ wurde. 5 I.d.S. für Aufklärungspflichten aus den AGB eines Girovertrages auch BGH v. 8.11.2000 – 5 StR 433/00, BGHSt 46, 196; im Ergebnis ebenso Schlösser, wistra 2006, 446, 448 mit dem zusätzlichen Postulat eines Kräftegleichgewichts zwischen den Vertragsparteien. 6 Weiter noch BGH v. 31.3.1955 – 4 StR 51/55, BGHSt 7, 287; BGH v. 1.4.1958 – 1 StR 24/58, BGHSt 11, 353 mit einer Ausdehnung der Ingerenz auf gefahrschaffendes Vorverhalten; eingrenzend und zutreffend etwa BGH v. 8.11.2000 – 5 StR 433/00, BGHSt 46, 202: Eröffnen eines Bankkontos begründet keine Offenbarungspflicht für Fehlbuchungen (anders Joerden, JZ 1994, 422 f.). 7 Grundlegend RGSt 10, 100; aus jüngerer Zeit stellvertretend BGH v. 22.9.1992 – 5 StR 379/92, BGHSt 38, 356, 358; BGH v. 17.7.2009 – 5 StR 394/08, BGHSt 54, 44, 47. 8 Zu den einzelnen denkbaren Fallgruppen und ihrer Einschränkung Roxin, AT I4, § 11; vgl. auch Vor § 13 StGB Rz. 49 ff.

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§ 13 StGB Rz. 38

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z.T. mit anderen Kategorisierungen) in der Sache anerkannt.1 Im wirtschaftsstrafrechtlichen Kontext wird die Kategorie der Garantenstellung aus Ingerenz regelmäßig überschätzt.2 Insbesondere erscheint es heute angesichts der umfassenden positiven Gewährleistung der Produktsicherheit3 anachronistisch,4 die entsprechende Garantenstellung bei Außerachtlassung der normierten Gefahrensteuerungspflichten unter Berufung auf die sog. Lederspray-Entscheidung5 mit dem Gedanken der Ingerenz zu begründen.6

II. Kausalität, Erfolg und Zurechnung 1. Kausalität 38

Da der Unterlassende (zumal auf der Grundlage der hier vertretenen Abgrenzung zwischen Tun und Unterlassen, vgl. Vor § 13 StGB Rz. 95 ff.) gerade nicht in die unabhängig von seiner Person in Gang befindlichen Kausalverläufe eingreift, sind die vom Begehungsdelikt bekannten Kausalitätslehren auf das Unterlassen per se nicht übertragbar. An die Stelle echter Kausalität tritt daher als normative Grundbedingung für eine Erfolgszurechnung beim Unterlassen das Erfordernis der sog. Quasikausalität. Diese setzt voraus, dass die normativ gebotene Handlung nicht hinzugedacht werden kann, ohne dass der Erfolg in der konkreten Gestalt mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit entfällt.7 Nach verschiedentlich im Schrifttum vertretener Auffassung sollen korrespondierend zu der für das Begehungsdelikt entwickelten Risikoerhöhungslehre zwar auch geringere Wahrscheinlichkeitsgrade ausreichen.8 Damit würde aber das Wesen des Erfolgsdelikts grundlegend verändert und das Gefährdungsdelikt zur zentralen Kategorie strafrechtlicher Verantwortlichkeit. Ausreichend ist auch hier, dass das Unterlassen neben anderen Faktoren für den Erfolg lediglich „mitursächlich“ geworden ist.9 2. Erfolg und Zurechnung

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Insoweit gelten die Vor § 13 StGB Rz. 49 ff. getroffenen Aussagen entsprechend.10 Zur Konkretisierung sei angemerkt:

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Gerade für das Unterlassen in Organisationen postuliert die Rspr., bei der Prüfung der Quasikausalität und der Zurechnung beim Unterlassen sei ein rechtmäßiges Verhalten anderer zu unterstellen, sonst könne sich jeder mit der (hypothetischen) Pflichtwidrigkeit des anderen entlasten.11

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Der Vertrauensgrundsatz besagt für den Bereich der Unterlassungsdelikte, dass ein Garant, sofern nicht andere Anhaltspunkte bestehen, davon ausgehen darf, andere Personen würden sich sorgfaltsgemäß verhalten.12 Bedeutsam ist dies insbesondere auch für die Eingrenzung der Garantenverantwortlichkeit von Leitungspersonen in Unternehmen sowie die Bestimmung der Compliancepflichten in Unternehmen.13 Gerade wenn das Unternehmen seine Mitarbeiter in strafrechts- und sicherheitsrelevanten Belangen regelmäßig schult, dürfen die Leitungspersonen auch von einem rechtmäßigen bzw. sorgfaltsgemäßen Handeln ihrer Mitarbeiter ausgehen. Weitere Maßnahmen sind erst veranlasst, wenn den Leitungspersonen konkrete Anhaltspunkte für deviantes Verhalten vorliegen.

III. Die Entsprechungsklausel 42

Mit der Formulierung „wenn das Unterlassen der Verwirklichung des gesetzlichen Tatbestandes durch ein Tun entspricht“ hat der Gesetzgeber eine sog. Entsprechungsklausel eingeführt. Der Gesetzgeber verlangt daher bei Begehungsdelikten, die durch die Art und Weise der Begehung eine besondere Prägung erhalten, eine konkrete

1 Aus der Literatur etwa Stree/Bosch in S/S-StGB29, § 13 Rz. 33–42 mit den Fallgruppen der Adäquanz, des Exzesses, der mittelbaren Gefahrverursachung und der Schadensvergrößerung. 2 Vgl. etwa Merz in G/J/W, § 13 Rz. 26 ff. 3 Umfassend zum diesbezüglichen Zusammenspiel nationaler und europarechtlicher Normen H. Weiß, Die rechtliche Gewährleistung der Produktsicherheit, 2008. 4 Bloy in FS Maiwald, 35, 46 f. stuft bereits die Argumentation des BGH in BGHSt 37, 106 (entsprechend dem hier vertretenen Ansatz) als Begründung einer Garantenstellung kraft Verantwortlichkeit für einen räumlich-gegenständlichen Organisationsbereich ein. 5 BGH v. 6.7.1990 – 2 StR 549/89, BGHSt 37, 106. 6 Ähnlich auch Fischer, StGB632, § 13 Rz. 27: Garantenstellung aus öffentlich-rechtlicher Pflicht. 7 Grundlegend RG v. 20.1.1930 – g. Z. u. Gen. II 230/29, RGSt 63, 393; aus jüngerer Zeit BGH v. 6.7.1990 – 2 StR 549/89 – Lederspray, BGHSt 37, 106, 126; BGH v. 6.11.2002 – 5 StR 281/01, NJW 2003, 522, 526. 8 Stellvertretend etwa Stratenwerth/Kuhlen AT6, § 13 Rz. 56; dagegen auch BGH v. 19.4.2000 – 3 StR 442/99, NJW 2000, 2754, 2757. 9 Rudolphi/Stein in SK-StGB8 vor § 13 Rz. 25. 10 Vgl. im Einzelnen Rudolphi/Stein in SK-StGB8 vor § 13 Rz. 26 ff.; Heinrich, AT4, Rz. 891 f.; Ransiek, JuS 2010, 490, 493 ordnet auch die Garantenpflicht als Element der objektiven Zurechnung ein. 11 BGH v. 6.11.2002 – 5 StR 281/01, BGHSt 48, 77; T. Walter in LK-StGB12, vor § 13 Rz. 88. 12 Rudolphi/Stein in SK-StGB8 vor § 13 Rz. 28. 13 Vgl. Mansdörfer/Trüg, StV 2012, 432, 436.

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Rz. 48 § 13 StGB

Gleichwertigkeitsprüfung und damit das Bestehen einer sog. Modalitätenäquivalenz.1 Bedeutung erlangt die Entsprechungsklausel daher in erster Linie bei verhaltensgebundenen Delikten.

IV. Vorsatz Der Vorsatz muss wie beim Begehungsdelikt alle Merkmale des objektiven Tatbestandes erfassen. Dazu gehört 43 auch die Kenntnis vom Bestehen einer Garantenstellung sowie zumindest in groben Zügen billigende Kenntnis, dass das Unterlassen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit den Erfolg herbeiführen wird.

D. Beteiligung am Unterlassen Noch wenig geklärt ist die Form der Beteiligung durch Unterlassen insbesondere beim Verstoß gegen Aufsichts- 44 und Überwachungspflichten. Maßgebend ist insoweit das spezifische Vorverständnis aus der allgemeinen Unterlassungsdogmatik:2 Die 45 höchstrichterliche Rspr. grenzt auch insoweit Täterschaft und Teilnahme im Wesentlichen durch eine am Tatherrschaftswillen orientierte Sichtweise ab.3 Roxin begründet dagegen für Fälle des positiven Tuns wie des Unterlassens gleichermaßen eine „Täterschaft kraft Pflichtenstellung“.4 Z.T. wird nach der Art der Garantenstellung differenziert, so dass der Beschützergarant regelmäßig als Täter und der Überwachungsgarant regelmäßig als Teilnehmer eingestuft wird.5 Zuletzt wird schließlich die Auffassung vertreten, den Unterlassenden grundsätzlich nur als Teilnehmer in die strafrechtliche Haftung einzubeziehen.6 Dem hier verfolgten Ansatz zur Abgrenzung der verschiedenen Beteiligungsformen liegt – entsprechend der zur 46 Abgrenzung beim Begehungsdelikt entwickelten Überlegungen – ein funktional-prozessorientierter Ansatz zugrunde:7 Begründet sich die Garantenstellung aus dem Gedanken der Gefahrenbeherrschung, der Gefahrensteuerung oder der Ausübung von Leitungsmacht, so kommt häufig eine Mit- oder Nebentäterschaft mit dem unmittelbaren Tatbeteiligten in Betracht. Bloße Fürsorge- oder Prüfpflichten begründen dagegen eine nur nach- oder untergeordnete Bedeutung und sollten daher lediglich zu einer Gehilfenverantwortlichkeit führen. Entsprechendes gilt für bloße Verantwortlichkeit aus der kontrollierenden Aufsicht über einzelne Abläufe (z.B. von Aufsichtsräten oder Complianceofficern); während die bloße Aufsicht über eigenverantwortlich handelnde Personen im Grunde eine kriminalstrafrechtliche Verantwortlichkeit nicht zu begründen vermag, so dass es bei einer Verantwortlichkeit nach § 130 OWiG bleibt. Stellt sich das Verhalten der unmittelbar Handelnden als Ausdruck einer übergeordneten Firmenpolitik dar, kann die Unternehmensleitung nach den Grundsätzen der Anstiftung in die Verantwortlichkeit genommen werden. Bei einer Garantenstellung aus Pflichtenübernahme richtet sich die Beteiligungsstrafbarkeit nach der konkret übernommenen Pflicht.

E. Versuch des Unterlassens Zum Versuchsbeginn beim Unterlassen s. §§ 22, 23 StGB Rz. 16 f. Die Formel vom „unmittelbaren Ansetzen zur 47 Tat“ muss beim Unterlassen schon deshalb denklogisch modifiziert werden, weil dem Täter gerade der Vorwurf des Nichtstuns gemacht wird. Maßgeblich ist, ob mit einem Zuwarten für ein Eingreifen bis zu einem Zeitpunkt abgewartet wird, an dem sich die Rettungschancen objektiv und messbar verschlechtert haben. Gerade in Unternehmen wird im Einzelnen zu differenzieren sein. Der Versuchszeitpunkt ist dabei für jeden Beteiligten einzeln zu bestimmen und hängt von der konkreten Zuständigkeit und den konkreten Handlungsmöglichkeiten ab. Im Detail muss auch hier entsprechend dem im Übrigen verfolgten funktional-prozessorientierten Ansatz (oben Rz. 46 m.w.N.) zu unterscheiden werden. Bei der Pflicht zur Gefahrbeherrschung, Steuerung und Leitung kann zeitlich auf andere Zeitpunkte abzustellen sein, als bei Pflichten zur Fürsorge, Prüfung oder Kontrolle.

F. Rechtsfolgen, insbesondere die Strafmilderung nach Absatz 2 I. Fakultative Strafmilderung § 13 Abs. 2 StGB ermöglicht eine fakultative Strafmilderung, wenn der Unrechts- und Schuldgehalt des Unter- 48 lassens von dem des positiven Tuns signifikant abweicht. Dazu gehören beispielhaft Fälle, in denen das Unterlassen an der Grenze des Zumutbaren liegt, die Vornahme der gebotenen Handlung mit eigenen Opfern oder dem Eingehen besonderer Gefahren etc. verbunden ist. Die Annahme einer Strafmilderung ist damit (auch im Fahrlässigkeitsbereich) nicht die Regel, sondern setzt im Gegenteil eine wertende Gesamtwürdigung der wesent1 2 3 4 5

Weitergehend Kargl, ZStW 119, 250, 277 f.: Erfordernis einer Gesamtbewertung. Stellvertretend insoweit nur Fischer, StGB632, § 13 Rz. 94 ff. S. nur BGH v. 6.11.2002 – 5 StR 281/01, BGHSt 48, 77, 97; Fischer, StGB632, § 13 Rz. 96. Roxin, AT II, 2006, § 25 II Rz. 136 f. Dazu etwa Heine/Weißer in S/S-StGB29, vor §§ 25 Rz. 95 ff.; Geppert, Jura 1999, 271; Vogel in LK-StGB12, vor § 13 Rz. 134. 6 So z.B. Gallas, JZ 1960, 687; Ranft, ZStW 94 (1982), 815, 828, 845 f. 7 Zur Begründung dieses Ansatzes ausf. Mansdörfer, 2011, Rz. 738 ff., 913 ff.

Mansdörfer

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Begehen durch Unterlassen

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§ 13 StGB Rz. 49

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lichen unterlassungsbezogenen Gesichtspunkte voraus.1 Besondere Bedeutung kommt hier der Frage zu, ob die gebotene Handlung von dem Unterlassungstäter mehr verlangt als den Einsatz des rechtstreuen Willens.2 Dies bedeutet allerdings nicht, dass die Prüfung auf unterlassungsbezogene Gesichtspunkte beschränkt wäre. Ebenso wie bei anderen fakultativen Strafmilderungsgründen anerkannt, sind auch sonstige Umstände in die Abwägung einzubeziehen. Dazu gehören auch berufsrechtliche Folgen einer Verurteilung wie z.B. der Verlust von Versorgungsansprüchen bei Beamten.3

II. Anwendbarkeit auf echte Unterlassungsdelikte 49

Anwendbarkeit auf echte Unterlassungsdelikte (z.B. § 221 Abs. 1 Nr. 2 StGB) und Unterlassungstaten, deren Strafbarkeit sich mit dem Erfordernis einer ein individuelles Näheverhältnis zum Rechtsgut begründenden Obhuts- oder Fürsorgepflicht unmittelbar aus der Auslegung des gesetzlichen Tatbestands ergibt:4 Z.T. wird eine Strafmilderung nach § 13 Abs. 2 StGB abgelehnt, weil die Pflichtenposition einschließlich des Strafrahmens bereits durch die maßgebliche Strafnorm bestimmt sei.5 In der Rspr. wird demgegenüber überwiegend darauf abgestellt, ob das Unterlassen ausdrücklich in den Tatbestand einbezogen ist (z.B. §§ 340, 353b Abs. 2, 357 StGB) oder ob die konkrete Strafnorm gerade offen formuliert ist (z.B. § 266 StGB).6

§ 14 Handeln für einen anderen (1) Handelt jemand 1. als vertretungsberechtigtes Organ einer juristischen Person oder als Mitglied eines solchen Organs, 2. als vertretungsberechtigter Gesellschafter einer rechtsfähigen Personengesellschaft oder 3. als gesetzlicher Vertreter eines anderen, so ist ein Gesetz, nach dem besondere persönliche Eigenschaften, Verhältnisse oder Umstände (besondere persönliche Merkmale) die Strafbarkeit begründen, auch auf den Vertreter anzuwenden, wenn diese Merkmale zwar nicht bei ihm, aber bei dem Vertretenen vorliegen. (2) Ist jemand von dem Inhaber eines Betriebs oder einem sonst dazu Befugten 1. beauftragt, den Betrieb ganz oder zum Teil zu leiten, oder 2. ausdrücklich beauftragt, in eigener Verantwortung Aufgaben wahrzunehmen, die dem Inhaber des Betriebs obliegen, und handelt er auf Grund dieses Auftrags, so ist ein Gesetz, nach dem besondere persönliche Merkmale die Strafbarkeit begründen, auch auf den Beauftragten anzuwenden, wenn diese Merkmale zwar nicht bei ihm, aber bei dem Inhaber des Betriebs vorliegen. Dem Betrieb im Sinne des Satzes 1 steht das Unternehmen gleich. Handelt jemand auf Grund eines entsprechenden Auftrags für eine Stelle, die Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnimmt, so ist Satz 1 sinngemäß anzuwenden. (3) Die Absätze 1 und 2 sind auch dann anzuwenden, wenn die Rechtshandlung, welche die Vertretungsbefugnis oder das Auftragsverhältnis begründen sollte, unwirksam ist. A. I. II. B. I. II. III. C. D. I.

Allgemeines Normzweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Strafgrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sachlicher Anwendungsbereich – Vorliegen eines § 14 zugänglichen Sonderdelikts. . . . . . . . . . . . . . Keine Anwendung bei abschließender Normierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Unterlassungsdelikte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Besondere persönliche Merkmale . . . . . . . . . . . . Handeln als Organ bzw. Vertreter/auf Grund eines Auftrags . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Interessentheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1 2 3 4 5

1 6 13 14 18 19 22 27 28

II. Rechtsprechung 1. Aufgabe der Interessentheorie . . . . . . . . . 2. Neue objektive Abgrenzungskriterien . . . . III. Funktionstheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Zurechnungsmodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . E. Absatz 1 – Organ- oder Vertreterschaft . . . I. Nr. 1 – Vertretungsberechtigtes Organ einer juristischen Person oder Mitglied eines solches Organs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Juristische Personen . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Vertretungsberechtigte Organe . . . . . . . . 3. Mitglied eines solchen Organs . . . . . . . . .

. . . . . .

29 31 34 35 36 37

. . . .

38 39 42 43

BGH v. 16.10.1997 – 4 StR 487/97, NStZ 1998, 245; BGH v. 30.6.2011 – 4 StR 241/11, NStZ-RR 2011, 334. BGH v. 30.6.2011 – 4 StR 241/11, NStZ-RR 2011, 334. BGH v. 29.7.1998 – 1 StR 311/98, NJW 1998, 3068. Wie z.B. bei §§ 266, 319, 339, 356 StGB. Jescheck/Weigend, Strafrecht AT5, 611 f.; Wohlers/Gaede in NK-StGB4, § 13 Rz. 65; mit dem Hinweis auf die mögliche Berücksichtigung eines ggf. geringeren Unrechts innerhalb des Regelstrafrahmens Stree/Bosch in S/S-StGB29, § 13 Rz. 1a. 6 BGH v. 21.7.1989 – 2 StR 214/89, BGHSt 36, 227; BGH v. 25.7.1997 – 3 StR 179/97, NStZ-RR 1997, 357; enger BGH v. 27.7.1982 – 1 StR 209/82, NJW 1982, 2881.

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II. Nr. 2 – Vertretungsberechtigter Gesellschafter einer rechtsfähigen Personengesellschaft . . . . . . . . 48 1. Normzweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 2. Rechtsfähige Personengesellschaft . . . . . . . . . . . 50 3. Vertretungsberechtigte Gesellschafter . . . . . . . . 53 III. Nr. 3 – Gesetzlicher Vertreter eines anderen . . . . . 54 F. Absatz 2 – Gewillkürte Stellvertretung . . . . . . . . 55 I. Begriff des Betriebs bzw. Unternehmens . . . . . . . 55a II. Betriebsinhaber oder sonst dazu Befugter . . . . . . . 58 III. Nr. 1 – Beauftragung mit der (Teil-)Leitung eines Betriebs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 1. (Teil-)Leitung eines Betriebs . . . . . . . . . . . . . . 63 2. Beauftragung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 IV. Nr. 2 – Beauftragung mit der eigenverantwortlichen Wahrnehmung betrieblicher Aufgaben . . . . 66 1. Aufgaben des Betriebsinhabers . . . . . . . . . . . . . 67 2. Wahrnehmung in eigener Verantwortung . . . . . 68 3. Ausdrücklich beauftragt . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 4. Einschränkung durch das Kriterium der Sozialadäquanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70

Rz. 1 § 14 StGB

5. Handeln auf Grund dieses Auftrags . . . . V. Beauftragte in der öffentlichen Verwaltung . G. Absatz 3 – Rechtsunwirksamer bzw. fehlender Bestellungsakt . . . . . . . . . . . . . I. Rechtsunwirksamer Bestellungsakt. . . . . . . II. Fehlender Bestellungsakt . . . . . . . . . . . . . . 1. Extensive Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . a) Entwicklung und Begründung der Rechtsfigur faktischer Geschäftsführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . 2. Restriktive Auslegung . . . . . . . . . . . . . . H. Subjektive Voraussetzungen. . . . . . . . . . . I. Rechtsfolgen I. Strafbarkeit des Vertreters . . . . . . . . . . . . . II. Strafbarkeit des Vertretenen . . . . . . . . . . . III. Strafe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Literatur: Appel, Verfassung und Strafe, 1998; Arloth, Zur Abgrenzung von Untreue und Bankrott bei der GmbH, NStZ 1990, 570; Bittmann/Pikarski, Strafbarkeit der Verantwortlichen der Vor-GmbH, wistra 1995, 91; Blauth, „Handeln für einen anderen“ nach geltendem und kommendem Strafrecht, 1968; Böse, Die Garantenstellung des Betriebsbeauftragten, NStZ 2003, 636; Brand, Untreue und Bankrott in der KG und der GmbH & Co. KG, 2010; Brand, Abschied von der Interessentheorie – und was nun? – Besprechung von BGH v. 10.2.2009 – 3 StR 372/08, NStZ 2010, 9; Bruns, Grundprobleme der strafrechtlichen Organ- und Vertreterhaftung (§ 14 StGB, § 9 OWiG), GA 1982, 1; Bruns, Die sog „tatsächliche“ Betrachtungsweise im Strafrecht. Ihre methodische Bedeutung und ihr praktischer Anwendungsbereich, JR 1984, 133; Dahs, Zur strafrechtlichen Haftung des Gewässerschutzbeauftragten nach § 324 StGB, NStZ 1986, 97; Dannecker, Zur Notwendigkeit der Einführung kriminalrechtlicher Sanktionen gegen Verbände, GA 2001, 101; Dehne-Niemann, Ein Abgesang auf die Interessentheorie bei der Abgrenzung von Untreue und Bankrott – zugleich Anm. zu BGH wistra 2009, 275, wistra 2009, 417; Demuth/Schneider, Die besondere Bedeutung des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten für Betrieb und Unternehmen, BB 1970, 642; Deutscher/Körner, Strafrechtlicher Gläubigerschutz in der Vor-GmbH, wistra 1996, 8; Dierlamm, Der faktische Geschäftsführer im Strafrecht – ein Phantom?, NStZ 1996, 153; Habetha, Bankrott und Untreue in der Unternehmenskrise. Konsequenzen und Aufgabe der „Interessentheorie“ durch den BGH, NZG 2012, 1134; Habetha, Bankrott und strafrechtliche Organhaftung. Bankmitarbeiter und die Kreditrückführung in der Krise, 2014; Habetha/Klatt Die bankrottstrafrechtliche Organhaftung nach Aufgabe der Interessenformel – Zurechnungstheorie oder funktionale Zurechnung?, NStZ 2015, 671; Herzberg, Die Verantwortung für Arbeitsschutz und Unfallverhütung im Betrieb, 1984; Hettinger (Hrsg.), Reform des Sanktionenrechts Bd I, II, 2001; Hoyer, Zur strafrechtlichen Verantwortung des nur „faktischen“ Geschäftsführers einer GmbH für Verletzung von Geschäftsführerpflichten, Anm. zu OLG Düsseldorf v. 16.10.1987 – 5 Ss 193/87 - 200/87 I, NStZ 1988, 369; Kuhlen in Amelung (Hrsg.), Individuelle Verantwortung und Beteiligungsverhältnisse, 2000, S. 71; Labsch, Die Strafbarkeit des GmbH-Geschäftsführers, wistra 1985, 59; Leipold/Schäfer, Vermögensverschiebung des GmbH-Geschäftsführers in der Krise – Bankrott oder Untreue?, NZG 2009, 938; Mansdörfer/Trüg, Umfang und Grenzen der strafrechtlichen Geschäftsherrenhaftung, StV 2012, 432; Marxen, Die strafrechtliche Organ- und Vertreterhaftung – eine Waffe im Kampf gegen die Wirtschaftskriminalität?, JZ 1988, 286; Preisendanz, Strafgesetzbuch, Lehrkommentar, 30. Aufl., 1978; Rogall, Die strafrechtliche Organhaftung, in: Amelung (Hrsg.), Individuelle Verantwortung und Beteiligungsverhältnisse bei Straftaten in bürokratischen Organisationen des Staates, der Wirtschaft und der Gesellschaft, 2000, S. 145; Rönnau/Schneider, Der Compliance-Beauftragte als strafrechtlicher Garant. Überlegungen zum BGH-Urteil v. 17.7.2009 – 5 StR 394/08, ZIP 2010, 53; Schulte, Abgrenzung von Bankrott, Gläubigerbegünstigung und Untreue bei der KG, NJW 1983, 1773; Schumann, Zur Strafbarkeit wegen Bankrotts und Untreue bei einer ausländischen Kapitalgesellschaft, wistra 2008, 229; Schünemann, Unternehmenskriminalität und Strafrecht, 1979; Schwarz, Die strafrechtliche Haftung des Compliance-Beauftragten, wistra 2012, 13; Tiedemann, Die strafrechtliche Vertreter- und Unternehmenshaftung, NJW 1986, 1842; Tiedemann, Die „Bebußung“ von Unternehmen nach dem zweiten Gesetz zur Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität, NJW 1988, 1169; Trüg, Zu den Folgen der Einführung eines Unternehmensstrafrechts, wistra 2010, 241; Trüg, Sozialkontrolle durch Strafrecht – Unternehmensstrafrecht, StraFo 2011, 471; Wegner, Neue Fragen bei § 266a Abs. 1 StGB – eine systematische Übersicht, wistra 1998, 283; Wiesener, Die strafrechtliche Verantwortlichkeit von Stellvertretern und Organen, 1971; Winkelbauer, Strafrechtlicher Gläubigerschutz im Konkurs der KG und der GmbH & Co KG, wistra 1986, 17; Winkelbauer, Zur strafrechtlichen Relevanz von Untreue und Konkursdelikten beim Geschäftsführer einer Kommanditgesellschaft, JR 1988, 34.

A. Allgemeines I. Normzweck In Deutschland gibt es de lege lata – im Gegensatz zu zahlreichen europäischen und außereuropäischen Staaten1 – 1 keine Verbandsstrafbarkeit im engeren Sinne und damit keine Möglichkeit, strafrechtliche Sanktionen gegen ju1 Vgl. dazu Trüg, wistra 2010, 242.

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Handeln für einen anderen

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ristische Personen oder andere Vereinigungen zu verhängen, auch wenn gerade aktuell die Einführung einer Unternehmensstrafe wieder lebhaft diskutiert wird (vgl. dazu Rz. 3 ff.).1 Lediglich das strafrechtliche Instrumentarium zur Vermögensabschöpfung ist unter bestimmten Voraussetzungen auf diese anwendbar;2 eine originäre Verantwortlichkeit juristischer Personen ist jedoch nur dem Ordnungswidrigkeitenrecht bekannt (zur Möglichkeit einer Verbandsgeldbuße vgl. § 30 OWiG). Maßgeblich für das Fehlen einer eigenständigen strafrechtlichen Verantwortlichkeit juristischer Personen oder anderer Vereinigungen ist insbesondere das verfassungsrechtlich verankerte Schuldprinzip, auf dem das Strafrecht – wie jüngst durch das BVerfG wieder bestätigt3 – beruht.4 Danach beinhaltet Schuld auf der Grundlage individueller Selbstbestimmung ein sozial-ethisches Unwerturteil und hat höchstpersönlichen Charakter. Strafrechtliche Reaktionen setzten die „Feststellung der individuellen Vorwerfbarkeit“ voraus.5 Strafbar machen können sich nach diesem Verständnis und mit Blick auf die geltende Rechtslage nur natürliche Personen.6 2

Es stellt sich daher zunächst die Frage, wie das Strafrecht in Bezug auf an Verbände adressierte außerstrafrechtliche Pflichten zum Einsatz kommen kann, wenn bei Verletzung dieser Pflichten strafrechtliche Folgen naheliegen. Dabei besteht zunächst folgendes Dilemma: Der Verband kann in Folge fehlender Unternehmensstrafbarkeit nicht bestraft werden, das handelnde Individuum kann mitunter nicht oder nicht täterschaftlich bestraft werden, weil es selbst nicht Adressat von diesen, an Verbände adressierten Pflichten ist.7 Diese Problematik wird immer dann relevant, wenn stellvertretend – namentlich im Rahmen arbeitsteiliger Delegation – für den eigentlichen Normadressaten gehandelt wird, dieser aber alleiniger Träger von besonderen Tätermerkmalen ist. Hier setzt § 14 an und normiert die Organ- und Vertreterhaftung bei solchen Strafvorschriften, welche ein besonderes Tätermerkmal erfordern. § 14 schließt die oben skizzierte Strafbarkeitslücke, indem die Vorschrift den Anwendungsbereich von Normen mit einem besonderen Tätermerkmal auf Personen ausdehnt, die stellvertretend für den eigentlichen Normadressaten handeln. Dies bedeutet, dass die strafrechtliche Verantwortlichkeit Personen wegen der Verletzung solcher Pflichten trifft, welche an den Vertretenen, häufig gerade auch an Unternehmen, gerichtet sind. Es findet folglich eine „Überwälzung“ der besonderen Tätermerkmale vom Vertretenen auf das Individuum statt.8 Hintergrund ist eine Entkoppelung von Pflichtenzuweisung und Pflichtenwahrnehmung. Als „Instrument der Zurechnungssicherung“ und zentrale Norm der strafrechtlichen Organ- und Vertreterhaftung gehört § 14 (und ihr ordnungswidrigkeitsrechtliche Pendant in § 9 OWiG) damit zu den Kernvorschriften des „Unternehmensstrafrechts“ im weiteren Sinne.9

3

Angesichts der in ausländischen Rechtsordnungen zunehmenden Einführung strafrechtlicher Sanktionen gegen Verbände fordern auch in Deutschland viele Stimmen die Einführung einer Verbandsstrafe,10 welche die Bedeutung von § 14 schmälern könnte.11 Die von der Bundesregierung eingesetzte Kommission zur Reform des strafrechtlichen Sanktionensystems hat sich im Jahr 2000 allerdings kritisch gegenüber der Einführung einer Verbandsstrafe ausgesprochen.12

4

Im Jahr 2013 hat das Bundesland Nordrhein-Westfalen den Entwurf eines Gesetzes zur Einführung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit von Unternehmen und sonstigen Verbänden des Landes Nordrhein-Westphalen (VerbStrG) vorgelegt, welcher die Einführung eines selbständigen Verbandsstrafgesetzbuchs vorschlägt. Der Entwurf sieht zwei selbständige Tatbestände einer Verbandsstraftat mit originärem Verbandsunrecht vor. § 2 Abs. 1 VerbStrG-E regelt ein Auswahlverschulden („mangelhafte Personalauswahl oder unzureichender Aufgabenzuschnitt auf Leitungsebene des Verbandes“13), § 2 Abs. 2 VerbStrG-E knüpft an schuldhaftes Aufsichts-

1 Vgl. nur Jahn/Schmitt-Leonardy/Schoop (Hrsg.), Das Unternehmensstrafrecht und seine Folgen, 2016. 2 Eser in S/S-StGB29, § 73 Rz. 34. 3 BVerfG v. 19.3.2013 – 2 BvR 2628/10, BVerfGE 133, 168, 197 f. (Verständigungsgesetz); v. 30.6.2009 – 2 BvR 1010/08, BVerfGE 123, 267, 413 (Lissabon). 4 Vgl. zum Schuldprinzip auch BVerfG v. 4.2.1959 – 1 BvR 197/53, BVerfGE 9, 169; v. 25.10.1966 – 2 BvR 506/63, BVerfGE 20, 331; v. 21.6.1977 – 1 BvL 14/76, BVerfGE 45, 228; v. 9.3.1994 – 2 BvL 43/92, BVerfGE 90, 173; v. 26.2.2008 – 2 BvR 392/07, BVerfGE 120, 241; Neumann in Kempf/Lüderssen/Volk (Hrsg.), Unternehmensstrafrecht, 2012, S. 13 ff.; Appel, Verfassung und Strafe, S. 109 ff.; Eisele in S/S-StGB29, Vor §§ 13 ff. Rz. 103/104 m.w.N. 5 BVerfG v. 19.3.2013 – 2 BvR 2628/10, BVerfGE 133, 168, 198 (Verständigungsgesetz). 6 Anders z.B. Tiedemann, NJW 1988, 1171, der nach dem von ihm entwickelten „Schuldanalogiemodell“ von eigenem Verschulden eines Verbandes in Gestalt von Organisationsverschulden ausgeht. Vgl. auch Schünemann in LK-StGB12, Vor § 25 Rz. 21 ff. 7 Perron in S/S-StGB29, § 14 Rz. 1. 8 Perron in S/S-StGB29, § 14 Rz. 1; Tag in NK-StGB3, § 14 Rz. 2. 9 Radtke in MüKo-StGB2, § 14 Rz. 2, 8. Vgl. auch Tsambikakis/Kretschmer in AnwK-StGB2, § 14 Rz. 2. 10 Schünemann in LK-StGB12, Vor § 25 Rz. 21; Tiedemann, NJW 1988, 1169 ff. Zum Diskussionsstand m.w.N. Dannecker, GA 2001, 101 ff.; Trüg, wistra 2010, 241 ff. Auch die JuMiKo hat auf ihrer Konferenz am 9.11.2011 erneut „Elemente der Verbandsstrafe“ gefordert, vgl. Fischer, StGB61, § 14 Rz. 1c. 11 Dazu, dass § 14 als Instrument der Individualzurechnung jedoch auch im Falle der Einführung einer Verbandsstrafbarkeit nicht obsolet würde, vgl. Radtke in MüKo-StGB2, § 14 Rz. 128. So auch Schünemann in LK-StGB12, § 14 Rz. 87. 12 Hettinger (Hrsg.), Reform des Sanktionenrechts Bd I, II, 2001; vgl. dazu auch Fischer, StGB61, Vor § 38 Rz. 8 f. Abl. auch BGH v. 27.10.1953 – 5 StR 723/52 – Berliner Stahlprozess, BGHSt 5, 28, 32. 13 S. 45 der Entwurfsbegründung.

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Rz. 7 § 14 StGB

oder Überwachungsverschulden eines Entscheidungsträgers an, wobei Haftungsgrund ein Organisationsmangel unterhalb der Auswahl der Entscheidungsträger sein soll.1 Ohne hier auf die Einzelheiten des vorerwähnten NRW-Entwurfs eingehen zu müssen, sprechen die besseren Ar- 5 gumente gegen die Implementierung einer Unternehmensstrafe. So ist bereits fraglich, ob die geltenden strafrechtlichen und außerstrafrechtlichen Rechtsfolgen, namentlich § 30 OWiG, auch i.V.m. § 130 OWiG, nicht ausreichend sind. Auch die geforderte general- und spezialpräventive Wirkung einer Unternehmensstrafbarkeit erscheint nicht zwingend notwendig, insbesondere, weil die nichtstrafrechtlichen Präventionsmaßnahmen weiter verbessert werden können und bereits jetzt das individuelle Strafbarkeitsrisiko für Führungspersonen in Unternehmen zu einer spürbaren Prävention auf Unternehmensebene führen dürfte. Letzteres begünstigt die Rspr. durch eine extensive täterschaftliche Zurechnung. Zu nennen ist hier in vertikaler Hinsicht die Figur der mittelbaren Täterschaft kraft Organisationsherrschaft, bei der der BGH die Konstellation einer mittelbaren Täterschaft von Leitungspersonen bei strafrechtlicher Verantwortlichkeit der „Werkzeuge“ auf jede Organisationsform, damit auch auf Wirtschaftsunternehmen, erstreckt, wenn strukturelle Rahmenbedingungen zur Tatbestandsverwirklichung ausgenutzt werden.2 Ferner wurde das Instrument der „strafrechtlichen Geschäftsherrenhaftung“ entwickelt, welches auf dem Gedanken beruht, dass die tatsächliche Übernahme eines Pflichtenkreises eine Garantenstellung und damit eine rechtliche Einstandspflicht i.S.d. § 13 begründen kann.3 In der Sache handelt es sich hierbei um eine „mittelbare Täterschaft kraft Pflichtenstellung“.4 In horizontaler Hinsicht ist an die mittäterschaftliche Zurechnung zu denken, welche unter bestimmten Voraussetzungen bei pflichtwidrigen Kollegialentscheidungen relevant wird.5 Abgesehen davon liegen keine Erkenntnisse dazu vor, dass es sich bei der für eine Unternehmensstrafe ins Feld geführten „organisierten Nichtverantwortlichkeit“ um eine nennenswerte, erst recht nicht um eine flächendeckende Erscheinung handelt. Im Übrigen verstellt gerade das Argument der „organisierten Nichtverantwortlichkeit“ den Blick dafür, dass durch eine Unternehmensstrafe die – möglicherweise völlig unbeteiligten, d.h. unschuldigen – Gesellschafter getroffen werden und sich die Verbandsstrafe damit als Kollektivstrafe darstellt. Dieser Aspekt der Schuld ist mit unserem Verständnis von Strafrecht inkompatibel. Zu befürchten wäre außerdem, dass im Rahmen einer „Kooperation“ zwischen Unternehmen und Staatsanwaltschaft Mitarbeiter belastet und damit der strafrechtlichen Verfolgung als „Bauernopfer“ ausgesetzt werden.6 Diese Diskussion muss an dieser Stelle nicht vertieft werden, schon deshalb, weil die Etablierung einer Unternehmensstrafe § 14 jedenfalls nicht gänzlich überflüssig machen würde.

II. Strafgrund Die Bestimmung des Strafgrundes von § 14 kann für die Frage nach dessen Legitimität sowie für die Auslegung 6 einzelner Tatbestandsmerkmale Bedeutung erlangen.7 Zweifel an der Legitimität der strafrechtlichen Organ- und Vertreterhaftung sind primär im Zusammenhang mit dem verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgebot nach Art. 103 Abs. 2 GG zu sehen.8 § 14 umschreibt in seinem Wortlaut („ein Gesetz, nach dem besondere persönliche Eigenschaften, Verhältnisse oder Umstände (besondere persönliche Merkmale) die Strafbarkeit begründen“) seinerseits ausfüllungsbedürftig, und damit nicht hinreichend bestimmbar, diejenigen Delikte, die seinem gegenständlichen Anwendungsbereich unterfallen. Andererseits ist die Bedeutung des Bestimmtheitsgebots für die strafrechtlichen Tatbestände des AT zu relativieren: Sie müssen nur so konkret abgefasst sein, dass der Anwendungsbereich und die Reichweite der Norm sich aus dem Wortlaut ergeben oder zumindest durch Auslegung ermittelbar sind.9 Zumindest letzterem wird durch eine umfangreiche Rechtsprechungspraxis genügt. Im Rahmen der Frage nach der Legitimität von § 14 ist die sog. Gleichstellungsproblematik (strukturell ver- 7 gleichbar mit § 13 StGB) angesprochen. § 14 begründet eine identische Sanktionierung des handelnden Vertreters im Vergleich zu dem in dem jeweiligen Sondertatbestand erfassten primären Normadressaten. Das Verhalten des Vertreters wird also als gleichermaßen strafwürdig und strafbedürftig angesehen, wie das im entsprechenden Tat-

1 S. 45 der Entwurfsbegründung; vgl. dazu ergänzend BRAK-Stellungnahme Nr. 9/2013 (BE: Ignor/Dierlamm/Matt) und Nr. 15/2014 (BE: Ignor/Dierlamm/Matt/Park); DAV-Stellungnahme Nr. 54/2013 (BE: Trüg); Haubner, DB 2014, 1358 ff.; Hoven, ZIS 2014, 19; Jahn/Pietsch, ZIS 2015, 1; Kubiciel, ZRP 2014, 133; Kutschaty, DRiZ 2015, 16; Krems, ZIS 2015, 5; Rübenstahl/Tsambikakis, ZWH 2014, 8; Schünemann, ZIS 2014, 1; Witte/Wagner, BB 2014, 643; Zieschang, GA 2014, 91. 2 Vgl. dazu BGH v. 13.5.2004 – 5 StR 73/03 – Bremer Vulkan, BGHSt 49, 147 = NStZ 2004, 559; BGH v. 2.11.2007 – 2 StR 384/07, NStZ 2008, 89. 3 BGH v. 6.7.1990 – 2 StR 549/89 – Lederspray, BGHSt 37, 106 = NJW 1990, 2560; BGH v. 17.7.2009 – 5 StR 394/08 – Compliance-Officer, BGHSt 54, 44 = NJW 2009, 3173; BGH v. 20.10.2011 – 4 StR 71/11, BGHSt 57, 42 = NJW 2012, 1237. 4 Zu Umfang und Grenzen der strafrechtlichen Geschäftsherrenhaftung vgl. Mansdörfer/Trüg, StV 2012, 432. 5 BGH v. 6.7.1990 – 2 StR 549/89 – Lederspray, BGHSt 37, 106 = NJW 1990, 2560. 6 Zu den Folgen der Einführung eines Unternehmensstrafrechts vgl. ausf. Trüg, wistra 2010, 241; Trüg, StraFo 2011, 471. 7 Dies gilt etwa für den Begriff der „besonderen persönlichen Merkmale“, vgl. dazu Radtke in MüKo-StGB2, § 14 Rz. 50. Krit. zur tatsächlichen Relevanz der Diskussion Bosch in S/S/W-StGB2, § 14 Rz. 3. 8 Marxen, JZ 1988, 286, 288. 9 BVerfGE v. 23.6.2010 – 2 BvR 2559/08, BVerfGE 126, 170, 196.

Trüg

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Handeln für einen anderen

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§ 14 StGB Rz. 8

Strafgesetzbuch

bestand des BT bzw. Nebenstrafrechts normierte Verhalten des Vertretenen.1 In der Literatur besteht kein allgemein anerkanntes Gesamtkonzept zu der Frage, wann materielle Äquivalenz zwischen dem Verhalten des Vertreters und dem Verhalten des Vertretenen vorliegt und wann damit die Gleichheit der angeordneten Rechtsfolge gerechtfertigt ist. 8

Vielmehr wurden in der Strafrechtswissenschaft verschiedene Modelle zum Strafgrund der Organ- und Vertreterhaftung entwickelt. Einige Autoren stellen auf die Übernahme von Pflichten des Vertretenen durch den Vertreter ab. Andere führen die Übernahme einer Garantenstellung des Vertreters oder eine Haftung desselben „als Repräsentant des Systems“ an.

9

Die Pflichtentheorie erblickt den Strafgrund des § 14 für Absatz 1 und 2 einheitlich darin, dass der Normadressat Pflichten des Vertretenen übernommen hat und dadurch in dessen Pflichtenposition eingerückt ist.2 Eine strafrechtliche Verantwortlichkeit des Organs bzw. Vertreters für Pflichtverletzungen kommt also dann in Betracht, wenn sich der Vertretene, etwa der Verband selbst – seine Handlungs- und Schuldfähigkeit unterstellt –, ebenfalls strafbar machen würde. Teilweise wird die Theorie dahingehend präzisiert, dass es angesichts der weiterbestehenden Pflicht des Vertretenen selbst um eine Teilhabe des Vertreters an außerstrafrechtlichen Pflichten des Vertretenen geht (Pflichtenteilhabe).3 Diese Sichtweise trage dem sich im Rahmen der Gleichstellungsproblematik ergebenden Erfordernis Rechnung, dass sich das Verhalten des Vertreters normativ als Verhalten des Vertretenen selbst darstellen muss.4

10

Während die Pflichtentheorie auf die formale Pflichtenstellung von Vertretern abstellt, sieht die Garantentheorie die Übernahme der faktischen Geschehensherrschaft als materiellen Grund der Pflichtenübernahme. Danach kommt dem Vertreter eine Garantenstellung für das Rechtsgut zu, welches durch den an den Verband adressierten Tatbestand geschützt wird.5 Denn nur wer „in die Position des anderen hineingewachsen“ sei und „jene Attribute auf sich gezogen“ habe, die den Strafgrund des jeweiligen Sonderdelikts bilden, könne neben dem eigentlichen Normadressaten ebenfalls als Täter qualifiziert werden.6

11

Die Theorie der systemischen Repräsentantenhaftung sieht den Strafgrund auf einer ersten Ebene für Absatz 1 in der Inhaberschaft einer eigenen Pflicht und für Absatz 2 in der Übernahme einer Garantenstellung.7 Auf einer zweiten Ebene wird der Strafgrund dann einheitlich dahingehend konkretisiert, dass der Vertreter nicht als Individuum hafte, sondern in seiner Rolle als „Repräsentant des Systems“.8 Voraussetzung ist danach, dass der Vertreter „an der Willensbildung dieses Systems maßgeblichen Anteil“ gehabt hat und sein nach § 14 tatbestandliches Verhalten als „Ausdruck einer fehlerhaften kollektiven Sinnsetzung“ erscheint.9 Dem entspricht die Beschränkung des tauglichen Täterkreises in Absatz 2 auf gewillkürte Vertreter mit Leitungsaufgaben.10

12

Nach hier vertretener Auffassung ist die materielle Begründung der Garantentheorie im Ausgangspunkt zutreffend und den eher formalen Überlegungen der Pflichtentheorie vorzuziehen, auch wenn sich beide Ansätze nicht ausschließen, sondern unterschiedliche Schwerpunkte in der Betrachtung setzen. Gerade weil § 14 nur eine eingeschränkte – in den Grenzen der Absätze 1 bis 3 sich bewegende – Pflichtenüberwälzung darstellt, ist dies strukturell mit der Übernahme einer Garantenstellung vergleichbar, wenngleich zu sehen ist, dass § 14 keine allgemeine materielle Garantentheorie normiert, sondern eine durch formale Kriterien (jedenfalls für § 14 Abs. 1 und 2) limitierte.

B. Anwendungsbereich 13

Für die Prüfung des Anwendungsbereichs von § 14, der eine abschließende Regelung enthält, ist zum einen die Auslegung des betroffenen Tatbestands als Sonderdelikt erforderlich und zum anderen darf dieses Sonderdelikt keine speziellere Vertreterregelung beinhalten.11

1 Böse in NK-StGB4, § 14 Rz. 5 f.; Radtke in MüKo-StGB2, § 14 Rz. 14; Schünemann in LK-StGB12, § 14 Rz. 13. 2 Blauth, Handeln für einen anderen, S. 81 f.; Böse in NK-StGB4, § 14 Rz. 6; Radtke in MüKo-StGB2, § 14 Rz. 16, 23 ff.; Roxin, AT II, § 27 Rz. 98 ff.; Wiesener, Strafrechtliche Verantwortlichkeit, S. 171. Krit. Schünemann in LK-StGB12, § 14 Rz. 10 f. 3 Böse in NK-StGB4, § 14 Rz. 6; spezifiziert von Radtke in MüKo-StGB2, § 14 Rz. 23 f. Krit. zum Begriff Roxin, AT II, § 27 Rz. 98, der von „Pflichtenübernahme“ spricht. 4 Böse in NK-StGB4, § 14 Rz. 6; Radtke in MüKo-StGB2, § 14 Rz. 27. 5 Schünemann in LK-StGB12, § 14 Rz. 13 f.; im Grundsatz zust. Perron in S/S-StGB29, § 14 Rz. 2; krit. Böse in NK-StGB4, § 14 StGB Rz. 7. 6 Schünemann in LK-StGB12, § 14 Rz. 13. 7 Rogall in KK-OWiG4, § 9 Rz. 19; Rogall, Organhaftung, S. 163 f. 8 Rogall in KK-OWiG4, § 9 Rz. 20; Rogall, Organhaftung, S. 165. 9 Rogall in KK-OWiG4, § 9 Rz. 20. Krit. Schünemann in LK-StGB12, § 14 Rz. 11. 10 Radtke in MüKo-StGB2, § 14 Rz. 22. 11 Momsen in BeckOK-StGB24, § 14 Rz. 12; Perron in S/S-StGB29, § 14 Rz. 4 f.; Radtke in MüKo-StGB2, § 14 StGB Rz. 33.

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Rz. 18 § 14 StGB

I. Sachlicher Anwendungsbereich – Vorliegen eines § 14 zugänglichen Sonderdelikts Die Auslegung des jeweiligen Straftatbestands des BT bzw. des in diesem Zusammenhang praktisch bedeuten- 14 deren Nebenstrafrechts1 als ein § 14 zugängliches Sonderdelikt ist erforderlich, um dieses von allgemeinen Tatbeständen abzugrenzen, bei denen sich die Bestimmung des Täterkreises ausschließlich nach den Vorschriften der §§ 25 ff. StGB bestimmt.2 Klassische Sonderdelikte sind i.d.S. die echten Amtsdelikte, die nur durch Amtsträger nach Maßgabe des § 11 Abs. 1 Nr. 2 täterschaftlich begangen werden können. Zu nennen ist auch § 266 StGB, dessen Täter nur sein kann, wer selbst eine Betreuungspflicht gegenüber dem Vermögen eines anderen hat. Eine Strafnorm ist jedoch auch als Sonderdelikt auszulegen, wenn die Umgrenzung des Tatbestands durch Sta- 15 tusbezeichnungen erfolgt (z.B. „Arbeitgeber“ [§ 266 a StGB], „Halter“ [§ 21 StVG], „Händler“ [§§ 26, 28 TabStG]).3 Andere als die dort Genannten können demnach nur nach Maßgabe des § 14 Täter sein, so etwa der Geschäftsführer einer GmbH, der als gesetzlicher Vertreter der Gesellschaft (§ 35 Abs. 1 GmbHG) nicht „Arbeitgeber“ i.S.d. § 266 a ist und ohne Anwendung des § 14 straflos bliebe, wenn er das von der GmbH geschuldete Abführen der Sozialversicherungsbeiträge nicht veranlasst. Als Sonderdelikte erfasst sind daneben auch Tatbestände, bei denen sich die Begrenzung des Täterkreises nicht 16 durch die Verwendung ausdrücklicher Statusbezeichnungen ergibt, sondern aus dem Sachzusammenhang heraus.4 Bspw. nennt § 288 StGB den „Schuldner i.S.d. Zwangsvollstreckungsrechts“ nicht explizit, aus dem Sachzusammenhang (Erfordernis der dem Täter drohenden Zwangsvollstreckung und Tathandlungen in Bezug auf davon betroffenes Vermögen) folgt jedoch, dass ausschließlich der Schuldner i.d.S. Täter sein kann.5 Gleiches gilt für den praxisrelevanten Tatbestand des Bankrotts gem. § 283 StGB.6 Weniger offensichtlich ist die Anwendbarkeit des § 14 bei Normen, die die Eingrenzung des Täterkreises mittels 17 einer Beschreibung von Tätigkeiten oder Funktionen vornehmen. Dies ist bspw. in den §§ 284 Abs. 1, 287 StGB („Veranstalten“ bzw. „Halten“) und §§ 327, 329 StGB („Betreiben“) der Fall. Die Rspr. ist hier geprägt von Einzelfallentscheidungen.7 So interpretierte das BayObLG das „Halten“ eines Glückspiels nach § 284 StGB als Sonderdelikt.8 Im Umweltstrafrecht wird in den §§ 327 Abs. 1, 329 Abs. 1 StGB („Betreiben von Anlagen“) ebenfalls ein Sonderdelikt gesehen.9 § 34 Abs. 1 AWG („Ausfuhr von Waren“) qualifizierte der BGH hingegen nicht als Sonderdelikt des Ausführers, sondern als Allgemeindelikt, da die unerlaubte Ausfuhr als „tatsächlicher Vorgang“ zu qualifizieren sei.10 In der Literatur wird vorgeschlagen, bei Tatbeständen, die den Rechtsgutsbezug des Verhaltens mittels Funktions- und Tätigkeitsbeschreibungen bewirken (z.B. betreiben, ausführen, veranstalten, ankaufen), grundsätzlich von einem § 14 nicht zugänglichen Allgemeindelikt auszugehen.11 Ausgenommen hiervon sollen sog. Organisationsdelikte sein, die das strafbewehrte Verhalten nicht an eine einzelne Handlung knüpfen, sondern an „ein Ensemble betrieblicher Abläufe“.12 Täter solcher Organisationsdelikte könnten lediglich Personen sein, denen faktisch Entscheidungsmacht über diese betrieblichen Abläufe zukommt.13 Ein Sonderdelikt soll schließlich auch dann anzunehmen sein, wenn die Funktionsbeschreibung durch die den Straftatbeständen zugrundeliegenden öffentlich-rechtlichen Pflichten konkretisiert wird wie in den umweltstrafrechtlichen Normen der §§ 327, 329 StGB.14

II. Keine Anwendung bei abschließender Normierung § 14 ist nicht anwendbar auf solche Delikte, die zwar auf den Vertretenen bezogene Pflichten normieren, aber ih- 18 rem Wortlaut nach schon selbst eine spezielle Regelung zur Vertreterhaftung enthalten und damit an den Vertreter adressiert sind.15 Um solche Vertreterdelikte handelt es sich namentlich bei § 15 a InsO (Verletzung der Pflicht als Mitglied eines Vertretungsorgans oder als Abwickler, einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15

Perron in S/S-StGB29, § 14 Rz. 1. Momsen in BeckOK-StGB24, § 14 Rz. 13; Radtke in MüKo-StGB2, § 14 Rz. 35. Momsen in BeckOK-StGB24, § 14 Rz. 13; Radtke in MüKo-StGB2, § 14 Rz. 36, 56. Radtke in MüKo-StGB2, § 14 Rz. 36. Momsen in BeckOK-StGB24, § 14 Rz. 13; Radtke in MüKo-StGB2, § 14 Rz. 36. Heine/Schuster in S/S-StGB29, § 283 Rz. 2; Radtke/Petermann in MüKo-StGB2, § 283 Rz. 4. Radtke in MüKo-StGB2, § 14 Rz. 37. BayObLG v. 7.2.1979 – RReg 3 St 21/79 Rz. 8 – BayObLGSt 1979, 8 = NJW 1979, 2258; ebenso Bruns, GA 1982, 1, 4, 34; Lackner in Lackner/Kühl28, § 284 StGB Rz. 11. A.A. Fischer, StGB61, § 284 Rz. 20; Heine/Hecker in S/S-StGB29, § 284 Rz. 18; Krehl in LK-StGB12, § 284 Rz. 19. BayObLG v. 8.3.1994 – 4 St RR 20/94, Rz. 20, BayObLGSt 1994, 52, 55 = wistra 1994, 237, 239; zust. Perron in S/SStGB29, § 14 Rz. 5. BGH v. 20.8.1992 – 1 StR 229/92, NJW 1992, 3114. Vgl. auch Tsambikakis/Kretschmer in AnwK-StGB2, § 14 Rz. 11. Momsen in BeckOK-StGB24, § 14 Rz. 15; Radtke in MüKo-StGB2, § 14 Rz. 39. Schünemann in LK-StGB12, § 14 Rz. 30. Schünemann in LK-StGB12, § 14 Rz. 30. Zust. Momsen in BeckOK-StGB24, § 14 Rz. 15; Radtke in MüKo-StGB2, § 14 Rz. 40. Radtke in MüKo-StGB2, § 14 Rz. 39. Vgl. auch Heine/Hecker in S/S-StGB29, Vor § 324 ff. Rz. 25. Schünemann in LK-StGB12, § 14 Rz. 23; Radtke in MüKo-StGB2, § 14 Rz. 33, 44.

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Handeln für einen anderen

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§ 14 StGB Rz. 19

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stellen), § 400 AktG (Unrichtige Darstellung durch Mitglieder des Vorstandes oder des Aufsichtsrates oder als Abwickler) und § 84 GmbHG (Verletzung der Verlustanzeigepflicht als Geschäftsführer).1 Ebenso verhält es sich – insbesondere im Kontext von Kapital- oder Personengesellschaften – in Fällen, in denen das Organ oder der Vertreter selbst verpflichtet und damit unmittelbar Täter des fraglichen Straftatbestandes ist. Dies kann, nach nicht unbestrittener Auffassung – zu Differenzierungen bei § 266 führen: Ist der Adressat der Vermögensbetreuungspflicht im Rahmen des Missbrauchstatbestands nach § 266 Abs. 1 Alt. 1 ausschließlich (irgend-)eine Gesellschaft, können deren Organe und Vertreter nur nach Maßgabe des § 14 Täter der Untreue sein. Sind die Organe und Vertreter selbst Adressaten der Vermögensbetreuungspflicht, so findet § 14 keine Anwendung.2

III. Unterlassungsdelikte 19

Ebenfalls nicht anwendbar ist § 14 bei unechten Unterlassungsdelikten, wenn das entsprechende Begehungsdelikt zu den Allgemeindelikten gehört. Da die Organe bzw. Vertreter eines Garanten regelmäßig Garantenpflichten übernommen haben (vgl. zu anders gelagerten Konstellationen unten in dieser Rz.) und damit die strafbarkeitsbegründenden Voraussetzungen selbst erfüllen, scheidet eine Anwendung von § 14 mangels eines fehlenden strafbegründenden Merkmals beim Organ bzw. Substituten aus.3 So kann der Geschäftsführer einer GmbH, die Betreiberin eines Transportunternehmens ist, aufgrund der ihn selbst treffenden Erfolgsabwendungspflicht unmittelbar aus § 303 StGB bestraft werden, wenn er es unterlässt, die ihm zum Transport überlassenen wertvollen Gegenstände vor Schaden zu bewahren.4 Nach der Rspr. des BGH ist der technische Leiter einer als Aktiengesellschaft betriebenen Bergbahn selbst als Garant für die Erfüllung der Verkehrssicherungspflichten verantwortlich, ohne dass es eines Rückgriffs auf § 14 bedarf.5 Ebenso besteht aufgrund der Verantwortung für bestimmte Gefahrenquellen eine Haftung des Geschäftsführers einer GmbH für den Rückruf gesundheitsschädlicher Produkte.6 Ist ausnahmsweise keine Garantenstellung des Vertreters gegeben (etwa wenn der nach § 1896 BGB bestellte Betreuer des Ehemannes es unterlässt, der Ehefrau zur Hilfe zu kommen), kommt § 14 gleichwohl nicht zur Anwendung, da dann die Erfüllung der Garantenpflicht des Vertretenen nicht zum Pflichtenkreis des Vertreters gehören kann.7 Folgerichtig werden diese Grundsätze teilweise dahingehend eingeschränkt, dass eine eigene Garantenstellung von Organen und Vertretern aufgrund ihrer Position als solche nur bei Vorliegen einer tatsächlichen Übernahme von Obhuts- oder Schutzpflichten angenommen werden kann. Insbesondere eine Garantenstellung aus Ingerenz ist nicht vertretbar und kann daher durch den Vertreter nicht vom Vertretenen übernommen werden.8

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Im Fall der unechten Unterlassungsdelikte, bei denen der entsprechende Begehungstatbestand ein Sonderdelikt ist, kann die Strafbarkeit von Organen bzw. Vertretern hingegen nur durch § 14 begründet werden. Eine Garantenstellung des Vertreters kann hier nicht ohne weiteres angenommen werden, da sich der Vertreter auch bei positivem Tun nur innerhalb von § 14 strafbar machen könnte.9

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Auch bei echten Unterlassungsdelikten, die eine besondere Tätereigenschaft voraussetzen, ist eine Strafbarkeit von Organen/Vertretern nach herrschender Auffassung nur im Rahmen des § 14 möglich (so z.B. bei §§ 266a, 283 Abs. 1 Nr. 5 StGB, „zu führen unterläßt“).10

C. Besondere persönliche Merkmale 22

§ 14 ermöglicht eine Vertreterhaftung nur für solche Gesetze, bei denen besondere persönliche Merkmale die Strafbarkeit begründen, die zwar bei dem Vertretenen, nicht aber beim Vertreter vorliegen. Nach ganz überwiegender Auffassung hat dieses Kriterium in § 14 Abs. 1 eine andere Bedeutung als in § 28 Abs. 1, obwohl dieser ebenfalls von „besonderen persönlichen Merkmalen“ spricht und auf § 14 Abs. 1 verweist (Relativität von Tatbestandsmerkmalen).11 Grund hierfür ist die entgegengesetzte Funktion der besonderen persönlichen Merkmale in beiden Normen, wonach diese in § 28 Abs. 1 den Dritten entlasten, in § 14 hingegen belasten.12

1 Zur Frage, ob faktische Organe in die Vertreterhandeln selbst normierenden Sondertatbestände einbezogen werden sollen vgl. Radtke in MüKo-StGB2, § 14 Rz. 45 ff. 2 Vgl. zum Streitstand Radtke in MüKo-StGB2, § 14 Rz. 5 m.w.N. 3 Blauth, Handeln für einen anderen, S. 114 f.; Perron in S/S-StGB29, § 14 Rz. 6; Radtke in MüKo-StGB2, § 14 Rz. 41; Roxin, AT II, § 27 Rz. 112; Schünemann in LK-StGB12, § 14 Rz. 26. 4 Beispiel von Blauth, Handeln für einen anderen, S. 115. 5 BGH v. 13.11.1970 – 1 StR 412/70, NJW 1971, 1093; zust. Bruns, GA 1982, 1, 24. 6 BGH v. 6.7.1990 – 2 StR 549/89 – Lederspray, BGHSt 37, 106 = NJW 1990, 2560. 7 Perron in S/S-StGB29, § 14 Rz. 6. 8 Radtke in MüKo-StGB2, § 14 Rz. 41. 9 Perron in S/S-StGB29, § 14 Rz. 6; Radtke in MüKo-StGB2, § 14 Rz. 43. 10 Bosch in S/S/W-StGB2, § 14 Rz. 5; Böse in NK-StGB4, § 14 Rz. 15; Perron in S/S-StGB29, § 14 Rz. 6; Radtke in MüKoStGB2, § 14 Rz. 43; Schünemann in LK-StGB12, § 14 Rz. 25. Anders Rogall in KK-OWiG4, § 9 Rz. 39. 11 Blauth, Handeln für einen anderen, S. 92 ff.; Momsen in BeckOK-StGB24, § 14 Rz. 25; Perron in S/S-StGB29, § 14 Rz. 8; Radtke in MüKo-StGB2, § 14 Rz. 49; Roxin, AT II, § 27 Rz. 102; Rogall in KK-OWiG4, § 9 Rz. 26; Tsambikakis/Kretschmer in AnwK-StGB2, § 14 Rz. 7, 12. Krit. Schünemann in LK-StGB12, § 14 Rz. 32 ff., der die Merkmale i.S.d. § 14 als „Teilmenge der von § 28 StGB insgesamt erfassten objektiven Tätermerkmale“ versteht. 12 Perron in S/S-StGB29, § 14 Rz. 8; ausf. zu den Unterschieden Böse in NK-StGB4, § 14 Rz. 12.

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Rz. 26 § 14 StGB

Nach der Legaldefinition in § 14 Abs. 1 sind die besonderen persönlichen Merkmale zu verstehen als „besondere 23 persönliche Eigenschaften, Verhältnisse oder Umstände“. Unter „persönlichen Eigenschaften“ sind mit einer Person selbst verbundene Merkmale geistiger, körperlicher oder rechtlicher Art zu verstehen.1 Da bei diesen Eigenschaften naturgemäß eine Vertretung nicht möglich ist, haben die persönlichen Eigenschaften im Rahmen von § 14 keine Bedeutung.2 Zu den „besonderen persönlichen Verhältnissen“ gehören die äußeren Beziehungen eines Menschen zu anderen Menschen, Institutionen oder Sachen.3 In diese Gruppe sind die meisten im Rahmen von § 14 relevanten objektiv-täterschaftlichen Merkmale (vgl. dazu Rz. 25) einzuordnen, sofern dabei eine Vertretung möglich ist.4 Die „besonderen persönlichen Umstände“ bezeichnen schließlich täterbezogene Merkmale, die nicht zu den besonderen persönlichen Eigenschaften und Verhältnissen gehören und werden überwiegend als für § 14 bedeutungslos eingestuft.5 Insgesamt zeigt sich die gesetzliche Aufspaltung des Begriffs der besonderen persönlichen Merkmale daher als wenig weiterführend.6 Die genaue inhaltliche Bedeutung der besonderen persönlichen Merkmale ist nicht abschließend geklärt.7 Wort- 24 laut und Funktion des § 14 begründen nach überwiegender Auffassung jedoch von vornherein einen Ausschluss gewisser Merkmale aus dem Anwendungsbereich der Norm. So sind bereits nach dem Wortlaut des § 14 Abs. 1 strafschärfende besondere persönliche Merkmale nicht erfasst. Da die Merkmale „persönlich“ sein müssen, scheiden zudem alle tatbezogenen Merkmale aus.8 Aufgrund ihrer belastenden Wirkung für den Vertreter bleiben außerdem solche besonderen persönlichen Merkmale außer Betracht, die ihrer Natur nach nicht übertragbar sind.9 Folglich können subjektive Merkmale wie Motive, Gesinnungen und Absichten sowie höchstpersönliche Merkmale wie die Amtsträgereigenschaft i.S.d. § 11 Abs. 1 Nr. 2 StGB wegen ihres personalen Bezugs nicht auf den Vertreter „übergewälzt“ werden.10 Zu den „besonderen persönlichen Merkmalen“ i.S.v. § 14 gehören nach überwiegender Auffassung folglich nur 25 solche Merkmale, die den Täter objektiv kennzeichnen und die eine Vertretung nicht ausschließen.11 Anhänger der Pflichtentheorie (vgl. Rz. 9) betonen, dass nur dann ein besonderes persönliches Merkmal vorliegt, wenn hierdurch eine übertragbare Pflichtenstellung beschrieben wird.12 Vertreter der Garantentheorie (vgl. Rz. 10) sehen die Rechtsgutsbezogenheit der Täterstellung als entscheidendes Kriterium und verstehen die besonderen persönlichen Merkmale als „gesetzlich vertypte Obhutsherrschaft über das Rechtsgut oder Aufsichtsherrschaft über eine dieses bedrohende Gefahrenquelle“.13 Danach dienen die Merkmale i.S.v. § 14 dazu, durch Beschreibung einer bestimmten sozialen Rolle ihres Trägers den Rahmen festzulegen, in dem ein Rechtsgut strafrechtlichem Schutz untersteht.14 Teilweise werden die Tatbestände, in denen die besonderen persönlichen Merkmale vorkommen, in drei Tat- 26 bestandsgruppen unterteilt. Danach fallen in die erste Gruppe Tatbestände, die bestimmten Personengruppen (auch juristischen Personen) die Sonderpflicht auferlegen, in einzelnen sozialen Bereichen einen von der Rechtsordnung erwünschten Zustand zu gewährleisten (z.B. als Unternehmer, Arbeitgeber, Hersteller, Veranstalter, Betreiber von Anlagen). Zur zweiten Gruppe zählen Tatbestände, die Verletzungshandlungen nur bei bestimmten, in besonderer Beziehung zum geschützten Rechtsgut stehenden Personengruppen sanktionieren, weil von ihnen spezifische Gefahren für das Rechtsgut ausgehen (z.B. der Vollstreckungsschuldner nach § 288 StGB). Die dritte Gruppe umfasst Tatbestände mit Täterbeschreibungen, die auch Personenmehrheiten erfasst, für die Organe, gesetzliche Vertreter oder Beauftragte gleichwertig handeln können (z.B. Veranstalter, Halter).15 1 BGH v. 21.9.1954 – 5 StR 170/54, BGHSt 6, 262 = NJW 1954, 1695; Roxin, AT II, § 27 Rz. 23. 2 Böse in NK-StGB4, § 14 Rz. 13; Perron in S/S-StGB29, § 14 Rz. 9; Radtke in MüKo-StGB2, § 14 Rz. 54; Schünemann in LK-StGB12, § 14 Rz. 40. 3 BGH v. 21.9.1954 – 5 StR 170/54, BGHSt 6, 262 = NJW 1954, 1695. 4 Perron in S/S-StGB29, § 14 Rz. 9; Radtke in MüKo-StGB2, § 14 Rz. 54. 5 Böse in NK-StGB4, § 14 Rz. 13; Perron in S/S-StGB29, § 14 Rz. 9; Radtke in MüKo-StGB2, § 14 Rz. 54; Schünemann LKStGB12, § 14 Rz. 40. 6 Böse in NK-StGB4, § 14 Rz. 13; Perron in S/S-StGB29, § 14 Rz. 9 ff.; Roxin, AT II, § 27 Rz. 103; Schünemann in LKStGB12, § 14 Rz. 40. 7 Lackner in Lackner/Kühl28, § 14 StGB Rz. 10 m.w.N. 8 Momsen in BeckOK-StGB24, § 14 Rz. 25; Radtke in MüKo-StGB2, § 14 Rz. 49. 9 Perron in S/S-StGB29, § 14 Rz. 8; Rogall in KK-OWiG4, § 9 Rz. 34. 10 Bosch in S/S/W-StGB2, § 14 Rz. 4 f.; Lackner in Lackner/Kühl28, § 14 StGB Rz. 11; Perron in S/S-StGB29, § 14 Rz. 8; Radtke in MüKo-StGB2, § 14 Rz. 52 f.; Roxin, AT II, § 27 Rz. 114; Tag in NK-StGB3, § 14 Rz. 3; Tsambikakis/Kretschmer in AnwK-StGB2, § 14 Rz. 12. Im Ergebnis ebenso Schünemann, der es aber ablehnt, Höchstpersönlichkeit mit Nichtübertragbarkeit gleichzustellen, vgl. LK-StGB, § 14 Rz. 34 f. Teilweise wird hier außerdem ausdrücklich auf die eigenhändigen Delikte als Untergruppe der nicht von § 14 erfassten Merkmale verwiesen, vgl. Radtke in MüKo-StGB2, § 14 Rz. 51 und Schünemann in LK-StGB, § 14 Rz. 37 f. 11 Fischer, StGB60, § 14 Rz. 2; Lackner in Lackner/Kühl28, § 14 StGB Rz. 10; Momsen in BeckOK-StGB24, § 14 Rz. 26; Radtke in MüKo-StGB2, § 14 Rz. 53. 12 Böse in NK-StGB4, § 14 Rz. 6; Radtke in MüKo-StGB2, § 14 Rz. 50 m.w.N. 13 Schünemann in LK-StGB, § 14 Rz. 36. 14 Perron in S/S-StGB29, § 14 Rz. 8. 15 Vgl. zu dieser Unterteilung der Tatbestände Lackner in Lackner/Kühl28, § 14 StGB Rz. 13 ff.; Momsen in BeckOKStGB24, § 14 Rz. 26.

Trüg

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StGB

Handeln für einen anderen

StGB

§ 14 StGB Rz. 27

Strafgesetzbuch

D. Handeln als Organ bzw. Vertreter/auf Grund eines Auftrags 27

Die Anwendbarkeit von § 14 setzt ein Verhalten mit Vertretungsbezug voraus. Dies ergibt sich aus dem Normtext, wonach ein Handeln in der Eigenschaft „als“ Organ/Vertreter (Absatz 1) bzw. beim Beauftragten „auf Grund dieses Auftrags“ (Absatz 2) vorliegen muss. Zu der Frage, wann der erforderliche Vertretungsbezug vorliegt, hat der BGH mit Beschluss v. 15.5.20121 seine zuvor vertretene Interessentheorie (Rz. 28) aufgegeben und stattdessen objektive Kriterien herangezogen (vgl. dazu Rz. 29 f.). In der Literatur wurden zudem die „Funktionstheorie“ (Rz. 34) und das „Zurechnungsmodell“ (Rz. 35) entwickelt.

I. Interessentheorie 28

Nach der Interessentheorie, welcher die frühere Rspr. folgte, war der erforderliche Vertretungsbezug gegeben, wenn das Handeln jedenfalls auch im Interesse des Vertretenen erfolgte.2 Nach dieser Interessentheorie war § 14 somit nicht anwendbar bei ausschließlich eigennützigem Handeln des Vertreters, es sei denn, der Vertretene zeigte sich mit dem Handeln des Vertreters einverstanden.3 Die Interessenlage des Vertreters beurteilte der BGH nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten und nicht nach der subjektiven Willensrichtung des Organs.4 Nach dieser Rspr. haftete bspw. der Geschäftsführer mangels fremdnützigen Verhaltens nicht wegen Bankrotts nach §§ 14, 283 Abs. 1 Nr. 1 StGB, wenn er Vermögensbestandteile der Gesellschaft im eigenen Interesse beiseite schaffte.5 Auch bei Tatbeständen ohne eigennütziges Verhalten (wie z.B. der Gläubigerbegünstigung nach § 283c StGB) war eine Einschränkung des tatbestandlichen Anwendungsbereichs die Folge. Aufgrund dieser Beschränkungen betrachtete die Literatur die Interessentheorie überwiegend kritisch.6

II. Rechtsprechung 1. Aufgabe der Interessentheorie 29

Mit Beschluss v. 15.5.2012 erklärte der 3. Strafsenat des BGH die endgültige Aufgabe der Interessentheorie.7 Nach dieser aktuellen Rspr. setzt „die Strafbarkeit des Geschäftsführers einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung wegen Bankrotts“ nun nicht mehr voraus, „dass die Tathandlung im Interesse der Gesellschaft liegt.“8 Da der BGH trotz Aufgabe der Interessentheorie an seiner bisherigen Spruchpraxis zu Kapitalgesellschaften festhält, wonach der Untreuetatbestand bei einem existenzgefährdenden Eingriff trotz vorliegendem Einverständnis der Gesellschafter verwirklicht ist,9 ist nun als Folge der neuen Rspr. eine tateinheitliche Verwirklichung von Bankrott und Untreue in der Krise einer GmbH möglich.10

30

Als Begründung für die Abkehr von der Interessentheorie führt der Senat zum einen den Wortlaut von § 14 an, aus dem sich eine Einschränkung der Zurechnung durch das Abstellen auf die Interessenlage des Vertretenen nicht entnehmen lasse.11 Zum anderen spreche auch der von § 14 verfolgte Zweck, nämlich die Schließung von Strafbarkeitslücken, nicht für eine solche einschränkende Auslegung.12 Die Interessentheorie konterkariere diesen Zweck sogar, da sie in vielen Fällen einer Strafbarkeit der handelnden Person entgegenstehe. So beschränke die Interessentheorie in Fällen, in denen Schuldnerin eine Handelsgesellschaft ist, den Anwendungsbereich der Insolvenzdelikte beträchtlich, da die in § 283 StGB genannten Bankrotthandlungen ganz überwiegend dem Inte-

1 BGH v. 15.5.2012 – 3 StR 118/11, BGHSt 57, 229 = NJW 2012, 2366. 2 BGH v. 4.4.1979 – 3 StR 488/78, BGHSt 28, 371, 372 = NJW 1980, 406; BGH v. 20.5.1981 – 3 StR 94/81, BGHSt 30, 127 = NJW 1981, 1793; BGH v. 20.5.1981 – 3 StR 94/81, BGHSt 30, 127 = NJW 1981, 1793; BGH v. 6.11.1986 – 1 StR 327/86, BGHSt 34, 221 = NJW 1987, 1710; BGH v. 10.2.2009 – 3 StR 372/08, NJW 2009, 2225, 2226. 3 BGH v. 29.11.1983 – 5 StR 616/83, wistra 1984, 71; BGH v. 6.11.1986 – 1 StR 327/86, BGHSt 34, 221, 223 = NJW 1987, 1716; BGH v. 12.5.1989 – 3 StR 55/89, wistra 1989, 264. 4 BGH v. 20.5.1981 – 3 StR 94/81, Rz. 24, BGHSt 30, 127, 128 = NJW 1981, 1793; BGH v. 10.2.2009 – 3 StR 372/08 Rz. 11, NJW 2009, 2225, 2226. 5 Radtke in MüKo-StGB2, § 14 Rz. 59; vgl. auch BGH v. 21.5.1969 – 4 StR 27/69, NJW 1969, 1494 f.; Schünemann in LKStGB12, § 14 Rz. 50. 6 Vgl. etwa Arloth, NStZ 1990, 570; Dehne-Niemann, wistra 2009, 420 ff.; Deutscher/Körner, wistra 1996, 8, 13; Labsch, wistra 1985, 59 ff.; Winkelbauer, wistra 1986, 17, 19. Vgl. auch Perron in S/S-StGB29, § 14 Rz. 26 m.w.N. 7 BGH v. 15.5.2012 – 3 StR 118/11, BGHSt 57, 229 = NJW 2012, 2366. Bereits in den Entscheidungen des 3. Strafsenats v. 2.10.2009 – 3 StR 372/08, NJW 2009, 2225, 2227 f., und – dem folgend – des 1. Strafsenats v. 1.9.2009 – 1 StR 301/09, NStZ-RR 2009, 373, ließ der BGH eine Abkehr von der Interessentheorie erkennen. Vgl. dazu auch Fischer, StGB61, § 14 Rz. 5b. 8 BGH v. 15.5.2012 – 3 StR 118/11 Rz. 11, BGHSt 57, 229 = NJW 2012, 2366. 9 Vgl. etwa BGH v. 31.7.2009 – 2 StR 95/09, BGHSt 54, 52, 57 f. = NJW 2009, 3666; BGH v. 30.8.2011 – 3 StR 228/11, NStZ-RR 2012, 80 = NZG 2011, 1238. Diese Rspr. entwickelte der BGH ursprünglich, um Defizite der Interessentheorie zu kompensieren und bei Ausscheiden einer Bankrottstrafbarkeit eine Sanktionierung wegen Untreue zu ermöglichen, vgl. dazu Habetha, NZG 2012, 1137 ff. m.w.N. 10 BGH v. 15.5.2012 – 3 StR 118/11 Rz. 31, BGHSt 57, 229 = NJW 2012, 2366, 2369. Vgl. Leipold/Schäfer, NZG 2009, 938 zur möglichen Folge einer höheren Sanktionierung. 11 BGH v. 15.5.2012 – 3 StR 118/11 Rz. 12 f., BGHSt 57, 229 = NJW 2012, 2366, 2367. 12 BGH v. 15.5.2012 – 3 StR 118/11 Rz. 14, BGHSt 57, 229 = NJW 2012, 2366, 2367.

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Trüg

Rz. 33 § 14 StGB

resse der Gesellschaft und damit des Vertretenen widersprechen.1 Entziehe bspw. der Gesellschafter/Geschäftsführer einer Ein-Mann-GmbH aus eigennützigen Motiven bei drohender Insolvenz Vermögen der Gesellschaft zum Nachteil der Gläubiger, könne er auf Grundlage der Interessentheorie nicht wegen Bankrotts bestraft werden, obwohl er die Insolvenz vorsätzlich herbeigeführt hat.2 Da sich in vergleichbaren Fällen Einzelkaufleute regelmäßig wegen Bankrotts schuldig machten, ergebe sich eine nicht gerechtfertigte Privilegierung handelnder Organe von Kapitalgesellschaften gegenüber Einzelkaufleuten. Dies sei jedoch sowohl mit dem Zweck von § 14 als auch mit dem Zweck der Insolvenzdelikte unvereinbar.3 Der BGH nennt darüber hinaus ausdrücklich die §§ 283 Abs. 1 Nr. 5 bis 8, 283 b StGB (Verstöße gegen Buchführungs- und Bilanzierungsvorschriften), deren objektive Tatbestandsvoraussetzungen nicht mit dem Abstellen auf ein subjektives Interesse zu vereinbaren seien.4 Die Zurechnung davon abhängig zu machen, in welchem Interesse der Vertreter handele, sei des Weiteren auch bei Fahrlässigkeits- und Unterlassungstaten problematisch sowie bei nicht eigennützigem Verhalten wie etwa der Zerstörung von Vermögensbestandteilen (§ 283 Abs. 1 Nr. 1 Var. 3 StGB). Hier liege bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise ein Handeln weder im Interesse des Vertreters noch im Interesse des Vertretenen vor.5 Schließlich sei die Interessentheorie auch bisher in der Rspr. des BGH nicht ausnahmslos durchgehalten worden. So sei sie sowohl in Bezug auf die Buchführungs- und Bilanzdelikte eingeschränkt worden als auch aus Gründen des Gläubigerschutzes in Fällen, in denen die Gesellschafter einer Personenhandelsgesellschaft der Bankrotthandlung zustimmten.6 2. Neue objektive Abgrenzungskriterien An die Stelle der Interessentheorie treten nun objektive Abgrenzungskriterien. Der BGH führt dazu aus, dass 31 der Handelnde jedenfalls dann in seiner Eigenschaft als vertretungsberechtigtes Organ handele, wenn er im Geschäftskreis des Vertretenen tätig werde und nicht bloß „bei Gelegenheit“.7 Bejaht hatte der BGH dies etwa in einem Fall, in dem der angeklagte Geschäftsführer einer zahlungsunfähigen GmbH seine Ehefrau nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit dazu veranlasst hatte, bestimmte Forderungen von Gläubigern zu bedienen, so dass diesen inkongruente Deckungen gewährt wurden. Der Geschäftsführer hatte sich aus § 283 c StGB i.V.m. § 14 Abs. 1 Nr. 1 StGB strafbar gemacht, da er im Rechtskreis der GmbH gehandelt und diese von den gegen sie bestehenden Forderungen befreit und bindenden Rechtsfolgen zugeführt hatte.8 Grundsätzlich bedarf es zur Feststellung, ob ein Tätigwerden „im Geschäftskreis“ des Vertreten vorliegt, einer 31a differenzierten Betrachtungsweise je nachdem, ob ein rechtsgeschäftliches oder faktisches Handeln des Vertreters bzw. Organs vorliegt.9 Bei rechtsgeschäftlichem Handeln findet nach dem BGH eine Zurechnung statt, wenn der Vertreter entweder 32 im Namen des Vertretenen tätig ist oder die Rechtswirkungen des Geschäfts den Vertretenen treffen, das Handeln also eine bindende Wirkung im Außenverhältnis zur Folge hat.10 Insbesondere die Fähigkeit, die juristische Person lediglich aufgrund der besonderen Organstellung rechtlich binden zu können, belege ein Handeln „als“ Organ.11 Bei faktischem Verhalten liegt nach dem BGH jedenfalls dann Vertretungsbezug vor, wenn der Vertreter mit 33 Zustimmung des Vertretenen handelt.12 Darüber hinaus hat die höchstrichterliche Rspr. noch nicht im Einzelnen geklärt, wann ein Handeln mit Vertretungsbezug bei faktischer Tätigkeit vorliegt.13 Die Literatur kritisiert an diesem Ansatz, dass insbesondere bei der Anwendung auf die Insolvenzdelikte der §§ 283 ff. Ergebnisse ent1 BGH v. 15.5.2012 – 3 StR 118/11 Rz. 16, BGHSt 57, 229 = NJW 2012, 2366, 2367. 2 BGH v. 15.5.2012 – 3 StR 118/11 Rz. 16, BGHSt 57, 229 = NJW 2012, 2366, 2367 f. mit Verweis auf BGH v. 20.5.1981 – 3 StR 94/81, BGHSt 30, 127, 128 f. = NJW 1981, 1793. 3 BGH v. 15.5.2012 – 3 StR 118/11 Rz. 17 f., BGHSt 57, 229 = NJW 2012, 2366, 2368. 4 BGH v. 15.5.2012 – 3 StR 118/11 Rz. 18, BGHSt 57, 229 = NJW 2012, 2366, 2368. 5 BGH v. 15.5.2012 – 3 StR 118/11 Rz. 19, BGHSt 57, 229 = NJW 2012, 2366, 2368. 6 BGH v. 15.5.2012 – 3 StR 118/11 Rz. 20 f., BGHSt 57, 229 = NJW 2012, 2366, 2368 mit Verweis auf BGH v. 6.11.1986 – 1 StR 327/86, BGHSt 34, 221, 223 f. = NJW 1987, 1710; BGH v. 15.12.2011 – 5 StR 122/11 = NZWiSt 2012, 237 = StV 2012, 216; BGH v. 2.4.2008 – 5 StR 354/07, NStZ 2009, 635; BGH v. 18.1.1995 – 2 StR 693/94, NStZ 1995, 347 = wistra 1995, 146. Im Kontext von Kapitalgesellschaften schloss der BGH Strafbarkeitslücken hingegen durch § 266, vgl. dazu Habetha, NZG 2012, 1134 ff. 7 BGH v. 15.5.2012 – 3 StR 118/11 Rz. 22, BGHSt 57, 229 = NJW 2012, 2366, 2368 mit Verweis auf BGH v. 10.2.2009 – 3 StR 372/08 = NJW 2009, 2225, 2228 = NStZ 2009, 437; BGH v. 15.9.2011 – 3 StR 118/11 =, NStZ 2012, 89, 91. Vgl. dazu auch Habetha, NZG 2012, 1135 ff. 8 BGH v. 13.2.2014 – 1 StR 336/13, NStZ 2014, 469. 9 BGH v. 15.5.2012 – 3 StR 118/11 Rz. 22, BGHSt 57, 229 = NJW 2012, 2366, 2368. 10 BGH v. 15.5.2012 – 3 StR 118/11 Rz. 23, BGHSt 57, 229 = NJW 2012, 2366, 2368 f. mit Verweis auf BGH v. 10.2.2009 – 3 StR 371/08, NJW 2009, 2225, 2228 = NStZ 2009, 437 = NZG 2009, 673; BGH v. 15.9.2011 – 3 StR 118/11, NStZ 2012, 89, 91 m. Anm. Radtke/Hoffmann. 11 BGH v. 15.5.2012 – 3 StR 118/11 Rz. 23, BGHSt 57, 229 = NJW 2012, 2366, 2368 f. Vgl. dazu auch Habetha, NZG 2012, 1137. 12 BGH v. 15.5.2012 – 3 StR 118/11, Rz. 25, BGHSt 57, 229 = NJW 2012, 2366, 2369. 13 BGH v. 15.5.2012 – 3 StR 118/11, Rz. 26, BGHSt 57, 229 = NJW 2012, 2366, 2369. So auch BGH v. 13.2.2014 – 1 StR 336/13, Rz. 68, NStZ 2014, 469. Vgl. dazu außerdem Habetha, NZG 2012, 1137.

Trüg

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StGB

Handeln für einen anderen

StGB

§ 14 StGB Rz. 34

Strafgesetzbuch

stehen, die mit dem jeweiligen Schutzzweck der Norm nicht vereinbar sind.1 Welchem der in der Literatur diskutierten Modelle der BGH folgen wird, hat dieser bisher allerdings ebenfalls offengelassen.2

III. Funktionstheorie 34

Die Funktionstheorie, die sich wie die Garantentheorie auf das Verhältnis zum geschützten Rechtsgut bezieht,3 stellt darauf ab, ob ein objektiv-funktionaler Zusammenhang zwischen dem Vertreterverhalten und seiner Pflichtenstellung besteht. Vertretungsbezug ist danach gegeben, wenn der Vertreter im Geschäftskreis des Vertretenen für diesen die besondere Funktion oder soziale Rolle übernimmt, an die der Gesetzgeber die Strafbarkeit des jeweiligen Verhaltens geknüpft hat.4 Die Verletzungshandlung darf daher nicht nur „bei Gelegenheit“ der Tätigkeit für den Vertretenen, sondern muss „in Ausübung“ und damit in Ausnutzung der organspezifischen tatsächlichen und rechtlichen Einwirkungsmöglichkeiten begangen worden sein.5 Es genügt dabei auch nicht, dass diese Stellung Gelegenheit zu einer strafbaren Handlung geboten hat, die gleichermaßen von einer dritten Person hätte verübt worden können.6 Bei rechtsgeschäftlichem Handeln soll ein Vertretungsbezug immer dann gegeben sein, wenn der Vertreter im Namen des Vertretenen handelt, dessen außerstrafrechtliche Pflichten erfüllen muss oder die Rechtwirkungen des Geschäfts den Vertreten treffen.7 Erforderlich ist dabei nur, dass die rechtsgeschäftliche Handlung einen objektiven Bezug zum Funktionsbereich des jeweiligen Organs aufweist.8 Eine etwaige Unwirksamkeit des Rechtsgeschäfts, etwa wegen Verstoßes gegen Kapitalerhaltungsvorschriften (z.B. § 30 GmbHG), steht der Anwendung des § 14 jedoch nicht entgegen.9 Bei faktischem Handeln erfordere ein objektiv-funktionaler Bezug zum übernommenen Pflichtenkreis, dass sich das Verhalten seiner Art nach, also unabhängig von der konkreten Ausführung, als Wahrnehmung der Angelegenheiten des Vertretenen darstellt.10 Auf die Interessenlage des Vertreters i.S.d. Interessentheorie soll es lediglich bei objektiv ambivalenten Vertreterhandlungen oder Delikten mit eigennütziger Tendenz ankommen.11 Anders als nach dem Zurechnungsmodell ist auch unerheblich, ob das Handeln des Vertreters dem Vertretenen wirksam zugerechnet werden kann, also bspw. ein wirksamer Gesellschafterbeschluss vorliegt.12

IV. Zurechnungsmodell 35

Nach dem in der Literatur entwickelten Zurechnungsmodell hingegen wird der objektiv-funktionale Organ- und Vertreterbezug durch eine Reihe von Restriktionen eingeschränkt, die sich, ähnlich einer Akzessorietät, an zivilund gesellschaftsrechtlichen Maßstäben orientieren.13 In Fortführung der Pflichtentheorie14 ist das Handeln „als“ Vertreter oder „auf Grund eines Auftrags“ nur dann strafbar, wenn das Vertreterverhalten im Zusammenhang mit der übernommenen Pflichterfüllung steht.15 Es gehe damit, korrespondierend zum Gleichstellungserfordernis (vgl. zur Gleichstellungsproblematik oben Rz. 7), um eine wertungsmäßige Zurechenbarkeit, wonach sich das Verhalten des Vertreters als ein Verhalten des Vertretenen selbst darstellen müsse.16 Voraussetzung hierfür sei ein Handeln im Geschäftskreis des Vertretenen.17 Welche weiteren Bedingungen der Vertretungsbezug erfordert, soll sich nach dem jew. „Kompetenzgefüge“ des Vertretenen, den Voraussetzungen der jeweiligen Strafnormen und der Qualität des Vertreterhandelns bestimmen.18 Im Fall rechtsgeschäftlichen Handelns sei maßgeblich, dass im Namen des Vertretenen gehandelt werde oder diesen die Rechtswirkungen des Geschäfts – etwa auch infolge Ge-

1 Habetha/Klatt, NStZ 2015, 671, 675 f. 2 So auch Böse in NK-StGB4, § 14 Rz. 20, Fn. 32. Anders die Interpretation von Fischer, StGB61, § 14 Rz. 5a und Radtke in MüKo-StGB2, § 14 Rz. 59, die das Zurechnungsmodell der neuen Rspr. des BGH am nächsten sehen. 3 Schünemann in LK-StGB12, § 14 Rz. 52. Zur Garantentheorie oben Rz. 10. 4 Arloth, NStZ 1990, 570, 574; Habetha, NZG 2012, 1134, 1137; Labsch, wistra 1985, 59 ff.; Perron in S/S-StGB29, § 14 Rz. 26; Tiedemann, NJW 1986, 1842, 1844; Tiedemann in LK-StGB12, Vor § 283 Rz. 83; Winkelbauer, JR 1988, 34. 5 Arloth, NStZ 1990, 570, 574; Labsch, wistra 1985, 59 ff.; Perron in S/S-StGB29, § 14 Rz. 26; Tiedemann in LK-StGB12, Vor § 283 Rz. 83. 6 Perron in S/S-StGB29, § 14 Rz. 26. 7 Perron in S/S-StGB29, § 14 Rz. 26; s. auch BGH v. 15.5.2012 – 3 StR 118/11, NJW 2012, 2366, 2368 f. 8 Perron in S/S-StGB29, § 14 Rz. 26. 9 Perron in S/S-StGB29, § 14 Rz. 26. 10 Perron in S/S-StGB29, § 14 Rz. 26. 11 Perron in S/S-StGB29, § 14 Rz. 26; Winkelbauer, JR 1988, 34. 12 Perron in S/S-StGB29, § 14 Rz. 26.; anders: Radtke in MüKo-StGB2, § 14 Rz. 65 ff. 13 Radtke in MüKo-StGB2, § 14 Rz. 65 ff., Habetha/Klatt, NStZ 2015, 671, 675 f. 14 Vgl. zur Pflichtentheorie oben Rz. 9. Radtke sieht das Zurechnungsmodell als Weiterführung seiner Theorie der „spezifizierten Pflichtenteilhabe“, vgl. Radtke in MüKo-StGB2, § 14 Rz. 23 ff., 65 ff. 15 Radtke in MüKo-StGB2, § 14 Rz. 65. Brand hat das Zurechnungsmodell zu einem organisationsbezogenen Ansatz weiterentwickelt, vgl. Brand, Untreue und Bankrott, S. 234 ff.; Brand, NStZ 2010, 9, 11 ff. 16 Radtke in MüKo-StGB2, § 14 Rz. 65 m.w.N. 17 Radtke in MüKo-StGB2, § 14 Rz. 65; insoweit übereinstimmend Ransiek, Unternehmensstrafrecht, S. 92. 18 Radtke in MüKo-StGB2, § 14 Rz. 65. Zust. Brand, Untreue und Bankrott, S. 234; anders Ransiek, Unternehmensstrafrecht, S. 92.

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Trüg

Rz. 39 § 14 StGB

nehmigung oder Rechtsscheins – treffen.1 So müsse bspw. bei Handeln durch einen Geschäftsführer in der Krise der GmbH die Gesellschaft wirksam zivilrechtlich gebunden werden, da der Abschluss des Rechtsgeschäfts andernfalls nicht als eigenes Verhalten der juristischen Person erscheint.2 Bei bloß faktischem Handeln müsse zusätzlich die Zustimmung des Vertretenen zum Vertreterhandeln vorliegen, um den erforderlichen Vertretungsbezug zu schaffen.3 Dabei bedürfe es einer nach den Regeln des Gesellschaftsrechts usw. wirksamen Zustimmung, wobei es bei der Beurteilung der Wirksamkeit auf die rechtlichen Verhältnisse des Vertretenen ankomme.4 Bei der Erfüllung einer strafbewehrten außerstrafrechtlichen Pflicht des Vertretenen sowie bei Sonderdelikten kraft Sachzusammenhangs folge der Vertretungsbezug hingegen bereits aus der Vertreterposition selbst.5

V. Stellungnahme Die Aufgabe der Interessentheorie war sachgerecht, weil diese mit Wortlaut und Zweck des § 14 nicht in Überein- 36 stimmung stand. Besonders deutlich wurde dies bei der einschränkenden Anwendbarkeit von § 283 (und dessen Verhältnis zu § 266). Das dargestellte Zurechnungsmodells vermag als Alternativansatz weitreichende Bedenken nicht auszuräumen und führt vor allem zu Ergebnissen, die gerade durch die Aufgabe der Interessentheorie vermieden werden sollten. Schafft etwa der Geschäftsführer in der Krise der GmbH ohne Kenntnis der Gesellschafter bzw. mit deren Zustimmung, jedoch unter Verstoß gegen § 30 GmbHG, Vermögensbestandteile i.S.d. § 283 Abs. 1 Nr. 1 Var. 1 beiseite, so hängt die Anwendbarkeit des § 14 nach der Funktionstheorie davon ab, ob der Geschäftsführer dabei diejenigen tatsächlichen und rechtlichen Instrumentarien einsetzt, die ihm aufgrund seiner Organstellung zur Verfügung stehen, was wiederum der Regelfall sein dürfte.6 Nach dem Zurechnungsmodell scheidet in diesen Fällen jedoch regelmäßig eine Bankrottstrafbarkeit aus, weil das Rechtsgeschäft wegen Verstoßes gegen § 30 GmbHG nichtig ist, die erforderliche Zustimmung fehlt oder zivilrechtlich unwirksam ist, was wiederum weitgehend der früheren rechtlichen Einordnung nach Maßgabe der Interessentheorie entspricht. Zudem ist das Zurechnungsmodell – gerade im Zusammenhang mit bankrottstrafrechtlichen Fragestellungen – als unsachgemäß abzulehnen, da sie keine an strafrechtliche Zurechnungsgrundsätze angelehnte Auslegung des § 14 erlaubt, sondern lediglich zivilrechtliche Restriktionen formuliert.

E. Absatz 1 – Organ- oder Vertreterschaft Die personale Reichweite des § 14 ist eindeutig vorgegeben. Absatz 1 dehnt eine Strafbarkeit mittels § 14 für ge- 37 setzliche Vertreter, insbesondere für organschaftliche Vertreter und vertretungsberechtigte Gesellschafter aus. Die Vertreter müssen wirksam bestellt worden sein, wie sich, aus der sonst überflüssigen Erweiterung auf faktische Vertreter in Absatz 3 ergibt.7 Ob eine Person Organ oder Vertreter i.d.S. ist, bestimmt sich jedoch nicht nach strafrechtlichen Regelungen, sondern akzessorisch nach Maßgabe des außerstrafrechtlichen Teilrechtsgebiets, das das jeweilige Vertretungsverhältnis selbst normiert. Das Vertretungsorgan einer GmbH bestimmt sich daher nicht nach § 14 Abs. 1, sondern nach 35 GmbH.

I. Nr. 1 – Vertretungsberechtigtes Organ einer juristischen Person oder Mitglied eines solches Organs Abs. 1 Nr. 1 setzt ein Handeln als vertretungsberechtigtes Organ einer juristischen Person oder als Mitglied ei- 38 nes solchen Organs voraus. 1. Juristische Personen Juristische Personen sind soziale, von ihrem Mitgliederbestand regelmäßig unabhängige, zweckgebundene Orga- 39 nisationen mit eigener Rechtspersönlichkeit.8 Dabei ist unerheblich, ob die Organisation dem öffentlichen oder privaten Recht angehört und ob sie nach deutschem oder ausländischem Recht gegründet wurde.9 Erfasst sind bspw. der eingetragene Verein (e.V.), die rechtsfähige Stiftung, die Aktiengesellschaft (AG), die Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH), die Kommanditgesellschaft auf Aktien (KGaA), die Europäische Aktiengesellschaft (SE), die Limited nach englischem Recht (private company limited by shares), die Société par actions simplifiée (S.A.S.) und die Société à responsabilité limitée (SARL) nach französischem Recht, Genossenschaften sowie

1 2 3 4 5 6 7 8 9

Radtke in MüKo-StGB2, § 14 Rz. 66; Brand, NStZ 2010, 9, 12. Brand, Untreue und Bankrott, S. 262; Radtke in MüKo-StGB2, § 14 Rz. 66; Habetha/Klatt, NStZ 2015, 671, 674. Brand, Untreue und Bankrott, S. 262 f.; Radtke in MüKo-StGB2, § 14 Rz. 67. Brand, Untreue und Bankrott, S. 254 ff., 262 f. und 268 f.; Brand, NStZ 2010, 9, 13; Fischer, StGB61, § 14 Rz. 5b; Radtke in MüKo-StGB2, § 14 Rz. 67. Krit. Perron in S/S-StGB29, § 14 Rz. 26. Radtke in MüKo-StGB2, § 14 Rz. 67 f. Fall nach Habetha/Klatt, NStZ 2015, 671, 63. Perron in S/S-StGB29, § 14 Rz. 13. Anders Radtke in MüKo-StGB2, § 14 Rz. 47. Mansel in Jauernig15, Vor § 21 BGB Rz. 1; Momsen in BeckOK-StGB24, § 14 Rz. 35; Perron in S/S-StGB29, § 14 Rz. 15; Radtke in MüKo-StGB2, § 14 Rz. 75; Reuter in MüKo-BGB6, Vor § 21 BGB Rz. 2. Böse in NK-StGB4, § 14 Rz. 22; Perron in S/S-StGB29, § 14 Rz. 15; Schünemann in LK-StGB12, § 14 Rz. 44.

Trüg

91

StGB

Handeln für einen anderen

StGB

§ 14 StGB Rz. 40

Strafgesetzbuch

Kreise und Gemeinden.1 Vorgesellschaften wie die Vor-GmbH sind nach überwiegender Auffassung nicht von Absatz 1 erfasst, da vor Eintragung in die entsprechenden Register noch keine juristische Person entstanden ist.2 40

Die juristische Person muss nach den einschlägigen Regelungen rechtlich wirksam entstanden sein. Dies kann unter Umständen auch trotz schwerwiegenden Gründungsmängeln der Fall sein, etwa bei Eintragung einer fehlerhaft errichteten Gesellschaft, die zwar vernichtbar ist, aber bis dahin wirksam besteht (vgl. z.B. die Regelungen zur Nichtigkeitsklage nach §§ 275 AktG, 75 GmbHG).3 Über das Wirksamkeitserfordernis kann auch Absatz 3 nicht hinweg helfen, da sich dieser als Ausnahmevorschrift nur auf die Wirksamkeit des Bestellungsaktes bezieht.4

41

Die für § 14 relevante Vertretungsberechtigung kann bis zur Löschung der juristischen Person in dem für sie maßgeblichen Register bzw. bis zu ihrer Beendigung nach den einschlägigen Vorschriften des öffentlichen Rechts gegeben sein.5 2. Vertretungsberechtigte Organe

42

Abs. 1 Nr. 1 Alt. 1 adressiert das „vertretungsberechtigte Organ“ einer juristischen Person. Damit scheiden Organe eines Verbandes ohne Vertretungsberechtigung wie z.B. Mitglieder eines Aufsichtsrats oder einer Hauptversammlung aus dem Anwendungsbereich aus.6 Unerheblich ist aber, ob ein rechtsgeschäftliches Handeln vorliegt oder eine wirksame rechtsgeschäftliche Vertretung. Ebenso kommt es nicht darauf an, ob das konkrete Geschäft der Zustimmung eines anderen Organs bedurft hätte.7 In Abgrenzung zu Nr. 1 Alt. 2 („Mitglied eines solchen Organs“) erfasst Nr. 1 Alt. 1 lediglich Vertretungsorgane, die aus einer Person bestehen.8 Zu nennen sind etwa der Vorstand eines rechtsfähigen Vereins oder einer AG (§ 26 BGB, § 76 AktG), der Geschäftsführer einer GmbH (§ 35 GmbHG) oder – während der Liquidationsphase – der Liquidator (vgl. z.B. §§ 48 BGB, 70 S. 1 GmbHG).9 Bei juristischen Personen des öffentlichen Rechts ist die Frage der organschaftlichen Vertretungsberechtigung nach den jeweiligen öffentlich-rechtlichen Vorschriften zu beurteilen.10 3. Mitglied eines solchen Organs

43

Abs. 1 Nr. 1 Alt. 2 richtet sich an mehrgliedrige Organe und bezieht jedes Mitglied des Organs mit ein (bspw. mehrere Geschäftsführer einer GmbH11).

44

Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass bei mehrgliedrigen Organen – entsprechend dem Wortlaut von Abs. 1 Nr. 1 Alt. 2 – jedes Organmitglied Normadressat i.S.v. § 14 ist. Interne Geschäftsverteilungen und somit auch interne Beschränkungen des Verantwortungsbereichs bleiben danach für § 14 außer Betracht.12

45

Der Grundsatz der Unerheblichkeit interner Zuständigkeitsbeschränkungen wird jedoch bei Unterlassungstaten mit Blick auf die Frage tatsächlicher persönlicher Verantwortlichkeit von den allgemeinen Regeln der Unterlassungsdelikte weitgehend eingeschränkt. Danach macht sich ein intern nicht zuständiges Organmitglied (nur dann) strafbar, wenn es von der Pflichtverletzung Kenntnis oder leichtfertige Unkenntnis sowie die zumutbare Möglichkeit zum Handeln hatte.13

46

Ferner soll eine Gesamtverantwortung aller Organmitglieder auch bei Vorliegen einer Ausnahmesituation bestehen, aufgrund derer die juristische Person insgesamt betroffen und die Geschäftsführung als Ganzes zum Handeln berufen ist.14 1 Perron in S/S-StGB29, § 14 Rz. 15; Radtke in MüKo-StGB2, § 14 Rz. 76; Tsambikakis/Kretschmer in AnwK-StGB2, § 14 Rz. 19. 2 Perron in S/S-StGB29, § 14 Rz. 15; Radtke in MüKo-StGB2, § 14 Rz. 76; Rogall in KK-OWiG4, § 9 Rz. 42; Tsambikakis/ Kretschmer in AnwK-StGB2, § 14 Rz. 18. A.A. Schünemann in LK-StGB12, § 14 Rz. 44. 3 Böse in NK-StGB4, § 14 Rz. 22; Perron in S/S-StGB29, § 14 Rz. 15; Radtke in MüKo-StGB2, § 14 Rz. 76; Schünemann in LK-StGB12, § 14 Rz. 44. 4 Böse in NK-StGB4, § 14 Rz. 22; Perron in S/S-StGB29, § 14 Rz. 15; Radtke in MüKo-StGB2, § 14 Rz. 76. 5 Radtke in MüKo-StGB2, § 14 Rz. 76 f. 6 Radtke in MüKo-StGB2, § 14 Rz. 78; Perron in S/S-StGB29, § 14 Rz. 16/17. 7 Böse in NK-StGB4, § 14 Rz. 23; Perron in S/S-StGB29, § 14 Rz. 16/17; Radtke in MüKo-StGB2, § 14 Rz. 78; Schünemann in LK-StGB12, § 14 Rz. 45. 8 Radtke in MüKo-StGB2, § 14 Rz. 78; Rogall in KK-OWiG4, § 9 Rz. 43. 9 Perron in S/S-StGB29, § 14 Rz. 16/17; Radtke in MüKo-StGB2, § 14 Rz. 80. 10 Perron in S/S-StGB29, § 14 Rz. 16/17; Radtke in MüKo-StGB2, § 14 Rz. 81. 11 Perron in S/S-StGB29, § 14 Rz. 18. 12 BGH v. 6.7.1990 – 2 StR 549/89 – Lederspray, BGHSt 37, 106 = NJW 1990, 2560; OLG Düsseldorf v. 23.3.1981 – 5 Ss (OWi) 120/81, NStZ 1981, 265; OLG Hamm v. 28.10.1970 – 4 Ss OWi 423/70, NJW 1971, 817; OLG Koblenz v. 16.4.1970 – 1 Ws a 155/70. VRS 39, 117; Böse in NK-StGB4, § 14 Rz. 30; Bruns, GA 1982, 1, 12; Perron in S/S-StGB29, § 14 Rz. 18; Radtke in MüKo-StGB2, § 14 Rz. 69; Rogall in KK-OWiG4, § 9 Rz. 45. Anders Schünemann in LK-StGB12, § 14 Rz. 53. 13 Böse in NK-StGB4, § 14 Rz. 30; Perron in S/S-StGB29, § 14 Rz. 19; Radtke in MüKo-StGB2, § 14 Rz. 71. A.A. Schünemann in LK-StGB12, § 14 Rz. 53, der die strafrechtliche Verantwortlichkeit eines Organmitglieds grundsätzlich auf den eigenen Geschäftsbereich beschränken will. 14 BGH v. 6.7.1990 – 2 StR 549/89 – Lederspray, BGHSt 37, 106 = NJW 1990, 2560; Perron in S/S-StGB29, § 14 Rz. 19.

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Trüg

Rz. 52 § 14 StGB

Eine Strafbarkeit wegen fahrlässiger Verletzung einer Überwachungspflicht ist hingegen nur eingeschränkt mög- 47 lich, da die Annahme einer generellen Kontrollpflicht unter gleichgestellten Organmitgliedern dem Zweck der Arbeitsteilung zuwider laufen würde.1 Von einer Sorgfaltspflichtverletzung des intern nicht zuständigen Organmitglieds ist daher nur dann auszugehen, wenn sich die Pflichtverletzung ohne weiteres aufdrängen musste oder wenn es infolge besonderer Umstände nahe lag, sich außerhalb der eigenen internen Zuständigkeit um die Angelegenheiten eines anderen zu kümmern.2

II. Nr. 2 – Vertretungsberechtigter Gesellschafter einer rechtsfähigen Personengesellschaft Abs. 1 Nr. 2 setzt ein Handeln als vertretungsberechtigter Gesellschafter einer rechtsfähigen Personengesellschaft 48 voraus. 1. Normzweck Die Gesetzesfassung von § 14 Abs. 1 Nr. 2 stieß in der Literatur teilweise auf Kritik, da die Gesellschafter einer 49 Personengesellschaft unmittelbar berechtigt und verpflichtet seien und die jeweiligen besonderen persönlichen Merkmale damit direkt bei diesen vorlägen. Einer Zurechnung mittels § 14 Abs. 1 Nr. 2 bedürfe es daher nicht.3 Nach heute h.M. liegt die Bedeutung von Abs. 1 Nr. 2 jedoch in einer Beschränkung der Strafbarkeit auf vertretungsberechtigte Gesellschafter.4 In diesen Fällen beziehen sich die besonderen persönlichen Merkmale nur auf die Gesellschaft und eine Zurechnung derselben auf die Gesellschafter findet erst über eine Anwendung von § 14 statt. Die Einbeziehung der Personengesellschaften durch § 14 Abs. 1 Nr. 2 ist in Anbetracht der Verselbständigung des Gesellschaftsvermögens vor allem im Insolvenzstrafrecht von Bedeutung (vgl. etwa die gesonderte Insolvenzfähigkeit des Gesellschaftsvermögens von Gesellschaften ohne Rechtspersönlichkeit nach § 11 Abs. 2 Nr. 1 InsO).5 2. Rechtsfähige Personengesellschaft Nach der Legaldefinition des § 14 Abs. 2 BGB ist eine rechtsfähige Personengesellschaft „eine Personengesell- 50 schaft, die mit der Fähigkeit ausgestattet ist, Rechte zu erwerben und Verbindlichkeiten einzugehen.“ Hiervon erfasst sind jedenfalls Personenhandelsgesellschaften wie die Offene Handelsgesellschaft (§ 105 HGB), die Kommanditgesellschaft (§ 161 HGB) und die Europäische Wirtschaftliche Vereinigung (EWIV).6 Ebenfalls zu den Personenhandelsgesellschaften zählt die GmbH & Co. KG. Hier ist neben Abs. 1 Nr. 2 für die KG jedoch gleichzeitig Abs. 1 Nr. 1 einschlägig, da die GmbH als persönlich haftende Gesellschafterin durch ihren Geschäftsführer nach § 35 GmbHG vertreten wird. Insoweit kommt es zu einer doppelten Anwendung des § 14.7 Darüber hinaus sind seit der Gesetzesänderung durch das Ausführungsgesetz zum 2. Protokoll v. 19.7.1997 51 zum Übereinkommen zum Schutz der finanziellen Interessen der EG v. 22.8.20028 alle rechtsfähigen Personengesellschaften erfasst. Dazu gehören etwa die am Rechtsverkehr teilnehmende Gesellschaft bürgerlichen Rechts (Außen-GbR) und die Partnerschaftsgesellschaft (PartG).9 Unterschiedlich beurteilt wird, ob auch die Vorgesellschaften zukünftiger juristischer Personen dazu zählen, da diese einerseits schon Rechtsfähigkeit erlangt haben, es sich andererseits aber um eine Gesellschaft sui generis und nicht um eine Personengesellschaft handelt.10 Nicht in den Anwendungsbereich von Abs. 1 Nr. 2 fallen hingegen die nicht am Rechtsverkehr teilnehmende 52 GbR und der nichtrechtsfähige Verein.11 In diesen Fällen sind die für die Vereinigung handelnden Personen regelmäßig selbst unmittelbar Normadressaten oder es kommt Absatz 2 zur Anwendung.12

1 Perron in S/S-StGB29, § 14 Rz. 19. 2 Böse in NK-StGB4, § 14 Rz. 30; Perron in S/S-StGB29, § 14 Rz. 19. Radtke will sich an den Grundsätzen der Leichtfertigkeit orientieren, vgl. MüKo-StGB2, § 14 Rz. 72. 3 Demuth-Schneider, BB 1970, 642, 643; Schulte, NJW 1983, 1773, 1774; Winkelbauer, wistra 1986, 17, 18 f. 4 Bieneck in Preisendanz30, § 283 Anm. 4d; Böse in NK-StGB4, § 14 Rz. 32; Perron in S/S-StGB29, § 14 Rz. 20/21; Rogall in KK-OWiG4, § 9 Rz. 50; Tiedemann in LK-StGB12, Vor § 283 Rz. 65. Krit. Schünemann in LK-StGB12, § 14 Rz. 47. 5 Böse in NK-StGB4, § 14 Rz. 32; Perron in S/S-StGB29, § 14 Rz. 20/21; Radtke in MüKo-StGB2, § 14 Rz. 83. 6 Böse in NK-StGB4, § 14 Rz. 33; Perron in S/S-StGB29, § 14 Rz. 22; Radtke in MüKo-StGB2, § 14 Rz. 84. 7 Radtke in MüKo-StGB2, § 14 Rz. 79 und 84. 8 BGBl. I, S. 3387. Zuvor sprach das Gesetz von „Personenhandelsgesellschaften“. 9 Böse in NK-StGB4, § 14 Rz. 34; Perron in S/S-StGB29, § 14 Rz. 22; Radtke in MüKo-StGB2, § 14 Rz. 84. 10 Für eine Anwendbarkeit von Abs. 1 Nr. 2 Bittmann/Pikarski, wistra 1995, 91, 93; Perron in S/S-StGB29, § 14 Rz. 22; im Ergebnis ebenso BGH v. 17.6.1952 – 1 StR 668/51, BGHSt 3, 23, 24 f. Dagegen Böse in NK-StGB4, § 14 Rz. 34; Deutscher/Körner, wistra 1996, 8, 13 f.; Radtke in MüKo-StGB2, § 14 Rz. 84; Rogall in KK-OWiG4, § 9 Rz. 51. 11 Böse in NK-StGB4, § 14 Rz. 34; Lackner in Lackner/Kühl28, § 14 StGB Rz. 2; Perron in S/S-StGB29, § 14 Rz. 22; Radtke in MüKo-StGB2, § 14 Rz. 84; Schünemann in LK-StGB12, § 14 Rz. 46. 12 Perron in S/S-StGB29, § 14 Rz. 22; Radtke in MüKo-StGB2, § 14 Rz. 84.

Trüg

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StGB

Handeln für einen anderen

StGB

§ 14 StGB Rz. 53

Strafgesetzbuch

3. Vertretungsberechtigte Gesellschafter 53

Als Normadressaten des Abs. 1 Nr. 2 kommen nur vertretungsberechtigte Gesellschafter in Betracht. Dies sind bei der OHG grundsätzlich alle Gesellschafter, es sei denn, sie sind durch Gesellschaftsvertrag von der Vertretung ausgeschlossen (§ 125 HGB). Für die KG liegt die Vertretungsberechtigung bei den Komplementären als persönlich haftende Gesellschafter (§§ 161 Abs. 2, 170 HGB). Nach § 714 BGB ist bei der GbR im Zweifel der geschäftsführende Gesellschafter vertretungsberechtigt, bei der Partnerschaftsgesellschaft nach § 7 Abs. 3 PartGG i.V.m. § 125 HGB jeder Partner. Bei der EWIV kann zum Geschäftsführer auch bestellt werden, wer nicht Gesellschafter ist.1 Hinsichtlich der Verantwortlichkeit eines Gesellschafters für Taten eines anderen gilt das für ein mehrgliedriges Organ Gesagte entsprechend (Rz. 43 ff.).2

III. Nr. 3 – Gesetzlicher Vertreter eines anderen 54

Abs. 1 Nr. 3 erfasst das Handeln als gesetzlicher Vertreter eines anderen. Die Vertretungsmacht beruht hier nicht auf einer Vollmachterteilung oder einer vertraglichen Vereinbarung, sondern leitet sich unmittelbar aus dem Gesetz ab. Damit sind zum einen die gesetzlichen Vertreter natürlicher Personen gemeint wie Eltern (§§ 1626, 1629 BGB), der Betreuer (§ 1902 BGB), oder der Vormund (§§ 1773, 1793 BGB). Zum anderen zählen hierzu „Parteien kraft Amtes“ wie der Insolvenzverwalter (§§ 56 InsO), der Nachlassverwalter (§ 1985 BGB), der Zwangsverwalter (§ 152 ZVG) und der Testamentsvollstrecker (§ 2205 BGB).3 Nicht erfasst sind hingegen der Sequester4 und der vorläufige Insolvenzverwalter (§ 21 Abs. 2 Nr. 1 InsO), da deren Befugnisse von gerichtlichen Anordnungen abhängen. Hier kommt stattdessen Absatz 2 in Betracht.5

F. Absatz 2 – Gewillkürte Stellvertretung 55

Absatz 2 begründet eine Vertreterhaftung für gewillkürte Stellvertreter (Substitute) von Betriebs- (Satz 1) und Unternehmensinhabern (Satz 2) mit betriebsbezogenen Aufgaben sowie von Stellen, die Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnehmen (Satz 3). Das besondere persönliche Merkmal liegt in diesen Fällen zwar bei dem Betriebs- bzw. Unternehmensinhaber oder der Verwaltungsstelle vor, nicht aber bei deren Vertreter. Wie bei Absatz 1 muss das Vertretungs- bzw. Auftragsverhältnis wirksam begründet worden sein, da die Erweiterung auf faktische Vertreter in Absatz. 3 sonst überflüssig wäre.6 Absatz 2 beschränkt die Haftung auf gewillkürte Vertreter mit einer gewissen Selbständigkeit und unterscheidet zwischen dem Auftrag, „den Betrieb ganz oder zum Teil zu leiten“ (Nr. 1) oder „in eigener Verantwortung Aufgaben wahrzunehmen, die dem Inhaber des Betriebs obliegen“ (Nr. 2). Auch die Inhaltsausfüllung des Beauftragte i.S.d. § 14 Abs. 2 bestimmt sich akzessorisch nach Maßgabe des jeweiligen außerstrafrechtlichen Teilrechtsgebiets (vgl. Rz. 37); allerdings bleiben hier dem Strafrecht größere Wertungsspielräume vorbehalten.

I. Begriff des Betriebs bzw. Unternehmens 55a

Der Begriff „Betrieb“ wird definiert als „eine nicht nur vorübergehende organisatorische, meist auch räumlich zusammengefasste Einheit von Personen und Sachmitteln unter einheitlicher Leitung zu dem arbeitstechnischen Zweck, bestimmte Leistungen hervorzubringen oder zur Verfügung zu stellen.“7 Von diesem Betriebsbegriff umfasst sind neben gewerblichen und landwirtschaftlichen Betrieben auch Tätigkeiten, die immaterielle Leistungen hervorbringen oder zur Verfügung stellen, wie z.B. freiberufliche Tätigkeiten, künstlerische Betriebe und Forschungseinrichtungen.8 Da eine Gewinnerzielungsabsicht nicht notwendig ist, fallen auch karitative Einrichtungen wie Altenheime und Kindergärten unter den Betriebsbegriff.9 Nicht erfasst sind dagegen Tätigkeiten in Privathaushalten bzw. Mischformen von Privathaushalt und Betrieb (wie sie z.B. bei Kleinbetrieben in der traditionellen Landwirtschaft vorkommen können), da hier der Zweck nicht die Hervorbringung von Gütern oder Leistungen für Dritte ist.10

56

Für den Begriff des „Betriebs“ i.S.v. § 14 ist dessen Rechtsform irrelevant. Unerheblich ist daher, ob der Betrieb wirksam entstanden ist; im Gegensatz zu Absatz. 1 sind hier ausschließlich die tatsächlichen Verhältnisse maß1 2 3 4 5 6 7

Art. 19 EWIV-VO. Vgl. dazu auch Perron in S/S-StGB29, § 14 Rz. 23. Perron in S/S-StGB29, § 14 Rz. 24; Radtke in MüKo-StGB2, § 14 Rz. 88; Schünemann in LK-StGB12, § 14 Rz. 49. OLG Zweibrücken v. 6.3.1995 – 1 AR 88/94 – 1, wistra 1995, 319. Perron in S/S-StGB29, § 14 Rz. 24; Wegner, wistra 1998, 283, 285. Bosch in S/S/W-StGB2, § 14 Rz. 13; Perron in S/S-StGB29, § 14 Rz. 27; Radtke in MüKo-StGB2, § 14 Rz. 90. Perron in S/S-StGB29, § 14 Rz. 28/29. Ebenso Fischer, StGB61, § 14 Rz. 8; Radtke in MüKo-StGB2, § 14 Rz. 91. Vgl. auch BAG v. 24.2.1976 – 1 ABR 62/75, DB 1976, 1579; BAG v. 22.1.2009 – 6 AZR 922/07, ZTR 2009, 325; Löwisch/Rieble3, § 4 TVG Rz. 186; Volkening in BeckOK34, § 17 KSchG Rz. 3. 8 Böse in NK-StGB4, § 14 Rz. 37; Fischer, StGB61, § 14 Rz. 8; Perron in S/S-StGB29, § 14 Rz. 28/29; Radtke in MüKoStGB2, § 14 Rz. 91. 9 Perron in S/S-StGB29, § 14 Rz. 28/29; Radtke in MüKo-StGB2, § 14 Rz. 91. 10 Böse in NK-StGB4, § 14 Rz. 37; Perron in S/S-StGB29, § 14 Rz. 28/29; Radtke in MüKo-StGB2, § 14 Rz. 91; Schünemann in LK-StGB12, § 14 Rz. 56.

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Rz. 63 § 14 StGB

StGB

Handeln für einen anderen

geblich. Ebenso kommt es nicht darauf an, ob die Inhaberschaft einer natürlichen oder juristischen Person zukommt.1 Abs. 2 S. 2 stellt dem Betrieb i.S.v. Abs. 2 S. 1 das Unternehmen gleich. Aufgrund der Weite des Betriebsbegriffs 57 kommt dieser Gleichstellung in den meisten Fällen jedoch keine eigenständige Bedeutung zu.2 Ein Anwendungsbereich kann allenfalls dort bestehen, wo mehrere Betriebe als produktionstechnische Einheiten von einem Unternehmen zusammengefasst werden.3 Als Kriterium zur Unterscheidung von Betrieb und Unternehmen wird die eher kaufmännische Tätigkeit des Unternehmens im Gegensatz zu der mehr technisch geprägten Tätigkeit des Betriebs genannt. Daneben wird angeführt, dass das Unternehmen als rechtlich-wirtschaftliche Einheit zu verstehen sei, der Betrieb hingegen als technisch-organisatorische Einheit. Zudem kennzeichne der Unternehmensbegriff vor allem die jeweilige Rechtsform, der Begriff des Betriebs hingegen den wirtschaftlichen Zweck der betrieblichen Tätigkeit.4

II. Betriebsinhaber oder sonst dazu Befugter Sowohl Abs. 2 Nr. 1 als auch Abs. 2 Nr. 2 setzen voraus, dass der Auftrag von dem Inhaber des Betriebs oder 58 Unternehmens (bzw. dem Träger der Verwaltungsstelle) oder einem sonst dazu Befugten erteilt wurde. Wer Inhaber des Betriebs bzw. Unternehmens ist, richtet sich nach den für die jeweilige Organisationseinheit 59 einschlägigen Rechtsvorschriften. Ist Inhaber eine juristische Person, sind deren Vertreter zur Beauftragung i.S.v. Absatz 2 zuständig. Für Personengesellschaften handeln die vertretungsberechtigten Gesellschafter.5 Bei Stellen i.S.v. Abs. 2 S. 3, die Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnehmen, muss der Auftrag vom Träger 60 der Verwaltungsstelle erteilt worden sein. Die Trägerschaft richtet sich nach den entsprechenden öffentlichrechtlichen Vorschriften bzw. nach dem jeweiligen Organisationsstatut.6 Eine sonstige Befugnis zur Beauftragung kann zum einen auf gesetzlichen Vorschriften beruhen (wie z.B. die Be- 61 fugnis des Insolvenzgerichts, die Aufgaben des vorläufigen Insolvenzverwalters festzulegen, § 22 InsO), zum anderen auf einer Delegation des Betriebsinhabers oder von für diesen handelnden Personen.7 Wer mit der (Teil-)Leitung des Betriebs betraut ist, hat grundsätzlich auch die Befugnis zur Bestellung verantwortlicher Vertreter. Auch andere Angestellte können diese Befugnis haben, wenn sie für einen bestimmten Bereich im Betrieb verantwortlich sind.8 In allen Fällen ist jedoch erforderlich, dass der „sonst Befugte“ die konkrete Aufgabe an Dritte zur eigenverantwortlichen Wahrnehmung delegieren durfte, was bspw. bei einer Urlaubsvertretung gleichrangiger Kollegen nicht gegeben ist.9 Unterschiedlich beurteilt wird, ob diese Befugnis rechtswirksam erteilt werden muss, bspw. wenn bei einem Kollegialorgan mit Gesamtvertretung die Auftragserteilung lediglich durch einen Organwalter erfolgt. Dagegen spricht, dass es widersprüchlich wäre, nach Absatz 3 ein faktisches Auftragsverhältnis zwar bei dem Letztbeauftragten ausreichen zu lassen, nicht aber bei dessen Auftraggeber.10 Für ein solches Wirksamkeitserfordernis wird jedoch der Gesetzeswortlaut von Absatz 3 angeführt, wonach nur die Wirksamkeit von Rechtshandlungen entbehrlich ist, welche die Vertretungsbefugnis nach Absatz 1 bzw. das Auftragsverhältnis nach Absatz 2 begründen, nicht jedoch die Wirksamkeit von Rechtshandlungen, die eine Befugnis zur Erteilung von Aufträgen begründen.11

III. Nr. 1 – Beauftragung mit der (Teil-)Leitung eines Betriebs Der Handelnde muss nach Abs. 2 Nr. 1 beauftragt sein, den Betrieb ganz oder zum Teil zu leiten.

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1. (Teil-)Leitung eines Betriebs Die Leitung eines Betriebs oder Unternehmens hat derjenige inne, dem die Führung der Geschäfte nach innen 63 und außen verantwortlich übertragen worden ist. Voraussetzung ist die eigenverantwortliche und selbständige Ausübung dieser Funktion; der Normadressat muss selbständig anstelle des Inhabers handeln können.12 Bei einer Begrenzung der Entscheidungsbefugnis liegt daher keine Leitung mehr vor und auch die bloße Beaufsichtigung

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12

Perron in S/S-StGB29, § 14 Rz. 28/29; Radtke in MüKo-StGB2, § 14 Rz. 90. Böse in NK-StGB4, § 14 Rz. 37; Perron in S/S-StGB29, § 14 Rz. 28/29. Perron in S/S-StGB29, § 14 Rz. 28/29; Radtke in MüKo-StGB2, § 14 Rz. 92. Bosch in S/S/W-StGB2, § 14 Rz. 12. Vgl. auch mit weiteren Kriterien Perron in S/S-StGB29, § 14 Rz. 28/29 und Radtke in MüKo-StGB2, § 14 Rz. 92. Perron in S/S-StGB29, § 14 Rz. 38; Radtke in MüKo-StGB2, § 14 Rz. 105. Radtke in MüKo-StGB2, § 14 Rz. 104. Perron in S/S-StGB29, § 14 Rz. 38. Perron in S/S-StGB29, § 14 Rz. 38; Radtke in MüKo-StGB2, § 14 Rz. 106. Perron in S/S-StGB29, § 14 Rz. 38; Radtke in MüKo-StGB2, § 14 Rz. 106. Perron in S/S-StGB29, § 14 Rz. 38; Radtke in MüKo-StGB2, § 14 Rz. 105 f. Böse in NK-StGB4, § 14 Rz. 46. Böse in NK-StGB4, § 14 Rz. 38; Perron in S/S-StGB29, § 14 Rz. 31; Radtke in MüKo-StGB2, § 14 Rz. 94; Rogall in KKOWiG4, § 9 Rz. 84; Schünemann in LK-StGB12, § 14 Rz. 58.

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StGB

§ 14 StGB Rz. 64

Strafgesetzbuch

gilt noch nicht als Leitung. Hier kommt jeweils lediglich eine Haftung nach Nr. 2 in Betracht.1 Maßgeblich sind allein die tatsächlichen Verhältnisse, die Bezeichnung der Leitungsfunktion als Direktor etc. hat allenfalls Indizwirkung.2 Leiten mehrere Personen den Betrieb gemeinsam, gilt das oben unter Rz. 43 ff. Gesagte entsprechend. 64

Der Leitung gleichgestellt ist die Teilleitung eines Betriebs oder Unternehmens. Darunter fällt die Leitung von sowohl räumlich und organisatorisch abgegrenzten Betriebsteilen (z.B. Filialen, Zweig- und Nebenstellen, Werk als besondere Fabrikationsanlage), als auch sachlich abgetrennten Teilbereichen innerhalb des Gesamtbetriebs (z.B. Buchhaltung, Einkauf, Personalwesen), soweit diese eine gewisse Selbständigkeit und Bedeutung aufweisen.3 Das Innehaben einer Position im obersten Management ist für eine Teilleitung einerseits nicht erforderlich; das Ausüben einer Vorgesetztenstellung ist hierfür andererseits jedoch nicht ausreichend, da eine Teilleitung mehr beinhaltet als bloße Weisungsrechte.4 Die Rspr. legt den Begriff der Teilleitung tendenziell weit aus und hat z.B. auch den Wiegemeister als Teilleiter eines Betriebs eingestuft.5 Dieses weite Verständnis wird in der Literatur insbesondere im Hinblick auf eine schwierige Abgrenzung zu Abs. 2 Nr. 2 und den dort normierten strengeren Voraussetzungen einer Strafbarkeit (ausdrückliche Beauftragung) kritisiert.6 Teilweise wird vorgeschlagen, die in § 5 Abs. 3 und 4 BetrVG vorgegebene Umschreibung des Leitenden Angestellten als Orientierungspunkt für eine restriktive Auslegung der Teilleitung heranzuziehen.7 2. Beauftragung

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Abs. 2 Nr. 1 setzt voraus, dass der Handelnde vom Betriebs- bzw. Unternehmensinhaber oder einem sonst dazu Befugten zur (Teil-)Leitung des Betriebs bzw. Unternehmens beauftragt wurde. Es genügt daher nicht, dass sich der Betreffende die leitende Stellung einfach angeeignet hat, diese muss vielmehr vom Inhaber abgeleitet sein.8 Ausreichend ist jedoch – im Gegensatz zu Abs. 2 Nr. 2 –, dass die Beauftragung nicht ausdrücklich, sondern durch eine konkludente Handlung erfolgt.9 Folglich kann auch eine Betriebsleiterfunktion des Ehemanns bei Inhaberschaft der Ehefrau vorliegen, wenn sich aus den Umständen eine entsprechende stillschweigende Beauftragung der Ehefrau entnehmen lässt.10 Der Betreffende muss den Auftrag angenommen und die Leitungsaufgaben tatsächlich übernommen haben,11 da nur dann von der Schaffung eines Vertrauenstatbestands ausgegangen werden kann, der eine strafrechtliche Haftung rechtfertigt.12 Diesem Erfordernis wird jedoch bereits durch das Merkmal des Handelns „auf Grund dieses Auftrags“ (vgl. Rz. 72) Rechnung getragen.13 Der Betreffende ist nur insoweit strafrechtlich verantwortlich, als er tatsächlich Entscheidungsbefugnisse hat.14 Bei einer Übertragung der (Teil-)Leitung auf mehrere Personen, gelten die unter Rz. 43 ff. dargelegten Grundsätze entsprechend. Der Betreffende bleibt auch bei einer Übertragung von Teilkompetenzen auf andere Normadressat.15

IV. Nr. 2 – Beauftragung mit der eigenverantwortlichen Wahrnehmung betrieblicher Aufgaben 66

Für Beauftragte, die nicht mit der (Teil-)Leitung des Betriebs betraut wurden, ergibt sich gem. Abs. 2 Nr. 2 nur bei der ausdrücklichen Beauftragung, in eigener Verantwortung betriebsbezogene Aufgaben wahrzunehmen, eine strafrechtliche Haftung. 1. Aufgaben des Betriebsinhabers

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Abs. 2 Nr. 2 fordert eine Betrauung mit Aufgaben, „die dem Inhaber des Betriebs obliegen“. Es muss sich also um betriebsbezogene Aufgaben handeln, die primär der Betriebsinhaber in dieser Eigenschaft wahrzunehmen hat.

1 Böse in NK-StGB4, § 14 Rz. 38; Perron in S/S-StGB29, § 14 Rz. 31; Schünemann in LK-StGB12, § 14 Rz. 58. 2 Perron in S/S-StGB29, § 14 Rz. 31; Radtke in MüKo-StGB2, § 14 Rz. 94; Schünemann in LK-StGB12, § 14 Rz. 58. 3 Bosch in S/S/W-StGB2, § 14 Rz. 13; Perron in S/S-StGB29, § 14 Rz. 32; Radtke in MüKo-StGB2, § 14 Rz. 95; Schünemann in LK-StGB12, § 14 Rz. 59. Krit. wegen Abgrenzungsschwierigkeiten Böse in NK-StGB4, § 14 Rz. 39. 4 Perron in S/S-StGB29, § 14 Rz. 32; Rogall in KK-OWiG4, § 9 Rz. 85; Schünemann in LK-StGB12, § 14 Rz. 59. Anders Herzberg, Verantwortung, S. 86 ff. 5 OLG Stuttgart v. 28.5.1980 – 1 Ss 406/80, Die Justiz 1980, 419, 420. Zust. Schünemann in LK-StGB12, § 14 Rz. 59; abl. Rogall in KK-OWiG4, § 9 Rz. 85; krit. auch Böse in NK-StGB4, § 14 Rz. 39. 6 Böse in NK-StGB4, § 14 Rz. 39; Perron in S/S-StGB29, § 14 Rz. 32; Radtke in MüKo-StGB2, § 14 Rz. 96; Rogall in KKOWiG4, § 9 Rz. 85. 7 Böse in NK-StGB4, § 14 Rz. 40. Als Indiz sieht dies auch Radtke in MüKo-StGB2, § 14 Rz. 97. Abl. Rogall in KK-OWiG4, § 9 Rz. 85; Schünemann in LK-StGB12, § 14 Rz. 59. 8 Radtke in MüKo-StGB2, § 14 Rz. 93; Rogall in KK-OWiG4, § 9 Rz. 83. 9 Perron in S/S-StGB29, § 14 Rz. 30. 10 OLG Düsseldorf v. 7.10.1993 – 5 Ss (OWi) 299/93 - (OWi) 134/93 I, wistra 1994, 76; Perron in S/S-StGB29, § 14 Rz. 30; Rogall in KK-OWiG4, § 9 Rz. 83. 11 Perron in S/S-StGB29, § 14 Rz. 30; Radtke in MüKo-StGB2, § 14 Rz. 93; Rogall in KK-OWiG4, § 9 Rz. 83. 12 Perron in S/S-StGB29, § 14 Rz. 30. 13 Böse in NK-StGB4, § 14 Rz. 36. 14 Perron in S/S-StGB29, § 14 Rz. 30. 15 Perron in S/S-StGB29, § 14 Rz. 30.

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Rz. 69 § 14 StGB

Dazu zählen bspw. als Arbeitgeber die Einhaltung von Arbeitsschutz- und Arbeitszeitvorschriften oder als Verwalter die Einhaltung von Buchführungs- und Auskunftspflichten.1 2. Wahrnehmung in eigener Verantwortung Der Auftrag muss darauf gerichtet sein, Aufgaben des Inhabers in eigener Verantwortung wahrzunehmen. Die- 68 ses Erfordernis dient der Rechtfertigung einer Übertragung von betriebsbezogenen Pflichten, deren Verletzung mit Strafe bedroht ist.2 Eigenverantwortlichkeit liegt vor, wenn der Beauftragte seinen Aufgabenbereich selbständig wahrnimmt und zu freien Entscheidungen befugt ist.3 Dies ist bei Vertretern in untergeordneten Positionen sowie bei einer bloßen Mitverantwortung (etwa durch die Übertragung von Leitungsbefugnissen) regelmäßig nicht der Fall.4 Eine nachträgliche Kontrolle der selbständig getroffenen Entscheidung schließt die Eigenverantwortlichkeit hingegen nicht aus.5 Maßgeblich sind die jeweiligen Verhältnisse der Aufgabenwahrnehmung, also der Auftragsinhalt sowie dessen Umsetzung in der konkreten betrieblichen Praxis.6 Bei entsprechender Ausgestaltung des Auftrags kann somit bei einem bloßen Sachbearbeiter die geforderte Eigenverantwortlichkeit zu bejahen,7 bei einem Prokuristen hingegen zu verneinen sein.8 Betriebsfremde Dritte wie Steuerberater, Wirtschaftsprüfer oder Anwälte können nach allgemeiner Auffassung bei entsprechenden selbständigen Entscheidungsbefugnissen – und nicht bloß beratender Tätigkeit – Beauftragte i.S.v. Abs. 2 S. 1 Nr. 2 sein,9 ebenso zur Krisenbewältigung in ein Unternehmen entsandte Bankmitarbeiter.10 Ungeklärt ist dies für Betriebsbeauftragte wie den Gewässerschutzbeauftragten oder den Immissionsschutzbeauftragten11 sowie für den Compliancebeauftragten.12 3. Ausdrücklich beauftragt Nr. 2 erfordert im Gegensatz zu Nr. 1 eine ausdrückliche Beauftragung. Hierdurch soll Rechtssicherheit zugunsten 69 des Beauftragten geschaffen und eine allzu leichte Abwälzung der strafrechtlichen Verantwortung verhindert werden.13 Eine stillschweigende Beauftragung, die konkludente Billigung oder das bloße Dulden der Aufgabenwahrnehmung reichen daher nicht aus.14 Die Einhaltung einer Form, der Kundgabe nach außen oder die Verwendung des Wortes „Auftrag“ ist jedoch nicht erforderlich. Entscheidend ist, dass eindeutig zum Ausdruck kommt, dass der Adressat eigenverantwortlich konkrete Aufgaben erfüllen soll.15 Dabei müssen für den Beauftragten aufgrund des Auftragsinhalts Art und Umfang der ihm übertragenen Aufgaben erkennbar sein.16 Es hängt von den Umständen des Einzelfalls ab, welche Einzelheiten es für eine hinreichende Konkretisierung des Inhalts bedarf. Handelt es sich um Standardaufgaben mit leicht erkennbaren Pflichten, genügt eine allgemeinere Beauftragung als bei Aufgaben bspw. in Spezialgebieten, die eine umfangreichere Unterweisung notwendig machen.17 Liegt nach diesen Grundsätzen kein ausdrücklicher Auftrag vor, ist der Beauftragte nicht verantwortlich und eine Haftung kann 1 Fischer, StGB61, § 14 Rz. 11. 2 Begründung des RegE eines EGOWiG, BT-Drucks. V/1319, S. 65; BGH v. 12.9.2012 – 5 StR 363/12, Rz. 12 ff., BGHSt 58, 10 = NJW 2012, 3385; Perron in S/S-StGB29, § 14 Rz. 35; Radtke in MüKo-StGB2, § 14 Rz. 101. 3 Begründung des RegE eines EGOWiG, BT-Drucks. V/1319, S. 65. Vgl. auch OLG Düsseldorf v. 5.4.1982 – 5 Ss (OWi) 156/82, VRS 63 (1982), 135; Perron in S/S-StGB29, § 14 Rz. 35; Radtke in MüKo-StGB2, § 14 Rz. 101; Rogall in KKOWiG4, § 9 Rz. 88. 4 BGH v. 12.9.2012 – 5 StR 363/12, Rz. 14, BGHSt 58, 10 = NJW 2012, 3385; 3387; Böse in NK-StGB4, § 14 Rz. 44; Perron in S/S-StGB29, § 14 Rz. 35. 5 Demuth/Schneider, BB 1970, 642, 645; Perron in S/S-StGB29, § 14 Rz. 35; Radtke in MüKo-StGB2, § 14 Rz. 101, Schünemann in LK-StGB12, § 14 Rz. 62. 6 Radtke in MüKo-StGB2, § 14 Rz. 101. 7 Perron in S/S-StGB29, § 14 Rz. 35; Radtke in MüKo-StGB2, § 14 Rz. 101; Rogall in KK-OWiG4, § 9 Rz. 89; Schünemann in LK-StGB12, § 14 Rz. 62. Krit. Böse in NK-StGB4, § 14 Rz. 44. 8 OLG Hamm v. 30.10.1973 – 5 Ss OWi 1279/73, MDR 1974, 425; Böse in NK-StGB4, § 14 Rz. 44; Perron in S/S-StGB29, § 14 Rz. 35; Rogall in KK-OWiG4, § 9 Rz. 89; Schünemann in LK-StGB12, § 14 Rz. 62. 9 Bosch in S/S/W-StGB2, § 14 Rz. 15; Böse in NK-StGB4, § 14 Rz. 44; Perron in S/S-StGB29, § 14 Rz. 37; Radtke in MüKoStGB2, § 14 Rz. 99. 10 Habetha, Bankrott und strafrechtliche Organhaftung, Rz. 140 ff. 11 Dafür OLG Düsseldorf v. 3.12.1990 – 5 Ss (OWi) 370/90 - (OWi) 161/90 I, NVwZ 1991, 510; Böse in NK-StGB4, § 14 Rz. 44; Böse, NStZ 2003, 636, 641; Kuhlen in Amelung (Hrsg.), Individuelle Verantwortung, S. 71, 92; Schünemann in LK-StGB12, § 14 Rz. 63. Dagegen Bosch in S/S/W-StGB2, § 14 Rz. 17; Dahs, NStZ 1986, 97, 99; Radtke in MüKo-StGB2, § 14 Rz. 102. 12 Dafür Böse in NK-StGB4, § 14 Rz. 44; Rönnau/Schneider, ZIP 10, 53, 60 f.; dagegen Schwarz, wistra 2012, 13. 13 Bericht des Rechtsausschusses, BT-Drucks. 10/5058, 25 f.; BGH v. 12.9.2012 – 5 StR 363/12, Rz. 12 ff., BGHSt 58, 10 = NJW 2012, 3385; Perron in S/S-StGB29, § 14 Rz. 34; Radtke in MüKo-StGB2, § 14 Rz. 109. 14 OLG Düsseldorf v. 5.4.1982 – 5 Ss (OWi) 156/82, VRS 63, 135 m. Anm. Göhler; Perron in S/S-StGB29, § 14 Rz. 34; Radtke in MüKo-StGB2, § 14 Rz. 108; Rogall in KK-OWiG4, § 9 Rz. 87. 15 BGH v. 12.9.2012 – 5 StR 363/12, Rz. 13, BGHSt 58, 10 = NJW 12, 3387; Böse in NK-StGB4, § 14 Rz. 42; Perron in S/SStGB29, § 14 Rz. 34; Radtke in MüKo-StGB2, § 14 Rz. 108. 16 Perron in S/S-StGB29, § 14 Rz. 34; Radtke in MüKo-StGB2, § 14 Rz. 109; Rogall in KK-OWiG4, § 9 Rz. 87; Schünemann in LK-StGB12, § 14 Rz. 61. 17 Perron in S/S-StGB29, § 14 Rz. 34; Radtke in MüKo-StGB2, § 14 Rz. 109.

Trüg

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StGB

Handeln für einen anderen

StGB

§ 14 StGB Rz. 70

Strafgesetzbuch

auch nicht nach Absatz 3 begründet werden.1 Möglicherweise ist jedoch eine Strafbarkeit des Auftraggebers wegen Fahrlässigkeitstaten oder einer Aufsichtspflichtverletzung nach § 130 OWiG gegeben.2 4. Einschränkung durch das Kriterium der Sozialadäquanz 70

Nach teilweise – auch in der Rspr. – vertretener Auffassung wird die Vertreterhaftung nach § 14 Abs. 2 durch das Erfordernis beschränkt, dass sich die Übertragung von Verantwortung im Rahmen des Sozialadäquaten, also des in der arbeitsteiligen Wirtschaft allgemein Üblichen, bewegen muss.3 Hierdurch scheidet eine strafrechtliche Verantwortlichkeit solcher Beauftragter aus, die zur Erfüllung des ihnen übertragenen Aufgabenkreises offensichtlich ungeeignet sind. Diese Restriktion geht auf die Gesetzesbegründung des RegE eines EGOWiG zurück, wonach eine Übertragung der Verantwortung bspw. dann nicht mehr zulässig sein soll, „wenn der Inhaber einer Verkaufsstelle ein Lehrmädchen damit beauftragt, in „eigener Verantwortung“ für die Einhaltung der Ladenschlusszeiten zu sorgen, selbst wenn er ihr die Entscheidungsbefugnis einräumt, nach ihrem Ermessen den Laden zu öffnen und zu schließen.“4

71

Von Teilen der Literatur wird diese Einschränkung abgelehnt, da für sie in dieser Form kein Anhaltspunkt im Gesetz zu finden sei, das Kriterium der Sozialadäquanz wegen seiner Unbestimmtheit zu Abgrenzungsschwierigkeiten führe und in der Sache aufgrund eines ausreichenden Schutzes des ungeeigneten Beauftragten durch die allgemeinen Regeln für eine generelle Freistellung von der Verantwortung kein Anlass bestehe.5 Darüber hinaus sei entgegen der Gesetzesbegründung kein Bedürfnis dafür gegeben, einer „Auswechslung der Verantwortung“ vorzubeugen, da bei der Beauftragung eines offensichtlich Ungeeigneten eine eigene strafrechtliche Haftung des Auftraggebers unberührt bleibe.6 5. Handeln auf Grund dieses Auftrags

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Für die Nr. 1 und 2 des § 14 Abs. 2 ist weiter erforderlich, dass die jeweiligen Vertreter auf Grund dieses Auftrags handeln. Hier kann auf die entsprechenden Ausführungen zu Absatz 1 verweisen werden, der ein Handeln „als“ Vertreter voraussetzt (vgl. oben Rz. 27 ff.). Auch für Absatz 2 ist nicht entscheidend, ob der Vertreter „im Interesse“ des Betriebs gehandelt hat, vielmehr ist auf einen objektiv-funktionalen Zusammenhang abzustellen, der bei einem Handeln lediglich „bei Gelegenheit“ der Tätigkeit für den Vertretenen nicht gegeben ist, wohl aber bei einem Handeln in Erfüllung des Auftrags.

V. Beauftragte in der öffentlichen Verwaltung 73

Abs. 2 S. 3 erklärt Satz 1 für sinngemäß anwendbar, wenn der Beauftragte für eine Stelle handelt, die Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnimmt. Diese Gleichstellung soll eine angesichts oft gleicher Pflichten (z.B. als Arbeitgeber) ungerechtfertigte Privilegierung gegenüber Beauftragten in der privaten Wirtschaft verhindern.7

74

Unter Verwaltungsstellen sind nicht nur Behörden und Ämter, also die Verwaltung im engeren Sinne, zu verstehen, sondern auch nicht selbständige Teile von Behörden sowie Körperschaften und Anstalten des öffentlichen Rechts.8 Dies gilt unabhängig davon, ob die Verwaltungsstelle privat- oder öffentlich-rechtlich organisiert ist, solange sie Verwaltungsaufgaben wahrnimmt und staatlich gesteuert ist.9 Öffentliche Unternehmen (auch bspw. Eigenbetriebe) sind jedoch schon von Abs. 2 S. 1 und 2 erfasst.10

75

Die Regelung einer sinngemäßen Anwendung ist erforderlich, da es bei Verwaltungsstellen keinen Inhaber gibt, dessen Pflichten übertragen werden. An die Stelle des Betriebsinhabers tritt bei Verwaltungsstellen deren Behördenleiter bzw. sonstige nach den einschlägigen öffentlich-rechtlichen Vorschriften zur Pflichtendelegation befugte Personen.11 Ferner führt die sinngemäße Anwendung von Satz 1 dazu, dass eine strafrechtliche Vertreterhaftung

1 Radtke in MüKo-StGB2, § 14 Rz. 110. 2 Perron in S/S-StGB29, § 14 Rz. 34; Radtke in MüKo-StGB2, § 14 Rz. 110. 3 BGH v. 12.9.2012 – 5 StR 363/12, Rz. 15, BGHSt 58, 10 = NJW 2012, 3385; Fischer, StGB61, § 14 Rz. 13; Lackner in Lackner/Kühl28, § 14 StGB Rz. 4; Marxen, JZ 1988, 286, 288; Rogall in KK-OWiG4, § 9 Rz. 94. 4 Begründung des RegE eines EGOWiG, BT-Drucks. V/1319, S. 65. 5 Bosch in S/S/W-StGB2, § 14 Rz. 16; Böse in NK-StGB4, § 14 Rz. 50; Perron in S/S-StGB29, § 14 Rz. 36; Radtke in MüKoStGB2, § 14 Rz. 103; Roxin, AT II, § 27 Rz. 134; Schünemann in LK-StGB12, § 14 Rz. 64; Schünemann, Unternehmenskriminalität, S. 146 ff.; Tsambikakis/Kretschmer in AnwK-StGB2, § 14 Rz. 22. 6 Perron in S/S-StGB29, § 14 Rz. 36; Radtke in MüKo-StGB2, § 14 Rz. 103. 7 Bosch in S/S/W-StGB2, § 14 Rz. 19; Böse in NK-StGB4, § 14 Rz. 47; Perron in S/S-StGB29, § 14 Rz. 41; Radtke in MüKoStGB2, § 14 Rz. 111. 8 Begründung des RegE eines EGOWiG, BT-Drucks. V/1319, S. 65; Fischer, StGB61, § 14 Rz. 15; Perron in S/S-StGB29, § 14 Rz. 41; Radtke in MüKo-StGB2, § 14 Rz. 111. 9 Radtke in MüKo-StGB2, § 14 Rz. 111. 10 Perron in S/S-StGB29, § 14 Rz. 41; Radtke in MüKo-StGB2, § 14 Rz. 111. 11 OLG Köln v. 17.5.1988 – Ss 121/88 - 122/88, NJW 88, 2121; Fischer, StGB61, § 14 Rz. 15; Perron in S/S-StGB29, § 14 Rz. 41; Radtke in MüKo-StGB2, § 14 Rz. 112; Böse in NK-StGB4, § 14 Rz. 47.

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Rz. 82 § 14 StGB

nur innerhalb solcher Pflichtenkreise möglich ist, die denjenigen von Betriebsinhabern entsprechen.1 Dies ist bei fiskalischen Tätigkeiten der Fall sowie bei Tätigkeiten bspw. als Arbeitgeber, Eigentümer oder Teilnehmer am Rechtsverkehr, wenn sich hieraus Verpflichtungen ergeben, die denen von Betriebsinhabern gleich stehen.2 Ist die nach Satz 1 entsprechend erforderliche Auftragserteilung gem. öffentlich-rechtlichen Vorschriften unzulässig, liegt überhaupt kein Auftrag vor. Auch eine Anwendung von Absatz 3 ist hier nicht möglich.3 Die Bestrafung eines Nichtamtsträgers aufgrund eines echten Amtsdelikts ist mittels einer Anwendung von 76 Abs. 2 S. 3 nicht möglich. Dagegen sprechen die abschließende Regelung in § 11 Abs. 1 Nr. 2 StGB sowie die Bindung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit an die höchstpersönliche Amtsträgereigenschaft.4

G. Absatz 3 – Rechtsunwirksamer bzw. fehlender Bestellungsakt Nach Absatz 3 sind Absätze 1 und 2 auch dann anzuwenden, wenn die Rechtshandlung, die das Vertretungs- 77 oder Auftragsverhältnis begründen sollte, unwirksam ist. Da sich Absatz 3 lediglich auf den Bestellungsakt bezieht, müssen die übrigen Voraussetzungen der strafrechtlichen Organ- und Vertreterhaftung vollumfänglich vorliegen. Insbesondere muss der vermeintlich Vertretene als solcher tatsächlich existieren.5 Es ist zu unterscheiden zwischen einem rechtsunwirksamen (Rz. 78) und einem gänzlich fehlenden (Rz. 79) Bestellungsakt.

I. Rechtsunwirksamer Bestellungsakt Nach Absatz 3 haftet der Vertreter auch dann, wenn die beabsichtigte Rechtshandlung unwirksam ist, durch die 78 das Vertretungs- oder das Auftragsverhältnis begründet werden sollte. In diesem Fall hat zwar der Auftraggeber einen seinem Willen entsprechenden Bestellungsakt vorgenommen, dieser war jedoch – z.B. aufgrund eines Formmangels oder der Geschäftsunfähigkeit des Beauftragenden – unwirksam. Nach Absatz 3 ist diese Unwirksamkeit für die strafrechtliche Haftung des Beauftragten unbeachtlich, wenn die sonstigen Voraussetzungen von Absatz 1 und 2 erfüllt sind.6 Gegebenenfalls kann vor der Anwendung des Absatz 3 an eine Umdeutung zu denken sein, etwa wenn die Be- 79 stellung zum Geschäftsführer einer GmbH mangels Eintragung scheitert, in der unwirksamen Bestellung jedoch ein ausdrücklicher Auftrag zur eigenverantwortlichen Aufgabenwahrnehmung i.S.v. Abs. 2 Nr. 1 enthalten ist.7

II. Fehlender Bestellungsakt Neben der Fallgruppe des unwirksamen, aber intendierten Bestellungsakts ist fraglich, ob Absatz 3 auch Konstella- 80 tionen erfasst, in denen der Bestellungsakt weder beabsichtigt noch unternommen wurde, es aber der Interessenlage der Beteiligten entspricht, dass der Handelnde faktisch die Stellung eines Vertreters einnimmt. In der strafrechtlichen Praxis sind dies häufig Fälle, in denen die Bestellung des Vertreters in eine bestimmte Position aufgrund eines Berufsverbots (z.B. nach § 76 Abs. 3 AktG oder § 6 Abs. 2 GmbHG) rechtlich nicht zulässig ist und daher von den zuständigen Personen gar nicht erst vorgenommen wird. Faktisch übt der Betroffene aber die Funktion des Organwalters aus.8 1. Extensive Auslegung Die Rspr.9 und ein Teil der Literatur10 befürworten eine Erstreckung des Anwendungsbereichs von Absatz 3 81 auf Fälle, in denen es an einer Bestellung des Vertreters aus den genannten Gründen gänzlich fehlt. a) Entwicklung und Begründung der Rechtsfigur faktischer Geschäftsführung Die Entwicklung der Rspr. zur faktischen Betrachtungsweise begann schon lange vor der Einführung von § 50a 82 a.F. StGB, der Vorgängervorschrift des späteren § 14.11 Bereits das RG etablierte Grundsätze einer „faktischen Geschäftsführung“, handhabte diese durch das Erfordernis einer beabsichtigten, aber fehlgeschlagenen Bestellung im

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Perron in S/S-StGB29, § 14 Rz. 41. Bosch in S/S/W-StGB2, § 14 Rz. 19; Fischer, StGB61, § 14 Rz. 15; Perron in S/S-StGB29, § 14 Rz. 41. Radtke in MüKo-StGB2, § 14 Rz. 112. Bosch in S/S/W-StGB2, § 14 Rz. 19; Böse in NK-StGB4, § 14 Rz. 47; Fischer, StGB61, § 14 Rz. 15; Radtke in MüKo-StGB2, § 14 StGB Rz. 112. Perron in S/S-StGB29, § 14 Rz. 44; Radtke in MüKo-StGB2, § 14 Rz. 123. Böse in NK-StGB4, § 14 Rz. 48; Radtke in MüKo-StGB2, § 14 Rz. 117. Perron in S/S-StGB29, § 14 Rz. 42/43; Radtke in MüKo-StGB2, § 14 Rz. 117. Radtke in MüKo-StGB2, § 14 Rz. 118; Raum in W/J4, Rz. 317. BGH v. 24.6.1952 – 1 StR 153/52, BGHSt 3, 32; BGH v. 28.6.1966 – 1 StR 414/65, BGHSt 21, 101, 105 = NJW 1966, 2225; BGH v. 10.5.2000 – 3 StR 101/00, BGHSt 46, 62, 64 ff. = NJW 2000, 2285; BGH v. 28.5.2002 – 5 StR 16/02, BGHSt 47, 318, 324 f. = NJW 2002, 2480, 2482. Bruns, JR 1984, 133; Momsen in BeckOK-StGB25, § 14 Rz. 59; Raum in W/J4, Rz. 13; Schünemann in LK-StGB12, § 14 Rz. 70 ff., wonach i.S.d. Garantentheorie der Organbegriff i.S. tatsächlicher Herrschaftsübernahme zu verstehen ist. Vgl. dazu ausf. Habetha, Bankrott und strafrechtliche Organhaftung, Rz. 162 ff.

Trüg

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StGB

Handeln für einen anderen

StGB

§ 14 StGB Rz. 83

Strafgesetzbuch

Ergebnis jedoch restriktiv.1 Diese Einschränkung gab der BGH auf und ließ das bloße Einverständnis der Gesellschafter mit der Tätigkeit des faktischen Geschäftsführers ausreichen.2 Grund hierfür waren kriminalpolitische Bedenken dahingehend, dass der tatsächlich Handelnde straflos bleiben könne, wenn den formell bestellten Organen kein strafbares Handeln vorgeworfen werden kann.3 An dieser Rspr. hielt der BGH auch nach der Einführung von § 50a a.F.4 bzw. § 14 StGB5 fest und bezieht auch heute in ständiger Rspr. faktische Organe in den Anwendungsbereich des Absatzes 3 genauso ein6 wie bei den Vertretersondertatbeständen außerhalb von § 14.7 83

Wie der BGH begründen auch Teile des Schrifttums die Erstreckung von Absatz 3 auf Fälle, in denen eine Bestellung gänzlich fehlt, vornehmlich mit kriminalpolitischen Bedenken.8 Strafbarkeitslücken könnten sich insbesondere bei faktischem Organhandeln ergeben, wenn es für den „Vertretenen“ keine wirksam bestellten Vertretungsorgane gibt. Eine Teilnehmerstrafbarkeit könne in diesen Fällen nicht über die §§ 26, 27 begründet werden, da es an einem tauglichen Täter fehle.9 Eine Strafbarkeit des faktischen Organs als gewillkürter Vertreter nach Absatz 2 komme zwar bei außerstrafrechtlichen Inhaberpflichten als Anknüpfungspunkt des fraglichen Sonderdelikts in Betracht, nicht jedoch bei der Verletzung außerstrafrechtlicher Organpflichten.10 Auch in den „Strohmann-Fällen“ bestehe ein praktisches Bedürfnis für die Einbeziehung faktischer Organe, da eine Teilnahmestrafbarkeit des faktischen Organs an Straftaten des „Strohmannes“ ausscheide, wenn der „Strohmann“ die formal eingenommene Position tatsächlich überhaupt nicht ausübe.11 Schließlich mute angesichts der Anerkennung des faktischen Organs durch die Rspr. im Gesellschaftsrecht eine Rückkehr „ausgerechnet im Strafrecht“ zum formellen Organbegriff „geradezu atavistisch“ an12 und widerspreche dem Willen des Gesetzgebers.13 b) Voraussetzungen

84

Der BGH knüpft die Einbeziehung eines faktischen Vertreters in den Anwendungsbereich von Absatz 3 an bestimmte Voraussetzungen.

85

Der faktische Geschäftsführer einer GmbH wird danach nur dann Normadressat des § 14, wenn (1.) von ihm weitgehend sowohl betriebsintern als auch nach außen alle Dispositionen ausgehen und er im Übrigen auf sämtliche Geschäftsvorgänge bestimmenden Einfluss ausübt, wenn (2.) die Unternehmensführung mit dem als konkludente Bestellung zu wertenden Einverständnis der Gesellschafter erfolgt und wenn ihm (3.) im Verhältnis zu einem formellen Geschäftsführer die überragende Stellung zukommt oder er zumindest deutliches Übergewicht hat.14 Der genannte bestimmende Einfluss auf die Geschäftsvorgänge kann sich dabei aus der Vornahme von Tätigkeiten ergeben, die regelmäßig mit der Tätigkeit des Geschäftsführers verbunden sind.15 Teilweise werden folgende acht Kriterien genannt, von denen sechs vorliegen müssen, damit von einem bestimmenden Einfluss ausgegangen werden kann: Die Bestimmung der Unternehmenspolitik, der Unternehmensorganisation, die Einstellung von Mitarbeitern, die Gestaltung der Geschäftsbeziehung zu Vertragspartnern, die Verhandlungen mit Kreditgebern, die Bestimmung der Gehaltshöhe, die Entscheidung in Steuerangelegenheiten und die Steuerung der Buchhaltung.16 1 RG v. 14.10.1887 – 846/87, RGSt 16, 269; RG v. 29.10.1901 – 3717/01, RGSt 34, 412; RG v. 6.2.1930 – II 22/29, RGSt 64, 81; RG v. 23.5.1938 – 3 D 271/38, RGSt 72, 187. Vgl. auch Habetha, Bankrott und strafrechtliche Organhaftung, Rz. 166. 2 BGH v. 24.6.1952 – 1 StR 153/52, BGHSt 3, 32, 37 f. Vgl. später auch BGH v. 28.6.1966 – 1 StR 414/65, BGHSt 21, 101 = NJW 1966, 2225; BGH v. 22.9.1982 – 3 StR 287/82, BGHSt 31, 118 = NJW 1983, 240; BGH v. 10.5.2000 – 3 StR 101/00, Rz. 11, BGHSt 46, 62 = NJW 2000, 2285. 3 BGH v. 28.6.1966 – 1 StR 414/65, BGHSt 21, 101, 105 = NJW 1966, 2225. Vgl. dazu Habetha, Bankrott und strafrechtliche Organhaftung, Rz. 169. 4 BGH bei Herlan, GA 1971, 33, 35 f. 5 BGH bei Holtz MDR 1980, 453; BGH v. 19.4.1984 – 1 StR 736/83, wistra 1984, 178; BGH v. 18.1.1995 – 2 StR 693/94, NStZ 1995, 347; BGH v. 7.2.2002 – 1 StR 412/01, NStZ 2002, 327. Vgl. auch Habetha, Bankrott und strafrechtliche Organhaftung, Rz. 170. 6 Vgl. etwa BGH v. 28.5.2002 – 5 StR 16/02, Rz. 24, BGHSt 47, 318, 324 f. = NJW 2002, 2480, 2482. 7 Etwa BGH v. 24.6.1952 – 1 StR 153/52, BGHSt 3, 32, 37; BGH v. 28.6.1966 – 1 StR 414/65, BGHSt 21, 101, 103 = NJW 1966, 2225; BGH v. 22.9.1982 – 3 StR 287/82, BGHSt 31, 118, 122 = NJW 1983, 240; BGH v. 19.4.1984 – 1 StR 736/83, wistra 1984, 178; BGH v. 10.5.2000 – 3 StR 101/00, BGHSt 46, 62 = NJW 2000, 2285. 8 Radtke in MüKo-StGB2, § 14 Rz. 118; Schünemann in LK-StGB12, § 14 Rz. 71. 9 Radtke in MüKo-StGB2, § 14 Rz. 118. 10 Radtke in MüKo-StGB2, § 14 Rz. 118. 11 Radtke in MüKo-StGB2, § 14 Rz. 118. 12 Schünemann in LK-StGB12, § 14 Rz. 71. 13 Vgl. Schünemann in LK-StGB12, § 14 Rz. 71 mit Verweis auf die Begründung des RegE eines EGOWiG, BT-Drucks. V/1319, S. 65. Zust. Radtke in MüKo-StGB2, § 14 Rz. 123. 14 BGH v. 22.9.1982 – 3 StR 287/82, BGHSt 31, 118, 122 = NJW 1983, 240; BGH v. 10.5.2000 – 3 StR 101/00, BGHSt 46, 62 = NJW 2000, 2285; BGH v. 13.12.2012 – 5 StR 407/12 = NJW 2013, 624. Vgl. auch LG Augsburg v. 15.1.2014 – 2 Qs 1002/14, wistra 2015, 39. 15 Vgl. etwa BGH 22.9.1982 – 3 StR 287/82, BGHSt 31, 118 = NJW 1983, 240; BGH v. 23.1.2013 – 1 StR 459/12, wistra 2013, 272; BayObLG v. 20.2.1997 – 5 St RR 159/96, NJW 1997, 1936. 16 BayObLG v. 20.2.1997 – 5St RR 159/96, Rz. 18, NJW 1997, 1936; Dierlamm, NStZ 1996, 153. Vgl. auch Bosch in S/S/WStGB2, § 14 Rz. 20; Böse in NK-StGB4, § 14 Rz. 29; Radtke in MüKo-StGB2, § 14 Rz. 120; Tsambikakis/Kretschmer in AnwK-StGB2, § 14 Rz. 25.

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Trüg

Rz. 89 § 14 StGB

Losgelöst von der Konstellation des faktischen GmbH-Geschäftsführers werden die allgemeinen Voraussetzun- 86 gen für die Einbeziehung faktischer Organe in den Normbereich des § 14 dahingehend formuliert, dass es darauf ankommt, ob der faktische Vertreter den jeweiligen Aufgabenkreis tatsächlich und im Einverständnis mit dem „Vertretenen“ (also dem eigentlichen Normadressaten) eingenommen hat.1 Der BGH ließ in einzelnen Entscheidungen ausdrücklich offen, ob das Einverständnis der Gesellschafter bzw. der 87 sonst für die Bestellung zuständigen Personen für die strafrechtliche Verantwortung kraft faktischer Geschäftsführung durchgängig erforderlich ist.2 In der vom BGH regelmäßig gebrauchten Formulierung, Geschäftsführer einer GmbH sei auch, „wer, ohne förmlich dazu bestellt oder im Handelsregister eingetragen zu sein, im Einverständnis der Gesellschafter die Stellung des Geschäftsführers tatsächlich einnimmt“, wird ein solches Einverständnis jedoch vorausgesetzt.3 Damit wird zur Voraussetzung gemacht, dass sich das faktische Organ die Leitungsmacht nicht einseitig angeeignet haben darf, sondern dass diese von der zur rechtswirksamen Bestellung zuständigen Person abgeleitet sein muss.4 Dabei hat der BGH bereits die bloße Duldung der faktischen Geschäftsführertätigkeit als Einverständnis der Gesellschafter ausreichen lassen.5 2. Restriktive Auslegung Nach anderer Auffassung setzt die Anwendung von Absatz 3 einen tatsächlich beabsichtigten Bestellungsakt 88 voraus.6 Hierfür spreche der eindeutige Wortlaut von Absatz 3, wonach eine „Rechtshandlung“ erforderlich ist, „welche die Vertretungsbefugnis oder das Auftragsverhältnis begründen sollte“. Voraussetzung sei danach ein subjektives Element, welches auf die in Absatz 1, 2 vorausgesetzte rechtswirksame Begründung einer Vertretungsbefugnis gerichtet ist.7 Faktischer Vertreter könne daher nur der fehlerhaft bestellte Vertreter sein. Selbst wenn nach dem Willen des Gesetzgebers auch solche Vertreter von Absatz 3 erfasst sein sollten, die ohne rechtswirksamen Bestellungsakt für den „Vertretenen“ mit dessen Einverständnis seine Stellung tatsächlich eingenommen haben,8 finde dieser Willen im Wortlaut des Absatz 3 keinen Ausdruck. Von einem Redaktionsversehen könne daher nicht ausgegangen werden.9 Vielmehr liege bei einem solchen Verständnis des Anwendungsbereichs von Absatz 3 ein Verstoß gegen das Analogieverbot gem. Art. 103 Abs. 2 GG vor.10 Die Bestellung als z.B. „faktischer Geschäftsführer“ begründe außerdem häufig eine wirksame Beauftragung nach Absatz 2 oder es sei an eine entsprechende Umdeutung zu denken, was rechtspolitischen Bedenken gegen eine enge Auslegung des Anwendungsbereichs von Absatz 3 entgegenwirke.11 Innerhalb dieser engen Auffassung wird unterschiedlich beurteilt, welche Anforderungen an den Bestellungs- 89 akt zu stellen sind. Während teilweise eine auf die rechtswirksame Vertreterbestellung gerichtete Rechtshandlung der für die Bestellung zuständigen Person vorausgesetzt wird,12 lassen andere eine Bestellung durch schlüssiges Verhalten ausreichen.13 Überwiegend wird jedoch eine bloße Duldung der Unternehmensleitung bzw. die „einseitige Usurpation“14 von Leitungsmacht als nicht ausreichend erachtet.15 Ungeklärt ist auch, ob ein Auftreten des faktischen Organs als solches nach außen notwendig ist.16 1 Momsen in BeckOK-StGB25, § 14 Rz. 59; Radtke in MüKo-StGB2, § 14 Rz. 119. Für den shadow director einer Limited nach englischem Recht vgl. AG Stuttgart v. 18.12.2007 – 105 Ls 153 Js 47778/05, wistra 2008, 226, vgl. dazu zust. Schumann, wistra 2008, 229; krit. Bosch in S/S/W-StGB2, § 14 Rz. 21. 2 BGH v. 24.6.1952 – 1 StR 153/52, BGHSt 3, 32 ff.; BGH v. 28.6.1966 – 1 StR 414/65, BGHSt 21, 101, 104; BGH v. 22.9.1982 – 3 StR 287/82, BGHSt 31, 118, 122 = NJW 1983, 240. 3 BGH v. 28.6.1966 – 1 StR 414/65, BGHSt 21, 101, 103 f. = NJW 1966, 2225; BGH v. 22.9.1982 – 3 StR 287/82, BGHSt 31, 118, 122 = NJW 1983, 240 f. Vgl. auch Radtke in MüKo-StGB2, § 14 Rz. 121. 4 BGH v. 10.5.2000 – 3 StR 101/00, Rz. 11, BGHSt 46, 62 = NJW 2000, 2285; OLG Karlsruhe v. 7.3.2006 – 3 Ss 190/05, Rz. 13, NJW 2006, 1364; Radtke in MüKo-StGB2, § 14 Rz. 121; Rogall in KK-OWiG4, § 9 Rz. 49; Tag in NK-StGB3, § 14 Rz. 18. 5 BGH v. 28.6.1966 – 1 StR 414/65, BGHSt 21, 104 = NJW 1966, 2225. Vgl. zur Frage der Duldung auch Rogall in KKOWiG4, § 9 Rz. 49. 6 Bosch in S/S/W-StGB2, § 14 Rz. 20; Böse in NK-StGB4, § 14 Rz. 28, 48; Habetha, Bankrott und strafrechtliche Organhaftung, Rz. 154; Hellmann/Beckemper, Wirtschaftsstrafrecht4, Rz. 921; Hoyer, NStZ 1988, 369; Perron in S/S-StGB29, § 14 Rz. 42/43; Radtke in MüKo-StGB2, § 14 Rz. 123. 7 Bosch in S/S/W-StGB2, § 14 Rz. 20; Böse in NK-StGB4, § 14 Rz. 27; Habetha, Bankrott und strafrechtliche Organhaftung, Rz. 154; Hoyer, NStZ 1988, 369; Perron in S/S-StGB29, § 14 Rz. 42/43; Radtke in MüKo-StGB2, § 14 Rz. 123. 8 Vgl. Begründung des RegE eines EGOWiG, BT-Drucks. V/1319, S. 65. 9 Radtke in MüKo-StGB2, § 14 Rz. 123. So aber Schünemann in LK-StGB12, § 14 Rz. 71. 10 Böse in NK-StGB4, § 14 Rz. 48; Hellmann/Beckemper, Wirtschaftsstrafrecht4, Rz. 921. 11 Hellmann/Beckemper, Wirtschaftsstrafrecht4, Rz. 921; Perron in S/S-StGB29, § 14 Rz. 42/43 mit Verweis auf BGHSt 34, 221. 12 Habtha, Bankrott und strafrechtliche Organhaftung, Rz. 154 f. 13 Böse in NK-StGB4, § 14 Rz. 28; Rogall in KK-OWiG4, § 9 Rz. 49; Tsambikakis/Kretschmer in AnwK-StGB2, § 14 Rz. 27. 14 Böse in NK-StGB4, § 14 Rz. 28. 15 OLG Karlsruhe v. 7.3.2006 – 3 Ss 190/05, Rz. 13, NJW 2006, 1364; Böse in NK-StGB4, § 14 StGB Rz. 28; Radtke in MüKo-StGB2, § 14 Rz. 121; Rogall in KK-OWiG4, § 9 Rz. 49. Vgl. dazu auch Habetha, Bankrott und strafrechtliche Organhaftung, Rz. 153. 16 Dafür Bosch in S/S/W-StGB2, § 14 Rz. 20; Dierlamm, NStZ 1996, 153, 156 f.; Rogall in KK-OWiG4, § 9 Rz. 49; Tsambikakis/Kretschmer in AnwK-StGB2, § 14 Rz. 27; dagegen Schünemann in LK-StGB12, § 14 Rz. 73 m.w.N.

Trüg

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StGB

Handeln für einen anderen

StGB

§ 14 StGB Rz. 90 90

Strafgesetzbuch

Auch wenn der kriminalpolitische Ausgangspunkt der Rspr. auf den ersten Blick nachvollziehbar ist, lässt der Wortlaut des Absatzes 3 nur die hier dargestellte restriktive Auslegung zu und verstößt die extensive Sichtweise gegen Art. 103 Abs. 2 GG. Zu überlegen bleibt aber, ob tatsächlich eine (nennenswerte) Strafbarkeitslücke besteht. Denn zu sehen ist, dass gerade faktische Geschäftsführer dann zum Adressaten des § 14 werden, wenn die Voraussetzungen der wirksamen Beauftragung nach Absatz 2 gegeben sind, wenn also der „faktische Geschäftsführer“ durch die Gesellschafter oder durch einen formalen (häufig: Stroh-)Geschäftsführer mit der (Teil-)Leitung beauftragt wird (Abs. 2 Nr. 1).1

H. Subjektive Voraussetzungen 91

Für die Bestrafung aus einem Vorsatzdelikt muss der Vertreter oder Beauftragte Kenntnis bezüglich derjenigen tatsächlichen Umstände haben, aus denen sich die Vertreter- oder Beauftragtenstellung ergibt.2

92

Ein Irrtum über diese Umstände ist ein Tatbestandsirrtum gem. § 16 StGB.3 Wer somit über die Fortdauer der Pflichtenstellung als Geschäftsführer irrt, handelt nicht vorsätzlich.4 Sind dem Täter die Umstände hingegen bekannt und irrt er lediglich über die Geltung des fraglichen Ver- oder Gebots für ihn, liegt ein Verbotsirrtum vor.5

93

Die strafrechtliche Verantwortlichkeit wegen eines Fahrlässigkeitsdelikts setzt voraus, dass der Täter die Umstände nicht erkannt hat, aus denen sich seine Täterqualifikation ergibt.6

I. Rechtsfolgen I. Strafbarkeit des Vertreters 94

Die Anwendung von § 14 führt dazu, dass der Vertreter bzw. Beauftragte zum Normadressaten wird und sich einer strafrechtlichen Verantwortlichkeit aus dem jeweiligen Sonderdelikt ausgesetzt sieht. Der handelnde Vertreter oder Beauftragte wird so behandelt, als ob die in dem entsprechenden Sondertatbestsand vorausgesetzten besonderen persönlichen Merkmale bei ihm selbst gegeben wären.

II. Strafbarkeit des Vertretenen 95

Die Strafbarkeit des Vertreters führt trotz Pflichtendelegation durch den primären Normadressaten nicht zu einem Ausschluss der strafrechtlichen Verantwortlichkeit des Vertretenen. Dies ergibt sich aus der ausdrücklichen Bestimmung in Absatz 1, 2, wonach der Straftatbestand „auch“ auf den Vertreter oder Beauftragten anwendbar ist.7 Der Vertretene kann sich daher als primärer Normadressat bei Vorliegen aller Strafbarkeitsvoraussetzungen selbst aus dem Sonderdelikt strafbar machen, wobei es bei juristischen Personen jedoch schon an deren Handlungs- und Schuldfähigkeit fehlt.8 Unterschiedlich beurteilt wird, ob der Vertretene als primärer Normadressat bei Verwirklichung des Sonderdelikts durch aktives Tun stets Täter ist, oder ob eine Teilnehmerstrafbarkeit am Begehungsdelikt des Vertreters in Betracht kommt.9

96

Ist dem Vertretenen die Straftat des Vertreters oder Beauftragten bekannt und verhindert er diese nicht, obwohl es ihm möglich wäre, ist er aus unechtem Unterlassen verantwortlich.10

97

Eine Haftung des Vertretenen wegen Fahrlässigkeit kommt nur dann in Betracht, wenn sich ihm aufgrund konkreter Anhaltspunkte die Notwendigkeit seines Eingreifens aufdrängen musste, oder wenn ihm bezüglich der konkreten Tat eine Pflichtwidrigkeit bei der Auswahl und Beaufsichtigung des Vertreters vorzuwerfen ist.11 Bei Verletzung der Aufsichtspflicht ist auch an die Tatbestände der §§ 30, 130 OWiG zu denken.12

1 Vgl. dazu BGH v. 6.11.1986 – 1 StR 327/86, BGHSt 34, 221, 222 f.: Anwendbarkeit von § 14 Abs. 1 Nr. 2 auf den faktischen Geschäftsführer und Kommanditisten einer KG; Perron in S/S-StGB29, § 14 Rz. 42/43. 2 Perron in S/S-StGB29, § 14 Rz. 45; Radtke in MüKo-StGB2, § 14 Rz. 125; Tag in NK-StGB3, § 14 Rz. 19. 3 Bosch in S/S/W-StGB2, § 14 Rz. 22; Perron in S/S-StGB29, § 14 Rz. 45; Radtke in MüKo-StGB2, § 14 Rz. 125; Schünemann in LK-StGB12, § 14 Rz. 78. 4 BGH v. 30.7.2003 – 5 StR 221/03, Rz. 22, BGHSt 48, 307 = NJW 2003, 3787, 3790. 5 Bosch in S/S/W-StGB2, § 14 Rz. 22; Fischer, StGB61, § 14 Rz. 19; Perron in S/S-StGB29, § 14 Rz. 45; Radtke in MüKoStGB2, § 14 Rz. 125; Schünemann in LK-StGB12, § 14 Rz. 78. 6 Fischer, StGB61, § 14 Rz. 19. 7 Böse in NK-StGB4, § 14 Rz. 51; Fischer, StGB61, § 14 Rz. 16; Hellmann/Beckemper, Wirtschaftsstrafrecht4, Rz. 926; Perron in S/S-StGB29, § 14 Rz. 7; Radtke in MüKo-StGB2, § 14 Rz. 127; Rogall in KK-OWiG4, § 9 Rz. 98. 8 Vgl. dazu oben Rz. 1 sowie Radtke in MüKo-StGB2, § 14 Rz. 127. 9 Für Täterschaft Radtke in MüKo-StGB2, § 14 Rz. 127; für Teilnahmestrafbarkeit Rogall in KK-OWiG4, § 9 Rz. 98. 10 Radtke in MüKo-StGB2, § 14 Rz. 127. 11 OLG Celle v. 14.11.1968 – 1 Ss 370/68, NJW 1969, 759, 760; OLG Köln v. 20.5.1994 – Ss 193/94 (B), wistra 1994, 315; Böse in NK-StGB4, § 14 Rz. 51; Perron in S/S-StGB29, § 14 Rz. 7; Rogall in KK-OWiG4, § 9 Rz. 98. 12 Böse in NK-StGB4, § 14 Rz. 51; Perron in S/S-StGB29, § 14 Rz. 7.

102

Trüg

§ 15 StGB

III. Strafe Bei Verhängung einer Geldstrafe bestimmt sich die Höhe des Tagessatzes nicht nach den Vermögensverhältnis- 98 sen des Vertretenen, sondern nach den Verhältnissen des Vertreters. Dies gilt auch dann, wenn das deliktische Verhalten des Vertreters zu einem Gewinn bei dem Vertretenen geführt hat.1 Eine Kompensation ist hier lediglich aufgrund der §§ 73 ff. bzw. § 30 OWiG möglich.2 Zur Vermeidung einer doppelten Ahndung ist bei der Strafzumessung an eine entsprechende Berücksichti- 99 gung zu denken, wenn der Täter zugleich Gesellschafter oder Mitglied einer juristischen Person bzw. Personenvereinigung ist, gegen die aufgrund derselben Tat eine Geldbuße nach § 30 OWiG verhängt wird.3

§ 15 Vorsätzliches und fahrlässiges Handeln Strafbar ist nur vorsätzliches Handeln, wenn nicht das Gesetz fahrlässiges Handeln ausdrücklich mit Strafe bedroht. A. B. I. II.

Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vorsatz Grundsätzliches zum Vorsatzerfordernis . . . . . . . . Verschiedene Formen des Vorsatzes . . . . . . . . . . . 1. Absicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Wissentlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Eventualvorsatz a) Grundsätzliches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Wissenschaftlicher Grundlagenstreit aa) Stand und Relevanz einer alten Debatte . bb) Unzulänglichkeiten des voluntativen Vorsatzelements? . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Besonderheiten bei der Feststellung des voluntativen Elements im Wirtschaftsstrafrecht aa) Schluss vom Wissen auf das Wollen . . . . bb) Trennungsgebot hinsichtlich aller (objektiven) Tatbestandsmerkmale . . . .

1 7 9 10 11 12 15 16

17

III. Druckpotential eines normativen Vorsatzverständnisses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Zur Dogmatik der Vorsatzfeststellung 1. Grundsätzliches . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Unzulässige Vorsatzvermutungen. . . . . C. Fahrlässigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Formen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Merkmale des Tatbestands a) Sorgfaltswidrigkeit . . . . . . . . . . . . . b) Vorhersehbarkeit . . . . . . . . . . . . . . c) Erfolgszurechnung . . . . . . . . . . . . . 2. Fahrlässigkeitsschuld. . . . . . . . . . . . . . III. Notwendige Einschränkungen/Normativismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Literatur: Beck, Fahrlässiger Umgang mit der Fahrlässigkeit, JA 2009, 111 (Teil 1) und 268 (Teil 2); Börchers, Schuldprinzip und Fahrlässigkeit, 2009; Brammsen, Inhalt und Elemente des Individualvorsatzes, JZ 1989, 71; Bung, Wissen und Wollen im Strafrecht, 2009; Canestrari, Die Struktur des dolus eventualis, GA 2004, 210; Dannecker, Fahrlässigkeit in formalen Organisationen, in: Amelung (Hrsg.), Individuelle Verantwortung und Beteiligungsverhältnisse bei Straftaten in bürokratischen Organisationen des Staates, der Wirtschaft und der Gesellschaft, Sinzheim 2000, 209; Dehne-Niemann, Sorgfaltswidrigkeit und Risikoerhöhung, GA 2012, 89; Dinter, Der Pflichtwidrigkeitsvorsatz der Untreue, 2012; Duttge, Zur Bestimmung des Handlungsunwerts von Fahrlässigkeitsdelikten, 2001; Duttge, Fahrlässigkeit und Bestimmtheitsgebot, FS Kohlmann, 2003, 13; Duttge, Rechtsprechungsübersicht zur (strafrechtlichen) Fahrlässigkeit – Kontinuität und Wandel seit der Jahrtausendwende, NStZ 2006, 266; Duttge, Arbeitsteiliges Zusammenwirken und Fahrlässigkeitsstrafbarkeit, HRRS 2009, 145; Duttge, Arbeitsteilige Medizin zwischen Vertrauen und strafbarer Fahrlässigkeit, ZIS 2011, 349; Eidam, Zum Ausschluss strafrechtlicher (Fahrlässigkeits-)Verantwortung anhand des Vertrauensgrundsatzes, JA 2011, 912; Engisch, Untersuchungen über Vorsatz und Fahrlässigkeit im Strafrecht, 1930 (Neudruck 1964); Exner, Das Wesen der Fahrlässigkeit, 1910; Fahl, Zur Notwendigkeit des Wiedererlernens der Akzeptanz von Unglück in der Welt, JA 2012, 808; Fellenberg, Zeitliche Grenzen der Fahrlässigkeitshaftung, 2000; Freund, Die Definitionen von Vorsatz und Fahrlässigkeit, FS Küper, 2007, 63; Frisch, Vorsatz und Risiko, 1993; Frisch, Gegenwartsprobleme des Vorsatzbegriffs und der Vorsatzfeststellung, GS K. Meyer, 1990, 533; Gaede, Auf dem Weg zum potentiellen Vorsatz, ZStW 121 (2009), 239; Gropp, Die fahrlässige Verwirklichung des Tatbestandes einer strafbaren Handlung – miteinander und nebeneinander, GA 2009, 265; Hantschel, Untreuevorsatz, 2010; Hassemer, Kennzeichen des Vorsatzes, GS Arm. Kaufmann, 1989, 289; Herzberg, Die Abgrenzung von Vorsatz und bewusster Fahrlässigkeit – ein Problem des objektiven Tatbestandes, JuS 1986, 249; Herzberg, Der Vorsatz als „Schuldform“, als „aliud“ zur Fahrlässigkeit und als „Wissen und Wollen“, FG BGH Band 4, 2000, 51; Herzberg, Grundprobleme der deliktischen Fahrlässigkeit im Spiegel des Münchner Kommentars zum Strafgesetzbuch, NStZ 2004, 593; Herzberg, Vorsatz und erlaubtes Risiko, JR 1986, 6; Höll/ Hinghaus, Vorsatz und Leichtfertigkeit bei Indizienbeweis, PStR 2010, 223; Jähnke, Grundlagen der strafrechtlichen Haftung für fahrlässiges Verhalten, GS Schlüchter, 2002, 99; Jakobs, Die subjektive Tatseite von Erfolgsdelikten bei Risikogewöhnung, FS Bruns, 1978, 31; Jakobs, Über die Behandlung von Wollensfehlern und von Wissensfehlern, ZStW 101 (1989), 516; Jakobs, Gleichgültigkeit als dolus indirectus, ZStW 114 (2002), 584; Jakobs, Dolus malus, FS Rudolphi, 2004, 107; Jakobs, Altes und Neues zum strafrechtlichen Vorsatzbegriff, Rechtswissenschaft 2010, 283; Kargl, Der strafrechtliche Vorsatz auf der Basis der kognitiven Handlungstheorie, 1993; Kaspar, Grundprobleme der Fahrlässigkeitsdelikte, JuS 2012, 16 (Teil 1) und 112 (Teil 2); Kindhäuser, Der Vorsatz als Zurechnungskriterium, ZStW 96 (1984), 1; Kindhäuser, Erlaubtes Risiko und Sorgfalts1 Perron in S/S-StGB29, § 14 Rz. 47 mit Verweis auf Braunschweig GA 69, 389 zu § 13 a.F. OWiG. 2 Perron in S/S-StGB29, § 14 Rz. 47. 3 Perron in S/S-StGB29, § 14 Rz. 47.

Eidam

103

StGB

Vorsätzliches und fahrlässiges Handeln

StGB

§ 15 StGB Rz. 1

Strafgesetzbuch

widrigkeit, GA 1994, 197; Koch, Zur Strafbarkeit unbewusster Fahrlässigkeit, ZIS 2010, 175; Koriath, Fahrlässigkeit und Schuld, FS Jung, 2007, 397; Kudlich, Die Verletzung gesetzlicher Sondernormen und ihre Bedeutung für die Bestimmung der Sorgfaltspflichtverletzung, FS Otto, 2007, 373; Mansdörfer, Zur Theorie des Wirtschaftsstrafrechts, 2011; Mitsch, Fahrlässigkeit und Straftatsystem, JuS 2001, 105; Prittwitz, Risikovorsatz und Vorsatzgefahr, FS Puppe, 2011, 819; Puppe, Der Vorstellungsinhalt des dolus eventualis, ZStW 103 (1991), 1; Puppe, Vorsatz und Zurechnung, 1992; Puppe, Begriffskonzeptionen des dolus eventualis, GA 2006, 65; Ransiek/Hüls, Zum Eventualvorsatz bei der Steuerhinterziehung, NStZ 2011, 678; Rönnau, Grundwissen – Strafrecht: Vorsatz, JuS 2010, 675; Rönnau/Becker, Vorsatzvermeidung durch Unternehmensleiter bei betriebsbezogenen Straftaten, NStZ 2016, 569; Ross, Über den Vorsatz, 1979; Roxin, Pflichtwidrigkeit und Erfolg bei fahrlässigen Delikten, ZStW 74 (1962), 411; Roxin, Zur Abgrenzung vom bedingten Vorsatz und bewusster Fahrlässigkeit – BGHSt 7, 363 –, JuS 1964, 53; Roxin, Zur Normativierung des dolus eventualis und zur Lehre von der Vorsatzgefahr, FS Rudolphi, 2004, 243; Safferling, Vorsatz und Schuld, 2008; Samson, Absicht und direkter Vorsatz im Strafrecht, JA 1989, 449; Satzger, Vorsatz – einmal näher betrachtet, JURA 2008, 112; Schemmel/Kirch-Heim, „Willful Blindness“ im Wirtschaftsstrafrecht – Kann gewollte Unwissenheit vor Strafe schützen?, CCZ 2008, 96; Schmidhäuser, Zum Begriff der bewussten Fahrlässigkeit, GA 1957, 305; Schmidhäuser, Die Grenze zwischen vorsätzlicher und fahrlässiger Straftat, JuS 1980, 241; Schmidhäuser, Strafrechtlicher Vorsatzbegriff und Alltagssprachgebrauch, FS Oehler, 1985, 135; Schroth, Vorsatz und Irrtum, 1998; Schünemann, Unzulänglichkeiten des Fahrlässigkeitsdelikts in der modernen Industriegesellschaft, GS Meurer, 2002, 37; Schünemann, Vom philologischen zum typologischen Vorsatzbegriff, FS Hirsch, 1999, 363; Spilgies, Über die Aporie der Strafbegründung bei unbewusster Fahrlässigkeit in einem auf Willensfreiheit gegründeten Schuldstrafrecht, ZIS 2010, 490; Sternberg-Lieben/ Sternberg-Lieben, Vorsatz im Strafrecht, JuS 2012, 884 (Teil 1) und 976 (Teil 2); Stratenwerth, Dolus eventualis und bewusste Fahrlässigkeit, ZStW 71 (1959), 51; Stübinger, Zurechnungsprobleme beim Zusammenwirken mehrerer fahrlässiger Taten. Am Beispiel der Entscheidung des BGH zum Einsturz der Eissporthalle Bad Reichenhall, ZIS 2011, 602; v. Bar, Dolus eventualis?, ZStW 18 (1898), 534; v. Hippel, Die Grenze zwischen Vorsatz und Fahrlässigkeit, 1903; Vogel, Normativierung und Objektivierung des Vorsatzes?, GA 2006, 386; Weigend, Zum Verhaltensunrecht der fahrlässigen Straftat, FS Gössel, 2002, 129; Weigend, Zwischen Vorsatz und Fahrlässigkeit, ZStW 93 (1981), 657; Witzigmann, Mögliche Funktionen und Bedeutungen des Absichtsbegriffs im Strafrecht, JA 2012, 488.

A. Allgemeines 1

§ 15 normiert als Vorschrift des Allgemeinen Teils ein „vor die Klammer gezogenes“1 (allgemeines) Vorsatzerfordernis nicht nur für sämtliche Strafbestimmungen des Besonderen Teils des StGB, sondern auch für das Nebenstrafrecht (vgl. Art. 1 EGStGB), sofern dort keine eigenen Regelungen für den subjektiven Tatbestand getroffen werden2 (vgl. für das Steuerstrafrecht § 369 Abs. 2 AO3). Die Vorschrift hat insofern technische Bedeutung, als sie es dem Gesetzgeber ermöglicht, die Strafbarkeit in den jeweiligen Deliktsbeschreibungen auf vorsätzliches Handeln zu beschränken, ohne auf das Vorsatzerfordernis gesondert hinweisen zu müssen.4 Das hat zugleich eine Entlastung der jeweiligen Tatbestandsumschreibungen zur Folge.5 Für den Bereich des Ordnungswidrigkeitenrechts stimmt § 10 OWiG weitestgehend mit § 15 StGB überein.

2

Fahrlässiges Verhalten soll demgegenüber nur mit Strafe bedroht sein, wenn es sich explizit aus der jeweiligen Vorschrift ergibt. Damit kommt der strafrechtsbegrenzende6 Grundsatz zum Ausdruck, dass eine Fahrlässigkeitshaftung im Sanktionsrecht eine zu begründende Ausnahme bleiben soll.7 Dessen ungeachtet enthält das kontemporäre (moderne8) Strafrecht gleichwohl eine sektoral zu beobachtende große Dichte an Fahrlässigkeitstatbeständen.9 Sichtbar wird dies unter anderem im Wirtschaftsstrafrecht. Beispielhaft kann auf das Insolvenzstrafrecht (§§ 283 Abs. 5, 283b Abs. 2), den Subventionsbetrug (§ 264 Abs. 4)10 oder § 401 Abs. 2 AktG, § 34 Abs. 7 AWG, § 148 Abs. 2 GenG, § 84 Abs. 2 GmbHG, § 331 Nr. 1a, 3 („leichtfertig“) HGB, §§ 54 Abs. 2, 55 Abs. 2 KWG, § 38 Abs. 4 WphG11 verwiesen werden. Besonders augenfällig schlägt sich die vorbenannte Tendenz im Umweltstrafrecht nieder, das mittlerweile von einer nahezu durchgängigen Anordnung von Fahrlässigkeitsstrafbarkeiten gekennzeichnet ist.12 Dies dürften deutliche Anzeichen dafür sein, dass der Ausnahmecharakter der Fahrlässigkeit keinem „Ewigkeitsanspruch“13 unterliegt und gerade im Gegenstandsbereich „Wirtschaft“ de lege ferenda weitere Fahrlässigkeitskriminalisierungen zu erwarten sind.14

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Kudlich in BeckOK-StGB, § 15 Rz. 1. Allgeyer in G/J/W, § 15 StGB Rz. 1. Ebenso Duttge in HK-GS3, § 15 StGB Rz. 1. Ransiek/Hüls, NStZ 2011, 678. Kühl in Lackner/Kühl, StGB28, § 15 Rz. 1. Gaede in M/R-StGB, § 15 Rz. 1; Fischer, StGB63, § 15 Rz. 1; Momsen in S/S/W-StGB2, § 15, 16 Rz. 5 (spricht von semantischer Entlastung). Duttge in MüKo-StGB2, § 15 Rz. 31. Sternberg-Lieben/Schuster in S/S-StGB29, § 15 Rz. 1; Vogel in LK-StGB12, § 15 Rz. 5; Jescheck/Weigend, AT5, § 29 I 1; Gaede, ZStW 121 (2009), 277. Vgl. auch Prittwitz in FS Puppe, 2011, S. 828. Vgl. Hassemer, ZRP 192, 378 und passim. Hierzu etwa Prittwitz in FS Puppe, 2011, S. 828 (am Beispiel des Achtundzwanzigsten Abschnitts des StGB: „Gemeingefährliche Straftaten“). Zum sprunghaften Anstieg der praktischen Bedeutung von Fahrlässigkeitsdelikten vgl. überdies Roxin, AT I4, § 24 Rz. 1. Niemeyer in M-G6, § 17 Rz. 37. Duttge in MüKo-StGB2, § 15 Rz. 15. Saliger, Umweltstrafrecht, Rz. 59 und 251. Vgl. auch Gaede, ZStW 121 (2009), 277 Fn. 188. Prittwitz in FS Puppe, 2011, S. 828. Etwas verhaltener demgegenüber Prittwitz in FS Puppe, 2011, S. 828.

104

Eidam

Rz. 5 § 15 StGB

Fahrlässigkeit wird nach zutreffendem Verständnis (und trotz struktureller Gemeinsamkeiten1) als aliud zum 3 Vorsatz verstanden,2 was jedoch nicht daran hindert, zwischen beiden ein normatives Stufenverhältnis anzunehmen.3 Unstreitig dürfte zudem sein, dass ein und dieselbe Rechtsverletzung nicht zugleich vorsätzlich und fahrlässig geschehen kann.4 Daneben schließt der bloße (nicht beweisbare) Verdacht vorsätzlichen Handelns trotz der Annahme von Exklusivität (aliud) zwischen Vorsatz und Fahrlässigkeit die (in der Sache eigenständige) Begründung von fahrlässigem Handeln nicht aus.5 Aufgrund der strukturellen Vorgaben des § 15 ist es (mittlerweile6) ausgeschlossen, eine Strafvorschrift, die die 4 Fahrlässigkeit nicht erwähnt, anhand von teleologischen Überlegungen auch auf den Bereich der Fahrlässigkeit zu erstrecken.7 Wichtig ist dies nach zutreffender Beobachtung insbesondere für das Nebenstrafrecht8 (und dürfte gleichermaßen für das Wirtschaftsstrafrecht gelten). Hier ist der Wertunterschied zwischen Vorsatz- und Fahrlässigkeitsvorwurf oftmals geringer als im Kernstrafrecht, so dass die Versuchung einer teleologisch begründeten Ausdehnung eines Tatbestandes auf die nicht ausdrücklich genannte Fahrlässigkeit prinzipiell näher als im Kernstrafrecht liegt.9 Eine zu weite und entgrenzende Auslegung des Vorsatzerfordernisses – etwa beim Tatbestand der Untreue – könnte unterdessen auf denselben Effekt hinauslaufen.10 Stimmen in der Literatur warnen daher mit einiger Berechtigung vor einer beschränkten Strafbarkeit der (von Gesetzes wegen straflosen11) fahrlässigen Untreue aufgrund einer Potentialisierung12 des Vorsatzerfordernisses (dazu im Detail unten Rz. 19). Was unter Vorsatz und Fahrlässigkeit zu verstehen ist, sagt das Gesetz nicht,13 was prinzipielle Spannungen mit 5 Art. 103 Abs. 2 GG bedingt.14 Immerhin treffen die §§ 16 und 17 aber für den Bereich des Vorsatzes bedeutsame Teilaussagen.15 I.Ü. bleibt die Klärung der entsprechenden Fragen Wissenschaft und Rspr. überlassen.16 Besonderer Konkretisierungsbedarf besteht insoweit für den Bereich der Fahrlässigkeit.17 Letzterer Aspekt ist in der modernen Risikogesellschaft18 vornehmlich in den Bereichen des Wirtschafts- und Umweltstrafrechts mit den dort anzutreffenden bereichsspezifischen Verhaltensanforderungen19 von besonderer Relevanz. Hier gilt für eine Fahrlässigkeits- und Zurechnungsdogmatik umso mehr das Erfordernis, konkrete Haftungsmaßstäbe einzukreisen bzw. zu benennen sowie Verantwortungsbereiche voneinander abzugrenzen.20 In engem Zusam1 Hierzu Kühl in Lackner/Kühl, StGB28, § 15 Rz. 56. 2 BGH v. 22.9.1953 – 5 StR 331/53, BGHSt 4, 340, 344; Sternberg-Lieben/Schuster in S/S-StGB29, § 15 Rz. 3; Duttge in MüKo-StGB2, § 15 Rz. 104; Gaede in M/R-StGB, § 15 Rz. 61; Mitsch, JuS 2001, 112; Jescheck/Weigend, AT5, § 54 I 2; Engisch, Untersuchungen über Vorsatz und Fahrlässigkeit, S. 54 ff., insbesondere S. 59 („kontradiktorisch entgegengesetzt“). A.A. RG v. 2.7.1908 – I 489/08, RGSt 41, 389, 391; Herzberg, FG BGH Band 4, S. 58 ff.; Freund in FS Küper, 2007, S. 80 („gestuftes [Plus-Minus-]Verhältnis“); Puppe in NK-StGB4, § 15 Rz. 5 (Vorsatz als Spezialfall der Fahrlässigkeit). 3 Roxin, AT I4, § 24 Rz. 79. Vgl. hierzu auch Engisch, Untersuchungen über Vorsatz und Fahrlässigkeit, S. 57 f.; Puppe in NK-StGB4, § 15 Rz. 5; Prittwitz in FS Puppe, 2011, S. 828 sowie Hassemer in GS Arm. Kaufmann, 1989, S. 296 („Vorsatz ist im Verhältnis zur Fahrlässigkeit eine höhere Stufe innerer Beteiligung“). 4 BGH v. 10.2.2011 – 4 StR 576/10, StV 2011, 543; Fischer, StGB63, § 15 Rz. 2; Herzberg, FG BGH Band 4, S. 59. 5 Sternberg-Lieben/Schuster in S/S-StGB29, § 15 Rz. 4; Kühl in Lackner/Kühl, StGB28, § 15 Rz. 56. 6 Anders noch BGH v. 14.5.1954 – 2 StR 29/54, BGHSt 6, 131; BGH v. 2.8.1960 – 1 StR 229/60, BGHSt 15, 103 aufgrund der bis ins Jahr 1975 Geltung beanspruchenden (unklaren) Rechtslage. Vgl. zur alten Rechtslage auch Vogel in LKStGB12, § 15 Rz. 1. 7 Puppe in NK-StGB4, § 15 Rz. 11; Gaede in M/R-StGB, § 15 Rz. 1; Duttge in HK-GS3, § 15 StGB Rz. 1; Vogelin LKStGB12, § 15 Rz. 2. 8 Puppe in NK-StGB4, § 15 Rz. 11. 9 Puppe in NK-StGB4, § 15 Rz. 11. 10 Ein „gefährliches Abschleifen“ der Unterscheidung von Vorsatz und Fahrlässigkeit im Wirtschaftsstrafrecht konstatiert Canestrari, GA 2004, 211. 11 Zu den gesetzgeberischen Gründen hierfür vgl. Beck, JA 2009, 111. 12 Ausf.: Gaede, ZStW 121 (2009), 276 und passim. 13 Allgeyer in G/J/W, § 15 StGB Rz. 4. Zu den gesetzgeberischen Motiven BT-Drucks. V/4095, S. 8 und (zusammenfassend) Sternberg-Lieben/Schuster in S/S-StGB29, § 15 Rz. 6. Vgl. diesbezüglich auch Puppe in NK-StGB4, § 15 Rz. 13: „Diese Zurückhaltung ist dem Gesetzgeber zu danken.“ Für einen Vergleich mit den Regelungen in Österreich und der Schweiz vgl. Satzger, JURA 2008, 112. 14 Vgl. zu Bestimmtheitsproblemen des Vorsatzerfordernisses etwa Kudlich in BeckOK-StGB, § 15 Rz. 2.1 oder SternbergLieben/Sternberg-Lieben, JuS 2012, 884. Zu Bestimmtheitsproblemen beim Fahrlässigkeitserfordernis vgl. nur Duttge in FS Kohlmann, 2003, 13 ff.; Duttge in MüKo-StGB2, § 15 Rz. 33 ff. (krit. gegenüber Duttge aber Herzberg, NStZ 2004, 593 ff.). 15 Gaede in M/R-StGB, § 15 Rz. 2; Vogel in LK-StGB12, § 15 Rz. 73; Kindhäuser in LPK6, § 15 Rz. 10; Kudlich in BeckOKStGB, § 15 Rz. 1 sowie 2.2.; Satzger, JURA 2008, 112. Vgl. zudem Kindhäuser, ZStW 96 (1984), 1 oder auch Jakobs, Rechtswissenschaft 2010, 284 („Was das Wissen angeht, so spricht das Gesetz von Kenntnis [§ 16 Abs. 1 Satz 1 StGB] oder Einsicht [§ 17 Satz 1 StGB]“). 16 Fischer, StGB63, § 15 Rz. 1; Kudlich in BeckOK-StGB, § 15 Rz. 2.1; Rönnau, JuS 2010, 676; Satzger, JURA 2008, 112 f. 17 Gaede in M/R-StGB, § 15 Rz. 2. 18 Beck, Risikogesellschaft, 1986, passim. Vgl. auch Duttge in MüKo-StGB2, § 15 Rz. 1. 19 Momsen in S/S/W-StGB2, § 15, 16 Rz. 2. 20 Momsen in S/S/W-StGB2, § 15, 16 Rz. 3.

Eidam

105

StGB

Vorsätzliches und fahrlässiges Handeln

StGB

§ 15 StGB Rz. 6

Strafgesetzbuch

menhang mit der Abgrenzung von Verantwortungsbereichen steht bei komplexen Sachverhaltskonstellationen immer auch eine mitunter schwierige konkret-individuelle Pflichtenzuordnung.1 6

Trotz der Verwendung des Ausdrucks „Handeln“ im Normtext des § 15 ist allgemein anerkannt, dass sich die Vorschrift sowohl auf Begehungs- als auch auf Unterlassungsdelikte bezieht.2

B. Vorsatz I. Grundsätzliches zum Vorsatzerfordernis 7

Vorsatz prägt nach heute h.M. bereits das Unrecht der Tat und gehört zum Tatbestand.3 Die alte,4 vielerorts aber auch heute noch vorzufindende Umschreibung des Vorsatzes als Schuldform5 ist deshalb (trotz unbestreitbarer Verbindungslinien zur Ebene der Schuld6) untechnisch zu verstehen. Als Element des subjektiven Tatbestandes umschreibt der Begriff des Vorsatzes eine bestimmte (und aktuelle) psychologische Vorstellung des Täters, die eine positive Kenntnis der Tatumstände voraussetzt (§ 16) und im Mindestmaß als sachgedankliches Mitbewusstsein nachzuweisen ist.7 Üblicherweise – und auch schon seit geraumer Zeit8 – wird das Vorsatzerfordernis mit der Kurzformel des Wissens und Wollens der Tatbestandsverwirklichung umschrieben.9 Vorsatz setzt dementsprechend ein intellektuell-kognitives und ein voluntatives Element voraus.10 Aufgrund eines solchen Verständnisses wird zwar zutreffend der Kernbereich vorsätzlichen Handelns11 beschrieben. Gleichwohl verdunkelt die Formel vom Wissen und Wollen aber, dass sich hinter einem scheinbar einheitlichen Vorsatzbegriff unterschiedliche Bewusstseinsformen verbergen (näher unten unter II, Rz. 9 ff.).12 Während sich das kognitive Element (eher unstreitig) aus § 16 ergibt,13 wird das voluntative Element oftmals kritisiert und in seinem Bestand angezweifelt (unten unter Rz. 16).14

8

Vorsatz muss zum Zeitpunkt bzw. bei Begehung der Tat (vgl. § 16 Abs. 1) und somit dem Verständnis des § 8 folgend bei Begehung der Tathandlung vorliegen (sog. Simultanitäts- bzw. Koinzidenzprinzip).15 Ein zuvor (und zum Zeitpunkt der Tat wieder aufgegebener) Vorsatz (sog. dolus antecedenz) ist daher ebenso unzureichend wie ein nachträglich (nach der Tat) gefasster Vorsatz (sog. dolus subsequenz).16 Bezugspunkte des Vorsatzes sind grundsätzlich alle Merkmale des objektiven Tatbestandes,17 was auch ungeschriebene Tatbestandsmerkmale (wie z.B. die Vermögensverfügung bei § 263 Abs. 1, die Leistungsfähigkeit bei § 170, aber

1 Vgl. Dannecker in Amelung (Hrsg.), Individuelle Verantwortung, S. 211. 2 Rudolphi/Stein in SK-StGB8, § 15 Rz. 3. 3 Satzger, JURA 2008, 119; Fischer, StGB63, § 15 Rz. 2. Instruktiv zur Frage, inwieweit Vorsatz auch als Schuldelement verstanden werden könne, Herzberg, FG BGH Band 4, S. 51 ff. 4 Vgl. z.B. Engisch, NJW 1955, 1690 (spricht vom „spezifischen Schuldcharakter des Vorsatzes“ sowie vom Vorsatz als die „schwerere Schuldform“). Zum alten „klassischen“ Verständnis von Vorsatz und Fahrlässigkeit als Schuldformen vgl. Puppe in NK-StGB4, § 15 Rz. 1. Ausf. auch Herzberg, FG BGH Band 4, S. 51 ff. 5 So etwa Allgeyer in G/J/W, § 15 StGB Rz. 5. Ferner auch BGH v. 4.11.1988 – 1 StR 262/88, BGHSt 36, 1, 10. 6 Instruktiv zur Relevanz des Vorsatzes für die Schuldebene Satzger, JURA 2008, 119 („Doppelfunktion“). 7 Gaede, ZStW 121 (2009), 239 m.w.N. Ausf. zum sachgedanklichen Mitbewusstsein Vogel in LK-StGB12, § 15 Rz. 137 ff. 8 Vgl. nur RG v. 4.12.1917 – IV 622/17, RGSt 51, 305, 311: „Vorsatz bedeutet Wissen und Wollen sämtlicher Tatbestandsmerkmale.“ Allgemein formuliert wurden die Vorsatzelemente des Wissens und Wollens erstmals im 18. Jahrhundert. Hierzu Stratenwerth, ZStW 71 (1959), 52. 9 BGH v. 4.11.1988 – 1 StR 262/88, BGHSt 36, 1, 11; Roxin, AT I4, § 12 Rz. 4; Kühl, AT7, § 5 Rz. 6; Gaede in M/R-StGB, § 15 Rz. 4; Kudlich in BeckOK-StGB, § 15 Rz. 3; Kühl in Lackner/Kühl, StGB28, § 15 Rz. 3; Fischer, StGB63, § 15 Rz. 2; Schmidhäuser, JuS 1980, 242; Kindhäuser, ZStW 96 (1984), 21; Satzger, JURA 2008, 113; Jakobs, Rechtswissenschaft, 2010, S. 285; Ransiek/Hüls, NStZ 2011, 678; Sternberg-Lieben/Sternberg-Lieben, JuS 2012, 884. Umfassend monographisch: Bung, Wissen und Wollen im Strafrecht, passim. Krit. unter Einbeziehung von philosophischen und psychologischen Erkenntnissen Kargl, Der strafrechtliche Vorsatz, passim (vgl. insbesondere S. 71: „Wissen ist Willen, und Wollen ist Wissen.“). 10 Vgl. etwa Schmidhäuser, JuS 1980, 242; Satzger, JURA 2008, 113; Schroth, Vorsatz und Irrtum, S. 3; Fischer, StGB63, § 15 Rz. 2; Kudlich in BeckOK-StGB, § 15 Rz. 11; Momsen in S/S/W-StGB2, § 15, 16 Rz. 7 oder Sternberg-Lieben/Schuster in S/S-StGB29, § 15 Rz. 9. 11 Dieser Kernbereich dürfte den dolus directus umfassen. Vgl. Stratenwerth, ZStW 71 (1959), 53. 12 Weigend, ZStW 93 (1981), 658 f. Ähnlich auch Kühl, AT7, § 5 Rz. 6 („unpräzise Kurzformel“) (Hervorhebung im Original) oder Herzberg, FG BGH Band 4, S. 82 („Die tradierte Formel ‚Wissen und Wollen der Tatbestandsverwirklichung‘ erleichtert […] das Verstehen nicht, sondern erschwert es.“). 13 Vgl. etwa Schmidhäuser, JuS 1980, 241. 14 Gaede in M/R-StGB, § 15 Rz. 4. 15 Kudlich in BeckOK-StGB, § 15 Rz. 9; Duttge in HK-GS3, § 15 StGB Rz. 9; Rudolphi/Stein in SK-StGB8, § 16 Rz. 44; Wessels/Beulke/Satzger, AT45, Rz. 206; Sternberg-Lieben/Sternberg-Lieben, JuS 2012, 979. 16 Fischer, StGB63, § 15 Rz. 4a; Duttge in HK-GS3, § 15 StGB Rz. 9; Puppe in NK-StGB4, § 15 Rz. 100; Vogel in LK-StGB12, § 15 Rz. 52; Kühl, AT7, § 5 Rz. 21. 17 Jescheck/Weigend, AT5, § 29 II 3; Rengier, AT6, § 14 Rz. 2. Vgl. zudem Samson, JA 1989, 541 (völlige Kongruenz). Zur diesbezüglichen Diskussion vgl. Brammsen, JZ 1989, 71 f. und 80 f. Einschränkend differenzierend für die Wollenskomponente des Vorsatzes Satzger, JURA 2008, 113 (Wollen kann man nur die Tathandlung und den Taterfolg).

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Eidam

Rz. 10 § 15 StGB

auch Kausalität und objektive Zurechnung bei den Erfolgsdelikten) umfasst.1 Für Regelbeispiele gilt das Vorsatzerfordernis entsprechend.2 Nicht vom Vorsatz umfasst sein müssen demgegenüber objektive Bedingungen der Strafbarkeit3 (praxisrelevantes Bsp. aus dem Wirtschaftsstrafrecht: Die insolvenzstrafrechtlich relevante Zahlungseinstellung etc. gem. §§ 283 Abs. 6, 283b Abs. 3, 283c Abs. 34). Deliktsspezifische Absichten wie die Zueignungsabsicht beim Diebstahl oder die Bereicherungsabsicht beim Betrug bilden neben dem Vorsatz ein eigenes psychisches Substrat und müssen zusätzlich zum (und losgelöst vom) Vorsatz festgestellt werden.5

II. Verschiedene Formen des Vorsatzes Herrschend ist die Unterscheidung zwischen (unbedingtem) direkten Vorsatz, der sich seinerseits in die Vor- 9 satzformen der Absicht (dolus directus ersten Grades) und der Wissentlichkeit (dolus directus zweiten Grades) untergliedert, sowie dem (bedingten6 und indirekten7) Eventualvorsatz (dolus eventualis).8 Unterschiede liegen hier vorwiegend in der Beschaffenheit der Willensbeziehung des Täters zur Tatbestandsverwirklichung.9 Für die überwiegende Mehrzahl der Delikte genügt die Feststellung von Eventualvorsatz, so denn der Gesetzgeber keine besonderen Anforderungen an den Grad des vorsätzlichen Handelns stellt (Bsp.: § 258 Abs. 1 durch die Formulierungen „absichtlich“ oder „wissentlich“).10 Gleichwohl kann die Feststellung der jeweils einschlägigen Vorsatzform in einem (erstinstanzlichen) Strafurteil angezeigt sein, weil auf diesem Wege ein für die Rechtsfolgenentscheidung erheblicher Schuldgehalt markiert wird.11 1. Absicht Absicht konstituiert sich über das voluntative Element.12 Ein Täter handelt absichtlich, wenn er die Tatbestands- 10 verwirklichung zielgerichtet anstrebt13 („zielgerichteter Erfolgswille“14). Es kommt dem Täter dann geradezu darauf an, die Umstände des gesetzlichen Tatbestandes zu verwirklichen.15 Ist ein Wollen der Tatbestandsverwirklichung derart stark ausgeprägt, steht es der Annahme von Absicht nicht entgegen, wenn sich der Täter hinsichtlich des Eintritts des angestrebten Erfolges nicht sicher ist;16 es genügt für die Wissenskomponente (die bei der Absicht unverzichtbar ist17) vielmehr, dass der Täter die Tatbestandsverwirklichung (nur geringfügig18) für möglich hält.19 Die Tatbestandsverwirklichung muss bei alledem weder das „Endziel“ noch das alleinige Ziel des Täters sein.20 Der Absichtsbegriff ist ambivalent und wird vom Gesetzgeber nicht immer i.S.d. Vorsatzform der Absicht gebraucht.21 1 Vgl. Duttge in HK-GS3, § 15 StGB Rz. 5; Schaefer in AnwK-StGB2, § 15 Rz. 7; Kudlich in BeckOK-StGB, § 15 Rz. 4; Sternberg-Lieben/Sternberg-Lieben, JuS 2012, 884. 2 Duttge in HK-GS3, § 15 StGB Rz. 6; Rudolphi/Stein in SK-StGB8, § 16 Rz. 9. Vgl. auch Sternberg-Lieben/Schuster in S/SStGB29, § 15 Rz. 27 sowie Sternberg-Lieben/Sternberg-Lieben, JuS 2012, 886 („Quasi-Vorsatz“). 3 Momsen in S/S/W-StGB2, § 15, 16 Rz. 13; Rudolphi/Stein in SK-StGB8, § 16 Rz. 8; Satzger, JURA 2008, 120. 4 Niemeyer in M-G6, § 17 Rz. 45. 5 Duttge in HK-GS3, § 15 StGB Rz. 7. 6 Krit. differenzierend gegenüber dieser Namensgebung v. Hippel, Die Grenze zwischen Vorsatz und Fahrlässigkeit, S. 93 f. („geeignet, Missverständnisse zu erzeugen“); Roxin, AT I4, § 12 Rz. 24; Sternberg-Lieben/Schuster in S/S-StGB29, § 15 Rz. 72 („schief“); Vogel in LK-StGB12, § 15 Rz. 97 („missverständlich, da auch bedingter Vorsatz unbedingten Handlungswillen voraussetzt“) sowie Gaede in M/R-StGB, § 15 Rz. 14. 7 Vgl. v. Bar, ZStW 18 (1898), 556. 8 Gaede in M/R-StGB, § 15 Rz. 5; Kühl in Lackner/Kühl, StGB28, § 15 Rz. 19. Vgl. auch Fischer, StGB63, § 15 Rz. 5; Sternberg-Lieben/Schuster in S/S-StGB29, § 15 Rz. 64 oder Rönnau, JuS 2010, 676. 9 Sternberg-Lieben/Schuster in S/S-StGB29, § 15 Rz. 64. 10 Kudlich in BeckOK-StGB, § 15 Rz. 18 f.; Rönnau, JuS 2010, 676. 11 OLG Oldenburg v. 12.8.2008 – Ss 278/08 (I 137), StV 2009, 133 („von erheblicher Bedeutung“); Fischer, StGB63, § 15 Rz. 5. 12 Hassemer in GS Arm. Kaufmann, 1989, S. 298. Vgl. auch Fischer, StGB63, § 15 Rz. 6 („herausgehobener Willensfaktor“); Allgeyer in G/J/W, § 15 StGB Rz. 11 („durch die Willenskomponente geprägt“); Vogel in LK-StGB12, § 15 Rz. 81 („im Schwerpunkt durch ein Willenselement gekennzeichnet“) (Hervorhebungen jeweils im Original). 13 Gaede in M/R-StGB, § 15 Rz. 10. Ähnlich Roxin, AT I4, § 12 Rz. 7 („zielgerichtetes Erstreben“). Vgl. auch BGH v. 18.7.1979 – 2 StR 114/79, BGHSt 29, 68, 73 (zielgerichtetes Handeln). 14 Wessels/Beulke/Satzger, AT45, Rz. 211; Sternberg-Lieben/Schuster in S/S-StGB29, § 15 Rz. 66; Sternberg-Lieben/SternbergLieben, JuS 2012, 977. Vgl. auch BGH v. 9.5.2000 – 1 StR 106/00, BGHSt 46, 53, 59 („zielgerichtetes Wollen“). 15 Wessels/Beulke/Satzger, AT45, Rz. 211; Vogel in LK-StGB12, § 15 Rz. 79; Satzger, JURA 2008, 116. Vgl. auch BGH v. 6.7.2010 – 5 StR 386/09, BGHSt 55, 206, 210 sowie Fischer, StGB63, § 15 Rz. 6. 16 Kudlich in BeckOK-StGB, § 15 Rz. 17; Engisch, Untersuchungen über Vorsatz und Fahrlässigkeit, S. 141. 17 Kühl in Lackner/Kühl, StGB28, § 15 Rz. 20. 18 Satzger, JURA 2008, 116. 19 BGH v. 24.8.1988 – 2 StR 324/88, BGHSt 35, 325, 327 f.; BGH v. 9.5.2000 – 1 StR 106/00, BGHSt 46, 53, 59; Fischer, StGB63, § 15 Rz. 6; Kühl in Lackner/Kühl, StGB28, § 15 Rz. 20; Vogel in LK-StGB12, § 15 Rz. 84; Rönnau, JuS 2010, 677; Witzigmann, JA 2009, 490. Vgl. auch BGH v. 26.7.1967 – 2 StR 368/67, BGHSt 21, 283, 284 f. sowie Engisch, Untersuchungen über Vorsatz und Fahrlässigkeit, S. 150. 20 Sternberg-Lieben/Schuster in S/S-StGB29, § 15 Rz. 66. 21 Sternberg-Lieben/Schuster in S/S-StGB29, § 15 Rz. 66. Vgl. auch Gaede in M/R-StGB, § 15 Rz. 11. Ausf. hierzu Witzigmann, JA 2009, 488 ff.

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StGB

Vorsätzliches und fahrlässiges Handeln

StGB

§ 15 StGB Rz. 11

Strafgesetzbuch

2. Wissentlichkeit 11

Bei der Wissentlichkeit dominiert demgegenüber das intellektuelle Moment.1 Wissentlichkeit ist hinsichtlich solcher Folgen gegeben, die der Täter zwar nicht erstrebt, wohl aber als mit Sicherheit eintretend voraussieht.2 Er weiß also oder sieht es als sicher voraus, dass er einen Tatbestand verwirklicht.3 Anders gewendet: Dolus directus zweiten Grades liegt vor, wenn der Täter sicher von Umständen ausgeht, die die gesetzlichen Voraussetzungen eines Strafgesetzes erfüllen.4 Besondere Anforderungen an das Wollenselement bestehen nach überwiegender Auffassung nicht,5 so dass Wissentlichkeit auch vorliegt, wenn dem Täter die Folgen unerwünscht sind.6 Denn sobald ein Täter eine Tatbestandsverwirklichung als sicher voraussieht, ist es gänzlich ohne Bedeutung, wenn er gleichwohl auf deren Ausbleiben hofft.7 Die Hoffnung auf ein höchst unwahrscheinliches Ausbleiben der Tatbestandsverwirklichung verkommt in solchen Fällen „zu einem irrelevanten ‚frommen‘ Wunsch“.8 Folgerichtig wird aus einem überaus dominanten Wissenselement geschlossen, dass der Täter die Tatbestandsverwirklichung in seinen Willen aufgenommen hat.9 3. Eventualvorsatz a) Grundsätzliches

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Während die beiden Spielarten des dolus directus im Unrechts- und Schuldgehalt gleichrangig eingestuft werden,10 gilt der dolus eventualis als die schwächste Form des Vorsatzes.11 Er markiert das „eigentliche Grenzgebiet der Vorsatzlehre“,12 weil Definition und Begriffsverständnis des Eventualvorsatzes wesentlich für die Bestimmung der Grenze zwischen Vorsatz und Fahrlässigkeit sind.13 Zugleich bündeln sich beim bedingten Vorsatz grundlegende Fragen der Vorsatzlehre,14 über die schon seit geraumer Zeit lebhaft gestritten wird. Im Wirtschaftsstrafrecht kommt dem bedingten Vorsatz unzweifelhaft eine „wichtige Rolle“15 zu.

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Wissens- und Wollenselement sind beim Eventualvorsatz gleichermaßen schwach ausgeprägt16 und sind im Wege einer Gesamtbetrachtung zu ermitteln, die alle für und gegen den Vorsatz sprechenden objektiven und subjektiven Umstände mit einbeziehen soll.17 Nach der Rspr. und der überwiegenden Meinung im Schrifttum liegt Eventualvorsatz vor, wenn der Täter es ernsthaft für möglich und nicht ganz fernliegend hält dass sein Verhalten zur Verwirklichung eines Straftatbestandes führt (Wissenselement) und sich damit abfindet oder dies billigend in Kauf nimmt bzw. damit einverstanden ist (Wollenselement).18 Einem Billigen („im Rechtssinne“19) (und damit dem voluntativen Element des Eventualvorsatzes) soll es nicht notwendig entgegenstehen, wenn dem Täter eine Folge seiner Handlung höchst unerwünscht ist.20 Billigen verlangt demnach keine zwingend positive Gefühlseinstellung21 und ist sogar mit „emotionaler Zurückweisung“ kompatibel.22 1 Rönnau, JuS 2010, 677. Vgl. überdies Sternberg-Lieben/Sternberg-Lieben, JuS 2012, 977 („durch ein besonders ausgeprägtes Wissenselement gekennzeichnet“); Allgeyer in G/J/W, § 15 StGB Rz. 12 („ […] wird entscheidend durch die Wissenskomponente geprägt“); Vogel in LK-StGB12, § 15 Rz. 92 („ […] im Schwerpunkt durch das Wissenselement […] gekennzeichnet“). (Hervorhebungen jeweils im Original). 2 Roxin, AT I4, § 12 Rz. 2. 3 Fischer, StGB63, § 15 Rz. 7; Momsen in S/S/W-StGB2, § 15, 16 Rz. 42; Gaede in M/R-StGB, § 15 Rz. 12; Allgeyer in G/J/W, § 15 StGB Rz. 12; Wittig, Wirtschaftsstrafrecht3, § 6 Rz. 158; Satzger, JURA 2008, 116. Vgl. auch BGH v. 9.5.2000 – 1 StR 106/00, BGHSt 46, 53, 59. 4 Sternberg-Lieben/Schuster in S/S-StGB29, § 15 Rz. 68; Vogel in LK-StGB12, § 15 Rz. 91. 5 Vogel in LK-StGB12, § 15 Rz. 93; Samson, JA 1989, 450. 6 Allgeyer in G/J/W, § 15 StGB Rz. 12; Vogel in LK-StGB12, § 15 Rz. 93. Vgl. auch Kudlich in BeckOK-StGB, § 15 Rz. 17. 7 BGH v. 12.7.2005 – 1 StR 65/05, NStZ-RR 2006, 174, 175; Kühl in Lackner/Kühl, StGB28, § 15 Rz. 21. 8 Engisch, Untersuchungen über Vorsatz und Fahrlässigkeit, S. 176 f. 9 Gaede in M/R-StGB, § 15 Rz. 12. Ebenso Roxin, AT I4, § 12 Rz. 4; Rengier, AT6, § 14 Rz. 9; Kühl in Lackner/Kühl, StGB28, § 15 Rz. 21 sowie Hassemer in GS Arm. Kaufmann, 1989, S. 299. A.A. Puppe in NK-StGB4, § 15 Rz. 110. 10 Jescheck/Weigend, AT5, § 29 III 2. 11 Satzger, JURA 2008, 116 (steht „am unteren Ende der Skala der Vorsatzformen“); Rönnau, JuS 2010, 677. 12 V. Hippel, Die Grenze zwischen Vorsatz und Fahrlässigkeit, S. 93. 13 Samson, JA 1989, 449. 14 Vogel in LK-StGB12, § 15 Rz. 98. 15 Canestrari, GA 2004, 211. 16 Wessels/Beulke/Satzger, AT45, Rz. 214; Satzger, JURA 2008, 116; Sternberg-Lieben/Sternberg-Lieben, JuS 2012, 978. Ähnlich auch Momsen in S/S/W-StGB2, § 15, 16 Rz. 44. 17 Vogel in LK-StGB12, § 15 Rz. 109. Hierzu auch Gaede in M/R-StGB, § 15 Rz. 17 („Gesamtschau“; Hervorhebung im Original). 18 Vgl. etwa BGH v. 4.11.1988 – 1 StR 262/88, BGHSt 36, 1, 9 f.; Allgeyer in G/J/W, § 15 StGB Rz. 13; Gaede in M/R-StGB, § 15 Rz. 16; Wessels/Beulke/Satzger, AT45, Rz. 214. 19 So die Formulierung in BGH v. 22.4.1955 – 5 StR 35/55, BGHSt 7, 363, 369. Erläuternd zu dieser Formulierung Roxin, JuS 1964, 56 (stellt ein Billigen „im Rechtssinn“ einem Billigen nach normalem Sprachgebrauch gegenüber) sowie Puppe, ZStW 103 (1991), 6. 20 BGH v. 22.4.1955 – 5 StR 35/55, BGHSt 7, 363, 369 (Lederriemenfall); Kudlich in BeckOK-StGB, § 15 Rz. 22. Ausf. hierzu Vogel in LK-StGB12, § 15 Rz. 107. 21 Sternberg-Lieben/Sternberg-Lieben, JuS 2012, 978. 22 Canestrari, GA 2004, 212. Vgl. auch Puppe, ZStW 103 (1991), 6.

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Rz. 16 § 15 StGB

Nach der Rspr. des BGH entspricht das Wissenselement des dolus eventualis exakt dem der bewussten Fahrlässig- 14 keit.1 Eine Abgrenzung erfolgt deshalb allein anhand der Wollenskomponente.2 Hier stehen sich die folgenden Grenzkriterien gegenüber: Billigend in Kauf nehmen bzw. sich um des erstrebten Zieles willen mit etwas abfinden (Wollenskomponente des Eventualvorsatzes) vs. ernsthaft und nicht nur vage auf das Ausbleiben der Tatbestandsverwirklichung vertrauen, wobei bloßes Hoffen, Wünschen oder die Tatbestandsverwirklichung dem Zufall zu überlassen nicht genügt (Wollenskomponente der bewussten Fahrlässigkeit).3 Rechtspraktisch dürfte es sich bei solchen Abgrenzungsfragen weniger um einen psychologischen Erkenntnis-, sondern vielmehr um einen normativen Zuschreibungsakt handeln.4 Den einschlägigen (subjektiven) Konzepten (d.i. Billigen, sich Abfinden) wird kritisch entgegengehalten, sie seien leer, manipulierbar, offen für jedwedes kriminalpolitisches Ansinnen,5 tragen mitunter mehr zur Verwirrung als zur Klärung bei,6 beinhalten nicht einmal ansatzweise die Funktion eines Wollens,7 führen zu Fehlentscheidungen und Scheinargumentationen8 und seien deshalb gänzlich inakzeptabel.9 Für das Steuerstrafrecht wird überdies von weitgehenden Konsequenzen eines extensiven Verständnisses des Billigungselements gesprochen.10 b) Wissenschaftlicher Grundlagenstreit aa) Stand und Relevanz einer alten Debatte Seit Jahrhunderten existiert lebhafter Streit – und ein Handgemenge von zahlreichen wissenschaftlichen Theo- 15 rien11 – um die Anforderungen an vorsätzliches Verhalten.12 Es ist zuweilen die Rede von einem der herausragenden Probleme der Strafrechtswissenschaft.13 Der Streit entzündet sich seit jeher in einer grauen Zone zwischen den sicheren Polen von Vorsatz und Fahrlässigkeit, in der die zwingende Entscheidung zwischen Vorsatz und Fahrlässigkeit zu Problemen führt.14 Dieser Zwischenbereich umfasst die bereits erwähnten Grenzziehungen um den dolus eventualis, der schon frühzeitig als „irreleitendes Phantom“15 bezeichnet wurde, und die bewusste Fahrlässigkeit.16 Seit einiger Zeit wird aber auch darauf aufmerksam gemacht, dass sich prinzipiell Neues nach nahezu hundertjähriger Diskussion nicht mehr sagen lasse,17 und das Abgrenzungsproblem i.Ü. kaum zufriedenstellend und fallübergreifend mit den zur Verfügung stehenden Kategorien lösbar sei.18 Deshalb werde die Darstellung und wechselseitige Entkräftung der einschlägigen Theorien allmählich zum Glasperlenspiel.19 Zudem seien die Divergenzen zwischen den einzelnen Theorien heute geringer als dies bei einem flüchtigen Blick erscheinen mag,20 was u.a. an einer erstarkenden normativen Sichtweise bei der Vorsatzbestimmung liegen mag (vgl. unten Rz. 19).21 Insofern sei es geboten, die Vorsatzdiskussion vom Ballast obsolet gewordener Konzepte zu befreien und dezidiert auf die Punkte zuzuspitzen, um die es sich zu diskutieren lohnt.22 bb) Unzulänglichkeiten des voluntativen Vorsatzelements? Mangels gesetzlicher Klarstellung existiert traditionell ein beachtliches Meinungsspektrum (als Teilbereich der ge- 16 rade erwähnten Streitigkeiten, Rz. 15), welches den Vorsatz unabhängig von einem Wollen und mithin unter Verzicht auf das voluntative Element (mitunter bezeichnet als funktionsloses,23 „ominöses ‚Wollenselement‘“24) de-

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24

Fischer, StGB63, § 15 Rz. 9a; Vogel in LK-StGB12, § 15 Rz. 103. Allgeyer in G/J/W, § 15 StGB Rz. 13. Anschaulich hierzu Vogel in LK-StGB12, § 15 Rz. 103; Gaede in M/R-StGB, § 15 Rz. 16. Zutreffend insoweit Sternberg-Lieben/Sternberg-Lieben, JuS 2012, 978. Vgl. ferner Kudlich in BeckOK-StGB, § 15 Rz. 23; Schroth, NStZ 1990, 324 oder Kargl, Der strafrechtliche Vorsatz, S. 72 („Zuschreibungselement“). Allgemeiner hierzu auch Roxin in FS Rudolphi, 2004, S. 243 ff. und Vogel, GA 2006, 386 ff. Canestrari, GA 2004, 215. Tendenziell ebenso Puppe, ZStW 103 (1991), 6 f. Weigend, ZStW 93 (1981), 664. Kindhäuser, ZStW 96 (1984), 24. Stratenwerth, ZStW 71 (1959), 67. Puppe, ZStW 103 (1991), 9. Vgl. auch a.a.O., 41. Vgl. Höll/Hinghaus, PStR 2010, 223 ff. Engisch, NJW 1955, 1690. Eine Übersicht über das Meinungsspektrum findet sich bspw. bei Roxin, AT I4, § 12 Rz. 35 ff.; Vogel in LK-StGB12, § 15 Rz. 118 ff. oder Sternberg-Lieben/Schuster in S/S-StGB29, § 15 Rz. 72 ff. So Schmidhäuser, JuS 1980, 242. Weigend, ZStW 93 (1981), 660. V. Bar, ZStW 18 (1898), 556. Stratenwerth, ZStW 71 (1959), 53. Vgl. auch Naucke, Negatives Strafrecht, 2015, S. 89 („Kunstfigur“). Roxin, JuS 1964, 61. Anders zum heutigen Stand der Diskussion jedoch Greco, ZIS 2009, 813. Stratenwerth, ZStW 71 (1959), 52 („prinzipiell unlösbar“). Frisch in GS K. Meyer, 1990, S. 536. A.A. Weigend, ZStW 93 (1981), 660. Frisch in GS K. Meyer, 1990, S. 539. Roxin in FS Rudolphi, 2004, S. 243. Vgl. auch Leitmeier, HRRS 2016, 246. Frisch in GS K. Meyer, 1990, S. 540. Kindhäuser, ZStW 96 (1984), 22. Herzberg, JuS 1986, 249.

Eidam

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StGB

Vorsätzliches und fahrlässiges Handeln

StGB

§ 15 StGB Rz. 17

Strafgesetzbuch

finieren möchte.1 Zuzugeben ist hier, dass sich ein Wille sinnvollerweise auf manche Merkmale des objektiven Tatbestandes überhaupt nicht beziehen kann.2 Als Anschauungsbeispiel hierfür mag der Tatbestand der Steuerhinterziehung (§ 370 AO) dienen.3 Allerdings macht das überwiegende Meinungslager zu Recht darauf aufmerksam, dass zu dem intellektuellen prinzipiell auch ein voluntatives Element (als wertungsrelevanter Unterschied zwischen Vorsatz und Fahrlässigkeit4) hinzukommen muss; freilich ist sein genauer Inhalt seit jeher umstr.5 c) Besonderheiten bei der Feststellung des voluntativen Elements im Wirtschaftsstrafrecht aa) Schluss vom Wissen auf das Wollen 17

Die Wollenskomponente als entscheidendes Grenzkriterium zur Fahrlässigkeit kann bei der praktischen Bewertung von Wirtschaftsstraftaten von hervorgehobener Relevanz sein.6 So fordert die Rspr. des BGH, der Feststellung des voluntativen Elements „gerade im Rahmen von Wirtschaftsstraftaten besonderes Gewicht einzuräumen“,7 was dazu führt, dass den hierfür einschlägigen Kriterien und Indizien8 eine besondere Bedeutung zukommt.9 Dieses Ansinnen ist von dem Bestreben getragen, insbesondere bei Wirtschaftsstraftaten zu verhindern, dass das Wollenselement vorschnell aus einer (bloßen) Schadenswahrscheinlichkeit gefolgert wird;10 es bedarf hier stattdessen einer besonderen Sorgfalt.11 Damit erfährt die grundlegende Regel, nach der (in Abkehr von der alten Maxime „Du willst, denn du weißt“12) nicht ohne Weiteres vom Wissens- auf das Wollenselement geschlossen werden darf,13 für den Bereich des Wirtschaftsstrafrechts eine besondere bereichsspezifische Betonung. Urteilsfeststellungen dürfen sich insoweit nicht auf „Floskeln und Leerformeln“ beschränken.14 Freilich steht all dies in nicht spannungslosem Verhältnis zur umgekehrten (normativen15) Maßgabe, nach der ein Billigen umso wahrscheinlicher sei, je größer sich eine Gefährdung für den Täter darstellt.16 bb) Trennungsgebot hinsichtlich aller (objektiven) Tatbestandsmerkmale

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Eine prinzipiell ähnliche Zielsetzung verfolgt eine Rechtsprechungslinie des 5. Strafsenats des BGH zum subjektiven Tatbestand (der Untreue) bei Risikogeschäften,17 die das vom BVerfG vorgegebene Verschleifungs- und Entgrenzungsverbot18 bei der Auslegung von Tatbestandsmerkmalen in die Vorsatzdogmatik implementiert. Es seien an die Feststellung des dolus eventualis insoweit erhöhte Anforderungen zu stellen, als Vorsatz (und hier insbesondere das voluntative Element19) für jedes Tatbestandsmerkmal des objektiven Tatbestandes einzeln und unabhängig voneinander geprüft werden müsse. So könne es bei Risikogeschäften im Rahmen des § 266 nicht ausreichen, dass ein Täter allein eine Gefährdungslage billige. Vielmehr müsse die Inkaufnahme einer (dem Nach-

1 Gute Übersicht über die sog. kognitiven Theorien etwa bei Sternberg-Lieben/Schuster in S/S-StGB29, § 15 Rz. 74 ff. Die Gegensätzlichkeit von Wissens- und Wollenstheorien relativierend aber Puppe, ZStW 103 (1991), 1 f. 2 Satzger, JURA 2008, 113 (eigentlich macht ein Wollen nur bei der Tathandlung und beim Erfolg Sinn). 3 Ransiek/Hüls, NStZ 2011, 680 f. 4 Prittwitz, StV 1989, 123. Hierzu ausf. Brammsen, JZ 1989, 78 f. 5 Kühl in Lackner/Kühl, StGB28, § 15 Rz. 23 (auch m.w.N.). Instruktiv, aber auch angemessen knapp zur „Notwendigkeit volitiver Merkmale“ Hassemer in GS Arm. Kaufmann, 1989, S. 297. 6 Duttge in HK-GS3, § 15 StGB Rz. 24. Vgl. auch Saliger in M/R-StGB, § 263 Rz. 274. 7 BGH v. 16.4.2008 – 5 StR 615/07, NStZ-RR 2008, 239 (LS 1). Hierzu Wegner, wistra 2008, 347 f. 8 Diese umfassen insbesondere das kognitive Element (je sicherer die Kenntnis, desto näher liegt, dass der Erfolg zumindest in Kauf genommen wird) sowie die objektive Gefährlichkeit der Handlung für das Rechtsgut. Gute (weil knappe) Übersicht bei Kudlich in BeckOK-StGB, § 15 Rz. 23. Zum Steuerstrafrecht vgl. zudem Höll/Hinghaus, PStR 2010, 223 ff. 9 Allgeyer in G/J/W, § 15 StGB Rz. 16. Beispielhaft: BGH v. 26.8.2003 – 5 StR 143/00, BGHSt 48, 331, 348 f. Vgl. auch Meinecke NZWiSt 2016, 50. 10 Vgl. Saliger in MR-StGB, § 263 Rz. 274. Ferner auch Eidam, NStZ 2016, 603 f. und Rönnau/Becker, NStZ 2016, 573. 11 Ransiek/Hüls, NStZ 2011, 679. Ähnlich auch Wegner, wistra 2008, 347: „sorgfältige und strenge Prüfung“. 12 Vgl. Weigend, ZStW 93 (1981), 665. 13 Zu dieser allgemeinen Vorgabe etwa BGH v. 25.11.1987 – 3 StR 449/87, NStZ 1988, 175 sowie Vogel in LK-StGB12, § 15 Rz. 106. Nach Stratenwerth, ZStW 71 (1959), 52 formulierte bereits Feuerbach Kritik am automatischen Schluss vom Wissen auf das Wollen. Zu eigenen Widersprüchen in der Rspr. des BGH vgl. Frisch in GS K. Meyer, 1990, S. 551. Pessimistisch zur „begrifflichen Selbständigkeit“ des Wollenselements in der Rspr. Canestrari, GA 2004, 213. 14 Wegner, wistra 2008, 348. 15 Roxin in FS Rudolphi, 2004, S. 245. 16 Saliger in M/R-StGB, § 263 Rz. 274. Vgl. hierzu auch Wegner, wistra 2008, 347. Allgemeiner zur diesbezüglichen Problematik auch Stratenwerth, ZStW 71 (1959), 53 (Es „bleibt die Schwierigkeit, daß es bei den als höchstwahrscheinlich oder gar als sicher eintretend vorgestellten Nebenfolgen auf die Billigung nicht ankommen kann.“) oder Kargl, Der strafrechtliche Vorsatz, S. 53 (eine solche Dogmatik drehe sich „logisch im Kreis“). 17 BGH v. 28.5.2013 – 5 StR 551/11, NStZ 2013, 715 m. Anm. Trüg, Anm. Saliger, ZWH 2014, 74, Anm. Kubiciel, StV 2014, 88, Anm. Bung, StV 2015, 176, Bespr. Jahn, JuS 2014, 82 und Bespr. Beukelmann, NJW-Spezial 2013, 440. Hierzu auch Achenbach, NStZ 2014, 697 f. 18 BVerfG v. 23.6.2010 – 2 BvR 2559/08 u.a., BVerfGE 126, 170, 198 f. Erläuternd hierzu Saliger, NJW 2010, 3195. 19 Genauer differenzierend zwischen den Anforderungen an Wissens- und Wollenselement Saliger, ZWH 2014, 75.

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Rz. 21 § 15 StGB

teilsmerkmal nahestehenden) Pflichtverletzung streng von der Inkaufnahme des Nachteils an sich unterschieden werden.1 Diese Grundsätze verfolgen (für die Wollenskomponente) eine ähnlich restriktive Tendenz wie eine ältere Rspr. des 2. Strafsenats des BGH.2

III. Druckpotential eines normativen Vorsatzverständnisses Anknüpfend an die Kritik an der zu weiten und flexiblen Handhabe des Wollenselements (vgl. Rz. 14 a.E.) be- 19 steht zunehmend die Notwendigkeit, zu Rolle und Stellenwert normativer Einflüsse bei der Bestimmung des Vorsatzbegriffs Stellung zu beziehen. Die Diskussion speist sich – soweit ersichtlich – primär aus Ängsten, eine sog. Tatsachengleichgültigkeit oder verschuldete Tatbestandsirrtümer (§ 16) zu privilegieren.3 Ein möglicher Anknüpfungspunkt dieser Debatte im Wirtschaftsstrafrecht könnte die Diskussion um die sog. willful blindness4 (dem bewussten Verschließen einer Führungsperson vor der Kenntnis einer Straftat) sein. Dieses Phänomen wirft unzweifelhaft Probleme beim Tatbestandsvorsatz auf.5 Zwar ist einzuräumen, dass die Bestimmung des Vorsatzes niemals frei von normativen Momenten sein wird.6 Die inhaltliche Herausforderung wird freilich darin zu suchen sein, den Vorsatz über ein ausgewogenes Verhältnis von psychologisierenden und normativierenden Elementen zu bestimmen.7 Ein zu starkes oder gar rein normatives bzw. objektives Vorsatzverständnis würde nicht nur mit den herkömmlichen Vorsatzlehren brechen8 und die Zweiteilung zwischen kognitiven und volitiven Abgrenzungslehren relativieren.9 Es würde auch zu namhaften Problemen mit dem Schuldgrundsatz10 und Art. 103 Abs. 2 GG11 führen, so dass jedwedes Konzept von Vorsätzlichkeit auch zukünftig nicht ohne Anbindung an psychische Substrate12 und die Lebenswirklichkeit des Täters13 auskommen kann.14

IV. Zur Dogmatik der Vorsatzfeststellung 1. Grundsätzliches Die materiellrechtliche Diskussion um die Voraussetzungen von vorsätzlichem Handeln ist eng verzahnt (und 20 teilweise vermischt) mit Fragen nach einer Dogmatik der Vorsatzfeststellung, auf die in gleichem Maße einiges Augenmerk gelegt werden sollte.15 Eine solche Dogmatik hat insbesondere dafür zu sorgen, dass die Vorsatzfeststellung mehr als die Anhäufung von Scheinargumenten ist.16 In wirtschaftsstrafrechtlichen Fallkonstellationen dürfte diese Gefahr – wie bereits angedeutet (Rz. 14 und 17 f.) – durchaus virulent sein. 2. Unzulässige Vorsatzvermutungen Die im Wirtschaftsstrafrecht traditionell auftretenden Beweisschwierigkeiten haben überdies dazu geführt, dass 21 immer wieder die Thematik von gesetzlichen Vermutungen aufkommt, um solche Probleme zu bewältigen.17 Gestritten wird hier insbesondere um die Zulässigkeit widerlegbarer Vorsatzvermutungen.18 Trotz z.T. anders lautender Grundsätze des EU-Rechts und ausländischer Rechtsordnungen ist jedenfalls für das deutsche Strafrecht zu konstatieren, dass Vermutungsregeln gegen Fundamentalprinzipien wie den Schuldgrundsatz und den Zweifelssatz verstoßen und deshalb unzulässig sind.19

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19

Zum Ganzen eingehend auch Saliger in S/S/W-StGB2, § 266 Rz. 104 f. Vgl. Beukelmann, NJW-Spezial 2013, 440; Saliger, ZWH 2014, 75; Jahn, JuS 2014, 84; Bung, StV 2015, 176. Gaede, ZStW 121 (2009), 243 ff., 255 mit Hinweis insbesondere auf die Arbeiten von Jakobs und Puppe. Ausf. hierzu Schemmel/Kirch-Heim, CCZ 2008, 96 ff. mit entsprechenden Nachweisen zur anglo-amerikanischen Debatte. Vgl. aktuell auch Rönnau/Becker, NStZ 2016, 569, 571. Schemmel/Kirch-Heim, CCZ 2008, 96. Vogel, GA 2006, 388. Vgl. auch Roxin in FS Rudolphi, 2004, S. 257. Vgl. hierzu Schünemann in FS Hirsch, 1999, S. 377. Gaede, ZStW 121 (2009), 241. Roxin in FS Rudolphi, 2004, S. 243. Gaede, ZStW 121 (2009), 269. Vgl. Gaede, ZStW 121 (2009), 266 mit Blick auf § 16 StGB. Vogel, GA 2006, 388. Gaede, ZStW 121 (2009), 270. Ähnlich auch Schünemann in FS Hirsch, 1999, S. 373 (Geringschätzung von realen Geschehensstrukturen laufe auf einen „normativistischen Fehlschluss“ hinaus). Vgl. auch Steinberg, JZ 2010, 718. Zutreffend Frisch in GS K. Meyer, 1990, S. 554. Vgl. auch Rudolphi/Stein in SK-StGB8, § 16 Rz. 57 ff. Ausf. für wirtschaftsstrafrechtliche Fragestellungen Rönnau/Becker, NStZ 2016, 571 ff. Frisch in GS K. Meyer, 1990, S. 554. Dannecker/Bülte in W/J4, 1. Kapitel, Rz. 111. Vgl. Dannecker/Bülte in W/J4, 1. Kapitel, Rz. 111 m.w.N. Brettel/Schneider, Wirtschaftsstrafrecht, § 2 Rz. 18. Allgemeiner zur (unzulässigen) Beweislastumkehr im deutschen Strafrecht auch Schmitz, ZStW 115 (2003), 526 sowie Vogel, WM 2003, 2444 (betonen beide einen Verstoß gegen den Zweifelssatz).

Eidam

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StGB

Vorsätzliches und fahrlässiges Handeln

StGB

§ 15 StGB Rz. 22

Strafgesetzbuch

C. Fahrlässigkeit 22

Fahrlässigkeitsstrafbarkeit erfordert den Vorgaben des § 15 folgend stets eine explizit gesetzliche Anordnung (im StGB oder im Nebenstrafrecht). Sie ist nach neuerer Auffassung ein eigener Deliktstyp und zuvorderst Tatbestandsfrage, so dass sämtliche objektiven Voraussetzungen auf Ebene des Tatbestandes ansiedeln.1 Auf Schuldebene spielen nach herrschender Auffassung (nur) die subjektiven Fahrlässigkeitsmomente eine Rolle2 (zweistufiges Prüfverfahren3/Zweistufigkeitslehre4). Allerdings herrscht über das genaue Wesen sog. Fahrlässigkeitsschuld nach wie vor Unsicherheit, ja zuweilen Ratlosigkeit.5 Grundsätzliche Debatten werden bei der Fahrlässigkeitsstrafbarkeit aber auch darüber geführt, unter welchen Voraussetzungen dem Fahrlässigkeitstäter die Herbeiführung eines Erfolges zuzurechnen ist und wo die genaue Untergrenze strafrechtlicher Fahrlässigkeit liegt bzw. liegen sollte.6 Letztere Aspekte dürften typischerweise und des Öfteren auch in wirtschaftsstrafrechtlichen Fallkonstellationen relevant sein.

I. Formen 23

Der Sprachgebrauch des Gesetzes verwendet ausschließlich die Begriffe fahrlässig und leichtfertig,7 wobei die Leichtfertigkeit – als Ausprägung moderner Gesetzgebung8 – einen besonders hohen Grad von Fahrlässigkeit umschreibt.9 Sie wird deshalb auch als qualifizierte oder grobe Fahrlässigkeit charakterisiert10 und hebt sich in einem Stufenverhältnis von der (nur) leichten und der „normalen“ (mittleren) Fahrlässigkeit ab.11 Sofern der Gesetzgeber nicht explizit leichtfertiges Verhalten einfordert, spielt es für die Strafbarkeit keine Rolle, welche genaue Form von fahrlässigem Verhalten vorliegt; dies wird freilich bei der Strafzumessung von Relevanz sein.12

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„Klassisch“ in Rspr. und Lehre ist überdies die auf anderer Ebene – konkret: am kognitiven Element13 – ansetzende Unterscheidung zwischen bewusster („luxuria“; zu deren Voraussetzungen Rz. 14) und unbewusster („negligentia“) Fahrlässigkeit.14 Unbewusst fahrlässig handelt, wer schon die Möglichkeit der Tatbestandsverwirklichung (aufgrund seines sorglosen Handelns) nicht voraussieht.15 Dabei spricht sich die überwiegende Meinung gegen ein allgemein vorgegebenes Stufenverhältnis zwischen der unbewussten und der bewussten Fahrlässigkeit aus, weil die bewusste Fahrlässigkeit nicht zwingend und in jedem Fall schwerer als unbewusst fahrlässiges Verhalten wiegen muss.16 Dessen ungeachtet wird die Strafwürdigkeit von (nur) unbewusst fahrlässigen Normübertretungen schon seit längerem mit Blick auf das Schuldprinzip immer wieder kritisch hinterfragt.17 Eine besondere Berechtigung kommt dieser Debatte bei nur leichtem unbewusst fahrlässigem Verhalten zu.18

II. Voraussetzungen 25

In der Rechtspraxis herrschend ist die „gebräuchliche Grundformel“,19 wonach derjenige fahrlässig handelt, der eine (objektive) Pflichtwidrigkeit begeht, die (subjektiv, unter Berücksichtigung der Kenntnisse und Fähigkeiten des Täters) vermeidbar war. Die Pflichtwidrigkeit muss daneben auch objektiv und subjektiv vorhersehbar gewesen sein.20 Daraus resultieren die beiden konstituierenden Grundelemente der Fahrlässigkeit, die nach zutreffendem und herrschendem Verständnis in einer objektiven und subjektiven Pflichtwidrigkeit (auch Sorg1 Vogel in LK-StGB12, § 15 Rz. 153; Roxin, AT I4, § 24 Rz. 3 („Tatbestandsproblem“); Dannecker in Amelung (Hrsg.), Individuelle Verantwortlichkeit, 2000, S. 209. 2 Vogel in LK-StGB12, § 15 Rz. 153. A.A. Duttge in MüKo-StGB2, § 15 Rz. 202 f. 3 Vgl. Wessels/Beulke/Satzger, AT45, Rz. 658. 4 Roxin, AT I4, § 24 Rz. 54; Hoyer in SK-StGB8, Anh. zu § 16 Rz. 15. 5 Aufschlussreich hierzu etwa Koriath in FS Jung, 2007, S. 397 ff. Monographisch aus neuerer Zeit etwa Börchers, Schuldprinzip und Fahrlässigkeit (2009), aus älterer Zeit Exner, Das Wesen der Fahrlässigkeit, S. 12 ff. Vgl. zudem Fischer, StGB63, § 15 Rz. 12. 6 Weigend in FS Gössel, 2002, S. 129. 7 Allgeyer in G/J/W, § 15 StGB Rz. 23. 8 Vgl. Vogel in LK-StGB12, § 15 Rz. 148. 9 Allgeyer in G/J/W, § 15 StGB Rz. 26. Ausf. hierzu auch Duttge in HK-GS3, § 15 StGB Rz. 49. 10 Vogel in LK-StGB12, § 15 Rz. 149. 11 Kudlich in BeckOK-StGB, § 15 Rz. 32. 12 Kudlich in BeckOK-StGB, § 15 Rz. 32. 13 Momsen in S/S/W-StGB2, § 15, 16 Rz. 59. 14 Vogel in LK-StGB12, § 15 Rz. 148. 15 Fischer, StGB63, § 15 Rz. 13; Gaede in M/R-StGB, § 15 Rz. 29. 16 Vogel in LK-StGB12, § 15 Rz. 149; Kühl in Lackner/Kühl, StGB28, § 15 Rz. 53; Koch, ZIS 2010, 181. Differenzierend hierzu auch Roxin, AT I4, § 24 Rz. 68. 17 Krit. zum Schuldgehalt der unbewussten Fahrlässigkeit etwa Arth. Kaufmann, JURA 1986, 231 f. Ausf. (auch historische) Darstellung von Diskussion und Problematik bei Koch, ZIS 2010, 175 ff. (vgl. zu Koch die krit. Erwiderung von Spilgies, ZIS 2010, 490 ff.). 18 Gaede in M/R-StGB, § 15 Rz. 30 („erhebliches Legitimationsproblem“). 19 Duttge, NStZ 2006, 267. 20 Vgl. BGH v. 13.11.2003 – 5 StR 327/03, BGHSt 49, 1, 5; Fischer, StGB63, § 15 Rz. 12; Gaede in M/R-StGB, § 15 Rz. 33; Allgeyer in G/J/W, § 15 StGB Rz. 19; Duttge, NStZ 2006, 267.

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Eidam

Rz. 27 § 15 StGB

faltspflichtverletzung genannt) sowie einer objektiven und subjektiven Vorhersehbarkeit bestehen.1 Beide Elemente stehen nicht isoliert zueinander, sondern in einem gewissen Abhängigkeitsverhältnis.2 1. Merkmale des Tatbestands a) Sorgfaltswidrigkeit Die objektive (tatbestandliche) Sorgfaltswidrigkeit ist nach der st. Rspr. und der überwiegenden Meinung 26 grundsätzlich nach den Anforderungen zu bestimmen, die bei objektiver Betrachtung (ex ante) an einen einsichtigen und besonnenen Menschen in der konkreten Lage und sozialen Rolle des Täters (namentlich in dem betroffenen Verkehrskreis) zu stellen sind3 (objektiv-typisierter Sorgfaltsmaßstab;4 str.5). Eine Konkretisierung im Einzelfall erfolgt anhand einer umfassenden Abwägung6 und hat (täterbelastend7) etwaige besondere Fähigkeiten des Täters „nach oben“8 (Sonderwissen/Sonderkönnen) zu berücksichtigen.9 Leitend für einen so verstandenen Sorgfaltsmaßstab sind insbesondere staatliche, daneben aber auch nichtstaatliche Rechtsvorschriften (Sondernormen), die verkehrsgerechte Verhaltensweisen vorschreiben (Bsp.: StVO, Skipistenregeln der FIS).10 Einer diesbezüglichen Normübertretung kommt eine (widerlegbare) Indizwirkung für eine Sorgfaltspflichtverletzung zu.11 Hierauf beschränkt sich die Fahrlässigkeitsdogmatik aber nicht. Begründbar sind Sorgfaltspflichtverletzungen auch anhand von nicht explizit normierten (ungeschriebenen) allgemeinen Erfahrungssätzen12 bzw. Standards bestimmter Verkehrsbereiche13 (Bsp.: anerkannte Regeln der Technik oder der ärztlichen Kunst14), was freilich zu Konkretisierungsproblemen (auch und insbesondere hinsichtlich des anzulegenden Maßstabs) führen kann. Ein Sorgfaltsmangel kann sich überdies aus der Übernahme oder Fortführung einer Tätigkeit (etwa als Arzt) ergeben, der man nicht (mehr) gewachsen ist (sog. Übernahmefahrlässigkeit; auch Übernahmeverschulden, vgl. Rz. 31).15 Gegenüber der Figur der Übernahmefahrlässigkeit wird indes der Vorwurf erhoben, die mit ihr einhergehende Vorverlagerung führe zu einer Verdünnung des Fahrlässigkeitsvorwurfs, wodurch möglicherweise das notwendige Mindestmaß eines relevanten Verhaltensfehlers unterschritten werde.16 Sie dürfe in keinem Fall zur „Lebensführungsschuld“ degenerieren.17 In der vielfältig denkbaren Konkretisierung von objektiven Sorgfaltsanforderungen liegt ein Grundproblem der 27 Fahrlässigkeit, und es gilt an dieser Stelle, der Gefahr einer Überkriminalisierung zu begegnen.18 Das Bedürfnis nach einer expliziten (und mit der Konkretisierung einhergehenden) Begrenzung von Sorgfaltsanforderungen (traditionell ist von einem „Verbot der Überspannung der Sorgfaltspflichten“19 die Rede) besteht gerade auch bei bürokratischen Organisationen wie bspw. einem Wirtschaftsunternehmen.20 Hier gilt es, die wichtigen Grenzen hin zu bloßem Schicksal bzw. Unglück21 (oder Zufall22) einerseits, daneben aber auch hinsichtlich der – für

1 Vgl. Kudlich in BeckOK-StGB, § 15 Rz. 31; Duttge, NStZ 2006, 267. 2 Momsen in S/S/W-StGB2, § 15, 16 Rz. 61. Vgl. auch Wessels/Beulke/Satzger, AT45, Rz. 667 (innerlich miteinander verknüpft); Kühl in Lackner/Kühl, StGB28, § 15 Rz. 36 („innerlich verbunden“); Duttge, NStZ 2006, 267 („in einer eigentümlichen Wechselbeziehung“). 3 Z.B. BGH v. 1.2.2005 – 1 StR 422/04, NStZ 2005, 446, 447; Kühl in Lackner/Kühl, StGB28, § 15 Rz. 37; Gaede in M/RStGB, § 15 Rz. 39; Vogel in LK-StGB12, § 15 Rz. 213. 4 Dannecker in Amelung (Hrsg.), Individuelle Verantwortlichkeit, 2000, S. 215. Zu den Bestimmtheitsproblemen dieses Maßstabs vgl. Duttge in FS Kohlmann, 2003, S. 31. 5 A.A.: Theorie von der individuellen Sorgfaltswidrigkeit. Hierzu m.w.N. Kühl, AT7, § 17 Rz. 27. 6 Allgeyer in G/J/W, § 15 StGB Rz. 27. 7 Duttge in HK-GS3, § 15 StGB Rz. 29. 8 Hoyer in SK-StGB8, Anh. zu § 16 Rz. 14. „Nach unten“ ist demgegenüber stets am objektiven Mindeststandard festzuhalten. 9 Rengier, AT6, § 52 Rz. 19–21; Kühl, AT7, § 17 Rz. 31; Kaspar, JuS 2012, 20. Ausf. Vogel in LK-StGB12, § 15 Rz. 159 ff. sowie S/S-StGB29, § 15 Rz. 138 ff. 10 Gaede in M/R-StGB, § 15 Rz. 39. Umfassende Darstellung möglicher Sondernormen bei Vogel in LK-StGB12, § 15 Rz. 220. 11 Roxin, AT I4, § 24 Rz. 16; Allgeyer in G/J/W, § 15 StGB Rz. 28; Weigend in FS Gössel, 2002, S. 132. A.A. Duttge in MüKo-StGB2, § 15 Rz. 114 ff. 12 Kühl in Lackner/Kühl, StGB28, § 15 Rz. 39. 13 Gaede in M/R-StGB, § 15 Rz. 40 (mit umfänglichen Nachweisen). 14 Kühl, AT7, § 17 Rz. 23. 15 Wessels/Beulke/Satzger, AT45, Rz. 668; Kühl, AT7, § 17 Rz. 35 und 91; Kühl in Lackner/Kühl, StGB28, § 15 Rz. 39a; Gaede in M/R-StGB, § 15 Rz. 44. Aus der Rspr. vgl. nur BGH v. 29.4.2010 – 5 StR 18/10, NJW 2010, 2595 m. Anm. Eidam. 16 Duttge, NStZ 2006, 271. Vgl. auch Duttge in MüKo-StGB2, § 15 Rz. 130 ff. 17 Vogel in LK-StGB12, § 15 Rz. 306. 18 Für das Umweltstrafrecht vgl. Saliger, Umweltstrafrecht, Rz. 252. 19 Vogel in LK-StGB12, § 15 Rz. 205 (Hervorhebung im Original). 20 Dannecker in Amelung (Hrsg.), Individuelle Verantwortlichkeit, 2000, S. 212, 215. Hierzu auch Eidam, Der Organisationsgedanke im Strafrecht, S. 235 ff. 21 Vgl. Fahl, JA 2012, 808 ff. (insbesondere S. 812). 22 Vgl. z.B. Exner, Das Wesen der Fahrlässigkeit, S. 3. Oftmals wird hier auch Radbruchs notorische Warnung vor der Fahrlässigkeit als verschämter Zufallshaftung bemüht (Nachweis bei Exner, a.a.O., S. 10).

Eidam

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StGB

Vorsätzliches und fahrlässiges Handeln

StGB

§ 15 StGB Rz. 28

Strafgesetzbuch

arbeitsteilig organisierte Vorgänge der Wirtschaft typischen – Beteiligung mehrerer Personen1 abzustecken. Eine sinnvolle Begrenzung von Sorgfaltspflichten bei Arbeitsteilung dürfte insbesondere der Vertrauensgrundsatz2 leisten, obgleich die Tauglichkeit dieses Instruments gerade im Wirtschaftsstrafrecht dann eingeschränkt sein kann, wenn sich Vertrauen aufgrund unklarer personeller Strukturen und Verantwortungsbereiche überhaupt nicht real ausbilden kann.3 Daneben werden die Institute der Sozialadäquanz und des erlaubten Risikos als taugliche Begrenzungselemente für ausufernde Sorgfaltsanforderungen im Unternehmenskontext angeführt.4 28

Bedeutsam für Prozesse unternehmerischer Arbeitsteilung ist zudem der Umstand, dass sich Sorgfaltspflichten prinzipiell auf andere Mitarbeiter übertragen lassen (Delegation).5 Im Regelfall kann sich ein „Übertragender“ jedoch nicht gänzlich von ihm obliegenden Sorgfaltsgeboten freizeichnen; sie wandeln sich vielmehr hin zu einer Überwachungspflicht.6 b) Vorhersehbarkeit

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Eine (objektive) Vorhersehbarkeit soll nach überwiegendem Verständnis bereits dann vorliegen, wenn ein eingetretener Erfolg nicht außerhalb jeder Lebenswahrscheinlichkeit lag.7 Dabei ist wiederum ein etwaiges Sonderwissen des Täters zu berücksichtigen.8 Alle Einzelheiten des durch das pflichtwidrige Verhalten in Gang gesetzten Kausalverlaufs müssen jedoch nicht vorhersehbar zu sein.9 Oftmals wird die (objektive) Vorhersehbarkeit auch der Kategorie der objektiven Zurechnung (Rz. 30) zugeschlagen.10 c) Erfolgszurechnung

30

Der Kategorie der objektiven Zurechnung kommt beim Fahrlässigkeitsdelikt zentrale Bedeutung zu. Probleme manifestieren sich zumeist anhand der Fallgruppen des sog. Schutzzweck- und des Pflichtwidrigkeitszusammenhangs.11 Letztere weist eine Deckungsgleichheit mit dem Kriterium der Vermeidbarkeit auf12 und wird zu Recht als „dominante Zurechnungsfigur“13 des fahrlässigen Erfolgsdelikts eingeordnet. Ein Pflichtwidrigkeitszusammenhang und mit ihm die Erfolgszurechnung ist nach der Rspr. zu verneinen, wenn feststeht, dass der durch das Handeln kausal herbeigeführte Erfolg auch – und zwar mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit – bei einem hypothetischen rechtmäßigen Alternativverhalten eingetreten wäre.14 Die zur Beantwortung solcher Fragen notwendige prognostische Bewertung ist in der Rechtspraxis zumeist Gegenstand eines Sachverständigengutachtens. Ein Zurechnungsausschluss ist schließlich aufgrund eigenverantwortlicher Selbstgefährdung/-schädigung15 denkbar, was auch in wirtschaftsstrafrechtlichen Konstellationen von Relevanz sein kann. 2. Fahrlässigkeitsschuld

31

Neben den allgemeinen Regeln sind – folgt man der überwiegenden Ansicht, nach der die Bestimmung der Sorgfaltspflichtverletzung einem objektiven Maßstab folgt (Rz. 26) – auf Ebene der Schuld subjektive (= individualisierende) Fahrlässigkeitsmomente relevant, d.i. subjektive Sorgfaltspflichtverletzung und subjektive Vorhersehbarkeit.16 Dem liegt beim Fahrlässigkeitsdelikt der allgemeine (Schuld-)Vorwurf zugrunde, wonach der Fahrlässigkeitstäter einen Tatbestand verwirklicht, obwohl dies für ihn individuell vorhersehbar und vermeidbar war.17 Auf diesem Wege kann körperlichen Mängeln, Verstandesfehlern, Wissens- und Erfahrungslücken sowie besonderen situativ bedingten Erschwernissen eine grundsätzlich entlastende Wirkung zukommen.18 Allerdings kommt im Falle individuellen Unvermögens regelmäßig ein Übernahmeverschulden in Betracht (Rz. 26).

1 Hierzu Stübinger, ZIS 2011, 602 ff. Ausf. zur Frage der Verantwortlichkeit in arbeitsteilig organisierten Betrieben auch Sternberg-Lieben/Schuster in S/S-StGB29, § 15 Rz. 217. 2 Grundlegend: Eidam, JA 2011, 912 ff. 3 Momsen in S/S/W-StGB2, § 15, 16 Rz. 70. 4 Dannecker in Amelung (Hrsg.), Individuelle Verantwortlichkeit, 2000, S. 215. 5 Allgeyer in G/J/W, § 15 StGB Rz. 31. Einzelheiten hierzu bei Eidam, Der Organisationsgedanke im Strafrecht, S. 212 ff. mit zahlreichen weiteren Nachweisen. 6 Allgeyer in G/J/W, § 15 StGB Rz. 31; Eidam, Der Organisationsgedanke im Strafrecht, S. 220 m.w.N. 7 Gaede in M/R-StGB, § 15 Rz. 49. 8 Kühl, AT7, § 17 Rz. 40; Kudlich in BeckOK-StGB, § 15 Rz. 56; Gaede in M/R-StGB, § 15 Rz. 49. 9 BGH v. 26.5.2004 – 2 StR 505/03, BGHSt 49, 166, 174. Vgl. auch Allgeyer in G/J/W, § 15 StGB Rz. 35. 10 Gaede in M/R-StGB, § 15 Rz. 49. Vgl. auch Rengier, AT6, § 52 Rz. 25. 11 Einzelheiten z.B. bei Kudlich in BeckOK-StGB, § 15 Rz. 52 ff. 12 Momsen in S/S/W-StGB2, § 15, 16 Rz. 85. 13 Mitsch, JuS 2001, 108. 14 Kudlich in BeckOK-StGB, § 15 Rz. 53; Kaspar, JuS 2012, 114. Prominenteste Entscheidung der Rspr.: BGH v. 25.9.1957 – 4 StR 354/57, BGHSt 11, 1 (Radfahrerfall). A.A. die sog. Risikoerhöhungstheorie; vgl. erstmals Roxin, ZStW 74 (1962), 411 ff. (insbesondere 430 ff.). 15 Hierzu etwa Gaede in M/R-StGB, § 15 Rz. 53. Ausf.: Vogel in LK-StGB12, § 15 Rz. 234 ff. 16 Vgl. hierzu bspw. Kudlich in BeckOK-StGB, § 15 Rz. 65 oder Schaefer in AnwK-StGB2, § 15 Rz. 58. 17 M.w.N.: Gaede in M/R-StGB, § 15 Rz. 59. 18 Duttge in MüKo-StGB2, § 15 Rz. 202.

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Eidam

§§ 16, 17 StGB

Als weitere Besonderheit des Fahrlässigkeitsdelikts wird (insbesondere von der Rspr.) die Unzumutbarkeit 32 normgemäßen Verhaltens als spezifischer (ungeschriebener) Entschuldigungsgrund erwogen.1 Die Diskussion geht auf die sog. Leinenfänger-Entscheidung des RG zurück.2

III. Notwendige Einschränkungen/Normativismus Ein weitestgehend wissenschaftlicher Konsens besteht in der grundsätzlichen Einschätzung, die Fahrlässigkeits- 33 strafbarkeit müsse jedenfalls in problematischen (Grenz-)Bereichen eingeschränkt werden.3 Damit einher gehen Stimmen, die insbesondere für das Merkmal der Sorgfaltswidrigkeit,4 daneben aber auch für den Bereich der Fahrlässigkeitsschuld5 mit einiger Berechtigung vor überstarken Normativierungstendenzen (vgl. auch Rz. 19) warnen.

§ 16 Irrtum über Tatumstände (1) Wer bei Begehung der Tat einen Umstand nicht kennt, der zum gesetzlichen Tatbestand gehört, handelt nicht vorsätzlich. Die Strafbarkeit wegen fahrlässiger Begehung bleibt unberührt. (2) Wer bei Begehung der Tat irrig Umstände annimmt, welche den Tatbestand eines milderen Gesetzes verwirklichen würden, kann wegen vorsätzlicher Begehung nur nach dem milderen Gesetz bestraft werden.

§ 17 Verbotsirrtum Fehlt dem Täter bei Begehung der Tat die Einsicht, Unrecht zu tun, so handelt er ohne Schuld, wenn er diesen Irrtum nicht vermeiden konnte. Konnte der Täter den Irrtum vermeiden, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden. A. B. I. II. C. I. II. D.

Einführendes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tatbestandsirrtum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Deskriptive vs. normative Tatbestandsmerkmale . Besondere (Tatbestands-)Irrtumsarten . . . . . . . . Verbotsirrtum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vermeidbarkeit/Unvermeidbarkeit . . . . . . . . . . . Anwendung der Kategorien von Tatbestandsund Verbotsirrtum im Wirtschaftsstrafrecht. . . I. Andere Ausgangsbedingungen im Neben- und Wirtschaftsstrafrecht? Vorsatz- vs. Schuldtheorie .

. . . . . . .

1 2 3 8 9 10 12

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14

.

15

II. Abgrenzungsschwierigkeiten und Ungereimtheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Blankettstrafgesetze (und Blankettmerkmale) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Kritik/eigener Ansatz . . . . . . . . . . . . E. Weitere Irrtumsarten im Kontext mit Rechtfertigungsgründen . . . . . . . . . . . I. Erlaubnisirrtum . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Erlaubnistatbestandsirrtum . . . . . . . . . . III. Doppelirrtum . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

....

16

.... ....

17 21

. . . .

22 23 24 25

. . . .

. . . .

. . . .

Literatur: Vgl. zunächst die Angaben zu § 15. Darüber hinaus Bachmann, Vorsatz und Rechtsirrtum im Allgemeinen Strafrecht und im Steuerstrafrecht, 1993; Böse, Der Irrtum über den Gegenstand von Wegnahme und Zueignung beim Diebstahl (§ 242 StGB), GA 2010, 249; Brettel/Thomas, Der Verbotsirrtum im europäischen und nationalen Kartellbußgeldrecht – Zugleich Besprechung des Schenker-Urteils des EuGH, ZWeR 2013, 272; Bülte, Der Irrtum über das Verbot im Wirtschaftsstrafrecht, NStZ 2013, 65; Burchard, Irren ist menschlich, 2008; Burkhardt, Zur Abgrenzung von Versuch und Wahndelikt im Steuerstrafrecht, wistra 1982, 178; Cornelius, Die Verbotsirrtumslösung zur Bewältigung unklarer Rechtslagen – ein dogmatischer Irrweg, GA 2015, 101; Dahs, Der gekaufte Verbotsirrtum, FS Strauda, 2006, 99; Dietmeier, Blankettstrafrecht, 2002; Enderle, Blankettstrafgesetze, 2000; Eidam, Auswirkung und Stellenwert strafrechtlicher Expertengutachten auf die Anwendbarkeit von § 17 StGB in wirtschaftsstrafrechtlichen Fallkonstellationen, ZStW 127 (2015), 120; Engisch, Die normativen Tatbestandselemente im Strafrecht, FS Mezger, 1954, 127; Exner, Kompendium der strafrechtlichen Irrtumslehre, ZJS 2009, 516; Fleischer, Expertenrat und Organhaftung, KSzW 2013, 3; Fleischer, Verbotsirrtum und Vertrauen auf Rechtsrat im europäischen Wettbewerbsrecht, EuZW 2013, 326; Gaede, Der unvermeidbare Verbotsirrtum des anwaltlich beratenen Bürgers – eine Chimäre?, HRRS 2013, 449; Gómez, Vorsatztheorie vs. Schuldtheorie, GA 2010, 259; Haft, Grenzfälle des Irrtums über normative Tatbestandsmerkmale im Strafrecht, JA 1981, 281; Harnos, Geschäftsleiterhaftung bei unklarer Rechtslage, 2013; Heger, Geschichte und Gegenwart des Verbotsirrtums im deutschen Strafrecht, in: Sinn (Hrsg.), Menschenrechte und Strafrecht, 2013, 77; Herzberg, Tatbestands- oder Verbotsirrtum, GA 1993, 439; Herzberg, Vorsatzausschließende Rechtsirrtümer, JuS 2008, 385; Herzberg/Hardtung, Grundfälle zur Abgrenzung von Tatumstandsirrtum und Verbotsirrtum, JuS 1999, 1073; Hinderer, Tatumstandsirrtum oder Verbotsirrtum?, JA 2009, 864; Arth. Kaufmann, Das Schuldprinzip, 2. Aufl. 1976; Arth. 1 Ausf. Duttge in MüKo-StGB2, § 15 Rz. 206 f. 2 RG v. 23.3.1897 – IV 576/97, RGSt 30, 25. Hierzu Achenbach, JURA 1997, 631 ff. 3 Koch, ZIS 2010, 182 (m.w.N. in Fn. 110). Zur diesbezüglichen Meinungsdiversität vgl. aber auch Koch, Die Entkriminalisierung im Bereich der fahrlässigen Körperverletzung und Tötung, S. 30 ff. 4 Hierzu Duttge, NStZ 2006, 268 f. 5 Guter Überblick über die Problematik bei Koch, ZIS 2010, 180 f.

Eidam

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StGB

Irrtum über Tatumstände; Verbotsirrtum

StGB

§§ 16, 17 StGB Rz. 1

Strafgesetzbuch

Kaufmann, Das Unrechtsbewusstsein in der Schuldlehre des Strafrechts, 1949; Kindhäuser, Zur Unterscheidung von Tat- und Rechtsirrtum, GA 1990, 407; Kirch-Heim/Samson, Vermeidung der Strafbarkeit durch Einholung juristischer Gutachten, wistra 2008, 81; Kudlich/Wittig, Strafrechtliche Enthaftung durch juristische Präventionsberatung? ZWH 2013, 253; Kunz, Strafausschluß oder -milderung bei Tatveranlassung durch falsche Rechtsauskunft? GA 1983, 457; Lange, Der Strafgesetzgeber und die Schuldlehre, JZ 1956, 73; Lüderssen, Bemerkungen zum Irrtum über die Pflicht zur Wahrnehmung fremder Vermögensinteressen im Sinne des § 266 StGB, FS Richter II, 2006, 373; Lüderssen, Die Parteispendenproblematik im Steuerrecht und im Steuerstrafrecht – Vorsatz und Irrtum, wistra 1983, 223; Meyer, Der Verbotsirrtum im Steuerstrafrecht, NStZ 1986, 443; Meyer, Enthält der Tatbestand der Steuerhinterziehung ein ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal, das jeglichen Verbotsirrtum ausschließt?, NStZ 1987, 500; Müller-Magdeburg, Die Abgrenzung von Tatbestandsirrtum und Verbotsirrtum bei Blankettnormen, 1998; Naucke, Staatstheorie und Verbotsirrtum, FS Roxin, 2001, 503; Neumann, Der Verbotsirrtum (§ 17 StGB), JuS 1993, 793; Neumann, Die Schuldlehre des Bundesgerichtshofs, FS 50 Jahre BGH (Bd. IV), 2000, 83; Neumann, Regel und Sachverhalt in der strafrechtlichen Irrtumsdogmatik, FS Puppe, 2011, 171; Otto, Die Auslegung von Blankettstrafgesetzen, JURA 2005, 538; Puppe, Tatirrtum, Rechtsirrtum, Subsumtionsirrtum, GA 1990, 145; Puppe, Vorsatz und Rechtsirrtum, FS Herzberg, 2008, 275; Ransiek, Blankettstraftatbestand und Tatumstandsirrtum, wistra 2012, 365; Rodenbeck, Die Berufung auf einen Verbotsirrtum als Schutzbehauptung, 2012; Roxin, Über Tatbestands- und Verbotsirrtum, FS Tiedemann, 2008, 375; Schlüchter, Irrtum über normative Tatbestandsmerkmale, 1983; Schlüchter, Zur Abgrenzung von Tatbestands- und Verbotsirrtum – BayObLG NJW 1992, 2306, JuS 1993, 14; Steinberg, Irrtümliche Steuerhinterziehung, in: EBS Law School (Hrsg.), Perspektiven des Wirtschaftsrechts, 2013, 79; Sternberg-Lieben/Sternberg-Lieben, Der Tatumstandsirrtum (§ 16 I 1 StGB), JuS 2012, 289; Tiedemann, Zur legislatorischen Behandlung des Verbotsirrtums im Ordnungswidrigkeiten- und Steuerstrafrecht, ZStW 81 (1969), 869; Tiedemann, Tatbestandsfunktionen im Nebenstrafrecht, 1969; Tiedemann, Zum Stand der Irrtumslehre, insbesondere im Wirtschafts- und Nebenstrafrecht, FS Geerds, 1995, 95; Tischler, Verbotsirrtum und Irrtum über normative Tatbestandsmerkmale, 1983; Warda, Die Abgrenzung von Tatbestands- und Verbotsirrtum bei Blankettstrafgesetzen, 1955; Welzel, Der Verbotsirrtum im Nebenstrafrecht, JZ 1956, 238; Zabel, Aktuelle Begründungsund Anwendungsprobleme in der Dogmatik zu § 17 StGB; Zaczyk, Der verschuldete Verbotsirrtum – BayObLG NJW 1989, 1744, JuS 1990, 889.

A. Einführendes 1

Die Irrtumslehre nimmt im Wirtschaftsstrafrecht einen wichtigen (und überaus praxisrelevanten1) Stellenwert ein.2 Den Zugang zu entsprechenden Fragen eröffnen etwaige (subjektive) Fehlvorstellungen des Täters. Sie können in ganz unterschiedlicher Art und Weise zu Buche schlagen: Beim Vorsatz, auf Ebene der Schuld, womöglich aber auch überhaupt nicht.3 Das Gesetz differenziert zwischen Tatbestands- und Verbotsirrtum. Dieser Unterscheidung der lex lata kommt nicht zuletzt deshalb eine wichtige Bedeutung zu, weil die jeweiligen Konsequenzen höchst unterschiedlich sind.4 § 11 OWiG entspricht nahezu vollständig den §§ 16, 17 StGB, die gem. Art. 1 EGStGB auch für das Nebenstrafrecht gelten.5

B. Tatbestandsirrtum 2

Ein Tatbestandsirrtum (§ 16 Abs. 1 S. 1) liegt vor, wenn der Täter (wenigstens) einen der wirklich-realen (Sachverhalts-6) Umstände nicht kennt, die (in Folge einer Subsumtion unter die gesetzlichen Merkmale7) zur Verwirklichung des Tatbestands führen (Unkenntnis von Tatumständen).8 Ihm fehlt in dieser Situation das Wissenselement des Vorsatzes9 (hinsichtlich eines oder mehrerer Tatbestandsmerkmale). Dabei unterfallen der Begrifflichkeit des Tatbestandsirrtums (zuweilen ist präzisierend auch von einem Tatumstandsirrtum die Rede10) nicht nur positive Fehlvorstellungen, sondern auch eine ignorantia facti, also eine Abwesenheit von Vorstellung (Unkenntnis).11 All dies ergibt sich freilich aufgrund der allgemeinen Formel vom Vorsatz als Wissen und Wollen (§ 15 Rz. 7) der Tatbestandsverwirklichung,12 so dass § 16 mit Fug als Teilregelung des Vorsatzes bezeichnet werden kann.13 1 Vgl. Tiedemann, Wirtschaftsstrafrecht AT4, Rz. 336; Allgeyer in G/J/W, Wirtschafts- und Steuerstrafrecht, § 16 StGB Rz. 1. 2 Wittig, Wirtschaftsstrafrecht3, § 6 Rz. 163. 3 Jescheck/Weigend, AT5, § 29 V 1. 4 Vgl. z.B. Haft, JA 1981, 282; Schlüchter, JuS 1993, 15; Gómez, GA 2010, 261; Gaede in M/R-StGB, § 16 Rz. 9 oder Brettel/ Schneider, Wirtschaftsstrafrecht, § 2 Rz. 132. Mit Bezug zum Mannesmann-Verfahren vgl. auch Rönnau, NStZ 2006, 221. 5 Tiedemann in FS Geerds, 1995, S. 97. Vgl. auch Roxin in FS Tiedemann, 2008, S. 376. 6 Vgl. Kühl, AT7, § 13 Rz. 2 („Es geht also um einen Irrtum auf […] Sachverhaltsebene“; Hervorhebung im Original). Vgl. ferner Exner, ZJS 2009, 518 („Wirklichkeitsmomente“). 7 Joecks in MüKo-StGB2, § 16 Rz. 7; Duttge in HK-GS3, § 16 StGB Rz. 1. 8 Vogel in LK-StGB12, § 16 Rz. 17. Vgl. auch Fischer, StGB63, § 16 Rz. 3 oder Sternberg-Lieben/Sternberg-Lieben, JuS 2012, 289. 9 Wittig, Wirtschaftsstrafrecht3, § 6 Rz. 162; Kühl, AT7, § 13 Rz. 2; Kühl in Lackner/Kühl, StGB28, § 16 Rz. 3; SternbergLieben/Schuster in S/S-StGB29, § 16 Rz. 3; Puppe in NK-StGB4, § 16 Rz. 2; Hinderer, JA 2009, 864. 10 Vogel in LK-StGB12, § 16 Rz. 14 („Dem Gesetz entspricht allein die Bezeichnung ‚Tatumstandsirrtum‘“; Hervorhebung im Original). Vgl. auch Hinderer, JA 2009, 864 oder Exner, ZJS 2009, 517. 11 Joecks in MüKo-StGB2, § 16 Rz. 2; Duttge in HK-GS3, § 16 StGB Rz. 1; Puppe in NK-StGB4, § 16 Rz. 2; Jescheck/Weigend, AT5, § 29 V 1 a. 12 Kudlich in BeckOK-StGB, § 16 Rz. 1. 13 Gaede in M/R-StGB, § 16 Rz. 1. Vgl. auch Puppe in NK-StGB4, § 16 Rz. 1 (indirekte Definition des Vorsatzes); Duttge in HK-GS3, § 16 StGB Rz. 1 („[Teil-] Definition des Vorsatzes“).

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Eidam

Rz. 6 §§ 16, 17 StGB

I. Deskriptive vs. normative Tatbestandsmerkmale Die in § 16 bezeichneten Tatumstände (auf die sich der Irrtum bezieht) erschöpfen sich nicht nur in Sachverhal- 3 ten i.S.v. empirischen Tatsachen,1 sondern können im Einzelfall auch Wertungen, ja sogar Rechtslagen umfassen.2 Dies bildet die – nicht unbestrittene3 – Unterscheidung zwischen deskriptiven und normativen Tatbestandsmerkmalen ab. Sie ist Grundlage für den nicht enden wollenden Streit um den Vorsatzgegenstand,4 dem gerade im Wirtschaftsstrafrecht eine tiefergehende Praxisrelevanz zukommt (vgl. schon Rz. 1; i.Ü. dann auch Rz. 16 ff.). Deskriptive Tatbestandsmerkmale wirken überwiegend aus sich heraus anschaulich,5 haben demzufolge eine 4 Entsprechung sowohl im alltäglichen als auch im juristischen Sprachgebrauch6 und beschreiben reale Gegebenheiten, Vorgänge oder Umstände, die (und zwar in vollem Umfang7) sinnlich wahrgenommen und wertfrei (also ohne zusätzliche Bewertung oder rechtliche Einordnung) festgestellt werden können.8 Im Fall deskriptiver Tatbestandsmerkmale muss der Täter die (zumeist) äußerliche, empirische Beschaffenheit des Geschehens sinnlich wahrnehmen.9 Anders formuliert erfordert der Vorsatz also die Kenntnis der durch das (deskriptive) Merkmal bezeichneten Tatsachen.10 Fehlende (Tatsachen-)Kenntnis begründet einen Tatbestandsirrtum.11 Normative Tatbestandsmerkmale umschreiben rechtlich aufgeladene Tatumstände.12 Sie stehen – so sagte M. 5 E. Meyer es einmal – mit einem Fuß bereits in der Wertungsstufe der Rechtswidrigkeit.13 Das Kennen der unter sie subsumierbaren Umstände setzt – neben der zunächst erforderlichen Kenntnis der Tatsachen14 – jedenfalls auch einen Akt des geistigen Verstehens15 dergestalt voraus, dass eine spezielle rechtliche Bewertung zur Erschließung des Merkmals nötig ist.16 Der Vorsatz erschöpft sich demnach nicht im reinen Wissen um Tatsachen,17 so dass deren (alleinige) Kenntnis nicht genügt.18 Dem Täter muss vielmehr die Bedeutung der (ihm bekannten) Tatsachen bewusst sein.19 Für die hierzu erforderliche (rechtlich-normative) Bewertung ist es nach überwiegender Auffassung – und in Anlehnung an die gebräuchliche Formel Mezgers20– ausreichend, dass der Vorsatz des Täters eine Parallelwertung in der Laiensphäre beinhaltet.21 Eine exakte juristische Subsumtion unter (zuweilen komplizierte) Gesetzesmerkmale ist nicht nötig.22 Auf diese Weise fordert die überwiegende Lehre bei den normativen Tatbestandsmerkmalen so etwas wie eine Bedeutungs- bzw. Sinnerkenntnis,23 die jedoch im Sinne einer Parallelwertung in der Laiensphäre abgeschwächt wird.24 Was genau eine Parallelwertung in der Laiensphäre bedeutet und wo die entsprechenden Grenzen verlaufen, ist 6 indes zweifelhaft.25 Wissenschaftliche Kritik wird teils dahin formuliert, dass es wohl kaum Bezeichnungen gebe, die „mehr Verwirrung in das Verständnis (…) von Tatbeständen und Tatbestandsmerkmalen gebracht“ haben als die normativen Tatbestandsmerkmale in Verbindung mit dem Topos der Parallelwertung der Laiensphäre.26 Da-

1 Vgl. Puppe in FS Herzberg, 2008, S. 279. 2 Vogel in LK-StGB12, § 16 Rz. 14. Vgl. auch Heger in Menschenrechte und Strafrecht, 2013, S. 80 f. 3 Vgl. etwa Brettel/Schneider, Wirtschaftsstrafrecht, § 2 Rz. 40 („nicht trennscharf“); Steinberg in Perspektiven des Wirtschaftsrechts, S. 84 (Unterscheidung wirke „nicht erhellend“, sondern „vernebelnd“; Hervorhebungen im Original); Herzberg/Hardtung, JuS 1999, 1073 („eher irreführend als erhellend“) oder Rudolphi/Stein in SK-StGB8, § 16 Rz. 15 („erkenntnistheoretisch nicht haltbar“). 4 Kindhäuser, GA 1990, 407. 5 Herzberg/Hardtung, JuS 1999, 1073. 6 Engisch in FS Mezger, 1954, S. 143. 7 Rudolphi/Stein in SK-StGB8, § 16 Rz. 15. 8 Vogel in LK-StGB12, § 16 Rz. 21; Allgeyer in G/J/W, § 16 StGB Rz. 11. Vgl. auch Hinderer, JA 2009, 865 sowie SternbergLieben/Sternberg-Lieben, JuS 2012, 290. 9 Brettel/Schneider, Wirtschaftsstrafrecht, § 2 Rz. 141; Gaede in M/R-StGB, § 16 Rz. 19; Exner, ZJS 2009, 518. 10 Vgl. Puppe, GA 1990, 145. 11 Allgeyer in G/J/W, § 16 StGB Rz. 19. 12 Heger in Menschenrechte und Strafrecht, 2013, S. 80 f. 13 M.w.N. Engisch in FS Mezger, 1954, S. 145. 14 Joecks in MüKo-StGB2, § 16 Rz. 69. 15 Rudolphi/Stein in SK-StGB8, § 16 Rz. 15. Nach Puppe, GA 1990, 149 sei ein Akt geistigen Verstehens auch bei den deskriptiven Merkmalen erforderlich. 16 Gaede in M/R-StGB, § 16 Rz. 20. 17 Schlüchter, JuS 1993, 17. 18 Wittig, Wirtschaftsstrafrecht3, § 6 Rz. 168. Vgl. auch Puppe, GA 1990, 146 (unter Bezugnahme auf Rudolphi). 19 Schlüchter, JuS 1993, 17. 20 Vgl. nur Mezger, JZ 1951, 179 f. 21 Puppe in FS Herzberg, 2008, S. 281; Schlüchter, JuS 1993, 17; Roxin, AT I4, § 12 Rz. 101; Wittig, Wirtschaftsstrafrecht3, § 6 Rz. 169. 22 Vgl. Joecks in MüKo-StGB2, § 16 Rz. 69. Ferner auch Mezger, JZ 1951, 179 f. („rechtförmliche Subsumtion“ nicht erforderlich). 23 Vgl. nur Wittig, Wirtschaftsstrafrecht3, § 6 Rz. 168 oder Allgeyer in G/J/W, § 16 StGB Rz. 20. 24 Puppe, GA 1990, 150. Vgl. auch Jescheck/Weigend, AT5, § 29 II 3 a. 25 Joecks in MüKo-StGB2, § 16 Rz. 70. 26 Puppe in FS Herzberg, 2008, S. 283.

Eidam

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StGB

Irrtum über Tatumstände; Verbotsirrtum

StGB

§§ 16, 17 StGB Rz. 7

Strafgesetzbuch

neben wird die Methode einer sog. Parallelwertung auch als „unbrauchbar“, mitunter sogar als „unzulässig“ gebrandmarkt.1 7

Die normativen Tatbestandsmerkmale sind derart eng mit der Irrtumslehre verzahnt, dass Ausführungen zu und über normative Tatbestandsmerkmale mittelbar immer auch die Irrtumslehre betreffen (ausf. unten Rz. 16 ff.).2

II. Besondere (Tatbestands-)Irrtumsarten 8

Besondere Irrtumsarten im Rahmen des § 16 Abs. 1 S. 1 sind insbesondere der error in persona vel objecto (Objektverwechslung), die aberratio ictus (Fehlgehen der Tat) und der Irrtum über den Kausalverlauf.3 Eine spezifische wirtschaftsstrafrechtliche Relevanz besteht bei diesen Irrtumsarten eher nicht.4

C. Verbotsirrtum 9

Ein Verbotsirrtum kann ausschließlich auf der Wertungsstufe der Schuld Bedeutung erlangen.5 Die Regelung des § 17 bestätigt, dass ein Verbotsirrtum nicht den Vorsatz, sondern lediglich (bei Unvermeidbarkeit) die Schuld ausschließt. Sie ist in Übereinstimmung mit der ganz überwiegenden Meinung als verbindliche Entscheidung des Gesetzgebers für die Schuldtheorie zu verstehen.6 Nach der Schuldtheorie gehört das Bewusstsein der Rechtswidrigkeit (nur) zum Schuldvorwurf, während die Vorsatztheorie das Bewusstsein der Rechtswidrigkeit (oder Pflichtwidrigkeit) dem Vorsatz zuordnet.7 Die durch § 17 zum Ausdruck kommende Schuldtheorie senkt die Anforderungen an eine Vorsatzstrafbarkeit stark ab.8 Aufgrund seiner Strenge wird die Vereinbarkeit von § 17 mit dem Schuldprinzip wissenschaftlich hinterfragt.9 Obwohl die Frage nach der generellen Verfassungsmäßigkeit der Regelung mittlerweile – auch durch das BVerfG10 – für die Praxis geklärt ist,11 erlangen Bedenken um das Schuldprinzip in Anbetracht der überaus restriktiven Handhabe des Vermeidbarkeitskriteriums eine wiederkehrende Relevanz (unten Rz. 12 ff.).

I. Voraussetzungen 10

Der Verbotsirrtum ist ein Irrtum über eine rechtliche Regel.12 Ein im Verbotsirrtum handelnder Täter kennt zwar alle Tatumstände und handelt somit vorsätzlich, hält sein Tun aber gleichwohl für erlaubt.13 Ihm fehlt in dieser Situation die Einsicht, Unrecht zu tun, mithin das sog. Unrechtsbewusstsein14 (synonym: Unrechtseinsicht15). Die Frage, wann ein Verbotsirrtum vorliegt, ist folglich als Frage des Unrechtsbewusstseins zu behandeln.16 Eine Einsicht, Unrecht zu tun, fehlt nach überwiegender Ansicht nicht nur, wenn der Täter (positiv) annimmt, rechtmäßig zu handeln, sondern auch dann, wenn er sich keine Vorstellungen über die Rechtmäßigkeit seines Handelns macht bzw. ihm die Kenntnis der Widerrechtlichkeit fehlt (schlichte Unkenntnis; ignorantia iuris).17

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Unrechtseinsicht muss bei Begehung der Tat vorliegen.18 Insoweit bestehen Parallelen zur Vorsatzlehre (§ 15 StGB Rz. 8). Gegenstand des Unrechtsbewusstseins muss nicht notwendig das strafrechtliche Unrecht oder gar die konkrete Norm, gegen die verstoßen wird, sein.19 Nach der Rspr. und der überwiegenden Auffassung ist vielmehr ein Bewusstsein dahingehend ausreichend, dass die Tat gegen die verbindliche materiale Wertord-

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Kindhäuser, GA 1990, 417. Engisch in FS Mezger, 1954, S. 128. Gute Übersicht bei Kudlich in BeckOK-StGB, § 16 Rz. 6 ff. Vgl. Böse, GA 2010, 249 („Die mit den Begriffen der aberratio ictus und des error in persona vel objecto bezeichneten Irrtumskonstellationen werden üblicherweise im Zusammenhang mit Tötungs- oder Körperverletzungsdelikten erörtert, […]“). Sternberg-Lieben/Schuster in S/S-StGB29, § 17 Rz. 3. Neumann in NK-StGB4, § 17 Rz. 1; Gaede in M/R-StGB, § 17 Rz. 1. Vgl. etwa Bülte, NStZ 2013, 67; Gómez, GA 2010, 261; Tiedemann, ZStW 81 (1969), 869 f.; Warda, Die Abgrenzung von Tatbestands- und Verbotsirrtum bei Blankettstrafgesetzen, S. 1, oder Lange, JZ 1956, 73. Ferner auch Heger in Menschenrechte und Strafrecht, 2013, S. 82 f. Gaede in M/R-StGB, § 17 Rz. 1. Hierzu Gaede in M/R-StGB, § 17 Rz. 2. BVerfG v. 17.12.1975 – 1 BvL 24/75, BVerfGE 41, 121. Neumann in NK-StGB4, § 17 Rz. 2. Neumann in NK-StGB4, § 17 Rz. 4a. Wittig, Wirtschaftsstrafrecht3, § 6 Rz. 164. Umfassend monographisch: Arth. Kaufmann, Das Unrechtsbewusstsein in der Schuldlehre des Strafrechts, passim. Gaede in M/R-StGB, § 17 Rz. 1. Neumann, JuS 1993, 794. Vgl. auch Neumann in NK-StGB4, § 17 Rz. 9. Vogel in LK-StGB12, § 17 Rz. 12; Sternberg-Lieben/Schuster in S/S-StGB29, § 17 Rz. 6 . Vogel in LK-StGB12, § 17 Rz. 25; Joecks in MüKo-StGB2, § 17 Rz. 27; Heuchemer in BeckOK-StGB, § 17 Rz. 15; Allgeyer in G/J/W, § 17 StGB Rz. 6 . Gaede in M/R-StGB, § 17 Rz. 8. Vgl. auch Exner, ZJS 2009, 524 („Die spezifische Strafbarkeit muss […] nicht bekannt sein.“).

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Rz. 13 §§ 16, 17 StGB

nung des Rechts verstößt und daher rechtlich verboten ist1 (Bewusstsein der Widerrechtlichkeit2). Das meint eine Einsicht, rechtsgutsspezifisch3 gegen die Rechtsordnung zu verstoßen.4 Indes werden wissenschaftliche Zweifel an der Sinnhaftigkeit dieser Konzeption geäußert, die insbesondere den Verzicht auf die Kenntnis der strafrechtlichen Verbotsnorm kritisch hinterfragen.5 Die erforderliche Unrechtseinsicht soll nach der h.A. selbst dann vorliegen, wenn der Täter nicht genau weiß, ob seine Handlung rechtmäßig ist, dabei aber mit dieser Möglichkeit rechnet und sie billigend in Kauf nimmt (sog. bedingtes Unrechtsbewusstsein = Unrechtszweifel).6 Auch insoweit bestehen Parallelen zur Vorsatzlehre, namentlich finden hier die Grundsätze zum dolus eventualis (§ 15 StGB Rz. 12 ff.) sinngemäße Anwendung.7

II. Vermeidbarkeit/Unvermeidbarkeit Nach § 17 S. 1 schließt allein der unvermeidbare Verbotsirrtum die Schuld aus. War der Irrtum vermeidbar, 12 besteht nach § 17 S. 2 lediglich die Möglichkeit einer Strafmilderung (nach alter Rechtslage wurde insoweit nach einer Vorwerfbarkeit des Irrtums gefragt8). Im Fall eines vermeidbaren Irrtums wird der Täter mithin bestraft, obwohl er bei der Tat ohne (reales) Unrechtsbewusstsein gehandelt hat, eben weil bereits ein potentielles Unrechtsbewusstsein – jedenfalls nach der Konzeption des Gesetzes9 – den Schuldvorwurf trägt.10 Die Begrifflichkeit des potentiellen Unrechtsbewusstseins ist insofern irrleitend, als es sich nicht um eine besondere Form des Unrechtsbewusstseins, sondern um dessen (vermeidbare) Abwesenheit handelt.11 Für die Prüfung der Vermeidbarkeit kommt es darauf an, ob der konkrete Täter nach seinen individuellen Fähig- 13 keiten bei Einsatz all seiner Erkenntniskräfte und sittlichen Wertvorstellungen – insbesondere durch gewissenhaftes (eigenes) Nachdenken oder durch Erkundigung12 – zur Unrechtseinsicht hätte kommen können.13 Es handelt sich um einen individuellen Maßstab, der an den Zeitpunkt der Tatbestandsverwirklichung anzulegen ist.14 Leitend bei der Anwendung dieser Grundsätze sind nicht nur psychologisierende, sondern auch normativierende Kriterien15 (vor einem Übergewicht normativierender Kriterien wird insoweit zu Recht gewarnt16). Für die Praxis resultiert aus alledem ein recht weiter Ermessensspielraum,17 der zu einer eher unübersichtlichen Kasuistik18 geführt hat und mittlerweile derart restriktiv gehandhabt wird, dass ein unvermeidbarer Verbotsirrtum die Ausnahme darstellt.19 Die hiergegen formulierte Kritik, die zuweilen von zu schwammigen Grundsätzen20 zur (kriminalpolitisch motivierten) Abweisung von an sich nachvollziehbaren Täterüberlegungen spricht,21 ist insbesondere im Wirtschaftsstrafrecht gerechtfertigt.22 Besonders kritikwürdig erscheint eine neuere Rspr. des EuGH (in der Rechtssache Schenker), nach der selbst anwaltliche und/oder behördliche Auskünfte grundsätzlich kein rechtlich relevantes Vertrauen in die Vereinbarkeit eines Verhaltens mit europäischem Kartellrecht begründen können.23 Die damit tangierte (allgemeine) Frage, inwieweit Expertenrat (etwa im Rahmen einer sog. Criminal

1 Kühl in Lackner/Kühl, StGB28, § 17 Rz. 2; Neumann in NK-StGB4, § 17 Rz. 17. Vgl. auch Joecks in MüKo-StGB2, § 17 Rz. 13 (Kenntnis von „rechtlicher Wertwidrigkeit“ ausreichend). 2 Momsen in S/S/W-StGB2, § 17 Rz. 2; Eidam, ZStW 127 (2015), 126. 3 Zur hieraus resultierenden Teilbarkeit des Unrechtsbewusstseins anschaulich Duttge in HK-GS3, § 17 StGB Rz. 8. 4 Allgeyer in G/J/W, § 17 StGB Rz. 4. 5 Vgl. nur Gaede in M/R-StGB, § 17 Rz. 9; Heuchemer in BeckOK-StGB, § 17 Rz. 8; Neumann in NK-StGB4, § 17 Rz. 18 ff.; Neumann, JuS 1993, 795. Ferner auch Zabel, GA 2008, 45. 6 Gaede in M/R-StGB, § 17 Rz. 10; Sternberg-Lieben/Schuster in S/S-StGB29, § 17 Rz. 5a; Joecks in MüKo-StGB2, § 17 Rz. 24; Fischer, StGB63, § 17 Rz. 5; Neumann, JuS 1993, 795. Vgl. auch Eidam, ZStW 127 (2015), 125. Ausf. Roxin, AT I4, § 21 Rz. 29 ff. 7 Vgl. Kühl in Lackner/Kühl, StGB28, § 17 Rz. 4; Sternberg-Lieben/Schuster in S/S-StGB29, § 17 Rz. 5a; Duttge in HK-GS3, § 17 StGB Rz. 14. 8 Sternberg-Lieben/Schuster in S/S-StGB29, § 17 Rz. 13. 9 Krit. demgegenüber Zabel, GA 2008, 42. 10 Neumann, JuS 1993, 797; Gaede, HRRS 2013, 453; Eidam, ZStW 127 (2015), 137 f. 11 Neumann, JuS 1993, 797; Neumann in NK-StGB4, § 17 Rz. 53; Joecks in MüKo-StGB2, § 17 Rz. 38. Vgl. auch Eidam, ZStW 127 (2015), 138. 12 Gaede in M/R-StGB, § 17 Rz. 20. 13 Kühl in Lackner/Kühl, StGB28, § 17 Rz. 7. 14 Allgeyer in G/J/W, § 17 StGB Rz. 9. 15 Neumann in 50 Jahre Bundesgerichtshof (Band IV), 2000, S. 101. 16 Neumann in 50 Jahre Bundesgerichtshof (Band IV), 2000, S. 101; Eidam, ZStW 127 (2015), 136 f. 17 Vogel in LK-StGB12, § 17 Rz. 2. 18 Kühl in Lackner/Kühl, StGB28, § 17 Rz. 7. 19 Vgl. insoweit etwa Vogel in LK-StGB12, § 17 Rz. 8 (spricht von „Hartherzigkeit“). 20 Naucke, NJW 1968, 759. 21 Naucke in FS Roxin, 2001, S. 506. 22 Vgl. Eidam, ZStW 127 (2015), 133 ff. 23 EuGH (Große Kammer) v. 18.6.2013 – C-681/11, NJW 2013, 3083 m. krit. Anm. Weitbrecht. Krit. überdies Brettel/Thomas, ZWeR 2013, 272 ff.; Meyer-Lindemann, EuZW 2013, 626 ff.; Maritzen, GRUR Int 2013, 840 ff.; Wittig, ZWH 2013, 448; Fleischer, EuZW 2013, 326 ff.; Eidam, ZStW 127 (2015), 123 ff. und 137. Tendenziell krit. auch Kühl in Lackner/ Kühl, StGB28, § 17 Rz. 7.

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StGB

Irrtum über Tatumstände; Verbotsirrtum

StGB

§§ 16, 17 StGB Rz. 14

Strafgesetzbuch

Compliance) für die Beurteilung der Vermeidbarkeit eines Verbotsirrtums entscheidend sein kann, ist sehr praxisrelevant und im Wirtschaftsstrafrecht an der Tagesordnung.1

D. Anwendung der Kategorien von Tatbestands- und Verbotsirrtum im Wirtschaftsstrafrecht 14

Die Anwendung der §§ 16, 17 im Wirtschaftsstrafrecht bringt sowohl grundlegend-theoretische (Rz. 15) als auch praktisch-dogmatische (Rz. 16) Fragen und Probleme mit sich, die keineswegs isoliert, sondern in einer inneren Verbundenheit zueinander stehen.

I. Andere Ausgangsbedingungen im Neben- und Wirtschaftsstrafrecht? Vorsatz- vs. Schuldtheorie 15

Zunächst ist zur Kenntnis zu nehmen, dass die wissenschaftliche Unterscheidung zwischen der Vorsatz- und der Schuldtheorie (Rz. 9) im Neben- und Wirtschaftsstrafrecht von (mitunter praktischer) Bedeutung ist.2 Die Argumente entstammen einer bekannten Debatte zwischen Lange und Welzel,3 die den wissenschaftlichen Blick dafür geschärft hat, dass die allgemein herrschende Schuldtheorie zwar für das sog. Kernstrafrecht, auf große Teile des Neben- und Ordnungswidrigkeitenrechts jedoch weniger passt.4 Dabei machte Lange insbesondere auf den markanten Unterschied zwischen den herkömmlichen sittlich-fundierten Tatbeständen des Kernstrafrechts und den formalen Ordnungsvorschriften des Nebenstrafrechts aufmerksam.5 Letztere seien schlichtweg wertneutral, ethisch farblos und deshalb kein innerer Kulturbestandteil unseres Rechts, was die Anwendbarkeit der Schuldtheorie in Frage stelle.6 Namentlich Tiedeman hat dies aufgegriffen und sich für das Neben- und Wirtschaftsstrafrecht dafür ausgesprochen, eine der Vorsatztheorie nahestehende Konzeption anzuwenden.7 Dieses Anliegen ist im Grundsatz berechtigt, was der exemplarische Blick auf die sog. Blanketttatbestände verdeutlicht (dazu sogleich Rz. 17 ff.).

II. Abgrenzungsschwierigkeiten und Ungereimtheiten 16

Die Klarheit des Verhältnisses von Tatbestand und Rechtswidrigkeit (bzw. Unrecht) kann der Unterscheidung von Tatbestands- und Verbotsirrtum Rückgrat leihen.8 Eine eben solche Klarheit ist jedoch in der heutigen Zeit und insbesondere im Bereich des Wirtschaftsstrafrechts mit seinen zahlreichen stark normativ geprägten Tatbeständen (Bsp.: § 266) eher unzureichend ausgeprägt, so dass Abgrenzungsschwierigkeiten an der Tagesordnung sind. Insoweit ist die Erkenntnis folgerichtig, dass sich bei normativen Merkmalen oftmals Vorsatz und Unrechtseinsicht kaum mehr trennen lassen.9 Das damit angesprochene Abgrenzungsproblem von normativen Tatbestandsmerkmalen zum Verbotsirrtum, das schon seit geraumer Zeit als das am wenigsten gelöste Problem der Irrtumslehre angesehen wird,10 erfährt bei den sog. Blankettstrafgesetzen eine besondere Ausprägung. Zunehmend umstr. ist hier die Abgrenzung bzw. die Unterscheidung von blankettartigen Merkmalen einerseits und normativen Tatbestandsmerkmalen (oben Rz. 5) mit Bezugnahme auf rechtliche Einordnungen (sog. rechtsnormative Tatbestandsmerkmale) andererseits.11 1. Blankettstrafgesetze (und Blankettmerkmale)

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Die auf Binding zurückgehende12 Begrifflichkeit meint Strafgesetze, in denen sich der Strafgesetzgeber mit einer Strafdrohung – einer Sanktionsnorm13 – begnügt und das tatbestandliche Unrecht nicht oder nicht vollständig

1 Ausf. hierzu Eidam, ZStW 127 (2015), 120 ff., sowie Kudlich/Wittig, ZWH 2013, 253 ff. Vgl. auch Kirch-Heim/Samson, wistra 2008, 81 ff. oder Gaede, HRRS 2013, 449 ff., jew. m.w.N. 2 Neumann in NK-StGB4, § 17 Rz. 4. 3 Vgl. Lange, JZ 1956, 73 ff.; Welzel, JZ 1956, 238 ff.; Lange, JZ 1956, 519 ff. 4 Tiedemann, ZStW 81 (1969), 885 moniert etwa den „pauschalen Systemansatz“ der Schuldtheorie. Vgl. auch Lange, JZ 1956, 75 (zu undifferenziert). 5 Lange, JZ 1956, 73. Ebenso Arth. Kaufmann, Das Schuldprinzip, 2. Aufl. 1976, S. 137. Zu diesbezüglichen Abgrenzungsschwierigkeiten vgl. aber Welzel, JZ 1956, 240 f. 6 Vgl. Lange, JZ 1956, 75. 7 Vgl. insb. Tiedemann, Tatbestandsfunktionen im Nebenstrafrecht, 1969, S. 335 ff. Ferner Tiedemann, Wirtschaftsstrafrecht AT4, Rz. 340 ff.; Tiedemann, ZStW 81 (1969), 869 ff.; Tiedemann in FS Geerds, 1995, S. 95 ff. Vgl. zur Diskussion auch das Plädoyer für eine „weiche Schuldtheorie“ bei Roxin in FS Tiedemann, 2008, S. 375 ff. 8 Engisch in FS Mezger, 1954, S. 129. 9 Jakobs, NStZ 2005, 277. 10 Haft, JA 1981, 281 (mit Verweis auf Zipf). Vgl. auch Sternberg-Lieben/Schuster in S/S-StGB29, § 16 Rz. 103. 11 Allgeyer in G/J/W, § 16 StGB Rz. 16. Vgl. auch Wittig, Wirtschaftsstrafrecht3, § 6 Rz. 166 und Warda, Die Abgrenzung von Tatbestands- und Verbotsirrtum bei Blankettstrafgesetzen, S. 4. 12 M.w.N. Dinter, Pflichtwidrigkeitsvorsatz der Untreue, S. 11. 13 Roxin, AT I4, § 12 Rz. 110.

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Rz. 20 §§ 16, 17 StGB

umschreibt.1 Letzteres geschieht durch (ausdrückliche) Bezugnahme auf andernorts (zumeist außerstrafrechtlich2) kodifizierte Vorschriften (Gesetze oder Rechtsverordnungen), die die ursprüngliche Strafbestimmung dann ausfüllen bzw. ergänzen3 und somit (erst) das strafbewehrte Verhalten bestimmen.4 Selbst eine Ausfüllung durch bloße Verwaltungsakte (Verbote, Untersagungen, Erlaubnisse, Genehmigungen5) ist denkbar.6 Trotz aller Kritik und in Anlehnung an den berühmten Ausspruchs Eb. Schmidts, wonach Blankettstrafvorschriften „gänzlich unentbehrlich“7 für den Gesetzgeber des Wirtschaftsstrafrechts seien, erfreuen sich die sog. Blankette zunehmender Beliebtheit im Neben- und Wirtschaftsstrafrecht.8 Einzelne Blankettmerkmale (im Unterschied zu „reinen“ Blanketten9) sind mittlerweile auch (schon) in modernen Straftatbeständen des StGB auffindbar.10 Innerhalb der großen Überschrift der Blankettstrafgesetze erfolgt eine weitere Binnendifferenzierung zwischen 18 echten und unechten Blankettgesetzen. Verweist ein Blankett auf Vorschriften derselben Normsetzungsinstanz, spricht man von unechten Blankettgesetzen oder auch Blankettgesetzen im weiteren Sinne (sog. Binnenverweisung). Wird demgegenüber auf andere Instanzen als den Gesetzgeber verwiesen (Bsp.: Rechtsakte der Verwaltungsbehörde), spricht man von echten Blankettgesetzen oder auch Blankettgesetzen im engeren Sinne (sog. Außenverweisung).11 Letztere stehen in einem spezifischen Spannungsverhältnis zu Art. 103 Abs. 2 GG, weil grundsätzlich nur der Gesetzgeber selbst die Grenzen strafbaren Handelns bestimmen und abstecken darf.12 Nach der überwiegenden Auffassung kann ein Blankettstraftatbestand nur dadurch zu einer sinnvollen (und voll- 19 wertigen) Norm avancieren, dass der Tatbestand der blankettausfüllenden Norm in den (Blankett-)Straftatbestand eingefügt bzw. substituiert13 wird (sog. Lehre vom Zusammenlesen bzw. -schreiben).14 Kritiker weisen indes darauf hin, dass der Vorgang des Zusammenlesens kein ausschließlich technischer Vorgang sei. Er verändere nicht nur den normativen Einschlag des Blankettmerkmals, sondern vor allem auch den Sinn des Tatbestands.15 In engem Zusammenhang mit der Vorstellung eines Zusammenlesens steht die Abgrenzung zwischen Tat- 20 bestands- und Verbotsirrtum bei Blankettstrafgesetzen. Sie ist sehr streitig, insbesondere wenn es um einen Irrtum über die Existenz (und Wirksamkeit) der Ausfüllungsnorm geht.16 Nach überwiegender Auffassung (und auf dem Boden der Schuldtheorie17) führt der Irrtum über die Existenz (und Wirksamkeit) der ausfüllenden Norm bei Blankettstrafgesetzen zum Verbotsirrtum (str.).18 Irrt der Täter hingegen über ein Merkmal der blankettausfüllenden Norm, so ist aufgrund der von der h.M. praktizierten Technik des Zusammenlesens (oben Rz. 19) der Vorsatz betroffen, was wiederum die Annahme eines Tatbestandsirrtums ermöglicht.19 Nur über Letzteres besteht Einigkeit.20

1 Vogel in LK-StGB12, § 16 Rz. 36; Warda, Die Abgrenzung von Tatbestands- und Verbotsirrtum bei Blankettstrafgesetzen, S. 5. Vgl. auch Puppe, GA 1990, 162. 2 Kindhäuser, GA 1990, 420. 3 Vgl. Otto, JURA 2005, 538. 4 Puppe, GA 1990, 163. 5 Vogel in LK-StGB12, § 16 Rz. 36. 6 Roxin, AT I4, § 12 Rz. 110. Vgl. auch Warda, Die Abgrenzung von Tatbestands- und Verbotsirrtum bei Blankettstrafgesetzen, S. 6. 7 Eb. Schmidt, Das neue deutsche Wirtschaftsstrafrecht, 1954, S. 32. 8 Vgl. Otto, JURA 2005, 538; Kudlich/Og˘lakciog˘lu, Wirtschaftsstrafrecht2, Rz. 47. 9 Sternberg-Lieben/Schuster in S/S-StGB29, § 16 Rz. 99. 10 Hierzu mit zahlreichen Beispielen Puppe in FS Herzberg, 2008, S. 289. 11 Umfänglich zu dieser Unterscheidung Kudlich/Og˘lakciog˘lu, Wirtschaftsstrafrecht2, Rz. 48 und 51; Otto, JURA 2005, 538 oder Warda, Die Abgrenzung von Tatbestands- und Verbotsirrtum bei Blankettstrafgesetzen, S. 10 ff. Vgl. auch Vogel in LK-StGB12, § 16 Rz. 36. 12 Hierzu BVerfG v. 22.6.1988 – 2 BvR 234/87, 1154/86, BVerfGE 78, 374, 381 ff. Ausf. zur Problematik Kudlich/Og˘lakciog˘lu, Wirtschaftsstrafrecht2, Rz. 49. Aktuell aus der Rspr.: LG Berlin v. 16.4.2015 – (572) 242 AR 27/12 NS (82/12), NZWiSt 2016, 112 („Rindfleischetikettierung“) m. Anm. Bülte sowie BVerfG v. 21.9.2016 – 2 BvL 1/15, NJW 2016, 3648 („Rindfleischetikettierung“) m. Anm. Hecker und BGH v. 23.12.2015 – 2 StR 525/13, NJW 2016, 1251 (1256) („E-Zigaretten“) m. Anm. Brand und Anm. Schuster NZWiSt 2016, 278 (vgl. insbesondere S. 279 f. zu verfassungsrechtlichen Einwänden gegen Blankette). 13 Insoweit ist von einer „Substituierbarkeitsthese“ die Rede. Vgl. nur Puppe in NK-StGB4, § 16 Rz. 38 oder Dinter, Pflichtwidrigkeitsvorsatz der Untreue, S. 25. 14 Tiedemann, Wirtschaftsstrafrecht AT4, Rz. 337 f.; Wittig, Wirtschaftsstrafrecht3, § 6 Rz. 171; Vogel in LK-StGB12, § 16 Rz. 37; Gómez, GA 2010, 263; Puppe in FS Herzberg, 2008, S. 290; Warda, Die Abgrenzung von Tatbestands- und Verbotsirrtum bei Blankettstrafgesetzen, S. 36. Vgl. auch Dinter, Pflichtwidrigkeitsvorsatz der Untreue, S. 25 ff. 15 Hierzu m.w.N. Gómez, GA 2010, 264. Vgl. insbesondere auch Puppe in NK-StGB4, § 16 Rz. 38; Puppe, GA 1990, 155 f. 16 Krell, NZWiSt 2012, 114. 17 Gaede in M/R-StGB, § 16 Rz. 14; Joecks in MüKo-StGB2, § 16 Rz. 74. 18 Joecks in MüKo-StGB2, § 16 Rz. 74; Jescheck/Weigend, AT5, § 29 V 3; Niemeyer in M-G6, § 17 Rz. 15; Lüderssen in FS Richter II, 2006, S. 373 f. Vgl. auch Krell, NZWiSt 2012, 114. Ausf. zudem Warda, Die Abgrenzung von Tatbestandsund Verbotsirrtum bei Blankettstrafgesetzen, S. 36 ff. 19 Wittig, Wirtschaftsstrafrecht3, § 6 Rz. 171; Sternberg-Lieben/Schuster in S/S-StGB29, § 16 Rz. 100/101. 20 Brettel/Schneider, Wirtschaftsstrafrecht, § 2 Rz. 14; Puppe in NK-StGB4, § 16 Rz. 60. Vgl. auch Joecks in MüKo-StGB2, § 16 Rz. 74.

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StGB

Irrtum über Tatumstände; Verbotsirrtum

StGB

§§ 16, 17 StGB Rz. 21

Strafgesetzbuch

2. Kritik/eigener Ansatz 21

Dem Ansatz der (noch1) überwiegenden Ansicht und der Rspr.2 wird zu Recht vorgeworfen, er führe zu wenig nachvollziehbaren, mitunter irritierenden Ergebnissen3 sowie einer bedenkliche Schlechterstellung im Unterschied zu normativen Tatbestandsmerkmalen.4 Problematisch ist zudem, dass es in der Praxis oftmals vom Zufall abhängen wird, ob eine Vorschrift als Blankettverweisung oder als Vorschrift, die normative Tatbestandsmerkmale beinhaltet, bewertet wird.5 In der Sache vermag es schlichtweg nicht zu überzeugen, bei normativen Merkmalen die Kenntnis der sie konstituierenden Bewertungen für den Vorsatz einzufordern (was bei den rechtsnormativen Merkmalen dazu führt, dass die Kenntnis der sie konstituierenden Rechtsnormen zum Vorsatz gehört), bei Blanketttatbeständen aber gänzlich anders zu verfahren.6 Einzufordern ist deshalb eine weitgehende Gleichbehandlung des Irrtums über (rechts-)normative Tatbestandsmerkmale und des Irrtums über Blankettverweisungen,7 weil nicht einzusehen ist, warum die Ausfüllungsnorm (bei Blanketten) nicht als normatives Tatbestandsmerkmal aufgefasst und ihre Kenntnis zur Voraussetzung des Vorsatzes gemacht werden sollte.8 Auch die ethische Farblosigkeit von Blankettstrafgesetzen streitet gegen eine „reguläre“ Anwendbarkeit von § 17, dem die rechtsethische Prämisse der Erschließbarkeit des Verbotenseins zugrunde liegt,9 mit der Folge, dass sich ein Täter auf die Unkenntnis strafbewehrter Rechtspflichten nicht berufen kann, weil deren Inhalt zur Sozialisation in der betreffenden Rechtsgemeinschaft gehört.10 Diese Prämisse ist unzweifelhaft nicht einschlägig. Ist der Strafgesetzgeber nicht in der Lage, das Unrecht einer Tat klar zum Ausdruck zu bringen, so darf auch nicht vom Bürger erwartet werden, hierauf allein aufgrund der Kenntnis der Tatumstände zu schließen.11 Die Existenz und Gültigkeit einer blankettausfüllenden Norm sollte mithin den Vorsatz betreffen.12 Ob man die damit eingeforderte Rechtsfolge letztlich als an den tatsächlichen Gegebenheiten des Steuerstrafrechts (Stichwort: Steueranspruchstheorie) orientierte,13 der Vorsatztheorie nahestehende14 Ausnahme von der Schuldtheorie15 (Tiedemann) oder aber als „weiche“ Schuldtheorie (Roxin), die regelmäßig einen unvermeidbaren Verbotsirrtum annehmen würde,16 deklariert, bleibt im praktischen Ergebnis unterschiedslos. Freilich könnte sich eine weiche Schuldtheorie auf eine engere Gesetzesbindung berufen.17 Die mit alledem einhergehende Marginalisierung der Schuldtheorie18 in bestimmten Bereichen des Neben- und Wirtschaftsstrafrechts ist hinzunehmen.

E. Weitere Irrtumsarten im Kontext mit Rechtfertigungsgründen 22

Schwierigkeiten bereitet die Anwendung der §§ 16, 17 auch bei Irrtümern, die Rechtfertigungsgründe betreffen.19

I. Erlaubnisirrtum 23

Die Begrifflichkeit des Erlaubnisirrtums (auch indirekter Verbotsirrtum) umfasst die Fehlvorstellung über die rechtlichen Grenzen eines (anerkannten) Rechtfertigungsgrundes oder die Annahme eines von der Rechtsordnung nicht anerkannten Rechtfertigungsgrundes.20 Ein Erlaubnisirrtum wird als Verbotsirrtum behandelt und begründet mithin die Anwendbarkeit von § 17.21 1 Vgl. Roxin in FS Tiedemann, 2008, S. 381; Gaede in M/R-StGB, § 16 Rz. 14. Ferner auch Vogel in LK-StGB12, § 16 Rz. 40 („vordringende Gegenauffassung“; Hervorhebung im Original). 2 Aus neuerer Zeit bspw. BGH v. 15.11.2012 – 3 StR 295, NZWiSt 2012, 113. 3 Bülte, NStZ 2013, 65 f. Ähnlich auch Vogel in LK-StGB12, § 16 Rz. 39 (nicht widerspruchsfrei). 4 Gaede in M/R-StGB, § 16 Rz. 15. 5 Bülte, NStZ 2013, 72. 6 Tiedemann in FS Geerds, 1995, S. 108. 7 So Bülte, NStZ 2013, 70. 8 Roxin in FS Tiedemann, 2008, S. 381. 9 Neumann in NK-StGB4, § 17 Rz. 95; Krell, NZWiSt 2012, 115. 10 Puppe, GA 1990, 170. 11 Puppe in FS Herzberg, 2008, S. 291. 12 Puppe in NK-StGB4, § 16 Rz. 65 ff.; Puppe, GA 1990, 166; Puppe, in FS Herzberg, 2008, S. 290; Arth. Kaufmann, Das Schuldprinzip, 2. Aufl. 1976, S. 137; Schroth, Vorsatz und Irrtum, S. 36 f.; Gaede in M/R-StGB, § 16 Rz. 15; Kudlich/ Og˘lakciog˘lu, Wirtschaftsstrafrecht2, Rz. 66. Differenzierend Vogel in LK-StGB12, § 16 Rz. 40, und Neumann in NKStGB4, § 17 Rz. 95 . 13 Vgl. etwa Bülte, NStZ 2013, 68; Krell, NZWiSt 2012, 116 oder Niemeyer in M-G6, § 17 Rz. 16. Ferner Tiedemann, ZStW 81 (1969), 879. 14 Vgl. Roxin in FS Tiedemann, 2008, S. 375. 15 Etwa Tiedemann in FS Geerds, 1995, S. 108. Vgl. auch a.a.O., S. 106 (spricht von einer „gespaltenen Schuldtheorie“). Vgl. zu alledem Roxin in FS Tiedemann, 2008, S. 388 ff. Krit. Sternberg-Lieben/Schuster in S/S-StGB29, § 16 Rz. 99. 16 Roxin in FS Tiedemann, 2008, S. 376, 389; Roxin, AT I4, § 21 Rz. 41 f. Vgl. hierzu auch Tiedemann in FS Geerds, 1995, S. 108 oder Gómez, GA 2010, 265. 17 Roxin in FS Tiedemann, 2008, S. 376; Roxin, AT I4, § 21 Rz. 42; Tiedemann in FS Geerds, 1995, S. 109. 18 Gómez, GA 2010, 265. 19 Guter Überblick bei Duttge in HK-GS3, § 16 StGB Rz. 11 ff. 20 Schaefer in AnwK-StGB2, § 16 Rz. 20; Sternberg-Lieben/Schuster in S/S-StGB29, § 16 Rz. 24. 21 Allgeyer in G/J/W, § 16 StGB Rz. 31.

122

Eidam

Rz. 3 § 18 StGB

II. Erlaubnistatbestandsirrtum Nimmt der Täter irrigerweise anerkannte rechtfertigende Umstände an, unterliegt er einem sog. Erlaubnistat- 24 bestandsirrtum (auch Erlaubnistatumstandsirrtum).1 Nach wohl überwiegender Ansicht – freilich mit Unterschieden im Detail und in der Begründung2 – schließt ein solcher Irrtum die Vorsatzstrafbarkeit aus.3 Die dogmatische Konstruktion dieses Ergebnisses ist „klassisch“ und seit jeher umstr.4

III. Doppelirrtum Fallen die beiden vorgenannten Konstellationen des Erlaubnis- und des Erlaubnistatbestandsirrtums zusam- 25 men, spricht man von einem Doppelirrtum. Es findet ausschließlich (und „nur“) die Regelung des § 17 Anwendung,5 weil der ebenfalls in dieser Konstellation enthaltene Fehler in der Bewertung des rechtlich Erlaubten die Grenzen des Erlaubnistatbestandsirrtums „sprengt“.6

§ 18 Schwerere Strafe bei besonderen Tatfolgen Knüpft das Gesetz an eine besondere Folge der Tat eine schwerere Strafe, so trifft sie den Täter oder den Teilnehmer nur, wenn ihm hinsichtlich dieser Folge wenigstens Fahrlässigkeit zur Last fällt. § 18 normiert eine allgemeine (und klarstellende) Voraussetzung für das erfolgsqualifizierte Delikt (= vorsätz- 1 licher Grundtatbestand, der durch den Eintritt einer besonderen [schweren] Folge qualifiziert wird7). Sie schreibt fest, dass dem Täter oder Teilnehmer hinsichtlich des qualifizierenden Erfolges mindestens Fahrlässigkeit zur Last fallen muss, was (gem. § 29) gesondert für jeden Beteiligten festzustellen ist.8 Die Regelung wird als Ausnahmevorschrift9 oder auch als lex specialis10 zu § 15 bezeichnet und hat insoweit klarstellende Funktion, als Erfolgsqualifikationen nicht – wie früher zum Teil angenommen – Fälle reiner Erfolgshaftung sind. Vielmehr ist in Anlehnung an den Schuldgrundsatz jedenfalls ein Verschulden in Gestalt von Fahrlässigkeit hinsichtlich der besonderen Folge erforderlich.11 Das Gesetz ist insoweit unvollständig als es verschweigt, dass neben Kausalität noch ein spezifischer Gefahr- 2 zusammenhang zwischen der Verwirklichung des Grunddelikts und der schweren Folge erforderlich ist.12 Nur so lässt sich die regelmäßig bei den erfolgsqualifizierten Delikten anzutreffende schwere Strafe rechtfertigen, eben weil es sich nicht nur um die Kombination eines Grund- und eines Fahrlässigkeitsdelikts in Idealkonkurrenz handelt.13 Freilich sind die Kriterien für und die Voraussetzungen an den erforderlichen Gefahrzusammenhang (auch: Unmittelbarkeitszusammenhang14) seit jeher umstr.15 Einzelheiten sind hier überwiegend deliktsspezifisch und von einer gewissen Kasuistik geprägt,16 so dass einheitliche Lösungen kaum möglich sind.17 Inwieweit eine Versuchsstrafbarkeit bei den erfolgsqualifizierten Delikten möglich ist, ist traditionell umstr.18 3 Dabei wird begrifflich zwischen erfolgsqualifizierten Versuch (= Grunddelikt im Versuchsstadium bei Eintritt der schweren Folge) und dem Versuch der Erfolgsqualifikation (= schwere Folge vom Vorsatz umfasst, jedoch nicht eingetreten) unterschieden.19 Bei letzterer Konstellation handelt es sich der Sache nach um ein Vorsatzdelikt,

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19

Exner, ZJS 2009, 524. Kudlich in BeckOK-StGB, § 16 Rz. 24. Allgeyer in G/J/W, § 16 StGB Rz. 31. Vgl. zum Streit und weiteren Nachweisen etwa Gaede in M/R-StGB, § 16 Rz. 33 ff.; Sternberg-Lieben/Schuster in S/SStGB29, § 16 Rz. 14 ff. oder Duttge in HK-GS3, § 16 StGB Rz. 12 ff. Kudlich in BeckOK-StGB, § 16 Rz. 26. Duttge in HK-GS3, § 16 StGB Rz. 16. Renzikowski in M/R-StGB, § 18 Rz. 1; Kühl in Lackner/Kühl, StGB28, § 18 Rz. 1. Kudlich in BeckOK-StGB, § 18 Rz. 1. Hardtung in MüKo-StGB2, § 18 Rz. 1; Momsen in S/S/W-StGB2, § 18 Rz. 1. Vgl. auch Duttge in HK-GS3, § 18 StGB Rz. 2 („Ausnahme“). Renzikowski in M/R-StGB, § 18 Rz. 1. Kudlich in BeckOK-StGB, § 18 Rz. 1.1.; Fischer, StGB63, § 18 Rz. 2; Sternberg-Lieben/Schuster in S/S-StGB29, § 18 Rz. 2; Kudlich, JA 2009, 246. Kudlich in BeckOK-StGB, § 18 Rz. 2; Kudlich, JA 2009, 246. Vgl. Renzikowski in M/R-StGB, § 18 Rz. 2 und 9. Zu diesbezüglichen Missverständlichkeiten vgl. aber Duttge in HK-GS3, § 18 StGB Rz. 8 oder Kudlich, JA 2009, 248 (Bezeichnung sei „nicht ganz glücklich“) . Renzikowski in M/R-StGB, § 18 Rz. 9. Eine weiterführende Übersicht findet sich etwa bei Duttge in HK-GS3, § 18 StGB Rz. 9 f. Kühl in Lackner/Kühl, StGB28, § 18 Rz. 8. Momsen in S/S/W-StGB2, § 18 Rz. 11. Momsen in S/S/W-StGB2, § 18 Rz. 11.

Eidam

123

StGB

Schwerere Strafe bei besonderen Tatfolgen

StGB

§ 18 StGB

Strafgesetzbuch

dessen Versuch grundsätzlich strafbar ist.1 Für den erfolgsqualifizierten Versuch wird überwiegend jedenfalls die Strafbarkeit des Versuchs beim Grunddelikt gefordert.2

§ 19 Schuldunfähigkeit des Kindes Schuldunfähig ist, wer bei Begehung der Tat noch nicht vierzehn Jahre alt ist.

§ 20 Schuldunfähigkeit wegen seelischer Störungen Ohne Schuld handelt, wer bei Begehung der Tat wegen einer krankhaften seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden Bewußtseinsstörung oder wegen Schwachsinns oder einer schweren anderen seelischen Abartigkeit unfähig ist, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln.

§ 21 Verminderte Schuldfähigkeit Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

Zweiter Titel. Versuch

§ 22 Begriffsbestimmung Eine Straftat versucht, wer nach seiner Vorstellung von der Tat zur Verwirklichung des Tatbestandes unmittelbar ansetzt.

§ 23 Strafbarkeit des Versuchs (1) Der Versuch eines Verbrechens ist stets strafbar, der Versuch eines Vergehens nur dann, wenn das Gesetz es ausdrücklich bestimmt. (2) Der Versuch kann milder bestraft werden als die vollendete Tat (§ 49 Abs. 1). (3) Hat der Täter aus grobem Unverstand verkannt, daß der Versuch nach der Art des Gegenstandes, an dem, oder des Mittels, mit dem die Tat begangen werden sollte, überhaupt nicht zur Vollendung führen konnte, so kann das Gericht von Strafe absehen oder die Strafe nach seinem Ermessen mildern (§ 49 Abs. 2). A. Überblick und Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . B. Vorfragen: Strafbarkeit des Versuchs und Nichtvollendung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Voraussetzungen/Tatbestand des Versuchs . . . . . I. Tatentschluss (subjektiver Tatbestand) . . . . . . . . . II. Unmittelbares Ansetzen (objektiver Tatbestand) . . D. Abgrenzungsfragen und Sonderprobleme I. Vorbereitung vs. Versuch . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1 2 4 5 6

II. III. E. I. II.

Vollendung vs. Beendigung . . . . . . . . . . . . . Untauglicher Versuch vs. Wahndelikt . . . . . . Beteiligung mehrerer. . . . . . . . . . . . . . . . . Mittäterschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Mittelbare Täterschaft (kraft Organisationsherrschaft) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . F. Unterlassen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

. . . .

9 10 12 13

. .

15 16

7

Literatur: Bockelmann, Zur Abgrenzung von Vorbereitung und Versuch, JZ 1954, 468; Bosch, Unmittelbares Ansetzen zum Versuch, JURA 2011, 909; Brockhaus, Die Europäisierung des Versuchs und Rücktritts im Wirtschaftsstrafrecht, ZIS 2006, 481; Burkhardt, Vorspiegelung von Tatsachen als Vorbereitungshandlung zum Betrug – OLG Karlsruhe, NJW 1982, 59, JuS 1983, 426; Burkhardt, Zur Abgrenzung von Versuch und Wahndelikt im Steuerstrafrecht, wistra 1982, 178; Ceffinato, Zum Versuchsbeginn bei der Steuerhinterziehung durch Unterlassen, wistra 2014, 88; Erb, Zur Konstruktion eines untauglichen Versuchs der Mittäterschaft bei scheinbarem unmittelbarem Ansetzen eines vermeintlichen Mittäters zur Verwirklichung des Tatbestandes, NStZ 1995, 424; Grünwald, Der Versuch des unechten Unterlassungsdelikts, JZ 1959, 46; Haas, Zum Rechtsgrund von Versuch und Rücktritt, ZStW 123 (2011), 226; Heckler, Versuchsbeginn bei vermeintlicher Mittäterschaft, GA 1997, 72; Heinitz, Streitfragen der Versuchslehre, JR 1956, 248; Herzberg, Der Versuch, die Straftat durch einen anderen zu begehen, FS Roxin, 2001, 749; Herzberg, Zur Strafbarkeit des untauglichen Versuchs, GA 2001, 257; Hoffmann, Über das unmittelbare Ansetzen während zeitlich gestreckter Handlungsabläufe, JA 2016, 194; Jescheck, Versuch und Rücktritt bei Beteiligung mehrerer Personen an der Straftat, ZStW 99 (1987) 111; Joerden, Zur Versuchsstrafbarkeit beim Betrug und sei1 Kudlich in BeckOK-StGB, § 18 Rz. 17.2; Kudlich, JA 2009, 248. 2 Paeffgen in NK-StGB4, § 18 Rz. 112.

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Rz. 1 §§ 22, 23 StGB

nen Derivaten im Wirtschaftsstrafrecht, GS Blomeyer, 2004, 373; Jung, Zur Strafbarkeit des untauglichen Versuchs, ZStW 117 (2005) 937; Krack, Der Versuchsbeginn bei Mittäterschaft und mittelbarer Täterschaft, ZStW 110 (1998), 611; Kühl, Versuchsstrafbarkeit und Versuchsbeginn, FS Küper, 2007, 289; Kühl, Vollendung und Beendigung bei den Eigentums- und Vermögensdelikten, JuS 2002, 729; Küper, Der Versuchsbeginn bei mittelbarer Täterschaft, JZ 1983, 361; Mack, Die Abgrenzung zwischen Vorbereitung und Versuch im Wirtschafts- und Nebenstrafrecht, 2004; Meine, Die Abgrenzung von Vorbereitungshandlung und Versuchsbeginn bei der Hinterziehung von Veranlagungssteuern unter Zuhilfenahme einer falschen Buchführung, GA 1978, 321; Otto, Versuch und Rücktritt bei mehreren Tatbeteiligten, JA 1980, 641 (Teil 1), 707 (Teil 2); Putzke, Der strafbare Versuch, JuS 2009, 894 (Teil 1), 985 (Teil 2), 1083 (Teil 3); Reiß, Zur Abgrenzung von untauglichem Versuch und Wahndelikt am Beispiel der Steuerhinterziehung, wistra 1986, 193; Rönnau, Grundwissen – Strafrecht: Versuchsbeginn, JuS 2013, 879; Rönnau, Grundwissen – Strafrecht: Versuchsbeginn bei Mittäterschaft, mittelbarer Täterschaft und unechten Unterlassungsdelikten, JuS 2014, 109; Roxin, Tatentschluss und Anfang der Ausführung beim Versuch, JuS 1979, 1; Rudolphi, Zur Abgrenzung zwischen Vorbereitung und Versuch – OLG Celle, NJW 1972, 1823, JuS 1973, 20; Safferling, Die Abgrenzung zwischen strafloser Vorbereitung und strafbarem Versuch im deutschen, europäischen und Völkerstrafrecht, ZStW 118 (2006) 682; Streng, Der Irrtum beim Versuch – ein Irrtum?, ZStW 109 (1997), 862; Streng, Das „Wahndelikt“ – ein Wahn? Überlegungen zum umgekehrten Irrtum über normative Tatbestandsmerkmale, GA 2009, 529; Timpe, Untauglicher Versuch und Wahndelikt, ZStW 125 (2013), 755; Treplin, Der Versuch, ZStW 76 (1964), 441; Valerius, Untauglicher Versuch und Wahndelikt, JA 2010, 113; Weigend, Die Entwicklung der deutschen Versuchslehre, in: Hirsch/ Weigend (Hrsg.), Strafrecht und Kriminalpolitik in Japan und Deutschland, 1989, 113; Zaczyk, Das Unrecht der versuchten Tat, 1987; Zaczyk, Der Versuchsbeginn beim Prozessbetrug, FS Krey, 2010, 485.

A. Überblick und Allgemeines Versuch ist vom Tatentschluss getragenes, unvollkommen verwirklichtes Unrecht1 bzw. eine vollständig 1 gewollte, aber unvollständig gebliebene Tat.2 Kennzeichnend ist somit, dass der vollständigen Erfüllung des subjektiven Tatbestands ein Mangel im objektiven Tatbestand gegenübersteht.3 Während § 23 das rechtliche „Ob“ einer Versuchsstrafbarkeit festlegt4 (dazu unten Rz. 2), umfasst § 22 die Regelung des „Ab wann“ einer Versuchsstrafbarkeit5 in Abgrenzung zu den zeitlich vorgelagerten Stadien6 der Deliktsbegehung (insbesondere zum sog. Vorbereitungsstadium; vgl. unten Rz. 7). Der Streit um den (allgemeinen) Strafgrund der Versuchsstrafbarkeit ist in der Lehre ebenso alt wie unentschieden,7 kann aber durchaus – etwa als Auslegungshilfe – praktische Bedeutung bei der Beurteilung unklarer Rechtsfragen haben.8 Es opponieren im Wesentlichen (und traditionell) zwei Theorienlager gegeneinander: Während subjektive Theorien9 den Strafgrund des Versuchs eher an der Betätigung eines rechtsfeindlichen Willens festmachen, steht für die objektiven Theorien10 die Gefährdung von Rechtsgütern im Vordergrund.11 Aktuell weit verbreitet12 (jedoch nicht unbestritten13) ist im Schrifttum die (auf Ludwig v. Bar zurückgehende14) vermittelnd-dualistische Eindruckstheorie, nach der versuchtes Unrecht nur strafwürdig sein soll, wenn durch die Betätigung eines verbrecherischen Willens (zusätzlich) die Geltung der Rechtsordnung erschüttert und damit das Gefühl der Rechtssicherheit und des Rechtsfriedens beeinträchtigt wird.15 Der Gesetzgeber hat sich im geltenden Recht für eine überwiegend subjektive Versuchskonzeption entschieden,16 die gleichwohl (und angesichts der Gefahr einer zu weiten Ausdehnung der Versuchsstrafbarkeit in das Vorfeld eines tatbestandlichen Geschehens17) nicht auf objektive Grenzziehungen 1 Zaczyk in NK-StGB4, § 22 Rz. 1. 2 Kühl in Lackner/Kühl, StGB28, § 22 Rz. 1. Ebenso Heger in M/R-StGB, § 22 Rz. 2; Ambos in HK-GS3, § 22 StGB Rz. 1; Rönnau, JuS 2013, 879. Vgl. auch BGH v. 20.11.1953 – 2 StR 312/53, NJW 1954, 567. 3 BGH v. 4.6.1989 – 1 StR 153/89, BGHSt 36, 221, 222 f. Vgl. auch Singelnstein in G/J/W, § 22 StGB Rz. 1. 4 Kühl, AT7, § 15 Rz. 11. 5 Heger in M/R-StGB, § 22 Rz. 2. 6 Zu den Stadien bzw. Entwicklungsstufen einer vorsätzlichen Straftat vgl. etwa Hillenkamp in LK-StGB12, Vor § 22 Rz. 1 ff.; Rudolphi in SK-StGB8, Vor § 22 Rz. 1 ff.; Heger in M/R-StGB, § 22 Rz. 3 ff. 7 Hillenkamp in LK-StGB12, Vor § 22 Rz. 55 und passim. Vgl. ausf. aus neuerer Zeit auch Haas, ZStW 123 (2011), 227 ff. 8 Roxin, AT II, § 29 Rz. 9. Ebenso in der Tendenz Ambos in HK-GS3, § 22 StGB Rz. 4 sowie Fischer, StGB63, § 22 Rz. 2b (sieht praktische Konsequenzen des Theorienstreits insbesondere bei der Fallgruppe des untauglichen Versuchs). 9 Einer subjektivistischen Versuchstheorie folgte das Reichsgericht seit Beginn seiner Spruchtätigkeit. Vgl. Weigend in Hirsch/Weigend, 1989, S. 114. 10 Eine objektivistische Versuchstheorie wurde um 1930 fast einhellig von der deutschen Strafrechtswissenschaft vertreten. Vgl. Weigend in Hirsch/Weigend, 1989, S. 113 (i.Ü. auch S. 117). 11 Haas, ZStW 123 (2011), 227. Vgl. hierzu auch Zaczyk in NK-StGB4, § 22 Rz. 8 ff.; Rudolphi in SK-StGB8, Vor § 22 Rz. 11 f.; Rönnau, JuS 2013, 880; Safferling, ZStW 118 (2006), 682 f. und 685 ff. oder Treplin, ZStW 76 (1964), 446 ff. 12 Hillenkamp in LK-StGB12, Vor § 22 Rz. 55. 13 Kritik etwa bei Herzberg/Hoffmann-HollandMüKo-StGB2, § 22 Rz. 9 ff. Die krit. Diskussion um die Eindruckstheorie ist überdies nachgezeichnet bei Rönnau, JuS 2013, 880 und Safferling, ZStW 118 (2006), 691 ff. 14 M.w.N. Weigend in Hirsch/Weigend, 1989, S. 120. 15 Vgl. hierzu Jescheck/Weigend, AT5, § 49 II 3; Rudolphi in SK-StGB8, Vor § 22 Rz. 13; Kühl in Lackner/Kühl, StGB28, § 22 Rz. 11; Roxin, JuS 1979, 1; Weigend in Hirsch/Weigend, 1989, S. 120 f.; Safferling, ZStW 118 (2006), 690 f.; Bosch, JURA 2011, 909; Rönnau, JuS 2013, 880 oder Haas, ZStW 123 (2011), 228. Ausf. monographisch auch Zaczyk, Das Unrecht der versuchten Tat, 1989, S. 21 ff. 16 Hillenkamp in LK-StGB12, Vor § 22 Rz. 61 (und Rz. 71); Zaczyk in NK-StGB4, § 22 Rz. 10; Heger in M/R-StGB, § 22 Rz. 9; Kühl in Lackner/Kühl, StGB28, § 22 Rz. 11; Weigend in Hirsch/Weigend, 1989, S. 115 f.; Haas, ZStW 123 (2011), 228; Safferling, ZStW 118 (2006), 700. 17 Vgl. Weigend in Hirsch/Weigend, 1989, S. 114.

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StGB

Begriffsbestimmung; Strafbarkeit des Versuchs

StGB

§§ 22, 23 StGB Rz. 2

Strafgesetzbuch

verzichtet.1 Auch die Rspr. des BGH folgt einer im Kern subjektiven Theorie,2 wobei auch hier – und mit einiger Berechtigung – vor einer subjektiven Übersteuerung gewarnt wird.3 Für den Versuch von Ordnungswidrigkeiten gilt § 13 OWiG, der den §§ 22 und 24 StGB nachgebildet ist.4 Europäische Einflüsse und Harmonisierungsbestrebungen des Wirtschaftsstrafrechts5 zielen mittlerweile (allerdings erst in neuerer Zeit6) auch auf die Dogmatik von Versuch und Rücktritt ab.7

B. Vorfragen: Strafbarkeit des Versuchs und Nichtvollendung 2

Nach § 23 Abs. 1 ist der Versuch eines Verbrechens (§ 12 Abs. 1) stets strafbar, der Versuch eines Vergehens (§ 12 Abs. 2) nur, wenn es das Gesetz explizit anordnet. Im Wirtschaftsstrafrecht spielen weit übermäßig Vergehen eine Rolle, jedoch ist bei den meisten Wirtschaftstaten die Strafbarkeit des Versuchs angeordnet. Ausnahmen verkörpern die Untreue (§ 2668), der Wucher (§ 291) oder die Insolvenzverschleppung nach § 15a InsO.9 Weitere Ausnahmen enthalten im Bereich des Kapitalmarktstrafrechts die Delikte zu falschen Angaben bzw. unrichtiger Darstellung (§§ 399, 400 AktG, § 331 HGB).10

3

Die Frage nach einer Versuchsstrafbarkeit stellt sich naturgemäß nur dann, wenn die in Rede stehende Tat nicht vollendet ist. Die Nichtvollendung ist deshalb als negatives Versuchselement anzusehen.11 Sie ist deliktsspezifisch12 zu bestimmen und kann unterschiedliche Gründe haben.13

C. Voraussetzungen/Tatbestand des Versuchs 4

Das versuchte Delikt hat (wie auch das vollendete Delikt) einen subjektiven (inneren) und einen objektiven (äußeren) Tatbestand.14 § 22 „umreißt“ diese subjektiven und objektiven Voraussetzungen (Vorstellung und Ansetzen) der Versuchsstrafbarkeit.15 So etwas wie ein Straftatbestand ergibt sich indes erst, wenn man § 22 mit einer spezifischen Strafvorschrift des besonderen Teils kombiniert.16

I. Tatentschluss (subjektiver Tatbestand) 5

Der Tatentschluss ist stets vor dem unmittelbaren Ansetzen zu erörtern17 und entspricht im Grundsatz dem subjektiven Tatbestand eines vollendeten Delikts.18 Umfasst sein muss die Verwirklichung des gesamten subjektiven Tatbestandes, also nicht nur des Vorsatzes, sondern auch der im jeweiligen Tatbestand möglicherweise vorausgesetzten subjektiven Merkmale (Absichten, Motive etc.), die gegenüber dem Vorsatz selbständig sind.19 Der Vorsatz muss als Vollendungsvorsatz gegeben und auf alle Tatbestandsmerkmale eines anerkannten Straftatbestandes gerichtet sein.20 Nach der Rspr. genügt Eventualvorsatz, wenn dieser auch beim vollendeten Delikt genügt hätte (str.).21 Der Tatentschluss muss überdies unbedingt gefasst sein; bloße Tatgeneigtheit genügt nicht.22 1 Rudolphi in SK-StGB8, Vor § 22 Rz. 14. Vgl. auch Ambos in HK-GS3, § 22 StGB Rz. 5. 2 Fischer, StGB63, § 22 Rz. 2a. Beispielhaft: BGH v. 16.11.1951 – 2 StR 205/51, BGHSt 2, 74, 76; BGH v. 14.3.1995 – 1 StR 864/94, BGHSt 41, 94, 96. Vgl. ferner Herzberg/Hoffmann-HollandMüKo-StGB2, § 22 Rz. 4; Rönnau, JuS 2013, 880 oder Safferling, ZStW 118 (2006), 688 ff. 3 Jung, ZStW 117 (2005), 938. 4 Heger in M/R-StGB, § 22 Rz. 2; Ambos in HK-GS3, § 22 StGB Rz. 2. Vgl. zudem Niemeyer in M-G6, § 18 Rz. 20. 5 Allgemein hierzu Dannecker/Bülte in W/J4, 2. Kap. Rz. 1 ff. 6 Vgl. Safferling, ZStW 118 (2006), 704 f. 7 Ausf. hierzu Brockhaus, ZIS 2006, 481 ff. Vgl. auch Singelnstein in G/J/W, § 22 StGB Rz. 4. 8 Zu diesbezüglichen Widersprüchlichkeiten vgl. Kühl in FS Küper, 2007, S. 293. 9 Niemeyer in M-G6, § 18 Rz. 19. 10 Vgl. Südbek/Eidam in Park, Kapitalmarktstrafrecht, § 399 AktG Rz. 51 (Kap. 8), § 400 AktG Rz. 162 (Kap. 8), § 331 HGB Rz. 27 (Kap. 9). 11 Eser/Bosch in S/S-StGB29, § 22 Rz. 5. 12 Singelnstein in G/J/W, § 22 StGB Rz. 14 ff. mit Beispielen aus dem Wirtschafts- und Steuerstrafrecht. 13 Hierzu etwa Eser/Bosch in S/S-StGB29, § 22 Rz. 5 ff.; Beckemper in BeckOK-StGB, § 22 Rz. 15 ff. 14 Treplin, ZStW 76 (1964), 443; Beckemper in BeckOK-StGB, § 22 Rz. 20. 15 Kudlich/Schuhr in S/S/W-StGB2, § 22 Rz. 8. 16 Herzberg/Hoffmann-HollandMüKo-StGB2, § 22 Rz. 1. 17 Gründe hierfür etwa bei Roxin, JuS 1979, 2. 18 Heger in M/R-StGB, § 22 Rz. 23; Herzberg/Hoffmann-HollandMüKo-StGB2, § 22 Rz. 35; Roxin, AT II, § 29 Rz. 71. A.A. Zaczyk in NK-StGB4, § 22 Rz. 13 („zwar weitgehend, aber nicht völlig deckungsgleich mit dem Vorsatz des vollendeten Delikts“). 19 Kühl in Lackner/Kühl, StGB28, § 22 Rz. 2. Vgl. auch Roxin, AT II, § 29 Rz. 61 oder Singelnstein in G/J/W, § 22 StGB Rz. 24. 20 Heger in M/R-StGB, § 22 Rz. 23. Vgl. auch Putzke, JuS 2009, 897. 21 Eser/Bosch in S/S-StGB29, § 22 Rz. 17; Kudlich/Schuhr in S/S/W-StGB2, § 22 Rz. 17; Herzberg/Hoffmann-HollandMüKoStGB2, § 22 Rz. 44; Putzke, JuS 2009, 896, jew. m.w.N. zu abw. Ansichten. Beispielhaft aus der Rspr.: BGH v. 12.2.1969 – 2 StR 537/68, BGHSt 22, 330, 332, 333; BGH v. 10.6.1998 – 3 StR 113/98, BGHSt 44, 99, 102; BGH v. 28.7.2005 – 4 StR 109/05 = NStZ-RR 2005, 372. 22 Kudlich/Schuhr in S/S/W-StGB2, § 22 Rz. 18; Ambos in HK-GS3, § 22 StGB Rz. 14; Rudolphi in SK-StGB8, § 22 Rz. 3 f.; Singelnstein in G/J/W, § 22 StGB Rz. 25; Roxin, JuS 1979, 2.

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Eidam

Rz. 7 §§ 22, 23 StGB

II. Unmittelbares Ansetzen (objektiver Tatbestand) Seit jeher besteht Einigkeit darüber, dass eine alleinige (subjektive) Verbrechensvorstellung (also der Tatent- 6 schluss) nicht strafbar sein kann: cogitationis poenam nemo patitur.1 Es bedarf deshalb einer objektiven Manifestation des subjektiv gebildeten Willens, mithin also eines weiteren objektiven Elements, worin man mit einiger Berechtigung ein aus rechtsstaatlichen Gründen unverzichtbares Spurenelement der objektiven Theorie erblicken kann.2 § 22 spricht diesbezüglich von einem unmittelbaren Ansetzen. Die in Anlehnung an Welzel gebildete „Ansatzformel“3 versteht das unmittelbare Ansetzen als ein Handeln, das nach dem Gesamtplan des Täters ohne weitere Zwischenschritte unmittelbar zur Verwirklichung des Tatbestands führen soll.4 Sie kombiniert objektive und subjektive Elemente, deren Zusammenwirken Rückschlüsse auf die Diskussion um den Strafgrund des Versuchs zulassen.5 Die Rspr. folgt all dem und fordert für ein unmittelbares Ansetzen, dass der Täter (subjektiv) die Schwelle zum „jetzt geht es los“ überschritten und (objektiv) Handlungen vorgenommen hat, die ohne Zwischenakte (also unmittelbar) in die Tatbestandsverwirklichung einmünden sollen (sog. Zwischenaktstheorie).6 Vereinzelt stellt die Rspr. zusätzlich noch auf die (räumliche und) zeitliche Nähe zwischen Handlung und Erfolgseintritt ab.7 Weitgehende Einigkeit besteht darüber, dass unmittelbares Ansetzen in der überwiegenden Zahl der Fälle jedenfalls dann anzunehmen ist, wenn der Täter selbst eine tatbestandliche Handlung vorgenommen hat (sog. Teilverwirklichung des Tatbestands).8 Das kann bspw. der Fall sein, wenn im Rahmen des § 263 Abs. 1 die Tathandlung der Täuschung verwirklicht wird. Präzisierend wird hier aber zu Recht darauf hingewiesen, dass nur diejenige Täuschung als unmittelbares Ansetzen zum Betrug zu qualifizieren ist, die einen Irrtum und im unmittelbaren Nachgang hierzu eine Vermögensverfügung auslösen soll. Dies ist bei etwaigen vorbereitenden Täuschungen – etwa um sich zunächst das Vertrauen des Opfers zu erschleichen – nicht der Fall.9 Das vorbenannte Beispiel lehrt somit, dass vor jedwedem „strikten“ Verständnis der sog. Teilverwirklichungsregel abzuraten ist,10 obgleich die Teilverwirklichung des in Rede stehenden Tatbestands regelmäßig ein erhebliches Indiz für den Versuchsbeginn darstellen wird.11 Auf eine Teilverwirklichung kommt es allerdings auch nicht notwendig an,12 eben weil ein unmittelbares Ansetzen nach der gesetzgeberischen Konzeption des § 22 (erforderlich ist „nur“ ein Ansetzen zur Tatbestandsverwirklichung) bereits denkbar ist, wenn der Täter eine der Tatbestandshandlung unmittelbar vorhergehende Handlung verwirklicht.13 Hier können sich schwierige Abgrenzungsfragen stellen (dazu sogleich Rz. 7).

D. Abgrenzungsfragen und Sonderprobleme I. Vorbereitung vs. Versuch Die Abgrenzung von Vorbereitung und Versuch (hierzu bereits Rz. 6) bedingt nicht nur für die Wissenschaft, son- 7 dern vor allem auch für die Rechtspraxis ein zentrales Problem, weil hier (jedenfalls im Regelfall14) über die Grenze der Strafbarkeit entschieden wird.15 Sie zählt – und zwar seit jeher – zu den schwierigsten Problemen des strafbaren Versuchs16 und ist in ihrer Durchführung oftmals zweifelhaft.17 Dies gilt insbesondere für die ohnehin komplexen und vielschichtigen Verhaltensweisen des Wirtschaftsstrafrechts (beispielhaft kann etwa auf Steuerstraftaten oder die Betrugskriminalität verwiesen werden),18 die oftmals nicht nur komplizierte tatbestandliche 1 M.w.N. Safferling, ZStW 118 (2006), 683. 2 Ähnlich: Rudolphi, JuS 1973, 22. Vgl. auch Kudlich/Schuhr in S/S/W-StGB2, § 22 Rz. 37 („unverzichtbares Minimum, das sich aus den Grundsätzen des deutschen Strafrechts (Tatstrafrecht) ergibt“). 3 Rönnau, JuS 2013, 879. Vgl. auch Rudolphi, JuS 1973, 22. 4 So etwa Jescheck, ZStW 99 (1987), 116. 5 Roxin, JuS 1979, 3. Vgl. auch Zaczyk, Das Unrecht der versuchten Tat, 1989, S. 299 ff. 6 BGH v. 16.9.1975 – 1 StR 264/75, BGHSt 26, 201, 203; BGH v. 16.1.1991 – 2 StR 527/90, BGHSt 37, 294, 297 f.; BGH v. 9.10.2002 – 5 StR 42/02, BGHSt 48, 34, 36; Kudlich/Schuhr in S/S/W-StGB2, § 22 Rz. 40; Herzberg/Hoffmann-HollandMüKo-StGB2, § 22 Rz. 111; Weigend in Hirsch/Weigend, 1989, S. 116. 7 BGH v. 26.10.1978 – 4 StR 429/78, BGHSt 28, 162, 163; BGH v. 6.9.1989 – 3 StR 268/89, BGHSt 36, 249, 251; BGH v. 6.12.2007 – 3 StR 325/07, NStZ-RR 2008, 139. M.w.N. zudem Weigend in Hirsch/Weigend, 1989, S. 116. Vgl. auch Bosch, JURA 2011, 910 oder Zaczyk in NK-StGB4, § 22 Rz. 23. 8 Roxin, JuS 1979, 3. Vgl. ferner Rudolphi, JuS 1973, 22 und Niemeyer in M-G6, § 18 Rz. 23. 9 BGH v. 16.1.1991 – 2 StR 527/90, BGHSt 37, 294, 296 ff. Vgl. ferner Kühl in Lackner/Kühl, StGB28, § 22 Rz. 3; Eser/ Bosch in S/S-StGB29, § 22 Rz. 37; Bosch, JURA 2011, 911; Kühl in FS Küper, 2007, S. 303 und die ausf. Fallbesprechung bei Burkhardt, JuS 1983, 426 ff. 10 Vgl. hierzu etwa Roxin, AT II, § 29 Rz. 120. Ausf. zu fallspezifischen Schwierigkeiten der Teilverwirklichungsregel auch Burkhardt, JuS 1983, 426 ff. Zur Präzisierung und Verteidigung der Teilverwirklichungsregel vgl. aber Kühl in FS Küper, 2007, S. 301 ff. 11 Herzberg/Hoffmann-HollandMüKo-StGB2, § 22 Rz. 108. 12 Burkhardt, JuS 1983, 427; Singelnstein in G/J/W, § 22 StGB Rz. 37. 13 Rudolphi, JuS 1973, 22; Kudlich/Schuhr in S/S/W-StGB2, § 22 Rz. 38. 14 Von dem Grundsatz, dass Vorbereitungshandlungen nicht strafbar sind, macht das Gesetz Ausnahmen. Vgl. nur Beckemper in BeckOK-StGB, § 22 Rz. 8. 15 Hassemer, JuS 1991, 965. 16 Bockelmann, JZ 1954, 468. 17 Jescheck, ZStW 99 (1987), 115. 18 Niemeyer in M-G6, § 18 Rz. 22.

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StGB

Begriffsbestimmung; Strafbarkeit des Versuchs

StGB

§§ 22, 23 StGB Rz. 8

Strafgesetzbuch

Strukturen, sondern auch überaus diffuse Rechtsgüter aufweisen.1 Im Grundsatz markiert das unmittelbare Ansetzen (Rz. 6) die Grenze zwischen strafloser Vorbereitung und strafbarem Versuch.2 Die Abgrenzung hat folglich über die „Ansatzformel“ zu erfolgen,3 wobei dem Abgrenzungsvorgang gerade im Neben- und Wirtschaftsstrafrecht eine besondere Beachtung zukommen sollte.4 Insbesondere im Feld des Wirtschaftsstrafrechts empfiehlt sich zudem eine fallgruppenorientierte Betrachtung, die deliktsspezifische Besonderheiten mit einschließen sollte.5 Vereinzelt wird für das Nebenstrafrecht generell vorgeschlagen, das unmittelbare Ansetzen zur Tat erst im Beginn der Tatbestandshandlung zu sehen.6 8

Hat der Gesetzgeber im eigentlichen Vorbereitungsstadium eines Delikts gewisse Verhaltensweisen eigenständig unter Strafe gestellt und damit Vorbereitungshandlungen zu vollwertigen Straftaten erhoben7 (einschlägiges Beispiel aus dem Wirtschaftsstrafrecht: die Betrugsstrafbarkeit), kann zwischen dem eigenständig strafbaren Vorbereitungsdelikt (z.B. § 265) und dem versuchten Mutterdelikt (z.B. § 263) ein mitunter anspruchsvolles „Konkurrenzproblem“ entstehen.8

II. Vollendung vs. Beendigung 9

Ist eine Tat ins Stadium der Vollendung gelangt, kommt eine Strafbarkeit wegen Versuchs nicht mehr in Betracht (hierzu schon Rz. 3). Eine Tat ist vollendet, wenn alle Merkmale des gesetzlichen Tatbestands erfüllt sind.9 Die Vollendung ist mithin in erster Linie eine Materie des Besonderen Teils.10 Vom Stadium der Vollendung ist das Stadium der Beendigung zu unterscheiden. Letzteres tritt ein, wenn das Tatgeschehen über die eigentliche Tatbestandserfüllung (und -vollendung) hinaus einen tatsächlichen Abschluss gefunden hat.11 Auch die Beendigung tangiert in erster Linie Fragen des Besonderen Teils, die durch die Auslegung des jeweiligen Delikts zu beantworten sind.12 Jedoch ist zu beachten, dass Vollendung und Beendigung bei zahlreichen Delikten (Beispiel: § 370 AO) zeitlich zusammenfallen.13 Anderes gilt bspw. für die Eigentums- und Vermögensdelikte.14 Praktische Bedeutung kann der Zeitpunkt (materieller) Beendigung vornehmlich in dreifacher Hinsicht entfalten: Für das Recht der Verjährung, für Fragen der Teilnahme sowie für die Verwirklichung qualifizierender Umstände.15

III. Untauglicher Versuch vs. Wahndelikt 10

Fragen um die Strafbarkeit des untauglichen Versuchs sind seit jeher „ein Stein ständigen Anstoßes“,16 und man beschreibt die Situation sicherlich treffend mit dem Hinweis, dass über bestimmte Formen des untauglichen Versuchs das letzte Wort wohl immer noch nicht gesprochen ist.17 Gleichwohl ist zu konzedieren, dass seit und mit den Regelungen der §§ 22, 23 Abs. 3 jedenfalls eine grundsätzliche Klärung der Problematik herbeigeführt wurde.18 Letztere Vorschrift setzt implizit voraus, dass ein Versuch aus grobem Unverstand und damit erst recht der untaugliche Versuch grundsätzlich strafbar ist.19 Untauglich ist ein Versuch, der unter keinen Umständen zur Vollendung hätte führen können.20 Das ist regelmäßig der Fall, wenn ein Täter die Sachlage völlig falsch einschätzt und demzufolge eine Rechtsgutsverletzung nur irrtümlich für möglich hält.21 Es liegt dann – weil der Täter vom Vorliegen tatsächlich nicht gegebener Tatumstände ausgeht – ein umgekehrter (strafbegründender) Tatbestandsirrtum vor.22 Anders gewendet, handelt es sich beim untauglichen Versuch also um einen Irrtum des 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22

Zaczyk in NK-StGB4, § 22 Rz. 27. Ambos in HK-GS3, § 22 StGB Rz. 17. Beckemper in BeckOK-StGB, § 22 Rz. 7. Zaczyk in NK-StGB4, § 22 Rz. 27. Vgl. Singelnstein in G/J/W, § 22 StGB Rz. 50. Ferner auch Mack, Die Abgrenzung zwischen Vorbereitung und Versuch im Wirtschafts- und Nebenstrafrecht, 2004, S. 22 ff. oder Fischer, StGB63, § 22 Rz. 13 ff. Zaczyk in NK-StGB4, § 22 Rz. 27. Vgl. Kühl, JuS 2002, 729. Ausf. hierzu Joerden in GS Blomeyer, 2004, S. 373. BGH v. 24.6.1952 – 1 StR 316/51, BGHSt 3, 40, 43; Eser/Bosch in S/S-StGB29, Vorbemerkungen §§ 22 ff. Rz. 2. Kühl, JuS 2002, 730. Niemeyer in M-G6, § 18 Rz. 26; Eser/Bosch in S/S-StGB29, Vorbemerkungen §§ 22 ff. Rz. 4. Vgl. auch BGH v. 24.6.1952 – 1 StR 316/51, BGHSt 3, 40, 43. Kühl, JuS 2002, 730. Beckemper in BeckOK-StGB, § 22 Rz. 11. Umfassend hierzu Kühl, JuS 2002, 730 ff. Rudolphi in SK-StGB8, Vor § 22 Rz. 7 ff. Kühl in FS Küper, 2007, S. 296. Roxin, AT II, § 29 Rz. 58. Dem zust. Jung, ZStW 117 (2005), 937. Jung, ZStW 117 (2005), 937. Beckemper in BeckOK-StGB, § 23 Rz. 8; Singelnstein in G/J/W, § 22 StGB Rz. 30. Vgl. ferner Zaczyk in NK-StGB4, § 23 Rz. 18; Kühl in Lackner/Kühl, StGB28, § 23 Rz. 5. Kühl in Lackner/Kühl, StGB28, § 22 Rz. 12; Eser/Bosch in S/S-StGB29, § 22 Rz. 60. Ausf. zu den unterschiedlichen Konstellationen etwa Valerius, JA 2010, 114 f. Kudlich/Schuhr in S/S/W-StGB2, § 22 Rz. 21. Vgl. beispielhaft BGH v. 14.3.1995 – 1 StR 864/94, BGHSt 41, 94, 95 f. Heger in M/R-StGB, § 23 Rz. 8; Ambos in HK-GS3, § 23 StGB Rz. 6. Vgl. auch BGH v. 17.10.1996 – 4 StR 389/96, BGHSt 42, 268, 272.

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Rz. 13 §§ 22, 23 StGB

Täters über die fehlende Tatbestandsmäßigkeit seines Verhaltens.1 Bei den wissenschaftlichen Begründungslinien für die Strafbarkeit des untauglichen Versuchs handelt es sich im Wesentlichen um Variationsformen des bekannten „subjektiv/objektiv-Schemas“2 (oben Rz. 1). Eine – wie in Deutschland vorhandene – recht weit gezogene Strafbarkeit des untauglichen Versuchs findet sich in anderen Rechtsordnungen nicht;3 insoweit gehört das deutsche Strafrecht international betrachtet zu den „Spitzenreitern“.4 Wirtschaftsstrafrechtlich relevant erscheint vor allem die Abgrenzung des (strafbaren) untauglichen Versuchs 11 vom (straflosen) Wahndelikt. Im Unterschied zum untauglichen Versuch bewegt sich das Wahndelikt auf der Ebene des (umgekehrten) Verbotsirrtums.5 Beim Wahndelikt erkennt ein Täter zwar die tatsächlichen Umstände, irrt aber über die Rechtswidrigkeit seines Tuns (und somit über rechtliche Bewertungen; Bsp: Täter hält zu seinen Ungunsten eine nicht existierende Strafnorm für gegeben).6 Zu Schwierigkeiten führt regelmäßig die – im Wirtschaftsstrafrecht nicht seltene7 – Konstellation eines (umgekehrten) Irrtums über normative Tatbestandsmerkmale.8 In diesem Fall kann entweder ein untauglicher Versuch oder ein Wahndelikt in Betracht kommen,9 weil mitunter nur schwer zu unterscheiden sein wird, ob der Handelnde über konkrete Tatumstände oder aber den rechtlichen Anwendungsbereich einer Strafnorm irrt.10 Die Grenze der Strafbarkeit bestimmt sich hier alleine nach der (mitunter problematischen) Qualifikation eines Irrtums als umgekehrter Tatbestands- oder als umgekehrter Verbotsirrtum11 (sog. Umkehrprinzip12). Einzelheiten sind hier schwierig und auch noch nicht abschließend geklärt,13 was sich insbesondere im Bereich des Steuerstrafrechts nachvollziehen lässt.14 Eine teilweise vertretene Ansicht will bei denjenigen Sonderdelikten, die den Tatbestand auf bestimmte Personengruppen wie etwa Amtsträger beschränken, den Versuch des untauglichen Tatsubjekts immer – und losgelöst von jedweder Differenzierung – als strafloses Wahndelikt behandelt wissen.15

E. Beteiligung mehrerer Die grundlegenden Vorschriften zur Versuchsstrafbarkeit sind konzeptionell auf einen selbst handelnden Einzel- 12 täter zugeschnitten.16 Weil im Wirtschaftsstrafrecht typischerweise Handeln im bzw. aus dem Unternehmenskontext heraus zur strafrechtlichen Beurteilung ansteht, stehen hier aber überwiegend Fälle im Fokus, an denen mehrere Personen beteiligt sind. Problematisch und nicht unumstritten ist hier insbesondere die Frage, ab welchem Zeitpunkt für jede Einzelperson ein unmittelbares Ansetzen zu bejahen ist.17 Zur Beantwortung solcher Fragen ist die Versuchsdogmatik in Einklang mit § 25 zu bringen.18

I. Mittäterschaft Nach der von der Rspr. und der überwiegenden Ansicht in der Literatur vertretenen Gesamtlösung soll im Fall 13 von Mittäterschaft für alle Mittäter ein einheitliches unmittelbares Ansetzen (und damit ein u.U. strafbarer Versuch) anzunehmen sein, sobald nur einer von ihnen (freilich im Rahmen des gemeinsamen Tatplans) zur Tat unmittelbar ansetzt.19 Dies gelte unabhängig davon, ob einzelne ihren Tatbeitrag schon im Vorbereitungsstadium

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Rudolphi in SK-StGB8, § 22 Rz. 24. Jung, ZStW 117 (2005), 945. Anschaulich hierzu auch Zaczyk in NK-StGB4, § 22 Rz. 35. Heger in M/R-StGB, § 23 Rz. 11. Jung, ZStW 117 (2005), 948. Eser/Bosch in S/S-StGB29, § 22 Rz. 78; Ambos in HK-GS3, § 23 StGB Rz. 10; Fischer, StGB63, § 22 Rz. 49. Singelnstein in G/J/W, § 22 StGB Rz. 31. Vgl. auch BGH v. 1.7.1959 – 2 StR 191/59, BGHSt 13, 235, 240 f. Singelnstein in G/J/W, § 22 StGB Rz. 33. Vgl. nur Streng, GA 2009, 530 (mit konkretem Fallbeispiel) oder Kudlich/Schuhr in S/S/W-StGB2, § 22 Rz. 31 ff. Heger in M/R-StGB, § 23 Rz. 8. Kühl in Lackner/Kühl, StGB28, § 22 Rz. 15; Singelnstein in G/J/W, § 22 StGB Rz. 32. Jung, ZStW 117 (2005), 949. Vgl. auch Ambos in HK-GS3, § 23 StGB Rz. 10. Vgl. z.B. Valerius, JA 2010, 115 oder Zaczyk in NK-StGB4, § 22 Rz. 42. Zu Kritik am Umkehrprinzip vgl. Streng, GA 2009, 529 und passim oder Timpe, ZStW 125 (2013), 777 ff. Kühl in Lackner/Kühl, StGB28, § 22 Rz. 15; Streng, GA 2009, 530 („vieles ungeklärt“). Für das Steuerstrafrecht vgl. nur Burkhardt, wistra 1982, 178 („ziemlich ungeklärt“). Hierzu Burkhardt, wistra 1982, 178 ff. „Nachdenklich“ insoweit auch Jung, ZStW 117 (2005), 949. Mit konkretem Beispiel zum Steuerstrafrecht auch Niemeyer in M-G6, § 18 Rz. 30. So m.w.N. etwa Valerius, JA 2010, 115. Vgl. auch Rudolphi in SK-StGB8, § 22 Rz. 27 f. Zur Gegenposition vgl. Streng, GA 2009, 539. Krack, ZStW 110 (1998), 611; Rönnau, JuS 2014, 109. Singelnstein in G/J/W, § 22 StGB Rz. 62. Krack, ZStW 110 (1998), 611. Vgl. auch Erb, NStZ 1995, 425 („Ineinandergreifen“ der Rechtsfiguren). BGH v. 25.10.1994 – 4 StR 173/94, BGHSt 40, 299, 301; Wessels/Beulke/Satzger, AT45, Rz. 870; Fischer, StGB63, § 22 Rz. 21; Heger in M/R-StGB, § 22 Rz. 51; Eser/Bosch in S/S-StGB29, § 22 Rz. 55; Kühl in Lackner/Kühl, StGB28, § 22 Rz. 9; Zaczyk in NK-StGB4, § 22 Rz. 67; Jescheck, ZStW 99 (1987), 132; Bosch, JURA 2011, 915; Rönnau, JuS 2014, 110. Vgl. auch die Darstellungen bei Roxin, JuS 1979, 13; Krack, ZStW 110 (1998), 612 oder Eidam, Der Organisationsgedanke im Strafrecht, S. 149.

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StGB

Begriffsbestimmung; Strafbarkeit des Versuchs

StGB

§§ 22, 23 StGB Rz. 14

Strafgesetzbuch

erbracht haben1 und folge aus der die Mittäterschaft kennzeichnenden wechselseitigen Zurechnung der Tatbeiträge aufgrund eines gemeinsamen Tatentschlusses.2 Allerdings muss der zur Ausführung Ansetzende auch wirklich Mittäter sein; eine vermeintliche bzw. eine Scheinmittäterschaft kann (mangels Tatentschluss) keine strafrechtsrelevante Zurechnung begründen.3 Versuch käme bei Scheinmittäterschaft nur in Betracht, wenn der (irrtümlich) an das Bestehen einer Mittäterschaft Glaubende selbst handelt.4 14

Abweichend vom Konzept der Gesamtlösung wollen die (zunehmend und mit beachtlichen Argumenten) in der Literatur vertretenen Einzellösungen dagegen den Versuchsbeginn individuell und gesondert für jede Person aus dem Mittäterkollektiv bestimmen.5 Dem ist mit Blick auf das Schuldprinzip und der grundsätzlich individuellen Ausrichtung bzw. Prägung des Strafrechts zuzustimmen.6

II. Mittelbare Täterschaft (kraft Organisationsherrschaft) 15

Fragen rund um die mittelbare Täterschaft manifestieren sich im Wirtschaftsstrafrecht zumeist anhand der mittelbaren Täterschaft kraft Organisationsherrschaft und der (streitigen) Anwendung dieser Figur auf wirtschaftsstrafrechtliche Konstellationen.7 Es gelten im Rahmen der Versuchsdogmatik aber die allgemeinen Grundsätze zur mittelbaren Täterschaft.8 Unstreitig beginnt bei der mittelbaren Täterschaft der Versuch spätestens dann, wenn der Vordermann unmittelbar zur Tatbestandsverwirklichung angesetzt hat.9 Problematisch und zugleich umstr. sind jedoch die Fälle, in denen der Tatmittler (Vordermann) noch nicht unmittelbar angesetzt hat.10 Die Rspr.11 vertritt eine „mittlere Meinung“ dergestalt, dass sie für den Versuchsbeginn des mittelbaren Täters auf den Zeitpunkt abstellt, in dem er den Tatmittler zur Tatausführung bestimmt hat und den Geschehensablauf „aus der Hand gibt“.12 Zusätzlich zum „aus der Hand Geben“ fordert die Rspr. noch, dass der mittelbare Täter seinen Tatmittler in der Vorstellung entlässt, er werde die tatbestandsmäßige Handlung nunmehr (unmittelbar) ausführen, so dass (wiederum aus Sicht des Hintermanns) von einer unmittelbar konkreten Gefährdung des geschützten Rechtsguts auszugehen ist.13 Soll der Tatmittler nach dem Willen des Hintermanns nicht sofort, sondern erst zu einem späteren Zeitpunkt tätig werden, könne ein unmittelbares Ansetzen des Hintermanns erst mit Beginn der Ausführungshandlung des Tatmittlers angenommen werden, da sich erst dann die Gefahr für das konkrete Rechtsgut aus Sicht des (mittelbaren) Täters konkretisiere.14 Der Sache nach handelt es sich beim Standpunkt der Rspr. um eine modifizierte Einzellösung.15 Dem gegenüber steht eine gewisse Meinungsvielfalt16 in der Literatur, die man etwas vergröbernd betrachtet wiederum anhand von Einzel- und Gesamtlösungen (vgl. Rz. 13 f.) systematisieren kann.17 Nach der Gesamtlösung, wonach das Verhalten von Tatmittler (Vordermann) und Hintermann eine Tat (im Sinne einer normativen Einheit) bilden, beginnt der Versuch erst, wenn der Vordermann unmittelbar zur Tat ansetzt.18 Erst mit diesem Zeitpunkt könne das betroffene Rechtsgut objektiv gefährdet sein. Allerdings wird zu Recht gegen die Gesamtlösung vorgebracht, sie werde den Eigenarten der mittelbaren Täterschaft nicht gerecht.19 Nach der Einzellösung ist für den Versuchsbeginn des mittelbaren Täters allein sein eigenes Verhalten maßgeblich, was freilich auf einen sehr frühen Versuchsbeginn hinauslaufen kann.20 Unter den Vertretern von Einzellösungen besteht indes Uneinigkeit, über den jeweils spezifischen Zeitpunkt, an dem die Schwelle 1 BGH v. 25.10.1994 – 4 StR 173/94, BGHSt 40, 299, 301; Rönnau, JuS 2014, 110 (jew. mit Verweis auf BGHR StGB, § 22 Ansetzen 3). 2 Ambos in HK-GS3, § 22 StGB Rz. 34. 3 BGH v. 2.6.1993 – 2 StR 158/93, BGHSt 39, 236, 238; Kühl in Lackner/Kühl, StGB28, § 22 Rz. 9; Zaczyk in NK-StGB4, § 22 Rz. 68; Singelnstein in G/J/W, § 22 StGB Rz. 65 sowie (mit ausf. Begründung) Erb, NStZ 1995, 426 ff. Differenzierend: Bosch, JURA 2011, 915 f. Anders jedoch BGH v. 25.10.1994 – 4 StR 173/94, BGHSt 40, 299, 302. 4 Eser/Bosch in S/S-StGB29, § 22 Rz. 55a. 5 Prominent hier etwa Roxin, AT II, § 29 Rz. 297 ff. Vgl. ferner Eidam, Der Organisationsgedanke im Strafrecht, S. 150 ff., sowie (differenzierend) Rudolphi in SK-StGB8, § 22 Rz. 19a. 6 Ausf. Begründung für diese Sicht bei Eidam, Der Organisationsgedanke im Strafrecht, S. 150 ff. 7 Hierzu etwa Roxin, Täterschaft und Tatherrschaft9, S. 748 ff. Ausf. dazu unten § 25 StGB Rz. 6. 8 Singelnstein in G/J/W, § 22 StGB Rz. 68. Vgl. auch BGH v. 13.9.1994 – 1 StR 357/94, BGHSt 40, 257, 268. 9 Wessels/Beulke/Satzger, AT45, Rz. 872; Küper, JZ 1983, 363; Saliger, JuS 1995, 1008; Eser/Bosch in S/S-StGB29, § 22 Rz. 54a; Kudlich/Schuhr in S/S/W-StGB2, § 22 Rz. 56. 10 Beckemper in BeckOK-StGB, § 22 Rz. 56. 11 Ausf. zur Entwicklung der Rspr. Roxin, AT II, § 29 Rz. 234 ff. Beispielhaft: BGH v. 26.1.1982 – 4 StR 631/81, BGHSt 30, 363, 365; BGH v. 5.8.1986 – 1 StR 321/86, NStZ 1986, 547; BGH v. 13.9.1994 – 1 StR 357/94, BGHSt 40, 257, 269. 12 Jescheck, ZStW 99 (1987), 131. Ebenso Bosch, JURA 2011, 915. Eingehend zur Formel des „aus-der-Hand-Gebens“ Küper, JZ 1983, 364 f. 13 BGH v. 26.1.1982 – 4 StR 631/81, BGHSt 30, 363, 365; BGH v. 12.8.1997 – 1 StR 234/97, BGHSt 43, 177, 180; Beckemper in BeckOK-StGB, § 22 Rz. 57; Heger in M/R-StGB, § 22 Rz. 53. 14 BGH v. 13.9.1994 – 1 StR 357/94, BGHSt 40, 257, 269; BGH v. 12.8.1997 – 1 StR 234/97, BGHSt 43, 177, 180. 15 Saliger, JuS 1995, 1008. Vgl. auch Hoffmann, JA 2016, 197. 16 Vgl. Krack, ZStW 110 (1998), 625 („heftig umstritten“). 17 Rönnau, JuS 2014, 111; Krack, ZStW 110 (1998), 625. 18 Kühl, AT7, § 20 Rz. 91; Hoffmann, JA 2016, 197; Rönnau, JuS 2014, 111; Bosch, JURA 2011, 914 f.; Krack, ZStW 110 (1998), 625 (dezidierter Standpunkt zugunsten der Gesamtlösung sodann ab 628 ff.). 19 Saliger, JuS 1995, 1008 f. 20 Krack, ZStW 110 (1998), 625; Rönnau, JuS 2014, 111. Vgl. auch Beckemper in BeckOK-StGB, § 22 Rz. 58.

130

Eidam

zum strafbaren Versuch erreicht wird.1 Es werden deshalb unterschiedliche „Spielarten“ der Einzeltheorie vertreten.2 Das verbleibende Meinungsspektrum streitet darüber, auf welchen zwischen der Einzel- und der Gesamtlösung liegenden Zeitpunkt für den Versuchsbeginn abzustellen ist.3

F. Unterlassen Im Rahmen des grundsätzlich möglichen Versuchs einer (unechten) Unterlassungstat ist wiederum der Ver- 16 suchsbeginn problematisch,4 weil die Ansatzformel nur für Begehungsdelikte eine einigermaßen zuverlässige Richtschnur bietet.5 Die vertretenen Ansichten rangieren zwischen den zeitlichen Polen des Verstreichenlassens der ersten Rettungsmöglichkeit (Herzberg) und der Versäumung der letzten Rettungschance (Armin Kaufmann/Welzel).6 Richtig dürfte eine differenzierende Ansicht sein, nach der ein Unterlassensvorwurf erst sinnvoll erhoben werden kann, wenn das geschützte Rechtsgut durch das Nichthandeln gefährdet bzw. eine bereits bestehende Gefahr erhöht wurde.7 Wesentliches Kriterium zur Beurteilung einzelner Fallkonstellationen ist deshalb der Grad der Gefahr aus Täterperspektive.8 Für die subjektive Seite des Versuchs („Tatentschluss“; Rz. 5) ergeben sich beim unechten Unterlassungsdelikt 17 keine spezifischen Probleme.9

§ 24 Rücktritt (1) Wegen Versuchs wird nicht bestraft, wer freiwillig die weitere Ausführung der Tat aufgibt oder deren Vollendung verhindert. Wird die Tat ohne Zutun des Zurücktretenden nicht vollendet, so wird er straflos, wenn er sich freiwillig und ernsthaft bemüht, die Vollendung zu verhindern. (2) Sind an der Tat mehrere beteiligt, so wird wegen Versuchs nicht bestraft, wer freiwillig die Vollendung verhindert. Jedoch genügt zu seiner Straflosigkeit sein freiwilliges und ernsthaftes Bemühen, die Vollendung der Tat zu verhindern, wenn sie ohne sein Zutun nicht vollendet oder unabhängig von seinem früheren Tatbeitrag begangen wird. A. B. I. II. III.

Grundlegendes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Strafbefreiender Rücktritt vom Versuch . . . . . Fehlgeschlagener Versuch. . . . . . . . . . . . . . . . . Freiwilligkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rücktritt des Alleintäters (Absatz 1) . . . . . . . . . 1. Rücktritt vom unbeendeten Versuch . . . . . . . 2. Rücktritt vom beendeten Versuch . . . . . . . . . IV. Rücktritt bei mehreren Tatbeteiligten (Absatz 2)

. . . . . . . .

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1 2 3 7 9 11 12 15

1. Anwendungsbereich . . . . . 2. Rücktrittsvoraussetzungen V. Sonderkonstellationen 1. Teilrücktritt . . . . . . . . . . . 2. Erfolgsqualifizierte Delikte 3. Unterlassen . . . . . . . . . . . 4. Steuerstrafrecht . . . . . . . . C. Tätige Reue . . . . . . . . . . . . .

............ ............

16 18

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19 20 21 22 23

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Literatur: Vgl. zunächst die Angaben zu §§ 22, 23. Darüber hinaus Amelung, Zur Theorie der Freiwilligkeit eines strafbefreienden Rücktritts vom Versuch, ZStW 120 (2008), 205; Bauer, Der strafbefreiende Rücktritt vom unbeendeten Versuch – ein Problem der subjektiven „Geschäftsgrundlage“ (Tatgrundlage), wistra 1992, 201; Berger, Der fehlgeschlagene Versuch – eine entbehrliche Rechtsfigur?, 2001; Bergmann, Einzelakts- oder Gesamtbetrachtung beim Rücktritt vom Versuch, ZStW 100 (1988), 329; Bockelmann, Wann ist der Rücktritt vom Versuch freiwillig?, NJW 1955, 1417; Bottke, Zur Freiwilligkeit und Endgültigkeit des Rücktritts vom versuchten Betrug, JR 1980, 441; Bülte, Der strafbefreiende Rücktritt vom vollendeten Delikt: Partielle Entwertung der strafbefreienden Selbstanzeige gemäß § 371 AO durch § 261 StGB?, ZStW 122 (2010), 550; Bürger, Der Rücktritt vom teilweise fehlgeschagenen „Versuch“ – Eine Betrachtung unter Berücksichtigung der aktuellen Rechtsprechung des BGH, NStZ 2016, 578; zu Dohna, Die Freiwilligkeit des Rücktritts vom Versuch im Lichte der Judikatur des Reichsgerichts, ZStW 59 (1940), 541; Engländer, Der Rücktritt vom versuchten Unterlassungsdelikt durch bloßes Untätigbleiben, JZ 2012, 130; Gössel, Der fehlgeschlagene Versuch: Ein Fehlschlag, GA 2012, 65; Haft, Der Rücktritt des Beteiligten bei Vollendung der Straftat, JA 1979, 306; Hassemer, Die Freiwilligkeit beim Rücktritt vom Versuch, in: Lüderssen/ Sack (Hrsg.), Vom Nutzen und Nachteil der Sozialwissenschaft für das Strafrecht, Bd. 1, 1980, 229; Heger, Die neuere Rechtsprechung zum strafbefreienden Rücktritt vom Versuch (§ 24 StGB), StV 2010, 320; Heinitz, Streitfragen der Ver1 Saliger, JuS 1995, 1008. 2 Rönnau, JuS 2014, 111. Gute Übersicht m.w.N. auch bei Krack, ZStW 110 (1998), 625 oder Fischer, StGB63, § 22 Rz. 24 ff. 3 Ambos in HK-GS3, § 22 StGB Rz. 32. 4 Kühl in Lackner/Kühl, StGB28, § 22 Rz. 17; Eser/Bosch in S/S-StGB29, § 22 Rz. 47; Grünwald, JZ 1959, 46. 5 Kühl, AT7, § 18 Rz. 145. 6 Vgl. etwa Wessels/Beulke/Satzger, AT45, Rz. 1043; Eser/Bosch in S/S-StGB29, § 22 Rz. 48 f.; Zaczyk in NK-StGB4, § 22 Rz. 62 f.; Bosch, JURA 2011, 914; Roxin, JuS 1979, 12 f.; Grünwald, JZ 1959, 48. 7 BGH v. 22.9.1992 – 5 StR 379/92, BGHSt 38, 356, 360; BGH v. 13.9.1994 – 1 StR 357/94, BGHSt 40, 257, 271; Eser/Bosch in S/S-StGB29, § 22 Rz. 50. Ebenso der Sache nach Zaczyk in NK-StGB4, § 22 Rz. 64. 8 Rönnau, JuS 2014, 112. 9 Grünwald, JZ 1959, 46.

Eidam

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StGB

§ 24 StGB

Rücktritt

StGB

§ 24 StGB Rz. 1

Strafgesetzbuch

suchslehre, JR 1956, 248; Herzberg, Gesamtbetrachtung und Einzelakttheorie beim Rücktritt vom Versuch: Entwurf einer Synthese, NJW 1988, 1559; Herzberg, Grundprobleme des Rücktritts vom Versuch und Überlegungen de lege ferenda, NJW 1991, 1633; Herzberg, Grund und Grenzen der Strafbefreiung beim Rücktritt vom Versuch, FS Lackner, 1987, 325; Herzberg, Problemfälle des Rücktritts durch Verhindern der Tatvollendung, NJW 1989, 862; Herzberg, Zum Grundgedanken des § 24 StGB, NStZ 1989, 49; von Hippel, Untersuchungen über den Rücktritt vom Versuch, 1966; Jäger, Das Freiwilligkeitsmerkmal beim Rücktritt vom Versuch, ZStW 112 (2000), 783; Jahn/Ebner, Tätige Reue: Fixpunkt einer Gesamtreform honorierungswürdigen Nachtatverhaltens im deutschen Vermögens- und Wirtschaftsstrafrecht?, FS v. Heintschel-Heinegg, 2015, 221; Krack, Die tätige Reue im Wirtschaftsstrafrecht, NStZ 2001, 505; Kudlich, Grundfälle zum Rücktritt vom Versuch, JuS 1999, 240, 349, 449; Küper, Der Rücktritt vom Versuch des unechten Unterlassungsdelikts, ZStW 112 (2000), 1; Matt/Saliger, Ausbau der tätigen Reue im deutschen Strafrecht, ÖAnwBl 2016, 307; Muñoz-Conde, Theoretische Begründung und systematische Stellung der Straflosigkeit beim Rücktritt vom Versuch, ZStW 84 (1972), 756; Otto, Versuch und Rücktritt bei mehreren Tatbeteiligten, JA 1980, 641, 707; Otto, Fehlgeschlagener Versuch und Rücktritt, JURA 1992, 423; Otto, Rücktritt und Rücktrittshorizont, JURA 2001, 341; Paeffgen, Rücktrittshorizont vs. fehlgeschlagener Versuch, FS Puppe, 2011, 791; Puppe, Der halbherzige Rücktritt, NStZ 1984, 488; Puppe, Die Rechtsprechung des BGH zum Rücktrittshorizont, ZIS 2011, 524; Rolletschke, § 371 AO vs. § 24 StGB: Gibt es im Steuerstrafrecht noch einen Rücktritt vom Versuch?, ZWH 2013, 186; Rotsch, Rücktritt durch Einverständnis, GA 2002, 165; Roxin, Der fehlgeschlagene Versuch, JuS 1981, 1; Roxin, Der fehlgeschlagene Versuch – eine kapazitätsvergeudende, überflüssige Rechtsfigur?, NStZ 2009, 319; Roxin, Der Rücktritt bei Beteiligung mehrerer, FS Lenckner, 1998, 267; Rudolphi, Rücktritt vom beendeten Versuch durch erfolgreiches, wenngleich nicht optimales Rettungsbemühen, NStZ 1989, 508; Scheurl, Rücktritt vom Versuch und Tatbeteiligung mehrerer, 1972; Schroeder, F.-C., Rücktrittsunfähig und fehlerträchtig: der fehlgeschlagene Versuch NStZ 2009, 9; Schröder, H., Grundprobleme des Rücktritts vom Versuch, JuS 1962, 81; Sonnen, Fehlgeschlagener Versuch und Rücktrittsvoraussetzungen, JA 1980, 158; Stein, Beendeter und unbeendeter Versuch beim Begehungs- und Unterlassungsdelikt, GA 2010, 129; Weber, Rücktritt vom vermögensgefährdenden Betrug, FS Tiedemann, 2008, 637; Wörner, Der fehlgeschlagene Versuch zwischen Tatplan und Rücktrittshorizont, 2009; Wörner, Der so genannte fehlgeschlagene Versuch zwischen Tatplan und Rücktrittshorizont, NStZ 2010, 66; Yamanaka, Betrachtungen über den Strafbefreiungsgrund des Rücktritts vom Versuch, FS Roxin, 2001, 773.

A. Grundlegendes 1

Der Rücktritt vom Versuch nach § 24 hat erhebliche praktische Bedeutung,1 ist nach dem Verständnis der h.M. ein persönlicher Strafaufhebungsgrund2 und gewährt dem (freiwillig) zurücktretenden Täter oder Teilnehmer zwingend Straffreiheit wegen Versuchs3 (nach Vollendung der Tat ist ein Rücktritt somit ausgeschlossen). Weil § 24 nach diesem Verständnis nur die Verhängung einer Strafe ausschließt, die Strafbarkeit wegen Versuchs aber im Kern aufrechterhält, gilt das Privileg des § 24 allein für denjenigen, der die Rücktrittsanforderungen erfüllt und nicht etwa auch automatisch für andere Tatbeteiligte.4 Grund und Begründung der Nichtbestrafung sind wissenschaftlich umstr. und Gegenstand zahlreicher Theorien.5 Bislang herrscht hier kaum Einigkeit. Es ist vielmehr von einer „endlose(n) Diskussion“6 die Rede. Für die Rspr. des RG war (im Anschluss an Feuerbach7) noch die Lehre von der goldenen Brücke (auch als kriminalpolitische Theorie8 bezeichnet) herrschend,9 der zufolge dem Täter ein Anreiz (eben die goldene Brücke hin zur Straffreiheit) geboten werden sollte, seine Tat nicht zu vollenden.10 Namhafter und einflussreichster Vertreter dieser Linie war v. Liszt.11 Heute findet sich die Theorie von der goldenen Brücke in der Tendenz immerhin noch – freilich in sekundärer Rolle – in einzelnen Judikaten12 und wird auch teilweise noch in der Literatur vertreten.13 Die überwiegende Meinung folgt nunmehr der Strafzwecktheorie. Sie besagt – etwas vereinfacht gesagt –, dass im Fall eines (freiwilligen)

1 Kudlich/Schuhr in S/S/W-StGB2, § 24 Rz. 1. Vgl. hierzu auch Heger, StV 2010, 320. 2 Niemeyer in M-G6, § 18 Rz. 31; Kühl in Lackner/Kühl, StGB28, § 24 Rz. 1; Eser/Bosch in S/S-StGB29, § 24 Rz. 4; Heger in M/R-StGB, § 24 Rz. 3; Beckemper in BeckOK-StGB, § 24 Rz. 3; Singelnstein in G/J/W, § 24 StGB Rz. 1; Bürger, NStZ 2016, 578. Vgl. auch BGH v. 14.4.1955 – 4 StR 16/55, BGHSt 7, 296, 299. A.A. Zaczyk in NK-StGB4, § 24 Rz. 5 (persönlicher Schuldaufhebungsgrund); Rudolphi in SK-StGB8, § 24 Rz. 6 (Entschuldigungsgrund); Roxin, AT II, § 30 Rz. 29 (Fall ausgeschlossener strafrechtlicher Verantwortlichkeit); Herzberg/Hoffmann-HollandMüKo-StGB2, § 24 Rz. 6 (Strafbemessungsvorschrift). 3 Zaczyk in NK-StGB4, § 24 Rz. 1. 4 Heger in M/R-StGB, § 24 Rz. 3; Kühl, AT7, § 16 Rz. 8 (beide mit dem Beispiel, dass nach dem Rücktritt des Täters ein Teilnehmer gleichwohl bestraft werden kann, wenn er nicht seinerseits gem. § 24 Abs. 2 zurückgetreten ist). Vgl. auch Fischer, StGB63, § 24 Rz. 2. 5 Ambos in HK-GS3, § 24 Rz. 1; Kühl, AT7, § 16 Rz. 4. Eine Übersicht neuerer Theorien findet sich bspw. bei Yamanaka in FS Roxin, 2001, S. 774 ff.; Amelung, ZStW 120 (2008), 207 ff. oder bei Bülte, ZStW 122 (2010), 564 ff. Vgl. auch Hassemer in Lüderssen/Sack, Vom Nutzen und Nachteil der Sozialwissenschaften (Bd. 1), 1980, S. 233 ff. 6 Herzberg/Hoffmann-HollandMüKo-StGB2, § 24 Rz. 8. 7 Muñoz-Conde, ZStW 84 (1972), 758; Bülte, ZStW 122 (2010), 565; Rudolphi in SK-StGB8, § 24 Rz. 2. 8 Hassemer in Lüderssen/Sack, Vom Nutzen und Nachteil der Sozialwissenschaften (Bd. 1), 1980, S. 233; Lilie/Albrecht in LK-StGB12, § 24 Rz. 7; Kudlich, JuS 1999, 240. 9 Roxin, AT II, § 30 Rz. 15 (mit zahlreichen Nachweisen zur Rspr. des RG in Fn. 21). 10 Haas, ZStW 123 (2011), 232. 11 Haas, ZStW 123 (2011), 232. Vgl. auch Roxin, AT II, § 30 Rz. 14 und Bockelmann, JZ 1955, 1418. 12 Haas, ZStW 123 (2011), 232 f.; Kudlich, JuS 1999, 240. 13 Puppe, NStZ 1984, 490. Tendenziell auch Kudlich, JuS 1999, 241. Vgl. ferner Hassemer, JuS 1990, 420. Weitere Nachweise bei Haas, ZStW 123 (2011), 233 Fn. 39.

132

Eidam

Rz. 4 § 24 StGB

Rücktritts eine Bestrafung durch keinen möglichen Strafzweck mehr gedeckt wäre.1 Neben aller theoretischer Grundlegung wirft ferner auch die konkrete Ausgestaltung des § 24 vielfältige Auslegungsprobleme auf. Schon die Grundkategorien der Vorschrift – Aufgeben, Verhindern, Freiwilligkeit – sind derart umstr. wie nur wenige Begriffe des Allgemeinen Teils.2 Allerdings kann (und sollte) die ratio des § 24 hier gewisse Leitlinien für spezifische Auslegungsfragen bieten.3

B. Strafbefreiender Rücktritt vom Versuch § 24 unterscheidet systematisch zwischen verschiedenen Versuchskonstellationen (sechs an der Zahl), die je- 2 weils unterschiedliche Anforderungen an einen strafbefreienden Rücktritt stellen.4 Während Absatz 1 den Rücktritt des Alleintäters regelt, berücksichtigt Absatz 2 die Besonderheiten des Rücktritts im Fall von mehreren Tatbeteiligten. Wesentlich für sämtliche Konstellationen sind die Merkmale des Fehlschlags und der Freiwilligkeit.5

I. Fehlgeschlagener Versuch Die Unterscheidung zwischen (subjektiv) fehlgeschlagenem und nicht fehlgeschlagenem Versuch hat für alle 3 denkbaren Konstellationen des § 24 Bedeutung,6 weil ein fehlgeschlagener Versuch von vornherein7 als rücktrittsunfähig gilt,8 zum Ausschluss jedweder Rücktrittsmöglichkeit führt9 und demzufolge vom Anwendungsbereich des § 24 nicht erfasst wird.10 Allerdings ist der Begriff des Fehlschlags nicht im Normtext des § 24 enthalten,11 weshalb Stellenwert und Nutzen der Kategorie des Fehlschlags im Schrifttum kritisiert und in Frage gestellt werden.12 Die Rspr. erkennt den fehlgeschlagenen Versuch im Fahrwasser der überwiegenden Meinung in der Literatur aber prinzipiell als eigenständige Rechtsfigur an.13 Fehlgeschlagen ist ein Versuch, wenn nach der Vorstellung des Täters das konkrete Handlungsprojekt nicht mehr 4 zur Vollendung gebracht werden kann.14 Damit korrespondiert das Verständnis der Rspr., wonach ein fehlgeschlagener Versuch in den Fällen anzunehmen sei, „in denen entweder der Erfolgseintritt – für den Täter erkanntermaßen – objektiv nicht mehr möglich ist oder der Täter ihn nicht mehr für möglich hält (…).“15 Als fehlgeschlagen ist deshalb auch der Versuch anzusehen, bei dem „objektiv die Möglichkeit der Vollendung noch gegeben wäre, der Täter die Mittel, die er dazu benötigt, aber nicht kennt oder nicht verwenden kann, etwa weil er sie objektiv nicht beherrscht oder subjektiv zu ihrer Anwendung nicht in der Lage ist.“16 Gleichbedeutend mit der Situation, in der der Täter den Erfolg gar nicht mehr herbeiführen kann, ist nach der Rspr. die Situation, in der er die Tat (wie er weiß) mit den bereits eingesetzten oder den zur Hand liegenden einsatzbereiten Mitteln nicht ohne zeitlich relevante Zäsur vollenden kann.17 An alledem ist erkennbar, dass die Gründe für einen Fehlschlag vielfältig sein können.18

1 Roxin, AT II, § 30 Rz. 4. Vgl. auch Rudolphi in SK-StGB8, § 24 Rz. 4. Krit. Herzberg, NStZ 1989, 50, 53. 2 Roxin, AT II, § 30 Rz. 2. Pointiert insoweit Paeffgen in FS Puppe, 2011, S. 791 (§ 24 strotze vor Aporien und Ungereimtheiten). 3 Hierzu Zaczyk in NK-StGB4, § 24 Rz. 1; Roxin, AT II, § 30 Rz. 2 oder Muñoz-Conde, ZStW 84 (1972), 756. Vgl. auch Bockelmann, JZ 1955, 1417. 4 Heger in M/R-StGB, § 24 Rz. 1; Heger, StV 2010, 320; Fischer, StGB63, § 24 Rz. 3. 5 Vgl. Heger, StV 2010, 320. 6 Kudlich/Schuhr in S/S/W-StGB2, § 24 Rz. 6. 7 Vgl. Kudlich/Schuhr in S/S/W-StGB2, § 24 Rz. 16 („A priori“; Hervorhebung im Original); Lilie/Albrecht in LK-StGB12, § 24 Rz. 84. 8 Heger, StV 2010, 320. 9 Singelnstein in G/J/W, § 24 StGB Rz. 11; Kudlich, JuS 1999, 242. 10 Wessels/Beulke/Satzger, AT45, Rz. 889; Zaczyk in NK-StGB4, § 24 Rz. 19; Beckemper in BeckOK-StGB, § 24 Rz. 10 . 11 Kühl, AT7, § 16 Rz. 9; Heger in M/R-StGB, § 24 Rz. 12; Kudlich, JuS 1999, 242. Ausf. hierzu Gössel GA 2012, 66 ff. 12 In neuerer Zeit etwa von Gössel, GA 2012, 65 ff. oder von Schroeder, NStZ 2009, 9 ff. (spricht von einer überflüssigen Rechtsfigur, die in ihrer Kompliziertheit und sprachlichen Missverständlichkeit eine unnötig schwere Last für die Rechtsanwendung darstelle). Dagegen aber Roxin, NStZ 2009, 319 ff. (spricht von einer wesentlichen Erleichterung der Rechtsanwendung). Vgl. zum Ganzen auch bereits Roxin, JuS 1981, 1. 13 BGH v. 10.4.1986 – 4 StR 89/86, BGHSt 34, 53 56; Kühl, AT7, § 16 Rz. 12; Eser/Bosch in S/S-StGB29, § 24 Rz. 7; Lilie/Albrecht in LK-StGB12, § 24 Rz. 89; Bürger, NStZ 2016, 579; Heger, StV 2010, 320; Kudlich, JuS 1999, 242; Bauer, wistra 1992, 201. 14 Zaczyk in NK-StGB4, § 24 Rz. 20; Rudolphi in NK-StGB8, § 24 Rz. 8. Vgl. auch Gössel, GA 2012, 66. Ähnlich: Roxin, JuS 1981, 1. 15 BGH v. 19.5.1993 – GSSt 1/93, BGHSt 39, 221, 228. Vgl. auch BGH v. 10.4.1986 – 4 StR 89/86, BGHSt 34, 53, 56; BGH v. 11.3.2014 – 1 StR 735/13, NStZ 2014, 396; BGH v. 22.10.2015 – 4 StR 262/15, NStZ 2016, 207 (208). 16 BGH v. 10.4.1986 – 4 StR 89/86, BGHSt 34, 53, 56. 17 BGH v. 22.10.2013 – 5 StR 229/13, NStZ-RR 2014, 9; BGH v. 22.10.2015 – 4 StR 262/15, NStZ 2016, 207 (208); Wessels/ Beulke/Satzger, AT45, Rz. 890; Hecker, JuS 2014, 1042; Kudlich, JuS 1999, 242. 18 Hierzu mit Beispielen etwa Ambos in HK-GS3, § 24 Rz. 5. Ausf. auch Roxin, AT II, § 30 Rz. 85 ff.

Eidam

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StGB

Rücktritt

StGB

§ 24 StGB Rz. 5

Strafgesetzbuch

5

Für die Feststellung eines Fehlschlags ist auf den Erkenntnishorizont1 bzw. die Sicht2 des Täters nach Abschluss der letzten Ausführungshandlung abzustellen (sog. Rücktrittshorizont3). Der fehlgeschlagene Versuch beschränkt sich demnach auf den Wegfall einer subjektiven Geschäftsgrundlage.4 Bei einem objektiven, vom Täter aber nicht erkannten Scheitern des Versuchs bliebe ein Rücktritt also durchaus möglich.5

6

Bei mehraktigen Geschehensabläufen stellt sich die Frage (und das Problem), auf welchen Handlungsabschnitt für die subjektive Perspektive des Täters abzustellen ist6 bzw. ab welchem Teilakt von einem Fehlschlag auszugehen ist.7 Selbst wenn der Täter bereits mehrere erfolglose (auf die Tatbestandsverwirklichung abzielende) Handlungen vorgenommen hat,8 bleibt nach der (in Rspr.9 und Literatur10 herrschenden) Gesamtbetrachtungslehre, die alle zusammenhängenden Akte zu einem Gesamtgeschehen zusammenfasst und zudem auf die Vorstellung des Täters nach der letzten Ausführungshandlung abstellt, bis zum letzten Teilakt grundsätzlich ein Rücktritt möglich.11 Für die Zusammenfassung der Einzelakte zum Gesamtgeschehen kommt es darauf an, ob diese als einheitlicher Lebensvorgang (z.T. auch: eine natürliche Handlungseinheit12) angesehen werden können.13 Die teilweise in der Literatur14 vertretene Einzelaktstheorie will demgegenüber jeden Teilakt als gesonderten Versuch betrachten, der dann selbstredend auch (jeweils) fehlschlagen kann.15

II. Freiwilligkeit 7

Alle Fälle des Rücktritts setzen ein freiwilliges Handeln des Täters voraus.16 Über den genauen Maßstab zur Bestimmung dieses (introspektiven17) Merkmals herrscht Uneinigkeit. Nach überwiegendem Verständnis – dem grundsätzlich auch die Rspr. folgt18 – ist eine psychologisierende Betrachtung (unter weitgehender Außerachtlassung der ethischen Qualität der Rücktrittsmotive19) zugrunde zu legen.20 Danach handelt freiwillig, wer aus autonomen (selbst gesetzten) Motiven von seiner Tat Abstand nimmt.21 Nach der Rspr. ist insbesondere entscheidend, ob der Täter Herr seiner Entschlüsse war und die Ausführung seines Tatplans noch für möglich hielt, also weder durch eine äußere Zwangslage, noch durch einen seelischen Druck an der Vollendung der Tat gehindert wird.22 Ob die Motive, die den Täter zum Rücktritt bewegen, sittlich billigenswert sind, ist nach Auffassung der Rspr. unerheblich.23 Kurz gesagt bedeutet Freiwilligkeit i.S.d. § 24 mithin Freisein von innerem und äußerem Zwang.24 Lässt sich nicht aufklären, ob ein Rücktritt freiwillig erfolgte, gilt in dubio pro reo.25

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25

BGH v. 2.11.2007 – 2 StR 336/07, NStZ 2008, 393. BGH v. 19.5.2010 – 2 StR 278/09, NStZ 2010, 690, 691; BGH v. 11.3.2014 – 1 StR 735/13, NStZ 2014, 396. BGH v. 11.3.2014 – 1 StR 735/13, NStZ 2014, 396; Singelnstein in G/J/W, § 24 StGB Rz. 13; Heger, StV 2010, 321. Roxin, JuS 1981, 2. Eser/Bosch in S/S-StGB29, § 24 Rz. 8. Ebenso Kühl, AT7, § 16 Rz. 11; Fischer, StGB63, § 24 Rz. 7 sowie Heger, StV 2010, 320 f. Vgl. Kudlich, JuS 1999, 242. Ambos in HK-GS3, § 24 Rz. 6; Lilie/Albrecht in LK-StGB12, § 24 Rz. 93 . Singelnstein in G/J/W, § 24 StGB Rz. 18. BGH v. 1.3.1994 – 1 StR 33/94, BGHSt 40, 75, 76 f. Beispielhaft aus neuerer Zeit: BGH v. 17.7.2014 – 4 StR 158/14, NStZ 2014, 569 m. Anm. Nestler und Bespr. Hecker, JuS 2014, 1041. Etwa Kudlich/Schuhr in S/S/W-StGB2, § 24 Rz. 19; Herzberg/Hoffmann-HollandMüKo-StGB2, § 24 Rz. 62; Zaczyk in NK-StGB4, § 24 Rz. 14 (m.w.N. in Fn. 12); Heger in M/R-StGB, § 24 Rz. 15 (m.w.N. in Fn. 18). Ambos in HK-GS3, § 24 Rz. 6. Kühl in Lackner/Kühl, StGB28, § 24 Rz. 6; Rudolphi in SK-StGB8, § 24 Rz. 14; Kudlich, JuS 1999, 353. Vgl. auch Singelnstein in G/J/W, § 24 StGB Rz. 19. BGH v. 30.11.1995 – 5 StR 465/95, BGHSt 41, 368, 369. Eingehend hierzu Herzberg/Hoffmann-HollandMüKo-StGB2, § 24 Rz. 62. Nach Paeffgen in FS Puppe, 2011, S. 800 bestehen insoweit Parallelen zur Idealkonkurrenzregelung des § 52 (Kritik demgegenüber a.a.O., S. 804). Etwa bei Eser/Bosch in S/S-StGB29, § 24 Rz. 10; Bergmann, ZStW 100 (1988), 351 oder Paeffgen in FS Puppe, 2011, S. 817. Tendenziell auch Kühl in Lackner/Kühl, StGB28, § 24 Rz. 6. Wessels/Beulke/Satzger, AT45, Rz. 891 a.E.; Lilie/Albrecht in LK-StGB12, § 24 Rz. 94. Fischer, StGB63, § 24 Rz. 18; Ambos in HK-GS3, § 24 Rz. 30. Hassemer in Lüderssen/Sack, Vom Nutzen und Nachteil der Sozialwissenschaften (Bd. 1), 1980, S. 238. BGH v. 13.1.1988 – 2 StR 665/87, BGHSt 35, 184, 186 f. Eser/Bosch in S/S-StGB29, § 24 Rz. 43; Singelnstein in G/J/W, § 24 StGB Rz. 23. Vgl. auch schon Schröder, JuS 1962, 81. Kudlich/Schuhr in S/S/W-StGB2, § 24 Rz. 63; Fischer, StGB63, § 24 Rz. 19; Heger, StV 2010, 322. Kudlich/Schuhr in S/S/W-StGB2, § 24 Rz. 63; Heger in M/R-StGB, § 24 Rz. 24; Heger, StV 2010, 322; Schröder, JuS 1962, 83. BGH v. 13.1.1988 – 2 StR 665/87, BGHSt 35, 184, 185; Fischer, StGB63, § 24 Rz. 19 jew. m.w.N. Vgl. auch Ambos in HKGS3, § 24 Rz. 30 oder Jäger, ZStW 112 (2000), 783 . BGH v. 29.9.2004 – 2 StR 149/04, NStZ 2005, 150, 151; Herzberg/Hoffmann-HollandMüKo-StGB2, § 24 Rz. 104. A.A. Bockelmann JZ 1955, 1421 (sittliche Qualität des Rücktrittsmotivs sei „entscheidend“). Ambos in HK-GS3, § 24 Rz. 30. Heger, StV 2010, 322 m.w.N. insbesondere zur Rspr. des BGH. Vgl. auch Singelnstein in G/J/W, § 24 StGB Rz. 93.

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Eidam

Rz. 11 § 24 StGB

Das im Kern empirisch-psychologische Verständnis der überwiegenden Meinung wird seit jeher1 – gerade in der 8 heutigen Zeit aber auch wieder verstärkt2 – von unterschiedlich ausgeprägten normativen Ansätzen kritisiert, die eine rein psychologische Abgrenzung von Freiwilligkeit vs. Unfreiwilligkeit für undurchführbar halten.3 Deshalb sei ohne eine normative Bewertung des Rücktrittsverhaltens nicht auszukommen.

III. Rücktritt des Alleintäters (Absatz 1) § 24 Abs. 1 stellt an den Rücktritt des Alleintäters unterschiedliche Anforderungen. Insoweit wird zwischen ei- 9 nem unbeendeten (Abs. 1 S. 1 Alt. 1) und einem beendeten (Abs. 1 S. 1 Alt. 2 und S. 2) Versuch unterschieden. Zwar sind diese Begrifflichkeiten dem Normtext nicht direkt zu entnehmen. Sie sind heutzutage jedoch überwiegend anerkannt,4 wenngleich auch nicht unbestritten.5 Die Abgrenzung dient zunächst nur der zweckentsprechenden Abgrenzung der gesetzlichen Rücktrittsmöglichkeiten.6 Sie verfolgt somit das Ziel, die konkreten Anforderungen an einen strafbefreienden Rücktritt (sog. Rücktrittsleistung7) im Einzelfall und nach der jeweiligen Tatsituation auszubuchstabieren.8 Nach ständiger Rspr. kommt es für die Abgrenzung zwischen beendetem und unbeendetem Versuch (und damit 10 für die Voraussetzungen eines strafbefreienden Rücktritts) maßgeblich auf die Vorstellungen der Täter nach der letzten Ausführungshandlung (sog. Rücktrittshorizont) an.9 Unbeendet ist ein Versuch, wenn der Täter (nach seiner Vorstellung) davon ausgeht, noch nicht alles zur Verwirklichung des Tatbestands getan zu haben; beendet dagegen, wenn er alles zur Tatbestandsverwirklichung Erforderliche getan zu haben glaubt.10 Rechnet der Täter mit beiden Möglichkeiten, liegt ein beendeter Versuch vor, weil er sein Handeln immerhin als geeignet zur Verwirklichung des Tatbestandes ansieht.11 Macht sich der Täter keine Gedanken über den Erfolgseintritt, ist nach der Rspr. des BGH ein beendeter Versuch anzunehmen.12 Schwierigkeiten bereitet die Abgrenzung insbesondere in Fällen, in denen der tatsächliche Verlauf der Tat vom ursprünglichen Plan des Täters abweicht.13 1. Rücktritt vom unbeendeten Versuch In Fällen des unbeendeten Versuchs genügt gem. Abs. 1 S. 1 Alt. 1 das bloße Aufgeben der weiteren Tatausführung 11 bzw. ein Nichtweiterhandeln.14 Aufgeben erfordert den Entschluss, auf die Vollendung der konkreten Tat endgültig zu verzichten.15 Ein vorübergehendes Innehalten genügt folglich nicht.16 Andererseits lässt sich ein Aufgeben nicht allein deshalb verneinen, weil der Täter nicht in Gänze seinen Tatplan aufgibt und sich deshalb vornimmt, am Folgetag eine ähnliche Tat zu begehen.17 Maßgeblich ist in Fällen eines nicht endgültig aufgegebenen Tatwillens die Tatidentität im Sinne einer natürlichen Handlungseinheit.18

1 Vgl. bereits Bockelmann, JZ 1955, 1421 (will auf die esoterische Moral des Rechts abstellen; hierzu aber der wichtige Hinweis von Eser/Bosch in S/S-StGB29, § 24 Rz. 43, wonach Bockelmann sich im Jahr 1942 für eben diese Position noch auf das gesunde Volksempfinden berufen hat). 2 Roxin, AT II, § 30 Rz. 365 ff.; Eser/Bosch in S/S-StGB29, § 24 Rz. 43; Ambos in HK-GS3, § 24 Rz. 31 ff.; Beckemper in BeckOK-StGB, § 24 Rz. 33. Guter Überblick zudem bei Jäger, ZStW 112 (2000), 785 f. 3 Dieses Argument geht – soweit ersichtlich – zurück auf zu Dohna, ZStW 59 (1940), 544. 4 Beckemper in BeckOK-StGB, § 24 Rz. 18 („eingebürgert“); Kühl in Lackner/Kühl, StGB28, § 24 Rz. 3; Otto, JURA 2001, 341. 5 Krit. bspw. Herzberg, NJW 1991, 1633 f. („methodologisch unzulässig“). 6 Kühl in Lackner/Kühl, StGB28, § 24 Rz. 3. 7 Niemeyer in M-G6, § 18 Rz. 32. 8 Vgl. Otto, JURA 1992, 423. 9 BGH v. 19.5.1993 – GSSt 1/93, BGHSt 39, 221, 227; BGH v. 11.1.2011 – 1 StR 537/10, NStZ 2011, 337, 338. Vgl. auch Niemeyer in M-G6, § 18 Rz. 32. 10 Vgl. etwa BGH v. 19.5.1993 – GSSt 1/93, BGHSt 39, 221, 227; Eser/Bosch in S/S-StGB29, § 24 Rz. 14; Rudolphi in SKStGB8, § 24 Rz. 15; Fischer, StGB63, § 24 Rz. 14; Otto, JURA 1992, 423; Kudlich, JuS 1999, 349 f.; Heger, StV 2010, 322. 11 BGH v. 15.1.1960 – 4 StR 501/59, BGHSt 14, 75, 80; Ambos in HK-GS3, § 24 Rz. 12. 12 BGH v. 2.11.1994 – 2 StR 449/94, BGHSt 40, 304, 306; Otto, JURA 2001, 341. Vgl. auch Kühl in Lackner/Kühl, StGB28, § 24 Rz. 4 a.E. oder Heger, StV 2010, 323. Krit. demgegenüber aber Ambos in HK-GS3, § 24 Rz. 12. 13 Eser/Bosch in S/S-StGB29, § 24 Rz. 15; Beckemper in BeckOK-StGB, § 24 Rz. 20. 14 BGH v. 19.5.1993 – GSSt 1/93, BGHSt 39, 221, 227; Lilie/Albrecht in LK-StGB12, § 24 Rz. 197; Kudlich, JuS 1999, 349 f. 15 BGH v. 1.4.2009 – 2 StR 571/08, NStZ 2009, 501, 502; Kühl in Lackner/Kühl, StGB28, § 24 Rz. 8 jew. m.w.N. 16 BGH v. 1.4.2009 – 2 StR 571/08, NStZ 2009, 501, 502; BGH v. 19.1.2010 – 4 StR 605/09, NStZ 2010, 384; Heger, StV 2010, 323. 17 BGH v. 15.8.2001 – 2 StR 292/01, NStZ 2002, 28; Rudolphi in SK-StGB8, § 24 Rz. 18; Heger, StV 2010, 323. 18 Fischer, StGB63, § 24 Rz. 26. Vgl. auch BGH v. 13.1.1988 – 2 StR 665/87, BGHSt 35, 184, 186 f.; Singelnstein in G/J/W, § 24 StGB Rz. 43; Ambos in HK-GS3, § 24 Rz. 13; Zaczyk in NK-StGB4, § 24 Rz. 51. A.A. Heger in M/R-StGB, § 24 Rz. 41.

Eidam

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StGB

Rücktritt

StGB

§ 24 StGB Rz. 12

Strafgesetzbuch

2. Rücktritt vom beendeten Versuch 12

Beim beendeten Versuch reicht ein bloßes Aufgeben der Tat nicht aus.1 Das Gesetz verlangt hier vielmehr Gegenaktivitäten (sog. actus contrarius).2 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 ermöglicht den Rücktritt vom beendeten Versuch zunächst durch das Verhindern der Vollendung der Tat. Hiervon unterscheidet sich die Rücktrittsmöglichkeit des Abs. 1 S. 2 dadurch, dass sich das (Rücktritts-)Verhalten des Täters nicht tatsächlich auf das Ausbleiben des Erfolges auswirkt3 (sog. nichtkausaler Rücktritt4). Vielmehr genügt es, wenn der Täter sich ernsthaft um die Erfolgsverhinderung bemüht.

13

Verhindern i.S.v. Abs. 1 S. 1 Alt. 2 erfordert (objektiv) zunächst eine eigene Handlung des Täters,5 die mindestens (mit-)kausal für das Ausbleiben der Tatbestandsverwirklichung gewesen sein muss.6 Ob darüber hinaus noch weitere („schärfere“7) Anforderungen an die Qualität der Bemühungen (Stichwort: optimale bzw. bestmögliche Anstrengungen zur Erfolgsverhinderung) zu stellen sind, ist str.8 Die Rspr. orientiert sich am Gesetzeswortlaut und stellt keine besonderen Anforderungen, so dass es hiernach unerheblich wäre, wenn der Täter nicht die sicherste, bestmöglichste (womöglich auch eine nur halbherzige9) Rettungsmaßnahme ergreift.10 Subjektiv muss der Täter überdies seinen konkreten Tatvorsatz aufgeben,11 mit anderen Worten also bewusst und gewollt hinsichtlich seiner Verhinderungsaktivitäten handeln.12

14

Ein (nicht kausales) ernsthaftes Bemühen i.S.v. Abs. 1 S. 2 setzt (objektiv) voraus, dass der Täter alles tut, was in seinen Kräften steht und was nach seiner Überzeugung zur Erfolgsabwendung erforderlich ist, und dass er die aus seiner Sicht ausreichenden (vermeintlichen) Verhinderungsmöglichkeiten ausschöpft, wobei er sich auch eines Dritten bedienen kann.13 Ob und inwieweit dem Täter gar das Bemühen um die Erbringung einer Bestleistung abverlangt wird, ist zuweilen unklar.14 Richtig dürfte hier der Standpunkt sein, es als ausreichend zu betrachten, wenn der Täter das ihm möglich und aussichtsreich Erscheinende tut. In diesem Fall sollte ein Rücktritt nicht daran scheitern, dass objektiv noch mehr hätte getan werden können.15 Überdies ist in subjektiver Hinsicht ein ernsthaftes, mithin also ein vom unbedingten Entschluss zur Vollendungsverhinderung getragenes (und nicht nur „halbherziges“) Verhalten erforderlich.16

IV. Rücktritt bei mehreren Tatbeteiligten (Absatz 2) 15

Sind an der Tat mehrere beteiligt, stellt Absatz 2 – aufgrund einer (vermeintlich) höheren Gefährlichkeit der Tatbegehung17 – verschärfte Anforderungen an einen Rücktritt, was darin zum Ausdruck kommt, dass die bloße „Annulierung“ des eigenen Tatbeitrages (noch) nicht für einen Rücktritt ausreicht.18 Das Gesetz verlangt hier vielmehr (und ausnahmslos), dass der Täter entweder die Vollendung durch die übrigen Beteiligten verhindert oder sich unter den Voraussetzungen des Satzes 2 freiwillig und ernsthaft darum bemüht.19 Im Unterschied zu Absatz 1 erfolgt hier keine Differenzierung zwischen unbeendetem und beendetem Versuch.20

1 Singelnstein in G/J/W, § 24 StGB Rz. 45; Herzberg/Hoffmann-HollandMüKo-StGB2, § 24 Rz. 124; Rudolphi in SK-StGB8, § 24 Rz. 27c. 2 Lilie/Albrecht in LK-StGB12, § 24 Rz. 279; Heger, StV 2010, 323. 3 Herzberg/Hoffmann-HollandMüKo-StGB2, § 24 Rz. 138; Singelnstein in G/J/W, § 24 StGB Rz. 54. 4 Roxin, AT II, § 30 Rz. 265. 5 Fischer, StGB63, § 24 Rz. 30. 6 BGH v. 22.8.1985 – 4 StR 326/85, BGHSt 33, 295, 301; BGH v. 16.3.2006 – 4 StR 594/05, NStZ 2006, 503, 505; Rudolphi in SK-StGB8, § 24 Rz. 27c; Heger, StV 2010, 323. 7 Rudolphi, NStZ 1989, 509. 8 Dafür bspw. (und prominent) Herzberg, NJW 1989, 862 ff. Allgemein zur Diskussion etwa Roxin, AT II, § 30 Rz. 218 ff.; Zaczyk in NK-StGB4, § 24 Rz. 58 ff.; Rudolphi, NStZ 1989, 509 f. (eigene Ansicht auf S. 512). 9 Vgl. Rudolphi, NStZ 1989, 508. 10 Singelnstein in G/J/W, § 24 StGB Rz. 48. Vgl. nur BGH v. 20.12.2002 – 2 StR 251/02, BGHSt 48, 147, 150. 11 Singelnstein in G/J/W, § 24 StGB Rz. 52. 12 Ambos in HK-GS3, § 24 Rz. 15. 13 BGH v. 13.3.2008 – 4 StR 610/07, NStZ 2008, 508, 509. Vgl. auch Kudlich, NStZ 2016, 666. 14 So in der Tendenz wohl BGH v. 13.3.2008 – 4 StR 610/07, NStZ 2008, 508, 509 („bestmögliche Maßnahme“). Vgl. auch BGH v. 22.8.1985 – 4 StR 326/85, BGHSt 33, 295, 302; Beckemper in BeckOK-StGB, § 24 Rz. 56 oder Singelnstein in G/J/W, § 24 StGB Rz. 57. Differenzierend Ambos in HK-GS3, § 24 Rz. 20. 15 Treffend insoweit Eser/Bosch in S/S-StGB29, § 24 Rz. 71; Kudlich/Schuhr in S/S/W-StGB2, § 24 Rz. 47; Zaczyk in NKStGB4, § 24 Rz. 88 . 16 Ambos in HK-GS3, § 24 Rz. 20; Zaczyk in NK-StGB4, § 24 Rz. 92; Herzberg/Hoffmann-HollandMüKo-StGB2, § 24 Rz. 147 . 17 Singelnstein in G/J/W, § 24 StGB Rz. 60. Ausf. hierzu: Eidam, Der Organisationsgedanke im Strafrecht, S. 279. 18 Roxin in FS Lenckner, 1998, S. 268. 19 Kühl in Lackner/Kühl, StGB28, § 24 Rz. 25; Ambos in HK-GS3, § 24 Rz. 22. 20 Kudlich/Schuhr in S/S/W-StGB2, § 24 Rz. 49; Fischer, StGB63, § 24 Rz. 40a.

136

Eidam

Rz. 18 § 24 StGB

1. Anwendungsbereich Ein Rücktritt nach Absatz 2 setzt zunächst (was eigentlich selbstverständlich, bei mehreren Beteiligten aber 16 schwer überschaubar sein kann1) eine Beteiligung am Versuch voraus.2 Kommt im Vorbereitungsstadium eine Strafbarkeit gem. § 30 in Betracht, richtet sich der Rücktritt ggf. nach § 31.3 Die Verwendung des Begriffs der Beteiligung wird im Schrifttum als unglückliche Formulierung4 bezeichnet, die 17 einer einschränkenden Auslegung bedürfe. Dies sei zunächst für den allein handelnden Täter erforderlich, der angestiftet (§ 26) worden ist oder sich hat Hilfe leisten lassen (§ 27). In dieser Konstellation will eine starke Ansicht in der Literatur § 24 Abs. 1 auf den Rücktritt des Täters anwenden,5 obgleich hier vom Wortlaut her eigentlich § 24 Abs. 2 einschlägig wäre.6 Andere wollen deshalb den Wortlaut von § 24 Abs. 2 „weiter“ interpretieren (Nicht-Weiterhandeln = Verhindern), um in der Sache zum gleichen Ergebnis zu kommen.7 Auf den Rücktritt des Anstifters oder des Gehilfen sei jedoch stets § 24 Abs. 2 anwendbar.8 Str. ist zudem der Fall der mittelbaren Täterschaft. Die Rspr. will im Einklang mit der überwiegenden Auffassung in der Literatur für den mittelbaren Täter (den Hintermann) § 24 Abs. 2 anwenden.9 Für den Tatmittler (den Vordermann) stellt sich die Frage eines Rücktritts freilich überhaupt nur dann, wenn auch in seiner Person bei volldeliktischem Handeln ein strafbarer und somit rücktrittsfähiger Versuch vorliegt,10 was nur in Betracht kommt, wenn man mittelbare Täterschaft auch in der Konstellation des Täters hinter dem Täter (zu denken wäre hier insbesondere an eine mittelbare Täterschaft kraft Organisationsherrschaft11) für möglich hält.12 Für diesen Fall entnehmen Rspr. und herrschende Literatur die Voraussetzungen eines Rücktritts aus § 24 Abs. 1.13 Weitestgehende Einigkeit besteht schließlich darüber, § 24 Abs. 2 auf den Rücktritt von Mittätern anzuwenden.14 2. Rücktrittsvoraussetzungen Abs. 2 S. 1 verlangt (ohne Rücksicht auf die Frage, ob ein beendeter oder unbeendeter Versuch vorliegt) die 18 Verhinderung der Tatvollendung (Rz. 13). Dabei bestehen grundsätzlich die gleichen Anforderungen wie beim Alleintäter, so dass insbesondere das Verhalten des Zurücktretenden für das Ausbleiben der Vollendung zumindest mitursächlich werden muss.15 Wird die Tat ohne Zutun des Beteiligten nicht vollendet, genügt nach Abs. 2 S. 2 Alt. 1 ein ernsthaftes Bemühen, die Vollendung der Tat zu verhindern. Gleiches gilt nach Abs. 2 S. 2 Alt. 2 für die Konstellation, in der die Tat zwar zur Vollendung kommt, dies jedoch unabhängig vom früheren Tatbeitrag des Beteiligten geschehen ist. An ein ernsthaftes Bemühen sind grundsätzlich die gleichen Anforderungen wie bei Absatz 1 (Rz. 14) zu stellen.16 Für Abs. 2 S. 2 Alt. 2 verlangt die Rspr. zudem die vollständige Neutralisierung des eigenen Tatbeitrags.17 Die diesbezüglichen Anforderungen dürfen im Fall einer psychisch noch weiterwirkenden Unterstützung allerdings nicht überzogen werden, da das Rücktrittsprivileg ansonsten leerlaufen würde.18

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18

Kudlich, JuS 1999, 449. Eingehend: Otto, JA 1980, 708. Singelnstein in G/J/W, § 24 StGB Rz. 61; Ambos in HK-GS3, § 24 Rz. 24; Kudlich, JuS 1999, 449. Kudlich/Schuhr in S/S/W-StGB2, § 24 Rz. 51. Herzberg/Hoffmann-HollandMüKo-StGB2, § 24 Rz. 161; Fischer, StGB63, § 24 Rz. 37; Heger in M/R-StGB, § 24 Rz. 70; Ambos in HK-GS3, § 24 Rz. 23; Lilie/Albrecht in LK-StGB12, § 24 Rz. 366; Roxin in FS Lenckner, 1998, S. 270. Beckemper in BeckOK-StGB, § 24 Rz. 60; Kühl in Lackner/Kühl, StGB28, § 24 Rz. 25; Roxin in FS Lenckner, 1998, S. 269. Kudlich/Schuhr in S/S/W-StGB2, § 24 Rz. 52; Kühl in Lackner/Kühl, StGB28, § 24 Rz. 25; Zaczyk in NK-StGB4, § 24 Rz. 96. Beckemper in BeckOK-StGB, § 24 Rz. 60; Heger in M/R-StGB, § 24 Rz. 70; Lilie/Albrecht in LK-StGB12, § 24 Rz. 365; Roxin in FS Lenckner, 1998, S. 270. BGH v. 28.10.1998 – 5 StR 176/98, BGHSt 44, 204, 206; Herzberg/Hoffmann-HollandMüKo-StGB2, § 24 Rz. 162; Zaczyk in NK-StGB4, § 24 Rz. 96; Eser/Bosch in S/S-StGB29, § 24 Rz. 106; Singelnstein in G/J/W, § 24 StGB Rz. 63. Differenzierend nach der Strafbarkeit des Vordermannes hier aber Roxin in FS Lenckner, 1998, S. 270. Vgl. Jescheck ZStW 99 (1987), 142. Singelnstein in G/J/W, § 24 StGB Rz. 63. Vgl. auch Zaczyk in NK-StGB4, § 24 Rz. 96. Näher zu dieser Figur § 25 Rz. 6. Herzberg/Hoffmann-HollandMüKo-StGB2, § 24 Rz. 162. Vgl. auch Ambos in HK-GS3, § 24 Rz. 23; Lilie/Albrecht in LKStGB12, § 24 Rz. 449. BGH v. 15.9.1988 – 4 StR 352/88, BGHSt 35, 347, 349; Eser/Bosch in S/S-StGB29, § 24 Rz. 106; Herzberg/Hoffmann-HollandMüKo-StGB2, § 24 Rz. 162; Lilie/Albrecht in LK-StGB12, § 24 Rz. 449; Jescheck, ZStW 99 (1987), 142. Kühl in Lackner/Kühl, StGB28, § 24 Rz. 25; Ambos in HK-GS3, § 24 Rz. 23; Zaczyk in NK-StGB4, § 24 Rz. 96; Jescheck, ZStW 99 (1987), 143 f.; Kudlich, JuS 1999, 449; Roxin in FS Lenckner, 1998, S. 270. Tendenziell anders Eser/Bosch in S/S-StGB29, § 24 Rz. 73. BGH v. 8.2.2012 – 4 StR 621/11, NStZ-RR 2012, 167, 168. Vgl. auch Otto, JA 1980, 708. Singelnstein in G/J/W, § 24 StGB Rz. 81. Singelnstein in G/J/W, § 24 StGB Rz. 82. Eser/Bosch in S/S-StGB29, § 24 Rz. 99; Roxin in FS Lenckner, 1998, S. 281.

Eidam

137

StGB

Rücktritt

StGB

§ 24 StGB Rz. 19

Strafgesetzbuch

V. Sonderkonstellationen 1. Teilrücktritt 19

Eine partielle Strafbefreiung kann eintreten, wenn der Täter nach Vollendung des Grunddelikts vom Versuch einer Qualifikation zurücktritt (sog. Teilrücktritt).1 2. Erfolgsqualifizierte Delikte

20

Bei erfolgsqualifizierten Delikten ist ein Rücktritt jedenfalls dann möglich, wenn die schwere Folge (noch) nicht eingetreten ist.2 Ist die schwere Folge hingegen durch das versuchte Grunddelikt eingetreten, soll nach überwiegender Meinung ein Rücktritt vom Grunddelikt und damit vom gesamten erfolgsqualifizierten Delikt möglich sein (str.).3 3. Unterlassen

21

Weil der Rücktritt vom Unterlassungsdelikt nach nahezu einhelliger Meinung ein aktives Tun als „Umkehrleistung“ der Untätigkeit voraussetzt,4 folgert die Rspr. im Einklang mit der Literatur, dass ein Rücktritt vom Versuch des unechten Unterlassungsdelikts allein durch ein Verhindern der Vollendung (Abs. 1 S. 1 Alt. 2) oder durch ein diesbezügliches ernsthaftes Bemühen (Abs. 1 S. 2) erfolgen könne.5 4. Steuerstrafrecht

22

Für das Steuerstrafrecht wird aufgrund aktueller Entwicklungen die Frage diskutiert, ob und inwieweit § 24 StGB neben § 371 AO überhaupt noch eine eigenständige Bedeutung zu entfalten vermag.6

C. Tätige Reue 23

Nach der Vollendung der Tat ist ein Rücktritt unmöglich7 (Rz. 1). Ggf. kommt hier aber eine tätige Reue in Betracht,8 die (als Ausdruck materiell-strafrechtlicher Opportunität9) gleichsam einen Quasi-Rücktritt vom vollendeten Delikt ermöglichen kann.10 Entsprechende Vorschriften sind im Besonderen Teil wie auch im Nebenstrafrecht enthalten.11 Besonders bei Delikten des Wirtschaftsstrafrechts spielt die tätige Reue eine wichtige Rolle.12 Beispielhaft wird insoweit etwa auf die §§ 264 Abs. 5, 264a Abs. 3, 265b Abs. 2 StGB verwiesen.13 An der gesetzlichen Ausgestaltung werden indes „willkürlich erscheinende Ungleichbehandlungen“ diagnostiziert,14 was Anlass zu Forderungen nach einer (analogen) Ausdehnung des Rechtsinstituts der tätigen Reue gibt.15 Aktuell sind demgegenüber auch Forderungen de lege ferenda zur Ausweitung und Vereinheitlichung der tätigen Reue (gerade auch für das Gebiet des Wirtschaftsstrafrechts16) zu verzeichnen.17

1 Rudolphi in SK-StGB8, § 24 Rz. 18b; Lilie/Albrecht in LK-StGB12, § 24 Rz. 492; Heger, StV 2010, 324. 2 Zaczyk in NK-StGB4, § 24 Rz. 80; Lilie/Albrecht in LK-StGB12, § 24 Rz. 459. 3 BGH v. 14.5.1996 – 1 StR 51/96, BGHSt 42, 158, 160; Eser/Bosch in S/S-StGB29, § 24 Rz. 26; Kühl in Lackner/Kühl, StGB28, § 24 Rz. 22. Dagegen: Zaczyk in NK-StGB4, § 24 Rz. 81. 4 Küper, ZStW 112 (2000), 3 f. („ganz außer Streit“). Vgl. aber die abw. Ansicht von Engländer, JZ 2012, 130 ff. 5 Kudlich/Schuhr in S/S/W-StGB2, § 24 Rz. 40 jew. m.w.N. 6 Hierzu Rolletschke, ZWH 2013, 186 ff. (vertritt die Auffassung, dass die Zweckbestimmungen beider Regelungen mittlerweile miteinander „verschwimmen“ und plädiert für einen Vorrang von § 371 AO; a.a.O., 188). AA Jahn/Ebner in FS v. Heintschel-Heinegg, 2015, S. 228. 7 Für Überlegungen hin zu einer Straffreiheit de lege ferenda vgl. aber Muñoz-Conde, ZStW 84 (1972), 762. 8 Fischer, StGB63, § 24 Rz. 3; Rudolphi in SK-StGB8, § 24 Rz. 45. 9 Naucke, Negatives Strafrecht, 2015, S. 48. 10 Bülte, ZStW 122 (2010), 574. 11 Guter Überblick bei Jahn/Ebner in FS v. Heintschel-Heinegg, 2015, S. 223 ff.; Kühl in Lackner/Kühl, StGB28, § 24 Rz. 29. Vgl. auch Bülte, ZStW 122 (2010), 573 ff. 12 Hierzu Krack, NStZ 2001, 505 ff. Vgl. auch Weber in FS Tiedemann, 2008, S. 637 ff. 13 Niemeyer in M-G6, § 18 Rz. 35. 14 Krack, NStZ 2001, 508. Vgl. auch a.a.O., 510. 15 Beispielhaft zum Rücktritt vom (nur) vermögensgefährdenden Betrug Weber in FS Tiedemann, 2008, S. 644 ff. Zurückhaltender gegenüber solchen (und ähnlichen) Forderungen aber Krack, NStZ 2001, 508 ff. Explizit gegen eine „pauschale Analogie“ für den Bereich des Wirtschaftsstrafrechts Jahn/Ebner in FS v. Heintschel-Heinegg, 2015, S. 224 f. 16 Jahn/Ebner in FS v. Heintschel-Heinegg, 2015, S. 221 ff. 17 Matt/Saliger, ÖAnwBl 2016, 307 ff.

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Eidam

Dritter Titel. Täterschaft und Teilnahme

§ 25 Täterschaft (1) Als Täter wird bestraft, wer die Straftat selbst oder durch einen anderen begeht. (2) Begehen mehrere die Straftat gemeinschaftlich, so wird jeder als Täter bestraft (Mittäter). A. Grundlegendes und Strukturen . . . B. Unmittelbare Alleintäterschaft . . . . C. Mittelbare Täterschaft (kraft Organisationsherrschaft) . . . . . . . . . . . . D. Mittäterschaft . . . . . . . . . . . . . . . . I. Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . .

.......... ..........

1 3

.......... .......... ..........

4 7 8

1. Der gemeinsame Tatentschluss (subjektive Komponente) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die gemeinsame Tatausführung (objektive Komponente) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Sonderfall: Gremien- bzw. Kollegialentscheidungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. „Organisations-Mittäterschaft“? . . . . . . . . . .

9 10 11 12

Literatur: Abatano Vásquez, Verdirbt die Organisationsherrschaft die Tatherrschaftslehre?, FS Roxin 80. Geburtstag, 2011, 819; Ambos, Tatherrschaft durch Willensherrschaft kraft organisatorischer Machtapparate, GA 1998, 226; Ambos, Zur „Organisation“ bei der Organisationsherrschaft, FS Roxin 80. Geburtstag, 2011, 837; Baumann, Täterschaft und Teilnahme, JuS 1963, 51; Beckemper, Steuerhinterziehung in mittelbarer Täterschaft durch Täuschung des Steuerpflichtigen, wistra 2002, 401; Beulke/Bachmann, Die „Lederspray-Entscheidung“ – BGHSt 37, 106, JuS 1992, 737; Bosch, Organisationsverschulden in Unternehmen, 2002; Bottke, Täterschaft und Teilnahme im deutschen Wirtschaftskriminalrecht, JuS 2002, 320; Brammsen/ Apel, Anstiftung oder Täterschaft? „Organisationsherrschaft“ in Wirtschaftsunternehmen, ZJS 2008, 256; Bülte, Vorgesetztenverantwortlichkeit im Strafrecht, 2015; Corell, Strafrechtliche Verantwortlichkeit durch Mitwirkung an Kollegialentscheidungen auf der Leitungsebene von Wirtschaftsunternehmen bei vorsätzlichen Begehungsdelikten, 2009; Dencker, Mittäterschaft in Gremien, in: Amelung (Hrsg.), Individuelle Verantwortung und Beteiligungsverhältnisse bei Straftaten in bürokratischen Organisationen des Staates, der Wirtschaft und der Gesellschaft, 2000, 63; Eidam, Der Organisationsgedanke im Strafrecht, 2015; Gropp, Die Mitglieder des Nationalen Verteidigungsrates als „Mittelbare Mit-Täter hinter den Tätern“? – BGHSt 40, 218, JuS 1996, 13; Hassemer, Produktverantwortung im modernen Strafrecht, 2. Aufl. 1996; Heinrich, Zur Frage der mittelbaren Täterschaft kraft Ausnutzung hierarchischer Organisationsstrukturen bei Wirtschaftsunternehmen, FS Krey, 2010, 147; Herzberg, Mittelbare Täterschaft und Anstiftung in formalen Organisationen, in: Amelung (Hrsg.), Individuelle Verantwortung und Beteiligungsverhältnisse bei Straftaten in bürokratischen Organisationen des Staates, der Wirtschaft und der Gesellschaft, 2000, 33; Jakobs, Strafrechtliche Haftung durch Mitwirkung an Abstimmungen, FS Miyazawa, 1995, 419; Knauer, Die Kollegialentscheidung im Strafrecht, 2001; Koch, Grundfälle zur mittelbaren Täterschaft, § 25 I Alt. 2 StGB, JuS 2008, 399, 496; Krey/Nuys, Der Täter hinter dem Täter – oder die Liebe der Strafrechtler zum Glasperlenspiel, FS Amelung, 2009, 203; Kudlich/Schulte-Sasse, „Täter hinter den Tätern“ in deutschen Krankenhäusern? Strafbarkeit von „patientenfernen“ Entscheidern in Gesundheitseinrichtungen bei organisationsbedingten Patientenschäden, NStZ 2011, 241; Kühl, Täterschaft und Teilnahme, JA 2014, 668; Maier, Die mittelbare Täterschaft bei Steuerdelikten, MDR 1986, 358; Mittelsdorf, Zur Reichweite individueller strafrechtlicher Verantwortung im Unternehmen für Fehlverhalten von unterstellten Mitarbeitern, ZIS 2011, 123; Muñoz Conde, Willensherrschaft kraft organisatorischer Machtapparate im Rahmen „nichtrechtsgelöster“ Organisationen?, FS Roxin, 2001, 609; Murmann, Grundwissen zur mittelbaren Täterschaft (§ 25 I Alt. 2 StGB), JA 2008, 321; Murmann, Tatherrschaft durch Weisungsmacht, GA 1996, 269; Nack, Mittelbare Täterschaft durch Ausnutzung regelhafter Abläufe, GA 2006, 342; Otto, Täterschaft kraft organisatorischen Machtapparates, JURA 2001, 753; Puppe, Anmerkung zu BGH, Urteil vom 6.7.1990 – 2 StR 549/89, JR 1992, 30; Puppe, Der gemeinsame Tatplan der Mittäter, ZIS 2007, 234; Radtke, Mittelbare Täterschaft kraft Organisationsherrschaft im nationalen und internationalen Strafrecht, GA 2006, 350; Ransiek, Zur deliktischen Eigenhaftung des GmbH-Geschäftsführers aus strafrechtlicher Sicht, ZGR 1992, 203; Rotsch, Die Rechtsfigur des Täters hinter dem Täter bei der Begehung von Straftaten im Rahmen organisierter Machtapparate und ihre Übertragbarkeit auf wirtschaftliche Großunternehmen, NStZ 1998, 491; Rotsch, Einheitstäterschaft statt Tatherrschaft, 2009; Rotsch, Individuelle Haftung in Großunternehmen, 1998; Rotsch, Neues zur Organisationsherrschaft, NStZ 2005, 13; Rotsch, Täterschaft kraft Organisationsherrschaft, ZStW 112 (2000), 518; Rotsch, Unternehmen, Umwelt und Strafrecht – Ätiologie einer Misere, wistra 1999, 321 (Teil 1) und 368 (Teil 2); Roxin, Bemerkungen zum „Täter hinter dem Täter“, FS Lange, 1976, 173; Roxin, Die Mittäterschaft im Strafrecht, JA 1979, 519; Roxin, Organisationsherrschaft als eigenständige Form mittelbarer Täterschaft, ZStrR 125 (2007), 1; Roxin, Organisationsherrschaft und Tatentschlossenheit, FS F.-C. Schroeder, 2006, 387; Roxin, Organisationssteuerung als Erscheinungsform mittelbarer Täterschaft, FS Krey, 2010, 449; Roxin, Probleme von Täterschaft und Teilnahme bei der organisierten Kriminalität, FS Grünwald, 1999, 549; Roxin, Straftaten im Rahmen organisatorischer Machtapparate, GA 1963, 193; Roxin, Zur neuesten Diskussion über die Organisationsherrschaft, GA 2012, 395; Rübenstahl, Die Übertragung der Grundsätze der Tatherrschaft kraft Organisationsherrschaft auf Unternehmen durch den BGH, HRRS 2003, 210; Saliger, Umweltstrafrecht, 2012; Samson, Probleme strafrechtlicher Produkthaftung, StV 1991, 182; Schroeder, F.-C., Der Sprung des Täters hinter dem Täter aus der Theorie in die Praxis, JR 1995, 177; Schroeder, F.-C., Der Täter hinter dem Täter. Ein Beitrag zur Lehre von der mittelbaren Täterschaft, 1965; Schünemann, Die Rechtsfigur des „Täters hinter dem Täter“ und das Prinzip der Tatherrschaftsstufen, FS F.-C. Schroeder, 2006, 401; Schulz, Die mittelbare Täterschaft kraft Organisationsherrschaft – eine notwendige Rechtsfortbildung? – BGH, NJW 1994, 2703, JuS 1997, 109; Seelmann, Mittäterschaft im Strafrecht, JuS 1980, 571; Seher, Grundfälle zur Mittäterschaft, JuS 2009, 304; Urban, Mittelbare Täterschaft kraft Organisationsherrschaft, 2004; Zaczyk, Die „Tatherrschaft kraft organisatorischer Machtapparate“ und der BGH, GA 2006, 411.

Eidam

139

StGB

§ 25 StGB

Täterschaft

StGB

§ 25 StGB Rz. 1

Strafgesetzbuch

A. Grundlegendes und Strukturen 1

§ 25 unterscheidet zwischen drei Erscheinungsformen1 der Täterschaft: Unmittelbare Alleintäterschaft (Abs. 1 Alt. 1), mittelbare (Allein-)Täterschaft (Abs. 1 Alt. 2) und Mittäterschaft (Absatz 2),2 wobei auch Mischgebilde möglich sind (Bsp.: Ein Mittäter erbringt seinen Tatbeitrag in mittelbarer Täterschaft).3 Die Vorschrift stellt allerdings nur die Existenz dieser verschiedenen Täterschaftsformen fest, gibt dabei aber weder über deren Voraussetzungen noch über die Abgrenzung zur Teilnahme4 (Anstiftung und Beihilfe) Aufschluss, so dass die nähere Ausgestaltung Rspr. und Lehre überlassen bleibt.5 Gesetzlich nicht geregelt ist die sog. Nebentäterschaft, bei der mehrere Beteiligte unabhängig voneinander (und ohne Verbindung zueinander) den jew. Tatbestand erfüllen.6

2

Im Wirtschaftsstrafrecht (und in eng verwandten Gebieten wie dem Umweltstrafrecht) wird eine Straftat häufig nicht von einer Person allein, sondern aus Unternehmen und Betrieben heraus begangen („corporate crime“).7 Weil Verbände nach deutschem Strafrecht aber – mit Ausnahme der Verbandsgeldbuße gem. § 30 OWiG – keine Straftaten begehen können,8 stellt sich die Frage der individuellen Zurechnung bei mitunter kollektiven Tathintergründen,9 deren Beantwortung mit erheblichen Schwierigkeiten einhergeht.10 Besonders problematisch ist insoweit die Zurechnung unternehmensbezogenen Handelns bei Leitungspersonen,11 was mitunter auf eine Haftung für „fremde“ Handlungen hinauslaufen kann.12 Für die Klärung solcher Fragen ist u.a.13 die Beteiligungsdogmatik und dort vor allem § 25 StGB zuständig.14 Zur Vornahme einer konkret-individuellen Zurechnung ist nach überwiegendem Verständnis zwischen einer Beteiligung auf horizontaler Ebene (Zusammenwirken von mehreren Personen auf ein- und derselben Hierarchiestufe bzw. in gleichrangig-arbeitsteiligem Vorgehen) und einer Beteiligung auf vertikaler Ebene (hierarchisch gegliederte Zusammenarbeit auf verschiedenen Entscheidungsstufen) zu differenzieren.15 Von hervorgehobener Praxisrelevanz für eine vertikale Verantwortungszuschreibung in Unternehmen ist dabei das Institut der mittelbaren Täterschaft kraft Organisationsherrschaft (unten Rz. 6),16 das – nach nicht unbestrittener Auffassung der Rspr. – eine Haftung von Vorgesetzten ermöglicht.17 Zusätzlich zu alledem stellt sich – der strukturellen Unterscheidung zwischen Handlungs- und Entscheidungsverantwortung18 folgend – die Frage, ob strafrechtliche Verantwortung innerhalb einer Unternehmensstruktur „bottom up“ (Ansetzen beim Tatnächsten) oder eher „top down“ (Ansetzen bei der Leitungsebene) vorzunehmen ist.19 Für diese Entscheidung wird ein Abstellen auf normative Kriterien wie die Tatnähe und den Unrechtsschwerpunkt vorgeschlagen.20

1 Zu dieser Terminologie Schild in NK-StGB4, § 25 Rz. 3. 2 Vgl. nur Häcker in M-G6, § 19 Rz. 1; Wessels/Beulke/Satzger, AT45, Rz. 738; Haas in M/R-StGB, § 25 Rz. 1; Murmann in S/S/W-StGB2, § 25 ff. Rz. 1, oder Koch, JuS 2008, 399. Andernorts wird demgegenüber zwischen vier Erscheinungsformen der Täterschaft unterschieden: unmittelbare vs. mittelbare Täterschaft und Allein- vs. Mittäterschaft. So etwa Fischer, StGB63, § 25 Rz. 2 oder Ingelfinger in HK-GS3, § 25 StGB Rz. 4. 3 Hoyer in SK-StGB8, § 25 Rz. 1. 4 Es gelten insoweit die allgemeinen Grundsätze auch im Wirtschaftsstrafrecht; vgl. Wittig, Wirtschaftsstrafrecht3, § 6 Rz. 67. Ausf. zu Abgrenzungsfragen etwa Schünemann in LK-StGB12, § 25 Rz. 1 ff. Für eine verkürzte Darstellung vgl. Wessels/Beulke/Satzger, AT45, Rz. 743 ff. oder Ingelfinger in HK-GS3, § 25 StGB Rz. 6 ff. Zu speziellen Abgrenzungsfragen im Wirtschaftsstrafrecht Hoffmann-Holland/Singelnstein in G/J/W, § 25 StGB Rz. 12 ff. 5 Heine/Weißer in S/S-StGB29, § 25 Rz. 1. 6 Haas in M/R-StGB, § 25 Rz. 1; Murmann in S/S/W-StGB2, § 25 Rz. 1 und 3. 7 Kudlich/Og˘lakciog˘lu, Wirtschaftsstrafrecht2, Rz. 82; Saliger, Umweltstrafrecht, Rz. 157. Vgl. auch Tiedemann, Wirtschaftsstrafrecht AT4, Rz. 353 oder Raum in W/J4, 4. Kap., Rz. 3. 8 Bottke, JuS 2002, 321; Saliger, Umweltstrafrecht, Rz. 157. Ausf. Aufarbeitung bei Eidam, Der Organisationsgedanke im Strafrecht, S. 240 ff. 9 Ausf. hierzu Eidam, Der Organisationsgedanke im Strafrecht, S. 312 ff. 10 Wittig, Wirtschaftsstrafrecht3, § 6 Rz. 64; Bülte, Vorgesetztenverantwortlichkeit, S. 41. Vgl. auch a.a.O., S. 50 (das Strafrecht ist „überfordert“). Ähnlich: Mittelsdorf, ZIS 2011, 123; Bosch, Organisationsverschulden in Unternehmen, S. 8. 11 Achenbach in A/R/R4, Rz. 1. Vgl. auch Brettel/Schneider, Wirtschaftsstrafrecht, § 2 Rz. 51. 12 Kudlich/Og˘lakciog˘lu, Wirtschaftsstrafrecht2, Rz. 107. 13 Weiterhin zu nennen wäre hier die Unterlassensdogmatik und dort die sog. Geschäftsherrenhaftung. 14 Vgl. Achenbach in A/R/R4, Rz. 2. 15 Hierzu Tiedemann, Wirtschaftsstrafrecht AT4, Rz. 353 ff.; Saliger, Umweltstrafrecht, Rz. 162 ff.; Kudlich/Og˘lakciog˘lu, Wirtschaftsstrafrecht2, Rz. 104; Eidam, Der Organisationsgedanke im Strafrecht, S. 313 ff. 16 Tiedemann, Wirtschaftsstrafrecht AT4, Rz. 363; Saliger, Umweltstrafrecht, Rz. 169. Vgl. auch Hoffmann-Holland/Singelnstein in G/J/W, § 25 StGB Rz. 39 und Wittig, Wirtschaftsstrafrecht3, § 6 Rz. 67. 17 Bottke, JuS 2002, 321. 18 Vgl. Bülte, Vorgesetztenverantwortlichkeit, S. 41. Ferner auch Wittig, Wirtschaftsstrafrecht3, § 6 Rz. 64. 19 Hierzu Saliger, Umweltstrafrecht, Rz. 160 f.; Bosch, Organisationsverschulden in Unternehmen, S. 144 f. 20 Saliger, Umweltstrafrecht, Rz. 161.

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Eidam

Rz. 5 § 25 StGB

B. Unmittelbare Alleintäterschaft Unmittelbarer Alleintäter ist, wer eine Tat selbst (und ohne Beteiligung eines anderen) begeht.1 Der BGH hat für 3 den Bereich der Produkthaftung in der sog. Lederspray-Entscheidung2 gewisse Erweiterungen dergestalt vorgenommen, dass in einem Betrieb nicht eigenhändig durchgeführte Handlungen, die einen schädigenden Erfolg hervorrufen, dem Veranlasser der betrieblichen Maßnahme auch im Wege unmittelbarer Alleintäterschaft zugerechnet werden können.3 Rechtspraktisch hat diese Rspr. derzeit aber kaum noch Bedeutung.4

C. Mittelbare Täterschaft (kraft Organisationsherrschaft) Mittelbare Täterschaft in ihrer „Grundform“ ist die Tatbegehung durch einen Tatmittler (den Vordermann), der 4 als vom Hintermann eingesetztes menschliches „Werkzeug“ die Tat (ganz oder teilweise) ausführt.5 Das Gesetz stellt insofern klar, dass Täter auch derjenige sein kann, der die tatbestandliche Handlung nicht in eigener Person begeht, sondern sich eines anderen – und damit „fremder Hände“6 – bedient (wobei nicht ausgeschlossen ist, dass der mittelbare Täter Teile des Tatbestands selbst verwirklicht7). Nähere Konturen oder Voraussetzungen der mittelbaren Täterschaft gibt § 25 Abs. 1 Alt. 2 indes nicht vor;8 der Gesetzgeber hat angesichts der Vielgestaltigkeit dieser Täterschaftsform ausdrücklich darauf verzichtet.9 Die entscheidende Frage ist mithin, unter welchen Voraussetzungen man davon sprechen kann, dass der Hintermann die Tat „durch“ den Vordermann begeht bzw. wann das Verhalten des Vordermannes dem Hintermann strafbarkeits- und sogar täterschaftsbegründend zugerechnet werden kann.10 Schwierigkeiten kann zudem die Abgrenzung zu den ebenfalls potentiell anwendbaren Instituten der Anstiftung und teils auch der Mittäterschaft bereiten.11 Nach der Tatherrschaftslehre muss sich das Gesamtgeschehen als Werk des Hintermannes darstellen, der den Tatmittler und zugleich das Tatgeschehen (kraft seines planvoll lenkenden Willens) in der Hand hält.12 Das kommt typischerweise in Betracht, wenn der Tatmittler objektiv oder subjektiv nicht oder nur teilweise tatbestandsmäßig handelt13 („deliktisches Minus“14). Kennzeichnend für die mittelbare Täterschaft ist somit die (aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen) unterlegene Stellung des Tatmittlers (sog. Defekt) einerseits und die beherrschende Rolle des Hintermannes andererseits.15 Die dadurch zum Ausdruck kommende Umschichtung (auch Überwälzung16) von strafrechtlicher Verantwortung weg vom Vordermann und hin zum Hintermann beschreibt das sog. Verantwortungsprinzip (auch Autonomieprinzip),17 das konstituierend und deshalb gleichsam eine Basis18 für die mittelbare Täterschaft ist. Im Anschluss an Roxin19 wird nach ganz überwiegender Auffassung zwischen drei Grundkonstellationen (oder 5 Erscheinungsformen) der mittelbaren Täterschaft unterschieden: Irrtumsherrschaft (mittelbare Täterschaft kraft überlegenen Wissens), Nötigungsherrschaft (mittelbare Täterschaft kraft überlegenen Willens) und Organisationsherrschaft.20 Dabei kommt der zuletzt benannten Organisationsherrschaft ein besonderes Charakteristikum zu. Sie ist auf eine Ausnahme vom Verantwortungsprinzip angewiesen,21 weil der in der Organisationsherrschaft zum Ausdruck kommenden Rechtsfigur des „Täters hinter dem Täter“22 ein konsequent durchgehaltenes Verantwortungsprinzip im Wege stehen würde.23 1 Vgl. Häcker in M-G6, § 19 Rz. 4; Hoffmann-Holland/Singelnstein in G/J/W, § 25 StGB Rz. 36; Kühl in Lackner/Kühl, StGB28, § 25 Rz. 1; Hoyer in SK-StGB8, § 25 Rz. 28 oder Heine/Weißer in S/S-StGB29, § 25 Rz. 2. 2 BGH v. 6.7.1990 – 2 StR 549/89, BGHSt 37, 106, 114. 3 Kudlich in BeckOK-StGB, § 25 Rz. 18.1; Kühl in Lackner/Kühl, StGB28, § 25 Rz. 1. Kritik hieran bei Kühl, AT7, § 20 Rz. 37a. 4 Rotsch in M/G, 1. Kapitel, B. Rz. 48, 54. 5 Ingelfinger in HK-GS3, § 25 StGB Rz. 13. 6 Wessels/Beulke/Satzger, AT45, Rz. 773. 7 BGH v. 31.7.2012 – 3 StR 231/12, NStZ 2013, 103; Murmann in S/S/W-StGB2, § 25 Rz. 4. 8 Vgl. Schünemann in LK-StGB12, § 25 Rz. 60 f.; Joecks in MüKo-StGB2, § 25 Rz. 53; Bülte, Vorgesetztenverantwortlichkeit, S. 76 f.; Koch, JuS 2008, 399 („lässt das Gesetz bewusst offen“). 9 M.w.N. Heine/Weißer in S/S-StGB29, § 25 Rz. 6. 10 Kudlich in BeckOK-StGB, § 25 Rz. 19. 11 Vgl. Joecks in MüKo-StGB2, § 25 Rz. 54. 12 Kühl in Lackner/Kühl, StGB28, § 25 Rz. 2. 13 Heine/Weißer in S/S-StGB29, § 25 Rz. 9. 14 Koch, JuS 2008, 401. 15 Wessels/Beulke/Satzger, AT45, Rz. 773; Kühl, AT7, § 20 Rz. 40 . 16 Schünemann in LK-StGB12, § 25 Rz. 62. 17 Vgl. z.B. Schünemann in LK-StGB12, § 25 Rz. 62 ff.; Schünemann in FS F.-C. Schroeder, 2006, S. 402. 18 Krey/Nuys in FS Amelung, 2009, S. 209; Mittelsdorf, ZIS 2011, 123; Eidam, Der Organisationsgedanke im Strafrecht, S. 158. 19 Roxin, AT II, § 25 Rz. 46 und passim; Roxin, Täterschaft und Tatherrschaft9, S. 141 ff. 20 Vgl. z.B. Joecks in MüKo-StGB2, § 25 Rz. 55; Ingelfinger in HK-GS3, § 25 StGB Rz. 17; Hoyer in SK-StGB8, § 25 Rz. 41; Kühl, JA 2014, 670; Koch, JuS 2008, 399. 21 Ingelfinger in HK-GS3, § 25 StGB Rz. 16. Vgl. auch Murmann in S/S/W-StGB2, § 25 Rz. 5; Hoyer in SK-StGB8, § 25 Rz. 87. 22 Umfassend monographisch hierzu F.-C. Schroeder, Der Täter hinter dem Täter, passim. Die Begrifflichkeit geht jedoch auf Lange zurück; vgl. Roxin in FS Lange, 1976, S. 173; Rotsch, ZStW 112 (2000), 519. 23 Schünemann in LK-StGB12, § 25 Rz. 62.

Eidam

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StGB

Täterschaft

StGB

§ 25 StGB Rz. 6 6

Strafgesetzbuch

Die aus den 1960er Jahren stammende1 Figur der mittelbaren Täterschaft kraft Organisationsherrschaft begründete die Täterschaft von Hintermännern ursprünglich in völkerstrafrechtlichen Fallkonstellationen (zunächst an Verbrechen der Nationalsozialisten) auf einem faktisch-naturalistischen Fundament.2 Dabei wird faktisch-reale Tatherrschaft dem Hintermann gerade nicht über ein in seiner Verantwortung eingeschränktes Tatwerkzeug, sondern über die Organisation bzw. den Apparat zugeschrieben.3 Funktioniere eine Organisation dergestalt, dass bei ihrer Inanspruchnahme nahezu automatisch der Vollzug jeder angeordneten Tat des Hintermannes gewährleistet sei, dann sei davon auszugehen, dass dieser Hintermann „an den Schalthebeln der Macht“ sitze und ihm insoweit Tatherrschaft zukomme, als die Ausführung seiner Tat über den Apparat faktisch garantiert sei.4 Für eine so verstandene Organisationsherrschaft wurden zunächst drei Voraussetzungen formuliert: (1) Eine vertikal hierarchisch gegliederte Organisation, die Hintermännern eine befehlsähnliche Anordnungsgewalt vermittelt; (2) Austauschbarkeit jedes unmittelbar ausführenden Organisationsmitglieds auf den niedrigeren Hierarchieebenen (sog. Fungibilität; Gedanke des „Rädchens im Getriebe“); (3) Wirkens des Apparates außerhalb der Rechtsordnung (sog. Rechtsgelöstheit).5 Seit der Entscheidung des BGH im Fall „Keßler-Streletz“6 hat auch die Rspr. die Organisationsherrschaft als weitere Form der mittelbaren Täterschaft (die ein strafbarkeitsausschließendes Defizit des Vordermannes nicht voraussetzt) anerkannt.7 Allerdings setzt der BGH in seiner nicht sehr tiefgehenden8 Begründung andere Schwerpunkte,9 vermengt unterschiedliche wissenschaftliche Begründungsstränge10 und geht noch viel weiter über das ursprüngliche Konzept der Organisationsherrschaft hinaus, indem erwogen wird, die Figur (unter weit weniger strengen Voraussetzungen11) auch auf Wirtschaftsunternehmen anzuwenden.12 Anders als in den Fällen sog. Regierungskriminalität stößt die Ausdehnung der Organisationsherrschaft auf Wirtschaftsunternehmen jedoch auf eine nahezu einhellig formulierte und im Kern auch berechtigte Kritik im Schrifttum.13 Ungeachtet dessen versuchte sich die Rspr. in der Vergangenheit in einer extensiven Anwendung der mittelbaren Täterschaft kraft Organisationsherrschaft auch auf Wirtschaftsunternehmen14 und hat dies auch in verschiedenen Judikaten explizit anerkannt.15 Hervorzuheben ist etwa der Fall „Bremer Vulkan“,16 wo eine mittelbare Täterschaft kraft Organisationsherrschaft für die leitenden Vorstandsmitglieder eines Werftenverbundes erörtert wird. Mittlerweile hat sich in der Rspr. sogar eine Tendenz dahin entwickelt, unabhängig von der Größe eines Unternehmens letztlich jeden Vorgesetzten oder leitenden Angestellten als mittelbaren Täter zu betrachten, solange er aufgrund regelhafter Abläufe im Unternehmen von seinen Mitarbeitern die Begehung einer Straftat erwarten kann.17 Es handele sich um ein „offenes Wertungsproblem“.18 Die Kenntnis von der jew. Straftat ist nach diesen Grundsätzen des BGH nicht (mehr) er-

1 Erstmals: Roxin, GA 1963, 193. 2 Radtke, GA 2006, 352; Eidam, Der Organisationsgedanke im Strafrecht, S. 161. Vgl. auch Otto, JURA 2001, 755 und Roxin in FS Grünwald, 1999, S. 554. 3 Eidam, Der Organisationsgedanke im Strafrecht, S. 161. Roxin macht das überdeutlich, indem er anführt, dass der Apparat als solcher und gerade nicht der Vordermann das eigentliche Werkzeug sei. Vgl. Roxin in FS Krey, 2010, S. 457; Roxin, ZStrR 125 (2007), 9. 4 Eidam, Der Organisationsgedanke im Strafrecht, S. 161. 5 Hierzu die prägnante Zusammenfassung von Otto, JURA 2001, 754 m.w.N. Später ergänzt Roxin noch ein viertes – klarstellendes – Merkmal: die organisationsspezifisch wesentliche Tatbereitschaft des Ausführenden. Vgl. Roxin in FS F.-C. Schroeder, 2006, S. 397 f.; Roxin in FS Krey, 2010, S. 462; Roxin, ZStrR 125 (2007), 15 ff. Neuerdings möchte Roxin jedoch dahingehend verstanden werden, dass es sich bei der „erhöhten Tatgeneigtheit“ nicht um ein eigenständiges Kriterium der Organisationsherrschaft, sondern um eine Ableitung aus den drei „Basiselementen“ handele. So Roxin, GA 2012, 396, 412. 6 BGH v. 26.7.1994 – 5 StR 98/94, BGHSt 40, 218. Dem folgend dann später auch BGH v. 8.11.1999 – 5 StR 632/98, BGHSt 45, 270, 296 („Politbüro“). 7 Kudlich in BeckOK-StGB, § 25 Rz. 28. 8 Gropp, JuS 1996, 15. 9 Vgl. nur Rotsch, Einheitstäterschaft statt Tatherrschaft, S. 387 (BGH will „einen ganz eigenen Weg gehen“). 10 Näher hierzu Eidam, Der Organisationsgedanke im Strafrecht, S. 162 f. 11 Hoffmann-Holland/Singelnstein in G/J/W, § 25 StGB Rz. 59. 12 BGH v. 26.7.1994 – 5 StR 98/94, BGHSt 40, 218, 236. Hintergründe hierzu bei Nack, GA 2006, 342 ff. Vgl. zudem Achenbach in A/R/R4, Rz. 30; Kudlich/Og˘lakciog˘lu, Wirtschaftsstrafrecht2, Rz. 109; Eidam, Der Organisationsgedanke im Strafrecht, S. 163. 13 Roxin, AT II, § 25 Rz. 129 ff.; Achenbach in A/R/R4, Rz. 30; Saliger, Umweltstrafrecht, Rz. 169 („hochproblematisch“); Kudlich/Og˘lakciog˘lu, Wirtschaftsstrafrecht2, Rz. 110; Tiedemann, Wirtschaftsstrafrecht AT4, Rz. 363 („bedenklich weit“); Brettel/Schneider, Wirtschaftsstrafrecht, § 2 Rz. 61 ff.; Schünemann in LK-StGB12, § 25 Rz. 131; Heine/Weißer in S/S-StGB29, § 25 Rz. 30; Heinrich in FS Krey, 2010, S. 154; Ambos, GA 1998, 239; Rotsch, NStZ 1998, 493 („völlig unmöglich“); Koch, JuS 2008, 498 f. Zur Gegenmeinung vgl. Brammsen/Apel, ZJS 2008, 257 f. 14 Bülte, Vorgesetztenverantwortlichkeit, S. 42. 15 Achenbach in A/R/R4, Rz. 30; Wittig, Wirtschaftsstrafrecht3, § 6 Rz. 111; Saliger, Umweltstrafrecht, Rz. 169; Rotsch in M/G, 1. Kapitel, B. Rz. 54. Erstmals geschehen in BGH v. 6.6.1997 – 2 StR 339/96, BGHSt 43, 219, 231 f. Vgl. in der Folgezeit auch BGH v. 26.8.2003 – 5 StR 145/03, BGHSt 48, 331, 342. Allgemein hierzu auch Hoffmann-Holland/Singelnstein in G/J/W, § 25 StGB Rz. 69. 16 BGH v. 13.5.2004 – 5 StR 73/03, BGHSt 49, 147, 163 f. 17 Heinrich in FS Krey, 2010, S. 153; Rübenstahl, HRRS 2003, 218. 18 Wittig, Wirtschaftsstrafrecht3, § 6 Rz. 112 m.w.N.

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Rz. 9 § 25 StGB

forderlich.1 Dieser kaum mehr einzudämmende2 „Wildwuchs“3 gestaltet sich als Irrweg4 und wird bislang nur zaghaft von einer Rspr. des 2. Strafsenats des BGH (mit dem Ziel, eine Grenzverwischung zur Mittäterschaft einzudämmen5) beschnitten, indem ein deutlich räumlicher, zeitlicher und hierarchischer Abstand zwischen dem Handelnden und dem Hintermann eingefordert wird.6 Für alternative Konzepte vgl. unten Rz. 12 sowie §§ 26, 27 StGB Rz. 10.

D. Mittäterschaft Mittäterschaft ist die gemeinschaftliche Begehung einer Straftat durch bewusstes und gewolltes Zusammenwir- 7 ken.7 Das in § 25 Abs. 2 zum Ausdruck kommende Spezifikum der Gemeinschaftlichkeit ist gekennzeichnet durch ein Zusammenspiel objektiver und subjektiver Elemente,8 die zugleich als Voraussetzungen für eine mittäterschaftliche Begehung zu begreifen sind (Rz. 8 ff.). Gemeinschaftlichkeit indiziert ferner, dass die Täter nicht abgestuft bzw. hintereinander, sondern als gleichberechtigte Partner nebeneinander (mithin also in horizontalem Verhältnis9) handeln.10 Eine Mittäterschaft wirft i.d.R. keine Probleme auf, wenn alle Beteiligten sämtliche Tatbestandsmerkmale des in Rede stehenden Tatbestands erfüllen.11 Haben einer oder mehrere Beteiligte infolge von Arbeitsteilung allerdings nur einen Teil der tatbestandsmäßigen Ausführungshandlung eigenhändig vorgenommen, so bedarf es zur Begründung (vollständiger täterschaftlicher) Verantwortlichkeit der Mittäterschaft als Zurechnungsprinzip, wodurch dann jedem Mittäter auch die Tatanteile des/der Komplizen als eigene zugerechnet werden können.12 Denkbar ist auch eine Mittäterschaft durch Unterlassen.13

I. Voraussetzungen Mittäterschaft setzt (als Ausprägung funktioneller Tatherrschaft14) subjektiv einen gemeinsamen Tatentschluss 8 und objektiv eine gemeinsame Tatausführung voraus.15 Zuweilen ist diesbezüglich von den „zwei Säulen“ der Mittäterschaft die Rede.16 1. Der gemeinsame Tatentschluss (subjektive Komponente) Nahezu einhellig anerkannt17 ist zunächst, dass Mittäterschaft (neben Vorsatz und etwaig erforderlichen Delikts- 9 absichten18) einen gemeinsamen Tatentschluss voraussetzt, d.h. ein ausdrückliches (ausreichend ist u.U. aber auch ein stillschweigendes bzw. konkludentes19) Einvernehmen, eine bestimmte Tat durch gemeinsames arbeitsteiliges Handeln als gleichberechtige Partner zu begehen.20 Verkürzt ist etwa auch von einem bewussten und gewollten Zusammenwirken die Rede.21 Erst durch diesen gemeinsamen Tatentschluss werden die einzelnen Tatbeiträge zu einem gemeinschaftlichen Begehen i.S.d. § 25 Abs. 2 StGB verbunden.22 Eine Entschlussfassung während der Tatausführung (sukzessive Mittäterschaft) ist möglich,23 wobei die Rspr. sogar den nach Vollendung und vor Beendigung gefassten Tatentschluss für eine Mittäterschaft ausreichen lässt (str.).24 Eine sukzessi1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24

Tiedemann, Wirtschaftsstrafrecht AT4, Rz. 363. Vgl. Krey/Nuys in FS Amelung, 2009, S. 219. Bülte, Vorgesetztenverantwortlichkeit, S. 49. Vgl. Zaczyk, GA 2006, 414 f. Eidam, Der Organisationsgedanke im Strafrecht, S. 164. BGH v. 2.11.2007 – 2 StR 384/07, NStZ 2008, 89, 90. So im Kern aber auch schon Roxin in FS Grünwald, 1999, S. 561. Vgl. hierzu auch Brettel/Schneider, Wirtschaftsstrafrecht, § 2 Rz. 63. Wessels/Beulke/Satzger, AT45, Rz. 759; Kühl, JA 2014, 671. Seher, JuS 2009, 304. Eidam, Der Organisationsgedanke im Strafrecht, S. 313. Kühl, JA 2014, 671. Seelmann, JuS 1980, 571. Heine/Weißer in S/S-StGB29, § 25 Rz. 61. Vgl. auch Murmann in S/S/W-StGB2, § 25 Rz. 31 sowie Eidam, Der Organisationsgedanke im Strafrecht, S. 145. Häcker in M-G6, § 19 Rz. 14a; Hoffmann-Holland/Singelnstein in G/J/W, § 25 StGB Rz. 92; Murmann in S/S/W-StGB2, § 25 Rz. 32. Vgl. auch BGH v. 6.7.1990 – 2 StR 549/89, BGHSt 37, 106, 129. Roxin, Täterschaft und Tatherrschaft9, S. 280. Ingelfinger in HK-GS3, § 25 StGB Rz. 42; Kühl, JA 2014, 671. Schünemann in LK-StGB12, § 25 Rz. 156. Hoyer in SK-StGB8, § 25 Rz. 121. Hoffmann-Holland/Singelnstein in G/J/W, § 25 StGB Rz. 107. Vgl. auch Schünemann in LK-StGB12, § 25 Rz. 168. Vgl. Kühl, AT7, § 20 Rz. 104; Schünemann in LK-StGB12, § 25 Rz. 173 oder Kudlich in BeckOK-StGB, § 25 Rz. 48 jew. m.w.N. Seher, JuS 2009, 304 f. BGH v. 8.7.1954 – 4 StR 350/54, BGHSt 6, 248, 249; Kühl, AT7, § 20 Rz. 98; Ingelfinger in HK-GS3, § 25 StGB Rz. 37; Hoffmann-Holland/Singelnstein in G/J/W, § 25 StGB Rz. 108. Heine/Weißer in S/S-StGB29, § 25 Rz. 71. Murmann in S/S/W-StGB2, § 25 Rz. 38. BGH v. 18.7.2000 – 5 StR 245/00, NStZ 2000, 594; Murmann in S/S/W-StGB2, § 25 Rz. 39. Erläuternd auch Seher, JuS 2009, 306 f.

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StGB

Täterschaft

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§ 25 StGB Rz. 10

Strafgesetzbuch

ve Mittäterschaft nach materieller Beendigung erkennt die Rspr. demgegenüber nicht an.1 Dem gemeinschaftlichen Entschluss kommt überdies die wichtige Funktion zu, die Zurechnung zu begrenzen (Stichwort: Exzess).2 2. Die gemeinsame Tatausführung (objektive Komponente) 10

Mittäterschaft setzt ferner die Leistung eines durch den gemeinsamen Tatplan festgelegten (objektiven) Beitrags zur Tatbestandsverwirklichung voraus.3 Jeder Mittäter muss hiernach einen objektiven Tatbeitrag von einigem Gewicht und von Bedeutung für das Gelingen der Tat erbringen (nur untergeordnete bzw. nicht wesentliche Beiträge begründen eine Beihilfe).4 Die Rspr. setzt weder die eigenhändige Erfüllung eines Merkmals des gesetzlichen Tatbestands noch eine Mitursächlichkeit des jew. Beitrags voraus.5 Ausreichend sei vielmehr ein die Tatbestandsverwirklichung fördernder Beitrag, der sich auch auf eine Vorbereitungs- oder Unterstützungshandlung beschränken kann.6 Über die damit aufgeworfene Frage, ob und inwieweit Tatbeiträge, die nur im Vorbereitungsstadium erbracht werden, ausreichende (objektive) Tatbeiträge für die Mittäterschaft sein können, herrscht i.Ü. lebhafter wissenschaftlicher Streit. Während teilweise ein Tätigwerden sämtlicher Mittäter im Ausführungsstadium gefordert wird,7 pflichten andere Stimmen in der Literatur der betont großzügigen Auffassung der Rspr. etwa mit dem Argument bei, dass ansonsten typische Erscheinungsformen arbeitsteiliger Wirtschaftskriminalität nicht sachgerecht erfasst werden können.8

II. Sonderfall: Gremien- bzw. Kollegialentscheidungen 11

Im Wirtschaftsstrafrecht ist insbesondere von Interesse, ob und inwieweit die Mitwirkung an einer Gremien- bzw. Kollegialentscheidung als Mittäterschaft einzuordnen ist.9 Dieser Frage kommt i.Ü. auch eine hohe praktische Relevanz zu.10 Die rechtliche Bewältigung einer Kollegialentscheidung (etwa die Beschlussfassung eines mehrköpfigen Vorstandes) bereitet insbesondere unter dem Gesichtspunkt der Kausalität Probleme,11 wenn ein Majoritätsbeschluss mit mehr als den erforderlichen Stimmen getroffen wurde12 (sog. überbedingter Erfolg13). Hier könnte sich – theoretisch gesprochen – jedes einzelne Gremiumsmitglied unter Hinweis auf die gängige Conditiosine-qua-non-Formel mit dem Einwand exkulpieren, dass die eigene Stimme hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg in seiner konkreten Gestalt entfiele.14 Der BGH löst diese Problematik „in lakonischer Weise“15 durch einen „eleganten Umweg“16 über § 25 Abs. 2 StGB und betrachtet alle Gremienmitglieder als Mittäter, was zur Folge hat, dass es zu einer wechselseitigen Zurechnung des Abstimmungsverhaltens bei jedem einzelnen Gremienmitglied kommt.17 Aufgrund dessen wird eine Bestrafung der Gremienmitglieder unabhängig von der Kausalität der Einzelstimmen möglich.18 All dies gilt jedoch (und mit einer gewissen Selbstverständlichkeit) nicht für ein Mitglied, das gegen den Beschluss gestimmt hat.19 Wissenschaftlich ist der „Trick mit der Mittäterschaft“ jedoch außerordentlich umstr. und wird teils scharf kritisiert: Das Institut der Mittäterschaft könne keine Kausalität begründen; es setze Kausalität vielmehr voraus.20 I.Ü. bestünden bei den Gremienentscheidungen erhebliche Zweifel an den Voraussetzungen der Mittäterschaft.21 Dieser Kritik ist auch und nicht zuletzt aufgrund der Vor1 BGH v. 10.1.2011 – 5 StR 515/10, NStZ-RR 2011, 111, 112; Kudlich in BeckOK-StGB, § 25 Rz. 56. Vgl. auch BGH v. 7.3.2016 – 2 StR 123/15, BeckRS 2016, 05824 = JA 2016, 470, 471 f. (Kudlich). 2 Ingelfinger in HK-GS3, § 25 StGB Rz. 42; Kühl, JA 2014, 671. 3 Heine/Weißer in S/S-StGB29, § 25 Rz. 62. Vgl. auch Ingelfinger in HK-GS3, § 25 StGB Rz. 44 oder Murmann in S/S/WStGB2, § 25 Rz. 41 . 4 Kühl, JuS 2014, 671; Heine/Weißer in S/S-StGB29, § 25 Rz. 66. 5 Murmann in S/S/W-StGB2, § 25 Rz. 4 m.w.N. zu einschlägigen Judikaten. 6 Haas in M/R-StGB, § 25 Rz. 77; Kudlich in BeckOK-StGB, § 25 Rz. 46.1 jew. m.w.N. zu einschlägigen Judikaten. 7 Roxin, AT II, § 25 Rz. 198; Schünemann in LK-StGB12, § 25 Rz. 182. 8 Hoffmann-Holland/Singelnstein in G/J/W, § 25 StGB Rz. 105. 9 Hoffmann-Holland/Singelnstein in G/J/W, § 25 StGB Rz. 88; Bosch, Organisationsverschulden in Unternehmen, S. 265. 10 Ingelfinger in HK-GS3, § 25 StGB Rz. 56. 11 Brettel/Schneider, Wirtschaftsstrafrecht, § 2 Rz. 85. Vgl. auch Puppe, JR 1992, 30 und Rotsch, wistra 1999, 324 (sprechen beide für den Fall des Produktstrafrechts von „intrikaten“ Kausalitätsproblemen). 12 Ingelfinger in HK-GS3, § 25 StGB Rz. 56; Hoffmann-Holland/Singelnstein in G/J/W, § 25 StGB Rz. 126; Eidam, Der Organisationsgedanke im Strafrecht, S. 132. 13 Jakobs in FS Miyazawa, 1995, S. 422. 14 Roxin, AT I4, § 11 Rz. 19; Eidam, Der Organisationsgedanke im Strafrecht, S. 132 f.; Knauer, Die Kollegialentscheidung im Strafrecht, S. 83; Heine/Weißer in S/S-StGB29, § 25 Rz. 77; Dencker in Amelung, 2000, S. 66. 15 Schünemann in LK-StGB12, § 25 Rz. 196. 16 Eidam, Der Organisationsgedanke im Strafrecht, S. 133. 17 BGH v. 6.7.1990 – 2 StR 549/89, BGHSt 37, 106, 129 f.; Hoffmann-Holland/Singelnstein in G/J/W, § 25 StGB Rz. 127. 18 Ingelfinger in HK-GS3, § 25 StGB Rz. 56. 19 Heine/Weißer in S/S-StGB29, § 25 Rz. 81; Ingelfinger in HK-GS3, § 25 StGB Rz. 56; Raum in W/J4, 4. Kap., Rz. 31. Vgl. auch Fischer, StGB63, § 25 Rz. 43. Differenzierend insoweit aber Schmid/Fridrich in M-G6, § 30 Rz. 35. 20 Etwa von Puppe, JR 1992, 32. Vgl. auch Puppe, ZIS 2007, 240 und dem zust. auch Rotsch, Individuelle Haftung in Großunternehmen, S. 121. Dem BGH zust. demgegenüber aber Schünemann in LK-StGB12, § 25 Rz. 196; Beulke/Bachmann, JuS 1992, 743; Dencker in Amelung, 2000, S. 67 f. 21 So Samson, StV 1991, 184; Hassemer, Produktverantwortung, S. 68 und Rotsch, Individuelle Haftung in Großunternehmen, S. 121 (hinsichtlich des Tatentschlusses). Vgl. auch Brettel/Schneider, Wirtschaftsstrafrecht, § 2 Rz. 88.

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§§ 26, 27 StGB

gaben einer konkret-individuellen Unrechtszurechnung zuzustimmen.1 Es ist vorzugswürdig, das Problem stattdessen durch ein direktes Ansetzen am Kausalitätsbegriff anzugehen.2

III. „Organisations-Mittäterschaft“? Als Alternative zur (streitbaren) Anwendung der mittelbaren Täterschaft kraft Organisationsherrschaft auf Wirt- 12 schaftsunternehmen wird in der Literatur vereinzelt die Ausdehnung des Instituts der Mittäterschaft bei gemeinsamer Zugehörigkeit der Handelnden zu einem Unternehmen vorgeschlagen.3 Insoweit befürwortet namentlich Schünemann eine Organisations-Mittäterschaft, die auch und gerade (im vertikalen Verhältnis) zwischen Prinzipal und Ausführungsorgan vorliegen könne.4 Dieser „Typus“ der Mittäterschaft beruhe sowohl auf der durch Arbeitsteilung vermittelten beiderseitigen Geschehensbeherrschung als auch auf einem gemeinsamen Tatentschluss, wobei beide Merkmale unterschiedlich stark ausgeprägt und sich wechselseitig kompensieren können.5 Problematisch ist hieran aber, dass es in solch einer Konstellation regelmäßig an einem Tatentschluss, eine bestimmte Tat zu begehen (Rz. 9), und somit an einer zentralen Voraussetzung der Mittäterschaft fehlen wird.6 Schünemann gesteht die schwache Ausprägung der subjektiven Komponente der Mittäterschaft durchaus ein, will hier jedoch so etwas wie einen bloßen „Einpassungsbeschluss“ in die Organisation ausreichen lassen, und meint, diese Schwäche könne aufgrund der engen organisatorischen Verknüpfung der Tatbeiträge von Prinzipal und Ausführungsorgan kompensiert werden.7 Tiedemann spricht sich demgegenüber offen für eine Ausdehnung der Mittäterschaft auf Fälle fehlenden gemeinsamen Tatentschlusses bei Zugehörigkeit der Handelnden zu demselben Unternehmen aus. Eine solche Zugehörigkeit stelle eine objektive Bindung her, die noch über die subjektive Bindung kraft Absprache hinausgehe und aus der Eingliederung in den jew. Betrieb folge.8 Allerdings wird gegen eine Organisations-Mittäterschaft zu Recht geltend gemacht, dass es hier oftmals bereits an den Voraussetzungen einer gemeinsamen Tatausführung fehlen wird.9 Das Konzept würde daneben auch den Strukturunterschied von mittelbarer Täterschaft und Mittäterschaft einebnen und die Trennlinie zwischen beiden Täterschaftsformen in rechtsstaatlich bedenklicher Weise verwischen.10

§ 26 Anstiftung Als Anstifter wird gleich einem Täter bestraft, wer vorsätzlich einen anderen zu dessen vorsätzlich begangener rechtswidriger Tat bestimmt hat.

§ 27 Beihilfe (1) Als Gehilfe wird bestraft, wer vorsätzlich einem anderen zu dessen vorsätzlich begangener rechtswidriger Tat Hilfe geleistet hat. (2) Die Strafe für den Gehilfen richtet sich nach der Strafdrohung für den Täter. Sie ist nach § 49 Abs. 1 zu mildern. A. Grundlegendes zur Teilnahme . . . . . . . . . . . . . B. Anstiftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Objektiver Tatbestand . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Subjektiver Tatbestand . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Spezifische Probleme im Wirtschaftsstrafrecht a) Anstiftungs-Lösung für eine sog. Vorgesetztenverantwortlichkeit . . . . . . . . . b) Kettenanstiftung im Unternehmen . . . . . . .

. . . .

1 4 5 7

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10 11

C. Beihilfe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Objektiver Tatbestand . . . . . . . . . . . . . a) Kausalität der Beihilfehandlung. . . . b) Zeitpunkt der Beihilfehandlung . . . c) Wirtschaftsstrafrechtliches Sonderproblem: „Neutrale Beihilfe“ durch berufsspezifische Handlungen . . . . . 2. Subjektiver Tatbestand . . . . . . . . . . . .

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12 13 15 16

... ...

17 20

1 Näher: Eidam, Der Organisationsgedanke im Strafrecht, S. 134 f. 2 Eidam, Der Organisationsgedanke im Strafrecht, S. 135. 3 Etwa von Häcker in M-G6, § 19 Rz. 14a. Vgl. hierzu auch Wittig, Wirtschaftsstrafrecht3, § 6 Rz. 115 oder Fischer, StGB63, § 25 Rz. 15. 4 Schünemann in LK-StGB12, § 25 Rz. 173. Ausf. auch Schünemann in FS F.-C. Schroeder, 2006, S. 409 f. 5 Schünemann in LK-StGB12, § 25 Rz. 132. 6 Wittig, Wirtschaftsstrafrecht3, § 6 Rz. 115. Vgl. auch Ransiek, Unternehmensstrafrecht, S. 50; Bosch, Organisationsverschulden in Unternehmen, S. 273. Umfängliche Kritik auch bei Rotsch in M/G, 1. Kapitel, B. Rz. 55. 7 Schünemann in LK-StGB12, § 25 Rz. 132. Vgl. hierzu auch Tiedemann, Wirtschaftsstrafrecht AT4, Rz. 363. 8 Tiedemann, Wirtschaftsstrafrecht AT4, Rz. 363. 9 Wittig, Wirtschaftsstrafrecht3, § 6 Rz. 115. Ebenso Roxin, AT II, § 25 Rz. 122 und Rotsch in M/G, 1. Kapitel, B. Rz. 55. Schünemann meint demgegenüber, das „Manko“ der Tatherrschaft im Ausführungsstadium durch eine andauernde Organisationsherrschaft ersetzen zu können. Vgl. nur Schünemann in LK-StGB12, § 25 Rz. 186. 10 Roxin, AT II, § 25 Rz. 123; Bosch, Organisationsverschulden in Unternehmen, S. 281 f.

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Anstiftung; Beihilfe

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§§ 26, 27 StGB Rz. 1

Strafgesetzbuch

Literatur: Ambos, Beihilfe durch Alltagshandlungen, JA 2000, 721; Amelung, Die „Neutralisierung“ geschäftsmäßiger Beiträge zu fremden Straftaten im Rahmen des Beihilfetatbestandes, FS Grünwald, 1999, 9; Beckemper, Strafbare Beihilfe durch alltägliche Geschäftsvorgänge, JURA 2001, 163; Behr, Die Strafbarkeit von Bankmitarbeitern als Steuerhinterziehungsgehilfen bei Vermögenstransfers ins Ausland, wistra 1999, 245; Bode, Das Providerprivileg aus §§ 7, 10 TMG als gesetzliche Regelung der Beihilfe durch „neutrale“ Handlungen, ZStW 127 (2015), 937; Börner, Die sukzessive Anstiftung, JURA 2006, 415; Frisch, Beihilfe durch neutrale Handlungen, FS Lüderssen, 2002, 539; Gaede, Die strafbare Beihilfe und ihre aktuellen Probleme, JA 2007, 757; Gallandi, Straftaten von Bankverantwortlichen und Anlegerschutz, wistra 1989, 125; Geppert, Die Beihilfe (§ 27 StGB), JURA 1999, 266; Geppert, Zum Begriff der Hilfeleistung im Rahmen von Beihilfe (§ 27 StGB) und sachlicher Begünstigung (§ 257 StGB), JURA 2007, 589; Grabow, Die sukzessive Anstiftung, JURA 2009, 408; Greco, Strafbarkeit der berufsbedingten bzw. neutralen Beihilfe erst bei hoher Wahrscheinlichkeit der Haupttat?, wistra 2015, 1; Hartmann, Sonderrecht für Beihilfe durch neutrales Verhalten?, ZStW 116 (2004), 585; Hassemer, Professionelle Adäquanz, Bankentypisches Verhalten und Beihilfe zur Steuerhinterziehung, wistra 1995, 41, 81; Heghmanns, Überlegungen zum Unrecht von Beihilfe und Anstiftung, GA 2000, 473; Herzberg, Anstiftung und Beihilfe als Straftatbestände, GA 1971, 1; Herzberg, Anstiftung zur unbestimmten Haupttat, JuS 1987, 617; Janß, Die Kettenteilnahme, 1988; Jung, Claus Roxin, Xavier Marias und der Strafgrund der Anstiftung, GA 2006, 301; Kindhäuser, Zum Begriff der Beihilfe, FS Otto, 2007, 355; Koch/Wirth, Grundfälle zur Anstiftung, JuS 2010, 203; Koriath, Zum Strafgrund der Anstiftung. Eine Skizze, FS Maiwald, 2010, 417; Krell, Die Kettenanstiftung, JURA 2011, 499; Krüger, Zum „Bestimmen“ im Sinne von §§ 26, 30 StGB, JA 2008, 492; Kudlich, Die Abstiftung, JuS 2005, 592; Kudlich, Die Unterstützung fremder Straftaten durch berufsbedingtes Verhalten, 2004; Kudlich, Ich mach’ hier nur meinen Job – „Neutrale Beihilfe“ durch berufsbedingte Handlungen, JA 2011, 472; Kudlich, Tiroler Gehilfenschaft auch für deutsches Geld – Anstiftung zur Steuerhinterziehung durch berufsbedingtes Verhalten?, FS Tiedemann, 2008, 221; Küpper, Besondere Erscheinungsformen der Anstiftung, JuS 1996, 23; Less, Der Unrechtscharakter der Anstiftung, ZStW 69 (1957), 43; Löwe-Krahl, Die Verantwortung von Bankangestellten bei illegalen Kundengeschäften, 1990; Löwe-Krahl, Beteiligung von Bankangestellten an Steuerhinterziehungen ihrer Kunden – die Tatbestandsmäßigkeit berufstypischer Handlungen, wistra 1995, 201; Lüderssen, Zum Strafgrund der Teilnahme, 1967; Meyer, Zum Problem der „Kettenanstiftung“, JuS 1973, 755; Meyer-Arndt, Beihilfe durch neutrale Handlungen?, wistra 1989, 281; Müller, Die Beihilfestrafbarkeit von Bankmitarbeitern, 2003; Murmann, Zum Tatbestand der Beihilfe, JuS 1999, 548; Murmann, Zu den Voraussetzungen der (sukzessiven) Beihilfe, ZJS 2008, 456; Niedermair, Straflose Beihilfe durch neutrale Handlungen?, ZStW 107 (1995), 507; Otto, Anstiftung und Beihilfe, JuS 1982, 557; Otto, „Vorgeleistete Strafvereitelung“ durch berufstypische oder alltägliche Verhaltensweisen als Beihilfe, FS Lenckner, 1998, 193; Otto, Das Strafbarkeitsrisiko berufstypischen, geschäftsmäßigen Verhaltens, JZ 2001, 436; Pilz, Beihilfe zur Steuerhinterziehung durch neutrale Handlungen von Bankmitarbeitern, 2001; Puppe, Der objektive Tatbestand der Anstiftung, GA 1984, 101; Puppe, Was ist Anstiftung?, NStZ 2006, 424; Rackow, Neutrale Handlungen als Problem des Strafrechts, 2007; Ransiek, Neutrale Beihilfe in formalen Organisationen, in: Amelung (Hrsg.), Individuelle Verantwortung und Beteiligungsverhältnisse bei Straftaten in bürokratischen Organisationen des Staates, der Wirtschaft und der Gesellschaft, 2000, 95; Ransiek, Pflichtwidrigkeit und Beihilfeunrecht, wistra 1997, 41; Rogall, Die verschiedenen Formen des Veranlassens fremder Straftaten, GA 1979, 11; Rotsch, „Neutrale Beihilfe“ – zur Fallbearbeitung im Gutachten, JURA 2004, 14; Roxin, Was ist Beihilfe?, FS Miyazawa, 1995, 501; Roxin, Zum Strafgrund der Teilnahme, FS Stree/Wessels, 1993, 365; Rudolphi, Die zeitlichen Grenzen der sukzessiven Beihilfe, FS Jescheck Bd. 1, 1985, 559; Samson, Die Kausalität der Beihilfe, FS Peters, 1974, 121; Samson/Langrock, Beihilfe zur Steuerhinterziehung durch „Schwarzverkäufe“?, wistra 2007, 161; Samson/Schillhorn, Beihilfe zur Steuerhinterziehung durch anonymisierten Kapitaltransfer?, wistra 2001, 1; Satzger, Teilnahmestrafbarkeit und „Doppelvorsatz“, JURA 2008, 514; Schall, Strafloses Alltagsverhalten und strafbares Beihilfeunrecht, GS Meurer, 2002, 103; Schneider, Neutrale Handlungen: Ein Oxymoron im Strafrecht?, NStZ 2004, 312; Schulz, Anstiftung und Beihilfe, JuS 1986, 933; Schwind, Grundfälle der „Kettenteilnahme“, MDR 1969, 13; Selter, Kettenanstiftung und Kettenbeihilfe, 2008; Sippel, Zur Strafbarkeit der „Kettenanstiftung“, 1989; Stoffers, Streitige Fragen der psychischen Beihilfe im Strafrecht, JURA 1993, 11; Tag, Beihilfe durch neutrales Verhalten, JR 1997, 49; Weigend, Grenzen strafbarer Beihilfe, FS Nishihara, 1998, 197; Wessing, Strafbarkeitsgefährdungen für Berater, NJW 2003, 2265; Weßlau, Der Exzeß des Angestifteten, ZStW 104 (1992), 105; Wohlers, Hilfeleistung und erlaubtes Risiko – zur Einschränkung der Strafbarkeit gem. § 27 StGB, NStZ 2000, 169; Wohlleben, Beihilfe durch äußerlich neutrale Handlungen, 1997; Zieschang, Der Begriff „Hilfeleisten“ in § 27, FS Küper, 2007, 733.

A. Grundlegendes zur Teilnahme 1

Teilnahme ist die Beteiligung an der Begehung einer Straftat durch einen anderen, den sog. Haupttäter,1 somit also die Beteiligung an fremder Tat.2 Als mögliche Teilnahmeformen (vgl. § 28 Abs. 1) bestimmt das Gesetz die Anstiftung (§ 26) und die Beihilfe (§ 27), wobei die gesetzliche Umschreibung der jew. Voraussetzungen erheblich konkreter als bei der Täterschaft ausfällt.3 Die beiden genannten Teilnahmeformen unterscheiden sich hinsichtlich der Qualität des zur Tat eines anderen geleisteten Beitrags.4 Anstiftung und Beihilfe sind akzessorisch, setzen also mindestens die Begehung eines (strafbaren) Versuchs durch den Haupttäter voraus.5 Dabei genügt eine (nur) rechtswidrige Tat, bei der die Schuld des Täters unerheblich ist (sog. limitierte Akzessorietät; vgl. insoweit auch § 29).6

1 Kühl, JA 2014, 668. 2 Murmann in S/S/W-StGB2, Vor §§ 25 ff. Rz. 16. 3 Otto, JuS 1982, 557. Anders hier aber Heghmanns, GA 2000, 474 (die §§ 26, 27 StGB liefern eine nur vage, den Anforderungen des Art. 103 Abs. 2 GG kaum genügende Umschreibung des verbotenen Verhaltens). 4 Heine/Weißer in S/S-StGB29, Vorb. zu §§ 25 ff. Rz. 12. 5 Joecks in MüKo-StGB2, Vorb. zu §§ 26, 27 Rz. 2. Vgl. auch Jescheck/Weigend, AT5, § 64 II 3. 6 Kühl in Lackner/Kühl, StGB28, Vorb. zu §§ 25 ff. Rz. 9; Schünemann in LK-StGB12, Vor § 26 Rz. 19; Kudlich in BeckOKStGB, § 26 Rz. 4; Koch/Wirth, JuS 2010, 204.

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Rz. 5 §§ 26, 27 StGB

Über den Strafgrund der Teilnahme herrscht Streit.1 Die Befassung mit dieser theoretischen Frage erscheint nach 2 wie vor lohnenswert, weil Stellungnahmen zu einzelnen Tatbestandsfragen ohne eine theoretische Fundierung Gefahr laufen, austauschbar, zufällig und damit ohne Überzeugungskraft zu wirken.2 Positiv gewendet kann der Strafgrund der Teilnahme deshalb im Einzelfall Hilfestellung zur Auslegung der Teilnahmevorschriften bieten.3 Gleichwohl wird aber auch (und mit einiger Berechtigung) vor einer Blickverengung gewarnt, die eine zu starke und einseitige Inbezugnahme auf den Strafgrund der Teilnahme mit sich bringen kann.4 Im Kern kreist die Auseinandersetzung um die Frage, ob das Teilnahmeunrecht aus der Haupttat abgeleitet werden kann oder ob es selbständig ist.5 Nach der derzeit herrschenden akzessorietätsorientierten Förderungs- bzw. Verursachungstheorie ist das Unrecht von Anstiftung und Beihilfe darin zu sehen, dass Anstifter und Gehilfen die vom Täter begangene rechtswidrige Tat fördern bzw. mitverursachen.6 Auf Grundlage dieses Ansatzes wird der Teilnehmer wegen der durch den (Haupt-)Täter verwirklichten Normverletzung bestraft; sein Unrecht liegt folglich in der Mitwirkung an einer fremden Normverletzung und ist infolgedessen auch abhängig vom Unrecht der Haupttat.7 Weil einige aber das Unrecht der Teilnahme nicht allein in einer „dürren Kausalbeziehung“ zum Unrecht der Haupttat sehen möchten,8 nimmt die Lehre vom akzessorischen Rechtsgutsangriff (auch: gemischte Verursachungstheorie9) eine Verfeinerung der Förderungs- und Verursachungstheorie dergestalt vor, dass sie das Teilnahmeunrecht als (mittelbaren) Angriff auf das geschützte Rechtsgut begreift.10 Sie kombiniert damit gleichsam das Konzept akzessorischer Verursachung mit dem Leitgedanken des (selbständigen) Rechtsgutsangriffs11 und bringt die zentrale Voraussetzung mit sich, dass von strafbarer Teilnahme nur die Rede sein kann, wenn das betroffene Rechtsgut auch gegenüber dem Teilnehmer geschützt ist.12 In der Sache führt diese Präzisierung freilich nur zu marginalen Unterschieden.13 Im Wirtschaftsstrafrecht ergeben sich für das Feld der Teilnahme spezifische Problemstellungen.14 Zum einen 3 stellt sich die Abgrenzungsfrage der Anstiftung zur Figur der mittelbaren Täterschaft kraft Organisationsherrschaft (Rz. 10). Ungleich wichtiger – und zugleich äußerst praxisrelevant15 – erscheint demgegenüber die Frage nach einer Beihilfe durch neutrale bzw. berufstypische Handlungen (Rz. 17 ff.), die namentlich auf dem Gebiet des Wirtschaftsstrafrechts (und dort vor allem bei der Steuerkriminalität16) virulent wird.17

B. Anstiftung Anstiftung ist geistige Urheberschaft einer Tat, worin überwiegend auch die Rechtfertigung für die tätergleiche 4 Bestrafung des Anstifters (eben als geistiger Initiator) gesehen wird.18 1. Objektiver Tatbestand Objektiv muss der Anstifter den Haupttäter zu seiner Tat bestimmen. Ein Bestimmen i.S.d. § 26 liegt vor, wenn 5 der Anstifter den Tatentschluss des Täters hervorruft.19 Dies geschieht regelmäßig durch „die Einflussnahme auf

1 Ingelfinger in HK-GS3, § 26 StGB Rz. 3; Joecks in MüKo-StGB2, Vorb. zu §§ 26, 27 Rz. 3. Vgl. auch Haas in M/R-StGB, Vor §§ 25 ff. Rz. 20 („nicht geklärt“). 2 Otto, JuS 1982, 557. 3 Kudlich in BeckOK-StGB, § 26 Rz. 2. 4 Frisch in FS Lüderssen, 2002, S. 543. 5 Roxin, AT II, § 26 Rz. 11. Vgl. auch Roxin in FS Stree/Wessels, 1993, S. 365. 6 Kühl in Lackner/Kühl, StGB28, Vorb. zu §§ 25 ff. Rz. 8; Roxin, AT II, § 26 Rz. 26; Jescheck/Weigend, AT5, § 64 I 2; Geppert, JURA 1999, 266. Vgl. auch Joecks in MüKo-StGB2, Vorb. zu §§ 26, 27 Rz. 10 f. und 16 f.; Heghmanns, GA 2000, 473 oder Less, ZStW 69 (1957), 43. 7 Heine/Weißer in S/S-StGB29, Vorb. zu §§ 25 ff. Rz. 15; Schünemann in LK-StGB12, Vor § 26 Rz. 7. 8 Otto, JuS 1982, 558. Vgl. auch Roxin, AT II, § 26 Rz. 27 („[…] diese Ansicht erfaßt nur eine notwendige, nicht eine hinreichende Bedingung der Teilnahme […]“) und – instruktiv – Jung, GA 2006, 302. 9 Kühl, AT7, § 20 Rz. 132; Kühl, JA 2014, 669. 10 Murmann in S/S/W-StGB2, Vor §§ 25 ff. Rz. 17. Vgl. auch Heine/Weißer in S/S-StGB29, Vorb. zu §§ 25 ff. Rz. 16 sowie Mitsch, JuS 1999, 373. 11 Jung, GA 2006, 302. Vgl. auch Roxin in FS Stree/Wessels, 1993, S. 380. 12 Roxin in FS Stree/Wessels, 1993, S. 370, 381; Schünemann in LK-StGB12, Vor § 26 Rz. 2; Kühl in Lackner/Kühl, StGB28, Vorb. zu §§ 25 ff. Rz. 9; Mitsch, JuS 1999, 373; Geppert, JURA 1999, 266; Koch/Wirth, JuS 2010, 204. 13 Otto, JuS 1982, 558. Vgl. auch Kühl in Lackner/Kühl, StGB28, Vorb. zu §§ 25 ff. Rz. 8 a.E. 14 Wittig, Wirtschaftsstrafrecht3, § 6 Rz. 151. 15 Beckemper, JURA 2001, 163. Vgl. auch Schall in GS Meurer, 2002, S. 103 oder Hartmann, ZStW 116 (2004), 585 („große praktische Bedeutung“). 16 Vgl. Frisch in FS Lüderssen, 2002, S. 539; Schall in GS Meurer, 2002, S. 103. 17 Kindhäuser in FS Otto, 2007, S. 356. Ebenso Wittig, Wirtschaftsstrafrecht3, § 6 Rz. 153; Hoffmann-Holland/Singelnstein in G/J/W, § 27 StGB Rz. 4; Kudlich, JA 2011, 474; Amelung in FS Grünwald, 1999, S. 9 („[…] geht es dabei in erster Linie um Fragen der strafrechtlichen Verstrickung von Trägern ‚weißer Kragen‘“). 18 Vgl. z.B. Murmann in S/S/W-StGB2, § 26 Rz. 1. 19 Kudlich in BeckOK-StGB, § 26 Rz. 12; Schünemann in LK-StGB12, § 26 Rz. 17.

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Anstiftung; Beihilfe

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§§ 26, 27 StGB Rz. 6

Strafgesetzbuch

den Willen eines anderen“.1 Die näheren Anforderungen an ein Bestimmen sind umstr., wobei sich die Meinungslager um die Frage formieren, wie intensiv die Einflussnahme auf den Haupttäter zu erfolgen hat. Während die Rspr. und einzelne Stimmen in der Literatur jedwede Verursachung des Tatentschlusses (wobei auch ein Mitverursachen ausreichend sein kann) durch ein beliebiges Mittel (z.B. durch Anregungen, Ratschläge oder bloßes Nachfragen2) genügen lassen wollen (sog. Verursachungstheorie),3 stellen andere Stimmen im Schrifttum vergleichsweise hohe Anforderungen an ein Bestimmen und fordern gleichsam einen Unrechtspakt zwischen Anstifter und Angestiftetem.4 Die Mehrheit im Schrifttum vertritt mit der Kommunikationstheorie indes einen Mittelweg, nach der ein (ausdrücklicher oder jedenfalls konkludenter) offener geistig-kommunikativer Kontakt zwischen Anstifter und (Haupt-)Täter verlangt wird.5 Dem ist mit Blick auf den Wortlaut von § 26 („bestimmt“)6 zuzustimmen. 6

Eine Anstiftung durch Unterlassen ist i.d.R. ausgeschlossen, weil Untätigkeit nur in besonders gelagerten Ausnahmefällen zum Fassen eines Tatentschlusses motivieren kann.7 Ausgeschlossen ist ferner die Anstiftung eines bereits fest zur Tat Entschlossenen (sog. omnimodo facturus).8 Es kommt dann nur versuchte Anstiftung gem. § 30 Abs. 19 oder (sofern jedenfalls eine Bestärkung des Tatentschlusses erfolgt) eine psychische Beihilfe in Betracht.10 Wer (trotz Tatgeneigtheit) unschlüssig ist (bzw. „noch schwankt“11), kann aber durchaus angestiftet werden.12 Möglich ist ferner eine Anstiftung als Umstiftung (= Veranlassung des Haupttäters zur Änderung seines bereits gefassten Tatplans), wenn und sofern der bereits tatentschlossene Haupttäter zur Begehung einer anderen Tat bzw. eines anderen Straftatbestandes angestiftet wird,13 das neue Delikt mithin also ein aliud ist.14 Wird der Haupttäter hingegen zu bloßen Änderungen in der Art der Ausführung (Bsp.: Tatort, Tatzeit, Tatmittel15) veranlasst, die auf den verwirklichten Tatbestand und dessen Unrechtsgehalt ohne Auswirkung bleiben, so ist (und bleibt) er omnimodo facturus.16 Allerdings soll eine sukzessive Anstiftung17 dann in Betracht kommen, wenn der Täter in der Ausführungsphase eines Delikts (entgegen seiner ursprünglichen Absicht) zum Weiterhandeln veranlasst wird,18 die Einwirkung des Teilnehmers die bereits vollendete Tat vertieft19 und deren Unrechtsdimension so nachhaltig verändert,20 dass quasi eine neue Tat initiiert wird.21 Wird der zur Verwirklichung eines Grundtatbestandes (Bsp.: § 249 StGB) bereits fest Entschlossene zur Begehung eines qualifizierten Delikts (Bsp.: § 250 StGB) bestimmt (sog. Aufstiftung22), so nimmt die Rspr. eine Strafbarkeit wegen Anstiftung zum qualifizierten Delikt an.23 In der Literatur wird diese Ansicht (unter Rekurs auf ein analytisches Trennungsprinzip24) vermehrt kritisiert, weil der Unrechtsgehalt des Grunddelikts mitbestraft werde, zu dem der Anstifter unzweifelhaft nicht angestiftet habe (der Haupttäter war bzgl. des Grunddelikts omnimodo facturus).25 Der Teilnehmer könne nur wegen Anstiftung hinsichtlich der qualifizierenden Umstände bestraft werden, soweit diese selbständig strafbar sind; ist dies nicht der Fall, komme allein psychische Beihilfe zur verwirklichten Tat

1 BGH v. 20.1.2000 – 4 StR 400/99, BGHSt 45, 373, 374. 2 Hoffmann-Holland/Singelnstein in G/J/W, § 26 StGB Rz. 2. 3 BGH v. 20.1.2000 – 4 StR 400/99, BGHSt 45, 373, 374; Kühl in Lackner/Kühl, StGB28, § 26 Rz. 2; Kühl, JA 2014, 672. Vgl. auch Koch/Wirth, JuS 2010, 204. 4 Puppe, GA 1984, 112. Ähnlich: Hoyer in SK-StGB8, § 26 Rz. 12. 5 Roxin, AT II, § 26 Rz. 74 ff.; Wessels/Beulke/Satzger, AT45, Rz. 814; Fischer, StGB63, § 26 Rz. 3; Heine/Weißer in S/SStGB29, § 26 Rz. 3; Hoffmann-Holland/Singelnstein in G/J/W, § 26 StGB Rz. 4; Krüger, JA 2008, 498. Vgl. tendenziell auch BGH v. 5.8.2008 – 3 StR 224/08, NStZ 2009, 393 [zu § 30a BtMG]. 6 Vgl. zu diesem Argument Puppe, GA 1984, 114. 7 Kühl in Lackner/Kühl, StGB28, § 26 Rz. 3; Hoffmann-Holland/Singelnstein in G/J/W, § 26 StGB Rz. 7. 8 Kudlich in BeckOK-StGB, § 26 Rz. 15; Kudlich, JuS 2005, 592; Koch/Wirth, JuS 2010, 205; Kühl, JA 2014, 672. Zu „tatsächlichen wie rechtlichen Einwänden“ gegenüber der Figur des omnimodo facturus vgl. Puppe, GA 1984, 117 f. 9 Joecks in MüKo-StGB2, § 26 Rz. 28; Häcker in M-G6, § 19 Rz. 21. 10 BGH v. 8.8.1995 – 1 StR 377/95, NStZ-RR 1996, 1. 11 Joecks in MüKo-StGB2, § 26 Rz. 29. 12 Wessels/Beulke/Satzger, AT45, Rz. 815; Heine/Weißer in S/S-StGB29, § 26 Rz. 6. 13 Heine/Weißer in S/S-StGB29, § 26 Rz. 8; Schünemann in LK-StGB12, § 26 Rz. 22. 14 Wessels/Beulke/Satzger, AT45, Rz. 818; Joecks in MüKo-StGB2, § 26 Rz. 44 . 15 Haas in M/R-StGB, § 26 Rz. 21. 16 Murmann in S/S/W-StGB2, § 26 Rz. 6. 17 Ausf. hierzu Börner, JURA 2006, 415 ff. und Grabow, JURA 2009, 409 ff. 18 Heine/Weißer in S/S-StGB29, § 26 Rz. 11; Hoffmann-Holland/Singelnstein in G/J/W, § 26 StGB Rz. 13. 19 Kühl, AT7, § 20 Rz. 176a; Kühl in Lackner/Kühl, StGB28, § 26 Rz. 2b; Hoffmann-Holland/Singelnstein in G/J/W, § 26 StGB Rz. 13; Börner, JURA 2006, 417. 20 Heine/Weißer in S/S-StGB29, § 26 Rz. 11. 21 Joecks in MüKo-StGB2, § 26 Rz. 52. 22 Auch Hochstiftung oder Übersteigerung genannt. Vgl. Koch/Wirth, JuS 2010, 207. 23 BGH v. 3.6.1964 – 2 StR 14/64, BGHSt 19, 339, 340 f. Zust. Roxin, AT II, § 26 Rz. 104; Schünemann in LK-StGB12, § 26 Rz. 34; Fischer, StGB63, § 26 Rz. 5; Otto, JuS 1982, 561. Vgl. hierzu die Darstellungen bei Kudlich in BeckOK-StGB, § 26 Rz. 16 oder Kühl, JA 2014, 672. 24 Schulz, JuS 1986, 935. 25 Krit. bspw. Jescheck/Weigend, AT5, § 64 II 2 c; Heine/Weißer in S/S-StGB29, § 26 Rz. 9; Joecks in MüKo-StGB2, § 26 Rz. 41 ff.; Hoyer in SK-StGB8, § 26 Rz. 19 f.; Kühl, JA 2014, 672.

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Rz. 10 §§ 26, 27 StGB

in Betracht.1 Weniger Probleme bereitet demgegenüber die sog. Abstiftung,2 womit die Veranlassung des Haupttäters gemeint ist, statt eines qualifizierten Delikts (Bsp.: § 224 StGB) lediglich das Grunddelikt (Bsp.: § 223 StGB) zu begehen. Hier scheidet Anstiftung nach allgemeiner Ansicht schon deshalb aus, weil der Täter hinsichtlich des leichteren Delikts omnimodo facturus ist.3 Daneben steht vor allem aber auch die durch die Abstiftung bewirkte Risikoverringerung einer Zurechnung des Erfolges entgegen.4 2. Subjektiver Tatbestand Erforderlich ist ein „doppelter“ Anstiftervorsatz dergestalt, dass sich der Vorsatz des Anstifters auf die eigene An- 7 stiftungshandlung (also das Bestimmen), daneben aber auch auf die Ausführung der Haupttat beziehen muss.5 Nach der Rspr. genügt für beide Komponenten dolus eventualis.6 Fahrlässige Anstiftung ist nicht strafbar7 (kann möglicherweise aber durch ein eigenständiges, von der Beteiligtendogmatik abgekoppeltes Fahrlässigkeitsdelikt mit Strafe bedroht sein).8 Die Haupttat, auf die sich der Vorsatz des Anstifters bezieht, muss als konkret-individualisiertes Geschehen be- 8 reits in ihren wesentlichen Zügen feststehen, was freilich nicht bedeutet, dass eine genaue (und detaillierte) Kenntnis sämtlicher Tatumstände (Zeit, Ort, Objekt, Art der Ausführung) erforderlich ist.9 Andererseits soll es (noch) nicht ausreichen, wenn der Anstiftervorsatz (nur) die wesentlichen Dimensionen des Unrechts erfasst.10 Nach der Rspr. muss sich der (Haupttat-)Vorsatz des Anstifters vielmehr auf eine bestimmte Tat beziehen, die zwar nicht in allen Einzelheiten, wohl aber in ihren wesentlichen Merkmalen und Grundzügen derart konkretisiert ist, dass sie als wenigstens umrisshaft individualisiertes Geschehen erscheint.11 Die allgemeine Aufforderung eines anderen zur Begehung von (nicht konkretisierten) Straftaten wäre nach dieser Maßgabe selbst dann nicht ausreichend zur Begehung einer Anstiftung, wenn sich die Aufforderung auf einen bestimmten Deliktstatbestand (Bsp.: Diebstahl) bezieht.12 Gleiches gilt für die Aufforderung zu Straftaten, die nur nach der Gattung der in Betracht kommenden Tatobjekte (Bsp.: Überfall auf Banken) umrissen ist.13 Hinsichtlich der (Anstiftungs-)Handlung des Bestimmens genügt (bedingter) Vorsatz dahingehend, dass der 9 Anstifter den Tatentschluss beim Täter zu einer vorsätzlich-rechtswidrigen Haupttat hervorruft.14 3. Spezifische Probleme im Wirtschaftsstrafrecht a) Anstiftungs-Lösung für eine sog. Vorgesetztenverantwortlichkeit In bewusster Abweichung vom Konzept der mittelbaren Täterschaft kraft Organisationsherrschaft wird in der Li- 10 teratur für die entsprechenden Fälle vereinzelt auch eine sog. Anstiftungs-Lösung vorgeschlagen.15 Sie ist immer dann in Betracht zu ziehen, wenn man entweder die mittelbare Täterschaft kraft Organisationsherrschaft generell oder zumindest ihre (problematische) Ausdehnung auf Wirtschaftsunternehmen ablehnt.16 Erachtet man die mittelbare Täterschaft kraft Organisationsherrschaft im Wirtschaftsstrafrecht jedoch – trotz eingehender Bedenken (vgl. § 25 StGB Rz. 6) – als möglich, erfolgt eine Abgrenzung zur Anstiftung nach allgemeinen Grundsätzen: Der mittelbare Täter beherrscht als Zentralgestalt das Geschehen, während der Anstifter eher eine „Randfigur“ ohne Tatherrschaft im Vorfeld der Tat ist.17

1 Jescheck/Weigend, AT5, § 64 II 2 c; Heine/Weißer in S/S-StGB29, § 26 Rz. 9; Ingelfinger in HK-GS3, § 26 StGB Rz. 12; Cramer, JZ 1965, 32. 2 Ausf.: Kudlich, JuS 2005, 592 ff. 3 Heine/Weißer in S/S-StGB29, § 26 Rz. 10; Murmann in S/S/W-StGB2, § 26 Rz. 6; Kudlich, JuS 2005, 592; Koch/Wirth, JuS 2010, 207. 4 Roxin, AT II, § 26 Rz. 69; Schünemann in LK-StGB12, § 26 Rz. 28. 5 Kühl, AT7, § 20 Rz. 195; Kühl, JA 2014, 672; Koch/Wirth, JuS 2010, 208. 6 Haas in M/R-StGB, § 26 Rz. 41. 7 Jescheck/Weigend, AT5, § 64 II 2 b; Fischer, StGB63, § 26 Rz. 7. 8 Vgl. hierzu Murmann in S/S/W-StGB2, § 26 Rz. 8. 9 Vgl. Heine/Weißer in S/S-StGB29, § 26 Rz. 18; Kühl, JA 2014, 672. 10 BGH v. 21.4.1986 – 2 StR 661/85, BGHSt 34, 63, 65. AA aber Roxin, AT II, § 26 Rz. 136. 11 BGH v. 21.4.1986 – 2 StR 661/85, BGHSt 34, 63, 66. Vgl. auch Murmann in S/S/W-StGB2, § 26 Rz. 9. 12 BGH v. 21.4.1986 – 2 StR 661/85, BGHSt 34, 63, 64; Heine/Weißer in S/S-StGB29, § 26 Rz. 18; Murmann in S/S/WStGB2, § 26 Rz. 9; Kühl in Lackner/Kühl, StGB28, § 26 Rz. 5; Hoffmann-Holland/Singelnstein in G/J/W, § 26 StGB Rz. 19. 13 BGH v. 21.4.1986 – 2 StR 661/85, BGHSt 34, 63, 65; Wessels/Beulke/Satzger, AT45, Rz. 819; Heine/Weißer in S/S-StGB29, § 26 Rz. 18. 14 Joecks in MüKo-StGB2, § 26 Rz. 74; Ingelfinger in HK-GS3, § 26 StGB Rz. 20. Vgl. auch Hoyer in SK-StGB8, § 26 Rz. 30. 15 Vgl. nur Brettel/Schneider, Wirtschaftsstrafrecht, § 2 Rz. 54 oder Fischer, StGB63, § 25 Rz. 15 jew. m.w.N. 16 Wittig, Wirtschaftsstrafrecht3, § 6 Rz. 116. Vgl. auch Saliger, Umweltstrafrecht, Rz. 169. Zweifelnd demgegenüber aber Brettel/Schneider, Wirtschaftsstrafrecht, § 2 Rz. 54. 17 Kühl, AT7, § 20 Rz. 167.

Eidam

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StGB

Anstiftung; Beihilfe

StGB

§§ 26, 27 StGB Rz. 11

Strafgesetzbuch

b) Kettenanstiftung im Unternehmen 11

Das Konzept einer Anstiftungs-Lösung (Rz. 10) geht einher mit Stimmen im Schrifttum, die zur Durchdringung vertikaler Beteiligungsstrukturen in Unternehmen (§ 25 StGB Rz. 2) zunehmend die Anwendung des Instituts der Anstiftung fordern.1 Weil die Strukturen von Großunternehmen aber i.d.R. keine einfach gelagerten Sachverhalte, sondern vielmehr ein „Geflecht“2 von zahlreichen (oftmals hintereinandergeschalteten) Anstiftungshandlungen bedingen, stellt sich die Frage nach der Möglichkeit und den Voraussetzungen einer sog. Kettenanstiftung.3 Der Begriff meint Konstellationen, in denen der Anstifter nicht direkt mit dem Täter kommuniziert, sondern dessen Tatentschluss über mindestens einen Mittelsmann hervorruft.4 Die Kettenanstiftung ist als vermittelte Anstiftung zur Haupttat5 und als solche nur unter genauer Beachtung der Anforderungen an Anstifterhandlung und Anstiftervorsatz denkbar.6

C. Beihilfe 12

Beihilfe ist die (vorsätzliche) Unterstützung einer fremden Tat.7 Sie ist die gleichsam schwächste Beteiligungsform im System der §§ 25–27 StGB.8 1. Objektiver Tatbestand

13

Der objektive Tatbestand der Beihilfe setzt voraus, dass einem anderen zu dessen vorsätzlicher und rechtswidriger Haupttat Hilfe geleistet wird. Das Gesetz konkretisiert diese (zuweilen als „farblos“ bezeichnete9) Begrifflichkeit nicht näher, so dass für ein Hilfeleisten im Grundsatz jeder Tatbeitrag in Betracht kommt, der weder als Täterschaft noch als Anstiftung zu qualifizieren ist.10 Auch kann sich der Gehilfe beliebiger Mittel bedienen.11 Anerkannt ist insoweit die physische Beihilfe, daneben aber auch eine psychische Beihilfe.12 Als psychische Beihilfe kommt in erster Linie eine technische Rathilfe in Betracht, obgleich die Rspr. auch die Möglichkeit einer psychischen Beihilfe durch das Bestärken eines (bereits vorhandenen) Tatentschlusses als möglich erachtet.13 Die Konstruktion einer psychischen Beihilfe wird aufgrund ihrer Flexibilität und Weite mit einiger Berechtigung als problematisch empfunden.14 Gerade im Wirtschaftsstrafrecht besteht die Gefahr bloßer Unterstellungen.15 Forderungen nach einer restriktiven Handhabe erscheinen insoweit sachgerecht.16

14

Beihilfe kann bei Bestehen einer Garantenpflicht (§ 13 StGB) auch durch Unterlassen geleistet werden.17 a) Kausalität der Beihilfehandlung

15

Kontrovers diskutiert wird, in welchem Verhältnis die Beihilfehandlung zur (geförderten) Haupttat stehen muss. Im Kern dreht sich die Diskussion hier um die Frage, inwieweit bzw. ob die Beihilfe ursächlich für die Verwirklichung der Haupttat geworden sein muss (Kausalität der Beihilfe).18 Die Rspr. lässt es (seit Beginn der reichsgerichtlichen Rspr.19) genügen, dass die Handlung des Haupttäters durch die Tätigkeit des Gehilfen gefördert

1 Vgl. bspw. Krell, JURA 2011, 499 f. M.w.N. hierzu auch Eidam, Der Organisationsgedanke im Strafrecht, S. 177. 2 Vgl. Schild in NK-StGB4, § 26 Rz. 4. 3 Hierzu bspw. Hoffmann-Holland/Singelnstein in G/J/W, § 26 StGB Rz. 14. Ausf. auch Eidam, Der Organisationsgedanke im Strafrecht, S. 176 ff. Monographisch: Janß, Die Kettenteilnahme (1988) oder Selter, Kettenanstiftung und Kettenbeihilfe (2008). 4 Krell, JURA 2011, 499. Ähnlich auch Meyer, JuS 1973, 756. 5 Krell, JURA 2011, 503. 6 Hierzu Eidam, Der Organisationsgedanke im Strafrecht, S. 182 f. 7 Vgl. Ingelfinger in HK-GS3, § 27 StGB Rz. 1. 8 Kudlich in BeckOK-StGB, § 27 Rz. 1. 9 Joecks in MüKo-StGB2, § 27 Rz. 5. 10 Heine/Weißer in S/S-StGB29, § 27 Rz. 1; Geppert, JURA 1999, 267. 11 Murmann in S/S/W-StGB2, § 27 Rz. 4. 12 Tiedemann, Wirtschaftsstrafrecht AT4, Rz. 359; Häcker in M-G6, § 19 Rz. 23; Geppert, JURA 1999, 267 f.; Otto, JuS 1982, 564. Vgl. auch Meyer-Arndt, wistra 1989, 281. 13 BGH v. 24.10.2001 – 3 StR 237/01, NStZ 2002, 139; Ingelfinger in HK-GS3, § 27 StGB Rz. 6; Murmann in S/S/W-StGB2, § 27 Rz. 5; Hoffmann-Holland/Singelnstein in G/J/W, § 27 StGB Rz. 7. Krit.: Otto, JuS 1982, 564 („Fiktion“); Weigend in FS Nishihara, 1998, S. 209. 14 Gaede, JA 2007, 759. 15 Tiedemann, Wirtschaftsstrafrecht AT4, Rz. 359. 16 Hierzu Tiedemann, Wirtschaftsstrafrecht AT4, Rz. 359; Kühl, JA 2014, 673 oder Geppert, JURA 2007, 591. 17 Häcker in M-G6, § 19 Rz. 23; Murmann in S/S/W-StGB2, § 27 Rz. 7; Ingelfinger in HK-GS3, § 27 StGB Rz. 10; Haas in M/R-StGB, § 27 Rz. 30; Hoffmann-Holland/Singelnstein in G/J/W, § 27 StGB Rz. 10; Gaede, JA 2007, 761. 18 Vgl. Heine/Weißer in S/S-StGB29, § 27 Rz. 1. 19 Hierzu Roxin in FS Miyazawa, 1995, S. 501 mit Verweis auf die Leitentscheidung RG v. 18.3.1924 – I 50/24, RGSt 58, 113, 114 f. Vgl. aber auch schon RG v. 9.4.1881 – III 629/81, RGSt 4, 95.

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Rz. 16 §§ 26, 27 StGB

wird, so dass der Erfolg der Haupttat durch den Gehilfen nicht (mit-)verursacht werden muss.1 Hierin liegt ein Verzicht auf jedwede Kausalität,2 was – beispielhaft – dazu führt, dass Beihilfe auch begeht, wer dem Täter einen Nachschlüssel zur Verfügung stellt, der bei der Tat keine Verwendung findet.3 Für die überwiegende Meinung in der Literatur ist eine entsprechende Kausalität demgegenüber unverzichtbar.4 Weil eine fördernde Handlung nach den Grundsätzen der Äquivalenztheorie aber in den meisten Fällen auch ursächlich für den Erfolg in seiner konkreten Gestalt sein wird,5 wird krit. eingewandt, dass der Unterschied zwischen beiden Ansichten oftmals kaum erkennbar sei.6 Es handele sich um ein Scheinproblem,7 das in seiner Bedeutung teilweise überschätzt werde.8 Dem ist im Grundsatz zuzustimmen. Allerdings darf dabei nicht übersehen werden, dass das traditionell weite Verständnis des Merkmals Hilfeleisten9 i.V.m. der Förderungsformel der Rspr. leicht zu einer Überdehnung dergestalt führen kann, dass in systemwidriger Weise Fälle einer qua Gesetz straflosen versuchten Beihilfe mit in den Bereich strafbarer Beihilfe einbezogen werden.10 Virulent wird dies etwa dann, wenn der Gehilfenbeitrag nicht bis zur Vollendung der Tatausführung modifizierend fortwirkt.11 Richtigerweise ist deshalb am Merkmal der Kausalität festzuhalten. Dafür spricht i.Ü. auch eine Orientierung am Strafgrund der Teilnahme (Rz. 2).12 Sollte (im Einzelfall) eine sachgerechte Eingrenzung des Beihilfetatbestands trotz einer Zugrundelegung des Kausalitätsdogmas nicht möglich sein,13 sind zusätzlich die Prämissen der objektiven Zurechnung zu Rate zu ziehen.14 b) Zeitpunkt der Beihilfehandlung Sehr streitig (und überdies auch von großer praktischer Bedeutung15) ist die Frage nach der Möglichkeit einer 16 (erstmals geleisteten) Beihilfe im Zeitraum zwischen Vollendung und Beendigung (sukzessive Beihilfe). Die Rspr. hält dies weiträumig für möglich, was in der Konsequenz darauf hinausläuft, dass (generell) bis zum Zeitpunkt materieller Beendigung (danach unstreitig nicht mehr16) Beihilfe geleistet werden kann.17 Die Literatur differenziert demgegenüber zu Recht. Eine sukzessive Beihilfe sei nur möglich, wenn Beihilfe zur Tatbestandsverwirklichung geleistet werde.18 Dies sei allein bei (noch nicht beendigten) Dauerdelikten nach deren tatbestandlicher Vollendung (Bsp.: § 239 StGB) denkbar,19 mithin also während der gesamten Dauer der Aufrechterhaltung des rechtswidrigen Zustands.20 Handlungen aber, die (wie im häufig anzutreffenden Fall einer tatbestandslosen Beendigungsphase21) keine Tatbestandsmerkmale erfüllen und auch erst nach der Tatbestandserfüllung vorgenommen werden, konstituieren keine Beihilfe,22 weil Beihilfe nach dem insoweit eindeutigen Wortlaut des § 27 nur zu einer

1 M.w.N. Heine/Weißer in S/S-StGB29, § 27 Rz. 4; Kindhäuser in FS Otto, 2007, S. 355; Roxin in FS Miyazawa, 1995, S. 502; Herzberg, GA 1971, 4 f. Beispielhaft: BGH v. 4.11.1980 – 1 StR 511/80, StV 1981, 72, 72 f.; BGH v. 1.8.2000 – 5 StR 624/99, BGHSt 46, 107, 109; BGH v. 16.11.2006 – 3 StR 139/06, NJW 2007, 384, 388 „El Motassadeq“. 2 Hierzu m.w.N. etwa Murmann, JuS 1999, 549; Kudlich in BeckOK-StGB, § 27 Rz. 4. 3 Kindhäuser in FS Otto, 2007, S. 355. Vgl. auch Murmann, JuS 1999, 549. 4 Beispielhaft: Hassemer, wistra 1995, 42 oder Beckemper, JURA 2001, 164. Für w.N. vgl. die Darstellungen bei Geppert, JURA 1999, 268 oder Murmann, JuS 1999, 549. Anders jedoch Wessels/Beulke/Satzger, AT45, Rz. 825. 5 Roxin in FS Miyazawa, 1995, S. 502 f. So auch Samson in FS Peters, 1974, S. 124 f.; Kühl in Lackner/Kühl, StGB28, § 27 Rz. 2; Heine/Weißer in S/S-StGB29, § 27 Rz. 6; Kudlich in BeckOK-StGB, § 27 Rz. 4; Hoffmann-Holland/Singelnstein in G/J/W, § 27 StGB Rz. 13. Vgl. auch Kühl, JA 2014, 672 f. 6 Murmann, JuS 1999, 549. Vgl. auch Rengier, AT7, § 45 Rz. 94 (Unterschiede „verschwimmen“); Ingelfinger in HK-GS3, § 27 StGB Rz. 3; Heine/Weißer in S/S-StGB29, § 27 Rz. 6; Gaede, JA 2007, 759; Geppert, JURA 2007, 590; Geppert, JURA 1999, 268. 7 Roxin in FS Miyazawa, 1995, S. 502 f. 8 Kudlich in BeckOK-StGB, § 27 Rz. 4. 9 Vgl. Kindhäuser in FS Otto, 2007, S. 355. 10 Hierzu Roxin in FS Miyazawa, 1995, S. 503 f. Vgl. auch Samson in FS Peters, 1974, S. 135; Schünemann in LK-StGB12, § 27 Rz. 2. 11 Ingelfinger in HK-GS3, § 27 StGB Rz. 3. Ähnlich auch Roxin in FS Miyazawa, 1995, S. 503. 12 Heine/Weißer in S/S-StGB29, § 27 Rz. 6. Vgl. insoweit auch Samson in FS Peters, 1974, S. 134 f. 13 Auf diesbezügliche Probleme hinweisend Samson in FS Peters, 1974, S. 132 (Kausalität erfasse „eher zu viel“). Vgl. auch Roxin in FS Miyazawa, 1995, S. 509 (Kausalität sei „notwendig, aber noch nicht ausreichend“). 14 Vgl. insoweit Ambos, JA 2000, 721; Beckemper, JURA 2001, 164 f. oder Kudlich in BeckOK-StGB, § 27 Rz. 6. 15 Geppert, JURA 1999, 272. 16 Wessels/Beulke/Satzger, AT45, Rz. 831; Heine/Weißer in S/S-StGB29, § 27 Rz. 24; Kühl in Lackner/Kühl, StGB28, § 27 Rz. 3; Gaede, JA 2007, 758; Geppert, JURA 1999, 272. 17 BGH v. 6.5.1960 – 2 StR 65/60, BGHSt 14, 280, 281; BGH v. 1.10.2007 – 3 StR 384/07, NStZ 2008, 152. Zust. Otto, JuS 1982, 565. Vgl. zum Standpunkt der Rspr. auch Haas in M/R-StGB, § 27 Rz. 32; Hoffmann-Holland/Singelnstein in G/J/W, § 27 StGB Rz. 26 oder Joecks in MüKo-StGB2, § 27 Rz. 19. 18 Kühl, AT7, § 20 Rz. 236. Ähnlich auch Kudlich in BeckOK-StGB, § 27 Rz. 6. 19 Kühl, JA 2014, 673. 20 Murmann in S/S/W-StGB2, § 27 Rz. 8. Vgl. auch Haas in M/R-StGB, § 27 Rz. 34 oder Joecks in MüKo-StGB2, § 27 Rz. 22. 21 Hierzu Kühl, JA 2014, 673. Vgl. auch Kühl, AT7, § 20 Rz. 236. 22 Roxin, AT II, § 26 Rz. 259.

Eidam

151

StGB

Anstiftung; Beihilfe

StGB

§§ 26, 27 StGB Rz. 17

Strafgesetzbuch

rechtswidrigen Tat geleistet werden kann.1 Es kommt im Zeitraum zwischen Vollendung und Beendigung deshalb vordergründig eine Strafbarkeit aufgrund eines Anschlussdelikts (§§ 257 ff. StGB) in Betracht.2 c) Wirtschaftsstrafrechtliches Sonderproblem: „Neutrale Beihilfe“ durch berufsspezifische Handlungen 17

Folge des weiten Verständnisses der h.M. für die Begrifflichkeit des Hilfeleistens (Rz. 13 ff.) kann (in Kombination mit der ebenfalls flexibel handhabbaren Vorsatzform des dolus eventualis3) das unproblematische Vorliegen aller Voraussetzungen einer Beihilfestrafbarkeit für (bloßes) sozialadäquat-berufsbedingtes „neutrales“ Verhalten sein.4 In der Konsequenz liefe dies darauf hinaus, dass völlig alltägliche, nach außen hin unscheinbare und bspw. im täglichen Massengeschäft erfolgende berufsbedingte Handlungen stets als Beihilfe strafbar wären.5 Betroffen wären im Feld des Wirtschaftsstrafrechts insbesondere Berater und vergleichbar Außenstehende.6 Weitgehende Einigkeit besteht zunächst darüber, dass die Unterstützung einer Straftat durch neutrales Verhalten nicht uneingeschränkt nach den allgemeinen Beihilferegeln beurteilt werden sollte,7 mithin also nicht grundsätzlich strafbar sein darf.8 Die Schwierigkeit besteht freilich darin, strafwürdige Konstellationen von solchen zu unterscheiden, in denen Straflosigkeit angebracht ist.9 Im Weiteren sind die Stellungnahmen zu diesem „Modethema“10 dann aber derart zahlreich,11 dass eine Erfassung des Themas auf begrenztem Raum nicht leichtfällt.

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Die Rspr. verfolgt – in Anlehnung an Roxin12 – einen einzelfallbezogenen13 zunächst subjektiv-differenzierenden Ansatz,14 der allerdings nicht ohne objektiv-wertende Momente auskommt und in der Gesamtschau deshalb auf eine gemischt objektiv-subjektive Konzeption hinausläuft.15 Danach soll eine Beschränkung strafbarer Beihilfe vor allem (und auf erster Stufe16) durch das kognitive Vorsatzelement erfolgen.17 Es erfolgt hier eine „wesentliche Weichenstellung“,18 die sich an der Intensität des Vorsatzes orientiert.19 Folgende Formel hat insoweit die Rspr. geprägt: „Zielt das Handeln des Haupttäters ausschließlich darauf ab, eine strafbare Handlung zu begehen, und weiß dies der Hilfeleistende, so ist sein Tatbeitrag als Beihilfehandlung zu werten. In diesem Fall verliert sein Tun stets den ‚Alltagscharakter‘; es ist als ‚Solidarisierung‘ mit dem Täter zu deuten und dann auch nicht mehr als sozialadäquat anzusehen. Weiß der Hilfeleistende dagegen nicht, wie der von ihm geleistete Beitrag vom Haupttäter verwendet wird, hält er es lediglich für möglich, dass sein Tun zur Begehung einer Straftat genutzt wird, so ist sein Handeln regelmäßig noch nicht als strafbare Beihilfehandlung zu beurteilen, es sei denn, das von ihm erkannte Risiko strafbaren Verhaltens des von ihm Unterstützten war derart hoch, dass er sich mit seiner Hilfeleistung die Förderung eines erkennbar tatgeneigten Täters angelegen sein ließ.“20 Dieser im Kern subjektive Ansatz wird (für die Fälle des direkten Vorsatzes und auf zweiter Stufe) noch durch das objektive Kriterium des „deliktischen Sinnbezugs“ ergänzt,21 so dass sich folgendes (verästeltes, in Unterfallgruppen unterteiltes22 und 1 Unter zutreffender Berufung auf Art. 103 Abs. 2 GG: Schünemann in LK-StGB12, § 27 Rz. 42; Murmann in S/S/WStGB2, § 27 Rz. 8; Joecks in MüKo-StGB2, § 27 Rz. 19; Geppert, JURA 1999, 272 (Vollendungszeitpunkt als „rechtsstaatlich sichere Grenze“). Vgl. ferner auch Hoyer in SK-StGB8, § 27 Rz. 18. 2 Roxin, AT II, § 26 Rz. 259. 3 Oben § 15 Rz. 12 ff. 4 Kudlich/Og˘lakciog˘lu, Wirtschaftsstrafrecht2, Rz. 189 f.; Brettel/Schneider, Wirtschaftsstrafrecht, § 2 Rz. 113; Kudlich, JZ 2000, 1178; Kudlich, JuS 2002, 753; Weigend in FS Nishihara, 1998, S. 197. Vgl. auch Hassemer, wistra 1995, 42 f.; Tag, JR 1997, 50. 5 Kudlich, JZ 2000, 1178. Beispiele etwa bei Weigend in FS Nishihara, 1998, S. 197 f. 6 Hoffmann-Holland/Singelnstein in G/J/W, § 27 StGB Rz. 15; Rotsch in M/G, 1. Kapitel, B. Rz. 56. 7 Tag, JR 1997, 50. 8 Wittig, Wirtschaftsstrafrecht3, § 6 Rz. 154; Rotsch, JURA 2004, 19, 21; Rotsch in M/G, 1. Kapitel, B. Rz. 56. Vgl. auch Kindhäuser in FS Otto, 2007, S. 370 oder Schall in GS Meurer, 2002, S. 105 f., 113. A.A. Niedermair, ZStW 107 (1995), 539 ff.; Beckemper, JURA 2001, 169. 9 Rotsch, JURA 2004, 15. 10 Amelung in FS Grünwald, 1999, S. 9; Kudlich, JZ 2000, 1178; Schall in GS Meurer, 2002, S. 103; Bott/Orlowski, NZWiSt 2014, 143; Schünemann in LK-StGB12, § 27 Rz. 17. 11 Vgl. Bode, ZStW 125 (2015), 948 (spricht von „dem schier unübersehbaren Schrifttum“); Ambos, JA 2000, 721 („schon fast unüberschaubar gewordene Lit.“) oder Rotsch, JURA 2004, 14 („kaum noch überschaubaren Auseinandersetzung“). 12 Roxin, AT II, § 26 Rz. 218 ff.; Roxin in FS Miyazawa, 1995, S. 512 ff. Erläuternd hierzu auch Ambos, JA 2000, 723 f. 13 Hoffmann-Holland/Singelnstein in G/J/W, § 27 StGB Rz. 16. 14 Kühl in Lackner/Kühl, StGB28, § 27 Rz. 2a. Vgl. auch Hoffmann-Holland/Singelnstein in G/J/W, § 27 StGB Rz. 16 („mit einem Schwerpunkt auf dem subjektiven Tatbestand“; Hervorhebungen im Original). 15 Kudlich/Og˘lakciog˘lu, Wirtschaftsstrafrecht2, Rz. 195; Brettel/Schneider, Wirtschaftsstrafrecht, § 2 Rz. 115; Kudlich in BeckOK-StGB, § 27 Rz. 12; Murmann in S/S/W-StGB2, § 27 Rz. 6. 16 Vgl. etwa die graphische Darstellung bei Kudlich/Og˘lakciog˘lu, Wirtschaftsstrafrecht2, Rz. 195. 17 Kindhäuser in FS Otto, 2007, S. 358. Vgl. auch Greco, wistra 2015, 1. 18 Brettel/Schneider, Wirtschaftsstrafrecht, § 2 Rz. 116. 19 Schall in GS Meurer, 2002, S. 108 f.; Kudlich, Die Unterstützung fremder Straftaten durch berufsbedingtes Verhalten, S. 459 f. 20 BGH v. 22.1.2014 – 5 StR 468/12, NZWiSt 2014, 139, 141 = ZWH 2014, 433, 434. Vgl. ferner BGH v. 1.8.2000 – 5 StR 624/99, BGHSt 46, 107, 112. I.Ü. auch Greco, wistra 2015, 1 f. 21 Trüg, ZWH 2014, 436. 22 Bode, ZStW 125 (2015), 952.

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Rz. 21 §§ 26, 27 StGB

nicht immer leicht handhabbares1) Bild ergibt: 1) Die Rspr. nimmt eine Strafbarkeit wegen neutraler Beihilfehandlungen grundsätzlich nur an, wenn der (vermeintliche) Gehilfe hinsichtlich der Haupttat mit direktem Vorsatz handelt.2 Weil eine „Mitwisserschaft“ für sich allein aber noch kein abschließendes Urteil über strafrechtliches Unrecht in sich birgt,3 rückt im Fall des dolus directus des Helfenden zusätzlich noch das (objektive) Kriterium eines deliktischen Sinnbezugs ins Zentrum der Überlegung.4 Nach der Rspr. soll es hieran fehlen (und eine Strafbarkeit trotz des Vorliegens von dolus directus im Ergebnis zu verneinen sein), wenn „das vom Gehilfen geförderte Tun des Haupttäters nicht allein auf die Begehung einer strafbaren Handlung abzielt und der Beitrag des Gehilfen auch ohne das strafbare Handeln des Täters für diesen sinnvoll bleibt (…), der Gehilfe mithin zwar den Täter, nicht aber unmittelbar dessen strafbares Tun durch seinen Beitrag unterstützt.“5 Die Herausarbeitung dieses Kriteriums erfolgt meist induktiv anhand von Beispielsfällen.6 2) Bei besonders gefahrträchtigen Tätigkeiten soll jedoch schon dolus eventualis genügen.7 Die Figur des deliktischen Sinnbezugs verliert in dieser Konstellation ihren Wert8 und wird durch ein für den Gehilfen erkennbares Haupttatrisiko ersetzt. Falle dieses derart hoch aus, dass sich der Gehilfe „mit seiner Hilfeleistung die Förderung eines erkennbar tatgeneigten Täters angelegen sein ließ“ (vgl. oben), kommt eine Strafbarkeit auch (und ausnahmsweise) in den Fällen des dolus eventualis in Betracht. In der Konsequenz dürfte dies auf eine Verschärfung des kognitiven Elements beim dolus eventualis hinauslaufen.9 Stellenweise wird krit. eingewandt, die Rspr. wolle sich hierdurch ein „Hintertürchen“ offenhalten, um in Fällen, in denen dolus directus nicht nachweisbar sei, gleichwohl noch zu einer Strafbarkeit kommen zu können.10 In der Literatur wurden demgegenüber Lösungsvorschläge auf allen Ebenen des Straftataufbaus entwickelt.11 Ge- 19 genüber der Rspr. wird etwa der Vorwurf erhoben, das Problem werde auf Ebene des subjektiven Tatbestands zu spät traktiert.12 Es sei überzeugender, den Bereich strafbarer Beihilfe bereits mit objektiven Kriterien zu begrenzen.13 Dafür spreche bspw., dass auf diese Weise die einer Entscheidung zugrunde liegenden normativen Wertungen offengelegt und nicht hinter pseudo-empirischen subjektiven Feststellungen verborgen werden,14 mit denen sich die Rspr. einen breiten Spielraum für Einzelfallentscheidungen eröffnet.15 Daneben wird vermehrt darauf hingewiesen, dass sich im Kern subjektive Ansätze (wie der der Rspr.) in einer gefährlichen Nähe zu einem Gesinnungsstrafrecht befänden.16 2. Subjektiver Tatbestand Ebenso wie der Vorsatz des Anstifters (Rz. 7) ist auch der Vorsatz des Gehilfen ein „doppelter“;17 man spricht 20 insoweit vom doppelten Gehilfenvorsatz, der sich auf die Beihilfehandlung, daneben aber auch auf die Vollendung einer in ihren wesentlichen Zügen konkretisierten Haupttat beziehen muss.18 Ausreichend ist jeweils dolus eventualis19 (für besondere Anforderungen an neutrale Beihilfehandlungen vgl. aber Rz. 18). Die Rspr. ist beim Vorsatz hinsichtlich der Haupttat allerdings weniger streng als bei der Anstiftung (Rz. 8)20 und 21 lässt hinsichtlich der Haupttatkonkretisierung geringere Anforderungen genügen.21 Aufgrund der unterschiedli1 Kudlich, JA 2011, 473. 2 Brettel/Schneider, Wirtschaftsstrafrecht, § 2 Rz. 115. Vgl. auch Kudlich, Die Unterstützung fremder Straftaten durch berufsbedingtes Verhalten, S. 459. 3 Vgl. Meyer-Arndt, wistra 1989, 287. 4 Bode, ZStW 125 (2015), 952; Schünemann in LK-StGB12, § 27 Rz. 18. Krit. demgegenüber Kindhäuser in FS Otto, 2007, S. 358 f. (inhaltsarme Paraphrase); Kudlich, Die Unterstützung fremder Straftaten durch berufsbedingtes Verhalten, S. 455. Vgl. ausf. auch Frisch in FS Lüderssen, 2002, S. 544 ff. 5 BGH v. 22.1.2014 – 5 StR 468/12, NZWiSt 2014, 139, 142 = ZWH 2014, 433, 435. Vgl. auch Bode, ZStW 125 (2015), 952. 6 Bode, ZStW 125 (2015), 953. 7 Brettel/Schneider, Wirtschaftsstrafrecht, § 2 Rz. 115. Vgl. auch Hoffmann-Holland/Singelnstein in G/J/W, § 27 StGB Rz. 119; Kudlich, Die Unterstützung fremder Straftaten durch berufsbedingtes Verhalten, S. 459. 8 Bode, ZStW 125 (2015), 954. 9 Vgl. Bode, ZStW 125 (2015), 954; Schünemann in LK-StGB12, § 27 Rz. 19; Kudlich, Die Unterstützung fremder Straftaten durch berufsbedingtes Verhalten, S. 460 f. Anders jedoch Greco, wistra 2015, 2 f. 10 Trüg, ZWH 2014, 437. 11 Greco, wistra 2015, 1. Aktuelle Übersicht zu den vertretenen Standpunkten etwa bei Bode, ZStW 125 (2015), 947 ff. 12 Hassemer, wistra 1995, 42, 44. 13 Kindhäuser in FS Otto, 2007, S. 360. 14 Wohlers, NStZ 2000, 171. 15 Hartmann, ZStW 116 (2004), 598. 16 Hassemer, wistra 1995, 43; Weigend in FS Nishihara, 1998, S. 200; Kindhäuser in FS Otto, 2007, S. 371. A.A. Amelung in FS Grünwald, 1999, S. 25; Kudlich, Die Unterstützung fremder Straftaten durch berufsbedingtes Verhalten, S. 463. Differenzierend: Greco, wistra 2015, 2. 17 Kühl in Lackner/Kühl, StGB28, § 27 Rz. 7. 18 Murmann, JuS 1999, 552. Vgl. auch Geppert, JURA 1999, 273; Schünemann in LK-StGB12, § 27 Rz. 54. 19 BGH v. 18.4.1996 – 1 StR 14/96, BGHSt 42, 135, 137; BGH v. 20.1.2011 – 3 StR 420/10, NStZ-RR 2011, 177; Haas in M/R-StGB, § 27 Rz. 42; Murmann in S/S/W-StGB2, § 27 Rz. 10; Murmann, JuS 1999, 552. 20 Geppert, JURA 1999, 273. 21 Joecks in MüKo-StGB2, § 27 Rz. 91; Heine/Weißer in S/S-StGB29, § 27 Rz. 29; Kühl, JA 2014, 673. Vgl. auch Murmann in S/S/W-StGB2, § 27 Rz. 11.

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Anstiftung; Beihilfe

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§ 28 StGB Rz. 1

Strafgesetzbuch

chen Teilnahmestrukturen, der verschiedenen Nähe zur Tat (der Beihilfe fehlt insbesondere das für die Anstiftung typische Moment der Lenkung1) und der ebenfalls unterschiedlichen Strafdrohungen (der Gehilfe wird nicht dem Täter gleichgestellt),2 will die Rspr. es genügen lassen, dass der Gehilfe den wesentlichen Unrechtsgehalt und die Angriffsrichtung der Haupttat erfasst.3 Es genügt folglich, wenn sich der Vorsatz des Gehilfen auf die wesentlichen Merkmale (nicht aber auf die Einzelheiten) der Tatausführung erstreckt.4 Einzelheiten der Haupttat muss der Gehilfe hingegen nicht kennen und auch keine bestimmte Vorstellung von ihr haben.5 Beihilfe zur Tat kann demnach begehen, wer dem (Haupt-)Täter ein entscheidendes Tatmittel willentlich zur Hand gibt und damit bewusst das Risiko erhöht, dass eine durch den Einsatz eben dieses Mittels typischerweise geförderte Haupttat verübt wird.6 Ob ein solch „entkerntes“ Vorsatzerfordernis hinsichtlich der Haupttat tatsächlich noch – wie behauptet wird – als Haftungskorrektiv7 gegenüber dem weit gefassten objektiven Tatbestand fungieren kann, erscheint fragwürdig.

§ 28 Besondere persönliche Merkmale (1) Fehlen besondere persönliche Merkmale (§ 14 Abs. 1), welche die Strafbarkeit des Täters begründen, beim Teilnehmer (Anstifter oder Gehilfe), so ist dessen Strafe nach § 49 Abs. 1 zu mildern. (2) Bestimmt das Gesetz, daß besondere persönliche Merkmale die Strafe schärfen, mildern oder ausschließen, so gilt das nur für den Beteiligten (Täter oder Teilnehmer), bei dem sie vorliegen. 1

§ 28 regelt in Ergänzung der §§ 25–27 die Fälle, in denen bei den diversen Beteiligten einer Straftat besondere persönliche Merkmale in unterschiedlichem Maße verwirklicht sind. Die Vorschrift bewirkt im Kern eine Einschränkung (auch: Lockerung8 oder Durchbrechung9) des Grundsatzes der Akzessorietät der Teilnahme (§§ 26, 27 StGB Rz. 1), obgleich § 28 Abs. 2 (ausdrücklich) auch auf Täter Anwendung findet.10 § 28 beruht auf dem Grundgedanken, dass für Umstände, die zwar das Unrecht und die Schuld einer Tat mitbestimmen, dabei aber allein die Person des Täters (und weniger die Tat als solche) betreffen, die allgemeinen Akzessorietätsregelungen nicht ausreichen.11 Soweit die Strafgerechtigkeit es erfordert, sollen die besagten Umstände nur dem Beteiligten (Mittäter oder Teilnehmer) zugerechnet werden, bei dem sie auch tatsächlich vorliegen.12 Absatz 1 enthält eine Strafzumessungsregel für Teilnehmer, denen ein strafbegründendes besonderes persönliches Merkmal fehlt. Absatz 2 ermöglicht für strafmodifizierende Merkmale im gesamten Bereich der Beteiligung Tatbestandsverschiebungen.13 Rechtspraktisch ist die Vorschrift mit gravierenden Auslegungsproblemen belastet.14

2

Zentral für die Anwendbarkeit des § 28 ist der in beiden Absätzen verwendete Begriff der besonderen persönlichen Merkmale. Weiterführend zur Konkretisierung dieser Wendung ist zunächst der in Absatz 1 enthaltene Verweis auf die Legaldefinition des § 14 Abs. 1 StGB und dessen Wortlaut „besondere persönliche Eigenschaften, Verhältnisse oder Umstände“. Allerdings besteht weitgehende Einigkeit, dass die Interpretation und Auslegung dieser Merkmale unabhängig von § 14 und vielmehr normspezifisch an § 28 vorzunehmen ist.15 Sie ist in ihren Einzelheiten heftig umstritten.16

3

Persönlich sind solche Eigenschaften (körperliche, seelische oder rechtliche Wesens- oder Charaktermerkmale eines Menschen), Verhältnisse (dessen Umweltbeziehungen, also die Beziehungen zu anderen Menschen und Dingen17) und andere Umstände (sonstige persönliche Merkmale), die zum Deliktstypus gehören und sich da1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17

Ingelfinger in HK-GS3, § 27 StGB Rz. 18. BGH v. 18.4.1996 – 1 StR 14/96, BGHSt 42, 135, 138. BGH v. 20.1.2011 – 3 StR 420/10, NStZ-RR 2011, 177; Kühl, JA 2014, 673. Haas in M/R-StGB, § 27 Rz. 38; Schünemann in LK-StGB12, § 27 Rz. 57. BGH v. 20.1.2011 – 3 StR 420/10, NStZ-RR 2011, 177. BGH v. 18.4.1996 – 1 StR 14/96, BGHSt 42, 135, 138. Murmann in S/S/W-StGB2, § 27 Rz. 11. Roxin, AT II, § 27 Rz. 4; Heine/Weißer in S/S-StGB29, § 28 Rz. 1; Joecks in MüKo-StGB2, § 28 Rz. 1. Ingelfinger in HK-GS3, § 28 StGB Rz. 1. Vgl. aber zur Differenzierung zwischen echter und unechter Durchbrechung Heine/Weißer in S/S-StGB29, § 28 Rz. 1. Haas in M/R-StGB, § 28 Rz. 1 (mit der Ergänzung, dass es sich weder bei der mittelbaren Täterschaft noch bei der Mittäterschaft um Täterschaftsformen handele, die akzessorisch ausgestaltet sind). Kudlich in BeckOK-StGB, § 28 Rz. 1; Kühl in Lackner/Kühl, StGB28, § 28 Rz. 1. Vgl. auch Heine/Weißer in S/S-StGB29, § 28 Rz. 1 oder Murmann in S/S/W-StGB2, § 28 Rz. 1 (spricht von einem „Spannungsverhältnis zwischen Akzessorietätsprinzip und Strafgerechtigkeit“; Hervorhebung im Original). Kühl in Lackner/Kühl, StGB28, § 28 Rz. 1. Vgl. auch Valerius, JURA 2013, 187; Ingelfinger in HK-GS3, § 28 StGB Rz. 1 oder Hoffmann-Holland/Singelnstein in G/J/W, § 28 StGB Rz. 1 . Ingelfinger in HK-GS3, § 28 StGB Rz. 1. Murmann in S/S/W-StGB2, § 28 Rz. 2. Murmann in S/S/W-StGB2, § 28 Rz. 3. Vgl. auch Valerius, JURA 2013, 187 („Der Kreis der besonderen persönlichen Merkmale ist […] bei § 28 StGB […] größer als bei § 14 StGB.“). Hoffmann-Holland/Singelnstein in G/J/W, § 28 StGB Rz. 6. Vgl. auch Schünemann in LK-StGB12, § 28 Rz. 1 („heillos“). BGH v. 13.7.1954 – 1 StR 464/53, BGHSt 6, 260, 262; Haas in M/R-StGB, § 28 Rz. 8.

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Rz. 1 § 30 StGB

bei auf den Täter als solchen beziehen, unabhängig davon, ob sie für eine gewisse Dauer Bestand haben oder nur in der Tat hervortreten.1 Die persönlichen Merkmale sind von sachlichen Merkmalen abzugrenzen, die sich auf den äußeren Tathergang beziehen und das Unrecht in objektiver Hinsicht prägen.2 Besonders sind all jene persönlichen Merkmale, die nicht streng akzessorisch behandelt werden können, weil 4 sie nicht die begangene Tat, sondern gerade die Person des Täters charakterisieren.3 An dieser Stelle tritt die Schwierigkeit hervor, zwischen solchen persönlichen Merkmalen, die vollakzessorisch zu behandeln sind, und solchen, auf die § 28 StGB anzuwenden ist, zu unterscheiden.4 Wirtschaftsstrafrechtlich relevante Bsp.5 für besondere persönliche Merkmale i.S.d. § 28 sind etwa die Stellung 5 als Amtsträger oder als Arzt,6 daneben aber auch die im Rahmen des § 266 erforderliche Sonderbeziehung zum Vermögensinhaber (Vermögensbetreuungspflicht).7

§ 29 Selbständige Strafbarkeit des Beteiligten Jeder Beteiligte wird ohne Rücksicht auf die Schuld des anderen nach seiner Schuld bestraft. Die Regelung des § 29 bringt speziell für die Teilnahme noch einmal (und unmissverständlich) den Grundsatz 1 der limitierten Akzessorietät zum Ausdruck (§§ 26, 27 StGB Rz. 1).8 Sie hat dabei deklaratorischen Charakter.9 Beinhaltet ein Tatbestand des BT „spezielle Schuldmerkmale“ (Bsp.: Rücksichtslosigkeit bei § 315c Abs. 1 Nr. 2), so ist das Verhältnis zwischen § 29 und § 28 umstr., soweit die besagten Merkmale zugleich auch besondere persönliche Merkmale (§ 28 StGB Rz. 2 ff.) sind.10 Oftmals wird der in § 29 zum Ausdruck kommende höchstpersönliche Charakter von Schuld als Argument gegen ein Unternehmensstrafrecht gebraucht.11

§ 30 Versuch der Beteiligung (1) Wer einen anderen zu bestimmen versucht, ein Verbrechen zu begehen oder zu ihm anzustiften, wird nach den Vorschriften über den Versuch des Verbrechens bestraft. Jedoch ist die Strafe nach § 49 Abs. 1 zu mildern. § 23 Abs. 3 gilt entsprechend. (2) Ebenso wird bestraft, wer sich bereit erklärt, wer das Erbieten eines anderen annimmt oder wer mit einem anderen verabredet, ein Verbrechen zu begehen oder zu ihm anzustiften. Literatur: Dessecker, Im Vorfeld eines Verbrechens: die Handlungsmodalitäten des § 30 StGB, JA 2005, 549; Fieber, Die Verbrechensverabredung, § 30 Abs. 2, 3. Alt. StGB, 2001; Geppert, Die versuchte Anstiftung (§ 30 Abs. 1 StGB), JURA 1997, 546; Hinderer, Versuch der Beteiligung, § 30 StGB, JuS 2011, 1072; Jakobs, Kriminalisierung im Vorfeld einer Rechtsgutsverletzung, ZStW 97 (1985), 751; Letzgus, Vorstufen der Beteiligung, 1972; Maurach, Die Problematik der Verbrechensverabredung (§ 49a Abs. 2 StGB), JZ 1961, 137; Roxin, Die Strafbarkeit von Vorstufen der Beteiligung (§ 30 StGB), JA 1979, 169; Schröder, Grundprobleme des § 49a StGB, JuS 1967, 289; Thalheimer, Die Vorfeldstrafbarkeit nach §§ 30, 31 StGB, 2008.

A. Allgemeines § 30 enthält in seinen beiden Absätzen zwei voneinander unabhängige Regelungen,12 die keine selbständigen 1 Tatbestände, sondern auf Verbrechen (vgl. § 12 Abs. 1) beschränkte Erweiterungen der Strafbarkeit beinhalten.13 Dogmatisch handelt es sich deshalb um einen Strafausdehnungsgrund,14 der insgesamt vier Handlun1 Kühl in Lackner/Kühl, StGB28, § 28 Rz. 3. Vgl. ausführlicher etwa Murmann in S/S/W-StGB2, § 28 Rz. 4, oder Kudlich in BeckOK-StGB, § 28 Rz. 4 ff. 2 Ingelfinger in HK-GS3, § 28 StGB Rz. 3. Vgl. hierzu auch Murmann in S/S/W-StGB2, § 28 Rz. 5 sowie Roxin, AT II, § 27 Rz. 24 ff. 3 Kudlich in BeckOK-StGB, § 28 Rz. 8; Kühl in Lackner/Kühl, StGB28, § 28 Rz. 4. Vgl. auch Joecks in MüKo-StGB2, § 28 Rz. 23 ff. 4 Ausf. hierzu Roxin, AT II, § 27 Rz. 27. 5 Hierzu ausf. Hoffmann-Holland/Singelnstein in G/J/W, § 28 StGB Rz. 16 f. 6 Murmann in S/S/W-StGB2, § 28 Rz. 7 m.w.N. Vgl. auch Kudlich in BeckOK-StGB, § 28 Rz. 6. 7 BGH v. 8.1.1975 – 2 StR 567/74, BGHSt 26, 53, 54; LG Kleve v. 21.10.2010 – 120 QS 79/10, BeckRS 2010, 29946; Kudlich in BeckOK-StGB, § 28 Rz. 6; Murmann in S/S/W-StGB2, § 28 Rz. 4; Haas in M/R-StGB, § 28 Rz. 14; Joecks in MüKo-StGB2, § 28 Rz. 32; Hoffmann-Holland/Singelnstein in G/J/W, § 28 StGB Rz. 16. 8 Hoffmann-Holland/Singelnstein in G/J/W, § 29 StGB Rz. 1; Kühl in Lackner/Kühl, StGB28, § 29 Rz. 1. 9 Heine/Weißer in S/S-StGB29, § 29 Rz. 1. 10 Kudlich in BeckOK-StGB, § 28 Rz. 1. Ausführlicher hierzu Joecks in MüKo-StGB2, § 29 Rz. 3 ff. Vgl. auch HoffmannHolland/Singelnstein in G/J/W, § 29 StGB Rz. 3. 11 Vgl. Eidam, Der Organisationsgedanke im Strafrecht, S. 259. 12 Geppert, JURA 1997, 547. 13 Roxin, AT II, § 28 Rz. 1; Kühl in Lackner/Kühl, StGB28, § 30 Rz. 1; Murmann in S/S/W-StGB2, § 30 Rz. 1. 14 Roxin, AT II, § 28 Rz. 1; Schünemann in LK-StGB12, § 30 Rz. 1; Zaczyk in NK-StGB4, § 30 Rz. 2; Beckemper/Cornelius in BeckOK-StGB, § 30 Rz. 2; Hoffmann-Holland/Singelnstein in G/J/W, § 30 StGB Rz. 2; Eidam, Der Organisationsgedanke im Strafrecht, S. 32.

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StGB

Versuch der Beteiligung

StGB

§ 30 StGB Rz. 2

Strafgesetzbuch

gen im Vorbereitungsstadium einer Straftat umfasst:1 Absatz 1 behandelt die versuchte Anstiftung zu einem Verbrechen (mit umfasst ist zudem die versuchte Anstiftung zur Anstiftung zu einem Verbrechen) als einen Fall vorweggenommener Teilnahme, während Absatz 2 weitere verwandte Beteiligungsformen im Vorbereitungsstadium (namentlich: das Bereiterklären, die Annahme eines Erbietens und die Verabredung) erfasst, die vom Gesetzgeber aufgrund der konspirativen Bindung mehrerer als gefährlich eingestuft werden.2 Wegen der bei realistischer Betrachtung eher geringen objektiven Gefährlichkeit der genannten Phänomene wird mit Recht eine restriktive Auslegung von § 30 gefordert.3 Überhaupt ist die kriminalpolitische Berechtigung der durch § 30 bewirkten Vorfeldkriminalisierung umstr.;4 es ist zuweilen von einem polizeirechtlichen Fremdkörper“5 als Ausprägung eines Feind- und Gesinnungsstrafrechts die Rede,6 der die eigentlich maßgebliche Strafbarkeitsgrenze des Versuchs (bei Verbrechen) zu einer eher zweitrangigen Strafrahmengrenze degradiert.7 Die zweifelhafte Entwicklungsgeschichte von § 30 StGB (früher: § 49a [R]StGB8) beruht auf Vorkommnissen aus dem 19. Jahrhundert rund um den belgischen Kesselschmied „Duchesne“ (daher rührt die Bezeichnung als „Duchesne-Paragraf“),9 was eine Zuordnung der ursprünglichen Vorschrift zum sog. politischen Strafrecht nahelegt.10

B. Versuchte Anstiftung (Absatz 1) 2

Die versuchte Anstiftung betrifft den Fall, dass jemand einen anderen zur Begehung eines Verbrechens zu bestimmen versucht, ohne dass die Tat des (präsumtiven) Haupttäters ins Versuchsstadium gelangt.11 Denkbar sind vor allem12 drei Konstellationen: (1) Der Haupttäter lehnt ab (misslungene Anstiftung); (2) Der Haupttäter fasst zwar einen Tatentschluss, gibt diesen aber im Vorbereitungsstadium (also vor Eintritt in das Versuchsstadium) wieder auf (erfolglose Anstiftung); (3) Der Haupttäter ist bereits zur Tat entschlossen (untaugliche Anstiftung).13 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 normiert die versuchte Kettenanstiftung (zur Kettenanstiftung vgl. §§ 26, 27 StGB Rz. 11).14

3

In subjektiver Hinsicht setzt eine versuchte Anstiftung zunächst einen Tatenschluss (§§ 22, 23 StGB Rz. 5) zur Begehung der Tat (konkret: zum Bestimmen eines anderen zur Begehung eines Verbrechens) voraus.15 Erforderlich ist insoweit ein doppelter Anstiftervorsatz (§§ 26, 27 StGB Rz. 7 ff.).16 Objektiv wird ein unmittelbares Ansetzen (§§ 22, 23 StGB Rz. 6) dergestalt vorausgesetzt, dass der Anstifter beginnt, auf den (präsumtiven) Haupttäter mit dem Ziel einzuwirken, ihn zur Begehung eines bestimmten Verbrechens zu veranlassen (bzw. zu bestimmen).17 Der in § 30 verwendete Begriff des Bestimmens ist derselbe wie in § 26 (§§ 26, 27 StGB Rz. 5).18 Nach dem Standpunkt der h.M. muss die Anstiftungserklärung den Adressaten nicht notwendig erreichen (str.).19

C. Weitere Beteiligungsformen im Vorbereitungsstadium (Absatz 2) 4

Nach § 30 Abs. 2 wird bestraft, „wer sich bereit erklärt, wer das Erbieten eines anderen annimmt oder wer sich mit einem anderen verabredet, ein Verbrechen zu begehen oder zu ihm anzustiften“.

1 Roxin, JA 1979, 169; Dessecker, JA 2005, 551. Vgl. auch Murmann in S/S/W-StGB2, § 30 Rz. 3. 2 Hinderer, JuS 2011, 1072; Kühl in Lackner/Kühl, StGB28, § 30 Rz. 1. Vgl. auch Geppert, JURA 1997, 547. 3 Vgl. nur Heine/Weißer in S/S-StGB29, § 30 Rz. 1; Joecks in MüKo-StGB2, § 30 Rz. 3; Murmann in S/S/W-StGB2, § 30 Rz. 1; Heger in M/R-StGB, § 30 Rz. 2 oder Hoffmann-Holland/Singelnstein in G/J/W, § 30 StGB Rz. 2. 4 Heine/Weißer in S/S-StGB29, § 30 Rz. 1; Dessecker, JA 2005, 550. Ausf. Jakobs, ZStW 97 (1985), 751 ff. 5 Zaczyk in NK-StGB4, § 30 Rz. 1. 6 Dessecker, JA 2005, 550. 7 Jakobs, ZStW 97 (1985), 752. 8 Vgl. zur alten Regelung Schröder, JuS 1967, 289 ff. 9 Duchesne hatte in mehreren Briefen dem Erzbischof von Paris angeboten, für einen größeren Geldbetrag den deutschen Reichskanzler Bismarck zu töten. Hierzu Dessecker, JA 2005, 550; Geppert, JURA 1997, 547; Joecks in MüKo-StGB2, § 30 Rz. 6 oder Eidam, Der Organisationsgedanke im Strafrecht, S. 29. 10 Eidam, Der Organisationsgedanke im Strafrecht, S. 29. 11 Roxin, JA 1979, 169. 12 Ausführlicher an dieser Stelle: Roxin, AT II, § 28 Rz. 9. 13 Dessecker, JA 2005, 551; Geppert, JURA 1997, 547; Roxin, JA 1979, 169; Murmann in S/S/W-StGB2, § 30 Rz. 13. Vgl. auch Joecks in MüKo-StGB2, § 30 Rz. 27. 14 Heger in M/R-StGB, § 30 Rz. 11. 15 Beckemper/Cornelius in BeckOK-StGB, § 30 Rz. 6. Vgl. auch Geppert, JURA 1997, 549. 16 Geppert, JURA 1997, 549; Hoffmann-Holland/Singelnstein in G/J/W, § 30 StGB Rz. 18; Kühl in Lackner/Kühl, StGB28, § 30 Rz. 5. Vgl. auch Zaczyk in NK-StGB4, § 30 Rz. 16. 17 Schröder, JuS 1967, 289. Näher hierzu auch Joecks in MüKo-StGB2, § 30 Rz. 35 ff. 18 Geppert, JURA 1997, 550. 19 Heine/Weißer in S/S-StGB29, § 30 Rz. 18; Kühl in Lackner/Kühl, StGB28, § 30 Rz. 4; Heger in M/R-StGB, § 30 Rz. 12; Joecks in MüKo-StGB2, § 30 Rz. 37; Hinderer, JuS 2011, 1074; Roxin, JA 1979, 171. A.A. Zaczyk in NK-StGB4, § 30 Rz. 12; Schröder, JuS 1967, 290.

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§ 31 StGB

I. Bereiterklären (Var. 1) Ein Sich Bereiterklären (früher: Sich Erbieten1) setzt voraus, dass der Handelnde (und zwar ernsthaft2) seine Be- 5 reitschaft erklärt, ein Verbrechen zu begehen (oder zu ihm anzustiften).3 Das kann durch die Annahme einer Anstiftung oder durch ein bloßes (selbstmotiviertes) Sich Erbieten geschehen.4 Letztere Konstellation bildet die historische Keimzelle der Regelung (bezogen auf den Fall „Duchesne“; vgl. Rz. 1).5 Auch beim Sich Bereiterklären stellt sich die Frage, ob die Erklärung der Bereitwilligkeit einem Adressaten zugehen muss.6 Nach Ansicht der Rspr. muss die Erklärung (wie bei der versuchten Anstiftung; vgl. Rz. 3) nicht notwendig zugehen (str.).7

II. Annahme eines Erbietens (Var. 2) Unter Strafe gestellt ist hier die Annahme des Angebots eines anderen, ein Verbrechen zu begehen (oder zu ihm 6 anzustiften).8 Erforderlich sind mithin zwei Akte (Sich Erbieten und Annahme),9 wobei die Annahme ausdrücklich oder konkludent erfolgen kann.10 Rechtsdogmatisch behandelt § 30 Abs. 2 Var. 2 (als lex specialis) einen Fall der versuchten Anstiftung, weil derjenige, der ein Angebot annimmt, den anderen (der bislang nur tatgeneigt war) zu einem Tatentschluss bewegt.11 „Hauptstreitpunkt“ ist die Frage, ob die (ernst gemeinte) Annahme eines nicht ernst gemeinten Erbietens strafbar ist.12 Die Rspr. bejaht dies,13 während die überzeugende Gegenauffassung14 eine Strafbarkeit mit dem Argument ablehnt, es fehle in einer solchen Situation an jedweder (die Strafbarkeit im Vorbereitungsstadium überhaupt erst legitimierende) Gefährlichkeit.

III. Verbrechensverabredung (Var. 3) Bei der Verbrechensverabredung dürfte es sich um die bedeutsamste Variante des § 30 Abs. 2 handeln.15 Nach 7 derzeitiger Rechtslage setzt eine (Verbrechens-)Verabredung (früher: Komplott) eine Willenseinigung von mindestens zwei Personen zur mittäterschaftlichen Begehung eines in seinen Grundzügen im Wesentlichen bestimmten Verbrechens voraus.16 Damit läuft eine Verabredung auf nichts anderes als einen gemeinschaftlichen Tatentschluss gem. § 25 Abs. 2 (§ 25 StGB Rz. 9) hinaus17 und wird deshalb mit einiger Berechtigung als Vorstufe der Mittäterschaft angesehen.18 Die vorausgesetzte Übereinkunft kann auch stillschweigend erfolgen.19

§ 31 Rücktritt vom Versuch der Beteiligung (1) Nach § 30 wird nicht bestraft, wer freiwillig 1. den Versuch aufgibt, einen anderen zu einem Verbrechen zu bestimmen, und eine etwa bestehende Gefahr, daß der andere die Tat begeht, abwendet, 2. nachdem er sich zu einem Verbrechen bereit erklärt hatte, sein Vorhaben aufgibt oder, 3. nachdem er ein Verbrechen verabredet oder das Erbieten eines anderen zu einem Verbrechen angenommen hatte, die Tat verhindert.

1 Dessecker, JA 2005, 552. 2 BGH v. 11.5.1954 – g. H. StE 125/52, BGHSt 6, 346, 347; Kühl in Lackner/Kühl, StGB28, § 30 Rz. 6; Thalheimer, Die Vorfeldstrafbarkeit nach §§ 30, 31 StGB, S. 78. 3 Hoffmann-Holland/Singelnstein in G/J/W, § 30 StGB Rz. 26. Ebenso: Roxin, AT II, § 28 Rz. 74. 4 Hoffmann-Holland/Singelnstein in G/J/W, § 30 StGB Rz. 27; Kühl in Lackner/Kühl, StGB28, § 30 Rz. 6; Hinderer, JuS 2011, 1074; Dessecker, JA 2005, 552; Roxin, JA 1979, 169; Schröder, JuS 1967, 291. 5 Roxin, JA 1979, 170. 6 Vgl. Schröder, JuS 1967, 291; Thalheimer, Die Vorfeldstrafbarkeit nach §§ 30, 31 StGB, S. 79. 7 Hoffmann-Holland/Singelnstein in G/J/W, § 30 StGB Rz. 28. 8 Dessecker, JA 2005, 552; Thalheimer, Die Vorfeldstrafbarkeit nach §§ 30, 31 StGB, S. 85. 9 Hinderer, JuS 2011, 1075. 10 Hoffmann-Holland/Singelnstein in G/J/W, § 30 StGB Rz. 30; Hinderer, JuS 2011, 1075. 11 Roxin, JA 1979, 170. Vgl. auch Roxin, AT II, § 28 Rz. 82 oder Schröder, JuS 1967, 290 f. Ebenso der Sache nach Dessecker, JA 2005, 552 f. und Hinderer, JuS 2011, 1075. 12 Roxin, AT II, § 28 Rz. 85. Vgl. auch die Darstellung bei Hinderer, JuS 2011, 1075. 13 BGH v. 4.10.1957 – 2 StR 366/57, BGHSt 10, 388, 389. 14 RG v. 16.2.1923 – I 3/23, RGSt 57, 243, 246; Joecks in MüKo-StGB2, § 30 Rz. 50; Hoffmann-Holland/Singelnstein in G/J/W, § 30 StGB Rz. 31; Letzgus, Vorstufen der Beteiligung, S. 184. 15 Dessecker, JA 2005, 551; Eidam, Der Organisationsgedanke im Strafrecht, S. 27. 16 BGH v. 4.2.2009 – 2 StR 165/08, BGHSt 53, 174, 176; Roxin, AT II, § 28 Rz. 43; Zaczyk in NK-StGB4, § 30 Rz. 49; Maurach, JZ 1961, 139; Schröder, JuS 1967, 291 f.; Fieber, Die Verbrechensverabredung, S. 59. 17 Jescheck/Weigend, AT5, § 65 III 1; Joecks in MüKo-StGB2, § 30 Rz. 55. 18 Flemming/Reinbacher, NStZ 2013, 140; Eidam, Der Organisationsgedanke im Strafrecht, S. 28; Letzgus, Vorstufen der Beteiligung, S. 106. 19 Hinderer, JuS 2011, 1075.

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Rücktritt vom Versuch der Beteiligung

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§ 31 StGB Rz. 1

Strafgesetzbuch

(2) Unterbleibt die Tat ohne Zutun des Zurücktretenden oder wird sie unabhängig von seinem früheren Verhalten begangen, so genügt zu seiner Straflosigkeit sein freiwilliges und ernsthaftes Bemühen, die Tat zu verhindern. Literatur: Bottke, Rücktritt vom Versuch der Beteiligung nach § 31 StGB, 1980; Küper, Zur Problematik des Rücktritts von der Verbrechensverabredung, JR 1984, 265; Mitsch, Zum Anwendungsbereich des § 31 StGB, FS Herzberg, 2008, 443; R. Schmitt, Rücktritt von der Verabredung zu einem Verbrechen – BGHSt 12, 306, JuS 1961, 25. Vgl. ferner die Angaben zu § 30 und zu § 24.

A. Allgemeines 1

§ 31 enthält spezielle Rücktrittsregelungen für die Beteiligungsformen des § 30.1 Es handelt sich – wie auch bei § 24 (vgl. § 24 StGB Rz. 1) – um einen persönlichen Strafaufhebungsgrund.2 Der Anwendungsbereich von § 31 endet chronologisch betrachtet mit dem Eintritt ins Versuchsstadium und der hierdurch gegebenen Anwendbarkeit von § 24.3

B. Erläuterungen 2

Die Figur des fehlgeschlagenen Versuchs findet auch bei § 31 Anwendung.4 Ist ein Versuch fehlgeschlagen, kommt ein Rücktritt nach § 31 deshalb nicht mehr in Betracht.5 Allerdings sind die Grundsätze zum fehlgeschlagenen Versuch nach § 24 (§ 24 StGB Rz. 3 ff.) nicht ohne weiteres auf § 31 übertragbar.6 Gemeinsame Voraussetzung für alle Varianten des Rücktritts gem. § 31 ist ferner die Freiwilligkeit des Zurücktretenden, aber auch der endgültige Verzicht auf das ins Auge gefasste Verbrechen.7 Freiwilligkeit meint die gleiche Freiwilligkeit, die auch für § 24 (§ 24 StGB Rz. 7 f.) verlangt wird8 (beide Merkmale sind mithin gleich auszulegen9). Für einen endgültigen Verzicht genügt eine vorübergehende Zurückstellung der Ausführung ebenso wenig wie die Aufgabe einer bestimmten Art der Tatausführung.10

I. Rücktritt von der versuchten Anstiftung (Absatz 1 Nr. 1) 3

Abs. 1 Nr. 1 stellt vergleichsweise strenge Anforderungen an einen Rücktritt.11 Der Anstifter muss nicht nur den Versuch seiner Tathandlung aufgeben, sondern auch sicherstellen, dass die Tat nicht begangen wird. Das bedeutet freilich nicht, dass beide Voraussetzungen stets kumulativ vorliegen müssen.12 Vielmehr ist bei Abs. 1 Nr. 1 notwendig zwischen beendetem und unbeendetem (Anstiftungs-)Versuch (vgl. § 24 StGB Rz. 10) zu differenzieren.13 Beim unbeendeten Versuch genügt das freiwillige Aufgeben der weiteren Einwirkung,14 weil der andere in dieser Situation noch keinen Tatentschluss gefasst hat und folglich auch noch keine Gefahr entstanden ist, dass er die Tat begeht.15 Besteht eine solche Gefahr (im Fall des beendeten Versuchs), muss der Anstifter sie abwenden um in den Genuss einer Straffreiheit nach § 31 Abs. 1 Nr. 1 kommen zu können.16

II. Rücktritt von der Bereitschaft zur Begehung eines Verbrechens (Absatz 1 Nr. 2) 4

Für den Rücktritt von einer Bereiterklärung genügt bereits die freiwillige Aufgabe des Vorhabens,17 weil jedwede Gefahrenlage schon durch ein inneres Abstandnehmen ausgeräumt wird.18 Ausreichend ist hier jede Ab1 Zaczyk in NK-StGB4, § 31 Rz. 1; Joecks in MüKo-StGB2, § 31 Rz. 1; Hoffmann-Holland/Singelnstein in G/J/W, § 31 StGB Rz. 1. Eingehend: Bottke, Rücktritt vom Versuch der Beteiligung nach § 31 StGB, passim. 2 Kühl in Lackner/Kühl, StGB28, § 31 Rz. 1; Heine/Weißer in S/S-StGB29, § 31 Rz. 1; Heger in M/R-StGB, § 31 Rz. 1; Hoffmann-Holland/Singelnstein in G/J/W, § 31 StGB Rz. 1. A.A. Zaczyk in NK-StGB4, § 31 Rz. 1 („Unrechtsaufhebungsgrund“). 3 Murmann in S/S/W-StGB2, § 31 Rz. 2; Mitsch in FS Herzberg, 2008, S. 445. 4 Joecks in MüKo-StGB2, § 31 Rz. 5; Thalheimer, Die Vorfeldstrafbarkeit nach §§ 30, 31 StGB, S. 161. 5 Beckemper/Cornelius in BeckOK-StGB, § 31 Rz. 1. 6 BGH v. 17.12.2002 – 3 StR 389/02, NStZ-RR 2003, 137, 138; Kühl in Lackner/Kühl, StGB28, § 31 Rz. 1. 7 Beckemper/Cornelius in BeckOK-StGB, § 31 Rz. 1; Hoffmann-Holland/Singelnstein in G/J/W, § 31 StGB Rz. 3; Heger in M/R-StGB, § 31 Rz. 5 f. 8 Heine/Weißer in S/S-StGB29, § 31 Rz. 10. Vgl. auch schon R. Schmitt, JuS 1961, 26. 9 BGH v. 23.4.1998 – 4 StR 150/98, NStZ 1998, 510. 10 Heine/Weißer in S/S-StGB29, § 31 Rz. 10. 11 Dessecker, JA 2005, 551. 12 Vgl. Heger in M/R-StGB, § 31 Rz. 8. 13 Hoffmann-Holland/Singelnstein in G/J/W, § 31 StGB Rz. 8; Heger in M/R-StGB, § 31 Rz. 8; Murmann in S/S/W-StGB2, § 31 Rz. 5. 14 Joecks in MüKo-StGB2, § 31 Rz. 9; Letzgus in HK-GS3, § 30 StGB Rz. 10; Beckemper/Cornelius in BeckOK-StGB, § 31 Rz. 2; Hoffmann-Holland/Singelnstein in G/J/W, § 31 StGB Rz. 9. 15 BGH v. 6.9.2007 – 4 StR 409/07, StV 2008, 248; Kühl in Lackner/Kühl, StGB28, § 31 Rz. 3. 16 Kühl in Lackner/Kühl, StGB28, § 31 Rz. 3; Hoffmann-Holland/Singelnstein in G/J/W, § 31 StGB Rz. 10. 17 Joecks in MüKo-StGB2, § 31 Rz. 17; Dessecker, JA 2005, 552. 18 Murmann in S/S/W-StGB2, § 31 Rz. 6.

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Vor §§ 32 ff. StGB

standnahme von der Tat, auch ein bloßes Passivbleiben.1 Einer nach außen gerichteten Erklärung bedarf es nicht (str.).2

III. Rücktritt von der Verabredung oder der Annahme eines Erbietens (Absatz 1 Nr. 3) Der Rücktritt von der Verabredung eines Verbrechens (oder der Annahme eines Erbietens) erfordert die Ver- 5 hinderung der Tat. Das setzt i.d.R. einen Kausalbeitrag dafür, dass die Tat nicht zur Ausführung kommt,3 durch positives Tun voraus.4 Jedoch kann auch ein Untätigbleiben genügen, etwa dann, wenn das Voranschreiten der Tat von einem vom Rücktrittswilligen zu erbringenden Beitrag abhängt.5

IV. Rücktritt aufgrund von freiwilligem und ernsthaftem Bemühen, die Tat zu verhindern (Absatz 2) Das ernsthafte, aber erfolglose Bemühen des Zurücktretenden führt zur Straflosigkeit, wenn die Tat unterbleibt 6 oder unabhängig von seinem früheren Verhalten begangen wird.6 Für das freiwillige und ernsthafte Bemühen gelten die gleichen Grundsätze wie bei § 24 Abs. 2 S. 2 (§ 24 StGB Rz. 18).7

C. Analoge Anwendung von § 31 StGB Streitig ist schließlich die Frage einer entsprechenden Anwendbarkeit von § 31 auf selbständig im BT unter Strafe 7 gestellte Versuchs- oder Vorbereitungshandlungen, die ihrerseits keine Rücktrittsregelung enthalten.8 Virulent wird diese Frage etwa bei § 2659 oder bei § 234a Abs. 3.10

Vierter Titel. Notwehr und Notstand Vorbemerkungen zu §§ 32 ff. Rechtfertigung und Rechtfertigungsgründe im Wirtschaftsstrafrecht Literatur: Beckert, Einwilligung und Einverständnis, JA 2013, 507; Brand, Rezension zu Späth, Rechtfertigungsgründe im Wirtschaftsstrafrecht, ZWH 2016, 217; Corsten, Einwilligung in die Untreue sowie in die Bestechlichkeit und Bestechung, 2011; Dann, Korruption im Notstand – Zur Rechtfertigung von Schmiergeld- und Bestechungszahlungen, wistra 2011, 127; Dannecker, Rechtfertigungs- und Entschuldigungsgründe in einem europäischen Allgemeinen Teil, in: Tiedemann (Hrsg.), Wirtschaftsstrafrecht in der Europäischen Union, 2002, 147; Engländer/Zimermann, Whistleblowing als strafbarer Verrat von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen? Zur Bedeutung des juristisch-ökonomischen Vermögensbegriffs für den Schutz illegaler Geheimnisse, NZWiSt 2012, 328; Erb, Der rechtfertigende Notstand, JuS 2010, 17, 108 (Fortsetzungsaufsatz); Fahl, Zur Beschränkung der Notwehr auf Rechtsgüter des Angreifers, JA 2016, 805; Gaede, Limitiert akzessorisches Medizinstrafrecht statt hypothetischer Einwilligung, 2014; Hefendehl, Alle lieben Whistleblowing, FS Amelung, 2009, 617; Koch, Korruptionsbekämpfung durch Geheimnisverrat? Strafrechtliche Aspekte des Whistleblowing, ZIS 2008, 500; Meyer, Ausschluss und Minderung strafrechtlicher Verantwortung bei Handeln auf Weisung, GA 2012, 556; Mitsch, Notwehr gegen juristische Personen, NZWiSt 2015, 259; Rönnau, Die Zukunft des Untreuetatbestandes, StV 2011, 753; Rönnau, Einwilligung und Einverständnis, JuS 2007, 18; Rönnau, Untreue zu Lasten juristischer Personen und Einwilligungskompetenz der Gesellschafter, FS Amelung, 2009, 247; Rosenau, Die hypothetische Einwilligung im Strafrecht, FS Maiwald, 2010, 683; Schramm, Untreue und Konsens, 2005; Späth, Rechtfertigungsgründe im Wirtschaftsstrafrecht, 2016; Weber, Konzeption und Grundsätze des Wirtschaftsstrafrechts, ZStW 96 (1984), 376; Winkelbauer, Die behördliche Genehmigung im Strafrecht, NStZ 1988, 201; Zieschang, Der rechtfertigende und der entschuldigende Notstand, JA 2007, 679.

1 Heger in M/R-StGB, § 31 Rz. 10. 2 BGH v. 16.3.2011 – 5 StR 581/10, NStZ 2011, 570, 572; Dessecker, JA 2005, 552. A.A. Kühl in Lackner/Kühl, StGB28, § 31 Rz. 4. 3 Heger in M/R-StGB, § 31 Rz. 11. 4 Kühl in Lackner/Kühl, StGB28, § 31 Rz. 5; Joecks in MüKo-StGB2, § 31 Rz. 23. 5 BGH v. 21.10.1983 – 2 StR 485/83, BGHSt 32, 133, 134 f.; BGH v. 13.3.1997 – 4 StR 39/97, NStZ-RR 1997, 289; Murmann in S/S/W-StGB2, § 31 Rz. 6; Kühl in Lackner/Kühl, StGB28, § 31 Rz. 5; Küper, JR 1984, 265. 6 Joecks in MüKo-StGB2, § 31 Rz. 25. 7 Murmann in S/S/W-StGB2, § 31 Rz. 9; Beckemper/Cornelius in BeckOK-StGB, § 31 Rz. 6; Hoffmann-Holland/Singelnstein in G/J/W, § 31 StGB Rz. 16. 8 Bejahend: Heine/Weißer in S/S-StGB29, § 31 Rz. 12; Schünemann in LK-StGB12, § 31 Rz. 2. In der Tendenz auch Joecks in MüKo-StGB2, § 31 Rz. 6. Verneinend: Zaczyk in NK-StGB4, § 31 Rz. 19. 9 Joecks in MüKo-StGB2, § 31 Rz. 6. 10 Eidam in M/R-StGB, § 234a Rz. 12.

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Vorbemerkungen zu §§ 32 ff.

StGB

Vor §§ 32 ff. StGB Rz. 1

Strafgesetzbuch

A. Stellenwert von Rechtfertigungsgründen im Wirtschaftsstrafrecht 1

Gemeinhin wird behauptet, die Ebene der Rechtswidrigkeit spiele im Wirtschaftsstrafrecht eine nur untergeordnete1 bzw. keine große2 Rolle. Kaum von Relevanz seien insbesondere die klassischen Rechtfertigungsgründe des allgemeinen Strafrechts, Notwehr und Notstand.3 Die Notwehr sei sogar „völlig bedeutungslos“.4 Trotz dieser weit verbreiteten Sichtweise wurde den Fragen rund um etwaige Rechtfertigungskonstellationen im Wirtschaftsstrafrecht jüngst eine eigene Monographie gewidmet.5 Sie markiert die zustimmungswürdige Tendenz, Fragen des AT mit den Besonderheiten des Wirtschaftsstrafrechts wissenschaftlich abzugleichen.6 Ferner zeigen Forschungsprojekte dieser Art, dass einzelne Rechtfertigungskonstellationen im Wirtschaftsstrafrecht durchaus an Bedeutung gewinnen.7

B. Relevante Rechtfertigungsgründe und -konstellationen 2

Im Wirtschaftsstrafrecht von Bedeutung sind (mittlerweile) einzelne Fragen der Notwehr (§ 32 StGB Rz. 2), vor allem aber (und auch schon seit geraumer Zeit8) spezifisch-einzelfallorientierte Fragen des § 34 StGB (§ 34 StGB Rz. 3 ff.). Von Interesse sind darüber hinaus der Rechtfertigungsgrund der Einwilligung (Rz. 3 ff.) sowie die rechtfertigende Wirkung von behördlichen Genehmigungen (Rz. 6 ff.) und innerbetrieblichen Weisungen (Rz. 9).

I. Einwilligung 3

Im (ungeschriebenen9) Rechtfertigungsgrund der Einwilligung materialisiert sich die Befugnis des Berechtigten, seine Rechtsgüter zu selbstgewählten Zwecken preiszugeben.10 Er verzichtet hier also gewissermaßen auf Rechtsschutz.11 Damit korrespondiert, dass eine Einwilligung grundsätzlich nur rechtfertigende Wirkung entfalten kann, wenn es sich um Straftaten gegen Individualrechtsgüter handelt12 (man spricht insoweit von der Voraussetzung eines disponiblen Rechtsguts). Diesen Grundsätzen folgend, scheitert eine Einwilligung im Wirtschaftsstrafrecht zumeist an der Überindividualität der geschützten Rechtsgüter.13 Beispielhaft: Im Fall von Schwarzarbeit ist die Einwilligung des AN deshalb unbeachtlich, weil die einschlägigen Tatbestände des § 370 AO und des § 266a StGB überindividuelle Rechtsgüter schützen.14 Gleiches gilt für die Einwilligung der Gläubiger in eine Insolvenzverschleppung.15 § 15a InsO enthält „zwingendes Recht“,16 weil hier zumindest auch der (kollektive) Rechtsverkehr geschützt wird.17

4

Praktische Relevanz kann eine Einwilligung im Wirtschaftsstrafrecht vor allem bei der Organuntreue (§ 266 StGB) haben,18 wobei die Voraussetzungen (insbesondere die Einwilligungskompetenzen) je nach Gesellschaftsform variieren können.19 Weil eine Einwilligung (oder Zustimmung) der Gesellschafter eines Unternehmens jedoch schon an den Merkmalen des objektiven Tatbestands (vornehmlich bei der Pflichtverletzung) dogmatisch relevant wird, ist nach zutreffender Ansicht in solchen Fällen bereits von einem (tatbestandsausschließenden) 1 Brettel/Schneider, Wirtschaftsstrafrecht, § 2 Rz. 122. 2 Dannecker/Bülte in W/J4, 1. Kapitel Rz. 38; Wittig, Wirtschaftsstrafrecht3, § 5 Rz. 12, § 7 Rz. 1; Rotsch in M/G, 1. Kapitel, B. Rz. 62. Vgl. auch Späth, Rechtfertigungsgründe im Wirtschaftsstrafrecht, S. 27 oder Weber, ZStW 96 (1984), 394. 3 Niemeyer in M-G6, § 17 Rz. 35. Vgl. auch Brand, ZWH 2016, 217. 4 Weber, ZStW 96 (1984), 394. Vgl. auch Späth, Rechtfertigungsgründe im Wirtschaftsstrafrecht, S. 109 („Schattendasein“). 5 Späth, Rechtfertigungsgründe im Wirtschaftsstrafrecht, passim. 6 Die Entwicklung einer allgemeingültigen Rechtfertigungslehre im Wirtschaftsstrafrecht harrt freilich noch ihrer Entwicklung. So Brand, ZWH 2016, 220. 7 Späth, Rechtfertigungsgründe im Wirtschaftsstrafrecht, S. 411. Vgl. auch Dannecker in G/J/W, Vor §§ 32 ff. StGB Rz. 9. 8 Vgl. nur Weber, ZStW 96 (1984), 395 f. 9 Vgl. hierzu Beckert, JA 2013, 508. 10 Rönnau, JuS 2007, 18. 11 Lenckner/Sternberg-Lieben in S/S-StGB29, Vor §§ 32 ff. Rz. 33; Kühl in Lackner/Kühl, StGB28, Vor §§ 32 ff. Rz. 10; Dannecker in G/J/W, Vor §§ 32 ff. StGB Rz. 37. 12 Tiedemann, Wirtschaftsstrafrecht AT4, Rz. 324; Dannecker in G/J/W, Vor §§ 32 ff. StGB Rz. 38. 13 Weber, ZStW 96 (1984), 395; Dannecker/Bülte in W/J4, 1. Kapitel Rz. 38; Kudlich/Og˘lakciog˘lu, Wirtschaftsstrafrecht2, Rz. 71a; Wittig, Wirtschaftsstrafrecht3, § 7 Rz. 2; Rotsch in M/G, 1. Kapitel, B. Rz. 62; Späth, Rechtfertigungsgründe im Wirtschaftsstrafrecht, S. 176, 186 (vgl. zur Dispositionsbefugnis auch a.a.O., S. 182 f.). 14 Tiedemann, Wirtschaftsstrafrecht AT4, Rz. 324; Dannecker in G/J/W, Vor §§ 32 ff. StGB Rz. 41. Vgl. auch Späth, Rechtfertigungsgründe im Wirtschaftsstrafrecht, S. 186. 15 Hohmann in MüKo-StGB2, § 15a InsO Rz. 102; Hirte in Uhlenbruck, InsO14, § 15a Rz. 66. Ausf. zu dieser Frage Späth, Rechtfertigungsgründe im Wirtschaftsstrafrecht, S. 195 ff. 16 Klöhn in MüKo-InsO3, § 15a Rz. 139. 17 Späth, Rechtfertigungsgründe im Wirtschaftsstrafrecht, S. 197, 200. 18 Dannecker/Bülte in W/J4, 1. Kapitel Rz. 38; Tiedemann, Wirtschaftsstrafrecht AT4, Rz. 326; Rotsch in M/G, 1. Kapitel, B. Rz. 62; Rönnau in FS Amelung, 2009, S. 247; Späth, Rechtfertigungsgründe im Wirtschaftsstrafrecht, S. 175 f. 19 Vgl. zum Unterschied AG vs. GmbH nur Rönnau in FS Amelung, 2009, S. 247 ff.

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Rz. 7 Vor §§ 32 ff. StGB

Einverständnis auszugehen.1 Dagegen soll die Einwilligung der Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft eine unterlassene (strafbewehrte) Verlustanzeige i.R.d. §§ 84 GmbHG, 92 Abs. 1, 401 AktG (auf Ebene der Rechtswidrigkeit) rechtfertigen.2 Von Interesse (wenngleich bislang nur rudimentär erörtert3) ist die Frage, inwieweit die Figur der mutmaßlichen 5 Einwilligung/des mutmaßlichen Einverständnisses im Rahmen des Untreuetatbestands (§ 266 StGB) Fuß fassen kann. Späth gelangt diesbezüglich zu dem Ergebnis, dass in bestimmten Konstellationen ein mutmaßlich konform gehender Wille eines Treugebers die Pflichtverletzung ausschließen kann.4 Erwogen wird ferner auch eine Übertragung des ursprünglich medizinrechtlichen Instituts5 der hypothetischen Einwilligung ins Wirtschaftsstrafrecht, namentlich beim Tatbestand der Untreue.6 Letzteres wurde von der Rechtspraxis bislang nicht aufgegriffen.

II. Behördliche Genehmigung/Erlaubnis In die Beeinträchtigung überindividueller Rechtsgüter kann zwar keine Einwilligung erfolgen (Rz. 3). Stattdessen 6 sind vereinzelt aber Behörden – aufgrund einer besonderen Kompetenz7 – dazu berufen, über Inhalt und Reichweite des jeweiligen Rechtsgüterschutzes zu wachen.8 Die Behörde „bewirtschaftet“ hier das Rechtsgut in gewisser Weise.9 In vielen Tatbeständen des Wirtschaftsstrafrechts sind deshalb Erlaubnis- bzw. Genehmigungsvorbehalte enthalten, die als überindividuelles Pendant zur individuell ausgerichteten Einwilligung fungieren.10 Vorwiegend betroffen sind – neben einzelnen Delikten aus dem Kern- und Nebenstrafrecht (Bsp.: §§ 284 ff. StGB, § 18 Abs. 1 AWG)11 – die Umweltdelikte (§§ 324 ff. StGB).12 Das Verfahren zur Erteilung einer Erlaubnis richtet sich regelmäßig nach den Grundsätzen des VwVfG;13 man spricht hier auch von einer Verwaltungsakzessorietät.14 Problematisch ist hier insbesondere die Einordnung der Genehmigung als Tatbestandsausschluss- oder Rechtfer- 7 tigungsgrund.15 Nach der zutreffenden h.M. wird man wie folgt zu differenzieren haben: Tatbestandsausschluss kommt zunächst immer dann in Betracht, wenn konkrete Tatbestände nur gegen den Willen der Behörde, mithin also ohne Genehmigung und deshalb unter Verletzung verwaltungsrechtlicher Pflichten verwirklicht werden können.16 I.Ü. soll die verwaltungsrechtliche Unterscheidung zwischen präventiven Verboten mit Erlaubnisvorbehalt und repressiven Verboten mit Befreiungsvorbehalt von Bedeutung sein.17 Beruht die ergangene (behördliche) Entscheidung auf einem präventiven Verbot mit Erlaubnisvorbehalt, kommt ein Tatbestandsausschluss auch unter Hinzuziehung des Gedankens der Sozialadäquanz in Betracht. Beruht die Entscheidung hingegen auf einem repressiven Verbot mit Befreiungsvorbehalt, ist die Ebene der Rechtswidrigkeit betroffen.18 Beispielhaft für letztere Konstellation werden etwa die §§ 324 Abs. 1, 326 Abs. 1 StGB,19 § 22a Abs. 1 KrWaffKontrG20 oder

1 BGH v. 21.12.2005 – 3 StR 470/04, BGHSt 50, 331, 342 – „Mannesmann“; Tiedemann, Wirtschaftsstrafrecht AT4, Rz. 326; Niemeyer in M-G6, § 17 Rz. 37 (am Beispiel der Entnahme von Gesellschaftsvermögen); Saliger in S/S/WStGB3, § 266 Rz. 58 f. und 129; Dannecker in G/J/W, Vor §§ 32 ff. StGB Rz. 53. 2 Späth, Rechtfertigungsgründe im Wirtschaftsstrafrecht, S. 187 ff. 3 Brand, ZWH 2016, 218. 4 Späth, Rechtfertigungsgründe im Wirtschaftsstrafrecht, S. 215 ff. Hierzu auch Brand, ZWH 2016, 218. 5 Ausf. zur Entwicklung: Gaede, Limitiert akzessorisches Medizinstrafrecht statt hypothetischer Einwilligung, S. 5 ff. 6 Rönnau, StV 2011, 755 f. 7 Tiedemann, Wirtschaftsstrafrecht AT4, Rz. 315. 8 Brettel/Schneider, Wirtschaftsstrafrecht, § 2 Rz. 124. Vgl. auch Paeffgen in NK-StGB4, Vor §§ 32 ff. Rz. 201. 9 Tiedemann, Wirtschaftsstrafrecht AT4, Rz. 315; Kudlich/Og˘lakciog˘lu, Wirtschaftsstrafrecht2, Rz. 71a; Späth, Rechtfertigungsgründe im Wirtschaftsstrafrecht, S. 267. 10 Kudlich/Og˘lakciog˘lu, Wirtschaftsstrafrecht2, Rz. 71a. 11 Wittig, Wirtschaftsstrafrecht3, § 7 Rz. 10. Für weitere Beispiele vgl. Brettel/Schneider, Wirtschaftsstrafrecht, § 2 Rz. 125; Kudlich/Og˘lakciog˘lu, Wirtschaftsstrafrecht2, Rz. 71b oder Lenckner/Sternberg-Lieben in S/S-StGB29, Vor §§ 32 ff. Rz. 61. 12 Tiedemann, Wirtschaftsstrafrecht AT4, Rz. 315; Niemeyer in M-G6, § 17 Rz. 35; Dannecker/Bülte in W/J4, 1. Kapitel Rz. 38; Wittig, Wirtschaftsstrafrecht3, § 7 Rz. 10; Rotsch in M/G, 1. Kapitel, B. Rz. 66; Paeffgen in NK-StGB4, Vor §§ 32 ff. Rz. 201; Dannecker in G/J/W, Vor §§ 32 ff. StGB Rz. 62. 13 Kudlich/Og˘lakciog˘lu, Wirtschaftsstrafrecht2, Rz. 71c. 14 Ausf. hierzu: Saliger, Umweltstrafrecht, Rz. 67 ff. 15 Tiedemann, Wirtschaftsstrafrecht AT4, Rz. 320; Wittig, Wirtschaftsstrafrecht3, § 7 Rz. 11. 16 Wittig, Wirtschaftsstrafrecht3, § 7 Rz. 12; Saliger, Umweltstrafrecht, Rz. 95; Rotsch in M/G, 1. Kapitel, B. Rz. 67. 17 Tiedemann, Wirtschaftsstrafrecht AT4, Rz. 320; Wittig, Wirtschaftsstrafrecht3, § 7 Rz. 13; Dannecker in G/J/W, Vor §§ 32 ff. StGB Rz. 63. Krit. demgegenüber Kudlich/Og˘lakciog˘lu, Wirtschaftsstrafrecht2, Rz. 71e. Differenzierend: Winkelbauer, NStZ 1988, 201 ff. 18 Saliger, Umweltstrafrecht, Rz. 97; Wittig, Wirtschaftsstrafrecht3, § 7 Rz. 13; Tiedemann, Wirtschaftsstrafrecht AT4, Rz. 320; Dannecker in G/J/W, Vor §§ 32 ff. StGB Rz. 64 f.; Rotsch in M/G, 1. Kapitel, B. Rz. 68; Paeffgen in NK-StGB4, Vor §§ 32 ff. Rz. 201. Vgl. auch Kudlich/Og˘lakciog˘lu, Wirtschaftsstrafrecht2, Rz. 71d oder Späth, Rechtfertigungsgründe im Wirtschaftsstrafrecht, S. 271. 19 Saliger, Umweltstrafrecht, Rz. 97. 20 Wittig, Wirtschaftsstrafrecht3, § 7 Rz. 13.

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StGB

Vorbemerkungen zu §§ 32 ff.

StGB

Vor §§ 32 ff. StGB Rz. 8

Strafgesetzbuch

§ 52 WaffG1 angeführt. Weitere Beispiele sollen sich im Kapitalmarktstrafrecht erschließen, insbesondere bei einzelnen Vorschriften des WpÜG.2 8

Im Einzelfall kann eine konkludente (wirksame) Genehmigung von einer Duldung abzugrenzen sein.3 Bei einer Duldung ist zwischen einer bloß passiven (i.S.v. Untätigbleiben) und einer nach Außen kommunizierten (nicht bloß behördeninternen) aktiven Duldung zu differenzieren. Während die passive Duldung eine Genehmigung niemals zu ersetzen vermag, ist streitig, inwieweit ein aktives Dulden als eigenständiger Rechtfertigungsgrund angesehen werden kann.4

III. Weisungen 9

Betriebliche (und sonstige) Weisungen können im Wirtschaftsleben eine wichtige Rolle spielen.5 In Betracht kommen insbesondere Weisungen des Arbeitgebers (vgl. § 665 BGB) oder der Gesellschafter (vgl. § 37 GmbHG).6 § 106 GewO definiert sogar ausdrücklich ein Direktionsrecht für Arbeitgeber.7 Die strafrechtliche Beurteilung ist insoweit eindeutig,8 als einer rechtswidrigen betrieblichen oder gesellschaftsrechtlichen Weisung niemals eine rechtfertigende Wirkung zukommen kann.9 Eine Entlastung des Untergebenen kann in solchen Fällen allenfalls durch die Irrtumslehre oder ggf. aufgrund von Nötigungsnotstand gesucht werden.10 Ist die Weisung hingegen rechtmäßig, so soll auch die entsprechende Ausführung gerechtfertigt sein.11 Jedoch ist nicht ersichtlich, warum und inwiefern das Befolgen einer rechtskonformen Weisung den Tatbestand eines Strafgesetzes erfüllen und deshalb erst auf Ebene der Rechtswidrigkeit relevant werden soll.12

§ 32 Notwehr (1) Wer eine Tat begeht, die durch Notwehr geboten ist, handelt nicht rechtswidrig. (2) Notwehr ist die Verteidigung, die erforderlich ist, um einen gegenwärtigen rechtswidrigen Angriff von sich oder einem anderen abzuwenden. Literatur: Vgl. die Angaben vor §§ 32 ff.

A. Grundlegendes 1

Der Rechtfertigungsgrund der Notwehr bezweckt nach dem von der h.M. befürworteten dualistisches Schutzkonzept sowohl den Schutz von Rechtsgütern (Individualschutz) als auch die Bewährung des Rechts (Rechtsbewährung).13 Beide Prinzipien müssen im Einzelfall zusammenwirken, was Maßstäbe für die zahlreichen Auslegungsprobleme des § 32 liefern kann.14 Eine rechtfertigende Notwehr hat drei Voraussetzungen: Notwehrlage (das „Ob“ der Notwehr), Notwehrhandlung (das „Wie“ der Notwehr) und die subjektive Seite der Notwehr („Verteidigungswille“).15 Die Notwehrlage beinhaltet gem. § 32 Abs. 2 die Voraussetzungen eines gegenwärtigen und rechtswidrigen Angriffs, der sich gegen den Verteidiger oder einen Dritten (Fall der Nothilfe) richten kann.16 Die Notwehrhandlung muss erforderlich und geboten gewesen sein. Charakteristisch für das Notwehrrecht ist, dass ein Ausweichen oder Hilfeholen vom Betroffenen ebenso wenig erwartet wird wie eine umfängliche Beachtung von Verhältnismäßigkeitserwägungen.17 Das verleiht der Notwehr eine gewisse Schärfe, ja sogar eine Rigorosität (was freilich durch sozialethische Einschränkungen über das Merkmal der Gebotenheit wieder etwas abge-

1 Kudlich/Og˘lakciog˘lu, Wirtschaftsstrafrecht2, Rz. 71d. 2 Hierzu Späth, Rechtfertigungsgründe im Wirtschaftsstrafrecht, S. 273 ff. 3 Lenckner/Sternberg-Lieben in S/S-StGB29, Vor §§ 32 ff. Rz. 62d; Saliger, Umweltstrafrecht, Rz. 127. Vgl. auch Paeffgen in NK-StGB4, Vor §§ 32 ff. Rz. 205. 4 Vgl. Saliger, Umweltstrafrecht, Rz. 129; Dannecker in G/J/W, Vor §§ 32 ff. StGB Rz. 73 oder Paeffgen in NK-StGB4, Vor §§ 32 ff. Rz. 205 jew. m.w.N. 5 Dannecker in G/J/W, Vor §§ 32 ff. StGB Rz. 74; Tiedemann, Wirtschaftsstrafrecht AT4, Rz. 311. 6 Vgl. Tiedemann, Wirtschaftsstrafrecht AT4, Rz. 311 oder Späth, Rechtfertigungsgründe im Wirtschaftsstrafrecht, S. 286. 7 Meyer, GA 2012, 566. 8 Tiedemann, Wirtschaftsstrafrecht AT4, Rz. 311. 9 Dannecker/Bülte in W/J4, 1. Kapitel Rz. 38. 10 Meyer, GA 2012, 567. 11 Tiedemann, Wirtschaftsstrafrecht AT4, Rz. 312; Dannecker in G/J/W, Vor §§ 32 ff. StGB Rz. 75. 12 Vgl. Späth, Rechtfertigungsgründe im Wirtschaftsstrafrecht, S. 287 f. 13 Kühl in Lackner/Kühl, StGB28, § 32 Rz. 1; Perron in S/S-StGB29, § 32 Rz. 1. Ausf. hierzu etwa Roxin, ZStW 93 (1981), 70 ff. In der Literatur werden demgegenüber auch rein monistische Theorien vertreten. Vgl. hierzu den Überblick bei Rosenau in S/S/W-StGB2, § 32 Rz. 2 oder bei Kühl, AT7, § 7 Rz. 14 ff. 14 Roxin, AT I4, § 15 Rz. 3. 15 Kindhäuser in NK-StGB4, § 32 Rz. 1. 16 Erb in MüKo-StGB2, § 32 Rz. 1. 17 Rosenau in S/S/W-StGB2, § 32 Rz. 1.

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Rz. 1 § 34 StGB

mildert wird).1 Im Ordnungswidrigkeitenrecht ist die Notwehr in § 15 OWiG geregelt, dessen Absätze 1 und 2 sachlich mit § 32 StGB übereinstimmen.

B. Anwendung und Konstellationen im Wirtschaftsstrafrecht I. Notwehr gegen Rechtsgüter eines Unternehmens? Einer Anwendung des Notwehrrechts im Wirtschaftsstrafrecht soll oftmals entgegenstehen, dass nur Eingriffe 2 in die Rechtsgüter des Angreifers gerechtfertigt werden können.2 Beispielhaft: Hat der Organwalter eines Personenverbands einen Angriff verübt, stellt sich für den Angegriffenen die Frage, ob zur Abwehr des Angriffs über § 32 auch in Güter eingegriffen werden darf, die nicht dem (angreifenden) Organwalter, sondern seinem Personenverband zugeschrieben sind.3 Die überwiegende Ansicht verneint das mit Recht. Juristische Personen und sonstige Personenvereinigungen als Rechtssubjekte ohne physische Existenz seien grundsätzlich nicht in der Lage, einen Angriff durchzuführen.4 Ferner müsse sich der Verband das Handeln seines Organs auch nicht zurechnen lassen; eine Externalisierung des Konflikts zwischen Angreifer und Angegriffenem sei nicht statthaft5 (zu Fragen des Notstands vgl. aber § 34 StGB Rz. 12). Die Gegenansicht argumentiert vordergründig in Anlehnung an § 14 StGB und hält eine Zurechnung des Angriffsverhaltens an den Verband für möglich.6 Das liefe freilich – was durchaus gesehen wird – auf einen gespaltenen Angriffsbegriff hinaus und hätte zur Folge, dass auch Verbände Angreifer i.S.d. § 32 sein könnten.7 Letzteres ist aber – wie gesagt – abzulehnen.

II. Mangelnde individuelle Betroffenheit Der Notwehr wird im Wirtschaftsleben auch deswegen eine eher geringe Bedeutung zukommen, weil wirt- 3 schaftsbezogene Kollektivbelange, gegen die sich die Angriffsrichtung von Wirtschaftsdelikten überwiegend richtet,8 nicht notwehr- bzw. nothilfefähig sind.9 Damit korrespondiert die Annahme, Angriffe auf individuelle Wirtschaftstäter kommen in der Realität eher selten vor.10

§ 33 Überschreitung der Notwehr Überschreitet der Täter die Grenzen der Notwehr aus Verwirrung, Furcht oder Schrecken, so wird er nicht bestraft.

§ 34 Rechtfertigender Notstand Wer in einer gegenwärtigen, nicht anders abwendbaren Gefahr für Leben, Leib, Freiheit, Ehre, Eigentum oder ein anderes Rechtsgut eine Tat begeht, um die Gefahr von sich oder einem anderen abzuwenden, handelt nicht rechtswidrig, wenn bei Abwägung der widerstreitenden Interessen, namentlich der betroffenen Rechtsgüter und des Grades der ihnen drohenden Gefahren, das geschützte Interesse das beeinträchtigte wesentlich überwiegt. Dies gilt jedoch nur, soweit die Tat ein angemessenes Mittel ist, die Gefahr abzuwenden. Literatur: Vgl. die Angaben vor §§ 32 ff.

A. Grundlegendes Dem in § 34 zum Ausdruck kommenden Notstandsrecht liegt das Prinzip des überwiegenden Interesses zu- 1 grunde.11 Hiernach wird der Verstoß gegen ein Verbot ausnahmsweise erlaubt, um einen Schaden zu vermei-

1 Kühl, AT7, § 7 Rz. 4; Kühl, JuS 1993, 178. 2 Dannecker/Bülte in W/J4, 1. Kapitel Rz. 38; Weber, ZStW 96 (1984), 394. Vgl. auch Wittig, Wirtschaftsstrafrecht3, § 7 Rz. 9. Aktuell zur Problematik auch Fahl, JA 2016, 805 ff. 3 Brand, ZWH 2016, 217. Vgl. auch Mitsch, NZWiSt 2015, 260. 4 Mitsch, NZWiSt 2015, 259; Momsen in BeckOK-StGB, § 32 Rz. 17. Ebenso: Roxin, AT I4, § 15 Rz. 7. 5 Späth, Rechtfertigungsgründe im Wirtschaftsstrafrecht, S. 63 ff. 6 Brand, ZWH 2016, 217 f. Für eine Zurechnung plädiert auch Perron in S/S-StGB29, § 32 Rz. 3. Vgl. ferner Mitsch, NZWiSt 2015, 261, der eine Zurechnung nur zulassen möchte, wenn eine Mitverantwortlichkeit des Verbands für den konkreten Angriff nachgewiesen werden kann. 7 Brand, ZWH 2016, 218. Explizit a.A. Späth, Rechtfertigungsgründe im Wirtschaftsstrafrecht, S. 108; Dannecker in G/J/W, § 32 ff. StGB Rz. 6. 8 Weber, ZStW 96 (1984), 394. 9 Späth, Rechtfertigungsgründe im Wirtschaftsstrafrecht, S. 52; Wittig, Wirtschaftsstrafrecht3, § 7 Rz. 9. Vgl. auch Engländer/Zimmermann, NZWiSt 2012, 330. 10 Dannecker/Bülte in W/J4, 1. Kapitel Rz. 38; Rotsch in M/G, 1. Kapitel, B. Rz. 62; Weber, ZStW 96 (1984), 394. 11 Kühl in Lackner/Kühl, StGB28, § 34 Rz. 1; Erb, JuS 2010, 17.

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Rechtfertigender Notstand

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§ 34 StGB Rz. 2

Strafgesetzbuch

den, der für die Rechtsordnung schwerer zu (er)tragen wäre als die Folgen des Verstoßes.1 Auf diese Weise konstituiert das Institut des Notstands zugleich eine Solidaritätspflicht des Betroffenen, da es um die Rettung erheblich gewichtigerer Interessen (eines anderen) geht.2 § 34 ist strafrechtsdogmatisch ein Rechtfertigungsgrund.3 Der Anwendungsbereich des rechtfertigenden Notstands ist vielseitig und erstreckt sich auch auf das Nebenstrafrecht sowie das Ordnungswidrigkeitenrecht, wobei letzteres in § 16 OWiG eine mit § 34 StGB (nahezu4) übereinstimmende Vorschrift enthält.5 Für Notstandshandlungen, die Sachen betreffen (etwa deren Beschädigung oder Zerstörung), enthalten die §§ 228 und 904 BGB spezielle Regelungen, die vorrangig vor § 34 StGB anzuwenden sind.6

B. Voraussetzungen 2

Für die eingangs vorausgesetzte Notstandslage verlangt § 34 StGB eine gegenwärtige Gefahr für ein beliebiges Rechtsgut des Notstandstäters oder eines Dritten.7 Dabei kommen als nicht ausdrücklich genannte „andere“ von der Rechtsordnung geschützte Güter auch berufliche und wirtschaftliche Interessen in Betracht, was im Wirtschaftsstrafrecht von Relevanz sein kann (näher hierzu Rz. 4 ff.).8 Wesentlich ist bereits auf Ebene der Notstandslage das Bestehen einer Interessenkollision.9 Für die Notstandshandlung wird zunächst vorausgesetzt, dass die Gefahr nicht anders abwendbar ist, was dem Merkmal der Erforderlichkeit der Verteidigungshandlung bei § 32 (§ 32 StGB Rz. 1) entspricht.10 Ungleich wichtiger („prägender Aspekt“11) für die Prüfung der Notstandshandlung ist jedoch die in § 34 S. 1 Hs. 2 angeordnete umfassende Interessenabwägung. Sie ist die zentrale, zumeist aber auch die schwierigste Voraussetzung einer jeden Notstandsprüfung.12 Zu beachten ist zudem die (sozialethische) Angemessenheitsklausel des § 34 S. 2, die trotz eines überwiegenden Interesses eine Rechtfertigung aufgrund elementarer, nicht abwägungsfähiger Rechtsgüter oder im Hinblick auf abschließende Verfahrensregeln sperren kann.13 Auf letzter Stufe setzt § 34 (in Anlehnung an den Wortlaut „um die Gefahr … abzuwenden“) ein subjektives Rechtfertigungselement voraus, für das überwiegend ein Rettungswille verlangt wird.14 Dabei ist umstr., ob ein bloßer Rechtfertigungsvorsatz genügt oder darüber hinaus eine besondere Rettungsabsicht erforderlich ist.15

C. Anwendbarkeit im Wirtschaftsstrafrecht 3

Anders als die Notwehr hat der rechtfertigende Notstand in der Wirtschaftskriminalität bereits einige Beachtung erfahren.16 Es wird behauptet, der rechtfertigende Notstand könne in bestimmten Gefahrensituationen zu einer Rechtfertigung verhelfen,17 obgleich (auch) dieser Rechtfertigungsgrund weit davon entfernt sei, bei Sachverhalten des Wirtschaftslebens auf gesicherte Kriterien zurückgreifen zu können.18

I. Wirtschaftliche Notlagen im Unternehmen 4

Vordergründig wird über den Fall diskutiert, in dem ein Täter (Wirtschafts-)Straftaten begeht, um Arbeitsplätze und/oder die Produktionsfähigkeit eines Unternehmens zu erhalten.19 Hierbei handele es sich um eine in der Praxis immer wieder akute Frage.20 In einer älteren Entscheidung hat der BGH bereits die Aufrechterhaltung der

1 Erb, JuS 2010, 17. 2 Neumann in NK-StGB4, § 34 Rz. 9; Momsen in BeckOK-StGB, § 34 Rz. 2. 3 Perron in S/S-StGB29, § 34 Rz. 1; Momsen in BeckOK-StGB, § 34 Rz. 2; Rosenau in S/S/W-StGB2, § 34 Rz. 1; Erb, JuS 2010, 17. 4 § 16 OWiG verwendet statt des Begriffs der Tat den Begriff der Handlung. Vgl. Rosenau in S/S/W-StGB2, § 34 Rz. 3; Rengier in KK-OWiG4, § 16 Rz. 1 (spricht von üblicher sprachlicher Anpassung). 5 Erb in MüKo-StGB2, § 34 Rz. 3. 6 Erb, JuS 2010, 19. 7 Erb, JuS 2010, 108. 8 Rengier in KK-OWiG4, § 16 Rz. 5. 9 Perron in S/S-StGB29, § 34 Rz. 8. 10 Neumann in NK-StGB4, § 34 Rz. 58; Rosenau in S/S/W-StGB2, § 34 Rz. 13. 11 Rosenau in S/S/W-StGB2, § 34 Rz. 16. 12 Erb, JuS 2010, 109. 13 Neumann in NK-StGB4, § 34 Rz. 117. 14 Perron in S/S-StGB29, § 34 Rz. 48; Kühl in Lackner/Kühl, StGB28, § 34 Rz. 5. A.A. etwa bei Momsen in BeckOK-StGB, § 34 Rz. 20 (Kenntnis der Notstandslage ausreichend). 15 Rengier in KK-OWiG4, § 16 Rz. 47. 16 Späth, Rechtfertigungsgründe im Wirtschaftsstrafrecht, S. 109. 17 Brettel/Schneider, Wirtschaftsstrafrecht, § 2 Rz. 122. 18 Späth, Rechtfertigungsgründe im Wirtschaftsstrafrecht, S. 109. 19 Tiedemann, Wirtschaftsstrafrecht AT4, Rz. 307. Vgl. auch Späth, Rechtfertigungsgründe im Wirtschaftsstrafrecht, S. 153 („am meisten beachtete Fallgruppe“). 20 Schall, NStZ 1992, 215.

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Eidam

Rz. 9 § 34 StGB

Produktion und Sicherung der Arbeitsplätze eines Unternehmens als notstandsfähige Rechtsgüter anerkannt.1 Eine Auffassung im Schrifttum bezweifelt dies jedoch mit dem beachtlichen Argument, das Risiko des regulären Verlustes des Arbeitsplatzes gehöre in marktwirtschaftlichen Systemen zum allgemeinen Lebensrisiko und könne deshalb nicht über Notstandsregeln auf Dritte verlagert werden.2 Selbst wenn man die Aufrechterhaltung der Produktion und Sicherung der Arbeitsplätze als notstandsfähiges 5 Rechtsgut anerkennt, wird eine Rechtfertigung gem. § 34 in den allermeisten Fällen an der Güter- und Interessenabwägung scheitern.3 Denn das Täterinteresse an der Aufrechterhaltung der benannten Rechtsgüter wird regelmäßig nicht von solchem Gewicht sein, dass es entgegenstehende Rechtsgüter wie etwa – im Fall des § 370 AO – das Steueraufkommen des Staates wesentlich überwiegt.4 Beispielhaft kann zudem auf Konstellationen des Umweltstrafrechts verwiesen werden, wo das widerstreitende Interesse der Gesundheit von Anwohnern kaum je überwunden werden kann.5 Ferner dürfte die Angemessenheitsklausel (§ 34 S. 2) überwiegend einer Rechtfertigung entgegenstehen.6 All- 6 gemeinverbindliche Regelungen des Wirtschaftssektors können nicht bereits deshalb in Einzelfällen außer Kraft gesetzt werden, weil der Rechtsunterworfene sie als Überforderung empfindet.7 Es wäre eine Erschütterung der Rechtsordnung zu befürchten, wenn jedwede Unternehmenskrise zur Einschränkung allgemeiner Regelungen führen könnte.8 I.Ü. nimmt die Rechtsordnung mit der Aufstellung von Regeln über Arbeits-, Umwelt- und Wettbewerbsschutz sowie mit der Verpflichtung zur Entrichtung von Steuern oder ähnlichen Belastungen bewusst in Kauf, dass all dies Nachteile bringen kann, denen nicht jeder gewachsen ist.9 Das geltende Recht beinhaltet für die beschriebene Konstellation u.a. in der InsO, den Pfändungsschutzvorschriften der ZPO und den Bestimmungen des Sozialhilferechts ein abschließendes Regelungsgefüge für die Belange des Rechtsunterworfenen.10 Eine Rechtfertigung kann deshalb allein bei außergewöhnlichen, vom Gesetzgeber nicht einkalkulierten Gefahren möglich sein.11 In der Tendenz und nach alledem wird die Frage einer Rechtfertigung in der vorbenannten Konstellation i.d.R. 7 zu verneinen sein.12

II. Finanzielle Verluste und „Geldnotstand“ Weil die Rechtsfolgen einer finanziellen Leistungsfähigkeit gleichermaßen abschließend von der Rechtsordnung 8 geregelt sind, gelten die gerade skizzierten Grundsätze (Rz. 6) entsprechend für die Abwendung von Gefahren für finanzielle Interessen durch Straftaten wie bspw. §§ 246, 266 StGB.13

III. Erhaltung des (eigenen) Arbeitsplatzes Auch die Erhaltung des eigenen Arbeitsplatzes wurde von der Rspr. in der Vergangenheit als notstandsfähiges 9 Rechtsgut anerkannt.14 Allerdings wird die erforderliche Abwägung im Falle einer Straftat, die zur Erhaltung des eigenen Arbeitsplatzes begangen wird, nur in Ausnahmefällen zugunsten des Arbeitnehmers ausfallen.15

1 BGH v. 13.3.1975 – 4 StR 28/75, bei Dallinger MDR 1975, 723. Ebenso in der Sache OLG Oldenburg v. 16.5.1978 – Ss (OWi) 224/78, NJW 1978, 1869. Vgl. hierzu Wittig, Wirtschaftsstrafrecht3, § 7 Rz. 3; Brettel/Schneider, Wirtschaftsstrafrecht, § 2 Rz. 122; Rotsch in M/G, 1. Kapitel, B. Rz. 63; Rengier in KK-OWiG4, § 16 Rz. 5; Niemeyer in M-G6, § 17 Rz. 35; Schall, NStZ 1992, 215. 2 Neumann in NK-StGB4, § 34 Rz. 26. Vgl. auch Beck/Valerius, Fälle zum Wirtschaftsstrafrecht, Fall 4, Rz. 9. 3 Weber, ZStW 96 (1984), 395; Brettel/Schneider, Wirtschaftsstrafrecht, § 2 Rz. 123; Wittig, Wirtschaftsstrafrecht3, § 7 Rz. 3; Rotsch in M/G, 1. Kapitel, B. Rz. 63. Ausf.: Späth, Rechtfertigungsgründe im Wirtschaftsstrafrecht, S. 157 ff. 4 Weber, ZStW 96 (1984), 395. Ebenso in der Sache Dannecker/Bülte in W/J4, 1. Kapitel Rz. 38. 5 Saliger in S/S/W-StGB2, Vor §§ 324 ff. Rz. 78. 6 Weber, ZStW 96 (1984), 395; Wittig, Wirtschaftsstrafrecht3, § 7 Rz. 3; Rotsch in M/G, 1. Kapitel, B. Rz. 63. Ausf.: Späth, Rechtfertigungsgründe im Wirtschaftsstrafrecht, S. 153 ff. 7 Brettel/Schneider, Wirtschaftsstrafrecht, § 2 Rz. 123. 8 Dannecker/Bülte in W/J4, 1. Kapitel Rz. 38. 9 Erb in MüKo-StGB2, § 34 Rz. 181; Erb, JuS 2010, 112. Ebenso Brettel/Schneider, Wirtschaftsstrafrecht, § 2 Rz. 123. 10 Neumann in NK-StGB4, § 34 Rz. 120. Vgl. auch Kudlich/Og˘lakciog˘lu, Wirtschaftsstrafrecht2, Rz. 71g oder Dannecker/ Bülte in W/J4, 1. Kapitel Rz. 38. 11 Tiedemann, Wirtschaftsstrafrecht AT4, Rz. 307; Erb in MüKo-StGB2, § 34 Rz. 183. 12 Saliger in S/S/W-StGB2, Vor §§ 324 ff. Rz. 78. Ebenso Späth, Rechtfertigungsgründe im Wirtschaftsstrafrecht, S. 163 („nur in seltenen Fällen“). 13 Wittig, Wirtschaftsstrafrecht3, § 7 Rz. 5; Rotsch in M/G, 1. Kapitel, B. Rz. 65. Ebenso in der Sache Roxin, AT I4, § 16 Rz. 54; Neumann in NK-StGB4, § 34 Rz. 120. Differenzierend hier aber Späth, Rechtfertigungsgründe im Wirtschaftsstrafrecht, S. 133 f. Großzügiger hinsichtlich einer möglichen Rechtfertigung nach § 34 StGB auch Tiedemann, Wirtschaftsstrafrecht AT4, Rz. 308. 14 BayObLG v. 21.6.1999 – 3 ObOWi 49-99, NStZ-RR 1999, 312. 15 Wittig, Wirtschaftsstrafrecht3, § 7 Rz. 7; Rotsch in M/G, 1. Kapitel, B. Rz. 64. Vgl. auch BayObLG v. 21.6.1999 – 3 ObOWi 49-99, NStZ-RR 1999, 312 („nur ganz ausnahmsweise“).

Eidam

165

StGB

Rechtfertigender Notstand

StGB

§ 34 StGB Rz. 10

Strafgesetzbuch

IV. (Grenzüberschreitende) Bestechungshandlungen im Notstand? 10

Dann hat die Frage aufgeworfen, inwieweit das mit einer Drohung verbundene Einfordern von Schmiergeldern zu einer Rechtfertigung auf Seiten des Zuwendenden führen kann.1 Wegen der Konfrontation mit einer Drucksituation liege der Gedanke nahe, zahlende Unternehmensmitarbeiter könnten gem. § 34 gerechtfertigt sein.2 Eine Rechtfertigung nach § 34 komme ausnahmsweise in den Fällen in Betracht, in denen sich die Erpressung in einem Staat abspielt, der die für einen wirksamen Rechtsgüterschutz notwendigen Rahmenbedingungen nicht gewährleistet.3 Dies würde die Grenzen des § 34 jedoch gleich an mehreren Stellen zu weit fassen. Im Schrifttum wird der Anwendbarkeit von § 34 im beschriebenen Szenario deshalb mit Recht widersprochen.4

V. Whistleblowing 11

Die Wendung des Whistleblowing (auch, wenngleich mit negativer Konnotation: „Verpfeifen“5) beschreibt – bezogen auf das moderne Wirtschaftsleben – eine Situation, in der ein Mitarbeiter eines Unternehmens Informationen über ein (vermeintlich) gesetzeswidriges Geschäftsgebaren offenbart.6 Denkbar ist das durch die Erstattung von Strafanzeigen, Meldungen an betriebsinterne und betriebsexterne Stellen oder schlichtweg Mitteilungen an die Öffentlichkeit.7 Werden Informationen an eine Person innerhalb des Unternehmens kommuniziert, spricht man von internem Whistleblowing; wendet man sich dagegen an einen Außenstehenden, wird dies als externes Whistleblowing bezeichnet.8 Strafrechtlich relevant ist vornehmlich das externe Whistleblowing.9 Hier stellt sich in aller Schärfe die Frage nach einer Rechtfertigung möglicher Strafbarkeiten nach Notstandsgesichtspunkten. Nach einer Ansicht sei de lege lata eine Rechtfertigung insbesondere von Strafbarkeiten nach § 17 UWG schwierig, weil in dieser Strafvorschrift gewichtige Schutzinteressen zum Ausdruck kommen.10 Eine Rechtfertigung über § 34 StGB komme deshalb nur in schwerwiegenden Ausnahmefällen in Betracht.11 Auch bei dem durch die §§ 203 StGB, 404 AktG, 85 GmbHG bezweckten Geheimnisschutz sei eine Rechtfertigung gem. § 34 StGB grundsätzlich schwierig, es sei denn, es gehe um schwerwiegende Straftaten oder aber um eine Wiederholungsgefahr.12 Dem widerspricht eine neuere Ansicht im Schrifttum. Weil die „verpfiffenen“ rechts- bzw. sittenwidrigen Praktiken aus dem Kontext des Unternehmens herrühren und der Whistleblower deshalb gleichsam die Interessen des Gefahrurhebers beeinträchtigt, seien die Grundsätze des Defensivnotstands (§ 228 BGB) anwendbar, wonach es ausreiche, wenn das von der rechts- bzw. sittenwidrigen Unternehmenspraxis bedrohte Interesse nicht wesentlich weniger wiegt als das Geheimhaltungsinteresse des Unternehmens.13 Damit senkt der Defensivnotstand die Anforderungen an eine Rechtfertigung deutlich unter das Niveau des Aggressivnotstands, dem die Regelungsstruktur des § 34 näher steht.14 Auf dieser Basis sei eine Rechtfertigung von Verstößen etwa gegen § 17 UWG über § 34 StGB keineswegs fernliegend.15 Allerdings wäre auch bei Anwendung des rechtfertigungsfreundlichen Maßstabs des Defensivnotstands eine Rechtfertigung zu versagen, wenn der Whistleblower die Presse anstatt die Strafverfolgungsbehörden informiert. In einem solchen Fall wäre die Gefahr anders abwendbar.16

VI. Notstand statt Notwehr als Antwort auf rechtswidrige Angriffe im Unternehmenskontext 12

Letztlich bleibt zu erörtern, ob in den Fällen, in denen eine Notwehr gegen einen Verband mangels Angriffs desselben ausscheidet (§ 32 StGB Rz. 2), auf § 34 zurückgegriffen werden darf. Beispielhaft sei an die Konstellation erinnert, in der ein Organwalter einen Angriff auch mit Hilfe von Unternehmensstrukturen unternimmt (§ 32 StGB Rz. 2). Im Schrifttum wird die Auffassung vertreten, dass (auch; vgl. Rz. 11) diese Konstellation eine Anwendung der Grundsätze des Defensivnotstands auf den Abwägungsvorgang des § 34 nahelege.17 Beim De-

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Dann, wistra 2011, 127. Dann, wistra 2011, 129. Dann, wistra 2011, 132. Wittig, Wirtschaftsstrafrecht3, § 7 Rz. 4; Späth, Rechtfertigungsgründe im Wirtschaftsstrafrecht, S. 174. Tiedemann, Wirtschaftsstrafrecht AT4, Rz. 335. Krit. gegenüber dieser Bezeichnung Engländer/Zimmermann, NZWiSt 2012, 329. Niemeyer in M-G6, § 17 Rz. 35. Vgl. zur Phänomenologie auch Hefendehl in FS Amelung, 2009, S. 618 ff. Tiedemann, Wirtschaftsstrafrecht AT4, Rz. 335. Engländer/Zimmermann, NZWiSt 2012, 328. Vgl. auch Koch, ZIS 2008, 502 oder Hefendehl in FS Amelung, 2009, S. 619. Vgl. Späth, Rechtfertigungsgründe im Wirtschaftsstrafrecht, S. 381. Tiedemann, Wirtschaftsstrafrecht AT4, Rz. 335. In der Tendenz ebenso Koch, ZIS 2008, 503. Tiedemann, Wirtschaftsstrafrecht AT4, Rz. 335. Tiedemann, Wirtschaftsstrafrecht AT4, Rz. 335. Aspekte der Wiederholungsgefahr berücksichtigt auch Koch, ZIS 2008, 503. Engländer/Zimmermann, NZWiSt 2012, 331. Ebenso Späth, Rechtfertigungsgründe im Wirtschaftsstrafrecht, S. 389. Vgl. Mitsch, NZWiSt 2015, 261. Engländer/Zimmermann, NZWiSt 2012, 331. Engländer/Zimmermann, NZWiSt 2012, 331. Vgl. auch Späth, Rechtfertigungsgründe im Wirtschaftsstrafrecht, S. 390. Mitsch, NZWiSt 2015, 261.

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Eidam

fensivnotstand dürfe das Gefahrabwendungsinteresse sogar geringer sein als das Interesse an der Schonung des Eingriffsguts.1 Damit steigen die Chancen auf die Rechtfertigung einer drittbeeinträchtigenden Angriffsabwehr. Beispielhaft wäre somit die Beeinträchtigung eines dem Verband gehörenden Gegenstands an den Grundsätzen des Defensivnotstands zu messen.2

§ 35 Entschuldigender Notstand (1) Wer in einer gegenwärtigen, nicht anders abwendbaren Gefahr für Leben, Leib oder Freiheit eine rechtswidrige Tat begeht, um die Gefahr von sich, einem Angehörigen oder einer anderen ihm nahestehenden Person abzuwenden, handelt ohne Schuld. Dies gilt nicht, soweit dem Täter nach den Umständen, namentlich weil er die Gefahr selbst verursacht hat oder weil er in einem besonderen Rechtsverhältnis stand, zugemutet werden konnte, die Gefahr hinzunehmen; jedoch kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden, wenn der Täter nicht mit Rücksicht auf ein besonderes Rechtsverhältnis die Gefahr hinzunehmen hatte. (2) Nimmt der Täter bei Begehung der Tat irrig Umstände an, welche ihn nach Absatz 1 entschuldigen würden, so wird er nur dann bestraft, wenn er den Irrtum vermeiden konnte. Die Strafe ist nach § 49 Abs. 1 zu mildern. Literatur: Vgl. die Angaben vor §§ 32 ff.

A. Grundlegendes § 35 Abs. 1 normiert nach dem (insoweit klaren) Wortlaut des Gesetzes einen Entschuldigungsgrund, der auf 1 dem Gedanken der Zumutbarkeit angesichts der Qualität einer drohenden Gefahr sowie der persönlichen Betroffenheit des Täters basiert.3 § 35 Abs. 2 regelt eine besondere Irrtumskonstellation: Erfasst ist hier der Irrtum über das Vorliegen der tatsächlichen Voraussetzungen von Absatz 1 (putativ entschuldigender Notstand).4

B. Anwendung im Wirtschaftsstrafrecht Eine wirtschaftsstrafrechtliche Diskussion möglicher Entschuldigungskonstellationen nach § 35 StGB findet 2 faktisch nicht statt. Vereinzelt bleiben Hinweise, wonach eine Entschuldigung eines Wirtschaftstäters nach § 35 i.d.R. nicht möglich5 bzw. § 35 im Wirtschaftsstrafrecht von untergeordneter Bedeutung sei.6

Fünfter Titel. Straflosigkeit parlamentarischer Äußerungen und Berichte

§ 36 Parlamentarische Äußerungen Mitglieder des Bundestages, der Bundesversammlung oder eines Gesetzgebungsorgans eines Landes dürfen zu keiner Zeit wegen ihrer Abstimmung oder wegen einer Äußerung, die sie in der Körperschaft oder in einem ihrer Ausschüsse getan haben, außerhalb der Körperschaft zur Verantwortung gezogen werden. Dies gilt nicht für verleumderische Beleidigungen.

§ 37 Parlamentarische Berichte Wahrheitsgetreue Berichte über die öffentlichen Sitzungen der in § 36 bezeichneten Körperschaften oder ihrer Ausschüsse bleiben von jeder Verantwortlichkeit frei.

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Mitsch, NZWiSt 2015, 261. Mitsch, NZWiSt 2015, 262. Neumann in NK-StGB4, § 35 Rz. 1 f. Zieschang, JA 2007, 685. Dannecker/Bülte in W/J4, 1. Kapitel Rz. 38. Dannecker in G/J/W, § 35 StGB Rz. 3.

Eidam

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StGB

§ 37 StGB

Parlamentarische Berichte

StGB

§ 38 StGB

Strafgesetzbuch

Dritter Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat Erster Titel. Strafen Freiheitsstrafe

§ 38 Dauer der Freiheitsstrafe (1) Die Freiheitsstrafe ist zeitig, wenn das Gesetz nicht lebenslange Freiheitsstrafe androht. (2) Das Höchstmaß der zeitigen Freiheitsstrafe ist fünfzehn Jahre, ihr Mindestmaß ein Monat. Literatur: Dessecker, Wie lange dauern lebenslange Freiheitsstrafen?, MSchrKrim 2012, 81; Mitsch, Die Freiheitsstrafe, JA 1993, 225; Weigend, Die kurze Freiheitsstrafe – eine Sanktion mit Zukunft?, JZ 1986, 267.

1

Das Gesetz unterscheidet in § 38 Abs. 1 StGB zwischen der zeitigen und der lebenslangen Freiheitsstrafe, wobei die Höchstgrenze der zeitigen Freiheitsstrafe nach Absatz 2 fünfzehn Jahre beträgt.1 Das Höchstmaß ist auch bei der Bildung einer Gesamtstrafe nach § 54 Abs. 2 S. 2 StGB zu beachten, nicht jedoch bei der Verhängung mehrerer Freiheitsstrafen nebeneinander in Zäsurfällen.2 Der Begriff der Freiheitsstrafe wird in § 38 StGB in einem engeren Sinne verwendet.3 Daneben sind als weitere freiheitsentziehende Strafen im Jugendstrafrecht die Jugendstrafe und im Bereich des WStG der Strafarrest erhalten geblieben.4 Die lebenslange Freiheitsstrafe, welche verfassungsgemäß ist,5 wird entweder als absolute Strafe (vgl. § 211 StGB) oder, vor allem bei den erfolgsqualifizierten Delikten, neben Freiheitsstrafe nicht unter zehn Jahren (vgl. z.B. § 251 StGB) angedroht.6

2

Für das Wirtschaftsstrafverfahren ist ausschließlich die zeitige Freiheitsstrafe von Bedeutung, deren Bemessung sich nach § 39 StGB richtet. Der Verhängung kurzer Freiheitsstrafen, die als spezialpräventiv ungünstig angesehen werden, wird durch § 47 StGB entgegenwirkt:7 Danach darf das Gericht eine Freiheitsstrafe unter sechs Monaten nur verhängen, „wenn besondere Umstände, die in der Tat oder der Persönlichkeit des Täters liegen, die Verhängung einer Freiheitsstrafe zur Einwirkung auf den Täter oder zur Verteidigung der Rechtsordnung unerlässlich machen.“ Das in § 38 Abs. 2 StGB festgelegte Mindestmaß von einem Monat darf nicht unterschritten werden; das gilt jedoch nicht für die Ersatzfreiheitsstrafe (§ 43 S. 3 StGB).8 Nach § 32 Abs. 2 Nr. 5b BZRG werden Freiheitsstrafen bis zu drei Monaten nicht in das Führungszeugnis eingetragen.

§ 39 Bemessung der Freiheitsstrafe Freiheitsstrafe unter einem Jahr wird nach vollen Wochen und Monaten, Freiheitsstrafe von längerer Dauer nach vollen Monaten und Jahren bemessen. 1

Für die Bemessung der zeitigen Freiheitsstrafe ist § 39 StGB zu berücksichtigen, wobei sich diesbezüglich im Wirtschaftsstrafverfahren keine Besonderheiten ergeben.9

Geldstrafe

§ 40 Verhängung in Tagessätzen (1) Die Geldstrafe wird in Tagessätzen verhängt. Sie beträgt mindestens fünf und, wenn das Gesetz nichts anderes bestimmt, höchstens dreihundertsechzig volle Tagessätze. (2) Die Höhe eines Tagesatzes bestimmt das Gericht unter Berücksichtigung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Täters. Dabei geht es in der Regel von dem Nettoeinkommen aus, das der Täter durchschnittlich an einem Tag hat oder haben könnte. Ein Tagessatz wird auf mindestens einen und höchstens dreißigtausend Euro festgesetzt.

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Vert. Dessecker, MSchrKrim 2012, 81 und Mitsch, JA 1993, 225. BGH v. 21.10.1999 – 4 StR 278/99, NStZ 2000, 84; krit. hierzu Mosbacher in S/S/W-StGB, § 38 Rz. 3. Mosbacher in S/S/W-StGB, § 38 Rz. 5. Fischer, StGB, § 38 Rz. 2; Lackner/Kühl, § 38 StGB Rz. 1. Vgl. BVerfG v. 21.6.1977 – 1 BvL 14/76, BVerfGE 45, 187; BVerfG v. 24.4.1986 – 2 BvR 1146/85, BVerfGE 72, 105. Mosbacher in S/S/W-StGB, § 38 Rz. 7; ausf. hierzu Dünkel in NK- StGB, § 38 Rz. 26. BGH v. 19.7.1968 – 4 StR 4/68, BGHSt 22, 199; Fischer, StGB, § 47 Rz. 2; vert. Weigend, JZ 1986, 267. Fischer, StGB, § 38 Rz. 4; § 39 Rz. 4. Zu den Einzelheiten vgl. z.B. Häger in LK-StGB, § 39 Rz. 1 ff.

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B. Gercke

Rz. 3 § 40 StGB

(3) Die Einkünfte des Täters, sein Vermögen und andere Grundlagen für die Bemessung eines Tagesatzes können geschätzt werden. (4) In der Entscheidung werden Zahl und Höhe der Tagessätze angegeben. Literatur: Brandis, Geldstrafe und Nettoeinkommen, 1987; Burhoff, Anmerkung zur Entscheidung des BVerfG vom 1.6.2015 – 2 BvR 67/15 – Zur Ermittlung der erforderlichen Feststellungen bei Schätzung der Tagessatzhöhe einer Geldstrafe, StRR 2016, 12; Hofmann, Schätzung und Aufklärungspflicht bei der tatrichterlichen Sachverhaltsfeststellung, StraFo 2003, 70; Mitsch, Die Geldstrafe, JA 1993, 394; Terhorst, Zur Berücksichtigung von Unterhaltsverpflichtungen und Unterhaltszahlungen bei der Bemessung der Tagessatzhöhe, NStZ 1988, 500.

Bei der Verhängung von Geldstrafen in Tagessätzen sind zwei Stufen zu unterscheiden:1 Zunächst muss die An- 1 zahl der Tagessätze nach dem Unrechts- und Schuldgehalt festgesetzt werden, wobei die allgemeinen Grundsätze der Strafzumessung nach § 46 StGB zu berücksichtigen sind.2 Dabei bleiben jedoch die persönlichen und insbesondere die wirtschaftlichen Verhältnisse des Täters grundsätzlich außer Betracht.3 Aus § 40 Abs. 1 S. 2 StGB ergibt sich, dass die Mindestzahl der Tagessätze fünf und die Höchstzahl grundsätzlich 360 volle Tagessätze beträgt, wenn sich aus den Strafdrohungen des BT nichts anderes ergibt.4 Sofern eine Gesamtgeldstrafe verhängt wird, erhöht sich die Höchstzahl der Tagessätze auf 720 (§ 54 Abs. 2 S. 2 StGB). Die gesetzliche Mindestzahl von fünf Tagessätzen darf keinesfalls unterschritten werden.5 Geldstrafen bis zu 90 Tagessätzen werden nicht in das Führungszeugnis eingetragen (§ 32 Abs. 2 Nr. 5a BZRG). Bei kurzen Freiheitsstrafen, also solchen unter sechs Monaten, ist der Vorrang der Geldstrafe nach § 47 Abs. 1 StGB zu berücksichtigen.6 In einem zweiten Schritt wird gemäß § 40 Abs. 2 StGB unter Berücksichtigung der persönlichen und wirtschaftli- 2 chen Verhältnisse des Täters die Höhe der Tagessätze bestimmt.7 Dabei geht das Gericht i.d.R. von dem Nettoeinkommen aus, das der Täter durchschnittlich an einem Tag hat oder haben könnte. Ein Tagessatz beträgt mindestens einen und höchstens 30 000 Euro.8 Wie das Nettoeinkommen zu berechnen ist, gibt das Gesetz nicht vor. Man ist sich jedoch einig darüber, dass das Nettoeinkommen i.S.d. § 40 StGB selbständig zu bestimmen und kein steuerrechtlicher Begriff ist, welcher alle Einkünfte aus selbständiger und nichtselbständiger Arbeit sowie aus sonstigen Einkunftsarten umfasst.9 Dabei wird nicht nur das tatsächliche, sondern auch das zumutbar erzielbare Einkommen nach Abs. 2 S. 2 berücksichtigt.10 Zu den von den Einkünften abziehbaren Belastungen zählen die laufenden Steuern, bei Angestellten die Sozialversicherungsbeiträge und Werbungskosten, bei Selbständigen die Betriebsausgaben und Verluste, auch Kranken- und Altersversicherungen sowie Versicherungsleistungen, die der Sozialversicherung der Unselbständigen vergleichbar sind.11 Macht der Beschuldigte keine, unzureichende oder unzutreffende Angaben über seine finanziellen Verhältnisse, so können die Bemessungsgrundlagen nach Absatz 3 geschätzt werden.12 Eine Schätzung setzt jedoch die Feststellung der Schätzungsgrundlagen voraus.13 Schließlich prüft das Gericht,14 ob dem Verurteilten nach seinen persönlichen oder wirtschaftlichen Verhältnis- 3 sen zuzumuten ist, die Geldstrafe sofort zu zahlen. Ist dies nicht der Fall, so muss ihm gemäß § 42 StGB eine Zahlungserleichterung gewährt werden. Dabei kann das Gericht entweder eine Zahlungsfrist oder eine Ratenzahlung anordnen. Sofern sich die Geldstrafe jedoch als uneinbringlich erweist, tritt an ihre Stelle Freiheitsstrafe, wobei einem Tagessatz ein Tag Freiheitsstrafe entspricht und das Mindestmaß der Ersatzfreiheitsstrafe ein Tag ist (§ 43 StGB).

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Vert. zur Geldstrafe Meyer, PStR 2008, 257. Häger in LK-StGB, § 40 Rz. 1 f.; Dessecker in M/G, 1. Kap. E Rz. 20. BGH v. 28.4.1976 – 3 StR 8/76, BGHSt 26, 325; Albrecht in NK- StGB, § 40 Rz. 16. Vgl. im Einzelnen Häger in LK-StGB, § 40 Rz. 3. Häger in LK-StGB, § 40 Rz. 3. Fischer, StGB, § 40 Rz. 3. Niemeyer in M-G, § 21 Rz. 6; Albrecht in NK-StGB, § 40 Rz. 18. Der Höchstbetrag wurde durch Gesetz v. 29.6.2009, BGBl. I 2009, 1658 von 5000 auf 30 000 Euro angehoben. Niemeyer in M-G, § 21 Rz. 7; Fischer, StGB, § 40 Rz. 7; zur Ermittlung des Nettoeinkommens bei Leistungsempfängern nach dem SGB II vgl. OLG Braunschweig v. 19.5.2014 – 1 Ss 18/13, NdsRpfl. 2014, 258 mit Anm. Peglau, jurisPR-StrafR 14/2014 Anm. 3. Fischer, StGB, § 40 Rz. 8. Vgl. die Auflistung bei Fischer, StGB, § 40 Rz. 13 m.w.N.; s. auch Albrecht in NK-StGB, § 40 Rz. 19 ff.; zur Berücksichtigung von Unterhaltsverpflichtungen vgl. KG Berlin v. 10.3.2014 – (3) 121 Ss 23/14 (20/14), VRS 126, 97 und KG Berlin v. 7.3.2014 – (3) 122 Ss 14/14 (25/14), StraFo 2014, 165. Fischer, StGB, § 40 Rz. 19; vert. Hofmann, StraFo 2003, 70; der Beschuldigte ist zu Auskünften über sein Vermögen nicht verpflichtet, § 136 Abs. 1 S. 2 StPO, vgl. OLG Saarbrücken v. 5.9.2011 – Ss 57/2011 (80/11), StraFo 2012, 109. BVerfG v. 1.6.2015 – 2 BvR 67/15, wistra 2016, 554, 555 m. Anm. Burhoff, StRR 2016, 12. Hier spricht Fischer, StGB, § 40 Rz. 4 auch von einem „dritten Zumessungsschritt“; so auch Lohr in Volk, MAH, § 32 Rz. 193.

B. Gercke

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StGB

Verhängung in Tagessätzen

StGB

§ 41 StGB Rz. 1

Strafgesetzbuch

§ 41 Geldstrafe neben Freiheitsstrafe Hat der Täter sich durch die Tat bereichert oder zu bereichern versucht, so kann neben einer Freiheitsstrafe eine sonst nicht oder nur wahlweise angedrohte Geldstrafe verhängt werden, wenn dies auch unter Berücksichtigung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Täters angebracht ist. Dies gilt nicht, wenn das Gericht nach § 43a eine Vermögensstrafe verhängt. Literatur: Horn, Zur Verhängung von Geldstrafen neben Freiheitsstrafen, JR 1984, 211; Peglau, Zur Kombination einer Freiheitsstrafe und einer Geldstrafe allgemein und bei Anordnung von Verfall oder Wertersatzverfall insbesondere, wistra 2009, 124.

1

Aus § 41 StGB ergibt sich, dass neben einer Freiheitsstrafe auch Geldstrafe verhängt werden darf, wenn sich der Täter durch die Tat bereichert oder zu bereichern versucht hat und dies auch unter Berücksichtigung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Täters angebracht ist.1 Damit handelt es sich um eine Vorschrift, die insbesondere im Wirtschaftsstrafrecht von großer Bedeutung ist.2 So hat der Sonderausschuss im Gesetzgebungsverfahren zum 2. StrRG3 die Einführung des § 41 StGB damit begründet, dass „insbesondere im Rahmen der Wirtschaftskriminalität […] ein Bedürfnis dafür [besteht], vermögende Täter nicht nur mit einer Freiheitsstrafe, sondern daneben auch noch mit einer Geldstrafe zu bedrohen, da nicht immer im Wege der Einziehung und des Verfalls auf das Vermögen solcher Täter Zugriff genommen werden kann, derartige Täter aber häufig gerade Geldstrafen gegenüber besonders empfindlich sind“.4

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Die Anwendung des § 41 S. 1 StGB setzt voraus, dass der Täter sich durch die Tat bereichert hat, dass er sich also vorsätzlich einen Vermögensvorteil, welcher auch mittelbar sein kann,5 verschafft hat.6 Dabei genügt es, dass der Täter eine Vermögensminderung verhindert. Das ist bspw. auch durch eine Urkundenfälschung möglich, die der Verschleierung einer Steuerhinterziehung und damit dem Erhalt des daraus resultierenden Vermögensvorteils dient.7 Auch der Versuch einer Bereicherung reicht aus.

3

Weiter wird vorausgesetzt, dass die kumulative Geldstrafe auch unter Berücksichtigung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Täters angebracht ist. Nach Auffassung des 5. Strafsenats des BGH soll eine Anwendung von § 41 StGB nur dann angebracht sein, wenn der Täter über nennenswerte eigene Einkünfte verfügt. Es wird darauf abgestellt, dass sich allein in diesen Fällen der Strafzweck einer zusätzlichen Vermögenseinbuße erreichen ließe. Anderenfalls liefe die Verhängung einer gesondert festgesetzten Geldstrafe darauf hinaus, dass diese entweder durch Dritte beglichen oder im Wege der Ersatzfreiheitsstrafe vollstreckt werde.8 Sofern eine Begleichung der Geldstrafe aber sichergestellt ist, kann auch ein geringes Einkommen der Verhängung einer zusätzlichen Geldstrafe nicht entgegenstehen. So dürfte § 41 StGB auch ohne nennenswerte Einkünfte anwendbar sein, wenn der Verteidiger zusichert, dass der Angeklagte bereits Geld zur Begleichung der Geldstrafe auf ein Anderkonto eingezahlt hat.9 Dass zum Zeitpunkt der Entscheidung weder ein Einkommen noch Vermögen vorliegen muss, stellte der BGH bereits in einer Entscheidung v. 28.4.1976 fest.10 Sofern der Angeklagte über keinerlei Einkünfte verfüge, stehe das der Verhängung einer zusätzlichen Geldstrafe nicht zwangsläufig entgegen. Es könne in Einzelfällen ausreichen, dass der Angeklagte „einkommensstark“ sei, mithin zu erwarten sei, dass dieser in nicht ferner Zukunft ein Einkommen mit Sicherheit zu erwarten hat.11 Zuletzt sah auch der 5. Strafsenat in der Verhängung einer zusätzlichen Geldstrafe bei einer Tagessatzhöhe von 50 Euro keinen Rechtsfehler, obwohl der Angeklagte sogar eine eidesstattliche Versicherung abgegeben hatte.12 Der Angeklagte verfüge weiterhin über laufende Einnahmen, und die ihm bewilligten Raten ermöglichten ihm eine Tilgung der Geldstrafe unter Beachtung der Pfändungsfreigrenzen.13

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13

Vert. Horn, JR 1984, 211 und Peglau, wistra 2009, 124. So Niemeyer in M-G, § 21 Rz. 9. BGBl. I 1969, 717. Zweiter Schriftlicher Bericht des Sonderausschusses für die Strafrechtsreform zum Entwurf eines StGB, BT-Drucks. V/4095, 21 f. BGH v. 24.8.1983 – 3 StR 89/83, BGHSt 32, 60, 64; LG Köln v. 23.3.2010 – 109 - 11/05, juris. Fischer, StGB, § 41 Rz. 4. BGH v. 26.11.2015 – 1 StR 389/15, StV 2016, 556 f. BGH v. 27.9.2002 – 5 StR 97/02, wistra 2003, 20, 22; vgl. auch BGH v. 24.7.2014 – 3 StR 176/14, StV 2015, 171 f.; so auch Raum in W/J, 4. Kap. Rz. 210. So LG München I v. 28.4.2008 – 2 KLs 318 Js 31545/06, BeckRS 2009, 16484 unter Bezugnahme auf die Entscheidung des BGH v. 27.9.2002 – 5 StR 97/02, wistra 2003, 20, 22. Vgl. BGH v. 28.4.1976 – 3 StR 8/76, BGHSt 26, 325, 328 f. BGH v. 28.4.1976 – 3 StR 8/76, BGHSt 26, 325, 328 f.; vgl. auch BGH v. 18.8.1992 – 4 StR 306/92, wistra 1992, 340, wonach die Verhängung einer zusätzlichen Geldstrafe gegen die einkommenslose Angeklagte unter besonderen, näher darzulegenden Umständen in Betracht komme. BGH v. 13.3.2012 – 5 StR 411/11, wistra 2012, 232. BGH v. 13.3.2012 – 5 StR 411/11, wistra 2012, 232, 233.

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B. Gercke

§§ 42, 43 StGB

Nunmehr hat der 1. Strafsenat entschieden, dass eine insbesondere an den Einkommens- und Vermögensverhält- 4 nissen des Angeklagten ausgerichtete Auslegung des Merkmals „angebracht“ in 41 StGB mit dem verfassungsrechtlichen Schuldgrundsatz und dem in § 40 StGB zum Ausdruck kommenden Grundgedanken des einkommensunabhängigen Strafens nur schwer vereinbar sei. Die nach § 41 StGB zusätzlich verhängte Geldstrafe sei keine konfiskatorische Maßnahme. Sie sei vielmehr eine „kombinierte Übelzufügung“, wobei sich die im Entzug von Geld zu bestimmende Sanktion nach den Einkünften des Angeklagten richte. Das Gericht führt weiter aus, dass es der Schuldgrundsatz gebiete, bei der Verhängung von Geldstrafe neben einer Freiheitsstrafe das Gesamtstrafübel innerhalb des durch das Maß der Einzeltatschuld eröffneten Rahmens festzulegen. Deshalb müsse die zusätzliche Geldstrafe bei der Bemessung der Freiheitsstrafe strafmildernd berücksichtigt werden. Sofern geringes oder fehlendes Einkommen bzw. Vermögen als Differenzierungskriterium dafür herangezogen werden dürfte, ob einem Angeklagten überhaupt die Wohltat einer kumulativen Geldstrafe zuteil werde, könne dies mit den soeben genannten Grundsätzen in Widerspruch geraten.1 Es ist nicht erforderlich, dass die Kumulation von Geld- und Freiheitsstrafe zu einer Strafaussetzung zur Bewäh- 5 rung führt – auch wenn diese Situation oftmals Anlass für die Anwendung von § 41 StGB ist. Vielmehr darf der Tatrichter Freiheitsstrafe und Geldstrafe so miteinander verbinden, dass die Freiheitsstrafe und die Geldstrafe zusammen das Maß des Schuldangemessenen erreichen.2 Dabei erlaubt § 41 StGB nur eine Mischung beider Strafarten innerhalb des Höchstrahmens der Freiheitsstrafe, führt also nicht zu einer Strafrahmenerweiterung.3 Die Bemessung einer zusätzlichen Geldstrafe hat nach den Grundsätzen des § 40 StGB sowie den allgemeinen Strafzumessungsregeln zu erfolgen.4 Mit der gesonderten Geldstrafe handelt es sich um keine konfiskatorische Maßnahme.5 So darf die zusätzliche Geldstrafe nach dem Wegfall der Vermögensstrafe nicht als „Vermögensstrafe in anderem Gewand“ zugemessen werden.6 Nachdem das BVerfG im Jahr 2002 entschieden hat, dass § 43a StGB mit Art. 103 Abs. 2 GG unvereinbar und nichtig ist, hat auch § 41 S. 2 StGB keine Bedeutung mehr.7

§ 42 Zahlungserleichterungen Ist dem Verurteilten nach seinen persönlichen oder wirtschaftlichen Verhältnissen nicht zuzumuten, die Geldstrafe sofort zu zahlen, so bewilligt ihm das Gericht eine Zahlungsfrist oder gestattet ihm, die Strafe in bestimmten Teilbeträgen zu zahlen. Das Gericht kann dabei anordnen, daß die Vergünstigung, die Geldstrafe in bestimmten Teilbeträgen zu zahlen, entfällt, wenn der Verurteilte einen Teilbetrag nicht rechtzeitig zahlt. Das Gericht soll Zahlungserleichterungen auch gewähren, wenn ohne die Bewilligung die Wiedergutmachung des durch die Straftat verursachten Schadens durch den Verurteilten erheblich gefährdet wäre; dabei kann dem Verurteilten der Nachweis der Wiedergutmachung auferlegt werden. Vgl. hierzu die Kommentierung zu § 40 StGB Rz. 3.

§ 43 Ersatzfreiheitsstrafe An die Stelle einer uneinbringlichen Geldstrafe tritt Freiheitsstrafe. Einem Tagessatz entspricht ein Tag Freiheitsstrafe. Das Mindestmaß der Ersatzfreiheitsstrafe ist ein Tag. S. hierzu die Kommentierung zu § 40 StGB Rz. 3.

§§ 43a–45b

(vom Abdruck wird abgesehen)

1 BGH v. 26.11.2015 – 1 StR 389/15, StV 2016, 556, 557. 2 BGH v. 20.4.1999 – 5 StR 604/98, StV 1999, 424. 3 So die h.M., vgl. zuletzt BGH v. 24.7.2014 – 3 StR 176/14, StV 2015, 171; s. auch Fischer, StGB, § 41 Rz. 7; Wolters in SKStGB, § 41 Rz. 2, 3; Radtke in MüKo-StGB, § 41 Rz. 35; a.A. Häger in LK-StGB, § 41 Rz. 19. 4 BGH v. 17.12.2003 – 2 StR 341/03, NStZ-RR 2004, 167. 5 BGH v. 15.11.2002 – 2 StR 302/02, NStZ 2003, 198. 6 BGH v. 17.12.2003 – 2 StR 341/03, NStZ-RR 2004, 167. 7 BVerfG v. 20.3.2002 – 2 BvR 794/95, BVerfGE 105, 135 ff.; s.a. BGBl. I 2002, 1340.

B. Gercke

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StGB

Zahlungserleichterungen; Ersatzfreiheitsstrafe

StGB

§ 46 StGB

Strafgesetzbuch

Zweiter Titel. Strafbemessung

§ 46 Grundsätze der Strafzumessung (1) Die Schuld des Täters ist Grundlage für die Zumessung der Strafe. Die Wirkungen, die von der Strafe für das künftige Leben des Täters in der Gesellschaft zu erwarten sind, sind zu berücksichtigen. (2) Bei der Zumessung wägt das Gericht die Umstände, die für und gegen den Täter sprechen, gegeneinander ab. Dabei kommen namentlich in Betracht: die Beweggründe und die Ziele des Täters, besonders auch rassistische, fremdenfeindliche oder sonstige menschenverachtende, die Gesinnung, die aus der Tat spricht, und der bei der Tat aufgewendete Wille, das Maß der Pflichtwidrigkeit, die Art der Ausführung und die verschuldeten Auswirkungen der Tat, das Vorleben des Täters, seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowie sein Verhalten nach der Tat, besonders sein Bemühen, den Schaden wiedergutzumachen, sowie das Bemühen des Täters, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen. (3) Umstände, die schon Merkmale des gesetzlichen Tatbestandes sind, dürfen nicht berücksichtigt werden. A. I. II. III. IV. V. B. I. II. III. IV. C. I. II.

Grundsätzliches Inhalt der Vorschrift . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Schuld (Absatz 1 S. 1) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Spezialprävention (Absatz 1 S. 2) . . . . . . . . . . . . . Generalprävention . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Spielraumtheorie des BGH . . . . . . . . . . . . . . . . . Ermittlung des gesetzlichen Strafrahmens Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Minder schwere und besonders schwere Fälle . . . . Milderung nach § 49 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusammentreffen von Milderungsgründen . . . . . . Bestimmung des Schuldrahmens Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Strafzumessungstatsachen nach Absatz 2 S. 2 . . . . 1. Beweggründe und Ziele des Täters . . . . . . . . . . 2. Die aus der Tat sprechende Gesinnung und der bei der Tat aufgewendete Wille . . . . . . . . . . . . .

1 2 3 4 5

3. 4. 5. 6.

III.

7 9 11 13 14 15 16 17

IV. V. D. I. II. III.

Maß der Pflichtwidrigkeit . . . . . . . . . . Art der Tatausführung . . . . . . . . . . . . Verschuldete Auswirkungen der Tat . . . Vorleben des Täters, seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse. . . . . 7. Nachtatverhalten . . . . . . . . . . . . . . . . Weitere Strafzumessungstatsachen . . . . . . 1. Lange Verfahrensdauer . . . . . . . . . . . . 2. Rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Opfermitverantwortung . . . . . . . . . . . 4. Außerstrafrechtliche Nebenfolgen . . . . Doppelverwertungsverbot (Absatz 3) . . . . Exkurs: Absprachen über das Strafmaß . . Festsetzung der Strafe Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Spezialprävention . . . . . . . . . . . . . . . . . . Generalprävention . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Literatur: Bellinghausen, Nebenfolgen eines Strafverfahrens, ZWH 2013, 395; Bilsdorfer, Klarere Strafzumessungsregeln bei Steuerhinterziehung, NJW 2009, 476; Brauns, Zur Anwendbarkeit des § 46a StGB im Steuerstrafrecht, wistra 1996, 214; Bruns, Strafzumessungsrecht, 2. Aufl. 1974; Detter, Zum Strafzumessungsrecht, NStZ 2016, 391; Dölling, Über die Höhenbemessung bei der Freiheits- und Jugendstrafe, FS Schreiber, 2003, S. 55; Dreher, Über die gerechte Strafe, 1947; El-Ghazi, Der Anwendungsbereich des Doppelverwertungsverbotes, JZ 2014, 180; Frisch, Über die „Bewertungsrichtung“ von Strafzumessungstatsachen – Ein Beitrag zur Problematik komparativer Aussagen im Strafrecht, GA 1989, 338; Gaede, Vollstreckungslösung bei überlanger Verfahrensdauer, JZ 2008, 422; Gercke, Außerstrafrechtliche Nebenfolgen in Wirtschaftsstrafverfahren, wistra 2012, 291; Hassemer/Lüderssen/Naucke, Hauptprobleme der Generalprävention, 1979; Höll, Strafzumessung im Steuerstrafrecht – Rechnen statt Abwägen?, PStR 2012, 251; Ignor/Bertheau, Die so genannte Vollstreckungslösung des Großen Senats für Strafsachen – wirklich eine Lösung?, NJW 2008, 2209; Joecks, Zur Frage der Berechnung der nach § 266a StGB vorenthaltenen Sozialversicherungsbeiträge in Fällen illegaler Beschäftigungsverhältnisse, JZ 2009, 531; Kretschmer, Nichtstrafrechtliche Sanktionen bei wirtschaftskriminellem Handeln, ZWH 2013, 481; Matschke, Strafzumessung im Steuerstrafrecht, wistra 2012, 457; Röth, Nebenfolgen strafrechtlicher Verurteilung, StraFo 2012, 354; Rolletschke/Jope, Die Grundsatzentscheidung des BGH zur Strafhöhe bei Steuerhinterziehung, wistra 2009, 219; Roxin, Prävention, Tadel und Verantwortung, Zur neuesten Strafzweckdiskussion, GA 2015, 185; Rübenstahl, Kenntnis der Finanzbehörden von Falschdeklaration vor Festsetzung wirkt nicht strafmildernd?, PStR 2013, 124; Skauradszu, Strafzumessung bei der Insolvenzverschleppung, wistra 2014, 41; Spendel, Zur Lehre vom Strafmaß, 1954; Streng, Die Strafzumessungsbegründungen und ihre Orientierungspunkte – Ein Beitrag zur Idee und Praxis vergleichender Strafzumessung –, NStZ 1989, 393; Stuckenberg, Strafschärfende Verwertung früherer Einstellungen und Freisprüche – doch ein Verstoß gegen die Unschuldsvermutung?, StV 2007, 655; Talaska, Steuerhinterziehung großen Ausmaßes – Verschärfungen durch die Vereinheitlichung der Indizschwelle durch den BGH, DB 2016, 673; von Weber, Die richterliche Strafzumessung, 1956; Ziegert, Die überlange Verfahrensdauer, Strafzumessungs- vs. Strafvollstreckungslösung, StraFo 2008, 321; Zipf, Die Strafzumessung, 1977.

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B. Gercke

Rz. 3 § 46 StGB

A. Grundsätzliches I. Inhalt der Vorschrift Die Vorschrift konkretisiert die Grundsätze der Strafzumessung,1 ohne aber den Meinungsstreit über Sinn und 1 Zweck der Strafe abschließend zu klären.2 In Abs. 1 S. 1 werden der Schuld- und Sühnegedanke und in Satz 2 mit den „Wirkungen, die von der Strafe für das künftige Leben des Täters in der Gesellschaft zu erwarten sind“, die Spezialprävention angesprochen.3 Nach Abs. 2 S. 1 ist das Gericht verpflichtet, bei der Strafzumessung die für und gegen den Täter sprechenden Umstände (sog. Strafzumessungstatsachen) gegeneinander abzuwägen; dabei werden in Abs. 2 S. 2 verschiedene Umstände beispielhaft aufgezählt.4 Schließlich dürfen nach dem in Absatz 3 geregelten Doppelverwertungsverbot bestimmte Umstände nicht bei der Strafzumessung berücksichtigt werden.5 Die Grundsätze des § 46 StGB, welche durch §§ 46a, 46b, 47, 49, 50 und 51 StGB ergänzt werden,6 gelten in Wirtschaftsstrafsachen genauso wie bei jeder anderen Straftat.7 Oftmals wird hier jedoch die Schadenshöhe von besonderer Bedeutung sein (hierzu Rz. 20).

II. Schuld (Absatz 1 S. 1) Nach der sog. Grundlagenformel8 in § 46 Abs. 1 S. 1 StGB ist „die Schuld des Täters […] die Grundlage für die 2 Zumessung der Strafe“. Demnach dient die Strafe in erster Linie dem Schuldausgleich, ist also Sühne und Vergeltung für das begangene Unrecht.9 Die Strafzumessungsschuld setzt sich aus zwei Komponenten zusammen: der Erfolgskomponente, die das Maß des verschuldeten Unrechts erfasst („Erfolgsunwert“), und der Handlungskomponente, welche das Maß der Vorwerfbarkeit des Täterhandelns betrifft („Handlungsunwert“).10 So heißt es auch in der Rspr. des BGH: „Grundlagen der Strafzumessung sind die Schwere der Tat in ihrer Bedeutung für die verletzte Rechtsordnung und der Grad der persönlichen Schuld des Täters.“11 Erfolgs- und Handlungsunwert werden immer in Bezug auf eine konkrete Tatbestandsverwirklichung geprüft; aus diesem Grund spricht man auch von Tatschuld.12 Nach Auffassung des BGH und der h.L. sind im Rahmen der Strafzumessung unter Schuldgesichtspunkten aber auch die Folgen der Tat sowie das Vor- und Nachtatverhalten in Grenzen zu berücksichtigen.13 Schuld und Prävention (dazu nachfolgend Rz. 3 f.) können bei der Strafzumessung gegenläufige Wirkung haben.14 Dabei muss der Vorrang der Schuld jedoch gewahrt bleiben, so dass keinesfalls aus präventiven Gründen eine nicht mehr schuldangemessene Strafe verhängt werden darf.15 Absprachen über das Maß der Schuld sind nach § 257c Abs. 2 StPO unzulässig.16

III. Spezialprävention (Absatz 1 S. 2) Neben der Schuld ist nach Abs. 1 S. 2 die Spezialprävention, also die Resozialisierung des Täters von zentraler 3 Bedeutung für die Strafzumessung.17 „Dem Gefangenen sollen Fähigkeit und Willen zu verantwortlicher Le1 Zur Strafzumessung im Ganzen vgl. insb. Schäfer/Sander/van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung; s.a. die älteren, aber heute noch bedeutsamen Werke von Dreher, Spendel, v. Weber, Bruns und Zipf, a.a.O.; zur Auswertung der neuen Entscheidungen des BGH zum Strafzumessungsrecht vgl. Detter, NStZ 2016, 391. 2 Lackner/Kühl, § 46 StGB Rz. 1; vgl. zum Sinn und Zweck des staatlichen Strafens die Grundsatzentscheidung des BVerfG v. 21.6.1977 – 1 BvL 14/76, BVerfGE 45, 187 ff. zur Verfassungsmäßigkeit der lebenslangen Freiheitsstrafe bei Mord; s.a. zu den verschiedenen Straftheorien die ausf. Darstellung bei Lackner/Kühl, § 46 StGB Rz. 1 ff.; „Das geltende Strafrecht und die Rspr. […] folgen weitgehend der sog. Vereinigungstheorie, die – allerdings mit verschieden gesetzten Schwerpunkten – versucht, sämtliche Strafzwecke in ein ausgewogenes Verhältnis zueinander zu bringen“, BVerfGE 45, 187, 253. 3 Theune in LK-StGB, § 46 Rz. 1; zur neuesten Strafzweckdiskussion vgl. Roxin, GA 2015, 185. 4 Die Worte „sowie das Bemühen des Täters, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen“ wurden erst durch Art. 3 OpferschutzG v. 18.12.1986 (BGBl. I 1986, 2496, 2499) eingefügt. Zuvor entsprach § 46 StGB wörtlich dem § 13 StGB a.F.; ausf. hierzu Theune in LK-StGB, § 46 (Entstehungsgeschichte). 5 Theune in LK-StGB, § 46 Rz. 1. 6 Diese Vorschriften werden näher unter Rz. 12 (§ 46a und § 46b StGB), Rz. 11 (§ 49 StGB) und Rz. 13 (§ 50 StGB) erläutert. Auf eine Einzelkommentierung der genannten Regelungen wird aufgrund des engen Zusammenhangs mit § 46 StGB verzichtet. 7 So Dannecker/Ganter in G/J/W, § 46 StGB Rz. 4; zur Strafzumessung bei der Insolvenzverschleppung vgl. Skauradzun, wistra 2014, 41. 8 Schäfer/Sander/van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung, Rz. 574. 9 Niemeyer in M-G, § 21 Rz. 10; zu den Begriffen „Sühne“ und „Vergeltung“, die durch die Idee des angemessenen Schuldausgleichs abgelöst wurden, vgl. Eschelbach in S/S/W-StGB, § 46 Rz. 20. 10 S. hierzu Schäfer/Sander/van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung, Rz. 574 ff., insb. 577. 11 BGH v. 4.8.1965 – 2 StR 282/65, BGHSt 20, 264, 266. 12 Schäfer/Sander/van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung, Rz. 583. 13 Vgl. Schäfer/Sander/van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung, Rz. 585. 14 BGH v. 6.3.1991 – 2 StR 632/90, BGHR StGB § 46 Abs. 1 Spezialprävention 2 (Gründe). 15 Vgl. BGH v. 6.3.1991 – 2 StR 632/90, BGHR StGB § 46 Abs. 1 Spezialprävention 2 (Gründe); Fischer, StGB, § 46 Rz. 5; vgl. auch Dölling in FS Schreiber, S. 55, 58 ff. 16 Vert. zu den Absprachen über das Strafmaß Fischer, StGB, § 49 Rz. 109 ff. 17 Fischer, StGB, § 46 Rz. 7; Niemeyer in M-G, § 21 Rz. 11.

B. Gercke

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StGB

Grundsätze der Strafzumessung

StGB

§ 46 StGB Rz. 4

Strafgesetzbuch

bensführung vermittelt werden, er soll es lernen, sich unter den Bedingungen einer freien Gesellschaft ohne Rechtsbruch zu behaupten, ihre Chancen wahrzunehmen und ihre Risiken zu bestehen.“1 Dem Täter soll also durch die verhängte Strafe im Rahmen des Schuldausgleichs die konstruktive Verarbeitung des Strafübels ermöglicht werden.2 Letztlich geht es um die „Besserung“ des Täters mit dem Ziel der Prävention.3 Damit die Strafe nicht zu einer Entsozialisierung des Täters führt4 bzw. nicht von vornherein einer Sozialisierung entgegenwirkt,5 sind nach Abs. 1 S. 2 die Wirkungen der Strafe für das künftige Leben des Täters in der Gesellschaft zu berücksichtigen. Hiermit sind die Auswirkungen der Strafe im weiten Sinn gemeint, also z.B. die Wechselwirkungen von Haupt- und Nebenstrafen,6 von Strafen und Maßregeln und sonstigen Maßnahmen (s. dazu im Einzelnen unten Rz. 40).7

IV. Generalprävention 4

Auch wenn der Strafzweck der Generalprävention in § 46 Abs. 1 StGB nicht ausdrücklich genannt wird, ist doch der Schutz der Allgemeinheit durch Abschreckung des Täters und anderer potentieller Rechtsbrecher ein allgemein verfolgtes Ziel staatlichen Strafens (negative Generalprävention).8 Darüber hinaus soll das Vertrauen der Bevölkerung in die Aufrechterhaltung der Rechtsordnung und damit zugleich die „Rechtstreue“ der Bürger gestärkt werden (positive Generalprävention).9 Dass die Verteidigung der Rechtsordnung ein wesentlicher Gesichtspunkt der Strafe ist, ergibt sich auch aus §§ 47 Abs. 1, 56 Abs. 3, 59 Abs. 1 Nr. 3 StGB.10 Zu beachten ist allerdings, dass der Strafzweck der Generalprävention nur innerhalb des Spielraums der schuldangemessenen Strafe berücksichtigt werden kann (vgl. dazu noch unten Rz. 42).11 Zudem kommen generalpräventive Erwägungen für eine Straferhöhung nur in Betracht, wenn sie über die bereits vom Gesetzgeber berücksichtigte allgemeine Abschreckungswirkung des Strafrahmens hinausgehen.12 Das setzt voraus, dass die Gefahr der Nachahmung besteht oder bereits eine gemeingefährliche Zunahme solcher oder ähnlicher Straftaten festgestellt worden ist (s. unten Rz. 42).13 Seit den 1980er Jahren hat die Rspr. den Gedanken der Abschreckungsprävention wieder stärker in den Vordergrund gestellt, so auch bei Delikten der Wirtschaftskriminalität.14

V. Spielraumtheorie des BGH 5

Es ist seit langem umstritten, in welchem Verhältnis die drei Strafzwecke – Schuldausgleich, Spezialprävention und Generalprävention – zueinander stehen.15 Die Rspr. versucht, der „Antinomie der Strafzwecke“ mit Hilfe der sog. Spielraumtheorie gerecht zu werden.16 Danach entspricht dem Maß der Schuld, welches der Täter verwirkt hat, auf der Rechtsfolgenseite nicht – wie von der sog. Theorie der Punktstrafe17 vertreten – eine bestimmte Strafe, sondern ein Spielraum,18 innerhalb dessen eine Strafe noch als schuldangemessen anzuerkennen ist.19 Innerhalb dieses Spielraums ist dann unter Berücksichtigung der vorgenannten Strafzwecke die zu verhängende Strafe festzusetzen.

6

Im Einzelnen sind bei der Strafzumessung nach der Spielraumtheorie des BGH die folgenden Schritte zu beachten:20 1 BVerfG v. 5.6.1973 – 1 BvR 536/72 – Lebach, BVerfGE 35, 202, 235; s.a. BGH v. 8.12.1970 – 1 StR 353/70, BGHSt 24, 40, 42 f. 2 Fischer, StGB, § 46 Rz. 3; BVerfG v. 21.6.1977 – 1 BvL 14/76 – lebenslange Freiheitsstrafe, BVerfGE 45, 187, 259. 3 So Fischer, StGB, § 46 Rz. 3. 4 BGH v. 23.7.1991 – 5 StR 298/91, StV 1991, 513. 5 BGH v. 5.12.2002 – 3 StR 297/02, StV 2003, 222. 6 Vgl. BGH v. 12.7.1979 – 4 StR 210/79, BGHSt 29, 58, 60 f. 7 Fischer, StGB, § 46 Rz. 7. 8 Vgl. BGH v. 28.2.1979 – 3 StR 24/79, BGHSt 28, 318, 326; BGH v. 11.8.1982 – 2 StR 438/82, wistra 1982, 225; Niemeyer in M-G, § 21 Rz. 11; s.a. BVerfG v. 21.6.1977 – 1 BvL 14/76, BVerfGE 45, 187, 255. 9 Vgl. BGH v. 6.5.1954 – 3 StR 162/54, BGHSt 6, 125, 127; BGH v. 8.12.1970 – 1 StR 353/70, BGHSt 24, 40, 44; s.a. BVerfG v. 21.6.1977 – 1 BvL 14/76, BVerfGE 45, 187, 256; vert. zur Generalprävention Hassemer/Lüderssen/Naucke, a.a.O. 10 Fischer, StGB, § 46 Rz. 10. 11 BGH v. 28.2.1979 – 3 StR 24/79, BGHSt 28, 318, 326; s.a. Fischer, StGB, § 46 Rz. 11 m.w.N. 12 So Fischer, StGB, § 46 Rz. 11. 13 Vgl. BGH v. 11.8.1982 – 2 StR 438/82, wistra 1982, 225; OLG Celle v. 22.1.1993 – 3 Ss 121/92, StV 1993, 195; vert. Schäfer/Sander/van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung, Rz. 839 ff. 14 Fischer, StGB, § 46 Rz. 12 m.w.N. 15 So Niemeyer in M-G, § 21 Rz. 12; vgl. auch Fn. 1. 16 Lackner/Kühl, § 46 StGB Rz. 3, 24; vgl. zu anderen Strafzumessungstheorien die Darstellung bei Eschelbach in S/S/WStGB, § 46 Rz. 40 ff. 17 Abl. BGH v. 13.9.1976 – 3 StR 313/76, BGHSt 27, 2, 3. 18 Vgl. Niemeyer in M-G, § 21 Rz. 12; zur Spielraumtheorie s. z.B. BGH v. 10.11.1954 – 5 StR 476/54, BGHSt 7, 28, 32 und BGH v. 17.9.1980 – 2 StR 355/80, BGHSt 29, 319, 320. 19 BGH v. 4.8.1965 – 2 StR 282/65, BGHSt 20, 264, 267. 20 Ausf. hierzu Schäfer/Sander/van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung, Rz. 882; vgl. auch v. Heintschel-Heinegg in BeckOK-StGB, § 46 Rz. 3 ff.

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B. Gercke

Rz. 9 § 46 StGB

(1) Zunächst ist der gesetzliche Strafrahmen zu ermitteln, der die Strafe nach oben und unten begrenzt (vgl. hierzu Rz. 7 ff.). (2) Sodann wird innerhalb des gesetzlichen Strafrahmens nach dem Maß der Schuld ein engerer Spielraum bzw. Schuldrahmen bestimmt, innerhalb dessen mehrere Strafen als schuldangemessen erscheinen (vgl. Rz. 14 ff.). (3) Zuletzt muss innerhalb dieses Schuldrahmens unter Berücksichtigung generalpräventiver und spezialpräventiver Gesichtspunkte die endgültige Strafe festgesetzt werden (vgl. Rz. 38 ff.).

B. Ermittlung des gesetzlichen Strafrahmens I. Allgemeines Zunächst ist der gesetzliche Strafrahmen zu ermitteln, welcher „einen verbindlichen Eindruck des Unwertgehalts 7 [vermittelt], den der Gesetzgeber mit einem unter Strafe gestellten Verhalten verbunden hat“.1 Der gesetzliche Strafrahmen gibt dem Richter also „eine normative Orientierung“; darüber hinaus definiert er „den abgegrenzten Bereich, aus dem [der Richter] mit Blick auf die konkrete Tat und den in ihr zum Ausdruck gekommenen individuellen Unrechts- und Schuldgehalt unter Berücksichtigung der allgemeinen Strafzumessungskriterien nach § 46 StGB die konkrete Strafe entnehmen kann“.2 Die Höchststrafe darf innerhalb des gesetzlichen Strafrahmens nur bei denkbar schwerster Schuld verhängt werden; die Mindeststrafe kommt nur in Betracht, wenn die Schuld an der unteren Grenze der praktisch vorkommenden Fälle liegt.3 Innerhalb des Strafrahmens gibt es keinen „normativen Normalfall“;4 das rechnerische Mittel des Strafrahmens kann nicht mit dem statistischen Regelfall gleichgesetzt werden, weil der Durchschnitt der praktisch vorkommenden Fälle in seiner Schuldschwere unterhalb des rechnerischen Mittelwerts liegt.5 Daraus folgt, dass die Verhängung einer Strafe in der Mitte des Strafrahmens rechtsfehlerhaft ist, wenn keine Strafschärfungsgründe gegeben sind.6 Der Normalstrafrahmen ergibt sich zunächst aus der jeweiligen Vorschrift des BT des StGB.7 Zudem sind zahlrei- 8 che Strafrahmenverschiebungen zu berücksichtigen, die sich insbesondere bei minder schweren (z.B. § 263 Abs. 5 StGB) und besonders schweren Fällen (z.B. § 263 Abs. 3 StGB) sowie bei besonderen gesetzlichen Milderungsgründen (§ 49 Abs. 1 StGB; hierzu zählen §§ 13 Abs. 2, 21, 23 Abs. 2, 27 Abs. 2 S. 2, 28 Abs. 1, 46a StGB) ergeben. Beim Zusammentreffen von Milderungsgründen ist schließlich noch § 50 StGB zu beachten.

II. Minder schwere und besonders schwere Fälle „Nach st. Rspr. des BGH erfordert die Entscheidung, ob ein minder schwerer Fall oder ein besonders schwerer Fall 9 vorliegt […], eine Gesamtbetrachtung aller für die Strafzumessung wesentlichen Umstände.“8 Von einem minder schweren Fall ist auszugehen, wenn „das gesamte Tatbild einschließlich aller subjektiven Momente und der Täterpersönlichkeit vom Durchschnitt der erfahrungsgemäß gewöhnlich vorkommenden Fälle in einem Maße abweicht, dass die Anwendung des Ausnahmestrafrahmens geboten erscheint“.9 Gleiches gilt für die besonders schweren Fälle,10 die im Gesetz zumeist als Regelbeispiele ausgestaltet sind.11 Wird bspw. durch einen Betrug ein Vermögensverlust großen Ausmaßes verursacht, so besteht nach § 263 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 StGB eine gesetzliche Vermutung dafür, dass diese Tat als besonders schwerer Fall einzustufen ist.12 Das gilt nach § 370 Abs. 3 S. 2 Nr. 1 StGB auch bei der Steuerhinterziehung.13 Es bedarf keiner zusätzlichen Prüfung, ob die Anwendung eines erhöhten Strafrahmens im Vergleich zu den im Durchschnitt der erfahrungsgemäß vorkommenden Fälle geboten erscheint.14 In Ausnahmefällen kann die Regelwirkung jedoch durch andere Umstände entfallen. Dann muss im Urteil erörtert werden, warum es trotzdem bei der Anwendung des erhöhten Strafrahmens verbleibt oder der Normalstrafrahmen zugrunde gelegt wird.15

1 BVerfGE v. 20.3.2002 – 2 BvR 794/95, BVerfGE 105, 135, 164, s.a. BVerfG v. 26.2.1969 – 2 BvL 15/68, 2 BvL 23/68, BVerfGE 25, 269, 286. 2 BVerfGE v. 20.3.2002 – 2 BvR 794/95, BVerfGE 105, 135, 164. 3 Vgl. z.B. BGH v. 13.9.1976 – 3 StR 313/76, BGHSt 27, 2, 4; Fischer, StGB, § 46 Rz. 16. 4 So Fischer, StGB, § 46 Rz. 17; st. Rspr. seit BGH v. 10.4.1987 – GSSt 1/86, BGHSt 34, 345. 5 Vgl. z.B. BGH v. 13.9.1976 – 3 StR 313/76, BGHSt 27, 2, 4; a.A. Frisch, GA 1989, 338 und Streng, NStZ 1989, 393. 6 Zweifelnd hierzu Fischer, StGB, § 46 Rz. 17. 7 Vgl. Ganter in G/J/W, § 46 StGB Rz. 6. 8 BGH v. 1.7.1992 – 5 StR 286/92, BGHR StGB vor § 1/minder schwerer Fall, Gesamtwürdigung, unvollständige 11. 9 BGH v. 20.3.1984 – I StR 96/84, StV 1984, 284, 285. 10 Vgl. nur BGH v. 28.2.1979 – 3 StR 24/79, BGHSt 28, 318, 319; s.a. Schäfer/Sander/van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung, Rz. 1135 f. 11 Niemeyer in M-G, § 21 Rz. 17; ausf. zu den Regelbeispielen Eisele, Die Regelbeispielsmethode im Strafrecht, 2004. 12 BGH v. 31.3.2004 – 2 StR 482/03, wistra 2004, 339, 340. 13 Beispiele nach Niemeyer in M-G, § 21 Rz. 17. 14 Vgl. BGH v. 11.9.2003 – 4 StR 193/03, NStZ 204, 265, 266 und BGH v. 31.3.2004 – 2 StR 482/03, wistra 2004, 339, 340. 15 Niemeyer in M-G, § 21 Rz. 17; Fischer, StGB, § 46 Rz. 91 m.w.N.

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StGB

Grundsätze der Strafzumessung

StGB

§ 46 StGB Rz. 10 10

Strafgesetzbuch

Umgekehrt kann auch unabhängig vom Vorliegen eines Regelbeispiels ein besonders schwerer Fall angenommen werden, wenn dies eine Gesamtbetrachtung aller für die Strafzumessung erheblichen Umstände ergibt.1 Ein solcher unbenannter besonders schwerer Fall kann insbesondere wegen der Schadenshöhe oder der Schwere sonstiger Tatfolgen vorliegen.2

III. Milderung nach § 49 StGB 11

Unter bestimmten Voraussetzungen, die sich aus dem Allgemeinen und dem BT des StGB sowie aus verschiedenen strafrechtlichen Nebengesetzen ergeben, kann oder muss der Täter nach § 49 StGB milder bestraft werden („vertypte Milderungsgründe“).3 Dabei führt § 49 Abs. 1 StGB zu einer Minderung von Ober- und Untergrenze des Normalstrafrahmens und Absatz 2 ausschließlich zu einer Minderung der Untergrenze; es gilt also ein gemilderter Sonderstrafrahmen.4 Daneben kann aber nach Auffassung der Rspr. auch ein minder schwerer Fall angenommen oder ein besonders schwerer Fall abgelehnt werden, womit erhebliche Schwierigkeiten verbunden sind (vgl. Rz. 9).5 Insbesondere bei der tätigen Reue (z.B. § 306e und § 320 StGB) verweist der BT auf § 49 Abs. 2 StGB.6 Auf § 49 Abs. 1 StGB wird überwiegend durch Vorschriften des AT verwiesen. Im Einzelnen führen die §§ 27, 28, 30 und 35 Abs. 2 StGB zu einer obligatorischen Strafrahmenverschiebung, während die §§ 13, 17, 21, 23, 35 Abs. 1, 46a und 46b StGB nur fakultativ anzuwenden sind.7 In den Fällen fakultativer Anwendung liegt die Entscheidung, ob die Strafe im Einzelfall zu mildern ist, im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts.8 Dabei darf die Prüfung nicht auf solche Umstände beschränkt werden, die sich aus dem Milderungsgrund selbst ergeben (wie etwa beim Versuch die Nähe zur Vollendung);9 vielmehr hat der Tatrichter „seine Entscheidung auf Grund einer Gesamtschau der Tatumstände im weitesten Sinne sowie der Persönlichkeit des Täters zu treffen“.10 Doch kommt dabei den Umständen, die sich unmittelbar auf den Milderungsgrund beziehen, besonderes Gewicht zu.11

12

In Wirtschaftsstrafsachen ist als Strafmilderungsgrund auch § 46a StGB immer wieder von Bedeutung.12 Die Vorschrift wurde 1994 in das StGB eingefügt, um dem Täter-Opfer-Ausgleich (Nr. 1) und der Schadenswiedergutmachung (Nr. 2) als Formen freiwilliger Wiedergutmachung mehr Gewicht zu verleihen, als dies nach § 46 Abs. 2 StGB möglich wäre.13 Der BGH geht davon aus, dass sich § 46a Nr. 1 StGB vor allem auf den Ausgleich immaterieller Folgen einer Straftat bezieht,14 so dass eine Anwendung im Bereich des Wirtschaftsstrafrecht zwar grundsätzlich möglich, jedoch fernliegend ist.15 Hingegen kann die Regelung der Nr. 2, welche den eigentlichen Schadensausgleich zum Inhalt hat, eher eine Strafmilderung nach § 49 Abs. 1 StGB herbeiführen.16 Das ist bspw. der Fall, wenn zwischen Täter und Opfer erfolgreiche Vergleichsverhandlungen bezüglich zivilrechtlicher Schadensersatzansprüche erfolgten.17 Dabei setzt § 46a Nr. 2 StGB voraus, „dass der Täter das Opfer ganz oder zum überwiegenden Teil entschädigt und dies erhebliche persönliche Leistungen oder persönlichen Verzicht erfordert“.18 Durch seine Bestrebungen muss der Täter zudem die Übernahme von Verantwortung zum Ausdruck bringen. Es genügt nicht, wenn der Täter allein die Schadensersatzansprüche des Opfers erfüllt.19 „[D]amit die Schadenswiedergutmachung ihre friedenstiftende Wirkung entfalten kann […], [wird] verlangt, dass der Täter einen über die rein rechnerische Kompensation hinausgehenden Beitrag erbringt.“20 Ein Täter-Opfer-Ausgleich nach § 46a Nr. 1 StGB kommt bei Steuerstraftaten, deren geschütztes Rechtsgut allein die Sicherung des staatlichen Steueranspruchs ist, nicht in Betracht.21 Die Frage, ob die Nachzahlung hinterzogener Steuern ein Fall der Schadenswiedergutmachung i.S.v. § 46a Nr. 2 StGB sein kann, hat der BGH offengelassen.22 Bei bestimmten

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Vgl. Niemeyer in M-G, § 21 Rz. 17. Vgl. Fischer, StGB, § 46 Rz. 89 mit weiteren Beispielen. Schäfer/Sander/van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung, Rz. 900. Vgl. Schäfer/Sander/van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung, Rz. 901. So Schäfer/Sander/van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung, Rz. 901. Vgl. Schäfer/Sander/van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung, Rz. 903. Vgl. Schäfer/Sander/van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung, Rz. 902. BVerfG v. 25.10.1978 – 1 BvR 983/78, NJW 1979, 207, 208; BGH v. 2.7.1985 – 1 StR 280/85, NJW 1986, 793. Vgl. Niemeyer in M-G, § 21 Rz. 18. BGH v. 17.11.1961 – 4 StR 292/61, BGHSt 16, 351, 353; BGH v. 4.11.1988 – 1 StR 262/88, BGHSt 36, 1, 18. BGH v. 4.11.1988 – 1 StR 262/88, BGHSt 36, 1, 18. So Niemeyer in M-G, § 21 Rz. 19; a.A. Raum in W/J, 4. Kap. Rz. 211. Vgl. Stree/Kinzig in S/S-StGB, § 46a Rz. 1. Vgl. BGH v. 8.8.2012 – 2 StR 526/11, NStZ 2013, 33, 34. So Raum in W/J, 4. Kap. Rz. 211 unter Hinweis auf BGH v. 8.8.2012 – 2 StR 526/11, NStZ 2013, 33 f. Vgl. Raum in W/J, 4. Kap. Rz. 211. Vgl. BGH v. 17.12.2008 – 1 StR 664/08, wistra 2009, 188. BGH v. 18.11.1999 – 4 StR 435/99, BGHR StGB § 46a Wiedergutmachung 5. Vgl. BGH v. 18.11.1999 – 4 StR 435/99, BGHR StGB § 46a Wiedergutmachung 5. BGH v. 18.11.1999 – 4 StR 435/99, BGHR StGB § 46a Wiedergutmachung 5. Vgl. BGH v. 25.10.2000 – 5 StR 399/00, wistra 2001, 22, 23; s.a. BayObLG v. 28.2.1996 – 4 StRR 33/96 – wistra 1996, 152; Raum in W/J, 4. Kap. Rz. 211; a.A. Brauns, wistra 1996, 214 ff.; Lackner/Kühl, § 46a StGB Rz. 1b. 22 BGH v. 25.10.2000 – 5 StR 399/00, wistra 2001, 22, 23; so auch BayObLG v. 28.2.1996 – 4 StRR 33/96 – wistra 1996, 152; näher hierzu Brauns, wistra 1996, 214 ff.

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B. Gercke

Rz. 15 § 46 StGB

Wirtschaftsdelikten kann auch auf § 46b StGB zurückgegriffen werden.1 Nach dieser Vorschrift kann der Strafrahmen herabgesetzt werden, wenn der Täter bei schweren Straftaten (vgl. § 100a Abs. 2 StPO) Aufklärungshilfe leistet oder durch seine Hinweise eine solche Tat verhindert werden kann (Präventionshilfe).2

IV. Zusammentreffen von Milderungsgründen Zudem ist bei der Strafrahmenwahl das Verbot der Doppelverwertung von Strafzumessungstatsachen nach 13 § 50 StGB zu berücksichtigen. So darf „ein Umstand, der allein oder mit anderen Umständen die Annahme eines minder schweren Falles begründet und der zugleich ein besonderer gesetzlicher Milderungsgrund nach § 49 StGB ist, […] nur einmal berücksichtigt werden“. In den Fällen, in denen das Gesetz bei einer Straftat einen minder schweren Fall vorsieht und im Einzelfall zugleich ein gesetzlicher Milderungsgrund nach § 49 StGB gegeben ist, stehen neben dem Normalstrafrahmen zwei konkurrierende ungleichartige Sonderstrafrahmen zur Verfügung.3 Nach dem Sinn und Zweck des § 50 StGB sollen diese nicht kumulativ zur Anwendung kommen, wenn das Vorliegen der Milderungsgründe auf demselben Umstand beruht.4 Bei der Strafrahmenwahl ist vorrangig zu prüfen, ob ein minder schwerer Fall vorliegt.5 Wird ein solcher durch den Tatrichter bejaht, ist zu prüfen, ob dessen Strafrahmen ohne Verstoß gegen § 50 StGB erneut gemildert werden kann.6 Das ist möglich, wenn bereits allgemeine Milderungsgründe den minder schweren Fall begründen, ohne dass der vertypte Milderungsgrund dafür benötigt wird. Eine zweite Strafrahmenverschiebung nach § 49 Abs. 1 StGB darf jedoch nicht vorgenommen werden, wenn der gesetzlich vertypte Strafmilderungsgrund schon „verbraucht“ ist.7 Im Rahmen einer Gesamtabwägung muss das Gericht dann prüfen, ob es den in § 49 StGB bestimmten Rahmen oder den des minder schweren Falles anwendet;8 bspw. kann sich bei einem versuchten Betrug die Frage stellen, ob der nach §§ 23 Abs. 1, 49 Abs. 1 StGB gemilderte Strafrahmen oder der in § 263 Abs. 5 StGB für den minder schweren Fall vorgesehene Strafrahmen zugrunde zu legen ist.9 Dabei ist zu untersuchen, ob das Schwergewicht der Milderung bei dem vertypten Strafmilderungsgrund nach § 49 StGB oder den sonstigen Umständen liegt, wobei im Zweifel der günstigere Strafrahmen zu wählen ist.10

C. Bestimmung des Schuldrahmens I. Allgemeines Nach der Ermittlung des gesetzlichen Strafrahmens ist ein Schuldrahmen zu bestimmen, innerhalb dessen alle 14 Strafen schuldangemessen sind.11 Aus dem Gesetz ergibt sich nicht, wie die Einordnung der Tat in den Strafrahmen zu erfolgen hat. In § 46 Abs. 2 S. 1 StGB heißt es lediglich, dass das Gericht „bei der Zumessung [der Strafe] die Umstände, die für und gegen den Täter sprechen, gegeneinander ab[wägt]“. Letztlich müssen bei der Bestimmung des Schuldrahmens alle Umstände herangezogen werden, die für den gerechten Schuldausgleich maßgeblich sind, also die Strafzumessungsschuld und die Folgen der Tat, der Strafe und des Verfahrens für den Täter.12

II. Strafzumessungstatsachen nach Absatz 2 S. 2 Zu den für die Strafzumessung maßgeblichen Umständen zählen vor allem die in § 46 Abs. 2 S. 2 StGB beispiel- 15 haft aufgezählten Gesichtspunkte, die sog. Strafzumessungstatsachen.13 Die Beweggründe und Ziele des Täters (Rz. 16), die Gesinnung, die aus der Tat spricht, und der bei der Tat aufgewendete Wille (Rz. 17), das Maß der Pflichtwidrigkeit (Rz. 18) und die Art der Ausführung (Rz. 19) beziehen sich auf das Handlungsunrecht der Tat.14 Mit den verschuldeten Auswirkungen der Tat wird das Erfolgsunrecht (Rz. 20) beschrieben.15 Das Vorleben des Täters, seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse (Rz. 21) sowie sein Verhalten nach der Tat (Rz. 23), besonders sein Bemühen, den Schaden wiedergutzumachen, sowie das Bemühen des Täters, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen, gehören zu dem nicht vom gesetzlichen Straftatbestand erfassten Vor-

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Vgl. Niemeyer in M-G, § 21 Rz. 19, 20. Niemeyer in M-G, § 21 Rz. 20. Eschelbach in S/S/W-StGB, § 50 Rz. 1; BGH v. 8.8.2012 – 2 StR 279/12, NStZ-RR 2013, 7. Vgl. Eschelbach in S/S/W-StGB, § 50 Rz. 1; Kett-Straub in NK-StGB, § 50 Rz. 3; Maier in MüKo-StGB, § 50 Rz. 1. BGH v. 8.8.2012 – 2 StR 279/12, NStZ-RR 2013, 7; BGH v. 26.10.2011 – 2 StR 218/11, NStZ 2012, 271; BGH v. 21.11.2007 – 2 StR 449/07, NStZ-RR 2008, 105. Vgl. Fischer, StGB, § 50 Rz. 3 m.w.N. Vgl. Eschelbach in S/S/W-StGB, § 50 Rz. 13 m.w.N. Fischer, StGB, § 50 Rz. 5. Ausf. zu diesem Beispiel Niemeyer in M-G, § 21 Rz. 21. Fischer, StGB, § 50 Rz. 5; s.a. BGH v. 7.12.1984 – 2 StR 664/84, BGHSt 33, 92, 93. Niemeyer in M-G, § 21 Rz. 23. Schäfer/Sander/van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung, Rz. 1158, 1178, 1184. Fischer, StGB, § 46 Rz. 21; Niemeyer in M-G, § 21 Rz. 24. Vgl. Ganter in G/J/W, § 46 StGB Rz. 18. Vgl. Ganter in G/J/W, § 46 StGB Rz. 18.

B. Gercke

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StGB

Grundsätze der Strafzumessung

StGB

§ 46 StGB Rz. 16

Strafgesetzbuch

und Nachtatverhalten.1 Nicht alle hier genannten Umstände kommen in jedem Fall in Frage.2 Die Formulierung „dabei kommen namentlich in Betracht“ zeigt zudem, dass die hier aufgezählten Strafzumessungsgründe häufig von Bedeutung sind, dass aber auch andere für die Strafzumessung bedeutsame Umstände zu berücksichtigen sind (vgl. Rz. 25 ff.).3 Aus dieser Formulierung ergibt sich zudem, dass der Gesetzgeber das Gewicht und die Bedeutung der einzelnen Strafzumessungsgründe nicht festgelegt hat. Vielmehr wurde dem Gericht die Bewertung überlassen, ob eines der hier genannten Merkmale die Strafe erhöht oder mildert.4 Es ist auch möglich, dass „ein und derselbe Umstand […] sowohl strafschärfende als auch strafmildernde Gesichtspunkte ergeben [kann].5 Das Fehlen strafmildernder Umstände berechtigt nicht, dies zu Lasten des Angeklagten zu berücksichtigen.6 1. Beweggründe und Ziele des Täters 16

Als ersten Strafzumessungsfaktor nennt das Gesetz die Beweggründe und Ziele des Täters.7 Sog. niedrige Beweggründe wie z.B. Gewinnsucht, grober Eigennutz, sittenwidrige Zwecke oder grob egoistische Motive wirken regelmäßig strafschärfend; hingegen sind menschlich verständliche Motive strafmildern zu berücksichtigen.8 Im Wirtschaftsstrafrecht kann bspw. für die Bewertung der Tat von Bedeutung sein, dass der Täter eine Untreue nicht zur persönlichen Bereicherung, sondern zum Erhalt des Betriebes begangen hat.9 Bei einer Steuerhinterziehung kann strafmildernd zu bewerten sein, dass alleiniger Beweggrund des Täters die Rettung des ohne Vorsteuerüberhang nicht finanzierbaren Kaufgeschäfts war, nicht aber darüber hinaus weiteres steuerunehrliches Verhalten verdeckt werden sollte.10 Insgesamt stellt sich bei den Vermögensdelikten die Frage, ob ein Täter grob eigennützig oder aus einer wirtschaftlichen Not oder Zwangslage heraus gehandelt hat. Weiter ist zu prüfen, ob es eine einmalige Tat war oder es dem Täter darauf ankam, auf derartige strafbare Weise seinen Lebensunterhalt zu verdienen oder „das große Geld zu machen“.11 2. Die aus der Tat sprechende Gesinnung und der bei der Tat aufgewendete Wille

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Die aus der Tat sprechende Gesinnung ist als Strafzumessungsgrund im Wirtschaftsstrafrecht von geringer Bedeutung.12 Der bei der Tat aufgewendete Wille bezieht sich insbesondere auf die sog. kriminelle Energie,13 die der Täter bspw. durch besonders sorgfältige Planung, lange Vorbereitung, hartnäckige Verfolgung seiner Ziele oder einen langen Tatzeitraum zum Ausdruck bringen kann.14 So kann z.B. für den Täter strafschärfend ins Gewicht fallen, dass er im Rahmen eines kassenärztlichen Abrechnungsbetruges über mehrere Jahre hinweg jeden Tag Verschleierungshandlungen vorgenommen hat.15 Im Einzelnen gilt: Je größer die Schwierigkeiten waren, die der Täter bei der Begehung der Tat überwinden musste, umso größer ist seine Schuld.16 Wurde dem Täter die Tatausführung durch ein Mitverschulden des Geschädigten besonders leicht gemacht, ist dies strafmildernd zu berücksichtigen.17 Das gilt auch bei mangelnden Kontrollen. Wenn bspw. ein Angestellter über einen langen Zeitraum hinweg ohne nennenswerte Kontrolle mit Firmengeldern umgehen darf und dieser Organisationsmangel Unterschleife erleichtert, so erscheint die Untreue auch bei hohem Schaden und langer Tatdauer in einem milderen Licht.18 Strafmildernd ist auch zu berücksichtigen, wenn der Täter durch andere zur Tat veranlasst wurde19 oder am wirtschaftlichen Erfolg der Straftat nur in geringem Umfang beteiligt war.20

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Vgl. Ganter in G/J/W, § 46 StGB Rz. 18. Theune in LK-StGB, § 46 Rz. 82 mit Hinweis auf BGH bei Dallinger, MDR 1971, 720. Stree/Kinzig in S/S-StGB, § 46 Rz. 10; Theune in LK-StGB, § 46 Rz. 82. Stree/Kinzig in S/S-StGB, § 46 Rz. 10. So BGH v. 20.12.1994 – 1 StR 688/94, NJW 1995, 1038 (Leitsatz) m. Anm. Streng, StV 1995, 411. BGH v. 9.10.2013 – 2 StR 119/13, NStZ-RR 2014, 45. Durch das Gesetz zur Umsetzung von Empfehlungen des NSU-Untersuchungsausschusses des Deutschen Bundestages v. 12.6.2015, BGBl. I, S. 925, wurden nach den Wörtern „Ziele des Täters“ die Wörter „besonders auch rassistische, fremdenfeindliche oder sonstige menschenverachtende“ eingefügt. Vgl. Fischer, StGB, § 46 Rz. 26. Vgl. Ganter in G/J/W, § 46 StGB Rz. 26. BGH v. 9.11.2006 – 5 StR 338/06, NStZ 2007, 116, 117. So Schäfer/Sander/van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung, Rz. 610. Hierzu ausf. Theune in LK-StGB, § 46 Rz. 94 ff. und Schäfer/Sander/van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung, Rz. 614 ff. Krit. zu diesem Begriff Schäfer/Sander/van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung, Rz. 619, welche stattdessen von der „Intensität des Täterwillens“ sprechen. Vgl. Fischer, StGB, § 46 Rz. 30; Stree/Kinzig in S/S-StGB, § 46 StGB Rz. 16. Die Vorsatzform als solche ist nach Schäfer/ Sander/van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung, Rz. 618, allerdings kein taugliches Kriterium für die Bewertung der Strafzumessungsschuld. BGH v. 14.4.1993 – 4 StR 144/93, StV 1993, 520. Vgl. Ganter in G/J/W, § 46 StGB Rz. 28. Niemeyer in M-G, § 21 Rz. 26; s.a. BGH v. 3.5.1983 – 1 StR 25/83, StV 1983, 326 f. Hierzu BGH v. 8.3.1988 – 1 StR 100/88, wistra 1988, 232. BGH v. 8.11.1985 – 2 StR 446/85, NStZ 1986, 162. Vgl. Ganter in G/J/W, § 46 StGB Rz. 28.

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3. Maß der Pflichtwidrigkeit Das Maß der Pflichtwidrigkeit ist als Strafzumessungsgrund hauptsächlich bei den Fahrlässigkeitsdelikten und 18 unechten Unterlassungsdelikten von Bedeutung, aber auch bei Vorsatzdelikten, wenn der Täter gegen eine besondere Rechtspflicht (z.B. Treuepflicht bei der Untreue nach § 266 StGB) verstößt.1 Da in all diesen Fällen die Pflichtwidrigkeit die Voraussetzung tatbestandsmäßigen Handelns ist, kann für die Strafzumessung nur das Maß der Pflichtwidrigkeit entscheidend sein.2 So stellt sich z.B. bei der Untreue die Frage, wie groß der Verantwortungsbereich des Täters gewesen ist und wie weit er sich von den ihm vorgegebenen Richtlinien entfernt hat.3 Bei der Bestechlichkeit ist zu prüfen, wie erheblich die Pflichtverletzung durch den Beamten gewesen ist.4 Das Maß der Pflichtwidrigkeit wird bei einem Finanzbeamten bspw. danach bestimmt, „welche steuerlichen Einbußen aufgrund der durch die Unrechtsvereinbarung veranlassten rechtswidrigen Diensthandlung dem Fiskus entstanden sind oder wenigstens hätten entstehen können“.5 Auch die berufliche Stellung des Täters kann strafschärfend berücksichtigt werden, „wenn zwischen dem Beruf und der Straftat eine innere Beziehung besteht“,6 wenn also z.B. ein Rechtsanwalt einen Betrug zum Nachteil seines Mandanten begeht.7 Auch kann die Ausnutzung des besonderen Vertrauensverhältnisses zwischen einem Kassenarzt und der gesetzlichen Versicherung bzw. kassenärztlichen Vereinigung die Strafhöhe beeinflussen.8 4. Art der Tatausführung „Alles, was die Tat im Übrigen begleitet oder sonst prägt, ist nicht mehr bloße Tatbestandserfüllung, sondern ‚Art 19 der Ausführung‘,“ die im Bereich des Handlungsunwerts als weiterer Strafzumessungsgrund nach § 46 Abs. 2 StGB zu berücksichtigen ist.9 Letztlich ist die Art der Tatausführung die Realisierung des bei der Tat aufgewendeten Willens.10 Die maßgeblichen Kriterien sind die Tatmodalitäten von Ort, Zeit, Dauer und verwendeten Mitteln, die Tathandlung sowie die Beziehung zwischen Opfer und Täter.11 Bei einem Betrug werden Art und Ausmaß der Täuschung oder das Ausnutzen einer besonderen Vertrauensseligkeit des Opfers von Bedeutung sein.12 Bei einer Steuerhinterziehung wird sich z.B. eine vom Täter mit aufwendigen Maßnahmen angelegte falsche Buchhaltung strafschärfend auswirken.13 Insgesamt fällt eine „professionelle“ Tatausführung als Ausdruck hoher krimineller Energie negativ ins Gewicht; eine dilettantische Vorgehensweise kann strafmildernd gewertet werden.14 Indizien für eine hohe kriminelle Energie können die Fälschung von Personalpapieren, das Verbergen von Geschäftsunterlagen, der Aufbau eines internationalen Firmengeflechts, die Nutzung verschiedener Konten zu Verschleierungszwecken und die Vermögensverlagerung ins Ausland sein.15 Auch die tateinheitliche Verwirklichung mehrerer Straftatbestände wird i.d.R. strafschärfend berücksichtigt, wenn dem tateinheitlich begangenen Delikt bspw. durch eine Erhöhung des Gesamtschadens eigenständiges Gewicht zukommt.16 5. Verschuldete Auswirkungen der Tat Zu den verschuldeten Auswirkungen zählen die materiellen und immateriellen Folgen der Straftat, wobei im 20 Wirtschaftsstrafrecht insbesondere die Schadenshöhe von großer Bedeutung ist. Bei der Strafzumessung darf grundsätzlich eine Katalogisierung nach der Höhe des Schadens vorgenommen werden, so dass bspw. bei einem Schaden von über 50 000 Euro von einem Vermögensverlust großen Ausmaßes nach § 263 Abs. 3 S. 2 Nr. 1 Alt. 1 StGB,17 § 370 Abs. 3 S. 2 Nr. 1 AO18 und § 335 Abs. 2 Nr. 1 StGB (und nach § 300 S. 2 Nr. 1 StGB)19 ausgegangen wird.20 Nach Auffassung des BGH soll bei einer sechsstelligen Schadenshöhe i.d.R. eine Geldstrafe 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18

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Vgl. Fischer, StGB, § 46 Rz. 31; Stree/Kinzig in S/S-StGB, § 46 Rz. 17. Schäfer/Sander/van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung, Rz. 623. Stree/Kinzig in S/S-StGB, § 46 Rz. 17. Vgl. Ganter in G/J/W, § 46 StGB Rz. 31. BGH v. 20.8.2002 – 5 StR 215/02, wistra 2002, 420, 421. BGH v. 22.12.1999 – 2 StR 425/99, NStZ 2000, 366. BGH v. 14.5.1987 – 4 StR 213/87, NStZ 1987, 406. Vgl. Ganter in G/J/W, § 46 StGB Rz. 33 mit Hinweis auf BGH v. 14.4.1993 – 4 StR 144/93, StV 1993, 520 f. BGH v. 14.8.1990 – 1 StR 62/90, BGHSt 37, 153, 154. So Schäfer/Sander/van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung, Rz. 631. Vgl. Fischer, StGB, § 46 Rz. 32; Schäfer/Sander/van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung, Rz. 631; s.a. Lackner/Kühl, § 46 StGB Rz. 33a. So Niemeyer in M-G, § 21 Rz. 31. BGH v. 2.12.2008 – 1 StR 416/08, BGHSt 53, 71, 87. Krit. hierzu Fischer, StGB, § 46 Rz. 33, vgl. dazu BGH v. 12.1.2016 – 1 StR 414/15, StV 2016, 568. Vgl. BGH v. 18.2.2009 – 1 StR 731/08 – Rz. 22 f., juris. Vgl. Fischer, StGB, § 46 Rz. 32 mit Hinweis auf BGH v. 14.4.1993 – 4 StR 116/93, NStZ 1993, 434. BGH v. 7.10.2003 – 1 StR 274/03, BGHSt 48, 360 ff. BGH v. 2.12.2008 – 1 StR 416/08, NJW 2009, 528, 531; BGH v. 7.2.2012 – 1 StR 525/11, BGHSt 57, 123, 130 m. Bespr. Michalke, NJW 2012, 1462 und Schwartz, StV 2012, 477; diese Wertgrenze gilt nun auch beim Gefährdungsschaden im Rahmen des § 370 Abs. 3 S. 2 Nr. 1 AO, BGH v. 27.10.2015 – 1 StR 373/15, StV 2016, 565 m. Anm. Talaska, DB 2016, 673. BGH v. 23.11.2015 – 5 StR 352/15, NStZ 2016, 349. Ganter in G/J/W, § 46 StGB Rz. 21; Raum in W/J, 4. Kap. Rz. 209.

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Grundsätze der Strafzumessung

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§ 46 StGB Rz. 21

Strafgesetzbuch

und bei einer Schadenssumme in Millionenhöhe eine Strafaussetzung zur Bewährung ausgeschlossen sein.1 Jedoch „kann allein [das] Ausmaß [der Schadenssumme] für die Strafhöhenbemessung nicht in dem Sinne ausschlaggebend sein, dass die Strafe gestaffelt nach der Höhe [hier] des Hinterziehungsbetrags schematisch und quasi „tarifmäßig“ verhängt wird. Jeder Einzelfall ist vielmehr nach den von § 46 vorgeschriebenen Kriterien zu beurteilen“.2 So kann trotz hoher Schadenssumme zugunsten des Täters sprechen, dass dieser nicht vorbestraft und geständig ist.3 Insbesondere ist auch eine Schadenswiedergutmachung strafmildernd zu berücksichtigen, also z.B. die Nachzahlung geschuldeter Steuern.4 Umgekehrt wird ein gewerbsmäßiges Handeln oder der Aufbau eines komplexen und aufwändigen Täuschungssystems die Wirkung der Schadenshöhe zum Nachteil des Täters beeinflussen.5 Die Auswirkungen der Tat können nur strafschärfend berücksichtigt werden, sofern sie in ihrer Art und ihrem Gewicht für den Täter im Wesentlichen voraussehbar waren.6 6. Vorleben des Täters, seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse 21

Außerdem hat der Tatrichter auch das Vorleben des Täters bei der Strafzumessung in Betracht zu ziehen. Jedoch kann sein Verhalten vor der Tat nur strafschärfend berücksichtigt werden, „wenn und soweit es Rückschlüsse auf eine höhere Tatschuld zulässt“.7 Das setzt voraus, dass ein Zusammenhang zwischen diesem Verhalten und der Tat besteht.8 „Im Übrigen scheidet die Art der Lebensführung, auch unter dem Gesichtspunkt einer allgemeinen ‚Lebensführungsschuld‘, als Strafzumessungsfaktor aus.“9 Darüber hinaus kann die schuldangemessene Strafe nicht ohne Berücksichtigung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Täters festgesetzt werden.10 Mit den persönlichen Verhältnissen sind alle Lebensumstände des Täters im weitesten Sinne gemeint, insbesondere der Gesundheitszustand, das Lebensalter, die Familienverhältnisse und ein möglicherweise besonders belastendes Lebensschicksal.11 Die Feststellung der wirtschaftlichen Verhältnisse ist gerade im Wirtschaftsstrafrecht von großer Bedeutung. Damit sind die finanziellen Verhältnisse des Angeklagten zurzeit der Verurteilung gemeint, welche für die Strafempfänglichkeit, insbesondere wenn lediglich eine Geldstrafe nach § 40 StGB in Betracht kommt, entscheidend sind.12

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Aus dem Vorleben des Täters berücksichtigt die Justizpraxis bei der Strafzumessung in erster Linie etwaige Vorstrafen.13 Da Wirtschaftsstraftäter nicht selten Ersttäter sind, ist zu beachten, dass die bisherige straffreie Lebensführung nicht als „Normalfall“ anzusehen ist. Vielmehr muss die „bisherige Rechtstreue“ eines Straftäters nach st. Rspr. des BGH strafmildernd bewertet werden.14 Vorstrafen wirken hingegen strafschärfend, wenn sie einschlägig sind oder erkennen lassen, „dass der Täter sich die früheren Verurteilungen nicht hat zur Warnung dienen lassen“.15 Eine Verurteilung, die erst nach den verfahrensgegenständlichen Taten ergangen ist, darf ebenfalls strafschärfend berücksichtigt werden, „wenn diese Straftat nach ihrer Art und nach der Persönlichkeit des Täters auf Rechtsfeindlichkeit, Gefährlichkeit und die Gefahr künftiger Rechtsbrüche schließen [lässt]“.16 Auch eine Tat, der ein Verfolgungshindernis (insbesondere Verjährung) entgegensteht, wirkt nach Auffassung der Rspr. strafschärfend, jedoch nicht mit demselben Gewicht wie eine den Schuldspruch tragende Tat.17 Hingegen darf nach § 51 Abs. 1 BZRG eine getilgte oder tilgungsreife Vorstrafe nicht strafschärfend gewertet werden.18 Wiederum strafschärfend können aber Straftaten berücksichtigt werden, bezüglich derer das Verfahren eingestellt worden ist (vgl. §§ 154, 154a StPO), wenn der ausgeschiedene Tatkomplex ordnungsgemäß festgestellt wurde19 und ein Hinweis nach § 265 StPO erfolgte.20 Auch eine Verwertung früherer Strafverfahren, die mit ei1 BGH v. 2.12.2008 – 1 StR 416/08, NJW 2009, 528, 531; BGH v. 7.2.2012 – 1 StR 525/11, BGHSt 57, 123, 131; vgl. auch Höll, PStR 2012, 251. 2 BGH v. 2.12.2008 – 1 StR 416/08, NJW 2009, 528, 531; hierzu auch Bilsdorfer, NJW 2009, 476; Dessecker in M/G, 1. Kap. E Rz. 19; Joecks, JZ 2009, 531 und Rolletschke/Jope, wistra 2009, 219. 3 Ganter in G/J/W, § 46 StGB Rz. 21. 4 BGH v. 17.3.2009 – 1 StR 479/08, wistra 2009, 315, 317. 5 Ganter in G/J/W, § 46 StGB Rz. 21; BGH v. 30.4.2009 – 1 StR 342/08, BGHSt 53, 311. 6 BGH v. 29.8.2006 – 1 StR 285/06, NStZ-RR 2006, 372. 7 BGH v. 17.10.1984 – 3 StR 424/84, juris; vgl. auch BGH v. 7.9.1983 – 2 StR 412/83, NStZ 1984, 259, 260. 8 BGH v. 10.11.1953 – 1 StR 227/53, BGHSt 5, 124, 132; BGH v. 21.3.1979 – 4 StR 606/78, NJW 1979, 1835. 9 BGH v. 17.10.1984 – 3 StR 424/84, juris. 10 Vgl. Miebach in MüKo-StGB, § 46 StGB Rz. 117; vgl. auch BGH v. 30.4.1981 – 1 StR 196/81, NStZ 1981, 299 f. 11 Vgl. Miebach in MüKo-StGB, § 46 StGB Rz. 118; hierzu auch Fischer, StGB, § 46 StGB Rz. 42; zum Werdegang und den Lebensverhältnissen des Angeklagten sind entsprechende Feststellungen notwendig, BGH v. 9.4.2013 – 4 StR 102/3, StraFo 2013, 259. 12 Fischer, StGB, § 46 StGB Rz. 45; Miebach in MüKo-StGB, § 46 Rz. 122. 13 Miebach in MüKo-StGB, § 46 Rz. 111; Streng in NK-StGB, § 46 StGB Rz. 66. 14 Vgl. Niemeyer in M-G, § 21 Rz. 33 unter Hinweis auf BGH v. 27.10.1987 – 1 StR 492/87, NStZ 1988, 70. 15 BGH v. 4.8.1971 – 2 StR 13/71, BGHSt 24, 198, 200; s. im Einzelnen Miebach in MüKo-StGB, § 46 Rz. 111 ff. 16 BGH v. 9.11.2006 – 5 StR 338/06, NStZ 2007, 150; BGH v. 26.9.2001 – 2 StR 383/01, wistra 2002, 21; vgl. auch BGH v. 7.8.2014 – 3 StR 438/13, NJW 2014, 3259 zu noch nicht abgeurteilten Straftaten. 17 Fischer, StGB, § 46 Rz. 38d; BGH v. 4.5.1993 – 5 StR 206/93, BGHR StGB § 46 Abs. 2 Vorleben 20; krit. Miebach in MüKo-StGB, § 46 Rz. 115 f.; vgl. auch BGH v. 2.3.2016 – 1 StR 619/15, wistra 2016, 268. 18 BGH v. 19.7.1972 – 3 StR 66/72, BGHSt 24, 378 ff.; näher hierzu Miebach in MüKo-StGB, § 46 Rz. 114. 19 BGH v. 30.11.1990 – 2 StR 230/90, NStZ 1991, 182. 20 BGH v. 1.6.1981 – 3 StR 173/81, BGHSt 30, 147, 148.

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Rz. 24 § 46 StGB

ner Einstellung nach §§ 170 Abs. 2, 153 ff. StPO oder gar mit einem Freispruch endeten, soll möglich sein, wenn diese für den Täter eine Warnfunktion entfalten mussten; selbst die Zustellung einer Anklage wegen eines vergleichbaren Vorwurfs könne in diesem Sinne beachtlich sein.1 7. Nachtatverhalten Nach § 46 Abs. 2 StGB darf der Richter bei der Festsetzung der Strafe auch das Verhalten des Täters nach der 23 Straftat berücksichtigen, „wenn es Schlüsse auf den Unrechtsgehalt der Tat zulässt oder Einblick in die innere Einstellung des Täters zu seiner Tat gewährt“.2 So können Anzeichen von Reue, ein Geständnis, die Kooperationsbereitschaft mit den Ermittlungsbehörden (entsprechend dem Rechtsgedanken des § 31 BtMG und § 46b StGB) sowie die Aufklärung der Tat über die eigene Beteiligung hinaus strafmildernd berücksichtigt werden.3 Ebenfalls ist bei der Strafzumessung mildernd zu bewerten, dass zwischen Tat und Urteil ein längerer Zeitraum liegt, innerhalb dessen der Täter gar keine oder zumindest keine vergleichbaren Straftaten begangen hat. Allgemein ist eine nach der Tat eingetretene positive Stabilisierung der Lebensverhältnisse positiv zu bewerten.4 Ein Geständnis wirkt grundsätzlich strafmildernd, auch wenn der Angeklagte das Geständnis nicht offensichtlich in erster Linie aus Schuldeinsicht und Reue, sondern aus verfahrenstaktischen Gründen abgegeben hat (so z.B. im Rahmen einer Verständigung, vgl. Rz. 37); es kann dem Angeklagten jedenfalls als Beitrag zur Sachaufklärung und Verfahrensabkürzung zugutegehalten werden.5 Der Umfang der Strafmilderung ist letztlich von der Art des Geständnisses abhängig.6 So hat ein Geständnis geringere Bedeutung, wenn es ausschließlich aus prozesstaktischen Gründen erfolgt,7 wenn Leugnen völlig aussichtslos wäre8 oder wenn das Geständnis erst nach Durchführung der Beweisaufnahme abgelegt wird.9 Nach st. Rspr. darf selbstverständlich das Leugnen eines Angeklagten für sich allein nicht strafschärfend gewertet werden, „weil das Strafverfahren weder einen Geständniszwang noch eine Pflicht des Angeklagten kennt, bei der Aufklärung des Sachverhalts mitzuwirken“.10 Eine andere Sicht ist im Hinblick auf die Unschuldsvermutung des Art. 6 Abs. 2 EMRK abzulehnen.11 Nach Abs. 2 S. 2 kann insbesondere strafmildernd bewertet werden, dass der Täter den eingetretenen Schaden 24 ganz oder teilweise wiedergutgemacht oder sich zumindest darum bemüht hat.12 In diesem Fall kann sogar unter den Voraussetzungen des § 46a StGB nicht nur die Strafe selbst, sondern bereits der Strafrahmen nach § 49 Abs. 1 StGB gemildert oder ganz von Strafe abgesehen werden.13 Da die Schadenswiedergutmachung den tatbestandsmäßigen Erfolg reduziert, spielt es keine Rolle, ob die Schadensbeseitigung als ein Verdienst des Täters zu bewerten ist oder dieser lediglich eine Strafmilderung erreichen wollte.14 Auch ist eine Schadensbeseitigung oder -minderung durch Dritte oder durch andere Umstände, die ohne Zutun des Täters eingetreten sind, möglich.15 Wenn sich ein leugnender Täter nicht darum bemüht, den Schaden wiedergutzumachen, darf ihm dies umgekehrt nicht strafschärfend angelastet werden.16 Schließlich könnte die Bereitschaft zum Schadensersatz als Schuldeingeständnis gewertet werden.17 „Ein Verhalten nach der Tat, das geeignet ist, [die] Verteidigung [des Beschuldigten] zu beeinträchtigen, kann deshalb von ihm nicht mit der Folge erwartet werden, dass ihm schon dessen bloße Unterlassung zur Strafschärfung gereicht“.18 Das könnte lediglich anders zu beurteilen sein, wenn der Täter bspw. besondere Maßnahmen ergreift, „um die Wiedergutmachung zu verhindern und sich die Beute auch für den Fall seiner Überführung zu sichern“.19 Auch bei einem nicht bestreitenden, zahlungsfähigen Täter kann die unterlassene Schadenswiedergutmachung strafschärfend berücksichtigt werden.20 Neben der Schadenswiedergutmachung kann der Täter auch einen anderweitigen Tatausgleich leisten, der ihm strafmil-

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BGH v. 11.11.2004 – 5 StR 472/04, NStZ-RR 2005, 72; einschr. aber BGH v. 25.4.2006 – 4 StR 125/06, NStZ 2006, 620. BGH v. 24.7.1985 – 3 StR 127/85, NStZ 1985, 545. Ganter in G/J/W, § 46 Rz. 41; vert. Theune in LK-StGB, § 46 Rz. 197 ff. Hierzu Schäfer/Sander/van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung, Rz. 688. BGH v. 12.12.2013 – 5 StR 444/13, NStZ 2014, 169; BGH v. 28.8.1997 – 4 StR 240/97, BGHSt 43, 195, 209. BGH v. 17.7.1996 – 5 StR 121/96, BGHSt 42, 191, 195; BGH v. 28.8.1997 – 4 StR 240/97, BGHSt 43, 195, 210. BGH v. 9.10.2013 – 4 StR 414/13, NStZ-RR 2014, 10; Theune in LK-StGB, § 46 m.w.N. BGH v. 18.12.1990 – 4 StR 548/90, StV 1991, 106, 108; vgl. auch BGH v. 28.1.2014 – 4 StR 502/13, wistra 2014, 180. BGH v. 14.11.1989 – 1 StR 494/89, BGHR StGB § 46 Abs. 2 Verteidigungsverhalten 7; s.a. BGH v. 20.10.2010 – 1 StR 400/10, NStZ 2011, 592, 594. BGH v. 9.12.1982 – 4 StR 662/82, StV 1983, 102; vgl. auch BGH v. 29.1.2014 – 1 StR 589/13, NStZ 2014, 396 und BGH v. 15.10.2013 – 3 StR 282/13, StV 2014, 413. So z.B. auch Stuckenberg, StV 2007, 655 und Miebach in MüKo-StGB, § 46 Rz. 115 f. Stree/Kinzig in S/S-StGB, § 46 Rz. 40. Schäfer/Sander/van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung, Rz. 684. Vgl. Niemeyer in M-G, § 21 Rz. 27. Vgl. Fischer, StGB, § 46 Rz. 47; Stree/Kinzig in S/S-StGB, § 46 Rz. 40; Theune in LK-StGB, § 46 Rz. 214; a.A. Ganter in G/J/W, § 46 StGB Rz. 39. Vgl. BGH v. 10.6.1981 – 3 StR 169/81, NStZ 1981, 343. Vgl. BGH v. 10.6.1981 – 3 StR 169/81, NStZ 1981, 343. BGH v. 10.6.1981 – 3 StR 169/81, NStZ 1981, 343. BGH v. 10.6.1981 – 3 StR 169/81, NStZ 1981, 343. Vgl. BGH v. 23.9.1992 – 1 StR 501/92, NStZ 1993, 77.

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StGB

Grundsätze der Strafzumessung

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§ 46 StGB Rz. 25

Strafgesetzbuch

dernd zugutekommt.1 Auch hier genügt schon das Bemühen, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen. Es ist insbesondere dann von Bedeutung, wenn § 46a StGB nicht greift (zum Täter-Opfer-Ausgleich vgl. oben Rz. 12).2

III. Weitere Strafzumessungstatsachen 25

Da die Aufzählung in § 46 Abs. 2 S. 2 StGB nicht abschließend ist, hat das Gericht im konkreten Fall zu prüfen, ob weitere Strafzumessungstatsachen in Betracht kommen. Für das Wirtschaftsstrafverfahren sind insbesondere die nachfolgenden Umstände von Bedeutung:3 1. Lange Verfahrensdauer

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Sofern keine Absprache getroffen werden konnte, liegt die Dauer eines Wirtschaftsstrafverfahrens i.d.R. weit über dem Durchschnitt.4 Eine lange Verfahrensdauer und ihre nachteiligen Auswirkungen auf den Angeklagten sowie ein großer zeitlicher Abstand zwischen Tat und Aburteilung sind strafmildernd zu berücksichtigen.5 Es handelt sich auch dann um „gewichtige Milderungsgründe, wenn diese sachlich bedingt waren“.6 Die lange Verfahrensdauer wirkt – unabhängig von dem Milderungsgrund des langen Zeitablaufs7 – strafmildernd, weil die Ungewissheit über den Ausgang des Verfahrens, die Reaktionen der Öffentlichkeit und die familiären oder sonstigen sozialen Konsequenzen für den Beschuldigten eine strafähnliche Wirkung haben kann.8 Eine lange Zeitspanne zwischen Tat und Urteil, die nicht vom Täter verschuldet wurde, wird als ein gewichtiger Strafmilderungsgrund betrachtet, weil im Laufe der Zeit bei den meisten Delikten das Sanktionsbedürfnis nachlässt. Das gilt insbesondere, wenn der Täter seit der Tatbegehung keine weiteren Straftaten begangen, sein Leben zum Positiven gewendet und sich erfolgreich um sozialgerechtes Verhalten bemüht hat.9 Der lange zeitliche Abstand zwischen Tat und Urteil kann bereits zu einem wesentlichen Strafmilderungsgrund führen, ohne dass es insoweit auf die Dauer des Verfahrens selbst ankäme.10 2. Rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung

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Möglicherweise kann auch das in Art. 6 Abs. 1 S. 1 MRK garantierte Recht des Angeklagten auf gerichtliche Entscheidung in angemessener Zeit verletzt sein. Dabei richtet sich die Angemessenheit der Verfahrensdauer „nach den Umständen des Falles […], insbesondere nach der Komplexität der Angelegenheit, dem Verhalten des Beschwerdeführers und dem der zuständigen Behörden“.11 Eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung liegt nur vor, wenn sie ihre Ursache im Bereich der Strafverfolgungsbehörden oder anderer staatlicher Stellen hat. Hingegen finden „Verfahrensverzögerungen, welche der Beschuldigte selbst, sei es auch durch zulässiges Prozessverhalten, verursacht hat,“ keine Berücksichtigung.12 Als der Justiz zuzurechnende Ursachen kommen organisatorische Mängel, persönliche Versäumnisse oder unsachgemäße Verfahrensbehandlung in Betracht.13 Allein die Verfahrensverlängerung, die infolge von Zurückweisung nach erfolgreicher Revision des Angeklagten entstanden ist, kann nicht als „rechtsstaatswidrig“ bezeichnet werden.14 Das gilt jedoch nicht, wenn durch das Rechtsmittelverfahren eklatante Verfahrensfehler korrigiert wurden und die Verzögerung nicht der Sphäre des Angeklagten zuzurechnen ist.15

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Sofern ein Verstoß gegen Art. 6 Abs. 1 S. 1 MRK vorliegt, ist nach st. Rspr. eine ausdrückliche Feststellung der Konventionsverletzung und ihres Ausmaßes in den Urteilsgründen erforderlich.16 Reicht diese Feststellung allein als Entschädigung nicht aus, stellt sich die Frage, auf welche Weise darüber hinaus eine Kompensation der Rechtsverletzung zu erfolgen hat. Früher wurde die rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung als Strafmil-

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Stree/Kinzig in S/S-StGB, § 46 Rz. 40. Niemeyer in M-G, § 21 Rz. 29. Vgl. zu weiteren Strafzumessungstatsachen die Darstellung bei Fischer, StGB, § 46 Rz. 56 ff. Niemeyer in M-G, § 21 Rz. 39. St. Rspr., vgl. nur BGH v. 21.12.2010 – 2 StR 344/10, StV 2011, 406, 407; BGH v. 14.12.1988 – 2 StR 275/88, NStZ 1989, 238; BGH v. 29.11.1985 – 2 StR 596/85, NStZ 1986, 217. BGH v. 21.12.2010 – 2 StR 344/10, StV 2011, 406, 407; BGH v. 29.9.2015 – 2 StR 128/15, StV 2016, 558. BGH v. 21.12.1998 – 3 StR 561/98, NStZ 1999, 181. So Schäfer/Sander/van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung, Rz. 748. Vgl. Schäfer/Sander/van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung, Rz. 746 f. mit weiteren Einzelheiten. BGH v. 21.12.1998 – 3 StR 561/98, NStZ 1999, 181; BGH v. 22.1.1992 – 3 StR 440/91, BGHR StGB § 46 Abs. 2 Verfahrensverzögerung 6. EGMR v. 31.5.2001 – 37591/97, StV 2001, 489, 490. BVerfG v. 24.11.1983 – 2 BvR 121/83, NJW 1984, 967. Vgl. Fischer, StGB, § 46 Rz. 124a m.w.N.; vgl. z.B. LG Arnsberg v. 11.4.2014 – 6 KLs - 312 Js 496/09 - 6 KLs 8/11, juris; LG Potsdam v. 12.12.2012 – 27 Ns 66/11, juris und LG Potsdam v. 12.12.2012 – 27 Ns 644/11, DRiZ 2013, 298. BGH v. 19.7.2000 – 3 StR 259/00, BGHR StGB § 46 Abs. 2 Verfahrensverzögerung 15. Vgl. Fischer, StGB, § 46 Rz. 125. BVerfG v. 19.4.1993 – 2 BvR 1487/90, NJW 1993, 3254; Fischer, StGB, § 46 Rz. 128.

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Rz. 30 § 46 StGB

derungsgrund berücksichtigt.1 Seit der Entscheidung des Großen Senats vom 17.1.2008 ist die sog. Strafzumessungslösung jedoch überholt.2 Heute folgt der BGH zur Kompensation konventionswidriger Verfahrensverzögerungen der sog. Vollstreckungslösung unter analoger Anwendung des § 51 Abs. 1 S. 1, Abs. 4 S. 2.3 Danach ist „anstelle der bisher gewährten Strafminderung in der Urteilsformel auszusprechen, dass zur Entschädigung für die überlange Verfahrensdauer ein bezifferter Teil der verhängten Strafe als vollstreckt gilt“.4 Das Vollstreckungsmodell hat nach Auffassung des BGH den Vorteil, dass die dem Unrecht und der Schuld angemessene und nicht aus Entschädigungsgründen reduzierte Strafe maßgeblich für andere strafrechtliche Fragen bleibt (vgl. z.B. §§ 56 Abs. 1 bis 3, 66 Abs. 1 bis 3, 45 StGB).5 Daneben bleibt die überlange Verfahrensdauer weiterhin als Strafzumessungsgrund von Bedeutung.6 Sollte das Gewicht des zu kompensierenden Nachteils die zu vollstreckende Strafe übersteigen, kann auch nach der Vollstreckungslösung in Ausnahmefällen eine Verfahrenseinstellung nach §§ 153 ff. StPO, eine Anwendung von §§ 59, 60 StGB oder sogar ein Verfahrenshindernis in Betracht kommen.7 3. Opfermitverantwortung Die Opfermitverantwortung kann ggf. für die Auslegung und Anwendung gesetzlicher Tatbestandsmerkmale von 29 Bedeutung sein (z.B. Täuschung/Irrtum im Rahmen des Betruges); in der Praxis sind jedoch die Auswirkungen auf der Strafzumessungsebene deutlich relevanter:8 So kann das Verhalten des Opfers einen Tatanreiz gesetzt oder die Entscheidung zur Tatbegehung beim Täter hervorgerufen haben. Auch kann eine geringere Schutzwürdig- und Schutzbedürftigkeit des Opfers gegeben sein, etwa weil der Täter – wie im Falle eines besonders leichtsinnigen Opfers – weniger kriminelle Energie freisetzen muss.9 Ein Mitverschulden des Opfers ist grundsätzlich strafmildernd zu bewerten.10 Es ist vor allem bei den Vermögensdelikten zu beachten, weil diesen eine Umkehr der strafrechtlichen Aufgaben- und Risikoverteilung zulasten des Vermögensinhabers immanent ist. Bei der Untreue wird man bspw. eine Mitverantwortung des Vermögensinhabers nicht von der Hand weisen können, wenn dieser dem Täter die Befugnis zur Vermögensbetreuung in Kenntnis dessen Unzuverlässigkeit eingeräumt oder ihn nicht ausreichend kontrolliert und überwacht hat.11 Im Steuerrecht streiten sich Rspr. und Lit. um die Frage, ob der Tatbestand der Steuerhinterziehung nach § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO neben dem ausdrücklichen Wortlaut auch einen Irrtum oder zumindest eine Unkenntnis der Finanzbehörden vom wahren Sachverhalt voraussetzt.12 Wenn den zuständigen Finanzbehörden alle für die Steuerfestsetzung bedeutsamen Tatsachen bekannt waren, kann „ein Verhalten des Steuerfiskus (gleich einem Mitverschulden oder einer Mitverursachung des Verletzten) strafmildernd zu berücksichtigen sein“.13 4. Außerstrafrechtliche Nebenfolgen Darüber hinaus sind gerade im Wirtschaftsstrafverfahren die erheblichen außerstrafrechtlichen Nebenfolgen 30 zu beachten, die für den Täter nicht weniger belastend sind, und deshalb bereits bei der Verhängung der Kriminalstrafe im Rahmen der Strafzumessung berücksichtigt werden müssen.14 Der Ansicht, dass „tatspezifische“ oder gar „naheliegende“ Nachteile – wie etwa Schadensersatzansprüche oder der Verlust sozialen Ansehens – i.d.R. keine Strafmilderung veranlassen,15 kann in dieser Pauschalität nicht gefolgt werden.16 Schließlich muss bei der Bestimmung der gerechten Strafe die Gesamtheit aller den Täter belastenden Straftatfolgen Berücksichtigung finden.17 So ist in der Rspr. des BGH eine strafmildernde Berücksichtigung außerstrafrechtlicher Nebenfolgen bspw. für den Bereich des Arbeitsplatzverlustes sowie insbesondere für disziplinarrechtliche Folgen bei Beamten, aber auch für weitergehende Tätigkeitsverbote wie die Untersagung der Berufsausübung im Bereich der freien Berufe

1 BVerfG v. 19.4.1993 – 2 BvR 1487/90, NJW 1993, 3254 ff.; BGH v. 25.10.2000 – 2 StR 232/00, BGHSt 46, 159 ff.; BayObLG v. 12.12.2002 – 5StRR 301/02 (u.a.), NStZ-RR 2003, 119 f. 2 BGH v. 17.1.2008 – GSSt 1/07, BGHSt 52, 124. 3 BGH v. 17.1.2008 – GSSt 1/07, BGHSt 52, 124; vert. Gaede, JZ 2008, 422; Ignor/Bertheau, NJW 2008, 2209; Ziegert, StraFo 2008, 321. 4 BGH v. 17.1.2008 – GSSt 1/07, BGHSt 52, 124 (Leitsatz). 5 BGH v. 17.1.2008 – GSSt 1/07, BGHSt 52, 124, 141. 6 BGH v. 17.1.2008 – GSSt 1/07, BGHSt 52, 124, 141 f. 7 Vgl. BGH v. 17.1.2008 – GSSt 1/07, BGHSt 52, 124, 145; Fischer, StGB, § 46 Rz. 139. 8 Vert. Maeck, Opfer und Strafzumessung, 1983; Gercke, Verborgene Probleme der Opfermitverantwortung, in Jahn/ Kempf/Lüderssen u.a., Strafverfolgung in Wirtschaftsstrafsachen, Strukturen und Motive, 2015, S. 95. 9 Vgl. auch Horn/Wolters in SK-StGB, § 46 Rz. 115 f. 10 Vgl. Fischer, StGB, § 46 Rz. 60; s.a. Horn/Wolters in SK-StGB, § 46 Rz. 115 f. 11 BGH v. 14.8.2002 – 1 StR 286/02; BGH v. 15.1.1986 – 2 StR 567/85, wistra 1986, 172; vgl. auch Theune in LK-StGB, § 46 Rz. 231. 12 BGH v. 21.11.2012 – 1 StR 391/12, wistra 2013, 107; vgl. hierzu Rübenstahl, PStR 2013, 124. 13 BGH v. 14.12.2010 – 1 StR 275/10, wistra 2011, 186, 189. 14 Hierzu im Einzelnen Gercke, wistra 2012, 291 ff. 15 So Fischer, StGB, § 46 Rz. 34c. 16 Vgl. Gercke, wistra 2012, 291, 296. 17 Vgl. hierzu BGH v. 1.6.1983 – 3 StR 197/83, NStZ 1983, 408.

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StGB

Grundsätze der Strafzumessung

StGB

§ 46 StGB Rz. 31

Strafgesetzbuch

anerkannt (vgl. hierzu auch Rz. 40). Nichts anderes kann für die gängigen außerstrafrechtlichen und faktischen Nebenfolgen in Wirtschaftsstrafverfahren gelten.1 31

Zu den außerstrafrechtlichen Rechtsfolgen zählen zunächst die zivilrechtlichen Konsequenzen,2 denn oftmals zieht ein Wirtschaftsstrafverfahren auch einen zivilrechtlichen Rechtsstreit nach sich. Zumeist handelt es sich mit den in Betracht kommenden Straftatbeständen um Schutzgesetze i.S.d. § 823 Abs. 2 BGB; daneben kann auch ein Anspruch aus § 831 Abs. 1 BGB gegen den Geschäftsherrn bestehen. Erhebliche Haftungsrisiken für ein Unternehmen können sich zudem aus § 31 BGB ergeben. Darüber hinaus drohen arbeits- und disziplinarrechtliche Folgen,3 wenn der Arbeitgeber eine Verdachtskündigung ausspricht,4 eine Vertragsstrafe geltend macht oder als innerbetriebliche Disziplinarmaßnahme eine Betriebsbuße verlangt.5 Schließlich können sich neben Schadensersatzverpflichtungen des Arbeitnehmers auch besondere Unterlassungs- und Herausgabepflichten ergeben.6 Zu beachten sind außerdem die disziplinarrechtlichen Folgen für Beamte (vgl. §§ 41 Abs. 1 BBG, § 24 Abs. 1 BeamtStG, 59 BeamtVG).7

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Schon bei vergleichsweise geringfügigen Verurteilungen sind für Unternehmer die gewerberechtlichen Konsequenzen von Bedeutung: So führen rechtskräftige strafgerichtliche Verurteilungen wegen einer Straftat nach § 266a StGB, den §§ 10, 11 SchwarzArbG oder den §§ 15, 15a AÜG, die im Zusammenhang mit der Ausübung eines Gewerbes oder einer sonstigen wirtschaftlichen Unternehmung begangen worden sind, nicht nur zu einer Eintragung in das Bundeszentralregister, sondern auch in das Gewerbezentralregister (§ 149 Abs. 2 Nr. 4 GewO), wenn das Strafmaß 90 Tagessätze bzw. drei Monate Freiheitsstrafe übersteigt. Das gilt nach § 149 Abs. 2 Nr. 3 GewO auch für eine rechtskräftige Bußgeldentscheidung, wenn die Geldbuße mehr als 200 Euro beträgt. Entsprechende Eintragungen können die gewerberechtliche Zuverlässigkeit eines Unternehmers in Frage stellen,8 was insbesondere bei der Vergabe öffentlicher Aufträge relevant ist9 und ggf. eine Gewerbeuntersagung wegen Unzuverlässigkeit begründen kann (vgl. § 35 GewO).10 Vor allem Delikte aus dem Bereich des Arbeitsstrafrechts sowie der Korruptionstatbestände führen zu gravierenden Vergabe- und wettbewerbsrechtlichen Folgen. So ist der Ausschluss von der Vergabe öffentlicher Aufträge nach § 21 Abs. 1 S. 1 SchwarzArbG, nach § 21 Abs. 1 S. 1 AEntG und nach § 19 Abs. 1 MiLoG11 zu beachten.12 Darüber hinaus kann sich auch nach § 6a Abs. 2 Nr. 7, 8 VOB/A eine mangelnde Eignung als Bewerber bei öffentlichen Auftragsausschreibungen für Bauleistungen ergeben. Zudem können verschiedene Wirtschaftsstraftaten in einigen Bundesländern auch die Eintragung in ein sog. Korruptionsregister zur Folge haben.13

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Gerade im Hinblick auf die Tatbestände des Arbeitsstrafrechts sind regelmäßig auch sozialversicherungsrechtliche und steuerliche Konsequenzen bedeutsam. Bspw. haftet bei einer illegalen Arbeitnehmerüberlassung der Entleiher neben dem Verleiher gemäß § 28e Abs. 2 S. 3 und 4 SGB IV gesamtschuldnerisch für die Gesamtsozialversicherungsbeiträge. Von einem Schwarzarbeiter kann zu Unrecht gezahltes Arbeitslosengeld (§§ 45, 50 SGB X) zurückgefordert werden. Nach § 110 Abs. 1a SGB VII haftet der Unternehmer den Unfallversicherungsträgern für Aufwendungen, die infolge von Versicherungsfällen bei der Ausführung von Schwarzarbeit entstanden sind. Im Baugewerbe besteht schließlich eine Generalunternehmerhaftung bezüglich unterbliebener Zahlungen der Gesamtsozialversicherungsbeiträge durch den Subunternehmer, wenn sich der Generalunternehmer nicht exkulpieren kann (vgl. § 28e Abs. 3a SGB IV, § 28e Abs. 3b SGB IV). Im Steuerrecht ist neben den allgemeinen Haftungstatbeständen der §§ 69 ff. AO bspw. zu beachten, dass Einkünfte aus Schwarzarbeit der Einkommenssteuerpflicht unterliegen (§§ 15, 19 EStG), und der Auftraggeber eines Scheinselbständigen zur Einbehaltung, Anmeldung und Abführung von Lohnsteuer verpflichtet ist (§§ 38, 41a EStG). Grundsätzlich haftet auch der Entleiher bei der illegalen Arbeitnehmerüberlassung für die nicht abgeführten Lohnsteuern des ihm überlassenen Arbeitnehmers. Die Haftung des Generalunternehmers im Baugewerbe (§ 28e SGB IV) umfasst auch die steuerrechtlichen Verpflichtungen des Subunternehmers.14

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Bei Geschäftsführern einer GmbH bzw. Vorständen einer AG sind auch etwaige Tätigkeitsverbote infolge strafrechtlicher Verurteilungen zu beachten. Eine Geschäftsführertätigkeit ist nach § 6 Abs. 2 Nr. 3 GmbHG im Falle

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Zum Begriff „Nebenfolgen“ vgl. Gercke, wistra 2012, 291, 292. Im Einzelnen hierzu Gercke, wistra 2012, 291, 292 f. Vert. Gercke, wistra 2012, 291, 293; vgl. auch Röth, StraFo 2012, 354, 360. Ausf. hierzu Richter in Gercke/Kraft/Richter, Arbeitsstrafrecht, 2. Aufl. 2015, 3. Kap. Rz. 171 ff. Näher hierzu Richter in Gercke/Kraft/Richter, a.a.O., 3. Kap. Rz. 206 ff. Richter in Gercke/Kraft/Richter, a.a.O., 3. Kap. Rz. 213 ff. Vert. Gercke, wistra 2012, 291, 293. Vgl. hierzu Eidam/Stang in Eidam, Unternehmen und Strafe4, Kap. 4 Rz. 160. Eidam/Stang in Eidam, Unternehmen und Strafe, Kap. 4 Rz. 160a. Zu den gewerberechtlichen Folgen vgl. Gercke, wistra 2012, 291, 295; vgl. auch Dessecker in M/G, 1. Kap. E Rz. 43, und Kretschmer, ZWH 2013, 481, 484. Gercke in Gercke/Kraft/Richter, Arbeitsstrafrecht, a.a.O., 3. Kap. Rz. 262. Ausf. hierzu Bellinghausen, ZWH 2013, 395, 398. Vert. zu den vergabe- und wettbewerbsrechtlichen Konsequenzen Gercke, wistra 2012, 291, 294; vgl. auch Kretschmer, ZWH 2013, 481, 484 f. und Bellinghausen, ZWH 2013, 395, 396. Zu den sozialversicherungsrechtlichen und steuerlichen Rechtsfolgen vgl. Gercke, wistra 2012, 291, 294 f.

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Rz. 37 § 46 StGB

der Verurteilung wegen einer der dort aufgelisteten Straftaten ab einer Freiheitsstrafe von einem Jahr für die Dauer von fünf Jahren ab Rechtskraft des Urteils ausgeschlossen.1 Das gilt nach § 76 Abs. 3 Nr. 3 AktG ebenfalls für die Vorstandstätigkeit.2 Überdies gibt es noch weitere deliktsbezogene Konsequenzen, von denen die Versagung der Restschuldbefreiung nach § 290 Abs. 1 Nr. 1, § 297 InsO bei Verurteilung wegen eines Bankrottdeliktes nach den §§ 283 bis 283c StGB die größte Bedeutung hat. Im Rahmen der illegalen Beschäftigung haftet der Unternehmer nach § 66 Abs. 4 AufenthG i.V.m. den §§ 57, 58 AufenthG für die Kosten der Abschiebung oder Zurückschiebung.3 Im Übrigen sind noch die faktischen Folgen bzw. Begleiterscheinungen eines Wirtschaftsstrafverfahrens zu be- 35 trachten, wobei insbesondere die negative Publizität für die Betroffenen eine erhebliche Belastung darstellt.4 Darüber hinaus wird oftmals durch die bloße Existenz eines Straf- oder Bußgeldverfahrens der „innere Betriebsfrieden“ gestört.5 Durch die Maßnahmen der Ermittlungsbehörden sinkt die Risiko-, Innovations- und Entscheidungsbereitschaft der Mitarbeiter, welche für ein erfolgreiches Unternehmen eigentlich unentbehrlich sind.6 Das führt zu einer „Verunsicherung im Unternehmen“, die im Extremfall eine „innere Kündigung“ von Mitarbeitern auslösen kann.7 Es kann u.U. auch zu einem tatsächlichen Verlust qualifizierter Mitarbeiter des Unternehmens kommen. Sowohl die Negative Publicity in der öffentlichen Berichterstattung als auch die Verunsicherung bzw. der Verlust von Mitarbeitern führt letztlich zu wirtschaftlichen Verlusten des Unternehmens.8

IV. Doppelverwertungsverbot (Absatz 3) Aus dem Doppelverwertungsverbot nach § 46 Abs. 3 StGB ergibt sich, dass Umstände, die schon Merkmale 36 des gesetzlichen Tatbestandes sind, nicht bei der Strafzumessung berücksichtigt werden dürfen.9 Allein die Tatsache, dass die Tat begangen wurde, kann nicht als straferhöhender Umstand betrachtet werden.10 So kann bspw. bei einem Betrug oder der Untreue nicht strafschärfend gewertet werden, dass der Täter „mit Gewinnstreben“ gehandelt hat, denn das Streben nach wirtschaftlichen Vorteilen gehört im Regelfall bereits zur Tatbestandsverwirklichung.11 Auch ist es unzulässig, bei einer Steuerhinterziehung strafschärfend zu berücksichtigen, dass sich der Verurteilte „in hohem Maße sozialschädlich“ verhalten habe, da diese Wertung bereits dem geschützten Rechtsgut des § 370 AO, nämlich dem Anspruch des Steuergläubigers auf den vollen Ertrag jeder einzelnen Steuer, zugrunde liegt.12 Das Doppelverwertungsverbot gilt über den Wortlaut des § 46 Abs. 3 StGB hinaus auch für die Regelbeispiele besonders schwerer Fälle, welche wie Tatbestandsmerkmale behandelt werden. So ist es unzulässig, Umstände, die für die Begründung eines besonders schweren Falles herangezogen wurden, erneut zulasten des Täters zu verwerten.13 Etwas anderes gilt ggf. dann, wenn z.B. die Schadenssumme von 50 000 Euro, die einen Vermögensverlust großen Ausmaßes nach § 263 Abs. 3 Nr. 2 StGB begründet, erheblich überschritten wird.14

V. Exkurs: Absprachen über das Strafmaß Aus der Praxis der Strafverteidigung, insbesondere in Wirtschaftsstrafsachen, ist die Urteilsabsprache nicht 37 mehr hinwegzudenken. In seiner Grundsatzentscheidung zur Zulässigkeit der Verständigung hat der Große Senat hervorgehoben, dass auch die abgesprochene Strafe schuldangemessen sein muss.15 Die Vereinbarung einer „Punktstrafe“ war schon vor der gesetzlichen Regelung der Verfahrensabsprache unzulässig,16 denn „eine derartige Selbstbindung enthält […] eine Verletzung der materiellrechtlichen Prinzipien der Strafzumessung i.S.d. § 46 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 1 StGB, weil das Gericht dann in der Urteilsberatung nicht mehr frei ist, die Strafhöhe anhand der maßgeblichen Strafzumessungskriterien nach der Schuld des Täters zuzumessen“.17 Das Gericht durfte jedoch für den Fall der Ablegung eines glaubhaften Geständnisses im Wege der Verständigung eine

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Vert. hierzu Kretschmer, ZWH 2013, 481 ff. Vgl. Gercke, wistra 2012, 291, 295; Dessecker in M/G, 1. Kap. E Rz. 43. Im Einzelnen Gercke, wistra 2012, 291, 295. Zur Medienberichterstattung vgl. auch Fischer, StGB, § 46 Rz. 63. Minoggio, Firmenverteidigung, 2. Aufl. 2010, Rz. 100. Eidam in Eidam, Unternehmen und Strafe, Kap. 12 Rz. 1 f. Eidam in Eidam, Unternehmen und Strafe, Kap. 12 Rz. 3. Vgl. zu den faktischen Folgen Gercke, wistra 2012, 291, 295. Vert. hierzu Hettinger, Das Doppelverwertungsverbot bei strafrahmenbildenden Umständen, 1982; El-Ghazi, JZ 2014, 180. Fischer, StGB, § 46 Rz. 76. BGH v. 4.6.1981 – 4 StR 137/81, BGH NStZ 1981, 343. BGH v. 24.4.1996 – 5 StR 142/96, wistra 1996, 259, 260; Beispiele nach Niemeyer in M-G, § 21 Rz. 44. BGH v. 17.8.2005 – 2 StR 6/05, NStZ-RR 2005, 374; BGH bei Miebach, NStZ 1998, 132. Beispiel nach Ganter in G/J/W, § 46 StGB Rz. 57 m.w.N. BGH v. 3.3.2005 – GSSt 1/04, BGHSt 50, 40, 50. BGH v. 28.8.1997 – 4 StR 240/97, BGHSt 43, 195, 207. BGH v. 28.8.1997 – 4 StR 240/97, BGHSt 43, 195, 207.

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Grundsätze der Strafzumessung

StGB

§ 46 StGB Rz. 38

Strafgesetzbuch

Strafobergrenze angeben.1 Nach Inkrafttreten des „Gesetzes zur Regelung der Verständigung im Strafverfahren“ vom 29.7.20092 heißt es heute ausdrücklich in § 257c Abs. 3 S. 2 StPO, dass das Gericht „unter freier Würdigung aller Umstände des Falles sowie der allgemeinen Strafzumessungserwägungen auch eine Ober- und Untergrenze der Strafe angeben [darf]“. Hiermit ist die Würdigung von schuld- und strafzumessungsrelevanten Tatsachen gemeint, soweit sie dem Gericht aus den Akten, aus Stellungnahmen der Verfahrensbeteiligten oder bereits aus der Hauptverhandlung bekannt geworden sind.3 Die Vereinbarung einer bestimmten Strafe bleibt damit weiterhin unzulässig.4 Als zusätzlicher Strafzumessungsgesichtspunkt soll das Prozessverhalten der Verfahrensbeteiligten (§ 257c Abs. 2 i.V.m. Abs. 4 StPO) zu beachten sein. Damit ist bspw. die feste Zusage gemeint, bestimmte Verfahrensanträge nicht zu stellen oder bestimmte Einwendungen nicht zu erheben. Weicht das Prozessverhalten des Angeklagten von seiner Zusage ab, entfällt danach die Bindung des Gerichts an die Absprache nach § 257c Abs. 4 S. 2 StPO.5

D. Festsetzung der Strafe I. Allgemeines 38

Nach der Spielraumtheorie des BGH (vgl. Rz. 5 f.) muss innerhalb des Schuldrahmens unter Berücksichtigung generalpräventiver und spezialpräventiver Gesichtspunkte die endgültige Strafe festgesetzt werden. Die Strafe „liegt nicht mehr innerhalb des dem Tatrichter eingeräumten Beurteilungsrahmens, wenn sie ein angemessenes Verhältnis zum Unrechtsgehalt der Tat, zum Grad der persönlichen Schuld des Angeklagten und zur Gefährlichkeit des Täters vermissen lässt“.6 Sie „darf sich nicht von ihrer Bestimmung lösen, gerechter Schuldausgleich zu sein“.7

II. Spezialprävention 39

Der BGH weist darauf hin, dass den Richter innerhalb des Spielraums schuldangemessener Strafen nach § 46 Abs. 1 S. 2 StGB die Pflicht trifft, die von der Strafe ausgehende Wirkung für das künftige Leben des Täters zu berücksichtigen (vgl. dazu schon Rz. 3).8 Durch „die Aufnahme dieser spezialpräventiven Klausel als Ziel des Strafzumessungsvorgangs in (jetzt) § 46 Abs. 1 StGB durch das 1. Strafrechtsreformgesetz [wurde] für die Bemessung der Strafe eine bedeutsame Schwerpunktverlagerung auf spezialpräventive Gesichtspunkte“ herbeigeführt.9 Dazu gehört nach Auffassung der höchstrichterlichen Rspr. „auch die Vermeidung unbeabsichtigter Nebenwirkungen von Verurteilung und Vollzug, etwa der Gefahr, dass die Strafe einen bisher sozial ausreichend eingepassten Täter aus der sozialen Ordnung herausreißt“.10 Daraus folgt, dass unter Umständen eine noch schuldangemessene Gesamtstrafe in einer Höhe zu bilden ist, die eine Strafaussetzung zur Bewährung ermöglicht.11 Letztlich müssen Art und Umfang der Strafe also so bestimmt werden, dass der Resozialisierungsgedanke überhaupt erfüllt werden kann.12 Als „Wirkung“ i.S.d. Abs. 1 S. 2 ist auch ein drohender Widerruf einer ausgesetzten Freiheitsstrafe in anderer Sache zu berücksichtigen (sog. Kumulationswirkung).13 Auch das Ziel, den Erfolg einer laufenden Drogentherapie nicht zu gefährden, kann im Hinblick auf die Wirkung der Strafe für das zukünftige Leben des Angeklagten strafmildernd berücksichtigt werden, sofern die Strafe schuldangemessen bleibt.14

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Im Übrigen müssen auch die Auswirkungen von Maßregeln oder sonstigen Maßnahmen bei der Strafzumessung berücksichtigt werden,15 wie z.B. die Belastungen durch eine Geldstrafe nach § 41 StGB16 oder eine Einziehung nach § 74 Abs. 2 Nr. 1 StGB.17 Darüber hinaus sind auch die Nebenwirkungen einer strafrechtlichen

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BGH v. 28.8.1997 – 4 StR 240/97, BGHSt 43, 195, 207. BGBl. I 2009, 2353; vgl. auch BT-Drucks. 16/3659; 16/4197; 16/6268 und 16/13095. Vgl. Fischer, StGB, § 46 Rz. 116. BVerfG v. 19.3.2013 – 2 BvR 2628/10 (u.a.), BVerfG NJW 2013, 1058, 1068. Vgl. Fischer, StGB, § 46 Rz. 117, 119, der sich insgesamt krit. zur Verständigung im Strafverfahren äußert; vgl. auch seinen Zeitungsbeitrag „Der Deal zerstört das Recht“ in: Die Zeit v. 27.3.2013. BGH v. 21.5.1992 – 4 StR 577/91, BGHR StGB § 46 Abs. 1 Beurteilungsrahmen 13. BGH v. 21.5.1992 – 4 StR 577/91, BGHR StGB § 46 Abs. 1 Beurteilungsrahmen 13. BGH v. 23.7.1991 – 5 StR 298/91, StV 1991, 513. BGH v. 10.8.1993 – 5 StR 462/93, NStZ 1993, 584; BGH v. 23.7.1991 – 5 StR 298/91, StV 1991, 513. BGH v. 23.8.1991 – 5 StR 298/91, StV 1991, 513; BGH v. 8.12.1970 – 1 StR 353/70, BGHSt 24, 40, 42 f. BGH v. 23.8.1991 – 5 StR 298/91, StV 1991, 513; krit. hierzu Fischer, StGB, § 46 Rz. 7a; s.a. Niemeyer in M-G, § 21 Rz. 46. So BGH v. 5.12.2002 – 3 StR 297/02, StV 1993, 222. OLG Hamm v. 30.6.2009 – 2 Ss 200/09 – Rz. 25, juris; s.a. OLG Düsseldorf v. 20.9.2010 – III-3 RVs 117/10, StV 2011, 98, 99 m.w.N. BGH v. 3.5.2011 – 1 StR 100/11, StV 2011, 533. Vgl. Fischer, StGB, § 46 Rz. 8. BGH v. 21.3.1985 – 4 StR 53/85, NJW 1985, 1719. BGH v. 12.3.2013 – 2 StR 43/13, StV 2013, 565; BGH v. 20.7.2011 – 5 StR 234/11, StV 2011, 726; BGH v. 16.3.1995 – 4 StR 105/95, StV 1995, 301.

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B. Gercke

Rz. 43 § 46 StGB

Verurteilung auf das Leben des Täters zu beachten, „wenn dieser durch sie seine berufliche oder wirtschaftliche Basis verliert“,1 so z.B. beim Widerruf der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft,2 beim Verlust der Beamtenrechte,3 bei Untersagung der Berufsausübung,4 beim Verlust des Arbeitsplatzes5 oder des eigenen Betriebes.6 Insbesondere müssen hier auch die bereits oben (vgl. Rz. 30 ff.) dargestellten außerstrafrechtlichen Nebenfolgen in Wirtschaftsstrafverfahren berücksichtigt werden.7 Der Aspekt der Spezialprävention kann grundsätzlich auch strafschärfend wirken, so z.B. bei Wiederholungs- 41 tätern; jedoch wird von dieser Überlegung in der Praxis kaum Gebrauch gemacht.8

III. Generalprävention Wie bereits eingangs dargelegt (Rz. 4), kann nach der Rspr. des BGH auch der Strafzweck der Abschreckung 42 anderer berücksichtigt werden.9 Mit der (negativen) Generalprävention wird das Ziel verfolgt, „durch die Härte des Strafausspruchs bei möglichen künftigen Tätern ein Gegengewicht zu der Versuchung oder Neigung zu schaffen, Gleiches oder Ähnliches wie der Angeklagte zu tun“.10 Hierbei sind jedoch zwei Voraussetzungen zu beachten:11 Zunächst muss sich die Strafe innerhalb des Spielraums für die schuldangemessene Strafe bewegen.12 Darüber hinaus muss die Strafschärfung geeignet und erforderlich sein. Sie muss also geeignet sein, eine abschreckende Wirkung auszuüben,13 was bspw. bei Konflikttaten eher fern liegt.14 Die Strafschärfung ist erforderlich, „wenn bereits eine gemeinschaftsschädliche Zunahme gleicher oder ähnlicher Taten, wie sie zur Aburteilung stehen, festgestellt worden ist“,15 oder wenn sie „zur Abwehr der Gefahr der Nachahmung […] geboten erscheint“.16 Im Wirtschaftsstrafrecht kann eine Strafschärfung aus generalpräventiven Gründen z.B. bei der Nichtversteuerung von Kapitalerträgen in Betracht kommen.17 Sofern generalpräventive Aspekte strafschärfend berücksichtigt werden, muss das Urteil hierzu Ausführungen enthalten;18 ein statistischer Nachweis ist jedoch nicht notwendig.19 Der positiven Generalprävention (vgl. oben Rz. 4) kommt bei der Strafzumessung eine wesentlich größere Be- 43 deutung zu, wobei sie i.d.R. strafmildernd zu berücksichtigen ist.20 Das ist bspw. der Fall, wenn aufgrund allgemeiner Gerechtigkeitsgesichtspunkte und im Hinblick auf die Akzeptanz der Strafe in der Bevölkerung eine Strafmilderung notwendig ist, wie z.B. bei langer Verfahrensdauer, Tatprovokation durch polizeilich gesteuerten Lockspitzel,21 nicht verfolgte Mittäter, Schadenswiedergutmachung.22

1 BGH v. 29.9.2015 – 1 StR 412/15, wistra 2016, 29; BGH v. 4.8.2015 – 3 StR 265/15, wistra 2016, 28; BGH v. 2.2.2010 – 4 StR 514/09, StV 2010, 479 f.; vgl. auch BGH v. 27.8.1987 – 1 StR 412/87, BGHR StGB § 46 Abs. 1 Schuldausgleich 8 und Fischer, StGB, § 46 Rz. 9. 2 BGH v. 2.2.2010 – 4 StR 514/09, StV 2010, 479 f.; vgl. auch BGH v. 11.4.2013 – 2 StR 506/12, NStZ 2013, 522 und BGH v. 24.7.2014 – 2 StR 221/14, wistra 2015, 27. 3 BGH v. 13.2.1991 – 3 StR 13/91, StV 1991, 207; BGH v. 27.7.1990 – 2 StR 316/90, bei Detter NStZ 1991, 272, 275. 4 BGH v. 19.6.1991 – 2 StR 357/90, wistra 1991, 300. 5 BGH v. 12.1.2016 – 1 StR 414/15, StV 2016, 568; BGH v. 19.5.2011 – 3 StR 89/11, StV 2013, 160. 6 Vgl. BGH v. 7.11.2007 – 1 StR 164/07, NStZ-RR 2008, 343 zur Strafzumessung bei gewerbsmäßigem Betrug im Zusammenhang mit dem sog. Gammelfleischskandal. 7 So Gercke, wistra 2012, 291, 296. 8 Vgl. Schäfer/Sander/van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung, Rz. 863, 1188; s.a. Niemeyer in M-G, § 21 Rz. 46. 9 BGH v. 28.2.1979 – 3 StR 24/79, BGHSt 28, 318, 326; vgl. auch BGH v. 20.3.1986 – 4 StR 87/86, NStZ 1986, 358. 10 BayObLG v. 30.6.1988 – RReg. 3 St 97/88, StV 1988, 530, 531. 11 Im Einzelnen hierzu Schäfer/Sander/van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung, Rz. 839 ff. 12 BGH v. 28.2.1979 – 3 StR 24/79, BGHSt 28, 318, 326; vgl. auch BGH v. 15.7.1994 – 3 StR 315/94, BGHR StGB § 46 Abs. 1 Generalprävention 8. 13 BayObLG v. 30.6.1988 – RReg. 3 St 97/88, StV 1988, 530, 531. 14 Vgl. Schäfer/Sander/van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung, Rz. 841 unter Hinweis auf BGH v. 10.8.2005 – 2 StR 219/05, StraFo 2005, 515 und BGH v. 20.3.2001 – 4 StR 576/00, StV 2001, 453 (Ls). 15 BayObLG v. 30.6.1988 – RReg. 3 St 97/88, StV 1988, 530, 531 m.w.N.; s.a. BGH v. 23.11.2010 – 3 StR 393/10, juris und BGH v. 10.8.2005 – 2 StR 219/05, StraFo 2005, 515. 16 BGH v. 23.11.2010 – 3 StR 393/10, juris. 17 So Niemeyer in M-G, § 21 Rz. 48; Schäfer/Sander/van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung, Rz. 844; s.a. Ganter in G/J/W, § 46 StGB Rz. 54. 18 BGH v. 10.8.2005 – 2 StR 219/05, StraFo 2005, 515. 19 BGH v. 13.2.1991 – 3 StR 423/90, BGHR BtMG § 29 Strafzumessung 14. 20 So Schäfer/Sander/van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung, Rz. 846 ff. 21 Nach BGH v. 10.6.2015 – 2 StR 97/14, BGHSt 60, 276 hat die rechtsstaatswidrige Tatprovokation regelmäßig ein Verfahrenshindernis zur Folge. 22 Schäfer/Sander/van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung, Rz. 1188.

B. Gercke

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StGB

Grundsätze der Strafzumessung

StGB

§ 46a StGB

Strafgesetzbuch

§ 46a Täter-Opfer-Ausgleich, Schadenswiedergutmachung Hat der Täter 1. in dem Bemühen, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen (Täter-Opfer-Ausgleich), seine Tat ganz oder zum überwiegenden Teil wiedergutgemacht oder deren Wiedergutmachung ernsthaft erstrebt oder 2. in einem Fall, in welchem die Schadenswiedergutmachung von ihm erhebliche persönliche Leistungen oder persönlichen Verzicht erfordert hat, das Opfer ganz oder zum überwiegenden Teil entschädigt, so kann das Gericht die Strafe nach § 49 Abs. 1 mildern oder, wenn keine höhere Strafe als Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe bis zu dreihundertsechzig Tagessätzen verwirkt ist, von Strafe absehen. S. hierzu die Kommentierung zu § 46 StGB Rz. 12.

§ 46b Hilfe zur Aufklärung oder Verhinderung von schweren Straftaten (1) Wenn der Täter einer Straftat, die mit einer im Mindestmaß erhöhten Freiheitsstrafe oder mit lebenslanger Freiheitsstrafe bedroht ist, 1. durch freiwilliges Offenbaren seines Wissens wesentlich dazu beigetragen hat, dass eine Tat nach § 100a Abs. 2 der Strafprozessordnung, die mit seiner Tat im Zusammenhang steht, aufgedeckt werden konnte, oder 2. freiwillig sein Wissen so rechtzeitig einer Dienststelle offenbart, dass eine Tat nach § 100a Abs. 2 der Strafprozessordnung, die mit seiner Tat im Zusammenhang steht und von deren Planung er weiß, noch verhindert werden kann, kann das Gericht die Strafe nach § 49 Abs. 1 mildern, wobei an die Stelle ausschließlich angedrohter lebenslanger Freiheitsstrafe eine Freiheitsstrafe nicht unter zehn Jahren tritt. Für die Einordnung als Straftat, die mit einer im Mindestmaß erhöhten Freiheitsstrafe bedroht ist, werden nur Schärfungen für besonders schwere Fälle und keine Milderungen berücksichtigt. War der Täter an der Tat beteiligt, muss sich sein Beitrag zur Aufklärung nach Satz 1 Nr. 1 über den eigenen Tatbeitrag hinaus erstrecken. Anstelle einer Milderung kann das Gericht von Strafe absehen, wenn die Straftat ausschließlich mit zeitiger Freiheitsstrafe bedroht ist und der Täter keine Freiheitsstrafe von mehr als drei Jahren verwirkt hat. (2) Bei der Entscheidung nach Absatz 1 hat das Gericht insbesondere zu berücksichtigen: 1. die Art und den Umfang der offenbarten Tatsachen und deren Bedeutung für die Aufklärung oder Verhinderung der Tat, den Zeitpunkt der Offenbarung, das Ausmaß der Unterstützung der Strafverfolgungsbehörden durch den Täter und die Schwere der Tat, auf die sich seine Angaben beziehen, sowie 2. das Verhältnis der in Nummer 1 genannten Umstände zur Schwere der Straftat und Schuld des Täters. (3) Eine Milderung sowie das Absehen von Strafe nach Absatz 1 sind ausgeschlossen, wenn der Täter sein Wissen erst offenbart, nachdem die Eröffnung des Hauptverfahrens (§ 207 der Strafprozessordnung) gegen ihn beschlossen worden ist. S. hierzu die Kommentierung zu § 46 StGB Rz. 12.

§ 47

(vom Abdruck wird abgesehen)

§ 48

(weggefallen)

§ 49 Besondere gesetzliche Milderungsgründe (1) Ist eine Milderung nach dieser Vorschrift vorgeschrieben oder zugelassen, so gilt für die Milderung folgendes: 1. An die Stelle von lebenslanger Freiheitsstrafe tritt Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren. 2. Bei zeitiger Freiheitsstrafe darf höchstens auf drei Viertel des angedrohten Höchstmaßes erkannt werden. Bei Geldstrafe gilt dasselbe für die Höchstzahl der Tagessätze.

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B. Gercke

Rz. 2 § 52 StGB

3. Das erhöhte Mindestmaß einer Freiheitsstrafe ermäßigt sich im Falle eines Mindestmaßes von zehn oder fünf Jahren auf zwei Jahre, im Falle eines Mindestmaßes von drei oder zwei Jahren auf sechs Monate, im Falle eines Mindestmaßes von einem Jahr auf drei Monate, im übrigen auf das gesetzliche Mindestmaß. (2) Darf das Gericht nach einem Gesetz, das auf diese Vorschrift verweist, die Strafe nach seinem Ermessen mildern, so kann es bis zum gesetzlichen Mindestmaß der angedrohten Strafe herabgehen oder statt auf Freiheitsstrafe auf Geldstrafe erkennen. S. die Kommentierung zu § 46 StGB Rz. 11.

§ 50 Zusammentreffen von Milderungsgründen Ein Umstand, der allein oder mit anderen Umständen die Annahme eines minder schweren Falles begründet und der zugleich ein besonderer gesetzlicher Milderungsgrund nach § 49 ist, darf nur einmal berücksichtigt werden. S. die Kommentierung zu § 46 StGB Rz. 13.

§ 51

(vom Abdruck wird abgesehen)

Dritter Titel. Strafbemessung bei mehreren Gesetzesverletzungen

§ 52 Tateinheit (1) Verletzt dieselbe Handlung mehrere Strafgesetze oder dasselbe Strafgesetz mehrmals, so wird nur auf eine Strafe erkannt. (2) Sind mehrere Strafgesetze verletzt, so wird die Strafe nach dem Gesetz bestimmt, das die schwerste Strafe androht. Sie darf nicht milder sein, als die anderen anwendbaren Gesetze es zulassen. (3) Geldstrafe kann das Gericht unter den Voraussetzungen des § 41 neben Freiheitsstrafe gesondert verhängen. (4) Läßt eines der anwendbaren Gesetze die Vermögensstrafe zu, so kann das Gericht auf sie neben einer lebenslangen oder einer zeitigen Freiheitsstrafe von mehr als zwei Jahren gesondert erkennen. Im übrigen muß oder kann auf Nebenstrafen, Nebenfolgen und Maßnahmen (§ 11 Abs. 1 Nr. 8) erkannt werden, wenn eines der anwendbaren Gesetze sie vorschreibt oder zuläßt. Literatur: Brähler, Die rechtliche Behandlung von Serienstraftaten und -ordnungswidrigkeiten, 2000; Erb, Überlegungen zur Neuordnung der Konkurrenzen, ZStW 117 (2005), 37; v. Heintschel-Heinegg, Die Konsumtion als eigenständige Form der Gesetzeskonkurrenz, in FS Jakobs, 2007, 131; Keller, Zur tatbestandlichen Handlungseinheit, 2004; Rissing-van Saan, Für betrügerische oder andere kriminelle Zwecke errichtete oder ausgenutzte Unternehmen: rechtliche Handlungseinheiten sui generis?, in FS Tiedemann, 2008, 391.

Beim Zusammentreffen mehrerer Gesetzesverletzungen würde die Summe aller möglichen Freiheitsstrafen das 1 Maß einer schuldangemessenen Strafe übersteigen. Aus diesem Grund bestimmt § 52 StGB, dass bei den als Tateinheit zu beurteilenden Gesetzesverletzungen nur auf eine Strafe erkannt wird, die sich nach dem Gesetz bestimmt, das die schwerste Strafe androht (vgl. § 52 Abs. 1, 2 StGB). Eine Tateinheit (Idealkonkurrenz) liegt vor, wenn ein und dieselbe Handlung mehrere anwendbare, d.h. nicht in Gesetzeseinheit stehende Gesetze verletzt.1 Damit stellt sich zunächst die Frage, ob eine oder mehrere Handlungen gegeben sind. Eine Handlung ist jedenfalls gegeben, wenn im natürlichen Sinn nur eine Willensbetätigung stattgefunden hat.2 Bei mehreren Handlungen einer Person ist zu prüfen, ob diese für die strafrechtliche Bewertung zu einer Handlungseinheit verbunden werden können, also eine Tat im Rechtssinne darstellen.3 Hier wird zwischen der natürlichen und der rechtlichen Handlungseinheit differenziert: Die natürliche Handlungseinheit ist nach st. Rspr. „durch einen solchen unmittelbaren Zusammenhang zwi- 2 schen mehreren menschlichen, strafrechtlich erheblichen Verhaltensweisen gekennzeichnet, dass sich das ge1 Lackner/Kühl, § 52 StGB Rz. 1. 2 BGH v. 5.1.1951 – 2 StR 83/50, BGHSt 1, 20, 21. 3 Vgl. Fischer, StGB, Vor § 52 Rz. 2.

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StGB

Tateinheit

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§ 52 StGB Rz. 3

Strafgesetzbuch

samte Tätigwerden an sich (objektiv) auch für einen Dritten als ein einheitliches zusammengehöriges Tun bei natürlicher Betrachtungsweise erkennbar macht“.1 Hierbei ist im Wesentlichen die „Auffassung des Lebens“ entscheidend.2 Neben dem unmittelbaren räumlichen und zeitlichen Zusammenhang zwischen den strafrechtlich erheblichen Verhaltensweisen muss ein einheitlicher Tatentschlusses vorliegen.3 Bspw. ist eine natürliche Handlungseinheit anzunehmen, wenn bei einem betrügerischen Vertrieb von Kapitalanlagen mit einem Geschädigten am selben Tag mehrere Verträge abgeschlossen werden.4 Hingegen wurde die Leitung eines auf betrügerische Geschäftsabschlüsse angelegten Betriebes als Handlungsmehrheit gewertet, weil hier der zeitliche und räumliche Zusammenhang zwischen den Einzelakten fehlt.5 Beim Nichtabführen der Beiträge zur Sozialversicherung für mehrere Arbeitnehmer an dieselbe Einzugsstelle soll nur eine Unterlassung vorliegen,6 nicht aber bei der Beitragsvorenthaltung gegenüber mehreren Kassen oder wenn Beiträge über mehrere Monate hinweg vorenthalten werden.7 3

Darüber hinaus liegt eine Handlung vor, wenn mehrere natürliche Handlungen (oder Handlungseinheiten) aus Rechtsgründen eine Bewertungseinheit bilden (sog. rechtliche Handlungseinheit).8 Das ist insbesondere der Fall, wenn der Tatbestand eines Strafgesetzes mehrere Handlungen zu einer sog. tatbestandlichen Handlungseinheit verbindet, wie z.B. bei mehraktigen oder zusammengesetzten Delikten.9 Früher hatte die Rspr. als weitere rechtliche Handlungseinheit die sog. fortgesetzte Tat anerkannt.10 Diese Rechtsfigur war gerade im Wirtschaftsstrafrecht von großer Bedeutung, weil es sich hier – wie z.B. bei Betrügereien nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit – häufig um Serienstraftaten handelt, welche sich über einen langen Zeitraum erstrecken.11 Der BGH hat dem Rechtsinstitut der fortgesetzten Tat jedoch in seiner wegweisenden Entscheidung vom 3.5.1994 grundsätzlich eine Absage erteilt: „Die Verbindung mehrerer Verhaltensweisen, die jede für sich einen Straftatbestand erfüllen, zu einer fortgesetzten Handlung setzt [heute] voraus, dass dies, was am Straftatbestand zu messen ist, zur sachgerechten Erfassung des verwirklichten Unrechts und der Schuld unumgänglich ist.“12 Das ist jedenfalls bei § 263 StGB nicht der Fall.13 Dies gilt auch für §§ 266, 266a, 283 Abs. 1 Nr. 5, 299 Abs. 1 StGB, § 370 AO und für die Ordnungswidrigkeiten nach § 81 Abs. 2 Nr. 1 GWB.14 Damit ist die Annahme einer fortgesetzten Handlung im Bereich des Wirtschaftsstrafrechts nahezu ausgeschlossen.15

4

Wurde festgestellt, dass ein und dieselbe Handlung mehrere Gesetze verletzt hat, stellt sich weiter die Frage, ob eine echte Konkurrenz vorliegt.16 Diese ist abzugrenzen von der unechten Konkurrenz, die in Fällen der Handlungseinheit auch als Gesetzeseinheit oder Gesetzeskonkurrenz bezeichnet wird.17 Bei der unechten Konkurrenz sind durch die Straftat dem Wortlaut nach mehrere Strafgesetze verletzt, allerdings wird der Unrechtsgehalt erschöpfend durch nur einen Straftatbestand erfasst.18 Als Erscheinungsformen der Gesetzeseinheit sind die Fälle der Spezialität, Subsidiarität und Konsumtion zu unterscheiden.19 Bspw. tritt die Verletzung der Buchführungspflicht i.S.v. § 283b Abs. 1 Nr. 1 StGB als subsidiäre Vorschrift hinter dem Bankrott nach § 283 Abs. 1 Nr. 5 zurück.20 Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die einschlägige Kommentarliteratur verwiesen.21

5

Verletzt nun ein und dieselbe Handlung mehrere anwendbare, d.h. nicht in Gesetzeseinheit stehende Gesetze (echte Konkurrenz), so liegt Tateinheit (Idealkonkurrenz) vor.22 Dabei kann sich die Mehrheit aus der Verletzung verschiedener Gesetze (sog. ungleichartige Tateinheit) oder aus der mehrmaligen Verletzung desselben Gesetzes (sog. gleichartige Tateinheit) ergeben (§ 52 Abs. 1 StGB).23 Eine ungleichartige Tateinheit liegt z.B. vor, 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23

BGH v. 27.3.1953 – 2 StR 801/52, BGHSt 4, 219, 220. Vgl. BGH v. 27.3.1953 – 2 StR 801/52, BGHSt 4, 219, 220. S. hierzu BGH v. 20.12.1956 – 4 StR 447/56, BGHSt 10, 129, 131. BGH v. 16.2.2000 – 1 StR 189/99, wistra 2000, 261. BGH v. 19.2.1976 – 2 StR 585/73, BGHSt 26, 284, 285 ff. BGH v. 24.4.2007 – 1 StR 639/06, wistra 2007, 307. BGH v. 30.7.2003 – 5 StR 221/03, BGHSt 48, 307, 314; Fischer, StGB, § 266a Rz. 36; vert. zu den Konkurrenzen bei § 266a StGB Gercke in Gercke/Kraft/Richter, Arbeitsstrafrecht, 2. Kap. Rz. 99 ff. Vgl. im Einzelnen Lackner/Kühl, Vor § 52 StGB Rz. 9; s.a. Rissing-van Saan in FS Tiedemann, 2008, S. 391. Lackner/Kühl, Vor § 52 StGB Rz. 10; hier wird auch darauf hingewiesen, dass die Rspr. teilweise andere Begriffe verwendet, die Terminologie also uneinheitlich ist; vert. Keller, a.a.O. Lackner/Kühl, Vor § 52 StGB Rz. 12. Niemeyer in M-G, § 20 Rz. 17; vert. Brähler, a.a.O. BGH v. 3.5.1994 – GSSt 2 und 3/93, BGHSt 40, 138 (Leitsatz). BGH v. 3.5.1994 – GSSt 2 und 3/93, BGHSt 40, 138, 167. Vgl. Niemeyer in M-G, § 20 Rz. 18 mit den Nachweisen aus der Rspr. So Niemeyer in M-G, § 20 Rz. 18. Lackner/Kühl, Vor § 52 StGB Rz. 23. Lackner/Kühl, Vor § 52 StGB Rz. 24. Niemeyer in M-G, § 20 Rz. 4. von Heintschel-Heinegg in MüKo-StGB, Vor §§ 52 ff. Rz. 31; vert. zur Komsumtion v. Heintschel-Heinegg in FS Jakobs, 2007, 131. BGH v. 5.11.1997 – 2 StR 462/97, NStZ 1998, 192; BGH v. 16.5.1984 – 3 StR 162/84, NStZ 1984, 455. Vgl. z.B. von Heintschel-Heinegg in MüKo-StGB, Vor §§ 52 ff. Rz. 31 ff. Lackner/Kühl, Vor § 52 StGB, Rz. 30. Lackner/Kühl, § 52 StGB Rz. 2; Fischer, StGB, § 52 Rz. 1.

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B. Gercke

§ 53 StGB

wenn der Täter eine unechte Urkunde zu einer betrügerischen Täuschung verwendet.1 Wenn bspw. durch eine Täuschungshandlung mehrere Vermögensverfügungen im Rahmen von § 263 StGB hervorgerufen werden, ist eine gleichartige Idealkonkurrenz gegeben.2 Nach st. Rspr. „kommt [Tateinheit] nur in Betracht, wenn die tatbestandlichen, mehrere Strafgesetze oder dasselbe Strafgesetz mehrfach verletzenden Ausführungshandlungen in einem für sämtliche Tatbestandsverwirklichungen notwendigen Teil zumindest teilweise identisch sind“.3 Jedoch begründen allein „die einheitliche Zielsetzung des Täters, der übereinstimmende Beweggrund oder die Verfolgung eines Endzwecks“ keine Tateinheit.4 Sofern die Ausführungshandlungen zweier an sich getrennt verwirklichter Straftatbestände zwar nicht mit- 6 einander, jedoch mit der Ausführungshandlung eines dritten Tatbestandes (teil-)identisch sind, kann eine Tateinheit durch Klammerwirkung vorliegen.5 Das setzt aber voraus, dass zwischen den selbständigen Straftaten und dem sie verbindenden Straftatbestand eine annähernde Wertgleichheit besteht oder die verbindende Tat die schwerste ist.6 So hat z.B. ein Verstoß gegen § 145c StGB nicht zur Folge, dass auch zwischen den einzelnen Vergehen nach § 263 StGB Tateinheit angenommen werden kann, „denn § 145c StGB hat als minder schwerer Straftat nicht die Kraft, die Betrugsfälle zu einer rechtlichen Einheit zu verbinden“.7 Hingegen kann eine Untreue einen Betrug und eine Bestechlichkeit zu einer Tat verklammern.8 Bei gleichartiger Tateinheit wird die Strafe unmittelbar dem mehrfach verletzten Strafgesetz entnommen, als 7 ob es nur einmal verletzt wäre.9 Dass dieselbe Tat das Gesetz mehrfach oder in mehreren Begehungsformen verletzt hat, kann jedoch strafschärfend berücksichtigt werden.10 Auch kann die mehrfache Tatbestandserfüllung die Annahme eines besonders schweren Falles begründen.11 Liegt eine ungleichartige Tateinheit vor, so werden die Strafdrohungen aller verletzten Strafgesetze zu einem gemeinsamen Strafrahmen kombiniert, dem dann die einheitliche Strafe (§ 52 Abs. 1 StGB) zu entnehmen ist (Kombinationsprinzip).12 Dabei wird die kombinierte Strafdrohung nach unten durch die höchste der Mindeststrafen und nach oben durch die höchste der Höchststrafen der verletzten Strafgesetze begrenzt (Absatz 2), wobei es nicht auf den abstrakten, sondern den im konkreten Fall anwendbaren Strafrahmen ankommt.13 Neben der Freiheitsstrafe kann auch eine Geldstrafe verhängt werden (vgl. Absatz 3). Im Übrigen muss oder kann nach Abs. 4 S. 2 auf Nebenstrafen, Nebenfolgen und Maßnahmen (§ 11 Abs. 1 Nr. 8) erkannt werden, wenn eines der anwendbaren Gesetze sie vorschreibt oder zulässt.14

§ 53 Tatmehrheit (1) Hat jemand mehrere Straftaten begangen, die gleichzeitig abgeurteilt werden, und dadurch mehrere Freiheitsstrafen oder mehrere Geldstrafen verwirkt, so wird auf eine Gesamtstrafe erkannt. (2) Trifft Freiheitsstrafe mit Geldstrafe zusammen, so wird auf eine Gesamtstrafe erkannt. Jedoch kann das Gericht auf Geldstrafe auch gesondert erkennen; soll in diesen Fällen wegen mehrerer Straftaten Geldstrafe verhängt werden, so wird insoweit auf eine Gesamtgeldstrafe erkannt. (3) Hat der Täter nach dem Gesetz, nach welchem § 43a Anwendung findet, oder im Fall des § 52 Abs. 4 als Einzelstrafe eine lebenslange oder eine zeitige Freiheitsstrafe von mehr als zwei Jahren verwirkt, so kann das Gericht neben der nach Absatz 1 oder 2 zu bildenden Gesamtstrafe gesondert eine Vermögensstrafe verhängen; soll in diesen Fällen wegen mehrerer Straftaten Vermögensstrafe verhängt werden, so wird insoweit auf eine Gesamtvermögensstrafe erkannt. § 43a Abs. 3 gilt entsprechend. (4) § 52 Abs. 3 und 4 Satz 2 gilt sinngemäß. Literatur: Arnoldi/Rutkowski, Die nachträgliche Gesamtstrafenbildung und der Tatrichter – ein ewiger Händel, NStZ 2011, 493; Bohnert, Warum Gesamtstrafenbildung?, ZStW 105 (1993), 846; Bohnert, Tatmehrheit, Verfahrensmehrheit und nachträgliche Gesamtstrafenbildung, GA 1994, 97; Bringewat, Die Bildung der Gesamtstrafe, 1987; Bringewat, Straferledigung 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14

Vgl. Puppe in NK-StGB, § 52 Rz. 27 m.w.N. Ganter in G/J/W, § 52 StGB Rz. 8; vgl. z.B. BGH v. 2.4.1987 – 4 StR 81/87, wistra 1987, 257. BGH v. 21.3.1985 – 1 StR 583/84, BGHSt 33, 163, 165 m.w.N.; Hervorhebung durch den Verfasser. BGH v. 21.3.1985 – 1 StR 583/84, BGHSt 33, 163, 165; ausf. hierzu Lackner/Kühl, § 52 StGB Rz. 3; s.a. BGH v. 23.7.2014 – 1 StR 207/14, wistra 2014, 443, 444. Rissing-van Saan in LK-StGB, § 52 Rz. 28; Lackner/Kühl, § 52 StGB Rz. 5. Rissing-van Saan in LK-StGB, § 52 Rz. 30; Ganter in G/J/W, § 52 StGB Rz. 11. BGH v. 1.8.1991 – 4 StR 234/91, NStZ 1991, 549, 550. Vgl. BGH v. 13.2.1985 – 2 StR 22/85 bei Holtz MDR 1985, 627; Ganter in G/J/W, § 52 StGB Rz. 11. Rissing-van Saan in LK-StGB, § 52 Rz. 41; Sternberg-Lieben/Bosch in S/S-StGB, § 52 Rz. 33. Rissing-van Saan in LK-StGB, § 52 Rz. 41; BGH v. 28.4.1992 – 1 StR 148/92 bei Holtz MDR 1992, 932; BGH v. 27.1.1971 – 2 StR 593/70 bei Dallinger MDR 1971, 363. Vgl. Sternberg-Lieben/Bosch in S/S-StGB, § 52 Rz. 33 m.w.N. Rissing-van Saan in LK-StGB, § 52 Rz. 42; Sternberg-Lieben/Bosch in S/S-StGB, § 52 Rz. 34. Fischer, StGB, § 52 Rz. 2 ff.; Ganter in G/J/W, § 52 StGB Rz. 20. § 52 Abs. 4 Satz 1 StGB ist seit der Entscheidung des BVerfG v. 20.3.2002 – 2 BvR 794/95, BVerfGE 105, 135 ff. zur Verfassungswidrigkeit des § 43a StGB ohne Bedeutung, vgl. auch BGBl. I 2002, 1340.

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StGB

Tatmehrheit

StGB

§ 53 StGB Rz. 1

Strafgesetzbuch

im Sinne des § 55 StGB und angemessener Härteausgleich, NStZ 1987, 385; Metz, Gesamtstrafenbildung bei Einzelgeldstrafen unterschiedlicher Tagessatzhöhe, StraFo 2010, 403; Nestler, Die nachträgliche Bildung einer Gesamtstrafe, JA 2011, 248; Reichenbach, Die Kriterien der Revisionsgerichte für die Bildung der Gesamtstrafe. Anmerkungen aus tatrichterlicher Perspektive, JR 2012, 9; Schoreit, Strafbemessung bei mehreren Gesetzesverletzungen in FS Rebmann, 1989, 443; Steinmetz, Das Gleichzeitigkeitserfordernis des § 53 StGB und die Rechtsprechungsänderung zu §§ 4, 237 StPO, JR 1993, 228.

1

Sofern mehrere Handlungen (Handlungseinheiten) mehrere Gesetze verletzen, liegt Tatmehrheit (Realkonkurrenz) vor, die in den §§ 53 bis 55 StGB geregelt ist.1 Dabei gelten die Vorschriften, wenn durch die Straftaten verschiedene Straftatbestände (sog. ungleichartige Tatmehrheit) verletzt worden sind oder gegen dasselbe Strafgesetz mehrfach (sog. gleichartige Tatmehrheit) verstoßen worden ist.2

2

Nach § 53 Abs. 1 StGB ist zwingend eine Gesamtstrafe zu bilden,3 wenn jemand mehrere Straftaten begangen hat, die gleichzeitig abgeurteilt werden, und dadurch mehrere Freiheitsstrafen oder mehrere Geldstrafen verwirkt sind. Eine gleichzeitige Aburteilung liegt nur bei einer Aburteilung „in demselben Verfahren“ vor, nicht aber bei einer lediglich prozesstechnischen Verbindung nach § 237 StPO.4 Die Bildung einer Gesamtstrafe ist nach § 53 Abs. 2 S. 1 StGB auch dann die Regel, wenn Freiheitsstrafe mit Geldstrafe zusammentrifft.5 Das ergibt sich aus § 53 Abs. 2 S. 2, 1. Hs. StGB, wonach es lediglich in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, anstatt der Bildung der Gesamtfreiheitsstrafe ausnahmsweise auf Geldstrafe neben Freiheitsstrafe gesondert zu erkennen.6 Ein solcher Ausnahmefall ist gegeben, wenn sich die Bildung der Gesamtfreiheitsstrafe „als das schwerere Übel erweist“,7 z.B. wenn durch die Einbeziehung der Geldstrafe die Vollstreckung der Freiheitsstrafe nicht mehr zur Bewährung ausgesetzt werden kann,8 der zwingende Verlust der Beamtenrechte droht9 oder die in § 358 StGB geforderte Mindesthöhe erst erreicht wird.10 Letztlich hat sich die Ausübung des Ermessens an den Strafzumessungsgründen zu orientieren.11 Nach § 53 Abs. 2 S. 2, 2. Hs. ist aus mehreren gesondert verhängten Geldstrafen eine Gesamtgeldstrafe zu bilden.12 § 53 Abs. 3 StGB ist nach dem Urteil des BVerfG vom 20.3.2002 zu § 43a StGB obsolet; zu Absatz 4 vgl. Rissing-van Saan in LK-StGB, § 53 Rz. 18, 19.

§ 54 Bildung der Gesamtstrafe (1) Ist eine der Einzelstrafen eine lebenslange Freiheitsstrafe, so wird als Gesamtstrafe auf lebenslange Freiheitsstrafe erkannt. In allen übrigen Fällen wird die Gesamtstrafe durch Erhöhung der verwirkten höchsten Strafe, bei Strafen verschiedener Art durch Erhöhung der ihrer Art nach schwersten Strafe gebildet. Dabei werden die Person des Täters und die einzelnen Straftaten zusammenfassend gewürdigt. (2) Die Gesamtstrafe darf die Summe der Einzelstrafen nicht erreichen. Sie darf bei zeitigen Freiheitsstrafen fünfzehn Jahre, bei Vermögensstrafen den Wert des Vermögens des Täters und bei Geldstrafe siebenhundertzwanzig Tagessätze nicht übersteigen; § 43a Abs. 1 Satz 3 gilt entsprechend. (3) Ist eine Gesamtstrafe aus Freiheits- und Geldstrafe zu bilden, so entspricht bei der Bestimmung der Summe der Einzelstrafen ein Tagessatz einem Tag Freiheitsstrafe. Literatur: S. oben zu § 53 StGB.

1

§ 54 StGB bestimmt, wie bei Vorliegen von Tatmehrheit i.S.d. § 53 StGB die Gesamtstrafe zu bilden ist:13 Nach Abs. 1 S. 2 ist zunächst für jede Tat die Einzelstrafe innerhalb des für sie konkret anzuwendenden Strafrahmens festzusetzen.14 Hierbei sind die Strafart und Strafhöhe genau zu bestimmen, d.h., bei der Geldstrafe ist ins1 Eine Tatmehrheit ist in den Fällen der mitbestraften Nachtat oder Vortat zu verneinen, vgl. hierzu im Einzelnen Lackner/Kühl, Vor § 52 StGB Rz. 31 ff. und BGH v. 20.2.2014 – 3 StR 178/13, StraFo 2014, 298. 2 Vgl. Frister in NK-StGB, § 53 Rz. 1; Fischer, StGB, § 53 Rz. 2. 3 Fischer, StGB, § 53 Rz. 3. 4 Vgl. v. Heintschel-Heinegg in MüKo-StGB, § 53 Rz. 8; Rissing-van Saan in LK-StGB, § 53 Rz. 8 m.w.N.; vert. Steinmetz, JR 1993, 228; vgl. aber OLG Hamm v. 16.1.2014 – III-1 RVs 94/13, 1 RVs 94/13, juris. 5 KG Berlin v. 22.8.2002 – (5) Ss 186/02 (34/02), NStZ 2003, 207; Fischer, StGB, § 53 Rz. 4; Ganter in G/J/W, § 53 StGB Rz. 6. 6 KG Berlin v. 22.8.2002 – (5) Ss 186/02 (34/02), NStZ 2003, 207; Rissing-van Saan in LK-StGB, § 53 Rz. 15. 7 BGH v. 8.1.2008 – 4 StR 468/07, NJW 2008, 929, 930; BGH v. 1.8.1986 – 3 StR 323/86, BGHR StGB § 53 Abs. 2 Einbeziehung, nachteilige 2; zur Begründungspflicht bei Nichtanwendung des Abs. 2 S. 2 vgl. BGH v. 7.10.2010 – 1 StR 484/10, wistra 2011, 19. 8 BGH v. 11.9.2007 – 5 StR 388/07, StraFo 2007, 513; BGH v. 26.9.2006 – 4 StR 390/06, StV 2007, 129. 9 BGH v. 19.4.2004 – 5 StR 119/04, StraFo 2004, 247. 10 BGH v. 8.1.2008 – 4 StR 468/07, NJW 2008, 929, 930. 11 So Fischer, StGB, § 53 Rz. 6; Lackner/Kühl, § 53 StGB Rz. 4. 12 Vgl. hierzu v. Heintschel-Heinegg in MüKo-StGB, § 53 Rz. 17, 20. 13 Im Einzelnen hierzu BGH v. 30.11.1971 – 1 StR 485/71, BGHSt 24, 268 ff.; Bohnert, ZStW 105 (1993), 846; Bringewat, a.a.O. und Schoreit in FS Rebmann, S. 443. 14 Fischer, StGB, § 54 Rz. 4.

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B. Gercke

§ 55 StGB

besondere auch die Tagessatzhöhe festzulegen.1 Schließlich müssen die Einzelstrafen im Hinblick auf einen möglichen späteren Wegfall der Gesamtstrafe oder eine spätere neue Gesamtstrafenbildung, aber auch als Anknüpfungspunkt für Nebenstrafen, Nebenfolgen und Maßnahmen ihre selbständige Bedeutung behalten; sie sind keine bloßen Rechnungsposten.2 Daraus folgt auch, dass die Bestimmung einer Einzelstrafe auch nur wegen einer abgeurteilten Einzeltat bei den gerade im Wirtschaftsstrafrecht häufig auftretenden Serientaten nicht unterbleiben darf.3 Sodann ist festzustellen, welche die dem Maß nach schwerste (bei Geldstrafen ist hier allein die Tagessatzzahl entscheidend4) oder bei verschiedenen Strafarten die ihrer Art nach schwerste Einzelstrafe (sog. Einsatzstrafe) ist.5 Bei der Art der Strafe ist die Rangfolge Freiheitsstrafe, Strafarrest nach §§ 9, 13 WStG und Geldstrafe zu beachten, woraus sich ergibt, dass aus einer Geld- und einer Freiheitsstrafe keine Gesamtstrafe gebildet werden kann.6 Die Einsatzstrafe wird dann zur Bildung der Gesamtstrafe erhöht; es kommt also nicht zu einer Kumulation von Einzelstrafen (sog. Asperationsprinzip).7 Dabei ist das Mindestmaß der Gesamtstrafe die nach Abs. 1 S. 2 geringstmöglich erhöhte Einsatzstrafe.8 Das Höchstmaß darf nach Abs. 2 S. 1 die Summe der Einzelstrafen nicht erreichen.9 Mit der Bestimmung der Gesamtstrafe handelt es sich um einen gesonderten Strafzumessungsvorgang, bei dem 2 nach Abs. 1 S. 3 die Person des Täters und die einzelnen Straftaten zusammenfassend gewürdigt werden.10 Nach der Grundsatzentscheidung BGHSt 24, 268 zu den Bewertungsgrundsätzen bei der Gesamtstrafenbildung sind „hierbei […] namentlich das Verhältnis der einzelnen Straftaten zueinander, insbesondere ihr Zusammenhang, ihre größere oder geringere Selbständigkeit, ferner die Häufigkeit der Begehung, die Gleichheit oder Verschiedenheit der verletzten Rechtsgüter und der Begehungsweisen sowie das Gesamtgewicht des abzuurteilenden Sachverhalts zu berücksichtigen“.11 Der BGH geht ferner davon aus, dass „die zusammenfassende Würdigung der Person des Täters, neben seiner Strafempfänglichkeit vor allem seine größere oder geringere Schuld im Hinblick auf das Gesamtgeschehen“ maßgeblich ist.12 Von Bedeutung soll auch die Frage sein, „ob die mehreren Straftaten einem kriminellen Hang bzw. bei Fahrlässigkeitstaten einer allgemeinen gleichgültigen Einstellung entspringen oder ob es sich um Gelegenheitsdelikte ohne innere Verbindung handelt“.13 Bspw. kann die Erhöhung der Einsatzstrafe bei einem gewerbsmäßigen Betrug geringer ausfallen, wenn zwischen den einzelnen Taten ein enger zeitlicher, sachlicher und situativer Zusammenhang besteht.14 Denn die wiederholte Begehung gleichartiger Taten wird häufig eine niedriger werdende Hemmschwelle zum Ausdruck bringen.15 Andererseits kann dies auch als ein Indiz für eine besondere „kriminelle Energie“ des Täters gewertet werden.16 Sofern die Taten zeitlich weit auseinander liegen und sich gegen verschiedene Rechtsgüter richten, wird die Einsatzstrafe deutlich zu erhöhen sein.17 Die Gesamtstrafenbildung muss im Urteil gesondert begründet werden.18 Wenn die Gesamtstrafe der Summe der Einzelstrafen nahe kommt, ist eine besonders eingehende Begründung erforderlich.19

§ 55 Nachträgliche Bildung der Gesamtstrafe (1) Die §§ 53 und 54 sind auch anzuwenden, wenn ein rechtskräftig Verurteilter, bevor die gegen ihn erkannte Strafe vollstreckt, verjährt oder erlassen ist, wegen einer anderen Straftat verurteilt wird, die er vor der früheren Verurteilung begangen hat. Als frühere Verurteilung gilt das Urteil in dem früheren Verfahren, in dem die zugrundeliegenden tatsächlichen Feststellungen letztmals geprüft werden konnten.

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19

Eschelbach in S/S/W-StGB, § 54 Rz. 4; Ganter in G/J/W, § 54 StGB Rz. 2. Eschelbach in S/S/W-StGB, § 54 Rz. 4; vgl. auch BGH v. 30.11.1971 – 1 StR 485/71, BGHSt 24, 268, 269. Vgl. Eschelbach in S/S/W-StGB, § 54 Rz. 2. BGH v. 10.9.1985 – 2 ARs 242/85, NJW 1986, 1117. Fischer, StGB, § 54 Rz. 4; Lackner/Kühl, § 54 StGB Rz. 3. KG v. 23.4.2012 – (3) 121 Ss 34/12 (28/12), StV 2012, 654, 655. Ganter in G/J/W, § 54 StGB Rz. 1; Eschelbach in S/S/W-StGB, § 53 Rz. 3. Vgl. Fischer, StGB, § 54 Rz. 5. Vgl. im Einzelnen hierzu Fischer, StGB, § 54 Rz. 5. BGH v. 30.11.1971 – 1 StR 485/71, BGHSt 24, 268, 271; vgl. auch OLG Koblenz v. 21.10.2013 – 2 Ss 142/13, juris und Reichenbach, JR 2012, 9. BGH v. 30.11.1971 – 1 StR 485/71, BGHSt 24, 268, 269 f. BGH v. 30.11.1971 – 1 StR 485/71, BGHSt 24, 268, 270. BGH v. 30.11.1971 – 1 StR 485/71, BGHSt 24, 268, 270. OLG Koblenz v. 21.10.2013 – 2 Ss 142/13, juris; vgl. auch BGH v. 26.9.2002 – 3 StR 278/02, NStZ-RR 2003, 9 zu 20 Straftaten des gewerbs- und bandenmäßigen Betruges, die alle nach demselben Schema innerhalb eines kurzen Zeitraums von nur fünf Monaten erfolgten und jeweils dieselbe Geschädigte betrafen. OLG Koblenz v. 21.10.2013 – 2 Ss 142/13, juris; vgl. auch LG Düsseldorf v. 22.2.2011 – 14 KLs – 120 Js 760/07 – 14/08, juris. OLG Koblenz v. 21.10.2013 – 2 Ss 142/13, juris. OLG Koblenz v. 21.10.2013 – 2 Ss 142/13, juris. BGH v. 30.11.1971 – 1 StR485/71, BGHSt 24, 268, 271. BGH v. 13.4.2010 – 3 StR 71/10, wistra 2010, 264.

B. Gercke

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StGB

Nachträgliche Bildung der Gesamtstrafe

StGB

§ 55 StGB Rz. 1

Strafgesetzbuch

(2) Vermögensstrafen, Nebenstrafen, Nebenfolgen und Maßnahmen (§ 11 Abs. 1 Nr. 8), auf die in der früheren Entscheidung erkannt war, sind aufrechtzuerhalten, soweit sie nicht durch die neue Entscheidung gegenstandslos werden. Dies gilt auch, wenn die Höhe der Vermögensstrafe, auf die in der früheren Entscheidung erkannt war, den Wert des Vermögens des Täters zum Zeitpunkt der neuen Entscheidung übersteigt. Literatur: S. oben zu § 53 StGB.

1

Durch § 55 StGB können Einzelstrafen, welche bei einer gleichzeitigen Aburteilung nach §§ 53, 54 StGB Grundlage einer Gesamtstrafenbildung gewesen wären, auch bei getrennter Aburteilung noch nachträglich berücksichtigt werden.1 Die Regelung beruht auf dem Grundgedanken, dass ein Angeklagter durch den verfahrensrechtlichen Zufall der gemeinsamen oder getrennten Aburteilung im Endergebnis weder besser noch schlechter gestellt werden soll.2 Die Regelung des § 55 StGB ist nach Auffassung des BGH „schwer zu durchschauen, darzustellen und zu befolgen“,3 so dass es vergleichsweise häufig zu Urteilsaufhebungen im Wege der Revision kommt.4 Die nachträgliche Gesamtstrafenbildung setzt zunächst nach Abs. 1 S. 1 eine frühere Verurteilung durch Urteil oder eine gleichstehende Entscheidung voraus. Dabei muss das frühere Urteil rechtskräftig sein, bevor die neue Verurteilung rechtskräftig wird.5 Zudem darf die gegen den Täter erkannte Strafe nicht erledigt, also nicht vollständig vollstreckt, verjährt oder erlassen sein.6 Falls eine nachträgliche Gesamtstrafe nur deshalb nicht gebildet werden kann, weil sich eine frühere Strafe bereits erledigt hat, so erfordert eine darin liegende Härte einen angemessenen Ausgleich.7 Darüber hinaus muss die neue Straftat vor der früheren Verurteilung begangen (vgl. Abs. 1 S. 2), und dabei nicht nur vollendet, sondern auch beendet sein.8 § 55 StGB ist zwingend anzuwenden, wenn seine Voraussetzungen vorliegen.9

2

Eine Gesamtstrafe kann immer nur aus Einzelstrafen gebildet werden, so dass eine Auflösung der früheren Gesamtstrafe notwendig ist, wenn die neu abzuurteilende(n) Straftat(en) vor der früheren Verurteilung begangen ist/sind.10 Anschließend muss aus den früher verhängten und den neu erkannten Einzelstrafen eine neue Gesamtstrafe gebildet werden, wobei für die Bemessung der nachträglich zu bildenden Gesamtstrafe die Grundsätze des § 54 StGB zu berücksichtigen sind.11 Eine nachträgliche Gesamtstrafenbildung unter Einbeziehung der Strafe aus den unerledigten Vorverurteilungen scheidet hingegen aus, wenn die abzuurteilende Straftat nach einer Vorverurteilung begangen wurde; insofern entfaltet die Vorverurteilung eine Zäsurwirkung.12 Die Zäsurwirkung ist auch zu berücksichtigen, wenn die Vortaten teilweise vor und zum Teil nach einer Vorverurteilung liegen. Dann ist die Gesamtstrafenbildung nur für die bis dahin begangenen Taten möglich. Für die übrigen Straftaten ist auf eine selbständige Einzel- oder Gesamtstrafe zu erkennen.13 Wenn mehrere Vorverurteilungen vorliegen und mehrere frühere Straftaten begangen wurden, die sich auf verschiedene Zeiträume vor und zwischen den Urteilen verteilen, können sich sogar mehrere Zäsuren und nachträglich mehrere selbständige Gesamtstrafen ergeben.14

3

Umstritten ist bei § 55 StGB, ob ein generelles Verschlechterungsverbot gilt.15 Wurde in der früheren Entscheidung eine verhängte Freiheitsstrafe zur Bewährung ausgesetzt, so ist bei der nachträglichen Gesamtstrafenbildung § 58 StGB (vgl. § 56b StGB Rz. 3) zu beachten.

1 Lackner/Kühl, § 55 StGB Rz. 1; Frister in NK-StGB, § 55 Rz. 1; Die in § 55 Abs. 2 StGB genannte Vermögensstrafe (§ 43a StGB) ist nach der Entscheidung des BVerfG v. 20.3.2002 – 2 BvR 794/95, BVerfGE 105, 135 für verfassungswidrig und nichtig erklärt worden, vgl. auch BGBl. I 2002, 1340. 2 BGH v. 16.12.1954 – 3 StR 189/54, BGHSt 7, 180, 181; Fischer, StGB, § 55 StGB Rz. 2; Lackner/Kühl, § 55 StGB Rz. 1; Rackow in AnwK-StGB, § 55 Rz. 1; Nestler, JA 2011, 248, 250. 3 BGH v. 9.12.2009 – 5 StR 459/09, wistra 2010, 99; BGH v. 17.7.2000 – 5 StR 280/00, juris. 4 So Fischer, StGB, § 55 Rz. 2. 5 Vgl. Fischer, StGB, § 55 Rz. 3, 5 mit weiteren Einzelheiten. 6 Lackner/Kühl, § 55 StGB Rz. 3; vert. Frister in NK-StGB, § 55 Rz. 22. 7 Zu den Einzelheiten vgl. Lackner/Kühl, § 55 StGB Rz. 3; zur Anwendung der Vollstreckungslösung in diesen Fällen vgl. insb. BGH v. 20.1.2010 – 2 StR 403/09, BGHSt 55, 1; BGH v. 9.11.2010 – 4 StR 441/10, NJW 2011, 868 und BGH v. 17.8.2011 – 5 StR 301/11, StV 2012, 596. 8 Fischer, StGB, § 55 Rz. 3, 7; vgl. z.B. BGH v. 17.10.1996 – 4 StR 389/96, NJW 1997, 750, 751. 9 BGH v. 30.6.1958 – GSSt 2/58, BGHSt 12, 1, 5 f. 10 Fischer, StGB, § 55 Rz. 8 m.w.N.; Frister in NK-StGB, § 55 Rz. 42. 11 Fischer, StGB, § 55 Rz. 8, 14. 12 Vgl. Rackow in AnwK-StGB, § 55 Rz. 5 m.w.N. 13 Rackow in AnwK-StGB, § 55 Rz. 5; BGH v. 28.7.2006 – 2 StR 215/06, NStZ 2007, 28, 29. 14 Eschelbach in S/S/W-StGB, § 55 Rz. 12 und Rackow in AnwK-StGB, § 55 Rz. 5 mit weiteren Einzelheiten zur Zäsurwirkung. 15 Vgl. hierzu die Darstellung bei Fischer, StGB, § 55 Rz. 19 f. und Frister in NK-StGB, § 55 Rz. 39 ff., insb. Rz. 40. Vgl. auch zum Härteausgleich die Einzelheiten bei Fischer, StGB, § 55 Rz. 21 ff.

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B. Gercke

Rz. 2 § 56 StGB

Vierter Titel. Strafaussetzung zur Bewährung

§ 56 Strafaussetzung (1) Bei der Verurteilung zu Freiheitsstrafe von nicht mehr als einem Jahr setzt das Gericht die Vollstreckung der Strafe zur Bewährung aus, wenn zu erwarten ist, daß der Verurteilte sich schon die Verurteilung zur Warnung dienen lassen und künftig auch ohne die Einwirkung des Strafvollzugs keine Straftaten mehr begehen wird. Dabei sind namentlich die Persönlichkeit des Verurteilten, sein Vorleben, die Umstände seiner Tat, sein Verhalten nach der Tat, seine Lebensverhältnisse und die Wirkungen zu berücksichtigen, die von der Aussetzung für ihn zu erwarten sind. (2) Das Gericht kann unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 auch die Vollstreckung einer höheren Freiheitsstrafe, die zwei Jahre nicht übersteigt, zur Bewährung aussetzen, wenn nach der Gesamtwürdigung von Tat und Persönlichkeit des Verurteilten besondere Umstände vorliegen. Bei der Entscheidung ist namentlich auch das Bemühen des Verurteilten, den durch die Tat verursachten Schaden wiedergutzumachen, zu berücksichtigen. (3) Bei der Verurteilung zu Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten wird die Vollstreckung nicht ausgesetzt, wenn die Verteidigung der Rechtsordnung sie gebietet. (4) Die Strafaussetzung kann nicht auf einen Teil der Strafe beschränkt werden. Sie wird durch eine Anrechnung von Untersuchungshaft oder einer anderen Freiheitsentziehung nicht ausgeschlossen. Literatur: Doleisch von Dolsperg, Strafaussetzung zur Bewährung – Probleme aus der Praxis, StraFo 2005, 45; König, Strafaussetzung zur Bewährung für Freiheitsstrafen von über zwei Jahren?, ZRP 2001, 67; Schäfer/Sander, Strafaussetzung zur Bewährung in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, BewH 2000, 186; Ventzke, § 56 Abs. 2 StGB – eine Ermessensvorschrift?, StV 1988, 367; Weigend, Sanktionen ohne Freiheitsentzug, GA 1992, 345.

Nach § 56 StGB kann die Vollstreckung einer Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren zur Bewährung ausgesetzt wer- 1 den.1 Die Vorschrift findet nur Anwendung auf eine Freiheitsstrafe i.S.v. § 38 StGB, also nicht auch auf die Ersatzfreiheitsstrafe nach § 43 StGB oder auf die Verhängung einer Geldstrafe.2 Eine Strafaussetzung zur Bewährung ist nicht ausgeschlossen, wenn zusätzlich eine Geldstrafe nach § 41 StGB oder § 53 Abs. 2 S. 2 StGB festgesetzt wird und diese zusammen mit der Freiheitsstrafe die Zweijahresgrenze überschreitet.3 Die Bewährungsstrafe ist keine selbständige Sanktion. Vielmehr muss das Strafgericht in einem ersten Schritt die Höhe der Freiheitsstrafe bestimmen und in einem zweiten Schritt überprüfen, ob diese Strafe noch zur Bewährung ausgesetzt werden kann.4 Demnach dürfen Freiheitsstrafen von nicht mehr als zwei Jahren nicht nur deshalb ausgesprochen werden, damit die Strafaussetzung zur Bewährung noch möglich ist.5 Andererseits ist dem Tatrichter bei der Feststellung der schuldangemessenen Strafe über § 46 Abs. 1 S. 2 StGB ein gewisser Beurteilungsspielraum eingeräumt, innerhalb dessen die Wirkungen zu berücksichtigen sind, die von der Strafe für das künftige Leben des Täters in der Gesellschaft zu erwarten sind.6 Das führt letztlich dazu, dass in der Praxis doch eine einheitliche Betrachtung vorgenommen und überlegt wird, ob es sich insgesamt um einen Fall handelt, der noch zur Bewährung ausgesetzt werden kann.7 Aus der Strafverfolgungsstatistik ergibt sich für das Jahr 2014, dass von etwa 110 000 verhängten Freiheitsstrafen rund 77 000 zur Bewährung ausgesetzt wurden.8 Die Bewährungsstrafe ist gerade im Wirtschaftsstrafrecht von großer Bedeutung, weil es sich hier oft um Ersttäter handelt.9 Nach § 56 Abs. 1 S. 1 StGB setzt das Gericht „bei der Verurteilung zu Freiheitsstrafe von nicht mehr als einem 2 Jahr […] die Vollstreckung der Strafe zur Bewährung aus, wenn zu erwarten ist, dass der Verurteilte sich schon die Verurteilung zur Warnung dienen lassen und künftig auch ohne die Einwirkung des Strafvollzugs keine Straftaten mehr begehen wird“. Damit wird insbesondere eine günstige Täterprognose vorausgesetzt, wobei ausschließlich spezialpräventive Gesichtspunkte zu beachten sind.10 Schon der Begriff „Erwartung“ verdeutlicht, dass keine sichere Gewähr für ein künftiges gesetzmäßiges Leben gegeben sein muss.11 Vielmehr reicht es nach Auffassung des BGH aus, „dass die Begehung weiterer Straftaten nicht wahrscheinlich ist, weil die Reso1 2 3 4 5 6 7 8 9 10

Vert. hierzu Doleisch v. Dolsperg, StraFo 2005, 45 und Weigend, GA 1992, 345. Zum Anwendungsbereich des § 56 StGB vgl. im Einzelnen Trüg in AnwK-StGB, § 56 Rz. 5 ff. Vgl. Ganter in G/J/W, § 56 StGB Rz. 1 mit weiteren Einzelheiten. Trüg in AnwK-StGB, § 56 Rz. 1, 4. BGH v. 17.9.1980 – 2 StR 355/80, BGHSt 29, 319, 321. BGH v. 23.7.1991 – 5 StR 298/91, StV 1991, 513; Ganter in G/J/W, § 56 StGB Rz. 7; Trüg in AnwK-StGB, § 56 Rz. 1. Trüg in AnwK-StGB, § 56 Rz. 1. Statistisches Bundesamt, Rechtspflege, Strafverfolgung, 2014, erschienen am 17.3.2016, S. 156. Niemeyer in M-G, § 21 Rz. 53. BT-Drucks. 5/4094, 11; zur Vereinbarkeit eines Berufsverbots mit einer Strafaussetzung zur Bewährung vgl. LG Ellwangen v. 18.3.2014 – 3 Ns 35 Js 16551/11, juris. 11 BGH v. 3.11.1954 – 6 StR 236/54, BGHSt 7, 6, 10; vgl. auch Niemeyer in M-G, § 21 Rz. 54.

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Strafaussetzung

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§ 56 StGB Rz. 3

Strafgesetzbuch

zialisierung des Täters auch ohne Vollstreckung der Freiheitsstrafe aussichtsreich ist.1 Die Prognose ist aufgrund einer individuellen Würdigung aller, vor allem der in § 56 Abs. 1 S. 2 StGB genannten Umstände zu treffen.2 Bei der Gesamtabwägung sind also „namentlich die Persönlichkeit des Verurteilten, sein Vorleben, die Umstände seiner Tat, sein Verhalten nach der Tat, seine Lebensverhältnisse und die Wirkungen zu berücksichtigen, die von der Aussetzung für ihn zu erwarten sind“. Ein erhebliches Gewicht haben Vorstrafen.3 So wird die Prognose bei einem nicht vorbestraften Täter regelmäßig günstig ausfallen.4 Andererseits stehen Vorstrafen einer günstigen Prognose nicht zwingend entgegen.5 Vielmehr ist bei Vorverurteilungen auf ihre Art und auf die zeitliche Abfolge abzustellen.6 Bspw. dürfen länger zurückliegende und nicht einschlägige Vorstrafen nur mit ausführlicher Begründung zu einer ungünstigen Prognose führen.7 Eine erneute Straftat während einer Bewährungszeit bringt zwar zum Ausdruck, dass die frühere Prognose falsch war; eine günstige Prognose wird jedoch durch den Bewährungsbruch nicht von vornherein ausgeschlossen.8 3

Nach § 56 Abs. 2 StGB kann das Gericht auch die Vollstreckung von Freiheitsstrafen bis zu zwei Jahren zur Bewährung aussetzen, „wenn nach der Gesamtwürdigung von Tat und Persönlichkeit des Verurteilten besondere Umstände vorliegen“. Dabei ist nach Satz 2 insbesondere das Bemühen des Verurteilten um Schadenswiedergutmachung zu berücksichtigen.9 Im Übrigen sind nach st. Rspr. „besondere Umstände im Sinne dieser Bestimmung solche, die im Vergleich mit gewöhnlichen, durchschnittlichen, allgemeinen oder einfachen Milderungsgründen besonderes Gewicht besitzen und eine Strafaussetzung trotz des erheblichen Unrechts- und Schuldgehalts der Tat als nicht unangebracht und den vom Strafrecht geschützten Interessen nicht zuwiderlaufend erscheinen lassen“.10 Zur Beurteilung der Frage, ob derartige Umstände vorliegen, muss das Gericht eine umfassende Gesamtwürdigung von Tat und Täter vornehmen. „Dabei können Umstände, die einzeln lediglich durchschnittliche Milderungsgründe wären, durch ihr Zusammentreffen ein solches Gewicht erlangen, dass ihnen in ihrer Gesamtheit die Bedeutung besonderer Umstände […] zuerkannt werden muss.“11 Es ist nicht erforderlich, dass die Milderungsgründe der Tat einen Ausnahmecharakter verleihen.12 Die besonderen Umstände müssen jedoch umso gewichtiger sein, je näher die Freiheitsstrafe an der Zweijahresgrenze liegt.13 Allein durch einen erheblichen Schaden ist die Bewährungsstrafe nicht ausgeschlossen.14 Die besonderen Umstände i.S.v. § 56 Abs. 2 StGB dürfen nicht verneint werden, ohne zu prüfen, ob dem Angeklagten eine günstige Sozialprognose nach Absatz 1 zu stellen ist, denn diese kann auch für die Beurteilung bedeutsam sein, ob besondere Umstände i.S.d. Absatzes 2 vorliegen.15

4

Bereits aus § 47 StGB ergibt sich, dass Freiheitsstrafen unter sechs Monaten nur in Ausnahmefällen verhängt werden dürfen. Aus einer Gesamtschau von § 56 Abs. 1 und 3 StGB folgt wiederum, dass bei solchen kurzen Freiheitsstrafen die Strafaussetzung zur Bewährung bei einer günstigen Prognose zwingend ist.16 Nach § 56 Abs. 3 StGB wird jedoch die Vollstreckung einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten trotz günstiger Sozialprognose nicht ausgesetzt, „wenn die Verteidigung der Rechtsordnung sie gebietet“. Das ist nach Auffassung des BGH der Fall, „wenn eine Aussetzung der Strafe zur Bewährung im Hinblick auf schwerwiegende Besonderheiten des Einzelfalles für das allgemeine Rechtsempfinden schlechthin unverständlich erscheinen müsste und das Vertrauen der Bevölkerung in die Unverbrüchlichkeit des Rechts und in den Schutz der Rechtsordnung vor kriminellen Angriffen dadurch erschüttert werden könnte“.17 Bei der Prüfung ist es aber nicht zulässig, allein auf generalpräventive Erfordernisse abzustellen.18 Vielmehr bedarf es einer Gesamtwürdigung aller Tat und Täter kennzeichnenden Umstände.19 Demnach ist es bspw. unzulässig, eine Strafaussetzung bei Steuerstraftaten 1 BGH v. 28.2.1990 – 3 StR 28/90, BGHR StGB § 56 Abs. 1 Sozialprognose 13; BGH v. 6.9.1985 – 3 StR 185/85, NStZ 1986, 27. 2 Vgl. Niemeyer in M-G, § 21 Rz. 55. 3 Ganter in G/J/W, § 56 StGB Rz. 12; Niemeyer in M-G, § 21 Rz. 55; Trüg in AnwK-StGB, § 56 Rz. 14. 4 BGH v. 3.3.2004 – 3 StR 10/04, NStZ-RR 2004, 201. 5 Ganter in G/J/W, § 56 StGB Rz. 12. 6 Ganter in G/J/W, § 56 StGB Rz. 12 mit Hinweis auf BGH v. 17.12.1991 – 5 StR 598/91, StV 1992, 417. 7 Niemeyer in M-G, § 21 Rz. 55; zur Darstellung von Vortaten und Vorstrafen im Urteil vgl. BGH v. 23.5.2013 – 4 StR 70/13, NStZ-RR 2013, 287 und OLG Düsseldorf v. 26.9.2013 – III - 1 RVs 35/13, 1 RVs 35/13, juris. 8 Ganter in G/J/W, § 56 StGB Rz. 12; vgl. z.B. BGH v. 21.3.2012 – 1 StR 100/12, NStZ-RR 2012, 201; OLG Koblenz v. 1.9.2014 – 2 OLG 3 Ss 70/14, StRR 2014, 463 und OLG Karlsruhe v. 7.3.2005 – 1 Ss 203/04, NStZ-RR 2005, 200. 9 Vgl. i.Ü. die zahlreichen Beispiele bei Trüg in AnwK-StGB, § 56 Rz. 30. 10 BGH v. 6.9.1985 – 3 StR 185/85, NStZ 1986, 27. 11 BGH v. 6.9.1985 – 3 StR 185/85, NStZ 1986, 27; s.a. BGH v. 18.8.2009 – 5 StR 257/09, NStZ 2010, 147. 12 BGH v. 30.4.2009 – 2 StR 112/09, NStZ 2009, 441; BGH v. 25.9.1986 – 4 StR 500/86, BGHR StGB § 56 Abs. 2, Umstände, besondere 1. 13 St. Rspr., vgl. nur BGH v. 27.8.1986 – 3 StR 265/86, NStZ 1987, 21; BGH v. 21.3.1985 – 4 StR 53/85, MDR 1985, 594, 595. 14 So Niemeyer in M-G, § 21 Rz. 59. 15 BGH v. 22.8.2012 – 1 StR 343/12, StV 2013, 84; BGH v. 30.4.2009 – 2 StR 112/09, NStZ 2009, 441 m.w.N. 16 Vgl. Fischer, StGB, § 56 StGB Rz. 12; Trüg in AnwK-StGB, § 56 Rz. 33. 17 BGH v. 8.12.1970 – 1 StR 353/70, BGHSt 24, 40, 46; vgl. auch BGH v. 30.4.2009 – 1 StR 342/08, BGHSt 53, 311, 320. 18 So BGH v. 20.6.1991 – 1 StR 320/91, BGHR StGB § 56 Abs. 3, Verteidigung 11. 19 Vgl. BGH v. 8.12.1970 – 1 StR 353/70, BGHSt 24, 40, 46; BGH v. 20.6.1991 – 1 StR 320/91, BGHR StGB § 56 Abs. 3, Verteidigung 11.

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Rz. 1 § 56b StGB

generell mit der Begründung der besonderen Belastung öffentlicher Haushalte auszuschließen. Das würde zu einem generellen Ausschluss der Bewährungsstrafe bei dieser Deliktsgruppe führen.1 Jedoch kann die Vollstreckung der Freiheitsstrafe nach Ansicht der Rspr. notwendig sein, „wenn die Tat Ausdruck einer verbreiteten Einstellung ist, die eine durch einen erheblichen Unrechtsgehalt gekennzeichnete Norm nicht ernst nimmt und von vornherein auf die Strafaussetzung vertraut“.2

§ 56a Bewährungszeit (1) Das Gericht bestimmt die Dauer der Bewährungszeit. Sie darf fünf Jahre nicht überschreiten und zwei Jahre nicht unterschreiten. (2) Die Bewährungszeit beginnt mit der Rechtskraft der Entscheidung über die Strafaussetzung. Sie kann nachträglich bis auf das Mindestmaß verkürzt oder vor ihrem Ablauf bis auf das Höchstmaß verlängert werden. S. hierzu die einschlägige Kommentarliteratur, so z.B. Trüg in AnwK-StGB, § 56a.

§ 56b Auflagen (1) Das Gericht kann dem Verurteilten Auflagen erteilen, die der Genugtuung für das begangene Unrecht dienen. Dabei dürfen an den Verurteilten keine unzumutbaren Anforderungen gestellt werden. (2) Das Gericht kann dem Verurteilten auferlegen, 1. nach Kräften den durch die Tat verursachten Schaden wiedergutzumachen, 2. einen Geldbetrag zugunsten einer gemeinnützigen Einrichtung zu zahlen, wenn dies im Hinblick auf die Tat und die Persönlichkeit des Täters angebracht ist, 3. sonst gemeinnützige Leistungen zu erbringen oder 4. einen Geldbetrag zugunsten der Staatskasse zu zahlen. Eine Auflage nach Satz 1 Nr. 2 bis 4 soll das Gericht nur erteilen, soweit die Erfüllung der Auflage einer Wiedergutmachung des Schadens nicht entgegensteht. (3) Erbietet sich der Verurteilte zu angemessenen Leistungen, die der Genugtuung für das begangene Unrecht dienen, so sieht das Gericht in der Regel von Auflagen vorläufig ab, wenn die Erfüllung des Anerbietens zu erwarten ist. Literatur: Böhm, Gemeinnützige Arbeit als Strafe, ZRP 1998, 360; Hillenbrand, Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung – Voraussetzungen und Verfahren, ZAP 2014 Fach 22, 799; Horn, Die Bemessung der Geldauflage nach § 56b Abs. 2 Nr. 2 StGB – tatsächlich ein Rechtsproblem, StV 1992, 537; Kaetzler, Absprachen im Strafverfahren und Bewährungsauflagen, wistra 1999, 253.

Durch die Verhängung von Auflagen nach § 56b StGB3 soll verhindert werden, dass in der Öffentlichkeit oder 1 beim Täter selbst der Eindruck entsteht, dass bei einer Strafaussetzung zur Bewährung auf die Straftat keine spürbare Reaktion folgt.4 So kann das Gericht dem Verurteilten die in Absatz 2 genannten Auflagen erteilen, die der Genugtuung für das begangene Unrecht dienen sollen (vgl. § 56b Abs. 1 S. 1 StGB).5 Damit haben Auflagen einen repressiven Charakter, stellen also strafähnliche Maßnahmen dar.6 Dies kommt insbesondere zum Ausdruck, wenn nach Abs. 2 Nr. 4 eine Geldauflage zugunsten der Staatskasse zu zahlen ist.7 Die Erteilung von Auflagen liegt im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts.8 Dabei kann es sich auf eine Auflage beschränken oder mehrere erteilen; es kann die Auflagen allein oder neben Weisungen nach den §§ 56c, 56d StGB anordnen.9 Wenn der Verurteilte „gegen Auflagen gröblich und beharrlich verstößt“, kann das Gericht nach § 56f StGB die Strafaussetzung wi-

1 Beispiel nach Niemeyer in M-G, § 21 Rz. 56 unter Hinweis auf BGH v. 30.11.1995 – 5 StR 554/95, NStZ 1996, 229. 2 So BGH v. 13.6.1985 – 4 StR 219/85, NStZ 1985, 459 zu Steuerhinterziehungen beträchtlichen Umfangs. 3 § 56b StGB entspricht überwiegend der Fassung durch das 2. StrRG v. 4.7.1969, vgl. BGBl. I, 717; durch das VerbrBekG v. 28.10.1994 wurden jedoch in Abs. 2 einige Änderungen vorgenommen, vgl. BGBl. I, 3186. 4 Trüg in AnwK-StGB, § 56b Rz. 1; Groß in MüKo-StGB, § 56b Rz. 2; Schall in SK-StGB, § 56b Rz. 2. 5 Zu den Anforderungen an die Bestimmtheit einer Bewährungsauflage vgl. KG Berlin v. 4.4.2014 – 3 Ws 165/14 u.a., StRR 2014, 306 m. Anm. Hillenbrand und Groß, jurisPR-StrafR 16/2014 Anm. 3 und KG Berlin v. 18.3.2014 – 4 Ws 23/14 u.a., StraFo 2014, 338. 6 Vgl. Trüg in AnwK-StGB, § 56b Rz. 1; Lackner/Kühl, § 56b StGB Rz. 1. 7 So Fischer, StGB, § 56b Rz. 2; vgl. auch OLG Köln v. 28.9.1999 – 2 Ws 502/99, NStZ-RR 2000, 338. 8 Ganter in G/J/W, § 56b StGB Rz. 2; vgl. im Einzelnen Groß in MüKo-StGB, § 56b Rz. 5. 9 Fischer, StGB, § 56b Rz. 3.

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Auflagen

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§ 56b StGB Rz. 2

Strafgesetzbuch

derrufen.1 Bei der Bestimmung der Auflagen ist nach § 56b Abs. 1 S. 2 StGB die Unzumutbarkeitsgrenze zu beachten. So ist bspw. eine Zahlungsauflage nicht bereits dann unzumutbar, „wenn sie die Leistungsfähigkeit des Verurteilten übersteigt, sondern erst dann, wenn sie wegen eines krassen Missverhältnisses zur wirtschaftlichen Situation des Verurteilten rechtsmissbräuchlich erscheint“.2 Nach Absatz 3 ist von der Anordnung von Auflagen vorläufig abzusehen, wenn der Verurteilte freiwillige Leistungen anbietet und deren Erfüllung zu erwarten ist. Sofern der Verurteilte die Erwartung enttäuscht, ist darin noch kein Widerrufsgrund nach § 56f Abs. 1 Nr. 3 StGB zu sehen; vielmehr erteilt dann das Gericht eine Auflage (vgl. § 56e StGB).3 Nach § 268a StPO werden die Auflagen in einem Beschluss angeordnet, der zusammen mit dem Urteil zu verkünden ist. Im Hinblick auf den Grundsatz des fairen Verfahrens muss der Angeklagte vor Vereinbarung einer Verständigung gemäß § 257c StGB, deren Gegenstand die Verhängung einer Bewährungsstrafe ist, auf konkret in Betracht kommende Bewährungsauflagen hingewiesen werden.4 2

In § 56b Abs. 2 StGB sind die möglichen Auflagen abschließend aufgezählt, wobei der Schadenswiedergutmachung nach Kräften des Verurteilten (vgl. Nr. 1) Vorrang gegenüber den anderen Auflagen zukommt; das hat der Gesetzgeber durch den im Jahr 1994 eingefügten Abs. 2 S. 2 deutlich herausgestellt.5 Da diese Auflage i.d.R. bei Vermögensdelikten anzuordnen ist,6 hat sie auch gerade für das Wirtschaftsstrafrecht besondere Bedeutung. Die Schadenswiedergutmachung bezieht sich auf den Ausgleich des beim unmittelbaren Tatopfer7 verursachten materiellen oder immateriellen Schadens.8 Die Anwendung der Nr. 1 wird nicht durch die Verjährung deliktischer oder vertraglicher Ansprüche ausgeschlossen, denn „Zweck der Bewährungsauflage ist es, auf den Straftäter einzuwirken, damit er eine Genugtuung für das von ihm begangene kriminelle Unrecht leistet; die Entschädigung des Opfers mit den Mitteln des Strafrechts ist nur eine sich daraus ergebende Auswirkung“.9 Allerdings muss sich die Entschädigung im Rahmen des im bürgerlichen Recht dem Grunde und der Höhe nach vorgesehenen Schadensersatzanspruchs halten.10 Damit ist die Schadenswiedergutmachung grundsätzlich von der zivilrechtlichen Rechtslage abhängig.11 Anderenfalls ließen sich Unzuträglichkeiten durch die Kollision mit zivilgerichtlichen Urteilen nicht vermeiden.12 Eine Schadenswiedergutmachung bei einem durch die Tat nur mittelbar Geschädigten – wie z.B. eine Versicherung13 oder einen Dritten im Rahmen eines Gesamtschuldnerausgleichs14 – darf nicht angeordnet werden.15 Auch Gerichtskosten oder die Kosten der Nebenklage zählen nicht zu dem ersetzenden Schaden.16 Nach Auffassung des BVerfG sind aber öffentlich-rechtliche Schadenspositionen wie bspw. Steuerschulden von dem Begriff des Schadens in Nr. 1 erfasst.17

3

Die Geldauflage nach § 56 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 und 4 ist die in der Praxis am häufigsten verhängte Auflage.18 Die Zahlung eines Geldbetrages zugunsten einer gemeinnützigen Einrichtung soll nach dem Willen des Gesetzgebers nur erfolgen, wenn sie einer Wiedergutmachung des Schadens nicht entgegensteht (vgl. Abs. 2 S. 2). Die Erteilung der Auflage setzt voraus, dass sie „im Hinblick auf die Tat und die Persönlichkeit des Täters angebracht ist“. Mit dieser Formulierung wird zum Ausdruck gebracht, dass einerseits der Wiedergutmachung der grundsätzliche Vorrang eingeräumt ist, „andererseits aber nicht ausgeschlossen [ist], dass im Einzelfall aufgrund besonderer Umstände die Verhängung einer Geldauflage zugunsten einer gemeinnützigen Einrichtung trotz eines materiellen Schadens beim Opfer erfolgen kann“.19 Das ist bspw. möglich, wenn ein Täter aufgrund seiner günstigen finanziellen Situation ohne Weiteres seine Schadensersatzverpflichtungen ggü. dem Opfer erfüllen kann.20 Die Geldauflage kann allein oder neben der Schadenswiedergutmachung verhängt werden.21 Eine Höchstgrenze für die Bestim-

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Vert. Hillenbrand, ZAP 2014 Fach 22, 799. OLG Düsseldorf v. 2.9.1992 – 2 Ws 380/92, NStZ 1993, 136 (Leitsatz). Fischer, StGB, § 56b Rz. 9; Groß in MüKo-StGB, § 56b Rz. 34. BGH v. 11.9.1014 – 4 StR 148/14, NStZ 2014, 665 f. m. Anm. Peglau, jurisPR-StrafR 23/2014 Anm. 1; BGH v. 29.1.2014 – 4 StR 254/13, BGHR StPO § 257c Verständigung 4 m. Anm. Bachmann, JR 2014, 357 und Grube, StRR 2014, 302. BT-Drucks. 12/6853, 22; vgl. auch Fischer, StGB, § 56b Rz. 5, 6; Stree/Kinzig in S/S-StGB, § 56b Rz. 8; Lackner/Kühl, § 56b StGB Rz. 3. Stree/Kinzig in S/S-StGB, § 56b Rz. 9. Vgl. etwa OLG Hamm v. 25.6.2013 – III - 1 Ws 216/13, StV 2014, 100. Fischer, StGB, § 56b Rz. 6; Groß in MüKo-StGB, § 56b Rz. 12; Lackner/Kühl, § 56b StGB Rz. 3a. OLG Stuttgart v. 7.1.1980 – 1 Ws 2/80, NStZ 1981, 101. Vgl. OLG Stuttgart v. 7.1.1980 – 1 Ws 2/80, NStZ 1981, 101. Vgl. Schall in SK-StGB, § 56b Rz. 6; Stree/Kinzig in S/S-StGB, § 56b Rz. 9; OLG Hamburg v. 30.10.1981 – 1 Ws 379/81, MDR 1982, 340; LG Frankenthal v. 17.2.2009 – II Qs 29/09, StraFo 2009, 218. Vgl. OLG Stuttgart v. 7.1.1980 – 1 Ws 2/80, NStZ 1981, 101. OLG Hamm v. 4.11.1997 – 2 Ws 438/97, NStZ-RR 1998, 138. OLG Hamburg v. 8.1.2004 – 2 Ws 344/03, StV 2004, 657. So die ganz h.M., vgl. etwa Fischer, StGB, § 56b Rz. 6; Ganter in G/J/W, § 56b StGB Rz. 3; Lackner/Kühl, § 56b Rz. 3a; Mosbacher in S/S/W-StGB, § 56b Rz. 10; a.A. Groß in MüKo-StGB, § 56b Rz. 12. Ganter in G/J/W, § 56b StGB Rz. 3. Vgl. BVerfG v. 14.5.2002 – 2 BvR 499/02, NStZ-RR 2002, 264. Schall in SK-StGB, § 56b Rz. 9. Vgl. BT-Drucks. 12/6853, 22 mit weiteren Einzelheiten. BT-Drucks. 12/6853, 22. Vgl. Ganter in G/J/W, § 56b StGB Rz. 5.

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Rz. 2 § 56c StGB

mung des Geldbetrages gibt es nicht.1 Jedoch darf die Leistungsfähigkeit des Täters nicht überfordert werden.2 Bei der Bemessung der Geldauflage können die Grundsätze zur Berechnung der Höhe des Tagessatzes bei Verhängung einer Geldstrafe herangezogen werden.3 Mit den „sonst gemeinnützigen Leistungen“ nach Nr. 3 handelt es sich um all diejenigen Auflagen, die nicht in der Zahlung eines Geldbetrages zu Gunsten einer gemeinnützigen Einrichtung bestehen. Hier kommt insbesondere die Ableistung von gemeinnütziger Arbeit in Betracht.4 Nach Nr. 4 kann auch eine Zahlung an die Staatskasse auferlegt werden. Hinsichtlich der Höhe des Geldbetrages gelten die gleichen Grundsätze wie bei Nr. 2.5 Sofern die Strafaussetzung zur Bewährung wegen nachträglicher Gesamtstrafenbildung entfällt, werden die bereits von dem Verurteilten zur Erfüllung von Auflagen erbrachten Geldleistungen gemäß § 58 Abs. 2 i.V.m. § 56f Abs. 3 S. 2 StGB in aller Regel auf die Strafe angerechnet.6

§ 56c Weisungen (1) Das Gericht erteilt dem Verurteilten für die Dauer der Bewährungszeit Weisungen, wenn er dieser Hilfe bedarf, um keine Straftaten mehr zu begehen. Dabei dürfen an die Lebensführung des Verurteilten keine unzumutbaren Anforderungen gestellt werden. (2) Das Gericht kann den Verurteilten namentlich anweisen, 1. Anordnungen zu befolgen, die sich auf Aufenthalt, Ausbildung, Arbeit oder Freizeit oder auf die Ordnung seiner wirtschaftlichen Verhältnisse beziehen, 2. sich zu bestimmten Zeiten bei Gericht oder einer anderen Stelle zu melden, 3. zu der verletzten Person oder bestimmten Personen oder Personen einer bestimmten Gruppe, die ihm Gelegenheit oder Anreiz zu weiteren Straftaten bieten können, keinen Kontakt aufzunehmen, mit ihnen nicht zu verkehren, sie nicht zu beschäftigen, auszubilden oder zu beherbergen, 4. bestimmte Gegenstände, die ihm Gelegenheit oder Anreiz zu weiteren Straftaten bieten können, nicht zu besitzen, bei sich zu führen oder verwahren zu lassen oder 5. Unterhaltspflichten nachzukommen. (3) Die Weisung, 1. sich einer Heilbehandlung, die mit einem körperlichen Eingriff verbunden ist, oder einer Entziehungskur zu unterziehen oder 2. in einem geeigneten Heim oder einer geeigneten Anstalt Aufenthalt zu nehmen, darf nur mit Einwilligung des Verurteilten erteilt werden. (4) Macht der Verurteilte entsprechende Zusagen für seine künftige Lebensführung, so sieht das Gericht in der Regel von Weisungen vorläufig ab, wenn die Einhaltung der Zusagen zu erwarten ist. Im Gegensatz zu den Auflagen haben die Weisungen nach § 56c StGB ausschließlich spezialpräventiven Cha- 1 rakter, sollen also den Täter von erneuten Straftaten abhalten.7 Sie dürfen nach Abs. 1 S. 1 nur angeordnet werden, wenn der Verurteilte dieser Hilfe bedarf. Zudem ist nach Satz 2 zu beachten, dass an die Lebensführung des Verurteilten keine unzumutbaren Anforderungen gestellt werden.8 Unzulässig ist bspw. eine Weisung, die in ihrer praktischen Wirkung einem Berufsverbot gleichkommt.9 Der Katalog der Weisungen nach Absatz 2 ist nicht abschließend.10 Nach Abs. 2 Nr. 1 kann das Gericht den Ver- 2 urteilten anweisen, „Anordnungen zu befolgen, die sich auf Aufenthalt, Ausbildung, Arbeit oder Freizeit oder auf die Ordnung seiner wirtschaftlichen Verhältnisse beziehen“. So wurde bspw. die Weisung, während der Bewährungszeit keine selbständige kaufmännische Tätigkeit auszuüben, als zulässig angesehen.11 Für das Wirtschaftsstrafrecht sind insbesondere Weisungen zur Ordnung der wirtschaftlichen Verhältnisse von Bedeutung.12 So kann dem Verurteilten auferlegt werden, einen Schuldentilgungsplan aufzustellen, keine weiteren Schulden zu machen oder ein wirtschaftlich aussichtloses Unternehmen aufzugeben.13 Zur Unterstützung bei der Schulden-

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Fischer, StGB, § 56b StGB Rz. 7; Mosbacher in S/S/W-StGB, § 56b Rz. 13. Vgl. Mosbacher in S/S/W-StGB, § 56b Rz. 13 mit Hinweis auf OLG Köln v. 16.1.1998 – 2 Ws 687/97, wistra 1998, 272. OLG Frankfurt v. 26.1.1989 – 3 Ws 56/89, StV 1989, 250; s.a. Fischer, StGB, § 56b Rz. 7 m.w.N. Vgl. Mosbacher in S/S/W-StGB, § 56b Rz. 17 f.; Fischer, StGB, § 56b Rz. 8. Vgl. Ganter in G/J/W, § 56b StGB Rz. 7. BGH v. 12.2.2014 – 1 StR 601/13, wistra 2014, 269; BGH v. 17.9.2013 – 1 StR 489/13, StV 2014, 481. Trüg in AnwK-StGB, § 56b Rz. 1, § 56c StGB Rz. 1; Ostendorf in NK-StGB, § 56c Rz. 1. Im Einzelnen hierzu Ostendorf in NK-StGB, § 56c Rz. 2. Vgl. Fischer, StGB, § 56c Rz. 3 mit Hinweis auf KG Berlin v. 17.6.2005 – 1 AR 951/04 u.a., NStZ-RR 2006, 137, 138. Fischer, StGB, § 56c Rz. 5. Vgl. Fischer, StGB, § 56c Rz. 6 mit Hinweis auf OLG Hamm JMBlNW 1969, 285. So Ganter in G/J/W, § 56c StGB Rz. 2. Fischer, StGB, § 56c Rz. 6b; Stree/Kinzig in S/S-StGB, § 56c Rz. 15; Ostendorf in NK-StGB, § 56c Rz. 7.

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StGB

Weisungen

StGB

§ 56c StGB Rz. 3

Strafgesetzbuch

regulierung kann auch ein Bewährungshelfer beigeordnet werden (§ 56d StGB).1 Parallel zu § 56b Abs. 3 StGB kann der Verurteilte nach Abs. 4 auch freiwillige Zusagen machen. Bei Nichteinhaltung von Zusagen findet § 56f Abs. 1 Nr. 2 StGB keine Anwendung.2 3

Hinsichtlich der weiteren Vorschriften (§ 56d bis § 58 StGB), die die Strafaussetzung zur Bewährung betreffen, wird auf die einschlägige Kommentarliteratur verwiesen.

§§ 56d–58

(vom Abdruck wird abgesehen)

Fünfter Titel. Verwarnung mit Strafvorbehalt; Absehen von Strafe

§ 59 Voraussetzungen der Verwarnung mit Strafvorbehalt (1) Hat jemand Geldstrafe bis zu einhundertachtzig Tagessätzen verwirkt, so kann das Gericht ihn neben dem Schuldspruch verwarnen, die Strafe bestimmen und die Verurteilung zu dieser Strafe vorbehalten, wenn 1. zu erwarten ist, daß der Täter künftig auch ohne Verurteilung zu Strafe keine Straftaten mehr begehen wird, 2. nach der Gesamtwürdigung von Tat und Persönlichkeit des Täters besondere Umstände vorliegen, die eine Verhängung von Strafe entbehrlich machen, und 3. die Verteidigung der Rechtsordnung die Verurteilung zu Strafe nicht gebietet. § 56 Abs. 1 Satz 2 gilt entsprechend. (2) Neben der Verwarnung kann auf Verfall, Einziehung oder Unbrauchbarmachung erkannt werden. Neben Maßregeln der Besserung und Sicherung ist die Verwarnung mit Strafvorbehalt nicht zulässig. Literatur: Braasch, Seltene Ausnahme der Verhängung einer Verwarnung mit Strafvorbehalt gemäß § 59 StGB, jurisPRStrafR 16/2013 Anm. 2; Kropp, Ist die Verwarnung mit Strafvorbehalt noch zeitgemäß?, ZRP 2004, 241; E. Müller, Noch ein Plädoyer für die Verwarnung mit Strafvorbehalt, in FS Jung, 2007, 621; Weigend, Sanktionen ohne Freiheitsentzug, GA 1992, 345.

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Die Verwarnung mit Strafvorbehalt nach § 59 StGB ist die mildeste Sanktion des StGB.3 Sie wirkt im Ergebnis wie eine „Geldstrafe auf Bewährung“.4 Hat der Täter eine Geldstrafe bis zu 180 Tagessätzen verwirkt, so kann das Gericht ihn neben dem Schuldspruch verwarnen, die Strafe bestimmen und die Verurteilung zu dieser Strafe für den Fall vorbehalten, dass sich der Täter nicht bewährt (vgl. §§ 59a, 59b StGB).5 Durch die Begrenzung auf 180 Tagessätze wird ersichtlich, dass diese Sanktion i.d.R. nur für den unteren Kriminalitätsbereich gilt, „in dem nicht immer auch eine Bestrafung erforderlich ist“.6 Das gilt auch nach einer gesetzlichen Erweiterung des § 59 StGB durch das 2. JuMoG, welche das Ziel verfolgte, eine häufigere Anwendung anzuregen.7 Die Verwarnung mit Strafvorbehalt soll nach wie vor Ausnahmecharakter haben, weil nach § 59 Abs. 1 Nr. 2 StGB „besondere Umstände vorliegen müssen, die eine Verhängung von Strafe entbehrlich machen“.8 Die Vorschriften sind auch deshalb von geringer praktischer Bedeutung, weil i.d.R. eine Einstellung nach § 153a StPO wegen der noch größeren Flexibilität bevorzugt wird.9 Im Wirtschaftsstrafverfahren sollten die §§ 59 ff. StGB jedoch nicht unberücksichtigt bleiben.10 So kommt eine Verwarnung mit Strafvorbehalt bspw. in Betracht, wenn die StA einer Vorgehensweise nach § 153a StPO nicht zustimmt, das Gericht

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Ganter in G/J/W, § 56c StGB Rz. 2. Vgl. Fischer, StGB, § 56c Rz. 14. Lackner/Kühl, § 59 StGB Rz. 1. Dessecker in M/G, 1. Kap. E Rz. 12; Niemeyer in M-G, § 21 Rz. 64; vert. Weigend, GA 1992, 345. Vgl. Fischer, StGB, § 59 Rz. 2. BT-Drucks. 16/3038, 58 a.E.; Niemeyer in M-G, § 21 Rz. 64; OLG Düsseldorf v. 6.3.2007 – III-5 Ss 226/06 - 85/06 I, 5 Ss 226/06 - 85/06 I, wistra 2007, 235 (Leitsatz Nr. 1) zum Vorenthalten von Arbeitsentgelt; s. z.B. AG Stuttgart v. 10.7.2013 – 23 Cs 147 Js 95252/12, wistra 2013, 488. Vgl. BT-Drucks. 16/3038, 58 f. und Fischer, StGB, § 59 Rz. 2 m.w.N. So OLG Düsseldorf v. 6.3.2007 – III-5 Ss 226/06 - 85/06 I, 5 Ss 226/06 - 85/06 I, wistra 2007, 235 (Leitsatz Nr. 1); krit. hierzu Dessecker in M/G, 1. Kap. E Rz. 12; a.A. auch LG Waldshut-Tiengen v. 21.1.2013, 6 Ns 25 Js 5449/10, juris m. abl. Anm. Braasch, jurisPR-StrafR 16/2013 Anm. 2. Fischer, StGB, § 59 Rz. 2; Braasch, jurisPR-StrafR 16/2013 Anm. 2. Die Rspr. der höheren Gerichte ist aber wohl ggü. der Verwarnung mit Strafvorbehalt im Wirtschafts- und Vermögensstrafrecht sehr zurückhaltend, so Dessecker in M/G, 1. Kap. E Rz. 13 unter Hinweis auf KG Berlin v. 30.12.1996 – (4) 1 Ss 15/96 (16/96), StV 1997, 473 und OLG Nürnberg v. 19.12.2006 – 2 St OLG Ss 180/06, NStZ 2007, 405.

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Rz. 1 § 59a StGB

den Angeklagten aber von Strafe verschonen möchte.1 Die Strafverfolgungsstatistik weist für das Jahr 2014 insgesamt fast 7300 Verwarnungen mit Strafvorbehalt auf, wobei die Deliktsgruppe „Betrug und Untreue“ mit einem Anteil von etwa 33 % die größte Bedeutung hat.2 Die Vorschrift des § 59 Abs. 1 StGB enthält insgesamt vier Voraussetzungen, die kumulativ vorliegen müs- 2 sen:3 Zunächst muss der Täter eine Geldstrafe bis zu 180 Tagessätzen verwirkt haben, wobei diese Grenze auch für die Gesamtstrafe gilt (vgl. § 53 Abs. 2 S. 2 und § 59c Abs. 1 StGB).4 Wie sich aus Wortlaut und Systematik des Gesetzes ergibt, findet § 59 StGB keine Anwendung bei der Verwirkung von Freiheitsstrafe.5 Auch Fälle der Geldstrafe neben Freiheitsstrafe (§ 41 StGB) scheiden aus.6 Zudem wird nach § 59 Abs. 1 Nr. 1 StGB eine günstige Sozialprognose vorausgesetzt. Dabei muss sich nach Abs. 1 S. 2 die Gesamtwürdigung auf die in § 56 Abs. 1 S. 2 genannten Faktoren beziehen.7 Außerdem setzt die Verwarnung mit Strafvorbehalt voraus, dass „nach der Gesamtwürdigung von Tat und Persönlichkeit des Täters besondere Umstände vorliegen, die eine Verhängung von Strafe entbehrlich machen“ (Nr. 2).8 Es ist – wie auch bei § 56 Abs. 2 StGB – nicht erforderlich, dass die einzelnen Umstände in ihrem Gewicht völlig aus dem Rahmen durchschnittlicher Milderungsgründe herausfallen.9 Heute wird die Anwendung des § 59 StGB durch eine Vorstrafe oder das Vorliegen früherer Verwarnungen nicht regelmäßig ausgeschlossen, ist aber bei der Prüfung von Nr. 2 zu berücksichtigen.10 Schließlich verweist die Formulierung „Verteidigung der Rechtsordnung“ in Abs. 1 Nr. 3 auf generalpräventive Ausschlussgründe, wobei dieselben Gesichtspunkte wie bei §§ 47 Abs. 1, 56 Abs. 3 StGB zu berücksichtigen sind.11 Aus § 59 Abs. 2 StGB ergibt sich noch, dass neben der Verwarnung auf Verfall, Einziehung oder Unbrauchbar- 3 machung erkannt werden kann, ausgeschlossen sind daneben aber Maßregeln der Besserung und Sicherung, also bspw. ein Berufsverbot. Auch die Verwarnung mit Strafvorbehalt kann zu einer Versagung der Restschuldbefreiung im Insolvenzverfahren führen (§ 290 Abs. 1 Nr. 1 InsO).12 Die Verwarnung mit Strafvorbehalt wird in das Bundeszentralregister eingetragen, nicht aber in das Führungszeugnis (§§ 4 Nr. 3, 32 Abs. 2 Nr. 1 BZRG).13

§ 59a Bewährungszeit, Auflagen und Weisungen (1) Das Gericht bestimmt die Dauer der Bewährungszeit. Sie darf zwei Jahre nicht überschreiten und ein Jahr nicht unterschreiten. (2) Das Gericht kann den Verwarnten anweisen, 1. sich zu bemühen, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen oder sonst den durch die Tat verursachten Schaden wiedergutzumachen, 2. seinen Unterhaltspflichten nachzukommen, 3. einen Geldbetrag zugunsten einer gemeinnützigen Einrichtung oder der Staatskasse zu zahlen, 4. sich einer ambulanten Heilbehandlung oder einer ambulanten Entziehungskur zu unterziehen, 5. an einem sozialen Trainingskurs teilzunehmen oder 6. an einem Verkehrsunterricht teilzunehmen. Dabei dürfen an die Lebensführung des Verwarnten keine unzumutbaren Anforderungen gestellt werden; auch dürfen die Auflagen und Weisungen nach Satz 1 Nummer 3 bis 6 zur Bedeutung der vom Täter begangenen Tat nicht außer Verhältnis stehen. § 56c Abs. 3 und 4 und § 56e gelten entsprechend. Aus § 59a StGB ergibt sich, welche Begleitregelungen das Gericht bei der Auferlegung der Verwarnung mit 1 Strafvorbehalt beachten muss.14 So ist nach Absatz 1 die Dauer der Bewährungszeit zu bestimmen. Darüber hi1 So Niemeyer in M-G, § 21 Rz. 64 mit Hinweis auf LG Berlin v. 28.9.1994 – (522) 56 Js F 41/91 Ns (30/94), wistra 1996, 72. 2 Statistisches Bundesamt, Rechtspflege, Strafverfolgung, 2014, erschienen am 17.3.2016, S. 252. 3 Dessecker in M/G, 1. Kap. Rz. 12. 4 Fischer, StGB, § 59 Rz. 4; Stree/Kinzig in S/S-StGB, § 59 Rz. 6. 5 Dessecker in M/G, 1. Kap. Rz. 13; Fischer, StGB, § 59 Rz. 3. 6 Vgl. Fischer, StGB, § 59 Rz. 3; Lackner/Kühl, § 59 StGB Rz. 3. 7 Stree/Kinzig in S/S-StGB, § 59 Rz. 9. 8 Zur sog. „Würdigungsklausel“ ausf. Keiser, GA 2009, 344, 354 ff.; s.a. Schall in SK-StGB, § 59 Rz. 11 ff. 9 So Fischer, StGB, § 59 Rz. 6; vgl. auch dort die Auflistung der Einzelfälle, Rz. 7; s.a. LG Hildesheim v. 13.2.2014 – 21a Ns 25 Js 34542/12, juris: „belastende Ausnahmesituation des Insolvenzantragsverfahrens nach jahrzehntelanger Tätigkeit“. 10 Fischer, StGB, § 59 Rz. 6; LG Waldshut-Tiengen v. 21.1.2013 – 6 Ns 25 Js 5449/10, juris. 11 Dessecker in M/G, 1. Kap. Rz. 16; Lackner/Kühl, § 59 StGB Rz. 7. 12 Vgl. BGH v. 16.2.2012 – IX ZB 113/11, WM 2012, 553. 13 Niemeyer in M-G, § 21 Rz. 64; Schall in SK-StGB, § 59 Rz. 27. 14 Stree/Kinzig in S/S-StGB, § 59a Rz. 1.

B. Gercke

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StGB

Bewährungszeit, Auflagen und Weisungen

StGB

§ 59b StGB Rz. 1

Strafgesetzbuch

naus können dem Verwarnten nach Absatz 2 verschiedene Auflagen und Weisungen erteilt werden. I.d.R. wird die Verwarnung nach § 59a StGB mit einer Geldauflage nach § 59a Abs. 2 S. 1 Nr. 3 StGB verbunden.1

§ 59b Verurteilung zu der vorbehaltenen Strafe (1) Für die Verurteilung zu der vorbehaltenen Strafe gilt § 56f entsprechend. (2) Wird der Verwarnte nicht zu der vorbehaltenen Strafe verurteilt, so stellt das Gericht nach Ablauf der Bewährungszeit fest, daß es bei der Verwarnung sein Bewenden hat. 1

Die Verurteilung zu der vorbehaltenen Strafe ist zwingend, wenn die Voraussetzungen des § 56f Abs. 1 StGB gegeben sind und die Erteilung einer weiteren Auflage oder Weisung nach § 59a Abs. 2 entsprechend § 56f Abs. 2 StGB nicht ausreicht.2 Im Fall einer erfolgreichen Bewährung gilt § 59b Abs. 2 StGB.

§ 59c Gesamtstrafe und Verwarnung mit Strafvorbehalt (1) Hat jemand mehrere Straftaten begangen, so sind bei der Verwarnung mit Strafvorbehalt für die Bestimmung der Strafe die §§ 53 bis 55 entsprechend anzuwenden. (2) Wird der Verwarnte wegen einer vor der Verwarnung begangenen Straftat nachträglich zu Strafe verurteilt, so sind die Vorschriften über die Bildung einer Gesamtstrafe (§§ 53 bis 55 und 58) mit der Maßgabe anzuwenden, daß die vorbehaltene Strafe in den Fällen des § 55 einer erkannten Strafe gleichsteht. 1

Durch § 59c StGB wird die Möglichkeit eröffnet, die Regeln über die Gesamtstrafe auch auf die Fälle einer nach § 59 StGB vorbehaltenen Strafe anzuwenden. Dabei betrifft Absatz 1 den Fall, dass das Gericht angesichts mehrerer Straftaten sogleich oder nachträglich mit einer Verwarnung mit Strafvorbehalt reagieren möchte.3 Hingegen bezieht sich Absatz 2 auf den Fall, dass das Gericht einen Verwarnten nachträglich zu Strafe wegen einer Tat verurteilten möchte, die er noch vor der Verwarnung begangen hat.4

§ 60 Absehen von Strafe Das Gericht sieht von Strafe ab, wenn die Folgen der Tat, die den Täter getroffen haben, so schwer sind, daß die Verhängung einer Strafe offensichtlich verfehlt wäre. Dies gilt nicht, wenn der Täter für die Tat eine Freiheitsstrafe von mehr als einem Jahr verwirkt hat. 1

§ 60 StGB hat für das Wirtschaftsstrafverfahren keine Bedeutung; vgl. hierzu z.B. die Kommentierung von Stree/Kinzig in S/S-StGB.

Sechster Titel. Maßregeln der Besserung und Sicherung

§ 61 Übersicht Maßregeln der Besserung und Sicherung sind 1. die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus, 2. die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt, 3. die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung, 4. die Führungsaufsicht, 5. die Entziehung der Fahrerlaubnis, 6. das Berufsverbot. Literatur: Dannhorn, Zur Unterbringung in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB), NStZ 2012, 414; Ebner, Grundfragen zum Fahrverbot und zur Entziehung der Fahrerlaubnis nach Steuerstraftaten, NZV 2014, 391; Heinz, Entwicklung und Stand der freiheitsentziehenden Maßregeln der Besserung und Sicherung, WsFPP 2012, 122; Herrmann, Die Führungsaufsicht, StRR 2013, 408; Parigger, Urteilsfolgen neben der Strafe, StraFo 2011, 447; Satzger, Sicherungsverwahrung – Europarechtliche Vorgaben und Grundgesetz, StV 2013, 243; Streng, Problembereiche und Reformperspektiven der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus, ZG 2014, 24.

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So Niemeyer in M-G, § 21 Rz. 64. Lackner/Kühl, § 59b StGB Rz. 1; Stree/Kinzig in S/S-StGB, § 59b Rz. 1. Vgl. Schall in SK-StGB, § 59c Rz. 1. Schall in SK-StGB, § 59c Rz. 1.

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B. Gercke

§ 70 StGB

Das System der Rechtsfolgen einer Straftat oder rechtswidrigen Tat (§ 11 Abs. 1 Nr. 5 StGB) ist zweispurig.1 1 Das StGB regelt nicht nur schuldbezogene Sanktionen, sondern auch weitere Rechtsfolgen, welche bei Schuldunfähigkeit oder unabhängig von einem Schuldvorwurf festgesetzt werden können.2 Damit handelt es sich um die sog. Maßregeln der Besserung und Sicherung, die neben oder statt Strafe angeordnet werden können und die den Zweck verfolgen, gefährliche Täter zu bessern oder die Allgemeinheit zu schützen.3 § 61 StGB enthält einen abschließenden Katalog der bessernden und sichernden Maßregeln,4 welche nur angeordnet werden dürfen, wenn sie zur Bedeutung der vom Täter begangenen und zu erwartenden Taten sowie zu dem Grad der von ihm ausgehenden Gefahr nicht außer Verhältnis stehen (vgl. § 62 StGB). Mit der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus, einer Erziehungsanstalt oder in der Sicherungsverwahrung handelt es sich um freiheitsentziehende Maßregeln, für die die §§ 63 bis 67a StGB gelten. Die Sicherungsverwahrung ist bei Wirtschaftsstraftätern heute ohne Bedeutung, weil Wirtschaftsstraftaten seit der Gesetzesnovelle vom 22.12.2010,5 welche zum 1.1.2011 in Kraft trat, keine Katalogtaten nach § 66 Abs. 1 Nr. 1 StGB mehr sind.6 Unter § 61 Nr. 4 bis 6 werden die nicht freiheitsentziehenden Maßregeln genannt, wobei die Führungsaufsicht 2 in §§ 68 bis 68g StGB, die Entziehung der Fahrerlaubnis in §§ 69 bis 69b StGB und das Berufsverbot in §§ 70 bis 70b StGB geregelt sind. Darüber hinaus sind noch gemeinsame Vorschriften für die Maßregeln der Besserung und Sicherung in §§ 62, 71 und 72 StGB zu beachten, wobei § 72 Abs. 2 StGB auch die gleichzeitige Anordnung mehrerer Maßregeln nebeneinander ermöglicht.7 Für das Wirtschaftsstrafrecht hat allein das Berufsverbot eine gewisse Relevanz.8 Es handelt sich zwar um eine seltene Maßregel,9 die bspw. nach der Strafverfolgungsstatistik für das Jahr 2014 insgesamt nur 62mal angeordnet wurde. Davon stehen allerdings 14 Fälle im Zusammenhang mit Verurteilungen wegen Betrug und Untreue.10

§§ 62–69b

(vom Abdruck wird abgesehen)

Berufsverbot

§ 70 Anordnung des Berufsverbots (1) Wird jemand wegen einer rechtswidrigen Tat, die er unter Mißbrauch seines Berufs oder Gewerbes oder unter grober Verletzung der mit ihnen verbundenen Pflichten begangen hat, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil seine Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so kann ihm das Gericht die Ausübung des Berufs, Berufszweiges, Gewerbes oder Gewerbezweiges für die Dauer von einem Jahr bis zu fünf Jahren verbieten, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und der Tat die Gefahr erkennen läßt, daß er bei weiterer Ausübung des Berufs, Berufszweiges, Gewerbes oder Gewerbezweiges erhebliche rechtswidrige Taten der bezeichneten Art begehen wird. Das Berufsverbot kann für immer angeordnet werden, wenn zu erwarten ist, daß die gesetzliche Höchstfrist zur Abwehr der von dem Täter drohenden Gefahr nicht ausreicht. (2) War dem Täter die Ausübung des Berufs, Berufszweiges, Gewerbes oder Gewerbezweiges vorläufig verboten (§ 132a der Strafprozeßordnung), so verkürzt sich das Mindestmaß der Verbotsfrist um die Zeit, in der das vorläufige Berufsverbot wirksam war. Es darf jedoch drei Monate nicht unterschreiten. (3) Solange das Verbot wirksam ist, darf der Täter den Beruf, den Berufszweig, das Gewerbe oder den Gewerbezweig auch nicht für einen anderen ausüben oder durch eine von seinen Weisungen abhängige Person für sich ausüben lassen. (4) Das Berufsverbot wird mit der Rechtskraft des Urteils wirksam. In die Verbotsfrist wird die Zeit eines wegen der Tat angeordneten vorläufigen Berufsverbots eingerechnet, soweit sie nach Verkündung des Urteils verstrichen ist, in dem die der Maßregel zugrunde liegenden tatsächlichen Feststellungen letztmals geprüft werden konnten. Die Zeit, in welcher der Täter auf behördliche Anordnung in einer Anstalt verwahrt worden ist, wird nicht eingerechnet.

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Fischer, StGB, Vor § 38 Rz. 4. BVerfG v. 10.2.2004 – 2 BvR 834/02, 2 BvR 1588/02, BVerfGE 109, 190, 212 zur nachträglichen Sicherungsverwahrung. Fischer, StGB, Vor § 61 Rz. 1; van Gemmeren in MüKo-StGB, § 61 Rz. 1; Parigger, StraFo 2011, 447, 448 ff. Fischer, StGB, § 61 Rz. 1; Pollähne in NK-StGB, § 61 Rz. 44. BGBl. I 2010, 2300. Vgl. Raum in W/J, 4. Kap Rz. 212; zu Altfällen vgl. Art. 316e Abs. 3 EGStGB und BGHSt v. 25.4.2012 – 5 StR 451/11, 57, 218 ff. Fischer, StGB, § 61 Rz. 1, 2. So Dessecker in M/G, 1. Kap. E Rz. 42. Vgl. Waßmer in G/J/W, § 70 StGB Rz. 5 m.w.N. Statistisches Bundesamt, Rechtspflege, Strafverfolgung, 2014, erschienen am 17.3.2016, S. 366.

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StGB

Anordnung des Berufsverbots

StGB

§ 70 StGB Rz. 1

Strafgesetzbuch

Literatur: Brand/Reschke, Die Inhabilitätsanordnung des § 6 Abs. 2 S. 2 Nr. 3 GmbHG im Spannungsfeld des strafprozessualen Verbots der reformatio in peius, JZ 2011, 1102; Jahn, Berufsverbot und Knast schon vor dem Urteil, DRiZ 2014, 212; Kangarani/Hampe, Das Berufsverbot des § 70 Abs. 1 StGB in einem Vergleich zu dem Entzug der Approbation nach § 5 BÄO, MedR 2014, 797; Lehmann, Der Verstoß gegen das Berufsverbot (§ 145c StGB), 2007; Linderhaus, Berufsverbot für GmbH-Geschäftsführer, P&R 2014, 22; Parigger, Urteilsfolgen neben der Strafe, StraFo 2011, 447; Röth, Nebenfolgen strafrechtlicher Verurteilung, StraFo 2012, 354; Sander, Überblick zum Berufsverbot nach § 70 StGB unter besonderer Berücksichtigung der Rechtsprechung des BGH, Sonderheft für Gerhard Schäfer, 2002, S. 57; Wedekind, Die Reform des strafrechtlichen Berufsverbotes, 2006.

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Das Berufsverbot nach § 70 StGB „soll die Allgemeinheit vor Gefahren schützen, die von der Ausübung eines Berufs durch hierfür nicht hinreichend zuverlässige Personen ausgehen“.1 Es handelt sich um einen schwerwiegenden Eingriff in Art. 12 Abs. 1 GG, der i.d.R. die wirtschaftliche Existenzbasis zerstört und so die Resozialisierung des Täters in Frage stellt.2 Demnach bedarf die Anordnung einer besonderen Legitimation und muss auf Ausnahmefälle beschränkt bleiben.3 Das Berufsverbot setzt eine rechtswidrige, aber nicht zwingend schuldhafte, Tat voraus, die der Täter unter Missbrauch seines Berufs oder Gewerbes oder unter grober Verletzung der mit ihnen verbundenen Pflichten begangen hat. Die Vorschrift bezieht sich auch auf Berufe mit einer Berufsgerichtsbarkeit wie z.B. bei Rechtsanwälten, Ärzten und Steuerberatern.4 Für die Anordnung eines Berufsverbots „genügt ein bloß äußerer Zusammenhang in dem Sinne, dass der Beruf des Täters lediglich die Möglichkeit gibt, Straftaten zu begehen, nicht“.5 Nach st. Rspr. des BGH muss „die strafbare Handlung […] vielmehr Ausfluss der jeweiligen Berufs- oder Gewerbetätigkeit sein und einen berufstypischen Zusammenhang erkennen lassen“.6 Das ist bspw. der Fall, wenn sich ein Wirtschaftsprüfer im Bereich treuhänderischer Vermögensverwaltung im Zusammenhang mit Kapitalanlagegeschäften des Betruges schuldig gemacht hat.7 Die Maßregel nach § 70 StGB setzt weiter voraus, dass der Täter den Beruf oder das Gewerbe auch tatsächlich ausgeübt hat.8 Demnach genügt es z.B. nicht, dass durch betrügerische Kreditaufnahmen die finanziellen und sachlichen Mittel zur Ausstattung und Fortführung des Betriebes beschafft werden.9 Auch kann derjenige, der eine Berufsausübung nur vortäuscht, „seinen“ Beruf bzw. „sein“ Gewerbe nicht für eine Straftat missbrauchen oder die damit verbundenen Pflichten verletzen.10

2

Weiter setzt § 70 Abs. 1 StGB voraus, dass der Täter verurteilt, also in einem Strafverfahren ein Schuldspruch gegen ihn ergangen ist,11 oder nur deshalb nicht verurteilt ist, weil seine Schuldunfähigkeit (§ 20 StGB) erwiesen oder nicht auszuschließen ist.12 Darüber hinaus muss eine Gesamtwürdigung des Täters und der Tat die Gefahr erkennen lassen, dass er bei weiterer Ausübung des Berufs, Berufszweiges, Gewerbes oder Gewerbezweiges erhebliche rechtswidrige Taten der bezeichneten Art begehen wird. Im Hinblick darauf, dass die Gesamtwürdigung maßgeblich auch auf die Anlasstat zu stützen ist, muss diese „als Symptomtat von solcher Art und solchem Gewicht sein, dass sie die Gefährlichkeitsprognose zu tragen vermag“.13 In Bezug auf Art. 12 Abs. 1 GG dürfen für die Erheblichkeit der zu erwartenden Straftaten keine zu geringen Anforderungen gestellt werden.14 Bei der Anordnung des Berufsverbots steht „dem Tatrichter […] angesichts des mit der Maßregel verbundenen schwerwiegenden Eingriffs ein weiter Ermessenspielraum zur Verfügung“.15 Hier ist in besonderem Maße der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (§ 62 StGB) zu beachten.16 Die Berufsausübung kann für die Dauer von einem Jahr bis zu fünf Jahren, in Ausnahmefällen sogar für immer verboten werden (vgl. § 70 Abs. 1 S. 1, 2 StGB). Solange das Verbot wirksam ist, darf der Täter den Beruf bzw. das Gewerbe auch nicht für einen anderen ausüben oder durch eine von seinen Weisungen abhängige Person für sich ausüben lassen (vgl. Absatz 3). Schon vor der Verkündung des Urteils kann das Gericht ein vorläufiges Berufsverbot verhängen, wenn dringende Gründe für die Annahme vorhanden sind, dass ein Berufsverbot angeordnet werden wird (§ 132a

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16

BVerfG v. 25.9.2003 – 2 BvR 1580/03, juris; vgl. auch Waßmer in G/J/W, § 70 StGB Rz. 2 m.w.N. So zutreffend Waßmer in G/J/W, § 70 StGB Rz. 6 m.w.N. Waßmer in G/J/W, § 70 StGB Rz. 6. Fischer, StGB, § 70 Rz. 2. BGH v. 1.6.2007 – 2 StR 182/07, StV 2008, 80 f. BGH v. 1.6.2007 – 2 StR 182/07, StV 2008, 80, 81 [Hervorhebung nicht im Original]; vgl. auch BGH v. 17.5.1968 – 2 StR 220/68, BGHSt 22, 144, 146; BGH v. 11.12.1987 – 2 StR 595/87, BGHR StGB § 70 Abs. 1 Pflichtverletzung 1; BGH v. 6.6.2003 – 3 StR 188/03, wistra 2003, 423; BGH v. 9.3.2011 – 2 StR 609/10, BGHR StGB § 70 Abs. 1 Pflichtverletzung 8. Vgl. KG Berlin v. 1.12.2004 – 1 WiO 3/04, KG WPK Magazin 2005, Nr. 2, 36. BGH v. 17.5.1968 – 2 StR 220/68, BGHSt 22, 144, 146. BGH v. 11.12.1987 – 2 StR 595/87, NStZ 1988, 176. Vgl. Waßmer in G/J/W, § 70 StGB Rz. 21; BGH v. 20.7.1990 – 3 StR 242/90, BGHR StGB § 70 Abs. 1 Pflichtverletzung 4: Vortäuschen des Berufs als Anlageberater oder -vermittler. Im Einzelnen vgl. Waßmer in G/J/W, § 70 StGB Rz. 23. Zur Vereinbarkeit eines Berufsverbots mit einer Strafaussetzung zur Bewährung vgl. LG Ellwangen v. 18.3.2014 – 3 Ns 35 Js 16551/11, juris. Fischer, StGB, § 70 Rz. 8; Jehle/Harrendorf in S/S/W-StGB, § 70 Rz. 12. Jehle/Harrendorf in S/S/W-StGB, § 70 Rz. 13; vgl. z.B. BGH v. 21.1.2014 – 3 StR 388/13, NStZ-RR 2014, 177 und BGH v. 25.4.2013 – 4 StR 296/12, StV 2013, 699. BGH v. 24.4.2007 – 1 StR 439/06, wistra 2007, 343, 344. Vert. Jehle/Harrendorf in S/S/W-StGB, § 70 Rz. 16.

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§ 70b StGB

Abs. 1 StPO).1 Nach § 70 Abs. 2 StGB verkürzt sich dann die Dauer des endgültigen Berufsverbots um die Zeit, in der das vorläufige Berufsverbot wirksam war. Ein Verstoß gegen das Berufsverbot wird nach § 145c StGB sanktioniert.2 Neben dem Berufsverbot nach § 70 StGB gibt es zahlreiche bundes- und landesrechtliche Vorschriften, mit wel- 3 chen die Ausübung eines Berufs oder Gewerbes untersagt sowie die Entziehung von Approbationen und Zulassungen angeordnet werden können (vgl. zu den außerstrafrechtlichen Nebenfolgen auch § 46 StGB Rz. 30 ff.).3 Für das Wirtschaftsstrafrecht ist insbesondere das Berufsverbot nach § 6 Abs. 2 S. 2 Nr. 3 GmbHG von großer Bedeutung.4 Danach kann nicht Geschäftsführer sein, wer wegen Insolvenzverschleppung, Insolvenzstraftaten nach den §§ 283 bis 283d StGB, falscher Angaben nach § 82 GmbHG oder § 399 AktG, unrichtiger Darstellung nach § 400 AktG, § 331 HGB, § 313 UmwG oder § 17 PublG oder nach den §§ 263 bis 264a StGB oder den §§ 265b bis 266a StGB zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist. Dabei gilt dieser Ausschluss für die Dauer von fünf Jahren seit der Rechtskraft des Urteils. Eine entsprechende Regelung findet sich in § 76 Abs. 3 S. 3 AktG für die Mitglieder des Vorstands einer AG. Schwerwiegende Konsequenzen für den Wirtschaftsstraftäter hat auch ein Gewerbeverbot wegen Unzuverlässigkeit gemäß § 35 GewO.5 Neben den gesetzlichen Regelungen haben gerade im Wirtschaftsstrafrecht auch die faktischen Auswirkungen der jahrelang andauernden Strafverfahren für die Betroffenen weitreichende Folgen, weil sie quasi schon zu einem „Berufsverbot vor dem Urteil“ führen.6

§ 70a Aussetzung des Berufsverbots (1) Ergibt sich nach Anordnung des Berufsverbots Grund zu der Annahme, daß die Gefahr, der Täter werde erhebliche rechtswidrige Taten der in § 70 Abs. 1 bezeichneten Art begehen, nicht mehr besteht, so kann das Gericht das Verbot zur Bewährung aussetzen. (2) Die Anordnung ist frühestens zulässig, wenn das Verbot ein Jahr gedauert hat. In die Frist wird im Rahmen des § 70 Abs. 4 Satz 2 die Zeit eines vorläufigen Berufsverbots eingerechnet. Die Zeit, in welcher der Täter auf behördliche Anordnung in einer Anstalt verwahrt worden ist, wird nicht eingerechnet. (3) Wird das Berufsverbot zur Bewährung ausgesetzt, so gelten die §§ 56a und 56c bis 56e entsprechend. Die Bewährungszeit verlängert sich jedoch um die Zeit, in der eine Freiheitsstrafe oder eine freiheitsentziehende Maßregel vollzogen wird, die gegen den Verurteilten wegen der Tat verhängt oder angeordnet worden ist. Nach § 70a StGB besteht die Möglichkeit, sowohl ein zeitlich beschränktes als auch ein lebenslanges Berufsver- 1 bot zur Bewährung auszusetzen.7

§ 70b Widerruf der Aussetzung und Erledigung des Berufsverbots (1) Das Gericht widerruft die Aussetzung eines Berufsverbots, wenn die verurteilte Person 1. während der Bewährungszeit unter Mißbrauch ihres Berufs oder Gewerbes oder unter grober Verletzung der mit ihnen verbundenen Pflichten eine rechtswidrige Tat begeht, 2. gegen eine Weisung gröblich oder beharrlich verstößt oder 3. sich der Aufsicht und Leitung der Bewährungshelferin oder des Bewährungshelfers beharrlich entzieht und sich daraus ergibt, daß der Zweck des Berufsverbots dessen weitere Anwendung erfordert. (2) Das Gericht widerruft die Aussetzung des Berufsverbots auch dann, wenn Umstände, die ihm während der Bewährungszeit bekannt werden und zur Versagung der Aussetzung geführt hätten, zeigen, daß der Zweck der Maßregel die weitere Anwendung des Berufsverbots erfordert. (3) Die Zeit der Aussetzung des Berufsverbots wird in die Verbotsfrist nicht eingerechnet. 1 Zu den Voraussetzungen für die Verhängung eines vorläufigen strafprozessualen Berufsverbots OLG Nürnberg v. 26.7.2011 – 1 Ws 310/11, StraFo 2011, 366. 2 Vert. hierzu Lehmann, a.a.O. 3 Vgl. Waßmer in G/J/W, § 70 Abs. 1 Rz. 3 mit weiteren Einzelheiten; vgl. z.B. OVG Lüneburg v. 28.7.2014 – 8 LA 145/13, juris, zum Widerruf der Approbation als Arzt wegen Abrechnungsbetruges; s.a. Röth, StraFo 2012, 354, 356, Parigger, StraFo 2011, 447, 452 und Kangarani/Hampe, MedR 2014, 797, 801 ff. 4 Niemeyer in M-G, § 21 Rz. 70; vert. hierzu Brand/Reschke, JZ 2011, 1102, Linderhaus, P&R 2014, 22 und Parigger, StraFo 2011, 447, 453. 5 Vgl. hierzu Parigger, StraFo 2011, 447, 452. 6 So zutr. Jahn, DRiZ 2014, 212. 7 Vgl. im Einzelnen hierzu Bockemühl in MüKo-StGB, § 70a.

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StGB

Widerruf der Aussetzung und Erledigung des Berufsverbots

StGB

§ 70b StGB Rz. 1

Strafgesetzbuch

(4) Leistungen, die die verurteilte Person zur Erfüllung von Weisungen oder Zusagen erbracht hat, werden nicht erstattet. (5) Nach Ablauf der Bewährungszeit erklärt das Gericht das Berufsverbot für erledigt. 1

In § 70b Abs. 1 bis 4 StGB ist der Widerruf der Aussetzung eines Berufsverbots und in Absatz 5 die Erledigung der Maßregel normiert.1

§§ 71, 72

(vom Abdruck wird abgesehen)

Siebenter Titel. Verfall und Einziehung Bei Drucklegung dieses Kommentars lag der Entwurf eines Gesetzes zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung (BT-Drucks. 18/9525 v. 5.9.2016), der eine Neufassung der §§ 73 bis 76a StGB vorsieht, vor. Es ist geplant, nach Verabschiedung des Gesetzes eine Erstkommentierung der neuen Vorschriften für die Käufer dieses Buches unter www.otto-schmidt.de/erst einzustellen. Zugangsdaten: Benutzername Bf35$2, Passwort abn53F. Eine Übergangsregelung (§ 13 n.F. EGStPO) soll vorsehen, dass die aktuelle Gesetzeslage nicht für Verfahren gelten soll, in denen bis zum Inkrafttreten der geplanten Novelle „im Urteil oder Strafbefehl festgestellt wurde, dass deshalb nicht auf Verfall erkannt wird, weil Ansprüche eines Verletzten im Sinne des § 73 Absatz 1 Satz 2 des Strafgesetzbuches entgegenstehen.“ Literatur (Auswahl): Bach, Die steuerliche Seite des (strafrechtlichen) Verfalls, wistra 2006, 46; Barreto da Rosa, Gesamtschuldnerische Haftung bei Vermögensabschöpfung, NJW 2009, 1702; Barreto da Rosa, Zum Verfall von Bestechungsgeld und Tatlohn, wistra 2012, 334; Burghart, Das erlangte „Etwas“ (§ 73 I S. 1 StGB) nach strafbarer Vertragsanbahnung, wistra 2011, 241; Elschenbroich, Vermögensabschöpfung in Korruptionsverfahren, Tagung der Friedrich-Ebert-Stiftung und Transparency International – Deutschland e.V., 8. und 9. Dezember 2004 in Berlin; Gaßmann, Abschöpfung illegitimer Tatvorteile und Ansprüche geschädigter Aktionäre, wistra 2004, 41; Gehrmann, Aus eins mach zwei – Verfallsanordnung im Steuerstrafrecht, PStR 2010, 233; Greeve, Verstärkte Rückgewinnungshilfe und Vermögensabschöpfung seit dem 1.1.2007, NJW 2007, 14; Hansen/Wolff-Rojczyk, Effiziente Schadenswiedergutmachung für geschädigte Unternehmen der Marken- und Produktpiraterie, GRUR 2007, 468; Hoffmann, Verfallsanordnungen gegen tatunbeteiligte Unternehmen, wistra 2008, 401; Hohn, Die Bestimmung des „erlangten Etwas“ i.S.d. § 73 StGB durch den BGH, wistra 2003, 321; Hohn, Abschöpfung der Steigerung des Firmenwerts als Bruttowertersatzverfall?, wistra 2006, 321; Kempf/Schilling, Vermögensabschöpfung, 2007; Kempf/ Schilling, Bürokratisierung von Menschenrechten – Zur Vermögenssicherung im Ermittlungsverfahren, StraFo 2006, 180.; Kudlich/Noltensmeier, Die Anordnung des Verfalls (§§ 73 ff. StGB) bei verbotenem Insiderhandel nach § 38 i.V.m. § 14 WpHG, wistra 2007, 121; Lhose, Verfall (von Wertersatz) bei Vertragsabschluss aufgrund Korruption – zugleich Anm. zu BGH v. 30.5.2008 – 1 StR 166/07, JR 2009, 188; Michalke, Unternehmens-Verfall, in: Nelles (Hrsg.), Money, money, money …, 2013, S. 97 ff.; Odenthal, Zur Anrechnung von Steuern beim Verfall, wistra 2002, 246; Podolsky/Brenner, Vermögensabschöpfung im Straf- und Ordnungswidrigkeitenverfahren, 5. Aufl., 2012; Rhode, Der Verfall nach § 73 Abs. 3 StGB, wistra 2012, 85; Rönnau, „Doppelabschöpfung“ im Strafverfahren – staatliches Unrecht?, FS Volk, 2009, 583; Rönnau/Krezer, Die Bestimmung des „erlangten Etwas“ beim Verfall, Anm. zu BGH, Urt. v. 19.1.2012 – 3 StR 343/11, NZWiSt 2012, 144; Rübenstahl, Die Verschärfung der Rechtsprechung zum Verfall, HRRS 2010, 505; Rübenstahl/Schilling, Doppelter Verfall? – Zur Frage mehrfacher Vermögensabschöpfung bei Straftaten mit Auslandbezug, HRRS 2008, 492; Saliger, „Kick-Back, „PPP“, Verfall-Korruptionsbekämpfung im „Kölner Müllfall“, NJW 2006, 3377; Schlösser, Die Bestimmung des erlangten Etwas i.S.v. § 73 Abs. 1 S. 1 StGB bei in Folge von Straftaten abgeschlossenen gegenseitigen Verträgen, NStZ 2011, 121; Schmidt, Wilhelm, Gewinnabschöpfung im Straf- und Bußgeldverfahren, 2006; Schilling, Aktuelles zur Vermögensabschöpfung oder: Der Verfall hat die Wirklichkeit des Strafverfahrens erreicht, StraFo 2011, 128; Sedemund, Der Verfall von Unternehmensvermögen bei Schmiergeldzahlungen durch die Geschäftsleitung von Organgesellschaften, DB 2003, 323; Sedemund, Zivilrechtliche Regressmöglichkeiten bei Verfallsanordnung aufgrund Schmiergeldzahlungen zwecks Auftragserlangung, DB 2003, 2423; Sedemund, Due Diligence beim Unternehmenskauf (…) Zum Verfall in der jüngeren Rechtsprechung, DB 2004, 225; Theile, Grundprobleme der strafrechtlichen Verfallsvorschriften nach den §§ 73 ff. StGB, ZJS 2011, 333; Wallschläger, Die strafrechtlichen Verfallsvorschriften, 2002; Wehnert/Mosiek, Untiefen der Vermögensabschöpfung in Wirtschaftsstrafsachen aus Sicht des Strafverteidigers, StV 2005, 568.

Vorbemerkungen zu §§ 73 ff. A. Bedeutung von „Vermögensabschöpfung“ im Bereich des Wirtschaftsstrafrechts 1

Die sog. Vermögensabschöpfung – verstanden als Oberbegriff für die materiell-rechtlichen Rechtsfolgen des Verfalls und der Einziehung sowie entsprechender prozessualer Sicherungsmaßnahmen – hat im Bereich des Wirtschaftsstrafrechts kaum zu unterschätzende und wachsende Bedeutung.

2

Wenngleich es keine Statistik gibt, die eine Korrelation von Maßnahmen der Vermögensabschöpfung und der dem Wirtschaftsstrafrecht zuzuordnenden Sachverhalte ausweist, lässt sich schon anhand der veröffentlichten 1 Vgl. im Einzelnen z.B. Bockemühl in MüKo-StGB, § 70b.

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B. Gercke

Rz. 8 Vor §§ 73 ff. StGB

Rspr. ablesen, dass derartige Sachverhalte neben Fällen aus dem Betäubungsmittelrecht das Hauptanwendungsgebiet der Vermögensabschöpfung ausmachen; Literaturbeiträge ergänzen dieses Bild. Dabei wird auch deutlich, dass im Wirtschaftsstrafrecht die Rechtsfolge der Einziehung1 praktisch keine Rolle spielt, während der Verfall eine spezifisch wirtschaftsstrafrechtliche Bedeutung hat;2 dem entspricht die Darstellung dieser Kommentierung. Nicht statistisch erfasst sind zudem Fälle, in denen Regelungen zur Vermögensabschöpfung Gegenstand einer 3 konsensualen Verfahrenserledigung bzw. Bestandteil der „Verhandlungsmasse“ bei Absprachen oder Einstellungen aus Opportunitätsgründen sind. Beide Konstellationen dürften praktisch häufig und in wirtschaftsstrafrechtlichen Konstellationen schon wegen der dort feststellbaren hohen Einstellungsrate bzw. der überdurchschnittlichen Tendenz zu verfahrensbeendenden Absprachen3 von besonderer Bedeutung sein. Nicht mit Zahlen belegen lässt sich schließlich die Annahme, dass Maßnahmen zur Vermögensabschöpfung 4 gleichsam als Substitut für die de lege lata fehlende Verbandsstrafe eingesetzt werden.4 Feststellen lässt sich jedoch, dass das Instrument des sog. Drittverfalls – auch, wenn die Rspr. den Strafcharakter des Verfalls beharrlich verneint5 – jedenfalls geeignet ist, Unternehmen wirtschaftlich überaus empfindlich zu treffen. Den Zusammenhang von Unternehmensbebußung, -bestrafung und Vermögensabschöpfung spiegelt beispielhaft der Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD für die 18. Legislaturperiode wider, wenn „mit Blick auf strafbares Verhalten im Unternehmensbereich“ als Vorhaben der „Ausbau des Ordnungswidrigkeitenrechts“, „konkrete und nachvollziehbare Zumessungsregeln für Unternehmensbußen“, die „Prüfung eines Unternehmensstrafrechts für multinationale Unternehmen“ und „Reformen im Bereich der Vermögensabschöpfung“ im Vierklang genannt werden.6

B. Kriminalpolitische Aspekte Das Recht der Vermögensabschöpfung steht unter einer plakativen und – nicht nur im Zusammenhang mit 5 Statistiken zu (allerdings nur vorläufigen) Abschöpfungsbeträgen, sondern auch vom Gesetzgeber – immer wieder gern zitierten Prämisse: „Verbrechen soll sich nicht lohnen!“ – „crime must not pay!“.7 Der Verfall ist – ebenso wie die Einziehung, die jedoch teilweise auch Sicherungsfunktion hat – darauf gerichtet, 6 dem Täter „die Früchte seiner Tat zu entziehen“,8 ihm sollen keine vermögenswerten Vorteile aus der Tat verbleiben. Zugleich soll – darin liegt der generalpräventive Gehalt der Vorschriften – dem Täter profitorientierter Straftaten der Tatanreiz genommen werden.9

C. Systematik und Rechtsgrundlagen Das Strafgesetzbuch enthält die materiellrechtlichen Regelungen für Verfall und Einziehung in den §§ 73–76a; 7 daneben gibt es Spezialnormen, etwa in § 10 UWG10 oder § 33 BtMG. Für den wirtschaftsstrafrechtlichen Bereich von besonderer Bedeutung sind darüber hinaus die Vorschriften zur Vermögensabschöpfung in §§ 17 Abs. 4, 22 ff. OWiG,11 wobei der unternehmensbezogene Verfall gegenüber der Verbandsgeldbuße subsidiär ist und ihre Festsetzung gem. § 30 Abs. 5 OWiG die Anordnung des Verfalls nach § 29a OWiG und nach §§ 73 ff. StGB ausschließt.12 Flankiert werden diese Tatbestände durch strafprozessuale Instrumentarien zur vorläufigen Sicherung einer 8 späteren Verfalls-/Einziehungsanordnung gem. §§ 111b ff. StPO.13 Zum Auffinden entsprechender Vermögenswerte steht den Ermittlungsbehörden ein breites Instrumentarium an (Zwangs-)Maßnahmen zur Durchführung sog. Finanzermittlungen zur Verfügung; von besonderer Bedeutung sind insofern Kontenabfragen bei der BaFin, Auskunftsersuchen gegenüber Banken, aber auch Durchsuchungen,14 die etwa zur Sicherung von Konto1 Vgl. dazu etwa Retemeyer in A/R/R, Teil 14, Rz. 5 ff. 2 Der Anwendungsschwerpunkt liegt jedoch auch beim Verfall im Bereich des Betäubungsmittelstrafrechts, vgl. Joecks in MüKo-StGB2, Vor §§ 73 ff., Rz. 35 m.w.N. 3 Vgl. Fischer, StraFo 2010, 329, 330. 4 Vgl. Michalke, Unternehmens-Verfall, 99; Hofmann, wistra 2008, 401, 406; Rönnau in Volk, MAH2, § 13 Rz. 128. 5 Exemplarisch BGH v. 21.8.2002 – 1 StR 115/02, BGHSt 47, 369, 369; BVerfG v. 14.1.2004 – 2 BvR 564/95, BVerfGE 110, 1, 18 ff. 6 Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD für die 18. Legislaturperiode, S. 145; abrufbar unter http://www.bundes regierung.de/Content/DE/_Anlagen/2013/2013-12-17-koalitionsvertrag.pdf. 7 Vgl. Gesetzentwurf der BReg zum „Gesetz zur Stärkung der Rückgewinnungshilfe und der Vermögensabschöpfung bei Straftaten“ v. 21.2.2006, BT-Drucks. 16/700, S. 8. 8 Vgl. nur Rönnau in Volk, MAH2, § 13 Rz. 2 m.w.N. 9 Exemplarisch Joecks in MüKo-StGB2, Vor §§ 73 ff., Rz. 35 m.w.N. 10 Vgl. Mönch, ZIP 2004, 2032; Herzberg, Die Gewinnabschöpfung nach § 10 UWG. 11 Vgl. dazu Schmidt, Gewinnabschöpfung, Rz. 1241 ff.; aus polizeilicher/gerichtlicher Perspektive Podolsky/Brenner, Vermögensabschöpfung, 206 ff. 12 Vgl. Achenbach in A/R/R, Teil 1, Kap. 2 Rz. 34. 13 Vgl. LG Hamburg v. 13.11.2003 – 620 Qs 99/03, wistra 2004, 116; aber auch LG Berlin v. 6.3.2006 – 526 Qs 47/06 u.a., wistra 2006, 358. 14 Zu Durchsuchungen in dieser Konstellation vgl. OLG Zweibrücken v. 27.8.2002 – 1 Ws 407/02, NStZ 2003, 446.

Schilling

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StGB

Vorbemerkungen zu §§ 73 ff.

StGB

Vor §§ 73 ff. StGB Rz. 9

Strafgesetzbuch

auszügen, Versicherungspolicen, Kommunikation mit Banken, Belegen über Schließfachgebühren, Ausgangsrechnungen oder Aufträgen führen können.1 9

Die gesetzlichen Grundlagen bieten indes nur ein grobes Gerüst. Im Bereich der Vermögensabschöpfung hat sich in besonderem Maße ein case law entwickelt, dessen Einzelheiten dem Gesetz z.T. gar nicht oder nur ansatzweise zu entnehmen sind, wie etwa die zum sog. „Drittverfall“ (u.a. gegen Unternehmen) entwickelten Fallgruppen.2

D. Verfassungsrechtlicher Rahmen 10

Verfall und Einziehung sind am Maßstab der Eigentumsgarantie, Art. 14 Abs. 1 GG, zu messen.3 Das BVerfG hat insbesondere aus Anlass der Verfassungsmäßigkeit des erweiterten Verfalls und im Zusammenhang mit prozessualen Sicherungsmaßnahmen die Grundrechtsrelevanz sowie die hohe Eingriffsintensität von Maßnahmen zur Vermögensabschöpfung wiederholt betont und die insoweit geltenden verfassungsrechtlichen Anforderungen in zahlreichen Entscheidungen konturiert.4

11

Danach verstehen sich die Vorschriften zum Verfall und zur Einziehung als Inhalts- und Schrankenbestimmungen des Grundrechts auf Eigentum, die dessen Grenzen in Abwägung schutzwürdiger Interessen des Eigentümers mit Belangen des Gemeinwohls festlegen. Mit Einführung der §§ 73 ff. StGB habe der Gesetzgeber entsprechend seinem aus Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG abgeleiteten Auftrag abstrakt-generell bestimmt, „dass der Inhaber deliktisch erlangten Vermögens die damit verbundenen Befugnisse nicht nach eigener Entscheidung zu seinem Nutzen soll ausüben können“;5 vielmehr sollen dem Tatbeteiligten deliktisch erlangte Vermögensgegenstände und deren Surrogate „von Hoher Hand entzogen werden“.6

E. Reformdiskussion 12

Während in einem der Diskontinuität verfallenen Gesetzentwurf von 1998 noch von einer „in der Praxis wegen ihres ausgesprochen komplexen Regelungsgehalts nur schwer handhabbaren Materie“7 die Rede war, befand der Gesetzgeber im Jahr 2005, das geltende Recht der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung habe sich „in der Praxis grundsätzlich bewährt“.8 Das zum 1.1.2007 in Kraft getretene „Gesetz zur Stärkung der Rückgewinnungshilfe und der Vermögensabschöpfung bei Straftaten9 beschränkte sich mithin auf „punktuelle, rein prozessuale Änderungen, die das bisherige System der Vermögensabschöpfung weitgehend unberührt lassen“.10

13

Vor dem Hintergrund stetig wachsender praktischer Relevanz11 haben sich CDU, CSU und SPD im Koalitionsvertrag für die 18. Legislaturperiode das gemeinsame Ziel gesetzt, das „Recht der Vermögensabschöpfung (zu) vereinfachen, die vorläufige Sicherstellung von Vermögenswerten (zu) erleichtern und eine nachträgliche Vermögensabschöpfung (zu) ermöglichen“; darüber hinaus sah die Bunderegierung vor, zu „regeln, dass bei Vermögen unklarer Herkunft verfassungskonform eine Beweislastumkehr gilt, so dass der legale Erwerb der Vermögenswerte nachgewiesen werden muss“.12

13a

Unter diesen Prämissen legte das BMJV am 9.3.2016 einen Referentenentwurf vor, mit einigen Änderungen wurde am 13.7.2016 ein entsprechender Regierungsentwurf verabschiedet.13 Der „umfassende Ansatz“ des Reformwerks sieht vor, das Recht der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung vollständig neu zu fassen. Er soll eine Vereinfachung des Abschöpfungsrechts herbeiführen und nicht vertretbare Abschöpfungslücken schließen. Zudem soll die RL 2014/42/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 3.4.2014 über die Sicherstel-

1 Vgl. Retemeyer in A/R/R, Teil 14, Rz. 91; Hansen/Wolff-Rojczyk, GRUR 2007, 468, 469. 2 Grundlegend BGH v. 19.10.1999 – 5 StR 336/99, BGHSt 45, 235; Einzelheiten nachfolgend unter § 73 StGB Rz. 68 ff. 3 Vgl. BVerfG v. 14.1.2004 – 2 BvR 564/95, NJW 2004, 2073, Rz. 89, unter Bezugnahme auf BVerfG v. 12.12.1967 – 2 BvL 14/62 u.a., BVerfGE 22, 387, 422; vertiefend etwa Kempf/Schilling, Vermögensabschöpfung, 27 ff.; Wallschläger, Die strafrechtlichen Verfallsvorschriften, 40 ff. 4 Vgl. BVerfG v. 5.5.2004 – 2 BvR 1012/02, StraFo 2004, 309, m. Anm. Kempf; BVerfG v. 14.6.2004 – 2 BvR 1136/03, StV 2004, 409; BVerfG v. 3.5.2005 – 2 BvR 1378/04, wistra 2005, 335; BVerfG v. 7.6.2005 – 2 BvR 1822/04, StraFo 2005, 338; BVerfG v. 19.1.2006 – 2 BvR 1075/05, StraFo 2006, 165; BVerfG v. 29.5.2006 – 2 BvR 820/06, StV 2006, 449; BVerfG v. 11.1.2007 – 2 BvR 1997/04, BVerfGK 10, 180; BVerfG v. 17.7.2008 – 2 BvR 2182/06, WM 2008, 1588. 5 BVerfG v. 14.1.2004 – 2 BvR 564/95, BVerfGE 110, 1, 24. 6 BVerfG v. 14.1.2004 – 2 BvR 564/95, BVerfGE 110, 1, 25. 7 „Entwurf eines Gesetzes zur verbesserten Abschöpfung von Vermögensvorteilen aus Straftaten“ der Fraktionen von CDU/CSU, SPD und FDP, BT-Drucks. 13/9742, S. 1. 8 Gesetzentwurf der BReg. v. 21.2.2006, BT-Drucks. 16/700, S. 1. 9 Gesetz v. 24.10.2006, BGBl. I, S. 2350. 10 Gesetzentwurf der BReg. v. 21.2.2006, BT-Drucks. 16/700, S. 2. 11 S. vorstehend Rz. 1 ff.; betr. konzeptionelle Entwicklungen im Bereich der Finanzermittlung zudem Podolsky in W/J4, Kap. 28 Rz. 3 ff. 12 Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD für die 18. Legislaturperiode, S. 145. 13 Entwurf eines Gesetzes zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung, BR-Drucks. 418/16 v. 12.8.2016 = BTDrucks. 18/9525 v. 5.9.2016.

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Rz. 19 Vor §§ 73 ff. StGB

lung und Einziehung von Tatwerkzeugen und Erträgen aus Straftaten in der EU1 in innerstaatliches Recht umgesetzt werden. Eine Übergangsregelung in § 13 n.F. EGStPO sieht vor, dass die aktuelle Gesetzeslage nicht für Verfahren gelten soll, in denen bis zum Inkrafttreten der geplanten Novelle „im Urteil oder Strafbefehl festgestellt wurde, dass deshalb nicht auf Verfall erkannt wird, weil Ansprüche eines Verletzten im Sinne des § 73 Absatz 1 Satz 2 des Strafgesetzbuches entgegenstehen.“2 Die mit dem Gesetzentwurf beabsichtigte Vereinfachung des Abschöpfungsrechts ist zu begrüßen. Eine umfas- 14 sende Reform des – mitunter als „legislatorisches Monstrum“3 kritisierten – derzeitigen Regelungsgefüges ist angesichts der unerträglichen Rechtsunsicherheit hinsichtlich essentieller Fragen, insbesondere im Hinblick auf die Bestimmung des Erlangten, längst überfällig. Ob die Vorschriften insofern die vielfachen rechtsstaatlichen Schwächen der lex lata ausbessern werden, bleibt abzuwarten. Weiterungen (auch) im Bereich der Vermögensabschöpfung ergeben sich zudem im Zusammenhang mit der 15 Diskussion um die Einführungen eines „Unternehmensstrafrechts“, die durch den Gesetzantrag des Landes NRW zu einem „Gesetz zur Einführung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit von Unternehmen und sonstigen Verbänden“4 erheblich an Aktualität gewonnen und inhaltlich konkrete Konturen erhalten hat.

F. Internationale Bezüge Bei Sachverhalten mit Auslandsbezug sind vor allem die prozessualen Regelungen zu Möglichkeiten vorläu- 16 figer Sicherungs- und endgültiger Vollstreckungsmaßnahmen relevant.5 Im Bereich des materiellen Rechts bewegt sich hingegen etwa die Frage, ob eine Verfallsanordnung durch ein 17 deutsches Gericht in Betracht kommt, wenn wegen derselben Tat – bspw. die Zahlung von „Schmiergeld“ durch Angestellte eines deutschen an Angestellte eines ausländischen Unternehmens – bereits im Ausland durch Anordnung entsprechender Maßnahmen ein Zugriff auf Vermögenswerte des Täters erfolgt ist, oder ob der Betroffene etwa durch das Prinzip ne bis in idem vor einem „doppelten Verfall“ geschützt ist.6 Die Rspr. hat sich, soweit ersichtlich, erst zweimal entscheidungstragend mit dieser Frage beschäftigt. Der 18 BGH hat in Bezug auf in der Schweiz – also außerhalb des „Schengen-Raums“ und der Anwendbarkeit von Art. 54 SDÜ – eingezogene Vermögenswerte festgestellt, eine „betragsmäßige Anrechnung der (…) in der Schweiz endgültig eingezogenen Vermögenswerte“ auf den Verfallsbetrag sei „nicht veranlasst“; sie lasse sich weder mit einer entsprechenden Anwendung von § 51 Abs. 3 StGB noch völkerrechtlich begründen und sei daher allein im Rahmen der Härtefallentscheidung nach § 73c StGB zu berücksichtigen.7 Das LG Darmstadt hat in einem Korruptionsfall, in dem bereits in Italien – und zwar sowohl bei dem italienischen Unternehmen, dessen Mitarbeiter bestochen worden war, als auch bei dem deutschen Unternehmen, das den Auftrag durch Bestechung erlangt hatte – eine „Gewinnabschöpfung“8 stattgefunden hatte, festgestellt, dass § 54 SDÜ einer Verfallsanordnung nicht entgegenstehe, da die Anordnung (auch9) nach italienischem Recht keine Strafe/strafähnliche Maßnahme sei, sondern ein „kondiktionsartiger Ausgleich“.10 Die Position der Rspr. weckt erhebliche Bedenken. Zwar ist über die Anwendbarkeit von Art. 54 SDÜ nicht 19 höchstrichterlich entschieden; sie lässt sich jedoch mit beachtlichen Gründen vertreten. Außerhalb des räumlichen Anwendungsbereichs dieser Vorschrift ist der Begründungsaufwand höher und der Betroffene nach derzeitiger Rspr. darauf angewiesen, dass die Erstanordnung im Rahmen von § 73c StGB angemessen berücksichtigt ist. Rechtstaatlich geboten und konsequent wäre eine dem § 51 Abs. 3 StGB entsprechende Anrechnungsvorschrift.11

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ABl. L 127 vom 29.4.2014, S. 39; L 138 vom 13.5.2014, S. 114. Gesetzentwurf der BReg. v. 13.7.2016, Art. 3, BR-Drucks. 418/16, S. 37. Gesetzentwurf der BReg v. 13.7.2016, BR-Drucks. 418/16, S. 46 mit Verweis auf Achenbach, FS Blau, S. 7, 11. Abrufbar unter https://dico-ev.de/fileadmin/PDF/PDF_Intranet_2013/Unternehmensstrafrecht/2013-10-15_Entwurf_ zum_Unter nehmensstrafrecht.pdf. Am 14.11.2013 hat die Justizministerkonferenz beschlossen, den Entwurf in den Bundesrat einzubringen. Vgl. dazu Rübenstahl/Tsambikakis, ZWH 2014, 8 ff.; Kutschaty, DRiZ 2013, 16; Kutschaty, ZRP 2013, 74; Leipold, ZRP 2013, 74; Leipold, ZRP 2013, 34; Görtz, WiJ 2014, 8. Eingehend dazu Rönnau in Volk, MAH2, § 13 Rz. 328 ff. Eingehend Rübenstahl/Schilling, HRRS 2008, 492 ff. Vgl. BGH v. 19.1.2005 – 4 StR 343/04, NStZ 2005, 455, 456. Die Terminologie ist uneinheitlich vgl. Rübenstahl/Schilling, HRRS 2008, 495. Zur Frage der Rechtsnatur nach deutschem Recht vgl. hier § 73 StGB Rz. 1 ff. Vgl. LG Darmstadt v. 14.5.2008 – 712 Js 5213/04 - 9 KLs, BeckRS 2007, 16611 (auszugsweise abgedruckt in CCZ 2008, 37 f.); in der Revision war über diese Frage aufgrund der Aufhebung der Verurteilung wegen der Anknüpfungstat nicht zu entscheiden. Vertiefend Rübenstahl/Schilling, HRRS 2008, 492 ff.; Rönnau, FS Volk, 583 ff.

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StGB

Vorbemerkungen zu §§ 73 ff.

StGB

§ 73 StGB Rz. 1

Strafgesetzbuch

§ 73 Voraussetzungen des Verfalls (1) Ist eine rechtswidrige Tat begangen worden und hat der Täter oder Teilnehmer für die Tat oder aus ihr etwas erlangt, so ordnet das Gericht dessen Verfall an. Dies gilt nicht, soweit dem Verletzten aus der Tat ein Anspruch erwachsen ist, dessen Erfüllung dem Täter oder Teilnehmer den Wert des aus der Tat Erlangten entziehen würde. (2) Die Anordnung des Verfalls erstreckt sich auf die gezogenen Nutzungen. Sie kann sich auch auf die Gegenstände erstrecken, die der Täter oder Teilnehmer durch die Veräußerung eines erlangten Gegenstandes oder als Ersatz für dessen Zerstörung, Beschädigung oder Entziehung oder auf Grund eines erlangten Rechts erworben hat. (3) Hat der Täter oder Teilnehmer für einen anderen gehandelt und hat dadurch dieser etwas erlangt, so richtet sich die Anordnung des Verfalls nach den Absätzen 1 und 2 gegen ihn. (4) Der Verfall eines Gegenstandes wird auch angeordnet, wenn er einem Dritten gehört oder zusteht, der ihn für die Tat oder sonst in Kenntnis der Tatumstände gewährt hat. A. I. II. III. B. I. II. III. C. I.

II.

III.

D. I. II.

Grundlagen Rechtsnatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verfallsanordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vorläufige Verfallssicherung . . . . . . . . . . . . . . . . Anknüpfungstat Vorsätzlich rechtswidrige Tat . . . . . . . . . . . . . . . Verfall bei Versuch. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verfall und Verfahrenseinstellung . . . . . . . . . . . . Verfallsgegenstand: „Erlangtes Etwas“ – Absatz 1 S. 1. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bezug zur Anknüpfungstat: Für die oder aus der Tat erlangt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. „Für die Tat“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. „Aus der Tat“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Erlangtes „Etwas“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Einvernehmliche Prämissen . . . . . . . . . . . . . . 2. Differenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Kritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Höhe des Erlangten 1. Nettoprinzip/Bruttoprinzip . . . . . . . . . . . . . . 2. (Bedenkliche) Folgen des Bruttoprinzips. . . . . Ausschlussklausel – Absatz 1 S. 2 . . . . . . . . . . . Zweck und Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . Verletztenbegriff 1. Verletztenkreis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Bedeutung des Schutzzwecks der verletzten Strafnorm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Einzelfragen a) Verletzteneigenschaft des Fiskus . . . . . . . . .

. . .

1 5 7

III. E.

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8 12 14

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I. II. F. I. II. III.

IV. V. VI. G. I. II. H. I. II.

b) Rechtsnachfolger als Verletzte? . . . . . . c) Insolvenzverwalter als Verletzter?. . . . . Prozessuale Besonderheiten – „Rückgewinnungshilfe“ und „Auffangrechtserwerb“ . . . . Erweiterung auf mittelbare Tatvorteile, Absatz 2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nutzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Surrogate . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . „Drittverfall“, Absatz 3 . . . . . . . . . . . . . . . Gesetzlicher Rahmen und case law . . . . . . . . Handeln für einen anderen . . . . . . . . . . . . . Zurechnung des Erlangten – Fallgruppenspezifische Abgrenzungskriterien . . . . . . . . . 1. „Vertretungsfälle“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. „Verschiebungsfälle“ . . . . . . . . . . . . . . . . 3. „Erfüllungsfälle“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Bedenken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Drittverfall bei Unternehmenstransaktionen . Rückstellungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . Prozessuale Besonderheiten – „Verfallsbeteiligung“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verfall bei Dritteigentum, Absatz 4 Anwendungsbereich und Voraussetzungen . . Prozessuale Situation des Dritteigentümers . Verfall bei Mittäterschaft Position der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . Bedenken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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A. Grundlagen I. Rechtsnatur 1

Die Frage nach der Rechtsnatur des Verfalls ist keineswegs auf das akademische Interesse beschränkt. Vielmehr zeigen etwa die aktuelle Diskussionen um die Bestimmung des „erlangten Etwas“, die Anordnung des „Drittverfalls“ (u.a. gegen Unternehmen) oder die Frage der Verfallsanordnung bei Mittäterschaft, dass die dogmatische Einordnung von erheblicher praktischer Bedeutung ist.

2

Die Position des BGH ist insofern strikt, eindeutig und einstimmig. Danach ist „der Verfall, auch bei Anwendung des Bruttoprinzips, keine Strafe, sondern eine Maßnahme eigener Art. Die Abschöpfung des über den Nettogewinn hinaus Erlangten verfolge primär einen Präventionszweck“.1 Das BVerfG trägt diese Position im Wesentlichen mit, hat jedoch zugleich – und insofern relativierend – festgestellt, die Abschöpfung erzielter Gewinne sei „nicht notwendig eine vergeltende Sanktion“, sondern habe „allenfalls strafergänzende Funktion“;

1 Exemplarisch BGH v. 21.8.2002 – 1 StR 115/02, BGHSt 47, 369, 369.

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Rz. 10 § 73 StGB

nach dem Willen des Gesetzgebers handele es sich um eine Maßnahme mit kondiktionsähnlichem Charakter bzw. um eine quasikondiktionelle Ausgleichsmaßnahme.1 Dass dem Verfall eine – wenn auch möglicherweise nicht intendierte – pönale Wirkung abgesprochen wird, ist 3 insbesondere angesichts der faktischen Härten des Bruttoprinzips, die durchaus als straf-charakteristische „Zufügung eines Übels“ empfunden werden können, immer wieder auf (berechtigte) Kritik gestoßen (vgl. nachfolgend Rz. 42 ff.). Gleiches gilt für die fragwürdige und zirkuläre Begründung, die den Strafcharakter mit Verweis auf die fehlende gesetzgeberische Strafintention, die systematische Stellung außerhalb des Abschnitts „Strafen“ und im Hinblick darauf ablehnt, dass schuldhaftes Handeln nicht vorausgesetzt wird.2 Solange jedoch die Rspr. an ihrer zweifelhaften Position festhält – und eine Abkehr ist nicht zu erwarten –, 4 müssen sich Maßnahmen nach §§ 73 ff. StGB an den von der Rspr. in Anspruch genommenen Prämissen messen lassen: Dann darf sich insbesondere eine Verfallsanordnung, soll sie nicht gegen den Willen des Gesetzgebers verstoßen, im Einzelfall nicht als „Strafübel“ darstellen und dann müssen bereicherungsrechtliche Wertungen konsequent – und das heißt: nicht nur zur Begründung des Verfalls, sondern etwa auch in Bezug auf die Feststellung und Rechtsfolgen von Entreicherung – übertragen werden. Insofern ist die Frage nach der Rechtsnatur von Verfallsanordnungen zugleich Maßstab ihrer Legitimität und Legalität und hat die Qualifikation als „Nicht-Strafe“ begrenzende Funktion.

II. Verfallsanordnung Der Verfall wird im Urteil oder durch Strafbefehl, der selbständige Verfall i.S.v. § 76a StGB durch Beschluss 5 gem. §§ 442 Abs. 1 i.V.m. § 441 Abs. 2 StPO, angeordnet.3 Dabei sind die für verfallen erklärten Gegenstände im Tenor – nötigenfalls in einer Anlage dazu – konkret, im 6 Einzelnen und zweifelsfrei zu bezeichnen, so dass für die Vollstreckungsbehörde Klarheit über den Umfang des Verfalls besteht.4 Die bloße Bezugnahme auf die Anklage-/Antragsschrift oder das Asservatenverzeichnis ist unzulässig; die Entscheidung muss vielmehr aus sich heraus verständlich sein.5

III. Vorläufige Verfallssicherung Zur einstweiligen Sicherung von Vermögenswerten für eine Verfallsanordnung bzw. zur Rückgewinnungshilfe 7 enthält die StPO mit den Vorschriften der §§ 111b ff. ein breites – mit zahlreichen Verweisungen in das Zivilprozessrecht, Rückverweisungen und Ausnahmetatbeständen eher sperriges und schwer zu erschließendes – Eingriffsinstrumentarium.6

B. Anknüpfungstat I. Vorsätzlich rechtswidrige Tat Der Verfall setzt die „Begehung einer rechtswidrigen Tat“, nicht aber deren schuldhafte Verwirklichung voraus. 8 Erforderlich ist daher eine objektiv-rechtswidrige Verwirklichung eines Tatbestandes i.S.v. § 11 Abs. 1 Nr. 5 StGB, wobei die Tatbegehung von der Anklage umfasst und gerichtlich festgestellt worden sein muss.7 In subjektiver Hinsicht ist bei Vorsatztaten „natürlicher Vorsatz“8 erforderlich; jedoch kommen auch Fahrläs- 9 sigkeitsdelikte9 als Anknüpfungstaten in Betracht. Folglich schließt ein Tatbestandsirrtum gem. § 16 StGB mangels Tatbestandserfüllung die Anordnung von Verfall aus, falls nicht die Bestrafung wegen fahrlässiger Begehung in Betracht kommt.10 Hingegen ist ein schuldausschließender Verbotsirrtum i.S.v. § 17 StGB in Bezug auf den Verfall – dessen Anordnung gerade keine schuldhaft begangene Tat voraussetzt – unbeachtlich. Verjährte Taten kommen als Anknüpfungstat für den einfachen Verfall gem. § 73 StGB bzw. für den Wert- 10 ersatzverfall, § 73a StGB, nicht in Betracht.11 Etwas anderes gilt jedoch nach der ausdrücklichen gesetzgeberischen Intention beim Erweiterten Verfall gem. § 73d StGB.12

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Vgl. BVerfG v. 14.1.2004 – 2 BvR 564/95, BVerfGE 110, 1, 16. Vgl. BGH v. 21.8.2002 – 1 StR 115/02, BGHSt 47, 369, 373. Tenorierungsbeispiele bei Retemeyer in A/R/R, Teil 14 Rz. 55 ff. Vgl. BGH v. 27.6.2003 – 2 StR 197/03, NStZ-RR 2004, 227; BGH v. 7.3.1956 – 6 StR 92/55, BGHSt 9, 88, 89; BGH v. 29.6.2011 – 1 StR 199/11, juris. BGH v. 27.6.2003 – 2 StR 197/03, NStZ-RR 2004, 227. Kempf/Schilling, StraFo 2006, 180, 182. Etwa BGH v. 5.8.1981 – 2 StR 228/81, StV 1981, 627. Vgl. Schmidt in LK-StGB12, § 73 Rz. 15. Vgl. BGH v. 19.1.2012 – 3 StR 343/11, BGHSt 57, 79, Rz. 9 m.w.N. Schmidt in LK-StGB12, § 73 Rz. 66, m. Verweis auf Dreher, BT-Sonderausschuss, Prot. V/1003. Vgl. Eser in S/S-StGB29, § 73 Rz. 4. Krit. Joecks in MüKo-StGB2, § 73 Rz. 24 m.w.N.

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StGB

Voraussetzungen des Verfalls

StGB

§ 73 StGB Rz. 11 11

Strafgesetzbuch

Der Deliktscharakter ist grundsätzlich unbeachtlich.1 Insbesondere sind nicht nur typisch vermögensbezogene Straftaten oder Straftaten mit überindividuellen Rechtsgütern Anknüpfungstaten für die Anordnung des Verfalls, wenngleich sie den Hauptanwendungsfall bilden. Die grundsätzliche Unbeachtlichkeit ergibt sich daraus, dass „für“ jede Straftat etwas erlangt werden kann und zwar eine (vermögenswerte) Anerkennung für bzw. die Entlohnung der Tatbeteiligung, wie etwa der als „Belohnung“ für eine Falschaussage gezahlte Betrag.2 Bedenken gegenüber der generellen Unbeachtlichkeit des Deliktscharakters der Anknüpfungstat ergeben sich jedoch in Bezug darauf, ob auch „aus“ jeder Tat etwas erlangt werden kann. Diese – soweit ersichtlich nicht grundsätzlich entschiedene – Frage stellt sich insbesondere bei abstrakt-generellen Gefährdungsdelikten, die den Eintritt eines konkreten Schadens – der dem Erlangten spiegelbildlich entsprechen müsste – gerade nicht voraussetzen.

II. Verfall bei Versuch 12

Grundsätzlich kommt auch eine (strafbare) versuchte Tat als Anknüpfungstat in Betracht.3 So hat der 1. Strafsenat des BGH im „Falk-Verfahren“ in Bezug auf einen versuchten Betrug entschieden, dass eine Verfallsanordnung „wegen des den Verfallsvorschriften zugrunde liegenden Bruttoprinzips (…) hinsichtlich des aus einer Tat Erlangten nicht notwendig einen Vermögensschaden – spiegelbildlich zu einem Vermögensvorteil – voraussetzt“ und weiter ausgeführt, dass es in der vorliegenden Konstellation eines durch versuchten Betrug erschlichenen Vertragsabschlusses „zwar am Vermögensschaden, nicht aber am Erlangten“ fehle.4 Diese Position ist nicht unproblematisch und hat berechtigte Kritik5 erfahren, denn sie entkoppelt das abschöpfbare „Erlangte“ von einem hier nach den instanzgerichtlichen Feststellungen gerade nicht vorliegenden Vermögens(zu)fluss und so das dem Verfall unterliegende strafrechtlich Bemakelte von dem tatbestandlichen Erfolg. Damit wird das „Konstrukt“ des 1. Strafsenats weder der Deliktsstruktur der als Erfolgsdelikte ausgestalteten Eigentumsund Vermögensdelikte noch der (verfassungs-)rechtlichen Legitimation der Vermögensabschöpfung gerecht.6

13

Der – strafausschließende – Rücktritt vom Versuch gem. § 24 StGB beseitigt die Rechtswidrigkeit nicht und ist daher für die Verfallsanordnung ebenfalls grundsätzlich unbeachtlich.7 Zu berücksichtigen ist jedoch, dass sich die Verfallsanordnung bei einem strafbefreienden Rücktritt regelmäßig nur auf das „für“ die Tat erlangte Etwas beziehen kann, da bereits die Voraussetzungen des Rücktritts in Frage stehen, wenn der Täter „aus“ der Tat etwas erlangt hat; dies gilt erst recht, wenn ihm aus der Tat etwas verblieben ist.8

III. Verfall und Verfahrenseinstellung 14

Nach der Einstellung einer Tat gem. § 154 Abs. 2 StPO ist der Verfall nur nach Wiederaufnahme nach § 154 Abs. 3 StPO oder nach Übergang in ein objektives Verfahren zur Anordnung des Verfalls gem. § 76a Abs. 1, Abs. 3 StGB zulässig.9

15

Weder gesetzlich geregelt noch – dies liegt gleichsam in der Natur der Sache – statistisch erfasst ist die Frage des Umgangs mit „Verfallsfragen“ bei konsensualen Erledigungsformen. Es ist jedoch naheliegend und entspricht der Erfahrung, dass (möglicherweise) abschöpfbare Beträge häufig Teil der „Dealmasse“ werden. Dass Restitutionszahlungen an Geschädigte gem. § 46a StGB als „Nachtatverhalten“ im Rahmen der Strafzumessung zu berücksichtigen sind, steht außer Frage.

C. Verfallsgegenstand: „Erlangtes Etwas“ – Absatz 1 S. 1 16

Als Verfallsgegenstand kommen das „für die Tat“ und das „aus der Tat erlangte Etwas“ in Betracht. Während im ersten Fall die Bestimmung des Erlangten vergleichsweise einfach ist, wird die zentrale und „für die Rechtspraxis überaus wichtige“ Frage nach dem aus der Tat Erlangten, so die markante und zutreffende Beschreibung Fischers, „derzeit krass divergierend“ beantwortet – mit beachtlichen Konsequenzen: Je nachdem, welcher Strafsenat zuständig ist, „kann die Verfallsentscheidung einen Unterschied ausmachen, dessen (Vermögens-)Wert leicht im zweistelligen Millionenbereich liegen kann“.10

Vgl. Schmidt in LK-StGB12, § 73 Rz. 66 m.w.N. Beispiele etwa bei Rönnau in Volk, MAH2, § 13 Rz. 10 ff. Vgl. Fischer, StGB63, § 73 Rz. 6 m.w.N. BGH v. 29.6.2010 – 1 StR 245/09, NStZ 2011, 83, Rz. 31. Krit. etwa Saliger in NK-StGB4, § 73 Rz. 17b; Rönnau in Volk, MAH2, § 13 Rz. 57, Rübenstahl, HRRS 2010, 505, 507 f. Vgl. Rübenstahl, HRRS 2010, 505, 507 f. Vgl. Schmidt in LK-StGB12, § 73 Rz. 68 m.w.N. Joecks in MüKo-StGB2, § 73 Rz. 20. BGH v. 7.1.2003 – 3 StR 421/02, NStZ 2003, 422, 423; zu prozessualen Sicherungsmaßnahmen bei gem. § 154 Abs. 2 StPO eingestellten Verfahren vgl. OLG Hamm v. 10.10.2013 – III-1 Ws 390/13, 1 Ws 390/13, wistra 2014, 73. 10 Fischer, StGB63, § 73 Rz. 8h; ähnlich Rönnau in Volk, MAH2, § 13 Rz. 36, 47; Schilling, StraFo 2011, 128, 131. 1 2 3 4 5 6 7 8 9

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Rz. 22 § 73 StGB

I. Bezug zur Anknüpfungstat: Für die oder aus der Tat erlangt Das „Etwas“ muss entweder für die Tat oder aus ihr erlangt sein. Relevant ist die Differenzierung insbesondere 17 für Anwendung der Subsidiaritätsklausel des § 73 Abs. 1 S. 2 StGB (vgl. nachfolgend Rz. 45 ff.), denn nur bezüglich „aus der Tat“ erlangter Vermögenswerte ist eine Verfallsanordnung bei Gegenrechten von Verletzten ausgeschlossen.1 1. „Für die Tat“ Für die Tat erlangt sind Vermögenswerte, die dem Täter oder Teilnehmer „als Gegenleistung für sein rechtswidri- 18 ges Handeln gewährt werden, aber nicht auf der Tatbestandsverwirklichung selbst beruhen“2 Maßgeblich ist also ein synallagmatisches Verhältnis, klassische Beispiele sind Belohnungen, (Kurier-)Lohn.3 Für die Tat erlangt sind aber etwa auch das für illegale Schrottablagerungen gezahlte Entgelt,4 die im Zusammenhang mit einem Embargoverstoß entstandene Kaufpreisforderung5 oder das an den mittäterschaftlich handelnden Rechtsanwalt gezahlte Honorar.6 Nicht „für“ die Tat erlangt ist hingegen, was nur „gelegentlich der Tat“7 oder zu ihrer Durchführung erlangt 19 wurde, wie etwa (Reise-)Spesen8 oder Gelder zur Bezahlung von Mietwagen zum Beutetransport.9 Abgrenzungsschwierigkeiten ergeben sich insbesondere bei Provisions- und Schmiergeldzahlungen: So hat der 20 1. Strafsenat bei Provisionszahlungen im Zusammenhang mit einem sog. Schneeballsystem zu der Auffassung „geneigt“, dass das Erlangte auch dann aus der Tat stammt, wenn es aus einer mit „Gruppenwillen“ für alle Tatbeteiligten „gesammelten“ Gesamtmenge durch Betrug erlangter Vermögenswerte entnommen wurde; anders sei es hingegen zu beurteilen, wenn Provisionen aus verschiedenartig erzielten Gesamteinnahmen von einem Beschuldigten „ausgekehrt“ werden.10 Während Bestechungsgelder teilweise als Entgelt i.S.v. § 11 Nr. 9 StGB „für die Tat“ angesehen werden,11 geht insbesondere die Rspr. davon aus, dass Schmiergeld grundsätzlich „aus der Tat“ erlangt wird.12 Anders soll es sich jedoch verhalten, wenn etwa ein Amtsträger aufgrund einer Unrechtsvereinbarung eine Belohnung für eine den Dienstherrn schädigende Untreuehandlung – also „für die Tat“ – erhält.13 Für die Bestechung eines Amtsträgers zur Weitergabe an Behördenmitarbeiter überlassene Geldbeträge werden hingegen weder für noch aus der Tat, sondern zu deren Durchführung erlangt und unterliegen daher nicht dem Verfall.14 2. „Aus der Tat“ „Aus der Tat“ erlangt sind nach der einhellig vertretenen Definition der Rspr. „alle Vermögenswerte, die dem 21 Täter oder Teilnehmer unmittelbar aus der Verwirklichung des Tatbestands selbst in irgendeiner Phase des Tatablaufs zufließen, insbesondere also eine Beute“.15 Hierbei kann es sich um eine Rechtsposition handeln – etwa: (Sach-)Eigentum, Forderung, Befreiung von einer Verbindlichkeit –, um eine faktische Besserstellung – etwa: Erlangung (bloßen) Besitzes, Nutzungs- oder Gebrauchsvorteile (selbst von nicht konsumierten Gütern), Fortdauer einer Verfügungsmöglichkeit über Bankguthaben, Erlangung eines Softwareentwicklungsprogramms – oder aber um ersparte Aufwendungen. Auf die rechtliche Anerkennung des zugrunde liegenden Rechtsgeschäfts kommt es nicht an, es muss sich aber stets um einen Vermögenswert handeln.16

II. Erlangtes „Etwas“ Die Bestimmung des erlangten „Etwas“ ist mit erheblichen Unsicherheiten verbunden. Sie ergeben sich vor al- 22 lem daraus, dass die Rspr. der einzelnen Strafsenate des BGH derzeit derart uneinheitlich und unübersichtlich 1 Vgl. BGH v. 20.2.1981 – 2 StR 644/80, BGHSt 30, 46, 48. 2 St. Rspr., etwa BGH v. 13.2.2014 – 1 StR 336/13, wistra 2014, 354, 358, Rz. 73; BGH v. 2.12.2005 – 5 StR 119/05, BGHSt 50, 299, 309, 310 [Kölner Müllverbrennungsanlage]; BGH v. 22.10.2002 – 1 StR 169/02, BGHR StGB § 73 Erlangtes 4. 3 Etwa BGH v. 22.10.2002 – 1 StR 169/02, wistra 2003, 57, 58. 4 Vgl. OLG Frankfurt v. 23.5.1986 – 2 Ss 130/86, wistra 1988, 155. 5 Vgl. BGH v. 21.8.2002 – 1 StR 115/02, BGHSt 47, 369, 376. 6 Vgl. BGH v. 30.5.2008 – 1 StR 166/07, BGHSt 52, 227, Rz. 26, 63. 7 Vgl. BGH v. 29.8.2002 – 3 StR 287/02, NStZ-RR 2002, 366; BGH v. 16.12.2009 – 5 StR 242/09, StV 2010, 128. 8 Vgl. BGH v. 20.2.1993 – 1 StR 808/92, BGHR StGB § 74 I Tatmittel 4. 9 Vgl. BGH v. 19.10.2010 – 4 StR 277/10, StraFo 2011, 103. 10 BGH v. 19.10.2011 – 1 StR 336/11, wistra 2012, 69, 71; vgl. auch BGH v. 22.10.2002 – 1 StR 169/02, wistra 2003, 57, 58. 11 Vgl. Eser in S/S-StGB29, § 73 Rz. 8; Schmidt in LK-StGB12, § 73 Rz. 28. 12 Etwa BGH v. 20.1.1981 – 2 StR 644/80, BGHSt 30, 46, 48 u.a. mit Verweis auf Gesetzgebungsmaterialien (Göhler, Prot. d. Sitzungen des Sonderausschusses für die Strafrechtsreform Bd V, 541). 13 Vgl. BGH v. 24.6.2010 – 3 StR 84/10, wistra 2010, 439, 441 m.w.N. 14 Vgl. BGH v. 28.4.2011 – 4 StR 2/11, wistra 2011, 298. 15 St. Rspr., etwa BGH v. 22.10.2002 – 1 StR 169/02, BGHR StGB § 73 Erlangtes 4; BGH v. 28.11.2000 – 5 StR 371/00, NJW 2001, 693. 16 Beispiele m.w.N. bei Rönnau in Volk, MAH2, § 13 Rz. 30.

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StGB

Voraussetzungen des Verfalls

StGB

§ 73 StGB Rz. 23

Strafgesetzbuch

ist,1 dass sich im Einzelfall der Verfallsgegenstand allenfalls unter Berücksichtigung der regionalen Zuständigkeit des Revisionssenats und auch dann nur schemenhaft erahnen lässt, denn die Senate betonen trotz „krass divergierend(er)“2 Positionen (Fischer), dass ein Fall des § 132 Abs. 2 GVG nicht gegeben sei; eine Vorlage an den Großen Senat für Strafsachen ist überfällig.3 23

Fraglich ist bereits, ob sich die „Uneinheitlichkeiten“ jedenfalls auch auf die Bezifferung des Verfallsbetrages und damit auf das 1992 eingeführte „Bruttoprinzip“ beziehen, oder – wie der 5. Strafsenat betont – ausschließlich „auf die vorgelagerte Bestimmung dessen, was überhaupt erlangt ist“.4 1. Einvernehmliche Prämissen

24

Eine Annäherung an den Verfallsgegenstand mag über die Betrachtung der unstreitigen Punkte und den Blick auf die Entwicklung der gesetzlichen Grundlage und ihrer Auslegung durch die Rspr. gelingen. Insofern bestehen zunächst folgende einvernehmliche Eckpunkte:

25

– Das erlangte „Etwas“ setzt einen wirtschaftlich erfassbaren Wertzufluss voraus, der unmittelbar in bestimmten Gegenständen – bewegliche Sachen, Immobilien, Rechte – verkörpert sein oder auch nur rechnerisch erfassbar sein kann, wie etwa bei Leistungen, Nutzungen, Vergünstigungen oder Einsparungen.5

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– Es ist nicht gleichzusetzen mit dem aus der Tat resultierenden „Vermögensvorteil“, denn der Gesetzgeber hat diesen Begriff 1992 durch den des „Etwas“ ersetzt und damit den Übergang vom sog. Netto- zum Bruttoprinzip vollzogen.6 Danach sind – vereinfacht ausgedrückt – Aufwendungen des Täters nicht abzugsfähig, der Verfall bezieht sich vielmehr auf die „Gesamtheit des Erlangten“.7 Bemerkenswert ist jedoch, dass das Bruttoprinzip – obgleich seine Geltung allseits explizit betont wird – argumentativ zur Begründung höchst unterschiedlicher Positionen herangezogen wird.8

27

– „Erlangen“ setzt voraus, dass der Vermögenszuwachs dem Täter auf irgendeine Weise wirtschaftlich zugutekommt (zur Erlangung durch mehrere Tatbeteiligte vgl. nachfolgend Rz. 93 ff.), wobei ausschließlich das materiell tatsächlich Erlangte dem Verfall unterliegen kann. Dabei muss es sich um einzelne, konkrete Vermögenswerte handeln. Nicht erfasst sind hingegen Chancen oder Expektanzen; was der Täter nur erlangen wollte oder hätte erlangen können, ist daher unbeachtlich.9

28

– Schließlich hält die Rspr. insgesamt an der der Formel fest, dass „die Abschöpfung spiegelbildlich dem Vermögensvorteil entsprechen muss, den der Täter aus der Tat gezogen hat“; dies erfordere eine „unmittelbare Kausalbeziehung zwischen Tat und Vorteil“.10 Allerdings setzen die Differenzen gerade bei der Auslegung des – zum „ungeschriebenen Tatbestandsmerkmal“11 geadelten – Unmittelbarkeitskriteriums an. 2. Differenzen

29

Diese gemeinsamen Prämissen zugrunde gelegt, ergeben sich im Weiteren Differenzen zunächst und vor allem im Hinblick darauf, ob und wie bei der Verfallsentscheidung der Bezugspunkt des konkreten strafrechtlichen Vorwurfs zu berücksichtigen und damit letztlich eine deliktsspezifische Betrachtung vorzunehmen ist. Die Eckpunkte der unterschiedlichen Positionen lassen sich an folgenden „lead cases“12 nachvollziehen:

30

– Den „Auftakt“13 machte insofern der 5. Strafsenat des BGH mit seinem Urteil vom 2.12.2005 im sog. Kölner Müllverfahren,14 wonach bei korruptiver Auftragserlangung nur der Vorteil des schuldrechtlichen Ver1 Rönnau in Volk, MAH2, § 13 Rz. 36 spricht von einem „handfesten Streit“, zwischen dessen Lösungsansätzen Welten lägen, die im Ergebnis Unterschiede in Millionenhöhe ausmachen könnten. 2 Fischer, StGB63, § 73 Rz. 8h. 3 Vgl. Schilling, StraFo 2011, 128, 132 f. m.w.N. 4 BGH v. 2.12.2005 – 5 StR 119/05, BGHSt 50, 299, 309 f. 5 Vgl. Eser in S/S-StGB29, § 73 Rz. 6 mit zahlreichen Beispielen u.w.N. 6 Grundlegend BGH v. 21.8.2002 – 1 StR 115/02, BGHSt 47, 369, 369 m.w.N.; Einzelheiten hier unter Rz. 40 ff. 7 BT-Drucks. 12/989, S. 23. 8 Vgl. BGH v. 30.5.2008 – 1 StR 166/07, BGHSt 52, 227, Rz. 108; BGH v. 29.6.2010 – 1 StR 245/09, wistra 2010, 477, 479 Rz. 42 ff. 9 Etwa BGH v. 8.9.1999 – 3 StR 299/99, wistra 1999, 464 (nicht erfüllte Forderungen bei Bestechlichkeit); BGH v. 5.4.2000 – 2 StR 500/99, NStZ 2000, 481 (uneinbringliche Außenstände aus deliktischen Absatzgeschäften); BGH v. 18.10.2000 – 3 StR 393/00, NStZ-RR 2001, 82 (lediglich erzielbare Verkaufserlöse). 10 Vgl. BGH v. 21.3.2002 – 5 StR 138/01, BGHSt 47, 260, 269 m.w.N. 11 BGH v. 21.3.2002 – 5 StR 138/01, BGHSt 47, 260, 269 m.w.N. 12 Aus der untergerichtlichen Rspr. vgl. etwa LG Münster v. 9.3.2011 – 9 Qs 6/11, wistra 2011, 238 (Straftat gem. § 327 StGB), und OLG Koblenz v. 28.9.2006 – 1 Ss 247/06, ZfSch 2007, 108 (Ordnungswidrigkeit gem. §§ 31 Abs. 2, 32 Abs. 1, 69a StVZO, § 24 StVG), m. Anm. Korte, NStZ 2008, 80, die den vom 5. Strafsenat des BGH geprägten Weg favorisieren; a.A. OLG Celle v. 30.8.2011 – 322 SsBs 175/11, wistra 2011, 476 (Verstoß gegen Sonntagsfahrverbot gem. § 30 Abs. 3 StVO); OLG Celle v. 29.10.2008 – 322 SsBs 172/08, wistra 2009, 38, 39. 13 Entsprechende Anlagen bereits in der „Bauerwartungsentscheidung“, BGH v. 21.3.2002 – 5 StR 138/01, BGHSt 47, 260, 269. 14 BGH v. 2.12.2005 – 5 StR 119/05, BGHSt 50, 299, m. Anm. Hohn, wistra 2006, 321 ff.

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Rz. 33 § 73 StGB

tragsschlusses unmittelbar aus der Tat erlangt sei.1 Die Vorteile aus der Ausführung des Auftrags seien hingegen nicht mehr unmittelbar aus der Tat erlangt mit der Folge, dass der „gesamte wirtschaftliche Wert“ des Auftrags im Zeitpunkt des Vertragsschlusses – nicht jedoch der vereinbarte Kaufpreis bzw. Werklohn – dem Verfall unterliege.2 Anders seien hingegen Konstellationen zu beurteilen, bei denen der strafrechtliche Vorwurf – wie bei verbotenen BtM-Geschäften oder Embargoverstößen – das Geschäft als solches betreffe.3 Das Bruttoprinzip werde dadurch nicht in Frage gestellt, da sich dieses nur auf die Bezifferung des Erlangten, nicht jedoch auf die vorgelagerte Bestimmung dessen beziehe, was überhaupt erlangt sei.4 In einem Beschluss vom 29.6.2006 hat der 5. Strafsenat diese Auffassung – ebenfalls in einem Bestechungsfall – ohne ergänzende Begründung erneut vertreten.5 – Der 1. Strafsenat hat sich in einem Urteil vom 30.5.2008 im Zusammenhang mit strafbarer Werbung durch 31 sog. Gewinnmitteilungen ausführlich mit der Auffassung des 5. Senats befasst6 und sie – allerdings obiter dictu und mit Verweis auf die Andersartigkeit der konkreten Fallgestaltung7 – deutlich kritisiert: Sofern das vom 5. Senat genannte Kriterium der strafrechtlichen Bemakelung „gar dahin zu verstehen“ sei, „dass die Ausführung eines Vertrages für sich genommen strafbar sein müsse“, könne der Senat dem nicht folgen, denn dies habe zur Folge, „dass bei Alltagsgeschäften, etwa bei durch Betrug zustande gekommenen Verträgen über Dienstleistungen (…) die Rückgewinnungshilfe sachwidrig begrenzt“ wäre.8 Zudem stoße die Rspr. des 5. Senats beim erkennenden Senat im Hinblick auf das Bruttoprinzip „schon im rechtlichen Ausgangspunkt auf Bedenken“.9 Ein Divergenzfall liege gleichwohl schon deshalb nicht vor, weil auch die Durchführung der aufgrund strafbarer Werbung zustande gekommener Kaufverträge strafrechtlich bemakelt sei.10 Außerdem dürfe auch nach der Entscheidung des 5. Senats das in Straftaten Investierte nicht verfallsmindernd berücksichtigt werden.11 Im konkreten Fall erklärte der Senat sämtliche Zahlungen zur Erfüllung von durch strafbare Werbung herbeigeführten Kaufverträgen für „erlangt“ i.S.v. § 73 StGB und setzte – vorbehaltlich der Anwendung von §§ 73 Abs. 1 S. 2 und 73c StGB – Bruttoeinnahmen in Höhe von rd. 33 Mio. Euro als Abschöpfungsbetrag fest.12 – Der 5. Strafsenat hat, ohne sich mit dieser Kritik auseinanderzusetzen – allerdings nicht ohne die Anders- 32 artigkeit des nun zu entschiedenen Sachverhalts zu betonen –, in einem Beschluss vom 27.1.2010 im Zusammenhang mit verbotenen Insidergeschäften erneut ausgeführt, der Gegenstand des Verfalls sei „danach zu bestimmen, was letztlich strafbewehrt ist“.13 Soweit das Geschäft an sich verboten sei, könne der gesamte hieraus erlöste Wert dem Verfall unterliegen. Sei hingegen nur die Art und Weise der Geschäftsausführung strafrechtlich bemakelt, sei (nur) der hierauf entfallene Sondervorteil i.S.d. § 73 Abs. 1 StGB erlangt.14 Bei verbotenen Insidergeschäften bestehe dieser in der „Verschonung von dem Wertverlust, den uninformierte Marktteilnehmer infolge verspäteter Veröffentlichung der aktienkursrelevanten (negativen) Tatsache erleiden“; die Aktien selbst seien hingegen durch einen legalen Rechtsakt erworben und daher weder für noch aus der Tat erlangt.15 Das Bruttoprinzip bleibe unangetastet, da Aufwendungen wie etwa Kreditzinsen oder Provisionen das Erlangte nicht mindern könnten, sondern allenfalls bei Anwendung der Härteklausel, § 73c StGB, Berücksichtigung fänden.16 – Im „Falk-Verfahren“ hat sodann der 1. Strafsenat mit Urteil vom 29.6.201017 im Zusammenhang mit der 33 Bestimmung des Erlangten bei einem durch Betrug zustande gekommenen Kaufvertrag an seiner im Urteil vom 30.5.2008 angelegten Position festgehalten und den Verfall auf den gesamten, durch – versuchten18 – 1 BGH v. 2.12.2005 – 5 StR 119/05, BGHSt 50, 299, 310. 2 BGH v. 2.12.2005 – 5 StR 119/05, BGHSt 50, 299, 310 m. Verw. auf Sedemund, DB 2003, 323, 325 ff. 3 BGH v. 2.12.2005 – 5 StR 119/05, BGHSt 50, 299, 310 m. Verw. auf BGH v. 5.4.2000 – 2 StR 500/99, wistra 2000, 298; BGH v. 21.8.2002 – 1 StR 115/02, BGHSt 47, 369. 4 BGH v. 2.12.2005 – 5 StR 119/05, BGHSt 50, 299, 309 f. 5 BGH v. 29.6.2009 – 5 StR 482, NStZ-RR 2006, 338. 6 BGH v. 30.5.2008 – 1 StR 166/07, BGHSt 52, 227, m. Anm. Soyka, HRRS 2008, 418 ff.; Anm. Lohse, JR 2009, 188 ff.; Anm. Lagodny, JR 2009, 36 ff. 7 BGH v. 30.5.2008 – 1 StR 166/07, BGHSt 52, 227, Rz. 103. 8 BGH v. 30.5.2008 – 1 StR 166/07, BGHSt 52, 227, Rz. 107. 9 BGH v. 30.5.2008 – 1 StR 166/07, BGHSt 52, 227, Rz. 108. 10 BGH v. 30.5.2008 – 1 StR 166/07, BGHSt 52, 227, Rz. 105. 11 BGH v. 30.5.2008 – 1 StR 166/07, BGHSt 52, 227, Rz. 106. 12 BGH v. 30.5.2008 – 1 StR 166/07, BGHSt 52, 227, Rz. 79. 13 BGH v. 27.1.2010 – 5 StR 224/09, wistra 2010, 142, 145, m. Anm. Gehrmann, wistra 2010, 346 ff.; Anm. Vogel, JZ 2010, 370 ff. 14 BGH v. 27.1.2010 – 5 StR 224/09, wistra 2010, 142, 145. 15 BGH v. 27.1.2010 – 5 StR 224/09, wistra 2010, 142, 145; grundlegend zum „Sondervorteil“ Kudlich/Noltensmeier, wistra 2007, 121, 123 ff., auf die sich der 5. Strafsenat des BGH auch bezieht. 16 BGH v. 27.1.2010 – 5 StR 224/09, wistra 2010, 142, 145. 17 BGH v. 29.6.2010 – 1 StR 245/09, wistra 2010, 477, m. Anm. Bittmann, ZWH 2013, 330; Anm. Bauer, NStZ 2011, 396; Anm. Rübenstahl, HRRS 2010, 505. 18 Zur der fragwürdigen Entscheidung, das erlangte Etwas vom Vermögensschaden zu entkoppeln, vgl. vorstehend Rz. 26.

Schilling

215

StGB

Voraussetzungen des Verfalls

StGB

§ 73 StGB Rz. 34

Strafgesetzbuch

Betrug erlangten Verkaufserlös i.H.v. 762 Mio. Euro bezogen.1 Zum Beleg dafür, dass kein Divergenzfall i.S.v. § 132 Abs. 2 GVG vorliege, bezieht sich der Senat ausschließlich auf eine (unveröffentlichte) Kammerentscheidung des BVerfG in der es heißt es: „Anders als in den vom 5. Strafsenat des BGH entschiedenen Fällen (…), sind im vorliegenden Fall die Vermögensbestandteile des Beschwerdeführers, über deren Wert getäuscht worden sein soll und die unmittelbar zum Erwerb der Aktien eingesetzt wurden, selbst Gegenstand der mutmaßlichen Tathandlung.“2 Die Einigkeit derart betont, sieht der 1. Senat sich nicht daran gehindert, als erlangtes „Etwas“ die „in Vollzug des täuschungsbedingt abgeschlossenen Vertrages erbrachten Leistungen“3 anzusehen. Zur Begründung, dass damit der gesamte Kaufpreis dem Verfall unterliegt, wird ausschließlich die gesetzgeberische Entscheidung für das Bruttoprinzip angeführt,4 das Kriterium der Unmittelbarkeit bleibt unerwähnt. 34

– Sodann hat der 3. Strafsenat in einem Urteil vom 19.1.2012 im Zusammenhang mit AWG-Verstößen entschieden, dass bei Ausfuhr genehmigungsfähiger Güter ohne die erforderliche Genehmigung nicht der gesamte für die Güter eingenommene Kaufpreis aus der Tat erlangt ist, sondern nur die durch Nichtdurchführung des Genehmigungsverfahrens ersparten Aufwendungen.5 Zur Begründung bezieht sich der erkennende Senat explizit auf das Argumentationsmuster des 5. Strafsenats und gelangt unter der Prämisse, der dem Verfall unterliegende Vorteil sei „danach zu bestimmen, was letztlich strafbewehrt ist“ zu der Differenzierung, „soweit das Geschäft bzw. seine Abwicklung an sich verboten und strafbewehrt ist, unterliegt grundsätzlich der gesamte hieraus erlöste Erlös dem Verfall. Ist dagegen strafrechtlich nur die Art und Weise bemakelt, so ist nur der hierauf entfallende Sondervorteil erlangt.“6 Verstöße gegen das AWG werden dabei allerdings nicht pauschal der ersten Gruppe zugeordnet; vielmehr differenziert der 3. Strafsenat weiter und stellt fest, dass in Fällen mit Genehmigungsvorbehalt das Geschäft nur bei fehlender Genehmigungsfähigkeit „an sich“ strafrechtlich bemakelt ist. Auch der 3. Senat betont, dass das Bruttoprinzip nicht „beeinträchtigt“ werde, da die Bestimmung des Erlangten der Frage seines Umfangs „logisch vorgelagert“ sei.7

34a

– In einem Beschluss aus Juni 2015 hat sich der 1. Strafsenat der Position des 5. und des 3. Strafsenats jedenfalls insoweit angenähert, als anerkannt wird, dass „bei der Bestimmung dessen, was „aus der Tat erlangt“ ist (§ 73 Abs. 1 S. 1 StGB), zu prüfen [ist], welchen geschäftlichen Vorgang die Strafvorschrift nach ihrem Zweck verhindern will, was also letztlich strafbewehrt ist.“ Zur Begründung heißt es, nur der aus diesem Vorgang gezogene Vorteil sei dem Täter i.S.d. § 73 Abs. 1 S. 1 erwachsen, „soweit das Geschäft bzw. seine Abwicklung an sich verboten und strafbewehrt ist, unterliegt der gesamte hieraus erlangte Erlös dem Verfall. Ist dagegen strafrechtlich nur die Art und Weise bemakelt, in der das Geschäft ausgeführt wird, ist nur der hierauf entfallende Sondervorteil erlangt.“8 3. Kritik

35

Ob und gegebenenfalls wie die offensichtlichen Differenzen aufgelöst werden, ist derzeit offen.9 Angesichts der Tatsache, dass sich für jede der differierenden Positionen Stärken und Schwächen ausmachen lassen – und auch die in der Literatur vertretenen Ansätze in Ergebnis und Begründung erheblich differieren, ohne dass sich etwa eine „h.M.“ ausmachen ließe –, weckt der untragbare Zustand von Rechtsunsicherheit10 die meisten Bedenken. Eine Entscheidung des Großen Senats ist daher überfällig.11 Denn Ziel der Regelung in § 132 GVG über die Vorlagepflicht bei Innendivergenz ist es gerade, „zu vermeiden, dass mehrere widersprechende Entscheidungen verschiedener Senate bestehen, von denen keiner eindeutig die richtungsweisende Funktion zukommt“;12 dies ist notwendig, da es eine „Hauptaufgabe des BGH“ ist „für die Einheitlichkeit der Rspr. zu sorgen“.13 Wie sehr dieses – verfassungsrechtlich über Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG garantierte14 – Ziel in der aktuellen Diskussion verfehlt wird, wird etwa deutlich, wenn es in einem Beschluss des OLG Hamburg heißt, das Gericht lege für die Bestimmung des „erlangten Etwas“ die Rechtsauffassung des 5. Strafsenats des BGH zugrunde, weil „dessen Ansicht im vorliegen1 BGH v. 29.6.2010 – 1 StR 245/09, wistra 2010, 477, 479 Rz. 42 (im Rahmen eines „Hinweises“ an den neuen Tatrichter). 2 BVerfG v. 11.12.2008 – 2 BvR 1871/08 (n.v.). 3 BGH v. 29.6.2010 – 1 StR 245/09, wistra 2010, 477, 479, Rz. 42. 4 BGH v. 29.6.2010 – 1 StR 245/09, wistra 2010, 477, 479, Rz. 42 ff. 5 BGH v. 19.1.2012 – 3 StR 343/11, BGHSt 57, 79, m. Anm. Kudlich, ZWH 2012, 189 ff.; Anm. Rönnau/Krezer, NZWiSt 2012, 147 ff.; Anm. Wagner, NStZ 2012, 381 ff. 6 BGH v. 19.1.2012 – 3 StR 343/11, BGHSt 57, 79, 84, Rz. 16, mit Verweis auf den Beschluss des 5. Strafsenats v. 27.1.2010 – 5 StR 224/09, NJW 2010, 882, 884 = wistra 2010, 142. 7 BGH v. 19.1.2012 – 3 StR 343/11, BGHSt 57, 79, 84, Rz. 16. 8 BGH v. 11.6.2015 – 1 StR 368/14, Rn. 35 m.w.N. (zit. nach juris). 9 Eingehend etwa Hohn, wistra 2006, 321 ff.; Kudlich/Noltesmeier, wistra 2007, 121 ff.; Lagodny, JR 2009, 36; Lohse, JR 2009, 188 ff.; Saliger, NJW 2006, 3377, 3380 ff.; Schlösser, NStZ 2011, 121 ff.; Sedemund, DB 2003, 323, 325 ff.; Vogel, JZ 2009, 370; Wehnert/Mosiek, StV 2005, 568, 574 ff. 10 Rönnau, StraFo 2014, 265, 270, spricht insoweit treffend von „Rechtsprechungswirrwar in vermintem Gelände“. 11 Ebenso Fischer, StGB63, § 73 Rz. 8h; Rönnau in Volk, MAH2, § 13 Rz. 36, und Schilling, StraFo 2011, 128, 131 ff. 12 Meyer-Goßner in M-G/S-StPO59, § 132 GVG Rz. 13 m.w.N. 13 Meyer-Goßner in M-G/S-StPO59, § 132 GVG Rz. 13. m.w.N. 14 Vgl. nur BVerfG v. 2.7.1992 – 2 BvR 972/92, NStZ 1993, 90.

216

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Rz. 37 § 73 StGB

den Verfahren höchstwahrscheinlich letztlich maßgeblich sein wird“. Denn, so heißt es weiter, es fehle „an Anhaltspunkten für eine Änderung des BGH-Geschäftsverteilungsplans oder dafür, dass der 5. Senat im Falle der zu erwartenden Revisionseinlegung durch den Beschwerdeführer seine gerade erst in diesem Jahr geäußerte und eingehend begründete Rechtsauffassung wieder aufheben“ werde.1 Für den vom 3. Strafsenat übernommenen Ansatz des 5. Strafsenats spricht jedenfalls, dass das gesetzliche Tat- 36 bestandsmerkmal der „Tat“ ernst genommen wird, indem der „Strafgrund“ – „was macht die Tat aus?“, „worauf bezieht sich der strafrechtliche Makel?“ – hinterfragt und zum Anknüpfungspunkt der Verfallshaftung gemacht wird. Begrüßenswert ist an sich auch, die Erforderlichkeit einer Unmittelbarkeitsbeziehung zwischen Tat und Vorteil zu betonen und es nicht bei der in der Rspr. fast formelhaft verwandten Formulierung zu belassen, die Abschöpfung müsse „spiegelbildlich dem Vermögensvorteil entsprechen, den der Täter gerade aus der Tat gezogen hat“.2 Indes ergeben sich – gerade in Bezug auf das Unmittelbarkeitsprinzip – nicht unerhebliche dogmatische wie praktische Schwierigkeiten, wenn es darum geht, den vom 5. Senat als erlangtes „Etwas“ angesehenen „gesamten wirtschaftlichen Wert des Auftrags“ bzw. den „Sondervorteil“ zu bestimmen – und letztlich zu beziffern. Der 5. Senat hat insoweit zwar entschieden, der wirtschaftliche Wert bemesse sich „vorrangig nach dem zu erwartenden Gewinn“, wobei „regelmäßig die Gewinnspanne, die der Auftragnehmer in die Kalkulation des Werklohns hat einfließen lassen“, ein aussagekräftiges Indiz sei, gegebenenfalls könne auch „ein branchenüblicher Gewinnaufschlag Grundlage einer Schätzung“ gem. § 73b StGB sein.3 Allerdings könnten „darüber hinaus konkrete Anhaltspunkte für weitergehende wirtschaftliche Vorteile bestehen, die durch den Vertragsschluss als solchen erlangt wurden“,4 hierzu zählten „mittelbare Vorteile wie etwa die konkrete Chance auf Abschluss von Wartungsverträgen für eine errichtete Anlage oder von sonstigen Folgegeschäften durch Aufbau einer Geschäftsbeziehung, die Chance zur Erlangung weiterer Aufträge für vergleichbare Anlagen, die Steigerung des wirtschaftlich werthaltigen „Goodwill“ eines Unternehmens durch Errichtung eines Prestigeobjekts für einen renommierten Auftraggeber, die Vermeidung von Verlusten durch Auslastung bestehender Kapazitäten oder die Verbesserung der Marktposition durch Ausschalten von Mitwettbewerbern“.5 Hinzu kommen – unabhängig von der dogmatischen Begründung6 – erhebliche Praktikabilitätsbedenken: So bleibt etwa offen, wie – im „Insiderfall“ – die „hypothetischen Wertverluste des uninformierten Marktteilnehmers“ konkret zu ermitteln sind. Das OLG hat diese Schwierigkeiten in einem Beschluss vom 1.11.2010 ausdrücklich benannt und eine bemerkenswerte Konsequenz gezogen: Da das Gericht die Höhe des vom 5. Strafsenat für maßgeblich gehaltenen „Sondervorteils“ nach den gegenwärtigen Stand der Ermittlungen „nicht einmal ansatzweise abschätzen könne“, wurden die Voraussetzungen für die Arrestanordnung verneint und die entsprechenden Beschlüsse aufgehoben.7 Zudem fragt sich grundsätzlich, ob es tatsächlich mit dem Unmittelbarkeitskriterium zu vereinbaren ist, den 37 „Auftrag“ als erlangtes Etwas anzusehen; denn genau genommen erlangt der Bestechende durch die Schmiergeldzahlung zunächst – unmittelbar – die Zusage der Manipulation des Vergabeverfahrens;8 realistischerweise zielen Unrechtsvereinbarungen jedoch letztlich auf den Vertragsabschluss, sodass es mit dem Tatbegriff – und dem Unmittelbarkeitskriterium – vereinbar ist, das Ziel der Bestechung einzubeziehen.9 Denn dann sind – im Sinne eines von Saliger überzeugend als „raum-zeitliche Komponente eines normativen Unrechtszusammenhangs“ verstandenen Unmittelbarkeitszusammenhangs – auch die vom 5. Senat aufgeführten Folgen erfasst.10 Deutlich weiter vom Unmittelbarkeitsanspruch entfernt ist es jedenfalls, mit dem 1. Strafsenat etwa sämtliche Zahlungen zur Erfüllung von durch strafbare Werbung herbeigeführten Kaufverträgen für „erlangt“ zu erklären,11 denn der Verstoß gegen § 16 UWG eröffnet – wie das Instanzgericht zu Recht angenommen hat – lediglich und ausschließlich die erhöhte Chance auf Warenbestellungen,12 mag deren Ermittlung auch zu erheblichen praktischen Schwierigkeiten

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9 10 11 12

OLG Hamburg v. 1.11.2010 – 1 Ws 79/10 (n.v.), S. 5. Vgl. nur BGH v. 21.3.2002 – 5 StR 138/01, BGHSt 47, 260, 268. BGH v. 2.12.2005 – 5 StR 119/05, BGHSt 50, 299, 310 f. BGH v. 2.12.2005 – 5 StR 119/05, BGHSt 50, 299, 311, m. Verw. auf Sedemund, DB 2003, 323, 328, und § 17 Abs. 4 S. 1 OWiG. BGH v. 2.12.2005 – 5 StR 119/05, BGHSt 50, 299, 311. Vgl. insoweit Vogel, JZ 2010, 370, 372 f. OLG Hamburg v. 1.11.2010 – 1 Ws 79/10 (n.v.), S. 6. Vgl. Hohn, wistra 2006, 321, 322; Schlösser, NStZ 2011, 121, 125 f., mit dem Hinweis, dass durch die Tat – Verstoß gegen § 299 StGB – die Verträge und die damit verbundenen Vermögensvorteile noch nicht „in der Welt“ und daher nicht erlangt seien; vielmehr bedürfe es zum Erlangen der Verträge einer weiteren Handlung, nämlich des Vertragsabschlusses. Vgl. Saliger NJW 2006, 3377, 3381. Vgl. Saliger in NK-StGB4, § 73 Rz. 9a m.w.N.; zust. Rönnau in Volk, MAH2, § 13 Rz. 42, der insoweit – überzeugend und plastisch – von einem „Verfahren zur Unrechtsspiegelung“ spricht. BGH v. 30.5.2008 – 1 StR 166/07, BGHSt 52, 227, Rz. 102; Fortführung in BGH v. 29.6.2010 – 1 StR 245/09, wistra 2010, 477, 479 (gesamter durch Betrug erlangten Verkaufserlös); i. Erg. zust. Burghart, wistra 2011, 241, 246 ff.; krit. etwa Bauer, NStZ 2011, 396 ff.; Rübenstahl, HRRS 2010, 505, 507 ff. LG Mannheim v. 14.6.2006 – 22 KLs 605 Js 27831/04, UA S. 156 (n.v.; insoweit zitiert in BGH v. 30.5.2008 – 1 StR 166/07, BGHSt 52, 227, Rz. 63).

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Voraussetzungen des Verfalls

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führen.1 Letztlich läuft das großzügige Verständnis des 1. Strafsenats vom Unmittelbarkeitskriterium darauf hinaus, dass jeder (bloß) kausal aus der Straftat stammende Vermögensvorteil abgeschöpft werden kann.2 38

Deutlicher Kritik sieht sich der Ansatz des 5. Strafsenats zudem in Bezug auf das Bruttoprinzip ausgesetzt; z.T. ist sogar von einer „Rückkehr zum Nettoprinzip“ die Rede,3 und selbst von Seiten derer, die dem Ansatz des 5. Strafsenats grundsätzlich zusprechen, wird eine „Annäherung“ an das Nettoprinzip eingeräumt, soweit das Gericht – in Konstellationen, in denen die Vertragserfüllung nicht als solche verboten ist – auf die wirtschaftlichen „Vorteile“ abstellt.4 Der 5. Strafsenat ist – ebenso wie der 3. Senat – diesen Bedenken selbst wiederholt entgegengetreten, vor allem mit Verweis darauf, dass die Bestimmung des Verfallsgegenstands von der Ermittlung des Umfangs – für die allein das Bruttoprinzip gelte – logisch vorgelagert sei.5 In der Literatur wird ergänzt, die Argumentation des 1. Senats nivelliere diese Prüfungsebenen, ohne sich dafür auf Gesetzesmaterialien stützen zu können.6

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Schließlich ist zu bedenken, dass sich mit dem vom 5. Senat entwickelten Ansatz sachgerechte Ergebnisse erzielen lassen, ohne in das „Auffangbecken der Härteklausel“ mit revisionsrechtlich schwer kontrollierbaren Strömungen – und Resultaten – zu geraten.7

III. Höhe des Erlangten 1. Nettoprinzip/Bruttoprinzip 40

Nach der bis 6.3.1992 geltenden Fassung enthielt § 73 Abs. 1 S. 1 StGB anstelle der heutigen Formulierung „etwas erlangt“ den ausdrücklichen Bezug auf einen „Vermögensvorteil“.8 Daraus wurde gefolgert, dem Verfall unterliege nur der Nettogewinn des Tatbeteiligten, „vom Gesamterlös“ seien also „etwaige Aufwendungen abzuziehen, soweit sie den Tatgewinn unmittelbar schmälern“.9

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Die Gesetzesänderung10 erfolgte zum einen aus Praktikabilitätsgesichtspunkten, um dem Gericht die Feststellung der Aufwendungen zu ersparen.11 Zum anderen führte der Gesetzgeber materiellrechtliche Bedenken an der bisherigen Regelung an: Die mit dem Nettoprinzip verbundene Saldierungspflicht führe zu Wertungswidersprüchen, wenn das Zivilrecht „demjenigen, der sich selbst außerhalb der Rechtsordnung stellt, in § 817 S. 2 BGB die Zuhilfenahme der Gerichte bei der Rückabwicklung seines zweifelhaften Geschäfts versage“.12 § 73 Abs. 1 S. 1 n.F. sollte sich daher fortan13 nach dem sog. Bruttoprinzip „auf die Gesamtheit des Erlangten beziehen“.14 Im betriebswirtschaftlichen Sinn ist damit der Erlös, nicht der Gewinn erlangt, Konsequenz ist die Nichtabzugsfähigkeit von Anschaffungs-, Transport- oder sonstiger Unkosten bzw. Aufwendungen.15 Das erlangte Etwas soll mithin dem „unkorrigierten“, tatsächlich zugeflossenen Vermögenszuwachs entsprechen.16 2. (Bedenkliche) Folgen des Bruttoprinzips

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Die Rspr. hat das Bruttoprinzip unter Berufung auf die erklärte Absicht des Gesetzgebers prompt und konsequent umgesetzt.17 Kritik im Hinblick auf die mitunter existenzbedrohlichen Konsequenzen dieses Grundsatzes, dessen Folgen von Betroffenen mitunter durchaus nachvollziehbar als Strafe empfunden werden, ist die Rspr. – wenn überhaupt – mit Verweis darauf begegnet, dass unbillige Härten im Rahmen von § 73c StGB Berücksichtigung fänden: Regelmäßig ist das Bekenntnis zum Bruttoprinzip mit einem Verweis auf die Bedeutung der Härteklausel verbunden, die „eine hinreichend bestimmte Begrenzung“ vorsehe, „soweit der Verfall den Be-

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17

Vgl. Schlösser, NStZ 2011, 121, 131 m.w.N. Vgl. Rönnau in Volk, MAH2, § 13 Rz. 39 m.w.N. Etwa Lohse, JR 2009, 188, 190 („systemwidriger Rückgriff auf das Nettoprinzip“). Vgl. Fischer, StGB63, § 73 Rz. 8e.; Rönnau in Volk, MAH2, § 13 Rz. 46 m.w.N. („tendenzielle Einschränkung des Bruttoprinzips nicht zu bestreiten“). Vgl. BGH v. 2.12.2005 – 5 StR 119/05, BGHSt 50, 299, 309 f. Vgl. Saliger in NK-StGB4, § 73 Rz. 9d; Rönnau in Volk, MAH2, § 13 Rz. 46. Rönnau in Volk, MAH2, § 13 Rz. 43 m. Fn. 120; i.d.S. etwa auch Schmidt in LK-StGB12, § 73c, Rz. 8; Franzheim, wistra 1989, 87, 90. 2. StrRG v. 4.7.1969, BGBl. I, S. 717, 734. BT-Drucks. 12/1134, S. 12, mit Verweis auf Dreher/Tröndle, StGB44, § 73 Rz. 3c m.w.N. Gesetz zur Änderung des Außenwirtschaftsgesetzes, des Strafgesetzbuches und anderer Gesetze v. 28.2.1992, BGBl. I, S. 372. BT-Drucks. 12/1134, S. 12. BT-Drucks. 12/1134, S. 12. Für Taten vor dem 7.3.1992 gilt weiterhin das Nettoprinzip, vgl. Joecks in MüKo-StGB2, § 73 Rz. 23. BT-Drucks. 12/1134, S. 12. Beispiele aus BGH v. 21.8.2002 – 1 StR 115/02, BGHSt 47, 369, 372, m. Verweis auf BGH v. 10.6.1999 – 4 StR 135/99, NStZ-RR 2000, 57. Vgl. Saliger in NK-StGB4, § 73 Rz. 11 m.w.N. Grundlegend ist insoweit die sog. Embargoentscheidung BGH v. 21.8.2002 – 1 StR 115/02, BGHSt 47, 369, 369 f.

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Rz. 46 § 73 StGB

troffenen übermäßig belasten würde“.1 Dies mag abstrakt betrachtet zutreffen. Angesichts der äußerst restriktiven Auslegung der Vorschrift in ihrer praktischen Anwendung dient der Hinweis auf § 73c StGB indes nur bedingt der Beruhigung des rechtstaatlichen Gewissens. Dass die Anwendung des Bruttoprinzips im Einzelfall zu rechtstaatlich schwer erträglichen, ungerechten Kon- 43 sequenzen führen kann, lässt sich durch zahlreiche Beispiele belegen. Fragwürdig sind bereits die praktischen Folgen, bedenkt man, dass für ein strafrechtlich bemakeltes Geschäft – etwa für den Aktienkauf unter Ausnutzung von Insiderkenntnissen – rechtmäßig erlangtes Vermögen eingesetzt wird, das (allein) durch die Art seiner Verwendung inkriminiert und dem Eigentümer entzogen wird.2 Grundlegende Bedenken ergeben sich jedoch vor allem im Hinblick darauf, dass die Rspr. uneingeschränkt betont, der Verfall sei keine Strafe, sondern eine quasikondiktionelle „Maßnahme eigener Art“, die schuldhaftes Verhalten nicht voraussetze und zugleich davon ausgeht, dass „die Abschöpfung des über den Nettogewinn hinaus Erlangten primär einen Präventionszweck verfolgt“.3 Dadurch, dass auch Aufwendungen nutzlos seien, werde verhindert, dass der Täter nur die Abschöpfung des Tatgewinns befürchten müsse und daher die Tatbegehung unter finanziellen Gesichtspunkten weitgehend risikolos sei.4 Dies verkennt nicht nur, dass der „Bruttoverfall“ dem Täter, der Aufwendungen hatte, mehr nimmt, als er durch 44 die Tat gewonnen hat5 und daher nicht wirklich eine reine Vermögensabschöpfung in dem vom BVerfG angenommenen Sinne der „Beseitigung eines Vorteils“6 ist. Nicht überzeugend ist zudem, dass – nach dem Prinzip „weil nicht sein kann, was nicht sein darf“ – der Verweis auf die gesetzgeberische Intention (Strafübel ist nicht bezweckt) und der entsprechenden Ausgestaltung des positiven Rechts (systematische Stellung nicht im Abschnitt „Strafen“, schuldhaftes Handeln tatbestandlich nicht vorausgesetzt), die tatsächlichen Folgen ignoriert, die vom Betroffenen regelmäßig durchaus als (Straf-)Übel empfunden werden.7 Zugleich verkürzt die Position der Rspr. – entgegen der sonst vertretenen Vereinigungstheorie, wonach Strafzweck stets auch Prävention ist8 – im hiesigen Zusammenhang „Strafe“ auf Vergeltungsgesichtspunkte und die Zufügung eines Übels.9 Problematisch und mit dem Grundgedanken eines – explizit angestrebten – Bereicherungsausgleichs gerade nicht zu erklären ist schließlich die zusätzliche Vermögenseinbuße, die der Täter in Bezug auf das für die Tat aufgewendete Vermögen erleidet, dessen Herkunft unberücksichtigt bleibt. Denn die Verminderung des Vermögens über die Herausgabepflicht des Bereicherten hinaus ist mit der in Anspruch genommenen Kondiktionsähnlichkeit nicht zu vereinbaren.10

D. Ausschlussklausel – Absatz 1 S. 2 Materiellrechtlich ist der Verfall gem. § 73 Abs. 1 S. 2 ausgeschlossen, sofern „aus“ der Anknüpfungstat Gegen- 45 rechte Verletzter erwachsen sind; bzgl. des „für die Tat Erlangten“ ist die Ausschlussklausel nicht anwendbar.11 Prozessual können in dieser Situation staatliche Sicherungsinstrumente – Beschlagnahme bzw. dinglicher Arrest – gleichwohl, wie zur Sicherung einer späteren Verfallsanordnung eingesetzt werden, um Verletzten „Rückgewinnungshilfe“ zu leisten. Der sog. Auffangrechtserwerb erlaubt prozessual eine Durchbrechung des § 73 Abs. 1 S. 2, indem eine Verfallsanordnung doch möglich wird, wenn der Verletzte seine Ansprüche nicht realisiert (Einzelheiten nachfolgend unter Rz. 63).

I. Zweck und Anwendungsbereich Die sog. Subsidiaritätsklausel schließt eine Verfallsanordnung grundsätzlich (zu Einschränkungen vgl. nachfol- 46 gend Rz. 63) aus, sofern aus der Anknüpfungstat Verletzten ein Anspruch erwachsen ist, wobei es allein auf die rechtliche Existenz von Verletztenansprüchen und nicht auf deren Durchsetzung ankommt.12 Unbeachtlich ist daher sowohl, ob der Verletzte bekannt ist, als auch, ob er den Täter oder Teilnehmer tatsächlich in Anspruch nimmt oder hiermit noch zu rechnen ist.13 In materieller Hinsicht ist vielmehr die (straf-)gerichtliche Feststellung

1 BGH v. 21.8.2002 – 1 StR 115/02, BGHSt 47, 369, 376, mit Verweis auf BGH v. 11.4.1995 – 1 StR 836/94, NStZ 1995, 495, BGH v. 23.2.2000 – 3 StR 583/99, NStZ-RR 2000, 365; BGH v. 13.6.2001 – 3 StR 131/01, wistra 2001, 389; BGH v. 8.8.2001 – 1 StR 291/01, BGHR StGB § 73c Härte 6. 2 Dieses und weitere Beispiele bei Rönnau in Volk, MAH2, § 13 Rz. 55 ff. 3 BGH v. 21.8.2002 – 1 StR 115/02, BGHSt 47, 369, 369. 4 BGH v. 21.8.2002 – 1 StR 115/02, BGHSt 47, 369, 373 f. Das BVerfG hat diese Auffassung im Wesentlichen bestätigt, wenngleich die Feststellung, die Abschöpfung rechtswidrig erzielter Gewinne sei „nicht notwendig eine vergeltende Sanktion“, durchaus eine Relativierung enthält, vgl. BVerfG v. 14.1.2004 – 2 BvR 564/95, BVerfGE 110, 1, 15. 5 Vgl. Saliger in NK-StGB4, § 73 Rz. 13. 6 BVerfG v. 14.1.2004 – 2 BvR 564/95, BVerfGE 110, 1, 16. 7 Vgl. etwa Hofmann, wistra 2008, 401, 405; Michalke, Unternehmens-Verfall, 99. 8 Grundlegend zu den Strafzwecken BVerfG v. 21.6.1977 – 1 BvL 14/76, BVerfGE 45, 254. 9 Vgl. auch Hohn, wistra 2003, 321, 325 m.w.N. 10 Vertiefend etwa Hoyer, GA 1993, 404, 414; Weßlau, StV 1991, 226, 231 m.w.N. 11 Exemplarisch BGH v. 13.2.2014 – 1 StR 336/13, wistra 2014, 354, 358, Rz. 72 m.w.N. 12 Vgl. nur BGH v. 11.5.2006 – 3 StR 41/06, wistra 2006, 380 m. zahlr. Nachw. Eindeutig auch die Begründung des Gesetzes zur Stärkung der Rückgewinnungshilfe und der Vermögensabschöpfung bei Straftaten, BT-Drucks. 16/700, S. 8. 13 BGH v. 11.5.2006 – 3 StR 41/06, StraFo 2006, 383, 383.

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ausreichend, dass ein Anspruch mindestens eines Verletzten, der nicht namentlich bekannt sein muss, besteht1 und rechtlich durchsetzbar – also auch nicht etwa verjährt2 – ist.3 Zudem müsste dieser Anspruch im Falle seiner Geltendmachung und Befriedigung den aus der Tat erlangten Vermögensvorteil beseitigen oder mindern.4 47

Erfasst sind sämtliche auf Restitution gerichteten zivilrechtlichen und öffentlich-rechtlichen5 Ansprüche, d.h. insbesondere Ansprüche auf Naturalrestitution, Schadenersatzansprüche in Geld, Kondiktionsansprüche wegen ungerechtfertigter Bereicherung und Ansprüche aus Geschäftsführung ohne Auftrag.6

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Die Ausschlussklausel entspricht dem Zweck und der Legitimation des Verfalls, zu gewährleisten, dass der Täter nicht mehrfach für die durch seine Tat aufgetretenen Vermögensverschiebungen aufkommen muss,7 und zu verhindern, dass ihm die zur Befriedigung von Restitutionsforderungen erforderlichen Mittel entzogen werden.8 Zudem soll der rechtlich schwer handhabbaren Konkurrenz von zivilrechtlichen Schadenersatzklagen und staatlichem Verfallsanspruch begegnet werden.9 Soll es – woran allerdings die Verfallspraxis immer wieder Zweifel aufkommen lässt – beim Verfall nur darum gehen, dass vermögenswerte Tatprofite nicht beim Täter verbleiben, ist es nur folgerichtig, dass eine Verfallsanordnung unterbleibt, wenn entsprechende Verletztenansprüche bestehen.

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Indes hat der weite Anwendungsbereich der Ausschlussvorschrift bei Verletzung individualschützender Normen wiederholt den Vorwurf eingebracht hat, „Totengräber des Verfalls“10 zu sein. Für eine einschränkende Auslegung der Vorschrift wird insbesondere angeführt, dass „Abschöpfungslücken“ insbesondere in Fällen mit einer Vielzahl von (eher geringfügig) Verletzten entstünden; denn dort sei eine effektive Anspruchsdurchsetzung angesichts der damit verbundenen Schwierigkeiten – ggf. bereits bei der Anwaltssuche wegen niedrigen Streitwerts, Zivilverfahren mit unsicherem Ausgang und Kostenrisiko selbst bei Obsiegen etc. – kaum zu erwarten.11

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Die Rspr. hat mit Verweis auf die gesetzgeberischen Motive wiederholt betont, dass sich eine Auslegung des § 73 Abs. 1 S. 2 StGB dahingehend, dass die tatsächliche oder zu erwartende Untätigkeit von Verletzten die Verfallsanordnung gegen den Täter ermöglicht, verbiete.12 Der Gesetzgeber hat diese Auslegung im Zusammenhang mit dem zum 1.1.2007 in Kraft getretenen „Gesetz zur Stärkung der Rückgewinnungshilfe und der Vermögensabschöpfung bei Straftaten“13 zwar ausdrücklich bestätigt,14 ist jedoch Bedenken im Hinblick auf mögliche „Abschöpfungslücken“ durch Einführung von § 111i StPO auf prozessualem Wege begegnet: Danach tritt ein sog. Auffangrechtserwerb des Staates ein, wenn Geschädigte innerhalb einer bestimmten Dreijahresfrist nach Rechtskraft des Urteils ihre Ansprüche noch immer nicht realisiert haben.

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Eine Einschränkung soll die Verfallssperre allerdings auch nach der Rspr. erfahren, wenn sich Täter und Opfer über den Restitutionsanspruch des Geschädigten im Wege eines zivilrechtlichen Vergleichs einigen: Sofern dabei – vergleichstypisch – der vereinbarte Betrag hinter dem Erlangten zurückbleibt, soll – die Wirksamkeit des Vergleichs vorausgesetzt – hinsichtlich des Differenzbetrages eine Verfallsanordnung möglich sein.15 Der 1. Strafsenat des BGH hat diese Position auf den Wortlaut von § 73 Abs. 1 S. 2 StGB gestützt, der die Verfallssperre nur anordne, „soweit“ Ansprüche Verletzter bestehen; zudem wird die Prämisse des „Verfallsrechts“ bemüht, wonach der Täter „nichts behalten darf“.16 Dies ist an sich richtig, greift jedoch zu kurz. Die Begründung ist einseitig, indem sie den vom Gesetzgeber gerade im Zusammenhang mit der Vermögensabschöpfung wiederholt betonten Gesichtspunkt des Opferschutzes17 vernachlässigt: Es gerät aus dem Blick, dass ein erheblicher Vergleichsanreiz für

1 Vgl. Fischer, StGB63, § 73 Rz. 18 m.w.N. Dies ist etwa dann nicht der Fall, wenn § 817 S. 2 BGB der Forderung des Verletzten entgegensteht. 2 Vgl. nur BGH v. 11.5.2006 – 3 StR 41/06, wistra 2006, 380, m. Anm. Paul; BGH v. 29.6.2010 – 1 StR 245/09, NStZ 2011, 83, 86 f. 3 Vgl. Schmidt in LK-StGB12, § 73 Rz. 39 Fn. 89 m.w.N. 4 Vgl. Schmidt in LK-StGB12, § 73 Rz. 39 Fn. 90. 5 Zutreffend weist Schmidt in LK-StGB12, Rz. 83, darauf hin, dass sich § 73 Abs. 1 S. 2 StGB eine Beschränkung auf bürgerlichrechtliche Ansprüche nicht entnehmen lässt. 6 Vgl. Schmidt, a.aO. Rz. 83. 7 Joecks in MüKo-StGB2, § 73 Rz. 36. 8 Schmidt in LK-StGB12, § 73 Rz. 34. 9 Vgl. Fischer, StGB63, § 73 Rz. 17 m.w.N. 10 Im Anschluss an Eberbach, NStZ 1987, 487, 491, etwa Joecks in MüKo-StGB2, Vor § 73 Rz. 35. Der BGH hat diese Kritik ausdrücklich geteilt, vgl. BGH v. 19.10.1999 – 5 StR 336/99, BGHSt 45, 235, 249. 11 Vgl. Joecks in MüKo-StGB2, Vor § 73 Rz. 36; Eser in S/S-StGB29, § 73 Rz. 26; Kiethe/Hohmann, NStZ 2003, 505, 510. 12 BGH v. 11.5.2006 – 3 StR 41/06, StraFo 2006, 383, 384; vgl. aber – ebenfalls unter Berufung auf die gesetzgeberischen Motive für eine einschränkende Auslegung – etwa OLG München v. 19.4.2004 – 2 Ws 167/04, 2 Ws 168/04, wistra 2004, 353, 354. 13 Gesetz v. 24.10.2006, BGBl. I, S. 2350. 14 Vgl. BT-Drucks. 16/700, S. 8. 15 Vgl. BGH v. 29.6.2010 – 1 StR 245/09, wistra 2010, 477, 480 Rz. 53; OLG Zweibrücken v. 31.11.2001 – 1 Ss 193/01, StV 2003, 160; OLG Hamburg v. 29.9.2004 – 1 Ws 182/04 (n.v.), S. 11. 16 Vgl. BGH v. 29.6.2010 – 1 StR 245/09, wistra 2010, 477, 480 Rz. 58. 17 Vgl. BT-Drucks. 16/700, S. 8.

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Rz. 57 § 73 StGB

den (vermeintlichen) Schädiger entfällt, wenn er durch den Vergleich gerade keine „Erledigung“ der Sache und keine Reduzierung des Gesamtbetrages erreichen kann – gerade darin aber liegt regelmäßig der „Charme“ einer Einigung unter Aufgabe bislang vertretener Positionen.1 Darüber hinaus lassen sich grundlegende Bedenken im Hinblick auf den Grundsatz der Akzessorietät des Strafrechts anführen; die Feststellung, „was das Opfer als Anspruch gegen den Täter aufgibt, darf sich der Staat mit einer eigenständigen sozialethischen Wertung nicht holen“,2 bringt dies auf den Punkt. Zudem hält die Rspr. eine einschränkende Auslegung von § 73 Abs. 1 S. 2 StGB für geboten, wenn der Verletzte 52 seinen Ersatzanspruch kennt und – ausdrücklich oder konkludent3 – auf seine Geltendmachung verzichtet.4

II. Verletztenbegriff 1. Verletztenkreis Der Kreis der Verletzten ist grundsätzlich weit: Sowohl natürliche Personen als auch Personengesamtheiten und 53 juristische Personen5 sowie nach überwiegender Auffassung auch der (Steuer-)Fiskus6 können Verletzte i.S.v. § 73 Abs. 1 S. 2 StGB sein, sofern und soweit ihnen „aus der Tat“7 ein Anspruch erwachsen ist.8 Bei Vermögensstraftaten zum Nachteil einer OHG oder KG sind deren Gesellschafter Verletzte.9 2. Bedeutung des Schutzzwecks der verletzten Strafnorm Konturen und zugleich Einschränkungen erfährt der Verletztenbegriff aufgrund des Schutzzwecks der anspruchs- 54 begründenden Strafnorm. Denn es kommt darauf an, ob und inwieweit die verletzte Strafnorm ihrer Ratio nach – jedenfalls auch – die Interessen des vermeintlich Geschädigten schützt. Dies ist grundsätzlich nur bei individualschützenden Normen der Fall, während die Ausschlussklausel bei Allgemeinrechtsgütern regelmäßig nicht eingreift.10 Der 5. Strafsenat hat jedoch in diesem Zusammenhang mehrfach betont, dass der Schluss vom allgemeinschüt- 55 zenden Charakter der Strafnorm auf den Ausschluss des Verfalls keineswegs zwingend sei, denn auch in diesen Konstellationen könnten Ersatzansprüche Dritter entstehen. Verbreitet seien solche Konstellationen etwa im Umweltstrafrecht, wenn es neben dem Täter als Verursacher Zustandsstörer gibt, die ebenfalls – wenn auch nur nachrangig – zur Beseitigung des rechtswidrigen Zustands verpflichtet sind und dann gegenüber dem Handlungsschädiger Ersatzansprüche haben.11 Generell sei für die Anwendung der Verfallssperre nicht das Schutzgut des verletzten Strafgesetzes maßgeblich, 56 sondern der „historische Sachverhalt“, „aus dem sich der Ersatzanspruch ergibt“.12 Es komme daher nicht darauf an, ob sich aus einer Verletzung eines Strafgesetzes der Ersatzanspruch des Dritten ergibt; entscheidend sei vielmehr, dass sich der Anspruch aus einem tatsächlichen Geschehen herleitet, der zugleich der Verwirklichung der Strafnorm zugrunde liegt. Diese Auslegung sei im Interesse des Opferschutzes geboten und vermeide insbesondere Zufälligkeiten zulasten Verletzter, wenn drittschützende Straftatbestände gem. §§ 154, 154a StPO ausgeschieden werden.13 Mit dieser Argumentation hat der 5. Strafsenat die Verfallsanordnung auch im Fall einer Kurs- und Marktmanipulation abgelehnt.14 Im Zusammenhang mit Bestechungsdelikten ist zwischen der „Amtsträgerkorruption“ und der Bestechung im 57 geschäftlichen Verkehr zu unterscheiden: Bei Taten i.S.v. §§ 331 ff. StGB geht die strafgerichtliche Rspr. – soweit ersichtlich jedenfalls im Ergebnis einheitlich – davon aus, davon aus, dass der Dienstherr des Amtsträgers bzw. der Geschäftsherr grundsätzlich nicht Verletzter ist, da insofern kein Herausgabeanspruch besteht und Schutzgut der Amtsträgerkorruption nicht das Vermögensinteresse der Anstellungskörperschaft sei, sondern das Vertrauen der

1 Krit. daher Bauer, NStZ 2011, 396, 398; Rübenstahl, HRRS 2010, 505, 512; zust. etwa Saliger in NK-StGB4, § 73 Rz. 22a. 2 Lüderssen, StV 2003, 162, 163. 3 Vgl. Fischer, StGB63, § 73 Rz. 19 m.w.N. 4 Vgl. BGH v. 11.5.2006 – 1 StR 23/06, wistra 2006, 341, 341; BGH v. 30.10.2003 – 3 StR 276/03, NStZ-RR 2004, 54, 55; OLG München v. 19.4.2004 – 2 Ws 167/04, 2 Ws 168/04, wistra 2004, 353, 354. 5 Vgl. Schmidt in LK-StGB12, § 73 Rz. 36 m.w.N. 6 Bsp. und w.N. bei Schmidt, a.a.O. Rz. 78. Einzelheiten nachfolgend unter Rz. 58 f. 7 Bezüglich „für die Tat“ erlangter Vermögenswerte gilt die Ausschlussklausel von vornherein nicht, vgl. vorstehend Rz. 45 und Prot. V/995. 8 Vgl. BGH v. 4.1.1994 – 4 StR 718/93, StV 94, 479; Joecks in MüKo-StGB2, § 73 Rz. 37 m.w.N. 9 BGH v. 23.2.2012 – 1 StR 586/11, wistra 2012, 233; BGH v. 6.7.1999 – 4 StR 57/99, juris. 10 Vgl. Fischer, StGB63, § 73 Rz. 22 m.w.N. 11 Vgl. BGH v. 20.2.2013 – 5 StR 306/12, BGHSt 58, 152, 154, Rz. 7 = wistra 2013, 309. 12 Vgl. BGH v. 20.2.2013 – 5 StR 306/12, BGHSt 58, 152, 154, Rz. 8 = wistra 2013, 309 m.w.N. 13 Vgl. BGH v. 27.1.2010 – 5 StR 254/09, wistra 2010, 141, Rz. 6. 14 Vgl. BGH v. 27.1.2010 – 5 StR 254/09, wistra 2010, 141, Rz. 6.

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Voraussetzungen des Verfalls

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§ 73 StGB Rz. 58

Strafgesetzbuch

Allgemeinheit in die Lauterkeit des öffentlichen Dienstes.1 Die „Verfallssperre“ soll jedoch eingreifen, wenn – und soweit – der Bestechungslohn gleichsam spiegelbildlich den (Mindest-)Schaden bzw. Nachteil einer Betrugs- oder Untreuehandlung des Bestochenen darstellt. Denn in diesen Konstellationen würde die Realisierung entsprechender Schadenersatzansprüche den Vermögensvorteil des Täters abschöpfen und der Schutzzweck von § 73 Abs. 1 S. 2 StGB die Vermeidung einer doppelten Inanspruchnahme gebieten. Besteht indes nur teilweise Identität2 zwischen Bestechungslohn und Schaden/Nachteil – etwa weil der Bestechende nur einen Teil des Bestechungslohns auf den Preis aufgeschlagen und den anderen Teil aus der sonst üblichen Gewinnspanne bezahlt hat –, erfordert das Doppelbelastungsverbot die Anwendung der „Verfallssperre“ nicht.3 In Bezug auf die Bestechung im geschäftlichen Verkehr gem. § 299 StGB wird hingegen der Geschäftsherr des Bestochenen mit dem Argument als Verletzter angesehen, dass „die Gewährung von Sondervorteilen für einen bestimmten Wettbewerber regelmäßig eine Willensbeeinflussung zum Nachteil des Geschäftsherrn besorgen“ lasse, wobei diese Besorgnis auch dann bestehe, wenn der Bestochene dem Wettbewerber das günstigste Angebot ermöglicht.4 Der Herausgabeanspruch des Geschäftsherrn (§§ 687 Abs. 2 S. 1, 681 S. 2, 667 BGB) diene dabei der Kompensation dafür, dass dem bestechenden Wettbewerber ein „Rahmen eröffnet [wird], in dem sich, losgelöst von der tatsächlichen kaufmännischen Kalkulation, ein annahmefähiges Angebot noch bewegen kann“.5 3. Einzelfragen a) Verletzteneigenschaft des Fiskus 58

Die Rspr. erkennt auch den (Steuer-)Fiskus als „Verletzten“ i.S.v. § 73 Abs. 1 S. 2 StGB an, mit der Folge, dass bei Steuerdelikten – maßgeblich ist der Umfang der „Tat“ i.S.v. § 264 StPO – unabhängig von der betroffenen Steuerart der Verfall regelmäßig ausscheidet.6

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Zur Begründung wird angeführt, dass der Gesetzgeber den Anwendungsbereich von § 73 Abs. 1 S. 2 StGB nicht etwa auf zivilrechtliche Ersatzansprüche Privater habe begrenzen wollen; die Prämisse des Verfallsrechts, eine doppelte Inanspruchnahme des Täters auszuschließen, sei hier gleichermaßen zu beachten. Auch dass der Anspruch bei Steueransprüchen nicht erst durch die Tat entstehe, sondern „Tatobjekt“ sei, schließe nicht aus, dass er i.S.v. § 73 Abs. 1 S. 1 StGB „aus der Tat“ erwachse. Schließlich sei der Justizfiskus, der Eigentum an für verfallen erklärten Vermögensgegenständen erwerbe, nicht gleichzusetzen mit dem Steuerfiskus.7 b) Rechtsnachfolger als Verletzte?

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Ob auch Rechtsnachfolger – insbesondere Schadensversicherer – als Verletzte i.S.v. § 73 Abs. 1 S. 2 StGB anzuerkennen sind, wird kontrovers beurteilt. Z.T. ist dies – allerdings im Zusammenhang mit § 111g a.F. StPO und vor Einführung des sog. Auffangrechtserwerbs – mit Verweis darauf abgelehnt worden, entsprechende Ansprüche seien nicht unmittelbar aufgrund der Tat entstanden, sondern erst aufgrund des Versicherungsvertrages und des Forderungsübergangs gem. § 86 Abs. 1 VVG.8 Wohl überwiegend wird jedoch zu Recht – mit Verweis auf das gesetzgeberische Ziel, den zivilrechtlichen Ausgleich zu sichern und zugleich eine doppelte Inanspruchnahme zu vermeiden – der Sachversicherer als Verletzter angesehen.9 c) Insolvenzverwalter als Verletzter?

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Auch die – gerade auch im Zusammenhang mit Rückgewinnungskonstellationen im Rahmen von §§ 111g, 111h StPO bedeutsame – Verletzteneigenschaft des Insolvenzverwalters ist umstr.

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Dafür, den Insolvenzverwalter nicht als Verletzten anzuerkennen, spricht zunächst, dass Verletzter grundsätzlich diejenige natürliche oder juristische Person als Trägerin des geschützten Rechtsguts ist, in das der Täter mit der Tat eingegriffen hat; dies bleibt aber – ungeachtet der Tatsache, dass der Insolvenzverwalter bestimmte Rechte für bzw. anstelle der Schuldnerin geltend macht – die Gemeinschuldnerin, sodass teilweise vertreten wird, die 1 Vgl. BGH v. 13.2.2014 – 1 StR 336/13, wistra 2014, 354, 359, Rz. 79, m.w.N.; BGH v. 11.5.2001 – 3 StR 549/00, BGHSt 47, 22, 31 = wistra 2001, 466; OVG Lüneburg v. 1.7.2014 – 5 ME 52/14, BeckRS 2014, 53401 m. Anm. Rathgeber; und bereits BGH v. 20.2.1981 – 2 StR 644/80, BGHSt 30, 46, LS 2. 2 Maßgeblich ist insofern der prozessuale Tatbegriff i.S.v. § 264 StPO, nicht die konkurrenzrechtliche Beurteilung, vgl. BGH v. 11.5.2001 – 3 StR 549/00, BGHSt 47, 22, 32 = wistra 2001, 466. 3 Beispiel in BGH v. 11.5.2001 – 3 StR 549/00, BGHSt 47, 22, 32. 4 BGH v. 20.3.2014 – 3 StR 28/14, NStZ 2014, 397 = BeckRS 2014, 09978 m. Anm. Gutmann, mit Verweis auf BGH v. 31.3.2008 – 5 StR 631/07, wistra 2008, 262, 263, und BGH v. 15.3.2001 – 5 StR 545/00, BGHR-StGB § 73 Verletzter 5. 5 BGH v. 20.3.2014 – 3 StR 28/14, NStZ 2014, 397 = BeckRS 2014, 09978 m. Anm. Gutmann. 6 Grundlegend BGH v. 28.11.2000 – 5 StR 371/00, wistra 2001, 96, 97; vgl. etwa auch BGH v. 15.1.2003 – 5 StR 362/02, wistra 2003, 228; BGH v. 5.5.2004 – 5 StR 139/03, wistra 2004, 391 ff.; BGH v. 28.6.2011 – 1 StR 37/11, wistra 2011, 394, 395; BGH v. 5.3.2013 – 1 StR 52/13, NStZ 2013, 403 (Lohnsteuer). Zu Fällen der Rechtshilfe durch die Schweiz vgl. Goos, wistra 2004, 414; a.A. Brenner DRiZ 1977, 204. 7 Grundlegend BGH v. 28.11.2000 – 5 StR 371/00, wistra 2001, 96, 97/8. 8 Vgl. OLG Karlsruhe v. 25.11.1983 – 3 Ws 169/83, MDR 1984, 336. 9 Vgl. OLG Düsseldorf v. 9.9.1985 – 2 Ws 226-227/85, NStZ 1986, 222; OLG Schleswig v. 21.9.1993 – 1 Ws 283/93, NStZ 1994, 99; eingehend Rönnau, Vermögensabschöpfung, Rz. 391 ff.

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Rz. 68 § 73 StGB

an die juristische Person gebundene Verletzteneigenschaft gehe weder auf die Insolvenzmasse noch auf den Insolvenzverwalter über.1 Zweifel daran ergeben sich indes gerade mit Blick auf die Frage der Antragsbefugnis i.S.v. §§ 111g, 111h StPO, wenn der Insolvenzverwalter einerseits gehalten ist, zivilrechtliche Ansprüche geltend zu machen, ihm aber andererseits die Zulassung zur Zwangsvollstreckung verwehrt sein soll.2

III. Prozessuale Besonderheiten – „Rückgewinnungshilfe“ und „Auffangrechtserwerb“ Auch prozessual ist die Existenz von Verletzten beachtlich: Gem. § 111b Abs. 5 StPO gewährt der Staat un- 63 geachtet der materiellrechtlichen Subsidiaritätsklausel „Rückgewinnungshilfe“; das Instrumentarium der Sicherungsmittel gem. §§ 111b ff. StPO ist dann zugunsten von Verletzten so anzuwenden, als ob es die Regelung des § 73 Abs. 1 S. 2 StPO nicht gäbe.3 Nicht nur die bloße Existenz, sondern das Verhalten von Verletzten spielt im Zusammenhang mit dem sog. Auffangrechtserwerb eine Rolle; denn § 111i Abs. 5 StPO ermöglicht – dann doch – den Verfall zugunsten des Staates, wenn der Verletzte über eine bestimmte Zeit hinaus untätig bleibt und seine Ansprüche nicht realisiert.

E. Erweiterung auf mittelbare Tatvorteile, Absatz 2 Eine „erschöpfende Sonderregelung“4 für die Berücksichtigung mittelbarer Tatvorteile enthält § 73 Abs. 2. Die 64 Vorschrift folgt dem Grundgedanken von § 818 Abs. 1 BGB und erfasst Tatfrüchte in Form von Nutzungen und Surrogaten.

I. Nutzungen § 73 Abs. 2, S. 1 StGB erfasst Sachfrüchte, Rechtsfrüchte und Gebrauchsvorteile i.S.v. §§ 99, 100 BGB, wobei 65 nur tatsächlich gezogene Nutzungen dem Verfall unterliegen.5 Unberücksichtigt bleiben daher Nutzungen, die der Täter hätte ziehen können, aber nicht gezogen hat.6 Typische Beispiele sind etwa Zinserträge, die der Tatbeteiligte durch Anlegen des illegal erlangten Geldes auf einem Sparkonto durch Vergabe verzinslicher Darlehen erhält,7 Mieteinnahmen aus einem mit rechtswidrigen Steuerersparnissen gekauften Haus,8 nicht jedoch Gewinne aus Glücksspielen mit dem erlangten Geld.9 Anders als bei Surrogaten ist die Verfallsanordnung in Bezug auf Nutzungen obligatorisch.

II. Surrogate Surrogate sind Vermögenswerte, die i.S.v. § 818 Abs. 1 Hs. 2 BGB an die Stelle des ursprünglich Erlangten getreten 66 sind.10 Enumerativ erfasst werden Veräußerungserlöse sowie Ersatzleistungen, die der Täter oder Teilnehmer für die Zerstörung, Beschädigung oder Entziehung des Gegenstands erhalten hat, wobei der Ersatz in einer dem Originalobjekt vergleichbaren Sache oder in einem geldwerten Erstattungsanspruch, etwa gegenüber einer Versicherung, bestehen kann. Zudem erfasst § 73 Abs. 2 S. 2 StGB aufgrund eines erlangten Rechts erworbene Gegenstände, wie etwa durch Realisierung eines betrügerisch erlangten Anspruchs erlangte Ware.11 Die Anordnung der Verfallserklärung steht im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts. Sofern das Gericht in 67 Ausübung seines Ermessens vom Surrogatsverfall absieht, hat es jedoch zwingend Wertersatzverfall gem. § 73a StGB anzuordnen.12

F. „Drittverfall“, Absatz 3 § 73 Abs. 3 ermöglicht die Verfallsanordnung gegen tatunbeteiligte „andere“, sofern – erstens – der Täter oder 68 Teilnehmer für diesen gehandelt und – zweitens – der „andere“ dadurch etwas erlangt hat. Der „andere“ ist also gerade nicht Teilnehmer; auf sein Handeln kommt es nicht an, maßgeblich ist allein die Vermögensverschie1 Vgl. OLG Frankfurt v. 9.6.2006 – 3 Ws 508/06, NStZ-RR 2006, 342, 343 m.w.N.; zust. Anm. Hansen/Greier, NStZ 2007, 587. 2 Für die Verletzteneigenschaft des Insolvenzverwalters (jedenfalls i.S.v. §§ 111g, 111h StPO) daher – und mit weiteren beachtlichen Argumenten – etwa OLG Celle v. 8.10.2007 – 2 Ws 296/07, wistra 2008, 37; LG Hildesheim v. 22.8.1007 – 25 KLs 5413 Js 18030/06 FE, NStZ-RR 2008, 43; Rönnau in Volk, MAH2, § 13 Rz. 235; Schork, wistra 2008, 198, 199 jew. m.w.N. 3 Vgl. Schmitt in M-G/S-StPO59, § 111b Rz. 5; Theile, StV 2009, 163. 4 Schmidt, Vermögensabschöpfung, Rz. 71 m.w.N. 5 Vgl. Fischer, StGB63, § 73 Rz. 26. 6 Vgl. BGH v. 10.4.1981 – 3 StR 236/80, MDR 1981, 629. 7 Vgl. BGH v. 12.11.1991 – 1 StR 328/91, BGHR StGB § 73 Vorteil 4; weitere Bespiele etwa bei Joecks in MüKo-StGB2, § 73 Rz. 44. 8 Vgl. Schmidt in LK-StGB12, § 73 Rz. 44 m.w.N. 9 Vgl. BGH v. 12.3.1996 – 4 StR 24/96, NStZ 1996, 332; OLG Köln v. 25.9.2007 – 2 Ws 496/07, NStZ-RR 2008, 107. 10 Vgl. Schmidt in LK-StGB12, § 73 Rz. 45 m.w.N. 11 Beispiel bei Eser in S/S-StGB29, § 73 Rz. 32. 12 Herzog in Herzog/Mühlhausen, § 23 Rz. 17.

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StGB

Voraussetzungen des Verfalls

StGB

§ 73 StGB Rz. 69

Strafgesetzbuch

bung zu seinen Gunsten und die Tat des Täters/Teilnehmers i.S.v. § 73 Abs. 1 S. 1, auch im Hinblick auf die Verjährung.1 69

Zwar kommen als „andere“ auch natürliche Personen und Personengesamtheiten in Betracht; im wirtschaftsstrafrechtlichen Kontext ist der sog. Drittverfall jedoch von besonderer Bedeutung, weil der „andere“ – wie überwiegend aus § 30 Abs. 5 OWiG gefolgert wird2 – auch eine juristische Person, selbst eine GbR,3 sein kann.4 Flankiert wird die materiellrechtliche Regelung von prozessualen Vorschriften über die Rechte von Neben- bzw. „Verfallsbeteiligten“ gem. §§ 442 Abs. 2 S. 1, 431, 440 StPO.

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In diesem gesetzlichen Rahmen bewegen sich Sachverhalte, in denen ein Unternehmen aufgrund von Handlungen seiner Organe/Mitarbeiter etwas aus einer Straftat erlangt hat; insofern erfolgt eine Zurechnung von (strafbaren) Handlungen natürlicher Personen zu der Vermögensmasse einer juristischen Person, gegen die der Verfall angeordnet werden kann. Auch in diesem Zusammenhang kommt der Frage nach der Rechtsnatur des Verfalls keineswegs nur akademische Bedeutung zu: Denn allein die Qualifikation als „Nicht-Strafe“ ermöglicht – nach (noch) geltender Rechtslage ohne ein „echtes“ Unternehmensstrafrecht – die Haftung des Unternehmens.5

I. Gesetzlicher Rahmen und case law 71

Der Gesetzestext gibt wenig her und lässt die praktische Relevanz und die vielschichtigen Konkretisierungen durch die Rspr., die in diesem Zusammenhang eine umfassende Kasuistik hervorgebracht hat, allenfalls erahnen. Grundlegende Bedeutung im Sinne eines „lead case“6 hat insofern ein Urteil des BGH vom 19.10.1999, in dem der 5. Strafsenat zunächst festgestellt hat, dass „wörtliche und systematische Auslegung nichts Wesentliches zum Verständnis des Anwendungsbereichs beitragen können“, und sodann unter Rückgriff auf die Entstehungsgeschichte der Vorschrift verschiedene Fallgruppen definiert hat, die seither den Tatbestand jedenfalls ansatzweise7 inhaltlich konturieren.8 Begrüßenswerte Maßstäbe hat – im strafprozessualen Kontext aber durchaus mit materiellrechtlichen Folgen – zudem das BVerfG gesetzt.9

72

Gleichwohl – und zu Recht – werden erstzunehmende Bedenken gegen die Anwendung von § 73 Abs. 3 StGB auf den „Unternehmens-Verfall“ erhoben: Bereits der Ausgangspunkt, juristische Personen als „andere“ i.S.d. Vorschrift anzuerkennen, sei selbst in Anbetracht dessen nicht zwingend, dass § 30 Abs. 5 OWiG die Verfallsanordnung gegen eine juristischen Person ausschließt, wenn bereits eine Geldbuße festgesetzt wurde.10 Vor allem aber fehle es für den Verfall an einer mit § 75 StGB vergleichbaren, vom Gesetzgeber explizit so bezeichneten „Sondervorschrift für Organe und Vertreter“, wonach die Einziehung eines im Unternehmenseigentum stehenden Tatgegenstandes nur dann angeordnet werden kann, wenn er in eine Handlung eines Unternehmensorgans/-vertreters involviert war, während Straftaten „einfacher Mitarbeiter“ eine Einziehung nicht rechtfertigen.11

II. Handeln für einen anderen 73

Handeln für einen anderen verlangt nach den vom 5. Strafsenat entwickelten Maßstäben zwar keinen „echten, offenen, nach außen erkennbaren Vertretungsfall“, der Handelnde muss jedoch „bei oder jedenfalls im Zusammenhang mit der rechtswidrigen Tat auch, und sei es nur faktisch, im Interesse des Dritten gehandelt“ haben.12 Erforderlich ist insofern ein „Bereicherungszusammenhang“ zwischen der Tat und dem Eintritt des Vorteils beim Dritten.13

1 Vgl. Schmidt, Gewinnabschöpfung, Rz. 268. 2 Beachtliche Bedenken allerdings etwa bei Michalke, Unternehmens-Verfall, 102; Hofmann, wistra 2008, 401, 407 m.w.N. Vgl. dazu nachfolgend Rz. 87 f. 3 Fischer, StGB63, § 73 Rz. 29 mit Verweis u.a. auf BGH v. 29.1.2001 – II ZR 33/00, BGHZ 146, 341; vgl. dazu Kiethe/Hohmann, NStZ 2003, 505, 508; Rohde wistra 2012, 85. 4 Vgl. BGH v. 28.9.2011 – 5 StR 343/11, wistra 2012, 21, 22; krit. Michalke, Unternehmens-Verfall 102. 5 Überzeugende Kritik etwa bei Hofmann, wistra 2008, 401, 405 m.w.N. 6 St. Rspr.; jüngst etwa BGH v. 17.9.2013 – 5 StR 258/13, wistra 2013, 474; BGH v. 13.7.2010 – 1 StR 239/10, wistra 2010, 406. 7 Rönnau in Volk, MAH2, § 13 Rz. 109, konstatiert, dass auch diese Entscheidung es „nur ansatzweise vermocht [habe], der kontroversen Diskussion Struktur und Richtung zu verleihen“. 8 Berechtigte Kritik jedoch bei Fischer, StGB63, § 73 Rz. 37 m.w.N. 9 Exemplarisch BVerfG v. 14.6.2004 – 2 BvR 1136/03, wistra 378. 10 Vgl. Hofmann, wistra 208, 401, 407; Michalke, Unternehmens-Verfall, 102; Best, JR 2000, 337. 11 Eingehend Michalke, Unternehmens-Verfall, 103, mit dem plastischen Beispiel, dass die Einziehung einer betrieblichen Anlage nicht in Betracht kommt, wenn ein Schichtarbeiter an der Anlage ohne Kenntnis der Geschäftsleitung in einer den Tatbestand des § 327 StGB erfüllenden Weise „herumbastelt“, wohl aber, wenn der Vorstand die Anlage aus Kostengründen „hinter dem Rücken der Behörde ändert“. I.d.S. Sinne auch Hofmann, wistra 2008, 401, 407. 12 BGH v. 19.10.1999 – 5 StR 336/99, BGHSt 45, 235, 244. St. Rspr., vgl. BGH v. 23.10.2013 – 5 StR 505/12, NStZ 2014, 89 m. Anm. Kämpfer; BGH v. 3.12.2013 – 1 StR 53/13, ZWH 2014, 305, 308 m. Anm. Lepper. 13 BGH v. 19.10.1999 – 5 StR 336/99, BGHSt 45, 235, 245.

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Rz. 79 § 73 StGB

Der „Dritte“ kann dabei jede juristische oder natürliche Person oder Personengesamtheit sein (vgl. vorstehend 74 Rz. 69 m.w.N.), wobei die Rspr. eine genaue Identifikation und Bestimmung des Empfängers verlangt. Dies setzt in Fällen, in denen eine Person als Organ, Vertreter oder Beauftragter einer juristischen Person gehandelt hat, die exakte Ermittlung voraus, ob das „Erlangte“ der natürlichen Person oder der – grundsätzlich davon getrennten – eigenen Vermögensmasse der Gesellschaft zugeflossen ist.1 Auch das BVerfG hat in diesem Zusammenhang betont, dass „die dem Gesellschaftsvermögen (…) zugeflossenen Vermögensvorteile trotz (abstrakter) Zugriffsmöglichkeit nicht ohne weiteres auch zugleich private Vermögensvorteile [im Urteilssachverhalt: des Geschäftsführers] darstellen“.2 Die Feststellung, dass die natürliche Person selbst etwas erlangt hat, würde voraussetzen, dass sich dessen persönliche Vermögensbilanz aufgrund der Tat verändert hat; ein Schluss von der tatsächlichen Verfügungsgewalt auf eine gesamtschuldnerische mittäterschaftliche Haftung bzw. auf eine Verfallshaftung verbietet sich demnach.3 In nachfolgenden Entscheidungen hat das BVerfG diese Grundsätze dahingehend ergänzt, dass etwas anderes gelten könne, wenn „der Täter die Gesellschaft nur als einen formalen Mantel seiner Tat nutzt, eine Trennung zwischen der eigenen Vermögenssphäre und derjenigen der Gesellschaft aber nicht vornimmt“ oder sofern „jeder aus der Tat folgende Vermögenszufluss an die Gesellschaft sogleich an den Täter weitergeleitet wird.“4 Keinesfalls hat das Gericht eine Wahlmöglichkeit dahingehend, den Verfall – je nachdem, wer als besserer Schuldner erscheint – gegen die natürliche oder die juristische Person anzuordnen.5

III. Zurechnung des Erlangten – Fallgruppenspezifische Abgrenzungskriterien Um eine Konkretisierung der unterschiedlichen in den Gesetzesmaterialien, in Rspr. und Literatur genannten 75 Zurechnungskriterien zu erreichen, hat sich der 5. Strafsenat des BGH im Urteil vom 19.10.1999 für eine fallgruppenspezifische Betrachtung ausgesprochen und insofern zwischen Vertretungs-, Verschiebungs- und Erfüllungsfällen differenziert, wobei § 73 Abs. 3 StGB nur in Vertretungs- und Verschiebungsfällen anwendbar ist. In „Erfüllungskonstellationen“ findet hingegen gerade keine Zurechnung zum Dritten statt.6 1. „Vertretungsfälle“ Bei den sog. Vertretungsfällen soll sich der Bereicherungszusammenhang aus dem betrieblich-organisatorischen 76 Zurechnungsverhältnis ergeben, wobei zwischen solchen im engeren und im weiteren Sinn zu unterscheiden ist.7 Zu ersteren gehören das Handeln von Organen, Vertretern oder Beauftragten i.S.v. § 14 StGB. Zu den Vertretungsfällen i.w.S. zählen Sachverhalte, in denen „sonstige Angehörige einer Organisation im Organisationsinteresse tätig werden“; beispielhaft führt der 5. Strafsenat Angestellte betrieblicher Organisationen oder für „kriminell handelnde Organisationen tätige Personen, die nicht selbst Tatbeteiligte sind“,8 an. Eine Zurechnung i.S.v. § 73 Abs. 3 StGB soll in diesen Fällen keine unmittelbare Vermögensmehrung beim Drit- 77 ten voraussetzen. Vielmehr wird gerade in den angeführten Beispielen – „Contergan-Fall“9 bzw. Delikte, bei denen ein „komplexer Geldkreislauf in Gang gesetzt“ wird (etwa: Warentermingeschäfte, Scheckreitereien, Umwelt- oder Steuerdelikte)10 – deutlich, dass sich Vertretungsfälle regelmäßig durch „zahlreiche, oft auch zur Verschleierung, dazwischengeschaltete Handlungen“ auszeichnen.11 Selbst die Kenntnis des Dritten – und daher erst recht seine Gut-/Bösgläubigkeit – soll unerheblich sein. Jedoch 78 soll nach der Rspr. des BGH bei Gutgläubigkeit der Unternehmensleitung „in der Regel“ zu prüfen sein, ob ein Fall „unbilliger Härte“ i.S.v. § 73c Abs. 1 S. 1 StGB vorliegt.12 2. „Verschiebungsfälle“ Die Fallgruppe der „Verschiebungsfälle“ zeichnet sich hingegen nach der Entscheidung des 5. Strafsenats – inso- 79 weit obiter dictu – dadurch aus, dass „der Täter dem Dritten Tatvorteile unentgeltlich oder aufgrund eines jedenfalls bemakelten Rechtsgeschäfts zukommen lässt, um sie dem Zugriff des Gläubigers zu entziehen oder um

1 Vgl. BVerfG v. 14.6.2004 – 2 BvR 1136/03, wistra 2004, 378, 382; BGH v. 13.2.2014 – 1 StR 336/13, wistra 2014, 354, 358, Rz. 75; BGH v. 17.9.2013 – 5 StR 258/13, wistra 2013, 474; BGH v. 28.9.2011 – 5 StR 343/11, wistra 2012, 21; LG Bonn v. 30.5.2001 – 37 Qs 16/01, StraFo 2001, 283, 284. 2 BVerfG v. 14.6.2004 – 2 BvR 1136/03, wistra 2004, 378, 382. 3 BVerfG v. 14.6.2004 – 2 BvR 1136/03, wistra 2004, 378, 382. 4 BVerfG v. 3.5.2005 – 2 BvR 1378/04, NJW 2005, 3630, 3631; vgl. auch BVerfG v. 29.5.2006 – 2 BvR 820/06, wistra 2006, 337, 338, und sodann BGH v. 30.5.2008 – 1 StR 166/07, BGHSt 52, 227, 256. 5 Vgl. Rönnau in Volk, MAH2, § 13 Rz. 119. 6 BGH v. 19.10.1999 – 5 StR 336/99, BGHSt 45, 235, 245 ff. 7 BGH v. 19.10.1999 – 5 StR 336/99, BGHSt 45, 235, 246. 8 BGH v. 19.10.1999 – 5 StR 336/99, BGHSt 45, 235, 245. 9 BGH v. 19.10.1999 – 5 StR 336/99, BGHSt 45, 235. 10 BGH v. 19.10.1999 – 5 StR 336/99, BGHSt 45, 235, 246. 11 BGH v. 19.10.1999 – 5 StR 336/99, BGHSt 45, 235, 246; st. Rspr., vgl. etwa BGH v. 13.2.2014 – 1 StR 336/13, wistra 2014, 354, 358, Rz. 76 mit zahlr. Nachw. 12 BGH v. 21.8.2002 – 1 StR 115/02, BGHSt 47, 369, 376.

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Voraussetzungen des Verfalls

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§ 73 StGB Rz. 80

Strafgesetzbuch

die Tat zu verschleiern.“1 Bezeichnend sei, dass der Täter in „Gläubigerbenachteiligungsabsicht“ handelt.2 In einer jüngeren Entscheidung hat der 2. Strafsenat des BGH diese Voraussetzungen in begrüßenswerter Weise präzisiert und insoweit gefordert, dass das Ziel der Gläubigerbenachteiligung bzw. der Tatverschleierung positiv festgestellt und durch eine rechtsfehlerfreie Beweiswürdigung getragen werden müssen, wobei „Absicht“ voraussetze, dass es dem Täter gerade „um eine Verschiebung der Tatvorteile ging“.3 80

Unerheblich soll hingegen sein, ob der Täter im Einflussbereich des Dritten steht und ob der Dritte gut- oder bösgläubig war, wobei im Falle der Bösgläubigkeit der Empfänger gegebenenfalls selbst „in die Nähe der Tatbeteiligung geraten“4 oder sich der Geldwäsche – insbesondere gem. § 261 Abs. 5 StGB – strafbar machen könne.5 Auch insofern soll es nicht auf eine unmittelbare Vermögensverschiebung ankommen; vielmehr ist es für diese an § 822 BGB angelehnte Fallgruppe typisch, dass zwischen Tat und Bereicherung des Dritten weitere Rechtsgeschäfte zwischengeschaltet sind.6

81

Eine etwaige Durchmischung von legalen und illegal erlangten Vermögenswerten steht der Annahme eines Verschiebungsfalls nicht entgegen; vielmehr soll eine Anordnung gem. § 73 Abs. 3 StGB auch in Betracht kommen, wenn sich der Taterlös im Verlauf weiterer Rechtsgeschäfte mit legalen Vermögensbestandteilen vermischt und erst danach an den Dritten weitergeleitet wird. Eine Feststellung von Quoten zu „Legalvermögen“ und „bemakeltem Vermögen“ findet daher nicht statt.7 3. „Erfüllungsfälle“

82

Von den Vertretungs- und Verschiebungsfällen sind die sog. Erfüllungsfälle abzugrenzen, die nach der Rspr. gerade keine Zurechnung gem. § 73 Abs. 3 StGB erlauben. Gekennzeichnet sind diese Fälle dadurch, dass „der Täter oder Teilnehmer in Erfüllung einer nicht bemakelten entgeltlichen Forderung, deren Entstehung und Inhalt in keinem Zusammenhang mit der Tat stehen, einem gutgläubigen Dritten Tatvorteile zuwendet“.8

83

Maßgeblich ist also das „Dazwischentreten“ eines an sich unbemakelten Rechtsgeschäfts mit einem gutgläubigen Dritten, das als solches gleichsam Zäsurwirkung hat. Als Erfüllungsfall sah der 5. Strafsenat den Urteilssachverhalt an, in dem – vereinfacht dargestellt – die Angeklagten aufgrund von gefälschten Rechnungen unberechtigte Vorsteuererstattungen erlangt hatten, wobei ein Teil des zunächst auf dem Geschäftskonto der Angeklagten eingegangenen Gesamtbetrages in Erfüllung einer – mit der Tat in keinem Zusammenhang stehenden – titulierten Bürgschaftsforderung an die Sparkasse überwiesen wurde. Der 5. Strafsenat bestätigte, dass die Voraussetzungen des Verfalls gegen die Sparkasse als Drittempfänger nicht vorlagen,9 und führte zur Begründung insbesondere an, die strafrechtliche Verfallshaftung Dritter dürfe jedenfalls nicht weiter gehen, als der Durchgriff nach § 822 BGB; diese bereicherungsrechtliche Wertung – Durchbrechung des Unmittelbarkeitsprinzips und Durchgriff auf unbeteiligte Dritte nur bei unentgeltlicher Zuwendung – habe auch der Gesetzgeber im Blick gehabt. Zudem würden sich erhebliche verfahrensrechtliche Schwierigkeiten ergeben, wenn unter Umständen zahlreiche Gläubiger unbemakelter entgeltlicher Rechtsgeschäfte ermittelt und als Verfallsbeteiligte gehört werden müssten; schließlich sei zu befürchten, dass anderenfalls auch der Wahlverteidiger – mit der Folge eines Interessenskonflikts – zum Verfallsbeteiligten werde.10 4. Bedenken

84

Durch diese Fallgruppen erhalten die Zurechnungsfälle des § 73 Abs. 3 StGB zwar eine gewisse Kontur. Kritiker merken jedoch zu Recht an, dass sich die Fallgruppen durchaus überschneiden können.11 Dies zeigt sich etwa und bereits dann, wenn man den Sachverhalt der „Grundsatzentscheidung“ des 5. Strafsenats dahingehend modifiziert, dass der handelnde Angestellte das zur Tilgung einer mit der Tat in keinem Zusammenhang stehenden titulierten Bürgschaftsforderung übergebene Geld leichtfertig i.S.v. § 261 Abs. 5 StGB entgegen nimmt: Die Causa für die Entgegennahme des Geldes ist nach wie vor vorhanden, der Sparkassenangestellte handelte jedoch grob unachtsam, da sich ihm die kriminelle Herkunft des Geldes aufdrängen musste. Es handelt sich nicht mehr um einen Erfüllungs-, sondern – trotz vorliegenden Rechtsgrundes – um einen Verschiebungsfall.

1 BGH v. 19.10.1999 – 5 StR 336/99, BGHSt 45, 235, 246; st. Rspr., etwa BGH v. 13.7.2010 – 1 StR 239/10, wistra 2010, 406. 2 BGH v. 19.10.1999 – 5 StR 336/99, BGHSt 45, 235, 246. 3 BGH v. 29.2.2012 – 2 StR 639/11, NZWiSt 2012, 349, 350 m. zust. Anm. Rübenstahl, NZWiSt 2012, 350, 351. 4 BGH v. 19.10.1999 – 5 StR 336/99, BGHSt 45, 235, 246. 5 BGH v. 19.10.1999 – 5 StR 336/99, BGHSt 45, 235, 246. 6 BGH v. 19.10.1999 – 5 StR 336/99, BGHSt 45, 235, 246. 7 Vgl. OLG Hamburg v. 10.12.2004 – 1 Ws 216/04, wistra 2005, 157 (Ls.). 8 BGH v. 19.10.1999 – 5 StR 336/99, BGHSt 45, 235, 247 – ohne Hervorhebung im Original. 9 BGH v. 19.10.1999 – 5 StR 336/99, BGHSt 45, 235, 235/236, 248. 10 Vgl. BGH v. 19.10.1999 – 5 StR 336/99, BGHSt 45, 235, 247/248 m.w.N. 11 Etwa Fischer, StGB63, § 73 Rz. 37.

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Rz. 88 § 73 StGB

Über diese dogmatisch-systematischen Bedenken hinaus wecken die vom 5. Strafsenat etablierten Maßstäbe je- 85 doch vor allem der Sache nach berechtigten Widerspruch.1 So führt insbesondere die Fallgruppe der „Verschiebungsfälle“ zu rechtsstaatlich zweifelhaften Beweiserleichterungen,2 wenn der BGH neben der unentgeltlichen Weitergabe von Vermögenswerten auch den – offenbar entgeltlichen – Erwerb „aufgrund eines jedenfalls bemakelten Rechtsgeschäfts“ erfasst, bei dem der Dritte „in die Nähe der Tatbeteiligung“ gerate.3 Dabei bleibt völlig offen, was genau den „Makel“ ausmachen soll. Zudem liegt regelmäßig der Verdacht nahe, dass auch in Fällen der unentgeltlichen Weitergabe die Übertragung nur auf Zeit bzw. nur zum Schein erfolgt und sich der Täter einer vermögensbezogenen Straftat letztendlich selbst beschenkt, um die Früchte seiner Tat auch genießen zu können. Zu Recht wird daher gefordert, dass – statt einen diffusen Verdachts ausreichen zu lassen – nachgewiesen werden muss, dass der Übertragung entweder ein Scheingeschäft zugrunde liegt, nach dem die Rechtsposition dem Erwerber nur formal und nur nach außen hin eingeräumt bleibt, im Innenverhältnis jedoch der Tatbeteiligte der tatsächlich Verfügungsberechtigte bleibt, oder der Erwerber eine Strafvereitelung begeht.4 Fraglich ist zudem in Fällen der entgeltlichen Weitergabe, warum der Dritte überhaupt verfallsrechtlich haften soll, obwohl der Tatbeteiligte für den ursprünglich erlangten Gegenstand etwas erhalten hat, das als Surrogat gem. § 73 Abs. 2 S. 2 StGB abgeschöpft werden könnte; insofern fehlt es an der Legitimation des Verfalls.5 Bedenken ergeben sich darüber hinaus auch in Bezug darauf, dass die Gutgläubigkeit des Dritten in Verschie- 86 bungsfällen – anders als in „Vertretungsfällen“ – grundsätzlich unbeachtlich sein soll, denn dies entspricht gerade nicht den bereicherungsrechtlichen Wertungen, deren Geltung und Übertragbarkeit auf das „Verfallsrecht“ die Rspr. anderenorts proklamiert.6 Vielmehr müssten – den Rechtsgedanken aus § 822 BGB ernst genommen – jedenfalls zwischengeschaltete entgeltliche Rechtsgeschäfte mit Gutgläubigen den Bereicherungszusammenhang entfallen lassen.7

IV. Drittverfall bei Unternehmenstransaktionen In der „Embargoentscheidung“ hat der 1. Strafsenat des BGH nicht nur grundlegende Maßgaben für die An- 87 wendung des Bruttoprinzips definiert, sondern zugleich entschieden, dass weder Verkauf noch Umwandlung ein Unternehmen davor bewahren, Adressat eines „Drittverfalls“ zu werden: So war im Urteilssachverhalt die Anknüpfungstat von Angestellten begangen und von den damaligen Geschäftsführern einer GmbH gebilligt worden, die später an eine ausländische Firma verkauft und in eine GmbH & Co. KG umgewandelt wurde. Die Verfallsanordnung gegen die GmbH & Co. KG rechtfertigte der BGH mit dem Identitätsgrundsatz: An der Stellung der Kommanditgesellschaft als richtige Verfallsadressatin habe sich durch den Formwechsel gem. § 1 Nr. 4 UmwG nichts geändert; vielmehr bestehe aufgrund der wirtschaftlichen Kontinuität des Rechtsträgers dieser nach Durchführung des Formwechsels weiter (§ 202 Abs. 1 Nr. 1 UmwG), sodass Rechte und Pflichten, die im Zeitraum der ursprünglichen Rechtsform entstanden sind, weiterbestünden; hierzu gehöre auch die Verfallshaftung.8 Mit diesem Ansatz dürfte jedenfalls bei Fusionen – Verschmelzungen bzw. (upstream-, downstreamoder sidestep-)Merger – eine Verfallsanordnung gegen das neue Unternehmen aufgrund der damit verbundenen Änderung der Organstruktur nicht in Betracht kommen.9 Dass der BGH allein auf die wirtschaftliche Identität abstellt, ist nicht unproblematisch, denn immerhin handelt 88 es sich um einen anderen Rechtsträger, der als solcher nichts – jedenfalls nicht unmittelbar – erlangt hat. Die Aufweichung des Unmittelbarkeitsgrundsatzes ist an sich schon problematisch, wirft jedoch in diesem Zusammenhang noch weitere Fragen auf, etwa danach, wen eine Verfallsanordnung bei konzernweitem Cash-Clearing/Pooling treffen kann oder ob beispielsweise ein unrechtmäßiger Vermögensvorteil in Form einer erhöhten Gewinnausschüttung bei dem – strafrechtlich denkbar weit entfernten – Anteilseigner der Muttergesellschaft abgeschöpft werden kann.10 Insgesamt schafft die Rspr. auch in diesem Kontext Unsicherheiten. Für Unternehmenskäufe bedeutet der Ansatz des BGH, dass der Erwerber selbst bei sorgfältig durchgeführter Due Diligence das Risiko einer verfallsrechtlichen Haftung des Unternehmens wegen strafrechtlicher „Altlasten“ trägt; dass der 5. Strafsenat schließlich auch bei Anwendung der Härteklausel, § 73c StGB, allein auf die Bösgläubigkeit der alten Geschäftsführung abgestellt hat,11 verschärft diese Situation zusätzlich.12

1 Eingehende Kritik etwa bei Fischer, StGB63, § 73 Rz. 37 m.w.N. 2 Vgl. Rönnau, Vermögensabschöpfung, 288; Rönnau in Volk, MAH2, § 13 Rz. 125; Wolters/Horn in SK-StGB8, § 73 Rz. 14e; Gehrmann, wistra 2010, 233, 234. 3 Vgl. BGH v. 19.10.1999 – 5 StR 336/99, BGHSt 45, 235, 246. 4 Ausf. Rönnau, Vermögensabschöpfung, 285, 288. I.d.S. krit. auch Wolters/Horn in SK-StGB8, § 73 Rz. 14e. 5 Vgl. Rönnau, Vermögensabschöpfung, Rz. 286. 6 Etwa BVerfG v. 14.1.2004 – 2 BvR 564/95, BVerfGE 110, 1, 16. 7 Überzeugend Rübenstahl in AnwK-StGB, § 73 Rz. 41 b ff. 8 BGH v. 21.8.2002 – 1 StR 115/02, BGHSt 47, 369, 377 f. 9 Vgl. Sedemund, DB 2003, 323, 324; Sedemund, DB 2004, 2256, 2256. 10 Vgl. Sedemund, DB 2003, 323, 324 m.w.N. 11 BGH v. 21.8.2002 – 1 StR 115/02, BGHSt 47, 369, 377. 12 Überzeugende Kritik etwa bei Hofmann, wistra 2008, 401, 405.

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Voraussetzungen des Verfalls

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§ 73 StGB Rz. 89

Strafgesetzbuch

V. Rückstellungspflicht 89

Im Zusammenhang mit der Verfallsanordnung gegen Unternehmen ist zu berücksichtigen, dass nach der Rspr. des BFH die zu erwartende Verfallsanordnung gem. § 249 Abs. 1 S. 1 HGB zur Bildung einer Rückstellung verpflichtet.1 Bei einer absehbaren Verfallsanordnung handele es sich – unproblematisch – um eine ungewisse Verbindlichkeit, deren Geltendmachung im Urteilssachverhalt am Bilanzstichtag wahrscheinlich war; höheren Begründungsaufwand hatte der BFH hingegen in Bezug auf die Frage, ob hinsichtlich des Verfalls ein steuerliches Abzugsverbot dem Abzug der Aufwendung als Betriebsausgabe entgegensteht; in diesem Fall wäre die handelsrechtlich zu bildende Rückstellung durch die außerbilanzielle Hinzurechnung zu neutralisieren.2 Im Ergebnis geht der BFH jedoch davon aus, dass sich ein Abzugsverbot weder aus § 12 Nr. 4 EStG noch aus § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 8 EStG ergibt, da es sich auch nach der – nicht an die strafgerichtliche Bewertung gebundenen – Auffassung des BFH (selbst) beim Bruttoverfall nicht um eine Rechtsfolge vermögensrechtlicher Art mit „überwiegendem Strafcharakter“ handelt.3

VI. Prozessuale Besonderheiten – „Verfallsbeteiligung“ 90

Kommt die Anwendung des § 73 Abs. 3 StGB in Betracht, ist das Unternehmen gem. §§ 442 Abs. 2 S. 1, 431, 440 StPO am Verfahren zu beteiligen.4 Die Anordnung einer Verbandsgeldbuße schließt gem. § 30 Abs. 5 OWiG die Verfallsanordnung (auch) nach § 73 Abs. 3 StGB aus.5

G. Verfall bei Dritteigentum, Absatz 4 I. Anwendungsbereich und Voraussetzungen 91

§ 73 Abs. 4 stellt klar, dass Dritteigentum oder Fremdheit eines Rechts die Verfallsanordnung nicht hindern, sofern der Dritte den Gegenstand für die Tat oder in Kenntnis der Tatumstände gewährt hat. Erfasst sind damit Fälle, in denen eine Person dem Täter in Kenntnis der Tatumstände einen Gegenstand zugewendet hat, der Täter aber daran – wegen Nichtigkeit des Übereignungsgeschäfts gem. §§ 134, 138 BGB – nicht Eigentümer geworden ist. So unterliegt etwa das einem für eine „Rauschgiftorganisation“ tätigen Betäubungsmittelkurier ausgehändigte Kaufgeld unabhängig davon dem Verfall, ob der Kurier Eigentümer des Geldes geworden ist oder ob ein wirksamer Eigentumsübergang aufgrund des Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot oder die guten Sitten (§§ 134, 138 BGB) nicht stattgefunden hat und der Käufer – der das Geld in Kenntnis der Tatumstände hingegeben hat – Eigentümer des Geldes geblieben ist; gleiches gilt, wenn der Käufer zwar das Eigentum an dem Kaufgeld wirksam übertragen hat, der Kurier aber bei dessen Empfang lediglich als Vertreter seiner „Hintermänner“ tätig geworden ist und daher diese mit der Übergabe an den Kurier Eigentümer geworden sind.6 Die Anordnung gem. § 73 Abs. 4 richtet sich gegen den Tatbeteiligten, der den Gegenstand erlangt hat.

II. Prozessuale Situation des Dritteigentümers 92

Der Dritte ist gem. §§ 442 Abs. 1, 431 StPO am Verfahren zu beteiligen.

H. Verfall bei Mittäterschaft I. Position der Rechtsprechung 93

Der Verfall bei Mittäterschaft ist gesetzlich nicht explizit geregelt, der Umgang damit erschließt sich auch insofern nur aus der (höchstrichterlichen) Spruchpraxis. Dabei hat die vom BGH entwickelte, an die zivilrechtlichen Grundsätze gesamtschuldnerischer Haftung angelehnte Konzeption zwar einerseits den Zuspruch des BVerfG,7 andererseits aber – durchaus berechtigte – Kritik8 erfahren.9

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Erforderlich für die Verfallsanordnung ist nach der Rspr. des BGH, auf die das BVerfG ausdrücklich Bezug nimmt,10 dass – erstens – die Mittäter „unmittelbar aus der Tat wirtschaftlich „etwas“ – und zwar eigene Ver1 Vgl. BFH v. 6.4.2000 – IV R 31/99, BB 2000, 1721, 1722; vgl. dazu Meurer, EStB 2000, 265 ff.; Wegner, PStR 2013, 127, 128. 2 Vgl. BFH v. 6.4.2000 – IV R 31/99, BB 2000, 1721, 1722, Rz. 38. 3 Vgl. BFH v. 6.4.2000 – IV R 31/99, BB 2000, 1721, 1722, Rz. 38 ff.; Einzelheiten zur steuerlichen Berücksichtigung des Verfalls hier unter § 73c StGB Rz. 12 f. 4 Insofern klarstellend BVerfG. v. 29.5.2006 – 2 BvR 820/06, wistra 2006, 335, Rz. 25. 5 Vgl. Achenbach in A/R/R, Teil 1, Kap. 2 Rz. 34. 6 BGH v. 14.9.1989 – 4 StR 306/89, BGHSt 36, 251, 253 f.; zu Fragen der Einziehung und des Verfalls bei BtM-Geschäften vgl. Eberbach, NStZ 1985, 556 ff. 7 Exemplarisch BVerfG v. 14.6.2004 – 2 BvR 1136/03, wistra 2004, 278, 382. 8 Vgl. etwa Rönnau in Volk, MAH2, § 13 Rz. 86 ff.; Kempf/Schilling, Vermögensabschöpfung Rz. 112 ff. jew. m.w.N. 9 Eingehende Darstellung etwa bei Bach, StV 2006, 446 ff.; Barreto da Rosa, NJW 2009, 1702 ff. 10 Verwiesen wird auf BGH v. 10.9.2002 – 1 StR 281/02, NStZ 2003, 198, sowie auf BGH v. 13.9.1996 – 3 StR 482/96, NStZ-RR 1997, 262.

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Rz. 98 § 73 StGB

fügungsgewalt – erlangt haben“; zweitens muss Einigkeit aller Beteiligten bestehen, dass sie gemeinsam Verfügungsgewalt erlangt haben.1 Abzugrenzen sind diese Fälle insbesondere von „Vertretungsfällen“ i.S.v. § 73 Abs. 3 und vom sog. Dritteigen- 95 tümerverfall i.S.v. § 73 Abs. 4, bei dem der Tatvorteil unmittelbar von einem Dritten erlangt worden ist bzw. der Vermögenszuwachs lediglich einem Dritten zugutekommt oder in dessen Eigentum verbleibt.2 Besondere Anforderungen an die Feststellungen und die Abgrenzung von Fällen des § 73 Abs. 3 und 4 ergeben 96 sich beim Handeln von Organen, Vertretern oder Beauftragten juristischer Personen. Dort ist, wie das BVerfG auch in nachfolgenden Entscheidungen explizit klargestellt hat, die faktische Verfügungsgewalt über die Vermögensmasse der juristischen Person keineswegs ausreichend, um den Handelnden „pauschal als Mittäter in eine gesamtschuldnerische Haftung zu nehmen“.3

II. Bedenken Trotz der begrüßenswerten Konkretisierungen durch die Vorgaben des BVerfG (auch) in Bezug auf das Erlangte 97 bei Mittätern lassen sich gegen die Konzeption der Rspr. erhebliche Bedenken anführen. Sie ergeben sich zunächst im Hinblick auf die praktischen Konsequenzen und die dem Ansatz immanente Gefahr der Übersicherung. So kann bei dem Tatbeteiligten, der zumindest Mitverfügungsgewalt über den Vermögenswert unmittelbar aus der Tat erlangt hatte, dessen gesamter Wert auch dann abgeschöpft werden, wenn er später diese Mitverfügungsmacht aufgegeben hat und der zunächst erzielte Vermögenszuwachs gemindert wurde.4 Besonders bedenklich sind insofern auch die Auswirkungen bei vorläufigen Sicherungsmaßnahmen gegen Mittäter gem. §§ 111b ff. StPO. So führt etwa, wenn bspw. die Mittäter A, B und C über das Taterlangte in Höhe von insgesamt 100 000 Euro einverständlich Mitverfügungsgewalt haben, nach teilweise vertretener Auffassung die Anwendung der Grundsätze der gesamtschuldnerischen Haftung dazu, dass gegen A, B und C ein dinglicher Arrest in Höhe von jeweils 100 000 Euro angeordnet werden kann.5 Aus Ermittlersicht wird insoweit geltend gemacht, dass eine Übersicherung nicht vorliege, da das dem Staat zustehende Wahlrecht i.S.d. § 421 BGB erst bei der Vollstreckung eines rechtskräftigen Urteils ausgeübt werde; bis dahin hafte dem Staat hingegen jeder Gesamtschuldner in voller Höhe des Taterlangten – nur so ließen sich „fatale Ergebnisse“ vermeiden und Abschöpfungsdefizite verhindern.6 Auch der BGH bezieht sich insoweit auf das gesetzgeberische Ziel effektiver Gewinnabschöpfung, auf praktische Schwierigkeiten beim Nachweis konkreter Gewinnanteile, den präventiven Charakter des Verfalls und den Opferschutz.7 Indes dürfte sich jedenfalls im Bereich vorläufiger Sicherung im Ermittlungsverfahren, in dem sich (auch) die Vermögenssicherung vor der Unschuldsvermutung zu rechtfertigen hat und daher grundrechtsrelevante Eingriffe unter strenger Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes auf ein Minimum zu beschränken sind, eine Anwendung gesamtschuldnerischer Grundsätze in dem dargestellten Sinne verbieten. Gegen die Konzeption der Rspr. lassen sich zudem beachtliche grundsätzliche Bedenken anführen, die sich aus 98 den strukturellen Unterschieden von Zivil- und Strafrecht sowie aus der Legitimation des Verfalls als Instrument zur Abschöpfung inkriminierter Vermögenszuwächse ergeben. So lässt sich die privatrechtliche Figur der Gesamtschuld schon deshalb nicht auf das Verhältnis des Justizfiskus zum Sanktionsadressaten übertragen, weil die gesamtschuldnerische Haftung im Deliktsrecht gem. § 840 BGB – mit Verweis auf §§ 421 ff. BGB – primär verhindern soll, dass sich keiner der Schädiger gegenüber dem Geschädigten mit Verweis auf die Mitverantwortlichkeit anderer entlastet;8 zudem soll das Außenverhältnis (Gläubiger-Schuldner) nicht mit möglicherweise streitigen und komplexen Fragen der Haftungsverteilung im Innenverhältnis der Mittäter untereinander belastet werden. Dem Staat, der über ein Instrumentarium an Zwangsmitteln verfügt, ist hingegen weit eher zuzumuten, die interne Aufteilung zwischen den Tatbeteiligten zu erforschen, bevor der (endgültige) Vermögenszugriff erfolgt.9 Zudem geht es beim Verfall von vornherein nicht um die Befriedigung staatlicher Ansprüche, sondern um die Abschöpfung inkriminierten Vermögens; als zivilrechtliche Gläubigerschutzvorschrift passt die Figur der Gesamtschuld daher von vornherein nicht zum strafrechtlichen Sanktionensystem.10

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BVerfG v. 14.6.2004 – 2 BvR 1136/03, wistra 2004, 278, 382 – ohne Hervorhebung im Original. BVerfG v. 14.6.2004 – 2 BvR 1136/03, wistra 2004, 278, 382; vgl. auch Baretto da Rosa, NJW 2009, 1702, 1703. BVerfG v. 14.6.2004 – 2 BvR 1136/03, wistra 2004, 378, 382. Vgl. Saliger in NK-StGB4, § 73 Rz. 7b. Beispiel und Zustimmung bei Podolsky/Brenner, Vermögensabschöpfung, S. 51 ff.; a.A. etwa Baretto da Rosa, NJW 2009, 1702, 1704; Bach, StV 2006, 446, 448. Podolsky/Brenner, S. 52. Vgl. BGH v. 28.10.2010 – 4 StR 215/10, BGHSt 56, 39, 47 ff. Eingehend Rönnau in Volk, MAH2, § 13 Rz. 92. Eingehend, mit zahlreichen Beispielen und Nachweisen, Rönnau in Volk, MAH2, § 13 Rz. 92. Vgl. Schmidt, Vermögensabschöpfung, Rz. 261.

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229

StGB

Voraussetzungen des Verfalls

StGB

§ 73a StGB Rz. 1

Strafgesetzbuch

§ 73a Verfall des Wertersatzes Soweit der Verfall eines bestimmten Gegenstandes wegen der Beschaffenheit des Erlangten oder aus einem anderen Grunde nicht möglich ist oder von dem Verfall eines Ersatzgegenstandes nach § 73 Abs. 2 Satz 2 abgesehen wird, ordnet das Gericht den Verfall eines Geldbetrags an, der dem Wert des Erlangten entspricht. Eine solche Anordnung trifft das Gericht auch neben dem Verfall eines Gegenstandes, soweit dessen Wert hinter dem Wert des zunächst Erlangten zurückbleibt. 1

Die Vorschrift regelt den Verfall von Wertersatz, wobei mit der Anordnung ein staatlicher Zahlungsanspruch in Höhe des Erlangten entsteht. § 73a knüpft an die „Grundnorm“ des § 73 an, verlangt also zunächst, dass der Täter/Beteiligte etwas i.S.d. Vorschrift erlangt hat,1 und erweitert die Möglichkeit der Verfallsanordnung auf Konstellationen, in denen das originär erlangte Etwas nicht mehr beim Täter/Beteiligten vorhanden und daher von § 73 Abs. 1 S. 1 nicht (mehr) erfasst ist.2 Abzugrenzen davon sind Fälle, in denen das Erlangte später weggefallen ist; insoweit ist § 73c zu prüfen.3 § 73a S. 1 setzt folglich gerade nicht voraus, dass das Erlangte noch im Vermögen des Täters vorhanden ist; allerdings ist – sofern dies nicht der Fall ist – die Anwendung der Härteklausel, § 73c, zu prüfen.4

2

Insbesondere wegen der Schwierigkeit des von § 73 geforderten Nachweises der inkriminierten Herkunft eines Gegenstandes werden nach Schätzung aus dem Bereich der Strafverfolgung etwa 95 % aller Vermögensabschöpfungsmaßnahmen als Verfall von Wertersatz gem. § 73a angeordnet;5 der Vorschrift kommt also eine praktisch ganz beachtliche „Lückenfüllfunktion“6 zu.

A. Anordnung anstelle des Verfalls, Satz 1 I. Beschaffenheit des Erlangten 3

Aufgrund der Beschaffenheit des Erlangten wird der Verfall des Wertersatzes anstatt des originär Erlangten, insbesondere bei ersparten Aufwendungen und Gebrauchsvorteilen, aber auch – wie regelmäßig bei Geld – aufgrund von Vermischung, Verbindung oder Verarbeitung i.S.v. §§ 946, 947, 950 BGB angeordnet.7

II. Andere Gründe 4

Andere Gründe, die zur Anordnung des Wertersatzverfalls führen, liegen insbesondere vor, wenn der Tatbeteiligte das Erlangte verbraucht, verloren oder unauffindbar zur Seite geschafft hat oder aber der (eigentliche) Verfallsgegenstand – ohne dass ein Fall des § 73 Abs. 3 vorliegt – durch Kauf, Schenkung oder auf andere Weise wirksam an eine andere gutgläubige Person übereignet oder abgetreten worden ist.8

B. Anordnung neben dem Verfall, Satz 2 5

§ 73a S. 2 sieht die Anordnung von Verfall des Wertersatzes neben dem Verfall vor, sofern der Wert des Verfallsgegenstandes „hinter dem Wert des zunächst Erlangten zurückbleibt“. Die Anordnung ergeht folglich in Höhe der Differenz zwischen dem – gerichtlich festzustellenden – ursprünglichen Wert und dem – gleichfalls festzustellenden – Zeitwert der Sache, wobei die Ursache für diese Differenz (etwa: Beschädigung) bei der Anwendung von § 73a unerheblich ist.9

C. Wertbemessung 6

Hinsichtlich der Wertbemessung ist grundsätzlich der Verkehrswert im Zeitpunkt der Entscheidung maßgeblich.10 Ist dieser nicht feststellbar, kommt unter den Voraussetzungen von § 73b eine Schätzung in Betracht.

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10

Vgl. BGH v. 28.10.2008 – 3 StR 409/08, StraFo 2009, 81. Vgl. Fischer, StGB63, § 73a, Rz. 2. Vgl. BGH v. 9.7.1991 – 1 StR 316/91, BGHSt 38, 23, 24 m.w.N. Vgl. BGH v. 10.10.2002 – 4 StR 233/02, BGHSt 48, 40, 41; BGH v. 7.11.2002 – 4 StR 247/02, NStZ-RR 2003, 144, 145; BGH v. 22.4.2004 – 3 StR 28/04, StraFo 2004, 253; BGH v. 9.7.1991 – 1 StR 316/91, BGHSt 38, 23, 24. Podolsky, Kap. 26 Rz. 46. Vgl. Saliger in NK-StGB4, § 73a Rz. 1; Eser in S/S-StGB29, § 73a Rz. 1. Vgl. etwa Joecks in MüKo-StGB2, § 73a Rz. 8 m.w.N.; Fischer, StGB63, § 73a Rz. 4 m.w.N. Vgl. Fischer, StGB63, § 73a Rz. 5 m.w.N. Vgl. Schmitt in LK-StGB, § 73a Rz. 11; zur Gefahr von Wertverlusten vorläufig sichergestellter Gegenstände vgl. Rönnau/Hohn, wistra 2002, 445; Einzelheiten hier nachfolgend unter Rz. 6. Vgl. etwa BGH v. 6.2.1953 – 2 StR 714/51, BGHSt 4, 13, 14 (Schmuggelware); BGH v. 3.11.2005 – 3 StR 183/05, wistra 2006, 226 (Vermögensvorteil aus Verletzung eines Dienstgeheimnisses); LG Berlin v. 3.4.2003 – (505) 83 Js 695/02 KLs (21/02), wistra 2004, 154 (aus Geldwäsche gezogener Gewinn).

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Rz. 4 § 73b StGB

D. Anordnung und Vollstreckung Wird der Wertersatz für verfallen erklärt, muss der Tenor dies unter Angabe des entsprechenden Betrages aus- 7 weisen. In Bezug auf die Anordnung gelten zunächst die allgemeinen Anforderungen an Vollständigkeit und Klarheit des Tenors (vgl. § 73 StGB Rz. 6); zudem muss die Verfallsanordnung erkennen lassen, wie der Verfallsbetrag ermittelt wurde.1 Die Vollstreckung des Wertersatzverfalls, der einen Zahlungsanspruch des Staates begründet, richtet sich nach 8 §§ 459g Abs. 2, 459, 459c StPO; der Verfallsbetrag wird also wie eine Geldstrafe beigetrieben.2

§ 73b Schätzung Der Umfang des Erlangten und dessen Wert sowie die Höhe des Anspruchs, dessen Erfüllung dem Täter oder Teilnehmer das aus der Tat Erlangte entziehen würde, können geschätzt werden. § 73b erlaubt hinsichtlich bestimmter Umstände eine Schätzung mit der Folge, dass das Gericht insofern vom 1 Strengbeweis entbunden und eine vermutliche Wertannahme ausreichend ist.3 Wird das Erlangte mit dem 5. Strafsenat im „Auftragswert“ bzw. einem „Sondervorteil“ gesehen,4 kommt dem Instrument der Schätzung in der Praxis besondere Bedeutung zu.

A. Der Schätzung zugängliche Umstände Zugänglich sind einer Schätzung der Umfang des Erlangten (quantitative Schätzung, etwa Höhe von Beste- 2 chungsgeldern5), der Wert des Erlangten, insbesondere der Wert des Wertersatzes i.S.v. § 73a, der Umfang gezogener Nutzungen und Surrogate sowie die Höhe des Anspruchs, dessen Erfüllung – in Konstellationen des § 73 Abs. 1 S. 2 – dem Täter oder Teilnehmer das aus der Tat Erlangte entziehen würde.6

B. Voraussetzungen und Maßstab der Schätzung Voraussetzung für eine Schätzung ist allerdings, dass – erstens – die Voraussetzungen des Verfalls dem Grunde 3 nach zweifelsfrei festgestellt sind7 und – zweitens – in Bezug auf die zu schätzenden Umstände konkrete Feststellungen entweder ausgeschlossen erscheinen8 oder einen unverhältnismäßigen Aufwand an Zeit oder Kosten erfordern.9 Um eine Schätzung zu vermeiden, kann es daher für die Verteidigung/Vertretung von Nebenbeteiligten angezeigt 4 sein, Erklärungen zum Umfang oder Wert des Erlangten abzugeben und/oder entsprechende Beweisanträge zu stellen. Es kann jedoch auch sinnvoll sein, es auf eine Schätzung ankommen zu lassen; sieht sich das Gericht nicht in der Lage, Anhaltspunkte für die Höhe der Einnahmen des Angeklagten zu ermitteln, ist gegebenenfalls vom Verfall abzusehen.10 Denn die Schätzung darf nicht willkürlich sein, und es muss eine auf feststehenden Einzelheiten beruhende, hinreichend sichere Schätzungsgrundlage vorliegen, wobei die zu § 287 ZPO entwickelten Grundsätze maßgeblich sind.11 Unsicherheiten dürfen sich nicht zum Nachteil des Angeklagten auswirken, wobei der Grundsatz in dubio pro reo nur hinsichtlich der Schätzungsgrundlagen, nicht aber für die Schätzung als solche gilt.12 Unter Umständen ist lediglich der Verfall eines jedenfalls erlangten Mindestbetrages anzuordnen.13 Auch bei Schätzungen bleibt das Bruttoprinzip unangetastet, es sind daher nicht etwa „geschätzte Aufwendungen“ in Abzug zu bringen.14

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13

Vgl. BGH v. 24.8.2011 – 2 StR 109/11, wistra 2012, 107. Vgl. Eser in S/S-StGB29, § 73a Rz. 13. Vgl. Joecks in MüKo-StGB2, § 73b Rz. 8. Vgl. vorstehend § 73 StGB Rz. 30; Rönnau in Volk, MAH2, § 13 Rz. 389 ff. Vgl. BGH v. 5.5.2004 – 5 StR 139/03, NStZ-RR 2004, 242, 244. Vgl. Saliger in NK-StGB4, § 73b Rz. 2 ff. Vgl. Joecks in MüKo-StGB2, § 73b Rz. 8. Vgl. BGH v. 20.4.1989 – 4 StR 73/89, NStZ 1989, 361. Vgl. BT-Drucks. V/4095, S. 40 f. Joecks in MüKo-StGB2, § 73b Rz. 8. Vgl. BGH v. 20.4.1989 – 4 StR 73/89, NStZ 1989, 361. Vgl. BGH v. 20.4.1989 – 4 StR 73/89, NStZ 1989, 361. Vgl. BGH v. 18.4.2000 – 5 StR 128/00, wistra 2000, 307. Bei Betäubungsmitteldelikten soll danach davon auszugehen sein, dass der Verkaufserlös zumindest nicht unter dem Einkaufspreis gelegen haben wird, der – beim Fehlen sonstiger Anhaltspunkte – als Mindestbetrag dem Verfall unterliegt, vgl. BGH v. 10.6.1999 – 4 StR 135/99, NStZ-RR 2000, 57, 58. 14 Vgl. Fischer, StGB63, § 73b Rz. 5.

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StGB

Schätzung

StGB

§ 73c StGB Rz. 1

Strafgesetzbuch

§ 73c Härtevorschrift (1) Der Verfall wird nicht angeordnet, soweit er für den Betroffenen eine unbillige Härte wäre. Die Anordnung kann unterbleiben, soweit der Wert des Erlangten zur Zeit der Anordnung in dem Vermögen des Betroffenen nicht mehr vorhanden ist oder wenn das Erlangte nur einen geringen Wert hat. (2) Für die Bewilligung von Zahlungserleichterungen gilt § 42 entsprechend.

A. Regelungszweck, verfassungsrechtliche Aspekte, Systematik 1

Die sog. Härtevorschrift versteht sich als Ausprägung des verfassungsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsprinzips.1 Danach muss (auch) die Vermögensabschöpfung als belastende Maßnahme zur Durchsetzung eines verfassungsrechtlich legitimen Ziels geeignet, erforderlich und angemessen sein, wobei das Übermaßgebot gewahrt sein muss.2

2

Bemerkenswert ist, dass Bekenntnisse der Rspr. zum Bruttoprinzip regelmäßig mit dem Hinweis auf die erhöhte Bedeutung der Härteklausel des § 73c verbunden sind.3 Auch in der Literatur heißt es, die Vorschrift ermögliche „gerade vor dem Hintergrund der Einführung des Bruttoprinzips die flexible und verfahrensökonomisch sinnvolle Berücksichtigung von Härten im Einzelfall“.4 Zugleich wird jedoch die unzureichende Prüfung von § 73c in revisionsgerichtlichen Entscheidungen oftmals gerügt5 und die Rspr. betont – weiterhin – den „Ausnahmecharakter“ der Vorschrift, die mithin restriktiv auszulegen sei.6 Die Kasuistik lässt – dies ist offenbar Ausdruck von Einzelfallgerechtigkeit – verallgemeinerbare Grundsätze und Prämissen nur bedingt erkennen. Im wirtschaftsstrafrechtlichen Kontext sind im Zusammenhang mit § 73c vor allem die Fragen nach der Berücksichtigung von Steuern, der Bedeutung von Insolvenz und der Gutgläubigkeit der Geschäftsführung in „Vertretungsfällen“ relevant (vgl. nachfolgend Rz. 12 ff.).

3

Die Vorschrift enthält in Abs. 1 S. 1 eine Generalklausel mit dem unbestimmten Rechtsbegriff der „unbilligen Härte“ auf der Tatbestandsseite ohne Ermessensspielraum auf der Rechtsfolgenseite mit der Folge, dass der Verfall in diesen Fällen zwingend ausgeschlossen ist. Vorrangig zu prüfen ist daher die speziellere Ermessensvorschrift des Abs. 1 S. 2; unter den dortigen Voraussetzungen – Wegfall der Bereicherung bzw. Geringwertigkeit des Erlangten – ist gerade kein Fall unbilliger Härte anzunehmen;7 in diesen Fällen ist die Anordnung des Verfalls fakultativ ausgeschlossen. Der Aufbau der Kommentierung folgt dieser Struktur.

B. Voraussetzungen I. Wegfall der Bereicherung, Absatz 1 S. 2, Var. 1 4

Mit der Ausgestaltung als Ermessensnorm soll sichergestellt werden, dass der Verfall bei Wegfall der Bereicherung nicht schlechthin, sondern nur bei Vorliegen besonderer Umstände ausgeschlossen ist, da anderenfalls der „Täter dazu gereizt werde, den Gewinn alsbald nach der Erlangung auszugeben“.8 Indes sind auch in Bezug darauf, wann i.S.v. Abs. 1 S. 2, Var. 1 „der Wert des Erlangten zur Zeit der Anordnung in dem Vermögen des Betroffenen nicht mehr vorhanden ist“, die Strafsenate des BGH uneins.

5

Einigkeit besteht noch insofern, als zunächst das Erlangte sowie die aktuellen Vermögensverhältnisse des Betroffenen jeweils betragsmäßig festzustellen sind und sodann – mit entsprechenden Darlegungen im Urteil9 – eine Saldierung vorzunehmen ist.10

6

Ist der Gegenwert des Erlangten selbst oder ein unmittelbar dafür erhaltenes Äquivalent in dem Vermögen nicht mehr vorhanden bzw. der Wert des aktuellen Vermögens hinter dem Wert des Erlangten zurückbleibend, kann – insoweit unstreitig – die Verfallsanordnung unterbleiben; es schließt sich dann allerdings die – uneinheitlich beantwortete – Frage an, wie im Rahmen der Billigkeitsentscheidung die Verwendung der nicht mehr vorhandenen Vermögensmittel bzw. die Gründe für die Entreicherung zu berücksichtigen sind. Gegen die Anwendung der Härtevorschrift sollen insbesondere das „Verprassen der erlangten Mittel sowie ihre Verwendung für Luxus 1 Etwa Retemeyer in A/R/R, Teil 14 Rz. 40 f. m.w.N. 2 Vgl. Joecks in MüKo-StGB2, § 73c Rz. 7 f.; vertiefend Wallschläger, Verfallsvorschriften, 121 ff. m.w.N. 3 Vgl. BGH v. 10.10.2002 – 4 StR 233/02, BGHSt 48, 40, 42; Joecks in MüKo-StGB2, § 73c Rz. 3, spricht von einer „signifikant größeren Bedeutung“ der Härteklausel. 4 Vgl. Joecks in MüKo-StGB2, § 73c Rz. 3. 5 Vgl. Engländer, NStZ 2014, 33, 33. 6 Exemplarisch BGH v. 11.4.1995 – 1 StR 836/94, NStZ 1995, 495; BGH v. 13.6.2001 – 3 StR 131/01, wistra 2001, 388; BGH v. 10.6.2009 – 2 StR 76/09, wistra 2009, 391; zust. zu der „sehr restriktiven Auslegung“ Podolsky/Brenner5, S. 42. 7 Explizit BGH v. 13.2.2014 – 1 StR 336/11, wistra 2012, 69, Rz. 16; BGH v. 12.7.2000 – 2 StR 43/00, NStZ 2000, 589, 590. 8 Vgl. Schmidt, Vermögensabschöpfung, Rz. 395 m.w.N. 9 Vgl. BGH v. 3.7.2003 – 1 StR 453/02, wistra 2003, 424, 425. 10 Vgl. BGH v. 13.2.2014 – 1 StR 336/11, wistra 2012 Rz. 16; BGH v. 21.3.2013 – 3 StR 52/13, StV 2013, 630 f.; BGH v. 23.9.1988 – 2 StR 460/88, BGHR § 73c Härte 2, S. 2.

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Rz. 10 § 73c StGB

und zum Vergnügen“ – etwa durch das „Verbringen in ‚Massagesalons‘ und Bars“1 – sprechen, während der „Verbrauch in einer Notlage für den Lebensunterhalt“ als Argument für eine entsprechende Ermessensentscheidung heranzuziehen sei.2 Umstr. ist zudem, ob eine Anwendung der Härteklausel von vornherein ausscheidet, sofern das aktuelle (Net- 7 to-)Vermögen den Wert des Erlangten zumindest erreicht. Der 2. Strafsenat hat mit der Formel „Solange und soweit der Angeklagte über Vermögen verfügt, das wertmäßig nicht hinter dem anzuordnenden Verfallbetrag zurückbleibt, liegt es nahe, dass der Wert des Erlangten im Vermögen noch vorhanden ist“3 eine widerlegbare Vermutungsregel formuliert und in diesem Zusammenhang ausgeführt, ob ein konkreter oder unmittelbarer Bezug des noch vorhandenen Vermögens zu den Straftaten bestehe, sei „unerheblich“. Der Verfall hänge (insbesondere) nicht davon ab, ob die vorhandenen Vermögenswerte unmittelbar mit inkriminierten Geldern erworben wurden oder ob mit illegal erlangten Geldern andere Aufwendungen bestritten und erst mit den so eingesparten Mitteln das noch vorhandene Vermögen gebildet oder dessen Verbrauch vermieden wurde.4 Der 3., 4. und 5. Strafsenat sehen die Vermutung als widerlegt an, sofern der vorhandene Vermögenswert „zweifelsfrei ohne jeden denkbaren Zusammenhang mit den abgeurteilten Straftaten erworben wurde“5 – mit der Folge der Anwendbarkeit von § 73c Abs. 1 S. 2. Der 1. Strafsenat hat die „Vermutungsregel“ zunächst angewandt,6 sich jedoch in einer Entscheidung aus Mai 2006 explizit gegen die Auffassung gewandt, wonach „vorhandenes Vermögen nur nahelege, dass der Wert des Erlangten beim Verfallsbetroffenen noch vorhanden ist“.7 Eine derartige „einengende Auslegung“ sei vom Wortlaut nicht geboten, beschränke aber die „Praktikabilität und Effektivität der Vorschriften über den Verfall (…) und insbesondere deren Präventivwirkung“.8 In „besonders gelagerten Einzelfällen“ – sofern die Verfallsanordnung eine unbillige Härte, ungerecht wäre oder einen Verstoß gegen das Übermaßverbot darstellen würde – biete § 73c Abs. 1 S. 1 „genügend Schutz“.9 Auch insoweit setzen sich also die bereits bei der Bestimmung des Erlangten ansetzenden Differenzen der Straf- 8 senate mit möglicherweise existentiellen Folgen für den Betroffenen fort, der sich – je nach zuständigem Strafsenat – eher oder eher nicht auf eine ggf. verfallsausschließende oder -mindernde Entreicherung berufen kann. Bedenklich ist zudem, dass sich die Rspr. insgesamt zu wenig an den in anderem Zusammenhang nachhaltig proklamierten bereicherungsrechtlichen Wertungen – hier dem Rechtsgedanken des § 818 Abs. 3 BGB – orientiert.10

II. Geringwertigkeit des Verfallsgegenstandes, Absatz 1 S. 2, Var. 2 Die Anordnung des Verfalls kann nach Ermessen des Gerichts auch unterbleiben, wenn das (zunächst) Erlangte 9 nur einen geringen Wert hat, wobei für die Bagatellgrenze die zur Geringwertigkeit i.S.v. § 248a StGB entwickelten Kriterien heranzuziehen sind.11 Danach kommt es grundsätzlich auf den objektiven (Verkehrs-)Wert der Sache an. Subjektive (Affektions-)Interessen und die Vermögensverhältnisse der Beteiligten sollen nur ausnahmsweise zu berücksichtigen sein.12 Eine starre Bagatellgrenze lässt sich nicht ausmachen, der BGH nimmt sie derzeit bei einem Betrag in Höhe von rund 25 Euro an;13 die Vorschrift dürfte insofern von eher geringer praktischer Bedeutung sein.

III. Unbillige Härte, Absatz 1 S. 1 Obgleich Bekenntnisse der Rspr. zum Bruttoprinzip regelmäßig mit Verweis auf die „Härteklausel“ verbunden 10 sind, wird der unbestimmte Rechtsbegriff der unbilligen Härte (weiterhin) grundsätzlich restriktiv ausgelegt und betont, an das Vorliegen einer „unbilligen Härte“ seien „hohe Anforderungen zu stellen“.14 Vorausgesetzt wird, 1 Vgl. BGH v. 9.7.1991 – 1 StR 316/91, BGHSt 38, 23, 24; BGH v. 18.12.1981 – 2 StR 121/81, NJW 1982, 774. 2 Vgl. BGH v. 18.9.2013 – 5 StR 237/13, wistra 2013, 462, 462; BGH v. 2.12.2004 – 3 StR 264/04, NStZ-RR 2005, 104, 105. 3 BGH v. 5.4.2000 – 2 StR 500/99, NStZ 2000, 480, 481; zust. BGH v. 8.8.2001 – 1 StR 291/01, NStZ-RR 2002, 7, 8. 4 BGH v. 5.4.2000 – 2 StR 500/99, NStZ 2000, 480, 481 (bezogen auf „Drogengelder“); zust. BGH v. 10.10.2002 – 4 StR 233/02, BGHSt 48, 40. 5 Vgl. BGH v. 27.10.2011 – 5 StR 14/11, wistra 2012, 108, 108 f.; BGH v. 2.10.2008 – 4 StR 153/08, wistra 2009, 23, 24; BGH v. 2.12.2004 – 3 StR 264/04, NStZ 2005, 104, 105. 6 Vgl. BGH v. 8.8.2001 – 1 StR 291/01, NStZ-RR 2002, 7, 8. 7 BGH v. 16.5.2006 – 1 StR 46/06, BGHSt 51, 65, 70. 8 Vgl. BGH v. 16.5.2006 – 1 StR 46/06, BGHSt 51, 65, 70; dagegen BGH v. 27.10.2011 – 5 StR 14/11, wistra 2012, 108, 108 f.: Schwächung der Präventivwirkung nicht ersichtlich und ggf. bewusst vom Gesetzgeber in Kauf genommen. 9 BGH v. 16.5.2006 – 1 StR 46/06, BGHSt 51, 65, 70. 10 Vgl. auch Rübenstahl in AnwK-StGB, § 73 Rz. 44. 11 Vgl. Fischer, StGB63, § 73c Rz. 6 und § 248a Rz. 3. 12 Vgl. Fischer, StGB63, § 248a Rz. 3. 13 BGH v. 9.7.2004 – 2 StR 176/04, BGHR StGB § 248a Geringwertig 1 (Gründe); w. Nachw. etwa bei Fischer, StGB63, § 248a Rz. 3a. 14 Vgl. etwa BGH v. 23.2.2000 – 3 StR 583/99, NStZ-RR 2000, 365; BGH v. 11.4.1995 – 1 StR 836/94, NStZ 1995, 495. Dies entspricht der Rspr. der Zivilgerichte, die den exzeptionellen Charakter der Härtefallregelung innerhalb der zivilprozessualen Zwangsvollstreckung gem. § 765a ZPO betonen und Vollstreckungsschutz wegen „sittenwidriger Härte“ nur in eng auszulegenden Ausnahmefällen zulassen, vgl. Hartmann in B/L/H/A, § 765a ZPO Rz. 2 m.w.N.

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Härtevorschrift

StGB

§ 73c StGB Rz. 11

Strafgesetzbuch

dass die Verfallsanordnung „den Betroffenen empfindlich treffen und dass diese Härte Grundsätze der Billigkeit und das Übermaßverbot verletzen würde, also ungerecht wäre“.1 Gegenüber den Voraussetzungen von § 73c Abs. 1 S. 2 – die als solche, ebenso wie die Anwendung des Bruttoprinzips2 schon aus systematischen Gründen keine „unbillige Härte“ darstellen – müssen zusätzliche, erhebliche Umstände vorliegen, die die Anordnung des Verfalls im Einzelfall als übermäßig und vom Zweck des Verfalls nicht mehr getragen erscheinen lassen.3 So soll etwa die Tatsache, dass dem Angeklagten „nur ein geringes Restvermögen verbleibt“, (noch) keine unbillige Härte darstellen;4 der BGH in Zivilsachen geht (sogar) davon aus, dass die Notwendigkeit, zur Sicherung des Lebensunterhalts Sozialhilfe in Anspruch nehmen zu müssen, als solche keine unbillige Härte begründet.5 Der BGH in Strafsachen hat jedoch anerkannt, dass eine Existenzgefährdung eine „außerhalb des Verfallszwecks liegende außergewöhnliche Folge“ sei, die „dem Betroffenen auch nicht zuzumuten ist“,6 und eine unbillige Härte auch für den Fall angenommen, dass der Täter aufgrund von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen Geschädigter „voraussichtlich sein gesamtes Vermögen verlieren wird“.7 Vergleichsweise großzügig ist der BGH mit der in diesem Zusammenhang (sogar) als „naheliegend“ bezeichneten Anwendung von § 73c StGB in Zurechnungsfällen gem. § 73 Abs. 3 StGB (Einzelheiten nachfolgend unter Rz. 16).

C. Zahlungserleichterungen, Absatz 2 11

Gem. §§ 73c Abs. 2, 42 StGB können nach den für Geldstrafen maßgeblichen Grundsätzen Zahlungserleichterungen bewilligt werden. Danach ist bereits im Urteil8 zwingend eine Zahlungsfrist (Fälligkeitszeitraum für die Gesamtsumme) zu bestimmen oder eine Ratenzahlungserlaubnis unter exakter Angabe der jeweiligen Fälligkeitsdaten und der Höhe der jeweiligen Raten anzuordnen, sofern dem Betroffenen die sofortige Zahlung des dem Verfall unterliegenden Gesamtbetrages „nach seinen persönlichen oder wirtschaftlichen Verhältnissen nicht zuzumuten“ ist (§ 42 S. 1 StGB). Der in Bezug auf Geldstrafen entwickelte Grundsatz, dass Ratenzahlungen regelmäßig zu gewähren sind, wenn die Strafe nicht aus dem laufenden Einkommen oder aus liquiden Rücklagen bezahlt werden kann,9 muss auch für die Anordnung des Verfalls – insbesondere des Verfalls von Wertersatz – gelten. Gem. § 42 S. 2 StGB wird das Gericht regelmäßig einen Vorbehalt aussprechen, wonach die Vergünstigung bei Zahlungsrückständen aufgehoben wird.

E. Einzelfragen I. Berücksichtigung von Steuerforderungen 12

Die Frage, ob und ggf. wie Steuerforderungen bei der Verfallsentscheidung zu berücksichtigen sind, ist bei § 73c StGB zu verorten. In einer Grundsatzentscheidung aus März 2002 hat der 5. Strafsenat des BGH – unter Anwendung der Grundsätze des BVerfG zur Mehrerlösabschöpfung10 gem. § 17 Abs. 4 OWiG auf den Verfall – die gegenseitige Abhängigkeit des steuerlichen Veranlagungs- und des Verfahrens zur Anordnung von Verfall grundsätzlich anerkannt und bestimmt, dass darauf abzustellen sei, ob das steuerrechtliche Veranlagungsverfahren zum Zeitpunkt der möglichen Verfallsanordnung bereits durchgeführt worden ist oder nicht.11 Sofern noch keine bestandskräftige Festsetzung von Steuern erfolgt ist und der Verfall (etwa im Wege einer entsprechenden Rückstellung) noch für denselben Veranlagungszeitraum steuermindernd wirksam werden kann, ist der Verfallsbetrag nach der „steuerlichen Lösung“ steuermindernd zu berücksichtigen, indem die Finanzverwaltung der Besteuerung die um den Verfall gekürzten Einkünfte zugrunde legen muss; eventuelle Steuerforderungen sind hingegen im Strafverfahren unbeachtlich.12 In Bezug auf bereits bestandskräftig festgesetzte Bescheide gilt hingegen die „strafrechtliche Lösung“, wonach Steuerforderungen bei der (nachfolgenden) Verfallsanordnung Berücksichtigung finden müssen.13 Dogmatischer Anknüpfungspunkt sei in diesem Fall die „Entreicherungsklausel“ des § 73c Abs. 1 S. 2 StGB, da das aus der Tat Erlangte nach Abführung der Steuer regelmäßig um die-

1 St. Rspr., vgl. nur BGH v. 22.8.1995 – 4 StR 250/95, StV 1995, 635; BGH v. 13.6.2001 – 3 StR 131/01, wistra 2001, 388, 389; BGH v. 23.2.2000 – 3 StR 583/99, NStZ-RR 2000, 365. 2 BGH v. 3.7.2003 – 1 StR 453/02, wistra 2003, 424, 425. 3 Vgl. etwa BGH v. 12.7.2000 – 2 StR 43/00, NStZ 2000, 589, 590; BGH v. 3.7.2003 – 1 StR 453/02, wistra 2003, 424, 425. 4 BGH v. 2.10.2008 – 4 StR 153/08, wistra 2009, 23, 25. 5 BGH v. 21.12.2004 – IXa ZB 228/03, JZ 2005, 524, 525; m. Anm. Brehm, JZ 2005, 525. 6 Vgl. BGH v. 3.7.2003 – 1 StR 453/02, wistra 2003, 424, 425; vgl. auch BVerfG v. 25.9.2003 – 1 BvR 1920/03, NJW 2004, 49, 49. 7 Vgl. BGH v. 8.9.1999 – 3 StR 199/99, wistra 1999, 464. 8 Vgl. Fischer, StGB63, § 73c Rz. 7, § 42 Rz. 12. 9 Vgl. Fischer, StGB63, § 73c Rz. 7, § 42 Rz. 4 m.w.N. 10 BVerfG v. 23.1.1990 – 1 BvL 4, 5, 6, 7/87, BVerfGE 81, 228, 241. 11 BGH v. 21.3.2002 – 5 StR 138/01, BGHSt 47, 260, 266 ff. 12 BGH v. 21.3.2002 – 5 StR 138/01, BGHSt 47, 260, 268, m. Stellungnahme auch zu der insoweit abweichenden Ansicht des Kartellsenats (BGH v. 24.4.1991 – KRB 5/90, BGHR OWiG § 17 Vorteil 1) zur Mehrerlösabschöpfung nach § 38 Abs. 4 a.F. GWB. 13 BGH v. 21.3.2002 – 5 StR 138/01, BGHSt 47, 260, 268.

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Rz. 16 § 73c StGB

sen Betrag bzw. – bei bestandskräftiger Festsetzung, aber ausstehender Bezahlung – die Steuerschuld entsprechend gemindert sei. Dies bedeute eine Ermessensreduktion des Tatrichters, dessen „Ermessensbetätigung im Blick auf die verfassungsrechtlichen Vorgaben im Regelfall darauf gerichtet sein muss, dass Steuern, die auf das durch die kriminelle Handlung Erlangte gezahlt worden sind, in Abzug zu bringen sind“.1 Diese Konzeption entspricht wesentlichen (verfassungs-)rechtlichen Wertungen bzw. steuerrechtlichen Konkreti- 13 sierungen: Der Gleichheitsgrundsatz, Art. 3 Abs. 1 GG, verlangt im Steuerrecht eine möglichst gleichmäßige Steuerbelastung, die Besteuerung folgt daher grundsätzlich einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise ohne Rücksicht auf rechtliche oder sittliche Wertungen.2 Zugleich gebietet der Gleichheitsgrundsatz eine Vermeidung von Doppelbelastungen;3 dies setzt jedoch voraus, dem Verfall mit der Rspr. den Strafcharakter abzusprechen: Die maßgeblichen steuerrechtlichen Wertungen ergeben sich dabei aus § 40 AO sowie §§ 4 Nr. 8 S. 4, 12 Nr. 4 EStG.4 § 12 Nr. 4 EStG normiert (wie § 10 Nr. 3 KStG) ein steuerliches Abzugsverbot in Bezug auf „in einem Strafverfahren festgesetzte Geldstrafen, sonstige Rechtsfolgen vermögensrechtlicher Art, bei denen der Strafcharakter überwiegt“. Da nach der vom BFH geteilten Auffassung der Rspr. des BVerfG und des BGH der Verfall (auch nach Umstellung auf das Bruttoprinzip) gerade keinen Strafcharakter hat,5 besteht konsequenterweise kein steuerliches Abzugsverbot gem. § 12 Nr. 4 EStG. Für verfallen erklärte Vermögenswerte können daher grundsätzlich steuermindernd geltend gemacht werden.6

II. Bedeutung von Insolvenz im Rahmen von § 73c Die Frage, ob und ggf. inwieweit bei der Verfallsanordnung die Insolvenz eines Betroffenen zu berücksichtigen 14 ist, dürfte angesichts der massiven Beeinträchtigung der wirtschaftlichen Bewegungsfreiheit durch vorläufige Sicherungsmaßnahmen gem. §§ 111b ff. StPO besondere praktische Bedeutung haben. Auch insoweit ist die Spruchpraxis der BGH-Strafsenate indes nicht einheitlich. Wohl unstreitig dürfte sein, dass die Eröffnung des Insolvenzverfahrens der Anordnung des Verfalls nicht per se 15 unter dem Gesichtspunkt eines vorrangigen Schutzes der Geschädigten in der Insolvenz entgegensteht, zumal die Vorschrift des § 39 Abs. 1 S. 3 InsO lediglich die Frage betrifft, wie ein angeordneter Verfall rangmäßig im Insolvenzverfahren zu behandeln ist. Für die Ermessensentscheidung gem. § 73c Abs. 1 S. 2 Alt. 1 maßgeblich ist – jedenfalls nach Auffassung des 1. Strafsenats – vielmehr die Feststellung, dass die Insolvenzmasse nicht zur Befriedigung vorrangiger Forderungen ausreicht.7 Insoweit sind substantiierte Feststellungen zu treffen, die bloße Angabe, die „vorhandene Insolvenzmasse werde ‚voraussichtlich‘ zur Befriedigung vorrangiger Gläubiger genügen“ ist revisionsrechtlich zu beanstanden.8 Der 5. Strafsenat hat hingegen – allerdings neben einer Reihe weiterer Umstände – die Tatsache, dass sich die Verfallsbeteiligte in Insolvenz befand, ohne insoweit wertmäßige Feststellungen zu treffen, (mit) in die Ermessensentscheidung einbezogen.9 Eine Unterbrechung des Strafverfahrens kommt nach der Rspr. – anders als nach § 240 ZPO – nicht in Betracht, da die Anordnung des Verfalls als strafrechtliche Nebenfolge der strafrichterlichen Erkenntnis vorbehalten bleiben müsse; Ansprüche der Geschädigten würden im Rahmen von § 73 Abs. 1 S. 2 hinreichend berücksichtigt.10

III. Gutgläubigkeit der Geschäftsleitung in „Vertretungsfällen“ Während die Rspr. grundsätzlich den „Ausnahmecharakter“ von § 73c betont, ist sie bei der Anwendung der 16 Härteklausel im Zusammenhang sog. Vertretungsfälle i.S.v. § 73 Abs. 3 vergleichsweise großzügig. So soll bei Gutgläubigkeit des Dritten oder seiner Organe – d.h. insbesondere auch der Unternehmensleitung – „in der Regel“ zu prüfen sein, ob ein Fall unbilliger Härte i.S.v. § 73c Abs. 1 S. 1 vorliegt.11 Wenngleich in solchen Ver1 BGH v. 21.3.2002 – 5 StR 138/01, BGHSt 47, 260, 267; ebenso BGH v. 18.2.2004 – 1 StR 269/03, NStZ-RR 2004, 214, 215. 2 Vgl. zum Verhältnis von § 40 AO zu spezialgesetzlichen Einschränkungen Brockmeyer in Klein, § 40 AO Rz. 2 m.w.N. Die Verfassungsmäßigkeit von § 40 AO hat das BVerfG mit Beschl. v. 12.4.1996 – 2 BvL 18/93 (NJW 1996, 2086) festgestellt. 3 BVerfG v. 23.1.1990 – 1 BvL 4, 5, 6, 7/87, BVerfGE 81, 228, 241, hat in Bezug auf § 17 Abs. 4 OWiG festgestellt, dass es mit Art. 3 Abs. 1 GG „unvereinbar (wäre), wenn für eine Abschöpfungsmaßnahme der Bruttobetrag des erlangten Gewinns zugrunde gelegt, umgekehrt aber der volle Bruttobetrag besteuert würde.“ Die dort entwickelten Grundsätze hat BGH v. 21.3.2002 – 5 StR 138/01, BGHSt 47, 260, 266 ff., auf den Verfall übertragen. 4 Einzelheiten etwa bei Rönnau, Vermögensabschöpfung, Rz. 544 f. 5 Grundlegend BFH v. 6.4.2000 – IV R 31/99, NJW 2000, 3085, 3087. 6 Vgl. BGH v. 21.3.2002 – 5 StR 138/01, BGHSt 47, 260, 264 ff.; BFH v. 6.4.2000 – IV R 31/99, NJW 2000, 3085, 3087. 7 Vgl. BGH v. 30.5.2008 – 1 StR 166/07, BGHSt 52, 227, Rz. 114. 8 Vgl. BGH v. 13.2.2014 – 1 StR 336/13, BGHR StGB § 73c, Härte 16, Rz. 19. 9 BGH v. 2.12.2005 – 5 StR 119/05, BGHSt 50, 299, 313; BGH v. 30.5.2008 – 1 StR 166/07, BGHSt 52, 227, 254, Rz. 115, betont auch in diesem Zusammenhang, dass kein Divergenzfall i.S.v. § 132 Abs. 2 GVG vorliege. 10 BGH v. 2.12.2005 – 5 StR 119/05, BGHSt 50, 299, 312; BGH v. 13.2.2014 – 1 StR 336/13, BGHR StGB § 73c, Härte 16, Rz. 18. 11 Vgl. BGH v. 21.8.2002 – 1 StR 115/02, BGHSt 47, 369, 376; BGH v. 13.7.2006 – 5 StR 106/06, NStZ-RR 2007, 109, 110; BGH v. 29.12.2012 – 2 StR 639/11, wistra 2012, 264, 265; dass in diesen Fällen eine „andere“ Auslegung des § 73 Abs. 3 StGB geboten ist, wird (sogar) von Podolsky, Kap. 26 Rz. 57, anerkannt.

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Härtevorschrift

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§ 73c StGB Rz. 17

Strafgesetzbuch

tretungsfällen bei gutgläubig handelnder Geschäftsführung nach der Rspr. nicht die Vermutung besteht, dass das Vorliegen unbilliger Härte per se anzunehmen ist, so zeigt die Rspr. doch, dass die Annahme eines solchen Falles zumindest naheliegt, sofern der Dritte, dem das Erlangte zuzurechnen ist, ohne eigene Vorwerfbarkeit gehandelt hat. Eine entsprechende Auslegung entspricht im Übrigen auch bereicherungsrechtlichen Wertungen (namentlich dem Rechtsgedanken des § 822 BGB), an die der von der Rspr. als „quasikondiktionelle Ausgleichsmaßnahme“ verstandene strafrechtliche Verfall1 angelehnt ist. 17

Im Rahmen von § 73c ebenfalls zu berücksichtigen, ob und inwieweit das Unternehmen durch entsprechende Compliance-Maßnahmen versucht hat, entsprechende Straftaten zu verhindern, ist angesichts der Haftungsrisiken bei Unterlassen solcher Maßnahmen2 konsequent und geboten.3

F. Prozessuale Aspekte 18

Die Kontrolldichte des Revisionsgerichts ist aufgrund der Ausgestaltung des § 73c Abs. 1 als Generalklausel mit unbestimmtem Rechtsbegriff (Satz 1) bzw. als Ermessensnorm (Satz 2) nach den allgemeinen Grundsätzen beschränkt. Wegen der Beurteilungsprärogative des Tatrichters ist zwar die Gewichtung der für das Vorliegen einer „unbilligen Härte“ maßgeblichen Umstände der revisionsrechtlichen Kontrolle entzogen; allerdings kann mit der Revision die rechtsfehlerfreie Auslegung des Tatbestandsmerkmals „unbillige Härte“ i.S.v. § 73c Abs. 1 S. 1 beanstandet werden.4 Der BGH hatte wiederholt Anlass für die Klarstellung, dass § 73c Abs. 1 im Rahmen der nach § 111i Abs. 2 StPO („Auffangrechtserwerb“) zu treffenden Entscheidung zu berücksichtigen ist und sich insofern auch auf die Gesetzgebungsmaterialien5 bezogen.6

§ 73d Erweiterter Verfall (1) Ist eine rechtswidrige Tat nach einem Gesetz begangen worden, das auf diese Vorschrift verweist, so ordnet das Gericht den Verfall von Gegenständen des Täters oder Teilnehmers auch dann an, wenn die Umstände die Annahme rechtfertigen, daß diese Gegenstände für rechtswidrige Taten oder aus ihnen erlangt worden sind. Satz 1 ist auch anzuwenden, wenn ein Gegenstand dem Täter oder Teilnehmer nur deshalb nicht gehört oder zusteht, weil er den Gegenstand für eine rechtswidrige Tat oder aus ihr erlangt hat. § 73 Abs. 1 Satz 2, auch in Verbindung mit § 73b, und § 73 Abs. 2 gelten entsprechend. (2) Ist der Verfall eines bestimmten Gegenstandes nach der Tat ganz oder teilweise unmöglich geworden, so finden insoweit die §§ 73a und 73b sinngemäß Anwendung. (3) Ist nach Anordnung des Verfalls nach Absatz 1 wegen einer anderen rechtswidrigen Tat, die der Täter oder Teilnehmer vor der Anordnung begangen hat, erneut über den Verfall von Gegenständen des Täters oder Teilnehmers zu entscheiden, so berücksichtigt das Gericht hierbei die bereits ergangene Anordnung. (4) § 73c gilt entsprechend. 1

§ 73d ermöglicht mit der – gegenüber dem „einfachen“ Verfall gem. §§ 73, 73a eigenständigen und streng subsidiären7 – Anordnung des „erweiterten Verfalls“ einen Zugriff auch auf mutmaßlich aus Straftaten stammende Vermögenswerte, wenn der Nachweis einer konkreten Herkunftstat nicht gelingt. Damit ist die Vorschrift im Kern eine Beweiserleichterung.8

2

Die 1988 in Anlehnung an das „Übereinkommen der Vereinten Nationen gegen den unerlaubten Verkehr mit Suchtstoffen und psychotropen Stoffen“9 geschaffene – für verfassungskonform erklärte,10 aber dennoch rechtsstaatlich überaus bedenkliche11 – Regelung ist als Blankettnorm ausgestaltet, sodass sich ihr Anwendungs1 Vgl. BVerfG v. 14.1.2004 – 2 BvR 564/95, BVerfGE 110, 1, 16. 2 Vgl. nur LG München I (5. KfH) v. 10.12.2013 – 5 HKO 1387/10, 5 HK O 1387/10, 5 HK O 1387/10, wistra 2014, 367. 3 So auch Joecks in MüKo-StGB2, § 73c Rz. 31, wobei die Forderung, dass „namentlich dann, wenn bei einer Kapitalgesellschaft Tatbeteiligte nicht die wirtschaftlichen Eigentümer sind, der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz letztlich die Anwendung des Nettoprinzips gebietet“, jedenfalls bei der Rspr. kein Verständnis finden wird. 4 Vgl. BGH v. 13.2.2014 – 1 StR 336/13, BGHR StGB § 73c, Härte 16, Rz. 14/15. 5 Vgl. BT-Drucks. 16/700, S. 16. 6 Vgl. etwa BGH v. 28.10.2010 – 4 StR 215/10, BGHSt 56, 39, Rz. 15; BGH v. 17.9.2013 – 5 StR 258/13, wistra 2013, 474 jew. m. zahlr. Nachw. 7 BGH v. 4.4.2013 – 3 StR 529/12, wistra 2013, 267; st. Rspr., vgl. etwa BGH v. 2.10.2002 – 2 StR 294/02, NStZ-RR 2003, 75, 76; BGH v. 1.12.2005 – 3 StR 382/05, NStZ-RR 2006, 138, 139. 8 Vgl. Rönnau in Volk, MAH2, § 13 Rz. 144; Fischer, StGB63, § 73d Rz. 3 m.w.N. 9 Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 20.12.1998 (UN-Suchtstoffübereinkommen), BGBl. II 1993, S. 1137; BGBl. I 1994, S. 496. 10 Grundlegend BVerfG v. 14.1.2004 – 2 BvR 564/95, BVerfGE 110, 1. 11 Deutlich etwa Saliger in NK-StGB4, § 73d Rz. 2 ff.: „Rückfall in die obrigkeitsstaatliche Vermögenskonfiskation, der freiheitliche Kernbereiche des rechtstaatlichen Strafrechts einer Orientierung an generalpräventiven Interessenslagen unterordnet“; Herzog, JR 2004, 494, zahlr. w. Nachw. bei Fischer, StGB63, § 73d Rz. 4.

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Rz. 4 § 73e StGB

bereich relativ flexibel variieren – und das heißt i.d.R.: erweitern – lässt, ohne § 73d selbst ändern zu müssen. Der Gesetzgeber hat von dieser Möglichkeit extensiv Gebrauch gemacht.1 Entgegen dem ersten Gesetzentwurf der Bundesregierung2 war der Anwendungsbereich von Anfang an nicht auf den Bereich der Betäubungsmitteldelikte beschränkt, sondern bezog daneben zahlreiche sonstige nach Einschätzung des Gesetzgebers „durch besonderes Gewinnstreben der Beteiligten und hohe Gewinnträchtigkeit der Taten gekennzeichnete Formen der Organisierten Kriminalität“3 ein. Mittlerweile sind neben bestimmten Verstößen gegen das Asylverfahrensgesetz, das Ausländergesetz, das Kriegswaffenkontrollgesetz, das Waffen- oder das Außenwirtschaftsgesetz zahlreiche Tatbestände des Strafgesetzbuchs – von der Bildung einer terroristischen Vereinigung bis hin zur Bestechung im geschäftlichen Verkehr – in banden- oder gewerbsmäßiger Begehungsform erfasst.4 Gleichwohl liegt der Schwerpunkt des Anwendungsbereichs in der Praxis klar im Bereich der Betäubungsmit- 3 teldelikte.5 Wirtschaftsstrafrechtsspezifische Besonderheiten lassen sich kaum ausmachen, sodass an dieser Stelle keine weitere Kommentierung der Vorschrift erfolgt.6

§ 73e Wirkung des Verfalls (1) Wird der Verfall eines Gegenstandes angeordnet, so geht das Eigentum an der Sache oder das verfallene Recht mit der Rechtskraft der Entscheidung auf den Staat über, wenn es dem von der Anordnung Betroffenen zu dieser Zeit zusteht. Rechte Dritter an dem Gegenstand bleiben bestehen. (2) Vor der Rechtskraft wirkt die Anordnung als Veräußerungsverbot im Sinne des § 136 des Bürgerlichen Gesetzbuches; das Verbot umfaßt auch andere Verfügungen als Veräußerungen. Die Vorschrift regelt die Rechtswirkung des (Original-)Verfalls gem. § 73 und des erweiterten Verfalls, § 73d; 1 für den Verfall von Wertersatz, § 73a, ist die Norm hingehen unbeachtlich. § 73e ist im Zusammenhang mit den §§ 111b ff. StPO zur vorläufigen Verfallssicherung zu sehen, so dass drei zeitliche Stufen mit unterschiedlichen Rechtsfolgen zu unterscheiden sind:7

A. Beschlagnahme Eine vollstreckungssichernde Beschlagnahme gem. §§ 111b Abs. 1, 111c StPO begründet ein relatives Veräuße- 2 rungsverbot zugunsten des Fiskus (§ 111c Abs. 5 StPO i.V.m. §§ 135, 136 BGB) mit der Folge, dass Verfügungen dem Fiskus gegenüber unwirksam sind.8

B. Vor Rechtskraft Gem. § 73e Abs. 2 hat eine nicht rechtskräftige Verfallsanordnung dieselben Rechtsfolgen wie eine Beschlagnah- 3 me. Ein gutgläubiger Erwerb eines Dritten ist nach Maßgabe der §§ 932 ff. BGB zwar möglich, jedoch soll in Bezug auf Verfallsgegenstände ein strengerer Maßstab gelten.9

C. Nach Rechtskraft, Absatz 1 I. Wirkung für das Verfallsobjekt, Absatz 1 S. 1 Eine rechtskräftige Verfallsanordnung führt gem. §§ 73e StGB, 60 StrafVollstrO ohne weiteren Übertragungsakt 4 zum Eigentumsübergang des Staates (Landesjustizfiskus), sofern das Eigentum oder das andere Recht im Zeitpunkt der tatrichterlichen Entscheidung dem Tatbeteiligten, einem anderen i.S.v. § 73 Abs. 3 StGB oder einem Dritten unter den Voraussetzungen von § 73 Abs. 4 StGB zusteht oder herrenlos ist.10 Nimmt das erkennende Gericht diese Voraussetzungen fälschlicherweise an, ist die Anordnung unwirksam, ohne dass es eines Nachver-

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Zu den jew. Änderungsgesetzen Joecks in MüKo-StGB2, § 73d Rz. 8. BT-Drucks. 11/6623, S. 3, 6. BT-Drucks. 12/989, S. 24. Etwa § 33 Abs. 1 BtMG, §§ 84, 84a AsylVerfG, §§ 92a, 92b AuslG, § 24 KWKG, § 56 WaffG, § 36 AWG, §§ 129b Abs. 2, 150 Abs. 1, 181c, 184 Abs. 6, 233b Abs. 2, 244 Abs. 3, 244a Abs. 3, 256 Abs. 2, 260 Abs. 3, 260a Abs. 3, 261 Abs. 7, 263 Abs. 7, 282 Abs. 1, 286 Abs. 1, 302 Abs. 2, 338 Abs. 1, 338 Abs. 2 StGB; BGH v. 20.9.1995 – 3 StR 267/95, BGHSt 41, 278, 284, spricht insofern von „Katalogtaten“. Vgl. Rönnau in Volk, MAH2, § 13 Rz. 415; Fischer, StGB63, § 73d Rz. 2. Eingehend und krit. etwa Saliger in NK-StGB4, § 73d Rz. 2 ff. Vgl. Fischer, StGB63, § 73e Rz. 2. Vgl. Schmitt in Meyer-Goßner/Schmitt59, § 111c StPO Rz. 10. Vgl. Saliger in NK-StGB4, § 73e Rz. 4 m. Verw. auf OLG München v. 26.5.1982 – 1 Ws 378/82, NJW 1982, 2330. Vgl. Fischer, StGB63, § 73e Rz. 5 m.w.N.

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Wirkung des Verfalls

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§ 73e StGB Rz. 5

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fahrens, § 439 StPO, bedürfte.1 Bei grenzüberschreitender Vollstreckung des Verfalls von im Ausland belegenen Gegenständen sind die transnationalen Erfordernisse zu beachten.2

II. Rechte Dritter, Absatz 1 S. 2 5

Rechte Dritter an dem Verfallsobjekt bleiben unabhängig davon bestehen, ob das Gericht ihre Existenz kennt; über die Ablösung fortbestehender beschränkt dinglicher Rechte hat sich der Fiskus mit dem Dritten auseinanderzusetzen.3

§§ 74–75

(vom Abdruck wird abgesehen)

Gemeinsame Vorschriften

§ 76 Nachträgliche Anordnung von Verfall oder Einziehung des Wertersatzes Ist die Anordnung des Verfalls oder der Einziehung eines Gegenstandes nicht ausführbar oder unzureichend, weil nach der Anordnung eine der in §§ 73a, 73d Abs. 2 oder § 74c bezeichneten Voraussetzungen eingetreten oder bekanntgeworden ist, so kann das Gericht den Verfall oder die Einziehung des Wertersatzes nachträglich anordnen.

A. Anwendungsbereich, Rechtsnatur, Systematik 1

Die auf Verfall, erweiterten Verfall und Einziehung gleichermaßen anwendbare Vorschrift ermöglicht die nachträgliche Anordnung dieser Maßnahmen – d.h. nach und unter Durchbrechung der Rechtskraft – ohne erneute mündliche Verhandlung aufgrund von im Nachhinein eingetretener oder bekannt gewordener Umstände, etwa, weil der ursprüngliche Einziehungs-/Verfallsgegenstand inzwischen wirksam an einen gutgläubigen Dritten veräußert wurde.4 Da die nachträgliche Entscheidung nur bei Wegfall der ursprünglichen Anordnungsvoraussetzungen ergehen kann,5 liegt darin kein Verstoß gegen das Doppelbestrafungsverbot (dessen Anwendung bei Ablehnung des Strafcharakters des Verfalls ohnehin fraglich wäre); es handelt sich daher vielmehr um eine „Ersatzsanktion“.6

B. Voraussetzungen I. Nichtdurchführbare oder unzureichende Verfallsanordnung 2

Undurchführbar ist die Maßnahme, wenn das ursprüngliche Verfalls- oder Einziehungsobjekt dem staatlichen Zugriff entzogen wurde. So kann der Verfall des Wertersatzes i.S.v. § 73a StGB etwa dann nachträglich angeordnet werden, wenn der Tatbeteiligte die Sache verbraucht oder unauffindbar zur Seite geschafft hat. Eine unzureichende Verfallsanordnung liegt beispielsweise vor, wenn das Verfalls- oder Einziehungsobjekt inzwischen wirksam mit Drittrechten belastet wurde.7

II. Nachträgliche Umstände 3

Die zugrunde liegenden Ereignisse müssen erst nach der Anordnung der Einziehung oder des Verfalls bekanntgeworden – aber nicht notwendig auch erst dann eingetreten – sein, vgl. § 76 Var. 2. Maßgeblich ist, dass der Umstand bei der ursprünglichen Anordnung der Abschöpfungsmaßnahme aufgrund der Unkenntnis des Gerichts bei der letzten tatrichterlichen Entscheidung nicht berücksichtigt werden konnte.8

1 Vgl. Eser in S/S-StGB29, § 73e Rz. 3; Fischer, StGB63, § 73e Rz. 5 jew. m.w.N. 2 Vgl. Eser in S/S-StGB29, § 73e Rz. 8 m.w.N.; zu Giroguthaben bei einer im Ausland (Luxemburg) belegenen Bank vgl. BGH v. 11.6.2001 – 1 StR 111/01, wistra 2001, 379; vgl. auch BGH v. 3.5.2000 – 1 StR 125/00, NStZ 2000, 483 (Grundstück in Spanien). 3 Vgl. Rönnau in Volk, MAH2, § 13 Rz. 435 m.w.N. 4 Vgl. Joecks in MüKo-StGB2, § 73 Rz. 1. 5 Vgl. Schmidt, Vermögensabschöpfung, Rz. 490 m.w.N. 6 Eser in S/S-StGB29, § 73 Rz. 1. 7 Vgl. Fischer, StGB63, § 76 Rz. 3. 8 Vgl. Fischer, StGB63, § 76 Rz. 2; Horn in SK-StGB8, § 76 Rz. 4.

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Rz. 2 § 76a StGB

C. Prozessuale Aspekte Die nach pflichtgemäßem Ermessen zu treffende Entscheidung ergeht ohne erneute mündliche Verhandlung 4 durch Beschluss des Gerichts des ersten Rechtszugs (§ 462 Abs. 1 S. 2 StPO), nachdem zuvor der StA und dem Verurteilten rechtliches Gehör gewährt bzw. Gelegenheit zur Antragstellung gegeben wurde.1

§ 76a Selbständige Anordnung (1) Kann wegen der Straftat aus tatsächlichen Gründen keine bestimmte Person verfolgt oder verurteilt werden, so muß oder kann auf Verfall oder Einziehung des Gegenstandes oder des Wertersatzes oder auf Unbrauchbarmachung selbständig erkannt werden, wenn die Voraussetzungen, unter denen die Maßnahme vorgeschrieben oder zugelassen ist, im übrigen vorliegen. (2) Unter den Voraussetzungen des § 74 Abs. 2 Nr. 2, Abs. 3 und des § 74d ist Absatz 1 auch dann anzuwenden, wenn 1. die Verfolgung der Straftat verjährt ist oder 2. sonst aus rechtlichen Gründen keine bestimmte Person verfolgt werden kann und das Gesetz nichts anderes bestimmt. Einziehung oder Unbrauchbarmachung dürfen jedoch nicht angeordnet werden, wenn Antrag, Ermächtigung oder Strafverlangen fehlen. (3) Absatz 1 ist auch anzuwenden, wenn das Gericht von Strafe absieht oder wenn das Verfahren nach einer Vorschrift eingestellt wird, die dies nach dem Ermessen der Staatsanwaltschaft oder des Gerichts oder im Einvernehmen beider zuläßt.

A. Anwendungsbereich und Rechtsnatur Unter den Voraussetzungen von § 76a können Maßnahmen i.S.d. §§ 73 bis 74 in einem „selbständigen Verfah- 1 ren“ angeordnet werden, sofern ein „reguläres“, subjektives Strafverfahren aus den dort genannten Gründen nicht oder nicht mehr durchführbar ist. Der Sache nach wird die Entscheidung über die Anordnung von Verfall oder Einziehung insoweit von Fragen der Schuld und Strafbarkeit isoliert, als die selbständige Anordnung kein Unwerturteil enthält, wie es durch den Strafausspruch zum Ausdruck kommt. Das VerfG Brandenburg hat insofern festgestellt, der Tenor der selbständigen Anordnung enthalte „keine Entscheidung über Schuld oder Nichtschuld und damit über die Strafbarkeit eines bestimmten Beschuldigten“. Anders als der Betroffene „dies empfinden mag“, gehe es „nicht um den Vorwurf strafrechtlicher Schuld, sondern allein um die Anordnung der Einziehung unter den dafür bestimmten Voraussetzungen“. Die selbständige Anordnung könne daher auch ergehen, wenn schuldhaftes Verhalten nicht vorliegt und verstoße auch nicht gegen die Unschuldsvermutung.2 Mit etwas Zynismus lässt sich sagen, das „objektive Verfahren“ leite seinen Namen aus der Rolle des Betroffenen als Verfahrensobjekt ab. Ganz unzutreffend ist dies nicht: Ist der Verfall bzw. die Einziehung erst einmal von Fragen der Schuld isoliert und soll es – ganz nüchtern und ohne Strafvorwurf – „nur“ darum gehen, unrechtmäßige Vermögensverschiebungen aufzuheben und gleichsam rückabzuwickeln, so spielt der – mögliche – Täter keine große Rolle mehr. Es geht schließlich dem objektiven Verfahren nicht um subjektive Vorwerfbarkeit und nicht um das Subjekt des Handelnden, sondern um die Zuordnung von Vermögensobjekten. Die Frage der Strafbarkeit spielt allerdings insofern eine Rolle, als die im Rahmen des Verfahrens nach §§ 440 ff. StPO unter den dortigen Prämissen inzident zu prüfenden Voraussetzungen der „Tat“ i.S.v. §§ 73 ff. StGB vorliegen müssen.3 Die Bedeutung der Vorschrift besteht mithin darin, materiellrechtlich die Verbindung von Verfall und Einzie- 2 hung mit einem subjektiven Verfahren zu lösen4 und zugleich einen besonderen prozessualen Weg zu eröffnen, um die Rechtsfolgen der §§ 73 ff. StGB herbeizuführen, ohne deren Voraussetzungen zu modifizieren: Besondere, gegenüber den §§ 73 ff. abweichende Anordnungsvoraussetzungen sieht die Vorschrift – wie sich aus § 76a Abs. 1 StGB ergibt: „… wenn die Voraussetzungen, unter denen die Maßnahme vorgeschrieben oder zugelassen ist, im übrigen vorliegen“5 – daher nicht vor; lediglich das Verfahren ist ein anderes, das sog. objektive Verfahren richtet sich nach §§ 440–442 StPO. Die Rechtsnatur der Maßnahmen nach §§ 73 ff. StGB soll sich durch ihre selbständige Anordnung nach wohl überwiegend vertretener Auffassung nicht ändern.

1 Etwa Joecks in MüKo-StGB2, § 73 Rz. 9. 2 VerfG Brandenburg v. 17.10.1996 – VfGBbg 19/95, NStZ 1997, 93. 3 Es erschließt sich nicht, warum das VerfG Brandenburg davon spricht, die strafrechtliche Wertung sei „nur“ inzident zu prüfen, vgl. Beschl. v. 17.10.1996 – VerfGBbg 19/95, NStZ 1997, 93. 4 Schmidt in LK-StGB12, § 76a Rz. 4. 5 Angesichts der eindeutigen Formulierung ist fraglich, warum es mehrfach der höchstrichterlichen Feststellung bedurfte, vgl. BGH v. 23.9.1959 – 2 StR 259/59, BGHSt 13, 311, sowie w.N. bei Joecks in MüKo-StGB2, § 76a Rz. 3, Fn. 4 und 5, dass in § 76a StGB keine Ausweitung des Verfall- und Einziehungsrechts gesehen werden kann.

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StGB

Selbständige Anordnung

StGB

§ 76a StGB Rz. 3

Strafgesetzbuch

B. Voraussetzungen 3

Entscheidend dafür, ob eine selbständige Anordnung überhaupt in Betracht kommt, ist die Frage, ob sich die Unmöglichkeit der Durchführung eines subjektiven Verfahrens aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen ergibt:

4

Eine selbständige Anordnung von Verfall/Wertersatzverfall ist ausschließlich bei tatsächlichen Hinderungsgründen möglich. Die selbständige Einziehung/Wertersatzeinziehung ist ebenfalls nur bei Unmöglichkeit aus tatsächlichen Gründen statthaft (§ 76a Abs. 1). Nur die „sicherungsbedingte Einziehung“ i.S.v. §§ 74 Abs. 2 Nr. 2, Abs. 3, 74d StGB kann zudem auch bei rechtlichen Verfolgungs- oder Verurteilungshindernissen angeordnet werden (§ 76 Abs. 2); insofern spricht der Gesetzgeber von einer „Ausnahmeregelung“,1 die erforderlich sei, um eine „Gefahr für die Allgemeinheit“ zu beseitigen.2 § 76 Abs. 3 lässt die selbständige Anordnung von Verfall, Einziehung und Unbrauchbarmachung auch zu, sofern das Gericht trotz Schuldspruchs von Strafe absieht (§ 60 StGB) oder wenn das Verfahren nach Ermessen der StA oder des Gerichts aus Opportunitätsgründen eingestellt wird (§§ 153 ff., 383 Abs. 2 StPO, §§ 45, 47 JGG, § 37 BtMG; also gerade nicht bei Einstellung gem. §§ 170 Abs. 2, 206 StPO).3

I. Tatsächliche Gründe 5

Tatsächliche Gründe, die der Verfolgung oder Verurteilung einer bestimmten Person entgegenstehen, sind „Umstände, die die Verfolgbarkeit hindern aber die Strafbarkeit des Täters nicht berühren“.4 Sie sollen insbesondere vorliegen, wenn sich der Täter dem Verfahren durch Abwesenheit, Flucht oder Verbergen entzieht, wenn der Täter unbekannt bleibt oder wenn unter mehreren Tatverdächtigen der wirkliche Täter nicht ermittelt werden kann.5

II. Rechtliche Gründe 6

Hingegen sind rechtliche Gründe – die allein die selbständige Sicherungseinziehung gem. § 76a Abs. 2 rechtfertigen – Verfahrenshindernisse i.S.v. § 206a StPO, also etwa die Verjährung der Tat,6 ein fehlender Strafantrag (bei absoluten Antragsdelikten bzw. zusätzlich fehlendes öffentliches Interesse an der Strafverfolgung bei relativen Antragsdelikten), dauernde Verhandlungsunfähigkeit7 oder Eingreifen des Doppelbestrafungsverbotes ne bis in idem, Art. 103 Abs. 3 GG.

III. Abgrenzungsschwierigkeiten 7

Die zunächst eindeutige scheinende Differenzierung zwischen tatsächlichen und rechtlichen Gründen kann jedoch in der praktischen Anwendung des § 76a StGB erhebliche Schwierigkeiten bereiten.

8

Problematisch ist etwa die rechtliche Einordnung der Abwesenheit des – vermeintlichen – Täters.8 Ähnliche Unklarheiten bestehen beim Tod des Beschuldigten, der nach wohl überwiegender Auffassung als rechtliches Hindernis zu qualifizieren ist, mit der Folge, dass allenfalls eine Sicherungseinziehung unter den Voraussetzungen des § 76a Abs. 2 StGB im selbständigen Verfahren angeordnet werden kann. Das OLG Frankfurt hat auf dieser Grundlage mit ausführlicher Begründung entschieden, dass die Anordnung des Erweiterten Verfalls gegen eine Erbin des verstorbenen Beschuldigten nicht in Betracht komme,9 befindet sich damit jedoch im erklärten Widerspruch zu einer Entscheidung des OLG Stuttgart, wonach die selbständige Anordnung (jedenfalls) des Erweiterten Verfalls auch nach dem Tod des Beschuldigten gegen dessen Erben möglich sein soll.10

C. Prozessuale Besonderheiten – „Objektives Verfahren“ 9

Der selbständige Verfall wird durch Beschluss gem. §§ 442 Abs. 1 i.V.m. § 441 Abs. 2 StPO angeordnet.

1 Vgl. Begründung zu § 41b StGB (Vorgängervorschrift des heutigen § 76a StGB), BT-Drucks. V/2600, S. 15. Die heutige Fassung des § 76a StGB geht auf das 21. StrÄndG v. 13.6.1985, BGBl. I, S. 1965, zurück. 2 BT-Drucks. V/2600, S. 15. 3 Etwa Fischer, StGB63, § 76a Rz. 11 m.w.N. 4 Joecks in MüKo-StGB2, § 76a Rz. 5. 5 Beispiele bei Schmidt in LK-StGB12, § 76a Rz. 8 m.w.N. 6 Vgl. OLG Hamm v. 6.7.1976 – 5 StR 227/76, NJW 1976, 2223. 7 Vgl. OLG Celle v. 24.10.1994 – OJs 47/92, NStZ-RR 1996, 209. 8 Eingehend Kempf/Schilling, Vermögensabschöpfung, Rz. 206 ff. 9 OLG Frankfurt v. 10.10.2005 – 3 Ws 860/05, NStZ-RR 2006, 39, 40. 10 OLG Stuttgart v. 26.4.2000 – 4 Ws 65/2000, NJW 2000, 2598.

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Rz. 3 § 77 StGB

Vierter Abschnitt. Strafantrag, Ermächtigung, Strafverlangen

§ 77 Antragsberechtigte (1) Ist die Tat nur auf Antrag verfolgbar, so kann, soweit das Gesetz nichts anderes bestimmt, der Verletzte den Antrag stellen. (2) Stirbt der Verletzte, so geht sein Antragsrecht in den Fällen, die das Gesetz bestimmt, auf den Ehegatten, den Lebenspartner und die Kinder über. Hat der Verletzte weder einen Ehegatten, oder einen Lebenspartner noch Kinder hinterlassen oder sind sie vor Ablauf der Antragsfrist gestorben, so geht das Antragsrecht auf die Eltern und, wenn auch sie vor Ablauf der Antragsfrist gestorben sind, auf die Geschwister und die Enkel über. Ist ein Angehöriger an der Tat beteiligt oder ist seine Verwandtschaft erloschen, so scheidet er bei dem Übergang des Antragsrechts aus. Das Antragsrecht geht nicht über, wenn die Verfolgung dem erklärten Willen des Verletzten widerspricht. (3) Ist der Antragsberechtigte geschäftsunfähig oder beschränkt geschäftsfähig, so können der gesetzliche Vertreter in den persönlichen Angelegenheiten und derjenige, dem die Sorge für die Person des Antragsberechtigten zusteht, den Antrag stellen. (4) Sind mehrere antragsberechtigt, so kann jeder den Antrag selbständig stellen. Literatur (Auswahl): Geerds, Zur Rechtsstellung des Verletzten im Strafprozeß, JZ 1984, 786; Kett-Straub, Der Strafantrag gemäß § 77 StGB, JA 2011, 694; Maiwald, Die Beteiligung des Verletzten am Strafverfahren, GA 1970, 33; Mitsch, Strafantragsdelikte, JA 2014, 1; Naucke, Der Strafantrag, die Strafverfolgungsermächtigung usw., GA 1966, 353; Rieß, Nebenklage und Strafantrag, NStZ 1989, 102; Schröter, Der Begriff des Verletzten im Strafantragsrecht (§ 77 Abs. 1 StGB, 1998; Stree, Zur Vertretung beim Strafantrag, NJW 1956, 454; Wolter, Verjährung, Strafantrag, Wahlfeststellung, Konkurrenzen: strikte Prozessrechtsinstitute in materiellem Gewand – Gesetzlichkeitsprinzip, Gesetzesalternativität und Großer Senat, GA 2016, 316; Zielinski, Strafantrag – Strafantragsrecht, GS H. Kaufmann, 1986, S. 875.

A. Zwecke, Funktion und Rechtsnatur des Strafantrages Der vierte Abschnitt des Allgemeinen Teils des StGB regelt das Strafantragsrecht (§§ 77 ff.). § 77 bestimmt als 1 erste Vorschrift die Person des Antragsberechtigten (Absatz 1) und regelt zugleich den Übergang des Strafantragsrechts (Absatz 2) sowie seine Ausübung bei nicht voll Geschäftsfähigen (Absatz 3). Dem Institut des Strafantrages liegt die Wertung zugrunde, dass es Fallgestaltungen gibt, in denen die Verwirklichung des staatlichen Strafanspruches hinter den Interessen des Verletzten zurückzutreten hat, sei es aus dem Grund, dass der Verletzte seine Intimsphäre (z.B. § 182 Abs. 3) oder den Familienfrieden (z.B. §§ 247, 263 Abs. 4, 266 Abs. 2) vor staatlichem Zugriff schützen möchte, oder sei es aus dem Grund, dass das Allgemeininteresse so verschwindend gering ist, dass eine Strafverfolgung nicht geboten erscheint (z.B. § 248a).1 Neben diesen Wertungsgesichtspunkten bezweckt das Erfordernis eines Strafantrages auch die Entlastung der Strafjustiz durch eine Verlagerung der Konfliktlösung aus dem Strafrecht hinaus in andere Bereiche.2 Das System des Strafantragsrechts stellt eine Abweichung vom Offizialprinzip (§§ 152 Abs. 2, 160 StPO) dar, 2 nach welchem Straftaten grundsätzlich von Amts wegen und unabhängig vom Willen des Verletzten zu verfolgen sind (Funktion). Während das Stellen eines Strafantrages bei den absoluten Antragsdelikten (z.B. § 123 Abs. 2) stets Voraussetzung für eine Strafverfolgung ist, ist dies bei den relativen Antragsdelikten (z.B. § 247) nur in bestimmten Fällen gefordert. Daneben gibt es Antragsdelikte, die ein Einschreiten der Strafverfolgungsbehörden von Amts wegen ermöglichen (z.B. § 248a) und die als relative Offizialdelikte bezeichnet werden können.3 Der Strafantrag ist eine von Amts wegen zu beachtende und nach den Grundsätzen des Freibeweises4 zu prü- 3 fende Prozessvoraussetzung,5 deren Fehlen zu einem Verfahrenshindernis führt.6 Bei fehlendem Strafantrag ist das Verfahren durch Beschluss (§ 206a StPO) oder Urteil (§ 260 Abs. 3 StPO) einzustellen,7 sofern der Straf-

1 Kargl in NK-StGB, Vor §§ 77 ff. Rz. 2; Mitsch in MüKo-StGB, Vor §§ 77 ff. Rz. 17; Rosenau in S/S-StGB, § 77 Rz. 1; Schmid in LK-StGB, Vor § 77 ff. Rz. 3; Sternberg-Lieben/Bosch in S/S-StGB, § 77 Rz. 5; Wolter in SK-StGB, Vor § 77 Rz. 3 ff. 2 Vgl. Kett-Straub, JA 2011, 694, 695. 3 Mitsch in MüKo-StGB, Vor §§ 77 ff. Rz. 2 [bedingte Antragsdelikte]; Schmid in LK-StGB, Vor §§ 77 ff. Rz. 6; Wolter in SK-StGB, Vor § 77 Rz. 1. 4 BGH v. 8.4.1954 – 3 StR 836/53, BGHSt 6, 155; BGH v. 9.6.1964 – 1 StR 105/64, BGHSt 19, 321; Rosenau in S/S-StGB, § 77 Rz. 6; Sternberg-Lieben/Bosch in S/S-StGB, § 77 Rz. 6–8; Wolter in SK-StGB, Vor § 77 Rz. 14. 5 Str., wie hier: BGH v. 8.4.1954 – 3 StR 836/53, BGHSt 6, 155, 156; Fischer, StGB, Vor § 77 Rz. 4; Kargl in NK-StGB, Vor §§ 77 ff. Rz. 13 ff.; Mitsch in MüKo-StGB, Vor §§ 77 ff. Rz. 10; Rosenau in S/S-StGB, § 77 Rz. 4; Schmid in LK-StGB, Vor §§ 77 ff. Rz. 7; Sternberg-Lieben/Bosch in S/S-StGB, § 77 Rz. 6–8. A.A. [Materiellrechtliche Einordnung] Maiwald, GA 1970, 33, 38. A.A. [Prozessrechtsinstitut mit materiellrechtlichem Einschlag] Wolter in SK-StGB, Vor § 77 Rz. 8 ff. 6 Mitsch in MüKo-StGB, Vor §§ 77 ff. Rz. 10; Rosenau in S/S-StGB, § 77 Rz. 4. 7 Kargl in NK-StGB, Vor §§ 77 ff. Rz. 19; Sternberg-Lieben/Bosch in S/S-StGB, § 77 Rz. 48.

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StGB

Antragsberechtigte

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§ 77 StGB Rz. 4

Strafgesetzbuch

antrag nicht nachholbar ist.1 Bei tatsächlichen Zweifeln über das Vorliegen eines wirksamen Strafantrages ist zugunsten des Angeklagten vom Nichtvorliegen auszugehen (in dubio pro reo).2 4

Nach § 158 StPO kann der Strafantrag überall gestellt werden, wo eine Strafverfolgung möglich ist (Absatz 1), im Hinblick auf die Form ist einfache Schriftlichkeit ausreichend (Absatz 2). Inhaltlich muss der Strafantrag zum Ausdruck bringen, dass der eindeutige Wille des Antragsberechtigten zur strafrechtlichen Verfolgung der bezeichneten Handlung besteht.3

B. Antragsberechtigte 5

Als Antragsberechtigte kommen drei verschiedene Personengruppen in Betracht: der Verletzte als primär Antragsberechtigter (Absatz 1, Rz. 6), der sekundär Antragsberechtigte, auf den das Antragsrecht im Falle des Todes des primär Antragsberechtigten übergeht (Absatz 2, Rz. 7), und vertretungsbefugte Personen, die das Antragsrecht für den an sich Berechtigten, aber nicht voll Geschäftsfähigen wahrnehmen können (Absatz 3, Rz. 8).

I. Primär Antragsberechtigter und Verletztenbegriff (Absatz 1) 6

Antragsberechtigt ist nur der Verletzte. Verletzter ist der Rechtsgutsinhaber, in dessen Rechtsbereich durch die Tat unmittelbar eingegriffen wird.4 Die Beurteilung, wer im konkreten Einzelfall Verletzter ist, bestimmt sich nach den objektiven Begebenheiten zum Zeitpunkt der Tat.5 Nicht nur natürliche Personen können verletzt sein, sondern auch juristische Personen oder Personengesellschaften, bei denen das Antragsrecht regelmäßig von dem zuständigen Organ ausgeübt wird.6 Im Einzelnen bedeutet dies: Für die GmbH ist grundsätzlich der Geschäftsführer antragsberechtigt,7 bei einer Ein-Mann-GmbH der Alleingesellschafter8 und im Insolvenzfall der Insolvenzverwalter,9 beim rechtsfähigen Verein und der AG der Vorstand,10 beim nicht rechtsfähigen Verein die satzungsmäßigen Vertreter,11 bei der OHG jeder persönlich haftende Gesellschafter12 und bei Gesamthandsgemeinschaften der einzelne Gemeinschafter als Rechtsträger.13 Wirtschaftsstrafrechtlich relevante Spezialbestimmungen zum Antragsrecht enthalten § 301 Abs. 2, § 85 Abs. 3 GmbHG, § 333 Abs. 3 HGB. Für den Fall, dass die verbotene Handlung des Täters bei § 299 dem Geschäftsherren gegenüber pflichtwidrig ist (§ 299 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 2, dazu § 299 StGB Rz. 39 ff., 62), ist auch der Geschäftsherr antragsberechtigt.14

II. Sekundär Antragsberechtigte (Absatz 2) 7

Für den Fall des Todes des Antragsberechtigten geht dessen Antragsrecht nach der in Absatz 2 bestimmten Maßgabe auf die Angehörigen über, sofern das Gesetz dies explizit regelt (z.B. §§ 165 Abs. 1, 194 Abs. 1, 2, 205 Abs. 2, 230 Abs. 1 – nicht bei § 26615).16 Dies setzt freilich voraus, dass das Antragsrecht des Verletzten nicht bereits zu seinen Lebzeiten erloschen war.17 Angehörige sind in erster Linie Ehegatten und Lebenspartner, sofern die Ehe bzw. Lebenspartnerschaft zum Zeitpunkt des Todes noch bestand,18 sowie eheliche und uneheliche leibliche Abkömmlinge inklusive Adoptivkindern.19 Ist kein Antragsberechtigter nach Abs. 2 S. 1 vorhanden, so geht das Antragsrecht nach Abs. 2 S. 2 auf die Eltern,20 und bei deren Tod auf die Geschwister und Enkel über. Zu beachten sind die möglichen Ausschlussgründe des Übergangs nach Abs. 2 S. 3, S. 4.

1 BGH v. 24.3.1955 – 4 StR 613/54, BGHSt 7, 245, 246; BGH v. 12.3.1968 – 5 StR 722/67, BGHSt 22, 103, 105; Schmid in LK-StGB, Vor §§ 77 ff. Rz. 11. 2 BGH v. 21.2.1968 – 2 StR 719/67, BGHSt 22, 90, 93; Fischer, StGB, Vor § 77 Rz. 4; Kargl in NK-StGB, Vor §§ 77 ff. Rz. 18; Kett-Straub, JA 2011, 694, 695; Schmid in LK-StGB, Vor §§ 77 ff. Rz. 10. 3 BGH v. 16.11.1959 – 2 StR 430/59, BGHSt 13, 363; Schmid in LK-StGB, § 77 Rz. 13; Wolter in SK-StGB, § 77 Rz. 21. 4 BGH v. 18.1.1983 – 1 StR 490/82, BGHSt 31, 207, 210; Fischer, StGB, § 77 Rz. 2; Rosenau in S/S-StGB, § 77 Rz. 9; Sternberg-Lieben/Bosch in S/S-StGB, § 77 Rz. 10. Zum Verletztenbegriff bei einzelnen Delikten Schmid in LK-StGB, § 77 Rz. 25 ff. 5 Mitsch in MüKo-StGB, § 77 Rz. 4; Wolter in SK-StGB, § 77 Rz. 3. 6 OLG Köln v. 10.6.1982 – 1 Ss 738/81, NJW 1982, 2680; Mitsch in MüKo-StGB, § 77 Rz. 5; Wolter in SK-StGB, § 77 Rz. 5. 7 BGH v. 8.1.1954 – 1 StR 260/53, BGHSt 6, 186, 187; KG v. 16.11.1989 – (4) 1 Ss 33/89 (15/89), NStZ 1990, 144. 8 BGH v. 30.4.2009 – 1 StR 342/08, StraFo 2009, 390. 9 OLG Frankfurt v. 9.6.2006 – 3 Ws 508/06, NStZ-RR 2006, 342, 343. 10 Für den rechtsfähigen Verein: RGSt 58, 202, 203; für die AG: RGSt 47, 338, 339. 11 BGH v. 19.8.1982 – 4 StR 387/82, NStZ 1982, 508. 12 BGH v. 26.2.1987 – 1 StR 5/87, MDR [H] 1987, 622, 624. 13 BGH v. 26.2.1987 – 1 StR 5/87, wistra 1987, 218; Schmid in LK-StGB, § 77 Rz. 39. 14 BGH v. 18.1.1983 – 1 StR 490/82, BGHSt 31, 207, 210. 15 OLG Hamm v. 6.6.2003 – 2 Ss 367/03, wistra 2003, 356. 16 Kargl in NK-StGB, § 77 Rz. 31; Wolter in SK-StGB, § 77 Rz. 8. 17 Rosenau in S/S-StGB, § 77 Rz. 15; Wolter in SK-StGB, § 77 Rz. 8. 18 Sternberg-Lieben/Bosch in S/S-StGB, § 77 Rz. 12. 19 Mitsch in MüKo-StGB, § 77 Rz. 20; Schmid in LK-StGB, § 77 Rz. 58; Sternberg-Lieben/Bosch in S/S-StGB, § 77 Rz. 12. 20 Erfasst sind die Adoptiveltern, nicht jedoch die Stief- oder Pflegeeltern, Kargl in NK-StGB, § 77 Rz. 35.

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Rz. 2 § 77a StGB

III. Vertretung des Antragsberechtigten (Absatz 3). Während eine Stellvertretung bei der Abgabe der Strafantragserklärung stets statthaft ist, ist dies bei der Aus- 8 übung des Antragsrechts nur in bestimmten Fällen zulässig.1 Absatz 3 gibt vor, dass Geschäftsunfähige oder beschränkt Geschäftsfähige einen Strafantrag als Verletzte nur über einen gesetzlichen Vertreter stellen können. Wer genau das ist, bestimmt sich nach den Regeln des Bürgerlichen Rechts.2 Ist der gesetzliche Vertreter selbst an der Tat beteiligt, so ist er nach dem Grundgedanken des § 181 BGB von der Vertretung ausgeschlossen.3 Eine gewillkürte Stellvertretung ist daneben bei der Verletzung vermögenswerter Rechtsgüter4 sowie bei Organen juristischer Personen denkbar.5

IV. Mehrheit von Antragsberechtigten (Absatz 4). Sind mehrere Personen antragsberechtigt, so kann jeder den Antrag selbständig und unabhängig von den an- 9 deren stellen, sodass der Fristlauf, ein möglicher Verzicht oder ein Rücknahmerecht für jeden Einzelnen isoliert zu beurteilen sind.6 Eine Mehrheit von Antragsberechtigten kann sich dabei aus dem Übergang des Antragsrechtes nach Abs. 2 (Rz. 7), einer Mehrzahl von Verletzten derselben Tat oder einer Zubilligung des Antragsrechts an andere Personen (z.B. § 77a) ergeben.7 Eltern können als gesetzliche Vertreter ihre Vertretungsbefugnis nur gemeinsam ausüben und fallen nicht unter Absatz 4.8

§ 77a Antrag des Dienstvorgesetzten (1) Ist die Tat von einem Amtsträger, einem für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichteten oder einem Soldaten der Bundeswehr oder gegen ihn begangen und auf Antrag des Dienstvorgesetzten verfolgbar, so ist derjenige Dienstvorgesetzte antragsberechtigt, dem der Betreffende zur Zeit der Tat unterstellt war. (2) Bei Berufsrichtern ist an Stelle des Dienstvorgesetzten antragsberechtigt, wer die Dienstaufsicht über den Richter führt. Bei Soldaten ist Dienstvorgesetzter der Disziplinarvorgesetzte. (3) Bei einem Amtsträger oder einem für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichteten, der keinen Dienstvorgesetzten hat oder gehabt hat, kann die Dienststelle, für die er tätig war, den Antrag stellen. Leitet der Amtsträger oder der Verpflichtete selbst diese Dienststelle, so ist die staatliche Aufsichtsbehörde antragsberechtigt. (4) Bei Mitgliedern der Bundesregierung ist die Bundesregierung, bei Mitgliedern einer Landesregierung die Landesregierung antragsberechtigt.

A. Funktion und Anwendungsbereich der Vorschrift Die Vorschrift gibt dem Dienstvorgesetzten ein vom Verletzten unabhängiges Antragsrecht, welches ihm im 1 Interesse des öffentlichen Dienstes bei bestimmten Straftaten von oder gegen Amtsträger, für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichtete oder Soldaten der Bundeswehr (z.B. § 194 Abs. 3, 230 Abs. 2, 355 Abs. 3) eröffnet wird.9

B. Antragsberechtigte Nach Absatz 1 ist der Dienstvorgesetzte, dem der Betroffene zum Zeitpunkt der Tat unterstellt war, antrags- 2 berechtigt. Wer Dienstvorgesetzter ist, bestimmt sich nach dienstrechtlichen Vorschriften.10 Dienstvorgesetzter ist dabei nicht die konkrete Person, sondern die Institution als solche,11 sodass jeder höhere Dienstvorgesetzte den entsprechenden Strafantrag stellen kann.12 Da Berufsrichter keinen Dienstvorgesetzten im ursprünglichen 1 BGH v. 19.8.1982 – 4 StR 387/82, NStZ 1982, 508; Kargl in NK-StGB, § 77 Rz. 44; Mitsch in MüKo-StGB, § 77 Rz. 28. 2 Fischer, StGB, § 77 Rz. 9; ausf. Wolter in SK-StGB, § 77 Rz. 13 ff. 3 BGH v. 8.4.1954 – 3 StR 836/53, BGHSt 6, 155, 157; Mitsch in MüKo-StGB, § 77 Rz. 35; Sternberg-Lieben/Bosch in S/SStGB, § 77 Rz. 22. 4 BGH v. 16.4.1985 – 4 StR 31/85, NStZ 1985, 407; Fischer, StGB, § 77 Rz. 22; Rosenau in S/S-StGB, § 77 Rz. 25. Anders Schmid in LK-StGB, § 77 Rz. 52, der sich für eine gewillkürte Stellvertretung auch bei der Verletzung immaterieller Rechtsgüter starkmacht. Diff. Kargl in NK-StGB, § 77 Rz. 45. 5 Zu den Voraussetzungen im Einzelnen Schmid in LK-StGB, § 77 Rz. 52; Wolter in SK-StGB, § 77 Rz. 18. 6 Fischer, StGB, § 77 Rz. 20; Sternberg-Lieben/Bosch in S/S-StGB, § 77 Rz. 33. 7 Kargl in NK-StGB, § 77 Rz. 47; Schmid in LK-StGB, § 77 Rz. 59. 8 Mitsch in MüKo-StGB, § 77 Rz. 39; Sternberg-Lieben/Bosch in S/S-StGB, § 77 Rz. 33. 9 Mitsch in MüKo-StGB, § 77a Rz. 1; Rosenau in S/S-StGB, § 77a Rz. 1; Sternberg-Lieben/Bosch in S/S-StGB, § 77a Rz. 1 f. 10 Mitsch in MüKo-StGB, § 77a Rz. 8; Wolter in SK-StGB, § 77a Rz. 2. 11 Fischer, StGB, § 77a Rz. 3; Sternberg-Lieben/Bosch in S/S-StGB, § 77a Rz. 3. 12 Kargl in NK-StGB, § 77a Rz. 3; Mitsch in MüKo-StGB, § 77a Rz. 9.

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Antrag des Dienstvorgesetzten

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§ 77b StGB Rz. 1

Strafgesetzbuch

Sinne haben, ist für sie nach Absatz 2 der Dienstaufsichtsführende antragsberechtigt.1 Bei Soldaten ist der Dienstvorgesetzte der Disziplinarvorgesetzte (Abs. 2 S. 2). Absatz 3 regelt die Fälle, in denen ein Dienstvorgesetzter fehlt, wie dies z.B. bei ehrenamtlichen Richtern in Ausübung ihrer richterlichen Tätigkeit der Fall ist.2 Bei Regierungsmitgliedern gilt Absatz 4, wonach das zum Tatzeitpunkt bestehende Kabinett das Antragsrecht per Beschluss ausübt.3

§ 77b Antragsfrist (1) Eine Tat, die nur auf Antrag verfolgbar ist, wird nicht verfolgt, wenn der Antragsberechtigte es unterläßt, den Antrag bis zum Ablauf einer Frist von drei Monaten zu stellen. Fällt das Ende der Frist auf einen Sonntag, einen allgemeinen Feiertag oder einen Sonnabend, so endet die Frist mit Ablauf des nächsten Werktags. (2) Die Frist beginnt mit Ablauf des Tages, an dem der Berechtigte von der Tat und der Person des Täters Kenntnis erlangt. Für den Antrag des gesetzlichen Vertreters und des Sorgeberechtigten kommt es auf dessen Kenntnis an. (3) Sind mehrere antragsberechtigt oder mehrere an der Tat beteiligt, so läuft die Frist für und gegen jeden gesondert. (4) Ist durch Tod des Verletzten das Antragsrecht auf Angehörige übergegangen, so endet die Frist frühestens drei Monate und spätestens sechs Monate nach dem Tod des Verletzten. (5) Der Lauf der Frist ruht, wenn ein Antrag auf Durchführung eines Sühneversuchs gemäß § 380 der Strafprozeßordnung bei der Vergleichsbehörde eingeht, bis zur Ausstellung der Bescheinigung nach § 380 Abs. 1 Satz 3 der Strafprozeßordnung.

A. Zweck und Wirkung der Antragsfrist 1

Die dreimonatige Ausschlussfrist des § 77b dient der Rechtssicherheit, indem sie den Schwebezustand der Ungewissheit, ob eine Straftat verfolgt wird oder nicht, zeitlich begrenzt (Zweck).4 Das Verstreichen der Frist führt zu einem Verfahrenshindernis, das die Strafverfolgung zwingend ausschließt und das nicht durch Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beseitigt werden kann.5

B. Berechnung und Dauer der Frist 2

Die Drei-Monats-Frist (Abs. 1 S. 1, Ausnahmen in Abs. 4, § 77c und § 388 StPO) beginnt einen Tag nach Kenntnis des Antragsberechtigten (§ 77) von der Tat und der Person des Täters. Erforderlich ist, dass der Berechtigte ein derart sicheres Wissen von der Tatbestandsverwirklichung hat, dass er beurteilen kann, ob ein Strafantrag zu stellen ist oder nicht; bloße Mutmaßungen reichen nicht aus.6 Ferner muss der Täter durch den Berechtigten zumindest individualisierbar sein.7 Die Frist beginnt grundsätzlich nur bei eigener Kenntnis des Antragsberechtigten zu laufen (Abs. 2 S. 1, Ausnahme bei gesetzlichem Vertreter nach Abs. 2 S. 3), bei einer juristischen Person oder Personenhandelsgesellschaft ist Kenntnis der natürlichen Person erforderlich, die die Organ- bzw. Vertreterposition innehat.8 Bei mehreren Antragsberechtigten bestimmt Absatz 3 ein Einzelkämpferprinzip, wonach der Fristlauf für jeden gesondert zu beurteilen ist. Für den Fall, dass das Fristende auf einen Samstag, Sonntag oder Feiertag fällt, greift die Regelung in Abs. 1 S. 2. Ist das Antragsrecht nach § 77 Abs. 2 (dazu § 77 StGB Rz. 7) auf die Angehörigen übergegangen, so bestimmt Absatz 4, dass mit dem Tag nach dem Tod des Verletzten eine eigene Dreimonatsfrist zu laufen beginnt, die jedoch spätestens sechs Monate nach dem Tod des ursprünglich Antragsberechtigten ausläuft.9 Nach Absatz 5 ruht der Fristlauf ab Eingang eines Antrags auf Durchführung eines Sühneversuches nach § 380 StPO bis zur Bescheinigung der Erfolglosigkeit. Ein fristgerecht gestellter Strafantrag verliert seine Relevanz mit eingetretener Verjährung.10

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10

Sternberg-Lieben/Bosch in S/S-StGB, § 77a Rz. 4. Wolter in SK-StGB, § 77a Rz. 2 f. Kargl in NK-StGB, § 77a Rz. 7; Sternberg-Lieben/Bosch in S/S-StGB, § 77a Rz. 8. Kargl in NK-StGB, § 77b Rz. 1; Kett-Straub, JA 2011, 34, 39; Mitsch in MüKo-StGB, § 77b Rz. 1; Rosenau in S/S-StGB, § 77b Rz. 1; Sternberg-Lieben/Bosch in S/S-StGB, § 77b Rz. 1; Wolter in SK-StGB, § 77b Rz. 1. BGH v. 22.12.1993 – 3 StR 419/93, NJW 1994, 1166; Kargl in NK-StGB, § 77b Rz. 2. BGH v. 20.2.1979 – 1 StR 606/78; BGH v. 16.8.1984 – 1 StR 406/84, StV 1984, 509; Fischer, StGB, § 77b Rz. 4; Rosenau in S/S-StGB, § 77b Rz. 4; Schmid in LK-StGB, § 77b Rz. 7; Wolter in SK-StGB, § 77b Rz. 8. BayObLG v. 21.7.1993 – 2 St RR 91/93, NStZ 1994, 86; Schmid in LK-StGB, § 77b Rz. 9. Mitsch in MüKo-StGB, § 77b Rz. 33. Fischer, StGB, § 77b Rz. 9; Schmid in LK-StGB, § 77b Rz. 16; Sternberg-Lieben/Bosch in S/S-StGB, § 77b Rz. 16. Fischer, StGB, § 77b Rz. 2; Rosenau in S/S-StGB, § 77b Rz. 1.

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Rz. 2 § 77d StGB

§ 77c Wechselseitig begangene Taten Hat bei wechselseitig begangenen Taten, die miteinander zusammenhängen und nur auf Antrag verfolgbar sind, ein Berechtigter die Strafverfolgung des anderen beantragt, so erlischt das Antragsrecht des anderen, wenn er es nicht bis zur Beendigung des letzten Wortes im ersten Rechtszug ausübt. Er kann den Antrag auch dann noch stellen, wenn für ihn die Antragsfrist schon verstrichen ist. Die Vorschrift will – der Wertung des § 388 StPO folgend – die isolierte Betrachtung und Ahndung von An- 1 tragsdelikten, die auf einem einheitlichen Lebenssachverhalt beruhen oder denselben Ursprung haben, verhindern, da eine abschließende und sachgerechte Würdigung oftmals nur im Zusammenhang möglich ist.1 Zu diesem Zweck bestimmt § 77c, dass das Antragsrecht desjenigen, gegen den bereits Strafantrag gestellt wurde, mit Beendigung des letzten Wortes i.S.d. § 258 Abs. 2 StPO erlischt, wenn er bis dahin von seinem Antragsrecht keinen Gebrauch gemacht hat. Die Norm bewirkt folglich eine Unbeachtlichkeit etwaiger Fristabläufe/-vorgaben,2 sofern die beiden Täter gleichzeitig Opfer und Täter ihrer Taten sind3 und voneinander Kenntnis besitzen.4

§ 77d Zurücknahme des Antrags (1) Der Antrag kann zurückgenommen werden. Die Zurücknahme kann bis zum rechtskräftigen Abschluß des Strafverfahrens erklärt werden. Ein zurückgenommener Antrag kann nicht nochmals gestellt werden. (2) Stirbt der Verletzte oder der im Falle seines Todes Berechtigte, nachdem er den Antrag gestellt hat, so können der Ehegatte, der Lebenspartner, die Kinder, die Eltern, die Geschwister und die Enkel des Verletzten in der Rangfolge des § 77 Abs. 2 den Antrag zurücknehmen. Mehrere Angehörige des gleichen Ranges können das Recht nur gemeinsam ausüben. Wer an der Tat beteiligt ist, kann den Antrag nicht zurücknehmen.

A. Voraussetzungen der Zurücknahme Ein Strafantrag kann vom Berechtigten bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens ganz oder teilweise 1 zurückgenommen werden.5 Berechtigter ist regelmäßig der Antragssteller, wobei eine Stellvertretung wie bei der Antragsstellung (§ 77 StGB Rz. 8) denkbar ist.6 Absatz 2 regelt die Berechtigung zur Rücknahme im Falle des Todes des Verletzten, wobei die Rangfolge des § 77 Abs. 2 gilt. Um die Rücknahme des Strafantrages auch noch nach Durchlaufen der ersten Instanz zu ermöglichen,7 bestimmt Abs. 1 S. 2, dass die Rücknahme bis zum Abschluss des rechtskräftigen Strafverfahrens zulässig ist, wobei es entscheidend auf die Rechtskraft des Strafund nicht des Schuldausspruches ankommt.8 Die Rücknahme kann formlos gegenüber der Behörde erklärt werden, die mit der Sache aktuell befasst ist, muss aber den eindeutigen Willen erkennen lassen, dass der Berechtigte die Strafverfolgung nicht mehr wünscht.9

B. Wirkung der Zurücknahme Die zulässige Rücknahme des Antrags bedingt den Ausschluss einer erneuten Antragsstellung (Abs. 1 S. 3). 2 Ein zurückgenommener Antrag gilt als nicht gestellt mit der Folge, dass das Verfahren aufgrund eines Verfahrenshindernisses durch Beschluss (§ 206a StPO) oder Urteil (§ 260 Abs. 3 StPO) einzustellen ist, sofern die

1 Kargl in NK-StGB, § 77c Rz. 1; Mitsch in MüKo-StGB, § 77c Rz. 1; Rosenau in S/S-StGB, § 77c Rz. 1; Schmid in LKStGB, § 77c Rz. 1; Sternberg-Lieben/Bosch in S/S-StGB, § 77c Rz. 1; Wolter in SK-StGB, § 77c Rz. 1. 2 Fischer, StGB, § 77c Rz. 3 f.; Kargl in NK-StGB, § 77c Rz. 2, 6 f.; Mitsch in MüKo-StGB, § 77c Rz. 2, 8 f.; Schmid in LKStGB, § 77c Rz. 8; Sternberg-Lieben/Bosch in S/S-StGB, § 77c Rz. 1. 3 Fischer, StGB, § 77c Rz. 2, Mitsch in MüKo-StGB, § 77c Rz. 3; Rosenau in S/S-StGB, § 77c Rz. 2; Schmid in LK-StGB, § 77c Rz. 6. 4 Rosenau in S/S-StGB, § 77c Rz. 6; Wolter in SK-StGB, § 77c Rz. 1. 5 Fischer, StGB, § 77d Rz. 2; Sternberg-Lieben/Bosch in S/S-StGB, § 77d Rz. 9–10; Wolter in SK-StGB, § 77d Rz. 1. 6 Fischer, StGB, § 77d Rz. 5; Kargl in NK-StGB, § 77d Rz. 5; Rosenau in S/S-StGB, § 77d Rz. 4; Schmid in LK-StGB, § 77d Rz. 2 f.; Sternberg-Lieben/Bosch in S/S-StGB, § 77d Rz. 3; Wolter in SK-StGB, § 77d Rz. 3. 7 Wolter in SK-StGB, § 77d Rz. 2. 8 OLG Zweibrücken v. 13.5.1991 – 1 Ss 77/91, MDR 1991, 1078; Fischer, StGB, § 77d Rz. 7; Kargl in NK-StGB, § 77d Rz. 10; Rosenau in S/S-StGB, § 77d Rz. 1; Schmid in LK-StGB, § 77d Rz. 7; Sternberg-Lieben/Bosch in S/S-StGB, § 77d Rz. 1; Wolter in SK-StGB, § 77d Rz. 2. 9 Fischer, StGB, § 77d Rz. 2 f.; Kargl in NK-StGB, § 77d Rz. 7 ff.; Mitsch in MüKo-StGB, § 77d Rz. 23 f.; Rosenau in S/SStGB, § 77d Rz. 2 f.; Schmid in LK-StGB, § 77d Rz. 2 f.; Sternberg-Lieben/Bosch in S/S-StGB, § 77d Rz. 5 f.; Wolter in SKStGB, § 77d Rz. 4 ff.

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Zurücknahme des Antrags

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§ 77d StGB Rz. 3

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Tat nicht anderweitig verfolgbar ist.1 Eine Anfechtung der Rücknahme ist grundsätzlich ausgeschlossen.2 Die Kosten hat der Zurücknehmende zu tragen (§ 470 StPO); wird die Rücknahme aber übersehen, fallen die Kosten gem. § 470 Abs. 2 StPO der Staatskasse an.3

C. Verzicht 3

Der Antragsberechtigte kann – gesetzlich nicht geregelt – vor Ausübung seines Antragsrechts wirksam auf dieses verzichten, wobei im Wesentlichen dieselben Grundsätze wie bei der Zurücknahme Anwendung finden.4

§ 77e Ermächtigung und Strafverlangen Ist eine Tat nur mit Ermächtigung oder auf Strafverlangen verfolgbar, so gelten die §§ 77 und 77d entsprechend. 1

Ermächtigung und Strafverlangen sind ihrem Wesen nach wie der Strafantrag Prozessvoraussetzungen.5 Sie erlangen nur in wenigen und für das Wirtschaftsstrafrecht nicht relevanten Strafvorschriften Bedeutung, da sie ausschließlich in Konstellationen vonnöten sind, in denen die Strafverfolgungsbehörden die Zustimmung eines Staats-/Verfassungsorganes zur Strafverfolgung benötigen.6

Fünfter Abschnitt. Verjährung Vorbemerkungen zu §§ 78 ff. Literatur: Asholt, Verjährung im Strafrecht. Zu den theoretischen, historischen und dogmatischen Grundlagen des Verhältnisses von Bestrafung und Zeit in den §§ 78 ff. StGB, 2016; Bachmann, Zur Strafverfolgungsverjährung der Beitragsvorenthaltung gemäß § 266a Abs. 1 StGB, FS Samson, 2010, S. 537; Brüning, Vollendung und Verjährungsbeginn bei unrichtigen Feststellungsbescheiden im Steuerstrafrecht, FS Samson, 2010, S. 537; Cordes/Sartorius, Der Verjährungsbeginn bei der Untreue – Notwendigkeit einer Neubestimmung, NJW 2013, 2635; Dallmeyer, Tatbeendigung und Verjährungsbeginn bei Steuerdelikten – Zugleich ein Beitrag zur Lehre vom nachtatbestandlichen Unrecht, ZStW 124 (2012), 711; Dannecker, Die Verfolgungsverjährung bei submissionsabsprachen und Aufsichtspflichtverletzungen in Betrieben und Unternehmen, NStZ 1985, 49; Dannecker, Zur Verfassungsmäßigkeit der verjährungsrechtlichen Anknüpfung an strafrechtliche Regelbeispiele der Steuerhinterziehung: Folgerichtigkeit als Verfassungsgebot für das Strafrecht?, NZWiSt 2014, 6; Furtner, Rechtliche Vollendung und tatsächliche Beendigung bei einer Straftat, JR 1966, 169; Gallandi, Verjährung bei langfristig geplanter Wirtschaftskriminalität, wistra 1993, 255; Geilen, Mißbräuchliche Unterbrechung der Verjährung, FS Schreiber, 2003, S. 89; Gillmeister, Strafzumessung aus verjährten und eingestellten Straftaten, NStZ 2000, 346; Gössel, Bindung der Wiederaufnahme zuungunsten des Verurteilten an die Verjährungsfrist?, NStZ 1988, 537; Grötsch, Strafrechtliche Verjährung der Hinterziehung von Ertragssteuern, wistra 2015, 249; Haas/Wilke, Steuerhinterziehung und Rechtsstaat. Zur Verlängerung der Verfolgungsverjährungsfrist durch das Jahressteuergesetz 2009, NStZ 2010, 297; Hardtke/Leip, Strafverfolgungsverjährung bei Steuerhinterziehung infolge verdeckter Gewinnausschüttung, NStZ 1996, 217; Helmrich, Zum Beginn der Verfolgungsverjährung bei Bestechungsdelikten (§§ 299, 331 ff. StGB), wistra 2009, 10; Hennig, Empfiehlt sich eine Neuregelung der Verjährung von Wirtschaftsstraftaten?, wistra 2000, 321; Heuer, Unterbricht ein Durchsuchungsbeschluss gegen die Verantwortlichen eines Unternehmens die Verjährung?, wistra 1987, 170; Hörnle, Sollen Verjährungsfristen für den sexuellen Missbrauch von Minderjährigen verlängert werden?, GA 2010, 388; Hörnle, Verfolgungsverjährung: Keine Selbstverständlichkeit, FS-Beulke, 2015, S. 115; Hüls/Reichling, Der Verjährungsbeginn beim Vorenthalten von Sozialversicherungsbeiträgen gemäß § 266a Abs. 1 StGB, StraFo 2011, 305; Kohlmann, Schließt die Verjährung der Vortat auch die Bestrafung der Nachtat aus?, JZ 1964, 492; Kramer, Scalping ein Pressedelikt? Zur Verjährung informationsgestützter Markmanipulation, WM 2016, 1163; Krug/Skoupil, Die faktische Unverjährbarkeit echter Unterlassungsdelikte im Wirtschaftsstrafrecht, wistra 2016, 137; Kuhlen, Verjährungsbeginn bei Bestechung und Bestechlichkeit, JR 2009, 53; Lorenz, Die Verjährung in der deutschen Strafgesetzgebung, 1955; Lorenz, Über das Wesen der strafrechtlichen Verjährung, GA 1966, 371; Meyer, Die strafrechtliche Verjährung, JA 2014, 342; Mitsch, Neuregelung beim Ruhen der Verjährung während des Auslieferungsverfahrens, NJW 2005, 3036; Mitsch, Unterbrechung strafrechtlicher Verjährung durch Bußgeldverfahren, NZWiSt 2013, 1; Mitsch, Verjährungsvielfalt bei der Steuerhinterziehung, NZWiSt 2015, 8; Pelz, Wann verjährt die Beihilfe zur Steuerhinterziehung?, wistra 2001, 11; Pelz, Neuregelung der Verfolgungsverjährung für Steuerhinterziehung – Neue Herausforderun1 BGH v. 11.12.1987 – 3 StR 520/87; Fischer, StGB, § 77d Rz. 8; Kargl in NK-StGB, § 77d Rz. 11; Rosenau in S/S-StGB, § 77d Rz. 7; Schmid in LK-StGB, § 77d Rz. 7; Sternberg-Lieben/Bosch in S/S-StGB, § 77d Rz. 6; Wolter in SK-StGB, § 77d Rz. 8. 2 OLG Koblenz v. 22.12.2004 – 2 Ss 312/04, StraFo 2005, 129; Rosenau in S/S-StGB, § 77d Rz. 6; Schmid in LK-StGB, § 77d Rz. 7; Wolter in SK-StGB, § 77d Rz. 8. 3 OLG Koblenz v. 22.12.2004 – 2 Ss 312/04, StraFo 2005, 129; Wolter in SK-StGB, § 77d Rz. 8. 4 Ausf. Kargl in NK-StGB, § 77d Rz. 12 ff.; Mitsch in MüKo-StGB, § 77d Rz. 7; Schmid in LK-StGB, § 77d Rz. 8. 5 BGH v. 8.9.1964 – 1 StR 292/64, BGHSt 20, 22, 27; Kargl in NK-StGB, § 77e Rz. 1; Mitsch in MüKo-StGB, § 77e Rz. 1; Rosenau in S/S-StGB, § 77e Rz. 1; Schmid in LK-StGB, § 77e Rz. 1; Sternberg-Lieben/Bosch in S/S-StGB, § 77e Rz. 1. 6 Kargl in NK-StGB, § 77e Rz. 1, 3; Schmid in LK-StGB, § 77e Rz. 1, 2; Sternberg-Lieben/Bosch in S/S-StGB, § 77e Rz. 2; Wolter in SK-StGB, § 77e Rz. 1.

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Rz. 4 Vor §§ 78 ff. StGB

gen für die Praxis, NJW 2009, 470; Reiche, Verjährungsunterbrechende Wirkung finanzbehördlicher oder fahndungsdienstlicher Ermittlungsmaßnahmen, wistra 1988, 329; Reichling/Winsel, Die neuere (höchstrichterliche) Rechtsprechung zum Verjährungsbeginn bei ausgewählten Wirtschaftsstraftaten, JR 2014, 331; Satzger, Die Verjährung im Strafrecht, Jura 2012, 433; Schäfer, Einige Fragen zur Verjährung in Wirtschaftsstrafsachen, FS-Dünnebier, 1982 S. 541; Schmitz, Der Beginn der Verjährungsfrist nach § 78a StGB bei der Hinterziehung von Einkommenssteuer durch Unterlassen, wistra 1993, 248; Walter, Neue Verjährungsbestimmungen in Auslieferungsverträgen, GA 1981, 250; Wolter, Verjährung, Strafantrag, Wahlfeststellung, Konkurrenzen: strikte Prozessrechtsinstitute in materiellem Gewand – Gesetzlichkeitsprinzip, Gesetzesalternativität und Großer Senat, GA 2016, 316; Wulf, Beginn der Verjährung der Steuerhinterziehung bei ausgebliebener Steuerfestsetzung, wistra 2003, 89.

A. Genese, Struktur und Geltungsbereich Der fünfte Abschnitt regelt die strafrechtliche Verjährung in sieben Paragraphen (§§ 78–79b). Die Vorschriften 1 gehen zurück auf das RStGB von 1871 und sind seit dem 2. StrRG v. 4.7.19691 mit den dazugehörigen Ergänzungen im EGStGB v. 19742 in zwei Titel aufgespalten und einem eigenen Abschnitt im AT des StGB zugewiesen.3 Das strafrechtliche Verjährungsrecht unterliegt seitdem immer wieder gesetzgeberischen Änderungen, Erweiterungen und Modifikationen,4 und befindet sich nicht zuletzt im Hinblick auf eine zunehmende und für die Praxis des Wirtschaftsstrafrechts nicht unbedeutende Rspr. in stetiger Fortentwicklung.5 Strukturell benennt der 5. Abschnitt des StGB zwei Arten der Verjährung: im ersten Titel die Verfolgungsver- 2 jährung (§§ 78 bis 78c), welche jegliche Formen der Verfolgung einer Straftat hindert,6 und im zweiten Titel die Vollstreckungsverjährung (§§ 79 bis 79b), welche die Vollstreckung einer Strafe oder Maßnahme hindert. Die Vollstreckungsverjährung schließt sich unmittelbar an die Verfolgungsverjährung an,7 die mit der Rechtskraft eines Urteils, bzw. genauer mit der Rechtskraft des Strafausspruches, ihr Ende findet.8 Die Vollstreckungsverjährung setzt ein vollstreckbares, d.h. rechtskräftiges Urteil voraus, und beginnt mit der Rechtskraft der Entscheidung zu laufen.9 Zur str. Frage des Wiederauflebens der Verfolgungsverjährung nach Wiedereinsetzung in den vorigen Stand oder Wiederaufnahme des Verfahrens s. § 78 StGB Rz. 8. Soweit nichts anderes bestimmt ist, entfalten die §§ 78 ff. Wirkung für alle bundesrechtlichen Strafvorschriften 3 inklusive des Jugendstrafrechts (§ 2 JGG) und des gesamten Nebenstrafrechts (Art. 1 Abs. 1 EGStGB) und gelten in gleicher Weise für Auslandstaten.10 Da das strafrechtliche und das ordnungswidrigkeitenrechtliche Verjährungssystem (§§ 31 bis 34 OWiG) parallel geschaltet sind, erlangen die Rspr. und Literatur zum OWiG auch für die Verjährung im StGB Relevanz.11 Ergeht gegen eine juristische Person eine Verbandsgeldbuße nach § 30 OWiG, gelten die Verjährungsfristen des § 78 Abs. 3 und nicht die des § 31 OWiG, sofern die Anknüpfungstat des Organs eine Straftat ist (dazu § 78 StGB Rz. 4).12 Die strafrechtlichen Verjährungsvorschriften können ferner Bedeutung im Rahmen der Zulässigkeitsprüfung einer Auslieferung entfalten.13 Für die wirtschaftsstrafrechtliche Praxis relevant sind schließlich die Sonderregelungen der steuerstrafrechtlichen Verjährung (§§ 376, 396 Abs. 3 AO), insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Verfolgungsverjährungsfrist im Jahre 2009 für die besonders schweren Fälle der Steuerhinterziehung (§ 370 Abs. 3 S. 2 Nr. 1–5 AO, dazu § 370 AO Rz. 473 ff.) von fünf auf zehn Jahre verschärft wurde (§ 376 Abs. 1 AO).14 Verjährungsrechtliche Sonderregelungen sind überdies bei den sog. Pressedelikten zu beachten. Da die Gesetz- 4 gebungskompetenz für das gesamte Presserecht bei den einzelnen Bundesländern liegt,15 gelten für die Presse1 2 3 4

5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15

BGBl. I 1969, S. 717. BGBl. I 1974, S. 469. Schmid in LK-StGB, Vor § 78 Entstehungsgeschichte. S. dazu im Überblick Saliger in NK-StGB, Vor §§ 78 ff. Rz. 2. Bewegung erfuhr das Recht der strafrechtlichen Verjährung zuletzt durch politische Bestrebungen zur Einführung eines § 78 Abs. 5 und zur Änderung des § 78b Abs. 1 im Zusammenhang mit dem Gesetzgebungsverfahren zur Stärkung der Rechte von Opfern sexuellen Missbrauchs (StORMG), BT-Drucks. 17/3646, S. 3 und BT-Drucks. 17/12737, S. 1 f. Zur generellen Bedeutung der Verjährungsregeln im Wirtschaftsstrafrecht vor dem Hintergrund der regelmäßig langen Verfahrensdauer Schäfer in FS Dünnebier, S. 541. Erfasst sind Maßnahmen sowohl aus dem Ermittlungs- als auch aus dem gerichtlichen Erkenntnisverfahren, vgl. Schmid in LK-StGB, Vor § 78 Rz. 2. BGH v. 31.3.1965 – 4 ARs 2/65, BGHSt 20, 198, 200; BGH v. 15.10.1981 – 4 StR 432/81, BGHSt 30, 232; Schmid in LKStGB, Vor § 78 Rz. 2; Wolter in SK-StGB, Vor § 78 Rz. 10. BGH v. 31.3.1965 – 4 ARs 2/65, BGHSt 20, 198, 200; Sternberg-Lieben/Bosch in S/S-StGB, Vor §§ 78 ff. Rz. 1. Saliger in NK-StGB, Vor §§ 78 ff. Rz. 1. Mitsch in MüKo-StGB, § 78 Rz. 6; Sternberg-Lieben/Bosch in S/S-StGB, Vor §§ 78 ff. Rz. 4. Saliger in NK-StGB, Vor §§ 78 ff. Rz. 15; Schmid in LK-StGB, Vor § 78 Rz. 3. BGH v. 5.12.2000 – 1 StR 411/00, BGHSt 46, 207, 208 ff., wonach auch verjährungsunterbrechende Handlungen gegenüber der juristischen Person gelten. Zust. Mitsch in MüKo, Vor §§ 78 ff. Rz. 3; Saliger in NK-StGB, § 78 Rz. 4. Krit. Wolter in SK-StGB, § 78 Rz. 5 f. Vgl. § 9 Nr. 2 IRG; dazu BGH v. 26.7.1984 – 4 ARs 8/84, BGHSt 33, 26; Mitsch in MüKo-StGB, § 78 Rz. 6; Rosenau in S/S-StGB, § 78 Rz. 9; Saliger in NK-StGB, Vor §§ 78 ff. Rz. 16 m.w.N.; Walter, GA 1981, 250. Geändert durch das JahressteuerG 2009 v. 19.12.2008, BGBl. I, S. 2794; aktuell dazu Haas/Wilke, NStZ 2010, 297; Dannecker, NZWiSt 2014, 6; Mitsch, NZWiSt 2015, 8. BVerfG v. 4.6.1957 – 2 BvL 17/56; 2 BvL 22/56; 2 BvL 29/56, BVerfGE 7, 29, 38 ff.

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StGB

Vorbemerkungen zu §§ 78 ff.

StGB

Vor §§ 78 ff. StGB Rz. 5

Strafgesetzbuch

delikte – abweichend von Art. 1 Abs. 2 S. 1 EGStGB – ausnahmsweise landesrechtliche Verjährungsvorschriften, Art. 1 Abs. 2 S. 2 EGStGB,1 die i.d.R. deutlich kürzere Fristen als das Bundesrecht veranschlagen.2 Zu den Pressedelikten zählen sowohl Presseordnungs- als auch Presseinhaltsdelikte.3

B. Regelungszweck und Rechtsnatur 5

Die Regelungen zur strafrechtlichen Verjährung sind ein Spiegel des immerwährenden Konfliktes zwischen materieller Gerechtigkeit und Rechtssicherheit.4 Mit der Entscheidung zu einer vom angedrohten Strafmaß abhängig gestaffelten Verjährung erklärt die Rechtsordnung, dass sie keine Gerechtigkeit um jeden Preis (fiat iustitia et pereat mundus) verfolgt. Dabei ändert die Verjährung nichts an der Bewertung der Tat des Täters, sie will ihm keine Absolution erteilen.5 Vielmehr dient der Zeitablauf von Strafverfolgung und -vollstreckung dem Rechtsfrieden innerhalb der Gesellschaft, der Verfahrensökonomie und damit insgesamt der Rechtssicherheit.6

6

Vor diesem Hintergrund erscheint es vorzugswürdig, die §§ 78 ff. ganzheitlich dem Verfahrensrecht zuzuordnen.7 Eine Zuweisung zum materiellen Recht8 verkennt, dass die Verjährung nicht die Strafbarkeit der Tat selbst betrifft, sondern allein ihre Verfolgbarkeit.9 Damit ist aber nicht das grundsätzliche Strafbedürfnis angesprochen, sondern die Frage, unter welchen Umständen und Gegebenheiten eine strafrechtliche Sanktionierung noch geboten und möglich ist. Auch die Rspr. erkennt die prozessuale Seite der Verjährungsvorschriften an, wenn sie diese als Verfahrenshindernisse bewertet.10 Ebenso hat sich der Gesetzgeber mittlerweile im Sinne einer verfahrensrechtlichen Einordnung positioniert.11 Der Ansicht, die der Verjährung eine Doppelnatur zuschreibt,12 ist zwar zuzugeben, dass den §§ 78 ff. tatsächlich auch materiell-rechtliche Elemente, wie bspw. die Regelung in § 78 Abs. 2, innwohnen.13 Gleichwohl sind es die prozessrechtlichen Merkmale, die das Wesen der Verjährung entscheidend prägen: Sowohl die starr schematischen Fristenregelungen in § 78 Abs. 3 als auch die rein verfahrenstechnischen Vorgänge in §§ 78b, 78c sind Ausdruck eines Rechtskonzeptes, das Strafunrecht erkennt und entsprechend sanktioniert, gleichzeitig aber nicht die Bedeutung von Zeit(ablauf) für das Strafverfolgungs- und Vollstreckungsinteresse einer Gesellschaft verkennt.14 Infolgedessen ist die Verjährung als ein rein prozessrechtliches Institut zu bewerten.

C. Konsequenzen einer verfahrensrechtlichen Einstufung 7

Der prozessrechtliche Charakter der Verjährungsvorschriften bedingt, dass die Regeln des Verfahrensrechtes, mithin auch seine zeitliche Gültigkeit, über das anzuwendende Recht Geltung beanspruchen.15 Die engen verfassungsrechtlichen Maßstäbe des Art. 103 Abs. 2 GG finden dementsprechend keine Anwendung, weshalb es dem Gesetzgeber unbenommen bleibt, Verjährungsfristen rückwirkend zu verlängern.16 Rechtsstaatliche Gründe (Art. 20 Abs. 3 GG) bedingen jedoch, dass bereits abgelaufene Verjährungsfristen nicht neueröffnet werden dürfen.17 1 Str., wie hier: Mitsch in MüKo-StGB, Vor §§ 78 ff. Rz. 4; Wolter in SK-StGB, § 78 Rz. 12 ff.; Saliger in NK-StGB, § 78 Rz. 18 ff.; Sternberg-Lieben/Bosch in S/S-StGB, § 78 Rz. 9. A.A. Schmid in LK-StGB, Vor § 78 Rz. 4 ff. 2 Vgl. für Bayern z.B. Art. 14 Abs. S. 1 BayPrG [Sechs Monate]. 3 Zu den Begrifflichkeiten und weiteren Einzelheiten s. Mitsch in MüKo-StGB, § 78 Rz. 18; Saliger in NK-StGB, § 78 Rz. 20 ff. 4 Saliger in NK-StGB, Vor §§ 78 ff. Rz. 6; Saliger, Radbruchsche Formel und Rechtsstaat, 1995, S. 79. 5 BVerfG v. 6.2.1969 – 2 BvL 15, 23/68, BVerfGE 25, 269, 287 ff.; Mitsch in MüKo-StGB, § 78 Rz. 11; Saliger in NK-StGB, Vor §§ 78 ff. Rz. 7; Schmid in LK-StGB, Vor § 78 Rz. 1, 9. Vgl. auch Wolter in SK-StGB, Vor § 78 Rz. 6; Wolter, GA 2016, 316, 321 ff. 6 BGH v. 26.6.1958 – 4 StR 145/58, BGHSt 11, 393, 396; BGH v. 29.1.2013 – 2 StR 510/12, NStZ 2014, 144, 145; BGH v. 29.10.2015 – 3 StR 342/15, NStZ 2016, 277, 278; Mitsch in MüKo-StGB, § 78 Rz. 3; Rosenau in S/S-StGB, § 78 Rz. 5; Saliger in NK-StGB, Vor §§ 78 ff. Rz. 6; Wolter in SK-StGB, Vor § 78 Rz. 13. Vor diesem Hintergrund höchst problematisch ist die Forderung von Hörnle in FS Beulke, S. 126, das Konzept der Verjährung z.T. ganz aus dem Strafsystem abzuschaffen. Dem Vorschlag nicht abgeneigt ist Wolter in SK-StGB, Vor § 78 Rz. 30. 7 Mitsch in MüKo-StGB, § 78 Rz. 1; Saliger in NK-StGB, Vor §§ 78 ff. Rz. 4 ff.; Schmidt in LK-StGB, Vor § 78 Rz. 8 f.; Sternberg-Lieben/Bosch in S/S-StGB, Vor §§ 78 ff. Rz. 3. 8 Materiell-rechtliche Theorie, u.a. vertreten von Asholt, S. 287 ff., 325 ff.; Lorenz, S. 156. 9 BVerfG v. 6.2.1969 – 2 BvL 15, 23/68, BVerfGE 25, 269, 287 ff. 10 BGH v. 28.4.1952 – VRG 6/52, BGHSt 4, 379, 384 f.; BGH v. 11.11.1955 – 1 StR 409/55, BGHSt 8, 269, 270; BGH v. 7.6.2005 – 2 StR 122/05, BGHSt 50, 138, 139 f.; BGH v. 28.1.2010 – 3 StR 274/09, BGHSt 55, 11, 16 f. 11 BT-Drucks. 15/5653, S. 7 [bloße verfahrensrechtliche Regeln]. 12 Rosenau in S/S-StGB, § 78 Rz. 4; Satzger Jura 2012, 433, 435. Nicht mehr eine reine Doppelnatur befürwortend Wolter in SK-StGB, Vor § 78 Rz. 13 [Prozessrechtsinstitut im materiellen Gewand]. 13 Saliger in NK-StGB, Vor §§ 78 ff. Rz. 5; Sternberg-Lieben/Bosch in S/S-StGB, Vor §§ 78 ff. Rz. 3. 14 Schmid in LK-StGB, Vor § 78 Rz. 1. 15 Schmid in LK-StGB, Vor § 78 Rz. 11; Saliger in NK-StGB, Vor §§ 78 ff. Rz. 8. 16 BT-Drucks. 15/5653, S. 7; BVerfG v. 6.2.1969 – 2 BvL 15, 23/68, BVerfGE 25, 269, 287; BVerfG v. 31.1.2000 – 2 BvR 104/00, NStZ 2000, 251; BGH v. 7.6.2005 – 2 StR 122/05, BGHSt 50, 138, 139; Mitsch in MüKo-StGB, § 78 Rz. 12; Saliger in NK-StGB, vor §§ 78 Rz. 9; Schmidt in LK-StGB, Vor § 78 Rz. 11; Wolter in SK-StGB, Vor § 78 Rz. 2 ff., 8. 17 BVerfG v. 6.2.1969 – 2 BvL 15, 23/68, BVerfGE 25, 269, 287; vgl. auch Wolter in SK-StGB, Vor § 78 Rz. 2 ff.

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§ 78 StGB

D. Folgen der Verjährung Ist Strafverfolgungsverjährung eingetreten, so führt dies regelmäßig zu einer Einstellung des Verfahrens entwe- 8 der durch Beschluss (§ 206a StPO) oder durch Urteil (§ 260 Abs. 3 StPO).1 Dabei sind die rechtlichen und tatsächlichen Voraussetzungen des der Einstellung zugrunde liegenden Verfahrenshindernisses umfassend, d.h. revisionsrechtlich überprüfbar festzustellen und zu begründen.2 Da für jedes Delikt eine selbständige Verjährung gilt,3 bedarf es keiner Verfahrenseinstellung, wenn ein verjährtes Delikt mit einem nicht verjährten Delikt in Tateinheit steht: Das verjährte Delikt entfällt schlichtweg unter einer entsprechenden Schuldspruchänderung.4 Ausnahmsweise ist das Verfahren mit einem freisprechenden Sachurteil zu beenden, wenn die Voraussetzungen für ein solches ohne weiteres gegeben sind.5 Die verfahrenshindernde Wirkung der Verjährung ist von Amts wegen in jedem Stadium des Verfahrens zu 9 berücksichtigen, also auch in der Revisionsinstanz und zwar unabhängig davon, welche Teile des tatgerichtlichen Urteils angefochten werden.6 Selbst wenn ein Rechtsmittel zurückgenommen wurde, ist die Verjährung zu beachten.7 Bestehen tatsächliche Zweifel im Hinblick auf den Verjährungseintritt, die Unterbrechung oder das Ruhen der Verjährung, so gilt in dubio pro reo der Eintritt der Verjährung.8 Da die prozessrechtliche Einfärbung der Verjährung das materielle Strafunrecht unberührt lässt (Rz. 5 f.), können 10 sich verjährte Taten – freilich in einem entsprechend geringeren Umfang – erschwerend auf die Strafzumessung auswirken.9 Mit Eintritt der Verjährung erlöschen bestehende Auskunftsverweigerungsrechte.10

Erster Titel. Verfolgungsverjährung

§ 78 Verjährungsfrist (1) Die Verjährung schließt die Ahndung der Tat und die Anordnung von Maßnahmen (§ 11 Abs. 1 Nr. 8) aus. § 76a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bleibt unberührt. (2) Verbrechen nach § 211 (Mord) verjähren nicht. (3) Soweit die Verfolgung verjährt, beträgt die Verjährungsfrist 1. dreißig Jahre bei Taten, die mit lebenslanger Freiheitsstrafe bedroht sind, 2. zwanzig Jahre bei Taten, die im Höchstmaß mit Freiheitsstrafen von mehr als zehn Jahren bedroht sind, 3. zehn Jahre bei Taten, die im Höchstmaß mit Freiheitsstrafen von mehr als fünf Jahren bis zu zehn Jahren bedroht sind, 4. fünf Jahre bei Taten, die im Höchstmaß mit Freiheitsstrafen von mehr als einem Jahr bis zu fünf Jahren bedroht sind, 5. drei Jahre bei den übrigen Taten.

1 Strafklageverbrauch (Art. 103 Abs. 3 GG) tritt durch das Prozessurteil nicht ein Mitsch in MüKo-StGB, § 78 Rz. 8. 2 Fischer, StGB, Vor § 78 Rz. 2; Saliger in NK-StGB, Vor §§ 78 ff. Rz. 13. Vgl. BGH v. 19.10.2010 – 1 StR 266/10, BGHSt 56, 6, 8 ff. [Gewerbsmäßigkeit beim Betrug]; BGH v. 8.2.2011 – 1 StR 490/10, NJW 2011, 1157, 1158 [Verjährungsbeginn bei §§ 331, 333]. 3 BGH v. 5.10.2007 – 2 StR 441/07, NStZ 2008, 146; BGH v. 16.12.2014 – 1 StR 496/14, BeckRS 2015, 02619 (Rz. 11); BGH v. 2.3.2016 – 1 StR 619/15, NStZ-RR 2016, 137; Schmid in LK-StGB, § 78 Rz. 3; Wolter in SK-StGB, Vor § 78 Rz. 26. 4 BGH v. 1.12.2010 – 2 StR 469/10, BeckRS 2011, 01253 (Rz. 3); Saliger in NK-StGB, Vor §§ 78 ff. Rz. 11. 5 BGH v. 26.3.1959 – 2 StR 566/58, BGHSt 13, 75, 78 ff. [Vorrang der Sachentscheidung]; BGH v. 9.1.1990 – 5 StR 601/89, BGHSt 36, 340 f.; BGH v. 29.1.2013 – 2 StR 510/12, NStZ 2014, 144 m. Anm. Kölbel NStZ 2014, 125 und Bespr. Deiters/Albrecht, ZJS 2013, 318 f.; Mitsch in MüKo-StGB, § 78 Rz. 7; Saliger in NK-StGB, Vor §§ 78 ff. Rz. 11; Schmidt in LK-StGB, Vor § 78 Rz. 16. 6 BGH v. 11.11.1955 – 1 StR 409/55, BGHSt 8, 269, 270; BGH v. 19.10.2010 – 1 StR 266/10, BGHSt 56, 6, 8 ff.; BGH v. 26.6.1958 – 4 StR 145/58, BGHSt 11, 393, 395; OLG Celle v. 31.5.2011 – 32 Ss 187/10, NStZ-RR 2012, 75; Saliger in NKStGB, Vor §§ 78 ff. Rz. 12; Sternberg-Lieben/Bosch in S/S-StGB, Vor §§ 78 ff. Rz. 5; Wolter in SK-StGB, Vor § 78 Rz. 15. 7 BayObLG MDR 1975, 72. Ausf. und zu weiteren Konstellationen im Zusammenhang mit der Revision Saliger in NKStGB, Vor §§ 78 ff. Rz. 12. 8 BGH v. 19.2.1963 – 1 StR 318/62, BGHSt 18, 274, 278; BGH v. 28.4.2009 – 4 StR 95/09, NStZ-RR 2009, 270; BGH v. 1.12.2010 – 2 StR 469/10, BeckRS 2011, 01253 (Rz. 2); Schmidt in LK-StGB, Vor § 78 Rz. 15; Sternberg-Lieben/Bosch in S/S-StGB, § 78 Rz. 13; Wolter in SK-StGB, Vor § 78 Rz. 15. 9 BGH v. 25.10.1995 – 2 StR 433/95, BGHSt 41, 305, 310; BGH v. 22.10.2008 – 1 StR 503/08, NStZ-RR 2009, 43; BGH v. 2.3.2016 – 1 StR 619/15, NStZ-RR 2016, 137; Fischer, StGB, § 78 Rz. 2; Rosenau in S/S-StGB, § 78 Rz. 19; Saliger in NK-StGB, Vor §§ 78 ff. Rz. 14; diff. im Hinblick auf die Verteidigung des Angeklagten Gillmeister, NStZ 2000, 346. S. auch Sternberg-Lieben/Bosch in S/S-StGB, Vor §§ 78 ff. Rz. 6, die insbesondere auf die Gewerbs-/Gewohnheitsmäßigkeit hinweisen. 10 Wolter in SK-StGB, Vor § 78 Rz. 28 m.w.N.

Saliger/Schweiger

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StGB

Verjährungsfrist

StGB

§ 78 StGB Rz. 1

Strafgesetzbuch

(4) Die Frist richtet sich nach der Strafdrohung des Gesetzes, dessen Tatbestand die Tat verwirklicht, ohne Rücksicht auf Schärfungen oder Milderungen, die nach den Vorschriften des Allgemeinen Teils oder für besonders schwere oder minder schwere Fälle vorgesehen sind.

A. Regelungsgegenstand und -wirkung (Absätze 1 und 2) 1

Die Vorschrift regelt Gegenstand, Wirkung (Absätze 1, 2) sowie Fristen (Absatz 3) und Bemessungsgrundlage (Absatz 4) der Verfolgungsverjährung. Abs. 1 S. 1 bestimmt, dass der Eintritt der Verfolgungsverjährung sowohl die Ahndung der Tat als auch die Anordnung von Maßnahmen (§ 11 Abs. 1 Nr. 8) ausschließt. Tat meint dabei die einzelne Gesetzesverletzung,1 weshalb bei Tateinheit jeder Gesetzesverstoß getrennt im Hinblick auf seine eigenständige Verjährung zu untersuchen ist (Vor §§ 78 ff. StGB Rz. 8). Absatz 2 legt seit seiner Einfügung durch Art. 1 des 16. StrÄG v. 16.7.19792 die Unverjährbarkeit von Mord fest, wobei dies auch für die Teilnahme, den Versuch und die versuchte Teilnahme (§ 30) gilt.3 Ebenfalls unverjährbar sind nach § 5 VStGB Straftaten gegen das Völkerrecht. Grund dieser Sonderregelungen ist die Wertung des Gesetzgebers, dass das menschliche Leben als ein Höchstwert der Verfassung im Hinblick auf derartig verwerfliche Delikte schützenswerter ist als die erstrebten Regelungsziele der Verjährung (Vor §§ 78 StGB ff. Rz. 5).4

2

Unter Ahndung fallen die Sanktionierung durch Strafen (§§ 38 ff.), der Schuldspruch bei Absehen von Strafe (§ 60) und die Verwarnung mit Strafvorbehalt (§§ 59 ff.), mithin alle Formen strafrechtlicher Sanktion.5 Ebenfalls bei Verjährungseintritt ausgeschlossen ist die Anordnung von Maßnahmen, im Einzelnen die Verhängung von Maßregeln der Besserung und Sicherung (§ 61), die Anordnung des Verfalls (§§ 73 ff.),6 der Einziehung (§§ 74 ff.) und der Unbrauchbarmachung (§ 74d). Da Nebenfolgen (§§ 45 ff.) für ihre Anordnung eine Verurteilung voraussetzen, steht auch ihnen der Verjährungseintritt entgegen.7 Ebenfalls entfällt eine mögliche Zuerkennung von Schadensersatz im Adhäsionsverfahren nach § 403 StPO, wenn die dem Strafverfahren zugrundeliegende Straftat bereits verjährt ist.8 Eine Ausnahme stellt die Sicherungseinziehung dar, welche seit dem 21. StrÄndG v. 13.5.19859 nach § 78 Abs. 1 S. 2 i.V.m. § 76a Abs. 2 S. 1 Nr. 1 auch im Falle von Verjährung selbständig angeordnet werden kann.10

3

Der Grundsatz, dass jedes Delikt einer selbständigen Verjährung unterliegt (Vor §§ 78 ff. StGB Rz. 8), bedingt, dass eine Strafbarkeit des Mittäters (§ 25 Abs. 2) oder Teilnehmers (§§ 26, 27) nicht allein aufgrund der Verjährung der Haupttat entfällt.11 Darüber hinaus sind die Einzelheiten der Verjährung aufgrund ihrer nicht-akzessorischer Natur für jeden Tatbeteiligten an den jeweiligen Umständen des Einzelfalles stets individuell zu bemessen.12

4

Ergeht gegen eine juristische Person eine Geldbuße nach § 30 OWiG, so richten sich nach nicht unumstrittener Ansicht des BGH die Verjährungsfristen ebenso wie verjährungsunterbrechende Handlungen im Verfahren gegen die juristische Person nach den §§ 78 ff., wenn Anknüpfungspunkt die Straftat einer dem Unternehmen zuzurechnenden natürlichen Person ist.13 Vor dem Hintergrund der Akzessorietät zwischen Organtat und Geldbuße ist diese Rspr. systemtreu und als legitim zu befürworten.14

B. Verjährungsfristen (Absatz 3) und Bemessungsgrundlage (Absatz 4) 5

Die Strafverfolgung verjährt binnen bestimmter, in Absatz 3 nach der Schwere der Straftat gestaffelter Fristen. Sowohl Gerechtigkeitsaspekte als auch Gründe der Vereinfachung bewegten den Gesetzgeber dazu, die Fristen 1 Rosenau in S/S-StGB, § 78 Rz. 10; Schmid in LK-StGB, § 78 Rz. 3. Vgl. auch Mitsch in MüKo-StGB, § 78 Rz. 5. 2 BGBl. I 1979, S. 1046. 3 Str., wie hier: OLG Frankfurt v. 24.3.1988 – 1 Ws 277/87, NJW 1988, 2900; Mitsch in MüKo-StGB, § 78 Rz. 15; Schmid in LK-StGB, § 78 Rz. 6; Wolter in SK-StGB, § 78 Rz. 7. A.A. [Mordbeihilfe unterliegt der Verjährung] LG Hamburg v. 16.1.1981 – (90) 3/80 Ks - 147 Js 8/75, NStZ 1981, 141 m. Anm. Schünemann, NJW 1981, 143; Trifterer, NJW 1980, 2049. 4 BT-Drucks. 8/2539, S. 2; BT-Drucks. 8/2653 (neu), S. 4. 5 Saliger in NK-StGB, § 78 Rz. 3; Sternberg-Lieben/Bosch in S/S-StGB, § 78 Rz. 3. 6 Zur nicht nachvollziehbaren Auffassung des BGH v. 20.9.1995 – 3 StR 267/95, NJW 1996, 136, 138, dass der erweiterte Verfall nach § 73d auch bei verjährten Straftaten in Betracht kommen soll, s. Saliger in NK-StGB, § 78 Rz. 4; Schmid in LK-StGB, § 78 Rz. 2. 7 Fischer, StGB, § 78 Rz. 2; Rosenau in S/S-StGB, § 78 Rz. 9; Saliger in NK-StGB, § 78 Rz. 3; Wolter in SK-StGB, § 78 Rz. 2. 8 Saliger in NK-StGB, § 78 Rz. 3; Wolter in SK-StGB, § 78 Rz. 2. 9 BGBl. I 1985, S. 965. 10 Wolter in SK-StGB, § 78 Rz. 1. 11 Mitsch in MüKo-StGB, § 78 Rz. 11; vgl. auch Saliger in NK-StGB, § 78 Rz. 5. 12 Mitsch in MüKo-StGB, § 78 Rz. 11. 13 Wie hier: BGH v. 5.12.2000 – 1 StR 411/00, BGHSt 46, 207, 208 ff.; Kühl in Lackner/Kühl, § 78 Rz. 10a; Mitsch in MüKo-StGB, Vor §§ 78 ff. Rz. 3; Rogall in KK-OWiG, § 30 Rz. 251; Saliger in NK-StGB, § 78 Rz. 4. Krit. Wolter in SKStGB, § 78 Rz. 5 f. 14 Raum in W/J, 4. Kap. Rz. 189; Saliger in NK-StGB, § 78 Rz. 4.

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Rz. 8 § 78 StGB

an der abstrakt maximalen Strafdrohung der Delikte (Höchstmaß) zu orientieren und dementsprechend in fünf Stufen zu staffeln:1 Die Frist beträgt 30 Jahre bei Taten, die mit lebenslanger Freiheitsstrafe sanktioniert werden (Nr. 1, z.B. § 251); 20 Jahre bei Taten, die ein Höchstmaß von mehr als zehn Jahren Freiheitsstrafe vorsehen (Nr. 2, z.B. §§ 252, 255); zehn Jahre bei Taten mit einem Höchstmaß von mehr als fünf bis zu zehn Jahren Freiheitsstrafe (Nr. 3, z.B. § 263 Abs. 5); fünf Jahre bei Taten mit angedrohter Freiheitsstrafe von mehr als einem bis zu fünf Jahren (Nr. 4, z.B. §§ 263 Abs. 1, 266 Abs. 1); drei Jahre für alle übrigen Taten sowie Geldstrafen (Nr. 5, z.B. § 203 Abs. 1). Im Wirtschaftsstrafrecht ist typischerweise die Frist des Abs. 3 Nr. 4 von Belang.2 Zu beachten ist jedoch, dass das Verstreichen der Frist allein nicht zwangsweise zur Unverfolgbarkeit führt, da das Gesetz auch Vorschriften zum Ruhen (§ 78b) und zur Unterbrechung (§ 78c) der Verjährung kennt.3 Die Verjährungsfrist beginnt mit dem fristauslösenden Ereignis und endet an dem Tag, der kalendermäßig 6 dem Anfangstag vorausgeht, wobei es unerheblich ist, ob das Fristende auf einen Samstag, Sonntag oder Feiertag fällt.4 Bemessungsgrundlage für die Fristen ist nach Absatz 4 die Strafdrohung, die sich dem verletzten Straftat- 7 bestand entnehmen lässt. Da Privilegierungen und Qualifikationen als eigene Tatbestände mit selbständiger Strafdrohung, welche den Strafrahmen des Grunddeliktes nach oben oder unten erweitern, zu behandeln sind (Strafänderungsgründe),5 haben sie unmittelbar Einfluss auf die Fristenberechnung der Verjährung.6 Dagegen bleiben strafrahmenmodifizierende Vorschriften, wie Milderungen aus dem AT (z.B. §§ 13 Abs. 2, 17, 21, 23 Abs. 2, 27 Abs. 2, 28 Abs. 1, 35, 49 Abs. 2, nicht § 16)7 und Schärfungen oder Milderungen für besonders schwere oder minder schwere Fälle (wie z.B. Regelbeispiele)8 aus dem BT für die Frist ohne Relevanz.9 Aufgrund der Akzessorietät richtet sich die Verjährung bei der Teilnahme nach der Strafdrohung des durch die Haupttat verwirklichten Deliktes, es sei denn, es liegt eine Tatbestandsverschiebung nach § 28 Abs. 2 vor.10 Ändert sich die Strafdrohung zwischen Begehung und Aburteilung der Tat, so bestimmt sich die Frist nach der nach § 2 Abs. 3 anzuwendenden milderen Bestimmung.11

C. Wiederaufleben der Verfolgungsverjährung? Ergeht vor Ende des Ablaufs der Verfolgungsverjährung ein Urteil, so endet die Verfolgungsverjährung mit des- 8 sen Rechtskraft und die Vollstreckungsverjährung beginnt zu laufen (vgl. bereits Vor §§ 78 ff. StGB Rz. 2). Da die Rechtskraft des Urteils aber durch Wiederaufnahme des Verfahrens oder Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nachträglich durchbrochen werden kann, stellt sich die Frage der Auswirkung auf die Verfolgungsverjährung. Richtigerweise ist davon auszugehen, dass in beiden Fällen mit dem entsprechenden Beschluss nach §§ 46 Abs. 1, 370 Abs. 2 StPO eine komplett neue Verfolgungsverjährungsfrist zu laufen beginnt und nicht lediglich die frühere Frist wieder auflebt und sich fortsetzt.12 Die Rechtskraft des Urteils beendet die alte Verfolgungsverjährung (Vor §§ 78 ff. StGB Rz. 2), von einem Ruhen in der Zwischenzeit bis zum Beschluss der Wiederaufnahme bzw. der Wiedereinsetzung kann folglich schon aus systematischen Gründen nicht ausgegangen werden.13 Überdies führte das Wiederaufleben der alten Verjährung im Hinblick auf die absolute Verjährungsfristregelung in § 78c Abs. 3 S. 2 den Sinn und Zweck von Wiederaufnahmeverfahren – insbesondere im Anschluss an wirtschaftsstrafrechtliche Mammutprozesse – ad absurdum, da diese in der Folge regelmäßig wegen Verjährung eingestellt werden müssten.14

1 BT-Drucks. IV/650, S. 258; Rosenau in S/S-StGB, § 78 Rz. 12; Saliger in NK-StGB, § 78 Rz. 9; Wolter in SK-StGB, § 78 Rz. 8. 2 Gallandi, wistra 1993, 255; Hennig, wistra 2000, 321. 3 Saliger in NK-StGB, § 78 Rz. 8 mit dem Verweis auf ein aktuelles Bsp. aus der Praxis: BGH v. 2807.2015 – 1 StR 602/14, NStZ 2016, 164 – Schreiber II m. Anm. Kudlich, NStZ 2016, 170 und Bespr. Gehm, StBW 2015, 749. 4 Mitsch in MüKo-StGB, § 78 Rz. 20; Schmid in LK-StGB, § 78 Rz. 7; Sternberg-Lieben/Bosch in S/S-StGB, § 78 Rz. 12. 5 Saliger in NK-StGB, § 78 Rz. 12. 6 BGH v. 6.12.1995 – 3 StR 410/95, NStZ 1996, 275 m. Anm. Dölling, NStZ 1997, 99; BGH v. 8.8.1997 – 4 StR 110/97, NStZ 1998, 36; Fischer, StGB, § 78 Rz. 5a; Rosenau in S/S-StGB, § 78 Rz. 13; Sternberg-Lieben/Bosch in S/S-StGB, § 78 Rz. 10. 7 Wolter in SK-StGB, § 78 Rz. 8 f. 8 Zu der inkonsequenten Ausnahmeregelung des § 376 Abs. 1 AO Mitsch in MüKo-StGB, § 78 Rz. 22; Haas/Wilke, NStZ 2010, 297; Pelz, NJW 2009, 470. 9 BGH v. 27.7.2010 – 1 StR 319/10, NStZ-RR 2010, 374, 375; Saliger in NK-StGB, § 78 Rz. 12; Wolter in SK-StGB, § 78 Rz. 8. 10 Mitsch in MüKo-StGB, § 78 Rz. 21; Schmid in LK-StGB, § 78 Rz. 4; Sternberg-Lieben/Bosch in S/S-StGB, § 78 Rz. 10. 11 Ausf. dazu Saliger in NK-StGB, Vor § 78 Rz. 10. 12 Str., wie hier: BGH v. 29.11.1972 – 2 StR 498/72, GA 1974, 149; OLG Düsseldorf v. 29.1.1988 – 1 Ws 1043/87, NJW 1988, 2251; Gössel, NStZ 1988, 537; Saliger in NK-StGB, § 78 Rz. 15; Schmid in LK-StGB, § 78 Rz. 10 f. A.A. Fischer, StGB, § 78b Rz. 11a; Mitsch in MüKo-StGB, § 78b Rz. 20; Wolter in SK-StGB, Vor § 78 Rz. 10. Diff. Sternberg-Lieben/ Bosch in S/S-StGB, § 78a Rz. 15. 13 So aber Wolter in SK-StGB, Vor § 78 Rz. 10. 14 Saliger in NK-StGB, § 78 Rz. 15; Schmid in LK-StGB, § 78 Rz. 11.

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StGB

Verjährungsfrist

StGB

§ 78a StGB Rz. 1

Strafgesetzbuch

§ 78a Beginn Die Verjährung beginnt, sobald die Tat beendet ist. Tritt ein zum Tatbestand gehörender Erfolg erst später ein, so beginnt die Verjährung mit diesem Zeitpunkt.

A. Funktion und Bedeutung der Norm für das Wirtschaftsstrafrecht 1

Die Norm legt den Beginn der Verfolgungsverjährung fest und bestimmt im Zusammenspiel mit §§ 78b, 78c und § 78 den Zeitpunkt des Verjährungseintrittes (Funktion).1 Nach Satz 1 beginnt die Verjährung einer Tat mit ihrer Beendigung (zum Beendigungsbegriff Rz. 2). Vor dem Hintergrund der regelmäßig langen Verfahrensdauer erlangt in der Praxis des Wirtschaftsstrafrechts die exakte Bestimmung des Verjährungsbeginns besondere Bedeutung, zumal die relevanten Beendigungszeitpunkte typisch wirtschaftsstrafrechtlicher Delikte im Einzelfall stark umstritten sind (ausf. Rz. 5 ff.).2

B. Verjährungsrechtlicher Beendigungsbegriff 2

Zentrale Relevanz für den Verjährungseintritt besitzt die Frage, wann eine Tat beendet ist. Bis auf einige wenige Ausnahmen besteht Einigkeit dahingehend, dass der Beendigungszeitpunkt nicht gleichzusetzen ist mit dem Zeitpunkt der Tatvollendung.3 Richtigerweise ist zur Bestimmung des Verjährungsbeginns auf einen materiellen Beendigungsbegriff abzustellen.4 Zwar spricht für einen tatbestandlichen Beendigungsbegriff eine erhöhtes Maß an Rechtssicherheit durch eine Orientierung am tatbestandlich vertypten Unrecht.5 Eine derartige Beurteilung verkennt allerdings, dass das Tatunrecht über das im Tatbestand Fixierte hinausgehen kann, weshalb es zielführender ist, auf die tatsächliche Beendigung des Tatunrechts, also den Abschluss des rechtsverneinenden Tuns des Täters abzustellen.6 Unter Berücksichtigung von Art. 103 Abs. 2 GG findet der materielle Beendigungsbegriff freilich seine Grenzen, wenn ein Weiterhandeln kein strafbares Unrecht mehr verwirklicht.7

3

Für Unklarheit sorgt zuweilen die leicht missverständliche Formulierung in § 78a S. 2,8 wonach die Verjährung erst mit dem zum Tatbestand gehörenden Erfolg beginnt, soweit ein solcher vorgesehen ist. Vor dem Hintergrund, dass der materielle Beendigungsbegriff in Satz 1 bereits alle tatbestandlichen Erfolgseintritte umfasst (Rz. 2), bleiben als Anwendungsbereich des Satzes 2 lediglich die schweren Folgen erfolgsqualifizierter Delikte.9

4

Die Verjährungsfristen nach § 78 Abs. 3 beginnen mit dem fristauslösenden Ereignis, sprich der materiellen Tatbeendigung, zu laufen und enden mit Ablauf des Tages, der kalendermäßig dem Anfangstag vorausgeht, wobei es unerheblich ist, ob das Fristende auf einen Samstag, Sonntag oder Feiertag fällt (§ 78 StGB Rz. 6). Bei Bedenken hinsichtlich der Verjährungsvoraussetzungen greift grundsätzlich der Zweifelssatz zugunsten des Angeklagten (Vor §§ 78 StGB ff. Rz. 9).

C. Verjährungsbeginn bei einzelnen Wirtschaftsdelikten I. Betrug und Untreue 5

Auf der Grundlage eines materiellen Tatbeendigungsbegriffes (Rz. 2) beginnt beim Betrug (§ 263) allgemein die Verjährung zu laufen, wenn der Täter den letzten planmäßig angestrebten Vorteil erlangt hat und die Tat im Gan-

1 Mitsch in MüKo-StGB, § 78a Rz. 1; Saliger in NK-StGB, § 78a Rz. 1. 2 Vgl. Schäfer in FS Dünnebier, S. 541. 3 BGH v. 4.4.1979 – 3 StR 488/78, BGHSt 28, 371, 379; Dallmeyer, ZStW 124 (2012), 711, 713 f.; Saliger in NK-StGB, § 78a Rz. 5; Satzger, Jura 2012, 433, 437; Sternberg-Lieben/Bosch in S/S-StGB, § 78a Rz. 1. A.A. Nazarian, Der Beginn der Strafverfolgungsverjährung – § 78a StGB, 2010, S. 120 ff. 4 Str., wie hier: BGH v. 22.5.1958 – 1 StR 551/57, BGHSt 11, 345, 346 ff.; BGH v. 23.8.1961 – 2 StR 267/61, BGHSt 16, 207, 208 ff.; BGH v. 23.9.1971 – 4 StR 207/71, BGHSt 24, 218, 220; BGH v. 4.4.1979 – 3 StR 488/78, BGHSt 28, 371, 379; BGH v. 1.2.1989 – 3 StR 450/88, BGHSt 36, 105, 117; Rosenau in S/S-StGB, § 78a Rz. 2; Saliger in NK-StGB, § 78a Rz. 7; Schmid in LK-StGB, § 78a Rz. 3; Sternberg-Lieben/Bosch in S/S-StGB, § 78a Rz. 1; Wolter in SK-StGB, § 78a Rz. 4. A.A. [tatbestandlicher Beendigungsbegriff] Mitsch in MüKo-StGB, § 78a Rz. 5; Reichling/Winsel, JR 2004, 331, 335; wohl auch Dallmeyer, ZStW 124 (2012), 711, 714 ff. 5 Vgl. Saliger in NK-StGB, § 78a Rz. 7. 6 BGH v. 26.2.1997 – 3 StR 525/96 BGHSt 43, 1, 7; BGH v. 28.11.1997 – 3 StR 114/97, BGHSt 43, 321, 324; BGH v. 19.6.2008 – 3 StR 90/08, BGHSt 52, 300, 302; BGH v. 10.1.2008 – 3 StR 462/07, NStZ-RR 2009, 12, 13; BGH v. 6.9.2011 – 1 StR 633/10, wistra 2012, 29, 35; Rosenau in S/S-StGB, § 78a Rz. 2; Saliger in NK-StGB, § 78a Rz. 6; Schmid in LKStGB, § 78a Rz. 3; Sternberg-Lieben/Bosch in S/S-StGB, § 78a Rz. 1; Wolter in SK-StGB, § 78a Rz. 3 f. 7 BGH v. 22.5.1958 – 1 StR 551/57, BGHSt 11, 345, 347; Saliger in NK-StGB, § 78a Rz. 7. Zu verfassungsrechtlichen Bedenken s. bspw. Dannecker, NStZ 1985, 49, 52 ff.; Furtner, JR 1966, 169. 8 Zur Gesetzesgenese Saliger in NK-StGB, § 78a Rz. 2; Schmid in LK-StGB, § 78a Rz. 1. 9 Str., wie hier: BGH v. 18.10.2007 – 3 StR 248/07, NStZ 2009, 34, 35; Saliger in NK-StGB, § 78a Rz. 8; Wolter in SK-StGB, § 78a Rz. 5. A.A. [Überflüssigkeit von Satz 2] Schmid in LK-StGB, § 78a Rz. 1; Sternberg-Lieben/Bosch in S/S-StGB, § 78a Rz. 1.

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Rz. 9 § 78a StGB

zen abgeschlossen ist (§ 263 StGB Rz. 260).1 Für den Anstellungsbetrug2 ist demgemäß der Erhalt der letzten Entgeltzahlung maßgeblich, für den Rentenbetrug3 der Erhalt der letzten Leistung und für den Mietbetrug4 die letzte Mietzahlung. Beim Computerbetrug (§ 263a) kommt es ebenfalls auf die Erlangung des letzten Vorteils an (§ 263a StGB Rz. 20).5 Beim Anlagebetrug tritt Beendigung mit dem vollständigen Erbringen aller Einlagen ein.6 Beim Kreditbetrug (§ 265b) kommt es für die Beendigung grundsätzlich auf das Erbringen der beantragten Leistung des Kreditgebers an (§ 265b StGB Rz. 18).7 Insbesondere bei der Finanzierung von Immobilien ist der Zeitpunkt der vollständigen Auszahlung der Darlehensvaluta entscheidend.8 Beim Kapitalanlagebetrug (§ 264a) als abstraktem Gefährdungsdelikt tritt Beendigung zeitgleich mit der Voll- 6 endung ein, welche im Abschluss der Tathandlung, also dem Zugänglichmachen der unrichtigen Angaben gegenüber einem größeren Personenkreis zu sehen ist (§ 264a StGB Rz. 21).9 Beim Subventionsbetrug (§ 264) dagegen fallen Vollendung und Beendigung nach richtiger Ansicht auseinander: Beendigung liegt demnach erst vor, wenn der Subventionsempfänger die letzte Subventionsleistung erhält oder die Subvention endgültig versagt wird (§ 264 StGB Rz. 41).10 Eine Untreuehandlung (§ 266) ist beendet i.S.d. § 78a, wenn der gesamte vom Täter anvisierte Vermögensnach- 7 teil beim Treugeber eingetreten ist (§ 266 StGB Rz. 133).11 Dies ist jedenfalls ab dem Zeitpunkt der Fall, in dem der Täter die Gelder entweder zweckwidrig für eigene Interessen nutzt, oder er den entsprechenden Betrag pflichtwidrig nicht an den Berechtigten weiterleitet.12 Beim Scheck- und Kreditkartenmissbrauch (§ 266b) liegt Beendigung regelmäßig mit Eintritt des Schadens vor (§ 266b StGB Rz. 24).13 Der Deliktscharakter und die Sozialrechtsakzessorietät des § 266a bedingen, dass die Verjährung beim Vorent- 8 halten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt grundsätzlich erst mit dem Erlöschen der Beitragspflicht und nicht bereits mit Eintritt der Zahlungsunfähigkeit zu laufen beginnt (§ 266a StGB Rz. 39).14 Dies kann vor dem Hintergrund der einschlägigen sozialversicherungsrechtlichen Verjährungsfrist (30 Jahre, § 25 Abs. 1 S. 2 SGB IV) dazu führen, dass die strafrechtliche Verjährungsfrist in systemwidriger Weise unbillig weit nach hinten verlagert wird.15 Können die Gerichte diese Härte dauerhaft nicht durch strafprozessuale Maßnahmen (§§ 153 ff. StPO) oder mildernde Berücksichtigung in der Strafzumessung auflösen, sind steuernde Aktivitäten seitens des Gesetzgebers erforderlich.16 Bei sukzessiver Tatbegehung mit schadensvertiefenden Elementen ist sowohl beim Betrug als auch bei der 9 Untreue das letzte schädigende Ereignis maßgeblich.17 Begründet sich der Vermögensschaden im Einzelfall in

1 BGH v. 22.1.2004 – 5 StR 415/03, wistra 2004, 228; zuletzt BGH v. 18.11.2015 – 4 StR 76/15, NStZ-RR 2016, 42; BGH v. 29.1.2015 – 1 StR 587/14, NStZ 2015, 517, 519; vgl. auch Saliger in NK-StGB, § 78a Rz. 12; Schmidt in LK-StGB, § 78a Rz. 5. A.A. Mitsch in MüKo-StGB, § 78a Rz. 5. 2 Entgegen der Rspr. des BGH v. 9.1.1968 – 5 StR 603/67, BGHSt 22, 38, 40 ff., der auf den Abschluss des Anstellungsvertrages abstellt, richtig Fischer, StGB, § 78a Rz. 9; Saliger in NK-StGB, § 78a Rz. 12; Schmid in LK-StGB, § 78a Rz. 5. 3 BGH v. 25.1.1978 – 3 StR 412/77, BGHSt 27, 342 m. Bespr. Kühl, JZ 1987, 549; Wolter in SK-StGB, § 78a Rz. 6. 4 OLG Koblenz v. 4.8.1992 – 1 Ws 289/92, MDR 1993, 70; Sternberg-Lieben/Bosch in S/S-StGB, § 78a Rz. 4 m.w.N. 5 Perron in S/S-StGB, § 263a Rz. 30; krit. im Hinblick auf eine potentiell lange Verjährungsfrist bei längerfristig wirkenden Programmmanipulationen Wohlers/Mühlbauer in MüKo-StGB, § 263a Rz. 83. 6 BGH v. 21.10.1999 – 4 StR 78/99, NStZ 2000, 85; Fischer, StGB, § 78a Rz. 9; Saliger in NK-StGB, § 78a Rz. 12. 7 Hellmann in NK-StGB, § 265b Rz. 65; Park in Kapitalmarktstrafrecht, § 265b Rz. 281; Saliger in S/S-StGB, § 265b Rz. 18. 8 BGH v. 18.11.2015 – 4 StR 76/15, NStZ-RR 2016, 42; Saliger in NK-StGB, § 78a Rz. 12. 9 OLG Köln v. 13.4.1999 – 2 Ws 97–98/99, NJW 2000, 598; Schmid in LK-StGB, § 78a Rz. 14; Sternberg-Lieben/Bosch in S/S-StGB, § 78a Rz. 11. A.A. Hellmann in NK-StGB, § 264a Rz. 88. 10 Str., wie hier: BGH v. 21.5.2008 – 5 StR 93/08, wistra 2008, 348; BGH v. 28.5.2014 – 3 StR 206/13, BeckRS 2014, Nr. 17994, Rz. 6; zuletzt BGH v. 1.12.2015 – 1 StR 154/15, BeckRS 2016, Nr. 00802, Rz. 4; Fischer, StGB, § 264 Rz. 38 m. ausf. Begründung; Perron in S/S-StGB, § 264 Rz. 66; Saliger in NK-StGB, § 78a Rz. 21. A.A. [Beendigung mit Abgabe des Subventionsantrages] OLG München v. 22.2.2006 – 5 St RR 012/06, NStZ 2006, 630, 631; Reichling/Winsel, JR 2014, 331, 333. A.A. [Beendigung mit Freigabebescheid] Schmid in LK-StGB, § 78a Rz. 14. 11 BGH v. 11.7.2001 – 5 StR 530/00, NStZ 2001, 650; Fischer, StGB, § 78a Rz. 9. 12 BGH v. 29.1.2015 – 1 StR 587/14, NStZ 2015, 517; Saliger in NK-StGB, § 78a Rz. 13. 13 Bär in G/J/W, § 266b StGB Rz. 25; Esser in AnwK-StGB, § 266b Rz. 21. 14 Str., wie hier: BGH v. 7.3.2012 – 1 StR 662/11, ZWH 2012, 232; OLG Jena v. 20.5.2005 – 1 Ss 252/04, NStZ-RR 2006, 170; Fischer, StGB, § 78a Rz. 8a; Saliger in NK-StGB, § 78a Rz. 16; Fischer in S/S-StGB, § 266a Rz. 26, 28; Schmid in LKStGB, § 78a Rz. 12. A.A. [Beginn mit erstmaliger Vollendung] Bachmann in FS Samson, S. 238 ff.; Hüls/Reichling, StraFo 2011, 305, 308; Reichling/Winsel, JR 2014, 331, 341. 15 Radtke in MüKo-StGB, § 266a Rz. 116 f.; Saliger in NK-StGB, § 78a Rz. 16. 16 Saliger in NK-StGB, § 78a Rz. 16. 17 BGH v. 20.7.1983 – 2 StR 96/83, NJW 1984, 376; BGH v. 25.10.2000 – 2 StR 232/00, BGHSt 46, 159, 166; BGH v. 11.7.2001 – 5 StR 530/00, NStZ 2001, 650; BGH v. 22.1.2004 – 5 StR 415/03, wistra 2004, 228; Fischer, StGB, § 78a Rz. 8a; Sternberg-Lieben/Bosch in S/S-StGB, § 78a Rz. 4; Wolter in SK-StGB, § 78a Rz. 6 m.w.N. A.A. Mitsch in MüKoStGB, § 78a Rz. 5.

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StGB

Beginn

StGB

§ 78a StGB Rz. 10

Strafgesetzbuch

einer konkreten schadensgleichen Vermögensgefährdung, so beginnt die Verjährungsfrist erst mit der Realisierung der Gefahr im endgültigen Schaden zu laufen.1

II. Insolvenzstraftaten 10

Bei den Bankrottdelikten (§§ 283 ff.) beginnt die Verjährung mit dem Eintritt der jeweiligen objektiven Strafbarkeitsbedingung (§ 283 Abs. 6), da erst zu diesem Zeitpunkt das materielle Unrecht i.S.e. Gläubigerbenachteiligung voll verwirklicht ist.2 Anderes gilt nur, wenn nach Bedingungseintritt noch weitere tatbestandsmäßige Handlungen ausgeführt werden, mit denen der Täter sein rechtsverneinendes Tun aufrechterhält.3 Demgemäß hat der BGH unter Fortführung des von ihm vertretenen materiellen Beendigungsbegriffes (Rz. 2) für die Tatvariante des Verheimlichens nach § 283 Abs. 1 Nr. 1 im Fall einer Privatinsolvenz entschieden, dass die Tat erst mit der Feststellung der Restschuldbefreiung durch das Insolvenzgericht beendet ist und nicht bereits mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens.4 Die Verjährung kann nämlich auch erst mit erstmaliger Ausführung der Tathandlung, z.B. dem Verheimlichen von Vermögensbestandteilen im Restschuldnerbefreiungsverfahren entgegen §§ 20, 97 InsO, beginnen, wenn diese zeitlich nach Eintritt der objektiven Strafbarkeitsbedingung (hier: dem Insolvenzverfahren) liegt. Bedeutsam ist diese Entscheidung vor allem für die strafrechtliche Beratungspraxis, da sie die Gefahr eines potentiell sehr späten Verjährungseintrittes im Zusammenhang mit dem Stellen eines Restschuldnerbefreiungsantrages aufzeigt.

11

Für die vorsätzliche (§ 15a Abs. 4 InsO) oder fahrlässige (§ 15a Abs. 5 InsO) Insolvenzverschleppung in Unternehmen beginnt die Verjährung mit Erfüllen oder Entfallen der Insolvenzantragspflicht.5

III. Korruptionsdelikte 12

Allgemein gilt bei den Bestechungs- und Korruptionsdelikten (§§ 299, 331 ff.), dass die Tat beendet ist, wenn der Bestochene den gesamten Vorteil endgültig und vollständig erhalten hat.6 Nach jüngerer Rspr. des BGH ist unter Zugrundelegung des materiellen Beendigungsbegriffes (Rz. 2) für den Verjährungsbeginn bei §§ 331 ff. jedoch ausnahmsweise auf den Abschluss der letzten Handlung zur Erfüllung der Unrechtsvereinbarung abzustellen, wenn der Bestochene die relevante Handlung erst nach Zuwendung des Vorteils vornimmt.7 Realisiert sich der versprochene oder geforderte Vorteil nur z.T. oder gar nicht, tritt Verjährung zu dem Zeitpunkt ein, in welchem sich das Versprechen oder die Forderung des Vorteils als endgültig fehlgeschlagen erwiesen hat, der Täter mit einer Erfüllung folglich nicht mehr rechnen kann.8 Diese Rspr. ist grundsätzlich zu begrüßen, sollte aber zumindest dahingehend begrenzt werden, dass der kausale Zusammenhang zwischen Diensthandlung und Unrechtsvereinbarung in jedem Einzelfall sorgfältig überprüft und festgestellt werden muss.9 Für Beamte beginnt die Verjährung unabhängig davon und entgegen einer neueren Entscheidung des 1. Strafsenates10 jedenfalls zu dem Zeitpunkt zu laufen, in dem sie aus der Beamtenstellung ausscheiden.11

13

Die unter Rz. 12 genannten Grundsätze lassen sich auf die Verjährung bei der Abgeordnetenbestechung (§ 108e) übertragen: Danach beginnt die Verjährungsfrist zu laufen, sobald der letzte Vorteil an den Parlamentarier gewährt wurde, sofern nicht die vereinbarte Stimmabgabe nachfolgt.12 Im Hinblick auf die Neueinführung des sog. Geschäftsherrenmodells in § 299 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 2 (dazu § 299 StGB Rz. 39 ff., 62) ergeben sich für die 1 BGH v. 8.5.2003 – 4 StR 550/02, wistra 2003, 379, 380; BGH v. 18.10.2006 – 2 StR 499/05, BGHSt 51, 100, 115 ff. – Fall Kanther; Fischer, StGB, § 78a Rz. 8a; Saliger in NK-StGB, § 78a Rz. 13; krit. Cordes/Sartorius, NJW 2013, 2635, 2636. 2 Fischer, StGB, § 283 Rz. 39; Kindhäuser in NK-StGB, Vor §§ 283–283d Rz. 101 f., § 283 Rz. 115. 3 Heine/Schuster in S/S-StGB, § 283 Rz. 70; Saliger in NK-StGB, § 78a Rz. 31; Sternberg-Lieben/Bosch in S/S-StGB, § 78a Rz. 13. 4 BGH v. 14.3.2016 – 1 StR 337/15, NJW 2016, 1525, 1526 f. m. Anm. Brand, NJW 2016, 1528 und Daners, NZI 2016, 422. 5 Unstrittig, BGH v. 4.4.1979 – 3 StR 488/78, BGHSt 28, 371, 380 zu § 84 Abs. 1 GmbHG a.F.; Klöhn in MüKo-InsO, § 15a Rz. 339. 6 BGH v. 22.5.1958 – 1 StR 551/57, BGHSt 11, 345, 347; BGH v. 23.8.1961 – 2 StR 267/61, BGHSt 16, 207, 209; BGH v. 9.10.2007 – 4 StR 444/07, NStZ-RR 2008, 42 [zu § 299]; BayObLG v. 20.7.1995 – 4 St RR 4/95, NJW 1996, 268, 269 f.; Fischer, StGB, § 78a Rz. 8; Schmid in LK-StGB, § 78a Rz. 5. 7 BGH v. 19.6.2008 – 3 StR 90/08, BGHSt 52, 300, 303 m. abl. Anm. Dann, NJW 2008, 3078 und krit. Bspr. Kuhlen, JR 2009, 53; BGH v. 31.3.2011 – 4 StR 657/10, wistra 2011, 308, 309; BGH v. 6.9.2011 – 1 StR 633/10, NStZ 2012, 511, 513. Insgesamt zur Problematik Helmrich, wistra 2009, 10. Vgl. auch Saliger in NK-StGB, § 78a Rz. 23 ff. 8 BGH v. 18.6.2003 – 5 StR 489/02, NStZ 2004, 41, 42; BGH v. 19.6.2008 – 3 StR 90/08, BGHSt 52, 300, 305; BGH v. 6.6.2011 – 1 StR 633/10, NStZ 2012, 511, 514; Saliger in NK-StGB, § 78a Rz. 24; Schmid in LK-StGB, § 78a Rz. 5. 9 Kuhlen, JR 2009, 53, 54 f.; Saliger in NK-StGB, § 78a Rz. 27. Vgl. auch Reichling/Winsel, JR 2014, 331, 336 f. 10 BGH v. 6.9.2011 – 1 StR 633/10, NStZ 2012, 511 (513) nimmt eine Beendigung der Tat auch dann an, wenn der Bestochene zum Zeitpunkt der Zahlung bereits aus dem Amt ausgeschieden ist, s. dazu Saliger in NK-StGB, § 78a Rz. 27. Ebenfalls abl. Rübenstahl, wistra 2012, 117, 118; Reichling/Winsel, JR 2014, 331, 338. Vgl. auch Fischer, StGB, § 331 Rz. 24b. 11 BGH v. 22.5.1958 – 1 StR 551/57, BGHSt 11, 345, 347; Fischer, StGB, § 331 Rz. 30a; Sternberg-Lieben/Bosch in S/S-StGB, § 78a Rz. 12. 12 BGH v. 10.1.2008 – 3 StR 462/07, NStZ-RR 2009, 12, 13; Rosenau in S/S-StGB, § 78a Rz. 6.

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Rz. 16 § 78a StGB

Frage des Verjährungsbeginns bei Bestechlichkeit und Bestechung im geschäftlichen Verkehr keine Besonderheiten, sodass es auch insoweit auf den endgültigen und vollständigen Erhalt des Vorteils ankommt.1 Noch offen ist die Frage, wann Beendigung bei den neuen Delikten der Bestechlichkeit und Bestechung im Gesundheitswesen (§§ 299a, 299b) vorliegt. Da die §§ 299a, 299b dem § 299 nachgebildet sind,2 gelten die Grundsätze zum Verjährungsbeginn bei § 299 auch bei §§ 299a, 299b.

IV. Steuerdelikte Der Verjährungsbeginn im Steuerstrafrecht ist stark an den einzelnen Steuerarten orientiert und von der Be- 14 gehungsweise (Tun oder Unterlassen) abhängig.3 Daher ergibt sich bei der Beantwortung der Frage nach der Beendigung jeweiliger Steuerstrafdelikte ein ausdifferenziertes Bild: Bei der Hinterziehung von Anmeldungs- bzw. Fälligkeitssteuern (wie bspw. Umsatz- oder Lohnsteuer) beginnt 15 die Verjährung bei falscher Erklärung mit dem Eingang der Steuermeldung und im Falle eines Unterlassens mit dem Verstreichenlassen des Fälligkeitstermins.4 Für die Umsatzsteuerhinterziehung gelten seit der Aufgabe der Figur der fortgesetzten Handlung durch den Großen Senat5 sowohl für die Umsatzsteuervoranmeldungen als auch für die Umsatzsteuerjahreserklärungen als eigenständige materiell-rechtliche Taten jeweils gesonderte Verjährungsfristen.6 Bei der Abgabe einer Umsatzsteuerjahreserklärung ist die Tat nicht bereits mit Ablauf des letzten Tages der Erklärungspflicht beendet, sondern erst mit dem vollständigen Verstreichen der Einreichungsfrist.7 Im Falle von Steuererstattungen beginnt die Verjährung erst mit Zustimmung der Finanzbehörde (§ 168 S. 2 AO).8 Wird von den Eltern Kindergeld hinterzogen, so findet die Tat erst mit dem Ende des gesamten Bezugszeitraumes ihren verjährungsrelevanten Abschluss.9 Bei der Hinterziehung von Zoll- und Einfuhrabgaben durch den Schmuggel von Waren über die Grenze beginnt die Verjährung erst mit dem Zur-Ruhe-Kommen der Waren am Bestimmungsort.10 Für die Lohnsteuerhinterziehung gilt, dass bei unterlassener Anmeldung durch den AG Beendigung mit Versäumung des Fälligkeitstermins vorliegt;11 reicht der AG jedoch vor Fälligkeit eine unrichtige Lohnsteueranmeldung ein, so beginnt die Verjährung erst mit Eingang beim Finanzamt.12 Für die Hinterziehung von Veranlagungssteuern (z.B. Einkommens-, Körperschafts- oder Erbschaftssteuer) gilt: 16 Bei Abgabe einer falschen Erklärung beginnt die Verjährung mit der Bekanntgabe des Steuerbescheides,13 bei unterlassener Abgabe mit dem Abschluss der allgemeinen Veranlagungsarbeiten des Finanzamtes.14 Bei einer Personenhandelsgesellschaft oder Publikumsgesellschaft kommt es für den verjährungsrelevanten Beendigungszeitpunkt auf die Bekanntgabe des unrichtigen Steuerbescheides an den letzten Gesellschafter an.15 Im Falle von pflichtwidrig unterlassenen Erbschafts- oder Schenkungssteuererklärungen beginnt die Verjährung vier Monate nach Kenntnis vom Erbfall bzw. der Schenkung.16

1 Zu § 299 Abs. 1 Var. 3 BGH v. 9.10.2007 – 4 StR 444/07, NStZ-RR 2008, 42. 2 BT-Drucks. 18/6446, S. 16. 3 BGH v. 11.12.1990 – 5 StR 519/90, MDR 1991, 360; Dallmeyer, ZStW 124 (2012), 711, 719 ff.; Fischer, StGB, § 78a Rz. 10, 15; Rosenau in S/S-StGB, § 78a Rz. 3; Schmid in LK-StGB, § 78a Rz. 6 ff.; Sternberg-Lieben/Bosch in S/S-StGB, § 78a Rz. 6. 4 Dallmeyer, ZStW 124 (2012), 711, 729 ff.; Reichling/Winsel, JR 2014, 331, 339; Saliger in NK-StGB, § 78a Rz. 36. 5 BGH v. 3.5.1994 – GSSt 2/93, GSSt 3/93, BGHSt 40, 138. 6 BGH v. 20.6.1994 – 5 StR 595/93, BGHSt 40, 195; BGH v. 24.11.2004 – 5 StR 206/04, BGHSt 49, 359, 363; Saliger in NK-StGB, § 78a Rz. 36; Schmid in LK-StGB, § 78a Rz. 8. 7 BGH v. 31.5.2011 – 1 StR 189/11, NStZ-RR 20122, 278; Saliger in NK-StGB, § 78a Rz. 36. 8 BGH v. 5.4.2000 – 5 StR 226/99, NStZ 2000, 427, 428; Schmid in LK-StGB, § 78a Rz. 8. 9 BFH v. 26.6.2014 – III R 21/13, NZWiSt 2015, 149; OLG Nürnberg v. 29.1.2015 – 1 OLG 8 Ss 99/14, NZWiSt 2015, 421, 422; Saliger in NK-StGB, § 78a Rz. 36. 10 Ausf. dazu und zur Frage der Verjährung des sog. Reiseschmuggels Schmid in LK-StGB, § 78a Rz. 8. 11 BGH v. 15.12.1982 – 3 StR 421/82, wistra 1983, 70; Saliger in NK-StGB, § 78a Rz. 36; Schmid in LK-StGB, § 78a Rz. 8. 12 BGH v. 5.4.2000 – 5 StR 226/99, wistra 2000, 219; Saliger in NK-StGB, § 78a Rz. 36; Schmid in LK-StGB, § 78a Rz. 8. 13 BGH v. 1.2.1989 – 3 StR 450/88, BGHSt 36, 105, 111; BGH v. 25.7.1990 – 3 StR 172/90, BGHSt 37, 145 ff.; Dallmeyer, ZStW 124 (2012), 711, 720 ff.; Fischer, StGB, § 78a Rz. 10; Schmid in LK-StGB, § 78a Rz. 7. 14 Str., wie hier: BGH v. 1.2.1989 – 3 StR 450/88, BGHSt 36, 105, 111; BGH v. 19.3.1991 – 5 StR 516/90, BGHSt 37, 340, 344 ff.; BGH v. 7.11.2001 – 5 StR 395/01, BGHSt 47, 138, 146 ff. [ab Erledigungsquote von 95 %]; Dallmeyer, ZStW 124 (2012), 711, 726 ff.; Saliger in NK-StGB, § 78a Rz. 35; Schäfer in FS Dünnebier, S. 541 ff.; Schmid in LK-StGB, § 78a Rz. 7. A.A. [Anwendung des Zweifelssatzes für eine frühestmögliche Tathandlung] OLG Hamm v. 2.8.2001 – 2 Ws 156/01, wistra 2001, 474, 476; Schmitz, wistra 1993, 248; Wulf, wistra 2003, 89. 15 BGH v. 1.2.1989 – 3 StR 450/88, BGHSt 36, 105, 117 ff.; BGH v. 7.2.1984 – 3 StR 413/83, NStZ 1984, 414 m. Anm. Streck; Schmid in LK-StGB, § 78a Rz. 7. A.A. [jeder Folgebescheid löst eigene Frist aus] Brüning in FS Samson, S. 549 ff. Zur Frage der Verjährung von Beihilfe zur Steuerhinterziehung (z.B. bei Bankmitarbeitern) Pelz, wistra 2001, 11. 16 BGH v. 25.7.2011 – 1 StR 631/10, NJW 2011, 3249, 3253 f.; Grötsch, wistra 2015, 250, 257.

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StGB

Beginn

StGB

§ 78a StGB Rz. 17

Strafgesetzbuch

V. Wettbewerbsstrafrecht 17

Unter Anwendung des materiellen Beendigungsbegriffes (Rz. 2) tritt für wettbewerbsbeschränkende Absprachen bei Ausschreibungen (§ 298) Verjährung richtigerweise zum Zeitpunkt der Zuschlagserteilung ein.1 Würde man eine Tatbeendigung erst im Zeitpunkt der letzten Leistung des Auftraggebers annehmen, würde der Beginn der strafrechtlichen Verjährungsfrist in rechtsstaatlich bedenklicher Weise (Art. 103 Abs. 2 GG) weit nach hinten verlagert.2 Für strafbare Werbung nach § 16 UWG gilt der Grundsatz, dass die Tat mit jedem Verbreitungsakt zu verjähren beginnt, sofern sie nicht zugleich als Presseinhaltsdelikt begangen wird (dann presserechtliche Sonderverjährung, dazu Vor §§ 78 StGB ff. Rz. 4).3

VI. Ausgewählte Delikte des Nebenstrafrechts 18

Sowohl beim sog. Gründungsschwindel nach § 82 Abs. 1 Nr. 1 GmbHG4 als auch beim Tätigen falscher Angaben nach § 399 AktG5 beginnt die Verjährung nach zutreffender Ansicht mit Eintragung in das Handelsregister zu laufen. Der strafbare Insiderhandel nach § 38 Abs. 1 WpHG ist als abstraktes Gefährdungsdelikt beendet, wenn die jeweilige Tathandlung nach Nr. 1 oder Nr. 2 abgeschlossen ist.6 Für das Verbot der Marktmanipulation nach § 38 Abs. 2 WpHG gilt, dass die Verjährung mit dem Eintritt des Erfolges der Manipulation, also mit der Einwirkung auf den Börsen- oder Marktpreis, beginnt.7 Verbotene Geschäfte nach § 54 KWG verjähren mit Durchführung der letzten relevanten Tathandlung.8

D. Versuch, Täterschaft und Teilnahme, Verfall 19

Beim Versuch beginnt die Verjährung nicht mit der Beendigung des Versuchs an sich, sondern mit der letzten auf Herbeiführung der Vollendung angelegten Handlung des Täters.9 Bei Mittäterschaft und Teilnahme orientiert sich die Verjährung an der Haupttat, soweit diese oder Teile davon dem Mittäter oder Teilnehmer zugerechnet werden können.10 Für die mittelbare Täterschaft bestimmt sich die Verjährung nach dem Handeln des Vordermannes.11 Wird gegen eine dritte Person der Verfall nach § 73 Abs. 3 angeordnet, richtet sich die Verjährung nach der Tat des Täters oder Teilnehmers.12

§ 78b Ruhen (1) Die Verjährung ruht 1. bis zur Vollendung des 30. Lebensjahres des Opfers bei Straftaten nach den §§ 174 bis 174c, 176 bis 178, 180 Absatz 3, §§ 182, 225, 226a und 237, 2. solange nach dem Gesetz die Verfolgung nicht begonnen oder nicht fortgesetzt werden kann; dies gilt nicht, wenn die Tat nur deshalb nicht verfolgt werden kann, weil Antrag, Ermächtigung oder Strafverlangen fehlen. (2) Steht der Verfolgung entgegen, daß der Täter Mitglied des Bundestages oder eines Gesetzgebungsorgans eines Landes ist, so beginnt die Verjährung erst mit Ablauf des Tages zu ruhen, an dem 1. die Staatsanwaltschaft oder eine Behörde oder ein Beamter des Polizeidienstes von der Tat und der Person des Täters Kenntnis erlangt oder

1 Str., wie hier: BGH v. 4.11.2003 – KRB 20/03, NJW 2004, 1539, 1541; Dannecker in W/J, Kap. 16 Rz. 44; Dannecker, NStZ 1985, 49, 51; Tiedemann in LK-StGB, § 298 Rz. 57. A.A. [Beendigung mit letzter Leistung des Auftraggebers] Fischer, StGB, § 298 Rz. 15b; Heine/Eisele in S/S-StGB, § 298 Rz. 27. A.A. [Beendigung mit Angebotsabgabe] Hohmann in MüKo-StGB, § 298 Rz. 94. 2 Dannecker in W/J, Kap. 16 Rz. 44. 3 BGH v. 12.10.1976 – 1 StR 77/76, BGHSt 27, 18; Janssen/Maluga in MüKo-StGB, § 16 UWG Rz. 73. 4 BGH v. 30.3.1987 – 1 StR 580/86, wistra 1987, 212; Südbeck in Kapitalmarktstrafrecht, § 82 GmbHG Rz. 206; Saliger in NK-StGB, § 78a Rz. 13. Anders BGH v. 10.5.2000 – 3 StR 101/00, NJW 2000, 2285. 5 Südbeck in Kapitalmarktstrafrecht, § 399 AktG Rz. 52. 6 Hilgendorf in Kapitalmarktstrafrecht, § 38 WpHG Rz. 287; Pananis in MüKo-StGB, § 38 WpHG Rz. 251. 7 Sorgenfrei in Kapitalmarktstrafrecht, § 38 Abs. 2 WpHG Rz. 245. 8 Janssen in Kapitalmarktstrafrecht, § 54 KWG Rz. 49; Janssen in MüKo-StGB, § 54 KWG Rz. 93. 9 BGH v. 1.2.1989 – 3 StR 450/88, BGHSt 36, 105, 117; Rosenau in S/S-StGB, § 78a Rz. 9; Saliger in NK-StGB, § 78a Rz. 28; Wolter in SK-StGB, § 78a Rz. 17. 10 BGH v. 11.6.1965 – 2 StR 187/65, BGHSt 20, 227, 228; BGH v. 15.3.2001 – 5 StR 454/00, NJW 2001, 2102, 2105; BGH v. 19.6.2008 – 3 StR 90/08, BGHSt 52, 300, 306; Mitsch in MüKo-StGB, § 78a Rz. 6; Saliger in NK-StGB, § 78a Rz. 29 f.; Satzger, Jura 2012, 433, 439; Schmid in LK-StGB, § 78a Rz. 18; Wolter in SK-StGB, § 78a Rz. 16. Vgl. auch Pelz, wistra 2001, 11. 11 Mitsch in MüKo-StGB, § 78a Rz. 6; Saliger in NK-StGB, § 78a Rz. 30; Satzger, Jura 2012, 433, 439. 12 BGH v. 6.11.1990 – 1 StR 718/89, wistra 1991, 102; Saliger in NK-StGB, § 78a Rz. 30; Schmid in LK-StGB, § 78a Rz. 20.

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Rz. 2 § 78b StGB

2. eine Strafanzeige oder ein Strafantrag gegen den Täter angebracht wird (§ 158 der Strafprozeßordnung). (3) Ist vor Ablauf der Verjährungsfrist ein Urteil des ersten Rechtszuges ergangen, so läuft die Verjährungsfrist nicht vor dem Zeitpunkt ab, in dem das Verfahren rechtskräftig abgeschlossen ist. (4) Droht das Gesetz strafschärfend für besonders schwere Fälle Freiheitsstrafe von mehr als fünf Jahren an und ist das Hauptverfahren vor dem Landgericht eröffnet worden, so ruht die Verjährung in den Fällen des § 78 Abs. 3 Nr. 4 ab Eröffnung des Hauptverfahrens, höchstens jedoch für einen Zeitraum von fünf Jahren; Absatz 3 bleibt unberührt. (5) Hält sich der Täter in einem ausländischen Staat auf und stellt die zuständige Behörde ein förmliches Auslieferungsersuchen an diesen Staat, ruht die Verjährung ab dem Zeitpunkt des Zugangs des Ersuchens beim ausländischen Staat 1. bis zur Übergabe des Täters an die deutschen Behörden, 2. bis der Täter das Hoheitsgebiet des ersuchten Staates auf andere Weise verlassen hat, 3. bis zum Eingang der Ablehnung dieses Ersuchens durch den ausländischen Staat bei den deutschen Behörden oder 4. bis zur Rücknahme dieses Ersuchens. Lässt sich das Datum des Zugangs des Ersuchens beim ausländischen Staat nicht ermitteln, gilt das Ersuchen nach Ablauf von einem Monat seit der Absendung oder Übergabe an den ausländischen Staat als zugegangen, sofern nicht die ersuchende Behörde Kenntnis davon erlangt, dass das Ersuchen dem ausländischen Staat tatsächlich nicht oder erst zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist. Satz 1 gilt nicht für ein Auslieferungsersuchen, für das im ersuchten Staat auf Grund des Rahmenbeschlusses des Rates vom 13. Juni 2002 über den Europäischen Haftbefehl und die Übergabeverfahren zwischen den Mitgliedstaaten (ABl. EG Nr. L 190 S. 1) oder auf Grund völkerrechtlicher Vereinbarung eine § 83c des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen vergleichbare Fristenregelung besteht. (6) In den Fällen des § 78 Absatz 3 Nummer 1 bis 3 ruht die Verjährung ab der Übergabe der Person an den Internationalen Strafgerichtshof oder den Vollstreckungsstaat bis zu ihrer Rückgabe an die deutschen Behörden oder bis zu ihrer Freilassung durch den Internationalen Strafgerichtshof oder den Vollstreckungsstaat.

A. Wesen, Funktion und Wirkungen der Vorschrift Die Vorschrift benennt die Voraussetzungen zum Ruhen der strafrechtlichen Verfolgungsverjährung und wird 1 durch die Regelungen in §§ 153a Abs. 3, 154e Abs. 3 StPO, 396 AO ergänzt.1 Ruhen bedeutet Stillstand einer entweder noch gar nicht angelaufenen oder einer bereits in Gang gesetzten Frist,2 wobei das Ruhen qua Gesetzeskraft eintritt und nicht von staatlichen (Strafverfolgungs-)Maßnahmen oder der Kenntnis der Strafverfolgungsbehörden abhängig ist.3 Für den gesamten Zeitraum, in welchem die Voraussetzungen zum Ruhen der Verjährung gegeben sind, wird der Ablauf einer bereits begonnenen Frist gestoppt oder der Beginn einer neuen Verjährungsfrist gehindert (Fristverlängerungseffekt).4 Fällt der Ruhensgrund weg, beginnt jedoch keine neue Verjährungsfrist zu laufen, sondern setzt sich der noch unverbrauchte Teil der ursprünglichen Frist fort.5 Ob die Voraussetzungen für ein Ruhen der Verjährung gegeben sind, ist dabei für jeden Tatbeteiligten gesondert festzustellen.6 Zunächst rechtliche (Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2, 3) und später auch tatsächliche Hindernisse (Abs. 1 Nr. 1, Abs. 4, 5) 2 bei der Strafverfolgung führten zur Einfügung eines Ruhenstatbestandes in das strafrechtliche Verjährungssystem,7 um dauerhaft zu unterbinden, dass Taten ungeahndet in die Verjährung gleiten. Die Vorschrift dient damit der materiellen Strafgerechtigkeit, indem sie den Strafverfolgungsbehörden mehr Zeit zur Verfolgung von Straftaten verschafft (Funktion).8 Da das Ruhen sogar die absolute Verjährungsfrist hinauszögern kann (§ 78c Abs. 3 S. 3),9 droht § 78b regelmäßig die ursprünglichen Regelungszwecke der Verjährung (Vor §§ 78 ff. StGB 1 2 3 4 5 6 7 8 9

Ausf. dazu Mitsch in MüKo-StGB, § 78b Rz. 3 ff. BT-Drucks. 15/5653, S. 7; Rosenau in S/S-StGB, § 78b Rz. 1; Schmid in LK-StGB, § 78b Rz. 1. Schmid in LK-StGB, § 78b Rz. 1; Wolter in SK-StGB, § 78b Rz. 6. Saliger in NK-StGB, § 78b Rz. 1. BT-Drucks. 15/5653, S. 7; Fischer, StGB, § 78b Rz. 2; Mitsch in MüKo-StGB, § 78b Rz. 1; Schmid in LK-StGB, § 78b Rz. 1; Sternberg-Lieben/Bosch in S/S-StGB, § 78b Rz. 1; Wolter in SK-StGB, § 78b Rz. 2. RG v. 31.3.1925 – I 125/25, RGSt 59, 197, 200; Sternberg-Lieben/Bosch in S/S-StGB, § 78b Rz. 2; Wolter in SK-StGB, § 78b Rz. 8. Zur Genese Saliger in NK-StGB, § 78b Rz. 4; zu den tatsächlichen und rechtlichen Hindernissen Schmid in LK-StGB, § 78b Rz. 1. Mitsch in MüKo-StGB, § 78b Rz. 2; Saliger in NK-StGB, § 78b Rz. 3. Auswirkungen auf die Strafzumessung hat die Vorschrift dagegen nicht, vgl. BGH v. 29.10.2015 – 3 StR 342/15, BeckRS 2016, Nr. 03743, Rz. 8 ff. BGH v. 6.2.2002 – 5 StR 476/01, BGHSt 47, 245, 247; Rosenau in S/S-StGB, § 78b Rz. 1.

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§ 78b StGB Rz. 3

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Rz. 5) zu konterkarieren und erfordert demgemäß eine besonders restriktive Handhabung.1 Insbesondere Absatz 4, welcher faktischen Verfolgungsschwierigkeiten in umfangreichen Wirtschaftsstrafverfahren entgegenwirken soll, muss im Lichte der Legitimation von Verjährung ausgelegt werden und darf deren Regelungszwecke nicht sukzessive untergraben.2 Allein das Ziel, erfolglose und schleppende Ermittlungen auszugleichen, vermag einen Ruhensgrund nicht wirksam zu stützen.3

B. Einzelne Ruhensgründe I. Opferbezogene Ruhensgründe, Absatz 1 Nr. 1 3

Die an spezifischen Delikten orientierte und rechtspolitisch motivierte Regelung in Abs. 1 Nr. 1 will den Besonderheiten von Sexual- und Gewaltdelikten an Kindern und Jugendlichen Rechnung tragen, indem sie die Verjährung bei Straftaten nach den §§ 174 bis 174c, 176 bis 178, 180 Abs. 3, §§ 182, 225, 226a und 237 bis zur Vollendung des 30. Lebensjahres ruhen lässt.4 Bereits vor Vollendung des 30. Lebensjahres endet das Ruhen nach Sinn und Zweck der Regelung, wenn das Opfer vorher stirbt5 oder die Strafverfolgungsbehörden zuvor Kenntnis von der Tat erlangen.6 Die 19947 eingeführte und zuletzt 20158 geänderte Regelung soll den Umständen Rechnung tragen, dass die genannten Taten oftmals entweder aufgrund personeller Verbundenheit zwischen Opfer und Täter oder aufgrund eines langwierigen Verarbeitungsprozesses seitens des Opfers gar nicht oder jedenfalls zu spät zur Anzeige gebracht werden.9 Die Vorschrift ist zwar Gegenstand vielfältiger Kritik, die sich vor allem auf systematische Widersprüche im Hinblick auf den einbezogenen Straftatenkatalog sowie die Erhöhung der Opferaltersgrenze, die zur faktischen Unverjährbarkeit einiger Taten führt,10 beruft, wird aber dennoch für mit dem Verfassungsrecht vereinbar erklärt (zweifelhaft zumindest im Hinblick auf die letzte Neuregelung).11

II. Ruhen aufgrund eines Verfahrenshemmnisses, Absatz 1 Nr. 2 4

Abs. 1 Nr. 2 bestimmt das Ruhen der Verjährung im Falle rechtlicher Verfolgungshindernisse mit Ausnahme des Fehlens von Antrag, Ermächtigung oder Strafverlangen (Hs. 2). Der Stillstand des Verfahrens bedingt den Stillstand der Verjährung.12 Erforderlich ist allerdings, dass die Verfolgungstätigkeit insgesamt unzulässig ist und nicht nur einzelne Verfolgungshandlungen;13 darüber hinaus muss das Verfahrenshindernis auf einem inländischen Gesetz beruhen.14 Tatsächliche Verfolgungshindernisse, wie z.B. die Abwesenheit des Beschuldigten (§ 230 StPO) oder die fehlende Kenntnis i.S.d. § 160 Abs. 1 StPO, reichen für ein Ruhen nicht aus.15 Ruhensbegründende Verfahrenshemmnisse lassen sich danach in zwei Gruppen einteilen:16 Personenbezogene Verfahrenshemmnisse (wie bspw. Exterritorialität nach §§ 18 bis 20 GVG, Fehlen der deutschen Staatsangehörigkeit oder auslieferungsrechtliche Spezialität; zur Immunität von Abgeordneten s. Rz. 5) und verfahrensbezogene Verfahrenshemmnisse (bspw. Verwarnung mit Strafvorbehalt nach § 59, konkrete Normenkontrolle nach Art. 100 GG oder Stillstand der Rechtspflege).17

III. Abgeordnetenimmunität, Absatz 2 5

Das aus Art. 46 Abs. 2 GG für Bundestagsabgeordnete und aus entsprechenden Regelungen in den Landesverfassungen für Landtagsabgeordnete resultierende Verfahrenshindernis der Immunität bedingt, dass die Verjährung ausnahmsweise (vgl. Rz. 1) erst mit der Kenntnis der Strafverfolgungsbehörden von der Tat und der Per-

1 BT-Drucks. 15/350, S. 13; ausf. dazu Saliger in NK-StGB, § 78b Rz. 1, 3. 2 Saliger in NK-StGB, § 78b Rz. 3; ebenfalls zu Recht krit. Mitsch in MüKo-StGB, § 78b Rz. 2; Schmid in LK-StGB, § 78b Rz. 1. 3 Vgl. Mitsch in MüKo-StGB, § 78b Rz. 2; Saliger in NK-StGB, § 78b Rz. 3. 4 Mitsch in MüKo-StGB, § 78b Rz. 7; Schmid in LK-StGB, § 78b Rz. 1a. 5 Das Ruhen endet dann mit dem Todeszeitpunkt, Mitsch in MüKo-StGB, § 78b Rz. 7; Sternberg-Lieben/Bosch in S/SStGB, § 78b Rz. 3. 6 Mitsch in MüKo-StGB, § 78b Rz. 7; Rosenau in S/S-StGB, § 78b Rz. 3; Sternberg-Lieben/Bosch in S/S-StGB, § 78b Rz. 3a; Schmid in LK-StGB, § 78b Rz. 1a; krit. Fischer, StGB, § 78b Rz. 3b. 7 30. StrÄG v. 23.6.1994, BGBl. I, S. 1310. 8 49. StrÄG v. 21.1.2015, BGBl. I, S. 11. 9 BT-Drucks. 12/7438, S. 2; 18/2601, S. 22 f.; Saliger in NK-StGB, § 78b Rz. 6; Schmid in LK-StGB, § 78b Rz. 1a; Sternberg-Lieben/Bosch in S/S-StGB, § 78b Rz. 3. 10 Zur Kritik Fischer, StGB, § 78b Rz. 3c f.; Wolter in SK-StGB, § 78b Rz. 2 f. Insgesamt zur Regelung Saliger in NK-StGB, § 78b Rz. 6 ff. 11 Vgl. BVerfG v. 31.1.2000 – 2 BvR 104/00, NStZ 2000, 251; Saliger in NK-StGB, § 78b Rz. 7. 12 Saliger in NK-StGB, § 78b Rz. 10; Schmid in LK-StGB, § 78b Rz. 2. 13 Rosenau in S/S-StGB, § 78b Rz. 4; Sternberg-Lieben/Bosch in S/S-StGB, § 78b Rz. 4; Wolter in SK-StGB, § 78b Rz. 9. 14 BGH v. 4.4.1951 – 1 StR 77/50, BGHSt 1, 84, 90; Saliger in NK-StGB, § 78b Rz. 10. 15 Mitsch in MüKo-StGB, § 78b Rz. 9; Schmid in LK-StGB, § 78b Rz. 2. 16 Saliger in NK-StGB, § 78b Rz. 13 ff. Anders Schmid in LK-StGB, § 78b Rz. 3, der drei Kategorien anerkennt. 17 Ausf. zu den einzelnen Verfahrenshemmnissen Mitsch in MüKo-StGB, § 78b Rz. 10 ff.; Saliger in NK-StGB, § 78b Rz. 13 ff.; Wolter in SK-StGB, § 78b Rz. 10 ff.

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son des Täters (Nr. 1) bzw. mit dem Stellen eines Strafantrags oder einer Strafanzeige (Nr. 2, § 158 StPO) zu ruhen beginnt. Grund für die Regelung ist der Schutz des Zwecks der parlamentarischen Immunität.1 Analog gilt Absatz 2 auch für den Bundespräsidenten.2

IV. Eröffnung des Hauptverfahrens, Absatz 4 Die Regelung des Absatzes 4, nach der die Verjährung ab Eröffnung des Hauptverfahrens vor dem LG (nicht 6 OLG)3 für maximal fünf Jahre ruht, wenn ein Fall des § 78 Abs. 3 Nr. 4 vorliegt und das Gesetz für besonders schwere Fälle Freiheitsstrafe von mehr als fünf Jahren androht,4 ist insbesondere für die Praxis des Wirtschaftsstrafrechts von Bedeutung. Zweck der Norm ist zu verhindern, dass großflächig angelegte Verfahren, insbesondere im Bereich des Wirtschaftsstrafrechts, wegen Eintritts der absoluten Verfolgungsverjährung eingestellt werden müssen.5 Dadurch, dass § 78 Abs. 4 festlegt, dass selbst besonders schwere Fälle in fünf Jahren (§ 78 Abs. 3 Nr. 4) verjähren (dazu § 78 StGB Rz. 7), liegt die absolute Verjährungsgrenze nach § 78c Abs. 3 S. 2 für die meisten Wirtschaftsdelikte bei zehn Jahren. Langwierige und komplexe Ermittlungen in Wirtschaftsstrafsachen liefen demgemäß häufig Gefahr, das rechtmäßige Fällen eines erstinstanzlichen Urteiles durch Überschreitung der absoluten Verjährungsgrenze zu bedrohen, weshalb Absatz 4 den Verjährungseintritt verfassungskonform6 bis zu 15 Jahre nach Tatbeendigung (§ 78a) hinausschiebt.7 Diese Regelung ist rechts- und kriminalpolitisch insofern nicht unproblematisch, als sie zulasten der Angeklagten eine Verlängerung umfangreicher Wirtschaftsstrafverfahren begünstigt.8

V. Auslieferungsersuchen, Absatz 5 Der durch das 38. StrÄG v. 4.8.20059 eingefügte Absatz 5 will verhindern, dass die von deutschen Strafverfol- 7 gungsbehörden unverschuldet lange Dauer ausländischer Auslieferungsverfahren einen Zugriff auf in Deutschland verfolgte Beschuldigte wegen Überschreitung der absoluten Verjährungsfrist (§ 78c Abs. 3 S. 2) unmöglich macht.10 Die Praxisrelevanz der Norm ist äußerst gering,11 zumal die Ausnahmetatbestände in Abs. 5 S. 3 bewirken, dass die Vorschrift derzeit nur Anwendung auf ausländische Staaten außerhalb der EU findet.12 Ein Ruhen der Verjährung tritt nach der Vorschrift mit dem Zugang eines förmlichen Auslieferungsersuchens beim ausländischen Staat ein.13 Für den Fall, dass der Zeitpunkt des Zugangs unklar ist, enthält Satz 2 eine Zugangsfiktion.14 Abs. 5 S. 1 Nr. 1 bis 4 regeln die jeweilige Dauer des Ruhens der Verjährung.15

VI. Ruhen bei Rechtshilfe in Strafsachen, Absatz 6 Der durch Art. 1 Nr. 4 des Korruptionsbekämpfungsgesetzes v. 20.11.201516 einfügte Absatz 6 verfolgt den 8 Zweck, den drohenden Verjährungseintritt in Deutschland durch Verfahrensverzögerungen beim Internationalen Strafgerichtshof oder im Vollstreckungsstaat durch eine weitere Ruhensregelung abzuwenden.17

C. Sonderfall: Ablaufhemmung, Absatz 3 Absatz 3 stellt einen Sonderfall der Ruhensgründe dar, da er den Weiterlauf der Verjährungsfristen nicht ver- 9 hindert, sondern nur ihr Ende jedenfalls bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens hinauszögert (Ab1 BGH v. 11.6.1965 – 2 StR 625/64, BGHSt 20, 248, 251; Fischer, StGB, § 78b Rz. 7; Wolter in SK-StGB, § 78b Rz. 10. Zur Verfassungsmäßigkeit der Regelung BVerfG v. 15.11.1978 – 2 BvL 13/77, BVerfGE 50, 42, 47. 2 Mitsch in MüKo-StGB, § 78b Rz. 11. Zur Geltung für Abgeordnete des EU-Parlaments BGH v. 20.2.1990 – 3 StR 278/89, BGHSt 36, 363, 372. 3 Schmid in LK-StGB, § 78b Rz. 18; Sternberg-Lieben in S/S-StGB, § 78b Rz. 14; Wolter in SK-StGB, § 78b Rz. 16. 4 Hinreichend, aber auch notwendig ist, dass der vom Gericht bei der Verurteilung zugrunde gelegte Straftatbestand eine abstrakte Strafschärfung für besonders schwere Fälle vorsieht, BGH v. 8.2.2011 – 1 StR 490/10, BGHSt 56, 146, 149. 5 BT-Drucks. 12/3832, S. 44; BVerfG v. 30.5.1994 – 2 BvR 746/94, NJW 1995, 1145; BGH v. 8.2.2011 – 1 StR 490/10, NJW 2011, 1157; Fischer, StGB, § 78b Rz. 12; Sternberg-Lieben/Bosch in S/S-StGB, § 78b Rz. 14; Wolter in SK-StGB, § 78b Rz. 15. 6 BVerfG v. 30.5.1994 – 2 BvR 746/94, NJW 1995, 1145; BGH v. 25.10.2000 – 2 StR 232/00, BGHSt 46, 159, 167. 7 Fischer, StGB, § 78b Rz. 12; Rosenau in S/S-StGB, § 78b Rz. 13; Saliger in NK-StGB, § 78b Rz. 23. 8 Ausf. dazu Saliger in NK-StGB, § 78b Rz. 24. 9 BGBl. I 2005, S. 2272. 10 BT-Drucks. 15/5653, S. 1, 6; Fischer, StGB, § 78b Rz. 13; Rosenau in S/S-StGB, § 78b Rz. 14. Eing. Mitsch, NJW 2005, 3036. 11 Vgl. BT-Drucks. 15/5653, S. 2; Fischer, StGB, § 78b Rz. 13 [nicht allein lex Schreiber]; Saliger in NK-StGB, § 78b Rz. 26. 12 Fischer, StGB, § 78b Rz. 14; Wolter in SK-StGB, § 78b Rz. 18. Vgl. auch Mitsch in MüKo-StGB, § 78b Rz. 18. 13 Schmid in LK-StGB, § 78b Rz. 25; Sternberg-Lieben/Bosch in S/S-StGB, § 78b Rz. 16; Wolter in SK-StGB, § 78b Rz. 17. Krit. Mitsch, NJW 2005, 3036, 3037, der sich für einen Unterbrechungstatbestand ausspricht. 14 Rosenau in S/S-StGB, § 78b Rz. 16; Sternberg-Lieben/Bosch in S/S-StGB, § 78b Rz. 16; Saliger in NK-StGB, § 78b Rz. 28. 15 Ausf. dazu Saliger in NK-StGB, § 78b Rz. 29; Schmid in LK-StGB, § 78b Rz. 26 ff. 16 BGBl. I 2015, S. 2025. 17 BT-Drucks. 14/8527, S. 97; Wolter in SK-StGB, § 78b Rz. 19. Ausf. zu Absatz 6 Saliger in NK-StGB, § 78b Rz. 31.

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laufhemmung).1 Nach Erlass eines erstinstanzlichen Urteils kann deshalb, mit Ausnahme einer nachträglichen Durchbrechung der Rechtskraft (dazu § 78 StGB Rz. 8), keine Verjährung mehr eintreten.2 Die Vorschrift soll dem Angeklagten den Anreiz nehmen, das Verfahren mit dem Ziel des Verjährungseintrittes bewusst zu verschleppen (Zweck).3 Vor dem Hintergrund, dass Absatz 3 sogar Wirkung über den Zeitpunkt der absoluten Verjährungsfrist (§ 78c Abs. 3 S. 2) hinaus entfalten kann,4 bedarf die Regelung im Lichte von Art. 6 Abs. 1 und 3 EMRK einer einschränkenden Auslegung bei Verfahren mit überlanger Dauer:5 Rechtsstaatliche Gründe gebieten, dass das Verfahrenshindernis der Verjährung greift und nicht nur eine Berücksichtigung auf Strafzumessungsebene stattfindet,6 wenn mittels rechtswidriger Verfahrensverzögerung die Grenze zur absoluten Verjährung von den Strafverfolgungsbehörden nicht nur unerheblich überschritten wird.7 Auf die sachliche Richtigkeit und den Inhalt des Urteils kommt es für die Wirksamkeit der Ablaufhemmung nicht an,8 weshalb auch ein auf Einstellung lautendes Urteil hemmende Wirkung hat.9 Nicht ausreichend sind allerdings nichtige Urteile, Strafbefehle oder Beschlüsse nach § 441 Abs. 2 StPO.10

§ 78c Unterbrechung (1) Die Verjährung wird unterbrochen durch 1. die erste Vernehmung des Beschuldigten, die Bekanntgabe, daß gegen ihn das Ermittlungsverfahren eingeleitet ist, oder die Anordnung dieser Vernehmung oder Bekanntgabe, 2. jede richterliche Vernehmung des Beschuldigten oder deren Anordnung, 3. jede Beauftragung eines Sachverständigen durch den Richter oder Staatsanwalt, wenn vorher der Beschuldigte vernommen oder ihm die Einleitung des Ermittlungsverfahrens bekanntgegeben worden ist, 4. jede richterliche Beschlagnahme- oder Durchsuchungsanordnung und richterliche Entscheidungen, welche diese aufrechterhalten, 5. den Haftbefehl, den Unterbringungsbefehl, den Vorführungsbefehl und richterliche Entscheidungen, welche diese aufrechterhalten, 6. die Erhebung der öffentlichen Klage, 7. die Eröffnung des Hauptverfahrens, 8. jede Anberaumung einer Hauptverhandlung, 9. den Strafbefehl oder eine andere dem Urteil entsprechende Entscheidung, 10. die vorläufige gerichtliche Einstellung des Verfahrens wegen Abwesenheit des Angeschuldigten sowie jede Anordnung des Richters oder Staatsanwalts, die nach einer solchen Einstellung des Verfahrens oder im Verfahren gegen Abwesende zur Ermittlung des Aufenthalts des Angeschuldigten oder zur Sicherung von Beweisen ergeht, 11. die vorläufige gerichtliche Einstellung des Verfahrens wegen Verhandlungsunfähigkeit des Angeschuldigten sowie jede Anordnung des Richters oder Staatsanwalts, die nach einer solchen Einstellung des Verfahrens zur Überprüfung der Verhandlungsfähigkeit des Angeschuldigten ergeht, oder 12. jedes richterliche Ersuchen, eine Untersuchungshandlung im Ausland vorzunehmen. Im Sicherungsverfahren und im selbständigen Verfahren wird die Verjährung durch die dem Satz 1 entsprechenden Handlungen zur Durchführung des Sicherungsverfahrens oder des selbständigen Verfahrens unterbrochen. 1 BT-Drucks. IV/650, S. 259; Rosenau in S/S-StGB, § 78b Rz. 10; Saliger in NK-StGB, § 78b Rz. 20 [atypischer Ruhensgrund]; Schmid in LK-StGB, § 78b Rz. 13; Wolter in SK-StGB, § 78b Rz. 13. 2 Schmid in LK-StGB, § 78b Rz. 15. 3 BT-Drucks. IV/650, S. 259; BGH v. 20.12.1983 – 1 StR 821/83, BGHSt 32, 209; Rosenau in S/S-StGB, § 78b Rz. 10; Saliger in NK-StGB, § 78b Rz. 20; Sternberg-Lieben/Bosch in S/S-StGB, § 78b Rz. 12; Wolter in SK-StGB, § 78b Rz. 13. 4 OLG Düsseldorf v. 15.1.1992 – 3 Ws 658/91, wistra 1992, 108; Fischer, StGB, § 78b Rz. 11; Mitsch in MüKo-StGB, § 78b Rz. 19. 5 Rosenau in S/S-StGB, § 78b Rz. 11; Wolter in SK-StGB, § 78b Rz. 13. 6 Kühl in Lackner/Kühl, § 78b Rz. 7; Wolter in SK-StGB, § 78b Rz. 13. 7 Rosenau in S/S-StGB, § 78b Rz. 11; Wolter in SK-StGB, § 78b Rz. 13. Nach BGH v. 25.10.2000 – 2 StR 232/00, BGHSt 46, 159, 173 liegt die Grenze bei drei Jahren. 8 BGH v. 31.3.1965 – 4 ARs 2/65, BGHSt 20, 198; BGH v. 20.12.1983 – 1 StR 821/83, BGHSt 32, 209; BGH v. 25.10.2000 – 2 StR 232/00, BGHSt 46, 159, 167; Fischer, StGB, § 78b Rz. 11; Mitsch in MüKo-StGB, § 78b Rz. 19. 9 BGH v. 25.10.2000 – 2 StR 232/00, BGHSt 46, 159, 167; BGH v. 12.6.2001 – 5 StR 606/00, NStZ-RR 2001, 328; Mitsch in MüKo-StGB, § 78b Rz. 19; Sternberg-Lieben/Bosch in S/S-StGB, § 78b Rz. 12. Zur Frage, ob Einstellungsurteile ohne strafklageverbrauchende Wirkung die Verjährung hemmen, Saliger in NK-StGB, § 78b Rz. 22; Schmid in LK-StGB, § 78b Rz. 16. 10 BGH v. 2.5.1986 – 1 StR 630/85, BGHSt 34, 79, 81; Fischer, StGB, § 78b Rz. 11; Mitsch in MüKo-StGB, § 78b Rz. 19; Rosenau in S/S-StGB, § 78b Rz. 11.

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Rz. 3 § 78c StGB

(2) Die Verjährung ist bei einer schriftlichen Anordnung oder Entscheidung in dem Zeitpunkt unterbrochen, in dem die Anordnung oder Entscheidung unterzeichnet wird. Ist das Schriftstück nicht alsbald nach der Unterzeichnung in den Geschäftsgang gelangt, so ist der Zeitpunkt maßgebend, in dem es tatsächlich in den Geschäftsgang gegeben worden ist. (3) Nach jeder Unterbrechung beginnt die Verjährung von neuem. Die Verfolgung ist jedoch spätestens verjährt, wenn seit dem in § 78a bezeichneten Zeitpunkt das Doppelte der gesetzlichen Verjährungsfrist und, wenn die Verjährungsfrist nach besonderen Gesetzen kürzer ist als drei Jahre, mindestens drei Jahre verstrichen sind. § 78b bleibt unberührt. (4) Die Unterbrechung wirkt nur gegenüber demjenigen, auf den sich die Handlung bezieht. (5) Wird ein Gesetz, das bei der Beendigung der Tat gilt, vor der Entscheidung geändert und verkürzt sich hierdurch die Frist der Verjährung, so bleiben Unterbrechungshandlungen, die vor dem Inkrafttreten des neuen Rechts vorgenommen worden sind, wirksam, auch wenn im Zeitpunkt der Unterbrechung die Verfolgung nach dem neuen Recht bereits verjährt gewesen wäre.

A. Wirkung, Funktion und Systematik der Unterbrechung Die Vorschrift schließt das strafrechtliche System der Verfolgungsverjährung mit Regelungen zur Unterbrechung 1 ab. Im Gegensatz zum Ruhen der Verjährung (§ 78b) wird bei der Unterbrechung nicht der Lauf einer bestimmten Verjährungsfrist gehemmt, sondern eine bereits laufende Verjährungsfrist im Anschluss an bestimmte Prozesshandlungen durch eine neue Verjährungsfrist ersetzt (Abs. 3 S. 1).1 Durch die dadurch erzielte Wirkung einer Verlängerung der Verjährungsfristen konterkariert § 78c ebenso wie § 78b (dazu § 78b StGB Rz. 2) die Grundgedanken der Verjährung und ist dementsprechend restriktiv zu handhaben.2 Eine analoge Anwendung zulasten des Täters ist erst recht unzulässig.3 Da eine Verjährungsfrist nach der Vorschrift beliebig oft unterbrochen werden kann,4 erlangt die absolute Verjährungsfrist (§ 78c Abs. 3 S. 2) besondere Bedeutung: Nach ihr tritt Verjährung jedenfalls mit Verstreichen des Doppelten der gesetzlichen Frist (§ 78 Abs. 3), im Mindestmaß jedenfalls nach drei Jahren ein, wobei ein mögliches Ruhen der Verjährung (§ 78b) ein Ablaufen der Frist hindert, Abs. 3. S. 3.5 Der vor der Unterbrechungshandlung bereits abgelaufene Teil der alten Frist geht in die Berechnung der absoluten Frist mit ein.6 Die neue Verjährungsfrist beginnt dann mit dem Tag der Unterbrechungshandlung zu laufen, wobei es auf die Kenntnis des Beschuldigten von der Unterbrechungshandlung nicht ankommt.7 Mit dieser Ausgestaltung erlangt die Norm Bedeutung in zweifacher Hinsicht: Einerseits verhindert das Unter- 2 brechen den Eintritt der Verfolgungsverjährung, während das Strafverfahren gegen den Beschuldigten noch schwebt (Praxisbedürfnis). Andererseits unterbindet die absolute Verjährungsfrist, dass einzelne Straftaten durch wiederholte Unterbrechungen faktisch unverjährbar werden (Rechtsstaatsbedürfnis).8 Im Verhältnis zu § 78b Abs. 3 (dazu § 78b StGB Rz. 9) treten die Unterbrechungsregeln zurück, da die Ablauf- 3 hemmung den rechtskräftigen Abschluss eine Strafverfahrens bereits ausreichend sichert.9 Konfliktpotential besteht ab Eröffnung des Hauptverfahrens im Hinblick auf die Wirkung von § 78b Abs. 4 unter Berücksichtigung der Regelungsgehalte von § 78c Abs. 1 S. 1 Nr. 7 und/oder Nr. 8: Richtigerweise ist die Konkurrenz dergestalt aufzulösen, dass mit Eröffnung des Hauptverfahrens die Verjährung nach § 78c Abs. 1. S. 1 Nr. 7 unterbrochen wird, wodurch eine neue Verjährungsfrist zu laufen beginnt, und gleichzeitig die Wirkung des Ruhens nach § 78b Abs. 4 für höchstens fünf Jahre eintritt (dazu § 78b StGB Rz. 6).10 Während des Ruhens nach § 78b Abs. 4 kann die Verjährung dann nicht mehr unterbrochen werden.11 Für künftige Gesetzesänderungen bei der Verjährungsunterbrechung trifft Absatz 5 schließlich allgemeine Regelungen.12

1 Mitsch in MüKo-StGB, § 78c Rz. 1; Schmid in LK-StGB, § 78c Rz. 1. 2 BGH v. 22.5.2006 – 5 StR 578/05, BGHSt 51, 72, 79; BGH v. 29.1.2013 – 2 StR 510/12, NStZ 2014, 144 (145) m. Anm. Kölbel, NStZ 2014, 145; Rosenau in S/S-StGB, § 78c Rz. 2; Saliger in NK-StGB, § 78c Rz. 3; Schmid in LK-StGB, § 78c Rz. 2. 3 BGH v. 19.6.2008 – 3 StR 545/07, NStZ 2009, 205, 207; Fischer, StGB, § 78c Rz. 7; Rosenau in S/S-StGB, § 78c Rz. 2. 4 Fischer, StGB, § 78c Rz. 2a; Saliger in NK-StGB, § 78c Rz. 3; Sternberg-Lieben/Bosch in S/S-StGB, § 78c Rz. 2. 5 Fischer, StGB, § 78c Rz. 2a; Mitsch in MüKo-StGB, § 78c Rz. 1; Rosenau in S/S-StGB, § 78c Rz. 2; Wolter in SK-StGB, § 78c Rz. 1. 6 Kühl in Lackner/Kühl, § 78c Rz. 1a; Saliger in NK-StGB, § 78c Rz. 3. 7 BGH v. 24.8.1972 – 4 StR 292/72, BGHSt 25, 6, 8; Fischer, StGB, § 78c Rz. 2; Saliger in NK-StGB, § 78c Rz. 4. 8 Saliger in NK-StGB, § 78c Rz. 4; Wolter in SK-StGB, § 78c Rz. 1. 9 Mitsch in MüKo-StGB, § 78c Rz. 4; Fischer, StGB, § 78c Rz. 2a. 10 Mitsch in MüKo-StGB, § 78c Rz. 3; Saliger in NK-StGB, § 78c Rz. 6. 11 Mitsch in MüKo-StGB, § 78c Rz. 3; Saliger in NK-StGB, § 78c Rz. 6. 12 Dazu Rosenau in S/S-StGB, § 78c Rz. 25; Saliger in NK-StGB, § 78c Rz. 65; Wolter in SK-StGB, § 78c Rz. 12.

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StGB

Unterbrechung

StGB

§ 78c StGB Rz. 4

Strafgesetzbuch

B. Allgemeine Unterbrechungsvoraussetzungen (Absätze 2 bis 4) 4

Jede Unterbrechungshandlung muss als staatliche Maßnahme allgemeinen Anforderungen, die sich größtenteils aus § 78c selbst ergeben (Absätze 2 bis 4), genügen, um wirksam zu sein.1

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Die Unterbrechungswirkung tritt nicht qua Gesetzeskraft ein, sondern muss aus der Maßnahme eines deutschen Richters oder Strafverfolgungsorganes (StA, Polizist, Zollfahnder2) im Rahmen eines inländischen Strafverfahrens resultieren.3 Besitzt eine deutsche Behörde lediglich beschränkte Strafverfolgungskompetenz (z.B. Finanzbehörde, § 386 AO), kann sie verjährungsunterbrechende Maßnahmen nur im Rahmen ihrer Befugnisse vornehmen.4 Davon eingeschlossen ist jedenfalls die Verfolgung von tateinheitlich begangenen Nichtsteuerstraftaten; bei Tatmehrheit reicht die Kompetenz nur so weit, wie es sich noch um dieselbe prozessuale Tat (§ 264 StPO) handelt.5 Den erforderlichen Strafverfolgungscharakter besitzen nur Maßnahmen nach der StPO, Maßnahmen im Bußgeldverfahren genügen nicht.6 Auf die Rechtmäßigkeit und Fehlerfreiheit der Maßnahme kommt es nicht an, sehr wohl aber auf ihre Wirksamkeit, sodass nichtige Untersuchungshandlungen ihre verjährungsunterbrechende Wirkung verlieren.7 Bloßen Scheinmaßnahmen kommt unstreitig keine verjährungsunterbrechende Wirkung zu.8

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Die persönliche Wirkung in Absatz 4 gibt vor, dass die Unterbrechungshandlung individualisiert und konkretisiert sein muss, sich also auf eine bestimmte natürliche Person sowie auf eine bestimmte Tat im prozessualen Sinn (§§ 155, 264 StPO) beziehen muss.9 Der Bezug zu einer notwendigerweise konkretisierten Tat markiert die sachliche Reichweite der Unterbrechungshandlung und führt dazu, dass sich die verjährungsunterbrechende Wirkung bei mehreren selbständigen Taten i.S.d. § 264 StPO auf alle Taten auswirkt, sofern eine Begrenzung des Verfolgungswillens auf bestimmte Taten nicht erkennbar ist.10 Innerhalb einer prozessualen Tat gilt, dass die Unterbrechungshandlung regelmäßig Wirkung für die gesamte verfahrensgegenständliche Tat entfaltet.11 Die persönliche Reichweite einer Unterbrechungshandlung wird durch den notwendigen Bezug auf eine bestimmte individuelle Person als Beteiligter (Täter oder Teilnehmer) einer Straftat festgelegt.12 Demgemäß reicht es aus, wenn sich die Identität des Betroffenen aus den Akten ermitteln lässt;13 ungenügend ist dagegen die Verfolgung gegen „unbekannt“14 oder gegen „die Verantwortlichen eines Unternehmens“.15 Bei mehreren Tatverdächtigen gilt das Einzelkämpferprinzip: Unterbrechungshandlungen wirken grundsätzlich nur gegenüber demjenigen, gegen den die Strafverfolgungsbehörde die Maßnahme auch gerichtet hat.16 Es ist also stets im Einzelfall zu prüfen, ob sich eine verjährungsunterbrechende Handlung auf alle Tatbeteiligten oder nur auf einen einzelnen bezieht.17 Da im Verfahren gegen eine juristische Person nach § 30 OWiG die für die Straftat der natürlichen Person maßgeblichen Verjährungsvorschriften gelten (vgl. § 78 StGB Rz. 4), wirken verjährungsunterbrechende Handlungen gegen die natürliche Person grundsätzlich auch für und gegen die juristische Person als Nebenbeteiligte (§§ 444 Abs. 3, 440 StPO).18 Wird gegen die juristische Person dagegen ein selbständiges Verfahren (§ 30 Abs. 4 OWiG) eröffnet, trifft § 33 Abs. 1 S. 2 OWiG unabhängige Regelungen zur Verfolgungsverjährung.19 1 Ausf. dazu Saliger in NK-StGB, § 78c Rz. 8 ff. 2 BGH v. 24.10.1989 – 5 StR 238-239/89, BGHSt 36, 283, 284 f. 3 BGH v. 2.10.1951 – 1 StR 193/51, BGHSt 1, 325, 326; Mitsch in MüKo-StGB, § 78c Rz. 7; Saliger in NK-StGB, § 78c Rz. 9; Wolter in SK-StGB, § 78c Rz. 2 f. 4 BGH v. 15.9.1961 – 4 StR 259/61, BGHSt 16, 354, 356 ff.; Schmid in LK-StGB, § 78c Rz. 2. 5 Str., wie hier: BGH v. 24.10.1989 – 5 StR 238-239/89, BGHSt 36, 283, 294 ff.; OLG Braunschweig v. 24.11.1997 – Ss (S) 70/97, NStZ-RR 1998, 212; Schmid in LK-StGB, § 78c Rz. 2. A.A. OLG Frankfurt v. 5.9.1986 – 1 Ws 163/86, wistra 1987, 32; Fischer, StGB, § 78c Rz. 6a; Sternberg-Lieben/Bosch in S/S-StGB, § 78c Rz. 23; Reiche, wistra 1988, 329; Wolter in SK-StGB, § 78c Rz. 5. 6 Im Einzelnen Mitsch, NZWiSt 2013, 1 ff. 7 BGH v. 16.10.1980 – 3 StB 29, 30 und 31/80, BGHSt 29, 351, 357 f.; OLG Hamburg v. 16.1.2012 – 2 Ws 13/12, StraFo 2012, 60, 62; Mitsch in MüKo-StGB, § 78c Rz. 7; Wolter in SK-StGB, § 78c Rz. 10; s. Saliger in NK-StGB, § 78c Rz. 25 ff. für diverse Beispiele. 8 BGH v. 13.6.1956 – 4 StR 197/56, BGHSt 9, 198, 203; Rosenau in S/S-StGB, § 78c Rz. 3; Wolter in SK-StGB, § 78c Rz. 7. Zum Begriff der Scheinmaßnahme Saliger in NK-StGB, § 78c Rz. 30 ff.; Schmid in LK-StGB, § 78c Rz. 11. 9 Schmid in LK-StGB, § 78c Rz. 3 ff., 14-15; Wolter in SK-StGB, § 78c Rz. 5. 10 BGH v. 5.4.2000 – 5 StR 226/99, NStZ 2000, 427 m. Anm. Jäger, wistra 2000, 227; BGH v. 19.6.2008 – 3 StR 545/07, NStZ 2009, 205, 206; BGH v. 25.6.2015 – 1 StR 579/14, NZWiSt 2015, 495; Fischer, StGB, § 78c Rz. 6; Schäfer in FSDünnebier, S. 547; Schmid in LK-StGB, § 78c Rz. 8; Sternberg-Lieben/Bosch in S/S-StGB, § 78c Rz. 23; Wolter in SKStGB, § 78c Rz. 5. 11 Mitsch in MüKo-StGB, § 78c Rz. 5; ausf. Saliger in NK-StGB, § 78c Rz. 21. 12 Fischer, StGB, § 78c Rz. 4; Schmid in LK-StGB, § 78c Rz. 3 ff.; Sternberg-Lieben/Bosch in S/S-StGB, § 78c Rz. 24. 13 BGH v. 29.10.1996 – 4 StR 394/96, BGHSt 42, 283, 290; BGH v. 12.3.1991 – 1 StR 38/91, wistra 1991, 217; Fischer, StGB, § 78c Rz. 4; Rosenau in S/S-StGB, § 78c Rz. 5; Schäfer in FS-Dünnebier, S. 549. 14 Mitsch in MüKo-StGB, § 78c Rz. 5; Schmid in LK-StGB, § 78c Rz. 3; Wolter in SK-StGB, § 78c Rz. 6. 15 OLG Brandenburg v. 10.4.1997 – 2 Ss (OWi) 22 B/97, NZV 1998, 424; Heuer, wistra 1987, 170; Schäfer in FS-Dünnebier, S. 549; Sternberg-Lieben/Bosch in S/S-StGB, § 78c Rz. 24. 16 Fischer, StGB, § 78c Rz. 5; Mitsch in MüKo-StGB, § 78c Rz. 5; Rosenau in S/S-StGB, § 78c Rz. 5; Schmid in LK-StGB, § 78c Rz. 7. 17 BGH v. 3.5.2011 – 3 StR 33/11, NStZ 2011, 711, 712; Saliger in NK-StGB, § 78c Rz. 17. 18 BGH v. 5.12.2000 – 1 StR 411/00, BGHSt 46, 207, 208; Fischer, StGB, § 78c Rz. 4. 19 BGH v. 5.7.1995 – KRB 10/95, NStZ-RR 1996, 147; Saliger in NK-StGB, § 78c Rz. 16.

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Rz. 9 § 78c StGB

Mit dem Zeitpunkt des Abschlusses der staatlichen Maßnahme tritt die Unterbrechungswirkung ein.1 Für den 7 Fall, dass die Unterbrechung auf einer schriftlichen Anordnung oder Entscheidung beruht, regelt Absatz 2 im Interesse der Rechtssicherheit explizit den Zeitpunkt des Beginns der Unterbrechungswirkung.2 Soweit sich aus Abs. 1 S. 1 Nr. 1–12 nichts anderes ergibt, kann eine Unterbrechungshandlung zwar formlos angeordnet werden,3 ihr Zeitpunkt muss sich dann aber zumindest anhand der Verfahrensakten bestimmen lassen.4

C. Besondere Unterbrechungsvoraussetzungen (Absatz 1 S. 1 Nr. 1–12) Zu den allgemeinen Unterbrechungsvoraussetzungen muss jeweils eine der in Abs. 1 S. 1 Nr. 1–12 abschließend 8 aufgezählten Unterbrechungshandlungen hinzutreten.5 § 78c Abs. 1 S. 2 ordnet dabei an, dass der Katalog der Unterbrechungshandlungen analog im Sicherungsverfahren (§ 413 StPO) und im selbständigen Verfahren (§ 440 StPO) gilt. Rechtsstaatliche Gründe verlangen vor dem Hintergrund eines nicht unbedeutenden Missbrauchspotentials, dass die jeweilige Unterbrechungshandlung im Einzelfall objektiv geeignet ist, das Verfahren zu fördern.6 Danach kommen folgende verjährungsunterbrechende Maßnahmen gem. Abs. 1 S. 1 in Betracht:7 Nr. 1: Die erste Vernehmung des Beschuldigten (§ 136 StPO), die Bekanntgabe, dass gegen ihn das Ermittlungs- 9 verfahren eingeleitet ist, oder die Anordnung dieser Vernehmung oder Bekanntgabe sind relevante Unterbrechungsmaßnahmen, wobei die genannten Handlungen nur alternativ, aber nicht kumulativ verjährungsunterbrechend wirken (sog. Einheit der Maßnahmen).8 Für Steuerstraftaten gilt ergänzend die Unterbrechungswirkung nach § 376 Abs. 2 AO.9 Nr. 2: Unabhängig von der ersten Vernehmung des Beschuldigten unterbrechen richterliche Beschuldigtenvernehmungen bzw. deren Anordnung selbständig die Verjährung, wobei auch hier der Grundsatz der Einheit von Anordnung und Vernehmung gilt.10 Nicht ausreichend ist mangels Willensaktes einer deutschen Strafverfolgungsbehörde die amtsrichterliche Vernehmung in einem anhängigen Auslieferungsverfahren.11 Nr. 3: Wurde der Beschuldigte zuvor vernommen oder über die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens informiert, unterbricht die Beauftragung eines Sachverständigen durch das zuständige Gericht oder den Staatsanwalt die Verjährung. Unter Beauftragung ist jede formlose Anordnung zu verstehen, ein Gutachten zu einem konkreten Beweisthema zu erstellen.12 Nr. 4: Nur richterliche Beschlagnahme- (§§ 98, 100, 111e, 111p, 290 Abs. 1 StPO) oder Durchsuchungsanordnungen (§ 105 StPO) besitzen verjährungsunterbrechende Wirkung. Nichtrichterliche Anordnungen erlangen erst mit einer nachträglichen richterlichen Entscheidung Relevanz für die Verjährungsunterbrechung.13 Nr. 5: Der Erlass eines Haftbefehls (§§ 114, 230 Abs. 2 StPO), eines Unterbringungsbefehls (§ 126a StPO) und eines Vorführungsbefehls (§§ 134, 230 Abs. 2 StPO) sowie die diese Befehle aufrechterhaltende richterliche Entscheidung (v.a. §§ 117 ff., 121 ff. StPO) wirken verjährungsunterbrechend. Ein vorläufiger Auslieferungshaftbefehl ist im Hinblick auf Art. 16 GG nicht ausreichend.14 Nr. 6: Die Verjährung wird wirksam durch die Erhebung der öffentlichen Klage (§ 170 Abs. 1 StPO) unterbrochen, mithin auch durch die Nachtragsanklage (§ 266 StPO) sowie den Antrag auf Erlass eines Strafbefehls (§ 407 Abs. 1 StPO).15 Maßgeblicher Zeitpunkt ist der Eingang der Anklage bei Gericht.16 Da die Privatklage keine öffentliche Klage ist, kommt ihr keine Unterbrechungswirkung zu.17 Im beschleunigten Verfahren unterbricht die mündliche oder 1 2 3 4 5 6

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Mitsch in MüKo-StGB, § 78c Rz. 6; Lackner in Lackner/Kühl, StGB, § 78c Rz. Sternberg-Lieben/Bosch in S/S-StGB, § 78c Rz. 21; Wolter in SK-StGB, § 78c Rz. 11. Rosenau in S/S-StGB, § 78c Rz. 4; Wolter in SK-StGB, § 78c Rz. 9. BGH v. 6.10.1981 – 1 StR 356/81, BGHSt 30, 215, 219; Mitsch in MüKo-StGB, § 78c Rz. 6. Saliger in NK-StGB, § 78c Rz. 38; Wolter in SK-StGB, § 78c Rz. 13. Str., wie hier: BGH v. 24.8.1972 – 4 StR 292/72, BGHSt 25, 6, 8; BGH v. 13.2.1975 – 4 StR 537/74, BGHSt 26, 80 (31); Geilen in FS-Schreiber, S. 100; Mitsch in MüKo-StGB, § 78c Rz. 7; Rosenau in S/S-StGB, § 78c Rz. 3; Saliger in NK-StGB, § 78c Rz. 32; Wolter in SK-StGB, § 78c Rz. 7, 10. A.A. [Unterbrechungsfreundliche Auslegung] BayObLG v. 13.8.1999 – ObOWi 375/99, NStZ 2000, 40 f.; OLG Düsseldorf v. 16.2.1999 – 2 Ss OWi 455–98 (OWi) - 6–99 III, NJW 1999, 2055; Fischer, StGB, § 78c Rz. 7; Schmid in LK-StGB, § 78c Rz. 11; Sternberg-Lieben/Bosch in S/S-StGB, § 78c Rz. 3. Ausf. zu den einzelnen Unterbrechungshandlungen nach Abs. 1 S. 1 Nr. 1–12 Mitsch in MüKo-StGB, § 78c Rz. 9 ff.; Saliger in NK-StGB, § 78c Rz. 39 ff.; Schmid in LK-StGB, § 78c Rz. 19 ff.; Sternberg-Lieben/Bosch in S/S-StGB, § 78c Rz. 4 ff. BGH v. 30.6.2004 – 1 StR 526/03, NStZ 2005, 33; BGH v. 19.6.2008 – 3 StR 545/07, NStZ 2009, 205; BGH v. 7.8.2014 – 1 StR 198/14 NStZ-RR 2014, 340, 341 m. Anm. Rolletschke, NZWiSt 2016, 63; Fischer, StGB, § 78c Rz. 11; Schäfer in FS-Dünnebier, S. 554; Saliger in NK-StGB, § 78c Rz. 39; Schmid in LK-StGB, § 78c Rz. 19; Wolter in SK-StGB, § 78c Rz. 14. Saliger in NK-StGB, § 78c Rz. 40; Schmid in LK-StGB, § 78c Rz. 19. Rosenau in S/S-StGB, § 78c Rz. 11; Saliger in NK-StGB, § 78c Rz. 48; Sternberg-Lieben/Bosch in S/S-StGB, § 78c Rz. 9. OLG Karlsruhe v. 29.1.2015 – 1 AK 16/11, NStZ-RR 2015, 187; Wolter in SK-StGB, § 78c Rz. 19. Mitsch in MüKo-StGB, § 78c Rz. 11; Schmid in LK-StGB, § 78c Rz. 26. BGH v. 8.10.2013 – 4 StR 379/13, BeckRS 2013, 19425; Mitsch in MüKo-StGB, § 78c Rz. 12; Wolter in SK-StGB, § 78c Rz. 22. OLG Karlsruhe v. 29.1.2015 – 1 AK 16/11, NStZ-RR 2015, 187; Saliger in NK-StGB, § 78c Rz. 55. A.A. Fischer, StGB, § 78c Rz. 15; Wolter in SK-StGB, § 78c Rz. 24. Kühl in Lackner/Kühl, § 78c Rz. 8; Saliger in NK-StGB, § 78c Rz. 56. BGH v. 18.8.1992 – 4 StR 345/92, StV 1993, 71; BGH v. 9.4.1997 – 3 StR 584/96, NStZ-RR 1997, 282; Rosenau in S/SStGB, § 78c Rz. 15; Schmid in LK-StGB, § 78c Rz. 30. Mitsch in MüKo-StGB, § 78c Rz. 14; Sternberg-Lieben/Bosch in S/S-StGB, § 78c Rz. 14.

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Unterbrechung

StGB

§ 79 StGB

Strafgesetzbuch

schriftliche Anklageerhebung nach § 418 Abs. 3 S. 2 StPO die Verjährung.1 Nr. 7: Soweit der Eröffnungsbeschluss der Anklage folgt (§ 207 StPO), unterbricht die dadurch bewirkte Eröffnung des Hauptverfahrens (§ 203 StPO) die Verjährung bezüglich sämtlicher Taten und Straftatbestände.2 Entscheidender Zeitpunkt für die Unterbrechungswirkung ist die Unterzeichnung des Eröffnungsbeschlusses.3 Im Fall von § 78b Abs. 4 tritt sogleich nach der Unterbrechung durch die Eröffnung vor dem LG das Ruhen der Verjährung ein (vgl. Rz. 3). Nr. 8: Jede Anberaumung einer Hauptverhandlung (§ 213 StPO), wozu auch die kurzfristige Anberaumung im beschleunigten Verfahren (§ 418 Abs. 1 StPO),4 die Anberaumung einer neuen Hauptverhandlung nach ausgesetzter Hauptverhandlung (§§ 228, 265 StPO)5 sowie die Verlegung eines bereits anberaumten Termins6 zählen, unterbricht die Verjährung, nicht jedoch die Fortsetzung nach unterbrochener Hauptverhandlung (§ 229 StPO)7 oder die bloße Ankündigung der Bestimmung eines neuen Termins von Amts wegen.8 Nr. 9: Während ein Urteil die Ablaufhemmung nach § 78b Abs. 3 bewirkt (§ 78b StGB Rz. 9), unterbricht ein Strafbefehl (§ 407 StPO) oder eine andere dem Urteil entsprechende Entscheidung (z.B. Verurteilung gem. § 59b Abs. 1 oder Einstellungsbeschluss nach § 206a StPO)9 die Verjährung. Nr. 10/11: Nachdem die öffentliche Klage erhoben wurde, kann sowohl die vorläufige Einstellung des Verfahrens (§ 205 StPO) wegen Abwesenheit des Angeschuldigten (§ 157 StPO) inklusive der damit verbundenen oder nachfolgenden Anordnungen10 als auch die vorläufige Einstellung des Verfahrens (§ 205 StPO) wegen vorübergehender Verhandlungsunfähigkeit des Angeschuldigten die Verjährung unterbrechen. Bei dauernder Verhandlungsunfähigkeit ist das Verfahren entweder gem. § 206a StPO mit der Folge der Unterbrechung nach Nr. 9 oder gem. § 260 Abs. 3 StPO mit der Folge, dass die Ablaufhemmung des § 78b Abs. 3 greift, einzustellen.11 Nr. 12: Da ausländische Untersuchungshandlungen die Verjährung nicht unterbrechen, kann nur dem Ersuchen eines inländischen Richters um Vornahme einer Untersuchungshandlung im Ausland verjährungsunterbrechende Wirkung zukommen.12

Zweiter Titel. Vollstreckungsverjährung

§ 79 Verjährungsfrist (1) Eine rechtskräftig verhängte Strafe oder Maßnahme (§ 11 Abs. 1 Nr. 8) darf nach Ablauf der Verjährungsfrist nicht mehr vollstreckt werden. (2) Die Vollstreckung von lebenslangen Freiheitsstrafen verjährt nicht. (3) Die Verjährungsfrist beträgt 1. fünfundzwanzig Jahre bei Freiheitsstrafe von mehr als zehn Jahren, 2. zwanzig Jahre bei Freiheitsstrafe von mehr als fünf Jahren bis zu zehn Jahren, 3. zehn Jahre bei Freiheitsstrafe von mehr als einem Jahr bis zu fünf Jahren, 4. fünf Jahre bei Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr und bei Geldstrafe von mehr als dreißig Tagessätzen, 5. drei Jahre bei Geldstrafe bis zu dreißig Tagessätzen. (4) Die Vollstreckung der Sicherungsverwahrung und der unbefristeten Führungsaufsicht (§ 68c Abs. 2 Satz 1 oder Abs. 3) verjähren nicht. Die Verjährungsfrist beträgt 1. fünf Jahre in den sonstigen Fällen der Führungsaufsicht sowie bei der ersten Unterbringung in einer Entziehungsanstalt, 2. zehn Jahre bei den übrigen Maßnahmen. (5) Ist auf Freiheitsstrafe und Geldstrafe zugleich oder ist neben einer Strafe auf eine freiheitsentziehende Maßregel, auf Verfall, Einziehung oder Unbrauchbarmachung erkannt, so verjährt die Vollstreckung der einen Strafe oder Maßnahme nicht früher als die der anderen. Jedoch hindert eine zugleich angeordnete Sicherungsverwahrung die Verjährung der Vollstreckung von Strafen oder anderen Maßnahmen nicht. (6) Die Verjährung beginnt mit der Rechtskraft der Entscheidung. 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12

Schmid in LK-StGB, § 78c Rz. 30; Wolter in SK-StGB, § 78c Rz. 25. Mitsch in MüKo-StGB, § 78c Rz. 15; Sternberg-Lieben/Bosch in S/S-StGB, § 78c Rz. 15. Saliger in NK-StGB, § 78c Rz. 57; Wolter in SK-StGB, § 78c Rz. 26. BT-Drucks. 7/550, S. 215; Saliger in NK-StGB, § 78c Rz. 58. Lackner in Lackner/Kühl, § 78c Rz. 10; Wolter in SK-StGB, § 78c Rz. 27. Str., wie hier: OLG Köln v. 30.4.1985 – 1 Ss 210/85, VRS 69, 451; OLG Karlsruhe v. 28.10.2015 – 2(6) SsBs 564/15-AK 164/15, NStZ-RR 2015, 385; Fischer, StGB, § 78c Rz. 18; Schmid in LK-StGB, § 78c Rz. 32; Sternberg-Lieben/Bosch in S/S-StGB, § 78c Rz. 16. A.A. Rosenau in S/S-StGB, § 78c Rz. 17. Saliger in NK-StGB, § 78c Rz. 58; Wolter in SK-StGB, § 78c Rz. 27. Schmid in LK-StGB, § 78c Rz. 32. Dazu Mitsch in MüKo-StGB, § 78c Rz. 17; Sternberg-Lieben/Bosch in S/S-StGB, § 78c Rz. 17. Ausf. Saliger in NK-StGB, § 78c Rz. 60 f. Mitsch in MüKo-StGB, § 78c Rz. 19. Sternberg-Lieben/Bosch in S/S-StGB, § 78c Rz. 20.

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StGB

§ 79 StGB

Strafgesetzbuch

schriftliche Anklageerhebung nach § 418 Abs. 3 S. 2 StPO die Verjährung.1 Nr. 7: Soweit der Eröffnungsbeschluss der Anklage folgt (§ 207 StPO), unterbricht die dadurch bewirkte Eröffnung des Hauptverfahrens (§ 203 StPO) die Verjährung bezüglich sämtlicher Taten und Straftatbestände.2 Entscheidender Zeitpunkt für die Unterbrechungswirkung ist die Unterzeichnung des Eröffnungsbeschlusses.3 Im Fall von § 78b Abs. 4 tritt sogleich nach der Unterbrechung durch die Eröffnung vor dem LG das Ruhen der Verjährung ein (vgl. Rz. 3). Nr. 8: Jede Anberaumung einer Hauptverhandlung (§ 213 StPO), wozu auch die kurzfristige Anberaumung im beschleunigten Verfahren (§ 418 Abs. 1 StPO),4 die Anberaumung einer neuen Hauptverhandlung nach ausgesetzter Hauptverhandlung (§§ 228, 265 StPO)5 sowie die Verlegung eines bereits anberaumten Termins6 zählen, unterbricht die Verjährung, nicht jedoch die Fortsetzung nach unterbrochener Hauptverhandlung (§ 229 StPO)7 oder die bloße Ankündigung der Bestimmung eines neuen Termins von Amts wegen.8 Nr. 9: Während ein Urteil die Ablaufhemmung nach § 78b Abs. 3 bewirkt (§ 78b StGB Rz. 9), unterbricht ein Strafbefehl (§ 407 StPO) oder eine andere dem Urteil entsprechende Entscheidung (z.B. Verurteilung gem. § 59b Abs. 1 oder Einstellungsbeschluss nach § 206a StPO)9 die Verjährung. Nr. 10/11: Nachdem die öffentliche Klage erhoben wurde, kann sowohl die vorläufige Einstellung des Verfahrens (§ 205 StPO) wegen Abwesenheit des Angeschuldigten (§ 157 StPO) inklusive der damit verbundenen oder nachfolgenden Anordnungen10 als auch die vorläufige Einstellung des Verfahrens (§ 205 StPO) wegen vorübergehender Verhandlungsunfähigkeit des Angeschuldigten die Verjährung unterbrechen. Bei dauernder Verhandlungsunfähigkeit ist das Verfahren entweder gem. § 206a StPO mit der Folge der Unterbrechung nach Nr. 9 oder gem. § 260 Abs. 3 StPO mit der Folge, dass die Ablaufhemmung des § 78b Abs. 3 greift, einzustellen.11 Nr. 12: Da ausländische Untersuchungshandlungen die Verjährung nicht unterbrechen, kann nur dem Ersuchen eines inländischen Richters um Vornahme einer Untersuchungshandlung im Ausland verjährungsunterbrechende Wirkung zukommen.12

Zweiter Titel. Vollstreckungsverjährung

§ 79 Verjährungsfrist (1) Eine rechtskräftig verhängte Strafe oder Maßnahme (§ 11 Abs. 1 Nr. 8) darf nach Ablauf der Verjährungsfrist nicht mehr vollstreckt werden. (2) Die Vollstreckung von lebenslangen Freiheitsstrafen verjährt nicht. (3) Die Verjährungsfrist beträgt 1. fünfundzwanzig Jahre bei Freiheitsstrafe von mehr als zehn Jahren, 2. zwanzig Jahre bei Freiheitsstrafe von mehr als fünf Jahren bis zu zehn Jahren, 3. zehn Jahre bei Freiheitsstrafe von mehr als einem Jahr bis zu fünf Jahren, 4. fünf Jahre bei Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr und bei Geldstrafe von mehr als dreißig Tagessätzen, 5. drei Jahre bei Geldstrafe bis zu dreißig Tagessätzen. (4) Die Vollstreckung der Sicherungsverwahrung und der unbefristeten Führungsaufsicht (§ 68c Abs. 2 Satz 1 oder Abs. 3) verjähren nicht. Die Verjährungsfrist beträgt 1. fünf Jahre in den sonstigen Fällen der Führungsaufsicht sowie bei der ersten Unterbringung in einer Entziehungsanstalt, 2. zehn Jahre bei den übrigen Maßnahmen. (5) Ist auf Freiheitsstrafe und Geldstrafe zugleich oder ist neben einer Strafe auf eine freiheitsentziehende Maßregel, auf Verfall, Einziehung oder Unbrauchbarmachung erkannt, so verjährt die Vollstreckung der einen Strafe oder Maßnahme nicht früher als die der anderen. Jedoch hindert eine zugleich angeordnete Sicherungsverwahrung die Verjährung der Vollstreckung von Strafen oder anderen Maßnahmen nicht. (6) Die Verjährung beginnt mit der Rechtskraft der Entscheidung. 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12

Schmid in LK-StGB, § 78c Rz. 30; Wolter in SK-StGB, § 78c Rz. 25. Mitsch in MüKo-StGB, § 78c Rz. 15; Sternberg-Lieben/Bosch in S/S-StGB, § 78c Rz. 15. Saliger in NK-StGB, § 78c Rz. 57; Wolter in SK-StGB, § 78c Rz. 26. BT-Drucks. 7/550, S. 215; Saliger in NK-StGB, § 78c Rz. 58. Lackner in Lackner/Kühl, § 78c Rz. 10; Wolter in SK-StGB, § 78c Rz. 27. Str., wie hier: OLG Köln v. 30.4.1985 – 1 Ss 210/85, VRS 69, 451; OLG Karlsruhe v. 28.10.2015 – 2(6) SsBs 564/15-AK 164/15, NStZ-RR 2015, 385; Fischer, StGB, § 78c Rz. 18; Schmid in LK-StGB, § 78c Rz. 32; Sternberg-Lieben/Bosch in S/S-StGB, § 78c Rz. 16. A.A. Rosenau in S/S-StGB, § 78c Rz. 17. Saliger in NK-StGB, § 78c Rz. 58; Wolter in SK-StGB, § 78c Rz. 27. Schmid in LK-StGB, § 78c Rz. 32. Dazu Mitsch in MüKo-StGB, § 78c Rz. 17; Sternberg-Lieben/Bosch in S/S-StGB, § 78c Rz. 17. Ausf. Saliger in NK-StGB, § 78c Rz. 60 f. Mitsch in MüKo-StGB, § 78c Rz. 19. Sternberg-Lieben/Bosch in S/S-StGB, § 78c Rz. 20.

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§ 79a StGB

A. Regelungsgegenstand und Funktion der Vollstreckungsverjährung Die Norm regelt Beginn (Absatz 6), Dauer (Absätze 3 bis 5) und Gegenstand (Absätze 1 und 2) der Vollstre- 1 ckungsverjährung. Die Vollstreckungsverjährung schließt sich unmittelbar an die Verfolgungsverjährung (§§ 78 ff.) an und zeichnet sich wie die Verfolgungsverjährung (vgl. Vor §§ 78 ff. StGB Rz. 6) durch einen prozessualen Charakter aus.1 Die Vollstreckungsverjährung schließt nach Ablauf der Fristen in Absatz 3 als Vollstreckungshindernis die Durchsetzung rechtskräftig erkannter Strafen und Maßnahmen aus (Funktion)2 und ist von Amts wegen zu berücksichtigen.3 Nicht der Vollstreckungsverjährung unterliegen die verhängte lebenslange Freiheitsstrafe (Absatz 2), die Sicherungsverwahrung und die unbefristete Führungsaufsicht (Absatz 4). Zusammen mit §§ 79a, 79b bildet § 79 das strafrechtliche System der Vollstreckungsverjährung, wobei es anders als bei der Verfolgungsverjährung keine Unterbrechungsregelung gibt.4

B. Beginn, Dauer und Ende der Vollstreckungsverjährung Die Vollstreckungsverjährung beginnt mit Rechtskraft der Entscheidung (Absatz 6). Maßgeblich ist der mate- 2 rielle Straf- bzw. Rechtsfolgenausspruch (vgl. Vor §§ 78 ff. StGB Rz. 2),5 bei einer Gesamtstrafe der Ausspruch der Gesamtstrafe.6 Entscheidung i.S.d. Vorschrift sind Urteil, Strafbefehl und Beschluss (§§ 441 Abs. 2, 460 StPO).7 Mit dem Tag der rechtskräftigen Entscheidung beginnt die Vollstreckungsverjährung und sie endet mit Ablauf des Tages, der kalendermäßig dem Tag des Fristbeginns vorgeht.8 Die Dauer der Vollstreckungsverjährung hängt von Art und Höhe der verhängten Strafe oder Maßnahme ab und variiert damit stark.9

C. Fristen und Fristenkonkurrenz bei der Vollstreckungsverjährung (Absätze 3 bis 5) Die Fristen der Vollstreckungsverjährung sind für die Hauptstrafen in Absatz 3 und für die befristete Führungs- 3 aufsicht sowie die übrigen Maßnahme nach § 11 Abs. 1 Nr. 8 in Absatz 4 geregelt und orientieren sich an der Höhe der erkannten Strafe.10 Werden in der gerichtlichen Entscheidung verschiedene Strafen und Maßnahmen festgesetzt (sog. Fristenkonkurrenz),11 bestimmt Absatz 5, dass die Deliktsfolgen grundsätzlich einheitlich verjähren, wobei die jeweils längere Frist maßgeblich ist.12 Eine Ausnahme stellt die Sicherungsverwahrung dar (Abs. 5 S. 2), neben der andere Strafen und Maßnahmen selbständig verjähren.13

§ 79a Ruhen Die Verjährung ruht, 1. solange nach dem Gesetz die Vollstreckung nicht begonnen oder nicht fortgesetzt werden kann, 2. solange dem Verurteilten a) Aufschub oder Unterbrechung der Vollstreckung, b) Aussetzung zur Bewährung durch richterliche Entscheidung oder im Gnadenweg oder c) Zahlungserleichterung bei Geldstrafe, Verfall oder Einziehung bewilligt ist, 3. solange der Verurteilte im In- oder Ausland auf behördliche Anordnung in einer Anstalt verwahrt wird.

1 Str., wie hier: Mitsch in MüKo-StGB, § 79 Rz. 1; Saliger in NK-StGB, § 79 Rz. 1; Schmid in LK-StGB, § 79 Rz. 1; Sternberg-Lieben/Bosch in S/S-StGB, § 79 Rz. 1. A.A. [Prozessrechtsinstitut mit materiellem Einschlag] Wolter in SK-StGB, § 79 Rz. 1. 2 Mitsch in MüKo-StGB, § 79 Rz. 1; Saliger in NK-StGB, § 79 Rz. 1. 3 Mitsch in MüKo-StGB, § 79 Rz. 1; Rosenau in S/S-StGB, § 79 Rz. 2; Satzger, Jura 2012, 433, 441. 4 Saliger in NK-StGB, § 79 Rz. 1. 5 BGH v. 26.6.1958 – 4 StR 145/58, BGHSt 11, 393, 395 ff.; OLG Köln v. 4.4.2011 – 2 Ws 127/11, NStZ-RR 2011, 249; Saliger in NK-StGB, § 79 Rz. 5; Schmid in LK-StGB, § 79 Rz. 4. 6 BGH v. 15.10.1981 – 4 StR 432/81, BGHSt 30, 232, 234; Fischer, StGB, § 79 Rz. 3; Wolter in SK-StGB, § 79 Rz. 3. 7 OLG Köln v. 4.4.2011 – 2 Ws 127/11, NStZ-RR 2011, 249; Sternberg-Lieben/Bosch in S/S-StGB, § 79 Rz. 3. 8 Schmid in LK-StGB, § 79 Rz. 5. 9 Saliger in NK-StGB, § 79 Rz. 5; Sternberg-Lieben/Bosch in S/S-StGB, § 79 Rz. 4; Wolter in SK-StGB, § 79 Rz. 4. 10 OLG Hamburg v. 1.11.2010 – 2 Ws 53/10, 54/10, wistra 2011, 152, 154; Rosenau in S/S-StGB, § 79 Rz. 3; Saliger in NKStGB, § 79 Rz. 7. 11 Schmid in LK-StGB, § 79 Rz. 6. 12 Sternberg-Lieben/Bosch in S/S-StGB, § 79 Rz. 8; Wolter in SK-StGB, § 79 Rz. 4. 13 Saliger in NK-StGB, § 79 Rz. 10.

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StGB

Ruhen

StGB

§ 79a StGB Rz. 1 1

Strafgesetzbuch

Das Ruhen der Vollstreckungsverjährung entspricht, mit Ausnahme der verschiedenen Ruhensgründe,1 der Regelung über das Ruhen der Verfolgungsverjährung (§ 78b). Im Hinblick auf die Wirkung gelten keine Besonderheiten.

§ 79b Verlängerung Das Gericht kann die Verjährungsfrist vor ihrem Ablauf auf Antrag der Vollstreckungsbehörde einmal um die Hälfte der gesetzlichen Verjährungsfrist verlängern, wenn der Verurteilte sich in einem Gebiet aufhält, aus dem seine Auslieferung oder Überstellung nicht erreicht werden kann. 1

Aus Gerechtigkeitsgründen und zwecks Kompensation des Fehlens einer Unterbrechungsregelung2 lässt die Vorschrift in der Vollstreckungsverjährung eine Fristverlängerung zu, wenn sich der Verurteilte außerhalb des Geltungsbereiches der deutschen Strafvollstreckungsgewalt aufhält und eine Auslieferung oder Überstellung nicht erreicht werden kann.

2

Voraussetzung für eine Fristverlängerung ist, dass sich der Verurteilte in einem Gebiet aufhält, aus dem seine Auslieferung oder Überstellung nicht erreicht werden kann. Zunächst muss also feststehen, dass sich der Verurteilte außerhalb der Bundesrepublik Deutschland befindet.3 Darüber hinaus darf entweder mit dem Gebiet des Aufenthaltsorts des Verurteilten gar kein Rechtsverkehr stattfinden oder die besonderen Voraussetzungen der Rechtshilfe dürfen nicht erfüllt sein oder ein Auslieferungsersuchen muss aus einem sonstigen Grund erfolglos bleiben.4 Zumindest darf eine Entscheidung des auslieferungsrechtlichen Vertragsstaates innerhalb der Verjährungsfrist nicht mehr zu erreichen sein.5 Erforderlich ist überdies ein Antrag der Vollstreckungsbehörde (i.d.R. der StA, § 451 StPO), woraufhin das Gericht des ersten Rechtszuges (§ 462a Abs. 2 StPO) per Beschluss nach § 462 StPO über eine einmalige Fristverlängerung um die Hälfte der gesetzlichen Frist nach § 79 Abs. 3 und Abs. 4 entscheiden kann.6 Bis zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung darf die Verjährungsfrist noch nicht abgelaufen sein.7 Der Beschluss des Gerichts ist mit sofortiger Beschwerde anfechtbar, § 462 Abs. 1, Abs. 3 S. 1 StPO.

Vierter Abschnitt. Straftaten gegen Verfassungsorgane sowie bei Wahlen und Abstimmungen

§§ 105–108d

(vom Abdruck wird abgesehen)

§ 108e Bestechlichkeit und Bestechung von Mandatsträgern (1) Wer als Mitglied einer Volksvertretung des Bundes oder der Länder einen ungerechtfertigten Vorteil für sich oder einen Dritten als Gegenleistung dafür fordert, sich versprechen lässt oder annimmt, dass er bei der Wahrnehmung seines Mandates eine Handlung im Auftrag oder auf Weisung vornehme oder unterlasse, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. (2) Ebenso wird bestraft, wer einem Mitglied einer Volksvertretung des Bundes oder der Länder einen ungerechtfertigten Vorteil für dieses Mitglied oder einen Dritten als Gegenleistung dafür anbietet, verspricht oder gewährt, dass es bei der Wahrnehmung seines Mandates eine Handlung im Auftrag oder auf Weisung vornehme oder unterlasse. (3) Den in den Absätzen 1 und 2 genannten Mitgliedern gleich stehen Mitglieder 1. einer Volksvertretung einer kommunalen Gebietskörperschaft, 2. eines in unmittelbarer und allgemeiner Wahl gewählten Gremiums einer für ein Teilgebiet eines Landes oder einer kommunalen Gebietskörperschaft gebildeten Verwaltungseinheit, 3. der Bundesversammlung, 4. des Europäischen Parlaments,

1 2 3 4 5 6 7

Zu den einzelnen Ruhensgründen bei § 79a ausf. Saliger in NK-StGB, § 79a Rz. 2 ff.; Schmid in LK-StGB, § 79a Rz. 3 ff. Saliger in NK-StGB, § 79b Rz. 1; Sternberg-Lieben/Bosch in S/S-StGB, § 79b Rz. 1; Wolter in SK-StGB, § 79b Rz. 1. Fischer, StGB, § 79b Rz. 2; Sternberg-Lieben/Bosch in S/S-StGB, § 79b Rz. 2. Saliger in NK-StGB, § 79b Rz. 2; Schmid in LK-StGB, § 79b Rz. 2. OLG Stuttgart v. 15.4.2002 – 1 Ws 63/02, NStZ 2004, 204; Sternberg-Lieben/Bosch in S/S-StGB, § 79b Rz. 2. Fischer, StGB, § 79b Rz. 2 f.; Rosenau in S/S-StGB, § 79b Rz. 3; Saliger in NK-StGB, § 79b Rz. 4, 6. Sternberg-Lieben/Bosch in S/S-StGB, § 79b Rz. 2.

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Rz. 3 § 108e StGB

5. einer parlamentarischen Versammlung einer internationalen Organisation und 6. eines Gesetzgebungsorgans eines ausländischen Staates. (4) Ein ungerechtfertigter Vorteil liegt insbesondere nicht vor, wenn die Annahme des Vorteils im Einklang mit den für die Rechtsstellung des Mitglieds maßgeblichen Vorschriften steht. Keinen ungerechtfertigten Vorteil stellen dar 1. ein politisches Mandat oder eine politische Funktion sowie 2. eine nach dem Parteiengesetz oder entsprechenden Gesetzen zulässige Spende. (5) Neben einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten kann das Gericht die Fähigkeit, Rechte aus öffentlichen Wahlen zu erlangen, und das Recht, in öffentlichen Angelegenheiten zu wählen oder zu stimmen, aberkennen. Literatur: Bachmann, Reformvorhaben der Großen Koalition auf dem Gebiet des StGB – Ein kritischer Überblick, NJ 2014, 401; Barton, Der Tatbestand der Abgeordnetenbestechung (§ 108e StGB), NJW 1994, 1098; Dahs/Müssig, Strafbarkeit kommunaler Mandatsträger als Amtsträger – eine Zwischenbilanz, NStZ 2006, 191; Eckstein/Püchel, Aktuelle Gesetzesvorhaben zur Korruptionsbekämpfung, Newsdienst Compliance 2015, 71001; Francuski, Die Neuregelung der Abgeordnetenbestechung, HRRS 2014, 220; Hoven, Aktuelle rechtspolitische Entwicklungen im Korruptionsstrafrecht – Bemerkungen zu den neuen Strafvorschriften über Mandatsträgerbestechung und Bestechung im geschäftlichen Verkehr, NStZ 2015, 553; Jäckle, Sturzgeburt – „Hauruck“-Gesetzgebung bei der Mandatsträgerbestechung, ZRP 2014, 121; Kubiciel, Politische Korruption: Diskussion in einer Ethikkommission?, ZRP 2014, 48; Kubiciel/Hoven, Das Verbot der Mandatsträgerbestechung – Strafgrund und Umfang des neuen § 108e StGB, NK 2014, 340; Michalke, Der neue § 108e StGB – „Bestechlichkeit und Bestechung von Mandatsträgern“, CB 2014, 215; Satzger, Der reformierte § 108e StGB – Bestechlichkeit und Bestechung von Abgeordneten nach neuem Recht, JA 2014, 1022; Schnell, Neuer Anlauf zur Bekämpfung der Abgeordnetenbestechung, ZRP 2011, 4; Trips-Hebert, Die Neuregelung der Mandatsträgerbestechlichkeit und -bestechung, JR 2015, 372; Willems, Die Neuregelung der Abgeordnetenbestechung und ihre Auswirkungen auf die Praxis, CCZ 2015, 29; Wolf, Regulierungsproblem Abgeordnetenbestechung: eine Analyse neuerer Entwicklungen, CCZ 2013, 99.

A. Grundsätzliches Geschützt ist das (öffentliche) Interesse an der Integrität parlamentarischer Prozesse und der Unabhängigkeit 1 der Mandatsträger sowie an der Sachbezogenheit bzw. Sachlichkeit ihrer Entscheidungen,1 damit zugleich die Funktionsfähigkeit des parlamentarischen Systems sowie das hierauf gerichtete Vertrauen der Bürger,2 wobei die Absicherung der Staatsform der parlamentarischen Demokratie lediglich ein Reflex des Schutzes des öffentlichen Interesses an der Sachbezogenheit der Entscheidungen des Mandatsträgers ist.3 § 108e a.F. war nach seinem klaren Wortlaut ein Unternehmensdelikt, womit sich für vor dem 1.9.2014 began- 2 gene Taten eine volle Strafbarkeit bereits bei dem Versuch der Vorteilsannahme bzw. Vorteilsgewährung ergibt.4 § 108e enthält hingegen keinen Hinweis mehr darauf, dass das Unternehmen – und damit auch der Versuch – der unter Strafe gestellten Handlungen strafbar wäre. Da die Tathandlungen i.Ü. an die der §§ 331 ff. StGB angeglichen sind, gilt für die Vollendung der objektiven Tathandlungen dasselbe wie bei diesen Vorschriften (s. § 331 StGB Rz. 8 ff.; § 333 StGB Rz. 2 ff.). Bei der aktuellen Fassung des § 108e handelt es sich um ein Tätigkeitsdelikt. Es handelt sich um ein Vergehen mit einem Strafmaß von Geldstrafe und Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren, so dass der Versuch nach der neuen Fassung des Tatbestands, die das Unternehmen der Straftat nicht mehr enthält, nicht mehr strafbar ist. Da sowohl bei der bisherigen Fassung des § 108e StGB als auch bei den §§ 331 ff. StGB die versuchte Begehung (außer bei Fällen von Tatbestandsirrtümern) keine praktische Rolle spielt, liegt darin kein wesentlicher Verlust. Für ein Vergehen dieses – nach der Einschätzung offenbar auch des heutigen Gesetzgebers eher geringen – Gewichts drängt sich eine Versuchsstrafbarkeit nicht auf, zumal einseitige Tathandlungen (Fordern, Anbieten) als Vollendung bestraft werden. Die Abgeordnetenbestechung steht seit dem 14.1.1994 grundsätzlich wieder unter Strafe, nachdem sie 1953 ent- 3 kriminalisiert worden war.5 Grund für die Aussetzung der Strafbarkeit waren Zweifel an der Bestimmung des exakt strafwürdigen Verhaltens, insbesondere bei der Abgrenzung des noch politisch Erlaubten zur Schwelle der Korruption.6 Ab 1994 war lediglich der Stimmenverkauf und -kauf bei Wahlen und Abstimmungen im Europäischen Parlament oder einer Volksvertretung des Bundes, der Länder oder Gemeinden nach § 108e strafbar.7 Angelegt wurde eine restriktive Auslegung, wonach allein die Zuwendung von materiellen Vorteilen erfasst war, die zur Beeinflussung von Stimmabgaben diente.8 Die Vorbereitung oder Beratung vor Beschlussfassung war

1 BT-Drucks. 12/5927, S. 4 (zur a.F.); Fischer, StGB, § 108e Rz. 2; Heintschel-Heinegg in BeckOK-StGB, § 108e Rz. 3; Jäckle, ZRP 2014, 221, 124; Francuski, HRRS 2014, 220, 221. 2 Müller in MüKo-StGB, § 108e Rz. 1. 3 Wohlers/Kargl in NK-StGB, § 108e Rz. 3 noch zu § 108e a.F. 4 Insoweit noch zu § 108e a.F. Barton, NJW 1994, 1098, 1100 mit krit. Ausführungen. 5 Barton, NJW 1994, 1098. 6 Barton, NJW 1994, 1098. 7 BT-Drucks. 18/476, S. 1. 8 Hoven, NStZ 2015, 553.

Rübenstahl

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StGB

Bestechlichkeit und Bestechung von Mandatsträgern

StGB

§ 108e StGB Rz. 4

Strafgesetzbuch

nicht erfasst.1 Korrelat dieser nicht sehr weit greifenden Strafbarkeit war eine niedrige Zahl an Verurteilungen wegen Verstoßes gegen § 108e.2 4

Die Fassung ab 1994 war Gegenstand heftiger Kritik, sowohl von der Rspr. des BGH3 wie auch der deutschen Industrie4 und der Rechtswissenschaft, da der Tatbestand insbesondere im Verhältnis zu §§ 299, 331 ff. StGB äußerst restriktiv formuliert war und allein die Zuwendung materieller Vorteile zur Beeinflussung von Stimmabgaben in Volksvertretungen oder Gemeindeverbänden sanktioniert hatte.5 Dass die Strafbarkeit als zu eng aufgefasst wurde, ergab sich dabei auch aus der höchstrichterlich bestätigten Rspr. der Straflosigkeit der Vorteilsgewährung an kommunale Mandatsträger nach den §§ 299, 331 ff., 108e a.F. StGB:6 Diese fallen – sofern nicht konkrete Verwaltungsaufgaben auf Gemeindeebene ausgeübt werden – nicht unter den Amtsträgerbegriff nach § 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b oder c StGB, womit eine Strafbarkeit nach §§ 331 ff. StGB ausscheidet.7 § 108e ist – als insofern abschließende Sonderregelung – dann nur anwendbar, wenn sich die Tätigkeit in Wahlen und Abstimmungen bzw. deren Vorbereitung erschöpft. Für über den Stimmen(ver)kauf hinausgehende Fälle sozialschädlicher Korruption verblieb eine Strafbarkeitslücke.8

5

Eine Erweiterung der Abgeordnetenbestechung erfolgte schließlich 2014 mit dem Ziel, die United Nations Convention against Corruption (UNCAC) zu ratifizieren.9 Der Anstoß für die zuvor vehement abgelehnte Neuregelung der Mandatsträgerkorruption kam vom Bundesverband der Deutschen Industrie e.V. (BDI), der die Novellierung des § 108e StGB forderte, um die notwendigen Voraussetzungen für die Ratifizierung der UNCAC zu schaffen.10 Art. 15 i.V.m. Art. 2 lit. a UNCAC verlangt nämlich von den Vertragsstaaten, das Fordern oder Annehmen bzw. das Versprechen oder Gewähren von nicht geschuldeten Vorteilen für eine Handlung oder ein Unterlassen des Mandatsträgers unter Strafe zu stellen.11 Die Reform stand somit am Ende einer langjährigen Diskussion um die Erweiterung des § 108e StGB. Mit Gesetz vom 23.4.2014 (48. StrÄndG) wurde der Vorschrift mit Wirkung zum 1.9.2014 schließlich die heutige Fassung gegeben.12 Erfasst ist seither jede Beeinflussung von Handlungen oder Unterlassungen bei der Mandatsausübung. Ferner sind ausweislich des Wortlauts seither auch immaterielle Vorteile erfasst.13 Eingefügt wurden wiederum Restriktionen, insbesondere nach Absatz 4, s. unten Rz. 30 f.

6

Die Schwierigkeit in der Formulierung eines Straftatbestandes bestand aus der Sicht des Gesetzgebers darin, einerseits strafwürdiges korruptives Verhalten von und gegenüber Abgeordneten wirksam zu erfassen und auf der anderen Seite dem Grundsatz des freien Mandats und den Besonderheiten der parlamentarischen Willensbildung Rechnung zu tragen, also insbesondere allgemein als zulässig anerkannte Verhaltensweisen im politischen Raum nicht unter Strafe zu stellen.14 Dem neuen Straftatbestand liegt der Gedanke des SPD-Abgeordneten Stünker zugrunde, wonach für eine Strafbarkeit der Zuwendung an Abgeordnete erforderlich sein solle, dass der Mandatsträger sich durch den Vorteil zu seiner Handlung bestimmen lässt (bzw. lassen soll) und seine innere Überzeugung den Interessen des Vorteilsgebers unterordnet, da ein derartiges Verhalten in Widerspruch zu Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG (freies Mandat) stehe, nach dem die Abgeordneten an Aufträge und Weisungen gerade nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen seien.15

B. Anwendungsbereich 7

Eine Strafbarkeit nach § 108e StGB, insbesondere bei der Bestechung oder Bestechlichkeit von Mandatsträgern nichtdeutscher Parlamente gem. § 108e Abs. 3 Nr. 4–6, setzt die Anwendbarkeit deutschen Strafrechts voraus. Dies richtet sich nach den Vorschriften des internationalen Strafrechts (Strafanwendungsrechts) gem. §§ 3 ff., 7 Abs. 2 Nr. 1, 9 StGB.16 Bei den Mitgliedern des Europäischen Parlaments (Nr. 4) erstreckt sich der Anwen1 Francuski, HRRS 2014, 220, 221 m.w.N. 2 Müller in MüKo-StGB, § 108e Rz. 6; Francuski, HRRS 2014, 220, 223; krit. Schnell, ZRP 2011, 4, 5, wonach dies allein kein Argument für eine Erweiterung der Strafbarkeit sein dürfe. 3 BGH v. 9.5.2006 – 5 StR 453/05, BGHSt 51, 45. 4 Willems, CCZ 2015, 29. 5 Hoven, NStZ 2015, 553; vgl. schon Fischer, StGB, § 108e Rz. 1; Barton, NJW 1994, 1098, 1100 f.; Hoven, ZIS 2013, 33, 36; Kubiciel, ZRP 2014, 48, 49, aber auch GRECO Eval III Rep (2009) 3R, Rz. 124; GRECO RC III (2012) 15E Zwischenbericht, Rz. 19 f.; GRECO RC-III (2013) 15E Zweiter Zwischenbericht, Rz. 18 f. 6 Willems, CCZ 2015, 29, 29 f. m.w.N.; Dahs/Müssig, NStZ 2006, 191, 195; Francuski, HRRS 2014, 220, 224. 7 Vgl. BGH v. 9.5.2006 – 5 StR 453/05, BGHSt 51, 45. 8 BGH v. 9.5.2006 – 5 StR 453/05, BGHSt 51, 45, Rz. 46 ff. 9 Gesetz v. 23.4.2014 (48. StRÄndG), BGBl. I, S. 410; Hoven, NStZ 2015, 553; zu den eingebrachten Entwürfen Wolf, CCZ 2013, 99 und Schnell, ZRP 2011, 4; Francuski, HRRS 2014, 220, 222. 10 Hoven, NStZ 2015, 553: Das Ausbleiben der Ratifizierung schade, so der BDI, „dem Ansehen der deutschen Wirtschaftsunternehmen in ihren Auslandsaktivitäten“; vgl. Kubiciel/Hoven, NK 2014, 340, 359. 11 Hoven, NStZ 2015, 553, Fn. 9. 12 BGBl. I, S. 410. 13 Hoven, NStZ 2015, 553. 14 BT-Drucks. 18/476, S. 5. 15 BT-Drucks. 18/476, S. 6. 16 Heintschel-Heinegg in BeckOK-StGB, § 108e Rz. 4.

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Rübenstahl

Rz. 13 § 108e StGB

dungsbereich der Norm aber nach h.M. nicht nur auf die von der Bundesrepublik Deutschland entsandten, sondern auf alle Abgeordneten, auch solche nichtdeutscher Nationalität, bzw. die Repräsentanten anderer Mitgliedsstaaten.1 Dasselbe muss zwangsläufig erst recht für die Mitglieder ausländischer gesetzgebender Versammlungen (Nr. 6) und internationaler Parlamente (Nr. 5) gelten, die entweder zwangsläufig keine deutschen Staatsbürger sein können oder dies überwiegend nicht sein werden. Die Indemnität nach Art. 46 Abs. 1 GG steht einer Strafbarkeit nach § 108e StGB nicht entgegen, da sich die 8 Straftat nicht auf das Abstimmungsverhalten selbst bezieht,2 sondern auf diesbezügliche Vereinbarungen bzw. entsprechende einseitige Vereinbarungsversuche. Soweit der Gegenstand der Unrechtsvereinbarung durch § 108e n.F. über das Abstimmungsverhalten hinaus erweitert wurde, wird ohnehin in Frage stehen, ob es sich dabei um „Abstimmungen“ und „Äußerungen“ i.S.d. Indemnitätsvorschrift handelt, die von Art. 46 Abs. 1 GG dem Grunde nach geschützt wären. Jedenfalls gilt auch hier, dass das tatbestandliche Handeln des § 108e selbst nicht in den Schutzbereich der Indemnitätsvorschrift fällt. § 108e Abs. 1 und Abs. 2 – die aktive und die passive Abgeordnetenbestechung – erfassen aufgrund des nicht 9 auf die Vergangenheit bezogenen Wortlauts hinsichtlich der durch Vorteile zu beeinflussenden Handlungen („… dass er … eine Handlung … vornehme oder unterlasse“) sprachlich und nach dem Willen des historischen Gesetzgebers keine Zuwendungen für bereits vorgenommene (Abgeordneten-)Handlungen. Der Tatbestand ist aber gem. Absatz 1 und Absatz 2 erfüllt, wenn das Mitglied einen Vorteil vor der Handlung bei Wahrnehmung des Mandats fordert bzw. sich versprechen lässt und diesen nach der Handlung annimmt, entsprechend den Gegebenheiten bei den §§ 299, 331 ff. StGB, da voll tatbestandliche Handlungen bereits vor der in Bezug genommenen Mandatsausübung des Abgeordneten erfolgt sind.3

C. Bestechlichkeit gemäß Absatz 1 Betraft wird, wer einen ungerechtfertigten Vorteil für sich oder einen Dritten als Gegenleistung dafür fordert, 10 sich versprechen lässt oder annimmt, dass er bei der Wahrnehmung seines Mandats eine Handlung im Auftrag oder auf Weisung vornehme oder unterlasse.

I. Täterkreis Täter der passiven Abgeordnetenbestechung kann gem. Absatz 1 sein, wer Mitglied einer Volksvertretung des 11 Bundes oder der Länder ist, d.h. Abgeordnete des Deutschen Bundestages sowie der Landtage.4 Die in Absatz 3 genannten Personen sind diesen gleichgestellt, s. unten Rz. 39. Täter der aktiven Abgeordnetenbestechung kann jedermann sein.

II. Tathandlung: Fordern, Sich-Versprechen-Lassen oder Annehmen Die Tatbestandsmerkmale zur Umschreibung der Tathandlungen entsprechen denen der § 299 Abs. 1, §§ 331 f. 12 StGB,5 weshalb auf die entsprechende Kommentierung verwiesen wird (§ 331 StGB Rz. 8 ff.; § 333 StGB Rz. 2 ff.). Hintergrund ist, dass dies den im umzusetzenden Europarat-Strafrechtsübereinkommen und im umzusetzenden UN-Übereinkommen gegen Korruption geregelten – und auch für die Abgeordnetenbestechung geltenden – Begehungsweisen entspricht.6 Die inhaltliche und terminologische Angleichung an die im deutschen Recht von jeher geltenden Tathandlungen dürfte für die Neufassung jedenfalls hinsichtlich der Tathandlungen etwaige Auslegungsschwierigkeiten ausräumen. Zwar müsste grds. aufgrund der Bezugnahme des Gesetzgebers auf die Abkommen eine (autonome bzw. vertragskonforme) Auslegung nach dessen Maßstäben vorgenommen werden, da aber bzgl. dieser Tatmodalitäten keine Diskrepanzen zwischen der abkommensrechtlichen und der im deutschen Recht von jeher gebräuchlichen Auslegung ersichtlich sind, wird man sich uneingeschränkt an § 331 StGB orientieren dürfen.

III. Mandatsbezogene Tätigkeit Die Handlung muss bei der Wahrnehmung des Mandats erfolgen,7 womit der Anwendungsbereich der Norm 13 erheblich erweitert wurde.8 Ausgeschlossen sind somit weiterhin Verwaltungstätigkeiten, die unter §§ 331 ff. StGB zu fassen sein können, ferner Nebentätigkeiten oder Verhaltensweisen in parteiinternen Gremien.9 Problematisch ist die Beurteilung von Gemeinderatsmitgliedern, die sowohl legislativ (bei Abstimmungen im Ge1 2 3 4 5 6 7 8 9

Rosenau, ZIS 2008, 19; Rosenau in S/S/W-StGB, § 108e Rz. 2; Eser in S/S-StGB, § 108e Rz. 5. Fischer, StGB, § 108e Rz. 8. BT-Drucks. 18/476, S. 7. BT-Drucks. 18/476, S. 6. BT-Drucks. 18/476, S. 7. BT-Drucks. 18/476, S. 7. BT-Drucks. 18/476, S. 8. Francuski, HRRS 2014, 220, 226. Francuski, HRRS 2014, 220, 226.

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StGB

Bestechlichkeit und Bestechung von Mandatsträgern

StGB

§ 108e StGB Rz. 14

Strafgesetzbuch

meinderat) als auch administrativ tätig werden können. Abgegrenzt wird dann nach h.M. in Literatur und Rspr. nach dem Merkmal des „freien Mandats“.1 Erschöpft sich die Tätigkeit im Handeln in Wahlen und Abstimmung in der Volksvertretung bzw. Teilen wie Fraktionen oder zugehörigen Ausschüssen, kommt § 108e in Betracht. Eine Ausübung des Mandats liegt regelmäßig vor, wenn der Mandatsträger in der konkreten Entscheidungssituation nicht ersetzbar ist sowie wenn er sich bei seiner Entscheidung auch von (partei-)politischen Gesichtspunkten leiten lassen darf. 14

Mandatsbezogene Ausübung ist i.Ü. weit zu verstehen, weshalb auch Handlungen zur Vorbereitung von Abstimmungen, Ausschüssen, fraktionsähnlichen Gruppen wie Arbeitskreisen etc. erfasst sind, etwa das Verfassen schriftlicher Beiträge.2

IV. Ungerechtfertigter Vorteil als Gegenleistung 15

Der Vorteilsbegriff entspricht in der Neufassung des § 108e dem der §§ 331 ff. StGB. Hintergrund ist laut dem Gesetzgeber, dass durch die Verwendung des im deutschen Korruptionsstrafrecht gängigen Merkmals „Vorteil“ sichergestellt werden soll, dass entsprechend der Vorgaben in den internationalen Übereinkommen – insbesondere des Europarats-Strafrechtsübereinkommens bzw. dessen Erläuternden Berichts unter Nr. 37 – nunmehr auch immaterielle Vorteile von der Vorschrift erfasst sind; auch die Einbeziehung von Drittvorteilen beruht auf den Vorgaben der Übereinkommen.3 Vorteil ist somit jede Zuwendung, die zu einer materiellen oder immateriellen objektiven Besserstellung des Empfängers führt und auf die er keinen Anspruch hat.4 I.Ü. wird auf die Kommentierung des § 331 (§ 331 StGB Rz. 23 ff.) verwiesen. Hervorzuheben ist, dass immaterielle Vorteile sowie Zuwendungen an Dritte erst mit der Gesetzesänderung und damit für ab dem 1.9.2014 begangene Taten erfasst sind,5 wobei ergänzend die auf den Vorteil bezogenen Tatbestandsausschlussgründe des Absatzes 4 zu beachten sind, da beides von der Altfassung nicht erfasst war. Die ausdrückliche Aufnahme von Dritten in den Empfängerkreis nach § 108e ermöglicht eine Berücksichtigung von Zuwendungen an natürliche und juristische Personen sowie an nichtrechtsfähige Vereine, also etwa an politische Parteien.6

16

Der Vorteil muss bei § 108e – anders als nach den Tatbeständen der §§ 299, 331 ff. StGB – nicht nur nicht geschuldet, sondern ungerechtfertigt sein. Der Gesetzgeber möchte auf diese Weise dem Unterschied zwischen unter die §§ 331 ff. StGB fallenden Amtsträgern, denen jede Annahme von Belohnungen, Geschenken und sonstigen Vorteilen grds. verboten ist (vgl. § 71 BBG), und andererseits Mandatsträgern, die zur Annahme finanzieller Zuwendungen von außen berechtigt sein können (vgl. für Spenden § 44a Abs. 2 S. 4 AbgG), durch eine tatbestandliche Einschränkung des Vorteilsbegriffs Rechnung tragen. Dies und die – wohl nicht abschließend gemeinte – Definition nicht unberechtigter Vorteile in Absatz 4 soll klarstellen, dass gewisse Zuwendungen im parlamentarischen Raum zulässig sind und nicht unter Strafe stehen sollen.7

17

Mit dem Merkmal „ungerechtfertigter Vorteil“ knüpft die Regelung nach der Begründung des Gesetzentwurfs an die Vorgaben des UN-Übereinkommens gegen Korruption sowie des Europarat-Strafrechtsübereinkommens an. Nach beiden Instrumenten ist eine Strafbarkeit nur bei ungerechtfertigten Vorteilen („undue advantages“) vorzusehen (vgl. die Art. 15 und 16 des UN-Übereinkommens gegen Korruption sowie die Art. 4 und 6 des Europarat-Strafrechtsübereinkommens).8 Der Gesetzgeber geht damit aber erkennbar an dem Umstand vorbei, dass hierdurch keineswegs ein zusätzliches Erfordernis für den Vorteilsbegriff konstituiert ist, und lediglich auf den Umstand ein, dass es sich um einen Vorteil i.S.d. Korruptionstatbestände nur handelt, wenn dieser nicht geschuldet ist („undue“). Alles andere wäre auch deshalb abwegig, weil der konventionsrechtliche Vorteilsbegriff auch für die §§ 331 ff. StGB (vgl. § 331 StGB Rz. 23 ff., 33 f., 60 ff.) gilt und hier zu Recht niemand eine tatbestandliche Einschränkung des Vorteilsbegriffs fordert. Bei den Einschränkungen des Vorteilsbegriffs in § 108e Abs. 1, 2 und 4 kann sich der Gesetzgeber nicht auf völkerrechtliche Vorgaben stützen. Genau wie bei den §§ 331 ff. StGB hätte es ausgereicht, Fälle der gerechtfertigten Vorteilsannahme bzw. Gewährung aus der Unrechtsvereinbarung auszuscheiden (vgl. § 331 StGB Rz. 52 ff.). Die tatbestandliche Einschränkung des Vorteilsbegriffs stellt einen unnötigen Systembruch im deutschen Korruptionsstrafrecht dar.

18

Ungerechtfertigte Vorteile i.S.d. § 108e Abs. 1, Abs. 2 liegen insbesondere dann nicht vor, wenn die Annahme eines Vorteils im Einklang mit den für die Rechtsstellung des Mitglieds maßgeblichen Vorschriften steht; darüber hinaus fehlt es an einem ungerechtfertigten Vorteil aus Sicht des Gesetzgebers auch dann, wenn die Annahme des Vorteils „anerkannten parlamentarischen Gepflogenheiten“ entspricht.9 Nach Abs. 4 S. 1 ist der Vorteil nicht „un1 BGH v. 9.5.2006 – 5 StR 453/05, NJW 2006, 2050, 2055; BGH v. 23.6.1955 – 3 StR 157/55, BGHSt 8, 21, 23 f. = NJW 1955, 1405; Fischer, StGB, § 108e Rz. 18; Rübenstahl, HRRS 2006, 23 m.w.N. 2 Fischer, StGB, § 108e Rz. 18. 3 BT-Drucks. 18/476, S. 7. 4 BT-Drucks. 18/476, S. 7; Willems, CCZ 2015, 29; Francuski, HRRS 2014, 220, 226. 5 Hoven, NStZ 2015, 553, 554. 6 Hoven, NStZ 2015, 553, 554. 7 BT-Drucks. 18/476, S. 7. 8 BT-Drucks. 18/476, S. 9. 9 BT-Drucks. 18/476, S. 6.

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Rübenstahl

Rz. 22 § 108e StGB

gerechtfertigt“, wenn die Annahme im Einklang mit den für die Rechtstellung des Mitglieds maßgeblichen Vorschriften steht, d.h. gesetzlich gerechtfertigt ist, was im weiteren als gerechtfertigter Vorteil bezeichnet werden soll (vgl. dazu unten Rz. 19 ff.). Wegen der Formulierung „insbesondere“ in Absatz 4 ist schon bei Absatz 1 zwischen „ungerechtfertigten“ und „gerechtfertigten“ Vorteilen zu unterscheiden;1 der Wortlaut weist darauf hin, dass es aus Sicht des Gesetzgebers auch Vorteile außerhalb des gerechtfertigten Bereichs i.S.d. § 108e Abs. 4 gibt, die nicht ungerechtfertigt i.S.d. § 108e Abs. 1, Abs. 2 sein sollen. Absatz 4 konkretisiert das Merkmal „ungerechtfertigter Vorteil“. An einem solchen fehlt es nach Satz 1 insbeson- 19 dere, wenn die Annahme des Vorteils im Einklang mit den für die Rechtsstellung des Mitglieds maßgeblichen Vorschriften steht (gerechtfertigter Vorteil). Mit dem Verweis auf die für die Rechtsstellung maßgeblichen Vorschriften wird – laut der Gesetzesbegründung – für Mitglieder des Deutschen Bundestages auf das AbgG, die Verhaltensregeln für Mitglieder des Deutschen Bundestages (Anl. 1 der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages) sowie die dazu von dem Präsidenten des Deutschen Bundestages erlassenen Ausführungsbestimmungen Bezug genommen. Die Landtage haben entsprechende Gesetze und darauf basierende Verhaltensregeln für ihre Mitglieder erlassen. In den Gemeindeordnungen der Länder finden sich Vorschriften für Mitglieder von Volksvertretungen der Gemeinden und Gemeindeverbände, die ihrerseits weitere Verhaltensregeln festlegen können. Mit dem – allgemein gehaltenen – Verweis auf die für die Rechtsstellung des jeweiligen Mitglieds maßgeblichen Vorschriften will der Gesetzgeber dem Umstand Rechnung tragen, dass für die von dem Tatbestand erfassten Mandatsträger keine einheitlichen Regelungen gelten und entsprechende Vorschriften von der jeweiligen Vertretungskörperschaft innerhalb ihrer Autonomie und entsprechend den Gegebenheiten vor Ort festgelegt werden sollten.2 Grds. gestattet ist nach einschlägigen Vorschriften die Annahme von Spenden (§ 44a Abs. 2 S. 4 AbgG), geldwerten Zuwendungen aus Anlass der Wahrnehmung interparlamentarischer oder internationaler Beziehungen sowie zur Teilnahme an Veranstaltungen zur politischen Information, zur Darstellung der Standpunkte des Deutschen Bundestages oder seiner Fraktionen oder als Repräsentant des Deutschen Bundestages (§ 4 Abs. 5 der Verhaltensregeln) sowie von Gastgeschenken in Bezug auf das Mandat (§ 4 Abs. 6 der Verhaltensregeln). Bei der Annahme von solchen Vorteilen, die sich an den durch das AbgG und die Verhaltensregeln abgesteckten Rahmen halten, scheidet eine Strafbarkeit von vornherein aus.3 Die Regelung des § 108e Abs. 4 S. 1 – die nach ihrer Einordnung in den Tatbestand an sich als Begrenzung des 20 Vorteilsbegriffs anzusehen wäre – stellt darauf ab, ob die Annahme des Vorteils im Einklang mit den für Abgeordnete maßgeblichen Rechtsvorschriften steht. Bei den Tatbestandsvarianten des Forderns, Sich-Versprechen-Lassens, Anbietens, Versprechens und Gewährens bedeutet dies aus Sicht des Gesetzgebers, dass zu prüfen ist, ob im Falle einer Annahme des geforderten, versprochenen, angebotenen bzw. gewährten Vorteils diese Annahme im Einklang mit den maßgeblichen Vorschriften stehen würde. Ist dies zu bejahen, fehlt es auch hinsichtlich des Forderns, Sich-Versprechen-Lassens, Anbietens, Versprechens und Gewährens an einem ungerechtfertigten Vorteil mit der Folge, dass eine Strafbarkeit nicht in Betracht kommt.4 Mit dem Verweis auf die für die Rechtsstellung des Mitglieds maßgeblichen Vorschriften sind für Mitglieder des Deutschen Bundestages das AbgG und die Verhaltensregeln einbezogen.5 Da nach den maßgeblichen parlamentsrechtlichen Vorschriften – offenbar auch aus Sicht des Gesetzgebers – regelmäßig nicht der Einklang des Vorteils, sondern der Einklang der Vorteilsgewährung bzw. -annahme mit dem Recht geprüft werden kann, handelt es sich insofern tatsächlich nicht um eine einschränkende Definition des Vorteilsbegriffs, sondern um einen Wegfall des Unrechtszusammenhangs und damit um eine Frage der (fehlenden) Unrechtsvereinbarung. Ist eine Übereinstimmung mit den maßgeblichen Rechtsvorschriften nicht feststellbar, etwa weil es keine 21 derartigen Vorschriften gibt oder diese lückenhaft sind, folgt daraus nach Auffassung des Gesetzgebers – der sich im Wortlaut der Norm nicht eindeutig niedergeschlagen hat – noch nicht, dass der Vorteil nicht gerechtfertigt ist. Fehlt es an entsprechenden Vorschriften oder werden bestimmte Vorteile von ihnen nicht erfasst, darf nach Auffassung des Gesetzgebers zwar nicht darauf abgestellt werden, dass der Annahme des Vorteils keine Vorschriften entgegenstehen, d.h. allein deshalb ist noch nicht von einem nicht-ungerechtfertigten Vorteil i.S.d. Vorschrift auszugehen.6 Allerdings genügt es nach der Begründung des Gesetzentwurfs für ein „Im-Einklangstehen“, wenn sich den maßgeblichen Vorschriften im Wege der Auslegung entnehmen lässt, dass das Mitglied zur Annahme des Vorteils berechtigt sein soll.7 Eine derartige Prüfung ist nicht erforderlich, soweit die in § 108e Abs. 4 S. 2 niedergelegten Ausnahmetat- 22 bestände verwirklicht sind. In beiden Fällen kann es sich nach der ausdrücklichen Regelung des Gesetzes nie um einen ungerechtfertigten Vorteil i.S.d. § 108e Abs. 1, Abs. 2 handeln.

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So auch Fischer, StGB, § 108e Rz. 18; Willems, CCZ 2015, 29, 31. BT-Drucks. 18/476, S. 9. BT-Drucks. 18/476, S. 9 f. BT-Drucks. 18/476, S. 9. BT-Drucks. 18/476, S. 9. BT-Drucks. 18/476, S. 9. BT-Drucks. 18/476, S. 9.

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StGB

Bestechlichkeit und Bestechung von Mandatsträgern

StGB

§ 108e StGB Rz. 23

Strafgesetzbuch

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Gerade im Hinblick auf Abs. 4 S. 2 Nr. 1 ist von einer tatbestandlichen Einschränkung des Merkmals des ungerechtfertigten Vorteils auszugehen, da diese Vorteile vom Gesetz völlig unabhängig von ihrem Bezug zur Mandatsausübung oder sonst zum Handlungskontext für nicht tatbestandlich erklärt werden, d.h. kein Bezug zur Unrechtsvereinbarung hergestellt wird. Keinen ungerechtfertigten Vorteil stellt nach dem Wortlaut der Norm ein politisches Mandat oder eine politische Funktion dar. Damit sollen die Fälle ausgeklammert werden, in denen ein Mandatsträger sich ggf. gegen die eigene Überzeugung parteiinternen „politischen“ Positionierungen unterwirft, um sich die Aufstellung als Kandidat oder die Wahl oder Ernennung in bestimmte politische Funktionen oder Ämter zu sichern.1 Rechtspolitisch problematisch erscheint, dass damit wohl die praktisch wichtigsten Möglichkeiten, in nicht sachbezogener Weise auf die Entscheidungen von Parlamentariern einzuwirken, aus dem Anwendungsbereich der Strafnorm strikt ausgeschlossen sind. Auch rechtsdogmatisch ist die Lösung misslungen, da beide Begrifflichkeiten, soweit ersichtlich, auch andernorts nicht gesetzlich definiert und zudem recht unbestimmt sind, insbesondere der der politischen Funktion. Man muss jedenfalls davon ausgehen, dass unter die beiden Begriffe nicht die Bekleidung von Führungsfunktionen in (auch privatisierten oder teilprivatisierten) Unternehmen der öffentlichen Hand (Vorstand, Geschäftsführung, Aufsichtsrat, Beirat etc.) fällt, da es sich weder um politische Wahlämter handelt noch die dort ausgeübten Funktionen per se oder primär politisch wären.

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Schließlich ist nach Abs. 4 S. 2 Nr. 2 auch eine nach dem PartG oder entsprechenden Gesetzen zulässige Parteispende an die Partei oder den Mandatsträger kein ungerechtfertigter Vorteil. Dies deckt sich nach Auffassung des Gesetzgebers insbesondere mit den Vorgaben des Europarat-Strafrechtsübereinkommens, dessen Erläuternder Bericht (Nr. 44) zu Art. 4 (Bestechung und Bestechlichkeit von Mitgliedern inländischer öffentlich-rechtlicher Vertretungskörperschaften) ausführt, dass die finanzielle Unterstützung, die politischen Parteien im Einklang mit dem nationalen Recht gewährt wird, ersichtlich außerhalb des Anwendungsbereichs der Vorschrift liegt.2 Der Gesetzgeber hat insofern darauf hingewiesen, dass eine zulässige Spende an eine Partei oder einen Bundestagsabgeordneten nach § 25 Abs. 2 Nr. 7 PartG und § 4 Abs. 4 der Verhaltensregeln insbesondere dann nicht vorliegt, wenn sie erkennbar in Erwartung oder als Gegenleistung eines bestimmten wirtschaftlichen oder politischen Vorteils gewährt wird. Die Annahme einer derartigen Spende stehe damit auch nicht mit den für die Rechtsstellung des Mitglieds maßgebenden Vorschriften in Einklang.3 Mit dem Zusatz „oder entsprechender Gesetze“ wird ferner mit Blick auf ausländische Mandatsträger klargestellt, dass auch ausländische Gesetze, welche Regelungen über die Zulässigkeit von Parteispenden treffen, zum Ausschluss der Strafbarkeit führen können.4

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Nur wenn ein Einklang mit den Rechtsvorschriften nicht gegeben ist und die benannten Ausnahmen des Abs. 4 S. 2 nicht eingreifen, ist nach Auffassung des Gesetzgebers zu prüfen, ob die Annahme des in Frage stehenden Vorteils parlamentarischen Gepflogenheiten entspricht und deshalb nicht ungerechtfertigt ist.5 Auch in diesen Fällen scheidet nach Auffassung des Gesetzgebers schon der Anschein einer unzulässigen Einflussnahme auf die Mandatswahrnehmung des Mitglieds von vornherein aus, so dass der Schutzzweck des Straftatbestands nicht berührt sein soll.6 Der in der Gesetzesbegründung verwendete Begriff erscheint recht unbestimmt. Hierbei dürfte es sich um anerkannte Sitten und Gebräuche in der Interaktion zwischen Parlamentariern und zwischen diesen und Dritten, insbesondere Lobbyisten, handeln. Wie diese zu eruieren sind, bleibt unklar. Die Übereinstimmung mit parlamentarischen Gepflogenheiten dürfte bei einer gesetzlich nicht vorgesehenen Zuwendung regelmäßig nicht gegeben sein: Nach § 44a Abs. 2 AbgG darf ein Mitglied für die Ausübung des Mandats keine anderen als die gesetzlich vorgesehenen Zuwendungen oder andere Vermögensvorteile annehmen. Unzulässig ist danach insbesondere die Annahme von Geld oder von geldwerten Zuwendungen, die nur deshalb gewährt werden, weil dafür die Vertretung und Durchsetzung der Interessen des Leistenden im Bundestag erwartet wird. Unzulässig ist ferner die Annahme von Geld oder von geldwerten Zuwendungen, wenn diese Leistung ohne angemessene Gegenleistung des Mitglieds des Bundestages gewährt wird. In diesen Fällen dürfte es regelmäßig keine parlamentarischen Gepflogenheiten geben, die ein derartiges Verhalten decken.

V. Vornehmen oder Unterlassen einer mandatsbezogenen Handlung 26

Nach dem Wortlaut kann die Handlung des Abgeordneten – Bezugspunkt der Unrechtsvereinbarung des § 108e StGB – ausdrücklich durch Tun oder Unterlassen begangen werden. Die vorzunehmende oder zu unterlassende Handlung des Abgeordneten muss „bei der Wahrnehmung des Mandats“ erfolgen. Die tatsächliche Vornahme der Handlung ist nicht erforderlich, vielmehr muss sich der Täter hierzu bereit zeigen.7

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Erfasst sind danach aus Sicht des Gesetzgebers sämtliche Tätigkeiten in den Parlaments- und Fraktionsgremien, also Tätigkeiten im Rahmen der parlamentarischen Arbeit im Plenum, den Bundestagsausschüssen und den 1 2 3 4 5 6 7

BT-Drucks. 18/476, S. 10. BT-Drucks. 18/476, S. 10. BT-Drucks. 18/476, S. 10. BT-Drucks. 18/476, S. 10. BT-Drucks. 18/476, S. 9. BT-Drucks. 18/476, S. 9. BT-Drucks. 18/476, S. 8.

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Rz. 31 § 108e StGB

Arbeitskreisen und Arbeitsgruppen der Fraktionen. Erfasst sind auch Tätigkeiten in Gremien, die der Bundestag ganz oder teilweise besetzt und die parlamentarische Aufgaben wahrnehmen, wie z.B. Vermittlungsausschuss, Gemeinsamer Ausschuss oder Richterwahlausschuss.1 Zu dem mandatsbezogenen Verhalten zählen der Kauf oder Verkauf der inhaltlichen Anlage einer Parlamentsrede im Plenum oder einer Stellungnahme in einem Ausschuss. Strafbar macht sich aber auch bereits, wer Vorteile als Gegenleistung für das Werben um eine bestimmte Position bei anderen Abgeordneten anbietet oder annimmt.2 Nicht erfasst sind aus Sicht des Gesetzgebers Verhaltensweisen, die der Mandatsträger als Mitglied eines partei- 28 internen Gremiums oder im Rahmen einer Nebentätigkeit vollzieht.3

VI. Unrechtsvereinbarung § 108e fordert eine – gegenüber den §§ 299, 331 ff. StGB qualifizierte – Unrechtsvereinbarung.4 Der Vorteil 29 muss als Gegenleistung dafür gewährt werden, dass der Mandatsträger konkrete Handlungen im Auftrag oder auf Weisung des Vorteilsgebers ausführt.5 Mit dem Tatbestandsmerkmal „als Gegenleistung für“ wird eine qualifizierte Unrechtsvereinbarung, vergleich- 30 bar zu §§ 332, 334 StGB, verlangt. Dies knüpft an die gleichlautende Formulierung in den Art. 2 und 3 des Europarat-Strafrechtsübereinkommens bzw. an die Art. 15 und 16 des UN-Übereinkommens gegen Korruption an. Der ungerechtfertigte Vorteil muss gerade dafür zugewendet werden, dass das Mitglied des Parlaments sich in einer bestimmten Weise verhält und insofern „im Auftrag oder auf Weisung“ des Vorteilsgebers handelt.6 Der Mandatsträger soll gerade durch den ungerechtfertigten Vorteil dazu verleitet werden, im Auftrag oder nach Weisung des Auftraggebers zu handeln. Damit verlangt der Tatbestand eine strikte Finalität7 zwischen dem ungerechtfertigten Vorteil und der (angestrebten) Handlung des Parlamentsmitglieds. Für die Strafbarkeit reicht es – vergleichbar zu §§ 332, 334 StGB, aber anders als bei §§ 331, 333 StGB – nicht aus, dass Vorteile nur allgemein für die Mandatsausübung zugewendet werden bzw. das Parlamentsmitglied wegen der von ihm gemäß seiner inneren Überzeugung vertretenen Positionen einen Vorteil erhält. Die Unterstützung des Parlamentsmitglieds durch einen Vorteilsgeber ist also nicht strafbar, wenn sie für Handlungen erfolgt, die durch seine innere Überzeugung motiviert und nicht durch die Vorteilsgewährung beeinflusst sind. Die Grenze zur Strafbarkeit wird nach dem Willen des Gesetzgebers erst dann überschritten, wenn das Mitglied sich „kaufen lässt“, d.h. wenn es sich den Interessen des Vorteilsgebers unterwirft und seine Handlungen durch die Vorteilsgewährung bestimmt sind („Kommerzialisierung des Mandats“).8 Ob das Mitglied sich innerlich vorbehält, sein Verhalten nicht durch den ungerechtfertigten Vorteil beeinflussen zu lassen, ist bei § 108e für die Strafbarkeit unerheblich; entscheidend sind insoweit nicht innere Vorbehalte, sondern der vom Vorsatz erfasste äußere Erklärungswert des Verhaltens. Das Mitglied kann sich also nicht darauf berufen, dass es sich ohnehin i.S.d. Zuwendenden verhalten wollte; ebenso wenig kann sich das Mitglied darauf berufen, dass es sich gerade nicht „weisungsgemäß“ i.S.d. Vorteilsgebers verhalten wollte.9 Mit dem Straftatbestand soll die freie Ausübung des Mandats des Abgeordneten geschützt werden. Deshalb 31 knüpft der Tatbestand bzw. die tatbestandsspezifische Unrechtsvereinbarung – anders als die der Amtsträgerkorruptionsdelikte – an die in Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG verwendeten Tatbestandsmerkmale „Aufträge und Weisungen“ an, an die der Bundestagsabgeordnete von Rechts wegen nicht gebunden ist. Leitgedanke des § 108e n.F. ist, dass dann, wenn sich ein Abgeordneter trotz seiner verfassungsrechtlich gewährleisteten Weisungsfreiheit bereit zeigt, motiviert durch das Fordern, Sich-Versprechen-Lassen oder Annehmen eines unbilligen Vorteils eine Handlung im Auftrag oder auf Weisung vorzunehmen oder zu unterlassen, dies so sehr der Stellung eines unabhängigen Abgeordneten widerspricht, dass eine Bestrafung dieses Verhaltens zum Schutz der parlamentarischen Willensbildung erforderlich ist.10 Die Tatbestandsmerkmale „Auftrag“ und „Weisung“ sind hier aus Sicht des Gesetzgebers weit zu verstehen; erfasst werde jede Handlung, die den Abgeordneten dazu bewegen soll, sich dem Interesse des Auftrags- oder Weisungsgebers zu unterwerfen; nicht erforderlich sei, dass es sich um einen rechtsgeschäftlichen Auftrag oder eine förmliche Weisung handele.11 Die Merkmale sind vielmehr, 1 2 3 4 5 6 7

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BT-Drucks. 18/476, S. 8. Hoven, NStZ 2015, 553, 554. BT-Drucks. 18/476, S. 8. BT-Drucks. 18/476, S. 7. BT-Drucks. 18/476, S. 5; Jäckle, ZRP 2014, 221, 122; Fischer, StGB, § 108e Rz. 34 ff. BT-Drucks. 18/476, S. 7. Die Gesetzesbegründung spricht unzutreffend von Kausalität, BT-Drucks. 18/476, S. 7, die bei einer Zuwendung für zukünftige mandatsbezogene Handlungen aber nicht existieren kann bzw. nicht erforderlich ist, weil die Verwirklichung der Handlung des Parlamentariers nicht erforderlich ist. Auch nach Francuski, HRRS 2014, 220, 227 ein „Kausalitätserfordernis“. BT-Drucks. 18/476, S. 7. BT-Drucks. 18/476, S. 8 unter Verweis auf BGH v. 9.5.2006 – 5 StR 453/05, BGHSt 51, 44 = StV 2006, 465 = wistra 2006, 299 = NStZ 2006, 389. BT-Drucks. 18/476, S. 8. BT-Drucks. 18/476, S. 8.

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273

StGB

Bestechlichkeit und Bestechung von Mandatsträgern

StGB

§ 108e StGB Rz. 32

Strafgesetzbuch

ebenso wie die Tatbestandsmerkmale „Kaufen“ und „Verkaufen“ in § 108e a.F.1 im Sinne eines allgemeinen Sprachgebrauchs zu verstehen.2 Die Handlung soll jedenfalls die Folge einer Einflussnahme durch einen anderen sein.3 Irrelevant ist, ob das Mitglied unter dem inneren Vorbehalt handelt, sich durch den Vorteil nicht beeinflussen zu lassen, sich ohnehin i.S.d. Zuwendenden zu verhalten oder gerade nicht „weisungsgebunden“ handeln zu wollen.4 32

Eine Weisung bezieht sich regelmäßig eher auf ein konkretes Verhalten bzw. eine konkrete Situation.5 Bei einem Auftrag verbleibt zumeist ein Entscheidungsspielraum. Aus dem Wortlaut könnte man ableiten, dass der Mandatsträger die Gegenleistung nicht von sich aus anbieten darf.6 Einer Handlung im „Auftrag oder auf Weisung“ steht es aber aus Sicht des Gesetzgebers nicht entgegen, dass die Initiative für eine entsprechende Unrechtsvereinbarung von dem Vorteilsnehmer, also dem Parlamentsmitglied, ausgeht. Insbesondere die Tatbestandsvariante des „Forderns“ kann auch dadurch verwirklicht werden, dass das Mitglied sich bereit erklärt, als Gegenleistung für einen Vorteil nach Weisung des Vorteilsgebers zu agieren, und so seine „Beauftragung“ durch den Vorteilsgeber „einwirbt“.7

33

Problematisch an der Einbeziehung des Erfordernisses des Handelns nach Auftrag und Weisung in die Unrechtsvereinbarung ist u.a., dass die Einlassung des Mandatsträgers, er habe einen Auftrag bzw. eine Weisung abgelehnt und die Zuwendung lediglich als Bestärkung seines Entschlusses akzeptiert, praktisch mitunter schwer zu widerlegen sein wird. Die Ursachen für eine Handlung oder Unterlassung beruhen auf komplexen inneren Vorgängen und sind einer strafprozessualen Beweisführung schwer zugänglich; objektive Hinweise auf die Feststellung eines subjektiven Motivationszusammenhangs sind rar. Selbst ein auffälliger Meinungswandel und Abstimmungswechsel vermag keine sichere Auskunft über deren Ursache zu geben.8 Zudem hat Jäckle zu Recht bemerkt, dass die Begrifflichkeiten von Auftrag und Weisung dem empirisch festgestellten Korruptionsunrecht bzw. seiner Phänomenologie fremd sind; Geber und Nehmer befinden sich bei Abschluss einer Unrechtsvereinbarung regelmäßig auf einer Ebene der Gleichordnung.9 Die Unabhängigkeit der Mandatsausübung wird zudem nicht allein durch eine Unterwerfung des Abgeordneten unter die Interessen des Vorteilsgebers beeinträchtigt, vielmehr kann auch die Festigung eines Handlungsentschlusses durch materielle oder immaterielle Begünstigungen zu einer Bindung des Mandatsträgers an die Ziele des Zuwendenden führen und nimmt ihm die Freiheit, von seiner Position abzuweichen.10

34

Das Erfordernis der (Pseudo-)Kausalität von Auftrag oder Weisung dürfte auch im Widerspruch zu der beabsichtigten Umsetzung völkerrechtlicher Verträge stehen, denn der in § 108e vorausgesetzte Zusammenhang findet sich weder in der UN-Konvention noch im Strafrechtsübereinkommens des Europarats; beide setzen lediglich eine Gegenleistung voraus, ohne eine Unterordnung des Mandatsträgers unter die Interessen des Vorteilsgebers zu verlangen.11 Wegen der erheblichen Verengung des Tatbestandes stellt § 108e in seiner aktuellen Fassung eine substantielle Einschränkung gegenüber der internationalen Regelung dar; eine völkerrechtskonforme bzw. vertragskonforme Auslegung würde voraussetzen, dass der Hinweis auf ein Auftrags- oder Weisungsverhältnis als lediglich deklaratorische Bezugnahme auf Art. 38 GG gedeutet würde, dem keine eigene, strafbarkeitskonstituierende Funktion zukommt, die über die allgemeinen Unrechtsvereinbarung hinausginge, wobei diese Auslegung möglicherweise mit Art. 103 Abs. 2 GG unvereinbar sein könnte.12

35

Mit dem tatbestandlichen Ausschluss von nachträglichen „Belohnungen“ aus dem Bereich der Unrechtsvereinbarung des § 108e hält sich der Gesetzgeber zwar noch im Rahmen der internationalen Vorgaben, schafft aber zugleich eine systematisch nicht zu erklärende Divergenz zu den Regelungen der Amtsträgerbestechung13 und erschwert die Strafverfolgung von Abgeordneten wegen Korruptionsdelikten unnötig.

36

Die (Neu-)Gestaltung der Unrechtsvereinbarung des neuen § 108e lässt weiterhin keine effektive Strafverfolgung ethisch zweifelhaften Verhaltens von Abgeordneten insbesondere in Bezug auf die Annahme von Spenden und politische Tauschgeschäfte zu, was offenbar dem Willen des Gesetzgebers entspricht. Auch nach der Ausweitung der Strafbarkeit bleibt die Unrechtsvereinbarung des § 108e n.F. weit hinter der Fassung der §§ 331 ff. StGB zurück.14 Denn allgemeines Wohlwollen bzw. Leistungen des Abgeordneten, die in Beziehung zu seiner Stellung als

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14

Vgl. BT-Drucks. 12/1630, S. 7. BT-Drucks. 18/476, S. 8. Francuski, HRRS 2014, 220, 227. BT-Drucks. 18/476, S. 8. Fischer, StGB, § 108e Rz. 29. Fischer, StGB, § 108e Rz. 32 f. BT-Drucks. 18/476, S. 8. Hoven, NStZ 2015, 553, 554. Jäkle, ZRP 2014, 121, 122; zust. Hoven, NStZ 2015, 553, 555. Hoven, NStZ 2015, 553, 555. Hoven, NStZ 2015, 553, 555. Hoven, NStZ 2015, 553, 555. Hoven, NStZ 2015, 553, 554. Eckstein/Püschel, Newsdienst Compliance 2015, 71001.

274

Rübenstahl

Rz. 47 § 108e StGB

Abgeordneter stehen, reichen für eine Strafbarkeit nach § 108e – anders als nach §§ 331, 333 StGB – nicht aus,1 obwohl deren Käuflichkeit bei Abgeordneten deutlich gravierendere Folgen als bei Amtsträgern haben kann. Ebenso wenig sind nachträgliche Dankesspenden oder allgemeine „Klimapflege“ und sogar Zahlungen für konkrete Handlungen im Rahmen der Mandatsausübung erfasst,2 was in verbleibenden Fällen potentiell konkreter Unrechtsvereinbarungen zu vorhersehbaren Verteidigungseinlassungen sowie zu Beweisschwierigkeiten führen wird.

VI. Subjektiver Tatbestand Subjektiv ist Eventualvorsatz ausreichend, der sich auch auf die objektiven Gegebenheiten der Unrechtsverein- 37 barung beziehen muss, die normatives Tatbestandsmerkmal ist.3

D. Bestechung gemäß Absatz 2 Absatz 2 entspricht spiegelbildlich dem Verhalten, welches in Absatz 1 auf Seiten des Mandatsträgers (Vorteils- 38 nehmer) unter Strafe steht.4 Die Kommentierung zu Absatz 1 kann entsprechend herangezogen werden.

E. Gleichstellungsklauseln gemäß Absatz 3 Absatz 3 erweitert den möglichen Täterkreis um solche Mitglieder von Parlamenten, die denen in Absätzen 1 39 und 2 gleichgestellt sind, da hier nur Abgeordnete des Bundes und der Länder direkt erfasst sind. Mitglieder einer Volksvertretung einer kommunalen Gebietskörperschaft (Nr. 1) sind Gemeinde- und Stadt- 40 räte, Vertretungen von Gemeindeverbänden sowie Mitglieder der Kreistage.5 Hinsichtlich der erforderlichen Abgrenzung zur Amtsträgereigenschaft s. § 11 StGB Rz. 34. Gleichgestellt sind ferner (Nr. 2) Mitglieder eines in unmittelbarer und allgemeiner Wahl gewählten Gremi- 41 ums einer für ein Teilgebiet eines Landes oder einer kommunalen Gebietskörperschaft gebildeten Verwaltungseinheit. Hierzu zählen Mitglieder der Bezirkstage, Bezirksversammlungen, Ortsbeiräte.6 Wer Mitglied der Bundesversammlung und als solches ebenfalls den Bundes- und Landtagsabgeordneten gleich- 42 gestellt ist (Nr. 3), bestimmt Art. 54 Abs. 3 GG. Die Bundesversammlung setzt sich aus Mitgliedern des Bundestages und einer gleichen Anzahl von Mitgliedern zusammen, die von den Volksvertretungen der Länder nach den Grundsätzen der Verhältniswahl gewählt werden.7 Im Rahmen der Ausübung der Kompetenzen der Bundesversammlung agieren dieser Personen weder im Rahmen ihres Mandats als Bundes- noch als Landtagsabgeordnete, schon deshalb ist diese Gleichstellung erforderlich. Zudem müssen die Mitglieder der Bundesversammlung, die von den Landtagen gewählt werden, den Landtagen nicht angehören. Gleichgestellt sind den deutschen Bundes- und Landtagsabgeordneten ferner Mitglieder des Europäischen Par- 43 laments (Nr. 4). Außerdem sind den deutschen Bundes- und Landtagsabgeordneten gleichgestellt Mitglieder einer parlamenta- 44 rischen Versammlung einer internationalen Organisation (Nr. 5). Zuletzt sind auch Mitglieder eines Gesetzgebungsorgans eines ausländischen Staates (Nr. 6) den deutschen 45 Bundes- und Landtagsabgeordneten gleichgestellt.

F. Aberkennung des aktiven und passiven Wahlrechts gemäß Absatz 5 Auf Rechtsfolgenseite sieht Absatz 5 vor, dass das Gericht neben der Verhängung einer Freiheitsstrafe von min- 46 destens sechs Monaten das Recht aberkennen kann, Rechte aus öffentlichen Wahlen zu erlangen sowie in öffentlichen Angelegenheiten zu wählen oder zu stimmen (aktives und passives Wahlrecht). Die Anwendung dieser vormals in Absatz 2 vorgesehenen Regelung8 führt bei Bundestagsabgeordneten ebenfalls zum Verlust des Bundestagsmandates, sofern der Ältestenrat des Bundestages dies beschließt.9

G. Vollendung; Beendigung; Versuch Eine Regelung der Versuchsstrafbarkeit ist ausdrücklich nicht erfolgt, da durch die Tathandlungsvarianten des 47 Forderns, Sich-Versprechen-Lassens, Anbietens und Versprechens die Strafbarkeit wegen Vollendung wie bei allen

1 2 3 4 5 6 7 8 9

Heintschel-Heinegg in BeckOK-StGB, § 108e Rz. 6. Francuski, HRRS 2014, 220, 226. Heintschel-Heinegg in BeckOK-StGB, § 108e Rz. 9; Fischer, StGB, § 108e Rz. 11. BT-Drucks. 18/476, S. 8. Fischer, StGB, § 108e Rz. 9. Fischer, StGB, § 108e Rz. 10. S. zur Zusammensetzung auch Herzog in Maunz/Dürig, GG74, Art. 54 Rz. 30. BT-Drucks. 18/476, S. 10. Müller in MüKo-StGB, § 108e Rz. 28.

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275

StGB

Bestechlichkeit und Bestechung von Mandatsträgern

StGB

§ 108e StGB Rz. 48

Strafgesetzbuch

anderen Korruptionsdelikten schon vorverlagert ist.1 Die Beendigung, also die volle Verwirklichung des Tatunrechts, soll im Falle der Abgeordnetenbestechung aufgrund einer abgeschlossenen Unrechtsvereinbarung nach Ansicht des BGH grds. in der Gewährung des letzten Vorteils zu sehen sein, sofern nicht die Stimmabgabe (oder nach neuem Recht die sonstige Beeinflussung des mandatsbezogenen Verhaltens) zeitlich erst nachfolgt.2

H. Konkurrenzen 48

Bei der Bestechung ausländischer und internationaler Abgeordneter im internationalen Geschäftsverkehr besteht weiterhin – für bis zum 26.11.2015 begangene Taten – auch eine Strafbarkeit des Vorteilsgebers nach dem Gesetz zur Bekämpfung internationaler Bestechung (Art. 2 § 2 IntBestG). Der Gesetzgeber ist der Meinung, dass dies im Hinblick auf die Besonderheiten der Bestechung im internationalen Geschäftsverkehr, auf den der Anwendungsbereich dieser Vorschriften beschränkt ist, und das Übereinkommen über die Bekämpfung der Bestechung ausländischer Amtsträger im internationalen Geschäftsverkehr vom 17.12.1997 angebracht sei.3 Es ist davon auszugehen, dass die Vorschrift neben § 108e Abs. 2 anwendbar ist und im Hinblick auf dieselbe aktive (Bestechungs-)Handlung bis zum 26.11.2015 Tateinheit hinsichtlich beider Vorschriften (§ 52 StGB) vorliegen kann.

49

Für ab dem 26.11.2015 begangene Taten gilt Art. 2 § 2 IntBestG nicht mehr; die Nachfolgevorschrift zum IntBestG – § 335a StGB – bezieht sich nicht auf Parlamentarier (insbesondere auch nicht auf solche internationaler Organisationen oder ausländischer Staaten). Mithin gilt für diesen Personenkreis bei Neufällen allein § 108e StGB in der aktuellen Fassung und damit eine wohl mildere Strafvorschrift als zuvor, was für Altfälle, die später verhandelt werden, Fragen des § 2 Abs. 2, Abs. 3 StGB aufwerfen kann. Für Europäische Amtsträger gelten ab dem 26.11.2015 auch §§ 331 ff., 11 StGB, aber von § 11 Abs. 1 Nr. 2a StGB sind Parlamentarier ausgenommen, so dass für Neutaten allein § 108e Anwendung findet.

Fünfzehnter Abschnitt. Verletzung des persönlichen Lebens- und Geheimbereichs

§§ 201–202

(vom Abdruck wird abgesehen)

§ 202a Ausspähen von Daten (1) Wer unbefugt sich oder einem anderen Zugang zu Daten, die nicht für ihn bestimmt und die gegen unberechtigten Zugang besonders gesichert sind, unter Überwindung der Zugangssicherung verschafft, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. (2) Daten im Sinne des Absatzes 1 sind nur solche, die elektronisch, magnetisch oder sonst nicht unmittelbar wahrnehmbar gespeichert sind oder übermittelt werden. Literatur: Achenbach, Das Zweite Gesetz zur Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität, NJW 1986, 1835 f.; Bär, Polizeilicher Zugriff auf kriminelle Mailboxen, CR 95, 489 ff.; Betzl, Computerkriminalität – Dichtung und Wahrheit, DSWR 1972, 317 ff.; Betzl, Computerkriminalität – Viel Lärm um Nichts, DSWR 1972, 475 ff.; Beucher/Engels, Harmonisierung des Rechtsschutzes verschlüsselter Pay-TV-Dienste gegen Piraterieakte, CR 98, 101 ff.; Binder, Strafbarkeit intelligenten Ausspähens von programmrelevanten DV-Informationen, 1994; Bühler, Ein Versuch, Computerkriminellen das Handwerk zu legen: Das Zweite Gesetz zur Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität, MDR 87, 448 ff.; Ernst, Das neue Computerstrafrecht, NJW 2007, 2661 ff.; Ernst, Hacker und Computerviren im Strafrecht, NJW 2003, 3233 ff.; Ernst, Wireless LAN und das Strafrecht, CR 2003, 898.; Gercke, Die Entwicklung der Rechtsprechung zum Internetstrafrecht im Jahr 2003, ZUM 2005, 443 ff.; Gercke, Die Entwicklung des Internetstrafrechts im Jahr 2004, ZUM 2005, 612 ff.; Gercke, Die Entwicklung des Internetstrafrechts im Jahr 2005, ZUM 2006, 284 ff.; Gercke, Die Entwicklung des Internetstrafrechts im Jahr 2007, ZUM 2008, 545 ff.; Gercke, Die Entwicklung des Internetstrafrechts im Jahr 2010, ZUM 2011, 609 ff.; Gercke, Die Entwicklung des Internetstrafrechts im Jahr 2011/2012, ZUM 2012, 625 ff.; Gercke, Die Entwicklung des Internetstrafrechts im Jahr 2012/2013, ZUM 2013, 607 ff.; Gercke, Die Entwicklung des Internetstrafrechts im Jahr 2013/2014, ZUM 2014, 641 ff.; Gercke, Analyse des Umsetzungsbedarfs der Cybercrime Konvention – Teil 1: Umsetzung im Bereich des materiellen Strafrechts, MMR 2004, 728 ff.; Granderath, Das Zweite Gesetz zur Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität, DB 86, Beil. 18, 1 ff.; v. Gravenreuth, Computerviren, Hacker, Datenspione, Crasher und Cracker, NStZ 1989, 201 ff.; Grosch/Liebl, Computerkriminalität und Betriebsspionage, CR 1988, 567 ff.; Gröseling/Höfinger, Hacking und Computerspionage – Auswirkungen des 41. StrÄndG zur Bekämpfung der Computerkriminalität, MMR 2007, 549 ff.; Gruhl, Private Investigation im Bereich der IuK Kriminalität. Zulässigkeit und Verwertbarkeit der Sachverhaltsaufklärung durch Geschädigte oder Dritte, DuD 2005, 399 ff.; Haft, Das neue Computerstrafrecht, DSWR 1986, 255 ff.; Haft, Das Zweite Gesetz zur Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität (2. WiKG) – Teil 2: Computerdelikte, NStZ 1987, 6 ff.; Hauptmann, Zur Strafbarkeit des sog. Com1 BT-Drucks. 18/476, S. 6. 2 BGH v. 10.1.2008 – 3 StR 462/07, NStZ-RR 2009, 13. 3 BT-Drucks. 18/476, S. 6.

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Rübenstahl

Rz. 3 § 202a StGB

puterhackens – Die Problematik des Tatbestandsmerkmals „Verschaffen“ in § 202a StGB, jurPC 1989, 215 ff.; Hilgendorf, Grundfälle zum Computerstrafrecht, JuS 1996, 509 ff.; Hilgendorf/Wolf, Internetstrafrecht – Grundlagen und aktuelle Fragestellungen, K&R 2006, 541 ff.; Jessen, Zugangsberechtigung und besondere Sicherung i.S.v. § 202a StGB, 1994; Leicht, Computerspionage – Die „besondere Sicherung gegen unberechtigten Zugang“ (§ 202a StGB), JurPC 1987, 45 ff.; Lenckner/Winkelbauer, Computerkriminalität – Möglichkeiten und Grenzen des 2. WiKG, CR 1986, 483 ff., 654 ff., 824 ff.; Marberth-Kubicki, Neuregelung des Computerstrafrechts – Veränderungen und Neuerungen durch das 41. StrÄndG zur Bekämpfung der Computerkriminalität, ITRB 2008, 17 ff.; Möhrenschlager, Das Zweite Gesetz zur Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität, wistra 1986, 123 ff.; Möhrenschlager, Das Computerstrafrecht, wistra 1986, 128 ff.; Nora/Minc, Die Informatisierung der Gesellschaft, 1979; Pohl, Krimineller Missbrauch von Mikrocomputern, DuD 1987, 80 ff.; SanchezHermosilla, Neues Strafrecht für den Kampf gegen Computerkriminalität, CR 2003, 774 ff.; Schlüchter, Zweites Gesetz zur Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität, 1987; Schmid, Computerhacken und materielles Strafrecht – unter besonderer Berücksichtigung des § 202a, 2001; Schmitz, Ausspähen von Daten, § 202a StGB, JA 1995, 478 ff.; Schnabl, Strafbarkeit des Hacking – Begriff und Meinungsstand, wistra 2004, 211 ff.; Schreibauer/Hessel, Das 41. Strafrechtsänderungsgesetz zur Bekämpfung der Computerkriminalität, K&R 2007, 616 ff.; Schulze-Heiming, Der strafrechtliche Schutz der Computerdaten gegen die Angriffsformen der Spionage, Sabotage und des Zeitdiebstahls, 1995; Schumann, Das 41. StrÄndG zur Bekämpfung der Computerkriminalität, NStZ 2007, 675 ff.; Schwarzenegger/Arter/Jörg, Internet-Recht und Strafrecht, 2005; Sensburg, Schutz vor Angriffen auf Informationssystem, Kriminalistik 2007, 608 ff.; Sieben/v. zur Mühlen, Computerkriminalität – nicht Dichtung, sondern Wahrheit, DSWR 1972, 397 ff.; Sieben/v. zur Mühlen, Zur Diskussion: Computerkriminalität, 1973, 252 ff.; Sieber, Informationstechnologie und Strafrechtsreform, Zur Reichweite des zukünftigen Zweiten Gesetzes zur Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität, 1985; Sieber, Computerkriminalität und Strafrecht, Nachtrag 1980 zur 1. Auflage, S. 2/54; Tiedemann, Die Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität durch den Gesetzgeber, JZ 1986, 865 ff.; Vassilaki, Das 41. StrÄndG – Die neuen strafrechtlichen Regelungen und ihre Wirkung auf die Praxis, CR 2008, 131 ff.

A. Grundsätzliches § 202a wurde ursprünglich 1996 durch das 2. WiKG in das StGB eingefügt.1 In seiner damaligen Form 1 kriminalisierte die Norm das unberechtigte Verschaffen von Daten und schützte mithin die Verfügungsbefugnis des Inhabers der Daten.2 2007 wurde die Norm im Rahmen der Umsetzung des EU-Rahmenbeschlusses über Angriffe auf Informationssysteme3 sowie der Cybercrime Konvention des Europarats4 grundlegend reformiert.5 Obwohl der Rahmenbeschluss und die Konvention eine Änderung des Schutzgutes von der formellen Verfügungsbefugnis des Inhabers der Daten hin zu einem Schutz der Integrität von Computersystemen erfordert hätte,6 hat sich der Gesetzgeber für einen nationalen Sonderweg entschieden. Die PKS für das Jahr 2015 weist 8778 erfasste Fälle des Ausspähens von Daten aus.7 Berücksichtigt man aller- 2 dings, dass das Delikt trotz einiger Defizite bei der Formulierung der Norm immer verwirklicht wird, wenn sich unberechtigte Zugang zu einem Computersystem verschaffen, erscheint die Zahl der erfassten Fälle eher gering. Es ist davon auszugehen, dass die Zahl nicht zur Anzeige gebrachter Delikte erheblich ist. Umso erstaunlicher ist der Umstand, dass im Vergleich zum Jahr 2014 die Zahl der erfassten Fälle um mehr als zehn Prozent zurückgegangen sein soll. Die formelle Verfügungsbefugnis des Inhabers der Daten als Rechtsgut wird beibehalten.8 Dies hat in der 3 Praxis nicht unerhebliche Auswirkungen auf transnationale Ermittlungen, da unterschiedliche Rechtsnormen bei der Kooperation mit Ländern, die eine doppelte Strafbarkeit9 voraussetzen, zu Hindernissen führen kann. Die Norm ist auch weiterhin als Verletzungsdelikt ausgestaltet.10

1 Zweites Gesetz zur Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität, BGBl. I 1986, 721; vgl. zum 2. WiKG Lenckner/Winkelbauer, CR 1986, 483 ff., 654 ff., 824 ff.; Haft, DSWR 1986, 255 ff.; Achenbach, NJW 1986, 1835 ff.; Weber, NStZ 1986, 481 ff.; Haft, NStZ 1987, 6 ff.; Möhrenschlager, wistra 1986, 123 ff., 128 ff.; Schroth, wistra 1986, 158 ff.; Sieber, Informationstechnologie und Strafrechtsreform, 1985. 2 Lenckner/Eisele in S/S-StGB, § 202a Rz. 2; Hilgendorf, JuS 1996, 511. 3 Rahmenbeschluss 2005/222/JI des Rates v. 24.2.2005 über Angriffe auf Informationssysteme. Vgl. dazu Gercke, ZUM 2006, 285 f.; Sanchez-Hermosilla, CR 2003, 778; ausf. Hilgendorf in Schwarzenegger/Arter/Jörg, Internet-Recht und Strafrecht, 272 ff.; Gercke CR 2005, 468 ff. 4 Cybercrime Konvention des Europarats, ETS 185; vgl. zur Konvention Gercke, CR 2004, 782; Gercke, MMR 2004, 728 ff. und 851 ff.; Gercke, ZUM 2005, 615 f.; Valerius, KR 2004, 513 ff.; Dix, DuD 2001, 589; Breyer, DuD 2001, 594 ff. 5 Vgl. dazu im Hinblick auf die Vorgaben aus Art. 2 des EU-Rahmenbeschlusses und die Notwendigkeit der Anpassung des deutschen Rechts Gercke, CR 2005, 470; zu den Vorgaben aus Art. 2 Cybercrime Konvention und die Notwendigkeit der Anpassung des deutschen Rechts vgl. Gercke, MMR 2004, 729. 6 Vgl. Gercke, MMR 2004, 729; Gercke, ZUM 2007, 283.; a.A. Plöckinger in Plöckinger/Duursma/Helm, Aktuelle Entwicklungen im Internet-Recht, 114, der für die Umsetzung des Art. 2 ins Schweizer Recht eine Orientierung an § 202a empfiehlt. Er übersieht dabei allerdings, dass Art. 2 der Konvention nur von Computersystemen („whole or any part of a computer system“), nicht aber von Daten spricht. 7 Straftatenschlüssel 678010. 8 Schreibauer/Hessel, K&R 2007, 616; Fischer, StGB, § 202a Rz. 2; Schumann, NStZ 2007, 676; krit. zum Rechtsgut Vassilaki, CR 2008, 131. 9 Vgl. zum Einfluss auf strafrechtliche Ermittlungen im Bereich der Internetkriminalität: United Nations Manual on the Prevention and Control of Computer-Related Crime, 269; Schjolberg/Hubbard, Harmonizing National Legal Approaches on Cybercrime, 2005, 5. 10 Graf in MüKo-StGB, § 202a Rz. 3.

M. Gercke

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StGB

Ausspähen von Daten

StGB

§ 202a StGB Rz. 4

Strafgesetzbuch

4

Im Rahmen der Gesetzesreform aus dem Jahr 2007 wurde auch die Einordnung der Norm in den Fünfzehnten Abschnitt des StGB beibehalten, obwohl sie weder in ihrer ursprünglichen noch in ihrer aktuellen Fassung eine Verletzung des persönlichen Lebens- oder Geheimnisbereichs voraussetzt.1

5

Der 69. Deutsche Juristentag sprach sich in seinen Empfehlungen für eine Zusammenfassung und Vereinheitlichung der §§ 202a ff. aus.2 Der Gesetzgeber hätte dazu im Rahmen der Transformation der EU-RL über Angriffe auf Informationssysteme,3 die bis zum 4.9.2015 umgesetzt werden musste, die Gelegenheit gehabt. Diese hat er aber nicht genutzt.

6

Internationale Vorgaben finden sich in Art. 2 der Cybercrime Konvention des Europarats aus dem Jahr 2001,4 Art. 2 des zwischenzeitlich außer Kraft gesetzten5 EU-Rahmenbeschlusses über Angriffe auf Informationssysteme aus dem Jahr 20056 sowie Art. 3 der EU-RL über Angriffe auf Informationssysteme aus dem Jahr 2013.7

B. Objektiver Tatbestand I. Daten 7

Das Tatobjekt „Daten“ ist im StGB nicht definiert. Der Gesetzgeber hat sich 1986 unter Verweis auf das Vorgehen bei Einführung des § 268 ausdrücklich gegen die Aufnahme einer Definition ausgesprochen8 und lediglich darauf hingewiesen, dass auch gespeicherte Programme erfasst werden. § 202a Abs. 2 enthält keine Definition, sondern beschränkt lediglich den Anwendungsbereich der Norm dergestalt, dass nicht elektronisch gespeicherte Daten, bspw. in Papierakten, ausgenommen werden. Daten i.S.d. § 202a StGB sind nach h.M. unter Anwendung eines weiten Datenbegriffs Informationen, die nicht unmittelbar wahrnehmbar elektronisch, magnetisch oder auf andere Weise gespeichert oder übermittelt werden.9 Nicht erforderlich ist, dass es sich um geheimhaltungsbedürftige Daten handelt, so dass ein Zugriff auf Daten selbst dann strafbar sein kann, wenn diese an anderer Stelle frei verfügbar abgerufen werden können.10 Das Speichermedium ist irrelevant. Unerheblich ist auch, ob die Daten elektronisch (so z.B. bei SSD-Festplatten) oder magnetisch gespeichert werden.

II. Nicht unmittelbar wahrnehmbar (Absatz 2) 8

Dem Merkmal „nicht unmittelbar wahrnehmbar“ kommt im Hinblick auf die gestiegene Bedeutung digital gespeicherter Informationen kaum noch praktische Bedeutung zu.11 Die praxisrelevante Diskussion endete faktisch bei der Frage, ob Lochkarten unmittelbar wahrnehmbare Daten enthielten, was die h.M. bejahte.12 Bei den aktuell im Bereich der Informations- und Kommunikationstechnologie eingesetzten Speicherverfahren sind die Daten ohne Zuhilfenahme von Auslesegeräten nicht erkennbar. Selbst bei aktuell weniger Praxisrelevanten Speicherverfahren wie Mikrofilm fehlt es an einer unmittelbaren Wahrnehmbarkeit.13

III. Gespeichert oder übermittelt (Absatz 2) 9

Die weitere Einschränkung des Datenbegriffs in Absatz 2, wonach nur gespeicherte oder übermittelte Daten erfasst werden, erscheint auf den ersten Blick verwirrend, da ein Zugriff auf Daten während des Übermittlungsvorgangs von der Sondernorm des § 202b StGB erfasst wird. Diese setzt aber ein Verschaffen der Daten voraus, während § 202a Abs. 1 StGB bereits die Zugangsverschaffung unter Strafe stellt. Der Anwendungsbereich des 1 Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses, BT-Drucks. 10/5058, 28. 2 Vgl. Beschlüsse des 69. DJT, Abteilung Strafrecht, II. 1. 3 RL 2013/40/EU des Europäischen Parlaments und des Rates v. 12.8.2013 über Angriffe auf Informationssysteme und zur Ersetzung des Rahmenbeschlusses 2005/222/JI des Rates. 4 Cybercrime Konvention des Europarats, ETS 185; vgl. zur Konvention Gercke, CR 2004, 782; Gercke, MMR 2004, 728 ff. und 851 ff.; Gercke, ZUM 2005, 615 f.; Valerius, KR 2004, 513 ff.; Dix, DuD 2001, 589; Breyer, DuD 2001, 594 ff. Vgl. dazu im Hinblick auf die Vorgaben aus Art. 2 des EU-Rahmenbeschlusses und die Notwendigkeit der Anpassung des deutschen Rechts Gercke, CR 2005, 470; zu den Vorgaben aus Art. 2 Cybercrime Konvention und die Notwendigkeit der Anpassung des deutschen Rechts vgl. Gercke, MMR 2004, 729. 5 Der Rahmenbeschluss wurde durch die neue RL 2013/40/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12.8.2013 über Angriffe auf Informationssysteme und zur Ersetzung des Rahmenbeschlusses 2005/222/JI des Rates außer Kraft gesetzt. 6 Rahmenbeschluss 2005/222/JI des Rates v. 24.2.2005 über Angriffe auf Informationssysteme. Vgl. dazu Gercke, ZUM 2006, 285 f.; Sanchez-Hermosilla, CR 2003, 778; ausf. Hilgendorf in Schwarzenegger/Arter/Jörg, Internet-Recht und Strafrecht, 272 ff.; Gercke CR 2005, 468 ff. 7 RL 2013/40/EU des Europäischen Parlaments und des Rates v. 12.8.2013 über Angriffe auf Informationssysteme und zur Ersetzung des Rahmenbeschlusses 2005/222/JI des Rates. Vgl. dazu Gercke, ZUM 2014, 640 f. 8 Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses, BT-Drucks. 10/5058, 29. 9 Hilgendorf/Valerius, Computer- und Internetstrafrecht, Rz. 655; Schünemann in LK-StGB, § 203 Rz. 3; krit. Hilgendorf, ZStW 113, 656. 10 Zutreffend insofern Graf in MüKo-StGB, § 202a Rz. 10. 11 Zu Einzelfällen vgl. Graf in MüKo-StGB, § 202a Rz. 13. 12 Lenckner/Eisele/Winkelbauer, CR 1986, 484; Schmitz, JA 1995, 479. 13 Lenckner/Eisele in S/S-StGB, § 202a Rz. 5.

278

M. Gercke

Rz. 16 § 202a StGB

§ 202a Abs. 1 StGB beschränkt sich mithin nicht auf gespeicherte Daten. Vielmehr erfasst die Norm auch die Zugangsverschaffung zu übermittelten Daten.1 Die Beschränkung des Tatbestands auf gespeicherte oder übermittelte Daten schließt zunächst noch zu speichernde oder bereits ausgedruckte Daten aus.2 Ein Speichern von Daten liegt vor, wenn diese auf einem Datenträger verkörpert werden. Dies umfasst sowohl 10 die Speicherung auf magnetischen Speichermedien wie Disketten oder klassischen Festplatten, elektronischen Speichermedien wie USB-Sticks, CF/SD/MMC-Speicherkarten oder optischen Speichermedien wie CDs und DVDs. In Ermangelung der Notwendigkeit einer Fixierung werden auch Zwischenspeicherungen im Arbeitsspeicher (RAM) erfasst.3 Eine Übermittlung von Daten liegt vor, wenn diese durch elektronische oder magnetische Signale übertragen 11 werden. Erfasst werden soll dadurch das „Abhören von Datenübertragungsleitungen“.4 Die physische Übergabe eines Datenträgers stellt keine Datenübermittlung dar.

IV. Nicht für den Täter bestimmt Nicht für den Täter bestimmt sind Daten, wenn dieser nach dem Willen des Berechtigten zum Zeitpunkt der 12 Tat keinen Zugang zu ihnen erhalten sollte.5 Abzustellen ist auf die formelle Verfügungsberechtigung.6 Dabei muss zwischen dem Zugang zu gespeicherten und zu übermittelten Daten unterschieden werden. Bei der Speicherung von Daten ist regelmäßig die speichernde Stelle verfügungsberechtigt.7 Auf Unternehmen 13 angewendet bedeutet dies, dass bei Speicherung privater Daten durch den Arbeitnehmer, selbst wenn die Privatnutzung untersagt ist, allein dieser verfügungsberechtigt ist.8 Der Abschluss eines Wartungsvertrags kann das betraute Unternehmen zum Zugriff berechtigen.9 Mit dem Entfallen der Verfügungsberechtigung – bspw. durch Kündigung eines Wartungsvertrags – endet auch das Zugriffsrecht auf die Daten.10 Allerdings führt dies nicht dazu, dass bei einer abredewidrigen Verwendung von bis zu diesem Zeitpunkt rechtmäßig erlangten Daten die Zugangsberechtigung nachträglich entfällt.11 Im Hinblick auf gespeicherte Daten, die der Öffentlichkeit zugänglich sind, ist umstritten, ob die Zugangs- 14 berechtigung einzelnen Mitgliedern der Öffentlichkeit abgesprochen werden kann – mit der Folge, dass ein gleichwohl erfolgter Zugang zur Strafbarkeit führt.12 Zumindest im Hinblick auf technische Einschränkungen ist dies vom Gesetzgeber durchaus gewollt.13 Im Hinblick auf bloße Verbote erscheint dies bei ansonsten öffentlich zugänglichen Daten aber fraglich.14 Bei einer Datenübertragung ist zunächst die übermittelnde Stelle verfügungsberechtigt. Bezogen auf das pra- 15 xisrelevante Beispiel der Übermittlung elektronischer Nachrichten ist dies zunächst der Versender. Daneben ist nach dem Empfang der Nachricht im Machtbereich des Empfängers auch dieser verfügungsberechtigt.15 Letzter Fall ist aber von praktisch untergeordneter Rolle, da dann regelmäßig eine Speicherung vorliegt.

V. Zugangssicherung Eine weitere Einschränkung erfährt die Norm dadurch, dass dem Schutzbereich des § 202a nur solche Daten 16 unterfallen, die gegen den unberechtigten Zugang besonders gesichert sind. Nur wenn Maßnahmen getroffen wurden, die objektiv geeignet und nach dem Willen des Berechtigten auch dazu bestimmt sind, den Zugang zu den Daten zu verhindern16 ist der Schutzbereich der Norm überhaupt eröffnet. Sofern Maßnahmen ergriffen wurden, die zwar faktisch einen Schutz bieten, aber nach dem Willen des Berechtigten ausschließlich anderen Zwecken dienen, fehlt es daran.17 Dies ist bspw. bei Feuerschutzmaßnahmen der Fall.18 Gleiches gilt für Kopierschutzmaßnahmen, da diese nicht den Zugang zu Daten, sondern deren Vervielfältigung verhindern sollen.19 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19

Graf in MüKo-StGB, § 202a Rz. 18. Lenckner/Eisele in S/S-StGB, § 202a Rz. 4. Gercke in Gercke/Brunst, Internetstrafrecht, Rz. 92; a.A. Hilgendorf/Valerius, Computer- und Internetstrafrecht, Rz. 657. BT-Drucks. 10/5058, 29. Fischer, StGB, § 202a Rz. 7; Schünemann in LK-StGB, § 202a Rz. 10; Schreibauer/Hessel, KR 2007, 617. Lenckner/Eisele in S/S-StGB, § 202a Rz. 9. Lenckner/Eisele in S/S-StGB, § 202a Rz. 4; Hilgendorf/Valerius, Computer- und Internetstrafrecht, Rz. 658. Lenckner/Eisele in S/S-StGB, § 202a Rz. 9. Gercke in Gercke/Brunst, Internetstrafrecht, Rz. 93. Gercke in Gercke/Brunst, Internetstrafrecht, Rz. 93. Schünemann in LK-StGB, § 202a Rz. 10; Leckner/Winkelbauer, CR 1986, 486. Hilgerndorf/Valerius, Computer- und Internetstrafrecht, Rz. 659. BT-Drucks. 10/5058, 29. Gercke in Gercke/Brunst, Internetstrafrecht, Rz. 93. Graf in MüKo-StGB, § 202a Rz. 19. BT-Drucks. 10/5058, 29. BT-Drucks. 16/3656, 10; Vassilaki, CR 2008, 132; Lenckner/Eisele in S/S-StGB, § 202a Rz. 7. Gercke in Gercke/Brunst, Internetstrafrecht, Rz. 94. Schünemann in LK-StGB, § 202a Rz. 15.

M. Gercke

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StGB

Ausspähen von Daten

StGB

§ 202a StGB Rz. 17

Strafgesetzbuch

17

Eine gänzliche Verhinderung des Zugriffs ist nicht erforderlich.1 Zur Eröffnung des Schutzbereichs der Norm ist ausreichend, dass die Zugangssicherung den Zugriff nicht nur unerheblich erschwert.2 Umstritten ist, welche Anforderungen an die Effektivität des Schutzes zu stellen sind.3 Hintergrund ist der Umstand, dass die Norm technikneutral formuliert wurde und die Bandbreite möglicher Maßnahmen daher weitreichend ist. In der Literatur wird teilweise darauf verwiesen, dass es an einer Erschwerung fehlt, wenn selbst interessierte Laien eine Zugangssicherung einfach überwinden können.4 Eine andere Literaturmeinung stellt hingegen darauf ab, dass leicht zu überwindende Schutzmaßnahmen, die gleichwohl den Schutzwillen des Berechtigten erkennen lassen, ausreichend sind, um den Schutzbereich der Norm zu begründen.5

18

Im Hinblick auf gespeicherte Daten wird u.a. eine Eignung folgender Maßnahmen diskutiert: Physische Verhinderung des Zugangs zu Datenspeichern durch biometrische Einlasskontrollen oder Türpasswörter,6 Chipkarten, Passwörter7 sowie Einsatz von Verschlüsselungstechniken.8

19

In Bezug auf übertragene Daten kommen physische Schutzmaßnahmen wie die Sicherung von Datenübertragungswegen nur eingeschränkt in Betracht. Maßnahmen setzen daher regelmäßig an den Daten selbst an.9 Das klassische Beispiel dafür ist eine Verschlüsselung von Daten zur Verhinderung eines unberechtigten Zugriffs auf dem Übertragungsweg.10 Die Einbeziehung von verschlüsselten Daten in den Schutzbereich der Norm ist nicht einfach zu rechtfertigen. Durch den Verschlüsselungsvorgang entstehen erneut (codierte) Daten. Greift der Täter auf diese zu, fehlt es im Hinblick auf die codierten Daten an einer Zugangssicherung.11 Lediglich wenn man auf die verschlüsselten Rohdaten abstellt, erscheint die Annahme einer Zugangssicherung vertretbar. Nutzt der Täter unberechtigt ein ungesichertes fremdes Funknetzwerk („Schwarzsurfen“12), greift § 202a nicht ein.13 In der Rspr. wird zutreffend darauf verwiesen, dass es bei ungeschützten Funknetzwerken an einer Zugangssicherung fehlt.14

VI. Zugangsverschaffung 20

§ 202a setzt als Tathandlung voraus, dass sich der Täter Zugang zum Tatobjekt verschafft hat. Eine Zugangsverschaffung liegt vor, wenn sich der Täter durch die Tathandlung die Möglichkeit der Interaktion mit den Daten eröffnet.15 Ein solcher Zugang ist gegeben, wenn der Täter durch die Überwindung einer Passwortabfrage eines Computersystems in die Lage versetzt wird, Zugriff auf die dort gespeicherten Daten zu nehmen. Nicht ausreichend ist, dass der Täter dazu abstrakt in der Lage ist. So stellt allein die Erlangung eines Passworts oder einer biometrischen Information, die es dem Täter ermöglicht, eine Zugangssicherung zu überwinden, noch keinen Zugang i.S.d. § 202a StGB dar. Relevant ist dies insbesondere im Zusammenhang mit „Phishing“-Fällen, bei denen die Opfer durch gefälschte E-Mails dazu gebracht werden, ein Zugangspasswort bekanntzugeben. In diesen Fällen setzt eine Strafbarkeit gem. § 202a StGB einen Zugriff auf ein passwortgeschütztes System durch den Täter voraus. Allein durch die Preisgabe des Passworts durch das Opfer wird keine Strafbarkeit begründet.16 Diese Lücke zu schließen ist eine der Motivationen der Verfasser eines Gesetzentwurfs zu Kriminalisierung der Datenhehlerei.17

21

Anders als auf Grundlage der bis 2007 gültigen Fassung der Norm ist es nicht erforderlich, dass der Täter nach der Zugangserlangung weitere Handlungen vornimmt und bspw. Dateien öffnet und von ihrem Inhalt Kenntnis nimmt oder Daten kopiert.18 Es ist nicht einmal erforderlich, dass der Täter tatsächlich die Möglichkeit der Kenntnisnahme erlangt. Entscheidend ist das Rechtsgut (Verfügungsbefugnis des Berechtigten), das auch dann 1 Gercke in Gercke/Brunst, Internetstrafrecht, Rz. 94. 2 Schreibauer/Hessel, K&R 2007, 616; Ernst, CR 2003, 899; BT-Drucks. 16/3656, 10. 3 Schünemann in LK-StGB, § 202a Rz. 15; Ernst, CR 2003, 899; Hilgendorf/Valerius, Computer- und Internetstrafrecht, Rz. 666. 4 Schünemann in LK-StGB, § 202a Rz. 15. 5 Ernst, CR 2003, 800. 6 Lenckner/Eisele in S/S-StGB, § 202a Rz. 8. 7 Dietrich, Das Erfordernis der besonderen Sicherung im StGB am Beispiel des Ausspähens von Daten, 216. 8 Hilgendorf, JuS 1996, 702; Bär in W/J, Kap. 12, Rz. 51; Ernst, CR 2003, 899; Lenckner/Eisele in S/S-StGB, § 202a Rz. 8; Möhrenschlager, wistra 1986, 140; Schmitz, JA 1995, 482; Graf in MüKo-StGB, § 202a Rz. 40. 9 Lenckner/Eisele in S/S-StGB, § 202a Rz. 8.; Lenckner/Winkelbauer, CR 1986, 487; Graf in MüKo-StGB, § 202a Rz. 40; Fischer, StGB, § 202a Rz. 9a. 10 Zur Verschlüsselung Hilgendorf, JuS 1996, 702; Bär in W/J, Kap. 12, Rz. 51; Ernst, CR 2003, 899; Lenckner/Eisele in S/SStGB, § 202a Rz. 8; Möhrenschlager, wistra 1986, 140; Schmitz, JA 1995, 482; Graf in MüKo-StGB, § 202a Rz. 40. 11 Weiterführend Gercke in Gercke/Brunst, Internetstrafrecht, Rz. 96. 12 Allgemein zur Strafbarkeit Rössel, ITRB 2008, 99; Malpricht, ITRB 2008, 42. 13 Vgl. zur strafrechtlichen Erfassung Gercke, ZUM 2011, 620 f. 14 LG Wuppertal v. 19.10.2010 – 25 Qs-10 JS 1977/08, ZUM 2011, 190. Vgl. zur Entscheidung auch Gercke, ZUM 2011, 620 f. 15 Gröseling/Höfinger, MMR 2007, 549; enger Vassilaki, CR 2008, 131. 16 Vgl. dazu Gercke, CR 2006, 610 f. 17 Entwurf eines Gesetzes zur Strafbarkeit der Datenhehlerei, BR-Drucks. 284/13. Vgl. dazu Gercke, ZUM 2013, 604 ff. 18 Schreibauer/Hessel, KR 2007, 617.

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M. Gercke

Rz. 25 § 202a StGB

verletzt ist, ohne vorherige Kenntnisnahme auf die Daten einzuwirken. So ist der Tatbestand auch dann erfüllt, wenn der Täter die Daten ohne Kenntnisnahme löscht.1 Auch der Umstand, dass der Täter aufgrund der Verschlüsselung von Daten diese gar nicht zur Kenntnis nehmen könnte, lässt den Tatbestand nicht entfallen.2 Während der Tatbestand auf den ersten Blick sehr weitgehend erscheint, werden praxisrelevante Fälle der In- 22 sider-Kriminalität, die bis 1997 von der Norm erfasst wurden, seit Inkrafttreten des 41. Strafrechtsänderungsgesetzes nicht mehr erfasst. Dies betrifft die Fälle, in denen ein Innentäter (z.B. Mitarbeiter eines Unternehmens) zunächst berechtigt auf ein Computersystem zugreift, aber dann unberechtigterweise Daten kopiert und aus dem Unternehmen entfernt. Von solcher Insider-Kriminalität geht eine große Gefahr für die Wirtschaft aus.3 Bis zur Gesetzesreform kriminalisierte § 202a a.F. StGB denjenigen, der sich oder einem Dritten unberechtigt Daten verschaffte. Danach wurden insbesondere die Aktivitäten von Insidern erfasst.4 Nach der Gesetzesreform wird nicht das unberechtigte Verschaffen von Daten, sondern die Verschaffung des Zugangs zu Daten unter Strafe gestellt. Diese wenig geglückte Formulierung hat nicht nur zur Folge, dass die Vorgaben von EU5 und Europarat6 nicht vorgabengemäß umgesetzt wurden, sondern auch, dass der bisherige Schutz von Daten vor unberechtigter Verschaffung aufgegeben wurde. Wer berechtigten Zugriff auf Daten hat, sich diese aber unberechtigt aneignet, machte sich nach § 202a a.F. StGB, nicht mehr aber nach § 202a n.F. StGB strafbar. Der Gesetzgeber hat 2013 einen Gesetzentwurf vorgestellt, mit dem Datenhehlerei zukünftig unter Strafe ge- 23 stellt werden soll.7 Die Verfasser verweisen darauf, dass die Weitergabe von rechtswidrig erlangten Daten bisher nur teilweise strafrechtlich erfasst wird und sich ein intensiver Handel mit widerrechtlich erlangten Daten entwickelt hat.8 Dem Entwurf vorausgegangen war ein Beschluss der 83. Konferenz der Justizministerinnen und Justizminister im Juli 2012.9 Auch auf dem 69. Deutschen Juristentag statt wurde das Thema diskutiert. Sieber hat in seinem Gutachten zum Internetstrafrecht zahlreiche Defizite herausarbeitet und Handlungsempfehlungen ausgesprochen.10 Im Hinblick auf § 202a ff. StGB fordert er ein Kriminalisierung der unbefugten Mitteilung über anvertraute Daten.11 Der 69. Deutsche Juristentag beschloss daraufhin die Forderung, zur Schließung von Strafbarkeitslücken einen neuen Straftatbestand zur Datenhehlerei einzuführen.12 Mit § 202d wurde zwischenzeitlich eine Strafnorm eingefügt.

VII. Unter Überwindung einer Schutzmaßnahme Die Norm erfasst nicht jegliche Form der Zugangsverschaffung, sondern nur solche, bei denen die Zugangsver- 24 schaffung unter Überwindung der Schutzmaßnahme (vgl. dazu Rz. 16 ff.) erfolgt.13 Nicht erfasst werden mithin Fälle, in denen es dem Täter gelingt, eine Zugriffsmöglichkeit auszunutzen, die von bestehenden Sicherungsmaßnahmen nicht erfasst werden. Wenn ein Computersystem bspw. über eine Firewall und einen Passwortschutz verfügt, es dem Täter aber gelingt, sich physisch Zugang zu einem ansonsten ungeschützten Computer zu verschaffen und so auf Daten zuzugreifen, ist § 202a StGB nicht einschlägig. Die Diskussion, ob ein Zugriff auf verschlüsselte Daten strafbar ist, wird nicht zur im Zusammenhang mit der 25 Zugangssicherung, sondern auch mit deren Überwindung geführt. Umstritten ist, ob eine Schutzmaßnahme überwunden wird, wenn der Täter Zugang zu Daten erlangt, die verschlüsselt sind.14 Stellt man auf die Daten in der verschlüsselten Form ab, die das Produkt des Verschlüsselungsvorgangs sind, so ist dies zumindest dann

1 Gercke in Gercke/Brunst, Internetstrafrecht, Rz. 97. 2 Vgl. dazu ausf. Gercke in Gercke/Brunst, Internetstrafrecht, Rz. 99, sowie Lenckner/Eisele in S/S-StGB, § 202a Rz. 10; Graf in MüKo-StGB, § 202a Rz. 40; Gröseling/Höfinger, MMR 2007, 551; Ernst, NJW 2007, 2661. 3 Vgl. dazu für die USA US State of Cybercrime Survey, Carnegie Mellon University, 2013. 4 Vgl. Gercke, ZUM 2011, 615 ff. 5 Rahmenbeschluss 2005/222/JI des Rates v. 24.2.2005 über Angriffe auf Informationssysteme. Vgl. dazu Gercke, ZUM 2006, 285 f.; Sanchez-Hermosilla, CR 2003, 778; ausf. Hilgendorf in Schwarzenegger/Arter/Jörg, Internet-Recht und Strafrecht, 272 ff.; Gercke CR 2005, 468 ff.; RL 2013/40/EU des Europäischen Parlaments und des Rates v. 12.8.2013 über Angriffe auf Informationssysteme und zur Ersetzung des Rahmenbeschlusses 2005/222/JI des Rates. Vgl. dazu Gercke, ZUM 2014, 640 f. 6 Cybercrime Konvention des Europarats, ETS 185; vgl. zur Konvention Gercke, CR 2004, 782; Gercke, MMR 2004, 728 ff. und 851 ff.; Gercke, ZUM 2005, 615 f.; Valerius, KR 2004, 513 ff.; Dix, DuD 2001, 589; Breyer, DuD 2001, 594 ff. Vgl. dazu im Hinblick auf die Vorgaben aus Art. 2 des EU-Rahmenbeschlusses und die Notwendigkeit der Anpassung des deutschen Rechts Gercke, CR 2005, 470; zu den Vorgaben aus Art. 2 Cybercrime Konvention und die Notwendigkeit der Anpassung des deutschen Rechts vgl. Gercke, MMR 2004, 729. 7 Vgl. Pressemitteilung des Bundesrats Nr. 132/2013 vom 7.6.2013. 8 Entwurf eines Gesetzes zur Strafbarkeit der Datenhehlerei, BR-Drucks. 284/13. 9 Beschluss der 83. Konferenz der Justizministerinnen und Justizminister zu TOP II. 3. 10 Sieber, Gutachten C zum 69. DJT, 2012. 11 Sieber, Gutachten C zum 69. DJT, 2012, S. 93. 12 Beschlüsse des 69. DJT, 2012, Abteilung Strafrecht, Straftaten und Strafverfolgung im Internet, II. 3. a. 13 Vgl. zur bisherigen Rspr. zum ungeschriebenen Tatbestandsmerkmal sowie der Entscheidung des Gesetzgebers die Umgehung der Schutzmaßnahme in den Tatbestand aufzunehmen BT-Drucks. 16/3656, 9 ff. 14 Vgl. zur Diskussion Lenckner/Eisele in S/S-StGB, § 202a Rz. 10; Graf in MüKo-StGB, § 202a Rz. 40; Gröseling/Höfinger, MMR 2007, 551; Ernst, NJW 2007, 2661.

M. Gercke

281

StGB

Ausspähen von Daten

StGB

§ 202a StGB Rz. 26

Strafgesetzbuch

zu verneinen, wenn keine weiteren Schutzmaßnahmen existieren, die überwunden wurden.1 Ist dies nicht der Fall, scheidet eine Strafbarkeit gem. § 202a StGB grundsätzlich aus; der Versuch ist nicht strafbar.2 Wer verschlüsselte Daten auf einem öffentlich zugänglichen Server, der über keine weiteren Schutzmaßnahmen verfügt, speichert, unterfällt nicht dem Schutzbereich des § 202a StGB. Allein durch den Zugriff auf eine verschlüsselte Datei erhält der Täter noch keinen Zugang zu den darin verschlüsselten Daten, da er diese zunächst entschlüsseln muss. Dies erscheint insoweit konsequent, als die Verschlüsselung ja als Schutzmaßnahme zum Ausschluss eines unberechtigten Zugangs anerkannt ist. Zu berücksichtigen ist allerdings, dass diese Auslegung das Rechtsgut (die formelle Verfügungsbefugnis des Berechtigten) außer Acht lässt. Ob der Täter die Möglichkeit der Kenntnisnahme hat, ist nicht entscheidend. Gleichwohl werden aufgrund der Notwenigkeit der Zugangsverschaffung unter Überwindung der Sicherungsmaßnahme solche Fälle in Ermangelung einer Überwindung einer solchen nicht strafrechtlich erfasst.

VIII. Unbefugt 26

Nach wohl h.M. handelt es sich bei dem Begriff „unbefugt“ um einen allgemeinen Hinweis auf die Rechtswidrigkeit.3 Zutreffenderweise ist aber von einer Doppelfunktion auszugehen.4 Sofern die Daten, die sich der Täter beschafft hat, für ihn bestimmt sind, ist der Tatbestand nicht erfüllt. Es fehlt am Merkmal „nicht für ihn bestimmt“. Relevant ist das insbesondere beim sog. Penetration Test, bei denen Sicherheitsexperten mit Wissen und Billigung des Verfügungsberechtigten die Rolle eines Angreifers einnehmen und versuchen, in ein Computersystem einzudringen. In dieser Fallkonstellation erfüllt die Handlung nach dem Willen des Gesetzgebers nicht den Tatbestand des § 202a StGB.5 Zugleich handelt der Tester aber auch nicht unbefugt. Sofern die Daten zwar nicht für ihn bestimmt sind, er aber mit Billigung des Verfügungsberechtigten handelt, entfällt die Rechtswidrigkeit der Tathandlung.6

C. Subjektiver Tatbestand 27

§ 202a setzt im subjektiven Tatbestand Vorsatz voraus. Ausreichend ist bedingter Vorsatz.7 Eine darüber hinausgehende Schädigungsabsicht ist nicht erforderlich.8 Sofern ein Irrtum über die Berechtigung zum Zugriff auf die Daten vorliegt, handelt es sich im Regelfall um einen Verbotsirrtum gem. § 17.9

D. Rechtswidrigkeit 28

Nach wohl h.M. verweist der Begriff „unbefugt“ auf die allgemeine Rechtswidrigkeit.10 Sofern die Daten zwar nicht für den Täter bestimmt sind, er aber mit Billigung des Verfügungsberechtigten handelt, entfällt die Rechtswidrigkeit der Tathandlung.11 Daneben kommen allgemeine Rechtfertigungsgründe in Betracht.12

29

Untersuchen Ermittlungsbehörden im Rahmen strafrechtlicher Ermittlungen ein beschlagnahmtes Computersystem und verschaffen sie sich dabei unter Überwindung der Zugangssicherung Zugang zu gespeicherten Daten, kommt als Rechtfertigungsgrund § 94 StPO in Betracht.13 Bei einem Zugriff auf übertragene Daten kommen §§ 100a f. StPO in Betracht.14

E. Vollendung/Beendigung/Versuch 30

Das Delikt ist mit Zugangsverschaffung vollendet. Nicht erforderlich ist, dass der Täter die Möglichkeit der Kenntnisnahme erhält oder weiter Handlungen vornimmt.

1 Obwohl diese Daten es dem Täter nicht ermöglichen, vom Inhalt Kenntnis zu erlangen, handelt es sich gleichwohl um Daten i.S.d. § 202a Abs. 2 StGB. 2 Im Ergebnis ebenso Gröseling/Höfinger, MMR 2007, 551; zur Versuchsstrafbarkeit vgl. die Stellungnahme von Kudlich im Rechtsausschuss, abrufbar unter http://www.bundestag.de/ausschuesse/a06/anhoerungen/Archiv/15_Computer kriminalitaet/04_Stellungnahmen/index.html; ferner Ernst, NJW 2007, 2662; Fischer, StGB, § 202a Rz. 10. 3 Vgl. Hoyer in SK-StGB, § 202a Rz. 17; Lenckner/Eisele in S/S-StGB, § 202a Rz. 24. 4 Vgl. dazu weiterführend Graf in MüKo-StGB, § 202a Rz. 49. 5 BT-Drucks. 16/3656, 10. 6 Gercke in Gercke/Brunst, Internetstrafrecht, Rz. 100. 7 Fischer, StGB, § 202a Rz. 13. 8 Vgl. zur Vorfassung Graf in MüKo-StGB, § 202a Rz. 60. 9 Lenckner/Eisele in S/S-StGB, § 202a Rz. 27. 10 Vgl. dazu weiterführend Graf in MüKo-StGB, § 202a Rz. 49. 11 Gercke in Gercke/Brunst, Internetstrafrecht, Rz. 100. 12 Lenckner/Eisele in S/S-StGB, § 202a Rz. 24 ff. 13 Graf in MüKo-StGB, § 202a Rz. 65; Kudlich, JuS 1998, 212; Palm/Roy, NJW 1996, 1795. 14 BGH v. 31.7.1995 – 2 BJs 94/94-6, NJW 1997, 1934.

282

M. Gercke

Rz. 3 § 202b StGB

StGB

Abfangen von Daten

Der Gesetzgeber hat sich entschieden, den Versuch nicht unter Strafe zu stellen. Dies führt zu Wertungswider- 31 sprüchen. Zu Recht ist die Entscheidung des Gesetzgebers auf Kritik gestoßen.1 Es ist nicht verständlich, warum der Versuch nicht strafbar ist, wohl aber gem. § 202c StGB die Vorbereitung einer Tat nach § 202a StGB und mithin eine dem Versuch noch vorgelagerte Phase der Deliktsverwirklichung.

F. Konkurrenzen Mit den §§ 123 und 242 StGB ist beim physischen Zugriff auf Datenträger Tateinheit möglich.2 Weiterhin kann 32 im Einzelfall Tateinheit möglich sein mit § 303a und § 303b StGB sowie § 17 UWG und § 106 sowie § 108 UrhG.

G. Strafantrag Strafantragserfordernis ist nach § 205 StGB gegeben. Allerdings ist gem. § 205 Abs. 1 S. 2 ein Strafantrag nicht 33 erforderlich, wenn die Strafverfolgungsbehörde das besondere öffentliche Interesse an der Strafverfolgung bejaht.

§ 202b Abfangen von Daten Wer unbefugt sich oder einem anderen unter Anwendung von technischen Mitteln nicht für ihn bestimmte Daten (§ 202a Abs. 2) aus einer nichtöffentlichen Datenübermittlung oder aus der elektromagnetischen Abstrahlung einer Datenverarbeitungsanlage verschafft, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft, wenn die Tat nicht in anderen Vorschriften mit schwererer Strafe bedroht ist. Literatur: Ernst, Das neue Computerstrafrecht, NJW 2007, 2661 ff.; Ernst, Wireless LAN und das Strafrecht, CR 2003, 898; Gercke, Die Entwicklung des Internetstrafrechts im Jahr 2007, ZUM 2008, 545 ff.; Gercke, Die Entwicklung des Internetstrafrechts im Jahr 2008, ZUM 2009, 526 ff.; Gercke, Analyse des Umsetzungsbedarfs der Cybercrime Konvention – Teil 1: Umsetzung im Bereich des materiellen Strafrechts, MMR 2004, 728 ff.; Gercke, Die Entwicklung des Internetstrafrechts im Jahr 2010/2011, ZUM 2010, 609 ff.; Gercke/Brunst, Praxishandbuch Internetstrafrecht, 2009; Gröseling/Höfinger, Hacking und Computerspionage – Auswirkungen des 41. StrÄndG zur Bekämpfung der Computerkriminalität, MMR 2007, 549 ff.; Marberth-Kubicki, Neuregelung des Computerstrafrechts – Veränderungen und Neuerungen durch das 41. StrÄndG zur Bekämpfung der Computerkriminalität, ITRB 2008, 17 ff.; Schreibauer/Hessel, Das 41. Strafrechtsänderungsgesetz zur Bekämpfung der Computerkriminalität, K&R 2007, 616 ff.; Schumann, Das 41. StrÄndG zur Bekämpfung der Computerkriminalität, NStZ 2007, 675 ff.; Vassilaki, Das 41. StrÄndG – Die neuen strafrechtlichen Regelungen und ihre Wirkung auf die Praxis, CR 2008, 131 ff.

A. Grundsätzliches Die Norm wurde 2007 im Rahmen der Umsetzung der Cybercrime Konvention des Europarats3 eingeführt.4 Sie 1 schützt Daten während des Übertragungsvorgangs vor unberechtigten Zugriffen. Berücksichtigt man die Popularität von der kabellosen Datenübertragung durch Funknetzwerke und Mobilfunk sowie der zahlreichen technischen Möglichkeiten des Zugriffs auf solche Daten, wäre zu erwarten, dass der Norm in der Praxis eine erhebliche Bedeutung zukommt. Dies ist aber nicht der Fall. Ganze 113 Delikte wurden in der Polizeilichen Kriminalstatistik für das Jahr 2015 erfasst.5 Zum Vergleich: Im Hinblick auf § 202a StGB wurden mehr als 8000 Delikte erfasst. Bis zur Einführung der Norm wurde der Zugriff auf Daten während des Übertragungsvorgangs nur fragmenta- 2 risch über § 202a StGB und Sondernormen im TKG unter Strafe gestellt.6 Durch § 202b geschütztes Rechtsgut ist das formelle Geheimhaltungsinteresse des Verfügungsberechtigten.7

1 Vgl. dazu kritisch die Stellungnahme von Kudlich im Rechtsausschuss, Die Stellungnahmen sind abrufbar unter http:// www.bundestag.de/ausschuesse/a06/anhoerungen/Archiv/15_Computerkriminalitaet/04_Stellungnahmen/index.html; ferner Ernst, NJW 2007, 2662; Fischer, StGB, § 202a Rz. 10. 2 Graf in MüKo-StGB, § 202a Rz. 102; Lenckner/Eisele in S/S-StGB, § 202a Rz. 29; a.A. Haft, NStZ 1987, 10. 3 Cybercrime Konvention des Europarats, ETS 185; vgl. zur Konvention Gercke, CR 2004, 782; Gercke, MMR 2004, 728 ff. und 851 ff.; Gercke, ZUM 2005, 615 f.; Valerius, KR 2004, 513 ff.; Dix, DuD 2001, 589; Breyer, DuD 2001, 594 ff. 4 Vgl. dazu im Hinblick auf die Vorgaben aus Art. 3 Cybercrime Konvention und die Notwendigkeit der Anpassung des deutschen Rechts Gercke, MMR 2004, 729. 5 Straftatenschlüssel 678020. 6 Vgl. dazu Gercke in Gercke/Brunst, Internetstrafrecht, Rz. 102. 7 Vgl. dazu Gercke in Gercke/Brunst, Internetstrafrecht, Rz. 102.

M. Gercke

283

3

StGB

§ 202b StGB Rz. 4 4

Strafgesetzbuch

Internationale Vorgaben finden sich zunächst in Art. 3 der Cybercrime Konvention des Europarats aus dem Jahr 2001.1 Der zwischenzeitlich außer Kraft gesetzte2 EU-Rahmenbeschluss über Angriffe auf Informationssysteme von 20053 enthielt keine vergleichbare Vorgabe. Anders die EU-RL über Angriffe auf Informationssysteme aus dem Jahr 2013,4 die in Art. 6 eine Vorgabe für die Mitgliedstaaten enthält.

B. Objektiver Tatbestand I. Daten 5

Tatobjekt von § 202b StGB sind Daten. Dabei findet der Datenbegriff des § 202a StGB Anwendung (vgl. dazu § 202a StGB Rz. 7). Daten i.S.d. § 202a StGB sind nach h.M. unter Anwendung eines weiten Datenbegriffs Informationen, die nicht unmittelbar wahrnehmbar elektronisch, magnetisch oder auf andere Weise gespeichert oder übermittelt werden.5 Nicht erforderlich ist, dass es sich um geheimhaltungsbedürftige Daten handelt, so dass ein Zugriff auf Daten selbst dann strafbar sein kann, wenn diese an anderer Stelle frei verfügbar abgerufen werden können.6

6

Im Vergleich zu § 202a StGB wird der Anwendungsbereich der Norm durch Konkretisierung des Tatobjektes dergestalt beschränkt, dass ein Abfangen von Daten nur dann strafbar ist, wenn es im Rahmen einer nichtöffentlichen Datenübermittlung oder im Rahmen von elektromagnetischen Abstrahlungen erfolgt. Gespeicherte Daten ohne Datenübertragungsprozess werden mithin von § 202b StGB nicht umfasst.

II. Datenübermittlung 7

Eine Datenübermittlung i.S.d. § 202b setzt voraus, dass Daten von einem Speicherort an einen Zielort übertragen werden.7 Während die Anwendbarkeit nicht auf Datenübertragungen im Internet oder in anderen klassischen Netzwerken beschränkt ist, werden allerdings physische Übermittlungen von Datenträgern (wie beim Transport einer Festplatte von einem Raum eines Gebäudes in ein anderes) nicht umfasst.8

8

Umstritten ist, ob auch Prozesse innerhalb eines Computers als Datenübermittlung eingestuft werden können. Man wird dies bejahen müssen, da es andernfalls zu Abgrenzungsproblemen kommen würde. Für eine solche Auslegung spricht auch der Wortlaut der Cybercrime Konvention des Europarats.9 Mithin stellt auch das Abfangen von Signalen eines Eingabegerätes (z.B. durch sog. Keylogger) eine von § 202b StGB erfasste Tathandlung dar.

III. Nichtöffentlich 9

In Anlehnung10 an § 201 Abs. 2 Nr. 2 StGB liegt eine nichtöffentliche Datenübertragung vor, wenn sich diese nicht an die Allgemeinheit richtet.11 Bei einer solchen Beurteilung ließe sich sowohl auf die Inhalte als auch auf technische Aspekte des Datenübertragungsvorgangs abstellen. Der Gesetzgeber hat sich dafür ausgesprochen, nicht auf Art oder Inhalt der übertragenen Daten, sondern die Art des Übertragungsvorgangs abzustellen.12 Zutreffend weist er in der Entwurfsbegründung darauf hin, dass auch Übermittlungen über das Internet nichtöffentlich sein können.13 1 Cybercrime Konvention des Europarats, ETS 185. Vgl. dazu im Hinblick auf die Vorgaben aus Art. 2 des EU-Rahmenbeschlusses und die Notwendigkeit der Anpassung des deutschen Rechts Gercke, CR 2005, 470; zu den Vorgaben aus Art. 2 Cybercrime Konvention und die Notwendigkeit der Anpassung des deutschen Rechts vgl. Gercke, MMR 2004, 729. 2 Der Rahmenbeschluss wurde durch die neue RL 2013/40/EU des Europäischen Parlaments und des Rates v. 12.8.2013 über Angriffe auf Informationssysteme und zur Ersetzung des Rahmenbeschlusses 2005/222/JI des Rates außer Kraft gesetzt. 3 Rahmenbeschluss 2005/222/JI des Rates v. 24.2.2005 über Angriffe auf Informationssysteme. Vgl. dazu Gercke, ZUM 2006, 285 f.; Sanchez-Hermosilla, CR 2003, 778; ausf. Hilgendorf in Schwarzenegger/Arter/Jörg, Internet-Recht und Strafrecht, 272 ff.; Gercke, CR 2005, 468 ff. 4 RL 2013/40/EU des Europäischen Parlaments und des Rates v. 12.8.2013 über Angriffe auf Informationssysteme und zur Ersetzung des Rahmenbeschlusses 2005/222/JI des Rates. Vgl. dazu Gercke, ZUM 2014, 640 f. 5 Hilgendorf/Valerius, Computer- und Internetstrafrecht, Rz. 655; Schünemann in LK-StGB, § 203 Rz. 3; krit. Hilgendorf, ZStW 113, 656. 6 Zutreffend insofern Graf in MüKo-StGB, § 202a Rz. 10. 7 Gercke in Gercke/Brunst, Internetstrafrecht, Rz. 105. 8 Ebenso Gröseling/Höfinger, MMR 2007, 552. 9 Dies wird in Art. 3 der Cybercrime Konvention anders als in § 202b ausdrücklich hervorgehoben: „from or within a computer system“. 10 Vgl. dazu BT-Drucks. 16/3656, 11; krit. dazu Ernst, NJW 2007, 2662; Gröseling/Höfinger, MMR 2007, 553; sowie die Stellungnahme von Graf im Rechtsausschuss; die Stellungnahmen sind abrufbar unter http://www.bundestag.de/aus schuesse/a06/anhoerungen/Archiv/15_Computerkriminalitaet/04_Stellungnahmen/index.html. 11 Gröseling/Höfinger, MMR 2007, 552; Vassilaki, CR 2008, 132. 12 BT-Drucks. 16/3656, 11. 13 BT-Drucks. 16/3656, 11.

284

M. Gercke

Rz. 15 § 202b StGB

Während der Versand von E-Mails1 ebenso wie der Datenaustausch in Tauschbörsen2 demzufolge nichtöffent- 10 lich ist, wird ein Upload auf eine öffentlich zugängliche Internet-Seite in Ermangelung einer nichtöffentlichen Übermittlung nicht von § 202b erfasst.3 Bei der Erfassung von MAC-Adressen und SSID im Rahmen von WLAN-Kartographie fehlt es ebenso an einer nichtöffentlichen Datenübermittlung4 wie beim sog. Schwarzsurfen.5 Die Nutzung von Funknetzwerken ohne Einwilligung des Betreibers, die in den letzten Jahren wiederholt die Gerichte beschäftigt hat,6 wird nicht von § 202b StGB erfasst,7 da objektiv nicht erkennbar ist, dass das (offene) Funknetzwerk nur einem beschränkten Personenkreis dienen solle.8

IV. Elektromagnetische Abstrahlung Der Umstand, dass § 202b StGB neben dem Abfangen von Daten auch elektromagnetische Abstrahlungen um- 11 fasst, wird nicht nur aufgrund der Veränderung des Rechtgutes als missverständlich kritisiert.9 Die Erwähnung elektromagnetischer Abstrahlungen wirkt tatsächlich wie ein Anachronismus, da moderne Computer nur noch sehr geringe elektromagnetische Abstrahlungen verursachen. Zurückzuführen ist das Tatbestandsmerkmal auf den Wortlaut von Art. 3 der Cybercrime Konvention des Europarats, der diese Tatvariante ausdrücklich erwähnt.10 Die Konvention wurde 2001 zur Unterschrift ausgelegt. Der wesentliche Teil ihrer Entwicklung erfolgte aber Ende der 1990er Jahre, und der Arbeitsauftrag für die Verfasser war insbesondere eine Berücksichtigung der Empfehlungen des Europarats aus den 1980er Jahren.11 Zu diesem Zeitpunkt spielten elektromagnetische Abstrahlungen eine praktisch erheblich größere Rolle. Entstehen im Rahmen von Datenübertragungsprozessen elektromagnetische Strahlungen und werden diese ab- 12 gefangen, ist die zusätzliche Variante nicht erforderlich. Der Anwendungsbereich beschränkt sich primär auf die Fälle, in denen die elektromagnetische Abstrahlung im Rahmen der Darstellung gespeicherter Daten erfolgt.12 Hier ist die Tatvariante von Bedeutung, da die Abstrahlung keine Daten i.S.d. § 202a Abs. 2 StGB sind, sondern lediglich eine Rekonstruktion ermöglichen.13

V. Verschaffen unter Anwendung technischer Mittel Als Tathandlung stellt die Norm auf das Verschaffen von Daten bzw. elektromagnetischen Abstrahlungen ab. 13 Dies setzt im Hinblick auf die Daten voraus, dass der Täter oder ein Dritter die tatsächliche Herrschaftsgewalt über diese erlangt hat.14 Gelingt es dem Täter, die über ein Funknetzwerk ausgetauschten Daten zu erfassen, liegt ein Verschaffen vor. 14 Auch kurzfristige Zwischenspeicherungen, wie sie bspw. bei der Analyse von Netzwerkverkehr im Rahmen eines sog. Live-Monitoring erfolgen, werden von der Norm erfasst.15 Erforderlich ist aber, dass tatsächlich Herrschaftsgewalt begründet wird. Die reine Ermöglichung eines Zugriffs auf Kommunikationsdaten, ohne dass sich der Täter diese tatsächlich verschafft, wird von der Norm nicht erfasst.16 § 202b setzt weiterhin voraus, dass das Verschaffen unter Anwendung technischer Mittel erfolgt. Vor dem Hin- 15 tergrund, dass die Tathandlungen faktisch ohne technische Mittel nicht ausgeführt werden können, kommt dem Tatbestandsmerkmal nach h.M. nur klarstellende Funktion zu.17 Der Gesetzgeber führt in der Begründung des Gesetzentwurfs dazu aus, dass als technische Mittel neben Vorrichtungen zur Erfassung drahtloser Kommunikation (Hardware) auch Software in Betracht kommt.18

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18

Vgl. dazu Fischer, StGB, § 202b Rz. 2; BT-Drucks. 16/3656, 11. Gercke in Gercke/Brunst, Internetstrafrecht, Rz. 105. Gercke in Gercke/Brunst, Internetstrafrecht, Rz. 105. Vgl. dazu Gercke, ZUM 2010, 633 ff. Allgemein zur Strafbarkeit Rössel, ITRB 2008, 99; Malpricht, ITRB 2008, 42. Vgl. dazu Gercke, ZUM 2010, 633 ff. Vgl. zur strafrechtlichen Erfassung Gercke, ZUM 2011, 620 f. LG Wuppertal v. 19.10.2010 – 25 Qs-10 Js 1977/08-177/10, ZUM 2011, 190; vgl. zur Entscheidung auch Gercke, ZUM 2011, 620 f. Vgl. dazu die Stellungnahme von Hilgendorf im Rechtsausschuss. Die Stellungnahmen sind abrufbar unter http:// www.bundestag.de/ausschuesse/a06/anhoerungen/Archiv/15_Computerkriminalitaet/04_Stellungnahmen/index.html. Vgl. zu den Vorgaben Gercke, MMR 2004, 730. Gercke, CRi 2011, 143. Vgl. zur Problematik des Abfangens von Abstrahlungen: Grosch, CR 1988, 568; Abel, KES 1986, 179 ff.; Sieber, CR 1995, 103; Pohl, DuD 1987, 83. Vgl. zum Aspekt der Rekonstruktion Gröseling/Höfinger, MMR 2007, 554. Hilgendorf, JuS 1996, 704; Schünemann in LK-StGB, § 202a Rz. 6; Lenckner in S/S-StGB, § 202a Rz. 10. Vgl. dazu auch BT-Drucks. 16/3656, 11; Schreibauer/Hessel, KR 2007, 617. Gercke in Gercke/Brunst, Internetstrafrecht, Rz. 108. Ernst, NJW 2007, 2662; Schreibauer/Hessel, KR 2007, 617; Fischer, StGB, § 202b Rz. 6. BT-Drucks. 16/3656, 11.

M. Gercke

285

StGB

Abfangen von Daten

StGB

§ 202b StGB Rz. 16

Strafgesetzbuch

C. Subjektiver Tatbestand 16

§ 202b setzt Vorsatz im Hinblick auf alle Merkmale des objektiven Tatbestands voraus. Ausreichend ist, dass der Täter mit bedingtem Vorsatz gehandelt hat.1 Daran kann es fehlen, wenn eine Speicherung von Daten aufgrund eines automatischen, systemseitigen und mithin nicht von Täter initiierten Vorgangs erfolgte.

17

Art. 3 der Cybercrime Konvention des Europarats hätte die Möglichkeit geboten, die Strafbarkeit insofern einzuschränken, als im subjektiven Tatbestand eine darüber hinausgehende deliktische Absicht des Täters gefordert wird. Von dieser Möglichkeit der Einschränkung hat der Gesetzgeber keinen Gebrauch gemacht.

D. Rechtswidrigkeit 18

Das Tatbestandsmerkmal „unbefugt“ verweist auf die allgemeine Rechtswidrigkeit.2

E. Vollendung/Beendigung/Versuch 19

Das Delikt ist mit der Erlangung der tatsächlichen Herrschaftsgewalt vollendet. Nicht erforderlich ist, dass der Täter die Möglichkeit der Kenntnisnahme erhält oder weitere Handlungen vornimmt.

20

Ebenso wie im Zusammenhang mit § 202a StGB hat sich Gesetzgeber entschieden, den Versuch nicht unter Strafe zu stellen. Ebenso wie bei § 202a führt dies zu Wertungswidersprüchen. Zu Recht ist die Entscheidung des Gesetzgebers auf Kritik gestoßen.3 Es ist nicht verständlich, warum der Versuch nicht strafbar ist, wohl aber gem. § 202c StGB die Vorbereitung einer Tat nach § 202b StGB und mithin eine dem Versuch noch vorgelagerte Phase der Deliktsverwirklichung.

F. Konkurrenzen 21

§ 202b soll den durch §§ 201 und 202a StGB gewährleisteten strafrechtlichen Schutz des Geheimhaltungsinteresses lediglich ergänzen.4 Daher beinhaltet § 202b eine Subsidiaritätsklausel, wonach die Norm nur dann zur Anwendung kommt, wenn die konkrete Tathandlung nicht auf Grundlage einer anderen einschlägigen Strafnorm mit einer höheren abstrakten Strafe bedroht ist.5 §§ 148, 89 TKG treten nach h.M. aufgrund engerer tatbestandlicher Voraussetzungen im Wege der Gesetzeskonkurrenz hinter § 202b StGB zurück.6

G. Strafantrag 22

Strafantragserfordernis ist nach § 205 StGB gegeben. Allerdings ist gem. § 205 Abs. 1 S. 2 ein Strafantrag nicht erforderlich, wenn die Strafverfolgungsbehörde das besondere öffentliche Interesse an der Strafverfolgung bejaht.

§ 202c Vorbereiten des Ausspähens und Abfangens von Daten (1) Wer eine Straftat nach § 202a oder § 202b vorbereitet, indem er 1. Passwörter oder sonstige Sicherungscodes, die den Zugang zu Daten (§ 202a Abs. 2) ermöglichen, oder 2. Computerprogramme, deren Zweck die Begehung einer solchen Tat ist, herstellt, sich oder einem anderen verschafft, verkauft, einem anderen überlässt, verbreitet oder sonst zugänglich macht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. (2) § 149 Abs. 2 und 3 gilt entsprechend. Literatur: Böhlke/Yilmaz, Auswirkungen von § 202c StGB auf die Praxis der IT-Sicherheit, CR 2008, 261 ff.; Casey, Digital Evidence and Computer Crime, 2004; Cornelius, Zur Strafbarkeit des Anbieten von Hackertools, CR 2007, 682 ff.; Ernst, Das neue Computerstrafrecht, NJW 2007, 2661 ff.; Gercke, Die Entwicklung des Internetstrafrechts im Jahr 2007, ZUM 2008, 545 ff.; Gercke, Analyse des Umsetzungsbedarfs der Cybercrime Konvention – Teil 1: Umsetzung im Bereich des materiellen Strafrechts, MMR 2004, 728 ff.; Gercke/Brunst, Praxishandbuch Internetstrafrecht, 2009; Gröseling/Höfinger, Hacking und Computerspionage – Auswirkungen des 41. StrÄndG zur Bekämpfung der Computerkriminalität, MMR 2007, 549 ff.; Marberth-Kubicki, Neuregelung des Computerstrafrechts – Veränderungen und Neuerungen durch das 41. StrÄndG zur Bekämpfung der Computerkriminalität, ITRB 2008, 17 ff.; Schreibauer/Hessel, Das 41. Strafrechtsänderungsgesetz zur 1 Fischer, StGB, § 202b Rz. 8. 2 Eisele in S/S-StGB, § 202b Rz. 10. 3 Vgl. dazu kritisch die Stellungnahme von Kudlich im Rechtsausschuss, Die Stellungnahmen sind abrufbar unter http:// www.bundestag.de/ausschuesse/a06/anhoerungen/Archiv/15_Computerkriminalitaet/04_Stellungnahmen/index.html; ferner Ernst, NJW 2007, 2662; Fischer, StGB, § 202a Rz. 10. 4 BT-Drucks. 16/3656, 11. 5 Vgl. zu Einzelfällen Gröseling/Höfinger, MMR 2007, 552; Vassilaki, CR 2008, 132. 6 Eisele in S/S-StGB, § 202b Rz. 12; Hoyer in SK-StGB, § 202b Rz. 13; Gröseling/Höfinger, MMR 2007, 552.

286

M. Gercke

Rz. 5 § 202c StGB

Bekämpfung der Computerkriminalität, K&R 2007, 616 ff.; Schumann, Das 41. StrÄndG zur Bekämpfung der Computerkriminalität, NStZ 2007, 675 ff.; Sieber, Computerkriminalität und Strafrecht, 1977; Sieber, Informationstechnologie und Strafrechtsreform, Zur Reichweite des zukünftigen Zweiten Gesetzes zur Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität, 1985; Vassilaki, Das 41. StrÄndG – Die neuen strafrechtlichen Regelungen und ihre Wirkung auf die Praxis, CR 2008, 131 ff.; v. zur Mühlen, Computer-Kriminalität, Gefahren und Abwehrmaßnahmen, 1973.

A. Grundsätzliches Die Norm wurde 2007 im Rahmen der Umsetzung der Cybercrime Konvention des Europarats1 eingeführt.2 Sie 1 kriminalisiert bestimmte Vorbereitungshandlungen3 zu den §§ 202a, 202b, 303a und 303b StGB. Die Kriminalisierung von Vorbereitungshandlungen stellte im deutschen Recht lange eine absolute Ausnahme dar – lediglich bei Vorliegen besonderer kriminalpolitischer Gründe wurde von diesem Grundsatz abgewichen.4 Im Hinblick auf die Computer- und Internetkriminalität hat der Gesetzgeber diesen Grundsatz, nicht zuletzt aufgrund europäischer Vorgaben, weitgehend aufgegeben. Auch in § 263a Abs. 3 StGB sowie im Urheberstrafrecht (§ 108b UrhG) finden sich Kriminalisierungen von Vorbereitungshandlungen. Gegenüber § 202b, der ebenfalls 2007 in das StGB integriert wurde, spielte § 202c einige Zeit eine praktisch grö- 2 ßere Rolle. Die PKS für 2013 wies 2977 erfasste Fälle auf, was einem Zuwachs von über 25 % gegenüber 2012 entspricht.5 Im Jahr 2015 wurden in der PKS allerdings nur noch 738 Fälle erfasst. Obwohl bestritten werden kann, dass „besondere kriminalpolitische Gründe“ vorliegen, basieren die Vorgaben 3 der Cybercrime Konvention auf einem realen Gefährdungshintergrund. So sind im Internet zahlreiche Hardund Software-basierte Produkte erhältlich, die Täter in die Lage versetzen, gefährliche Angriffe auf Computersysteme und Daten durchzuführen, selbst wenn sie selbst nur über eine eingeschränkte technische Expertise verfügen. Damit vergrößert sich der Kreis potentieller Täter erheblich.6 Der Funktionsumfang solcher Hilfsmitteln reicht von der Entschlüsselung verschlüsselter Daten über die Umgehung von Passwortschutzmaßnahmen bis hin zur Ausführung von Denial-of-Service-Angriffen.7 Dabei sind sowohl kommerzielle8 als auch kostenlose Produkte verfügbar.9 Bisweilen fanden sich solche Werkzeuge auf CDs, die mit Computerzeitschriften verbreitet wurden.10 Die Kriminalisierung als Reaktion auf die Verfügbarkeit entsprechender Produkte ist nicht unumstritten. Hin- 4 tergrund ist der Umstand, dass die von § 202c Abs. 1 StGB erfassten Tatwerkzeuge nicht ausschließlich zu illegalen Zwecken genutzt werden können, sondern es auch zahlreiche legale und höchst wichtige Einsatzmöglichkeiten gibt.11 So werden die konsequenterweise als „dual-use“ bezeichneten Tatwerkzeuge u.a. von Experten eingesetzt, die für IT-Sicherheit verantwortlich sind und mit Hilfe solcher Werkzeuge prüfen, ob Computersysteme gegen automatisierte Angriffe geschützt sind.12 Die Cybercrime Konvention trägt diesem Spannungsverhältnis deutlicher als die Umsetzung in § 202b Rechnung, indem sie ausdrücklich klarstellte, dass die Vorschrift nicht dergestalt ausgelegt werden sollte, dass sie zur Strafbarkeit von Maßnahmen im Zusammenhang mit dem Schutz der Systemsicherheit führt. Dass es sich dabei nicht um eine abstrakte Gefährdung handelt, wird dadurch untermauert, dass sich eine der ersten Strafanzeigen gegen Mitarbeiter des BSI richtete, die Softwareprodukte, die auch zur Begehung von Straftaten genutzt werden können, für IT-Experten zugänglich gemacht haben.13 Ein einheitliches Rechtsgut von § 202c StGB, der als abstraktes Gefährdungsdelikt ausgestaltet wurde, heraus- 5 zuarbeiten, ist nicht möglich, da die Vorschrift auf unterschiedliche Normen verweist und unterschiedliche Normen auf § 202c StGB Bezug nehmen. Bereits die Überschrift der Norm ist insofern missverständlich, als über Vorbereitungshandlungen im Hinblick auf das Ausspähen von Daten (§ 202a) und das Abfangen von Daten (§ 202b) über die Verweisung in § 303a Abs. 3 und § 303b Abs. 5 auch die Vorbereitung einer Datenver-

1 Cybercrime Konvention des Europarats, ETS 185; vgl. zur Konvention Gercke, CR 2004, 782; Gercke, MMR 2004, 728 ff. und 851 ff.; Gercke, ZUM 2005, 615 f.; Valerius, KR 2004, 513 ff.; Dix, DuD 2001, 589; Breyer, DuD 2001, 594 ff. 2 Vgl. dazu im Hinblick auf die Vorgaben aus Art. 6 der Cybercrime Konvention und die Notwendigkeit der Anpassung des deutschen Rechts Gercke, MMR 2004, 731 f. 3 Eisele in S/S-StGB, § 202c Rz. 1. 4 Jescheck/Weigend, Strafrecht AT, 523. 5 Straftatenschlüssel 678030. 6 Gercke, MMR 2008, 293 ff. 7 Vgl. zur Strafbarkeit von Denial-of-Service Angriffen Eichelberger, DuD 2006, 490 ff.; Kitz, ZUM 2006, 730 ff.; Gercke, MMR 2005, 868 f.; Gercke, ZUM 2006, 290 f. 8 Vgl. dazu die Berichterstattung bei Heise-Online v. 18.12.2006 mit Verweis auf eine Studie von Trend Micro – abrufbar unter: http://www.heise.de/newsticker/meldung/82679. 9 Vgl. dazu Sieber, Council of Europe Organised Crime Report 2004, 143. 10 Ernst, NJW 2007, 2663. 11 Vgl. dazu auch BVerfG v. 18.5.2009 – 2 BvR 1151/08, 2 BvR 2233/07 und BvR 1524/08, wistra 2010, 41. 12 Stellungnahme des BITKOM e.V. abrufbar unter www.bitkom.de/files/documents/Stellungnahme_BITKOM_StrAendG_ 12_07_06.pdf. 13 Vgl. zum Verfahren gegen das BSI Gercke, ZUM 2008, 552 f.

M. Gercke

287

StGB

Vorbereiten des Ausspähens und Abfangens von Daten

StGB

§ 202c StGB Rz. 6

Strafgesetzbuch

änderung (§ 303a) und Computersabotage (§ 303b) kriminalisiert werden.1 Aufgrund der Verweisung ist zur Bestimmung des von § 202c StGB geschützten Rechtsguts auf die jeweils in Bezug genommenen Strafnormen abzustellen. 6

Internationale Vorgaben finden sich zunächst in Art. 6 der Cybercrime Konvention des Europarats von 2001.2 Der zwischenzeitlich außer Kraft gesetzte3 EU-Rahmenbeschlusses über Angriffe auf Informationssysteme von 20054 enthielt keine vergleichbare Vorgabe. Anders die EU-RL über Angriffe auf Informationssysteme aus dem Jahr 2013,5 die in Art. 7 eine Vorgabe für die Mitgliedstaaten enthält.

B. Objektiver Tatbestand 7

Tatobjekt von § 202c sind Sicherungscodes und Computerprogramme. Damit weicht die deutsche Umsetzung von den Vorgaben der Cybercrime Konvention des Europarats ab.6 Art. 6 der Europaratskonvention sieht vor, dass auch Tathandlungen im Hinblick auf „Vorrichtungen“ unter Strafe gestellt werden. Solche rein Hardwarebasierten Umgehungsmechanismen werden aber von § 202c nicht erfasst.

I. Passwörter oder sonstige Sicherungscodes 8

Sicherungscodes i.S.d. § 202c StGB sind elektronisch wie auch nichtelektronisch gespeicherte7 Daten, die bei Zugangskontrollsystemen oder Verschlüsselungen8 als Zugangs- oder Aktionsberechtigung eingesetzt werden können. Dazu zählen jegliche – auch nicht elektronisch gespeicherte9 – Daten, die im Rahmen von Zugangskontrollsystemen oder Verschlüsselungen10 als Zugangs- oder Aktionsberechtigung eingesetzt werden können, z.B. Passwörter, Kontonummer, Kreditkartennummern und Transaktionsnummern (TAN).

9

Mit der Aufnahme in § 202c StGB wird dem Umstand Rechnung getragen, dass im Internet Sicherungscodes zu passwortgeschützten Diensten angeboten werden, die eine Umgehung der Kontrollen und damit eine unberechtigte Nutzung ermöglichen. Dies hat die Verfasser der Cybercrime Konvention des Europarats veranlasst, Maßnahmen zur Verhinderung eines entsprechenden Marktes mit in Art. 6 der Konvention aufzunehmen.11

10

Erforderlich ist, dass die Sicherungscodes zur Tatzeit funktionsfähig sind.12 Hintergrund ist der Umstand, dass § 202c Abs. 1 Nr. 1 voraussetzt, dass die Sicherungscodes den Zugang zu Daten ermöglichen.

II. Computerprogramme 11

Gem. § 1 (i) der Mustervorschriften der WIPO13 handelt es sich bei einem Computerprogramm um „eine Folge von Befehlen, die nach Aufnahme in einen maschinenlesbaren Träger fähig sind zu bewirken, dass eine Maschine mit informationsverarbeitenden Fähigkeiten eine bestimmte Funktion oder Aufgabe oder ein bestimmtes Ergebnis anzeigt, ausführt oder erzielt“.14 Vom Begriff der Computerprogramme werden sowohl klassische lauffähige Applikationen, zu denen auch „Apps“ zählen, als auch Skripte umfasst.

12

Tatobjekt sind nur solche Computerprogramme, deren objektiver Zweck die Begehung von Computerstraftaten ist. Umstritten ist, welche Anforderungen an die Zweckbestimmung zu stellen sind.15 Der Gesetzentwurf wies darauf hin, dass die Begehung von Computerstraftaten nicht der alleinige Zweck des Computerprogramms 1 Vgl. dazu auch Gercke in Gercke/Brunst, Internetstrafrecht, Rz. 116. 2 Cybercrime Konvention des Europarats, ETS 185; vgl. zur Konvention Gercke, CR 2004, 782; Gercke, MMR 2004, 728 ff. und 851 ff.; Gercke, ZUM 2005, 615 f.; Valerius, KR 2004, 513 ff.; Dix, DuD 2001, 589; Breyer, DuD 2001, 594 ff. Vgl. dazu im Hinblick auf die Vorgaben aus Art. 6 der Cybercrime Konvention und die Notwendigkeit der Anpassung des deutschen Rechts Gercke, MMR 2004, 731 f. 3 Der Rahmenbeschluss wurde durch die neue RL 2013/40/EU des Europäischen Parlaments und des Rates v. 12.8.2013 über Angriffe auf Informationssysteme und zur Ersetzung des Rahmenbeschlusses 2005/222/JI des Rates außer Kraft gesetzt. 4 Rahmenbeschluss 2005/222/JI des Rates v. 24.2.2005 über Angriffe auf Informationssysteme. Vgl. dazu Gercke, ZUM 2006, 285 f.; Sanchez-Hermosilla, CR 2003, 778. 5 RL 2013/40/EU des Europäischen Parlaments und des Rates v. 12.8.2013 über Angriffe auf Informationssysteme und zur Ersetzung des Rahmenbeschlusses 2005/222/JI des Rates. Vgl. dazu Gercke, ZUM 2014, 640 f. 6 Vgl. dazu ausführlicher Gercke in Gercke/Brunst, Internetstrafrecht, Rz. 119. 7 Vgl. dazu Ernst, NJW 2007, 2663. 8 Unklar bei Fischer, StGB, § 202c Rz. 3, der neben Passwörtern auch „Verschlüsselungs- bzw. Entschlüsselungs-Software“ erfasst sieht. 9 Vgl. dazu Ernst, NJW 2007, 2663. 10 Unklar bei Fischer, StGB, § 202c Rz. 3, der neben Passwörtern auch „Verschlüsselungs- bzw. Entschlüsselungs-Software“ erfasst sieht. 11 Vgl. Explantory Report to the Convention on Cybercrime, Nr. 71. 12 Ernst, NJW 2007, 2663. 13 Vgl. dazu Denkschrift über den Rechtsschutz der Datenverarbeitungssoftware, GRUR 1979, 306. 14 Vgl. dazu auch OLG Hamburg v. 12.3.1998 – 3 U 225/97, CR 1998, 333 f.; Dreier in Dreier/Schulze, UrhG, § 69a, Rz. 12. 15 Vgl. zur Übersicht Gröseling/Höfinger, MMR 2007, 629; Gercke, ZUM 2008, 553.

288

M. Gercke

Rz. 17 § 202c StGB

sein müsse.1 Erforderlich sei aber, dass dem Computerprogramm die „illegale Verwendung immanent“ sei. Dies ist der Fall, wenn das Programm „nach Art und Weise des Aufbaus oder ihrer Beschaffenheit auf die Begehung von Computerstraftaten angelegt“ ist. Insbesondere die Einordnung der sog. dual use tools, bei denen neben einer Eignung zur Begehung von Com- 13 puterstraftaten auch legitime Einsatzmöglichkeiten bestehen, bereitet Schwierigkeiten. Die Bundesregierung hat dazu ausgeführt, dass „bei Programmen, deren funktionaler Zweck nicht eindeutig ein krimineller ist und die erst durch ihre Anwendung zu einem Tatwerkzeug eines Kriminellen oder zu einem legitimen Werkzeug (z.B. bei Sicherheitsüberprüfungen oder im Forschungsbereich) werden (sog. dual use tools) der objektive Tatbestand des § 202c StGB“ nicht erfüllt sei.2 Dies vermag aber nicht zu überzeugen, da ebenso wie bei einer Schusswaffe auch bei Softwareprodukten, die zur Begehung von Computerdelikten genutzt werden können, die illegale Verwendung nie immanent ist. Die Gewährleistung, dass Systemadministratoren und IT-Sicherheitsbeauftragte sich nicht durch typische Handlungen strafbar machen, lässt sich nicht im Rahmen der Zweckbestimmung des Tatobjekts, sondern nur über die Zweckbestimmung der Handlung erreichen. Im Hinblick auf das Tatobjekt ist allein entscheidend, ob der objektive Zweck der Software die Ausführung von Funktionen ist, die vom Tathandlungskatalog der § 202a f. StGB und § 303a f. StGB erfasst werden. Dies ist auf Basis einer Funktionsanalyse der Software vorzunehmen.

III. Tathandlungen § 202c StGB enthält einen Katalog sanktionierter Tathandlungen. Unter Herstellen fällt die industrielle oder 14 handwerkliche Fertigung der Tatwerkzeuge.3 Dies schließt insbesondere die Programmierung von Computerprogrammen ein.4 Ein Verschaffen liegt bei einer in der Begründung von Herrschaftsgewalt endenden Bezugshandlung vor.5 Umfasst wird bspw. das Herunterladen von Computerprogrammen. Verkaufen setzt den Abschluss eines schuldrechtlichen Kaufvertrags voraus;6 vertriebsbezogene Vorbereitungshandlungen werden hingegen vom Begriff des Verkaufens nicht erfasst.7 Überlassen setzt voraus, dass der Täter einem Dritten zur eigenen Verfügung oder zum eigenen Gebrauch den Besitz verschafft.8 Umfasst wird auch eine nur kurzfristige Bereitstellung des Tatobjekts. Unter Heranziehung der vom BGH9 entwickelten (und im Zusammenhang mit der Anwendung auf Schriften zu Recht kritisierten) Definition liegt ein Verbreiten vor, wenn durch eine Tathandlung des Täters das Tatobjekt auf einem größeren Kreis von Rechnern angekommen ist. Zugänglichmachen ist die Eröffnung der Möglichkeit des Zugriffs auf das Tatobjekt.10

C. Subjektiver Tatbestand § 202c StGB setzt Vorsatz im Hinblick auf alle Merkmale des objektiven Tatbestands voraus. Ausreichend ist, 15 dass der Täter mit bedingtem Vorsatz gehandelt hat.11 Erforderlich ist weiterhin, dass der Täter zur Vorbereitung einer Tat gem. §§ 202a, 202b, 303a oder 303b StGB 16 handelt. Der Täter muss mithin eine eigene oder fremde Straftat in Aussicht genommen haben.12 Aufgrund des Wortlauts ist zunächst offen, ob es sich dabei um ein objektives oder besonderes subjektives Merkmal handelt.13 Allerdings sprechen die Vorgaben aus Art. 6 der Cybercrime Konvention14 sowie die Ausführungen der Bundesregierung zum Gesetzentwurf15 für eine Zuordnung des Merkmals zum subjektiven Tatbestand.16 Umstritten ist, welche Anforderungen an die Konkretisierung der avisierten Tat zu stellen sind. In der Litera- 17 tur wird zu Recht darauf verwiesen, dass keine zu hohen Anforderungen daran zu stellen sind.17 1 BT-Drucks. 16/3656, 12. 2 BT-Drucks. 16/3656, S. 18 f. 3 Vgl. zur Auslegung des Tatbestandmerkmals in § 108b Abs. 2 UrhG Wandtke/Bullinger/Wandtke/Ohst, § 95a UrhG Rz. 72. 4 Gercke in Gercke/Brunst, Internetstrafrecht, Rz. 123. 5 Ernst, NJW 2007, 2563. 6 Vgl. zur Auslegung des Tatbestandsmerkmals in § 108b Abs. 2 UrhG LG Köln v. 23.11.2005 – 28 S 6/05, MMR 2006, 415; Dreyer/Kotthoff, § 95a UrhG Rz. 65. 7 Fischer, StGB, § 202c StGB Rz. 7; zur Auslegung des Tatbestandmerkmals im Zusammenhang mit § 108b UrhG vgl. LG Köln v. 23.11.2005 – 28 S 6/05, MMR 2006, 415. Unklar bei Wandtke/Bullinger/Wandtke/Ohst, § 95a UrhG Rz. 75. 8 Eisele in S/S-StGB, § 184 Rz. 15. 9 BGH v. 27.6.2011 – 1 StR 66/01, MMR 2001, 677. 10 Gercke in Gercke/Brunst, Internetstrafrecht, Rz. 123. 11 Fischer, StGB, § 202c StGB Rz. 8; Ernst, NJW 2007, 2663. 12 Eisele in S/S-StGB, § 202c Rz. 7. 13 Vgl. dazu Gercke, ZUM 2008, 553 f. 14 Art. 6 setzt voraus, dass die Tathandlung mit dem Vorsatz erfolgt, dass das Computerprogramm zur Begehung einer nach den Art. 2 bis 5 umschriebenen Straftat verwendet wird. 15 BT-Drucks. 16/3656, 33. 16 Ebenso Ernst, NJW 2007, 2664; vgl. dazu auch die Stellungnahmen von Bruns, Hildgendorf und Kudlich im Rahmen der Anhörung im Rechtsausschuss zum 41. StrÄndG. 17 Borges/Stuckenberg/Wegener, DuD 2007, 276.

M. Gercke

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StGB

Vorbereiten des Ausspähens und Abfangens von Daten

StGB

§ 202c StGB Rz. 18 18

Strafgesetzbuch

Über die Notwendigkeit einer Handlung zur Vorbereitung einer Tat erfolgt auch ein Ausschluss der Strafbarkeit legitimer Tests durch IT Experten. Sofern sich diese entsprechende Computerprogramme zum Test der Abwehrfähigkeit der eigenen Systeme verschaffen, ist dies aufgrund der Straflosigkeit der angestrebten Sicherheitstests nicht strafbar.1

D. Rechtswidrigkeit 19

Die Rechtswidrigkeit entfällt nur beim Vorliegen von Rechtfertigungsgründen.

E. Vollendung/Beendigung/Versuch/Tätige Reue 20

Das Delikt ist im Hinblick auf die Tathandlung der Herstellung mit der Erstellung der lauffähigen Software vollendet. Aufgrund der angestrebten Kriminalisierung von Vorbereitungshandlungen ist nicht erforderlich, dass die Software bereits zur Tatbegehung eingesetzt wurde.

21

Der Versuch der strafbaren Vorbereitungshandlung ist nicht strafbar. Aufgrund des Verweises auf § 149 StGB finden die dortigen Regelungen über tätige Reue Anwendung.

F. Konkurrenzen 22

Sofern der Täter über die Vorbereitung hinausgeht und eine Tat gem. §§ 202a, 202b, 303a oder 303b StGB begeht, tritt § 202c im Wege der Gesetzeskonkurrenz zurück.

G. Strafantrag 23

Anders als bei §§ 202a und 202b StGB ist im Hinblick auf § 202c kein Strafantrag erforderlich.

§ 202d Datenhehlerei (1) Wer Daten (§ 202a Absatz 2), die nicht allgemein zugänglich sind und die ein anderer durch eine rechtswidrige Tat erlangt hat, sich oder einem anderen verschafft, einem anderen überlässt, verbreitet oder sonst zugänglich macht, um sich oder einen Dritten zu bereichern oder einen anderen zu schädigen, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. (2) Die Strafe darf nicht schwerer sein als die für die Vortat angedrohte Strafe. (3) Absatz 1 gilt nicht für Handlungen, die ausschließlich der Erfüllung rechtmäßiger dienstlicher oder beruflicher Pflichten dienen. Dazu gehören insbesondere 1. solche Handlungen von Amtsträgern oder deren Beauftragten, mit denen Daten ausschließlich der Verwertung in einem Besteuerungsverfahren, einem Strafverfahren oder einem Ordnungswidrigkeitenverfahren zugeführt werden sollen, sowie 2. solche beruflichen Handlungen der in § 53 Absatz 1 Satz 1 Nummer 5 der Strafprozessordnung genannten Personen, mit denen Daten entgegengenommen, ausgewertet oder veröffentlicht werden. Literatur: Franck, Datenhehlerei nach dem künftigen § 202d StGB, RDV 2015, 180 ff.; Gercke, Die Entwicklung des Internetstrafrechts im Jahr 2014/2015, ZUM 2015, 772 ff.; Gercke, Die Entwicklung des Internetstrafrechts im Jahr 2015/2016, ZUM 2016, 825 ff.; Meinicke/Lutz, Aktuelle Entwicklungen im Bereich des IT-Straf- und Strafprozessrechts, K&R 2016, 315 ff.; Singelnstein, Ausufernd und fehlplatziert – Der Tatbestand der Datenhehlerei (§ 202d) im System des strafrechtlichen Daten- und Informationsschutz, ZIS 2016, 432 ff.; Stuckenberg, Der missratene Tatbestand der neuen Datenhehlerei (§ 202d StGB), ZIS 2016, 526 ff.; Wefing, Gesetzgebung mittels Erschöpfung, DRiZ 2015, 212.

A. Grundsätzliches 1

Die Norm wurde „versteckt“ durch das Gesetz zur Einführung einer Speicherpflicht und einer Höchstspeicherfrist für Verkehrsdaten eingeführt. Ausgangspunkt der Diskussion um die Notwendigkeit einer Kriminalisierung der Datenhehlerei war die 83. Konferenz der Justizministerinnen und Justizminister, in deren Zusammenhang diese im Juli 2012 beschlossen, Maßnahmen zur Einführung eines Straftatbestands der Datenhehlerei zu ergreifen.2 Damit sollten bestehende Strafbarkeitslücken im Bereich der Datenhehlerei geschlossen werden.3 Im September 2012 thematisierte der 69. Deutschen Juristentag die Datenhehlerei, die zwar im Gutachten4 zum 69. Deutschen Juristentag nicht aufgegriffen wurde, aber gleichwohl Eingang in die Beschlussfassung gefunden hat. Gefordert wurde die Einführung eines entsprechenden Tatbestandes.5 Wenige Mo1 2 3 4 5

Vgl. dazu auch die Ausführungen der BReg im Zusammenhang mit dem Gesetzentwurfs, BT-Drucks. 16/3656, 19. Beschluss der 83. Konferenz der Justizministerinnen und Justizminister. Gercke, ZUM 2013, 606. Sieber, Gutachten C zum 69. Deutschen Juristentag, 2012. Beschlüsse des 69. Deutschen Juristentages, II.3.

290

M. Gercke

Rz. 5 § 202d StGB

nate nach dem Juristentag legte das Land Hessen einen Arbeitsentwurf vor. Dieser sah noch die Einführung eines § 259a StGB vor, der den Handel mit Passwörtern und Sicherheitscodes, die den Zugang zu geschützten Daten ermöglichen, unter Strafe stellt, vor. Der Entwurf enthielt aber auch eine Kriminalisierung des Handels mit rechtswidrig erlangten Daten. Am 7.6.2013 beschloss der Bundesrat einen alternativen Gesetzentwurf.1 Der Entwurf unterschied sich substantiell von dem Arbeitsentwurf des Landes Hessen und sah die Einführung eines § 202d StGB vor.2 Die Neugestaltung erfolgte vermutlich nicht zuletzt aufgrund der Kritik in der Literatur am Ansatz des Landes Hessen.3 Am 14.3.2014 hat der Bundesrat erneut den unveränderten Gesetzentwurf, mit dem Datenhehlerei unter Strafe gestellt werden soll, beschlossen.4 Das erneute Verfahren war notwendig, da der Entwurf aus dem Jahr 2013 aufgrund des Grundsatzes der Diskontinuität und der Bundestagswahl im Jahr 2013 nicht weiter verfolgt wurde.5 Mit dem Referentenentwurf zur Verratsdatenspeicherung6 vom Mai 2015 sowie dem Gesetzentwurf der CDU/CSU und SPD7 wurde, je nach Lesart, der dritte bzw. vierte Entwurf präsentiert. Obwohl der Gesetzgeber die ursprüngliche Anlehnung an § 259 StGB aufgegeben hat, zeigt die Norm im Hin- 2 blick auf ihren Aufbau deutliche Parallelen zu § 259 StGB.8 Bei beiden Normen muss das Tatobjekt aus einer rechtswidrigen Vortat herrühren. Ob diese strenge Orientierung an der Dogmatik von § 259 StGB sinnvoll ist, erscheint fraglich. Das von § 202d geschützte Rechtsgut ist das formelle Datengeheimnis.9 Was das Schutzgut der Norm angeht, 3 knüpft der Gesetzgeber insofern bewusst an die § 202a ff. an.10 Schutzgut ist daher das formelle Datengeheimnis desjenigen, der über die Übermittlung der Daten entscheidet.11 Die Integrität soll sich insofern nach Auffassung des Gesetzgebers auf das Interesse an der Aufrechterhaltung des Herrschaftsverhältnisses über eine Information konzentrieren.12 Im Internet findet ein reger Handel mit illegal erworbenen Daten statt.13 In zahllosen Foren, aber auch im sog. 4 Darknet werden Datensätze und ganze Datenbanken angeboten, die von Tätern beim Eindringen in Computersysteme von Unternehmen erlangt wurden.14 Die Verbreitung der Daten hat einen eigenen Unwertgehalt, weshalb der Ansatz des Gesetzgebers, den Handel unter Strafe zu stellen, nachvollziehbar ist.15 Gelingt es einem Täter, in das Computersystem eines Einzelhändlers einzudringen und eine Kundendatenbank mit Kreditkartendaten zu entwenden, dann ist das Opfer zunächst einmal das Unternehmen. Werden aber die Kundendaten systematisch weiterverkauft und dann von unterschiedlichen Tätergruppen zum Kauf von Waren und Dienstleistungen eingesetzt, verletzt dies vorrangig die Rechte der betroffenen Kunden. Weder die Cybercrime Konvention des Europarats, noch die unterschiedlichen EU-Instrumente enthalten 5 vergleichbare Vorgaben. Der von § 202d StGB erfasste Handel mit Daten wird im Zusammenhang mit dem Phänomen des Identitätsdiebstahls diskutiert. Die EU hat im Aktionsplan zum Stockholmer Programm, mit dem Maßnahmen der EU im Bereich Freiheit, Sicherheit und Recht für die Jahre 2010 bis 2014 definiert wurden, eine Kriminalisierung des Identitätsdiebstahls ausdrücklich erwähnt.16 2011 wurde eine rechtsvergleichende Studie zur Kriminalisierung des Identitätsdiebstahls veröffentlicht.17 Gleichwohl fehlt es weiterhin an verbindlichen Vorgaben zur Kriminalisierung. 1 Vgl. Pressemitteilung des Bundesrats Nr. 132/2013 vom 7.6.2013, NJW-Spezial 2013, 442. 2 Entwurf eines Gesetzes zur Strafbarkeit der Datenhehlerei, BR-Drucks. 284/13. 3 Gercke in CR-Online Gesetzgebungsreport, Bundesrat: Diskussionspapier zur Kriminalisierung von Datenhehlerei, 2013, abrufbar unter: http://www.computerundrecht.de/30345.htm. 4 Entwurf eines Gesetzes zur Strafbarkeit der Datenhehlerei, BR-Drucks. 70/14. 5 Entwurf eines Gesetzes zur Strafbarkeit der Datenhehlerei, BR-Drucks. 284/13. 6 RefE des BMJV, Entwurf eines Gesetzes zur Einführung einer Speicherpflicht und einer Höchstspeicherfrist für Verkehrsdaten, abrufbar unter: https://netzpolitik.org/wp-upload/2015-05-15_BMJV-Referentenentwurf-Vorratsdatenspeiche rung.pdf. 7 Gesetzentwurf der CDU/CSU und SPD: Entwurf eines Gesetzes zur Einführung einer Speicherpflicht und einer Höchstspeicherfrist für Verkehrsdaten, BT-Drucks. 18/5088. 8 Vgl. dazu auch Singelnstein, ZIS 2016, 432; Gercke, ZUM 2016, 826. 9 Ebenso Weidemann in BeckOK-StGB, § 202d Rzn. 2; Franck, RDV, 2015, 180. Krit. Singelnstein, ZIS 2016, 435; Stuckenberg, ZIS 2016, 530. 10 Gesetzentwurf der CDU/CSU und SPD: Entwurf eines Gesetzes zur Einführung einer Speicherpflicht und einer Höchstspeicherfrist für Verkehrsdaten, BT-Drucks. 18/5088, S. 45. 11 Graf in MüKo-StGB, § 202a Rz. 2. 12 Gesetzentwurf der CDU/CSU und SPD: Entwurf eines Gesetzes zur Einführung einer Speicherpflicht und einer Höchstspeicherfrist für Verkehrsdaten, BT-Drucks. 18/5088, S. 45. 13 Ablon/Libicki/Golay, Markets for Cybercrime Tools and Stolen Data, Rand Cooperation, 2014. 14 Vgl. dazu ausf. Europol, The Internet Organised Crime Threat Assessment (iOCTA) 2014, S. 19. 15 Gercke, ZUM 2015, 772. 16 Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen, Ein Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts für die Bürger, Aktionsplan zur Umsetzung des Stockholmer Programms, KOM (2010) 171. 17 Robinson/Graux/Parrilli/Klautzer/Valeri, Comparative Study on Legislative and Non Legislative Measures to Combat Identity Theft and Identity Related Crime. Final Report, TR-982-EC, 2011.

M. Gercke

291

StGB

Datenhehlerei

StGB

§ 202d StGB Rz. 6

Strafgesetzbuch

B. Objektiver Tatbestand I. Daten 6

Tatobjekt von § 202d StGB sind Daten. Dabei ist das Tatobjekt gleich in mehrfacher Hinsicht eingeschränkt (vgl. dazu Rz. 7 ff.). Der Datenbegriff des § 202a StGB findet Anwendung (vgl. dazu § 202a StGB Rz. 7). Daten i.S.d. § 202a StGB sind nach h.M. unter Anwendung eines weiten Datenbegriffs Informationen, die nicht unmittelbar wahrnehmbar elektronisch, magnetisch oder auf andere Weise gespeichert oder übermittelt werden.1 Durch den Verweis auf § 202a Abs. 2 StGB wird klargestellt, dass nur nicht unmittelbar wahrnehmbare Daten umfasst werden. Damit werden allerdings zugleich physische Kopien, wie z.B. Ausdrucke, dem Anwendungsbereich der Norm entzogen.

II. Nicht allgemein zugänglich 7

Eine weitere Einschränkung erfährt das Tatobjekt durch die Notwendigkeit, dass die Daten nicht allgemein zugänglich sind. Vor dem Hintergrund, dass der Schutz der in den Daten enthaltenen Informationen im Vordergrund steht, ist diese Einschränkung auch sinnvoll, da bei einer allgemeinen Zugänglichkeit eine Beeinträchtigung des formellen Datengeheimnisses fehlt.2

8

Ein Verschaffen liegt bei einer in der Begründung von Herrschaftsgewalt endenden Bezugshandlung vor.3 Umfasst wird bspw. das Herunterladen von Datenbanken. Überlassen setzt voraus, dass der Täter einem Dritten zur eigenen Verfügung oder zum eigenen Gebrauch den Besitz verschafft.4 Umfasst wird auch eine nur kurzfristige Bereitstellung des Tatobjekts. Unter Heranziehung der vom BGH5 entwickelten (und im Zusammenhang mit der Anwendung auf Schriften zu Recht kritisierten) Definition liegt ein Verbreiten vor, wenn durch eine Tathandlung des Täters das Tatobjekt auf einem größeren Kreis von Rechnern angekommen ist. Zugänglichmachen ist die Eröffnung der Möglichkeit des Zugriffs auf das Tatobjekt.6

9

Bezüglich der Auslegung des Tatbestandsmerkmals „Daten“ verweist die Entwurfsbegründung auf § 10 Abs. 5 Satz 2 BDSG. Dabei ist den Verfassern der Entwurfsbegründung allerdings ein Fehler unterlaufen. Dort heißt es: „Öffentlich zugängliche Daten sind in § 10 Absatz 5 Satz 2 BDSG im Hinblick auf automatisierte Abrufverfahren definiert, als Daten, die jedermann, sei es ohne oder nach vorheriger Anmeldung, Zulassung oder Entrichtung eines Entgelts nutzen kann.“7 Diese Klarstellung legt nahe, dass es bei der Auslegung der Norm auf die „öffentliche“ Zugänglichkeit ankäme. § 10 Abs. 5 BDSG enthält aber eine Legaldefinition des auch in § 202d StGB genutzten Begriffs „allgemein zugänglich“. Gem. § 10 Abs. 5 sind Daten allgemein zugänglich, wenn sie „jedermann, sei es ohne oder nach vorheriger Anmeldung, Zulassung oder Entrichtung eines Entgelts, nutzen kann“.

10

In der Praxis wird die Einschränkung auf Daten, die „nicht allgemein zugänglich“ sind, ganz erhebliche Einschränkungen nach sich ziehen. Der Gesetzgeber begründet die Einführung des § 202d StGB im Entwurf insbesondere damit, dass bislang der Handel mit Kreditkartendaten strafrechtlich nicht erfasst wird.8 Ein solcher Austausch findet heutzutage regelmäßig im sog. Darknet statt.9 Bedingt durch die Einschränkung des Tatbestands auf nicht allgemein zugängliche Daten wird das Verschaffen solcher Daten nur dann strafbar sein, wenn sie nur gegen Entgelt erlangt werden können. Obwohl das Darknet ein vom Durchschnittsnutzer im Regelfall nicht frequentierter Bereich des Internets ist, sind die dort bereitgestellten Inhalte oft allgemein zugänglich, da keine Anmeldung, Zulassung oder Entrichtung eines Entgelts erforderlich ist. Alle dort frei verfügbaren Daten sind mithin vom Anwendungsbereich des § 202d StGB ausgenommen. Den Strafverfolgungsbehörden wird ein Nachweis, dass die Daten, die sich jemand verschafft hat, nicht im Darknet allgemein zugänglich waren, nur gelingen, wenn der Vorgang des Verschaffens im Detail ermittelt werden kann.10

III. Rechtswidrige Vortat 11

Erforderlich ist, dass die Daten aus einer rechtswidrigen Vortat eines Dritten stammen und die Vortat vollendet war, als der Täter die Daten einem anderen verschafft hat. Der Gesetzentwurf wies zunächst darauf hin, dass damit alle Taten in Betracht kommen, „die ein Strafgesetz verwirklichen, unabhängig von der Schuld des Täters oder vom Vorliegen eines Strafantrages, so wie dies auch bei der Sachhehlerei der Fall ist“. Weiter führte 1 Hilgendorf/Valerius, Computer- und Internetstrafrecht, Rz. 655; Schünemann in LK-StGB, § 203 Rz. 3; krit. Hilgendorf, ZStW 113, 656. 2 So auch Gercke, ZUM 2016, 826; Weidemann in BeckOK-StGB, § 202d, Rn. 4. 3 Ernst, NJW 2007, 2563. 4 Eisele in S/S-StGB, § 184 Rz. 15. 5 BGH v. 27.6.2011 – 1 StR 66/01, MMR 2001, 677. 6 Gercke in Gercke/Brunst, Internetstrafrecht, Rz. 123. 7 BT-Drucks. 18/5088, S. 45. 8 BT-Drucks. 18/5088, S. 25. 9 The Internet Organised Crime Threat Assessment 2014, Europol, 2014, S. 12. 10 Weiterführend Gercke, ZUM 2016, 826.

292

M. Gercke

Rz. 16 § 202d StGB

der Gesetzentwurf zahlreiche Delikte beispielhaft auf und machte dabei deutlich, dass neben den klassischen Vortragen einer Datenhehlerei wie dem Ausspähen von Daten (§ 202a StGB), dem Abfangen von Daten (§ 202b StGB) auch Delikte wie Betrug (§ 263 StGB), Computerbetrug (§ 263a StGB), Nötigung (§ 240 StGB) und die Fälschung beweiserheblicher Daten1 (§ 269 StGB) als Vortat in Betracht kommen.2 Ebenso wie bei § 259 StGB scheidet der Täter der Vortat als Täter aus. In Bezug auf die Erforderlichkeit einer rechtswidrigen Vortat wird die ursprüngliche Anlehnung an § 259 StGB, 12 die im Laufe des Gesetzgebungsprozesses zumindest teilweise aufgegeben wurde, besonders deutlich. Während dies im Zusammenhang mit § 259 StGB nicht weiter problematisch ist, da hier die gleiche bewegliche Sache, die zuvor entwendet wurde, weitergegeben wird, stellt sich die Situation bei § 202d StGB anders dar. Entwendet der Täter nicht gerade einen Datenträger, was ebenfalls eine geeignete Vortat darstellte,3 verfügt das Opfer nach einem unberechtigten Zugriff auf Daten regelmäßig noch über das Tatobjekt, da der Angreifer nur eine Kopie der Daten anfertigt. Verschafft der gleiche Täter nach dem Zugriff Dritten die Daten, indem er sie im Darknet bereitstellt, wird nicht nur regelmäßig eine oder mehrere Kopien erstellt, sondern ein zusätzliches Risiko geschaffen, da die Daten nunmehr der Öffentlichkeit zugänglich sind. Dies gilt jedenfalls dann, wenn sie nicht in geschlossenen Foren bereitgestellt werden. Es muss davon ausgegangen werden, dass der Gesetzgeber diesen zusätzlichen Unwertgehalt übersehen hat, als er § 202d StGB an § 259 StGB orientierte.4 Die Entwurfsbegründung weist darauf hin, dass auch die Datenhehlerei eine geeignete Vortat ist. Dies sind ins- 13 besondere Weitergabeketten, bei denen die Täter entwendete Datensätze erwerben, kombinieren und weiter verbreiten. Allerdings ist § 202d StGB, wie oben dargestellt, nur einschlägig, wenn die Datensätze nicht frei zugänglich angeboten werden. Vergleichbar mit § 259 StGB ist erforderlich, dass sich die Vortat zumindest auch gegen die formelle Ver- 14 fügungsbefugnis des Berechtigten richtet.5 Dabei weist der Gesetzentwurf unter Bezugnahme auf die Kommentarliteratur darauf hin, dass berechtigt derjenige ist, der über die Daten verfügen darf und es mithin nicht auf die datenschutzrechtliche Betroffenheit ankommt.6 Berechtigt ist demnach derjenige, der die Daten gesammelt oder gespeichert hat oder auf dessen Veranlassung die Speicherung erfolgte.7 Die Entwurfsbegründung verweist ausdrücklich darauf, dass Delikte, die sich ausschließlich gegen öffentliche Interessen richten (wie § 184d StGB), nicht zu den Vortaten i.S.d. § 202d StGB zählen. Ebenso wenig zählen strafbare Datenschutzverstöße, bei denen die betroffenen Daten nie im Verfügungsbereich des Betroffenen waren, zu den erfassten Vortaten. Auch Daten, die dem Vortäter bereits zur Verfügung stehen und die dieser dann unter Begehung einer Urheberrechtsstraftat verwertet, sind nicht erfasst.

IV. Tathandlungen Die Entwurfsbegründung verweist im Hinblick auf die Tathandlungen ausdrücklich auf § 202c StGB. Dabei hat 15 der Gesetzgeber allerdings sowohl auf eine Übernahme der Tathandlung des „Verkaufens“ aus § 202c StGB, als auch des „Ankaufens“ aus § 259 StGB verzichtet. Begründet wird dies mit dem Streit,8 ob bereits der Abschluss eines möglicherweise nichtigen Kaufvertrags zur Tatbestandsverwirklichung ausreicht.9 Durch den Verzicht wird klargestellt, dass der Täter durch die Tathandlung eine tatsächliche Verfügungsgewalt erlangt. Ein Verschaffen liegt bei einer in der Begründung von Herrschaftsgewalt endenden Bezugshandlung vor.10 Um- 16 fasst wird bspw. das Herunterladen von Datenbanken. Überlassen setzt voraus, dass der Täter einem Dritten zur eigenen Verfügung oder zum eigenen Gebrauch den Besitz verschafft.11 Umfasst wird auch eine nur kurzfristige Bereitstellung des Tatobjekts. Unter Heranziehung der vom BGH12 entwickelten (und im Zusammenhang mit der Anwendung auf Schriften zu Recht kritisierten) Definition liegt ein Verbreiten vor, wenn durch eine Tathandlung des Täters das Tatobjekt auf einem größeren Kreis von Rechnern angekommen ist. Zugänglichmachen ist die Eröffnung der Möglichkeit des Zugriffs auf das Tatobjekt.13 1 Den Verfassern der Entwurfsbegründung ist bei der Auflistung der Delikte ein redaktioneller Fehler unterlaufen, als sie im Zusammenhang mit § 269 StGB auf ein „Fälschung technischer Aufzeichnungen“ verwiesen, die von tatsächlich von § 268 StGB erfasst wurde. Vgl. Gesetzentwurf der BReg: Entwurf eines Gesetzes zur Einführung einer Speicherpflicht und einer Höchstspeicherfrist für Verkehrsdaten, BR-Drucks., 249/15, S. 50. Dieser Fehler wurde teilweise von der Kommentarliteratur übernommen: Vgl. Weidemann in BeckOK-StGB, § 202d, Rz. 4 (Stand Oktober 2016). 2 BR-Drucks., 249/15, S. 50. 3 Vgl. dazu auch die Ausführungen im Gesetzentwurf: BT-Drucks. 18/5088, S. 26. 4 Weiterführend Gercke, ZUM 2016, 826. 5 BR-Drucks., 249/15, S. 50. 6 BR-Drucks., 249/15, S. 50. 7 Graf in MüKo-StGB, § 202a Rz. 19; BR-Drucks. 249/15, S. 50. 8 Vgl. dazu Fischer, StGB, 202c Rz. 7; Hilgendorf in LK-StGB, § 202c Rz. 24. 9 BR-Drucks., 249/15, S. 50. 10 Ernst, NJW 2007, 2563. 11 Eisele in S/S-StGB, § 184 Rz. 15. 12 BGH v. 27.6.2011 – 1 StR 66/01, MMR 2001, 677. 13 Gercke in Gercke/Brunst, Internetstrafrecht, Rz. 123.

M. Gercke

293

StGB

Datenhehlerei

StGB

§ 202d StGB Rz. 17 17

Strafgesetzbuch

Ebenso wie bei § 259 StGB ist ein einverständliches Zusammenwirken zwischen Täter und Vortäter erforderlich. Nicht erforderlich ist, dass zwischen Täter und Vortäter ein direkter Kontakt bestand.1 Erfährt der Täter aus der Presse von einem durch eine Schwachstelle begünstigten, unberechtigten Zugriff auf Daten eines Unternehmens und gelingt ihm daraufhin ebenfalls ein unberechtigter Zugriff auf die Daten, liegt kein Zusammenwirken vor. Nicht erfasst wird ferner der Rückkauf von Daten durch den durch die Vortat verletzten Berechtigten.2

V. Tatbestandsausschluss (Absatz 3) 18

§ 202d Abs. 3 sieht einen dogmatisch mit § 184b Abs. 5 StGB vergleichbaren Tatbestandsausschluss für bestimmte dienstliche und berufliche Handlungen vor.3 Erklärtes Ziel des Gesetzgebers ist es dabei, sicherzustellen, dass die Norm die Verwendung der Daten für Ermittlungen und journalistische Tätigkeit nicht einschränkt.4 Dabei stellt § 202d Abs. 3 S. 1 StGB die Grundregelung dar, während § 202d Abs. 3 S. 2 einen Unterfall dessen darstellt.5

19

Die Klarstellung erfolgt zum einen vor dem Hintergrund, dass die ersten Entwürfe der Norm zu einer Zeit gefertigt wurden, als der Ankauf von illegal kopierten Steuerdaten die politische Diskussion bestimmte.6 Bund und Länder stritten über die rechtliche Zulässigkeit der Annahme entsprechender Offerten aus dem Ausland. Der politische Kontext spielte eine Rolle, als der Ankauf von Steuerdaten deutliche Bezüge zur Problematik der „Datenhehlerei“ aufweist. Um der Diskussion die politische Brisanz zu nehmen, enthielt bereits der Beschluss der 83. Konferenz der Justizministerinnen und Justizminister einen entsprechenden Ausschluss, der ausdrücklich Steuerdaten erfasst. Demnach sollte der einzuführende Straftatbestand nicht eingreifen“ wenn der Erwerb der Daten „ausschließlich der Erfüllung rechtmäßiger dienstlicher oder beruflicher Pflichten dient (z.B. Ankauf von Steuerdaten)“.7 Zu berücksichtigen ist aber auch, dass die Norm sowohl im Hinblick auf das Tatobjekt, dass nicht etwa auf besonders sensible Daten beschränkt ist, als auch im Hinblick auf den umfassenden Katalog von Tathandlungen eine nicht unproblematische Weite hat, die der Gesetzgeber zumindest teilweise zu korrigieren versucht.8

20

Der Anwendungsbereich des § 202d Abs. 3 S. 1 StGB geht deutlich über die in Satz 2 erwähnten Unterfälle hinaus. Ausdrücklich erwähnt wird in der Entwurfsbegründung die journalistische Tätigkeit, die neben der eigentlichen Veröffentlichung Handlungen im Vorfeld einer Veröffentlichung umfasst.9 Neben klassischen journalistischen Tätigkeiten im Bereich Print und Rundfunk wird man auch neue Formen wie Podcast und Internet-Blog einbeziehen können (vgl. dazu auch Rz. 23). Zu potentiellen dienstlichen und beruflichen Pflichten zählen insbesondere die Prüfung von Anträgen, zu deren Bewilligung Datenmaterial eingereicht wird und die Erstellung von Gutachten. Im Zusammenhang mit § 184b Abs. 5 StGB10 ist ferner anerkannt, dass zu den erfassten Tätigkeiten auch nicht fremdbestimmte Pflichten, wie die wissenschaftliche Forschung oder Handlungen im Zusammenhang mit der Information von Bundestagsabgeordneten fallen können.11 Allerdings ist bei einer Übertragung der zu § 184b Abs. 5 StGB entwickelten Grundsätze zu berücksichtigen, dass diese als Tathandlungen nur den Besitz, die Eigenbesitzverschaffung und die Besitzverschaffung für einen Dritten umfassen. Eine Verbreitung oder Zugänglichmachung von entsprechenden Inhalten, mit der eine deutlich größere Außenwirkung erzielt würde, wird nicht legalisiert. In den von § 202d Abs. 3 StGB erfassten Fällen kann allerdings auch die Verbreitung und Zugänglichmachung zulässig sein. Vor diesem Hintergrund können die zu § 184d Abs. 5 StGB entwickelten Grundsätze nicht uneingeschränkt auf § 202d Abs. 3 StGB übertragen werden.

21

Ebenso wie § 184b Abs. 5 StGB setzen beide Sätze des § 202d Abs. 3 voraus, dass die Handlung ausschließlich zur Erfüllung dienstlicher und beruflicher Pflichten dient und mithin die konkrete Aufgabenerfüllung der einzige Grund für die Verwendung der Daten darstellt.12 Im Vordergrund steht mithin keine institutionelle, sondern eine strikt handlungsbezogenes Privilegierung. Dadurch soll verhindert werden“ dass unter dem Deckmantel einer dienstlichen Tätigkeit Daten zu dienstfremden Zwecken verwendet werden. Allerding ist die Abgrenzung nicht unproblematisch. Erforderlich ist insofern immer eine Abwägung der Umstände des Einzelfalls.13 Der Umstand, dass neben Satz 1 auch der Wortlaut von S. 2 Nr. 1 auf die Notwendigkeit einer Aus-

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12

BR-Drucks., 249/15, S. 51. BR-Drucks., 249/15, S. 51. BR-Drucks., 249/15, S. 52. BR-Drucks., 249/15, S. 52. BR-Drucks., 249/15, S. 52. Vgl. dazu auch Gercke, ZUM 2013, 605 f. Beschluss der 83. Konferenz der Justizministerinnen und Justizminister, TOP II.2. Singelnstein, ZIS 2016, 435. BR-Drucks., 249/15, S. 52. Hörnle in MüKo-StGB, § 184d Rz. 41 m.w.N. Perron/Eisele in S/S-StGB, § 184d Rz. 16. Gesetzentwurf der BReg: Entwurf eines Gesetzes zur Einführung einer Speicherpflicht und einer Höchstspeicherfrist für Verkehrsdaten, BR-Drucks., 249/15, S. 52. 13 Hörnle in MüKo-StGB, § 184d Rz. 41.

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M. Gercke

Rz. 27 § 202d StGB

schließlichkeit verweist, nicht aber S. 2 Nr. 2, dürfte ein redaktionelles Versehen sein, das keine Auswirkungen auf die Prüfung der Ausschließlichkeit in den Fällen des § 202d Abs. 3 hat. § 202d Abs. 3 S. 2 Nr. 1 StGB gilt für Amtsträger i.S.d. § 11 Abs. 2 Nr. 2 StGB. Vom Wortlaut umfasst werden 22 darüber hinaus auch die von Amtsträgern beauftragten, behördenexternen Dritten. Die Entwurfsbegründung stellt klar, dass dies auch für die Heranziehung von Beauftragten für die Erfüllung beruflicher Pflichten gelten soll.1 § 202d Abs. 3 S. 2 Nr. 2 hat der Gesetzgeber an § 353b Abs. 3a StGB angelehnt. Erfasst werden damit insbeson- 23 dere Personen, die bei der Vorbereitung, Herstellung und Verbreitung von Druckwerken oder Rundfunksendungen mitwirken. In der Literatur wurde im Zusammenhang mit § 202d Abs. 3 S. 2 Nr. 2 diskutiert, ob diese Regelung weit auszulegen ist, um auch Blogger und ähnliche neue Formen journalistischer Tätigkeit zu erfassen.2 Gefordert wird daher eine extensive Auslegung des Medienprivilegs.3 Während der Hinweis,4 dass die unklare Reichweite des § 202d Abs. 3 problematisch ist, uneingeschränkte Zustimmung verdient, erscheint fraglich, ob eine extensive Auslegung des § 202d Abs. 3 S. 2 erforderlich ist, da neue Formen des Journalismus einfacher dem weiteren Anwendungsbereich des § 202d Abs. 3 S. 1 zugeordnet werden können.

C. Subjektiver Tatbestand § 202d setzt Vorsatz im Hinblick auf alle Merkmale des objektiven Tatbestands zum Zeitpunkt der Tathand- 24 lung voraus. Erfährt der Täter erst nach der Tathandlung von der Herkunft der Daten, ist der Tatbestand nur dann erfüllt, wenn er nach Kenntnis weitere Tathandlungen vornimmt.5 Ausreichend ist, dass der Täter mit bedingtem Vorsatz gehandelt hat.6 Die Entwurfsbegründung weist ausdrücklich darauf hin, dass die genauen Details der Vortat zwar nicht bekannt sein müssen, es aber auch nicht ausreicht, dass dem Täter bewusst ist, dass die Daten aus einer rechtswidrigen Tat stammen.7 Erforderlich ist, dass der Täter mit Bereicherungs- oder Schädigungsabsicht handelt. Die Entwurfsbegründung 25 verweist insofern auf § 44 BDSG (vgl. dazu § 44 BDSG Rz. 9 ff.), dessen subjektiver Tatbestand als Vorlage für § 202d StGB diente. Eine Bereicherungsabsicht liegt vor, wenn die Tat auf die Erlangung eines Vermögensvorteils für sich selbst 26 oder einen Dritten gerichtet ist.8 Im Hinblick auf die Bereicherung muss der Täter mit dolus directus 1. Grades handeln.9 Es ist mithin erforderlich, dass er die Bereicherung als Ziel der Tat anstrebt. Nicht erforderlich ist, dass die Bereicherungsabsicht das einzige Motiv des Täters ist.10 Auch mittelbare Vermögensvorteile werden erfasst.11 Stoffgleichheit zwischen Tathandlung und Vermögensvorteil ist hingegen nicht zwingend, liegt aber bei der Mehrzahl der Fälle vor.12 Nicht erforderlich ist weiterhin, dass der Vermögensvorteil rechtswidriger Natur ist.13 Beabsichtigt der Täter einen Nachteil für eine andere Person, liegt eine Schädigungsabsicht vor. Die Entwurfs- 27 begründung weist ausdrücklich darauf hin, dass auch immaterielle Nachteile ausreichend sind und führt als Beispiel den Datenhandel zum Zweck der öffentlichen Bloßstellung an. Im Hinblick auf die Schädigung muss der Täter mit dolus directus 1. Grades handeln. Die Schädigungsabsicht muss sich nicht auf den von der Tathandlung Betroffenen beziehen.14 Ausreichend ist bspw. die Absicht der Rufschädigung.15

1 Gesetzentwurf der BReg: Entwurf eines Gesetzes zur Einführung einer Speicherpflicht und einer Höchstspeicherfrist für Verkehrsdaten, BR-Drucks., 249/15, S. 52. 2 Vgl. dazu Weidemann in BeckOK-StGB, § 202d Rz. 21.1. 3 Vgl. dazu bspw. Singelnstein, ZIS 2016, 436. 4 Vgl. dazu bspw. Singelnstein, ZIS 2016, 436. 5 Vgl. dazu im Hinblick auf § 259 StGB Stree/Hecker in S/S-StGB, § 259 Rz. 41. 6 Gesetzentwurf der BReg: Entwurf eines Gesetzes zur Einführung einer Speicherpflicht und einer Höchstspeicherfrist für Verkehrsdaten, BR-Drucks., 249/15, S. 52. 7 Gesetzentwurf der BReg: Entwurf eines Gesetzes zur Einführung einer Speicherpflicht und einer Höchstspeicherfrist für Verkehrsdaten, BR-Drucks., 249/15, S. 52. 8 Holländer in Wolff/Brink, Datenschutzrecht, § 44 Rz. 9. 9 Gesetzentwurf der BReg: Entwurf eines Gesetzes zur Einführung einer Speicherpflicht und einer Höchstspeicherfrist für Verkehrsdaten, BR-Drucks., 249/15, S. 52. 10 Ehrmann in Simitis, BDSG, § 44 Rz. 7. 11 Ehrmann in Simitis, BDSG, § 43 Rz. 6. 12 Holländer in Wolff/Brink, Datenschutzrecht, § 44 Rz. 10; Heghmanns/Niehaus, wistra 2008, 162. 13 Fischer, StGB, § 41 Rz. 4; Gesetzentwurf der BReg: Entwurf eines Gesetzes zur Einführung einer Speicherpflicht und einer Höchstspeicherfrist für Verkehrsdaten, BR-Drucks., 249/15, S. 52. 14 Wybitul/Reuling, CR 2010, 831. 15 Wybitul/Reuling, CR 2010, 831.

M. Gercke

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StGB

Datenhehlerei

StGB

§ 202d StGB Rz. 28

Strafgesetzbuch

D. Rechtswidrigkeit 28

Die allgemeinen Rechtfertigungsgründe finden Anwendung. Teilweise wird die Anwendung der Regelungen zur Notwehr in der Literatur pauschal abgelehnt.1

E. Vollendung/Beendigung/Versuch 29

In Anlehnung an die Literatur und Rspr. zu § 259 StGB (vgl. dazu § 259 StGB Rz. 13 ff.) wird man im Hinblick auf die Vollendung zwischen den unterschiedlichen Tathandlungen unterscheiden. Beim Sich-Verschaffen liegt eine Vollendung vor, wenn der Erwerber unabhängig vom Vortäter selbständig über die Daten verfügen kann. In Bezug auf das Überlassen wird man von einer Vollendung ausgehen können, wenn der Dritte eigenständig über die Daten verfügen kann. Sofern die Daten zunächst verschlüsselt und ohne Schlüssel übergeben werden, liegt regelmäßig noch keine Vollendung vor. Beim Verbreiten wird in Anlehnung an die umstrittene BGH-Rspr. ein Eingang der Daten im Machtbereich des Empfängers erforderlich sein. In Bezug auf das Zugänglichmachen liegt eine Vollendung vor, wenn die Daten so verfügbar gemacht wurden, dass die Möglichkeit des Zugriffs besteht.

30

Der Versuch, der als Vergehen ausgestalteten Norm, ist nicht strafbar.

F. Konkurrenzen 31

Tateinheit ist insbesondere möglich mit §§ 257, 258, 269, 303a, 303b StGB und § 44 BDSG. Verschafft, überlässt, verbreitet oder macht der Täter Daten, die aus unterschiedlichen Vortaten stammen, sonst zugänglich, liegt nur eine Tat vor. Im Hinblick auf Taten, die im Anschluss an eine Datenhehlerei begangen werden, ist umstritten, ob eine mitbestrafte Vortat2 oder Tatmehrheit3 vorliegt.

G. Strafantrag 32

Strafantragserfordernis ist nach § 205 StGB gegeben. Allerdings ist gem. § 205 Abs. 1 S. 2 ein Strafantrag nicht erforderlich, wenn die Strafverfolgungsbehörde das besondere öffentliche Interesse an der Strafverfolgung bejaht.

H. Rechtsfolgen 33

§ 202d sieht eine Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren oder Geldstrafe vor. Im Hinblick auf den Strafrahmen hat sich der Gesetzgeber insofern an § 202a orientiert. Vor dem Hintergrund, dass als Vortat auch Straftaten mit deutlich geringerem Strafrahmen in Betracht kommen, hat sich der Gesetzgeber entschieden, in § 202d Abs. 2 klarzustellen, dass der Strafrahmen der Vortrag als Höchstgrenze den Strafrahmen von § 202d begrenzt. Dabei übersieht der Gesetzgeber allerdings, dass die Veröffentlichung der Daten einen eigenen Unwertgehalt hat, der einen Verzicht auf § 202d Abs. 2 gerechtfertigt hätte.

§ 203 Verletzung von Privatgeheimnissen (1) Wer unbefugt ein fremdes Geheimnis, namentlich ein zum persönlichen Lebensbereich gehörendes Geheimnis oder ein Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis, offenbart, das ihm als 1. Arzt, Zahnarzt, Tierarzt, Apotheker oder Angehörigen eines anderen Heilberufs, der für die Berufsausübung oder die Führung der Berufsbezeichnung eine staatlich geregelte Ausbildung erfordert, 2. Berufspsychologen mit staatlich anerkannter wissenschaftlicher Abschlußprüfung, 3. Rechtsanwalt, Patentanwalt, Notar, Verteidiger in einem gesetzlich geordneten Verfahren, Wirtschaftsprüfer, vereidigtem Buchprüfer, Steuerberater, Steuerbevollmächtigten oder Organ oder Mitglied eines Organs einer Rechtsanwalts-, Patentanwalts-, Wirtschaftsprüfungs-, Buchprüfungs- oder Steuerberatungsgesellschaft, 4. Ehe-, Familien-, Erziehungs- oder Jugendberater sowie Berater für Suchtfragen in einer Beratungsstelle, die von einer Behörde oder Körperschaft, Anstalt oder Stiftung des öffentlichen Rechts anerkannt ist, 4a. Mitglied oder Beauftragten einer anerkannten Beratungsstelle nach den §§ 3 und 8 des Schwangerschaftskonfliktgesetzes, 5. staatlich anerkanntem Sozialarbeiter oder staatlich anerkanntem Sozialpädagogen oder

1 Weidemann in BeckOK-StGB, § 202d Rz. 26. 2 Franck, RDV 2015, 182. 3 Weidemann in BeckOK-StGB, § 202d Rz. 29.

296

M. Gercke

§ 203 StGB

6. Angehörigen eines Unternehmens der privaten Kranken-, Unfall- oder Lebensversicherung oder einer privatärztlichen, steuerberaterlichen oder anwaltlichen Verrechnungsstelle anvertraut worden oder sonst bekanntgeworden ist, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft. (2) Ebenso wird bestraft, wer unbefugt ein fremdes Geheimnis, namentlich ein zum persönlichen Lebensbereich gehörendes Geheimnis oder ein Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis, offenbart, das ihm als 1. Amtsträger, 2. für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichteten, 3. Person, die Aufgaben oder Befugnisse nach dem Personalvertretungsrecht wahrnimmt, 4. Mitglied eines für ein Gesetzgebungsorgan des Bundes oder eines Landes tätigen Untersuchungsausschusses, sonstigen Ausschusses oder Rates, das nicht selbst Mitglied des Gesetzgebungsorgans ist, oder als Hilfskraft eines solchen Ausschusses oder Rates, 5. öffentlich bestelltem Sachverständigen, der auf die gewissenhafte Erfüllung seiner Obliegenheiten auf Grund eines Gesetzes förmlich verpflichtet worden ist, oder 6. Person, die auf die gewissenhafte Erfüllung ihrer Geheimhaltungspflicht bei der Durchführung wissenschaftlicher Forschungsvorhaben auf Grund eines Gesetzes förmlich verpflichtet worden ist, anvertraut worden oder sonst bekanntgeworden ist. Einem Geheimnis im Sinne des Satzes 1 stehen Einzelangaben über persönliche oder sachliche Verhältnisse eines anderen gleich, die für Aufgaben der öffentlichen Verwaltung erfaßt worden sind; Satz 1 ist jedoch nicht anzuwenden, soweit solche Einzelangaben anderen Behörden oder sonstigen Stellen für Aufgaben der öffentlichen Verwaltung bekanntgegeben werden und das Gesetz dies nicht untersagt. (2a) Die Absätze 1 und 2 gelten entsprechend, wenn ein Beauftragter für den Datenschutz unbefugt ein fremdes Geheimnis im Sinne dieser Vorschriften offenbart, das einem in den Absätzen 1 und 2 Genannten in dessen beruflicher Eigenschaft anvertraut worden oder sonst bekannt geworden ist und von dem er bei der Erfüllung seiner Aufgaben als Beauftragter für den Datenschutz Kenntnis erlangt hat. (3) Einem in Absatz 1 Nr. 3 genannten Rechtsanwalt stehen andere Mitglieder einer Rechtsanwaltskammer gleich. Den in Absatz 1 und Satz 1 Genannten stehen ihre berufsmäßig tätigen Gehilfen und die Personen gleich, die bei ihnen zur Vorbereitung auf den Beruf tätig sind. Den in Absatz 1 und den in Satz 1 und 2 Genannten steht nach dem Tod des zur Wahrung des Geheimnisses Verpflichteten ferner gleich, wer das Geheimnis von dem Verstorbenen oder aus dessen Nachlaß erlangt hat. (4) Die Absätze 1 bis 3 sind auch anzuwenden, wenn der Täter das fremde Geheimnis nach dem Tod des Betroffenen unbefugt offenbart. (5) Handelt der Täter gegen Entgelt oder in der Absicht, sich oder einen anderen zu bereichern oder einen anderen zu schädigen, so ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder Geldstrafe. A. Grundsätzliches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Objektiver Tatbestand I. Absatz 1 1. Geheimnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Fremdes Geheimnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Persönlicher Lebensbereich . . . . . . . . . . . . . . 4. Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse . . . . . . . . 5. Anvertrauen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Sonstiges Bekanntwerden. . . . . . . . . . . . . . . . 7. Offenbaren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8. Unbefugte Offenbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . 9. Personengruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Heilberufe, Abs. 1 Nr. 1 . . . . . . . . . . . . . . . b) Berufspsychologen, Abs. 1 Nr. 2 . . . . . . . . . c) Beratungsberufe im Bereich Recht und Wirtschaft, Abs. 1 Nr. 3 . . . . . . . . . . . . . . . d) Beratungsberufen im Zusammenhang mit Ehe, Familie u.Ä., Abs. 1 Nr. 4 . . . . . . . . . . e) Schwangerschaftsberatung, Abs. 1 Nr. 4a . . f) Sozialarbeiter und Sozialpädagogen, Abs. 1 Nr. 5 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . g) Schwangerschaftsberatung, Abs. 1 Nr. 6 . . . II. Absatz 2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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1

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4 9 10 11 12 14 15 16 23 24 25

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26

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27 28

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29 30 31

1. 2. 3. 4.

Geheimnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fremdes Geheimnis . . . . . . . . . . . . . . . . . Anvertrauen/Sonstiges Bekanntwerden. . . . Täterkreis a) Amtsträger, Abs. 2 Nr. 1 . . . . . . . . . . . . b) Für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichtete, Abs. 2 Nr. 2 . . . . . . . . . . . c) Personalvertretung, Abs. 2 Nr. 3 . . . . . . d) Ausschussmitglieder, Abs. 2 Nr. 4 . . . . . e) Sachverständige, Abs. 2 Nr. 5 . . . . . . . . f) Forschungseinrichtungen, Abs. 2 Nr. 6 . III. Abs. 2 S. 2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Einzelangaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Für Aufgaben der öffentlichen Verwaltung . 3. Unbefugte Offenbarung . . . . . . . . . . . . . . IV. Absatz 2a . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Absatz 3 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Mitglieder einer Rechtsanwaltskammer, Abs. 3 S. 1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Berufsmäßig tätige Gehilfen und Personen in Berufsvorbereitung, Abs. 3 S. 2 . . . . . . . 3. Kenntniserlangung aus dem Nachlass, Abs. 3 S. 3 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

M. Gercke

32 33 34 35 37 38 39 40 41 42 42 43 44 45 46 47 48 50

297

StGB

Verletzung von Privatgeheimnissen

StGB

§ 203 StGB C. D. E. F.

Strafgesetzbuch

Subjektiver Tatbestand . . . . . . . . Rechtfertigungsgründe . . . . . . . . Vollendung/Beendigung/Versuch Qualifikation . . . . . . . . . . . . . . .

. . . .

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51 53 57 58

G. Täterschaft/Teilnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . H. Konkurrenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Strafantrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

59 60 61

Literatur: Aldoney Ramírez, Der strafrechtliche Schutz von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen, 2009; Anders, Übermittlung personenbezogener Daten von der Bewährungshilfe an die Polizei, GA 11, 19; Arndt, Die Herausgabe von Stasi-Unterlagen Prominenter, NJW 2004, 3157; Au, Namen und Anschriften von Patienten in steuerlichen Fahrtenbüchern, NJW 1999, 340; Bär, Informationelle Selbstbestimmung und Justiz – Das neue Justizmitteilungsgesetz, CR 1998, 767; Bartsch, Die postmortale Schweigepflicht des Arztes beim Streit um die Testierfreiheit der Patienten, NJW 2001, 861; Behm, Privatgeheimnis und Amtsgeheimnis, AfP 2004, 85; Berger, Die Abtretung ärztlicher Honorarforderungen, NJW 1995, 1584; Biewald, Externe Dienstleister im Krankenhaus und ärztliche Schweigepflicht – eine rechtliche Unsicherheit, DuD 2011, 867; Bock/Wilms, Die Verletzung von Privatgeheimnissen (§ 203 StGB), JuS 2011, 24; Bohnert, Der beschuldigte Amtsträger zwischen Aussagefreiheit und Verschwiegenheitspflicht, NStZ 2004, 301; Bongen/Kremer, Probleme der Abwicklung ärztlicher Privatliquidationen durch ärztliche Verrechnungsstellen, NJW 1990, 2911; Bornkamm, Berichterstattung über schwebende Strafverfahren und das Persönlichkeitsrecht des Beschuldigten, NStZ 1983, 102; Bräutigam, § 203 StGB und der funktionale Unternehmensbegriff, CR 2011, 411; Brötel, Reden ist Silber, Schweigen ist Gold? 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M. Gercke

Rz. 3 § 203 StGB

digitale Verschwiegenheitspflicht, DNotZ-Sonderheft 2012, 120; Redeker, Der Syndikusanwalt als Rechtsanwalt, NJW 2004, 889; Rieger, Praxisverkauf und ärztliche Schweigepflicht, MedR 1992, 147; Riekenbrauk, Babyklappen und Zeugnisverweigerungsrecht, ZfJ 2003, 136; Risse/Reichert, Offenlegung eines vertraulichen Vergleichsangebots – Kavaliersdelikt oder strafbarer Geheimnisverrat?, NJW 2008, 3680; Rogall, Die Verletzung von Privatgeheimnissen (§ 203 StGB), NStZ 1983, 1; Roßnagel, Datenschutz bei Praxisübergabe, NJW 1989, 2303; Roxin, Das Zeugnisverweigerungsrecht des Syndikusanwalts, NJW 1992, 1133; Rüpke, Das Anwaltsgeheimnis auf dem Prüfstand des Strafrechts, NJW 2002, 2835; Schäfer, Die Einsicht in Strafakten durch Verfahrensbeteiligte und Dritte, NStZ 1985, 198; Schelzke, Die iCloud als Gefahr für den Rechtsanwalt?, HRRS 2013, 86; Schenkel, Keine berufsbezogene Schweigepflicht hauptamtlicher Bewährungshelfer, NStZ 1995, 67; Schmidt, Der Arzt im Strafrecht, 1939; Schmidt-Beck, Rechtliche Aspekte der EDV-gestützten ärztlichen Dokumentation, NJW 1991, 2335; Schmitz, Verletzung von (Privat)geheimnissen – Der Tatbestand des § 203 StGB, JA 1996, 772; Schmitz, Verletzung von (Privat)geheimnissen – Qualifikationen und ausgewählte Probleme der Rechtfertigung, JA 1996, 949; Schnapp, Amtshilfe, behördliche Mitteilungspflichten und Geheimhaltung, NJW 1980, 2165; Scholz, Schweigepflicht des Berufspsychologen und Mitbestimmung des Betriebsrats bei psychologischen Einstellungsuntersuchungen, NJW 1981, 1987; Schons, Die Pflicht des Anwalts zur Verschwiegenheit, AnwBl 2007, 441; Sieber, Der strafrechtliche Schutz des Arzt- und Patientengeheimnisses unter den Bedingungen der modernen Informationstechnik, FS Eser, 1155; Spickhoff, Postmortaler Persönlichkeitsschutz und ärztliche Schweigepflicht, NJW 2005, 1982; Taschke, Akteneinsicht und Geheimnisschutz im Strafverfahren, CR 1989, 299; Taupitz, Die ärztliche Schweigepflicht in der aktuellen Rechtsprechung des BGH, MDR 1992, 421; Theuner, Die ärztliche Schweigepflicht im Strafrecht, 2009; Tiedemann, Datenübermittlung als Straftatbestand, NJW 1981, 945; Timm, Grenzen der ärztlichen Schweigepflicht, 1988; Vogel, Zum strafrechtlichen Schutz des Sozialgeheimnisses, 1994; Waider, Ärztliche Schweigepflicht im psychiatrischen Krankenhaus, R&P 2006, 65; Weichert, Datenschutz auch bei Anwälten?, NJW 2009, 550; Wente, Persönlichkeitsschutz und Informationsrecht der Öffentlichkeit im Strafverfahren, StV 1988, 216; Würthwein, Innerorganisatorische Schweigepflicht im Rahmen des § 203 StGB, Diss. Tübingen 1992; Würz-Bergmann, Abtretung von Honorarforderungen schweigepflichtiger Gläubiger, 1993; Zieger, Zur Schweigepflicht des Anstaltsarztes, StV 1981, 559.

A. Grundsätzliches Die 1974 in das StGB eingefügte Norm stellt eine zentrale Komponente des strafrechtlichen Geheimnisschutzes 1 dar. Kriminalisiert wird die unbefugte Offenbarung von fremden Geheimnissen, die dem Täter im Rahmen einer der erwähnten Funktionen bekannt geworden sind. Ergänzt wird der strafrechtliche Geheimnisschutz im StGB um zahlreiche Vorschriften im Nebenstrafrecht. Zu den besonders praxisrelevanten gehören § 85 GmbHG, § 333 HGB und § 120 BetrVG. In der Polizeilichen Kriminalstatistik für das Jahr 2013 sind lediglich 545 erfasste Fälle des § 203 StGB verzeichnet. Absatz 1 schützt als Rechtsgut in erster Linie das Individualinteresse betroffener Personen und Unternehmen1 2 an der Geheimhaltung bestimmter Tatsachen.2 Nach h.M. dient die Norm mithin nicht der ungestörten Berufsausübung der aufgezählten Berufsträger.3 Das Rechtsgut steht damit in direktem Bezug zu dem gem. Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 GG geschützten Recht auf informationelle Selbstbestimmung.4 Demnach liegt es in der Dispositionsbefugnis des Einzelnen zu entscheiden, unter welchen Umständen Geheimnisse offenbart werden. Der Schutzbereich der Norm fokussiert sich auf bestimmte Verpflichtete. Mithin wird allgemein verbindlicher Geheimnisschutz angestrebt. Hintergrund ist der Umstand, dass die Angehörigen der aufgeführten Berufsgruppen im Rahmen der regulären Ausübung ihrer Tätigkeit regelmäßig mit im besonderen Maße schützenswerten Informationen in Berührung kommen.5 Ob neben den Individualinteressen auch das Allgemeininteresse an einer Verschwiegenheit der Angehörigen bestimmter Berufe, ohne das eine Ausübung regelmäßig nicht erfolgen kann, geschützt wird, ist umstritten.6 Zutreffend lässt sich die Auffassung vertreten, dass Allgemeininteressen zumindest mittelbar geschützt werden.7 Auch bei Absatz 2 steht der Schutz von Individualinteressen im Vordergrund.8 Geschützt wird das Interesse an 3 der Geheimhaltung bestimmter Tatsachen durch die genannten Mitglieder der Verwaltung, die aufgrund ihrer Tätigkeit einen den Verpflichteten in Absatz 1 vergleichbaren Zugang zu geheimhaltungsbedürftigen Informationen und eine damit einhergehende Vertrauensstellung innehaben. Auch in diesem Zusammenhang wird ein mittelbarer Schutz von Allgemeininteressen aber zumindest vertreten.9

1 2 3 4 5 6

Rogall, NStZ 1983, 4. BayObLG v. 21.8.1986 – BReg. 1 Z 34/86, NJW 1987, 1492; OLG Hamburg v. 22.1.1998 – 2 Ss 105/07, NStZ 1998, 358. Weidemann in BeckOK-StGB, § 203 Rz. 2. BVerfG v. 14.12.2001 – 2 BvR 152/01, NJW 2002, 2164. Schünemann in LK-StGB, § 203 Rz. 15; Lenckner/Eisele in S/S-StGB, § 203 Rz. 3. Ablehnend Eser, ZStW 97, 40; Hoyer in SK-StGB, § 203 Rz. 3; Ostendorf, JR 1981, 444; Rogall, NStZ 1983, 4; Schünemann, ZStW 90, 51; Schünemann in LK-StGB, § 203 Rz. 14. 7 Lenckner/Eisele in S/S-StGB, § 203 Rz. 3. 8 Haft, NJW 1979, 1194; Schünemann in LK-StGB, § 203 Rz. 15. 9 Lenckner/Eisele in S/S-StGB, § 203 Rz. 3.

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StGB

Verletzung von Privatgeheimnissen

StGB

§ 203 StGB Rz. 4

Strafgesetzbuch

B. Objektiver Tatbestand I. Absatz 1 1. Geheimnis 4

Zentrales Tatbestandselement ist der Begriff des Geheimnisses. Davon umfasst sind Tatsachen, die nur einem beschränkten Personenkreis bekannt sind und nach dem Interesse des betroffenen Geheimnisträgers nicht weiter bekannt werden sollen.1 Die in der Norm erwähnten Geheimnisse des persönlichen Lebensraums und Betriebsgeheimnisse sind nur beispielhaft genannt und nicht abschließend, so dass auch politische Geheimnisse oder Staatsgeheimnisse umfasst sein können.

5

Als Geheimnisträger kommen nicht nur natürliche Personen, sondern auch juristische Personen in Betracht.2 Auch der Tod des Geheimnisträgers lässt die Geheimniseigenschaft gem. Absatz 3 grundsätzlich nicht entfallen.

6

Der Begriff des Geheimnisses ist nicht auf typischerweise geheimhaltungswürdige Aspekte beschränkt, sondern umfasst Tatsachen beliebiger Art.3 Der Anwendungsbereich der Norm ist nur erfüllt, wenn die Tatsache nur einem beschränkten Personenkreis bekannt ist.4 Eine Grenzziehung, wann die Größe des Personenkreises, der die Tatsache bekannt ist, einen Umfang angenommen hat, der der Annahme eines Geheimnisses entgegensteht, ist von den Umständen des Einzelfalls abhängig. Werden Informationen über soziale Medien mit einem „Freundeskreis“ von mehreren hundert Personen geteilt, liegt aufgrund der regelmäßig fehlenden persönlichen Verbundenheit regelmäßig eine Kundgabe an die Öffentlichkeit vor. Öffentlich bekannte Tatsachen sind aber vom Geheimnisbegriff nicht umfasst.5 Dies gilt insbesondere für Tatsachen, die Gegenstand öffentlicher Gerichtsverfahren6 waren oder in Registern wie dem Handelsregister oder dem Vereinsregister eingetragen sind.7 Der Umstand, dass bestimmte Tatsachen Gegenstand von Gerüchten sind, hindert die Einordnung als Geheimnis nicht.8 Ob eine öffentlich bekannte Tatsache nach Ablauf einer Zeit wieder zu einem Geheimnis werden kann, ist umstritten.9 Vor dem Hintergrund der Tendenzen zu einer dauerhaften Abrufbarkeit von Informationen im Internet dürfte sich ein solcher Entwicklungsprozess trotz der EuGH-Entscheidung zum umgangssprachlichen „Recht auf Vergessen“ zukünftig außerhalb des nichtöffentlichen Bereichs schwerer rechtfertigen lassen.10

7

Umstritten ist, ob allein auf einen Geheimhaltungswillen, allein auf ein sachlich begründetes Interesse oder eine Kombination aus beidem abzustellen ist. Die wohl h.M. stellt auf ein sachlich begründetes Geheimhaltungsinteresse des Betroffen ab, ohne dass es auf eine entsprechende Willensbildung ankommen solle.11 Teilweise wird das Vorhandensein eines Geheimhaltungswillens als Korrektiv gefordert, mit dem insbesondere die Fälle bewusster Weitergabe durch den Betroffenen erfasst werden können, bei denen es nach der Auffassung der Vertreter dieser Meinung an einem Geheimhaltungswillen fehlt.12

8

An das Interesse des Geheimnisträgers an der Geheimhaltung sind keine zu hohen Anforderungen zu stellen.13 Nicht nur typischerweise erfasste Umstände wie schwere Krankheit oder finanzielle Probleme, sondern bereits der Aufenthalt in einem Krankenhaus oder das Bestehen eines Mandatsverhältnisses14 können ein Interesse des Geheimnisträgers begründen. 2. Fremdes Geheimnis

9

Der Schutzbereich der Norm beschränkt sich auf fremde Geheimnisse, die mithin eine andere natürliche oder juristische Person betreffen müssen.15 Nicht erforderlich ist, dass der Geheimnisträger selbst der gem. § 203 StGB verpflichteten Person das Geheimnis anvertraut hat (Drittgeheimnis).

1 OLG Köln v. 4.7.2000 – Ss 254/00, NJW 2000, 3656; OLG Dresden v. 11.9.2007 – 2 Ws 163/07 – NJW 2007, 3509f; Fischer, StGB, § 203 Rz. 4; Lenckner/Eisele in S/S-StGB, § 203 Rz. 5, Schünemann in LK-StGB, § 203 Rz. 19; Cekin, ZIS 2012, 426; Bräutigam, CR 2011, 412; Kett-Straub/Linke, JuS 2008, 717; Bock/Wilms, JuS 2011, 24; Eisele, ZIS 2011, 357. 2 Cierniak/Pohlit in MüKo-StGB, § 203, Rz. 27. 3 Scholz, NJW 1981, 1988. 4 Lenckner/Eisele in S/S-StGB, § 203, Rz. 6. 5 Fischer, StGB, § 203 Rz. 5; Lenckner/Eisele in S/S-StGB, § 203 Rz. 6; Weidemann in BeckOK-StGB, § 203 Rz. 4. 6 OLG Köln v. 4.7.2000 – Ss 254/00, NJW 2000, 3656. 7 Lenckner/Eisele in S/S-StGB, § 203 Rz. 6. 8 BGH v. 8.11.1965 – 8 StE 1/65, NJW 1966, 1227; Lenckner/Eisele in S/S-StGB, § 203 Rz. 6. 9 Bejahend OLG Köln v. 4.7.2000 – Ss 254/00, NJW 2000, 3656. 10 EuGH v. 13.5.2014 – C 131/12, GRUR 2014, 895. 11 OLG Frankfurt v. 11.1.2005 – 3 Ws 1003/04, NStZ-RR 2005, 235; OLG Köln v. 4.7.2000 – Ss 254/00, NJW 2000, 3656; Lenckner/Eisele in S/S-StGB, § 203 Rz. 5, Schünemann in LK-StGB, § 203 Rz. 27; Bock/Wilms, JuS 2011, 25. 12 OLG Hamm v. 22.2.2001 – 2 Ws 9/01, NJW 2001, 1957. 13 Lenckner/Eisele in S/S-StGB, § 203 Rz. 7. 14 Oetterich, DStR 2013, 2483. 15 Weidemann in BeckOK-StGB, § 203 Rz. 7.

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Rz. 15 § 203 StGB

3. Persönlicher Lebensbereich Der Begriff des persönlichen Lebensbereichs ist weit auszulegen und umfasst nicht nur die Intim- und Privat- 10 sphäre. Vom Anwendungsbereich ausgenommen sind hingegen die separat aufgeführten Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse. 4. Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse Die sich teilweise überschneidenden Begriffe beziehen Tatsachen, die mit einem Geschäftsbetrieb im Zusam- 11 menhang stehen, in den Anwendungsbereich der Norm ein. Erforderlich ist, dass der Unternehmer ein wirtschaftliches Interesse an der Geheimhaltung hat.1 Dies wurde für organisatorische Informationen wie interne Diensteinteilungen von der Rspr. abgelehnt.2 Umfasst wird aber der Schutz von Know-How,3 Marktstrategien, Kundenlisten4 und steuerlichen Thematiken5 des Unternehmens. Gleiches gilt für Herstellungsverfahren,6 Angebote aus einem Ausschreibungsverfahren7 und Informationen über technische Innovationen. 5. Anvertrauen Ein Anvertrauen liegt vor, wenn das Geheimnis dem Täter im unmittelbaren Zusammenhang mit seiner be- 12 ruflichen Tätigkeit mitgeteilt worden ist.8 Erforderlich ist, dass die Einweihung entweder ausdrücklich unter Auflage des Geheimhaltens oder doch zumindest unter Umständen erfolgte, aus denen sich eine Verpflichtung ergibt.9 Daran fehlt es regelmäßig, wenn einem Rechtsanwalt Informationen von einem befreundeten Mandanten nach Beendigung des Mandantsgesprächs beim persönlichen Abendessen oder im Rahmen der Ausübung einer Nebentätigkeit10 bekannt werden. Nicht erforderlich ist hingegen, dass ein unmittelbarer Zusammenhang mit der in Anspruch genommenen Dienstleistung besteht, so dass auch allgemeine Aussprachen bei der Mandantsanbahnung und sogar gegen den Willen des Dienstleisters mitgeteilte Geheimnisse anvertraut werden können. Probleme bei der Abgrenzung zwischen beruflicher und außerberuflicher Kenntnisnahme ergeben sich ins- 13 besondere bei den in § 203 StGB genannten Berufsgruppen, z.B. bei Sozialarbeitern, deren Tätigkeitsfeld sich schwer eingrenzen lässt. In der Literatur wird diesbezüglich die Auffassung vertreten, den Anwendungsbereich der Norm auf Aufgaben zu beschränken, die mit der spezifischen Ausbildung korrelieren und deren Ausübung eine Strafbarkeit rechtfertigendes Vertrauen in die Verschwiegenheit voraussetzt.11 6. Sonstiges Bekanntwerden Ein sonstiges Bekanntwerden liegt vor, wenn der Täter das Geheimnis auf andere Weise als durch Bekannt- 14 gabe im Rahmen und mit innerem Zusammenhang zur Ausübung seiner beruflichen Tätigkeit erlangt hat.12 Geschützt wird der Geheimnisträger insofern vor dem Umstand, dass die Erbringung bestimmter Dienstleistungen regelmäßig mit der Möglichkeit weitergehender und ungehinderter Kenntnisnahme von Geheimnissen einhergeht. Dies ist bspw. bei der Entdeckung einer bislang vom Geheimnisträger gar nicht erkannten Strafbarkeit im Rahmen einer gutachterlichen Prüfung durch einen Anwalt der Fall. 7. Offenbaren Ein Offenbaren eines Geheimnisses umfasst jede Mitteilung des Geheimnisses an einen Dritten, von dem 15 dieser aus Sicht des Offenbarenden noch keine oder keine sichere Kenntnis hat.13 Voraussetzung ist weiterhin, dass dem Dritten das Geheimnis zumindest teilweise in der mitgeteilten Form noch nicht bekannt war.14 Werden Informationen vor der Weitergabe anonymisiert, so dass sich zwar der Sachverhalt als solcher, nicht aber 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13

14

Lenckner/Eisele in S/S-StGB, § 203 Rz. 11; OLG Köln v. 21.8.2009 – 81 Ss 52-53/09, NJW 2010, 166. OLG Köln v. 21.8.2009 – 81 Ss 52-53/09, NJW 2010, 166. Lackner in Lackner/Kühl, § 203 Rz. 14. Lenckner/Eisele in S/S-StGB, § 203 Rz. 11. LG Konstanz v. 20.12.1991 – 1 HO 36/91, NJW 1992, 1241. RG v. 14.3.1907 – VI 425/06, RGZ 65, 333. BGH v. 10.5.1995 – 1 StR 764/94, NJW 1995, 2301. OLG Köln v. 30.11.1982 – 3 Zs 126/82, NStZ 1983, 412; OLG Köln v. 4.7.2000 – Ss 254/00, NJW 2000, 3657; Schünemann in LK-StGB, § 203 Rz. 24; Lenckner/Eisele in S/S-StGB, § 203 Rz. 12. OLG Köln v. 30.11.1982 – 3 Zs 126/82, NStZ 1983, 412. Cierniak/Pohlit in MüKo-StGB, § 203 Rz. 39. Vgl. dazu Heckel, NVwZ 1994, 228. Lenckner/Eisele in S/S-StGB, § 203 Rz. 15; Schmitz, JA 1996, 776. OLG Köln v. 21.8.2009 – 81 Ss 52-53/09, NJW 2010, 166; Fischer, StGB, § 203 Rz. 30; Schünemann in LK-StGB, § 203 Rz. 41; Lackner in Lackner/Kühl, § 203 Rz. 17; Weidemann in BeckOK-StGB, § 203 Rz. 31; Lenckner/Eisele in S/S-StGB, § 203 Rz. 19; Bock/Wilms, JuS 2011, 26; Cierniak/Pohlit in MüKo-StGB, § 203 Rz. 48; Cekin, ZIS 2012, 426; Giesen, NStZ 2012, 126; Bräutigam, CR 2011, 412; Heghmanns/Niehaus, NStZ 2008, 57. BGH v. 18.8.1995 – IX ZR 220, 94, NJW 1995, 2915; Fischer, StGB, § 203 Rz. 30a; Lackner in Lackner/Kühl, § 203 Rz. 17; Michalski/Römermann, NJW 1996, 1308; Otto, wistra 1999, 202.

M. Gercke

301

StGB

Verletzung von Privatgeheimnissen

StGB

§ 203 StGB Rz. 16

Strafgesetzbuch

der Geheimnisträger erkennen lässt, liegt kein Offenbaren eines Geheimnisses vor.1 Dies ermöglicht es Berufsträgern, den fachlichen Austausch zu suchen. Unerheblich ist, ob der Empfänger selbst schweigepflichtig ist.2 Eine dienstlich gebotene Weitergabe von Informationen innerhalb einer Behörde oder an eine Aufsichtsbehörde wird hingegen nicht erfasst.3 Vor dem Hintergrund der Ausrichtung der Norm auf eine Wahrung von Geheimnissen kann ein Offenbaren auch durch Unterlassen erfolgen.4 Umstritten ist dabei, ob ein Herumliegenlassen, das Dritten die Möglichkeit der Kenntnisnahme gibt, ausreicht.5 Zutreffend wird in der Literatur auf die Notwendigkeit einer Beschränkung der Unterlassungsstrafbarkeit auf Fälle der Kenntnisnahme oder des Ingewahrsamnehmens von Dokumenten durch Dritte gefordert.6 8. Unbefugte Offenbarung 16

Die Offenbarung muss unbefugt sein. Die Einordnung dieses Merkmals ist umstritten.7 Teilweise wird die Auffassung vertreten, es handele sich in jedem Fall um ein solches, das im Bereich der Rechtswidrigkeit zu prüfen sei. Vorzugswürdig erscheint es aber, dem Merkmal eine Doppelfunktion zuzubilligen. Demnach wirkt es im Hinblick auf die Zustimmung des Verfügungsberechtigten tatbestandsausschließend und in Bezug auf anderweitige Befugnisse rechtfertigend.8 Sofern der Verfügungsberechtigte seine Zustimmung zur Offenbarung des Geheimnisses gibt, lässt dies vor dem Hintergrund, dass die Norm schwerpunktmäßig das Individualinteresse des Geheimnisträgers schützt, den Tatbestand entfallen.9

17

Eine Offenbarung, die mit Zustimmung des Verfügungsberechtigten erfolgt, ist nicht unbefugt. Verfügungsberechtigt ist zunächst der Geheimnisträger selbst. Bei natürlichen Personen ist grundsätzlich auf die Person des Geheimnisträgers abzustellen.10 Betrifft das Geheimnis eine juristische Person, ist das vertretungsberechtige Organ für die Erteilung des Einverständnisses unabhängig davon zuständig, wer dem Schweigepflichtigen das Geheimnis mitgeteilt hat.11

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Problematisch gestalten sich die Fälle des Drittgeheimnisses, bei denen mithin Anvertrauender und Geheimnisträger auseinanderfallen. Bei Drittgeheimnissen kann der Mitteilende neben dem Geheimnisträger verfügungsberechtigt sein.12

19

Erforderlich ist, dass das Einverständnis eine konkret geheim zu haltende Tatsache betrifft.13 Es kann sowohl für einen Geheimnisbereich erteilt als auch auf bestimmte Geheimnisse beschränkt werden. Sofern zur Ermöglichung einer Zeugenaussage eine Entbindung von der Schweigepflicht erfolgt, bezieht sich diese nur auf konkrete Verfahren und führt nicht zu einer darüber hinausgehenden Befugnis.14 Auch die Beschränkung auf die Offenbarung an bestimmte Personen ist zulässig.15

20

Die Erteilung des Einverständnisses ist grundsätzlich nicht an eine bestimmte Form gebunden, so dass auch mündlich erteilte Einverständnisse wirksam sind. Dies gilt auch dann, wenn gesetzliche Regelungen (wie z.B. § 4a Abs. 1 S. 3 BDSG) eine Schriftform vorsehen.16 Neben einem ausdrücklichen ist auch ein konkludent erteiltes Einverständnis möglich. Erforderlich ist aber, dass der Wille des Verfügenden im Verhalten hinreichend deutlich zum Ausdruck kommt, wobei rein passives Dulden nicht ausreicht.17 In der Inanspruchnahme ärztlicher Leistungen liegt daher nicht die konkludente Einwilligung in die Übergabe der Patientendaten an eine externe Verrechnungsstelle.18

1 Schünemann in LK-StGB, § 203 Rz. 42; Wiedemann in BeckOK-StGB, § 203 Rz. 31. 2 Lackner in Lackner/Kühl, § 203 Rz. 17; Fischer, StGB, § 203 Rz. 30b; Schmitz, JA 1996, 777; Gramberg-Danielsen, NJW 1998, 2709. 3 Fischer, StGB, § 203 Rz. 41; Lackner in Lackner/Kühl, StGB, § 203 Rz. 21; Bräutigam, CR 2011, 411; Otto, wistra 1999, 203. 4 Eisele/Lenckner in S/S-StGB, § 203 Rz. 20. 5 Langkeit, NStZ 1994, 6. 6 Schünemann in LK-StGB, § 203 Rz. 46. 7 Zum Meinungsstreit vgl. Lenckner/Eisele in S/S-StGB, § 203 Rz. 21; Cierniak/Pohlit in MüKo-StGB, § 203 Rz. 55; Fischer, StGB, § 203 Rz. 31. 8 Lenckner/Eisele in S/S-StGB, § 203 Rz. 21; Weidemann in BeckOK-StGB, § 203 Rz. 33; Fischer, StGB, § 203 Rz. 31; Cierniak/Pohlit in MüKo-StGB, § 203 Rz. 55; a.A.: OLG Köln v. 29.10.1961 – Zs 859/60, NJW 1962, 686. 9 OLG Köln v. 19.10.1961 – Zs 859/60, NJW 1962, 686; Cierniak/Pohlit in MüKo-StGB, § 203 Rz. 55. 10 Lenckner/Eisele in S/S-StGB, § 203 Rz. 23. 11 Lenckner/Eisele in S/S-StGB, § 203 Rz. 23a. 12 OLG Köln v. 30.11.1982 – 3 Zs 126/82, NStZ 1983, 412; Schünemann in LK-StGB, § 203 Rz. 99; Rüpke, NJW 2002, 2835. 13 Weidemann in BeckOK-StGB, § 203 Rz. 34. 14 BGH v. 2.6.2005 – 4 StR 64/05, NStZ 2005, 236. 15 Scholz, NJW 1981, 1989. 16 Sieber, FS Eser, S. 1179. 17 Lenckner/Eisele in S/S-StGB, § 203 Rz. 24b. 18 Lips/Schönberger, NJW 2007, 1568; Cierniak/Pohlit in MüKo-StGB, § 203 Rz. 66.

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M. Gercke

Rz. 26 § 203 StGB

Unter Anwendung der grundlegenden Regeln der rechtfertigenden Einwilligung ist eine natürliche Einsichts- 21 und Urteilsfähigkeit ausreichend, sofern es auf die Geschäftsfähigkeit ankommt.1 Bei formularmäßig erteilten Einwilligungen kann das fehlende Bewusstsein für die Tragweite der Entscheidung die Wirksamkeit der Einwilligung ausschließen.2 Stirbt der Geheimnisträger, stellt sich die Frage, ob die Verfügungsbefugnis mit dem Tod automatisch auf die 22 Erben oder nächsten Angehörigen übergeht. Zumindest in den Fällen, in denen sich das Geheimnis auf einen Vermögenswert bezieht, der mit dem Tod auf einen Dritten übergeht, geht auch die Verfügungsbefugnis auf diesen über.3 Bei Geheimnissen, die in keiner solchen Verbindung zu einem erbfähigen Vermögenswert stehen, sondern vielmehr dem persönlichen Lebensbereich zugeordnet sind, erlischt hingegen die Verfügungsbefugnis mit dem Tod des Berechtigten.4 9. Personengruppen Die Strafbarkeit ist auf Angehörige der abschließend aufgezählten Berufsgruppen beschränkt. Es handelt sich 23 bei der Zugehörigkeit zur Berufsgruppe um ein besonderes persönliches Merkmal i.S.d. § 28 Abs. 1 StGB.5 Bei zulassungspflichtigen Berufen ist zu berücksichtigen, dass es aufgrund der regelmäßig unterbleibenden Überprüfung der Qualifikation des Berufsträgers durch hilfesuchende Geheimnisträger ausreicht, dass der Täter als Mitglied der Berufsgruppe auftritt, selbst wenn er über keine Berufszulassung verfügt.6 Durch § 203 Abs. 3 erfolgt eine Erweiterung durch die Gleichstellung von Mitgliedern einer Rechtsanwaltskammer mit Rechtsanwälten, der Einbeziehung von Hilfspersonal (Gehilfen) und Personen in der Berufsausbildung. a) Heilberufe, Absatz 1 Nr. 1 Die Auflistung der Heilberufe umfasst zunächst Arzt, Zahnarzt und Apotheker. Auch Tierärzte sind erwähnt; 24 die Aufnahme erfolgte vor dem Hintergrund einer möglichen Übertragung von Krankheiten vom Tier auf den Menschen.7 Ergänzt wird die Gruppe um Angehörige eines anderen Heilberufs, bei denen eine staatlich geregelte Ausbildung gefordert wird. Dazu zählen unter anderem Krankenschwestern und Krankenpfleger (KrPflG), Hebammen (HebG), medizinisch-technische Assistenten (MTAG) und Logopäden (LogopG).8 Bei der Rspr. zu dieser Berufsgruppe spielt das Problem der Abtretung von ärztlichen Honorarforderungen eine zentrale Rolle.9 Hintergrund ist der Umstand, dass viele Mitglieder von Heilberufen die Forderungen nicht mehr selbst einziehen. In rechtlicher Hinsicht ist die Frage der Wirksamkeit der Einwilligung entscheidend, die voraussetzt, dass der Patient eine ausreichende wirtschaftliche Aufklärung erhält.10 Auch die Frage der Zugriffsberechtigung der Finanzbehörden, die besondere organisatorische Anforderungen an die Organisation der Datenverarbeitung stellt, hat die Rspr. immer wieder beschäftigt.11 b) Berufspsychologen, Absatz 1 Nr. 2 Zur Berufsgruppe der Berufspsychologen zählen nicht alle Personen, die psychologische Tätigkeiten erbringen. 25 Erforderlich ist vielmehr, dass eine Tätigkeit auf einem der Hauptanwendungsgebiete der Psychologie ausgeübt wird und der Täter eine staatlich anerkannte Abschlussprüfung abgelegt hat.12 Zu den Abschlüssen zählen Diplomprüfungen (im Hauptfach), Master- und Bachelorabschlüsse sowie Promotionen an Universitäten und Hochschulen. Wer Psychologie nur als Hilfswissenschaft betreibt, kann nicht Täter des § 203 Abs. 1 Nr. 2 StGB sein.13 c) Beratungsberufe im Bereich Recht und Wirtschaft, Absatz 1 Nr. 3 Der Berufsgruppe unterfallen insbesondere Rechtsanwälte sowie nicht nur weisungsgebunden handelnde 26 Syndikusanwälte.14 Rechtsbeistände und Prozessagenten werden von Nr. 3 nicht erfasst.15 Aufgrund der Gleichstellung in § 42 Abs. 1 EurAG werden auch europäische Rechtsanwälte in den Anwendungsbereich der 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15

Lenckner/Eisele in S/S-StGB, § 203 Rz. 24. Hollmann, NJW 1987, 2332; Sieber, FS Eser, S. 1170. Hoyer in SK-StGB, § 203 Rz. 79; Schünemann in LK-StGB, § 203 Rz. 117. Schünemann in LK-StGB, § 203 Rz. 117; Lenckner/Eisele in S/S-StGB, § 203 Rz. 25. Fischer, StGB, § 203 Rz. 11; Lackner in Lackner/Kühl, § 203 Rz. 2; Schalast/Safran/Sassenberg, NJW 2008, 1487. Lenckner/Eisele in S/S-StGB, § 203 Rz. 34. Entwurf eines StGB, E-1962, BT-Drucks. V/650, 335. Weiterführend Fischer, § 203 Rz. 12; Lackner in Lackner/Kühl, § 203 Rz. 3; Cierniak/Pohlit in MüKo-StGB, § 203 Rz. 31; Schünemann in LK-StGB, § 203 Rz. 61. Berger, NJW 1995, 1584; Brötel, NJW 1998, 3387; Mennicke/Radtke, MDR 1993, 400; Paulus, NJW 2004, 21. BGH v. 10.10.2013 – III ZR 325/12, CR 2014, 13. Finanzgericht BW v. 16.11.2011 – 4 K 4819/08, DStRE 201, 956. Entwurf eines StGB, E-1962, BT-Drucks. V/650, 335. Lenckner/Eisele in S/S-StGB, § 203 Rz. 36. Roxin, NJW 1992, 1129. Fischer, StGB, § 203 Rz. 14.

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StGB

Verletzung von Privatgeheimnissen

StGB

§ 203 StGB Rz. 27

Strafgesetzbuch

Norm einbezogen. Vertreten wird dies in der Literatur ferner für ausländische Anwälte, deren Tätigkeit im Inland anerkannt ist.1 Die Norm erwähnt weiterhin Patentanwälte und Notare. Letztere werden als Amtsträger i.S.d. § 11 Abs. 1 Nr. 2b StGB ohnehin durch § 203 Abs. 2 StGB erfasst, weshalb in der Literatur die Auffassung vertreten wird, dass die Aufnahme versehentlich erfolgt sei.2 Dies ist aber nicht zutreffend. Die Aufnahme in § 203 Abs. 1 Nr. 3 erfolgte zur Erfassung des Hilfspersonals.3 Auch Wirtschaftsprüfer, vereidigte Buchprüfer, Steuerberater und Steuerbevollmächtigte, die aufgrund ihrer Tätigkeit regelmäßig Kontakt mit Geheimnissen haben, werden in Nr. 3 aufgeführt. Gleiches ist auch der Hintergrund für die Einbeziehung von Organen oder Mitgliedern eines Organs einer Rechtsanwalts-, Patentanwalts-, Wirtschaftsprüfungs-, Buchprüfungs- oder Steuerberatungsgesellschaft. Aufgrund ihrer Funktion haben diese ggf. Zugang zu Geheimnissen, ohne allerdings notwendigerweise selbst Mitglied der Berufsgruppe zu sein. Sofern dies der Fall ist und sich die Schweigepflicht nicht bereits aus § 14 Abs. 1 Nr. 1 StGB ergibt, werden sie gleichwohl in den Anwendungsbereich der Norm einbezogen. Unerheblich ist dabei, ob die Bestellung als Organ oder Mitglied eines Organs wirksam ist – maßgeblich ist die tatsächliche Wahrnehmung.4 d) Beratungsberufen im Zusammenhang mit Ehe, Familie u.Ä., Absatz 1 Nr. 4 27

Von dieser Berufsgruppe werden Mitarbeiter (Berater) erfasst, die in Beratungsstellen tätig sind, die von einer Behörde oder Körperschaft, Anstalt oder Stiftung des öffentlichen Rechts, zu denen auch Kirchen zählen,5 als solche anerkannt sind. Hintergrund der Einbeziehung ist der Umstand, dass die Beratungsleistungen regelmäßig nur erbracht werden können, wenn ein Vertrauensverhältnis zwischen dem Betreuten und dem Berater aufgebaut werden kann.6 Dies betrifft insbesondere die Drogentherapie.7 Mit der Einbeziehung dieser Berufsgruppe in den Anwendungsbereich der Norm wird die Grundlage für eine Bereitschaft der Betreuten zur Offenbarung von Geheimnissen geschaffen.8 Nicht anerkannte rein private Vereinigungen oder Jugendgruppen werden nicht erfasst.9 Obwohl außerhalb von anerkannten Beratungsstellen tätige Berater mitunter das gleiche Vertrauen erwarten, sind nur die bei einer der genannten Stellen tätigen Mitarbeiter erfasst. Im Einzelfall können außerhalb solcher organisatorischen Rahmenbedingungen arbeitende Berater aber über Nr. 1 und Nr. 2 erfasst sein. Die Einbeziehung von Familienberatern erfolgte vor dem Hintergrund, dass bei Beratungen und Therapien häufig die gesamte Familie einbezogen wird und eine Abgrenzung innerhalb der einzelnen Beratungsformen ohnehin kaum möglich ist.10 e) Schwangerschaftsberatung, Absatz 1 Nr. 4a

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Dieser Berufsgruppe unterfallen nur Mitglieder oder Beauftragte der nach § 3 und § 8 des SchKG anerkannten Beratungsstellen. § 3 SchKG betrifft u.a. die Sexualaufklärung, Verhütung und Familienplanung, § 8 SchKG die Schwangerschaftskonfliktberatung, deren Inhalt und Durchführung in §§ 5 f. SchKG näher geregelt ist. Die Beratung setzt den Beratungsansatz des § 219 StGB um. Neben Mitgliedern der anerkannten Beratungsstellen werden auch Beauftragte erfasst, die nicht selbst bei der Institution tätig sind, aber für diese Beratungen durchführen.11 Dem Anwendungsbereich des § 203 StGB unterfallen die Mitglieder und Berater nur, wenn sie die gesetzlich spezifizierten Beratungsleistungen erbringen und in diesem Zusammenhang Kenntnis von Geheimnissen erlangen.12 Die Tätigkeit eines Mitglieds oder Beauftragten im Bereich der Adoptionsbetreuung13 oder beim Betrieb einer Babyklappe führt nach zutreffender Auffassung nicht zu einer Schweigepflicht gem. Nr. 4a. f) Sozialarbeiter und Sozialpädagogen, Absatz 1 Nr. 5

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Die Einordnung als staatlich anerkannter Sozialarbeiter oder staatlich anerkannter Sozialpädagoge setzt regelmäßig ein abgeschlossenes Hoch- oder Fachhochschulstudium voraus.14 Andere Fachkräfte im Bereich der sozialen Betreuung, die über keine staatliche Anerkennung verfügen, wie dies z.B. bei Erziehern,15 Kindergärtne1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13

Lenckner/Eisele in S/S-StGB, § 203 Rz. 37. Fischer, StGB, § 203 Rz. 14. Entwurf eines StGB, E-1962, BT-Drucks. V/650, 335. Lenckner/Eisele in S/S-StGB, § 203 Rz. 37. Lenckner/Eisele in S/S-StGB, § 203 Rz. 37. Entwurf eines StGB, E-1962, BT-Drucks. V/650, 335. LG München v. 18.7.1995 – 8 Qs 22/95, StV 1996, 141. Entwurf eines StGB, E-1962, BT-Drucks. V/650, 336. OLG Stuttgart v. 17.5.2006 – 1 Ws 128/06, NJW 2006, 2197. Entwurf eines Gesetzes zur Neuordnung des Kinder- und Jugendhilferechts, BT-Drucks. 11/5948, 119. Weiterführend Rudolphi in FS Bemmann, S. 416 ff. Lenckner, MuR 1980, 227. Zum Zeugnisverweigerungsrecht LG Köln v. 9.11.2001 – 102-57/01, NStZ 2002, 332; Neuheuser, JR 2002, 172; Riekenbrauk, ZfJ 2003, 136. 14 Lenckner/Eisele in S/S-StGB, § 203 Rz. 40. So auch bereits Erster Bericht des Sonderausschusses für die Strafrechtsreform zu dem von der BReg eingebrachten Entwurf eines EGStGB, BT-Drucks. 7/1261, 15. 15 Erster Bericht des Sonderausschusses für die Strafrechtsreform zu dem von der BReg eingebrachten Entwurf eines EGStGB, BT-Drucks. 7/1261, 15.

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Rz. 35 § 203 StGB

rinnen oder ehrenamtlichen Bewährungshelfen1 der Fall ist, fallen nicht unter Nr. 5.2 Sozialarbeiter und Sozialpädagogen beziehen sich auf in der Praxis bisweilen überschneidende bis deckungsgleiche Berufsgruppen, wobei sich die Berufsbezeichnung innerhalb der einzelnen Bundesländer unterscheidet, was den Gesetzgeber veranlasst hat, beide Begriffe aufzunehmen.3 g) Schwangerschaftsberatung, Absatz 1 Nr. 6 Die Aufnahme von Angehörigen der Unternehmen der privaten Kranken-, Unfall- oder Lebensversicherung 30 oder einer privatärztlichen, steuerberaterlichen oder anwaltlichen Verrechnungsstelle trägt dem Umstand Rechnung, dass gerade das Verwaltungspersonal bei Krankenkassen und Verrechnungsstellen Zugang zu Geheimnissen erhält und die Gefahr von Indiskretionen nicht ausgeschlossen werden kann.4 Der Begriff der Angehörigen umfasst neben der Unternehmensführung und dem Inhaber alle Bediensteten, die aufgrund ihrer Führungsfunktion potentiell Kontakt mit der Schweigepflicht unterliegenden Tatsachen erhalten können.5 Dazu zählen selbständige Versicherungsvertreter6 und selbständige Versicherungsagenten.7 Ob auch selbständige Versicherungsmakler umfasst werden, ist umstritten.8 Umfasst werden von der Norm aufgrund des eindeutigen Wortlauts nur Beschäftige bei privaten Versicherungen. Öffentlich-rechtliche Versicherungsträger werden von § 203 Abs. 2 erfasst.

II. Absatz 2 Die Tatbestandsvoraussetzungen des Absatzes 2 entsprechen weitgehend denen des Absatzes 1 (vgl. oben 31 Rz. 4 ff.), weshalb im Folgenden nur auf die Besonderheiten eingegangen wird. 1. Geheimnis Das Tatobjekt von Absatz 2 ist im Wesentlichen identisch mit dem des Absatzes 1. Eine weitere Besonderheit 32 besteht im Bankensektor. Während Privatbanken nicht von § 203 Abs. 1 StGB erfasst werden,9 unterfallen öffentliche Sparkassen § 203 Abs. 2.10 Dies hat insbesondere Auswirkungen auf die Handhabung der Abtretung von Darlehnsforderungen.11 2. Fremdes Geheimnis Reine Staatsgeheimnisse, die keine den Staat selbst betreffende Komponenten enthalten, sind im Hinblick auf 33 die in Absatz 2 genannten Personen keine fremden Geheimnisse.12 Normzweck ist nicht die Sicherung der Verschwiegenheit der Repräsentanten des Staates im Innenverhältnis.13 Sofern ein Amtsträger ein solches reines Staatsgeheimnis preisgibt, bei dem Geheimnisträger nicht auch ein Dritter ist, macht sich dieser nicht gem. § 203 Abs. 2, ggf. aber nach § 353b StGB strafbar. 3. Anvertrauen/Sonstiges Bekanntwerden Vor dem Hintergrund, dass Geheimnisse grundsätzlich nicht einem Amtsträger persönlich anvertraut und über 34 diesen an eine Behörde herangetragen werden, genügt es für ein Anvertrauen oder Bekanntwerden, wenn dieses nur mittelbar über den Behördenweg erfolgt.14 4. Täterkreis a) Amtsträger, Absatz 2 Nr. 1 Der Begriff des Amtsträgers ist in § 11 Abs. 1 Nr. 3 StGB legaldefiniert und umfasst neben Beamten und Rich- 35 tern insbesondere mit besonderer Funktion versehene Angestellte in der öffentlichen Verwaltung. Dies gilt nicht

1 A.A. Lenckner/Eisele in S/S-StGB, § 203 Rz. 40. 2 Fischer, StGB, § 203 Rz. 17; Lackner in Lackner/Kühl, § 203 Rz. 5, Cierniak/Pohlit in MüKo-StGB, § 203 Rz. 36; Weidemann in BeckOK-StGB, § 203 Rz. 19. 3 Erster Bericht des Sonderausschusses für die Strafrechtsreform zu dem von der BReg eingebrachten Entwurf eines EGStGB, BT-Drucks. 7/1261, 15. 4 Entwurf eines StGB, E-1962, BT-Drucks. V/650, 336. 5 Fischer, StGB, § 203 Rz. 18. 6 BGH v. 10.2.2010 – VIII ZR 53/09, NJW 2010, 2509. 7 Schünemann in LK-StGB, § 203 Rz. 70; Cierniak/Pohlit in MüKo-StGB, § 203 Rz. 37. 8 Cierniak/Pohlit in MüKo-StGB, § 203 Rz. 37; offengelassen von Lenckner/Eisele in S/S-StGB, § 203 Rz. 44. 9 Lenckner/Eisele in S/S-StGB, § 203 Rz. 34. 10 Cierniak/Pohlit in MüKo-StGB, § 203 Rz. 93. 11 BGH v. 27.10.2009 – XI ZR 225/08, NJW 2010, 361. 12 Schünemann in LK-StGB § 203 Rz. 44. 13 Lenckner/Eisele in S/S-StGB, § 203 Rz. 44a. 14 Lenckner/Eisele in S/S-StGB, § 203 Rz. 44.

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StGB

Verletzung von Privatgeheimnissen

StGB

§ 203 StGB Rz. 36

Strafgesetzbuch

nur für die nationale Verwaltung, sondern bei Gleichstellung, wie z.B. § 8 EuropolG,1 auch für EU-Beamte.2 Umfasst werden aufgrund der öffentlich-rechtlichen Ausgestaltung auch leitende Personen in öffentlichen Banken wie Sparkassen und Landesbanken.3 36

Bei einer Bestellung ist erforderlich, dass die Person dazu bestellt ist, Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrzunehmen. Dabei handelt es sich um Aufgaben, die ein Hoheitsträger zulässigerweise für sich in Anspruch nimmt,4 wobei zur Wahrnehmung der Aufgaben auch auf Privatrechtssubjekte zurückgegriffen werden kann.5 Ein gerichtlich bestellter Betreuer zählt aufgrund der zivilrechtlichen Natur seiner Tätigkeit nicht zum Personenkreis.6 b) Für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichtete, Absatz 2 Nr. 2

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Gem. § 11 Abs. 1 Nr. 4 StGB umfasst dies insbesondere die Personen, die, ohne Amtsträger zu sein, in der öffentlichen Verwaltung beschäftigt und auf die gewissenhafte Erfüllung ihrer Obliegenheiten aufgrund eines Gesetzes förmlich verpflichtet sind. c) Personalvertretung, Absatz 2 Nr. 3

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Die Personalvertretung dient der Interessenvertretung der Angehörigen der Dienststellen von Bund, Ländern und Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts. Dies umfasst neben dem allgemeinen Personalvertretungsrecht (BPersG) bspw. das Vertretungsrecht der Richter (DRiG), Staatsanwälte (LRiStAG der Länder) und Soldaten.7 Die Einbeziehung in den Anwendungsbereich des § 203 StGB setzt aber voraus, dass die wahrgenommenen Aufgaben über die jedem Bediensteten der öffentlichen Verwaltung zustehenden Rechte hinausgehen. Es muss eine „gesteigerte Funktion“ vorliegen.8 Umfasst werden davon bspw. Mitglieder der Personalräte und der Wahlvorstand.9 d) Ausschussmitglieder, Absatz 2 Nr. 4

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Von Nr. 4 erfasst werden Personen, die nicht selbst Mitglied des Gesetzgebungsorgans sind, sondern Mitglied oder Hilfskraft eines Ausschusses, der für ein Gesetzgebungsorgan des Bundes oder eines Landes tätig ist. Das gilt insbesondere für Enquete-Kommissionen und Sachverständigenräte, die, ohne Ausschüsse der Parlamente zu sein, diese von außen beraten. Aufgrund des eindeutigen Wortlauts („für“) und des ausdrücklichen Willens des Gesetzgebers nicht umfasst werden Ausschüsse der Gesetzgebungsorgane.10 Abgeordnete werden mithin in den Personenkreis nicht mit einbezogen. Im Rahmen ihrer beratenden oder untersuchenden Tätigkeit können die von Nr. 4 erfassten Personen von Geheimnissen erfahren.11 Sie nehmen dabei aber keine Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahr und unterfallen damit nicht bereits Nr. 2. e) Sachverständige, Absatz 2 Nr. 5

40

Sachverständige haben aufgrund ihrer Tätigkeit häufig die Möglichkeit, Kenntnis von Geheimnissen zu nehmen. Die Intention des Gesetzgebers war es, Sachverständige, die nicht bei einer Behörde tätig sind und mithin nicht bereits von Nr. 2 erfasst werden, in den Anwendungsbereich der Norm einzubeziehen.12 Das Nichtvorliegen der Voraussetzungen von § 201 Abs. 2 Nr. 2 ist daher Voraussetzung für die Einstufung als Sachverständiger i.S.d. § 203 Abs. 2 Nr. 5. Durch die Einbeziehung und die damit einhergehende Strafbarkeit des Geheimnisverrats soll das Vertrauen von Ratsuchenden in die Verschwiegenheit von Sachverständigen gestärkt werden.13 Bei der erfassten Personengruppe handelt es sich um die nach § 36 GewO öffentlich bestellten Sachverständigen.14 Die Verpflichtung ist in § 1 VerpflG geregelt.15

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15

EuropolG v. 16.12.1997, BGBl. II 2150. Fischer, StGB, § 203 Rz. 24. Fischer, StGB, § 203 Rz. 24. KG v. 15.11.1993 – 2 HEs 15/93, NStZ 1994, 242. BGH v. 14.11.2003 – 2 StR 164/03, NJW 2004, 693; BGH v. 18.4.2007 – 5 StR 506/06, NJW 2007, 2932. OLG Düsseldorf v. 5.1.2010 – 25 Wx 71/09, FamRZ 2010, 1191; Weidemann in BeckOK-StGB, § 203 Rz. 25. Grundlegend: Entwurf eines EGStGB, BT-Drucks. 7/550, 241. Entwurf eines EGStGB, BT-Drucks. 7/550, 241. Lenckner/Eisele in S/S-StGB, § 203 Rz. 59a. Entwurf eines EGStGB, BT-Drucks. 7/550, 241. Entwurf eines EGStGB, BT-Drucks. 7/550, 241. Entwurf eines EGStGB, BT-Drucks. 7/550, 241. Entwurf eines EGStGB, BT-Drucks. 7/550, 241. Entwurf eines EGStGB, BT-Drucks. 7/550, 241. Fischer, StGB, § 203 Rz. 28; Weidemann in BeckOK-StGB, § 203 Rz. 28.

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Rz. 45 § 203 StGB

f) Forschungseinrichtungen, Absatz 2 Nr. 6 Auch im Rahmen von Forschungsvorhaben kann ein Zugriff auf Geheimnisse erfolgen. Gleichwohl sind nicht 41 alle Wissenschaftler und Forscher in den Anwendungsbereich der Nr. 6 einbezogen. Der erfasste Personenkreis beschränkt sich vielmehr auf solche, die auf die gewissenhafte Erfüllung ihrer Geheimhaltungspflicht bei der Durchführung wissenschaftlicher Forschungsvorhaben aufgrund eines Gesetzes förmlich verpflichtet worden sind. Dabei hat der Gesetzgeber bei Einführung der Norm auf den Bezug zu § 476 StPO verwiesen.1

III. Absatz 2 S. 2 1. Einzelangaben Gem. Abs. 2 S. 2 stehen im Hinblick auf die in Absatz 2 genannten Personengruppen die für die Aufgaben der 42 öffentlichen Verwaltung erfassten Einzelangaben über persönliche und sachliche Verhältnisse eines anderen den Geheimnissen gleich. Angaben, die öffentlich jederzeit feststellbar sind, sind vom Schutzbereich nicht umfasst.2 Hintergrund der Einbeziehung in den Schutzbereich von Absatz 2 ist die Erkenntnis, dass in zunehmendem Maße entsprechende Daten natürlicher und juristischer Personen erhoben, gespeichert und verarbeitet werden. Nur teilweise sehen Spezialgesetze einen gesonderten Schutz dieser Daten vor. Für personenbezogene Daten sind insbesondere §§ 43, 44 BDSG von Bedeutung. Vor dem Hintergrund der Gefahr einer Rechtszersplitterung und unter Berücksichtigung der Gefahr eines Missbrauchs durch unbefugtes Offenbaren und Verwerten hat sich der Gesetzgeber entschieden, im Hinblick auf die Verpflichteten des Absatzes 2 den Geheimnissen die Einzelangaben gleichzustellen.3 Die konkrete Ausgestaltung der Norm ist in der Literatur auf Kritik gestoßen.4 2. Für Aufgaben der öffentlichen Verwaltung Erforderlich ist, dass die Einzelangaben für die Aufgaben der öffentlichen Verwaltung erfasst wurden, wobei 43 nicht erforderlich ist, dass es sich um den einzigen Zweck handelt.5 Unerheblich ist, ob sie ihrer Bedeutung nach einer Geheimhaltung bedürfen.6 Zu den Einzelangaben zählt bereits die Anschrift.7 Keine Anwendung findet § 203 Abs. 2 gem. Satz 1 im Hinblick auf den zwischenbehördlichen Datenverkehr, sofern der Austausch nicht spezialgesetzlich untersagt wird. Beim innerbehördlichen Datenverkehr fehlt es nach h.M. bereits am Tatbestand des § 203, und es entfällt nicht erst die Rechtswidrigkeit.8 3. Unbefugte Offenbarung Ein (konkludentes) Einverständnis des Betroffenen wie auch das Vorliegen einer gesetzlichen Ausnahmeregelung 44 führen dazu, dass die Handlung nicht unbefugt ist und mithin ein Rechtfertigungsgrund eingreift. Eine konkludente Einwilligung wird insbesondere in den Fällen diskutiert, in denen der Betroffene offensichtlich kein Interesse an einer Geheimhaltung hat, da der Schutzzweck der Norm nicht erfüllt ist.9 Vertreten wird darüber hinaus, dass es an dem Merkmal „unbefugt“ fehlt, wenn die Weitergabe im Interesse des Betroffenen liegt.10 In bereichsspezifischen Spezialgesetzen finden sich eine Reihe von Ausnahmeregelungen, die die Unbefugtheit entfallen lassen. Beispiele11 sind: Übermittlung an BND (§ 8 BNDG), Ersuchen des BVerfSch (§ 17 BVerfSchG), Mitteilungen gegenüber Finanzbehörden (§§ 105, 116 AO), Auskunft aus dem Zentralregister (§§ 30 ff. BZRG), Auskünfte aus dem Verkehrsregister (§§ 30 ff. StVG) und insbesondere Kfz-Halterauskunft (§ 39 StVG), Einsicht in Personenstandsbücher (§ 62 PStG).

IV. Absatz 2a Sowohl öffentliche als auch nicht-öffentliche Stellen sind unter Umständen verpflichtet, einen Datenschutz- 45 beauftragten (intern oder extern) zu bestellen.12 Dies betrifft auch die in § 203 Abs. 1 und § 203 Abs. 2 genannten Geheimnisträger.13 Im Rahmen seiner Tätigkeit als Datenschutzbeauftragter bei einem Geheimnisträger kann der Datenschutzbeauftragte selbst mit Geheimnissen in Kontakt kommen. Gem. Absatz 2a wird auch der Datenschutzbeauftragte, der für einen Geheimnisträger tätig wird und Kenntnis von einem Geheimnis erhält, in den Anwendungsbereich der Norm aufgenommen. Aufgrund der Einschränkung der Norm ist klar1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13

Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Strafverfahrensrechts, BT-Drucks. 14/1484, 35. BayObLG v. 18.1.1999 – 5 St RR 173/98, NJW 1999, 1727. Entwurf EGStGB, BT-Drucks. 7/550, 242. Schünemann, ZStW 90, 26; Schünemann in LK-StGB, § 203 Rz. 48; Tiedemann, NJW 1981, 945. Entwurf EGStGB, BT-Drucks. 7/550, 243. Entwurf EGStGB, BT-Drucks. 7/550, 243. Lenckner/Eisele in S/S-StGB, § 203 Rz. 48. Cierniak/Pohlit in MüKo-StGB, § 203 Rz. 101. Entwurf eines EGStGB, BT-Drucks. 7/550, S. 243. Entwurf eines EGStGB, BT-Drucks. 7/550, S. 243. Weitere Beispiele bei Lenckner/Eisele in S/S-StGB, § 203 Rz. 53a ff. Vgl. zur Verpflichtung zu Bestellung Weitze, DStR 2006, 869; Kaufmann, CR 2012, 413; Zuck, AnwBl. 1996, 549. Vgl. dazu bspw. Püls, DNotZ Sonderheft 2012, 120.

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307

StGB

Verletzung von Privatgeheimnissen

StGB

§ 203 StGB Rz. 46

Strafgesetzbuch

gestellt, dass Datenschutzbeauftragte nicht allgemein der Schweigepflicht unterliegen, sondern nur wenn kumulativ folgende Bedingungen vorliegen:1 Der Datenschutzbeauftragte ist von einem Geheimnisträger (oder einer Stelle i.S.d. BDSG, für die der Geheimnisträger tätig ist) bestellt worden. Er hat im Rahmen der Erfüllung seiner Tätigkeit von dem dem Geheimträger offenbarten Geheimnis Kenntnis erlang. Es handelt sich insofern um eine abgeleitete Schweigepflicht.2

V. Absatz 3 46

§ 203 Abs. 3 sieht unterschiedliche Gleichstellungen vor, die den Anwendungsbereich des Absatzes 1, nicht aber den des Absatzes 2 erweitern. Letzteres ist in der Literatur auf berechtigte Kritik gestoßen.3 1. Mitglieder einer Rechtsanwaltskammer, Absatz 3 S. 1

47

Den von § 203 Abs. 1 Nr. 1 erfassten Rechtsanwälten werden Rechtsbeistände (§ 209 BRAO), die Mitglieder einer Rechtsanwaltskammer sind, ohne selbst Rechtsanwalt zu sein, nicht nur in berufsrechtlicher Hinsicht, sondern bezüglich der Verschwiegenheit auch in strafrechtlicher Hinsicht gleichgestellt. Hintergrund ist der Umstand, dass der Kammerrechtsbeistand berechtigt ist, sich mit Rechtsanwälten in einer Sozietät zu verbinden, da er denselben beruflichen Pflichten unterliegt.4 In der Praxis hat diese Regelung aufgrund der geringen Zahl der Betroffenen nur noch eine untergeordnete Rolle.5 2. Berufsmäßig tätige Gehilfen und Personen in Berufsvorbereitung, Absatz 3 S. 2

48

Weitaus größere praktische Bedeutung hat die Einbeziehung von Gehilfen und Personen, die sich in der Vorbereitung auf einen Beruf befinden, in die Verschwiegenheitsverpflichtung. Zu den berufsmäßig tätigen Gehilfen zählen Personen, die im Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit eines gem. § 203 Abs. 1 oder § 203 Abs. 3 S. 1 zur Verschwiegenheit Verpflichteten eine darauf bezogene unterstützende Tätigkeit ausüben, welche die Kenntnisnahme von Geheimnissen mit sich bringt. Darüber hinaus muss die Tätigkeit zumindest mit der naheliegenden Möglichkeit einhergehen, dass eine Teilhabe an Geheimnissen erfolgt, was bei Boten, Reinigungskräften oder Pförtnern regelmäßig nicht der Fall ist.6 Ob erforderlich ist, dass der Gehilfe die Tätigkeit selbst als Beruf ausübt, ist umstritten.7 Zur Verhinderung einer zu weiten Ausweitung des Anwendungsbereichs der Norm wird in der Literatur ein innerer Zusammenhang zwischen unterstützender Tätigkeit und der berufsspezifischen Tätigkeit gem. § 203 Abs. 1 und § 203 Abs. 3 S. 1 in Abgrenzung zur Schaffung äußerer Bedingungen für die Berufstätigkeit verlangt.8 Dies ist z.B. bei Sekretärinnen und Sprechstundenhilfen, häufig aber nicht bei Chauffeuren oder externen Dienstleistern zu Abrechnungszwecken oder Mitarbeitern von Service- und Wartungsunternehmen der Fall.9 Zu vergleichbaren Ergebnissen führt eine Abgrenzung auf Grundlage des Erfordernisses einer organisatorischen Einbettung und Weisungsgebundenheit.

49

Die Gruppe der Personen, die sich in der Vorbereitung auf einen Beruf befindet, umfasst insbesondere Teilnehmer an einer Berufsausbildung im Gesundheits- oder Rechtsbereich, Rechtsreferendare und in der klinischen Ausbildung befindliche Medizinstudenten.10 Bei Praktikanten wird danach zu unterscheiden sein, ob es sich um ein Pflichtpraktikum im Rahmen der Berufsausbildung handelt oder um ein freiwilliges Praktikum (z.B. Berufsfindungspraktikum). 3. Kenntniserlangung aus dem Nachlass, Absatz 3 S. 3

50

Die Norm erfasst zwei Fälle. Zum einen steht gem. § 203 Abs. 3 S. 3 den in § 203 Abs. 1 sowie § 203 Abs. 3 S. 1 und S. 2 genannten Personen derjenige gleich, der nach dem Tod des Geheimnisträgers das Geheimnis aus dessen Nachlass erhält. Dies setzt voraus, dass die Person es im Rahmen der Ausübung eines tatsächlichen oder vermeintlichen erblichen Rechts erfährt. Darüber hinaus erfasst die Norm Personen, die das Geheimnis vom Verstorbenen erlangt haben. Ein Erlangen liegt nach h.M. nur bei einer Offenbarung durch den Geheimnisträger, nicht aber bei eigenmächtigem und rechtswidrigem Handeln des Erlangenden vor.11 Ohne Bedeutung ist hingegen, ob der Schweigepflichtige es berechtigt oder unberechtigt mitgeteilt hat.12 1 Entwurf eines Ersten Gesetzes zum Abbau bürokratischer Hemmnisse insbesondere in der mittelständischen Wirtschaft, BT-Drucks. 16/1970, 3. 2 Lenckner/Eisele in S/S-StGB, § 203 Rz. 61b. 3 Otto, wistra 1999, 203; Fischer, StGB, § 203 Rz. 19. 4 Entwurf eines Dritten Gesetzes zur Änderung der BNotO und anderer Gesetzes, BT-Drucks. 13/4184, 41. 5 Lenckner/Eisele in S/S-StGB, § 203 Rz. 62a. 6 Fischer, StGB, § 203 Rz. 21. 7 Bejahend Cierniak/Pohlit in MüKo-StGB, § 203 Rz. 124, Schmitz, JA 1996, 773; verneinend Fischer, StGB, § 203 Rz. 21. 8 Grundlegend Lenckner/Eisele in S/S-StGB, § 203 Rz. 64. 9 Zu Einzelfällen vgl. Ehmann, CR 1991, 294; Otto, wistra 1999, 203; Schünemann in LK-StGB, § 203 Rz. 80; Fischer, StGB, § 203 Rz. 21. 10 Weidemann in BeckOK-StGB, § 203 Rz. 23. 11 Schünemann in LK-StGB; § 203 Rz. 86. 12 Chierniak/Pohlit in MüKo-StGB, § 203 Rz. 133; Weidemann in BeckOK-StGB, § 203 Rz. 24.

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M. Gercke

Rz. 58 § 203 StGB

C. Subjektiver Tatbestand Erforderlich ist, dass der Täter vorsätzlich handelt, wobei bedingter Vorsatz ausreichend ist.1 Dieser muss sich 51 insbesondere auf das Vorliegen eines fremden Geheimnisses oder von Einzelangaben, die Bekanntgabe sowie die Offenbarung beziehen. Aufgrund der Doppelfunktion des Merkmals „unbefugt“ als Tatbestandsmerkmal und Element der Rechtswid- 52 rigkeit ist im Hinblick auf mögliche Irrtümer zu differenzieren: Liegt ein Irrtum über Umstände vor, die den Tatbestand ausschließen würden, greift § 16 StGB unmittelbar ein.2 Irrt der Täter über das Vorliegen eines Rechtfertigungsgrundes, greift nach h.M. § 16 analog ein.3 Ein Irrtum über wie Reichweite des Schweigepflicht oder den Umfang von Offenbarungsbefugnissen führt zu einem Verbotsirrtum gem. § 17.

D. Rechtfertigungsgründe Nach vorzugswürdiger Auffassung lässt ein Einverständnis bereits den Tatbestand entfallen.4 Damit bleibt im 53 Bereich der Rechtswidrigkeit nur Raum für Offenbarungspflichten und allgemeine Rechtfertigungsgründe. Diskutiert wird insbesondere eine die Rechtswidrigkeit ausschließende mutmaßliche Einwilligung. In der Praxis 54 betrifft dies insbesondere die Fälle, in denen ein Einverständnis des Berechtigten nicht eingeholt werden kann (z.B. die Information eines Angehörigen über den Gesundheitszustand eines bewusstlos eingelieferten Patienten).5 Daneben wird eine mutmaßliche Einwilligung bei der Offenbarung von Geheimnissen an Personen, die selbst gem. § 203 der Schweigepflicht unterliegen, thematisiert. Hier ist aber eine restriktive Handhabung geboten. Die Verschwiegenheitsverpflichtung besteht auch gegenüber den in § 203 Abs. 1–3 genannten Personen. Ein Offenbaren kann ferner gerechtfertigt sein, wenn eine Befugnis oder gar eine Pflicht dazu besteht. Dies ist 55 bspw. bei der Anzeigepflicht im Hinblick auf geplante Straftaten (§ 138 StGB) der Fall, die einer Verpflichtung zur Geheimniswahrung vorgeht. Weitere Beispiele sind § 11 GWG, § 29 SGB V; § 2 BNDG, § 8a BVerschG, nicht aber § 38 Abs. 2 BDSG.6 Auch eine Anwendung der Notstandsregelungen kann bei der Bedrohung schützenswerter Interessen im Ein- 56 zelfall eine Offenbarung rechtfertigen. Erforderlich sind in diesem Fall eine umfassende Güter- und Interessenabwägung und ein Überwiegen der Interessen an einer Offenbarung.7 Probleme bei der gerichtlichen Geltendmachung einer Honorarforderung eines Schweigepflichtigen begründen in Ermangelung einer Gefahrenlage keinen Raum für einen rechtfertigenden Notstand.8 Diskutiert wird das Vorliegen eines Notstands aber im Falle der Anzeige von geplanten schwerwiegenden, gleichwohl aber nicht in § 138 StGB normierten Straftaten9 – nicht aber im Hinblick auf bereits begangene Taten10 – oder der Warnung vor einer von einem Patienten ausgehenden Ansteckungsgefahr.11 Der Umstand, dass der Schweigepflichtige selbst Gegenstand von Ermittlungen wird und damit von seinen Beschuldigtenrechten Gebrauch machen kann, führt nicht automatisch zu einem überwiegenden Interesse an der Offenbarung.12

E. Vollendung/Beendigung/Versuch Das Delikt ist mit dem Offenbaren vollendet und zugleich beendet.13 Eine Kenntnisnahme durch den Emp- 57 fänger ist zumindest bei mündlicher Mitteilung erforderlich. Nicht erforderlich ist, dass das Mitgeteilte vom Empfänger verstanden wird.14 Bei der Offenbarung eines Schriftstückes ist eine die Kenntnisnahme ermöglichende Gewahrsamsübertragung erforderlich. Der Versuch ist nicht strafbar.

F. Qualifikation Absatz 5 sieht einen erhöhten Strafrahmen vor, wenn der Täter gegen Entgelt oder in der Absicht, sich oder ei- 58 nen anderen zu bereichern oder einen anderen zu schädigen handelt. Bei Absatz 5 handelt es sich um eine 1 Fischer, StGB, § 203 Rz. 48. 2 OLG Köln v. 29.10.1961 – Zs 859/60, NJW 1962, 686 will in der irrigen Annahme, dass das Merkmal „unbefugt“ ein reines Merkmal des objektiven Tatbestands ist, immer § 16 StGB anwenden. 3 OLG Koblenz v. 28.4.1994 – 1 Ws 95/94. 4 Lenckner/Eisele in S/S-StGB, § 203 Rz. 21; Weidemann in BeckOK-StGB, § 203 Rz. 33; Fischer, StGB, § 203 Rz. 31; Cierniak/Pohlit in MüKo-StGB, § 203 Rz. 55; a.A. OLG Köln v. 29.10.1961 – Zs 859/60, NJW 1962, 686. 5 Zur Diskussion m.w.N. Kern, MedR 2006 206; Bartsch, NJW 2001, 861. 6 Ausf. Schünemann in LK-StGB, § 203 Rz. 128 ff.; Lenckner/Eisele in S/S-StGB, § 203 Rz. 29 ff. 7 Otto, wistra 1999, 204. 8 Sieber in FS Eser, S. 1177; Hoyer in SK-StGB, § 203 Rz. 83. 9 Lenckner/Eisele in S/S-StGB, § 203 Rz. 31a. 10 Zum Meinungsstand: Schünemann in LK-StGB, § 203 Rz. 141; Hoyer in SK-StGB, § 203 Rz. 85. 11 Lenckner/Eisele in S/S-StGB, § 203 Rz. 31. 12 Dazu Fischer, StGB, § 203 Rz. 47a. 13 Zur Diskussion um ein Auseinanderfallen BGH v. 7.7.1993 – 5 StR 303/93, NStZ 1993, 538. 14 Lenckner/Eisele in S/S-StGB, § 203 Rz. 72.

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StGB

Verletzung von Privatgeheimnissen

StGB

§ 203 StGB Rz. 59

Strafgesetzbuch

Qualifikation. Ausweislich des Wortlauts ist nicht erforderlich, dass die besondere Absicht, sich oder einen anderen zu bereichern, auf einen rechtswidrigen Vermögensvorteil gerichtet ist.1

G. Täterschaft/Teilnahme 59

Bei § 203 StGB handelt es sich um ein echtes Sonderdelikt – Täter kann nur ein gem. Absatz 1–3 Schweigerpflichtiger sein. Die Teilnahme richtete sich nach den allgemeinen Grundsätzen, wobei folgende Besonderheit zu berücksichtigen ist: Im Hinblick auf den selbst nicht schweigepflichtigen Teilnehmer findet § 28 Abs. 1 StGB Anwendung.2

H. Konkurrenzen 60

Mit § 353b und § 185 StGB ist Tateinheit möglich. Unterfällt der Täter sowohl Absatz 1 als auch Absatz 2, liegt gleichwohl nur eine Tat vor.3 Finden auf den Täter zusätzlich Sonderregelungen wie § 303 Abs. 1 Nr. 2 AktG oder § 333 Abs. 1 HGB Anwendung, gehen diese § 203 vor. Gegenüber landesrechtlichen Regelungen geht § 203 als Bundesrecht vor (Art. 4 Abs. 2 EGStGB).

I. Strafantrag 61

Strafantragserfordernis ist nach § 205 gegeben (näher dazu § 205 StGB Rz. 3 ff.). Umstritten ist, wer im Hinblick auf § 203 StGB antragsberechtigt ist.4 Die wohl h.M. räumt nur dem Geheimnisträger eine Antragsberechtigung ein.5

§ 204 Verwertung fremder Geheimnisse (1) Wer unbefugt ein fremdes Geheimnis, namentlich ein Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis, zu dessen Geheimhaltung er nach § 203 verpflichtet ist, verwertet, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. (2) § 203 Abs. 4 gilt entsprechend. Literatur: Benner, Insiderkriminalität, Straftaten nach dem Wertpapierhandelsgesetz, in Wabnitz/Janovsky, Handbuch des Wirtschafts- und Steuerstrafrechts, 2007, 317 ff.; Fürsich, Probleme des Strafbaren Insiderhandels nach Inkrafttreten des Anlegerschutzverbesserungsgesetzes, 2008; Kiethe, Die Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen in Fällen der Betriebsund Wirtschaftsspionage, WRP 2005, 1358 ff.; Rein, Die Bedeutung der §§ 203 ff. StGB n.F. für die private Personenversicherung, VersR 1976, 117; Rupp, Strafrechtlicher Schutz von Computersoft- und Orgware nach §§ 17 ff. UWG, WRP 1985, 676 ff.

A. Grundsätzliches 1

Die Vorschrift, die durch das EGStGB im Anschluss an § 186b E 62 eingefügt wurde, ergänzt § 203, insbesondere § 203 Abs. 5. In der Polizeilichen Kriminalstatistik 2013 sind ganze 10 erfasste Fälle des § 204 verzeichnet. Dies verdeutlicht die geringe praktische Relevanz der Norm.

2

Das Rechtsgut entspricht demjenigen des § 203 StGB.6 § 204, der ebenso wie § 203 als echtes Sonderdelikt ausgestattet ist, ist kein Vermögensdelikt. Geschützt werden primär das Individualinteresse7 von betroffenen Personen und Unternehmen an der Geheimhaltung von Geheimnissen (vgl. dazu § 203 StGB Rz. 2 ff.). Ob zumindest mittelbar auch Allgemeininteressen an einer Verschwiegenheit der Angehörigen bestimmter Berufe umfasst werden, ist umstritten.8

B. Objektiver Tatbestand I. Geheimnis 3

Tatobjekt des § 204 StGB ist ein Geheimnis. Vom Begrifft umfasst sind Tatsachen, die nur einem beschränkten Personenkreis bekannt sind und nach dem Interesse des betroffenen Geheimnisträgers nicht weiter bekannt 1 2 3 4 5 6 7 8

Fischer, StGB, § 203 Rz. 50. Schünemann in LK-StGB, § 203 Rz. 160; Chierniak/Pohlit, MüKo-StGB, § 203 Rz. 141. Fischer, StGB, § 203 Rz. 52. Zum Rechtsstreit Fischer, StGB, § 205 Rz. 2; Schünemann in LK-StGB, § 205 Rz. 7; Lenckner/Eisele in S/S-StGB, § 205 Rz. 5. Schünemann in LK-StGB, § 205 Rz. 7; Lenckner/Eisele in S/S-StGB, § 205 Rz. 5; BGH v. 15.11.2012 – 2 StR 388/12, NJW 2013, 551. Fischer, StGB, § 204, Rz. 1; Lenckner/Eisele in S/S-StGB, § 204 Rz. 1. Rogall, NStZ 1983, 4. Ablehnend Eser, ZStW 97, 40; Hoyer in SK-StGB, § 203 Rz. 3; Ostendorf, JR 1981, 444; Rogall, NStZ 1983, 4; Schünemann, ZStW 90, 51; Schünemann in LK-StGB, § 203 Rz. 14.

310

M. Gercke

Rz. 8 § 204 StGB

werden sollen.1 Obwohl das Tatobjekt dem Wortlaut nach dem des § 203 entspricht, ergibt sich aus dem Bezug zur Verwertung insofern eine Einschränkung, als vom Tatbestand nur zur wirtschaftlichen Ausnutzung geeignete Geheimnisse umfasst werden.2 Soweit die Literatur3 zur Herleitung dessen auf die namentliche Erwähnung von Betriebs- und Geschäftsgeheinissen verweist, vermag dies nicht zu überzeugen, da dies auch Eingang in den Wortlaut des § 203 gefunden haben, der keine entsprechende Beschränkung des Tatobjekts enthält.

II. Fremdes Geheimnis Ebenso wie bei § 203 beschränkt sich der Schutzbereich der Norm auf fremde Geheimnisse, die mithin eine an- 4 dere natürliche oder juristische Person betreffen müssen.4

III. Verwertung Verwerten ist das wirtschaftliche Ausnutzen des im Geheimnis selbst liegenden Vermögenswertes zwecks Ge- 5 winnerzielung.5 Umfasst wird die Tatbegehung zum eigenen oder fremden Vorteil.6 Als Tatobjekte kommen nur Geheimnisse, die eine wirtschaftliche Ausnutzung erlauben, in Betracht. Wird ein Geheimnis zu politischen Zwecken und mithin nicht wirtschaftlich verwertet, scheidet eine Strafbarkeit gem. § 204 StGB aus.7 Ein Beispiel für eine Verwertung nach § 204 ist das wirtschaftliche Ausnutzen einer Erfindung des Patentanwalts, 6 die ihm von Berufs wegen bekannt geworden ist.8 Abzugrenzen hiervon ist das wirtschaftliche Ausnutzen der Kenntnis eines Geheimnisses, wie dies beim Insider – Handel der Fall ist. Hier enthält nicht das Geheimnis selbst einen Vermögenswert, sondern das Wissen (bspw. eine Firmenübernahme) lässt sich verkaufen und führt zu einem Gewinn durch Aktienankäufe. Die Interessen des Geheimnisberechtigten, also des Firmeninhabers, werden hierbei i.d.R. nicht berührt, da dieser durch das Ausnutzen nicht entreichert wird.9 Eine Strafbarkeit des Missbrauchs von Insider – Informationen besteht vielmehr nach § 38 WpHG. Ein Verwerten nach § 204 StGB ist jedoch anzunehmen, wenn der Täter den in dem Geheimnis liegenden wirtschaftlichen Wert ausschöpft, um selbst Gewinn zu erzielen und den Geheimnisberechtigten zu „entreichern“.10 Die Tathandlung muss geeignet sein, zu einer spiegelbildlichen Vermögensverschiebung zu Lasten des Geheimhaltungsgeschützten zu führen. Darin, dass der Täter wirtschaftlichen Nutzen aus dem dem Geheimnis innewohnenden Vermögenswert zu Lasten des Berechtigten ziehen und seinem eigenen Vermögen oder dem eines Dritten zuführen will, liegt der Unrechtsgehalt der Vorschrift. Der Geheimnisgeschützte soll im Bereich der wirtschaftlichen Verwertung seines Wissens geschützt werden.11 Dass der Geheimnisberechtigte tatsächlich einen Verlust erleidet, ist für die Tatbestandsverwirklichung nicht erforderlich. Mit der „Verwertung“ muss bezweckt werden, durch sie einen Gewinn für sich oder einen Dritten zu erzielen. Dass der Täter einen Gewinn erzielt, ist jedoch nicht notwendig. Die Tathandlung muss lediglich darauf gerichtet sein, Gewinn zu erzielen. Daher ist eine Verwertung nicht gegeben, wenn z.B. eine Erfindung für private Zwecke nachgebaut wird.12 Hier fehlt es an der wirtschaftlichen Ausnutzung des Geheimnisses. Zieht der Täter wirtschaftlichen Nutzen aus der Offenbarung des Geheimnisses, indem er es z. B gegen Geld 7 verrät, so ist § 203 Abs. 5 einschlägig. Droht der Täter mit dem Verrat des Geheimnisses und lässt sich sein Schweigen bezahlen, kommt eine Strafbarkeit nach § 253 StGB in Betracht.

IV. Unbefugt Ebenso wie bei § 203 StGB ist die Einordnung des Merkmals „unbefugt“ umstritten.13 Teilweise wird die Auf- 8 fassung vertreten, es handele sich in jedem Fall um ein Merkmal, das im Bereich der Rechtswidrigkeit zu prüfen sei. Vorzugswürdig erscheint es aber, dem Merkmal eine Doppelfunktion zuzubilligen. Demnach wirkt es im

1 OLG Köln v. 4.7.2000 – Ss 254/00, NJW 2000, 3656; OLG Dresden v. 11.9.2007 – 2 Ws 163/07, NJW 2007, 3509 f.; Fischer, StGB, § 203, Rz. 4; Lenckner/Eisele in S/S-StGB, § 203, Rz. 5, Schünemann in LK-StGB, § 203 Rz. 19; Cekin, ZIS 2012, 426; Bräutigam, CR 2011, 412; Kett-Straub/Linke, JuS 2008, 717; Bock/Wilms, JuS 2011, 24; Eisele, ZIS 2011, 357. 2 Schünemann in LK-StGB, § 204, Rz. 3. 3 Lenckner/Eisele in S/S-StGB, § 204 Rz. 3. 4 Vgl. im Hinblick auf § 203 Weidemann in BeckOK-StGB, § 203 Rz. 7. 5 Hoyer in SK-StGB § 204, Rz. 7; Schünemann in LK-StGB, § 204 Rz. 5. 6 Schünemann in LK-StGB, § 204 Rz. 5; Hoyer in SK-StGB, § 204 Rz. 7. 7 Graf in MüKo-StGB, § 204 Rz. 10. 8 Weitere Beispiele bei Graf in MüKo-StGB, § 204 Rz. 12. 9 Lenckner/Eisele in S/S-StGB, § 204 Rz. 6. 10 Vgl. auch Fischer, StGB, § 204 Rz. 3; Graf in MüKo-StGB, § 243 Rz. 11, Schünemann in LK-StGB, § 204 Rz. 7; a.A. Hoyer in SK-StGB, § 204 Rz. 8. 11 Schünemann in LK-StGB, § 204 Rz. 6. 12 Lenckner/Eisele in S/S-StGB, § 204 Rz. 6. 13 Zum Meinungsstreit vgl.: Lenckner/Eisele in S/S-StGB, § 203 Rz. 21; Cierniak/Pohlit in MüKo-StGB, § 203 Rz. 55; Fischer, StGB, § 203 Rz. 31.

M. Gercke

311

StGB

Verwertung fremder Geheimnisse

StGB

§ 204 StGB Rz. 9

Strafgesetzbuch

Hinblick auf die Zustimmung des Verfügungsberechtigten tatbestandsausschließend und in Bezug auf anderweitige Befugnisse rechtfertigend.1 9

Das Einverständnis des Geheimnisberechtigten schließt mithin bereits die Anwendung des § 204 aus. Handelt es sich um das Geheimnis eines Dritten, das durch einen Verfügungsberechtigten mitgeteilt wurde, der in die Verwertung durch den Offenbarenden eingewilligt hat, kommt § 204 ebenfalls nicht zur Anwendung, da es gerade auf die Verletzung des besonderen Vertrauensverhältnisses ankommt. § 204 schützt nicht allein die Verwertung fremder Geschäftsgeheimnisse, sondern die zugrunde liegende Beziehung zwischen Geheimnisberechtigtem und Geheimhaltungsverpflichtetem, auf der die Offenbarung beruht.2

V. Täter 10

Als Täter kommt nur eine Person in Betracht, die nach § 203 StGB zur Geheimhaltung eines fremden Geheimnisses verpflichtet ist (vgl. § 203 StGB Rz. 23 ff.). § 203 Abs. 1 umfasst Angehörige der abschließend aufgezählten Berufsgruppen. § 203 Abs. 2 umfasst Amtsträger und Personen, die in bestimmten Positionen innerhalb der Verwaltung arbeiten oder besonders verpflichtet sind. Erweitert wird der Kreis der Verpflichteten gem. § 203 Abs. 2a um Datenschutzbeauftragte, die bei einem Verpflichteten tätig sind. Schließlich sieht § 203 Nr. 3 eine Gleichstellung insbesondere von Personen in der Berufsausbildung vor.

11

Es handelt sich bei der Zugehörigkeit zur Berufsgruppe um ein besonderes persönliches Merkmal i.S.d. § 28 Abs. 1 StGB.3 Bei zulassungspflichtigen Berufen ist zu berücksichtigen, dass aufgrund der regelmäßig unterbleibenden Überprüfung der Qualifikation des Berufsträgers durch hilfesuchende Geheimnisträger ausreichend ist, dass der Täter als Mitglied der Berufsgruppe auftritt, selbst wenn er über keine Berufszulassung verfügt.4 Durch § 203 Abs. 3 erfolgt eine Erweiterung durch die Gleichstellung von Mitgliedern einer Rechtsanwaltskammer mit Rechtsanwälten, der Einbeziehung von Hilfspersonal (Gehilfen) und Personen in der Berufsausbildung.

C. Subjektiver Tatbestand 12

Ebenso wie § 2035 handelt es sich bei § 204 um ein Vorsatzdelikt. Anders als bei § 203 ist bedingter Vorsatz allerdings nicht ausreichend, da im Hinblick auf die Verwertung und damit die wirtschaftliche Verwertung eine Zielrichtung erforderlich ist.6 Der Täter muss den Zweck verfolgen, Gewinn zu erzielen, so dass im Hinblick auf die Gewinnerzielung direkter Vorsatz erforderlich ist.7

13

Hinsichtlich der Verpflichtung zur Geheimhaltung ist das Wissen, dass er zum Täterkreis des § 203 gehört und ihm das Geheimnis in dieser Position bekannt geworden ist, ausreichend. Eigene, abweichende Schlussfolgerungen des Täters, er sei dennoch nicht zur Geheimhaltung verpflichtet, lassen die Vorsätzlichkeit nicht entfallen und stellen lediglich einen vermeidbaren Verbotsirrtum gem. § 17 S. 1 StGB dar.

14

Aufgrund der Doppelfunktion des Merkmals „unbefugt“ als Tatbestandsmerkmal und Element der Rechtswidrigkeit ist im Hinblick auf mögliche Irrtümer ebenso wie bei § 203 zu differenzieren: Liegt ein Irrtum über Umstände vor, die den Tatbestand ausschließen würden, greift § 16 StGB unmittelbar ein. Irrt der Täter über das Vorliegen eines Rechtfertigungsgrundes, greift nach h.M. § 16 StGB analog ein.

D. Rechtfertigungsgründe 15

Das Einverständnis des Berechtigten lässt nach vorzugswürdiger Auffassung bereits den Tatbestand entfallen.8 Damit bleibt im Bereich der Rechtswidrigkeit nur Raum für Offenbarungspflichten und allgemeine Rechtfertigungsgründe. Es geltend dabei die unter § 203 dargestellten Grundsätze (vgl. dazu § 203 StGB Rz. 53 ff.).

E. Tod des Betroffenen, Absatz 2 16

Der Tod des Betroffenen lässt gem. § 204 Abs. 2 den Schutz des Absatzes 1 nicht entfallen. Auch Verwertungshandlungen nach dem Tod können mithin strafbar sein. Ebenso wie bei § 203 stellt sich somit die Frage, ob die Verfügungsbefugnis mit dem Tod automatisch auf die Erben oder nächsten Angehörigen übergeht. Zumindest in den Fällen, in denen sich das Geheimnis auf einen Vermögenswert bezieht, der mit dem Tod auf einen Dritten übergeht, geht auch die Verfügungsbefugnis auf diesen über.9 Bei Geheimnissen, die in keiner solchen 1 Lenckner/Eisele in S/S-StGB, § 203 Rz. 21; Weidemann in BeckOK-StGB, § 203 Rz. 33; Fischer, StGB, § 203 Rz. 31; Cierniak/Pohlit in MüKo-StGB, § 203 Rz. 55; a.A. OLG Köln v. 29.10.1961 – Zs 859/60, NJW 1962, 686. 2 Lenckner/Eisele in S/S-StGB, § 203 Rz. 7. 3 Fischer, StGB, § 203 Rz. 11; Lackner in Lackner/Kühl, § 203 Rz. 2; Schalast/Safran/Sassenberg, NJW 2008, 1487. 4 Lenckner/Eisele in S/S-StGB, § 203 Rz. 34. 5 Fischer, StGB, § 203 Rz. 48. 6 Lenckner/Eisele in S/S-StGB, § 204 Rz. 8. 7 Schünemann in LK-StGB, § 204 Rz. 9. 8 A.A. Schünemann in LK-StGB § 204, Rz. 10. 9 Lenckner/Eisele in S/S-StGB, § 204 Rz. 9; zu § 203 Hoyer in SK-StGB, § 203 Rz. 79; Schünemann in LK-StGB, § 203 Rz. 117.

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M. Gercke

§ 205 StGB

StGB

Strafantrag

Verbindung zu einem erbfähigen Vermögenswert stehen, vielmehr dem persönlichen Lebensbereich zugeordnet sind, erlischt hingegen die Verfügungsbefugnis mit dem Tod des Berechtigten.1

F. Vollendung/Beendigung/Versuch Die Tat ist vollendet, wenn die Verwertung erfolgt. Nach h.M. ist dies der Zeitpunkt, in dem eine Gewinnerzie- 17 lung unmittelbar möglich erscheint.2 Die Erzielung wirtschaftlichen Gewinns muss nach überwiegender Ansicht nicht eingesetzt haben, sondern unmittelbar möglich erscheinen.3 Nach a.A.4 soll das Verwerten erst dann vollendet sein, wenn nach der Vorstellung des Täters der Eintritt des angestrebten Vorteils so unmittelbar bevorstehe, dass zu seiner Realisierung keine wesentlichen Zwischenakte mehr vorzunehmen seien. Diese Ansicht verkennt aber das Schutzgut des § 204. Ein Eingriff ist bereits erfolgt, wenn eine Maschine aufgrund geheimer Pläne erfolgreich gebaut wurde und nicht erst, wenn sie in Betrieb genommen wird.5 Die Inbetriebnahme und Vermarktung der Maschine fällt vielmehr in den Bereich der Gewinnerzielung, die vom Täter nur angestrebt, zur Tatbestandsverwirklichung jedoch nicht erreicht oder ohne weiteres Hinzutun erreicht werden muss. Der Versuch ist nicht strafbar.

18

G. Täterschaft und Teilnahme Bei § 204 StGB handelt es sich um ein echtes Sonderdelikt – Täter kann nur ein gem. § 203 Abs. 1–3 StGB 19 Schweigepflichtiger sein. Die Teilnahme richtete sich nach den allgemeinen Grundsätzen, wobei folgende Besonderheit zu berücksichtigen ist: Im Hinblick auf den selbst nicht schweigepflichtigen Teilnehmer findet § 28 Abs. 1 StGB Anwendung.6 Lässt der Täter ein Geheimnis durch einen als Gehilfen agierenden Dritten verwerten, so liegt in der Handlung bereits ein gem. § 203 Abs. 5 strafbares qualifiziertes Offenbaren.7

H. Konkurrenzen Sofern vor dem Verwerten ein Offenbaren erfolgt, findet ausschließlich § 203 Abs. 5 StGB Anwendung.8 Glei- 20 ches gilt für die Fälle in denen das Verwerten durch Offenbaren stattfindet. Tateinheit ist möglich mit § 38 WpHG und § 17 UWG. Gleiches gilt für § 246 StGB.9 § 355 Abs. 1 StGB tritt hinter § 204 StGB zurück.10 Sofern für bestimmte Personengruppen weitere Sondervorschriften Anwendung finden (z.B. § 404 AktG), gehen diese vor.11

I. Strafantrag Strafantragserfordernis ist nach § 205 gegeben.

21

§ 205 Strafantrag (1) In den Fällen des § 201 Abs. 1 und 2 und der §§ 202, 203 und 204 wird die Tat nur auf Antrag verfolgt. Dies gilt auch in den Fällen der §§ 201a, 202a, 202b und 202d, es sei denn, dass die Strafverfolgungsbehörde wegen des besonderen öffentlichen Interesses an der Strafverfolgung ein Einschreiten von Amts wegen für geboten hält. (2) Stirbt der Verletzte, so geht das Antragsrecht nach § 77 Abs. 2 auf die Angehörigen über; dies gilt nicht in den Fällen der §§ 202a, 202b und 202d. Gehört das Geheimnis nicht zum persönlichen Lebensbereich des Verletzten, so geht das Antragsrecht bei Straftaten nach den §§ 203 und 204 auf die Erben über. Offenbart oder verwertet der Täter in den Fällen der §§ 203 und 204 das Geheimnis nach dem Tod des Betroffenen, so gelten die Sätze 1 und 2 sinngemäß. Literatur: Gerhard, Der strafrechtliche Schutz des Briefes, 1905; Klebs, Zur Lehre von den sogenannten Antrags-Verbrechen und Vergehen, GA 19, 569; Krupna, IT-Compliance – Informationspflichten nach dem Bundesdatenschutzgesetz bei Hackerangriffen, BB 2014, 2250 ff.; Spitz, Ausspähen von Daten und Verletzung des höchstpersönlichen Lebensraums durch Schadsoftware, jurisPR-ITR 17/2011, Anm. 4.

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11

Zu § 203 Schünemann in LK-StGB, § 203 Rz. 117; Lenckner/Eisele in S/S-StGB, § 203 Rz. 25. Lenckner/Eisele in S/S-StGB, § 204 Rz. 210. Ebenso Hoyer in SK-StGB, § 204 Rz. 7; Schünemann in LK-StGB, § 204 Rz. 5. Geilen in KK-AktG, § 404 Rz. 67. Schünemann in LK-StGB, § 204 Rz. 11. Schünemann in LK-StGB, § 203 Rz. 160; Chierniak/Pohlit, MüKo-StGB, § 203 Rz. 141. Lenckner/Eisele in S/S-StGB, § 204 Rz. 11. Lackner in Lackner/Kühl, § 204 Rz. 6. Lenckner/Eisele in S/S-StGB, § 204 Rz. 12. Graf in MüKo-StGB, § 204 Rz. 23. Schünemann in LK-StGB, § 204 Rz. 13.

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StGB

§ 205 StGB Rz. 1

Strafgesetzbuch

A. Grundsätzliches 1

Nach der Vorschrift gilt für alle Straftaten dieses Abschnitts das Erfordernis des Strafantrags, mit Ausnahme des § 201 Abs. 3 (die Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes durch einen Amtsträger oder für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichteten) und § 202c (Vorbereiten des Ausspähens und Abfangens von Daten), der ein Offizialdelikt darstellt. Bei besonderem öffentlichen Interesse in Fällen der §§ 202a (Ausspähen von Daten) und 202b StGB (Abfangen von Daten) entfällt ebenfalls das Antragserfordernis.1

2

Sinn der Vorschrift ist, den in seinem persönlichen Lebens- und Geheimbereich bereits Verletzten, der an der weiteren Bekanntmachung persönlicher Belange im Rahmen eines Prozesses eine weitere Bloßstellung erfahren könnte, zu schützen. Gerade in dem hier relevanten Abschnitt des StGB kann das Interesse des Betroffenen, bestimmte Aspekte nicht im Rahmen eines Strafverfahren zu erörtern, das öffentliche Interesse an einem solchen Verfahren deutlich überwiegen.2 Das öffentliche Interesse an Strafverfolgung unterliegt dem Interesse des Verletzten.3

B. Antragsberechtigung 3

Antragsberechtigt ist nur der Verletzte, nach dessen Tod gem. Absatz 2 dessen Angehörige. Die Norm unterscheidet zwischen absoluten (Abs. 1 S. 1) und relativen Antragsdelikten (Abs. 1 S. 2).

I. § 201 StGB 4

Im Falle des § 201 ist Verletzter i.S.d § 77 Abs. 1 StGB nur die Person, die das geschützte Wort gesprochen hat. Vom gesprochenen Wort Betroffene sind nicht Verletzte und damit nicht antragsberechtigt.4 Gleiches gilt für die Eigentümer der Aufnahme.5

II. § 201a StGB 5

Nach § 201a ist die Person verletzt, die abgebildet ist. Zu berücksichtigen ist, dass die Person nicht das Hauptmotiv darstellen muss. Sind mehrere Personen abgebildet, sind alle verletzt und mithin antragsberechtigt.

6

Bis 2014 zählte § 201a StGB zu den in Abs. 1 S. 1 aufgezählten absoluten Antragsdelikten. Im November 2014 hat der Bundestag eine Reform des § 201a StGB beschlossen, der erhebliche Auswirkungen auf den Anwendungsbereich dieser Vorschrift hat.6 Demnach macht sich nunmehr bspw. strafbar, wer unbefugt eine Bildaufnahme von einer nackten Person unter 18 Jahren erstellt oder eine Aufnahme erstellt, die die Hilflosigkeit einer anderen Person zur Schau stellt. Der Gesetzgeber hat sich in diesem Zusammenhang entschieden, § 201a StGB den in § 205 Abs. 1 S. 2 aufgezählten relativen Antragsdelikten zuzuordnen.

III. § 202 StGB 7

Verletzter nach § 202 ist die zur Tatzeit verfügungsberechtigte Person.7 Antragsberechtigt ist daher bis zur Übergabe bzw. Zugang des Briefes der Absender, nach Aushändigung an den Empfänger dieser.8 Nach a.A.9 endet die Verfügungsberechtigung des Absenders bereits mit der Aufgabe zur Post.

IV. § 202a StGB 8

Bei § 202a ist derjenige antragsberechtigt, der die Daten gegen unberechtigten Zugang besonders gesichert und damit einen formalen Schutzbereich geschaffen hat.10 Nach a.A. ist auch derjenige antragsberechtigt, der vom Dateninhalt betroffen ist und dem gegenüber dem Verfügungsberechtigten ein Recht auf Vertraulichkeit zusteht.11 Gem. § 205 Abs. 1 S. 2 bedarf es keines Strafantrags, wenn die Strafverfolgungsbehörden das besondere öffentliche Interesse an der Strafverfolgung bejahen. Damit soll eine Verfolgung von Delikten sichergestellt werden, bei denen Daten Dritter betroffen sind, die nach h.M. nicht verfügungsberechtigt sind.12

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12

Lenckner/Eisele in S/S-StGB, § 205 Rz. 1. Schünemann in LK-StGB, § 205 Rz. 1. Vgl. Schmidt in LK-StGB, §§ 77 ff. Rz. 3. Schünemann in LK-StGB, § 205 Rz. 2. Lenckner/Eisele in S/S-StGB, § 205 Rz. 2. Vgl. BR-Drucks. 574/14. Hoyer in SK-StGB, § 205 Rz. 3. Schünemann in LK-StGB, § 205 Rz. 5; Lenckner/Eisele in S/S-StGB, § 205 Rz. 3. Hoyer in SK-StGB, § 205 Rz. 3. Fischer, StGB, § 205 Rz. 2a; Graf in MüKo-StGB, § 205 Rz. 8. Kühl in Lackner/Kühl, § 205 Rz. 2. BT-Drucks. 16/3656, 12.

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M. Gercke

§ 206 StGB

StGB

Verletzung des Post- oder Fernmeldegeheimnisses

V. § 202b StGB Verfügungsberechtigt im Hinblick auf § 202b StGB ist derjenige, der verfügungsberechtigt im Hinblick auf 9 die übertragenen Daten ist. Auch hier bedarf es gem. § 205 Abs. 1 S. 2 keines Strafantrags, wenn die Strafverfolgungsbehörden das besondere öffentliche Interesse an der Strafverfolgung bejahen.

VI. § 202d Bei § 202d ist der im Hinblick auf die betroffenen Daten Befugte antragsberechtigt. Abzustellen ist dabei ebenso 10 wie bei § 202a auf denjenigen, der über die Übermittlung der Daten entscheidet.1 Auch hier bedarf es gem. § 205 Abs. 1 S. 2 keines Strafantrags, wenn die Strafverfolgungsbehörden das besondere öffentliche Interesse an der Strafverfolgung bejahen.

VII. § 203 StGB Umstritten ist, wer im Hinblick auf § 203 StGB antragsberechtigt ist.2 Hintergrund ist ein Streit um das Rechts- 11 gut der Norm. Die wohl h.M. räumt nur dem Geheimnisträger eine Antragsberechtigung ein.3

VIII. § 204 StGB Im Hinblick auf § 204 gelten die Ausführungen zu § 203.

12

C. Tod des Verletzten Stirbt der Verletzte, geht das Antragsrecht nach § 77 Abs. 2 StGB gem. Absatz 2 auf die Angehörigen über, au- 13 ßer in den Fällen der §§ 202a und 202b.4 Für die §§ 203, 204 gilt gem. § 205 Abs. 2 S. 2 für den Fall, dass das Geheimnis nicht zum persönlichen Lebensbereich des Verletzten gehört, dass das Antragsrecht auf die Erben, nicht die Angehörigen übergeht. Hierbei ist jeder Miterbe für sich antragsberechtigt.5 Dies trägt dem Umstand Rechnung, dass es sich dann um ein wirtschaftlich verwertbares Geheimnis handelt, das mit den materiellen Gütern des Verstorbenen, nicht mit seiner Person verbunden ist.6 Für die Begehung der Taten nach §§ 203, 204 nach dem Tode des Geheimnisberechtigten gelten die dargestellten Grundsätze sinngemäß.

§ 206 Verletzung des Post- oder Fernmeldegeheimnisses (1) Wer unbefugt einer anderen Person eine Mitteilung über Tatsachen macht, die dem Post- oder Fernmeldegeheimnis unterliegen und die ihm als Inhaber oder Beschäftigtem eines Unternehmens bekanntgeworden sind, das geschäftsmäßig Post- oder Telekommunikationsdienste erbringt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. (2) Ebenso wird bestraft, wer als Inhaber oder Beschäftigter eines in Absatz 1 bezeichneten Unternehmens unbefugt 1. eine Sendung, die einem solchen Unternehmen zur Übermittlung anvertraut worden und verschlossen ist, öffnet oder sich von ihrem Inhalt ohne Öffnung des Verschlusses unter Anwendung technischer Mittel Kenntnis verschafft, 2. eine einem solchen Unternehmen zur Übermittlung anvertraute Sendung unterdrückt oder 3. eine der in Absatz 1 oder in Nummer 1 oder 2 bezeichneten Handlungen gestattet oder fördert. (3) Die Absätze 1 und 2 gelten auch für Personen, die 1. Aufgaben der Aufsicht über ein in Absatz 1 bezeichnetes Unternehmen wahrnehmen, 2. von einem solchen Unternehmen oder mit dessen Ermächtigung mit dem Erbringen von Post- oder Telekommunikationsdiensten betraut sind oder 3. mit der Herstellung einer dem Betrieb eines solchen Unternehmens dienenden Anlage oder mit Arbeiten daran betraut sind. (4) Wer unbefugt einer anderen Person eine Mitteilung über Tatsachen macht, die ihm als außerhalb des Post- oder Telekommunikationsbereichs tätigem Amtsträger auf Grund eines befugten oder unbe1 Graf in MüKo-StGB, § 202a, Rn. 2. 2 Zum Rechtsstreit Fischer, StGB, § 205 Rz. 2; Schünemann in LK-StGB, § 205 Rz. 7; Lenckner/Eisele in S/S-StGB, § 205 Rz. 5. 3 Schünemann in LK-StGB, § 205 Rz. 7; Lenckner/Eisele in S/S-StGB, § 205 Rz. 5; BGH v. 15.11.2012 – 2 StR 388/12, NJW 2013, 551. 4 BT-Drucks. 10/5058, 29. 5 Lenckner/Eisele in S/S-StGB, § 205 Rz. 9. 6 Fischer, StGB, § 205 Rz. 3; Kühl in Lackner/Kühl, § 205 Rz. 4.

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StGB

§ 206 StGB Rz. 1

Strafgesetzbuch

fugten Eingriffs in das Post- oder Fernmeldegeheimnis bekanntgeworden sind, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. (5) Dem Postgeheimnis unterliegen die näheren Umstände des Postverkehrs bestimmter Personen sowie der Inhalt von Postsendungen. Dem Fernmeldegeheimnis unterliegen der Inhalt der Telekommunikation und ihre näheren Umstände, insbesondere die Tatsache, ob jemand an einem Telekommunikationsvorgang beteiligt ist oder war. Das Fernmeldegeheimnis erstreckt sich auch auf die näheren Umstände erfolgloser Verbindungsversuche. A. Grundsätzliches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Objektiver Tatbestand I. Täterkreis 1. Grundsätzliches. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Täterkreis der Absätze 1 und 2 . . . . . . . . . . . . 3. Täterkreis des Abs. 3 Nr. 1 . . . . . . . . . . . . . . . 4. Täterkreis des Abs. 3 Nr. 2 . . . . . . . . . . . . . . . 5. Täterkreis des Abs. 3 Nr. 3 . . . . . . . . . . . . . . . II. Tatobjekt und Tathandlungen des Absatzes 1 1. Tatsachen/Postgeheimnis/Fernmeldegeheimnis 2. In bestimmter Funktion bekanntgeworden . . . 3. Mitteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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1

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6 10 11 12 13

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14 17 18

4. Unbefugt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Tatobjekt und Tathandlungen des Absatzes 2 1. Tatobjekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Tathandlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Unbefugt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Tatobjekt und Tathandlungen des Absatzes 4 C. Subjektiver Tatbestand . . . . . . . . . . . . . . . D. Rechtswidrigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . E. Versuch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . F. Konkurrenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

. . . . . . . . . .

19 23 24 26 30 32 33 34 35 36

Literatur: Altenburg/v. Reinersdorf/Leister, Telekommunikation am Arbeitsplatz, MMR 2005, 135 ff.; Barton, E-Mail-Kontrolle durch Arbeitgeber: Drohen unliebsame strafrechtliche Überraschungen?, CR 2003, 839 ff.; Barton, Keine Strafbarkeit wegen Verletzung des Fernmeldegeheimnisses, RDV 12, 217 ff.; Beckschulze/Natzel, Das neue Beschäftigtendatenschutzgesetz, BB 2010, 2368 ff.; Behling, Compliance versus Fernmeldegeheimnis, BB 2010, 892 ff.; Cornelius/Tschoepe, Strafrechtliche Grenzen der zentralen E-Mail-Filterung und -Blockade, K&R 2005, 269 ff.; Eisele, Arbeitnehmerüberwachung und Compliance unter Berücksichtigung der Cybercrime-Konvention, ZIS 2012, 402 ff.; Heidrich/Tschoepe, Rechtsprobleme der E-Mail-Filterung, MMR 2004, 75 ff.; Kitz, Meine E-Mails les ich nicht!, CR 2005, 450 ff.; Koch, Rechtsprobleme privater Nutzung betrieblicher elektronischer Kommunikationsmittel, NZA 2008, 91 ff.; Mattl, Die Kontrolle der Internetund E-Mail-Nutzung am Arbeitsplatz unter besonderer Berücksichtigung der Vorgaben des Telekommunikationsgesetzes, 2008; Sassenberg/Lammer, Zulässigkeit der Spam-Filterung im Unternehmen, DuD 2008, 461 ff.; Sauer, Der Einsatz von Spamfiltern am Arbeitsplatz – Eine kritische Analyse, K&R 2008, 399 ff.; Schmidl, E-Mail-Filterung am Arbeitsplatz, MMR 2005, 343 ff.; Vogel/Glas, Datenschutzrechtliche Probleme unternehmensinterner Ermittlungen, DB 2009, 1747 ff.

A. Grundsätzliches 1

Infolge der Privatisierung und Umstrukturierung im Post- und Telekommunikationsbereich ersetzt die Vorschrift § 354 a.F. StGB (Abschnitt: Straftaten im Amt) und wurde als Offizialdelikt in den 15. Abschnitt des StGB hinter § 205 StGB eingestellt.1 § 206 enthält vier Haupttatbestände und einen Teilnahmetatbestand, der eine selbständige Tatvariante darstellt (§ 206 Abs. 2 Nr. 3).

2

§ 206 StGB kriminalisiert die Verletzung des Fernmeldegeheimnisses. In den modernen Informationsgesellschaften kommt vor dem Hintergrund des notwendigen Zusammenwirkens zahlreicher Diensteanbieter im Rahmen der Versendung von Kommunikationsinhalten der Sicherheit eine große Bedeutung zu.2 Die Berichterstattung über Zugriffe von Nachrichtendiensten auf Telekommunikationsvorgänge verdeutlicht eindrucksvoll, welch zentrale Rolle der Infrastruktur zukommt.3 Selbst simple Prozesse wie das Versenden von E-Mails setzen das Zusammenwirken unterschiedlicher Diensteanbieter voraus.

3

Mit einem Zuwachs von mehr als 140 % gegenüber dem Vorjahr wurden 2013 3905 Fälle in der PKS erfasst. Dabei verdeutlichen prominente Beispiele wie die Telekom-„Spitzelaffäre“ im Jahr 2008, die Ausfilterung von E-Mails durch die Universität Karlsruhe4 im Jahr 2003 sowie der Deutschen Bahn5 im Jahr 2007 die praktische Bedeutung der Problematik. Im Rahmen der sog. Spitzelaffäre hatte ein Mitarbeiter der Deutschen Telekom Telefonverbindungsdaten von Gewerkschaftern, Journalisten und Aufsichtsräten systematisch auswerten lassen, um ein Informationsleck ausfindig zu machen.6 Bei der Tat in Karlsruhe hat sich das OLG Karlsruhe im Rahmen eines Klageerzwingungsverfahrens mit der Frage der Zulässigkeit des Ausfilterns von E-Mails eines Universitätsmitarbeiters beschäftigt.7 Nach dessen Entlassung wurde ihm nicht nur das Privileg der Nutzung 1 Lenckner/Eisele in S/S-StGB, § 206, Rz. 2; Fischer, StGB, § 206 Rz. 1; BT-Drucks. 13/8016. 2 Gercke in Gercke/Brunst, Internetstrafrecht, Rz. 152. 3 Vgl. Spähangriff auf Belgacom: Britischer Geheimdienst hackte belgische Telefongesellschaft, Spiegel Online, Meldung v. 20.9.2013; Kleinz, Wie der Geheimdienst mit Tempora im Internet mitliest, Zeit Online, Meldung v. 22.7.2013. 4 Vgl. dazu Gercke, ZUM 2005, 616 f. 5 Vgl. dazu „Bahn löscht Streik-E-Mails der Lokführer“, Spiegel-Online Meldung v. 28.3.2009. 6 Vgl. LG Bonn v. 30.11.2010 – 23 KLs 10/10. 7 OLG Karlsruhe v. 10.1.2005 – 1 Ws 152/04, CR 2005, 288 ff. m. Anm. Lejeune.

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Rz. 10 § 206 StGB

der Kommunikationseinrichtungen der Fakultät entzogen, sondern darüber hinaus die Versendung von E-Mails des Entlassenen an Universitätsmitarbeiter verhindert. Dies geschah dergestalt, dass E-Mails, deren Kopfzeile den Namen des Entlassenen enthielten, ausgefiltert und damit nicht zugestellt wurden. Durchaus vergleichbar mit den Geschehen an der Universität Karlsruhe waren die Vorwürfe gegen die Deutsche Bahn, die sich während eines Streiks der Gewerkschaft GDL mit dem Vorwurf konfrontiert sah, E-Mails der Gewerkschaft gezielt gelöscht zu haben. Von § 206 StGB geschütztes Rechtsgut ist das Post- und Fernmeldegeheimnis.1 Umstritten ist, ob daneben das 4 öffentliche Interesse an einem sicheren und zuverlässigen Post- und Fernmeldeverkehr einschließlich der Telekommunikation geschützt wird.2 Zutreffend ist angesichts von vier in § 206 zusammengefassten Tatbeständen zu differenzieren. § 206 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1 dienen zusätzlich dem Schutz des individuellen Geheimhaltungsinteresses,3 Abs. 2 Nr. 2 dem Schutz des individuellen Beförderungsinteresses.4 Die Norm ist als Sonderdelikt ausgestaltet.5 Als Täter kommen grundsätzlich nur die Inhaber und Beschäftig- 5 ten von Unternehmen, die geschäftsmäßig Kommunikationsdienste anbieten, in Betracht. Durch die Absätze 3 und 4 wird der Anwendungsbereich allerdings erweitert.

B. Objektiver Tatbestand I. Täterkreis 1. Grundsätzliches Mit der Privatisierung des Post- und Fernmeldeverkehrs hat sich der Täterkreis des § 206 Abs. 1 und 2 we- 6 sentlich erweitert. Erfasst werden nicht mehr nur Bedienstete der Post, sondern Inhaber und Beschäftigte von Unternehmen, die geschäftsmäßig Post- und Telekommunikationsdienste erbringen.6 Der Täterkreis stimmt jedoch mit dem in § 39 Abs. 2 PostG, § 88 i.V.m. § 3 Nr. 6 TKG zur Wahrung des Post- 7 bzw. Fernmeldegeheimnisses verpflichteten Personen, die geschäftsmäßig Post- und Telekommunikationsdienste erbringen oder daran mitwirken, überein.7 Im Hinblick auf Beschäftigte setzt § 206 das Bestehen eines Unternehmens voraus. Das geschäftsmäßige Erbrin- 8 gen von Post- und Telekommunikationsdiensten ist das nachhaltige Betreiben der Beförderung von Postsendungen für andere bzw. das nachhaltige Angebot von Telekommunikation (§ 4 Nr. 4 PostG).8 Das Unternehmen sollte über ein Mindestmaß an organisatorischer Struktur verfügen und die angebotene Dienstleistung sollte über eine gewisse Dauer bestehen.9 Eine Gewinnerzielungsabsicht ist bei dem Betrieb des Unternehmens nicht erforderlich, so dass auch geschlossene Benutzergruppen von § 206 StGB erfasst werden können. Eine Gewinnerzielungsabsicht ist nicht erforderlich.10 Nach überwiegender Ansicht sind auch Unternehmen erfasst, die für ihre Mitarbeiter oder Gäste Telekom- 9 munikationseinrichtungen zur privaten Nutzung zur Verfügung stellen. Neben den bekannten Telekommunikationsunternehmen zählen damit auch Universitäten, die für Mitarbeiter, Studenten und Dritte E-Mail-Dienste erbringen, zu den Unternehmen.11 § 206 findet auch auf Telefonate von Hotelgästen und den E-Mail-Verkehr von Angestellten Anwendung.12 Wenn ein Unternehmen den Mitarbeitern neben der dienstlichen Nutzung von E-Mail-Diensten auch eine private Nutzung gestattet, erbringt es insoweit Telekommunikationsleistungen für Dritte und ist im Zugriff auf diese beschränkt. 2. Täterkreis der Absätze 1 und 2 Inhaber sind natürliche Personen in ihrer Eigenschaft als Träger der kaufmännischen Unternehmen oder als 10 (Mit-)Eigner von Personenhandels- und Kapitalgesellschaften, soweit diese ebenfalls als Unternehmensträger fungieren. Eine gewerbliche Funktionswahrnehmung ist nicht erforderlich, lediglich eine geschäftsmäßige Er-

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12

Altevar in LK-StGB, § 206 Rz. 1; Graf in MK-StGB, Vor § 201 Rz. 2; Hoyer in SK-StGB, Vor § 201, Rz. 3. Vgl. Lenckner/Eisele in S/S-StGB, § 206 Rz. 2. Altevar in LK-StGB, § 206 Rz. 4. Hoyer in SK-StGB, § 206 Rz. 4. Hoyer in SK-StGB, § 206 Rz. 1. Lackner in Lackner/Kühl, § 206 Rz. 2. Lenckner/Eisele in S/S-StGB, § 206 Rz. 8. Altenhain in MüKo-StGB, § 206 Rz. 14. Lenckner/Eisele in S/S-StGB, § 206 Rz. 8. BT-Drucks. 13/8016, 29. OLG Karlsruhe v. 10.1.2005 – 1 Ws 152/04, CR 2005, 288. Altenhain in MüKo-StGB, § 206 Rz. 17; Altvater in LK-StGB, § 206 Rz. 12; Sauer, K&R 2008, 400; BT-Drucks. 17/4230, 21.

M. Gercke

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StGB

Verletzung des Post- oder Fernmeldegeheimnisses

StGB

§ 206 StGB Rz. 11

Strafgesetzbuch

bringung.1 Beschäftigte sind sämtliche Mitarbeiter dieser Unternehmen. Ob sie in einem privatrechtlichen oder noch in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis stehen, ist unerheblich.2 3. Täterkreis des Absatz 3 Nr. 1 11

Zum Täterkreis zählen gem. § 206 Abs. 3 Nr. 1 Personen, die Aufgaben der Aufsicht über ein in Absatz 1 bezeichnetes Unternehmen wahrnehmen. Hierzu zählen Beschäftigte der Hoheitsverwaltung des Bundes, z.B. des Bundesamtes für Post und Telekommunikation sowie der Regulierungsbehörde für Post und Telekommunikation. Entscheidend im Einzelfall ist die berufsspezifische Funktion. 4. Täterkreis des Absatz 3 Nr. 2

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Von Abs. 3 Nr. 2 umfasst werden Personen, die mit dem Erbringen von Post- und Telekommunikationsdiensten betraut sind. Es handelt sich somit um diejenigen, mit denen die Unternehmen zur Erfüllung ihrer Verpflichtungen wiederum private Verträge geschlossen haben, ohne dass es sich um Beschäftigte handelt.3 5. Täterkreis des Absatz 3 Nr. 3

13

§ 206 findet ferner Anwendung auf diejenigen Personen, die mit der Herstellung einer dem Betrieb eines Unternehmens des Absatzes 1 dienenden Anlage oder mit Arbeiten an einer solchen Anlage betraut sind. Zu diesen zählen damit die Inhaber und Beschäftigten von Herstellerfirmen sowie Inhaber und Beschäftigte von die Instandhaltung technischer Anlagen betreffenden Serviceanbietern. Die Einbeziehung dieser Personen erstreckt sich sowohl auf Fälle des § 206 Abs. 1 als auch des § 206 Abs. 2.4

II. Tatobjekt und Tathandlungen des Absatzes 1 1. Tatsachen/Postgeheimnis/Fernmeldegeheimnis 14

Tatobjekt des § 206 Abs. 1 sind Tatsachen, die dem Post- oder Fernmeldegeheimnis unterliegen. Den näheren Umfang bestimmt § 206 Abs. 5.

15

Dem Postgeheimnis unterliegen die näheren Umstände des Postverkehrs bestimmter Personen sowie der Inhalt von Postsendungen. Dazu zählen zunächst alle mit dem Postverkehr in unmittelbarem Zusammenhang stehenden Verbindungsdaten wie die Anschriften der Beteiligten oder der Umstand, dass Postleistungen in Anspruch genommen wurden.5 Erfasst werden dabei sämtliche Prozesse zwischen Einlieferung und Zustellung.6 Neben den Verbindungsdaten werden auch die Inhalte von Postsendungen erfasst. Neben geschriebenen Inhalten wie Briefen unterfallen auch reine Warensendungen dem Schutzbereich.7

16

Dem Fernmeldegeheimnis unterliegen der Inhalt der Telekommunikation und ihre näheren Umstände, ob also jemand an einem Telekommunikationsvorgang beteiligt ist oder war. Mitumfasst sind ausdrücklich die Verbindungsdaten8 einschließlich erfolgloser Verbindungsversuche. Erfasst werden zunächst die Inhalte sämtlicher individuellen Nachrichtenübermittlungen, zu denen auch die Inhalte von E-Mails oder sonstiger Datenaustauschprozesse zwischen Nutzern zählen.9 Kommunikationsvorgänge, die sich an die Öffentlichkeit richten, wie bspw. Diskussionsbeiträge auf einer Internetseite, die für jeden Nutzer zugänglich sind, werden hingegen von § 206 Abs. 1 nicht umfasst.10 Neben den Inhalten schützt § 206 auch die Umstände der Kommunikation und dabei insbesondere die Tatsache, ob jemand an einem Telekommunikationsvorgang beteiligt ist oder war. 2. In bestimmter Funktion bekanntgeworden

17

Der Täter muss als Inhaber oder Beschäftigter bzw. im Zusammenhang mit dieser Stellung oder Funktion von der Tatsache Kenntnis erlangt haben. Nicht erforderlich ist, dass der Täter unmittelbar mit den Umständen des Post- oder Telekommunikationsverkehrs in Kontakt war; die zulässige oder unzulässige Mitteilung durch einen Kollegen ist ausreichend.11 Bekanntwerden setzt außerdem voraus, dass dem Täter die Tatsache bisher unbekannt war.12 Ein Tätigkeitszusammenhang ist zu verneinen, wenn bspw. ein Reinigungsmitarbeiter Postkarten liest oder Mitarbeiter erst nach Überwindung besonderer Sicherungsvorrichtungen Kenntnis erlangen. Zu bejahen ist ein 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12

Altenhain in MüKo-StGB, § 206 Rz. 11–13. Fischer, StGB, § 206 Rz. 2. Lackner in Lackner/Kühl, § 206 Rz. 5. BT-Drucks. 13/8016 29; Lenckner/Eisele in S/S-StGB, § 206 Rz. 30. Lenckner/Eisele in S/S-StGB, § 206 Rz. 6a; Altenhain in MüKo-StGB, § 206, Rz. 31. Welp, NStZ 1994, 295. Lenckner/Eisele in S/S-StGB, § 206 Rz. 6a. LG Bonn v. 30.11.2010 – 23 KLs 10/10. Lenckner/Eisele in S/S-StGB, § 206 Rz. 6c. Gercke in Gercke/Brunst, Internetstrafrecht, Rz. 155. Altenhain in MüKo-StGB, § 206 Rz. 33; Fischer, StGB, § 206 Rz. 7. Lenckner/Eisele in S/S-StGB, § 206 Rz. 9.

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M. Gercke

Rz. 23 § 206 StGB

funktonaler Zusammenhang hingegen selbst bei unbefugter Erlangung der Kenntnis, z.B. durch Überschreitung innerdienstlicher Kompetenzen.1 Hat der Täter während seiner Tätigkeit als Beschäftigter oder Inhaber Kenntnis erlangt, so ist § 206 verwirklicht, auch wenn er die Information erst nach dem Ausscheiden weitergibt.2 3. Mitteilung § 206 Abs. 1 sanktioniert das unbefugte schriftliche, mündliche oder sonstige Mitteilen einer dem Post- und 18 Fernmeldegeheimnis unterliegenden Tatsache an einen anderen. Es ist nicht erforderlich, dass die Tatsache ein Geheimnis gem. § 203 darstellt.3 Ein Mitteilen liegt vor, wenn eigene Kenntnis an einen anderen weitergegeben wird.4 Dabei ist ausreichend, dass die Tatsache dem anderen aufgrund der Handlung des Täters zugänglich wird.5 4. Unbefugt Erforderlich ist, dass die Mitteilung unbefugt erfolgt. Dies ist der Fall, wenn sie ohne Einwilligung erfolgt und 19 kein Recht zur Mitteilung an den Dritten besteht.6 Dem Merkmal kommt eine Doppelfunktion zu, wobei die Einwilligung den Tatbestand ausschließt.7 Umstritten ist, welche Anforderungen an das Einverständnis zu stellen sind. Die wohl h.M. vertritt die Auffas- 20 sung, dass nur die Einwilligung aller am Sendevorgang Beteiligter die Tatbestandsmäßigkeit entfallen lässt.8 Allerdings erscheint eine Übertragung dieser für traditionelle Kommunikationsfälle entwickelten Grundsätze auf das Internet kaum möglich. Selbst an einfachen Vorgängen wie der Versendung von E-Mails sind zahlreiche Diensteanbieter (wie Access-Provider, Router, E-Mail-Provider) beteiligt. Eine Zustimmung aller Beteiligten kann so realistisch kaum eingeholt werden. Erforderlich ist daher eine Beschränkung auf die inhaltlich Beteiligten – den Absender sowie die Empfänger.9 In Einzelfällen erscheint selbst eine solche Einschränkung nicht weitgehend genug. Bei ungewollten Werbe-E- 21 Mails (sog. SPAM) kann nicht davon ausgegangen werden kann, dass der Absender der Spam-Nachrichten mit einer Löschung einverstanden ist. Ihm geht es ja gerade um die Zustellung dieser Nachrichten. Daher wäre der Betreiber des E-Mail-Dienstes selbst bei Einverständnis des Empfängers nicht berechtigt, unerwünschte SPAMNachrichten automatisch auszusortieren. Der Empfänger muss auch gegen den Willen des Absenders berechtigt sein, das Einverständnis zur Unterdrückung der Daten zu erklären. Eine abweichende Auslegung ließe die Verfügungsberechtigung des Empfängers körperlicher oder unkörperlicher Sendungen unberücksichtigt.10 Der Empfänger kann – zumindest im Rahmen der privaten Kommunikation – an ihn gerichtete Nachrichten löschen und diese Berechtigung auch auf Dritte übertragen.11 Die Tathandlung ist auch dann nicht unbefugt, wenn eine gesetzliche Ermächtigungsgrundlage eingreift. So 22 sehen bspw. §§ 99–100b, 100g, 100h, 100i StPO Eingriffsbefugnisse vor. Außerdem ermöglichen das Terrorismusbekämpfungsgesetz12 sowie § 8 Abs. 8 BVerfSchG weite Eingriffe. Die allgemeinen Rechtfertigungsgründe Nothilfe (§ 32 StGB) und rechtfertigender Notstand (§ 34 StGB) sind nicht anwendbar, da sie sich nicht ausdrücklich auf Postsendungen oder den Postverkehr oder Telekommunikationsvorgänge beziehen.13

III. Tatobjekt und Tathandlungen des Absatzes 2 Geschützt werden demzufolge anvertraute Sendungen vor dem Ausforschen und der Unterdrückung. Die Tat 23 richtet sich beim Ausforschen im Wesentlichen gegen das Postgeheimnis, bei der Unterdrückung fehlt dieser Bezug.14 Die letzte Handlungsalternative (Abs. 2 Nr. 3) bezieht sich auf das „Gestatten“ und „Fördern“ der Ausforschung, bzw. Unterdrückung. Mögliche Täter der Nr. 1 und 2 sind wiederum Inhaber oder Beschäftigte der Post- und Telekommunikationsunternehmen. 1 2 3 4 5 6 7 8

9 10 11 12 13 14

Altvater in LK-StGB, § 206 Rz. 17. Vgl. auch § 39 Abs. 2 S. 2 PostG, § 88 Abs. 2 S. 2 TKG; Altenhain in MK-StGB, § 206 Rz. 36. Fischer, StGB, § 206 Rz. 6. Altvater in LK-StGB, § 206, Rz. 15a. Hoyer in SK-StGB, § 206, Rz. 23. Lenckner/Eisele in S/S-StGB, § 206 Rz. 11. Lenckner/Eisele in S/S-StGB, § 206 Rz. 6. BVerfG v. 25.3.1992 – 1 BvR 1430/88, BVerfGE 85 399; OLG Karlsruhe v. 10.1.2005 – 1 Ws 152/04, CR 2005, 288; Lejeune, CR 2005, 291; Spindler/Ernst, CR 2004, 439; Heidrich/Tschoepe, MMR 2004, 79; Schlosser, NJW 1992, 3275; Schatzschneider, NJW 1993, 2029; Amelung/Pauli, MDR 1980, 801; Lisken, NJW 1994, 2069; Bär, Der Zugriff auf Computerdaten im Strafverfahren, 1992, 339 f. Gercke, ZUM 2005, 617. Gercke, ZUM 2005, 617. Weiterführend Gercke in Gercke/Brunst, Internetstrafrecht, Rz. 155. BGBl. I 2002, 361. Altenhain in MüKo-StGB, § 206 Rz. 70; Hoyer in SK-StGB, § 206 Rz. 35; Lenckner/Eisele in S/S-StGB, § 206 Rz. 15–26; Lackner in Lackner/Kühl, § 206 Rz. 15. Lenckner/Eisele in S/S-StGB, § 206 Rz. 15.

M. Gercke

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StGB

Verletzung des Post- oder Fernmeldegeheimnisses

StGB

§ 206 StGB Rz. 24

Strafgesetzbuch

1. Tatobjekt 24

Tatobjekt ist die dem Unternehmen zwecks Weiterleitung anvertraute Sendung. Dies umfasst zunächst körperliche Gegenstände.1 Umstritten ist, ob davon auch nicht-körperliche Sendungen umfasst werden.2 In der Literatur wird die Auffassung vertreten, dass die in § 3 Nr. 22 TKG umschriebene Telekommunikation, insbesondere E-Mails, von § 206 Abs. 2 StGB nicht umfasst wird.3 Dem kann aber zumindest im Hinblick auf § 206 Abs. 2 Nr. 2 und 3 nicht gefolgt werden. Der Umstand, dass diese Varianten nicht voraussetzen, dass die Sendung verschlossen ist, spricht für eine Anwendbarkeit der Norm auf elektronisch übermittelte Sendungen.4

25

Dem Unternehmen anvertraut sind Sendungen, die ordnungsgemäß in den Postverkehr gelangt sind. Die Aushändigung an Post-Mitarbeiter oder das Einwerfen in den Briefkasten genügt.5 Die Sendung ist dem Unternehmen bis zur Übergabe an den Empfänger oder bei Unzustellbarkeit der Rückgabe an den Absender anvertraut. Sogar Fangbriefe, die das Unternehmen selbst zur Überführung von Beschäftigten aufgibt, gelten nach überwiegender Ansicht als anvertraut.6 Beim Tatbestandsmerkmal des Anvertrauens sind die technischen Abläufe zu berücksichtigen, so dass eine E-Mail erst anvertraut wurde, wenn sie an den empfangenden Server übermittelt wurde.7 2. Tathandlungen

26

Unter den Begriff des Öffnens fallen Tathandlungen, bei denen der Täter einen Verschluss oder sonstiges Hindernis entfernt, so dass ein Zugang zum Inhalt ohne wesentliche Hindernisse möglich ist.8

27

Ein Unterdrücken liegt vor, wenn die Sendung dem ordnungsgemäßen Beförderungsgang entzogen ist.9 Dabei ist erforderlich, dass die Abweichung der tatsächlichen von der zu erwartenden Beförderung das Vertrauen der Allgemeinheit in die Zuverlässigkeit des Fernmeldeverkehrs beeinträchtigt.10 Bei nur kurzen Verzögerungen ist dies regelmäßig nicht der Fall. Erreicht die zu sendende Nachricht hingegen ihr Ziel nicht oder nur unvollständig, liegt regelmäßig eine Unterdrückung vor.11 Dass das Unternehmen weiterhin Gewahrsam hat, ist unschädlich. Ein Unterdrücken ist auch anzunehmen, wenn Einzelteile einer Sendung, z.B. eines Pakets, dem Postverkehr entzogen werden.

28

Unterdrücken ist auch durch Eingriffe in den technischen Vorgang des Aussendens, Übermittelns sowie des Empfangs von Nachrichten mittels Telekommunikationsanlagen möglich, infolge welcher die Nachricht nicht oder nur unvollständig übermittelt wird.12 Auch ein Zurückhalten der E-Mail stellt ein Unterdrücken i.S.d. § 206 dar.13 Die Tathandlung kann auch automatisiert, bspw. durch den Einsatz von Filtersoftware erfolgen.14

29

§ 206 Abs. 2 Nr. 3 erhebt Beihilfehandlungen zu selbständigen Taten. Eine Strafmilderung gem. § 27 StGB scheidet daher aus. Das Gestatten ist gegeben, wenn z.B. ein Vorgesetzter eine Handlung eines Beschäftigten nach Absatz 1 oder Abs. 2 Nr. 1 oder Nr. 2 erlaubt, obwohl er in der Lage wäre, selbst einzugreifen, passiv duldet oder zu ihr anstiftet.15 Fördern ist hingegen Hilfeleisten durch positives Tun oder pflichtwidriges Unterlassen.16 Ein Fördern durch pflichtwidriges Unterlassen ist gegeben, wenn die fragliche Angelegenheit im Verantwortungsbereich des Täters liegt. Beim positiven Tun bedarf es eines inneren Zusammenhangs mit der Inhaberstellung oder der dienstlichen Tätigkeit des Beschäftigten.17 3. Unbefugt

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Dem Merkmal „unbefugt“ kommt eine Doppelfunktion zu, wobei die Einwilligung den Tatbestand ausschließt.18 Vgl. dazu ausf. Rz. 19 f.

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18

Altenhain in MüKo-StGB, § 206 Rz. 46. Gercke in Gercke/Brunst, Internetstrafrecht, Rz. 156. Altenhain in MüKo-StGB, § 206 Rz. 46. Heidrich/Tschoepe, MMR 2004, 79. Lackner in Lackner/Kühl, § 206 Rz. 8. Altvater in LK-StGB, § 206 Rz. 38; a.A. Hoyer in SK-StGB, § 206 Rz. 26. OLG Karlsruhe v. 10.1.2005 – 1 Ws 152/04, CR 2005, 288; Altvater in LK-StGB, § 206 Rz. 48; Heidrich/Tschoepe MMR 2004, 78. Lackner in Lackner/Kühl, § 206 Rz. 18. BGH v. 25.6.1963 – 1 StR 210/63, BGHSt 19, 32; Hoyer in SK-StGB, § 206 Rz. 29. Lackner in Lackner/Kühl, § 206 Rz. 10 Lenckner/Eisele in S/S-StGB, § 206 Rz. 20. Lenckner/Eisele in S/S-StGB, § 206 Rz. 20. Lenckner/Eisele in S/S-StGB, § 206 Rz. 20b. Fischer, StGB, § 206 Rz. 15. Gercke in Gercke/Brunst, Internetstrafrecht, Rz. 156. Fischer, StGB, § 206 Rz. 16; Hoyer in SK-StGB, § 206 Rz. 33. Lackner in Lackner/Kühl, § 206 Rz. 11. Lenckner/Eisele in S/S-StGB, § 206 Rz. 24. Lenckner/Eisele in S/S-StGB, § 206, Rz. 26.

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M. Gercke

Rz. 2 Vor §§ 257 ff. StGB

StGB

Vorbemerkungen zu §§ 257 ff.

Es kommen verschiedene Rechtfertigungsnormen in Betracht, die Ausnahmen zulassen: Gem. § 39 Abs. 4, 5 31 PostG ist eine Öffnung vorgesehen, um den nicht bekannten Absender zu ermitteln. Bei Verdacht eines gefährlichen Inhalts ermöglicht § 39 Abs. 4 Nr. 4 PostG die Befugnis zur Vernichtung und damit zur Sendungsunterdrückung (Abs. 2 Nr. 2). Bei virenverseuchten E-Mails wird teilweise eine mutmaßliche Einwilligung mit der Ausfilterung angenommen.1

IV. Tatobjekt und Tathandlungen des Absatzes 4 Gemäß § 206 Abs. 4 macht sich strafbar, wer unbefugt einer anderen Person eine Mitteilung über Tatsachen 32 macht, die ihm als außerhalb des Post- und Telekommunikationsbereichs tätigem Amtsträger aufgrund eines befugten oder unbefugten Eingriffs in das Post- und Fernmeldegeheimnis bekannt geworden sind. Der Schutz des § 206 geht damit über den Bereich des Post- und Telekommunikationsunternehmens hinaus. Als Täter kommen nur Personen in Betracht, die Amtsträger sind, jedoch weder in einem Unternehmen nach Absatz 1 noch in der verbliebenen Hoheitsverwaltung des Bundes beschäftigt sind.2 Vorstellbar als Sachverhalt der „befugt“ bekannt gewordenen Tatsache ist etwa, dass im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens ein rechtmäßiger Eingriff stattgefunden hat und dem Täter im Rahmen seiner dienstlichen Tätigkeit bekannt geworden ist. Sinn und Zweck der Vorschrift ist es, auch diejenigen Amtsträger zu erfassen, die zwar befugt Kenntnis von einer Information erlangt haben, diese aber nun jedenfalls nicht befugt weitergeben können.3

C. Subjektiver Tatbestand § 206 setzt Vorsatz im Hinblick auf alle Merkmale des objektiven Tatbestands voraus. Ausreichend ist, dass der 33 Täter mit bedingtem Vorsatz gehandelt hat. Dieser muss den Mangel der Befugnis nicht mitumfassen.4

D. Rechtswidrigkeit Vgl. dazu die Einzeldarstellung innerhalb der unterschiedlichen Tatbestände.

34

E. Versuch Der Versuch ist straflos. Alle Tatvarianten sind Sonderdelikte, die rechtsguts- und tatbezogen sind und somit 35 besondere Pflichten zur Wahrung des Post- und Telekommunikationsgeheimnisses begründen.

F. Konkurrenzen §§ 202, 202b treten hinter § 206 zurück. Tateinheit ist möglich zwischen den Absätzen 1 und 3, § 353b Abs. 1, 36 § 201 Abs. 1 Nr. 2, § 202a, § 242, § 246, § 274 Abs. 1 Nr. 1, § 303, § 303a, § 353b. Gleiches gilt für § 133 zu Absatz 3. Tatmehrheit kann mit §§ 242, 246 bestehen, wenn der Täter sich den Inhalt einer Sendung aufgrund eines späteren Tatentschlusses zueignet.

§§ 207–210

(weggefallen)

Einundzwanzigster Abschnitt. Begünstigung und Hehlerei Vorbemerkungen zu §§ 257 ff. Der einundzwanzigste Abschnitt des StGB umfasst eine Reihe sehr verschiedenartiger Delikte. Die Bezeichnung 1 des Abschnitts als „Begünstigung und Hehlerei“ ist zu eng, da sie den gerade im Bereich des Wirtschaftsstrafrechts bedeutenden § 261 StGB, die Geldwäsche, nicht umfasst. Auch die Einbeziehung der Strafvereitelung nach § 258 StGB in diesen Abschnitt erschließt sich nicht auf Anhieb, sondern erst über deren Einstufung als „persönliche Begünstigung“. Die Delikte des einundzwanzigsten Abschnitts werden auch als „Anschlussdelikte“ bezeichnet.5 Die Besonderheit und damit die wesentliche Gemeinsamkeit der Delikte des einundzwanzigsten Abschnitts 2 liegt in der Existenz und der besonderen Abhängigkeit der Delikte von einer vorausgegangenen Straftat, der

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Lejeune, CR 2005, 291; Sauer, K&R 2008, 400. Lackner in Lackner/Kühl, § 206 Rz. 12. BT-Drucks. 13/8016, 29. Lackner in Lackner/Kühl, § 206 Rz. 13; a.A. Fischer, StGB, § 206 Rz. 18. Fischer, StGB, vor § 257 Rz. 2.

Mückenberger

321

StGB

Vor §§ 257 ff. StGB Rz. 3

Strafgesetzbuch

sog. Vortat.1 Jeder der Tatbestände der Anschlussdelikte setzt somit die Existenz einer unabhängigen Straftat voraus. Das Anschlussdelikt selbst ist hingegen von der Vortat abhängig. So können sich etwa bei den meisten Anschlussdelikten Fragen nach der Abgrenzung zwischen Vortat und Anschlussdelikt und dem Konkurrenzverhältnis zwischen diesen ergeben. Teilweise sind entsprechende Regelungen in den Gesetzestext aufgenommen worden.2 Auch bei den Rechtsfolgen der Anschlussdelikte besteht eine Abhängigkeit von der Vortat,3 die im strafrechtlichen Rechtsfolgensystem untypisch und zuweilen problematisch ist. 3

In dem Erfordernis der Existenz einer vorausgegangenen Straftat und den daraus resultierenden Besonderheiten erschöpfen sich die wesentlichen Gemeinsamkeiten der Anschlussdelikte. Keine Einheitlichkeit besteht etwa im Hinblick auf die geschützten Rechtsgüter.4 Während § 257 StGB im Wesentlichen die Rechtspflege schützt,5 nach a.A. (auch) Vermögensinteressen,6 und auch § 258 StGB die (Straf-)Rechtspflege bzw. den staatlichen Strafanspruch schützt,7 ist geschütztes Rechtsgut der §§ 259, 260 und 260a StGB das Vermögen.8 Im Hinblick auf § 261 StGB ist ein einheitliches geschütztes Rechtsgut schlicht nicht zu definieren.9

4

Ähnlich uneinheitlich ist auch die Bedeutung der Tatbestände im Rahmen des Wirtschafts- und Steuerstrafrechts. Die Begünstigung spielt in der wirtschaftsstrafrechtlichen Praxis kaum eine Rolle (allenfalls als Auffangtatbestand). Auch die Hehlerei und deren Qualifikationen sind – vor allem aufgrund ihrer Fokussierung auf Sachen – im Rahmen des weitestgehend vermögensbezogenen Wirtschafts- und Steuerstrafrechts von eher untergeordneter Bedeutung. Demgegenüber ist etwa die Geldwäsche oder zumindest eine Annahme derselben in der wirtschafts- und steuerstrafrechtlichen Praxis sehr häufig zu beobachten.

§ 257 Begünstigung (1) Wer einem anderen, der eine rechtswidrige Tat begangen hat, in der Absicht Hilfe leistet, ihm die Vorteile der Tat zu sichern, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. (2) Die Strafe darf nicht schwerer sein als die für die Vortat angedrohte Strafe. (3) Wegen Begünstigung wird nicht bestraft, wer wegen Beteiligung an der Vortat strafbar ist. Dies gilt nicht für denjenigen, der einen an der Vortat Unbeteiligten zur Begünstigung anstiftet. (4) Die Begünstigung wird nur auf Antrag, mit Ermächtigung oder auf Strafverlangen verfolgt, wenn der Begünstiger als Täter oder Teilnehmer der Vortat nur auf Antrag, mit Ermächtigung oder auf Strafverlangen verfolgt werden könnte. § 248a gilt sinngemäß. Literatur: Altenhain, Das Anschlußdelikt, 2002; K. Amelung, Vorteilssicherung und Angehörigenprivileg, JR 1978, 227; Arzt, Schutz juristischer Personen gegen Selbstbelastung, JZ 2003, 456; Berz, Die entsprechende Anwendung von Vorschriften über die tätige Reue am Beispiel der Unternehmensdelikte, in FS Stree/Wessels, 1993, S. 331; Blei, Das Problem – Begünstigung und Strafvereitelung, JA 1974, 28; Blei, Begünstigung, Strafvereitelung und Hehlerei, JA 1976, 309; Bruns, Liechtenstein oder das Beweisverwertungsverbot, StraFo 2008, 189; Cantzler/Zauner, Die Subsidiaritätsklausel in § 246 StGB, JURA 2003, 483; Class, Die Kausalität der Beihilfe, in FS Stock, 1966, S. 115; Dehne-Niemann, Probleme bei der Begünstigung (§ 257) – Teil 1 bis 3, ZJS 2009, 142, 248, 369; Ebert, Die Strafvereitelung, ZRG (Germ Abt.) 1993, 1; Geerds, Begünstigung und Hehlerei – Zur kriminologischen Problematik der §§ 257, 259, 260 StGB und zu daraus zu ziehenden strafrechtlichen Konsequenzen, GA 1988, 243; Gehrig, Der Absichtsbegriff in den Straftatbeständen des Besonderen Teils des StGB, 1986; Geppert, Begünstigung (§ 257 StGB), JURA 1980, 269 ff., 327 ff.; Geppert, Zum Verhältnis von Täterschaft/Teilnahme an der Vortat und anschließender sachlicher Begünstigung (§ 257 StGB), JURA 1994, 441; Geppert, Zum Begriff der „Hilfeleistung“ im Rahmen von Beihilfe (§ 27 StGB) und sachlicher Begünstigung (§ 257 StGB), JURA 2007, 589; Göres/ Kleinert, Die Liechtensteiner Finanzaffäre – Steuer- und steuerstrafrechtliche Konsequenzen, NJW 2008, 1353; Gropp, Deliktstypen mit Sonderbeteiligung, 1992; Heine, Der staatliche Ankauf von strafbar erlangten Steuer-Daten deutscher Steuerhinterzieher, in FS Roxin, 2011, S. 1087; Henseler, Die Geringwertigkeit im Sinne der §§ 243 Abs. 2 und 248a StGB, StV 2007, 323; Herzberg, Grundfälle zur Lehre von Täterschaft und Teilnahme, JuS 1975, 792; Horn, Das Verhältnis von Begünstigung, Strafvereitelung und Hehlerei zur Vortat aus materieller Sicht, JA 1995, 218; Hörnle, Anschlussdelikte als abstrakte Gefährdungsdelikte – Wem sind Gefahren durch verbotene Märkte zuzurechnen?, in FS Schroeder, 2006, S. 477; Hruschka, „Wahlfeststellung“ zwischen Diebstahl und sachlicher Begünstigung?, NJW 1971, 1392; Hruschka, Hehlerei und sachliche Begünstigung, JR 1980, 221; Ignor/Jahn, Der Staat kann auch anders – Die Schweizer Daten-CDs und das deutsche Strafrecht, JuS 2010, 390; Janson, Begünstigung und Hehlerei vor dem Hintergrund des Rückerwerbes der Diebesbeute, 1992; Joerden, Fremd- und Eigenreferenz bei den Anschlussdelikten Begünstigung, Strafvereitelung, Hehlerei und Geld-

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Eingehend auch zur Problematik der Inhomogenität der Anschlussdelikte, Altenhain, Das Anschlussdelikt, 2002. Vgl. etwa § 257 Abs. 3 StGB, § 258 Abs. 5 StGB. Vgl. § 258 Abs. 3 StGB. Vgl. Stree/Hecker in S/S-StGB, vor § 257 Rz. 2; Fischer, StGB, vor § 257 Rz. 2. BGH v. 1.9.1993 – 2 StR 258/93, NStZ 1994, 188; Tsambikakis in AnwK-StGB, § 257 Rz. 2. BGH v. 24.10.1989 – 1 StR 504/89, BGHSt 36, 277, 281; BGH v. 1.9.1993 – 2 StR 258/93, NStZ 1994, 187, 188. Ruß in LK-StGB, § 258 Rz. 1; Cramer/Pascal in MüKo-StGB, § 258 Rz. 3; BGH v. 11.5.1999 – 4 StR 380/98, BGHSt 45, 97, 101; BGH v. 5.3.1998 – 5 StR 494/97, BGHSt 44, 52, 57. 8 BGH v. 4.11.1976 – 4 StR 255/76, BGHSt 27, 46; BGH v. 3.10.1984 – 2 StR 166/84, BGHSt 33, 52; Fischer, StGB, vor § 257 Rz. 2. 9 Vgl. etwa Sommer in AnwK-StGB, § 261 Rz. 2 f.

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Mückenberger

Rz. 5 § 257 StGB

wäsche, in FS Lampe, 2003, S. 771; Kaiser, Zulässigkeit des Ankaufs deliktisch erlangter Steuerdaten, NStZ 2011, 383; Kelnhofer/Krug, Der Fall LGT Liechtenstein – Beweisführung mit Material aus Straftaten im Auftrag des deutschen Fiskus?, StV 2008, 660; Kollenberg, Besondere Probleme bei Geld als Angriffsobjekt im Rahmen von Eigentums- und Vermögensdelikten, Diss. Bochum 1978; Küchenhoff, Dürfen Strafverfolger „gestohlene“ Daten ankaufen?, NJ 2010, 321; Kudlich, Verwertung ausländischer Bankdaten von angekauften Daten CDs, ZWH 2011, 35; Kühne, Strafrechtliche und moralische Fragen beim staatlichen Ankauf von illegal erlangten Bankdaten, GA 2010, 275; Küpper, Sukzessive Tatbeteiligung vor und nach Raubvollendung – BGH NJW 1985, 814, JuS 1986, 862; Laubenthal, Zur Abgrenzung zwischen Begünstigung und Beihilfe zur Vortat, JURA 1985, 630; Lenckner, Zum Begriff der Täuschungsabsicht in § 267 StGB, NJW 1967, 1890; Lenckner, Zum Tatbestand der Strafvereitelung, GS Schröder, 1978, S. 339; Lenckner, Begünstigung, Strafvereitelung und Vereidigungsverbot nach § 60 Nr. 2 StPO, NStZ 1982, 401; Lohmar, Steuerstrafrechtliche Risiken typischer Bankgeschäfte, 2002; Miehe, Die Schutzfunktion der Strafdrohungen gegen Begünstigung und Hehlerei, in FS Honig, 1970, S. 91; Neumann, Reform der Anschlussdelikte, 2007; Oehler, Neue strafrechtliche Probleme des Absichtsbegriffes, NJW 1966, 1633; Otto, Straflose Teilnahme?, in FS Lange, 1976, S. 197; Pawlik, Zur strafprozessualen Verwertbarkeit rechtswidrig erlangter ausländischer Bankdaten, JZ 2010, 693; Przybyla, Das Verhältnis von Beihilfe und Begünstigung, Diss. Köln 1999; Rabe von Kühlewein, Strafrechtliche Haftung bei vorsätzlichen Straftaten anderer, JZ 2002, 1139; Römer, Bochum gegen Liechtenstein, StraFo 2009, 194; Roxin, Geld als Objekt von Eigentums- und Vermögensdelikten, in FS H. Mayer, 1966, S. 467; Salditt, Liechtenstein: Fragen und Argumente, Praxis Steuerstrafrecht 2008, 84; Schaffstein, Die Risikoerhöhung als objektives Zurechnungsprinzip im Strafrecht, insbesondere bei der Beihilfe, in FS Honig, 1970, S. 169; Schittenhelm, Alte und neue Probleme der Anschlußdelikte im Lichte der Geldwäsche, in FS Lenckner, 1998, S. 519; Schmitz, Unrecht und Zeit, 2001; H. Schneider, Grund und Grenzen des strafrechtlichen Selbstbegünstigungsprinzips auf der Basis eines generalpräventiv-funktionalen Schuldmodells, 1991; Schröder, Zur Abgrenzung der Vermögensdelikte, SJZ 1950, 94; Schröder, Sicherungsbetrug und Sicherungserpressung, MDR 1950, 398; Schröder, Die Rechtsnatur der Begünstigung und Hehlerei, MDR 1952, 68; Schröder, Die Koordinierung der drei Begünstigungstatbestände, NJW 1962, 1037; Schröder, Begünstigung und Hehlerei, in FS Rosenfeld, 1949, S. 161; Schröder, Die Unternehmensdelikte, in FS Kern, 1968, S. 457; Schroeder, Die Straftaten gegen das Strafrecht, 1985; Seel, Begünstigung und Strafvereitelung durch Vortäter und Vortatteilnehmer, 1999; Seelmann, Grundfälle zu den Straftaten gegen das Vermögen als Ganzes, JuS 1983, 32; Sieber, Ermittlungen in Sachen Liechtenstein – Fragen und erste Antworten, NJW 2008, 881; Stoffers, Die entgeltliche Rückveräußerung einer gestohlenen Sache an deren Eigentümer durch einen Dritten, JURA 1995, 113; Stree, Objektive Bedingungen der Strafbarkeit, JuS 1965, 465; Stree, Begünstigung, Strafvereitelung und Hehlerei JuS 1976, 137; Sturm, Änderungen des Besonderen Teils des Strafgesetzbuches durch das Einführungsgesetz des Strafgesetzbuches, JZ 1975, 6; Tenckhoff, Zur Anwendbarkeit des § 13 StGB auf schlichte Tätigkeitsdelikte, in FS Spendel, 1992; Trüg, Steuerdaten-CDs und die Verwertung im Strafprozess, StV 2011, 111; Trüg/Habetha, Die „Liechtensteiner Steueraffäre“ – Strafverfolgung durch Begehung von Straftaten?, NJW 2008, 887; dies., Beweisverwertung trotz rechtswidriger Beweisgewinnung – insbesondere mit Blick auf die „Liechtensteiner Steueraffäre“, NStZ 2008, 481; Vahrenbrink, Die vorgeleistete Begünstigung (§§ 257, 258 StGB) – Zugleich ein Beitrag zur Kausalität der Beihilfe, 1997; Vogler, Die Begünstigungshandlung, in FS Dreher, 1977, S. 405; Weisert, Der Hilfeleistungsbegriff bei der Begünstigung, 1999; Wilbert, Begünstigung und Hehlerei, 2007; Witte, Gibt es eine Steuerhinterziehung nach einer vollendeten Steuerhinterziehung?, 2004; Wolff, Begünstigung, Strafvereitelung und Hehlerei: Geschichtliche Entwicklung und Abgrenzung zur Beihilfe, 2002; Wolter, Notwendige Teilnahme und straflose Beteiligung, JuS 1982, 343; Wolter, Verfassungsrechtliche Strafrechts-, Unrechts- und Strafausschlussgründe im Strafrechtssystem von Claus Roxin, GA 1996, 207; Zieschang, Die Gefährdungsdelikte, 1998; Zieschang, Der Begriff „Hilfeleisten“ in § 27 StGB, in FS Küper, 2007, S. 733; Zipf, Begünstigung durch Mitwirkung am Rückkauf der gestohlenen Sache – OLG Düsseldorf NJW 1979, 2320, JuS 1980, 24.

A. Allgemeines Die Begünstigung ist ein sog. Anschlussdelikt. Sie bedarf einer rechtswidrigen Vortat. Die Vortat muss kein 1 Vermögensdelikt im engeren Sinne sein, der Vortäter muss aber einen Vorteil aus dieser erlangt haben, zu dessen Sicherung der Täter der Begünstigung objektiv Hilfe leistet. Subjektiv ist die Begünstigung ein Absichtsdelikt; sie erfordert eine Vorteilssicherungsabsicht (direkter Vorsatz) hinsichtlich der Vorteile aus der Vortat. Die Begünstigung ist abstraktes Gefährdungs- und unechtes Unternehmensdelikt. Eine erfolgreiche, zumin- 2 dest vorübergehende Vorteilssicherung ist für die Tatvollendung und die Strafbarkeit nicht erforderlich. Auch die Rechtsfolgen einer Begünstigung sind von der Vortat abhängig; so darf die Strafe für die Begüns- 3 tigung nicht schwerer sein als die für die Vortat angedrohte (Absatz 2). Bei Beteiligung an der Vortat scheidet eine Strafbarkeit wegen Begünstigung aus (Abs. 3 S. 1). Nicht straflos hingegen ist es, eine an der Vortat unbeteiligte Person zu einer Begünstigung anzustiften (Abs. 3 S. 2). Die Begünstigung ist Antragsdelikt oder wird nur mit Ermächtigung oder auf Strafverlangen verfolgt, wenn das 4 Gleiche für die Vortat gilt (Abs. 4 S. 1). Ein Antragserfordernis besteht auch im Falle einer Geringwertigkeit (Abs. 4 S. 2, § 248a StGB). Der Versuch ist – anders als bei § 258 StGB – nicht strafbar. Geschütztes Rechtsgut der Begünstigung ist sowohl die Rechtspflege als auch das Restitutionsinteresse des 5 durch die Vortat Verletzten, da der Täter die Wiederherstellung des gesetzmäßigen Zustands, sei es durch den Verletzten selbst oder durch den Staat, vereitelt oder zumindest erschwert.1 § 257 StGB schützt damit nicht nur allgemein Rechtsgüter sondern auch Individualinteressen. Er kann damit Schutzgesetz i.S.v. § 823 Abs. 2 BGB sein.

1 Tsambikakis in AnwK-StGB, § 257 Rz. 2 mit Hinweis auf BGH v. 24.10.1989 – 1 StR 504/89, BGHSt 36, 277, 281; BGH v. 16.6.1971 – 2 StR 191/71, BGHSt 24, 166, 167; BGH v. 20.1.2011 – 3 StR 420/10, NStZ-RR 2011, 177.

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StGB

Begünstigung

StGB

§ 257 StGB Rz. 6

Strafgesetzbuch

B. Objektiver Tatbestand 6

§ 257 StGB regelt die sog. sachliche Begünstigung. Bestraft wird die Hilfeleistung zur Sicherung von Vorteilen aus einer abgeschlossenen rechtswidrigen Tat.

I. Vortat 7

Jede rechtswidrige Tat i.S.v. § 11 Abs. 1 Nr. 5 StGB kommt als Vortat in Betracht. Sie muss nach deutschem Strafrecht strafbar sein.1 Um ein Vermögensdelikt muss es sich nicht handeln; auch sachliche Vorteile aus anderen Straftaten sind taugliche Objekte des § 257 StGB.2 Die Vortat muss rechtswidrig, nicht aber schuldhaft begangen worden sein.3 Eventuelle Strafausschließungs- oder Strafaufhebungsgründe spielen keine Rolle. Die Vortat kann Fahrlässigkeitstat oder Sonderdelikt sein, für welches der Begünstiger nicht als Täter in Frage kommt.4

8

Die Vortat muss von einem anderen als dem Begünstiger begangen worden sein. Der an der Vortat Beteiligte ist nach Abs. 3 S. 1 von der Strafbarkeit ausgeschlossen. Täter oder Teilnehmer der Vortat können nicht wegen Begünstigung strafbar sein, die sog. Selbstbegünstigung ist straffrei, die Beteiligung an der eigenen Besserstellung tatbestandslos. Strafbar kann jedoch die Begünstigung zu einer Qualifikation sein, die der Begünstiger zur Zeit der Haupttat nicht kannte, die ihm aber vor oder bei Begehung der Begünstigungshandlung bekannt wurde.5 Abs. 3 S. 2 regelt, dass ein an der Vortat Beteiligter, der einen Unbeteiligten zu einer Begünstigung anstiftet, gleichwohl selber wegen Teilnahme zur Begünstigung strafbar sein kann. Auch der Außenstehende soll strafbar sein, wenn er an der an sich straflosen Selbstbegünstigung eines Vortatbeteiligten teilnimmt.6

9

Die Vortat muss begangen, zumindest also strafbar versucht worden sein. Nach dem BGH7 soll im Stadium des unbeendeten Versuchs und der vollendeten, aber nicht beendigten Tat Begünstigung – neben der Beihilfe zur Vortat – möglich sein. Ab Beendigung der Vortat oder des Versuchs hierzu kommt nur noch eine Strafbarkeit wegen Begünstigung in Betracht.8

II. Vorteil 10

Die Begünstigung setzt einen materiellen Vorteil aus der Vortat voraus. Ein solcher Vorteil i.S.d. Begünstigung ist jede Verbesserung der rechtlichen, wirtschaftlichen oder tatsächlichen Lage des Vortäters, welche unmittelbar durch die Vortat erlangt wurde.9 Gerade in Wirtschaftsstrafsachen wird es sich hier regelmäßig um einen Vermögenswert handeln; gleichwohl ist § 257 StGB hierauf nicht beschränkt.10 Der Vorteil muss auch noch vorhanden sein, um zu seiner Sicherung Hilfe leisten zu können. Anderenfalls fehlt ein taugliches Tatobjekt, sodass eine Strafbarkeit nach § 257 StGB ausscheidet.11

11

Aufgrund des Unmittelbarkeitserfordernisses hinsichtlich des Vorteils aus der Vortat scheiden sog. Ersatzvorteile – Surrogate für das aus der Vortat Erlangte – als Tatobjekt einer Begünstigung aus. Hierbei spielt es keine Rolle, ob der unmittelbare Vorteil durch Verwertung, Einsatz (etwa entwendetes Geld für den Kauf einer Sache) oder Umtausch ersetzt wurde. In allen Fällen ist der Vorteil nicht unmittelbar i.S.v. § 257 StGB.12 Inkonsequent ist hingegen die Rspr. zum nicht aus dem Taterlös gezahlten Tatlohn für die Tatbeteiligung. Diese soll dem Unmittelbarkeitserfordernis genügen.13

12

Aufgeweicht wird das Unmittelbarkeitserfordernis allein im Fall von Geldbewegungen (Überweisungen, Einund Auszahlungen, Geldwechsel etc.). In diesen Fällen soll anhand einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise zu ermitteln sein, ob es sich noch um – dann auch unmittelbare – Vorteile aus der Vortat handelt.14 Offenbar, um einer uferlosen Ausweitung des Unmittelbarkeitsbegriffs bei Geldbewegungen entgegenzuwirken, hat der BGH hier wiederum Einschränkungen vorgenommen. So soll das Abheben von einem Girokonto und die Weitergabe

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14

Walther in LK-StGB, § 257 Rz. 19 f.; a.A. Fischer, StGB, § 257 Rz. 3. Tsambikakis in AnwK-StGB, § 257 Rz. 5. Cramer/Pascal in MüKo-StGB, § 257 Rz. 7 f.; BGH v. 27.2.1951 – 4 StR 123/51, BGHSt 1, 47, 50. Fischer, StGB, § 257 Rz. 3. Stree/Hecker in S/S-StGB, § 257 Rz. 32a; Fischer, StGB, § 257 Rz. 5. Fischer, StGB, § 257 Rz. 5. BGH v. 23.4.1953 – 4 StR 743/52, BGHSt 4, 133. BGH v. 19.5.1999 – 2 StR 86/99, NStZ 2000, 31; Fischer, StGB, § 257 Rz. 4. BGH v. 16.6.1971 – 2 StR 191/71, BGHSt 24, 166; BGH v. 24.10.1989 – 1 StR 504/89, BGHSt 36, 281; BGH v. 11.3.1986 – VI ZR 22/85, NJW 1986, 1185; Tsambikakis in AnwK-StGB, § 257 Rz. 7. BGH v. 24.10.1989 – 1 StR 504/89, BGHSt 36, 277, 281. BGH v. 11.4.2013 – 2 StR 406/12, NStZ 2013, 583 f.; Cramer/Pascal in MüKo-StGB, § 257 Rz. 11, 13; Stree/Hecker in S/S-StGB, § 257 Rz. 18. BGH v. 29.4.2008 – 4 StR 148/08, NStZ 2008, 516. BGH v. 3.11.2011 – 2 StR 302/11, NJW 2012, 1463. Vgl. etwa BGH v. 24.10.1989 – 1 StR 504/89, BGHSt 36, 277; diese h.M. wird teilweise sehr krit. gesehen, Tsambikakis etwa sieht hier einen klaren Wertungswiderspruch, Tsambikakis in AnwK-StGB, § 257 Rz. 9.

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Mückenberger

Rz. 23 § 257 StGB

StGB

Begünstigung

des monetären Taterlöses an den Bruder im Falle rechtswidriger Ebay-Verkäufe mangels Unmittelbarkeit keine Begünstigung sein.1 Auch bei zu Unrecht erlangten Steuervorteilen soll es nicht auf die tatsächliche Sachidentität ankommen; viel- 13 mehr soll es ausreichen, wenn der Steuervorteil im Vermögen des Vortäters noch vorhanden ist.2

III. Tathandlung Tathandlung des § 257 StGB ist die objektive Hilfeleistung zur Sicherung der Vorteile aus der Vortat. Nach h.M. 14 muss die Hilfeleistung objektiv geeignet sein, die Vorteile aus der Tat zu sichern.3 Nach a.A. ist eine tatsächliche Besserstellung des Vortäters erforderlich;4 dies ist aber mit dem Charakter der Norm als Gefährdungsdelikt nicht vereinbar (dazu oben Rz. 3). Teilweise wird auch vertreten, dass jedes Handeln mit subjektiver Hilfetendenz genügen soll.5 Auch diese Meinung hat sich aber nicht durchgesetzt. Ein Erfolgseintritt ist damit nicht erforderlich. Die Nutzung objektiv geeigneter Mittel zur Vorteilssicherung reicht aus, ohne dass tatsächlich eine Besserstellung des Vortäters oder eine zumindest ansatzweise Sicherung der Vorteile aus der Vortat eingetreten sein muss.6 Einem anderen muss die Hilfe geleistet werden. Eine Begünstigungshandlung, welche ein Täter oder Teilneh- 15 mer der Vortat vornimmt, fällt nicht unter § 257 StGB.7 Eine Begehung durch Unterlassen ist gem. § 13 StGB möglich; sofern der Begünstiger Garant ist.8

16

IV. Abgrenzungsschwierigkeiten zur Beihilfe zur Vortat Für die Teilnahme an einer Begünstigungshandlung gelten die allgemeinen Regeln. Abgrenzungsschwierigkei- 17 ten entstehen daraus, dass § 257 StGB die Hilfeleistung selbst zur Begehungsform erhebt,9 sodass i.d.R. die Beihilfe zur (straflosen) Selbstbegünstigung selbst täterschaftliche Begünstigung ist. Eine Abgrenzung zwischen der Beihilfe zur Vortat und einer Begünstigung erfolgt in folgenden Schritten:

18

Bis zum Eintritt des Taterfolgs der Vortat kommt allein eine Gehilfenstellung an dieser in Betracht. Hierzu 19 zählt auch eine vor oder während der Tat abgesprochene spätere Vorteilssicherung. Diese Art der Hilfeleistung bezieht sich dann bereits auf die Begehung der Vortat und fördert eben diese.10 Ab Beendigung der Vortat kommt allein eine Hilfeleistung in Form einer Begünstigung in Betracht.

20

Zwischen Vollendung und Beendigung der Vortat wird mit der h.M. auf das Vorstellungsbild des Hilfeleisten- 21 den abzustellen sein.11 Fördert der Hilfeleister nach seiner Vorstellung die Haupttat selbst, so soll er als Gehilfe zu dieser strafbar sein; vereitelt er hingegen nach seinem Vorstellungsbild eher die Restitution oder geht es ihm gerade um die Sicherung einer nach seiner Vorstellung bereits erlangten Tatbeute, so sei dies Begünstigung.12 Ausschlaggebend für die Abgrenzung ist, da § 257 StGB (unechtes) Unternehmensdelikt ist, der Zeitpunkt der 22 Handlung, nicht der eines möglichen Erfolgs der Besserstellung.13 Auch die Vollendung der Begünstigung erfolgt mit Abschluss der Hilfeleistung. Auf den Zeitpunkt des Eintritts oder Nichteintritts eines möglichen Taterfolgs kommt es nicht an.14

C. Subjektiver Tatbestand Die Begünstigung ist ein Delikt mit überschießender Innentendenz. Neben einem allgemeinen Vorsatz bedarf 23 es einer besonderen Vorteilssicherungsabsicht.

1 BGH v. 29.4.2008 – 4 StR 148/08, StraFo 2008, 302. 2 BGH v. 26.10.1998 – 5 StR 746/97, wistra 1999, 103. 3 BGH v. 2.12.1970 – 2 StR 455/70, NJW 1971, 525, 526; Fischer, StGB, § 257 Rz. 7; Stree/Hecker in S/S-StGB, § 257 Rz. 11. 4 BGH v. 30.10.1951 – 1 StR 393/51, BGHSt 2, 376. 5 Seelmann, JuS 1983, 32, 34. 6 BGH v. 1.10.1953 – 4 StR 224/53, BGHSt 4, 224; BGH v. 23.10.1970 – StbSt (R) 1/70, NJW 1971, 526. 7 Fischer, StGB, § 257 Rz. 9. 8 Walther in LK-StGB, § 257 Rz. 59; Stree/Hecker in S/S-StGB, § 257 Rz. 17. 9 Tsambikakis in AnwK-StGB, § 257 Rz. 32. 10 BGH v. 22.12.1993 – 3 StR 419/93, NStZ 1994, 187, 188. 11 Vgl. BGH v. 23.4.1953 – 4 StR 743/52, BGHSt 4, 132, 133; BGH v. 25.11.1980 – 1 StR 508/80, StV 1981, 127. 12 Dieser Ansatz zur Abgrenzung stieß auch auf Kritik. Tsambikakis in AnwK-StGB, § 257 Rz. 36, merkt etwa an, diese Unterscheidung würde „kaum zu trennscharfen Schlüssen führen“ und die Ergebnisse erschienen „beliebig“. 13 Tsambikakis in AnwK-StGB, § 257 Rz. 38. 14 BGH v. 8.9.1992 – 4 StR 373/92, wistra 1993, 17; BGH v. 3.5.1994 – GSSt 2/93; GSSt 3/93, StV 1994, 185; Fischer, StGB, § 257 Rz. 11.

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StGB

§ 257 StGB Rz. 24

Strafgesetzbuch

I. Vorsatz 24

Vorsatz ist erforderlich im Hinblick auf sämtliche Tatbestandsmerkmale, wobei Eventualvorsatz genügt.1 Einzelheiten der Vortat muss der Täter nicht kennen. Er muss nicht einmal wissen, um welche Vortat es sich handelt. Vielmehr genügt das Bewusstsein, dass der zu sichernde Vorteil aus irgendeiner rechtswidrigen Vortat stammt.2

25

Anders ist dies nach der zu § 261 StGB entwickelten Rspr. des BVerfG bei Strafverteidigern im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit (etwa durch Annahme des Verteidigerhonorars) zu bewerten. Hier gelten die für § 261 StGB entwickelten Grundsätze auch im Rahmen einer Begünstigung. Demnach ist auch im Rahmen von § 257 StGB zumindest direkter Vorsatz erforderlich.3

II. Vorteilssicherungsabsicht 26

Hinzutreten muss die Absicht (dolus directus 1. Grades), dem Vortäter die Vorteile der Vortat zu sichern. Hierauf muss es dem Täter ankommen,4 Wissentlichkeit genügt nicht.5 Die insoweit abweichende Meinung6 ist mit dem klaren Wortlaut und der Systematik der Vorschrift nicht zu vereinbaren.

27

Erforderlich ist das klare Motiv der Handlung zur Beutesicherung. Es muss dem Täter gerade darauf ankommen, eine Wiederherstellung des gesetzmäßigen Zustands zu verhindern oder zu erschweren.7 Nicht erforderlich hingegen ist es, dass diese Motivation und dieser Zweck das einzige Ziel des Täters sind.8

D. Rechtsfolgen 28

Der reguläre Strafrahmen sieht Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe vor, Absatz 1.

29

Eine anschlusstatspezifische Besonderheit enthält Absatz 2. Hiernach darf die Strafe nicht schwerer sein als die für die Vortat angedrohte Strafe. Die Strafe ist also dem milderen Strafrahmen zwischen Absatz 1 und der Vortat zu entnehmen. Hierfür ist eine abstrakte Strafrahmenswahl und -bewertung nach den allgemeinen Vorschriften erforderlich. Unerheblich ist hingegen die konkrete Strafe, welche etwa der Vortäter erhalten hat.9 Es ist damit keinesfalls zwingend, dass die konkrete Strafe des Begünstigers milder oder höchstens gleichschwer ausfällt wie die des Vortäters.

30

Im Falle eines Irrtums des Begünstigers hinsichtlich Art und Strafrahmens der Vortat, ist der Strafrahmen der vorgestellten (nicht der verwirklichten) Tat anzuwenden, sofern dieser milder ist als der in § 257 Abs. 1 StGB vorgesehene.10

31

Teile der Literatur vertreten zudem, dass Milderungen nach den §§ 28, 29 StGB, die dem Begünstiger im Falle seiner Vortatbeteiligung zustehen würden, auch im Rahmen von § 257 StGB berücksichtigt werden müssten.11 Diese Auffassung überzeugt jedoch nicht. Durch die Regelung in Absatz 2 wird lediglich vermieden, dass den Begünstiger ein härterer Strafrahmen trifft als den Vortäter. Die konkrete Strafe ist innerhalb des so gewonnenen Strafrahmens nach den allgemeinen Regeln zu bestimmen. Besondere persönliche Merkmale finden im Rahmen der Begünstigung, nicht aber bei fiktiver Vortatbeteiligung Berücksichtigung.

32

Sofern nach Absatz 2 der (mildere) Strafrahmen der Vortat angewandt wird, richtet sich auch die anzuwendende Verjährungsfrist nach diesem milderen Strafrahmen.12

33

Nach Abs. 3 S. 1 werden an der Vortat Beteiligte nicht wegen § 257 StGB bestraft. Im Hinblick auf Teilnehmer, also Anstifter oder Gehilfen der Vortat, gilt die Begünstigung als mitbestrafte Nachtat.13 Täter und Mittäter der Vortat hingegen erfüllen bereits nicht den objektiven Tatbestand von § 257 StGB; ihre Hilfeleistung gilt nicht „einem anderen“ i.S.v. Absatz 1, sodass für an der Vortat täterschaftlich Beteiligte bereits der Tatbestand einer Begünstigung ausscheidet.

1 Fischer, StGB, § 257 Rz. 10. 2 BGH v. 1.10.1953 – 3 StR 854/52, BGHSt 4, 222, 223; Stree/Hecker in S/S-StGB, § 257 Rz. 17; Tsambikakis in AnwKStGB, § 257 Rz. 15. 3 Vgl. BVerfG v. 21.7.2010 – 1 BvR 611/07 und 1 BvR 2464/07, BVerfGE 110, 126; hierzu Hoyer in SK-StGB, § 257 Rz. 28; zweifelnd Fischer, StGB, § 257 Rz. 10. 4 BGH v. 12.2.1953 – 3 StR 718/52, BGHSt 4, 107; BGH v. 31.7.1992 – 2 StR 259/92, NStZ 1992, 540. 5 Tsambikakis in AnwK-StGB, § 257 Rz. 17. 6 Stree/Hecker in S/S-StGB, § 257 Rz. 17. 7 Fischer, StGB, § 257 Rz. 10. 8 BGH v. 12.2.1953 – 3 StR 718/52, BGHSt 4, 107; BGH v. 31.7.1992 – 2 StR 259/92, NStZ 1992, 540. 9 Stree/Hecker in S/S-StGB, § 257 Rz. 29; Tsambikakis in AnwK-StGB, § 257 Rz. 25. 10 Hoyer in SK-StGB, § 257 Rz. 38; Fischer, StGB, § 257 Rz. 13. 11 Hoyer in SK-StGB, § 257 Rz. 38. 12 BGH v. 26.10.1998 – 5 StR 746/97, StV 2000, 474. 13 Tsambikakis in AnwK-StGB, § 257 Rz. 29.

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§ 258 StGB

Nach Abs. 3 S. 2 gilt das Privileg der Selbstbegünstigung nicht für denjenigen, der einen an der Vortat Unbetei- 34 ligten zur Begünstigung anstiftet.

E. Verfahrensbezogenes § 257 StGB ist grundsätzlich Offizialdelikt, es sei denn, die Vortat kann nur auf Antrag, mit Ermächtigung oder 35 auf Strafverlangen verfolgt werden, Abs. 4 S. 1. Eine tatsächliche Antragsstellung im Hinblick auf die Vortat ist aber nicht erforderlich,1 sodass es möglich ist, dass die Begünstigung auf Antrag verfolgt wird, während ein Verfahren wegen der Vortat mangels eines Strafantrags nicht eingeleitet werden kann.2 Ist die Vortat ein relatives Antragsdelikt, so soll es darauf ankommen, ob zwischen dem Begünstiger und dem 36 Verletzten der Vortat eine besondere persönliche Beziehung besteht, welche die Verfolgung der Vortat von einem Strafantrag abhängig gemacht hätte.3 Abs. 4 S. 2 ordnet die sinngemäße Geltung von § 248a StGB für die Begünstigung an. Hiernach besteht ein An- 37 tragserfordernis für die Verfolgung der Begünstigung auch in den Fällen, in denen sich die Begünstigung selbst auf die Sicherung geringwertiger Vorteile bezieht.4 Geringwertigkeit wird in aller Regel bei Gegenständen mit einem Verkehrswert unter 50 Euro anzunehmen sein.5 Konkurrenzen: Nach der Rspr. soll Tateinheit zwischen Begünstigung und Beteiligung zur Vortat möglich 38 sein.6 Idealkonkurrenz ist möglich mit §§ 153 ff., 240, 253, 258, 258a, 259, 261 sowie 263 StGB. Ist die Vortat eine Steuerhinterziehung nach § 370 AO, kommt ebenfalls Idealkonkurrenz in Betracht (ggf. auch 39 Beihilfe zu einer erneuten Steuerhinterziehung).7 Wahlfeststellung ist in den Fällen möglich, wenn nicht abschließend feststellbar ist, ob Begünstigung oder täterschaftliche Beteiligung an der Haupttat vorlag; so etwa mit den §§ 242, 243 StGB.8

§ 258 Strafvereitelung (1) Wer absichtlich oder wissentlich ganz oder zum Teil vereitelt, dass ein anderer dem Strafgesetz gemäß wegen einer rechtswidrigen Tat bestraft oder einer Maßnahme (§ 11 Abs. 1 Nr. 8) unterworfen wird, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. (2) Ebenso wird bestraft, wer absichtlich oder wissentlich die Vollstreckung einer gegen einen anderen verhängten Strafe oder Maßnahme ganz oder zum Teil vereitelt. (3) Die Strafe darf nicht schwerer sein als die für die Vortat angedrohte Strafe. (4) Der Versuch ist strafbar. (5) Wegen Strafvereitelung wird nicht bestraft, wer durch die Tat zugleich ganz oder zum Teil vereiteln will, dass er selbst bestraft oder einer Maßnahme unterworfen wird oder dass eine gegen ihn verhängte Strafe oder Maßnahme vollstreckt wird. (6) Wer die Tat zugunsten eines Angehörigen begeht, ist straffrei. Literatur: Altenhain, Das Anschlußdelikt 2002; Balzer, Die berufstypische Strafbarkeit des Verteidigers unter besonderer Beachtung des Problems der Begehung von Geldwäsche (§ 261 StGB) durch Honorarannahme 2004; Beulke, Zwickmühle des Verteidigers – Strafverteidigung und Strafvereitelung im demokratischen Rechtsstaat, in FS Roxin, 2001, S. 1173; Beulke, Missbrauch von Verteidigerrechten, in FS Amelung, 2009, S. 543; Beulke, Rechtsmißbrauch im Strafprozeß – eine Erwiderung auf Pfister, StV 2009, 554; Brei, Grenzen zulässigen Verteidigerhandelns: Ein Beitrag zur Wahrheitspflicht des Verteidigers unter besonderer Berücksichtigung des französischen, englischen und nordamerikanischen Strafverfahrens, 1991; Bülte, Die Strafbarkeit des Amtsträgers wegen Strafvereitelung und Steuerhinterziehung bei Verletzung der Mitteilungspflicht aus § 116 Abs. 1 S. 1 AO, NStZ 2009, 57; Burhoff/Stephan, Strafvereitelung durch Strafverteidiger, 2008; Dahs, „Informationelle Vorbereitung“ von Zeugenaussagen durch den anwaltlichen Rechtsbeistand, NStZ 2011, 200; Dannecker/Bülte, Fehlverhalten im Gesundheitswesen – Teil 1: Gesetzliche Compliancepflichten und Strafvereitelung durch Unterlassen NZWiSt 2012, 1; dies., Fehlverhalten im Gesundheitswesen – Teil 2: Begehung von Vermögensdelikten durch Nichterfüllung von Mitteilungspflichten?, NZWiSt 2012, 81; Dießner, Der „Deal“ nach „alter Schule“ im Lichte des Verständigungsgesetzes – eine strafrecht-

1 2 3 4 5

Fischer, StGB, § 257 Rz. 14. Ruhmannseder in BeckOK-StGB, § 257 Rz. 38. Stree/Hecker in S/S-StGB, § 257 Rz. 30 m.w.N. Fischer, StGB, § 257 Rz. 14; Lacker/Kühl, § 257 StGB, Rz. 10. So OLG Frankfurt v. 10.7.2008 – 4 StR 298/08, NStZ-RR 2008, 311; Kretschmer in AnwK-StGB, § 248a StGB, Rz. 4 m.w.N.; a.A. Fischer, StGB, § 248a Rz. 3a hält eine Wertgrenze bei 50 Euro für zu hoch und tendiert offenbar mit BGH v. 9.7.2004 – 2 StR 176/04 zu 25 Euro als angemessener Wertgrenze; OLG Oldenburg v. 13.1.2005 – Ss 426/04 (I 144), NStZ-RR 2005, 111: 30 Euro. 6 OLG Köln v. 6.7.1990 – 2 StR 549/89, NJW 1990, 588; zust. Fischer, StGB, § 257 Rz. 15. 7 BGH v. 26.10.1998 – 5 StR 746/97, wistra 1999, 103; Altenhain in NK-StGB, § 257 Rz. 43 (str.). 8 BGH v. 16.12.1988 – 3 StR 509/88, NStZ 1989, 319, 320.

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StGB

Strafvereitelung

StGB

§ 258 StGB Rz. 1

Strafgesetzbuch

liche Risikoanalyse, StV 2011, 43; Dusch/Rommel, Strafvereitelung (im Amt) durch Unterlassen am Beispiel von Finanzbeamten, NStZ 2014, 188; Engel, Die Auswirkung der Möglichkeit der Einstellung von Strafverfahren gemäß §§ 153 ff. StPO auf den Tatbestand der Strafvereitelung in § 258 StGB, 1990; Ernst, Strafvereitelung durch „berufstypisches“ Verhalten“?, ZStW (2013) 125, 299; Ferber, Strafvereitelung – Zur dogmatischen Korrektur einer mißglückten Vorschrift, 1997; Geerds, Kriminelle Irreführung der Strafrechtspflege. Über strafrechtliche und kriminologische Probleme von Falschverdächtigung, Deliktsvortäuschung und Strafvereitelung (§§ 164, 145d, 258, 258a StGB), JURA 1985, 617; Günther, Das Unrecht der Strafvereitelung, 1998; Horn, Das Verhältnis von Begünstigung, Strafvereitelung und Hehlerei zur Vortat aus materieller Sicht, JA 1995, 218; Horrer/Patzschke, Strafrechtlicher Umgang mit Fremdzahlungen von Geldbußen, -strafen und -auflagen durch Unternehmen für ihre Mitarbeiter – Können sich Unternehmensverantwortliche strafbar machen, wenn ein Unternehmen Geldstrafen, Geldbußen und Geldauflagen für seine Mitarbeiter zahlt?, CCZ 2013, 94; Jahn, Konfliktverteidigung und Inquisitionsmaxime, 1998; Jahn/Ebner, Strafvereitelung im strafprozessualen Revisionsverfahren – Eine Risikoprognose, NJW 2012, 30; Jahn/Palm, Die Anschlussdelikte – Strafvereitelung (§§ 258, 258a StGB), JuS 2009, 408; Jerouschek/Schröder, Die Strafvereitelung: Ein Tatbestand im Meinungsstreit, GA 2000, 51; Kargl, Das Unrecht der Strafvereitelung, in FS Hamm, 2008, 235; Keim, Beteiligung am straflosen Selbstschutz als strafbare Strafvereitelung iSv § 258 StGB?, 1990; Knauer, Zur Wahrheitspflicht des Revisionsverteidigers, in FS Widmaier, 2008, S. 291; Krekeler, Strafrechtliche Grenzen der Verteidigung, NStZ 1989, 146; Krekeler, Verteidigung in Wirtschaftsstrafsachen und Strafbarkeitsrisiken, in FS Samson, 2010, S. 681; Kudlich, Die Unterstützung fremder Straftaten durch berufsbedingtes Verhalten, 2004; Lampe, Sockelverteidigung, 1999; MeyerGoßner, Die Verteidigung vor dem Bundesgerichtshof und dem Instanzengericht, in FS BGH, 2000, S. 615; Müller, Die Sockelverteidigung, StV 2001, 649; Müller, Die Strafvereitelung im System der Rechtspflegedelikte, StV 1981, 90; Müller/ Gussmann, Berufsrisiken des Strafverteidigers, 2007; Paulus, Dogmatik der Verteidigung, NStZ 1992, 305; Pellkofer, Sockelverteidigung und Strafvereitelung, 1998; Pfister, Rechtsmißbrauch im Strafprozeß, StV 2009, 550; Plümer, Das Verhältnis zwischen Strafvereitelung und Beihilfe zur Vortat, 1979; Randerath, Die Problematik der Strafvereitelung als Erfolgsdelikt, 1990; Reichling/Döring, Strafvereitelung durch Unterlassen – der Zeuge als Garant für die Strafrechtspflege?, StraFo 2011, 82; Rinio, Das Auskunftsverweigerungsrecht des tatbeteiligten Zeugen nach § 55 StPO, JuS 2008, 600; Rosenkaymer, Täterschaft und Teilnahme bei der Strafvereitelung (§ 258 StGB), 1988; Rudolphi, Täterschaft und Teilnahme bei der Strafvereitelung, in FS Kleinknecht, 1985, S. 379; Ruhmannseder, Unternehmensinterne Ermittlungen – rechtliche Fallstricke in Deutschland und Österreich, in FS Imme Roxin, 2012, S. 501; Ruhmannseder, Die Vertrauensbeziehung zwischen Strafverteidiger und Mandant – (k)ein Beschlagnahme- und beleidigungsfreier Raum?, NJW 2009, 2247; Satzger, Grundprobleme der Strafvereitelung (§ 258 StGB), JURA 2007, 754; Schautz, Strafrechtliche Grenzen des Verteidigerhandelns, insbesondere im Hinblick auf die Strafvereitelung, § 258 StGB 1988; Schneider, Zur Strafbarkeit des Verteidigers wegen Strafvereitelung durch Stellen von Beweisanträgen zum Zwecke der Verschleppungsabsicht, in FS Geppert, 2011, S. 607; Seebode, Die Abhängigkeit der Strafvereitelung von der Vortat, 2000; Senge, Gedanken zur Konfliktverteidigung, in FS Nehm, 2006, S. 339; Siepmann, Abgrenzung zwischen Täterschaft und Teilnahme im Rahmen der Strafvereitelung, 1988; von Stetten, Die Sperrwirkung des § 258 StGB im Rahmen der Tätigkeit eines Strafverteidigers, StV 1995, 606; Stumpf, Die Strafbarkeit des Strafverteidigers wegen Strafvereitelung, 1993; Vogt, Berufstypisches Verhalten und Grenzen der Strafbarkeit im Rahmen der Strafvereitelung, 1992; Vormbaum, Strafvereitelung auf Zeit – ein zeitloses Thema, in FS Küper, 2007, S. 663; Walter, Die Jugendstrafanstalt – pädagogische Institution oder Ort für die Akquisition von Strafanzeigen?, NStZ 2010, 57; Wappler, Der Erfolg der Strafvereitelung, 1998; Weidemann, Aussageverweigerung bei Vernehmung durch Polizeibeamte als Strafvereitelung?, JA 2008, 532; Widmaier, Strafverteidigung im strafrechtlichen Risiko, in FS BGH, 2000, 1043; Wolf, Das System des Rechts der Strafverteidigung, 2000; Zeifang, Die eigene Strafbarkeit des Strafverteidigers im Spannungsfeld zwischen prozessualem und materiellem Recht, 2004.

A. Allgemeines I. Deliktsnatur 1

§ 258 StGB regelt die Strafvereitelung in den Formen der Verfolgungsvereitelung (Absatz 1) sowie der Vollstreckungsvereitelung (Absatz 2). Im Anschluss an die sachliche Begünstigung nach § 257 StGB wird die Strafvereitelung auch als „persönliche Begünstigung“ bezeichnet.1 Sie stellt das unrechtmäßige Verhindern, Vermindern und – unter gewissen Voraussetzungen – Verzögern der Verhängung bzw. Vollstreckung einer rechtmäßigerweise zu verhängenden Sanktion oder Maßnahme unter Strafe.

2

Es gibt gewisse Parallelen zur sachlichen Begünstigung nach § 257 StGB. Auch die Strafvereitelung ist Anschlusstat; sie setzt eine Vortat voraus, die nach deutschem Strafrecht strafbar sein muss.2 Anders als die Begünstigung ist sie hingegen Erfolgsdelikt.3 Die Vorschrift richtet sich gegen die deutsche Strafrechtspflege; die Vereitelung eines ausländischen Strafanspruchs unterfällt nicht § 258 StGB.4 Da die deutsche Strafrechtspflege tangiert wird, tritt der Taterfolg stets im Inland ein, wodurch über § 9 Abs. 1 StGB immer ein inländischer Tatort begründet wird.

3

Der Versuch ist nach Absatz 4 strafbar.

1 Fischer, StGB, § 258 Rz. 2. 2 BGH v. 5.3.1998 – 5 StR 494/97, NJW 1998, 2610, 2611; BGH v. 19.5.1999 – 2 StR 86/99, NJW 1999, 2908; Tsambikakis in AnwK-StGB, § 258 Rz. 5. 3 Cramer/Pascal in MüKo-StGB, § 258 Rz. 5; Stree/Hecker in S/S-StGB, § 258 Rz. 1. 4 Tsambikakis in AnwK-StGB, § 258 Rz. 5.

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Rz. 11 § 258 StGB

II. Geschütztes Rechtsgut Geschütztes Rechtsgut von § 258 StGB ist nach h.M. die deutsche Strafrechtspflege sowie der individuelle in- 4 ländische staatliche Strafanspruch.1 Andere Theorien – etwa der Schutz der präventiven Wirkung des Strafrechts2 oder die Isolation des Vortäters3 – mögen rechtspolitisch von gewisser Bedeutung sein, sind aber zur Schutzzweckbestimmung nicht geeignet. Unschärfen, die sich daraus ergeben, dass die Verfolgungsvereitelung nur die materiell richtige Entscheidung, nicht also die Verurteilung eines Unschuldigen schützt, wohingegen im Rahmen der Vollstreckungsvereitelung jede formell wirksame Verurteilung ausreichen soll,4 sind im Ergebnis ohne Auswirkungen.

B. Objektiver Tatbestand § 258 StGB hält zwei alternative Tatbestandsvarianten vor; dies sind die Verfolgungsvereitelung nach Absatz 1 5 sowie die Vollstreckungsvereitelung nach Absatz 2. Absatz 1 stellt also die Vereitelung einer rechtmäßigen Aburteilung eines Straftäters unter Strafe, wohingegen Absatz 2 die Hilfeleistung eines bereits Verurteilten sanktioniert.

I. Verfolgungsvereitelung, Absatz 1 Nach Absatz 1 macht sich strafbar, wer vorsätzlich vereitelt, dass ein anderer wegen einer rechtswidrigen Straf- 6 tat bestraft oder einer Maßnahme nach § 11 Abs. 1 Nr. 8 StGB unterworfen wird. Zunächst ist also wiederum eine taugliche Vortat erforderlich. Anders als in § 257 StGB muss aus dieser kein 7 Vorteil für den Täter oder einen Dritten erwachsen sein.5 Dies hat zur Folge, dass etwa auch strafbare Versuchshandlungen taugliche Vortaten für eine Strafvereitelung sind, während sie für § 257 StGB i.d.R. nicht ausreichen werden, da sie (noch) nicht zu einem Vorteil für den Täter geführt haben.6 Auch Deliktsnatur und Verschuldensanforderung der Vortat spielen keine Rolle, solange die Vortat tatsächlich strafbar ist. Es genügen damit auch etwa Fahrlässigkeits- oder Unterlassungsdelikte.7 Die Strafvereitelung ist schließlich nicht nur zugunsten des Täters, sondern jeder in strafbarer Weise beteiligten Person möglich, insbesondere also auch zugunsten von Anstiftern und Gehilfen.8 Die Vortat muss begangen oder zumindest in strafbarer Weise versucht worden sein, und sie muss im Ergeb- 8 nis strafbar sein. D.h., sie muss tatbestandsmäßig, rechtswidrig und schuldhaft begangen worden sein.9 Persönliche Strafausschließungs- oder -aufhebungsgründe, Verfahrenshindernisse o.ä. dürfen nicht vorliegen, da ansonsten kein durchsetzbarer und somit zu vereitelnder staatlicher Strafanspruch vorliegt. Auch darf die Vortat nicht bereits verjährt sein, da auch dann eine zu vereitelnde Bestrafung ausscheidet.10 Ein für die Bestrafung erforderlicher Strafantrag muss gestellt worden sein; bei relativen Antragsdelikten ohne entsprechenden Strafantrag muss das besondere öffentliche Interesse an der Strafverfolgung vorliegen.11 Der Strafanspruch muss wegen einer Straftat („dem Strafgesetz gemäß“) bestehen. Die Vereitelung einer Sankti- 9 on oder Maßnahme wegen einer Ordnungswidrigkeit genügt nicht; ebenso wenig ein Verfall nach § 29a OWiG.12 Liegt eine strafbare Vortat vor, so ist auch die Vereitelung der Verhängung von Maßnahmen nach § 11 Abs. 1 10 Nr. 8 StGB (jede Maßregel der Besserung und Sicherung, der Verfall, die Einziehung und die Unbrauchbarmachung) eine Strafvereitelung in Form der sog. Maßnahmenvereitelung.13 Nicht erfasst von Strafen und Maßnahmen i.S.v. § 258 StGB sind damit: Nebenfolgen,14 Verurteilungen wegen 11 Ordnungswidrigkeiten,15 Geldbußen,16 Disziplinarmaßnahmen,17 Auflagen und Weisungen nach § 153a StPO,18 1 BGH v. 30.4.1997 – 2 StR 670/96, BGHSt 43, 82, 84; BGH v. 5.3.1998 – 5 StR 494/97, BGHSt 44, 52, 57; BGH v. 11.5.1999 – 4 StR 380/98, BGHSt 45, 97, 101. 2 Cramer/Pascal in MüKo-StGB, § 258 Rz. 2. 3 Stree/Hecker in S/S-StGB, § 258 Rz. 1. 4 Eingehend Tsambikakis in AnwK-StGB, § 258 Rz. 4. 5 Walther in LK-StGB, § 258, Rz. 20. 6 Fischer, StGB, § 258 Rz. 4; Tsambikakis in AnwK-StGB, § 258 Rz. 8. 7 Walther in LK-StGB, § 258 Rz. 20; Cramer/Pascal in MüKo-StGB, § 258 Rz. 8. 8 Cramer/Pascal in MüKo-StGB, § 258 Rz. 8. 9 Fischer, StGB, § 258 Rz. 5; Tsambikakis in AnwK-StGB, § 258 Rz. 7. 10 Fischer, StGB, § 258 Rz. 5. 11 Cramer/Pascal in MüKo-StGB, § 258 Rz. 8. 12 Vgl. BayObLG v. 15.10.1980 – RReg. 3 St 87/80, BayObLGSt 1980, 100 = NJW 1981, 772. 13 Vgl. Tsambikakis in AnwK-StGB, § 258 Rz. 10. 14 H.M.; a.A. wohl Fischer, StGB, § 258 Rz. 5. 15 BayObLG v. 15.10.1980 – RReg. 3 St 87/80, BayObLGSt 1980, 100 = NJW 1981, 772; Cramer/Pascal in MüKo-StGB, § 258 Rz. 6. 16 Fischer, StGB, § 258 Rz. 5. 17 Fischer, StGB, § 258 Rz. 5. 18 BGH v. 13.11.1978 – AnwSt (R) 13/78, NJW 1979, 770.

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StGB

Strafvereitelung

StGB

§ 258 StGB Rz. 12

Strafgesetzbuch

strafprozessuale Zwangsmaßnahmen,1 Ordnungsgeld bzw. -haft nach §§ 177, 178 GVG,2 Erziehungsmaßregeln und Zuchtmittel nach dem JGG,3 vorläufige Sicherheitsanordnungen nach §§ 111a ff., 132a StPO4 sowie zivilrechtliche Zwangsanordnungen.5 12

Auch im Falle der Maßnahmevereitelung muss eine solche verhängt werden können. Vielfach wird dies auch ohne schuldhaftes Verhalten des Täters möglich sein, sodass diesbezüglich lediglich eine tatbestandsmäßige und rechtswidrige Tat erforderlich ist. Die Maßnahme muss aber verhängbar sein, sodass Strafausschließungsgründe, Verfahrenshindernisse o.ä. nicht vorliegen dürfen.6

13

Die Strafe oder Maßnahme muss schon nach dem Wortlaut einem anderen drohen. Eine allein selbstbegünstigende Strafvereitelung – also die des Vortäters – ist bereits nicht tatbestandsmäßig.7

14

Die Tathandlung besteht in der vollständigen oder teilweisen Vereitelung der Bestrafung von Beteiligten an der Vortat. Vereiteln bedeutet ungerechtfertigte Besserstellung in der Strafverfolgung.8

15

Die Begehung durch Unterlassen ist bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 13 StGB möglich.9 In diesen Fällen muss sich die Garantenpflicht jedoch gerade auf die Strafverfolgung beziehen, sodass als Garanten nur Personen in Betracht kommen, welche an der Strafverfolgung mitwirken.10 Typischerweise betrifft dies Strafverfolgungsbehörden, etwa die StA oder die Polizei, welche bei dienstlich erlangtem Anfangsverdacht zur Einleitung von Ermittlungen verpflichtet sind. Sie sind damit Strafverfolgungsgaranten und im Falle eines pflichtwidrigen Unterlassens nach § 258 StGB strafbar.11 Ebenfalls eine strafverfolgungsbezogene Garantenpflicht sollen etwa Leiter von Justizvollzugsanstalten,12 Dienstvorgesetzte bei Handlungen von Untergebenen, die das Vorgesetztenermessen auf Null reduzieren13 sowie Stellen zur Bekämpfung von Fehlverhalten im Gesundheitswesen nach § 81a Abs. 4 SGB V14 treffen. Lediglich besondere Amtsträger kommen als Garanten i.S.v. § 258 StGB in Betracht; Privatpersonen scheiden grundsätzlich aus.15

16

Die Verhängung der Strafe oder Maßnahme gegen einen anderen muss ganz oder z.T. vereitelt worden sein,16 wobei Vereitelung hier jede Besserstellung des Täters in dieser Hinsicht meint.17 Sozialadäquate Handlungen, insbesondere berufstypisches Verhalten, sind bereits nicht tatbestandsmäßig.18 Selbstverständlich sind auch Hinweise, die den Vortäter zu Handlungen veranlassen, welche seine Strafbarkeit entfallen lassen, nicht vom Anwendungsbereich des § 258 StGB erfasst, etwa die Empfehlung zur Abgabe einer steuerstrafrechtlichen strafbefreienden Selbstanzeige nach § 371 AO.19 Ferner stellt auch die Übernahme von Verteidigerkosten und auch die Zahlung von Geldstrafen für andere keine Strafvereitelung dar.20

17

Taterfolg ist die vollständige oder teilweise Vereitelung der Strafe. Der staatliche Sanktionsanspruch muss tatsächlich bestehen. Erforderlich ist damit ein materiell begründeter Sanktionsanspruch; das bloße Strafverfahren ist nicht geschützt.21 Eine gänzliche Vereitelung liegt jedenfalls dann vor, wenn eine vollständige endgültige Verhinderung des staatlichen Strafanspruchs eingetreten ist,22 also wenn eine Bestrafung des Teilnehmers an der

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Cramer/Pascal in MüKo-StGB, § 258 Rz. 6. Jahn in S/S/W-StGB, § 258 Rz. 11. Lackner/Kühl, § 258 StGB, Rz. 12. Cramer/Pascal in MüKo-StGB, § 258 Rz. 6. Cramer/Pascal in MüKo-StGB, § 258 Rz. 6; Tsambikakis in AnwK-StGB, § 258 Rz. 9. Fischer, StGB, § 258 Rz. 6; Tsambikakis in AnwK-StGB, § 258 Rz. 10. BGH v. 15.3.1960 – 1 StR 46/60, NJW 1960, 1023, 1024; Fischer, StGB, § 258 Rz. 34; Cramer/Pascal in MüKo-StGB, § 258 Rz. 7. BGH v. 4.8.1983 – 4 StR 378/83, NJW 1984, 135; Fischer, StGB, § 258 Rz. 7; Walther in LK-StGB, § 258 Rz. 35. H.M., BGH v. 29.10.1992 – 4 StR 358/92, BGHSt 38, 388, 389; BGH v. 31.7.1992 – 2 StR 259/92, NStZ 1992, 540, 541; Fischer, StGB, § 258 Rz. 11; Stree/Hecker in S/S-StGB, § 258 Rz. 19; a.A. mit dem Argument, dass es sich um einen Begehungsdelikt handele, noch Ruß in LK-StGB11, § 258 Rz. 13; Cramer/Pascal in MüKo-StGB, § 258 Rz. 9. BGH v. 30.4.1997 – 2 StR 670/96, BGHSt 43, 82; Fischer, StGB, § 258 Rz. 11; Tsambikakis in AnwK-StGB, § 258 Rz. 13. Bei privat erlangtem Wissen ist dies freilich anders (vgl. BGH v. 29.10.1992 – 4 StR 358/92, BGHSt 38, 388); hier kann nur Kenntniserlangung von schweren Straftaten zu einer Verfolgungspflicht und damit einer möglichen Strafvereitelung durch Unterlassen führen. BGH v. 30.4.1997 – 2 StR 670/96, BGHSt 43, 82, Fischer, StGB, § 258 Rz. 13. BGH v. 24.2.1953 – 1 StR 597/52, BGHSt 4, 169; Fischer, StGB, § 258 Rz. 13. Tsambikakis in AnwK-StGB, § 258 Rz. 16. Tsambikakis in AnwK-StGB, § 258 Rz. 17; Cramer/Pascal in MüKo-StGB, § 258 Rz. 22. BGH v. 11.5.1999 – 4 StR 380/98, BGHSt 31, 10, 12; 45, 97. BGH v. 4.8.1983 – 4 StR 378/83, NJW 1984, 135; Fischer, StGB, § 258 Rz. 7. Fischer, StGB, § 258 Rz. 7 m.w.N. Fischer, StGB, § 258 Rz. 7. BGH v. 7.11.1990 – 2 StR 439/90, BGHSt 37, 226; Fischer, StGB, § 258 Rz. 32. Tsambikakis in AnwK-StGB, § 258 Rz. 21. Hoyer in SK-StGB, § 258 Rz. 14; Stree/Hecker in S/S-StGB, § 258 Rz. 16.

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Mückenberger

Rz. 21 § 258 StGB

Vortat nicht mehr möglich ist.1 Eine gänzliche Vereitelung soll nach der h.M. auch im Falle einer Verzögerung anzunehmen sein, nämlich dann, wenn der Strafanspruch für „geraume Zeit“ nicht verwirklicht worden ist.2 Fraglich ist wiederum die erforderliche Dauer für die Annahme einer solchen „geraumen Zeit“, welche eine 18 Aburteilungsverzögerung letztlich zu einer Strafvereitelung macht. Rspr. und Literatur vertreten hier teils sehr unterschiedliche Zeitspannen, von jeglicher Verzögerung der Vollstreckung, also jeder Besserstellung des Vortäters,3 bis hin zu einem Zeitraum von drei Wochen.4 Im Hinblick auf die in diesem Bereich ohnehin fragwürdigen Kriterien der Bestimmtheit nach Art. 103 Abs. 2 GG, aber auch, um zumindest annähernd in den Bereich des Schuldunwerts einer vollendeten gänzlichen Strafvereitelung zu gelangen, bedarf es einer Verzögerung für einen Zeitraum von mindestens drei Wochen, um eine Verzögerung „von geraumer Zeit“ anzunehmen.5 Typische Vereitelungshandlungen sind: Das Vernichten oder Beiseiteschaffen von Beweismitteln,6 das Beiseite- 19 schaffen oder Unterschlagen von Ermittlungs- bzw. Vollstreckungsakten,7 das Verbergen des Täters,8 etwa in Form des Gewähren eines Verstecks9 oder einer Untertauchmöglichkeit im Ausland,10 das Überlassen eines Fluchtautos,11 die Befreiung aus Strafhaft12 sowie den Täter begünstigende Falschaussagen, auch gegenüber der Polizei.13 Nicht ausreichen sollen: Eine bloße Unterbringung des Tatverdächtigen14 oder gar das Zusammenwohnen,15 20 das Verleiten zur Falschaussage,16 das Bestimmen oder Veranlassen eines Beschuldigten zum Geständniswiderruf17 sowie die Mitteilung zu gegen ihn unternommenen Ermittlungsmaßnahmen an den Beschuldigten.18 Ein Sonderfall ist die Strafverteidigung. Hier ist das Spannungsverhältnis zwischen der berechtigten Aufgabe 21 des Strafverteidigers, nämlich seinen Mandanten vor einer Verurteilung zu bewahren, und der Strafvereitelung äußerst brisant. Der Widerstreit ist vorprogrammiert und resultiert nicht zuletzt aus der nicht ganz trennscharf definierten Stellung des Strafverteidigers im Strafverfahren.19 Der Strafverteidiger ist einerseits den Interessen des Mandanten verpflichtet (§ 137 Abs. 1 StPO), andererseits soll er „unabhängiges Organ der Rechtspflege“ sein (§ 1 BRAO).20 Aus seinem Mandatsverhältnis und dem Berufsverständnis ist der Verteidiger verpflichtet, alle für den Beschuldigten streitenden Umstände geltend zu machen und durchzusetzen, wobei er als Strafverteidiger einseitig zugunsten seines Mandanten nur dessen Interessen vertritt. Dass sich hieraus den staatlichen Strafverfolgungs- und Verurteilungsaufgaben gegenüber klar widerstreitende Interessen ergeben, liegt auf der Hand. Erst wo der Strafverteidiger die Grenzen der (noch) zulässigen Strafverteidigung überschreitet, kommt eine Strafvereitelung in Betracht. Diese Grenzen sind strafrechtlicher, strafprozessualer, berufsrechtlicher, zivilrechtlicher (Mandatsverhältnis) oder ethischer Natur.21 Umgekehrt lässt sich konstatieren, dass prozessual zulässiges Handeln den Tatbestand des § 258 StGB nicht erfüllen kann.22

1 Lackner/Kühl, § 258 StGB, Rz. 4. 2 BGH v. 5.5.1964 – 1 StR 26/64, BGHSt 15, 19, 21; BGH v. 19.5.1999 – 2 StR 86/99, NJW 1999, 2908; Fischer, StGB, § 258 Rz. 8; Stree/Hecker in S/S-StGB, § 258 Rz. 16 m.w.N.; zu Recht krit. Tsambikakis in AnwK-StGB, § 258 Rz. 23 mit Hinweisen auf den Wortlaut von § 258, Art. 103 Abs. 2 GG sowie die in vielen Fällen auffangende Versuchsstrafbarkeit. 3 So etwa OLG Koblenz v. 24.6.1982 – 1 Ss 244/82, NJW 1982, 2785, 2786. 4 Orientiert an § 229 StPO, so etwa Jahn, ZRP 1998, 103, 105; Hecker, JuS 2010, 549, 550. 5 So auch Jahn in S/S/W-StGB, § 258 Rz. 15 m.w. N; Ruhmannseder in BeckOK-StGB, § 258 Rz. 9; Tsambikakis in AnwKStGB, § 258 Rz. 26. 6 Fischer, StGB, § 258 Rz. 10. 7 Fischer, StGB, § 258 Rz. 10. 8 Fischer, StGB, § 258 Rz. 10. 9 LG Baden-Baden v. 6.2.1981 – Qs 22/81, NJW 1981, 1569, 1570. 10 BGH v. 19.5.1999 – 2 StR 86/99, NJW 1999, 2908, 2909. 11 BayObLG v. 30.9.1975 – 1 ObOWi 305/75, NJW 1976, 2084. 12 Lackner/Kühl, § 258 StGB, Rz. 7. 13 BGH v. 13.9.1966 – 2 StE 15/56, NJW 1966, 2177. 14 LG Baden-Baden v. 6.2.1981 – Qs 22/81, NJW 1981, 1569. 15 BGH v. 4.8.1983 – 4 StR 378/83, NJW 1984, 135; Lackner/Kühl, § 258 StGB, Rz. 7. 16 So zumindest RG v. 13.2.1890 – g.F. Rep. 3957/89, RGSt 20, 233, 234; Fischer, StGB, § 258 Rz. 10. 17 BGH v. 23.4.1953 – 3 StR 894/52, NJW 1952, 894, 896. 18 Lackner/Kühl, § 258 StGB, Rz. 7. 19 Eingehend hierzu Tsambikakis in AnwK-StGB, § 258 Rz. 63 ff. 20 So auch die Rspr., vgl. etwa BVerfG v. 14.2.1973 – 2 BvR 667/72, BVerfGE 34, 293, 299; BVerfG v. 14.7.1987 – 1 BvR 537/81, 1 BvR 195/87, NStZ 1988, 74, 75; BGH v. 1.9.1992 – 1 StR 281/92, BGHSt 38, 345, 347, 350 f.; BGH v. 26.11.1998 – 4 StR 207/98, NStZ 1999, 188, 189. 21 Tsambikakis in AnwK-StGB, § 258 Rz. 66. 22 BVerfG v. 17.6.2006 – 2 BvR 1085/05, 2 BvR 1189/05, NJW 2006, 3197, 3198; BVerfG v. 10.7.1996 – 1 BvR 873/94, NStZ 1997, 35; BGH v. 10.4.2002 – 5 StR 485/01, BGHSt 47, 278, 283; Fischer, StGB, § 258 Rz. 7.

Mückenberger

331

StGB

Strafvereitelung

StGB

§ 258 StGB Rz. 22

Strafgesetzbuch

22

Überschritten sind die Grenzen zulässigen Verteidigerhandels i.d.R. in folgenden Fallgruppen: – Erschweren der Wahrheitsfindung durch aktive Verdunklung oder Verzerrung des Sachverhalts,1 – Erschweren der Wahrheitsfindung durch das Trüben bzw. Verfälschen von Beweisquellen,2 – Erschweren der Wahrheitsfindung durch aktives, bewusstes Lügen; der Verteidiger hat nach h.M. kein Recht zur Lüge.3 Der Verteidiger muss (und darf nach seinem Mandatsverhältnis) nicht alles offenlegen, was er weiß, etwa für den Mandanten nachteilige Informationen; er muss i.Ü. auch nicht alles wissen. Was er weiß, darf er aber nicht unwahr oder verzerrt darstellen. Dann wäre der Anwendungsbereich für eine Strafvereitelung eröffnet. – Pflichtwidriger Umgang mit Beweismitteln, etwa durch die Vorlage zweifelhafter Beweismittel, durch angreifende Befragung von Zeugen, welche die Wahrheit sagen, oder durch Einwirken auf andere Verfahrensbeteiligte. All dies ist im Grundsatz zulässiges Verteidigerhandeln, kann aber, etwa wenn es strafrechtliche oder strafprozessuale Grenzen überschreitet, auch zu einer Strafvereitelung werden. – Unzulässiges Prozessverhalten des Strafverteidigers ist nicht per se (versuchte) Strafvereitelung.4 Dem Strafverteidiger muss hier ein ausreichender Spielraum zur Nutzung der prozessualen Instrumente zugebilligt werden. Dies gilt etwa im Bereich der Antragstellung, sofern über den Antrag hinausgehende Zwecke verfolgt werden, daneben für das Einlegen (auch aussichtsloser) Rechtsmittel sowie – vor allem – in der juristischen Argumentation.5

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Einen ähnlich schmalen Grad begeht der Strafverteidiger im Innenverhältnis zu seinem Mandanten. Der Verteidiger schuldet seinem Mandanten vollständige Informationen und umfassenden, vollständigen Rechtsrat.6 Darüber hinaus schuldet er nicht nur rein abstrakten Rechtsrat, sondern auch juristischen und taktischen Rat in der konkreten Situation. Solange der Verteidiger zu einem grundsätzlich erlaubten Verhalten rät, ist dies zulässig und rechtlich nicht zu beanstanden; auch eine Strafvereitelung scheidet damit tatbestandlich aus.7 Auch das Akteneinsichtsrecht des Verteidigers aus § 147 StPO ist grundsätzlich ein abgeleitetes Recht des Beschuldigten. Dies hat zur Folge, dass der Verteidiger rechtmäßig, ggf. auch zufällig erlangte Informationen – etwa zu einer geplanten Zwangsmaßnahme – dem Beschuldigten weitergeben darf und nach seinem Mandatsverhältnis muss. Eventuelle Fehler der Strafverfolgungsbehörden (etwa ein in den Akten befindlicher Haftbefehl) hat der Verteidiger nicht auszugleichen.8

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Ein weiteres schwieriges Thema für den Strafverteidiger ist die sog. Einlassungsberatung. Hier soll es dem Strafverteidiger verwehrt sein, auch durch abstrakten Rechtsrat faktisch an der Konstruktion falscher Einlassungen mitzuarbeiten.9 Richtigerweise wird abstrakter Rechtsrat und die Bildung veranschaulichender Beispielsfälle – so behilft sich die Praxis schon seit langem – nicht entgegengehalten werden können, dieser Rat überschreite die Grenzen der zulässigen Strafverteidigung und komme mithin als Strafvereitelung in Betracht. Das Gegenteil ist der Fall. Der Strafverteidiger schuldet seinem Mandanten diese Hinweise; und er schuldet sie auch dem juristischen Laien in verständlicher und anschaulicher Form. Er ist letztlich der einzige Vertreter und rechtlicher Berater des Beschuldigten und darf als solcher zumindest in einer vollumfänglichen Darstellung der Rechtslage nicht beschränkt oder beeinträchtigt werden.10

II. Vollstreckungsvereitelung, Absatz 2 25

Die zweite Variante von § 258 StGB ist die sog. Vollstreckungsvereitelung. Sie ist in Absatz 2 der Norm geregelt und erfordert eine rechtskräftig verhängte Strafe bzw. Maßnahme (vgl. Rz. 10 ff.). Diese darf zumindest teilweise noch nicht vollstreckt sein, wobei die Vollstreckung auch zur Bewährung ausgesetzt sein kann.11 Die Vollstreckung bzw. deren Fortsetzung muss aber zur Tatzeit jedenfalls noch möglich sein.12

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Tathandlung ist die vollständige oder teilweise Vereitelung der Vollstreckung. Auch hier wird jede Besserstellung des Verurteilten im Hinblick auf die Vollstreckung als tatbestandsmäßig angesehen; im Falle einer Vereitelung durch Verzögerung gilt das zur Verfolgungsvereitelung Ausgeführte sinngemäß (vgl. oben Rz. 18). Auch hier werden mindestens drei Wochen Verzögerung erforderlich sein, um eine erhebliche Verzögerung bzw. eine solche auf geraume Zeit zu begründen.

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12

BGH v. 30.4.1952 – 3 StR 734/51, BGHSt 2, 357, 377; BGH v. 9.5.2000 – 1 StR 106/00, BGHSt 46, 53, 55. BGH v. 9.5.2000 – 1 StR 106/00, BGHSt 46, 53, 55; OLG Düsseldorf v. 1.7.1998 – 1 Ws 378/98, NStZ-RR 1998, 336. Tsambikakis in AnwK-StGB, § 258 Rz. 70 mit Hinweis auf die a.A., etwa Berndmanns, StraFo 1999, 226, 229. Tsambikakis in AnwK-StGB, § 258 Rz. 83. Instruktiv zu all diesen Fragestellungen Tsambikakis in AnwK-StGB, § 258 Rz. 63 ff. Tsambikakis in AnwK-StGB, § 258 Rz. 88. Müller/Gussmann, S. 16; Tsambikakis in AnwK-StGB, § 258 Rz. 89. Krekeler, NStZ 1989, 149. BGH v. 22.7.2003 – 4 StR 199/03, StraFo 2004, 24; Stree/Hecker in S/S-StGB, § 258 Rz. 20. Auch hierzu weiterführend und überzeugend Tsambikakis in AnwK-StGB, § 258 Rz. 88 ff. Fischer, StGB, § 258 Rz. 29. Fischer, StGB, § 258 Rz. 29.

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Mückenberger

Rz. 36 § 258 StGB

StGB

Strafvereitelung

Die Verbüßung einer Freiheitsstrafe für einen anderen erfüllt den Tatbestand der Vollstreckungsvereitelung,1 27 nicht hingegen die Bezahlung einer fremden Geldstrafe.2 Sonstige typische Fälle einer Vollstreckungsvereitelung sind: Verstecken des Verurteilten in der Wohnung zur 28 Verheimlichung des Aufenthalts,3 Verstecken des Verurteilten vor der Polizei,4 Gefangenenbefreiung und Fluchthilfe,5 unrichtige Angaben in einem Vollstreckungsaufschubsgesuch6 und das Vernichten von Vollstreckungsakten.7

C. Subjektiver Tatbestand Im Hinblick auf die Vereitelung muss der Täter direkt vorsätzlich handeln.8 Er muss damit das Herbeifüh- 29 ren des Erfolgs zumindest als sichere Folge seines Handels ansehen.9 Handlungen nach Absatz 1, welche im festen Glauben an die Unschuld des Vortäters erfolgen, sind damit nicht nach § 258 StGB strafbar.10 Im Hinblick auf die Vortat bzw. die rechtskräftige Verurteilung genügt dolus eventualis.11

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D. Rechtsfolgen Der reguläre Strafrahmen für eine Strafvereitelung sieht Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe vor. 31 Nach Absatz 3 ist der Strafrahmen der Tat durch denjenigen der Vortat limitiert, wenn dieser der mildere ist; bei untauglichem Versuch infolge irriger Annahme der Vortat kommt es auf die vom Täter angenommene Tat an.12 Der Strafrahmen der Vortat ist auch dann ausschlaggebend, wenn es von vornherein allein um die Vereitelung 32 der Verhängung bzw. Vollstreckung einer Maßnahme geht.13 Für die Strafzumessung ist die Höhe der vereitelten Strafe bzw. Maßnahme gewichtiges Strafzumessungskrite- 33 rium.14 Die selbstbegünstigende Strafvereitelung des Vortäters ist bereits nicht tatbestandsmäßig und damit straffrei.15 34 Darüber hinaus sind nach Absatz 5 bestimmte Selbstbegünstigungskonstellationen privilegiert und bleiben damit ebenfalls straflos. Hierunter fällt der Täter, der die Strafe „zugleich zu seinen Gunsten“ vereitelt.16 Ebenso ist die vom Vortäter vorgenommene Anstiftung zur Strafvereitelung (zu seinen Gunsten) nach Absatz 5 nicht strafbar.17 Ein persönlicher Strafausschließungsgrund ist schließlich in Absatz 6 für den Fall normiert, dass der Täter eine 35 Strafvereitelung zugunsten eines Angehörigen nach § 11 Abs. 1 Nr. 1 StGB begeht. Stellt die Vereitelung zugleich eine andere Straftat dar, so gilt die Straflosigkeit nur für die Strafvereitelung.18

E. Verfahrensbezogenes Verfolgungs- und Vollstreckungsvereitelung schließen sich bei demselben Vortäter aus. Verschiedene, auf einem 36 Konzept beruhende Handlungen mit dem Ziel, die Bestrafung einer Person zu verhindern, sind nur eine Tat.19 Tateinheit ist möglich mit § 257 und § 259 StGB;20 daneben mit § 113, § 120, § 153f, § 164, § 240, § 261, § 263,

1 RG v. 11.6.1883 – g.G. u.F. Rep. 1028/83, RGSt 8, 367, 368; Cramer/Pascal in MüKo-StGB, § 258 Rz. 35; Stree/Hecker in S/S-StGB, § 258 Rz. 28. 2 BGH v. 7.11.1990 – 2 StR 439/90, NJW 1991, 990, 992; Fischer, StGB, § 258 Rz. 32. 3 OLG Koblenz v. 24.6.1982 – 1 Ss 244/82, NJW 1982, 2785, 2786. 4 RG v. 10.10.1939 – g.L. 1 D 676/39, RGSt 73, 331, 332; Stree/Hecker in S/S-StGB, § 258 Rz. 28. 5 RG v. 28.5.1923 – g.W. II 292/23, RGSt 57, 301, 302; Stree/Hecker in S/S-StGB, § 258 Rz. 28. 6 RG v. 9.6.1887 – g.R. u. Gen. Rep. 1067/87, RGSt 16, 204, 205 f. 7 RG v. 9.6.1887 – g.R. u. Gen. Rep. 1067/87, RGSt 16, 204, 205 f. 8 BGH v. 9.5.2000 – 1 StR 106/00, BGHSt 38, 348; 46, 53, 58; Fischer, StGB, § 258 Rz. 33. 9 Cramer/Pascal in MüKo-StGB, § 258 Rz. 38, Fischer, StGB, § 258 Rz. 33. 10 Fischer, StGB, § 258 Rz. 33; Tsambikakis in AnwK-StGB, § 258 Rz. 33. 11 H.M., BGH v. 11.5.1999 – 4 StR 380/98, BGHSt 45, 97, 100; BGH v. 19.5.1999 – 2 StR 86/99, NJW 1999, 2908; a.A. wohl Müller, StV 1981, 90, 92. 12 Fischer, StGB, § 258 Rz. 38. 13 Fischer, StGB, § 258 Rz. 38. 14 Cramer/Pascal in MüKo-StGB, § 258 Rz. 52; Tsambikakis in AnwK-StGB, § 258 Rz. 40. 15 BGH v. 22.5.1962 – 1 StR 103/62, BGHSt 17, 236; BGH v. 15.3.1960 – 1 StR 46/60, NJW 1960, 1023, 1024. 16 Str. ist, ob dies einen besonderen Entschuldigungsgrund oder einen Strafausschließungsgrund statuiert, vgl. hierzu Fischer, StGB, § 258 Rz. 34. 17 Stree/Hecker in S/S-StGB, § 258 Rz. 38. 18 Fischer, StGB, § 258 Rz. 40. 19 BGH v. 2.12.2008 – 3 StR 203/08, NStZ 2009, 692 f. 20 Fischer, StGB, § 258 Rz. 41.

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StGB

§ 258a StGB Rz. 1

Strafgesetzbuch

§ 271 und § 305a StGB.1 Hinter seiner Qualifikation (§ 258a StGB) tritt die einfache Strafvereitelung zurück.2 Gegenüber § 145d StGB geht § 258 StGB vor.3 Grundsätzlich ist keine Wahlfeststellung möglich zwischen einer Beteiligung an der Vortat und der diesbezüglichen Strafvereitelung;4 ebenso wenig zwischen § 257 und § 258 StGB.5

§ 258a Strafvereitelung im Amt (1) Ist in den Fällen des § 258 Abs. 1 der Täter als Amtsträger zur Mitwirkung bei dem Strafverfahren oder dem Verfahren zur Anordnung der Maßnahme (§ 11 Abs. 1 Nr. 8) oder ist er in den Fällen des § 258 Abs. 2 als Amtsträger zur Mitwirkung bei der Vollstreckung der Strafe oder Maßnahme berufen, so ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren, in minder schweren Fällen Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe. (2) Der Versuch ist strafbar. (3) § 258 Abs. 3 und 6 ist nicht anzuwenden. Literatur: Artkämper, Außerdienstliches Wissen von Polizeibeamten und Legalitätsprinzip, wistra 2001, 430; Dusch/Rommel, Strafvereitelung (im Amt) durch Unterlassen am Beispiel von Finanzbeamten, NStZ 2014, 188; Graumann, Anzeigepflicht für Richter?, DRiZ 1964, 405; Jerouschek/Kölbel, Souveräne Strafverfolgung – Überlegungen zu einem Phänomen „staatsverstärkter“ Wirtschaftskriminalität, NJW 2001, 1601; Krause, Erfüllt Nichtverfolgung durch den Staatsanwalt bei privat erlangter Kenntnis einer strafbaren Handlung den Tatbestand des § 346 StGB?, GA 1964, 110; Krause, Verfolgungspflicht bei privater Kenntnis und Strafvereitlung im Amt, JZ 1984, 548; Kusch, Die Strafbarkeit von Vollzugsbediensteten bei fehlgeschlagenen Lockerungen, NStZ 1985, 385; Laubenthal, Strafrechtliche Garantenhaftung von Polizisten und außerdienstliche Kenntniserlangung, JuS 1993, 907; Pawlik, Der Polizeibeamte als Garant zur Verhinderung von Straftaten, ZStW 111 (1999), 335; Peglau, Strafvollstreckungsvereitelung durch Mitwirkung beim Erschleichen von Freigang, NJW 2003, 3256; Satzger, Grundprobleme der Strafvereitelung (§ 258 StGB), JURA 2007, 754; Schneider, Zur Anzeigepflicht nichtsteuerlicher Straftaten durch Finanzbeamte als Hilfsbeamte der Staatsanwaltschaft, wistra 2004, 1; Schwarzburg, Einsatzbedingte Straftaten verdeckter Ermittler, NStZ 1995, 469.

A. Allgemeines 1

§ 258a StGB hat die Strafvereitelung im Amt zum Gegenstand und ist damit eine Qualifikation zu § 258 StGB. Die Vorschrift ist unechtes Amtsdelikt6 sowie Sonderdelikt. Für Teilnehmer gilt § 28 Abs. 2 StGB.7

2

Wie beim Grundtatbestand des § 258 StGB ist geschütztes Rechtsgut von § 258a StGB die staatliche Strafrechtspflege8 bzw. (für den Fall der Vollstreckungsvereitelung) der staatliche Strafanspruch.9

B. Objektiver Tatbestand 3

Die Vorschrift verweist auf § 258 StGB, sowohl im Hinblick auf die Verfolgungsvereitelung (§ 258 Abs. 1 StGB) als auch auf die Vollstreckungsvereitelung (§ 258 Abs. 2 StGB) und qualifiziert diese Begehungsweisen für den Fall, dass täterschaftliche Handlungen durch bestimmte Amtsträger erbracht werden.

I. Anwendbarkeit und Täterkreis 4

§ 258a StGB ist Sonderdelikt. Täter kann nur sein, wer als Amtsträger i.S.v. § 11 Abs. 1 Nr. 2 StGB zur Mitwirkung bei dem Straf- oder Maßnahmeverfahren, welches zu der vereitelten Entscheidung führen soll oder an der Vollstreckung der rechtskräftig verhängten Strafe im Fall der Vollstreckungsvereitelung zur Mitwirkung berufen ist.10 Das Verfahren, etwa das Strafverfahren, muss noch nicht eingeleitet sein,11 sodass auch die Vereitelung einer gebotenen Einleitung des Ermittlungsverfahrens Strafvereitelung im Amt ist.12

5

Auch besondere Verfahrensarten, etwa das Strafbefehlsverfahren nach §§ 407 ff. StPO, das Privatklageverfahren nach §§ 374 ff. StPO, das beschleunigte Verfahren nach §§ 417 ff. StPO, das Wiederaufnahmeverfahren nach

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12

Tsambikakis in AnwK-StGB, § 258 Rz. 58 m.w.N. Fischer, StGB, § 258 Rz. 41. Fischer, StGB, § 258 Rz. 41. BGH v. 19.5.1989 – 3 StR 590/88, wistra 1989, 19. Cramer/Pascal in MüKo-StGB, § 258 Rz. 58; a.A. Stree/Hecker in S/S-StGB, § 258 Rz. 43; wohl auch Tsambikakis in AnwK-StGB, § 258 Rz. 62. Fischer, StGB, § 258a Rz. 1; Stree/Hecker in S/S-StGB, § 258a Rz. 1. Altenhain in NK-StGB, § 258a Rz. 13; Fischer, StGB, § 258a Rz. 1. Cramer/Pascal in MüKo-StGB, § 258a Rz. 1. Altenhain in NK-StGB, § 258a Rz. 1; Tsambikakis in AnwK-StGB, § 258a Rz. 1. Fischer, StGB, § 258a Rz. 2. Walther in LK-StGB, § 258a Rz. 4; Cramer/Pascal in MüKo-StGB, § 258a Rz. 1. Walther in LK-StGB, § 258a Rz. 4; Altenhain in NK-StGB, § 258a Rz. 3; Fischer, StGB, § 258a Rz. 2.

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Mückenberger

Rz. 12 § 258a StGB

§§ 359 ff. StPO und das Auslieferungsverfahren sind von § 258a StGB erfasst;1 nicht hingegen das Adhäsionsverfahren nach §§ 403 ff. StPO und das Disziplinarverfahren.2 Auch Ordnungswidrigkeiten- und Bußgeldverfahren unterfallen nicht dem Anwendungsbereich von § 258a StGB.3 Etwas anderes soll nur dann gelten, wenn das Verfahren nach § 41 OWiG an die StA abgegeben ist.4 Der Täter muss echter Amtsträger i.S.v. § 11 Abs. 1 Nr. 2 StGB sein. Andere Personen, etwa für den öffent- 6 lichen Dienst besonders Verpflichtete nach § 11 Abs. 1 Nr. 4 StGB, unterfallen nicht § 258a StGB. Taugliche Täter sind damit vor allem Richter, Staatsanwälte, Polizeibeamte, sonstige Hilfsbeamte der StA, 7 Rechtspfleger, Finanzbeamte und Vollzugsbeamte einer Justizvollzugsanstalt. Auch Geschäftsstellenbeamte bei Gericht oder StA können Täter des § 258a StGB sein,5 daneben auch Innen- und Justizminister im Rahmen der Dienstaufsicht bzw. des Weisungsrechts gegenüber Strafverfolgungs- und Strafvollzugsbehörden,6 ebenso ein Bürgermeister.7 Keine Amtsträger i.d.S. sind Sachverständige, Soldaten und Mitarbeiter der Kassenärztlichen Vereinigung.8 Der 8 Amtsträger muss nämlich konkret zur Mitwirkung bei dem Verfahren oder der Vollstreckung berufen sein. Die bloße Aufgabe der Strafverfolgung und die daraus allgemein resultierende Pflicht zur Erforschung von Straftaten reicht jedenfalls nicht aus.9 Sehr str. ist die Frage, inwieweit auch eine innerdienstliche Zuständigkeit für den konkreten Fall bestehen 9 muss. Richtigerweise wird man dies zumindest im Bereich des Unterlassens fordern müssen.10 Im Bereich des positiven Tuns geht zumindest die h.M. davon aus, dass keine konkrete innerdienstliche Zuständigkeit bestehen muss.11 Tatsächlich ist es keine Frage etwa der innerdienstlichen Geschäftsverteilung, ob die Qualifikation des § 258a StGB einschlägig ist. Vielmehr muss zumindest eine aufgrund der Amtsträgerstellung erlangte Eingriffsmöglichkeit in das Verfahren und deren (rechtswidrige) Ausnutzung eine Strafbarkeit nach § 258a StGB begründen.12 Somit erfasst § 258a StGB auch Eingriffe und Einmischungen dienstlich Unzuständiger, was sachgerecht ist. Im Falle einer außerdienstlichen Kenntniserlangung des Amtsträgers kommt nur unter bestimmten Voraus- 10 setzungen eine Strafverfolgungspflicht in Betracht, nämlich dann, wenn das Strafverfolgungsinteresse wegen der Schwere der Tat das Interesse des Beamten am Schutz seiner Privatsphäre klar überwiegt.13 Dies soll regelmäßig bei Katalogtaten des § 138 StGB und sonstigen schwerwiegenden Straftaten der Fall sein. Im Falle von Wirtschaftsstrafsachen wird daher nur selten Raum für eine Strafbarkeit nach § 258a StGB bei außerdienstlicher Kenntniserlangung sein.

II. Tathandlung Die Tathandlungen entsprechen im Wesentlichen denen von § 258 StGB (vgl. § 258 StGB Rz. 26 ff.). Auch für 11 Amtsträger existieren die beiden Begehungsweisen der Verfolgungsvereitelung sowie der Vollstreckungsvereitelung. Typische Verfolgungsvereitelungshandlungen sind das Liegenlassen einer Sache,14 das Herausnehmen einer 12 Strafanzeige aus dem dienstlichen Aktengang,15 das Weglegen einer Akte und die Anordnung verzögernder Nachermittlung ohne Aussicht auf Erfolg,16 das Vernichten von Strafakten oder Aktenbestandteilen, bewusste Überschreitungen der Grenzen des Bereichs der Opportunität17 aber auch eine unrechtmäßige Einstellung nach § 170 Abs. 2 StPO (zumindest bei offenkundiger Unvertretbarkeit), schließlich das bewusste Verjährenlassen und die Weigerung, Strafanzeigen aufzunehmen – sei es wegen Unbeweisbarkeit, Aussichtslosigkeit oder aus anderem Grunde.18 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18

Tsambikakis in AnwK-StGB, § 258a Rz. 4. Cramer/Pascal in MüKo-StGB, § 258a Rz. 3, Tsambikakis in AnwK-StGB, § 258a Rz. 4. Fischer, StGB, § 258a Rz. 2. Tsambikakis in AnwK-StGB, § 258a Rz. 4; Stree/Hecker in S/S-StGB, § 258a Rz. 3. Altenhain in NK-StGB, § 258a Rz. 4; Tsambikakis in AnwK-StGB, § 258a Rz. 5. Walther in LK-StGB, § 258a Rz. 5. BGH v. 16.12.1958 – 1 StR 456/58, BGHSt 12, 277, 278 f. Ellbogen, MedR 2006, 457, 461; a.A. Altenhain in NK-StGB, § 258a Rz. 4; wohl auch: Tsambikakis in AnwK-StGB, § 258a Rz. 5. OLG Karlsruhe v. 9.8.1988 – 2 Ss 83/88, NStZ 1988, 503, 504; Fischer, StGB, § 258a Rz. 3; Stree/Hecker in S/S-StGB, § 258a Rz. 4. So auch Stree/Hecker in S/S-StGB, § 258a Rz. 4, 9; Schneider, wistra 2004, 1, 2. BGH v. 24.2.1953 – 1 StR 597/52, BGHSt 4, 167, 168; BGH v. 3.12.1997 – 2 StR 267/97, NStZ 1998, 194. Vgl. Walther in LK-StGB, § 258a Rz. 5; Stree/Hecker in S/S-StGB, § 258a Rz. 4. BGH v. 29.10.1992 – 4 StR 358/92, BGHSt 38, 388, 391 f.; BGH v. 3.11.1999 – 2 StR 326/99, NStZ 2000, 147. BGH v. 8.7.1960 – 4 StR 213/60, BGHSt 15, 18, 21. BGH v. 10.4.1956 – 1 StR 526/55, MDR 1956, 563. Fischer, StGB, § 258a Rz. 4. Fischer, StGB, § 258a Rz. 4. Fischer, StGB, § 258a Rz. 4.

Mückenberger

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StGB

Strafvereitelung im Amt

StGB

§ 258a StGB Rz. 13 13

Strafgesetzbuch

Typische Vollstreckungsvereitelungshandlungen sind das schlichte Nichtbetreiben der Vollstreckung rechtskräftig ausgesprochener Strafen oder Maßnahmen wie auch die Vollstreckung einer leichteren als der verhängten Strafe.1 Keine Vollstreckungsvereitelung sollen hingegen materiell fehlerhafte Vergünstigungen im Rahmen der Vollstreckung oder auch fehlgeschlagene Vollzugslockerungen sein.2 Natürlich gehört in diesen Bereich auch die materiell rechtswidrige Freilassung eines Gefangenen oder Aufhebung einer Maßnahme.

C. Subjektiver Tatbestand 14

Subjektiv erfordert § 258a StGB neben den Voraussetzungen des § 258 StGB (vgl. § 258 StGB Rz. 29 f.) das (positive) Wissen des Amtsträgers, dass er die Verhängung einer Strafe oder Maßnahme bzw. deren Vollstreckung vereitelt, obwohl er amtlich zu deren Durchsetzung verpflichtet wäre. Diesbezüglich soll bedingter Vorsatz nicht genügen.3

15

Individualisiert braucht dieser Vorsatz nicht zu sein. Auch eine Nichtbearbeitung einer Vielzahl von Akten ohne Kenntnis deren Inhalts erfüllt den Tatbestand.4 In der Variante der Strafverfolgungsvereitelung wird dennoch zumindest ein bedingter (auch allgemeiner) Vorsatz hinsichtlich des Vorliegens einer Vortat vorausgesetzt, während bei der Vollstreckungsvereitelung lediglich das Vorliegen der rechtskräftigen Verurteilung bekannt sein muss.5 Besondere Absichten sind für § 258a StGB nicht erforderlich. Insbesondere sind die Motive des Amtsträgers für die rechtliche Einordnung nicht von Bedeutung. § 258a StGB ist auch einschlägig, wenn es dem Amtsträger ausschließlich darum geht, sich lästiger Arbeit zu entledigen oder eigene dienstliche Verfehlungen zu verschleiern.6

D. Persönliche Selbst- und Angehörigenbegünstigung, Absatz 3 16

Die Strafvereitelung zu eigenen Gunsten ist auch für den Amtsträger straflos. Die entsprechende Regelung in § 258 StGB, dessen Absatz 5, wird durch § 258a Abs. 3 StGB gerade nicht ausgeschlossen. Der Amtsträger bleibt daher straflos, wenn er die Vereitelung zumindest auch zu seinen eigenen Gunsten begeht.7 Er muss daher eine Tat, an der er beteiligt war (dies ist weit zu verstehen, auch eine Mitwirkung in anderer Form kann eine solche Beteiligung sein),8 nicht anzeigen.9 Eine Ausnahme besteht allerdings dann, wenn Pflicht und Gelegenheit zur Verfolgung des Täters bereits vor der Beteiligung des Amtsträgers bestand10 oder wenn der Täter seine Kenntnis von der Straftat zur Durchführung einer eigenen Straftat ausnutzen will.11

17

§ 258a Abs. 3 StGB schließt das Privileg der Angehörigenbegünstigung in § 258 Abs. 6 StGB jedoch aus. Die Interessen der Allgemeinheit, denen der Amtsträger dient, sowie das Vertrauen in seine Redlichkeit überwiegen dessen persönliches Interesse an einer Rücksichtnahme auf Angehörige.12 Häufig wird hierin dann ein minder schwerer Fall nach § 258a Abs. 1 letzter Hs. StGB liegen.13

E. Rechtsfolgen 18

Als Qualifikation sieht § 258a StGB eine auf sechs Monate erhöhte Mindeststrafe vor; die Strafrahmenlimitierung aus § 258 Abs. 3 StGB (vgl. § 258 StGB Rz. 31) findet nach § 258a Abs. 3 StGB keine Anwendung.14 Für die Strafzumessung ist in erster Linie die Schwere der Dienstpflichtverletzung ausschlaggebend, welche wiederum nicht unerheblich vom Gewicht der Vortat abhängt.15

F. Verfahrensbezogenes 19

Im Rahmen der Konkurrenzen tritt § 258 StGB wie auch § 145d StGB hinter § 258a StGB zurück. Tateinheit ist möglich mit § 120, § 133, §§ 153 f., § 257, § 336, § 339 sowie § 345 StGB, Tatmehrheit mit § 332 StGB,16

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16

Fischer, StGB, § 258a Rz. 5. Cramer/Pascal in MüKo-StGB, § 258 Rz. 34; Fischer, StGB, § 258a Rz. 5. BGH v. 3.6.1960 – 4 StR 121/60, BGHSt 15, 21; 19, 80. BGH v. 6.11.1984 – 4 StR 72/84, DRiZ 1977, 88; Fischer, StGB, § 258a Rz. 6. Fischer, StGB, § 258a Rz. 6. Tsambikakis in AnwK-StGB, § 258a Rz. 18. Tsambikakis in AnwK-StGB, § 258a Rz. 20. Vgl. etwa BGH v. 24.2.1953 – 1 StR 597/52, BGHSt 4, 167, 168; 6, 20, 21 zur Hehlerei sowie RG v. 19.6.1936 – g.T. u.a. aD 402/36, RGSt 70, 251, 254; BGH v. 24.2.1953 – 1 StR 597/52, BGHSt 4, 167, 168 zur Begünstigung. BGH v. 24.2.1953 – 1 StR 597/52, BGHSt 4, 167, 168; 6, 20, 21; Fischer, StGB, § 258a Rz. 8. BGH v. 30.10.1953 – 3 StR 776/52, BGHSt 5, 155, 167; Fischer, StGB, § 258a Rz. 8. BGH v. 24.2.1953 – 1 StR 597/52, BGHSt 4, 167, 169; Tsambikakis in AnwK-StGB, § 258a Rz. 22. BGH v. 4.8.1955 – 1 StR 730/54, NJW 1955, 1488; Stree/Hecker in S/S-StGB, § 258a Rz. 17. Walther in LK-StGB, § 258a Rz. 18; Cramer/Pascal in MüKo-StGB, § 258a Rz. 17. Tsambikakis in AnwK-StGB, § 258a Rz. 26. Cramer/Pascal in MüKo-StGB, § 258a Rz. 17. BGH v. 16.11.1999 – 4 StR 504/99, NStZ-RR 2000, 139.

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Mückenberger

Rz. 1 § 259 StGB

§ 142 StGB sowie mit § 374 AO.1 Das Opfer der Vortat soll in dem Verfahren wegen § 258a StGB nicht Verletzter von § 172 StPO sein.2

§ 259 Hehlerei (1) Wer eine Sache, die ein anderer gestohlen oder sonst durch eine gegen fremdes Vermögen gerichtete rechtswidrige Tat erlangt hat, ankauft oder sonst sich oder einem Dritten verschafft, sie absetzt oder absetzen hilft, um sich oder einen Dritten zu bereichern, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. (2) Die §§ 247 und 248a gelten sinngemäß. (3) Der Versuch ist strafbar. Literatur: Arzt, Fremdnützige Hehlerei, JA 1979, 574; Arzt, Die Hehlerei als Vermögensdelikt, NStZ 1981, 10; Berz, Grundfragen der Hehlerei, JURA 1980, 57; Bockelmann, Über das Verhältnis der Hehlerei zur Vortat, NJW 1950, 850; Dencker, Der Hehler als „Verkaufskommissionär“, in FS Küper, 2007, S. 9; Geerds, Zum Tatbestand der Hehlerei aus der Sicht des Kriminologen, GA 1958, 129; Geerds, Begünstigung und Hehlerei, GA 1988, 243; Geppert, Das Verhältnis von Täterschaft/ Teilnahme an der Vortat und sich anschließender Hehlerei (§ 259 StGB), JURA 1994, 100; Hecker, Herstellung, Verkauf, Erwerb und Verwendung manipulierter Telefonkarten, JA 2004, 762; Heinrich, Die Entgegennahme von raubkopierter Software als Hehlerei?, JZ 1994, 938; Höll, Geplanter Straftatbestand der Datenhehlerei, PStR 2013, 247; Hruschka, Zur Logik und Dogmatik von Verurteilungen aufgrund mehrdeutiger Beweisergebnisse im Strafprozess, JZ 1970, 637; Hruschka, Hehlerei und sachliche Begünstigung, JR 1980, 221; Jahn/Palm, Die Anschlussdelikte – Hehlerei (§§ 259–260a StGB), JuS 2009, 501; Janson, Begünstigung und Hehlerei vor dem Hintergrund des Rückerwerbes von Deliktsbeute, 1992; Joerden, Fremdund Eigenreferenz bei den Anschlussdelikten Begünstigung, Hehlerei und Geldwäsche, in FS Lampe, 2003, S. 771; Klengel/ Gans, Datenhehlerei – Über die Notwendigkeit eines neuen Straftatbestands, ZRP 2013, 16; Kreuzer/Oberheim, Praxistauglichkeit des Hehlereitatbestands, 1986; Krisch, Die Steuerhehlerei, 1993; Kudlich, Neuere Probleme bei der Hehlerei (§ 259 StGB), JA 2002, 672; Kudlich/Kessler, Das Kernstrafrecht als Rettungsanker bei Markenverstößen – zur Strafbarkeit des unbefugten Handelns mit Parfum-Testern, NStZ 2008, 62; Küper, Probleme der Hehlerei bei ungewisser Vortatbeteiligung, 1989; Küper, Über das „zeitliche Verhältnis“ der Hehlerei zur Vortat, in FS Stree/Wessels, 1993, S. 467; Kutschke, 1–2 – 3 – Hehlerei?, K&R 2007, 487; Lenz, Die Vortat der Hehlerei, 1994; Lieben, Strafrechtliche Bekämpfung der Videopiraterie durch die §§ 257 ff. StGB, GRUR 1984, 572; Martens, Mittelbarer Besitz des Betrügers und Hehlerei, JA 1996, 248; Matthies, Studien zur Hehlerei als Vermögensdelikt, 2004; Meyer, Zum Problem der Ersatzhehlerei an Geld, MDR 1970, 377; Oellers, Der Hehler ist schlimmer als der Stehler, GA 1967, 6; Otto, Hehlerei, § 259 StGB, JURA 1985, 148; Rönnau, Moderne Probleme der Steuerhehlerei, NStZ 2000, 513; Rose, Die Anforderungen an die Vortat der Hehlerei – Auswirkungen der Eigentums- und Besitzlage des Vortäters, JR 2006, 109; Roth, Grundfragen der Hehlereitatbestände, JA 1988, 193, 258; Roxin, Geld als Objekt von Eigentums- und Vermögensdelikten, in FS Mayer, 1966, S. 467; Rudolphi, Grundprobleme der Hehlerei, JA 1981, 1, 90; Rupp, Zur strafrechtlichen Verantwortung des bösgläubigen Softwareerwerbers, wistra 1985, 137; Schneider, Grund und Grenzen des strafrechtlichen Selbstbegünstigungsprinzips, 1991; Schramm, Zum Verhältnis von (gewerbsmäßiger) Hehlerei (§§ 259, 260 StGB) und Geldwäsche (§ 261 StGB), wistra 2008, 245; Schröder, Die Rechtsnatur der Begünstigung und Hehlerei, MDR 1952, 68; Schwabe/Zitzen, Probleme der Absatzhilfe bei § 259 I StGB, JA 2005, 193; Seelmann, Grundfälle zu den Straftaten gegen das Vermögen als Ganzes, JuS 1983, 32; Seelmann, Grundfälle zur Hehlerei (§ 259 StGB), JuS 1988, 39; Stoffers, Die entgeltliche Rückveräußerung einer gestohlenen Sache an deren Eigentümer durch einen Dritten, JURA 1995, 113; Stree, Mitwirken zum Absatz strafbar erworbener Güter, GA 1961, 33; Stree, Begünstigung, Strafvereitelung und Hehlerei, JuS 1976, 137; Volk, Steuerhehlerei, in FS Stree/Wessels, 1993, 493; Zieschang, Jüngere Entwicklungen in der Rechtsprechung zu den Merkmalen „Absetzen“ und „Absatzhilfe“ im Rahmen des § 259 StGB, in GS Schlüchter, 2002, S. 403; Zöller/Frohn, Zehn Probleme des Hehlereitatbestandes (§ 259 StGB), JURA 1999, 378.

A. Allgemeines Die Bedeutung der Hehlerei im Rahmen des Wirtschafts- und Steuerstrafrechts ist begrenzt. Dies liegt nicht 1 zuletzt daran, dass § 259 StGB – wie auch die Qualifikationen der §§ 260, 260a StGB – ähnlich dem Diebstahl auf „Sachen“ bezogen sind. Das Vermögen, das Grundlage vieler wirtschaftsstrafrechtlicher Delikte ist, stellt keinen tauglichen Gegenstand der Hehlerei dar.3 Auch die Hehlerei ist Anschlussdelikt, setzt also eine zumindest rechtswidrig begangene Vortat voraus. Auch diesbezüglich ist die Bandbreite möglicher Vortaten durch die klare Fokussierung auf eine Sache limitiert und führt dazu, dass die Vorschrift jedenfalls im Wirtschaftsstrafrecht keine große Rolle spielt. Die klassische, im Wortlaut von § 259 StGB auch explizit verankerte Vortat der Hehlerei ist ein Diebstahl (§§ 242–248a StGB).4 Die Vortat muss u.a. zu einer rechtswidrigen Besitzlage geführt haben,5 was wiederum angesichts der im Rahmen des Wirtschafts- und Steuerstrafrechts üblichen Geldbewegungen eher die Ausnahme sein wird.

1 2 3 4 5

Fischer, StGB, § 258a Rz. 12. So OLG Hamm v. 5.3.1998 – 3 Ws 39/98, NStZ-RR 1998, 279. Matthies/Scheffler in AnwK-StGB, § 259 Rz. 8 f. Fischer, StGB, § 259 Rz. 3. Fischer, StGB, § 259 Rz. 3.

Mückenberger

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StGB

Hehlerei

StGB

§ 259 StGB Rz. 2 2

Strafgesetzbuch

Die Hehlerei ist abstraktes Vermögensgefährdungsdelikt.1 Der Strafzweck liegt im Aufrechterhalten und ggf. Vertiefen der durch die Vortat geschaffenen rechtswidrigen Besitz- oder Vermögenslage. Die rechtswidrige Vermögenslage muss sich – ähnlich einem Eigentumsdelikt – auf eine Sache beziehen. Von § 259 StGB geschützter Vermögenswert ist damit der Herausgabeanspruch des Opfers der Vortat.2 Die Hehlerei ist demnach nur solange möglich, wie eine rechtswidrige Besitzlage fortbesteht, daneben auch nach einem anfechtbaren Eigentumserwerb.3 Mit endgültigem, unanfechtbarem Eigentumserwerb endet die eine Hehlerei ermöglichende rechtswidrige Besitzlage.4

B. Objektiver Tatbestand 3

Wegen Hehlerei macht sich strafbar, wer eine Sache, die gestohlen oder aus einer sonstigen rechtswidrigen Tat erlangt wurde, in Bereicherungsabsicht ankauft, sich oder einem Dritten verschafft, absetzt oder absetzen hilft.

I. Sache 4

Die Hehlerei kann sich nur auf eine Sache beziehen. Diese kann beweglich und unbeweglich sein;5 daneben kommen Wertpapiere als ein Recht verkörpernde Papiere (Sachen) in Betracht.6 Keine tauglichen Gegenstände für eine Hehlerei sind etwa Forderungen, geistiges Eigentum, betrügerisch erlangtes Bankguthaben, Raubkopien und Daten.7

II. Vortat 5

Der Vortäter muss die Sache durch einen Diebstahl (gemeint sind hier Taten nach den §§ 242–248a StGB)8 oder ein anderes Vermögensdelikt erlangt haben. Die Vortat muss eine Straftat sein, eine Ordnungswidrigkeit reicht als Vortat für § 259 StGB nicht aus.9 Die Vortat muss sich gegen fremdes Vermögen richten und zu einer rechtswidrigen Besitzlage geführt haben.10 Denkbare Vortaten sind etwa ein Betrug,11 eine Hehlerei selbst,12 eine Begünstigung,13 eine Urkundenfälschung,14 eine Nötigung15 oder ein strafbarer Bankrott.16

6

Wird der Täter infolge der Vortat formal Eigentümer, dies aber inhaltlich zu Unrecht (etwa bei Gelderwerb durch Betrug) sowie bei anfechtbarem Erwerb während der Dauer der Anfechtbarkeit, so liegt weiterhin ein rechtswidriges Aufrechterhalten der durch die Vortat geschaffenen Vermögenslage vor.17 Ein gutgläubiger Erwerb hingegen beendet die rechtswidrige Vermögenslage; die derart erlangte Sache kann damit nicht Gegenstand einer Hehlerei sein.18 Hat der Vortäter etwa nach § 950 BGB Eigentum endgültig erworben, so scheidet eine Hehlerei aus;19 so auch bei Vermischung nach §§ 948, 947 BGB.20

7

Die Vortat muss schließlich nach deutschem Recht strafbar und zumindest rechtswidrig begangen worden sein. Die Schuld des Vortäters spielt keine Rolle, ebenso wenig die Frage, ob etwa Verjährung oder ein sonstiges Verfahrenshindernis vorliegt, welches dazu führt, dass die Tat nicht (mehr) verfolgt werden kann.21

8

Die Vortat muss in dem Sinne abgeschlossen sein, dass der Vortäter die Sache bereits vor der Hehlerei erlangt hat.22 Es genügt nicht, dass sie erst durch die Verfügung zugunsten des Hehlers begangen wird.23

1 H.M., vgl. BGH v. 4.11.1976 – 4 StR 255/76, BGHSt 27, 46; 33, 52; Fischer, StGB, § 259 Rz. 2; Matthies/Scheffler in AnwK-StGB, § 259 Rz. 5. 2 Matthies/Scheffler in AnwK-StGB, § 259 Rz. 5. 3 Stree/Hecker in S/S-StGB, § 259 Rz. 7. 4 RG v. 3.12.1918 – g.B. IV 920/18, RGSt 53, 167; Matthies/Scheffler in AnwK-StGB, § 259 Rz. 3. 5 Vgl. BGH v. 29.11.1977 – 1 StR 582/77, NJW 1978, 710. 6 Matthies/Scheffler in AnwK-StGB, § 259 Rz. 8. 7 Teilw. wird (aus durchaus verschiedenen Blickwinkeln) die Schaffung eines eigenen Tatbestands der Datenhehlerei gefordert; ein Gesetzentwurf des Bundesrats vom 30.4.2014 liegt vor, BT-Drucks. 18/1288. 8 Fischer, StGB, § 259 Rz. 3. 9 Walther in LK-StGB, § 259 Rz. 14; Fischer, StGB, § 259 Rz. 3. 10 Vgl. Matthies/Scheffler in AnwK-StGB, § 259 Rz. 11. 11 BGH v. 23.4.1969 – 3 StR 51/69, NJW 1969, 1260. 12 BGH v. 4.11.1976 – 4 StR 255/76, BGHSt 27, 46; BGH v. 23.8.1979 – 4 StR 316/79, NJW 1979, 2621. 13 Fischer, StGB, § 259 Rz. 3. 14 LG Duisburg v. 16.1.1969 – 6 KLs 13/68, NJW 1969, 1261. 15 BGH v. 15.9.1972 – 4 StR 425/72, MDR 1972, 571. 16 BGH v. 21.10.1976 – 4 StR 435/76, GA 1977, 145. 17 Hecker in S/S-StGB, § 259 Rz. 8; Altenhain in NK-StGB, § 259 Rz. 16. 18 BGH v. 22.6.1960 – 2 StR 192/60, BGHSt 15, 53, 57. 19 BayObLG v. 15.5.1979 – RReg. 2 St 445/78, NJW 1979, 2218. 20 Matthies/Scheffler in AnwK-StGB, § 259 Rz. 7. 21 Walther in LK-StGB, § 259 Rz. 14; Lackner/Kühl, § 259 StGB, Rz. 4. 22 BGH v. 20.11.1959 – 4 StR 370/59, BGHSt 13, 403; Lackner/Kühl, § 259 StGB, Rz. 6. 23 BGH v. 9.11.2011 – 2 StR 444/11, NStZ-RR 2012, 71.

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Mückenberger

Rz. 15 § 259 StGB

Die Abgrenzung zwischen Hehlerei und einer Beihilfe zur Vortat ist wie folgt gestaffelt: Vor Vollendung der 9 Vortat ist nur Beihilfe zur selben möglich. Zwischen Vollendung und Beendigung der Vortat ist die Willensrichtung des Handelnden ausschlaggebend: Will er primär die fremde Tat zum Abschluss bringen, ist von Beihilfe zur Vortat auszugehen; beabsichtigt er hingegen primär, dem Vortäter die Vorteile aus dessen Tat zu sichern, liegt Hehlerei vor.1

III. Täter § 259 StGB setzt eine Sache, die ein anderer gestohlen oder rechtswidrig erlangt hat, voraus. Der Alleintäter 10 der Vortat, der Mittäter2 und auch der mittelbare Täter können nicht zugleich Hehler sein.3 Dies soll auch gelten, wenn der Anteil eines Mittäters abgesetzt wird.4 Bloße Teilnehmer der Vortat machen sich dagegen wegen Hehlerei strafbar, wenn sie Gegenstände hehlen, die ein Täter der Vortat aus dieser erlangt hat.5 Hehlerei ist nur in einverständlichem Zusammenwirken des Täters mit dem Vorbesitzer möglich.6 Dieses Ein- 11 vernehmen kann ausdrücklich oder stillschweigend vereinbart werden; auch kann es nachträglich hergestellt werden.7 Dieses Einverständnis ist bei einer Verurteilung wegen Hehlerei durch das Gericht explizit festzustellen.8

IV. Ersatzhehlerei Die sog. Ersatzhehlerei ist grundsätzlich straflos, da nur unmittelbar aus der Vortat erlangte Sachen taugliche 12 Tatgegenstände der Hehlerei sein können.9 Eine für gestohlenes Geld erworbene Sache oder umgekehrt das für eine entwendete Sache erlangte Verkaufs- oder Tauschsurrogat sind damit grundsätzlich keine tauglichen Objekte der Hehlerei.10

V. Tathandlungen § 259 StGB sieht die Tathandlungen des sich oder einem Dritten Verschaffens, des Ankaufens sowie des Abset- 13 zens bzw. der Absatzhilfe vor. Jede dieser Handlungen begründet für sich den Vorwurf der Hehlerei. Die Tathandlung des sich oder einem Dritten Verschaffens setzt die Herstellung eigener Herrschaftsgewalt – 14 oder der eines Dritten – über die Sache im Einverständnis mit dem Vortäter voraus.11 Der Hehler muss eigene Verfügungsgewalt über die Sache erlangen, und zwar dergestalt, dass er über die Sache als eigene oder zu eigenen Zwecken verfügen kann.12 Er muss also die Besitzerstellung des Vortäters einverständlich übernehmen, um damit über die Sache verfügen zu können.13 Mittelbarer Besitz soll hier aber ausreichend sein, wenn die Sache von einem frei zugänglichen Platz abgeholt werden kann.14 Die Verfügungsgewalt kann auch mittelbar, etwa durch einen Beauftragten erfolgen.15 Sofern eine Personenmehrheit, etwa eine Gesellschaft, gemeinschaftlich Verfügungsgewalt erlangt und auch nur gemeinsam über die Sache verfügen kann, so ist dennoch von einer ausreichenden Verfügungsgewalt auszugehen.16 Keine Verfügungsgewalt wird darin gesehen, wenn der Erwerber lediglich beabsichtigt, die entwendete Sache 15 dem Berechtigten wieder zu beschaffen;17 ebenso, wenn er die Sache nur vorübergehend in Gewahrsam nimmt oder darüber gar nicht verfügen will.18 Das einem Dritten Verschaffen erfordert, dass der Hehler die Sache unmittelbar vom Vortäter an einen Dritterwerber vermittelt, ohne dass ein eigener Zwischenerwerb vorliegt.19 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19

Matthies/Scheffler in AnwK-StGB, § 259 Rz. 14. BGH v. 17.7.2012 – 4 StR 179/12, StraFo 2012, 369. Matthies/Scheffler in AnwK-StGB, § 259 Rz. 15. Fischer, StGB, § 259 Rz. 31. BGH v. 4.12.1953 – 2 StR 220/53, BGHSt 5, 378; BGH v. 17.7.2012 – 4 StR 179/12, StraFo 2012, 369. Fischer, StGB, § 259 Rz. 13. Maier in MüKo-StGB, § 259 Rz. 68; Matthies/Scheffler in AnwK-StGB, § 259 Rz. 17. BGH v. 13.3.2013 – 2 StR 586/12, NJW 2013, 2211, 2213. Fischer, StGB, § 259 Rz. 7. Lackner/Kühl, § 259 StGB, Rz. 8. BGH v. 22.6.1960 – 2 StR 192/60, BGHSt 15, 57; BGH v. 11.9.1991 – 3 StR 96/91, NStZ 1992, 36; Walther in LK-StGB, § 259 Rz. 34. BGH v. 20.12.1954 – GSSt 1/54, BGHSt 7, 137; BGH v. 21.2.1957 – 4 StR 525/56, BGHSt 10, 151; BGH v. 22.6.1960 – 2 StR 192/60, BGHSt 15, 57. BGH v. 29.3.1977 – 1 StR 646/76, BGHSt 27, 160; Matthies/Scheffler in AnwK-StGB, § 259 Rz. 20. BGH v. 29.3.1977 – 1 StR 646/76, BGHSt 27, 160, wonach der Erwerber unabhängig vom Willen des Vortäters über die Sache verfügen können muss. BGH v. 18.4.1952 – 1 StR 739/51, BGHSt 7, 274. BGH v. 6.2.2004 – 2 ARs 276/03, StraFo 2004, 251; Stree/Hecker in S/S-StGB, § 259 Rz. 18. BGH v. 17.6.1997 – 1 StR 119/97, BGHSt 43, 111; BGH v. 17.6.1997 – 1 StR 119/97, NStZ 1997, 493; Fischer, StGB, § 259 Rz. 11. BGH v. 16.4.1969 – 4 StR 25/69, MDR 1969, 723; BGH v. 5.7.1995 – 3 StR 605/94, NStZ 1995, 544. Vgl. OLG Celle v. 25.4.2012 – 31 Ss 7/12, NStZ-RR 2012, 247 f.; Fischer, StGB, § 259 Rz. 14.

Mückenberger

339

StGB

Hehlerei

StGB

§ 259 StGB Rz. 16

Strafgesetzbuch

16

Begehen durch Unterlassen ist möglich.1

17

Das Ankaufen ist ein Unterfall des sich Verschaffens und kommt nur in Betracht, wenn alle Voraussetzungen des sich Verschaffens vorliegen.2 Der zugrunde liegende schuldrechtliche Kaufvertrag ist nicht ausschlaggebend, sondern wiederum die Übertragung des Besitzes.3

18

Absetzen ist die im Interesse und Einverständnis des Vortäters oder Vorbesitzers, zugleich aber selbständig vorgenommene wirtschaftliche Verwertung durch rechtsgeschäftliche Weitergabe an einen Dritten.4 Auch hier muss das Einverständnis des Vortäters, zumindest konkludent, vorliegen.5 Der Täter wird hier zuweilen mit einem Verkaufskommissionär verglichen,6 der auf fremde Rechnung, aber in Eigenregie handelt. Nur eine wirtschaftliche Verwertung der Sache ist als Absetzen anzusehen. Ein Verschenken muss hier zumindest im weitesten Sinne wirtschaftlichen Charakter haben, etwa als Gegenleistung oder mit einer entsprechenden Erwartung.7

19

Eine wichtige Korrektur in Bezug auf das Absetzen initiierte der 3. Strafsenat des BGH mit Beschluss vom 14.5.2013.8 Demnach ist für eine Verurteilung wegen vollendeter Hehlerei durch Absetzen die Feststellung eines Absatzerfolges erforderlich. Zuvor war von der Rspr. bereits die Vornahme einer auf Absetzen oder Absatzhilfe gerichteten Tätigkeit für eine Tatvollendung als ausreichend erachtet worden.9 Mit der im Anfragebeschluss vom 14.5.2013 dargelegten Auffassung, der sich die übrigen Senate angeschlossen haben,10 hat der BGH seine frühere Rspr. aufgegeben und sich der vorherrschenden Ansicht im Schrifttum11 angeschlossen.12 Dieser Kurswechsel ist uneingeschränkt zu begrüßen. Bereits der Wortlaut der Vorschrift spricht für die Notwendigkeit eines tatsächlichen Absatzerfolges. Wer sich nur um den Verkauf der Sache bemüht, setzt die Ware gerade (noch) nicht ab. Daneben wird man von einer Perpetuierung der rechtswidrigen Vermögenslage, vor welcher die Vorschrift schützen soll, erst dann sprechen können, wenn es tatsächlich zu einer Weiterschiebung kommt.13 Nur vor diesem Hintergrund überzeugt schließlich die ausdrücklich normierte Versuchsstrafbarkeit, die nach bisheriger Rspr. weitestgehend leerlief.

20

Das Absetzen wie auch die Absatzhilfe stellen Handlungen für einen anderen dar.14

21

Absatzhilfe ist die Unterstützung des Vortäters beim Absetzen der Sache.15 Diese Variante begründet eine eigenständige Beihilfestrafbarkeit zu einer an sich straflosen Haupttat (Absatz durch den Vortäter selbst).16 Die teilweise vertretene Auffassung, der wesentliche Unterschied zum Absetzen sei die Weisungsgebundenheit des Täters,17 verkennt diese Konstellation. Absatzhilfe setzt die Unterstützung des Vortäters, nicht eines Dritten bzw. Absetzenden, voraus.18 Die Unterstützung eines Dritten (eines anderen Absatz-Hehlers) wäre Beihilfe zu dessen Tat.19 Der Absatzhelfer muss sich „im Lager“ des Vortäters befinden;20 tut er dies nicht, so ist er allenfalls Gehilfe eines dritten strafbaren Hehlers.21

C. Subjektiver Tatbestand 22

§ 259 StGB erfordert generell vorsätzliches Verhalten und darüber hinaus eine besondere Bereicherungsabsicht.

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21

Vgl. etwa RG v. 9.7.1918 g.H. II 264/18, RGSt 52, 204. Ruß in LK-StGB, § 259 Rz. 2. RG v. 20.2.1930 – g.B. III 17/30, RGSt 64, 21. Matthies/Scheffler in AnwK-StGB, § 259 Rz. 29. BGH v. 7.12.1954 – 2 StR 471/54, NJW 1955, 350. BGH v. 12.10.1977 – 3 StR 287/77, JR 1977, 77; Matthies/Scheffler in AnwK-StGB, § 259 Rz. 29. Matthies/Scheffler in AnwK-StGB, § 259 Rz. 29. BGH v. 14.5.2013 – 3 StR 69/13, NStZ 2013, 584. Vgl. zur früheren Rspr. etwa BGH v. 4.11.1976 – 4 StR 255/76, BGHSt 27, 45, 48; BGH v. 15.4.1980 – 5 StR 135/80, BGHSt 29, 239; –. BGH v. 21.8.2013 – 1 ARs 6/13; BGH v. 15.8.2013 – 2 ARs/13; BGH v. 8.10.2013 – 4 ARs 7/13; BGH v. 20.8.2013 – 5 ARs 34/13. Statt vieler Stree/Hecker in S/S-StGB, § 259 Rz. 29; Ruhmannseder in BeckOK-StGB, § 259 Rz. 29, jew. m.w.N. Einzelheiten bei Küper, GA 2015, 129; siehe auch Fischer, StGB, § 259 Rz. 18 m.w.N. BGH v. 14.5.2013 – 3 StR 69/13, NStZ 2013, 584, 586. BGH v. 28.8.1985 – 3 StR 195/85-; Fischer, StGB, § 259 Rz. 16. Fischer, StGB, § 259 Rz. 17. BGH v. 16.6.1976 – 3 StR 62/76, BGHSt 26, 358, 362; BGH v. 4.11.1976 – 4 StR 255/76, BGHSt 27, 45, 48; BGH v. 24.6.1998 – 3 StR 128/98, NStZ-RR 1999, 208; Fischer, StGB, § 259 Rz. 17. So etwa Stree/Hecker in S/S-StGB, § 259 Rz. 31 ff.; Matthies/Scheffler in AnwK-StGB, § 259 Rz. 32. Fischer, StGB, § 259 Rz. 17. BGH v. 16.6.1976 – 3 StR 62/76, BGHSt 26, 358, 362; BGH v. 4.11.1976 – 4 StR 255/76, BGHSt 27, 45, 48; BGH v. 3.10.1984 – 2 StR 166/84, BGHSt 33, 44, 49. BGH v. 20.7.2004 – 3 StR 231/04, NStZ-RR 2005, 373, 374; BGH v. 11.6.2008 – 5 StR 145/08, NStZ 2009, 161; Altenhain in NK-StGB, § 259 Rz. 53. Fischer, StGB, § 259 Rz. 17.

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Mückenberger

Rz. 28 § 259 StGB

StGB

Hehlerei

Der Vorsatz muss sich auf alle Tatbestandsmerkmale erstrecken, wobei bedingter Vorsatz ausreicht.1 Der Vorsatz 23 muss die Hehlereihandlung und insbesondere den Umstand erfassen, dass die Sache durch eine gegen fremdes Vermögen gerichtete Tat erlangt wurde.2 Die konkreten Umstände oder auch nur die Art der Vortat soll der Täter nicht kennen müssen.3 Allein das Bewusstsein, dass die Sache aus irgendeiner rechtswidrigen Tat stammt, soll demgegenüber nicht ausreichen.4 Den Vortäter und die näheren Umstände der Vortat muss der Hehler jedoch nicht kennen.5 Die Rechtswidrigkeit der Vortat muss der Täter nicht kennen; wohl aber muss er die Rechtswidrigkeit der Besitzverhältnisse zumindest für möglich halten und billigend in Kauf nehmen bzw. sich damit abfinden.6 Hierfür genügt es, wenn er die tatsächlichen Umstände des rechtswidrigen Erwerbs kennt. Schließlich muss er zumindest billigend in Kauf nehmen, dass er eine Tathandlung begeht, durch welche die rechtswidrige Vermögenslage aufrechterhalten wird. Der rechtswidrige Vorbesitz ist Tatbestandsmerkmal, sodass die Annahme einer unanfechtbar gewordenen Eigentumsposition zum Ausschluss des Vorsatzes führt.7 Daneben ist Bereicherungsabsicht erforderlich. Diese muss dahin gehen, sich oder einen Dritten zu bereichern, 24 also einen Vermögensvorteil zu erlangen oder dem Dritten zu verschaffen.8 § 28 Abs. 1 StGB gilt nicht für die Bereicherungsabsicht.9 Dem Täter muss es auf Bereicherung, d.h. das Erlangen von geldwerten Vorteilen ankommen.10 Hieran fehlt es bei nichtvermögenswerten Vorteilen, etwa dem Besitz11 und beim Ankauf der Sache zum Marktpreis.12 Woher der Vermögensvorteil letztlich kommt, ist nicht von Bedeutung. Einer „Stoffgleichheit“ i.S.v. § 263 StGB bedarf es nicht.13 Der zu bereichernde Dritte kann nicht allein der Vortäter sein; anderenfalls wäre Begünstigung, nicht Hehlerei einschlägig.14

D. Rechtsfolgen Der Strafrahmen für die Hehlerei ist Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe.

25

Der Versuch ist nach Absatz 3 strafbar. Dies gilt für alle Tatvarianten und spielt im Rahmen von § 259 StGB 26 insbesondere auch bei Irrtümern über die Rechtswidrigkeit der Besitzlage, über Eigentumsverhältnisse, über ein Einverständnis des Vorbesitzers etc. eine bedeutende Rolle.

E. Verfahrensbezogenes Absatz 2 ordnet die sinngemäße Geltung der §§ 247 und 248a StGB an. Dies ist so zu verstehen, dass auch die 27 Hehlerei – grundsätzlich Offizialdelikt – nur auf Antrag verfolgt wird, wenn sich die Vortat zur Hehlerei gegen einen Angehörigen, ein Mitglied der häuslichen Gemeinschaft o.ä. richtet (Verweis auf § 247 StGB) sowie bei der Hehlerei geringwertiger Sachen (Verweis auf § 248a StGB). Bei der Geringwertigkeit ist auf den Wert der gehehlten Sache abzustellen, nicht auf den der angestrebten Bereicherung.15 Konkurrenzen: Bei einer Hehlereihandlung betreffend Sachen mehrerer Eigentümer oder aus mehreren Vor- 28 taten liegt dennoch nur eine Tat vor.16 Tateinheit ist möglich mit Geldwäsche, Strafvereitelung und Begünstigung.17 Die Unterschlagung tritt gegenüber der Hehlerei im Wege der Gesetzeskonkurrenz zurück.18 Bei Erwerb einer entwendeten Sache und anschließendem Verkauf an einen gutgläubigen Abnehmer (Betrug) soll Tatmehrheit vorliegen.19

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19

Matthies/Scheffler in AnwK-StGB, § 259 Rz. 34. BGH v. 23.11.1999 – 4 StR 491/99, NStZ-RR 2000, 106; Fischer, StGB, § 259 Rz. 19. OLG Zweibrücken v. 29.4.1991 – 1 Ws 61/91, NStZ 1992, 84. OLG Nürnberg v. 7.11.2012 – 1 St OLG Ss 258/12, NStZ-RR 2013, 78. OLG Köln, 22.9.1982 – 3 Ss 564/82, NStZ 1983, 264. BGH v. 19.1.2000 – 2 StR 628/99, wistra 2000, 177; Fischer, StGB, § 259 Rz. 19. Altenhain in NK-StGB, § 259 Rz. 57. Fischer, StGB, § 259 Rz. 23. H.M., z.B. Fischer, StGB, § 259 Rz. 23; Stree/Hecker in S/S-StGB, § 259 Rz. 40; Maier in MüKo-StGB, § 259 Rz. 99; a.A. Hoyer in SK-StGB, § 259 Rz. 45. Lackner/Kühl, § 259 StGB Rz. 17. Fischer, StGB, § 259 Rz. 23. OLG Hamm v. 27.3.2003 – 1 Ss 213/03, NStZ-RR 2003, 237. BayObLG v. 28.9.1978 – IV ZB 104/78, NJW 1979, 218; Stree/Hecker in S/S-StGB, § 259 Rz. 42; Walther in LK-StGB, § 259 Rz. 79. BGH v. 18.5.1995 – 4 StR 41/95, NStZ 1995, 595; Hoyer in SK-StGB, § 259 Rz. 45; Altenhain in NK-StGB, § 259 Rz. 67; anders noch BGH v. 23.8.1979 – 4 StR 316/79, NJW 1979, 2621; Stree/Hecker in S/S-StGB, § 259 Rz. 44. Fischer, StGB, § 259 Rz. 26. BGH v. 15.3.2005 – 4 StR 64/05, NStZ-RR 2005, 236. Maier in MüKo-StGB, § 259 Rz. 177. BGH v. 6.2.2002 – 1 StR 513/01, NJW 2002, 2188; Matthies/Scheffler in AnwK-StGB, § 259 Rz. 41. BGH v. 6.8.2008 – 2 StR 86/08, StraFo 2008, 479.

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StGB

§ 259 StGB Rz. 29 29

Strafgesetzbuch

Eine ungleichartige Wahlfeststellung in Form der Tatbestandsalternativität ist zwischen § 242 und § 259 StGB möglich.1 Im Wege der Postpendenz ist nur nach § 259 StGB zu verurteilen, wenn die Beteiligung an der Vortat möglich, die Hehlerei aber sicher ist. Dann ist die Strafe dem milderen Gesetz zu entnehmen.2

§ 260 Gewerbsmäßige Hehlerei; Bandenhehlerei (1) Mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren wird bestraft, wer die Hehlerei 1. gewerbsmäßig oder 2. als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Raub, Diebstahl oder Hehlerei verbunden hat, begeht. (2) Der Versuch ist strafbar. (3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 sind die §§ 43a, 73d anzuwenden. § 73d ist auch in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 anzuwenden. Literatur: Altenhain, Die Mitwirkung eines anderen Bandenmitglieds, ZStW 113 (2001), 112; Erb, Die Qualifikationstatbestände der Bandenhehlerei (§§ 260 I Nr. 2, 260a StGB) – ein spezifisches Instrument zur Bekämpfung der „Organisierten Kriminalität“?, NStZ 1998, 537; Müller, Die Konvergenz der Bandendelikte, GA 2002, 318.

A. Allgemeines 1

Die Vorschrift ist Qualifikationstatbestand zu § 259 StGB. Sie sieht einen erhöhten Strafrahmen für das gewerbsmäßige Betreiben von Hehlerei (Abs. 1 Nr. 1) und für die Bandenhehlerei (Abs. 1 Nr. 2) vor. Geschütztes Rechtsgut ist das des § 259 StGB. Grund der Strafschärfung gegenüber der einfachen Hehlerei ist einerseits ein erhöhter Unrechts- und Schuldgehalt,3 andererseits eine besondere Gefährlichkeit der gewerbs- oder bandenmäßigen Begehung.4

2

Kriminalpolitisch ist von Bedeutung, dass die Qualifikation des § 260 StGB Katalogtat für die Telekommunikationsüberwachung nach § 100a Abs. 2 Nr. 1 lit. l StPO ist, sodass, wenn bestimmte Tatsachen den Verdacht begründen, dass jemand als Täter oder Teilnehmer an einer Tat nach § 260 StGB mitgewirkt hat, die Anordnung der Überwachung und Aufzeichnung der Telekommunikationsdaten möglich ist.

B. Tatbestand 3

§ 260 StGB sieht zwei Qualifikationsvarianten der Hehlerei vor, die gewerbsmäßige Begehung (Abs. 1 Nr. 1) sowie die Bandenhehlerei (Abs. 1 Nr. 2).

I. Gewerbsmäßigkeit 4

Gewerbsmäßiges Handeln liegt vor, wenn der Täter in der Absicht handelt, sich durch wiederholte Tatbegehung eine fortlaufende Einnahmequelle von einiger Dauer und nicht nur geringem Umfang zu verschaffen.5 Die Gewerbsmäßigkeit ist damit überwiegend subjektiv konstruiert, weder muss sich die Gewinnerwartung des Täters realisieren,6 noch muss die Hehlerei tatsächlich wiederholt worden sein, solange sie als erste einer planmäßigen Vielzahl von Hehlereihandlungen angedacht war.7 Ferner ist nicht erforderlich, dass der Täter ein „kriminelles Gewerbe“ plant oder seinen Lebensunterhalt auf Dauer ganz oder teilweise hierdurch bestreiten will.8 Die Gewerbsmäßigkeit ist ein besonderes persönliches Merkmal i.S.v. § 28 Abs. 2 StGB.9 Der Gehilfe, bei dem das Merkmal nicht vorliegt, ist demnach nur nach § 259 StGB strafbar.10

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10

Gegenwärtig fraglich, vgl. Anfrage des 2. Strafsenats (BGH v. 28.1.2014 – 2 StR 495/12). Fischer, StGB, § 259 Rz. 36. Vgl. etwa BGH v. 4.10.1967 – 4 StR 312/67, NJW 1967, 2416; Stree/Hecker in S/S-StGB, § 260 Rz. 1. Matthies/Scheffler in AnwK-StGB, § 260 Rz. 3. BGH v. 19.8.1992 – 2 StR 86/92, wistra 1993, 62; BGH v. 28.9.1994 – 4 StR 280/94, NStZ 1995, 85; Fischer, StGB, § 260 Rz. 2. BGH v. 28.9.1994 – 4 StR 280/94, NStZ 1995, 85. BGH v. 28.9.1994 – 4 StR 280/94, NStZ 1995, 85. BGH v. 9.7.1998 – 4 StR 250/98. BGH v. 29.8.2008 – 2 StR 587/07, NStZ 2009, 95; Hoyer in SK-StGB, § 260 Rz. 2. BGH v. 2.10.1952 – 3 StR 642/51, BGHSt 3, 191; BGH v. 21.9.1995 – 1 StR 316/95, StV 1996, 87.

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Mückenberger

Rz. 12 § 260 StGB

StGB

Gewerbsmäßige Hehlerei; Bandenhehlerei

II. Bandenhehlerei Voraussetzung für die Annahme einer Bande ist, dass mindestens drei Bandenmitglieder auf Basis einer delik- 5 tischen Vereinbarung agieren.1 Im Rahmen der Bandenhehlerei werden auch sog. gemischte Banden anerkannt, welche – in welcher Besetzung auch immer – etwa Diebstähle oder Hehlereien begehen.2 Im Rahmen von § 260 StGB soll die Mitwirkung eines anderen Bandenmitglieds an der Tat nicht erforderlich 6 sein;3 es soll vielmehr ausreichen, wenn etwa ein Mitglied der Bande die Hehlerei allein oder gemeinsam mit Außenstehenden begeht, sofern dies in seiner Funktion als Mitglied der Bande geschieht, also etwa im Rahmen der Bandenabrede oder zur Förderung des Bandenzwecks.4 Ob die Voraussetzungen bandenmäßigen Handels tatsächlich erfüllt sind, soll aufgrund aller Umstände des Einzelfalls (so die Besonderheiten der Tätergruppe und deren Gefährlichkeit, die Zahl der Bandenmitglieder, deren Präsenz bei der Tatbegehung oder auch durch gewisse organisatorische Strukturen und eine entsprechende Stabilität) zu beurteilen sein.5 Zu Recht kritisiert wird die Reichweite und Zufälligkeit des Bandenbegriffs. Ursprünglich zur Bekämpfung 7 der Organisierten Kriminalität geschaffen,6 hat der heutige Bandenbegriff – nicht zuletzt infolge der Ausweitung durch die Rspr. – diese Fokussierung in der Praxis eingebüßt. Faktisch erfasst werden von den heutigen Kriterien zur Annahme einer Bande überwiegend Gruppierungen, die mit Organisierter Kriminalität überhaupt nichts zu tun haben.7 Angeführt werden hier häufig reine Jugendbanden etc.,8 es darf aber nicht übersehen werden, dass gerade das Wirtschaftsleben regelmäßig aus einem geschäftsmäßigen Zusammenspiel mehrerer Partner besteht. Die Praxis zeigt, dass viele dieser Fälle – obwohl dies mit Blick auf den Unrechtsgehalt zweifelhaft ist – die Annahme eines bandenmäßigen Vorgehens rechtfertigen. Auch die Bandenmitgliedschaft ist besonderes persönliches Merkmal i.S.v. § 28 Abs. 2 StGB.9

8

III. Versuch Der Versuch einer gewerbsmäßigen Hehlerei bzw. einer Bandenhehlerei ist nach Absatz 2 strafbar. Ein Versuch 9 der Qualifikation kommt vor allem dann in Betracht, wenn das qualifizierende Merkmal zum Zeitpunkt der Tathandlung nicht mehr besteht und einer der Täter hiervon (noch) keine Kenntnis hat.10 Nimmt der Täter hingegen das Vorliegen einer Bande oder eine geeignete Vortat an, wird ein untauglicher Versuch vorliegen.11

C. Rechtsfolgen I. Strafrahmen § 260 StGB sieht für die einfach qualifizierte Hehlerei einen Strafrahmen von sechs Monaten bis zu zehn Jahren 10 Freiheitsstrafe vor. Ein minder schwerer Fall ist nicht vorgesehen. Teilweise wird hierzu eine direkte oder analoge Anwendung von § 260a StGB – dort Absatz 2 – vorgeschlagen.12

II. Erweiterter Verfall/Führungsaufsicht Das Gericht kann nach § 262 StGB Führungsaufsicht anordnen.

11

Sowohl bei gewerbs- als auch bei bandenmäßiger Hehlerei ist nach Absatz 3 eine Anordnung des erweiterten 12 Verfalls nach § 73d StGB möglich, wenn die Tatsache naheliegt, dass die in Rede stehenden Gegenstände aus rechtswidrigen Taten erlangt worden sind.13

1 BGH v. 22.10.2001 – 5 StR 439/01, wistra 2002, 57, basierend auf der grundlegenden Entscheidung des Großen Senats für Strafsachen v. 22.3.2001 – GSSt 1/00, BGHSt 46, 321. 2 Fischer, StGB, § 260 Rz. 3. 3 BGH v. 28.9.1994 – 4 StR 280/94, NStZ 1995, 85; BGH v. 12.1.2000 – 1 StR 603/99, wistra 2000, 135. 4 BGH v. 23.2.2000 – 1 StR 568/99, NJW 2000, 2034 f. 5 Maier in MüKo-StGB, § 260 StGB Rz. 5. 6 Vgl. etwa das Gesetz zur Bekämpfung des illegalen Rauschgifthandels und anderer Erscheinungsformen der Organisierten Kriminalität v. 15.7.1992 (BGBl. I, 1302). 7 Vgl. Erb, NStZ 1998, 538. 8 Matthies/Scheffler in AnwK-StGB, § 260 Rz. 8. 9 Maier in MüKo-StGB, § 260 StGB Rz. 18; Fischer, StGB, § 260 Rz. 3. 10 Stree/Hecker in S/S-StGB, § 260 Rz. 3. 11 Matthies/Scheffler in AnwK-StGB, § 260 Rz. 10. 12 In verschiedener Ausgestaltung Stree-Hecker in S/S-StGB, § 260 Rz. 6; Hoyer in SK-StGB, § 260 Rz. 8. 13 Fischer, StGB, § 260 Rz. 5.

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StGB

§ 260 StGB Rz. 13

Strafgesetzbuch

D. Verfahrensbezogenes I. Konkurrenzen 13

§ 260 StGB ist gegenüber der einfachen Hehlerei (§ 259 StGB) lex specialis. Hinter der Doppelqualifikation des § 260a StGB tritt § 260 StGB aus demselben Grund zurück.1 Uneinigkeit besteht über das Verhältnis zwischen § 260 StGB und § 261 StGB. Der BGH hat hier den Vorrang einer gewerbsmäßigen Hehlerei angenommen.2 Zu Recht wendet die Literatur ein, dass bei Zusammentreffen beider Vorschriften eher der Geldwäsche Vorrang einzuräumen ist.3

II. Wahlfeststellung 14

Zwischen einer gewerbsmäßigen Hehlerei nach § 260 StGB und einem gewerbsmäßig begangenen Diebstahl nach § 243 Abs. 1 StGB ist Wahlfeststellung möglich;4 ebenso zwischen Bandendiebstahl (§ 244 Abs. 1 Nr. 2 StGB, § 244a Abs. 1 StGB) und der Bandenhehlerei (§§ 260 Abs. 1 Nr. 2 StGB, 260a Abs. 1 StGB).5 Wahlfeststellung zwischen schwerer Bandenhehlerei und Diebstahl kommt hingegen nicht in Betracht.6 Zwischen Bandendiebstahl (§ 244 Abs. 1 Nr. 2 StGB) einerseits und Bandenhehlerei (§ 260 Abs. 1 Nr. 2 StGB) andererseits kommt eine Wahlfeststellung in Betracht.7

III. Katalogtat TKÜ 15

Die einfach qualifizierte Hehlerei nach § 260 StGB ist Katalogtat i.S.v. § 100a Abs. 1 Nr. 2 lit. l StPO. Eine Telekommunikationsüberwachung ist mithin für Personen, die im Verdacht stehen, Täter oder Teilnehmer einer qualifizierten Hehlerei zu sein, zulässig.

§ 260a Gewerbsmäßige Bandenhehlerei (1) Mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren wird bestraft, wer die Hehlerei als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Raub, Diebstahl oder Hehlerei verbunden hat, gewerbsmäßig begeht. (2) In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren. (3) Die §§ 43a, 73d sind anzuwenden. Literatur: Erb, Die Qualifikationstatbestände der Bandenhehlerei (§§ 260 I Nr. 2, 260a StGB) – ein spezifisches Instrument zur Bekämpfung der „Organisierten Kriminalität“?, NStZ 1998, 537; Erb, Die Neuinterpretation des Bandenbegriffs und des Mitwirkungserfordernisses beim Bandendiebstahl – eine Besprechung von BGH v. 22.3.2001 – GSSt 1/00, NStZ 2001, 561; Müller, Die Konvergenz der Bandendelikte, GA 2002, 318.

A. Allgemeines 1

§ 260a StGB wurde 1992 durch das „Gesetz zur Bekämpfung des illegalen Rauschgifthandels und anderer Erscheinungsformen der Organisierten Kriminalität“8 in das StGB aufgenommen. Der Sache nach handelt es sich um eine Doppelqualifikation der Hehlerei (§ 259 StGB), die beide Qualifikationsmerkmale des § 260 StGB – die Gewerbsmäßigkeit sowie die bandenmäßige Begehung – kumulativ zu einer vermeintlich derart sozialschädlichen Hehlerei heraufstuft, dass diese als Verbrechen anzusehen ist. Die gewerbsmäßige Bandenhehlerei sieht eine Mindestfreiheitsstrafe von einem Jahr vor.

2

Der Tatbestand wurde geschaffen, weil die Kombination aus Gewerbsmäßigkeit und bandenmäßiger Begehung als typisches Merkmal Organisierter Kriminalität angesehen wurde. Tatsächlich ist das Vorliegen der Qualifikationsmerkmale gerade im Wirtschaftsstrafrecht häufig eher zufällig; ebenso die Kombination beider Qualifikationsmerkmale.

B. Tatbestand 3

§ 260a StGB setzt ein Zusammentreffen einer Handlung nach § 259 StGB (Hehlerei) mit beiden Qualifikationsmerkmalen des § 260 StGB (Gewerbsmäßigkeit und Bandenmitgliedschaft) voraus. Die Hehlerei erfordert alle objektiven und subjektiven Voraussetzungen des § 259 StGB, also neben dem normalen Vorsatz auch 1 2 3 4 5 6 7 8

Matthies/Scheffler in AnwK-StGB, § 260 Rz. 15. BGH v. 24.1.2006 – 1 StR 357/05, BGHSt 50, 347. Schramm, wistra 2008, 245. BGH v. 17.10.1957 – 4 StR 73/57, BGHSt 11, 26, 28; BGH v. 19.1.2000 – 3 StR 500/99, wistra 2000, 258 f. BGH v. 19.1.2000 – 3 StR 500/99, NStZ 2000, 473. Fischer, StGB, § 260 Rz. 6. BGH v. 19.1.2000 – 3 StR 500/99, NStZ 2000, 473. BGBl. I, S. 1302.

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§ 261 StGB

eine Bereicherungsabsicht (vgl. hierzu die Ausführungen zu § 259 StGB).1 Diese muss sowohl gewerbsmäßig, also in der Absicht erfolgen, sich durch wiederholte Tatbegehung eine fortlaufende Einnahmequelle von einiger Dauer und einigem Umfang zu verschaffen,2 als auch als Mitglied einer Bande, also mit mindestens zwei anderen Bandenmitgliedern, mit denen eine deliktische Vereinbarung getroffen wurde,3 erfolgen. Zu sog. gemischten Banden und anderen Voraussetzungen der Qualifikationen vgl. § 260 StGB. Sowohl Gewerbsmäßigkeit als auch die Bandenmitgliedschaft sind besondere persönliche Merkmale i.S.v. § 28 4 Abs. 2 StGB.4 Folge ist, dass ein Teilnehmer, für den nicht beide Qualifikationsmerkmale vorliegen, nur aus § 260 StGB und beim Fehlen beider Qualifikationsmerkmale nur aus § 259 StGB zu bestrafen ist. Da § 260a StGB als Verbrechenstatbestand ausgestaltet ist, sind der Versuch nach § 23 Abs. 1 StGB sowie bei 5 Vorliegen der Voraussetzungen von § 30 StGB auch gewisse Vorbereitungshandlungen (versuchte Anstiftung u.a.) strafbar.5

C. Rechtsfolgen § 260a StGB ist ein Verbrechenstatbestand. Er sieht in Absatz 1 Freiheitsstrafe von einem bis zu zehn Jahren 6 vor. Absatz 2 regelt einen minderschweren Fall mit einem Strafrahmen von sechs Monaten bis zu fünf Jahren Frei- 7 heitsstrafe. Neben allgemeinen Erwägungen6 kommt Absatz 2 etwa bei Vorliegen der Voraussetzungen von § 248a StGB (geringwertige Sache) in Betracht.7 In Absatz 3 wird die Anwendung des erweiterten Verfalls nach § 74d StGB angeordnet. Die ebenfalls angeord- 8 nete Vermögensstrafe nach § 43a StGB ist seit Entscheidung des BVerfG vom 20.3.20028 obsolet, da diese für verfassungswidrig und nichtig erklärt wurde.9

D. Sonstiges Konkurrenzen: § 260a StGB ist gegenüber §§ 259, 260 StGB lex specialis.10 Im Verhältnis zu anderen Delikten 9 gelten die Ausführungen zu §§ 259, 26 StGB entsprechend. Wahlfeststellung soll möglich sein mit schwerem Bandendiebstahl (§ 244a StGB), sofern der Täter gewerbs- 10 mäßig gehandelt hat.11

§ 261 Geldwäsche; Verschleierung unrechtmäßig erlangter Vermögenswerte (1) Wer einen Gegenstand, der aus einer in Satz 2 genannten rechtswidrigen Tat herrührt, verbirgt, dessen Herkunft verschleiert oder die Ermittlung der Herkunft, das Auffinden, den Verfall, die Einziehung oder die Sicherstellung eines solchen Gegenstandes vereitelt oder gefährdet, wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft. Rechtswidrige Taten im Sinne des Satzes 1 sind 1. Verbrechen, 2. Vergehen nach a) den §§ 108e, 332 Absatz 1 und 3 sowie § 334, jeweils auch in Verbindung mit § 335a, b) § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des Betäubungsmittelgesetzes und § 19 Abs. 1 Nr. 1 des Grundstoffüberwachungsgesetzes, 3. Vergehen nach § 373 und nach § 374 Abs. 2 der Abgabenordnung, jeweils auch in Verbindung mit § 12 Abs. 1 des Gesetzes zur Durchführung der Gemeinsamen Marktorganisationen und der Direktzahlungen,

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11

Fischer, StGB, § 260a Rz. 2. Maier in MüKo-StGB, § 260 Rz. 4. BGH v. 22.10.2001 – 5 StR 439/01, wistra 2002, 57. Zur Gewerbsmäßigkeit BGH v. 29.8.2008 – 2 StR 587/07, NStZ 2009, 95; bezüglich der Bandenmitgliedschaft str., dafür Matthies/Scheffler in AnwK-StGB, § 260a Rz. 3; Fischer, StGB, § 260a Rz. 3; Maier in MüKo-StGB, § 260a StGB, Rz. 7; a.A. Stree/Hecker in S/S-StGB, § 260a Rz. 5. Matthies/Scheffler in AnwK-StGB, § 260a Rz. 3. Vgl. hierzu Fischer, StGB, § 46 Rz. 85 ff. Ruhmannseder in BeckOK-StGB, § 260a Rz. 3. BVerfG v. 20.3.2002 – 2 BvR 794/95, BVerfGE 105, 135. BGBl. I, 1040. Matthies/Scheffler in AnwK-StGB, § 260a Rz. 6. BGH v. 19.1.2000 – 3 StR 500/99, NStZ 2000, 473.

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StGB

Geldwäsche

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§ 261 StGB

Strafgesetzbuch

4. Vergehen a) nach den §§ 152a, 181a, 232 Absatz 1 bis 3 Satz 1 und Absatz 4, § 232a Absatz 1 und 2, § 232b Absatz 1 und 2, § 233 Absatz 1 bis 3, § 233a Absatz 1 und 2, den §§ 242, 246, 253, 259, 263 bis 264, 266, 267, 269, 271, 284, 299, 326 Abs. 1, 2 und 4, § 328 Abs. 1, 2 und 4 sowie § 348, b) nach § 96 des Aufenthaltsgesetzes, § 84 des Asylverfahrensgesetzes, nach § 370 der Abgabenordnung, nach § 38 Absatz 1 bis 4 des Wertpapierhandelsgesetzes sowie nach den §§ 143, 143a und 144 des Markengesetzes, den §§ 106 bis 108b des Urheberrechtsgesetzes, § 25 des Gebrauchsmustergesetzes, den §§ 51 und 65 des Designgesetzes, § 142 des Patentgesetzes, § 10 des Halbleiterschutzgesetzes und § 39 des Sortenschutzgesetzes, die gewerbsmäßig oder von einem Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung solcher Taten verbunden hat, begangen worden sind, und 5. Vergehen nach § 89a und nach den §§ 129 und 129a Abs. 3 und 5, jeweils auch in Verbindung mit § 129b Abs. 1, sowie von einem Mitglied einer kriminellen oder terroristischen Vereinigung (§§ 129, 129a, jeweils auch in Verbindung mit § 129b Abs. 1) begangene Vergehen. Satz 1 gilt in den Fällen der gewerbsmäßigen oder bandenmäßigen Steuerhinterziehung nach § 370 der Abgabenordnung für die durch die Steuerhinterziehung ersparten Aufwendungen und unrechtmäßig erlangten Steuererstattungen und -vergütungen sowie in den Fällen des Satzes 2 Nr. 3 auch für einen Gegenstand, hinsichtlich dessen Abgaben hinterzogen worden sind. (2) Ebenso wird bestraft, wer einen in Absatz 1 bezeichneten Gegenstand 1. sich oder einem Dritten verschafft oder 2. verwahrt oder für sich oder einen Dritten verwendet, wenn er die Herkunft des Gegenstandes zu dem Zeitpunkt gekannt hat, zu dem er ihn erlangt hat. (3) Der Versuch ist strafbar. (4) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter gewerbsmäßig oder als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Begehung einer Geldwäsche verbunden hat. (5) Wer in den Fällen des Absatzes 1 oder 2 leichtfertig nicht erkennt, daß der Gegenstand aus einer in Absatz 1 genannten rechtswidrigen Tat herrührt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. (6) Die Tat ist nicht nach Absatz 2 strafbar, wenn zuvor ein Dritter den Gegenstand erlangt hat, ohne hierdurch eine Straftat zu begehen. (7) Gegenstände, auf die sich die Straftat bezieht, können eingezogen werden. § 74a ist anzuwenden. § 73d ist anzuwenden, wenn der Täter gewerbsmäßig oder als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Begehung einer Geldwäsche verbunden hat. (8) Den in den Absätzen 1, 2 und 5 bezeichneten Gegenständen stehen solche gleich, die aus einer im Ausland begangenen Tat der in Absatz 1 bezeichneten Art herrühren, wenn die Tat auch am Tatort mit Strafe bedroht ist. (9) Nach den Absätzen 1 bis 5 wird nicht bestraft, wer 1. die Tat freiwillig bei der zuständigen Behörde anzeigt oder freiwillig eine solche Anzeige veranlasst, wenn nicht die Tat in diesem Zeitpunkt bereits ganz oder zum Teil entdeckt war und der Täter dies wusste oder bei verständiger Würdigung der Sachlage damit rechnen musste, und 2. in den Fällen des Absatzes 1 oder des Absatzes 2 unter den in Nummer 1 genannten Voraussetzungen die Sicherstellung des Gegenstandes bewirkt, auf den sich die Straftat bezieht. Nach den Absätzen 1 bis 5 wird außerdem nicht bestraft, wer wegen Beteiligung an der Vortat strafbar ist. Eine Straflosigkeit nach Satz 2 ist ausgeschlossen, wenn der Täter oder Teilnehmer einen Gegenstand, der aus einer in Absatz 1 Satz 2 genannten rechtswidrigen Tat herrührt, in den Verkehr bringt und dabei die rechtswidrige Herkunft des Gegenstandes verschleiert. A. I. II. III. IV. V. VI. VII.

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Allgemeines Einleitung. . . . . . . . . . . . . . Geschichtlicher Hintergrund Regelungsziele. . . . . . . . . . . Die Norm im Einzelnen . . . . Geschütztes Rechtsgut . . . . . Entwicklung der Norm . . . . Kritik . . . . . . . . . . . . . . . . .

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VIII. B. I. II.

1. Vereinbarkeit des Tatbestands mit dem Bestimmtheitsgebot, Art. 103 Abs. 2 GG. . 2. Ultima-Ratio-Funktion, Schuldgrundsatz und fehlende Legitimation der Strafandrohung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Praktische Relevanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . Objektiver Tatbestand . . . . . . . . . . . . . . . . Täter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tatobjekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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19

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22 24 26 27 28

1. Gegenstand a) Definition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Vermögenswert. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Ausschluss von nicht von der Rechtsordnung anerkannten Positionen . . . . . . . . . . . 2. Vortaten a) Allgemeine Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . b) Die einzelnen Katalogtaten . . . . . . . . . . . . . c) Auslandsvortaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. „Herrühren“ aus der Vortat . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Allgemeines zum Tatbestandsmerkmal . . . . . . . 2. Das unmittelbare Herrühren . . . . . . . . . . . . . . 3. Surrogate . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Vermischung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Erträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Rechtsübergang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Tathandlungen 1. Vorbemerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Verschleierungstatbestand (Abs. 1 S. 1 Var. 1, 2) 3. Vereitelungs- und Gefährdungstatbestand (Abs. 1 S. 1 Var. 3 ff.) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Isolierungstatbestand (Absatz 2) . . . . . . . . . . . . a) Sich-Verschaffen (Abs. 2 Nr. 1) . . . . . . . . . . b) Verwahren und Verwenden (Abs. 2 Nr. 2). . . 5. Tatbestand der Selbstgeldwäsche (Abs. 9 S. 3) . .

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C. I. II. III. IV. V. VI. D. I. II. E. F. G. I. II. III. H. I. II. III.

§ 261 StGB

Tatbestandseinschränkungen Strafloser Vorerwerb (Absatz 6) . . . . . . . . . Teleologische Reduktion . . . . . . . . . . . . . . Geldwäsche durch Strafverteidiger . . . . . . . Geldwäsche durch Organe der Strafverfolgung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kein Angehörigenprivileg . . . . . . . . . . . . . Geldwäsche durch Unterlassen . . . . . . . . . Subjektiver Tatbestand Vorsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Leichtfertigkeit (Absatz 5) . . . . . . . . . . . . . Versuch (Absatz 3). . . . . . . . . . . . . . . . . . Täterschaft und Teilnahme . . . . . . . . . . . Strafbefreiung (Absatz 9) . . . . . . . . . . . . . Selbstanzeige (Abs. 9 S. 1) . . . . . . . . . . . . . Straflose Selbstbegünstigung (Abs. 9 S. 2). . Selbstgeldwäsche (Abs. 9 S. 3) . . . . . . . . . . Strafen und Maßnahmen Strafe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einziehung und Verfall . . . . . . . . . . . . . . . Konkurrenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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93 95 96

Literatur: Altvater, Das 34. Strafrechtsänderungsgesetz – § 129b StGB, NStZ 2003, 179; Ambos, Annahme „bemakelten“ Verteidigerhonorars als Geldwäsche? Einschränkungsversuche im Lichte des Völker- und ausländischen Rechts, JZ 2002, 70; Arzt, Geldwäscherei – Eine neue Masche zwischen Hehlerei, Strafvereitelung und Begünstigung, NStZ 1990, 1; Arzt, Das missglückte Strafgesetz – am Beispiel der Geldwäschereigesetzgebung, in Das missglückte Gesetz, 1997; Barton, Sozial übliche Geschäftstätigkeit und Geldwäsche (§ 261 StGB), StV 1993, 156; Barton, Das Tatobjekt der Geldwäsche: Wann rührt ein Gegenstand aus einer der im Katalog des § 261 I Nr. 1–3 StGB bezeichneten Straftaten her?, NStZ 1993, 159; Bergmann, Materiell-rechtliche und verfahrensrechtliche Überlegungen zur Strafbarkeit der Selbstgeldwäsche, NZWiSt 2014, 448; Bernsmann, Geldwäsche (§ 261 StGB) und Vortatkonkretisierung, StV 1998, 46; Bernsmann, Der Rechtsstaat wehrt sich gegen seine Verteidiger, in FS Lüderssen, 2002, S. 683; Beulke, Gedanken zur Diskussion über die Strafbarkeit des Verteidigers wegen Geldwäsche, in FS Rudolphi, 2004, S. 391; Beulke/Ruhmannseder, Die Strafbarkeit des Verteidigers, 2010; Bottermann, Untersuchungen zu den grundlegenden Problematiken des Geldwäschetatbestandes, 1995; Bottke, Teleologie und Effektivität der Normen gegen Geldwäsche, wistra 1995, 87; Brüning, Die Strafbarkeit des Insolvenzverwalters wegen Geldwäsche gemäß § 261 StGB, wistra 2006, 241; Bülte, Der neue § 299 StGB und die Geldwäsche, NZWist 2015, 281; Burr, Geldwäsche: eine Untersuchung zu § 261 StGB, 1995; Dionyssopoulou, Der Tatbestand der Geldwäsche, 1999; Fabel, Geldwäsche und tätige Reue, 1997; Fahl, Grundprobleme der Geldwäsche, JURA 2004, 160; Fahl, Zur Strafbarkeit wegen Geldwäsche, JZ 2009, 747; von Galen, Der Beschuldigte – verteidiget oder verkauft?, StV 2000, 575; von Galen, Die reduzierte Anwendung des Geldwäschetatbestands auf die Entgegennahme von Strafverteidigerhonorar – Drahtseilakt oder Rechtssicherheit?, NJW 2004, 3304; Helmers, Zum Tatbestand der Geldwäsche (§ 261 StGB) – Beispiel einer rechtsprinzipiell verfehlten Strafgesetzgebung, ZStW 2009, 509; Herzog/Hoch/Warius, Die Sicherheitsleistung als Vehikel der Rückgewinnungshilfe – Rückgewinnungshilfe contra konkrete und wirkliche Strafverteidigung?, StV 2007, 542; Hetzer, Der Geruch des Geldes – Ziel, Inhalt und Wirkung der Gesetze gegen Geldwäsche, NJW 1993, 3298; Hombrecher, Geldwäsche (§ 261 StGB) durch Strafverteidiger? Eine Untersuchung zur Anwendung des § 261 StGB auf das Honorar des Strafverteidigers, 2001; Hombrecher, Der Tatbestand der Geldwäsche (§ 261 StGB) – Inhalt, Aufbau, Problemstellungen, JA 2005, 67; Hund, Der Geldwäschetatbestand – mißglückt oder mißverstanden?, ZRP 1996, 163; Jahn/Ebner, Die Anschlussdelikte – Geldwäsche (§§ 261–262 StGB), JuS 2009, 597; Kargl, Probleme des Tatbestands der Geldwäsche (§ 261 StGB), NJ 2001, 57; Katholnigg, Kann die Honorarannahme des Strafverteidigers als Geldwäsche strafbar sein?, NJW 2001, 2041; Knorz, Der Unrechtsgehalt des § 261 StGB, 1996; Körner/Dach, Geldwäsche, 1994; Kreß, Das neue Recht der Geldwäschebekämpfung – Eine Bestandsaufnahme nach nationaler und europäischer Rechtsetzung sowie höchstrichterlicher Rechtsfindung, wistra 1998, 121; Lampe, Der neue Tatbestand der Geldwäsche, JZ 1994, 123; Leip, Der Straftatbestand der Geldwäsche, 1999; Maiwald, Auslegungsprobleme im Tatbestand der Geldwäsche, in FS Hirsch, 1999, S. 631; Matt, Verfassungsrechtliche Beschränkungen der Strafverfolgung von Strafverteidigern, JR 2004, 321; Mehlhorn, Der Strafverteidiger als Geldwäscher, 2004; Möhrenschlager, Das OrgKG. Eine Übersicht nach amtlichen Materialien, wistra 1992, 281; Müther, Verteidigerhonorar und Geldwäsche, JURA 2001, 318; Neuheuser, Strafbarkeit des Strafverteidigers wegen Geldwäsche durch die Annahme von Honorar, NStZ 2001, 647; Otto, Das strafrechtliche Risiko der gesetzlichen Vertreter und Geldwäschebeauftragten der Kreditinstitute nach dem Geldwäschegesetz, wistra 1995, 323; Ranft, Verteidigerhonorar und Geldwäsche – die Entscheidung des BVerfG v. 30.3.2004, JURA 2004, 759; Raschke, Strafverteidigung als „privilegiertes“ Berufsbild – „privilegium“ oder „a minore ad maius“?, NStZ 2012, 606; Roxin, I., Strafrechtliche Risiken des Anwaltsberufes, Beck’sches Rechtsanwaltshandbuch; Salditt, Der Tatbestand der Geldwäsche, StraFo 1992, 121; Sauer, Zur Leichtfertigkeit i.S.v. § 261 Abs. 5 StGB bei der Annahme von Mandantengeldern durch Strafverteidiger, wistra 2004, 89; Scherp, Geldwäsche durch Strafverteidiger, NJW 2002, 3242; Schittenhelm, Alte und neue Probleme der Anschlußdelikte im Lichte der Geldwäsche, in FS Lenckner, 1998, S. 519; Schmidt, Geldwäsche und Verteidigerhonorar, JR 2001, 448; Schrader, Die Strafbarkeit des Verteidigers wegen Geldwäsche (§ 261 StGB) durch Annahme bemakelter Honorarmittel, 2008; Schröder/Bergmann, Warum die Selbstgeldwäsche straffrei bleiben muss, 2013; Spiske, Pecunia olet? Der neue Geldwäschetat-

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StGB

Geldwäsche

StGB

§ 261 StGB Rz. 1

Strafgesetzbuch

bestand § 261 StGB im Verhältnis zu den §§ 257, 258, 259 StGB, insbesondere zur straflosen Ersatzhehlerei, 1998; Suendorf, Geldwäsche – Eine kriminologische Untersuchung, 2001; Voß, Die Tatobjekte der Geldwäsche, 2007; Weinstein, Prosecuting Attorneys for Money Laundering: A New and Questionable Weapon in the War on Crime, in Law and Contemporary Problems, 1988, 369; Werner, Bekämpfung der Geldwäsche in der Kreditwirtschaft, 1996; Winkler, Die Strafbarkeit des Verteidigers jenseits der Strafvereitelung – Zugleich ein Beitrag zur Auslegung des § 261 StGB, 2005; Wohlers, Geldwäsche des Strafverteidigers durch Annahme des Honorars?, JZ 2004, 678.

A. Allgemeines I. Einleitung 1

Unter Geldwäsche versteht man das Einschleusen illegal erwirtschafteter Vermögenswerte in den legalen Finanz- und Wirtschaftskreislauf.1 Um gegen diese Praxis, vor allem der Organisierten Kriminalität, vorzugehen, hat der Gesetzgeber 1992 die Geldwäsche ins Strafgesetzbuch aufgenommen.2 Als Anschlusstat passt die Norm systematisch in den 21. Abschnitt. Besonders auffällig ist die enorme Reichweite ihres Tatbestands in der aktuellen Fassung. Der objektive Tatbestand erfasst beinahe jeglichen Umgang mit Geldern aus gesetzeswidrigen Aktivitäten. Im subjektiven Tatbestand genügt es für die Strafbarkeit, wenn der Täter leichtfertig Unkenntnis über die Herkunft der Gelder aus illegalen Quellen hat. Es ist also kaum verwunderlich, dass viel und heftige Kritik an der Norm geübt wird.3

II. Geschichtlicher Hintergrund 2

Die Vorschrift befremdet in mehrfacher Hinsicht: Nicht nur die Legitimation der Strafandrohung (welches Rechtsgut wird geschützt?) ist unklar, sondern es ist auch fraglich, ob der Schuldgrundsatz (im Hinblick auf die Möglichkeit der leichtfertigen Begehung) und das Bestimmtheitsgebot (im Hinblick auf die Weite des Tatbestands) eingehalten werden.4 Woher diese sehr außergewöhnliche Prägung der Norm kommt, lässt sich nur vor ihrem geschichtlichen Hintergrund verstehen.

3

In der Zeit nach dem Vietnamkrieg begann der Schmuggel von großen Mengen illegaler Drogen in die USA. Einen der Höhepunkte hatte er in den späten 1970er und frühen 1980er Jahren, als (u.a.) das Medellín-Kartell tonnenweise Kokain in die USA transportierte und so Milliardengewinne generierte. Derartig große Mengen Bargeld sind im Geschäftsverkehr relativ auffällig. Sie bilden eine sog. Papierspur (Englisch: „paper trail“), die sich zu den Tätern zurückverfolgen lässt und der Justiz so den Zugriff auf diese ermöglicht.5

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Zum anderen sind große Mengen Bargeld umständlich zu lagern und zu transportieren. Dieses Problem stellt sich u.a., wenn Gewinne zur Refinanzierung von Folgetaten in andere Länder gebracht werden müssen. Im Falle des Kokainhandels musste das Geld vom Absatzmarkt (USA) zurück in die Produktionsländer (hauptsächlich Kolumbien und Peru) gebracht werden. Beim Transport der illegalen Gelder bestand dazu die Gefahr der Beschlagnahme durch die Zollbehörden oder krimineller Übergriffe.6 Ferner mussten die Täter auch immer damit rechnen, dass das Geld bei einer eventuellen Verhaftung als Beweis gegen sie verwendet und darüber hinaus eingezogen werden würde.

5

Aus diesen Gründen versuchten die Kartelle, ihr illegal erlangtes Geld mit Hilfe von legalen Institutionen zu „waschen“.7 So hatte es angeblich auch schon Al Capone in der 1920er Jahren gemacht, indem er seine illegalen Gewinne in Waschsalons investierte. Daher rührt auch die Bezeichnung „Geldwäsche“. Allein in 1986 wurden die Einnahmen aus illegalen Geschäften auf 150 Milliarden US-Dollar8 geschätzt.9 Diese Gelder wurden über Mittelsmänner u.a. in Grundstücke, Wertgegenstände (Gold, Schmuck, Juwelen etc.), Firmen und Bauprojekte investiert, und es wurden sogar Banken eigens zur Geldwäsche gegründet. Diese Investitionen führten nicht nur dazu, dass das Geld legal und die Spuren zum illegalen Ursprung verwischt wurden. Sie bewirkten auch eine Verflechtung der kriminellen Welt mit der legalen, etwa mit Teilen der Wirtschaft oder der Politik. Führende Drogenhändler erhielten als finanzstarke Investoren gesellschaftlichen Einfluss und wirtschaftliche sowie politische Macht.10 Es drohte die immer weitergehende Unterwanderung des Staates durch Kriminelle.

1 BT-Drucks. 12/989, S. 26; Schmidt/Krause in LK-StGB, § 261 Rz. 252; Ruhmannseder in BeckOK-StGB, § 261 Rz. 3. 2 BT-Drucks. 12/989, S. 26; Neuheuser in MüKo-StGB, § 261 Rz. 1; Ruhmannseder in BeckOK-StGB, § 261 Rz. 1; Eschelbach in G/J/W, § 261 StGB Rz. 1. 3 Fischer, StGB, § 261 Rz. 4a f.; Eschelbach in G/J/W, § 261 StGB Rz. 5 f. 4 Eschelbach in G/J/W, § 26 StGB Rz. 5; Barton, NStZ 1993, 159 ff.; Helmers, ZStW 2009, 509, 535 ff. 5 BT-Drucks. 12/3533, S. 11; Neuheuser in MüKo-StGB, § 261 Rz. 2 f. 6 Vgl. Ruhmannseder in BeckOK-StGB, § 261 Rz. 3; Eschelbach in G/J/W, § 261 StGB Rz. 2. 7 Zu den einzelnen Phasen der Geldwäsche: Dionyssopoulou, Der Tatbestand der Geldwäsche, S. 3 ff.; vgl. Ruhmannseder in BeckOK-StGB, § 261 Rz. 3.1; Herzog/Mülhausen/Vogt, GwHdb, § 2 Rz. 1 ff.; Körner, BtMG, § 29 Rz. 1897 ff.; Körner/ Dach, Geldwäsche, Rz. 42 ff.; Suendorf, Geldwäsche, S. 162 ff. 8 In Deutschland wurden die Einnahmen aus dem Drogenhandel im Jahr 1990 auf 2–4 Milliarden DM geschätzt; BTDrucks. 12/989, S. 20. 9 Weinstein in Law and Contemporary Problems, 1988, S. 369. 10 Eschelbach in G/J/W, § 261 StGB Rz. 2.

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Rz. 13 § 261 StGB

Diese Situation bildete einen enormen (innen-)politischen Druck, aufgrund dessen der „War on Drugs“ (Ni- 6 xon, 1972)1 mit noch größerer Vehemenz geführt wurde. Einen Teil der Strategie bildet dabei der „Money Laundering Control Act (Public Law 99–570)“ von 1986, ein US-amerikanisches Bundesgesetz, das Geldwäsche unter Strafe stellt. Wie groß der innenpolitische Druck war, die Macht der Kartelle zu brechen, lässt sich zum einen daran ermessen, wie weitgehend die Regelung war, die praktisch jeglichen Umgang mit illegalem Geld unter Strafe stellte. Hieraus resultiert zum anderen auch, welcher internationale Druck auf die Regierungen anderer Länder ausgeübt wurde, Geldwäsche ebenfalls unter Strafe zu stellen.2 Deutschland kam dem Ansinnen 1992 durch das OrgKG vom 15.7.19923 nach, welches die Geldwäsche in das 7 StGB einführte. Die Norm ist eng an ihr US-amerikanisches Vorbild angelehnt und erfährt hierzulande sehr ähnliche Kritik wie ihr Pendant in den USA.4 Auch die Entwicklung der Normen über die letzten mehr als 20 Jahre hat einen ähnlichen Verlauf genommen. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass in den USA der Money Laundering Control Act als extremes Gesetz 8 für extreme Umstände geschaffen wurde. Umstände, wie sie es so in Deutschland damals wie heute nicht gegeben hat, was angesichts im Übrigen vergleichbarer Regelungsziele (dazu sogleich) rechtspolitische Fragen aufwirft.

III. Regelungsziele Der deutsche Gesetzgeber verfolgte mit dem Geldwäschegesetz die gleichen drei Hauptziele wie der amerika- 9 nische Gesetzgeber:5 (1) Erhalt der „Papierspur“: Wird illegal erlangtes Geld für Legales ausgegeben, z.B. Immobilien-, Firmen- 10 oder Autokäufe, hinterlässt es Spuren. Diese können von den Strafverfolgungsbehörden verfolgt werden und lassen Rückschlüsse auf Täter und Taten zu. Die Geldwäsche soll gerade die (kriminelle) Herkunft des Geldes verschleiern, es legal erscheinen lassen und so die Spur zu Tat und Täter verwischen. Der Erhalt dieser Spur ist eines der Regelungsziele.6 (2) Tatanreize beseitigen: Durch Verfall und Einziehung werden den Tätern die Früchte ihrer Taten genom- 11 men und damit auch das, was sie ursprünglich zur Tatbegehung veranlasst hat. Allerdings können Verfall und Einziehung nur auf Vermögensvorteile angewandt werden, die aus rechtswidrigen Taten stammen. Gelingt es nun mit Hilfe der Geldwäsche, illegale Gewinne legal erscheinen zu lassen, so können sie nicht mehr (ohne Weiteres) eingezogen werden. Dann bliebe dem Täter der Tatanreiz erhalten.7 (3) Wirtschaftliche Isolation des Vortäters: Bei der wirtschaftlichen Isolation geht es darum, jeglichen – auch 12 den sozialadäquaten! – Umgang mit illegal erlangtem Geld strafbar zu machen. So soll bewirkt werden, dass der Täter nichts mehr mit seinem Geld kaufen kann, es also praktisch wertlos wird. Dann, so die Vorstellung des amerikanischen Kongresses, würden die Drogenhändler sprichwörtlich in ihrem Bargeld ertrinken („the drug traffickers would literally drown in [their own] cash“).8 Zum einen soll dem Täter durch diesen Ansatz der Anreiz zur Tat genommen werden. Es handelt sich also insofern um eine weitere Ausformung des Punktes 2. Zum anderen aber soll dem Täter auch die Refinanzierung von Folgetaten unmöglich gemacht werden.9 Bei der Analyse der Regelungsziele zeigt sich, dass die Norm primär auf die Beeinflussung des Vortäters ab- 13 zielt. Die Strafandrohung gegen den Geldwäscher ist dabei nur Mittel zum Zweck. Sein Tun wird, zumindest so lange es sozialadäquat ist, nicht als strafwürdig empfunden. Es handelt sich also eher um eine präventive denn eine repressive Vorschrift.10 Hier zeigt sich auch ein wesentlicher Grund für die Probleme, die bei der dogmatischen Arbeit mit der Norm entstehen und die sich sowohl bei der Bestimmung des Rechtsguts wie auch bei der Frage nach der Legitimation der Strafandrohung bemerkbar machen. Im Grunde genommen wird die Handlung eines Dritten kriminalisiert, um den Täter von der Begehung der Vortat abzuhalten, nicht aber, weil sein Tun verwerflich wäre.

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10

Eschelbach in G/J/W, § 261 StGB Rz. 3. Arzt, NStZ 1990, 159. BGBl. I, S. 1302. Weinstein in Law and Contemporary Problems, 1988, S. 369, 371. BT-Drucks. 11/7663, 25; BT-Drucks. 12/989, 26; Altenhain in NK-StGB, § 261 Rz. 7; Eschelbach in G/J/W, § 261 StGB Rz. 4. BT-Drucks. 12/989, S. 26; BGH v. 30.11.2005 – 5 StR 344/05, NStZ 2006, 343, 344; Stree/Hecker in S/S-StGB, § 261 Rz. 2; Ruhmannseder in BeckOK-StGB, § 261 Rz. 2. Vgl. Neuheuser in MüKo-StGB, § 261 Rz. 2 f.; Eschelbach in G/J/W, § 261 StGB Rz. 2 f. Weinstein in Law and Contemporary Problems, 1988, S. 369, 371. BT-Drucks. 12/989, S. 27; OLG Karlsruhe v. 20.1.2005 – 3 Ws 108/04, NJW 2005, 767, 768; Altenhain in NK-StGB, § 261 Rz. 7; Neuheuser in MüKo-StGB, § 261 Rz. 3; Beulke in FS Rudolphi, 2004, S. 391, 394. Eschelbach in G/J/W, § 261 StGB Rz. 4; Barton, NStZ 93, 156, 157; Sommer in AnwK-StGB, § 261 Rz. 1.

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StGB

Geldwäsche

StGB

§ 261 StGB Rz. 14

Strafgesetzbuch

IV. Die Norm im Einzelnen 14

Absatz 1 enthält im ersten Satz den Verschleierungs- und Vereitelungstatbestand, im zweiten den dazugehörigen Vortatenkatalog. In Absatz 2 wird der Isolierungstatbestand umschrieben. Absatz 3 normiert die Versuchsstrafbarkeit und Absatz 4 die Strafzumessungsregel des besonders schweren Falles. Absatz 5 eröffnet die Strafbarkeit für den Fall, in dem der Täter leichtfertig nicht erkennt, dass der Gegenstand aus einer der Katalogvortaten stammt. Absatz 6 bestimmt einen Strafausschlussgrund für die Begehung nach Absatz 2. Absatz 7 bestimmt die Anwendung erweiterter Verfalls- und Einziehungsregeln. Absatz 8 erweitert den Katalog der Vortaten auf Auslandstaten, wenn diese im Ausland strafbar sind. Absatz 9 schließlich regelt die tätige Reue und die Straflosigkeit des Vortäters in bestimmten Fällen.

V. Geschütztes Rechtsgut 15

Das Schutzgut des § 261 StGB zu bestimmen, ist schwierig.1 Das liegt auch an den verschiedenen Schutzrichtungen der Tatbestandsvarianten, vor allem aber daran, dass die Norm beinahe ausschließlich präventiven und kriminalpolitischen Zwecken dient: Das Verhalten des Täters (des Geldwäschers) wird überwiegend nicht zwangsläufig für strafwürdig gehalten. Die Norm dient vielmehr primär dem Zweck, dem Vortäter den Anreiz für die Tat zu nehmen und die Spur zwischen Tat und Täter aufrechtzuerhalten.

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Vielleicht auch aufgrund der letzten Erwägung sieht die (wohl) h.M. die inländische Rechtspflege als Schutzgut des Absatzes 12 und als Schutzgut des Absatzes 2 das durch die Vortat verletzte Rechtsgut an.3 Anderen Ansichten zufolge sollen der Wirtschafts- und Finanzkreislauf,4 die innere Sicherheit der Bundesrepublik5 oder der staatliche Einziehungs- und Verfallsanspruch geschützt sein.6 Auch vertreten wird, dass die Norm der generellen Prävention gegen neue Straftaten der Organisierten Kriminalität diene, die Fahndungsmöglichkeiten der Ermittlungsbehörden oder polizeiliche Ermittlungsansätze schütze.7 Der BGH spricht von einem „eigenständigen Unrechtsgehalt“.8

VI. Entwicklung der Norm 17

§ 261 StGB wurde seit seiner Einführung 1992 zwanzigmal geändert.9 Ziel der Änderungen war es regelmäßig, der Norm mehr praktische Relevanz zu geben.10 Hauptsächlich wurde dazu der Katalog der Vortaten stetig erweitert, was aber bis heute nicht das gewünschte Ergebnis gebracht hat.11 In der ersten Version des Gesetzes war der Vortatenkatalog noch sehr überschaubar. Taugliche Tatmittel der Geldwäsche waren danach Gegenstände, die aus Verbrechen oder Vergehen nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 BtMG herrühren, oder solche, die aus Vergehen stammen, die durch Mitglieder krimineller Vereinigungen (i.S.d. § 129 StGB) begangen worden sind. In seiner ersten Version lässt sich noch sehr gut die ursprüngliche Zielrichtung gegen die Organisierte Kriminalität erkennen, insbesondere wenn diese im Bezug zum Drogenhandel stand. Die klare Zielsetzung verblasste jedoch mit jeder Erweiterung des Vortatenkatalogs zusehends.12 Die jüngsten Änderungen erfuhr die Vorschrift durch das Gesetz zur Bekämpfung der Korruption, welches am 4.6.2016 in Kraft trat und den Vortatenkatalog um die § 299 und § 335a StGB erweiterte sowie die Strafbarkeit der sog. Selbstgeldwäsche hervorbrachte (vgl. Rz. 65 und 91), sowie das zum 2.7.2016 in Kraft getretene Erste Finanzmarktnovellierungsgesetz,13 das eine redaktionelle Anpassung in Abs. 1 Nr. 4 lit. b enthielt. Ob das ein Ende der permanenten Ausweitung des Anwendungsbereichs darstellt, bleibt zu bezweifeln.

VII. Kritik 18

Aufgrund der speziellen Konzeption des § 261 StGB wird an der Norm vielfach erhebliche Kritik geübt. Vor allem wird die Vereinbarkeit mit dem Bestimmtheitsgebot in Frage gestellt. Es wird aber auch diskutiert, ob Ver-

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13

Ruhmannseder in BeckOK-StGB, § 261 Rz. 6; Eschelbach in G/J/W, § 261 StGB Rz. 8. BT-Drucks. 12/989, S. 27; krit. Kargel, NJ 2001, 57, 61. Hetzer, NJW 1993, 3299; Lackner/Kühl, § 261 StGB, Rz. 1; Stree/Hecker in S/S-StGB, § 261 Rz. 2. Findeisen, wistra 1997, 121; Sommer in AnwK-StGB, § 261 Rz. 2; Lampe, JZ 1994, 123, 126; Neuheuser in MüKo-StGB, § 261 Rz. 15. Barton, StV 93, 190; Leip, 1999, S. 41 ff.; – Hassemer, WM-Sonderbeilage 3/1995, 14; Altenhain in NK-StGB, § 261 Rz. 7 ff. Eschelbach in G/J/W, § 261 Rz. 8; Ruhmannseder in BeckOK-StGB, § 261 Rz. 6.1. Sommer in AnwK-StGB, § 261 Rz. 2; Leip 1999, 52 ff. Sommer in AnwK-StGB, § 261 Rz. 2; BGH v. 17.7.1997 – 1 StR 208/97, NJW 1997, 3322 f. Eingehend hierzu Ruhmannseder in BeckOK-StGB, § 261 Rz. 1; Neuheuser in MüKo-StGB, § 261 Rz. 17 ff.; Altenhain in NK-StGB, § 261 Rz. 1 ff. Eschelbach in G/J/W, § 261 StGB Rz. 4. Altenhain in NK-StGB, § 261 Rz. 1. Dazu bissig, aber treffend Fischer, StGB, § 261 Rz. 4c. Vom 30.6.2016, BGBl I, S. 1515.

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Rz. 25 § 261 StGB

stöße gegen die Ultima-Ratio-Funktion des Strafrechts und gegen den Schuldgrundsatz vorliegen, womit die Legitimation der Norm im Allgemeinen zur Frage steht. 1. Vereinbarkeit des Tatbestands mit dem Bestimmtheitsgebot, Art. 103 Abs. 2 GG Art. 103 Abs. 2 GG statuiert das strafrechtliche Bestimmtheitsgebot. Jedermann, so der Gedanke, soll schon 19 anhand der Norm genau erkennen können, welches Verhalten ihm verboten ist, damit er sein Handeln danach ausrichten kann.1 Ob das beim ausufernden § 261 StGB möglich ist, wird bezweifelt. Einige Stimmen halten den Tatbestand insgesamt für zu weit,2 andere wiederum nur einzelne Tatbestandsmerkmale:3 Der Vortatenkatalog sei so umfangreich geworden, dass u.a. praktisch jede gegen das Vermögen gerichtete Tat 20 taugliche Vortat sei.4 Auch der Begriff des Gegenstands wird weit ausgelegt, sodass das Tatbestandsmerkmal kaum zur Eingrenzung taugt. Ebenso sei das „Herrühren aus der Tat“ fast immer zu bejahen. So fehlt bspw. das Pendant zu straflosen Ersatzhehlerei, die, im Gegenteil, durch § 261 StGB sogar unter bestimmten Umständen unter Strafe gestellt wird. Als taugliche Tathandlung gilt im Grunde genommen jeglicher Umgang mit dem bemakelten Gegenstand. Auf der Seite des subjektiven Tatbestands bewirkt Absatz 5, dass die Tat auch leichtfertig begangen werden kann. Auch die geringen Anforderungen, die an die Konkretisierung der Vortat gestellt werden, führen immer wieder zu Kritik.5 Mit ihrem umfänglichen Tatbestand passe die Norm zwar in das amerikanische Rechtssystem, in welchem der 21 Strafverfolgung das Opportunitätsprinzip zugrunde liegt; jedoch keinesfalls in das deutsche System, in welchem sich die Strafverfolgung nach dem Legalitätsprinzip richtet.6 2. Ultima-Ratio-Funktion, Schuldgrundsatz und fehlende Legitimation der Strafandrohung Die Ultima-Ratio-Funktion verlangt, dass das Strafrecht ausschließlich als letztes Mittel eingesetzt wird. Bei 22 § 261 StGB ist fraglich, ob der Grundsatz eingehalten wurde. Immerhin, so schätzt Fischer,7 rühre ein nicht unerheblicher Teil des im Umlauf befindlichen Geldes aus Straftaten her. § 261 StGB müsste also, bei regelgerechter Anwendung, zur Massenstrafbarkeit führen. Ebenfalls problematisch erscheint, dass die Norm häufig auch sozialadäquates Handeln mitumfasst. Auch steht nicht fest, ob die Schuld, die den Geldwäscher trifft, überhaupt der Strafe bedarf.8 Eigentlich zielt 23 die Maßnahme auf den Vortäter ab, und das Verhalten des Täters ist im Zweifel auch sozial anerkannt und von der Zivilrechtsordnung gebilligt. Trotz aller Versuche, hier einen tauglichen Schutzzweck zu konstruieren, stehen doch offenbar kriminalpolitische Zwecke im Vordergrund. Insofern ist es auch zweifelhaft, ob sich die Strafdrohung legitimieren lässt.9 Jedenfalls genügen internationale Verpflichtungen nicht als Legitimation. Ob dem Schuldgrundsatz entsprochen wird, ist etwa bei der leichtfertigen Begehung nach Absatz 5, aber auch weil weder ein Angehörigenprivileg noch Einschränkungen bei Bagatellfällen oder im Hinblick auf eine Sozialadäquanz vorgesehen sind, zumindest fraglich. Der BGH teilt diese Bedenken jedoch nicht.10

VIII. Praktische Relevanz Entgegen den Erwartungen des Gesetzgebers und der Ermittlungsbehörden ist die praktische Relevanz der 24 Norm, gemessen an Verurteilungsstatistiken, gering. Trotz stetiger Erweiterungen des Tatbestands änderte sich daran nichts.11 Insbesondere das ursprüngliche Ziel, die Organisierte Kriminalität zu bekämpfen, ist weitestgehend unerreicht geblieben. Insgesamt bewirkt der § 261 StGB eine Verbreiterung der Aufklärungs- und Abschöpfungsmöglichkeiten.12 Das gilt auch für das Wirtschaftsstrafrecht. Häufig wird aufgrund des Verdachts auf Geldwäsche Telekommunikationsüberwachung beantragt und genehmigt. In die spätere Anklage wird § 261 StGB aber dann dennoch oft nicht aufgenommen; nicht selten entsteht der Eindruck einer gezielten oder zumindest vorschnellen Annahme einer die TKÜ rechtfertigenden Geldwäsche. Für den Strafverteidiger ist die Norm in ihrem Anwendungsbereich durch das BVerfG13 eingeschränkt worden. 25 Danach setzt eine Strafbarkeit des Strafverteidigers voraus, dass dieser bei Annahme des Honorars sicher weiß, 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13

Eschelbach in G/J/W, § 261 StGB Rz. 1, 5. Eschelbach in G/J/W, § 261 StGB Rz. 5. Eschelbach in G/J/W, § 261 StGB Rz. 6; BGH v. 18.2.2009 – 1 StR 4/09, BGHSt 53, 205, 208 f. Fischer, StGB, § 261 Rz. 4. Bernsmann, StV 1998, 46 ff. Eschelbach in G/J/W, § 261 StGB Rz. 1. Fischer, StGB, § 261 Rz. 4a. Insgesamt dominieren präventive Ziele und sekundäre Effekte, Arzt, „Strafgesetz“, in Diederichsen/Dreier, Das missglückte Gesetz, 1997, 24, 27. Helmers, ZStW 2009, 509, 535 ff. BGH v. 17.7.1997 – 1 StR 791/96, BGHSt 43, 158 = NJW 1997, 3323 = NStZ 1998, 42. Sommer in AnwK-StGB, § 261 Rz. 1; Fischer, StGB, § 261 Rz. 4a. Eschelbach in G/J/W, § 261 StGB Rz. 3; Sommer in AnwK-StGB § 261 Rz. 1, 4. BVerfG v. 30.3.2004 – 2 BvR 1520/01, BVerfGE 110, 226, 246 ff.

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StGB

Geldwäsche

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§ 261 StGB Rz. 26

Strafgesetzbuch

dass es sich um Vermögensgegenstände aus einer Vortat handelt. Der subjektive Tatbestand ist insofern (vgl. gerade Absatz 5) stark eingeschränkt. Diese Maßgabe hat gem. § 31 Abs. 2 BVerfGG den Rang eines einfachen Gesetzes.1

B. Objektiver Tatbestand 26

Der objektive Tatbestand des § 261 StGB enthält drei Formen der Begehung: Den Vereitelungs- (§ 261 Abs. 1 Var. 1 und 2 StGB), den Verschleierungs- (§ 261 Abs. 1 Var. 3 und 4 StGB) und den Isolierungstatbestand. Die Tatbestände unterscheiden sich nur in der Handlung und (soweit erforderlich) im Erfolg. Die Anforderungen an die Person des Täters, das Tatobjekt und den subjektiven Tatbestand bleiben dabei die gleichen.

I. Täter 27

Täter kann jeder sein, also auch der Täter der Vortat. Mit dieser Regelung wird sichergestellt, dass der Täter jedenfalls wegen Geldwäsche verurteilt werden kann, wenn die Täterschaft der Vortat nicht zweifelsfrei feststeht. Eine Doppelbestrafung wurde früher durch Abs. 9 S. 2 umfassend verhindert. Durch die Einschränkung dieser Privilegierung im neu eingefügten Abs. 9 S. 3 hat der Gesetzgeber inzwischen auch die sog. Selbstgeldwäsche der Strafdrohung des § 261 StGB unterstellt (vgl. Rz. 91).

II. Tatobjekt 28

Das Tatobjekt ist ein „Gegenstand, der aus einer in Satz 2 genannten rechtswidrigen Tat herrührt“. Damit stellt sich bezüglich des Tatobjekts die Frage, wie sowohl „Gegenstand“ als auch der Tatenkatalog und das „Herrühren“ auszulegen sind. 1. Gegenstand a) Definition

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„Gegenstand“ wurde vom Gesetzgeber nicht eigens definiert, orientiert sich aber am zivilrechtlichen Begriff (vgl. § 90 BGB) und der Verwendung in den Regeln zur Einziehung und zum Verfall.2 Der Begriff umfasst also alle Rechtsobjekte, die einen Vermögenswert haben.3 Das können bewegliche und unbeweglich Sachen und Rechte sein. Typische Gegenstände sind Bargeld, Buchgeld, Forderungen, Wertpapiere, Edelmetalle, Edelsteine, Grundstücke, Rechte an Grundstücken und Beteiligungen an Gesellschaften.4 Ob auch rein tatsächliche, von der Rechtsordnung nicht anerkannte Positionen umfasst sind, ist umstr., aber zu bejahen, außer es handelt sich um nichtige Forderungen. Ein Gegenstand verliert seine Tauglichkeit, wenn er durch Zerstörung oder Beschädigung zumindest den überwiegenden Teil seines Wertes verliert.5 In jedem Fall müssen die Sachen oder Rechte auch rechtlich einer Person zugeordnet sein.6 Fraglich und auch von der Rspr. noch nicht geklärt ist, ob auch der Kundenstamm, das Know-How oder unpatentierte Software taugliche Gegenstände sein können.7 Das ist jedoch schon aufgrund des Wortlauts („Gegenstand“) zweifelhaft. Zwar mögen diese Dinge einen anerkannten Vermögenswert haben, allerdings sind sie keine Sachen und auch keine Rechte.8 b) Vermögenswert

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Ob der Tatbestand durch den Zusatz „vermögenswerter“ Gegenstand eingegrenzt werden muss, wird mitunter hinterfragt. Der Wortlaut („Gegenstand“) gebietet das nicht. Auch der Telos der Norm, die möglichst umfassend alle denkbaren Gegenstände umfassen soll, lässt diesen Schluss nicht zu. Die historische Auslegung aber ist klar: In den Bundestagsdrucksachen9 wurde der Tatgegenstand mit „Geld oder Vermögensgegenstände“ beschrieben. Nur um den systematisch besser passenden Begriff zu benutzen, wurde diese Formulierung im Gesetzestext in „Gegenstände“ abgeändert, zur Vereinheitlichung der Begriffswahl10 also, nicht jedoch, um den Inhalt des Tatbestands zu ändern. Darauf deutet systematisch auch die Überschrift hin.11 Demzufolge ist „Gegenstand“ als „Vermögensgegenstand“ zu lesen und in Übereinstimmung mit der h.M. eng auszulegen.12 1 Eschelbach in G/J/W, § 261 StGB Rz. 59. 2 Eschelbach in G/J/W, § 261 StGB Rz. 11; Burr, Geldwäsche, S. 55; Körner/Dach, Geldwäsche, Rz. 12; Fischer, StGB, § 261 Rz. 6; Stree/Hecker in S/S-StGB, § 261 Rz. 4; Voß, Tatobjekte, S. 16 ff. 3 Lackner/Kühl, § 261 StGB, Rz. 3; BT-Drucks. 12/989, S. 27. 4 Ruhmannseder in BeckOK-StGB, § 261 Rz. 8; Sommer in AnwK-StGB § 261 Rz. 27. 5 Jahn/Ebner, JuS 2009, 597. 6 Eschelbach in G/J/W, § 261 StGB Rz. 14; Helmers, ZStW 2009, 509, 534. 7 Eschelbach in G/J/W, § 261 StGB Rz. 14; Cebulla, wistra l999, 281, 285. 8 Eschelbach in G/J/W, § 261 StGB Rz. 14; Voß, Tatobjekte, S. 20; Neuheuser in MüKo-StGB, § 261 Rz. 30. 9 BT-Drucks. 12/989, S. 7. 10 BT-Drucks. 12/989, S. 7. 11 BT-Drucks. 13/6620, S. 11, 14; BT-Drucks. 13/8651, S. 10; vgl. Kreß, wistra 1998, 121, 127. 12 Eschelbach in G/J/W, § 261 StGB Rz. 12; Altenhain in NK-StGB, § 261 Rz. 25; Burr, Geldwäsche, S. 56 f.; Schmidt/Krause in LK-StGB, § 261 Rz. 253; Fischer, StGB, § 261 Rz. 6; Hetzer, NJW 93, 3298, 3299; Lackner/Kühl, § 261 StGB, Rz. 3; Leip, Geldwäsche, S. 66; Voß, Tatobjekte, S. 17 f.

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Mückenberger

Rz. 36 § 261 StGB

c) Ausschluss von nicht von der Rechtsordnung anerkannten Positionen Umstr. ist, ob Positionen, die nicht von der Rechtsordnung anerkannt werden, taugliche Tatgegenstände sein 31 können. Hierfür ist zwischen nichtigen Forderungen auf der einen Seite und illegal zirkulierenden Gegenständen auf der anderen Seite zu unterscheiden. Nichtige Forderungen sind rechtlich nicht existent und können daher keine Rechte und keine Gegenstände 32 sein und werden vom Wortlaut des § 261 StGB nicht erfasst.1 Anders verhält es sich bei illegal zirkulierenden Gegenständen wie z.B. Falschgeld, Betäubungsmitteln, Waffen 33 etc.2 Als Sachen fallen sie jedenfalls unter den Gegenstandsbegriff. Allerdings sind sie nicht verkehrsfähig. Dieses ungeschriebene Tatbestandsmerkmal wird aber von einer Meinung vorausgesetzt. Dies wird aus dem Tatbestand des Absatzes 2 abgeleitet, der dazu diene, die Gegenstände verkehrsunfähig zu machen. Das setze schon begrifflich voraus, dass sie vorher verkehrsfähig gewesen seien.3 Ebenfalls sei der Umgang mit diesen Sachen schon durch andere Gesetze unter Strafe gestellt und es bedürfe der Strafandrohung durch § 261 StGB nicht. Richtig ist zwar, dass ein und dasselbe Handeln die Voraussetzungen mehrerer Strafgesetze erfüllt. Allerdings ist das eine Frage der Konkurrenzen. Auch vom Telos her ist der Meinung zu widersprechen: Es geht primär um die wirtschaftliche Isolierung des Täters. Wenn dabei mit Mitteln bezahlt wird, die illegal sind und deren Besitz unter Strafe steht, widerspricht das dem Telos nicht. Ob ein Gegenstand einen Vermögenswert hat, beurteilt sich nicht nach dessen Verkehrsfähigkeit, sondern nach dem wirtschaftlichen Marktwert.4 Richtigerweise fallen also auch nicht von der Rechtsordnung anerkannte Positionen unter den Begriff.5 2. Vortaten a) Allgemeine Voraussetzungen Der Gegenstand muss aus einer Vortat herrühren. Die tauglichen Vortaten sind abschließend im Katalog des 34 Abs. 1 S. 2 aufgeführt. Die Tat muss gem. Abs. 1 S. 1 i.V.m. § 11 Abs. 1 Nr. 5 StGB den Tatbestand erfüllt haben und darf nicht gerechtfertigt sein. Im Umkehrschluss ist es irrelevant, ob Schuldausschließungs- oder Strafaufhebungsgründe eingreifen.6 Dementsprechend sind auch ein strafbarer Versuch7 oder die strafbare Vorbereitungshandlung ausreichend.8 Allerdings wird aus dem Versuch eher selten ein tauglicher Gegenstand resultieren. Verfahrenshindernisse im Verfahren wegen der Vortat hindern nach h.M. die Strafbarkeit wegen Geldwäsche nicht.9 Die Vortat kann auch vom Täter selbst begangen worden sein. In diesem Fall ist Absatz 9 zu beachten. Nach Abs. 1 S. 3 sind taugliche Tatgegenstände auch durch Steuerhinterziehung ersparte Aufwendungen oder 35 unrechtmäßig erlangte Steuererstattungen oder -vergütungen oder Gegenstände, hinsichtlich derer Abgaben hinterzogen wurden. Die konkreten Vortaten sind abschließend in Abs. 1 S. 2 Nr. 1 bis 5 aufgelistet. Während der Katalog anfänglich 36 noch relativ klar und recht einheitlich war – Verbrechen waren auch in der ursprünglichen Fassung schon pauschal enthalten –, ist er heute zu einem überfrachteten und uneinheitlichen Wust herangewachsen.10 Damit wird – bedauerlicherweise teils sogar überobligatorisch – entsprechenden EG- und EU-Verpflichtungen nachgekommen.11 Dem ursprünglichen Telos der Norm nach läge eine Beschränkung auf Vortaten nahe, die in Bezug zur Organisierten Kriminalität stehen. Da der Gesetzgeber diese Voraussetzung aber nur für die Vergehen nach Abs. 1 S. 2 Nr. 4 vorsieht, gilt die Begrenzung nicht für die anderen Vortaten.12

1 Eschelbach in G/J/W, § 261 StGB Rz. 13; Burr, Geldwäsche, S. 55; Voß, Tatobjekte, S. 19 f.; Stree/Hecker in S/S-StGB, § 261 Rz. 4; Hoyer in SK-StGB, § 261 Rz. 5; a.A. Otto, wistra 1995, 323, 326; Lackner/Kühl, § 261 StGB, Rz. 3; Altenhain in NK-StGB, § 261 Rz. 26; Jahn in S/S/W-StGB, § 261 Rz. 14; Neuheuser in MüKo-StGB, § 261 Rz. 29; Altenhain in NKStGB, § 261 Rz. 26. 2 Erfasst werden auch verbotene Gegenstände wie Betäubungsmittel oder Falschgeld: Jahn in S/S/W-StGB, § 261 Rz. 13; Maiwald in FS Hirsch, 1999, S. 631, 636; Voß, Tatobjekte, S. 18 f. 3 Eschelbach in G/J/W, § 261 StGB Rz. 13; a.A. Altenhain in NK-StGB, § 261 Rz. 27. 4 Altenhain in NK-StGB, § 261 Rz. 27; Hombrecher, JA 2005, 68; Maiwald in FS Hirsch, 1999, S. 631, 636. 5 Altenhain in NK-StGB, § 261 Rz. 26; Lackner/Kühl, § 261 StGB Rz. 3; Otto, wistra 1995, 323, 326; a.A. Stree/ Hecker in S/S-StGB, § 261 Rz. 4; Hoyer in SK-StGB, § 261 Rz. 5; Jahn in S/S/W-StGB, § 261 Rz. 14. 6 Körner/Dach, Geldwäsche, Rz. 16; Körner/Volkmer, § 29 BtMG Rz. 89; Schmidt/Krause in LK-StGB, § 261 Rz. 8. 7 Schmidt/Krause in LK-StGB, § 261 Rz. 8; Sommer in AnwK-StGB, § 261 Rz. 10. 8 Jahn/Ebner, JuS 2009, 597, 598; Neuheuser, NStZ 2009, 327, 328; Leip, Geldwäsche, S. 58; Körner/Dach, Geldwäsche, Rz. 17; Körner/Volkmer, § 29 BtMG Rz. 90; Schmidt/Krause in LK-StGB, § 261 Rz. 8; Altenhain in NK-StGB, § 261 Rz. 30. 9 Ruhmannseder in BeckOK-StGB, § 261 Rz. 10; Stree/Hecker in S/S-StGB, § 261 Rz. 32; Neuheuser in MüKo-StGB, § 261 Rz. 59; Barton, NStZ 93; 159, 165. 10 Eschelbach in G/J/W, § 261 StGB Rz. 21; Sommer in AnwK-StGB, § 261 Rz. 1. 11 BT-Drucks. 13/8651, S. 11; Korte, NJW 98, 1464, 1465. 12 Eschelbach in G/J/W, § 261 StGB Rz. 19; Fischer, StGB, § 261 Rz. 5; BGH v. 24.1.2006 – 1 StR 357/05, BGHSt 50, 347, 353.

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StGB

Geldwäsche

StGB

§ 261 StGB Rz. 37

Strafgesetzbuch

b) Die einzelnen Katalogtaten 37

Verbrechen (Abs. 1 S. 2 Nr. 1): Ob es sich um ein Verbrechen handelt, ist rein formell gem. § 12 Abs. 1, 3 StGB zu bestimmen.1 Verbrechen sind Straftaten mit einer Mindestfreiheitsstrafe von einem Jahr.

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Bestechung und Bestechlichkeit (Abs. 1 S. 2 Nr. 2 lit. a): Einer schlüssigen Ansicht nach, die sich jedoch nicht durchsetzen konnte, sollen Bestechungsgelder als Tatwerkzeuge (instrumenta sceleris) nicht aus der Vortat „herrühren“.2 Nach der jüngsten Gesetzesänderung ist zudem der neu geschaffene § 335a StGB Teil des Vortatenkataloges. Dadurch wird sichergestellt, dass auch die Bestechlichkeit und Bestechung von Bediensteten und Richtern ausländischer und internationaler Behörden und Gerichte, soweit sich die Tat auf eine künftige Diensthandlung oder richterliche Entscheidung bezieht, als Vortat der Geldwäsche erfasst wird. Die Ergänzung vollzieht die Integration der Regelungen des IntBestG sowie des EUBestG in das Strafgesetzbuch.

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Durch das Korruptionsbekämpfungsgesetz wurde der Vortatenkatalog zudem auf den Tatbestand der Bestechung und Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr (§ 299 StGB) ausgedehnt. Ausweislich der Begründung zum Gesetzesentwurf erfüllt der Gesetzgeber hiermit seine Verpflichtungen aus Art. 13 des Europarat-Übereinkommens i.V.m. Art. 7 und 8.3 Demnach ist die Einbeziehung der Bestechlichkeit und Bestechung im Verkehr erforderlich, soweit es sich um besonders schwere Fälle handelt. Die Beschränkung auf schwere Fälle versucht der Gesetzgeber durch die Aufnahme in § 261 Abs. 1 S. 2 Nr. 4 lit. a StGB zu erreichen, der für die Strafbarkeit des Verhaltens voraussetzt, dass die Vortat gewerbsmäßig begangen worden ist oder von einem Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung solcher Taten verbunden hat. Dieses Vorgehen ist nicht unproblematisch, da die Kategorien der gewerbs- oder bandenmäßigen Begehungsweise im Rahmen der Bestechungsvorschriften bislang keine Rolle spielten. Daneben wirft die Übernahme des § 299 StGB in den Vortatenkatalog – insbesondere vor dem Hintergrund einer leichtfertigen Begehungsweise (vgl. Rz. 79 ff.) – praktische Fragen auf, die hier nur schlaglichtartig dargestellt werden können: Geht bspw. einem Warengeschäft eine Angestelltenbestechung voraus, ist die Strafbarkeit der Beteiligten nach § 299 StGB unstreitig. Daneben steht aber nun zugleich eine Strafbarkeit aller weiteren von diesem Geschäft betroffenen Personen wegen Geldwäsche im Raum, da die Strafdrohung des § 261 StGB nicht nur das Schmiergeld erfasst, sondern der Begriff des Herrührens aus der Tat (Rz. 45) auch sämtliche Surrogate miteinschließt, mithin also im genannten Beispielsfall dem Grunde nach auch die zugrundeliegende Forderung bzw. die gelieferten Waren4 – eine absurde Ausdehnung des Anwendungsbereichs von § 261 StGB. Hier schließt die Frage an, ob eine Inkriminierung nach § 261 Abs. 6 StGB erlischt, wenn ein anderer (nicht leichtfertig unwissender) Mitarbeiter die Waren entgegennimmt oder aber eine Wissenszurechnung innerhalb der Firma als juristischer Person stattfindet.5 Die konkrete Entwicklung an dieser Stelle bleibt abzuwarten.

40

Betäubungsmitteldelikte (Abs. 1 S. 2 Nr. 2 lit. b): § 261 StGB wird bei Überschneidung mit § 29 Abs. 1 BtMG verdrängt.6

41

Zolldelikte (Abs. 1 S. 2 Nr. 3): Schmuggel und Steuerhehlerei

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Gewerbs-/Bandenmäßige Vergehen (Abs. 1. 2 Nr. 4 lit. a, b): Die aufgenommenen Vergehen werden als typisch für die Organisierte Kriminalität angesehen7 und sind im Fall ihrer gewerbsmäßigen oder bandenmäßigen Begehung taugliche Vortaten einer Geldwäsche. Mit den zusätzlichen Merkmalen (gewerbs- oder bandenmäßig) soll der Bezug zur Organisierten Kriminalität gewährleistet werden,8 wobei früher beide Voraussetzungen kumulativ erfüllt sein mussten.9 Darauf wurde nun verzichtet, um Strafbarkeitslücken zu schließen.10 Beim Merkmal Bande ist zu beachten, dass die Tat nur „von einem Mitglied einer Bande“ begangen worden sein muss. Es ist daher nicht notwendig, dass die Bande als solche oder auch nur zwei Mitglieder an der Tat beteiligt sind oder die Tat im Interesse der Bande ausgeführt wird.11 Diese Beschränkung der Anforderungen dient der Beweiserleichterung.12 Erforderlich soll hingegen sein, dass die Bande sich zur Begehung „solcher“ Taten zusammengeschlossen hat.

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Terroristische und kriminelle Vereinigungen i.S.d. §§ 129 ff. StGB (Abs. 1 S. 2 Nr. 5): Wie bei Abs. 1 S. 2 Nr. 4 lit. a, b muss der Täter die Tat nicht „als“ Mitglied einer terroristischen Vereinigung begehen. Es genügt, wenn er Mitglied einer solchen Vereinigung ist.13 Alle vermögenswerten Gegenstände, die ein Mitglied einer der be-

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Krit. hierzu Lampe, JZ 1994, 126; Schittenhelm in FS Lenckner, S. 529. Fischer, StGB, § 261 Rz. 11; Altenhain in NK-StGB, § 261 Rz. 63; MK 44; a.A. Hoyer in SK-StGB, § 261 Rz. 11. Vgl. BT-Drucks. 18/4350, S. 20. Vgl. auch schon Bülte, NZWiSt 2015, 281. Vgl. Bülte, NZWiSt 2015, 281. Altenhain in NK-StGB, § 261 Rz. 40; a.A. BGH v. 20.9.2000 – 5 StR 252/00, NJW 2000, 3725. Vgl. BT-Drucks. 12/6853, S. 20; BT-Drucks. 13/8651, S. 11; Ruhmannseder in BeckOK-StGB, § 261 Rz. 13.3. Herzog/Mülhausen/Nestler, GwHdb, § 17 Rz. 12. Neuheuser in MüKo-StGB, § 261 Rz. 38; Ruhmannseder in BeckOK-StGB, § 261 Rz. 14. BT-Drucks. 13/8651, S. 12. Altenhain in NK-StGB, § 261 Rz. 43; Hoyer in SK-StGB, § 261 Rz. 7; Hombrecher, Geldwäsche, S. 18. Ruhmannseder in BeckOK-StGB, § 261 Rz. 13; Altenhain in NK-StGB, § 261 Rz. 43. BT-Drucks. 14/8893, S. 10; Altvater, NStZ 2003, 179, 183; Altenhain in NK-StGB, § 261 Rz. 44.

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Rz. 47 § 261 StGB

zeichneten Vereinigungen auf strafbare Weise erlangt, sind damit taugliche Tatobjekte.1 § 30b BtMG ist nicht aufgeführt und darf ob des Bestimmtheitsgebots auch nicht aus teleologischen Erwägungen ergänzend herangezogen werden.2 c) Auslandsvortaten Auslandstaten (Absatz 8): Gem. Absatz 8 können auch Auslandstaten taugliche Vortaten sein. Die Tat muss da- 44 für am Tatort mit Strafe bedroht sein und einer Katalogtat (Abs. 1 S. 2) entsprechen. Wie die Tat am Tatort rechtlich eingeordnet wird, spielt aber keine Rolle.3 Strafverfolgungshindernisse bzgl. der Vortat sind unschädlich.4

III. „Herrühren“ aus der Vortat Das Gericht muss die Vortat, aus der der Gegenstand herrührt, ausreichend genau bestimmen.5 Dabei kommt 45 es nur darauf an, dass Tatsachen vorliegen, die beweisen, dass eine tatbestandsmäßige und rechtswidrige Katalogtat begangen wurde.6 Nicht erforderlich ist, eine bestimmte Vortat (Unterscheidung zw. Raub und Diebstahl), einen bestimmten Zeitpunkt oder Ort zu bezeichnen. Das entscheidende Gericht ist dabei nicht an die Entscheidung des Gerichts der Vortat gebunden.7 Die Ermittlung der an der Vortat Beteiligten wird nicht vorausgesetzt.8 1. Allgemeines zum Tatbestandsmerkmal Der Gegenstand muss auch aus einer Vortat „herrühren“. „Herrühren“ bedeutet „in etwas, (selten: jemandem) 46 seine Ursache, seinen Ursprung haben“. Mindestvoraussetzung ist damit eine kausale Verbindung zwischen dem Gegenstand und der Vortat.9 Der Strafrechtsdogmatik zufolge heißt das: „Ein Gegenstand rührt dann aus einer Katalogtat i.S.d § 261 Abs. 1 S. 2 StGB her, wenn die Vortat nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Gegenstand in seiner konkreten Gestalt oder wirtschaftlichen Zuordnung entfiele.“10 Dieses Ergebnis wird sowohl durch die historische als auch durch die systematische und die teleologische Auslegung bestätigt11 und (zumindest!) als Mindestanforderung auch allgemein anerkannt.12 Ob darüber hinaus noch weitere begrenzende Anforderungen an das Tatbestandsmerkmal zu stellen sind, ist umstr. Im Folgenden werden sowohl die wichtigen Detailfragen, als auch das typische Problem der Vermischung von legalen und illegalen Gegenständen behandelt. 2. Das unmittelbare Herrühren Gegenstände, die unmittelbar aus der Tat herrühren, erfüllen unproblematisch den Tatbestand. Dazu zählt das, 47 was der Täter aus oder durch die Tat erlangt. Das sind zum einen die producta sceleris („Produkte der Verbrechen“, z.B. Falschgeld) und zum anderen scelere quaesita („das durch das Verbrechen Gesuchte“, z.B. Beute, Verbrechenslohn). In beiden Fällen besteht eine Kausalbeziehung zwischen Tat und Resultat. Bei den Tatwerkzeugen (instrumenta sceleris) besteht diese jedoch nicht. Das Werkzeug ist schon vor der Tat vorhanden und somit kein Produkt der Tat. Allerdings beurteilte der 1. Strafsenat des BGH das anders.13 Im konkreten Fall hatte er über Bestechungsgeld zu urteilen. Dabei ist die Besonderheit zu beachten, dass Bestechungsgeld Tatwerkzeug und Lohn des Bestochenen zugleich ist. Damit handelt es sich auch um einen Gegenstand, der aus der Tat herrührt, aber eben nicht aus der Bestechung, sondern aus der Bestechlichkeit. Diese Auslegung lässt sich systematisch durch Abs. 1 S. 3 stützen: Der Gegenstand, hinsichtlich dessen Steuern hinterzogen wurden, rührt auch nicht aus der Tat her und muss deswegen explizit, als Ausnahme von der Regel, angeführt werden.14

1 2 3 4 5

6 7 8 9 10 11 12 13 14

Neuheuser in MüKo-StGB, § 261 Rz. 39; Hoyer in SK-StGB, § 261 Rz. 7. Eschelbach in G/J/W, § 261 StGB Rz. 30. Schmidt/Krause in LK-StGB, § 261 Rz. 46; Stree/Hecker in S/S-StGB, § 261 Rz. 8; Jahn in S/S/W-StGB, § 261 Rz. 19. Hoyer in SK-StGB, § 261 Rz. 8; Stree/Hecker in S/S-StGB, § 261 Rz. 8; a.A. Altenhain in NK-StGB, § 261 Rz. 45. Neuheuser in MüKo-StGB, § 261 Rz. 44; Ruhmannseder in BeckOK-StGB, § 261 Rz. 14; Stree/Hecker in S/S-StGB, § 261 Rz. 6; Bernsmann, StV 1998, 46; BGH v. 10.11.1999 – 5 StR 472/99, StV 2000, 67; BGH v. 28.1.2003 – 1 StR 393/02, wistra 2003, 261; OLG Karlsruhe v. 10.11.2004 – 1 Ss 94/04, NStZ 2005, 450; OLG Hamburg v. 8.3.2011 – 2 - 39/10 (REV), NStZ 2011, 523. Altenhain in NK-StGB, § 261 Rz. 49; Ruhmannseder in BeckOK-StGB, § 261 Rz. 10. Neuheuser in MüKo-StGB, § 261 Rz. 44; vgl. Bernsmann, StV 1998, 46; Ruhmannseder in BeckOK-StGB, § 261 Rz. 10. Hoyer in SK-StGB, § 261 Rz. 9; Ruhmannseder in BeckOK-StGB, § 261 Rz. 10. Barton, NStZ 1993, 159 ff.; ebenso Sommer in AnwK-StGB, § 261 Rz. 21. Barton, NStZ 1993, 159, 161. Zur näheren Begründung Barton, NStZ 1993, 159 ff. Eschelbach in G/J/W, § 261 StGB Rz. 33; Neuheuser in MüKo-StGB, § 261 Rz. 45. BGH v. 18.2.2009 – 1 StR 4/09, BGHSt 53, 205, 209 = NJW 2009, 1617, 1618; krit. Stree/Hecker in S/S-StGB, § 261 Rz. 9. Eschelbach in G/J/W, § 261 StGB Rz. 34.

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StGB

Geldwäsche

StGB

§ 261 StGB Rz. 48

Strafgesetzbuch

3. Surrogate 48

Nach der Kausalitätsformel rührt jedes Surrogat des Produkts der Vortat aus der Vortat her, denn diese kann nicht hinweggedacht werden, ohne dass der Gegenstand in seiner konkreten Gestalt oder wirtschaftlichen Zuordnung entfiele. Egal also, wie oft z.B. Drogengeld getauscht oder von einem Konto auf ein anderes überwiesen wurde, es ist immer noch bemakelt. Es wird offenbar, dass auch das Tatbestandsmerkmal „herrühren“ sehr weit gehalten ist. Es ist u.a. nicht – wie etwa bei der Hehlerei – die Ersatzhehlerei ausgeschlossen.1 Dieses Ergebnis lässt aber nicht nur der Wortlaut zu, es ist auch vom Gesetzgeber so gewünscht: Gegenstände sollten auch dann erfasst werden, wenn sie die für die Geldwäsche typische Kette von Verwertungshandlungen durchlaufen hatten.2

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Eine Ausnahme besteht, wenn eine Sache derart durch einen Dritten verarbeitet wird, dass ihr Wert nach der Verarbeitung (§ 950 BGB) ganz erheblich höher ist als vorher. Der gesetzgeberische Gedankengang dahinter: „Auch diese Fälle mit dem Merkmal „Herrühren“ erfassen zu wollen, würde nicht nur dem üblichen Sprachgebrauch zuwiderlaufen, sondern auch dazu führen können, dass der legale Wirtschaftsverkehr in kürzester Zeit mit einer Vielzahl inkriminierter Gegenstände belastet wird.“ Tatsächlich dürfte die Verarbeitung in der Praxis aber nur eine relativ geringe Rolle spielen. 4. Vermischung

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Hinter „Vermischung“ verbirgt sich eines der – auch praktisch relevanten – Hauptprobleme des Tatbestandsmerkmals „herrühren“. Es stellt sich die Frage, ob ein Gegenstand bemakelt ist, der durch Vermischung von legalen und illegalen Gegenständen neu entstanden ist. Ein Gegenstand entsteht neu, wenn die vermischten Gegenstände nicht mehr trennbar sind (vgl. §§ 948, 947 BGB), wie z.B. Bargeld in der Kasse oder Guthaben auf Konten. Dem neu entstandenen Gegenstand müsste dann eigentlich in Gänze das Attribut „bemakelt“ anhaften, denn er entfiele in seiner konkreten Gestalt oder wirtschaftlichen Zuordnung, wenn man sich die Vortat wegdenkt. Die Tragweite dieses Ansatzes wird an folgendem Bsp. deutlich: Auf einem Konto liegt ein legales Guthaben von 1 000 000 Euro. Nun wird 1 Euro bemakeltes Geld eingezahlt, was zur Bemakelung des Gesamtguthabens von 1 000 001 Euro führt. Ein irrational wirkendes Ergebnis, bei dem noch dazu die Beachtung des Bestimmtheitsgrundsatzes zweifelhaft erscheint.

51

Um dem entgegenzuwirken, wird u.a. die Einführung einer Bemakelungsquote vorgeschlagen.3 Gegenstände sollen erst dann als bemakelt gelten, wenn ihnen zu einem bestimmten Prozentsatz bemakelte Gegenstände beigemischt werden. Dabei werden Quoten von unter 1 % bis hin zu 50 % vorgeschlagen. Das Problem bei einer solchen Quotenregelung ist zum einen, dass sie durch entsprechende Aufteilung umgangen werden kann, zum anderen geben weder der Wortlaut der Norm noch deren Begründung oder die systematische oder teleologische Auslegung einen zwingenden Anhaltspunkt für diese einschränkende Auslegung. Von der Rspr. ist das Problem noch nicht endgültig entschieden. Es wird allerdings festgestellt, dass der bemakelte Anteil „aus wirtschaftlicher Sicht nicht völlig unerheblich“ sein darf.4 In der Praxis stellt sich das Problem wohl nicht (oder nur sehr selten) in extremer Form, da meist größere Mengen illegalen Geldes in der Gesamtsumme enthalten sind. 5. Erträge

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Erträge und Nutzungen rühren unmittelbar aus dem Gegenstand der Vortat her.5 Zu unterscheiden von Nutzungen sind Gewinne, die etwa aus Investitionen in eine Firma resultieren. Hier entspringt das Mehr an Vermögen (Vermögensmehrung) der selbständigen Arbeit eines (oder mehrerer) Dritten; sie rühren daher nicht (mehr) aus der Vortat her.6 6. Rechtsübergang

53

Der Rechtsübergang hebt die Bemakelung der Sache grundsätzlich nicht auf. Die einzige Ausnahme statuiert Absatz 6. Sie gilt aber nur für die Begehung nach Absatz 2.

IV. Tathandlungen 1. Vorbemerkungen 54

§ 261 StGB sieht eine Vielzahl von Tathandlungsvarianten für den Umgang mit Gegenständen aus der Vortat vor. Wie der gesamte Tatbestand sind auch die Varianten der Tathandlungen offen formuliert, um möglichst alle strafwürdigen Handlungen zu erfassen. Die Tathandlungen überschneiden sich mitunter und lassen sich 1 2 3 4 5 6

BGH v. 12.4.1956 – 4 StR 60/56, NJW 1956, 1041; Eschelbach in G/J/W, § 261 StGB Rz. 35. BT-Drucks. 989/12, S. 26. Im Ergebnis abl. Neuheuser in MüKo-StGB, § 261 Rz. 147. OLG Karlsruhe v. 20.1.2005 – 3 Ws 108/04, NJW 2005, 767, 769. Eschelbach in G/J/W, § 261 StGB Rz. 40. Eschelbach in G/J/W, § 261 StGB Rz. 40; a.A. Stree/Hecker in S/S-StGB, § 261 Rz. 11.

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Rz. 60 § 261 StGB

nicht immer scharf voneinander abgrenzen. Die ersten beiden Tatbestände sollen alle Handlungen erfassen, die die Strafverfolgung der Vortäter vereitelt. Der dritte Tatbestand soll den Täter wirtschaftlich isolieren. 2. Verschleierungstatbestand (Absatz 1 S. 1 Var. 1, 2) Der Verschleierungstatbestand enthält zwei Tatbestandsalternativen, das Verbergen und das Verschleiern. Beide 55 Alternativen setzen keinen späteren Erfolg voraus. Es reicht, wenn der Täter die Handlung mit dolus eventualis vorgenommen hat, um den Gegenstand der möglichen späteren Untersuchung zu entziehen.1 Unter Verbergen wird jedes Handeln verstanden, das dazu geeignet ist, Dritten die Kenntnis von der Existenz 56 des Gegenstandes zu verheimlichen.2 Bsp. für Verbergungshandlungen sind: Vergraben, Verstecken, Tarnen, Überweisungen von Geld in andere Staaten unter Verwendung falscher Personalien.3 Beim Verschleiern geht es darum, die Herkunft des Gegenstandes oder Geldes zu verheimlichen, nicht jedoch 57 dessen Existenz. Deswegen werden alle Handlungen erfasst, die dazu dienen, die wahre (illegale) Herkunft des Gegenstandes oder Geldes zu verbergen.4 Beispiele für ein solches Verschleiern sind: Umtausch des gestohlenen oder erpressten Geldes bei der Bank in nicht registrierte Scheine, Manipulation bei der Buchführung, Einschleusen von bemakeltem Geld in ein Unternehmen mit hohem Bargeldaufkommen, um es als Gewinn wieder zu entnehmen, Falschbuchungen und Kontoführung unter falschen Namen.5 3. Vereitelungs- und Gefährdungstatbestand (Absatz 1 S. 1 Var. 3 ff.) Der Vereitelungstatbestand (Abs. 1 S. 1 Var. 3 ff.) ist als Erfolgs- und alternativ als konkretes Gefährdungs- 58 delikt ausgestaltet. Der Täter muss die Ermittlung der Herkunft, das Auffinden, den Verfall (§§ 73 StGB ff.), die Einziehung (§§ 74 StGB ff.) oder die Sicherstellung (§§ 111b StPO ff.) eines tauglichen Gegenstandes vereiteln oder gefährden. Vereiteln ist dem § 258 StGB entlehnt und setzt einen Erfolg voraus. Als Vereitelungshandlung reicht daher je- 59 des ursächliche Verhalten aus, durch das eine Besserstellung des Vortäters gegenüber den Strafverfolgungsbehörden erreicht wird.6 Umstr. ist hingegen, ob – parallel etwa zur Strafvereitelung – ein Herauszögern des Erfolgs genügt oder ob der Erfolg endgültig vereitelt werden muss.7 Richtigerweise wird auch im Rahmen von § 261 StGB eine signifikante Verzögerung als Vereitelung anzusehen sein. Die praktische Bedeutung des Streits dürfte nicht groß sein, da wohl nahezu jede Verzögerung zumindest als Gefährdung anzusehen und somit strafbar ist.8 Die Gefährdung setzt die konkrete Gefahr voraus, dass die Ermittlungen scheitern.9 Die Bemühungen des Tä- 60 ters müssen also zumindest konkret geeignet sein, den Vereitelungserfolg herbeizuführen.10 Konkret geeignet sind sie, wenn es nur noch vom Zufall abhängt, ob der Vereitelungserfolg eintritt oder nicht.11 Nach verbreiteter Ansicht ist der Beginn der Ermittlungen keine Voraussetzung.12 Problematisch an dieser Auffassung ist die Ausweitung des Tatbestands: Vom konkreten Gefährdungsdelikt wird er mehr zum abstrakten. Ob dies notwendig ist, darf bezweifelt werden. Immerhin dürften die meisten Handlungen im Stadium vor den Ermittlungen durch den Vereitelungstatbestand erfasst sein. Eine konkrete Gefährdung kann u.a. im Verbringen ins Ausland gesehen werden.13 Die Sicherstellung soll ferner gefährdet sein, wenn der Strafverteidiger eine Kaution ent-

1 Eschelbach in G/J/W, § 261 StGB Rz. 44; Maiwald in FS Hirsch, 1999, S. 631, 644; Neuheuser in MüKo-StGB, § 261 Rz. 64; Leip, Geldwäsche, S. 127 f.; a.A. Altenhain in NK-StGB, § 261 Rz. 100; Hoyer in SK-StGB, § 261 Rz. 16; Jahn in S/S/W-StGB, § 261 Rz. 36. 2 Neuheuser in MüKo-StGB, § 261 Rz. 63; Eschelbach in G/J/W, § 261 StGB Rz. 44; Ruhmannseder in BeckOK-StGB, § 261 Rz. 24; vgl. Jahn in S/S/W-StGB, § 261 Rz. 35; Jahn/Ebner, JuS 2009, 597, 600; Stree/Hecker in S/S-StGB, § 261 Rz. 14; Beulke/Ruhmannseder, Rz. 182; Bottke, wistra 1995, 121; Otto, wistra 1995, 323, 326. 3 Neuheuser in MüKo-StGB, § 261 Rz. 63. 4 Eschelbach in G/J/W, § 261 StGB Rz. 44; Neuheuser in MüKo-StGB, § 261 Rz. 64; Ruhmannseder in BeckOK-StGB, § 261 Rz. 24. 5 Eschelbach in G/J/W, § 261 StGB Rz. 44. 6 Ruhmannseder in BeckOK-StGB, § 261 Rz. 26; vgl. BT-Drucks. 12/3533, S. 11. 7 Verneinend Altenhain in NK-StGB, § 261 Rz. 110; Neuheuser in MüKo-StGB, § 261 Rz. 66; Lackner/Kühl, § 261 StGB Rz. 7; Schmidt/Krause in LK-StGB, § 261 Rz. 19; Burr, Geldwäsche, S. 80; Leip, Geldwäsche, S. 137; Mehlhorn, Der Strafverteidiger als Geldwäscher, S. 72; Spiske, Pecunia olet?, S. 130; bejahend dagegen Herzog/Mülhausen/Nestler, GwHdb, § 17 Rz. 36; Müther, JURA 2001, 318, 324; Salditt, StraFo 1992, 121, 125. 8 Ruhmannseder in BeckOK-StGB, § 261 Rz. 26. 9 Fischer, StGB, § 261 Rz. 22; BT-Drucks. 12/989, S. 27. 10 Fischer, StGB, § 261 Rz. 22; vgl. BGH v. 8.10.1998 – 1 StR 356/98, NStZ 1999, 83; OLG Karlsruhe v. 21.11.2008 – 3 Ss 100/08, NStZ 2009, 269, 270. 11 Eschelbach in G/J/W, § 261 StGB Rz. 47. 12 Altenhain in NK-StGB, § 261 Rz. 96; Eschelbach in G/J/W, § 261 StGB Rz. 47. 13 Ruhmannseder in BeckOK-StGB, § 261 Rz. 27.1.

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Geldwäsche

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§ 261 StGB Rz. 61

Strafgesetzbuch

gegennimmt, die der Täter mit bemakeltem Geld gezahlt hat, um sein Honorar zu begleichen.1 Insoweit kann es zu Überschneidungen mit dem Isolierungstatbestand kommen. Ein untauglicher Versuch liegt hingegen bei der Übergabe an einen verdeckten Ermittler vor.2 4. Isolierungstatbestand (Absatz 2) 61

Der Isolierungstatbestand in Absatz 2 soll dazu dienen, die vom Vortäter gewonnenen Vermögensgegenstände verkehrsunfähig zu machen. Der Tatbestand ist als abstraktes Gefährdungsdelikt ausgestaltet und pönalisiert beinahe jeglichen Umgang mit bemakelten Gegenständen.3 Der Dritte muss, um den Tatbestand zu erfüllen, weder einen manipulativen Zweck verfolgen noch die Strafverfolgung konkret gefährden oder dies auch nur beabsichtigen. Absatz 2 ist ein Auffangtatbestand im Rahmen des § 261 StGB. a) Sich-Verschaffen (Absatz 2 Nr. 1)

62

Das Sich-Verschaffen wurde bewusst in Bezug auf die Hehlerei (§ 259 StGB) aufgenommen und ist entsprechend auszulegen: Es meint die Herstellung tatsächlicher eigener Verfügungsgewalt über den Gegenstand mit Einverständnis des Vortäters.4 Das eigenmächtige An-Sich-Bringen, wie z.B. durch Diebstahl und auch unter Drohung oder durch Täuschung (§§ 253, 255 oder 263 StGB) fällt damit nicht unter die Tatbestandsvariante. Bsp. für ein „Sich-Verschaffen“ sind die Annahme der Einzahlung des bemakelten Geldes durch den Bankangestellten,5 die Annahme als Honorar,6 die Annahme durch Hinterlegen der Tatbeute des Vortäters durch einen Strafverteidiger im eigenen Namen7 oder die Entgegennahme von bemakeltem Geld zur Investition in das eigene Unternehmen.8 b) Verwahren und Verwenden (Absatz 2 Nr. 2)

63

Unter Verwahren versteht man das zur Verfügung Halten des Gegenstandes für sich oder andere.9 Ein Gegenstand kann nur zur Verfügung gehalten werden, wenn der Täter der Geldwäsche um ihn weiß und ihn im Besitz haben will, also Sachherrschaft über ihn hat.10 So verwahrt der Lebensgefährte nicht automatisch die vom Partner in die Wohnung verbrachten Gegenstände.11

64

Unter Verwenden wird jeder bestimmungsgemäße Gebrauch des Gegenstandes verstanden.12 Die Verwendung muss mit Einverständnis des Inhabers der Verfügungsgewalt erfolgen.13 5. Tatbestand der Selbstgeldwäsche (Absatz 9 S. 3)

65

Der Tatbestand der Selbstgeldwäsche ergibt sich aus dem weiten Täterbegriff der Vorschrift und Abs. 9 S. 3 und wird zusammenfassend dort erörtert (Rz. 91). Er setzt voraus, dass der Vortatbeteiligte einen aus seiner Straftat herrührenden Gegenstand in den Verkehr bringt und dabei dessen rechtswidrige Herkunft verschleiert. Das Tatbestandsmerkmal des Inverkehrbringens lehnt sich an die dem Straftatbestand der Geldfälschung (§ 146 StGB) zugrunde liegende Definition an.14 Erfasst werden demnach sämtliche Handlungen, die dazu führen, dass der Täter den inkriminierten Gegenstand aus seiner tatsächlichen Verfügungsgewalt entlässt und ein Dritter die tatsächliche Verfügungsgewalt über den Gegenstand erlangt.15 Zu nennen sind bspw. das Einzahlen von illegal erlangtem Bargeld auf ein Bankkonto oder das Veräußern von Wertgegenständen.16 Hinsichtlich des Tatbestands1 Vgl. BGH v. 4.7.2001 – 2 StR 513/00, NStZ 2001, 535, 538 = BGHSt 47, 68, 80; Neuheuser in MüKo-StGB, § 261 Rz. 66; krit. Beulke/Ruhmannseder, Die Strafbarkeit des Verteidigers, Rz. 200 ff.; Herzog/Mülhausen/Nestler, GwHdb, § 17 Rz. 37, 39. 2 Vgl. BGH v. 8.10.1998 – 1 StR 356/98, NStZ 1999, 83, 84; dazu Jahn, JA 1999, 186; Fischer, StGB, § 261 Rz. 22. 3 BGH v. 23.4.2013 – 2 AR 91/13 und 2 AR 56/13, NStZ-RR 2013, 253; Fischer, StGB, § 261 Rz. 23; Jahn in S/S/W-StGB, § 261 Rz. 39; Kargl, NJ 2001, 57, 59. 4 Jahn/Ebner, JuS 2009, 597, 600; Neuheuser in MüKo-StGB, § 261 Rz. 68; a.A. Altenhain in NK-StGB, § 261 Rz. 114; Lackner/Kühl, § 261 StGB, Rz. 8; Spiske, Pecunia olet?, S. 133. 5 Altenhain in NK-StGB, § 261 Rz. 112; Neuheuser in MüKo-StGB, § 261 Rz. 68. 6 BGH v. 4.7.2001 – 2 StR 513/00, BGHSt 47, 68, 71 = NJW 2001, 2891, 2892; so grundsätzlich auch OLG Hamburg v. 6.1.2000 – 2 Ws 185/99, NJW 2000, 673, 673 f.; Neuheuser in MüKo-StGB, § 261 Rz. 68. 7 OLG Frankfurt v. 10.3.2005 – 2 Ws 66/04, NJW 2005, 1727, 1733. 8 BGH v. 17.7.1997 – 1 StR 208/97, NJW 1997, 3322 = BGHSt 43, 149, 151. 9 Vgl. OLG Frankfurt v. 10.3.2005 – 2 Ws 66/04, NJW 2005, 1727, 1733; Lackner/Kühl, § 261 StGB Rz. 8; Ruhmannseder in BeckOK-StGB, § 261 Rz. 32. 10 BGH v. 26.1.2012 – 5 StR 461/11, NStZ 2012, 321, 322; Neuheuser in MüKo-StGB, § 261 Rz. 69. 11 BGH v. 26.1.2012 – 5 StR 461/11, NStZ 2012 322, 321. 12 Fischer, StGB, § 261 Rz. 26; Neuheuser in MüKo-StGB, § 261 Rz. 69; Ruhmannseder in BeckOK-StGB, § 261 Rz. 33. 13 Vgl. BGH v. 29.10.2009 – 4 StR 239/09, NStZ-RR 2010, 53, 54; Stree/Hecker in S/S-StGB, § 261 Rz. 16; Leip, Der Straftatbestand der Geldwäsche, S. 141 f.; Herzog/Mülhausen/Nestler, GwHdb, § 17, Rz. 42; a.A. Altenhain in NK-StGB, § 261 Rz. 117; Möhrenschlager, wistra 1992, 281, 287; Spiske, Pecunia olet?, S. 145; vgl. BT-Drucks. 12/3533, 13. 14 Vgl. BT-Drucks. 18/6389, S. 14. 15 Vgl. BT-Drucks. 18/6389, S. 14. 16 Näher zu den inkriminierten Handlungen Erb in MüKo-StGB, § 146 Rz. 45.

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Rz. 70 § 261 StGB

merkmals der Verschleierung kann auf die Erläuterungen zum gleichlautenden Merkmal in Abs. 1 S. 1 (Rz. 57) verwiesen werden.

C. Tatbestandseinschränkungen I. Strafloser Vorerwerb (Absatz 6) Absatz 6 begrenzt den Tatbestand1 zum Schutz des „allgemeinen Rechtsverkehrs“.2 Es sollen überlange Bema- 66 kelungsketten vermieden und demjenigen, der zunächst gutgläubig den Gegenstand erlangt hat, der Weiterverkauf ermöglicht werden. Allerdings gilt Absatz 6 nur für den Isolierungstatbestand (Absatz 2) und läuft daher häufig leer,3 denn der Täter kann dann immer noch nach Absatz 1 belangt werden. Da sich die Tatbestandsvarianten zu großen Teilen überschneiden, wird dies mitunter der Fall sein.4 Daher wird vertreten, Absatz 6 solle (analog) auch auf Absatz 1 angewandt werden.5 Dagegen sprechen jedoch sowohl der Wortlaut als auch der ausdrückliche Wille des Gesetzgebers: „… bleibt eine Strafbarkeit nach Absatz 1 unberührt, sofern im Einzelfall dessen Voraussetzungen erfüllt sind.“6 Daneben ist zu beachten, dass das Surrogat, welches der (Vor-)Täter im Austausch bekommt, bemakelt wird. 67 Kauft z.B. der Drogenhändler mit bemakeltem Geld einen Wagen von einem gutgläubigen Verkäufer, so ist das Geld zwar nicht mehr bemakelt, dafür aber der Wagen. Das gilt auch für den Auszahlungsanspruch des Täters gegenüber der Bank, wenn der Täter bei einem gutgläubigen Bankangestellten bemakeltes Geld eingezahlt hat.7 Nach deliktsspezifischer Auslegung ist mit dem Begriff „Straftat“ in Absatz 6 eine Tat i.S.d. § 261 StGB ge- 68 meint.8 Für die Tatbestandseinschränkung des Absatzes 6 muss man den Gegenstand nicht gänzlich straflos erlangen. Es genügt, wenn man ihn erlangt, ohne sich nach § 261 StGB strafbar zu machen.

II. Teleologische Reduktion Gerade im Hinblick auf die enorme Reichweite des Tatbestands wird in der Literatur die Möglichkeit und Not- 69 wendigkeit einer teleologischen Reduktion der Norm diskutiert.9 U.a. wird vorgeschlagen, die Strafbarkeit in folgenden Bereichen zu beschränken: – Geschäfte unterhalb einer gewissen Bagatellgrenze,10 – Geschäfte des täglichen Lebens,11 – besonders gefährdete Berufsgruppen (Notare, Bankmitarbeiter, Rechtsanwälte etc.). Diesen Ansätzen folgt die Rspr. jedoch nicht (Ausnahme: der Strafverteidiger). Es sei gerade eine Eigenheit der 70 Geldwäsche, dass sie durch alltägliche Geschäfte ausgeführt werden könne und auch kleine Schlupflöcher gefunden und genutzt würden. Auch sind Bagatellgeschäfte und Geschäfte des täglichen Lebens kaum definierte Abgrenzungskriterien.12 Besonders gefährdete Berufsgruppen zu privilegieren, würde der Gesetzeskonzeption und dem Willen des Gesetzgebers13 zuwiderlaufen. Einigen dieser Gruppen wurde durch das GwG (§§ 2, 17 GwG) sogar eine besondere Aufsichtspflicht zuteil.14

1 Altenhain in NK-StGB, § 261 Rz. 85; Spiske, Pecunia olet?, S. 157; BT-Drucks. 12/3533, S. 13; von einem Strafausschließungsgrund ausgehend Hombrecher, JA 2005, 67, 69; Leip, Der Straftatbestand der Geldwäsche, S. 99. 2 BT-Drucks. 12/989, S. 28. 3 Ruhmannseder in BeckOK-StGB, § 261 Rz. 35.1.; Fischer, StGB, § 261 Rz. 28; Mehlhorn, Der Strafverteidiger als Geldwäscher, S. 86; Knorz, Unrechtsgehalt, S. 143 f.; Winkler, Die Strafbarkeit des Verteidigers, S. 203. 4 Fischer, StGB, § 261 Rz. 28; Ruhmannseder in BeckOK-StGB, § 261 Rz. 35.1; Neuheuser in MüKo-StGB, § 261 Rz. 76; BT-Drucks. 12/989, S. 28; BGH v. 4.7.2001 – 2 StR 513/00, BGHSt 47, 68, 80 = NJW 2001, 2891, 2894; Neuheuser, NStZ 2001, 647, 649; Fischer, StGB, § 261 Rz. 28; Stree/Hecker in S/S-StGB, § 261 Rz. 17; a.A. Maiwald in FS Hirsch, 1999, S. 637, 640. 5 Lackner/Kühl, § 261 StGB, Rz. 5; vgl. Maiwald in FS Hirsch, 1999, S. 631, 642 ff. 6 BT-Drucks. 12/989, S. 28. 7 Ruhmannseder in BeckOK-StGB, § 261 Rz. 37; Hombrecher, JA 2005, 67, 69; Neuheuser in MüKo-StGB, § 261 Rz. 73. 8 Neuheuser in MüKo-StGB, § 261 Rz. 72; Maiwald in FS Hirsch, 1999, S. 631, 645 f.; Spiske, Pecunia olet?, S. 159; differenzierend: Hoyer in SK-StGB, § 261 Rz. 25; a.A. Jahn in S/S/W-StGB, § 261 Rz. 46. 9 Barton, StV 1993, 156, 161 f.; Hund, ZRP 1996, 163, 166 Bagatellgrenze zwischen 1000 und 10 000 Euro; anders Fahl, JURA 2004, 160, 161; Jahn/Ebner, JuS 2009, 597, 601; Schmidt/Krause in LK-StGB, § 261 Rz. 25; Altenhain in NK-StGB, § 261 Rz. 120 ff.; Stree/Hecker in S/S-StGB, § 261 Rz. 19. 10 Eschelbach in G/J/W, § 261 StGB Rz. 60; Fischer, StGB, § 261 Rz. 31. 11 Barton, StV 1993, 156, 159 ff.; Eschelbach in G/J/W, § 261 StGB Rz. 60; BGH v. 4.7.2001 – 2 StR 513/00, NStZ 2001, BGHSt 47, 68, 74. 12 Eschelbach in G/J/W, § 261 StGB Rz. 60. 13 BT-Drucks. 12/989, S. 28. 14 Jegliche Eingrenzung abl. Altenhain in NK-StGB, § 261 Rz. 120 ff.; Bottke, wistra 1995, 121, 122; Fahl, JURA 2004, 161, 162; Hombrecher, JA 2005, 67, 71; Winkler, Die Strafbarkeit des Verteidigers, S. 176.

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StGB

Geldwäsche

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§ 261 StGB Rz. 71

Strafgesetzbuch

III. Geldwäsche durch Strafverteidiger 71

Von besonderer praktischer Relevanz ist die Frage der Einschränkung des Tatbestands für Strafverteidiger.1 Wer einen Mandanten wegen einer Katalogtat (Abs. 1 S. 2) verteidigt, bringt sich, bei wortlautgetreuer Anwendung der Norm, leicht in die Gefahr, sich wegen (zumindest leichtfertiger) Geldwäsche strafbar zu machen. Die Wahrscheinlichkeit, dass das Verteidigerhonorar mit bemakelten Mitteln bezahlt wird, ist – gerade bei Wirtschaftsstrafsachen – sehr hoch. Diese Auslegung würde nach der Positionierung des BVerfG2 die Wahlverteidigung und damit auch Grundrechte (u.a. Art. 2 Abs. 1 und Art. 12 GG) verfassungswidrig einschränken. Die Strafbarkeit der Strafverteidiger soll nicht gänzlich ausgeschlossen sein. Sie wird aber über den subjektiven Tatbestand reguliert: Es sollen „… Strafverteidiger nur dann mit Strafe bedroht werden, wenn sie im Zeitpunkt der Annahme ihres Honorars sichere Kenntnis von dessen Herkunft hatten“.3 Diese Entscheidung des BVerfG hat gem. § 31 Abs. 2 BVerfGG Gesetzeskraft. Andere Lösungsvorschläge wie z.B. besonderer Rechtfertigungsgrund für Strafverteidiger,4 Ausschluss bei Sozialadäquanz,5 Tatbestandslösung6 etc. wurden für die Praxis obsolet. Die Entscheidung des BVerfG wird dennoch sowohl dogmatisch als auch im Ergebnis kritisiert; sie sei mit dem Gesetzeswortlaut nicht (mehr) vereinbar und biete außerdem zu wenig Rechtssicherheit.7

72

Das Urteil des BVerfG hat verschiedene Folgen: Der Strafverteidiger ist nicht zur Nachforschung über die Einnahmequellen des Mandanten verpflichtet,8 und die später erlangte Kenntnis der Bemakelung begründet keine Garantenstellung und Pflicht zur Rückzahlung.9 Die Anzeigepflicht, die aus § 11 Abs. 3 S. 1 GwG herrührt, ist für den Strafverteidiger regelmäßig außer Kraft gesetzt, wenn es sich um Informationen handelt, die er im Rahmen des Mandats mitgeteilt bekommt.10 Die Privilegierung des Verteidigers bezieht sich dabei allein auf Absatz 2, nicht aber auf Absatz 1 oder § 258 StGB.11 Weiterhin sollen die Privilegierungen keine Anwendung finden, wenn der Strafverteidiger sich bewusst auf die Seite des Unrechts stellt und seine Rolle als Organ der Rechtspflege nicht mehr wahrnimmt.12 Die Grundsätze der Privilegierung des Strafverteidigers sind nicht auf andere rechtsberatende Berufe anzuwenden. Das BVerfG hatte einzig die oben geschilderte spezifische Konfliktsituation des Strafverteidigers vor Augen.13

IV. Geldwäsche durch Organe der Strafverfolgung 73

Häufig kann es dazu kommen, dass Strafverfolgungsorgane den (objektiven) Tatbestand (von § 261 StGB) verwirklichen, etwa bei einem dienstlichen Ankauf bemakelter Vermögenswerte durch verdeckte Ermittler,14 bei der Entgegennahme bemakelter Vermögenswerte zur Begleichung von Geldstrafen oder Verfahrenskosten oder bei der Vollstreckung von Einziehung (§§ 74 ff. StGB), Verfall (§§ 73 ff. StGB) oder Sicherstellung (§§ 111b ff. StPO).15 In diesen Fällen soll der Tatbestand nach überwiegender Ansicht teleologisch reduziert sein.16 Der Schutzzweck der Norm, der nach h.M. auch die inländische Strafverfolgung ist, erfasst die Handlungen nicht, die zur Ausführung der Strafverfolgung vorgenommen werden – im Gegenteil.17 Ebenso soll in Fällen der kontrollierten Weiterleitung von Vermögenswerten im Auftrag der Strafverfolgungsbehörden, etwa durch Bankangestellte,

1 Zur ausf. Besprechung des Problems und der Entwicklung Ruhmannseder in BeckOK-StGB, § 261 Rz. 41; Eschelbach in G/J/W, § 261 StGB Rz. 62. 2 BVerfG v. 30.3.2004 – 2 BvR 1520/01, 2 BvR 1521/01, BVerfGE 110, 226, 246 ff. = NJW 2004, 1305 m. Anm. von Galen, NJW 2004, 3304. 3 BVerfG v. 30.3.2004 – 2 BvR 1520/01, 2 BvR 1521/01, BVerfGE 110, 226 = NJW 2004, 1305 m. Anm. von Galen, NJW 2004, 3304; Leitner, StraFo 2004, 149; Matt, JR 2004, 321; Ranft, JURA 2004, 749; Wohlers, JZ 2004, 678. 4 Ambos, JZ 2002, 70, 80 f.; Bernsmann in FS Lüderssen, 2002, S. 683, 689 ff. 5 Bottermann, Untersuchungen, S. 67 f.; Salditt, StraFo 1992, 121; a.A. Hombrecher, Geldwäsche, S. 105 ff.; Schrader, Die Strafbarkeit des Verteidigers, S. 146 ff.; Winkler, Die Strafbarkeit des Verteidigers, S. 278 ff. 6 OLG Hamburg v. 6.1.2000 – 2 Ws 185/99, NJW 2000, 673. 7 Eschelbach in G/J/W, § 261 StGB Rz. 62. 8 BVerfG v. 30.3.2004 – 2 BvR 1520, 1521, NStZ 2004, 259; Sauer, wistra 2004, 89, 93 f.; Schmidt, JR 2001 448, 451. 9 Ruhmannseder in BeckOK-StGB, § 261 Rz. 46; Beulke/Ruhmannseder, Rz. 194. 10 Vgl. Hetzer, wistra 1993, 286, 293; Salditt, StraFo 1992, 121. 133; Ruhmannseder in BeckOK-StGB, § 261 Rz. 46. 11 Neuheuser in MüKo-StGB, § 261 Rz. 81; Altenhain in NK-StGB, § 261 Rz. 128. 12 OLG Frankfurt v. 10.3.2005 – 2 Ws 66/05, NJW 2005, 1727, 1733; abl. Herzog/Hoch/Warius, StV 2007, 542, 547 f.; Neuheuser in MüKo-StGB, § 261 Rz. 81. 13 Neuheuser in MüKo-StGB, § 261 Rz. 81; a.A. Ruhmannseder in BeckOK-StGB, § 261 Rz. 46; vgl. dazu BGH v. 4.2.2010 – 1 StR 95/09, NJW 2010, 3730, 3734 f.; Altenhain in NK-StGB, § 261 Rz. 128; Fischer, StGB, § 261 Rz. 37 ff.; Herzog/ Mülhausen/Nestler, GwHdb, § 17, Rz. 70; Raschke, NStZ 2012, 606; I. Roxin, RA-Handbuch, Rz. 49; Wohlers, JZ 2004, 678, 679 f.; zur Strafbarkeit eines Insolvenzverwalters wegen Geldwäsche vgl. Brüning, wistra 2006, 241. 14 Neuheuser in MüKo-StGB, § 261 Rz. 82; Ruhmannseder in BeckOK-StGB, § 261 Rz. 48. 15 Ruhmannseder in BeckOK-StGB, § 261 Rz. 48; Neuheuser in MüKo-StGB, § 261 Rz. 82. 16 Vgl. Jahn/Ebner, JuS 2009, 597, 601; Neuheuser in MüKo-StGB, § 261 Rz. 82; Neuheuser, NStZ 2001, 647, 648; Ruhmannseder in BeckOK-StGB, § 261 Rz. 48. 17 Ruhmannseder in BeckOK-StGB, § 261 Rz. 49.

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Rz. 78 § 261 StGB

der Tatbestand nicht erfüllt sein.1 Anders soll es sich verhalten, wenn der Insolvenzverwalter bemakeltes Vermögen im Insolvenzverfahren verwertet.2

V. Kein Angehörigenprivileg Ein Angehörigenprivileg, wie es § 258 Abs. 6 StGB statuiert, wurde bei § 261 StGB bewusst nicht aufgenom- 74 men. Der Gedanke dahinter ist, dass gerade Organisierte Kriminalität, die im Fokus des Gesetzes steht, oft auch in familiären Strukturen funktioniert.3 Eine solche innerfamiliäre Begünstigungslage wollte der Gesetzgeber nicht von der Strafbarkeit ausnehmen.4

VI. Geldwäsche durch Unterlassen Geldwäsche ist auch durch Unterlassen als unechtes Unterlassensdelikt begehbar, §§ 261, 13 StGB. Für eine 75 Begehung durch Unterlassen muss eine Garantenstellung bestehen. Diese haben nach überwiegender Ansicht zuständige Angehörige der Strafverfolgungsbehörden sowie der Steuer- und Zollfahndung inne.5 Fraglich ist, ob und inwieweit aus Verpflichtungen nach dem GwG eine Garantenstellung entspringt. Bankangestellte sollen jedenfalls nicht betroffen sein.6 Ein Bankangestellter hat schon nicht die Möglichkeit, selbständig über die Erstattung der Verdachtsanzeige zu entscheiden. Ansprechpartner der Strafverfolgungsbehörden ist gem. § 9 Abs. 2 GwG ein bestimmter Personenkreis (etwa der Geldwäschebeauftragte).7 Wer nicht die Möglichkeit hat zu handeln, dem darf auch das Unterlassen nicht angelastet werden. Ob den Leiter eines Instituts i.S.v. § 2 Abs. 1 Nr. 1–2a GwG und eines Unternehmens i.S.v. § 2 Abs. 1 Nr. 3 76 und 4 sowie i.V.m. § 9 Abs. 2 Nr. 1 GwG den Geldwäschebeauftragten eine Garantenstellung trifft, ist jedoch umstr. Der Wortlaut spricht zwar dafür,8 jedoch wird eingewandt, dass die Zielrichtung des GwG eine rein präventive sei und demnach gerade keine Garantenstellung für die repressive Strafverfolgung statuiert werden solle. Auch spricht die (rein) ordnungswidrigkeitenrechtliche Sanktionierung des Unterlassens dagegen, dass es auch noch strafrechtlich relevant werden soll (§§ 2, 17 GwG).9 Die h.M. folgt aber konsequent dem klaren Wortlaut und erkennt eine Garantenstellung aus dem GwG an. In der Praxis stellt sich das Problem ohnehin nicht häufig, weil meist aktive Handlungen i.S.d. Absatzes 1 oder 2 vorliegen. Eine Garantenstellung aus Ingerenz entsteht nicht, wenn dem Inhaber des Gegenstandes die Bemakelung erst nachträglich bekannt wird.10

D. Subjektiver Tatbestand I. Vorsatz In allen drei Tatvarianten verlangt die Geldwäsche vorsätzliches Handeln. Der Vorsatz (§ 15 StGB) muss sich 77 auf alle Tatbestandsmerkmale beziehen. Es genügt bedingter Vorsatz (dolus eventualis). Eine Ausnahme diesbezüglich gilt nur für Strafverteidiger. In Bezug auf die Vortat müssen diese sicher wissen, dass der Gegenstand aus einer solchen herrührt.11 Der Täter muss weder den Vortäter noch Einzelheiten der rechtswidrigen Vortat kennen.12 Es genügt, wenn er in 78 groben Zügen Kenntnis von der Vortat hat, sodass er bei laienhafter rechtlicher Würdigung erkennen kann, dass es sich um eine Katalogtat handelt.13 Unschädlich ist ein Subsumtionsirrtum; es ist also unerheblich, ob der Geldwäscher eine fehlerhafte rechtliche Würdigung vornimmt, solange er die entscheidenden Tatsachen kennt.14 Irrt der Täter allerdings so über die Tatumstände, dass nach seinen Vorstellungen gar keine taugliche Katalogvortat

1 BT-Drucks. 13/6620, S. 6; BT-Drucks. 13/8651, S. 9 f.; Neuheuser in MüKo-StGB, § 261 Rz. 82; Burr, Geldwäsche, S. 98; Hund, ZRP 1997, 180, 181; Herzog/Mülhausen/Nestler, GwHdb, § 17, Rz. 48; Neuheuser, NStZ 2001, 647, 648; a.A. Fahl, JURA 2004, 160, 162; Kreß, wistra 1998, 121, 126; a.A. Werner, Bekämpfung der Geldwäsche, S. 230. 2 Neuheuser in MüKo-StGB, § 261 Rz. 82; Altenhain in NK-StGB, § 261 Rz. 130; a.A. Jahn in S/S/W-StGB, § 261 Rz. 57; Brüning, wistra 2006, 241, 243. 3 Vgl. FATF Standards, 40 Recommendations, October 2003, 79; Suendorf, Geldwäsche, S. 181. 4 Eschelbach in G/J/W, § 261 StGB Rz. 61; Neuheuser in MüKo-StGB, § 261 Rz. 93. 5 Jahn in S/S/W-StGB, § 261 Rz. 75; Leip, Der Straftatbestand der Geldwäsche, S. 138. 6 Eschelbach in G/J/W, § 261 StGB Rz. 58; Ruhmannseder in BeckOK-StGB, § 261 Rz. 51; Neuheuser in MüKo-StGB, § 261 Rz. 94. 7 Vgl. Neuheuser in MüKo-StGB, § 261 Rz. 92. 8 Ruhmannseder in BeckOK-StGB, § 261 Rz. 51; Neuheuser in MüKo-StGB, § 261 Rz. 94. 9 Eschelbach in G/J/W, § 261 StGB Rz. 61. 10 Jahn in S/S/W-StGB, § 261 Rz. 75; Neuheuser in MüKo-StGB, § 261 Rz. 95; Stree/Hecker in S/S-StGB, § 261 Rz. 13. 11 Neuheuser in MüKo-StGB, § 261 Rz. 84; Ruhmannseder in BeckOK-StGB, § 261 Rz. 54; BGH v. 4.2.2010 – 1 StR 95/09, NJW 2010, 3730, 3734 f.; BVerfG v. 30.3.2004 – 2 BvR 1520/01, 2 BvR 1521/01, BVerfG 110, 226, 246 ff. 12 Neuheuser in MüKo-StGB, § 261 Rz. 84; Ruhmannseder in BeckOK-StGB, § 261 Rz. 54; BGH v. 17.7.1997 – 1 StR 791/96, BGHSt 43, 158, 165 = NJW 1997, 3323, 3325; BGH v. 28.1.2003 – 1 StR 393/02, wistra 2003, 260, 261. 13 BGH v. 17.7.1997 – 1 StR 791/96, NStZ 1998, 42, 43 = BGHSt 43, 158, 165; BGH v. 28.1.2003 – 1 StR 393/02, wistra 2003, 260, 261. 14 Neuheuser in MüKo-StGB, § 261 Rz. 85; Eschelbach in G/J/W, § 261 StGB Rz. 64.

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Geldwäsche

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§ 261 StGB Rz. 79

Strafgesetzbuch

vorliegt, so erliegt er einem vorsatzausschließendem Tatbestandsirrtum, § 16 Abs. 1 StGB. Irrelevant ist der Irrtum über alternative Katalogtaten.1 Zu bedenken bleibt, dass die leichtfertige Begehung nach Absatz 5 auch bei einem den Vorsatz ausschließenden Irrtum weiterhin im Raum steht.2

II. Leichtfertigkeit (Absatz 5) 79

Bezüglich der Herkunft des Gegenstandes kann die Geldwäsche auch leichtfertig begangen werden. Wer leichtfertig nicht erkennt, dass der Gegenstand aus einer rechtswidrigen Katalogtat herrührt, macht sich dennoch strafbar, wenn er die übrigen Tatbestandsmerkmale erfüllt. Allerdings ist der Strafrahmen niedriger. Bezüglich der anderen Tatbestandsmerkmale verbleibt es bei dem Erfordernis eines zumindest bedingten Vorsatzes.3 Teilnahme an der Begehung nach Absatz 5 ist nicht möglich, da es sich bei dem Delikt nicht um ein solches nach § 11 Abs. 2 StGB handelt.

80

Leichtfertiges Verhalten liegt vor, wenn sich die Herkunft des Gegenstandes aus einer Katalogtat nach der Sachlage geradezu aufdrängt und der Täter dennoch handelt, weil er dies aus grober Unachtsamkeit oder Gleichgültigkeit außer Acht lässt.4 Damit stellt die Leichtfertigkeit weitestgehend das Pendant zur „groben Fahrlässigkeit“ im Zivilrecht dar.5 Die Regelung dient hauptsächlich der Erleichterung der Beweisführung, ist aber nach der Rspr. mit dem Schuldprinzip und dem Bestimmtheitsgebot vereinbar.6 Ob Leichtfertigkeit vorliegt oder nicht, muss für den Einzelfall entschieden werden.

81

Beispiele für die Leichtfertigkeit: Leichtfertigkeit kann sich daraus ergeben, dass es sich um einen besonders hohen Betrag handelt, dass der hohe Vermögenswert nicht zu den (augenscheinlichen) Vermögensverhältnissen des Inhabers passt oder daraus, dass die Form der Transaktion (z.B. in Naturalien) sehr ungewöhnlich ist.7 Werden nur Geschäfte zur Deckung des täglichen Lebensbedarfs getätigt, fehlt es regelmäßig an einer Erkennbarkeit und damit an einer Leichtfertigkeit.8 In einem Phishing-Fall wurden dem Geldwäscher 14 000 Euro auf sein Konto überwiesen. Laut BGH musste nur wegen der Höhe des Betrags noch nicht auf kriminelle Hintergründe geschlossen werden.9 Auch bei der Honorarannahme für freiberufliche Tätigkeiten ist entscheidend, inwieweit sich die illegale Herkunft der Zahlungsmittel aufdrängt.10 Mitunter kann daraus sogar eine Erkundigungspflicht entstehen; dies gilt aber wiederum nicht für Strafverteidiger.11

E. Versuch (Absatz 3) 82

Absatz 3 stellt den Versuch der Geldwäsche nach den Absätzen 1 und 2 unter Strafe. Es gelten dabei die allgemeinen Regeln für den Versuch. Die Versuchsstrafbarkeit bewirkt eine zusätzliche Erweiterung des Tatbestands, die insbesondere im Hinblick auf das „Gefährden“ (Abs. 1 S. 1 Var. 3 ff.) uferlos erscheint.12

83

Beispiele für den Versuch: – Einen strafbaren (untauglichen) Versuch begeht der Täter, wenn er den bemakelten Gegenstand an einen verdeckten Ermittler übergibt.13 – Nimmt der Täter jedoch irrig an, das Tatobjekt stamme aus einer Katalogtat, so liegt ein untauglicher Versuch vor. Der Täter kommt hier besonders schnell in den Bereich der Versuchsstrafbarkeit, da sein Vorsatz bzgl. der Vortat nur sehr wenig konkret sein muss.14 – Hat der Täter den straflosen Zwischenerwerb (Absatz 6) übersehen, so kann auch das seine Versuchsstrafbarkeit begründen.15

1 Eschelbach in G/J/W, § 261 StGB Rz. 64. 2 Eschelbach in G/J/W, § 261 StGB Rz. 64; Jahn in S/S/W-StGB, § 261 Rz. 61. 3 Eschelbach in G/J/W, § 261 StGB Rz. 65; Altenhain in NK-StGB, § 261 Rz. 137; Fischer, StGB, § 261 Rz. 42; Jahn in S/S/ W-StGB, § 261 Rz. 63. 4 Vgl. BGH v. 17.7.1997 – 1 StR 791/96, BGHSt 43, 158, 168 = NStZ 1998, 42, 44; Jahn/Ebner, JuS 2009, 597, 602; Hoyer in SK-StGB, § 261 Rz. 27; BT-Drucks. 12/989, 28. 5 Eschelbach in G/J/W, § 261 StGB Rz. 67; Ruhmannseder in BeckOK-StGB, § 261 Rz. 57; Neuheuser in MüKo-StGB, § 261 Rz. 87. 6 BGH v. 17.7.1997 – 1 StR 791/96, BGHSt 43, 158, 165-168 = NJW 1997, 3323, 3325 f.; a.A. Dionyssopoulou, S. 141–157; Knorz, 193 ff., 225 ff. 7 Fischer, StGB, § 261 Rz. 44; Stree/Hecker in S/S-StGB, § 261 Rz. 23; weitere Bsp. bei BGH v. 17.7.1997 – 1 StR 791/96, BGHSt 43, 158, 169 = NJW 1997, 3323, 3326; Katholnigg, NJW 2001, 2041, 2043; Körner/Dach, Geldwäsche, Rz. 67. 8 Altenhain in NK-StGB, § 261 Rz. 139a; Stree/Hecker in S/S-StGB, § 261 Rz. 23. 9 BGH v. 11.9.2014 – 4 StR 312/14, BeckRS 2014, 19588. 10 Fischer, StGB, § 261 Rz. 44; Ruhmannseder in BeckOK-StGB, § 261 Rz. 57.3. 11 Vgl. BVerfG v. 30.3.2004 – 2 BvR 1520/01, NStZ 2004, 259, 260. 12 Eschelbach in G/J/W, § 261 StGB Rz. 68; ausf. Lampe, JZ 1994, 123, 131. 13 BGH v. 8.10.1998 – 1 StR 356/98, NStZ 1999, 83, 84; Eschelbach in G/J/W, § 261 StGB Rz. 68. 14 Schmidt/Krause in LK-StGB, § 261 Rz. 41; Eschelbach in G/J/W, § 261 StGB Rz. 68. 15 Neuheuser in MüKo-StGB, § 261 Rz. 97; Ruhmannseder in BeckOK-StGB, § 261 Rz. 58.

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Rz. 90 § 261 StGB

Kein Versuch liegt in folgenden Fällen vor: 84 – Im Fall der leichtfertigen Geldwäsche gem. Absatz 5 scheidet eine Versuchsstrafbarkeit aus, da es sich nicht mehr um eine Vorsatztat nach § 11 Abs. 2 StGB handelt. – Ein strafloses Wahndelikt liegt vor, wenn der Täter aufgrund fehlerhafter Subsumtion die Vortat für eine Katalogtat hält.1

F. Täterschaft und Teilnahme Für Täterschaft und Teilnahme gelten die allgemeinen Regeln.2 Zu beachten ist die Straflosigkeit des Täters 85 oder Teilnehmers der Vortat (Abs. 9 S. 2). Die Teilnahme an der leichtfertigen Geldwäsche ist ausgeschlossen, da es sich gem. § 11 Abs. 2 StGB um ein Fahrlässigkeitsdelikt handelt.3

G. Strafbefreiung (Absatz 9) Die Strafaufhebungsgründe aus Absatz 9 dienen den Normzwecken der Geldwäsche. Mit der Regelung in 86 Satz 1 soll der Täter dazu bewegt werden, aktiv an der Aufklärung der Vortat mitzuwirken.4 Ergänzend zu Abs. 9 S. 1 ist die Regelung des § 46b StGB zu beachten, die den Absatz 10 a.F. abgelöst hat. Abs. 9 S. 2 bestimmt, dass der Vortäter nicht wegen Geldwäsche bestraft werden soll.

I. Selbstanzeige (Absatz 9 S. 1) Straflosigkeit kann der Täter erlangen, wenn er die Tat freiwillig bei der zuständigen Behörde anzeigt. Die Vo- 87 raussetzungen hierfür ergeben sich aus Abs. 9 S. 1 Nr. 1 bzw. Nr. 2, wenn es sich nicht um leichtfertige Geldwäsche handelt. Der Freiwilligkeitsbegriff entspricht dem des Rücktritts (vgl. § 24 StGB), wobei eine Anzeigepflicht nicht entgegensteht, vgl. etwa § 11 Abs. 5 GwG.5 Die Zuständigkeit der Behörde richtet sich nach § 158 Abs. 1 S. 1 StPO. Abs. 9 S. 1 Nr. 1 ist an § 371 Abs. 2 AO angelehnt. Dementsprechend muss die Selbstanzeige erstattet werden, 88 bevor die Tat ganz entdeckt war oder der Täter damit rechnen musste. Von einer Tatentdeckung ist auszugehen, wenn strafrechtliche Ermittlungen wahrscheinlich sind, wobei der Anfangsverdacht dazu nicht genügt.6 Insofern mit baldiger Weiterleitung an die zuständige Behörde zu rechnen ist, soll bereits die Entdeckung durch eine ausländische Behörde7 oder einen Privaten genügen.8 Abs. 9 S. 1 Nr. 2 statuiert im Falle der vorsätzlichen Geldwäsche eine weitere Voraussetzung für die Straflosig- 89 keit. Der Täter muss auch die Sicherstellung (§§ 111b StPO) des Gegenstandes bewirken. Erforderlich ist die tatsächliche Sicherstellung. Dafür muss der Täter mindestens kausal mitverantwortlich sein. Wird die Sache, aus welchem Grund auch immer, nicht sichergestellt, tritt keine Straffreiheit ein.9 Diese Voraussetzung wird bei der leichtfertigen Geldwäsche nicht gestellt. Der Gesetzgeber hat bedacht, dass sich der Verdacht der Geldwäsche mitunter erst nach gewisser Zeit aufdrängt und erhärtet. Dann kann der Gegenstand aber oft schon nicht mehr sichergestellt werden, weil er z.B. schon verbraucht worden ist.

II. Straflose Selbstbegünstigung (Absatz 9 S. 2) Bei der Regelung in Abs. 9 S. 2 handelt es sich um einen persönlichen Strafaufhebungsgrund und eine Kon- 90 kurrenzregel. Der Gesetzgeber trägt hierdurch dem Umstand Rechnung, dass Geldwäschehandlungen von Vortatbeteiligten ein typisches Nachtatverhalten darstellen, weshalb der Unrechtsgehalt der nachgelagerten Geldwäsche regelmäßig durch die Verurteilung wegen der Vortat mit abgegolten wird.10 Die Regelung wirkt nur, wenn der Täter wegen der anderen Tat als Täter oder Teilnehmer tatsächlich strafbar ist und diese Strafbarkeit auch feststeht,11 wobei es irrelevant ist, ob die Geldwäsche vollendet oder beendet ist.12 Eine Verurteilung im Ausland reicht nicht aus.13 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13

Eschelbach in G/J/W, § 261 StGB Rz. 68. Stree/Hecker in S/S-StGB, § 261 Rz. 30. Neuheuser in MüKo-StGB, § 261 Rz. 90. Vgl. BT-Drucks. 12/989, S. 28; BT-Drucks. 12/3533, S. 15; Ruhmannseder in BeckOK-StGB, § 261 Rz. 65. Ruhmannseder in BeckOK-StGB, § 261 Rz. 66. Vgl. BGH v. 4.5.1983 – 2 StR 661/82, NStZ 1983, 415; Neuheuser in MüKo-StGB, § 261 Rz. 105; Altenhain in NK-StGB, § 261 Rz. 154; Burr, Geldwäsche, S. 96; von Galen, StV 2000, 575, 579. Hoyer in SK-StGB, § 261 Rz. 33; Stree/Hecker in S/S-StGB, § 261 Rz. 29. BGH v. 24.8.1987 – 1 BJs 13/87-5 StB 20/87, BGHSt 35, 36, 38 = NJW 1988, 1679, 1680. Neuheuser in MüKo-StGB, § 261 Rz. 106; Ruhmannseder in BeckOK-StGB, § 261 Rz. 69; Altenhain in NK-StGB, § 261 Rz. 155; Herzog/Mülhausen/Nestler, GwHdb, § 21, Rz. 11; Fabel, Geldwäsche und tätige Reue, S. 148. Neuheuser in MüKo-StGB, § 261 Rz. 112. BGH v. 21.6.1995 – 2 StR 157/95, NStZ 1995, 500; Fischer, StGB, § 261 Rz. 18. BGH v. 26.8.2005 – 2 StR 225/05, BGHSt 50, 224, 230; Eschelbach in G/J/W, § 261 StGB Rz. 73. BGH v. 18.2.2009 – 1 StR 4/09, BGHSt 53, 205, 207; a.A. Sommer in AnwK-StGB, § 261 Rz. 83.

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Geldwäsche

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§ 261 StGB Rz. 91

Strafgesetzbuch

III. Selbstgeldwäsche (Absatz 9 S. 3) 91

Die Privilegierung des Täters oder Teilnehmers der Vortat nach Abs. 9 S. 2 wird seit der jüngsten Gesetzesänderung durch den der Vorschrift neu hinzugefügten Abs. 9 S. 3 eingeschränkt. Dies führt dazu, dass auch die sog. Selbstgeldwäsche dem Anwendungsbereich der Vorschrift unterfällt. Der Vortatbeteiligte ist hiernach – neben der Strafbarkeit wegen der Vortat – zusätzlich auch wegen Geldwäsche nach § 261 StGB zu belangen, wenn er im Anschluss an die rechtswidrig begangene Vortat den erlangten Gegenstand in den Verkehr bringt und dabei die rechtswidrige Herkunft des Gegenstandes verschleiert. Diese versteckte Erweiterung durch Beschränkung der Privilegierung hat die Vorschrift erst im Gesetzgebungsverfahren erfahren.1

92

Der Gesetzgeber hat sich mit der gewählten Konturierung für eine differenzierte Bewertung des nachgelagerten Verhaltens des Vortatbeteiligten entschieden, da nur das verschleierte Inverkehrbringen des inkriminierten Gegenstandes, nicht aber bspw. das Verwahren oder Verbergen strafbewehrt ist. Das im Verschleiern angelegte Täuschungselement soll nach der Gesetzesbegründung die Integrität des Wirtschafts- und Finanzkreislaufs und damit ein gegenüber der Vortat zusätzliches Rechtsgut berühren, auf dessen Schutz auch Vortatbeteiligte verpflichtet werden könnten.2 Dies überzeugt nicht, weil zu einem typischen Umgang mit dem rechtswidrig erlangten Gegenstand nicht nur dessen Verwahrung gehört, sondern eben auch gerade dessen Verwendung in Form des Inverkehrbringens – ein Vorgang, der bei lebensnaher Betrachtung wiederum nahezu ausnahmslos mit einer Verschleierung der tatsächlichen Herkunft einhergeht. Im Schrifttum wird darüber hinaus die mangelnde Vereinbarkeit der Selbstgeldwäsche mit den Vorschriften der Grundrechtecharta gerügt.3

H. Strafen und Maßnahmen I. Strafe 93

Der Strafrahmen beträgt drei Monate bis fünf Jahre Freiheitsstrafe und kann über § 47 Abs. 2 StGB zur Geldstrafe gemildert werden. Für die leichtfertige Begehung ist der Strafrahmen auf Geldstrafe oder bis zu zwei Jahren Freiheitsstrafe heruntergesetzt.

94

Im besonders schweren Fall (Regelbeispiele, Absatz 4) beträgt die Freiheitsstrafe sechs Monate bis zehn Jahre. Neben den genannten Fällen kommt auch ein unbenannter besonders schwerer Fall in Frage.4 Dabei sind alle Tatmodalitäten zu berücksichtigen. Professionalität kann dabei ebenso ein Anhaltspunkt sein wie der hohe Wert des Gegenstandes oder die Schädigung einer Vielzahl von Personen.5

II. Einziehung und Verfall 95

Absatz 7 eröffnet die Möglichkeit der Einziehung in den Fällen der §§ 74, 74a StGB. Bei einer Vermischung von bemakeltem mit unbemakeltem Vermögen ist zu differenzieren: Wird das Vermögen als Tatmittel eingesetzt, so unterliegt es im Ganzen der Einziehung. Handelt es sich aber um das Vermögen eines gutgläubigen Dritten, kommt nur die Wertersatzeinziehung in Höhe des bemakelten Anteils in Frage.6 Die Straflosigkeit des Täters nach Abs. 9 S. 2 hindert weder den Verfall noch die Einziehung.

III. Konkurrenzen 96

Die Frage nach Tateinheit (§ 52 StGB) oder Tatmehrheit (§ 53 StGB) richtet sich nach den Geldwäschehandlungen, nicht nach den jeweiligen Vortaten. So kann trotz mehrerer Vortaten nur eine Geldwäschetat vorliegen und umgekehrt.7

97

Absatz 1 geht Absatz 2 vor. Wird ein größerer Geldbetrag in kleinere Beträge aufgeteilt und sukzessive in einem engen zeitlichen Zusammenhang „gewaschen“, kommt Handlungseinheit in Frage. Bei der Beteiligung an der Vortat gilt Abs. 9 S. 2. Bei gleichzeitiger Verwirklichung anderer Tatbestände ist Tateinheit möglich. Ist die Geldwäschehandlung mit dem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln identisch, geht letzteres vor. Gewerbsmäßige Steuerhehlerei verdrängt die zugleich begangene Geldwäsche.8

1 2 3 4 5 6 7 8

Vgl. BT-Drucks. 18/6389, S. 14. Vgl. BT-Drucks. 18/6389, S. 13. Dazu ausf. Bergmann, NZWiSt 2014, 448, 451 ff. Vgl. BGH v. 30.10.2008 – 3 StR375/08, HRRS 2009 Nr. 59. Eschelbach in G/J/W, § 261 StGB Rz. 74. Eschelbach in G/J/W, § 261 StGB Rz. 74. Eschelbach in G/J/W, § 261 StGB Rz. 76; Stree/Hecker in S/S-StGB, § 261 Rz. 76. BGH v. 20.9.2000 – 5 StR 252/00, wistra 2000, 464, 465; Eschelbach in G/J/W, § 261 StGB Rz. 76.

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§ 263 StGB

§ 262 Führungsaufsicht In den Fällen der §§ 259 bis 261 kann das Gericht Führungsaufsicht anordnen (§ 68 Abs. 1). Die Vorschrift wurde eingeführt durch das „Gesetz zur Bekämpfung des illegalen Rauschgifthandels und ande- 1 rer Erscheinungsformen der Organisierten Kriminalität“ vom 15.7.1992.1 Das Gericht soll in Fällen Organisierter Kriminalität die Möglichkeit erhalten, eine Führungsaufsicht anzuordnen. Dies bezieht sich nur auf die Hehlerei und ihre Qualifikationen sowie die Geldwäsche.

Zweiundzwanzigster Abschnitt. Betrug und Untreue

§ 263 Betrug (1) Wer in der Absicht, sich oder einem Dritten einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen, das Vermögen eines anderen dadurch beschädigt, daß er durch Vorspiegelung falscher oder durch Entstellung oder Unterdrückung wahrer Tatsachen einen Irrtum erregt oder unterhält, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. (2) Der Versuch ist strafbar. (3) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter 1. gewerbsmäßig oder als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Begehung von Urkundenfälschung oder Betrug verbunden hat, 2. einen Vermögensverlust großen Ausmaßes herbeiführt oder in der Absicht handelt, durch die fortgesetzte Begehung von Betrug eine große Zahl von Menschen in die Gefahr des Verlustes von Vermögenswerten zu bringen, 3. eine andere Person in wirtschaftliche Not bringt, 4. seine Befugnisse oder seine Stellung als Amtsträger oder Europäischer Amtsträger mißbraucht oder 5. einen Versicherungsfall vortäuscht, nachdem er oder ein anderer zu diesem Zweck eine Sache von bedeutendem Wert in Brand gesetzt oder durch eine Brandlegung ganz oder teilweise zerstört oder ein Schiff zum Sinken oder Stranden gebracht hat. (4) § 243 Abs. 2 sowie die §§ 247 und 248a gelten entsprechend. (5) Mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren wird bestraft, wer den Betrug als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Straftaten nach den §§ 263 bis 264 oder 267 bis 269 verbunden hat, gewerbsmäßig begeht. (6) Das Gericht kann Führungsaufsicht anordnen (§ 68 Abs. 1). (7) Die §§ 43a und 73d sind anzuwenden, wenn der Täter als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Begehung von Straftaten nach den §§ 263 bis 264 oder 267 bis 269 verbunden hat. § 73d ist auch dann anzuwenden, wenn der Täter gewerbsmäßig handelt. A. I. II. III. IV. V. B. I.

Grundsätzliches Rechtsgut und Deliktscharakter . . . . . . . . . . . . . Genese und Funktionen Einfluss des Europarechts . . . . . . . . . . . . . . . . . Kriminologie und Reform . . . . . . . . . . . . . . . . . Strukturen und objektive Zurechnung . . . . . . . . Tatbestand (Absatz 1) Tathandlung: Täuschung über Tatsachen 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Tatsachen a) Begriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Äußere und innere Tatsachen . . . . . . . . . . c) Abgrenzungen aa) Meinungsäußerungen und Werturteile bb) Rechtsausführungen . . . . . . . . . . . . . . cc) Prognostische Aussagen . . . . . . . . . . .

.

1

. . .

5 7 9

.

11

. .

12 14

. . .

16 18 20

dd) Werbeaussagen . . . . . . . . . . . . . . . 3. Täuschung a) Begriff aa) Elemente der Täuschung (1) Objektive Irreführung . . . . . . . . . . (2) Bezug auf natürliche Personen . . . . (3) Einwirkung auf das intellektuelle Vorstellungsbild . . . . . . . . . . . . . . (4) Offenheit der Einwirkungsart: Manipulation an Sachen, Tatsachenveränderung . . . . . . . . . . . . . . bb) Täterbezogener, auch normativer Täuschungsbegriff . . . . . . . . . . . . . cc) Täuschungsarten und verfassungsrechtliche Grenzen der Akzessorietät . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Ausdrückliche Täuschung . . . . . . . . . . .

22

23 24 25 26 27 28 29

1 BGBl. I, S. 1302.

Saliger

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StGB

Betrug

StGB

§ 263 StGB

Strafgesetzbuch

c) Konkludente Täuschung . . . . . . . . . . . . . . . aa) Grundsätze (1) Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Würdigung der Rechtsprechung . . . . . . (3) Besonderheiten der konkludenten Täuschung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Fallgruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Minimum an Redlichkeit: Erfüllungsbereitschaft, -fähigkeit, Verfügungsbefugnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Geschäftsgrundlage . . . . . . . . . . . . . . . (3) Mängelfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Preis und Vergütung. . . . . . . . . . . . . . . (5) Fordern einer Leistung (Bankabhebung, Abrechnung, Antrag, Insertionsofferte, Lastschrift u.a.) . . . . . . . . . . . . . . . . . . (6) Entgegennahme einer Leistung . . . . . . . (7) Zahlungsverkehr: Scheck, Kredit-, Kunden- und EC-Karten, Wechsel u.a.. . (8) Sonstige Geschäfts- und Lebensbereiche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Täuschung durch Unterlassen aa) Grundsätze (1) Allgemeine Voraussetzungen . . . . . . . . . (2) Verhältnis zu aktiven Täuschungsformen und zu § 266 . . . . . . . . . . . . . . (3) Bedeutung der Entsprechungsklausel . . . (4) Gebot restriktiver Auslegung . . . . . . . . . bb) Garantenpflichten aus Gesetz . . . . . . . . cc) Garantenpflichten aus Vertrag . . . . . . . . dd) Garantenpflichten aus Ingerenz . . . . . . . ee) Garantenplichten aus Treu und Glauben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Irrtum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Inhalt a) Begriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Irrtum und Zweifel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Feststellung des Irrtums und Abgrenzung zur ignorantia facti . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Wissenszurechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Kausalität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Erregen und Unterhalten . . . . . . . . . . . . . . . b) Abgrenzung zur Ausnutzung . . . . . . . . . . . . 3. Einfluss des europäischen Verbraucherleitbildes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Vermögensverfügung 1. Funktionen und Begriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Arten der Vermögensverfügung . . . . . . . . . . . . 3. Elemente der Vermögensverfügung. . . . . . . . . . a) Unmittelbarkeit aa) Grundsätze und wirtschaftsstrafrechtlich relevante Anwendungsfälle . . . . . . . bb) Mehraktige Verfügungen . . . . . . . . . . . b) Verfügungsbewusstsein . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Dreiecksbetrug a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Unstreitige Zurechnungskriterien. . . . . . . . . c) Dreiecksforderungsbetrug aa) Zurechnungsgrundsätze . . . . . . . . . . . . bb) Einzelne Fallgruppen . . . . . . . . . . . . . . 5. Verhältnis zwischen Irrtum und Vermögensverfügung a) Ursächlicher Zusammenhang . . . . . . . . . . . b) Funktionaler Zusammenhang?. . . . . . . . . . . 6. Vermögen als Gegenstand der Verfügung . . . . . a) Begriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Juristischer Vermögensbegriff . . . . . . . . bb) Primär wirtschaftlicher Vermögensbegriff (insbesondere Rechtsprechung) .

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cc) Juristisch-ökonomischer Vermögensbegriff (h.L.) . . . . . . . . . . dd) Personaler und normativ-ökonomischer Vermögensbegriff . . . . ee) Stellungnahme: Wirtschaftlicher Vermögensbegriff mit normativer Anpassung . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Einzelne Vermögenspositionen . . . . . . aa) Subjektive Rechte und Anwartschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Vermögenswerte Exspektanzen (1) Grundsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Von der Rechtsprechung anerkannte Exspektanzen . . . . . . . . (3) Von der Rechtsprechung verneinte Exspektanzen . . . . . . . . . . . . . . . cc) Betriebs-, Geschäfts- und Berufsgeheimnisse . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Nicht durchsetzbare Forderungen (insbesondere Naturalobligationen) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Arbeitsleistung . . . . . . . . . . . . . . ff) Besitz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . gg) Nichtige Forderungen, insbesondere aus sitten- oder rechtswidrigen Geschäften . . . . . . . . . . . . . . hh) Einsatz von Vermögenswerten zu sitten- oder rechtswidrigen Zwecken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ii) Strafrechtliche Sanktionen (Geldstrafe, Bußgeld etc.). . . . . . . jj) Sonstige Vermögenspositionen . . . IV. Vermögensschaden 1. Allgemeines a) Strukturelle Bedeutung . . . . . . . . . . . . b) Verfassungsrechtliche Anforderungen . 2. Begriff, Bestimmung und Arten des Schadens a) Grundlagen: Grundsätzlich wirtschaftlicher Schadensbegriff aa) Schadenslehren . . . . . . . . . . . . . . bb) Verfassungswidrigkeit einer juristischen Schadenslehre . . . . . . cc) Undurchführbarkeit einer rein wirtschaftlichen Schadenslehre . . . dd) Vermögensschutz und Dispositionsschutz: Unselbständiger und selbständiger Dispositionsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Normativierung, Fiktionalisierung und Moralisierung des Schadens. . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Das Prinzip der Gesamtsaldierung aa) Grundsätze (1) Gesamtvermögen und wirtschaftliche Betrachtung . . . . . . . . . . . . (2) Gleichzeitigkeit, Unmittelbarkeit und ex-ante Betrachtung . . . . . . . (3) Bewertung der Vermögenspositionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Kein Schaden bei unmittelbarer und vollständiger Kompensation (1) Grundsätze der Kompensation . . . (2) Kompensationstaugliche Aspekte . (3) Kompensationsuntaugliche Aspekte. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Anforderungen an die Feststellung c) Sonderfälle aa) Normative Korrekturen bei Ansprüchen . . . . . . . . . . . . . . . .

. 129 . 130 . 131 . 132 . 133 . 135 . 136 . 137 . 138 . 139 . 140 . 142 . 143 . 145 . 146 . 147

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bb) Persönlicher Schadenseinschlag (1) Grundsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Einzelfälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Zweckverfehlung (1) Grundsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Fallgruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Stadien der Schadensverwirklichung . . . . . aa) Konkrete schadensbegründende Vermögensgefahr als Schaden (1) Grundsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Anwendungsfälle . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Eingehungsbetrug (1) Grundsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Einzelfälle, insbes. Versicherungsbetrug cc) Erfüllungsbetrug (1) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Echter Erfüllungsbetrug . . . . . . . . . . . (3) Unechter Erfüllungsbetrug . . . . . . . . . 3. Einzelne, wirtschaftsstrafrechtlich relevante Betrugs- und Schadensfallgruppen a) Ärztlicher Abrechnungsbetrug aa) Grundlagen: Das kassenärztliche Abrechnungssystem . . . . . . . . . . . . . . bb) Unproblematische Betrugsformen (Luftleistungen, Falschdeklarationen) und Anforderungen an die Feststellung cc) Verstoß gegen die Pflicht zur persönlichen Leistungserbringung . . . . . . . . . . dd) Verstöße gegen Statusfragen: Scheingemeinschaftspraxis und Strohärzte. . . b) Anstellungsbetrug aa) Grundsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Erschlichenes privatrechtliches Anstellungsverhältnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Amtserschleichung . . . . . . . . . . . . . . . c) Parteienbetrug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Sportwettenbetrug, insbes. Quotenschaden e) Submissions- oder Ausschreibungsbetrug aa) Vertikale und horizontale Einflussnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Eingehungsbetrug zu Lasten des Ausschreibenden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Eingehungsbetrug zu Lasten von Mitbietern und Erfüllungsbetrug . . . . . . . f) Betrügerischer Handel mit Warenterminoptionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . g) Sonstige Fälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Subjektiver Tatbestand. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Vorsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Bereicherungsabsicht a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Absicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Vermögensvorteil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) „Stoffgleichheit“ aa) Grundsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Anwendungsfälle . . . . . . . . . . . . . . . . e) Rechtswidrigkeit des Vermögensvorteils aa) Begriff und Funktion . . . . . . . . . . . . . bb) Anwendungsfälle . . . . . . . . . . . . . . . .

. 171 . 174 . 178 . 182 . 186 . 187 . 194 . 200 . 204 . 206 . 207 . 208

C. I. II. III. D. I. II. E. I. II.

. 210 . 211 . 213 . 215 . 216 . . . .

217 218 220 222

. 225

III. IV. V. F. I.

. 226 . 228 . . . .

229 232 233 234

. 239 . 240 . 243 . 245 . 247 . 251 . 253

II. G. I. II. III.

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cc) Vorsatz und Irrtum über die Rechtswidrigkeit . . . . . . . . . . . . . . f) Eigen- und fremdnütziger Betrug . . . . . Vollendung, Beendigung und Versuch Vollendung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Beendigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Versuch (Absatz 2) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Täterschaft und Teilnahme Täterschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Teilnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Strafzumessung nach Absatz 1 . . . . . . . . . . . . Besonders schwere Fälle (Absatz 3) . . . . . . . . 1. Grundsätzliches a) Allgemeine Regeln . . . . . . . . . . . . . . . . b) Ausschluss bei Bagatellbetrug (Absatz 4 i.V.m. § 243 Abs. 2) . . . . . . . . . . . . . . . 2. Einzelne Fallgruppen a) Gewerbsmäßige Begehung (Abs. 3 S. 2 Nr. 1 Alt. 1) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Bandenmäßige Begehung (Abs. 3 S. 2 Nr. 1 Alt. 2) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Vermögensverlust großen Ausmaßes (Abs. 3 S. 2 Nr. 2 Alt. 1) . . . . . . . . . . . . d) Absicht der Gefährdung vieler Menschen (Abs. 3 S. 2 Nr. 2 Alt. 2). . . . . . . . e) Wirtschaftliche Not (Abs. 3 S. 2 Nr. 3) . . f) Missbrauch der Befugnisse oder Stellung als Amtsträger (Abs. 3 S. 2 Nr. 4) . . g) Versicherungsbetrug (Abs. 3 S. 2 Nr. 5) . Qualifikation: Gewerbsmäßiger Bandenbetrug (Absatz 5) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Führungsaufsicht (Absatz 6) . . . . . . . . . . . . . Erweiterter Verfall (§ 73d) und Vermögensstrafe (§ 43a), Absatz 7 . . . . . . . . . . . . . . . . . Konkurrenzen und Wahlfeststellung Konkurrenzen 1. Einheitliche Tatbegehung, insbes. Organisationsdelikt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Gesetzeskonkurrenz a) Zu Delikten des StGB . . . . . . . . . . . . . . b) Zu Delikten des Nebenstrafrechts . . . . . c) Mitbestrafte Tat aa) Sicherungsbetrug. . . . . . . . . . . . . . bb) Andere Vermögensdelikte als mitbestrafte Tat . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Tateinheit a) Zu Delikten des StGB . . . . . . . . . . . . . . b) Zu Delikten des Nebenstrafrechts . . . . . 4. Tatmehrheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wahlfeststellung und Postpendenz . . . . . . . . . Verfolgungsvoraussetzungen Strafantrag (Absatz 4) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verjährung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sonstiges . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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StGB

Betrug

StGB

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StGB

Betrug

StGB

§ 263 StGB Rz. 1

Strafgesetzbuch

erschleichung in strafrechtlicher Sicht, 2005; Winkler, Der Vermögensbegriff beim Betrug (usw.), 1995; Wittig, Das tatbestandsmäßige Verhalten des Betrugs, 2005; Wolfs, Die „Stoffgleichheit“ beim Betrug, 1984; Worms, Warenterminoptionen: Strafbarer Betrug oder nur enttäuschte Erwartungen?, wistra 1984, 123; Wostry, Schadensbezifferung und bilanzielle Berechnung des Vermögensnachteils bei dem Tatbestand des Betruges (§ 263 StGb), 2016; Würtenberger, Das Kunstfälschertum, 2. Aufl. 1970; Zieschang, Das Übereinkommen zum Schutz der finanziellen Interessen der EG, EuZW 1997, 78; Zieschang, Der Einfluss der Gesamtrechtsordnung auf den Umfang des Vermögensschutzes durch den Betrugstatbestand, FS H. J. Hirsch, 1999, 831; Ziethen, Dogmatische Konsequenzen des Prostitutionsgesetzes für Dirnen- und Freierbetrug, NStZ 2003, 184.

A. Grundsätzliches I. Rechtsgut und Deliktscharakter 1

Die Vorschrift bedroht die vorsätzliche vollendete (Absatz 1) oder versuchte (Absatz 2) vermögensschädigende Täuschung anderer (natürlicher) Personen in Selbst- oder Drittbereicherungsabsicht mit Strafe. Rechtsgut des Betruges ist nach h.M. ausschließlich das (Individual-)Vermögen (reines Vermögensdelikt).1 Nicht die Täuschung an sich ist strafbar, sondern nur die vermögensschädigende Täuschung.2 Nicht mitgeschützt sind daher namentlich die Dispositions- oder Verfügungsfreiheit,3 die Wahrheit oder das Vertrauen in die Redlichkeit des Geschäftsverkehrs.4 Auch wenn Vermögen als „geronnene Freiheit“ verstanden werden kann,5 bezeichnet der Betrug doch kein Freiheitsdelikt in dem Sinne, dass bereits jede täuschungsbedingte Vermögensverfügung an sich einen Vermögensschaden begründet.6 Denn andernfalls müsste ein (vollendeter) strafbarer Betrug auch dann angenommen werden, wenn der Getäuschte zum Abschluss eines für ihn vorteilhaften Vertrages veranlasst wird.7 Der Betrug schützt aber nur vor dem „Ärmer-werden“, nicht auch vor dem „Nicht-Reicher-werden“ (zur Vereitelung vermögenswerter Exspektanzen Rz. 135 ff.; auch Rz. 210).8 Umgekehrt ist nicht zu bestreiten, dass jeder Vermögensschaden eine Verletzung der Dispositionsfreiheit des Vermögensinhabers in Bezug auf den geschädigten Vermögensbestandteil beinhaltet.9 Schutz des Vermögens als „geronnener Freiheit“ durch den Betrug bezieht deshalb auch einen vom Vermögensschaden abhängigen und partiellen Dispositionsschutz mit ein,10 ohne dass damit – und das ist entscheidend – zwingende Festlegungen hinsichtlich des (streitigen) Umfangs dieses unselbständigen Dispositionsschutzes verbunden wären (dazu Rz. 155 f., 171 ff., 178 ff.).11 Strafbarer Betrug erfordert ebenfalls keine Verletzung eines Rechts auf Wahrheit des Opfers,12 weil ein solches Recht vom Gesetzeswortlaut nicht nahegelegt wird und zudem den Charakter des Betrugs als Vermögensdelikt verunklart.13 (Wirtschaftliche) Allgemeininteressen wie die staatliche Planungshoheit im Bereich der von § 264 nicht erfassten Subventionen

1 BGH v. 18.1.1955 – 2 StR 284/54, BGHSt 7, 197, 198; BGH v. 14.8.2009 – 3 StR 522/08, wistra 2011, 335, 338 Rz. 33; Lackner in LK-StGB, § 263 Rz. 4; Lackner/Kühl, StGB, § 263 Rz. 2; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 8; Saliger in M/RStGB, § 263 Rz. 1; Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 1/2; Hefendehl in MüKo-StGB § 263 Rz. 1 ff.; Hoyer in SK-StGB § 263 Rz. 7; vgl. ferner BGH v. 18.7.1961 – 1 StR 606/60, BGHSt 16, 220, 221; BGH v. 16.8.1961 – 4 StR 166/61, 321, 325; Fischer, StGB, § 263 Rz. 3; Wessels/Hillenkamp, BT/2 Rz. 485; Maurach/Schroeder/Maiwald, BT/1 § 41 Rz. 19. 2 BGH v. 18.7.1961 – 1 StR 606/60, BGHSt 16, 220, 221; BGH v. 21.11.1961 – 1 StR 424/61, 16, 367, 372; BGH v. 1.9.1994 – 1 StR 468/94, StV 1995, 254; BayObLG v. 29.1.2003 – 5 St RR 8/2003, NStZ 2004, 503. Zur Unzulässigkeit eines reinen (allgemeinen) Lügendelikts Saliger in Depenheuer, S. 102 ff.; vgl. auch Ackermann, FS Roxin, 2011, 955. 3 BGH v. 24.2.1983 – 1 StR 550/82, NJW 1983, 1917; BGH v. 14.8.2009 – 3 StR 522/08, wistra 2011, 335, 338 Rz. 33; BGH v. 8.10.2014 – 1 StR 359/13, NStZ 2015, 89, 91 Rz. 32; Lackner/Kühl, StGB, Rz. 2; Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 1/2; Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 4 ff.; Hoyer in SK-StGB, § 263 Rz. 7; Lackner in LK-StGB, § 263 Rz. 4. A.A. – selbständig mitgeschützt – Wittig, Verhalten, S. 190 ff., 194 f.; Gutmann, MDR 1963, 3; früher auch Kindhäuser, ZStW 103 (1991), 399, aufgegeben in Kindhäuser, FS Bemmann, 1997, 354 Fn. 40. 4 BGH v. 18.7.1961 – 1 StR 606/60, BGHSt 16, 220, 221; BGH v. 1.9.1994 – 1 StR 468/94, StV 1995, 254; OLG Köln v. 2.12.2008 – 83 Ss 90/08, NStZ-RR 2009, 176; Lackner/Kühl, StGB, Rz. 2; Lackner in LK-StGB, § 263 Rz. 4; Maurach/ Schroeder/Maiwald, BT/1 § 41 Rz. 19. Vgl. auch BVerfG v. 23.6.2010 – 2 BvR 2559/08, NJW 2010, 3209, 3212 Rz. 86 zur nur ergänzenden Bedeutung der Redlichkeit des Rechts- und Wirtschaftsverkehrs bei der Untreue. A.A. Borst, JW 1935, 1222: Wahrheit; Kohlrausch, FS Schlegelberger, 1936, 222: fremdes Vertrauen; Mezger, StrafR II, 7. Aufl. 1960, 167; Kempermann, ZStW 57 (1938), 145 f.: Treu und Glauben im Geschäftsverkehr. 5 Heinrich in A/W/H/H, BT § 11 Rz. 1. 6 Vgl. Cramer, S. 85; Tiedemann in LK-StGB, Vor §§ 263 ff. Rz. 28 ff.; Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 14. 7 Vgl. Cramer, 1968, S. 85 f. 8 BGH v. 18.7.1961 – 1 StR 606/60, BGHSt 16, 220, 223 f.; BGH v. 9.3.1976 – 1 StR 610/75, GA 1978, 332, 333; Saliger in M/R-StGB, § 263 Rz. 1; Gaede in AnwK-StGB, § 263 Rz. 2; vgl. auch Hecker, JuS 2002, 227. 9 Vgl. Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 15; ferner Tiedemann in LK-StGB, Vor §§ 263 ff. Rz. 28. 10 Hefendehl In MüKo-StGB, § 263 Rz. 4 f.; Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 13 ff., 15. 11 So bereits Saliger in M/R-StGB, § 263 Rz. 1. 12 So Kindhäuser, ZStW 103 (1991), 398 ff.; Kindhäuser, FS Bemmann, 1997, 354 f.; Pawlik, Verhalten, S. 65 ff., 73 ff., 89 ff.; zuvor bereits Jakobs, FS Peters, 1974, S. 69 ff. und Jakobs, FS Jescheck, 1985, S. 633 Fn. 29 sowie Timpe, Nötigung, 1989, S. 136 ff. zu § 240; ferner Pastor Munoz, GA 2005, 133 ff.; Frisch, FS Herzberg, 2008, S. 760; Kargl, FS Lüderssen, 2002, S. 633. 13 Vgl. Tiedemann in LK-StGB, Vor §§ 263 ff. Rz. 21 ff., 25; Hoyer in SK-StGB, § 263 Rz. 2 ff.; Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 1/2, 5a; Lackner/Kühl, StGB, § 263 Rz. 2; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 8; Binding, BT/1, 2. Aufl. 1902, § 84 I; Berner, Strafrecht, 9. Aufl. 1877, S. 550 f.; Saliger in M/R-StGB, § 263 Rz. 1 und Saliger in Depenheuer, S. 98 ff.

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Rz. 4 § 263 StGB

oder die Funktionsfähigkeit der Kreditwirtschaft im Bereich des von § 265b nicht erfassten Kreditbetruges1 bezeichnen bei § 263 faktische Schutzreflexe ohne Rechtsgutsqualität.2 Soweit der Betrug das Vermögen in seiner Gesamtheit schützt, greift er unabhängig davon ein, ob privates, öffentliches, inländisches oder ausländisches Vermögen betroffen ist.3 Nicht erfasst sind dagegen Zahlungsverpflichtungen, die wie Steuerpflichten durch einseitigen Hoheitsakt des ausländischen Staates auferlegt werden.4 Der Betrug setzt den Eintritt eines Vermögensschadens als Erfolg voraus und ist damit – verfassungsrechtlich ab- 2 gesichert (vgl. Rz. 149 ff.) – Erfolgsdelikt in Gestalt eines Verletzungsdelikts. Das gilt auch, soweit man mit der h.M. die konkrete schadensgleiche oder – besser – schadensbegründende Vermögensgefahr (Rz. 187 ff.) als Vermögensschaden anerkennt.5 Da der Betrug das Vermögen nur gegen die Angriffsmodalität der Täuschung schützt, ist er zugleich verhaltensgebundenes Erfolgsverletzungsdelikt.6 Kennzeichnend für den Betrug ist, dass das Opfer täuschungsbedingt über sein Vermögen verfügt (ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal; Rz. 107 ff.) und sich dadurch selbst schädigt (Betrug als Stück Selbstbetrug). Soweit für den Betrug damit das Bild der Weggabe des Vermögenswertes aus der Opfersphäre charakteristisch ist, erweist er sich wie die Erpressung als Selbstschädigungsdelikt und unterscheidet sich von Diebstahl und Raub als Fremdschädigungsdelikten.7 Weiteres Strukturmerkmal des Betruges ist, dass der Täter sich Gewinn verschaffen will.8 Der Betrug verlangt deshalb die Absicht, sich oder einem anderen einen rechtswidrigen Vermögensvorteil auf Kosten des Opfers zu verschaffen, wobei Vorteil und Nachteil „stoffgleich“ sein müssen (Rz. 245 ff.). Insofern ist der Betrug ein Vermögensverschiebungsdelikt.9 Da die Bereicherung aber nicht objektiv eingetreten sein muss, sondern subjektiv die entsprechende Absicht als überschießende Innentendenz genügt, markiert § 263 ein kupiertes Erfolgsdelikt.10 Soweit nur Menschen getäuscht werden können, offenbart sich der Betrug schließlich als Kommunikations- und Beziehungsdelikt.11 Verletzter des Betruges ist allein der Vermögensinhaber, nicht der Getäuschte und Verfügende.12

II. Genese und Funktionen Die Ausgestaltung des Betrugstatbestands als (reines) Vermögensdelikt verdankt sich der materiellen Denkweise 3 des wirtschaftlichen Liberalismus und ist Produkt vor allem der Rechtsentwicklung des 19. Jahrhunderts.13 Der geltende § 263 Abs. 1, der § 241 prStGB von 1851 weitgehend entspricht, ist seit seiner Einführung im RStGB14 in seiner tatbestandlichen Struktur unverändert geblieben. Ein 1933 eingeführter Absatz 4 für besonders schwere Fälle15 wurde 1953 durch das 3. StrÄndG aufgehoben.16 Das EGStGB erklärte 1974 in Absatz 4 die §§ 243 Abs. 2 sowie 247, 248a für entsprechend anwendbar, ermöglichte die Anordnung der Führungsaufsicht in Absatz 6 (damals Absatz 5) und verlieh dem Tatbestand die Überschrift „Betrug“.17 Die Regelbeispiele in Absatz 3, die Qualifikation in Absatz 5 sowie der erweiterte Verfall nach Absatz 7 gehen zurück auf das 6. StrRG 1998.18 Die ebenfalls durch das 6. StrRG in Absatz 7 eingeführte Vermögensstrafe ist 2002 durch das BVerfG für verfassungswidrig und damit nichtig erklärt worden.19 Art. 1 Nr. 7 des Gesetzes zur Bekämpfung der Korruption vom 20.11.2015 hat in Abs. 3 S. 2 Nr. 4 (dazu Rz. 287) den Europäischen Amtsträger (näher § 11 StGB Rz. 46 ff.) hinzugefügt.20 Die Funktion der Vorschrift besteht in allgemeinster Weise darin, erlaubte von verbotener Geschicklichkeit 4 (List) bei der Erlangung materieller Vorteile abzugrenzen.21 Spezifizierungen dieser Funktion ergeben sich, 1 Vgl. jew. zum dortigen doppelten Rechtsgutsbezug Saliger in S/S/W-StGB, § 264 Rz. 1 und § 265b Rz. 1. 2 Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 6; Lackner in LK-StGB, § 263 Rz. 4; Fischer, StGB, § 263 Rz. 3. 3 Vgl. BayObLG v. 20.12.1979 – RReg. 5 St 237/79, NJW 1980, 1057; auch BGH v. 30.6.1982 – 1 StR 757/81, BGHSt 31, 93, 95; ferner Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 1/2; Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 10; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 8; Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 7; Tiedemann in LK-StGB, Vor §§ 263 ff. Rz. 42. Krit. zur Erfassung des Vermögens der EG durch § 263 Weigend, ZStW 105 (1993), 780. 4 BayObLG v. 20.12.1979 – RReg. 5 St 237/79, NJW 1980, 1057; Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 10; Perron in S/SStGB, § 263 Rz. 1/2. 5 Saliger in M/R-StGB, § 263 Rz. 2; vgl. auch Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 8; Gaede in AnwK-StGB, § 263 Rz. 7. 6 Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 3; Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 8. 7 Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 9; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 9; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 5; Lackner/Kühl, StGB, § 263 Rz. 2; Wittig § 14 Rz. 5; vgl. auch bereits Binding, BT/1, § 85 S. 344. 8 Vgl. Berner, Strafrecht S. 554. 9 Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 3; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 10. 10 Lackner/Kühl, StGB, § 263 Rz. 2; Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 11; Frank, StGB, 18. Aufl. 1931, § 263 I. 11 Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 4; Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 25; Lux, Täuschung, 2013, S. 15 ff. 12 Perron in S/S-StGB, Rz. 4; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 6; Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 41. 13 Zur Genese eingehend Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 1 ff.; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Vor §§ 263 ff. Rz. 12 ff.; Maurach/Schroeder/Maiwald, BT/1 § 41 Rz. 1 ff.; Schütz, Die Entwicklung des Betrugsbegriffs, 1988, S. 193 ff. 14 Gesetz v. 15.5.1871, RGBl. S. 176; zu § 241 prStGB 1851 Perron in S/S-StGB, Vorbem. §§ 263 ff. Rz. 2. 15 Gesetz v. 26.5.1933, RGBl. I S. 297. 16 BGBl. I 1953, S. 743. 17 Vgl. BGBl. I 1974, S. 492 f.; dazu BT-Drucks. 7/550, S. 25, 253 f. 18 BGBl. I 1998, S. 178 f.; dazu BT-Drucks. 13/8587, S. 10, 42 f. und Mitsch, ZStW 111 (1999), 111 ff. 19 BVerfG v. 10.3.2002 – 2 BvR 794/95, BVerfGE 105, 135; BGBl. I 2002, S. 1340. 20 BGBl. I 2015, S. 2025, 2026; dazu BT-Drucks. 18/4350, S. 20. 21 Zum Folgenden bereits Saliger in M/R-StGB, § 263 Rz. 4; Fischer, StGB, § 263 Rz. 2.

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Strafgesetzbuch

wenn man zwischen gegenseitigen und einseitigen Leistungen unterscheidet. Bei gegenseitigen Leistungen hat der Betrug die Funktion, den Bürger als Marktteilnehmer vor Übervorteilungen im Geschäftsverkehr zu schützen. Insoweit geht es um die Abgrenzung zwischen noch tolerabler Geschäftstüchtigkeit und kriminellen, weil die Interessen des Opfers unverhältnismäßig beeinträchtigenden Geschäftspraktiken.1 Vor allem wegen dieser Funktion ist der Betrug zentrales Delikt des Wirtschaftsstrafrechts.2 Auch § 74c Abs. 1 Nr. 6 GVG betrachtet den Betrug unter kriminalistisch-prozessualen Gesichtspunkten jedenfalls dann als Wirtschaftsstraftat, wenn zur Beurteilung des Falles besondere Kenntnisse des Wirtschaftslebens erforderlich sind.3 Bei einseitigen Leistungen ist Funktion des Betruges dagegen, den Leistungsgeber vor Täuschungen über die Vergabevoraussetzungen und damit eine Zweckverfehlung (Rz. 178 ff.) zu schützen (Beispiele: Subventions-, Sozialleistungs-, Spenden-, Parteienbetrug; zum streitigen Erfordernis eines funktionalen Zusammenhangs Rz. 122). Mit beiden Funktionen markiert § 263 als allgemeiner Betrugstatbestand die Kernvorschrift des Betrugsstrafrechts.4 Daran haben auch die durch das 1. und 2. WiKG5 sowie das 6. StrRG6 in das StGB eingeführten Sondertatbestände des Subventionsbetrugs (§ 264), Kreditbetrugs (§ 265b), Computerbetrugs (§ 263a), Kapitalanlagebetrugs (§ 264a) oder Versicherungsmissbrauchs (§ 265) nichts geändert.7 Die tendenzielle normative Offenheit insbesondere der Tatbestandsmerkmale Täuschung, Irrtum und Vermögensschaden macht den Betrug zwar seit jeher zum Einfallstor für wechselnde wirtschafts- und gesellschaftspolitische Zielsetzungen.8 Sie findet ihre verfassungsrechtliche Grenze jedoch in den Anforderungen aus dem Bestimmtheitsgrundsatz gem. Art. 103 Abs. 2 GG, § 1 (Rz. 28, 36, 51, 148, 149 ff., 153, 156). Die Umsetzung dieser verfassungsrechtlichen Anforderungen, die sich im Zuge der Globalisierung immer rascher wandelnde Gesellschaft, neue technische Entwicklungen (z.B. Rz. 24, 55, 61),9 eine wie bei der Untreue10 zunehmende Ausdifferenzierung von heterogenen Betrugsfallgruppen (s. nur Rz. 210 ff., 232) sowie eigenständige und abweichende europarechtliche Vorgaben (Rz. 5 f., 8) stellen den allgemeinen Betrugstatbestand vor neue Herausforderungen.

III. Einfluss des Europarechts 5

Als wirkungsmächtig mit dem Potenzial, das Schutzniveau des deutschen Betrugsstrafrechts insgesamt zu verändern, muss mittlerweile der Einfluss des Europarechts auf § 263 eingeschätzt werden.11 Auf der Ebene des Primärrechts geht es vor allem um den Schutz der Finanzinteressen der EU. Bislang konkretisierte Art. 280 Abs. 2 EG-Vertrag (mit Inkrafttreten des Lissabon-Vertrages Art. 325 Abs. 2 AEUV) auf der Basis der Assimilierungsverpflichtung aus Art. 10 EG-Vertrag die Gemeinschaftstreue der Mitgliedsstaaten dahin, dass zur Bekämpfung von Betrügereien, die sich gegen die finanziellen Interessen der Gemeinschaft richten, die Mitgliedsstaaten die gleichen Maßnahmen ergreifen, die sie auch zur Bekämpfung von Betrügereien ergreifen, die sich gegen ihre eigenen finanziellen Interessen richten. Kriminalisiert § 263 also Angriffe auf das Vermögen der Bundesrepublik Deutschland, so muss sich bei vergleichbaren Angriffen auf das EU-Vermögen eine entsprechende Betrugsstrafbarkeit ergeben.12 Zur weiteren Harmonisierung verbleibender Schutzunterschiede in den Mitgliedsstaaten hat die EU zusätzliche Maßnahmen ergriffen wie das PIF-Übereinkommen vom 26.7.1995 zum Schutz der finanziellen Interessen der EU, das am 17.10.2002 in Kraft getreten ist und dessen Inhalt zuvor bereits in Deutschland durch das Finanzschutzgesetz vom 10.9.1998 mit Auswirkungen nur für § 26413 umgesetzt wurde.14 Nach dem Inkrafttreten des Lissabon-Vertrages eröffnet Art. 325 AEUV Raum für eine weitergehende Strafrechtsangleichung im Betrugsbereich, ja sogar für ein supranationales Betrugsstrafrecht nebst Sondertatbeständen. Denn über die Ausdehnung der von Betrügereien betroffenen Stellen der Union in Art. 325 Abs. 1 AEUV hinaus enthält vor allem

1 Vgl. Tiedemann in LK-StGB, § 263 Vor §§ 263 ff. Rz. 35. 2 Vgl. Janssen in HWSt, 3. Aufl. 2011, Kap. V Abschn. 1 Rz. 4; Tiedeman, BT S. 65 ff., 127 f., 130 ff., 135 ff., 183 ff., 218 f.; Geerds, 1990, S. 75 ff. 3 Zur uneinheitlichen Einordnung des Betruges als Wirtschaftsstraftat, insbesondere zum Begriff des „Wirtschaftsbetruges“ Tiedemann in LK-StGB, Vor §§ 263 Rz. 5 ff. 4 Zum Begriff des Betrugsstrafrechts Tiedemann, BGH-FG, Bd. IV, 2000, 551 f. 5 BGBl. I 1976, S. 2034 ff. und BGBl. I 1986, S. 721 ff. 6 BGBl. I 1998, S. 164 ff. 7 Zum Verhältnis zwischen § 263 und den Sondertatbeständen des Betrugs Tiedemann in LK-StGB, § 263 Vor §§ 263 ff. Rz. 43 ff. 8 Vgl. Fischer, StGB, § 263 Rz. 4. 9 Tiedemann in LK-StGB, Vor §§ 263 ff. Rz. 43. 10 Vgl. Saliger in S/S/W-StGB, § 266 Rz. 4. 11 Vgl. Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 4 ff.; Satzger, § 7 Rz. 4, § 9 Rz. 1; Hecker, Europäisches Strafrecht, 4. Aufl. 2012, § 14; Hecker, Strafbare Produktwerbung im Lichte des Gemeinschaftsrechts, 2001, S. 337 ff.; Tiedemann, AT Rz. 82 ff.; Dannecker, ZStW 108 (1996), 577; Dannecker, ZStW 117 (2005), 697, 704 ff.; Zieschang, EuZW 1997, 78; Soyka, wistra 2007, 127; Fromm, ZIS 2007, 26. 12 Hecker, Europäisches Strafrecht, § 14 Rz. 16 ff., 20; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 4. 13 BGBl. II, S. 2322; vgl. dazu Saliger in S/S/W-StGB, § 264 Rz. 1. 14 Vgl. dazu Tiedemann, AT Rz. 85 und Anh. I. 1., wo das Abkommen abgedruckt ist; Hecker, Europäisches Strafrecht, § 14 Rz. 24 ff.; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 5; Gaede in AnwK-StGB, § 263 Rz. 6; Dannecker, ZStW 108 (1996), 577, 596 ff.; Zieschang, EuZW 1997, 78 ff.

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Saliger

Rz. 6 § 263 StGB

Art. 325 Abs. 4 AEUV für die „erforderlichen Maßnahmen“ des Europäischen Parlaments (neu) und des Rates keine Unberührtheitsklausel i.S.v. Art. 280 Abs. 4 S. 2 EG-Vertrag mehr, wonach die Anwendung des Strafrechts der Mitgliedsstaaten und ihre Strafrechtspflege von den Maßnahmen unberührt blieben.1 Zu noch weitergehenden Harmonisierungsprojekten s. das Grünbuch der Kommission zum strafrechtlichen Schutz der finanziellen Interessen der EG (KOM [2001], 715 endg.) nebst Vorschlag der Kommission für eine entsprechende Richtlinie (KOM [2001], 272 endg., ABl. 2001/C 240 E/19); ferner die von Wissenschaftlergruppen vorgelegten Entwürfe (1997 und 1999) eines Corpus Juris der strafrechtlichen Regelungen zum Schutz der finanziellen Interessen der EU (vgl. Delmas-Marty/Vervaele [Hrsg.], La mise en oeuvre du Corpus Juris usw, 2000 – Fassung Florenz) sowie von sog. Europadelikten (Tiedemann, Freiburg-Symposium).2 Zu prozessualen Instrumenten einer Betrugsbekämpfung auf europäischer Ebene (OLAF) Satzger, Internationales und Europäisches Strafrecht, § 9 Rz. 17 ff. Auf der Ebene des Sekundärrechts deutet sich im Wege der gemeinschaftsrechtskonformen Auslegung ein weite- 6 rer Einfluss des Europarechts auf § 263 an. Ausschlaggebend dafür ist das abweichende europarechtliche Verbraucherleitbild, das sich am informierten, aufmerksamen und verständigen Verbraucher orientiert3 und damit weniger opferfreundlich ist als das deutsche Betrugsstrafrecht (Rz. 90 ff. und Rz. 106). Praxisrelevant wird dieses Verbraucherleitbild vor allem über die zahlreichen RL des Gemeinschaftsrechts, die von ihm ausgehen, wie z.B. die RL 2005/29/EG vom 11.5.2005 über unlautere Geschäftspraktiken (= UGP-RL, in Geltung mit Ablauf der Umsetzungsfrist seit 12.12.2007).4 Aufgrund des Anwendungsvorrangs des Gemeinschaftsrechts5 und der vollharmonisierenden Wirkung der UGP-RL darf der Schutzstandard in den Mitgliedsstaaten weder über- noch unterschritten werden. Deshalb dürfen Geschäftspraktiken, die nicht unlauter i.S.d. RL sind, nicht durch nationales Betrugsstrafrecht kriminalisiert werden (näher Rz. 106).6 Wie mit dieser Zersplitterung des Täuschungsschutzniveaus umzugehen ist, ist stark umstritten. Die Vorschläge reichen von konservativen Reaktionen, die einer Implementation des abweichenden europarechtlichen Verbraucherleitbildes in § 263 im Rahmen des rechtlich Zulässigen entgegentreten wollen,7 über sektorale, gemeinschaftsfreundliche Lösungen einer betrugsstrafrechtlichen Sonderdogmatik mit Wettbewerbskomponente8 bis hin zu dem Plädoyer, den deutschen Täuschungsschutzstandard dem „liberalen“ europäischen anzupassen.9 Der 2. Strafsenat des BGH hat in einer Grundsatzentscheidung zur Problematik der „Abo-Fallen“ im Internet eine Einschränkung des deutschen Betrugsstrafrechts im Wege der richtlinienkonformen Auslegung auf Täuschungshandlungen, die eine informierte, aufmerksame und verständige Person zu täuschen geeignet sind, abgelehnt.10 Zum einen finde die grundsätzlich bestehende Pflicht zur richtlinienkonformen Auslegung von nationalen Strafvorschriften ihre Grenzen in den Anwendungsvoraussetzungen der Eindeutigkeit des Inhalts der RL und der Einschlägigkeit ihres Zwecks für die jew. nationale Strafnorm. Denn der normative Gehalt einer nationalen Strafnorm dürfe durch eine richtlinienkonforme Auslegung nicht grundlegend neu bestimmt werden. Insoweit bestimmt der BGH den Zweck der UGP-RL dahin, dass sie keine Straffreistellung von Geschäftspraktiken intendiere, welche die Rechtsgüter der Verbraucher verletzten, und daher auch keine Einschränkung des strafrechtlichen Vermögensschutzes erfordere.11 Nichts anderes ergebe sich zum anderen aus der Anwendung der UGP-RL auf die konkrete Fallgestaltung. Auch nach dem der Rspr. des EuGH entnommenen Leitbild des Durchschnittsverbrauchers sei vorliegend die Sicht eines situationsadäquat aufmerksamen Verbrauchers maßgeblich, dessen Aufmerksamkeitsgrad beim Erwerb geringwertiger Gegenstände des täglichen Bedarfs eher gering und daher flüchtig sein dürfe. Insbesondere im Hinblick auf Nr. 21 des Anhangs der UGP-RL liege deshalb aus der maßgeblichen Sicht eines leichtgläubigen Verbrauchers hier eine irreführende Geschäftspraktik vor.12 Die Entscheidung ist in der Begründung vielfach kritisiert worden, hat aber im

1 Vgl. Tiedemann AT Rz. 85a; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 5; Satzger, § 8 Rz. 24 f. 2 Vgl. zum Ganzen Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 6; Satzger, § 8 Rz. 32 ff.; Hecker, Europäisches Strafrecht, § 14 Rz. 28 ff.; Rasner, Erforderlichkeit, 2005. Zur früheren Unberührtheitsklausel auch Fromm, ZIS 2007, 28 ff. 3 EuGH v. 6.7.1995 – Rs. C-470/93, GRURInt 1995, 804, 805 – Mars; EuGH v. 13.1.2000 – Rs. C-220/98, EuZW 2000, 286,– Lancaster; Dannecker, WiVerw 1996, 206. 4 RL UGP, GRURInt 2005, 571, Erwägungsgrund 18; dazu Soyka, wistra 2007, 129 f. m. Fn. 21, wo weitere RL aufgeführt sind. Eingehend Hecker, Strafbare Produktwerbung usw, insbesondere S. 337 ff. und Hecker, Europäisches Strafrecht, § 9 Rz. 21 ff. 5 EuGH v. 15.7.1964 – Rs. 6/64, NJW 1964, 2371 – Costa/Enel; BVerfG v. 22.10.1986 – 2 BvR 197/83, NJW 1987, 577, 579 – Solange II. 6 Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 112 ff.; Apostolopoulos, WRP 2005, 152, 156; Henning-Bodewig, GRURInt 2005, 629, 631; Soyka, wistra 2007, 129. 7 So Wessels/Hillenkamp, BT/2 Rz. 488. 8 Hecker, Strafbare Produktwerbung usw, S. 306 ff., 322 ff., 341; dazu krit. Soyka, wistra 2007, 131 f. 9 Soyka, wistra 2007, 130 ff., 132; in diese Richtung auch Dannecker, ZStW 117 (2005), 697, 712 ff.; Scheinfeld, wistra 2008, 172. 10 BGH v. 5.3.2014 – 2 StR 616/12, NJW 2014, 2595, 2596 ff., m. Anm. bzw. Bspr. Cornelius, StraFo 2014, 276 und NStZ 2015, 310; Hecker/H.F. Müller, ZWH 2014, 329; Heger, HRRS 2014, 467; Krack, ZIS 2014, 536; Majer/Buchmann, NJW 2014, 3342; Rönnau/Wegner, JZ 2014, 1064; ferner Hillenkamp, FS-Müller-Graff, 2015, S. 191; Erb, ebenda, S. 199. Bestätigt in BGH v. 28.5.2014 – 2 StR 437/13, wistra 2014, 439, 441 Rz. 24. Zum Ganzen Heim, Vereinbarkeit, 2013. 11 BGH v. 5.3.2014 – 2 StR 616/12, NJW 2014, 2595, 2596 f. Rz. 23 ff. 12 BGH v. 5.3.2014 – 2 StR 616/12, NJW 2014, 2595, 2598, Rz. 31 ff.

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StGB

Betrug

StGB

§ 263 StGB Rz. 7

Strafgesetzbuch

Ergebnis mit Recht überwiegend Zustimmung erfahren.1 Denn nicht nur hinsichtlich der Vorschriften zur Preisangabenverordnung, wo ein Gleichlauf von nationalen und zugrundeliegenden europarechtlichen Vorgaben bestand, war die Geschäftspraxis in der Tat irreführend.2 Ob diese Harmonisierung von nationalem Betrugsstrafrecht und europarechtlichem Verbraucherleitbild durch den BGH auch in anderen Fällen trägt, in denen die Wettbewerbswidrigkeit der Geschäftspraxis nicht so klar auf der Hand liegt,3 bleibt abzuwarten.

IV. Kriminologie und Reform 7

Die Betrugsvorschrift ist kriminalpolitisch von großer Bedeutung.4 Die PKS 2015 weist 966 326 registrierte Betrugsfälle aus (gegenüber 968 866 in 2014 und etwa 887 906. in 2008) bei einer Aufklärungsquote von 76,4 % (2014: 76,8 %). Darunter sind am häufigsten laut PKS 2015 der Waren- und Warenkreditbetrug mit 306 246 (2014: 292 031) und die Erschleichung von Leistungen, also insbesondere das „Schwarzfahren“, mit 279 144 Fällen (2014: 274 322).5 An den Straftaten insgesamt hat der Betrug damit einen Anteil von 15,3 %, was ihm den zweiten Platz hinter den Diebstahlsdelikten und vor der Sachbeschädigung – die Straßenverkehrsdelikte sind in der PKS allerdings nicht eingerechnet – zuweist.6 Abgeurteilt wurden 2014 nach § 263 110 669 Personen.7 Trotz der relativ hohen Aufklärungsquote wird allgemein ein großes Dunkelfeld vermutet.8 Unter den Tatverdächtigen sind Jugendliche und Heranwachsende unterrepräsentiert, ausgenommen beim Erschleichen von Leistungen sowie beim Betrug mittels rechtswidrig erlangter unbarer Zahlungsmittel wie Debitkarten mit und ohne PIN und Kreditkarten.9 Der Anteil weiblicher Tatverdächtiger ist vergleichsweise hoch (PKS 2015: 31,3 %).10 Der durch Betrugsdelikte verursachte Gesamtschaden beläuft sich laut PKS 2015 auf 1952,5 Mio. Euro (2014: 2112,4 Mio. Euro).11

8

Aktuelle Gesetzesinitiativen zur Reform des Kerntatbestands des Betrugs sind derzeit nicht bekannt.12 Ob das wenig opferfreundliche europarechtliche Verbraucherleitbild (Rz. 6 und Rz. 22) auf Dauer den Gesetzgeber zu einer Reform des Kerntatbestands veranlassen wird, bleibt abzuwarten. Unabhängig davon wird in der Strafrechtswissenschaft teilweise für Fälle, in denen potentielle Betrugsopfer unkontrolliert Waren anbieten und aus ökonomischen Motiven auf Selbstschutz verzichten, ein obligatorischer Privatklageweg gefordert.13 Um einen Missbrauch der Staatsanwaltschaften als Schuldeneintreiber zu verhindern,14 wird darüber hinaus vorgeschlagen, den rechtskräftigen Abschluss des Zivilrechtsweges zur Voraussetzung einer strafrechtlichen Verfolgung zu erklären.15 Die Praxis scheint die große Anzahl von Betrugsfällen (Rz. 7) im Bagatellbereich durch die Anwendung der §§ 153, 153a StPO und im Bereich schwerer Betrugskriminalität durch Absprachen zu bewältigen.16 Zur Rechtsvergleichung beim Betrug s. Tiedemann in LK-StGB, Vor §§ 263 ff. Rz. 51 ff. m.w.N.; Walter, Betrugsstrafrecht in Frankreich und Deutschland.

V. Strukturen und objektive Zurechnung 9

Als Selbstschädigungs- und Vermögensverschiebungsdelikt (Rz. 2) enthält der Betrug im objektiven Tatbestand nach ganz h.M. fünf Tatbestandsmerkmale: Täuschung (Rz. 11 ff.), Irrtum (Rz. 85 ff.), Vermögensverfügung als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal (Rz. 107 ff.) und Vermögensschaden (Rz. 148 ff.).17 Zwischen den objekti-

1 Vgl. i.E. etwa zust. Cornelius, NStZ 2015, 310 f., 316; Krack, ZIS 2014, 540; Majer/Buchmann, NJW 2014, 3343; Heger, HRRS 2014, 467; Wessels/Hillenkamp, BT/2 Rz. 488, 499. Die Kritikpunkte betreffen u.a. die zu restriktive Haltung zur richtlinienkonformen Auslegung, die Differenzierung im Verbraucherleitbild, die Nichtbehandlung spezieller europarechtlicher Vorschriften und die Nichtvorlage beim EuGH. 2 Vgl. BGH v. 5.3.2014 – 2 StR 616/12, NJW 2014, 2595, 2596; Krack, ZIS 2014, 542 f.; auch Cornelius, NStZ 2015, 315 f. 3 Vgl. Majer/Buchmann, NJW 2014, 3344. 4 Fischer, StGB, § 263 Rz. 4; Tiedemann in LK-StGB, Vor §§ 263 ff. Rz. 8; Eisenberg, Kriminologie § 45 Rz. 117. 5 PKS 2015, 1.1 T 01 Teil 1, S. 4; auch PKS 2009, T 166, S. 186. Krit. zur Einordnung des § 265a unter die Betrugsdelikte Eisenberg, Kriminologie § 45 Rz. 117. 6 Vgl. PKS 2015, 2.1 T G 01, S. 15. 7 Vgl. Statistisches Bundesamt, Fachserie 10 Reihe 3, Rechtspflege Strafverfolgung 2014, 2016, S. 36. 8 Eisenberg, Kriminologie, § 45 Rz. 117; Tiedemann in LK-StGB, Vor §§ 263 ff. Rz. 8; Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 43. 9 Vgl. PKS 2015, 7.9 T 04, S. 276. 10 Vgl. PKS 2015, S. 275; ferner Eisenberg, Kriminologie § 45 Rz. 120; Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 44. 11 PKS 2015, 4-T01, S. 42 und 281; PKS 2014, 4-T01, S. 36. 12 Zu älteren Reformvorschlägen Tiedemann in LK-StGB, Vor §§ 263 ff. Rz. 105 ff. 13 Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 47. 14 Vgl. Fischer, StGB, 56. Aufl., § 263 Rz. 4 unter Hinweis auf RiStBV Nr. 237 zu Abzahlungsgeschäften. 15 Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 47 unter Bezug auf Albrecht, Kriminologie, 3. Aufl. 2005, S. 301 f. 16 Vgl. Fischer, StGB, § 263 Rz. 4. 17 Lackner/Kühl, StGB, § 263 Rz. 1; Fischer, StGB, § 263 Rz. 5; Saliger in M/R-StGB, § 263 Rz. 9; Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 5; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 2; Hoyer in SK-StGB, § 263 Rz. 8; Maurach/Schroeder/Maiwald, BT/1 § 41 Rz. 23. Krit. z.B. Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 9 ff.

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Rz. 11 § 263 StGB

ven Tatbestandsmerkmalen ist zudem ein durchgehender Kausalzusammenhang erforderlich (Rz. 102 ff. und Rz. 121 f.),1 so dass vollendeter Betrug ausscheidet, wenn einzelnen Zwischengliedern die Kausalität fehlt (zum streitigen funktionalen Zusammenhang zwischen Irrtum und Vermögensverfügung Rz. 122). Nach einhelliger Auffassung müssen Irrender und Verfügender beim Betrug personengleich sein, während zwischen Verfügendem und Geschädigtem keine Personenidentität vorausgesetzt ist. Aus diesem Strukturmerkmal ergibt sich die Möglichkeit eines Dreiecksbetrugs (Rz. 116 ff.).2 Im subjektiven Tatbestand verlangt der Betrug Vorsatz (Rz. 234 ff.) sowie Selbst- bzw. Drittbereicherungsabsicht (Rz. 239 ff.). In jüngerer Zeit wird zur Interpretation objektiver Tatbestandsmerkmale des Betrugs verstärkt und mit Recht die 10 Kategorie der objektiven Zurechnung herangezogen.3 Eine solche Auslegung ist nicht nur konstruktiv möglich, weil sich die tatbestandlichen Zwischenglieder „Irrtum“ und „Vermögensverfügung“ als „Zwischenerfolge“ begreifen lassen, über welche die von der Täuschung ausgehende unerlaubte Risikoschaffung bis hin zum Vermögensschaden als „Enderfolg“ fortwirken muss.4 Sie ist auch in der Sache geboten.5 Zum einen kann die objektive Zurechnung an die Arbeiten der sog. Viktimodogmatik zur Mitverantwortung des Opfers beim Betrug (Rz. 92)6 sowie an allgemein-teleologische Einschränkungsversuche7 anknüpfen. Zum anderen ist sie mit Subprinzipien wie „Vertrauensgrundsatz“, „Eigenverantwortlichkeit“ und „erlaubtes Risiko“ in der Lage, die kasuistischen normativen Korrekturen der h.M. bei den einzelnen objektiven Tatbestandsmerkmalen auf einer systematisch übergeordneten Ebene zu reformulieren und damit einer Stimmigkeitskontrolle zuzuführen.8 Das bedeutet nicht, dass die objektive Zurechnung hier zur (entgrenzenden) Superkategorie würde (vgl. aber Rz. 27). Grund und Grenze der objektiven Zurechnung bleibt vielmehr ihr notwendiger Bezug auf die Tatbestandsmerkmale. I.E. wird die Abschichtung von Verantwortungsbereichen durch die objektive Zurechnung praxisrelevant vor allem für die Auslegung der Täuschungshandlung (Rz. 36 und Rz. 69), für die Bestimmung des Irrtums bei Zweifeln des Opfers (Rz. 93 f.) und der Wissenszurechnung (Rz. 99 ff.) sowie für den Dreiecksbetrug beim Verhältnis zwischen Verfügendem und Geschädigtem (Rz. 116 ff.).9

B. Tatbestand (Absatz 1) I. Tathandlung: Täuschung über Tatsachen 1. Allgemeines Der Gesetzeswortlaut verlangt als Tathandlung die Vorspiegelung falscher oder die Entstellung oder Unterdrü- 11 ckung wahrer Tatsachen. Dieser Gesetzeswortlaut gilt allgemein als logisch und dogmatisch missglückt. Zum einen gibt es sprachlogisch keine „falschen Tatsachen“, sondern nur falsche Tatsachenbehauptungen. Zum anderen überschneiden sich die gesetzlichen Umschreibungen insofern weitgehend, als sie mit der Suggestion einer nichtbestehenden Tatsache als bestehend jew. ein Moment der Vorspiegelung enthalten.10 Die h.M. geht deshalb mit Recht von dem Begriff der Täuschung als Oberbegriff aus.11 Diese Begrifflichkeit verstößt nicht gegen das Gesetzlichkeitsprinzip (Art. 103 Abs. 2 GG), weil sie nur das formuliert, was der Gesetzgeber ohnehin zum Ausdruck bringen wollte.12 Gegenstand der Täuschungshandlung sind allein Tatsachen. Mit dieser Ein-

1 Fischer, StGB, § 263 Rz. 5; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 2. 2 Statt aller Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 2 und Fischer, StGB, § 263 Rz. 79; krit. aber Schuhr, ZStW 123 (2011), 517, 547. 3 Pérez Manzano in Schünemann/Suárez González (Hrsg.), Bausteine, 1994, S. 213 ff.; Kindhäuser, FS Bemmann, 1997, 349, S. 351 ff.; Pawlik, Verhalten, 1999, S. 65 ff.; Rengier, FS Roxin, 2001, S. 811, 819 ff.; Suárez González in Schünemann (Hrsg.), Strafrechtssystem, 2002, S. 115 ff.; Scheinfeld, wistra 2008, 169; auch Schwarz, Mitverantwortung, 2013, S. 113 ff.: Solidaritätspflicht; Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 27; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 StGB Rz. 11; Gaede in AnwK-StGB, § 263 Rz. 3; Gaede, FS Roxin, 2011, 967, 987 f. A.A. Protzen, wistra 2003, 210; Wittig, Verhalten, 2005, S. 139 f., 322 ff. 4 Rengier, FS Roxin, 2001, S. 820. 5 Zum Folgenden Saliger in M/R-StGB, § 263 Rz. 10. 6 Ebenso Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 28. Zur Viktimodogmatik vgl. Amelung, GA 1977, 1, 6 ff.; R. Hassemer, Schutzbedürftigkeit, 1981; Schünemann in Schneider (Hrsg.), Das Verbrechensopfer, 1982, S. 407, 415 ff. und Schünemann, FS Faller, 1984, S. 357 ff.; Kurth, Mitverschulden, 1984; Ellmer, Opfermitverantwortung, 1986; Petropoulos, Berücksichtigung, 2005; Schwarz, Mitverantwortung, 2013. A.A. insbesondere Hillenkamp, Vorsatztat und Opferverhalten, 1981, S. 17 ff. 7 Z.B. Graul, FS Brandner, 1996, S. 801, 813; Wittig, Verhalten, 2005, S. 331 ff. 8 Vgl. Perron in S/S-StGB, Rz. 5a. Zur objektiven Zurechnung bei der Untreue Saliger in S/S/W-StGB, § 266 Rz. 79 ff. 9 Rengier, FS Roxin, 2001, S. 820 ff.; Kindhäuser, FS Bemmann, 1997, S. 351 ff. 10 Näher Lackner in LK-StGB, § 263 Rz. 9; Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 53; Hoyer in SK-StGB, § 263 Rz. 9. 11 Vgl. BGH v. 26.4.2001 – 4 StR 439/00, BGHSt 47, 1, 3; BGH v. 15.12.2006 – 5 StR 181/06, 51, 165, 169 ff.; BGH v. 19.7.2001 – 4 StR 457/00, wistra 2001, 386 f.; Lackner in LK-StGB Rz. 9; Fischer, StGB, § 263 Rz. 5, 14 ff.; Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 53; Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 57; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 28. Zu den Einwänden gegen die abweichende These vom Vorspiegeln als Oberbegriff (so etwa Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 7; Wessels/Hillenkamp, BT/2 Rz. 492) Saliger in M/R-StGB, § 263 Rz. 11. 12 Konzedierend Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 7.

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Betrug

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§ 263 StGB Rz. 12

Strafgesetzbuch

grenzung trägt der Gesetzgeber dem Umstand Rechnung, dass Tatsachen die alternativlose Entscheidungsgrundlage für rationales Handeln von Vermögenssubjekten im Wirtschafts- und Rechtsverkehr bilden und deshalb Angriffe auf diese Entscheidungsgrundlage wegen ihrer Gefährlichkeit besonders sanktionsbedürftig sind.1 2. Tatsachen a) Begriff 12

Tatsache ist nach h.M. etwas tatsächlich oder angeblich Geschehenes oder Bestehendes, sofern ihm als sinnlich Wahrnehmbares das Merkmal der objektiven Bestimmtheit und Gewissheit eignet und es daher dem Beweis zugänglich ist.2 Unerheblich ist, ob sich die Tatsachenbehauptung auf eine Einzeltatsache oder einen generellen Erfahrungssatz bezieht.3 Erfasst sind auch Negativtatsachen, also (i.d.R. konkludente) Behauptungen, die den Erklärungsinhalt haben, dass etwas nicht geschehen ist, wie die schlüssige Erklärung, dass ein Angebot ohne vorige Preisabsprache zwischen den Bietern zustande gekommen ist.4 Dieser Tatsachenbegriff entspricht im Wesentlichen demjenigen im Beleidigungsstrafrecht.5 Er hat vor allem Abgrenzungs- und Ausgrenzungsfunktion und ist enger als das Merkmal „unrichtige Angaben“ in § 264a und § 265b.6 Keine Tatsachenbehauptungen sind danach vor allem bloße Meinungsäußerungen und Werturteile, spezifische Rechtsausführungen, reine Prognosen und schiere Werbeaussagen.7 Allerdings wird die Ausgrenzungsfunktion des Tatsachenbegriffs durch drei Merkmale eingeschränkt.8 Erstens können nach h.M. bloße Meinungsäußerungen und Werturteile dann Tatobjekt des Betruges sein, wenn sie einen Tatsachenkern besitzen. Zweitens sollen auch solche Werturteile wie insbesondere Rechtsausführungen unter den Tatsachenbegriff fallen, wenn sie von Fachkompetenten mit dem Anspruch auf Maßgeblichkeit und Verbindlichkeit geäußert werden. Drittens wird vor allem der Rechtssatz, dass zukünftige Ereignisse betrugsuntauglich sind, durch die Anerkennung innerer Tatsachen relativiert, weil etwa die betrugsuntaugliche Prognose über die künftige Zahlungsfähigkeit im Fälligkeitszeitpunkt durch die betrugstaugliche, weil gegenwärtige entsprechende innere Überzeugung des Täters ersetzt werden kann.9 Diese drei Einschränkungen haben zur Folge, dass der Tatsachenbegriff der h.M. insgesamt deutlich weiter ist, als es die Definition vermuten lässt.10

13

Das gilt auch hinsichtlich der strittigen Frage, ob Unmögliches Gegenstand einer betrugstauglichen Tatsachenbehauptung sein kann. Die h.M. bejaht diese Frage und eröffnet damit die Bestrafung insbesondere des sog. Okkultbetruges durch die Vortäuschung übersinnlicher Fähigkeiten.11 Richtigerweise ist zwischen den Fällen des Okkult- bzw. Science-fiction-Betruges und den Fällen der Täuschung über grundsätzlich noch empirisch Zugängliches zu differenzieren.12 Beim Okkultbetrug lassen sich zunächst unstreitig jene Fälle als straflos ausscheiden, in denen die „Opfer“ entweder keine echten „Leistungen“ erwarten, sondern nur jahrmarktähnliche Unterhaltung kaufen wollen, also um die Illusion wissen,13 oder die „Täter“ von ihren übersinnlichen Kräften überzeugt sind, also an die Illusion glauben.14 Umgekehrt wird man einen strafbaren Okkultbetrug jedenfalls dann annehmen dürfen,

1 Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 8; Hilgendorf, Tatsachenaussagen, 1998, S. 111. 2 BGH v. 26.4.2001 – 4 StR 439/00, BGHSt 47, 1, 3; BGH v. 26.8.2003 – 5 StR 145/03, BGHSt 48, 331, 344; BGH v. 8.10.2014 – 1 StR 359/13, NStZ 2015, 89, 90; OLG Karlsruhe v. 6.6.2002 – 1 Ss 277/01, JZ 2004, 101, 102 m. Anm. Puppe; OLG Stuttgart v. 19.6.1979 – 3 Ss (8) 237/79, NJW 1979, 2573 m. Anm. Loos, NJW 1980, 847 und Frank, NJW 1980, 848; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 9; Fischer, StGB, § 263 Rz. 6; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 13; Saliger in M/R-StGB, § 263 Rz. 12; Lackner/Kühl, StGB, § 263 Rz. 4 ff.; Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 67. 3 Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 81; Graul, JZ 1995, 595, 598 ff.; Küper/Zopfs, BT, S. 296. 4 BGH v. 15.12.2006 – 5 StR 181/06, BGHSt 51, 165, 171; BGH v. 20.12.2012 – 4 StR 55/12, NJW 2013, 883, 884; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 13; Gaede in AnwK-StGB, § 263 Rz. 15. 5 Samson, JA 1978, 471; Wessels/Hillenkamp, BT/2, Rz. 495; Hilgendorf, Tatsachenaussagen, S. 231 ff., 237 f. 6 Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 8. Zu §§ 264a, 265b s. Bosch in S/S/W-StGB, § 264a Rz. 15 und Saliger in S/S/W-StGB, § 265b Rz. 13, 15. 7 Vgl. BGH v. 26.8.2003 – 5 StR 145/03, BGHSt 48, 331, 344 f.; BGH v. 1.4.1992 – 2 StR 614/91, wistra 1992, 255, 256; BGH v. 13.11.2007 – 3 StR 462/06, NStZ 2008, 96, 98; BGH v. 8.10.2014 – 1 StR 359/13, NStZ 2015, 89, 90; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 9; Fischer, StGB, § 263 Rz. 9 ff.; Lackner/Kühl, StGB, § 263 Rz. 5; Saliger in M/R-StGB, § 263 Rz. 12. 8 Dazu bereits Saliger in M/R-StGB, § 263 Rz. 12. 9 Deutlich BGH v. 3.6.1960 – 4 StR 121/60, BGHSt 15, 24, 26; OLG Braunschweig v. 28.5.1959 – Ss 64/59, NJW 1959, 2175; OLG Koblenz v. 13.11.1975 – 1 Ss 199/75, NJW 1976, 63. 10 Vgl. auch Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 8; Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 67; Samson, JA 1978, 471. 11 BGH v. 30.4.1987 – 4 StR 79/87, wistra 1987, 255, 256; vgl. auch BGH v. 4.11.1955 – 5 StR 421/55, BGHSt 8, 237, 238 f. und BGH v. 5.7.1983 – 1 StR 168/83, BGHSt 32, 38: Sirius-Fall. Zust. Lackner in LK-StGB, § 263 Rz. 16; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 10 f.; Fischer, StGB, § 263 Rz. 6; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 13; Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 8; Hoyer in SK-StGB, § 263 Rz. 22; Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 72 ff.; Hillenkamp, FS Schreiber, 2003, S. 142 ff.; Samson, JA 1978, 471. Teilweise enger Hilgendorf, Tatsachenaussagen, S. 120 ff., 123. A.A. und differenzierend Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 77 f.; Thomma, Grenzen, 2003, S. 449 ff.; Naucke, FS Peters, 1974, S. 109. 12 Zum Folgenden schon Saliger in M/R-StGB, § 263 Rz. 13; ähnlich Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 78. 13 Vgl. LG Mannheim v. 30.4.1992 – (12) 4 Ns 80/91, NJW 1993, 1488, 1489. 14 Arzt, FS Hirsch, 1999, S. 432 f.; Hillenkamp, FS Schreiber, 2003, S. 142; vgl. auch Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 72.

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Rz. 14 § 263 StGB

wenn der Täter über seine Bereitschaft (als innere Tatsache, Rz. 15) täuscht, einzelne „Leistungszusagen“ erfüllen zu wollen, wie etwa ausgehändigte Wertgegenstände in die Opferstöcke von Wallfahrtsorten zu legen.1 Darüber hinaus scheitert die weitergehende Anerkennung eines strafbaren Okkult- bzw. Science-Fiction-Betrugs entgegen der h.M. an dem modernen naturwissenschaftlich-technischen Verständnis der Wirklichkeit, das Grund und Grenze gemeinsamer rationaler Weltorientierung ist. Wer über diese Weltorientierung hinaus metaphysische Phänomene zur Grundlage von Vermögensverfügungen nimmt (Teufelsaustreibung, Seelenwanderung, Magie [Okkultbetrug] oder „Beamen“ [Science-fiction-Betrug]), geht Risiken des Vermögensverlustes ein, die jenseits eines rationalen tatsachenbasierten Täuschungsschutzes durch Strafrecht liegen.2 In diesen (seltenen) Fällen genügen zivilrechtliche Ausgleichsmechanismen.3 Dagegen respektiert derjenige, der wirkungslose Verjüngungs-, Abmagerungs-, Haarverdickungsmittel oder Nichtraucherpillen vertreibt, die Grenzen gemeinsamer rationaler Weltorientierung, weil er sich auf grundsätzlich empirisch noch Zugängliches bezieht. Er täuscht über „Tatsachen“ und kann sich wegen Betrugs strafbar machen.4 b) Äußere und innere Tatsachen Die ganz h.M. erkennt zwei Klassen von Tatsachenbehauptungen als betrugstauglich an: Behauptungen über äu- 14 ßere Tatsachen und (vor allem schlüssige) Behauptungen über innere Tatsachen.5 Äußere Tatsachenbehauptungen beziehen sich auf Erscheinungen in der Außenwelt, auf sinnlich Wahrnehmbares und aufgrund von Beobachtungsevidenz gerichtlich Überprüfbares.6 Als äußere Tatsachen kommen in Betracht bei Sachen (auch Sachgesamtheiten) und unkörperlichen Gegenständen z.B. Alter,7 Herkunft,8 Beschaffenheit9 und Lage,10 Echtheit,11 Mängelfreiheit (auch Rz. 43 ff.),12 Wirksamkeit eines Mittels,13 Quantität,14 Preis bei angeblichem Sonderangebot (zum normalen Listenpreis; auch Rz. 17 und Rz. 48),15 Grundlagen der Preisgestaltung und Apothekenabgabepreis in Deutschland,16 Vertragsmäßigkeit,17 Verkehrsfähigkeit,18 rechtliche Verhältnisse wie Eigentum,19 Verfügungsbefugnis,20 rechtliche Natur einer Urkunde,21 Lastenfreiheit eines Grundstücks22 oder Zusicherung der Zulässigkeit einer Veranstaltung23 sowie wirtschaftliche Verhältnisse wie Absetzbarkeit eines Produkts,24 Umsatz des Betriebs,25 Gewinngarantien beim Optionshandel,26 „Sicherheit“ einer Hypothek,27 Verwertbarkeit eines

1 BGH v. 30.4.1987 – 4 StR 79/87, wistra 1987, 255, 256; vgl. auch LG Ingolstadt v. 23.5.2005 – 2 Qs 69/05, NStZ-RR 2005, 313 für das Kartenlegen; Wessels/Hillenkamp, BT/2, Rz. 493; Hillenkamp, FS Schreiber, 2003, S. 143 m. Fn. 34. 2 Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 78; vgl. auch LG Essen bei BGH v. 30.4.1987 – 4 StR 79/87, wistra 1987, 255 f. A.A. Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 73. 3 Dazu Thomma, Grenzen, S. 413 ff., 427 f. 4 Vgl. zum Haarverdicker-Fall BGH v. 22.10.1986 – 3 StR 226/86, BGHSt 34, 199, 201. Ähnlich differenzierend Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 78. Vgl. auch Thomma, Grenzen, S. 449 f. und Hilgendorf, Tatsachenaussagen, S. 123. 5 RG v. 14.11.1921 – III 864/21, RGSt 56, 227, 231; BGH v. 3.6.1960 – 4 StR 121/60, BGHSt 15, 24, 26; BGH v. 30.4.1987 – 4 StR 79/87, wistra 1987, 255, 256; BGH v. 14.8.2009 – 3 StR 552/08, NJW 2009, 3448, 3463; BGH v. 8.10.2014 – 1 StR 359/13, NStZ 2015, 89, 90; Fischer, StGB, § 263 Rz. 8; Saliger in M/R-StGB, § 263 Rz. 14; Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 8, 10; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 11 f.; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 15 ff.; Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 67 ff., 77; Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 73, 76; Lackner/Kühl, StGB, § 263 Rz. 4. A.A. – nur äußere Tatsachen – Naucke, Betrug, 1964, S. 111, 214. 6 Vgl. RG v. 14.11.1921 – III 864/21, RGSt 56, 227, 231; ferner Lackner in LK-StGB Rz. 11; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 11; Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 68; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 15. 7 Lackner in LK-StGB, § 263 Rz. 13; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 11; Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 69. 8 RG v. 27.7.1939 – 3 D 493/39, RGSt 73, 282, 283; BGH v. 8.7.1955 – 1 StR 245/55, BGHSt 8, 46, 48; 12, 347 ff. 9 RG v. 18.2.1896 – 4719/95, RGSt 28, 189; RG v. 26.6.1925 – I 142/25, RGSt 59, 299, 305. 10 Vgl. BGH v. 18.5.1983 – 2 StR 794/82, wistra 1983, 190. 11 Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 11; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 16. 12 OLG Nürnberg v. 21.4.1964 – Ws 126/64, MDR 1964, 693 f.; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 11. 13 BGH v. 22.10.1986 – 3 StR 226/86, BGHSt 34, 199, 201; auch BGH v. 29.7.2009 – 2 StR 91/09, JZ 2010, 420, 421 f. m. krit. Anm. Kubiciel. 14 RG v. 7.10.1930 – I 798/30, RGSt 64, 342, 347. 15 BGH v. 16.8.1961 – 4 StR 166/61, BGHSt 16, 321, 322. 16 BGH v. 29.7.2009 – 2 StR 91/09, JZ 2010, 420, 421 m. krit. Anm. Kubiciel. 17 RG GA Bd. 50, 392. 18 BGH v. 19.7.1995 – 2 StR 758/94, StV 1996, 73; OLG Koblenz v. 18.5.1972 – 1 Ss 63/72, NJW 1972, 1907. 19 RG Recht 1929 Nr. 652. 20 BGH v. 16.1.1963 – 2 StR 591/62, BGHSt 18, 221, 224. 21 RG v. 6.12.1880 – 2977/80, RGSt 3, 142, 143 f. 22 OLG Düsseldorf v. 19.7.1995 – 2 Ss 198/95-44/95, wistra 1996, 32 ff. 23 BGH v. 15.3.2011 – 1 StR 529/10, NJW 2011, 1825, 1826 m. Anm. Rebhan, DNotZ 2011, 850 und Trüg, IMR 2011, 294. 24 RG HRR 26 Nr. 2306. 25 RG Recht 13 Nr. 3207. 26 BGH v. 8.7.1981 – 3 StR 457/80, BGHSt 30, 177, 181. 27 RG v. 22.10.1889 – 1808/89, RGSt 20, 3 f.

Saliger

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Betrug

StGB

§ 263 StGB Rz. 15

Strafgesetzbuch

Rechts,1 nicht aber hinsichtlich des Behauptens einer Marktlücke;2 bei natürlichen oder juristischen Personen Identität (insbesondere Name),3 Alter, Familienstand, Geschäftsfähigkeit,4 Gruppen- oder Berufszugehörigkeit,5 Gesundheitszustand,6 ferner Kreditwürdigkeit,7 Zahlungsfähigkeit,8 Einkünfte9 bzw. Vermögensstand,10 Umsätze,11 allgemein die wirtschaftliche Situation des Unternehmens (Kapitalsituation, Kostenstruktur, konkret in Aussicht genommene Projekte),12 Qualifikationen und Fähigkeiten,13 Vorstrafen.14 15

Innere Tatsachen bezeichnen dagegen Innenvorgänge und Innenzustände beim Täuschenden wie Absichten, Gefühle, Motive, Vorstellungen, Überzeugungen, persönliche Einschätzungen oder Kenntnisse.15 Voraussetzung für die Betrugstauglichkeit einer inneren Tatsache ist nach h.M. allerdings, dass sie in einer erkennbaren und greifbaren Beziehung zu äußeren Vorgängen und Zuständen der Vergangenheit oder Gegenwart steht.16 Inhaltlich beziehen sich innere Tatsachen häufig auf Zukünftiges, etwa in der gegenwärtigen Überzeugung von seiner künftigen (Rück-)Zahlungsfähigkeit17 oder in der gegenwärtigen Absicht bzw. Bereitschaft, ein Darlehen nicht zurückzahlen zu wollen.18 Insoweit ermöglicht das Abstellen auf innere Tatsachen eine tendenzielle Rücknahme der grundsätzlichen Ausgrenzung von Behauptungen über zukünftige Ereignisse (Rz. 12).19 Darüber hinaus soll vor allem nach der Rspr. unter bestimmten Voraussetzungen auch mit einem Werturteil die Behauptung einer inneren Tatsache verbunden sein können, sofern nämlich der Urteilende von der Richtigkeit seiner Behauptung überzeugt ist (Rz. 16).20 Berücksichtigt man, dass mit Hilfe von inneren Tatsachen sogar die – entgegen der h.M. – grundsätzliche Straflosigkeit des Okkultbetrugs unterlaufen werden kann (Rz. 13),21 wird man angesichts dieser Extensionen zumindest an die Voraussetzung des greifbaren Realitätsbezugs der inneren Tatsache strenge Anforderungen zu stellen haben (zu weiteren Restriktionen bei Werturteil und Prognose Rz. 16 und Rz. 21).22 Als weitere Beispiele für Behauptungen über innere Tatsachen sind in der Praxis anerkannt worden: die gegenwärtige Absicht, ein Darlehen zu einem bestimmten Investitionszweck zu verwenden;23 die Vorstellung, eine Sportwette nicht manipuliert zu haben;24 die gegenwärtige Überzeugung, dass ein verkauftes Grundstück zum Zeitpunkt der Auflassung belastet sein würde;25 das Wissen vom Wert einer Sache;26 allgemein die Absicht, sich nicht vertragsgetreu verhalten zu wollen.27

1 RG v. 13.2.1936 – 2 D 346/35, RGSt 70, 151, 152 für ein Patent. 2 BGH v. 1.4.1992 – 2 StR 614/91, wistra 1992, 255, 256. A.A. für die „Konkurrenzlosigkeit“ eines Produkts aufgrund besonderer Eigenschaften OLG Frankfurt v. 22.5.1985 – 5 Ws 10/84, wistra 1986, 31, 34; dazu auch Rz. 17. Zur Tatsachenfrage bei Quizsendungen Noltenius, wistra 2008, 287 f. Weitere Beispiele für sachbezogene äußere Tatsachen bei Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 11. 3 OLG Düsseldorf v. 29.7.1987 – 2 Ss 175/87 – 122/87 II, NJW 1987, 3145 f. 4 Lackner in LK-StGB Rz. 13; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 11. 5 BGH v. 13.6.1985 – 4 StR 213/85, BGHSt 33, 244, 246. 6 RG v. 4.7.1881 – 1366/81, RGSt 4, 352 f. 7 RGRspr. 5, 395 f. 8 BGH v. 15.6.1954 – 1 StR 526/53, BGHSt 6, 198, 199. 9 BGH v. 25.1.1984 – 3 StR 278/83, BGHSt 32, 236, 242; OLG Düsseldorf v. 8.7.1991 – 1 Ss 85/91, StV 1991, 520; OLG Köln v. 16.3.1984 – 1 Ss 158/84, StV 1985, 17, 18. 10 RG v. 2.2.1881 – 3240/80, RGSt 3, 332 f.; BGH v. 16.10.1990 – 5 StR 418/90 bei Holtz, MDR 1991, 105; OLG Düsseldorf v. 26.6.1991 – 5 Ss 202/91 – 71/91, StV 1992, 77. 11 RG Recht 1913 Nr. 3207. 12 BGH v. 26.8.2003 – 5 StR 145/03, BGHSt 48, 331, 344. 13 BGH v. 13.11.2007 – 3 StR 462/06, NStZ 2008, 96, 98. Näher Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 11 m.w.N. 14 OLG Kiel SchlHA 1946, 502 f. Weitere Beispiele bei Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 11. 15 Vgl. RG v. 14.11.1921 – III 864/21, RGSt 56, 227, 231; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 12; Lackner in LK-StGB Rz. 11; Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 77; Fischer, StGB, § 263 Rz. 8; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 17; Saliger in M/RStGB, § 263 Rz. 15. Die Absicht ausgrenzend Kargl, FS Lüderssen, 2002, S. 625 ff. 16 RG v. 21.12.1920 – II 1214/20, RGSt 55, 129, 131; RG v. 14.11.1921 – III 864/21, 56, 227, 231; OLG Koblenz v. 13.11.1975 – 1 Ss 199/775, NJW 1976, 63; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 12. 17 OLG Stuttgart v. 11.7.1958 – 1 Ss 334/58, NJW 1958, 1833 f.; OLG Braunschweig v. 28.5.1959 – Ss 64/59, NJW 1959, 2175, 2176. 18 BGH v. 3.6.1960 – 4 StR 121/60, BGHSt 15, 24, 26. 19 Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 12; Hoyer in SK-StGB, § 263 Rz. 13; Samson, JA 1978, 471. 20 OLG Stuttgart v. 19.6.1979 – 3 Ss (8) 237/79, NJW 1979, 2573, 2574 m. Anm. Loos, NJW 1980, 847 und Frank, NJW 1980, 848; RG v. 14.11.1921 – III 864/21, RGSt 56, 227, 231; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 12. Krit. Pawlik, Verhalten, S. 94 ff.; Ellmer, Opfermitverantwortung, S. 96 f.; Hilgendorf, Tatsachenaussagen, S. 141 f. und 192 ff., 203 f. A.A. Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 10; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 18. 21 Vgl. Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 12. 22 Saliger in M/R-StGB, § 263 Rz. 15; vgl. auch RG v. 14.11.1921 – III 864/21, RGSt 56, 227, 231. 23 BGH v. 23.8.1978 – 3 StR 11/78, JZ 1979, 75, 76. 24 Vgl. BGH v. 15.12.2006 – 5 StR 181/06, BGHSt 51, 165, 173 – Fall Hoyzer. 25 OLG Düsseldorf v. 19.7.1995 – 2 Ss 198/95 - 44/95, wistra 1996, 32. 26 RG GA Bd. 46, 323. 27 BGH v. 14.8.2009 – 3 StR 552/08, NJW 2009, 3448, 3463 f. m. Anm. Thielmann/Groß-Bölting/Strauß, HRRS 2010, 38.

380

Saliger

Rz. 17 § 263 StGB

c) Abgrenzungen aa) Meinungsäußerungen und Werturteile Nach h.M. sind reine Meinungsäußerungen und Werturteile aufgrund ihrer Subjektivität und damit man- 16 gelnden empirischen Überprüfbarkeit keine tauglichen Täuschungsgegenstände (Rz. 12).1 Das soll nicht gelten, wenn sie zugleich einen greifbaren, der Nachprüfung zugänglichen konkreten Tatsachenkern enthalten.2 Im Beispiel: Betrugsuntauglich ist als reine Meinungsäußerung die Aussage, ein bestimmtes Bild sei schön, betrugstauglich aufgrund des geschäftlichen Tatsachenkerns (Echtheit, Attraktivität) dagegen die Aussage, ein bestimmtes Bild sei ein schönes Original und im Fachhandel begehrt.3 Die Abgrenzung zwischen reinen und (auch) konkret tatsachenbasierten Meinungsäußerungen oder Werturteilen ist fließend, weil jeder Täuschung über Tatsachen ein Moment der Meinungsäußerung und jedem Werturteil das Moment der inneren Überzeugung von seiner Richtigkeit innewohnt.4 Vor allem die Rspr. bestimmt die Abgrenzung nach der Eigenart der jew. Rechtsbeziehung auf Basis der Verkehrsanschauung unter Würdigung der Gesamtumstände.5 Entscheidend ist, ob aus Anlass, Kontext und Form der Äußerung auf bestimmte miterklärte Tatsachen geschlossen werden kann, die nach der Verkehrsanschauung für ein rationales Verhalten im Wirtschafts- und Rechtsverkehr bedeutsam sind und vom Erklärungsadressaten aus seiner Situation nicht ohne weiteres überprüfbar sind.6 Soweit ein Werturteil auch mit der Behauptung einer inneren Tatsache, nämlich der Überzeugung von der Richtigkeit der Behauptung, verbunden sein kann, ist neben der Greifbarkeit des Tatsachenbezugs (Rz. 15) Voraussetzung, dass das Werturteil mit dem Anspruch auf Überparteilichkeit und Autorität gefällt wird.7 Die Rspr. hat auf diesem Hintergrund u.a. folgende Äußerungen als Werturteile mit Tatsachenkern gewürdigt: 17 ein Produkt sei wegen (angeblich) besonderer Eigenschaften „konkurrenzlos“ und unterliege keinem Verdrängungswettbewerb;8 einem Gasthof gehe es gut;9 eine Hypothek sei „sicher“;10 ein Patent sei „gut ausnutzbar“;11 ein Produkt habe eine wissenschaftlich erwiesene Wirkung;12 die Behauptung, Aktien würden im Wert steigen, weil das Unternehmen von einer starken Gruppe gestützt werde;13 die Bezeichnung eines mehrfach vorbestraften Bäckers und Gastwirts als „versierten, flexiblen Berater“ bei der Vermittlung von Warenterminoptionen;14 die unter Berufung auf die Erfolge einer Vermögensberatungs-GmbH und die Erläuterung der angeblichen Ursachen für diesen Erfolg getätigte Behauptung, die Gewinnchance für die Anleger sei größer als das Verlustrisiko.15 Zur Behauptung, eine Anlage sei „sicher“, hat der BGH im Kontext der betrügerischen Einwerbung von Kapitalanlagen allgemein erklärt: Sind die potentiellen Anleger über die wesentlichen betriebswirtschaftlichen Rahmendaten in Kenntnis gesetzt worden, so kann eine allgemein gehaltene Bemerkung wie „sicher“ oder „risikolos“ nur als pauschale Anpreisung verstanden werden. Fehlen dagegen wirtschaftlich konkrete Informationen, so kann der gleichen Aussage ein tatsächlicher Hintergrund zukommen. Die nicht tatsachenbasierte Bezeichnung als „sicher“ oder „risikolos“ soll dann nämlich ein Maß an Forderungsabsicherung nahelegen, welches im Verkehr üblicherweise als sicher verstanden wird, wobei die Mündelsicherheit der Anlagen gem. §§ 1806 ff. BGB einen Anhalt bieten kann.16 Auch der Wert oder Preis einer Sache kann eine beweisbare Tatsache sein, wenn mit ihm zugleich Eigenschaften des Gegenstandes gekennzeichnet werden wie beim Verkehrswert oder Marktpreis (vgl. aber

1 Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 13; Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 79; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 18. Zwischen Meinungsäußerungen und Werturteilen differenzierend z.B. Hilgendorf, Tatsachenaussagen, S. 185 ff. A.A. z.B. Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 85 ff. 2 RG v. 14.11.1921 – III 864/21, RGSt 56, 227, 231 f.; BGH v. 26.8.2003 – 5 StR 145/03, BGHSt 48, 331, 344 m. Anm. Kühne, JZ 2004, 743 und Beulke, JR 2005, 37; OLG Karlsruhe v. 17.1.1996 – 1 Ws 107/95, JR 1997, 299, 300 m. abl. Anm. Kindhäuser; BGH v. 8.10.2014 – 1 StR 359/13, NStZ 2015, 89, 90; Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 9; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 14; Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 79; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 19; Saliger in M/RStGB, § 263 Rz. 16. 3 Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 79; Schröder, JR 1958, 106 f.; Samson, JA 1978, 471. 4 Lackner in LK-StGB, § 263 Rz. 12; Maurach/Schroeder/Maiwald, BT/1 § 41 Rz. 31. 5 BGH v. 6.9.2001 – 5 StR 318/01, NStZ 2002, 144, 145 zu einer Rechtsbehauptung; BGH v. 26.8.2003 – 5 StR 145/03, BGHSt 48, 331, 344 f.; vgl. auch OLG Stuttgart v. 19.6.1979 – 3 Ss (8) 237/79, NJW 1979, 2573 f.; ferner Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 13. 6 Vgl. BGH v. 6.9.2001 – 5 StR 318/01, NStZ 2002, 144, 145; BGH v. 26.8.2003 – 5 StR 145/03, BGHSt 48, 331, 345; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 19; Saliger in M/R-StGB, § 263 Rz. 16; auch Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 15; Fischer, StGB, § 263 Rz. 9. 7 OLG Stuttgart v. 19.6.1979 – 3 Ss (8) 237/79, NJW 1979, 2573, 2574 unter Bezugnahme auf Schröder, JR 1958, 106. 8 OLG Frankfurt v. 22.5.1985 – 5 Ws 10/84, wistra 1986, 31, 32 – Motoröl. 9 RG Recht 13 Nr. 3207. 10 RG v. 22.10.1889 – 1808/89, RGSt 20, 3 f. 11 RG v. 13.2.1936 – 2 D 346/35, RGSt 70, 151, 152. 12 BGH v. 22.10.1986 – 3 StR 226/86, BGHSt 34, 199, 201. 13 BGH v. 17.10.1972 – 5 StR 281/72, bei Dallinger, MDR 1973, 18. 14 OLH München v. 6.4.1989 – 19 U 6522/87, WM 1989, 1719, 1721. 15 BGH v. 13.11.2007 – 3 StR 462/06, NStZ 2008, 96, 98 – Börsentermingeschäft. 16 BGH v. 26.8.2003 – 5 StR 145/03, BGHSt 48, 331, 345 m. Anm. Kühne, JZ 2004, 743 und Beulke, JR 2005, 37.

Saliger

381

StGB

Betrug

StGB

§ 263 StGB Rz. 18

Strafgesetzbuch

Rz. 47 ff.).1 Verneint hat die Judikatur eine Betrugsstrafbarkeit aufgrund des reinen Werturteilscharakters u.a. bei der Behauptung eines Büroassistenten, Dienste erbringen zu können, die denen eines Rechtsanwalts gleichwertig seien,2 bei der Behauptung einer Marktlücke (auch Rz. 21)3 oder der erkennbar subjektiv wertenden, obschon objektiv unrichtigen Einschätzung einer politischen Verhandlungsposition des Vertragspartners durch eine regierungsamtliche Berichtsperson.4 Betrugsuntauglich sind auch Meinungsäußerungen bzw. Werturteile, bei denen die mitbehaupteten Beweisumstände unsubstantiiert und vage bleiben.5 Entsprechend verdient keinen Strafrechtsschutz, wer eine Vermögensverfügung nur deshalb vornimmt, weil ein anderer eine durch keinerlei objektive Grundlage fundierte Hoffnung trägt (vgl. auch Rz. 20).6 bb) Rechtsausführungen 18

Dieselben Grundsätze (Rz. 16) gelten im Wesentlichen für Rechtsausführungen, die die Rspr. als Unterfall der Werturteile ansieht.7 Reine Rechtsausführungen sind danach ebenfalls grundsätzlich keine tauglichen Gegenstände von Täuschungshandlungen (Rz. 12),8 weil andernfalls Strafbarkeitsrisiken bereits für das schlichte Einfordern verjährter Forderungen oder jede auch anwaltliche Geltendmachung sonst zweifelhafter Ansprüche drohten.9 Von diesem Grundsatz macht die Judikatur allerdings zwei Ausnahmen. Zum einen sollen Rechtsausführungen betrugstauglich sein, wenn sie einen greifbaren und relevanten Tatsachenkern enthalten.10 Die Abgrenzung richtet sich wie bei den Werturteilen (Rz. 16) nach der Eigenart der jew. Rechtsbeziehung auf Basis der Verkehrsanschauung unter Würdigung der Gesamtumstände.11 Nach Ansicht des BGH wird der Rechtsverkehr vor allem eine wahrheitsgemäße Darstellung von Tatsachen im Zusammenhang mit der Geltendmachung eines zivilrechtlichen Anspruchs erwarten, soweit die Tatsache wesentlich für die Beurteilung des Anspruchs ist und der Adressat sie aus seiner Situation nicht ohne weiteres überprüfen kann. Maßgeblich für die Frage, wann der Verkehr bei einem bestimmten Geschäftstyp der Behauptung eines Anspruchs schlüssig zugleich die Behauptung bestimmter anspruchsbegründender Tatsachen beimisst, wird damit die Pflichten- und Risikoverteilung zwischen den Geschäftspartnern. Eine Tatsachenbehauptung liegt danach regelmäßig dann vor, wenn der Anspruch dem Grunde oder der Höhe nach von tatsächlichen Umständen abhängt, deren Vorliegen dem Erklärungsgegner nicht ohne weiteres erkennbar wird und die seine Vermögensinteressen berühren. Umgekehrt sollen bei einem Einfordern der Leistung konkludent nur solche wahrheitswidrigen Umstände miterklärt werden, die geeignet sind, eine Vermögensgefährdung auf Seiten des Geschäftsgegners herbeizuführen.12 Ob bereits die Behauptung der sachverhaltsunabhängigen Existenz oder Nichtexistenz abstrakter Rechtssätze als betrugstaugliche Tatsachenbehauptung angesehen werden kann,13 hat das OLG Karlsruhe offengelassen.14 Als zweite Ausnahme zur grundsätzlichen Betrugsuntauglichkeit von Rechtsausführungen anerkennt die obergerichtliche Rspr. die Äußerung von Werturteilen mit dem Anspruch auf Maßgeblichkeit und Verbindlichkeit.15 Das soll insbesondere zutreffen auf die mit dem Anspruch auf Überparteilichkeit und Autorität gefällten

1 Vgl. BGH v. 16.6.1989 – 2 StR 252/89, NJW 1990, 2005, 2006; BGH v. 29.7.2009 – 2 StR 91/09, JZ 2010, 420, 421 m. krit. Anm. Kubiciel; ferner Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 9; Lackner/Kühl, StGB, § 263 Rz. 5; Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 85; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 15; vgl. auch Pawlik, Unerlaubtes Verhalten, S. 156. 2 RG v. 14.11.1921 – III 864/21, RGSt 56, 227, 230 ff.; ablehnend Hilgendorf, Tatsachenaussagen, S. 217 und Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 18. 3 BGH v. 1.4.1992 – 2 StR 614/91, wistra 1992, 255, 256. 4 OLG Karlsruhe v. 17.1.1996 – 1 Ws 107/95, JR 1997, 299, 300 m. abl. Anm. Kindhäuser und krit. Bespr. Fahl, JA 1998, 361. 5 Vgl. OLG Zweibrücken v. 21.10.1988 – 1 Ss 189/88, JR 1989, 390 f. m. Anm. Keller; OLG Karlsruhe v. 17.1.1996 – 1 Ws 107/95, JR 1997, 299, 300. 6 Hoyer in SK-StGB, § 263 Rz. 22. 7 OLG Stuttgart v. 19.6.1979 – 3 Ss (8) 237/79, NJW 1979, 2573, 2574; OLG Karlsruhe v. 6.6.2002 – 1 Ss 277/01, JZ 2004, 101, 102 m. Anm. Puppe. 8 BGH v. 12.11.1957 – 5 StR 447/57, JR 1958, 106 m. Anm. Schröder; BGH v. 8.11.2000 – 5 StR 433/00, BGHSt 46, 196, 198 m. Anm. Hefendehl, NStZ 2001, 281, Joerden, JZ 2001, 614 und Krack, JR 2002, 25; OLG Stuttgart v. 19.6.1979 – 3 Ss (8) 237/79, NJW 1979, 2573, 2574 f. m. Anm. Loos, NJW 1980, 847 und Frank, NJW 1980, 848; OLG Zweibrücken v. 21.10.1988 – 1 Ss 189/88, JR 1989, 390, 391 m. Anm. Keller; OLG Koblenz v. 25.1.2001 – 2 Ws 30/01, NJW 2001, 1364; OLG Karlsruhe v. 6.6.2002 – 1 Ss 277/01, JZ 2004, 101, 102 m. Anm Puppe. Ferner Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 85; Saliger in M/R-StGB, § 263 Rz. 18; Wittig, § 14 Rz. 13. A.A. Hilgendorf, Tatsachenaussagen, S. 208 ff., 219 ff., 222 f.; Puppe, JZ 2004, 103; diff. Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 89. 9 So OLG Stuttgart v. 19.6.1979 – 3 Ss (8) 237/79, NJW 1979, 2573, 2574; vgl. auch OLG Köln v. 14.5.2013 – III-1 RVs 67/13, NJW 2013, 2772, 2773 f.; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 19. 10 BGH v. 6.9.2001 – 5 StR 318/01, NStZ 2002, 144, 145; BGH v. 8.11.2000 – 5 StR 433/00, BGHSt 46, 196, 198; OLG Zweibrücken v. 21.10.1988 – 1 Ss 189/88, JR 1989, 390, 391; OLG Köln v. 14.5.2013 – III-1 RVs 67/13, NJW 2013, 2772, 2773 f. 11 BGH v. 6.9.2001 – 5 StR 318/01, NStZ 2002, 144, 145; zum Folgenden auch Saliger in M/R-StGB, § 263 Rz. 18. 12 BGH v. 6.9.2001 – 5 StR 318/01, NStZ 2002, 144, 145. 13 So Graul, JZ 1995, 595, 601; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 19; Hilgendorf, Tatsachenaussagen, S. 208 ff. 14 OLG Karlsruhe v. 6.6.2002 – 1 Ss 277/01, JZ 2004, 101, 102 m. insoweit abl. Anm. Puppe, 103. 15 OLG Karlsruhe v. 6.6.2002 – 1 Ss 277/01, JZ 2004, 101, 102; OLG Köln v. 14.5.2013 – III-1 RVs 67/13, NJW 2013, 2772, 2773 f.; auch Schröder, JR 1958, 106 f.

382

Saliger

Rz. 20 § 263 StGB

Urteile wie die Einschätzungen von Sachverständigen im Zivilprozess oder u.U. die Rechtsauskunft eines Anwalts.1 Freilich ist zu berücksichtigen, dass vor allem der BGH beim Prozessbetrug gegenüber Richtern (Prozessbetrug i.e.S. im Unterschied zum Betrug im Prozess durch Täuschung und Veranlassung des Prozessgegners zu einer nachteiligen Verfügung im Verfahren)2 eine gem. § 263 beachtliche Täuschung des Richters über Rechtsfragen wegen des Grundsatzes „iura novit curia“ und des Bezug der Wahrheitspflicht gem. § 138 ZPO nur auf Tatsachen i.d.R. nicht für möglich hält.3 Beispiele für nach der Rspr. betrugsuntaugliche Rechtsausführungen sind: die „Behauptung“ einer Partei im 19 Zivilprozess, ihr stehe gegen die andere Partei noch eine Gebührenforderung zu;4 die außergerichtliche Geltendmachung von Ehemaklerlohn gem. § 656 BGB als unvollkommene Verbindlichkeit;5 der Überweisungsauftrag eines Kontoinhabers über Guthaben, das aus bankinternen Fehlbuchungen entstanden ist (auch Rz. 50);6 die Geltendmachung überhöhter Inkassokosten;7 die Vorlage eines Schecks, mit der eine nicht (mehr) bestehende Schuld eingefordert wird, weil für die einlösende Bank das Bestehen des der Scheckhingabe zugrunde liegenden Schuldverhältnisses ohne Bedeutung ist (auch Rz. 60);8 die rechtliche Bewertung eines bestimmten Sachverhalts, der eine Subsumtion von Tatsachen unter Rechtsnormen erforderlich macht;9 die wahrheitswidrige Behauptung eines Rechtsanwalts im Zivilprozess, es gebe gerichtliche Entscheidungen zur vorteilhaften Rechtsauffassung.10 Demgegenüber soll nach OLG Zweibrücken ein strafbarer Betrugsversuch für einen Geschäftsführer in Betracht kommen, der nach anwaltlicher Beratung schriftlich gegen die Staatskasse einen (unwahren) Entschädigungsanspruch mit dem Tatsachenkern erhebt, er habe während der vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis auf die Geltendmachung seines ihm zustehenden Gehalts in bezifferter Höhe verzichtet.11 Betrugstauglich ist auch die wahrheitswidrige Darstellung der rechtlichen Wirksamkeit eines Anspruchs als etwa durch Gerichtsentscheidungen gesichert12 sowie die bewusst wahrheitswidrige Zusicherung der rechtlichen Zulässigkeit einer Veranstaltung (hier: einer Hausverlosung im Internet als „zulässiges Geschicklichkeitsspiel“),13 weil die Zusicherung als Tatsache von der Rechtsausführung als Inhalt der Zusicherung zu unterscheiden ist. cc) Prognostische Aussagen Ebenso wie Meinungsäußerungen, Werturteile und Rechtsausführungen sind nach h.M. Täuschungen mittels 20 prognostischer Aussagen als Unterfall der Werturteile wegen ihrer subjektiven Färbung und geringeren Beweisbarkeit grundsätzlich betrugsuntauglich (Rz. 12).14 Wer daher durch die Behauptung, es werde im nächsten Sommer in einem bestimmten Gebiet zu Hagelschlägen kommen, einen anderen zum Abschluss einer entsprechenden Versicherung veranlasst, begeht keine betrugstaugliche Täuschungshandlung.15 Das Gleiche gilt für den Erwerb von Wertpapieren in der Absicht, diese anschließend öffentlich oder nichtöffentlich zum Kauf zu empfehlen, um sie dann bei steigendem Kurs – infolge der Empfehlung – mit Gewinn zu verkaufen (sog. Scalping), sofern die Empfehlungen keine unrichtigen Tatsachen enthalten und als rein wertende Prognosen keinen Anspruch auf fachliche Richtigkeit erheben.16 In diesem Fall kommt aber eine Strafbarkeit der kurs- und marktmanipulativen Handlung als „sonstige Täuschung“ gem. § 38 Abs. 2 i.V.m. §§ 39 Abs. 1 Nr. 2, 20a Abs. 1 S. 1 Nr. 3 a.F. WpHG bzw. §§ 38 Abs. 1 i.V.m. 39 Abs. 3c, 3d Nr. 2 WphG i.V.m. Art. 15, 12 Abs. 1 lit. b, Abs. 2 lit. d MAR in Betracht.17 1 OLG Stuttgart v. 19.6.1979 – 3 Ss (8) 237/79, NJW 1979, 2573, 2574 unter Anknüpfung an Schröder, JR 1958, 106. 2 Zu dieser Unterscheidung eingehend Lackner in LK-StGB Rz. 304 ff.; auch Kraatz, Jura 2007, 531. 3 BGH v. 12.11.1957 – 5 StR 447/57, JR 1958, 106 m. Anm. Schröder; OLG Koblenz v. 25.1.2001 – 2 Ws 30/01, NJW 2001, 1364; Krell, JR 2012, 102 f. Zu § 138 ZPO Eisenberg, FS Salger, 1995, S. 15 ff. 4 BGH v. 12.11.1957 – 5 StR 447/57, JR 1958, 106 m. Anm. Schröder. 5 OLG Stuttgart v. 19.6.1979 – 3 Ss (8) 237/79, NJW 1979, 2573, 2574 m. Anm. Loos, NJW 1980, 847 (zust.) und Frank, NJW 1980, 848 (abl.), wo auch die Annahme eines Betrugs im Wege der Täuschung über eine innere Tatsache verneint wird. Zust. Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 15; a.A. ebenfalls Hilgendorf, Tatsachenaussagen, S. 218 f. 6 BGH v. 8.11.2000 – 5 StR 433/00, BGHSt 46, 196, 198 f. 7 OLG Frankfurt v. 19.3.1996 – 3 Ws 166/96, NJW 1996, 2172, 2173. 8 BGH v. 6.9.2001 – 5 StR 318/01, NStZ 2002, 144, 145. 9 OLG Karlsruhe v. 6.6.2002 – 1 Ss 277/01, JZ 2004, 101, 102 m. abl. Anm. Puppe. Zust. Wessels/Hillenkamp, BT/2, Rz. 495. 10 OLG Koblenz v. 25.1.2001 – 2 Ws 30/01, NJW 2001, 1364 m. krit. Bespr. Protzen, wistra 2003, 208; zust. Wessels/Hillenkamp, BT/2, Rz. 495. A.A. Hilgendorf, Tatsachenaussagen, S. 221 f. 11 OLG Zweibrücken v. 21.10.1988 – 1 Ss 189/88, JR 1989, 390, 391 m. zust. Anm. Keller. 12 Vgl. OLG Köln v. 14.5.2013 – III-1 RVs 67/13, NJW 2013, 2772, 2773 f. 13 BGH v. 15.3.2011 – 1 StR 529/10, NJW 2011, 1825, 1826 m. Anm. Rebhan, DNotZ 2011, 850 und Trüg, IMR 2011, 294. 14 RG v. 14.11.1921 – III 864/21, RGSt 56, 227, 232; BGH v. 13.11.2007 – 3 StR 462/06, NStZ 2008, 96, 98; OLG Braunschweig v. 28.5.1959 – Ss 64/59, NJW 1959, 2175; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 16; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 25; Saliger in M/R-StGB, § 263 Rz. 20; Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 9. A.A. z.B. Hilgendorf, Tatsachenaussagen, S. 143 ff. 15 Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 8. 16 Fischer, StGB, § 263 Rz. 13; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 27. 17 BGH v. 6.11.2003 – 1 StR 24/03, BGHSt 48, 373, 377 zu § 38 a.F. WpHG m. Anm. Vogel, NStZ 2004, 252; Fleischer, DB 2004, 51; Kudlich, JR 2004, 191; Schmitz, JZ 2004, 56; Pananis, NStZ 2004, 287; Gaede/Mühlbauer, wistra 2005, 9;

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StGB

Betrug

StGB

§ 263 StGB Rz. 21 21

Strafgesetzbuch

Auch der Grundsatz der Betrugsuntauglichkeit von Prognosen erfährt mehrfach Einschränkungen.1 Das gilt zunächst hinsichtlich prognostischer Aussagen mit hinreichend konkretem und bedeutsamen Tatsachenkern, sei es, dass die Prognose Angaben zu ihrer tatsächlichen (äußeren) Prognosegrundlage enthält, wozu auch naturwissenschaftliche Erkenntnisse sowie Erfahrungssätze und Konventionen gehören können (vgl. Rz. 12),2 sei es, dass sie die Gewinnaussicht einer Option bzw. eines Börsenspekulationsgeschäfts spezifiziert.3 So kann einen Betrug begehen, wer im Versicherungsbeispiel (Rz. 20) die Behauptung des künftigen Hagelschlags in einem bestimmten Gebiet wahrheitswidrig auf wissenschaftliche Berechnungen stützt.4 Gleiches trifft zu auf den Verkäufer von Diamanten als Geldanlage, der erklärt, dass der Kunde damit relativ sicher in absehbarer Zeit nennenswerte Gewinne erzielen kann,5 den Anlageberater, der bei Warentermin- und Optionsgeschäften seinen Kunden wahrheitswidrig vorspiegelt, dass aufgrund der von seinem Unternehmen verfolgten, als erfolgreich dargestellten Anlagestrategie und der speziellen Kenntnisse seiner Mitarbeiter bei jedem vermittelten Börsenspekulationsgeschäft die Gewinnaussicht das Verlustrisiko überwiegt,6 oder den Verkäufer von Immobilien, der den Käufern konkrete unrichtige Angaben über monatliche Lasten, zu erwartende Einnahmen oder den Umfang steuerlicher Vorteile macht und nicht lediglich pauschal die gewinnbringende Wiederverkäuflichkeit von Eigentumswohnungen behauptet.7 Darüber hinaus können Prognosen nach h.M. insbesondere über die gegenwärtige Überzeugung des Täters als innere Tatsache Betrugsrelevanz gewinnen (Rz. 12, 15).8 Dabei sind wegen der Extensionsgefahr allerdings nicht nur an den greifbaren Tatsachenbezug strenge Anforderungen zu stellen (Rz. 15). Wie beim Werturteil (Rz. 16) ist auch für die Verbindung von Prognose und gegenwärtiger innerer Tatsache zusätzlich zu verlangen, dass die Prognose mit dem Anspruch auf Überparteilichkeit und Autorität gefällt wird. Zumindest in diesem (eingeschränkten) Sinne ist der verbreiteten und weitergehenden Ansicht zuzustimmen, wonach Prognosen dann zu Tatsachenaussagen werden können, wenn sie mit einem zum Ausdruck gebrachten oder aus den Umständen abzuleitenden Anspruch auf Objektivität und Verbindlichkeit vorgetragen werden, etwa von einem Experten.9 dd) Werbeaussagen

22

Ebenfalls grundsätzlich betrugsuntauglich sind als reine Werbeaussagen nach einhelliger Meinung übertriebene, marktschreierische Anpreisungen und bloß reklamehafte Meinungsäußerungen (Rz. 12).10 Denn derartig werbende Meinungsäußerungen taugen schon mangels Ernsthaftigkeit nicht zur Grundlage rationaler Vermögensentscheidungen. Zudem würde ihre Kriminalisierung die für eine freie Marktwirtschaft unerlässliche Produktwerbung praktisch unmöglich machen.11 So sind Behauptungen wie „Die längste Praline der Welt“ oder „Der Tiger im Tank“ unzweifelhaft betrugsuntauglich.12 Entsprechend bezeichnet die Rede von „Waren, die sich von selbst verkaufen und eine Marktlücke darstellen“ im Rahmen des Einführungsvortrages zu einem Franchisesystem keine Tatsachenbehauptung, sondern lediglich eine reklamehafte Meinungsäußerung, die sich in der Prognose einer künftigen Geschäftsentwicklung erschöpft.13 Betrugsrelevanz gewinnen Werbeaussagen erst, wenn sie entweder einen greifbaren und relevanten Tatsachenkern enthalten oder den Produkten wahrheitswidrig eine

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Fischer, StGB, § 263 Rz. 13; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 27. Zum Scalping Volk, BB 1999, 66; Park, NStZ 2007, 369, 374 ff.; Zieschang in Park, § 263 Rz. 151; zum neuen Recht Sorgenfrei/Saliger in Park, §§ 38, 39 WphG, Art. 15, 12 MAR Rz. 120 ff. Zum sog. Frontrunning, also der Vornahme von Eigengeschäften in Kenntnis von Kundenaufträgen, als verbotenes Insidergeschäft BGH v. 6.11.2003 – 1 StR 24/03, BGHSt 48, 373, 378. Dazu bereits Saliger in M/R-StGB, § 263 Rz. 21. BGH v. 8.10.2014 – 1 StR 359/13, NStZ 2015, 89, 90; ferner Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 83. Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 16 f.; Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 80; Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 8, 10; Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 83 f.; Fischer, StGB, § 263 Rz. 12. Anders Naucke, Betrug, 1964, S. 214. Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 83. LG Darmstadt v. 1.8.2003 – 21 Js 2668/94 – 9 KLs, NStZ-RR 2004, 17. BGH v. 13.11.2007 – 3 StR 462/06, NStZ 2008, 96, 98; vgl. zur Gewinnchance einer Option auch BGH v. 8.7.1981 – 3 StR 457/80, BGHSt 30, 177, 181; BGH v. 8.9.1982 – 3 StR 147/82, 31, 115, 116; zur Gewinnchance bei progressiver Kundenwerbung OLG Frankfurt v. 22.5.1985 – 5 Ws 10/84, wistra 1986, 31 ff.; ferner Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 16; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 26; Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 80. BGH v. 8.10.2014 – 1 StR 359/13, NStZ 2015, 89, 90 f. = BGHSt 60, 1 m. Anm. Kudlich, ZWH 2015, 14 und C. Dannecker, NZWiSt 2015, 173. Vgl. BGH v. 8.10.2014 – 1 StR 359/13, NStZ 2015, 89, 90; ferner Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 16; Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 83; Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 80. A.A. Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 9; Satzger in S/S/WStGB, § 263 Rz. 18. Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 16; Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 83; Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 78; Cramer, FS Triffterer, 1996, S. 333; Schröder, JR 1958, 106 f. Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 88; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 23 ff.; Saliger in M/R-StGB, § 263 Rz. 22; Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 9; Hilgendorf, Tatsachenaussagen, S. 192 ff. Vgl. Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 9; Lackner in LK-StGB, § 263 Rz. 15; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 23; Hilgendorf, Tatsachenaussagen, S. 193. Vgl. Lackner in LK-StGB, § 263 Rz. 15; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 22. BGH v. 1.4.1992 – 2 StR 614/91, wistra 1992, 255, 256; zustimmend Wessels/Hillenkamp, BT/2, Rz. 495.

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Rz. 24 § 263 StGB

besondere Eigenschaft zusprechen.1 Letzteres soll etwa der Fall sein bei den wahrheitswidrigen Behauptungen, das zu verkaufende Produkt sei infolge besonderer Eigenschaften „konkurrenzlos“,2 die phänomenalen Schlankheits-, Haarwuchs- und Verjüngungsmittel seien in ihrer Wirksamkeit wissenschaftlich überprüft,3 oder das zum Verkauf angebotene Unternehmen habe dokumentiert Aufträge in erheblichem Umfang erhalten.4 Die Abgrenzung richtet sich nach dem Grad der Bestimmtheit der einzelnen Angaben, der Form der Äußerung und der Eigenart der jew. Rechtsbeziehung auf Basis der Verkehrsanschauung unter Würdigung der Gesamtumstände (vgl. Rz. 16, 18).5 Dabei gilt: Je allgemeiner, vager und tatsachenneutraler die Anpreisung oder Redewendung ist („bestes Waschmittel der Welt“) bzw. je weniger der Rechtsverkehr die jew. Aussage als ernsthafte Behauptung begreift, desto eher liegt die Annahme einer reinen Werbeaussage nahe.6 Zum Einfluss des europarechtlichen Verbraucherleitbilds Rz. 6 und Rz. 106. 3. Täuschung a) Begriff aa) Elemente der Täuschung (1) Objektive Irreführung Die Täuschung bezeichnet nach zutreffender herrschender Ansicht (vgl. Rz. 11) die Tathandlung des Betrugs. Als 23 Täuschung eines anderen über etwas (die Tatsachenbehauptung, Rz. 12–22), kennzeichnet die Struktur der Täuschungshandlung vier Elemente, die den Charakter des Betrugs als interpersonales Kommunikations- und Beziehungsdelikt zum Ausdruck bringen (Rz. 2).7 Erstens impliziert die Täuschung über Tatsachen(behauptungen) notwendig ein Verhalten der objektiven Irreführung.8 Täuschen umfasst insoweit zunächst in einem allgemeinen Sinne (zur Frage weiterer Eingrenzungen Rz. 27, 30, 33) jedes (Gesamt-)Erklärungsverhalten, das der Wahrheit zuwider ist und damit einen Schein setzt.9 Deshalb begeht i.d.R. keinen Betrug, wer keine unrichtigen Angaben macht und Fragen wahrheitsgemäß beantwortet.10 Da das Gesamterklärungsverhalten entscheidet, ist nach h.M. aber auch eine vom isolierten Wortlaut her wahre Erklärung grundsätzlich betrugstauglich, wenn das Gesamterklärungsverhalten des Täters in einer spezifischen Situation einen Widerspruch zwischen lexikalischer und umgangssprachlicher Wortbedeutung (Rz. 29) oder einen Widerspruch zwischen Form und Inhalt der Erklärung (Rz. 54) mobilisiert. (2) Bezug auf natürliche Personen Als äußerer Handlung eignet der Irreführung zweitens ein notwendiger Personenbezug insofern, als nur die 24 Täuschung anderer Menschen als natürlicher Personen nach § 263 strafbar ist.11 Die bloße Benutzung fremder Telefonkarten, die einen technischen Vorgang auslöst,12 der Missbrauch eines vollautomatisch ablaufenden EDVProgramms zur Domain-Reservierung13 oder die Einreichung von Überweisungsträgern bei einer Bank, die diese nur noch automatisch prüft,14 begründen mangels Personenbezugs keine Täuschungshandlungen gem. § 263. Bei Manipulationen an technischen Einrichtungen kommt allenfalls eine Strafbarkeit wegen Computerbetrugs

1 Vgl. RG v. 14.11.1921 – III 864/21, RGSt 56, 227, 231; BGH v. 13.11.2007 – 3 StR 462/06, NStZ 2008, 96, 98; BGH v. 1.4.1992 – 2 StR 614/91, wistra 1992, 255, 256; ferner Lackner in LK-StGB, § 263 Rz. 15; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 24; Saliger in M/R-StGB, § 263 Rz. 22. 2 OLG Frankfurt v. 22.5.1985 – 5 Ws 10/84, wistra 1986, 31, 34. 3 BGH v. 22.10.1986 – 3 StR 226/86, BGHSt 34, 199, 201 m. Bespr. Müller-Christmann, JuS 1988, 109; Tiedemann in LKStGB, § 263 Rz. 15; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 24; Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 84; Wessels/Hillenkamp, BT/2, Rz. 496. A.A. für BGH v. 22.10.1986 – 3 StR 226/86, BGHSt 34, 199; Hilgendorf, Tatsachenaussagen, S. 194: Behauptungen so abenteuerlich, dass sie von vorneherein nicht ernstgenommen werden konnten. 4 BGH v. 6.10.2009 – 4 StR 307/09, NStZ-RR 2010, 146 = BeckRS 2009, 29540. 5 Lackner in LK-StGB, § 263 Rz. 15; vgl. auch Wessels/Hillenkamp, BT/2, Rz. 495 m. Fn. 44. 6 Lackner in LK-StGB, § 263 Rz. 15; Saliger in M/R-StGB, § 263 Rz. 22; Wessels/Hillenkamp, BT/2, Rz. 495. Vgl. auch RG v. 17.3.1894 – 775/94, RGSt 25, 182, 184; OLG Köln v. 26.11.1963 – Ss 313/63, BB 1964, 154; Kindhäuser in NKStGB, § 263 Rz. 88. 7 Zum Folgenden bereits Saliger in M/R-StGB, § 263 Rz. 23 ff. 8 BGH v. 26.4.2001 – 4 StR 439/00, BGHSt 47, 1, 3; BGH v. 19.7.2001 – 4 StR 457/00, wistra 2001, 386; OLG Köln v. 22.1.2002 – Ss 551/01, NJW 2002, 1059, 1060; OLG Frankfurt v. 17.12.2010 – 1 Ws 29/09, NJW 2011, 398, 400. 9 Vgl. RG v. 28.11.1889 – 2727/89, RGSt 20, 144, 145; OLG Düsseldorf v. 13.11.1986 – 5 Ss 376/86 – 299/89 I, NJW 1987, 853 m. Anm. Möhlenbruch, NJW 1988, 1894. 10 BGH v. 18.5.1983 – 2 StR 794/82, wistra 1983, 190. 11 BGH v. 31.3.2004 – 1 StR 482/03, NStZ 2005, 213; OLG Köln v. 22.1.2002 – Ss 551/01, NJW 2002, 1059, 1060; OLG Düsseldorf v. 16.10.2007 – III 5 Ss 174/07 – 75/07 I, NStZ 2008, 219; OLG Karlsruhe v. 21.1.2009 – 2 Ss 155/08, NJW 2009, 1287, 1288. 12 BGH v. 31.3.2004 – 1 StR 482/03, NStZ 2005, 213. 13 OLG Karlsruhe v. 21.1.2009 – 2 Ss 155/08, NJW 2009, 1287, 1288. 14 BGH v. 11.11.2015 – 2 StR 299/15, BeckRS 2016, 01160, Rz. 5.

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Betrug

StGB

§ 263 StGB Rz. 25

Strafgesetzbuch

(§ 263a)1 oder Erschleichens von Leistungen (§ 265a) in Betracht. Auch juristische Personen (Unternehmen, Körperschaften) können weder getäuscht werden noch sich irren i.S.d. § 263.2 Unerheblich ist, ob der Adressat der Erklärung aus Sicht des Täters individualisiert ist. Betrugstauglich sind auch Erklärungen an die Öffentlichkeit, an den, „den es angeht“, oder Massen-E-Mails.3 (3) Einwirkung auf das intellektuelle Vorstellungsbild 25

Drittens und wesentlich setzt eine betrugstaugliche Täuschung die Einwirkung auf das intellektuelle Vorstellungsbild eines anderen Menschen voraus.4 Das ist der Fall, wenn der Täter den Irrtum des zu Täuschenden entweder begründet, bestärkt oder unterhalten hat.5 Keinen Betrug begeht daher, wer eine vorgefundene Fehlvorstellung bloß ausnutzt (zur Abgrenzung Rz. 105)6 oder wer davon ausgehen kann, dass er sein Vorhaben, z.B. ohne Bezahlung zu tanken, unbemerkt verwirklichen kann.7 Unzulässig ist insbesondere der Rückschluss vom Irrtum als solchem auf eine Täuschung. Die bloße Hoffnung oder Erwartung des Täters, dass das Tatopfer einem vermögensschädigenden Irrtum unterliegt, mag zwar sozialethisch verwerflich sein, begründet aber noch keine Täuschungshandlung.8 (4) Offenheit der Einwirkungsart: Manipulation an Sachen, Tatsachenveränderung

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Nicht vorgegeben ist viertens die Art der Einwirkung auf das Vorstellungsbild des anderen. In Betracht kommen daher unmittelbare wie mittelbare,9 mündliche oder schriftliche Täuschungen einschließlich der Einflußnahme durch nonverbales Erklärungsverhalten (z.B. Zeichen, Gesten, Mimik) oder eine Manipulation an Sachen, sofern damit auf das intellektuelle Vorstellungsbild eines anderen eingewirkt wird. Das bedeutet umgekehrt, dass bloße Tatsachenveränderungen oder Objektmanipulationen ohne Einwirkung auf das Vorstellungsbild eines anderen nach h.M. keine betrugstaugliche Täuschung begründen, selbst wenn die richtige Vorstellung eines anderen unrichtig wird.10 Im Beispiel: Wer heimlich Gegenstände aus einem Depot stiehlt und dadurch die Vorstellungen des Depotinhabers verändert, bewegt sich aus Betrugssicht noch im straflosen Vorbereitungsbereich und begeht keine strafbare Täuschungshandlung.11 Andernfalls drohte das ungereimte Ergebnis, dass in jedem heimlichen Diebstahl zugleich ein Betrug läge.12 Bloße Tatsachenveränderungen werden aber dann betrugstauglich, wenn sie eine (auch konkludente) Erklärung gegenüber dem zu Täuschenden enthalten, ihnen eine entsprechende Erklärung nachfolgt oder in einem späteren Kommunikationsakt eine Aufklärungspflicht entsteht.13 Betrugstauglich ist daher der Autoverkauf mit manipuliertem Kilometerzähler,14 die Vorlage einer Ware mit vertauschtem Preisschild an der Kasse,15 das Vorzeigen eines manipulierten Fahrscheines16 oder Manipulationen an Verbrauchsmessern wie einem Stromzähler, die der Täter den Ablesern zugänglich macht.17 Unter die-

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10

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Vgl. BGH v. 11.11.2015 – 2 StR 299/15, BeckRS 2016, 01160, Rz. 5. OLG Düsseldorf v. 16.10.2007 – III 5 Ss 174/07 – 75/07 I, NStZ 2008, 219. Fischer, StGB, § 263 Rz. 16a. BGH v. 26.4.2001 – 4 StR 439/00, BHSt 47, 1, 5; OLG Köln v. 22.1.2002 – Ss 551/01 – 2/02, NJW 2002, 1059, 1060; Lackner/Kühl, StGB, § 263 Rz. 6; Fischer, StGB, § 263 Rz. 14; Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 11; Saliger in M/R-StGB, § 263 Rz. 25; Hoyer in SK-StGB, § 263 Rz. 24; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 31. BGH v. 9.2.1989 – 4 StR 10/89, JZ 1989, 550; OLG Köln v. 7.2.1984 – 1 Ss 876/83 (418), NJW 1984, 1979; OLG Düsseldorf v. 13.11.1986 – 5 Ss 376/86 – 299/86 I, NJW 1987, 853; OLG Köln v. 16.1.1987 – Ss 754/86, JZ 1988, 101, 102 m. Anm. Joerden. Vgl. BGH v. 9.2.1989 – 4 StR 10/89, JZ 1989, 550; OLG Köln v. 16.1.1987 – Ss 754/86, NJW 1984, 1979; OLG Köln v. 16.1.1987 – Ss 754/86, JZ 1988, 101, 102. OLG Köln v. 22.1.2002 – Ss 551/01 – 2/02, NJW 2002, 1059, 1060. BGH v. 26.4.2001 – 4 StR 439/00, BGHSt 47, 1, 5; Garbe, NJW 1999, 2869. A.A. Mahnkopf/Sonnberg, NStZ 1997, 187: „Wo ein Irrtum ist, ist auch eine Täuschung“. Vgl. RG v. 11.12.1931 – I 356/31, RGSt 66, 56, 58. Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 23; Saliger in M/R-StGB, § 263 Rz. 26; Fischer, StGB, § 263 Rz. 15; Lackner/Kühl, StGB, § 263 Rz. 6; Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 90 f.; Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 12; Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 75 ff.; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 31; Wessels/Hillenkamp, BT/2, Rz. 490. A.A. z.B. Arzt in A/W/H/H, BT, § 20 Rz. 48. Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 90 f.; Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 101 f.; Lackner in LK-StGB Rz. 18; Samson JA 1978, 472. Vgl. Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 101; Krack, List, 1994, S. 49, 51. Vgl. Fischer, StGB, § 263 15; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 23; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 30; Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 101, 155; Hoyer in SK-StGB, § 263 Rz. 25; Samson, JA 1978, 472. BayObLG v. 28.4.1961 – 3 St 26/61, MDR 1962, 70; OLG Düsseldorf v. 10.1.1995 – 5 Ss 443/94 – 145/94 I, StV 1995, 591. OLG Hamm 13.10.1967 – 1 Ss 1267/67, NJW 1968, 1894, 1895 m. Anm. Peters; OLG Düsseldorf, 24.5.1982 – 5 Ss 174/82 I, NJW 1982, 2268. OLG Düsseldorf v. 20.11.1989 – 2 Ss 377/89 – 77/89 III, NJW 1990, 924. RG v. 26.6.1902 – 2098/02, RGSt 35, 311, 314; RG v. 29.4.1940 – 2 D 153/40, 74, 243, 245; Lackner in LK-StGB Rz. 19.

386

Saliger

Rz. 27 § 263 StGB

sen Voraussetzungen ist auch ein Betrug in mittelbarer Täterschaft durch eine gutgläubige Mittelsperson möglich (Rz. 268).1 bb) Täterbezogener, auch normativer Täuschungsbegriff Zusammenfassend lässt sich Täuschung bestimmen als jedes verbale und/oder nonverbale Gesamtverhalten, das 27 auf die Vorstellung eines anderen Menschen einwirkt und objektiv irreführt oder einen Irrtum unterhält.2 Mit dieser Begriffsbestimmung ist methodisch ein Doppeltes gesetzt: Zum einen beschreibt die Subsumtion des interpersonalen Täuschungsbegriffs zentral eine auch normative Operation, weil sie – bei den einzelnen Täuschungsarten freilich in abgestufter Weise – eine Bestimmung und Abgrenzung der Verantwortungsbereiche von Täter und zu Täuschendem voraussetzt (vgl. Rz. 10; unten Rz. 30, 36, 67, 69).3 Diese normative Dimension, die die verfassungsrechtlichen Grenzen der Akzessorietät der Täuschung miteinschließt (dazu Rz. 28), erfordert allerdings entgegen einer im Vordringen begriffenen Strömung keine zusätzlichen Einschränkungen des Täuschungsbegriffs in Gestalt des Ausschlusses etwa von sozialadäquaten,4 für das Vertrauensverhältnis unerheblichen,5 nicht dispositionsrelevanten (dazu auch Rz. 6, 109, 178)6 oder jener Täuschungen, die nicht den eine selbstverantwortliche Vermögensverwaltung ermöglichenden Wahrheitsanspruch des Opfers verletzen.7 Denn beim Opfer ansetzende normative Ausgrenzungen überzeugen hier deshalb nicht, weil die Täuschung trotz aller Wechselbezüglichkeit von Täuschung und Irrtum (vgl. Rz. 85) ein primär beim Täterverhalten ansetzender Begriff ist. Das zeigt bereits die ausdrückliche Täuschung, wo der der Täter sich selbst durch explizit-aktives Tun zur falschen Informationsquelle macht, so dass es legitim ist, dem Opfer grundsätzlich das Informationsrisiko abzunehmen.8 Gleiches gilt grundsätzlich auch für die konkludente Täuschung und die Täuschung durch Unterlassen. Mit Recht schließen daher nach h.M. weder Leichtgläubigkeit noch Erkennbarkeit der Täuschung bei hinreichend sorgfältiger Prüfung die Schutzbedürftigkeit des potenziellen Opfers und damit eine Täuschung aus.9 Moderater Raum für opferbezogene Einschränkungen besteht dagegen beim Irrtum, der sich primär auf das Opfer bezieht (Rz. 93). Zudem bietet das Gesetz mit dem Kausalitäts- und dem Schadenserfordernis Filter, um vermögensirrelevante Täuschungen auszuscheiden (vgl. Rz. 102, Rz. 121 f. und Rz. 178 ff.).10 I.Ü. gilt es bei aller Berechtigung von Normativierung und objektiver Zurechnung im Grundsätzlichen wie im Detail (Rz. 10) gerade im Hinblick auf das verfassungsrechtliche Verschleifungsverbot von Tatbestandsmerkmalen (Rz. 150) zu verhindern, dass beim Betrug alles in dem großen Prüfungspunkt einer (missverstandenen) freihändigen objektiven Zurechnung verschwimmt. Zum anderen enthält der Täuschungsbegriff entgegen der Rspr. und einem Teil der Literatur weder ein subjektives Element11 noch erst recht etwa bei der konkludenten Täuschung12 (Rz. 33 f.) ein Absichtsmerkmal. Objektives und Subjektives sind auch beim Betrug grundsätzlich zu trennen.

1 OLG Stuttgart v. 10.11.1961 – 1 Ss 767/61, NJW 1962, 502 m. abl. Anm. Merkert, NJW 1962, 1023; zust. Hoyer in SKStGB, § 263 Rz. 25; Lackner in LK-StGB Rz. 19; Maurach/Schroeder/Maiwald, BT/1, § 41 Rz. 37. Vgl. auch RG v. 26.6.1925 – I 142/25, RGSt 59, 299, 305 f., wo neben einem Betrug in mittelbarer Täterschaft auch eine Täuschung des Geschäftsherrn durch Unterlassen für möglich gehalten wird. 2 Zum Folgenden Saliger in M/R-StGB, § 263 Rz. 27; ferner BGH v. 26.4.2001 – 4 StR 439/00, BGHSt 47, 1, 3, wobei allerdings ein subjektiver Aspekt hinzugefügt wird; ebenso BGH 5.3.2014 – 2 StR 616/12, NJW 2014, 2595, 2596; BGH v. 28.5.2014 – 2 StR 437/13, wistra 2014, 439, 440; OLG Frankfurt v. 31.10.2001 – 2 Ws 106/01, NStZ-RR 2002, 47, 48 f. 3 Für die konkludente Täuschung in der Sache ebenso BGH v. 15.12.2006 – 5 StR 181/06, BGHSt 51, 165, 170 ff.; vgl. ferner – mit z.T. erheblichen Begründungsunterschieden – Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 27, 29 ff., 51; Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 90 ff.; Wittig, Verhalten, S. 326 ff.; Pawlik, Verhalten, S. 65 ff.; Frisch, FS Herzberg, 2008, S. 738 ff.; Schwarz, Mitverantwortung, 2013, S. 113 ff. 4 Arzt in A/W/H/H, BT, § 20 Rz. 36; Bockelmann, BT/1, S. 66; Roxin, FS Klug II, 1983, S. 312; vgl. auch Rengier, FS Roxin, 2011, S. 820. 5 Maurach/Schroeder/Maiwald, BT/1, § 41 Rz. 38. 6 Graul, FS Brandner, 1996, S. 813. 7 Pawlik, Unerlaubtes Verhalten, 1999, S. 143 ff.; Kindhäuser, FS Bemmann, 1997, S. 354; Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 91 ff.; Frisch, FS Herzberg, 2008, S. 738 f.; Gaede in AnwK-StGB, § 263 Rz. 22. 8 Lackner in LK-StGB, § 263 Rz. 30 a.E.; Bosch, FS Samson, 2010, S. 252 ff., 255. 9 BGH v. 26.4.2001 – 4 StR 439/00, BGHSt 47, 1, 5; BGH v. 5.3.2014 – 2 StR 616/12, NJW 2014, 2595, 2596 Rz. 20; BGH v. 28.5.2014 – 2 StR 437/13, wistra 2014, 439, 441 Rz. 23; auch BGH v 22.10.1986 – 3 StR 226/86, BGHSt 34, 199, 201 f.; BGH v. 5.12.2002 – 3 StR 161/02, NJW 2003, 1198 f.; Lackner/Kühl, StGB, § 263 Rz. 6; Fischer, StGB, § 263 Rz. 14; Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 11; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 28 ff.; Wessels/Hillenkamp, BT/2, Rz. 492. 10 Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 27; i.E. ebenso Lackner/Kühl, StGB, § 263 Rz. 6; Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 13. 11 So aber BGH v. 5.2.1963 – 1 StR 533/62, BGHSt 18, 235, 237; Wessels/Hillenkamp, BT/2, Rz. 492; Küper/Zopfs, BT, S. 295; Eisele, BT/2, Rz. 521; Wittig, Verhalten, S. 210; auch Lackner/Kühl, StGB, § 263 Rz. 6. Wie hier a.A. Fischer, StGB, § 263 Rz. 14; Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 58; Duttge in HK-GS, § 263 Rz. 8; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 23; Hoyer in SK-StGB, § 263 Rz. 45 ff., 47 ff.; Pawlik, Unerlaubtes Verhalten, S. 81 f.; zweifelnd Satzger in S/S/WStGB, § 263 Rz. 30. Eine subjektive Komponente jedenfalls für viele Fälle der konkludenten Täuschung anerkennend Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 110. 12 BGH v. 26.4.2001 – 4 StR 439/00, BGHSt 47, 1, 5 f.; BGH v. 19.7.2001 – 4 StR 457/00, wistra 2001, 386, 387; BGH v. 28.5.2014 – 2 StR 437/13, wistra 2014, 439, 440.

Saliger

387

StGB

Betrug

StGB

§ 263 StGB Rz. 28

Strafgesetzbuch

cc) Täuschungsarten und verfassungsrechtliche Grenzen der Akzessorietät 28

Systematisch entfaltet sich der Täuschungsbegriff nach dem Gesetzeswortlaut und nahezu einhelliger Meinung in drei Täuschungsarten: die beiden aktiven Täuschungsarten der ausdrücklichen (Rz. 29 ff.) und der konkludenten Täuschung (Rz. 32 ff.) sowie die Täuschung durch Unterlassen (Rz. 64 ff.).1 Obwohl eine Abgrenzung zwischen den Täuschungsarten nur graduell möglich ist,2 ist sie dogmatisch (und vielfach auch praktisch) nicht entbehrlich, weil nicht nur im Verhältnis von konkludenter Täuschung und Täuschung durch Unterlassen, sondern bei allen Täuschungsarten die Anforderungen, namentlich das Maß der erforderlichen Normativierung differieren.3 In diesem Normativierungsbezug ist der Täuschungsbegriff akzessorisch zu außerstrafrechtlichen Normen.4 Am deutlichsten ist das bei der Täuschung durch Unterlassen, wo die Betrugsstrafbarkeit die Verletzung einer i.d.R. außerstrafrechtlich begründeten vermögensbezogenen Aufklärungspflicht voraussetzt (Rz. 64, 70 ff.). Sichtbar wird die Akzessorietät aber auch bei der konkludenten Täuschung in dem normativen Gesamtzusammenhang, der Grundlage für die Bestimmung des schlüssigen Kommunikationsinhalts ist (Rz. 33), und sogar bei der ausdrücklichen Täuschung in dem Fall der Täuschung durch Schweigen (vgl. Rz. 30). Soweit der Täuschungsbegriff akzessorisch ist, ergibt sich, wie das das BVerfG für die Untreue mit Relevanz für den Betrug (Rz. 149) zur Sicherstellung des Verbots der Verschleifung von Tathandlung und Taterfolg (dazu Rz. 150) erklärt hat, verfassungsrechtlich die Notwendigkeit einer restriktiven Auslegung.5 Danach ist auch die Täuschung auf „klare und deutliche (evidente) Fälle“ zu beschränken, sind „Wertungswidersprüche zur Ausgestaltung spezifischer Sanktionsregelungen zu vermeiden“ und ist der Charakter des Betrugstatbestandes als Vermögensdelikt zu bewahren.6 Diese Auslegungsmaßgabe entspricht dem bei der Untreue als Restriktion in Ansatz gebrachten und auch vom BVerfG gebilligten7 Gedanken der gravierenden Pflichtverletzung, der die Untreuetauglichkeit einer Pflichtverletzung abhängig macht von ihrer evidenten Unvertretbarkeit und/oder Willkür auf Basis einer Gesamtwürdigung aller relevanten Umstände (vgl. § 266 StGB Rz. 46 ff., 48; zur Konkretisierung für die konkludente Täuschung Rz. 36 und Rz. 51). b) Ausdrückliche Täuschung

29

Ausdrücklich täuscht, wer die Unwahrheit expressis verbis zum Ausdruck bringt,8 d.h. die unwahre Tatsachenbehauptung zum Schwerpunkt des expliziten Teils seiner verbalen (mündlich, schriftlich) oder nonverbalen (Zeichen, Gesten etc.) Erklärung macht.9 Das ist insbesondere der Fall, wenn er bewusst unwahre Behauptungen aufstellt10 oder bei einer Antragstellung oder später unrichtige Angaben mitteilt.11 Als Kommunikationsdelikt erfasst der Betrug explizite Äußerungen in jeder Form, also auch alle technischen Übermittlungen mündlicher oder schriftlicher Erklärungen wie Telefon, Telefax, E-Mail, Rundfunk, Fernsehen, Internet oder Datenspeicher.12 Unwahr ist eine Erklärung, wenn ihr Inhalt mit der Wirklichkeit nicht übereinstimmt.13 Das beurteilt sich wie üblich nach dem objektiven Empfängerhorizont im Rahmen der Verkehrsauffassung.14 Danach kann sich auch eine unklare bzw. widersprüchliche und daher auslegungsbedürftige Erklärung als falsch erweisen.15 Unstreitige Bei-

1 Fischer, StGB, § 263 Rz. 18 ff.; Lackner/Kühl, StGB, § 263 Rz. 7 ff.; Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 12 ff.; Saliger in M/RStGB, § 263 Rz. 28 ff.; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 21; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 35 ff.; Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 53, 88 ff.; Hoyer in SK-StGB, § 263 Rz. 26 ff.; Maurach/Schroeder/Maiwald, BT/1, § 41 Rz. 36 ff.; Samson, JA 1978, 472 f. A.A. z.B. Wessels/Hillenkamp, BT/2, Rz. 496 und Lampe, Kreditbetrug, S. 9 ff. Krit. ferner Kargl, FS Lüderssen, 2002, S. 28. 2 Lackner in LK-StGB Rz. 21 f.; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 21. 3 Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 27; Lackner in LK-StGB Rz. 22. A.A. für das Verhältnis von ausdrücklicher und konkludenter Täuschung Wessels/Hillenkamp, BT/2, Rz. 496; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 37; Samson, JA 1978, 472. 4 Dazu bereits Saliger in M/R-StGB, § 263 Rz. 28. 5 Vgl. zur Prüfung der (konkludenten) Täuschung am Maßstab des Bestimmtheitsgrundsatzes BVerfG v. 7.12.2011 – 2 BvR 2500/09, NJW 2012, 907 ff.; zur Anwendung des BVerfG-Beschlusses zur Untreue auf die Täuschung vgl. BGH v. 13.10.2011 – 1 StR 407/11, HRRS 2011 Nr. 1177 Rz. 4; zum Ganzen bereits Saliger, ZIS 2011, 918 m. Fn. 167 und Saliger, FS Imme Roxin, S. 313 ff., a.A. Krüger/Burgert, ZWH 2012, 213. 6 Vgl. BVerfG v. 23.6.2010 – 2 BvR 2559/08, NJW 2010, 3209, 3215 Rz. 111. 7 BVerfG v. 23.6.2010 – 2 BvR 2559/08, NJW 2010, 3209, 3215 Rz. 112. 8 Vgl. BGH 15.12.2006 – 5 StR 181/06, BGHSt 51, 165, 170; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 24; Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 13. 9 Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 108; Saliger in M/R-StGB, § 263 Rz. 29; ferner Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 13; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 24; Fischer, StGB, § 263 Rz. 18. 10 BGH v. 26.4.2001 – 4 StR 439/00, BGHSt 47, 1, 3; BGH 15.12.2006 – 5 StR 181/06, 51, 165, 169; BGH v. 19.7.2001 – 4 StR 457/00, wistra 2001, 386; BGH v. 29.7.2009 – 2 StR 91/09, JZ 2010, 420, 421. 11 OLG Köln v. 7.2.1984 – 1 Ss 876/83, NJW 1984, 1979; OLG Düsseldorf v. 13.11.1986 – 5 Ss 376/86 – 299/86 I, NJW 1987, 853. 12 Fischer, StGB, § 263 Rz. 18; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 36. 13 Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 25. 14 Fischer, StGB, § 263 Rz. 18; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 25; Hoyer in SK-StGB, § 263 Rz. 27. 15 Vgl. BGH v. 23.9.1952 – 2 StR 67/52, BGHSt 3, 68, 70; ferner Lackner in LK-StGB Rz. 23; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 25.

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Saliger

Rz. 31 § 263 StGB

spiele1 für ausdrückliche Täuschungen sind etwa wahrheitswidrige Angaben über Ausbildung und Vorstrafen bei Begründung eines Arbeitsverhältnisses;2 die Versicherung bei Vertragsschluss, dass keine Preisabsprachen mit anderen Firmen getroffen worden sind (auch Rz. 12);3 wahrheitswidrige Angaben über die Gewinnchancen beim Verkauf von Warenterminoptionen;4 die wahrheitswidrige Behauptung der Konkurrenzlosigkeit der zu vertreibenden Produkte;5 unrichtige und unvollständige Angaben im Leistungsantrag zur Bewilligung von BAföG;6 Rechnungstellung mit der Angabe nicht erbrachter Leistungen (sog. Luftleistungen);7 wahrheitswidrige Behauptung über Apothekenabgabepreis in Deutschland und wissenschaftliche Bestätigung der Wirksamkeit eines Medikaments.8 Zu beachten ist, dass eine ausdrückliche Täuschung nicht voraussetzt, dass die entscheidende Tatsache expli- 30 zit genannt wird.9 So genügt es, wenn der Täter bei einer Reisekostenabrechnung wahrheitswidrig die Kosten für die 1. Klasse einsetzt, ohne noch explizit zu betonen, dass er 1. Klasse gefahren ist.10 Unerheblich ist ferner, ob eine wahrheitswidrige mündliche Erklärung Bestandteil des schriftlichen Vertrages wird.11 Das gilt selbst dann, wenn der Vertrag die Klausel enthält, dass mündliche Nebenabreden unbeachtlich sind,12 oder wenn der Täter zunächst schriftlich die Wahrheit erklärt, in einem späteren Beratungsgespräch aber täuscht.13 Eine ausdrückliche Täuschung kann schließlich sogar in einem Schweigen mit spezifischem Erklärungsgehalt liegen. Das ist etwa der Fall, wenn der Täter es vereinbarungs- und wahrheitswidrig unterlässt, den Eingang einer bestimmten Ware zu bestätigen.14 Insbesondere das letzte Beispiel zeigt, dass sich auch bei der ausdrücklichen Täuschung normative Fragen des Erklärungskontextes stellen können. Wie die Beispiele der Reisekostenabrechnung und des Schweigens auf einen Wareneingang andeuten (Rz. 30), ist 31 die Abgrenzung der ausdrücklichen Täuschung zur konkludenten, aber auch zur Täuschung durch Unterlassen, fließend. Die Abgrenzung zwischen ausdrücklicher und konkludenter Täuschung hat danach zu erfolgen, ob der Schwerpunkt der Fehlinformation im expliziten (dann ausdrückliche Täuschung) oder im unausgesprochenen Teil der Erklärung liegt (dann konkludente Täuschung).15 Anhaltspunkte dafür liefern der Grad der Eindeutigkeit und Vollständigkeit der Erklärung bzw. – damit korrespondierend – das Maß des Rückgriffs auf die Verkehrsanschauung. Je eindeutiger und vollständiger eine Erklärung ist, desto eher liegt eine ausdrückliche Täuschung nahe. Umgekehrt ist eine konkludente Täuschung umso eher anzunehmen, je weniger eindeutig und vollständig die Erklärung ist und je größer damit der Bedarf für einen Rückgriff auf die Verkehrsanschauung wird.16 Soweit in Fällen standardisierter Leistungsvergabe wie bei Sozialleistungen oder Ausschreibungen der Bereich miterklärter Tatsachen teilweise gesetzlich konkretisiert ist, ist er der Verkehrsanschauung entzogen und damit der ausdrücklichen Täuschung zugewiesen.17 Dagegen gehören die Fälle „technischen Vorspiegelns“ durch manipulierte Stromzähler bei der Abrechnung oder manipulierte Kilometerzähler beim Autoverkauf (Rz. 26) sowie allgemein vorsätzliche Manipulationen des Vertragsgegenstandes (näher Rz. 44) als Erklärungen von Negativtatsachen (Rz. 12) zur konkludenten Täuschung.18

1 Vgl. Saliger in M/R-StGB, § 263 Rz. 29; Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 13; Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 92; Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 108. 2 BGH v. 4.5.1962 – 4 StR 71/62, BGHSt 17, 254, 255; BGH v. 1.2.1978 – 2 StR 400/77, NJW 1978, 2042. 3 BGH v. 8.1.1992 – 2 StR 102/91, BGHSt 38, 186, 188, 194. 4 BGH v. 7.12.1979 – 2 StR 315/79, BGHSt 29, 152, 153 f.; BGH v. 17.10.1983 – GSSt 1/83, 31, 115, 116 f.; BGH v. 14.7.1999 – 3 StR 66/99, NStZ 2000, 36, 37; BGH v. 13.11.2007 – 3 StR 462/06, 2008, 96, 97 f. 5 OLG Frankfurt v. 22.5.1985 – 5 Ws 10/84, wistra 1986, 31, 32. 6 Vgl. BayObLG v. 23.11.2004 – 1 St RR 129/04, NStZ 2005, 172, 173 m. abl. Anm. Bohnert und zust. Anm. Vogel JZ 2005, 38. 7 BGH v. 25.1.2012 – 1 StR 45/11, NJW 2012, 1377, 1379 Rz. 43; OLG Düsseldorf v. 31.3.2008 – 1 Ws 167/07, NStZ-RR 2008, 241; Tsambikakis in Prütting, FAK MedR, § 263 StGB Rz. 18; Schuhr in Spickhoff, Medizinrecht, § 263 StGB Rz. 16. 8 Vgl. BGH v. 29.7.2009 – 2 StR 91/09, JZ 2010, 420, 421 f. m. krit. Anm. Kubiciel. 9 Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 92; Saliger in M/R-StGB, § 263 Rz. 30. 10 OLG Celle, NdsRpfl. 1963, 239; Maurach/Schroeder/Maiwald, BT/1, § 41 Rz. 38; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 26. 11 OLG Hamm v. 15.1.1960 – 1 Ss 1248/59, NJW 1960, 642, 643; Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 108. 12 Vgl. OLG München v. 26.10.1977 – 1 Ws 978/77, NJW 1978, 435; Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 13. 13 BGH v. 14.7.1999 – 3 StR 66/99, NStZ 2000, 36, 37; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 36. 14 Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 13; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 36; Pawlik, Unerlaubtes Verhalten, S. 164. 15 Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 108 f. 16 Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 92 ff.; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 26; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 37; Hoyer in SK-StGB, § 263 Rz. 28. 17 Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 93. 18 Wie hier: BGH v. 15.12.2006 – 5 StR 181/06, BGHSt 51, 165, 171; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 23; Saliger in M/RStGB, § 263 Rz. 31. A.A. Maurach/Schroeder/Maiwald, BT/1, § 41 Rz. 38. Weitere Bsp. zur Abgrenzung bei Samson, JA 1978, 472.

Saliger

389

StGB

Betrug

StGB

§ 263 StGB Rz. 32

Strafgesetzbuch

c) Konkludente Täuschung 32

Konkludent täuscht, wer die Unwahrheit zwar nicht expressis verbis zum Ausdruck bringt, sie aber nach der Verkehrsanschauung durch sein (Gesamt-)Verhalten miterklärt.1 Die konkludente Täuschung markiert neben der ausdrücklichen Täuschung die zweite Täuschungsart durch aktives Tun (zur Abgrenzung Rz. 31) und ist verfassungsrechtlich unbedenklich.2 Im System der drei Täuschungsarten (Rz. 27 f.) nimmt die konkludente Täuschung die Mittelstellung ein: Während die ausdrückliche Täuschung im Schwerpunkt eine deskriptive Handlung (vgl. Rz. 27, 29 f.) und die Täuschung durch Unterlassen eine rein normative Kategorie bezeichnet (Rz. 64 ff.), sind bei der Bestimmung der konkludenten Täuschung sowohl faktische wie normative Gesichtspunkte zu berücksichtigen.3 In dieser Mittelstellung ist die konkludente Täuschung eigenständig (h.M.);4 sie lässt sich insbesondere nicht auf Basis rein normativer Ansätze mit dem Betrug durch Unterlassen gleichschalten.5 Die gleichgewichtige Verbindung faktischer und normativer Gesichtspunkte stellt die Anwendung der konkludenten Täuschung vor die schwierige Gratwanderung, trotz der gebotenen Sanktionierung von irreführendem Verhalten durch stillschweigende Erklärungen nicht ins Unverhältnismäßige oder Fiktionäre abzugleiten, indem etwa harmlose Verhaltensweisen zu strafbaren Täuschungshandlungen aufgewertet werden6 oder die Konstruktion schlüssiger Erklärungswerte an die Stelle eines in Wahrheit fehlenden Erklärungsverhaltens tritt. Vor allem ist bei der konkludenten Täuschung die Grenze zwischen Tun und Unterlassen genau zu beachten, damit mit ihrer Hilfe nicht die für den Betrug durch Unterlassen erforderliche Garantenstellung (Rz. 64 ff.) unterlaufen wird.7 Aus dieser Grenze ergibt sich der Vorrang der konkludenten Täuschung vor der Täuschung durch Unterlassen, die erst zu prüfen ist, wenn zuvor eine konkludente Täuschung verneint wurde.8 aa) Grundsätze (1) Rechtsprechung

33

Grund und Grenzen der konkludenten Täuschung sind in Begründung und teils den kasuistischen Ergebnissen (Rz. 39 ff.) bis heute umstritten. Die Rspr. hat in jüngerer Zeit zu folgenden Grundsätzen gefunden:9 Der konkludente Kommunikationsinhalt wird auf Basis der Gesamtumstände der konkreten Situation wesentlich durch den dem Erklärenden bekannten Empfängerhorizont und damit durch die ersichtlichen tatsächlichen Erwartungen der Beteiligten bestimmt.10 Letztere beurteilen sich maßgeblich nach der Verkehrsanschauung und den in der Situation relevanten rechtlichen Normen, die den Inhalt konkludenter Kommunikation i.d.R. prägen (normativer Gesamtzusammenhang).11 Neben der konkreten Situation sind dabei der jew. Geschäftstyp und die für ihn typische Pflichten- und Risikoverteilung zwischen den Partnern entscheidende Kriterien für die Auslegung des rechtsgeschäftlich bedeutsamen Verhaltens.12 Sofern Besonderheiten fehlen, soll der Tatrichter regelmäßig von allgemein verbreiteten, durch Verkehrsanschauung und rechtlichen Rahmen bestimmten Erwartungen auf den tatsächlichen Inhalt unausgesprochener Kommunikation schließen. Darin liegt keine Fiktion einer Erklärung.13 Umgekehrt reicht die allgemeine Erwartung, der andere werde sich redlich verhalten, nicht für die Annahme einer konkludenten Erklärung, abgesehen davon, dass die Vertragspartner ein Minimum an Redlichkeit

1 BGH v. 26.4.2001 – 4 StR 439/00, BGHSt 47, 1, 3; BGH v. 15.12.2006 – 5 StR 181/06, BGHSt 51, 165, 170; BGH v. 9.6.2009 – 5 StR 394/08, NStZ 2009, 506, 507; BGH v. 28.5.2014 – 2 StR 437/13, wistra 2014, 439, 440; Perron in S/SStGB, § 263 Rz. 14/15; Saliger in M/R-StGB, § 263 Rz. 32; vgl. auch Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 109. 2 Vgl. BVerfG v. 7.12.2011 – 2 BvR 2500/09, NJW 2012, 907, 915, Rz. 168; BGH v. 20.12.2012 – 4 StR 55/12, NJW 2013, 883, 884. 3 BGH v. 15.12.2006 – 5 StR 181/06, BGHSt 51, 165, 170; Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 14/15; Saliger in M/R-StGB, § 263 Rz. 32; Vogel, GS Keller, 2003, S. 316 f.; Saliger/Rönnau/Kirchheim, NStZ 2007, 362 f.; vgl. auch Frisch, FS Jakobs, 2007, S. 130. 4 BGH v. 26.4.2001 – 4 StR 439/00, BGHSt 47, 1, 3; BGH v. 15.12.2006 – 5 StR 181/06, BGHSt 51, 165, 169 f.; Fischer, StGB, § 263 Rz. 21 ff.; Lackner/Kühl, StGB, § 263 Rz. 9 ff.; Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 14 ff.; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 28 ff.; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 38 ff.; Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 109 ff.; Hoyer in SK-StGB, § 263 Rz. 29 ff.; Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 96 ff. 5 So aber Pawlik, Unerlaubtes Verhalten, S. 97 ff., 127 ff.; Gauger, Dogmatik, S. 167 f., 190 ff., 240 f.; Wittig, Verhalten, S. 284 ff., 298 f., 321 ff. 6 Vgl. Kargl, ZStW 119 (2007), 287; Kasiske, GA 2009, 361. 7 Zu dieser Gefahr Schlösser, NStZ 2005, 426 f.; Kutzner, JZ 2006, 713; Schild, ZfWG 2006, 216 f.; Jahn/Maier, JuS 2007, 217; Trüg/Habetha, JZ 2007, 882 f.; Krack, ZIS 2007, 104; Kasiske, GA 2009, 361. 8 Fischer, StGB, § 263 Rz. 21; Gaede in AnwK-StGB, § 263 Rz. 26; Küper, BT, S. 296. 9 Zum Folgenden schon Saliger in M/R-StGB, § 263 Rz. 33 ff. 10 BGH v. 15.12.2006 – 5 StR 181/06, BGHSt 51, 165, 170 unter Bezugnahme auf Fischer, StGB56, § 263 Rz. 12 und Vogel, GS Keller, 2003, S. 315; BGH v. 9.6.2009 – 5 StR 394/08, NStZ 2009, 506, 507. 11 BGH v. 15.12.2006 – 5 StR 181/06, BGHSt 51, 165, 170 unter Berufung auf Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 96 und Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 30; BGH v. 9.6.2009 – 5 StR 394/08, NStZ 2009, 506, 507. 12 BGH v. 15.12.2006 – 5 StR 181/06, BGHSt 51, 165, 170 mit Anknüpfung an BGH v. 6.9.2001 – 5 StR 318/01, BGHR StGB § 263 Abs. 1 Täuschung 22 und Cramer/Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 14/15; auch OLG Celle v. 26.2.1993 – 3 Ss 170/92, StV 1994, 188, 189. 13 BGH v. 15.12.2006 – 5 StR 181/06, BGHSt 51, 165, 170 f.

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Saliger

Rz. 35 § 263 StGB

im Geschäftsverkehr voraussetzen dürfen.1 Bei betrügerischen Insertionsofferten, die textlich an sich richtig sind, soll ein Verhalten dann zur (konkludenten) Täuschung werden, wenn der Täter die Eignung der – textlich richtigen – Erklärung, einen Irrtum hervorzurufen, planmäßig einsetzt und damit unter dem Anschein äußerlich verkehrsgerechten Verhaltens gezielt die Schädigung des Adressaten verfolgt, wenn also die Irrtumserregung nicht die bloße Folge, sondern der Zweck der Handlung ist. Insoweit ist auf Seiten des Täters dolus directus 1. Grades erforderlich.2 Das Gleiche soll für den betrügerischen Einsatz unvollständiger, isoliert betrachtet aber wahrer Tatsachenbehauptungen gelten.3 Die Abgrenzung zwischen einer aktiven konkludenten Täuschung und einer Täuschung durch Unterlassen bestimmt sich für den BGH nach dem durch Auslegung zu ermittelnden Erklärungswert des aktiven Verhaltens, insbesondere nach dem relevanten Handlungsschwerpunkt. Liegt insoweit bereits ein Betrug durch aktives Tun vor, so kann dahinstehen, ob auch ein Betrug durch Unterlassen in Betracht kommt.4 (2) Würdigung der Rechtsprechung Diese Grundsätze des BGH überzeugen nicht vollständig. Das gilt vor allem für die Subjektivierung des Täu- 34 schungsbegriffs um ein Absichtsmerkmal in bestimmten Fällen (Rz. 33). Diese Subjektivierung ist weder systematisch stimmig noch dogmatisch notwendig.5 Gesetzessystematisch unstimmig ist die Subjektivierung vor allem, weil sie Subjektives mit Objektivem vermischt (Rz. 27) und der subjektive Betrugstatbestand bereits eine zu einem guten Teil gleichlaufende Bereicherungsabsicht besitzt. Überflüssig ist die Subjektivierung, weil entgegen dem BGH6 auch eine rein objektive Bestimmung der Irreführungseignung in den fraglichen Fällen in der Lage ist, strafloses Verhalten durch bloßes Ausnutzen einer irrtumsgeneigten Situation einerseits von einer dem Verantwortungsbereich des Täters zuzuordnenden strafrechtlich relevanten aktiven Täuschungshandlung andererseits abzugrenzen.7 Präzisierungsbedürftig sind ferner die Grundsätze des BGH zur fließenden (Rz. 28) Abgrenzung der aktiven konkludenten Täuschung von der Täuschung durch Unterlassen. Zu beachten ist, dass für eine Täuschung durch Unterlassen die Beseitigung eines falschen Scheins charakteristisch ist und sich die Aufklärungspflicht daher nicht notwendig auf eine bestimmte falsche Tatsachenbehauptung bezieht, sondern eine umfassende Irrtumsbeseitigung verlangt (Rz. 64 und Rz. 67 ff.). Demgegenüber wird ein aktives Tun als Schwerpunkt der Täuschung zum einen durch das Vorhandensein eines positiven Erklärungsgehalts des Verhaltens (d.h. die Setzung eines falschen Scheins) und zum anderen durch den Bezug dieses Verhaltens auf eine bestimmte falsche Tatsachenbehauptung als Gegenstand indiziert. Fehlt es an beidem, kommt ein Unterlassen in Betracht.8 Davon abgesehen verdient der faktisch- (Empfängerhorizont; tatsächliche Erwartungen der Beteiligten) normati- 35 ve (Anschauung der Verkehrskreise; rechtlich relevante Situationsnormen; Geschäftstyp mit typischer Pflichtenund Risikoverteilung) Mischansatz des BGH (Rz. 32 f.) grundsätzlich Zustimmung.9 Für ihn spricht bereits, dass die Alternativansätze nicht stimmiger sind.10 So übersieht ein ontologischer Täuschungsbegriff,11 dass die in Wettscheinen verbrieften Gewinnchancen reale Objekte der Seinswelt bezeichnen,12 kommt eine faktische

1 BGH v. 15.12.2006 – 5 StR 181/06, BGHSt 51, 165, 171 unter Rekurs auf Cramer/Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 14/15. 2 BGH v. 26.4.2001 – 4 StR 439/00, BGHSt 47, 1, 5 f. – unter Bezug auf Schröder, FS Peters, 1974, S. 157, 159 f. – m. Anm. Baier, JA 2002, 364; Geisler, NStZ 2002, 86; Krack, JZ 2002, 613; Loos, JR 2002, 77; Rose, wistra 2002, 13; Hoffmann, GA 2003, 610; Pawlik, StV 2003, 297. Ebenso BGH v. 4.12.2003 – 5 StR 308/03, NStZ-RR 2004, 110, 111; BGH v. 28.5.2014 – 2 StR 437/13, wistra 2014, 439, 440; auch BGH v. 5.3.2014 – 2 StR 616/12, NJW 2014, 2595, 2596 und 2598. 3 BGH v. 19.7.2001 – 4 StR 457/00, wistra 2001, 386, 387 zu vorgespielter Kreditvermittlung. Zur Unterscheidung zwischen unvollständig wörtlich wahren und einen unwahren Gesamteindruck erweckenden, i.E. wahren Äußerungen Hoffmann, GA 2003, 610 ff.; Hoyer in SK-StGB, § 263 Rz. 45 ff. 4 BGH v. 15.12.2006 – 5 StR 181/06, BGHSt 51, 165, 173. 5 Str., wie hier abl.: Hoyer in SK-StGB, § 263 Rz. 47 ff.; Saliger in M/R-StGB, § 263 Rz. 34; Wessels/Hillenkamp, BT/2, Rz. 499; Krack, JZ 2002, 613; Geisler, NStZ 2002, 88; Pawlik, StV 2003, 297 ff.; Rose, wistra 2003, 16; Scheinfeld, wistra 2008, 167 ff.; Rath, Gesinnungsstrafrecht, 2002, S. 7 ff., 51 f.; Paschke, Insertionsoffertenbetrug, 2007, S. 144 ff., 268 f.; Lux, Täuschung, 2013, S. 235 f. Mittlerweile auch abl. Fischer, StGB, § 263 Rz. 28a. Dem BGH zust.: Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 16c; Loos, JR 2002, 78; Otto, Jura 2002, 606 f. 6 BGH v. 26.4.2001 – 4 StR 439/00, BGHSt 47, 1, 6. 7 Vgl. Geisler, NStZ 2002, 88; Rose, wistra 2002, 16; Pawlik, StV 2003, 297 f.; ferner Hoyer in SK-StGB, § 263 Rz. 50 und Wessels/Hillenkamp, BT/2, Rz. 499. 8 Saliger in M/R-StGB, § 263 Rz. 34; vgl. ferner Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 111 f.; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 44; vgl. auch Streng, ZStW 122 (2010), 18 ff. Anderer Abgrenzungsansatz bei Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 29. 9 Einen Mischansatz vertreten ebenfalls Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 30; Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 14/15; Saliger in M/R-StGB, § 263 Rz. 35; Kasiske, GA 2009, 367 f.; vgl. auch Wessels/Hillenkamp, BT/2, Rz. 496. Krit. etwa Trüg/ Habetha, JZ 2007, 883; Frisch, FS Jakobs, 2007, S. 98 ff.; Gauger, Dogmatik, S. 85 ff. 10 Zu den verschiedenen Ansätzen Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 29 f.; Hoyer in SK-StGB, § 263 Rz. 29 ff.; Saliger in M/R-StGB, § 263 Rz. 35. 11 Jahn/Meier, JuS 2007, 218. 12 Saliger/Rönnau/Kirchheim, NStZ 2007, 363; in die gleiche Richtung Krack, ZIS 2007, 107.

Saliger

391

StGB

Betrug

StGB

§ 263 StGB Rz. 36

Strafgesetzbuch

Betrachtungsweise der Konkludenz1 nicht ohne normative Elemente (z.B. „objektive Maßstäbe der Verkehrsweise“) aus,2 und greifen auch primär normative Ansätze teilweise umgekehrt auf faktische Elemente zurück (z.B. faktischer Geschäftsverkehr3 oder lebensweltliche Praxis von Verkehr und Sprache4). Tatsächlich vermag allein ein faktisch-normativer Mischansatz die konkludente Täuschung vor einer Fiktionalisierung von Kommunikation zu bewahren. Im Beispiel: Wollte man beim Sportwettenbetrug bereits aus jedem Sonderwissen des Wetters bei Vertragsschluss eine konkludente Täuschung des Wettanbieters herleiten,5 so würde eine konkludente Täuschung z.B. auch dann anzunehmen sein, wenn der Wettende Fußballmanager bei Gesprächen über zukünftige Spielausgänge belauscht hätte. Damit drohte aber genau jene Fiktionalisierung von Kommunikation bei Abschluss des Wettvertrages (nämlich die Konstruktion einer konkludenten Erklärung dahin, Fußballmanager nicht belauscht zu haben), die jenseits einer nachvollziehbaren Normativierung alltäglicher Geschäftsabläufe liegt (auch Rz. 45).6 36

In der Sache geht es bei dem faktisch-normativen Mischansatz der neueren Rspr. um jene Abgrenzung der Verantwortungsbereiche von Täuschendem und Getäuschtem, die bereits als leitend für die Anwendung des Täuschungsbegriffs (Rz. 27) und die Auslegung des Betrugstatbestands insgesamt (Rz. 10) erkannt wurde. Die Abgrenzung richtet sich zunächst nach der faktischen oder außer(vor-)strafrechtlichen (zivil- oder öffentlichrechtlichen) Risiko- und Pflichtenverteilung des jew. Geschäftstyps. Auch wenn diese vorfindlichen Verantwortungszuteilungen die strafrechtliche Bewertung weitgehend und regelmäßig prägen,7 bezeichnen sie doch keine abschließende Maßgabe. Raum für eine strafrechtsautonome Bestimmung entsteht insoweit nicht nur8 für den Fall, dass bei Fehlen faktischer oder außerstrafrechtlicher Verantwortungszuteilungen die strafrechtliche Mindestgarantie der Redlichkeit im Geschäftsverkehr zu bestimmen ist. Darüber hinaus ist im Hinblick auf die eigenständige Rechtsgutsschutzfunktion des Betrugs (Rz. 1) die vorgefundene faktische oder außerstrafrechtliche Verantwortungszuteilung stets auf ihre Maßgeblichkeit für das Betrugsstrafrecht autonom zu bestätigen.9 Leitend für diese strafrechtsautonome Bestätigung ist die Frage, ob und inwieweit die jew. vorfindliche Risiko- und Pflichtenverteilung auch mit Blick auf einen am Bestimmtheits- und ultima-ratio-Grundsatz orientierten strafrechtlichen Vermögensschutz die Annahme eines vom Täuschenden zu verantwortenden unausgesprochenen Kommunikationsinhalts trägt, der nicht fiktionär ist.10 Hierbei kommt die aufgezeigte verfassungsrechtliche Grenze der Akzessorietät zum Tragen (Rz. 28). Die Maßgabe, die strafbare Täuschung auf klare und evidente Fälle zu beschränken, findet etwa bei der konkludenten Täuschung in der Konstellation des Abrechnungsbetrugs ihre Konkretisierung in dem Rechtssatz, dass bei Divergenzen über die Auslegung einer außerstrafrechtlichen Norm eine strafbare Täuschung erst in Betracht kommt, wenn die Abrechnung nicht mehr auf einer im Ansatz vertretbaren Rechtsauffassung beruht und damit schlechthin unvertretbar ist (näher Rz. 51). (3) Besonderheiten der konkludenten Täuschung

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Drei Besonderheiten sind bei der Anwendung der konkludenten Täuschung zu beachten.11 Erstens betrifft das schlüssige Erklären solche Tatsachenbehauptungen, die entweder in einem logischen, empirischen oder normativen Widerspruch zum ausdrücklich Erklärten stehen und daher nicht expressis verbis geäußert zu werden brauchen (positives Beispiel: Wer auf der Vorderseite eines Schriftstückes nach dem Empfängerhorizont eine Rechnung stellt, erklärt implizit, dass eine Zahlungspflicht besteht und nicht lediglich ein kleingedrucktes Angebot auf der Rückseite gemacht wird; vgl. Rz. 54)12 oder deshalb als miterklärt gelten dürfen, weil sie notwendig gegeben sein müssen, damit die Erklärung (Sprechhandlung) sinnvoll ist bzw. ihr Ziel erreichen kann (positives Beispiel: Wer in einem Restaurant ein Essen bestellt, erklärt implizit seine Zahlungswilligkeit und -fähigkeit, vgl. Rz. 39; negatives Beispiel: Wer eine Sache verkauft, erklärt grundsätzlich nicht notwendig ihre Mängelfreiheit mit, vgl.

1 So Cramer in S/S-StGB25 (1997), § 263 Rz. 14; anders nunmehr Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 14/15. 2 Vogel, GS Keller, 2003, S. 316; Krack, ZIS 2007, 107; Saliger/Rönnau/Kirchheim, NStZ 2007, 362. A.A. Kutzner, JZ 2006, 714. 3 Vgl. Lackner in LK-StGB Rz. 28 ff., 29, 30. 4 Vogel, GS Keller, 2003, S. 322. Zum Ansatz des Rechts auf Wahrheit Rz. 1 m.N.w. Den Streit für praktisch bedeutungslos bzw. gering halten Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 30; Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 14/15; Satzger in S/S/WStGB, § 263 Rz. 41; Krack, ZIS 2007, 107. 5 So Krack, ZIS 2007, 105. 6 Saliger/Rönnau/Kirch-Heim, NStZ 2007, 364; vgl. auch BGH v. 11.3.2014 – 4 StR 479/13, NStZ 2014, 317, 318. 7 Vgl. Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 30. 8 So aber Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 30. 9 Str., wie hier: Samson, JA 1978, 472 f.; Vogel, GS Keller, 2003, S. 317 f., 323 f.; Kasiske, GA 2009, 365; Saliger in M/RStGB, § 263 Rz. 36; vgl. für die Untreue § 266 StGB Rz. 31. A.A. Lackner in LK-StGB, § 263 Rz. 30; wohl auch Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 30. 10 Saliger in M/R-StGB, § 263 Rz. 36; vgl. ferner Vogel, GS Keller, 2003, S. 322 ff. Auf Informationsherrschaft und Informationsobliegenheit stellt dagegen ab Kasiske, GA 2009, 365 ff. 11 Zum Folgenden bereits Saliger in M/R-StGB, § 263 Rz. 37. 12 Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 110; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 41; vgl. auch Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 100 ff., der die konkludente Täuschung als Typusbegriff versteht (Rz. 95 ff.).

392

Saliger

Rz. 39 § 263 StGB

Rz. 43 ff.).1 Insoweit ist das zu Erklärende für die Konkludenz nicht nur überflüssig. Eine explizite Thematisierung des unausgesprochenen Kommunikationsinhalts ist vielmehr häufig irritierend und kann sogar zu Kommunikationsstörungen führen. Erklärt etwa der Bewerber um eine begehrte Wohnung bei Abschluss des Mietvertrages, zur Zahlung der Miete auch bereit zu sein – Erfüllungswillen als klassischer Fall der Konkludenz (Rz. 39) –, so darf er sich nicht wundern, wenn seine Äußerung beim Vermieter Misstrauen erregt und der Vertragsschluss in Frage gestellt wird. Die Ungewöhnlichkeit einer expliziten Erklärung ist damit für die Konkludenz regelmäßig konstitutiv.2 Zweitens ist zu berücksichtigen, dass das nicht explizite bzw. unvollständige Erklärungsverhalten die Domäne der konkludenten Täuschung ist.3 Deshalb wird die Abgrenzung zum straflosen bloßen Ausnutzen einer Fehlvorstellung (Rz. 25 und Rz. 105) neben dem Betrug durch Unterlassen vor allem bei der konkludenten Täuschung relevant. Drittens ergibt sich aus der Abhängigkeit der Konkludenz von Kontext und Zweck der jew. Kommunikationssituation, dass für die konkludente Täuschung die Auslegung und kasuistische Entfaltung unausgesprochener Kommunikationsinhalte unvermeidlich sind.4 bb) Fallgruppen Auf dieser Basis lässt sich die Rspr. trotz der unausweichlichen (Rest-)Kasuistik nachvollziehbarer rekonstruie- 38 ren, wenn man sie systematisiert in relativ klare positive Kandidaten, relativ klare negative Kandidaten und stark einzelfallabhängige Bereiche.5 Insoweit reicht die Judikatur von der weithin unstrittigen konkludenten Täuschung bei fehlender minimaler Redlichkeit (z.B. Erfüllungsbereitschaft und -fähigkeit) und fehlender Geschäftsgrundlage über die (nur) im Grundsatz nicht konkludenten Täuschungsinhalte in Bezug auf Mängelfreiheit, angemessenem Preis und angemessener Vergütung sowie bloßes Fordern und schierer Entgegennahme einer Leistung bis hin zu den konstellationsabhängigen Annahmen konkludenter Täuschungsinhalte im Zahlungsverkehr und in sonstigen Geschäfts- und Lebensbereichen. (1) Minimum an Redlichkeit: Erfüllungsbereitschaft, -fähigkeit, Verfügungsbefugnis Bei Abschluss eines Vertrages gehört die schlüssige Erklärung der Erfüllungsbereitschaft als innere Tatsache 39 (Rz. 15) zum unerlässlichen Minimum an Redlichkeit (im Sinne eines Verbots widersprüchlichen Verhaltens) im Geschäftsverkehr, sofern sich aus den Umständen nichts anderes ergibt.6 Bei (Bar-)Geschäften des täglichen Lebens, in denen die beiderseitige Erfüllung unmittelbar dem Vertragsschluss folgt, gilt das auch für die Erfüllungsfähigkeit im Zeitpunkt des Vertragsschlusses.7 So erklärt ein Kunde, der einen Einkaufswagen an der Kasse des Kaufhauses vorfährt, schlüssig, dass er die den Regalen entnommenen Waren vollständig zur Bezahlung angibt und bereit ist, sie zu bezahlen.8 Ebenso kann über seine Erfüllungsbereitschaft und/oder -fähigkeit konkludent täuschen der Zechpreller bei Bestellung der Speisen,9 der Rechtsanwalt, der eine von ihm nicht erfüllbare Verpflichtung übernimmt,10 oder der Fahrer beim Tanken an einer Tankstelle, wenn das Tankpersonal den Kraftstoff einfüllt, die Zapfsäule freigibt oder den Tankvorgang beobachtet.11 Allerdings kann aus dem Umstand, dass der Käufer im Zeitpunkt der Bestellung der Ware nicht in der Lage ist, seine bestehenden Verbindlichkeiten in vollem Umfang zu begleichen, sondern liquide Mittel immer nur zur Tilgung der jew. ältesten und aus seiner Sicht dringlichsten Forderung verwendet, nicht ohne weiteres auf Zahlungsunwilligkeit bezüglich des konkreten Bestellvorgangs geschlossen werden.12

1 Kindhäuser, FS Tiedemann, 2008, S. 586 f. Sprachphilosophisch handelt es sich um widersprüchliche performative Äußerungen; vgl. Austin, Zur Theorie der Sprechakte, dt. 2. Aufl. 1981, S. 40 ff., 58 ff., 96 ff., 112 ff., 155 ff. (Unredlichkeiten und Inkonsequenzen); Searle, Sprechakte, S. 95 ff., 127 ff. Zu diesem Zusammenhang Kindhäuser Artikel Handlung, Rz. 26 in: EzR 2011 (online-Lexikon) und Lux, Täuschung, 2013, S. 16 ff., 117 ff. (semantisches Schließen). 2 Saliger/Rönnau/Kirchheim, NStZ 2007, 363; Krack, ZIS 2007, 104; vgl. auch Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 110. 3 Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 109; Maurach/Schroeder/Maiwald, BT/1, § 41 Rz. 39. 4 Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 98, 104 ff.; Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 14/15; Kindhäuser, FS Tiedemann, 2008, S. 579. 5 Zum Folgenden bereits Saliger in M/R-StGB, § 263 Rz. 38 ff.; vgl auch die Systematisierung bei Lux, Täuschung, 2013, S. 223 ff. 6 RG v. 7.4.1880 – 431/80, RGSt 2, 5, 6; BGH v. 3.6.1960 – 4 StR 121/60, BGHSt 15, 24, 26; BGH v. 26.10.1977 – 2 StR 432/77, BGHSt 27, 293, 294 f.; BGH v. 22.10.1981 – 4 StR 429/81, wistra 1982, 66, 67; Fischer, StGB, § 263 Rz. 33; Lackner/Kühl, StGB, § 263 Rz. 9; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 78; Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 16a; Gaede in AnwKStGB, § 263 Rz. 31; Kindhäuser, FS Tiedemann, 2008, S. 589 f.; Lux, Täuschung, 2013, S. 223 ff. 7 BGH v. 15.12.1970 – 1 StR 573/70, GA 1972, 208, 209; BGH v. 22.10.1981 – 4 StR 429/81, wistra 1982, 66, 67; BGH v. 31.10.1995 – 1 StR 584/95, NStZ-RR 1996, 34, 34 f.; Fischer, StGB, § 263 Rz. 33; Lackner/Kühl, StGB, § 263 Rz. 9; Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 16a; Lux, Täuschung, 2013, S. 224. 8 OLG Düsseldorf v. 17.11.1992 – 2 Ss 337/92 – 67/92 III, NStZ 1993, 286 m. Anm. Vitt, NStZ 1994, 133. 9 BayObLG v. 23.7.57 – RevReg 2 St 423/57, JR 1958, 66; Fischer, StGB, § 263 Rz. 33; Lackner/Kühl, StGB, § 263 Rz. 9. Weitergehend Hirsch, NJW 1969, 853 f. 10 BGH v. 22.10.1981 – 4 StR 429/81, wistra 1982, 66, 67: Übertragung eines Grundstücks. 11 BGH v. 5.5.1983 – 4 StR 121/83, NJW 1983, 2827 m. Anm. Deutscher, NStZ 1983, 505; BGH v. 28.7.2009 – 4 StR 254/09, NStZ 2009, 694. 12 BGH v. 24.10.1990 – 3 StR 196/90, StV 1991, 419.

Saliger

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StGB

Betrug

StGB

§ 263 StGB Rz. 40

Strafgesetzbuch

40

Bei Kreditgeschäften kommt es auf die subjektive Beurteilung der späteren Leistungsfähigkeit durch den Schuldner bei Vertragsschluss an. So erklärt der Kreditkäufer zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses schlüssig seine vorhandene Absicht, bei Fälligkeit zu zahlen, und seine Annahme, hierzu in der Lage zu sein.1 Entsprechend täuscht der Kreditkäufer konkludent, wenn er sich bei Vertragsschluss bewusst ist, bei Fälligkeit nicht zahlen zu können.2 Eigene Zweifel an seiner künftigen Leistungsfähigkeit schließen nicht stets die Annahme aus, der Kreditkäufer werde zahlen können.3 Für die Abgrenzung ist darauf abzustellen, ob der Kreditkäufer trotz seiner Zweifel begründet darauf vertraut hat, künftig leistungsfähig zu sein (keine Betrugsstrafbarkeit), oder ob er damit gerechnet hat, nicht zahlen zu können.4 Ein vages, unbegründetes Hoffen des Schuldners auf seine Leistungsfähigkeit bei Fälligkeit entlastet nicht.5 Bei Dauerschuldverhältnissen erklärt der Schuldner nicht konkludent, zu allen künftigen Fälligkeitsterminen leistungsfähig zu sein.6 Deshalb ist eine schlüssige Täuschung zu verneinen, wenn der bei Vertragsschluss zahlungsunfähige Schuldner damit rechnet, bis zum Fälligkeitszeitpunkt zahlungsfähig zu sein.7 Bei Hotelleistungen erklärt der Gast seine Zahlungsfähigkeit konkludent nur im Zeitpunkt des Vertragsschlusses. Nimmt er die vereinbarten Leistungen auch noch nach Eintritt seiner Zahlungsunfähigkeit in Anspruch, so täuscht er damit noch nicht schlüssig über seine Zahlungsfähigkeit, es sei denn, er bestellt nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit weitere Leistungen.8 Zu einer Offenbarung seiner Zahlungsunfähigkeit ist der Hotelgast nur unter besonderen Umständen verpflichtet.9

41

Die Abgabe einer rechtsgeschäftlichen Erklärung enthält die konkludente Behauptung einer entsprechenden Verfügungs- und Verpflichtungsbefugnis. So erklärt der Verkäufer einer Sache schlüssig, zur Übertragung des Eigentums imstande zu sein.10 Der Zedent einer Forderung behauptet konkludent, als deren Inhaber zur Verfügung berechtigt zu sein,11 nicht jedoch, keiner anderweitigen schuldrechtlichen Verpflichtung zu unterliegen.12 Wer eine Forderung einzieht, erklärt schlüssig, Inkassovollmacht zu besitzen.13 Konkludent kann deshalb auch der Empfänger einer Leistung täuschen, der seine Absicht verschweigt, die Leistung nicht an den eigentlichen Vertragspartner weiterzuleiten.14 Darüber hinaus soll nach h.M. mit der Vornahme eines Rechtsgeschäfts zugleich Geschäftsfähigkeit miterklärt sein (str. und in der Allgemeinheit zwh.).15 Nach dem RG umfasst der Abschluss eines Vertrages durch den Vertreter des Verkäufers unter der Bedingung sofortiger Bezahlung die konkludente Erklärung, zur Kontrahierung mit den vereinbarten Konditionen bevollmächtigt zu sein.16 (2) Geschäftsgrundlage

42

Wer ein Rechtsgeschäft abschließt, erklärt grundsätzlich schlüssig das Vorliegen jener Umstände, die den Geschäftstyp bzw. die Geschäftsgrundlage bilden.17 Täuschungstauglich sind insoweit beim Spielvertrag die Ausschaltung des Zufalls etwa durch Manipulation;18 die Vortäuschung eines Geschicklichkeitsspiels, das in

1 OLG Köln v. 13.1.1967 – Ss 336/66, NJW 1967, 740, 741. Zum davon zu unterscheidenden Kauf auf Besicht OLG Köln v. 20.2.1968 – Ss 635/67, NJW 1968, 1294, 1295. 2 Vgl. BGH v. 10.1.1964 – 4 StR 479/63, GA 1965, 208; OLG Köln v. 13.1.1967 – Ss 336/66, NJW 1967, 740, 741. 3 OLG Köln v. 13.1.1967 – Ss 336/66, NJW 1967, 740, 741. 4 RG DR 43, 74; BGH v. 24.5.1995 – 5 StR 155/55 bei Herlan, MDR 1955, 528; OLG Köln v. 13.1.1967 – Ss 336/66, NJW 1967, 740, 741; OLG Stuttgart v. 11.7.1958 – 1 Ss 334/58, NJW 1958, 1833. 5 Vgl. BGH v. 22.11.1951 – 4 StR 192/51, JZ 1952, 282; BGH v. 10.1.1964 – 4 StR 497/63, GA 1965, 208. Zum Problem Maaß, GA 1984, 270 f. 6 BGH v. 30.1.2003 – 3 StR 437/02, StV 2004, 317, 319; Gaede in AnwK-StGB, § 263 Rz. 31. 7 Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 78; zur ggf. bestehenden Offenbarungspflicht hinsichtlich der Zahlungsunfähigkeit bei Vertragsschluss vgl. BayObLG v. 30.7.1998 – 3 St RR 54-98, NJW 1999, 69, 70. Auf die rationale Vorhersehbarkeit der Zahlungs(un)fähigkeit stellt ab Lux, Täuschung, 2013, S. 225. 8 BGH v. 13.3.1973 – 4 StR 497/63, GA 1974, 284; OLG Hamburg v. 5.9.1968 – 2 Ss 87/68, NJW 1969, 335 m. zust. Anm. Schröder, JR 1969, 110 und Triffterer, JuS 1971, 181, sowie abl. Anm. Hirsch, NJW 1969, 853; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 39. 9 BGH v. 13.3.1973 – 4 StR 497/63, GA 1974, 284, 285; OLG Hamburg v. 5.9.1968 – 2 Ss 87/68, NJW 1969, 335 f.; dazu auch unten Rz. 76. 10 Vgl. RG v. 10.7.1906 – V 238/06, RGSt 39, 80, 82; Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 126; Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 16b; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 39; Lux, Täuschung, 2013, S. 227 f. 11 Vgl. RG v. 3.10.1890 – 1887/90, RGSt 21, 67, 68 f., RG v. 30.12.1907 – I 847/07, RGSt 41, 27, 31. 12 Vgl. RG v. 3.10.1890 – 1887/90, RGSt 21, 67, 68 f. 13 RG v. 10.7.1906 – V 238/06, RGSt 39, 80, 82; BGH v. 5.3.1968 – 1 StR 17/68, NJW 1968, 1147, 1148; auch BGH v. 7.12.1959 – GSSt 1/59, BGHSt 14, 38, 39, 41. Zum Einfordern von Polizeigebühren BGH v. 17.12.1963 – 1 StR 495/63, GA 1964, 151 sowie eines Rabatts BayObLG v. 14.8.1979 – RReg 3 St 325/78, JR 1980, 122 f. m. zust. Anm. Kienapfel. 14 BGH v. 12.12.1990 – 3 StR 470/89, wistra 1991, 181, 182; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 39. 15 BGH v. 21.1.1967 – 5 StR 668/66, bei Pfeiffer/Maul/Schulte, StGB, § 263 Nr. 8; Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 16b; Lackner/Kühl, StGB, § 263 Rz. 9; Lackner in LK-StGB Rz. 40. A.A. Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 126; Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 152; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 51; Gaede in AnwK-StGB, § 263 Rz. 31. 16 RG v. 23.12.1930 – I 510/30b, bei Wachinger GS 102, 390; Maaß, GA 1984, 272. 17 Vgl. BGH v. 19.12.1979 – 3 StR 313/79, BGHSt 29, 165, 167; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 31; Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 16e; Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 132 ff. 18 OLG Karlsruhe, Justiz 1970, 265; BayObLG v. 11.2.1993 – 5 St RR 170/92, NJW 1993, 2820 ff. m. Bespr. Lampe, JuS 1994, 737: Roulettespiel. Keinen Betrug begründet „card counting“, dazu Witte, JR 2012, 101.

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Saliger

Rz. 44 § 263 StGB

Wahrheit ein Glückspiel ist;1 das Aufstellen von Spielautomaten, bei denen die Gewinnchancen durch einen technischen Eingriff vermindert sind;2 das Zurückbehalten des Hauptgewinnloses einer Lotterie;3 beim Vergleich die Unveränderlichkeit des nach den Vorverhandlungen als feststehend zugrundegelegten Sachverhalts;4 bei einem Verlagsvertrag über eine wissenschaftliche Arbeit die konkludenten Erklärungen, dass der Autor geistiger Urheber der Forschungsergebnisse ist und dass die Arbeit wissenschaftlichen Standards entspricht;5 im Rahmen einer Auslobung, bei welcher der Täter Lebensmittel mit noch nicht abgelaufenem Haltbarkeitsdatum versteckt und sie nach Ablauf des Haltbarkeitsdatums vorlegt, um eine ausgelobte Prämie zu erhalten, die schlüssige Erklärung, dass er ein abgelaufenes Produkt gefunden hat, das der Kontrolle des Geschäftspersonals entgangen ist;6 bei öffentlichen Ausschreibungen (Submissionen) die eigenverantwortliche Kalkulation zu Wettbewerbszwecken bzw. das Fehlen wettbewerbswidriger Preisabsprachen,7 die nachträgliche Änderung der Angebotsunterlagen in Kenntnis der anderen Angebote8 oder die nicht offenbarte Kenntnis der Kalkulationsentstehung durch einen in das Vergabeerfahren eingeschalteten Berater, der zu den Angeboten Stellung nimmt (zum Submissionsbetrug Rz. 225 ff.).9 Als Grundlage eines Rechtsgeschäfts kommt auch ein bestimmter Verwendungszweck in Betracht (vgl. aber Rz. 58).10 So täuscht ein Vermittler von Warenterminoptionen (dazu auch Rz. 42, Rz. 78 und Rz. 84) über den Charakter des Anlagegeschäfts als Börsengeschäft (und über eine innere Tatsache), wenn er beabsichtigt, die Gelder nicht an der Börse zu platzieren.11 Das Gleiche gilt, wenn Kapitalanlegern verschwiegen wird, dass das Unternehmen nach dem Schneeballsystem finanziert wird,12 oder wenn ein Aktienverkäufer dem Käufer vereinbarungswidrig nicht zur Kapitalanlage geeignete Aktien veräußert.13 Beim Subventionsbetrug kann konkludent getäuscht werden über die Aufwandgestütztheit der geltend gemachten Kosten bei unterlassener Offenlegung von an den Subventionsnehmer geflossenen Provisionen.14 (3) Mängelfreiheit Grundsätzlich enthält die Abgabe eines Verkaufsangebots oder die Lieferung einer Sache keine konkludente Er- 43 klärung zu den Eigenschaften des Vertragsgegenstands, insbesondere nicht zur Mängelfreiheit und zur Vereinbarkeit der Leistung mit den Qualitätsvorstellungen des Gläubigers. Denn die Prüfung der Qualität der Kaufsache fällt grundsätzlich in den Verantwortungsbereich des Käufers.15 Das gilt trotz der durch die Schuldrechtsmodernisierung eingeführten Hauptpflicht des Verkäufers, dem Käufer eine mangelfreie Sache zu verschaffen (§ 433 Abs. 1 S. 2 a.F. BGB),16 und unabhängig davon, ob sich der Mangel leicht oder schwer feststellen lässt.17 Von diesem Grundsatz sind allerdings mehrere Ausnahmen anerkannt. Eine erste Ausnahme ergibt sich, wenn 44 der Verkäufer erhebliche vorsätzliche Manipulationen am Vertragsgegenstand vorgenommen hat, um dem Käufer die Erkennbarkeit der Mängel zu erschweren oder unmöglich zu machen und ihm den Schein der Vertrags-

1 BGH v. 11.1.1989 – 2 StR 461/88, BGHSt 36, 74 ff.: „Hütchenspiel“; LG Frankfurt v. 29.12.1992 – 5/6 Qs 48/92, NJW 1993, 945 f.; dazu Sack, NJW 1992, 2540. 2 OLG Hamm v. 4.4.1957 – 2 Ss 1791/56, NJW 1957, 1162 f. 3 RG v. 29.11.1928 – II 644/28, RGSt 62, 394; BGH v. 3.11.1955 – 3 StR 172/55, BGHSt 8, 289; vgl. auch BGH v. 15.12.2006 – 5 StR 181/06, BGHSt 51, 165, 171. 4 Str., wie hier: Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 16 f.; Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 132; Seier, Kündigungsbetrug, 1989, S. 295 ff. A.A. Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 32; Lackner/Kühl, StGB, § 263 Rz. 10. Zur Aufklärungspflicht nach Abschluss des Vergleichs vgl. BGH v. 29.1.1997 – X II ZR 257/95, NJW 1997, 1439 und unten Rz. 79. 5 Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 36; Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 130; Lux, Täuschung, 2013, S. 236 f. Zum Wissenschaftsbetrug näher Jerouschek, GA 1999, 418 ff. und Rz. 232. 6 OLG München v. 28.1.2009 – 5 St RR 12/09, NJW 2009, 1288 f. zur Geschäftsgrundlage der Auslobung einer Belohnung. 7 BGH v. 8.1.1992 – 2 StR 102/91, BGHSt 38, 186; BGH v. 11.7.2001 – 1 StR 576/00, BGHSt 47, 83, 87 m. Anm. Rönnau, JuS 2002, 545; Rose, NStZ 2002, 41; Satzger, JR 2002, 391; Walter, JZ 2002, 254; Best, GA 2003, 157; Götting/Götting, ZfBR 2003, 341; vgl. auch BGH v. 15.12.2006 – 5 StR 181/06, BGHSt 51, 165, 171; Lux, Täuschung, 2013, S. 230 f. 8 BGH v. 29.1.1997 – 2 StR 633/96, NStZ 1997, 542; BGH v. 4.10.1988 – 1 StR 424/88, wistra 1989, 100, 101. 9 BGH v. 6.2.2001 – 5 StR 571/00, wistra 2001, 295. 10 Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 16 f; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 33; Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 134; Maaß, GA 1984, 275. 11 Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 33; Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 134; Koch, JZ 1980, 709. 12 Vgl. LG Bremen v. 6.8.1997 – 4 O 1479/97, WuB I G 8. Prospekthaftung 1.98c m. Anm. Borges. 13 RG v. 21.2.1893 – 3747/92, RGSt 23, 430 ff.; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 33. 14 BGH v. 25.4.2014 – 1 StR 13/13, NJW 2014, 2295, 2297 – Resort Schwielowsee – m. krit. Anm. Gaede und Bespr. Wessing, NZG 2014, 814. 15 Vgl. RG v. 9.11.1880 – 2122/80, RGSt 2, 430 f.; RG v. 5.7.1886 – 1568/86, RGSt 14, 310, 311; BGH v. 28.6.1976 – 3 StR 94/76, bei Lackner in LK-StGB Rz. 47; Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 129, 137; Fischer, StGB, § 263 Rz. 35; Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 17b; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 70; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 37; Kindhäuser, FS Tiedemann, 2008, S. 591; Lux, Täuschung, 2013, S. 239. 16 Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 17b. 17 RG v. 5.7.1886 – 1568/86, RGSt 14, 310, 311 f.; RG v. 28.11.1889 – 2727/89, RGSt 20, 144, 145; Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 137.

Saliger

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Betrug

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§ 263 StGB Rz. 45

Strafgesetzbuch

mäßigkeit zu geben.1 Diese Ausnahme rechtfertigt sich daraus, dass vorgenommene oder beabsichtigte Manipulationen dann zur schlüssigen Erklärung ihres Nichtvorliegens führen, wenn es um einen zur Geschäftsgrundlage gehörenden Umstand geht (Rz. 42).2 Beispiele sind das Überdecken schlechter Ware,3 das Verfälschen von Lebensmitteln4 oder das Erschleichen einer Prädikatsbezeichnung für Wein.5 In diesen Fällen erklärt der Täter bei Vertragsabschluss als sog. Negativtatsache (Rz. 12) schlüssig, dass der in Bezug genommene Vertragsgegenstand nicht vorsätzlich zum eigenen Vorteil manipuliert worden ist.6 45

Diese Grundsätze gelten auch für den Sportwettenbetrug. Die neuere Rspr. unterscheidet zwischen straflosen „Spätwetten“-Fällen und betrugstauglichen Manipulationen des Wettgegenstandes.7 Danach erklärt ein Spieler, der in einem Wettbüro eine Wette über ein auswärtiges Rennen eingeht, das schon begonnen hat („Spätwette“), nicht konkludent, das Ergebnis dieses Rennens noch nicht zu kennen. Denn soweit das überlegene Wissen des Wettenden (Sonderwissen) aus allgemein zugänglichen Informationsquellen stammt, fällt das Einholen solcher Informationen über den Wettgegenstand typischerweise in das Risiko eines jeden Vertragspartners.8 Wer dagegen das Sportereignis selbst zu seinen Gunsten manipuliert, erklärt bei Abschluss des Wettvertrages konkludent die Manipulationsfreiheit der Wette, wobei die Absicht zur Manipulation genügt.9 Diese Rspr. verdient im Ergebnis Zustimmung. Die zutreffende Verantwortungsaufteilung zwischen Wetter und Wettanbieter ist aber entgegen dem BGH nicht aus der Art des Sonderwissens des Wetters, sondern aus der Art der Manipulation herzuleiten. Zu unterscheiden sind wettereignisinterne und wettereignisexterne Manipulationen.10 Bei wettereignisinternen Manipulationen (z.B. Einflussnahmen auf Schiedsrichter und Sportler) verändert der Wetter in zurechenbarer Weise die Geschäftsgrundlage der Wette, so dass die Annahme entsprechender konkludenter Erklärungen gerechtfertigt ist.11 Bei wettereignisexternen Manipulationen hingegen (z.B. Abfangen des Rundfunks; Belauschen von Sportlern durch Abhörmikrofone) basiert der erlangte Informationsvorsprung des Wetters entweder auf der mangelnden Organisation der Wette durch den Wettanbieter („Spätwetten“-Fälle) oder gehört noch zum allgemeinen und daher straflosen Geschäftsrisiko bei Wetten.12 Wollte man anders entscheiden, droht jene Fiktionalisierung von Kommunikation (Rz. 32, 35), die jenseits einer nachvollziehbaren Normativierung von alltäglichen Geschäftsabläufen liegt (zum Schaden beim Sportwettenbetrug Rz. 222 ff.). Mit Recht hat daher der 4. Strafsenat eine konkludente Täuschung verneint in einem Fall, wo der Angeklagte in einem Cafe von unbekannter Seite einen „Tipp“ über eine nicht sichere Spielmanipulation aufgeschnappt und entsprechend gewettet hatte. Insoweit hat der Angeklagte nicht selbst in das Wettereignis eingegriffen, sondern nur solche Informationsvorsprünge genutzt, die zum allgemeinen und daher straflosen Geschäftsrisiko bei Wetten gehören.13 Offengeblieben ist beim BGH14 die richtigerweise ebenfalls zu verneinende Frage, ob eine konkludente Täuschung anzunehmen ist, wenn der Wettende die sichere Information über die Spielmanipulation erhält.

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Weitere Ausnahmen von dem Grundsatz, dass die Mängelfreiheit des Leistungsgegenstands nicht schlüssig miterklärt wird (Rz. 43), kommen in Betracht, wenn die Qualitätsanforderungen gesetzlich festgelegt sind (z.B.

1 BGH v. 15.12.2006 – 5 StR 181/06, BGHSt 51, 165, 171; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 37; Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 129. 2 Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 31. 3 RG v. 26.6.1925 – I 142/25, RGSt 59, 299, 305 f. 4 RG v. 8.2.1897 – 149/97, RGSt 29, 369, 370; RG v. 7.7.1925 – I 192/25, RGSt 59, 311, 312; BGH v. 19.2.1969 – 1 StR 617/68, MDR 1969, 497 f. 5 BGH v. 10.6.1987 – 2 StR 155/87, NJW 1988, 150, 152. 6 BGH v. 15.12.2006 – 5 StR 181/06, BGHSt 51, 165, 171; OLG München v. 28.1.2009 – 5St RR 12/09, NJW 2009, 1288, 1289. 7 Vgl. BGH v. 15.12.2006 – 5 StR 181/06, BGHSt 51, 165, 171 ff. – Fall Hoyzer – m. Anm. Bosch, JA 2007, 389; Engländer, JR 2007, 477; Feinendegen, NJW 2007, 787; Gaede, HRRS 2007, 16; O. Hohmann, NJ 2007, 131; Jahn/Maier, JuS 2007, 215; Krack, ZIS 2007, 103; Kubiciel, HRRS 2007, 68; Radtke, Jura 2007, 445; Saliger/Rönnau/Kirch-Heim, NStZ 2007, 361; Trüg/Habetha, JZ 2007, 878. 8 BGH v. 20.6.1961 – 5 StR 184/61, BGHSt 16, 120; BGH v. 15.12.2006 – 5 StR 181/06, BGHSt 51, 165, 172 f.; Schlösser, NStZ 2005, 425 ff.; Saliger in M/R-StGB, § 263 Rz. 45. A.A. RG v. 17.12.1928 – III 1006/28, RGSt 62, 415, 416; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 31; Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 16e; Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 133; Gaede in AnwK-StGB, § 263 Rz. 33; Wessels/Hillenkamp, BT/2, Rz. 500. 9 BGH v. 19.12.1979 – 3 StR 313/79, BGHSt 29, 165, 167 – Pferdewette; BGH v. 15.12.2006 – 5 StR 181/06, BGHSt 51, 165, 172, wo eine konkludente Täuschung jedenfalls dann angenommen wird, wenn zu dem konkreten Plan der Manipulation des Wettereignisses die konkrete Einflussnahme tritt; dazu krit. und klarstellend Engländer, JR 2007, 478; BGH v. 20.12.2012 – 4 StR 55/12, NJW 2013, 883, 884; BGH v. 11.3.2014 – 4 StR 479/13, NStZ 2014, 317, 318. 10 Zum Folgenden Saliger/Rönnau/Kirch-Heim, NStZ 2007, 364. 11 Str., i.E. wie hier: Bosch, JA 2007, 391; Engländer, JR 2007, 478; Feinendegen, NJW 2007, 788; Gaede, HRRS 2007, 17; Krack, ZIS 2007, 105 ff.; Kubiciel, HRRS 2007, 71; Radtke, Jura 2007, 448; Streng, ZStW 122 (2010), 20. A.A. O. Hohmann, NJ 2007, 132 f.; Jahn/Maier, JuS 2007, 217 f.; Trüg/Habetha, JZ 2007, 883. 12 A.A. z.B. Krack, ZIS 2007, 103, 105, der bei jeder Manipulationskenntnis eine schlüssige Täuschung bejaht; Wessels/Hillenkamp, BT/2, Rz. 500; Lux, Täuschung, 2013, S. 228 f. 13 BGH v. 11.3.2014 – 4 StR 479/13, NStZ 2014, 317, 318 – unter Bezug u.a. auf Saliger/Rönnau/Kirch-Heim, NStZ 2007, 364 – m. Anm. Lienert, JR 2014, 484; Sieber, FD-StrafR 2014, 357452. 14 BGH v. 11.3.2014 – 4 StR 479/13, NStZ 2014, 317, 318.

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Saliger

Rz. 48 § 263 StGB

§ 5 Abs. 1 S. 1 LFGB: Gesundheitsschädlichkeit; § 11 Abs. 2 Nr. 2 LFGB: Echtheit),1 oder wenn der Käufer erkennbar sein Interesse an einer bestimmten Eigenschaft zum Ausdruck gebracht hat und der Verkäufer daraufhin deren Vorliegen beim Verkaufsangebot konkludent bestätigt.2 Wird eine Sache „wie besehen“ verkauft, so erklärt der Verkäufer schlüssig, dass das Gesehene dem tatsächlichen Zustand entspricht.3 Eine weitere Ausnahme wird man für den Fall annehmen dürfen, dass der versteckte Kaufmangel die Sache für die Zwecke des Käufers „völlig unbrauchbar macht“.4 Entsprechend sind auch bezüglich jener Rechtsmängel konkludente Täuschungen möglich, die der Durchführung des Vertrages entgegenstehen (z.B. die erneute Sicherungsübereignung einer Sache).5 Schließlich kann auch im Fordern eines bestimmten Preises eine schlüssige Qualitätszusicherung jedenfalls dann liegen, wenn die Waren nach Qualitätsmerkmalen bestimmten Preisstufen zugeordnet sind (näher Rz. 49).6 (4) Preis und Vergütung Grundsätzlich enthält das Fordern eines bestimmten Preises oder einer bestimmten Vergütung aber nicht ohne 47 Weiteres die konkludente Erklärung, dass der verlangte Preis bzw. die Vergütung üblich und angemessen ist.7 Deshalb liegt im schieren Fordern eines im Verhältnis zur Gegenleistung überhöhten Preises noch keine betrugstaugliche Täuschung, wenn keine besonderen Zusicherungen gemacht worden sind.8 Dieser Grundsatz findet seine Rechtfertigung in der auf Vertragsfreiheit beruhenden Marktwirtschaft, in welcher der Preis sich nach Angebot und Nachfrage richtet (Preisgestaltungsfreiheit) und in der die Angemessenheit des Preises solange nicht zum Minimum an Redlichkeit im Geschäftsverkehr gehört, wie der Vertrag sich nicht nachhaltig vom Grundbild eines frei vereinbarten Übereinkommens entfernt.9 Insoweit ist es i.d.R. Sache des Käufers oder Bestellers, abzuwägen und zu entscheiden, ob er den geforderten Preis bzw. die Vergütung aufwenden will.10 Das gilt bis selbst dann, wenn der Verkäufer einen höheren Preis verlangt, als nach staatlichen Höchstpreisen oder Preis(bindungs-)vorschriften (z.B. § 30 GWB, §§ 3, 5 BuchPrG) vorgesehen ist.11 Denn abgesehen davon, dass staatliche Preisvorschriften faktisch durchbrochen werden12 bzw. in Zeiten der Verknappung nicht stets angemessen erscheinen können,13 heben sie die Preisgestaltungsfreiheit nicht auf, sondern schränken sie nur ein, so dass das diesbezügliche Orientierungsrisiko beim Käufer verbleibt.14 Entsprechend besteht bis zur Grenze der Sittenwidrigkeit und des Wuchers grundsätzlich auch keine Pflicht zur Offenlegung des Werts eines Kaufobjekts einschließlich hoher Provisionsanteile, wenn sie marktangemessen sind.15 Auch dieser Grundsatz kennt zahlreiche Ausnahmen. So monopolisiert sich nach der Rspr. das täuschungsrele- 48 vante Orientierungsrisiko über den Preis beim Verkäufer bzw. Dienstleister, wenn dieser sich planmäßig den Umstand zu nutze macht, dass der Vertragspartner nicht ohne umständliche Erkundigung in der Lage ist, die Ordnungsmäßigkeit der berechneten Vergütung nachzuprüfen, und sich deshalb auf die Berechnung verlässt.16

1 Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 37; Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 137. 2 Vgl. OLG Hamm, VRS 43, 188 zum Kauf eines Gebrauchtwagens; Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 129; Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 16d; Maaß, GA 1984, 273. 3 Vgl. OLG Köln v. 20.2.1968 – Ss 635/67, NJW 1968, 1294; Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 129. 4 Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 37. 5 Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 129. 6 Vgl. RG v. 26.2.1917 – III 2/17, RGSt 50, 340, 341; RG v. 7.7.1925 – I 192/25, RGSt 59, 311, 312 für Milch; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 37; Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 130; Maaß, GA 1984, 274. 7 RG v. 22.1.1909 – IV 989/08, RGSt 42, 147, 150; BGH v. 2.11.1951 – 4 StR 27/51, JZ 1952, 46; BGH v. 16.6.1989 – 2 StR 252/89, NJW 1990, 2005; BGH v. 29.7.2009 – 2 StR 91/09, JZ 2010, 420, 421 m. krit. Anm. Kubiciel; BGH v. 20.5.2015 – 5 StR 547/14, NJW 2015, 2826, 2827; Lackner/Kühl, StGB, § 263 Rz. 10; Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 17c; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 35; Saliger in M/R-StGB, § 263 Rz. 47; Hoyer in SK-StGB, § 263 Rz. 32; Kindhäuser, FS Tiedemann, 2008, S. 592; Lux, Täuschung, 2013, S. 237 f. 8 RG v. 26.2.1917 – III 2/17, RGSt 50, 340 f.; BGH v. 2.11.1951 – 4 StR 27/51, JZ 1952, 46; BGH v. 20.5.2015 – 5 StR 547/14, NJW 2015, 2826, 2827; Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 17c. 9 BGH v. 20.5.2015 – 5 StR 547/14, NJW 2015, 2826, 2827; OLG Stuttgart v. 24.5.1985 – 1 Ss (25) 292/85, NStZ 1985, 503 m. Anm. Lackner/Werle; OLG München v. 7.9.2009 – 5St RR 246/09, wistra 2010, 37, 38; Lackner in LK-StGB, § 263 Rz. 46; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 35; Kühne, Geschäftstüchtigkeit?, 1978, S. 66 f.; Kindhäuser, FS Tiedemann, 2008, 592. 10 OLG Stuttgart v. 24.5.1985 – 1 Ss (25) 292/85, NStZ 1985, 503; BayObLG v. 9.12.1993 – 3St RR 127/93, NJW 1994, 1078, 1079; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 35. 11 RG v. 6.10.1919 – I 8/19, RGSt 53, 327, 330 f.; BGH v. 2.11.1951 – 4 StR 27/51, JZ 1952, 46; Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 17c; Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 130. 12 Vgl. BGH v. 16.6.1989 – 2 StR 252/89, NJW 1990, 2005, 2006 für Buchpreisbindungsvorschriften. 13 Vgl. BGH v. 2.11.1951 – 4 StR 27/51, LM Nr. 5 zu § 263 m. Anm. Krumme; auch Lackner in LK-StGB Rz. 46. 14 Ähnlich Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 35. Darauf, dass die staatlichen Höchstpreisvorschriften im Interesse der Gesamtwirtschaft und nicht des einzelnen Kunden erlassen sind, stellen maßgeblich ab RG v. 6.10.1919 – I 8/19, RGSt 53, 327, 328; Lackner in LK-StGB, § 263 Rz. 46; Maaß, GA 1984, 274; insoweit a.A. für den Fall einer Höchstmiete RG v. 6.6.1932 – III 422/32, RGSt 66, 281, 284 ff. 15 BGH v. 20.5.2015 – 5 StR 547/14, NJW 2015, 2826, 2827. 16 RG v. 22.1.1909 – IV 989/08, RGSt 42, 147, 150; BGH v. 2.11.1951 – 4 StR 27/51, JZ 1952, 46; BGH v. 2.11.1951 – 4 StR 27/51, LM Nr. 5 zu § 263; BGH v. 16.6.1989 – 2 StR 252/89, NJW 1990, 2005, 2006; OLG München v. 7.9.2009 – 5St RR 246/09, wistra 2010, 37, 38; Maaß GA 1984, 274; zum Folgenden Saliger in M/R-StGB, § 263 Rz. 48.

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§ 263 StGB Rz. 49

Strafgesetzbuch

Das ist etwa der Fall bei feststehenden Tax-, Tarif- oder Listenpreisen, bei denen der Vertragspartner nach allgemeinen Marktgepflogenheiten darauf vertrauen darf, dass der Verkäufer bzw. Dienstleister nur den listen-, taxoder handelsüblichen Preis verlangt.1 Entsprechend konkludente Täuschungen bejaht hat die Rspr. bei Preisen für Arzneimittel,2 bei der Vergütung eines bahnamtlichen Spediteurs3 oder bei der Geltendmachung überhöhter Vermittlungsprovisionen für Warentermingeschäfte.4 Relevant wird diese Ausnahme (erschwerte Nachprüfbarkeit) auch für die Abrechnung der Vergütung von Krankenhausleistungen5 sowie für die Publikation wissenschaftlicher Monographien und Aufsätze (insoweit auch in Verbindung mit den Gesichtspunkten der Geschäftsgrundlage [Rz. 42] und der Manipulation [Rz. 44]),6 für Kaufgeschäfte über Antiquitäten, Kunstgegenstände oder Schmuck aber nur, sofern zum Renommee des Verkäufers der Verkauf nur echter Stücke gehört und der Käufer mangels eigener Sachkunde die zentrale wertbildende Eigenschaft des Vertragsgegenstands („Echtheit“) nicht beurteilen kann.7 Dagegen soll ein Rechtsanwalt, der ein nach Standesrecht unzulässiges Erfolgshonorar fordert, keine konkludente Täuschung begehen, weil das standesrechtliche Verbot des Erfolgshonorars nicht den Vermögensinteressen des Mandanten, sondern allein der Sicherung der Unabhängigkeit des Anwalts und dem Vertrauen der Bevölkerung in die Integrität des Anwaltsstandes diene und daher für die Vermögensdisposition des Mandanten unerheblich sei.8 Auch bei Werkverträgen wird, wenn die Höhe der Vergütung nicht bestimmt ist und auch eine Taxe nicht besteht, trotz § 632 Abs. 2 Alt. 2 BGB nicht die übliche Vergütung konkludent zugesichert.9 Das gilt auch dann, wenn die bei Abnahme des Werks erstmals bezifferte Vergütungsforderung den Vergütungsanspruch nach § 632 Abs. 2 BGB deutlich übersteigt. Eine entsprechende Aufklärungspflicht besteht nicht.10 Insbesondere bei einer Handwerkerrechnung wird die Grenze zum strafbaren (versuchten) Betrug erst überschritten, wenn die Rechnung nicht erbrachte Leistungen enthält oder insgesamt oder in einzelnen Positionen „krass überhöht“ ist. Letzteres ist anzunehmen, wenn der „Ausreißer nach oben“ ein auffälliges Missverhältnis von Leistung und Gegenleistung darstellt, was bei einer knapp doppelt so hohen Forderung im Verhältnis zum Wert der Gegenleistung („Grenze des Doppelten“) der Fall sein soll.11 49

Auch im Fordern eines bestimmten Preises kann eine konkludente Qualitätszusicherung hinsichtlich der Ware oder Dienstleistung enthalten sein. Das wird man zumindest dann bedenkenlos annehmen dürfen, wenn Qualitätsmerkmalen von Waren oder Dienstleistungen bestimmte Preiskategorien zugeordnet sind.12 So enthält bei festgesetzten Höchstpreisen die Lieferung einer Ware niedriger Klasse zum Preis einer höheren Klasse die schlüssige Täuschung über die Qualität der höheren Klasse;13 erklärt, wer Milch zum üblichen Vollmichpreis abgibt, konkludent, es handele sich um Vollmilch;14 täuscht konkludent über die qualitative Verkehrsfähigkeit eines Weins, wer für einen verbotswidrig behandelten und daher verkehrsunfähigen Wein den für verkehrsfähigen Wein üblichen Preis verlangt.15 Umgekehrt darf ein Tauschpartner nicht darauf vertrauen, dass das ihm zum Tausch angebotene Pferd wertmäßig dem zu Vertauschenden entspricht.16 Deshalb geht es zu weit, demjenigen, der für eine Heilbehandlung ein volles Arzthonorar berechnet, die konkludente Erklärung zu unterstellen, dass er Arzt sei.17 Diese Rspr. gibt dem Schutz der Schlussfolgerungen des Vertragspartners vom Preis auf eine bestimmte Qualität zu viel Raum und höhlt damit den Grundsatz der Preisgestaltungsfreiheit (Rz. 47) aus. 1 BGH v. 2.11.1951 – 4 StR 27/51, JZ 1952, 46; BGH v. 2.11.1951 – 4 StR 27/51, LM Nr. 5 zu § 263; OLG Stuttgart v. 24.5.1985 – 1 Ss (25) 292/85, NStZ 1985, 503; KG v. 2.2.1984 – (3) Ss 307/82 (27/83), JR 1984, 292; OLG Stuttgart v. 16.2.1966 – 1 Ss 638/65, NJW 1966, 990; auch BGH v. 16.6.1989 – 2 StR 252/89, NJW 1990, 2005, 2006; Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 130; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 36. 2 RG v. 22.1.1909 – IV 989/08, RGSt 42, 147. 3 BGH v. 2.11.1951 – 4 StR 27/51, LM Nr. 5 zu § 263. 4 BGH v. 11.7.1990 – 3 StR 84/90, wistra 1991, 25 f.; OLG München v. 23.5.1979 – 1 Ws 618/79, NJW 1980, 794 f. m. abl. Anm. Hohenlohe-Oehringen, BB 1980, 231 f.; vgl. auch BGH v. 8.7.1981 – 3 StR 457/80, BGHSt 30, 177, 181 f.; ferner Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 130. 5 Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 36; Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 130; näher Dahm, MedR 1992, 250, 254 und Tondorf/Waider, MedR 1997, 102, 103. 6 Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 36; Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 130. 7 Vgl. Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 16d; Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 130. Ferner Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 36; Jecht, GA 1963, 43; Kühne, Geschäftstüchtigkeit?, 1978, S. 66 f.; Würtenberger, NJW 1951, 176. Für eine Ausnahme auch bei Reparaturverträgen über technisch komplizierte Geräte OLG Celle, NdsRPfl 1963, 286 (Fernsehapparat); Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 36. 8 KG v. 2.2.1984 – (3) Ss 307/82 (27/83), JR 1984, 292; zust. Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 17c; krit. Tiedemann in LKStGB, § 263 Rz. 39. 9 Str., wie hier: OLG Stuttgart v. 24.5.1985 – 1 Ss (25) 292/85, NStZ 1985, 503 m. Anm. Lackner/Werle; OLG München v. 7.9.2009 – 5St RR 246/09, wistra 2010, 37, 39; Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 17c; Saliger in M/R-StGB, § 263 Rz. 48; Lackner in LK-StGB Rz. 46. A.A. Hoyer in SK-StGB, § 263 Rz. 31; OLG Düsseldorf v. 31.3.2008 – 1 Ws 167/07, NStZRR 2008, 241; vgl. auch BGH v. 2.11.1951 – 4 StR 27/51, JZ 1952, 46. 10 OLG München v. 7.9.2009 – 5St RR 246/09, wistra 2010, 37, 39. 11 OLG Düsseldorf v. 31.3.2008 – 1 Ws 167/07, NStZ-RR 2008, 241 f. 12 Saliger in M/R-StGB, § 263 Rz. 49; vgl. ferner Rz. 46 a.E. m.w.N. 13 Vgl. RG v. 26.2.1917 – III 2/17, RGSt 50, 340, 341. 14 RG v. 7.7.1925 – I 192/25, RGSt 59, 311, 312. 15 OLG Koblenz v. 18.5.1972 – 1 Ss 63/72, NJW 1972, 1907; Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 16d. 16 OLG Stuttgart v. 16.2.1966 – 1 Ss 638/65, NJW 1966, 990; Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 17c. 17 So aber RG v. 18.10.1917 – 1 D 348/17b, bei Jagusch in LK-StGB8, § 263 Anm. 2b.

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Saliger

Rz. 51 § 263 StGB

(5) Fordern einer Leistung (Bankabhebung, Abrechnung, Antrag, Insertionsofferte, Lastschrift u.a.) Das bloße Einfordern einer Leistung beinhaltet nach der neueren zutreffenden Rspr. ohne Hinzutreten be- 50 sonderer Umstände nicht generell die schlüssige Behauptung eines entsprechenden Anspruchs.1 Denn Rechte können nur dann Gegenstand einer Täuschungshandlung sein, soweit sie zugleich eine konkludente Tatsachenbehauptung enthalten; deshalb ist das schiere (unzutreffende) Berühmen eines Anspruchs grundsätzlich nicht betrugstauglich (vgl. bereits Rz. 18 f.).2 Zudem bringt das Einfordern einer Leistung dem äußeren Erscheinungsbild nach zunächst nicht mehr zum Ausdruck, als dass der Adressat zu einer entsprechenden Verhaltensweise aufgefordert wird. In dem Einfordern einer Leistung allgemein schon die konkludente Behauptung eines entsprechenden Anspruchs zu sehen, würde daher den äußerlich-faktischen Erklärungswert dieses Verhaltens überdehnen.3 Entsprechend macht sich der Kontoinhaber nicht wegen Betrugs strafbar, wenn er aufgrund bankinterner Fehlbuchungen auf seinem Konto gutgeschriebene Beträge abhebt oder Dritten überweist. Insbesondere liegt einem Überweisungsauftrag weder die Erklärung zugrunde, dass dem Überweisenden ein entsprechendes Guthaben auch materiell zustehe, noch dass für die zu überweisende Summe eine ausreichende Kontodeckung vorhanden sein werde.4 Dagegen spricht vor allem, dass die Führung des Kontos und die ordnungsgemäße Buchung von Last- und Gutschriften gem. § 676 f. BGB in den Pflichtenkreis und also die Verantwortung der Bank fällt, die damit grundsätzlich das Risiko trägt, das die Schuld besteht und die Leistung den Anspruch nicht übersteigt.5 Überhaupt entsteht auch mit der Fehlbuchung eines Betrags auf dem Konto zunächst ein entsprechender Anspruch des Bankkunden gegen die Bank im Rahmen des Girovertrages, so dass auch aus diesem Grund eine Täuschung ausscheidet.6 Insoweit besteht kein Unterschied zu den Fällen der Fehlüberweisung, wo die Gutschrift aufgrund der irrtümlichen Überweisung durch einen Dritten erfolgt. Hebt der Kontoinhaber den fehlüberwiesenen Betrag ab, so fordert er im Verhältnis zur Bank keine nichtgeschuldete Leistung, so dass gegenüber der kontoführenden Bank eine konkludente Täuschung ausscheidet.7 Hinzutretende besondere Umstände, die dem Einfordern einer Leistung die schlüssige Behauptung eines entspre- 51 chenden, tatsächlich in Grund und Höhe entstandenen8 Anspruchs beilegen (Rz. 50), können erstens darin bestehen, dass es dem Einfordernden in der jew. Situation obliegt, den Anspruch durch Einforderung erst betragsmäßig zu konkretisieren,9 und der Adressat ihn nicht ohne weiteres überprüfen kann.10 Das gilt etwa für den ärztlichen Abrechnungsbetrug jedenfalls bei Kassenpatienten (dazu auch Rz. 210 ff.).11 So behauptet ein Kassenarzt, der im Rahmen des für ihn verbindlichen Abrechnungssystems (BMÄ/E-GO) unter einer dort genannten Gebührenordnungsnummer abrechnet, schlüssig nicht nur, dass diese Leistung unter die Leistungsbeschreibung der Gebührennummer fällt, sondern auch, dass seine Leistung zu den nach dem allgemeinen Bewertungsmaßstab abrechenbaren kassenärztlichen Versorgungsleistungen gehört (str.).12 Das kann aber dann nicht mehr gelten, wenn bei Divergenzen über die Auslegung einer außerstrafrechtlichen Abrechnungsvoraussetzung (etwa einer Norm der GOÄ) der abrechnende Arzt sich auf eine zumindest im Ansatz vertretbare Rechtsauffassung stützt. In diesen Fällen täuscht der abrechnende Arzt erst (konkludent), wenn er die Gebührenposition vorsätzlich fehler1 BGH v. 8.11.2000 – 5 StR 433/00, BGHSt 46, 196, 199 unter Bezug auf Schmoller, StV 1994, 191; Hoyer in SK-StGB, § 263 Rz. 35; Saliger in M/R-StGB, § 263 Rz. 50; vgl. auch Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 49; Kindhäuser in NKStGB, § 263 Rz. 139 und Fischer, StGB, § 263 Rz. 36. Anders noch RG v. 2.7.1894 – 1850/94, RGSt 26, 28, 29; RG v. 21.7.1933 – II 808/33, RGSt 67, 289, 292; OLG Köln v. 5.5.1961 – Ss 493/60, NJW 1961, 1735 m. zust. Anm. Schröder, JR 1961, 434; OLG Köln v. 16.1.1987 – Ss 754/86, JZ 1988, 101, 102 m. abl. Anm. Joerden; OLG Celle v. 21.7.1992 – 1 Ss 168/92, StV 1994, 188, 189 m. abl. Anm. Schmoller; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 39; Lackner/Kühl, StGB, § 263 Rz. 9; Maaß, GA 1984, 277; Lux, Täuschung, 2013, S. 231 f.; einschr. Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 16c. 2 BGH v. 8.11.2000 – 5 StR 433/00, BGHSt 46, 196, 198. 3 Zutreffend Schmoller, StV 1994, 191. 4 BGH v. 8.11.2000 – 5 StR 433/00, BGHSt 46, 196, 198 m. zust. Anm. Hefendehl, NStZ 2001, 281; Joerden, JZ 2002, 614; Krack, JR 2002, 25. A.A. noch OLG Köln v. 5.5.1961 – Ss 493/60, NJW 1961, 1735 f.; OLG Karlsruhe v. 15.12.1977 – 1 Ss 344/77, Justiz 1978, 173; OLG Stuttgart v. 19.1.1979 – 2 Ss (9) 23/78, JR 1979, 471 m. zust. Anm. Müller; OLG Celle v. 21.7.1992 – 1 Ss 168/92, StV 1994, 188, 189 m. abl. Anm. Schmoller; Vogel, GS Keller, 2003, S. 323. 5 BGH v. 8.11.2000 – 5 StR 433/00, BGHSt 46, 196, 198 f. 6 BGH v. 8.11.2000 – 5 StR 433/00, BGHSt 46, 196, 199 ff. 7 BGH v. 16.11.1993 – 4 StR 648/93, BGHSt 39, 392, 395 ff. m. zust. Anm. Joerden, JZ 1994, 422; Naucke, NJW 1994, 2809. Zum (auch abzulehnenden) Betrug durch Unterlassen insoweit unten Rz. 76. 8 Vgl. Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 16c. 9 Vgl. BGH v. 8.11.2000 – 5 StR 433/00, BGHSt 46, 196, 199; Schmoller, StV 1994, 191; vgl. auch Fischer, StGB, § 263 Rz. 36. 10 BGH v. 6.9.2001 – 5 StR 318/01, BGHR StGB § 263 Abs. 1 Täuschung 22; BGH v. 9.6.2009 – 5 StR 394/08, NStZ 2009, 506, 507; Saliger in M/R-StGB, § 263 Rz. 51. 11 Ebenso Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 16c; Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 114; Kasiske, GA 2009, 368. Zum Ganzen Graf, Vermögensstrafrecht, S. 236 ff. 12 Wie hier die h.M.: BGH v. 10.3.1993 – 3 StR 461/92, NStZ 1993, 388, 389; BGH v. 9.6.2009 – 5 StR 394/08, NStZ 2009, 506, 507; BGH v. 25.1.2012 – 1 StR 45/11, NJW 2012, 1377, 1379 Rz. 44 f., für die Privatliquidation m. Anm. Dann, NJW 2012, 2001; Jäger, ZWH 2012, 185; Lindemann, NZWiSt 2012, 334; Schuhr, wistra 2012, 265; Tiedemann, JZ 2012, 525; Geiger, GesR 2013, 7; Mahler, wistra 2013, 44; Saliger/Tsambikakis, MedR 2013, 284; ferner Fischer, StGB, § 263 Rz. 27, 35; Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 16c; Saliger in M/R-StGB, § 263 Rz. 51; Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 114; Kasiske, GA 2009, 368. A.A. für die Abrechnung gegenüber Privatpatienten Ulsenheimer, Arztstrafrecht, Kap. 14 Rz. 1138 ff.; Schuhr in Spickhoff, Medizinrecht, § 263 StGB Rz. 19; Gercke/Leimenstoll, MedR 2010, 698.

Saliger

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StGB

Betrug

StGB

§ 263 StGB Rz. 52

Strafgesetzbuch

haft oder offensichtlich außerhalb jeder vertretbaren rechtlichen Meinung ansetzt.1 Hier machen sich die verfassungsrechtlichen Grenzen der Akzessorietät der Täuschung geltend (vgl. Rz. 28, 36). Dagegen täuscht ein Kassenarzt konkludent, der im verdeckten Angestelltenverhältnis tätig ist und abrechnet, obwohl die kassenärztlichen Zulassungsvoraussetzungen dann nicht mehr gegeben sind,2 oder der marktübliche Kosten unter Nichtangabe gewährter Rabatte („Kick-Back“) abrechnet.3 An der Konkludenz der Täuschung ändert der Umstand nichts, dass der Arzt jeder Quartalsabrechnung eine Sammelerklärung beizufügen hat, welche die sachliche Richtig- und Vollständigkeit der Abrechnung umfassend garantiert. Denn die Sammelerklärung steht nicht in einem derart engen Zusammenhang mit jeder einzelnen Abrechnungsposition, dass im Schwerpunkt schon eine ausdrückliche Täuschung wie bei der Abrechnung von Luftleistungen angenommen werden könnte (vgl. Rz. 29 f., 31; str.).4 Eine konkludente Täuschung liegt daher auch vor, wenn der Arzt nur bestimmte, zusätzlich angefallene und erstattungsfähige Kosten berechnet, während er in Wahrheit nicht gesondert erstattungsfähige allgemeine Praxiskosten einbezogen hat,5 oder wenn er zwar tatsächlich erbrachte und medizinisch indizierte Maßnahmen abrechnet, die aber rechtlich nicht erstattungsfähig sind, weil sie nicht aufgrund einer Einzelfallanordnung durch ihn durchgeführt wurden.6 Dagegen täuscht der Kassenarzt, der Rezepte ohne medizinische Indikation ausstellt, konkludent weder regelmäßig den Apotheker (bzw. erregt keinen Irrtum), weil dieser zur Prüfung des Rezepts auf seine medizinische Richtigkeit grundsätzlich nicht verpflichtet ist, noch als Vertreter der Kasse die KK.7 Der Betreiber eines ambulanten Pflegedienstes täuscht die Mitarbeiter der KK konkludent über das Vorliegen der den Zahlungsanspruch begründenden Tatsachen, wenn er Rechnungen mit überhöhter Stundenzahl einreicht oder wahrheitswidrig angibt, Pflegepersonal mit der vertraglich vereinbarten Qualifikation eingesetzt zu haben.8 Ein Apotheker täuscht die Mitarbeiter der KK konkludent über bestehende sozialrechtliche Erstattungsansprüche für tatsächlich durchgeführte Apothekengeschäfte, wenn er gefälschte oder angekaufte Rezepte zur Abrechnung ohne entsprechende Arzneimittelabgabe einreicht,9 oder wenn er in Deutschland nicht zugelassene Fertigarzneimittel abrechnet.10 Ein Patient kann sich wegen Betrugs zum Nachteil der KK strafbar machen, wenn er den Vertragsarzt über die medizinische Notwendigkeit der Verschreibung eines Medikaments täuscht.11 52

Den ärztlichen Abrechnungen vergleichbar sind Rechnungsschreiben öffentlich-rechtlich verfasster Rechtsträger. So entnimmt die Rspr. den Rechnungsschreiben von Stadtreinigungsbetrieben die konkludent miterklärte Aussage, dass die Tarife unter Beachtung der für ihre Bestimmung geltenden Rechtsvorschriften ermittelt wurden und sie mithin auf einer zutreffenden Bemessungsgrundlage beruhen. Denn der Verkehr erwartet eine wahrheitsgemäße Darstellung bei der Geltendmachung zivilrechtlicher Ansprüche vor allem dann, wenn die Tatsache wesentlich für die Beurteilung des Anspruchs ist und der Adressat sie, wie vorliegend, aus seiner Situation nicht ohne weiteres überprüfen kann. Soweit die Stadtreinigungsbetriebe deshalb Vertrauen der Bürger in Anspruch nehmen, wird deren Empfängerhorizont von der legitimen Erwartung geprägt, dass die Tarife nicht manipulativ gebildet werden. Das gilt im besonderen Maße für die Abrechnungen öffentlich-rechtlich verfasster Rechtsträger, die wegen ihrer spezifischen Verpflichtung zur Gesetzmäßigkeit gegenüber ihren Kunden gehalten sind, eine rechtskonforme Tarifgestaltung vorzunehmen.12 Auch beim Einfordern von Versicherungsleistungen wird stillschweigend erklärt, dass ein Leistungsanspruch besteht und keine die Leistungspflicht ausschließenden tatsächlichen Umstände vorliegen.13 Darüber hinaus täuscht ein Versicherungsnehmer konkludent, wenn er bei Vertragsschluss der Anzeigepflicht nach § 19 Abs. 1 VVG (§ 16 Abs. 1 a.F. VVG) nicht genügt.14 1 Näher Saliger, FS Imme Roxin, S. 315 ff. unter Berufung auf HeilBerG beim OVG Münster v. 29.9.2010 – 67 E 1060/08, MedR 2011, 467, 469; ähnlich StA Saarbrücken v. 10.6.2002 – 33 Js 319/97, zit. bei Ulsenheimer, Arztstrafrecht, Kap. 14 Rz. 1138; Ulsenheimer, Kap. 14 Rz. 1140; vgl. auch Gercke/Leimenstoll, MedR 2010, 698 und Tsambikakis in Prütting/, FAK MedR, § 263 StGB Rz. 23. 2 BGH v. 6.7.1993 – 1 StR 280/93, NStZ 1994, 236, 237 f.; Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 115; Grunst, NStZ 2004, 534 f.; Hellmann/Herffs, Abrechnungsbetrug, S. 76 ff.; Hancok, Abrechnungsbetrug, S. 209 ff. 3 BGH v. 27.4.2004 – 1 StR 165/03, NStZ 2004, 568 f.; Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 115; näher Hellmann/Herffs, Abrechnungsbetrug, Rz. 310 ff. 4 Wie hier: Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 16c; Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 114 f.; Saliger in M/R-StGB, § 263 Rz. 51; i.E. auch Schuhr in Spickhoff, Medizinrecht, § 263 StGB Rz. 16. Für ausdrückliche Täuschung dagegen Hancok, Abrechungsbetrug, S. 136, 197; Hellmann/Herffs, Abrechnungsbetrug, Rz. 202. 5 Vgl. BGH v. 1.9.1993 – 2 StR 258/93, NStZ 1994, 188, 189 – aktive Täuschungsart dort nicht spezifiziert; auch BGH v. 24.8.1994 – 3 StR 204/94 – NStZ 1994, 585. 6 BGH v. 28.9.1994 – 4 StR 280/94, NStZ 1995, 85, 86 – aktive Täuschungsart nicht spezifiziert – m. Anm. Hellmann NStZ 1995, 232. 7 BGH v. 25.11.2003 – 4 StR 239/03, BGHSt 49, 17, 21 ff. m. zust. Anm. Herffs, wistra 2006, 63; BGH v. 27.4.2004 – 1 StR 165/03, NStZ 2004, 568, 569 f.; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 56; Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 16c. 8 BGH v. 16.6.2014 – 4 StR 21/14, NJW 2014, 3170, 3171 m. Anm. Schuhr und Piel, NStZ 2014, 643. 9 BGH v. 12.2.2015 – 2 StR 109/14, NStZ 2015, 341. 10 BGH v. 4.9.2012 – 1 StR 534/11, NJW 2012, 3665, 3668 m. i.E. zust. Anm. Kölbel, JZ 2013, 849. 11 OLG Stuttgart v. 18.12.2012 – 1 Ss 559/12, NStZ-RR 2013, 174. 12 BGH v. 9.6.2009 – 5 StR 394/08, NStZ 2009, 506, 507 m. Anm. Gössel JR 2010, 175. 13 Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 16c; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 73; Saliger in M/R-StGB, § 263 Rz. 52. 14 Für den Abschluss mehrerer Unfallversicherungen BGH v. 23.1.1985 – 1 StR 691/84, NJW 1985, 1563 f. m. Anm. Sonnen, JA 1985, 663; Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 118; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 60; vgl. weiter Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 73.

400

Saliger

Rz. 55 § 263 StGB

Beim Parteienbetrug (dazu auch Rz. 220 f.) kommt nach der Rspr. zum PartG a.F. eine konkludente Täuschung 53 in Betracht, wenn im eingereichten Rechenschaftsbericht (i.V.m. dem Antrag auf Parteienfinanzierung) vorgespiegelt wird, dass die tatsächlichen Voraussetzungen für eine Einflussspende (als rechtswidrige Spende gem. § 25 Abs. 1 S. 2 Nr. 6 a.F. PartG) nicht gegeben sind. Darin soll zugleich eine (konkludente) Täuschung über das Vorliegen der tatsächlichen Voraussetzungen für die Pflicht zur Abführung dieser Spende an das Bundestagspräsidium sowie für die Kürzung der staatlichen Förderung um das Zweifache des Spendenbetrags (§ 23a Abs. 1 S. 1 a.F. PartG) liegen.1 Da nach dem PartG n.F. (2002) die Festsetzung ohne weiteren Antrag erfolgt, wenn staatliche Mittel zugunsten einer Partei bereits für das dem Anspruchsjahr vorausgehende Jahr festgesetzt worden sind (§ 19 Abs. 1 S. 5 n.F. PartG), ist für Bundestagsparteien, die – wie nunmehr regelmäßig – ohne weiteren Antrag einen Rechenschaftsbericht einreichen, nur eine konkludente Täuschung gegeben, wenn der Rechenschaftsbericht festsetzungsrelevant unrichtig, insbesondere überhöht ist. Festsetzungsrelevante Unrichtigkeiten in dem Rechenschaftsbericht einer Partei, die für das Anspruchsjahr einen Antrag gestellt hat, begründen dagegen grundsätzlich eine ausdrückliche Täuschung (vgl. auch Rz. 29).2 Die Meldung nach § 28a SGB IV enthält die schlüssige Erklärung ihrer Vollständigkeit und Richtigkeit.3 Eine unvollständige Meldung kann aber nur dann eine Täuschung darstellen, wenn der AG damit gegenüber der für beschäftigte AN zuständigen Einzugsstelle konkludent zum Ausdruck bringt, dass keine oder lediglich die gemeldeten AN tatsächlich beschäftigt sind. Das bedarf Feststellungen, an welche Einzugsstelle Meldungen erfolgten und welche KK für die nicht gemeldeten AN zuständig war.4 Die entsprechende Betrugsstrafbarkeit hat allerdings dadurch praktisch an Bedeutung verloren, dass die §§ 266a Abs. 1 und 2 seit August 2004 lex specialis zu § 263 sind (dazu Rz. 298). Für die „Rechnungstellung“ durch betrügerische Insertionsofferten (u.a. für Eintragungsleistungen in Tele- 54 fonverzeichnissen, Branchen- und Adressbüchern, Handelsregister, Marken- und Patent Register, Fax-Verzeichnissen, von Traueranzeigen im Internet oder die Weiterleitung von Zahlungen des Kunden an Gläubiger als „Finanzsanierung“) gilt Folgendes: Wer Angebotsschreiben durch Verwendung typischer Rechnungsmerkmale (insbesondere durch die hervorgehobene Angabe einer Zahlungsfrist, Aufschlüsselung des zu zahlenden Betrags nach Netto- und Bruttosumme, Hervorhebung einer individuellen Registriernummer, Fehlen von Anrede und Grußformel) so abfasst, dass der Eindruck einer Zahlungspflicht entsteht, während die kleingedruckten Hinweise auf den Angebotscharakter völlig in den Hintergrund treten, der täuscht die Adressaten durch die konkludente Aussage der Schreiben, dass eine Zahlungspflicht besteht.5 Dass sich der Angebotscharakter der Schreiben bei genauem Lesen erschließt, beseitigt unter diesen Umständen die tatbestandliche Täuschung nicht.6 Dabei verdient das vom BGH zur Abgrenzung entwickelte Absichtsmerkmal, dass der Täter die „Rechnungstellung“ planmäßig zur Irrtumserregung einsetzen und gezielt die Schädigung des Adressaten verfolgen muss, keine Zustimmung (vgl. bereits Rz. 33 f.). Ob der Adressat geschäftserfahren ist oder nicht, soll nach dem BGH keine Rolle spielen, weil die Schreiben speziell auf die Empfänger ausgerichtet sind, deshalb ein auf Unaufmerksamkeit beruhender Routineirrtum nahe liegt und auch bei geschäftserfahrenen Kaufleuten die Erledigung der Schreiben durch Büropersonal zu erwarten ist.7 Das kurzzeitige Anwählen einer Telefonnummer unter Übermittlung einer Mehrwertdienstnummer des Anru- 55 fers (Ping-Anrufe) begründet nach der Rspr. eine konkludente Täuschung, weil dem Angerufenen einerseits ein – tatsächlich nicht vorhandenes – ernsthaftes Kommunikationsverlangen und andererseits die Möglichkeit

1 BGH v. 28.10.2004 – 3 StR 301/03, BGHSt 49, 275, 300 f. m. Anm. Deiters, MIP 2004/2005, 18; Dölling, JR 2005, 519; Kargl, JZ 2005, 503; Korte, NStZ 2005, 512; Saliger/Sinner, NJW 2005, 1073; BGH v. 13.4.2011 – 1 StR 94/10, NJW 2011, 1747, 1750 – m. krit. Anm. Brand und krit. Bespr. Saliger, ZIS 2011, 909 ff. (beide nur zur Untreue) –, wo das Gericht von einer Täuschung über die Bemessungsgrundlagen für die Förderung im Rahmen der staatlichen Parteienfinanzierung spricht. Vgl. auch Grunst, wistra 2004, 95; Saliger, Parteiengesetz, 2005, S. 496 ff. 2 Grunst, wistra 2004, 95; Saliger, Parteiengesetz, S. 690; Saliger in M/R-StGB, § 263 Rz. 53; vgl. auch Hefendehl in MüKoStGB, § 263 Rz. 117; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 60. 3 BGH v. 12.2.2003 – 5 StR 165/02, NJW 2003, 1821, 1823; Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 118; Satzger in S/S/WStGB, § 263 Rz. 68; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 29. 4 BGH v. 18.5.2010 – 1 StR 111/10, wistra 2010, 408 f., wo ein Beitragsbetrug verneint wird. 5 BGH v. 26.4.2001 – 4 StR 439/00, BGHSt 47, 1, 3 f. m. Anm. s. Rz. 33 Fn. 326 unter Bezugnahme auf Garbe NJW 1999, 2870 und Mahnkopf/Sonnberg, NStZ 1997, 187 f.; BGH v. 19.7.2001 – 4 StR 457/00, wistra 2001, 386 f.; BGH v. 4.12.2003 – 5 StR 308/03, NStZ-RR 2004, 110, 111; BGH v. 28.5.2014 – 2 StR 437/13, wistra 2014, 439, 440 f.; OLG Frankfurt v. 31.10.2001 – 2 Ws 106/01, NStZ-RR 2002, 47, 48 f.; ferner Hoffmann, GA 2003, 622; Lux, Täuschung, 2013, S. 233 ff. A.A. etwa Pawlik, StV 2003, 299 f. und noch LG Frankfurt a.M. v. 1.10.1999 – 5/29 Qs 19/99, NStZ-RR 2000, 7 f. Zur Täuschung beim Insertionsoffertenbetrug näher Paschke, 2007, S. 89 ff. 6 BGH v. 26.4.2001 – 4 StR 439/00,.BGHSt 47, 1, 6; BGH v. 28.5.2014 – 2 StR 437/13, wistra 2014, 439, 441; OLG Frankfurt v. 13.3.2003 – 1 Ws 126/02, NJW 2003, 3215, 3216; ferner Garbe, NJW 1999, 2869. A.A. Pawlik, StV 2003, 300 f. 7 BGH v. 4.12.2003 – 5 StR 308/03, NStZ-RR 2004, 110, 111; OLG Frankfurt v. 31.10.2001 – 2 Ws 106/01, NStZ-RR 2002, 47, 48; OLG Frankfurt v. 13.3.2003 – 1 Ws 126/02, NJW 2003, 3215, 3216; LG Frankfurt a.M. v. 1.12.2004 – 5/12 KLs 92 Js 20791/99, 5-12 KLs 92 Js 20791/99, WRP 2005, 642 ff.; auch BGH v. 28.5.2014 – 2 StR 437/13, wistra 2014, 439, 440 f.; Garbe, NJW 1999, 2869 f.; Hoffmann, GA 2003, 622. A.A. noch BGH v. 27.2.1979 – 5 StR 805/78, NStZ 1997, 186 f.; OLG Frankfurt v. 17.8.1994 – 2 Ws 129/94, NStZ 1997, 187 m. abl. Anm. Mahnkopf/Sonnberg; LG Frankfurt a.M. v. 1.10.1999 – 5/29 Qs 19/99, NStZ-RR 2000, 7, 8.

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StGB

Betrug

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§ 263 StGB Rz. 56

Strafgesetzbuch

der Durchführung eines Rückrufs ohne erhöhte Kosten suggeriert wird.1 Die Angerufenen unterliegen beim Rückruf unabhängig von der Vermeidbarkeit einem entsprechenden Irrtum, zumindest in der Form eines sachgedanklichen Mitbewußtseins. Schließlich liegt bei den Tätern auch die Absicht stoffgleicher Bereicherung zumindest bei der Abrechnung im Offline-Billing-Verfahren vor.2 Beim Betrug durch sog. Abo-Fallen im Internet richtet sich die Frage, ob die Gestaltung der Seite auf Täuschung angelegt ist, allein nach dem Bild für den durchschnittlichen, flüchtigen und auch leichtgläubigen Internetnutzer, nicht danach, ob sich die Seite in einzelnen Konstellationen (etwa bei anderer Bildschirmgröße) anders darstellt. Demzufolge ist ein hinreichend deutlicher Hinweis auf die Entgeltlichkeit des fraglichen Angebots nur zu bejahen, wenn diese Information für den Nutzer bereits bei dem Aufruf der Seite erkennbar ist und im räumlichen und inhaltlichen Zusammenhang mit den Angaben zur angebotenen Leistung steht. Wer Internetseiten ohne diesen Hinweis betreibt – etwa nur versteckt in Fußnotentexten oder AGB auf die Kostenpflichtigkeit aufmerksam macht –, verstößt nicht nur gegen die Vorschriften zur Preisangabenverordnung, sondern erklärt damit nach der Verkehrsanschauung konkludent, dass die Leistung kostenfrei erfolgt.3 Insoweit scheidet eine Einschränkung des Betrugstatbestands im Wege der richtlinienkonformen Auslegung am Maßtab des europäischen Verbraucherleitbildes gemäß der UGPRL aus (vgl. Rz. 6, 109). Zahlt der Internetnutzer, so liegt ein vollendeter Betrug vor, bei dem sich der Vermögensschaden wegen Unbrauchbarkeit der Gegenleistung aufgrund eines persönlichen Schadenseinschlags ergeben soll; zahlt er nicht, so kommt versuchter Betrug in Betracht.4 56

Im Lastschrift-Einzugsverfahren enthält die Erteilung eines Einziehungsauftrags an die Inkassostelle schlüssig die Erklärung, dass der Zahlungsempfänger eine wirksame Einzugsermächtigung5 oder einen fälligen Anspruch in der angegebenen Höhe gegen den Zahlungspflichtigen hat.6 Bei der sog. Lastschriftreiterei täuscht nach der Rspr. der Zahlungsempfänger die Inkassostelle konkludent darüber, dass der Lastschrifteinreichung nicht ein übliches Umsatzgeschäft, sondern zweckwidrig ein kurzfristiges Darlehen mit einem deutlichen erhöhten Widerrufsrisiko zugrunde liegt, und dass er im Zeitpunkt der Rückrechnungslastschriften seiner Bank zahlungsunfähig ist.7 Darüber hinaus soll schon in dem Antrag auf Zulassung zum Lastschrift-Einzugsverfahren eine schlüssige Täuschung liegen, wenn der Antragsteller das Verfahren allein zur kurzfristigen Kreditschöpfung nutzen will.8 Anderes gilt entgegen der Rspr. für das Mahnverfahren. Da § 692 Abs. 1 Nr. 2 ZPO seit 1976 sogar auf eine Schlüssigkeitsprüfung verzichtet, enthält der Antrag auf Erlass eines Mahnbescheids regelmäßig nicht konkludent die Erklärung, dass die materiellen Voraussetzungen eines Anspruchs vorliegen.9 Gleiches wird man im Hinblick auf die nicht notwendige Fehlvorstellung des Richters im Ergebnis für den Erlass eines Versäumnisurteils annehmen dürfen, obgleich insoweit eine Schlüssigkeitsprüfung (§ 331 Abs. 2 ZPO) erforderlich ist (zum fehlenden Irrtum in diesen Fällen Rz. 96).10 Der Antrag auf Vollstreckung mit Vorlage eines Titels enthält dagegen die schlüssige Behauptung, dass der Titel vollstreckbar ist, die Vollstreckung also nicht ein-

1 BGH v. 27.3.2014 – 3 StR 342/13, NJW 2014, 2054, 2055 m. Anm. bzw. Bespr. Cornelius; Jäger, JA 2014, 630; OLG Oldenburg v. 20.8.2010 – 1 Ws 371/10, wistra 2010, 453, 454 f. m. krit. Bespr. Jahn, JuS 2010, 1119; abl. auch Lux, Täuschung, 2013, S. 242 f.; zust. dagegen Erb, ZIS 2011, 368, 378; Eiden, Jura 2011, 863, 865 ff., 870; Saliger in M/R-StGB, § 263 Rz. 55. Zum Ganzen auch Kölbel, JuS 2013, 193. 2 BGH v. 27.3.2014 – 3 StR 342/13, NJW 2014, 2054, 2056; offengelassen für das Online-Billing-Verfahren. 3 BGH v. 5.3.2014 – 2 StR 616/12, NJW 2014, 2595, 2596 m. Anm. bzw. Bspr. Cornelius, StraFo 2014, 276 und NStZ 2015, 310; Hecker/H.F. Müller, ZWH 2014, 329; Heger, HRRS 2014, 467; Krack, ZIS 2014, 536; Majer/Buchmann, NJW 2014, 3342; Rönnau/Wegner, JZ 2014, 1064; ferner Hillenkamp, FS Müller-Graff, 2015, S. 191; Erb, ebenda, S. 199. Zuvor bereits OLG Frankfurt v. 17.12.2010 – 1 Ws 29/09, NJW 2011, 398, 400 f. m. zust. Anm. Hansen und zust. Bespr. Erb, ZIS 2011, 368, 378; bejahend ferner Eisele, NStZ 2010, 193; Bosch, FS Samson, 2010, S. 244 ff.; Saliger in M/R-StGB, § 263 Rz. 55. 4 BGH v. 5.3.2014 – 2 StR 616/12, NJW 2014, 2595, 2598 f. für den Fall eines kostenpflichtigen Routenplaners; krit. zu Vermögensverfügung und Vermögensschaden z.B. Krack, ZIS 2014, 543 f. 5 LG Oldenburg v. 26.3.1979 – 10a KLs 12/78, NJW 1980, 1176, 1177. 6 OLG Hamm v. 15.6.1977 – 4 Ss 363/76, NJW 1977, 1834, 1836; LG Oldenburg v. 26.3.1979 – 10a KLs 12/78, NJW 1980, 1176, 1177; vgl. auch BGH v. 15.6.2005 – 2 StR 30/05, BGHSt 50, 147, 154; Fischer, StGB, § 263 Rz. 25; Lackner/Kühl, StGB, § 263 Rz. 11; Saliger in M/R-StGB, § 263 Rz. 56; Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 139; Hefendehl in MüKoStGB, § 263 Rz. 122; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 39. A.A. Labsch, Jura 1987, 351. 7 BGH v. 15.6.2005 – 2 StR 30/05, BGHSt 50, 147, 154 f. m. zust. Anm. Hadamitzky/Richter, NStZ 2005, 636 und wistra 2005, 441 sowie krit. Bespr. Soyka, NStZ 2005, 637; Fahl, Jura 2006, 733; Knierim, NJW 2006, 1093; auch BGH v. 17.4.2007 – 5 StR 446/06, NStZ 2007, 647. 8 AG Gera v. 10.11.2004 – 750 Js 32484/03, NStZ-RR 2005, 213, 214. S. zur Lastschrift auch Lackner/Kühl, StGB, § 263 Rz. 11; Fischer, StGB, § 263 Rz. 25; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 57; Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 122 ff. 9 Str., wie hier: Lackner/Kühl, StGB, § 263 Rz. 17; Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 129; Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 52; Saliger in M/R-StGB, § 263 Rz. 56; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 90; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 58. A.A. BGH v. 20.12.2011 – 4 StR 491/11, StV 2012, 406 f.; OLG Düsseldorf v. 30.8.1991 – 2 Ws 317/91, NStZ 1991, 586; OLG Celle v. 1.11.2011 – 31 Ss 29/11, NStZ-RR 2012, 111, 112 f. m. abl. Anm. Schuhr, ZWH 2012, 31 und Krell/Matern, StraFo 2012, 77; vgl. auch BGH v. 25.10.1971 – 2 StR 238/71, BGHSt 24, 257, 260 f. zum alten Recht; offengelassen in BGH v. 25.4.2001 – 1 StR 82/01, BGHR StGB § 263 Abs. 1 Täuschung 19. 10 Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 90; Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 129; Saliger in M/R-StGB, § 263 Rz. 56; Lackner/Kühl, StGB, § 263 Rz. 19; Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 52. A.A. Krey/Hellmann, BT/2, Rz. 422.

402

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Rz. 58 § 263 StGB

gestellt ist.1 Auch das Fordern eines Preises, der der erbrachten Leistung entspricht, kann die konkludente Täuschung enthalten, dass die erbrachte Leistung der geschuldeten entspricht, so wenn ein Reparaturauftrag zur Vornahme aufwändiger, nicht geschuldeter Arbeiten genutzt wird, oder ein Taxifahrer den ortsunkundigen Fahrgast mit deutlichem Umweg ans Ziel bringt.2 Wegen Abmahnbetrugs macht sich strafbar, wer eine e-cardVersendung an sich selbst vortäuscht und die vermeintlichen Versender abmahnt.3 Dagegen soll nach OLG Köln der bloße Ansatz überhöhter Gegenstandswerte für Unterlassungsbegehren in einer anwaltlichen Gebührenberechnung für den Fall einer Abmahnung nach § 8 UWG keine konkludente Täuschung i.S.d. § 263 begründen (zwh.).4 Als zweiten besonderen Umstand, der dem Einfordern einer Leistung den konkludenten Erklärungswert eines 57 entsprechenden Anspruchs vermitteln kann (vgl. Rz. 51), hat der BGH das Bestehen eines besonderen Vertrauensverhältnisses zwischen den Parteien erwogen.5 Begründen lässt sich diese Erwägung damit, dass in besonderen persönlichen Vertrauensverhältnissen wie langjährige Geschäftsbeziehungen oder Freundschaften sich der eine Vertragspartner darauf verlassen kann, dass der andere nur tatsächlich bestehende Forderungen in der angegebenen Höhe geltend macht.6 So täuscht der Vermieter seinen Mieter konkludent über die Vollständigkeit der Nebenkostenabrechnung, wenn er separat gewährte Preisnachlässe etwa auf das Heizöl nicht aufführt.7 Umgekehrt behauptet mangels besonderen Vertrauensverhältnisses derjenige, der eine Entschädigung nach dem StrEG verlangt, nicht schlüssig, er sei unschuldig.8 Das Bestehen bloß einfacher Vertragsbeziehungen genügt für die Annahme eines besonderen Vertrauensverhältnisses nicht.9 (6) Entgegennahme einer Leistung Die schiere Entgegennahme einer Leistung enthält als reiner Realakt nach (nahezu) einhelliger Meinung nicht 58 die konkludente Behauptung, dass sie vom anderen in Grund (Doppelzahlung)10 und Höhe (Überzahlung)11 geschuldet ist.12 Denn es gehört grundsätzlich in den Risikobereich des Leistenden, dass die Schuld besteht und die Leistung den Anspruch nicht übersteigt.13 Insoweit stellt sich das bloße Schweigen nach Entgegennahme der Leistung ohne Hinzutreten weiterer Umstände bloß als ein Ausnutzen des beim Leistenden bereits vorhandenen Irrtums dar und ist keine aktive Täuschung.14 Die Grenze zum strafbaren Betrug wird durch ein solches Verhalten regelmäßig erst dann überschritten, wenn im Einzelfall eine Garantenpflicht den Betreffenden zur Offenbarung zwingt (zum Betrug durch Unterlassen Rz. 64 ff.).15 So erklärt der Empfänger von Sozialleistungen nicht konkludent, dass die Bewilligungsvoraussetzungen (noch) vorliegen.16 Der bloßen Entgegennahme bzw. Abhebung der Geldbeträge ist außer den Aussagen, Adressat der Geldsendung und als solcher annahmebereit zu sein, kein weiterer (konkludenter) Erklärungswert beizumessen. Etwas anderes soll erst dann in Betracht kommen, wenn der Empfänger über die bloße Entgegennahme hinaus weitere Handlungen vornimmt, denen

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BGH v. 25.4.2001 – 1 StR 82/01, BGHR StGB § 263 Abs. 1 Täuschung 19; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 58. Fischer, StGB, § 263 Rz. 36. Vgl. BGH v. 3.4.2013 – 3 StR 408/12, BeckRS 2013, 15906; dazu näher die Meldung becklink 1025980. OLG Köln v. 14.5.2013 – III-1 RVs 67/13, NJW 2013, 2772, 2773 m. zu Recht abl. Anm. Bittmann und abl. Bespr. Eiden/Walter, NStZ 2014, 297. BGH v. 8.11.2000 – 5 StR 433/00, BGHSt 46, 196, 199 unter Bezugnahme auf Schmoller, StV 1994, 191. Schmoller, StV 1994, 191. Vgl. Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 34. Ein Unterlassen bejaht dagegen Kinne, Grundeigentum, 1999, S. 482. AG Springe v. 27.4.1979 – 2 Ds 125/78, MDR 1980, 79; Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 17c. Schmoller, StV 1994, 191 f. Vgl. RG HRR 1928 Nr. 389; AG Bremerhaven v. 28.11.1966 – 4 Qs 86/66, JZ 1967, 370 m. Anm. Naucke. Vgl. RG v. 26.1.1894 – 4145/93, RGSt 25, 95, 96; OLG Düsseldorf v. 23.8.1968 – (3) Ss 578/68, NJW 1969, 623, 624 m. Anm. Deubner. RG v. 26.1.1894 – 4145/93, RGSt 25, 95, 96; OLG Köln v. 16.1.1987 – Ss 754/86, JZ 1988, 101, 102 m. Anm. Joerden; OLG Köln v. 16.1.1987 – Ss 754/86, NJW 1984, 1979; OLG Frankfurt v. 30.9.1970 – 2 Ss 274/70, NJW 1971, 527; Lackner/Kühl, StGB, § 263 Rz. 9; Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 17a; Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 138; Saliger in M/RStGB, § 263 Rz. 58; Maaß, GA 1984, 277 f. A.A. Kaiser, NJW 1971, 601 für Fehler beim Geldwechseln. RG v. 26.1.1894 – 4145/93, RGSt 25, 95, 96; BGH v. 16.11.1993 – 4 StR 648/93, BGHSt 39, 392, 398; BGH v. 8.11.2000 – 5 StR 433/00, BGHSt 46, 196, 199; OLG Köln v. 16.1.1987 – Ss 754/86, JZ 1988, 101, 102. BGH v. 16.11.1993 – 4 StR 648/93, BGHSt 39, 392, 398; BGH v. 9.2.1989 – 4 StR 10/89, JZ 1989, 550; BGH v. 9.2.1989 – 4 StR 10/89, BGHR StGB § 263 Abs. 1 Irrtum 6; OLG Karlsruhe v. 15.12.1977 – 1 Ss 344/77, Justiz 1978, 173; OLG Frankfurt v. 30.9.1970 – 2 Ss 274/70, NJW 1971, 527; OLG Köln v. 5.5.1961 – Ss 493/60, JR 1961, 433 m. Anm. Schröder, JR 1961, 434; Fischer, StGB, § 263 Rz. 36. BGH v. 16.11.1993 – 4 StR 648/93, BGHSt 39, 392, 398; OLG Karlsruhe v. 15.12.1977 – 1 Ss 344/77, Justiz 1978, 173; OLG Düsseldorf v. 23.8.1968 – (3) Ss 578/68, NJW 1969, 623, 624; vgl. auch OLG Köln v. 16.1.1987 – Ss 754/86, NJW 1984, 1979 f.; OLG Düsseldorf v. 13.11.1986 – 5 Ss 376/86 – 299/86 I, NJW 1987, 853 f. RG v. 28.1.1913 – IV 1328/12, RGSt 46, 416; 65, 213; vgl. auch OLG Köln v. 16.1.1987 – Ss 754/86, NJW 1984, 1979 für die Arbeitslosenhilfe; OLG Düsseldorf v. 13.11.1986 – 5 Ss 376/86 – 299/86 I, NJW 1987, 853 für eine Fremdrente m. abl. Bespr. Möhlenbruch, NJW 1988, 1894; Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 17a; Maaß, GA 1984, 282. A.A. RG v. 20.12.1928 – III 623/28, RGSt 62, 420.

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Betrug

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§ 263 StGB Rz. 59

Strafgesetzbuch

– wie eine Abholung der Geldbeträge bei dem Sozialleistungsträger selbst – objektiv die Aussage beigemessen werden kann, es habe sich an den Anspruchsvoraussetzungen nichts geändert.1 59

Ähnliches gilt nach der Rspr. für Fehler beim Geldwechseln. Beschränkt sich der Geldempfänger darauf, den Übertrag an Wechselgeld in Kenntnis des Fehlers entgegenzunehmen, so bestätigt er zwar den Irrtum des anderen Teils, begeht aber keine konkludente Täuschung, sondern nutzt nur den Irrtum des anderen straflos aus (auch Rz. 105).2 Sehr weit mit der Annahme konkludenter Täuschungen geht im Hinblick auf das Orientierungsrisiko der Kreditinstitute die Rspr. beim Devisenumtausch. Nach OLG Celle soll derjenige, der einen Geldschein zum Umtausch in eine andere Währung anbietet, regelmäßig zugleich erklären, dass es sich um einen gültigen Geldschein handelt und dass der Schein den aus seiner Beschriftung ersichtlichen Wert hat. Deshalb liege in der Vorlage eines ausländischen Geldscheins, der infolge einer Währungsumstellung oder Währungsabwertung einen geringeren als den darin angegebenen Wert hat, eine (schlüssige) Täuschungshandlung, wenn der Anbietende davon ausgeht, dass dem Empfänger die Währungsumstellung nicht bekannt ist.3 Das OLG Frankfurt will beim Devisenumtausch zwar enger eine konkludente Täuschung nur beim Hinzutreten weiterer Umstände bejahen. Allerdings will das Gericht solche bereits annehmen, wenn der besser als der Kassierer informierte Angeklagte dessen Angaben über den vermeintlichen Wechselkurs etwa durch Gesten (z.B. Kopfnicken oder „es stimmt“) ausdrücklich bestätigt.4 Zusätzliche Kommunikation zwischen Kassierer und Umtauschendem mit dem eindeutigen Erklärungswert eines Einverständnisses verlangt auch das OLG Köln.5 Soweit der Verwendungszweck nicht Vertragsgrundlage ist (Rz. 42), wird über ihn bei Entgegennahme einer Leistung grundsätzlich nichts miterklärt. Denn den Leistenden geht es regelmäßig nichts an, was der andere mit dem Gegenstand anstellt.6 (7) Zahlungsverkehr: Scheck, Kredit-, Kunden- und EC-Karten, Wechsel u.a.

60

Die Begebung eines Schecks enthält nach h.M. zunächst konkludent die begründete gegenwärtige Überzeugung des Scheckgebers, dass der Scheck bei Einlösung (vgl. Art. 28 ScheckG) gedeckt ist.7 Ein bloßes Hoffen auf Deckung reicht nicht aus.8 Eine schlüssige Täuschung scheidet daher aus, wenn der Scheckaussteller mit Blick auf sicher zu erwartende Zahlungseingänge mit Deckung spätestens im Zeitpunkt der Vorlage rechnet.9 Darüber hinaus sieht die h.M. im Anschluss an die Rspr. bereits im Zeitpunkt der Scheckhingabe seine Deckung mitbehauptet.10 Die Einreichung eines von einem anderen ausgestellten Schecks zur Einlösung bei einer Bank enthält stets die stillschweigende Erklärung, dass es sich um einen dem bargeldlosen Zahlungsverkehr dienenden Scheck handelt. Wer einen Scheck lediglich dazu missbraucht, um aufgrund einer vorläufigen Gutschrift aus seinem Konto über Geld verfügen zu können, das ihm nicht zusteht (sog. Scheckreiterei), begeht daher einen strafbaren Betrug.11 Demgegenüber behauptet der Scheckeinreicher mangels regelmäßiger Kenntnis weder schlüssig Deckung des Kontos des Scheckausstellers12 noch mangels Relevanz für die einlösende Bank Bestand und Wirksamkeit des der Scheckbegebung zugrunde liegenden Schuldverhältnisses, wohl aber, dass die wesentlichen Scheckvoraussetzungen vom Scheckaussteller erfüllt sind.13 Das umfasst auch, dass nur eine mittels Begebungsvertrags legitimierte Person und nicht ein Dritter, der sich den Scheck auf strafbare Weise beschafft hat, den

1 OLG Köln v. 16.1.1987 – Ss 754/86, NJW 1984, 1979; OLG Düsseldorf v. 13.11.1986 – 5 Ss 376/86 – 299/86 I, NJW 1987, 853. 2 H.M.: BGH v. 9.2.1989 – 4 StR 10/89, JZ 1989, 550 f.; Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 17a; Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 138; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 44; offengelassen in BGH v. 4.9.1952 – 5 StR 629/52 bei Dallinger MDR 1953, 21. A.A. Kaiser, NJW 1971, 601. 3 OLG Köln v. 20.2.1968 – Ss 635/67, MDR 1968, 778. Krit. auch Lackner in LK-StGB Rz. 49. Zust. dagegen Kühne, Geschäftstüchtigkeit?, S. 37, 98. 4 OLG Frankfurt v. 30.9.1970 – 2 Ss 274/70, NJW 1971, 527. 5 OLG Köln v. 16.1.1987 – Ss 754/86, JZ 1988, 101, 102 f. m. krit. Anm. Joerden. 6 Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 17a; Saliger in M/R-StGB, § 263 Rz. 59; Maaß, GA 1984, 275. 7 RG JW 1927, 892; BGH v. 14.6.1955 – 5 StR 235/55 bei Herlan, MDR 1955, 528; BGH v. 23.4.1969 – 3 StR 51/69, NJW 1969, 1260; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 42; Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 135; Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 29; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 67; Saliger in M/R-StGB, § 263 Rz. 60; Maaß, GA 1984, 279. Für explizite Täuschung Seebode, JR 1973, 118. 8 BGH v. 22.11.1951 – 4 StR 192/51, JZ 1952, 282; auch BGH v. 14.6.1955 – 5 StR 235/55 bei Dallinger, MDR 1955, 528; Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 29. 9 Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 42. 10 Vgl. BGH v. 25.6.1952 – 5 StR 509/52, BGHSt 3, 69, 70 f. und OLG Köln v. 18.3.1981 – 3 Ss 1129/80-18, NJW 1981, 1851. Ferner Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 29; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 67; Lackner in LK-StGB Rz. 44; vgl. auch Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 42 sowie Gaede in AnwK-StGB, § 263 Rz. 35. A.A. RG JW 1927, 892; Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 148. 11 OLG Köln v. 18.3.1981 – 3 Ss 1129/80-18, NJW 1981, 1851; Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 149; Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 135; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 42. 12 OLG Köln v. 18.3.1981 – 3 Ss 1129/80-18, NJW 1981, 1851; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 42; Hefendehl in MüKoStGB, § 263 Rz. 150. 13 BGH v. 6.9.2001 – 5 StR 318/01, NStZ 2002, 144, 145; Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 135; Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 29; Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 148; Wessels/Hillenkamp, BT/2, Rz. 499.

404

Saliger

Rz. 62 § 263 StGB

Scheck einreicht.1 Soweit ein Inhaberscheck und nicht ein Orderscheck eingereicht wird, ist die materielle Berechtigung der Inhaberschaft aber nicht miterklärt.2 Reicht der Scheckaussteller selbst den Scheck ein, so scheidet ohne Hinzutreten weiterer Umstände eine konkludente Täuschung aus.3 Der Missbrauch von Kreditkarten im Drei-Partner-System durch den berechtigten Karteninhaber enthält 61 nicht dessen Zusicherung gegenüber dem Kartennehmer, zahlungsfähig und -willig zu sein. Denn der Kartennehmer prüft aufgrund der Bankgarantie nur die formellen Voraussetzungen (Gültigkeit der Karte, Identität des Karteninhabers, Nichteintrag in Sperrlisten), nicht jedoch die Bonität des Karteninhabers.4 Insoweit wird der Kreditkartenmissbrauch mangels Täuschung nicht von § 263, sondern von § 266b als lex specialis erfasst (§ 266b StGB Rz. 8).5 Werden abhanden gekommene Kreditkarten durch Nichtberechtigte missbraucht, so liegt in der Vorlage der Karte eine konkludente Täuschung über die Berechtigung und in der Unterschrift mit falschem Namen eine ausdrückliche Täuschung.6 Eine Betrugsstrafbarkeit scheidet im Ergebnis gleichfalls aus für den Missbrauch von EC-Karten im POS-Verfahren (mit PIN), da auch dort der Kartenausgeber hinsichtlich eines autorisierten Betrages eine Einlösungsgarantie übernommen hat und das vom Verkäufer einzuhaltende Verfahren ähnlich wie bei den Kreditkarten einschränkend formalisiert ist.7 Unklar ist derzeit die Rspr. zum Missbrauch von Kundenkarten im Zwei-Partner-System. Der 1. Strafsenat des BGH hat bislang unter Billigung des überwiegenden Schrifttums mangels Zahlungsgarantie eines Dritten eine konkludente Täuschung des Karteninhabers über die Deckung seines Kontos beim späteren Lastschrifteinzug und damit strafbaren Betrug bejaht, wenn er die Kundenkarte missbräuchlich verwendet.8 Demgegenüber sieht der 5. Strafsenat des BGH in der Vorlage einer Kundenkarte („Post-Card“) gegenüber dem Kartenaussteller keine schlüssige Äußerung mehr, dass das Girokonto eine ausreichende Deckung zum Zeitpunkt des späteren Lastschrifteinzugs aufweisen wird. Letzteres erscheint im Hinblick auf die Rspr. zum Überweisungsauftrag (Rz. 50) konsequenter.9 Während ein strafbarer Betrug auch bei der Erlangung von Kredit- und EC-Karten möglich ist,10 führt bei einer durch Täuschung erlangten Kundenkarte erst ihre missbräuchliche Verwendung zu einer Betrugsstrafbarkeit.11 Legt ein Nichtberechtigter ein Sparbuch vor, so täuscht er ohne Hinzutreten besonderer Umstände, die eine 62 Überprüfungspflicht auslösen, nicht konkludent über seine Berechtigung zum Empfang des Auszahlungsbetrages. Denn § 808 BGB lässt den bloßen Besitz als Nachweis der Berechtigung ausreichen (vgl. aber Rz. 300).12 Das Angebot eines Wechsels an eine Bank zum Diskont enthält die schlüssige Erklärung, dass es sich um einen Kunden- oder Warenwechsel und nicht um einen Finanzwechsel handelt.13 Das soll nach h.M. aber nur für das Angebot an die Bank, nicht zugleich ohne Hinzutreten besonderer Umstände (z.B. ungerade Zahlenangaben) für die Weitergabe des Wechsels im normalen Geschäftsverkehr gelten.14 Auch bei der sog. Wechselreiterei, bei

1 BGH v. 11.12.2008 – 5 StR 536/08, StV 2009, 244, 245; Wessels/Hillenkamp, BT/2, Rz. 499. 2 BayObLG v. 21.1.1999 – 1 St RR 265–98, NJW 1999, 1648, 1649 m. Anm. Marxen, EWiR 1999, 519 f.; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 42; Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 148; Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 29. 3 Str., wie hier: OLG Köln v. 19.10.1990 – Ss 476/90, NJW 1991, 1122 f.; Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 135; Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 151; Saliger in M/R-StGB, § 263 Rz. 60. A.A. Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 42. 4 Str., wie hier die h.M.: BGH v. 13.6.1985 – 4 StR 213/85, BGHSt 33, 244, 248 f. m. Anm. Bringewat, NStZ 1985, 535 und Otto, JZ 1985, 1008; Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 29a; Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 122; Saliger in M/RStGB, § 263 Rz. 61; Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 135; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 43; Knauth, NJW 1983, 1287. A.A. OLG Hamm v. 23.1.1984 – 3 Ws 608/83, NJW 1984, 1633, 1635 m. Bespr. Schlüchter, JuS 1984, 675; Bringewat, wistra 1984, 194; vgl. anders auch BGH v. 26.7.1972 – 2 StR 62/72, BGHSt 24, 386, 389 zu den heute nicht mehr ausgegebenen EC-Schecks; dazu näher Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 43 m.w.N. 5 BGH v. 18.11.1986 – 4 StR 583/86, wistra 1987, 64; Fischer, StGB, § 263 Rz. 26. 6 LG Berlin v. 30.11.1983 – (502) 68 KLs 13/83 (45/83), wistra 1985, 241, 242; LG Hamburg v. 4.4.1986 – (93) 3/86 KLs, wistra 1986, 227; Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 29a; Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 135; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 43. 7 Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 123 m.w.N.; Saliger in M/R-StGB, § 263 Rz. 61. Überwiegend wird der Irrtum verneint, Rz. 97. 8 BGH v. 11.10.1988 – 1 StR 486/88, StV 1989, 199 f.; BGH v. 12.5.1992 – 1 StR 133/92, BGHSt 38, 281, 282; Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 29a; Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 122; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 43. 9 BGH v. 16.3.2005 – 5 StR 72/05, wistra 2005, 222 unter Bezug auf BGH v. 8.11.2000 – 5 StR 433/00, BGHSt 46, 196, 198 ff.; Saliger in M/R-StGB, § 263 Rz. 61; auch Fischer, StGB, § 263 Rz. 26. 10 Vgl. BGH v. 13.6.1985 – 4 StR 213/85, BGHSt 33, 244, 246; BGH v. 21.11.2001 – 2 StR 260/01, BGHSt 47, 160, 167; BGH v. 2.2.1993 – 1 StR 849/92, NStZ 1993, 283, 284; Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 135. 11 BGH v. 11.10.1988 – 1 StR 486/88, StV 1989, 199 f.; BGH v. 12.5.1992 – 1 StR 133/92, BGHSt 38, 281, 282; Saliger in M/R-StGB, § 263 Rz. 122; Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 29a; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 43. A.A. wohl nun BGH v. 16.3.2005 – 5 StR 72/05, wistra 2005, 222. 12 Str., wie hier: OLG Düsseldorf v. 27.2.1989 – 2 Ss 50/89 – 19/89 II, NJW 1989, 2003, 2004; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 44; Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 128; Saliger in M/R-StGB, § 263 Rz. 62. A.A. Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 135; Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 16b. 13 RG v. 15.12.1893 – 4146/93, RGSt 25, 13 ff.; BGH v. 17.8.1976 – 1 StR 371/76, NJW 1976, 2028 f.; Tiedemann in LKStGB, § 263 Rz. 47; Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 136. 14 Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 47; Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 139; Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 136. A.A. Otto, Bargeldloser Zahlungsverkehr, 1978, S. 16.

Saliger

405

StGB

Betrug

StGB

§ 263 StGB Rz. 63

Strafgesetzbuch

der zwei Täter sich gegenseitig Finanzwechsel ziehen und das Akzept des jew. anderen bei der eigenen Bank diskontieren, wird über das Vorliegen eines Warenwechsels konkludent getäuscht.1 (8) Sonstige Geschäfts- und Lebensbereiche 63

Wer über Telefon oder Fax (0190/0900-Nummer) abrufbare Serviceangebote unterhält, täuscht konkludent, wenn die kostenpflichtig übermittelte Leistung keine brauchbaren und themenbezogenen Informationen enthält, sondern zum Zweck des „Abkassierens“ nur allgemeine, belanglose, themenfremde oder werbend auf andere kostenpflichtige Quellen verweisende Informationen anbietet.2 Ein Asylbewerber, der Leistungen nach dem AsylbLG beantragt und materiell leistungsberechtigt ist, täuscht nicht konkludent, wenn er den Antrag unter Vorgabe einer falschen Identität stellt, weil die Angabe für die Bewilligung der Leistung unerheblich ist.3 Vertragsabschlüsse von Berufssportlern mit Sponsoren, Ausstattern, Sportveranstaltern oder seinem Verein bzw. Rennstall können konkludente Erklärungen über eine sportregelkonforme Leistungserbringung (u.a. kein Doping, keine Absprachen) enthalten (vgl. auch Rz. 185).4 Jedoch scheidet eine konkludente Täuschung aus, wenn eine Kenntnis vom Doping beim Leiter des Rennstalls nicht auszuschließen ist.5 Mit dem Anbieten eines Dialers wird stillschweigend erklärt, dass er Zugang zu den beim Download genannten, brauchbaren und themenbezogenen Inhalten eröffnet.6 Ein Fahrgast, der der Kontrollperson eine Fahrkarte bestimmter Klasse vorzeigt, erklärt schlüssig, auch nur die entsprechende Klasse benutzen zu wollen.7 Dem schieren Passieren des Kassenbereichs im Selbstbedienungsladen wohnt nicht die Erklärung inne, keine Ware verborgen zu haben.8 Ein Provisionsvertreter erklärt bei Vertragsschluss schlüssig, den Bestellschein unverändert an den Geschäftsherrn weiterzugeben, insbesondere keine nachträglichen Veränderungen am Vertragstext wie eine einseitige Erhöhung der Bestellmenge vorzunehmen.9 Die Einwerbung von Spenden enthält ohne Hinzutreten weiterer Umstände weder stillschweigende Erklärungen zur Ehrenamtlichkeit der Spender noch zur Höhe der Verwaltungs- und Werbekosten und damit zum Anteil des Geldes, dass für den gemeinnützigen Zweck eingesetzt werden soll.10 Bei Warentermingeschäften (dazu auch Rz. 229 ff.) soll eine (wohl) schlüssige Täuschung nach der Rspr. u.a. dann in Betracht kommen, wenn höhere Vermittlungsprovisionen als vereinbart berechnet werden,11 oder wenn beim Fehlen von Vereinbarungen objektiv überhöhte Vermittlungsprovisionen geltend gemacht werden, welche die Gewinnchance stark verringern.12 Ein Zeitkarteninhaber, der Bahnreisenden gegen Entgelt „kostenlose“ Mitfahrten ermöglicht, begeht durch das bloße Vorzeigen der Karte ohne weitergehende Kontrolle durch den Zugbegleiter keine konkludente Täuschung.13

1 Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 48; Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 136; Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 139. 2 BGH v. 15.8.2002 – 3 StR 11/02, NJW 2002, 3415, 3417; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 48; Saliger in M/R-StGB, § 263 Rz. 63; Gaede in AnwK-StGB, § 263 Rz. 32; Fischer, StGB56, § 263 Rz. 20a; Stöber, NStZ 2003, 515. 3 BGH v. 10.7.1997 – 5 StR 276/97, NStZ-RR 1997, 358; Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 120. 4 Vgl. OLG Stuttgart v. 29.9.2011 – 2 Ws 33/11, BeckRS 2011, 27427 m. Bspr. Jahn, JuS 2012, 181 zur Teilnahme eines gedopten Berufssportlers an einem Radrennen, dort auch zum Irrtum. Ferner Fischer, StGB, § 263 Rz. 35a; Cherkeh/ Momsen, NJW 2001, 1748 f.; zum Ganzen Cherkeh, Betrug, 2000, S. 63 ff.; Paringer, Korruption, 2001, S. 30 ff., 170, 191 f. und passim. 5 OLG Stuttgart v. 29.10.2013 – 16 KLs 211 Js 88929/08, BeckRS 2013, 18596 – Fall Schumacher; dazu Zuck, NJW 2014, 280 f. 6 Buggisch, NStZ 2002, 181; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 47. 7 Vgl. RG v. 30.10.1908 – II 846/08, RGSt 42, 40, 42; BayObLGSt 20, 137, 139; Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 37; Maaß, GA 1984, 282. 8 Str., wie hier: BGH v. 13.4.1962 – 1 StR 41/62, BGHSt 17, 205; BayObLG v. 28.12.1961 – Rreg. 1 St 565/61, NJW 1962, 224; Fischer, StGB, § 263 Rz. 37; Saliger in M/R-StGB, § 263 Rz. 63; Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 128. A.A. OLG Düsseldorf v. 10.5.1961 – (2) Ss 171/61, GA 1961, 348 m. abl. Anm. Welzel; OLG Düsseldorf v. 17.11.1992 – 2 Ss 337/92 – 67/92 III, NJW 1993, 1407 m. Anm. Vitt, NStZ 1994, 133; Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 63a; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 61; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 50. 9 RG JW 1913, 950; OLG Celle v. 29.11.1958 – 2 Ss 427/58, NJW 1959, 399, 400; OLG Celle v. 1.9.1975 – 2 Ss 207/75, NJW 1975, 2218, 2219; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 50; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 64. 10 Str., wie hier: Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 141; Hoyer in SK-StGB, § 263 Rz. 41; Fischer, StGB, § 263 Rz. 37; Saliger in M/R-StGB, § 263 Rz. 63; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 59; zweifelnd BGH v. 10.11.1994 – 4 StR 331/94, NStZ 1995, 134 f. m. Anm. Rudolphi, NStZ 1995, 289 und Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 50. A.A. Deutscher/Körner, JuS 1996, 300. 11 Vgl. – die aktive Täuschungsform nicht spezifizierend – BGH v. 23.2.1982 – 5 StR 685/81, BGHSt 30, 388, 389. 12 Vgl. – wiederum ohne nähere Konkretisierung der aktiven Täuschungsform – BGH v. 8.7.1981 – 3 StR 457/80, BGHSt 30, 177, 180 f. m. grundsätzlich zust. Anm. Seelmann, NJW 1981, 2132 und zust. Anm. Scheu, JR 1982, 121 f.; auch BGH v. 8.9.1982 – 3 StR 147/82, BGHSt 31, 115; BGH v. 28.6.1983 – 1 StR 576/82, BGHSt 32, 22 und BGH v. 14.7.1999 – 3 StR 66/99, NStZ 2000, 36, 37. Zust. Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 49; Saliger in M/R-StGB, § 263 Rz. 63. A.A. Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 31b. 13 Eidam, NJW 2009, 1053.

406

Saliger

Rz. 66 § 263 StGB

d) Täuschung durch Unterlassen aa) Grundsätze (1) Allgemeine Voraussetzungen Die Täuschung durch Unterlassen bildet nach zutreffender h.M. die dritte Erscheinungsform der Täuschungs- 64 handlung beim Betrug (Rz. 28).1 Danach täuscht auch derjenige, der trotz Garantenpflicht gem. § 13 die Aufklärung eines anderen über eine Tatsache unterlässt, das Unterlassen der Verwirklichung durch ein Tun entspricht (sog. Entsprechensklausel oder Modalitätenäquivalenz) und die gebotene Aufklärung dem Täter nach den Umständen möglich und zumutbar ist.2 Entgegen früherer grundsätzlicher Kritik3 ist nach Rechtsgut (Rz. 1) und Funktion des Betrugs (Rz. 4) i.V.m. § 13 StGB kein zwingender Grund ersichtlich, warum das Vermögen nur vor aktiven Täuschungen geschützt werden sollte. Auch wenn im Geschäftsverkehr grundsätzlich jeder für sich selbst zu sorgen hat und das Orientierungsrisiko trägt,4 so eröffnet doch der seit 1975 für alle Delikte des BT geltende § 13 bei Bestehen einer betrugsspezifizierten (vgl. Rz. 67, 69 ff.) Garantenpflicht zur Aufklärung des Opfers die Möglichkeit, den Täter, der die gebotene Aufklärung unterlässt, für daraus folgende irrtumsbedingte Vermögensminderungen auch strafrechtlich zur Verantwortung zu ziehen.5 Der Wortlaut (Unterdrücken von Tatsachen, Unterhalten eines Irrtums) schließt das jedenfalls nicht aus.6 (2) Verhältnis zu aktiven Täuschungsformen und zu § 266 Die Täuschung durch Unterlassen ist unstreitig subsidiär gegenüber den aktiven Täuschungsarten: Sie kommt 65 erst und nur dann in Betracht, wenn zuvor die Möglichkeit einer ausdrücklichen oder konkludenten Täuschung verneint worden ist (vgl. auch Rz. 32).7 Insbesondere ist stets sorgfältig zu prüfen, ob nicht an Stelle einer Täuschung durch Unterlassen tatsächlich eine konkludente Täuschung gegeben ist (auch Rz. 72).8 Die Abgrenzung zur konkludenten Täuschung (Rz. 33) richtet sich danach, ob ein aktives Verhalten vorliegt, dem nach der Verkehrsanschauung noch ein Erklärungswert zukommt (dann konkludente Täuschung), oder ob ein solches Verhalten gänzlich fehlt wie beim reinen Nichtstun oder Schweigen ohne Erklärungswert (dann möglicherweise Täuschung durch Unterlassen).9 Streitig ist das Verhältnis der betrugsspezifizierten Garantenpflicht zur Vermögensbetreuungspflicht nach 66 § 266. Teilweise wird die betrugsspezifische Garantenpflicht als Unterfall der untreuerelevanten Vermögensbetreuungspflicht gesehen, weshalb eine betrugsrelevante Aufklärungspflicht nur bei Pflichten von einigem Gewicht bejaht werden dürfe und die Verneinung einer Vermögensbetreuungspflicht darüber hinaus die Annahme einer betrugsspezifischen Garantenpflicht sperre.10 Richtigerweise bezeichnen die betrugsspezifische Aufklärungspflicht und die Vermögensbetreuungspflicht mit der überwiegenden Ansicht nach Voraussetzungen und Folgen verschiedene Pflichten.11 Denn da Betrug und Untreue die gemeinsame Aufgabe des Vermögensschutzes nach Struktur und Angriffsweg signifikant unterschiedlich erfüllen,12 trifft den Untreuetäter eine allgemeine Pflicht, den Bestand des Treugebervermögens vor Schädigungen zu bewahren, während der garantenpflichtige Betrugstäter allein für das Ausbleiben irrtumsbedingter Vermögensminderungen zu sorgen hat.13 Daraus ergeben sich mehrere Folgerungen:14 Erstens lassen sich Einschränkungen der betrugsspezifischen Aufklärungs1 RG v. 13.2.1936 – 2 D 346/35, RGSt 70, 151, 153 ff.; BGH v. 16.11.1993 – 4 StR 648/93, BGHSt 39, 392, 397 ff.; BGH v. 8.11.2000 – 5 StR 433/00, 46, 196, 202 ff.; Lackner/Kühl, StGB, § 263 Rz. 12 ff.; Fischer, StGB, § 263 Rz. 38 ff.; Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 18 ff.; Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 144 ff.; Saliger in M/R-StGB, § 263 Rz. 64 ff.; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 51 ff.; Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 160 ff.; Gaede in AnwK-StGB, § 263 Rz. 37; Wessels/Hillenkamp, BT/2, Rz. 503 ff. 2 BayObLG v. 5.2.1987 – RReg 3 St 174/86, JZ 1987, 626 m. krit. Anm. Otto und Hillenkamp, JR 1988, 301; BGH v. 16.11.1993 – 4 StR 648/93, BGHSt 39, 392, 398; BGH v. 25.7.2000 – 1 StR 162/00, NJW 2000, 3013, 3014; OLG Stuttgart v. 13.2.2003 – 1 Ws 15/03, NStZ 2003, 554; vgl. ferner Saliger in M/R-StGB, § 263 Rz. 64; Fischer, StGB, § 263 Rz. 38; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 51; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 79; Lackner/Kühl, StGB, § 263 Rz. 12 ff. 3 H. Mayer, AT, S. 152; Grünwald, FS H. Mayer, 1966, S. 291; Naucke, Betrug, S. 106 ff., 214. 4 Maaß, Betrug, S. 28. 5 Vgl. BGH v. 16.11.1993 – 4 StR 648/93, BGHSt 39, 392, 398; Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 144. 6 Zu weiteren Argumenten Saliger in M/R-StGB, § 263 Rz. 64. 7 Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 80; Wessels/Hillenkamp, BT/2, Rz. 504. 8 Vgl. Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 18. 9 Saliger in M/R-StGB, § 263 Rz. 65; vgl. ferner Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 146; auch Kargl, ZStW 119 (2007), 264 ff., 269. 10 Hoyer in SK-StGB, § 263 Rz. 56; Samson, JA 1978, 473; Seelmann, NJW 1981, 2132; Noak, MedR 2002, 78; Lüderssen, FS Kohlmann, 2003, S. 184. 11 Lackner/Kühl, StGB, § 263 Rz. 16; Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 19; Saliger in M/R-StGB, § 263 Rz. 66; Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 149; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 51; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 82; Worms, wistra 1984, 127; Maaß, Betrug, S. 25 ff., 31. 12 Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 19. 13 Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 149. 14 Zum Folgenden bereits Saliger in M/R-StGB, § 263 Rz. 66.

Saliger

407

StGB

Betrug

StGB

§ 263 StGB Rz. 67

Strafgesetzbuch

pflicht nicht nach Maßgabe der Vermögensbetreuungspflicht in § 266 vornehmen.1 Zweitens ist die betrugsspezifische Aufklärungspflicht nicht zwingend in einer Vermögensbetreuungspflicht enthalten.2 Deshalb entfaltet drittens die Verneinung einer Vermögensbetreuungspflicht keine Sperrwirkung für die Annahme eines Betrugs durch Unterlassen.3 Trifft einen Treunehmer im konkreten Fall ausnahmsweise auch eine betrugsspezifische Aufklärungspflicht, so kommt viertens tatbestandlich nur eine Strafbarkeit wegen Untreue in Betracht.4 (3) Bedeutung der Entsprechungsklausel 67

Umstritten ist ferner, welche Bedeutung die Entsprechungsklausel in § 13 für den Betrug hat und – damit zusammenhängend – welche Fallgruppen die Täuschung durch Unterlassen umfasst. Für die (vor allem neuere) Rspr. und das überwiegende Schrifttum erschöpft sich die Bedeutung der Entsprechensklausel in besonderen Anforderungen an die einzelnen Garantenpositionen.5 Danach setzt die Gleichstellung des Unterlassens mit dem aktiven Tun zunächst eine Garantenhaftung des Täters für die Abwendung des Erfolgs voraus. Insoweit bilden die generellen Garantenstellungen der formellen Pflichtenlehre (insbesondere Gesetz, Vertrag, Ingerenz) zwar erste Anhaltspunkte (vgl. Rz. 70 ff.). Ob aber eine betrugstaugliche Garantenpflicht besteht, die eine Gleichstellung mit der Herbeiführung des Schadens rechtfertigt, soll sich erst nach einer Abwägung der Interessenlage und des Verantwortungsbereichs der Beteiligten nach Maßgabe der Umstände des Einzelfalls bestimmen (materielle Gesamtbetrachtung).6 So reichen etwa vertragliche Pflichten aus gegenseitigen Rechtsgeschäften nicht ohne weiteres zur Begründung einer Garantenpflicht aus. Vielmehr müssen besondere Umstände hinzutreten, in denen der eine darauf angewiesen ist, dass ihm der andere die für seine Entschließung maßgebenden Umstände offenbart. Das ist etwa der Fall bei einem über das bloße Vertragsverhältnis hinausgehenden besonderen Vertrauensverhältnis, einer ständigen Geschäftsverbindung oder einer ähnlich engen Verbindung (auch Rz. 75, 79).7 Eine materielle Gesamtbetrachtung gilt auch für Garantenpositionen aus Gesetz. So besteht etwa ein besonderes Vertrauensverhältnis bei Massengeschäften, in denen der Leistende auf die korrekte Mitwirkung des Leistungsempfängers vertrauen muss (zur Einschränkung bei Ingerenz Rz. 81).8 Insoweit löst also nicht jedes Unterlassen einer Aufklärung strafrechtliche Konsequenzen aus. „Erforderlich ist, dass der Unterlassende aufgrund einer besonders begründeten Einstandspflicht gerade für die vermögensrechtliche Entscheidungsfreiheit des anderen ‚auf Posten gestellt‘ ist.“9 Anders formuliert: Die Aufklärungspflicht muss strafrechtsautonom gerade dem Vermögensschutz dienen.10 Auf dieser Basis kann nach h.M. ein Betrug durch Unterlassen nicht nur durch das Nichthindern der Entstehung eines Irrtums begangen werden. Betrug durch Unterlassen kommt darüber hinaus in Betracht, wenn der Täter einen bereits bestehenden Irrtum nicht beseitigt oder sich vertiefen lässt.11

68

Nach einer Mindermeinung verbleibt für den Betrug durch Unterlassen – mit unterschiedlicher Begründung – nur ein deutlich kleinerer Anwendungsbereich. So wird teilweise unter Berufung auf die Entsprechensklausel und darauf, dass für den Betrug die Lüge konstitutiv sei, auch für die Strafbarkeit des Betrugs durch Unterlassen ein Erklärungswert gefordert.12 Das überzeugt nicht.13 Die Forderung nach einem Erklärungswert auch der Täuschung durch Unterlassen übersieht, dass der Charakter des Betrugs als Kommunikationsdelikt (Rz. 27 ff.) keine

1 2 3 4 5 6 7

8 9 10 11 12 13

Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 19; Maaß, Betrug, S. 29 ff.; vgl. auch Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 82. Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 82; Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 149; Pawlik, Verhalten, S. 112 Fn. 284. Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 82; Worms, wistra 1984, 123, 127; Wessels/Hillenkamp, BT/2, Rz. 506. Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 149; Maaß, Betrug, S. 26 ff., 29. Vgl. Lackner/Kühl, StGB, § 263 Rz. 15; Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 166; Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 19; vgl. auch Schürmann, Unterlassungsstrafbarkeit, 1986, S. 119 ff. BGH v. 25.7.2000 – 1 StR 162/00, NJW 2000, 3013, 3014; OLG Stuttgart v. 13.2.2003 – 1 Ws 15/03, NStZ 2003, 554 f.; vgl. auch BayObLG v. 5.8.1964 – RevReg. 1 b St 301/64, BayObLGSt 64, 116, 122. BGH v. 25.7.2000 – 1 StR 162/00, NJW 2000, 3013, 3014; BGH v. 16.11.1993 – 4 StR 648/93, BGHSt 39, 392, 399 m. Anm. Naucke, NJW 1994, 2809 und Joerden, JZ 1994, 422; BGH v. 8.11.2000 – 5 StR 433/00, BGHSt 46, 196, 203; BayOblG v. 5.8.1964 – RevReg. 1 b St 301/64, BayObLGSt 64, 116, 122; OLG Saarbrücken v. 13.8.2007 – Ss 18/2007, NJW 2007, 2868, 2870; Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 19; Saliger in M/R-StGB, § 263 Rz. 67; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 84; Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 168, 175, 209; Maaß, Betrug, S. 32 ff., 44. Saliger in M/R-StGB, § 263 Rz. 71; Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 21; Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 176 ff.; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 85. BGH v. 16.11.1993 – 4 StR 648/93, BGHSt 39, 392, 398 unter Bezugnahme auf Ranft, Jura 1992, 67. OLG Saarbrücken v. 13.8.2007 – Ss 18/2007, NJW 2007, 2868, 2869 – unter Bezugnahme auf Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 51 und Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 19 – m. zust. Anm. Kargl, wistra 2008, 121 und abl. Anm. Fahl, Jura 2008, 453; vgl. auch Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 154 und Maaß, Betrug, S. 23 f. Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 18; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 52; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 81; Saliger in M/R-StGB, § 263 Rz. 67; Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 152; Wessels/Hillenkamp, BT/2, Rz. 503; Maaß, Betrug, S. 5 f., 13. Herzberg, Unterlassung, 1972, S. 74 ff., 72, 81 f.; vgl. auch Ellmer, Betrug, 1986, S. 119 f. und Klawitter, Grenzen, 1993, S. 84, 87, 89; ferner Kargl, ZStW 119 (2007), 258 f., 282. Dazu m.w.N. und Argumenten Saliger in M/R-StGB, § 263 Rz. 68.

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Saliger

Rz. 71 § 263 StGB

Verengung der Kommunikation auf die Lüge erfordert.1 Außerdem verwischt diese Auffassung die Grenze zur konkludenten Täuschung.2 (4) Gebot restriktiver Auslegung Auch auf Basis der h.M. (Rz. 67) ist die Annahme eines strafbaren Betrugs durch Unterlassen, insbesondere die 69 Bejahung von Garantenstellungen, von denen mehrere gleichzeitig vorliegen können, restriktiv zu handhaben (vgl. vor allem Rz. 81 ff.).3 Das ergibt sich zum einen aus dem Grundsatz, dass im Geschäftsverkehr jeder Verkehrsteilnehmer selbst das Orientierungsrisiko trägt (vgl. Rz. 64). Zum anderen bezeichnet die Täuschung durch Unterlassen im gestuften System der Täuschungsarten die einzige rein normative Täuschungshandlung (vgl. Rz. 28), bei der die Abschichtung der Verantwortungsbereiche zwischen Täter und Opfer (vgl. Rz. 10) in ständiger Gefahr steht, durch eine zu extensive Zurechnung den Täuschenden zu überfordern und damit die ultima-ratio-Funktion des Betrugsstrafrechts zu verfehlen (vgl. zur konkludenten Täuschung Rz. 36). Möglichkeit und Zumutbarkeit der Aufklärung bestimmen sich nach den allgemeinen Regeln (vgl. § 13 StGB Rz. 5 f.). Die Zumutbarkeit kann insbesondere bei einer dem Umfang und Grade nach erheblichen Gefährdung eigener billiger Interessen, was von den Umständen des Einzelfalls abhängt, entfallen.4 Das soll bei der Gefahr eigener Strafverfolgung oder eines Disziplinarverfahrens nach h.M. i.d.R. nicht der Fall sein (nicht unzwh.).5 bb) Garantenpflichten aus Gesetz Eine vermögensbezogene Aufklärungspflicht kann sich zunächst aus gesetzlichen Normen ergeben.6 In Betracht 70 kommen grundsätzlich alle außerstrafrechtlichen Vorschriften des öffentlichen Rechts und des Privatrechts, die eine entsprechende Aufklärungspflicht enthalten.7 Zu beachten ist aber, dass die schiere Existenz einer außerstrafrechtlichen Aufklärungspflicht noch nicht für die Annahme einer strafbewehrten Garantenpflicht hinreicht. Hinzukommen muss der materielle Aspekt eines besonderen Vertrauensverhältnisses, der sich aus den jew. Normkontexten unter Berücksichtigung von Interessenlage und Verkehrsanschauung ergibt (vgl. Rz. 67).8 In der Praxis finden sich Aufklärungspflichten aus dem Sozialrecht, das hier wirtschaftsstrafrechtlich nicht interessiert,9 dem Versicherungsrecht, dem Prozessrecht und dem Bürgerlichen Recht. I.E. gilt: § 28a SGB IV begründet für den AG die strafbewehrte Pflicht, der Einzugstelle alle für den Gesamtsozialversiche- 71 rungsbeitrag relevanten Umstände seiner AN zu melden (Beitragsbetrug; vgl. auch Rz. 53).10 Das gilt auch für Leiharbeitsverhältnisse hinsichtlich der Arbeitnehmeranteile.11 Vollendung soll selbst dann eintreten, wenn eine

1 Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 51; Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 224; auch Fischer, StGB, § 263 Rz. 38a. 2 Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 167; vgl. auch Hoyer in SK-StGB, § 263 Rz. 55. 3 Vgl. BGH v. 16.11.1993 – 4 StR 648/93, BGHSt 39, 392, 398; BGH v. 25.7.2000 – 1 StR 162/00, NJW 2000, 3013, 3014: ausnahmsweise Fremdverantwortung; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 84; Saliger in M/R-StGB, § 263 Rz. 69; Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 19. 4 BayObLG v. 5.2.1987 – RReg. 3 St 174/86, NJW 1987, 1654, 1655; dort verneint für das Motiv des Vermieters, durch die Nichtaufklärung über den Wegfall des Eigenbedarfs die Erzielung eines höheren Mietzinses zu ermöglichen. 5 Vgl. BGH v. 11.10.1951 – 4 StR 208/51, BGHSt 3, 18, 19; BGH v. 29.11.1963 – 4 StR 390/63, BGHSt 19, 167, 168 f.; OLG Karlsruhe v. 26.3.1975 – 1 Ss 56/75, MDR 1975, 771, 772; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 75; Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 152. A.A. AG Tiergarten v. 29.11.1993 – 272 Ds 833/93, NStZ 1994, 243; Wessels, JZ 1965, 635. Wie hier Zweifel äußert Lackner/Kühl, StGB, § 263 Rz. 13. 6 OLG München v. 31.10.2007 – 4 St RR 159/07, NStZ 2009, 156; Fischer, StGB, § 263 Rz. 40 ff.; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 54 ff.; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 85 ff. 7 Keine gesetzliche Aufklärungspflicht hat z.B. der Überbringer eines Schecks, OLG Düsseldorf v. 23.8.1968 – (3) Ss 578/68, NJW 1969, 623, 624. Auch aus § 321 BGB folgt keine Pflicht, die nach Vertragsschluss eingetretene Zahlungsunfähigkeit zu offenbaren; BGH v. 15.6.1954 – 1 StR 526/53, BGHSt 6, 198, 199. 8 Wie hier: Perron in S/S-StGB, Rz. 21; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 85; Saliger in M/R-StGB, § 263 Rz. 70; Maaß, Betrug, S. 53. Anders Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 56. 9 Nach § 60 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGB I ist der Antragsteller oder Bezieher von Sozialleistungen verpflichtet, Änderungen jener Verhältnisse unverzüglich mitzuteilen, die für die Leistung erheblich sind oder über die im Zusammenhang mit der Leistung Erklärungen abgegeben worden sind. Die Vorschrift begründet eine strafbewehrte Garantenpflicht (Sozialleistungsbetrug); dazu OLG Hamm v. 13.1.1987 – 5 Ss 1368/86, NJW 1987, 2245; OLG Düsseldorf v. 12.7.1991 – 2 Ss 21/91 – 77/91 II, StV 1991, 520; OLG Köln v. 17.12.2002 – Ss 470/02, NStZ 2003, 374; OLG Köln v. 11.8.2009 – 83 Ss 54/09, NStZ-RR 2010, 79, 80; OLG München v. 31.10.2007 – 4 St RR 159/07, NStZ 2009, 156; Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 179 ff.; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 89; Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 159; eingehend zum Sozialleistungsbetrug Saliger in M/R-StGB, § 263 Rz. 71 f., 258 f. 10 BGH v. 12.2.2003 – 5 StR 165/02, NJW 2003, 1821, 1823; BGH v. 18.5.2010 – 1 StR 111/10, wistra 2010, 408; 1987, 290; BGH v. 25.1.1984 – 3 StR 278/83, BGHSt 32, 236, 240 ff.; Fischer, StGB, § 263 Rz. 40; Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 159; Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 184 ff.; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 87; Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 21; Gaede in AnwK-StGB, § 263 Rz. 40; Wittig, § 14 Rz. 40. Zum Folgenden Saliger in M/R-StGB, § 263 Rz. 73. 11 BGH v. 25.1.1984 – 3 StR 278/83, BGHSt 32, 236, 240 ff. m. Anm. Martens, NStZ 1984, 317; BGH 26.11.1986 – 3 StR 107/86, NStZ 1987, 224, 225; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 85; Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 21; Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 184. Zur illegalen Arbeitnehmerüberlassung vgl. BGH v. 12.2.2003 – 5 StR 165/02, NJW 2003, 1821.

Saliger

409

StGB

Betrug

StGB

§ 263 StGB Rz. 72

Strafgesetzbuch

unzuständige Stelle getäuscht wird.1 Verschweigt der AG dem Versicherungsträger seine unternehmerische Tätigkeit und meldet überhaupt keine AN an, so liegt, wenn man nicht bereits eine (konkludente) Täuschung verneint,2 jedenfalls kein Irrtum vor,3 es sei denn, der AG ist bei der zuständigen Einzugsstelle erfasst.4 In diesem Fall greift aber (auch) § 266a (zum Verhältnis von § 263 und § 266a Rz. 298). Aus § 12 Abs. 1 SGB V i.V.m. § 5 Abs. 1 Sprechstundenbedarfsvereinbarung, § 72 Abs. 1 SGB V und § 34 Abs. 1 Musterberufsordnung soll sich die Garantenplicht des Kassenarztes ergeben, für die Verordnung von Arzneimitteln erhaltene wirtschaftliche Vergünstigungen („Schmiergelder“) der KK anzuzeigen.5 § 46 Abs. 3 i.V.m. §§ 21, 27, 29 f. BAföG enthalten eine strafbewehrte Anzeigepflicht des Antragstellers von BAföG-Leistungen, seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse unter Berücksichtigung des Freibetrags anzugeben.6 Das schließt Treuhandkonten jedenfalls bei faktischer Zugriffsmöglichkeit des Antragstellers ein.7 Ändern sich die Vermögensverhältnisse im Bewilligungszeitraum, so trifft den BAföG-Bezieher keine Aufklärungspflicht (arg. aus § 28 Abs. 4 BAföG).8 § 5 EFZG ist keine taugliche Pflichtenquelle.9 72

Aus § 23 Abs. 2 VVG (= § 27 Abs. 2 a.F. VVG) ergibt sich eine Garantenpflicht des Versicherungsnehmers, dem Versicherer risikoerhöhende Umstände mitzuteilen.10 Dagegen führen Verstöße gegen die Anzeigepflicht bei Vertragsanbahnung gem. § 19 Abs. 1 VVG (= 16 Abs. 1 a.F. VVG) bereits zu einer konkludenten Täuschung, so dass für eine Täuschung durch Unterlassen kein Raum verbleibt.11 Entsprechendes gilt für Täuschungen bei der Geltendmachung der Versicherungsleistung.12 § 23 PartG enthält entgegen der überwiegenden Ansicht13 keine strafbewehrte Pflicht zur Offenlegung der Parteifinanzen gegenüber dem Bundestagspräsidenten; vielmehr kommt bei der Abgabe festsetzungsrelevant unvollständiger Rechenschaftsberichte eine konkludente Täuschung in Betracht (Rz. 65), während bei gänzlicher Nichteinreichung eines Rechenschaftsberichts schon keine Mittelfestsetzung erfolgt.14 § 31 Abs. 2 WpHG verpflichtet den Wertpapierdienstleister – unabhängig von vertraglichen Pflichten – zur anleger- und objektgerechten Aufklärung des Kunden.15 Auch das beamtenrechtliche Treueverhältnis kann für Beamte strafbewehrte Mitteilungspflichten gegenüber dem Dienstherrn begründen.16 So hat ein Pensionär mitzuteilen, dass ihm irrtümlich seine aktiven Bezüge weitergezahlt werden,17 oder dass er wieder im öffentlichen Dienst beschäftigt wird.18 Das OLG Düsseldorf bejaht eine Mitteilungspflicht darüber hinaus beim Bezug von Beihilfe, wenn die Behandlungskosten durch den Beihilfeempfänger nur teilweise zu tragen sind,19 wobei hier aber eine konkludente Täuschung gegeben ist (vgl. Rz. 33, 65).20

1 BGH v. 13.5.1987 – 3 StR 460/86, wistra 1987, 290, 291 – m. Bespr. Franzheim, wistra 1987, 313 – unter Aufgabe von BGH v. 24.9.1986 – 3 StR 196/86, wistra 1987, 104; Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 21; Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 184. 2 Fischer, StGB, § 263 Rz. 40; Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 185; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 57; auch Stahlschmidt, wistra 1984, 210. 3 BGH v. 4.2.1992 – 5 StR 11/92, wistra 1992, 141; KG v. 24.4.1986 – 1 Ss 328/86, 4 Ss 179/86, JR 1986, 469 m. zust. Anm. Martens, JR 1987, 211; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 87. A.A: Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 37: vollendeter Betrug durch Unterlassen. 4 BGH v. 18.5.2010 – 1 StR 111/10, wistra 2010, 408. 5 OLG Hamm v. 22.12.2004 – 3 Ss 431/04, NStZ-RR 2006, 13, 14 m. Anm. Steinhilper, MedR 2005, 238; Satzger in S/S/ W-StGB, § 263 Rz. 88; Fischer, StGB, § 263 Rz. 42; Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 21. A.A. Noak, MedR 2002, 80 f. Eine Aufklärungspflicht bei sog. Einweisungsvergütungen bejaht Fischer, StGB, § 263 Rz. 42; vgl. auch Kölbel, wistra 2009, 129. 6 Fischer, StGB, § 263 Rz. 40c. Nach § 47 Abs. 4 BAföG gilt § 60 SGB I auch für Eltern und Ehegatten des Auszubildenden. 7 Fischer, StGB, § 263 Rz. 40c; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 92; Rau/Zschieschack, StV 2004, 670 f. 8 Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 189; Böse, StraFo 2004, 123. 9 OLG Celle v. 9.2.2010 – 32 Ss 205/09, wistra 2010, 278, 279. 10 Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 60; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 90; Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 21; Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 158. 11 Str., wie hier: Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 60; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 52; Gaede in AnwK-StGB, § 263 Rz. 32. A.A. – Betrug durch Unterlassen – Cramer/Perron in S/S-StGB, Rz. 21; Wessels/Hillenkamp, BT/2, Rz. 505; Maaß, Betrug, S. 74 ff.; wohl auch BGH v. 23.1.1985 – 1 StR 691/84, StV 1985, 368 f. m. Anm. Sonnen, JA 1985, 663. Beides bejaht Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 158. 12 A.A. Maaß, Betrug, S. 76 ff. 13 Fischer, StGB, § 263 Rz. 42; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 93; vgl. auch Maier, NJW 2000, 1007. 14 § 23 Abs. 4 S. 1 a.F. PartG und § 19a Abs. 1 S. 2 n.F. PartG; vgl. dazu Saliger, Parteiengesetz, S. 263 ff., 306 ff.; 566 ff., und Saliger/Sinner, NJW 2005, 1073, 1076 f. 15 Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 60; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 94; eingehend Helmschrott/Waßmer, WM 1999, 1853 ff. 16 Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 186; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 60; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 91. 17 OLG Köln, JMBl NRW 1983, 184, 186. 18 RG v. 14.7.1933 – I 753/33, RGSt 67, 289, 292. 19 OLG Düsseldorf v. 3.8.1978 – 2 Ss 507/78, OLGSt 164, 165; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 52. 20 Ebenso Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 29, 57.

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Saliger

Rz. 75 § 263 StGB

Rspr. und Teile des Schrifttums leiten aus der prozessrechtlichen Wahrheitspflicht für die Partei gemäß § 138 73 Abs. 1 ZPO eine strafbewehrte Garantenpflicht ab (Prozessbetrug i.e.S. und Betrug im Prozess, dazu Rz. 18).1 Danach soll keine Partei Tatsachen verschweigen dürfen, die ihrem Klagevorbringen die Rechtsgrundlage entziehen.2 So sieht der BGH einen Rechtsanwalt für verpflichtet an, den Sachverhalt wahrheitsgemäß und vollständig mitzuteilen, wenn er erkennt, dass der Richter über bestimmte Ereignisse eine Aufklärung wünscht, es sei denn, er würde sich mit der Offenbarung des wahren Sachverhalts in Widerspruch zu Behauptungen seines Mandanten setzen und diesen dadurch eines versuchten Prozessbetruges bezichtigen.3 Entsprechend begehe der Vermieter, der wegen Eigenbedarfs gekündigt und auf Räumung geklagt hat, ebenso einen Prozessbetrug, wenn er dem Gericht nicht mitteilt, dass der Eigenbedarf entfallen ist,4 wie der Kläger, der eine nicht bestehende Forderung im Mahnverfahren betreibt, jedenfalls dann, wenn er einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss aufgrund des so erlangten Titels beantragt.5 Einschränkungen werden für das schlichte Bestreiten von Tatsachenbehauptungen und Einreden anerkannt.6 Diese Rspr. ist abzulehnen. Da die prozessualen Wahrheitspflichten (für Zeugen auch §§ 392 ZPO, 57, 64 ff. StPO) in erster Linie dem Schutz der Rechtspflege dienen und daher gegenüber dem Rechtspflegeorgan bestehen, fehlen das spezifische Vertrauensverhältnis und der unmittelbare Vermögensbezug, der Voraussetzung für eine Garantenstellung zwischen den Prozessparteien bzw. Prozessbeteiligten ist (vgl. Rz. 67).7 An Stelle gesetzlicher Garantenstellungen sind in diesen Fällen andere Garantenstellungen zu prüfen, z.B. aus Ingerenz.8 Garantenpflichten sollen sich nach h.M. auch aus zivilrechtlichen Auskunfts- und Rechenschaftspflichten 74 gem. §§ 666, 675, 713, 2218 BGB, 384 Abs. 2 HGB ergeben.9 Zu beachten ist aber, dass, soweit sich die Verletzung der Auskunftspflicht zugleich als Verletzung einer Vermögensbetreuungspflicht darstellt, allein eine Untreuestrafbarkeit greift (vgl. Rz. 66).10 cc) Garantenpflichten aus Vertrag Wie bei Gesetzen ist anerkannt, dass Grundlage betrugsspezifischer Aufklärungspflichten auch vertragliche Be- 75 ziehungen sein können.11 Das gilt unabhängig von der Wirksamkeit des Vertrages,12 der (Geschäfts-)Erfahrenheit des Vertragspartners13 oder der Höhe des (drohenden) Schadens (vgl. auch Rz. 83).14 Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass in Austauschverträgen die Vertragspartner grundsätzlich ihre eigenen Interessen verfolgen und daher „ein Vertragspartner im allgemeinen nicht ohne weiteres verpflichtet“ ist, „bei Vertragsschluss unaufgefordert alle für den anderen Teil irgendwie erheblichen Tatsachen zu offenbaren“.15 Vertragliche Pflichten aus gegenseitigen Verträgen reichen daher regelmäßig nicht ohne weiteres zur Begründung einer strafbewehrten Garantenpflicht aus.16 Hinzutreten muss ein materieller Garantengrund in Gestalt eines besonderen Vertrauens1 BGH v. 8.8.1952 – 4 StR 416/51, NJW 1952, 1148; OLG Zweibrücken v. 15.7.1982 – 2 Ss 159/82, NJW 1983, 694; vgl. auch BayObLG v. 5.2.1987 – Rreg 3 St 174/86, NJW 1987, 1654 m. krit. Anm. Otto, JZ 1987, 628 und Anm. Hillenkamp, JR 1988, 301; Fischer, StGB, § 263 Rz. 44; Wessels/Hillenkamp, BT/2, Rz. 505. 2 Fischer, StGB, § 263 Rz. 44. 3 BGH v. 8.8.1952 – 4 StR 416/51, NJW 1952, 1148. 4 OLG Zweibrücken v. 15.7.1982 – 2 Ss 159/82, NJW 1983, 694 m. krit. Bespr. Seier, JA 1983, 337 und Werle, NJW 1985, 2913. 5 BGH v. 25.4.2001 – 1 StR 82/01, BGHR § 263 Abs. 1 Täuschung 19 m. Bespr. Kretschmer, GA 2004, 458; Fischer, StGB, § 263 Rz. 44. 6 Fischer, StGB, § 263 Rz. 44. 7 Ebenso Saliger in M/R-StGB, § 263 Rz. 75; Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 21; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 95; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 58; Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 158; Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 180; Gaede in AnwK-StGB, § 263 Rz. 42; Maaß, Betrug, S. 79 ff., 83, 85. 8 Vgl. Maaß, Betrug, S. 83 und 85; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 58; diff. Krell, JR 2012, 104; auch BayObLG v. 5.2.1987 – Rreg 3 St 174/86, NJW 1987, 1654, 1655 f. 9 Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 59; Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 158; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 96; Fischer, StGB, § 263 Rz. 40; Wessels/Hillenkamp, BT/2, Rz. 505. A.A. RG v. 26.1.1904 – 3871/03, RGSt 37, 61, 62 f.; Maaß, Betrug, S. 54 ff. 10 Saliger in M/R-StGB, § 263 Rz. 76; vgl. auch Maaß Betrug, S. 54 ff. 11 BGH v. 15.6.1966 – 4 StR 162/66, GA 1967, 94; BGH v. 16.11.1993 – 4 StR 648/93, BGHSt 39, 392, 399; BGH v. 8.11.2000 – 5 StR 433/00, 46, 196, 203; BGH v. 25.7.2000 – 1 StR 162/00, NJW 2000, 3013, 3014; Fischer, StGB, § 263 Rz. 45 ff.; Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 22; Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 160 ff.; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 61 ff.; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 102 ff.; Saliger in M/R-StGB, § 263 Rz. 77 ff.; Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 190 ff.; Maaß, Betrug, S. 87 ff. 12 Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 22; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 58. 13 OLG Stuttgart v. 24.5.1985 – 1 Ss (25) 292/85, NStZ 1985, 503, 505; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 58. 14 Vgl. – mit abw. Einordnung – BGH v. 16.11.1993 – 4 StR 648/93, BGHSt 39, 392, 401; BGH v. 8.11.2000 – 5 StR 433/00, BGHSt 46, 196, 202; OLG Stuttgart v. 13.2.2003 – 1 Ws 15/03, NStZ 2003, 554, 555 auch zum Vertrag; Saliger in M/R-StGB, § 263 Rz. 77; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 62; auch Hebenstreit in M-G, § 47 Rz. 29 f. A.A. OLG Hamburg v. 5.9.1968 – 2 Ss 87/68, NJW 1969, 335, 336; vgl. ferner Eser, StrafR IV, 1974, S. 132 mit Einordnung zu Treu und Glauben. 15 BGH v. 15.6.1966 – 4 StR 162/66, GA 1967, 94. 16 BGH v. 16.11.1993 – 4 StR 648/93, BGHSt 39, 392, 399; BGH v. 8.11.2000 – 5 StR 433/00, BGHSt 46, 196, 203; BGH v. 25.7.2000 – 1 StR 162/00, NJW 2000, 3013, 3014; BGH v. 2.2.2010 – 4 StR 345/09, NStZ 2010, 502; auch OLG Celle v. 9.2.2010 – 32 Ss 205/09, wistra 2010, 279; Wittig, WistrafR, § 14 Rz. 42.

Saliger

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StGB

Betrug

StGB

§ 263 StGB Rz. 76

Strafgesetzbuch

verhältnisses, welches das Informationsrisiko des Vertragspartners nach der Verkehrsanschauung auf den Täuschenden verlagert. Ein solches Vertrauensverhältnis kann sich in einer langjährigen Geschäftsverbindung, einer sonst engen Verbindung, aber auch in einer expliziten vertraglichen Vereinbarung, in welcher der eine Vertragspartner das Informationsrisiko des anderen übernimmt (z.B. ein Beratervertrag), ausdrücken (vgl. Rz. 67). Insoweit können sich strafbewehrte Aufklärungspflichten sehr wohl (ausnahmsweise) allein aus vertraglichen Vereinbarungen ergeben.1 Das materielle Garantenerfordernis gilt auch für die Annahme von Aufklärungspflichten aus vorvertraglichen Pflichten,2 vertraglichen Nebenpflichten3 und der tatsächlichen freiwilligen Übernahme von Geschäften.4 Für vorvertragliche Pflichten soll dies erst recht in Fällen zutreffen, in denen das Gesetz wie in § 311b Abs. 1 S. 1 BGB den Vertragsschluss selbst aus Gründen des Übereilungsschutzes einer besonderen Form unterwirft.5 Die bloße Anstößigkeit eines Schweigens reicht bei allgemeinen gegenseitigen Vertragsverhältnissen nicht aus.6 76

Nach diesen Maßstäben begründen Bargeschäfte des täglichen Lebens7 und gewöhnliche Leistungsaustauschverhältnisse keine Garantenpflichten.8 Insbesondere begründet der bloße Abschluss eines Austauschvertrages regelmäßig keine Offenbarungspflicht hinsichtlich solcher Umstände, die wie die Preisgestaltung in die Risikosphäre des Vertragspartners fallen.9 So lassen Giroverträge in aller Regel keine über das bloße Vertragsverhältnis hinausgehende Vertrauensbeziehung gegenüber der Bank entstehen.10 Deshalb begeht ein Bankkunde, der bei einer Falschüberweisung den versehentlich zu viel überwiesenen Betrag11 oder bei einer Fehlbuchung die fehlgebuchte Gutschrift abhebt,12 keinen Betrug durch Unterlassen, wenn er die Bank nicht auf die Falschüberweisung bzw. Fehlbuchung hinweist. Das gilt schon mangels vertraglicher Beziehungen auch für den Überbringer eines Schecks, der die Kassiererin der Bank nicht über die irrtümliche Auszahlung eines höheren Betrags aufklärt.13 Normale Kauf- und Mietverträge beinhalten grundsätzlich ebenfalls keine vertraglichen Aufklärungspflichten. So besteht keine Offenbarungspflicht über die allgemeine Marktlage14 oder den Umstand, dass die verkaufte Ware anderswo billiger erhältlich ist.15 Auch der Verkäufer eines Grundstücks ist nicht verpflichtet, den Käufer auf die eingeschränkte Bebaubarkeit hinzuweisen, wenn der geschädigte Käufer selbst durch Nichteinholung von Informationen bei der Gemeinde ein signifikantes Risiko der Unbebaubarkeit eingegangen ist.16 Im Gebrauchtwagenhandel ist eine Pflicht zur Beseitigung etwaiger Informationslücken i.d.R. zu verneinen, insbesondere wenn dem Käufer eine Überlegungsfrist eingeräumt wird (zu Ausnahmen Rz. 78).17 Daher ist grundsätzlich nicht über alle ungünstigen Eigenschaften des Kaufgegenstandes und die für die Preisbildung in Betracht kommenden Umstände,18 die Angemessenheit oder Üblichkeit des Preises, über das Ausmaß des Schadens eines als solchen verkauften Unfallwagens19 oder über die Eigenschaft des Fahrzeugs als Auslaufmodell aufzuklären.20 Ein ordnungsgemäß abgeschlossener Beherbergungsvertrag begründet keine Pflicht des Hotelgastes gegenüber dem Hotelier, seine nach Vertragsschluss eingetretene Zahlungsunfähigkeit und -unwilligkeit zu offenbaren.21 1 Str., wie hier die h.M.: BGH v. 16.11.1993 – 4 StR 648/93, BGHSt 39, 392, 399; BGH v. 8.11.2000 – 5 StR 433/00, BGHSt 46, 196, 203; Fischer, StGB, § 263 Rz. 45; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 62; Saliger in M/R-StGB, § 263 Rz. 77; Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 160; Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 190; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 103; Maaß, Betrug, S. 94. A.A. Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 22 unter unrichtiger Bezugnahme auf BGH-Judikatur. 2 Vgl. BGH v. 25.7.2000 – 1 StR 162/00, NJW 2000, 3013, 3014; OLG Düsseldorf v. 23.8.1968 – (3) Ss 578/68, NJW 1969, 623, 624 m. Anm. Deubner. 3 Vgl. BGH v. 8.11.2000 – 5 StR 433/00, BGHSt 46, 196, 203; OLG Düsseldorf v. 23.8.1968 – (3) Ss 578/68, NJW 1969, 623, 624. 4 Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 102. 5 BGH v. 25.7.2000 – 1 StR 162/00, NJW 2000, 3013, 3014; OLG Bamberg v. 8.3.2012 – 3 Ws 4/12, NStZ-RR 2012, 248, 250 m. abl. Anm. Waßmer/Kießling, NZWiSt 2012, 313, wo beim Verkauf eines Hauses mit massivem Schimmelbefall zu Unrecht nicht die Möglichkeit einer konkludenten Täuschung (Rz. 44, 46) eingehend geprüft worden ist. 6 BGH v. 22.3.1988 – 1 StR 106/88, wistra 1988, 262, 263; OLG Stuttgart v. 13.2.2003 – 1 Ws 15/03, NStZ 2003, 554, 555. 7 Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 162; Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 203. 8 Zum Folgenden Saliger in M/R-StGB, § 263 Rz. 78 ff. 9 BGH v. 2.2.2010 – 4 StR 345/09, NStZ 2010, 502. 10 BGH v. 16.11.1993 – 4 StR 648/93, BGHSt 39, 392, 399; BGH v. 8.11.2000 – 5 StR 433/00, BGHSt 46, 196, 203. 11 BGH v. 16.11.1993 – 4 StR 648/93, BGHSt 39, 392, 397 ff. m. zust. Anm. Naucke, NJW 1994, 2809 und Joerden, JZ 1994, 422. 12 BGH v. 8.11.2000 – 5 StR 433/00, BGHSt 46, 196, 202 f. m. zust. Anm. Hefendehl, NStZ 2001, 281; Joerden, JZ 2001, 614; Krack, JR 2002, 25. 13 OLG Düsseldorf v. 23.8.1968 – (3) Ss 578/68, NJW 1969, 623, 624 m. Anm. Deubner. 14 Fischer, StGB, § 263 Rz. 49. 15 BGH v. 16.6.1989 – 2 StR 252/89, NJW 1990, 2005, 2006. 16 BGH v. 25.7.2000 – 1 StR 162/00, NJW 2000, 3013, 3014. 17 BayObLG v. 9.12.1993 – 3 St RR 127/93, NJW 1994, 1078, 1079; vgl. auch OLG München v. 26.10.1966 – 7 U 1530/66, NJW 1967, 158. 18 OLG München v. 26.10.1966 – 7 U 1530/66, NJW 1967, 158. 19 BayObLG v. 9.12.1993 – 3 St RR 127/93, NJW 1994, 1078, 1079. 20 OLG München v. 26.10.1966 – 7 U 1530/66, NJW 1967, 158 f., allerdings zu Treu und Glauben. 21 BGH v. 13.3.1973 – 3 StR 57/73, GA 1974, 284, 285; BGH v. 24.3.1987 – 4 StR 73/87, MDR 1987, 623; Satzger in S/S/WStGB, § 263 Rz. 105.

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Saliger

Rz. 78 § 263 StGB

Allgemein ist niemand zwecks Wahrung der Möglichkeit zur eigenen Krisenbehebung zur Offenbarung seiner 77 wirtschaftlichen Verhältnisse, namentlich seiner Zahlungsunfähigkeit, bei Vertragsschluss ohne weiteres verpflichtet.1 Anders soll dies sein, wenn Umstände vorliegen, die – vom Schuldner erkannt – den Gläubiger, der bei ungesicherter Kreditgewährung2 immer ein gewisses Risiko eingeht, in Sicherheit wiegen.3 Letzteres ist der Fall bei sich anbahnenden oder bereits bestehenden Vertrauensverhältnissen, die freilich weder allein aus wiederholten Kaufvertragsabschlüssen noch erst recht aus dem erstmaligen Abschluss eines Lieferungsvertrages hergeleitet werden können.4 Auch bei einem Vertragsverhältnis mit Vorleistungspflicht ergibt sich für den nicht vorleistungspflichtigen Vertragspartner keine Aufklärungspflicht hinsichtlich seines mittlerweile entfallenen Erfüllungswillens.5 Es ist deshalb problematisch, wenn der BGH in einer älteren Entscheidung für einen Vertragsteil aus Treu und Glauben die Rechtspflicht hergeleitet hat, eine nach Vertragsschluss eingetretene Zahlungsunfähigkeit dem vorleistungspflichtigen Vertragsgegner zu offenbaren.6 Ohne Nachfrage besteht bei Einstellungen weder eine vertragliche Pflicht zur Aufklärung über Vorstrafen noch – bei Fehlen gesetzlicher Offenbarungspflichten – über eine frühere MfS-Tätigkeit.7 Vertragliche Mitteilungspflichten ergeben sich nicht aus einem Rentenrechtsverhältnis als öffentlich-rechtliches Rechtsverhältnis8 und dem juristischen Vorbereitungsdienst, soweit er nicht mehr als Beamtenverhältnis auf Widerruf, sondern als öffentlich-rechtliches Ausbildungsverhältnis ausgestaltet ist.9 Dagegen bejaht die h.M. Garantenpflichten aus Vertrag in folgenden Fällen: Unproblematisch ist die vertragli- 78 che Vereinbarung einer Aufklärungspflicht, die ein entsprechendes Vertrauensverhältnis schafft (vgl. auch Rz. 75).10 Beispiel soll die Vereinbarung einer auf gegenseitigem Vertrauen basierenden kontokorrentartigen Geschäftsabwicklung im Rahmen einer langjährigen Partnerschaft sein, wonach zu bestimmten Terminen – auch im Interesse der Gegenseite – eine Überprüfung anhand einer Abrechnung zu erfolgen hat, wobei dann Schweigen als Anerkennung gilt.11 Umgekehrt reichen in einen Girovertrag einbezogene AGB regelmäßig nicht aus.12 Ebenfalls unproblematisch kann sich eine vertragliche Aufklärungspflicht aus einem Zusammenwirken zur Erreichung eines gemeinsamen Zwecks ergeben, wie bei einem Gesellschaftsverhältnis oder einer stillen Beteiligung.13 Ein garantenbegründendes Vertrauensverhältnis kann ferner bei Vertragstypen entstehen, für die Informations- und Beratungselemente wesentlich sind.14 Das trifft z.B. zu auf den Anwaltsvertrag, die Tätigkeit von Rechtsbeistand15 und Steuerberater,16 auf das Auftragsverhältnis des Sachverständigen zum Insolvenzverwalter,17 auf das Verhältnis zwischen Syndikus und AG,18 auf Vermögens- und Anlageberater19 wie allgemein auf Verträge über Vermögensangelegenheiten wie Wertpapier-20 und Warentermingeschäfte,21 die entgegen der Zivilrechtsprechung allerdings regelmäßig nicht eine strafbewehrte Pflicht von Bankorganen zur Offenlegung der

1 BGH v. 10.4.1984 – 4 StR 180/84, StV 1984, 511, 512; BGH v. 3.10.1967 – 1 StR 355/67 bei Dallinger, MDR 1968, 202; OLG Frankfurt v. 14.9.2010 – 3 Ws 830/10, JA 2011, 69 m. zust. Bespr. Bosch. 2 Zu den notwendigen tatrichterlichen Feststellungen bei Kreditgeschäften BGH v. 12.11.1991 – 1 StR 644/91, wistra 1992, 143. 3 BGH v. 3.10.1967 – 1 StR 355/67 bei Dallinger, MDR 1968, 202; BGH v. 4.9.1979 – 3 StR 242/79 bei Holtz, MDR 1980, 106; BGH v. 10.4.1984 – 4 StR 180/84, StV 1984, 511, 512. 4 BGH v. 4.9.1979 – 3 StR 242/79 bei Holtz, MDR 1980, 106 f.; BGH v. 10.4.1984 – 4 StR 180/84, StV 1984, 511, 512. 5 OLG Stuttgart v. 30.4.1969 – 1 Ss 166/69, NJW 1969, 1975. 6 BGH v. 15.6.1954 – 1 StR 526/53, BGHSt 6, 198, 199: Heizungsanlagenfall; krit. dazu Maaß, Betrug, S. 119 ff. 7 Vgl. auch LG Berlin v. 12.9.1995 – (572) 73 Js 429/95 Ns (113/95), NJ 1995, 660 und AG Tiergarten v. 29.11.1993 – 272 Ds 833/93, NStZ 1994, 243 f.; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 63; Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 162; Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 21a; Maaß, Betrug, S. 109 ff. 8 OLG Düsseldorf v. 13.11.1986 – 5 Ss 376/86 – 299/86 I, NJW 1987, 853 m. krit. Bespr. Möhlenbruch, NJW 1988, 1894. 9 OLG Saarbrücken v. 13.8.2007 – Ss 18/2007, NJW 2007, 2868, 2870. 10 BGH v. 16.11.1993 – 4 StR 648/93, BGHSt 39, 392, 399 unter Bezugnahme auf Maaß, Betrug, S. 94; BGH v. 8.11.2000 – 5 StR 433/00, BGHSt 46, 196, 203. 11 BGH v. 16.11.1993 – 4 StR 648/93, BGHSt 39, 392, 399 unter Rekurs u.a. auf Maaß, Betrug, S. 125, 127, der dieses Beispiel allerdings unter dem Aspekt der längeren Geschäftsbeziehung behandelt. 12 BGH v. 16.11.1993 – 4 StR 648/93, BGHSt 39, 392, 399. 13 RG v. 30.1.1931 – I 1387/30, RGSt 65, 106, 107; OLG Köln v. 16.1.1987 – Ss 754/86, NJW 1984, 1979, 1980; Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 22; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 62; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 104; Maaß, Betrug, S. 99 ff. 14 Vgl. OLG Saarbrücken v. 13.8.2007 – Ss 18/2007, NJW 2007, 2868, 2870; Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 190 ff.; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 62 f.; Maaß, Betrug, Rz. 101 ff. 15 RG v. 28.4.1881 – 859/81, RGSt 4, 227, 228; BayObLG v. 5.8.1964 – RevReg. 1 b St 301/64, BayObLGSt 1964, 116, 122 f.; OLG Köln v. 16.1.1987 – Ss 754/86, NJW 1984, 1979, 1980. 16 BGH v. 22.10.1981 – 4 StR 429/81, NStZ 1982, 70; Fischer, StGB, § 263 Rz. 47. 17 Fischer, StGB, § 263 Rz. 47; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 62. 18 Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 62; Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 190. 19 BGH v. 8.7.1981 – 3 StR 457/80, NJW 1981, 2131, 2132. 20 BGH v. 6.7.1993 – XI ZR 12/93, WM 1993, 1455: umfassende anleger- und objektgerechte Beratung; BGH v. 19.12.2000 – XI ZR 349/99, BGHZ 146, 235: Aufklärung über Provisionen und Depotgebühren; BGH v. 19.12.2006 – XI ZR 56/05, BGHZ 170, 226: Aufklärung über Rückvergütungen; Fischer, StGB, § 263 Rz. 47. 21 BGH v. 16.2.1981 – II ZR 179/80, NJW 1981, 1266 f.; 1994, 512 m. Bespr. Grün, NJW 1994, 1330.

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StGB

Betrug

StGB

§ 263 StGB Rz. 79

Strafgesetzbuch

(„Kick-Back“-)Provisionen der Fondsgesellschaft an die Bank gegenüber den Bankkunden enthalten.1 In diesen Vertragstypen wird der materielle Grund des Vertrauens, das ist die Inanspruchnahme des besonderen Fachwissens des einen Vertragsteils durch den anderen, deutlich,2 den die h.M. auch auf den Gebrauchtwagenhändler anwendet. Danach sind im Gebrauchwagenhandel nach der Verkehrsauffassung die Kennzeichnung eines Kfz als unfallfrei und die Unterscheidung zwischen (einfachen) Blech- und (schwerwiegenden) Rahmenschäden als wertbildende Faktoren von besonderem Gewicht. Deshalb soll der Gebrauchtwagenhändler, der ein wiederhergestelltes (schwer unfallgeschädigtes) Auto verkauft, dem Kaufinteressenten auch ungefragt offenbaren müssen, dass es sich um ein „Unfallfahrzeug“ handelt.3 Ggf. müsse er klarstellen, dass der Unfall nicht nur einen „Blechschaden“ zur Folge hatte.4 Mit Recht betont die Rspr. selbst, dass die Aufklärungspflicht des Verkäufers nicht zu weit ausgedehnt werden dürfe.5 79

Weitere vertragliche Aufklärungspflichten leitet die h.M. ab aus dem Gesichtspunkt der engen (persönlichen) Verbundenheit.6 Sie wird bejaht bei langjährigen Geschäftsbeziehungen7 bzw. engen laufenden Geschäftsbeziehungen, bei denen ein Vertragsteil auf Abruf oder auf weitere Bestellung ständig Waren oder Leistungen auf laufende Rechnung geliefert erhält.8 Allerdings entsteht auch bei längeren Geschäftsbeziehungen eine Aufklärungspflicht über Zahlungsschwierigkeiten nicht bereits beim Auftreten erster Engpässe, sondern erst dann, wenn der Käufer bei realistischer Einschätzung damit rechnen muss, seine Gegenleistung entweder überhaupt nicht oder nur mit wesentlichen Verzögerungen erbringen zu können.9 Eine enge (persönliche) Verbundenheit besteht darüber hinaus i.d.R. bei der besonderen Gefahrengemeinschaft zwischen Versicherer und Versicherungsnehmer, die letzteren verpflichtet, das Wiederauffinden verlorengegangener oder vermeintlich zerstörter Gegenstände anzuzeigen.10 Schließlich soll nach h.M. auch das existentielle Abhängigkeitsverhältnis zwischen Vermieter und Mieter vertragliche Aufklärungspflichten begründen.11 So macht sich ein Vermieter wegen Betrugs durch Unterlassen strafbar, wenn er mit der Verpflichtung zur Leistung von Mietvoraussetzungen das Fehlen der Baugenehmigung12 oder bei einer Eigenbedarfskündigung den späteren Wegfall des Eigenbedarfs während der Räumungsklage verschweigt.13 Weitergehende Aufklärungspflichten über die Mietsache bestehen aber bei ordnungsgemäßer Unterrichtung nicht.14 Die lange Dauer eines Arbeitsverhältnisses und die mehrjährige Tätigkeit im Betriebsrat begründen allein noch keine strafbewehrte Garantenpflicht.15 Allenfalls in eng auszulegenden Ausnahmefällen kann aus einem Arbeitsverhältnis eine Garantenstellung hergeleitet werden, wie das der 5. Strafsenat BGH für den Leiter der Innenrevision einer Anstalt des öffentlichen Rechts angenommen hat, der verpflichtet sei, neben der Abwehr von Vermögensbeeinträchtigungen des eigenen Unternehmens auch aus dem eigenen Unternehmen kommende Straftaten gegen dessen Vertragspartner zu verhindern (Berliner Straßenreinigungsfall;16 dort auch das problematische und aufsehenerregende obiter dictum, dass Com1 Bejahend OLG Stuttgart v. 16.3.2011 – 9 U 129/10, NZG 2011, 634, 635 m. abl. Anm. Schlösser, BKR 2011, 465, 475 f.; Schäfer/Lang, BKR 2011, 239; Zoller, GWR 2011, 168; vgl. dazu auch Gerst/Meinicke, CCZ 2011, 96. 2 Vgl. Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 62; Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 22; Saliger in M/R-StGB, § 263 Rz. 80; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 104. 3 OLG Nürnberg v. 21.4.1964 – Ws 126/64 MDR 1964, 693; vgl. auch BayObLG v. 9.12.1993 – 3 St RR 127/93, NJW 1994, 1078, 1079 m. Bespr. Hauf, MDR 1995, 21; Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 22; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 104; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 64, der eine konkludente Täuschung bejaht. Krit. etwa Kindhäuser in NKStGB, § 263 Rz. 165. 4 Vgl. BayObLG v. 9.12.1993 – 3 St RR 127/93, NJW 1994, 1078. 5 OLG München 26.10.1966 – 7 U 1530/66, NJW 1967, 158; auch BayObLG v. 9.12.1993 – 3 St RR 127/93, NJW 1994, 1078, 1079. 6 Vgl. OLG Saarbrücken v. 13.8.2007 – Ss 18/2007, NJW 2007, 2868 (2870); Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 104; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 63; Saliger in M/R-StGB, § 263 Rz. 81. 7 BGH v. 4.9.1979 – 3 StR 242/79, bei Holtz, MDR 1980, 106, 107; BGH v. 10.4.1987 – 4 StR 180/84, StV 1984, 511, 512; OLG Stuttgart v. 21.11.1977 – 3 Ss (8) 624/77, JR 1978, 388, 389; OLG Köln v. 16.1.1987 – Ss 754/86, NJW 1984, 1979, 1980; auch BGH v. 16.11.1993 – 4 StR 648/93, BGHSt 39, 392, 399; Fischer, StGB, § 263 Rz. 46; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 63; Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 209; Maaß, Betrug, S. 122 ff. 8 BGH v. 22.3.1988 – 1 StR 106/88, wistra 1988, 262, 263; OLG Stuttgart v. 13.2.2003 – 1 Ws 15/03, NStZ 2003, 554, 555. 9 OLG Stuttgart v. 21.11.1977 – 3 Ss (8) 624/77, JR 1978, 388, 389. 10 RG v. 14.5.1936 – 2 D 695/35, RGSt 70, 225, 226 f.; Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 198; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 104. 11 Vgl. BayObLG v. 5.2.1987 – RReg 3 St 174/86, JZ 1987, 626 f.; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 63; Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 22; Lackner/Kühl, StGB, § 263 Rz. 14; Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 196 f.; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 104; Fischer, StGB, § 263 Rz. 46. A.A. Hellmann JA 1988, 80; krit. auch Runte, Jura 1989, 130. 12 BGH v. 15.6.1966 – 4 StR 162/66, GA 1967, 94 f. 13 BayObLG v. 5.2.1987 – RReg 3 St 174/86, JZ 1987, 626, 627 – freilich zu Treu und Glauben – mit krit. Anm. Otto; Seier, NJW 1988, 1617; Hillenkamp, JR 1988, 301. 14 BGH v. 18.5.1983 – 2 StR 794/82, wistra 1983, 190; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 104. 15 OLG Celle v. 9.2.2010 – 32 Ss 205/09, wistra 2010, 278, 279; vgl. auch BGH v. 17.7.2009 – 5 StR 394/08, BGHSt 54, 44, 49. 16 BGH v. 17.7.2009 – 5 StR 394/08, BGHSt 54, 44, 49 ff. m. Anm. und Bespr. Berndt, StV 2009, 689; Kretschmer, JR 2009, 474; Rübenstahl, NZG 2009, 1341; Stoffers, NJW 2009, 3176; Dannecker/Dannecker, JZ 2010, 918; Kraft, wistra 2010, 81; Michalke, AnwBl 2010, 666; Mosbacher/Dierlamm, NStZ 2010, 268; Rönnau/Schneider, ZIP 2010, 53; Spring, GA 2010, 222; Warneke, NStZ 2010, 312; Knauer, FS J. Roxin, 2012, S. 465; Rotsch, FS J. Roxin, 2012, S. 485; ferner Fischer, StGB, § 263 Rz. 46.

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Rz. 81 § 263 StGB

pliance-Officer regelmäßig eine strafrechtliche Garantenpflicht i.S.v. § 13 Abs. 1 treffe, betriebsbezogene Straftaten von Unternehmensangehörigen zu verhindern).1 Daran anknüpfend und weitergehend bejaht der 4. Strafsenat des BGH für Vorgesetzte (und Betriebsinhaber) eine von den Umständen des Einzelfalls abhängige Garantenpflicht zur Verhinderung solcher Straftaten nachgeordneter Mitarbeiter, die einen inneren Zusammenhang mit der betrieblichen Tätigkeit des Begehungstäters oder mit der Art des Betriebes aufweisen (sog. betriebsbezogene Straftaten). Keine Garantenpflicht bestehe hinsichtlich der Verhinderung von Taten, die der Mitarbeiter lediglich bei Gelegenheit seiner Tätigkeit im Betrieb begeht.2 Eine aus der Übertragung arbeitsvertraglicher Schutzpflichten resultierende mögliche Garantenpflicht des Vorgesetzten hinsichtlich geschädigter Mitarbeiter setzt jedenfalls voraus, dass sich der geschädigte Mitarbeiter innerhalb des personellen Verantwortungsbereichs des Vorgesetzten befindet.3 dd) Garantenpflichten aus Ingerenz Nach einhelliger Meinung können sich betrugsspezifische Aufklärungspflichten auch aus Ingerenz als ver- 80 mögensgefährdendem (eigenem) Vorverhalten ergeben.4 Danach ist der Täter zur Aufklärung verpflichtet, wenn er durch einen objektiv pflichtwidrigen Beitrag eine unerlaubte Irrtumsgefahr zumindest mit geschaffen hat.5 In dieser Bestimmung kommt eine Garantenstellung aus Ingerenz in Abgrenzung zur Täuschung durch aktives Tun unstreitig (vgl. aber Rz. 81 f.) vor allem in zwei Fallgruppen in Betracht.6 In der ersten Fallgruppe hat der Täter gutgläubig eine objektiv pflichtwidrige Erklärung abgegeben, die ihn bei nachträglicher Kenntnis der Unrichtigkeit zur Richtigstellung verpflichtet hätte.7 So macht sich wegen Betrugs durch Unterlassen aus Ingerenz strafbar, wer eine als Rechnungsschreiben aufgemachte Insertionsofferte absendet, dabei plant, den Auftrag nach Erhalt des Geldes auszuführen, diese Absicht aber nach Erhalt des Geldes aufgibt, ohne dies dem „Auftraggeber“ mitzuteilen.8 Entsprechend ist unter Strafdrohung zur nachträglichen Richtigstellung verpflichtet, wer unvorsätzlich einen unrichtigen Prospektinhalt in den Geschäftsverkehr hat gelangen lassen.9 In der zweiten Fallgruppe täuscht der Täter zwar vorsätzlich, hat aber zunächst keinen Schädigungsvorsatz bzw. keine Bereicherungsabsicht, sondern nutzt den herbeigeführten Irrtum erst später mit betrügerischer Zielsetzung aus. Betrug durch Unterlassen begeht daher, wer zur Erlangung eines angebotenen Kredits die Zusage der vom Kreditgeber verlangten Garantieerklärung zunächst vorspiegelt, nach Ablehnung der Garantiezusage durch eine Drittbank und trotz Erhalt des Kredits dem Kreditgeber die Ablehnung der Garantieübernahme dann aber nicht unverzüglich mitteilt.10 Zur Gewährleistung des erforderlichen besonderen Vertrauenselements und zur Sicherung der Modalitäten- 81 äquivalenz mit einem Tun (vgl. Rz. 67) bejaht die überwiegende Lehre mit Recht eine Aufklärungspflicht aus Ingerenz nur, wenn das pflichtwidrige Vorverhalten objektiven Täuschungscharakter hat, womit zugleich der Rechtsgutsbezug der Aufklärungspflicht gewährleistet wird.11 Insoweit ist Voraussetzung für die Annahme einer Ingerenzgarantenstellung stets, dass der Täter für die unerlaubte Irrtumsgefahr zumindest mitzuständig ist.12 An dieser Voraussetzung scheitert in der Praxis häufig die Ingerenzhaftung. So ist der Täter nicht zuständig, wenn er in keiner Weise zum Irrtum des Opfers beigetragen13 bzw. keine unrichtigen oder unvollständigen Angaben gemacht hat;14 wenn er auch durch „provokantes Verhalten“ weder etwas objektiv Falsches erklärt noch schlüssig objektiv irreführend auf die Vorstellung des Irrenden eingewirkt hat;15 wenn er nicht damit rechnen

1 BGH v. 17.7.2009 – 5 StR 394/08, BGHSt 54, 44, 50. 2 BGH v. 20.10.2011 – 4 StR 71/11, NJW 2012, 1237, 1238 Rz. 13 m. Anm. bzw. Bspr. u.a. von Jäger, JA 2012, 392; Kudlich, HRRS 2012, 177; Roxin, JR 2012, 305; Wagner, ZJS 2012, 704, wo eine betriebsbezogene Straftat verneint wird. 3 BGH v. 20.10.2011 – 4 StR 71/11, NJW 2012, 1237, 1238 Rz. 10 f., wo das nicht der Fall gewesen ist. 4 BGH v. 19.7.1973 – 4 StR 284/73, BGHSt 25, 218; BGH v. 5.12.1974 – 4 StR 529/74, BGHSt 26, 35 ff.; BGH v. 22.3.1988 – 1 StR 106/88, wistra 1988, 262; BGH v. 16.11.1993 – 4 StR 648/93, BGHSt 39, 392, 400; BGH v. 8.11.2000 – 5 StR 433/00, 46, 196, 202; Fischer, StGB, § 263 Rz. 50; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 68 ff.; Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 155 ff.; Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 20; Saliger in M/R-StGB, § 263 Rz. 82 ff.; Hoyer in SK-StGB, § 263 Rz. 59; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 97 ff.; Gaede in AnwK-StGB, § 263 Rz. 49; Maaß, Schweigen, S. 46 ff. 5 Vgl. BGH v. 19.7.1973 – 4 StR 284/73, BGHSt 25, 218; BGH v. 5.12.1974 – 4 StR 529/74, BGHSt 26, 35 ff.; OLG Köln v. 5.2.1980 – 1 Ss 1134/79, NJW 1980, 2366, 2367; BGH v. 12.2.1985 – VIII 300/82, 1985, 1979, 1980; Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 155; Saliger in M/R-StGB, § 263 Rz. 82; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 97. 6 Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 20; Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 155; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 98. 7 OLG Saarbrücken v. 13.8.2007 – Ss 18/2007, NJW 2007, 2868, 2870. 8 OLG Stuttgart v. 30.4.1969 – 1 Ss 166/69, NJW 1969, 1975. 9 BGH v. 12.7.1988 – 1 StR 57/88, BGHR StGB § 263 Abs. 1 Täuschung 4. 10 BGH v. 15.6.1976 – 1 StR 266/76, GA 1977, 18, 19; zust. Maaß, Betrug, S. 46. 11 Vgl. Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 20; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 99; Saliger in M/R-StGB, § 263 Rz. 83; auch Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 155 und Maaß, Betrug, S. 52. Zur Verbindung von objektivem Täuschungscharakter und Rechtsgutsbezug zutreffend Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 165. 12 Saliger in M/R-StGB, § 263 Rz. 83; vgl. ferner Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 166. 13 BGH v. 8.11.2000 – 5 StR 433/00, BGHSt 46, 196, 202. 14 OLG Köln v. 16.1.1987 – Ss 754/86, NJW 1984, 1979, 1980; OLG Saarbrücken v. 13.8.2007 – Ss 18/2007, NJW 2007, 2868, 2870. 15 OLG Köln v. 5.2.1980 – 1 Ss 1134/79, NJW 1980, 2366, 2367 m. Bespr. Volk, JuS 1981, 880.

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Betrug

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§ 263 StGB Rz. 82

Strafgesetzbuch

musste, dass durch sein ordnungsgemäßes Verhalten eine Gefahrenlage entsteht;1 oder wenn sich nach Auftragserteilung herausstellt, dass eine Zahlung mit Wahrscheinlichkeit nicht mehr erfolgen wird.2 Mangels täuschungsähnlichen (pflichtwidrigen) Vorverhaltens grundsätzlich keine Aufklärungspflicht begründet auch die (strittige) Fallgruppe, dass eine zunächst objektiv wahre Behauptung durch eine spätere Veränderung der tatsächlichen Verhältnisse unrichtig wird. Denn ein Erklärender kann grundsätzlich nur dafür einstehen, dass seine Erklärung wahr ist, nicht auch, dass sie wahr bleibt. Es ist daher kein Ingerenzfall,3 wenn der Vermieter wegen berechtigten Eigenbedarfs kündigt, im Kündigungsprozess aber der Eigenbedarf wegfällt und er den Mieter nicht darüber aufklärt (vgl. Rz. 79).4 82

Die Gefahr einer Überdehnung der Ingerenzhaftung beim Betrug ist auch für die Fallgruppe der manipulativen Einwirkung auf Sachen zu beachten (z.B. Übertünchen von Hausschwamm im Hinblick auf Verkaufsverhandlungen). Hier kommt richtigerweise eine konkludente Täuschung im Zusammenhang mit den Erklärungen während der Verkaufsverhandlungen in Betracht (vgl. Rz. 26, 44).5 Gleichfalls zweifelhaft ist die Bejahung der Ingerenzhaftung eines Kassenarztes, der die pflichtwidrige Annahme wirtschaftlicher Vergünstigungen für die Verordnung von Arzneimitteln („Schmiergelder“) der KK nicht offenbart (vgl. auch Rz. 71).6 Nach h.M. soll auch der Unternehmer wegen Gefahrbeherrschung durch sein Weisungsrecht (vgl. § 357; § 8 Abs. 2 UWG) strafrechtlich für Betrugshandlungen seiner Angestellten und Vertreter bei der Anbahnung und Abwicklung von Unternehmensgeschäften einstehen müssen.7 Hier sind einschränkend das Erfordernis einer Kenntnis des Prinzipals und die Grenzen von Möglichkeit und Zumutbarkeit besonders sorgfältig zu prüfen.8 Mit Recht wird daher im Hinblick auf die Personenautonomie eine Pflicht des AG verneint, das Arbeitsamt darüber aufzuklären, dass ein eingestellter AN weiterhin Arbeitslosengeld bezieht.9 Ehegatten jedenfalls haben anerkanntermaßen keine wechselseitigen Überwachungspflichten.10 ee) Garantenplichten aus Treu und Glauben

83

Garantenpflichten aus dem allgemeinen Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) werden von der neueren Rspr. spätestens seit dem Beschluss des 1. Strafsenats des BGH aus dem Jahre 1988 nur noch sehr eingeschränkt innerhalb und außerhalb von vertraglichen Beziehungen anerkannt, so dass die ältere Rspr. nicht mehr ohne weiteres angewandt werden darf.11 Nach der neueren Judikatur genügt der unmittelbare Rückgriff auf Treu und Glauben nicht mehr, um eine Garantenstellung zu begründen. Vielmehr muss auch hier (vgl. Rz. 67) Grundlage der Garantenstellung ein besonderes Vertrauensverhältnis oder eine auf gegenseitigem Vertrauen beruhende Verbindung sein,12 wie etwa bei langjährigen oder laufenden Geschäftsverbindungen.13 Unerheblich sind demgegenüber mit Fug die bloße Anstößigkeit des Schweigens,14 die Höhe des drohenden Schadens,15 die geschäftli1 2 3 4

5 6 7 8 9 10 11

12

13 14 15

BGH v. 16.11.1993 – 4 StR 648/93, BGHSt 39, 392, 400. BGH v. 22.3.1988 – 1 StR 106/88, wistra 1988, 262; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 68. Vgl. BayObLG v. 5.2.1987 – RReg 3 St 174/86, JZ 1987, 626. Sehr str., wie hier: Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 155; Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 20; Saliger in M/R-StGB, § 263 Rz. 83; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 100; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 68 i.V.m. Rz. 58 und Rz. 63; auch Maaß, Betrug, S. 50 f. A.A. Fischer, StGB, § 263 Rz. 50; Hoyer in SK-StGB, § 263 Rz. 59; Hillenkamp, JR 1988, 303; Seier, NJW 1988, 1624; Rengier, JuS 1989, 807. Str., wie hier: Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 68; Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 155; Fischer, StGB, § 263 Rz. 50. A.A. Hoyer in SK-StGB, § 263 Rz. 59. OLG Hamm v. 22.12.2004 – 3 Ss 431/04, NStZ-RR 2006, 13, 14; zust. Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 20. Vgl. BGH v. 8.7.1981 – 3 StR 457/80, BGHSt 30, 177, 181; 37, 107 ff.; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 71 f.; Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 156; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 101. Saliger in M/R-StGB, § 263 Rz. 84; vgl. auch Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 71. OLG Braunschweig v. 24.11.1961 – Ss 183/60, NJW 1962, 314 ff.; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 72; Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 156; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 101. Vgl. OLG Stuttgart 25.7.1985 – 1 Ss 394/85, NJW 1986, 1767, 1768 f.; Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 156; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 72. Grundlegend RG v. 13.2.1936 – 2 D 346/35, RGSt 70, 151, 153 ff. Überholt z.B. BGH v. 15.6.1954 – 1 StR 526/53, BGHSt 6, 198, 199 – vgl. dazu auch BGH v. 22.3.1988 – 1 StR 106/88, wistra 1988, 262, und BayObLG v. 5.2.1987 – RReg 3 St 174/86, JZ 1987, 626 f. m. krit. Anm. Otto; Seier, NJW 1988, 1624; Hillenkamp, JR 1988, 301 (zu dieser Entscheidung Rz. 77 und 79). Rechtsprechungsanalysen bei Maaß, Betrug, S. 141 ff. (bis 1982) und Kamberger, Treu und Glauben, 1996, S. 39 ff., 64 ff., 103 ff., 133 ff., 246 ff. (bis 1995). BGH v. 22.3.1988 – 1 StR 106/88, wistra 1988, 262, 263; BGH v. 16.11.1993 – 4 StR 648/93, BGHSt 39, 392, 400 f. m. zust. Anm. Naucke, NJW 1994, 2809 und Joerden, JZ 1994, 422; OLG Stuttgart v. 13.2.2003 – 1 Ws 15/03, NStZ 2003, 554, 555; OLG Saarbrücken v. 13.8.2007 – Ss 18/2007, NJW 2007, 2868, 2870; OLG Celle v. 9.2.2010 – 32 Ss 205/09, wistra 2010, 278, 279. Zust. Fischer, StGB, § 263 Rz. 51; Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 23; Saliger in M/R-StGB, § 263 Rz. 85; Hoyer in SK-StGB, § 263 Rz. 61; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 66 f.; Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 163 ff. BGH v. 22.3.1988 – 1 StR 106/88, wistra 1988, 262, 263; OLG Stuttgart v. 13.2.2003 – 1 Ws 15/03, NStZ 2003, 554, 555. BGH v. 22.3.1988 – 1 StR 106/88, wistra 1988, 262, 263; OLG Stuttgart v. 13.2.2003 – 1 Ws 15/03, NStZ 2003, 554, 555; Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 23. BGH v. 16.11.1993 – 4 StR 648/93, BGHSt 39, 392, 401; BGH v. 8.11.2000 – 5 StR 433/00, 46, 196, 202; Fischer, StGB, § 263 Rz. 51.

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Saliger

Rz. 85 § 263 StGB

che Unerfahrenheit des Vertragspartners – hier ist § 291 einschlägig –1 (vgl. auch Rz. 75 m.w.N.) und die bloße tatsächliche Möglichkeit oder sittliche Pflicht zur Erfolgsverhinderung.2 Allerdings nimmt auch die neuere Rspr. nach wie vor Bezug auf die ältere Judikatur, die Garantenstellungen aus Treu und Glauben auch auf das problematische, weil sehr vage Kriterium der „besonderen Umstände im zwischenmenschlichen Bereich“ gestützt hat.3 Immerhin wird dieser Bezug durch den Hinweis relativiert, dass die ältere Judikatur in vergleichbaren Fällen strafrechtlich relevante Aufklärungspflichten verneint hat.4 Auch wenn diese Rspr. in ihrer restriktiven Stoßrichtung5 im Hinblick auf das Bestimmtheitserfordernis des 84 Art. 103 Abs. 2 GG und die Trennung von Recht und Moral uneingeschränkt Zustimmung verdient, bleibt die eigenständige Bedeutung von „Treu und Glauben“ zweifelhaft, soweit die neuere Rspr. mit dem besonderen Vertrauensverhältnis auf jenen materiellen Garantengrund abstellt, der auch die Garantenstellungen aus Vertrag kennzeichnet (vgl. Rz. 75 ff. und Rz. 67).6 Will man die Betrugsgarantenlehre aus Treu und Glauben nicht für gänzlich entbehrlich halten,7 so erscheint sie zumindest in die Gesamtbetrachtung der Garantenstellung aus Vertrag (vgl. Rz. 67, 75 ff.) integrierbar.8 So ist auch die Rspr. der Sache nach bereits vielfach verfahren. Insoweit kann Treu und Glauben mit dazu beitragen, bei der Auslegung vertraglicher und gesetzlicher (Neben-)Pflichten im Rahmen bestehender oder sich anbahnender vertraglicher und gesetzlicher Beziehungen zu einer interessengerechten Zuteilung der Informationsrisiken zu gelangen.9 Zu entscheiden wäre hier etwa, ob die für Warentermingeschäfte teils angenommene Pflicht zur Offenlegung von Prämien, die Gewinnchancen minimieren (vgl. auch Rz. 78),10 auf den Immobilienhandel übertragbar ist,11 oder ob im Kunsthandel der Händler bei gegensätzlichen Gutachten zur Echtheit des Kunstwerks verpflichtet ist, den Käufer auf die Existenz des die Unechtheit bescheinigenden Gutachtens hinzuweisen.12 Dabei ist zu beachten, dass wegen der Strafrechtsautonomie der Gesamtbetrachtung (vgl. Rz. 67, 69) aus der Existenz zivilrechtlicher Treuepflichten nicht automatisch auf entsprechende strafrechtliche Pflichten geschlossen werden kann. Ob darüber hinaus Aufklärungspflichten aus Treu und Glauben außerhalb vertraglicher (und gesetzlicher) Beziehungen begründbar sind, ist mit Blick auf das verfassungsrechtliche Gesetzlichkeitsprinzip und den fragmentarischen Charakter des Strafrechts zweifelhaft.13 Die Rspr. scheint sie auf eng begrenzte, eindeutige Ausnahmefälle beschränken zu wollen.14

II. Irrtum Nach dem Gesetzeswortlaut muss der Täter durch seine Täuschung beim Getäuschten einen Irrtum erregt oder 85 unterhalten haben. Das Irrtumsmerkmal bildet als „Zwischenerfolg“ (vgl. Rz. 10) das Bindeglied zwischen Täuschung und Vermögensverfügung15 und hat insoweit eine doppelte Filterfunktion:16 Zum einen muss es jene Täuschungshandlungen als ungefährlich für das Vermögen ausscheiden, die nicht zu einem Irrtum führen.

1 BGH v. 18.5.1983 – 2 StR 794/82, wistra 1983, 190; OLG Stuttgart v. 13.2.2003 – 1 Ws 15/03, NStZ 2003, 554, 555; Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 164. 2 Vgl. BayObLG v. 5.2.1987 – RReg 3 St 174/86, JZ 1987, 626; OLG Düsseldorf v. 13.11.1986 – 5 Ss 376/86 - 299/86 I, NJW 1987, 853, 854; auch OLG Köln v. 5.2.1980 – 1 Ss 1134/79, NJW 1980, 2366, 2367. 3 BGH v. 16.11.1993 – 4 StR 648/93, BGHSt 39, 392, 401 unter Bezug auf OLG Düsseldorf v. 13.11.1986 – 5 Ss 376/86 299/86 I, NJW 1987, 853, 854; OLG Frankfurt v. 30.9.1970 – 2 Ss 274/70, NJW 1971, 527; OLG Köln v. 5.2.1980 – 1 Ss 1134/79, NJW 1980, 2366, 2367; OLG Köln v. 16.1.1987 – Ss 754/86, NJW 1984, 1979, 1980 und OLG Köln v. 16.1.1987 – Ss 754/86, JZ 1988, 101, 102; OLG Celle v. 9.2.2010 – 32 Ss 205/09, wistra 2010, 278, 279. Krit. zu diesem Kriterium Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 67. 4 BGH v. 16.11.1993 – 4 StR 648/93, BGHSt 39, 392, 401 unter Rekurs auf OLG Köln v. 5.5.1961 – Ss 493/60, NJW 1961, 1735, 1736 und AG Bremerhaven v. 28.11.1966 – 4 Qs 86/66, JZ 1967, 370, 371. 5 Vgl. BGH v. 16.11.1993 – 4 StR 648/93, BGHSt 39, 392, 401; OLG Stuttgart v. 13.2.2003 – 1 Ws 15/03, NStZ 2003, 554, 555; ferner OLG Celle v. 9.2.2010 – 32 Ss 205/09, wistra 2010, 278, 279 und OLG München v. 7.9.2009 – 5St RR 246/09, wistra 2010, 37, 39. 6 Vgl. Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 23, der kaum noch Unterschiede sieht; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 109, für den die Rspr. keiner klaren Linie folgt. 7 So bereits z.B. Maaß, Betrug, S. 150. 8 Saliger in M/R-StGB, § 263 Rz. 86. 9 Vgl. auch Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 165. 10 BGH v. 8.7.1981 – 3 StR 457/80, BGHSt 30, 177, 181 f. m. grundsätzlich zust. Anm. Seelmann, NJW 1981, 2132 und zust. Anm. Scheu, JR 1982, 121. 11 Dafür Gallandi, wistra 1992, 292 f. und 1996, 323 ff. Dagegen Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 66; Bachmann, wistra 1997, 254. 12 So RG v. 17.5.1934 – 2 D 438/34, RGSt 68, 212, 213. Krit. Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 66 m.w.N. 13 Vgl. z.B. Kamberger, Treu und Glauben, S. 157 ff., 263 ff., 266: Verfassungswidrigkeit; auch Maaß, Betrug, S. 150. 14 OLG Hamm v. 13.1.1987 – 5 Ss 1368/86, NJW 1987, 2245 unter Rekurs auf RG v. 11.12.1931 – I 356/31, RGSt 66, 57; RG v. 13.2.1936 – 2 D 346/35, RGSt 70, 151; OLG Nürnberg v. 21.4.1964 – Ws 126/64 MDR 1964, 693; OLG Frankfurt v. 30.9.1970 – 2 Ss 274/70, NJW 1971, 527. Vgl. auch Hoyer in SK-StGB, § 263 Rz. 61. 15 Hoyer in SK-StGB, § 263 Rz. 62. 16 Saliger in M/R-StGB, § 263 Rz. 87; vgl. auch Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 76; Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 168; Frisch, FS Bockelmann, 1979, 657 ff., 660 f. A.A. Amelung, GA 1977, 6: Wahrung der Subsidiarität des strafrechtlichen Rechtsgüterschutzes.

Saliger

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StGB

Betrug

StGB

§ 263 StGB Rz. 86

Strafgesetzbuch

Denn es gibt Täuschung ohne Irrtum ebenso wie Irrtum ohne Täuschung.1 Das Irrtumsmerkmal soll hier, positiv gesprochen, diejenigen Sachverhalte als betrugsrelevant herausfiltern, in denen sich Täuschung und Irrtum spiegelbildlich entsprechen. Die zweite Filterfunktion des Irrtums verdankt sich dem Charakter des Betrugs als Selbstschädigungsdelikt (Rz. 2) und der Zuständigkeit des Betrügers für diese Selbstschädigung aufgrund seiner Täuschung. Das Irrtumsmerkmal muss insoweit jene Vermögensverfügungen als betrugsirrelevant ausscheiden, die nicht unfrei, weil täuschungs- und irrtumsbefangen sind, für die also der Täuschungsadressat allein zuständig ist. Beide Filterfunktionen sind eng miteinander verwoben und bezeichnen auch normative Operationen.2 Denn mit dem Irrtumsmerkmal wird im Rahmen der Abschichtung der Verantwortungsbereiche von Täter und Opfer (vgl. Rz. 10) die Sphäre des Opfers betreten und normativ gefragt, ob die durch die Täuschung ausgelöste unerlaubte Risikoschaffung des Täters auch aus der Perspektive des Täuschungsadressaten in Richtung eines Vermögensschadens fortwirkt. Angesichts der Komplexität dieser Filterfunktionen verwundert es nicht, dass Grundfragen des Irrtums nach wie vor streitig sind, so vor allem der Begriff (Rz. 86 ff.) und die Relevanz von Zweifeln (Rz. 90 ff.). Praktische Probleme bereiten zudem die Feststellung des Irrtums (Rz. 94 ff.) sowie die Abgrenzung zur Ausnutzung eines Irrtums (Rz. 105).3 Neu hinzugekommen ist das Problem der Wissenszurechnung (Rz. 99 ff.). 1. Inhalt a) Begriff 86

Irrtum ist in einem allgemeinen Sinne zunächst jede unrichtige (subjektive) Vorstellung von der (objektiven) Wirklichkeit.4 Da sich Täuschung und Irrtum spiegelbildlich entsprechen müssen, um die Täterzuständigkeit aufrechtzuerhalten (Rz. 85), muss sich auch der Irrtum auf eine Tatsache beziehen, und zwar nur auf jene Tatsachen, über die der Täter täuscht (Prinzip der grundsätzlichen Kongruenz von Täuschung und Irrtum).5 Andernfalls fehlt es an der Kausalkette zwischen Täuschung, Irrtum und Vermögensverfügung, und es kommt nur ein versuchter Betrug in Betracht.6 Das ist etwa der Fall, wenn der Täuschungsadressat weder an die Erklärungen der Angeklagten geglaubt hat, noch diese für ihn bei der Vermögensverfügung eine Bedeutung gehabt haben.7 Auch wird mit Recht verlangt, dass bei weiteren Warenlieferungen trotz offener Rechnungen es im Hinblick auf das Beruhen auch der späteren Lieferungen auf der vorgespiegelten Zahlungsfähigkeit i.d.R. näherer Feststellungen dazu bedarf, ob der Lieferant Kenntnis von der Zahlungssäumigkeit erlangte und weshalb er gleichwohl weiter lieferte.8 Irrtumsfähig ist nur der Mensch, nicht auch Automaten oder Computer. Dadurch entstehende Strafbarkeitslücken hat der Gesetzgeber mit den §§ 263a, 265a teilweise geschlossen.9 Zum Irrtum bei juristischen Personen, Behörden etc. Rz. 94 f. und Rz. 99 ff.

87

Hinsichtlich des näheren Inhalts des Irrtums ist unstreitig, dass ein Irrtum vorliegt, wenn das Opfer von der Gewissheit der (unrichtigen) Tatsachenbehauptung (positiv) ausgeht.10 Dabei braucht der Getäuschte sich nicht das genaue Gegenteil der vorgespiegelten Tatsachenbehauptung vorzustellen. Es genügen falsche Teilvorstellungen. Deshalb irrt auch, wer sich über einzelne Umstände innerhalb eines Tatsachenkomplexes falsche Vorstellungen macht, weil dann die fehlerhafte Teilvorstellung zu einer (positiven) unrichtigen (bzw. lückenhaften) Vorstellung vom Gesamtsachverhalt führt.11

88

Streitig ist dagegen, ob der Irrtumsbegriff über positive Fehlvorstellungen hinaus auch die Unkenntnis der (maßgeblichen) Tatsachen bzw. das Nichterkennen der Wahrheit (ignorantia facti) einschließt. Die h.M. beschränkt den Irrtumsbegriff auf positive Fehlvorstellungen i.S. eines psychologischen Sachverhalts und verneint daher zutreffend einen Irrtum bei schierer Tatsachenunkenntnis.12 Dabei steht die Unkenntnis des wah1 Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 235 ff.; auch BGH v. 26.4.2001 – 4 StR 439/00, BGHSt 47, 1, 5 und Garbe, NJW 1999, 2869 gegen Mahnkopf/Sonnberg, NStZ 1997, 187. 2 Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 80. 3 Vgl. auch Hoyer in SK-StGB, § 263 Rz. 62. 4 KG v. 3.2.2006 – 1 Ss 269/05, StV 2006, 584; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 115; Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 33; Saliger in M/R-StGB, § 263 Rz. 88. 5 Saliger in M/R-StGB, § 263 Rz. 83; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 77; Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 34 f.; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 116. 6 Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 35; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 77; Saliger in M/R-StGB, § 263 Rz. 88. 7 BGH v. 15.12.2006 – 5 StR 182/06, wistra 2007, 183, 184; BGH v. 9.11.2011 – 4 StR 252/11, HRRS 2012, Nr. 68 Rz. 5 f. 8 BGH v. 17.2.1998 – 1 StR 5/98, StV 1999, 24; BGH v. 25.6.1987 – 1 StR 259/87, wistra 1988, 25, 26; Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 35. 9 Fischer, StGB, § 263 Rz. 66; Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 228; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 115. Vgl. auch Hilgendorf in S/S/W-StGB, § 263a Rz. 2 und Saliger in S/S/W-StGB, § 265a Rz. 1. 10 BGH v. 8.5.1990 – 1 StR 144/90, wistra 1990, 305; OLG Karlsruhe v. 1.9.2003 – 1 Ws 235/03, wistra 2004, 276, 277; Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 34, 36; Hoyer in SK-StGB, § 263 Rz. 64; Lackner in LK-StGB, § 263 Rz. 78 f.; Samson, JA 1978, 473. 11 H.M.: Lackner in LK-StGB, § 263 Rz. 78; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 77, 79; Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 34; Hoyer in SK-StGB, § 263 Rz. 64; Samson, JA 1978, 473 f. A.A. Naucke, Betrug, S. 113. 12 Vgl. RG v. 29.10.1908 – III 620/08, RGSt 42, 40, 41; BGH v. 24.4.1952 – 4 StR 854/51, BGHSt 2, 325, 326; BGH v. 4.2.1992 – 5 StR 11/92, wistra 1992, 141 f.; vgl. auch AG Tiergarten v. 9.12.1987 – 255 Ds 316/87, StV 1988, 256, 257;

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Saliger

Rz. 89 § 263 StGB

ren Sachverhalts einem Irrtum nicht entgegen, wenn die Täuschung eine konkrete positive Fehlvorstellung hervorgerufen hat.1 Maßstab für das Vorliegen einer Fehlvorstellung ist der konkrete Täuschungsadressat einschließlich seines Sonderwissens. Fällt daher zwar ein objektiver Betrachter, nicht aber der konkrete Täuschungsadressat aufgrund seines Sonderwissens der Täuschung zum Opfer, so scheidet ein Irrtum und also vollendeter Betrug aus.2 Da der Irrtum das Spiegelbild der Täuschung ist (Rz. 85), variiert der Grad der Bewusstheit des (unrichtigen) Vorstellungsinhalts mit den einzelnen Täuschungsformen. Während die positive Fehlvorstellung bei der ausdrücklichen Täuschung regelmäßig als aktueller Bewusstseinsinhalt präsent ist, setzen vor allem die konkludente Täuschung und die Täuschung durch Unterlassen keine positive Fehlvorstellung voraus, die stets das Ergebnis eines im Bewusstsein reflektiert ablaufenden Denkprozesses ist. Für den Irrtum genügen hier „ungefähre Vorstellungen“ wie ein unreflektiertes sachgedankliches Mitbewusstsein am Rande des Vorstellungsinhalts oder die aus bestimmten Tatsachen (nicht notwendig einer Kontrolle) abgeleitete Vorstellung, dass „alles in Ordnung“ ist.3 Für den der konkludenten Täuschung entsprechenden Irrtum folgt das daraus, dass der insoweit maßgebliche (auch normative) Empfängerhorizont (vgl. Rz. 33) sich regelmäßig in dem Vorstellungsbild auf Seiten der Empfänger widerspiegelt. Deshalb kommt es z.B. nicht darauf an, ob die Opfer sich eine konkrete Vorstellung über die vom Täter ausgestellten Rechnungen einschließlich der in Ansatz gebrachten Bemessungsgrundlagen gemacht haben.4 Entsprechendes gilt für die Täuschung durch Unterlassen. Die Annahme einer ungefähren (irrigen) Vorstellung von der Vollständigkeit der Informationen ist gebunden an das besondere Vertrauensverhältnis zwischen den Beteiligten, das die normative Verlagerung des Orientierungsrisikos vom Opfer auf den Täter in Gestalt einer Aufklärungspflicht erst materiell rechtfertigt (vgl. Rz. 67). Deshalb bewirkt die bloße Nichterfüllung einer gesetzlichen Meldepflicht gegenüber einem Versicherungsträger nach h.M. mit Recht jedenfalls für sich allein keinen Irrtum, wenn jegliche konkrete Beziehungen zwischen den Beteiligten fehlen.5 Entsprechend begründet das allgemeine Gefühl beruhigender Sicherheit und Zuversicht noch keinen Irrtum über Tatsachen.6 Wegen der Spiegelbildlichkeit von (auch normativer) Täuschungsart und Irrtum markiert die h.M. eine psychologisch-normative Theorie.7 Demgegenüber vermögen die abweichenden Ansichten nicht zu überzeugen.8 So wird teilweise auch die bloße 89 Unkenntnis bzw. das Nichtwissen der maßgeblichen Tatsachen in den Irrtumsbegriff einbezogen, weil auch in diesem Fall ein Widerspruch zwischen Vorstellungsbild und Wirklichkeit bestehe (inklusive Theorie).9 Dagegen spricht, dass es sprachwidrig ist, von einem Irrtum zu sprechen, wenn jemand sich keine Vorstellung von den relevanten Tatsachen macht.10 Zudem ist der Bereich der bloßen Unkenntnis grenzenlos, so dass nur eine Unkenntnis, die als täuschungsbedingte (positive) Fehlvorstellung reformulierbar ist, einen betrugsrelevanten Irrtum begründet.11 Zu weit geht auch die (neuere) rein normative Theorie. Sie richtet den Irrtum allein an der Funktion des Irrtumsmerkmals aus, den Betrug auf jene adäquat tauschungsbedingten Vermögensverfügungen zu begrenzen, für die der Täter zuständig ist.12 Danach begeht einen Betrug bereits, wer eine mangelhafte Ware verkauft, für die Mangelhaftigkeit aufgrund einer Täuschung zuständig ist, und die Ware auch von einem vernünftigen Dritten gekauft worden wäre; dass der Verfügende aufgrund seines Sonderwissens die Mangelhaftigkeit der Ware bemerkt, soll entgegen der h.M. (Rz. 88) einen Irrtum und damit die Betrugsstrafbarkeit nicht ausschließen.13 Allerdings widerspricht es dem Gesetzeswortlaut, den Irrtum gänzlich als normativen Sachverhalt zu begreifen. Das zeigt die Bejahung eines (normativen) Irrtums auch dann, wenn der Verfügende auf-

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Lackner/Kühl, StGB, § 263 Rz. 18; Fischer, StGB, § 263 Rz. 54, 57; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 78; Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 229 ff.; Saliger in M/R-StGB, § 263 Rz. 90 f.; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 118; Wessels/Hillenkamp, BT/2, Rz. 510; vgl. auch Hoyer in SK-StGB, § 263 Rz. 64 f. Vgl. BGH v. 20.2.1968 – 5 StR 694/67, BGHSt 22, 88 zur Erschleichung der Unterschrift unter einen Bestellschein; Fischer, StGB, § 263 Rz. 57. Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 81; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 116. A.A. Pawlik, Verhalten, S. 232 f.; dazu unten Rz. 89. BGH v. 9.6.2009 – 5 StR 394/08, NStZ 2009, 506, 507 m. Anm. Bittmann, NJW 2009, 2902; BGH v. 15.12.2006 – 5 StR 181/06, BGHSt 51, 165, 174; BGH v. 25.1.2012 – 1 StR 45/11, NJW 2012, 1377, 1382 Rz. 69; BGH v. 22.8.2006 – 1 StR 547/05, wistra 2006, 421, 424; Lackner/Kühl, StGB, § 263 Rz. 18; Fischer, StGB, § 263 Rz. 57; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 78 ff.; Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 231 ff.; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 119; Saliger in M/RStGB, § 263 Rz. 90; Rengier, BT/1, § 13 Rz. 43; Wessels/Hillenkamp, BT/2, Rz. 511. BGH v. 9.6.2009 – 5 StR 394/08, NStZ 2009, 506, 507 m. Anm. Gössel, JR 2010, 175; vgl. auch BGH v. 25.1.2012 – 1 StR 45/11, NJW 2012, 1377, 1382 Rz. 70 ff. BGH v. 4.2.1992 – 5 StR 11/92, wistra 1992, 141. Lackner in LK-StGB, § 263 Rz. 78; Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 232; Hoyer in SK-StGB, § 263 Rz. 65. Vgl. auch Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 80. Zum Folgenden bereits mit weiteren Argumenten Saliger in M/R-StGB, § 263 Rz. 91. OLG Celle v. 27.2.1957 – 1 Ss 320/56, MDR 1957, 436; Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 36 f.; Samson, JA 1978, 474; Rotsch, ZJS 2008, 135 f.; Arzt in A/W/H/H, § 30 Rz. 45 ff. Vgl. Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 78. Dass es bei der ignorantia facti an der dem Betrug wesensgleichen Überlistung fehle, nehmen an Lackner in LK-StGB, § 263 Rz. 76; Wessels/Hillenkamp, BT/2, Rz. 510. Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 230. Pawlik, Verhalten, S. 227 ff.; im Grundsatz zustimmend Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 170 ff., 173; vgl. auch Frisch, FS Bockelmann, 1979, S. 666 und Frisch, FS Herzberg, 2008, S. 730 ff. So explizit Pawlik, Verhalten, S. 232 f.; insoweit ablehnend Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 172.

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StGB

Betrug

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§ 263 StGB Rz. 90

Strafgesetzbuch

grund seines Sonderwissens tatsächlich nicht irrt.1 I.Ü. ist nicht zu sehen, wie auf Basis einer rein normativen Theorie das Vorliegen eines Irrtums noch als Tatfrage prozessual festgestellt werden soll (dazu Rz. 94 ff.). b) Irrtum und Zweifel 90

Soweit der Irrtum als Widerspruch zwischen (subjektiver) Vorstellung und (objektiver) Wirklichkeit bestimmt wird ( Rz. 86), ist vorausgesetzt, dass der Getäuschte die vorgespiegelte Tatsachenbehauptung für wahr hält.2 Der Intensitätsgrad dieses Für-Wahr-Haltens und damit der (Fehl-)Vorstellung kann in dem Maße, wie der Täuschungsadressat über die vorgespiegelte Tatsachenbehauptung bewusst reflektiert, von der sicheren Annahme der Wahrheit über ihre Wahrscheinlichkeit, Möglichkeit oder Zweifelhaftigkeit bis hin zur Unmöglichkeit bzw. der Überzeugung von ihrer Unwahrheit reichen.3 Unstreitig ist insoweit, dass nicht irrt, wer die Unwahrheit der Vorspiegelung durchschaut und etwa nur deshalb verfügt, um von den vermeintlichen Darlehensgläubigern nicht zu Unrecht mit einem Rechtsstreit überzogen zu werden.4 Das Gleiche gilt für denjenigen, dem ganz gleichgültig ist, ob die vorgespiegelte Tatsachenbehauptung wahr ist oder nicht, der also innerlich zu dem Wahrheitsgehalt der Vorspiegelung überhaupt nicht Stellung nimmt und die Vermögensverfügung unabhängig von ihrer Wahrheit trifft.5 Mit Recht unstrittig ist ebenfalls, dass der schiere (allgemeine) Zweifel eines Täuschungsadressaten allein einen Irrtum noch nicht ausschließt.6

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Bis heute kontrovers diskutiert wird dagegen, bei welcher Intensität Zweifel des Täuschungsadressaten einen Irrtum ausschließen. Innerhalb der Rspr. besteht Einigkeit darin, dass auch bei gewissen Zweifeln an der Wahrheit der vorgespiegelten Tatsachenbehauptung der Getäuschte im Regelfall der List des Täters zum Opfer fällt7 und das Strafrecht selbst das leichtfertige und erhebliche Zweifel hegende Opfer schützt.8 Insbesondere ist unerheblich, dass der Getäuschte bei hinreichend sorgfältiger Prüfung bzw. intensiverer Nachforschung die Täuschung hätte erkennen können.9 Uneinheitlich wird der Grad des Zweifels beurteilt, bei dem ein Irrtum noch in Betracht kommen soll.10 Die bis Anfang der 2000er Jahre überwiegende Judikatur hatte einen Irrtum bei Zweifeln dann bejaht, wenn der Getäuschte die Möglichkeit der Unwahrheit für geringer hält (Theorie der überwiegenden Wahrscheinlichkeit).11 Weitergehend scheint die neuere Rspr. im Anschluß an ein obiter dictum des 3. Strafsenats des BGH aus 2002 Zweifel zunehmend solange nicht als irrtumsausschließend anzusehen, wie das Opfer die Wahrheit der Tatsachenbehauptung noch für möglich hält und deswegen die Vermögensverfügung trifft, also trotz seiner Zweifel, seien sie auch noch so erheblich, der List des Täters zum Opfer fällt (Möglichkeitstheorie). Für diese Auslegung spreche, dass die Fehlvorstellung auch in einem solchen Fall kausal für die Vermögensverfügung werde.12

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Im Schrifttum reichen die Auffassungen von der überwiegend vertretenen Möglichkeitstheorie13 über verschieden differenzierende Wahrscheinlichkeitstheorien14 und eine Einwilligungstheorie, die das Vorliegen eines Irr-

1 Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 80; Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 260; Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 172. 2 Lackner in LK-StGB, § 263 Rz. 79; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 77; Wessels/Hillenkamp, BT/2, Rz. 510. 3 Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 40; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 84; Giehring, GA 1973, 10 f. 4 BGH v. 9.1.2007 – 4 StR 428/06, wistra 2007, 183, 184; dazu auch BGH v. 9.11.2011 – 4 StR 252/11, HRRS 2012, Nr. 68 Rz. 5 f. sowie Rz. 86, und Fischer, StGB, § 263 Rz. 55. 5 BGH v. 5.12.2002 – 3 StR 161/02, NJW 2003, 1198; OLG Karlsruhe v. 1.9.2003 – 1 Ws 235/03, wistra 2004, 276, 277; Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 40; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 86; Wessels/Hillenkamp, BT/2, Rz. 512. 6 Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 250; Hillenkamp, StrafR BT 29. Problem; Amelung, GA 1977, 1. Missverständlich insoweit BGH v. 5.12.2002 – 3 StR 161/02, NJW 2003, 1198 f. 7 BGH v. 8.5.1990 – 1 StR 144/90, wistra 1990, 305; BGH v. 11.7.2001 – 1 StR 576/00, BGHSt 47, 83, 88; BGH v. 5.12.2002 – 3 StR 161/02, NJW 2003, 1198 f.; BGH v. 25.1.2012 – 1 StR 45/11, NJW 2012, 1377, 1382 Rz. 73. 8 BGH v. 22.10.1986 – 3 StR 226/86, BGHSt 34, 199, 201 f.; BGH v. 15.10.1991 – 4 StR 420/91, wistra 1992, 95, 97; BGH v. 5.12.2002 – 3 StR 161/02, NJW 2003, 1198, 1999; OLG Karlsruhe v. 1.9.2003 – 1 Ws 235/03, wistra 2004, 276, 277. 9 BGH v. 22.10.1986 – 3 StR 226/86, BGHSt 34, 199, 201; BGH v. 28.10.2004 – 3 StR 301/03, BGHSt 49, 275, 301; BGH v. 25.1.2012 – 1 StR 45/11, NJW 2012, 1377, 1382 Rz. 73. 10 Saliger in M/R-StGB, § 263 Rz. 93; ebenso die Analyse von Fischer, StGB, § 263 Rz. 55 f.; auch Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 124. 11 BGH v. 8.5.1990 – 1 StR 144/90, wistra 1990, 305; BGH v. 11.7.2001 – 1 StR 576/00, BGHSt 47, 83, 88; OLG Karlsruhe v. 1.9.2003 – 1 Ws 235/03, wistra 2004, 276, 277; vgl. auch BGH v. 5.12.2002 – 3 StR 151/02, NJW 2003, 1198, 1199; ferner BGH v. 25.10.1971 – 2 StR 238/71, BGHSt 24, 257, 260 f. 12 BGH v. 5.12.2002 – 3 StR 161/02, NJW 2003, 1198, 1199 m. zust. Anm. Idler, JuS 2004, 1038 und (auch) krit. Anm. Beckemper/Wegner, NStZ 2003, 315; Krack, JR 2003, 384 und Krüger, wistra 2003, 297; OLG Stuttgart v. 29.9.2011 – 2 Ws 33/11, ZWH 2012, 113, 114. 13 Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 86; Lackner/Kühl, StGB, § 263 Rz. 18; Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 40; Saliger in M/R-StGB, § 263 Rz. 95 f.; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 124 ff.; Achenbach, Jura 1984, 602, 603; Wessels/Hillenkamp, BT/2, Rz. 512; Küper/Zopfs, BT, S. 232; auch Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 252 und Samson, JA 1978, 474. 14 Giehring, GA 1973, 22; Dästner, ZRP 1976, 37; Sonnen, wistra 1982, 126; Krey/Hellmann, BT/2, Rz. 373 ff.

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Rz. 93 § 263 StGB

tums von der Wirksamkeit (dann kein Irrtum) bzw. Unwirksamkeit einer Einwilligung abhängig macht,1 bis hin zu viktimodogmatischen Auffassungen und ihnen nahestehenden Lehren.2 Die viktimodogmatischen Ansichten schränken unter Berufung vor allem auf die Subsidiarität und ultima-ratio-Funktion des strafrechtlichen Rechtsgüterschutzes sowie die Selbstschutzmöglichkeiten des Opfers (Prinzip der Eigenverantwortung) die Betrugsstrafbarkeit auf unterschiedlichen Wegen ein, sei es, dass ein Irrtum bei konkreten Anhaltspunkten für Zweifel ausgeschlossen wird,3 sei es, dass bereits die konkrete Gefährlichkeit einer Täuschungshandlung verneint wird, wenn der Irrtum auf grober Fahrlässigkeit des Opfers beruht (vgl. dazu Rz. 27),4 sei es, dass dem Opfermitverschulden in der Forderung nach einem adäquaten Zusammenhang zwischen Täuschung und Irrtum5 bzw. allgemein bei der objektiven Zurechnung Rechnung getragen wird.6 Den viktimodogmatischen Ansätzen nahe steht eine objektiv-normativistische Ansicht, die bei konkreten Anhaltspunkten des Opfers für eine Wahrheitspflichtverletzung des Täters eine bei der Strafzumessung zu berücksichtigende Unrechtsminderung und darüber hinaus bei eklatanten Obliegenheitsverletzungen des Opfers sogar eine Unterbrechung des Zurechnungszusammenhangs bejaht.7 Schließlich wird auf Basis einer eingehenden Kritik viktimodogmatischer Ansätze für eine Berücksichtigung des Opferverhaltens bei der Strafzumessung als dem am besten geeigneten Bereich plädiert.8 Zustimmung verdient im Grundsatz die Möglichkeitstheorie.9 Obgleich es bei der Auslegung der Tatbestands- 93 merkmale des Betrugs allgemein auch um die Abschichtung von Verantwortungsbereichen (Rz. 10) und beim Irrtum insbesondere um die Beurteilung der unerlaubten Risikoschaffung durch den Täter aus der Perspektive des Täuschungsadressaten geht (Rz. 85), gibt das Irrtumsmerkmal doch nicht Raum für eine isolierte Prüfung dahin, wie das Opfer sich bei Zweifeln zu verhalten hat. Andernfalls würde der Strafrechtsschutz für besonders schutzbedürftige, weil unvernünftig handelnde Bürger unangemessen zurückgenommen.10 Tatsächlich gibt der Gesetzeswortlaut für den Irrtum nur vor, dass er durch die Täuschung erregt oder unterhalten wird, und dass er kausal für einen Vermögensschaden wird. Diese Vorgaben befriedigt die Möglichkeitstheorie, während die Gegenansichten zu unnötigen Anwendungsschwierigkeiten führen.11 Allerdings ist mit der Entscheidung für die Möglichkeitstheorie das Grundanliegen des viktimodogmatischen Ansatzes noch nicht in Gänze widerlegt,12 weil auch nach ihr die Frage nach der Schutzbedürftigkeit desjenigen offenbleibt, der trotz Irrtums in der zweifelhaften Hoffnung auf eine günstige Sachlage spekulativ verfügt.13 Dieser normativen Frage vermag aber die Kategorie der objektiven Zurechnung Rechung zu tragen, wonach der Täter nur dann für die durch seine Täuschung ausgelösten Folgen verantwortlich, wenn ihm der Irrtum des Opfers als „Zwischenerfolg“ auch als sein Werk objektiv zugerechnet werden kann (vgl. Rz. 10).14 Das ist nicht der Fall, soweit sich der Irrtum und die darauf beruhende Vermögensverfügung des Täuschungsadressaten als eigenverantwortliche Selbstschädigung darstellen (vgl. Rz. 85). Eine solche liegt vor, wenn der Täuschungsadressat unabhängig von der Risikosetzung des Täters durch die Täuschung freiverantwortlich eigene Risiken eingeht.15 So hat der BGH erklärt, dass ein Darlehensgeber, der bei der Geldhingabe „in Kenntnis der in hohem Maße zweifelhaften Fähigkeiten des Darlehensnehmers bewusst ein entsprechendes Risiko“ eingeht oder dieses in Kauf nimmt, ohne Hinzutreten besonderer Umstände weder getäuscht wird noch irrt.16 Auch das OLG Karlsruhe hat beim Irrtumsmerkmal Grenzen der Zurechnung in Bezug auf Risikogeschäfte erkennen lassen, wenn die Geschädigten „einen Verlust ihrer Anlagen für wahrscheinlicher als deren Rückzahlung gehalten haben könnten, diesen damit in der Weise eines ‚Spielers’ bewusst in Kauf nahmen oder ihnen die Weiterentwicklung des Anlagegeschäfts gleichgültig gewesen sein könnte“.17 Allgemein ist eine die objektive Zurechnung des Irrtums ausschließende bewusste und freiverantwortliche eigene Risikoentscheidung des Täuschungsadressaten gegeben, wenn er die Möglichkeit der Unwahr-

1 Herzberg, GA 1977, 289 ff.; Röhmel, JA 1977, 585. 2 Vgl. die Übersichten bei Saliger in M/R-StGB, § 263 Rz. 94; Hoyer in SK-StGB, § 263 Rz. 69 ff.; Hillenkamp, StrafR BT 29. Problem. 3 Amelung, GA 1977, 6 f.; Beulke, NJW 1977, 1073; R. Hassemer, Schutzbedürftigkeit, 1981, S. 166 f.; Schünemann, ZStW 90 (1978), 32. 4 Ellmer, Betrug, 1986, S. 287; vgl. auch Arzt, MSchKrim 1984, 112 f. und Wittig, Verhalten, 2005, S. 316. 5 Naucke, FS Peters, 1974, S. 118, freilich ohne Bezug zur Viktimologie; zust. Kühne, Geschäftstüchtigkeit, S. 90 Fn. 257. 6 Kurth, Mitverschulden, S. 169 ff., 194 ff. 7 Pawlik, Verhalten, S. 246 ff. (248). 8 Hillenkamp, Vorsatztat, 1981, S. 211 ff.; Petropoulos, Berücksichtigung, 2005, S. 171 ff., 211. 9 Zum Folgenden schon Saliger in M/R-StGB, § 263 Rz. 95 f. 10 Vgl. auch Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 252; Wessels/Hillenkamp, BT/2, Rz. 512. 11 Vgl. nur Hoyer in SK-StGB, § 263 Rz. 71 ff.; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 86; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 126; Beckemper/Wegner, NStZ 2003, 316; Hillenkamp, Vorsatztat, S. 18 ff., 135 ff., 192 ff.; Petropoulos, S. 105 ff., 121 ff., 130 ff. 12 Vgl. auch Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 251 ff.; Schünemann, NStZ 1986, 439 ff. 13 Hoyer in SK-StGB, § 263 Rz. 71 unter Bezugnahme auf Naucke, FS Peters, 1974, S. 109 ff. 14 Im Grundansatz übereinstimmend Gaede in AnwK-StGB, § 263 Rz. 61; Kurth, Mitverschulden, S. 169 ff.; Beckemper/ Wegner, NStZ 2003, 316; Rengier, FS Roxin, 2001, S. 821 ff.; Jänicke, Entscheidungen, S. 246 ff., 286 ff. 15 Vgl. auch Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 257; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 126; Krüger, wistra 2003, 298; teils weitergehend Kurth, Mitverschulden, S. 183 ff., 195 f. 16 BGH v. 8.3.2001 – 1 StR 28/01, StV 2002, 132. 17 OLG Karlsruhe v. 1.9.2003 – 1 Ws 235/03, wistra 2004, 276, 277.

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§ 263 StGB Rz. 94

Strafgesetzbuch

heit quasi-vorsätzlich bewusst ernst nimmt und mit ihr unter billigender Inkaufnahme einverstanden ist.1 An einer freiverantwortlichen Risikoentscheidung fehlt es freilich, sofern das Opfer mit Rücksicht auf das Prozessrisiko und die Beweislastverteilung die Vermögensverfügung trotz erheblicher Zweifel trifft.2 Deshalb soll auch der Richter „irren“, der an der Richtigkeit des vom Kläger behaupteten Sachverhalts zweifelt, der Klage aber stattgeben muss, weil der Beklagte säumig ist oder die Beweislast ausnahmsweise diesen trifft (näher Rz. 96; str.).3 Zur Einschränkung des Täuschungstatbestandes durch europäisches Recht Rz. 5 f. und Rz. 106. c) Feststellung des Irrtums und Abgrenzung zur ignorantia facti 94

Als psychologischer Sachverhalt (Rz. 88) ist die Feststellung des Irrtums Tatfrage.4 Mit Recht betont auch die neuere Rspr. des BGH gegen die z.T. laxe Praxis der Instanzgerichte, dass der Irrtum grundsätzlich im Einzelfall positiv festzustellen ist.5 Danach muss sich der Tatrichter unter Ausschöpfung aller Beweismittel die Überzeugung davon verschaffen, dass beim Verfügenden ein Irrtum erregt oder unterhalten worden ist. Dabei kann zwar auch aus Indizien auf den Irrtum geschlossen werden. Insoweit kann etwa von Bedeutung sein, ob der Verfügende ein Eigeninteresse daran hatte oder im Interesse eines anderen verpflichtet war, sich von der Wahrheit der Behauptungen des Täter zu überzeugen. In keinem Fall darf der Tatrichter sich jedoch damit begnügen, den Irrtum des Verfügenden ungeprüft zu unterstellen.6 Diese Grundsätze gelten insbesondere beim Lieferantenbetrug, wenn trotz offener Rechnungen weiter geliefert wird.7 Insoweit müssen die Urteilsgründe auch bei arbeitsteilig tätigen Unternehmen, Körperschaften oder Personenmehrheiten8 regelmäßig darlegen, wer die konkrete Verfügung auf welcher Grundlage getroffen hat und welche Vorstellungen er dabei hatte. Das setzt in aller Regel die Vernehmung des Verfügenden voraus. Dabei gilt, dass in arbeitsteilig tätigen Unternehmen und Körperschaften Prüfungen und Auszahlungsanordnungen im Allgemeinen auf der üblicherweise dafür vorgesehenen Sachbearbeiterebene getroffen werden. Im Einzelfall kann aber auch eine vorgesetzte Ebene z.B. wegen der Größenordnung des Geschäfts oder aufgrund eines geschöpften Verdachts die Entscheidung getroffen oder dem Sachbearbeiter Weisung für die Erledigung des Vorgangs erteilt haben.9 Von dem Grundsatz der Vernehmung des konkret Verfügungen kann nur in einfach gelagerten Fällen abgewichen werden wie bei Betrügereien in Bezug auf standardisierte, auf massenhafte Erledigung ausgerichtete Abrechungsverfahren von Unternehmen, etwa durch Vernehmung eines Abteilungsleiters oder Innenrevisors, der für die Schadensfälle zuständig gewesen ist. Eine derartige mittelbare Beweiserhebung kommt allerdings nicht mehr in Betracht, wenn vor der Verfügung ein erheblicher Verdacht einer betrügerischen Täuschung offenbar geworden ist oder sich sonst Anhaltspunkte für weitergehende Erkenntnisse des für die Verfügung konkret zuständigen Mitarbeiters ergeben (vgl. auch Rz. 99 ff.).10 Darüber hinaus darf der Tatrichter im Bereich gleichförmiger, massenhafter oder routinemäßiger Geschäfte, die von selbstverständlichen Erwartungen geprägt sind, auf die täuschungsbedingte Fehlvorstellung in Gestalt eines sachgedanklichen Mitbewußtseins auch indiziell schließen. Insbesondere bei normativer Prägung des Vorstellungsbilds des Verfügenden kann bei einem Tatvorwurf hinsichtlich zahlreicher Einzelfälle die Vernehmung weniger Zeugen ausreichen und, sofern bei der Feststellung entsprechender Irrtümer ein personenübergreifendes einheitliches Vorstellungsbild zu Tage tritt, auf den Irrtum auch bei anderen Verfügenden geschlossen werden.11 Sofern keine Anhaltspunkte für eine Kollusion oder sonstige Kenntnis des Verfügenden von der Täuschung bestehen, können sogar nähere Feststellungen dazu, wer verfügt hat, entbehrlich sein.12 Jedoch muss sich der Tatrichter auch in Massenfällen mit der naheliegenden Möglichkeit aus1 Vgl. KG v. 3.2.2006 – 1 Ss 269/05, StV 2006, 584; OLG Köln v. 7.11.1967 – Ss 470/67, JZ 1968, 340 m. Anm. Schweichel; Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 178; Hoyer in SK-StGB, § 263 Rz. 74 f.; Wessels/Hillenkamp, BT/2, Rz. 512; vgl. auch Gaede in AnwK-StGB, § 263 Rz. 61. Noch weiter einschränkend für den „Verkauf von Illusionen“ Arzt, FS Hirsch, 1999, S. 431 ff.; Fischer, StGB, § 263 Rz. 56; ferner Rengier, FS Roxin, 2001, S. 822. 2 So der Fall in BGH v. 5.12.2002 – 3 StR 161/02, NJW 2003, 1198, 1199; ebenso Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 178; Hoyer in SK-StGB, § 263 Rz. 72. 3 So BGH v. 5.12.2002 – 3 StR 161/02, NJW 2003, 1198, 1199. 4 BGH v. 26.1.1989 – 1 StR 636/88, StV 1990, 19; BGH v. 23.3.2000 – 4 StR 19/00, NStZ 2000, 375 f.; Lackner/Kühl, StGB, § 263 Rz. 19; Hoyer in SK-StGB, § 263 Rz. 76; Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 186. 5 Vgl. BGH v. 26.10.1993 – 4 StR 347/93, StV 1994, 82, 83; BGH v. 23.3.2000 – 4 StR 19/00, NStZ 2000, 375 f.; BGH v. 5.12.2002 – 3 StR 161/02, NJW 2003, 1198, 1199; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 87; Fischer, StGB, § 263 Rz. 57; Samson, JA 1978, 474. 6 BGH v. 26.10.1993 – 4 StR 347/93, StV 1994, 82, 83; BGH v. 23.3.2000 – 4 StR 19/00, NStZ 2000, 375 f.; BGH v. 31.1.2012 – 3 StR 285/11, BeckRS 2012, 08599, Rz. 6 f.; AG Tiergarten v. 9.12.1987 – 255 Ds 316/87, StV 1988, 256, 257; Lackner in LK-StGB, § 263 Rz. 84; Hoyer in SK-StGB, § 263 Rz. 76; Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 186. 7 Vgl. oben Rz. 84 mit N.; ferner Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 87. 8 BGH v. 5.12.2002 – 3 StR 161/02, NJW 2003, 1198, 1199 f.; BGH v. 13.1.2010 – 3 StR 500/09, wistra 2010, 148. 9 BGH v. 5.12.2002 – 3 StR 161/02, NJW 2003, 1198, 1199 f. für die Kassenzahnärztliche Vereinigung; BGH v. 13.1.2010 – 3 StR 500/09, wistra 2010, 148 für eine Bank. 10 BGH v. 5.12.2002 – 3 StR 161/02, NJW 2003, 1198, 1199; Fischer, StGB, § 263 Rz. 57. 11 BGH v. 6.2.2013 – 1 StR 263/12, NStZ 2013, 422, 423 f.; BGH v. 22.11.2013 – 3 StR 162/13, NStZ 2014, 215, 216; BGH v. 22.5.2014 – 4 StR 430/13, NJW 2014, 2132, 2133, dort Irrtumserregung nicht belegt; BGH v. 1.10.2015 – 3 StR 102/15, NStZ-RR 2016, 12, 13, dort Irrtumserregung nicht ausreichend belegt. 12 BGH v. 22.11.2013 – 3 StR 162/13, NStZ 2014, 215, 216 Rz. 9 unter Bezug auf BGH v. 20.12.2012 – 4 StR 55/12, NJW 2013, 883, 885.

422

Saliger

Rz. 96 § 263 StGB

einandersetzen, dass die Opfer nur in dem Bestreben gezahlt haben, nicht weiter belästigt zu werden.1 Allgemein wird es in komplexeren Fällen regelmäßig erforderlich sein, die betreffenden Personen über ihr Vorstellungsbild als Zeugen zu vernehmen sowie deren Bekundungen im Urteil mitzuteilen und zu würdigen.2 Nach dem BGH soll es beim betrügerischen Einsatz einer EC-Karte im Lastschriftverfahren mit Blick auf das dortige Risiko des Händlers (vgl. auch Rz. 97) näherer Ausführungen zum Vorliegen eines Irrtums des Kassenpersonals nicht bedürfen.3 Bei der häufig indiziellen Feststellung des Irrtums ist in der Praxis nicht selten zwischen einem Irrtum in Ge- 95 stalt des sachgedanklichen Mitbewusstseins und einer bloßen ignorantia facti abzugrenzen (vgl. Rz. 88 f.). Nach den obigen Grundsätzen (Rz. 94) ist vor allem maßgeblich, ob den Täuschungsadressaten und Verfügenden Prüfungspflichten hinsichtlich der täuschungsrelevanten Tatsachen treffen (dann Irrtum gegeben) oder nicht (dann ignorantia facti).4 Denn der Verfügende wird sich grundsätzlich nur darüber Gedanken machen, was von seiner Prüfungsaufgabe umfasst ist.5 Sind etwa in einer Behörde oder in einem privatwirtschaftlich organisierten Unternehmen die Zuständigkeiten für Auszahlungsanordnungen einerseits und kassenmäßige Abwicklung andererseits getrennt, so wird die mit den Kassenaufgaben betrauten Bediensteten im allgemeinen nur interessieren, ob der für die Sachentscheidung Zuständige die sachliche und rechnerische Richtigkeit einer Forderung festgestellt und die Auszahlung des Betrags angeordnet hat. Sie werden sich deshalb in aller Regel keine Vorstellungen darüber machen, ob die Auszahlungsanordnungen sachlich zu Recht erfolgt sind.6 Das gilt im besonderen Maße, wenn innerhalb eines Unternehmens Kompetenzspielräume für die sachliche Entscheidung über Geldauszahlungen bestehen, weil die Kassenmitarbeiter dann i.d.R. nur noch die formellen Voraussetzungen einer Prüfung unterziehen. Eine Irrtumserregung bezüglich inhaltlich unrichtiger Anweisungen scheidet daher aus.7 Entsprechend hat die Judikatur auch in anderen Fällen mangelnder Prüfungspflichten bzw. fehlender Kontrolle einen Irrtum der Verfügenden verneint,8 u.a. bei der Herausgabe von Medikamenten durch einen Apotheker, den grundsätzlich keine Prüfungspflicht hinsichtlich der Begründetheit der Verschreibung trifft (vgl. auch Rz. 51),9 und bei Überweisungen von Bankmitarbeitern hinsichtlich der sachlichen Berechtigung der Überweisung.10 Lässt sich bei gefälschten Überweisungsträgern der Ablauf der Überweisung bei einer Bank nicht mehr aufklären und liegt es nahe, dass die Überweisungsträger nur in automatisierter Weise auf ihre Echtheit überprüft worden sind, so soll regelmäßig wahlweise Verurteilung wegen § 263 oder § 263a in Betracht kommen.11 Kontrovers diskutiert werden Fallgruppen, in denen den Verfügenden inhaltlich eingeschränkte Prüfungs- 96 pflichten obliegen.12 Nach h.M. kann ein Prozessbetrug im Zivilprozess durch Täuschung des Richters begangen werden (Prozessbetrug i.e.S., Rz. 18). Das ist unproblematisch, wenn eine Partei durch eine Täuschungshandlung (z.B. unwahres Vorbringen, falsche Beweismittel) eine Fehlvorstellung des Richters über Tatsachen zum Klageanspruch oder einer Einrede erregt und der Richter daraufhin eine Entscheidung zum Nachteil des Betroffenen erlässt.13 Nach h.M. kommt ein Prozessbetrug auch dann in Betracht, wenn der Richter den Streit auf Basis unwahren Parteivorbringens bei einem non liquet nach Beweislastregeln entscheidet, weil der Zweifel hier über das Gesetz in Richtung einer festgelegten Entscheidung fortwirkt.14 Darüber hinaus soll Prozessbetrug vor allem nach der Judikatur auch im Mahnverfahren gegenüber dem Rechtspfleger trotz fehlender Schlüssigkeitsprüfung (vgl. § 692 Abs. 1 Nr. 2 ZPO) möglich sein15 sowie beim Erlass eines Versäumnisurteils, wo eine 1 BGH v. 1.10.2015 – 3 StR 102/15, NStZ-RR 2016, 12, 13. 2 BGH v. 22.5.2014 – 4 StR 430/13, NJW 2014, 2132, 2133; auch BGH v. 6.2.2013 – 1 StR 263/12, NStZ 2013, 422, 423 Rz. 15; BGH v. 22.11.2013 – 3 StR 162/13, NStZ 2014, 215 f. Rz. 8 f. 3 BGH v. 21.9.2000 – 4 StR 284/00, BGHSt 46, 146, 153 f. in expliziter Abgrenzung zu BGH v. 23.3.2000 – 4 StR 19/00, NStZ 2000, 375. 4 Zum Folgenden Saliger in M/R-StGB, § 263 Rz. 98 ff.; auch Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 120; Fischer, StGB, § 263 Rz. 58; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 87. 5 BGH v. 5.3.2008 – 5 StR 36/08, NStZ 2008, 340, 341; BGH v. 26.10.1993 – 4 StR 347/93, BGHR StGB § 263 Abs. 1 Irrtum 9; BGH v. 11.10.2004 – 5 StR 389/04, NStZ 2005, 157, 158. 6 BGH v. 26.10.1993 – 4 StR 347/93, StV 1994, 82, 84 für eine Stadtkasse; BGH v. 12.9.1996 – 1 StR 509/96, NStZ 1997, 281 für die AOK; BGH v. 11.10.2004 – 5 StR 389/04, NStZ 2005, 157, 158 für eine Landeshauptkasse. 7 BGH v. 5.3.2008 – 5 StR 36/08, NStZ 2008, 340 f. für eine Versicherung. 8 BGH v. 21.6.2006 – 2 StR 57/06, NStZ 2006, 687 für eine Wohnungsbaugesellschaft. 9 BGH v. 25.11.2003 – 4 StR 239/03, BGHSt 49, 17, 21 ff. m. Anm. Herffs, wistra 2006, 63. 10 BGH v. 23.3.2000 – 4 StR 19/00, NStZ 2000, 375, 376; OLG Düsseldorf v. 16.10.2007 – III-5 Ss 174/07 – 75/07 I, wistra 2008, 34; AG Siegburg v. 3.5.2004 – 20 Ds 421/03, NJW 2004, 3725. 11 BGH v. 12.2.2008 – 4 StR 623/07, NJW 2008, 1394. 12 Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 87 ff.; Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 189 ff. 13 Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 51; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 90; Otto, BT, § 38 Rz. 139; vgl. auch BGH v. 10.1.2012, BeckRS 2012, 04322, Rz. 4. 14 Vgl. BGH v. 5.12.2002 – 3 StR 161/02, NJW 2003, 1198, 1199; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 86; Perron in S/SStGB, § 263 Rz. 51; Krey/Hellmann, Rz. 419; B. Kretschmer, GA 2004, 463 ff.; i.E. auch Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 190 f. A.A. Otto, BT § 51 Rz. 138; Amelung, GA 1977, 16; Krell, JR 2012, 105 f. 15 BGH v. 20.12.2011 – 4 StR 491/11, StV 2012, 406 f.; OLG Düsseldorf v. 30.8.1991 – 2 Ws 317/91, NStZ 1991, 586 f. m. abl. Anm. Geppert, JK 92; OLG Celle v. 1.11.2011 – 31 Ss 29/11, NStZ-RR 2012, 111, 112 f. m. abl. Anm. Schuhr, ZWH 2012, 31 und Krell/Matern, StraFo 2012, 77; BGH v. 25.10.1971 – 2 StR 238/71, BGHSt 24, 257, 260 f.; Kindhäuser in

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StGB

Betrug

StGB

§ 263 StGB Rz. 97

Strafgesetzbuch

Schlüssigkeitsprüfung stattfindet (§ 331 Abs. 2 ZPO; auch Rz. 93).1 Beides ist zweifelhaft, wobei richtigerweise auch und schon eine (konkludente) Täuschung regelmäßig abzulehnen ist (Rz. 56). Die Mitarbeiter von KK können bei Abrechnungsmanipulationen getäuscht werden und entsprechenden Irrtümern (sachgedankliches Mitbewußtsein) unterliegen.2 Zum Irrtum beim Parteienbetrug Rz. 256. 97

Teilweise strittig sind ferner die Fälle bargeldlosen Zahlungsverkehrs, in denen der Verfügende durch Garantien abgesichert ist und eventuelle Prüfungspflichten deshalb ebenfalls entsprechend eingeschränkt sind.3 Dabei ist auch hier zu beachten, dass in den fraglichen Fällen nicht erst und allein der Irrtum zu verneinen sein kann, sondern bereits (auch) eine Täuschung fehlt. So scheitert eine Betrugsstrafbarkeit durch den Missbrauch von EC-Karten im POS-System (mit PIN) wegen der Einlösungsgarantie des Kartenausgebers am Fehlen von (konkludenter) Täuschung (vgl. Rz. 61) und Irrtum,4 während der Missbrauch von EC-Karten im POZ-System (Lastschrift) wegen des hier bestehenden Händlerrisikos regelmäßig einen strafbaren Betrug begründet (vgl. Rz. 94),5 es sei denn, der Händler ist durch die Zahlungsausfallsgarantie eines Dritten abgesichert.6 Auch bei bloßer Vorlage eines Sparbuches (vgl. § 808 BGB) durch einen Nichtberechtigten ohne weitere Erklärungen fehlt es, sofern nicht besondere Umstände hinzutreten, die eine Überprüfungspflicht auslösen, regelmäßig sowohl an einer (konkludenten) Täuschung (vgl. Rz. 62) als auch an einem Irrtum des auszahlenden Bankbediensten.7 Gleiches gilt für den missbräuchlichen Einsatz von Kreditkarten durch den berechtigten Karteninhaber, wo mangels (konkludenter) Täuschung (vgl. Rz. 61) und Irrtums8 § 266b greift.9 Dagegen kommt eine Betrugsstrafbarkeit in Betracht, wenn abhanden gekommene Kreditkarten durch Nichtberechtigte missbraucht werden (vgl. Rz. 61).10 Ebenso geht der Nehmer eines garantierten Schecks regelmäßig von dessen Deckung aus (vgl. zur Täuschung Rz. 60).11

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Regelmäßig kein Raum für die Annahme von positiven Fehlvorstellungen des Verfügenden ergibt sich ferner dort, wo der Verfügende ohne Rücksicht insbesondere auf die Zahlungsfähigkeit des Täuschenden ohnehin zur Leistung verpflichtet ist.12 So irrt bei öffentlich-rechtlicher Verpflichtung einer Gemeinde zur Abnahme von Abfall der Gemeindebedienstete über die Zahlungsfähigkeit eines Deponiebenutzers regelmäßig nicht.13 d) Wissenszurechnung

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Ein relativ junges Problem des Irrtumsbegriffs, das in den letzten Jahren zunehmend praxisrelevant geworden ist, ist die sog. Wissenszurechnung.14 Gemeint ist die Frage, was zu gelten hat, wenn in die Sphäre des Täu-

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NK-StGB, § 263 Rz. 192; offengelassen von BGH v. 25.4.2001 – 1 StR 82/01, BGHR StGB § 263 Abs. 1 Täuschung 19. A.A. Lackner/Kühl, StGB, § 263 Rz. 19; Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 52; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 90; Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 248; Giehring, GA 1973, 7; B. Kretschmer, GA 2004, 468 ff.; Otto, BT, § 51 Rz. 139. Vgl. BGH v. 5.12.2002 – 3 StR 161/02, NJW 2003, 1198, 1199; RG v. 20.12.1937 – 2 D 595/37, RGSt 72, 113, 115 m. Anm. Schaffstein, JW 1938, 1386 f.; Boldt, ZAkDR 1938, 442; Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 192; Krey/Hellmann, BT/2, Rz. 422. A.A. Lackner/Kühl, StGB, § 263 Rz. 19; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 90; Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 52; Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 248; B. Kretschmer, GA 2004, 466 ff. S. nur BGH v. 16.6.2014 – 4 StR 21/14, NJW 2014, 3170, 3171; BGH v. 12.2.2015 – 2 StR 109/14, NStZ 2015, 341 f. Saliger in M/R-StGB, § 263 Rz. 100; vgl. ferner Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 120; vgl. auch Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 87 ff. Wie hier: Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 122 f., 243; Saliger in M/R-StGB, § 263 Rz. 100; auch Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 49/50. Den Irrtum verneinen Fischer, StGB, § 263 Rz. 59; Lackner/Kühl, StGB, § 263 Rz. 19; Satzger in S/S/WStGB, § 263 Rz. 120; Altenhain, JZ 1997, 752. BGH v. 21.9.2000 – 4 StR 284/00, BGHSt 46, 146, 153 f.; BGH v. 21.11.2001 – 2 StR 260/01, BGHSt 47, 160, 171; BGH v. 18.11.2008 – 4 StR 485/08, NStZ 2009, 329, 330; Fischer, StGB, § 263 Rz. 59; Hoyer in SK-StGB, § 263 Rz. 79; Eisele/ Fad, Jura 2002, 309. Lackner/Kühl, StGB, § 263 Rz. 19; Rengier, FS Gössel, 2002, 469; vgl. auch OLG Hamm v. 22.11.2011 – 3 RVs 89/11, BeckRS 2011, 29786 m. Anm. Wegner, GWR 2012, 66, wo eine genaue Prüfung der einzelnen Leistungsbeziehungen angemahnt wird. Str., wie hier: Hoyer in SK-StGB, § 263 Rz. 77; Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 245 f.; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 88; Saliger in M/R-StGB, § 263 Rz. 100; Samson, JA 1978, 475; Miehe, FS Heidelberg, 1986, S. 498. Enger (kein Irrtum): RG v. 29.10.1894 – 3858/94, RGSt 26, 151, 154; RG v. 2.10.1906 – V 349/06, RGSt 39, 239, 242; OLG Düsseldorf v. 27.2.1989 – 2 Ss 50/89 – 19/89 II, NJW 1989, 2003 f. A.A. und weiter Lackner/Kühl, StGB, § 263 Rz. 19; Wessels/ Hillenkamp, BT/2, Rz. 511; auch Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 48. Noch weiter Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 88: wohl stets Irrtum. Einen Irrtum verneinen z.B. BGH v. 13.6.1985 – 4 StR 213/85, BGHSt 33, 244, 248 ff.; Fischer, StGB, § 263 Rz. 59; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 120. Hoyer in SK-StGB, § 263 Rz. 80. Nachweise in Rz. 61; ferner Eisele/Fad, Jura 2002, 308. A.A. Hoyer in SK-StGB, § 263 Rz. 78. BGH v. 26.7.1972 – 2 StR 62/72, BGHSt 24, 386, 389; OLG Köln v. 22.11.1977 – Ss 397/77, NJW 1978, 713, 714; OLG Hamburg v. 4.11.1981 – 1 Ss 177/81, NJW 1983, 768 f.; Lackner/Kühl, StGB, § 263 Rz. 19; Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 187; Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 49/50. A.A. Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 89. Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 91; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 120. Vgl. BGH v. 29.3.1990 – 4 StR 681/89, NStZ 1990, 388 f.; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 120; auch Tiedemann in LKStGB, § 263 Rz. 91. Zum Folgenden schon Saliger in M/R-StGB, § 263 Rz. 102 ff.; ferner Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 82; Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 41a; Fischer, StGB, § 263 Rz. 67 ff.; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 128 ff.; Kindhäuser in NK-

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Saliger

Rz. 100 § 263 StGB

schungsadressaten – in der Praxis regelmäßig arbeitsteilig tätige juristische Personen des Privatrechts, Körperschaften oder Personenmehrheiten – mehrere Personen hierarchisch eingeschaltet sind, von denen nur eine die Täuschung durchschaut oder eingeweiht ist. Vor allem zwei Konstellationen haben Rspr. und Wissenschaft bislang beschäftigt.1 In der ersten Fallgruppe unterliegt eine Hilfsperson des Vermögensinhabers, mit welcher der Täter in Kontakt tritt, einem Irrtum und verfügt, während eine übergeordnete Person oder der Geschädigte die Wahrheit kennt und nicht einschreitet. In der zweiten Konstellation irrt und verfügt der Geschädigte selbst, während eine Hilfsperson den wahren Sachverhalt kennt und nicht einschreitet. Das BayObLG hat 2001 für die zweite Konstellation eine Zurechnung des Wissens der Hilfsperson an den Geschädigten verneint, sofern die Hilfsperson (ein Versicherungsagent) mit dem Versicherungsnehmer kollusiv zusammenwirkt und beide daher als mittäterschaftlich Täuschende (§ 25 Abs. 2) gegenüber der Versicherung handeln.2 Nachdem der 3. Strafsenat des BGH noch 2002 offengelassen hatte, wie die Fragen der Wissenszurechnung zu entscheiden seien,3 hat er 2005 für die erste Fallgruppe eine Betrugsstrafbarkeit verneint und das Wissen der übergeordneten Person der nachgeordneten verfügenden Person zugerechnet, weil diese ihre Verfügungsbefugnis ausschließlich aus den Befugnissen des Vorgesetzten ableite.4 2007 hat der 1. Strafsenat des BGH für die erste Fallkonstellation keine Entscheidung getroffen, weil ein wirksam erteiltes Einverständnis des Vertreters (Gemeinderat) des Geschädigten (eine Gemeinde) mangels Kenntnis wesentlicher Informationen tatsächlich nicht vorlag.5 In einer Entscheidung aus 2010 bekräftigt der 3. Strafsenat, dass eine Betrugsstrafbarkeit ausscheiden soll, wenn der für die Auszahlung des Geldes verantwortliche Direktor einer Bank, der Kenntnis von dem Scheingeschäft hat, die Verfügung selbst vornimmt oder eine entsprechende Anweisung erteilt.6 Richtigerweise geht es in den fraglichen Fällen nicht um eine „Wissenszurechnung“,7 sondern erneut (vgl. 100 Rz. 93) um die Frage eines Ausschlusses der objektiven Zurechnung des Irrtums an den Täter wegen eigenverantwortlicher Selbstgefährdung des Vermögensinhabers (vgl. auch Rz. 10),8 wobei die Bezeichnungen als „Wissenszurechnung“ oder „Einverständnis“9 aber unschädlich sind.10 Mit Recht wird überwiegend eine unmittelbare Übertragung der zivilrechtlichen Grundsätze zur Wissenszurechnung auf das Strafrecht abgelehnt, weil die zivilrechtliche Zurechnung des Wissens einer natürlichen Person an eine andere natürliche oder juristische Person bzw. Organisation aus Gründen des Verkehrsschutzes erfolgt. Dagegen steht beim Betrug gegenüber arbeitsteilig organisierten Tatopfern die Reichweite der Zuständigkeit des täuschenden Täters im Mittelpunkt, der grundsätzlich nicht schutzwürdig ist.11 Für die erste Fallgruppe (Rz. 99), die einen Unterfall des klassischen Dreiecksbetrugs bezeichnet (Rz. 116 ff.), ist daher zu differenzieren: Die schiere Kenntnis des Geschädigten vom wahren Sachverhalt schließt eine Betrugsstrafbarkeit noch nicht aus. Andernfalls wären viele Fälle des Prozessbetruges kaum denkbar, wo die geschädigte Partei vielfach Kenntnis vom wahren Sachverhalt hat, der Richter jedoch gegen ihren Willen gleichwohl über ihr Vermögen irrtumsbedingt verfügen kann.12 Erst wenn der wissende Geschädigte tatsächlich und/oder rechtlich in der Lage ist, die Vermögensverfügung seiner irrenden Hilfsperson zu verhindern, aber nicht einschreitet, kommt eine eigenverantwortliche Selbstgefährdung in Betracht, die die objektive Zurechnung des Irrtums der verfügenden Hilfsperson an den Täter ausschließt.13 Bei natürlichen Personen als Geschädigten ist das unproblematisch.14 Schwieriger beurteilt sich die Lage bei arbeitsteilig organisierten juristischen Personen, Behörden oder Personenmehrheiten. Maßgeblich ist hier die Kenntnis des für die Willensbildung zuständigen Organs.15 Insoweit scheidet eine (vollendete) Betrugsstrafbarkeit nur aus, wenn das zuständige Organ gegen die Verfügung der irrenden Hilfsperson nicht einschreitet oder diese sogar wirksam autorisiert. Stammt die Autorisierung dagegen von einer unzuständigen Stelle oder ist die Autorisierung wegen Gesetzeswidrigkeit oder Kollusion unwirksam, so verbleibt es bei der (vollendeten) Betrugsstrafbarkeit des täuschenden Externen mit der Möglichkeit abgeleiteter Mittäter- oder

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StGB, § 263 Rz. 181; Eisele, ZStW 116 (2204), 15 ff.; Schuhr, ZStW 123 (2011), 517, 539 ff.; Brand/Vogt, wistra 2007, 408 ff.; Rengier, BT/1, § 13 Rz. 53 ff.; Wessels/Hillenkamp, BT/2, Rz. 527 f.; Wittmann, Wissenszurechnung, 2006. Vgl. Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 41a; Eisele, ZStW 116 (2004), 17 ff.; Weißer, GA 2011, 333 ff.; Rengier, BT/1, § 13 Rz. 53 ff. BayObLG v. 4.7.2001 – 5St RR 176/01, NStZ 2002, 91 f. Vgl. BGH v. 5.12.2002 – 3 StR 161/02, NJW 2003, 1198, 1200; vgl. dazu auch BGH v. 20.12.2007 – 1 StR 558/07, JZ 2008, 522, 523. BGH v. 15.12.2005 – 3 StR 239/05, NStZ 2006, 623, 624 m. abl. Bespr. Brand/Vogt, wistra 2007, 408, 415. BGH v. 20.12.2007 – 1 StR 558/07, JZ 2008, 522, 523 m. zust. Anm. Eisele und Krack, ZIS 2008, 518. BGH v. 13.1.2010 – 3 StR 500/09, wistra 2010, 148. Dafür Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 82. Eisele, ZStW 116 (2004), 23 ff.; Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 41a; Brand/Vogt, wistra 2007, 408, 409 ff.; Krack, ZIS 2008, 519; Weißer, GA 2011, 346; Rengier, BT/1, § 13 Rz. 56; Wittmann, Wissenszurechnung, 2006, S. 24 ff. So der Zugang in BGH v. 20.12.2007 – 1 StR 558/07, JZ 2008, 522, 523. Zutreffend Krack, ZIS 2008, 519 f. Den Schaden verneint Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 181. Eisele, ZStW 116, 2004, 28 ff.; Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 41a; Weißer, GA 2011, 346; Rengier, BT/1, § 13 Rz. 54; auch Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 130. A.A. Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 82. BGH v. 20.12.2007 – 1 StR 558/07, JZ 2008, 522, 523; Krack, ZIS 2008, 519. Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 41a; Eisele, ZStW 116 (2004), 23 ff.; Weißer, GA 2011, 346. Rengier, BT/1, § 13 Rz. 54. Näher Brand/Vogt, wistra 2007, 409 ff.; Rengier, BT/1, § 13 Rz. 55.

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StGB

Betrug

StGB

§ 263 StGB Rz. 101

Strafgesetzbuch

Teilnahmestrafbarkeit der Vertreter, die sich zudem wegen § 266 Abs. 1 Alt. 2 strafbar machen können.1 Auf dieser Basis ist die Entscheidung BGH v. 15.12.2005 – 3 StR 239/05, NStZ 2006, 623 (Rz. 99) zweifelhaft, weil die alleinige Entscheidungszuständigkeit des Beigeordneten im Kompetenzgefüge der Stadt nicht hinreichend dargetan ist.2 Nur unter dieser Voraussetzung schlösse auch eine Anweisung des Bankdirektors in BGH v. 13.1.2010 – 3 StR 500/09, wistra 2010, 148 eine Betrugsstrafbarkeit aus. 101

Bei der zweiten Fallgruppe scheitert eine Zurechnung des Wissens der bösgläubigen Hilfsperson als Wissensvertreter an den verfügenden Geschädigten mit der Konsequenz eines Ausschlusses der vollendeten Betrugsstrafbarkeit jedenfalls unstreitig dann, wenn die Hilfsperson mit dem Täter kollusiv zusammenwirkt. Denn hier wird nicht nur „die an sich mögliche Wissenszurechnung durch die Handlungszurechnung nach § 25 Abs. 2 StGB überlagert“.3 Bei kollusivem Handeln des Wissensvertreters hört dieser auf, Repräsentant des Geschädigten zu sein, so dass von einer eigenverantwortlichen Selbstgefährdung im Verantwortungsbereich des Geschädigten keine Rede sein kann.4 Das gilt i.E. auch für den Fall, dass die Hilfsperson, ohne mit dem Täter zu kolludieren, die Täuschung durchschaut und sein Wissen pflichtwidrig nicht an den verfügenden Geschädigten weitergibt. Denn auch in diesem Fall wird durch die Pflichtwidrigkeit der Hilfsperson die Verantwortungsgemeinschaft von Hilfsperson und Geschädigtem zerstört, so dass eine eigenverantwortliche Selbstgefährdung ausscheidet.5 Das zeigt sich nicht zuletzt daran, dass die Hilfsperson sich auch bei fehlender Kollusion wegen Beihilfe zum Betrug durch Unterlassen strafbar machen kann, abgesehen von ihrer in beiden Fällen möglichen Strafbarkeit wegen Treubruchsuntreue gem. § 266 Abs. 1 Alt. 2.6 Klärt der Täuschende die Hilfsperson über die Täuschung auf und geht davon aus, dass die Hilfsperson ihr Wissen dem Verfügenden vermitteln wird, so scheitert eine Betrugsstrafbarkeit am Täuschungsvorsatz, wenn die Hilfsperson wider Erwarten den Verfügenden nicht informiert.7 2. Kausalität

102

Der Täter muss den Irrtum erregt oder unterhalten haben. Das setzt nach einhelliger Meinung (zumindest) Kausalität i.S.d. Äquivalenztheorie voraus, wobei Mitursächlichkeit genügt.8 An dieser (Mit-)Kausalität fehlt es (und es bleibt nur versuchter Betrug möglich), wenn der Täuschungsadressat die Täuschung durchschaut oder an die Erklärungen des Täters nicht glaubt.9 Zweifel beseitigen nach zutreffender Auffassung solange die Kausalität nicht, wie der Täuschungsadressat die Wahrheit der vorgespiegelten Tatsachenbehauptung für möglich hält (vgl. Rz. 90 ff., 93 f.). Über die schiere Äquivalenztheorie hinaus ist allerdings beim Betrug eine objektive Zurechnung des Irrtums als „Zwischenerfolg“ an den Täter zu fordern, die bei eigenverantwortlicher Selbstgefährdung durch bewusste Risikoentscheidungen des Täuschungsadressaten zu verneinen ist (vgl. Rz. 93). a) Erregen und Unterhalten

103

Das Gesetz unterscheidet zwischen Erregen und Unterhalten als den beiden gleichwertigen Formen der Kausalität zwischen Täuschung und Irrtum.10 Einen Irrtum erregt, wer durch die täuschende Einwirkung auf das Vorstellungsbild des Opfers eine (so bislang nicht vorhandene) Fehlvorstellung selbst oder durch einen anderen – dann als mittelbarer Täter (vgl. Rz. 26) – neu (mit-)begründet.11 Das ist auch durch Unterlassen (vgl. Rz. 67)12 sowie dadurch möglich, dass der Täter einen bereits vorhandenen Zweifel des Opfers zu einer positiven Fehlvorstellung verdichtet.13 Eine Irrtumserregung durch den Täter scheidet aus, wenn die Zweifel des Opfers durch dessen eigene Nachfrage bei einem Dritten beseitigt werden.14 Soweit der Täter auf das Vorstellung1 Rengier, BT/1, § 13 Rz. 56; Fischer, StGB, § 263 Rz. 69. 2 Abl. bzw. krit. auch Brand/Vogt, wistra 2007, 415; Rengier, BT/1, § 13 Rz. 56. 3 BayObLG v. 4.7.2001 – 5St RR 176/01, NStZ 2002, 91, 92; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 82; Fischer, StGB, § 263 Rz. 68. 4 Eisele, ZStW 116 (2004), 29 f. 5 Str., wie hier: Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 41a; Eisele, ZStW 116 (2004), 30 ff.; Wessels/Hillenkamp, BT/2, Rz. 528; ferner Weißer, GA 2011, 339; Rengier, BT/1, § 13 Rz. 58 f.; i.E. auch Fischer, StGB, § 263 Rz. 68. A.A. und für eine zur Strafbarkeit des Täuschenden wegen §§ 263, 22 führenden Wissenszurechnung Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 82; Otto, Jura 2002, 611. 6 Vgl. Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 41a; Rengier, BT/1 § 13 Rz. 58. 7 Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 82; Eisele, ZStW 116 (2004), 32. 8 BGH v. 8.3.2001 – 1StR 28/01, StV 2002, 132; BGH v. 5.3.2002 – VI ZR 398/00, NJW 2002, 1643, 1645; BGH v. 13.10.2011 – 1 StR 407/11, HRRS 2011 Nr. 1177 Rz. 4; Lackner/Kühl, StGB, § 263Rz. 20; Fischer, StGB, § 263 Rz. 63; Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 43; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 93. 9 BGH v. 9.1.2007 – 4 StR 428/06, wistra 2007, 183, 184; BGH v. 9.11.2011 – 4 StR 252/11, HRRS 2012, Nr. 68 Rz. 5 f. 10 RG v. 10.7.1906 – V 238/06, RGSt 39, 80, 82; Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 269; Hoyer in SK-StGB, § 263 Rz. 82. 11 OLG Celle v. 21.7.1992 – 1 Ss 168/92, StV 1994, 188, 189 f. m. Anm. Schmoller; Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 183; Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 269; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 94; Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 43; Wessels/Hillenkamp, BT/2, Rz. 513. 12 Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 183; Hoyer in SK-StGB, § 263 Rz. 84. 13 Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 43; Saliger in M/R-StGB, § 263 Rz. 106. 14 RG v. 23.2.1881 – 75/81, RGSt 3, 395; Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 43.

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Rz. 106 § 263 StGB

bild des Opfers einwirkt, kommt eine Irrtumserregung auch durch die Manipulation von Sachen in Betracht, wie etwa durch die Bezugnahme auf unrichtige Beweismittel.1 Ein Irrtum wird unterhalten, wenn der Täter verhindert, dass eine bereits vorhandene Fehlvorstellung, die 104 von ihm selbst nicht verursacht zu sein braucht, beseitigt wird.2 Das kann nach h.M. dadurch geschehen, dass der Täter – gleichviel auf welchem Wege (Tun oder Unterlassen) – die Fehlvorstellung des Irrenden bestärkt, die Aufklärung des Irrtums aktiv verhindert oder erschwert oder schlicht den Irrtum garantenpflichtwidrig nicht beseitigt.3 Insoweit unterhält einen Irrtum, wer in einer die Fehlvorstellung intensivierenden Weise dem Opfer durch ausdrückliche oder konkludente Erklärungen in seinem Irrtum beipflichtet, ihm Zweifel ausredet oder unrichtige Beweismittel vorlegt oder wer eine auf Aufklärung gerichtete Kausalkette Dritter unterbricht.4 Die bloße Bestätigung der Fehlvorstellung ohne Irrtumsintensivierung reicht dagegen jenseits einer Garantenstellung nicht aus, weil für die vom Täter nicht verursachte Fehlvorstellung grundsätzlich das Opfer zuständig ist und deshalb die reine Ausnutzung des Irrtums straflos bleiben muss.5 Ebenso wird mit Fug darauf hingewiesen, dass die Einbeziehung des garantenpflichtwidrigen Schweigens in die Tatalternative des „Unterhaltens“ nicht zum Unterlaufen des Kausalitätserfordernisses führen darf.6 b) Abgrenzung zur Ausnutzung Kein Unterhalten eines Irrtums ist nach einhelliger Meinung die bloße Ausnutzung einer vorgefundenen Fehl- 105 vorstellung durch einen nicht aufklärungspflichtigen Täter.7 Ein bloßes Ausnutzen liegt vor, wenn der nicht garantenpflichtige Täter auf den vorgefundenen Irrtum des Opfers nur stillschweigend eingeht und ihn ohne Irrtumsintensivierung (vgl. Rz. 104) zu seinen Gunsten wirken lässt.8 Beim straflosen Ausnutzen fehlt es bereits an der Täuschungshandlung (vgl. Rz. 25), weil dem Verhalten des Täters jeglicher täuschender Erklärungswert fehlt oder Täuschung und Irrtum nicht kongruent sind (vgl. Rz. 81).9 Die Rspr. hat ein strafloses Ausnutzen bejaht u.a. bei der bloßen Entgegennahme überhöhter Leistungen ohne Hinzutreten weiterer Umstände wie bei Fehlüberweisungen und Fehlbuchungen (Rz. 50, 78),10 Wechselgeld (Rz. 59, 81),11 Scheckeinlösung (Rz. 76, 81)12 oder Devisenumtausch (Rz. 59, 81).13, 14 3. Einfluss des europäischen Verbraucherleitbildes Finden Betrügereien im Zusammenhang mit der grenzüberschreitenden Vermarktung von Waren statt, so ist 106 der Einfluss des europäischen Verbraucherleitbildes zu beachten (vgl. auch Rz. 6). Denn nach der sog. Dassonville-Formel kann § 263 eine „Maßnahme gleicher Wirkung“ wie eine mengenmäßige Einfuhrbeschränkung i.S.v. Art. 28 EG-Vertrag darstellen.15 Damit wird das europäische Verbraucherleitbild relevant, dass sich grundsätzlich abweichend vom deutschen Betrugsstrafrecht (vgl. Rz. 90 ff.) am informierten, aufmerksamen und verständigen Verbraucher ausrichtet.16 Insoweit ist der deutsche Täuschungs- und Irrtumsbegriff europarechtskonform auszulegen, weil der Schutz auch unaufmerksamer und unverständiger Verbraucher an1 Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 94; Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 43. 2 OLG Köln v. 16.1.1987 – Ss 754/86, JZ 1988, 101, 102 m. Anm. Joerden; Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 45; Saliger in M/R-StGB, § 263 Rz. 107. 3 BGH v. 9.2.1989 – 4 StR 10/89, JZ 1989, 550 f.; OLG Köln v. 16.1.1987 – Ss 754/86, JZ 1988, 101, 102; Lackner/Kühl, StGB, § 263 Rz. 20; Fischer, StGB, § 263 Rz. 65; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 95; Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 269; Saliger in M/R-StGB, § 263 Rz. 107; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 122; Wessels/Hillenkamp, BT/2, Rz. 514; Enger Bockelmann, FS Eb. Schmidt, 1961, S. 439, 456 f. 4 Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 95; Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 45 f.; Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 184; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 122. 5 Wie hier BGH v. 9.2.1989 – 4 StR 10/89, JZ 1989, 550; Hoyer in SK-StGB, § 263 Rz. 83; Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 46 a.E. A.A. Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 122. 6 Fischer, StGB, § 263 Rz. 65. 7 OLG Köln v. 16.1.1987 – Ss 754/86, JZ 1988, 101, 102; auch BGH v. 9.2.1989 – 4 StR 10/89, JZ 1989, 550; Lackner/Kühl, StGB, § 263 Rz. 20; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 95; Saliger in M/R-StGB, § 263 Rz. 108; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 123; Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 270; Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 46; Wessels/Hillenkamp, BT/2, Rz. 514. 8 Lackner in LK-StGB Rz. 93; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 95; Lackner/Kühl, StGB, § 263 Rz. 20; Saliger in M/RStGB, § 263 Rz. 108. 9 Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 270; Hoyer in SK-StGB, § 263 Rz. 84. 10 Vgl. BGH v. 16.11.1993 – 4 StR 648/93, BGHSt 39, 392, 398 ff.; BGH v. 8.11.2000 – 5 StR 433/00, BGHSt 46, 196, 198 ff. 11 BGH v. 9.2.1989 – 4 StR 10/89, JZ 1989, 550 f. Zu extensiv, weil moralisierend Kaiser, NJW 1971, 601. 12 OLG Düsseldorf v. 23.8.1968 – 3 Ss 578/68, NJW 1969, 623, 624; OLG Köln v. 5.2.1980 – 1 Ss 1134/79, NJW 1980, 2366 f. 13 OLG Köln v. 16.1.1987 – Ss 754/86, JZ 1988, 101, 102 f. m. Anm. Joerden. Sehr weitgehend OLG Köln v. 20.2.1968 – Ss 635/67, MDR 1968, 778 und OLG Frankfurt v. 30.9.1970 – 2 Ss 274/70, NJW 1971, 527. 14 Vgl. zum Ganzen auch Lackner/Kühl, StGB, § 263 Rz. 20; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 123; Wessels/Hillenkamp, BT/2, Rz. 514. 15 Vgl. EuGH v. 11.7.1974 – 8/74, Slg. 1974, 837 Rz. 5; Streinz, Europarecht Rz. 831. 16 Etwa EuGH v. 13.1.2000 – C-220/98, Slg. 2000, I-117 Rz. 27 – Lifting Creme.

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StGB

Betrug

StGB

§ 263 StGB Rz. 107

Strafgesetzbuch

sonsten mit der Warenverkehrsfreiheit des EG-Vertrages kollidiert.1 Der 2. Strafsenat des BGH hat demgegenüber eine die Grenzen der richtlinienkonformen Auslegung überschreitende Normativierung des Täuschungsund Irrtumsbegriffs durch eine Einschränkung des Betrugstatbestands auf Täuschungshandlungen, die eine informierte, aufmerksame und verständige Person zu täuschen geeignet sind, – mit nicht unanfechtbarer Begründung – grundsätzlich abgelehnt und für die Fallgruppe der „Abo-Fallen“ im Internet überzeugend einen Gleichlauf von nationalem und europarechtlichem Schutzniveau dargelegt (näher Rz. 6).2

III. Vermögensverfügung 1. Funktionen und Begriff 107

Nach dem Gesetzeswortlaut muss die Schädigung des Vermögens eines anderen auf dem täuschungsbedingten Irrtum beruhen („dadurch“). Die ganz h.M. folgert daraus, dass der Betrug eine Vermögensverfügung als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal voraussetzt.3 In dieser Perspektive hat die Vermögensverfügung mehrere Funktionen:4 Erstens verbindet sie den täuschungsbedingten Irrtum mit dem Vermögensschaden und gewährleistet dadurch den für einen vollendeten Betrug erforderlichen durchgehenden Kausal- und Zurechnungszusammenhang (Rz. 9 f.) zwischen den objektiven Tatbestandsmerkmalen (Verbindungsfunktion). Insoweit markiert auch die Vermögensverfügung einen „Zwischenerfolg“ des objektiven Betrugstatbestandes (Rz. 10).5 Zweitens ermöglicht die Vermögensverfügung zum einen die Abgrenzung des Betrugs zu den Fremdschädigungsdelikten, insbesondere zum Diebstahl, wo die Vermögensverfügung den Charakter des Betrugs als Selbstschädigungsdelikt (Rz. 2) mit dem grundsätzlichen Bild des Gebeaktes gewährleistet,6 zum anderen die Abgrenzung zwischen versuchtem und vollendetem Betrug7 (Rz. 259, 263 ff.; Abgrenzungsfunktion). Drittens bildet die Vermögensverfügung den Angelpunkt für die Saldierung von Nachteil und Kompensation (Saldierungsfunktion; Rz. 159 ff.). Viertens stellt die Vermögensverfügung die Transformation des Nachteils des Opfers in einen stoffgleichen Vorteil des Betrügers und damit den Charakter des Betruges als Vermögensverschiebungsdelikt (Rz. 2) sicher (Transportfunktion; Rz. 246).8

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Die Vermögensverfügung umfasst auf dieser Basis begrifflich jedes freiwillige Verhalten (Handeln, Dulden oder Unterlassen) des Getäuschten, das unmittelbar eine Vermögensminderung im wirtschaftlichen Sinn bei dem Getäuschten selbst oder einer dritten Person herbeiführt (h.M.).9 Dabei müssen die Urteilsgründe regelmäßig darlegen, wer die Verfügung getroffen hat und welche Vorstellungen er dabei hatte (näher Rz. 94 ff.).10 Als menschliches Verhalten genügt für die Vermögensverfügung das bloße Auslösen automatisch ablaufender technischer Vorgänge nicht wie beim Benutzen fremder Telefonkarten,11 der Bestellung und Reservierung einer „Domain“12 oder beim Anwählen der eigenen 0190er-Nummer (vgl. auch Rz. 86).13 Getäuschter und Verfügender müssen personenidentisch sein, nicht aber Verfügender und Geschädigter, woraus sich die Möglichkeit des Dreiecksbetrugs ergibt (Rz. 9; Rz. 116 ff.).14 Mit dem Bezug auf eine Vermögensminderung im wirtschaftlichen Sinne (dazu Rz. 123 ff.) erfasst die Vermögensverfügung neben rechtsgeschäftlichen Verfügungen des Zivilrechts jedes tatsächliche Verhalten, das unmittelbar vermögensmindernd wirkt. Beispiele sind die Erbringung einer vermögenswerten Dienstleistung oder die Übergabe von Geld,15 nicht aber mangels Vermögensbezugs das bloße 1 Vgl. Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 112 ff.; Satzger, § 9 Rz. 105. 2 BGH v. 5.3.2014 – 2 StR 616/12, NJW 2014, 2595 (2596 ff.) m. Anm. bzw. Bspr. Cornelius, StraFo 2014, 276 und NStZ 2015, 310; Hecker/H.F. Müller, ZWH 2014, 329; Heger, HRRS 2014, 467; Krack, ZIS 2014, 536; Majer/Buchmann, NJW 2014, 3342; Rönnau/Wegner, JZ 2014, 1064; ferner Hillenkamp, FS Müller-Graff, 2015, S. 191; Erb, ebenda, S. 199. 3 RG v. 29.4.1913 – II 1221/12, RGSt 47, 151 (152); BGH v. 11.3.1960 – 4 StR 588/59, BGHSt 14, 170 (171); Fischer, StGB, § 263 Rz. 70 ff.; Lackner/Kühl, StGB, § 263 Rz. 21 ff.; Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 54 ff.; Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 273 ff.; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 96 ff.; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 133 ff. 4 Saliger in M/R-StGB, § 263 Rz. 110. 5 Küper/Zopfs, BT, S. 401. 6 Wessels/Hillenkamp, BT/2, Rz. 515; Joecks, Vermögensverfügung, S. 87 ff. Vgl. ferner BGH v. 13.4.1962 – 1 StR 41/62, BGHSt 17, 205, 209. Zur Ausnahme bei der Freiwilligkeit Saliger in M/R-StGB, § 263 Rz. 127 f. 7 Zutreffend Puppe, MDR 1973, 13. 8 A. Merkel, Lehre, S. 195; Joecks, Vermögensverfügung, S. 87. 9 BGH v. 11.3.1960 – 4 StR 588/59, BGHSt 14, 170, 171; BGH v. 16.1.1963 – 2 StR 591/62, BGHSt 18, 221, 223; BGH v. 23.6.1965 – 2 StR 12/65, GA 1966, 212, 213; OLG Düsseldorf v. 19.6.1987 – 5 Ss 166/87 – 131/87 I, NJW 1988, 922, 923; Lackner/Kühl, StGB, § 263 Rz. 22; Saliger in M/R-StGB, § 263 Rz. 111; Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 55; Rengier, BT/1, § 13 Rz. 63. 10 BGH v. 5.12.2002 – 3 StR 161/02, NJW 2003, 1198, 1199 m. Anm. Beckemper/Wegner, NStZ 2003, 313; Krack, JR 2003, 384; Krüger, wistra 2003, 297. 11 BGH v. 31.3.2004 – 1 StR 482/03, NStZ 2005, 213. 12 OLG Karlsruhe v. 21.1.2009 – 2 Ss 155/08, NJW 2009, 1287, 1288. 13 BGH v. 29.6.2005 – 4 StR 559/04, BGHSt 50, 174, 179 m. zust. Anm. Eidam, JR 2006, 254. 14 RG v. 27.5.1930 – I 462/30, RGSt 64, 226, 228; BGH v. 16.1.1963 – 2 StR 591/62, BGHSt 18, 221, 223; BGH v. 12.3.2002 – 3 StR 4/02, NJW 2002, 2117. 15 BGH v. 21.12.1982 – 1 StR 662/82, BGHSt 31, 178, 179; BayObLG v. 7.8.1963 – RevReg 1 St 203/63, MDR 1964, 343; Fischer, StGB, § 263 Rz. 71; Lackner/Kühl, StGB, § 263 Rz. 23; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 99; Wessels/Hillenkamp, BT/2, Rz. 515.

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Saliger

Rz. 110 § 263 StGB

Verlassen eines Raums.1 Auch die Herbeiführung einer konkreten Vermögensgefahr kann die Vermögensminderung begründen (auch Rz. 112; eingehend Rz. 187 ff.).2 Die zivilrechtliche Wirksamkeit der Verfügung ist bedeutungslos.3 Auch Hoheitsakte staatlicher Behörden oder sonstiger öffentlich-rechtlicher Träger mit Vermögensbezug 109 kommen als Vermögensverfügungen in Betracht. Das gilt etwa für die Abweisung einer Klage und die Verurteilung zu einer Leistung im Zivilprozess (Prozessbetrug; Rz. 18 f. und Rz. 96; Rz. 119),4 insbesondere für das familiengerichtliche Gestaltungsurteil, das Unterhaltsansprüche begründet.5 Weitere Fälle sind der Zuschlag im Rahmen einer öffentlichen Ausschreibung,6 die Mittelfestsetzung durch den Bundestagspräsidenten im Rahmen der staatlichen Parteienfinanzierung7 und allgemein die Bewilligung staatlicher Fördermittel.8 Da der Betrug ein Vermögensverschiebungsdelikt ist (Rz. 2), taugen nur solche Handlungen als Vermögensverfügung, die geeignet sind, neben der Vermögensminderung auch den erstrebten Vorteil herbeizuführen. Das ist nicht der Fall, wenn die Täuschung zur Zerstörung der erstrebten Sache führt.9 Für die Frage der Vermögensminderung und damit das Vorliegen einer Vermögensverfügung ist es i.Ü. unerheblich, ob die Leistung durch ein ausreichendes Äquivalent kompensiert wird (vgl. auch Rz. 123). Die Saldierung von Leistung und Gegenleistung entscheidet allein darüber, ob auch ein Vermögensschaden eingetreten ist.10 Die Elemente der Unmittelbarkeit und der Freiwilligkeit der Vermögensverfügung steuern die Abgrenzung zu den Fremdschädigungsdelikten, insbesondere zum Diebstahl (Rz. 113). 2. Arten der Vermögensverfügung Als (weitere) Vermögensverfügungen durch Tun (aktives Handeln) sind von der Rspr. u.a. anerkannt worden: 110 Buchungen in Handelsbüchern,11 die Aushändigung der EC-Karte an einen die PIN kennenden Täter,12 die Aushändigung einer (echten) Kreditkarte,13 der Abschluss einer Sportwette mit festen Quoten (vgl. auch Rz. 45 und Rz. 222 ff.),14 die Veranlassung oder Vornahme einer Überweisung,15 die Unterschrift unter eine Beitrittserklärung16 oder einen Bestellschein,17 die Abgabe einer Willenserklärung durch Anklicken des Buttons im Internet.18 Die Leistung einer Blankounterschrift wird von der Rspr. und einem Teil der Literatur mangels Unmittelbarkeit der Vermögensminderung nicht als Vermögensverfügung angesehen, wenn der Täter später das Blankett verfälscht; in diesen Fällen wird allein § 267 Abs. 1 verwirklicht (sehr str.).19 Das traditionell vom Unterlassen als selbständige Art einer Vermögensverfügung unterschiedene Dulden (vgl. Rz. 108) ist richtigerweise ein Unterfall des Unterlassens in dem Sinne, dass der Getäuschte eine Vermögensbewahrung unterlässt.20 Ein Dulden kommt als Vermögensverfügung in Betracht, wenn der Getäuschte mit dem Gewahrsamsverlust einverstanden ist, ihm also freiwillig zustimmt.21 Praxisrelevant sind vor allem Vermögensverfügungen, die darin be1 OLG Celle v. 1.9.1975 – 2 Ss 207/75, NJW 1975, 2218, 2219. 2 BGH v. 25.10.1971 – 2 StR 238/71, BGHSt 24, 257, 261; BGH v. 9.7.1987 – 4 StR 216/87, StV 1989, 478, 479 m. Anm. Sonnen; OLG Hamm v. 18.12.1964 – 2 Ss 422/64, NJW 1965, 702, 703; Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 61; Jäger, JuS 2010, 762 f. 3 BGH v. 27.11.2008 – 5 StR 96/08, wistra 2009, 153, 154 m. Anm. Leplow, wistra 2009, 234; KG v. 15.4.1971 – 2 Ss 152/70, JR 1972, 28 f.; Fischer, StGB, § 263 Rz. 71; Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 198; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 99. 4 Vgl. BGH v. 11.3.1960 – 4 StR 588/59, BGHSt 14, 170, 172; BGH v. 25.10.1971 – 2 StR 238/71, BGHSt 24, 257, 260 f.; RG v. 10.10.1932 – III 553/32, RGSt 66, 371, 373; ferner Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 199; Fischer, StGB, § 263 Rz. 71; Saliger in M/R-StGB, § 263 Rz. 112; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 104; Wessels/Hillenkamp, BT/2, Rz. 515. 5 Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 104; Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 199. 6 Vgl. BGH v. 20.2.1962 – 1 StR 496/61, BGHSt 17, 147, 148 f.; BGH v. 29.5.1987 – 3 StR 242/86, BGHSt 34, 379, 390 ff. 7 BGH v. 28.10.2004 – 3 StR 301/03, BGHSt 49, 275, 302 m. Bespr. Saliger/Sinner, NJW 2005, 1073. 8 BGH v. 2.12.1982 – 1 StR 476/82, NJW 1983, 2646. 9 Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 59. 10 BGH v. 21.12.1982 – 1 StR 662/82, BGHSt 31, 178, 179; Lackner/Kühl, StGB, § 263 Rz. 22; Fischer, StGB, § 263 Rz. 70; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 97; Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 197; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 134; Samson, JA 1989, 510 f. 11 RG JW 1926, 586 m. Anm. Grünhut, S. 1197 f. 12 Vgl. OLG Jena v. 20.9.2006 – 1 Ss 226/06, wistra 2007, 236, 237. 13 BGH v. 13.6.1985 – 4 StR 213/85, BGHSt 33, 244, 246. 14 BGH v. 15.12.2006 – 5 StR 181/06, BGHSt 51, 165, 174; abl. Petropoulos/Morozinis, wistra 2009, 256 f. 15 BGH v. 2.4.1987 – 4 StR 81/87, wistra 1987, 257; BGH v. 14.7.1999 – 3 StR 188/99, NStZ 1999, 558. 16 KG v. 15.4.1971 – 2 Ss 152/70, JR 1972, 28 f. 17 OLG Hamm v. 18.12.1964 – 2 Ss 422/64, NJW 1965, 702 f. 18 OLG Frankfurt v. 17.12.2010 – 1 Ws 29/09, NJW 2011, 398, 403 m. zust. Anm. Hansen. 19 So OLG Düsseldorf v. 28.6.1974 – 3 Ss 312/74, NJW 1974, 1833, 1834 m. krit. Anm. Oexmann, S. 2296; Jäger, JuS 2010, 762; Rengier, BT/1, § 13 Rz. 68; Otto, BT, § 51 Rz. 41. A.A. Hoyer in SK-StGB, § 263 Rz. 179; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 101; Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 198. S. auch Saliger in M/R-StGB, § 263 Rz. 113. 20 Hoyer in SK-StGB, § 263 Rz. 154, 157; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 102; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 167; auch OLG Jena v. 20.9.2006 – 1 Ss 226/06, wistra 2007, 236, 237. 21 Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 57; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 168; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 102. A.A. Miehe, Verfügungen, S. 59 ff.

Saliger

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StGB

Betrug

StGB

§ 263 StGB Rz. 111

Strafgesetzbuch

stehen, dass der Getäuschte eine mögliche Vermögensmehrung unterlässt, indem er ihm rechtlich zustehende Möglichkeiten nicht ergreift.1 Das gilt vor allem für die Fälle, in denen es das Opfer wegen täuschungsbedingter Unkenntnis unterlässt, ihm zustehende Ansprüche geltend zu machen.2 Vermögensverfügung durch Unterlassen ist dabei auch die Nichtausübung prozessualer Befriedigungsmöglichkeiten.3 Voraussetzung für eine Vermögensverfügung durch Unterlassen ist dabei stets, dass der Getäuschte sein Recht im Tatzeitpunkt hätte wahrnehmen können4 und dass die Unterlassung mit Blick auf das Erfordernis eines Vermögensschadens die Realisierungsaussicht des Rechts gerade durch den Zeitablauf konkret verschlechtert hat, so dass die Forderung an Wert verliert.5 3. Elemente der Vermögensverfügung 111

Der Begriff der Vermögensverfügung umfasst neben dem Verfügungsverhalten in Gestalt von Tun oder Unterlassen (Rz. 110) auch die Vermögensminderung als Verfügungserfolg (vgl. Rz. 108). Diese Struktur der Vermögensverfügung wirft zahlreiche Anwendungsprobleme auf, die die Beziehung zwischen Verhalten und Erfolg in objektiver wie subjektiver Hinsicht auf den Prüfstand stellen.6 In objektiver Hinsicht geht es um das Problem der Unmittelbarkeit, in subjektiver Hinsicht um die Fragen des Verfügungsbewusstseins und der Freiwilligkeit. Alle drei Elemente der Vermögensverfügung bezeichnen Facetten der Selbstschädigung durch Betrug und bestimmen, häufig auch zusammenwirkend, die Abgrenzung des Betrugs zu den Fremdschädigungsdelikten, insbesondere zum Trickdiebstahl und zum Diebstahl in mittelbarer Täterschaft.7 Da diese Abgrenzungsfragen keine wirtschaftsstrafrechtlichen Probleme markieren, werden sie im Folgenden nicht behandelt.8 In wirtschaftsstrafrechtlicher Perspektive ist allein Folgendes hervorzuheben: a) Unmittelbarkeit aa) Grundsätze und wirtschaftsstrafrechtlich relevante Anwendungsfälle

112

Neben der unstreitigen Kausalität i.S.d. Äquivalenztheorie des Verfügungsverhaltens für den Verfügungserfolg, die Vermögensminderung,9 verlangt die h.M. mit Recht, dass die Vermögensverfügung unmittelbar mindernd in das Vermögen des Geschädigten eingreifen muss.10 Das ist der Fall, wenn die Verfügung des Getäuschten selbst ohne weiteres, insbesondere ohne weiteres wesentliches deliktisches Täterverhalten die Vermögensminderung verursacht. Entsprechend fehlt es an dem Unmittelbarkeitserfordernis der Vermögensverfügung, wenn der Getäuschte dem Täter lediglich die tatsächliche Möglichkeit gibt, den Vermögensschaden durch weitere selbständige deliktische Schritte herbeizuführen.11 Dieses Unmittelbarkeitserfordernis bei der Vermögensverfügung ist zu unterscheiden von dem Unmittelbarkeitsprinzip bei der Saldierung und dem Unmittelbarkeitsprinzip bei der Stoffgleichheit.12 Darüber hinaus ergibt sich möglicherweise weiterer Abgrenzungsbedarf, wenn man die schadensgleiche Vermögensgefahr, die als Vermögensminderung genügt (Rz. 108), am Maßstab des Unmittelbarkeitsprinzips konkretisiert (Rz. 193 f.). In diesem Kontext wird vereinzelt vorgeschlagen, die Anforderungen an das Unmittelbarkeitserfordernis bei der Vermögensverfügung niedriger anzusetzen und es ausreichen zu lassen, dass durch die Handlung des Getäuschten bereits die wesentliche Zugriffsschwelle überschritten wird, selbst wenn noch weitere – unwesentliche – Zwischenschritte durch den Täter vorgenommen werden müssen, damit die Ver-

1 Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 103; Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 200; Hoyer in SK-StGB, § 263 Rz. 156. 2 RG v. 14.5.1936 – 2 D 695/35, RGSt 70, 225, 227 f.; RG v. 12.6.1942 – 1 D 347/41, RGSt 76, 170, 173; BGH v. 8.5.1984 – 1 StR 835/83, wistra 1984, 225, 226 m. Anm. Labsch, StV 1984, 514 f.; BGH v. 14.9.1993 – 1 StR 546/93, wistra 1994, 24; BGH v. 28.6.2005 – 4 StR 376/04, NStZ-RR 2005, 311, 312; Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 58. 3 BGH v. 7.7.2004 – 5 StR 412/03, NStZ 2005, 160, 161. 4 Vgl. RG v. 14.5.1936 – 2 D 695/35, RGSt 70, 225, 227; Bublitz/Gehrmann, wistra 2004, 127; Samson, JA 1978, 564. 5 BGH v. 19.6.1951 – 1 StR 42/51, BGHSt 1, 262, 264; BGH v. 7.7.2004 – 5 StR 412/03, NStZ 2005, 160, 161; BGH v. 4.1.1994 – 1 StR 485/93, StV 1994, 186; BayObLG v. 29.1.2003 – 5St RR 8/03, StraFo 2003, 321, 322; OLG Düsseldorf v. 1.2.1994 – 2 Ss 150/93 – 57/93 II, NJW 1994, 3366, 3367; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 103; Saliger in M/RStGB, § 263 Rz. 115; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 167. Noch enger Bublitz/Gehrmann, wistra 2004, 127 ff., 133. Weiter Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 200. 6 Instruktiv Samson, JA 1978, 564 ff.; vgl. auch Hoyer in SK-StGB, § 263 Rz. 151 ff.; Joecks, Vermögensverfügung, S. 94 ff. 7 Vgl. BGH v. 17.12.1986 – 2 StR 537/86, BGHR StGB § 242 Abs. 1 Wegnahme 2, S. 1 f.; Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 274 f.; Wessels/Hillenkamp, BT/2, Rz. 516 ff., 622 ff.; Rengier, BT/1, § 13 Rz. 64. 8 S. zu ihnen stellvertretend Saliger in M/R-StGB, § 263 Rz. 119 ff., 125 ff., 129 ff. m.w.N. 9 BGH v. 29.6.2005 – 4 StR 559/04, BGHSt 50, 174, 178; Hoyer in SK-StGB, § 263 Rz. 158; Samson, JA 1978, 565; auch BayObLG v. 29.1.2003 – 5St RR 8/03, StraFo 2003, 321, 322. 10 BGH v. 11.3.1960 – 4 StR 588/59, BGHSt 14, 170, 171; BGH v. 9.4.1968 – 1 StR 650/67, MDR 1968, 772; BGH v. 29.6.2005 – 4 StR 559/04, BGHSt 50, 174, 178; OLG Jena v. 20.9.2006 – 1 Ss 226/06, wistra 2007, 236, 237. 11 BGH v. 29.6.2005 – 4 StR 559/04, BGHSt 50, 174, 178 m. Anm. Eidam, JR 2006, 254; ferner BGH v. 23.6.1965 – 2 StR 12/65, GA 1966, 212, 213; BGH v. 9.4.1968 – 1 StR 650/67, MDR 1968, 772; OLG Celle v. 1.9.1975 – 2 Ss 207/75, NJW 1975, 2218, 2219; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 179; Saliger in M/R-StGB, § 263 Rz. 117; Wessels/Hillenkamp, BT/2, Rz. 623. 12 Näher Jäger, JuS 2010, 761 ff. Zu den verschiedenen Bedeutungen der Unmittelbarkeit bei der Untreue § 266 Rz. 106.

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Saliger

Rz. 114 § 263 StGB

mögensgefährdung in einen endgültigen Schaden umschlägt.1 Damit zusammenhängend ist unklar, ob das Unmittelbarkeitserfordernis, wie überwiegend und wohl zutreffend vertreten, auf Sach- wie Forderungsbetrug gleichermaßen anzuwenden ist,2 oder ob es auf den Sachbetrug beschränkt werden sollte.3 Das OLG Frankfurt hat zum Betrug durch Abo-Fallen im Internet (dazu Rz. 55) erklärt, dass das Unmittelbarkeitserfordernis jenseits der Abgrenzungsfälle zwischen Sachbetrug und Diebstahl nur eingeschränkt anwendbar sei.4 Im Verhältnis zur Urkundenfälschung gilt nach der Rspr. Folgendes: Bei der Unterschriftserschleichung durch 113 den Provisionsvertreter unter Verschweigen der Absicht, den vom Besteller unterzeichneten Bestellschein nachträglich zu verfälschen, scheidet für den Fall, dass der Provisionsvertreter weitere Gegenstände als bestellt ankreuzt, Betrug aus, weil die in der Unterschrift des Bestellers zu sehende Vermögensverfügung nicht unmittelbar zu einer Vermögensminderung geführt hat. Diese tritt erst durch die nachträgliche Urkundenfälschung ein.5 Erschleicht dagegen ein Vertreter die Unterschrift seines Opfers unter einen Bestellschein durch die Vorspiegelung, es handele sich lediglich um die Bestätigung eines anderen Sachverhalts oder sonst eine unverbindliche Formalität, so macht er sich wegen Betrugs strafbar. Denn das Vermögen der Besteller ist auch bei Gleichwertigkeit von Leistung und Gegenleistung (dazu Rz. 171 ff.) i.d.R. allein dadurch schadensgleich gefährdet, dass es der Gefahr ausgesetzt ist, von dem Auftragnehmer aufgrund der Unterschrift auf Erfüllung oder Schadensersatz in Anspruch genommen zu werden.6 Die Erschleichung von Beweismitteln durch Unterschrift unter eine Quittung oder einen Schuldschein (Beweismittelbetrug; auch Rz. 198) verwirklicht § 263, wenn das Opfer irrtümlich davon ausgeht, die Leistung zu schulden, weil das „entscheidende Gefahrenmoment“ dann in ihm selbst liegt.7 Ebenso soll in der Abgabe einer Willenserklärung durch Anklicken des Buttons im Internet eine unmittelbare Vermögensverfügung liegen.8 Dagegen bewirkt die Erschleichung eines Vertrages über die Einrichtung einer 0190-Nummer als solche noch keine Vermögensverfügung. Denn durch die damit eröffnete faktische Möglichkeit, durch Anrufe die weitergeleiteten Verbindungsentgelte abzukassieren, wird die entscheidende Vermögenslage der Funknetzbetreiber noch nicht tangiert, so dass es an der Unmittelbarkeit fehlt. Erst die missbräuchliche Verwendung hehlerisch erworbener bzw. manipulierter Telefonkarten durch den Täuschenden selbst hatte die Funknetzbetreiber geschädigt.9 Beim sog. Phishing, bei dem Internetnutzer durch Täuschung zur Offenbarung von persönlichen Zugangsdaten wie Passwörtern, PIN- und TAN-Nummern etc. veranlasst werden sollen, dürfte die Erlangung der Daten noch keine Vermögensminderung herbeiführen; diese tritt erst mit der missbräuchlichen Verwendung der Daten ein (str.).10 bb) Mehraktige Verfügungen Das Unmittelbarkeitserfordernis wirft die Frage auf, was zu gelten hat, wenn Verfügungen ausnahmsweise meh- 114 raktig („gestreckt“) sind. Die Mehraktigkeit kann sich daraus ergeben, dass nach der ersten Handlung des Getäuschten weitere Handlungen von ihm, dem Täter oder Dritten erforderlich sind, um die endgültige Vermögensminderung herbeizuführen;11 dass mehrere Personen innerhalb einer arbeitsteiligen Organisation an der Ausführung der Verfügung beteiligt sind;12 oder dass beide Aspekte zusammen vorliegen.13 Beispiele sind die Aushändigung einer Bankanweisung des getäuschten Opfers an den Täter, diesem eine bestimmte Summe auszuzahlen (erster Fall), die Anweisung des getäuschten Geschäftsinhabers an seinen Angestellten, dem Täter eine bestimmte Ware zu übergeben (zweiter Fall), oder die Kombination beider Fälle (dritter Fall). Die h.M. anerkennt, dass mehraktige Verfügungen dem Unmittelbarkeitserfordernis nicht entgegenstehen.14 Nach dem 1 So Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 180 unter Bezug auf OLG Jena v. 20.9.2006 – 1 Ss 226/06, wistra 2007, 236, 237. A.A. Riemann, Vermögensgefährdung, S. 121 ff. und wohl auch Jäger, JuS 2010, 762 f. Vgl. dazu auch BGH v. 28.4.1987 – 5 StR 566/86, BGHR StGB § 263 Abs. 1 Vermögensschaden 29, S. 2; Lackner in LK-StGB Rz. 108; Eser, GA 1962, 298. 2 Lackner/Kühl, StGB, § 263 Rz. 27; Jäger, JuS 2010, 762; Samson, JA 1978, 565; auch Hoyer in SK-StGB, § 263 Rz. 158; Miehe, S. 79. 3 Vgl. Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 105. 4 OLG Frankfurt v. 17.12.2010 – 1 Ws 29/09, NJW 2011, 398, 403 m. zust. Anm. Hansen. 5 OLG Celle v. 1.9.1975 – 2 Ss 207/75, NJW 1975, 2218, 2219; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 122; Tiedemann in LKStGB, § 263 Rz. 109; Saliger in M/R-StGB, § 263 Rz. 121. A.A. wohl Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 61. 6 OLG Hamm v. 18.12.1964 – 2 Ss 422/64, NJW 1965, 702, 703. 7 Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 109; Hefendehl, Vermögensgefährdung, S. 356 f. 8 OLG Frankfurt v. 17.12.2010 – 1 Ws 29/09, NJW 2011, 398, 403. 9 BGH v. 29.6.2005 – 4 StR 559/04, BGHSt 50, 174, 178 f. m. zust. Anm. Eidam, JR 2006, 254; Fischer, StGB, § 263 Rz. 77; Jäger, JuS 2010, 762. 10 Wie hier: Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 666; Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 203; Saliger in M/R-StGB, § 263 Rz. 122; Popp, NJW 2004, 3518; Gercke, CR 2005, 608. A.A. Weber, HRRS 2004, 408 f.; Hilgendorf u.a., Computerstrafrecht, 2005, Rz. 765. 11 Vgl. BGH v. 20.2.1991 – 2 StR 421/90, BGH v. 20.2.1991 – 2 StR 421/90, BGHR StGB § 263 Abs. 1 Vermögensschaden 29; BGH v. 17.12.1986 – 2 StR 537/86, BGHR StGB § 242 Abs. 1 Wegnahme 2; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 111. 12 OLG Köln, JMBl NRW 1962, 176 f.; Rengier, BT/1, § 13 Rz. 71; Cramer/Perron in S/S-StGB, Rz. 62. 13 Vgl. BGH v. 27.11.2008 – 5 StR 96/08, wistra 2009, 153 m. Anm. Leplow, 234 (Sponsoren-Fall). 14 Lackner/Kühl, StGB, § 263 Rz. 25; Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 62; Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 202; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 183; Saliger in M/R-StGB, § 263 Rz. 123. Krit. zu dieser Figur Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 111; Walter, Betrugsstrafrecht, S. 217 f.

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Betrug

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§ 263 StGB Rz. 115

Strafgesetzbuch

BGH soll es für die Unmittelbarkeit ausreichen, wenn „die Kette der Verfügungen zwingende oder wirtschaftliche Folge des durch Täuschung hervorgerufenen Irrtums ist“.1 Für den Sachbetrug hat der BGH diese Maßgabe dahin konkretisiert, dass auch bei einem mehraktigen Gewahrsamsübergang die „Willensrichtung des Getäuschten in dem Zeitpunkt entscheidend (ist), in dem er die tatsächliche Herrschaft über die Sache vollständig verliert“.2 Für einen Fall des Forderungsbetrugs lässt es der BGH genügen, dass jedenfalls der Teilakt, der den Vermögensverlust herbeiführt, dem Getäuschten zuzuordnen ist.3 Diese plausiblen Kriterien stimmen in der Sache überein mit der im Schrifttum formulierten Maßgabe, eine Vermögensgefahr und damit eine Vermögensverfügung solange zu verneinen, wie die Ausführung der Anweisung in der eigenen Einfluss- und Herrschaftssphäre des Getäuschten erfolgt, weil der Getäuschte dann die Weggabe der Sache unproblematisch verhindern kann (str.).4 Übertragen auf die drei Beispielsfälle bedeutet das: Während im ersten Fall schon die Aushändigung der Bankanweisung an den Täter eine Vermögensverfügung darstellt, begründet im zweiten Fall erst die Übergabe der Ware an den Täter durch den Angestellten eine Vermögensverfügung.5 In einem Sachverhalt, der dem dritten Mischfall entspricht, hat der BGH dagegen bereits in der Zahlungsanweisung durch den Vereinspräsidenten als Repräsentanten des Opfers die schadensrelevante Vermögensverfügung gesehen.6 Sehr weit geht die Rspr. auch, wenn sie für den vollendeten Betrug durch „Kaffeefahrten“ genügen läßt, dass der Täter die erschlichenen Überweisungsträger der Opfer erst mehr als 1 Jahr und teilweise auch mehr als zwei Jahre bei der Bank einreicht.7 b) Verfügungsbewusstsein 115

Mit Blick auf den Selbstschädigungscharakter des Betrugs (Rz. 2) wird kontrovers diskutiert, ob und inwieweit die Vermögensverfügung ein Verfügungsbewusstsein des Getäuschten voraussetzt. Die Frage ist streng zu trennen von dem ebenfalls streitigen Problem, ob der Betrug ein Bewusstsein von der Selbstschädigung in dem Sinne verlangt, dass es am funktionalen Zusammenhang zwischen Irrtum, Verfügung und Schaden fehlt, wenn das Opfer sich bewusst selbst schädigt (Rz. 122).8 Die h.M. unterscheidet mit Recht zwischen Forderungs- und Sachbetrug: Während sie für den Forderungsbetrug kein Verfügungsbewusstsein verlangt, besteht sie beim Sachbetrug auf einem Verfügungsbewusstsein des Getäuschten (str.).9 4. Dreiecksbetrug a) Allgemeines

116

Aus der nicht erforderlichen Personenidentität zwischen Verfügendem und Geschädigtem (Rz. 9 und 108) ergibt sich die für die arbeitsteilig organisierte moderne Welt wichtige Möglichkeit des Betrugs im Drei-Personen-Verhältnis von Täuschendem, irrtumsbedingt Verfügendem und Geschädigtem, der sog. Dreiecksbetrug.10 Seine Problematik besteht in der Entscheidung, ob die Vermögensverfügung des Getäuschten dem Geschädigten als seine eigene objektiv zugerechnet werden kann (vgl. Rz. 9). Letzteres kommt zwecks Wahrung des Selbstschädigungscharakters (Rz. 2) auch des Dreiecksbetrugs nur in Betracht, wenn der Verfügende als Repräsentant des Geschädigten erscheint.11 Der Dreiecksbetrug wird im Schrifttum dominiert von Kontroversen um den Sachbetrug, wo es vor allem um die hier wirtschaftsstrafrechtlich nicht interessierende Abgrenzung zum (Trick-)Diebstahl in mittelbarer Täterschaft geht.12 In der Praxis bedeutsam ist der Dreiecks1 BGH v. 20.2.1991 – 2 StR 421/90, BGHR StGB § 263 Abs. 1 Vermögensschaden 29, S. 2. 2 BGH v. 20.2.1991 – 2 StR 421/90, BGHR StGB § 242 Abs. 1 Wegnahme 2, S. 2. 3 BGH v. 20.2.1991 – 2 StR 421/90, BGHR StGB § 263 Abs. 1 Vermögensschaden 29; ebenso Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 202; auch Lackner/Kühl, StGB, § 263 Rz. 25. 4 Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 62; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 111. Weitergehend OLG Köln, JMBl NRW 1962, 176 f. und Rengier, BT/1, § 13 Rz. 65. A.A. Schuhr, ZStW 123 (2011), 517, 547. 5 Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 62; auch OLG Karlsruhe v. 17.1.1996 – 1 Ws 107/95, JR 1997, 299, 301 m. Anm. Kindhäuser; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 111. 6 BGH v. 27.11.2008 – 5 StR 96/08, wistra 2009, 153, 154. 7 BGH v. 11.12.2013 – 3 StR 302/13, NStZ 2014, 578 f. (zwh.). 8 Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 118; Wittig, Wirtschaftsstrafrecht, § 14 Rz. 70. 9 Vgl. RG v. 14.5.1936 – 2 D 695/35, RGSt 70, 225, 227; BGH v. 26.7.1995 – 4 StR 234/95, BGHSt 41, 198, 201 f.; Fischer, StGB, § 263 Rz. 74; Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 60; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 169 ff.; Saliger in M/R-StGB, § 263 Rz. 124; Gaede in AnwK-StGB, § 263 Rz. 87 f.; Samson, JA 1978, 565 f.; Rengier, BT/1, § 13 Rz. 64 f. A.A. – Verfügungsbewusstsein für Forderungs- und Sachbetrug – Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 283 ff.; Hoyer in SK-StGB, § 263 Rz. 181; Otto, BT, § 51 Rz. 32. Eine dritte Ansicht verneint jedes Erfordernis eines Verfügungsbewusstseins, so Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 118; Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 223; Pawlik, Verhalten, S. 236 f., 242 f. 10 BGH v. 16.1.1963 – 2 StR 591/62, BGHSt 18, 221, 223; BGH v. 12.3.2002 – 3 StR 4/02, NJW 2002, 2117; BGH v. 20.12.2007 – 1 StR 558/07, wistra 2008, 147, 148; Lackner/Kühl, StGB, § 263 Rz. 28 ff.; Fischer, StGB, § 263 Rz. 79 ff.; Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 65 ff.; Saliger in M/R-StGB, § 263 Rz. 129 ff.; Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 208 ff.; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 184 ff.; Offermann-Burckart, Vermögensverfügungen, S. 22 ff.; Jänicke, Entscheidungen, S. 322 ff. 11 Saliger in M/R-StGB, § 263 Rz. 129; vgl. ferner Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 184 ff.; Rengier, BT/1, § 13 Rz. 93 ff. 12 Hoyer in SK-StGB, § 263 Rz. 139; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 112 ff.; Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 210; Schünemann, GA 1969, 46 ff.; Samson, JA 1978, 566 f.; Wessels/Hillenkamp, BT/2, Rz. 641 ff.

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Rz. 118 § 263 StGB

betrug auch für den Forderungsbetrug (Rz. 118 ff.), was u.a. der Prozessbetrug belegt (zu ihm Rz. 18 f., 73, 96, 109, 119, 198). Mangels Abgrenzung zu den Eigentumsdelikten kann die Verneinung der Zurechnung der Vermögensverfügung hier zur gänzlichen Straflosigkeit führen, wenn nicht sonst z.B. § 267 greift. b) Unstreitige Zurechnungskriterien Unstreitig ist, dass eine Zurechnung mit der Konsequenz des Dreiecksbetrugs (Sach- wie Forderungsbetrug) 117 anzunehmen ist, wenn der Getäuschte kraft Gesetzes, behördlichen Auftrags oder – auch konkludenten – Rechtsgeschäfts an sich rechtlich befugt ist, über das fremde Vermögen zu verfügen, und sich auch subjektiv nach seiner irrtumsbedingten Vorstellung im Rahmen der objektiven Dispositionsmacht gehalten hat.1 Die Formulierung „an sich“ trägt dem Umstand Rechnung, dass auch der rechtlich grundsätzlich Verfügungsbefugte diese Verfügungsbefugnis wegen der Täuschung im konkreten Fall objektiv regelmäßig nicht hat.2 Ein Dreiecksbetrug kommt daher in Betracht bei Verfügungen etwa von Bevollmächtigten, gesetzlichen Vertretern natürlicher (z.B. Eltern, Betreuer, Testamentsvollstrecker) oder juristischer Personen (Organe, Insolvenzverwalter etc.), von Behördenvertretern, Richtern, Rechtspflegern, Gerichtsvollziehern oder Prozessbevollmächtigten.3 Umgekehrt ist unstreitig, dass eine Person, die in keinerlei rechtlicher oder tatsächlicher Beziehung zu dem fremden Vermögen steht, nicht über das Vermögen mit Wirkung für den Vermögensinhaber verfügen kann.4 c) Dreiecksforderungsbetrug aa) Zurechnungsgrundsätze Besondere und noch nicht abschließend geklärte Probleme wirft der wirtschaftsstrafrechtlich relevante Dreiecks- 118 forderungsbetrug auf.5 Die überwiegende Rspr. dürfte beim Dreiecksforderungsbetrug nach wie vor auf dem Boden der Befugnistheorie stehen. Zwar hat die neuere Rspr. zum Dreiecksforderungsbetrug wiederholt explizit auf ein Näheverhältnis Bezug genommen6 bzw. sogar von Lager gesprochen.7 Das ändert aber nichts daran, dass die Zurechnungsfrage in der großen Mehrzahl der einschlägigen Judikate nicht einmal thematisiert, sondern schlicht von der rechtlichen Befugnis ausgegangen wird.8 In der Wissenschaft herrscht dagegen heute unter Berufung auf den Selbstschädigungscharakter des Betrugs mit Recht die Ansicht, dass auch dem Dreiecksforderungsbetrug ein Näheverhältnis zugrundeliegen muss.9 Unklar ist dabei aber, ob die gleichen Anforderungen wie beim Dreieckssachbetrug an das Näheverhältnis beim Dreiecksforderungsbetrug zu stellen sind10 oder weichere, und – falls weichere – welche weicheren Kriterien anerkannt werden sollen.11 Richtigerweise greift ein schieres Abstellen auf die rechtliche Befugnis beim Dreiecksforderungsbetrug zu kurz. Denn in den Fällen des gutgläubigen Forderungserwerbs und der gutgläubigen Forderungstilgung, wo der Getäuschte kraft Gesetzes über eine ihm kraft Gesetzes „nahe“ Forderung eines anderen „verfügt“,12 führt eine undifferenzierte Kriminalisierung als Dreiecksforderungsbetrug in Widerstreit zu der Schutzrichtung des Betruges als Vermögensdelikt (vgl. Rz. 1), weil die gesetzlichen Regeln des Verkehrsschutzes (Gläubiger-, Schuldnerschutz) nicht dem Schutz des Vermögens des Geschädigten dienen. Das zeigt auch das schiefe Bild, dass der Getäuschte, der eine Forderung gutgläubig erwirbt, kaum im Lager desjenigen steht, der die Forderung verliert. Außerdem würde eine solche Kriminalisierung insofern zu einer Verschleifung der Tatbestandsmerkmale ‚Vermögensverfügung‘ und ‚Vermögensschaden‘ führen, als das Abstellen etwa auf den gutgläubigen Forderungserwerb als Grundlage einer rechtlichen 1 Wessels/Hillenkamp, BT/2, Rz. 642; Lackner/Kühl, StGB, § 263 Rz. 29; Saliger in M/R-StGB, § 263 Rz. 130; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 186; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 116; Samson, JA 1978, 567; Offermann-Burckart, Vermögensverfügungen, S. 31 f. 2 Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 332; Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 217; Küper/Zopfs, BT, S. 410 f. 3 Lackner/Kühl, StGB, § 263 Rz. 29; Offermann-Burckart, Vermögensverfügungen, S. 31 f. 4 Saliger in M/R-StGB, § 263 Rz. 131. 5 Zum Folgenden bereits und näher Saliger in M/R-StGB, § 263 Rz. 138 ff. 6 BGH v. 20.12.2007 – 1 StR 558/07, wistra 2008, 147, 148 m. Anm. Eisele, JZ 2008, 524; OLG Celle v. 12.10.1993 – 1 Ss 166/93, NJW 1994, 142, 143. Anders aber AG Eggenfelden v. 23.4.2007 – 2 Ds 32 Js 36156/05, NStZ-RR 2008, 242, 243. 7 OLG Düsseldorf v. 1.2.1994 – 2 Ss 150/93 – 57/93 II, NJW 1994, 3366, 3367; OLG Frankfurt v. 10.3.2005 – 2 Ws 66/04, NJW 2005, 1727, 1732. 8 Vgl. RG v. 2.7.1894 – 1850/94, RGSt 26, 28, 30 f.; BGH v. 20.2.1962 – 1 StR 496/61, BGHSt 17, 147, 148 f.; BGH v. 26.7.1972 – 2 StR 62/72, BGHSt 24, 386, 389; BGH v. 29.5.1987 – 3 StR 242/86, BGHSt 34, 379, 390 f.; BGH v. 28.10.2004 – 3 StR 301/03, BGHSt 49, 275, 302; BGH v. 5.3.1968 – 1 StR 17/68, NJW 1968, 1147, 1148; BGH v. 25.4.2001 – 1 StR 82/01, BGHR StGB § 263 Abs. 1 Täuschung 19; auch BGH v. 23.6.1992 – 1 StR 280/92, wistra 1992, 299. Vgl. zur Rspr. auch Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 117 und Offermann-Burckart, Vermögensverfügungen, S. 175 ff., 184 ff., 195 ff., 198 ff., 200 f. 9 Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 117; Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 333; Hoyer in SK-StGB, § 263 Rz. 177; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 190; Wessels/Hillenkamp, BT/2, Rz. 653; Rengier, BT/1 § 13 Rz. 100; Offermann-Burckart, Vermögensverfügungen, S. 205. 10 Hoyer in SK-StGB, § 263 Rz. 177; Samson, JA 1978, 568; Offermann-Burckart, Vermögensverfügungen, S. 205. 11 Vgl. Wessels/Hillenkamp, BT/2, Rz. 653; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 190; Fischer, StGB, § 263 Rz. 84; Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 2335. 12 Vgl. Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 117.

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StGB

Betrug

StGB

§ 263 StGB Rz. 119

Strafgesetzbuch

Verfügungsbefugnis nur das schadensbegründende Ereignis wiederholen würde.1 Ist demnach die Forderung nach einem strafbarkeitseinschränkend wirkenden Näheverhältnis auch für den Dreiecksforderungsbetrug unabweisbar, so geht andererseits die Auffassung, die für gleiche Anforderungen wie beim Dreieckssachbetrug eintritt, zu weit. Denn sie muss konsequenterweise in allen Fällen, in denen kraft Gesetzes Forderungen oder Rechte übertragen oder zum Erlöschen gebracht werden, einen Dreiecksforderungsbetrug verneinen, weil Grund der vermögensmindernden Verfügungsbefugnis des Getäuschten nicht ein vom Geschädigten abgeleitetes Näheverhältnis, sondern eben das Gesetz ist.2 Die Ansicht übersieht, dass es in den einschlägigen Fällen Konstellationen geben kann, in denen ein bereits vor der Täuschung bestehendes Schuldverhältnis ein hinreichendes Näheverhältnis begründet (Rz. 120).3 Demnach gilt es, die Anforderungen an das normative Näheverhältnis für den Dreiecksforderungsbetrug wie folgt zu modifizieren: bb) Einzelne Fallgruppen 119

Unproblematisch sind die Fälle, in denen Mitarbeiter staatlicher Behörden als Getäuschte im Rahmen ihrer Zuständigkeit über öffentliche Mittel verfügen wie bei der Erschleichung staatlicher Fördermittel4 oder der betrügerischen Abwehr staatlicher Vollstreckungsmaßnahmen.5 Denn die Behördenmitarbeiter sind kraft Gesetzes, behördlichen Auftrags oder Rechtsgeschäfts zur Verfügung über das fremde Vermögen befugt und leiten ihre Befugnis daher (auch) von dem Willen des Vermögensinhabers ab. Das Gleiche gilt im Grundsatz für die Täuschung von Hoheitsträgern, die über fremdes Privatvermögen verfügen. Beispiele sind der Bundestagspräsident, der täuschungsbedingt über die Ansprüche der Parteien im Rahmen der staatlichen Parteienfinanzierung verfügt;6 der Insolvenzverwalter, der täuschungsbedingt über die Insolvenzmasse zugunsten eines Insolvenzgläubigers verfügt;7 oder die Mitarbeiter einer Vergabestelle, die im Rahmen eines Ausschreibungsverfahrens täuschungsbedingt zu Lasten des Vermögens von Mitbewerbern verfügen (Submissionsbetrug; näher Rz. 225 ff.).8 In allen Fällen stützt sich die Annahme einer „Zurechnungseinheit“ von Verfügendem und Geschädigten nicht allein auf die rechtliche Befugnis des Verfügenden, sondern auch auf ein normatives, die Annahme einer Selbstschädigung tragendes Näheverhältnis. Letzteres ergibt sich aus dem Umstand, dass die Geschädigten sich auf die jew. Verfahren mit ihren Spielregeln einschließlich der gesetzlichen Entscheidungsfunktion des Verfügenden eingelassen haben. Insoweit erscheint der jew. Hoheitsträger auch als funktioneller Repräsentant des Geschädigten.9 Diese Argumentation trägt auch die Zurechnung in den Fällen des Prozessbetrugs gegenüber Richtern (Prozessbetrug i.e.S., dazu Rz. 18).10 Zwar steht ein Zivilrichter aufgrund seiner Unabhängigkeit natürlich nicht im „Lager“ einer Prozesspartei.11 Gleichwohl darf er aufgrund der Entscheidung der Parteien, sich auf den Prozess mit Richterfunktion einzulassen, als Repräsentant der durch die richterliche Entscheidung benachteiligten Prozesspartei angesehen werden.12 Insoweit führt also die normative Nähetheorie auch beim Dreiecksforderungsbetrug zu keinen anderen Ergebnissen als die Theorie der rechtlichen Befugnis.13

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Anders ist das in den Fällen des gutgläubigen Erwerbs und der gutgläubigen Vernichtung von Forderungen oder Rechten. Hier sind die an das Näheverhältnis zu stellenden Anforderungen dahin zu modifizieren, dass an die Stelle der Rückführbarkeit der Verfügungsbefugnis auf den Willen des Geschädigten folgende weichere Gesichtspunkte treten, die in einer Gesamtschau bei der Prüfung eines Näheverhältnisses zu würdigen sind: das Bestehen oder Fehlen einer Beziehung zwischen Verfügendem und Geschädigtem vor der Verfügung;14 die Tauglichkeit der Schutzzwecke der entsprechenden Vorschriften zur Begründung eines Näheverhältnisses zum Ge-

1 Zutreffend Linnemann, wistra 1994, 167, 170; Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 335. Zum Verschleifungsproblem bei der Untreue s. § 266 StGB Rz. 8, 65. Zum Verschleifungsverbot von Tatbestandsmerkmalen BVerfG v. 23.6.2010 – 2 BvR 2559/08 u.a., NJW 2010, 3209, 3211 Rz. 79 m. Anm. Saliger, NJW 2010, 3195; dazu Rz. 150. 2 So in der Tat Hoyer in SK-StGB, § 263 Rz. 178; Offermann-Burckart, Vermögensverfügungen, S. 203 ff.; auch Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 335. 3 Rengier, BT/1, § 13 Rz. 116. 4 BGH v. 2.12.1982 – 1 StR 476/82, NJW 1983, 2646. 5 BGH v. 22.5.2001 – 5 StR 75/01, wistra 2001, 338. 6 BGH v. 28.10.2004 – 3 StR 301/03, BGHSt 49, 275, 302 ff. m. Bespr. Saliger/Sinner, NJW 2005, 1073. 7 RG v. 2.7.1894 – 1850/94, RGSt 26, 28, 30 f. 8 Str., wie hier: BGH v. 20.2.1962 – 1 StR 496/61, BGHSt 17, 147, 148 f.; BGH v. 29.5.1987 – 3 StR 242/86, BGHSt 34, 379, 390 f.; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 134; Fischer, StGB, § 263 Rz. 84; Offermann-Burckart, Vermögensverfügungen, S. 194 f. A.A. Cramer/Perron in S/S-StGB, Rz. 67. 9 Saliger in M/R-StGB, § 263 Rz. 141. 10 RGSt 72, 112, 114 f.; BGH v. 25.4.2001 – 1 StR 82/01, BGHR StGB § 263 Abs. 1 Täuschung 19; OLG Karlsruhe v. 17.1.1996 – 1 Ws 107/95, JR 1997, 299, 300 ff. m. Anm. Kindhäuser; auch BGH v. 11.3.1960 – 4 StR 588/59, BGHSt 14, 170, 172. 11 Jänicke, S. 332; B. Kretschmer, GA 2004, 460. A.A. Hohmann/Sander, BT/1, § 11 Rz. 115. 12 Vgl. auch Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 133; Fischer, StGB, § 263 Rz. 85; B. Kretschmer, GA 2004, 460 f.; Krell, JR 2012, 106; Wessels/Hillenkamp, BT/2, Rz. 649; Joecks, Vermögensverfügung, S. 133 f. Krit. Jänicke, S. 333. 13 Vgl. auch Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 117; Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 333; Hoyer in SK-StGB, § 263 Rz. 177; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 190 f.; Offermann-Burckart, Vermögensverfügungen, S. 183, 194 f. 14 Vgl. Rengier, BT/1, § 13 Rz. 114 ff.

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Rz. 121 § 263 StGB

schädigten;1 das Handeln des Verfügenden im Interesse des Geschädigten und die Existenz besonderer Prüf- und Schutzpflichten.2 Das bedeutet im Einzelfall: Wer täuschungsbedingt fremde Forderungen gutgläubig erwirbt (vgl. § 405 BGB, Art. 21 ScheckG, Art. 16 Abs. 2 WG), verfügt mangels vom bisherigen Forderungsinhaber abgeleiteter Verfügungsmacht und aufgrund des Umstands, dass die gesetzlichen Gutglaubensvorschriften allein dem Verkehrsschutz dienen, nicht über das Vermögen des bisherigen Forderungsinhabers.3 Einen Grenzfall bezeichnet die täuschungsbedingt gutgläubige Tilgung fremder Forderungen durch Leistung an den Altgläubiger (§ 407 Abs. 1 BGB). Da hier zumindest die Abtretung zwischen Alt- und Neugläubiger ein Schuldverhältnis zwischen dem Neugläubiger und dem Schuldner bereits vor der Zahlung des Schuldners als Verfügung begründet, wird von der Rspr. und einem Teil des Schrifttums ein entsprechendes Näheverhältnis und damit ein Dreiecksforderungsbetrug zum Nachteil des Neugläubigers bejaht.4 Das bleibt jedoch zweifelhaft, weil der ahnungslose Schuldner auch durch die Forderungsabtretung nicht in das Lager des Neugläubigers gerät und § 407 Abs. 1 BGB allein Verkehrsschutz bezweckt.5 Demgegenüber begeht einen Dreiecksforderungsbetrug, wer als Angestellter unter Vortäuschung einer Inkassoberechtigung Forderungen seines AG gegenüber dessen Kunden einzieht, aber nur, wenn dieser die Zahlungen gem. § 56 HGB gegen sich gelten lassen muss.6 Denn in diesem Fall gründet sich die Beziehung zwischen Kunden als Verfügendem und AG als Geschädigtem auf ein vom Verfügenden selbst gewähltes vertragliches Schuldverhältnis, das zusammen mit dem auch vom Vertragspartner selbst gesetzten Rechtsschein ein hinreichendes Näheverhältnis bildet. 5. Verhältnis zwischen Irrtum und Vermögensverfügung a) Ursächlicher Zusammenhang Um den für einen vollendeten Betrug erforderlichen durchgehenden Kausalzusammenhang zwischen den ob- 121 jektiven Tatbestandsmerkmalen herzustellen (Rz. 9, 107), muss auch der Irrtum kausal für die Vermögensverfügung sein.7 Kausalität meint Äquivalenzkausalität,8 wobei Mitursächlichkeit genügt. Kausalität scheidet nur aus, wenn der Getäuschte die Verfügung auch gänzlich ohne den Irrtum vorgenommen hätte, der Irrtum also nicht wenigstens mitbestimmend war.9 Hält der Getäuschte daher die vorgespiegelte Tatsache für zwar wahr, aber unerheblich für seine Vermögensverfügung, so scheidet vollendeter Betrug aus.10 Die Rspr. hat insoweit vollendeten Betrug verneint bzw. eine Verneinung erwogen bei Täuschungen eines Patienten u.a. über den Versicherungsschutz, wenn das Krankenhaus ihn als Notfallpatienten ungeachtet der Kostendeckung ohnehin aufgenommen hätte11 oder für die Weiterlieferung von Waren trotz offenstehender Rechnungen bei Kenntnis des Gläubigers von der schlechten finanziellen Lage des Schuldners.12 Untauglich ist die in der Judikatur gelegentlich anzutreffende positive Feststellung der Kausalität unter Berufung darauf, dass der Getäuschte bei Kenntnis der Wahrheit die Verfügung unterlassen hätte.13 Denn eine solche hypothetische Erwägung zu einer Ersatzursache14 ist ebenso unzulässig wie die hypothetische Erwägung, dass der faktisch Getäuschte die Vermögensverfügung auch beim Durchschauen der wahren Zusammenhänge getroffen hätte.15 Sachlich geht es bei der

1 Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 335; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 117. 2 Fischer, StGB, § 263 Rz. 84; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 190. 3 Str., wie hier: Hoyer in SK-StGB, § 263 Rz. 178; Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 335; Saliger in M/R-StGB, § 263 Rz. 144; Samson, JA 1978, 568. A.A. Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 117. 4 OLG Celle v. 12.10.1993 – 1 Ss 166/93, NJW 1994, 142, 143 m. abl. Anm. Krack/Radtke, JuS 1995, 17 und Linnemann, wistra 1994, 167; i.E. auch AG Eggenfelden v. 23.4.2007 – 2 Ds 32 Js 36156/05, NStZ-RR 2008, 242, 243; ferner Rengier, BT/1, § 13 Rz. 116; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 117; Fischer, StGB, § 263 Rz. 84. 5 Ablehnend: Hoyer in SK-StGB, § 263 Rz. 178; Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 335; Joecks, Vermögensverfügung, S. 133; Offermann-Burckart, Vermögensverfügungen, S. 203 f. 6 Str., wie hier: BGH v. 23.6.1992 – 1 StR 280/92, wistra 1992, 299; Fischer, StGB, § 263 Rz. 84; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 117; Saliger in M/R-StGB, § 263 Rz. 145; Rengier, BT/1, § 13 Rz. 115. Noch weiter gehend BGH v. 5.3.1968 – 1 StR 17/68, NJW 1968, 1147. Grundsätzlich abl.: Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 335; Offermann-Burckart, Vermögensverfügungen, S. 200. 7 BGH v. 24.2.1959 – 5 StR 618/58, BGHSt 13, 13, 14; BGH v. 5.12.2002 – 3 StR 161/02, NJW 2003, 1198, 1199; Fischer, StGB, § 263 Rz. 87; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 193. 8 Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 122. 9 BGH v. 24.2.1959 – 5 StR 618/58, BGHSt 13, 13, 14 m. krit. Anm. Klauser, NJW 1959, 2245; BGH v. 14.7.1999 – 3 StR 188/99, NStZ 1999, 558, 559; BGH v. 29.7.2009 – 2 StR 91/09, JZ 2010, 420, 421 f. m. krit. Anm. Kubiciel; OLG Düsseldorf v. 29.7.1987 – 2 Ss 175/87 – 122/87 II, NJW 1987, 3145; Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 77; Fischer, StGB, § 263 Rz. 87; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 193; Saliger in M/R-StGB, § 263 Rz. 146; Wessels/Hillenkamp, BT/2, Rz. 521. 10 Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 122; Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 196, 225. 11 OLG Düsseldorf v. 29.7.1987 – 2 Ss 175/87 – 122/87 II, NJW 1987, 3145. 12 BGH v. 26.1.1989 – 1 StR 636/88, StV 1990, 19. 13 Vgl. BGH v. 24.4.1952 – 4 StR 854/51, BGHSt 2, 325, 326 f.; auch BGH v. 25.10.1971 – 2 StR 238/71, BGHSt 24, 257, 260 f. 14 Zutreffend Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 124. 15 BGH v. 24.2.1959 – 5 StR 618/58, BGHSt 13, 13, 15; Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 77; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 123; Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 196, 225; Wessels/Hillenkamp, BT/2, Rz. 524. A.A. Klauser, NJW 1959, 2246; gegen ihn Prinzing, NJW 1960, 952.

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StGB

Betrug

StGB

§ 263 StGB Rz. 122

Strafgesetzbuch

Feststellung der Kausalität zwischen Irrtum und Vermögensverfügung um die Ermittlung eines psychisch-vermittelten Motivationszusammenhangs.1 Prozessual müssen die Urteilsgründe daher regelmäßig widerspruchsfrei darlegen, wer die Verfügung mit welchen Vorstellungen getroffen hat (vgl. auch Rz. 86). Das wird i.d.R. die Vernehmung des Verfügenden erfordern.2 b) Funktionaler Zusammenhang? 122

Streitig ist, ob der objektive Betrugstatbestand über den Kausalzusammenhang hinaus einen funktionalen Zusammenhang zwischen Irrtum, Verfügung und Schaden – nicht zu verwechseln mit dem Problem des Verfügungsbewusstseins (Rz. 115) – dahin voraussetzt, dass dem Getäuschten der selbstschädigende Charakter seiner Vermögensverfügung verborgen geblieben sein muss. Das wird von einer Mindermeinung unter Berufung u.a. auf die Erforderlichkeit einer klaren Trennung von unzulässigem Dispositionsschutz und allein zulässigem Vermögensschutz sowie der Werkzeugeigenschaft des Getäuschten in den Händen des Betrügers begründet, die entfalle, wenn der Getäuschte sich bewusst selbst schädige.3 Die h.M. hingegen lehnt die unbewusste Selbst- oder Drittschädigung als Voraussetzung des Betrugstatbestandes ab.4 Die Praxisrelevanz des Streits wird einerseits dadurch stark relativiert, dass die Anhänger der unbewussten Selbstschädigung über die mit dieser These nicht zwingend verbundene Lehre von der Zweckverfehlung eine Kriminalisierung der – nach ihr ansonsten straflosen – einseitigen Vermögenshingaben insofern erreichen, als bei Zweckverfehlung einer einseitigen Vermögenshingabe eine unbewusste Selbstschädigung vorliege.5 Andererseits ist die Lehre von der Zweckverfehlung in der Schadensdogmatik mittlerweile im Grundsatz anerkannt (Rz. 178 ff.).6 In der Sache verdient die These von der unbewussten Selbstschädigung keine Zustimmung, weil sie weder im Wortlaut, Rechtsgut noch Selbstschädigungscharakter des Betrugs angelegt ist (vgl. Rz. 4) und ohne Not den strafrechtlichen Zugriff auf die Fälle des Spenden-, Bettel-, Schenkungs- und Subventionsbetrugs verkompliziert.7 6. Vermögen als Gegenstand der Verfügung

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Die Vermögensverfügung muss zu einer Vermögensminderung als Verfügungserfolg geführt haben (Rz. 108). Das setzt voraus, dass ein Gegenstand betroffen wird, der zum strafrechtlich geschützten Vermögen gehört. Aus diesem Grund wird der strafrechtliche Vermögensbegriff bereits bei der Vermögensverfügung relevant.8 Diese Relevanz ist zu unterscheiden von der Bedeutung, welche das Vermögen beim Tatbestandsmerkmal „Vermögensschaden“ hat. Während es bei der Feststellung der vermögensmindernden Wirkung einer Vermögensverfügung um die Frage geht, ob das Verhalten des Getäuschten zu einer negativen Bewegung in Bezug auf eine Vermögensposition geführt hat, beurteilt sich die Feststellung des Vermögensschadens nach den negativen Auswirkungen dieser Vermögensverfügung auf das Gesamtvermögen des Geschädigten unter Einbeziehung möglicher aus der Verfügung erwachsener Vorteile (Saldierung; Rz. 109, Rz. 148 und Rz. 157 ff.).9 Davon zu trennen ist wiederum die Bedeutung des Vermögens für den erstrebten (stoffgleichen) Vermögensvorteil bei der Bereicherungsabsicht. Dort bezeichnet der Vorteil als Gegenstück des Vermögensschadens unstreitig jede wirtschaftlich günstigere Gestaltung der Vermögenslage des Täters oder eines Dritten (Rz. 243 f.).

1 BGH v. 24.2.1959 – 5 StR 618/58, BGHSt 13, 13, 15; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 122; Engisch, FS v. Weber, 1963, S. 247 ff. 2 BGH v. 5.12.2002 – 3 StR 161/02, NJW 2003, 1198, 1199; vgl. auch BGH v. 29.7.2009 – 2 StR 91/09, JZ 2010, 420, 421 f. und BGH v. 9.11.2011 – 4 StR 252/11, HRRS 2012 Nr. 68 Rz. 6. Näher Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 125. 3 Schröder, NJW 1962, 721, 722; Cramer, Vermögensbegriff, S. 206 ff.; Lenckner, NJW 1971, 559 f.; Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 41, 102; Hoyer in SK-StGB, § 263 Rz. 66; Gallas, FS Eb. Schmidt, 1961, S. 435 f.; Rudolphi, FS Klug, 1983, S. 315 ff.; Maurach/Schroeder/Maiwald, BT/1, § 41 Rz. 11, 73, 121; Ellmer, Betrug, S. 133 ff. 4 RG v. 22.6.1936 – 3 D 349/36, RGSt 70, 255 f.; BGH v. 18.7.1963 – 1 StR 130/63, BGHSt 19, 37, 45; BGH v. 12.5.1992 – 1 StR 133/92, NJW 1992, 2167; BGH v. 10.11.1994 – 4 StR 331/94, NJW 1995, 539; Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 194; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 195; Saliger in M/R-StGB, § 263 Rz. 148; Ellscheid, GA 1971, 161 ff.; Herzberg, MDR 1972, 93, 97; Dölling, JuS 1981, 570 f.; Hilgendorf, JuS 1994, 466 ff.; Wessels/Hillenkamp, BT/2, Rz. 526; Gerhold, Zweckverfehlung, S. 24; Hartmann, Zweckverfehlung, S. 164 f.; Merz, Bewußte Selbstschädigung, S. 118 f., 195. 5 Schröder, NJW 1962, 722; Cramer, Vermögensbegriff, S. 210 f.; Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 41, 102. 6 BGH v. 18.7.1963 – 1 StR 130/63, BGHSt 19, 37, 45; BGH v. 10.11.1994 – 4 StR 331/94, NJW 1995, 539; Fischer, StGB, § 263 Rz. 137 ff.; Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 280 ff. Die Analyse wie hier: Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 195; Wessels/Hillenkamp, BT/2, Rz. 526; Küper/Zopfs, BT, S. 390. 7 Vgl. Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 272, 718 ff. 8 Saliger in M/R-StGB, § 263 Rz. 149; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 136 ff.; Hoyer in SK-StGB, § 263 Rz. 88 ff.; auch Fischer, StGB, § 263 Rz. 88 ff. Gleichwohl wird der Vermögensbegriff überwiegend (noch) beim Vermögensschaden behandelt; vgl. Lackner/Kühl, StGB, § 263 Rz. 33 ff.; Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 78 ff.; Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 336 ff.; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 127 ff.; Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 227 ff.; Rengier, BT/1, § 13 Rz. 121 ff.; Wessels/Hillenkamp, BT/2, Rz. 530 ff. 9 Zu den Beziehungen zwischen Vermögens- und Schadenslehre Saliger in Fischer, StGB, § 263 u.a. (Hrsg.), Dogmatik, 2015, 18 ff.

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Saliger

Rz. 126 § 263 StGB

a) Begriff Der Begriff des Vermögens gehört zu den Grundbegriffen des Vermögensstrafrechts. Einerseits besteht Einigkeit 124 dahin, dass er bei allen Vermögensdelikten dieselbe Bedeutung hat (einheitlicher Vermögensbegriff).1 Andererseits war und ist der Vermögensbegriff bis heute umstritten. Das hat seine Ursache darin, dass die drei Grundbezüge des Vermögensbegriffs – Wirtschaft (Objekt), Person (Subjekt) und Recht (Zuordnung)2 – in ihrem Verhältnis zueinander je unterschiedlich gewichtet und austariert werden können. Praxisrelevant wird der Streit um den Vermögensbegriff vor allem beim unrechtmäßigen Besitz (Rz. 142), bei Ansprüchen aus nichtigen Rechtsgeschäften (Rz. 143 ff.) und beim Einsatz von Vermögenswerten einschließlich der Arbeitskraft zu missbilligten Zwecken (Rz. 145 f.).3 Nach verbreiteter Meinung soll die Entwicklung des Vermögensbegriffs in Rspr. und Wissenschaft durch „eine Abkehr von extremen Auffassungen und eine Hinwendung zu vermittelnden Lehrmeinungen“ geprägt sein, wozu auch die Feststellung gehört, dass der juristische Vermögensbegriff im strengen Sinne heute nicht mehr vertreten wird.4 Das ist im Prinzip richtig. Nur darf dieser Befund nicht verdecken, dass sich nicht nur im jüngeren Schrifttum vereinzelt Ansätze zu einer Reformulierung der juristischen Vermögenslehre finden, sondern dass auch die neuere Rspr. eine Tendenz zur Übernormativierung und Juridifizierung der Schadenslehre zeigt (Rz. 149, 156 f., 188, 193, 195, 215, 219, 222 ff.), die wegen der internen Verbindung von Vermögens- und Schadensbegriff5 letztlich auf den juristischen Vermögensbegriff zurückverweist.6 Aus diesen Gründen beginnt die Darstellung der verschiedenen Vermögenslehren auch hier, wie meist, mit dem juristischen Vermögensbegriff.7 aa) Juristischer Vermögensbegriff Nach dem in Reinform vor allem von Binding vertretenen juristischen Vermögensbegriff ist Vermögen die Sum- 125 me aller Vermögensrechte und -pflichten eines Rechtssubjekts.8 Aus dieser Konzeption des Betruges als Rechtsraub („Wo kein Recht, da kein Betrug“)9 folgt die Herausnahme aller wirtschaftlich wertvollen Positionen aus dem Vermögensbegriff, die kein subjektives Recht i.S.d. Zivil- oder öffentlichen Rechts vermitteln (z.B. unredlicher Besitz, Ansprüche aus nichtigen Rechtsgeschäften),10 der Schutz auch mangels Durchsetzbarkeit wertloser Forderungen11 sowie – für die Kritik von Entwicklungstendenzen in der modernen Schadensdogmatik wichtig (Rz. 124, 149, 153, 156 f.) – der Bezug des Vermögensbegriffs nicht auf das Vermögen als Ganzes, sondern auf seine einzelnen Bestandteile. Deshalb begründet bereits jede absprachewidrige Verletzung eines Vermögensrechts (Verlust; Belastung; nicht die Vermögensgefahr)12 einen Vermögensschaden, ohne dass es notwendig auf eine wirtschaftliche Schädigung mit Saldierung ankommt. Der Schaden ist ein juristischer als Minus im Rechtssinne, der stets eintritt, wenn jemand eine Vermögensposition hergibt, ohne das vereinbarte Äquivalent zu erhalten.13 Dem juristischen Vermögensbegriff nahe stehen die Position von Pawlik14 und der (weitere) funktionale Vermögensbegriff von Kindhäuser.15 bb) Primär wirtschaftlicher Vermögensbegriff (insbesondere Rechtsprechung) Das systematische Gegenkonzept zur juristischen Vermögenslehre bezeichnet der wirtschaftliche Vermögens- 126 begriff. Er bestimmt das strafrechtlich geschützte Vermögen grundsätzlich rein wirtschaftlich-faktisch und bezieht es auf alles, was in Geldwert messbar ist. Vermögen ist danach die Summe aller geldwerten Güter einer Per-

1 Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 78b; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 136; Saliger in M/R-StGB, § 263 Rz. 150; Kühl, JuS 1989, 505; Cramer, Vermögensbegriff, S. 22, 115 ff.; Otto, Struktur, S. 306; vgl. auch OLG Hamburg v. 8.6.1966 – 1 Ss 97/65, NJW 1966, 1525. 2 Vgl. Nelles, Untreue, S. 311 ff. und 429 ff.; Hagenbucher in Schünemann (Hrsg.), Strafrechtssystem usw, S. 154 ff.; Saliger in Fischer u.a. (Hrsg.), Dogmatik, S. 18 ff. 3 Küper/Zopfs, BT, S. 373 f. 4 Stellvertretend Wessels/Hillenkamp, BT/2, Rz. 530 f.; vgl. auch Fischer, StGB, § 263 Rz. 89 f.; Küper/Zopfs, BT, S. 372 f. und Rengier, BT/1, § 13 Rz. 120. 5 Vgl. Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 126, 158; Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 248; Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 336; Saliger in Fischer u.a. (Hrsg.), Dogmatik, S. 18 ff.; Cramer, Vermögensbegriff, S. 64 ff.; Thelesklav, Vermögensschaden, S. 7 ff. 6 Näher Saliger, HRRS 2012, 363 ff. 7 Zum Folgenden bereits Saliger in M/R-StGB, § 263 Rz. 151 ff. 8 Binding, BT/1, 2. Aufl. 1902, § 63 S. 237 ff., 238; ferner z.B. A. Merkel, Krim. Abh. II, 1867, S. 101; Hirschberg, Vermögensbegriff, S. 279; vgl. auch RG v. 2.2.1881 – 3240/80, RGSt 3, 332, 333; RG v. 7.7.1884 – 1568/84, RGSt 11, 72, 73 ff. 9 Binding, BT/1, § 85 S. 341. 10 Binding, BT/1, § 63 S. 240, § 85 S. 343 f.; vgl. auch Pawlik, Verhalten, S. 260. 11 Binding, BT/1, § 85 S. 239 und 344; Gerland, Dt. Reichsstrafrecht, 2. Aufl. 1932, § 166 S. 638. 12 Binding, BT/1, § 85 S. 360 f.; Schwarze, StGB, 3. Aufl. 1873, § 263 S. 658. 13 Binding, BT/1, § 63 S. 238 ff., 240, § 85 S. 355 ff., 356, 357 m. Fn. 1; vgl. auch Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 39. 14 Pawlik, Verhalten, S. 259 ff. 15 Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 35 ff., 35. Zu dessen Einordnung wie hier z.B. Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 129.

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Betrug

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§ 263 StGB Rz. 127

Strafgesetzbuch

son nach Abzug der Verbindlichkeiten.1 Aus diesem Vermögensbegriff ergeben sich drei wichtige Folgerungen: Erstens erfasst der wirtschaftliche Vermögensbegriff nur wirtschaftlich wertvolle Positionen, also nicht aufgrund ihrer gänzlichen Uneinbringlichkeit wertlose Forderungen.2 Zweitens erfasst er grundsätzlich alle in Geldwert messbaren Vermögenswerte,3 seien dies subjektive Rechte oder andere faktische Positionen wie Arbeitsleistung (Rz. 140 f.);4 Exspektanzen (Rz. 135 ff.); Besitz,5 auch der unredliche (Rz. 142 ff.);6 Geld, das zu missbilligten Zwecken eingesetzt wird (Rz. 145 f.);7 klaglose Forderungen, sofern Aussicht auf freiwillige Befriedigung durch den Schuldner besteht (Rz. 139);8 oder der Kundenstamm eines Unternehmers.9 Drittens erfordert eine wirtschaftliche Bestimmung des Vermögensbegriffs auch eine wirtschaftliche Bestimmung des Schadensbegriffs am Maßstab einer Saldierung des Gesamtvermögens vor und nach der Verfügung unter Einschluss des aus ihr resultierenden Vermögenszuwachses (Kompensation; Rz. 164 ff.). 127

Die Strafrspr. basiert seit dem Kurswechsel durch den Beschluss der Vereinigten Strafsenate in RGSt 44, 230 aus dem Jahr 1910 im Grundsatz bis heute auf dem wirtschaftlichen Vermögensbegriff. Entsprechend hält sie seit Jahrzehnten an dem Satz fest, dass die Rechtsordnung im Bereich der Vermögensdelikte „kein wegen seiner Herkunft, Entstehung oder Verwendung schlechthin schutzunwürdiges Vermögen (kennt)“.10 Wiederholte Bestätigung erfahren hat der wirtschaftliche Vermögensbegriff durch zwei Beschlüsse des BVerfG aus jüngster Zeit zur Strafvorschrift der Untreue mit Wirkung auch für den Betrug.11 Allerdings hat die Strafrspr. schon früh ihren wirtschaftlich-faktischen Ausgangspunkt in Einzelfällen unter Bezug auf die Wertungen der außerstrafrechtlichen Rechtsordnung normativ eingeschränkt.12 So hat sie schon früh und lange vor dem am 1.1.2002 in Kraft getretenen ProstG für den Dirnenlohnbetrug entweder dem Geschlechtsverkehr der Prostituierten keinen in Geld zu veranschlagenden Wert zugemessen13 oder deren Aussicht, durch sexuelle Leistungen den versprochenen oder üblichen Lohn zu erhalten, nicht zum strafrechtlich geschützten Vermögen gerechnet.14 Dabei beruft sich der BGH ausdrücklich auf den Widerspruch zur übrigen Rechtsordnung, der entstehen würde, wenn das Strafrecht beim Betrug nichtigen Ansprüchen Schutz gewährte, die aus verbotenen oder unsittlichen Rechtsgeschäften hergeleitet werden.15 Entsprechend hat das OLG Hamm ebenfalls vor Inkrafttreten des ProstG erklärt, dass derjenige, der das vereinbarte Entgelt für Telefonsexdienstleistungen nicht bezahlt, keinen Betrug begeht.16

128

Auch in anderen Fallgruppen ist die Judikatur vom streng wirtschaftlichen Vermögens- und Schadensbegriff abgewichen (auch Rz. 140). So hat der BGH erklärt, dass keinen Schaden zufügt, wer einen begründeten, aber schwer beweisbaren Anspruch mit Hilfe einer Täuschung durchsetzt17 oder die Chancen seiner Durchsetzung durch gewaltsame Erlangung eines Beweismittels erhöht (rein wirtschaftlich an sich Schaden).18 Das Gleiche gilt, wenn sich der Täter mit Gewalt ein Beweismittel zur Abwehr einer in Wirklichkeit nicht bestehenden Forderung verschafft (rein wirtschaftlich an sich Schaden).19 Soweit der BGH in beiden Fällen den Gesamtwert des

1 BVerfG v. 10.3.2009 – 2 BvR 1980/07, NJW 2009, 2370, 2371; BVerfG v. 23.6.2010 – 2 BvR 2559/08 u.a., NJW 2010, 3209, 3212 Rz. 86; RG v. 14.12.1910 – II 1214/10, RGSt 44, 230, 233; BGH v. 18.7.1961 – 1 StR 606/60, BGHSt 16, 220, 221; BGH v. 27.2.1975 – 4 StR 571/74, NJW 1975, 1234, 1235; OLG Karlsruhe v. 17.1.1990 – 3 Ss 169/89, NStZ 1990, 282; KG v. 28.9.2000 – (4) 1 Ss 44/00 (50/00), NJW 2001, 86; ferner Fischer, StGB, § 263 Rz. 90 f., 91; Krey/Hellmann, BT/2, Rz. 605 ff.; Haft, BT, S. 213; Fahl, JA 1995, 205; auch – mit Modifikationen – Arzt in A/W/H/H, BT, § 20 Rz. 15 ff., 87 ff. 2 BGH v. 17.8.2006 – 3 StR 279/06, NStZ 2007, 95, 96. 3 BGH v. 15.11.1951 – 4 StR 574/51, BGHSt 2, 364, 367. 4 RG v. 25.5.1894 – 387/94, RGSt 25, 371 ff.; RG v. 29.10.1934 – 3 D 1082/34, RGSt 68, 379, 380; auch RG VS v. 14.12.1910 – II 1414/10, RGSt 44, 230, 234 f. und BGH v. 15.11.1951 – 4 StR 574/51, BGHSt 2, 364, 367. 5 BGH v. 5.7.1960 – 5 StR 80/60, BGHSt 14, 386, 388 f. 6 RG VS v. 14.12.1910 – II 1414/10, RGSt 44, 230, 248; BGH v. 15.11.1951 – 4 StR 574/51, BGHSt 2, 364, 365; BGH v. 18.10.2007 – 4 StR 422/07, NStZ-RR 2008, 76; BGH 27.5.2008 – 4 StR 58/08, NStZ 2008, 627 m. abl. Anm. Kindhäuser, StV 2009, 355. 7 RG VS v. 14.12.1910 – II 1414/10, RGSt 44, 230, 236 ff.; BGH v. 17.11.1955 – 3 StR 234/55, BGHSt 8, 254, 256; BGH v. 4.9.2001 – 1 StR 167/01, NStZ 2002, 33; BGH v. 12.3.2002 – 3 StR 4/02, NJW 2002, 2117; KG v. 28.9.2000 – (4) 1 Ss 44/00 (50/00), NJW 2001, 86 f. A.A. LG Regensburg v. 26.4.2005 – 3 Ns 112 Js 14307/01, NStZ-RR 2005, 312 f. 8 RG v. 7.12.1906 – V 473/06, RGSt 40, 21, 29; RG v. 6.6.1932 – III 422/32, RGSt 66, 281, 285; auch RG VS v. 14.12.1910 – II 1414/10, RGSt 44, 230, 234 und BGH v. 15.11.1951 – 4 StR 574/51, BGHSt 2, 364, 367. 9 RG v. 1.10.1909 – II 571/09, RGSt 42, 424, 426; auch RG VS v. 14.12.1910 – II 1414/10, RGSt 44, 230, 234 und BGH v. 15.11.1951 – 4 StR 574/51, BGHSt 2, 364, 367. 10 BGH v. 17.11.1955 – 3 StR 234/55, BGHSt 8, 254, 256; BGH v. 7.8.2003 – 3 StR 137/03, BGHSt 48, 322, 330; auch BGH v. 15.11.1951 – 4 StR 574/51, BGHSt 2, 364, 366 f.; KG v. 28.9.2000 – (4) 1 Ss 44/00 (50/00), NJW 2001, 86 f. 11 BVerfG v. 10.3.2009 – 2 BvR 1980/07, NJW 2009, 2370, 2371; BVerfG v. 23.6.2010 – 2 BvR 2559/08 u.a., NJW 2010, 3209, 3212 Rz. 86 m. Anm. Saliger, NJW 2010, 3195. 12 Vgl. Hoyer in SK-StGB, § 263 Rz. 93 ff.; Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 80; Wessels/Hillenkamp, BT/2, Rz. 534. 13 BGH v. 9.10.1953 – 2 StR 402/53, BGHSt 4, 373. 14 BGH v. 28.4.1987 – 5 StR 566/86, StV 1987, 484 m. Anm. Barton; Tenckhoff, JR 1988, 126; Bergmann/Freund, JR 1988, 189; BGH v. 20.12.1988 – 1 StR 654/88, wistra 1989, 142. 15 BGH v. 28.4.1987 – 5 StR 566/86, StV 1987, 484. 16 OLG Hamm v. 26.1.1989 – 1 Ws 354/88, NJW 1989, 2551. 17 BGH v. 23.6.1965 – 2 StR 97/65, GA 1966, 52 f. 18 BGH v. 18.12.1964 – 2 StR 461/64, BGHSt 20, 136, 137 zu § 253. 19 BGH v. 18.12.1964 – 2 StR 461/64, BGHSt 20, 136, 137.

438

Saliger

Rz. 129 § 263 StGB

Vermögens nicht vermindert sieht,1 wertet er die berechtigten Ansprüche normativ auf bzw. die faktische Durchsetzungschance normativ ab, was dem juristisch-ökonomischen Vermögensbegriff entspricht (Rz. 129).2 Nicht streng wirtschaftlich verfährt der BGH auch im Maklerfall (durch Täuschung veranlasste Maklertätigkeit nicht geschützt);3 im Rückkauf-Fall (Bejahung einer Erpressung des Eigentümers bei zum Rückkauf angebotener gestohlener Sache trotz praktischer Undurchsetzbarkeit der Herausgabeansprüche des Eigentümers; auch Rz. 170);4 und im Dealerfall (bei § 253 offengelassen, ob Haschischbesitz geschützter Vermögensbestandteil ist, und Verneinung eines Schadensersatzanspruches des getäuschten Rauschgifthändlers wegen unzulässiger Rechtsausübung gem. § 242 BGB).5 Zu weiteren Fällen einer Distanzierung des BGH von einem wirtschaftlichen Vermögensbegriff im Rahmen der Verkürzung von Saldierungsmöglichkeiten Rz. 156 und Rz. 167, aber auch – als Gegenbewegung – Rz. 149 ff., 165. Insgesamt vertritt die Rspr. damit (noch) einen primär wirtschaftlichen Vermögensbegriff mit normativer Korrektur im Einzelfall.6 Von diesem Vermögensbegriff versucht sich der 2. Strafsenat des BGH durch einen Anfragebeschluss ab- und stärker hinzuwenden in Richtung der herrschenden juristisch-ökonomischen Vermögenslehre, indem er den unerlaubten Besitz von Betäubungsmitteln aus dem strafrechtlichen Vermögensschutz i.S.d. Betrugs- bzw. Erpressungstatbestandes herausnehmen will.7 Diese Anfrage, die sich auch für eine teleologische Reduktion der Eigentumsdelikte ausspricht,8 gerät mit Begründungen wie „Es gibt kein strafrechtlich schutzwürdiges Vermögen außerhalb des Rechts“9 vor allem in Selbstwiderspruch zu den zivilrechtlichen Besitzschutzregeln der §§ 858 ff. BGB, lässt Strafbarkeitslücken bei durch Täuschung bewirkter Besitzverschaffung entstehen10 und ist i.Ü für den unerlaubten Drogenbesitz aus den Gründen in Rz. 142 abzulehnen (zur vermeintlich ungerechtfertigten Ungleichbehandlung von Drogenverkäufer und Drogenkäufer s. Rz. 143 und Rz. 145). Soweit man die Anfrage mit der weitergehenden Forderung verbinden würde, den Unterschied von wirtschaftlicher und rechtlicher Betrachtung des Vermögensbegriffs einzuebnen und jede illegale Mittelverwendung als Untreueschaden zu begreifen,11 wäre ihr auch aus verfassungsrechtlichen Gründen entgegenzutreten. cc) Juristisch-ökonomischer Vermögensbegriff (h.L.) In der Strafrechtswissenschaft dominiert der sog. juristisch-ökonomische Vermögensbegriff (bzw. juristisch- 129 ökonomische Vermittlungslehre)12 mit seinen Spielarten. Dieser Vermögensbegriff steht zwischen dem primär wirtschaftlichen und dem juristischen Vermögensbegriff. Mit ersterem teilt er den wirtschaftlichen Ausgangspunkt, so dass nur wirtschaftlich wertvolle Positionen geschützt sind, mit letzterem die Einsicht, dass ein strafrechtlicher Vermögensbegriff nicht völlig unabhängig von der Vermögenszuordnung des Zivil- und öffentlichen Rechts, insbesondere nicht im Widerspruch zu dieser gebildet werden kann.13 Vermögen umfasst danach die Gesamtheit der wirtschaftlich werthaltigen Güter einer Person, die mit der außerstrafrechtlichen Rechtsordnung in Einklang gebracht werden können. Darüber, wie dieser Einklang genau zu bestimmen ist, gehen die Meinungen innerhalb dieser Lehre auseinander. Teilweise wird vorgeschlagen, wirtschaftlich wertvolle Positionen, die noch nicht zum subjektiven Recht erstarkt sind, dann zu schützen, wenn sie unter dem Schutz der Rechtsordnung“ stehen14 bzw. – strenger – mit „Billigung“ der Rechtsordnung realisiert werden können.15 Diese Auffassung hat vor allem zur Konsequenz, dass Ansprüche aus nichtigen Rechtsgeschäften und der unredliche Besitz nicht unter den strafrechtlichen Vermögensbegriff fallen.16 Die überwiegende und am weitesten gehende Ansicht will all jene wirtschaftlichen Güter strafrechtlich schützen, die von der Gesamtrechtsordnung „nicht ausdrücklich missbilligt“ werden.17 Diese Ansicht differenziert bei Ansprüchen aus nichtigen Rechtsgeschäften 1 BGH v. 18.12.1964 – 2 StR 461/64, BGHSt 20, 136, 138. 2 Lenckner, JZ 1967, 105, 106; Samson, JA 1978, 570; Hoyer in SK-StGB, § 263 Rz. 99. 3 BGH v. 21.12.1982 – 1 StR 662/82, BGHSt 31, 178, 179 f. m. krit. Anm. Lenckner, NStZ 1983, 409; Maaß, JuS 1984, 27; Bloy, JR 1984, 123. 4 BGH v. 18.5.1976 – 1 StR 146/76, BGHSt 26, 346, 347 f.; anders noch OLG Hamburg v. 7.12.1973 – 2 Ss 209/73, MDR 1974, 330 m. Anm. Jakobs, JR 1974, 474. 5 BGH v. 7.8.2003 – 3 StR 137/03, BGHSt 48, 322, 326 f.; zu BGH v. 27.5.2008 – 4 StR 58/08, NStZ 2008, 627 Rz. 144. 6 Vgl. Wessels/Hillenkamp, BT/2, Rz. 534; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 140; auch Samson, JA 1978, 570; Hoyer in SKStGB, § 263 Rz. 93, 99. 7 BGH v. 1.6.2016 – 2 StR 335/15, NStZ 2016, 596 m. Anm. Krell; Jäger, JA 2016, 790; Jahn, JuS 2016, 848. 8 BGH v. 1.6.2016 – 2 StR 335/15, NStZ 2016, 596, 599. 9 BGH v. 1.6.2016 – 2 StR 335/15, NStZ 2016, 596, 598. 10 Krit. auch Jäger, JA 2014, 792 f. 11 Vgl. Fischer in Fischer u.a. (Hrsg.), Dogmatik, 2015, S. 54 f. 12 So zuerst Nagler, ZAkDR 1941, 294 ff. 13 Samson, JA 1978, 569; Hoyer in SK-StGB, § 263 Rz. 92 und 118; Hoyer, FS Samson, 2010, S. 347 ff.; Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 82 f.; Cramer, Vermögensbegriff, S. 100 ff.; eingehend Hillenkamp, 40 Probleme, BT, 31. Problem, S. 159 f. 14 Welzel, Strafrecht, § 54 S. 372; Foth, GA 1966, 33, 42; Franzheim, GA 1960, 269, 276 f.; Gutmann, MDR 1963, 3, 5. 15 Cramer, Vermögensbegriff, S. 91 f., 100 ff.: materialer Vermögensbegriff; auch Lackner/Kühl, StGB, § 263 Rz. 34 f., 35. 16 Welzel, § 54 S. 373; Franzheim, GA 1960, 269, 277; Cramer, Vermögensbegriff, S. 93 f. und 98 f. mit Diff. zur Nichtigkeit; ferner Foth, GA 1966, 33, 45 f.; zur Nichtigkeit auch Samson, JA 1978, 569 u. Bergmann/Freund, JR 1988, 190 f. 17 Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 83 f.; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 132 a.E.; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 143; Saliger in M/R-StGB, § 263 Rz. 158; Lenckner, JZ 1967, 105, 107; Zieschang, FS Hirsch, 1999, S. 831, 837; Wessels/Hillenkamp, BT/2, Rz. 535; auch Rengier, BT/1, § 13 Rz. 121.

Saliger

439

StGB

Betrug

StGB

§ 263 StGB Rz. 130

Strafgesetzbuch

nach dem Nichtigkeitsgrund: Während die Nichtigkeit gem. §§ 134, 138 BGB zur Versagung des Strafrechtsschutzes führen soll, wird eine wirtschaftlich wertvolle Position, die lediglich wegen Formmangels gem. § 125 BGB nichtig ist (z.B. § 311b BGB), für strafrechtlich schützenswert gehalten (auch Rz. 144).1 Ob das Gleiche auch für den unredlichen Besitz (Rz. 142)2 und den Einsatz von Vermögenswerten zu missbilligten Zwecken (Rz. 145 f.)3 gelten soll, ist umstritten. dd) Personaler und normativ-ökonomischer Vermögensbegriff 130

Anders als die bisherigen Vermögensbegriffe, die den Schwerpunkt auf das Recht bzw. die Wirtschaft legen oder beide kombinieren, nimmt der insbesondere von Otto ausgearbeitete personale Vermögensbegriff die Person zum Ausgangspunkt. Vermögen ist danach „eine personal strukturierte Einheit, die die Entfaltung der Person im gegenständlichen Bereich gewährleistet. Sie konstituiert sich in den von der Rechtsordnung anerkannten Herrschaftsbeziehungen der Person zu Objekten (Vermögensgütern)“, die Gegenstand „eines Rechtsgeschäfts ‚Tausch gegen Geld‘ sein können“. Vermögen ist damit „wirtschaftliche Potenz des Rechtssubjekts“ in Gestalt einer Herrschaftsgewalt über Vermögensgüter, personaler Schaden entsprechend Minderung der wirtschaftlichen Potenz des Vermögensträgers als wirtschaftliche Zweckverfehlung. Ein Veräußerungswert ist gleichgültig.4 Ebenfalls beim Herrschaftsgedanken setzt der sog. normativ-ökonomische Vermögensbegriff Hefendehls an mit dem Unterschied, dass die Herrschaft an der Integration von Wirtschaft und Recht, insbesondere am Bilanzrecht ausgerichtet wird. Vermögen als Herrschaft liegt demzufolge immer dann vor, wenn „eine Person über mit der Rechtsordnung vereinbare Potenziale wirtschaftlicher Betätigung mit Hilfe rechtlich (meist zivilrechtlich) anerkannter Durchsetzungsmöglichkeiten nach ihrem Belieben verfügen und externen Störfaktoren effektiv begegnen kann.“5 ee) Stellungnahme: Wirtschaftlicher Vermögensbegriff mit normativer Anpassung

131

Zu folgen ist der Lehre vom wirtschaftlichen Vermögensbegriff mit normativer Anpassung6 als Spielart des juristisch-ökonomischen Vermögensbegriffs.7 Vermögen ist danach die Summe aller geldwerten Güter einer Person, die von der Gesamtrechtsordnung nicht ausdrücklich missbilligt werden (vgl. Rz. 129). Gegen den juristischen Vermögensbegriff spricht, dass er wirtschaftlich eminent relevante Phänomene wie Arbeitskraft, Exspektanzen oder die schadensgleiche Vermögensgefahr nicht erfassen kann und mit der Bestimmung des Schadens als Rechtseinbuße zu einer erheblichen Subjektivierung ohne Berücksichtigung einer Schadenskompensation führt (vgl. Rz. 164 ff.).8 Der personale Vermögensbegriff überzeugt nicht, weil er mit der Konzeption des Schadens als einer Minderung der wirtschaftlichen Potenz des Vermögensträgers ebenfalls einer entgrenzt-subjektivierten Schadensdogmatik Vorschub leistet und damit letztlich nicht mehr Vermögensschutz, sondern reinen Schutz der Dispositionsfreiheit betreibt.9 Gegen den normativ-ökonomischen Vermögensbegriff spricht vor allem seine Orientierung am Bilanzrecht, das wegen seiner Unsicherheiten und Spielräume (Stichwort: Vielzahl der Bewertungsmethoden), die andere Funktion seiner Grundsätze (Stichwort: Vorsichtsprinzip gem. § 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB) und das Fehlen von Bewertungsgrundsätzen für zahlreiche Konstellationen nicht geeignet erscheint, die Konkretisierungsprobleme etwa bei der schadensgleichen Vermögensgefahr (näher Rz. 187 ff.) vollständig zu lösen.10 Vermögens- und Schadensbegriff können demnach im Ausgangspunkt nur wirtschaftlich bestimmt werden.

1 Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 92 f.; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 151; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 160 f.; Lenckner, JZ 1967, 105, 108 f.; Maurach/Schroeder/Maiwald, BT/1, § 45 Rz. 99. I.E. ebenso Hoyer in SK-StGB, § 263 Rz. 127. 2 Für Schutz z.B. Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 140; dagegen Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 95. 3 Für Schutz z.B. Rengier, BT/1, § 13 Rz. 145; dagegen Maurach/Schroeder/Maiwald, § 41 Rz. 101. 4 Otto, BT, § 38 Rz. 7 ff., 8 f.; Otto, Struktur, S. 26 ff., 69 ff., 80 ff.; ferner Alwart, JZ 1986, 564 f.; Geerds, Jura 1994, 309, 320 f.; Winkler, Vermögensbegriff, S. 173 ff., 220 ff. 5 Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 377 ff., 378; Hefendehl, Vermögensgefährdung, S. 117 f. und 166 ff. Ihm folgen z.B. Schünemann in LK-StGB, § 266 Rz. 134: integrierter Vermögensbegriff; Kargl, JA 2001, 714, 716; nahestehend auch Wostry, Schadensbezifferung, 2016, S. 166 ff. 6 Von normativer Schranke sprechen Wessels/Hillenkamp, BT/2, Rz. 535. Der hier verwendete Begriff der normativen Anpassung soll deutlicher die Möglichkeit einschließen, dass der Grundbezug des Vermögens- und Schadensbegriffs zur Rechtsordnung (Rz. 124) im Einzelfall auch kriminalisierend wirken kann, wie der Rückkauf-Fall zeigt (Rz. 128, 170). 7 So bereits Saliger in M/R-StGB, § 263 Rz. 158 f. 8 Zur Kritik vgl. Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 338 ff.; Hoyer in SK-StGB, § 263 Rz. 102 ff.; Lackner in LK-StGB, § 263 Rz. 121; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 128 f.; Samson, JA 1978, 568 f. und JA 1989, 512; einschr. Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 19 ff. 9 Vgl. Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 358 ff.; Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 81; Hoyer in SK-StGB, § 263 Rz. 112 ff.; Lackner in LK-StGB Rz. 124; auch Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 33 f. 10 Krit. Kempf, FS Volk, 2009, S. 240 ff.; Fischer, NStZ-Sonderheft 2009, 14 f.; Rübenstahl, NJW 2009, 2392; Schlösser, NStZ 2009, 665 f.; Schmitt, FS Nobbe, 2009, S. 1023 f.; vgl. auch Brüning, ZJS 2009, 303. Diff. Becker, HRRS 2009, 337 ff. und Joecks, FS Samson, 2010, 366 ff., 372, 374. Zurückhaltung empfehlen Ransiek/Reichling, ZIS 2009, 317. Zust. dagegen Schäfer, JR 2009, 289 f.; verteidigend Hefendehl, FS Samson, 2010, S. 301 ff.; für die Handelsbilanz als Schadensrechner Wostry, Schadensbezifferung, 2016, S. 191 ff., 320 ff.

440

Saliger

Rz. 133 § 263 StGB

Die Bedeutung dieser Maßgabe für die verfassungskonforme Auslegung der Vermögensdelikte am Maßstab des Bestimmtheitsgrundsatzes aus Art. 103 Abs. 2 GG hat vor kurzem der Zweite Senat des BVerfG für die Untreuestrafvorschrift betont. Danach haben ein wirtschaftlicher Vermögens- und Schadensbegriff bei aller Berechtigung normativer Überlegungen – jede Vermögens- (und Schadens-)lehre ist auch normativ – die Aufgabe, eine mit dem Gebot bestimmter Gesetzesauslegung unvereinbare Verschleifung der Tatbestandsmerkmale „Pflichtwidrigkeit“ und „Vermögensnachteil“ zu verhindern.1 Dieses Verschleifungsverbot gilt als allgemeines Verbot der Verschleifung von Tatbestandsmerkmalen2 auch für den Betrug (näher Rz. 149 ff.). Wie mehrere Schadenskonstellationen zeigen (Rz. 193, 195, 215, 219, 222 ff.), besteht auch hier die Gefahr von unzulässigen Verschleifungen zwischen „Täuschung“ und „Vermögensschaden“. Hinsichtlich der Notwendigkeit der Vermittlung des wirtschaftlichen Ausgangspunktes des strafrechtlichen Vermögensbegriffs mit der außerstrafrechtlichen Rechtsordnung verdient der juristisch-ökonomische Vermögensbegriff in der hier vertretenen Anpassungsvariante, die der Missbilligungsvariante nahesteht, den Vorzug. Die Rspr. vermag systematisch nicht zu befriedigen, weil sie den wirtschaftlichen Ausgangspunkt nur punktuell mit der übrigen Rechtsordnung versöhnt.3 Von den Spielarten der juristisch-ökonomischen Vermittlungslehre überzeugt die Anpassungsvariante, weil sie den wirtschaftlichen Ausgangspunkt, der allein stimmige Resultate bei der Saldierung garantiert, weniger rechtlich einschränkt und damit dem Verschleifungsverbot am effektivsten Rechnung trägt. In den Ergebnissen (vgl. Rz. 132 ff., 152 ff., 170, 171 ff., 178 ff., 252) stimmen sie und der primär wirtschaftliche Vermögensbegriff der Rspr. mit normativer Korrektur (Rz. 128) zu großen Teilen überein. b) Einzelne Vermögenspositionen Die Frage, welche Vermögenspositionen unter den Begriff des Vermögens fallen, ist gleichbedeutend mit der 132 Frage nach dem Schutzbereich des Betrugs (Rz. 123).4 Umgekehrt schließt die Frage nach der Schutzwürdigkeit einer Vermögensposition nicht aus, neben begrifflichen Argumenten auch andere Argumente, etwa systematische, in Ansatz zu bringen (vgl. Rz. 146 f.).5 Auf Basis des wirtschaftlichen Vermögensbegriffs mit normativer Anpassung (Rz. 131) ergibt sich für einzelne, wirtschaftsstrafrechtlich relevante Vermögenspositionen Folgendes:6 aa) Subjektive Rechte und Anwartschaften Unproblematisch Bestandteile des Vermögens sind bei wirtschaftlicher Betrachtung alle subjektiven Rechte mit 133 wirtschaftlicher Werthaltigkeit.7 Dazu zählen das Eigentum; schuldrechtliche und dingliche Ansprüche, sofern sie nicht wegen §§ 134, 138 BGB nichtig sind (vgl. Rz. 143);8 Grundbuchpositionen,9 nicht jedoch der Nießbrauch;10 vertragliche und gesetzliche Pfandrechte;11 Ansprüche aus (echten) Verträgen zugunsten Dritter;12 die Beteiligung an einer BGB-Gesellschaft;13 Gestaltungsrechte (Anfechtung, Kündigung, Rücktritt, Minderung etc.), sofern ihre Ausübung über die rechtlichen Wirkung hinaus auch wirtschaftliche Konsequenzen hat;14 echte Immaterialgüter wie Marken- und Patenrechte sowie sonstige gewerbliche Schutzrechte;15 übertragbare und kommerzialisierbare Rechte wie das Namensrecht oder das Recht am eigenen Bild.16 Keinen Vermögenswert haben demgegenüber wirtschaftlich wertlose Forderungen17 und Gegenstände sowie Sachen mit bloßem Affektions-

1 BVerfG v. 23.6.2010 – 2 BvR 2559/08 u.a., NJW 2010, 3209, 3215, Rz. 113, 115 m. Anm. u.a. Saliger, NJW 2010, 3195 sowie w.N. in Rz. 149. 2 BVerfG v. 23.6.2010 – 2 BvR 2559/08 u.a., NJW 2010, 3209, 3211, Rz. 79. Dazu Graf, Vermögensstrafrecht, S. 120 ff. 3 Vgl. Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 131; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 143; ferner etwa Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 24 ff. 4 Vgl. Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 78 f. 5 Vgl. Graul, JR 1991, 435 f. zur Frage der Einordnung von staatlichen Geldsanktionen. 6 S. schon Saliger in M/R-StGB, § 263 Rz. 161 ff. 7 Lackner/Kühl, StGB, § 263 Rz. 34; Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 85; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 154; Fischer, StGB, § 263 Rz. 91; Wessels/Hillenkamp, BT/2, Rz. 535. A.A. – ohne Einschränkung auf Werthaltigkeit – Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 228 ff. 8 Fischer, StGB, § 263 Rz. 91; Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 85; Wessels/Hillenkamp, BT/2, Rz. 535. 9 Vgl. OLG Stuttgart v. 14.3.1985 – 3 Ss (14) 823/84, NStZ 1985, 365 f. 10 LG Tübingen v. 28.11.2007 – 1 Qs 172/07, NStZ-RR 2008, 110, 111. 11 BGH v. 22.9.1983 – 4 StR 376/83, BGHSt 32, 88, 91 m. Anm. Jakobs, JR 1984, 385; Otto, JZ 1984, 143 und Bespr. Joerden, JuS 1985, 20; Lackner/Kühl, StGB, § 263 Rz. 34; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 154. Einschr. Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 449. 12 RG v. 15.3.1883 – 343/83, RGSt 8, 164, 167; RG v. 6.6.1932 – III 422/32, RGSt 66, 281, 288; Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 228. 13 BGH v. 14.11.1978 – 5 StR 546/78, GA 1979, 271; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 149. 14 Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 154; Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 85; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 149. 15 Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 143; Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 228; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 149. 16 Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 453; Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 228; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 156. 17 BGH v. 17.8.2006 – 3 StR 279/06, NStZ 2007, 95, 96 zu § 253.

Saliger

441

StGB

Betrug

StGB

§ 263 StGB Rz. 134

Strafgesetzbuch

wert.1 Auch Gegenstände „ohne fassbaren wirtschaftlichen Wert“ sollen nach h.M. aus dem strafrechtlichen Vermögensschutz ausscheiden2 wie z.B. Personalausweise3 oder Führerscheine.4 134

Vermögenswert besitzen nach einhelliger Meinung auch Anwartschaften, sofern sie sich zu Anwartschaftsrechten i.S.d. bürgerlichen oder öffentlichen Rechts verdichtet haben.5 Beispiele sind die Anwartschaften aufgrund eines Vorkaufsrechts,6 aus Eigentumsvorbehalt oder Sicherungsübereignung,7 aus einer bindenden Offerte,8 aus dem Besitz von Bezugsscheinen zum Erwerb von Sachen oder Rechten9 oder aus der Vermittlungstätigkeit eines Maklers.10 bb) Vermögenswerte Exspektanzen (1) Grundsätze

135

Konsequenz der wirtschaftlichen Betrachtungsweise ist, dass auch tatsächliche vermögenswerte Exspektanzen (Erwerbs-, Gewinnaussichten, „tatsächliche Anwartschaften“) zum strafrechtlich geschützten Vermögen gehören. Diese Konsequenz ist mit dem Grundsatz, dass der Betrug nur vor dem Ärmer-Werden schützt (Rz. 1), vereinbar, weil die vermögenswerte Exspektanz bereits zum gegenwärtigen Vermögen zählt und ihre täuschungsbedingte Vereitelung daher eine Verletzung des Vermögensbestands bedeutet.11 Eine betrugstaugliche vermögenswerte Exspektanz liegt nach h.M. vor, wenn sich eine faktisch vermögensbezogene Position aufgrund der konkreten Umstände des Einzelfalls derart verfestigt hat, dass ihr der Geschäftsverkehr schon aktuell deswegen messbaren wirtschaftlichen (Geld-)Wert beimisst, weil sie mit Wahrscheinlichkeit einen Vermögenszuwachs erwarten lässt.12 Die Feststellung ist Tatfrage.13 Allgemeine und unbestimmte Aussichten genügen ebenso wenig wie flüchtige, wirtschaftlich noch nicht fassbare Hoffnungen und höchst ungewisse Erwerbschancen.14 Hinsichtlich des Grades der Wahrscheinlichkeit des zu erwartenden Vermögenszuwachses existieren sowohl in der Rspr.15 als auch innerhalb der Vertreter des wirtschaftlichen Vermögensbegriffs mit normativer Schranke16 teilweise engere Formulierungen. Jenseits des quantitativen Ansatzes der h.M. finden sich zahlreiche alternativ qualitative, überwiegend auf abweichenden Vermögensbegriffen beruhende Konzeptionen.17 Im Vordringen begriffen ist der Ansatz von Hefendehl, der auf der Grundlage eines normativ-ökonomischen Vermögensbegriffs unter Heranziehung bilanzrechtlicher Regeln eine vermögenswerte Exspektanz nur bei einer (meist zivil-)rechtlichen Herrschaft des Inhabers annimmt, die die störungsfreie Möglichkeit der

1 Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 155; Samson, JA 1978, 569. 2 Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 98; Fischer, StGB, § 263 Rz. 97; Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 229; Satzger in S/S/WStGB, § 263 Rz. 156. Krit. Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 155. 3 BGH v. 28.7.2008 – 4 StR 255/09, NStZ 2009, 694; BayObLG v. 15.5.1979 – RReg. 2 St 445/78, NJW 1979, 2218. 4 Vgl. BGH v. 14.10.1982 – 4 StR 517/82, bei Holtz, MDR 1983, 92 für § 259. 5 Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 86; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 134; Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 231. 6 BGH v. 23.3.1976 – 5 StR 82/76, NJW 1977, 155 m. Anm. Schudt und Lackner/Werle, JR 1978, 299. 7 RG v. 4.4.1933 – VII 21/33, RGZ 140, 223, 225; Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 96; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 134. 8 RG v. 9.2.1931 – IV 320/30, RGZ 132, 6, 7; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 98; Cramer/Perron in S/S-StGB, Rz. 86; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 134. 9 RG v. 6.1.1941 – 3 D 782/40, RGSt 75, 61, 62; BGH v. 16.12.1963 – GSSt 1/63, BGHSt 19, 206, 216; Kindhäuser in NKStGB, § 263 Rz. 231. 10 BGH v. 21.12.1982 – 1 StR 662/82, BGHSt 31, 178, 179 f. m. Anm. Lenckner, NStZ 1983, 409 (zust.) und Bloy, JR 1984, 123 (abl.) sowie Bespr. Maaß, JuS 1984, 25; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 134; Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 231; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 147. 11 BGH v. 18.7.1961 – 1 StR 606/60, BGHSt 16, 220, 223 f.; BGH v. 9.3.1976 – 1 StR 610/75, GA 1978, 332, 333; Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 244; Wessels/Hillenkamp, BT/2, Rz. 535; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 135; Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 382 ff. 12 RG v. 28.10.1940 – 2 D 466/40, RGSt 74, 316 f.; BGH v. 15.11.1951 – 4 StR 574/51, BGHSt 2, 364, 367; BGH v. 20.2.1962 – 1 StR 496/61, BGHSt 17, 147, 148, BGH v. 9.3.1976 – 1 StR 610/75, GA 1978, 332, 333; BGH v. 23.9.1980 – 5 StR 188/80, bei Holtz, MDR 1981, 100; BGH v. 29.1.1997 – 2 StR 633/96, wistra 1997, 144, 145; BGH v. 9.6.2004 – 5 StR 136/04, NJW 2004, 2603, 2604; BGH v. 1.11.1988 – 5 StR 259/88, BGHR StGB § 263 Abs. 1 Stoffgleichheit 4, S. 2; OLG Stuttgart v. 25.10.2006 – 2 Ss 475/06, NStZ-RR 2007, 347 f.; Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 87; Saliger in M/RStGB, § 263 Rz. 163; Lackner/Kühl, StGB, § 263 Rz. 34; Rengier, BT/1, § 13 Rz. 123. 13 BGH v. 20.2.1962 – 1 StR 496/61, BGHSt 17, 147, 148; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 135. 14 BGH v. 20.2.1962 – 1 StR 496/61, BGHSt 17, 147, 148; BGH v. 9.3.1976 – 1 StR 610/75, GA 1978, 332, 333; BayObLG v. 12.10.1993 – 3 St RR 108/93, NJW 1994, 208; OLG Stuttgart v. 18.9.1998 – 2 Ss 400–98, NJW 1999, 1564, 1566; Fischer, StGB, § 263 Rz. 93; Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 87 f.; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 135. 15 Vgl. RG v. 4.12.1939 – 2 D 494/39, RGSt 73, 382: „sichere Aussicht“; BGH v. 18.7.1961 – 1 StR 606/60, BGHSt 16, 220, 223: „tatsächliche Anwartschaft von solcher Gewissheit“, dass sie dem Vermögen zuzurechnen ist; OLG Stuttgart v. 18.9.1998 – 2 Ss 400–98, NJW 1999, 1564, 1566: gesicherte Erwerbsposition. 16 Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 135: hinreichende Wahrscheinlichkeit; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 147: größte Wahrscheinlichkeit. 17 Vgl. Hoyer in SK-StGB, § 263 Rz. 122; Otto, Struktur, S. 46 f.; vgl. aber auch Otto, BT, § 51 Rz. 85, wo er dem Ansatz von Hefendehl zustimmt; zu diesen Ansätzen Saliger in M/R-StGB, § 263 Rz. 164.

442

Saliger

Rz. 136 § 263 StGB

Entwicklung eines Zustands zum Vollwert beinhaltet (zur Kritik Rz. 131).1 Auf Basis eines primär wirtschaftlichen Vermögensbegriffs mit normativer Schranke (Rz. 131 f.) wird man teils abweichend von der h.M., weil restriktiver, Folgendes fordern müssen:2 Erstens scheiden faktisch vermögensbezogene Positionen als Exspektanzen aus, die aufgrund ihrer Missbilligung durch die Gesamtrechtsordnung rechtlich illegitim sind.3 Zweitens muss das quantitative Wahrscheinlichkeitsmoment der h.M. in Richtung einer hohen Wahrscheinlichkeit der Gewinnaussicht verschärft werden,4 um der Gefahr zu begegnen, dass der Betrug über zu weiche Anforderungen an die Exspektanz von einem Vermögensbestandsdelikt in ein Vermögensfreiheitsdelikt umgeformt wird, das auch vor dem „Nicht-Reicher-Werden“ schützt (vgl. Rz. 1).5 Drittens bedarf der auf Basis eines primär wirtschaftlichen Vermögensbegriffs grundsätzlich zutreffende quantitative Ansatz aus Gründen der Bestimmtheit (Art. 103 Abs. 2 GG) der weiteren Eingrenzung durch einen Katalog von Indizien für die hohe Wahrscheinlichkeit. Von Bedeutung sind hier vor allem: das Bestehen rechtlicher Verfahren für die Entstehung der Exspektanz; der Grad der Verkehrsfähigkeit (Kommerzialisierung) der Gewinnaussicht; die Existenz signifikanter externer Störfaktoren.6 (2) Von der Rechtsprechung anerkannte Exspektanzen Die Rspr. hat als schützenswerte Exspektanzen u.a. anerkannt: fester Kundenstamm (nicht Laufkundschaft) 136 oder Lieferantenkreis eines Kaufmanns;7 durch starre Marktlage8 gesicherte Aussicht, die günstig erworbene Ware zu einem höheren Inlandspreis9 oder Endverbraucherpreis absetzen zu können (Rabattbetrug; auch Rz. 161);10 Aussicht auf Leistung aus einem unechten Vertrag zugunsten Dritter;11 die aufgrund der Bewertung der Leistungen durch den Vertragspartner deutlich gewordene Möglichkeit eines vorteilhaften Vertragsschlusses;12 die gesicherte Aussicht auf Zuteilung bewirtschafteter Ware13 und Verleihung einer Stelle,14 insbesondere einer Lehrerstellung zum Nachteil anderer Lehramtskandidaten;15 die begründete Aussicht von Bewerbern, im Wettbewerb um einen Auftrag in einem geordneten Verfahren nach bestimmten Regeln den Zuschlag zu erhalten (Submissionsbetrug; auch Rz. 225 ff.);16 Gewinnchance aufgrund Los- oder Wettscheinbesitzes;17 die Aussicht auf Zugehörigkeit zur Bundesliga für ein weiteres Jahr (str.);18 die Aussicht ehrlicher Zeichner, ohne Täuschung des Nichtberechtigten Aktien gemäß einem Verteilungsschlüssel zugeteilt zu bekommen (str.);19 die 1 Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 391 ff.; Hefendehl, Vermögensgefährdung, S. 115 ff., 199 ff.; zust. Otto, BT, § 52 Rz. 85; nahestehend, wenngleich nicht so eng, Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 245 und Wessels/Hillenkamp, BT/2, Rz. 535. 2 Saliger in M/R-StGB, § 263 Rz. 164. 3 So auch z.B. Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 245; Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 392; Wessels/Hillenkamp, BT/2, Rz. 535. 4 Ähnlich Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 147. 5 Zu dieser Gefahr Otto, Struktur, S. 46 f. 6 Weitgehend übereinstimmend Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 245; auch Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 135. Zum Begriff der externen Störfaktoren s. Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 392, 405; Hefendehl, Vermögensgefährdung, S. 117 f. 7 RG v. 22.10.1894 – 2694/94, RGSt 26, 227, 228 f.; RG v. 14.12.1910 – II 1214/10, RGSt 44, 230, 234; RG v. 28.10.1940 – 2 D 466/40, RGSt 74, 316 f.; auch BGH v. 15.11.1951 – 4 StR 574/51, BGHSt 2, 364, 367; BGH v. 20.2.1962 – 1 StR 496/61, BGHSt 17, 147, 148; BGH v. 27.2.1975 – 4 StR 571/74, NJW 1975, 1234, 1235 zu § 266; Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 88; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 135. 8 KG v. 12.5.2004 – (5) 1 Ss 508/03 (3/04), StraFo 2004, 285 f. – RBV-Fall; dort verneint. 9 BGH v. 23.9.1980 – 5 StR 188/80, bei Holtz, MDR 1981, 100 (dort bejaht). 10 Vgl. BGH v. 9.6.2004 – 5 StR 136/04, NJW 2004, 2603, 2604 f. – Mercedes-Fall, dort verneint; OLG Stuttgart v. 25.10.2006 – 2 Ss 475/06, NStZ-RR 2007, 347, 348; dort verneint; ebenfalls verneint in BGH v. 14.6.1991 – 3 StR 155/91, NJW 1991, 2573 f. (Continental-Fall). Näher Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 424 ff. 11 OLG Stuttgart v. 10.11.1961 – 1 Ss 767/61, NJW 1962, 502, 503. 12 Vgl. BGH v. 28.1.1983 – 1 StR 820/81, BGHSt 31, 232, 235 zu § 266. 13 RG v. 10.7.1917 – V 353/17, RGSt 51, 204; auch BGH v. 20.2.1962 – 1 StR 196/61, BGHSt 17, 147, 148 und OLG Hamburg v. 6.6.1962 – Ss 355/61, NJW 1962, 1407, 1408. 14 RG DRiZ 1932, Nr. 755; auch BGH v. 20.2.1962 – 1 StR 196/61, BGHSt 17, 147, 148; einschränkend Perron in S/SStGB, § 263 Rz. 88. 15 OLG Oldenburg, NdsRpfl. 1948, 95; auch OLG Hamburg v. 6.6.1962 – Ss 355/61, NJW 1962, 1407, 1408. 16 RG v. 4.12.1939 – 2 D 494/39, RGSt 73, 382, 384; BGH v. 20.2.1962 – 1 StR 196/61, BGHSt 17, 147, 148 f.; BGH v. 10.6.1952 – GS Z 2/52, NJW 1952, 972; BGH v. 1.11.1988 – 5 StR 259/88, BGHR StGB § 263 Abs. 1 Stoffgleichheit 4; Fischer, StGB, § 263 Rz. 92; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 135; Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 88; Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 406 ff. 17 BGH v. 3.11.1955 – 3 StR 172/55, BGHSt 8, 289, 291 f.; BGH v. 15.12.2006 – 5 StR 181/06, BGHSt 51, 165, 175; Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 90; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 135; Fischer, StGB, § 263 Rz. 92. Zur streitigen Einordnung der Aussicht auf Teilnahme an einem Geschicklichkeitsspiel, das tatsächlich ein Glückspiel ist, bejahend Noltenius, wistra 2008, 290 und verneinend Becker/Ulbrich/Voß, MMR 2007, 153. 18 Vgl. BGH v. 27.2.1975 – 4 StR 571/74, NJW 1975, 1234, 1235 m. krit. Bespr. Schreiber/Beulke, JuS 1977, 659. 19 BGH v. 18.7.1963 – 1 StR 130/63, BGHSt 19, 37, 42 ff.; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 135; Hefendehl in MüKoStGB, § 263 Rz. 407; Maurach/Schroeder/Maiwald, § 41 Rz. 104. A.A. OLG Hamburg v. 6.6.1962 – Ss 355/61, NJW 1962, 1407, 1408 m. abl. Anm. Schröder und Maurach, NJW 1961, 625; OLG Celle v. 30.8.1962 – 1 Ss 248/62, NJW 1963, 263.

Saliger

443

StGB

Betrug

StGB

§ 263 StGB Rz. 137

Strafgesetzbuch

Vermietbarkeit eines Hauses1 (zwh.); Zulassung zur Rechtsanwaltschaft im Hinblick auf die Verteilung der PKH-Sachen auf die zugelassenen Anwälte,2 was indes zweifelhaft ist, wenn zugleich und mit Recht in der Erschleichung einer kassenärztlichen Zulassung nur eine straflose Vorbereitung zum späteren Abrechnungsbetrug gesehen wird.3 Die Aussicht auf Begleichung der Ansprüche von Baugläubigern nach § 1 BauFordSiG wird im Schrifttum als vermögenswerte Exspektanz bejaht.4 (3) Von der Rechtsprechung verneinte Exspektanzen 137

Verneint hat die Rspr. eine vermögenswerte Exspektanz u.a. für folgende Fälle: Chance auf Abschluss eines Kaufvertrages ohne verbindliche Vorverhandlungen5 – anders bei ernsthaftem Angebot;6 vorvertragliche Zusicherung auf Lieferung einer Sache mit zugesicherter Eigenschaft;7 Erwartung einer gewinnbringenden, vom Kaufinteressenten abhängenden Verkaufsmöglichkeit;8 Erwartung einer Mietvorauszahlung bei Pkw-Vermietung;9 Zusendung von Gratisbriefmarken in der Hoffnung auf weitere Bestellungen;10 Gewinnerwartungen aus einem für den Käufer günstigen Kaufvertrag;11 spekulative Zins- und Gewinnerwartungen12 sowie Gewinnchance bei hochspekulativer Kapitalanlage;13 die Aussicht auf eine Restitutionsentscheidung des Gesetzgebers;14 progressive Kundenwerbung, wenn die Realisierbarkeit von über die geschuldete Vertragsleistung hinausgehenden Erwartungen (Aussicht auf Schaffung einer eigenen wirtschaftlichen Existenz) in erster Linie von den Erfolgsbemühungen des Kunden abhängt (str.).15 cc) Betriebs-, Geschäfts- und Berufsgeheimnisse

138

Vermögenswert kommt auch Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen zu, die zwar nicht zu einem subjektiven Vermögensrecht verdichtet sind,16 aber durch Rechtsnormen (z.B. §§ 1, 17 ff. UWG, 404 AktG, 85 GmbHG, 826 BGB) sowohl anerkannt und geschützt wie auch geldwert und verkehrsfähig (handelbar) sind.17 Das gilt wegen Missbilligung durch die Rechtsordnung nicht, soweit die Unternehmensgeheimnisse auf strafbare Weise unter Verstoß gegen §§ 17, 18 UWG erlangt worden sind.18 Zum strafrechtlich geschützten Vermögen gehört dagegen das technische oder wirtschaftliche Know-How eines Unternehmens als Immaterialwert, da es, obgleich nur der Tendenz nach von der Zivilrechtsprechung als Recht i.S.d. § 823 BGB anerkannt,19 jedenfalls Geldwert hat und Gegenstand von selbständigen Übertragungsverträgen (Franchise) ist.20 Berufsgeheimnisse scheiden als Ausdruck von strafbewehrten Verschwiegenheitspflichten (§§ 203, 353b) mangels Verkehrfähigkeit aus dem Kreis des strafrechtlich geschützten Vermögens aus.21 Auch soweit Berufsgeheimnisse insbesondere bei Ärzten oder Rechtsanwälten die Grundlage ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit bilden, geht es aus vermögensstrafrechtlicher Sicht weniger um einen selbständigen Schutz des Berufsgeheimnisses, als vielmehr um einen Schutz des Patientenund Mandantenstammes, der bereits als vermögenswerte Exspektanz unter § 263 fällt (Rz. 136).22

1 LG Mannheim v. 7.10.1976 – 2 Ns 98/76, NJW 1977, 160 m. abl. Anm. Beulke, NJW 1977, 1073; zweifelnd auch Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 136. 2 OLG Celle, NdsRpfl. 1947, 45; auch OLG Hamburg v. 6.6.1962 – Ss 355/61, NJW 1962, 1407, 1408. 3 BGH v. 6.7.1993 – 1 StR 280/93, NStZ 1994, 236, 237; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 135; auch Kindhäuser in NKStGB, § 263 Rz. 243. 4 Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 136; Lemme, wistra 1998, 42. 5 RG v. 12.10.1885 – 2278/85, RGSt 13, 8, 9. 6 OLG Bremen v. 5.12.1988 – Ss 85/87, NStZ 1989, 228, 229. 7 BGH v. 18.7.1961 – 1 StR 606/60, BGHSt 16, 220, 223. 8 OLG Celle v. 6.12.1995 – 2 Ss 419/95, StV 1996, 154, 155: Überlassung von Teppichen zur Ansicht. 9 BGH v. 11.4.1985 – 4 StR 162/85, NJW 1985, 2428. 10 BayObLG v. 12.10.1993 – 3 St RR 108/93, NJW 1994, 208 m. abl. Bespr. Hilgendorf, JuS 1994, 466. 11 OLG Düsseldorf v. 17.3.1993 – 2 Ss 72/93, NJW 1993, 2694, 2695 m. krit. Anm. Ranft, JR 1994, 523. 12 BGH v. 29.11.1995 – 5 StR 495/95, NStZ 1996, 191. 13 OLG Köln v. 8.2.2000 – Ss 40/00, NStZ 2000, 481 f. – Renditen bis zu 200 %. 14 OLG Karlsruhe v. 17.1.1996 – 1 Ws 107/95, JR 1997, 299, 301 m. Anm. Kindhäuser und Bespr. Fahl, JA 1998, 361. 15 BGH v. 9.3.1976 – 1 StR 610/75, GA 1978, 332, 333; LG Fulda v. 15.12.1983 – 27 Js 7608/81 a KLs, wistra 1984, 188, 189 m. Anm. Möhrenschlager; Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 438; Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 87a.A.A. OLG Frankfurt v. 22.5.1985 – 5 Ws 10/84, wistra 1986, 31, 34. 16 Lackner in LK-StGB Rz. 141. 17 Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 142; Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 235; Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 455; Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 85; Saliger in M/R-StGB, § 263 Rz. 167. 18 Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 455; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 142; Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 235. 19 Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 457; auch Cramer, Vermögensbegriff, S. 108 Fn. 220. 20 Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 143; Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 457; Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 235; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 149; Cramer, Vermögensbegriff, S. 108. 21 Str., wie hier: Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 154; Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 235; auch Tiedemann in LKStGB, § 263 Rz. 144; Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 456. A.A. Lackner in LK-StGB Rz. 141. 22 Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 144.

444

Saliger

Rz. 140 § 263 StGB

dd) Nicht durchsetzbare Forderungen (insbesondere Naturalobligationen) Auf Basis einer grundsätzlich wirtschaftlichen Betrachtung zählen nach h.M. mit Recht auch nicht (unein- 139 geschränkt) durchsetzbare oder einer Kondiktion ausgesetzte Forderungen zum strafrechtlich geschützten Vermögen, sofern sie wirtschaftlich werthaltig sind (str.).1 Das hängt vor allem von der freiwilligen Erfüllungsbereitschaft des Schuldners ab,2 so dass die Forderung wirtschaftlich wertlos ist, wenn feststeht, dass der Schuldner nicht leistet.3 Vermögenswert haben danach klaglose Forderungen (§ 1297 Abs. 1 BGB),4 unvollkommene Verbindlichkeiten (§§ 656, 762 BGB)5 und verjährte Forderungen (Naturalobligationen).6 Das Gleiche soll gelten für Vollstreckungschancen wie die Möglichkeit, aus einer aufgrund eines vorläufig vollstreckbaren Urteils vorgenommenen Pfändung zu vollstrecken, auch wenn die dem Gläubiger zugesprochene Forderung nicht besteht und die Klage später abgewiesen wird.7 Auf einen unzulässigen Schutz bloßer Dispositionsfreiheit (vgl. Rz. 1 und Rz. 155), der nicht erst bei der fehlenden Rechtswidrigkeit des Vermögensvorteils zu korrigieren ist (vgl. Rz. 253),8 läuft dagegen die abzulehnende Auffassung hinaus, dass einen Vermögensschaden erleidet, wer täuschungsbedingt mit Rücksicht z.B. auf seine gesellschaftliche Stellung oder seine Geschäftsverbindungen eine Naturalobligation erfüllt.9 ee) Arbeitsleistung Auf Basis einer wirtschaftlichen Betrachtung kommt auch die Arbeitsleistung im Unterschied zur Arbeitskraft 140 als Vermögensbestandteil in Betracht. Die Arbeitskraft als solche, verstanden als abstrakte Fähigkeit des Menschen, durch den Einsatz geistiger oder körperlicher Kräfte Leistungen von wirtschaftlichem Wert zu erbringen, ist wegen ihrer Personengebundenheit nicht verkehrsfähig und damit kein tauglicher Vermögensbestandteil.10 Dagegen gehört die Arbeitsleistung, die von einer Person im konkreten Fall aufgrund der ihr zur Verfügung stehenden Arbeitskraft mit dem Ziel der Schaffung wirtschaftlicher Werte erbracht worden ist, jedenfalls dann zum geschützten Vermögen i.S.v. § 263, wenn die Tätigkeit üblicherweise nur gegen Entgelt erfolgt.11 Das ist insbesondere der Fall bei Erbringung der persönlichen Dienstleistung aufgrund einer entgeltlichen Vertragsbeziehung – in aller Regel ein Dienst-, Arbeits- oder Werkvertrag – zwischen Täter und Opfer (Arbeitsbetrug). Insoweit greifen die allgemeinen Regeln des Eingehungsbetruges (Rz. 200 ff.).12 Der Vermögensschaden des Betroffenen liegt darin, dass er mit der vertraglichen Bindung über seine Arbeitskraft nicht mehr frei verfügen kann.13 Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Betroffene die Möglichkeit eines anderweitigen gewinnbringenden Einsatzes seiner Arbeitskraft gehabt hat.14 Da entscheidend ist, ob die mit wirtschaftlicher Zielsetzung erbrachte Arbeitsleistung auf dem Markt gegen Entgelt erfolgt, ist Betrug auch bei einer Arbeitsleistung ohne 1 RG v. 14.12.1910 – II 1214/10, RGSt 44, 230, 234; BGH v. 15.11.1951 – 4 StR 574/51, BGHSt 2, 364, 367; Perron in S/SStGB, § 263 Rz. 91; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 149; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 150; Wessels/Hillenkamp, BT/2, Rz. 535. A.A. Fischer, StGB, § 263 Rz. 98; Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 232 f. 2 RG v. 20.3.1903 – 5935/02, RGSt 36, 205, 208; RG v. 7.12.1906 – V 473/06, RGSt 40, 21, 29; RG v. 14.12.1910 – II 1214/10, RGSt 44, 230, 234; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 149; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 150. 3 Vgl. RG v. 20.3.1903 – 5935/02, RGSt 36, 205, 208; RG v. 7.12.1906 – V 473/06, RGSt 40, 21, 29; BGH v. 17.8.2006 – 3 StR 279/06, NStZ 2007, 95, 96; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 149. 4 Vgl. RG v. 14.12.1910 – II 1214/10, RGSt 44, 230, 234; BGH v. 15.11.1951 – 4 StR 574/51, BGH v. 15.11.1951 – 4 StR 574/51, BGHSt 2, 364, 367; Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 91. 5 BGH v. 15.11.1951 – 4 StR 574/51, BGHSt 2, 364, 367; BGH v. 15.12.2006 – 5 StR 181/06, BGHSt 51, 165, 178 f.; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 150; Hoyer in SK-StGB, § 263 Rz. 126. 6 BGH v. 15.11.1951 – 4 StR 574/51, BGHSt 2, 364, 367; Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 91; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 149. 7 Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 458; i.E. auch Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 91; A.A. OLG Hamm v. 25.10.1955 – 3 Ss 907/55, NJW 1956, 194. 8 So aber Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 150. 9 Str., wie hier: Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 233; Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 458; Welzel, Strafrecht, § 54 S. 375; auch Fischer, StGB, § 263 Rz. 98. A.A. RG v. 30.1.1931 – I 1387/30, RGSt 65, 106, 109; Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 91; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 150. 10 BGH v. 18.1.2001 – 4 StR 315/00, NJW 2001, 981; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 138; Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 441; Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 236; Heinrich, GA 1997, 25 f. 11 RG v. 14.12.1910 – II 1214/10, RGSt 44, 230, 234 f.; RG v. 29.10.1934 – 3 D 1082/34, RGSt 68, 379, 380; BGH v. 18.9.1997 – 5 StR 331/97, NStZ 1998, 85; BGH v. 28.4.1987 – 5 StR 566/86, BGHR StGB § 263 Abs. 1 Vermögen; BGH v. 18.1.2001 – 4 StR 315/00, NJW 2001, 981. Zum Begriff der Arbeitsleistung im Unterschied zur Arbeitskraft Heinrich, GA 1997, 25 f., 26; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 138; Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 236; Cramer, Vermögensbegriff, S. 237 ff., 241. 12 RG v. 29.10.1934 – 3 D 1082/34, RGSt 68, 379, 380 m. Anm. Mezger, JW 1935, 288; BGH v. 18.1.2001 – 4 StR 315/00, NJW 2001, 981; Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 96; Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 236; Hoyer in SK-StGB, § 263 Rz. 130; Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 442; Heinrich, GA 1997, 28 f.; Wessels/Hillenkamp, BT/2, Rz. 535; Cramer, Vermögensbegriff, S. 238 f. 13 RG v. 29.10.1934 – 3 D 1082/34, RGSt 68, 379, 380; BGH v. 18.1.2001 – 4 StR 315/00, NJW 2001, 981; Fischer, StGB, § 263 Rz. 100. 14 RG v. 29.10.1934 – 3 D 1082/34, RGSt 68, 379, 380; BGH v. 18.1.2001 – 4 StR 315/00, NJW 2001, 981; auch BGH v. 18.9.1997 – 5 StR 331/97, NStZ 1998, 85; ferner Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 236; Fischer, StGB, § 263 Rz. 100; Heinrich, GA 1997, 29; Cramer, Vermögensbegriff, S. 246.

Saliger

445

StGB

Betrug

StGB

§ 263 StGB Rz. 141

Strafgesetzbuch

Vertrag möglich, so wenn der Täter sich als Vertragspartner des Arbeiters ausgibt und dessen Arbeitsleistung zu seinem Vorteil entgegennimmt.1 141

Nach zutreffender h.M. nicht Vermögensbestandteil ist die Arbeitsleistung, die zu sitten- oder rechtswidrigen, insbesondere strafbaren Zwecken eingesetzt wird.2 Das trifft etwa zu auf die Arbeitsleistung des Auftragskillers,3 die – mangels messbaren wirtschaftlichen Wertes – Mitwirkung an einer Straftat,4 die unerlaubte Übergabe von Betäubungsmitteln,5 oder die Begehung eines Diebstahls.6 Diese von der Rspr. selbst gebilligte „Ausnahme“ (Rz. 127 f.) von der wirtschaftlichen Betrachtung ist im Hinblick auf die Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung geboten (vgl. Rz. 131; zu den Asymmetrien bei der Beurteilung des Einsatzes von Vermögenswerten zu sittenwidrigen oder rechtswidrigen Zwecken aber Rz. 145 f.). Nach Inkrafttreten des ProstG am 1.1.2002 unterfallen auch die Leistung von Telefonsex,7 sexuelle Dienste einer Domina8 oder die Arbeit im Bereich der Pornofilm-Industrie9 dem Vermögensbegriff. ff) Besitz

142

Tauglicher Vermögensbestandteil kann auf wirtschaftlicher Basis nach heute einhelliger Meinung auch der rechtmäßige (mittelbare wie unmittelbare) Besitz als primär faktische Position sein,10 sofern ihm wirtschaftlicher Wert zukommt (Besitzbetrug).11 Denn der Besitz einer Sache ist wirtschaftlich i.d.R. höher zu bewerten als die durch den Besitzverlust ausgelösten Ersatzansprüche.12 Das ist insbesondere dann anzunehmen, wenn die Überlassung des Besitzes im Geschäftsverkehr üblicherweise gegen Geld erfolgt, weil mit der Überlassung Wertminderungen verbunden sind13 oder weil die Sache zur Gewinnerzielung eingesetzt werden kann.14 Insoweit vermag auch der vorübergehende Besitzwechsel eine Vermögensminderung begründen,15 was aber stets im Einzelfall festzustellen ist.16 Die Rspr. hat einen Vermögenswert bejaht u.a. beim Besitz einer EC-Karte mit Kenntnis der Geheimzahl,17 nicht jedoch beim bloßen Besitz an einem Kraftfahrzeugsschein.18 Streitig ist die Behandlung des unrechtmäßigen Besitzes. Die h.M. unterstellt jede Form des Besitzes, sofern ihr wirtschaftlicher Wert zukommt, dem strafrechtlichen Vermögensbegriff unabhängig davon, ob der Besitz rechtmäßig oder rechtswidrig erworben wurde und ob der (unrechtmäßige) Besitzer beim Besitzerwerb gut- oder bösgläubig war.19 Dabei ist 1 Str., wie hier: Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 96; Saliger in M/R-StGB, § 263 Rz. 169; Heinrich, GA 1997, 29 ff., 30; A.A. Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 442. 2 Str., wie hier: RG v. 30.10.1890 – 2222/90, RGSt 21, 161; BGH v. 2.5.2001 – 2 StR 128/01, NStZ 2001, 534 zu § 253; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 138; Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 237; Fischer, StGB, § 263 Rz. 106; Saliger in M/R-StGB, § 263 Rz. 170; Lackner/Kühl, StGB, § 263 Rz. 34; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 159; Hecker, JuS 2001, 230 f., 233; Bergmann/Freund, JR 1988, 190; Wessels/Hillenkamp, BT/2, Rz. 535; Rengier, BT/1, § 13 Rz. 130 ff. A.A. Krey/Hellmann, BT/2, Rz. 439, 441; Arzt in A/W/H/H, BT, § 20 Rz. 120. 3 Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 97; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 138; Lackner in LK-StGB Rz. 140; Fischer, StGB, § 263 Rz. 106; Zieschang, FS Hirsch, 1999, S. 846; Hecker, JuS 2001, 230 f., 233. 4 Vgl. BGH v. 2.5.2001 – 2 StR 128/01, NStZ 2001, 534 zu § 253; LG Regensburg v. 26.4.2005 – 3 Ns 112 Js 14307/01, NStZ-RR 2005, 312; Rengier, BT/1, § 13 Rz. 131. 5 Vgl. BGH v. 7.8.2003 – 3 StR 137/03, BGHSt 48, 322, 327 zu § 253; LG Regensburg v. 26.4.2005 – 3 Ns 112 Js 14307/01, NStZ-RR 2005, 312. 6 Vgl. BGH v. 27.11.2008 – 2 StR 421/08, NStZ-RR 2009, 106, 107 zu § 253; dazu Fischer, StGB, § 263 Rz. 106; Rengier, BT/1, § 13 Rz. 131. 7 Vgl. BGH v. 8.11.2007 – III ZR 102/07, NJW 2008, 140, 141 – m. zust. Anm. Stadler, JA 2008, 384 – zu den Entgeltansprüchen für vereinbarte Telefonsexdienstleistungen und auch zur „klassischen“ Prostitution; vgl. aber BGH v. 18.1.2011 – 3 StR 467/10, JZ 2012, 100 m. abl. Anm. Eckstein; ferner Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 159; Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 237; Gaede in AnwK-StGB, § 263 Rz. 77. 8 BGH v. 2.2.2016 – 1 StR 435/15, NStZ 2016, 283, 284. 9 Fischer, StGB, § 263 Rz. 107b; Gaede in AnwK-StGB, § 263 Rz. 77. 10 BGH v. 5.7.1960 – 5 StR 80/60, BGHSt 14, 386, 388 f.; OLG Celle v. 6.12.1995 – 2 Ss 419/95, StV 1996, 154, 155; Wessels/Hillenkamp, BT/2, Rz. 535. 11 RG v. 14.12.1910 – II 1214/10, RGSt 44, 230, 235; Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 94; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 140; Lackner/Kühl, StGB, § 263 Rz. 34; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 146; Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 447. 12 Vgl. BGH v. 5.7.1960 – 5 StR 80/60, BGHSt 14, 386, 389. 13 Vgl. BGH v. 17.10.1961 – 1 StR 382/61, BGHSt 16, 280, 281; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 146; Tiedemann in LKStGB, § 263 Rz. 191. 14 Vgl. BGH v. 5.7.1960 – 5 StR 80/60, BGHSt 14, 386, 389. 15 BGH v. 17.10.1961 – 1 StR 382/61, BGHSt 16, 280, 281. 16 Vgl. OLG Celle v. 6.12.1995 – 2 Ss 419/95, StV 1996, 154, 155; vgl. auch Cramer, Vermögensbegriff, S. 233 ff. 17 BGH v. 17.8.2004 – 5 StR 197/04, NStZ-RR 2004, 333, 334 zu § 253; OLG Jena v. 20.9.2006 – 1 Ss 226/06, wistra 2007, 236, 237; Saliger in M/R-StGB, § 263 Rz. 122. 18 BGH v. 18.11.1971 – 4 StR 368/71, VRS 42, 110, 111. 19 RG v. 14.12.1910 – II 1214/10, RGSt 44, 230, 248; BGH v. 15.11.1951 – 4 StR 574/51, BGHSt 2, 364, 365; BGH v. 17.11.1955 – 3 StR 234/55, BGHSt 8, 254, 256; BGH v. 18.10.2007 – 4 StR 422/07, NStZ-RR 2008, 76; BGH v. 27.5.2008 – 4 StR 58/07, NStZ 2008, 627 m. krit. Anm. Kindhäuser, StV 2009, 355; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 140 f.; Lackner/Kühl, StGB, § 263 Rz. 34; Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 471 f.; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 158; Saliger in M/R-StGB, § 263 Rz. 172; Bruns, FS Mezger, 1954, S. 342 ff., 344; Tenckhoff, JR 1988, 126, 127; Wessels/Hillenkamp, BT/2, Rz. 535 f.; Rengier, BT/1, § 13 Rz. 141.

446

Saliger

Rz. 143 § 263 StGB

allerdings zu beachten, dass es an einem rechtswidrigen Vermögensvorteil mangelt, wenn dem unrechtmäßigen Besitzer die Sache etwa zugunsten der Rückführung an den Eigentümer (oder den rechtmäßigen Besitzer) abgeschwindelt werden soll.1 Entsprechend hat die Rspr. z.B. dem Sachbetrüger Besitzschutz gegenüber Betrügereien von anderer Seite zuerkannt.2 Demgegenüber wird von Anhängern der juristisch-ökonomischen Vermittlungslehre und Stimmen, die dem juristischen Vermögensbegriff nahestehen, der unrechtmäßige Besitz teils ganz aus dem Vermögensbegriff herausgenommen – wie nunmehr auch vom 2. Strafsenat des BGH in einem Anfragebeschluss zum illegalen Drogenbesitz vorgeschlagen (dazu Rz. 128 m.N.) –,3 teils nur der redliche (auch unrechtmäßige) Besitzer geschützt und der deliktische ausgeschieden,4 teils der unrechtmäßige Besitzer nur gegenüber unberechtigten Dritten für schutzwürdig erklärt, nicht dagegen gegenüber dem Eigentümer und berechtigten Besitzern.5 Die h.M. verdient Zustimmung. Obschon die Besitzschutzvorschriften der §§ 858 ff. BGB in erster Linie der Wahrung des Rechtsfriedens dienen, zeigt doch ihre schiere Existenz, dass der unrechtmäßige Besitz nicht nur nicht im Widerspruch, sondern sogar unter einem gewissen Schutz der Rechtsordnung steht.6 Zudem erschiene es widersprüchlich, den Dieb mit der h.M. zwar gegen Diebstahl,7 nicht aber gegen Betrug zu schützen.8 Ähnlich wie der Besitz an Sachen haben auch Nutzungsmöglichkeiten bezüglich fremder Einrichtungen und Gegenstände materieller wie immaterieller Art Vermögenswert, so z.B. hinsichtlich Bibliothek, Labor, EDV-Anlage oder des (wissenschaftlichen) Personals.9 gg) Nichtige Forderungen, insbesondere aus sitten- oder rechtswidrigen Geschäften Zu unterscheiden sind Forderungen, die wegen Rechts- oder Sittenwidrigkeit gem. §§ 134, 138 BGB nichtig 143 sind, und Forderungen, die aus sonstigen Gründen unwirksam sind. Die heute h.M. misst unter Berufung vor allem auf die Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung nichtigen Forderungen aus sitten- oder rechtswidrigen Geschäften mit Recht grundsätzlich keinen strafrechtlichen Vermögenswert zu.10 Allerdings erkannte die Strafrspr. lange Zeit auf Basis eines streng wirtschaftlichen Vermögensbegriffs unter bestimmten Voraussetzungen auch nichtige Forderungen als schützenswert an. So erklärte der 4. Strafsenat des BGH schon früh, dass auch eine nichtige Forderung rechtsgrundsätzlich dem wirtschaftlichen Vermögen zugerechnet werden könne.11 Da ein nichtiger Anspruch dem Sachwert jedoch nicht schlechthin gleichgestellt werden könne, komme es auf die Umstände des Einzelfalls an, wobei in der großen Mehrzahl der Fälle einer nichtigen Forderung überhaupt kein wirtschaftlicher Wert zukomme. Allein in Fällen mit besonderer Sachlage, namentlich bei Bestehen anderweitiger Bindungen zwischen den Parteien (geschäftliche, verwandtschaftliche, freundschaftliche oder sonst gesellschaftliche) und bei wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit des Schuldners, könne auch einer nichtigen Forderung ein wirtschaftlicher Wert beiwohnen.12 Obwohl die spätere Rspr. sich niemals ausdrücklich von dieser Entscheidung distanziert hat, stand bereits die – heute überholte – Strafrspr. zum Dirnenlohnbetrug seit BGHSt 4, 373 mit der Ausklammerung der „Aussicht“ der Prostituierten auf Lohn nach geleisteter Arbeit aus dem strafrechtlich geschützten Vermögen13 oder die frühere Judikatur zur Ausklammerung des vereinbarten Entgelts für ein Telefonsexgespräch aus dem Betrugsschutz14 in offenem Gegensatz zu ihr (vgl. auch Rz. 141). Die jüngere Rspr. des BGH hat die Abkehr von einem rein wirtschaftlichen Vermögensbegriff hinsichtlich der Frage des Vermögensgehalts nichtiger Forderungen aus strafbaren Rechtsgeschäften nur teilweise ausdrücklich vollzogen. So 1 Wessels/Hillenkamp, BT/2, Rz. 536; vgl. auch BGH v. 18.10.2007 – 4 StR 422/07, NStZ-RR 2008, 76 und RG v. 14.12.1910 – II 1214/10, RGSt 44, 230, 248. 2 Vgl. RG v. 14.12.1910 – II 1214/10, RGSt 44, 230, 248. 3 So Zieschang, FS Hirsch, 1999, S. 837 f.; Gallas, FS Eb. Schmidt, 1961, S. 426; Maurach/Schroeder/Maiwald, BT/1, § 41 Rz. 99; ferner Pawlik, Verhalten, S. 260 und Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 239. 4 Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 94 f.; Cramer, Vermögensbegriff, S. 225 ff. 5 Hoyer in SK-StGB, § 263 Rz. 125. 6 Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 141; Rengier, BT/1, § 13 Rz. 141; Wessels/Hillenkamp, BT/2, Rz. 536; Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 471 f. 7 S. zur dortigen h.M. stellvertretend Fischer, StGB, § 263 § 242 Rz. 5. 8 Vgl. bereits RG v. 14.12.1910 – II 1214/10, RGSt 44, 230, 248. 9 Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 152; Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 448; Fischer, StGB, § 263 Rz. 91; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 98. 10 Str., wie hier: BGH v. 7.8.2003 – 3 StR 137/03, BGHSt 48, 322, 327; BGH v. 27.5.2008 – 4 StR 58/07, NStZ 2008, 627; LG Regensburg v. 26.4.2005 – 3 Ns 112 Js 14307/01, NStZ-RR 2005, 312; i.E. auch BGH v. 2.5.2001 – 2 StR 128/01, NStZ 2001, 534; ferner Lackner/Kühl, StGB, § 263 Rz. 35; Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 93; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 151; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 160 f.; Saliger in M/R-StGB, § 263 Rz. 174; Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 469 ff., 473; Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 234; Rengier, BT/1, § 13 Rz. 136; Wessels/Hillenkamp, BT/2, Rz. 569 ff. A.A. und auf die wirtschaftliche Wertigkeit des Anspruchs für den Betroffenen abstellend Krey/Hellmann, BT/2, Rz. 435; Heghmanns, BT, Rz. 1260; Kohlhaas, JR 1954, 97 f. 11 BGH v. 15.11.1951 – 4 StR 574/51, BGHSt 2, 364, 366 unter Bezug u.a. auf RG v. 14.12.1910 – II 1214/10, RGSt 44, 230. 12 BGH v. 15.11.1951 – 4 StR 574/51, BGHSt 2, 364, 366, 369. 13 Vgl. BGH v. 9.10.1953 – 2 StR 402/53, BGHSt 4, 373 m. abl. Anm. Kohlhaas, JR 1954, 97; BGH v. 24.8.1987 – 5 StR 566/86, StV 1987, 484 m. Anm. Barton und Tenckhoff, JR 1988, 126; BGH v. 20.12.1988 – 1 StR 654/88, wistra 1989, 142. 14 OLG Hamm v. 26.1.1989 – 1 Ws 354/88, NJW 1989, 2551 m. abl. Anm. Wöhrmann, NStZ 1990, 342.

Saliger

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StGB

Betrug

StGB

§ 263 StGB Rz. 144

Strafgesetzbuch

hat der 3. Strafsenat des BGH im Rahmen von § 253 die Versagung eines „Schadensersatzanspruchs“ der geprellten Betäubungsmittelhändler offen normativ damit begründet, dass die Geltendmachung eines Schadensersatzanspruchs zur Herbeiführung eines rechtswidrigen bzw. strafbaren Zustands mit Treu- und Glauben gem. § 242 BGB unvereinbar und daher rechtsmissbräuchlich ist.1 Dagegen haben der 2. und der 4. Strafsenat des BGH jew. im Rahmen des § 253 die Spannung zu einem rein wirtschaftlichen Vermögensbegriff dadurch abzumildern gesucht, dass sie die Exklusion von „Ansprüchen“ Tatbeteiligter gegen Tatgenossen aus dem Vermögensbegriff teils mit dem Mangel eines rechtlichen Schutzes, teils mit mangelnder wirtschaftlicher Messbarkeit bzw. Werthaltigkeit begründet haben.2 144

Im Unterschied zu den wegen Sitten- oder Rechtswidrigkeit nichtigen Forderungen kommen sonst unwirksame Forderungen als taugliche Vermögenspositionen in Betracht. Voraussetzung dafür ist, dass die sonst unwirksame Forderung wirtschaftlich werthaltig ist (etwa bei Erfüllungsbereitschaft des Schuldners) und die Herbeiführung des von ihr erstrebten Zustandes nicht von der Gesamtrechtsordnung missbilligt wird, was namentlich die Existenz von Vorschriften zur Heilung des Mangels indiziert (vgl. Rz. 131 f.).3 Beispiele sind die Normen zur Unwirksamkeit von Forderungen wegen Formmangels (vgl. § 125 BGB) oder wegen Geschäftsunfähigkeit bzw. beschränkter Geschäftsfähigkeit des Erklärenden (vgl. §§ 105 ff. BGB). Insbesondere eine wegen Verstoßes gegen die Formvorschrift zur notariellen Beurkundung eines Grundstückskaufvertrages gem. § 311b Abs. 1 S. 1 BGB unwirksame Forderung kann Vermögensbestandteil sein.4 Deshalb begeht Betrug, wer bei einem wegen zu niedriger Beurkundung des Kaufpreises formnichtigen Grundstückskaufvertrag den Verkäufer durch Täuschung veranlasst, die unwirksame Forderung gegen Bezahlung von „Falschgeld“ abzutreten.5 hh) Einsatz von Vermögenswerten zu sitten- oder rechtswidrigen Zwecken

145

Sehr streitig ist, ob der Einsatz von Vermögenswerten, insbesondere Geld, zu sitten- oder rechtswidrigen Zwecken unter den strafrechtlichen Vermögensschutz fällt.6 Seit der Leitentscheidung RGSt 44, 230 wird diese Frage insbesondere von der st. Rspr. des BGH bejaht. Ein Teil des Schrifttums ist ihr gefolgt.7 Die h.M. begründet die Erstreckung des Strafrechtsschutzes auch auf den Ganovenbetrug vor allem mit dem Grundsatz, dass es auf wirtschaftlicher Grundlage kein gegen Betrug ungeschütztes Vermögen gibt,8 ferner mit der Ordnungsfunktion des strafrechtlichen Vermögensschutzes auch für und gegen Straftäter,9 mit dem Nichteingreifen10 bzw. einer fehlenden Sperrwirkung von § 817 S. 2 BGB,11 weil die Rückabwicklung nicht im Widerspruch zur Rechtsordnung steht,12 sowie mit dem Satz, dass immerhin „gutes Geld“ weggegeben worden ist.13 Die Rspr. hat einen Ganovenbetrug z.B.14 angenommen für die Zahlung zur (vorgetäuschten) Vornahme einer ungesetzlichen Diensthandlung.15 Eine gewichtige Gegenauffassung im Schrifttum,16 die teilweise sogar bereits eine betrugsrelevante Täuschungshandlung verneint,17 lehnt die BGH-Rspr. entschieden ab. So dürfe sich das Strafrecht 1 BGH v. 7.8.2003 – 3 StR 137/03, BGHSt 48, 322, 327 m. i.E. zust. Anm. Kühl, NStZ 2004, 387. 2 BGH v. 2.5.2001 – 2 StR 128/01, NStZ 2001, 534 bzw. BGH v. 27.5.2008 – 4 StR 58/08, NStZ 2008, 627 m. Anm. Kindhäuser, StV 2009, 355. 3 Str., wie hier: Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 92; Saliger in M/R-StGB, § 263 Rz. 176; Maurach/Schroeder/Maiwald, BT/1, § 41 Rz. 99; Lenckner, JZ 1967, 105, 108; vgl. auch Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 161; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 151. A.A. z.B. RG v. 26.1.1931 – III 730/30, RGSt 65, 99, 100 m. abl. Anm. Grünhut, JW 1932, 2434 f. 4 Vgl. auch Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 151; Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 482 f. Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 161. 5 Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 92. 6 Zum Parallelproblem bei der Untreue § 266 StGB Rz. 29. 7 Lackner/Kühl, StGB, § 263 Rz. 35; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 162; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 138; Neumann, JuS 1993, 746, 749; Zieschang, FS Hirsch, 1999, S. 845 f.; Engländer, JR 2003, 165; Wessels/Hillenkamp, BT/2, Rz. 564 ff.; Rengier, BT/1, § 13 Rz. 145. 8 RG v. 14.12.1910 – II 1214/10, RGSt 44, 230, 232, 249; auch BGH v. 17.11.1955 – 3 StR 234/55, BGHSt 8, 254, 256 zu § 266; Wessels/Hillenkamp, BT/2, Rz. 565. 9 RG v. 14.12.1910 – II 1214/10, RGSt 44, 230, 248 f.; BGH v. 17.11.1955 – 3 StR 234/55, BGHSt 8, 254, 256; KG v. 28.9.2000 – 1 Ss 44/00, NJW 2001, 86 f.; OLG Hamburg v. 8.6.1966 – 1 Ss 97/65, NJW 1966, 1525, 1526; Lackner in LKStGB, § 263 Rz. 242; Wessels/Hillenkamp, BT/2, Rz. 565; Rengier, BT/1, § 13 Rz. 145. 10 RG v. 14.12.1910 – II 1214/10, RGSt 44, 230, 240 f.; KG v. 28.9.2000 – 1 Ss 44/00, NJW 2001, 86. 11 Lackner in LK-StGB, § 263 Rz. 242; BGH v. 12.3.2002 – 3 StR 4/02, NJW 2002, 2117; KG v. 28.9.2000 – 1 Ss 44/00, NJW 2001, 86; Wessels/Hillenkamp, BT/2, Rz. 565. 12 BGH v. 12.3.2002 – 3 StR 4/02, NJW 2002, 2117; BGH 7.8.2003 – 3 StR 137/03, BGHSt 48, 322, 330; Zieschang, FS Hirsch, 1999, S. 845 f. 13 Lackner in LK-StGB, § 263 Rz. 242; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 138; Tenckhoff, JR 1988, 127; Zieschang, FS Hirsch, 1999, S. 845 f.; vgl. auch OLG Hamburg v. 8.6.1966 – 1 Ss 97/65, NJW 1966, 1525, 1526 und Neumann, JuS 1993, 746, 749. 14 Weitere Fälle bei Saliger in M/R-StGB, § 263 Rz. 177. 15 BGH v. 2.7.1980 – 3 StR 201/80, BGHSt 29, 300, 301 f. 16 Cramer/Perron in S/S-StGB“ Rz. 150; Fischer, StGB, § 263 Rz. 108 ff.; Hoyer in SK-StGB, § 263 Rz. 132; Maurach/ Schroeder/Maiwald, BT/1, § 41 Rz. 101; Mitsch, BT/II, 5.2.1.2.5.3; Cramer, S. 96 f.; auch Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 473 ff., 475. 17 LG Regensburg v. 26.4.2005 – 3 Ns 112 Js 14307/01, NStZ-RR 2005, 312, 313; Hecker, JuS 2001, 228, 232; Mitsch, BT/II, 5.2.1.2.5.3.

448

Saliger

Rz. 146 § 263 StGB

nicht in Widerspruch zur Gesamtrechtsordnung setzen, wenn es eine Rückforderung von Geld strafrechtlich schütze, die das Zivilrecht mit § 817 S. 2 BGB gerade untersagt.1 Zudem sei es ein Widerspruch, dass bei einem einheitlichen verbotenen Geschäft (z.B. Drogenhandel) allein der das Geld täuschungsbedingt vorleistende Käufer berechtigt sein soll, sich sein „gutes“ Geld mit Zwang wieder zu beschaffen, der die Ware täuschungsbedingt vorleistende Verkäufer aber nicht (vgl. Rz. 143).2 Die besseren Argumente sprechen für die h.M. Der vermeintliche Widerspruch der h.M. zur Gesamtrechtsordnung in Gestalt des § 817 S. 2 BGB relativiert sich, wenn man berücksichtigt, dass § 817 S. 2 BGB selbst der Einschränkung über § 242 BGB zugänglich ist und damit dem Anspruch des vorleistenden Käufers aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 2633 nicht entgegensteht.4 Insoweit zeigt sich, dass der Besitz des Kaufgeldes beim Verkäufer für sich nicht verboten ist und dass der getäuschte Käufer, der sein Geld zurückverlangt, anders als im Fall des getäuschten Drogenverkäufers nicht die Herbeiführung eines von der Rechtsordnung missbilligten Zustands erstrebt.5 Hier erweist sich die vollständige Kommerzialisierung des Geldes als Tauschwert, das seine Eigenschaft als Wirtschaftsgut nicht verliert, wenn es zu sitten- oder rechtswidrigen Zwecken eingesetzt wird.6 I.Ü. sollten grundlegende Veränderungen des Schutzniveaus des Betrugstatbestandes, die sich nicht zwingend aus dem Gesetzeswortlaut ergeben – wie bereits die Diskussionen zur Viktimodogmatik (Rz. 92 ff.) und zum Einfluss des europäischen Verbraucherleitbildes nahelegen (vgl. Rz. 6, 106) –, dem Gesetzgeber anstatt dem Richter vorbehalten bleiben. ii) Strafrechtliche Sanktionen (Geldstrafe, Bußgeld etc.) Nach einhelliger Meinung werden strafrechtliche Sanktionen, die eine Vermögenseinbuße (Geldzahlung oder 146 geldwerte Leistung) zur Folge haben, vom Schutzbereich der Vermögensdelikte i.E. nicht erfasst. Deshalb begeht keinen Betrug, wer ihre Verhängung oder Vollstreckung durch Täuschung abwendet.7 Das gilt für die Geldstrafe,8 die Geldbuße,9 die Einziehung,10 den Verfall,11 das Verwarnungsgeld,12 die Nebenstrafe13 und die Freiheitsstrafe.14 Erfasst sind daneben auch die Haftkaution nach § 116 StPO,15 Säumnis- und Verspätungszuschläge sowie Zwangsgelder im Steuerstrafverfahren,16 ferner der Anspruch auf Weiterleitung einer verbotenen Parteispende gem. § 25 Abs. 4 PartG.17 Die Ablehnung der Betrugsstrafbarkeit bei der Vereitelung strafrechtlicher Sanktionen lässt sich damit begründen, dass die strafrechtlichen Vermögenssanktionen pönale Maßnahmen darstellen, die durch die kriminalpolitischen Zwecke der Repression oder Prävention und nicht ihren wirtschaftlichen Gehalt charakterisiert werden, so dass sie mangels Verkehrsfähigkeit nicht dem Wirtschaftsverkehr unterliegen.18 Betrugstauglichen Vermögenswert haben demgegenüber staatliche Ansprüche auf Zah-

1 LG Regensburg v. 26.4.2005 – 3 Ns 112 Js 14307/01, NStZ-RR 2005, 312 f.; Hoyer in SK-StGB, § 263 Rz. 132; Hecker, JuS 2001, 228, 231; Freund/Bergmann, JR 1991, 357, 358. 2 Fischer, StGB, § 263 Rz. 109; Kindhäuser/Wallau, NStZ 2003, 152, 153; vgl. auch Hecker, JuS 2001, 230. Für Gleichbehandlung Kretschmer, StraFo 2009, 190 f., 191. A.A. Kühl, NStZ 2004, 388 f. 3 BGH v. 12.3.2002 – 3 StR 4/02, NJW 2002, 2117 zu § 253. 4 Vgl. Spickhoff, JZ 2002, 977; Engländer, JR 2003, 165, der zusätzlich darauf hinweist, dass § 817 S. 2 BGB auf einen Anspruch des Käufers aus § 985 BGB nicht anwendbar ist. 5 BGH v. 7.8.2003 – 3 StR 137/03, BGHSt 48, 322, 329 f.; Zieschang, FS Hirsch, 1999, 845 f.; Kühl, NStZ 2004, 388 f. 6 Neumann, JuS 1993, 746, 749; zust. Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 138. 7 BGH v. 1.9.1992 – 1 StR 281/92, BGHSt 38, 345, 351 ff.; BGH v. 19.12.1997 – 5 StR 569/96, BGHSt 43, 381, 405 f.; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 145, 254; Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 461 ff.; Lackner/Kühl, StGB, § 263 Rz. 45; Fischer, StGB, § 263 Rz. 99; Saliger in M/R-StGB, § 263 Rz. 179; Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 78a; Kindhäuser in NKStGB, § 263 Rz. 246 f.; Wessels/Hillenkamp, BT/2, Rz. 537. Eingehend Jänicke, Entscheidungen, S. 363 ff., 398 ff. 8 OLG Karlsruhe v. 17.1.1990 – 3 Ss 169/89, NStZ 1990, 282; auch BGH v. 1.9.1992 – 1 StR 281/92, BGHSt 38, 345, 351; BGH v. 19.12.1997 – 5 StR 569/96, BGHSt 43, 381, 405. 9 OLG Schleswig v. 17.10.1977 – 1 Ss 628/77, SchlHA 1978, 59; BayObLG v. 27.3.1991 – RReg 4 St 15/91, JR 1991, 433; BGH v. 18.4.2007 – 5 StR 85/07, wistra 2007, 258; auch BGH v. 1.9.1992 – 1 StR 281/92, BGHSt 38, 345, 351; BGH v. 19.12.1997 – 5 StR 569/96, BGHSt 43, 381, 405. 10 RG v. 28.6.1937 – 5 D 910/36, RGSt 71, 280, 281; auch BGH v. 1.9.1992 – 1 StR 281/92, BGHSt 38, 345, 351; BGH v. 19.12.1997 – 5 StR 569/96, BGHSt 43, 381, 405. 11 Vgl. BGH v. 1.9.1992 – 1 StR 281/92, BGHSt 38, 345, 351; BGH v. 19.12.1997 – 5 StR 569/96, BGHSt 43, 381, 405. 12 BayObLG v. 27.3.1991 – RReg 4 St 15/91, JR 1991, 433, 434 m. krit. Anm. Graul; OLG Köln v. 10.8.2001 – Ss 264/01, NJW 2002, 527, 528; auch BGH v. 1.9.1992 – 1 StR 281/92, BGHSt 38, 345, 351; BGH v. 19.12.1997 – 5 StR 569/96, BGHSt 43, 381, 405. 13 OLG Stuttgart v. 15.12.1980 – 3 Ws 195/80, MDR 1981, 422. 14 OLG Braunschweig v. 30.11.1956 – Ss 179/56, NJW 1957, 600. 15 BGH v. 1.9.1992 – 1 StR 281/92, BGHSt 38, 345, 351 ff. 16 BGH v. 19.12.1997 – 5 StR 569/96, BGHSt 43, 381, 405 f. 17 BGH v. 28.10.2004 – 3 StR 301/03, BGHSt 49, 275, 303 zu §§ 25 Abs. 3, 23a Abs. 1 S. 2 a.F. PartG; Saliger/Sinner, NJW 2005, 1077. 18 BGH v. 1.9.1992 – 1 StR 281/92, BGHSt 38, 345, 351 f.; BGH v. 19.12.1997 – 5 StR 569/96, BGHSt 43, 381, 405 f.; BayObLG v. 27.3.1991 – RReg 4 St 15/91, JR 1991, 433 f.; OLG Karlsruhe v. 17.1.1990 – 3 Ss 169/89, NStZ 1990, 282; Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 78a; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 145, 254; Hoyer in SK-StGB, § 263 Rz. 129. A.A. – Vermögenswert – Graul, JR 1991, 435 f.; Otto, BT, § 51 Rz. 83.

Saliger

449

StGB

Betrug

StGB

§ 263 StGB Rz. 147

Strafgesetzbuch

lungen von Gebühren,1 die staatliche Verfahrenskostenforderung2 oder der Anspruch des Staates gem. § 31c Abs. 1 S. 1 PartG.3 jj) Sonstige Vermögenspositionen 147

Keinen Vermögensbestandteil bezeichnet die wirtschaftliche Verfügungsfreiheit als solche (vgl. aber Rz. 155, 271 ff. und Rz. 178 ff.).4 Das gilt auch für die durch einseitigen Hoheitsakt begründeten Zahlungsverpflichtungen gegenüber ausländischen Staaten.5

IV. Vermögensschaden 1. Allgemeines a) Strukturelle Bedeutung 148

Die Vermögensverfügung muss zu einem Vermögensschaden des Getäuschten oder eines Dritten (Rz. 9, 108, 116) geführt haben. Das Tatbestandsmerkmal des Vermögensschadens ist für den Betrug von zentraler struktureller Bedeutung mit verfassungsrechtlicher Relevanz (Rz. 149 ff.). Seine Hauptbedeutung liegt darin, dass er – und nicht die „Zwischenerfolge“ Irrtum und Vermögensverfügung (vgl. Rz. 10) – den Betrug als Vermögensdelikt (Rz. 1) charakterisiert, indem er ihn strafbarkeitsbegrenzend als Erfolgsdelikt in Gestalt eines Verletzungsdelikts (Rz. 2) strukturiert.6 Damit bestimmt der Vermögensschaden zugleich den Vollendungszeitpunkt des Betrugs und ermöglicht so die Abgrenzung zum versuchten Betrug (Rz. 258 f.).7 Darüber hinaus bildet der Vermögensschaden den Bezugspunkt für den rechtswidrigen Vermögensvorteil, den der Täter für sich oder einen Dritten erstreben muss und der die Kehrseite des Schadens ist (Rz. 243 und Rz. 246 f.).8 Von der Vermögensverfügung unterscheidet sich der Vermögensschaden dadurch, dass eine Vermögensverfügung bereits vorliegt, wenn eine zum strafrechtlich geschützten Vermögen gehörende Vermögensposition unmittelbar beeinträchtigt ist, während der Vermögensschaden eine Verrechnung (Saldierung) aller unmittelbaren Auswirkungen der Vermögensverfügung auf das Gesamtvermögen des Geschädigten erfordert (vgl. auch Rz. 123). Ein Vermögensschaden ist also eingetreten, wenn die Verfügung des Getäuschten eine betrugstaugliche Vermögensposition des Opfers (Rz. 123–147) unmittelbar beeinträchtigt (Rz. 107–122) hat (erster Prüfungsschritt), und die Beeinträchtigung zu einem Negativsaldo im Gesamtvermögen des Opfers geführt hat (zweiter Prüfungsschritt; Rz. 157 ff.). Auch der Begriff des Schadens soll wie der Begriff des Vermögens (vgl. Rz. 124) nach ganz h.M. ein einheitlicher sein, so dass er mit dem Begriff des Nachteils bei Untreue und bei der Erpressung identisch ist.9 Das überzeugt für die Untreue jedoch nur grundsätzlich, weil das Nachteilsmerkmal wegen der Straflosigkeit des Untreueversuchs einer engeren Auslegung bedarf (eingehend § 266 StGB Rz. 69 m.w.N.). b) Verfassungsrechtliche Anforderungen

149

Der Vermögensschaden bezeichnet ein selbständiges objektives Tatbestandsmerkmal, das eigenständige Feststellungen erfordert.10 Dieser Rechtssatz ist in der gegenwärtigen Diskussion um den Schadensbegriff aus zwei Gründen von besonderer Bedeutung. Zum einen zeigen Judikate des BGH zu Betrug und Untreue immer wieder die Tendenz zu einer Übernormativierung des Schadensbegriffs, die entweder über die Qualifizierung bloß abstrakter Vermögensgefahren als „Endschäden“ (Quotenschaden im Fall Hoyzer,11 dazu Rz. 222 ff.; schwarze Kasse im Fall Siemens,12 dazu § 266 StGB Rz. 97 ff.; signifikante Erhöhung der Leistungswahrscheinlichkeit als Endschaden im Al-Qaida-Fall,13 dazu Rz. 193 und Rz. 205) oder die Kappung der Kompensation bei der Saldie1 BGH v. 18.4.2007 – 5 StR 85/07, wistra 2007, 258; BayObLG v. 9.8.1955 – RReg 2 St 5 a, b/55, NJW 1955, 1567: Notarund Grundbuchgebühren; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 146. 2 OLG Karlsruhe v. 17.1.1990 – 3 Ss 169/89, NStZ 1990, 282, 283; OLG Braunschweig v. 30.11.1956 – Ss 179/56, NJW 1957, 600. 3 BGH v. 28.10.2004 – 3 StR 301/03, BGHSt 49, 275, 302 f. zu § 23a Abs. 1 S. 1 Alt. 1 a.F. PartG; Saliger/Sinner, NJW 2005, 1077. 4 BGH v. 16.8.1961 – 4 StR 166/61, BGHSt 16, 321, 325; BGH v. 9.3.1999 – 1 StR 50/99, NStZ 1999, 555; Perron in S/SStGB, § 263 Rz. 98. Einschränkend Eser, GA 1962, 295. 5 BayObLG v. 20.12.1979 – RReg 5 St 237/79, NJW 1980, 1057; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 156; dazu bereits Rz. 1 a.E. 6 BVerfG v. 7.12.2011 – 2 BvR 2500/09, NJW 2012, 907, 916 Rz. 176. 7 Vgl. BGH v. 8.6.2011 – 3 StR 115/11, wistra 2011, 387 Rz. 7. 8 Vgl. BGH v. 8.6.2011 – 3 StR 115/11, wistra 2011, 387 Rz. 7. 9 BVerfG v. 10.3.2009 – 2 BvR 1980/07, NJW 2009, 2370, 2371. Zu § 266 s. BGH v. 16.12.1960 – 4 StR 401/60, BGHSt 15, 342, 343 f.; BGH v. 21.10.1994 – 2 StR 328/94, BGHSt 40, 287, 295; Fischer, StGB, § 263 Rz. 110; Lackner/Kühl, StGB, § 263 Rz. 17; Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 39; Schünemann in LK-StGB, § 263 Rz. 132. Zu § 253 s. BGH v. 9.7.1987 – 4 StR 216/87, BGHSt 34, 394, 395; BGH v. 5.2.1998 – 4 StR 622/97, NStZ-RR 1998, 233; Fischer, StGB, § 263 § 253 Rz. 12; Lackner/Kühl, StGB, § 263 § 253 Rz. 4; Kudlich in S/S/W-StGB, § 253 Rz. 15. 10 BGH v. 8.6.2011 – 3 StR 115/11, wistra 2011, 387 Rz. 7. 11 BGH v. 15.12.2006 – 5 StR 181/06, BGHSt 51, 165, 175 ff. 12 BGH v. 29.8.2008 – 2 StR 587/07, BGHSt 52, 323, 336 ff. zu § 266. 13 BGH v. 14.8.2009 – 3 StR 552/08, NJW 2009, 3448, 3464 f.

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Saliger

Rz. 150 § 263 StGB

rung (z.B. Verlustrisiko als Endschaden bei betrügerischem Anlagegeschäft,1 dazu Rz. 188 ff. und Rz. 193; schiere Begleichung einer nichtigen Forderung als Schaden im Telekom-Spitzel-Fall,2 dazu § 266 StGB Rz. 40) Tathandlung und Taterfolg des Betrugs (bzw. der Untreue) miteinander verschleift (näher Rz. 156 f.).3 Zum anderen und gegenläufig dazu hat der Zweite Senat des BVerfG in einem bahnbrechenden4 Beschluss aus 2010 zur Verfassungsmäßigkeit der Untreue aus dem Bestimmtheitsgebot (Art. 103 Abs. 2 GG) neue Grundsätze verfassungskonformer Auslegung nicht nur für das dortige Tatbestandsmerkmal des Vermögensnachteils, sondern allgemein für die Auslegung strafrechtlicher Tatbestandsmerkmale aufgestellt.5 Diese Grundsätze sind deshalb auch für den Betrug, insbesondere die Auslegung des Vermögensschadens (zur Relevanz für die Auslegung der Täuschung Rz. 28, 36, 51) relevant unabhängig davon, ob man mit der h.M. von einem identischen Schadensbegriff bei Betrug und Untreue ausgeht oder wie hier für eine engere Auslegung des Nachteilsmerkmals bei der Untreue plädiert (Rz. 148).6 Der Zweite Senat des BVerfG selbst hat mittlerweile seine für den Straftatbestand der Untreue maßgeblichen Erwägungen auf die Fallgestaltung des Eingehungsbetrugs übertragen (näher Rz. 193, 205).7 Auch Strafsenate des BGH wenden die Grundsätze des BVerfG-Beschlusses zur Untreue mittlerweile „in gleicher Weise“ auf den Vermögensschaden beim Betrug an (näher Rz. 165, 173, 195, 197; auch Rz. 224).8 Nach dem BVerfG-Beschluss zur Untreue dürfen einzelne Tatbestandsmerkmale auch innerhalb ihres möglichen 150 Wortsinns nicht so weit ausgelegt werden, dass sie vollständig in anderen Tatbestandsmerkmalen aufgehen, also zwangsläufig von diesen mit verwirklicht werden (allgemeines Entgrenzungs- bzw. Verschleifungsverbot).9 Für die Auslegung weit gefasster Tatbestandselemente, zu denen der Vermögensschaden zu rechnen ist, verlangt das BVerfG über das allgemeine Verschleifungsverbot sowie das Gebot restriktiver Auslegung hinaus10 von den Strafgerichten, dass sie nicht durch fernliegende Interpretationen oder konturenlose Normverständnisse bestehende Unsicherheiten über den Anwendungsbereich einer Norm erhöhen (Rechtsunsicherheitserhöhungsverbot).11 Vielmehr sollen sie verbleibende Unsicherheiten durch präzisierende und konkretisierende Auslegung möglichst ausräumen (Präzisierungsgebot).12 Speziell für den Vermögensnachteil bei der Untreue folgert das BVerfG aus dem Bestimmtheitsgebot, dass der Rechtsanwender stets die Selbständigkeit des Nachteilsmerkmals zu beachten hat, insbesondere eine Verschleifung mit dem Pflichtwidrigkeitsmerkmal dahin verhindern muss, dass es in ihm aufgeht.13 Dieses Verschleifungsverbot steuert auch die verfassungskonforme Auslegung des Schadensmerkmals beim Betrug. Insoweit sind vor allem Täuschung und Vermögensschaden streng zu trennen, was nicht der Fall ist, wenn in einer Fallgruppe der Vermögensschaden vollständig aus dem Unrecht der Täuschung hergeleitet wird (vgl. Rz. 156 f., 193, 195, 215, 219, 223 f.). Das BVerfG geht dabei im Einklang mit der Strafrspr. nicht nur dezidiert von einem wirtschaftlichen Vermögensbegriff aus (Rz. 131),14 sondern fordert bei der Nachteilsbestimmung auch wiederholt eine wirtschaftliche Betrachtungsweise ein.15 Ausdrücklich mahnt das BVerfG an, dass normative Gesichtspunkte bei der Nachteilsfeststellung die wirtschaftlichen Überlegungen nicht verdrängen dürfen, soll der Charakter der Untreue als erfolgsbezogenes Vermögensdelikt bewahrt bleiben.16 Damit legt

1 BGH v. 18.2.2009 – 1 StR 731/08, BGHSt 53, 199, 202 ff.; zuvor bereits BGH v. 20.3.2008 – 1 StR 488/07, NStZ 2008, 457 f. zu § 266; vgl. auch BGH v. 13.8.2009 – 3 StR 576/08, WM 2009, 1930, 1932 – Fall Sengera – zu § 266. 2 BGH v. 10.10.2012 – 2 StR 591/11, NZG 2013, 268, 270. 3 Zum Ganzen Saliger, FS Samson, 2010, S. 455 ff., 480 ff.; Saliger, HRRS 2012, 363. 4 Die Einschätzung dieses Beschlusses war streitig. Wie hier als spektakuläre Neuausrichtung des Bestimmtheitsgrundsatzes verstehen den Beschluss Saliger, NJW 2010, 3198; Schünemann, StraFo 2010, 480; Wattenberg/Gehrmann, ZBB, 507; Kuhlen, JR 2011, 247; Böse, Jura 2011, 623. Die Bedeutung relativierend dagegen Radtke, GmbHR 2010, 1121; Schulz, FS Roxin, 2011, S. 327 f.; Wessing/Krawczyk, NZG 2010, 1122; Krüger, NStZ 2011, 370; Kudlich, JA 2011, 69. 5 BVerfG v. 23.6.2010 – 2 BvR 2559/08, NJW 2010, 3209, 3210 Rz. 69 ff. = BVerfGE 126, 170, 194 ff. m. Anm. Becker, HRRS 2010, 383; Leplow, wistra 2010, 475; Radtke, GmbHR 2010, 1121; Saliger, NJW 2010, 3195; Schlösser, HRRS 2010, 424; Strate, GWR 2010, 422; Wattenberg/Gehrmann, ZBB 2010, 507; Wessing/Krawczyk, NZG 2010, 1121; Beckemper, ZJS 2011, 88; Böse, Jura 2011, 617; Kraatz, JR 2011, 434; Krüger, NStZ 2011, 369; Kudlich, JA 2011, 66; Kuhlen, JR 2011, 246; Safferling, NStZ 2011, 376; auch Schünemann, StraFo 2010, 480; Schulz, FS Roxin, 2011, S. 305; Krehl in Fischer u.a. (Hrsg.), Dogmatik, 2015, S. 133 ff. 6 Näher Saliger, ZIS 2011, 914 ff.; Saliger, FS Imme Roxin, 2012, S. 310 ff.; ebenso Schlösser, HRRS 2011, 255. 7 BVerfG v. 7.12.2011 – 2 BvR 2500/09, NJW 2012, 907, 916 Rz. 175 unter Bezug auf BVerfG v. 23.6.2010 – 2 BvR 2559/08, BVerfGE 126, 170, 223 ff., 226, 229. 8 BGH v. 8.6.2011 – 3 StR 115/11, wistra 2011, 387 Rz. 7; BGH v. 14.4.2011 – 2 StR 616/10, NJW 2011, 2675, 2676 Rz. 12; BGH v. 14.4.2011 – 1 StR 458/10, wistra 2011, 335, 338; BGH v. 5.7.2011 – 3 StR 444/10, NStZ-RR 2011, 312, 314. Überblick zur Rspr. bei Saliger, ZIS 2011, 914 ff. 9 BVerfG v. 23.6.2010 – 2 BvR 2559/08, NJW 2010, 3209, 3211 Rz. 79. 10 Vgl. dazu BVerfG v. 23.6.2010 – 2 BvR 2559/08, NJW 2010, 3209, 3211 Rz. 80. 11 BVerfG v. 23.6.2010 – 2 BvR 2559/08, NJW 2010, 3209, 3211 Rz. 81; Begriffe von Saliger, NJW 2010, 3196 mit Präzisierung Saliger, ZIS 2011, 904 m. Fn. 24. 12 BVerfG v. 23.6.2010 – 2 BvR 2559/08, NJW 2010, 3209, 3211 Rz. 81. 13 BVerfG v. 23.6.2010 – 2 BvR 2559/08, NJW 2010, 3209, 3215 Rz. 113; näher § 266 StGB Rz. 65 f. 14 BVerfG v. 23.6.2010 – 2 BvR 2559/08, NJW 2010, 3209, 3212 Rz. 86 ff.; zuvor bereits BVerfG v. 10.3.2009 – 2 BvR 1980/07, NJW 2009, 2370, 2371 zu § 266. 15 BVerfG v. 23.6.2010 – 2 BvR 2559/08, NJW 2010, 3209, 3215 ff. Rz. 115, 137, 140, 149. 16 BVerfG v. 23.6.2010 – 2 BvR 2559/08, NJW 2010, 3209, 3215 Rz. 115; auch 3213 Rz. 100 ff.; BVerfG v. 7.12.2011 – 2 BvR 2500/09, NJW 2012, 907, 916 Rz. 176.

Saliger

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StGB

Betrug

StGB

§ 263 StGB Rz. 151

Strafgesetzbuch

das BVerfG mit Recht auch für den Betrug eine primär wirtschaftliche Schadenslehre nahe und verengt verfassungsrechtlich den Spielraum für konkurrierende Schadenslehren (näher Rz. 153 ff.). 151

In der Konsequenz dieser Maßgaben liegt es, dass das BVerfG auch für den Nachweis des Nachteilsmerkmals mit Wirkung für den Betrug strenge(re) Vorgaben formuliert. So sollen die Strafgerichte mit Ausnahme einfach gelagerter und eindeutiger Fälle den Vermögensnachteil, wenn und soweit in der wirtschaftlichen Praxis Bewertungsmethoden existieren, der Höhe nach beziffern und – ggf. unter Heranziehung von Sachverständigen – seine Ermittlung in wirtschaftlich nachvollziehbarer Weise darlegen. Bei Unsicherheiten ist der (Mindest-) Schaden zu schätzen, im Zweifel muss freigesprochen werden.1 Das gilt grundsätzlich auch für die schadensgleiche Vermögensgefahr (Rz. 187 ff. und Rz. 191 ff.), so dass auch Gefährdungsschäden von den Strafgerichten in wirtschaftlich nachvollziehbarer Weise festzustellen sind.2 Dabei hebt das BVerfG in nicht unproblematischer Weise (vgl. krit. Rz. 131, 168) die Bedeutung der Bewertungsvorschriften des Bilanzrechts hervor,3 weil die bisherige Rspr. in verfassungsrechtlich bedenklicher Weise bei Gefährdungsschäden eine konkrete Feststellung der Schadenshöhe nach anerkannten Bewertungsmaßstäben nicht durchweg für erforderlich gehalten habe.4 Insbesondere macht der Zweite Senat den namentlich von Hefendehl entwickelten und zuletzt auch vom 1. Strafsenat des BGH5 favorisierten bilanzrechtsorientierten Ansatz für die Anwendung der schadensbegründenden Vermögensgefahr am Beispiel der Kredituntreue fruchtbar.6 Danach sind bei Gegenständen des Umlaufvermögens gem. § 253 Abs. 4 HGB Abschreibungen vorzunehmen, um diese mit einem niedrigeren Wert anzusetzen, der sich aus einem Börsen- oder Marktpreis am Abschlussstichtag ergibt. Ist ein Börsen- oder Marktpreis nicht festzustellen und übersteigen die Anschaffungs- oder Herstellungskosten den Wert, der den Vermögensgegenständen am Abschlussstichtag beizulegen ist, so ist auf diesen Wert abzuschreiben. Dieser niedrigere beizulegende Wert i.S.d. § 253 Abs. 4 HGB wird durch die geschätzte Höhe des mit Wahrscheinlichkeit zufließenden Betrages bestimmt.7 Demnach erleidet eine Bank bei der gebotenen wirtschaftlichen Betrachtung bereits durch den Vertragsschluss (die verbindliche Kreditzusage) wegen Minderwertigkeit des Gegenleistungsanspruchs einen Vermögensnachteil, wenn aufgrund fehlender Bonität des Schuldners und fehlender Sicherheiten konkret erkennbar mit einem teilweisen oder vollständigen Forderungsausfall zu rechnen ist, so dass eine Einzelwertberichtigung gebildet oder sogar eine Direktabschreibung vorgenommen werden muss.8 Die Erbringlichkeit der Forderung am Bilanzstichtag (das Ausfallrisiko) soll sich ermitteln „nach dem Barwert der voraussichtlich erzielbaren künftigen Zins- und Tilgungszahlungen“ unter Berücksichtigung der Bonität des Kreditnehmers, der Rendite des Kredits, verwertbarer Sicherheiten und etwaiger Rückgriffsmöglichkeiten sowie „aller Umstände, die den Forderungseingang zweifelhaft erscheinen lassen“.9 Insgesamt folgt aus diesen Maßgaben des BVerfG, dass die Feststellung des Vermögensschadens, obgleich jede Vermögens- und Schadenslehre auch normativ ist (vgl. Rz. 131), auf primär wirtschaftlicher Basis Tatfrage bleibt, soll der Betrug nicht seines Charakters als Vermögenserfolgsdelikt entkleidet werden (näher Rz. 168 f.). 2. Begriff, Bestimmung und Arten des Schadens a) Grundlagen: Grundsätzlich wirtschaftlicher Schadensbegriff aa) Schadenslehren

152

Vermögen und Schaden sind auf das engste miteinander verbunden (vgl. Rz. 124 m.N.). Das erklärt, warum der Vielzahl von Vermögensbegriffen (Rz. 125 ff.) eine Vielzahl von Schadenslehren entspricht.10 Nach der juristischen Schadenslehre ist Schaden jedes absprachewidrige Minus im Rechtssinne, das bereits eintritt, wenn eine Vermögensposition hergegeben oder belastet wird, ohne dass das vereinbarte Äquivalent erlangt wird (Rz. 125). Für den personalen Schadensbegriff ergibt sich der Schaden aus der Verfehlung des mit der Verfügung verfolgten wirtschaftlichen Zwecks, wobei der maßgebliche Zweck sich subjektiv nach der Zwecksetzung des Berechtigten richtet, die Feststellung des Eintritts des wirtschaftlichen Erfolgs aber objektiv aus der Sicht eines unbeteiligten Beobachters zu bestimmen ist (vgl. auch Rz. 130).11 Die primär wirtschaftliche Schadenslehre mit normativer 1 BVerfG v. 23.6.2010 – 2 BvR 2559/08, NJW 2010, 3209, 3215 Rz. 113 f. und 3220 Rz. 151; BVerfG v. 7.12.2011 – 2 BvR 2500/09, NJW 2012, 907, 916 Rz. 176; BGH v. 8.6.2011 – 3 StR 115/11, wistra 2011, 387 Rz. 7; BGH v. 14.4.2011 – 2 StR 616/10, NJW 2011, 2675, 2676 Rz. 12; zur Schätzung Noll in Fischer u.a. (Hrsg.), Dogmatik, 2015, S. 313 ff. 2 BVerfG v. 23.6.2010 – 2 BvR 2559/08, NJW 2010, 3209, 3220 Rz. 151; BVerfG v. 7.12.2011 – 2 BvR 2500/09, NJW 2012, 907, 916 Rz. 175 f.; BGH v. 14.4.2011 – 2 StR 616/10, NJW 2011, 2675 f. Rz. 12. 3 BVerfG v. 23.6.2010 – 2 BvR 2559/08, NJW 2010, 3209, 3219 ff. Rz. 141 ff., 151 ff. 4 BVerfG v. 23.6.2010 – 2 BvR 2559/08, NJW 2010, 3209, 3220 Rz. 147 ff. mit Kritik u.a. an der Spieler-Formel; krit. Saliger, NJW 2010, 3197 f. 5 Vgl. BGH v. 18.2.2009 – 1 StR 731/08, BGHSt 53, 199, 203; BGH v. 20.3.2008 – 1 StR 448/07, NStZ 2008, 457. 6 BVerfG v. 23.6.2010 – 2 BvR 2559/08, NJW 2010, 3209, 3219 ff. Rz. 141 ff. unter Bezugnahme auf Hefendehl, Vermögensgefährdung, 1994, S. 169 ff., 448, 454 f. 7 BVerfG v. 23.6.2010 – 2 BvR 2559/08, NJW 2010, 3209, 3219 Rz. 141. 8 BVerfG v. 23.6.2010 – 2 BvR 2559/08, NJW 2010, 3209, 3219 Rz. 143. 9 BVerfG v. 23.6.2010 – 2 BvR 2559/08, NJW 2010, 3209, 3220 Rz. 146. 10 Zum Folgenden bereits Saliger in M/R-StGB, § 263 Rz. 186 ff. Übersichten bei Hoyer in SK-StGB, § 263 Rz. 182 ff.; Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 248 ff. 11 Otto, BT, § 38 Rz. 8 f.; Geerds, Jura 1994, 309, 314, 318.

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Saliger

Rz. 155 § 263 StGB

Korrektur der Rspr. (vgl. Rz. 126), die juristisch-ökonomischen Schadenslehren (vgl. Rz. 129), aber auch der normativ-ökonomische Schadensbegriff (vgl. Rz. 130)1 richten demgegenüber die Schadensfrage mit Unterschieden i.E. grundsätzlich danach aus, ob der Betroffene wirtschaftlich ärmer geworden ist, indem sie auf Basis einer Betrachtung des Gesamtvermögens eine Saldierung der Vermögenszustände vor und nach der Vermögensverfügung unter Einschluss etwaiger Kompensationen durchführen und einen Schaden bei einem geldwerten Negativsaldo bejahen (Rz. 157 ff.).2 Zu folgen ist der wirtschaftlichen Schadenslehre mit normativer Anpassung bei der Saldierung als Spielart des juristisch-ökonomischen Schadensbegriffs (vgl. auch Rz. 131 f.; zu den normativen Korrekturen bei Ansprüchen Rz. 127 f. und Rz. 170). bb) Verfassungswidrigkeit einer juristischen Schadenslehre Dazu muss man zunächst sehen, dass die juristische Schadenslehre streng genommen den Vermögensschaden 153 als selbständiges Tatbestandsmerkmal gar nicht begründen kann. Wenn ein juristischer Schaden als Minus im Rechtssinne bereits bei jeder Weggabe einer Vermögensposition vorliegt, bei der der Getäuschte das vereinbarte Äquivalent nicht erhält (vgl. Rz. 125), dann kann ein Schaden auch vorliegen, wenn der Getäuschte eine andere, jedoch wertvollere als die vereinbarte Sache erhält und im Ergebnis wirtschaftlich reicher wird (vgl. auch Rz. 1). Damit würde der strafrechtliche Vermögensschutz nicht nur pervertiert. Die Überflüssigkeit des Vermögensschadens, der sich ganz in Täuschung und Vermögensverfügung erschöpft,3 würde den Betrug als bloßes Delikt gegen den Willen des Vermögensinhabers auch systemwidrig den Eigentumsdelikten gleichschalten.4 Sofern die juristische (subjektive) Schadenslehre also dem Vermögensschaden seinen Status als selbständiges Tatbestandsmerkmal wider den Willen des Gesetzgebers und das verfassungsrechtliche Verschleifungsverbot entzieht (vgl. Rz. 149 f.), kann sie nicht Grundlage einer verfassungskonformen Auslegung sein. Das gilt – und das ist rechtspraktisch besonders wichtig – zugleich für alle Auslegungen, die zumindest in der Sache auf eine juristische Schadenslehre hinauslaufen.5 cc) Undurchführbarkeit einer rein wirtschaftlichen Schadenslehre Umgekehrt ist aber auch eine wirtschaftliche (objektive) Schadenslehre in Reinform nicht durchführbar.6 Das 154 bringt bereits § 263 selbst mit dem Tatbestandsmerkmal der Rechtswidrigkeit des erstrebten Vermögensvorteils (Rz. 251 ff.) zum Ausdruck. Denn soweit das Gesetz Täuschungen nicht kriminalisiert, mit denen Vermögensvorteile erstrebt werden, die im Einklang mit der außerstrafrechtlichen Rechtsordnung stehen, zeigt es, dass es nicht von einem rein wirtschaftlichen Vermögens- und Schadensbegriff ausgeht. Eine weitere Problemzone soll das unterstreichen. Die strenge wirtschaftliche Schadenslehre müsste in jeder einseitigen Vermögenszuwendung (Subvention, Sozialleistung, Spende) stets einen Vermögensschaden sehen, weil eine Gesamtsaldierung wegen der fehlenden Gegenleistung immer zu einem Negativsaldo beim Geber führt. Ein solches Ergebnis würde indes vernachlässigen, dass Vermögen immer auch den wirtschaftlichen Nutzungs- oder Gestaltungswert des Vermögensinhabers repräsentiert, der nicht geschädigt ist, wenn die mit einer einseitigen Leistung verbundene Zwecksetzung erreicht wird. Diesem Anliegen trägt mit Fug die Zweckverfehlungslehre Rechnung (Rz. 178 ff.).7 dd) Vermögensschutz und Dispositionsschutz: Unselbständiger und selbständiger Dispositionsschutz Mit dem Verzicht auf eine strenge Durchführung der wirtschaftlichen Betrachtungsweise verfolgt die wirtschaftli- 155 che Schadenslehre mit normativer Anpassung einen Mittelweg zwischen vollständiger Objektivierung und völliger Subjektivierung des Vermögensschadens.8 Denn auch die Wirtschaft misst dem Umstand Bedeutung bei, dass die meisten Gegenstände nicht für alle Menschen den gleichen Vermögenswert haben, weil sie nicht für alle gleich brauchbar sind.9 Insoweit ist das Verhältnis von zulässigem Vermögensschutz und unzulässigem bloßen Dispositionsschutz durch den Betrugstatbestand (vgl. Rz. 1) auf Basis der gebotenen wirtschaftlichen Perspektive differenzierter einzuschätzen.10 Zu unterscheiden ist ein zulässiger unselbständiger von einem unzulässigen

1 Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 491; auch Wostry, Schadensbezifferung, 2016, S. 191: Handelsbilanz als Schadensrechner. 2 Zur Schadenslehre von Hoyer s. Hoyer in SK-StGB, § 263 Rz. 223 ff. 3 Vgl. Samson, JA 1978, 626; auch Hoyer in SK-StGB, § 263 Rz. 184 ff. 4 Vgl. RGSt 16, 1, 3; Samson, JA 1978, 626. 5 Dazu auch Saliger, HRRS 2012, 364 ff. und Saliger in Fischer u.a. (Hrsg.), Dogmatik, S. 25 ff. 6 Zum Folgenden Samson, JA 1978, 625 ff.; Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 250 ff., 262 ff.; Hoyer in SK-StGB, § 263 Rz. 215 ff. 7 Vgl. in Bezug auf Subventionen z.B. BGH v. 30.6.1982 – 1 StR 757/81, BGHSt 31, 93, 95 und BGH v. 26.1.2006 – 5 StR 334/05, NStZ 2006, 624, 625, wo von einem durch gegenseitige Pflichten geprägtem Leistungsverhältnis und sogar „Austauschverhältnis“ zwischen Subventionsgewährung und zweckgerechter Mittelverwendung die Rede ist. Zur Relevanz der Lehre vom persönlichen Schadenseinschlag in diesem Zusammenhang Saliger in M/R-StGB, § 263 Rz. 188. 8 Bereits Saliger in M/R-StGB, § 263 Rz. 189; vgl. auch Samson, JA 1978, 626. 9 So eine zentrale These von RG v. 20.4.1887 – 2237/86, RGSt 16, 1, 7; BGH v. 18.7.1961 – 1 StR 606/60, BGHSt 16, 220, 222 und BGH v. 16.8.1961 – 4 StR 166/61, BGHSt 16, 321, 325 f. 10 Vgl. Samson, JA 1978, 626.

Saliger

453

StGB

Betrug

StGB

§ 263 StGB Rz. 156

Strafgesetzbuch

selbständigen Dispositionsschutz.1 Wer täuschungsbedingt einen Vermögensgegenstand ohne Gegenleistung weggibt, erleidet nicht nur einen Vermögensschaden, sondern wird zugleich in seiner Dispositionsfreiheit über den Vermögensgegenstand verletzt. Insoweit schließt der Vermögensschutz auch einen zulässigen, weil überlagerten unselbständigen Schutz der Dispositionsfreiheit des Vermögensinhabers ein (Rz. 1). Das gilt auch, soweit man mit der h.M. zutreffend den Vermögensschutz nicht nur auf Bestands-, sondern auch auf einen begrenzten Nutzungsschutz in Gestalt der Zweckverfehlung oder des persönlichen Schadenseinschlags erstreckt. Allerdings ist bei letzteren durch restriktive Auslegung besonders streng darauf zu achten, dass der unselbständige Schutz der Dispositionsfreiheit sich nicht zu einem unzulässigen, weil reinen, selbständigen Dispositionsschutz ausdehnt, so beim persönlichen Schadenseinschlag etwa durch eine restriktive Handhabung der Fallgruppen, die die Dispositionsfähigkeit schützen (Rz. 172 f.), sowie bei der Zweckverfehlung durch eine Begrenzung auf Zwecksetzungen, die zumindest mittelbar wirtschaftlich relevant sind (Rz. 179 f.).2 ee) Normativierung, Fiktionalisierung und Moralisierung des Schadens 156

Die Notwendigkeit der Abwehr eines unzulässigen selbständigen Dispositionsschutzes auf Basis einer wirtschaftlichen Betrachtung zeigt sich auch bei der schadensgleichen Vermögensgefahr, die von der ganz h.M. konsequent und mit Recht als eigene Schadenskategorie anerkannt wird (Rz. 187 ff.). Der unzulässige selbständige Dispositionsschutz tritt hier zum einen in Gestalt einer Fiktionalisierung des Schadens als Folge einer unzulässigen Übernormativierung auf.3 So liegt nur ein fiktiver Schaden bzw. eine abstrakte Vermögensgefahr vor, wenn der BGH bereits in dem Abschluss eines manipulierten Wettvertrages einen endgültigen Schaden in Form eines Quotenschadens erkennt (Rz. 222 ff.);4 wenn er die schiere Fortführung einer „schwarzen Kasse“ als endgültigen Vermögensnachteil wertet;5 oder wenn er in dem bloßen Abschluss von Risikolebensversicherungen in der Absicht, durch spätere Vortäuschung eines Todesfalles die Versicherungssummen ausgezahlt zu bekommen, schon einen vollendeten Eingehungsbetrug als „Endschaden“ annahm (Rz. 193, 205).6 Die Fiktionalisierung des Schadens ergibt sich in den angeführten Fällen aus der fehlenden Berücksichtigung wirtschaftlicher Zusammenhänge (Quotenschaden, schwarze Kasse), aus der Kappung von Kompensationsmöglichkeiten bei der Saldierung und der – ursprünglich angenommenen – Nichtbezifferbarkeit der Schadenshöhe (Quotenschaden, Versicherungsfall; näher Rz. 168).7 Obgleich bei der Schadensfeststellung auch normative Erwägungen eine Rolle spielen (vgl. Rz. 131, 151),8 überschreitet die Fiktionalisierung des Schadens und die mit ihr einhergehende Verschleifung von Täuschung und Schaden in den Betrugsfällen als Folge des selbständigen Schutzes der Dispositionsfreiheit die durch das Verschleifungsverbot (vgl. Rz. 150) gezogenen verfassungsrechtlichen Grenzen einer vertretbaren Normativierung. Ähnliches gilt für die Moralisierung des Schadens, die eine weitere Erscheinungsform eines unzulässigen selbständigen Dispositionsschutzes als Folge einer Übernormativierung bezeichnet. Sie zeigt sich z.B. bei der Annahme eines Anstellungsbetrugs durch Erschleichung einer Beamtenstellung unter Nichtoffenbarung einer früheren Stasi-Tätigkeit. Sofern der BGH einen Vermögensschaden ungeachtet des Umstands, dass der Täter fachlich nicht zu beanstandende Leistungen erbrachte, allein auf das Bestehen eines zwingenden rechtlichen Einstellungshindernisses aus dem Bereich der persönlichen Zuverlässigkeit stützt,9 transformiert er unzulässigerweise die auch moralisch konnotierten Zwecksetzungen des Beamtenrechts wie Ansehen des Staates, Verfassungstreue, Lauterkeit der staatlichen Amtsführung oder Idee eines untadeligen Berufsbeamtentums in Schutzzwecke des Betrugs- bzw. Vermögensstrafrechts (näher Rz. 218 f.).10 Zur hochproblematischen Formalisierung des Schadens beim ärztlichen Abrechnungsbetrug Rz. 215. b) Das Prinzip der Gesamtsaldierung aa) Grundsätze (1) Gesamtvermögen und wirtschaftliche Betrachtung

157

Nach der vorzugswürdigen grundsätzlich wirtschaftlichen Schadenslehre (Rz. 152 ff.) erleidet das Vermögen einen Schaden, wenn der wirtschaftliche Gesamtwert des Vermögens durch die Vermögensverfügung im Ergebnis 1 Zust. Matt in M/R-StGB, § 266 Rz. 1. 2 Zur Restriktion bei der Untreue § 266 Rz. 79. Persönlicher Schadenseinschlag und Zweckverfehlungslehre ganz ablehnend Wostry, Schadensbezifferung, 2016, S. 147 ff., 153. 3 Zum Folgenden bereits Saliger, FS Samson, 2010, S. 455 ff., 480 ff.; auch Rönnau, FS Rissing-van Saan, 2011, S. 517 ff. 4 BGH v. 15.12.2006 – 5 StR 181/06, BGHSt 51, 165, 175 ff. – Fall Hoyzer. 5 BGH v. 29.8.2008 – 2 StR 587/07, BGHSt 52, 323, 336 ff. – Fall Siemens – zu § 266; dazu § 266 StGB Rz. 97 ff. 6 BGH v. 14.8.2009 – 3 StR 552/08, BGHSt 54, 69, 122 ff. m. Anm. unten in Rz. 193 – Fall Al-Qaida; mit Recht hat daher BVerfG v. 7.12.2011 – 2 BvR 2500/09, NJW 2012, 907, 916 Rz. 177 ff. das Urteil BGH v. 14.8.2009 – 3 StR 552/08, BGHSt 54, 69 aufgehoben. 7 Dazu näher Saliger, FS Samson, 2010, S. 480 ff.; zum Al-Qaida-Fall wie hier BVerfG v. 7.12.2011 – 2 BvR 2500/09, NJW 2012, 907, 916, Rz. 177 ff. 8 BGH v. 29.8.2008 – 2 StR 587/07, BGHSt 52, 323, 337; auch BVerfG v. 23.6.2010 – 2 BvR 2559/08, NJW 2010, 3209, 3215 Rz. 115; BVerfG v. 7.12.2011 – 2 BvR 2500/09, NJW 2012, 907, 916 Rz. 176. 9 BGH v. 18.2.1999 – 5 StR 193/98, BGHSt 45, 1, 11 ff., 13 m. Anm. Geppert, NStZ 1999, 305; Otto, JZ 1999, 738; Jahn, JA 1999, 628; Seelmann, JR 2000, 164; ferner Dammann/Kutscha, NJ 1999, 284 f. 10 Vgl. dazu Saliger, ZStW 112 (2000), 562, 600 ff. im Kontext des § 266. Krit. auch Jahn, JA 1999, 630.

454

Saliger

Rz. 159 § 263 StGB

vermindert wird.1 Bezugspunkt der Saldierung ist damit nicht der von der Verfügung betroffene konkrete Vermögensgegenstand (vgl. aber Rz. 125), sondern das wirtschaftliche Gesamtvermögen des Vermögensinhabers.2 In dem grundlegenden Beschluss der Vereinigten Strafsenate von 1887 begründet das RG die Maßgeblichkeit des Gesamtvermögens in einer bis heute gültigen Weise zum einen mit dem Strukturunterschied zwischen der Beschädigung des Vermögens und der Beschädigung bzw. Wegnahme einer Sache, zum anderen mit der Notwendigkeit, auch die täuschungsbedingte Belastung des Vermögens mit einer Verbindlichkeit als Betrug zu erfassen. Denn Letzteres sei ohne den Bezug auf die Minderung des Gesamtvermögens nicht möglich, weil die Belastung mit einer Verbindlichkeit dem Vermögen des Schuldners weder einen seiner aktiven Bestandteile an Vermögensrechten entzieht noch den Wert eines einzelnen Vermögensrechts beeinträchtigt.3 Mit dem Abstellen auf das Gesamtvermögen verbinden sich drei fundamentale, von der Rspr. anerkannte Struk- 158 turelemente des Vermögensschutzes durch Betrug:4 Erstens ergibt sich ein Vermögensschaden nicht schon daraus, dass jemand infolge der Täuschung eine Vermögensverfügung getroffen hat, die er ohne die Täuschung nicht vorgenommen hätte. Denn ein Vorgang, der den Wert des Gesamtvermögens nicht vermindert, wird nicht dadurch zu einer Vermögensschädigung, dass er auf einer Täuschung beruht.5 Die Verfügungsfreiheit ist damit zumindest als selbständige Dispositionsfreiheit (vgl. Rz. 1, Rz. 155) grundsätzlich (zum persönlichen Schadenseinschlag Rz. 154 f. und Rz. 171 ff.) nicht mitgeschützt.6 Zweitens und damit zusammenhängend begründet die schiere Veränderung der Bestandteile eines Vermögens ebenfalls noch keinen betrugstauglichen Vermögensschaden. Denn eine solche Veränderung folgt aus jeder Vermögensverfügung, ohne dass damit schon eine nachteilige Veränderung des Gesamtvermögens festgestellt wäre. Der Betrug schützt also nicht die Integrität des Vermögensbestandes. Er ist kein Eigentumsdelikt, sondern ein materielles Vermögensdelikt.7 Drittens folgt aus dem Erfordernis der Beeinträchtigung des Gesamtvermögens, dass die bloße Vereitelung einer Vermögensmehrung jenseits der vermögenswerten Exspektanz (Rz. 135 ff.) durch den Betrug nicht geschützt ist. Der Betrug ist kein Delikt zum Schutz enttäuschter allgemeiner Gewinnhoffnungen, sondern ein Delikt zum Schutz des Vermögensbestandes.8 (2) Gleichzeitigkeit, Unmittelbarkeit und ex-ante Betrachtung Die Feststellung der Minderung des Gesamtvermögens (Rz. 157) erfolgt nach h.M. durch einen Vergleich der 159 Vermögenslagen vor und nach der Vermögensverfügung auf wirtschaftlicher Basis.9 Ein Vermögensschaden liegt vor, wenn dieser Vergleich einen Negativsaldo zu Lasten des Gesamtvermögens ergibt, der Betroffene also ärmer wird. Ein Negativsaldo ist gegeben, wenn die durch die Vermögensverfügung unmittelbar ausgelöste Wertminderung des Gesamtvermögens nicht durch einen unmittelbar durch die Vermögensverfügung bewirkten Vermögenszuwachs voll ausgeglichen wird (Prinzip der Gesamtsaldierung bei Gleichzeitigkeit von Wertminderung und Werterhöhung; zur Kompensation Rz. 164 ff.).10 In dieser Bestimmung verlangt die Gesamtsaldierung allerdings nicht die Aufstellung zweier Inventarverzeichnisse und die Festlegung des Wertes sämtlicher Vermögensgegenstände, was praktisch häufig unmöglich und regelmäßig auch überflüssig wäre. Es genügt, dass die infolge der täuschungsbedingten Vermögensverfügung ab- und zufließenden Vermögenspositionen in den Blick genom-

1 RG v. 20.4.1887 – 2237/86, RGSt 16, 1, 3 ff.; BGH v. 18.2.2009 – 1 StR 731/08, BGHSt 53, 199, 201; BGH v. 26.1.2006 – 5 StR 334/05, NStZ 2006, 624; BGH v. 14.4.2011 – 2 StR 616/10, NJW 2011, 2675 Rz. 12; ferner Fischer, StGB, § 263 Rz. 111; Lackner/Kühl, StGB, § 263 Rz. 36; Dannecker in G/J/W, § 263 StGB Rz. 86. 2 Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 491; Saliger in M/R-StGB, § 263 Rz. 192. 3 RG v. 20.4.1887 – 2237/86, RGSt 16, 1, 3. 4 Vgl. Küper/Zopfs, BT, S. 387. 5 BGH v. 10.7.1952 – 5 StR 358/52, BGHSt 3, 99, 102; BGH v. 3.11.1982 – 2 StR 159/82, NJW 1983, 461. 6 Grundlegend RG v. 20.4.1887 – 2237/86, RGSt 16, 1, 1 f., 4; ferner BGH v. 18.7.1961 – 1 StR 606/60, BGHSt 16, 220, 221; BGH v. 16.8.1961 – 4 StR 166/61, BGHSt 16, 321, 325; BGH v. 7.3.2006 – 1 StR 379/05, BGHSt 51, 10, 15; BGH v. 9.3.1999 – 1 StR 50/99, wistra 1999, 299, 300; ferner BGH v. 23.5.2002 – 1 StR 372/01, BGHSt 47, 295, 301 zu § 266; Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 489; Saliger in M/R-StGB, § 263 Rz. 193. 7 RG v. 20.4.1887 – 2237/86, RGSt 16, 1, 3 ff., 4 f. (5); BGH v. 18.7.1961 – 1 StR 606/60, BGHSt 16, 220, 221; BGH v. 16.8.1961 – 4 StR 166/61, BGHSt 16, 321, 326; Küper/Zopfs, BT, S. 387. 8 RG v. 20.4.1887 – 2237/86, RGSt 16, 1, 5 f.; BGH v. 18.7.1961 – 1 StR 606/60, BGHSt 16, 220, 223; BGH v. 16.8.1961 – 4 StR 166/61, BGHSt 16, 321, 325; Lackner/Kühl, StGB, § 263 Rz. 36; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 201; Küper/ Zopfs, BT, S. 387. 9 St. Rspr.: RG v. 20.4.1887 – 2237/86, RGSt 16, 1, 6; BGH v. 18.7.1961 – 1 StR 606/60, BGHSt 16, 220, 221; BGH v. 18.2.1999 – 5 StR 193/98, BGHSt 45, 1, 4; BGH v. 7.3.2006 – 1 StR 379/05, BGHSt 51, 10, 15; BGH v. 18.2.2009 – 1 StR 731/08, BGHSt 53, 199, 201; BGH v. 4.3.1999 – 5 StR 355/98, NStZ 1999, 353, 354; BGH v. 14.8.2009 – 3 StR 552/08, NJW 2009, 3448, 3464; BGH v. 5.7.2011 – 3 StR 444/10, NStZ-RR 2011, 312, 313; auch BVerfG v. 10.3.2009 – 2 BvR 1980/07, NJW 2009, 2370, 2371; ferner Hoyer in SK-StGB, § 263 Rz. 193; Saliger in M/R-StGB, § 263 Rz. 194; Wittig, Wirtschaftsstrafrecht, § 14 Rz. 100. 10 BGH v. 7.3.2006 – 1 StR 379/05, BGHSt 51, 10; BGH v. 18.2.2009 – 1 StR 731/08, BGHSt 53, 199, 201; BGH v. 14.4.2011 – 2 StR 616/10, NJW 2011, 2675 Rz. 12; BGH v. 8.10.2014 – 1 StR 359/13, NStZ 2015, 89, 91; Fischer, StGB, § 263 Rz. 111, 113; Lackner/Kühl, StGB, § 263 Rz. 36; Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 99; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 159; Saliger in M/R-StGB, § 263 Rz. 194; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 196; Gaede in AnwK-StGB, § 263 Rz. 98; Wessels/Hillenkamp, BT/2, Rz. 538; Rengier, BT/1, § 13 Rz. 156.

Saliger

455

StGB

Betrug

StGB

§ 263 StGB Rz. 160

Strafgesetzbuch

men und miteinander abgeglichen werden.1 Daraus ergibt sich für die Gesamtsaldierung folgende dreischrittige Prüfung:2 Zunächst ist zu ermitteln, welche Vermögenspositionen der Vermögensinhaber aufgrund der Vermögensverfügung verloren und welche er erhalten hat. Sodann sind die einzelnen betroffenen Vermögenspositionen zu bewerten (Rz. 161 ff.). Schließlich ist die Saldierung vorzunehmen und festzustellen, ob ein Negativsaldo (dann Schaden), ein ausgeglichener Saldo (dann kein Schaden) oder sogar ein Positivsaldo (dann Gewinn) eingetreten ist. Das Prinzip der Gesamtsaldierung gilt für alle Fallgruppen des Betrugs und Erscheinungsformen des Schadens, insbesondere den Eingehungsbetrug (Rz. 200 ff.),3 Risikogeschäfte,4 die schadensgleiche Vermögensgefahr (Rz. 187 ff.), den Sportwettenbetrug (Rz. 260 ff.)5 oder den Subventionsbetrug (Rz. 184).6 160

Bei der Saldierung dürfen Wertminderung und Werterhöhung nicht unabhängig voneinander und zufällig zur gleichen Zeit eintreten. Vielmehr müssen sie durch dieselbe Vermögensverfügung unmittelbar bewirkt worden sein (Prinzip der Unmittelbarkeit der Saldierung, insbesondere der Werterhöhung; zur Unmittelbarkeit bei der Vermögensverfügung Rz. 112 ff.).7 Daran fehlt es auf der Seite der Wertminderung (zur Unmittelbarkeit bei der Kompensation Rz. 164) beim mittelbaren Schaden, den der Getäuschte dadurch erleidet, dass er aufgrund des unmittelbaren Vermögensschadens weitere Handlungen vornimmt oder unterlässt.8 Das gilt etwa für aufgewandte Prozess- und Vollstreckungskosten9 oder einen Schadensersatzanspruch, den der getäuschte Ausschreibende gegenüber den Bietern nicht geltend macht.10 Maßgeblicher Zeitpunkt für die Saldierung ist der Zeitpunkt der Vermögensverfügung, so dass der Wert des Gesamtvermögens unmittelbar vor und nach der Verfügung zu vergleichen ist (ex-ante-Betrachtung).11 Spätere Entwicklungen wie Schadensvertiefung oder Schadensausgleich berühren den Schaden nicht mehr und sind nur noch für die Strafzumessung von Belang (vgl. Rz. 273).12 (3) Bewertung der Vermögenspositionen

161

In den Vergleich der Vermögenslagen sind auf Basis des primär wirtschaftlichen Vermögensbegriffs grundsätzlich (zu den Ausnahmen nach der Rspr. Rz. 127 f. und Rz. 166) alle Aspekte negativ wie auch positiv einzubeziehen, die einen konkretisierbaren Vermögenswert besitzen, also in Geldwert messbar sind (vgl. Rz. 126).13 Die Bewertung der danach einzubeziehenden Vermögenspositionen richtet sich nicht nach der subjektiven Willkür oder persönlichen Einschätzung ihrer Inhaber, sondern grundsätzlich nach einem objektiv-individuellen Maßstab. Das bedeutet, dass sich der Vermögenswert einer Position einerseits nach ihrem objektiven Wert, insbesondere ihrer Wiederverkäuflichkeit beurteilt (objektive Komponente), andererseits zugleich die Individualität des jew. Falles zu berücksichtigen ist, was die individuellen Vermögensverhältnisse des konkret Getäuschten einschließt (individuelle Komponente; Prinzip der Individualisierung). Die individuelle Komponente wiederum orientiert sich am vernünftigen Urteil eines unbeteiligten Dritten.14 I.E. ist maßgeblich für die objektiv-individuelle Bewertung grundsätzlich der Verkehrswert bzw. Marktpreis der Vermögensposition im Zeitpunkt der Verfügung.15

1 Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 159; Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 493; Cramer, Vermögensbegriff, S. 49. 2 Hoyer in SK-StGB, § 263 Rz. 193; Saliger in M/R-StGB, § 263 Rz. 194; Samson, JA 1978, 626; Küper/Zopfs, BT, S. 388. 3 BGH v. 18.7.1961 – 1 StR 606/60, BGHSt 16, 220, 221; BGH v. 18.2.1999 – 5 StR 193/98, BGHSt 45, 1, 4; BGH v. 23.1.1985 – 1 StR 691/94, StV 1985, 368, 369; BGH v. 9.6.2004 – 5 StR 136/04, NJW 2004, 2603, 2604; BGH v. 14.8.2009 – 3 StR 552/08, NJW 2009, 3448, 3464. 4 BGH v. 23.2.1982 – 5 StR 685/81, BGHSt 30, 388, 389 f.; BGH v. 18.2.2009 – 1 StR 731/08, BGHSt 53, 199, 202. 5 BGH v. 15.12.2006 – 5 StR 181/06, BGHSt 51, 165, 174 ff. 6 BGH v. 26.1.2006 – 5 StR 334/05, NStZ 2006, 624, 625. 7 BGH v. 18.2.2009 – 1 StR 731/08, BGHSt 53, 199, 201; BGH v. 4.3.1999 – 5 StR 355/98, NStZ 1999, 353, 354; BGH v. 29.8.2008 – 2 StR 587/07, BGHSt 52, 323, 337 f. zu § 266; Saliger in M/R-StGB, § 263 Rz. 195; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 161; Graf, Vermögensstrafrecht, S. 293 f.; Samson, JA 1978, 627; Jäger, JuS 2010, 763 f. Abl. Wostry, Schadensbezifferung, 2016, S. 129 ff., 365. Zur teilweise anderen Lage bei der Untreue § 266 StGB Rz. 78 m.w.N. 8 BayObLG v. 30.7.1998 – 3 St RR 54-98, NJW 1999, 663. 9 OLG Düsseldorf v. 17.3.1993 – 2 Ss 72/93 – 17/93 III, NJW 1993, 2694, 2695. 10 BGH v. 9.11.1999 – 1 StR 540/99, NStZ 2000, 260, 261. 11 BGH v. 18.2.2009 – 1 StR 731/08, BGHSt 53, 199, 201; BGH v. 14.4.2011 – 2 StR 616/10, NJW 2011, 2675 Rz. 12; ferner BGH v. 9.3.1999 – 1 StR 50/99, wistra 1999, 299, 300. 12 BGH v. 23.2.1982 – 5 StR 685/81, BGHSt 30, 388, 389 f.; BGH v. 18.2.2009 – 1 StR 731/08, BGHSt 53, 199, 201 f.; auch BGH v. 7.3.2006 – 1 StR 379/05, BGHSt 51, 10, 17. 13 Stellvertretend BVerfG v. 10.3.2009 – 2 BvR 1980/07, NJW 2009, 2370, 2371 und BGH v. 27.2.1975 – 4 StR 571/74, NJW 1975, 1234, 1235 – Bundesligaskandal-Fall –, jew. zu § 266; auch OLG Hamburg v. 6.6.1962 – Ss 355/61, NJW 1962, 1407, 1408. 14 Grundlegend RG v. 20.4.1887 – 2237/86, RGSt 16, 1, 6 ff.; BGH v. 18.7.1961 – 1 StR 606/60, BGHSt, 16, 220, 221 f.; BGH v. 21.11.1961 – 1 StR 442/61, BGHSt 16, 320, 325 f.; BGH v. 24.2.1983 – 1 StR 550/82, NJW 1983, 1917; BGH v. 6.9.2000 – 3 StR 326/00, NStZ-RR 2001, 41 f.; BGH v. 14.8.2009 – 3 StR 552/08, NJW 2009, 3448, 3464; Lackner/Kühl, StGB, § 263 Rz. 37; Küper/Zopfs, BT, S. 386. 15 Vgl. BGH v. 8.7.1955 – 1 StR 245/55, BGHSt 8, 46, 49; BGH v. 18.7.1961 – 1 StR 606/60, BGHSt 16, 220, 222; BGH v. 8.1.1992 – 2 StR 102/91, BGHSt 38, 186, 190 f.; BGH v. 9.6.2004 – 5 StR 136/04 NJW 2004, 2603, 2604; BGH v. 14.4.2011 – 1 StR 458/10, wistra 2011, 335, 338; BGH v. 8.10.2014 – 1 StR 359/13, NStZ 2015, 89, 92; ferner Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 163; Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 99; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 199.

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Saliger

Rz. 163 § 263 StGB

Die Bewertung hat sich an den Gegebenheiten des einschlägigen Marktes auszurichten, also die konkreten zeitlichen und örtlichen Verhältnisse von Angebot und Nachfrage nebst der betroffenen Umsatzstufe (Großhandel, Einzelhandel) unter Einschluss der Besonderheiten von Spezial- und ausländischen Märkten.1 Für den Rabattbetrug verlangt die Rspr. einen Vergleich des rabattierten Kaufpreises des Täuschenden mit dem Markpreis auf der betreffenden Umsatzstufe nebst Kostenaufwand für den entsprechenden Vertrieb. Dabei sollen aber nur solche (hypothetischen) Umsatzerlöse zu beachten sein, die bei einem anderweitigen Verkauf wahrscheinlich zu realisieren gewesen wären,2 was i.d.R. einen starren Markt mit konstantem Bedarf für das Produkt und festem Preisgefüge voraussetzt (vgl. bereits Rz. 136).3 Zur Bewertung beim Handel mit Warenterminoptionen Rz. 229 ff.; zur Bewertung von Forderungen bei einer Forderungsabtretung BGH v. 19.8.2015 – 1 StR 334/15, BeckRS 2015, 18539, Rz. 4 ff. In der Konsequenz des Prinzips der Individualisierung bei der Schadensfeststellung liegt es, dass die h.M. mit 162 der Figur des persönlichen Schadenseinschlags auch den persönlichen Verhältnissen des Leistungsempfängers bei der Bewertung der erhaltenen Gegenleistung Rechnung trägt (näher Rz. 171 ff.). Schon mit dieser Subjektivierung des Vermögensschadens verkompliziert sich die Bewertungsfrage. Schwierigkeiten bei der Bewertung entstehen ferner, wenn die Bildung eines Marktpreises verhindert bzw. erschwert wird oder ein Marktpreis (noch) nicht besteht. Für den Submissionsbetrug stellt vor allem die Rspr. auf die strittige Differenz zwischen der vertraglich vereinbarten Auftragssumme und dem Preis, der bei Beachtung der für das Vergabeverfahren geltenden Vorschriften erzielbar gewesen wäre (hypothetischer Wettbewerbspreis), ab (näher Rz. 226 f.).4 Hat das Fehlen eines Marktpreises seinen Grund in staatlicher Intervention, so wird die staatliche Preisfestsetzung für die Schadensberechnung maßgebend.5 Dabei ist allerdings zu beachten, dass staatliche Preisfestsetzungen etwa durch Vergütungsgesetze und Gebührenordnungen (z.B. RVG, EBM, BEMA, GOÄ) auch berufsordnungsrechtliche oder sozialversicherungspolitische Zwecke verfolgen, die zum reinen Vermögensschutz des Betrugstatbestands (Rz. 1) nicht passen. Wie die Fallgruppe des ärztlichen Abrechnungsbetrugs mit der vor allem von der Judikatur verfolgten streng formalen Betrachtung zeigt, gilt es hier, durch einen differenzierenden Ansatz der Gefahr einer Rechtsgutsvertauschung des Betrugs vorzubeugen (dazu näher Rz. 210 ff. [215]). Auch das Fehlen eines Marktpreises mangels weiterer Kaufinteressenten steht nach Auffassung des 1. BGH- 163 Strafsenats im Fall Falk der Bestimmung eines Marktpreises nicht entgegen. Vielmehr sei hier der Marktpreis aus den Vereinbarungen der Vertragsparteien unter Berücksichtigung der für sie maßgeblichen preisbildenden Faktoren abzuleiten, weil dann die Parteien die Marktteilnehmer bildeten. Erst wenn die vertraglichen Vereinbarungen keine sicheren Anhaltspunkte böten, seien die allgemein anerkannten betriebswirtschaftlichen Bewertungsmaßstäbe zur Bestimmung des Unternehmenswerts heranzuziehen.6 Diese extensive Auslegung ist auch im Hinblick auf verfassungsrechtliche Vorgaben (vgl. Rz. 149 ff.) hochproblematisch. Sie weicht nicht nur von der auf der bisher maßgeblichen Entscheidung BGHSt 16, 220 (222) aufbauenden Rspr. ab, die Vermögenspositionen mit Fug nicht nach dem „verlangten, gebotenen oder vereinbarten, sondern dem nachhaltig erzielbaren Preis“ bewertet hat.7 Der BGH hat bislang auch den in dubio-Grundsatz auf die im Zivilrecht weithin ungeklärten Grundsätze der Unternehmensbewertung angewandt mit der Folge, dass die für den Beschuldigten günstigste Bewertungsmethode greift.8 Vor allem aber bedeutet der Kurzschluss vom vereinbarten Preis auf den Marktpreis eine erhebliche Verschärfung der Subjektivierung des Schadens in Richtung einer juristischen Schadenslehre wider die auch verfassungsrechtlich vorgezeichnete (Rz. 150) primär wirtschaftliche Schadenslehre. Aus diesen Gründen ist auch der offenkundig durch die Vermeidung der Heranziehung von Sachverständigen motivierte Rechtssatz des 5. Strafsenats abzulehnen, wonach es jenseits eines auffälligen Missverhältnisses von Leistung und Gegenleistung für die Schadensbemessung regelmäßig keiner von dem ohne Wissens- und Willensmängel vereinbarten Preis abweichenden Bestimmung des Werts der Gegenleistung bedarf, wenn der

1 Vgl. BGH v. 23.2.1982 – 5 StR 685/81, BGHSt 30, 388, 390; BGH v. 12.6.1991 – 3 StR 155/91, NJW 1991, 2573 f.; BGH v. 9.6.2004 – 5 StR 136/04, NJW 2004, 2603, 2604; BGH v. 14.7.2010 – 1 StR 245/09, wistra 2010, 407; Lackner/Kühl, StGB, § 263 Rz. 38; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 163; Saliger in M/R-StGB, § 263 Rz. 197; Samson, JA 1978, 627. 2 BGH v. 9.6.2004 – 5 StR 136/04, NJW 2004, 2603, 2604. 3 Vgl. BGH v. 20.5.1981 – IVb ZR 571/80, MDR 1981, 100; KG v. 12.5.2004 – 1 Ss 508/03, StraFo 2004, 285 f. 4 BGH v. 8.1.1992 – 2 StR 102/91, BGHSt 38, 186, 193 ff.; BGH v. 11.7.2001 – 1 StR 576/00, BGHSt 47, 83, 88. 5 Vgl. BGH v. 8.1.1992 – 2 StR 102/91, BGHSt 38, 186, 191 f. für den sog. Selbstkostenpreis nach der BauPreisVO; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 164; Saliger in M/R-StGB, § 263 Rz. 198; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 200. 6 BGH v. 14.7.2010 – 1 StR 245/09, wistra 2010, 407 unter Bezug auf BGH v. 11.9.2003 – 5 StR 524/02, wistra 2003, 457. 7 BGH v. 18.7.1961 – 1 StR 606/60, BGHSt 16, 220, 222. Zuletzt bestätigt durch den 3. Strafsenat in BGH v. 13.11.2007 – 3 StR 462/06, NStZ 2008, 96, 98, wo auch die subjektive Werttaxierung durch den Verfügenden für unerheblich erklärt wird, und BGH v. 14.8.2009 – 3 StR 552/08, NJW 2009, 3448, 3464 sowie wieder durch den 1. Strafsenat selbst in BGH v. 14.4.2011 – 1 StR 458/10, wistra 2011, 335, 338 Rz. 28 und BGH v. 8.10.2014 – 1 StR 359/13, NStZ 2015, 89, 92 m. Anm. Kudlich, ZWH 2015, 14 und C. Dannecker, NZWiSt 2015, 173. 8 BGH v. 11.9.2003 – 5 StR 524/02, wistra 2003, 457, 459; Fischer, StGB, § 263 Rz. 112; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 199. Zum Problem Florstedt, wistra 2007, 441 und Langrock, wistra 2005, 46 sowie eingehend Adolff, Unternehmensbewertung, 2007.

Saliger

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StGB

Betrug

StGB

§ 263 StGB Rz. 164

Strafgesetzbuch

Empfänger einer Sachleistung bei einem Eingehungsbetrug über seine Zahlungsbereitschaft täuscht.1 Abgesehen davon, dass diese intersubjektive Wertsetzung zur Entscheidung des konkreten und klaren Betrugsfalles nicht erforderlich war, ist sie geeignet, auch die Vereitelung von Gewinnerzielungsabsichten der Getäuschten zu kriminalisieren, was sie in Widerspruch zur Grundfunktion des Betruges führt, der nur vor dem Ärmer-Werden schützt (Rz. 1).2 Das hat der 5. Strafsenat inzwischen selbst erkannt und sich von seinem Judikat distanziert.3 Andere Strafsenate des BGH bestimmen den Vermögensschaden auch nach der Entscheidung des 5. Strafsenats mit Recht primär objektiv nach dem Verkehrs- und Marktwert von Leistung und Gegenleistung.4 bb) Kein Schaden bei unmittelbarer und vollständiger Kompensation (1) Grundsätze der Kompensation 164

Aus dem Prinzip der Gesamtsaldierung (Rz. 159) folgt, dass in den Vermögensvergleich auch eine Vermögensmehrung beim Geschädigten einbezogen werden muss, wenn der Vermögenszuwachs unmittelbar durch die Vermögensverfügung erfolgt (Prinzip der Schadenskompensation).5 Unmittelbarkeit bedeutet, dass die Vermögensverfügung selbst Vorteil und Nachteil zugleich hervorbringt. Eine Kompensation scheidet deshalb regelmäßig aus, wenn die Vermögensmehrung erst durch eine andere, rechtlich selbständige Handlung hervorgebracht wird und insoweit bloß mittelbar ist.6 Letzteres ist etwa der Fall, wenn der Versicherer, der betrügerischen Maklern Provisionen für nichtige Versicherungsverträge zahlt, von den Versicherungsnehmern aus einem anderen Rechtsgrund Prämien erhält.7 Das Erfordernis der Unmittelbarkeit leistet die Abgrenzung zur Berücksichtigung von Gegenforderungen im Rahmen der Rechtswidrigkeit des Vermögensvorteils (Rz. 251 ff.), etwa bei einer Aufrechnung (Rz. 254), und die Abgrenzung zu der bei der Strafzumessung zu berücksichtigenden nachträglichen Schadenswiedergutmachung (Rz. 273). Allerdings verringert sich das Bedürfnis nach ersterer Abgrenzung in dem Maße, wie dem Merkmal der Rechtswidrigkeit des Vermögensvorteils neben dem Schaden eine eigenständige Funktion abgesprochen wird, da der Getäuschte, wie die Rspr. häufig betont, bei Erfüllung einer wirksamen Gegenforderung schon keinen Schaden erleidet (näher Rz. 252 m.N.). In diesem Sinne hat der 3. Strafsenat des BGH in einem Betrugsfall, in dem der Angeklagte eine Zahlung auf eine tatsächlich nicht erbrachte Leistung erschlichen hatte, während ihm aus derselben Geschäftsbeziehung wegen einer erbrachten Leistung eine (nicht fällige) Forderung zustand, eine Kompensation grundsätzlich für möglich gehalten. Denn unter der Voraussetzung der Unmittelbarkeit der Befreiung des Schuldners von der Leistungsverbindlichkeit könne sich ein Gläubiger auch im Rahmen eines Rechtsgeschäfts, aufgrund dessen ihm kein Anspruch zusteht, straflos einen Vermögensvorteil verschaffen, mit dem er einen Anspruch aus einem anderen Rechtsgeschäft befriedigt. Dazu müsse der Gläubiger nur den durch Täuschung erlangten Vermögensvorteil zu seinem bestehenden Anspruch in Beziehung gebracht haben, um auszuschließen, dass der Schuldner auf beide Ansprüche, den bestehenden und den nicht bestehenden bzw. fingierten, leistet und so keine unmittelbare Befreiung von seiner Verbindlichkeit erreicht (vgl. auch Rz. 254).8 Als Indizien für eine solche Inbezugnahme und damit für die Unmittelbarkeit der Leistungsbefreiung kommen alle Umstände in Betracht, die wie die Vereinbarung der Erzeugung der fingierten Forderung selbst oder andere Vertragsänderungen auf einen Verzicht des Gläubigers bezüglich der Geltendmachung seines wahren Anspruchs schließen lassen.9 Eine für den Betrug neuartige Restriktion stellt es dabei dar, dass der 3. Strafsenat die Kompensation auch auf nicht fällige, wirtschaftlich aber werthaltige Gegenforderungen erstrecken will (näher Rz. 165).10 Eine unmittelbare Kompensation schließt einen Vermögensschaden nur dann aus, wenn sie vollständig ist, den Nachteil also voll ausgleicht.11 Im Falle nur teilweiser Kompensation ver-

1 BGH v. 20.3.2013 – 5 StR 344/12, NJW 2013, 1460, 1461 = BGHSt 58, 205 – m. abl. Anm. bzw. Bespr. Albrecht, NStZ 2014, 17; C. Dannecker, NZWiSt 2015, 173 und NStZ 2016, 318; krit. Sinn, ZJS 2013, 625; affirmativ Kubiciel, JZ 2014, 99. 2 Vgl. statt aller Albrecht, NStZ 2014, 20 f.; C. Dannecker, NZWiSt 2015, 177 ff. 3 Vgl. BGH v. 2.9.2015 – 5 StR 186/15, NStZ-RR 2015, 374, 375: beachtliche Einwände. 4 Stellvertretend BGH v. 8.10.2014 – 1 StR 359/13, NStZ 2015, 89, 92 m. Anm. Kudlich, ZWH 2015, 14; C. Dannecker, NZWiSt 2015, 173; für Äquivalenz von marktmäßiger und intersubjektiver Wertsetzung bei funktionierenden Märkten BGH v. 2.2.2016 – 1 StR 435/15, NStZ 2016, 283, 285. 5 BGH v. 4.3.1999 – 5 StR 355/98, NStZ 1999, 353, 354; BGH v. 7.3.2006 – 1 StR 379/05, BGHSt 51, 10; BGH v. 29.8.2008 – 2 StR 587/07, BGHSt 52, 323, 337 zu § 266; ferner Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 161; Fischer, StGB, § 263 Rz. 111; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 202; Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 106; Gaede in AnwK-StGB, § 263 Rz. 98; Küper/Zopfs, BT, S. 388 f.; Waßmer in Fischer u.a. (Hrsg.), Dogmatik, 2015, S. 175 ff. Zum Folgenden schon Saliger in M/R-StGB, § 263 Rz. 200 ff. 6 BGH v. 4.3.1999 – 5 StR 355/98, NStZ 1999, 353, 354. 7 BGH v. 4.3.1999 – 5 StR 355/98, NStZ 1999, 353, 354 f.; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 161. 8 BGH v. 5.7.2011 – 3 StR 444/10, NStZ-RR 2011, 312, 313. 9 BGH v. 5.7.2011 – 3 StR 444/10, NStZ-RR 2011, 312, 314. 10 BGH v. 5.7.2011 – 3 StR 444/10, NStZ-RR 2011, 312, 314 unter Anknüpfung an Fischer, StGB56, § 266 Rz. 59. 11 BGH v. 18.7.1961 – 1 StR 606/60, BGHSt 16, 220, 221; BGH v. 7.3.2006 – 1 StR 379/05, BGHSt 51, 10, 15; BayObLG v. 17.12.1973 – RReg 7 St 233/73, JR 1974, 336; OLG Düsseldorf v. 17.3.1993 – 2 Ss 72/93 – 17/93 III, NJW 1993, 2694; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 202; Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 106; Küper/Zopfs, BT, S. 388.

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Saliger

Rz. 165 § 263 StGB

bleibt es bei einem entsprechend verminderten Vermögensschaden, der sich zumindest mildernd auf die Strafzumessung auswirkt. Vielfach nicht abschließend geklärt ist, welche Aspekte kompensationsgeeignet sind und welche nicht. (2) Kompensationstaugliche Aspekte Als kompensationstauglich sind u.a. angesehen worden bzw. werden diskutiert: der Erwerb einer Sache, die das 165 dafür bezahlte Geld oder mehr wert ist;1 werthaltige Erfüllungsansprüche als Gegenleistung;2 die tatsächliche Möglichkeit des Zugangs zu einem Internetprovider;3 die Befreiung von einer Verbindlichkeit, selbst wenn die Verbindlichkeit schwer zu beweisen ist,4 es sei denn, die Verbindlichkeit beruht feststellbar auf einem nach § 123 BGB anfechtbaren Vertrag;5 Erfüllung eines Vertrages nur Zug um Zug mit der Gegenleistung (näher Rz. 202);6 Mieteinnahmen, Steuerersparnis und Wertsteigerung einer Immobilie beim Kauf einer Eigentumswohnung im Rahmen eines Bauträgermodells;7 vertraglich eingeräumte Sicherheiten wie Verpfändung einer Hypothek,8 Stellung einer Bürgschaft9 oder Kaution;10 Sicherheiten für den Gläubiger, die den Kreditbetrag voll decken und die er ohne finanziellen und zeitlichen Aufwand, namentlich ohne Mitwirkung des Schuldners und ohne Gefährdung durch ihn sofort nach Fälligkeit realisieren kann, wobei hinsichtlich der Bonität der Sicherheiten der Zeitpunkt der Verfügung maßgeblich ist;11 wohl auch gesetzlich erworbene Sicherungspfandrechte wie das Unternehmerpfandrecht gem. § 647 BGB.12 Streitig ist, ob und inwieweit ein vertraglich vereinbartes Rücktrittsrecht (näher Rz. 202)13 oder die Stornierungsbereitschaft des Vertragspartners einen Vermögensschaden ausschließen (näher Rz. 203).14 Das wird man je nach den Umständen des Einzelfalls danach beurteilen müssen, ob das jew. Recht des Getäuschten dessen Vermögen faktisch effektiv zu schützen vermag bzw. die Stornierungsbereitschaft des Vertragspartners aus Sicht des Getäuschten eine effektive Schutzwirkung entfaltet.15 Unter Berufung auf den BVerfG-Beschluss zur Untreue (Rz. 149 ff.) soll nach Auffassung des 3. Strafsenats des BGH die mangelnde Fälligkeit einer Gegenforderung ihrer Kompensationstauglichkeit grundsätzlich nicht mehr entgegenstehen (auch Rz. 164 und Rz. 251, 254).16 Mit Recht betont der 3. Strafsenat, dass die bereits früher zur Untreue vertretene Ansicht, wonach die fehlende Fälligkeit einer vorzeitig erfüllten Verbindlichkeit nicht schon für sich allein zu einem Vermögensvorteil führt, auf Basis der vom BVerfG geforderten wirtschaftlichen Nachteilsermittlung „zusätzliches Gewicht“ auch mit Wirkung für den Betrug erhält.17 Denn „angesichts der in den letzten Jahrzehnten festzustellenden Gegebenheiten des Wirtschaftslebens (Handel mit Optionen, ‚Futures‘ etc.) erscheint die Auffassung, noch nicht fällige Forderungen hätten keinen wirtschaftlichen Wert, als nicht (mehr) vertretbar.“18 Entsprechend will der 3. Strafsenat eine geminderte Werthaltigkeit der nicht fälligen Forderung gegenüber dem Nominalbetrag nicht mehr pauschal, sondern nur noch nach den Umständen des Einzelfalls annehmen. So dürfte der Nominalwert kaum unterschritten sein, sofern es nur noch „eines Federstrichs“ zur Herbeiführung der Fälligkeit bedürfe. Anderes gelte, wenn die Herbeiführung der Fälligkeit einen besonderen

1 BGH v. 10.7.1952 – 5 StR 358/52, BGHSt 3, 99, 102; OLG Düsseldorf v. 17.3.1993 – 2 Ss 72/93 – 17/93 III, NJW 1993, 2694. 2 RG v. 20.4.1887 – 2237/86, RGSt 16, 5; BayObLG v. 12.5.1964 – RReg 2 St 213/1963, GA 1964, 378; BayObLG v. 17.12.1973 – RReg 7 St 233/73, JR 1974, 336; Maurach/Schroeder/Maiwald, BT/1, § 41 Rz. 109. 3 BGH v. 24.8.2011 – 2 StR 109/11, BeckRS 2012, 00005 Rz. 4. 4 BGH v. 5.7.2011 – 3 StR 444/10, NStZ-RR 2011, 312, 313; BGHR StGB § 266 Abs. 1 Nachteil 46. 5 BGH v. 1.10.2015 – 3 StR 102/15, NStZ-RR 2016, 12, 13, dort Feststellbarkeit verneint. 6 OLG Düsseldorf v. 17.3.1993 – 2 Ss 72/93 – 17/93 III, NJW 1993, 2694. 7 Vgl. BGH v. 9.3.1999 – 1 StR 50/99, wistra 1999, 299, 300. 8 RG v. 18.3.1940 – 2 D 17/40, RGSt 74, 129. 9 BGH GA 1960, 51; auch BayObLG v. 17.12.1973 – RReg 7 St 233/73, JR 1974, 336; Maurach/Schroeder/Maiwald, BT/1, § 41 Rz. 109. 10 BGH v. 15.12.1970 – 1 StR 573/70, GA 1972, 209; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 216. 11 BGH v. 1.9.1994 – 1 StR 468/94, StV 1995, 254, 255; die Kompensationstauglichkeit einer Sicherheit verneinend daher BGH v. 3.6.1960 – 4 StR 121/60, BGHSt 15, 24. 12 Str., wie hier: OLG Hamm v. 14.6.1968 – 3 Ss 555/68, JMBl. NRW 1969, 100, 101; Lackner in LK-StGB, § 263 Rz. 187; Fischer, StGB, § 263 Rz. 111a; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 216; Saliger in M/R-StGB, § 263 Rz. 201; Maurach/ Schroeder/Maiwald, BT/1, § 41 Rz. 110. A.A. BayObLG v. 17.12.1973 – RReg 7 St 233/73, JR 1974, 336, 337 m. krit. Anm. Lenckner; Blei, JA 1974, 323, 677 und 1975, 379. 13 Verneinend BGH v. 22.10.1986 – 3 StR 226/86, BGHSt 34, 199, 202 ff. m. zust. Anm. Bottke, JR 1987, 428 und Bespr. Müller-Christmann, JuS 1988, 108. Bejahend OLG Köln v. 23.7.1974 – Ss 92/74, MDR 1975, 244; Tiedemann in LKStGB, § 263 Rz. 167; Maurach/Schroeder/Maiwald, BT/1, § 41 Rz. 109. Diff. Wessels/Hillenkamp, BT/2, Rz. 549. 14 Bejehend BGH v. 22.10.1986 – 3 StR 226/86, BGHSt 34, 199, 202; Walter, FS Herzberg, 2008, S. 769. Verneinend BGH v. 16.7.1970 – 4 StR 505/69, BGHSt 23, 300, 303; Wessels/Hillenkamp, BT/2, Rz. 549; wohl auch BGH v. 18.2.2009 – 1 StR 731/08, BGHSt 53, 199, 204. 15 Saliger in M/R-StGB, § 263 Rz. 201; vgl. ferner Lackner in LK-StGB, § 263 Rz. 225; Lenckner, JR 1974, 338; auch Wessels/ Hillenkamp, BT/2, Rz. 549. 16 BGH v. 5.7.2011 – 3 StR 444/10, NStZ-RR 2011, 312, 314. 17 BGH v. 5.7.2011 – 3 StR 444/10, NStZ-RR 2011, 312, 314 mit Berufung u.a. auf BVerfG v. 23.6.2010 – 2 BvR 2559/08, NJW 2010, 3209, 3215 Rz. 113 f.; zur Untreue § 266 StGB Rz. 74 m.N. 18 BGH v. 5.7.2011 – 3 StR 444/10, NStZ-RR 2011, 312, 314.

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Betrug

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§ 263 StGB Rz. 166

Strafgesetzbuch

Aufwand erfordere.1 Kompensationsrelevant ist, wenn die Höhe der nicht fälligen Gegenforderung die Höhe des erschlichenen Vermögensvorteils beträchtlich übersteigt. Indizien für eine gewisse Minderung des wirtschaftlichen Wertes der Gegenforderung sind dagegen die Streitigkeit der Forderung, das Fehlen gemeinsamer Feststellungen und das Bestehen einer Beweislast hinsichtlich der Forderungshöhe für den Gläubiger.2 (3) Kompensationsuntaugliche Aspekte 166

Nach ganz h.M. nicht kompensationstauglich sind die gesetzlichen Ansprüche und Rechte, die dem Betroffenen gerade aufgrund der Täuschung erwachsen.3 Das gilt für die Möglichkeit der Anfechtung wegen arglistiger Täuschung (§ 123 BGB; str., vgl. auch Rz. 203),4 für Ansprüche aus Gewährleistung,5 Schadensersatzansprüche aus §§ 823 Abs. 2, 826 BGB6 und für Bereicherungsansprüche.7 Das hat seinen legitimen Grund zum einen in dem Prinzip der Unmittelbarkeit der Vermögensminderung (vgl. Rz. 112 ff.), das die Irrelevanz eines nachträglichen Schadensausgleichs impliziert, zum anderen in der Notwendigkeit einer zirkelfreien Abgrenzung zu jenen Zivilansprüchen, die einen Schaden im strafrechtlichen Sinne voraussetzen (z.B. § 823 Abs. 2 BGB).8 Als kompensationsuntauglich hat die Judikatur darüber hinaus u.a. gewertet: die Schadenswiedergutmachung nach Ausübung eines vertraglichen Rücktrittsrechts;9 wirtschaftlich wertlose Erfüllungsansprüche;10 eine aliud-Erfüllung ohne jeden wirtschaftlichen Wert,11 wobei aber der regelmäßig unbeachtliche verkörperte Gegenwert dann schadensmindernd zu berücksichtigen sein soll, wenn das Tatopfer imstande ist, ihn ohne finanziellen und zeitlichen Aufwand, namentlich ohne Mitwirkung des Angeklagten zu realisieren;12 Leistung auf eine Nichtschuld;13 unwirksame „Rückbürgschaft“;14 ein bemakeltes eingeräumtes Pfandrecht;15 Ansage bei Rückruf infolge von Ping-Anruf.16

167

Noch weitergehend lassen Strafsenate des BGH in jüngerer Zeit offen eine zunehmende Hinwendung zu einem juristisch-ökonomischen Vermögensbegriff (vgl. Rz. 127 f.) auch bei der Saldierung erkennen. Sie schließen nämlich werthaltige Vorteile bzw. Ansprüche, die aus inkriminierten Grundgeschäften stammen bzw. entstehen sollen, als faktischen Kompensationsfaktor kategorisch aus und wenden sich damit von der dezidiert wirtschaftlichen Betrachtung der Saldierung in der Grundsatzentscheidung des 4. Strafsenats zum Bundesligaskandal-Fall aus 1975 (vgl. Rz. 161) ab. So hat der 2. Strafsenat im Kontext „schwarzer“ Kassen die Kompensationsuntauglichkeit von vorteilhaften Vertragsschlüssen mit dem Hinweis abgesichert, dass dies namentlich dann gelte, wenn dieser Vorteil nur durch einen seinerseits gesetz- oder sittenwidrigen und ggf. strafbaren Mitteleinsatz erzielt werden könnte.17 Und der 1. Strafsenat erklärt im Kontext eines betrügerischen Schneeballsystems eine auf die Begehung von Straftaten aufgebaute Aussicht auf Vertragserfüllung an sich schon für wertlos, obwohl einige Altanleger tatsächlich ihr Geld mit Dividende zurückerhalten haben (dazu auch Rz. 195).18 cc) Anforderungen an die Feststellung

168

Trotz der unvermeidlichen normativen Bezüge (vgl. Rz. 131, 151, 154 ff.) ist die Feststellung des Vermögensschadens auf primär wirtschaftlicher Grundlage Tatfrage (Rz. 151). Zu beachten sind dabei die strengeren verfassungsrechtlichen Vorgaben, die das BVerfG in seinem Beschluss vom Juni 2010 für den Nachweis des Vermögens-

1 BGH v. 5.7.2011 – 3 StR 444/10, NStZ-RR 2011, 312, 314. 2 BGH v. 5.7.2011 – 3 StR 444/10, NStZ-RR 2011, 312, 314. 3 BGH v. 22.1.1969 – 3 StR 1/68, MDR 1970, 13; BayObLG v. 17.12.1973 – RReg 7 St 233/73, JR 1974, 336; Lackner/Kühl, StGB, § 263 Rz. 36a; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 166; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 213; Wessels/Hillenkamp, BT/2, Rz. 548 f.; Küper/Zopfs, BT, S. 388. A.A. Walter, FS Herzberg, 2008, S. 769; Wahl, Schadensbestimmung, S. 40 ff., 43, 202 f. 4 BGH v. 28.11.1967 – 5 StR 556/67, BGHSt 21, 384, 386; BGH v. 16.7.1970 – 4 StR 505/69, BGHSt 23, 300, 302; BGH v. 23.1.1985 – 1 StR 691/84, NJW 1985, 1563, 1564. 5 RG v. 13.5.1893 – 1249/93, RGSt 24, 171; auch BayObLG v. 17.12.1973 – RReg 7 St 233/73, JR 1974, 336. 6 RG v. 30.12.1907 – I 847/07, RGSt 41, 27, 29; BGH v. 29.8.2008 – 2 StR 587/07, BGHSt 52, 323, 337 zu § 266; auch BayObLG v. 17.12.1973 – RReg 7 St 233/73, JR 1974, 336. 7 BGH v. 22.1.1969 – 3 StR 1/68, bei Dallinger MDR 1970, 12, 13; auch BayObLG v. 17.12.1973 – RReg 7 St 233/73, JR 1974, 336. 8 Saliger, FS Samson, 2010, S. 472. 9 BGH v. 22.10.1986 – 3 StR 226/86, BGHSt 34, 199, 204; auch BGH v. 18.2.2009 – 1 StR 731/08, BGHSt 53, 199, 204. 10 BGH v. 18.2.2009 – 1 StR 731/08, BGHSt 53, 199, 204; auch BGH v. 26.4.2001 – 4 StR 439/00, BGHSt 47, 1, 8 und OLG Frankfurt v. 17.12.2010 – 1 Ws 29/09, NJW 2011, 398, 403. 11 Vgl. BGH v. 18.2.2009 – 1 StR 731/08, BGHSt 53, 199, 204 f. 12 BGH v. 7.3.2006 – 1 StR 379/05, BGHSt 51, 10, 16 zum Betrug durch Fondsanlagen. 13 RG v. 24.6.1926 – II 466/26, RGSt 60, 294, 295; Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 107. 14 RG v. 30.1.1931 – I 1387/30, RGSt 65, 106, 110. 15 BGH v. 9.1.1953 – 1 StR 628/52, RGSt 3, 370, 372. 16 BGH v. 27.3.2014 – 3 StR 342/13, BGHSt 59, 195 = NJW 2014, 2054, 2056. 17 BGH v. 29.8.2008 – 2 StR 587/07, BGHSt 52, 323, 337. 18 BGH v. 18.2.2009 – 1 StR 731/08, BGHSt 53, 199, 205. Dazu krit. Saliger, FS Samson, 2010, S. 464, 467 f., 481 und Saliger, Parteiengesetz, S. 157 ff.

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Rz. 170 § 263 StGB

schadens aufgestellt hat (Rz. 151). Danach ist jenseits einfach gelagerter und eindeutiger Fälle der Vermögensnachteil, wenn und soweit in der wirtschaftlichen Praxis Bewertungsmethoden existieren, der Höhe nach zu beziffern und – ggf. unter Heranziehung von Sachverständigen – seine Ermittlung in wirtschaftlich nachvollziehbarer Weise darzulegen.1 Bei „Risikogeschäften“ wie absprachewidrigen Vermögensanlagen oder Kreditvergaben will der 1. Strafsenat des BGH das mit der Verfügung (Zahlung des Anlagebetrags) eingegangene täuschungsbedingt überhöhte Risiko und den dadurch verursachten Minderwert des im Synallagma Erlangten unter Heranziehung bilanzrechtlicher Bewertungsvorschriften nach Maßgabe der International Accounting Standards (IAS) oder der Rückstellungs-Richtlinien der Finanzinstitute als „kaufmännischer Alltag“ wie im Falle einer Einzelwertberichtigung, bei der Bildung von Rückstellung für drohende Verluste (§ 249 HGB) oder auch beim Verkauf von Forderungen bewerten.2 Auch das BVerfG betont die Relevanz dieser Bewertungsvorschriften (Rz. 151),3 deren Bedeutung angesichts der dortigen Spielräume und anderer Funktionen sowie ihrer mit Blick auf alle Schadensprobleme offenkundig begrenzten Reichweite allerdings nicht überschätzt werden sollte (vgl. Rz. 131 und Rz. 191 ff. m.w.N.). Wie dem auch sei: Im Lichte der neuen Maßgabe des BVerfG sind bereits wiederholt Korrekturen der Rspr. des BGH erfolgt. So hat der 5. Strafsenat seine Ansicht zum Quotenschaden, dass dieser nicht beziffert zu werden braucht,4 aufgegeben und dahin geändert, dass er beziffert werden muss (näher Rz. 222 ff.).5 Das BVerfG selbst hat im Al-Quaida-Fall die Entscheidung des 3. Strafsenats zum vollendeten Versicherungsbetrug bereits mit Abschluss der Lebensversicherungsverträge6 mit Recht aufgehoben (näher Rz. 205).7 Soweit für Schadenskonstellationen keine signifikanten und für das Strafrecht verbindlichen bilanzrechtlichen 169 Bewertungsvorschriften existieren, genügt für die Schadensfeststellung wie bisher die Überzeugung des Tatrichters auf der Grundlage von Indizien, aus denen sich mit hoher Wahrscheinlichkeit der Eintritt des schadensträchtigen Sachverhalts ergibt. Eine absolute, das Gegenteil denknotwendig ausschließende, von niemandem anzweifelbare Gewissheit von einem solchen Sachverhalt ist nicht erforderlich.8 Zur Überzeugung des Tatrichters muss aber das Ob des Schadens feststehen, während dessen Höhe unter Beachtung des Zweifelssatzes und im Rahmen des eingeräumten Beurteilungsspielraums geschätzt werden kann, wenn seine genaue Ermittlung nicht möglich ist.9 Dabei hat der Tatrichter angesichts der Besonderheiten des Strafrechts Mindestfeststellungen zu treffen.10 Im Zweifel ist freizusprechen.11 c) Sonderfälle aa) Normative Korrekturen bei Ansprüchen Nach zutreffender h.M. erleidet bereits keinen Schaden, wer eine bestehende, aber schwer beweisbare Forde- 170 rung täuschungsbedingt erfüllt, bzw. an der Durchsetzung einer in Wirklichkeit nicht bestehenden Forderung täuschungsbedingt gehindert wird (Straflosigkeit des Selbsthilfebetrugs; vgl. auch Rz. 128).12 Dieses Ergebnis liegt in der Konsequenz eines wirtschaftlichen Vermögens- und Schadensbegriffs mit normativer Anpassung (vgl. Rz. 131 f., 152 ff.). Es wird saldierungstechnisch dadurch erreicht, dass bei der Kompensation bzw. Wertminderung die erloschene Verbindlichkeit bzw. abgewehrte „Forderung“ nicht in ihrem wirtschaftlichen Wert, son-

1 BVerfG v. 23.6.2010 – 2 BvR 2559/08 u.a., NJW 2010, 3209, 3215, Rz. 113 f. und 3220, Rz. 151. 2 BGH v. 18.2.2009 – 1 StR 731/08, BGHSt 53, 199, 203 m. zust. Anm. Ransiek/Reichling, ZIS 2009, 315; S. Frisch, BGH EWiR § 263 StGB 1/09, 555; – im Wesentlichen auch – Küper, JZ 2009, 800 sowie krit. Brüning, ZIS 2009, 300; Jahn, JuS 2009, 756; Rübenstahl, NJW 2009, 2392; Schlösser, NStZ 2009, 663; Kempf in Fischer u.a. (Hrsg.), Dogmatik, 2015, S. 325 ff.; BGH v. 20.3.2008 – 1 StR 488/07, NStZ 2008, 457 zu § 266. Krit. auch Fischer, StGB, § 263 Rz. 184; Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 143; diff. Joecks, FS Samson, 2010, S. 366 ff., 372. Eingehend Thiele, Anwendung, 2001; Hefendehl, Vermögensgefährdung, S. 166 ff. und Hefendehl, FS Samson, 2010, S. 301 ff.; Wostry, Schadensbezifferung, 2016, S. 191 ff. mit der Handelsbilanz als Schadensrechner. 3 BVerfG v. 23.6.2010 – 2 BvR 2559/08, NJW 2010, 3209, 3219 ff. Rz. 141 ff., 151 ff. m. krit. Bespr. Becker, HRRS 2010, 383, 390 ff. 4 BGH v. 15.12.2006 – 5 StR 181/06, BGHSt 51, 165, 175. 5 S. BGH v. 13.4.2012 – 5 StR 442/11, NJW 2012, 2370, 2371 Rz. 7; dazu BGH v. 20.12.2012 – 4 StR 55/12, NJW 2013, 883, 886 Rz. 43. 6 BGH v. 14.8.2009 – 3 StR 552/08, NJW 2009, 3448, 3465 m. zust. Anm. W. Winkler, jurisPR extra 2010, 86 sowie abl. Anm. Thielmann/Groß-Bölting/Strauß, HRRS 2010, 38, und Joecks, wistra 2010, 179. Zum Ganzen Saliger, FS Samson, 2010, S. 480 ff., 481. 7 BVerfG v. 7.12.2011 – 2 BvR 2500/09, NJW 2012, 907, 915 f. Rz. 162 ff., 177 ff. 8 BGH v. 8.1.1992 – 2 StR 102/91, BGHSt 38, 186, 193 – Rheinausbau – zum Subventionsbetrug. 9 BGH v. 30.3.1976 – 1 StR 30/76, BGHSt 36, 320, 328; BGH v. 8.1.1992 – 2 StR 102/91, BGHSt 38, 186, 193; BGH v. 18.2.2009 – 1 StR 731/08, BGHSt 53, 199, 203; Lackner/Kühl, StGB, § 263 Rz. 36; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 197; Noll in Fischer u.a. (Hrsg.), Dogmatik, 2015, S. 313 ff. 10 BGH v. 23.2.1982 – 5 StR 685/81, BGHSt 30, 388, 390; BGH v. 18.2.2009 – 1 StR 731/08, BGHSt 53, 199, 203. 11 BVerfG v. 23.6.2010 – 2 BvR 2559/08, NJW 2010, 3209, 3215, Rz. 113 f. und 3220, Rz. 151. 12 BGH v. 18.12.1964 – 2 StR 461/64, BGHSt 20, 136, 137 f. zu § 253; 42, 268, 272; BGH v. 2.12.1982 – 1 StR 476/82, NJW 1983, 2648; BGH v. 13.7.1999 – 5 StR 667/98, NStZ-RR 2000, 140; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 186; Lackner/Kühl, StGB, § 263 Rz. 47; Saliger in M/R-StGB, § 263 Rz. 206; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 210 ff. Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 117, 147; Wessels/Hillenkamp, BT/2, Rz. 586.

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StGB

Betrug

StGB

§ 263 StGB Rz. 171

Strafgesetzbuch

dern in ihrem normativen Nennwert in Ansatz gebracht wird.1 Dagegen macht sich der Dieb wegen Betrugs strafbar, der den Eigentümer zum „Rückkauf“ seiner eigenen Sache bringt (Rückkauf-Fall; str.; auch Rz. 128): „Wer nur leistet, was er sowieso ohne Entgelt leisten muss, kann sich nicht darauf berufen, dass er einen anrechenbaren Gegenwert erbracht hat“.2 Die normative Nichtanerkennung des Vermögenswertes der rückgewährten Sache bei der Saldierung führt hier nicht zur Einschränkung, sondern zur Ausweitung des Vermögensschutzes.3 bb) Persönlicher Schadenseinschlag (1) Grundsätze 171

I.d.R. ist der durch Täuschung zu einem Kauf bewegte Kunde nur dann an seinem Vermögen geschädigt, wenn die Kaufsache objektiv den vereinbarten Preis nicht wert ist, also kein Ausgleich von Leistung und Gegenleistung stattfindet (vgl. Rz. 159, 164). Das bedeutet im Umkehrschluss, dass bei objektiver (marktmäßiger) Gleichwertigkeit von Leistung und Gegenleistung ein Vermögensschaden grundsätzlich ausscheidet. Von diesem Grundsatz lässt die st. Rspr. unter Billigung der überwiegenden Literatur4 und verfassungsrechtlich bei restriktiver Anwendung (Rz. 172 f.) unbedenklich5 seit der Melkmaschinen-Entscheidung BGHSt 16, 320 von 1961 Ausnahmen zu, die unter dem Stichwort persönlicher (subjektiver, individueller) Schadenseinschlag zusammengefasst werden. Danach kommt auch bei objektiver Gleichwertigkeit von Leistung und Gegenleistung, die stets festgestellt sein muss,6 ein Vermögensschaden in Betracht, wenn 1. der getäuschte Erwerber die angebotene Leistung nach Auffassung eines sachlichen Beurteilers nicht oder nicht in vollem Umfang für den von ihm vertraglich vorausgesetzten Zweck oder nicht in anderer zumutbarer Weise verwenden, namentlich sie wieder veräußern kann7 (objektiv unnütze Leistung);8 oder 2. der Erwerber durch die eingegangene Verpflichtung zu vermögensschädigenden Maßnahmen genötigt wird wie den Abschluss anderer wirtschaftlich ungünstiger Geschäfte, die Aufnahme eines hochverzinslichen Darlehens, die unvorteilhafte Veräußerung eines Wertpapiers, den wirtschaftlich ungünstigen Verkauf eines Sachwerts oder den Nichtabschluss eines vorteilhaften anderen Geschäfts (Zwang zu vermögensschädigenden Maßnahmen);9 oder 3. wenn der Erwerber infolge der vertraglichen Bindung in eine bestimmte nahe Gefahr für seine wirtschaftliche Lage dergestalt gerät, dass er z.B. bestehende oder neu aufzunehmende Zahlungsverbindlichkeiten voraussichtlich nicht mehr ordnungsgemäß erfüllen kann, oder allgemein in seiner Verfügungsfreiheit so beschränkt wird, dass ihm die Mittel entzogen werden, die für die Aufrechterhaltung einer seinen Verhältnissen angemessenen Wirtschafts- oder Lebensführung unerlässlich sind (erhebliche Einschränkung der wirtschaftlichen Bewegungsfreiheit; Knebelung).10

172

Von diesen drei Fallgruppen des persönlichen Schadenseinschlags stellt die objektiv unnütze Leistung die mit Abstand praxisrelevanteste dar.11 Die Rspr. ist sich dabei grundsätzlich darüber im Klaren, dass der persönliche Schadenseinschlag dem subjektiven Nutzungsaspekt von Vermögen aus Sicht des Vermögensträgers Rechnung

1 A.A. und erst die Rechtswidrigkeit des Vermögensvorteils verneinend Hoyer in SK-StGB, § 263 Rz. 208; Krey/Hellmann, BT/2, Rz. 499. 2 BGH v. 18.5.1976 – 1 StR 146/76, BGHSt 26, 346, 348 zu § 253 m. zust. Anm. Gössel, JR 1977, 32; Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 117; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 212; Saliger in M/R-StGB, § 263 Rz. 206; Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 249; Samson, JA 1978, 628. A.A. OLG Hamburg v. 7.12.1973 – 2 Ss 209/73, MDR 1974, 330 m. abl. Anm. Jakobs, JR 1974, 474 und Mohrbotter, JZ 1975, 102; Hoyer in SK-StGB, § 263 Rz. 208; Rönnau, FS Rissing-van Saan, 2011, S. 541. 3 Küper/Zopfs, BT, S. 389. 4 Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 177 ff., 180; Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 121; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 219 ff.; Rengier, BT/1, § 13 Rz. 176 ff.; Samson, JA 1978, 627; zum Folgenden bereits Saliger in M/R-StGB, § 263 Rz. 207 ff.; vgl. ferner Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 688 ff.; Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 307 ff. Den Grenzcharakter betonen Wessels/Hillenkamp, BT/2, Rz. 552; auf Ausnahmefälle einschr. Fischer, StGB, § 263 Rz. 146 ff., 150. Krit. auch Lackner/Kühl, StGB, § 263 Rz. 48. 5 BVerfG v. 1.11.2012 – 2 BvR 1235/11, NJW 2013, 365, 367 – Fall Schäch – zur Untreue. I.E. zust. Schlösser, HRRS 2011, 257 ff.; Schmidt, NJW 2015, 287; Saliger in Fischer u.a. (Hrsg.), Dogmatik, S. 28 f. Zweifelnd dagegen Kudlich ebenda, S. 129 ff., und Jäger, JA 2014, 877. Diese Billigung relativiert die vom 5. Strafsenat des BGH wiederholt aufgeworfene und offengelassene Frage nach der Erforderlichkeit einer teilweisen Korrektur der Lehre, vgl. BGH v. 19.2.2014 – 5 StR 510/13, NStZ 2014, 318, und BGH v. 2.7.2014 – 5 StR 182/14, NStZ 2014, 517, 519. 6 Vgl. nur BayObLG v. 26.3.1987 – RReg 5 St 14/87, NJW 1987, 2452; OLG Düsseldorf v. 1.2.1991 – 2 Ws 541/90, NJW 1991, 1841, 1842 und OLG Düsseldorf v. 10.1.1995 – 5 Ss 443/94 – 145/94 I, StV 1995, 591, 592. 7 RG v. 20.4.1887 – 2237/86, RGSt 16, 1, 9; BGH v. 6.9.2000 – 3 StR 326/00, NStZ-RR 2001, 41; KG v. 15.4.1971 – 2 Ss 152/70, JR 1972, 28, 29 f.; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 178. 8 BGH v. 16.8.1961 – 4 StR 166/61, BGHSt 16, 321, 326 mit Bezug auf RG v. 20.4.1887 – 2237/86, RGSt 16, 1, 9; ferner BGH v. 8.5.1962 – 5 StR 100/63, GA 1963, 208; BGH v. 24.2.1983 – 1 StR 550/82, NJW 1983, 1917; BGH v. 9.3.1999 – 1 StR 50/99, wistra 1999, 299, 300; BGH v. 14.4.2011 – 1 StR 458/10, wistra 2011, 335, 338 Rz. 28. 9 BGH v. 16.8.1961 – 4 StR 166/61, BGHSt 16, 321, 328. 10 BGH v. 16.8.1961 – 4 StR 166/61, BGHSt 16, 321, 328; BGH v. 9.3.1999 – 1 StR 50/99, wistra 1999, 299, 300; BayObLG v. 23.11.1972 – RReg 7 St 219/72, NJW 1973, 633 und BGH v. 23.11.1972 – RReg 7 St 219/72, 1337; OLG Köln v. 23.1.1979 – 1 Ss 1024/78, NJW 1979, 1419, 1420. Zur Übertragung der beiden letzten Kriterien auf die Untreue § 266 StGB Rz. 79 m.w.N. 11 Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 221; Wessels/Hillenkamp, BT/2, Rz. 552; Rengier, BT/1, § 13 Rz. 178.

462

Saliger

Rz. 173 § 263 StGB

trägt (vgl. Rz. 124, 155)1 und in radikalisierter Form zu einem totalen Vermögensstrafrecht neigt.2 Die Judikatur bemüht sich deshalb mit Recht vor allem in zweifacher Hinsicht um Einschränkungen. Die erste Einschränkung betrifft den Beurteilungsmaßstab für den persönlichen Schadenseinschlag, der nicht ein subjektiver, sondern ein objektiver ist. Wie schon das RG für die Fallgruppe der unnützen Leistung betont hat, kommt es darauf an, ob das Opfer die gelieferte Sache gebrauchen kann, nicht dagegen, ob es sie auch gebrauchen will.3 Denn der Grundsatz der Individualisierung darf nicht dahin missverstanden werden, dass sich der Schaden nach der persönliche Einschätzung des Getäuschten bemisst. Beurteilungsgrundlage ist vielmehr stets die Auffassung eines sachlichen Beurteilers.4 Von daher kann ein Vermögensschaden auch nicht mit dem Verlust des bloßen Affektionswerts einer Sache für den Getäuschten begründet werden.5 Die Relevanz des objektiven Beurteilungsmaßstabes unterstreicht der BGH insbesondere für die dritte Fallgruppe der Knebelung. Den Maßstab für die Bewertung der durch den täuschungsbedingten Vertragsschluss erlittenen Einschränkung der wirtschaftlichen Bewegungsfreiheit als qualitativ so weitgehend und übermäßig, dass das Opfer im Vergleich zu der seinen Verhältnissen entsprechenden Lebensführung nur noch die Mittel für die Befriedigung seiner notdürftigen Bedürfnisse zur Verfügung hat, bildet auch hier die Auffassung eines sachlichen Beurteilers. Das auch aus Sicht der wirtschaftlichen Betrachtung nicht illegitime Nutzungsrecht des Vermögensträgers wird damit nur in der Grenze sachlich anzuerkennender Bedürfnisse strafrechtlich geschützt.6 Die zweite Einschränkung des persönlichen Schadenseinschlags ergibt sich aus der Kompensation, die der 4. 173 Strafsenat des BGH vor allem für die Fallgruppen des Zwangs zu vermögensschädigenden Maßnahmen und der Knebelung akzentuiert. So betont der BGH für die Schadensbestimmung bei der Nötigung zu vermögensschädigenden Maßnahmen, dass es auch insoweit auf die Gestaltung der jew. Umstände ankommt. Einem Schaden entgegenstehen kann z.B. der beträchtliche Gebrauchswert der Gegenleistung, der die Nachteile durch die vermögensschädigenden Maßnahmen wirtschaftlich ausgleicht, wie dies namentlich bei Aufnahme eines Darlehens auch zu einem höheren Zinssatz möglich ist.7 Besonderes Augenmerk widmet der BGH der Kompensation bei der Fallgruppe der Knebelung. So kommt eine Kompensation in Betracht, wenn jemand im Rahmen vernünftiger Wirtschaftsführung freiwillig wesentliche Einschränkungen seines Bedarfs für eine gewisse Zeit auf sich nimmt, um hochwertige Gegenstände wie z.B. ein Haus, einen Pkw oder auch Maschinen zu erwerben, deren Anschaffung sich im Rahmen einer weitschauenden Wirtschaftsplanung als nützlich erweist.8 Ähnliches soll grundsätzlich auch dann gelten, wenn jemand eine günstige Gelegenheit wahrnimmt, einen besonders billigen Erwerb zu machen, sofern etwaige Einschränkungen der Lebensführung im Rahmen üblichen Wirtschaftsgebarens liegen. Allerdings dürfte eine Täuschung hier, wie der 4. Strafsenat ergänzt, nicht selten zu einer anderen Bewertung führen, wenn es sich nämlich bei dem erworbenen Gegenstand gerade nicht um eine besonders günstige Anschaffung handelt, weil dann die übermäßigen Opfer in der Lebensführung nicht durch gleichgewichtige besondere wirtschaftliche Vorteile ausgeglichen würden.9 Stets ist allerdings zu beachten, dass die Einschränkungen der wirtschaftlichen Bewegungsfreiheit (Fallgruppe 3) wie auch die Nötigung zu vermögensschädigenden Handlungen (Fallgruppe 2) unmittelbar und gegenwärtig durch den täuschungsbedingten Vertragsschluss hervorgerufen werden, also nicht erst als mittelbare Folgen in der Zukunft eintreten. Andernfalls würde der unselbständige Schutz der Dispositionsfähigkeit zu einem unzulässigen selbständigen Schutz der Dispositionsfreiheit ausgeweitet (vgl. Rz. 155, 156).10 Auch bei der Fallgruppe der objektiv unnützen Leistung ist, wenn nicht schon im Rahmen der Kompensation, so doch zumindest hinsichtlich der Bestimmung der Schadenshöhe bei der Strafzumessung der in dem Erlangten verkörperte Gegenwert zu berücksichtigen, den der Geschädigte mit zumutbarem Einsatz (durch Weiterkauf) realisieren kann.11 Zur Einschränkung der Lehre vom persönlichen Schadenseinschlag in den Fällen des Anlagebetrugs unten Rz. 195.

1 Vgl. BGH v. 16.8.1961 – 4 StR 166/61, BGHSt 16, 321, 329: „Dabei ist zu beachten, dass der Wert eines Vermögens für die hier angemessene … auch wirtschaftliche Betrachtung“ sich … auch nach der tatsächlichen und rechtlichen Möglichkeit bemisst, „die vorhandenen Vermögensstücke entsprechend den sachlich anzuerkennenden Bedürfnissen des jeweiligen Vermögensträgers zu verwenden.“ Vgl. auch Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 221; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 177 ff. 2 Zu dieser Gefahr Saliger, ZStW 112 (2000), 563, 607 ff.; vgl. auch Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 180. 3 RG v. 20.4.1887 – 2237/86, RGSt 16, 1, 9. 4 RG v. 20.4.1887 – 2237/86, RGSt 16, 1, 9 f.; BGH v. 18.7.1961 – 1 StR 606/60, BGHSt 16, 220, 222; BGH v. 16.8.1961 – 4 StR 166/61, BGHSt 16, 321, 326; BGH v. 6.9.2000 – 3 StR 326/00, NStZ-RR 2001, 41; BGH v. 14.4.2011 – 1 StR 458/10, wistra 2011, 335, 338 Rz. 28. 5 RG v. 20.4.1887 – 2237/86, RGSt 16, 1, 10; Fischer, StGB, § 263 Rz. 146; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 177. 6 BGH v. 16.8.1961 – 4 StR 166/61, BGHSt 16, 321, 329. 7 BGH v. 16.8.1961 – 4 StR 166/61, BGHSt 16, 321, 328. 8 BGH v. 16.8.1961 – 4 StR 166/61, BGHSt 16, 321, 329 f. 9 BGH v. 16.8.1961 – 4 StR 166/61, BGHSt 16, 321, 330. 10 Zutreffend Berz, NJW 1973, 1337 und Weidemann, MDR 1973, 992 gegen BayObLG v. 23.11.1972 – RReg 7 St 219/72, NJW 1973, 633; vgl. ferner Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 121; Eser GA 1962, 291; Wessels/Hillenkamp, BT/2, Rz. 552. 11 BGH v. 14.4.2011 – 1 StR 458/10, wistra 2011, 335, 338 Rz. 28 und 33 – Diamanten-Fall – unter Bezug u.a. auf BVerfG v. 23.6.2010 – 2 BvR 2559/08, BVerfGE 126, 170 Rz. 114; dazu Saliger, ZIS 2011, 915.

Saliger

463

StGB

Betrug

StGB

§ 263 StGB Rz. 174

Strafgesetzbuch

(2) Einzelfälle 174

Uneinheitlich gewesen ist die Rspr. hinsichtlich der Einschätzung der objektiv unnützen Gegenleistung beim betrügerischen Gebrauchtwagenhandel.1 Die ältere Rspr. hat einen Vermögensschaden schon dann bejaht, wenn der zugesicherte Kilometerstand für den Käufer entscheidend war, was der Verkäufer aus dessen mehrmaligem Nachfragen hin erkannt hatte,2 oder wenn der Käufer, wie der Verkäufer erkannt hatte, darauf angewiesen war, ein Fahrzeug (dort: ein Lastzug) zu erwerben, bei dem er die Hoffnung haben konnte, langfristig frei von Reparaturkosten zu sein, um die hohen Finanzierungskosten für den Erwerb des Fahrzeugs aufbringen zu können.3 Die jüngere Rspr. ist demgegenüber restriktiver: Trotz eines an sich angemessenen Marktpreises soll die Täuschung z.B. über die Kilometerfahrleistung des gekauften Fahrzeugs nur noch ausnahmsweise zur Minderwertigkeit der Gegenleistung führen, wenn der Käufer aufgrund ganz besonderer individueller Bedürfnisse auf einen Pkw mit geringerer Laufleistung – etwa im Hinblick auf eine geringere Reparaturanfälligkeit oder höhere Verkehrssicherheit – erkennbar besonderen Wert legt. Dabei muss es sich aber um ganz spezielle individuelle Bedürfnisse des Käufers handeln, die über das i.d.R. bei jedem Gebrauchtwagenkäufer vorhandene allgemeine Interesse hinausgehen, im Hinblick auf die geringere Reparaturanfälligkeit ein Fahrzeug mit möglichst geringer Laufleistung zu erwerben. Denn die Gesamtfahrleistung eines Kraftfahrzeugs ist im Hinblick auf die Reparaturanfälligkeit bei jedem Gebrauchtwagen ohnehin ein maßgeblicher wertbestimmender Faktor für den Marktpreis des Fahrzeugs, so dass die wegen einer höheren Laufleistung zu erwartende höhere Reparaturanfälligkeit durch einen geringeren Marktpreis des Fahrzeugs ausgeglichen wird und umgekehrt.4 Nach diesen Maßstäben hat die neuere Rspr. überwiegend einen Vermögensschaden verneint, so bei der bloßen Feststellung, dass der Käufer bei Kenntnis der tatsächlichen Laufleistung des Fahrzeugs den Kaufvertrag nicht oder im Hinblick auf den höheren Verschleiß nur zu einem wesentlich niedrigeren Preis abgeschlossen hätte;5 bei der bloßen Herausstellung der hohen Kilometerleistung, ohne die Unbrauchbarkeit des Fahrzeugs darzulegen;6 oder für den Kauf eines unfallbeschädigten Wagens beim Fehlen von Darlegungen dahingehend, dass das Fahrzeug wegen Mängeln, die der Verkäufer verschwiegen hat, aus dem Verkehr gezogen werden müsste, allenfalls erst nach größeren Reparaturen wieder zugelassen werden könnte oder wenn das Fahrzeug überhaupt nicht fahrbereit ist.7 Häufig ist ein Vermögensschaden auch deshalb abgelehnt worden, weil schon Feststellungen der Tatgerichte zum Verkehrswert der Fahrzeuge fehlten, so dass bereits die Gleichwertigkeit von Leistung und Gegenleistung nicht beurteilt werden konnte.8

175

Auch in Bezug auf den Grundstückserwerb kommt bei beschränkten finanziellen Verhältnissen des Erwerbers eine Schadensbegründung aus dem Gesichtspunkt des persönlichen Schadenseinschlags in Betracht, wenn trotz Gleichwertigkeit von Leistung und Gegenleistung die Gegenleistung für den Erwerber nicht brauchbar ist oder eine Gegenüberstellung ergibt, dass die eingegangenen Verpflichtungen und sonstigen Nachteile durch die Vorteile nicht ausgeglichen werden und sich dadurch eine nachhaltige Beeinträchtigung der sonstigen Lebensführung ergibt.9 Für den Kauf einer Eigentumswohnung im Rahmen eines Bauträgermodells hat der 1. Strafsenat des BGH erklärt, dass bei fehlender Deckung der Kosten durch Mieteinnahmen und Steuerersparnis die Gegenüberstellung der Leistungen nur dann nicht zu einem Vermögensschaden führt, wenn die nichtkompensierten Aufwendungen durch eine Wertsteigerung der Immobilie aufgewogen werden.10 Bejaht hat die Rspr. einen Vermögensschaden ferner für den täuschungsbedingten Verkauf noch zu erstellender „eingemauerter“ Reihenbungalows11 und verneint für einen Grundstückskauf, bei dem nicht festgestellt war, dass die Immobilien für den vertraglich vorausgesetzten Gebrauch, nämlich zu Wohnzwecken, nicht oder nicht in vollem Umfang tauglich waren.12

176

Darüber hinaus hat die Rspr. einen Vermögensschaden mit persönlichem Einschlag u.a. in folgenden Fällen bejaht: Lieferung einer für den Viehbestand zu kleinen Melkmaschine;13 Verkauf eines Lexikons an die bildungs-

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Ebenso die Einschätzung von Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 123. BGH v. 8.2.1972 – 1 StR 612/71, MDR 1972, 571. OLG Düsseldorf v. 3.12.1969 – 2 Ss 529/69, NJW 1971, 158. Vgl. BGH v. 9.6.1988 – 1 StR 171/88, wistra 1988, 348 unter Hinweis auf Lackner in LK-StGB Rz. 198; OLG Hamm v. 2.6.1992 – 3 Ss 203/92, NStZ 1992, 593 f.; OLG Düsseldorf v. 10.1.1995 – 5 Ss 443/94 – 145/94 I, StV 1995, 591, 592. Krit. dazu Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 123; Schneider, JZ 1996, 914 ff. OLG Düsseldorf v. 10.1.1995 – 5 Ss 443/94 - 145/94 I, StV 1995, 591, 592; vgl. ferner OLG Hamm v. 2.6.1992 – 3 Ss 203/92, NStZ 1992, 593, 594. BayObLG v. 26.3.1987 – RReg 5 St 14/87, NJW 1987, 2452. OLG Düsseldorf v. 1.2.1991 – 2 Ws 541/90, NJW 1991, 1841, 1842 unter Bezug auf OLG Karlsruhe v. 4.1.1980 – 3 Ss 296/79, NJW 1980, 1762. Vgl. BayObLG v. 26.3.1987 – RReg 5 St 14/87, NJW 1987, 2452; OLG Düsseldorf v. 1.2.1991 – 2 Ws 541/90, NJW 1991, 1841, 1842 und OLG Düsseldorf v. 10.1.1995 – 5 Ss 443/94 - 145/94 I, StV 1995, 591, 592; OLG Hamm v. 2.6.1992 – 3 Ss 203/92, NStZ 1992, 593, 594. BGH v. 9.3.1999 – 1 StR 50/99, wistra 1999, 299, 300 unter Bezug auf BGH v. 26.9.1997 – V ZR 29/96, NJW 1998, 302, 304; ferner BGH v. 6.9.2000 – 3 StR 326/00, NStZ-RR 2001, 41, 42. BGH v. 9.3.1999 – 1 StR 50/99, wistra 1999, 299, 300 unter Bezugnahme auf BGH v. 26.9.1997 – V ZR 29/96, NJW 1998, 302, 305. OLG München v. 26.10.1977 – 1 Ws 978/77, NJW 1978, 435, 436. BGH v. 6.9.2000 – 3 StR 326/00, NStZ-RR 2001, 41, 42. BGH v. 16.8.1961 – 4 StR 166/61, BGHSt 16, 321, 323.

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Saliger

Rz. 178 § 263 StGB

fernen Eltern von Hilfsschulkindern,1 einer Fachzeitschrift an Ungebildete,2 einer Schreibmaschine nebst Fernkurs an Personen ohne hinreichende Bildungsvoraussetzungen;3 Bestellung von Büchern als tatsächlich untaugliche Lehrmittel für die Grundschule;4 Kauf eines für den Besteller nicht verwendbaren Warenautomaten;5 durch Unterschriftserschleichung zustande gekommene Mitgliedschaft in einem Buchclub, sofern der Betroffene nicht entweder im Zeitpunkt der Unterschrift ohnehin beabsichtigte, Leistungen solcher Art zu erwerben, oder den erworbenen Gegenstand mühelos zum selben Preis absetzen kann, oder er in so engen wirtschaftlichen Verhältnissen lebt, dass er sich ihren Erwerb nicht leisten kann und die Wiederveräußerung ohne Verlust nicht möglich ist;6 Veröffentlichung von Todesanzeigen im Internet;7 Abonnement eines Routenplaners im Internet;8 Kauf von gleichwertiger Ware unter falscher Herkunfts- oder Beschaffenheitsbezeichnung, wenn der Wirtschaftsverkehr Waren bestimmten Ursprungs oder bestimmter Beschaffenheit höher bewertet,9 z.B. Hopfen auch bei fehlendem Güteunterschied,10 Auslandsbutter als deutsche Markenbutter,11 reines Siedesalz als Badesalz;12 Bestellung von Wäsche im Wert von über 1000 DM durch eine einkommenslose Jugendliche mit Kenntnis der Mutter unter Vorspiegelung eines Gewinns;13 Eingehen eines Spekulationsgeschäfts (Optionshandel) bei Vortäuschung eines wertbeständigen Anlagegeschäfts;14 Anlagebetrug im Zusammenhang mit der Veräußerung von Diamanten minderer Qualität, wenn der Anleger über Eigenart und Risiko des Geschäfts derart getäuscht worden ist, dass er etwas völlig anderes erwirbt, als er erwerben wollte („aliud“), und die empfangene Gegenleistung deshalb für ihn in vollem Umfang unbrauchbar ist (zur Einschränkung s. Rz. 195).15 Verneint hat die Rspr. einen Vermögensschaden mit persönlichem Einschlag u.a. für den Verkauf einer Hose 177 aus Zellwolle anstatt wie vorgespiegelt reiner Wolle (dazu auch Rz. 208 f.);16 für den erschlichenen Kauf einer Waschmaschine, wenn der Kauf jenseits der Grundsätze aus BGHSt 16, 321 nur den Umstand berührt, dass der Getäuschte in Wahrheit nichts bestellen wollte;17 für den Kauf von für die Kinderernährung nicht erforderlichem Nährzucker, sofern die getäuschten Mütter ihn in zumutbarer Weise verwenden können;18 für die Vorspiegelung einer gesetzlichen Inspektionspflicht für Heizöltanks, sofern die Wartung nötig, wirksam und ihr Geld wert gewesen ist;19 für den täuschungsbedingten Erwerb von 2000 anstatt nur gewollter 500 Dübel, wenn der Betrieb des Getäuschten jährlich weitaus mehr Dübel der gelieferten Sorte verarbeitet;20 für den Vertrieb risikoreicher Wertpapiere ohne absehbare Wiederverkäuflichkeit;21 für den Kauf eines Grundstücks, das problemlos wieder veräußert werden kann (vgl. Rz. 171).22 cc) Zweckverfehlung (1) Grundsätze Wie der persönliche Schadenseinschlag ist auch die Lehre von der Zweckverfehlung als Schaden letztlich eine 178 Konsequenz der begrenzten Anerkennung eines Vermögensschutzes als Nutzungsschutz (vgl. Rz. 155). Soweit nach zutreffender h.M. auch die bewusste Selbstschädigung eine betrugstaugliche Vermögensverfügung begründet (Rz. 122), unterfallen unentgeltliche Vermögenshingaben wie beim Spenden-, Bettel- und Schenkungsbetrug grundsätzlich ebenso dem Betrugstatbestand wie gemischte Verträge und allgemein einseitige Leistun-

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OLG Köln v. 27.1.1976 – Ss 288/75, NJW 1976, 1222 m. abl. Bespr. Jakobs, JuS 1977, 228. BGH v. 16.7.1970 – 4 StR 505/69, BGHSt 23, 300, 301. BGH v. 8.5.1962 – 5 StR 100/63, GA 1963, 208. OLG Stuttgart v. 16.11.1979 – 4 Ss 702/79, NJW 1980, 1177. BGH v. 28.11.1967 – 5 StR 556/67, NJW 1968, 261. KG v. 15.4.1971 – 2 Ss 152/70, JR 1972, 28, 29 f. BGH v. 26.4.2001 – 4 StR 439/00, BGHSt 47, 1, 8, wobei der BGH auch objektiv praktische Wertlosigkeit annimmt; Fischer, StGB, § 263 Rz. 148. Für objektive Wertlosigkeit der Publikation von Personen- und Unternehmensdaten in einer elektronischen Datenbank BGH v. 28.5.2014 – 2 StR 437/13, wistra 2014, 439, 441. BGH v. 5.3.2014 – 2 StR 616/12, NJW 2014, 2595, 2598 f.; krit. Krack, ZIS 2014, 544: objektiver Schaden. Fischer, StGB, § 263 Rz. 148; Wessels/Hillenkamp, BT/2, Rz. 551; krit. Arzt, FS Hirsch, 1999, S. 431 ff. BGH v. 8.7.1955 – 1 StR 245/55, BGHSt 8, 46, 49. BGH v. 12.12.1958 – 2 StR 221/58, BGHSt 12, 347, 352 f. BGH v. 20.3.1980 – 2 StR 14/80, NJW 1980, 1760. BayObLG v. 23.11.1972 – RReg 7 St 219/72, NJW 1973, 633 mit i.E. zust. Anm. Berz und Weidemann, MDR 1973, 992. BGH v. 24.2.1983 – 1 StR 550/82, NJW 1983, 1917. BGH v. 14.4.2011 – 1 StR 458/10, wistra 2011, 335, 338 Rz. 28 – Diamanten-Fall. BGH v. 18.7.1961 – 1 StR 606/60, BGHSt 16, 220, 223. BGH v. 20.2.1968 – 5 StR 694/67, BGHSt 22, 88, 89; Fischer, StGB, § 263 Rz. 149. OLG Köln v. 30.4.1968 – 1 Ss 106/68, NJW 1968, 1892. OLG Stuttgart v. 16.10.1970 – 2 Ss 421/70, NJW 1971, 633, 634. Vgl. OLG Hamm v. 3.3.1982 – 4 Ss 2572/81, wistra 1982, 152; Rengier, BT/1, § 13 Rz. 180. Fischer, StGB, § 263 Rz. 149. BGH v. 6.9.2000 – 3 StR 326/00, NStZ-RR 2001, 41, 42; Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 123; Rengier, BT/1, § 13 Rz. 180.

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Betrug

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§ 263 StGB Rz. 179

Strafgesetzbuch

gen (vgl. Rz. 4). In allen diesen Fällen, in denen sich der Getäuschte der nachteiligen Wirkung seiner Vermögensverfügung bewusst ist, berücksichtigt die h.M. in grundsätzlich verfassungsrechtlich unbedenklicher Weise (vgl. aber Rz. 180 f.)1 den Aspekt der Zweckerreichung bzw. Zweckverfehlung bei der Kompensation im Rahmen der Saldierung: Erreicht die bewusste Vermögenseinbuße ihren Zweck, so findet ein Vermögensausgleich statt. Wird der Zweck hingegen verfehlt, so führt das eingesetzte Vermögensopfer auch wirtschaftlich zu einer unvernünftigen Ausgabe.2 Eine verbreitete Gegenauffassung3 verneint bei bewussten Vermögensweggaben schon den funktionalen Zusammenhang zwischen Irrtum, Verfügung und Schaden, gelangt jedoch zu weitgehend gleichen Ergebnissen, da sie in den Fällen der – hier ausschließlich kriminalisierend gebrauchten – Zweckverfehlung eine unbewusste Vermögensweggabe bejaht (vgl. Rz. 122 m.w.N.).4 Diese Auffassung ist aus den in Rz. 122 angeführten Gründen abzulehnen. Das gilt auch für weitere Positionen. Gegen die Ansicht, die bereits bei der Täuschung ansetzen und nur solche Täuschungen als betrugs- bzw. dispositionsrelevant anerkennen will, die dem Opfer das Bewusstsein vom wirtschaftlichen oder sozialen Sinn der Verfügung nehmen,5 sprechen alle Argumente, die gegen die rein normativierenden Ansätze zur Einschränkung des Täuschungs- (vgl. Rz. 30) und des Irrtumsmerkmals angeführt wurden (vgl. Rz. 89, 92 ff.). Schließlich ist die weitgehende Straflosigkeit des Bettel- und Spendenbetrugs6 bei einer vom Getäuschten nicht selbst verantworteten einseitigen Vermögensweggabe nicht gerechtfertigt.7 179

Umstritten ist, welche Zwecksetzungen im Rahmen der Zweckerreichung bzw. Zweckverfehlung normativ relevant sind. Einigkeit besteht dahingehend, dass bloße Motivirrtümer und Affektionsinteressen nicht erfasst sind, soll der Betrug nicht in ein Delikt zum (selbständigen) Schutz der Dispositionsfreiheit (vgl. Rz. 155) verformt werden.8 Ein bloßer Motivirrtum ist etwa betroffen, wenn der Spender zu einer Spende an einen tatsächlich bedürftigen Bettler durch die irrige Vorstellung veranlasst wird, der Bettler sei wie er Anhänger einer bestimmten Fußballmannschaft.9 Ein bloßer Motivirrtum liegt nach zutreffender herrschender Auffassung auch bei einer Spende in größerer Höhe durch einen Spender vor, dem vorgespiegelt wurde, Nachbarn hätten in bestimmter Höhe gespendet. Denn das Bestreben, bei der Spende nicht weniger freigiebig zu erscheinen als die Nachbarn, stellt die soziale und damit wirtschaftliche Sinnhaftigkeit der Spende nicht in Frage, sondern ist reines Affektionsinteresse.10 Die Rspr. hält für die Fälle des Schenkungs- und Spendenbetrugs die Verfehlung eines Zweckes für erforderlich, der „dem Verfügenden in der konkreten Situation notwendig und sinnvoll erscheint, weil er einen sozialen oder indirekt wirtschaftlichen relevanten Zweck verfolgt.“11 Für einen gemischten Vertrag, bei dem im Rahmen eines wirtschaftlichen Austauschgeschäfts im Hinblick auf die Verfolgung bestimmter sozialer Zwecke ein Vermögenswert unter Marktwert weggegeben bzw. ein Vermögensgegenstand über Marktwert erworben wird (vgl. dazu Rz. 183), verlangt der 5. Strafsenat des BGH für die Annahme eines Betrugs, dass „der Abschluss des Geschäfts entscheidend durch den sozialen Zweck bestimmt war, dieser jedoch verfehlt worden ist.“12

180

An diesen Zweckbestimmungen der Judikatur ist das Bestreben zutreffend, die strafrechtlich schützenswerten Zwecksetzungen in wirtschaftlicher Hinsicht objektivierend zu verallgemeinern. Denn die Gefahr eines unzulässigen selbständigen Dispositionsschutzes durch eine zu extensive Kriminalisierung subjektiver Zweckverfehlungen kann nur verhindert werden, wenn auch die subjektiv-soziale Zweckverfolgung auf eine objektivierbare (inter-subjektive) wirtschaftliche Interessenverfolgung zurückgeführt werden kann. Überindividueller

1 A.A. und für Verfassungswidrigkeit Schlösser, HRRS 2011, 264. 2 BGH v. 12.5.1992 – 1 StR 133/92, NJW 1992, 2167; BGH v. 10.11.1994 – 4 StR 331/93, NJW 1995, 539; BGH v. 11.9.2003 – 5 StR 524/02, wistra 2003, 457, 459; ferner BGH v. 26.1.2006 – 5 StR 334/05, NStZ 2006, 624, 625; Saliger in M/R-StGB, § 263 Rz. 214; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 223; Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 280 ff.; Fischer, StGB, § 263 Rz. 137 ff.; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 183; Mohrbotter, GA 1969, 232 ff.; Wessels/Hillenkamp, BT/2, Rz. 553 ff.; Gerhold, Zweckverfehlung, S. 73 f. 3 So z.B. Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 100, 102; Lackner/Kühl, StGB, § 263 Rz. 55; Hoyer in SK-StGB, § 263 Rz. 218 ff.; Krey/Hellmann, BT/2, Rz. 469 f.; Cramer, Vermögensbegriff, S. 206 ff., 208 ff. 4 Vgl. dazu Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 182; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 224; Rengier, BT/1, § 13 Rz. 150. 5 Schmoller, JZ 1991, 129; Graul, FS Brandner, 1996, S. 828 f.; enger Merz „Bewußte Selbstschädigung“, S. 166 ff., 196 f. 6 So Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 722; Arzt in A/W/H/H, BT, § 20 Rz. 111; auch Mitsch, BT/II, 5.2.1.2.5.2. (S. 270 ff.). 7 Vgl. Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 290; Deutscher/Körner, JuS 1996, 298; Wessels/Hillenkamp, BT/2, Rz. 563. 8 BGH v. 12.5.1992 – 1 StR 133/92, NJW 1992, 2167; BGH v. 10.11.1994 – 4 StR 331/94, NJW 1995, 539; BGH v. 11.9.2003 – 5 StR 524/02, wistra 2003, 457, 459; Fischer, StGB, § 263 Rz. 137; Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 725; Maiwald, NJW 1981, 2780 f.; Rudolphi, FS Klug, 1983, S. 316, 322; Schmoller, JZ 1991, 123; Wessels/Hillenkamp, BT/2, Rz. 555; Rengier, BT/1, § 13 Rz. 153; Hartmann, Zweckverfehlung, S. 170. 9 Vgl. Maiwald, NJW 1981, 2781; Hoyer in SK-StGB, § 263 Rz. 218. 10 Str., wie hier: Cramer/Perron in S/S-StGB; Rz. 102; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 166; Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 296; Maiwald, NJW 1981, 2781; Rudolphi, FS Klug, 1983, S. 320; Wessels/Hillenkamp, BT/2, Rz. 555; Rengier, BT/1, § 13 Rz. 152 f. A.A. BayObLG v. 18.2.1952 – Rreg. 2 St 196/51, NJW 1952, 798. 11 BGH v. 10.11.1994 – 4 StR 331/94, NJW 1995, 539 m. zust. Anm. Rudolphi, NStZ 1995, 289 und abl. Bespr. Deutscher/ Körner, JuS 1996, 296; zuvor bereits BGH v. 12.5.1992 – 1 StR 133/92, NJW 1992, 2167. 12 BGH v. 11.9.2003 – 5 StR 524/02, wistra 2003, 457, 459; OLG Frankfurt v. 14.9.2010 – 3 Ws 830/10, JA 2011, 69 m. zust. Bespr. Bosch.

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Rz. 182 § 263 StGB

Maßstab dafür ist das vernünftige Wirtschaften im sozialen Raum.1 Danach ist eine auch soziale Zwecksetzung strafrechtlich schützenwert, wenn sie objektivierbar, der konkreten Leistung immanent und wirtschaftlich (zumindest mittelbar) relevant ist.2 Das ist nicht der Fall bei der Verfehlung solcher Zwecke, deren Verfolgung z.B. als persönliche Marotte nicht verallgemeinerbar ist.3 Keinen Betrug begeht daher der Spendeneinwerber, der weiß, dass der Spender bei der Behindertenhilfe immer nur eine bestimmte caritative Einrichtung unterstützt, und ihm deshalb die Verwendung zugunsten dieser Einrichtung vorspiegelt, während die Spende tatsächlich einer anderen Einrichtung aus der Behindertenhilfe zugutekommt.4 Bei gemischten Verträgen ist Voraussetzung für die Einbeziehung einer Zwecksetzung in den strafrechtlichen Vermögensschutz durch Betrug, dass die Zwecksetzung für beide Vertragsteile erkennbar zentraler Bestandteil des Vertrages bzw. des Geschäfts geworden und nicht am Rande bzw. außerhalb des Geschäftstyps geblieben ist.5 Bei der Anwendung der Zweckverfehlungslehre ist i.Ü zweierlei zu beachten: Zum einen ist die Lehre von der 181 Zweckverfehlung auf reine Austauschverträge (also nicht gemischte Verträge) unanwendbar (str.)6 und kann dort nicht mit der Lehre vom persönlichen Schadenseinschlag (Rz. 171 ff.) kurzgeschlossen werden. Insbesondere ist es nicht zulässig, bei marktmäßiger Ausgeglichenheit von Leistung und Gegenleistung die Unbrauchbarkeit der Gegenleistung für den Getäuschten (also den persönlichen Schadenseinschlag) mit der Verfehlung sozialer Zwecke zu begründen, die tatsächlich bloße Motivirrtümer sind. So wird ein Zeitschriftenbezug nicht darum für den vertraglich vorausgesetzten Zweck unbrauchbar, weil der Erwerber eine vorgespiegelte caritative Organisation unterstützen will und sich Hilfe für einen pflegebedürftigen Angehörigen erhofft (str.).7 Gleichfalls nicht geschädigt ist, wer Büromaterial zum Marktpreis erwirbt unter der Vorspiegelung, dass das Material aus einem wirtschaftlichen Notstandsgebiet stammt (str.);8 wer eine Zeitschrift zum Marktpreis kauft unter der Vorspiegelung, ein Teil des Kaufpreises werde als Spende zugunsten entlassener Strafgefangener verwendet;9 oder wer allgemein Produkte zum Marktpreis kauft unter der Vorspiegelung, ein Teil des Erlöses komme kranken Kindern, der Dritten Welt oder dem Urwald zugute.10 Bei diesen Zweckirrtümern handelt es sich um bloße Motivirrtümer, deren Kriminalisierung als Betrug zu einem selbständigen Dispositionsschutz führen würde. Zum anderen verlangt auch der grundsätzlich wirtschaftliche Vermögens- und Schadensbegriff mit normativer Anpassung (vgl. Rz. 131 f., 152 ff.) nicht, dass rechts- oder sittenwidrige Zwecksetzungen strafrechtlich nicht schützenswert sind (vgl. Rz. 145 f.). Deshalb ist auch geschädigt, wer einen anderen wegen einer nur vorgespiegelten Straftat durch eine „Spende“ belohnen will (str.).11 (2) Fallgruppen (a) Spenden-, Bettel- und Schenkungsbetrug Nach den dargelegten Grundsätzen ergibt sich für die Fälle des Spenden-, Bettel- und Schenkungsbetrugs Fol- 182 gendes: Wer einem gemeinnützigen Verein beitritt unter der Vorspiegelung, dass die Mitgliederwerber ehrenamtlich für den Verein tätig sind, erleidet keinen betrugstauglichen Schaden. Denn der mit dem Vereinsbeitritt verfolgte Zweck wird durch die Gewerblichkeit der Mitgliederwerbung nicht von vorneherein in Frage gestellt, so dass sich ein entsprechender Irrtum als unbeachtlicher Motivirrtum darstellt.12 Etwas anders gilt, wenn die Werber den angeworbenen Mitgliedern eine satzungsgemäße Verwendung der Beiträge vorspiegeln13 oder über die nach abstrakter Betrachtung übliche Höhe der Verwaltungskosten täuschen bzw. vorspiegeln, dass mit den

1 Maiwald, NJW 1981, 2777, 2781. 2 Gallas, FS Eb. Schmidt, 1961, S. 435 f.; Saliger in M/R-StGB, § 263 Rz. 216; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 226; Wessels/Hillenkamp, BT/2, Rz. 557 f. Anders Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 185 und Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 296. Zu weiteren Ansätzen m.w.N. Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 725. 3 Vgl. Maurach/Schroeder/Maiwald, BT/1, § 41 Rz. 122. 4 I.E. ebenso Rudolphi, FS Klug, 1983, S. 322. 5 Saliger in M/R-StGB, § 263 Rz. 216; vgl. ferner Miehe, Verfügungen, S. 168, 196. 6 Wie hier: RG v. 4.12.1939 – 2 D 494/39, RGSt 73, 382, 383 f.; BGH v. 14.6.1991 – 3 StR 155/91, NJW 1991, 2573; OLG Köln v. 23.1.1979 – 1 Ss 1024/78, NJW 1979, 1419, 1420; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 183; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 229; Saliger in M/R-StGB, § 263 Rz. 217; Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 105; Hoyer in SK-StGB, § 263 Rz. 224; Wessels/Hillenkamp, BT/2, Rz. 562; Rengier, BT/1, § 13 Rz. 163 ff.; Gerhold, Zweckverfehlung, S. 70 ff. A.A. Maurach/ Schroeder/Maiwald, BT/1 § 41 Rz. 120; Samson, JA 1978, 628; Ranft, Jura 1992, 74 f.; Geerds, Jura 1994, 319 f. 7 A.A. OLG Düsseldorf v. 6.3.1990 – 5 Ss 449/89, NJW 1990, 2397 f. m. abl. Bespr. Küpper/Bode, JuS 1992, 645; ferner Ranft, Jura 1992, 74 und Geerds, Jura 1994, 319 f. Wie hier auch Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 183. 8 RG v. 4.12.1939 – 2 D 494/39, RGSt 73, 382, 383 f.; Cramer, Vermögensbegriff, S. 219 f. A.A. Maurach/Schroeder/Maiwald, BT/1, § 41 Rz. 120. 9 Zutreffend OLG Köln v. 23.1.1979 – 1 Ss 1024/78, NJW 1979, 1419, 1420. 10 Satzger, Jura 2009, 524; Eisele, BT/2, Rz. 628; Rengier, BT/1, § 13 Rz. 164. 11 BGH v. 2.7.1980 – 3 StR 201/80, BGHSt 29, 300, 301 f. m. abl. Bespr. Maiwald, NJW 1981, 2777, 2781; vgl. auch Hartmann, Zweckverfehlung, S. 117, 169 f. A.A. Maurach/Schroeder/Maiwald, BT/1, § 41 Rz. 122; Cramer, Vermögensbegriff, S. 214. 12 BGH v. 10.11.1994 – 4 StR 331/94, NJW 1995, 539 m. zust. Anm. Rudolphi, NStZ 1995, 289 und abl. Bespr. Deutscher/ Körner, JuS 1996, 296, 302. 13 BGH v. 10.11.1994 – 4 StR 331/94, NJW 1995, 539, 540.

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StGB

Betrug

StGB

§ 263 StGB Rz. 183

Strafgesetzbuch

Beiträgen ein nicht sorgfaltswidrig verursachtes Mehr an Unkosten mit Beitragsgeldern beglichen wird.1 Ein Spendenbetrug ist auch gegeben, wenn der Vereinsvorstand Spenden für die Vermittlung von Voll- und Teilpatenschaften für hilfsbedürftige Kinder in der Dritten Welt einwerben lässt, tatsächlich jedoch nur ein minimaler Geldabfluss an soziale Projekte erfolgt und das Geld überwiegend, soweit nicht für Verwaltungsaufgaben verbraucht, auf einem Vereinskonto zwecks Verwendung nach eigenem Gutdünken belassen wird.2 Allgemein liegt ein Spenden- oder Schenkungsbetrug vor, wenn die Spenden in Bezug auf den Spendenzweck fehlgeleitet werden.3 Einen Schenkungsbetrug begeht daher, wer dem Geschädigten vorspiegelt, 15 000 DM zur Begleichung eines Bußgeldbescheids zu benötigen, das Geld aber zur Minderung anderer finanzieller Schwierigkeiten verwendet.4 (b) Gemischte Verträge 183

Praxisrelevant wird die Lehre von der Zweckverfehlung auch für sog. gemischte Verträge (zum Begriff Rz. 179).5 Dabei ist zu beachten, dass von einem gemischten Vertrag nur die Rede sein kann, wenn bei dem Austauschgeschäft Leistung und Gegenleistung wirtschaftlich nicht gleichwertig sind (ansonsten ist die Lehre von der Zweckverfehlung nicht anwendbar, Rz. 181) und die fehlende Gleichwertigkeit der Gegenleistung durch ihre Verbindung mit einem verfolgten sozialen Zweck ausgeglichen wird. Wird der Zweck verfehlt, so kommt unter der Voraussetzung, dass die Zwecksetzung für beide Vertragsteile erkennbar zentraler Bestandteil des Vertrages geworden ist (vgl. Rz. 179 f.), Betrug in Betracht. So hat die Rspr. mit Recht Betrug bejaht für die Veräußerung von VW-Aktien, die in beschränkter Menge zu mäßigem Kurs in erster Linie zur Erfüllung bestimmter sozialpolitischer Zwecke bereitgestellt waren. Gelangen diese Aktien täuschungsbedingt an Personen, für die sie nicht oder nicht in dieser Menge bestimmt sind, so liegt Betrug vor durch zweck- oder sinnlose Fehlleitung der verfügbaren Mittel.6 Betrug begeht auch, wer sich durch Vortäuschung von Investitionszweck und Investitionsbedarf ein Darlehen erschleicht, wenn dem Anspruch des Darlehensgebers durch die zweckwidrige Verwendung der Darlehensmittel „weniger Qualität“ zukommt.7 Dagegen scheidet Betrug durch Vortäuschung der Absicht zur Fortführung eines Unternehmens aus, wenn die Arbeitsplatz- und Investitionszusagen im Kaufvertrag nicht verbindlich garantiert sind.8 (c) Einseitige Leistungen, insbesondere Subventionsbetrug

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Anerkannt ist, dass Fälle der Erschleichung von Subventionen unter den Betrugstatbestand fallen können (Subventionsbetrug),9 sofern nicht § 264 greift, der als Sondertatbestand § 263 vorgeht.10 Die neuere Rspr. sieht bei der Subventionsgewährung ein Austauschverhältnis darin, dass der Subventionsnehmer gegenüber dem Subventionsgeber die zweckgerichtete Verwendung der ihm zugewandten Subventionsgelder schuldet. Daher wird diese Gegenseitigkeitsbeziehung gestört, wenn die Mittelverwendung nicht dem Subventionszweck entspricht.11 Der BGH hat Subventionsbetrug insoweit mit Recht bejaht, wenn dem Täter kein Anspruch auf die bewilligten Fördermittel zusteht, weil er nicht zu der begünstigten Gruppe gehört.12 Das gilt auch für die Nichterfüllung von zeitlichen Subventionsvoraussetzungen.13 Betrug begeht daher, wer die Abwrack-Prämie beantragt und den Pkw im Ausland verkaufen will, anstatt ihn zu verschrotten,14 oder wer Kurzarbeit zur Erlangung von Kurzarbeitergeld anzeigt (§§ 169 ff. SGB III), ohne Kurzarbeit eingeführt zu haben.15 In diesen Fällen liegt der Schaden des Subven-

1 Offengelassen in BGH v. 10.11.1994 – 4 StR 331/94, NJW 1995, 539, 540; wie hier Rudolphi, FS Klug, 1983, S. 325 f. und Rudolphi, NStZ 1995, 290; vgl. auch Fischer, StGB, § 263 Rz. 139; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 230. 2 BGH v. 7.9.2011 – 1 StR 343/11, wistra 2011, 462 Rz. 5 – BfK-Fall. 3 Vgl. BGH v. 30.4.1987 – 4 StR 79/87, wistra 1987, 255, 256; Rengier, BT/1, § 13 Rz. 154. 4 BGH v. 12.5.1992 – 1 StR 133/92, NJW 1992, 2167; Saliger in M/R-StGB, § 263 Rz. 219; Rengier, BT/1, § 13 Rz. 149, 154. 5 Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 105; zum Problem eingehend Cramer, Vermögensbegriff, S. 217 ff. 6 BGH v. 18.7.1963 – 1 StR 130/63, BGHSt 19, 37, 45 unter Betonung der Nähe zu den Fallgruppen des Subventionsbetrugs und des Bettelbetrugs. 7 BGH v. 23.8.1978 – 3 StR 11/78, JZ 1979, 75, 76. 8 BGH v. 11.9.2003 – 5 StR 524/02, wistra 2003, 457, 459 f. Mangels sozialer Zweckverfehlung bei Abschluss eines zinslosen Darlehensvertrages verneint Betrug zu Recht auch OLG Frankfurt v. 14.9.2010 – 3 Ws 830/10, JA 2011, 69, 71 m. zust. Bespr. Bosch. 9 Lackner/Kühl, StGB, § 263 Rz. 56; Fischer, StGB, § 263 Rz. 140, 142; Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 104; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 183, 185; Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 738 ff.; Saliger in M/R-StGB, § 263 Rz. 263 ff.; Rengier, BT/1, § 13 Rz. 154, 213. 10 H.M.: S. nur Fischer, StGB, § 263 Rz. 236; Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 104, 183; auch § 264 Rz. 43; unklar BGH v. 26.1.2006 – 5 StR 334/05, NStZ 2006, 624, 625. 11 BGH v. 26.1.2006 – 5 StR 334/05, NStZ 2006, 624, 625 m. Anm. Allgayer, wistra 2006, 261 sowie Bespr. Bosch, JA 2006, 492; Idler, JuS 2007, 904; BGH v. 25.4.2014 – 1 StR 13/13, NJW 2014, 2295, 2297 f. – Resort Schwielowsee. 12 BGH v. 2.12.1982 – 1 StR 476/82, NJW 1983, 2646, 2648; ferner BGH v. 18.7.1963 – 1 StR 130/63, BGHSt 19, 37, 44 f.; BGH v. 30.6.1982 – 1 StR 757/81, BGHSt 31, 93, 95; BGH v. 26.1.2006 – 5 StR 334/05, NStZ 2006, 624, 625. 13 BGH v. 30.6.1982 – 1 StR 757/81, BGHSt 31, 93, 95 f.; Lackner/Kühl, StGB, § 263 Rz. 56. 14 Dazu Stumpf, NJW Spezial 2009, 648; Wessels/Hillenkamp, BT/2, Rz. 553 Fn. 302. 15 Dazu Gaede/Leydecker, NJW 2009, 3542.

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Rz. 186 § 263 StGB

tionsgebers darin, dass die zweckgebundenen (öffentlichen) Mittel verringert werden, ohne dass der erstrebte sozialpolitische Zweck erreicht wird.1 Maßgeblich wird damit der in den einschlägigen Rechtsgrundlagen festgeschriebene Subventionszweck.2 Umgekehrt folgt daraus, dass ein Subventionsbetrug ausscheidet, wenn der materielle Subventionszweck erreicht wird3 oder die geltend gemachte Forderung im Einklag mit dem sachlichen Subventionsrecht steht, mag der Täter zu deren Erlangung auch unlautere Mittel wie Täuschungen anwenden.4 Unerheblich sind insbesondere „sonstige Verstöße“ gegen Subventionsvorschriften wie die Verletzung bloß formeller Subventionsvoraussetzungen oder von Bedingungen, die lediglich die Verwaltungstätigkeit erleichtern oder den Nachweis von materiellen Subventionsvoraussetzungen sicherstellen.5 Jedoch kommt ein strafbarer Subventionsbetrug trotz Erreichen des Subventionszwecks in Betracht, wenn der Subventionsnehmer die Aufwandgestütztheit der geltend gemachten Kosten vorgespiegelt und tatsächlich an ihn rückgeflossene Provisionen nicht offengelegt hat, so dass er vom Subventionsgeber zu viel Fördergeld erhalten hat.6 Bei der Schadensbestimmung sind zugunsten des Täters eigene Aufwendungen zu berücksichtigen.7 Die gleichen Grundsätze wie beim Subventionsbetrug gelten für andere Fälle „einseitiger“ Leistungen wie den 185 Sozialleistungsbetrug und – mit Modifikationen – den Parteienbetrug (Rz. 220 f.). Sofern auf die einseitige Leistung allerdings ein Anspruch besteht, wie insbesondere bei Ermessensreduzierung auf Null, lockert sich die insbesondere von der Rspr. gezogene Parallele zum Spenden- und Bettelbetrug,8 und die fehlgeleitete Subvention bzw. fehlgeleitete staatliche Leistung erscheint richtigerweise als Leistung auf eine Nichtschuld.9 Beim Sportbetrug durch Doping kommt ein Schaden durch Zweckverfehlung in Bezug auf ausgezahltes Preisgeld regelmäßig nicht in Betracht, weil das Preisgeld nicht an schutzwürdige Zwecke gebunden ist.10 Anderes gilt für Vertragszahlungen von Vereinen und Rennställen sowie für das Startgeld, sofern die Dopingfreiheit des sportlichen Auftretens zur wesentlichen Vertragsgrundlage gemacht worden ist.11 Für Werbegeschenke hat die Rspr. unter dem Gesichtspunkt der Zweckverfehlung einen Schaden erwogen, wenn der getäuschte Versender bewusst ein Wirtschaftsgut opfert, um sich damit eine vorgespiegelte günstige Erwerbsmöglichkeit zu eröffnen.12 d) Stadien der Schadensverwirklichung Wirtschaftlich betrachtet ist der Bestand eines Vermögens steten Veränderungen ausgesetzt.13 So wie faktisch ver- 186 mögensbezogene Positionen sich derart verfestigen können, dass ihnen der Geschäftsverkehr schon aktuell einen messbaren wirtschaftlichen (Geld-)Wert als vermögenswerte Exspektanz beimisst (dazu Rz. 135 ff.), bezeichnet auch die Herbeiführung eines Vermögensschadens einen Vorgang in der Zeit mit der Folge, dass Stufen der Schadensverwirklichung unterschieden werden können.14 Eine Konsequenz des grundsätzlich wirtschaftlichen Vermögens- und Schadensbegriffs (Rz. 131 f., 152 ff.) ist insoweit die Anerkennung der konkreten schadensgleichen Vermögensgefahr als vollgültiger Vermögensschaden und Vorstufe des endgültigen Vermögensschadens (Rz. 187 ff.). Vermögenswerte Exspektanz und konkrete Vermögensgefahr markieren in wirtschaftlicher Perspektive die Grenzbereiche des Vermögens- und Schadensbegriffs.15 Soweit die Frage nach dem Eintritt eines strafrechtlichen Vermögensschadens auch in Bezug auf die verschiedenen Stadien der Abwicklung eines Vertragsverhältnisses gestellt werden kann, unterscheidet die h.M. zudem – verfassungsrechtlich unbedenklich16 – zwischen

1 BGH v. 18.7.1963 – 1 StR 130/63, BGHSt 19, 37, 45; BGH v. 30.6.1982 – 1 StR 757/81, BGHSt 31, 93, 95; BGH v. 26.1.2006 – 5 StR 334/05, NStZ 2006, 624, 625; Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 104. 2 BGH v. 26.1.2006 – 5 StR 334/05, NStZ 2006, 624, 625. 3 BGH v. 26.1.2006 – 5 StR 334/05, NStZ 2006, 624, 625; BGH v. 25.4.2014 – 1 StR 13/13, NJW 2014, 2295, 2297 f. – Resort Schwielowsee. 4 BGH v. 2.12.1982 – 1 StR 476/82, NJW 1983, 2646, 2648. 5 BGH v. 26.1.2006 – 5 StR 334/05, NStZ 2006, 624, 625; Lackner/Kühl, StGB, § 263 Rz. 56; Saliger in M/R-StGB, § 263 Rz. 220; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 233. Offengelassen noch in BGH v. 30.6.1982 – 1 StR 757/8, BGHSt 31, 93, 96. 6 BGH v. 25.4.2014 – 1 StR 13/13, NJW 2014, 2295, 2297 f. – Resort Schwielowsee – m. krit. Anm. Gaede und Bespr. Wessing, NZG 2014, 814. 7 BGH v. 26.1.2006 – 5 StR 334/05, NStZ 2006, 624, 625. Zu „Schmiergeld“ als Mindestschaden beim Subventionsbetrug BGH v. 8.2.2008 – 5 StR 581/07, NStZ-RR 2008, 281 f. 8 Saliger in M/R-StGB, § 263 Rz. 221; vgl. ferner BGH v. 18.7.1963 – 1 StR 130/63, BGHSt 19, 37, 44 f.; auch Fischer, StGB, § 263 Rz. 140 ff. 9 Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 742; Schmoller, JZ 1991, 129; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 232. 10 Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 736; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 234; Kerner/Trüg, JuS 2004, 142. A.A. Cherkeh, Betrug, S. 206 f. 11 Vgl. OLG Stuttgart v. 29.9.2011 – 2 Ws 33/11, BeckRS 2011, 27427 m. Bespr. Jahn, JuS 2012, 181. Hefendehl in MüKoStGB, § 263 Rz. 736. 12 BayObLG v. 12.10.1993 – 3 StRR 108/93, NJW 1994, 208 – Letzteres wird dort verneint – m. abl. Bespr. Hilgendorf, JuS 1994, 466; ferner Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 105a; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 230. 13 Cramer, Vermögensbegriff, S. 168. 14 Vgl. Saliger, ZStW 2000, 563, 565; Cramer, Vermögensbegriff, S. 118 ff., 168 ff. 15 Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 590; Fischer, NStZ-Sonderheft 2009, 14 f. 16 BVerfG v. 7.12.2011 – 2 BvR 2500/09, 2 BvR 1857/10, NJW 2012, 907, 915 Rz. 171 ff.

Saliger

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StGB

Betrug

StGB

§ 263 StGB Rz. 187

Strafgesetzbuch

Eingehungs- und Erfüllungsbetrug (Rz. 200 ff.).1 Dabei handelt es sich nicht um verschiedene Arten des Betrugs, sondern um verschiedene Perspektiven auf die Feststellung des Vermögensschadens und damit der Deliktsvollendung.2 aa) Konkrete schadensbegründende Vermögensgefahr als Schaden (1) Grundsätze (a) Die herrschende Meinung 187

Bisher war seit über 140 Jahren3 in ständiger Rspr. und dem ganz überwiegenden Schrifttum anerkannt, dass ein Vermögensschaden auch dann vorliegen kann, wenn die täuschungsbedingte Gefahr des endgültigen Verlustes eines Vermögensbestandteils zum Zeitpunkt der Verfügung so groß ist, dass sie schon jetzt eine Minderung des Gesamtvermögens zur Folge hat (schadensgleiche oder – präziser – schadensbegründende Vermögensgefahr).4 Das soll in zeitlicher Hinsicht der Fall sein, wenn unter Berücksichtigung der persönlichen Verhältnisse der Beteiligten und der besonderen Umstände des Falles das Vermögen konkret gefährdet ist, also mit wirtschaftlichen Nachteilen ernstlich zu rechnen ist5 bzw. der Vermögensverlust naheliegt.6 Diese Voraussetzung ist nicht erfüllt, wenn der Eintritt wirtschaftlicher Nachteile nicht einmal überwiegend wahrscheinlich ist, sondern von zukünftigen Ereignissen abhängt, die sich einer Einflussnahme in ganz wesentlichem Umfang entziehen.7 In anderen, insbesondere zu § 266 entwickelten Bestimmungen hat die Rspr. für eine konkrete Vermögensgefahr gefordert, dass mit dem alsbaldigen Eintritt des entsprechenden endgültigen Schadens zu rechnen ist,8 oder – an die Vermeidemacht des Geschädigten anknüpfend – dass eine vom Berechtigten nicht mehr zu kontrollierende, nur noch im Belieben des Täters stehende Möglichkeit des endgültigen Vermögensverlustes gegeben ist.9 Nach einhelliger Meinung reicht eine abstrakte Vermögensgefährdung für die Anwendung des § 263 nicht aus.10 Ob eine Vermögensgefährdung schadensbegründend ist, ist in wertender Betrachtung unter Berücksichtigung auch rein faktischer Gesichtspunkte11 und der wirtschaftlichen Situation der Beteiligten12 zu bestimmen (§ 266 StGB Rz. 82). Denn zwischen Endschaden (Verlust) und schadensbegründender Gefährdung besteht bei wirtschaftlicher Betrachtung kein qualitativer, sondern nur ein quantitativer Unterschied.13 Die tatsächlichen Voraussetzungen, unter denen eine Vermögengefährdung dem Vermögensschaden „gleichzusetzen“ ist, müssen dabei feststehen; sie dürfen nicht nur wahrscheinlich oder gar möglicherweise vorliegen.14 Typische Fallgruppen der schadensbegründenden Vermögensgefahr beim Betrug sind vor allem der Eingehungsbetrug (Rz. 200 ff.), der Kredit- und Anlagebetrug (Rz. 194 f.), der Gutglaubenserwerb (Rz. 196 f.), der Beweismittelbetrug (Rz. 198) oder die Preisgabe einer Geheimzahl (Rz. 198).15

1 Vgl. exemplarisch RG v. 20.4.1887 – 2237/86, RGSt 16, 1, 10 f.; Lackner/Kühl, StGB, § 263 Rz. 53; Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 125 ff.; Tenckhoff, FS Lackner, 1987, S. 678 ff. 2 Fischer, StGB, § 263 Rz. 175. 3 Zur Geschichte Pröll, GA 66 (1919), 124, 131 ff.; Riemann, Vermögensgefährdung, S. 28 ff. 4 RG v. 20.4.1887 – 2237/86, RGSt 16, 1, 11; BGH v. 9.7.1987 – 4 StR 216/87, BGHSt 34, 394, 395; BGH v. 15.12.2006 – 5 StR 181/06, BGHSt 51, 165, 177; BGH v. 5.11.2003 – 1 StR 287/03, NStZ 2004, 264, 265; Lackner/Kühl, StGB, § 263 Rz. 40 ff.; Fischer, StGB, § 263 Rz. 156 ff.; Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 143 ff.; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 170 ff.; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 235 ff.; Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 588 ff.; Saliger in M/R-StGB, § 263 Rz. 222 ff.; Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 297 ff.; Pröll, GA 66 (1919), 124, 131 ff.; Wessels/Hillenkamp, BT/2, Rz. 572 ff.; Rengier, BT/1, § 13 Rz. 183 ff.; Hefendehl, Vermögensgefährdung, S. 256 ff.; Riemann, Vermögensgefährdung, S. 9 ff. 5 BGH v. 20.7.1966 – 2 StR 188/66, BGHSt 21, 112, 113; BGH v. 9.7.1987 – 4 StR 216/87, BGH v. 9.7.1987 – 4 StR 216/87, BGHSt 34, 394, 395; BGH v. 15.12.2006 – 5 StR 181/06, BGHSt 51, 165, 177; BGH v. 26.11.2009 – 5 StR 91/09, wistra 2010, 146, 147; Lackner/Kühl, StGB, § 263 Rz. 40; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 239; Fischer, StGB, § 263 Rz. 159 f.; Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 143; Wittig, Wirtschaftsstrafrecht, § 14 Rz. 114. 6 BGH v. 20.2.1991 – 2 StR 421/90, BGHR § 263 Abs. 1 Vermögensschaden 29, S. 2 und BGH v. 7.10.2003 – 1 StR 212/03, BGHSt 48, 354, 356, beide unter Bezug auf BGH v. 9.7.1987 – 4 StR 216/87, BGHSt 34, 394, 395. 7 BGH v. 15.12.2006 – 5 StR 181/06, BGHSt 51, 165, 177. 8 BGH v. 21.10.1994 – 2 StR 328/94, BGHSt 40, 287, 296; auch BVerfG v. 10.3.2009 – 2 BvR 1980/07, NJW 2009, 2370, 2372; Dierlamm in MüKo-StGB, § 263, § 266 Rz. 212. 9 Vgl. BGH v. 18.10.2006 – 2 StR 499/05, BGHSt 51, 100, 113; auch BVerfG v. 10.3.2009 – 2 BvR 1980/07, NJW 2009, 2370, 2372; ferner § 266 StGB Rz. 82. 10 BGH v. 20.7.1966 – 2 StR 188/66, BGHSt 21, 112, 113. 11 BGH v. 3.2.2005 – 5 StR 84/04, NStZ-RR 2005, 343, 344 zu § 266. 12 BGH v. 9.2.2006 – 5 StR 423/05, NStZ-RR 2006, 175, 176 zu § 266. 13 BGH v. 5.5.1991 – 2 StR 581/90, wistra 1991, 307 f.; BVerfG v. 23.6.2010 – 2 BvR 2559/08, 2 BvR 105/09 und 2 BvR 491/09, NJW 2010, 3209, 3219 Rz. 142; auch BGH v. 18.2.2009 – 1 StR 731/08, BGHSt 53, 199, 202; Perron in S/S-StGB, Rz. 143. 14 BVerfG v. 10.3.2009 – 2 BvR 1980/07, NJW 2009, 2370, 2372; BGH v. 2.9.1994 – 2 StR 381/94, StV 1995, 24 f.; auch BGH v. 20.7.1966 – 2 StR 188/66, BGHSt 21, 112, 113; Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 143a. 15 Vgl. RG v. 20.4.1887 – 2237/86, RGSt 16, 1, 11; Lackner/Kühl, StGB, § 263 Rz. 41 ff.; Fischer, StGB, § 263 Rz. 163 ff.; Wessels/Hillenkamp, BT/2, Rz. 572; Riemann, Vermögensgefährdung, S. 75 ff.

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Rz. 189 § 263 StGB

(b) Kritik der Vermögensgefahr durch Strafsenate des BGH Von dieser bisherigen ganz h.M. wollen sich insbesondere Strafsenate des BGH seit 2008 distanzieren.1 Aus- 188 gangspunkt der Kehrtwende ist ein Beschluss des 1. Strafsenats aus 2008 zur Untreuestrafbarkeit wegen einer treuwidrigen Vermögensanlage als „Risikogeschäft“, bei dem der Treunehmer die Gelder der Anleger abredewidrig mit der Folge des Totalverlustes verwandt hatte.2 Der 1. Strafsenat wertet die zweckwidrige Verfügung des Täters nicht nur als schadensgleiche Vermögensgefahr, sondern als mit direktem Vorsatz herbeigeführten endgültigen Vermögensnachteil.3 Dabei wendet er sich in einem obiter dictum dezidiert gegen die Vorsatzeinschränkung des 2. Senats im Fall Kanther4 (Rz. 237) und bemerkt, dass, bevor der Überdehnung des Tatbestands durch die Figur der schadensgleichen Vermögensgefahr mit einer Vorsatzeinschränkung („bei unklarer Auswirkung auch auf § 263 StGB“) begegnet werde, zunächst zu prüfen sei, „ob sich das Problem bei einer präzisen Begriffsverwendung … nicht weitgehend erledigt“ bzw. „sich als Scheinproblematik herausstellt.“ Noch deutlicher distanziert sich der 1. Strafsenat von der schadensgleichen Vermögensgefahr in einem Beschluss aus 2009 zu einer betrügerisch veranlassten Geldanlage als „Risikogeschäft“ (Schneeball-System). Dort hatte der Täter die erhaltenen Geldmittel von Anfang an zur Finanzierung seines Lebensunterhalts und zur Befriedigung von Altinvestoren eingesetzt, anstatt sie wie vereinbart sicher und gewinnbringend anzulegen.5 Der 1. Strafsenat sieht angesichts des Verlustrisikos in der Auszahlung der Anlagesumme an den Täter einen endgültigen Schaden und nicht nur eine schadensbegründende Vermögensgefahr.6 Seine Attacken auf die schadensgleiche Vermögensgefahr sind scharf: Der Begriff beschreibe das Erfordernis der Saldierung der Vermögenslage vor und nach der Verfügung „nur unzureichend und ist entbehrlich“.7 Die Rechtsfigur berge „die Gefahr der Überdehnung des Betrugstatbestands hin zum Gefährdungsdelikt durch Einbeziehung nur abstrakter Risiken in sich“,8 und sei bedenklich, weil eine Subsumtion tatsächlicher nur „schadensgleicher Gefährdungen“ unter den Betrugstatbestand „mit Art. 103 Abs. 2 GG kaum vereinbar“ wäre.9 Auch der 3. Strafsenat hält die Rede von einer schadensgleichen Vermögensgefahr mittlerweile für „zumindest missverständlich“.10 Zuletzt hat er diese Figur für Fälle des Eingehungsbetrugs nicht mehr verwendet.11 Insbesondere in seinem später vom BVerfG aufgehobenen Al-Qaida-Urteil vom August 2009 ist der 3. Strafsenat mit dem Rechtssatz hervorgetreten, dass die signifikante Erhöhung der Wahrscheinlichkeit von Versicherungsleistungen durch die schiere Absicht des Täters bei Vertragsschluss, einen Versicherungsbetrug zu begehen, bereits einen vollendeten Eingehungsbetrug begründet.12 (c) Kritik der Kritik an der schadensbegründenden Vermögensgefahr Entgegen dieser Kritik ist mit den anderen Strafsenaten des BGH und der bisherigen h.M. an der Figur der kon- 189 kreten schadensbegründenden Vermögensgefahr festzuhalten.13 Gegen die Kritik spricht bereits, dass sie, jedenfalls was den 1. Strafsenat betrifft, ohne Not an dafür unpassenden Sachverhalten entwickelt worden ist. Zwar ist richtig, dass das Risikogeschäft nach traditionellem Verständnis eine Fallgruppe der schadensgleichen Vermögensgefahr markiert (s. zum Kreditbetrug Rz. 194).14 Jedoch lag in den vom 1. Strafsenat entschiedenen Sachverhalten kein Risikogeschäft vor, weil eine kompensationslose zweckwidrige Mittelverwendung von Anfang an bzw. ab einem bestimmten Zeitpunkt ein Geschäft mit einem sicheren einseitigen Vermögensabfluss und also kein Risikogeschäft (mehr) ist.15 Auch in der Sache verdient die Kritik an der schadensbegründenden

1 Analysen dieser Rspr. bei Saliger, FS Samson, 2010, S. 455 f., 465 ff.; Joecks, FS Samson, S. 360 ff.; Hefendehl, FS Samson, S. 307 ff. 2 BGH v. 20.3.2008 – 1 StR 488/07, NStZ 2008, 457 f. m. Anm. Adick, HRRS 2008, 460; Peglau, wistra 2008, 430; Rübenstahl, NJW 2008, 2454; Selle/Wietz, ZIS 2008, 471; Wegner, wistra 2008, 347; Beulke/Witzigmann, JR 2008, 430; Klötzer/ Schilling, StraFo 2008, 305. 3 BGH v. 20.3.2008 – 1 StR 488/07, NStZ 2008, 457. 4 BGH v. 18.10.2006 – 2 StR 499/05, BGHSt 51, 100, 120 ff.; ferner BGH v. 25.5.2007 – 2 StR 469/06, NStZ 2007, 704 – 2. Senat – für den Fall einer pflichtwidrigen Kreditvergabe und BGH v. 2.4.2008 – 5 StR 354/07, BGHSt 52, 182, 190 – 5. Senat – für die zweckwidrige Verwendung von Mietkautionen. Verteidigung der Vorsatzlösung bei Fischer, StraFo 2008, 275 ff. und Fischer, NStZ-Sonderheft 2009, 13 f. 5 BGH v. 18.2.2009 – 1 StR 731/08, BGHSt 53, 199, 200 f. m. zust. Anm. Ransiek/Reichling, ZIS 2009, 315; S. Frisch, BGH EWiR § 263 StGB 1/09, 555; – im Wesentlichen auch – Küper, JZ 2009, 800 sowie krit. Brüning, ZIS 2009, 300; Jahn, JuS 2009, 756; Rübenstahl, NJW 2009, 2392; ferner Schlösser, NStZ 2009, 663. 6 BGH v. 18.2.2009 – 1 StR 731/08, BGHSt 53, 199, 202 f. 7 BGH v. 18.2.2009 – 1 StR 731/08, BGHSt 53, 199, 202. 8 BGH v. 18.2.2009 – 1 StR 731/08, BGHSt 53, 199, 203 unter Bezugnahme auf Fischer, StGB56, § 263 Rz. 96. 9 BGH v. 18.2.2009 – 1 StR 731/08, BGHSt 53, 199, 204. 10 BGH v. 13.8.2009 – 3 StR 576/08, WM 2009, 1930, 1932 – Fall WestLB/Sengera – m. Anm. Wessing, BKR 2010, 159; Schwennicke, GWR 2009, 348; Mediger, BGH EWiR § 266 StGB 1/10, 32. 11 Vgl. BGH v. 5.3.2009 – 3 StR 559/08, wistra 2009, 236: Kreditbetrug; BGH v. 14.8.2009 – 3 StR 552/08, NJW 2009, 3448, 3464 f.: Versicherungsbetrug. 12 BGH v. 14.8.2009 – 3 StR 552/08, BGHSt 54, 69, 124 f. m. Anm. unten in Rz. 193. 13 Vgl. zum Folgenden bereits Saliger in M/R-StGB, § 263 Rz. 225 ff. und Saliger, FS Samson, 2010, S. 467 ff. 14 Vgl. im Kontext des § 266 § 266 StGB Rz. 90 und Riemann, Vermögensgefährdung, S. 160 f. 15 Zutreffend Klötzer/Schilling, StraFo 2008, 306 für BGH v. 20.3.2008 – 1 StR 488/07, NStZ 2008, 457. I.E. wohl auch Adick, HRRS 2008, 461. Dagegen war in BGH v. 13.8.2009 – 3 StR 576/08, WM 2009, 1930 – Fall WestLB/Sengera –

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Strafgesetzbuch

Vermögensgefahr keine Zustimmung, abgesehen davon, dass es eine sekundäre Frage ist,1 wie man diesen Schaden begrifflich benennt,2 solange nur klar ist, dass die schadensbegründende Vermögensgefahr einen vollgültigen Vermögensschaden markiert.3 Angesichts der wirtschaftlichen Realität, dass die tatsächlichen und rechtlichen Rahmenbedingungen eines Vermögenswerts in Bewegung geraten können (Rz. 186) und daher einem Vermögensgegenstand namentlich die Verlustgefahr drohen kann, würde es diese Realität verkürzen, wenn man den Vermögenswert stets nach dem binaren Schema „voller Wert (100 %)“ oder „Nullwert“ (0 %) ansetzen müsste.4 Im Beispiel: Gewährt eine Bank einem Kunden ein Darlehen in Höhe von 100 000 Euro unter Vorspiegelung nicht vorhandener Sicherheiten, so entspricht es nicht der wirtschaftlichen Realität, die Rückzahlungsforderung nebst Tilgungszinsen entweder mit dem vollen Nennwert (100 % und also kein Schaden) oder mit dem Nullwert (0 % und damit endgültiger Schaden) anzusetzen. Vielmehr ist das Vermögen der Bank je nach dem umständebedingten Risiko, die Forderungen aus dem Kreditvertrag nicht mehr durchsetzen zu können, – z.B. bei einer 80 %-Ausfallwahrscheinlichkeit – konkret schadensbegründend gefährdet. Genau die Berücksichtigung dieser Prognoseproblematik (im Einzelfall bestehendes Verlustrisiko) erlaubt die konkrete schadensbegründende Vermögensgefahr. Vom „endgültigen“ Schaden, d.h. dem Totalausfall (0 %) als substanziellem Vermögensverlust, unterscheidet sich die konkrete schadensbegründende Vermögensgefahr dadurch, dass sie einen Vermögenswert betrifft, der noch die – wenn auch geringe – Wahrscheinlichkeit aufweist, sich im vollen ursprünglichen Nennwert realisieren zu können.5 190

Darüber hinaus bedingt die Abkehr von der schadensbegründenden Vermögensgefahr weitere Nachteile. Zum einen fragt sich, worin der Gewinn an begrifflicher Klarheit liegt,6 wenn der 1. Strafsenat den „unmittelbar real eingetretenen Schaden“ aus einer „nicht mehr vertragsimmanenten Verlustgefahr“ bzw. einem „überhöhten Risiko“ hinsichtlich der Rück- und Zinsforderungen ableitet,7 also inhaltlich auf einen konkreten Gefährdungsschaden rekurriert.8 Zum anderen bewirkt die Aufgabe der schadensbegründenden Vermögensgefahr eine erhebliche Ausdehnung der Strafbarkeit und verhindert nicht, wie der 1. Strafsenat meint,9 die Gefahr der Überdehnung des Betrugstatbestands hin zum Gefährdungsdelikt.10 So schneidet die Kappung des Bezugs der schadensgleichen Vermögensgefahr auf einen substanziellen Verletzungsschaden Kompensationsmöglichkeiten ab, was wiederum die Gefahr erhöht, dass bloß abstrakte Vermögensrisiken nun als Endschäden kriminalisiert werden.11 Beleg dafür ist das aufgehobene Al-Qaida-Urteil des 3. Strafsenats, wo der bloße Wille zur Schädigung durch den Versicherungsnehmer zum Vermögensschaden des Versicherers wird (dazu auch Rz. 193).12 Zudem führt die Gleichsetzung von Gefährdungs- und Endschäden zu Friktionen bei der Strafzumessung. Denn bei Absatz 1 kann der Gefährdungsschaden nicht mehr strafmildernd berücksichtigt werden (Rz. 273) und bei Abs. 3 S. 2 Alt. 1 zerfällt die Abgrenzung zum Vermögensverlust (Rz. 283). (d) BVerfG, Schrifttum und eigene Präzisierung der herrschenden Meinung

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Der Zweite Senat des BVerfG hat in drei Beschlüssen u.a. zum Institut der schadensgleichen Vermögensgefahr sowohl bei der Untreue als auch beim Betrug Stellung genommen. In einem Beschluss vom 10.3.2009 zur Untreue hat die 2. Kammer des Zweiten Senats einerseits erklärt, dass die Einbeziehung der aus dem Betrugstatbestand ent-

1 2

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mit der Kreditvergabe zur Finanzierung einer Unternehmensfusion ein klassisches Risikogeschäft gegeben. Zum Ganzen Saliger, FS Samson, 2010, S. 468 f. Ebenso Tiedemann in LK-StGB, § 263 § 263 Rz. 168; Fischer, NStZ-Sonderheft 2009, 12. Von schadensgleicher Vermögensgefahr spricht die wohl noch überwiegende Auffassung: BGH v. 5.11.2003 – 1 StR 287/03, NStZ 2004, 264, 265; BGH v. 15.12.2006 – 5 StR 181/06, BGHSt 51, 165, 175; BGH v. 29.8.2008 – 2 StR 587/07, BGHSt 52, 323, 336; Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 144 ff.; Hoyer in SK-StGB, § 263 Rz. 235. Wie hier für schadensbegründende Vermögensgefährdung Küper/Zopfs, BT, S. 381; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 235 ff.; Saliger in M/RStGB, § 263 Rz. 225. Weitere Begriffsvarianten bei Riemann, Vermögensgefährdung, S. 6 f. Hefendehl, FS Samson, 2010, S. 300; BGH v. 2.12.2008 – 1 StR 416/08, BGHSt 53, 71, 85; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 168; Rengier, BT/1, § 13 Rz. 184; Otto, Jura 1991, 494 f. Klarstellend BGH v. 20.3.2008 – 1 StR 488/07, NStZ 2008, 457 f.; Satzger, Jura 2009, 525. Vgl. Cramer, Vermögensbegriff, S. 118; Tiedemann in LK-StGB, § 263 § 263 Rz. 168; Becker, HRRS 2009, 336 f.; Fischer, NStZ-Sonderheft 2009, 12. Näher Saliger, FS Samson, 2010, S. 471 ff., insbesondere zum substanziellen Vermögensverlust (Endschaden) als Bezugspunkt der konkreten Vermögensgefahr. So BGH v. 18.2.2009 – 1 StR 731/08, BGHSt 53, 199, 204. BGH v. 18.2.2009 – 1 StR 731/08, BGHSt 53, 199, 202 f.; vgl. auch BGH v. 20.3.2008 – 1 StR 488/07, NStZ 2008, 457 f. Vgl. zur Kritik Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 237; Beulke/Witzigmann, JR 2008, 433; Fischer, StGB, § 263 Rz. 157 f., 184a und NStZ-Sonderheft 2009, 11 f., 14 f., 20; Hefendehl, FS Samson, 2010, S. 312; Joecks, FS Samson, S. 374; Saliger, FS Samson, S. 473 f.; Waszcynski, JA 2010, 256. BGH v. 18.2.2009 – 1 StR 731/08, BGHSt 53, 199, 203 f. Dass der 1. Strafsenat zukünftig einen restriktiveren Schadensbegriff vertritt, nehmen an Selle/Wietz, ZIS 2008, 475; vgl. auch S. Frisch, BGH EWiR § 263 StGB 1/09, 556. Wie hier: Schlösser, NStZ 2009, 666; Brüning, ZJS 2009, 303; Gaede in AnwK-StGB, § 263 Rz. 122; auch Beulke/Witzigmann, JR 2008, 433 f.; Fischer, NStZ-Sonderheft 2009, 11 f.; Satzger, Jura 2009, 525; Jahn, JuS 2009, 757. Ebenso Rübenstahl, NJW 2009, 2392. Zu den strafprozessualen Folgen für die Darstellung der Schadenshöhe in den Urteilsgründen Schlösser, StV 2010, 157. Vgl. BGH v. 14.8.2009 – 3 StR 552/08, NJW 2009, 3448, 3464 f.; dazu Saliger, FS Samson, 2010, S. 475 ff.

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wickelten Figur der schadensgleichen Vermögensgefahr in die Auslegung des Nachteilsmerkmals bei § 266 mit dem Bestimmtheitsgebot nach Art. 103 Abs. 2 GG grundsätzlich zu vereinbaren ist. Dabei sind jedoch andererseits die Abgrenzungen, welche die Rspr. zur Bestimmung der schadensgleichen Vermögensgefährdung entwickelt hat, bei der Auslegung des § 266 stets strikt zu beachten, um einer weiteren Dekonturierung des Nachteilsmerkmals entgegenzuwirken.1 In seinem zweiten Beschluss zur Untreue vom 23.6.2010 hat der Zweite Senat die sachliche Notwendigkeit der „Gleichsetzung von Schaden und Gefährdung“ grundlegender mit der Tatsache gerechtfertigt, dass sich im marktorientierten Wirtschaftssystem auch die Zukunftserwartungen der Marktteilnehmer auf den erzielbaren Preis und damit den Wert von Gegenständen auswirken.2 Diese Tatsache habe ihren Niederschlag in den Bewertungsvorschriften des Bilanzrechts gefunden, die deshalb auch für die Bewertung von Gegenständen des Umlaufvermögens vor allem in den Fällen der Kreditvergabe relevant seien (dazu näher Rz. 151 sowie krit. Rz. 131 und Rz. 168).3 Der Zweite Senat unterstreicht dabei gerade für die schadensgleiche Vermögensgefahr die Erforderlichkeit einer eigenständigen und wirtschaftlich nachvollziehbaren Feststellung: also die Berücksichtigung anerkannter Bewertungsverfahren und -maßstäbe, die eventuelle Hinzuziehung von Sachverständigen sowie bei Unsicherheiten die Ermittlung eines (Mindest-)Schadens im Wege der Schätzung unter Beachtung des Zweifelsatzes (vgl. bereits Rz. 151).4 Obschon diese Grundsätze für die Untreue mit Blick auf die dortige Gefahr eines Unterlaufens der Straflosigkeit des Versuchs durch eine zu extensive Anwendung der schadensgleichen Vermögensgefahr formuliert sind,5 verlangen sie auch beim Betrug Geltung. Denn auch hier geht es nicht an, über eine zu extensive Anwendung der schadensgleichen Vermögensgefahr Fälle des strafbaren Versuchs (oder sogar der straflosen Vorbereitung) als vollendeten Betrug zu ahnden.6 Schließlich hat der Zweite Senat mit Beschluss vom 7.12.2011 die „für den Straftatbestand der Untreue … maßgeblichen Erwägungen (vgl. BVerfG v. 23.6.2010 – 2 BvR 2559/08, 2 BvR 105/09 und 2 BvR 491/09, BVerfGE 126, 170 [223 ff., 226, 229])“ auf die „Fallgestaltungen des Eingehungsbetruges“ übertragen und damit an der Geltung seiner Grundsätze aus dem Untreuebeschluss auch für den Betrug keinen Zweifel gelassen.7 Bemerkenswert ist dabei, dass der Zweite Senat mit Bezug auf den Al-Qaida-Fall (dazu auch Rz. 193, 205) die Anforderungen an eine ausreichende Beschreibung und Bezifferung des Vermögensschadens erneut akzentuiert. So dürfen – in Präzisierung des Konkretheitserfordernisses (Rz. 187) – Verlustwahrscheinlichkeiten nicht so diffus sein oder sich in so niedrigen Bereichen bewegen, dass der Eintritt eines realen Schadens ungewiss bleibt. Die bloße Möglichkeit eines solchen Schadens genügt nicht.8 Ferner soll selbst die Bestimmung eines Mindestschadens die tragfähige Einschätzung der Verlustwahrscheinlichkeit erfordern. Keinesfalls kann der bloße Hinweis des BGH auf die Hilfe von Sachverständigen die für den Schuldspruch notwendigen Darlegungen ersetzen.9 Mit dieser verfassungsrechtlichen Absicherung der schadensbegründenden Vermögensgefahr dürfte die Kritik des 1. und des 3. Strafsenats des BGH an der Figur verstummen. Die Hauptschwierigkeit bei der konkreten Vermögensgefahr besteht seit jeher darin, die schon schadensbegrün- 192 denden Verlustwahrscheinlichkeiten von den noch nicht schadensbegründenden und insoweit abstrakten Vermögensrisiken abzugrenzen.10 Das BVerfG hat in beiden Beschlüssen darauf verzichtet, nähere Vorgaben für dieses Hauptproblem zu formulieren.11 Über die zeitlichen Bestimmungen und die Anknüpfung der Rspr. an den Aspekt der Vermeidemacht hinaus (Rz. 187) hat der 2. Strafsenat des BGH für die Untreue eine subjektive Einschränkung vorgeschlagen. Danach soll der bedingte Vorsatz eines Gefährdungsschadens nicht nur Kenntnis und Inkaufnehmen der konkreten Gefahr eines Schadenseintritts voraussetzen, sondern „darüber hinaus eine Billigung der Realisierung dieser Gefahr“, sei es auch nur in der Form eines Sich-Abfindens des Täters mit dem Eintritt des ihm unerwünschten Erfolges (str.; auch Rz. 189).12 Im Schrifttum werden die unterschiedlichsten Kon-

1 BVerfG v. 10.3.2009 – 2 BvR 1980/07, NJW 2009, 2370, 2372 m. Anm. Jahn, JuS 2009, 859 und Bespr. Fischer, StV 2010, 95. 2 BVerfG v. 23.6.2010 – 2 BvR 2559/08, NJW 2010, 3209, 3219 Rz. 140 m. Anm. Saliger, NJW 2010, 3195 und Bespr. Becker, HRRS 2010, 383. 3 BVerfG v. 23.6.2010 – 2 BvR 2559/08, NJW 2010, 3209, 3219 Rz. 141 ff. 4 BVerfG v. 23.6.2010 – 2 BvR 2559/08, NJW 2010, 3209, 3215, Rz. 113 f. und 3220, Rz. 151. 5 Vgl. BVerfG v. 10.3.2009 – 2 BvR 1980/07, NJW 2009, 2370, 2372 Rz. 34; BVerfG v. 23.6.2010 – 2 BvR 2559/08, NJW 2010, 3209, 3213 f., Rz. 100 und 3220, Rz. 150. 6 BGH v. 8.6.2011 – 3 StR 115/11, wistra 2011, 387 Rz. 7; Fischer, StGB, § 263 Rz. 161; vgl. auch Rengier, BT/1, § 13 Rz. 186 ff. 7 BVerfG v. 7.12.2011 – 2 BvR 2500/09, NJW 2012, 907, 916 Rz. 175. 8 BVerfG v. 7.12.2011 – 2 BvR 2500/09, NJW 2012, 907, 916 Rz. 176. 9 BVerfG v. 7.12.2011 – 2 BvR 2500/09, NJW 2012, 907, 916 Rz. 178; BGH v. 13.4.2012 – 5 StR 442/11, NJW 2012, 2370, 2371. 10 Vgl. Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 169 ff.; Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 590; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 237 f.; Fischer NStZ-Sonderheft 2009, 15; Becker, HRRS 2009, 337. 11 Vgl. BVerfG v. 10.3.2009 – 2 BvR 1980/07, NJW 2009, 2370, 2372 Rz. 35; BVerfG v. 23.6.2010 – 2 BvR 2559/08, NJW 2010, 3209, 3218 Rz. 138 f. 12 BGH v. 18.10.2006 – 2 StR 499/05, BGHSt 51, 100, 121 – Fall Kanther – m. Anm. Bernsmann, GA 2007, 229 ff.; Ransiek, NJW 2007, 1727; Saliger, NStZ 2007, 545; Perron, NStZ 2008, 517; ferner BGH v. 25.5.2007 – 2 StR 469/06, NStZ 2007, 704 m. Anm. Schlösser, NStZ 2008, 397; BGH v. 2.4.2008 – 5 StR 354/07, BGHSt 52, 182, 190; billigend BVerfG v. 10.3.2009 – 2 BvR 1980/07, NJW 2009, 2370, 2373 Rz. 40. A.A. BGH v. 20.3.2008 – 1 StR 488/07, NStZ 2008, 457 und BGH v. 18.2.2009 – 1 StR 731/08, BGHSt 53, 199, 204.

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Betrug

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§ 263 StGB Rz. 193

Strafgesetzbuch

kretisierungsansätze vertreten:1 Teilweise wird auf die (fehlende) Beherrschbarkeit der Gefahr durch den Täter bzw. seine Vermeidemacht abgestellt und eine schadensgleiche Vermögensgefahr verneint, solange dem Täter die verletzungshindernden Momente noch verfügbar sind2 oder er noch zurücktreten könnte.3 Andere akzentuieren den Herrschaftsgedanken primär opferorientiert und verneinen eine schadensgleiche Vermögensgefahr, wenn der endgültige Vermögensverlust (wesentlich) noch von weiteren Handlungen im Herrschaftsbereich des Opfers abhängt,4 wenn der Vermögensträger der Gefahr nicht mehr wehren kann5 oder wenn sich die Gefahr einer realen Einbuße von Vermögenswerten bereits so verdichtet hat, dass ein objektiver Betrachter in der Lage des Vermögensträgers den Vermögenswert praktisch jetzt schon endgültig abschreiben müsste.6 Eine dritte Meinungsgruppe orientiert sich (streng oder nur grundsätzlich) an zivilrechtlichen Regeln und bejaht eine schadensgleiche Vermögensgefährdung erst, wenn sich die Gefahr für das Vermögensgut so weit verdichtet hat, dass das Zivilrecht dafür einen Ausgleichsanspruch auf Beseitigung der Gefahrenmomente gewährt,7 wenn der Vermögensinhaber einen solchen faktischen Verlust an rechtlicher Verfügungsmacht erleidet, dass er konditionsrechtlich entreichert ist,8 oder – unter konkretisierender Heranziehung des Bilanzrechts – wenn dem drohenden endgültigen Vermögensverlust keine Vermeidemöglichkeiten des Bedrohten mehr gegenüberstehen.9 Eine vierte Meinungsgruppe schließlich macht – mit unterschiedlicher Begründung und Reichweite – den im Rahmen des Betrugs formulierten Unmittelbarkeitsgrundsatz (vgl. Rz. 112 ff.) sowohl für den Betrug10 als auch für die Untreue fruchtbar und qualifiziert nur solche Vermögensgefährdungen als schadensbegründend, die unmittelbar in einen effektiven Güterverlust umschlagen können.11 193

Zu folgen ist dem Unmittelbarkeitsansatz in Verbindung mit den bilanzrechtlichen Bewertungsregeln, soweit letztere rechtsgutsbezogen (vgl. die Kritik Rz. 131) für geeignete Fallkonstellationen wie dem Kredit- und Anlagebetrug (Rz. 194 f.) als heuristisches Konkretisierungs- und Plausibilisierungskriterium herangezogen werden können.12 Gegen die subjektive Einschränkung des 2. Strafsenats spricht bereits, dass sie, ungeachtet ihrer grundsätzlichen Übertragbarkeit auf § 263 (str.),13 die Inkongruenz von objektivem und subjektivem Betrugstatbestand verschärft und ohne Not zur Aufgabe einer einheitlichen Vorsatzdogmatik zwingt.14 Die anderen Auffassungen konkretisieren den Herrschaftsgedanken zu einseitig entweder primär vom Opfer oder vom Täter her. Richtigerweise ist beiden Aspekten im Unmittelbarkeitsgrundsatz gleichermaßen Rechnung zu tragen. Danach ist – über die zeitlichen Anforderungen der Rspr. hinaus15 – eine Vermögensgefahr nur konkret und damit schadensbegründend, wenn sie unmittelbar in den substanziellen Vermögensverlust als endgültigem Schaden übergehen kann. Das ist grundsätzlich nicht der Fall bei Gefährdungslagen, in denen die Herbeiführung des endgültigen Vermögensverlustes noch von weiteren relevant eigenmächtigen Handlungen des Täters, des Opfers oder Dritter abhängt.16 In dieser Bestimmung erscheinen das Unmittelbarkeitsprinzip bei der Vermögensverfügung (Rz. 112 ff. [113]) und bei der Konkretisierung der Vermögensgefährdung nicht nur harmonisierbar. Das Unmittelbarkeitsprinzip begründet auch zwingend, warum beim Eingehungsbetrug der schiere Kontakt mit einem böswilligen Vertragspartner – unabhängig von einer Vorleistungspflicht des getäuschten Vertragspartners17 – noch keine konkrete schadensgleiche Vermögensgefahr begründet. Die frühe gegenteilige Entscheidung des 4. Strafsenats18 ist später durch den 2. Strafsenat in BGH v. 21.12.1983 – 2 StR 566/83, BGHSt 32, 211 (213) überholt worden. Umso entschiedener ist der jüngsten Rechtsauffassung des 3. Strafsenats im Al-Qaida-Fall entgegenzutreten. Das Gericht bejaht dort für einen Versicherungsnehmer, der in betrügerischer Absicht zahlreiche Lebensversicherungsverträge abgeschlossen hatte, um später über Mittelsmänner seinen Tod in Ägypten fingieren zu können 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11

12 13 14 15 16 17 18

S. zum Folgenden auch den Überblick bei § 266 StGB Rz. 85. Seelmann, JR 1986, 347 unter Bezug auf den Gefahrbegriff bei den konkreten Gefährdungsdelikten. Strelczyk, S. 142 ff., 206 unter Rückgriff auf „versuchsnahe“ Kriterien. Schröder, JZ 1965, 516 und 1967, 578 unter Rekurs auf Überlegungen zum Versuch. Haft, BT7 (1998), S. 213; Wahl, Schadensbestimmung, S. 88 ff., 204. Lenckner, JZ 1971, 322 in bezug vor allem auf den Eingehungsbetrug. Cramer, Vermögensbegriff, S. 131 f.; Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 143a. Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 303 unter Bezug auf seinen funktionalen Schadensbegriff. Hefendehl, Vermögensgefährdung, S. 256 ff., 446 ff. mit eingehender Fallgruppenanalyse. Grundlegend Riemann, Vermögensgefährdung, S. 121 ff., 126 f. Matt/Saliger, IfKuR 1999, 234 ff.; Saliger, ZStW 2000, 577 f., Parteiengesetz S. 127 ff. und HRRS 2006, 20 und Saliger in M/R-StGB, § 263 Rz. 229; Matt, NJW 2005, 391; Mosenheuer, NStZ 2004, 181; Haft, NJW 1996, 268; Lassmann, Stiftungsuntreue, 2008, S. 211 ff.; Brüning/Wimmer, ZIS 2009, 98; Mosiek, HRRS 2009, 566 f. Vgl. zur Untreue auch BGH v. 17.7.2009 – 5 StR 394/08, NJW 2009, 3173, 3175 m. insoweit zust. Anm. Mosiek, HRRS 2009, 565. Vgl. zu diesem Einsatz des Bilanzrechts Hefendehl, FS Samson, 2010, S. 301 ff.; Becker, HRRS 2009, 338 und Becker, HRRS 2010, 392; auch Wattenberg/Gehrmann, ZBB 2010, 513 f.; Joecks, FS Samson, S. 374. Dafür Fischer, StGB, § 263 Rz. 159, 185, dagegen Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 220. Str., wie hier krit.: Bernsmann, GA 2007, 229 f.; Ransiek, NJW 2007, 1729; Saliger, NStZ 2007, 550 f.; Schlösser, NStZ 2008, 398; Seier in A/R/R, Rz. 185 f. Der subjektiven Lösung stimmen für die Untreue zu Fischer, StGB, § 266 Rz. 178 ff. und StraFo 2008, 275 ff.; Schünemann, NStZ 2008, 433 f.; Kempf, FS Hamm, 2008, S. 264. Vgl. Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 171; Fischer, StGB, § 263 Rz. 160; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 176. Vgl. § 266 Rz. 89; Saliger, Parteiengesetz, S. 128 f. und HRRS 2006, 20; Matt, NJW 2005, 391; vgl. auch Riemann, Vermögensgefährdung, S. 126 f., der aber nur auf das Täterhandeln abstellt. Für diesen Fall bejaht eine konkrete Vermögensgefahr Baumanns, JR 2005, 227, 232. BGH v. 26.3.1953 – 4 StR 574/52, NJW 1953, 836.

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Rz. 194 § 263 StGB

und die Versicherungssumme zu kassieren, jew. vollendeten Eingehungsbetrug. Denn bereits mit Vertragsschluss sei angesichts der festen Absicht des Versicherungsnehmers und seiner Komplizen, die freilich von der Polizei überwacht wurden, die Leistungswahrscheinlichkeit des Versicherers gegenüber dem vertraglich vereinbarten Einstandsrisiko derart signifikant erhöht worden,1 dass „unter den gegebenen – in der Praxis selten vorkommenden, zumindest selten nachweisbaren, hier allerdings ausdrücklich festgestellten – Umständen der Vermögensbestand der Versicherungsunternehmen gemindert und damit der Versicherungsbetrug vollendet“ gewesen sei.2 Mit der Qualifizierung des bloßen Willens zur Schädigung als vollendeter Vermögensschaden ist der äußerste Endpunkt der Kriminalisierung bloß abstrakter Vermögensgefahren erreicht, der dem Erfolgsdeliktscharakter des Betrugs (Rz. 2) eklatant widerstreitet und daher insbesondere nach dem neuen Beschluss des BVerfG auch verfassungsrechtlich zu beanstanden ist (vgl. Rz. 149 ff.).3 Diese Konsequenz hat mit Fug das BVerfG gezogen und das Urteil des 3. Strafsenats aufgehoben.4 (2) Anwendungsfälle (a) Kredit- und Anlagebetrug (Schneeball-System) Auf Basis der vorstehenden Grundsätze ergibt sich für den Kredit- und Anlagebetrug Folgendes: Beim Kredit- 194 betrug bemisst sich nach heute h.M. der Vermögensschaden in Form der Vermögensgefährdung nach einem Vergleich des Gesamtvermögens des Darlehensgebers vor und nach entweder der Kreditzusage als Eingehungsbetrug (auch Rz. 200 ff.)5 oder spätestens der Darlehensauszahlung.6 Zu vergleichen sind der Wert der Darlehenshingabe mit dem Wert der dadurch begründeten Gegenansprüche (Rückzahlungsanspruch nebst Ansprüchen auf Zins- und Tilgungsraten).7 Eine konkrete Vermögensgefahr ist nach h.M. gegeben, wenn der Wert der Gegenforderungen wegen Vermögenslosigkeit oder Zahlungsunwilligkeit (letzteres zwh.) des Darlehensnehmers minderwertig ist.8 Sofern die Zahlungsfähigkeit des Darlehensnehmers zu den Fälligkeitsterminen unter Zugrundelegung der gewöhnlich zu erwartenden Entwicklung zwar möglich, aber nicht sicher ist, erfordert die Annahme einer konkreten Vermögensgefahr nach der Rspr. das Erreichen eines Unsicherheitsgrades, der über das übliche, von den Beteiligten vorausgesetzte und auch in Kauf genommene Maß an Risiken hinausgeht.9 Anerkannt ist, dass auch bei minderwertigen Gegenforderungen eine konkrete Vermögensgefahr ausscheidet, wenn zum Zeitpunkt der Darlehenshingabe nach dem Urteil eines unbeteiligten, sachkundigen und unterrichteten Beobachters gleichwertige Sicherheiten (auch eine in den Grenzen des § 138 BGB zulässige Übersicherung)10 bestehen, die im Hinblick auf die Gesamtumstände zur Deckung des vollen Kreditrisiko ausreichen und ohne nennenswerte Schwierigkeiten und Aufwendungen, namentlich ohne Mitwirkung des Schuldners und ohne Gefährdung durch ihn, sofort nach Fälligkeit verwertbar sind.11 Dabei soll nach h.M. die Position des Darlehensgebers trotz ausreichender Sicherheiten bereits dadurch geschädigt sein, dass sich die sicherungsübereignete Sache im Besitz des zahlungsunwilligen Schuldners befindet (str.).12 Als taugliche Sicherheiten kommen in Betracht vollwertige Faustpfänder, die rechtswirksame und ausreichende Sicherungsübereignung, die selbstschuldnerische Bürgschaft

1 BGH v. 14.8.2009 – 3 StR 552/08, BGHSt 54, 69, 123 f. m. zust. Anm. W. Winkler, jurisPR extra 2010, 86 und abl. Anm. Thielmann/Groß-Bölting/Strauß, HRRS 2010, 38; Joecks, wistra 2010, 179; Thielmann, StraFo 2010, 412; Saliger, FS Samson, 2010, S. 475 ff. 2 BGH v. 14.8.2009 – 3 StR 552/08, BGHSt 54, 69, 120. 3 Vgl. auch Joecks, wistra 2010, 181. Zum Ganzen Saliger FS Samson, 2010, S. 475 ff., 481 f. 4 BVerfG v. 7.12.2011 – 2 BvR 2500/09, NJW 2012, 907, 915 Rz. 162 ff. m. Anm. Schlösser, NStZ 2012, 473; Waßmer, HRRS 2012, 368. 5 BGH v. 3.6.1960 – 4 StR 121/60, BGHSt 15, 24, 26 f.; BGH v. 10.1.1995 – 1 StR 582/94, BGHR StGB § 263 Abs. 1 Vermögensschaden 45; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 268; Cramer, Vermögenbegriff, S. 124 ff. A.A. Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 162. 6 BGH v. 3.6.1960 – 4 StR 121/60, BGHSt 15, 24, 26 f.; BGH v. 5.3.2009 – 3 StR 559/08, wistra 2009, 236; Satzger in S/S/ W-StGB, § 263 Rz. 268. 7 RG v. 18.3.1940 – 2 D 16/40, RGSt 74, 129, 130; BGH v. 21.2.1964 – 4 StR 1/64, NJW 1964, 874; BGH v. 2.6.1993 – 2 StR 144/93, wistra 1993, 265; BGH v. 12.6.2001 – 4 StR 402/00, NStZ-RR 2001, 328, 329; BGH v. 17.8.2005 – 2 StR 6/05, NStZ-RR 2005, 374, 375. Ferner Lampe, Kreditbetrug, 1980; Schmidt-Dohlich, Betrug, 2008; Munoz Conde, FS Tiedemann, 2008, S. 677. 8 Vgl. BGH v. 21.2.1964 – 4 StR 1/64, NJW 1964, 874; BGH v. 12.6.2001 – 4 StR 402/00, NStZ-RR 2001, 328, 329; BGH v. 17.8.2005 – 2 StR 6/05, NStZ-RR 2005, 374, 375; BGH v. 21.10.2008 – 3 StR 420/08, NStZ 2009, 150 f.; BGH v. 5.5.2009 – 3 StR 475/08, wistra 2009, 350; Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 162; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 212; Wessels/Hillenkamp, BT/2, Rz. 573. 9 BGH v. 20.5.1981 – 2 StR 209/81, NStZ 1981, 351; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 212. 10 BGH v. 21.2.1964 – 4 StR 1/64, NJW 1964, 874. 11 BGH v. 20.5.1981 – 2 StR 209/81, NStZ 1981, 351; BGH v. 2.6.1993 – 2 StR 144/93, wistra 1993, 265; BGH v. 12.6.2001 – 4 StR 402/00, NStZ-RR 2001, 328, 329; BGH v. 5.3.2009 – 3 StR 559/08, wistra 2009, 236; BGH v. 29.1.2013 – 2 StR 422/12, wistra 2013, 268, 269; Fischer, StGB, § 263 Rz. 165; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 212; Wessels/Hillenkamp, BT/2, Rz. 573. Zum Problem Bockelmann, NJW 1961, 145. 12 BGH v. 3.6.1960 – 4 StR 121/60, BGHSt 15, 24, 27 f.; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 212; Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 162. A.A. Hoyer in SK-StGB, § 263 Rz. 258.

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Betrug

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§ 263 StGB Rz. 195

Strafgesetzbuch

eines Zahlungsfähigen, der Schuldbeitritt,1 Grundpfandrechte und Schiffshypotheken,2 Grundschulden i.V.m. teilweise werthaltigen schuldrechtlichen Ansprüchen gegen den Darlehensschuldner.3 Nicht genügend sind Sicherheiten, bei denen der Darlehensgeber, um sein Geld zu erhalten, einen Rechtsstreit führen oder erhebliche Kosten aufwenden muss, selbst wenn die Befriedigung aus den Sicherheiten letztlich zu erwarten steht.4 Das Gleiche gilt für Grundschulden an schwer verkäuflichen Wohnungen bei durch erhebliche Provisionszahlungen und Kick-Back überhöhter Kreditfinanzierung.5 Fehlen vereinbarte ausreichende dingliche Sicherheiten, so soll i.d.R. auch eine vorhandene persönliche Sicherheit zum vollen Ausgleich nicht hinreichen, da der Wirtschaftsverkehr Kredite, die nur durch die persönliche Mithaftung Dritter abgesichert sind, als riskanter bewertet.6 Allgemein kann in der Täuschung über das Bestehen, den Wert oder die Verwertbarkeit einer vertraglich ausbedungenen Sicherheit ein Vermögensschaden liegen, es sei denn, der Rückzahlungsanspruch ist auch ohne die Sicherheit aufgrund der Vermögenslage des Darlehensnehmers oder sonstiger Umstände, die den Gläubiger vor einem Verlust seines Geldes schützen, wirtschaftlich sicher.7 Umgekehrt begründet die eingeschränkte oder fehlende finanzielle Leistungsfähigkeit des Schuldners allein noch keinen Vermögensschaden, wenn ausreichend werthaltige und problemlos realisierbare Sicherheiten bestehen.8 195

Auf den Anlagebetrug (dazu auch Rz. 16 f.) hat der 2. Strafsenat des BGH unlängst die Grundsätze des BVerfG übertragen (vgl. Rz. 151, 168 f., 191 ff.). Danach ist beim Eingehen von Risikogeschäften auch eine täuschungsund irrtumsbedingte Verlustgefahr zu berücksichtigen, die über die vertraglich zugrunde gelegte Verlustgefahr hinausgeht. Ein darin liegender Minderwert des im Synallagma Erlangten ist unter wirtschaftlicher Betrachtungsweise zu bewerten. Er ist grundsätzlich konkret festzustellen und ggf. unter Beauftragung eines Sachverständigen zur wirtschaftlichen Schadensfeststellung zu beziffern.9 Zuvor hatte der 1. Strafsenat seine Rspr. für Schneeballoder Ponzi-Systeme10 bzw. schneeball-ähnliche Sachverhalte verschärft. Charakteristisch für derartige Sachverhalte ist, dass es zu einer von Anfang an geplanten oder erst ab einem bestimmten Zeitpunkt eintretenden kompensationslosen zweckwidrigen Verwendung der Anlagegelder kommt und die Rückzahlungen, wenn überhaupt, nur aus dem Geld von Neuanlegern bedient werden. Noch bis 2006 sind solche Sachverhalte überwiegend als schadensbegründende Vermögensgefahr gewürdigt worden.11 So hat der 1. Strafsenat in einer Entscheidung aus 2000 für Anlagetypen mit und ohne Absicherung, bei denen die Rückzahlung der vereinbarten Anlagebeträge höchst unsicher und Deckungsgeschäfte unmöglich waren, wegen der (vertragswidrigen) Absicherungen sowie Rück- und Zinszahlungen nur Gefährdungsschäden angenommen, obwohl die Sicherheiten sich aus Mitteln speisten, die ihrerseits im Rahmen eines Schneeballsystem betrügerisch erlangt worden waren.12 Erfüllungsschäden sind dagegen allein für den Anlagetyp ohne Absicherung mit einem Laufzeitende nach jenem Zeitpunkt bejaht worden, von dem an die Kunden „nur noch vertröstet“ wurden.13 Noch 2006 hat der 1. Strafsenat eine konkrete Vermögensgefahr durch die schiere Zeichnung solcher Fondsanteile angenommen, die für den Anleger zu dem vertraglich vorausgesetzten Zweck (langfristige Rentenzahlungen aus einem über Jahrzehnte akkumulierten Fondsvermögen) unbrauchbar waren (aliud-Rspr.).14 Seit 2008 wertet der 1. Strafsenat die kompensationslose zweckwidrige Verwendung von Anlagegeldern als endgültigen Schaden (vgl. Rz. 189 f.).15 Allerdings geht die Normativierung des Schadens (Rz. 156 f.) insofern zu weit, als der 1. Strafsenat auch diejenigen Altanleger im Umfang der gesamten Leistung als geschädigt ansieht, die vom Täter tatsächlich ihr angelegtes Geld nebst Zinsertrag erhalten haben, die also reicher geworden sind.16 Insoweit kann entgegen dem 1. Strafsenat17 nicht gesagt

1 Vgl. RG v. 18.3.1940 – 2 D 16/40, RGSt 74, 129, 131; BGH v. 21.2.1964 – 4 StR 1/64, NJW 1964, 874; BGH v. 7.1.1986 – 1 StR 486/85, NStZ 1986, 218 f.; BGH v. 5.3.2009 – 3 StR 559/08, wistra 2009, 236. 2 Vgl. BGH v. 14.11.1978 – 5 StR 546/78, GA 1979, 271: Grundschuld; BGH v. 9.2.1995 – 4 StR 662/94, wistra 1995, 222, 223. Zum Ganzen auch Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 212; Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 162a.; Satzger in S/S/WStGB, § 263 Rz. 269. 3 BGH v. 29.1.2013 – 2 StR 422/12 wistra 2013, 268, 270. 4 RG v. 18.3.1940 – 2 D 16/40, RGSt 74, 129, 131. 5 BGH v. 17.8.2005 – 2 StR 6/05, NStZ-RR 2005, 374, 375. 6 BGH v. 7.1.1986 – 1 StR 486/85, NStZ 1986, 218, 219; auch Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 270. 7 BGH v. 2.6.1993 – 2 StR 144/93, wistra 1993, 265; BGH v. 12.6.2001 – 4 StR 402/00, NStZ-RR 2001, 328, 329. 8 BGH v. 29.1.2013 – 2 StR 422/12, wistra 2013, 268, 269. 9 BGH v. 14.4.2011 – 2 StR 616/10, NJW 2011, 2675, 2676 Rz. 12 m. Anm. Becker, JR 2012, 82 unter Rekurs auf BVerfG v. 23.6.2010 – 2 BvR 2559/08, NJW 2010, 3209, 3220. 10 Zum Begriff Kilian, HRRS 2009, 285 f.; dazu auch Trüg in Fischer u.a. (Hrsg.), Dogmatik, 2015, S. 217 ff.; Radtke, ebenda, S. 231 ff. 11 BGH v. 5.6.1991 – 2 StR 581/90, wistra 1991, 307 f.; auch BGH v. 29.11.1995 – 5 StR 495/95, NStZ 1996, 191. 12 BGH v. 16.2.2000 – 1 StR 189/99, NStZ 2000, 376, 377. 13 BGH v. 16.2.2000 – 1 StR 189/99, NStZ 2000, 376, 377. 14 BGH v. 7.3.2006 – 1 StR 379/05, BGHSt 51, 10, 15 ff. Die geleisteten Zahlungen sind als „tatsächlich entstandene Schäden“ gewürdigt worden. Zur Einschränkung dieser Rspr. sogleich im Text. 15 I.E. zutr. BGH v. 18.2.2009 – 1 StR 731/08, BGHSt 53, 199 f. m. Anm. in Rz. 188; auch BGH v. 20.3.2008 – 1 StR 488/07, NStZ 2008, 457 zur Untreue m. Anm. in Rz. 188. 16 BGH v. 18.2.2009 – 1 StR 731/08, BGHSt 53, 199, 204 f.; vgl. zuvor bereits BGH v. 16.2.2000 – 1 StR 189/99, NStZ 2000, 376, 377; zust. Ransiek/Reichling, ZIS 2009, 316; i.E. zust. auch Hefendehl, FS Samson, 2010, S. 310 f. 17 BGH v. 18.2.2009 – 1 StR 731/08, BGHSt 53, 199, 204.

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Saliger

Rz. 196 § 263 StGB

werden, dass der von den Altanlegern für ihre Einzahlungen erlangte Gegenanspruch zum Zeitpunkt der Verfügung wirtschaftlich wertlos gewesen ist.1 Aus wirtschaftlicher Sicht kann der Strafjustiz daher nicht erspart werden, das konkrete Verlustrisiko zu ermitteln, also den (unvermeidlichen) Zeitpunkt, an dem das Schneeballsystem auch für Neuanleger in die Schadenszone triftet. Das dürfte der Zeitpunkt sein, an dem der Organisator des Schneeballsystems bei Vertragsabschluss mit dem Neukunden entweder von vornherein nicht mehr vorhat, das Geld zurückzuzahlen, oder nicht mehr in der Lage ist, die versprochene Mindestrendite zu erbringen.2 Der Einschränkung bedarf auch die Rspr. zum Anlagebetrug, soweit sie auf die Lehre vom persönlichen Schadenseinschlag rekurriert. Zwar ist es nicht zu beanstanden, wenn die Judikatur bei der Gesamtsaldierung auch den subjektive Wert des Erlangten für den Verletzten berücksichtigt. Insoweit kann ein Anleger in Höhe seiner gesamten Leistung geschädigt sein, wenn er über Eigenart und Risiko des Geschäftes derart getäuscht worden ist, dass er etwas völlig anderes erwirbt, als er erwerben wollte („aliud“), und die empfangene Gegenleistung für ihn deshalb in vollem Umfang unbrauchbar ist (vgl. auch Rz. 230).3 Indes setzt dies voraus, dass der objektive Wert des Erlangten für den Erwerber wegen Unmöglichkeit (oder Unzumutbarkeit) der Umsetzung in Geld nicht realisierbar ist, und ihm der Anlagegegenstand auch keinen vermögensmäßig beachtlichen Gebrauchsvorteil verschafft. Denn sofern das Erlangte einen für jedermann realisierbaren Geldwert aufweist, scheidet ein Vermögensschaden unabhängig von einem persönlichen Schadenseinschlag in jedem Fall aus. Ein Aliud-Charakter des erhaltenen Anlagegegenstandes ist dann irrelevant.4 Tatsächliches Verlustrisiko und objektiver Geldwert des Erlangten sind also prinzipiell zu unterscheiden. Allein die Erhöhung des tatsächlichen Verlustrisikos im Vergleich zum vertraglich vorausgesetzten aufgrund der Abweichung des Erlangten vom täuschungsbedingt Vorgestellten kann nicht zur normativen Unbeachtlichkeit des Geldwerts des Erlangten führen. In Fällen, in denen der Minderwert der Leistung des Täuschenden ausschließlich auf einer erhöhten Verlustgefahr beruht, hat die Lehre vom subjektiven Schadenseinschlag daher keinen Einfluss auf die Bestimmung des Vermögensschadens.5 Zum Betrug beim Warenterminhandel Rz. 229 ff.; zur Vermögensgefahr beim Scheckbetrug s. BGH v. 6.12.2012 – 4 StR 669/11, BeckRS 2012, 07959, Rz. 7 ff.; BGH v. 19.4.2016 – 3 StR 52/16, wistra 2016, 311. (b) Gutgläubiger Erwerb Nach (bisher) h.M. kann der gutgläubige Erwerber einer vom Veräußerer durch strafbare Handlung (insbeson- 196 dere durch Unterschlagung) erlangten Sache trotz Eigentumserwerbs je nach den Umständen des Einzelfalls durch die naheliegende Gefahr der Geltendmachung von Herausgabeansprüchen (erhebliches Prozessrisiko) oder die naheliegende Gefahr sonstiger wirtschaftlicher Nachteile geschädigt sein in Gestalt einer konkreten Vermögensgefahr. Der bloße Umstand, dass die Sache vom Täter auf strafbare Weise erlangt wurde und insofern mit einem „sittlichen Makel“ behaftet ist, reicht hierfür allerdings nicht (einzelfallorientierte Gefährdungstheorie,6 str.).7 Ob eine konkrete Vermögensgefahr beim gutgläubigen Erwerb angenommen werden kann, hängt nach der Rspr. wesentlich von den beteiligten Personen, dem Handelsobjekt und den sonstigen Umständen ab. Als relevante Gefährdungen sollen in Betracht kommen die Gefahr, des bösgläubigen Erwerbs oder gar der Hehlerei bezichtigt zu werden, die Möglichkeit von u.U. eintretenden Schwierigkeiten mit Aufsichtsbehörden oder Organen des Handelsstandes, der Verlust von Ansehen oder Hindernisse bei einer gewinnbringenden Verwertung der angekauften Sache.8 Insoweit liege bei einem Erwerb fabrikneuer Ware von einer autorisierten Verkaufsstelle die Annahme einer konkreten Vermögensgefahr fern, während dies anders sei beim Erwerb eines gebrauchten Gegenstandes von einem Unbekannten.9 Vor diesem Hintergrund hat der BGH eine schadensgleiche Vermögensgefahr bei einem sicherungshalber übereigneten Pkw samt Kfz-Brief bejaht, weil der Täter mehrfach einschlägig vorbestraft war, das Fahrzeug nicht wie vereinbart auf den Täter, sondern eine Luftfirma zugelassen war, und die Weiterveräußerung unter auffälligen Umständen geschah.10 Dagegen ist ein erhebliches Prozessrisiko und damit eine 1 Wie hier BGH v. 5.6.1991 – 2 StR 581/90, wistra 1991, 307, 308; Fischer, StGB, § 263 Rz. 130; Satzger, Jura 2009, 525; Jahn, JuS 2009, 756; auch Kilian, HRRS 2009, 285, 288; näher Saliger, FS Samson, 2010, S. 467 f. 2 Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 144; Rübenstahl, NJW 2009, 2392; Kilian, HRRS 2009, 288. Zur betrügerischen Anlageberatung Otto, FS Pfeiffer, 1988, S. 69 ff. Zu Asset Backed Securities Ransiek, WM 2010, 872 ff. Zu Strafbarkeitsrisiken beim Vertrieb offener Immobilienfonds Gerst/Meinicke, StraFo 2011, 29. 3 BGH v. 14.4.2011 – 1 StR 458/10, BeckRS 2011, 16674, Rz. 28; auch.BGH v. 7.3.2006 – 1 StR 379/05, BGHSt 51, 10, 15 ff. 4 BGH v. 19.2.2014 – 5 StR 510/13, NStZ 2014, 318, 320 Rz. 16 – Fall Inhaberschuldverschreibung; dazu Schmidt, NJW 2015, 285 ff. 5 BGH v. 19.2.2014 – 5 StR 510/13, NStZ 2014, 318, 320 Rz. 17. 6 Hillenkamp, BT 40 Probleme, 32. Problem, S. 164 spricht von modifizierter Makeltheorie. 7 BGH v. 8.5.1990 – 1 StR 52/90, JR 1990, 517, 518 m. zust. Anm. Keller; ferner BGH v. 29.7.1960 – 1 StR 213/60, BGHSt 15, 83, 86 f.; BGH v. 15.1.2003 – 5 StR 525/02, wistra 2003, 230 f.; Fischer, StGB, § 263 Rz. 151; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 240; Wessels/Hillenkamp, BT/2, Rz. 576. A.A. – Makeltheorie – unter dem Einfluß von NS-Strafrecht RGSt 73, 61, 63 f. Darauf, dass mit einer Rechtsverteidigung durch den Erwerber zu rechnen war, hebt noch ab BGH v. 9.1.1953 – 1 StR 628/52, BGHSt 3, 370, 372. Streitstandsübersicht bei Hillenkamp, BT 40 Probleme, 32. Problem, S. 164 ff. 8 BGH v. 29.7.1960 – 1 StR 213/60, BGHSt 15, 83, 87. 9 BGH v. 29.7.1960 – 1 StR 213/60, BGHSt 15, 83, 87 f. 10 BGH v. 8.5.1990 – 1 StR 52/90, JR 1990, 517, 518.

Saliger

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StGB

Betrug

StGB

§ 263 StGB Rz. 197

Strafgesetzbuch

konkrete Vermögensgefahr mit Recht verneint worden in einem Fall, wo der Täter den zuvor durch Betrug erlangten Pkw samt Kfz-Brief dem Getäuschten übereignet hatte, ohne dass der Erwerber sich den Lichtbildausweis des Verkäufers hatte vorlegen lassen, weil der Erwerber sich nicht eines wenigstens nicht aussichtslosen Angriffs auf seine Rechtsposition ausgesetzt sah.1 197

Die (bisherige) h.M. ist abzulehnen. Wer gutgläubig Eigentum an einer durch strafbare Handlung erlangten Sache erwirbt, erleidet grundsätzlich keinen Schaden (eingeschränkte Erfüllungstheorie2).3 Soweit der Getäuschte Eigentum an der bemakelten Sache erlangt (vgl. §§ 405 ff., 932 ff., 1032, 1207 BGB, § 366 HGB), erhält er die für sein hingegebenes Geld vertraglich geschuldete Gegenleistung und ist nicht geschädigt. Die Gefährdungstheorie stellt demgegenüber eine unzulässige Normativierung des Schadens dar, weil sie zum einen die zivilrechtliche Realität der Eigentumsverschaffung ausblendet und zum anderen Gefahr läuft, bloß abstrakte Vermögensrisiken als schadensbegründende Vermögensgefahr zu kriminalisieren. So kann nicht nur der gutgläubige, sondern auch der makelfreie Erwerber von Eigentum sich gedrängt sehen, ein Geschäft wegen persönlicher oder wirtschaftlicher Rücksichtnahmen rückabzuwickeln. Zudem belegt die referierte Rspr. zum gutgläubigen Erwerb von Kraftfahrzeugen, dass die h.M. nicht in ausreichendem Maße Rechtssicherheit vermittelt. Erst in Ausnahmefällen, wenn aufgrund außergewöhnlicher Umstände ein hohes Rückgaberisiko aufgrund signifikant regelwidriger Erwerbsumstände oder einer wirtschaftlichen Rücksichtnahme besteht, verlangt auch ein grundsätzlich wirtschaftlicher Vermögens- und Schadensbegriff (Rz. 131 f., 152 ff.) die Annahme einer konkreten Vermögensgefahr beim gutgläubigen Erwerb strafbar erlangter Sachen.4 Dieser Auffassung hat sich unter Anknüpfung an den Untreuebeschluss des BVerfG (Rz. 149 ff.) in der Sache nun auch der 3. Strafsenat des BGH angeschlossen. Danach kann ein Schuldspruch wegen Betruges unter dem Aspekt der schadensbegründenden Vermögensgefahr grundsätzlich nicht mehr auf das nicht unerhebliche Prozessrisiko bei gutgläubigem Eigentumserwerb gestützt werden.5 Denn „weder ist ersichtlich, nach welchen wirtschaftlich nachvollziehbaren Maßstäben ein bezifferbarer Vermögensschaden allein in dem Bestehen eines zivilrechtlichen Prozessrisikos liegen kann, wenn nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme im Strafverfahren feststeht oder nicht ausschließbar ist, dass der getäuschte Käufer gutgläubig Eigentum … erworben hat, noch werden Parameter für die Berechnung der Höhe eines solchen Schadens erkennbar.“6 Es bleibt zu wünschen, dass andere Strafsenate des BGH der Auffassung des 3. Strafsenats folgen. (c) Sonstige Fälle

198

In den Fällen des Beweismittel- (auch Rz. 113, 251) und Prozessbetrugs (auch Rz. 18 f., 73, 96, 109, 119) wird eine schadensbegründende Vermögensgefahr bejaht beim Erlass eines noch nicht rechtskräftigen, aber vorläufig vollstreckbaren Urteils.7 Für möglich gehalten wird sie bei einer ungünstigen Prozesslage durch den Verlust von Beweismitteln, in der Verzögerung der Möglichkeit, den Prozess zu führen, oder in dem Aufdrängen der Klägerrolle anstatt der Rolle des Beklagten.8 Auch die erzwungene Hingabe eines Schuldscheins über eine nicht bestehende Verbindlichkeit kann eine konkrete Vermögensgefahr begründen.9 Das Gleiche gilt für denjenigen, der im Besitz einer EC-Karte mit der dazugehörigen Geheimzahl (PIN) ist. Dass der Täter das Geld noch abheben muss, steht einer unmittelbaren Vermögensgefahr nicht entgegen, weil der Täter jederzeit auf das Geld zugreifen kann, damit die entscheidende Zugriffsschwelle bereits überschritten hat und insoweit keine relevant eigenmächtige Handlung des Täters mehr erforderlich ist (vgl. Rz. 193; str.).10 Beim Betrug durch Einreichung gefälschter Schecks ist eine schadensbegründende Vermögensgefahr gegeben, wenn der Kontoinhaber die tatsächliche Möglichkeit besitzt, auf den vorläufig gutgeschriebenen Scheckbetrag zuzugreifen.11 1 BGH v. 15.1.2003 – 5 StR 525/02, wistra 2003, 230 f. Zust. Rengier, BT/1, § 13 Rz. 206. 2 Abgewandelter Begriff von Hillenkamp, BT 40 Probleme, 32. Problem, S. 165. 3 Lackner/Kühl, StGB, § 263 Rz. 43; Saliger in M/R-StGB, § 263 Rz. 233; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 209; Hoyer in SK-StGB, § 263 Rz. 260; Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 650 ff.; Küper/Zopfs, BT, S. 385; Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 111. Noch weiter gegen jede Möglichkeit eines Schadens – generelle Erfüllungstheorie – Naucke, Betrug, S. 179 ff.; Cramer, Vermögensbegriff, S. 127 ff. 4 Lackner/Kühl, StGB, § 263 Rz. 43; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 209; Hoyer in SK-StGB, § 263 Rz. 260; Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 111; Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 598 f.; Krey/Hellmann, BT/2, Rz. 476 ff.; auch Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 306. 5 BGH v. 8.6.2011 – 3 StR 115/11, wistra 2011, 387 Rz. 7 unter Bezug auf BVerfG v. 23.6.2010 – 2 BvR 2559/08; 2 BvR 105/09 und 2 BvR 491/09, BVerfGE 126, 170, 211 f. 6 BGH v. 8.6.2011 – 3 StR 115/11, wistra 2011, 387, 388 Rz. 8. Ähnliche Einschätzung wie hier: Kudlich, JA 2011, 790 f. A.A. Trück, ZWH 2012, 59 ff. 7 St. Rspr.: RG v. 22.12.1941 – 2 D 384/41, RGSt 75, 399; BGH v. 27.10.1955 – 3 StR 336/55, bei Dallinger MDR 1956, 10; BGH v. 16.1.1992 – 4 StR 509/91, NStZ 1992, 233, 234; Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 144; Rengier, BT/1, § 13 Rz. 199; Riemann, Vermögensgefährdung, S. 146 f., 149; a.A. wohl Krell, JZ 2012, 108. 8 RG v. 20.4.1887 – 2237/86, RGSt 16, 1, 11. 9 Bejaht in BGH v. 9.7.1987 – 4 StR 216/87, BGHSt 34, 394, 395 f., verneint in BGH v. 10.6.1986 – 1 StR 294/86, wistra 1987, 21. Vgl. auch Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 242. 10 Wie hier: OLG Jena v. 20.9.2006 – 1 Ss 226/06, wistra 2007, 236, 237; auch BGH v. 17.8.2004 – 5 StR 197/04, NStZ-RR 2004, 333, 334; Saliger in M/R-StGB, § 263 Rz. 234; Fischer, StGB, § 263 Rz. 78; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 180; Stuckenberg, ZStW 118 (2006), 899 ff. A.A. Wessels/Hillenkamp, BT/2, Rz. 579. 11 BGH v. 6.3.2012 – 3 StR 669/11, StV 2012, 407, 408 f.

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Saliger

Rz. 200 § 263 StGB

In sonstigen Fällen hat die Rspr. eine konkrete Vermögensgefahr u.a. bejaht: bei der Erschleichung einer Grund- 199 buchposition, wenn die als Eigentümerin eingetragene Täterin zugunsten eines gutgläubigen Dritten wirksam über das Grundstück verfügen kann;1 bei dem Erwerb von Geschäftsanteilen einer GmbH durch die entstehende Haftung gegenüber der Gesellschaft, wenn Täter und Veräußerer dolos zusammenwirken und ihre Vermögensverhältnisse zweifelhaft sind;2 bei der betrügerischen Konvertierung von Transferrubeln.3 Dagegen ist eine schadensgleiche Vermögensgefahr u.a. verneint worden: bei fehlendem Erfüllungswillen des Schuldners, wenn die ihm obliegende Leistung angesichts der Vermögensverhältnisse des Schuldners mit Sicherheit erzwungen werden kann;4 bei der Anzahlung eines Geldbetrages für Münzen in Kenntnis der Fälschung der Münzen, wenn der Hingabe des Anzahlungsbetrages ein gleichwertiger Rückerstattungsanspruch gegenübersteht;5 bei der Eintragung einer Nießbrauchstellung im Grundbuch.6 bb) Eingehungsbetrug (1) Grundsätze (a) Der (vollendete) Eingehungsbetrug als eigene Schadenskategorie Bei vertraglichen Austauschgeschäften kann die Vermögensverfügung sowohl in dem Abschluss des Vertrages 200 als Verpflichtungsgeschäft (Eingehungsbetrug) als auch in der Abwicklung des Vertrages als Erfüllungsgeschäft (Erfüllungsbetrug, dazu Rz. 206 ff.) liegen (vgl. Rz. 186). In der Konsequenz eines grundsätzlich wirtschaftlichen Vermögens- und Schadensbegriffs mit der Anerkennung einer schadensbegründenden Vermögensgefahr als vollgültigem Schaden (Rz. 187 ff.) liegt es, wenn die h.M. seit RGSt 16, 1 (10 f.) auch die Möglichkeit eines vollendeten Eingehungsbetrugs als verfassungsrechtlich unbedenkliche7 eigene Schadenskategorie mit besonderer Schadensberechnung anerkennt (str.).8 Danach ist der für die Saldierung erforderliche Vermögensvergleich auf wirtschaftlicher Basis (Rz. 157) beim Betrug durch Abschluss eines Vertrages auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses zu beziehen. Ob ein Vermögensschaden eingetreten ist, ergibt sich aus einer Gegenüberstellung der Vermögenslage vor und nach Abschluss des Vertrages durch einen Vergleich der beiderseitigen Vertragsverpflichtungen. Bleibt der Wert des Anspruchs auf die Leistung des Täuschenden (z.B. der Wert der verkauften Sache) hinter dem Wert der Verpflichtung zur Gegenleistung des Getäuschten (z.B. der zu zahlende Kaufpreis) zurück, so ist der Getäuschte geschädigt.9 Entsprechen sich dagegen die beiden Werte, dann ist das Vermögen des Getäuschten nur in den Bestandteilen verändert, im Wert aber ausgeglichen (vgl. Rz. 158).10 Maßstab für den Anspruchsvergleich ist nach richtiger Auffassung nicht der vereinbarte Preis oder die subjektive Wertvorstellung des Getäuschten, sondern das vernünftige Urteil eines objektiven Dritten (vgl. bereits Rz. 162 m.w.N.).11 Eigenständige Bedeutung hat der Eingehungsbetrug, wenn der tatsächliche Leistungsaustausch ausbleibt, wenn es mindestens zur Leistung des Täuschenden nicht kommt oder der spätere Austausch den Betrugstatbestand nicht mehr verwirklicht.12 Kommt es zum Leistungsaustausch ohne weitere Abweichung, so kann die Schadensbestim-

1 OLG Stuttgart v. 14.3.1985 – 3 Ss (14) 823/84, NStZ 1985, 365; auch BGH v. 14.11.1978 – 5 StR 546/78, GA 1979, 271; Riemann, Vermögensgefährdung, S. 147 f., 149. 2 BGH v. 20.2.1991 – 2 StR 421/90, BGHR § 263 Abs. 1 Vermögensschaden 29, S. 1 f. 3 BGH v. 18.2.1998 – 5 StR 682/96, NStZ-RR 1998, 268 m. Anm. Jordan, NJ 1998, 381 f. 4 BayObLG v. 23.7.57 – RevReg 2St 423/57, JR 1958, 66, 67. 5 BGH v. 9.8.1984 – 4 StR 459/84, StV 1985, 186 f. m. Anm. Naucke. 6 LG Tübingen v. 28.11.2007 – 1 Qs 172/07, NStZ-RR 2008, 110 f. 7 BVerfG v. 20.5.1998 – 2 BvR 1385 – 95, NJW 1998, 2589 f.; BVerfG v. 7.12.2011 – 2 BvR 2500/09, NJW 2012, 907, 915 Rz. 171 f. 8 BGH v. 18.7.1961 – 1 StR 606/60, BGHSt 16, 220, 221; BGH v. 16.7.1970 – 4 StR 505/59, BGHSt 23, 300, 302; BGH v. 18.2.1999 – 5 StR 193/98, BGHSt 45, 1, 4; BGH v. 24.7.1991 – 4 StR 258/91, StV 1992, 465, 466; BGH v. 13.11.2007 – 3 StR 462/07, NStZ 2008, 96, 98; BGH v. 14.8.2009 – 3 StR 552/08, NJW 2009, 3448, 3464; BGH 11.1.2012 – 1 StR 585/11, BeckRS 2012, 03053; Fischer, StGB, § 263 Rz. 175 ff.; Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 538 ff. (491); Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 247 ff.; Wessels/Hillenkamp, BT/2, Rz. 539 ff.; Rengier, BT/1, § 13 Rz. 183 ff.; Wittig, Wirtschaftsstrafrecht, § 14 Rz. 118; mit Recht einschr. aber Lackner/Kühl, StGB, § 263 Rz. 44; Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 145; Saliger in M/R-StGB, § 263 Rz. 236; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 175 f., 176; Cramer, Vermögensbegriff, S. 170 ff., 177; Wahl, Schadensbestimmung, S. 206. A.A. – generell Versuch – Schröder, JZ 1965, 513, 516; Meyer, MDR 1971, 718, 720; Riemann, Vermögensgefährdung, S. 75 ff., 93 f.; Klein, Verhältnis, S. 115 ff., 262. 9 RG v. 20.4.1887 – 2237/86, RGSt 16, 1, 10; BGHSt 16, 220, 221; BGH v. 18.7.1961 – 1 StR 606/60, BGHSt 23, 300, 302; BGH v. 18.2.1999 – 5 StR 193/98, BGHSt 45, 1, 4; BGH v. 14.6.1991 – 3 StR 155/91, NJW 1991, 2573; BGH v. 13.11.2007 – 3 StR 462/07, NStZ 2008, 96, 98; BGH v. 14.8.2009 – 3 StR 552/08, NJW 2009, 3448, 3464; BGH v. 14.4.2011 – 2 StR 616/10, NJW 2011, 2675 f. Rz. 12; BVerfG v. 20.5.1998 – 2 BvR 1385/95, NStZ 1998, 506; BVerfG v. 7.12.2011 – 2 BvR 2500/09, NJW 2012, 907, 915 Rz. 172. 10 BGH v. 18.7.1961 – 1 StR 606/60, BGHSt 16, 220, 221. 11 BGH v. 18.7.1961 – 1 StR 606/60, BGHSt 16, 220, 222; BGH v. 13.11.2007 – 3 StR 462/07, NStZ 2008, 96, 98; BGH v. 14.8.2009 – 3 StR 552/08, NJW 2009, 3448, 3464; Wessels/Hillenkamp, BT/2, Rz. 539; Saliger in M/R-StGB, § 263 Rz. 236; auch Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 173. A.A. BGH v. 14.7.2010 – 1 StR 245/09, NStZ 2010, 700 – Fall Falk; dazu krit. Rz. 164. 12 Wessels/Hillenkamp, BT/2, Rz. 539. Zur letzteren Fallgruppe s. BGH v. 9.1.1968 – 5 StR 603/67, BGHSt 22, 38, 39 für einen Anstellungsbetrug.

Saliger

479

StGB

Betrug

StGB

§ 263 StGB Rz. 201

Strafgesetzbuch

mung regelmäßig auf der Basis dieses Leistungsaustausches vorgenommen werden (unechter Erfüllungsbetrug; dazu Rz. 208 f.). Der Rückgriff auf den Eingehungsbetrug ist dann entbehrlich.1 Insoweit ist der Eingehungsbetrug gegenüber dem den endgültigen Schaden (vgl. dazu Rz. 189) herbeiführenden (unechten) Erfüllungsbetrug subsidiär: Bei beiderseitig vollzogenem Leistungsaustausch sind grundsätzlich nur die realen Leistungen wertmäßig miteinander zu vergleichen.2 Zur Strafzumessung beim Eingehungsbetrug Rz. 273. (b) Notwendigkeit einer Einschränkung 201

Trotz der grundsätzlichen Anerkennung der Möglichkeit eines vollendeten Eingehungsbetrugs ist die Figur problematisch, weil ihr extensiver Gebrauch die Gefahr einer zu weiten Vorverlagerung der Vollendungsstrafbarkeit besorgen läßt.3 Nicht in jeder Hinsicht überzeugend ist der in diesem Zusammenhang vertretene Lösungsvorschlag, den Eingehungsbetrug generell nur als Versuch zu qualifizieren (s. die Nachweise in Rz. 200). Denn das Vermögen ist bereits dann vollendet geschädigt, wenn der Täter mit Vertragsschluss schadensbegründende Faktoren gesetzt hat, denen das Opfer nicht erfolgversprechend begegnen kann, etwa weil es ein Lossagungsrecht nicht kennt bzw. dessen Realisierung unsicher ist.4 Hinzu kommt, dass eine durch den Unmittelbarkeitsgrundsatz konkretisierte schadensbegründende Vermögensgefahr (vgl. Rz. 193) in der Lage ist, einer zu weiten Vorverlagerung des Vollendungszeitpunkts durch den Eingehungsbetrug entgegenzuwirken. I.Ü. ist zu berücksichtigen, dass insbesondere die jüngere Rspr. zunehmend das Erfordernis einer konkreten Gefahr als Voraussetzung für die Annahme einer schadensbegründenden Vermögensgefahr ernst nimmt und mittlerweile bei mehreren saldierungsfähigen Sicherungsrechten (vgl. Rz. 165) einen vollendeten Eingehungsbetrug verneint.5 (c) Ausschluss bei hinreichender Sicherung

202

So erfüllt der Abschluss eines Kaufvertrages regelmäßig die Voraussetzungen sowohl eines vollendeten als auch eines versuchten Eingehungsbetruges noch nicht, wenn der durch Täuschung zustande gekommene Vertrag nur zur Zug-um-Zug-Leistung verpflichtet.6 Denn in diesem Fall kann das Opfer den Eintritt des Schadens ohne weiteres dadurch abwenden, dass es auf Abwicklung Zug um Zug besteht.7 Auch ein versuchter Betrug kommt hier nur dann in Betracht, wenn der Täter bei Vertragsschluss trotz der vertraglichen Gestaltung davon ausging, er werde die vom Vertragspartner geschuldete Gegenleistung auch ohne Erbringung der eigenen Leistung erhalten.8 Bei erschlichenen Grundstückskaufverträgen scheidet ein vollendeter Eingehungsbetrug aus, wenn der getäuschte Vertragspartner deshalb genügend abgesichert ist, weil er, wie in aller Regel, nicht vorleistungspflichtig ist9 bzw. auf die Vorleistung des täuschenden Vertragspartners bestehen kann.10 Die schiere Gefahr, dass der getäuschte Verkäufer entgegen den Bestimmungen des Vertrages vorleistet, genügt im Allgemeinen nicht zur Begründung einer konkreten Vermögensgefahr.11 Etwas anderes ist möglich, wenn dem täuschenden Käufer bereits der Besitz des Grundstücks bzw. der Wohnung eingeräumt wurde12 oder zu seinen Gunsten eine rechtswirksame Auflassungsvormerkung eingetragen worden ist.13 Vollendeter Eingehungsbetrug wird von der Rspr. auch grundsätzlich abgelehnt, wenn (und soweit)14 dem getäuschten Vertragspartner ein vertragliches Rücktrittsrecht eingeräumt worden ist15 oder er in anderer Weise, wie bei bestehenden Einreden, gegen einen Schadenseintritt bei der Vertragserfüllung abgesichert ist.16 Das soll aber nicht gelten, wenn für den geschäftsungewandten und unerfahrenen Betrogenen eine Unsicherheit dahin besteht, ob und ggf. wie ein Rücktrittsrecht nach Verbrauch der

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Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 246; Samson, JA 1978, 628 f. Küper/Zopfs, BT, S. 396; Samson, JA 1978, 628 f. Saliger in M/R-StGB, § 263 Rz. 237; Rengier, BT/1, § 13 Rz. 185c; Küper/Zopfs, BT, S. 386. Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 545; Rengier, BT/1, § 13 Rz. 185c. Zutreffend Küper/Zopfs, BT, S. 387. BGH v. 7.6.1983 – 1 StR 335/83, StV 1983, 330; BGH v. 17.7.1987 – 1 StR 327/87, StV 1988, 396; BGH v. 17.2.1998 – 1 StR 5/98, StV 1999, 24; BGH v. 9.2.2005 – 4 StR 539/04, NStZ-RR 2005, 180, 181; OLG Düsseldorf v. 17.3.1993 – 2 Ss 72/93 III, NJW 1993, 2694 m. Anm. Ranft, JR 1994, 523. BGH v. 7.6.1983 – 1 StR 335/83, StV 1983, 330. BGH v. 17.2.1998 – 1 StR 5/98, StV 1999, 24; BGH v. 9.2.2005 – 4 StR 539/04, NStZ-RR 2005, 180, 181. BGH v. 27.11.1991 – 2 StR 312/91, wistra 1992, 101; OLG Stuttgart v. 8.6.2001 – 2 Ws 68/01, StV 2001, 627; OLG Frankfurt v. 20.12.2007 – 2 Ss 409/07, NStZ-RR 2008, 240. BGH v. 4.12.1974 – 2 StR 95/74, MDR 1975, 196; vgl. auch BGH v. 24.7.1991 – 4 StR 258/91, StV 1992, 465, 466. OLG Frankfurt v. 20.12.2007 – 2 Ss 409/07, NStZ-RR 2008, 240. Vgl. BGH v. 4.12.1974 – 2 StR 95/74, MDR 1975, 196; BGH v. 24.7.1991 – 4 StR 258/91, StV 1992, 465, 466; OLG Frankfurt v. 20.12.2007 – 2 Ss 409/07, NStZ-RR 2008, 240. Vgl. OLG Frankfurt v. 20.12.2007 – 2 Ss 409/07, NStZ-RR 2008, 240; offengelassen in BGH v. 24.7.1991 – 4 StR 258/91, StV 1992, 465, 466. Vgl. Rengier, BT/1, § 13 Rz. 191 ff. BGH v. 5.11.1970 – 4 StR 423/70, MDR 1971, 546; OLG Köln v. 23.7.1974 – Ss 92/74, MDR 1975, 244; auch BGH v. 22.10.1986 – 3 StR 226/86, BGHSt 34, 199, 202; BayObLG v. 5.6.1986 – Rreg 2 St 85/86, MDR 1986, 1046, 1047. Vgl. BGH v. 4.12.1974 – 2 StR 95/74, bei Dallinger, MDR 1975, 196 und BGH v. 3.1.1973 – 4 StR 544/72, bei Dallinger, MDR 1973, 370; auch BGH v. 22.10.1986 – 3 StR 226/86, BGHSt 34, 199, 202. Zur Einrede BGH v. 18.2.1998 – 2 StR 531/97, NStZ 1998, 570; Satzger Jura 2009, 526.

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Saliger

Rz. 204 § 263 StGB

wirkungslosen Kaufsache überhaupt ausgeübt werden kann.1 Vollendeter Eingehungsbetrug scheidet ferner aus, wenn dem Getäuschten ein Widerrufsrecht nach dem Abzahlungsgesetz zusteht.2 Auch bei vorhandener Stornierungsbereitschaft des Vertragspartners kann ein (vollendeter) Eingehungsbetrug 203 entfallen.3 Der 4. Strafsenat des BGH hat Betrug jedoch bejaht, wenn der Betrogene die Stornierungsbereitschaft des Vertragspartners auf bloße Beanstandung hin nicht kennt und es ungewiss ist, ob der Betrogene die Unbrauchbarkeit der Kaufsache für seine Zwecke erkennt und die Unbrauchbarkeit beanstandet. Von Bedeutung für die Einschätzung einer konkreten Vermögensgefahr bzw. das Fehlen einer relevanten Stornierungsbereitschaft des Betrogenen sollen sein etwa die Geschäftsgewandtheit oder Unerfahrenheit des Bestellers, der Grad seines Ärgers über die Übertölpelung, seine Neigung zur Bequemlichkeit oder der Wille zur Beanstandung und die Bedeutung des Kaufpreises für seine Vermögensverhältnisse (str.).4 Nach st. Rspr. und h.M. einem (vollendeten) Eingehungsbetrug nicht entgegen steht dagegen die Anfechtbarkeit des Vertrages wegen arglistiger Täuschung (§ 123 BGB), weil der Getäuschte das Beweisrisiko trägt und es andernfalls den Eingehungsbetrug überhaupt nicht gäbe (vgl. Rz. 166; str.).5 Allgemein gilt, dass mit Ausnahme der aufgrund der Täuschung erwachsenen Gegenrechte alle jene vertraglichen Sicherungsrechte des Betrogenen vor Leistungsaustausch einen (vollendeten) Eingehungsbetrug mangels konkreter schadensbegründender Vermögensgefahr ausschließen, die sich problemlos, insbesondere ohne Beweisschwierigkeiten und ohne Mitwirkung des Täuschenden, realisieren lassen.6 Kommen hingegen die vertraglichen Sicherungsrechte jedoch erst nach Erhalt und Bezahlung der Ware zum Tragen, wie das bei vielen Fernabsatzverträgen (§ 312b BGB) der Fall ist, so sind vertraglich oder gesetzlich eingeräumte Rücktritts-, Widerrufs- oder Rückgaberechte nur ausnahmsweise nach Lage der Umstände im Einzelfall kompensationsgeeignet, weil sich mit Erhalt und Bezahlung der Ware das konkrete Remonstrations- und damit Schadensrisiko auf den Betrogenen verlagert.7 (2) Einzelfälle, insbes. Versicherungsbetrug Auf Basis dieser Grundsätze hat die Rspr. zum Eingehungsbetrug u.a. entschieden, dass der bloße günstige Ver- 204 tragsabschluss mit einem Partner, der den Kunden später durch falsche Berechnungen übervorteilen will, noch keine konkrete Vermögensgefahr begründet (vgl. auch Rz. 193);8 dass die Gewährung eines Sonderrabatts an einen Käufer infolge einer Täuschung über den Verwendungszweck der Ware noch nicht für einen Eingehungsschaden hinreicht (vgl. zum Rabattbetrug auch Rz. 136, 161);9 dass die täuschungsbedingte Herausgabe von Kfz-Briefen durch den Vorbehaltseigentümer an den Vertragshändler eine konkrete Vermögensgefahr begründet, weil der Kfz-Brief der Sicherung der Forderung des Vorbehaltseigentümers gegenüber dem Vertragshändler dient;10 dass bei einer täuschungsbedingten Kreditgewährung die Abwicklung im Wege der bankinternen Umbuchung von Schulden weder das Vermögen der Bank mindert noch gefährdet;11 dass eine für den Käufer schuldrechtlich ungünstige Vertragsgestaltung – Gewährleistungsausschluss statt Gewährleistungshaftung – für sich betrachtet noch keinen betrugsrelevanten Gefährdungsschaden darstellt;12 dass ein Eingehungsschaden bei Kompensation in Gestalt einer Vorkasse ausscheidet.13 Zum Eingehungsbetrug durch Bestellung von Waren und Dienstleistungen unter dem Namen eines anderen, um diesen zu ärgern, Rz. 241, Rz. 244 und Rz. 247.14

1 BGH v. 22.10.1986 – 3 StR 226/86, BGHSt 34, 199, 203 – Haarverdickerfall (dazu auch Rz. 13) – m. Anm. Bottke, JR 1987, 428. 2 BayObLG v. 5.6.1986 – RReg 2 St 85/86, MDR 1986, 1046, 1047. 3 Vgl. BGH v. 30.8.61 – 2 StR 353/61, GA 1962, 213 f.; BGH v. 16.7.1970 – 4 StR 505/69, BGHSt 23, 300, 303, jew. für den Vertreterbetrug. 4 BGH v. 16.7.1970 – 4 StR 505/69, BGHSt 23, 300, 303 f. m. Anm. Graba, NJW 1970, 2221 und Bespr. Lenckner, JZ 1971, 320; Schröder, JR 1071, 74; Meyer, MDR 1971, 718. Zust. Fischer, StGB, § 263 Rz. 176; Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 515 f.; Rengier, BT/1, § 13 Rz. 189. A.A. z.B. Satzger, Jura 2009, 526. 5 BGH v. 28.11.1967 – 5 StR 556/67, BGHSt 21, 384, 386; BGH v. 20.2.1968 – 5 StR 694/67, BGHSt 22, 88, 89; BGH v. 16.7.1970 – 4 StR 505/69, BGHSt 23, 300, 302; Fischer, StGB, § 263 Rz. 176; Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 517 ff., 463; Wessels/Hillenkamp, BT/2, Rz. 549. A.A. – bei Anfechtbarkeit des Vertrages und umstandsloser Realisierbarkeit – z.B. Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 131; Hoyer in SK-StGB, § 263 Rz. 237; auch Wahl, Schadensbestimmung, S. 120 ff. 6 Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 521; Saliger in M/R-StGB, § 263 Rz. 239; Tenckhoff, FS Lackner, 1987, S. 684; Rengier, BT/1, § 13 Rz. 191. 7 Vgl. BGH v. 22.10.1986 – 3 StR 226/86, BGHSt 34, 199, 202 ff.; auch BGH v. 16.7.1970 – 4 StR 505/69, BGHSt 23, 300, 303 f.; Müller-Christmann, JuS 1988, 113 f.; Rengier, BT/1, § 13 Rz. 194. Weitergehend z.B. Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 131 ff., 145. Zur Problematik Luipold, Bedeutung, 1998. 8 BGH v. 21.12.1983 – 3 StR 566/83, BGHSt 32, 211, 212 f.; anders und unrichtig BGH v. 26.3.1953 – 4 StR 574/52, NJW 1953, 836. 9 BGH v. 14.6.1991 – 3 StR 155/91, NJW 1991, 2573 f. – Continental-Fall. 10 BGH v. 28.2.2007 – 2 StR 338/06, NStZ-RR 2007, 201. 11 BGH v. 10.1.1995 – 1 StR 582/94, BGHR StGB § 263 Abs. 1 Vermögensschaden 45 – Umbuchung. 12 OLG Köln v. 2.12.2008 – 83 Ss 90/08, NStZ-RR 2009, 176. 13 BGH v. 26.11.2009 – 5 StR 91/09, wistra 2010, 146, 147. 14 Einen Eingehungsbetrug bejahen BayObLG v. 17.9.1971 – Rreg 7 St 143/71, JZ 1972, 25; LG Kiel v. 3.3.2006 – V Ns 18/06, NStZ 2008, 219, 220; Wessels/Hillenkamp, BT/2, Rz. 541. Für Erfüllungsbetrug Herzberg, JuS 1972, 185, 189 und Maurach/Schroeder/Maiwald, BT/1, § 43 Rz. 136.

Saliger

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StGB

Betrug

StGB

§ 263 StGB Rz. 205 205

Strafgesetzbuch

Beim Versicherungsbetrug in Bezug auf Lebensversicherungen kommt mangels Unmittelbarkeit der Vermögensgefahr entgegen dem 3. Strafsenat des BGH1 und mit dem BVerfG2 im Al-Qaida-Fall weder ein vollendeter noch ein versuchter Eingehungsbetrug wegen signifikanter Erhöhung der Leistungswahrscheinlichkeit durch Vertragsschluss in der Absicht, einen fingierten Versicherungsfall herbeizuführen, in Betracht (vgl. bereits Rz. 156, 193). Denn aufgrund der Distanz zwischen den Vertragsabschlüssen und der geplanten Meldung des fingierten Todesfalls ist zum einen in zeitlicher Hinsicht die Gefahr des endgültigen Verlustes eines Vermögensbestandteils nicht so groß, dass sie schon mit Vertragsabschluss eine Minderung des Gesamtvermögens zur Folge hat (Rz. 187).3 Zum anderen kann auch unter dem Aspekt der Vermeidemacht des Geschädigten wegen der Abhängigkeit der Versicherungsleistung von der Schadensmeldung und der polizeilichen Überwachung der Angeklagten von einer konkreten, vom Berechtigten nicht mehr zu kontrollierenden Möglichkeit eines endgültigen Vermögensverlustes nicht die Rede sein.4 Konsequent sieht das BVerfG in dem Urteil des BGH nur diffuse Verlustwahrscheinlichkeiten zum Ausdruck gebracht: Der BGH hat für den Vermögensschaden nicht eine konkrete Vermögensgefahr zugrunde gelegt, sondern in tatbestandsentgrenzender und damit verfassungswidriger Weise jenes abstrakte Risiko genügen lassen, das jedem Vertragsschluss mit einem unredlichen Vertragspartner inhärent ist.5 Allgemein ist bei einem fingierten, auf den Todesfall bezogenen Vertrag zugunsten Dritter eine schadensgleiche Vermögensgefährdung (zum Nachteil der Bank) noch nicht eingetreten, solange derjenige, mit dessen Tod die Begünstigung eintreten soll, noch lebt.6 Entsprechend hat die Rspr. auch das Beiseiteschaffen gegen Diebstahl versicherter Sachen in der Absicht, der Versicherung einen angeblichen Diebstahl zwecks Erlangung der Versicherungssumme zu melden, lediglich als straflose Vorbereitungshandlung gewürdigt.7 Dazu passt, dass beim Versicherungsbetrug als Erfüllungsbetrug die Grenze von der Vorbereitungshandlung zum Versuch nach h.M. regelmäßig erst mit der Schadensmeldung überschritten wird.8 Ein klassischer Fall des Eingehungsbetrugs ist der Kreditbetrug (Rz. 194). Weitere klassische Fälle bezeichnen der Anlagebetrug bei der Vermittlung von Börsentermingeschäften (dazu Rz. 229 ff.) und der Anstellungsbetrug (Rz. 216 ff.). cc) Erfüllungsbetrug (1) Allgemeines

206

Vom Eingehungsbetrug ist – verfassungsrechtlich unbedenklich9 – der Erfüllungsbetrug zu unterscheiden. Der Begriff des Erfüllungsbetrugs kann in einem weiten und in einem engen Sinne verstanden werden. In einem weiten Sinne erfasst der Erfüllungsbetrug alle vermögensschädigenden Täuschungen, die im Erfüllungsstadium eines Vertrages erstmals erfolgen oder in das Erfüllungsstadium fortwirken unabhängig von der wertmäßigen Ausgeglichenheit (Äquivalenz) des Vertrages und von einem persönlichen Schadenseinschlag.10 In diesem Sinne wird für einen abgewickelten Eingehungsbetrug,11 bei dem ein (vollendeter) Eingehungsbetrug in den Erfüllungshandlungen fortwirkt, mit Recht angenommen, dass die Abwicklung nur noch die Tatbeendigung vertieft und insgesamt nur eine Betrugstat vorliegt.12 Das ist insbesondere bei den Geschäften des täglichen Lebens der Fall, wo Verpflichtungs- und Erfüllungsgeschäft häufig zusammenfallen. Insoweit wird in der Praxis die Möglichkeit eines Erfüllungsschadens häufig gar nicht mehr zusätzlich in Ansatz gebracht, sondern nur untersucht, wenn ein Eingehungsbetrug von vorneherein ausscheidet.13 In einem engen Sinne kann der Erfüllungsbetrug dagegen stärker vom Berechnungsmodus des Eingehungsbetrugs (dazu Rz. 200) abgegrenzt und allein auf den Vergleich zwischen vertraglicher Verpflichtung und tatsächlicher Leistung bzw. vertraglichem Anspruch und tatsächlicher Gegenleis1 BGH v. 14.8.2009 – 3 StR 552/08, BGHSt 54, 69, 120 ff. m. Anm. oben in Rz. 193. 2 BVerfG v. 7.12.2011 – 2 BvR 2500/09, NJW 2012, 907, 915 Rz. 170 ff. m. zust. Anm. Schlösser, NStZ 2012, 473; Waßmer, HRRS 2012, 368. 3 Vgl. die Bestimmung in BGH v. 2.4.2008 – 5 StR 354/07, BGHSt 52, 182, 189. 4 Näher Saliger, FS Samson, 2010, S. 475 ff., 479. 5 BVerfG v. 7.12.2011 – 2 BvR 2500/09, NJW 2012, 907, 916 Rz. 179. 6 BGH v. 5.11.2003 – 1 StR 287/03, NStZ 2004, 264, 265. Zum Versicherungsbetrug durch Abschluss mehrerer Unfallversicherungen BGH v. 23.1.1985 – 1 StR 691/84, StV 1985, 368. Zum Versicherungsbetrug wegen der Vermittlung von Rückdeckungslebensversicherungsverträgen s. BGH v. 4.3.1999 – 5 StR 355/98, NStZ 1999, 353. 7 BGH v. 11.1.1951 – 2 StR 534/51, NJW 1952, 430; aufgegriffen in BGH v. 25.10.1994 – 4 StR 173/94, BGHSt 40, 299, 302. 8 BGH v. 25.10.1994 – 4 StR 173/94, BGHSt 40, 299, 302 für die Sachversicherung; vgl. ferner Saliger in M/R-StGB, § 263 Rz. 241; Fischer, StGB, § 263 Rz. 197 f.; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 321; Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 376; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 276 ff.; Waßmer. HRRS 2012, 373. 9 BVerfG v. 7.12.2011 – 2 BvR 2500/09, NJW 2012, 907, 916 Rz. 173. 10 Vgl. auch Küper. FS Tiedemann, 2008, S. 619. 11 Zum Begriff vgl. näher Klein, Verhältnis, S. 167 ff., 263 f. 12 Vgl. RG v. 17.3.1932 – III 841/31, RGSt 66, 175, 180; BGH v. 21.11.2001 – 2 StR 260/01, BGHSt 47, 160, 168; BVerfG v. 20.5.1998 – 2 BvR 1385/95, NStZ 1998, 506; BVerfG v. 7.12.2011 – 2 BvR 2500/09, NJW 2012, 907, 916 Rz. 173; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 274; Rengier, BT/1, § 13 Rz. 201. 13 Vgl. OLG Hamm v. 23.10.1956 – 3 Ss 1212/56, GA 1957, 121 f.; Tenckhoff, FS Lackner, 1987, S. 680. Demgegenüber weist Rengier, BT/1, § 13 Rz. 202 für die Fallbearbeitung darauf hin, dass der abgewickelte Eingehungsbetrug im Normalfall aus der Perspektive der späteren Erfüllung geprüft wird, ohne dass zwischen Eingehungs- und Erfüllungsphase unterschieden werden muss.

482

Saliger

Rz. 207 § 263 StGB

tung bezogen werden für Fälle, in denen ein Äquivalenzmangel nicht vorliegt bzw. zweifelhaft bleibt.1 Vor diesem Hintergrund kann mit der h.L.2 zwischen einem echten und einem unechten Erfüllungsbetrug unterschieden werden. (2) Echter Erfüllungsbetrug Ein echter Erfüllungsbetrug liegt vor, wenn der Vertragspartner erst nach Vertragsschluss darüber täuscht, 207 nicht vertragsgemäß zu leisten.3 Bei der Saldierung ist hier anders als beim Eingehungsbetrug der Wert des vom Getäuschten vor der Täuschung erworbenen Vertragsrechts mit dem Wert der tatsächlich vom Täuschenden erbrachten Leistung zu vergleichen.4 Der Getäuschte ist geschädigt, wenn das Opfer als Erfüllung weniger erhält, als es vertraglich beanspruchen kann (Zu-wenig-Leistung), oder umgekehrt mehr leistet, als es vertraglich zu leisten verpflichtet ist (Zu-viel-Leistung, Überzahlung).5 Das gilt unabhängig davon, ob die tatsächliche erbrachte Leistung des Täters ihren Preis objektiv wert ist,6 oder ob der Täter sein späteres Vorgehen bereits vor Abschluss des Vertrages geplant hatte (zwh.).7 Denn beim echten Erfüllungsbetrug erwirbt das spätere Opfer mit dem wirksamen Vertragsschluss eine vermögenswerte Exspektanz (dazu Rz. 135 ff.), so dass die Schadensbestimmung streng vertragsakzessorisch vorzunehmen ist.8 Kein Erfüllungsschaden entsteht daher, wenn die tatsächlich erbrachte Leistung gegenüber der geschuldeten nicht vertragswidrig bzw. minderwertig ist.9 Auf Basis der seit 1.1.2002 erfolgten Schuldrechtsmodernisierung ist dabei die früher für die Schadensbestimmung erhebliche Unterscheidung von Gattungsschuld und Speziesschuld bedeutungslos geworden, weil der Getäuschte nunmehr auch bei der Speziesschuld einen Erfüllungsanspruch auf Verschaffung einer mangelfreien Sache (§§ 433 Abs. 1 S. 2, 434 BGB) – bzw. bei zugesicherter Eigenschaft einen entsprechenden Garantieanspruch (§§ 276, 443 BGB) – hat, der sich in einem Nacherfüllungsanspruch fortsetzt (§§ 437 Nr. 1, 439 BGB). Nach überwiegender Ansicht entsteht daher sowohl für die Gattungs- als auch die Speziesschuld der Vermögensschaden des Getäuschten bereits mit der Annahme der minderwertigen Leistung (Zu-wenig-Leistung; str.).10 Die Rspr. hat einen (echten) Erfüllungsbetrug bejaht u.a. im Fassadenbau-Fall, wo der Fassadenbauer den für den Kunden besonders günstigen Vertragsschluss dadurch zu seinen Gunsten zu einem marktüblichen Gesamtpreis nach oben „korrigiert“ hat, dass er im Rahmen einer im Vertrag im Umfang nicht bestimmten Einzelleistung (Blechmaterial) unnötig viel Material verwendete.11 Offengelassen hat die Judikatur die Annahme eines (echten) Erfüllungsbetrugs in einem Fall, wo die vertraglich vereinbarte Speditionsleistung wegen einer nach Vertragsschluss offenbar gewordenen Änderung des Beförderungsguts in der billigeren Form eines kombinierten See/ Landtransportes anstatt eines reinen Landtransportes durchgeführt wurde.12

1 So der Vorschlag von Küper, FS Tiedemann, 2008, S. 621; auch Fischer, StGB, § 263 Rz. 177. 2 Fischer, StGB, § 263 Rz. 177 f.; Lackner/Kühl, StGB, § 263 Rz. 53; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 246 ff.; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 173, 202; Saliger in M/R-StGB, § 263 Rz. 242 ff.; Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 550 ff.; Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 135 ff.; Tenckhoff, FS Lackner, 1987, S. 672 ff.; Küper, FS Tiedemann, 2008, S. 624 ff., 635 f.; Wessels/Hillenkamp, BT/2, Rz. 542; Küper/Zopfs, BT, S. 392 ff.; Klein, Verhältnis, S. 162 ff.; Wahl, Schadensbestimmung, S. 149 ff., 207 ff. 3 Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 251; Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 550; Hoyer in SK-StGB, § 263 Rz. 239; Küper/Zopfs, BT, S. 392. 4 RG v. 20.4.1887 – 2237/86, RGSt 16, 1, 10 f.; Lackner/Kühl, StGB, § 263 Rz. 53; Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 136; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 202; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 185; Tenckhoff, FS Lackner, 1987, S. 684; Wessels/ Hillenkamp, BT/2, Rz. 542. 5 OLG Stuttgart v. 7.9.1981 – 3 Ss 472/81, JR 1982, 470, 471 m. zust. Anm. Bloy; auch BGH v. 21.12.1983 – 3 StR 566/83, BGHSt 32, 211, 213 für den Fall einer Überzahlung; ferner Hoyer in SK-StGB, § 263 Rz. 239; Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 135 f.; Saliger in M/R-StGB, § 263 Rz. 243; Tenckhoff, FS Lackner, 1987, S. 684 f.; Küper/Zopfs, BT, S. 394; Wessels/ Hillenkamp, BT/2, Rz. 542. 6 BGH v. 21.12.1983 – 3 StR 566/83, BGHSt 32, 211, 213; Hoyer in SK-StGB, § 263 Rz. 242; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 251; Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 552; Tenckhoff, FS Lackner, 1987, S. 685; Wessels/Hillenkamp, BT/2, Rz. 542; Küper/Zopfs, BT, S. 395. 7 So BGH v. 21.12.1983 – 3 StR 566/83, BGHSt 32, 211, 214. 8 So bereits RG v. 20.4.1887 – 2237/86, RGSt 16, 1, 11; ferner BGH v. 21.12.1983 – 3 StR 566/83, BGHSt 32, 211, 214; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 202; Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 552; Saliger in M/R-StGB, § 263 Rz. 243; Bloy, JR 1982, 473; Rengier, BT/1, § 13 Rz. 173. 9 Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 136; vgl. auch OLG Stuttgart v. 7.9.1981 – 3 Ss 472/81, JR 1982, 470, 471. 10 Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 251; Hoyer in SK-StGB, § 263 Rz. 242; Saliger in M/R-StGB, § 263 Rz. 243; Perron in S/S-StGB, § 243 Rz. 136; Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 331; Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 551 f. A.A. – vollendeter Erfüllungsbetrug erst mit Leistung des Getäuschten – Küper, FS Tiedemann, 2008, S. 632; Wessels/Hillenkamp, BT/2, Rz. 542, einschr. Fn. 257. Zur Situation bei Unmöglichkeit der vertragsgemäßen Leistung (§ 275 Abs. 1 BGB), wo wie früher bei der Speziesschuld, die Erbringung der Gegenleistung des Getäuschten erforderlich ist, Küper/Zopfs, BT, S. 394. 11 BGH v. 21.12.1983 – 3 StR 566/83, BGHSt 32, 211, 213 m. zust. Anm. Puppe, JZ 1984, 531; ferner Tiedemann in LKStGB, § 263 Rz. 202; Hoyer in SK-StGB, § 263 Rz. 242. 12 OLG Stuttgart v. 7.9.1981 – 3 Ss 472/81, JR 1982, 470, 471 m. zust. Anm. Bloy.

Saliger

483

StGB

Betrug

StGB

§ 263 StGB Rz. 208

Strafgesetzbuch

(3) Unechter Erfüllungsbetrug 208

Für den sog. unechten Erfüllungsbetrug ist nach h.M. kennzeichnend, dass der Täter bereits bei Vertragsschluss über eine werterhöhende Eigenschaft seiner vertraglichen Leistung täuscht (z.B. reine Wollhose anstatt übergebener Zellwollhose; Laufleistung eines Pkw; Zahlungsfähigkeit bei Pachtzins) und diese Täuschung samt Irrtum in der Erfüllungsphase fortwirkt.1 Entspricht in diesem Fall der vereinbarte Preis schon nicht dem Marktwert der Ware, so ist die Annahme eines (abgewickelten Eingehungs-)Betruges unproblematisch (vgl. Rz. 206).2 Sehr streitig ist dagegen die Konstellation wie im Zellwollhosen-Fall, wenn die Täuschung zwar bei Vertragsschluss erfolgt, die Sache aber ohne die zugesicherte Eigenschaft einen Wert hat, der dem Kaufpreis nach Marktgrundsätzen entspricht, ein Eingehungsschaden also nicht vorliegt und die Täuschung ohne weitere selbständige Täuschung im Erfüllungsstadium fortwirkt. Während die h.M. diesen unechten Erfüllungsbetrug wie einen Eingehungsbetrug behandelt, also eine Betrugsstrafbarkeit verneint,3 wertet ihn eine Gegenauffassung als Erfüllungsbetrug und bejaht daher eine Betrugsstrafe.4

209

Richtigerweise ist zu differenzieren.5 Zustimmung verdient zunächst die h.M. Gegen letztere wird eingewandt, dass es widersinnig sei, den erst bei Erfüllung unredlichen Vertragspartner zu bestrafen, hingegen den schon bei Vertragsschluss täuschenden größeren Gauner straffrei zu lassen.6 Dieser Einwand vernachlässigt, dass der Widersinn nur ein scheinbarer ist, weil das Opfer im ersten Fall durch den täuschungslosen Vertragsschluss eine vermögenswerte Exspektanz erwirbt (Rz. 207), beim unechten Erfüllungsbetrug jedoch nicht. Denn so wenig dem Käufer vor Abschluss des Vertrages eine vermögenswerte Exspektanz auf Lieferung der Sache mit der zugesicherten Eigenschaft zusteht, so erwirbt er auch keine durch den täuschungsbedingten Vertragsschluss, weil der Verkäufer nämlich nur betrügerisch zusichert.7 Wenn die Gegenauffassung auf den Eigenwert der dem Getäuschten erwachsenen Gewährleistungsrechte bzw. Schadensersatzansprüche hinweist,8 so wird nicht beachtet, dass diese Rechte infolge der Unkenntnis und des täuschenden Gesamtverhaltens des Vertragspartners wirtschaftlich wertlos sind. Insoweit bilden Verpflichtungs- und Erfüllungsgeschäft eine Einheit, so dass die dem Getäuschten durch den Vertragsschluss erwachsenen Rechte im selben Moment durch die fortwirkende Täuschung wirtschaftlich entwertet werden.9 Wollte man mit der Gegenansicht einen Erfüllungsbetrug annehmen, so würde die Vereitelung einer Vermögensmehrung sanktioniert, der Getäuschte also vor dem „Nicht-Reicher-Werden“ strafrechtlich geschützt.10 Das ist im Rahmen des Betruges unzulässig (Rz. 1). Strafwürdigkeitserwägungen kann durch das UWG Rechnung getragen werden.11 Ein Erfüllungsbetrug kommt allerdings in Betracht, wenn Verpflichtungs- und Erfüllungsgeschäft keine Einheit bilden und nach täuschungsbedingtem Vertragsschluss eine weitere, selbständige Täuschung in der Erfüllungsphase erfolgt, welche die korrekte Erfüllung (mit-)ursächlich vereitelt (Erfüllungsbetrug mit doppelter Täuschung12).13

1 Vgl. BGH v. 18.7.1961 – 1 StR 606/60, BGHSt 16, 220, 223 f. – Zellwollhosen-Fall – m. Anm. Lenckner, NJW 1962, 59; BayObLG v. 26.3.1987 – Rreg. 5 St 14/87, NJW 1987, 2452 – Laufleistung; BayObLG v. 30.7.1998 – 3 St RR 54/98, NJW 1999, 663 – Pachtzins für Apotheke – m. Bespr. Martin, JuS 1999, 507; abl. Bosch, wistra 1999, 410; Rengier, JuS 2000, 644; ferner Lackner/Kühl, StGB, § 263 Rz. 53; Fischer, StGB, § 263 Rz. 178; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 252 ff.; Saliger in M/R-StGB, § 263 Rz. 244 f.; Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 332 ff.; Wessels/Hillenkamp, BT/2, Rz. 542; Rengier, BT/1, § 13 Rz. 171. Enger Küper/Zopfs, BT, S. 389 f. und Klein, Verhältnis, S. 211 ff., 265, die nur bei Fehlen eines Eingehungsschadens von einem unechten Erfüllungsbetrug sprechen. 2 Klein, Verhältnis, S. 167 ff., 263 f.; Satzger, Jura 2009, 528: Eingehungsschaden; Wessels/Hillenkamp, BT/2, Rz. 542; auch Hoyer in SK-StGB, § 263 Rz. 244: Erfüllungsschaden; Dannecker in G/J/W, § 263 Rz. 110. 3 BGH v. 18.7.1961 – 1 StR 606/60, BGHSt 16, 220, 223 f.; BGH v. 21.12.1983 – 3 StR 566/83, BGHSt 32, 211, 214; BGH v. 9.3.1976 – 1 StR 610/715, GA 1978, 332 ff.; OLG Stuttgart v. 14.10.1960 – 2 Ss 489/60, NJW 1960, 2264; OLG Karlsruhe v. 4.1.1980 – 3 Ss 296/79, NJW 1980, 1762; ferner Fischer, StGB, § 263 Rz. 178; Lackner/Kühl, StGB, § 263 Rz. 53; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 202; Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 554 f.; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 253; Tenckhoff, FS Lackner, 1987, S. 692; Küper, FS Tiedemann, 2008, S. 635 f.; Wessels/Hillenkamp, BT/2, Rz. 542; Rengier, BT/1, § 13 Rz. 172; Klein, Verhältnis, S. 265; Wahl, Schadensbestimmung, S. 208. 4 OLG Köln v. 7.7.1959 – Ss 170/59, NJW 1959, 1980 f.; Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 137 ff., 138; Kindhäuser in NKStGB, § 263 Rz. 334; Lenckner, MDR 1961, 653; Puppe, JZ 1984, 531 ff. und ZIS 3/2010, 216 ff.; Otto, JZ 1993, 657; Schneider, JZ 1996, 917 f.; Seyfert, JuS 1997, 31 ff.; Maurach/Schroeder/Maiwald, BT/1, § 41 Rz. 117; Cramer, Vermögensbegriff, S. 190 f.; Ahn, Prinzip, S. 130 f.; Pawlik, Verhalten, S. 288. 5 Zum Folgenden bereits Saliger in M/R-StGB, § 263 Rz. 245. 6 Pawlik, Verhalten, S. 281 f., 288; Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 137; Puppe, ZIS 3/2010, 218. 7 BGH v. 18.7.1961 – 1 StR 606/60, BGHSt 16, 220, 223 f.; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 253; Küper, FS Tiedemann, 2008, S. 636. 8 Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 334; Puppe, JZ 1984, 531 ff.; Cramer, Vermögensbegriff, S. 189 ff. 9 Hoyer in SK-StGB, § 263 Rz. 246; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 253; Tenckhoff, FS Lackner, 1987, S. 690 ff.; Klein, Verhältnis, S. 242 ff. 10 BGH v. 18.7.1961 – 1 StR 606/60, BGHSt 16, 220, 223 ff.; ferner Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 253; Tenckhoff, FS Lackner, 1987, S. 691; Küper, FS Tiedemann, 2008, S. 636; Wessels/Hillenkamp, BT/2, Rz. 542. 11 Vgl. Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 563; Klein, Verhältnis, S. 265. 12 Begriff von Klein, Verhältnis, S. 254 ff., 265 f. 13 Lackner/Kühl, StGB, § 263 Rz. 53; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 254; Tenckhoff, FS Lackner, 1987, S. 693; Wahl, Schadensbestimmung, S. 208.

484

Saliger

Rz. 211 § 263 StGB

3. Einzelne, wirtschaftsstrafrechtlich relevante Betrugs- und Schadensfallgruppen a) Ärztlicher Abrechnungsbetrug aa) Grundlagen: Das kassenärztliche Abrechnungssystem Seit nahezu drei Jahrzehnten beschäftigt die betrügerische Honorarabrechnung durch Ärzte (ärztlicher Abrech- 210 nungsbetrug) in zunehmendem Maße die Strafjustiz.1 Zur Täuschung Rz. 29 f. (ausdrücklich) und Rz. 51 (schlüssig), zum Irrtum Rz. 95 f. Die Leistungsbeziehungen im kassenärztlichen (vertragsärztlichen) Abrechnungssystem nehmen sich dabei wie folgt aus:2 Der Kassenpatient hat als Mitglied der KK gegen diese einen Anspruch auf Erhaltung, Wiederherstellung und Besserung seiner Gesundheit (§§ 1, 2 Abs. 2 SGB V) gemäß den in den §§ 11 ff. SGB V aufgeführten Behandlungsmaßnahmen. Über die jew. Behandlung wird zwischen Kassenpatient und Arzt ein Vertrag geschlossen. Der Honoraranspruch des Arztes richtet sich aber nicht gegen den Patienten, sondern gegen die Kassen(zahn)ärztliche Vereinigung (KV), die die Honorare an die in ihrem jew. örtlichen Zuständigkeitsbereich zugelassenen Ärzte auszahlt (vgl. §§ 85 Abs. 4, 4a SGB V) und ihrerseits einen Anspruch gegen die KK auf Gesamtvergütung der medizinischen Versorgungsleistungen hat (§ 85 Abs. 1 SGB V). Die Person des potentiell Geschädigten richtet sich nach dem zwischen KK und KV für die jew. Leistungsart ausgehandeltem Finanzierungsmodell (§ 85 Abs. 2, 2a ff. SGB V). Soweit danach auf Basis pauschalierter Gesamtvergütungsverträge und ausgehandelter Kopfpauschalen der zu verteilende Gesamtbetrag gedeckelt ist, führt eine betrügerische Abrechnungsmanipulation eines Kassenarztes nicht zu einer Schädigung der KK, sondern dazu, dass den korrekt abrechnenden (redlichen) anderen Vertragsärzten in der manipulierten Höhe weniger Geld zur Verfügung steht. Nur hinsichtlich der von der Gesamtvergütung ausgenommenen vertragsärztlichen Leistungen (Einzelleistungsvergütung) führen Abrechnungsmanipulationen zu einer Schädigung der KK in Höhe der manipulierten ausgezahlten Vergütung.3 Auf diesem Hintergrund4 lassen sich in schadensbezogener Hinsicht folgende Fallgruppen unterscheiden: bb) Unproblematische Betrugsformen (Luftleistungen, Falschdeklarationen) und Anforderungen an die Feststellung Unproblematisch ist zunächst die Annahme eines Vermögensschadens, wenn der Kassenarzt auf den Abrech- 211 nungsunterlagen (z.B. Krankenscheinen, Liquidationen) Leistungen einträgt, die er nicht oder nicht in dem behaupteten Umfang erbracht hat (Luftleistungen),5 worunter auch Leistungsabrechnungen für bereits verstorbene Patienten fallen.6 Das ergibt sich aus dem allgemeinen Grundsatz der Saldierung (Rz. 157 ff.), weil der Honorarzahlung bei einer vollständigen oder teilweisen Luftleistung keine ärztliche Leistung als kompensationstauglicher Gegenwert gegenübersteht.7 Das Gleiche gilt für Falschdeklarationen, bei denen der Arzt zwar eine (auch medizinisch nicht indizierte und insoweit unbegründete)8 Leistung erbracht hat, diese Leistung aber gebührenrechtlich bewusst und unstreitig falsch einordnet.9 Das kann in verschiedener Weise geschehen. So deklariert in schädigender Weise falsch, wer eine bestimmte nicht abrechenbare Behandlung unter einer falschen Gebührennummer abrechnet;10 wer als Facharzt für Laboratoriumsmedizin unter dem Posten „Beschaffung und Aufbereitung von Ra-

1 Zum Folgenden bereits Saliger in M/R-StGB, § 263 Rz. 246 ff.; zur Kriminologie Ehlers, FS Schüler-Springorum, 1993, S. 163 ff.; Badle, NJW 2008, 1028 ff.; Meier/Homann, MschrKrim 2009, 373 f.; Kölbel, NStZ 2009, 312; Steinhilper, GesR 2010, 398. Als Monographien s. Hellmann/Herffs, Abrechnungsbetrug, 2006; Hancok, Abrechnungsbetrug, 2006; Freitag, Abrechnungsbetrug, 2009; Luig, Abrechnungsbetrug, 2009. Ferner Ulsenheimer, Arztstrafrecht, 5. Aufl. 2015, 14/1075 ff.; Wessels/Hillenkamp, BT/2, Rz. 580. Ferner Hellmann in Fischer u.a. (Hrsg.), Dogmatik, 2015, S. 245; Gaede, ebenda, S. 257. 2 Vgl. BGH v. 15.10.1991 – 4 StR 420/91, wistra 1992, 95; BGH v. 10.3.1993 – 3 StR 461/92, NStZ 1993, 388 f.; Idler, JuS 2004, 1040; Hellmann/Herffs, S. 1 ff.; Hancok, S. 57 ff.; Freitag, S. 25 ff.; Luig, S. 7 ff. 3 Ellbogen/Wichmann, MedR 2007, 13; Schneider in Wienke, S. 60; Luig, S. 68 ff., 73 ff., 80. 4 Zum Abrechnungsbetrug bei der Privatliquidation BGH v. 25.1.2012 – 1 StR 45/11, NJW 2012, 1377 m. überw. abl. Anm. Dann, NJW 2012, 2001; Jäger, ZWH 2012, 185; Lindemann, NZWiSt 2012, 334; Schuhr, wistra 2012, 265; Tiedemann, JZ 2012, 525; Geiger, GesR 2013, 7; Mahler, wistra 2013, 44; Saliger/Tsambikakis, MedR 2013, 284; ferner Dahm, MedR 2003, 268; Ulsenheimer, 14/1100 und 14/1151 ff.; Hellmann/Herffs, S. 31 ff., 117 ff.; Freitag, S. 78 ff., 153 ff. 5 BGH v. 14.12.1989 – 4 StR 419/89, BGHSt 36, 320 m. krit. Anm. Salditt, StV 1990, 151; auch BGH v. 21.5.1992 – 4 StR 577/91, NStZ 1992, 436, BGH v. 11.7.1996 – 3 Ws 164/96, NStZ 1997, 130 und BGH v. 25.1.2012 – 1 StR 45/11, NJW 2012, 1377, 1383 Rz. 78. 6 Badle, NJW 2008, 1032. 7 Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 582; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 255; Schuhr in Spickhoff, Medizinrecht, § 263 StGB Rz. 43; Volk, NJW 2000, 3386; Ellbogen/Wichmann, MedR 2007, 13; Hellmann/Herffs, S. 52 ff.; Freitag, S. 89 ff., 124 ff. 8 Vgl. BGH v. 14.1.2010 – III ZR 188/09, NJW 2010, 1200, 1203 Rz. 25 f. 9 Vgl. BGH v. 25.1.2012 – 1 StR 45/11, NJW 2012, 1377, 1379 und 1383 Rz. 79; ferner Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 582; Schuhr in Spickhoff, Medizinrecht, § 263 StGB Rz. 43; Volk, NJW 2000, 3386 f.; Idler, JuS 2004, 1040; Ellborgen/ Wichmann, MedR 2007, 11, 13; Kölbel, NStZ 2009, 314 f. und 315 f.; Hancok, S. 135 ff., 185 f.; Luig S. 195 ff. 10 BGH v. 10.3.1993 – 3 StR 461/92, NStZ 1993, 388: Deklaration einer Magnetfeldtherapiebehandlung als Dezimeterwellenbehandlung.

Saliger

485

StGB

Betrug

StGB

§ 263 StGB Rz. 212

Strafgesetzbuch

dionukliden“ nicht gesondert erstattungsfähige allgemeine Praxiskosten (Personal-, Raum- und Sachkosten) abrechnet;1 wer überhöhte pauschale Beträge anstatt die tatsächlich angefallenen Kosten geltend macht;2 wer eine bestimmte Leistung, die nur zu einem geringeren Gebührensatz abgerechnet werden kann, als höherwertige Leistung falsch klassifiziert;3 wer nicht gesondert abrechnungsfähige Leistungen „splittet“, indem er sie auf andere Behandlungstage vor- oder rückdatiert;4 wer als integrativer Bestandteil einer anderen Leistung nicht selbständig abrechenbare Leistungen zusätzlich abrechnet (Verstoß gegen das Zielleistungsprinzip gem. § 4 Abs. 2a GOÄ);5 wer Leistungen, die er für einen Patienten erbracht hat, unter einem anderen Patienten abrechnet;6 oder wer bei der Abrechnung seiner Leistungen von Lieferanten erhaltene Rabatte, Barrückvergütungen, Boni, Umsatzbeteiligungen oder andere Vergünstigungen nicht angibt und insoweit höhere Preise ansetzt.7 Soweit sich die Ab- bzw. Nichtabrechenbarkeit der erbrachten ärztlichen Leistung nach Preisfestsetzungen in spezifischen Vergütungssystemen und Gebührenordnungen (z.B. EBM, BEMA, DRG-Fallpauschale, GOÄ, BMV-Ä, Ärzte-ZV) richtet, treten diese Normen an die Stelle des Marktes (vgl. Rz. 162) und leiten die Saldierung von ärztlichem Honoraranspruch und ärztlicher Leistung.8 Betrugsrisiken können sich auch im Zusammenhang mit Einweisungsvergütungen und getarnten Kopfprämien ergeben.9 Mangels Täuschung bzw. Irrtumserregung keinen Betrug, sondern Untreue begeht dagegen der Kassenarzt, der Rezepte ohne medizinische Indikation, also nicht notwendige Medikamente verordnet (dazu auch Rz. 51 m.w.N.).10 Ebenfalls straflose Beihilfe zum Betrug als mitbestrafte Nachtat zur Untreue soll ein Vertragsarzt begehen, der fiktive Heilmittelverordnungen für abrechnende Physiotherapeuten erstellt.11 Wegen Abrechnungsbetrugs strafbar macht sich dagegen der Apotheker, der gefälschte oder angekaufte Rezepte ohne entsprechende Arzneimittelabgabe zur Abrechnung einreicht (Luftleistung),12 der auf dem grauen Arzneimittelmarkt erheblich billiger erworbene, uneingeschränkt taugliche Präparate als Originalpräparate abrechnet13 oder der in Deutschland nicht zugelassene Fertigarzneimittel abrechnet.14 Abrechnungsbetrug begeht auch der Betreiber eines ambulanten Pflegedienstes, der Rechnungen mit überhöhter Stundenzahl einreicht oder wahrheitswidrig angibt, Pflegepersonal mit der vertraglich vereinbarten Qualifikation eingesetzt zu haben (Schaden in voller Höhe).15 Auch ein Patient soll sich wegen Betrugs zum Nachteil der KK strafbar machen, wenn er den Vertragsarzt über die medizinische Notwendigkeit der Verschreibung eines Medikaments täuscht.16 212

Obgleich Art und Zahl der Manipulationen auf den Krankenscheinen wegen der häufig seriellen, auf Wiederholung angelegten Begehungsweise des ärztlichen Abrechnungsbetrugs17 oftmals nur schwer oder mit außerordentlichem Aufwand feststellbar sind, fordert der BGH mit Recht, dass der Tatrichter zu jeder Tathandlung ausreichende Feststellungen zu treffen hat.18 Insbesondere sind die Einzelakte so konkret und individualisiert festzustellen, dass sich daraus die Verwirklichung des objektiven und subjektiven Tatbestands für jede Einzeltat ergibt.19 Sind nicht alle Einzelakte konkret feststellbar, so sind jedenfalls Mindestfeststellungen zu treffen,20 die bei Zugrundelegung des Zweifelssatzes auch auf tragfähigen Schätzgrundlagen beruhen können.21 Dass sich der Tatrichter dazu mathematisch-statistischer Methoden (Hochrechnungen) bedient, hat der BGH an sich (noch) nicht beanstandet (zwh.).22 An den Beweis, dass der Täter sein Verhalten nicht verändert hat, sind je-

1 BGH v. 1.9.1993 – 2 StR 258/93, wistra 1994, 22, 23 f.; ähnlich BGH v. 24.8.1994 – 3 StR 204/94, NStZ 1994, 585 f. 2 BGH v. 15.10.1991 – 4 StR 420/91, wistra 1992, 95, 96, 97 f. zu einem Facharzt für Radiologie und Nuklearmedizin. 3 Vgl. BGH v. 21.5.1992 – 4 StR 577/91, NStZ 1992, 436 u.a. zur Abrechnung der telefonischen Mitteilung von Laborergebnissen durch Arzthelferinnen als Beratung; Volk, NJW 2000, 3386; Idler, JuS 2004, 1040; Ellbogen/Wichmann, MedR 2007, 11, 13; Badle, NJW 2008, 1032; Kölbel, NStZ 2009, 314 f.; Luig, S. 195 f. 4 BGH v. 14.12.1989 – 4 StR 419/89, BGHSt 36, 320, 326; Badle, NJW 2008, 1032; Luig, S. 196. 5 Badle, NJW 2008, 1032. 6 Luig, S. 196. 7 BGH v. 27.4.2004 – 1 StR 165/03, NStZ 2004, 568 f.; StA Wuppertal 80 Js 29/03, zit. bei Badle, NJW 2008, 1033; Volk, NJW 2000, 3387; Ellbogen/Wichmann, MedR 2007, 11, 13. 8 BGH v. 10.3.1993 – 3 StR 461/92, NStZ 1993, 388 f.; BGH v. 28.9.1994 – 4 StR 280/94, NStZ 1995, 85, 86; auch Volk, NJW 2000, 3387; Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 578, 582 f. 9 Näher Kölbel, wistra 2009, 132 f.; Schneider, HRRS 2009, 487 f. 10 BGH v. 25.11.2003 – 4 StR 239/03, BGHSt 49, 17, 21 ff. m. zust. Anm. Herffs, wistra 2006, 63; BGH v. 27.4.2004 – 1 StR 165/03, NStZ 2004, 568, 569 f. Zur Arztuntreue § 266 StGB Rz. 16 und 127. 11 BGH v. 16.8.2016 – 4 StR 163/16, BeckRS 2016, 16636, Rz. 42 ff. 12 BGH v. 12.2.2015 – 2 StR 109/14, NStZ 2015, 341, 342. 13 BGH v. 30.6.2011 – 3 StR 117/11, HRRS 2011 Nr. 988. 14 BGH v. 4.9.2012 – 1 StR 534/11, NJW 2012, 3665, 3668 m. i.E. zust. Anm. Kölbel, JZ 2013, 849. 15 BGH v. 16.6.2014 – 4 StR 21/14, NJW 2014, 3170, 3171 m. Anm. Schuhr und Piel, NStZ 2014, 643. 16 OLG Stuttgart v. 18.12.2012 – 1 Ss 559/12, NStZ-RR 2013, 174. 17 Vgl. dazu BGH v. 14.12.1989 – 4 StR 419/89, BGHSt 36, 320, 326; BGH v. 21.5.1992 – 4 StR 577/91, NStZ 1992, 436; BGH v. 27.4.2004 – 1 StR 165/03, NStZ 2004, 568 f.; Weidhaas, ZMGR 2008, 200. 18 BGH v. 14.12.1989 – 4 StR 419/89, BGHSt 36, 320, 321; BGH v. 15.10.1991 – 4 StR 420/91, wistra 1992, 95. 19 BGH v. 27.4.2004 – 1 StR 165/03, NStZ 2004, 568, 569. 20 BGH v. 14.12.1989 – 4 StR 419/89, BGHSt 36, 320, 321; BGH v. 15.10.1991 – 4 StR 420/91, wistra 1992, 95. 21 BGH v. 27.4.2004 – 1 StR 165/03, NStZ 2004, 568, 569. 22 BGH v. 14.12.1989 – 4 StR 419/89, BGHSt 36, 320, 325 ff.; zust. Freitag, S. 125 ff., 127 f.; auch Ulsenheimer, 14/1131. Abl. bzw. krit. Salditt, StV 1990, 151, 152; Hancok, S. 186 ff., 195.

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Rz. 213 § 263 StGB

doch hohe Anforderungen zu stellen.1 Bei Serientaten des Betrugs müssen die Urteilsgründe regelmäßig darlegen, wer die schädigende Verfügung getroffen hat und welche Vorstellungen er dabei hatte (vgl. auch Rz. 95 f.).2 Das gilt auch für die Frage, welche Leistungsträger konkret geschädigt worden sind.3 Bei standardisierten, auf Massenerledigung angelegten Abrechnungsverfahren genügt allerdings ein grundsätzliches sachgedankliches Mitbewußtsein der KK-Mitarbeiter, dass die Abrechnung insgesamt in Ordnung ist, so dass es weder einer Individualisierung des jew. handelnden Mitarbeiters noch der Feststellung seiner individuellen Vorstellungen bedarf.4 Zulässig ist es, einen Mindestschaden notfalls im Wege der Schätzung zu ermitteln.5 Dabei kann dem Betrag, zu dem sich der Täter gegenüber der KV zur Rückzahlung verpflichtet hat, ein gewisser Indizwert für den Mindestschaden zukommen.6 Der Annahme eines (Mindest-)Schadens stehen beanstandungsfreie Wirtschaftlichkeitsprüfungen durch die KV oder entsprechende Auskünfte eines Prüfarztes nicht entgegen, wobei freilich auch von den Fachkollegen beanstandungsfrei praktizierte fehlerhafte Kostenberechnungen und mangelnde Kontrollen der KV die individuelle Schuld des Täters mindern.7 Allgemein kommt beim Vorwurf langjähriger betrügerischer kassenärztlicher Abrechnungspraxis den Feststellungen zu den objektiven Umständen erhebliche Bedeutung für die Frage der Nachweisbarkeit der inneren Tatseite zu.8 Zur Strafzumessung Rz. 273, insbesondere zur bandenmäßigen Begehung des Abrechnungsbetrugs Rz. 280, 291 f. cc) Verstoß gegen die Pflicht zur persönlichen Leistungserbringung Nicht unumstritten ist, wie die Fälle zu beurteilen sind, in denen medizinisch indizierte und lege artis ausge- 213 führte tatsächliche Leistungen abgerechnet werden, die jedoch nicht abrechnungsfähig sind, weil sie unter Verstoß gegen die Pflicht zur persönlichen Leistungserbringung, wie sie in zahlreichen Vorschriften normiert ist (vgl. z.B. § 613 BGB, § 15 Abs. 1 SGB V, § 32 Ärzte-ZV, § 19 MBO-Ä, § 15 BMV-Ä i.V.m. § 82 Abs. 1 SGB V), erbracht worden sind und kein Fall einer zulässigen Vertretung oder Delegation im Einzelfall vorliegt. Der 4. Strafsenat des BGH hat strafbaren Abrechnungsbetrug in voller Höhe des erstatteten Betrags bejaht für einen Radiologen und Nuklearmediziner, der von seinem Praxispersonal aufgrund genereller Weisung erbrachte ärztliche Leistungen (intravenöse Injektionen, Infusionen, Blutentnahmen) abgerechnet hatte, obwohl die Leistungen nur abrechnungsfähig gewesen wären, wenn er im Einzelfall die erforderliche Anweisung erteilt hätte.9 Dieser Schadensbestimmung stehe nicht entgegen, dass tatsächlich lege artis Leistungen sowohl von dem Arzt (Auswertung der Laborbefunde, Diagnosestellung) als auch von dem von ihm beauftragten Hilfspersonal in weitem Umfang erbracht worden sind. Denn maßgeblich sei die für den Bereich des Sozialversicherungsrechts geltende streng formale Betrachtungsweise, nach der eine Leistung insgesamt nicht erstattungsfähig ist, wenn sie in Teilbereichen nicht den gestellten Anforderungen genügt.10 Eine Kompensation in der Form ersparter Aufwendungen durch die erbrachten Leistungen finde nicht statt, zumal ein anderer hypothetischer Sachverhalt zugrunde gelegt wird und offenbleiben muss, ob ein anderer Arzt die gleiche Behandlungsweise gewählt hätte.11 Die erbrachten medizinischen Leistungen und der Umstand, dass in solchen Fällen das ärztliche Handeln nicht als negativer Beitrag zur Kostensteigerung im Gesundheitswesen gewertet werden könne, müssen jedoch, so der BGH, im Rahmen der Strafzumessung in angemessener Weise zugunsten des Täters berücksichtigt werden (Strafzumessungslösung).12 In der Konsequenz dieser Judikatur liegt es, wenn die nicht genehmigte bzw. nicht vom Praxisinhaber überwachte Tätigkeit von Assistenzärzten bzw. AiPs sowie der unzulässige Vertretungseinsatz von Oberärzten als vollendeter Abrechnungsbetrug gewertet wird.13 Ebenfalls folgerichtig ist es, in der Erschleichung einer kassenärztlichen Zulassung durch einen Nichtarzt (ohne Approbation) noch keinen Anstellungsbetrug (dazu Rz. 216 ff.), sondern eine Vorbereitungshandlung zu einem späteren Abrechnungsbetrug zu Lasten der KK zu sehen, sofern der Nichtarzt gegenüber der KV Behandlungen nach der für Kassenärzte geltenden Honorarordnung abrechnet.14 1 BGH v. 14.12.1989 – 4 StR 419/89, BGHSt 36, 320, 326 f. 2 BGH v. 5.12.2002 – 3 StR 161/02, NJW 2003, 1198, 1199 f.; BGH v. 27.4.2004 – 1 StR 165/03, NStZ 2004, 568, 569; BGH v. 4.9.2012 – 1 StR 534/11, NJW 2012, 3665, 3668. 3 BGH v. 27.4.2004 – 1 StR 165/03, NStZ 2004, 568, 569. 4 BGH v. 12.2.2015 – 2 StR 109/14, NStZ 2015, 341, 342. 5 BGH v. 14.12.1989 – 4 StR 419/89, BGHSt 36, 320, 328; BGH v. 15.10.1991 – 4 StR 420/91, wistra 1992, 95, 98; BGH v. 1.9.1993 – 2 StR 258/93, wistra 1994, 22, 23. 6 BGH v. 1.9.1993 – 2 StR 258/93, wistra 1994, 22, 23. 7 BGH v. 15.10.1991 – 4 StR 420/91, wistra 1992, 95, 97 f. 8 BGH v. 24.8.1994 – 3 StR 204/94, NStZ 1994, 585, 586. 9 BGH v. 28.9.1994 – 4 StR 280/94, NStZ 1995, 85 m. zust. Anm. Hellmann, NStZ 1995, 232; auch Gaidzik, wistra 1998, 329; Volk, NJW 2000, 3385. 10 BGH v. 28.9.1994 – 4 StR 280/94, NStZ 1995, 85, 86 unter Bezug u.a. auf BSG v. 6.5.1975 – 6 RKa 22/74, BSGE 39, 288, 290 für Leistungen ärztlichen Hilfspersonals; verfassungsrechtlich nicht beanstandet von BVerfG v. 8.9.1997 – 2 BvR 2414/94, NJW 1998, 810. Für die Privatliquidation ebenso BGH v. 25.1.2012 – 1 StR 45/11, NJW 2012, 1377, 1383 Rz. 79 ff. m. zu Recht abl. Anm. Tiedemann, JZ 2012, 525; Jäger, ZWH 2012, 186; Saliger/Tsambikakis, MedR 2013, 284. 11 BGH v. 28.9.1994 – 4 StR 280/94, NStZ 1995, 85, 86; BGH v. 5.12.2002 – 3 StR 161/02, NJW 2003, 1198, 1200; BGH v. 25.1.2012 – 1 StR 45/11, NJW 2012, 1377, 1384 Rz. 87. 12 BGH v. 28.9.1994 – 4 StR 280/94, NStZ 1995, 85, 86. 13 Vgl. LG Bochum v. 11.9.1995 – 10 Kls 35 Js 169/93, zit. bei Gaidzik, wistra 1998, 329 f. 14 BGH v. 6.7.1993 – 1 StR 280/93, NStZ 1994, 236, 237 f. m. Anm. Zimmerling (nur zu § 132a).

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Betrug

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§ 263 StGB Rz. 214 214

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Diese Rspr. ist überwiegend auf Zustimmung1 und nur teilweise auf gänzliche Ablehnung gestoßen.2 Richtigerweise ist entgegen dem BGH mit einer im Vordringen begriffenen Auffassung zu differenzieren:3 Der h.M. ist zuzugeben, dass die Pflicht zur persönlichen Leistungserbringung auch leistungsbezogene Vergütungs- und damit Marktrelevanz insofern hat, als sie die fach- und qualitätsgerechte medizinische Behandlung des Patienten sicherstellen soll. Deshalb vollendeter Abrechnungsbetrug, wenn sich durch Folgeschäden oder die Folgeuntersuchung eines Kollegen herausstellt, dass die nicht persönlich erbrachte Leistung nicht medizinisch indiziert oder nicht lege artis durchgeführt worden ist und deshalb etwa zur Absicherung eines Befundes nachgeholt werden muss. Steht jedoch im Abrechnungszeitpunkt, also im Zeitpunkt der Einreichung der Abrechnungsunterlagen, fest, dass die abzurechnende, nicht persönlich erbrachte Leistung (z.B. eine Blutabnahme oder Infusion) medizinisch indiziert und lege artis ausgeführt worden ist, führt diese medizinische Leistung zum Erlöschen des Anspruchs des Patienten gegenüber seiner KK als der zentralen Leistungsbeziehung. Damit scheidet wegen Kompensation (Befreiung der KK von einer Verbindlichkeit) ein Vermögensschaden und folglich ein strafbarer Abrechnungsbetrug aus (Tatbestandslösung). Es kommt also sehr wohl darauf an, ob sich die Maßnahme nachträglich als richtig erweist,4 bzw. darauf, ob sich die durch die nicht persönliche Leistungserbringung begründete abstrakte Gefahr einer minderwertigen Leistung auch im Einzelfall konkretisiert.5 Ebenfalls mangels Vermögensschadens (zur fehlenden konkludenten Täuschung vgl. Rz. 51)6 keinen strafbaren Abrechnungsbetrug begründet die praxisrelevante Konstellation,7 dass Ärzte gegenüber Privatpatienten in Auftrag gegebene und persönlich validierte Laboruntersuchungen als eigene Leistung abrechnen. Soweit die Strafjustiz hierin einen Verstoß gegen § 4 Abs. 2 S. 1 GOÄ sieht und daraus unter Berufung auf die streng sozialrechtliche Betrachtungsweise einen Vermögensschaden herleitet, übersieht sie, dass § 4 Abs. 2 S. 1 GOÄ in erster Linie den gebührenpolitischen Zweck verfolgt, die Beziehbarkeit von Speziallaborleistungen als sog. Selbstzuweisung einzuschränken und den behandelnden Ärzten das finanzielle Interesse an einer Mengenausweitung der Laborleistungen zu nehmen.8 Insbesondere im Hinblick auf die vom BVerfG angemahnte wirtschaftliche Betrachtungsweise (Rz. 149 ff.) liegt die Kriminalisierung der Verfehlung gebührenpolitischer Zwecke jedoch nicht im Schutzbereich des Betrugs als reinem Vermögensdelikt (Rz. 1). Letzterer kann nur die Verfehlung primär individual-wirtschaftlich basierter Abrechnungsvoraussetzungen strafrechtlich sanktionieren. Es kommt also auf den Zweck der verfehlten Abrechnungsvoraussetzung an (näher Rz. 215). Deshalb kompensiert auch in dieser Fallgruppe die indizierte und lege artis ausgeführte Laboruntersuchung die Honorarzahlung des Privatpatienten. Das gilt umso mehr, als der Arzt mit der persönlichen Validierung der Laborbefunde den zentralen wirtschaftlichen Teil der Speziallaborleistung in eigener Person erbringt.9 dd) Verstöße gegen Statusfragen: Scheingemeinschaftspraxis und Strohärzte

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Sehr strittig ist, ob einen strafbaren Abrechnungsbetrug begeht, wer medizinisch indizierte und lege artis ausgeführte Leistungen abrechnet, die nur deshalb nach einschlägigen Vorschriften der ärztlichen Vergütungssysteme und Gebührenordnungen nicht abgerechnet werden dürfen, weil sie berufsordnungs- und standespolitischen Zwecken zuwiderlaufen. So soll nach dem OLG Koblenz derjenige Arzt einen Betrug zum Nachteil der KV (!) begehen, der die Kassenzulassung von Ärzten, die er im Angestelltenverhältnis beschäftigt, durch Vorlage von „Scheinverträgen“ über ihre Aufnahme als Freiberufler in eine Gemeinschaftspraxis erschleicht und die von ihnen erbrachten Leistungen als solche der Gemeinschaftspraxis abrechnet (Scheingemeinschaftspraxis, Arzt im verdeckten Angestelltenverhältnis).10 Das OLG Koblenz stützt diese Auslegung ebenfalls auf die streng formale Betrachtungsweise des Sozialversicherungsrechts, wonach einen betrugstauglichen Vermögensschaden bereits eine in Teilbereichen nicht erstattungsfähige ärztliche Leistung begründet, und folgt der Strafzumessungslösung des 4. Strafsenats des BGH.11 Strafbaren Abrechnungsbetrug bejaht hat im Ergebnis auch der 3. Strafsenat des BGH für einen Fall, wo eine Vertragsarzt-Zulassung des abrechnenden Arztes, der eine reine Privatpraxis be-

1 Schuhr in Spickhoff, Medizinrecht, § 263 StGB Rz. 44; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 256; Hellmann, NStZ 1995, 233; Volk, NJW 2000, 3387; Stein, MedR 2001, 126 f.; Beckemper/Wegner, NStZ 2003, 316; Hellmann/Herffs, S. 75; Hancok, S. 206 f. und 208; Luig, S. 203; Freitag, S. 139 f. 2 Gaidzik, wistra 1998, 334; vgl. ferner Gercke/Leimenstoll, MedR 2010, 695, 698 ff.; krit. und diff. auch Ellbogen/Wichmann, MedR 2007, 11, 13 ff. 3 Wie hier: Saliger in M/R-StGB, § 263 Rz. 250; Ellbogen/Wichmann, MedR 2007, 11, 13 ff., 14 f.; Saliger/Tsambikakis, MedR 2013, 284; in die gleiche Richtung Schneider in Wienke, S. 69; vgl. auch Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 112b. 4 A.A. Stein, MedR 2001, 127. 5 A.A. Luig, S. 203. 6 Dazu näher Gercke/Leimenstoll, MedR 2010, 698; Saliger, FS Imme Roxin, 2012, S. 314 ff. 7 Vgl. Bayerischer Landtag Drucks. 16/8832; Taupitz/Neikes, MedR 2008, 121; Gercke/Leimenstoll, MedR 2010, 695, jew. m.w.N. 8 BR-Drucks. 211/94, S. 88, 91, 94; BÄK, DÄ 2000, A-2058 f.; Taupitz/Neikes, MedR 2008, 130; Franck in Hermanns/Filler/Roscher, GOÄ, 5. Aufl. 2011, S. 39. 9 Näher Saliger, FS Imme Roxin, 2012, S. 319 ff.; i.E. ebenso Gercke/Leimenstoll, MedR 2010, 698 f. A.A. Schuhr in Spickhoff, Medizinrecht, § 263 StGB Rz. 44; Badle/Raschke, medstra 2016, 264. 10 OLG Koblenz v. 2.3.2000 – 2 Ws 92/00, 2 Ws 93/00, 2 Ws 94/00, MedR 2001, 144 m. abl. Bespr. Stein, MedR 2001, 124; ebenso LG Würzburg 15.12.1998 – 6 KLs 155 Js 704/97, zit. bei Luig, S. 24; dazu abl. auch Herffs, wistra 2004, 281 ff. 11 OLG Koblenz v. 2.3.2000 – 2 Ws 92/00, 2 Ws 93/00, 2 Ws 94/00, MedR 2001, 144, 145.

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Rz. 216 § 263 StGB

trieb, völlig fehlte und die Abrechnung durch Zwischenschaltung eines zugelassenen Kassenarztes als Strohmann erfolgte.1 Bemerkenswert ist, dass der 3. Strafsenat die Bejahung eines Vermögensschadens für die Fälle der Scheinselbständigen bezweifelt, weil der Irrtum der Verantwortlichen der KV hier allein eine Statusfrage und nicht die Abrechnungsvoraussetzungen betreffe. Anders als die dortigen Ärzte, die immerhin wirksam zugelassen gewesen seien und nach Genehmigung auch als Angestellte eines Kassenarztes hätten tätig werden dürfen, liege beim Strohmann ein klarer Abrechnungsbetrug vor, weil der abrechnende Arzt nicht zum Kreis der Anspruchsberechtigten gehöre.2 Diese Rspr. wird zu Recht ganz überwiegend abgelehnt (str.).3 Der grundsätzlich zulässige Rekurs auf staatliche Vergütungssysteme im ärztlichen Leistungsbereich als Marktersatz findet seine Grenze in der Gefahr der Rechtsgutsvertauschung, die real wird, wenn an Vorschriften angeknüpft werden muss, die allein berufsordnungs- und standespolitischen Zwecken dienen (eingeschränkte Sozialversicherungsakzessorietät; dazu bereits Rz. 162). Das ist der Fall bei den Abrechnungsvoraussetzungen der Kassenzulassung eines approbierten Arztes oder dem Verbot verdeckter Angestelltenverhältnisse, die das ordnungspolitische Ziel verfolgen, die ambulante ärztliche Versorgung grundsätzlich „in freier Praxis“ zu gewährleisten.4 Diese Abrechnungsvoraussetzungen konkretisieren nicht die wirtschaftliche Werthaltigkeit der ärztlichen Leistung nach Art, Inhalt und Qualität, setzen also nicht ihre an der Patientengesundheit orientierte medizinische Indikation und lege artisDurchführung um, sondern betreffen eine Statusfrage. Deshalb kann ihre Sanktionierung nicht im Wege des auf rein materiellen Vermögensschutz beschränkten Betrugstatbestands (Rz. 1) erfolgen.5 Folglich ist in den Fällen der Scheingemeinschaftspraxis und des Stroharztes wirtschaftlich ebenfalls auf die medizinisch indizierte und lege artis erbrachte ärztliche Leistung abzustellen, die zur Erfüllung des Anspruchs des Patienten gegenüber seiner KK führt mit der Konsequenz, dass wegen Kompensation (Befreiung von einer Verbindlichkeit) ein Vermögensschaden ausscheidet.6 Zur Sicherung der ordnungspolitischen Ziele genügen disziplinar- und berufsrechtliche Sanktionen.7 Demgegenüber gehört die Rspr. mit ihrer strikten Formalisierung des Schadens und dem Verbot der Kompensation durch eine indizierte und lege artis ausgeführte medizinische Leistung auf den verfassungsrechtlichen Prüfstand, weil sie gegen das Verschleifungsverbot von Täuschung und Schaden verstößt und damit den Vermögensdeliktscharakter des Betrugs untergräbt (vgl. Rz. 149 ff., 155 f.).8 b) Anstellungsbetrug aa) Grundsätze Der Anstellungsbetrug ist nach h.M. ein Unterfall des Eingehungsbetrugs (dazu Rz. 200 ff.).9 Er kommt in 216 Betracht, wenn AN ihren AG bei der Anstellung oder Beförderung10 über rechtserhebliche Einstellungsvoraussetzungen (insoweit besteht Arbeits- und Beamtenrechtsakzessorietät)11 täuschen und ihm dadurch einen Vermögensschaden zufügen (Anstellungsbetrug im Unterschied zum Arbeitsbetrug, Rz. 140). Der Vermögensschaden ergibt sich durch einen Vergleich des Vermögensstandes des AG vor und nach dem Vertragsschluss als Vermögensverfügung. Zu vergleichen sind die beiderseitigen Vertragsverpflichtungen. Das Vermögen des AG ist geschädigt, wenn der Wert des vertraglichen Anspruchs auf die Leistung des Täuschenden (die Arbeitsleistung bzw. Amtsführung) hinter dem Wert der Verpflichtung des AG zur Gegenleistung (im Kern die versprochene Ver-

1 BGH v. 5.12.2002 – 3 StR 161/02, NJW 2003, 1198, 1200 m. Bespr. Beckemper/Wegner, NStZ 2003, 315; Krüger, wistra 2003, 297 und teils abl. Bespr. Idler, JuS 2004, 1037. Zust. Luig, S. 205 ff. 2 BGH v. 5.12.2002 – 3 StR 161/02, NJW 2003, 1198, 1200; vgl. auch BGH v. 25.1.2012 – 1 StR 45/11, NJW 2012, 1377, 1383 f. Rz. 85. 3 Wie hier i.E.: LG Lübeck, GesR 2006, 177 m. Bespr. Wessing/Dann, GesR 2006, 150; Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 582 f.; Perron in S/S-StGB, Rz. 112b; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 257; Saliger in M/R-StGB, § 263 Rz. 251; Volk, NJW 2000, 3387 ff.; Stein, MedR 2001, 131; Herffs, wistra 2004, 288; Idler, JuS 2004, 1041; Ellbogen/Wichmann, MedR 2007, 11, 15; Walter, FS Herzberg, 2008, S. 771 f.; Schneider in Wienke, S. 64 ff.; Krüger/Burgert, ZWH 2012, 213; Ulsenheimer, 14/1127 ff.; Hancok, S. 223 f.; Hellmann/Herffs, S. 90; Tsambikakis in Prütting,/FAK MedR, § 263 StGB Rz. 52; auch Lackner/Kühl, StGB, § 263 Rz. 56. Nur beim Arzt im verdeckten Angestelltenverhältnis abl. Luig, S. 204 f. Dem BGH zust. Fischer, StGB, § 263 Rz. 155. 4 Stein, MedR 2001, 127; vgl. auch Idler, JuS 2004, 1041. 5 Saliger, FS Imme Roxin, 2012, S. 321 ff., 324; in die gleiche Richtung Volk, NJW 2000, 3387 f.; Schneider in Wienke, S. 68 f.; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 257; Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 582. 6 Idler, JuS 2004, 1041; Herffs, wistra 2004, 287; Ellbogen/Wichmann, MedR 2007, 11, 15. 7 Stein, MedR 2001, 131; vgl. auch Gaidzik, wistra 1998, 334. 8 Näher Saliger, FS Imme Roxin, 2012, S. 312 ff. und 321 ff.; überholt wäre damit BVerfG v. 8.9.1997 – 2 BvR 2414/94, NJW 1998, 810. 9 Zum Folgenden Saliger in M/R-StGB, § 263 Rz. 252 ff.; vgl. ferner BVerfG v. 20.5.1998 – 2 BvR 1385/95, NStZ 1998, 506; RG v. 2.12.1929 – II 1265/29, RGSt 64, 33, 37 f.; BGH v. 18.2.1999 – 5 StR 193/98, BGHSt 45, 1, 4; Perron in S/SStGB, § 263 Rz. 153; Lackner/Kühl, StGB, § 263 Rz. 52; Fischer, StGB, § 263 Rz. 152; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 261; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 223; Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 567; Ransiek in Fischer u.a. (Hrsg.), Dogmatik, 2015, S. 285 ff.; Gercke, ebenda, S. 299 ff. 10 Vgl. BGH v. 29.10.1957 – 5 StR 279/57, bei Dallinger, MDR 1958, 564; BGH v. 21.7.1961 – 4 StR 93/61, NJW 1961, 2027. 11 Dazu Budde, Anstellungsbetrug, S. 196 ff., 206 ff., 238 f.

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gütung) zurückbleibt.1 Da beim Anstellungsbetrug auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses abzustellen ist, ergibt sich der Vermögensschaden aus einer schadensbegründenden Vermögensgefahr, sofern sie konkret ist (Rz. 187).2 Die dem täuschungsbedingten Vertragsabschluss nachfolgende Erfüllung des Vertrages durch den AG stellt, auch soweit die ursprüngliche Täuschung fortwirkt, nur noch die Vertiefung des mit Vertragsschluss eingetretenen vollendeten Eingehungsschadens dar (zur str. Beendigung und Verjährung Rz. 261).3 Soweit der Vermögensschaden danach auf Basis einer ex-ante Betrachtung des Vertragsschlusses ermittelt werden muss, steht der Umstand, dass der Täuschende bei einer Amtserschleichung später fachlich nicht zu beanstandende Leistungen erbringt, einerseits der Annahme eines Vermögensschadens nicht entgegen.4 Andererseits kann bei dem Wertvergleich bei längerer Dauer des Dienstverhältnisses die spätere tatsächliche (untadelige) Leistung des Verpflichteten als Indiz für die bei Vertragsschluss bestehende Gefährdung herangezogen werden,5 während bei nur kürzerer Beschäftigungsdauer zu berücksichtigen ist, dass infolge der zeitlichen Beschränkung das allgemeine Leistungsvermögen des Verpflichteten möglicherweise nicht voll in Erscheinung treten konnte.6 bb) Erschlichenes privatrechtliches Anstellungsverhältnis 217

Bei der Feststellung des Eingehungsschadens unterscheidet die (noch) h.M., insbesondere die Rspr., grundsätzlich zwischen der Erschleichung eines privaten Arbeitsverhältnisses (auch eines Arbeiter- oder Angestelltenverhältnisses im öffentlichen Dienst) und der Erschleichung einer Beamtenstellung (zwh.).7 So stellt die Judikatur für privatrechtliche Arbeits- und Dienstverhältnisse letztlich entscheidend auf die tatsächlich erbrachte Leistung ab.8 Anerkannt ist, dass der AG bei fehlender fachlicher Eignung einen Vermögensschaden erleidet, wenn dem Bewerber die erforderliche Vorbildung fehlt und er deshalb überhaupt nicht in der Lage ist, die Arbeiten auszuführen, zu deren Verrichtung er sich im Anstellungsvertrag verpflichtet hatte und für die er bezahlt wurde.9 Erbringt der Arbeiter oder Angestellte aber fachlich einwandfreie Leistungen – wobei Maßstab bei kurzer Beschäftigungsdauer nicht die angefallenen Arbeiten, sondern die allgemeinen Leistungsanforderungen auf der Stelle sind10 –, kommt ein Schaden nur ausnahmsweise in Betracht.11 Insbesondere ist derjenige, der den an die erstrebte Vergütungsgruppe zu stellenden Anforderungen genügt, auch dann eine vollwertige Arbeitskraft, wenn seine Ausbildung hinter dem für diese Vergütungsgruppe an sich geforderten Stand zurückbleibt.12 Ausnahmsweise kann – in Anknüpfung an die für Beamte aufgestellten Grundsätze (Rz. 218) – ein Vermögensschaden bei Täuschungen über den beruflichen Werdegang, Art und Dauer der Tätigkeiten oder sein sonstiges Vorleben (z.B. Vorstrafen) auch bei privatrechtlichen Arbeitsverhältnissen anzunehmen sein, wenn 1. die dem Dienstverpflichteten gestellten Aufgaben besondere Vertrauenswürdigkeit und Zuverlässigkeit erfordern und die Bezahlung gerade mit Rücksicht auf diese Eigenschaften besonders hoch festgesetzt ist, oder 2. Anstellung und Höhe der Bezüge – ähnlich wie beim Beamten – eine abgeschlossene Ausbildung voraussetzen oder von Art und Dauer früherer Beschäftigungen abhängen.13 Die Rspr. hat diese Voraussetzungen z.B. bejaht für einen Betriebsingenieur als Stellvertreter des

1 BVerfG v. 20.5.1998 – 2 BvR 1385/95, NStZ 1998, 506; BGH 4.5.1962 – 4 StR 71/62, BGHSt 17, 254, 256; BGH v. 18.2.1999 – 5 StR 193/98, BGHSt 45, 1, 4; BGH v. 21.7.1961 – 4 StR 93/61, NJW 1961, 2027, 2028; Lackner/Kühl, StGB, § 263 Rz. 52; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 223; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 261; Wessels/Hillenkamp, BT/2, Rz. 580. Dazu, dass anderes gelten kann, wenn der AN nach Einstellung erneut selbständig täuscht, s. BGH v. 29.10.1957 – 5 StR 297/57, bei Dallinger, MDR 1958, 564 f. 2 BVerfG v. 20.5.1998 – 2 BvR 1385/95, NStZ 1998, 506; BGH v. 18.2.1999 – 5 StR 193/98, BGHSt 45, 1, 4 f.; Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 568. 3 BVerfG v. 20.5.1998 – 2 BvR 1385/95, NStZ 1998, 506; RG v. 2.12.1929 – II 1265/29, RGSt 64, 33, 38 f.; BGH v. 29.10.1957 – 5 StR 297/57, bei Dallinger, MDR 1958, 564. 4 BGH v. 16.3.1954 – 5 StR 552/53, BGHSt 5, 358, 362; BGH v. 18.2.1999 – 5 StR 193/98, BGHSt 45, 1, 12. 5 BGH v. 14.5.1962 – 5 StR 51/62, BGHSt 17, 254, 256; BGH v. 18.2.1999 – 5 StR 193/98, BGHSt 45, 1, 5; Perron in S/SStGB, § 263 Rz. 153; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 261. 6 BGH v. 14.5.1962 – 5 StR 51/62, BGHSt 17, 254, 256. 7 BVerfG v. 20.5.1998 – 2 BvR 1385/95, NStZ 1998, 506; BGH v. 21.7.1961 – 4 StR 93/61, NJW 1961, 2027, 2028; BGH v. 14.5.1962 – 5 StR 51/62, BGHSt 17, 254, 256; OLG Celle v. 28.1.1960 – 1 Ss 350/59, MDR 1960, 696, 697; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 223; Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 323 ff.; Fischer, StGB, § 263 Rz. 153 f.; Wessel, Anstellungserschleichung, S. 170. Krit. Geppert, FS Hirsch, 1999, S. 539 ff.; Saliger, ZStW 112 (2000), 606 f.; Duttge, JR 2002, 273 ff. 8 BGH v. 21.7.1961 – 4 StR 93/61, NJW 1961, 2027, 2028; BGH v. 4.5.1962 – 4 StR 71/62, BGHSt 17, 254, 257; OLG Celle v. 28.1.1960 – 1 Ss 350/59, MDR 1960, 696, 697; AG Tiergarten v. 29.11.1993 – 272 Ds 833/93, NStZ 1994, 243; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 225 (Angestellte), 227 (Arbeiter); Hoyer in SK-StGB, § 263 Rz. 257; Kindhäuser in NKStGB, § 263 Rz. 326. 9 BGH v. 5.1.1951 – 2 StR 29/50, BGHSt 1, 13, 14; Fischer, StGB, § 263 Rz. 152; Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 568; Wessel, S. 144; Budde, S. 237. 10 BGH v. 4.5.1962 – 4 StR 71/62, BGHSt 17, 254, 257 f.; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 262. 11 AG Tiergarten v. 29.11.1993 – 272 Ds 833/93, NStZ 1994, 243; Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 154; Fischer, StGB, § 263 Rz. 154; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 263. 12 BGH v. 4.5.1962 – 4 StR 71/62, BGHSt 17, 254, 257. 13 RG v. 13.7.1939 – 3 D 472/39, RGSt 73, 268, 269; 75, 8; BGH v. 21.7.1961 – 4 StR 93/61, NJW 1961, 2027, 2028; BGH v. 4.5.1962 – 4 StR 71/62, BGHSt 17, 254, 256 f.; Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 154; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 263 f.; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 226; Wessels, S. 144; Budde, S. 237.

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Betriebsleiters1 und verneint für einen Bauingenieur.2 Jedoch begründet weder die bloße Schädigung des Ansehens des Arbeitsgebers bei Bekanntwerden der Einstellung eines vorbestraften Angestellten einen betrugstauglichen Vermögensschaden3 noch liegt ein Vermögensschaden schon deshalb vor, weil der AG bei Kenntnis der wahren Verhältnisse den Täter nicht eingestellt hätte (vgl. auch Rz. 1).4 Zur Erschleichung der Zulassung als Kassenarzt, die kein Anstellungsbetrug ist, Rz. 213. cc) Amtserschleichung Deutlich strenger behandelt die Rspr. die Amtserschleichung.5 Unstreitig ist zunächst, dass bei fehlender fachli- 218 cher Eignung des Bewerbers ein Vermögensschaden des Dienstherrn grundsätzlich begründet sein kann. Denn soweit dem Bewerber oder Beamten die laufbahnrechtlich zwingend erforderlichen fachlichen Qualifikationen (z.B. Laufbahnvoraussetzungen, Ausbildung oder akademische Grade) für die Anstellung oder Beförderung fehlen, mangelt es regelmäßig an der wirtschaftlichen Gleichwertigkeit von Leistung und Gegenleistung im Einstellungs- bzw. Beförderungszeitpunkt.6 Die fachlichen Kriterien spiegeln gleichsam den durch die Besoldungsordnung festgesetzten objektiven Marktpreis, zu dem der Bewerber als „Humankapital“ eingekauft wird.7 Darauf, dass der Beamte fachlich nicht zu beanstandende Leistungen erbringt, kommt es dann nicht an (vgl. Rz. 217; str.).8 Gleiches gilt bei Täuschungen über ein höheres Besoldungsdienstalter oder einen anderen Familienstand, weil der Beamte dadurch unberechtigt höhere Bezüge erhält.9 Grundsätzlich ähnlich wollen die neuere Rspr. und ein Teil des Schrifttums auch die Fälle fehlender persönlicher Eignung (Vorstrafen, gröbliche Dienstverfehlungen, Unwahrhaftigkeiten hinsichtlich des Vorlebens, Zweifel an Verfassungstreue etc.) beurteilen. Selbst wenn die neuere Judikatur sich dabei von älterer, teilweise stark moralisierender Judikatur abwendet10 und insbesondere die ältere Rspr., der zufolge Vorstrafen allein wegen der mit ihnen (vermeintlich) einhergehenden Dauergefahr eine konkrete Vermögensgefahr begründen sollen,11 mangels Unmittelbarkeit der Vermögensverfügung (vgl. Rz. 112 ff.) nicht (mehr) haltbar ist,12 bejaht der 5. Strafsenat des BGH einen Vermögensschaden des Dienstherrn im Einstellungszeitpunkt stets, wenn der Beamte über Umstände täuscht, die seiner Einstellung aufgrund einer Ermessensreduzierung auf Null entgegenstehen. Zu diesen Umständen gehöre die nach Gesetz oder Verwaltungsvorschriften notwendige persönliche Eignung des Beamten, die auch seine persönliche Zuverlässigkeit im Hinblick auf die versprochene Amtsführung umfasst. Insoweit sei eine schadensgleiche Vermögensgefährdung stets gegeben, wenn es naheliegt, dass das Fehlen persönlicher Zuverlässigkeit sich nach außen nachteilig auf die Amtsführung auswirkt und deswegen ein Einstellungshindernis begründet. Gerade bei Polizeibeamten bilde die persönliche Zuverlässigkeit einen maßgeblichen objektiven Faktor für die Bemessung des wirtschaftlichen Wertes der versprochenen Amtsführung.13 Auch die Tätigkeit als inoffizieller Stasi-Mitarbeiter soll – verfassungsrechtlich bestätigt14 – ein solches, für einen Vermögensschaden hinreichendes beamtenrechtliches Einstellungshindernis begründen, namentlich dann, wenn zwischen der Beendigung der Stasi-Verstrickung und dem Einstellungszeitpunkt keine allzu große Zeitspanne verstrichen ist.15

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OLG Celle v. 28.1.1960 – 1 Ss 350/59, MDR 1960, 696 f. BGH v. 21.7.1961 – 4 StR 93/61, NJW 1961, 2027 f. BGH v. 4.5.1962 – 4 StR 71/62, BGHSt 17, 254, 258 f. für Stadtverwaltungen. AG Tiergarten v. 29.11.1993 – 272 Ds 833/93, NStZ 1994, 243; Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 154. Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 224. BGH v. 18.2.1999 – 5 StR 193/98, BGHSt 45, 1, 5 f.; auch RG v. 2.12.1929 – II 1265/29, RGSt 64, 33, 38 f.; BGH v. 16.3.1954 – 5 StR 552/53, BGHSt 5, 358, 362; Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 156; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 224; Lackner in LK-StGB Rz. 239; Saliger, ZStW 112 (2000), 606; Wessel, S. 171. BGH v. 16.3.1954 – 5 StR 552/53, BGHSt 5, 358, 361; Saliger, ZStW 112 (2000), 605 f. Wie hier: BGH v. 16.3.1954 – 5 StR 552/53, BGHSt 5, 358, 361 f.; BGH v. 18.2.1999 – 5 StR 193/98, BGHSt 45, 1, 12; Saliger, ZStW 112 (2000), 606; Rengier, BT/1, § 13 Rz. 225; A.A. Otto, JZ 1999, 738 f.; Geppert, FS Hirsch, 1999, S. 539 ff. BGH v. 16.3.1954 – 5 StR 552/53, BGHSt 5, 358, 361 f.; BGH v. 18.2.1999 – 5 StR 193/98, BGHSt 45, 1, 6; Perron in S/SStGB, § 263 Rz. 156; Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 569. Vgl. BGH v. 18.2.1999 – 5 StR 193/98, BGHSt 45, 1, 6 ff., 11; zur älteren Rspr. auch BGH v. 31.8.1955 – 2 StR 110/55, GA 1956, 121. BGH v. 13.8.1953 – 4 StR 320/53, zit. in BGHSt 45, 1, 7; BGH v. 4.5.1962 – 4 StR 71/62, BGHSt 17, 254, 259; BGH v. 9.5.1978 – StR 104/78, NJW 1978, 2042, 2043 m. abl. Bespr. Miehe, JuS 1980, 261. Lackner/Kühl, StGB, § 263 Rz. 52; Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 154; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 227; Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 572 f.; Saliger, ZStW 112 (2000), 604; Geppert, FS Hirsch, 1999, S. 535 f.; Rengier, BT/1, § 13 Rz. 225. BGH v. 18.2.1999 – 5 StR 193/98, BGHSt 45, 1, 11 f. BVerfG v. 20.5.1998 – 2 BvR 1385/95, NStZ 1998, 506. BGH v. 18.2.1999 – 5 StR 193/98, BGHSt 45, 1, 13 ff. m. Anm. Geppert, NStZ 1999, 305; Otto, JZ 1999, 738; Jahn, JA 1999, 628; Seelmann, JR 2000, 164 und Bespr. Jerouschek/Koch, GA 2001, 273. Auch Gading, NJ 1996, 297; Dammann/ Kutscha, NJ 1999, 285; Saliger, ZStW 112 (2000), 600 ff. für die Untreue; OLG Dresden v. 28.4.1999 – 2 Ss 714/98, NStZ 2000, 259 f.; Protzen, Anstellungsbetrug, S. 252 ff.

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Diese Rspr. ist als Moralisierung bzw. Fiktionalisierung des Schadens abzulehnen (vgl. bereits Rz. 156; str.).1 Bei einem Vermögensdelikt kann Kriterium für die Schadenstauglichkeit einer Einstellungsvoraussetzung entgegen der Rspr. nicht die Existenz eines zwingenden rechtlichen Einstellungshindernisses, sondern nur die Kommerzialisierung bzw. Kommerzialisierbarkeit der Einstellungsvoraussetzung sein.2 Danach begründet eine Täuschung über die persönliche Zuverlässigkeit mangels Kommerzialisierbarkeit grundsätzlich keinen Vermögensschaden. Soweit etwa ein Beamter die laufbahnrechtlichen Voraussetzungen erfüllt, fachlich nicht zu beanstandende Leistungen erbringt und allein eine frühere Vorstrafe bei der Einstellung verschwiegen hat, ist es wirtschaftlich gesehen nicht plausibel zu sagen, dass „der Preis von Diensten, die diese Personen in diesen Ämtern leisten möchten, gleich Null“ ist.3 Das gilt in besonderem Maße für die Kriminalisierung der Nichtoffenbarung einer Stasi-Tätigkeit als Anstellungsbetrug. Mit der Gleichung „Täuschung über zwingendes Einstellungshindernis gleich Vermögensschaden“4 werden die Zwecksetzungen des Beamtenrechts umstandslos via Beamtenbesoldung als Marktersatz5 in Schutzzwecke der strafrechtlichen Vermögensdelikte transformiert. Es geht also um den Schutz überindividueller, vermögensneutraler Aspekte wie das Ansehen des Staates, die Verfassungstreue und Lauterkeit der staatlichen Amtsführung oder die Idee eines untadeligen Berufsbeamtentums, die zweifellos alle auch politisch-moralische Konnotationen haben.6 Der Schutz dieser legitimen öffentlichen Interessen gehört jedoch ins Beamten- und Arbeitsrecht, nicht ins Vermögensstrafrecht. Eine Ausnahme wird man nur dort für die privatrechtliche Anstellung wie die Beamtenernennung machen dürfen, wo eine besondere Vertrauenswürdigkeit des Bewerbers Einstellungsvoraussetzung mit unmittelbarer und isolierbarer Vergütungsrelevanz ist, wie bei der Einstellung eines wegen Unterschlagung vorbestraften Bankkassierers.7 Das aber bedarf besonderer Feststellungen. Abgesehen von dieser Ausnahme bedeutet die umstandslose Kriminalisierung von Täuschungen über die persönliche Eignung nicht nur eine Radikalisierung der Lehre vom persönlichen Schadenseinschlag8 und damit einen unzulässigen selbständigen Dispositionsschutz (vgl. Rz. 155),9 sondern mangels Bezifferbarkeit der Schadenshöhe bei der fachlich nicht zu beanstandenden Dienstleistung eines persönlich unzuverlässigen Beamten auch eine unzulässige Schadensfiktionalisierung (vgl. Rz. 156),10 die im Lichte der Entscheidungen des BVerfG zum Bestimmtheitsgrundsatz (dazu Rz. 149 ff.) der erneuten verfassungsrechtlichen Überprüfung bedarf.11 c) Parteienbetrug

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Die Spendenskandale der SPD in Köln und Wuppertal sowie der Fall Möllemann bei der FDP in NRW haben neben der im Vordergrund stehenden Parteienuntreue (dazu § 266 StGB Rz. 125 f.) auch die Frage nach einer Betrugsstrafbarkeit durch die Falschdeklarierung von Parteispenden aufgeworfen.12 Nach den durch den 3. Strafsenat des BGH im Wuppertaler Fall im Wesentlichen zutreffend aufgestellten Rechtsgrundsätzen13 gilt Folgendes: Vollendeter Betrug gegenüber dem Bundestagspräsidenten als mittelverwaltende Stelle (§ 21 Abs. 2 PartG) kommt in Betracht durch die täuschungsbedingte Überhöhung festsetzungsrelevanter Einnahmeausweise in eingereichten Rechenschaftsberichten (Parteienbetrug). Das ist etwa der Fall, wenn verbotene Parteispenden „reingewaschen“ oder gänzlich fiktive Parteispenden oder Mitgliedsbeiträge aufgeführt werden. Diese Falschangaben sind doppelt festsetzungsrelevant für die staatliche Parteienfinanzierung: einerseits für die Höhe des Zuwendungsanteils, wonach die Partei 0,45 Euro für jeden Zuwendungseuro (eingezahlter Mitglieds- oder Mandatsträgerbeitrag oder rechtmäßig erlangte Spende) bis zu 3300 EUR einer natürlichen Person erhält (§ 18 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 PartG); andererseits für die relative Obergrenze, wonach die Höhe der staatlichen Finanzierung einer Partei die Summe ihrer selbst erwirtschafteten Einnahmen nicht überschreiten darf (§ 18 Abs. 5 S. 1 PartG). Jenseits der privilegierten Zuwendungen ist ein Parteienbetrug auch möglich durch die Manipulation

1 Zum Folgenden Saliger, ZStW 112 (2000), 605 ff. Wie hier: Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 576; Satzger in S/S/WStGB, § 263 Rz. 266; Geppert, FS Hirsch, 1999, S. 539 ff.; Dammann/Kutscha, NJ 1999, 284 f.; Jerouschek/Koch, GA 2001, 280 ff.; Duttge, JR 2002, 275; Wessels/Hillenkamp, BT/2, Rz. 580; Budde, Anstellungsbetrug, S. 237. A.A. und dem BGH i.E. zust. Fischer, StGB, § 263 Rz. 153; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 224; Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 156; Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 324; Wessel, S. 171 ff., 179. 2 Im Grundsatz übereinstimmend Jahn, JA 1999, 630. 3 Sarstedt, JR 1952, 308; vgl. auch BGH v. 16.3.1954 – 5 StR 552/53, BGHSt 5, 358, 361 und Protzen, NStZ 1997, 527. 4 BGH v. 18.2.1999 – 5 StR 193/98, BGHSt 45, 1, 11 ff., 13. 5 Protzen, NStZ 1997, 527. 6 Ebenso KG v. 26.2.1998 – (4) 1 Ss 218/97 (88/97), JR 1998, 438 f.; Geppert, NStZ 1999, 306; Jahn, JA 1999, 630. 7 Vgl. BGH v. 4.5.1962 – 4 StR 71/62, BGHSt 17, 254, 259; BGH v. 9.5.1978 – 1 StR 104/78, NJW 1978, 2043; Lackner in LK-StGB Rz. 238 m.w.N.; Rengier, BT/1, § 13 Rz. 226. 8 A.A. BGH v. 18.2.1999 – 5 StR 193/98, BGHSt 45, 1, 11 f. 9 Vgl. auch Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 576; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 266; Otto, JZ 1999, 739. 10 Vgl. auch Duttge, JR 2002, 274. 11 S. bereits Saliger, ZIS 2011, 917 f. 12 S. zum Folgenden bereits Saliger in M/R-StGB, § 263 Rz. 256 f.; Ipsen/Saliger, PartG, § 31d Rz. 152 ff.; Saliger/Sinner, NJW 2005, 1076 f.; Saliger, Parteiengesetz, S. 493 ff. und 689 ff. Ferner Grunst, wistra 2004, 95; Maier, NJW 2000, 1007; Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 746; Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 348a; Wessels/Hillenkamp, BT/2, Rz. 580. 13 BGH v. 28.10.2004 – 3 StR 301/03, BGHSt 49, 275, 299 ff. m. Anm. Deiters, MIP 2004/2005, 18; Saliger/Sinner, NJW 2005, 1073; Korte, NStZ 2005, 512; Kargl, JZ 2005, 503; Dölling, JR 2005, 519.

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Saliger

Rz. 221 § 263 StGB

aller Einnahmen, die für die Berechnung der relativen Obergrenze gem. §§ 18 Abs. 5 S. 1 i.V.m. 24 Abs. 4 Nr. 1–7 PartG erheblich sind. Täter können sein die Mitglieder des Parteivorstands, die den Rechenschaftsbericht einzureichen haben (vgl. §§ 23 Abs. 1, 19 Abs. 1, 11 Abs. 3, 4 PartG). Andere Parteimitglieder oder nicht der Partei angehörende Personen können mittelbare Täter (durch den Bundesvorstand) oder Teilnehmer sein.1 Zur regelmäßig konkludenten und nur ausnahmsweise ausdrücklichen Täuschung nach dem PartG n.F. Rz. 53; zur Untauglichkeit von § 23 PartG als Pflichtenquelle für eine Täuschung durch Unterlassen Rz. 72. Der entsprechende Irrtum des Bundestagspräsidenten bzw. seiner zuständigen Mitarbeiter wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass der Getäuschte bei intensiverer Nachforschung die Fehlvorstellung hätte vermeiden können (Rz. 91).2 Auch ist unschädlich, dass die Bundestagsverwaltung faktisch im Allgemeinen nur eine Plausibilitätsprüfung der Rechenschaftsberichte vornimmt, weil sie rechtlich nicht auf eine solche Prüfung beschränkt ist.3 Durch die irrtumsbedingt überhöhten Mittelfestsetzungen des Bundestagspräsidenten als Vermögensverfügung4 221 erleiden regelmäßig nicht der Bund, sondern die anderen anspruchsberechtigten Parteien einen Vermögensschaden (Dreiecksbetrug).5 Das hat seinen Grund in dem regelmäßigen Ausschöpfen der absoluten Obergrenze der Parteienfinanzierung (§ 18 Abs. 2, 5 S. 2 PartG) mit der Folge, dass die Ansprüche aller anspruchsberechtigten Parteien anteilsmäßig zu kürzen sind (§ 19a Abs. 5 S. 2 PartG). Dieser Umstand bedeutet, dass bei Überschreitung der absoluten Obergrenze die überhöhte Festsetzung als Vermögensverfügung zugunsten der täuschenden Partei nicht kausal für einen Vermögensschaden des Bundes werden kann, da der Bund ohnehin Mittel in Höhe der absoluten Obergrenze auskehrt. Ein Vermögensschaden des Bundes kommt hier erst in den eher theoretischen Fällen in Betracht, in denen die absolute Obergrenze nicht überschritten wird oder Manipulationen einer Partei eine Größenordnung erreichen, dass sie ursächlich für das Überschreiten der absoluten Obergrenze werden. Gegen dieses Ergebnis lässt sich auf Basis einer Einzelbetrachtung nicht einwenden, mit der absoluten Obergrenze werde auf ein hypothetisches, für die Bestimmung des Vermögensschadens irrelevantes Ausgabenszenario abgestellt.6 Denn der Betrugsschaden bemisst sich mit Fug am wirtschaftlichen Gesamtwert des Vermögens (vgl. Rz. 157 f.), und danach ist das Überschreiten der absoluten Obergrenze ein realer Faktor.7 Ein Vermögensschaden des Bundes ergibt sich auch nicht aus der Zweckverfehlung (Rz. 178 ff.) und den Grundsätzen zum Subventionsbetrug (Rz. 184 f.).8 Dagegen spricht die Struktur der Parteienfinanzierung mit der Verbindung von Förderanspruch (§ 18 Abs. 1 S. 1 PartG), Limitation der Gesamtförderung (absolute Obergrenze) und wettbewerbsrechtlicher Grundlage (Wahl- und Zuwendungserfolg bzw. selbst erwirtschaftete Einnahmen als Förderkriterien, § 18 Abs. 1 S. 2, Abs. 3–4 PartG), die es rechtfertigt, den Erfolgsunwert von Täuschungen beim Parteienbetrug für den Fall des Überschreitens der absoluten Obergrenze schwerpunktmäßig in der Vermögensschädigung der anderen Parteien zu sehen.9 In der Tat vermindern täuschungsbedingt überhöhte Mittelzahlungen an eine Partei wegen der mit der absoluten Obergrenze einhergehenden wechselseitigen Verschränktheit der Anspruchshöhen aller anspruchsberechtigten Parteien die Mittelauszahlungen an alle anderen Parteien entsprechend, so dass diese einen Vermögensschaden erleiden. Eine Verurteilung wegen Parteienbetrugs setzt allerdings voraus, dass die anteilsmäßige Verminderung der Förderung der anspruchsberechtigten Parteien konkret festgestellt wird, wobei sich die Förderquote einer Partei aus dem Verhältnis ihrer anrechnungsfähigen Einnahmen gegenüber denen der anderen Parteien ergibt. Dazu bedarf es der Feststellung der Finanzierungsbeiträge der Parteien im betroffenen Kalenderjahr.10 Darüber hinaus bejaht der 3. Strafsenat auch einen Vermögensschaden in Höhe des an sich abzuziehenden Kürzungsbetrages für verbotene Spenden (§ 31c Abs. 1 S. 1 PartG), was indes sehr zweifelhaft sein dürfte.11

1 Vgl. BGH v. 28.10.2004 – 3 StR 301/03, BGHSt 49, 275, 299, 305 f.; BGH v. 21.12.2006 – 3 StR 240/06, NStZ-RR 2007, 176; BGH v. 13.4.2011 – 1 StR 94/10, NJW 2011, 1747, 1750 m. Anm. Brand und Bespr. Saliger, ZIS 2011, 909 ff.; Grunst, wistra 2004, 96; Saliger/Sinner, NJW 2005, 1077; Saliger, Parteiengesetz, S. 497. 2 BGH v. 28.10.2004 – 3 StR 301/03, BGHSt 49, 275, 301. 3 BGH v. 28.10.2004 – 3 StR 301/03, BGHSt 49, 275, 301 f. 4 BGH v. 28.10.2004 – 3 StR 301/03, BGHSt 49, 275, 302; BGH v. 13.4.2011 – 1 StR 94/10, NJW 2011, 1747, 1750 Rz. 37. 5 Str., wie hier BGH v. 28.10.2004 – 3 StR 301/03, BGHSt 49, 275, 302 ff.; BGH v. 21.12.2006 – 3 StR 240/06, NStZ-RR 2007, 176; BGH v. 13.4.2011 – 1 StR 94/10, NJW 2011, 1747, 1750 Rz. 39; Saliger, Parteiengesetz, S. 501 ff.; Saliger/Sinner, NJW 2005, 1077; Dölling, JR 2005, 520 f.; Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 348a; Fischer, StGB, § 263 Rz. 143. A.A. Grunst, wistra 2004, 96; wohl auch Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 746. 6 Vgl. in diese Richtung die Argumentation von Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 746. 7 Saliger/Sinner, NJW 2005, 1077; Saliger, Parteiengesetz, S. 503 f. 8 So aber Grunst, wistra 2004, 96. 9 Saliger/Sinner, NJW 2005, 1077; Saliger, Parteiengesetz, S. 504 f.; i.E. ebenso Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 746. 10 BGH v. 13.4.2011 – 1 StR 94/10, NJW 2011, 1747, 1750 Rz. 40 f. 11 BGH v. 28.10.2004 – 3 StR 301/03, BGHSt 49, 275, 302 f.; abl. Grunst, wistra 2004, 96; Maier, NJW 2000, 1007; Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 746; krit. auch Saliger/Sinner, NJW 2005, 1077. Zur Notwendigkeit von Strafbarkeitseinschränkungen im Hinblick auf die strafbefreiende Selbstanzeige nach § 31d Abs. 1 S. 2 PartG bejahend Saliger, Parteiengesetz, S. 691 und Lenz, NVwZ 2002, 778 m. Fn. 87, verneinend für § 266 Kersten/Rixen/Bosch, PartG, 2009, § 31d Rz. 100.

Saliger

493

StGB

Betrug

StGB

§ 263 StGB Rz. 222

Strafgesetzbuch

d) Sportwettenbetrug, insbes. Quotenschaden 222

Für die Fälle des Sportwettenbetrugs mit festen Quoten hat der BGH eine neue Schadenskategorie eingeführt. Im Fall Hoyzer, wo der Täter bei Oddset gespielt und zur Verbesserung seiner Gewinnchancen Fußballspieler und Schiedsrichter bestochen hatte (zur konkludenten Täuschung Rz. 35, 45), bejaht der 5. Strafsenat einen vollendeten Betrug bereits mit Abschluss des Wettvertrages. Wegen der Manipulationen hätten die beim Vertragsschluss vom Wettanbieter vorgegebenen Quoten nicht mehr dem Risiko entsprochen, das jeder Wettanbieter seiner eigenen kaufmännischen Kalkulation zugrunde gelegt hatte. Deshalb sei die manipulationsbedingt erhöhte Gewinnchance des Wetters wesentlich mehr wert gewesen, als er für den Erhalt des Wettscheins gezahlt hat. Für seinen jew. Einsatz hätte der Wetter bei „realistischer Einschätzung des Wettrisikos unter Berücksichtigung der verabredeten Manipulation“ nur eine erheblich geringere Gewinnchance erkaufen können. „Diese ‚Quotendifferenz‘ stellt bereits bei jedem Wettvertragsabschluss einen nicht unerheblichen Vermögensschaden dar“ (Quotenschaden; sehr str.).1

223

Der Quotenschaden bezeichnet als fiktionärer Schaden (vgl. Rz. 156) keine legitimierbare Schadenskategorie.2 Die Übernormativierung, die mit dieser Schadenskategorie verbunden ist, lässt sich bereits an den Erläuterungen des 5. Strafsenats ablesen. So wird die hypothetische Annahme, der manipulierende Wetter hätte bei realistischer Einschätzung des Wettrisikos nur eine geringere Wettquote einkaufen können, normativ durch den Satz ausgehebelt, ohne Bedeutung sei, „dass Wetten für erkannt manipulierte Spiele nicht angeboten werden“.3 Ein weiteres Indiz für die Normativität des Quotenschadens ist, dass er ursprünglich nicht beziffert werden musste und es genügen soll, wenn die relevanten Risikofaktoren gesehen und bewertet werden.4 Noch deutlicher offenbart die Übernormativität des Quotenschadens die Schwierigkeit des 5. Strafsenats, ihn in gängige Schadenskategorien einzuordnen. Einerseits verwirft der Senat mit Recht die noch vom LG geteilte Annahme einer schadensgleichen Vermögensgefährdung, weil mangels überwiegender Wahrscheinlichkeit des Manipulationserfolgs der Eintritt wirtschaftlicher Nachteile von in hohem Maße zufälligen Ereignissen abhing, so dass das Vermögen der Wettanbieter in Höhe des durch die Wettquote bestimmten Auszahlungsbetrages (abzüglich des Wetteinsatzes) nur abstrakt gefährdet war.5 Andererseits soll der Quotenschaden in den Fällen, in denen es zur Auszahlung von Wettgewinnen auf manipulierte Spiele gekommen ist, „das notwendige Durchgangsstadium und damit einen erheblichen Teil des beabsichtigten endgültigen Schadens“ beim Wettanbieter bilden,6 und zwar unabhängig davon, ob die Manipulationen sich kausal im Spielergebnis oder entscheidend im Spielverlauf niedergeschlagen haben.7 Beide – nicht zusammenpassenden – Feststellungen zeigen das Fiktionäre des Quotenschadens: Indem der Quotenschaden sowohl bei Vertragsschluss (abstrakte Vermögensgefahr) als auch in den Fällen der Auszahlung (keine Kausalität bzw. objektive Zurechnung) von dem durch die Wettquote bestimmten Auszahlungsbetrag normativ isoliert wird, wird deutlich, dass er nur eine abstrakte Wertdifferenz (als Risikoverschiebung hinsichtlich der beiderseitigen Ansprüche) und keinen Vollschaden in wirtschaftlicher Hinsicht (als Betrugserfolg) begründet.8

224

Diese Isolierung des Quotenschadens von dem späteren Auszahlungsschaden ist wirtschaftlich schon im Hinblick auf die Motivlage der Wetter kontraintuitiv, weil diese regelmäßig zur Erzielung des Wettgewinns und nicht um der Wette willen wetten. Noch schwerer wiegt wirtschaftlich, dass die Konzeption des Quotenschadens der tatsächlichen Gewinnkalkulation der Wettanbieter nicht Rechnung trägt. Denn die Wettanbieter richten ihre Quoten nicht nach der Wahrscheinlichkeit von Spielergebnissen aus, sondern suchen das Wettverhalten ihrer Kunden vorherzusagen. Insoweit strebt der Wettanbieter nach stetem Gewinn unabhängig vom Ausgang des Spiels. Daher haben manipulationsbedingte Wetteinsätze bei Vertragsschluss, wenn überhaupt, erst dann Schadensrelevanz, wenn sie im Rahmen des Gesamtwettverhaltens aller Wetter so erheblich sind, dass sie die Festsetzung anderer Gewinnquoten bzw. höherer Einsätze gerechtfertigt hätten.9 Dagegen lässt sich der Quotenschaden nicht mit dem Argument verteidigen, die Situation gleiche der Manipulation von Gewinnchancen bei einer Tombola etwa durch Zurückhalten des Hauptgewinnloses seitens des Veranstalters,10 weil es einen erheblichen Unterschied macht, ob der Veranstalter oder ein Wettteilnehmer manipuliert. Soweit der Quotenschaden demnach unabhän1 BGH v. 15.12.2006 – 5 StR 181/06, BGHSt 51, 165, 175 m. insoweit zust. Anm. Bosch, JA 2007, 389, 391; Engländer, JR 2007, 477, 479; Krack, ZIS 2007, 103, 112; Radtke, Jura 2007, 445, 451; auch Gaede, HRRS 2007, 16, 18 und abl. Anm. Jahn/Maier, JuS 2007, 215, 219; Saliger/Rönnau/Kirch-Heim, NStZ 2007, 361, 368; Reinhart, SpuRt 2007, 52, 54 f.; Petropoulos/Morozonis, wistra 2009, 254, 261; Rönnau/Soyka, NStZ 2009, 12. Dem BGH stimmen ferner zu Lackner/Kühl, StGB, § 263 Rz. 42; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 281 und Satzger, Jura 2009, 525; Rengier, BT/1, § 13 Rz. 220; Wessels/Hillenkamp, BT/2, Rz. 543. Ablehnend Fischer, StGB, § 263 Rz. 132; Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 114; Saliger in M/R-StGB, § 263 Rz. 261 f.; Schild, ZfWG 2006, 219; Wattenberg/Gehrmann, ZBB 2010, 508. 2 Zum Folgenden bereits Saliger, FS Samson, 2010, S. 458 ff.; Saliger in M/R-StGB, § 263 Rz. 261 f. 3 BGH v. 15.12.2006 – 5 StR 181/06, BGHSt 51, 165, 175. 4 BGH v. 15.12.2006 – 5 StR 181/06, BGHSt 51, 165, 175. 5 BGH v. 15.12.2006 – 5 StR 181/06, BGHSt 51, 165, 177 f. 6 BGH v. 15.12.2006 – 5 StR 181/06, BGHSt 51, 165, 176. 7 BGH v. 15.12.2006 – 5 StR 181/06, BGHSt 51, 165, 176 f. 8 Vgl. Rönnau/Soyka, NStZ 2009, 14; auch Petropoulos/Morozonis, wistra 2009, 259. 9 Zu beidem bereits Saliger/Rönnau/Kirch-Heim, NStZ 2007, 366 f.; zust. Fischer, StGB, § 263 Rz. 132. 10 So aber Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 282 unter Bezug auf BGH v. 3.11.1955 – 3 StR 172/55, BGHSt 8, 289, 291; zust. Rengier, BT/1, § 13 Rz. 202.

494

Saliger

Rz. 225 § 263 StGB

gig von den wirtschaftlichen Gegebenheiten der Sportwette bestimmt wird, markiert er lediglich einen juristischen Schaden, bei dem das Schadenselement in verfassungsrechtlich zu beanstandender Weise in der Täuschungshandlung aufgeht (Verstoß gegen das Verschleifungsverbot; vgl. Rz. 149 f., 153, 155).1 An dieser Kritik hat sich auch durch die leicht modifizierte Fortführung der Quotenschaden-Rspr. durch den 4. Strafsenat im Bochumer-Fall2 nichts geändert.3 Der Quotenschaden wird zwar auch als Eingehungsbetrug konzipiert, steht aber einer Schadensbestimmung nach Maßgabe der in der Erfüllungsphase geleisteten Zahlungen nicht entgegen. Dabei ist dann allein auf die Erfüllungsphase abzustellen, wenn der Getäuschte seine vertragliche Verpflichtung restlos erfüllt – also gezahlt – hat und deshalb der mit dem Vertragsschluss ausgelöste Nachteil vollständig in dem Erfüllungsschaden enthalten ist; auf eine Kausalität der Manipulationen für den Schaden soll es wiederum nicht ankommen.4 Soweit auch der 4. Strafsenat an dem Quotenschaden als Eingehungsschaden festhält, ist dieser nun gemäß den Vorgaben des BVerfG der Höhe nach zu beziffern und nachvollziehbar dazulegen. Insbesondere hat das Tatgericht ggf. mit sachverständiger Hilfe die Wahrscheinlichkeit eines Wetterfolgs und dessen Beeinflussung durch die Manipulation zu beurteilen und danach die wirtschaftlichen Werte der gegenüberstehenden Ansprüche zu vergleichen.5 Wie das in der Praxis geleistet werden soll, ist nicht zu sehen.6 Der Quotenschaden dürfte damit praktisch tot sein.7 Richtigerweise begeht beim Sportwettenbetrug der manipulierende Wetter erst dann einen vollendeten Betrug gegenüber dem Wettanbieter, wenn der Gewinn ausgezahlt wird und die Manipulation Einfluss auf den Ausgang des Wettereignisses genommen hat (str.).8 Vereinsfremde Siegprämien für Fußballspieler sind gänzlich betrugsirrelevant.9 e) Submissions- oder Ausschreibungsbetrug aa) Vertikale und horizontale Einflussnahmen Täuschungen bei der Ausschreibung öffentlicher oder privater Aufträge über gewerbliche Leistungen oder Waren 225 (Submissionen) kommen von Bieterseite vor allem in zwei Formen in Betracht, die auch zusammen auftreten können: als vertikale und als horizontale Einflussnahme. Bei der (rein) vertikalen Einflussnahme sucht ein (potentieller) Bieter durch Zusammenwirken mit einem unredlichen Mitarbeiter der Vergabestelle den Wettbewerb mit anderen Bietern zu seinen Gunsten so zu steuern, dass er typischerweise als Gegenleistung für eine Zuwendung Informationen erhält oder der Mitarbeiter Manipulationen vornimmt, die zum Zuschlag des Auftrags an ihn führen.10 In diesen Fällen können neben Betrug auch Bestechungsdelikte (§§ 299, 331 ff.) und Untreue (§ 266 StGB Rz. 90) durch den Mitarbeiter der Vergabestelle verwirklicht werden.11 Soweit keine ausdrücklichen Versicherungen über die Ordnungsgemäßheit des Angebots abgegeben werden, täuscht der vertikal Einfluss nehmende Bieter konkludent über die Manipulationsfreiheit bzw. Wettbewerbskonformität seines Angebots.12 Strafbarer (Dreiecks-)Betrug durch den Bieter (vgl. Rz. 116 ff.) ist insoweit im Rahmen der Grundsätze der Wissenszurechnung bzw. der objektiven Zurechnung (Rz. 99 ff.) möglich.13 Die Leitentscheidungen des BGH betrafen Fälle einer horizontalen Einflussnahme. Sie liegt in Reinform vor, wenn einige oder alle Bieter die durch die Submission angestrebte Konkurrenzsituation in Gestalt eines gegenseitigen Unterbietens der Angebotspreise in der Weise durch eine Absprache (Kartell) unterlaufen, dass ein Bieter den Zuschlag zu einem bestimmten Angebotspreis (sog. Nullpreis) erhalten soll und insoweit vom Kartell „herausgestellt“ wird, während die anderen Bieter diese

1 I.E. ebenso Rönnau/Soyka, NStZ 2009, 14. 2 BGH v. 20.12.2012 – 4 StR 55/12, BGHSt 58, 102 = NJW 2013, 883 – m. Anm. bzw. Bespr. Schiemann; Leipold, NJWSpezial 2013, 184; Schlösser, NStZ 2013, 629; Greco, NZWiSt 2014, 334; zum Ganzen auch Becker in Fischer u.a. (Hrsg.), Dogmatik, 2015, S. 273 ff. 3 Wie hier krit. Schlösser, NStZ 2013, 634; Becker in Fischer u.a. (Hrsg.), Dogmatik, 2015, S. 282 f.; im Wesentlichen zust. dagegen Greco, NZWiSt 2014, 339. 4 BGH v. 20.12.2012 – 4 StR 55/12, NJW 2013, 883, 885. 5 BGH v. 20.12.2012 – 4 StR 55/12, NJW 2013, 883, 886 f. 6 Krit. auch Schiemann, NJW 2013, 888. 7 Vgl. auch Wostry, Schadensbezifferung, 2016, S. 353. 8 Wie hier: Saliger/Rönnau/Kirch-Heim, NStZ 2007, 368; Kutzner, JZ 2006, 718; Becker in Fischer u.a. (Hrsg.), Dogmatik, 2015, S. 283; Fischer, StGB, § 263 Rz. 132; weiter diff. Petropoulos/Morozonis, wistra 2009, 257 ff., 259, 261; auf den Einfluss der Manipulation auf das Wettkampfergebnis verzichten Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 114. A.A. Engländer, JR 2007, 479; Krack, ZIS 2007, 112; Radtke, Jura 2007, 451; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 281 f.; auch Gaede, HRRS 2007, 18. 9 Bach, JR 2008, 57, 59; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 281. 10 Vgl. BGH v. 20.2.1962 – 1 StR 496, BGHSt 17, 147; BGH v. 1.11.1988 – 5 StR 259/88, BGHR StGB § 263 Abs. 1 Stoffgleichheit 4; BGH v. 9.11.1999 – 1 StR 540/99, NStZ 2000, 260; ferner Fischer, StGB, § 263 Rz. 171; Satzger, Submissionsbetrug, S. 217 ff.; Kramm, JZ 1993, 424; Rönnau, JuS 2002, 545 m. Fn. 2; Best, GA 2003, 161. 11 Vgl. BGH v. 9.11.1999 – 1 StR 540/99, NStZ 2000, 260 f.; Kramm, JZ 1993, 424; Wessels/Hillenkamp, BT/2, Rz. 701; Satzger, Submissionsbetrug, S. 220 f. 12 Best, GA 2003, 161 f. Zu den einzelnen Fallgestaltungen Satzger, Submissionsbetrug, S. 218 ff. 13 Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 279; Saliger in M/R-StGB, § 263 Rz. 263; Fischer, StGB, § 263 Rz. 171. I.E. mit Recht bejaht in BGH v. 20.2.1962 – 1 StR 496, BGHSt 17, 147, 148 f.; BGH v. 1.11.1988 – 5 StR 259/88, BGHR StGB § 263 Abs. 1 Stoffgleichheit 4.

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Betrug

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§ 263 StGB Rz. 226

Strafgesetzbuch

Herausstellung durch Schutz- oder Scheinangebote absichern und als Gegenleistung Ausgleichszahlungen erhalten.1 Bei horizontaler Einflussnahme ist eine ausdrückliche Täuschung gegeben, wenn die Bieter bei der Angebotsabgabe schriftlich versichern, keine Preisabsprachen getroffen zu haben.2 Fehlt es daran, so erklärt jeder, der an förmlichen oder freihändigen öffentlichen oder privaten Ausschreibungen mit Angebotsanfragen an mindestens zwei Unternehmer teilnimmt, im Hinblick auf § 1 GWB regelmäßig konkludent, dass sein Angebot ohne vorherige Preisabsprache zwischen den Bietern zustande gekommen ist (zu weiteren Erklärungsinhalten einer konkludenten Täuschung bei Submissionen Rz. 42).3 Infolge der Täuschung erliegen die Mitarbeiter des Ausschreibenden dem Irrtum, dass es sich bei den Angebotspreisen um Wettbewerbspreise handelt. Dieser Irrtum wird nicht durch die bloße Vermutung, es könne eine Absprache vorliegen, ausgeschlossen, weil der Getäuschte auch dann irrt, wenn er trotz gewisser Zweifel die Vermögensverfügung trifft und die Möglichkeit der Unwahrheit für geringer hält (vgl. Rz. 90 ff.).4 bb) Eingehungsbetrug zu Lasten des Ausschreibenden 226

Als Vermögensverfügung kommt zunächst die Erteilung des Zuschlags durch die ausschreibende Stelle an den „herausgestellten“ bzw. manipulierenden Bieter in Betracht. Insoweit behandelt vor allem die Rspr. den Submissionsbetrug primär als Eingehungsbetrug zu Lasten des Ausschreibenden.5 Ob und inwieweit dabei ein betrugstauglicher Eingehungsschaden entsteht, ist bis heute streitig und trotz des 1997 eingeführten § 298 zur Strafbarkeit wettbewerbsbeschränkender Absprachen bei Ausschreibungen (zum Konkurrenzverhältnis Rz. 304) noch – wenngleich in deutlich entschärfter Weise – praxisrelevant.6 Seit dem Urteil im Rheinausbau-Fall von 1992 bestimmt der BGH den Vermögensschaden nicht (mehr) nach dem Verhältnis von Zuschlagspreis und angemessenem (etwa durch Sachverständigengutachten ermittelten) Preis,7 sondern nach dem Verhältnis von Zuschlagspreis und hypothetischem Wettbewerbspreis. Das ist der Preis, der bei einem funktionsfähigen Wettbewerb, also ohne Preisabsprache, erzielt worden wäre.8 Zur Ermittlung dieses Preises greift die Rspr. auf mehrere Indizien zurück (Indizienlösung): 1. die Existenz des Submissionskartells an sich, aus der sich eine hohe Wahrscheinlichkeit ergebe, dass es seinen Mitgliedern höhere als die sonst erzielbaren Wettbewerbspreise eröffnet; 2. die Bekanntgabe der bietenden Unternehmen an andere bietende Unternehmen, die verhindert, dass die bietenden Unternehmen ihre Angebote schärfer kalkulieren; 3. Ausgleichzahlungen an Kartellmitglieder und außenstehende Bieter sowie Schmiergeldzahlungen auch an Bedienstete des Auftraggebers.9 In der Praxis ist insbesondere die dritte Indiziengruppe von Bedeutung, die der 2. Strafsenat des BGH zunächst nur als „sehr gewichtig“ und später – wie auch der 1. Strafsenat – als „nahezu zwingend“ bezeichnet hat.10 Dabei soll für die öffentliche Hand kein Hindernis bestehen, auch sog. Unterkostenpreise zu akzeptieren, sofern der Anbieter zu diesen Preisen zuverlässig leisten kann.11 Bestehen allerdings keine Ausgleichszahlungen und kalkuliert der „herausgestellte“ Bieter „äußerst scharf“ und ordnungsgemäß und ohne Beeinflussung durch die Tatsache, dass er im Besitz der Blankette der anderen Bieter ist, so scheidet ein Vermögensschaden des Auftraggebers aus.12 Kommt der Tatrichter zu der Überzeugung, dass ein Schaden entstanden ist, so darf er dessen Höhe unter Beachtung des Zweifelssatzes schät-

1 Vgl. BGH v. 8.1.1992 – 2 StR 102/91, BGHSt 38, 186, 187 ff.; BGH v. 11.7.2001 – 1 StR 576/00, BGHSt 47, 83, 84 ff.; BGH v. 6.9.1994 – 5 StR 228/94, wistra 1994, 346; ferner Broß/Thode, NStZ 1993, 370; Satzger, S. 38 ff. 2 So in BGH v. 6.9.1994 – 5 StR 228/94, wistra 1994, 346; auch Oldigs, Möglichkeiten, S. 61. 3 BGH v. 11.7.2001 – 1 StR 576/00, BGHSt 47, 83, 87 m. Anm. Rönnau, JuS 2002, 545; Rose, NStZ 2002, 41; Satzger, JR 2002, 391; Walter, JZ 2002, 254; Best, GA 2003, 157; Götting/Götting, ZfBR 2003, 341; Saliger in M/R-StGB, § 263 Rz. 263; Hoyer in SK-StGB, § 263 Rz. 248; Rengier, BT/1, § 13 Rz. 231. Zur Täuschung näher Satzger, S. 57 ff. und Oldigs, S. 61. 4 BGH v. 11.7.2001 – 1 StR 576/00, BGHSt 47, 83, 88; Hoyer in SK-StGB, § 263 Rz. 248. 5 BGH v. 8.1.1992 – 2 StR 102/91, NJW 1992, 921, 923 – in BGHSt 38, 186 nicht abgedruckt; BGH v. 6.9.1994 – 5 StR 228/94, wistra 1994, 346, 347 f.; BGH v. 15.5.1997 – 1 StR 233/96, NJW 1997, 3034, 3038; BGH v. 11.7.2001 – 1 StR 576/00, BGHSt 47, 83, 88; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 277; Rengier, BT/1, § 13 Rz. 232. A.A. Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 137a; Cramer, NStZ 1991, 42 f. 6 Hoyer in SK-StGB, § 263 Rz. 248; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 280. 7 So noch BGH v. 21.11.1961 – 1 StR 424/61, BGHSt 16, 367 (Leitsatz) – Freiburger Mensa-Fall –, wo indes der späteren Indizienlösung der Rspr. der Boden bereitet wird, vgl. BGH v. 21.11.1961 – 1 StR 424/61, BGHSt 16, 367, 373 f. Zu den Missverständnissen zu dem Urteil in Richtung u.a. auf eine jahrzehntelange Verfolgungseinschränkung Kramm, JZ 1993, 422 f.; Oldigs, S. 41 ff.; auch OLG Frankfurt v. 24.7.1989 – 1 Ws 211/88, NJW 1990, 1057 f. 8 BGH v. 8.1.1992 – 2 StR 102/91, BGHSt 38, 186, 192 – Rheinausbau-Fall – m. zust. Anm. Cramer, NStZ 1993, 42; Kramm, JZ 1993, 422; Ranft, wistra 1994, 41; ferner BGH v. 6.9.1994 – 5 StR 228/94, wistra 1994, 346, 347; BGH v. 9.11.1999 – 1 StR 540/99, NStZ 2000, 260, 261; BGH v. 11.7.2001 – 1 StR 576/00, BGHSt 47, 83, 88 – Flughafen-Fall; OLG Frankfurt v. 24.7.1989 – 1 Ws 211/88, NJW 1990, 1057, 1058. Zur Entwicklung der Rspr. Moosecker, FS Lieberknecht, 1997, S. 407 ff.; auch Oldigs, S. 38 ff. 9 BGH v. 8.1.1992 – 2 StR 102/91, BGHSt 38, 186, 193 ff.; BGH v. 11.7.2001 – 1 StR 576/00, BGHSt 47, 83, 88. 10 BGH v. 6.9.1994 – 5 StR 228/94, wistra 1994, 346, 348; BGH v. 11.7.2001 – 1 StR 576/00, BGHSt 47, 83, 88. 11 BGH v. 6.9.1994 – 5 StR 228/94, wistra 1994, 346, 347; BGH v. 11.7.2001 – 1 StR 576/00, BGHSt 47, 83, 89. 12 BGH v. 21.11.1961 – 1 StR 424/61, BGHSt 16, 367, 373 f.; BGH v. 8.1.1992 – 2 StR 102/91, BGHSt 38, 186, 192; OLG Frankfurt v. 24.7.1989 – 1 Ws 211/88, NJW 1990, 1057.

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zen, wenn seine genaue Ermittlung nicht möglich ist.1 Diese Schadensgrundsätze gelten auch für die freihändige Auftragsvergabe.2 Der Indizienlösung des BGH ist im Grundsatz zuzustimmen (sehr str.).3 Zwar lässt sich nicht leugnen, dass die 227 Indizienlösung beim Submissionsbetrug auch eine Erscheinungsform der Normativierung des Schadensbegriffs darstellt (vgl. Rz. 156), weil es unerheblich ist, ob der Zuschlagspreis den Wertvorstellungen des Marktes entspricht bzw. ob nach einem Abschlag von 1 % ein den Wertvorstellungen des Marktes entsprechender Preis erzielt wird.4 Die Indizienlösung kann jedoch als Kombination der Zweckverfehlungslehre mit der schadensbegründenden Vermögensgefahr gerechtfertigt werden.5 Die Zweckverfehlungslehre (dazu Rz. 178 ff.) ist einschlägig, weil die vertikalen wie horizontalen Manipulationen des Wettbewerbs geeignet sind, den wirtschaftlichen Zweck des Submissionsverfahrens zu vereiteln, der darin besteht, für den Auftraggeber den günstigsten Wettbewerbspreis in Konstellationen zu ermitteln, wo ein Markt- bzw. Wettbewerbspreis gerade fehlt.6 Die schadensbegründende Vermögensgefahr (dazu Rz. 187 ff.) ist relevant, weil das Umschlagen von einer abstrakten in eine konkrete schadensbegründende Vermögensgefährdung durch die Kartellbildung die Domäne dieser Figur ist. Zudem und entscheidend handelt es sich bei den Indizien der 3. Gruppe wirtschaftlich um nicht unplausible Beweisanzeichen. Freilich bedeutet das Abstellen auf eine Indizienlösung, dass ein Eingehungsschaden stets nicht zwingend ist, sondern nur für den Einzelfall festgestellt werden kann.7 Darin liegt der Grund für das Zurückdrängen des § 263 bei Submissionsabsprachen durch § 298, der den Nachweis eines Vermögensschadens nicht voraussetzt. cc) Eingehungsbetrug zu Lasten von Mitbietern und Erfüllungsbetrug Neben dem Eingehungsbetrug zu Lasten des Ausschreibenden anerkennt insbesondere die Rspr. in spezifischen 228 Fällen auch einen Betrug durch Zuschlagserteilung an den „herausgestellten“ bzw. vertikal manipulierenden Bieter zu Lasten von Mitbietern.8 Voraussetzung dafür ist, dass die Aussicht des Mitbieters auf den Zuschlag durch den Auftraggeber nicht nur die Stufe einer flüchtigen, wirtschaftlich noch nicht fassbaren Hoffnung erreicht, vielmehr bereits eine solche Gewissheit erlangt hat, dass ihr nach der Verkehrsauffassung ein messbarer Vermögenswert zukommt.9 Die Judikatur bejaht eine solche vermögenswerte Exspektanz (dazu Rz. 135 ff.) des Mitbieters, wenn es tatsächliche Handhabung ist, dass der Zuschlag stets dem nach Prüfung der Angebote durch die Vergabekommission Mindestbietenden erteilt wird und der Mitbewerber das nächstniedrige vorschriftsmäßige Gebot abgegeben hat.10 In einem solchen Fall erleidet der aussichtsreichste Mitbieter durch den Zuschlag an den manipulierenden Bieter einen Vermögensschaden in Gestalt des Verlustes seiner vermögenswerten Exspektanz auf den Zuschlag.11 Kaum noch Praxisrelevanz dürfte der auch von der Rspr. angesprochenen Möglichkeit eines (unechten) Erfüllungsbetruges (vgl. Rz. 208 f.) zum Nachteil des Ausschreibenden zukommen. Soweit dieser Erfüllungsbetrug früher zu Recht an den Umstand anknüpfen konnte, dass bei öffentlichen Ausschreibungen von Bauleistungen eine unzulässige Beschränkung des Wettbewerbs gem. Baupreisverordnung Nr. 1/72 automatisch zur Reduktion des Zuschlagspreises auf den regelmäßig niedrigeren Selbstkostenfestpreis führte,12 ist eine Betrugsstrafbarkeit mit der Aufhebung der Baupreisverordnung im Jahr 1999 entfallen.13 Unabhängig davon wird teilweise ein Erfüllungsbetrug durch die Auslösung von Ver1 BGH v. 8.1.1992 – 2 StR 102/91, BGHSt 38, 186, 193; Fischer, StGB, § 263 Rz. 170; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 208; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 165; Huhn, Submissionsbetrug, S. 225 f. 2 BGH v. 11.7.2001 – 1 StR 576/00, BGHSt 47, 83, 88 f. m. zust. Anm. Rose, NStZ 2002, 41; i.E. zust. Anm. Walter JZ 2002, 254, 255; insoweit abl. Anm. Satzger, JR 2002, 391, 392 f.; krit. Bespr. Rönnau, JuS 2002, 545, 549 f. 3 Wie hier: Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 165; Fischer, StGB, § 263 Rz. 169 f.; Saliger in M/R-StGB, § 263 Rz. 265; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 277; Hoyer in SK-StGB, § 263 Rz. 254; Baumann, NJW 1992, 1661 ff.; Kramm, JZ 1993, 423 f.; Broß/Thiede, NStZ 1993, 370; Oldigs, S. 78, 90 f.; Huhn, S. 224 f., 227 ff.; Rose, NStZ 2002, 41. A.A. Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 137a; Best, GA 2003, 173; krit. Lackner/Kühl, StGB, § 263 Rz. 38; Joecks, wistra 1992, 251; Hefendehl, JuS 1993, 808 ff.; Lüderssen, wistra 1995, 246 ff.; Hohmann, NStZ 2001, 569; Rönnau, JuS 2002, 549 f. und Rönnau, FS Rissing-van Saan, 2011, S. 524 f. 4 So BGH v. 11.7.2001 – 1 StR 576/00, BGHSt 47, 83, 89. Zur Normativierung insoweit Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 165; Rönnau, JuS 2002, 550; Saliger, FS Samson, 2010, S. 456; Wattenberg/Gehrmann, ZBB 2010, 509. 5 Vgl. bereits Saliger, ZStW 112 (2000), 563, 588 zum Ineinandergreifen von vermögensbegrifflicher und zeitlicher Dimension der Schadensverwirklichung beim Submissionsbetrug. 6 Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 165. Zum Zweck des Submissionsverfahrens Satzger, S. 27 ff.; Oldigs, S. 2 ff. 7 Eingehend Satzger, S. 125 ff.; Satzger, JR 2002, 392; auch Wessels/Hillenkamp, BT/2, Rz. 702. 8 Vgl. auch Fischer, StGB, § 263 Rz. 171; Rose, NStZ 2002, 41; Wessels/Hillenkamp, BT/2, Rz. 701; Satzger, S. 213 ff. 9 BGH v. 20.2.1962 – 1 StR 496/61, BGHSt 17, 147, 148; BGH v. 29.5.1987 – 3 StR 242/86, BGHSt 34, 379, 390 f. 10 BGH v. 20.2.1962 – 1 StR 496/61, BGHSt 17, 147, 148; BGH v. 29.5.1987 – 3 StR 242/86, BGHSt 34, 379, 391. 11 Bejaht in BGH v. 20.2.1962 – 1 StR 496/61, BGHSt 17, 147, 148 f.; BGH v. 29.5.1987 – 3 StR 242/86, BGHSt 34, 379, 390 ff.; BGH v. 1.11.1988 – 5 StR 259/88, BGHR StGB § 263 Abs. 1 Stoffgleichheit 4. 12 BGH v. 8.1.1992 – 2 StR 102/91, NJW 1992, 921, 923 – in BGHSt 38, 186 nicht abgedruckt; BGH v. 6.9.1994 – 5 StR 228/94, wistra 1994, 346, 348; dazu auch Tiedemann, ZRP 1992, 150; Cramer, NStZ 1993, 42; Walter, JZ 2002, 255 f.; Rose, NStZ 2002, 41; Satzger, S. 168 ff.; Oldigs, S. 80 ff. 13 BGBl. I 1999, S. 1419; Walter, JZ 2002, 255 Fn. 14. Für die fortbestehende Möglichkeit eines Erfüllungsbetruges wegen Nichtigkeit der Preisvereinbarung und reduziertem Vergütungsanspruch nach Bereicherungsgrundsätzen Perron in S/SStGB, § 263 Rz. 137a.

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§ 263 StGB Rz. 229

Strafgesetzbuch

tragsstrafen und Schadensersatzansprüchen (culpa in contrahendo, § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 1, 38 Abs. 1 Nr. 1 GWB) erwogen.1 Dem steht jedoch der Unmittelbarkeitsgrundsatz (Rz. 192 f.) und das Unmittelbarkeitskriterium bei der Stoffgleichheit (Rz. 245 f., 248) entgegen, der die Betrugstauglichkeit solcher negativer Vermögensfolgen als bloß mittelbare Vermögensschäden ausschließt (str.).2 f) Betrügerischer Handel mit Warenterminoptionen 229

Seit Jahrzehnten beschäftigen Rspr. und Schrifttum Fälle des Anlagebetrugs beim Handel mit Warenterminoptionen. Dieser Handel zeichnet sich durch folgende Grundstruktur aus: Mit der Option auf einen Warenterminkontrakt erwirbt der Optionsnehmer (Käufer) das Recht, während der Laufzeit des Vertrages zu dem bei Vertragsschluss geltenden Kurs (Basispreis) von seinem Geschäftspartner, dem „Stillhalter“, Waren bestimmter Art und Menge (vor allem Rohstoffe) zu erwerben (dann Kaufoption) oder an ihn zu verkaufen (dann Verkaufsoption). Steigt der Kurs der Waren, so macht der Optionsnehmer bei der Kaufoption Gewinn, wenn er von seinem Recht Gebrauch macht. Für diese Option als Gewinnchance muss der Optionsnehmer dem Stillhalter allerdings einen Preis, den sog. Optionspreis, zahlen, der für ihn auf jeden Fall verloren ist. Wegen dieses Optionspreises erreicht der Optionsnehmer die Gewinnzone erst, wenn im Fall der Kaufoption der Kurs der Ware so steigt, dass die Wertdifferenz höher ist als der Optionspreis. Entsprechendes gilt bei der Verkaufsoption für das Maß, in dem der Kurs in der Laufzeit des Vertrages fällt.3 Strafrechtliche Relevanz erfahren hat dieses mit Blick auf Sicherungsinteressen des Rohstoffhändlers grundsätzlich vernünftige Geschäftsmodell4 durch den Umstand, dass inländische Optionsvermittler für Warenterminoptionen insbesondere an der Londoner Börse,5 aber auch an amerikanischen Börsen6 Aufschläge von teils bis über 300 % auf den Optionspreis für eigene Vermittlungskosten, Gebühren oder Provisionen genommen haben, ohne dies den Optionsnehmern als Kunden offenzulegen.7 Zur Täuschung Rz. 29 (ausdrückliche Täuschung), Rz. 63 (konkludente Täuschung) und Rz. 78, 84 (Täuschung durch Unterlassen). Da die Aufschläge die Gewinnchancen der Optionsnehmer mindern, stellt sich die Frage, ob und, wenn ja, ab welcher Höhe des Aufschlags die Kunden einen betrugstauglichen Schaden erleiden.8 Hierüber bestanden zwischen den einzelnen Strafsenaten des BGH Meinungsverschiedenheiten, die sich teils auf die unterschiedlichen Sachverhalte, teils auf den jew. gewählten dogmatischen Zugang – Lehre vom persönlichen Schadenseinschlag9 oder konkrete schadensbegründende Vermögensgefahr10 – zurückführen ließen.11 Nachdem aber auch der 3. Strafsenat des BGH grundsätzlich anerkennt, dass bei einem auftragsgemäß verwirklichten Optionsgeschäft „für den Normalfall der betrügerischen Vermittlung von Warenterminoptionen“ die Option nicht bereits völlig wertlos ist, sondern sich der Vermögensschaden nach der Differenz zwischen dem vereinbarten Preis und dem wirklichen Wert der

1 Vgl. dazu BGH v. 8.1.1992 – 2 StR 102/91, NJW 1992, 921, 923 f.; BGH v. 6.9.1994 – 5 StR 228/94, wistra 1994, 346, 348; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 165; Satzger, S. 178 ff.; Oldigs, S. 84 ff. Für die Konstruktion eines Schadens bei privaten Auftraggebern über das Anfechtungsrecht aus § 123 BGB Cramer, NStZ 1993, 43; Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 137a. 2 Wie hier: BGH v. 9.11.1999 – 1 StR 540/99, NStZ 2000, 260, 261 verneint mangels Stoffgleichheit; Saliger in M/R-StGB, § 263 Rz. 266; i.E. zust. Hoyer in SK-StGB, § 263 Rz. 251; Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 137a.A.A. für die Vertragsstrafe Oldigs, S. 89 ff., 91; a.A. für die zivilrechtlichen Schadensersatzansprüche Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 165; a.A. für c.i.c. und Vertragsstrafe Satzger, S. 200 und 213; Satzger, ZStW 109 (1997), 371 f. 3 Zum Folgenden bereits Saliger in M/R-StGB, § 263 Rz. 267 ff.; vgl. ferner BGH v. 8.7.1981 – 3 StR 457/80, BGHSt 30, 177, 179; OLG Hamburg v. 1.7.1980 – 2 Ws 215/80, NJW 1980, 2593; Lackner/Imo, MDR 1983, 969 f.; Worms, wistra 1984, 124 ff.; Rose, wistra 2009, 289. 4 Näher Lackner/Imo, MDR 1983, 972 ff.; Sonnen, StV 1984, 177. 5 BGH v. 8.7.1981 – 3 StR 457/80, BGHSt 30, 177, 178 ff.; BGH v. 23.2.1982 – 5 StR 685/81, BGHSt 30, 388, 389; BGH v. 8.9.1982 – 3 StR 147/82, BGHSt 31, 115; BGH v. 24.1.1986 – 3 StR 411/85, StV 1986, 299; BGH v. 11.7.1990 – 3 StR 84/90, wistra 1991, 25, 26. 6 Vgl. BGH v. 13.11.2007 – 3 StR 462/07, NStZ 2008, 96, 97. 7 Z.B. BGH v. 8.7.1981 – 3 StR 457/80, BGHSt 30, 177, 180; BGH v. 8.9.1982 – 3 StR 147/82, BGHSt 31, 115. Zum sog. Churning von Depots mit dem Ziel der Provisions- bzw. Gebührenschinderei Birnbaum, wistra 1991, 253. 8 Grundsätzlich bejaht in BGH v. 7.12.1979 – 2 StR 315/79, BGHSt 29, 152, 154; BGH v. 8.7.1981 – 3 StR 457/80, BGHSt 30, 177, 181; BGH v. 8.9.1982 – 3 StR 147/82, BGHSt 31, 115, 117; BGH v. 28.6.1983 – 1 StR 576/82, BGHSt 32, 22; BGH v. 24.1.1986 – 3 StR 411/85, StV 1986, 299 f.; BGH v. 13.11.2007 – 3 StR 462/07, NStZ 2008, 96, 98 f. Offengelassen in BGH v. 23.2.1982 – 5 StR 685/81, BGHSt 30, 388, 389 f. Abgelehnt von BGH v. 2.11.1982 – 5 StR 358/82, NJW 1983, 292 f.; BGH v. 27.11.1991 – 3 StR 157/91, BGHR StGB § 263 Abs. 1 Vermögensschaden 35; BGH v. 11.7.1990 – 3 StR 84/90, wistra 1991, 25 f.; OLG Hamburg v. 1.7.1980 – 2 Ws 215/80, NJW 1980, 2593, 2594. 9 Vgl. z.B. den 3. Strafsenat in BGH v. 8.9.1982 – 3 StR 147/82, BGHSt 31, 115, 117; auch BGH v. 8.7.1981 – 3 StR 457/80, BGHSt 30, 177, 181. Ferner Rochus, JR 1983, 339. 10 Vgl. den 5. Strafsenat in BGH v. 23.2.1982 – 5 StR 685/81, BGHSt 30, 388, 389 f. und BGH v. 2.11.1982 – 5 StR 358/82, NJW 1983, 292 f. m. abl. Anm. Rochus, JR 1983, 338; s. auch den 1. Strafsenat in BGH v. 24.2.1983 – 1 StR 550/82, NJW 1983, 1917, 1918 und OLG Hamburg v. 1.7.1980 – 2 Ws 215/80, NJW 1980, 2593, 2594. Ferner Seelmann, NJW 1981, 2132; Lackner/Imo, MDR 1983, 979; Sonnen, StV 1984, 176 ff.; Worms, wistra 1984, 130 f. Nahezu stets eine Vermögensgefahr bejaht Scheu, JR 1982, 122. 11 Beide Aspekte verbindet BGH v. 28.6.1983 – 1 StR 576/82, BGHSt 32, 22, 23 ff. – 1. Strafsenat.

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Saliger

Rz. 231 § 263 StGB

Option am Maßstab eines seriösen inländischen Maklers bemisst,1 kann jedenfalls die Rspr. heute wie folgt zusammengefasst werden:2 Zunächst ist nach dem allgemeinen Grundsatz der Gesamtsaldierung (Rz. 157 ff.) ein Schaden in Höhe des ein- 230 gezahlten Betrages anzunehmen, wenn die Optionsaufträge gar nicht ausgeführt und die Optionen nicht platziert werden,3 wenn den Kunden ein zur Verlustabwendung erforderliches „Nachschussgeschäft“ vorgespiegelt wird,4 oder wenn der Täter von Anfang an die Absicht hat, von den erhaltenen Kundengeldern nichts zurückzuzahlen.5 Insoweit gilt Gleiches wie beim Anlagebetrug mit Schneeballsystemen (vgl. Rz. 188 f., 195). Darüber hinaus kommt nach den Grundsätzen des persönlichen Schadenseinschlags (Rz. 171 ff.) ein Schaden in voller Höhe des vom Kunden bezahlten Optionspreises in jenen seltenen Fällen in Betracht, in denen die Kunden über Eigenart und Risiko des Warenterminoptionsgeschäfts getäuscht werden mit der Folge, dass sie von einem wertbeständigen Anlagegeschäft und damit von einem anderen Geschäftsgegenstand („aliud“) ausgehen. Hier ist die empfangene Gegenleistung für den Kunden in vollem Umfang unbrauchbar.6 Allerdings setzt die Annahme der gänzlichen Unbrauchbarkeit eine sorgfältige, den Besonderheiten des Einzelfalls gerecht werdende Feststellung der Beweggründe, Kenntnisse und Erwägungen des Kunden voraus.7 Einen weiteren Anwendungsfall der Lehre vom persönlichen Schadenseinschlag hat der 3. Strafsenat des BGH darin gesehen, dass der Anspruch des Kunden völlig wertlos ist, wenn der Optionsverkäufer von vorneherein nicht in der Lage ist, die vertraglich geschuldete Leistung zu erbringen. So kann es insbesondere dann liegen, wenn bei Börsentermingeschäften eine Anlageberatung besonderer Qualität versprochen, jedoch nur eine solche allgemein üblicher Art erbracht wird.8 Zur Notwendigkeit der Einschränkung dieser Rspr. s. oben Rz. 195. In den übrigen und praktisch häufigsten Fällen, in denen der Optionspreis einen Aufschlag in bestimmter Höhe 231 aufweist, bemisst sich der Vermögensschaden als Eingehungsschaden nach den Grundsätzen der konkreten schadensbegründenden Vermögensgefahr. Zu vergleichen sind die beiderseitigen Vertragsverpflichtungen im Zeitpunkt des Vertragsschlusses. Wie sich die Dinge später entwickeln, ist für die strafrechtliche Wertung unerheblich.9 Da auch der (unangemessene) Aufschlag den Typus des Warentermingeschäfts als Spekulationsgeschäft nicht ändert, bemisst sich der Vermögensschaden nach dem Unterschied zwischen dem vereinbarten Preis und dem wirklichen Wert der Option (Marktpreis), der sich aus den Beschaffungskosten und der Provision eines seriösen inländischen Maklers zusammensetzt (h.M.).10 Insoweit ist ohne Belang, ob der nominale Aufschlag mehr als 100 % beträgt oder sich unterhalb dieser Grenze hält.11 Auf dieser Basis wird sich ein Vermögensschaden bei betrügerischen Warentermingeschäften regelmäßig nur für den Einzelfall und mit Hilfe eines Sachverständigen ermitteln lassen, wenngleich bei besonders hohen Aufschlägen eine Gewinnchance auch (nahezu) wertlos werden kann (letzteres str.)12 Sind genaue Feststellungen nicht möglich, hat der Tatrichter Mindestfeststellungen zu treffen.13 Der 3. Strafsenat des BGH hat allgemein erklärt, jeden die Höhe von 20 % der Beschaffungskosten ei1 BGH v. 24.1.1986 – 3 StR 411/85, StV 1986, 299, 300; BGH v. 11.7.1990 – 3 StR 84/90, wistra 1991, 25, 26; BGH v. 22.8.2001 – 3 StR 191/01, wistra 2002, 22, 23. 2 Vgl. wie hier i.E. Sonnen, wistra 1982, 126; a.A. Rose, wistra 2009, 290 ff. 3 BGH v. 24.1.1986 – 3 StR 411/85, StV 1986, 299; BGH v. 27.11.1991 – 3 StR 157/91, BGHR StGB § 263 Abs. 1 Vermögensschaden 35, S. 2; auch Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 260. 4 BGH v. 27.11.1991 – 3 StR 157/91, BGHR StGB § 263 Abs. 1 Vermögensschaden 35, S. 2; auch BGH v. 24.1.1986 – 3 StR 411/85, StV 1986, 299 f. 5 Vgl. BGH v. 24.1.1986 – 3 StR 411/85, StV 1986, 299; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 260. 6 BGH v. 28.6.1983 – 1 StR 576/82, BGHSt 32, 22, 23; BGH v. 12.1.2005 – 2 StR 229/04, BGHSt 50, 10, 15 f.; BGH v. 24.2.1983 – 1 StR 550/82, NJW 1983, 1917; BGH v. 27.11.1991 – 3 StR 157/91, BGHR StGB § 263 Abs. 1 Vermögensschaden 35, S. 2; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 258; auch BGH v. 8.7.1981 – 3 StR 457/80, BGHSt 30, 177, 181; BGH v. 8.9.1982 – 3 StR 147/82, BGHSt 31, 115, 117. 7 BGH v. 27.11.1991 – 3 StR 157/91, BGHR StGB § 263 Abs. 1 Vermögensschaden 35, S. 2; auch BGH v. 28.6.1983 – 1 StR 576/82, BGHSt 32, 22, 23; BGH v. 24.2.1983 – 1 StR 550/82, NJW 1983, 1917; BGH v. 6.10.1988 – 1 StR 389/88, wistra 1989, 19. 8 BGH v. 13.11.2007 – 3 StR 462/07, NStZ 2008, 96, 98 m. zust. Bespr. Rose, wistra 2009, 289, 293; Satzger in S/S/WStGB, § 263 Rz. 260. 9 BGH v. 23.2.1982 – 5 StR 685/81, BGHSt 30, 388, 389 f. m. Anm. Sonnen, NStZ 1983, 73; BGH v. 13.11.2007 – 3 StR 462/07, NStZ 2008, 96, 98. Vgl. auch Fischer, StGB, § 263 Rz. 168; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 259. 10 BGH v. 23.2.1982 – 5 StR 685/81, BGHSt 30, 388, 390; BGH v. 28.6.1983 – 1 StR 576/82, BGHSt 32, 22, 25; BGH v. 2.11.1982 – 5 StR 358/82, NJW 1983, 292, 293; BGH v. 24.2.1983 – 1 StR 550/82, NJW 1983, 1917, 1918; BGH v. 24.1.1986 – 3 StR 411/85, StV 1986, 299, 300; BGH v. 11.7.1990 – 3 StR 84/90, wistra 1991, 25 f.; BGH v. 22.8.2001 – 3 StR 191/01, wistra 2002, 22, 23; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 259; Saliger in M/R-StGB, § 263 Rz. 269; Fischer, StGB, § 263 Rz. 168. Teilweise anders der 3. Strafsenat in BGH v. 27.11.1991 – 3 StR 157/91, BGHR StGB § 263 Abs. 1 Vermögensschaden 35, S. 2. A.A. auch Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 114. 11 BGH v. 28.6.1983 – 1 StR 576/82, BGHSt 32, 22, 25; vgl. auch BGH v. 24.2.1983 – 1 StR 550/82, NJW 1983, 1917, 1918. In BGH v. 27.11.1991 – 3 StR 157/91, BGHR StGB § 263 Abs. 1 Vermögensschaden 35, S. 2 hat auch der 3. Strafsenat einen Aufschlag von 100 % als damals allgemein üblich nicht beanstandet. 12 Vgl. für Aufschläge über 300 % BGH v. 8.7.1981 – 3 StR 457/80, BGHSt 30, 177, 181; BGH v. 8.9.1982 – 3 StR 147/82, BGHSt 31, 115, 117; BGH v. 24.1.1986 – 3 StR 411/85, StV 1986, 299; Fischer, StGB, § 263 Rz. 168; Scheu, JR 1982, 122; Rochus, JR 1983, 338 f. A.A. Sonnen, wistra 1982, 128 f.; Worms, wistra 1984, 130 f. 13 BGH v. 23.2.1982 – 5 StR 685/81, BGHSt 30, 388, 390.

Saliger

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StGB

Betrug

StGB

§ 263 StGB Rz. 232

Strafgesetzbuch

ner Option übersteigenden Aufschlag als Mindestschaden anzuerkennen (zwh.),1 und konkret für Aufschläge ab 25 % über der marktüblichen Provision strafbaren Betrug grundsätzlich bejaht.2 g) Sonstige Fälle 232

Auf folgende sonstige Erscheinungsformen des Betruges sei hier nur hingewiesen: Abmahnbetrug (Rz. 56); Abo-Betrug im Internet (Rz. 55, 113, 278, 285); Anlagebetrug (Rz. 16 f., 195 m.N.); Arbeitsbetrug (Rz. 141 m.w.N.); Beitragsbetrug (Rz. 53, 71 m.w.N.), wo ein (stoffgleicher) Schaden allein auf Seiten der Sozialversicherung eintritt;3 Besitzbetrug (Rz. 142 f. m.w.N.);4 Beweismittelbetrug (Rz. 113, 198, 251, 253 m.w.N.);5 Betrug mit bio und öko;6 EC-Kartenbetrug (Rz. 61, 97 m.w.N.);7 Betrug durch unlauteren Abschluss und Widerruf von Fernabsatzverträgen;8 Ganovenbetrug (Rz. 145 f. m.w.N.); Betrug durch Gewinnmitteilungen;9 Betrug durch Glücks- und Geschicklichkeitsspiele (auch Rz. 42);10 Immobilienbetrug (vgl. auch Rz. 143, 175, 199, 202);11 Insertionsoffertenbetrug (Rz. 33, 54 m.w.N.); Kreditbetrug (Rz. 194 m.w.N.), insbesondere Lastschriftreiterei (dazu auch Rz. 56 m.w.N.)12 und Wechselreiterei (Rz. 62 m.w.N.);13 allgemein Betrug durch Erschleichung einer Leistung, ohne Entgelt dafür zu entrichten (Leistungsbetrug);14 Kündigungsbetrug durch die Vortäuschung von Kündigungsgründen bei Mietverhältnissen15 (auch Rz. 247); Betrug durch Kunstfälschungen,16 insbesondere Restaurierungsbetrug durch Kunstverfälschung;17 Betrug gegenüber einem Makler (Rz. 128, 134 m.w.N.);18 Betrug durch Ping-Anrufe (dazu Rz. 55); (vermeintlicher) Betrug durch Verschweigen von Provisionen (Rz. 78); Prozessbetrug bzw. Betrug im Prozess (Rz. 18 f., 73, 96, 109, 118, 188, 259, 261, 265 m.w.N.);19 Rabattbetrug (Rz. 136, 161 m.w.N.); Scheckbetrug und Scheckreiterei (Rz. 60, 105, 195 m.w.N.);20 Sportbetrug gegenüber Veranstaltern, Sponsoren, AG, Mitkonkurrenten, Zuschauern etc. verübt insbesondere durch Doping (vgl. auch Rz. 63, 185);21 „Steuerbetrug“ (näher Rz. 299 m.w.N.);22 Stundungsbetrug;23 Subventionsbetrug (Rz. 184 f. m.w.N.; Rz. 254); Betrug durch Tele-Gewinnspiele im „Hot-Button-Verfahren“?;24 Betrug durch Erschleichung 1 BGH v. 24.1.1986 – 3 StR 411/85, StV 1986, 299, 300. 2 Vgl. BGH v. 11.7.1990 – 3 StR 84/90, wistra 1991, 25, 26; BGH v. 22.8.2001 – 3 StR 191/01, wistra 2002, 22, 23. 3 Vgl. BGH v. 25.1.1984 – 3 StR 278/83, BGHSt 32, 236, 242 f.; BGH v. 13.5.1987 – 3 StR 460/86, wistra 1987, 290, 291; OLG Köln v. 28.3.2003 – 1 Zs 120/03 – 19/03, NStZ-RR 2003, 212, 213. 4 Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 157 f. 5 Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 146 f.; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 230 f. 6 Arzt, FS Lampe, 2003, S. 673. 7 Fischer, StGB, § 263 Rz. 173; Altenhain, JZ 1997, 752; allgemein zu Täuschungen im modernen Zahlungsverkehr Valerius, JA 2007, 514, 778. 8 Rettenmeier/Kopf, JR 2007, 226. 9 Braun, StraFo 2005, 102. 10 BGH v. 3.11.1955 – 3 StR 172/55, BGHSt 8, 289; BGH v. 11.1.1989 – 2 StR 461/88, BGHSt 36, 74; BayObLG v. 11.2.1993 – 5 St RR 170/92, NJW 1993, 2820 f.; LG Frankfurt v. 29.12.1992 – 5/6 Qs 48/92, NJW 1993, 945; Rengier, BT/1, § 13 Rz. 218 ff. 11 Gallandi, wistra 1992, 289 und 333; Gallandi, wistra 1994, 243. 12 BGH v. 15.6.2005 – 2 StR 30/05, BGHSt 50, 147 m. zust. Anm. Hadamitzky/Richter, NStZ 2005, 636 und abl. Anm. M. Soyka, NStZ 2005, 637; ferner M. Soyka, NStZ 2004, 538; Hadamitzky/Richter, wistra 2005, 441; Fahl, Jura 2006, 733; Fischer, StGB, § 263 Rz. 166; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 275. 13 Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 639; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 220 ff.; Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 163; Fischer, StGB, § 263 Rz. 166; Otto, Jura 1983, 16. 14 Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 189; Hoyer in SK-StGB, § 263 Rz. 255 f.; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 272. 15 Für Wohnraummietverhältnisse eingehend Seier, Kündigungsbetrug, 1989. 16 Gross, Raritätenbetrug, 1901; Diggelmann, Die Fälschung von Sammlungsobjekten, 1916; Schmid, Kunstbetrug, 1941; Ewald-Schübeck, ArchKrim Bd. 133 (1964), S. 125; Dittmer, TbKrim XIV 1964, S. 174; Würtenberger, Kunstfälschertum, 2. Aufl. 1970, und Würtenberger, NJW 1985, 1586; Heinz/Mühleisen, FS Würtenberger, 1977, S. 219; ferner zu Versteigerungsunsitten im Kunsthandel Baumann, NJW 1971, 23. 17 Döpfner, Der Restaurierungsbetrug, 1989. 18 Dazu auch Wessels/Hillenkamp, BT/2, Rz. 580. 19 Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 234 ff.; Lackner in LK-StGB, § 263 Rz. 304 ff. 20 Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 216 ff.; Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 634 ff.; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 273 f.; Otto, Jura 1983, 16. 21 Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 791; Cherkeh, Betrug verübt durch Doping im Sport, 2000; Momsen/Pflanz, Die sportethische und strafrechtliche Bedeutung des Dopings, 2005; L. C. Hamm, Sportspezifische Manipulation als AnwKendungsfall des Strafrechts, 2005; Ackermann, Strafrechtliche Aspekte des Pferdeleistungssports, 2007; Schattmann, Betrug des Leistungssportlers im Wettkampf, 2008; Heger, JA 2003, 76, 80 ff.; Kerner/Trüg, JuS 2004, 140; Leipold, NJW-Spezial 2006, 423; Kargl, NStZ 2007, 489; Kudlich, JA 2007, 90; Hirsch, FS Szwarc, 2009, S. 577; Rössner, FS Mehle, 2009, S. 567. 22 Vgl. BGH v. 1.2.1989 – 3 StR 179/88, BGHSt 36, 100, 101 ff. und BGH v. 23.3.1994 – 5 StR 91/94, BGHSt 40, 109, 111 ff.; BayObLG v. 23.11.2004 – 1 St RR 129/04, NStZ 2005, 172, 176. Vgl. auch Peters, Betrug und Steuerhinterziehung, 2010; Gaede, Der Steuerbetrug, 2016. Zur Verkürzung von Kirchensteuern als Betrug BGH v. 17.4.2008 – 5 StR 547/07, NStZ 2009, 157, 159 m. zust. Anm. Schützeberg, wistra 2009, 31. 23 Fischer, StGB, § 263 Rz. 134. 24 Becker/Ulbrich/Voß, MMR 2007, 149; Schröder/Thiele, Jura 2007, 814; Noltenius, wistra 2008, 285; Oehme, JA 2009, 39; Eiden, ZIS 2009, 59; Wessels/Hillenkamp, BT/2, Rz. 580.

500

Saliger

Rz. 235 § 263 StGB

von Unterschriften (auch Rz. 113 m.w.N.);1 Versicherungsbetrug (Rz. 205 m.w.N.; Rz. 288 ff.); Wissenschaftsoder Forschungsbetrug durch Täuschungen in der Wissenschaft (Erschleichung, Fälschung und Plagiierung von Forschungsergebnissen; Erschleichung von Fördermitteln usw).2

V. Subjektiver Tatbestand Der subjektive Tatbestand des Betruges erfordert Vorsatz und die Absicht, sich oder einem Dritten einen rechts- 233 widrigen Vermögensvorteil zu verschaffen. Betrug ist ein klassisches Vorsatzdelikt. Das deutsche Strafrecht kennt traditionell und aufgrund der Funktionen des Betruges (Rz. 4), die eine zu weitgehende Kriminalisierung und dadurch drohende Lahmlegung des Wirtschaftslebens ausschließen, mit Recht keinen strafbaren fahrlässigen Betrug.3 Insoweit bleiben nicht nur vereinzelte Ausnahmen im nationalen Strafrecht (vgl. § 264 Abs. 4, dazu § 264 StGB Rz. 3, 40 m.w.N.), sondern auch Bestrebungen auf europäischer Ebene, etwa zum Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Gemeinschaften einen strafbaren leichtfertigen „Betrug“ einzuführen,4 fragwürdig. 1. Vorsatz Der Vorsatz muss sich als Wissen und Wollen5 auf alle Merkmale des objektiven Betrugstatbestands einschließ- 234 lich des sie verbindenden Kausalzusammenhangs beziehen. Es genügt grundsätzlich bedingter Vorsatz.6 Das gilt anerkanntermaßen nicht für die strafbare Vorspiegelung innerer Tatsachen (z.B. der eigenen Zahlungsbereitschaft), die nur mit dolus directus möglich ist.7 Darüber hinaus verlangt insbesondere die Rspr. bei betrügerischen rechnungsähnlichen Angebotsschreiben eine Täuschungsabsicht des Täters, was allerdings abzulehnen ist (vgl. Rz. 33 f., 54 m.w.N.). Im Hinblick auf das hohe Maß der Normativierung der objektiven Betrugsmerkmale (vgl. nur Rz. 10 zur objektiven Zurechnung; Rz. 36 und Rz. 69 zur Täuschung; Rz. 93 f. zum Irrtum; Rz. 149 ff., 156 zum Vermögensschaden) verlangt der (bedingte) Betrugsvorsatz weder eine rechtlich zutreffende Subsumtion, die der Täter regelmäßig nicht leisten könnte, noch genügt die schiere Tatsachenkenntnis. Vielmehr handelt mit (bedingtem) Betrugsvorsatz, wer die Tatsachen kennt, die eine Betrugsstrafbarkeit begründen, und wer ihren sozialen Sinngehalt nach Maßgabe einer Parallelwertung in der Laiensphäre zutreffend erfasst.8 I.E. muss der Betrüger in dem Bewusstsein handeln, durch Täuschung einen Irrtum zu erregen.9 Insbesondere 235 muss er mit der Unwahrheit der behaupteten Tatsache rechnen bzw. sie zumindestens in Kauf nehmen.10 Das dürfte auch bei Behauptungen „ins Blaue hinein“ regelmäßig der Fall sein.11 Umgekehrt fehlt demjenigen der Täuschungsvorsatz, der seine unrichtigen Behauptungen für wahr hält.12 Glaubt der Täter an die Unwahrheit einer objektiv wahren Tatsachenbehauptung, so liegt ein strafbarer untauglicher Versuch vor.13 Bei einer konkludenten Täuschung erfordert der Betrugsvorsatz die Kenntnis der sie begründenden Verkehrsanschauung einschließlich der das jew. Rechtsgeschäft prägenden Risikoverteilung.14 Deshalb handelt ohne Vorsatz, wer bei Auszahlungen seiner Bank vom erheblich überzogenen Konto begründet davon ausgeht, dass sich die Schalterbediensteten keine Gedanken über seine Bonität machen.15 Vorsätzliche Täuschung durch Unterlassen setzt Kenntnis des Täters von Existenz und Umfang seiner Aufklärungspflicht voraus, so dass der Vorsatz fehlt, wenn

1 2 3 4 5 6

7 8 9 10 11 12 13 14 15

Franzheim/Krug, GA 1975, 97. Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 154; Jerouschek, GA 1999, 416; Ottermann, Wissenschaftsbetrug, 2006. Vgl. auch Maurach/Schroeder/Maiwald, § 41 Rz. 137. Vgl. z.B. Art. 1, 9 eines Corpus Juris 2000 (Fassung Florenz) und Grünbuch zum strafrechtlichen Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Gemeinschaften, KOM (2001) 715, S. 39. H.M.: BGH v. 26.8.2003 – 5 StR 145/03, BGHSt 48, 331, 346; BGH v. 16.4.2008 – 5 StR 615/07, NStZ-RR 2008, 239, 240; auch BGH v. 4.12.2002 – 2 StR 332/02, NStZ 2003, 264; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 240. H.M.: BGH v. 9.5.1974 – 4 StR 100/74, MDR 1975, 22 f.; BGH v. 26.8.2003 – 5 StR 145/03, BGHSt 48, 331, 346 ff.; Fischer, StGB, § 263 Rz. 180; Lackner/Kühl, StGB, § 263 Rz. 57; Saliger in M/R-StGB, § 263 Rz. 272; Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 165; Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 350; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 284. Weiter einschränkend Hoyer in SK-StGB, § 263 Rz. 264; Dencker, FS Grünwald, 1999, S. 81; Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 751. RG v. 16.11.1897 – Rep 2815/97, RGSt 30, 333, 336; OLG Celle v. 27.2.1957 – 1 Ss 320/56, GA 1957, 220; Wessels/Hillenkamp, BT/2, Rz. 581: Wissentlichkeit; noch enger Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 284: Absicht. Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 165; Hoyer in SK-StGB, § 263 Rz. 263; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 241; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 290. Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 165. Fischer, StGB, § 263 Rz. 180; Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 165; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 242; Satzger in S/S/ W-StGB, § 263 Rz. 285. Fischer, StGB, § 263 Rz. 180; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 285. RG v. 10.11.1914 – V 484/14, RGSt 49, 21, 29; BGH v. 5.2.1963 – 1 StR 533/62, BGHSt 18, 235, 237; BGH v. 22.5.1986 – 4 StR 64/86, wistra 1987, 24, 25. RG v. 11.4.1916 – V 113/16, RGSt 50, 35, 36; Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 165. Vgl. BayObLG v. 21.1.1999 – 1 St RR 265-98, NJW 1999, 1648, 1649; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 242; Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 752; Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 351; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 285. OLG Frankfurt v. 8.4.1998 – 3 Ss 419/97, NStZ-RR 1998, 333 f.; Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 752.

Saliger

501

StGB

Betrug

StGB

§ 263 StGB Rz. 236

Strafgesetzbuch

der Täter nicht weiß, dass seine Angaben unvollständig sind.1 Ohne Vorsatz in Bezug auf das Irrtumsmerkmal handelt, wer von einer ignorantia facti ausgeht, also annimmt, dass sich der Getäuschte überhaupt keine Gedanken über die täuschungsrelevante Tatsache macht (vgl. Rz. 94 ff.).2 Des Weiteren muss der Betrüger in dem Bewusstsein agieren, durch seine Täuschung und Irrtumserregung eine Vermögensverfügung des Getäuschten herbeizuführen und dadurch einen anderen unmittelbar in seinem Vermögen zu schädigen.3 Beim Dreiecksbetrug erfordert Vorsatz vor allem die Kenntnis jener Umstände, die den Dritten zum Verfügenden machen (vgl. Rz. 116 ff.).4 Beim persönlichen Schadenseinschlag (Rz. 171 ff.) handelt der Täter vorsätzlich, wenn ihm die Umstände der Unbrauchbarkeit des Gegenstands für den Geschädigten bewusst sind.5 Dagegen setzt der Schädigungsvorsatz keine zutreffende Kenntnis von der Person des Geschädigten voraus, da der Tatbestand nur die Schädigung des Vermögens „eines anderen“ verlangt. Insbesondere wird der Schädigungsvorsatz nicht dadurch ausgeschlossen, dass der Täter sich eine von dem wirklich Geschädigten verschiedene Person als Geschädigten vorstellt.6 236

Dass der Betrugsvorsatz hinsichtlich der einzelnen objektiven Tatbestandsmerkmale stets sorgfältiger Prüfung bedarf, um der Gefahr zu entgehen, bloße Fahrlässigkeit zu bestrafen,7 zeigen die Schwierigkeiten der Feststellung des (bedingten) Vorsatzes bei schadensbegründenden Gefährdungsschäden (zu letzteren Rz. 187 ff.). In Bezug auf das Wissenselement ist zunächst anerkannt, dass der Täter die tatsächlichen Umstände kennen muss, welche den Vermögensschaden bzw. die konkrete Vermögensgefahr begründen.8 Das schließt das Wissen des Täters ein, dass die Forderung nach allgemeinen Bewertungsmaßstäben nicht als gleichwertig angesehen wird, selbst wenn er sie persönlich anders bewerten mag.9 Der Schädigungsvorsatz entfällt aber nicht bereits deshalb, weil der Täter beabsichtigt, hofft oder glaubt, es werde letzten Endes alles gut gehen und das Risiko werde sich nicht realisieren10 oder er könne den endgültigen Schaden abwenden.11 Das Wissen des Täters um die Gefährdungslage ist nach der Rspr. des BGH auch für die Prüfung des Wollenselements beim bedingten Vorsatz maßgebend (beim dolus directus 2. Grades tritt das Wollenselement in den Hintergrund und wirft deshalb regelmäßig keine Feststellungsprobleme auf).12 Insoweit gilt, dass je größer und offensichtlicher sich die Gefährdung des Rückzahlungsanspruchs für den Täter darstellt, desto mehr grundsätzlich der Schluss naheliegt, dass er diese Gefährdung auch gebilligt hat.13 Umgekehrt ist der Feststellung des Wollenselements nach dem 5. Strafsenat des BGH gerade im Rahmen von Wirtschaftsstraftaten ein besonderes Gewicht einzuräumen.14 So soll einerseits die bloße Kenntnis einer potentiellen Gefährdungslage für die Annahme eines Betrugsvorsatzes nicht ausreichen. Vielmehr muss der Betrogene aus Sicht des Täuschenden ernstlich mit wirtschaftlichen Nachteilen zu rechnen haben, was nicht der Fall ist, wenn der Eintritt wirtschaftlicher Nachteile nicht einmal überwiegend wahrscheinlich ist, sondern von zukünftigen Ereignissen abhängt.15 Darüber hinaus verlangt vor allem der 5. Strafsenat des BGH andererseits (in nicht spannungslosem Verhältnis zur ersten Maßgabe) eine Gesamtwürdigung des Einzelfalls, um insbesondere bei Wirtschaftsstraftaten zu verhindern, dass das Wollenselement ausschließlich aus der Schadenswahrscheinlichkeit betrachtet und gefolgert wird. Danach sind bei der Feststel-

1 Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 752; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 242; Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 351. 2 AG Siegburg v. 3.5.2004 – 20 Ds 421/03, NJW 2004, 3725 m. Bespr. Goeckenjan, JA 2006, 758; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 286; Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 752. 3 Vgl. BGH v. 4.12.2002 – 2 StR 332/02, NStZ 2003, 264; ferner Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 165; Satzger in S/S/WStGB, § 263 Rz. 287. 4 Hoyer in SK-StGB, § 263 Rz. 263; Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 752; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 242. 5 Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 242; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 287. 6 BGH v. 5.3.1968 – 1 StR 17/68, NJW 1968, 1147, 1148; BGH v. 8.2.1972 – 1 StR 612/71, MDR 1972, 571; Perron in S/SStGB, § 263 Rz. 165; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 287; Wessels/Hillenkamp, BT/2, Rz. 582. 7 Vgl. Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 752; Fischer, StGB, § 263 Rz. 180; auch Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 244. 8 BGH v. 20.5.1981 – 2 StR 209/81, MDR 1981, 810, 811; BGH v. 3.11.1987 – 1 StR 292/87, wistra 1988, 188, 190; BGH v. 12.6.2001 – 4 StR 402/00, wistra 2001, 423, 424; BGH v. 4.12.2002 – 2 StR 332/02, NStZ 2003, 264; BGH v. 26.8.2003 – 5 StR 145/03, BGHSt 48, 331, 346; Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 752. 9 BGH v. 23.11.1971 – 1 StR 256/71, MDR 1972, 197 f.; BGH v. 12.6.2001 – 4 StR 402/00, wistra 2001, 423, 424; BGH v. 15.11.2001 – 1 StR 185/01, BGHSt 47, 148, 157; BGH v. 26.8.2003 – 5 StR 145/03, BGHSt 48, 331, 346. 10 BGH v. 4.12.2002 – 2 StR 332/02, NStZ 2003, 264; BGH v. 18.2.2009 – 1 StR 731/08, BGHSt 53, 199, 204; auch BGH v. 20.5.1981 – 2 StR 209/81, MDR 1981, 810, 811; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 246; Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 165; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 287. 11 BGH v. 12.6.2001 – 4 StR 402/00, wistra 2001, 423, 424; BGH v. 15.11.2001 – 1 StR 185/01, BGHSt 47, 148, 157; BGH v. 26.8.2003 – 5 StR 145/05, BGHSt 48, 331, 346; Lackner/Kühl, StGB, § 263 Rz. 57; Wessels/Hillenkamp, BT/2, Rz. 581. 12 Vgl. BGH v. 15.11.2001 – 1 StR 185/01, BGHSt 47, 148, 157; BGH v. 20.3.2008 – 1 StR 488/07, NStZ 2008, 457 f.; auch Fischer, StGB, § 263 Rz. 183 m.w.N. 13 BGH v. 26.8.2003 – 5 StR 145/03, BGHSt 48, 331, 346 m. Anm. Beulke, JR 2005, 37; vgl. auch Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 245. 14 BGH v. 16.4.2008 – 5 StR 615/07, NStZ-RR 2008, 239, 240 m. Anm. Wegner, wistra 2008, 347. 15 BGH v. 16.4.2008 – 5 StR 615/07, NStZ-RR 2008, 239, 240; auch BGH v. 20.5.1981 – 2 StR 209/81, MDR 1981, 810, 811 und BGH v. 12.6.2001 – 4 StR 402/00, wistra 2001, 423, 424; Fischer, StGB, § 263 Rz. 181.

502

Saliger

Rz. 238 § 263 StGB

lung des Wollenselements Motive und Interessenlage des Täters ebenso zu berücksichtigen wie der konkrete Zuschnitt der zu beurteilenden Geschäfte.1 Auf dieser Basis hat der 2. Strafsenat des BGH zu einem Fall der betrügerischen Vermittlung von Kapitalanlagen 237 erklärt, dass die Feststellung der Täuschung der Anleger über das Verlustrisiko an sich geeignet ist, die Annahme eines Gefährdungsvorsatzes zu tragen. Denn wer einem anderen eine sichere Kapitalanlage vorspiegelt, obwohl er tatsächlich mit der Möglichkeit eines Totalverlustes rechnet, der kann eine täuschungsbedingte Gefährdung des eingesetzten Geldes des Getäuschten billigen.2 Dagegen genügt für die Annahme eines Betrugsvorsatzes nicht die bloße Tatsache, dass ein Schuldner, der ein kurzfristiges Darlehen aufnimmt, mit der Möglichkeit rechnet, er werde nicht gerade zum Fälligkeitstermin zurückzahlen können.3 Beim betrügerischen Einwerben von Kapitalanlagen kommt Vorsatz erst in Betracht, wenn der Täter eine Gefährdung der Rückzahlung der Anlegereinlage über das vertraglich vorausgesetzte Risiko hinaus in Kauf nimmt. Darauf müssen sich Wissens- und Wollenskomponente beziehen.4 So fehlt eine Darlegung der Wissenskomponente, wenn das Tatgericht selbst die Konzeption des Angeklagten grundsätzlich als wirtschaftlich tragfähig angesehen hat, so dass jedenfalls aus Sicht des Angeklagten einzukalkulierende Anfangsverluste nicht zwangsläufig ein entsprechendes Bewusstsein der Anlegergefährdung entstehen lassen. Ebenso setzt die Ermittlung des Wollenselements neben einer Feststellung von Krisenanzeichen und ihrer exakten zeitlichen Einordnung auch die Prüfung voraus, inwieweit die Investitionsobjekte für die Angeklagten als gewinnbringend erscheinen konnten. Ein Schädigungsvorsatz ist namentlich dann zweifelhaft, wenn die Angeklagten, die ihre Verpflichtungen aus stillen Beteiligungen bedient haben, aufgrund der Marktlage einen Ersatz von ausscheidenden Anlegern durch Neuanleger und den Eingang hinreichender Erträge zur Deckung von Unternehmensaufwendungen erwarten konnten.5 Dagegen können schwerwiegende Pflichtverletzungen einen Betrugsvorsatz nahelegen. Wird insbesondere gegen Rechtsvorschriften gravierend verstoßen, die gerade dem Anlegerschutz dienen und dem Täter bekannt sind, soll dies regelmäßig ein gewichtiger Hinweis auf einen entsprechenden Gefährdungsvorsatz in Gestalt eines Einverständnisses mit der Vermögensgefährdung sein.6 Stets braucht sich das Wollenselement des Betrugsvorsatzes aber nur auf den unmittelbar mit der Vermögensverfügung eingetretenen Vermögensnachteil, bei der konkreten Vermögensgefahr also auf das „schadensgleiche“ Verlustrisiko zu beziehen, nicht auf die Billigung eines eventuellen Endschadens.7 Die vor allem vom 2. Strafsenat für die Untreue entwickelte subjektive Einschränkung des Gefährdungsvorsatzes auf einen Schadensrealisierungsvorsatz („Billigung der Realisierung der Gefahr“)8 ist als systemwidrige Konstruktion nicht nur bei der Untreue (str., s. dazu § 266 StGB Rz. 84, 88, 129 m.w.N), sondern erst recht, wie die Begründung des 2. Senats selbst nahelegt,9 beim Betrug zu verwerfen.10 Maßgebender Zeitpunkt für den Vorsatz ist die Vornahme der Täuschungshandlung.11 Bei mehraktigen Täu- 238 schungen erfordert vollendete Betrugsstrafe Vorsatz bei jeder kausalen Täuschungshandlung.12 Bei mehraktigen Verfügungen (dazu Rz. 114) ist die Täuschung des ersten Beteiligten entscheidend.13 Ein dolus subsequens schadet zwar bei gutgläubiger Vornahme der Täuschungshandlung nicht, kann aber zu einem Betrug durch Unterlassen aus Ingerenz führen (vgl. Rz. 80 ff.).14 Kennt der Täter Tatumstände nicht, die ein Merkmal des objektiven Betrugstatbestands begründen, so unterliegt er einem Tatbestandsirrtum und handelt gem. § 16 Abs. 1 S. 1 ohne Vorsatz.15 Nimmt der Täter irrig an, durch seine Täuschung jemanden widerrechtlich zu schädigen (z.B. Nichterfüllung von für rechtswirksam gehaltenen Ansprüchen, die laut Tatgericht objektiv nichtig waren), soll ein untauglicher versuchter Betrug vorliegen (zwh.).16 Bezüglich der Rechtswidrigkeit des erstrebten Vermögensvorteils muss der Täter nach h.M. ebenfalls (mindestens bedingt) vorsätzlich handeln (näher 1 BGH v. 26.8.2003 – 5 StR 145/03, BGHSt 48, 331, 347; vgl. auch – distanziert – Lackner/Kühl, StGB, § 263 Rz. 57 und Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 287. 2 BGH v. 4.12.2002 – 2 StR 332/02, NStZ 2003, 264. 3 BGH v. 14.6.1955 – 5 StR 235/55, MDR 1955, 528 f. 4 BGH v. 26.8.2003 – 5 StR 145/03, BGHSt 48, 331, 347. 5 BGH v. 26.8.2003 – 5 StR 145/03, BGHSt 48, 331, 348. 6 BGH v. 26.8.2003 – 5 StR 145/03, BGHSt 48, 331, 348. 7 BGH v. 26.8.2003 – 5 StR 145/03, BGHSt 48, 331, 346; BGH v. 18.2.2009 – 1 StR 731/08, BGHSt 53, 199, 204. 8 BGH v. 18.10.2006 – 2 StR 499/05, BGHSt 51, 100, 121 f. m. Anm. Bernsmann, GA 2007, 229; Ransiek, NJW 2007, 1729; Saliger, NStZ 2007, 550 f.; Perron, NStZ 2008, 517; BGH v. 25.5.2007 – 2 StR 469/06, NStZ 2007, 704 m. Anm. Schlösser, NStZ 2008, 397; BGH v. 7.4.2010 – 2 StR 153/09, NJW 2010, 1764 Rz. 15; ebenso der 5. Strafsenat in BGH v. 2.4.2008 – 5 StR 354/07, BGHSt 52, 182, 190. 9 Vgl. BGH v. 18.10.2006 – 2 StR 499/05, BGHSt 51, 100, 123; Wessels/Hillenkamp, BT/2, Rz. 581. 10 Str., wie hier: Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 758; Hillenkamp, FS Maiwald, 2010, S. 341 ff.; Wessels/Hillenkamp, BT/2, Rz. 581; i.E. ebenso Gaede in AnwK-StGB, § 263 Rz. 156. A.A. offenbar Fischer, StGB, § 263 Rz. 185. 11 Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 247; Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 350. 12 Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 247. 13 Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 350; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 247. 14 Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 247. 15 Vgl. Rengier, BT/1, Rz. 236. 16 LG Mannheim v. 18.5.1995 – (12) 3 Ns 21/95, NJW 1995, 3398, 3399 m. abl. Bespr. Behm, NStZ 1996, 317. Zur Abgrenzung von Tatbestands- und Verbotsirrtum nach der Unterscheidung von singulärem Sachverhalt und Regel Neumann, FS Puppe, 2011, S. 171 ff.

Saliger

503

StGB

Betrug

StGB

§ 263 StGB Rz. 239

Strafgesetzbuch

Rz. 252, 255 f.).1 An die für die Verurteilung erforderliche Überzeugungsbildung zum Betrugsvorsatz dürfen i.Ü. weder überspannte Anforderungen gestellt werden, noch darf sie lückenhaft sein. So werden einem Spitzenbeamten, der im Aufspüren von Fällen staatlicher Mittelverschwendung geschult ist, auf dem eigenen Prüfungsgebiet auch bei unrichtigen Angaben zu seinen Gunsten in weitaus geringerem Umfang Versehen unterlaufen als einem Durchschnittsbeamten.2 2. Bereicherungsabsicht a) Allgemeines 239

Die Absicht, sich oder einem Dritten einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen (Bereicherungsabsicht), bezeichnet neben dem Vorsatz (Rz. 234 ff.) das zweite Merkmal des subjektiven Betrugstatbestands (Rz. 233). Die Bereicherungsabsicht ist tatbezogenes subjektives Unrechtsmerkmal3 und daher kein besonderes persönliches Merkmal gem. § 28 Abs. 1.4 Sie markiert ein bedeutsames Strukturmerkmal des Betrugs mit dreifacher Funktion:5 Erstens weist sie mit dem Streben des Täters nach einer Bereicherung für sich (eigennütziger Betrug) oder für einen Dritten (fremdnütziger Betrug; dazu auch Rz. 257) als überschießender Innentendenz den Betrug als Bereicherungsdelikt in Gestalt eines kupierten Erfolgsdelikts aus.6 Zweitens stellt die Bereicherungsabsicht implizit jene Verbindung zwischen dem beim Opfer eintretenden Vermögensschaden und dem vom Täter erstrebten Vermögensvorteil her, die als sog. Stoffgleichheit in die Betrugsdogmatik eingegangen ist und die den Betrug als Vermögensverschiebungsdelikt kennzeichnet.7 Drittens harmonisiert die Bereicherungsabsicht mit ihrem Bezug auf die Rechtswidrigkeit des Vermögensvorteils den strafrechtlichen Betrugsschutz normativ mit der Gesamtrechtsordnung insofern, als sie täuschungsbedingte Vermögensverschiebungen nicht kriminalisiert, die im Einklang mit dem bürgerlichen oder öffentlichen Recht stehen. Insoweit verweist das Gesetz selbst auf die Undurchführbarkeit eines rein wirtschaftlichen Vermögens- und Schadensbegriff, indem es den strafrechtlichen Vermögensschutz durch den Betrugstatbestand objektiv-normativ begrenzt (vgl. Rz. 154).8 Zur Erfüllung dieser drei Funktionen hat der Gesetzgeber die Bereicherungsabsicht als strukturell komplexes Tatbestandsmerkmal angelegt, bei dem bereits ihre expliziten Elemente (Absicht, Vermögensvorteil, Rechtswidrigkeit des Vermögensvorteils, Eigen- oder Fremdnützigkeit) je für sich Auslegungsprobleme aufwerfen. Die Komplexität wird gesteigert durch das ungeschriebene Element der Stoffgleichheit, das Gegenstand chronischer Kontroversen ist (Rz. 245 ff.). Schließlich ist die systematische Stellung der Bereicherungsabsicht komplex. Denn obgleich die Bereicherungsabsicht im subjektiven Betrugstatbestand zu prüfen ist, sieht die h.M. in der Rechtswidrigkeit des Vermögensvorteils mit Recht ein objektives Tatbestandsmerkmal, diesbezüglich der Täter mindestens mit dolus eventualis handeln muss (näher Rz. 252).9 Die Bereicherungsabsicht bei der Erpressung deckt sich inhaltlich voll mit der Bereicherungsabsicht beim Betrug.10 b) Absicht

240

Absicht im Begriff der Bereicherungsabsicht meint zielgerichteter Wille, also dolus directus 1. Grades.11 Dem Täter muss es darauf ankommen, den Vermögensvorteil für sich oder einen Dritten zu erlangen.12 Das ist unstreitig der Fall, wenn der Täter den Vermögensvorteil als End- oder notwendiges Zwischenziel erstrebt.13 Nicht erforderlich ist, dass der Vermögensvorteil der einzige, maßgebende oder überwiegend verfolgte Handlungszweck

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13

BGH v. 9.5.1974 – 4 StR 100/74, MDR 1975, 22 f.; Wessels/Hillenkamp, BT/2, Rz. 582. BGH v. 28.9.2006 – 5 StR 140/06, wistra 2007, 108, 109. Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 248; Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 387; Gaede in AnwK-StGB, § 263 Rz. 157. H.M.: Lackner/Kühl, StGB, § 263 Rz. 58; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 288; Saliger in M/R-StGB, § 263 Rz. 277; Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 387; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 294. A.A. Hoyer in SK-StGB, § 263 Rz. 273. Zum Folgenden schon Saliger in M/R-StGB, § 263 Rz. 277. Vgl. BGH v. 25.1.1984 – 3 StR 278/83, BGHSt 32, 236, 242 f.; ferner Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 764 ff.; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 248; Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 352; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 291; Maurach/Schroeder/Maiwald, BT/1, § 41 Rz. 12, 138. BayObLG v. 11.3.1994 – 1 St RR 16/94, NStZ 1994, 491, 492; Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 352; Tiedemann in LKStGB, § 263 Rz. 256; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 295; Samson, JA 1978, 629; Küper/Zopfs, BT, S. 87 f.; Wessels/Hillenkamp, BT/2, Rz. 588. Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 173; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 264; Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 801. BGH v. 9.5.1974 – 4 StR 100/74, MDR 1975, 22 f.; BGH v. 9.7.2003 – 5 StR 65/02, NStZ 2003, 664; Satzger in S/S/WStGB, § 263 Rz. 303, 309; Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 799 f.; Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 368 f.; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 268; A.A. z.B. Kudlich, NStZ 1997, 433. H.M.: S. nur BGH v. 3.5.1988 – 1 StR 148/88, NJW 1988, 2623; Lackner/Kühl, StGB, § 263 § 253 Rz. 8; Kudlich in S/S/ W-StGB, § 253 Rz. 26. LG Kiel v. 3.3.2006 – V Ns 18/06, NStZ 2008, 219, 220; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 249; Hoyer in SK-StGB, § 263 Rz. 272; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 293. BGH v. 9.5.1974 – 4 StR 100/74, MDR 1975, 22; BGH v. 3.5.1988 – 1 StR 148/88, NJW 1988, 2623; OLG Jena v. 27.9.2005 – 1 Ss 259/05, NStZ 2006, 450, 451; Fischer, StGB, § 263 Rz. 190. LG Kiel v. 3.3.2006 – V Ns 18/06, NStZ 2008, 219, 220; BGH v. 23.2.1961 – 4 StR 7/61, BGHSt 16, 1, 6 f.; Hoyer in SKStGB, § 263 Rz. 272; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 293; Samson, JA 1978, 630; Dannecker in G/J/W, § 263 Rz. 118.

504

Saliger

Rz. 241 § 263 StGB

ist.1 Unerheblich ist auch, ob sich das Vorhaben des Täters in erster Linie sogar auf andere Ziele richtet.2 Insoweit genügt nach h.M., dass der Vermögensvorteil als Nebenzweck angestrebt wird.3 Andernfalls würde dem Strafrichter, so der BGH, die häufig unlösbare Aufgabe gestellt, aus einem Motivbündel das maßgebende oder überwiegende Motiv des Täters herauszufinden, woran die Strafrechtspflege bei der Verfolgung von Betrügern oft scheitern müsste.4 Soweit der Vermögensvorteil erstrebt wird, reicht es aus, dass der Täter die tatsächliche Erlangung des Vorteils nur für möglich hält.5 Fehlt dem Täter daher schon das Bewusstsein, dass ihm ein Vermögensvorteil erwachsen kann, so scheidet Bereicherungsabsicht aus.6 Über die erstrebten notwendigen Zwischenziele und Nebenzwecke hinaus lässt die h.M. auch solche Vermögensvorteile als Nebenfolgen unter den Absichtsbegriff fallen, auf die es dem Täuschenden als „sichere und erwünschte Folge seines Handelns ankommt, mögen ihn daneben auch andere Zielvorstellungen und Regungen erfüllen, ja mag jene Folge für ihn nur das Mittel zu einem anderen Zweck sein.“7 Nicht für eine Absicht ausreichen sollen dagegen Vermögensvorteile, die der Täter zwar als sichere Folge seiner Täuschung voraussieht, die ihm aber unerwünscht sind, etwa weil er sie „als peinliche oder lästige Folge seines Handelns, das auf ein anderes Ziel oder mehrere andere Ziele gerichtet ist, hinnimmt“.8 Gleiches gilt für Vermögensvorteile, die er nur als notwendige oder mögliche Folge seines ausschließlich auf einen anderen Zweck gerichteten Verhaltens, also als Nebenfolge voraussieht.9 Auf dieser Basis hat die Judikatur Absicht u.a. in folgenden Fällen verneint: für einen Beamten, der erfolgreich die 241 Erstattung tatsächlich nicht angefallener Flugkosten allein deswegen beantragt, um einem Disziplinarverfahren wegen Durchquerung der DDR auf dem Landweg zu entgehen (Flugreisekosten-Fall);10 für einen Tierarzt, der falsche Blutproben zur Untersuchung beim Veterinäramt einsendet und dafür geringe Gebühren entgegennimmt, wobei ihm die Gebühren eine unerwünschte, peinliche und lästige Nebenfolge sind, die sich nicht vermeiden lässt, um seine mangelnde Erfüllung der mühsamen Pflicht zur Einholung richtiger Blutproben nicht offenbaren zu müssen (Tierarzt-Fall).11 Absicht fehlt auch, wenn der Täter eine Stelle zwecks Werkspionage erschleicht und den Arbeitslohn nur entgegennimmt, um die Tarnung nicht auffliegen zu lassen (Fall Wallraff);12 oder wenn ein Wissenschaftler einer Fachzeitschrift ein Plagiat als Originalbeitrag zur Veröffentlichung einreicht, um seine Reputation zu steigern, nicht um sich das geringe Honorar zu erschleichen.13 Bejaht hat die Rspr. Absicht dagegen für den Provisionsvertreter, der Kunden zum Abschluss nachteiliger Verträge zugunsten seines Geschäftsherrn veranlasst, um für sich die Provision vom Geschäftsherrn zu erlangen (Drittbereicherungsabsicht; ProvisionsvertreterFall);14 für den Vorstand eines Stadtreinigungsbetriebs, der durch überhöhte Straßenreinigungs-Gebühren zwar in erster Linie eigenes Fehlverhalten aus einer früheren Tarifperiode verdecken will, dabei aber zugleich seine Tat auf einer erneute, erweiterte Bereicherung seines AG richtet (Drittbereicherungsabsicht; StraßenreinigungsFall);15 für einen Brauleiter, der bestrebt war, durch sein betrügerisches Handeln sowohl seine Berufsehre als auch sein Erwerbseinkommen zu erhalten und zu erhöhen;16 für einen Täter, der sich nicht um des Gewinns willen, sondern aus Sportleidenschaft seine Zulassung zu einem Pferderennen erschleicht (zwh.).17 Ebenfalls soll nach der Rspr. mit Bereicherungsabsicht in Bezug auf die Dispositionsbefugnis über die Waren bzw. Dienstleistungen

1 RG v. 13.5.1895 – 1140/95, RGSt 27, 217, 220; BGH v. 23.2.1961 – 4 StR 7/61, BGHSt 16, 1, 6; BGH v. 9.6.2009 – 5 StR 394/08, NStZ 2009, 506, 508; LG Kiel v. 3.3.2006 – V Ns 18/06, NStZ 2008, 219, 220; Lackner/Kühl, StGB, § 263 Rz. 58; Fischer, StGB, § 263 Rz. 190; Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 176; Wessels/Hillenkamp, BT/2, Rz. 583. 2 BGH v. 23.2.1961 – 4 StR 7/61, BGHSt 16, 1, 6; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 293. 3 RG v. 13.5.1895 – 1140/95, RGSt 27, 217 (220); Hoyer in SK-StGB, § 263 Rz. 272; Küper/Zopfs, BT, S. 83 f. 4 BGH v. 23.2.1961 – 4 StR 7/61, BGHSt 16, 1, 7. 5 Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 249; Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 176; Welzel, NJW 1962, 21. 6 BGH v. 3.5.1988 – 1 StR 148/88, NJW 1988, 2623; Dencker, FS Grünwald, 1999, S. 89. 7 BGH v. 23.2.1961 – 4 StR 7/61, BGHSt 16, 1 (7; Hervorhebung von mir); BGH v. 3.3.1999 – 2 StR 598/98, wistra 1999, 378, 379; BayObLG v. 17.9.1971 – RReg 7 St 143/71, JZ 1972, 25, 26; tendenziell enger BGH v. 9.6.2009 – 5 StR 394/08, NStZ 2009, 506, 508; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 293; Fischer, StGB, § 263 Rz. 190; a.A. Lackner/Kühl, StGB, § 263 Rz. 58. 8 BGH v. 23.2.1961 – 4 StR 7/61, BGHSt 16, 1, 6 (Hervorhebungen von mir); Fischer, StGB, § 263 Rz. 190; Perron in S/SStGB, § 263 Rz. 176; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 293; Roxin, AT/1, § 12 Rz. 13. 9 BGH v. 3.5.1988 – 1 StR 148/88, NJW 1988, 2623; BGH v. 3.3.1999 – 2 StR 598/98, StV 2000, 78, 79; OLG Jena v. 27.9.2005 – 1 Ss 259/05, NStZ 2006, 450, 451, alle zu § 253; Fischer, StGB, § 263 Rz. 190; Samson, JA 1978, 630; Küper/ Zopfs, BT, S. 84. 10 Vgl. KG v. 12.12.1956 – 1 Ss 369/56, NJW 1957, 882, 883. I.E. zust. Lackner in LK-StGB Rz. 262; Hoyer in SK-StGB, § 263 Rz. 272; Samson, JA 1978, 630; Gundlach, MDR 1981, 195; Gehrig, Absichtsbegriff, 1986, S. 73 f.; 77 f. A.A. Rengier, JZ 1990, 323. 11 OLG Köln v. 28.4.70 – Ss 56/70, JR 1970, 468 m. zust. Anm. Schröder; Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 176; Maurach/ Schroeder/Maiwald, BT/1, § 41 Rz. 136; diff. Dencker, FS Grünwald, 1999, S. 90. 12 Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 176; Kindhäuser/Nikolaus, JuS 2006, 298; Rengier, BT/1, § 13 Rz. 241. 13 Jerouschek, GA 1999, 418 ff.; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 253; Rengier, BT/1, § 13 Rz. 241. 14 BGH v. 28.11.1967 – 5 StR 556/67, BGHSt 21, 384, 386; BGH v. 10.1.1961 – 5 StR 563/60, NJW 1961, 684; Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 176. 15 BGH v. 9.6.2009 – 5 StR 394/08, NStZ 2009, 506, 508. 16 RG v. 13.5.1895 – 1140/95, RGSt 27, 217, 221. 17 So RG v. 11.10.1910 – V 562/10, RGSt 44, 87, 90 f. Wie hier a.A. Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 176.

Saliger

505

StGB

Betrug

StGB

§ 263 StGB Rz. 242

Strafgesetzbuch

und die Arbeitsleistung an sich handeln, wer unter dem Namen eines anderen Lieferungen oder Dienstleistungen in Auftrag gibt, um den anderen zu ärgern oder in Aufregung und Unruhe zu versetzen (str.; vgl. auch Rz. 204).1 242

Die Kasuistik der Rspr., insbesondere die erforderliche Abgrenzung zwischen erstrebten notwendigen Zwischenzielen und bloßen sicheren Nebenfolgen nach dem Kriterium der Erwünschtheit hat im Schrifttum Kritik erfahren. Die vereinzelt vertretene Ansicht, die Unterscheidung aufzugeben und für die Bereicherungsabsicht auch dolus directus 2. Grades genügen zu lassen,2 widerspricht dem überkommenen Absichtsbegriff, wie er auch im Rechtsgefühl verankert ist, und der strafbarkeitseinschränkenden Funktion des Absichtsmerkmals.3 Denn von einem absichtlich gewollten Vermögensvorteil kann keine Rede sein, wenn der Täter ihn nur als peinliche und lästige, obgleich notwendige Folge seines Handelns hinnimmt.4 Gegen das Kriterium der Erwünschtheit wendet sich eine gewichtige Meinung und fordert, den Absichtsbegriff auf jene Vermögensvorteile als intendierte Hauptfolgen zu beschränken, die der Täter als Endzweck oder notwendiges Zwischenziel erstrebt, unabhängig von ihrer Erwünschtheit.5 An dieser Meinung ist richtig, dass eine sichere und erwünschte Folge nicht zwingend eine solche ist, auf die es dem Täter auch ankommt.6 Andererseits ist das Kriterium der (Un-)Erwünschtheit nicht bedeutungslos, kann es doch Indiz für und gegen die Annahme eines erstrebten notwendigen Zwischenziels oder Nebenzwecks sein.7 Insoweit führt kein Weg an der mitunter schwierigen Abgrenzung von Zwischenzielen und sicheren Nebenfolgen vorbei.8 Indizfunktion wird man hier auch dem Aspekt beimessen dürfen, ob der Vermögensvorteil hinweg gedacht werden kann, ohne dass der Tatentschluss entfiele,9 bzw. ob der Täter sein Handlungsziel auch dann erreicht hätte, wenn der Vermögensvorteil ausgeblieben wäre.10 Mit Recht hat die Judikatur daher im Flugreisekosten-Fall eine Bereicherungsabsicht verneint. c) Vermögensvorteil

243

Der Vermögensvorteil bezeichnet den Gegenstand der Bereicherungsabsicht. Gemäß der Struktur des Betruges als Vermögensverschiebungsdelikt (Rz. 2, 239) markiert der Vermögensvorteil das Gegenstück (näher Rz. 245 f.) zum Vermögensschaden (Rz. 148 ff.) und ist deshalb grundsätzlich nach denselben Prinzipien, also abhängig vom Vermögens- und Schadensbegriff, zu bestimmen.11 Auf Basis eines grundsätzlich wirtschaftlichen Vermögens- und Schadensbegriffs mit normativer Anpassung (Rz. 131, 152 ff.) ist unter Vermögensvorteilnach h.M. jede günstigere Gestaltung der Vermögenslage im Sinne einer Erhöhung des wirtschaftlichen Wertes des Vermögens zu verstehen.12 Das kann durch den Erwerb von Vermögensstücken und Vermögenspositionen (Erhöhung der Aktiva) wie durch die Abwehr von Vermögensnachteilen13 geschehen, etwa die Abwehr des drohenden Verlustes eines bereits vorhandenen Vermögensstücks,14 die Nichterbringung einer geschuldeten Leistung15 oder die Befreiung von einer Verbindlichkeit (Verminderung der Passiva).16 Allgemein gilt, dass alle Um-

1 So LG Kiel v. 3.3.2006 – V Ns 18/06, NStZ 2008, 219, 220 f.; ebenso in Bezug auf die Dispositionsbefugnis BayObLG v. 17.9.1971 – RReg. 7 St 143/71, JZ 1972, 25 f. m. abl. Anm. Schröder und Maurach, JR 1972, 345 sowie insoweit zust. Anm. Herzberg, JuS 1972, 185, 189. Ebenfalls zust. Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 798; Rengier, BT/1, § 13 Rz. 239; Maurach/Schroeder/Maiwald, BT/1, § 41 Rz. 136. Abl. dagegen Jahn, JuS 2007, 385; Krack, FS Puppe, 2011, S. 1216; Wessels/Hillenkamp, BT/2, Rz. 583. 2 Rengier, BT/1, § 13 Rz. 245; Rengier, JZ 1990, 326. 3 Ablehnend Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 253; Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 797; Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 355; Dencker, FS Grünwald, 1999, S. 78 f.; v. Selle, JR 1999, 310; Jerouschek, GA 1999, 419 f. 4 Zutreffend BGH v. 23.2.1961 – 4 StR 7/61BGHSt 16, 1, 6; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 253; Hefendehl in MüKoStGB, § 263 Rz. 797; Dencker, FS Grünwald, 1999, S. 78 f.; vgl. auch Welzel, NJW 1962, 22. 5 Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 355; auch Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 797 und Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 253. 6 Welzel, NJW 1962, 22; Lackner in LK-StGB Rz. 262. 7 Lackner in LK-StGB Rz. 262; vgl. konzedierend auch Rengier, BT/1, § 13 Rz. 243. 8 Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 176; Saliger in M/R-StGB, § 263 Rz. 280; vgl. auch Dencker, FS Grünwald, 1999, S. 88 ff. 9 Gehrig, Absichtsbegriff, S. 73 f., 77 f.; ähnlich Gundlach, MDR 1961, 194 f. 10 Samson, JA 1978, 630. Solche hypothetischen Aspekte ablehnend Rengier, JZ 1990, 323. 11 Vgl. BGH v. 6.4.1954 – 5 StR 74/54, BGHSt 6, 115, 116; BayObLG v. 17.9.1971 – RReg. 7 St 143/71, JZ 1972, 25; ferner Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 254; Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 761; Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 356; Fischer, StGB, § 263 Rz. 186. 12 RG v. 27.2.1917 – V 1/17, RGSt 50, 277, 279; BGH v. 3.5.1988 – 1 StR 148/88, NJW 1988, 2623; BGH v. 3.3.1999 – 2 StR 598/98, StV 2000, 78, 79; Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 167; Fischer, StGB, § 263 Rz. 186; Lackner/Kühl, StGB, § 263 Rz. 59; Saliger in M/R-StGB, § 263 Rz. 281; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 254; Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 761; Wessels/Hillenkamp, BT/2, Rz. 584. A.A. Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 358. 13 RG v. 17.8.1939 – D 426/39, RGSt 73, 294, 296; Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 167; Küper/Zopfs, BT, S. 85. 14 RG v. 5.2.1884 – 59/84, RGSt 10, 76, 77 f.; Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 167. 15 Vgl. OLG Stuttgart v. 10.11.1961 – 1 Ss 767/61, NJW 1962, 502, 503; Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 167; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 255. 16 Hoyer in SK-StGB, § 263 Rz. 266; Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 762; Samson, JA 1978, 629; Wessels/Hillenkamp, BT/2, Rz. 584.

506

Saliger

Rz. 245 § 263 StGB

stände, die auf Seiten des Opfers zu einem Vermögensschaden führen, geeignet sind, einen Vermögensvorteil auf Seiten des Täters zu begründen.1 So können die Umstände, die auf Seiten des Opfers eine konkrete Vermögensgefahr darstellen (Rz. 187 ff.), auf Seiten des Täters zu einer vermögenswerten Exspektanz führen.2 Dabei ist der konkrete Vermögensvorteil ähnlich wie der Vermögensschaden im Wege der Saldierung zu bestimmen.3 Zu beachten ist insbesondere, dass auch der Begriff des Vermögensvorteils teilweise nach (objektiv) individuellen Maßstäben zu bemessen ist (vgl. zum persönlichen Schadenseinschlag Rz. 171 ff.),4 wofür zusätzlich spricht, dass der Bereicherungserfolg tatsächlich nicht einzutreten braucht (kupiertes Erfolgsdelikt, Rz. 239).5 Verkauft der Täter deshalb im Melkmaschinenfall (Rz. 171) die Maschine unter Wert, so liegt trotz eines vermeintlich fehlenden Positivsaldos tatsächlich ein wirtschaftlicher Vermögensvorteil des Täters in der erstrebten (und erreichten) Erhöhung seiner wirtschaftlichen Bewegungsfreiheit durch schieren Umsatz (auch Rz. 249).6 Über die genannten Fälle hinaus sind von der Rspr. als Vermögensvorteil u.a. anerkannt worden die Erlangung 244 des Besitzes7 oder Eigentums an einer Sache,8 die Erlangung eines Kredits9 oder einer Forderungsstundung,10 die Erlangung eines Vollstreckungstitels,11 die Abwehr eines Schadensersatzanspruchs,12 der Erhalt von Bestechungsgeldern als Früchte einer Straftat,13 (u.U.) die Verbesserung der Beweislage im Prozess,14 die Dispositionsbefugnis über Waren bzw. Dienstleistungen und über Arbeitsleistung (vgl. auch Rz. 239).15 Angesichts der Abhängigkeit des Vermögensvorteils vom Vermögensbegriff (Rz. 243) keine Vermögensvorteile sind dagegen alle mangels Verkehrsfähigkeit nicht wirtschaftlichen Vorteile wie Geldstrafen, Geldbußen, Verwarnungsgelder (Rz. 146) oder Berufsgeheimnisse (Rz. 138), mögen ihnen auch wirtschaftliche Reflexwirkungen zu eigen sein.16 d) „Stoffgleichheit“ aa) Grundsätze Aus dem durch die Bereicherungsabsicht vorgegebenen Charakter des Betruges als Vermögensverschiebungs- 245 und Bereicherungsdelikt (Rz. 239) folgt, dass zwischen dem Vermögensschaden des Opfers und dem Vermögensvorteil des Betrügers ein spezifischer Zusammenhang bestehen muss. Dieser Konnex wird in der Rspr. und dem ganz überwiegenden Schrifttum überkommenerweise mit dem ungeschriebenen Tatbestandsmerkmal der „Stoffgleichheit“ ausgedrückt.17 Dabei ist der h.M. klar, dass auf Basis eines primär wirtschaftlichen Vermögensund Schadensbegriffs das Merkmal der „Stoffgleichheit“ nicht zwingend die von der juristischen Vermögenslehre18 verlangte Sachidentität im Sinne einer Gestalt-, Wesens- oder Substanzgleichheit des Vermögensvorteils bedeutet19 (die in einzelnen Fallgruppen wie dem Sachbetrug natürlich vorliegen kann),20 sondern im Kern eine Wertverschiebung kennzeichnet.21 Die h.M. fasst diese Wertverschiebung in die Formulierung, dass Vermögensschaden und Vermögensvorteil einander entsprechen müssen bzw. der Vorteil die Kehrseite des Schadens ist 1 Fischer, StGB, § 263 Rz. 186; Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 761; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 255. 2 Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 255. 3 Hoyer in SK-StGB, § 263 Rz. 267; vgl. auch Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 763 f. A.A. Dencker, FS Grünwald, 1999, S. 86 f. 4 Vgl. im Kontext der Stoffgleichheit Rengier, BT/1, § 13 Rz. 253 und Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 168. 5 Letzteren Aspekt akzentuiert Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 764. 6 Zutreffend Hoyer in SK-StGB, § 263 Rz. 267; Samson, JA 1978, 629 f.; vgl. auch Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 764. 7 BGH v. 5.7.1960 – 5 StR 80/60, BGHSt 14, 386, 388; BGH v. 3.5.1988 – 1 StR 148/88, NJW 1988, 2623; BGH 25.4.1989 – VI ZR 146/88, NJW 1989, 918; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 255; Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 357. 8 RG v. 7.9.1923 – II 624/23, RGSt 57, 370 f.; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 255; Hoyer in SK-StGB, § 263 Rz. 266. 9 RG v. 25.6.1885 – 1534/85, RGSt 12, 395, 396; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 255. 10 RG v. 2.2.1881 – 3240/80, RGSt 3, 332, 333; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 255; Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 357. 11 RG v. 19.2.1918 – IV 823/17, RGSt 52, 88, 92 f.; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 255. 12 BGH v. 17.10.1996 – 4 StR 389/96, BGHSt 42, 268, 271. 13 RG v. 7.6.1929 – I 52/29, RGSt 63, 186, 190; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 255. 14 BGH v. 19.9.1952 – 2 StR 307/52, BGHSt 3, 160, 162; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 255; Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 357. A.A. Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 167. 15 LG Kiel v. 3.3.2006 – V Ns 18/06, NStZ 2008, 219, 220 f.; auch BayObLG v. 17.9.1971 – RReg. 7 St 143/71, JZ 1972, 25 f. m. abl. Anm. Schröder und abl. Anm. Maurach, JR 1972, 345; enger Krack, FS Puppe, 2011, S. 1212 ff., 1214. 16 Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 254; Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 762; Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 167. 17 Stellvertretend RG v. 24.4.1933 – III 291/33, RGSt 67, 200, 201; BGH v. 29.5.1987 – 3 StR 242/86, BGHSt 34, 379, 391; BGH v. 4.12.2002 – 2 StR 332/02, NStZ 2003, 264; Lackner/Kühl, StGB, § 263 Rz. 59 f.; Fischer, StGB, § 263 Rz. 187 ff.; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 256 ff.; Mohrbotter, Stoffgleichheit, S. 8 ff. Ablehnend BayObLG v. 12.5.1964 – Rreg 2 St 213/63, MDR 1964, 776, 777; Wessels/Hillenkamp, BT/2, Rz. 588; Eser, GA 1962, 299 f. 18 Vgl. Merkel, Kriminalistische Abhandlungen II 1867, S. 118; ähnlich Dencker, FS Grünwald, 1999, S. 82 ff., 86 ff. 19 Vgl. BGH v. 29.5.1987 – 3 StR 242/86, BGHSt 34, 379, 391; BayObLG v. 12.5.1964 – Rreg 2 St 213/63, MDR 1964, 776, 777; Fischer, StGB, § 263 Rz. 187; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 295. 20 Vgl. Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 360. 21 Vgl. OLG Karlsruhe v. 16.10.1958 – 1 Ss 142/58, NJW 1959, 398, 399; ferner Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 256; Saliger in M/R-StGB, § 263 Rz. 283; Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 776; Peltzer, NJW 1960, 1562; Mohrbotter, Stoffgleichheit, S. 10, 203 f., 209.

Saliger

507

StGB

Betrug

StGB

§ 263 StGB Rz. 246

Strafgesetzbuch

(Kehrseitentheorie).1 Das Bild der Kehrseite wird überwiegend dahin konkretisiert, dass der Vorteil zu Lasten des geschädigten Vermögens gehen und auf ein und derselben Vermögensverfügung beruhen muss, d.h. unmittelbar durch sie bewirkt wird.2 Mit diesen Konkretisierungen soll die Stoffgleichheit die praxisrelevante Funktion haben, spezifische Fallgruppen aus dem Betrugstatbestand auszuscheiden, nämlich externe Vorteile, mittelbare Schäden und Folgeschäden.3 Externe Vorteile sind solche, die dem Täter nicht aus bzw. auf Kosten des geschädigten Vermögens, sondern aus Drittvermögen zufließen (z.B. Belohnung eines Zeugen für seine Falschaussage im Zivilprozess durch Dritten). Mittelbare Schäden sind nicht stoffgleich, weil sie der Getäuschte erst nach der täuschungsbedingten Vermögensverfügung durch weitere Handlungen herbeiführt. Folgeschäden fehlt die Stoffgleichheit, weil sie erst nach der täuschungsbedingten Vermögensverfügung im geschädigten Vermögen entstehen.4 246

An dieser herrschenden Konzeption der Stoffgleichheit wird kritisiert, dass sie in die saldierende Betrachtungsweise der h.M. gar nicht einbezogen werden kann; denn ein Schaden, der infolge der Saldierung als rein rechnerische Größe nichtstofflich definiert werde, könne schon begrifflich nicht mit wem auch immer „stoffgleich“ sein.5 Diese Kritik erliegt den Assoziationen, die der Begriff des „Stoffes“ in Richtung vergegenständlichter Vermögenswerte nahelegt.6 Sie vernachlässigt, dass der Begriff der Stoffgleichheit kein gesetzlicher ist und deshalb Raum für eine auch nichtstoffliche, saldierende Konzeption der Entsprechung von Vorteil und Schaden eröffnet.7 I.d.S. hat auch die Rspr. betont, dass von § 263 ein der Höhe nach mit dem Schaden identischer Vorteil nicht vorausgesetzt wird.8 Teilweise wird auf Basis einer funktionalen Lesart der Stoffgleichheit der Rekurs der h.M. auf das Kriterium der Unmittelbarkeit beanstandet, weil mit diesem Rekurs nicht – wie bei einem funktionalen Ansatz – die die Vermögensverfügung prägende Unmittelbarkeit gemeint sei, sondern bestenfalls eine wertende Zusammenfassung aller Verfügungen, die sachlich mit einem bestimmten Geschäft zusammenhängen.9 Soweit diese Kritik in Abkehr vom Saldierungsprinzip für eine Identität von Vorteil und Gegenstand der Vermögensverfügung bzw. Identität der Objekte von Nachteil und Gewinn eintritt,10 läuft sie der Sache nach auf eine juristische Schadenslehre hinaus, die verfassungsrechtlich nicht haltbar ist (vgl. Rz. 153). Richtig an der Kritik ist allerdings, dass die Judikatur die Bedeutung des Unmittelbarkeitskriteriums nicht immer frei von Unklarheiten bestimmt hat,11 und dass die Prüfung der Stoffgleichheit auch eine Frage der normativen Zurechnung ist.12 Die herrschende Konzeption der Stoffgleichheit ist deshalb dahin zu modifizieren, dass Vorteil und Schaden durch ein und dieselbe Vermögensverfügung vermittelt sein müssen (Transportfunktion der Vermögensverfügung, Rz. 107), wobei in näherer Konkretisierung der Vorteil zu Lasten des geschädigten Vermögens gehen muss (Lastenkriterium; also nicht zu Lasten von Drittvermögen) und unmittelbar durch die Vermögensverfügung bewirkt worden sein muss (Unmittelbarkeitskriterium).13 Das Lastenkriterium leistet die Ausscheidung externer Vorteile, das Unmittelbarkeitskriterium – als Element normativer Zurechnung – die Ausscheidung von mittelbaren Schäden und von Folgeschäden.

1 RG v. 24.4.1933 – III 291/33, RGSt 67, 200, 201; BGH v. 6.4.1954 – 5 StR 74/54, BGH v. 6.4.1954 – 5 StR 74/54, BGHSt 6, 115, 116; BGH v. 29.5.1987 – 3 StR 242/86, BGHSt 34, 379, 391; BGH v. 4.12.2002 – 2 StR 332/02, NStZ 2003, 264; LG Kiel v. 3.3.2006 – V Ns 18/06, NStZ 2008, 219, 221; Fischer, StGB, § 263 Rz. 187; Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 168; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 295; Gaede in AnwK-StGB, § 263 Rz. 164; Rengier, BT/1, § 13 Rz. 249. Abl. Jäger, JuS 2010, 765; krit. Dencker, FS Grünwald, 1999, S. 82 ff. 2 So BGH v. 4.12.2002 – 2 StR 332/02, NStZ 2003, 264; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 295; Saliger in M/R-StGB, § 263 Rz. 283; Hoyer in SK-StGB, § 263 Rz. 269; Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 168; Wessels/Hillenkamp, BT/2, Rz. 588; ferner BGH v. 29.5.1987 – 3 StR 242/86, BGHSt 34, 379, 391. Nur den zweiten Aspekt akzentuieren BayObLG v. 12.5.1964 – Rreg 2 St 213/63, MDR 1964, 776, 777; LG Kiel v. 3.3.2006 – V Ns 18/06, NStZ 2008, 219, 221; Jäger, JuS 2010, 765. 3 Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 257 f.; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 296 f.; Rengier, BT/1 § 13 Rz. 246; Fischer, StGB, § 263 Rz. 187. 4 Zutreffend Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 257. 5 Dencker, FS Grünwald, 1999, S. 85. 6 Zum Folgenden Saliger in M/R-StGB, § 263 Rz. 284; vgl. ferner Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 779. 7 Vgl. Lackner/Kühl, StGB, § 263 Rz. 59; Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 779; Rengier, BT/1, § 13 Rz. 106a; Mohrbotter, Stoffgleichheit, S. 8 ff., 31 f. 8 BGH v. 29.5.1987 – 3 StR 242/86, BGHSt 34, 379, 391. 9 Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 363; in die gleiche Richtung Dencker, FS Grünwald, 1999, S. 82 ff., 86 ff. Unspezifisch von einem funktionalen Zusammenhang sprechen Lackner/Kühl, StGB, § 263 Rz. 59 und Fischer, StGB, § 263 Rz. 187. 10 Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 358 bzw. Dencker, FS Grünwald, 1999, S. 86. 11 S. z.B. BGH v. 6.4.1954 – 5 StR 74/54, BGHSt 6, 115, 116 und BGH v. 29.5.1987 – 3 StR 242/86, BGHSt 34, 379, 391, wo nur von einer unmittelbaren Herbeiführung des Schadens bzw. Nachteils die Rede ist. Klarer dagegen BGH v. 4.12.2002 – 2 StR 332/02, NStZ 2003, 264 und BGH v. 28.10.2004 – 3 StR 301/03, BGHSt 49, 275, 304. 12 Zutreffend Wolfs, Stoffgleichheit, 1984, S. 77 ff. und Jäger, JuS 2010, 765 f.; auch bereits Mohrbotter, Stoffgleichheit, S. 31. 13 Saliger in M/R-StGB, § 263 Rz. 284; in der Sache weitgehend gleichbedeutend Hoyer in SK-StGB, § 263 Rz. 271; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 295; Fischer, StGB, § 263 Rz. 187; Rengier, BT/1, § 13 Rz. 246; auch Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 780 ff. Krit. Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 258.

508

Saliger

Rz. 248 § 263 StGB

bb) Anwendungsfälle Gemäß obiger Grundsätze (Rz. 245) hat die Rspr. u.a. in folgenden Fällen Stoffgleichheit bejaht: Beim Partei- 247 enbetrug (Rz. 220 f.) sind die überhöhte Mittelauskehr an die täuschende Partei als erstrebter Vermögensvorteil und die proportional verminderte Mittelauskehr an die anderen anspruchsberechtigten Parteien als Vermögensschaden stoffgleich.1 Beim Provisionsvertreterbetrug ist zu differenzieren: Ein strafbarer eigennütziger Provisionsvertreterbetrug gegenüber und zum Nachteil des Bestellers scheidet aus, weil der täuschungsbedingte Vertragsschluss des Kunden als Vermögensschaden und die vom Vertreter erstrebte Provisionszahlung als Vermögensvorteil insofern nicht stoffgleich sind, als die Provision aus dem Vermögen des Geschäftsherrn des Vertreters stammt und deshalb einen betrugsuntauglichen externen Vorteil darstellt (Rz. 245 f., 248).2 Dagegen ist ein fremdnütziger Provisionsvertreterbetrug gegenüber dem Kunden und zugunsten des Geschäftsherrn gegeben, bei dem die Eingehung des Vertragsschlusses die Stoffgleichheit von Kundenschaden und Unternehmervorteil vermittelt.3 Zudem kommt grundsätzlich ein – in Tateinheit zu dem fremdnützigen Betrug stehender4 – eigennütziger Provisionsvertreterbetrug gegenüber und zum Nachteil des Unternehmens in Betracht, bei dem – unter der Voraussetzung der fortbestehenden Anfechtbarkeit des Kundengeschäfts – die täuschungsbedingte Provisionsauszahlung als Vermögensschaden des Geschäftsherrn und die Erlangung der Provision als erstrebter Vermögensvorteil stoffgleich sind.5 Beim Submissionsbetrug (Rz. 225 ff.) sind die Vernichtung der vermögenswerten Exspektanz des verdrängten und sonst aussichtsreichsten Mitwerbers als Vermögensschaden und die Auftragsvergabe an den täuschenden Mitbewerber als erstrebter Vermögensvorteil stoffgleich (zur Nichtgeltendmachung von Schadensersatzansprüchen Rz. 248).6 Beim Betrug durch Warenbestellung unter falschem Namen sind die Erschleichung einer Arbeits- und Dienstleistung der Unternehmen als erstrebter Vermögensvorteil und die Eingehung der vermeintlichen Verbindlichkeit als Vermögensschaden der Unternehmen stoffgleich.7 In Fällen einer schadensbegründenden Vermögensgefahr ist Stoffgleichheit anzunehmen, wenn der konkreten Vermögensgefahr als Vermögensschaden des Opfers eine entsprechende vermögenswerte Exspektanz des Täters als angestrebter Vermögensvorteil gegenübersteht.8 Da in den meisten strafbaren Fällen etwa des Eingehungsbetruges Vorleistungen des getäuschten Vertragspartners im Spiel sind (vgl. Rz. 194 ff., 202 f.), geht der erstrebte Vermögensvorteil des Täters hier sogar auf die Vorleistung.9 Verneint hat die Rspr. die Stoffgleichheit u.a. für folgende bloß externe Vorteile: für die Erhaltung des An- 248 spruchs auf Schadensfreiheitsrabatt durch den Täter, der seinem Kfz-Haftpflichtversicherer eine bewusst unrichtige Unfallschilderung mitteilt und dabei in Kauf nimmt, dass der Unfallgegner dadurch geschädigt wird;10 beim eigennützigen Anlagebetrug für erstrebte Provisionszahlungen, die den Zinszahlungen der Betreibergesellschaften entnommen wurden, also nicht unmittelbar aus dem Anlagekapital der geschädigten Anleger stammten, sondern den Einzahlungen späterer Anleger.11 Als lediglich mittelbare Schäden nicht stoffgleich sind die Kosten der Rückabwicklung eines durch Täuschung erschlichenen Vertrages,12 insbesondere Kosten für die Ausübung eines Rücktrittsrechts13 oder allgemein Prozesskosten;14 ferner beim Submissionsbetrug das Unterlassen der Geltendmachung des für den Fall von Preisabsprachen vereinbarten Schadensersatzanspruchs durch den geschädigten Dienstherrn (vgl. bereits Rz. 228; str.).15 Nicht stoffgleiche Folgeschäden sind angenommen worden beim Sozialversicherungsbeitragsbetrug durch den AG hinsichtlich der Vermögensnachteile, die dadurch auch den ein1 BGH v. 28.10.2004 – 3 StR 301/03, BGHSt 49, 275, 304; Maier, NJW 2000, 1007; Grunst, wistra 2004, 96; Saliger, Parteiengesetz, S. 508; auch Fischer, StGB, § 263 Rz. 188. 2 BGH v. 10.1.1961 – 5 StR 563/60, NJW 1961, 684; vgl. auch BGH v. 4.12.2002 – 2 StR 332/02, NStZ 2003, 264. 3 BGH v. 28.11.1967 – 5 StR 556/67, BGHSt 21, 384, 386; auch BGH v. 4.12.2002 – 2 StR 332/02, NStZ 2003, 264. 4 BGH v. 28.11.1967 – 5 StR 556/67, BGHSt 21, 384, 386. 5 BGH v. 28.11.1967 – 5 StR 556/67, BGHSt 21, 384, 385; auch LG Frankfurt v. 18.11.2002 – 5/12 KLs 7570 Js 202195/01 Wi, NStZ-RR 2003, 140, 141. Ferner Fischer, StGB, § 263 Rz. 188; Lackner/Kühl, StGB, § 263 Rz. 60; Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 169; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 298; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 259; Saliger in M/R-StGB, § 263 Rz. 285; Jäger, JuS 2010, 766; Rengier, BT/1, § 13 Rz. 254; Wessels/Hillenkamp, BT/2, Rz. 589. 6 BGH v. 29.5.1987 – 3 StR 242/86, BGHSt 34, 379, 390 ff.; auch BGH v. 20.2.1962 – 1 StR 496/61, BGHSt 17, 147, 148 f.; Fischer, StGB, § 263 Rz. 188; Hoyer in SK-StGB, § 263 Rz. 269. 7 LG Kiel v. 3.3.2006 – V Ns 18/06, NStZ 2008, 219, 221. 8 Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 789; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 263; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 300. 9 Vgl. Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 789. 10 BayObLG v. 11.3.1994 – 1 St RR 16/94, NStZ 1994, 491, 492 m. überwiegend krit. Anm. Seier, NZV 1995, 34; Fischer, StGB, § 263 Rz. 189; Hoyer in SK-StGB, § 263 Rz. 269; Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 168; Gaede in AnwK-StGB, § 263 Rz. 166. 11 BGH v. 4.12.2002 – 2 StR 332/02, NStZ 2003, 264. 12 OLG Frankfurt v. 20.12.2007 – 2 Ss 409/07, NStZ-RR 2008, 240; Fischer, StGB, § 263 Rz. 189. 13 BayObLG v. 5.6.1986 – RReg 2 St 85/86, BayObLGSt 1986, 62 f.; Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 168. 14 BGH v. 9.2.2005 – 4 StR 539/04, NStZ-RR 2005, 180; Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 168 m.w.N.; Rengier, BT/1, § 13 Rz. 248. 15 BGH v. 9.11.1999 – 1 StR 540/99, NStZ 2000, 260, 261; BGH v. 21.9.2001 – 1 StR 300/00, wistra 2001, 103 m. Bespr. Otto., JK 2001 § 263/60; Fischer, StGB, § 263 Rz. 189; Lackner/Kühl, StGB, § 263 Rz. 59. Anders noch BGH v. 8.1.1992 – 2 StR 102/91, NJW 1992, 921, 923 m. abl. Bespr. Joecks, wistra 1992, 247, 252; Hefendehl, JuS 1993, 805, 808 ff. und zust. Anm. Baumann, NJW 1992, 1661, 1665. Weitere Nachweise in Rz. 228.

Saliger

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StGB

Betrug

StGB

§ 263 StGB Rz. 249

Strafgesetzbuch

zelnen AN entstehen;1 beim Besitzbetrug im Zusammenhang mit dem Kauf von Wohnhäusern hinsichtlich der den Verkäufern entstandenen „Folgeschäden“;2 für das Risiko eines Bürgen, bei der Abwehr der durch Täuschung entstandenen einredebehafteten Forderung mit Prozesskosten belastet zu werden;3 für Vermögensnachteile aufgrund der Nichtdurchführung eines Vertrages.4 249

Streitig ist die Bestimmung der – von der Rspr. lediglich unterstellten5 – Stoffgleichheit bei der Fallgruppe des individuellen Schadenseinschlags (vgl. Rz. 171 ff.). Teils wird der stoffgleiche Vorteil des Täters in der Erlangung des vollen Kaufpreises gesehen, ohne dass er den vollen Gegenwert liefert,6 teils auf die reguläre Gewinnmarge des Kaufgeschäfts7 oder die Erlangung einer vermögenswerten Exspektanz bezogen,8 teils wird schlicht auf den Unmittelbarkeitszusammenhang der Vermögensverfügung hingewiesen, der Nachteil und Vorteil verbinde,9 teils sogar die Stoffgleichheit für diese Fallgruppe verneint bzw. grundsätzlich in Frage gestellt.10 Diese Auffassungen überzeugen nicht. Gegen die Anknüpfung an eine vermögenswerte Exspektanz spricht, dass der Täter in den Fällen des individuellen Schadenseinschlags den Kaufpreis erhält und nicht bloß eine vermögenswerte Exspektanz auf das Geld. Die übrigen Auffassungen vernachlässigen, dass aus dem Aspekt der Stoffgleichheit beim individuellen Schadenseinschlag folgt, die vorgenommene begrenzte Individualisierung auf der Nachteilsseite konsequent auch auf die Vorteilsseite zu übertragen.11 Richtigerweise besteht beim individuellen Schadenseinschlag der stoffgleiche Vorteil des Täters in der Verschaffung jenes Maßes an wirtschaftlicher Bewegungsfreiheit, das er dem Opfer durch den täuschungsbedingten Vertragsschluss nimmt (vgl. bereits Rz. 243).12 Gegen diese Deutung lässt sich nicht einwenden, sie stelle die wirtschaftliche Lehre auf den Kopf und führe in der Konsequenz zur Überflüssigkeit der Figur des individuellen Schadenseinschlags, weil nach ihr jeder Käufer unabhängig von einer Bedrängnis geschädigt wäre.13 Denn die Steigerung der wirtschaftlichen Bewegungsfreiheit des Verkäufers wird eben nur in den Fällen des individuellen Schadenseinschlags zum stoffgleichen Vermögensvorteil, ansonsten nicht.

250

Probleme bereitet die Stoffgleichheit auch bei Kursmanipulationen. So fehlt es an der Stoffgleichheit, wenn der Täter als Vorstand einer AG falsche Mitteilungen an die Öffentlichkeit macht, um den Aktienkurs nach oben zu treiben.14 Allgemein zieht ein Täter, der durch täuschungsbedingte Aufträge den Kurs treiben oder drücken will, keinen unmittelbaren Vorteil aus den Verfügungen der Opfer.15 Bei der pflichtwidrigen Überverordnung von Medikamenten durch den Vertragsarzt fehlen in betrugsstrafrechtlicher Hinsicht nicht nur Täuschung und Irrtumserregung (dazu bereits Rz. 51 und Rz. 211), sondern auch die Bereicherungsabsicht, weil die Bereicherung des Patienten und der Schaden der KK durch Unterlassen der Regressforderung gegen den Arzt nicht stoffgleich sind.16 Anderes soll gelten, wenn der Patient dem Arzt die Mitgliedschaft in einer gesetzlichen Krankenversicherung vortäuscht und dadurch einen stoffgleichen Schaden der Versicherung bewirkt, die bei Unkenntnis des Vertragsarztes die Leistung vergüten muss.17 Verkauft ein Gläubiger seine Forderung gegenüber einem Schuldner an einen Dritten, ohne den Schuldner zu informieren, so handelt der Altgläubiger mit der Absicht stoffgleicher Bereicherung zu Lasten des Vermögens des Neugläubigers, wenn der Schuldner auf die Aufforderung des Altgläubigers hin an diesen zahlt, weil mit der Zahlung an den Altgläubiger zugleich die Forderung des Neugläubigers gegen den Schuldner wirtschaftlich untergeht (§ 407 BGB; dazu krit. Rz. 120).18 Darüber hinaus kann jedenfalls 1 OLG Köln v. 28.3.2003 – 1 Zs 120/03 – 19/03, NStZ-RR 2003, 212, 213, wo allerdings von mittelbaren Schäden die Rede ist; Fischer, StGB, § 263 Rz. 189. 2 Nicht näher bezeichnet in BGH v. 20.7.1988 – 2 StR 348/88, NJW 1989, 918; Fischer, StGB, § 263 Rz. 189. 3 BGH v. 18.2.1998 – 2 StR 531/97, NStZ 1998, 570; Fischer, StGB, § 263 Rz. 189. 4 BGH v. 9.12.1994 – 3 StR 433/94, StV 1995, 255; BGH v. 18.9.1997 – 5 StR 331/97, NStZ 1998, 85; Fischer, StGB, § 263 Rz. 189. 5 Vgl. z.B. RGSt 16, 1 ff.; BGH v. 18.7.1961 – 1 StR 606/60, BGHSt 16, 220 ff.; BGH v. 16.8.1961 – 4 StR 166/61, BGHSt 16, 321 ff.; dazu auch Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 262. 6 Arzt in A/W/H/H, BT, § 20 Rz. 123. 7 Lackner in LK-StGB Rz. 272, 274; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 234. 8 Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 788. 9 Hoyer in SK-StGB, § 263 Rz. 271. 10 Vgl. Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 367; Schröder, NJW 1962, 722; Schmoller, ZStW 103, 113 f. 11 Zutreffend Rengier, BT/1, § 13 Rz. 253; ähnlich Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 168 und Samson, JA 1978, 629. 12 Samson, JA 1978, 629 f.; Saliger in M/R-StGB, § 263 Rz. 287; auch Rengier, BT/1, § 13 Rz. 253 und Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 168. 13 Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 367; zust. Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 787 und Hoyer in SK-StGB, § 263 Rz. 271. 14 BGH v. 19.7.2004 – II ZR 402/02, JZ 2005, 90, 92; Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 168. 15 Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 791; Schröder in A/R/R, X 2 Rz. 78; Park/Zieschang, Kapitalmarktstrafrecht, § 263 StGb Rz. 130. 16 BGH v. 25.11.2003 – 4 StR 239/03, NJW 2004, 454, 456 – in BGHSt 49, 17 nicht abgedruckt; Fischer, StGB, § 263 Rz. 189. 17 OLG Hamm v. 9.3.2006 – 1 Ss 58/06, NJW 2006, 2341; für zweifelhaft hält diese Entscheidung Fischer, StGB, § 263 Rz. 189. 18 Rengier, BT/1, § 13 Rz. 251; a.A. Samson, JA 1978, 628. Zur Stoffgleichheit beim Betrug durch Warenausfahrer siehe OLG Düsseldorf v. 13.11.1984 – 2 Ss 382/84 – 166/84 III, wistra 1985, 110, 111; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 259; Rengier, BT/1, § 13 Rz. 108.

510

Saliger

Rz. 251 § 263 StGB

nach der Rspr. Stoffgleichheit in jeglichen Fällen von Garantieerklärungen und Eigentumserwerb kraft Rechtsscheins vorliegen, auch wenn der Vermögensschaden nicht im Vermögen des getäuschten Verfügenden, sondern im Vermögen eines Dritten (garantierende Bank, wahrer Eigentümer der Sache) eintritt (Dreiecksbetrug; dazu Rz. 116 ff. und krit. insbesondere Rz. 120).1 e) Rechtswidrigkeit des Vermögensvorteils aa) Begriff und Funktion Die Bereicherungsabsicht des Betrugstäters muss sich auf einen rechtswidrigen Vermögensvorteil (zu letzterem 251 Rz. 243 f.) beziehen. Ein Vermögensvorteil ist rechtswidrig, wenn der Täter auf ihn keinen rechtlich begründeten, also wirksamen, (nach bisher h.M.) fälligen (vgl. aber Rz. 165) und einredefreien Anspruch hat,2 wobei der aus dem betrügerischen Geschäft selbst erwachsene Anspruch auszuklammern ist.3 Maßgebend dafür ist nicht, ob der Anspruch unbestritten ist oder vor Gericht durchgesetzt werden kann, sondern allein das materielle Recht, also das bürgerliche oder öffentliche Recht einschließlich des Steuerrechts.4 Unerheblich ist auch, ob der Anspruch obligatorisch oder dinglich ist oder ob es sich um eine Stück-, Gattungs- oder Geldschuld handelt.5 Da nur entscheidend ist, ob das mit der Handlung verfolgte Endziel der Rechtsordnung entspricht, wird es nicht dadurch rechtswidrig, dass zu seiner Verwirklichung rechtswidrige Mittel eingesetzt werden.6 Insoweit macht die Abwehr von Ansprüchen mit rechtswidrigen Mitteln nicht zugleich auch ihr Ergebnis, den Vermögensvorteil, rechtswidrig.7 Das gilt insbesondere für Täuschungen im Prozess. Falsche Angaben einer Partei im Prozess oder die Vorlage manipulierter Beweismittel, um einen begründeten, aber wegen Beweisschwierigkeiten gefährdeten Anspruch durchzusetzen oder einen unbegründeten, wegen der Beweislage aber aussichtsreichen Anspruch abzuwehren, führen nicht zur Rechtswidrigkeit des Vermögensvorteils, abgesehen davon, dass in diesen Fällen bereits ein Schaden fehlt (zu letzterem schon Rz. 170 und Rz. 252).8 Der Beweismittelbetrug als Selbsthilfebetrug ist daher nicht strafbar (vgl. auch Rz. 170).9 Die Rechtswidrigkeit des Vorteils bzw. Betrugsstrafbarkeit entfällt aber nur, soweit wirksame, fällige (vgl. aber Rz. 165) und einredefreie Ansprüche vom Täter verfolgt werden. Ist der Vertrag, aus dem der Täter seinen Anspruch herleitet, nichtig, so bleibt die Betrugsstrafbarkeit bestehen.10 Das Gleiche gilt, wenn dem Anspruch Einwendungen und Einreden (z.B. Verjährung, Zug-um-Zug-Erfüllung) oder Gestaltungsrechte wie Anfechtung, Rücktritt, Widerruf, Kündigung oder Minderung entgegengesetzt werden können.11 Denn dann verschafft sich der Täter durch Täuschung einen Vermögensvorteil, auf den er nach der Gesamtrechtsordnung so keinen Anspruch hat. Ist der Anspruch nur teilweise begründet, so scheidet die Rechtswidrigkeit des erstrebten Vorteils nur hinsichtlich des begründeten Teils aus.12 Wehrt der Täter etwa eine kartellrechtlich überhöhte und daher teilnichtige Preisforderung durch Täuschung ab, so ist der mit der Täuschung erstrebte Vermögensvorteil nur dann rechtswidrig, wenn der bezahlte noch unter dem angemessenen (kartellfreien) Preis liegt.13 Ausnahmsweise kommt eine Rechtswidrigkeit des Vermögensvorteils auch bei einem begründeten Anspruch in Betracht, wenn nämlich ein Gläubiger, der bei ordnungsmäßigem Vorgehen ganz oder teilweise leer ausgehen würde, sich nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens des Schuldners Erfüllung er1 Näher Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 261; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 299. 2 BGH v. 10.7.1952 – 5 StR 358/52, BGHSt 3, 99, 101; BGH v. 7.8.2003 – 3 StR 137/03, BGHSt 48, 322, 325; BGH v. 20.11.1981 – 2 StR 586/81, wistra 1982, 68; BGH v. 29.3.1990 – 4 StR 681/89, NJW 1990, 2476; OLG Jena v. 20.9.2006 – 1Ss 226/06, wistra 2007, 236, 237; BVerfG v. 8.9.1997 – 2 BvR 2414/94, NJW 1998, 810; Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 801; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 264; Fischer, StGB, § 263 Rz. 191; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 304; Saliger in M/R-StGB, § 263 Rz. 289; Wittig, Wirtschaftsstrafrecht, § 14 Rz. 145. 3 OLG Bamberg v. 26.11.1981 – Ws 424/81, NJW 1982, 778; Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 173. 4 BGH v. 17.12.2008 – 1 StR 648/08, StV 2009, 357, 358; BGH v. 9.10.2008 – 1 StR 359/08, NStZ-RR 2009, 17, 18; ferner BGH v. 7.8.2003 – 3 StR 137/03, BGHSt 48, 322, 325; Fischer, StGB, § 263 Rz. 191; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 264; Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 174; Küper/Zopfs, BT, S. 80. 5 Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 265; Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 372; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 304; Rengier, BT/1, § 13 Rz. 265. 6 BGH v. 19.9.1952 – 2 StR 307/52, BGHSt 3, 160, 162; BGH v. 18.12.1964 – 2 StR 461/6420, BGHSt 20, 136, 137; BGH v. 17.10.1996 – 4 StR 389/96, BGHSt 42, 268, 271; BGH v. 20.11.1981 – 2 StR 586/81, wistra 1982, 68; BGH v. 9.10.2008 – 1 StR 359/08, NStZ 2003, 663, 664; Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 805; Fischer, StGB, § 263 Rz. 192; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 305. 7 BayObLG v. 28.11.1989 – RReg 4 St 188/89, StV 1990, 165; Lackner in LK-StGB, § 263 Rz. 276. 8 BGH v. 17.10.1996 – 4 StR 389/96, BGHSt 42, 268, 271 f.; auch BGH v. 18.12.1964 – 2 StR 461/64, BGHSt 20, 136, 137 f.; BGH v. 23.6.1965 – 2 StR 97/65, GA 1966, 52, 53. 9 BGH v. 17.10.1996 – 4 StR 389/96, BGHSt 42, 268, 272; OLG München v. 8.8.2006 – 4St RR 135/06, NJW 2006, 3364, 3365; Lackner/Kühl, StGB, § 263 Rz. 61; Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 173; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 265; Fischer, StGB, § 263 Rz. 192; Wessels/Hillenkamp, BT/2, Rz. 586. 10 Vgl. Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 174. 11 Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 265; Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 801; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 307. 12 Vgl. BGH 1.7.1959 – StR 129/59, bei Pfeiffer/Maul/Schulte Anm. 39; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 266; Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 803. 13 BGH v. 23.9.1955 – 5 StR 110/55, BGHSt 8, 221, 226; Lackner in LK-StGB, § 263 Rz. 276; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 266.

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StGB

Betrug

StGB

§ 263 StGB Rz. 252

Strafgesetzbuch

schleicht, weil der Schuldner dann seine Verfügungsbefugnis an den Insolvenzverwalter verloren hat.1 Der Strafrichter hat bei der Rechtswidrigkeit des Vermögensvorteils also mitunter schwierige zivilrechtliche oder öffentlichrechtliche Vorfragen zu klären und dazu selbst ausreichende Feststellungen zu treffen (§ 262 StPO). Diesen Feststellungen darf er sich nicht entziehen.2 An Entscheidungen der Zivil- oder Verwaltungsgerichte ist er nicht gebunden.3 252

Funktion und systematische Stellung des Merkmals der Rechtswidrigkeit des Vermögensvorteils lassen sich nicht unabhängig vom strafrechtlichen Vermögens- und Schadensbegriff bestimmen.4 Denn neben der Wirtschaft als Objektkategorie und der Person als Subjektkategorie gehört das Recht als Zuordnungskategorie zu einem der Grundbezüge des strafrechtlichen Vermögens- und Schadensbegriffs (Rz. 124 m.w.N.).5 Insoweit hat das Merkmal der Rechtswidrigkeit des Vermögensvorteils zunächst die (nahezu unstreitige) Funktion, die Art der beabsichtigten Bereicherung näher zu qualifizieren und die Anwendbarkeit des Betrugstatbestands auf solche Fälle zu beschränken, in denen nach materiellem Recht kein Anspruch auf den Vermögensvorteil besteht.6 Damit ist zugleich (unstreitig) gesetzt, dass das Merkmal der Rechtswidrigkeit sich nicht nur auf den erstrebten Vermögensvorteil, sondern die Vermögensverschiebung insgesamt bezieht,7 dass es nicht allgemeines Verbrechensmerkmal ist8 und dass der Betrugstatbestand selbst nicht von einem rein wirtschaftlichen Vermögensund Schadensbegriff ausgeht (vgl. bereits Rz. 154). Die näheren Schlussfolgerungen aus dieser Funktion sind allerdings streitig und richten sich nach dem vertretenen Vermögens- und Schadensbegriff. Für den rein wirtschaftlichen Vermögens- und Schadensbegriff (vgl. Rz. 126 ff., 152), der freilich nicht durchführbar ist (dazu Rz. 154), hat die Rechtswidrigkeit des Vermögensvorteils eine neben dem Schaden eigenständige, unrechtskonstituierende und eingrenzende Bedeutung im subjektiven Tatbestand.9 Für den vorzugswürdigen und auch hier vertretenen wirtschaftlichen Vermögens- und Schadensbegriff mit normativer Anpassung (Rz. 131, 152 ff.) kommt dem Merkmal der Rechtswidrigkeit des Vermögensvorteils dagegen neben dem Schaden keine eigenständige Funktion zu,10 da, wie die Rspr. selbst häufig betont, der Getäuschte bei der Erfüllung eines wirksamen, fälligen und einredefreien Anspruchs keinen Schaden erleidet11 bzw. der Gesamtwert seines Vermögens nicht vermindert wird.12 Auf dieser Basis ist die Rechtswidrigkeit des Vermögensvorteils objektives (normatives)13 Tatbestandsmerkmal, das nur wegen seines Bezugs zur Bereicherungsabsicht im subjektiven Tatbestand platziert ist (str.)14 und das in den Grenzen der Unmittelbarkeit auch bei der Kompensation behandelt werden kann (vgl. Rz. 160).15 Seine Eigenschaft als objektives Tatbestandsmerkmal erklärt, dass für die Rechtswidrigkeit des Vermögensvorteils nach h.M. subjektiv bedingter Vorsatz genügt (näher Rz. 255 f.).16 Soweit die Rspr. die Rechtswidrigkeit des Vermögensvorteils als Tatumstand behandelt und § 16 anwendet (näher Rz. 255 f.), behandelt sie die Rechtswidrigkeit entweder explizit17 oder zumindest der Sache nach ebenfalls als objektives Tatbestandsmerkmal.18

1 Lackner in LK-StGB, § 263 Rz. 276; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 266; Otto, Vermögensbegriff, S. 231. 2 Vgl. BGH v. 5.7.2011 – 3 StR 444/10, NStZ-RR 2011, 312, 313. 3 BayObLG v. 28.11.1989 – RReg 4 St 188/89, StV 1990, 165; auch BGH v. 20.11.1981 – 2 StR 586/81, wistra 1982, 68, 69; BGH v. 9.10.2008 – 1 StR 359/08, NStZ-RR 2009, 17, 18; BayObLG v. 29.6.1994 – 2 St RR 118/94, StV 1995, 303, 304; Fischer, StGB, § 263 Rz. 191; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 304. 4 Vgl. auch Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 170. 5 Näher Saliger in Fischer u.a. (Hrsg.), Dogmatik, 2015, S. 15 ff. 6 Zutr. OLG Bamberg v. 26.11.1981 – Ws 424/81, NJW 1982, 778; Saliger in M/R-StGB, § 263 Rz. 290; vgl. auch Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 173; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 264; anders Hoyer in SK-StGB, § 263 Rz. 276; Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 809: Klarstellungsfunktion. 7 Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 369; Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 799. 8 BGH v. 20.3.1953 – 2 StR 60/53, BGHSt 4, 105, 106 f.; BGH v. 16.4.1953 – 3 StR 63/53, NJW 1953, 1479, 1480; Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 799. 9 Vgl. z.B. BGH v. 16.12.1963 – GSSt 1/63, BGHSt 19, 206, 215 ff.; Gössel, GA 2003, 904; Krey/Hellmann, BT/II, Rz. 499. 10 Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 171; Samson, JA 1978, 630; Maurach/Schroeder/Maiwald, BT/1, § 41 Rz. 145. 11 BGH v. 23.6.1965 – 2 StR 97/65, GA 1966, 52, 53; BGH v. 17.10.1996 – 4 StR 389/96, BGHSt 42, 268, 272; OLG Köln v. 30.3.2007 – 81 Ss 38/07, StraFo 2007, 299. 12 BGH v. 18.12.1964 – 2 StR 461/64, BGHSt 20, 136, 138; OLG Jena v. 20.9.2006 – 1 Ss 226/06, wistra 2007, 236, 237. Wie hier: Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 304; Saliger in M/R-StGB, § 263 Rz. 290; Rengier, BT/1, § 13 Rz. 267; Wessels/Hillenkamp, BT/2, Rz. 586. 13 BGH v. 16.12.1997 – 1 StR 456/97, NStZ-RR 1999, 6; BGH v. 7.8.2003 – 3 StR 137/03, BGHSt 48, 322, 328; Fischer, StGB, § 263 Rz. 193. 14 BGH v. 17.10.1996 – 4 StR 389/96, BGHSt 42, 268, 272 f.; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 303; Kindhäuser in NKStGB, § 263 Rz. 369; Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 799; Lackner/Kühl, StGB, § 263 Rz. 62. A.A. – subj. Tatbestandsmerkmal – Fischer, StGB, § 263 Rz. 193; Kudlich, NStZ 1997, 433. 15 So in der Tat z.B. BGH v. 5.7.2011 – 3 StR 444/10, NStZ-RR 2011, 312, 313 f. 16 BGH v. 16.12.1997 – 1 StR 456/97, NStZ-RR 1999, 6; BGH v. 7.8.2003 – 3 StR 137/03, BGHSt 48, 322, 328 f.; BGH v. 9.10.2008 – 1 StR 359/08, NStZ-RR 2009, 17, 18; Fischer, StGB, § 263 Rz. 194; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 309; Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 800. 17 So unmissverständlich BGH v. 17.10.1996 – 4 StR 389/96, BGHSt 42, 268, 272 f. 18 Vgl. BGH v. 10.7.1952 – 5 StR 358/52, BGHSt 3, 99, 101; BGH v. 7.8.2003 – 3 StR 137/03, BGHSt 48, 322, 328 f.; BGH v. 16.4.1953 – 3 StR 63/53, NJW 1953, 1479, 1480. Ebenso Lackner/Kühl, StGB, § 263 Rz. 62; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 268.

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Saliger

Rz. 254 § 263 StGB

bb) Anwendungsfälle Gemäß den vorstehenden Grundsätzen hat die Judikatur eine Rechtswidrigkeit des Vermögensvorteils u.a. be- 253 jaht für den Erwerb von Aktien unter einverständlicher Ausnutzung des Bezugsrechts anderer1 und für eine nach der kassenärztlichen Gebührenordnung nicht abrechenbare Vergütung in einem Fall, wo der Arzt unter Verstoß gegen die Pflicht zur persönlichen Leistungserbringung die von seinem Praxispersonal aufgrund genereller Dienstanweisungen erbrachten ärztlichen Leistungen abgerechnet hatte (dazu krit. Rz. 213 f.).2 Verneint hat sie dagegen die Rechtswidrigkeit des Vermögensvorteils u.a. für einen Angeklagten, der aufgrund eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses in Anspruch genommen wurde, die gepfändete und überwiesene Forderung zuvor bereits erfüllt hatte und zur Abwehr der unberechtigt geltend gemachten Forderung in die Durchschrift des diese Forderung betreffenden Überweisungsträgers den Überweisungszweck eintrug und diese im gegen ihn anhängigen Zivilprozess vorlegte (Selbsthilfebetrug);3 für den Rückforderungsanspruch des Kaufpreises aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 bei einem verbotenen Rauschgiftgeschäft (str.; vgl. Rz. 143 f.);4 für den Ehevermittler, der sich die Vergütung bereits bei der Vermittlung auszahlen lässt.5 Allgemein ist die Erschleichung der Erfüllung von Naturalobligationen entgegen der h.M. nicht wegen Betruges strafbar, weil die Vermögensverschiebung von der Rechtsordnung nicht missbilligt wird und die bloße Kriminalisierung der Verletzung des Entscheidungsrechts des Opfers durch die h.M. einen unzulässigen selbständigen Dispositionsschutz darstellt (str.; vgl. auch Rz. 139 und Rz. 155).6 Probleme bereitet die Bestimmung der Rechtswidrigkeit des Vermögensvorteils (bzw. des Vermögensschadens) 254 in den Fällen, in denen der Täter eine Leistung täuschungsbedingt erwirkt, die das Opfer nicht aus dem angegebenen, sondern einem anderen Rechtsgrund schuldet. Die Rspr. stellt unter Billigung des Schrifttums darauf ab, ob der getäuschte Schuldner nach den Umständen des Falles infolge der Leistung im selben Umfang von seiner Verbindlichkeit befreit wird oder nicht. Tritt Befreiung ein, so hat der Täter sich keinen rechtswidrigen Vermögensvorteil verschafft, weil er dann ausschließlich das ihm Zustehende erlangt. Behält der Täter jedoch seine andere Forderung trotz der Erschleichung des seiner Forderung entsprechenden Geldbetrages, so begeht er Betrug, weil er sich einen ihm nicht zustehenden und damit rechtswidrigen Vermögensvorteil verschafft.7 Betrug verneint hat die Judikatur danach vor allem für die Fälle der Aufrechnung, sofern die Aufrechnung als Erfüllungssurrogat rechtlich zulässig ist (§§ 387 ff. BGB) und der Täter das durch die Täuschung von seinem Schuldner Erlangte zu seinen Forderungen in Beziehung gebracht hat.8 So verursacht keinen Vermögensschaden und erstrebt auch keinen rechtswidrigen Vermögensvorteil, wer einen anderen zur Hergabe eines Darlehens unter Verschweigen seiner Absicht veranlasst, die Darlehensforderung alsbald durch Aufrechnung mit einer eigenen rechtlich begründeten Forderung zu tilgen.9 Das gilt aber nicht, soweit der Täter bei Vertragsschluss auf seine Aufrechnungsbefugnis verzichtet, insbesondere dem Schuldner die alsbaldige Rückzahlung versprochen hat.10 Auch bei der Erschleichung von Subventionen und anderen staatlichen Leistungen wird das Problem praktisch, wenn der Täter die erschlichene Leistung aus anderen als den angegebenen Tatsachen beanspruchen kann. Beim Subventionsbetrug erleidet die öffentliche Hand demnach nur einen Schaden, soweit der Täter keinen Anspruch auf die bewilligten Fördermittel hat. Maßgebend dafür ist, ob nach dem „wirklichen Sachverhalt“ die Voraussetzungen für die Subvention erfüllt waren oder nicht, da beim Einklang der Subvention mit dem materiellen Recht der erstrebte Vermögensvorteil nicht durch den Einsatz unlauterer Mittel rechtswidrig wird.11 Der 3. Strafsenat des BGH hat in seiner Bahnstrecken-Entscheidung vom Juli 2011 die Rspr. zu den Vo-

1 BGH v. 16.12.1963 – GSSt 1/63, BGHSt 19, 206, 216 f.; Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 174. 2 BGH v. 28.9.1994 – 4 StR 280/94, NStZ 1995, 85, 86; BVerfG v. 8.9.1997 – 2 BvR 2414/94, NJW 1998, 810; Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 803; Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 174; Fischer, StGB, § 263 Rz. 191; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 306. 3 OLG Düsseldorf v. 11.9.1997 – 5Ss210/97 – 62/97I, NJW 1998, 692. 4 BGH v. 12.3.2002 – 3 StR 4/02, NJW 2002, 2117 m. zust. Anm. Engländer, JR 2004, 164 und abl. Anm. Kindhäuser/Wallau, NStZ 2003, 152; ferner BGH v. 7.8.2003 – 3 StR 137/03, BGHSt 48, 322, 329 f. Krit. Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 374. 5 BGH v. 21.2.1989 – 1 StR 631/88, NJW 1989, 1435, 1436; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 265; Hefendehl in MüKoStGB, § 263 Rz. 803. 6 Wie hier: Fischer, StGB, § 263 Rz. 192; Saliger in M/R-StGB, § 263 Rz. 291; Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 458, 801. A.A. BGH v. 14.7.1999 – 3 StR 188/99, wistra 1999, 420, 422 f.; Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 375; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 308; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 150. 7 BGH v. 20.11.1981 – 2 StR 586/81, wistra 1982, 68, 69; auch BGH v. 16.4.1953 – 3 StR 63/53, NJW 1953, 1479; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 265, 267; Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 375; Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 806 ff.; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 306. 8 BGH v. 16.4.1953 – 3 StR 63/53, NJW 1953, 1479; BGH v. 20.11.1981 – 2 StR 586/81, wistra 1982, 68; Otto, Struktur, S. 230; Rengier, BT/1, § 13 Rz. 266; vgl. auch BGH v. 25.2.1997 – 1 StR 804/96, NStZ-RR 1997, 298, 299. 9 BGH v. 16.4.1953 – 3 StR 63/53, NJW 1953, 1479 unter Aufgabe von RG v. 27.9.1923 – II 624/23, RGSt 57, 370 und RG v. 9.9.1943 – 2 D 186/43, RGSt 77, 184; BGH v. 20.11.1981 – 2 StR 586/81, wistra 1982, 68; Lackner/Kühl, StGB, § 263 Rz. 61; Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 808; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 265. 10 BGH v. 16.4.1953 – 3 StR 63/53, NJW 1953, 1479; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 265. 11 So BGH v. 2.12.1982 – 1 StR 476/82, MDR 1983, 419, 421; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 267.

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StGB

Betrug

StGB

§ 263 StGB Rz. 255

Strafgesetzbuch

raussetzungen der Befreiung von einer Verbindlichkeit aus einem anderen Rechtsgrund, soweit sie sich als unmittelbare Befreiung begreifen lässt, vollständig bei der Schadenskompensation verortet (näher Rz. 164 f.).1 cc) Vorsatz und Irrtum über die Rechtswidrigkeit 255

Die Rechtswidrigkeit des Vermögensvorteils muss als objektives Tatbestandsmerkmal nach h.M. vom Vorsatz des Täters umfasst sein, bedingter Vorsatz reicht aus (dazu bereits Rz. 252 m.w.N). Der Täter muss es also für möglich halten und billigend in Kauf nehmen, dass er auf den erstrebten Vermögensvorteil nicht oder nicht in dem Umfang einen Anspruch hat und dass sein Anspruch von der Rechtsordnung bzw. der Rspr. nicht geschützt wird.2 Wegen des Charakters der Rechtswidrigkeit des Vermögensvorteils als normatives Tatbestandsmerkmal (Rz. 252) handelt der Täter nicht bereits dann mit bedingtem Vorsatz, wenn er die tatsächlichen Umstände kennt, aus denen sich ergibt, dass ihm zivil- oder öffentlichrechtlich ein Anspruch zusteht. Entscheidend ist vielmehr, ob er sich als Ergebnis laienhafter Bewertung dieser Umstände einen Anspruch auf den erstrebten Vorteil nicht zumisst oder für zweifelhaft hält.3 Daran fehlt es auf jeden Fall, wenn dem Täter schon nicht bewusst ist, einen Vermögensvorteil erlangt zu haben (dazu schon Rz. 240).4

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Nimmt der Täter irrig an, auf den erstrebten Vermögensvorteil einen Anspruch zu haben, so fehlt ihm der Vorsatz. Er handelt dann im Tatbestandsirrtum gem. § 16 Abs. 15 bzw. ihm fehlt bereits der Schädigungsvorsatz.6 Dafür ist es gleichgültig, ob der Täter sich in tatsächlicher Hinsicht einen Sachverhalt vorstellt, der ihm einen Anspruch auf den Vorteil gibt, oder ob er die materielle Rechtslage verkennt und deshalb von einem berechtigten Anspruch ausgeht.7 Auf ein Verschulden kommt es nicht an.8 Allerdings ist das Bewusstsein einer rechtswidrigen Bereicherung nach der Rspr. nur dann nicht gegeben, wenn der Täter klare Vorstellungen über Grund und Höhe des geltend gemachten Anspruchs hat. Vage Vorstellungen reichen nicht aus.9 Maßgebend dafür sind allein die Vorstellungen des Täters über die materielle Rechtslage. Unerheblich ist, ob der Täter seine Forderung wegen Beweisschwierigkeiten oder deshalb nicht für gerichtlich durchsetzbar hält, weil er bei einer Klage eigenes strafbares Tun offenbaren müsste.10 Dass sich der Täter nach den Anschauungen der einschlägig kriminellen Kreise als berechtigter Anspruchsinhaber wähnt, begründet noch keinen Tatbestandsirrtum. Vielmehr muss er sich vorstellen, dass sein Anspruch von der Rspr. anerkannt wird und er ihn in einem Zivilprozess durchsetzen könnte.11 Ist der erstrebte Vermögensvorteil objektiv rechtmäßig und hält der Täter ihn – aus tatsächlichen und/oder rechtlichen Gründen – irrigerweise mit bedingtem Vorsatz für rechtswidrig, so ist nach h.M. ein umgekehrter Tatbestandsirrtum gegeben, der zu einem strafbaren untauglichen Versuch führt (str.; weiter einschränkend im Hinblick auf die Abgrenzung zum straflosen Wahndelikt Rz. 266).12 Ein Verbotsirrtum gem. § 17 kommt in Betracht, wenn der Täter weiß, dass er keinen rechtlich begründeten Anspruch auf den Vorteil hat, aber sich einen der Rechtsordnung unbekannten Erlaubnisgrund für sein Handeln vorstellt.13 Das ist etwa der Fall, wenn der Täter Umfang und Grenzen der erlaubten Selbsthilfe verkennt14 oder sich für befugt hält, das Zurückbehaltungsrecht seines Geschäftspartners zu missachten.15 1 BGH v. 5.7.2011 – 3 StR 444/10, NStZ-RR 2011, 312. 2 BGH v. 11.9.1995 – 5 Ss 220/95 - 26/95 IV, NStZ-RR 1996, 6; BGH v. 7.8.2003 – 3 StR 137/03, BGHSt 48, 322, 328; vgl. auch BGH v. 17.10.1996 – 4 StR 389/96, BGHSt 42, 268, 273. 3 BGH v. 7.8.2003 – 3 StR 137/03, BGHSt 48, 322, 328 f.; Fischer, StGB, § 263 Rz. 193; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 309. 4 BGH v. 3.5.1988 – 1 StR 148/88, NJW 1988, 2623 f. 5 BGH v. 20.3.1953 – 2 StR 60/53, BGHSt 4, 105, 107; BGH v. 16.4.1953 – 3 StR 63/53, NJW 1953, 1479, 1480; BGH v. 6.12.1997 – 1 StR 456/97, NStZ-RR 1999, 6; BGH v. 3.3.1999 – 2 StR 598/98, StV 2000, 78, 79; BGH v. 9.7.2003 – 5 StR 65/02, NStZ 2003, 663, 664; Fischer, StGB, § 263 Rz. 193; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 268 f.; Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 812; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 310; Rengier, BT/1, § 13 Rz. 268; Wessels/Hillenkamp, BT/2, Rz. 582. 6 BGH v. 16.4.1953 – 3 StR 63/53, NJW 1953, 1479, 1480; vgl. auch OLG Köln v. 30.3.2007 – 81 Ss 38/07, StraFo 2007, 299; ferner Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 175; Wessels/Hillenkamp, BT/2, Rz. 582. 7 OLG Bamberg v. 26.11.1981 – Ws 424/81, NJW 1982, 778; so bereits BGH v. 20.3.1953 – 2 StR 60/53, BGHSt 4, 105, 107. 8 Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 175; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 269. 9 BGH v. 6.12.1997 – 1 StR 456/97, NStZ-RR 1999, 6; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 311. 10 BGH v. 7.8.2003 – 3 StR 137/03, BGHSt 48, 322, 329. 11 BGH v. 7.8.2003 – 3 StR 137/03, BGHSt 48, 322, 329; Fischer, StGB, § 263 Rz. 193; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 311; Wessels/Hillenkamp, BT/2, Rz. 582. 12 BGH v. 17.10.1996 – 4 StR 389/96, BGHSt 42, 268, 272 f. m. zust. Anm. Kudlich, NStZ 1997, 432, Arzt, JR 1997, 469 und Geppert, JK 1997 § 263/48; BGH v. 29.3.1990 – 4 StR 681/89, NJW 1990, 2476, 2477; BGH v. 9.7.2003 – 5 StR 65/02, NStZ 2003, 663, 664; Fischer, StGB, § 263 Rz. 194; Saliger in M/R-StGB, § 263 Rz. 294; Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 175; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 281; Wessels/Hillenkamp, BT/2, Rz. 582; weiter diff. Hefendehl in MüKoStGB, § 263 Rz. 814. A.A. – Vollendung – Gössel, GA 2003, 904; Mitsch, BT/II, 5.2.2.2.4, § 7 Rz. 125. Für Wahndelikt Jakobs, AT 11/41, 25/42; Burkhardt, wistra 1982, 178. 13 Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 270; Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 813; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 311. 14 BGH v. 20.3.1953 – 2 StR 60/53, BGHSt 4, 105, 107. 15 BGH v. 14.10.1980 – 1 StR 439/80, MDR 1981, 99, 100; vgl. auch OLG Düsseldorf v. 6.11.2000 – 2 a Ss 271/00 - 62/00 II, StV 2001, 354, 355; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 270.

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Saliger

Rz. 259 § 263 StGB

f) Eigen- und fremdnütziger Betrug Der Täter kann den Vermögensvorteil für sich (eigennütziger Betrug) oder für einen anderen erstreben 257 (fremdnütziger Betrug),1 wobei zwischen beiden Betrugsformen Wahlfeststellung (dazu näher Rz. 307) möglich ist.2 Fremdnütziger Betrug tritt häufig als Zwischenziel für einen eigennützigen Betrug auf, wie der Provisionsvertreterbetrug zeigt (Rz. 241, 247).3 Zur Möglichkeit einer Beihilfe zum eigennützigen Betrug bei altruistischem Handeln s. Rz. 269.

C. Vollendung, Beendigung und Versuch I. Vollendung Der Betrug ist vollendet mit dem Eintritt eines Vermögensschadens,4 auch eines Teilschadens5 oder einer 258 schadensbegründenden Vermögensgefährdung (dazu Rz. 187 ff.).6 Wegen des Charakters des Betrugs als kupiertem Erfolgsdelikt (Rz. 239) braucht der erstrebte Vermögensvorteil für die Vollendung weder vom Täter (bzw. dem Dritten) tatsächlich erlangt7 noch endgültig gesichert8 noch auch nur erreichbar zu sein.9 Vollendeter Betrug liegt daher auch dann vor, wenn der abgeschwindelte erstrebte Vermögensvorteil auf dem Weg zum Täter verloren geht,10 wenn der erschwindelte Vermögensvorteil dem Täter unmittelbar nach Erlangung wieder entzogen wird11 oder wenn der erstrebte Vermögensvorteil vom Täter aus Rechtsgründen gar nicht erlangt werden konnte.12 Bei einer Vermögensverfügung durch Unterlassen (dazu Rz. 110 f.) tritt Vollendung zu dem Zeitpunkt ein, zu dem die fragliche (realisierbare) Leistung bzw. das Recht bei Kenntnis der wahren Sachlage gefordert worden wäre, bei Nichtgeltendmachung eines Anspruchs also in dem Zeitpunkt, in dem der Getäuschte bei zutreffender Sachverhaltskenntnis den Anspruch hätte erheben können.13 Eine spätere Geltendmachung des Anspruchs stellt dagegen lediglich eine nachträgliche Schadensbeseitigung dar.14 Zur Abgrenzung von Vollendung und Versuch hat die Rspr. u.a. Folgendes entschieden (auch Rz. 263 ff.): Voll- 259 endeter Betrug ist gegeben, wenn der Getäuschte den Irrtum vor Auszahlung des erschwindelten Geldes entdeckt, diese jedoch in der irrigen Annahme nicht verhindert, sie sei bereits erfolgt;15 wenn der Täter durch Täuschung die Kontoeröffnung bei einer Bank nebst Aushändigung einer EC-Karte und Schecks erschleicht, sofern die Bank wie im POS-System die Kartenzahlung oder die Einlösung des Schecks garantiert oder eine Rückgabe der Lastschrift nicht möglich ist (vollendeter Betrug in Gestalt einer schadensbegründenden Vermögensgefahr; dazu auch Rz. 198 m.w.N.).16 Der Prozessbetrug (zum Begriff Rz. 18) ist nach h.M. mit Erlass einer vorläufig vollstreckbaren Entscheidung bzw. eines Urteils vollendet (str.);17 im Mahnverfahren soll Vollendung des Prozessbetruges nach der Judikatur bereits mit Erlass des Mahnbescheids eintreten (zwh. und str., dazu bereits Rz. 56, 96).18 Beim Betrug durch Fingierung von Verträgen zugunsten Dritter auf den Todesfall ist Betrug so lange nicht vollendet, wie die betroffenen Bankkunden leben (dazu auch Rz. 205).19 Versuchter Betrug liegt vor, wenn der Drogenverkäufer in unmittelbarem Zusammenhang des Leistungsaustausches die Täuschung bemerkt,20 oder wenn der Tä1 BGH v. 25.10.1994 – 4 StR 173/94, BGHSt 40, 299, 300 f. 2 RG GA Bd. 52, 384; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 271. 3 Vgl. ferner RG v. 23.10.1941 – 2 D 348/41, RGSt 75, 378, 379; Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 177; Tiedemann in LKStGB, § 263 Rz. 271. 4 BGH v. 25.1.1978 – 3 StR 412/77, BGHSt 27, 342; Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 178. 5 RG v. 16.1.1900 – 4748/99, RGSt 33, 78, 79. 6 Vgl. etwa BGH v. 29.6.1995 – 4 StR 760/94, NStZ-RR 1996, 34 f.; auch BGH v. 18.11.2008 – 4 StR 486/08, wistra 2009, 107. Ferner Fischer, StGB, § 263 Rz. 200; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 313; Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 378. 7 BGH v. 3.6.1964 – 2 StR 143/64, BGHSt 19, 342, 344; BGH v. 25.1.1984 – 3 StR 278/83, BGHSt 32, 236, 243; Fischer, StGB, § 263 Rz. 200; Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 178. 8 OLG Düsseldorf v. 24.5.1982 – 5 Ss 174/82 I, NJW 1982, 2268. 9 BGH v. 25.1.1984 – 3 StR 278/83, BGHSt 32, 236, 243; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 272; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 314. 10 Vgl. BGH v. 3.6.1964 – 2 StR 143/64, BGHSt 19, 342, 343; Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 178. 11 OLG Düsseldorf v. 24.5.1982 – 5 Ss 174/82 I, NJW 1982, 2268. 12 BGH v. 25.1.1984 – 3 StR 278/83, BGHSt 32, 236, 243; Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 826; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 314. 13 RG v. 4.5.1943 1 – D 102/43, RGSt 77, 32, 34; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 315; Gaede in AnwK-StGB, § 263 Rz. 171. 14 Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 827; Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 379; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 272. 15 OLG Köln, JMBlNRW 1962, 176 f.; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 272; Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 178. 16 BGH v. 18.11.2008 – 4 StR 486/08, wistra 2009, 107. 17 S. Nachweise in Rz. 234; ferner Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 272. A.A. z.B. Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 378: Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung bzw. des Vollstreckungsbescheids. 18 BGH v. 25.10.1971 – 2 StR 238/71, BGHSt 24, 257, 261, allerdings zum Mahnverfahren nach altem Recht. A.A. – Erlass des Vollstreckungsbescheids – RG v. 24.2.1925 – I 943/24, RGSt 59, 104, 106; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 272. 19 BGH v. 5.11.2003 – 1 StR 287/03, NStZ 2004, 264; Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 378. 20 BGH v. 25.2.1997 – 1 StR 804/96, BGHR StGB § 263 Abs. 1 Versuch 1.

Saliger

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StGB

Betrug

StGB

§ 263 StGB Rz. 260

Strafgesetzbuch

ter nach Erschleichung der Ware an der Kasse bei der nachfolgenden Endkontrolle ertappt wird.1 Zur Abgrenzung von Vorbereitung, Versuch und Vollendung beim Eingehungsbetrug Rz. 200 ff. (232 f.) und Rz. 264 sowie beim Versicherungsbetrug Rz. 204 und Rz. 264.

II. Beendigung 260

Beendet ist der Betrug nach h.M. mit Erlangung des angestrebten rechtswidrigen Vermögensvorteils und Abschluss der Tat im Ganzen.2 Zu diesem Zeitpunkt beginnt gem. § 78a die Verfolgungsverjährung (auch Rz. 309). Eine engere Gegenauffassung stellt ab auf den Eintritt des endgültigen Schädigungserfolgs.3 Vorzugswürdig ist die h.M. mit ihrem weiten materiellen Beendigungsbegriff.4 Denn von der Beendigung einer Tat kann im Unterschied zum tatbestandlichen Beendigungsbegriff der Gegenauffassung erst gesprochen werden, wenn der Täter sein rechtsverneinendes Tun insgesamt abgeschlossen hat, beim Betrug also, da die Bereicherungsabsicht den Betrug als Bereicherungsdelikt charakterisiert (Rz. 239), mit Erhalt des erstrebten Vermögensvorteils. I.Ü. wird zu Recht darauf hingewiesen, dass beide Auffassungen trotz ihrer Unterschiede (z.B. hinsichtlich der Reichweite einer sukzessiven Beihilfe) nicht stets zueinander in Gegensatz stehen. So setzt zum einen die Beendigung bei einer schadensbegründenden Vermögensgefahr nach beiden Auffassungen den Eintritt eines substantiellen Vermögensverlustes, sofern er nicht auf einer Vorleistungspflicht beruht, als endgültigem Schaden (vgl. Rz. 189)5 voraus.6 Dementsprechend ist im Verhältnis von Eingehungs- und Erfüllungsbetrug (dazu Rz. 200 ff., 206 ff.) nach h.M. die Tat zwar mit Abschluss des Verpflichtungsgeschäfts im Eingehungsschaden in Gestalt regelmäßig einer schadensbegründenden Vermögensgefahr (Rz. 187) als Durchgangsstadium vollendet, aber erst mit Verwirklichung der tatsächlichen Wertminderung im bestandsverändernden Erfüllungsschaden beendet (str.).7 Eingehungs- und Erfüllungsbetrug bilden insoweit eine einheitliche Tat.8 Zum anderen leugnet auch die h.M. nicht, dass in den Fällen, in denen der angestrebte Vermögensvorteil entweder tatsächlich (z.B. wegen Untergang der Sache) oder rechtlich nicht erlangt werden kann, der Eintritt des endgültigen Schädigungserfolgs für den Beendigungszeitpunkt maßgeblich ist.9

261

Auf dieser Basis ergibt sich für weitere Fallgruppen Folgendes: Der Prozessbetrug ist beendet mit dem Empfang der Leistung nach durchgeführter Vollstreckung.10 Entsteht der Schaden erst durch verschiedene täuschungsbedingte Ereignisse bzw. Vermögensverfügungen und vergrößert er sich durch sie nach und nach (sukzessive Schadensentstehung oder -vergrößerung bzw. wiederholende Leistungen), dann ist der Betrug mit dem ersten Teilerfolg vollendet und mit dem letzten Teilerfolg beendet.11 Das gilt unstreitig für den Rentenbetrug, der mit der täuschungsbedingten Rentenbewilligung als schadensbegründende Vermögensgefahr vollendet und mit der letzten Rentenzahlung beendet ist.12 Es gilt gleichermaßen für Unterhaltszahlungen aufgrund eines Prozessbetruges,13 für den Vermieterbetrug hinsichtlich laufender Mietforderungen bzw. Nebenkosten,14 für Subventionen15 oder für den Kreditbetrug, wo bei Auszahlung der Darlehensvaluta an verschiedene Emp-

1 OLG Hamm, OLGSt § 263, 165 ff.; OLG Düsseldorf v. 24.5.1982 – 5 Ss 174/82 I, NJW 1982, 2268. 2 BGH v. 22.1.2004 – 5 StR 415/03, StraFo 2004, 215; ferner BGH v. 25.10.2000 – 2 StR 232/00, BGHSt 46, 159, 166; BGH v. 11.12.2008 – 5 StR 536/08, wistra 2009, 152; BGH v. 1.7.2009 – 2 StR 116/09, StraFo 2010, 37 f.; BGH v. 18.5.2010 – 1 StR 111/10, wistra 2010, 408, 409; Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 178, 193; Fischer, StGB, § 263 Rz. 201; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 316; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 273; Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 828; Saliger in NK-StGB, § 78a Rz. 12. 3 Lackner/Kühl, StGB, § 263 Rz. 63; Otto, FS Lackner, 1987, S. 723, 729; Kühl, JuS 2002, 732; Maurach/Schroeder/Maiwald, BT/1, § 41 Rz. 149. 4 Vgl. dazu näher Saliger in NK-StGB, § 78a Rz. 6 f. und bereits Saliger in M/R-StGB, § 263 Rz. 298. 5 Zu dieser Bestimmung näher Saliger, FS Samson, 2010, S. 471 ff. 6 Vgl. Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 381; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 273. 7 BGH v. 29.1.1997 – 2 StR 633/96, NStZ 1997, 542, 543; Lackner/Kühl, StGB, § 263 Rz. 64; Fischer, StGB, § 263 Rz. 201; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 317; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 274; Saliger in M/R-StGB, § 263 Rz. 298; Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 178. A.A. Klein, Verhältnis, S. 176 ff.; Otto, FS Lackner, 1987, S. 723. 8 BGH v. 21.11.2001 – 2 StR 260/01, BGHSt 47, 160, 168; Lackner/Kühl, StGB, § 263 Rz. 64; Rengier, BT/1, § 13. 9 Zutr. Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 316; vgl. auch Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 381. 10 OLG Celle v. 20.3.1958 – 1 Ws 411/57, MDR 1958, 361; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 337; Kindhäuser in NKStGB, § 263 Rz. 384. 11 BGH v. 22.1.2004 – 5 StR 415/03, StraFo 2004, 215; auch BGH v. 25.1.1978 – 3 StR 412/77, BGHSt 27, 342, 343; BGH v. 25.10.2000 – 2 StR 232/00, BGHSt 46, 159, 166 f.; BGH v. 2.5.2001 – 2 StR 149/01 wistra 2001, 339; ferner Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 193; Fischer, StGB, § 263 Rz. 201; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 318; Saliger in NK-StGB, § 78a Rz. 12. 12 BGH v. 25.1.1978 – 3 StR 412/77, BGHSt 27, 342 f. m. i.E. zust. Bespr. Kühl, JZ 1978, 549; OLG Köln v. 26.2.1957 – Ss 412/56, MDR 1957, 371; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 275; Fischer, StGB, § 263 Rz. 201; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 318; Saliger in NK-StGB, § 78a Rz. 12. 13 Vgl. BGH v. 25.1.1978 – 3 StR 412/77, BGHSt 27, 342; Fischer, StGB, § 263 Rz. 201; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 275. 14 OLG Koblenz v. 4.8.1992 – 1 Ws 289/92, MDR 1993, 70; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 275; Kindhäuser in NKStGB, § 263 Rz. 382; Fischer, StGB, § 263 Rz. 201; Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 829. 15 Fischer, StGB, § 263 Rz. 201; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 318.

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Saliger

Rz. 263 § 263 StGB

fänger die Verjährung mit der Auszahung des letzten Teilbetrages beginnt.1 Zu beachten ist, dass bei Notwendigkeit jew. neuer Täuschungen für das Erlangen der Geldbeträge jede einzelne Anforderung eine Tat darstellt, so dass für die Beendigung auf den jew. Eingang des überwiesenen Geldbetrages abzustellen ist.2 Abweichend von diesen Grundsätzen will insbesondere die Rspr. beim Anstellungsbetrug (dazu Rz. 216 ff.) Vollendung und Beendigung der Tat bereits mit Erschleichung des Anstellungsvertrages annehmen, es sei denn, der spätere Empfang der Gehaltszahlungen beruht auf neuen Betrugsakten nach Erschleichung der Anstellung.3 Zur Begründung verweist der BGH darauf, dass die nachfolgenden Gehaltszahlungen keine Erweiterung oder Fortsetzung des bereits eingetretenen Vermögensschadens, sondern lediglich Nachwirkungen des mit der Anstellung vollendeten Betruges darstellten und dass die Hoffnung des Täters auf künftige Gehaltszahlungen ohne neueres Hinzutun nur ein zusätzliches Motiv bilde, das im gesetzlichen Tatbestand keine objektive Grundlage findet.4 Weder diese noch weitere Argumente, die zugunsten dieser Rspr. angeführt werden (z.B. anspruchsbegründender Charakter des Anstellungsvertrages versus deklaratorische Natur des Rentenbescheids; Austauschbeziehung versus einseitiges Leistungsverhältnis)5 vermögen allerdings die Ungleichbehandlung des Anstellungsbetruges mit den anderen Fallgruppen sukzessiver Schadensentstehung, namentlich des Rentenbetrugs zu rechtfertigen. Denn die Judikatur selbst behandelt beide Konstellationen als Unterfälle des Eingehungsbetruges mit dem Vermögensschaden in Gestalt einer konkreten Vermögensgefahr,6 so dass auch bei beiden eine schadensvertiefende Erfüllungsphase möglich sein muss.7 Auch der Anstellungsbetrug ist daher mit der h.L. richtigerweise erst mit Erhalt der letzten Gehaltszahlung beendet.8

III. Versuch (Absatz 2) Absatz 2 erklärt gem. § 23 Abs. 1 den Versuch des Betruges für strafbar. Soweit sich die schadensbegründende Ver- 262 mögensgefahr und der Versuchsbereich tendenziell überschneiden (vgl. Rz. 186 ff., 201 ff.),9 befreit die Existenz von Absatz 2 nicht von den Mühen der Abgrenzung.10 Es gelten daher die allgemeinen Regeln der §§ 22 ff.11 Versuchter Betrug kommt in Betracht, wenn bei entsprechendem Tatentschluss des Täters eines oder mehrere Merkmale des objektiven Betrugstatbestandes nicht erfüllt sind.12 Das ist etwa der Fall bei fehlender Verwirklichung der Täuschungshandlung,13 bei Fehlgehen der Täuschung, weil der Täuschungsadressat die Täuschung durchschaut (vgl. Rz. 85, 86, 102, 121), bei nicht täuschungsbedingter Vermögensverfügung des Täuschungsadressaten (vgl. Rz. 86, 102, 121) oder bei Nichteintritt eines Vermögensschadens.14 Der Versuch des Betruges ist aber nur strafbar, wenn sich der Vorsatz des Täters auf alle Merkmale des gesetzlichen Tatbestandes bezieht und der Täter in der Absicht handelt, sich oder einem Dritten einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen (Tatentschluss).15 Deshalb reicht es nicht aus, dass das Tatgericht lediglich die Verwirklichung der Täuschungshandlung durch den Angeklagten feststellt, wenn diesem Schädigungsvorsatz und Bereicherungsabsicht fehlen.16 Nach § 22 beginnt der strafbare Betrugsversuch, wenn der Täter nach seiner Vorstellung zur Verwirklichung des 263 Tatbestandes unmittelbar ansetzt. Wie allgemein grenzt die Rspr. den strafbaren Versuch von der straflosen Vorbereitung auch beim Betrug danach ab, ob der Täter schon eine Ausführungshandlung vorgenommen hat (dann i.d.R. strafbarer Versuch) oder ob bloß eine ausführungsnahe Handlung vorliegt (dann Abgrenzung Frage des Ein-

1 BGH v. 18.11.2015 – 4 StR 76/15, NStZ-RR 2016, 42, 43. 2 BGH v. 22.1.2004 – 5 StR 415/03, StraFo 2004, 215; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 318. 3 BGH v. 9.1.1968 – 5 StR 603/67, BGHSt 22, 38, 40 f. m. abl. Anm. Schröder, JR 1968, 346; zust. Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 275; Oppe, NJW 1958, 1909 f.; Otto, FS Lackner, 1987, S. 731 ff. 4 BGH v. 9.1.1968 – 5 StR 603/67, BGHSt 22, 38, 39, 41; vgl. auch BGH v. 18.2.1999 – 5 StR 193/98, BGHSt 45, 1, 4 f. 5 Vgl. Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 275; Otto, FS Lackner, 1987, S. 731 ff. 6 Für den Rentenbetrug BGH v. 25.1.1978 – 3 StR 412/77, BGHSt 27, 342 f.; für den Anstellungsbetrug BGH v. 9.1.1968 – 5 StR 603/67, BGHSt 22, 38, 39. 7 Lackner in LK-StGB, § 263 Rz. 293; Rengier, BT/1, § 13 Rz. 224. 8 Lackner in LK-StGB Rz. 293; Fischer, StGB, § 263 Rz. 201 und § 78a Rz. 9; Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 193; Lackner/ Kühl, StGB, § 78a Rz. 4; Saliger in NK-StGB, § 78a Rz. 12 m.w.N. und Saliger in M/R-StGB, § 263 Rz. 299; Schröder, JR 1968, 346 f.; Kühl, JZ 1978, 552 f.; Rengier, BT/1, § 13 Rz. 224; offengelassen in BGH v. 25.1.1978 – 3 StR 412/77, BGHSt 27, 342, 343. 9 Zu dem verschärften Problem bei § 266, wo der Versuch straflos ist, § 266 StGB Rz. 82 ff., Rz. 133. 10 Vgl. auch Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 816. 11 Vgl. BGH v. 16.1.1991 – 2 StR 527/90, BGHSt 37, 294, 296 ff.; BGH v. 25.10.1994 – 4 StR 173/94, BGHSt 40, 299, 301 f.; BGH v. 12.7.2000 – 2 StR 43/00, BGHR StGB § 22 Ansetzen 27, 2 ff. 12 BGH v. 16.1.1991 – 2 StR 527/90, BGHSt 37, 294, 296; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 276; Fischer, StGB, § 263 Rz. 196. 13 Vgl. BGH v. 16.1.1991 – 2 StR 527/90, BGHSt 37, 294, 296; BGH v. 20.12.2011 – 4 StR 491/11, StraFo 2012, 102, 103. 14 Vgl. BGH v. 25.2.1997 – 1 StR 804/96, BGHR StGB § 263 Abs. 1 Versuch 1; OLG Oldenburg v. 20.8.2010 – 1 Ws 371/10, wistra 2010, 453, 455; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 276. 15 BGH v. 21.2.1989 – 1 StR 631/88, NJW 1989, 1435, 1436; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 320; Gaede in AnwK-StGB, § 263 Rz. 169. 16 Vgl. BGH v. 21.2.1989 – 1 StR 631/88, NJW 1989, 1435, 1436; auch BGH v. 21.11.1961 – 1 StR 424/61, BGHSt 16, 367, 371 f.

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StGB

Betrug

StGB

§ 263 StGB Rz. 264

Strafgesetzbuch

zelfalls).1 Mit der tatbestandsmäßigen Täuschung als Ausführungshandlung beginnt der Täter, wenn sein Tun unmittelbar auf eine irrtumsbedingte Vermögensverfügung des Täuschungsadressaten gerichtet ist.2 Das gilt auch für ein mehraktiges Täuschungsgeschehen („gestreckte Täuschungen“). Hier setzt der Täter zum strafbaren Versuch mit einer Handlung an, die subjektiv und objektiv dazu bestimmt und geeignet ist, unmittelbar denjenigen Irrtum hervorzurufen, der zur schädigenden Vermögensverfügung und damit zum Schadenseintritt führt.3 Hat der Täter einzelne Tatbestandsmerkmale noch nicht verwirklicht (ausführungsnahe Handlung), so begeht er einen strafbaren Betrugsversuch mit Handlungen, die nach dem Tatplan im ungestörten Fortgang unmittelbar zur Tatbestandserfüllung führen sollen oder die im unmittelbaren räumlichen und zeitlichen Zusammenhang mit ihr stehen.4 Das ist nach st. Rspr. der Fall, wenn der Täter subjektiv die Schwelle zum „jetzt geht’s los“ überschreitet und objektiv zur tatbestandsmäßigen Angriffshandlung ansetzt, so dass sein Tun ohne Zwischenakte in die Tatbestandsverwirklichung einmündet.5 Daran mangelt es, sofern es zur Herbeiführung des tatbestandlichen Erfolgs noch weiterer neuer Willensimpulse und selbständiger Täuschungshandlungen des Täters bedarf.6 Bei mittäterschaftlichem Betrug treten alle Mittäter einheitlich in das Versuchsstadium, sobald einer von ihnen zur Verwirklichung des Tatbestandes unmittelbar ansetzt, und zwar unabhängig davon, ob einzelne Mittäter ihren Tatbeitrag bereits im Vorbereitungsstadium erbracht haben (Gesamtlösung); das gilt auch für den untauglichen Versuch.7 Bei Betrug in mittelbarer Täterschaft liegt ein unmittelbares Ansetzen und damit strafbarer Betrugsversuch i.d.R. vor, wenn der Hintermann seine Einwirkung auf den Vordermann abgeschlossen hat, sofern der Vordermann die Tathandlung nach der Vorstellung des Hintermanns in engem Zusammenhang mit dem Abschluss der Einwirkung vornehmen wird, so dass das geschützte Rechtsgut bereits in diesem Zeitpunkt gefährdet ist. Soll der Vordermann dagegen die tatbestandliche Angriffshandlung mit zeitlicher Verzögerung im Anschluss an noch ausstehende Vorbereitungshandlungen vornehmen, so beginnt der Versuch für den Hintermann erst mit dem unmittelbaren Ansetzen des Vordermanns zur Tatbegehung.8 264

Auf Basis dieser Grundsätze hat die Rspr. strafbaren Betrugsversuch und straflose Vorbereitung in Einzelfällen wie folgt abgegrenzt: Beim Eingehungsbetrug stellt die bloße Sondierung der Vertragsbereitschaft noch eine Vorbereitungshandlung dar, während der Versuchsbereich erst mit einem von Täuschungshandlungen begleitetem ernstgemeinten Vertragsangebot in der Annahme, der andere Teil werde es möglicherweise annehmen, überschritten wird.9 Wer also einer Bank schriftlich ausländische Wertpapiere zum Kauf anbietet und hierbei allein die Kopie eines solchen Wertpapiers vorlegt, bewegt sich im Bereich strafloser Vorbereitung, wenn der Vertragsschluss und die Zahlung des Kaufpreises davon abhängen, dass sich der Täter nach seiner Vorstellung die Originalurkunde des Wertpapiers beschaffen muss.10 Das lässt sich verallgemeinern: Täuschungshandlungen, die nur dazu dienen, sich in das Vertrauen eines anderen einzuschleichen, um erst später und ggf. an einem anderen Ort eine weitere, die Vermögensverfügung des Opfers unmittelbar auslösende Täuschungshandlung zu begehen, bezeichnen nur straflose Vorbereitungshandlungen.11 Das gilt etwa für den Fall, dass der Täter durch mehrere Täuschungen die Zusage der Auszahlung von Bargeld gegen Vorlage einer Kreditkarte durch das Opfer erhält, die Bankdeckung als entscheidende Tatsache aber nicht vorgespiegelt, sondern nur angekündigt wird (Amexco-Fall),12 oder für den Fall, dass im Rahmen einer betrügerischen Baukostenabrechnung unrichtige 1 BGH v. 21.12.1982 – 1 StR 662/82, BGHSt 31, 178, 182; BGH v. 16.1.1991 – 2 StR 527/90, BGHSt 37, 294, 296 m. zust. Anm. Kienapfel, JR 1992, 122; BGH v. 9.7.1996 – 1 StR 288/96, NStZ 1997, 31; vgl. auch BGH v. 7.2.1952 – 5 StR 12/52, BGHSt 2, 380, 381; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 276 f. 2 BGH v. 16.1.1991 – 2 StR 527/90, BGHSt 37, 294, 296 f.; Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 179; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 320. 3 BGH v. 16.1.1991 – 2 StR 527/90, BGHSt 37, 294, 296 f.; BGH v. 12.7.2000 – 2 StR 43/00, BGHR StGB § 22 Ansetzen 27, S. 2 f.; BGH v. 7.2.2002 – 1 StR 222/01, NStZ 2002, 433, 435; BGH v. 12.1.2011 – 1 StR 540/10, NStZ 2011, 400, 401; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 276; Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 818; Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 376. 4 BGH, 21.12.1982 – 1 StR 662/82, BGHSt 31, 178, 181 f.; BGH v. 16.1.1991 – 2 StR 527/90, BGHSt 37, 294, 297; BGH v. 25.10.1994 – 4 StR 173/94, BGHSt 40, 299, 301. 5 BGH v. 16.9.1975 – 1 StR 264/75, BGHSt 26, 201, 203 f.; BGH v. 16.1.1991 – 2 StR 527/90, BGHSt 37, 294, 297 f.; BGH v. 9.7.1996 – 1 StR 288/96, NStZ 1997, 31; BGH v. 12.7.2000 – 2 StR 43/00, BGHR StGB § 22 Ansetzen 27, S. 2; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 277. 6 BGH, 21.12.1982 – 1 StR 662/82, BGHSt 31, 178, 182; BGH v. 16.1.1991 – 2 StR 527/90, BGHSt 37, 294, 298; BGH v. 12.1.2011 – 1 StR 540/10, NStZ 2011, 400, 401. 7 BGH v. 25.10.1994 – 4 StR 173/94, BGHSt 40, 299, 301 f.; BGH v. 12.7.2000 – 2 StR 43/00, BGHR StGB § 22 Ansetzen 27, S. 3; Wessels/Hillenkamp, BT/2, Rz. 590. 8 BGH v. 12.7.2000 – 2 StR 43/00, BGHR StGB § 22 Ansetzen 27, 4; auch BGH v. 3.7.1953 – 2 StR 452/52, BGHSt 4, 270, 273. 9 BGH v. 9.7.1996 – 1 StR 288/96, NStZ 1997, 31, 32; vgl. auch BGH v. 9.6.1988 – 1 StR 225/88, BGHR StGB § 22 Ansetzen 8, S. 2; Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 817; Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 386; Fischer, StGB, § 263 Rz. 197 f., teils einschränkend. 10 BGH v. 9.7.1996 – 1 StR 288/96, NStZ 1997, 31 f. 11 OLG Karlsruhe v. 12.8.1981 – 3 Ss 167/81, NJW 1982, 59 m. i.E. zust. Bespr. Burkhardt, JuS 1983, 426; Perron in S/SStGB, § 263 Rz. 179; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 276; Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 818. 12 BGH v. 16.1.1991 – 2 StR 527/90, BGHSt 37, 294, 296 f. m. zust. Anm. Kienapfel, JR 1992, 122; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 278.

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Rz. 265 § 263 StGB

Leistungsverzeichnisse erstellt und zu einer Vorprüfung vorgelegt werden, wenn es zu der planmäßigen späteren unrichtigen Schlussrechnung als einem von der Vorprüfung nach zeitlichen, räumlichen und sonstigen Umständen verschiedenen selbständigem und entscheidendem Täuschungsakt nicht mehr kommt.1 Auch beim Versicherungsbetrug als Erfüllungsbetrug ist die Grenze von der Vorbereitungshandlung zum Versuch regelmäßig erst mit der Schadensmeldung an den Versicherer – selbst bei Weiterleitung durch Dritte2 – überschritten (dazu bereits Rz. 205).3 Beim Versicherungsbetrug als Eingehungsbetrug wird entgegen dem BGH4 und mit dem BVerfG5 im Al-Qaida-Fall (näher Rz. 156, 193, 205; str.) durch den täuschungsbedingten Vertragsschluss in der Absicht, einige Monate später einen Versicherungsfall zu fingieren, weder ein vollendeter noch ein versuchter Betrug begründet (vgl. Rz. 205). Bloße straflose Vorbereitungshandlungen sind ferner:6 die Erschleichung einer kassenärztlichen Zulassung durch einen Nichtarzt, die kein Anstellungsbetrug (Rz. 217), sondern bloße Vorbereitungshandlung zum späteren Abrechnungsbetrug ist (dazu Rz. 213 m.w.N.); die Fälschung eines Wechsels, solange er noch nicht vorgelegt wird;7 die Herstellung falscher Bescheinigungen, solange sie noch nicht gebraucht werden;8 das Absenden eines Briefs an einen unbekannten Dritten, um ihn als Werkzeug für die beabsichtigte Täuschung zu gewinnen (str.).9 Ein unmittelbares Ansetzen gem. § 22 bejaht bzw. in Erwägung gezogen hat die Judikatur dagegen u.a. beim 265 Hineinlegen gefälschter Aufstellungen in die Unterlagen des gutgläubigen Vergleichsverwalters, die dieser für seinen unmittelbar bevorstehenden Vortrag vor den Gläubigern bereitgelegt hat;10 beim Betrug gegenüber dem Makler mit Beginn des die Vergütungspflicht auslösenden Verhaltens durch den Auftraggeber, also mit der Vornahme von Handlungen, die nach seiner Vorstellung unmittelbar zum Abschluss des nachgewiesenen oder vermittelten Geschäfts führen (str.);11 bei „Abo-Fallen“ im Internet mit Einstellung des Angebots für die kostenpflichtige Leistung auf der vom Täter verantworteten Internetseite;12 bei der Vorspiegelung nicht bestehender Vertragsverhältnisse im Bereich der Gewinnspielvermittlung als Massengeschäft mit Anruf und Übersendung von Begrüßungsschreiben bei den Opfern, aber auch durch schiere Durchführung des Lastschriftverfahrens.13 Beim Prozessbetrug (Rz. 18) bejaht die h.M. den Versuchsbeginn zu Recht bereits mit Einreichung der täuschenden Klage- oder Antragsschrift bei Gericht, und zwar unabhängig davon, wann der Richter sie tatsächlich zur Kenntnis nimmt14 und ob es zu einer mündlichen Verhandlung kommt (str.).15 Denn schon mit Einreichung der unwahren Klageschrift wird jener Täuschungsprozess unmittelbar in Bezug auf das Gericht in Gang gesetzt, der entscheidungsprägende Kraft entfalten kann.16 Sehr weit geht es aber, versuchten Prozessbetrug schon dann anzunehmen, wenn der Täter Klage auf Wandlung eines Kaufvertrages über ein Kfz erhoben hat und dem vom Gericht mit der Feststellung der Mängel beauftragten Sachverständigen das Fahrzeug mit einem nach Klageerhebung selbst bewirkten weiteren Mangel übergibt.17 In der Erhebung einer Stufenklage auf Auskunftserteilung liegt jedenfalls dann „kein unmittelbares Ansetzen“ zum Prozessbetrug, wenn der geltend gemachte Zahlungsanspruch zunächst auf den Betrag gerichtet ist, der sich aus der Auskunft ergibt, und die Be1 BGH v. 12.7.2000 – 2 StR 43/00, BGHR StGB § 22 Ansetzen 27, S. 2 f.; Fischer, StGB, § 263 Rz. 198. 2 BayObLG v. 30.9.1987 – RReg. 2 St 110/87, NJW 1988, 1401 f.; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 255; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 277. 3 BGH v. 25.10.1994 – 4 StR 173/94, BGHSt 40, 299, 302; BGH v. 11.1.1951 – 2 StR 534/51, NJW 1952, 430; Saliger in M/R-StGB, § 263 Rz. 302; Fischer, StGB, § 263 Rz. 198; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 321; Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 376; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 276 ff. A.A. RG v. 24.1.1938 – 2 D 726/37, RGSt 72, 66, 67. 4 BGH v. 14.8.2009 – 3 StR 552/08, BGHSt 54, 69, 120 ff. m. Anm. in Rz. 229. 5 BVerfG v. 7.12.2011 – 2 BvR 2500/09 u.a., NJW 2012, 907, 915 f., Rz. 170 ff., 177 ff. 6 Weitere Fälle bei Maurach/Schroeder/Maiwald, BT/1, § 41 Rz. 150 f. 7 RG v. 13.2.1936 – 2 D 346/35, RGSt 70, 151, 157; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 321; Maurach/Schroeder/Maiwald, BT/1, § 41 Rz. 151. 8 RG v. 15.1.1917 – V 646/17, RGSt 51, 341, 342 f.; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 278. 9 Wie hier: Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 279; auch Maurach/Schroeder/Maiwald, BT/1, § 41 Rz. 150. A.A. RGSt 77, 172, 173 ff.; wohl auch Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 376. 10 BGH v. 3.7.1953 – 2 StR 452/52, BGHSt 4, 270, 273; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 277. 11 BGH v. 21.12.1982 – 1 StR 662/82, BGHSt 31, 178, 182 f. m. abl. Bespr. Maaß, JuS 1984, 25; zust. Tiedemann in LKStGB, § 263 Rz. 277. 12 BGH v. 5.3.2014 – 2 StR 616/12, NJW 2014, 2595, 2599. 13 BGH v. 22.5.2014 – 4 StR 430/13, NJW 2014, 2132, 2134. 14 Zutr. OLG Hamm v. 3.12.2003 – 11 UF 68/03, NJW-RR 2004, 1229, 1231: bestimmungsgemäße Kenntnisnahme von Klage durch Richter; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 279; Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 822. A.A. OLG Bamberg v. 22.12.1981 – Ws 472/81, NStZ 1982, 247 m. abl. Anm. Hilger. 15 BGH v. 30.10.1974 – 2 StR 443/74, MDR 1975, 196, 197; OLG Bamberg v. 22.12.1981 – Ws 472/81, NStZ 1982, 247 f.; OLG Hamm v. 3.12.2003 – 11 UF 68/03, NJW-RR 2004, 1229, 1231; Fischer, StGB, § 263 Rz. 199; Hefendehl in MüKoStGB, § 263 Rz. 822; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 279; Saliger in M/R-StGB, § 263 Rz. 303; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 323. A.A. Lackner in LK-StGB Rz. 319: Versuchsbeginn regelmäßig erst mit Bezugnahme der Partei auf ihre (bestrittenen) Behauptungen in der mündlichen Verhandlung; Zaczyk, FS Krey, 2010, S. 485 ff. 16 OLG Bamberg v. 22.12.1981 – Ws 472/81, NStZ 1982, 247, 248 m. insoweit zust. Anm. Hilger; Hefendehl in MüKoStGB, § 263 Rz. 822. 17 So aber OLG München v. 8.8.2006 – 4St RR 135/06, NStZ 2007, 157, 158 m. insoweit abl. Bespr. Kraatz, Jura 2007, 531, 535. Vgl. auch Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 279 und Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 822, die „klimaverbessernde“ Täuschungen ausnehmen.

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StGB

Betrug

StGB

§ 263 StGB Rz. 266

Strafgesetzbuch

zifferung eines weitergehenden Zahlungsanspruchs nur nach entsprechender Auskunft erfolgen soll.1 Im Mahnverfahren lässt die Rspr. den Versuch mit Antrag auf Erlass des Mahnbescheids beginnen (str.),2 wobei im automatisierten Verfahren mangels Täuschung einer natürlichen Person ohnehin nur Versuch in Betracht kommt.3 Sieht man einmal davon ab, dass hier richtigerweise bereits Täuschung und Irrtum fehlen (vgl. Rz. 56, 96), wird die Versuchsschwelle im Mahnverfahren allenfalls mit Antrag auf Erlass des Vollstreckungsbescheids, der erst eine konkrete Vermögensgefahr begründet, überschritten.4 Bei einer Täuschung durch Unterlassen setzt der Täter in dem Zeitpunkt unmittelbar an, in dem nach seiner Vorstellung dem Opfer die fehlende Information hätte erteilt werden müssen, um es vor der täuschungsbedingten Vermögensverfügung zu bewahren.5 266

Auch der untaugliche Betrugsversuch beurteilt sich nach den allgemeinen Regeln (vgl. Rz. 262).6 So ist ein untauglicher Versuch gegeben, wenn ein vermeintlicher Mittäter, der in Wahrheit Opfer eines Raubüberfalls geworden ist, seiner Versicherung einen angeblichen Schadensfall anzeigt, weil er von der Inszenierung des Versicherungsfalls nichts weiß (Münzhändler-Fall).7 Darüber hinaus kommt nach h.M. ein untauglicher Versuch auch bei irrtümlicher Annahme der Rechtswidrigkeit des erstrebten Vermögensvorteils in Betracht (dazu bereits Rz. 256 m.w.N.). Soweit die h.M. in strenger Anwendung des Umkehrprinzips nicht danach differenziert, ob dieser „umgekehrte Tatbestandsirrtum“ auf tatsächlichen oder rechtlichen Gründen beruht, verschwimmt die Grenze zum straflosen Wahndelikt. Richtigerweise sollte die irrige Annahme, aus rechtlichen Gründen keinen Anspruch auf den erstrebten Vermögensvorteil zu haben, entgegen der h.M. zu einem straflosen Wahndelikt führen, weil der Täter letztlich über die Zivilrechtsakzessorietät des Rechtswidrigkeitsmerkmals (dazu Rz. 251) den Anwendungsbereich des Betrugstatbestands zu seinen Ungunsten verkennt und also einem umgekehrten Verbotsirrtum unterliegt.8 Zweifelhaft – vom Standpunkt der h.M. freilich konsequent – ist daher die Verurteilung wegen versuchten Betrugs im Telefonsex-Fall.9

D. Täterschaft und Teilnahme I. Täterschaft 267

Täter des Betruges kann jedermann sein (Allgemeindelikt). Täterschaftsformen und Abgrenzung zur Teilnahme beurteilen sich grundsätzlich nach den allgemeinen Regeln der §§ 25 ff.10 Danach ist auf Basis der Rspr. die Täterschaft des Betrügers in wertender Betrachtung nach den gesamten Umständen, die von seiner Vorstellung umfasst sind, zu bestimmen. Wesentliche Indizien sind der Grad des eigenen Interesses am Taterfolg, der Umfang der Tatbeteiligung, die Tatherrschaft oder wenigstens der Wille dazu, so dass Durchführung und Ausgang der Tat maßgeblich auch vom Willen des Beteiligten abhängen.11 Darüber hinaus kann Täter eines Betruges nur sein, wer mit Selbst- oder Drittbereicherungsabsicht handelt.12 Da Drittbereicherungsabsicht genügt, ist ein Teilhabeinteresse am erstrebten Vermögensvorteil für die mittäterschaftliche Begehung des Betruges nicht erforderlich.13 Mittäterschaft beim Betrug setzt daher nur voraus, dass jeder Tatbeteiligte auf Basis eines (auch stillschweigenden) gemeinsamen Tatplans seinen Tatbeitrag im Sinne eines gleichgeordneten arbeitsteiligen Vorgehens als Teil einer gemeinschaftlichen Tätigkeit und eines gemeinsamen Erfolges versteht, also nicht nur fremde Tatbestandsverwirklichung fördern will.14 Das soll auch dadurch möglich sein, dass Mitglieder der Leitungsebene eines Unter1 OLG Hamm v. 10.2.2009 – 4 Ss 48/09, wistra 2009, 322, 324; Fischer, StGB, § 263 Rz. 199; Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 179. 2 BGH v. 25.10.1971 – 2 StR 238/71, BGHSt 24, 257, 261; BGH v. 20.12.2011 – 4 StR 491/11, StV 2012, 406, 407; OLG Düsseldorf v. 30.8.1991 – 2 Ws 317/91, NStZ 1991, 586; widersprüchlich OLG Celle v. 1.11.2011 – 31 Ss 29/11, NStZRR 2012, 111, 113 f. m. abl. Anm. Schuhr, ZWH 2012, 31 und Krell/Matern, StraFo 2012, 77; zust. Tiedemann in LKStGB, § 263 Rz. 279. 3 BGH v. 20.12.2011 – 4 StR 491/11, StV 2012, 406, 407. 4 Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 376; Saliger in M/R-StGB, § 263 Rz. 303; Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 822. 5 Lackner in LK-StGB Rz. 295; Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 821; Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 376; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 324. A.A. Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 280: Objektivierung des Unterlassungsentschlusses durch äußere Handlungen. 6 Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 281; Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 825. 7 BGH v. 25.10.1994 – 4 StR 173/94, BGHSt 40, 299, 301 ff. m. abl. Anm. Küper, NStZ 1995, 331 und Bespr. Roßmüller/ Rohrer, MDR 1996, 986; Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 825. 8 Wie hier: Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 814; Saliger in M/R-StGB, § 263 Rz. 304; vgl. auch Burkhardt, wistra 1982, 178. 9 LG Mannheim v. 18.5.1995 – (12) 3 Ns 21/95, NJW 1995, 3398, 3399 m. abl. Bespr. Behm, NStZ 1996, 317, 319; auch BayObLG 9.8.1955 – RReg. 2 St. 5 a, b/55, NJW 1955, 1567. 10 Vgl. BGH v. 18.4.1996 – 1 StR 14/96, StV 1997, 411; Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 385; Wessels/Hillenkamp, BT/2, Rz. 590. 11 BGH v. 19.9.2001 – 2 StR 240/01, NStZ 2002, 200, 201; BGH v. 21.10.2003 – 1 StR 544/02, wistra 2004, 105, 107. 12 Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 329; Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 833; Wessels/Hillenkamp, BT/2, Rz. 590. 13 BGH v. 25.10.1994 – 4 StR 173/94, BGHSt 40, 299, 300 f.; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 283; Hefendehl in MüKoStGB, § 263 Rz. 833; Wessels/Hillenkamp, BT/2, Rz. 590. 14 So BGH v. 21.10.2003 – 1 StR 544/02, wistra 2004, 105, 107; auch BGH v. 8.10.2014 – 1 StR 359/13, NStZ 2015, 89, 91; vgl. ferner Saliger in M/R-StGB, § 263 Rz. 305; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 283; Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 833; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 328.

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Saliger

Rz. 268 § 263 StGB

nehmens für den Vertrieb eines schadenstiftenden Produkts gemeinschaftlich strafrechtlich einstehen müssen, wenn sie das Produkt in Kenntnis des Mangels weitervertreiben.1 Insoweit hindert es die Annahme von Mittäterschaft nicht, dass der Beteiligte selbst keine tatbestandliche Ausführungshandlung vornimmt. Auch setzt mittäterschaftlicher Betrug nicht die Kenntnis der Handlungen der Mittäter in sämtlichen Einzelheiten voraus; es reicht, dass die Mittäter die Vorgaben des Angekl. umsetzen.2 Für Mittäterschaft genügt nach der Judikatur ferner ein auf der Grundlage gemeinsamen Wollens die Tatbestandsverwirklichung fördernder wesentlicher Beitrag, der sich auf Vorbereitungs- oder Unterstützungshandlungen beschränken kann.3 Letzteres ist bejaht worden für das Schaffen der Voraussetzung zur Täuschung und Schädigung der Versicherung durch einen bezahlten Raubüberfall (auch Rz. 269).4 Dagegen begründet die Zusage der Beuteverwertung vor der Tat regelmäßig nur Beihilfe zum Betrug (und Hehlerei).5 Allgemein reichen für Mittäterschaft Tatbeiträge in der Vorbereitungsphase nicht, die sich nur in genereller Form auf die nachfolgende Tatserie ohne nähere Kenntnis der Einzeltaten beziehen (zur Abgrenzung von der Beihilfe auch Rz. 269).6 Sukzessive Mittäterschaft kommt nach der Rspr. in Betracht, wenn sich der Beteiligte dem vollendeten, aber noch nicht beendeten Betrug (dazu Rz. 258 ff.) in Kenntnis und unter Billigung des bisherigen Tatverlaufs anschließt und sein Handeln noch Einfluss auf den Erfolgseintritt hat (str.).7 Nicht zugerechnet werden kann dem sukzessiven Mittäter allerdings der Teil des Tatgeschehens, der bei seinem Tatbeitritt schon vollständig abgeschlossen ist.8 Betrug in mittelbarer Täterschaft ist in vielfacher Gestalt möglich. Zunächst liegt mittelbare Täterschaft als Irr- 268 tumsherrschaft vor, wenn der Täter jemanden in der Erwartung täuscht, dieser werde seinen Irrtum einem anderen vermitteln und den anderen so zu einer Vermögensverfügung veranlassen.9 Das ist etwa der Fall, wenn der Hintermann über beauftragte gutgläubige Werkzeuge betrügerische Vertragsabschlüsse tätigen lässt;10 wenn der Schuldner dem Vergleichsverwalter eine falsche Liste seines Warenbestands übergibt, um seine Gläubiger bei den bevorstehenden Vergleichsverhandlungen zum Abschluss eines Vergleichs zu veranlassen und sie von weiteren Zugriffen auf sein Vermögen abzuhalten;11 wenn die Partei in einem Zivilprozess einem gutgläubigen Sachverständigen ein manipuliertes Beweismittel gibt, um eine günstige Prozessentscheidung zu erzielen;12 wenn ein Vorstand den Entscheidungsgremien Tarifvorschläge unter Heranziehung überhöhter Bemessungsgrundlagen vorlegt und damit die Grundlage für die Absendung unrichtiger Zahlungsanforderungen an die pflichtigen Anlieger als Betrugshandlung schafft (vgl. auch Rz. 241).13 Mittelbare Täterschaft als Irrtumsherrschaft kommt auch in Betracht, wenn der Täter zur Vermeidung von Entschädigungsansprüchen unrichtige Tatsachenbehauptungen einem unbeteiligten Dritten vorspiegelt und dabei weiß, dass sich der zu täuschende Anspruchsinhaber bei diesem Kenntnis von jenen Behauptungen durch Einholung einer Information verschafft.14 Darüber hinaus anerkennt insbesondere die Rspr. auch beim Betrug eine mittelbare Täterschaft kraft Organisationsherrschaft. Sie soll vorliegen, wenn der Hintermann durch seine Leitungsmacht über staatliche, unternehmerische oder geschäftsähnliche Organisationsstrukturen bestimmte Rahmenbedingungen ausnutzt, die über das Auslösen regelhafter Abläufe zu der erstrebten Tatbestandsverwirklichung durch tatbereite Vorderleute führen (str.; dazu auch § 25 StGB Rz. 6).15 Ob der Tatmittler gut- oder bosgläubig ist, ist unerheblich.16 Allerdings setzt Organisationsherrschaft ei1 BGH v. 19.7.1995 – 2 StR 758/94, NJW 1995, 2933 (2934; Glykolwein-Fall) m. krit. Anm. Samson, StV 1996, 93. 2 BGH v. 8.10.2014 – 1 StR 359/13, NStZ 2015, 89, 91 m. Anm. Kudlich, ZWH 2015, 14 und C. Dannecker, NZWiSt 2015, 173. 3 BGH v. 25.10.1994 – 4 StR 173/94, BGHSt 40, 299, 301; BGH v. 19.7.1995 – 2 StR 758/94, NJW 1995, 2933, 2934; BGH v. 18.4.1996 – 1 StR 14/96, StV 1997, 411; BGH v. 14.11.2001 – 3 StR 379/01, NStZ 2002, 200, 201; BGH v. 21.10.2003 – 1 StR 544/02, wistra 2004, 105, 107; Fischer, StGB, § 263 Rz. 203; Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 180; Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 385. 4 BGH v. 25.10.1994 – 4 StR 173/94, BGHSt 40, 299, 301 ff.: Münzhändler-Fall; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 283. 5 Vgl. BGH v. 14.11.2001 – 3 StR 379/01, NStZ 2002, 200, 201. 6 BGH v. 14.11.2001 – 3 StR 379/01, NStZ 2002, 200, 201; Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 180. 7 BGH v. 2.7.2009 – 3 StR 131/09, wistra 2009, 389, 390; auch BGH v. 19.7.2001 – 3 StR 244/01, wistra 2001, 378; offengelassen in BGH v. 18.4.2007 – 5 StR 85/07, wistra 2007, 258; Fischer, StGB, § 263 Rz. 203. A.A. Gaede in AnwK-StGB, § 263 Rz. 172; Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 180. 8 BGH v. 2.7.2009 – 3 StR 131/09, wistra 2009, 389, 390. 9 Zutreffend Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 284 unter Bezug auf RGSt 11, 246, 249 zur Versendung falsch deklarierter Ware; ferner Hefendehl in MüKoStGB, § 263 Rz. 759; Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 180; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 326. 10 BGH v. 26.8.1993 – 1 StR 505/93, NStZ 1994, 35; BGH v. 25.4.1996 – 4 StR 612/95, wistra 1996, 230; Satzger in S/S/WStGB, § 263 Rz. 326. 11 Vgl. BGH v. 3.7.1953 – 2 StR 452/52, BGHSt 4, 270, 271 ff. 12 OLG München v. 8.8.2006 – 4St RR 135/06, NStZ 2007, 157 m. Bespr. Kraatz, Jura 2007, 531. 13 BGH v. 9.6.2009 – 5 StR 394/08, NStZ 2009, 506, 507 f. – Straßenreinigungs-Fall, wo auch unmittelbare Täterschaft für vertretbar gehalten wird. 14 OLG Stuttgart v. 10.11.1961 – 1 Ss 767/61NJW 1962, 502 f. m. abl. Anm. Merkert, NJW 1962, 1023 f.; zust. Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 284; Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 180; Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 385. 15 BGH v. 11.12.1997 – 4 StR 323/97, NStZ 1998, 568, 569; ferner BGH v. 19.7.2001 – 4 StR 457/00, wistra 2001, 386, 387; BGH v. 26.8.2003 – 5 StR 145/03, BGHSt 48, 331, 342 m. Bespr. Schlösser, GA 2007, 161, 164 ff.; BGH v. 2.11.2007 – 2 StR 384/07, NStZ 2008, 89, 90; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 284; Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 180. Krit. zur Anwendung auf unternehmerische und geschäftsähnliche Organisationsstrukturen mit Fug Roxin, FS Krey, 2010, 449 ff. 16 BGH v. 26.8.2003 – 5 StR 145/03, BGHSt 48, 331, 342.

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StGB

Betrug

StGB

§ 263 StGB Rz. 269

Strafgesetzbuch

nen deutlichen räumlichen, zeitlichen und hierarchischen Abstand zwischen der die Anweisungen verantwortenden Organisationsspitze und den unmittelbar Handelnden voraus, der gegen Mittäterschaft spricht.1 Eine solche Organisationsherrschaft verklammert nach der Judikatur die im Rahmen der betrügerischen Geschäftstätigkeit begangenen Einzeltaten zu einer Tateinheit als Organisationsdelikt (dazu Rz. 296 f.).2 Der BGH hat Organisationsherrschaft u.a. bejaht für einen faktischen Geschäftsführer beim Lieferantenbetrug durch Fortführung eines insolventen Betriebs,3 für die Etablierung und Leitung eines Geschäftsbetriebs zur betrügerischen „Schuldenregulierung“,4 für die Leitungsmacht durch Schulungen von Handelsvertretern bei der betrügerischen Einwerbung von Kapitalanlagen,5 verneint hingegen für einen arbeitsteiligen Anlagebetrug mit Immobilien durch den Firmeninhaber und seinen Geschäftsführer als „rechte Hand“.6 Nebentäterschaft ist beim Betrug gegeben, wenn die Vermögensverfügung durch zwei unabhängige Täuschungen verschiedener Täter verursacht wird.7

II. Teilnahme 269

Teilnahme (Anstiftung8 und Beihilfe) kommt nach den allgemeinen Regeln in Betracht.9 Die Praxis beschäftigen vor allem Fragen der Beihilfe zum Betrug, die nach h.M. ab dem Vorbereitungsstadium bis zur Beendigung – dann als sukzessive Beihilfe etwa bei der Abwicklung eines Eingehungsbetruges – möglich ist (Letzteres str.).10 Problematisch ist insbesondere die Abgrenzung von Mittäterschaft und Beihilfe, die sich auch bei fremdnützigem Handeln des Beteiligten, das nicht automatisch zur Mittäterschaft in Drittbereicherungsabsicht führt, stellt (dazu auch bereits Rz. 267).11 So begeht ein städtischer Busfahrer wegen seiner untergeordneten Rolle nur Beihilfe zum Betrug, wenn er an einem fingierten Verkehrsunfall als Vorbereitung eines Versicherungsbetruges mitwirkt (vgl. dagegen Rz. 267).12 Beihilfe statt Mittäterschaft hat die Rspr. ferner u.a. bejaht für die bloße Billigung einer Tat;13 für einen vereidigten Sachverständigen, der dem Haupttäter ein überhöhtes Wertgutachten zur Verfügung stellt;14 für das Einlösen eines betrügerisch erlangten Schecks;15 für den gering entlohnten und nur eine untergeordnete Rolle spielenden „Telefonisten“ in einer betrügerischen „Telefonstube“;16 für die Stärkung des Sicherheitsgefühls der Haupttäter durch Leisten von Unterschriften unter fingierten Verträgen und Abnahme von SIM-Karten nach der Tat;17 für den Schiedsrichter, der sich für die Vornahme sportregelwidriger Entscheidungen im Rahmen eines Sportwettenbetruges (dazu auch Rz. 35, 45, 222 ff.) Geld versprechen und auszahlen lässt.18 Bloßes „Dabeisein“ reicht für Beihilfe allerdings nicht.19 Der (mindestens bedingte) Vorsatz des Teilnehmers (Anstifter und Gehilfe) muss sich nach der Judikatur auf die Ausführung einer zwar nicht in allen Einzelheiten, wohl aber in ihren wesentlichen Merkmalen oder Grundzügen konkretisierten Tat einschließlich der Bereicherungsabsicht des Haupttäters richten.20 Die Anforderungen an den Gehilfenvorsatz sind dabei weicher als an den Anstiftervorsatz. So braucht der Gehilfe Opfer, Tatzeit oder nähere Details der konkreten Begehungsweise nicht zu kennen. Für Beihilfe durch Tat genügt, wenn der dolose Beteiligte dem Täter ein entscheidendes Tatmittel an die Hand gibt und damit be-

1 BGH v. 2.11.2007 – 2 StR 384/07, NStZ 2008, 89, 90. 2 BGH v. 26.8.2003 – 5 StR 145/03, BGHSt 48, 331, 341 ff.; BGH v. 2.11.2007 – 2 StR 384/07, NStZ 2008, 89, 90; auch BGH v. 17.6.2004 – 3 StR 344/03, BGHSt 49, 177, 184 f.; krit. Fischer, StGB, § 263 Rz. 204. 3 BGH v. 7.3.2008 – 2 StR 44/08, NStZ 2008, 568, 569. Wegen seines überragenden Einflusses stand der mittelbaren Täterschaft des faktischen Geschäftsführers dort die Existenz eines formellen Geschäftsführers nicht entgegen. 4 BGH v. 19.7.2001 – 4 StR 457/00, wistra 2001, 386, 387 f. 5 BGH v. 26.8.2003 – 5 StR 145/03, BGHSt 48, 331, 342. 6 BGH v. 2.11.2007 – 2 StR 384/07, NStZ 2008, 89, 90. 7 RG GA Bd. 47, 295; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 285; Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 835. 8 Zur Anstiftung durch einen RA OLG Frankfurt v. 3.2.1978 – 13 U 195/76, VersR 1979, 162, 163; vgl. auch BGH 8.3.2012 – 4 StR 629/11, NStZ-RR 2012, 247, 248. Zu einer Anstiftung zur Beihilfe durch eine Prozesspartei AG Stuttgart v. 21.9.1989 – D 3 Ds 1795/89, DAVorm 1990, 160 f.; dazu zutreffend § 25 Abs. 1 Alt. 2 verneinend Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 284. 9 Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 330; Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 385. 10 BGH v. 2.10.1998 – 2 StR 389/98, wistra 1999, 21; BGH v. 19.7.2001 – 3 StR 244/01, wistra 2001, 378; BGH v. 15.12.2006 – 5 StR 181/06, BGHSt 51, 165, 178; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 286; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 330; Saliger in M/R-StGB, § 263 Rz. 307; Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 180; Rengier, BT/1, § 13 Rz. 275. A.A. Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 836: § 257; Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 386: § 258; auch Gaede in AnwK-StGB, § 263 Rz. 173. 11 BGH v. 18.4.1996 – 1 StR 14/96, StV 1997, 411; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 283; Wessels/Hillenkamp, BT/2, Rz. 590. 12 BGH v. 18.4.1996 – 1 StR 14/96, StV 1997, 411; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 331. 13 Vgl. RG v. 17.11.1936 – 1 D 826/36, RGSt 71, 23, 25; Saliger in M/R-StGB, § 263 Rz. 307. 14 BGH v. 18.4.1996 – 1 StR 14/96, BGHSt 42, 135 m. Anm. Loos, JR 1997, 297; Roxin, JZ 1997, 210 (i.E. zust.); Schlehofer, StV 1997, 412 (abl.) und Bespr. Fahl, JA 1997, 11; Scheffler, JuS 1997, 598. 15 BGH v. 2.10.1998 – 2 StR 389/98, wistra 1999, 21: sukzessive Beihilfe. 16 BGH v. 19.7.2001 – 3 StR 244/01, wistra 2001, 378: sukzessive Beihilfe. 17 BGH v. 21.10.2003 – 1 StR 544/02, wistra 2004, 105, 107 f.: (sukzessive) „psychische Beihilfe“. 18 BGH v. 15.12.2006 – 5 StR 181/06, BGHSt 51, 165, 178: Fall Hoyzer. A.A. Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 180: Mittäterschaft. 19 OLG Stuttgart v. 17.4.2000 – 2 Ss 47/00, wistra 2000, 392, 393. 20 BGH v. 18.4.1996 – 1 StR 14/96, BGHSt 42, 135, 137.

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Rz. 273 § 263 StGB

wusst das Risiko erhöht, dass eine durch den Einsatz gerade dieses Mittels typischerweise geförderte Haupttat verübt wird (dazu auch §§ 26, 27 Rz. 21).1 Beihilfe zum Betrug ist nach allgemeinen Regeln auch durch sog. berufstypisches neutrales Verhalten begehbar, 270 wenn der Gehilfe seinen Tatbeitrag einem erkennbar tatgeneigten Haupttäter leistet und sich mit ihm solidarisiert (dazu auch § 27 StGB Rz. 17 ff.).2 Insoweit hat die Rspr. Beihilfe u.a. angenommen für einen geringverdienenden dolosen Buchhalter, der den betrügerischen Handel seines AG durch Erfüllung seiner arbeitsvertraglichen Pflichten unterstützt hat;3 für ein „Service-Unternehmen“, das mit seiner Organisation die Schwarzarbeit Dritter verschleiert;4 für einen dolosen Notar, der nach Eingang der für überfinanzierte Grundstücksgeschäfte von Banken erschlichenen Gelder auf seinem Notarandernkonto diese an die Haupttäter auszahlt,5 verneint aber mangels hinreichenden deliktischen Sinnbezugs für den Geschäftsführer eines Finanzdienstleistungsunternehmens, der beim strafbaren Betrug der Haupttäter mittels eines Gewinnspieleintragungsservice den Lastschrifeinzug durchgeführt und in subjektiver Hinsicht bezüglich der von ihm eingezogenen Forderungen die Begehung von Betrugstaten durch die Haupttäter lediglich für möglich gehalten hatte.6 Beihilfe durch Unterlassen zum Betrug ist bei entsprechender Garantenstellung ebenfalls möglich (dazu auch § 27 StGB Rz. 14)7 und von der Judikatur bejaht worden u.a. für den Leiter der Rechtsabteilung und Innenrevision einer Anstalt des öffentlichen Rechts, der erkannte Fehler bei der Tarifberechnung nicht beanstandet und die Erhebung betrügerischer Reinigungsentgelte nicht verhindert (Straßenreinigungs-Fall; vgl. auch Rz. 79; str.),8 und mit Recht verneint worden mangels Garantenstellung für einen AN, der beim Beitragsbetrug seines AG die Lohnauszahlung in bar hinnimmt.9 Die Bereicherungsabsicht stellt kein persönliches Merkmal i.S.d. § 28 Abs. 1 dar (dazu bereits Rz. 239 m.w.N.). Zur Abgrenzung zwischen Beihilfe zum Betrug und Begünstigung s. BGH v. 8.9.1992 – 4 StR 373/92, wistra 1993, 17; zur notwendigen Teilnahme u.a. beim Betrug Gössel, wistra 1985, 125.

E. Rechtsfolgen § 263 stuft die Rechtsfolgen für verschiedene Schweregrade des Betrugs ab: Absatz 1 enthält die Strafdrohung 271 für den sog. Normalbetrug als Grundtatbestand. Absatz 2 ordnet die Strafbarkeit des Versuchs an (dazu Rz. 262 ff.). Absatz 3 regelt die Strafdrohung für besonders schwere Fälle, wobei der Bagatellbetrug stets nach Absatz 1 zu behandeln ist (Absatz 4 i.V.m. § 243 Abs. 2). Absatz 5 stuft als Qualifikation den gewerbsmäßigen Bandenbetrug zum Verbrechen hoch. Absatz 6 erlaubt die Anordnung von Führungsaufsicht, während Absatz 7 für die gewerbsmäßige und bestimmte Fälle der bandenmäßigen Begehung die Anwendung des erweiterten Verfalls eröffnet.

I. Strafzumessung nach Absatz 1 Absatz 1 droht für den Normalbetrug Freiheitsstrafe von einem Monat (§ 38 Abs. 2) bis zu fünf Jahren oder 272 Geldstrafe von fünf bis zu 360 Tagessätzen (§ 40 Abs. 1) an. Der Normalbetrug ist damit ein Vergehen (§ 12 Abs. 2). Unter den Voraussetzungen des § 41 kann neben einer Freiheitsstrafe auch Geldstrafe verhängt werden (vgl. auch § 53 Abs. 2 S. 2). Für die Wahl der Strafart und die Bestimmung der Strafhöhe gelten die allgemeinen Strafzumessungsgrundsätze (§§ 46 ff.). Für die Strafzumessung beim Betrug sind im Rahmen der stets erforderlichen Gesamtwürdigung von Tat und Tä- 273 terpersönlichkeit vor allem zu berücksichtigen die für den Schuldumfang wesentliche Schadenshöhe,10 ferner die aufgewendete kriminelle Energie, insbesondere bei Serienstraftaten, das Ausmaß des Vertrauensbruches oder 1 BGH v. 18.4.1996 – 1 StR 14/96, BGHSt 42, 135, 138; ferner Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 332; Tiedemann in LKStGB, § 263 Rz. 287; Fischer, StGB, § 263 Rz. 205. 2 BGH v. 14.7.2000 – 3 StR 454/99, wistra 2000, 459, 460; eingehend BGH v. 1.8.2000 – 5 StR 624/9, BGHSt 46, 107, 112 ff. zu § 370 AO; Wessels/Hillenkamp, BT/2, Rz. 590; auch Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 332; Fischer, StGB, § 263 Rz. 205; Gaede in AnwK-StGB, § 263 Rz. 173. 3 BGH v. 16.6.1989 – 2 StR 225/89, wistra 1989, 346 f.; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 286. 4 BGH v. 2.12.1997 – 5 StR 404/97, wistra 1998, 152 ff.; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 286. 5 BGH v. 14.7.2000 – 3 StR 454/99, wistra 2000, 459, 460; Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 180; Fischer, StGB, § 263 Rz. 205. 6 BGH v. 22.1.2014 – 5 StR 468/12, BeckRS 2014, 03755, Rz. 32 m. abl. Bespr. Roxin StV 2015, 447, 450 ff. 7 Zuletzt BGH v. 17.7.2009 – 5 StR 394/08, BGHSt 54, 44, 46 ff.; ferner Fischer, StGB, § 263 Rz. 205; Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 180. Zur Frage einer Betrugstäterschaft bzw. -teilnahme von Ärzten beim Bezug von Röntgenkontrastmitteln Noak, MedR 2002, 76. 8 BGH v. 17.7.2009 – 5 StR 394/08, BGHSt 54, 44, 46 ff., 51 – auf S. 49 f. auch im Rahmen eines obiter dictums zur bejahten Garantenpflicht von Compliance-Officer, im Zusammenhang mit der Tätigkeit des Unternehmens stehende Straftaten von Unternehmensangehörigen zu verhindern – m. Anm. bzw. Bespr. oben in Rz. 79; Fischer, StGB, § 263 Rz. 205. 9 OLG Stuttgart v. 17.4.2000 – 2 Ss 47/2000, 2 Ss 47/00, wistra 2000, 392, 393, dort auch zur Abgrenzung von aktivem Tun und Unterlassen. 10 BGH v. 14.12.1989 – 4 StR 419/89, BGHSt 36, 320, 325; BGH v. 15.12.2006 – 5 StR 181/06, BGHSt 51, 165, 179; BGH v. 2.2.1999 – 4 StR 626–98, NStZ 1999, 244, 245; KG v. 13.1.2010 – (1) 1 Ss 465/09 (23/09), StraFo 2010, 212; Fischer, StGB, § 263 Rz. 207; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 353; Perron in S/S-StGB, Rz. 187a; Schlösser StV 2010, 159.

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Betrug

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§ 263 StGB Rz. 274

Strafgesetzbuch

der Leichtgläubigkeit des Opfers, die Dauer des betrügerischen Verhaltens1 und die Folgen der Tat,2 auch für den Täter.3 Bei der Schadensfeststellung ist zu beachten, dass ein „Gefährdungsschaden“ (dazu Rz. 187 ff.) für die Strafzumessung nicht mit dem darüber hinaus erstrebten endgültigen Schaden gleichzusetzen ist,4 was praktisch nur bedeuten kann, dass bloße schadensbegründende Vermögensgefahren als Taterfolge strafmildernd wirken müssen.5 Zur Schadensfeststellung allgemein und der Möglichkeit der Schätzung bereits Rz. 159 ff., 168 f., zur Schadensfeststellung beim ärztlichen Abrechnungsbetrug Rz. 211. Auch in den Fällen des subjektiven Schadenseinschlags (Rz. 171 ff.) ist zur Bestimmung der Schadenshöhe der in dem Erlangten verkörperte Gegenwert zu berücksichtigen, den der Geschädigte mit zumutbarem Einsatz realisieren kann (vgl. auch Rz. 173).6 In Bezug auf die Geldstrafe hat die Rspr. u.a. entschieden, dass bei einem sich über zahlreiche Quartale erstreckenden ärztlichen Abrechnungsbetrug eine Geldstrafe angesichts des Vertrauens, das die Versichertengemeinschaft, die gesetzlichen Kassen und die KV dem Arzt aufgrund der Struktur des Abrechnungswesens entgegenzubringen haben, nur bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände in Betracht kommt.7 Auch soll bei einer betrügerischen Schädigung des Staates in Höhe von ca. 9000 Euro eine Geldstrafe in Höhe von 90 Tagessätzen à 50 Euro unvertretbar milde sein.8 Dagegen ist zugunsten des Täters eines Abrechnungsbetruges zu berücksichtigen, dass es sich bei den Abrechnungen lediglich um sozialrechtliche Formalverstöße gehandelt hat.9 Zudem darf nicht außer acht bleiben, dass bei einer Einstellung des Verfahrens gegen Mitangeklagte der verbliebene Täter die strafrechtlichen Konsequenzen im Wesentlichen allein zu tragen hat, zumal wenn die Taten vorrangig von den früheren Mitangeklagten zu verantworten waren.10 Ebenso dürfen Tatfolgen, die für den Angeklagten durch Insolvenz und persönliche Inanspruchnahme für Kreditverbindlichkeiten wirtschaftlich über den bloßen Betrugsschaden hinausgehen, zu seinen Gunsten eingestellt werden.11 Das gilt auch für den weit über das Normale hinausgehenden besonderen Druck einer medialen Berichterstattung12 wie für standesrechtliche Folgen.13 Allgemein stellt es sowohl bei Absatz 1 als auch bei Absatz 3 keinen zulässigen Strafschärfungsgrund dar, dass der Angeklagte sich nicht zu seiner Schuld bekennt.14 Ebenso darf gem. § 46 Abs. 3 nicht zu Lasten des Angeklagten berücksichtigt werden, dass die Tat durch „eigennützige Bereicherungsabsicht“ geprägt gewesen sei, weil die Absicht, sich oder einem anderen einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen, bereits Teil des subjektiven Tatbestands ist.15

II. Besonders schwere Fälle (Absatz 3) 274

Abs. 3 S. 1 droht für besonders schwere Fälle Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren an. Abs. 3 S. 2 führt in fünf Nummern insgesamt sieben benannte besonders schwere Fälle als Regelbeispiele auf. Absatz 3 ist durch das 6. StrRG 1998 neu geregelt,16 dabei aber sein Charakter als Strafzumessungsvorschrift beibehalten worden17 mit der Konsequenz, dass Absatz 3 den Deliktscharakter von Absatz 1 als Vergehen (Rz. 272) und Absatz 5 als Verbrechen (Rz. 291 f.) nicht ändert (§ 12 Abs. 3).18 Der Gesetzgeber hat den Strafrahmen von Absatz 3 a.F. (Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren) zwecks Harmonisierung der Strafrahmen mit vergleichbaren Vorschriften leicht abgesenkt.19 Zudem hat er die unbenannten besonders schweren Fälle von Absatz 3 a.F. durch benannte Regelbeispiele (wieder)20 ergänzt, um im Hinblick auf die maßstabbildende Bedeutung der Regelbeispiele dem Tatrichter nähere Anhaltspunkte für die Anwendung der Strafzumessungsvorschriften zu geben.21 Die benannten Regelbeispiele knüpfen an tat- oder täterbezogene Umstände an, die bereits nach der damaligen 1 BGH v. 14.12.1989 – 4 StR 419/89, BGHSt 36, 320, 322; BGH v. 14.4.1993 – 4 StR 144/93, StV 1993, 520; BayObLG NStZ 1988, 408; ferner BGH v. 22.8.2002 – 3 StR 191/01, wistra 2002, 22, 23; Fischer, StGB, § 263 Rz. 207; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 353; Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 187a; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 293. 2 Vgl. BGH v. 15.12.2006 – 5 StR 181/06, BGHSt 51, 165, 179 f.; auch BGH v. 18.11.1983 – 2 StR 758/82wistra 1984, 61. 3 Vgl. BGH v. 14.4.1993 – 4 StR 144/93, StV 1993, 520, 521; BGH wistra 2008, 58, 59. 4 BGH v. 15.12.2006 – 5 StR 181/06, BGHSt 51, 165, 179. 5 Zutreffend – und eingehend zum Problem m.w.N. – Schlösser StV 2008, 552; vgl. auch BGH v. 2.4.2008 – 5 StR 353/07, StV 2008, 527; Fischer, StGB, § 263 Rz. 208; Saliger in M/R-StGB, § 263 Rz. 311; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 293. A.A. auf Basis der abgelehnten Konzeption von Gefährdungsschäden als endgültige Schäden BGHSt 53, 199, 201 ff. 6 BGH v. 14.4.2011 – 1 StR 458/10, wistra 2011, 335, 338 Rz. 33 – Diamanten-Fall. 7 BGH v. 30.6.1992 – 4 StR 579/91, wistra 1992, 296. 8 So BayObLG 21.3.1988 – RReg. 3 St 4/88, NStZ 1988, 408. 9 BGH v. 30.6.2011 – 3 StR 117/11, HRRS 2011 Nr. 988 Rz. 7. 10 BGH v. 14.4.1993 – 4 StR 144/93, StV 1993, 520, 521. 11 BGH v. 7.11.2007 – 1 StR 164/07, wistra 2008, 58, 59. 12 BGH v. 7.11.2007 – 1 StR 164/07, wistra 2008, 58, 59 – Gammelfleisch-Skandal. 13 BGH v. 11.8.1987 – 1 StR 306/87, wistra 1987, 329; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 293. 14 BGH v. 2.2.1999 – 4 StR 626/98, wistra 1999, 185, 187; vgl. auch BGH v. 7.11.2011 – 1 StR 343/11, NZWiSt 2012, 67, 68 m. zust. Anm. Steinberg/Kreuzner. 15 BGH v. 25.10.2011 – 3 StR 309/11, HRRS 2011 Nr. 1235 Rz. 5. 16 BGBl. 1998 I S. 164. 17 BT-Drucks. 13/8587, 42; BGH v. 24.4.2003 – 4 StR 94/03, NStZ-RR 2003, 297, 298; Fischer, StGB, § 263 Rz. 209; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 294; Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 838. 18 BT-Drucks. 13/8587, 42; Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 389. 19 BT-Drucks. 13/8587, 22, 42. 20 Zu den bis 1953 geltenden benannten Regelbeispielen Maurach/Schroeder/Maiwald, BT/1 Rz. 154. 21 BT-Drucks. 13/8587, 42 unter Rekurs u.a. auf BGH v. 28.2.1979 – 3 StR 24/79, BGHSt 28, 318, 320.

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Saliger

Rz. 276 § 263 StGB

Judikatur oder dem Schrifttum als besonders schwere Fälle gewertet werden konnten und auch in anderen Strafzumessungsvorschriften bekannt waren.1 Trotz mancher Mängel im Detail (etwa das Problem der Abgrenzung von Abs. 3 S. 2 Nr. 1 und Absatz 5 – dazu Rz. 292 – oder die beibehaltene Erwähnung von § 243 Abs. 2 erst in Absatz 4 – dazu Rz. 277) ist die Neuregelung des Absatzes 3 – anders als die pauschale Bezugnahme auf Absatz 3 in § 266 Abs. 22 – überwiegend als Gewinn an Rechtssicherheit begrüßt worden.3 1. Grundsätzliches a) Allgemeine Regeln Gemäß den für alle Regelbeispiele geltenden Regeln kommt auch den Regelbeispielen in Absatz 3 Indizwirkung 275 in dem Sinne zu, dass bei Vorliegen der Voraussetzungen eines Regelbeispiels eine gesetzliche Vermutung dafür besteht, dass der Fall insgesamt als besonders schwer einzustufen ist. Der „Regelstrafrahmen“ bestimmt sich dann nach dem erhöhten Strafrahmen.4 Eine zusätzliche Prüfung, ob die Anwendung des Absatzes 3 im Vergleich zu den im Durchschnitt der erfahrungsgemäß vorkommenden Fällen geboten erscheint, ist insoweit nicht erforderlich.5 Allerdings kann die Indizwirkung eines Regelbeispiels durch besondere Strafmilderungsgründe kompensiert werden, die für sich allein oder in ihrer Gesamtheit so schwer wiegen, dass die Anwendung des Strafrahmens von Absatz 3 an Stelle des Normalstrafrahmens von Absatz 1 unangemessen erscheint.6 In Betracht kommen hier insbesondere die (geringe) Schadenshöhe und eine Schadenswiedergutmachung,7 das Vorliegen eines vertypten Strafmilderungsgrundes (z.B. § 21),8 ferner ein erhebliches Mitverschulden des Opfers,9 namentlich eine „schwer verständliche“ Leichtgläubigkeit und „nicht unerhebliche Geldgier“ der Geschädigten10 oder allgemein ein besonders sorgloser Verzicht auf Kontrollen.11 Die Bejahung einer hinreichenden Kompensationswirkung setzt stets eine Gesamtwürdigung von Tat und Täterpersönlichkeit voraus.12 Eine Gesamtwürdigung aller strafzumessungserheblichen tat- und täterbezogenen Umstände erfordert auch die Annahme eines unbenannten besonders schweren Falls, die möglich ist, weil die Regelbeispiele keinen abschließenden Katalog darstellen.13 Dabei dienen die gesetzlichen Regelbeispiele als wesentliche Richtlinien,14 so dass es auf die früher für § 263 Abs. 3 a.F. maßgebliche Abweichung des gesamten Tatbildes vom Durchschnitt der erfahrungsgemäß gewöhnlich vorkommenden Fälle15 nicht mehr ankommt (str.).16 Ein unbenannter besonders schwerer Fall ist vor allem denkbar bei erheblichen immateriellen Tatfolgen oder bei gesteigerter Skrupellosigkeit des Täters.17 Zur Bedeutung eines fehlenden Geständnisses Rz. 273. Das Ergebnis der Gesamtwürdigung des Tatrichters ist nur eingeschränkter revisionsgerichtlicher Überprü- 276 fung zugänglich. So ist die Annahme eines besonders schweren Falles i.d.R. rechtsfehlerfrei, wenn der Tatrichter

1 Vgl. näher mNw. BT-Drucks. 13/8587, 42 f.; ferner BGH v. 10.5.2001 – 3 StR 96/01, NStZ-RR 2002, 50. 2 Siehe § 266 Rz. 136 f. m.w.N. 3 Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 294; Freund ZStW 1997, 471; Kudlich JuS 1998, 469; Wessels/Hillenkamp, BT/2 Rz. 591. Krit. Staechelin StV 1998, 100; Maurach/Schroeder/Maiwald, BT/1 Rz. 155. 4 BT-Drucks. 13/8587, 42; BGH v. 11.9.2003 – 4 StR 193/03, NStZ 2004, 265, 266; BGH v. 31.3.2004 – 2 StR 482/03, wistra 2004, 339, 340; Fischer, StGB, § 263 Rz. 209, 227. 5 BGH v. 11.9.2003 – 4 StR 193/03, NStZ 2004, 265, 266; BGH v. 31.3.2004 – 2 StR 482/03, wistra 2004, 339, 340; Fischer, StGB, § 263 Rz. 209. 6 BT-Drucks. 13/8587, 42; ferner BGH v. 10.5.2001 – 3 StR 96/01, NStZ-RR 2002, 50; BGH v. 11.9.2003 – 4 StR 193/03, NStZ 2004, 265, 266; BGH v. 31.3.2004 – 2 StR 482/03, wistra 2004, 339, 340; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 294; Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 839. 7 Vgl. BGH v. 28.2.2001 – 2 StR 509/00, wistra 2001, 303 f. zu § 263 Abs. 3 a.F.; KG StraFo 2010, 212 f.; ferner BGH v. 31.3.2004 – 2 StR 482/03, wistra 2004, 339, 340; Fischer, StGB, § 263 Rz. 227; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 359. 8 Vgl. BGH v. 2.2.1999 – 4 StR 626/98, wistra 1999, 185, 186 f. zu § 266 Abs. 3 a.F.; Fischer, StGB, § 263 Rz. 227; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 359. 9 LG Gera v. 7.11.1995 – 130 Js 7866/94 - 4 KLs, NStZ-RR 1996, 167. 10 Vgl. BGH v. 11.9.2003 – 4 StR 193/03, NStZ 2004, 265, 266; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 294. 11 Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 188i; Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 389; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 294. 12 BGH v. 10.5.2001 – 3 StR 96/01, NStZ-RR 2002, 50; BGH v. 7.10.2003 – 1 StR 274/03, BGHSt 48, 360, 364; BGH v. 11.9.2003 – 4 StR 193/03, NStZ 2004, 265, 266; BGH v. 2.12.2008 – 1 StR 416/08, BGHSt 53, 71, 81; Fischer, StGB, § 263 Rz. 227; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 294; Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 188i. 13 BT-Drucks. 13/8587, 42; vgl. ferner zu § 263 Abs. 3 a.F. BGH wistra 1984, 61; BGH NStZ 1984; zu § 266 Abs. 2 BGH NStZ-RR 2003, 297, 298; Fischer, StGB, § 263 Rz. 227; Hoyer in SK-StGB, § 263 Rz. 278; Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 839. 14 BT-Drucks. 13/8587, 42 unter Rekurs auf BGH v. 28.2.1979 – 3 StR 24/79, BGHSt 28, 318, 319 f. 15 Z.B. BGH v. 17.9.1980 – 2 StR 355/80, BGHSt 29, 319, 322 zu § 243 und LG Gera v. 7.11.1995 – 130 Js 7866/94 – 4 KLs, NStZ-RR 1996, 167 zu § 263 Abs. 3 a.F. 16 Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 294; Saliger in M/R-StGB, § 263 Rz. 313; wohl auch Wessels/Hillenkamp, BT/2 Rz. 591. A.A. und weiter – die überwiegende Ansicht: Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 188i; Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 839; auch Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 389. 17 Vgl. auch BGH v. 22.5.1984 – 5 StR 298/84, NStZ 1984, 413; Fischer, StGB, § 263 Rz. 227; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 359; Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 839.

Saliger

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StGB

Betrug

StGB

§ 263 StGB Rz. 277

Strafgesetzbuch

alle wesentlichen Gesichtspunkte berücksichtigt hat.1 Die gesetzlichen Regelbeispiele typisieren nach Ansicht des Gesetzgebers einen gegenüber dem Grundtatbestand erhöhten Unrechts- und Schuldgehalt und sind deshalb tatbestandsähnlich.2 Konsequenz daraus ist, dass die Zurechnungsregeln des AT (Vorsatz, Versuch, Beteiligung, Irrtum) einschließlich des Bestimmtheitsgebots auf sie anwendbar sind.3 So muss der Täter das Regelbeispiel entsprechend § 15 vorsätzlich verwirklichen.4 Auch genügt eine nur vermeintliche Erfüllung nicht.5 Für die Teilnahme an Absatz 3 ist nicht entscheidend, dass sich die Haupttat als besonders schwerer Fall darstellt. Vielmehr muss das Gewicht der Teilnahmehandlung selbst die Annahme eines besonders schweren Falles rechtfertigen (§ 28 Abs. 2 analog).6 Die noch nicht geklärte7 und insbesondere in der obergerichtlichen Judikatur für das Regelbeispiel der Gewerbsmäßigkeit strittige8 Frage, ob es sich bei den Regelbeispielen um doppelrelevante Tatsachen handelt, die für den Straftatbestand und für den Schuldumfang und damit für die Rechtsfolgenentscheidung Bedeutung haben, wird praxisrelevant etwa bei der Frage, ob die tatrichterlichen Feststellungen zu einem Regelbeispiel bei einer Beschränkung der Berufung auf den Rechtsfolgenausspruch für das Berufungsgericht bindend werden.9 Absatz 3 n.F. ist im Verhältnis zu Absatz 3 a.F. das mildere Gesetz (§ 2 Abs. 3), sofern festgestellt wird, dass auch nach Absatz 3 a.F. ein (unbenannter) besonders schwerer Fall vorgelegen hätte.10 b) Ausschluss bei Bagatellbetrug (Absatz 4 i.V.m. § 243 Abs. 2) 277

Absatz 4 erklärt § 243 Abs. 2 auf den Betrug für entsprechend anwendbar. Damit ist gesetzessystematisch wenig durchsichtig11 in den Fällen des – wirtschaftsstrafrechtlich regelmäßig nicht relevanten – Bagatellbetruges die Annahme eines (benannten oder unbenannten) besonders schweren Falles nach Absatz 3 zwingend ausgeschlossen.12 Für die Qualifikation nach Absatz 5 gilt die Bagatellklausel nicht (auch Rz. 292). Ein Bagatellbetrug liegt nicht nur bei einer geringwertigen Sache, sondern allgemein bei jedem geringwertigen Vermögenswert13 als Vermögensschaden und erstrebtem Vermögensvorteil14 vor. Die Geringwertigkeit beurteilt sich nach den allgemeinen Regeln. Maßgebend ist der objektive Verkehrswert.15 Die Grenze der Geringwertigkeit wird unterschiedlich bestimmt und reicht von 25 bis 30 Euro16 bis – im Hinblick auf die Preis- und Lohnentwicklung, insbesondere nach Einführung des Euro zutreffend – ca. 50 Euro.17 Zum Antragserfordernis Rz. 309. 2. Einzelne Fallgruppen a) Gewerbsmäßige Begehung (Abs. 3 S. 2 Nr. 1 Alt. 1)

278

Der Gesetzgeber des 6. StrRG hat die gewerbsmäßige Begehung des Betruges von einem unbenannten regelmäßig besonders schweren Fall nach altem Recht18 in ein gesetzliches Regelbeispiel umgeformt.19 Der Begriff der Gewerbsmäßigkeit in Absatz 3 entspricht den Begriffsverwendungen in §§ 243 Abs. 1 Nr. 3, 253 Abs. 4 S. 2, 260 Abs. 1 Nr. 1, 260a Abs. 1, 261 Abs. 1 S. 2 Nr. 4 usw.20 Danach setzt Gewerbsmäßigkeit voraus, dass der Täter in der Absicht handelt, sich durch wiederholte Tatbegehung eine fortlaufende Einnahmequelle von einiger 1 BGH v. 24.4.2003 – 4 StR 94/03, NStZ-RR 2003, 297 f. zu § 266 Abs. 2; auch BGH v. 18.11.1983 – 2 StR 758/82, wistra 1984, 61 zu § 263 Abs. 3 a.F.; Fischer, StGB, § 263 Rz. 227; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 361. 2 BT-Drucks. 13/8587, 42; vgl. auch 7.10.2003 – 1 StR 212/03, BGHSt 48, 354, 359: tatbestandsspezifische Deutung des Abs. 3. 3 Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 389; Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 838; Wessels/Hillenkamp, BT/2 Rz. 592. 4 Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 359; Wessels/Hillenkamp, BT/2 Rz. 592 i.V.m. 220. 5 Tiedemann/Waßmer, Jura 2000, 539; Wessels/Hillenkamp, BT/2 Rz. 592. 6 BGH v. 23.11.2000 – 3 StR 225/00, wistra 2001, 105 zur Beihilfe; Wessels/Hillenkamp, BT/2 Rz. 592 i.V.m. 220. 7 Vgl. BGH v. 21.10.1980 – 1 StR 262/80, BGHSt 29, 359, 368; BGH v. 14.1.1982 – 4 StR 642/81, BGHSt 30, 340. 8 Bejahend BayObLG v. 20.11.2002 – 2 St RR 152/2002, NStZ-RR 2003, 209 f.; verneinend OLG Köln v. 23.5.2003 – Ss 202/03, NStZ-RR 2003, 298, 299. 9 Zum Problem auch Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 838. 10 BGH v. 23.11.2000 – 3 StR 225/00, wistra 2001, 105; 303; 339, 340; BGH v. 14.2.2007 – 2 StR 479/06, NStZ-RR 2007, 193; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 362. 11 Mit Recht krit. Naucke, FS Lackner, 1987, 700; auch Mitsch, BT/II, 5.4.3. 12 BGH v. 28.2.2001 – 2 StR 509/00, wistra 2001, 303; BGH v. 6.12.2006 – 1 StR 556/06, wistra 2007, 100, 101; Fischer, StGB, § 263 Rz. 227; Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 188j; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 360; Hoyer in SK-StGB, § 263 Rz. 291. 13 Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 403; Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 863. 14 Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 188j. 15 Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 295; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 356. 16 BGH v. 28.2.2001 – 2 StR 509/00, wistra 2001, 303: 50 DM; BGH v. 13.9.2007 – 5 StR 305/07, StraFo 2007, 512 und KG v. 13.1.2010 – (1) 1 Ss 465/09 (23/09), StraFo 10, 212: 25 Euro; OLG Oldenburg v. 21.1.2005 – 3 Ws 42/05, NStZRR 2005, 111: 30 Euro; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 295: 50 DM. 17 Wie hier: PfzOLG Zweibrücken v. 18.1.2000 – 1 Ss 266/99, NStZ 2000, 536; OLG Hamm v. 28.7.2003 – 2Ss 427/03, wistra 2003, 435, 436; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 356; Saliger in M/R-StGB, § 263 Rz. 315; Hoyer in SK-StGB, § 263 Rz. 291; Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 863. 18 Vgl. nur BGH v. 17.1.1995 – 1 StR 676/94, wistra 1995, 188; Lackner in LK-StGB Rz. 337; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 296. 19 Vgl. BT-Drucks. 13/8587, 42. 20 Vgl. BT-Drucks. 13/8587, 42; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 296.

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Saliger

Rz. 280 § 263 StGB

Dauer und einigem Umfang zu verschaffen.1 Aus dieser Bestimmung, die vor allem bei auf wiederkehrenden Leistungen gerichteten sowie durch serielle Begehung gekennzeichneten Betrügereien in Betracht kommt (z.B. Rentenbetrug; Abrechnungsbetrug, dazu Rz. 210 ff.),2 folgt zweierlei: Da die Absicht wiederholter Tatbegehung entscheidend ist, liegt Gewerbsmäßigkeit zum einen nach h.M. schon mit Begehung der ersten ins Auge gefassten Tat vor, selbst wenn es entgegen dem ursprünglichen Vorhaben des Täters zu weiteren Taten nicht mehr kommt.3 Gewerbsmäßigkeit verlangt daher weder die Absicht des Täters, seinen Lebensunterhalt ausschließlich oder überwiegend durch Straftaten zu bestreiten (kein „kriminelles Gewerbe“), noch steht Gewerbsmäßigkeit entgegen, dass der Täter mit dem erlangten Geld alte Schulden abtragen will.4 Gewerbsmäßigkeit wird auch nicht dadurch ausgeschlossen, dass die Einzeldelikte einer Betrugsserie aus Rechtsgründen in gleichartiger Tateinheit zusammentreffen,5 sofern sich die Absicht des Angeklagten auf die fortgesetzte Begehung von Betrugstaten gerichtet hat.6 Jedoch fehlt die Absicht wiederholter Tatbegehung, wenn der Täter nur einen einzigen, obgleich für ihn auskömmlichen Betrug plant.7 Auch wird Gewerbsmäßigkeit nicht schon durch die Zahlung der vereinbarten Vergütung in Teilbeiträgen für ein einziges Betrugsgeschäft erfüllt.8 Zum anderen erfordert gewerbsmäßiger Betrug – anders als der Grundtatbestand (vgl. Rz. 257) – eigennütziges 279 Handeln und damit die Absicht des Täters, Eigengewinne zu erzielen.9 Bei fremdnützigem Betrug reichen mittelbare Eigenvorteile allerdings aus.10 Betrügerisch erlangte Betriebseinnahmen für den AG genügen daher, wenn sie dem Täter mittelbar etwa über das Gehalt oder die Beteiligung an Betriebsgewinnen zufließen sollen.11 Das Gleiche gilt für Vermögensvorteile, die an eine vom Täter beherrschte Gesellschaft oder einen von ihm beherrschten Verein fließen, sofern der Täter jederzeitige Zugriffsmöglichkeit hat.12 Eines tatsächlichen Zugriffs bedarf es nicht.13 Gewerbsmäßiges Handeln wird auch nicht dadurch ausgeschlossen, dass die Vermögensvorteile teilweise zugunsten anderer oder zur partiellen Schadenswiedergutmachung verwendet werden, insbesondere wenn dies der Fortsetzung der Straftaten durch Vermeidung ihrer Aufdeckung dient.14 Jedoch scheidet bei gewerbsmäßigem Betrug ein besonders schwerer Fall aus, wenn die vom Täter einer Serienstraftat erstrebte Bereicherung und der Schaden unter 100 Euro liegen sowie eine Vielzahl weiterer auch gewichtiger Strafmilderungsgründe gegeben ist.15 Die Gewerbsmäßigkeit ist ein besonderes persönliches Merkmal analog § 28 Abs. 2.16 b) Bandenmäßige Begehung (Abs. 3 S. 2 Nr. 1 Alt. 2) Neu als alternatives gesetzliches Regelbeispiel in Abs. 3 S. 2 Nr. 1 aufgenommen hat der Gesetzgeber das bereits 280 in anderen Strafzumessungsvorschriften (z.B. § 261 Abs. 4) bekannte Handeln als Mitglied einer Bande, die sich 1 BGH v. 19.5.1998 – 1 StR 154–98, NJW 1998, 2913, 2914; BGH v. 11.9.2003 – 4 StR 193/03, NStZ 2004, 265, 266; BGH v. 17.6.2004 – 3 StR 344/03, BGHSt 49, 177, 181; BGH v. 7.9.2011 – 1 StR 343/11, wistra 2011, 462 Rz. 6; ferner OLG Frankfurt a.M. v. 17.12.2010 – 1 Ws 29/09, NJW 2011, 398, 403 m. zust. Anm. Hansen für betrügerische Abo-Fallen im Internet; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 296; Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 841; Hoyer in SK-StGB, § 263 Rz. 279; Wessels/Hillenkamp, BT/2 Rz. 593; enger z.B. L. Schulz, FS Hassemer, 2010, 910 ff. A.A. Gaede in AnwKStGB, § 263 Rz. 178. 2 Fischer, StGB, § 263 Rz. 210. 3 BGH v. 17.6.2004 – 3 StR 344/03, BGHSt 49, 177, 181; BGH v. 19.12.2007 – 5 StR 543/07, NStZ 2008, 282, 283; ferner BGH v. 7.9.2011 – 1 StR 343/11, wistra 2011, 462 Rz. 6; Hoyer in SK-StGB, § 263 Rz. 279; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 296; Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 841; Saliger in M/R-StGB, § 263 Rz. 316; Wessels/Hillenkamp, BT/2 Rz. 593. A.A. Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 391; L. Schulz, FS Hassemer, 2010, 911. 4 BGH v. 11.9.2003 – 4 StR 193/03, NStZ 2004, 265, 266; BGH v. 19.5.1998 – 1 StR 154–98, NJW 1998, 2913, 2914; Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 841; Fischer, StGB, § 263 Rz. 210. 5 BGH v. 17.6.2004 – 3 StR 344/03, BGHSt 49, 177, 187; BGH v. 9.1.2008 – 5 StR 572/07, wistra 2008, 181, 182; OLG Oldenburg v. 20.8.2010 – 1 Ws 371/10, wistra 2010, 453, 455; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 364; Wessels/Hillenkamp, BT/2 Rz. 593. 6 BGH v. 8.10.2013 – 2 StR 342/13, BeckRS 2013, 19373, Rz. 3; BGH v. 5.3.2014 – 2 StR 616/12, NJW 2014, 2595, 2599. 7 BGH v. 19.12.2007 – 5 StR 543/07, NStZ 2008, 282, 283; OLG Oldenburg v. 20.8.2010 – 1 Ws 371/10, wistra 2010, 453, 455. 8 BGH v. 19.12.2007 – 5 StR 543/07, NStZ 2008, 282, 283. 9 BGH v. 19.12.2007 – 5 StR 543/07, NStZ 2008, 282 f.; BGH v. 5.6.2008 – 1 StR 126/08, NStZ-RR 2008, 282; BGH v. 10.11.2011 – 3 StR 323/11, BeckRS 2011, 28847, Rz. 10; Fischer, StGB, § 263 Rz. 210; Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 188a; Wessels/Hillenkamp, BT/2 Rz. 593. 10 BGH v. 5.6.2008 – 1 StR 126/08, NStZ-RR 2008, 282; BGH v. 26.5.2006 – 4 StR 10/09, wistra 2009, 351; BGH v. 7.9.2011 – 1 StR 343/11, wistra 2011, 462 Rz. 6; Fischer, StGB, § 263 Rz. 210. 11 BGH v. 19.12.2007 – 5 StR 543/07, NStZ 2008, 282, 283. 12 BGH v. 5.6.2008 – 1 StR 126/08, NStZ-RR 2008, 282; BGH v. 26.5.2006 – 4 StR 10/09, wistra 2009, 351; BGH v. 7.9.2011 – 1 StR 343/11, wistra 2011, 462 Rz. 6; Wessels/Hillenkamp, BT/2 Rz. 593. 13 BGH v. 7.9.2011 – 1 StR 343/11, wistra 2011, 462 Rz. 6 m. zust. Anm. Steinberg/Kreuzner, NZWiSt 2012, 69. 14 BGH v. 24.4.2003 – 4 StR 94/03, NStZ-RR 2003, 297, 298; Fischer, StGB, § 263 Rz. 210. A.A. Gaede in AnwK-StGB, § 263 Rz. 178. 15 BGH v. 7.4.2009 – 4 StR 663/08, BeckRS 2009, 11465; vgl. auch KG StraFo 2010, 212 f.; OLG Hamm v. 11.8.2011 – III-5 RVs 40/11, 5 RVs 40/11, wistra 2012, 40, 41. 16 Vgl. BGH v. 11.1.2005 – 1 StR 547/04, wistra 2005, 177; Hoyer in SK-StGB, § 263 Rz. 281; Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 841.

Saliger

527

StGB

Betrug

StGB

§ 263 StGB Rz. 281

Strafgesetzbuch

zur fortgesetzten Begehung spezifischer Taten (dazu Rz. 281) verbunden hat (bandenmäßige Begehung).1 Wie bei den meisten bandenmäßigen Strafschärfungen (anders aber z.B. § 244 Abs. 1 Nr. 2) hängt auch die bandenmäßige Begehung nach Absatz 3 nicht von der Mitwirkung eines anderen Bandenmitglieds ab.2 Tritt die bandenmäßige Begehung kumulativ mit Gewerbsmäßigkeit auf, so kommt die Verbrechensqualifikation nach Absatz 5 in Betracht (Rz. 291 f.).3 Da Bandenmäßigkeit meist (Ausnahme: fremdnütziges Handeln) Gewerbsmäßigkeit einschließt, ist für Nr. 1 Alt. 2 nur wenig Raum (zur Abgrenzung von Absatz 5 Rz. 292).4 Der Begriff der Bande setzt nach dem Beschluss des Großen Senats des BGH von 2001 den willensmäßigen Zusammenschluss von mindestens drei Personen zu kriminellem Tun des im Gesetz genannten Typs voraus,5 wobei nach h.M. Beihilfe genügt (str.).6 Die Bande unterscheidet sich von der Mittäterschaft durch die auf eine gewisse Dauer angelegte Verbindung zu zukünftiger gemeinsamer Deliktsbegehung, von der kriminellen Vereinigung durch das Fehlen einer Organisationsstruktur und eines verbindlichen Gesamtwillens.7 Eine Bande wird daher nicht dadurch ausgeschlossen, dass ihre Mitglieder bei der Tat ihre eigenen Interessen an einer risikolosen und effektiven Tatausführung sowie Beuteerzielung verfolgen.8 Auf dieser Basis hat der BGH in einem Fall des ärztlichen Abrechnungsbetruges mit Kick-Back-Zahlungen eine Bande zwischen dem Kassenarzt und Mitarbeitern einer Dentalhandelsgesellschaft trotz gegenläufiger Interessen hinsichtlich der Lieferverträge bejaht, weil sie in Bezug auf die Schädigung der KV und der Patienten „am selben Strang“ gezogen hätten.9 Diese Judikatur ist zweifelhaft, weil die Nichtanknüpfung an die zum bandenmäßigen Handeltreiben mit Betäubungsmitteln entwickelte Unterscheidung, ob der Tatbeteiligte in eine Absatzorganisation eingebunden ist oder dieser als Käufer auf der Abnehmerseite gegenüber tritt,10 nicht überzeugt, zudem das Kriterium des „Ziehens am selben Strang“11 mit der Absage an das übergeordnete Bandeninteresse vom Großen Senat selbst aufgegeben worden ist12 und vor allem der Kassenarzt zusammen mit den Labormitarbeitern lediglich das Abrechnungssystem ausgenutzt und damit nicht jene erhöhte Organisationsgefahr vermittelt hat, die auch vom Großen Senat als ratio der bandenmäßigen Strafschärfung13 anerkannt ist.14 Mit Recht eine Bande bejaht worden ist aber zwischen den Verkäufern von überteuerten Schrottimmobilien und ihren Hauptvermittlern.15 281

Der Täter muss als Mitglied der Bande handeln. Das erfordert ein Tätigwerden auf Grundlage der (auch stillschweigenden) Bandenabrede und eine Mitwirkung an der konkreten Tat, sei es als Mittäter, Anstifter oder Gehilfe.16 Die Abgrenzung zwischen Täterschaft und Teilnahme richtet sich nach den allgemeinen Regeln. Das bedeutet, dass weder bloße Bandenmitgliedschaft noch Handeln im Bandeninteresse ohne konkreten Bezug zu der von den anderen Bandenmitgliedern begangenen Straftat ausreichen, eine Strafbarkeit des Bandenmitglieds wegen einer Bandentat zu begründen.17 Insbesondere kann dem Bandenmitglied unter diesen Voraussetzungen nicht der von einem anderen Bandenmitglied begangene Betrug nach § 25 Abs. 2 zugerechnet werden.18 Das gilt erst recht für die allgemeine Mitarbeit in einem kriminellen Geschäftsbetrieb, wenn diese nicht zumindest fördernde Wirkung für die von anderen Firmenangehörigen begangenen Straftaten hat.19 Abs. 3 S. 2 Nr. 1 erfasst nur Banden, die sich zur fortgesetzten Begehung von Urkundenfälschung oder Betrug verbunden haben. Die Auslegung dieses Deliktsbezugs ist streitig. Nach einer engen Ansicht sind nur § 267 und § 263 erfasst.20 Dagegen versteht die herrschende weite Auffassung unter Urkundenfälschung neben § 267 auch die §§ 268–281 sowie un1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20

Vgl. BT-Drucks. 13/8587, 42. Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 842; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 365. BT-Drucks. 13/8587, 43; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 297; Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 188a. Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 188a; Fischer, StGB, § 263 Rz. 213; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 368. BGH v. 22.3.2001 – GSSt 1/00, BGHSt 46, 321, 325, 328; BGH v. 19.10.2006 – 4 StR 393/06, StV 2007, 241, 242; Fischer, StGB, § 263 Rz. 211; Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 188a. BGHSt 47, 214, 216 ff.; BGH v. 19.10.2006 – 4 StR 393/06, StV 2007, 241, 242; Wessels/Hillenkamp, BT/2 Rz. 593. A.A. z.B. Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 842. BGH v. 22.3.2001 – GSSt 1/00, BGHSt 46, 321, 329 f.; BGH v. 19.10.2006 – 4 StR 393/06, StV 2007, 241, 242. BGH v. 22.3.2001 – GSSt 1/00, BGHSt 46, 321, 330; BGH v. 19.10.2006 – 4 StR 393/06, StV 2007, 241, 242; BGH v. 20.12.2012 – 4 StR 55/12, NJW 2013, 883, 887. BGH v. 19.10.2006 – 4 StR 393/06, StV 2007, 241, 242 m. abl. Anm. Kudlich. Zust. aber Fischer, StGB, § 263 Rz. 211; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 365; Wessels/Hillenkamp, BT/2 Rz. 593. BGH v. 19.10.2006 – 4 StR 393/06, StV 2007, 241, 242 in Abgrenzung zu BGH NStZ 2004, 696. BGH v. 9.10.1996 – 3 StR 220/96, BGHSt 42, 255, 259. Vgl. BGH v. 22.3.2001 – GSSt 1/00, BGHSt 46, 321, 325 ff.; so auch Wessels/Hillenkamp, BT/2 Rz. 593 Fn. 457. BGH v. 22.3.2001 – GSSt 1/00, BGHSt 46, 321, 334, 336. Kudlich StV 2007, 244; allgemein krit. zum bandenmäßigen Abrechnungsbetrug durch Vertragsärzte Weidhaas ZMGR 2008, 196, 200 f. BGH v. 8.10.2014 – 1 StR 359/13, NStZ 2015, 89, 93. BGH v. 6.12.2006 – 1 StR 556/06, wistra 2007, 100, 101; BGH v. 13.6.2007 – 3 StR 162/07, StV 2007, 579, 580; auch BGH v. 8.10.2014 – 1 StR 359/13, NStZ 2015, 89, 93; ferner Fischer, StGB, § 263 Rz. 212; Hoyer in SK-StGB, § 263 Rz. 281; Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 842; Wessels/Hillenkamp, BT/2 Rz. 593. BGH v. 13.6.2007 – 3 StR 162/07, StV 2007, 579, 580. BGH v. 6.12.2006 – 1 StR 556/06, wistra 2007, 100, 101. BGH v. 13.6.2007 – 3 StR 162/07, StV 2007, 579, 580. Lackner/Kühl, StGB, § 263 Rz. 66; Hoyer in SK-StGB, § 263 Rz. 280; Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 844 ff.; Saliger in M/R-StGB, § 263 Rz. 319.

528

Saliger

Rz. 282 § 263 StGB

ter Betrug neben § 263 einhellig auch die §§ 264, 264a und 265b.1 Darüber hinaus werden überwiegend noch § 263a (str.)2 und teils § 266b unter „Betrug“ gefasst (str.).3 Auch nach der weiten Lesart mangels Täuschungselements nicht einbezogen sind die §§ 265, 265a, 266 und 266a.4 Zustimmung verdient die enge Auffassung.5 Abgesehen von den Spannungen, zu denen die weite Auffassung bei § 264 Abs. 26 sowie §§ 275 Abs. 2 und 276 Abs. 2 führt,7 spricht neben dem Wortlaut für die enge Auslegung, dass nur sie dem Willen des Gesetzgebers entspricht. Denn zu der geltenden Fassung des ursprünglich mit Absatz 3 gleichlautenden, nämlich auf Urkundenfälschung und Betrug beschränkten Deliktsbezugs der Bande in Absatz 58 heißt es im Bericht des Rechtsausschusses, dass im Qualifikationstatbestand „das jeweils relevante kriminelle Betätigungsfeld der Bande durch Berücksichtigung weiterer einschlägiger Delikte erweitert werden“ soll.9 Das bedeutet im Umkehrschluss, dass der Gesetzgeber in Absatz 3 von einem engen, auf Urkundenfälschung und Betrug beschränkten Deliktsbezug der Bande ausgegangen ist.10 Da Abs. 3 Nr. 1 mit § 267 Abs. 3 Nr. 1 korrespondiert, ist es unerheblich, ob sich die Bandenabrede auf Betrugs- oder Fälschungsdelikte bezieht.11 Auch die Absicht eigenen wiederholten Gewinnerwerbs muss im Unterschied zur Gewerbsmäßigkeit (Rz. 278) nicht jeder Beteiligte am Bandenbetrug aufweisen.12 Liegt eine Bande vor, so begründet bereits die erste Tat das Regelbeispiel.13 Wie der Gewerbsmäßigkeit steht auch der Bandenmäßigkeit nicht entgegen, dass für ein Bandenmitglied gleichartige Tateinheit anzunehmen ist, weil er im Vorfeld oder während einer Deliktserie Tatbeiträge erbracht hat, durch die alle oder mehrere Einzeldelikte seiner Bandengenossen gleichzeitig gefördert worden sind.14 Die Bandenmitgliedschaft ist besonderes persönliches Merkmal analog § 28 Abs. 2.15 c) Vermögensverlust großen Ausmaßes (Abs. 3 S. 2 Nr. 2 Alt. 1) Abs. 3 S. 2 Nr. 2 nennt in der ersten Alternative als Regelbeispiel die Herbeiführung eines Vermögensverlustes 282 großen Ausmaßes. Der Begriff des auf Vermögen bezogenen „großen Ausmaßes“ findet sich auch in den §§ 264 Abs. 2 S. 2 Nr. 1 (Subvention großen Ausmaßes), 335 Abs. 2 Nr. 1 (Vorteil großen Ausmaßes) und 370 Abs. 3 S. 2 Nr. 1 AO (u.a. Steuerverkürzung großen Ausmaßes).16 Während sich aber die beiden erstgenannten Vorschriften auf den erlangten Vorteil beziehen,17 stellt Nr. 2 Alt. 1 auf den Taterfolg und damit die Opferseite ab.18 Das bedeutet, dass das Ausmaß der Vermögenseinbuße auch bei Betrugsserien, die nach den Kriterien der rechtlichen oder natürlichen Handlungseinheit eine Tat bilden, opferbezogen zu bestimmen ist. Einzelschäden sind daher nur zusammenzurechnen, wenn sie dasselbe Opfer betreffen.19 Die geltende Fassung geht zurück auf eine Empfehlung des Bundesrates, der das Regelbeispiel u.a. deshalb vorgeschlagen hat, weil dem Umstand, dass der Betrugstatbestand bereits mit Eintritt eines Vermögensschadens erfüllt ist, und der Rspr. Rechnung getragen werden müsse, wonach ein besonders großer Schaden zur Annahme eines besonders schweren Falles führen kann (vgl. auch Rz. 273).20 Der Begriff des Vermögensverlustes großen Ausmaßes ist zur Sicherung einer gleichmäßigen Auslegung und im Hinblick auf das anders strukturierte Regelbeispiel des Abs. 3

1 Fischer, StGB, § 263 Rz. 212; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 297; Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 392; Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 188a; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 366; Maurach/Schroeder/Maiwald, BT/1 § 41 Rz. 155a. 2 Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 297; Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 188a; Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 392. 3 Fischer, StGB, § 263 Rz. 212; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 297. A.A. Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 392; Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 188a. 4 Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 297; Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 188a; Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 392; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 366. 5 Zum Folgenden bereits Saliger in M/R-StGB, § 263 Rz. 319. 6 Hoyer in SK-StGB, § 263 Rz. 280. 7 Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 845. 8 Vgl. BT-Drucks. 13/8587, 10. 9 BT-Drucks. 13/9064, 19 (Hervorhebung von mir). 10 Wie hier i.E. Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 845. A.A. Fischer, StGB, § 263 Rz. 212; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 386. 11 Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 844. 12 Fischer, StGB, § 263 Rz. 213. 13 BGH v. 17.6.2004 – 3 StR 344/03, BGHSt 49, 177, 187 f.; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 297; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 365; Wessels/Hillenkamp, BT/2 Rz. 593. 14 BGH v. 9.1.2008 – 5 StR 572/07, wistra 2008, 181, 182; ferner BGH v. 17.6.2004 – 3 StR 344/03, BGHSt 49, 177, 188 f.; BGH v. 10.11.2006 – 5 StR 386/06, wistra 2007, 101, 102; Fischer, StGB, § 263 Rz. 211; Wessels/Hillenkamp, BT/2 Rz. 593. 15 Vgl. BGH v. 9.8.2000 – 3 StR 339/99, BGHSt 46, 120, 128; BGH v. 15.1.2002 – 4 StR 499/01, BGHSt 47, 214, 216; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 367. A.A. Hoyer in SK-StGB, § 263 Rz. 281. 16 Wessels/Hillenkamp, BT/2 Rz. 594. 17 So ursprünglich auch § 263 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 Reg.-E, dazu BT-Drucks. 13/8587, 10, 42. 18 Vgl. BT-Drucks. 13/8587, 64 und 85; ferner Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 298; Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 188b und c; Fischer, StGB, § 263 Rz. 214; Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 848; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 370. 19 BGH v. 15.3.2011 – 1 StR 529/10, NJW 2011, 1825, 1827 Rz. 15; BGH v. 20.12.2012 – 4 StR 55/12, NJW 2013, 883, 887 f.; auch Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 298; Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 852; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 370. 20 BT-Drucks. 13/8587, 64; vgl. auch BT-Drucks. 13/8587, 85.

Saliger

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StGB

Betrug

StGB

§ 263 StGB Rz. 283

Strafgesetzbuch

S. 2 Nr. 3 (dazu Rz. 286) objektiv zu bestimmen.1 Die zunächst von der Rspr. offengelassene und strittige Frage, ab welchem Wert ein Vermögensverlust großen Ausmaßes anzunehmen ist,2 hat der 1. Strafsenat des BGH 2003 unter zutreffender Berufung auf die Entstehungsgeschichte3 und im Hinblick auf den Unwertgehalt von Abs. 3 S. 2 Nr. 2 vertretbar auf Werte ab 50 000 Euro konkretisiert (str.).4 Diese Judikatur ist später wiederholt bestätigt worden.5 Ob diese Grenze auch für die Verweisung in § 266 Abs. 2 gilt, wie die wohl h.M. annimmt, hat der 1. Strafsenat erwogen, letztlich jedoch dahinstehen lassen.6 Auch wenn bei Beträgen unter 50 000 Euro das Regelbeispiel des Abs. 3 S. 2 Nr. 2 Alt. 1 ausscheidet, ist zu beachten, dass in Verbindung mit anderen Aspekten auf Basis einer Gesamtwürdigung die Annahme eines unbenannten besonders schweren Falles möglich bleibt (dazu Rz. 275).7 Der Vermögensverlust muss nicht von Dauer sein.8 283

Umstritten ist, ob auch die schadensbegründende Vermögensgefahr (Rz. 187 ff.) einen Vermögensverlust großen Ausmaßes begründen kann. Der 1. Strafsenat des BGH hat 2003 unter Berufung vor allem auf den Wortlaut (Verlust versus Gefahr) und die Systematik des Abs. 3 S. 2 Nr. 2 (Verlust in Alt. 1 versus Gefahr des Verlustes in Alt. 2) Gefährdungsschäden mit Recht nicht als Vermögensverlust anerkannt (str.).9 Auch diese Rspr., die mit der Gleichsetzung von Vermögensgefahr und Endschaden durch einen Teil der neueren Rspr. des BGH nicht vereinbar ist (dazu Rz. 188 ff.),10 ist bestätigt worden.11 Danach setzt der Begriff des Vermögensverlustes in Nr. 2 Alt. 1 den endgültigen oder tatsächlichen Verlust eines Vermögenswerts voraus.12 Er ist damit identisch mit dem Begriff des „endgültigen“ Schadens oder Endschadens, wie er hier als (nicht vorleistungsbedingter) substanzieller Vermögensverlust begriffen wird (Rz. 189).13 Bei einem Austauschvertrag ist der Vermögensverlust folglich nicht schon mit Vertragsschluss, sondern erst mit Erbringung der Leistung des Geschädigten eingetreten, bei einem Grundstücksgeschäft also mit Eintragung des neuen Eigentümers im Grundbuch.14 Bei Eintritt lediglich einer schadensbegründenden Vermögensgefahr kann mit Blick auf die übrigen Umstände im Rahmen einer Gesamtwürdigung (Rz. 275) allerdings ein unbenannter besonders schwerer Fall in Betracht kommen.15 Ein bloß versuchter Betrug, insbesondere die Absicht, einen großen Vermögensverlust zuzufügen, begründet nicht einen strafbaren Versuch des Regelbeispiels.16 d) Absicht der Gefährdung vieler Menschen (Abs. 3 S. 2 Nr. 2 Alt. 2)

284

Nach der zweiten Alternative von Nr. 2 ist im Regelfall ein besonders schwerer Fall gegeben, wenn der Täter in der Absicht handelt, durch die fortgesetzte Begehung von Betrug eine große Zahl von Menschen in die Gefahr des Verlustes von Vermögenswerten zu bringen. Die Vorschrift hat im ursprünglichen RegE ohne Absichtserfordernis (Abs. 3 S. 2 Nr. 3 Alt. 1) ihr Vorbild in den §§ 283a S. 2 Nr. 2 und 283d Abs. 3 S. 2 Nr. 217 und verdankt 1 BGH v. 17.11.2006 – 2 StR 388/06, wistra 2007, 111; Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 188c; Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 394; Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 848; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 370. 2 BGH v. 10.5.2001 – 3 StR 96/01, NStZ-RR 2002, 50 f. 3 Vgl. BT-Drucks. 13/8587, 43, wo ein Betrag von „etwa 100 000 DM“ genannt wird. 4 BGH v. 7.10.2003 – 1 StR 274/03, BGHSt 48, 360, 361 ff. m. zust. Bespr. Krüger wistra 2005, 247; Rotsch ZStW 2005, 597 ff., 603 f. und abl. Bespr. Golombek/v. Tippelskirch NStZ 2004, 530, 532. Zust. etwa Lackner/Kühl, StGB, § 263 Rz. 66; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 370; Saliger in M/R-StGB, § 263 Rz. 320; Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 188c; Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 394; Peglau wistra 2004, 9; Gaede in AnwK-StGB, § 263 Rz. 184. A.A. bzw. krit. Fischer, StGB, § 263 Rz. 215 f.; Wessels/Hillenkamp, BT/2 Rz. 594. 5 BGH v. 2.12.2008 – 1 StR 416/08, BGHSt 53, 71, 81; BGH v. 11.2.2009 – 5 StR 11/09, wistra 2009, 236, 237; BGH v. 20.12.2012 – 4 StR 55/12, NJW 2013, 883, 888. 6 BGH v. 7.10.2003 – 1 StR 274/03, BGHSt 48, 360, 364. Zum Meinungsstand bei § 266 m.w.N. § 266 StGB Rz. 137. 7 Peglau wistra 2004, 9. 8 BGH v. 7.5.2002 – 3 StR 48/02, StV 2004, 16, 17 m. krit. Anm. Joecks und zust. Bespr. Hannich/Röhm NJW 2004, 2061, 2064; Lackner/Kühl, StGB, § 263 Rz. 66; Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 851; Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 188c; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 372. 9 BGH v. 7.10.2003 – 1 StR 212/03, BGHSt 48, 354, 356 ff. m. zust. Anm. bzw. Bespr. Krüger wistra 2004, 146; Lang/Eichhorn NStZ 2004, 528, 530; Rotsch ZStW 2005, 578 ff., 596 und abl. Anm. bzw. Bespr. Gallandi NStZ 2004, 268; Hannich/Röhm NJW 2004, 2061, 2064. Zust. Lackner/Kühl, StGB, § 263 Rz. 66; Fischer, StGB, § 263 Rz. 217; Perron in S/SStGB, § 263 Rz. 188c; Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 394; Saliger in M/R-StGB, § 263 Rz. 321; Gaede in AnwK-StGB, § 263 Rz. 183; Joecks StV 2004, 17; Wessels/Hillenkamp, BT/2 Rz. 594. A.A. Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 298; Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 850; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 371; Peglau wistra 2004, 8 f. 10 Zutreffend Fischer, StGB, § 263 Rz. 217; Fischer, NStZ-Sonderheft 2009, 13 f. 11 BGH v. 17.11.2006 – 2 StR 388/06, wistra 2007, 111; auch BGH v. 2.12.2008 – 1 StR 416/08, BGHSt 53, 71, 85. 12 BGH v. 7.10.2003 – 1 StR 212/03, BGHSt 48, 354, 356 f.; Lackner/Kühl, StGB, § 263 Rz. 66; Fischer, StGB, § 263 Rz. 217. 13 Vgl. auch BGH v. 7.10.2003 – 1 StR 212/03, BGHSt 48, 354, 357; näher Saliger FS Samson, 2010, 471 ff. 14 BGH v. 7.10.2003 – 1 StR 212/03, BGHSt 48, 354, 356, 359; Lackner/Kühl, StGB, § 263 Rz. 66; Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 394. 15 BGH v. 7.10.2003 – 1 StR 212/03, BGHSt 48, 354, 359; BGH v. 17.11.2006 – 2 StR 388/06, wistra 2007, 111; Fischer, StGB, § 263 Rz. 217. 16 BGH v. 17.11.2006 – 2 StR 388/06, wistra 2007, 111; OLG Oldenburg v. 20.8.2010 – 1 Ws 371/10, wistra 2010, 453, 455; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 369. 17 BT-Drucks. 13/8587, 10, 42; BGH v. 9.11.2000 – 3 StR 371/00, NStZ 2001, 319. Diese Regelbeispiele verlangen, dass der Täter wissentlich viele Personen in die Gefahr des Verlustes anvertrauter Vermögenswerte bringt.

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Saliger

Rz. 285 § 263 StGB

ihre heutige Gestalt einem Vorschlag des Bundesrates, der die Fälle erfassen wollte, „in denen der Täter das Ziel verfolgt, durch eine Mehrzahl rechtlich selbständiger Tathandlungen eine Vielzahl von Personen zu schädigen.“1 Die BReg hat den Vorschlag übernommen und erklärt: „Die zweite Alternative knüpft an § 263 Abs. 3 S. 2 Nr. 3 erste Alternative an, präzisiert diese jedoch hinsichtlich des Umstandes, dass bei einer entsprechenden Absicht die einmalige Tatbegehung zur Erfüllung des Regelbeispiels ausreicht.“2 Die Vorschrift wirft mehrere Auslegungsprobleme auf. Überwiegend wird zu Recht angenommen, dass die Absicht der Gefährdung gem. Nr. 2 Alt. 2 nur als sicheres Wissen vom Eintritt des Gefährdungserfolgs, also als Wissentlichkeit verstanden werden kann (str.). Denn andernfalls droht ein Widerspruch zur Konzeption des Betruges als Vermögensverschiebungsdelikt in Absatz 1 (dazu Rz. 2, 239), wo die Absicht sich nur auf die Erlangung rechtswidriger Vermögensvorteile, nicht auf die Schädigung fremden Vermögens bezieht.3 Das Regelbeispiel erfordert nicht, dass eine große Zahl von Menschen tatsächlich in Gefahr gerät, Vermögenswerte zu verlieren. Es genügt das entsprechende Vorhaben des Täters, durch mindestens zwei für ihn rechtlich selbständige Betrugstaten eine große Zahl von Menschen in die konkrete Gefahr des Verlustes von Vermögenswerten zu bringen.4 Die geplanten Taten müssen weder i.E. bestimmt sein,5 noch muss der Täter konkrete Vorstellungen von den betroffenen Tatopfern haben.6 Nicht ausreichend ist allerdings der Plan einer Vielzahl von Betrügereien gegen jew. nur ein Opfer.7 Anerkannt ist, dass der Begriff Mensch nur natürliche und nicht juristische Personen (Ausnahme: Ein-Mann-GmbH) erfasst.8 Darüber hinaus wird vereinzelt auch eine mittelbare Betroffenheit unter Nr. 2 Alt. 2 subsumiert, etwa beim Betrug zum Nachteil einer AG die mittelbare Gefährdung der Vermögenswerte der Aktionäre (zwh.).9 Sehr streitig und nicht abschließend geklärt ist die Frage, ab wann eine große Zahl von Menschen anzunehmen 285 ist. Im Schrifttum reichen die Ansichten von ab vier10 über ab 1011 bzw. ab 2012 bis hin zu mindestens 50 Personen.13 Vereinzelt wird die Anzahl auch nach der Schadenssumme des „großen Ausmaßes“ bemessen, so dass 10 Personen mit je 5000 Euro Schaden eine große Zahl sein sollen, 100 Personen mit je 10 Euro Schaden dagegen nicht.14 Die Rspr. hat den Begriff der großen Zahl bei Nr. 2 Alt. 2 bisher nicht (bzw. nicht abschließend) bestimmt15 bzw. ausdrücklich offengelassen.16 Nach OLG Jena ist das Regelbeispiel jedenfalls dann zu bejahen, wenn der Täter Breitenwirkung erzielen, also durch das zum Betrug verwendete Medium eine unbestimmte Menge ansprechen und motivieren will.17 Nach OLG Frankfurt ist die große Geschädigtenzahl zumindest im zweistelligen Bereich anzusiedeln.18 Der 1. Strafsenat des BGH hat die große Zahl von Menschen bei 123 Opfern angenommen.19 Eine Stellungnahme hat bei dem unstrittigen Ausgangspunkt anzusetzen, dass das Merkmal „große Zahl von Menschen“ tatbestandsspezifisch auszulegen ist.20 Dabei muss man sehen, dass für die Deutung des Regelbeispiels trotz der Gesetzesgenese weder eine Anknüpfung an § 283a S. 2 Nr. 2 wegen der dortigen engeren Verbundenheit der Gläubiger noch an § 306b Abs. 1 wegen der höheren Schutzbedürftigkeit der dort gefährdeten Rechtsgüter Leib und Leben21 in Betracht kommt. Mit Blick auf den erhöhten Unrechtsgehalt von Absatz 3 und das auch in der Entstehungsgeschichte spürbare Motiv, durch das Regelbeispiel den Massenbetrug mit auch ge-

1 BT-Drucks. 13/8587, 64 (Hervorhebungen von mir). 2 BT-Drucks. 13/8587, 85 (Hervorhebung von mir); ebenso BGH v. 9.11.2000 – 3 StR 371/00, NStZ 2001, 319, 320; BGH v. 7.9.2011 – 1 StR 343/11, wistra 2011, 462 Rz. 7; Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 188d; Fischer, StGB, § 263 Rz. 219. 3 Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 188d; Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 395; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 299; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 373. A.A. Hoyer in SK-StGB, § 263 Rz. 283. 4 Fischer, StGB, § 263 Rz. 219; Hoyer in SK-StGB, § 263 Rz. 284; Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 395; Satzger in S/S/ W-StGB, § 263 Rz. 373. Enger Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 854 f. 5 Fischer, StGB, § 263 Rz. 219; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 373. 6 Vgl. OLG Jena v. 3.5.2002 – 1 Ss 80/02, NJW 2002, 2404, 2405; Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 188d; Satzger in S/S/WStGB, § 263 Rz. 373. 7 Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 854; Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 188d. 8 BGH v. 9.11.2000 – 3 StR 371/00, NStZ 2001, 319 f.; Lackner/Kühl, StGB, § 263 Rz. 66; Hoyer in SK-StGB, § 263 Rz. 285; Wessels/Hillenkamp, BT/2 Rz. 594. 9 So Peglau wistra 2004, 10. 10 Lackner/Kühl, StGB, § 263 Rz. 66; Peglau wistra 2004, 10. 11 Hoyer in SK-StGB, § 263 Rz. 285 u. Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 299; auch Rengier, BT/1 § 13 Rz. 280. 12 Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 396; Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 854; Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 188d; auch Gaede in AnwK-StGB, § 263 Rz. 186. 13 Joecks, Rz. 127; Heghmanns, BT Rz. 1285; auch Schroth, BT S. 206. 14 So Kretschmer, FS Herzberg, 2008, 835 f.; zu Recht abl. Fischer, StGB, § 263 Rz. 218. 15 BGH v. 9.11.2000 – 3 StR 371/00, NStZ 2001, 319 f. 16 BGH v. 7.9.2011 – 1 StR 343/11, wistra 2011, 462 Rz. 7; OLG Jena v. 3.5.2002 – 1 Ss 80/02, NJW 2002, 2404, 2405. 17 OLG Jena v. 3.5.2002 – 1 Ss 80/02, NJW 2002, 2404, 2405. Vgl. zur Breitenwirkung auch Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 299. 18 OLG Frankfurt aM v. 17.12.2010 – 1 Ws 29/09, NJW 2011, 398, 404 m. zust. Anm. Hansen. 19 BGH v. 7.9.2011 – 1 StR 343/11, wistra 2011, 462 Rz. 7 m. zust. Anm. Steinberg/Kreuzner NZWiSt 2012, 69. 20 BGH v. 11.8.1998 – 1 StR 326/98, BGHSt 44, 175, 177; OLG Jena v. 3.5.2002 – 1 Ss 80/02, NJW 2002, 2404, 2405; Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 188d; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 299; Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 854. Zum Problem Küpper FS Kohlmann, 2003, 142 ff. 21 Vgl. Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 188d.

Saliger

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StGB

Betrug

StGB

§ 263 StGB Rz. 286

Strafgesetzbuch

ringen Schadenssummen zu erfassen (vgl. Rz. 284),1 wird man von einer großen Zahl von Menschen ab 30 Personen ausgehen dürfen.2 Unabhängig davon ist das Merkmal jedenfalls dann erfüllt, wenn eine unübersehbare Vielzahl von Personen durch die Betrügereien betroffen ist (Breitenwirkung). Mit Fug hat die Rspr. eine solche Breitenwirkung objektiv und subjektiv angenommen beim Betrug über Medien wie Postwurfsendungen, Zeitungsanzeigen, Zeitschriftenbeilagen oder Internetanzeigen.3 Gleiches gilt für die Aufgabe von Warenbestellungen im gesamten Bundesgebiet unter Vortäuschung der Zahlungsbereitschaft und in der Absicht, die gelieferten Waren schnellstmöglich weiterzuverkaufen.4 e) Wirtschaftliche Not (Abs. 3 S. 2 Nr. 3) 286

Nach Nr. 3 muss der Täter eine andere Person in wirtschaftliche Not bringen. Das Regelbeispiel ist auf Empfehlung des Bundesrates Gesetz geworden, der den ursprünglichen RegE mit seinem Abstellen auf die Verursachung von wirtschaftlicher Not für eine große Zahl von Menschen5 als zu eng kritisiert und betont hatte, dass der erhöhte Strafrahmen eines besonders schweren Falles in aller Regel bereits dann gerechtfertigt ist, wenn der Täter eine Person in wirtschaftliche Not bringt.6 Der Begriff der wirtschaftlichen Not entspricht den gleichlautenden Verwendungen in §§ 283a S. 2 Nr. 2 und 291 Abs. 2 S. 2 Nr. 1.7 Sie liegt vor, wenn eine andere Person, i.d.R. das Betrugsopfer, in Folge der Tat ihren oder den notwendigen Lebensunterhalt Unterhaltsberechtigter oder ihre geschäftliche Daseinsgrundlage nicht mehr ohne Hilfe Dritter bestreiten kann.8 Sozialhilfeleistungen sind insoweit nicht zu berücksichtigen, weil sie eine Notlage gerade zur Voraussetzung haben.9 Maßstab sind durchschnittliche materielle und kulturelle Bedürfnisse.10 Bloße wirtschaftliche Bedrängnis genügt ebenso wenig wie die Intensivierung einer schon vor der Tat bestehenden wirtschaftlichen Not.11 Nr. 3 erfasst anerkanntermaßen auch die Verursachung nicht stoffgleicher Schäden (dazu Rz. 245 ff.), so dass auch Dritte wie z.B. Gläubiger des Betrugsopfers unter das Regelbeispiel fallen, wenn sie infolge der Zahlungsunfähigkeit des Betrugsopfers selbst in wirtschaftliche Not geraten.12 Anders als bei Nr. 2 Alt. 2 (dazu Rz. 284) steht der Wortlaut („Person“) einer Einbeziehung auch juristischer Personen in Nr. 3 nicht entgegen (str.).13 Der Vorsatz des Täters muss die tatsächlichen Voraussetzungen der wirtschaftlichen Not umfassen.14 f) Missbrauch der Befugnisse oder Stellung als Amtsträger (Abs. 3 S. 2 Nr. 4)

287

Nr. 4 setzt voraus, dass der Täter seine Befugnisse oder seine Stellung als Amtsträger oder Europäischer Amtsträger missbraucht. Das Regelbeispiel hat sein Vorbild in § 264 Abs. 2 S. 2 Nr. 2 und ist durch das 6. StrRG ebenfalls in die §§ 240 Abs. 4 S. 2 Nr. 3 und 267 Abs. 3 S. 2 Nr. 4 aufgenommen worden.15 Der Begriff des Amtsträgers bestimmt sich nach den in § 11 Abs. 1 Nr. 2 aufgeführten Personengruppen (dazu § 11 StGB Rz. 2 ff.).16 Der durch Art. 1 Nr. 7 des Gesetzes zur Bekämpfung der Korruption vom 20.11.2015 (dazu Rz. 3) mit Wirkung zum 26.11.2015 eingeführte neue Begriff des Europäischen Amtsträgers wird durch die in § 11 Abs. 1 Nr. 2a genannten Personengruppen ausgefüllt (näher § 11 StGB Rz. 46 ff.). Die Änderung dient laut Gesetzesbegründung der Überleitung von Art. 2 § 1 Abs. 2 Nr. 1 EuBestG, der bereits bisher die Gemeinschaftsbeamten i.S.d. Art. 1 des Protokolls vom 27.9.1996 zum Übereinkommen über den Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Gemeinschaften sowie Mitglieder der Kommission der Europäischen Gemeinschaften in Abs. 3 S. 2 Nr. 4 einbezog,17 in das StGB und beruht auf der Vorgabe in Art. 4 Abs. 1 des EU-Protokoll.18 Allerdings sind die in § 11 Abs. 1 Nr. 2a aufgeführten Personengruppen deutlich weiter als die bisher auf EU-Ebene erfassten Amtsträger.19 Nach wie vor nicht einbezogen sind andere ausländische Amtsträger eines EU- oder 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19

Vgl. BT-Drucks. 13/8587, 64, wo vom Schutz einer Vielzahl von Personen die Rede ist; zutr. Fischer, StGB, § 263 Rz. 218. So schon Saliger in M/R-StGB, § 263 Rz. 323. OLG Jena v. 3.5.2002 – 1 Ss 80/02, NJW 2002, 2404, 2405; Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 188d. BGH v. 9.11.2000 – 3 StR 371/00, NStZ 2001, 319, 320). § 263 Abs. 3 S. 2 Nr. 3 Alt. 2 Reg.-E; dazu BT-Drucks. 13/8587, 10, 42. BT-Drucks. 13/8587, 64; auch BT-Drucks. 13/8587, 85. Vgl. BT-Drucks. 13/8587, 42; Wessels/Hillenkamp, BT/2 Rz. 595; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 300; Fischer, StGB, § 263 Rz. 220. Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 374; Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 397; Hoyer in SK-StGB, § 263 Rz. 286; Wessels/Hillenkamp, BT/2 Rz. 595. Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 397; Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 856; krit. Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 300. Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 300; Hoyer in SK-StGB, § 263 Rz. 286; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 374. Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 374; Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 397. Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 188e; Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 856; Hoyer in SK-StGB, § 263 Rz. 286. Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 188e; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 374. A.A. Mitsch, BT/II, 5.4.2.3. Fischer, StGB, § 263 Rz. 220; Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 856; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 375; auch Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 188e. Enger Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 300. Vgl. BT-Drucks. 13/8587, 42 f.; Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 188 f.; Fischer, StGB, § 263 Rz. 221. Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 301; Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 398; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 376. Lackner/Kühl, StGB, § 263 Rz. 66; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 376; Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 398. BT-Drucks. 18/4350, S. 20. Vgl. dazu NK/Saliger, § 11 Rz. 43a ff.

532

Saliger

Rz. 289 § 263 StGB

Nicht-EU-Staates.1 Bei einem Betrug dieser Personen kommt allerdings, sofern deutsches Strafrecht nach den §§ 3 ff. anwendbar ist, ein unbenannter besonders schwerer Fall in Betracht.2 Der Amtsträger kann Täter oder Teilnehmer des Betruges sein.3 Ein Missbrauch der Befugnisse liegt vor, wenn der Täter innerhalb seiner Zuständigkeit vorsätzlich rechtswidrig, insbesondere ermessensfehlerhaft handelt. Seine Stellung als Amtsträger missbraucht der Täter dagegen mit einer Handlung, die außerhalb seiner Zuständigkeit, aber unter Ausnutzung der durch das Amt gegebenen Handlungsmöglichkeiten erfolgt.4 Die bloße Vortäuschung einer Amtsträgereigenschaft genügt nicht.5 Die Amtsträgereigenschaft ist besonderes persönliches Merkmal analog § 28 Abs. 2.6 g) Versicherungsbetrug (Abs. 3 S. 2 Nr. 5) Letzter Regelerschwerungsfall ist nach Nr. 5 die Vortäuschung eines Versicherungsfalls durch den Täter, nach- 288 dem er oder ein anderer zu diesem Zweck eine Sache von bedeutendem Wert in Brand gesetzt oder durch eine Brandlegung ganz oder teilweise zerstört oder ein Schiff zum Sinken oder Stranden gebracht hat. Die Vorschrift übernimmt auf Vorschlag des Bundesrates in Anknüpfung an den E 19627 nach der Vorstellung des Gesetzgebers den wesentlichen Regelungsgehalt von § 265 a.F. (Versicherungsbetrug), der im Gegenzug in § 265 n.F. unter der Überschrift „Versicherungsmissbrauch“ eine Neugestaltung mit erheblich erweitertem Anwendungsbereich bei gleichzeitiger Herabstufung der Strafdrohung vom Verbrechen zum Vergehen erfährt.8 Insoweit hat das Regelbeispiel in der Tat Kompensationsfunktion für den abgesenkten Strafrahmen des § 265 n.F.9 Nr. 5 besitzt eine aus zwei Teilakten bestehende Struktur:10 Im ersten Teilakt muss der Täter oder ein anderer zunächst eine der vier tauglichen Vortaten vollendet (Versuch reicht nicht) begehen; Beendigung ist nicht erforderlich.11 Vortaten sind Inbrandsetzung oder ganz oder teilweise Zerstörung durch Brandlegung einer Sache von bedeutendem Wert, den man in Anknüpfung an die §§ 305a, 307 ff., 315 ff. ab einem Wert von 1000 Euro annehmen kann (str.),12 sowie Sinken (Geraten von wesentlichen Schiffsteilen, die bestimmt sind, über das Wasser hinauszuragen, unter die Wasseroberfläche)13 oder Stranden (auf Grund geraten eines Schiffes mit der Folge der Bewegungsunfähigkeit)14 eines Schiffes, worunter Wasserfahrzeuge jeder Art und Größe zu verstehen sind, auch ein kleines Sportboot.15 Mit diesen Vortaten betrifft Nr. 5 wie § 265 a.F. allein Sachversicherungsleistungen aus der Brand- und Schiffsversicherung, deren erhöhter Strafrechtsschutz mit der Wichtigkeit dieser Versicherungen für die Allgemeinheit und der erfahrungsgemäß schweren Aufklärbarkeit einschlägiger Betrügereien wegen des mit den Vortaten verbundenen Totalverlustes der Tatobjekte gerechtfertigt wird.16 Anders als bei § 265 a.F. müssen die Tatobjekte nicht mehr versichert sein.17 Bereits bei der Begehung der Vortaten als erstem Teilakt muss der Betrugstäter oder ein Dritter zu dem Zweck 289 der Vortäuschung eines Versicherungsfalls handeln. Dieses subjektive Erfordernis entspricht der „betrügerischen Absicht“ in § 265 a.F., vorsätzlich sich oder einem Dritten eine Versicherungsleistung zu verschaffen, auf die der Versicherungsnehmer nach versicherungsrechtlichen Grundsätzen keinen Anspruch hat (rechtswidriger Vermögensvorteil).18 Das ist der Fall, wenn der Versicherer infolge der Vortat von seiner Leistungspflicht frei wird (wegen Herbeiführung des Versicherungsfalls gem. § 81 Abs. 1, 2 VVG) oder ein Leistungsanspruch deshalb 1 Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 377; Hoyer in SK-StGB, § 263 Rz. 287. A.A. Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 301: analoge AnwKendung. 2 Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 377. 3 Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 398; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 379; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 301. 4 Fischer, StGB, § 263 Rz. 221; Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 188 f.; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 301; Saliger in M/R-StGB, § 263 Rz. 325; Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 398; Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 857; Wessels/Hillenkamp, BT/2 Rz. 596. 5 Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 378. 6 Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 379; Hoyer in SK-StGB, § 263 Rz. 287; Rengier, BT/1 § 13 Rz. 282. 7 Vgl. § 253 S. 2 Nr. 5b StGB-E 1962; dazu BT-Drucks. 13/8587, 65 und 85. 8 BT-Drucks. 13/9064, 18 und BT-Drucks. 13/8587, 85; Lackner/Kühl, StGB, § 263 Rz. 66. Krit. Wessels/Hillenkamp, BT/2 Rz. 658. 9 Deutlich BT-Drucks. 13/9064, 20; ferner BGH v. 5.1.1999 – 3 StR 405–98, NStZ 1999, 243, 244; BGH v. 19.10.1999 – 4 StR 471/99, NStZ 2000, 93; Fischer, StGB, § 263 Rz. 222. 10 Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 859; Rengier, BT/1 § 15 Rz. 11; Wessels/Hillenkamp, BT/2 Rz. 662. 11 Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 302; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 380. 12 Wie hier: Hoyer in SK-StGB, § 263 Rz. 289; Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 860; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 380; Saliger in M/R-StGB, § 263 Rz. 326; Wessels/Hillenkamp, BT/2 Rz. 663. A.A. Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 400 u. Wittig, WiStrafR, § 16 Rz. 12: 700 Euro; Lackner/Kühl, StGB, § 263 Rz. 66 i.V.m. § 315c Rz. 24: 750 Euro; Fischer, StGB, § 263 Rz. 222 i.V.m. § 315 Rz. 16: 1300 Euro. 13 RG v. 16.10.1902 – 4219/02, RGSt 35, 399, 400. 14 Fischer, StGB, § 263 Rz. 223; Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 860; Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 400. 15 OLG Koblenz v. 11.3.1965 – (1) Ss 71/65, NJW 1966, 1669; Fischer, StGB, § 263 Rz. 223; Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 860. 16 So OLG Koblenz v. 11.3.1965 – (1) Ss 71/65, NJW 1966, 1669; vgl. auch Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 302. 17 Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 302; Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 859; Wessels/Hillenkamp, BT/2 Rz. 663. 18 BGH v. 14.7.1987 – 1 StR 290/87, NStZ 1987, 505; BGH v. 12.7.1988 – 3 StR 94/88, bei Holtz, MDR 1988, 1002, 1003; Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 188h; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 302; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 380; Fischer, StGB, § 263 Rz. 225; Rengier, BT/1 § 15 Rz. 13.

Saliger

533

StGB

Betrug

StGB

§ 263 StGB Rz. 290

Strafgesetzbuch

nicht besteht, weil vorgetäuscht wird, das zerstörte Tatobjekt sei mit der unversehrten versicherten Sache identisch.1 Maßgeblich für das Bestehen des Anspruches ist die Vorstellung des (Vor-)Täters.2 Das gilt auch hinsichtlich der beim Versicherungsanspruch zu beachtenden Grundsätze der Haftung des Versicherungsnehmers für Repräsentanten (das ist jeder, der befugt ist, selbständig in einem gewissen, nicht ganz unbedeutendem Umfang für den Betriebsinhaber zu handeln und dabei dessen Rechte und Pflichten als Versicherungsnehmer wahrzunehmen, wie vor allem gesetzliche Vertreter und auch der faktische Geschäftsführer, nicht aber ein bloßer Angehöriger)3 und für den wahren wirtschaftlich Versicherten (z.B. Alleingesellschafter einer GmbH)4 sowie für die erforderliche Deckungsgleichheit von erstrebter Leistung und versichertem Schadensrisiko (also Ausschluss von durch die Vortat entstandenen Personenschäden und Vermögensfolgeschäden).5 290

Als zweiter Teilakt (vgl. Rz. 287) muss der Versicherungsfall auch objektiv gegenüber der Versicherung vorgetäuscht werden.6 Das ist der Fall, wenn der Täter den Versicherer über Tatsachen täuscht, aus denen sich ein – in Wahrheit nicht bestehender – Anspruch auf die Versicherungsleistung ergibt.7 Dazu gelten versicherungsrechtlich dieselben Grundsätze wie bei der Zweckbestimmung der Vortat (Rz. 289). Das Anfordern von (unberechtigten) Abschlagszahlungen ist ausreichend.8 Das Regelbeispiel wird bereits mit der Schadensmeldung an den Versicherer verwirklicht, also dem Versuch des Absatzes 1 (vgl. auch Rz. 205, 264).9 Die Verurteilung wegen vollendeten Betruges in einem besonders schweren Fall nach § 263 Abs. 3 S. 2 Nr. 5 setzt aber voraus, dass § 263 Abs. 1 vollendet ist, weil Nr. 5 als unselbständiges strafschärfendes Regelbeispiel konzipiert ist.10 Nach dem Wortlaut ist nicht erforderlich, dass der spätere Betrüger mit dem Vortäter identisch oder zum Zeitpunkt der Vortat eingeweiht ist.11 Es genügt, dass der spätere Betrüger bei Geltendmachung des (unberechtigten) Leistungsanspruchs bösgläubig ist, also zumindest bedingten Vorsatz hinsichtlich der Vortat und des fehlenden Anspruchs hat.12 Besitzt der Versicherungsnehmer einen Leistungsanspruch, weil er mit dem Vortäter nicht kollusiv zusammengearbeitet hat oder der Vortäter nicht sein Repräsentant ist, so scheidet (vollendeter) Betrug aus.13 Geht der Vortäter (bzw. ein Repräsentant) irrig davon aus, dass der Leistungsanspruch des Versicherungsnehmers bestehen bleibt, handelt er also unvorsätzlich hinsichtlich eines fehlenden Anspruches, so kann auch ein Versicherungsnehmer in Kenntnis der Sach- und Versicherungsrechtslage später Nr. 5 nicht verwirklichen, abgesehen davon, dass es für ihn im Fall des Repräsentanten bei einer Strafbarkeit wegen einfachen (versuchten) Betruges verbleibt.14 Das nachträgliche Ausnutzen einer eigenen oder fremden Vortat genügt für Nr. 5 also nicht.15 In Bezug auf das Verhältnis zu § 265 ist zu beachten, dass das Regelbeispiel weder eine Tat nach § 265 als Vortat voraussetzt (z.B. bei Zerstörung einer unversicherten Sache mit der anschließenden Meldung, es handele sich um seine versicherte Sache)16 noch das Regelbeispiel § 265 stets nachfolgt (z.B. bei Versicherungsmissbrauch durch Dritten ohne Erlöschen des Leistungsanspruchs).17 Soweit § 263 und § 265 sich überschneiden, ist § 265 formell subsidiär (auch Rz. 298 und § 265 StGB Rz. 10 ff.). „Tat“ in § 265 meint dabei die (und jede) nachfolgende Tat nach § 263.18 §§ 263 Abs. 1, 3 S. 2 Nr. 5 und § 265 stellen gegenüber § 265 a.F. kein milderes Gesetz (§ 2 Abs. 3) dar.19 1 Fischer, StGB, § 263 Rz. 225; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 381; Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 859; Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 400. 2 BGH v. 12.7.1988 – 3 StR 94/88, bei Holtz, MDR 1988, 1002, 1003 m. Anm. Ranft StV 1989, 303; ferner BGH v. 14.7.1987 – 1 StR 290/87, NStZ 1987, 505, 506. 3 BGH v. 7.9.1976 – 1 StR 390/76, NJW 1976, 2271 f.; BGH v. 12.7.1988 – 3 SrR 94/88, bei Holtz, MDR 1988, 1002, 1003; zum Angehörigen BGH v. 14.7.1987 – 1 StR 290/87, NStZ 1987, 505 f. und BGH NJW 2007, 2130, 2131; ferner Wessels/ Hillenkamp, BT/2 Rz. 665. 4 Wessels/Hillenkamp, BT/2 Rz. 665; Rengier, BT/1 § 15 Rz. 16. 5 Fischer, StGB, § 263 Rz. 225; Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 188h; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 381; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 302. 6 Rengier, BT/1 § 15 Rz. 11, 19; Maurach/Schroeder/Maiwald, BT/1 § 41 Rz. 155e. 7 Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 302; Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 859; Fischer, StGB, § 263 Rz. 223; Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 188g. 8 Fischer, StGB, § 263 Rz. 224; Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 399. 9 Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 302: Absenden des Schreibens an den Versicherer genügt; Wessels/Hillenkamp, BT/2 Rz. 666. 10 BGH v. 7.9.1976 – 1 StR 390/76, NStZ 2011, 711, 712; Fischer, StGB, § 263 Rz. 224. 11 Hoyer in SK-StGB, § 263 Rz. 290; vgl. auch Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 380. 12 Hoyer in SK-StGB, § 263 Rz. 290; Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 859; Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 399; Wessels/Hillenkamp, BT/2 Rz. 666. 13 Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 302; Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 399; Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 859; Wessels/Hillenkamp, BT/2 Rz. 667. 14 Zutreffend Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 302. A.A. C. Wolff, Versicherungsmißbrauch, S. 128. 15 Fischer, StGB, § 263 Rz. 224; Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 861; Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 400; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 380. 16 Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 383; Wessels/Hillenkamp, BT/2 Rz. 667. A.A. Fischer, StGB, § 263 Rz. 222; Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 401. 17 Wessels/Hillenkamp, BT/2 Rz. 667. 18 § 265 StGB Rz. 16 m.w.N. Von Tat im prozessualen Sinne spricht BGH v. 23.9.1999 – 4 StR 700/98, BGHSt 45, 211, 215. 19 BGH v. 8.4.1998 – 3 StR 98/98, NStZ 1998, 235; BGH v. 19.10.1999 – 4 StR 471/99, NStZ 2000, 93; Hefendehl in MüKoStGB, § 263 Rz. 861.

534

Saliger

Rz. 293 § 263 StGB

Im Verhältnis zu § 306b Abs. 2 Nr. 2, der bei Brandsetzung in der Absicht des Nr. 5 und späterer Schadensmeldung zugleich erfüllt ist, entsteht wegen des massiv höheren Strafrahmens der besonders schweren Brandstiftung ein Abstimmungsproblem.1

III. Qualifikation: Gewerbsmäßiger Bandenbetrug (Absatz 5) Absatz 5 droht für die kumulative Verwirklichung von Gewerbsmäßigkeit (Rz. 278 f.) und Bandenmäßigkeit 291 (Rz. 280 f.) mit spezifiziertem Deliktsbezug (Rz. 292) Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren an (gewerbsmäßiger Bandenbetrug). Der echte Qualifikationstatbestand zu Absatz 1, der auch im minder schweren Fall Verbrechen bleibt (vgl. § 12 Abs. 3), ist durch das 6. StrRG nach dem Vorbild des § 260a eingeführt worden.2 Dabei wurde ausdrücklich betont, dass die Einstufung als Verbrechen die Anwendung des § 30 und damit eine Strafbarkeit bereits im Vorfeld des Betruges eröffnet.3 Absatz 5 soll nach Auffassung des Gesetzgebers den „Kernbereich professioneller, meist Organisierter Kriminalität“ bekämpfen.4 Insbesondere kann der Gesetzesbegründung keine Beschränkung auf den alleinigen Zweck der Bekämpfung der Organisierten Kriminalität entnommen werden,5 weil dies nahelegende Passagen aus dem RegE6 in dem Kontext einer ursprünglich vorgesehenen und später auf Empfehlung des Bundesrates hin7 fallen gelassenen Beschränkung des Absatzes 5 auf die Erlangung von Vermögensvorteilen großen Ausmaßes stehen.8 Abweichend von Abs. 3 S. 2 Nr. 1 Alt. 2 muss die Bande sich zur fortgesetzten Begehung von Straftaten nach 292 den §§ 263–264 oder 267–269 verbunden haben. Darin liegt nach richtigem Verständnis und in Übereinstimmung mit dem Gesetzgeber9 eine Ausweitung des Bandenzwecks gegenüber dem Bandenbegriff in Abs. 3 S. 2 Nr. 1 (vgl. Rz. 281; str.).10 Da Bandenmäßigkeit häufig Gewerbsmäßigkeit einschließt und deshalb der selbständige Anwendungsbereich von Abs. 3 S. 2 Nr. 1 Alt. 2 nur klein ist (dazu Rz. 280), kann man nach der Abgrenzung von Absatz 5 zu Abs. 3 S. 2 Nr. 1 Alt. 2 fragen.11 Angesichts des Verbrechenscharakters von Absatz 5 und seines Zwecks, wenn auch nicht allein, so doch vornehmlich die Organisierte Kriminalität zu bekämpfen, wird man mit dem LG Berlin bei Absatz 5 erhöhte Anforderungen an die Organisation der Bande stellen dürfen (str.).12 Dass die Annahme von Tateinheit dem gewerbsmäßigen Bandenbetrug nicht entgegensteht, s. Rz. 278 und Rz. 281.13 Die Bagatellklausel nach Absatz 4 (Rz. 277) gilt für Absatz 5 nicht. Bei geringen Vermögenswerten wird aber regelmäßig ein minder schwerer Fall in Betracht zu ziehen sein.14 Diese Strafmilderungsmöglichkeit ist als Ausgleich für den Verzicht auf das Erfordernis der Erlangung von Vermögensvorteilen großen Ausmaßes eingeführt worden15 und soll „exzeptionell gelagerten Fällen“ Rechnung tragen.16 Die Qualifikation ist anders als die Regelbeispiele in die Urteilsformel aufzunehmen.17

IV. Führungsaufsicht (Absatz 6) Absatz 6 ermöglicht die Anordnung von Führungsaufsicht, wenn eine zeitige Freiheitsstrafe von mindestens 293 sechs Monaten verwirkt ist und die Gefahr weiterer Straftaten durch den Täter besteht (§ 68 Abs. 1). Das gilt auch für den versuchten Betrug und die Teilnahme am Betrug.18 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18

Vgl. Fischer, StGB, § 263 Rz. 226; Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 862. Vgl. BT-Drucks. 13/8587, 43; 13/9064, 18 f. BT-Drucks. 13/8587, 43. So BT-Drucks. 13/8587, 64 (Hervorhebung von mir). Zutr. Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 307. Wie hier: Fischer, StGB, § 263 Rz. 229; Saliger in M/R-StGB, § 263 Rz. 329. A.A. LG Berlin v. 4.9.2003 – (505) 83 Js 316/02 Kls (9/03), StV 2004, 545; Hoyer in SK-StGB, § 263 Rz. 293; Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 406; Wessels/Hillenkamp, BT/2 Rz. 598. BT-Drucks. 13/8587, 22 und 42. BT-Drucks. 13/8587, 64 f. BT-Drucks. 13/9064, 18 f. Unzutreffend daher LG Berlin v. 4.9.2003 – (505) 83 Js 316/02 Kls (9/03), StV 2004, 545. Vgl. BT-Drucks. 13/9064, 19. Wie hier: Hoyer in SK-StGB, § 263 Rz. 294; Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 865; Saliger in M/R-StGB, § 263 Rz. 330; Wessels/Hillenkamp, BT/2 Rz. 598. A.A. Fischer, StGB, § 263 Rz. 229; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 386; Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 406; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 307. So LG Berlin v. 4.9.2003 – (505) 83 Js 316/02 Kls (9/03), StV 2004, 545; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 386. LG Berlin v. 4.9.2003 – (505) 83 Js 316/02 Kls (9/03), StV 2004, 545; zust. Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 386; Gaede in AnwK-StGB, § 263 Rz. 175. A.A. Fischer, StGB, § 263 Rz. 213, 229. Vgl. auch Fischer, StGB, § 263 Rz. 229 und Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 865. Vgl. LG Bad Kreuznach v. 7.1.2008 – 1043 Js 11880/01 KLs, ZMGR 2008, 219, 221; Hoyer in SK-StGB, § 263 Rz. 294; Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 865; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 386; Fischer, StGB, § 263 Rz. 229; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 307. Vgl. auch BT-Drucks. 13/8587, 43. BT-Drucks. 13/9064, 19. BT-Drucks. 13/8587, 64; dazu auch Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 307. BGH v. 25.4.2007 – 1 StR 181/07, NStZ-RR 2007, 269; Fischer, StGB, § 263 Rz. 229; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 387. Zur Umgrenzungsfunktion der Anklageschrift beim gewerbsmäßigen Bandenbetrug BGH v. 24.1.2012 – 1 StR 412/11, NStZ 2012, 279 f. Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 329; Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 417; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 388.

Saliger

535

StGB

Betrug

StGB

§ 263 StGB Rz. 294

Strafgesetzbuch

V. Erweiterter Verfall (§ 73d) und Vermögensstrafe (§ 43a), Absatz 7 294

Neben dem nach § 73 anzuordnenden Verfall, auch gegen den Teilnehmer,1 ist nach Absatz 7 erweiterter Verfall (§ 73d) anzuwenden, wenn der Täter als Mitglied einer Bande handelt (Rz. 280 f.), die sich zur fortgesetzten Begehung von Straftaten nach den §§ 263–264 oder 267–269 verbunden hat (Rz. 290), und/oder wenn er gewerbsmäßig handelt (Rz. 278). Die Regelung geht zurück auf einen Vorschlag des Bundesrates, dem es geboten erschien, für gewerbs- und bandenmäßiges Handeln den Anwendungsbereich des erweiterten Verfalls zu eröffnen.2 Zweck der Vorschrift ist laut Rechtsausschuss „wie bei vergleichbaren Regelungen des geltenden Rechts … die wirksame Bekämpfung der professionellen, häufig Organisierten Kriminalität.“3 Auf Gegenstände aus Straftaten, die vor Inkrafttreten der Vorschrift am 1.4.1998 begangen wurden, ist Absatz 7 aufgrund des Rückwirkungsverbots nicht anwendbar.4 Zu den Voraussetzungen des erweiterten Verfalls § 73d StGB Rz. 1 ff. Der Verweis auf § 43a ist mit der Erklärung der Verfassungswidrigkeit der Vermögensstrafe durch das BVerfG in 2002 gegenstandslos.5

F. Konkurrenzen und Wahlfeststellung I. Konkurrenzen 1. Einheitliche Tatbegehung, insbes. Organisationsdelikt 295

Nur ein Betrug liegt vor, wenn durch eine Täuschungshandlung mehrere Personen geschädigt werden.6 Das Gleiche gilt, wenn mehrere Täuschungshandlungen auf die Vornahme einer Vermögensverfügung abzielen wie beim Prozessbetrug;7 beim Versicherungsbetrug mit Anspruchsstellung und Klageerhebung;8 im Verhältnis von Eingehungs- und Erfüllungsbetrug, sofern die Täuschung beim Verpflichtungsgeschäft bis zur Erfüllungsphase fortwirkt (unechter Erfüllungsbetrug als Abwicklungsbetrug; dazu Rz. 204 m.w.N. und Rz. 206);9 oder bei der Ausplünderung eines Kundendepots durch mehrere Handlungen des Anlageberaters („churning“).10 Nur eine Tat ist auch anzunehmen, wenn im Rahmen eines Beratungsgesprächs täuschungsbedingt mehrere Versicherungsverträge abgeschlossen werden,11 oder wenn mehrere Handlungsvollzüge sich in einem Teilakt decken12 bzw. mehrere Tatbestandsverwirklichungen sich auf eine Ausführungshandlung beziehen, die als Teilakt des betrügerischen Vorgehens alle vorherigen Handlungen erfasst und zu einem einheitlichen Tatgeschehen verklammert.13 Dagegen reicht der Umstand, dass zwei Betrugstaten auf dasselbe Inserat in einer Zeitschrift als bloße Vorbereitungshandlung des späteren Betrugs zurückgehen, ebenso wenig für die Annahme natürlicher Handlungseinheit14 wie der Umstand, dass anlässlich einer i.S.d. Tatserie einheitlich vorbereiteten Auslandsreise hundertfache betrügerische Geldabhebungen bei jew. verschiedenen Banken erfolgen.15 Bei mehreren Tatbeteiligten bestimmt sich das Vorliegen einer oder mehrerer Handlungen i.S.d. §§ 52, 53 für jeden Täter nur nach seinem eigenen Tatbeitrag, wobei der Umfang des Tatbeitrages maßgeblich ist.16 So werden in der Person des mittelbaren Täters mehrere betrügerische Vertragsabschlüsse durch die Werkzeuge zur Tateinheit zusammen1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16

Näher Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 331; ferner Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 389. BT-Drucks. 13/8587, 65; auch BT-Drucks. 13/8587, 85. BT-Drucks. 13/9064, 19; Lackner/Kühl, StGB, § 263 Rz. 66; vgl. auch Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 331. BGH v. 28.1.2003 – 5 StR 438/02, wistra 2003, 228, 229; Fischer, StGB, § 263 Rz. 231; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 389; Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 868. Vgl. BVerfG v. 20.3.2002 – 2 BvR 794/95, BGBl. 2002 I, S. 1340 und BVerfG v. 20.3.2002 – 2 BvR 794/95, StV 2002, 247; ferner Hoyer in SK-StGB, § 263 Rz. 295; Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 868. Vgl. BGH v. 26.4.2001 – 4 StR 439/00, BGHSt 47, 1, 2; Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 407; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 311; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 337. Vgl. BGH v. 25.11.1997 – 5 StR 526/96, BGHSt 43, 317, 320; Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 407; Satzger in S/S/WStGB, § 263 Rz. 337. BGH v. 21.7.1998 – 4 StR 274–98, NStZ-RR 1999, 110; OLG Stuttgart Justiz 2002, 132; Lackner/Kühl, StGB, § 263 Rz. 67; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 311; Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 180a; Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 407. Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 336. Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 311; Birnbaum wistra 1991, 256. BGH v. 29.11.2007 – 4 StR 386/07, wistra 2008, 151, 152. BGH v. 23.1.1970 – 2 StR 604/69, bei Dallinger MDR 1970, 380, 381 f.; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 311. BGH v. 8.4.1998 – 1 StR 128/98, wistra 1998, 262 zu einem Versicherungsbetrug; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 311. BGH v. 11.9.1984 – 1 StR 408/84, NStZ 1985, 70 im Unterschied zur betrügerischen Insertionsofferte in BGH v. 26.4.2001 – 4 StR 439/00, BGHSt 47, 1, 2; ferner Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 869; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 337; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 311. BGH v. 30.3.2004 – 4 StR 529/03, wistra 2004, 417 f. BGH v. 8.4.1998 – 1 StR 128/98, wistra 1998, 262; BGH v. 30.3.2004 – 4 StR 529/03, wistra 2004, 417; BGH v. 26.4.2001 – 4 StR 439/00, BGHSt 47, 177, 182; BGH v. 6.12.2006 – 1 StR 556/06, wistra 2007, 100, 101, 102; BGH NStZ 2008, 352 f.; BGH v. 29.4.2008 – 4 StR 125/08, StraFo 2008, 299; BGH v. 6.10.2009 – 3 StR 373/09, StV 2010, 364; BGH v. 18.10.2011 – 4 StR 346/11, HRRS 2011 Nr. 1206 Rz. 3; Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 180a; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 311; Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 869.

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Saliger

Rz. 297 § 263 StGB

gefasst, wenn sie auf einem Auftrag1 bzw. einer Anweisung beruhen.2 Ebenso liegt nur eine einheitliche Beihilfe vor, soweit der Tatbeteiligte durch dieselben Hilfeleistungen Beihilfe zu mehreren Haupttaten geleistet hat,3 nicht aber bei selbständigen Beihilfehandlungen zu jedem einzelnen Betrugsfall.4 Grundsätzlich ist die gleichartige Tateinheit im Tenor kenntlich zu machen, es sei denn, er würde dadurch unübersichtlich und schwer verständlich.5 Nach der auch für den Betrug geltenden6 Aufgabe der Rechtsfigur des Fortsetzungszusammenhangs durch den 296 Großen Senat des BGH in 19947 ergeben sich Besonderheiten für die konkurrenzrechtliche Behandlung von Serienbetrügereien, die, sofern nicht die Annahme einer „natürlichen“ oder rechtlichen Handlungseinheit in Betracht kommt, nach Maßgabe einer (moderaten)8 Gesamtstrafenbildung (also Realkonkurrenz) zu würdigen sind.9 Zur Lösung der Probleme auch der tatsächlichen Aufklärung behilft sich die Rspr. damit, dass – abgesehen von den eigenhändig verwirklichten oder mitverwirklichten Einzeldelikten – „Tatbeiträge eines Mittäters, mittelbaren Täters oder Gehilfen zum Aufbau, zur Aufrechterhaltung und zum Ablauf eines auf Straftaten ausgerichteten Geschäftsbetriebs unter Heranziehung des Zweifelsatzes rechtlich weitgehend zu einem – uneigentlichen – Organisationsdelikt zusammenfasst, durch welches mehrere Einzelhandlungen oder mehrere natürliche Handlungseinheiten rechtlich verbunden und hiermit die aus der Unternehmensstruktur heraus begangenen Straftaten in der Person dieser Tatbeteiligten zu einer einheitlichen Tat oder gegebenenfalls zu wenigen einheitlichen Taten i.S.d. § 52 Abs. 1 StGB zusammengeführt werden.“10 Zwar betont der BGH, dass allein die organisatorische Einbindung des Täters in ein betrügerisches Gesamtunternehmen Einzeldelikte der Tatserie nicht rechtlich zu einer Tat zusammenzufassen vermag.11 Gleichwohl sollen ihm alle oder je mehrere Einzeldelikte seiner Tatgenossen in seiner Person als eine Tat zugerechnet werden, wenn er im Vorfeld oder während einer Tatserie Tatbeiträge erbringt, durch die jene Tatbeiträge gleichzeitig gefördert worden sind.12 Ob die Mittäter die ihnen zurechenbaren Taten ggf. tatmehrheitlich begangen haben, ist unerheblich.13 Tatmehrheit liegt dagegen vor, wenn der Tatbeteiligte (Täter oder Teilnehmer) hinsichtlich aller oder einzelner Serientaten sämtliche Tatbestandsmerkmale in eigener Person verwirklicht oder für alle oder einige Einzeltaten zumindest einen individuellen, nur diese fördernden Tatbeitrag erbringt.14 Auf Basis dieser, an den nicht unproblematischen Grundsatz der Organisationsherrschaft (dazu Rz. 268) an- 297 knüpfenden Figur des Organisationsdelikts15 hat die Judikatur nur einen Betrug bejaht:16 für die unternehmerische Leitung eines Geschäftsbetriebs, der zu einer Vielzahl von Betrugsfällen führt;17 für die (mittelbaren) Täter, die eine Gesellschaft zum Vertrieb minderwertiger Kapitalanlagen durch gutgläubige Handelsvertreter gegründet, organisiert und diese geschult haben (auch Rz. 268);18 für den faktischen Geschäftsführer hinsichtlich seiner Auf-

1 BGH wistra 1993, 336; 1996, 230. 2 BGH v. 22.11.1995 – 11 VR 42/95, NStZ 1996, 610, 611; ferner Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 180a; Tiedemann in LKStGB, § 263 Rz. 311; Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 869. 3 BGH v. 30.3.2004 – 4 StR 529/03, wistra 2004, 417; BGH v. 6.12.2006 – 1 StR 556/06, wistra 2007, 100; Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 869. 4 BGH v. 13.9.2007 – 5 StR 65/07, wistra 2007, 461. 5 BGH v. 22.11.1995 – 11 VR 42/95, NStZ 1996, 610, 611; BGH v. 17.6.2004 – 3 StR 344/03, BGHSt 49, 177, 185. 6 BGH v. 17.6.2004 – 3 StR 344/03, BGHSt 49, 177, 184; Lackner/Kühl, StGB, § 263 Rz. 67. 7 BGH v. 3.5.1994 – GSSt 2/93; GSSt 3/93, BGHSt 40, 138. 8 Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 870. 9 Vgl. BGH v. 17.6.2004 – 3 StR 344/03, BGHSt 49, 177, 182 ff.; ferner Saliger in M/R-StGB, § 263 Rz. 334 f.; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 311; Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 870; Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 407; zum Problem Rissing-van Saan, FS Tiedemann, 2008, 391. 10 BGH v. 17.6.2004 – 3 StR 344/03, BGHSt 49, 177, 184; auch BGH v. 26.8.2003 – 5 StR 145/03, BGHSt 48, 331, 341 ff.; BGH v. 9.1.2008 – 5 StR 572/07, wistra 2008, 181, 182; BGH v. 29.4.2008 – 4 StR 125/08, StraFo 2008, 299; Gaede in AnwK-StGB, § 263 Rz. 196. Krit. Fischer, StGB, § 263 Rz. 204; Rissing-van Saan FS Tiedemann, 2008, 391, 404; einschränkend BGH v. 29.7.2009 – 2 StR 160/09, NStZ 2010, 103, 104. 11 BGH v. 17.6.2004 – 3 StR 344/03, BGHSt 49, 177, 183; BGH v. 29.4.2008 – 4 StR 125/08, StraFo 2008, 299; BGH v. 6.10.2009 – 3 StR 393/09, StV 2010, 364; BGH JZ 2010, 420, 422; Fischer, StGB, § 263 Rz. 234. 12 BGH v. 17.6.2004 – 3 StR 344/03, BGHSt 49, 177, 183; auch BGH v. 6.12.2006 – 1 StR 556/06, wistra 2007, 100; 100, 102; BGH v. 9.1.2008 – 5 StR 572/07, wistra 2008, 181, 182; BGH v. 29.4.2008 – 4 StR 125/08, StraFo 2008, 299; BGH v. 6.10.2009 – 3 StR 393/09, BGH v. 6.10.2010 – 3 StR 373/09, StV 2010, 364. 13 BGH v. 17.6.2004 – 3 StR 344/03, BGHSt 49, 177, 183; BGH v. 6.12.2006 – 1 StR 556/06, wistra 2007, 100, 102; BGH v. 9.1.2008 – 5 StR 572/07, wistra 2008, 181, 182. 14 BGH v. 17.6.2004 – 3 StR 344/03, BGHSt 49, 177, 182 f.; BGH v. 29.7.2009 – 2 StR 91/09, wistra 2009, 466, 467; BGH v. 18.10.2011 – 4 StR 346/11, HRRS 2011 Nr. 1206 Rz. 3. 15 Exemplarisch BGH v. 26.8.2003 – 5 StR 145/03, BGHSt 48, 331, 341 ff.; BGH v. 29.7.2009 – 2 StR 160/09, NStZ 2010, 103, 104. 16 Vgl. Saliger in M/R-StGB, § 263 Rz. 335; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 335; krit. Analyse bei Rissing-van Saan FS Tiedemann, 2008, 391 ff., 404. 17 BGH v. 11.12.1997 – 4 StR 323/97, wistra 1998, 148, 150; BGH v. 18.3.1998 – 3 StR 545/97, 224, 225; Tiedemann in LKStGB, § 263 Rz. 311. 18 BGH v. 26.8.2003 – 5 StR 145/03, BGHSt 48, 331, 341 ff.; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 335.

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StGB

Betrug

StGB

§ 263 StGB Rz. 298

Strafgesetzbuch

gabe der Überwachung von Finanzangelegenheiten1 sowie allgemein der Leitung und Organisation der betrügerischen Gesellschaft;2 einschränkend für den Geschäftsleiter eines Unternehmens, sofern er die betrügerischen Verträge nicht selbst abgeschlossen und auch die für ihn handelnden Mitarbeiter nicht jew. direkt angewiesen hat (andernfalls Tatmehrheit);3 für einen Rechtsanwalt, der gemeinsam mit dem Geschäftsführer die Funktionsfähigkeit einer betrügerischen, nach ihrem Werbekonzept entscheidend auf die Einbindung eines anwaltlichen Treuhänders aufgebaute Kapitalanlagefirma gewährleistete;4 für einen Mittäter, der nicht nur in der Phase der Gründung des betrügerischen Unternehmens, sondern später auch durch regelmäßige Kurierfahrten entscheidende Tatbeträge zur Aufrechterhaltung der Organisation erbracht hat;5 für einen Mittäter, der bei Baubetrügereien für die Entgegennahme der Gelder und die Fortführung der Bauarbeiten entsprechend dem Gesamtplan sorgte;6 für eine Mittäterin in Bezug auf die Verschaffung von EC-Karten für Betrügereien;7 für einen Mittäter, der den Kauf des betrügerischen „Firmenmantels“ finanziert und Tatgenossen angeworben hat.8 Bei betrügerischen Deliktserien soll dem Tatrichter erlaubt sein, die konkreten Sachverhalte nicht mitzuteilen, sondern in einer Liste zusammenzufassen, in der die jew. Betrugstaten nach Tatzeit, Tatort, Geschädigten und Betrugsschaden individualisiert werden. Auch dann müssen die Urteilsgründe aber erkennen lassen, welche der festgestellten Tatsachen den einzelnen objektiven und subjektiven Tatbestandsmerkmalen zuzuordnen sind und sie ausfüllen können.9 Mit Recht betont der BGH, dass § 263 nicht als Organisationsdelikt, sondern individuelles Vermögensdelikt konzipiert ist mit der Konsequenz, dass seine tatbestandlichen Voraussetzungen hinsichtlich jedes schädigenden Einzelaktes konkret festgestellt werden müssen.10 Zur Anklage bei Serienbetrügereien s. BGH v. 19.2.2008 – 1 StR 596/07, NStZ 2008, 351 m. krit. Anm. Krehl, NStZ 2008, 525. 2. Gesetzeskonkurrenz a) Zu Delikten des StGB 298

Gesetzeskonkurrenz besteht bzw. wird angenommen u.a. zwischen Betrug und § 148 Abs. 2, der als besonderes Strafgesetz vorgeht, soweit der Täter lediglich Postgebühren sparen will;11 § 246, der seit dem 6. StrRG formell subsidiär ist, was nunmehr auch für die Fälle gleichzeitiger Zueignung durch ein Vermögensdelikt gilt (str.);12 Tateinheit ist aber möglich bei Verschiedenheit der geschädigten Personen, wenn in der Täuschung des einen zugleich eine Zueignungshandlung zum Nachteil eines anderen liegt (str.;13 zu § 246 als Nachtat Rz. 301); zu § 263a s. § 263 StGB Rz. 21; § 264, der spezieller ist, aber keine Sperrwirkung hat,14 wenn seine Voraussetzungen nicht vorliegen (§ 264 StGB Rz. 2, 43);15 nach der Rspr. § 264a, der als selbständiger Vorfeldtatbestand zum Betrug i.d.R. hinter diesen zurücktritt (Subsidiarität), falls dessen Voraussetzungen zugleich erfüllt sind (zwh. und sehr str.; richtigerweise Tateinheit, s. § 264a StGB Rz. 22 m.w.N.);16 § 265 (dazu auch Rz. 290 und § 265 StGB Rz. 16) und §§ 265a (formelle Subsidiarität);17 nach der h.M. § 265b, der sowohl gegenüber § 263 als auch § 263, 22 subsidiär sein soll, wohingegen richtigerweise Tateinheit anzunehmen ist (str.; s. § 265b StGB Rz. 19 m.w.N.);18 § 266a, der in Absatz 1 und Absatz 2 seit der Gesetzesnovelle zum 1.8.2004 lex specialis ist (auch Rz. 53 und § 266a StGB

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BGH v. 9.1.2008 – 5 StR 572/07, wistra 2008, 181, 182. BGH v. 18.10.2007 – 4 StR 481/07, NStZ 2008, 352, 353. BGH v. 12.1.1999 – 4 StR 666/98, wistra 1999, 179; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 311. BGH v. 28.5.2003 – 2 StR 74/03, wistra 2003, 342 f. BGH v. 17.6.2004 – 3 StR 344/03, BGHSt 49, 177, 182. BGH v. 18.8.2004 – 2 StR 456/03, BeckRS 2004, 8818. BGH v. 6.12.2006 – 1 StR 556/06, wistra 2007, 100, 102. BGH v. 29.4.2008 – 4 StR 125/08, StraFo 2008, 299; vgl. auch BGH v. 6.10.2009 – 3 StR 393/09, StV 2010, 364. BGH v. 18.10.2007 – 4 StR 481/07, NStZ 2008, 352. BGH v. 29.7.2009 – 2 StR 160/09, NStZ 2010, 103, 104. OLG Koblenz v. 2.2.1983 – 1 Ws 834/82, JR 1984, 163, 164 m.krit. Anm. Lampe; auch Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 312; Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 408. Wie hier: Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 875; Lackner/Kühl, StGB, § 246 Rz. 7; auch Fischer, StGB, § 246 Rz. 23; Rengier, BT/1 § 5 Rz. 29. A.A. – tatbestandliche Exklusivität – vgl. BGH v. 7.12.1959 – GSSt 1/59, BGHSt 14, 38, 46 f.; Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 409; Hoyer in SK-StGB, § 263 Rz. 296. BGH v. 17.3.1964 – 1 StR 60/64, GA 1965, 207; Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 875. A.A. und für Subsidiaritätsklausel Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 313. Allgemein dazu Küpper, GS Meurer, 2002, 127 f., 135. BGH v. 11.11.1998 – 3 StR 101/98, BGHSt 44, 233, 243; auch BGH v. 14.12.1983 – 3 StR 452/83, BGHSt 32, 203, 206; Fischer, StGB, § 263 Rz. 236; Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 410; Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 876; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 314. BGH wistra 2001, 57, 58; zust. Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 342; Lackner/Kühl, StGB, § 264a Rz. 17 i.V.m. § 265b Rz. 10; auch Fischer, StGB, § 264a Rz. 3, 24. A.A. – Tateinheit – die wohl überwiegende Lehre: Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 183; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 314; Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 410; Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 876. Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 410; Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 876. Wie hier: Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 314; Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 183; Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 410. A.A. BGH v. 21.2.1989 – 4 StR 643/88, BGHSt 36, 130 ff.; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 342; Fischer, StGB, § 265b Rz. 3, 41.

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Saliger

Rz. 300 § 263 StGB

Rz. 40 m.w.N.);1 § 266b, der abschließende lex specialis ist2 (vgl. Rz. 61 und § 266b StGB Rz. 25); zur Konkurrenz bei täuschungsbedingter Erlangung der EC-Karte Rz. 302); §§ 352, 353, die spezialgesetzliche Privilegierungen ohne Sperrwirkung sein sollen (str.); auch ist Tateinheit möglich, wenn neben die Täuschung über die Gebührenoder Abgabenerhebung eine zusätzliche Täuschung hinzutritt, die sich auf andere Umstände als die Voraussetzungen der Gebühren, Abgaben usw bezieht.3 b) Zu Delikten des Nebenstrafrechts § 370 AO verdrängt als abschließende Sonderregelung § 263 („Steuerbetrug“) und lässt Tateinheit nur inso- 299 weit zu, als der Täter außer der Verkürzung von Steuern oder der Erlangung ungerechtfertigter Steuervorteile noch weitere Vorteile (z.B. Sozialleistungen) erstrebt.4 Spezialität gilt auch, wenn der gesamte Steuervorgang zum Zwecke der Täuschung erfunden worden ist,5 oder gar die Existenz des Unternehmens selbst vorgetäuscht wird.6 Soweit § 370 AO auf die Verkürzung von Kirchensteuern nicht angewendet werden kann, weil die Landesgesetzgeber die Straf- und Bußgeldvorschriften der AO nicht für anwendbar erklärt haben, kommt eine Strafbarkeit wegen Betruges in Betracht (str.).7 Weder § 370 AO noch § 263 greifen bei der täuschungsbedingten Abwendung von Verspätungs- und Säumniszuschlägen sowie Zwangsgeldern.8 § 35 DepotG ist formell subsidiär.9 § 58 Abs. 1 Nr. 1 BAföG verdrängt § 263 nach h.M. nicht (dazu bereits Rz. 221 m.w.N.). c) Mitbestrafte Tat aa) Sicherungsbetrug Ein selbständig strafbarer Betrug, der den durch vorangegangene Vermögensdelikte (z.B. Diebstahl, Unter- 300 schlagung, Erpressung, Untreue, Betrug) eingetretenen Erfolg oder die dadurch erlangte Position lediglich sichert, ausnutzt oder verwertet, ist nach h.M. als mitbestrafte Nachtat in Gestalt eines sog. Verwertungs- oder Sicherungsbetrugs straflos (str.).10 Voraussetzung dafür ist, dass die Geschädigten der beiden Straftaten identisch sind, die Nachtat kein neues Rechtsgut verletzt und der Schaden qualitativ nicht über das durch die Haupttat verursachte Maß erweitert oder vertieft wird.11 Bei einem Vermögensnachteil in Gestalt einer schadensbegründenden Vermögensgefahr kommt eine mitbestrafte Nachtat auch dann in Betracht, wenn durch die spätere Entwicklung der Schaden lediglich vertieft wird.12 Stets muss der spätere Sicherungsbetrug aber selbst „an sich strafbar“ sein, insbesondere alle Betrugsmerkmale erfüllen,13 weshalb z.B. beim Diebstahl im Selbst-

1 BT-Drucks. 15/2573, 28 f.; BGH v. 24.4.2007 – 1 StR 639/06, NStZ 2007, 527; BGH v. 20.12.2007 – 5 StR 482/07, wistra 2008, 180, 181; Fischer, StGB, § 263 Rz. 236; Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 410; Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 876; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 342. 2 BGH v. 18.11.1986 – 4 StR 583/86, NStZ 1987, 120; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 315; Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 876; Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 410. 3 BGH v. 6.11.1951 – 2 StR 178/51, BGHSt 2, 35, 36 f.; BGH 6.9.2006 – 5 StR 64/06, NJW 2006, 3219, 3221; BGH v. 9.6.2009 – 5 StR 394/08, NStZ 2009, 506 f. m. insoweit abl. Anm. Gössel JR 2010, 175 ff., 176 f.; Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 182; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 318; Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 873; Fischer, StGB, § 263 Rz. 235. A.A. – Tateinheit – z.B. NK-StGB/Kuhlen, § 352 Rz. 29 und § 353 Rz. 20. 4 BGH v. 1.2.1989 – 3 StR 179/88, BGHSt 36, 100, 101; BGH v. 3.11.1989 – 3 StR 245/89, wistra 1990, 58; BGH v. 6.6.2007 – 5 StR 127/07, BGHSt 51, 356, 363 m. Anm. A. Schmitz NJW 2007, 2867; ferner Fischer, StGB, § 263 Rz. 237; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 319 ff.; Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 411; Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 878. 5 BGH v. 1.2.1989 – 3 StR 179/88, BGHSt 36, 100, 102 ff.; BGH v. 15.1.1986 – 2 StR 567/85, wistra 1986, 172 und BGH v. 14.1.1987 – 3 StR 473/86, wistra 1987, 177 – m. krit. Anm. Kratzsch JR 1990, 249; ferner BGH v. 3.11.1989 – 3 StR 245/89, wistra 1990, 58; Fischer, StGB, § 263 Rz. 237; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 319 f.; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 343. 6 BGH v. 23.3.1994 – 5 StR 91/94, BGHSt 40, 109, 110 ff.; Kratzsch JR 1990, 251; Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 411; Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 878. 7 BGH v. 17.4.2008 – 5 StR 547/07, NStZ 2009, 157, 159 m. zust. Anm. Schützeberg wistra 2009, 31; Tiedemann in LKStGB, § 263 Rz. 322; Fischer, StGB, § 263 Rz. 327; Rönnau wistra 1995, 50. A.A. z.B. Franzen/Gast/Joecks/Randt Steuerstrafrecht, § 386 Rz. 21a. 8 BGH v. 9.12.1997 – 5 StR 569/96, BGHSt 43, 381, 400 ff.; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 320. 9 Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 323; Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 182. 10 BGH v. 18.7.2007 – 2 StR 69/07, NStZ 2008, 396; BGH v. 27.8.2008 – 2 StR 329/08, NStZ 2009, 38; BGH v. 19.6.1957 – 4 StR 235/57, GA 1957, 409, 410; Lackner/Kühl, StGB, § 263 Rz. 69; Fischer, StGB, § 263 Rz. 233; Tiedemann in LKStGB, § 263 Rz. 325; Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 184 f.; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 344; Rengier, BT/1 § 13 Rz. 270 f. A.A. Otto, BT § 51 Rz. 152; Wessels/Hillenkamp, BT/2 Rz. 596; Sickor GA 2007, 598. 11 BGH v. 18.7.2007 – 2 StR 69/07, NStZ 2008, 396; BGH v. 27.8.2008 – 2 StR 329/08, NStZ 2009, 38; BGH v. 19.6.1957 – 4 StR 235/57, GA 1957, 409 (410); ferner LK/Rissing-van-Saan vor § 52 Rz. 153. 12 BGH v. 16.8.2016 – 4 StR 163/16, BeckRS 2016, 16636, Rz. 43. 13 BGH v. 18.7.2007 – 2 StR 69/07, NStZ 2008, 396; verneint in BGH v. 19.6.1957 – 4 StR 235/57, GA 1957, 409, 410; vgl. auch BGH v. 18.11.2008 – 4 StR 485/08NStZ 2009, 329 f.; ferner Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 325; Satzger in S/S/ W-StGB, § 263 Rz. 344.

Saliger

539

StGB

Betrug

StGB

§ 263 StGB Rz. 301

Strafgesetzbuch

bedienungsladen regelmäßig Betrug an der Kasse ausscheidet (vgl. Rz. 115, str.).1 Ist die Vortat verjährt oder sonst straffrei, lebt die Strafbarkeit der mitbestraften Nachtat wieder auf.2 Die Figur des Sicherungsbetrugs ermöglicht die Strafbarkeit der Teilnahme am Sicherungsbetrug und die Einstufung dieser Teilnahme als Vortat für Anschlussdelikte.3 301

Sicherungsbetrug ist von der Rspr. u.a. angenommen bzw. in Betracht gezogen worden bei Einlösung eines unterschlagenen Schecks auch dann, wenn die Bank über die Berechtigung des Einreichers getäuscht wird, es sei denn, die gutschreibende Bank erleidet infolge grober Fahrlässigkeit selbst einen Vermögensschaden;4 bei der Veräußerung einer unterschlagenen Sache an einen gutgläubigen Dritten;5 bei Unterschlagung von Teilen eines Verkaufserlöses hinsichtlich der Vorspiegelung der Vereinnahmung eines geringeren Kaufgeldes;6 allgemein beim Vereiteln von Rückgewähr- oder Schadensersatzansprüchen etwa durch Betrügereien, welche die durch Untreue zugeflossenen Vorteile sichern und durch Manipulationen verdecken7 oder die Rückforderung der durch Betrug erlangten Provision verhindern oder hinauszögern;8 für die abgesprochene Zuleitung von fiktiven Heilmittelverordnungen durch einen Vertragsarzt an die bei den KK abrechnenden Physiotheraopeuten;9 in Bezug auf die unbefugte Stromentnahme nach § 248c, wenn die Täuschungshandlung nur der Verdeckung und Sicherung der Stromentwendung dient;10 für betrügerische Handlungen im Arrestverfahren zur Vereitelung von Rückzahlungsansprüchen.11 Verneint hat die Judikatur einen Sicherungsbetrug als mitbestrafte Nachtat (und damit Realkonkurrenz bejaht) beim täuschungsbedingten Verkauf einer gestohlenen Sache an gutgläubige Dritte;12 bei der Verwertung gestohlener Scheckvordrucke durch Abhebung ungekündigten Sparkapitals;13 beim Einkauf mit gestohlener Mastercard;14 beim Verkauf eines durch Hehlerei erlangten Gegenstandes;15 bei der Untreue, wenn der Täter erst durch den nachfolgenden Betrug eigene Vermögensvorteile erstrebt;16 beim Anstellungsbetrug, wenn der Täter später durch eine weitere Täuschung seine Bezüge erhöht.17 Realkonkurrenz wird auch angenommen beim täuschungsbedingten Rückverkauf einer gestohlenen Sache an den Eigentümer.18 bb) Andere Vermögensdelikte als mitbestrafte Tat

302

Auch in Bezug auf einen Betrug als Vortat kommen andere Vermögensdelikte als mitbestrafte Nachtaten in Betracht, wenn sie denselben Vermögenswert desselben Verletzten schädigen und damit dem schon durch den Betrug eingetretenen Nachteil keinen neuen Schaden hinzufügen.19 Voraussetzung ist wiederum, dass die Nachtat „an sich strafbar“ ist, also insbesondere alle Tatbestandsmerkmale verwirklicht.20 Eine mitbestrafte Nachtat zum Betrug hat die Rspr. angenommen bzw. in Betracht gezogen für die Untreue, sofern sie ohne Zufügung eines neuen Nachteils den zuvor begangenen Betrug lediglich weiterführt, es sei denn, der Täter schädigt das Vermögen verschiedener Personen;21 für die mittels Erpressung erfolgte Verteidigung eines betrügerisch erlangten 1 Wie hier: BGHSt 17, 205, 208 f.; Wessels/Hillenkamp, BT/2 Rz. 596; Rengier, BT/1 § 13 Rz. 272 f. A.A. – mitbestrafte Nachtat – z.B. Maurach/Schroeder/Maiwald, BT/1 § 41 Rz. 157. 2 BGH v. 27.10.1992 – 5 StR 517/92, BGHSt 38, 366, 368 f.; BGH v. 26.5.1993 – 5 StR 190/93, BGHSt 39, 233, 235; BGH v. 13.11.2008 – 5 StR 344/08, NStZ 2009, 203; krit. Sickor, GA 2007, 592 ff., 598. 3 Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 871; Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 413; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 325. 4 BayObLG v. 21.1.1999 – 1 St RR 265–98, NJW 1999, 1648, 1649; Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 871; Fischer, StGB, § 263 Rz. 233. 5 Vgl. RGSt 49, 16, 18 f.; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 326; Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 413. 6 RG v. 14.11.1893 – 2550/93, RGSt 24, 408, 409 f. 7 Vgl. BGH v. 3.6.1992 – 3 StR 418/91, wistra 1992, 342, 343; auch Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 871. 8 Vgl. BGH v. 19.6.1957 – 4 StR 235/57, GA 1957, 409, 410. 9 BGH v. 16.8.2016 – 4 StR 163/16, BeckRS 2016, 16636, Rz. 42 ff. 10 BGH v. 2.7.1958 – 2 StR 258/58, GA 1958, 369, 370. 11 BGH v. 22.3.2011 – 5 StR 46/11, FD-StrafR 2011, 316986 m. Anm. K. Schröder. 12 RGSt 51, 4, 8; Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 413; Maurach/Schroeder/Maiwald, BT/1 § 41 Rz. 157. 13 BGH v. 3.11.1981 – 5 StR 435/81, bei Holtz, MDR 1982, 280. 14 BGH v. 18.7.2007 – 2 StR 69/07, StraFo 2007, 423, 424. 15 BGH v. 27.8.2008 – 2 StR 329/08, NStZ 2009, 38 f.; Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 184. 16 BGH v. 11.1.1955 – 5 StR 371/54, NJW 1955, 508, 509; vgl. auch BGH v. 3.6.1992 – 3 StR 418/91, wistra 1992, 342, 343. 17 OLG Celle v. 3.8.1972 – 1 Ss 210/72, MDR 1973, 242; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 327; Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 413. 18 Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 327; Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 413; Fischer, StGB, § 263 Rz. 233; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 346. 19 Vgl. BGH v. 22.4.1954 – 4 StR 807/53, BGHSt 6, 67, 68; BGH v. 11.1.1955 – 5 StR 371/54, NJW 1955, 508, 509; BGH v. 13.7.1995 – 1 StR 309/95, NStZ-RR 1996, 131, 132; BGH v. 18.7.2007 – 2 StR 69/07, NStZ 2008, 396, 397; ferner Fischer, StGB, § 263 Rz. 233; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 347; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 328; Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 872. 20 Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 328. 21 BGH v. 22.4.1954 – 4 StR 807/53, BGHSt 6, 67, 68; BGH v. 11.1.1955 – 5 STR 371/54, NJW 1955, 508, 509; BGH v. 8.5.1984 – 1 StR 835/83, wistra 1984, 225, 226; Fischer, StGB, § 263 Rz. 233; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 328; Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 872.

540

Saliger

Rz. 304 § 263 StGB

Vorteils;1 für § 263a, wenn der Täter mit einer erschwindelten EC-Karte Geld abhebt.2 Im Verhältnis zu § 246 als Nachtat gilt: Erlangt der Betrüger Eigentum an der Sache, so scheidet § 246 mangels Tatobjekt schon tatbestandlich aus.3 Erlangt der Betrüger nur Besitz an der Sache mit Zueignungsabsicht, so scheidet vor allem nach der Rspr. mangels Wiederholbarkeit der Zueignung § 246 ebenfalls schon tatbestandlich aus (str.).4 Beim Besitzbetrug ohne Zueignungsabsicht hingegen besteht hinsichtlich der späteren Unterschlagung Tatmehrheit.5 Dasselbe wird für einen Beamten bejaht, der Sozialrentnern gegen Vollquittung zu wenig ausgezahlt, seiner Behörde die unrichtigen Quittung zur Verdeckung vorgelegt und die zurückbehaltenen Teilbeträge für sich verwendet hatte.6 3. Tateinheit a) Zu Delikten des StGB Tateinheit ist bei zumindest teilweiser Deckung der tatbestandsmäßigen Handlungen7 möglich u.a. mit folgen- 303 den Delikten des StGB, die nicht dem Vermögensschutz dienen: §§ 98, 99;8 § 132;9 § 132a;10 145d Abs. 1 Nr. 1;11 § 146 Abs. 1 Nr. 3;12 § 147;13 § 148 Abs. 114 (zu § 148 Abs. 2 aber Rz. 298); §§ 152a, 152b;15 §§ 153 ff. (str.),16 auch § 156;17 § 164;18 §§ 267–269 (str.),19 auch § 27120 und § 27721 (vgl. aber Rz. 306); § 315;22 §§ 331 ff., sofern die Vorteilsnahme unter der vorgespiegelten Bereitschaft erfolgt, die Diensthandlung vornehmen zu wollen.23 Werden durch die Diensthandlung Betrügereien begangen, so besteht allerdings Tatmehrheit, weil die Vornahme der Diensthandlung selbst nicht zum Tatbestand der Bestechlichkeit gehört.24 Im Verhältnis zu den Eigentums- und Vermögensdelikten gilt, sofern nicht bereits Gesetzeskonkurrenz vor- 304 liegt (Rz. 298, 300 f.), Folgendes: Die Vermögensverfügung bei § 263 und die Wegnahme bei § 242 schließen sich in Bezug auf dieselbe Sache eines Rechtsgutsträgers nach zutreffender überwiegender Auffassung bereits tatbestandsmäßig aus (Exklusivitätsthese).25 Das gilt nach zutreffender h.M. auch für den Dreieckssachbet-

1 BGH v. 10.10.1983 – 4 StR 405/83, JR 1984, 387, 388; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 328; Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 414; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 347. 2 BGHR § 263 Abs. 1 Konkurrenzen Nr. 6; vgl. auch BGH v. 18.7.2007 – 2 StR 69/07, NStZ 2008, 396 f.; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 328. 3 Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 185. 4 BGH v. 7.12.1959 – GSSt 1/59, BGHSt 14, 38, 41 ff.; BGH v. 13.7.1995 – 1 StR 309/95, NStZ-RR 1996, 131, 132; Lackner/Kühl, StGB, § 246 Rz. 7. A.A. etwa Eser/Bosch in S/S-StGB, § 246 Rz. 19. 5 OLG Braunschweig v. 29.1.1954 – Ss 255/53, GA 1954, 315 f.; BGH v. 17.10.1961 – 1 StR 382/61, BGHSt 16, 280 ff.; Fischer, StGB, § 263 Rz. 233; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 328. 6 Vgl. RG v. 22.11.1926 – II 937/26, RGSt 61, 37, 38 ff.; für Realkonkurrenz Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 328. 7 BGH v. 25.11.1997 – 5 StR 526/96, BGHSt 43, 317, 319; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 312. 8 BGH v. 21.6.1956 – 2 StE 7/56, GA 1962, 23; BayObLG v. 2.7.1957 – ObJs 136/56, GA 1962, 24. 9 Vgl. BGH v. 19.8.1958 – 5 StR 338/58, BGHSt 12, 30, 31. 10 BGH v. 21.1.1992 – 1 StR 782/91; Fischer, StGB, § 263 Rz. 235. 11 BGH v. 12.9.1984 – 3 StR 341/84, wistra 1985, 19. 12 Vgl. BGH v. 19.9.1952 – 2 StR 267/52, BGHSt 3, 154, 156; BGH v. 10.5.1983 – 1 StR 98/83, BGHSt 31, 380, 381; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 312; Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 312; Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 874; Fischer, StGB, § 146 Rz. 33. A.A. SK/Rudolphi/Stein, § 146 Rz. 19. 13 BGH v. 10.5.1983 – 1 StR 98/83, BGHSt 31, 380, 381; OLG Düsseldorf JMBl NRW 1986, 93, 94; Tiedemann in LKStGB, § 263 Rz. 312; Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 312; Fischer, StGB, § 147 Rz. 7. A.A. SK/Rudolphi/Stein § 146 Rz. 19. 14 BGH v. 10.5.1983 – 1 StR 98/83, BGHSt 31, 380, 381 f.; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 312; Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 408; Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 874. A.A. SK/Rudolphi/Stein, § 148 Rz. 12. 15 BGH v. 21.9.2000 – 4 StR 284/00, NStZ 2001, 140, 142; BGH v. 26.1.2005 – 2 StR 516/04, NStZ 2005, 329; BGH v. 1.3.2012 – 3 StR 460/11, BeckRS 2012, 06859, Rz. 2; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 338. 16 BGH v. 25.11.1997 – 5 StR 526/96, BGHSt 43, 317, 320 m. abl. Anm. Momsen NStZ 1999, 306 f.; zust. Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 312; Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 408; Fischer, StGB, § 152 Rz. 18. A.A. Lackner/Kühl, StGB, § 263 Rz. 67; diff. Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 181. 17 BGH v. 8.7.1981 – 3 StR 457/80, NJW 1981, 2131, 2132. 18 RG v. 4.3.1919 – II 31/19, RGSt 53, 206, 207 f. 19 BGH v. 23.10.1951 – 1 StR 399/51, JZ 1952, 89; OLG Braunschweig v. 29.1.1954 – Ss 255/53, GA 1954, 315, 316; BGH v. 2.2.1993 – 1 StR 849/92, NStZ 1993, 283; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 316; Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 408; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 338. A.A. Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 874. 20 BGH v. 3.11.1955 – 3 StR 172/55, BGHSt 8, 289, 292 ff. 21 Fischer, StGB, § 277 Rz. 13. 22 BGH v. 8.8.2006 – 4St RR 135/06, NStZ 2007, 157, 158; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 338. 23 Vgl. BGH v. 25.7.1960 – 2 StR 91/60, BGHSt 15, 88, 99 f. 24 BGH NStE Nr. 49 zu § 52; auch BGH v. 28.10.1986 – 5 StR 244/86, NStZ 1987, 326, 327; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 318; Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 408; Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 874; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 338. 25 Lackner/Kühl, StGB, § 263 Rz. 67; Hoyer in SK-StGB, § 263 Rz. 296; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 339; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 313.

Saliger

541

StGB

Betrug

StGB

§ 263 StGB Rz. 304

Strafgesetzbuch

rug.1 Jedoch kommt ausnahmsweise Tateinheit in Betracht, wenn verschiedene Tatobjekte oder verschiedene Opfer betroffen sind2 oder der Täter während der Tatausführung sein Vorgehen ändert, so dass Versuch des einen und Vollendung des anderen Delikts tateinheitlich zusammentreffen können.3 Zur Möglichkeit von Tateinheit mit dem formell subsidiären § 246 Rz. 298 m.w.N. Mit § 253 ist Tateinheit möglich, wenn Täuschung und Drohung unabhängig voneinander den Willen des Opfers beeinflussen.4 Soll die Täuschung dagegen die Drohung nur wirksamer erscheinen lassen, so lässt die h.M. die Täuschung in der Drohung aufgehen und nimmt tatbestandlich allein Erpressung an (sehr str.).5 Umgekehrt ist nur Betrug gegeben, wenn die Drohung lediglich die Täuschung verstärkt.6 Mit § 259 ist Tateinheit möglich, sofern Hehlereihandlung und Täuschung zusammenfallen.7 Darüber hinaus soll nach der Rspr. ausnahmsweise auch Tateinheit zwischen Teilnahme am Betrug als Vortat und Hehlerei bei engem zeitlich-räumlichen Zusammenhang möglich sein.8 Folgt der Hehlerei allerdings ein Betrug nach, so besteht Tatmehrheit.9 Auch mit § 266 ist nach h.M. Tateinheit denkbar, wenn die pflichtwidrige Nachteilszufügung durch Täuschung – auch eines Dritten – begangen wird (§ 266 StGB Rz. 134)10 oder die Untreue den durch den Betrug eingetretenen Schaden noch vertieft (str.; § 266 StGB Rz. 134; vgl. zur Untreue als mitbestrafter Nachtat Rz. 302).11 Zwischen § 266 und §§ 263, 13 stellen sich keine Konkurrenzprobleme (vgl. Rz. 66 m.w.N.).12 Tateinheit ist nach dem BGH auch möglich mit § 266b (vgl. aber Rz. 298), wenn bereits die Kreditkarte durch Täuschung in Verwendungsabsicht erlangt wurde (sehr str.).13 Mit § 28314 (nicht aber Abs. 1 Nr. 5–7),15 § 28416 und § 287 ist nach h.M. Tateinheit möglich,17 ebenso mit § 291, sofern der Täuschung ein selbständiger Unwert zukommt,18 und § 298 (str.).19 Zu §§ 352, 353 Rz. 298 m.w.N.

1 Hoyer in SK-StGB, § 263 Rz. 296; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 339; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 313. 2 Lackner/Kühl, StGB, § 263 Rz. 67; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 313; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 339. 3 Vgl. OLG Köln v. 14.12.1965 – Ss 388/65, MDR 1966, 253 f.; Lackner/Kühl, StGB, § 263 Rz. 67; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 313; Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 409. 4 BGH v. 15.5.1956 – 2 StR 35/56, BGHSt 9, 245, 247; BGH v. 30.6.1970 – 1 StR 127/70, BGHSt 23, 294, 296; BGH v. 4.9.2001 – 1 StR 167/01, NStZ 2002, 33; Hoyer in SK-StGB, § 263 Rz. 297; Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 875; Günther ZStW 88 (1976), 960, 976. 5 RG v. 17.3.1890 – 403/90, RGSt 20, 326, 329 f.; BGH v. 30.6.1970 – 1 StR 127/70, BGHSt 23, 294, 296; auch BGH v. 12.11.1957 – 5 StR 505/57, BGHSt 11, 66, 67; zust. Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 409; Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 875; Fischer, StGB, § 253 Rz. 25; Wessels/Hillenkamp, BT/2 Rz. 723; vgl. auch Günther ZStW 88 (1976), 960, 975 f. A.A. – Betrug subsidiär – Hoyer in SK-StGB, § 263 Rz. 297; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 338, 342; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 313. 6 BGH v. 22.4.1964 – 2 StR 88/64; Fischer, StGB, § 253 Rz. 25. 7 KG v. 23.3.66 – (I) I Ss 14/66 (6/66), JR 1966, 307 f.; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 313; Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 875; Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 409. 8 RG v. 3.3.1925 – I 934/24, RGSt 59, 128, 131; Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 875; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 313. 9 BGH v. 27.8.2008 – 2 StR 329/08, NStZ 2009, 38, 39; Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 409. 10 BGH v. 17.11.1955 – 3 StR 234/55, BGHSt 8, 254, 259 f.; BGH v. 15.1.1991 – 5 StR 435/90, wistra 1991, 218, 219; BGH v. 3.6.1992 – 3 StR 418/91, wistra 1992, 342, 343; BGH v. 5.3.2008 – 5 StR 36/08NStZ 2008, 340; BGH wistra 2009, 106; Fischer, StGB, § 263 Rz. 235; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 315; Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 876; einschr. Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 410. 11 Vgl. BGH v. 22.4.1954 – 4 StR 807/53, BGHSt 6, 67, 68; BGH v. 20.9.2000 – 3 StR 19/00, NStZ 2001, 195, 196; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 338; LK/Schünemann, § 266 Rz. 167. Für § 53 RG v. 6.7.1933 – III 598/33, RGSt 67, 273; a.A. auch Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 410. 12 Ebenso Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 876. 13 BGH v. 21.11.2001 – 2 StR 260/01, BGHSt 47, 160, 169 f.; vgl. auch BGH 2.2.1993 – 1 StR 849/92, NStZ 1993, 283 f.; BGH v. 13.6.1985 – 4 StR 213/85, BGHSt 33, 244, 246. A.A. – in der Regel Tatmehrheit – Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 876; Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 410; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 315. Für § 266b als mitbestrafte Nachtat Perron in S/S-StGB, § 266b Rz. 14. Für Betrug als mitbestrafte Vortat LK/Gribbohm, § 266b Rz. 55 ff.; Mitsch, JZ 1994, 886. 14 Vgl. RG v. 17.3.1932 – III 841/31, RGSt 66, 175, 180; Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 410; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 338. 15 Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 317. 16 RGSt 61, 12, 15 f. 17 Fischer, StGB, § 263 Rz. 235; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 338; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 317; Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 410. A.A. – Subsidiarität zu § 263 – Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 875. 18 Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 317; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 338; Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 875; Saliger in S/S/W-StGB, § 291 Rz. 21; vgl. auch OLG Stuttgart v. 24.5.1985 – 1 Ss (25) 292/85, NStZ 1985, 503 – m. Anm. Lackner/Werle – zu § 302a a.F. 19 Vgl. BGH v. 24.5.1985 – 1 Ss (25) 292/85, BGHSt 49, 201; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 338; Hefendehl in MüKoStGB, § 263 Rz. 876; Lackner/Kühl, StGB, § 298 Rz. 9; Fischer, StGB, § 298 Rz. 22. A.A. – Spezialität des § 298 – Wolters JuS 1998, 1102; für Subsidiarität Maurach/Schroeder/Maiwald, BT/2 § 68 Rz. 9.

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Saliger

Rz. 306 § 263 StGB

b) Zu Delikten des Nebenstrafrechts Tateinheit kommt u.a. mit folgenden Delikten des Nebenstrafrechts in Betracht, sofern sie andere, insbesondere 305 allein oder überwiegend überindividuelle Schutzzwecke verfolgen: §§ 399, 400, 403 AktG;1 §§ 95, 96 Nr. 3, 5 AMG;2 § 370 AO (dazu Rz. 299 m.w.N.); § 96 AufenthG;3 § 58 Abs. 1 Nr. 1 BAföG; §§ 29 ff. BtMG;4 § 49 BörsG;5 § 98 BVFG;6 § 34 DepotG (zu § 35 DepotG Rz. 299);7 § 25 GebrMG;8 §§ 147 ff. GenG;9 §§ 51, 65 GeschmMG;10 §§ 148, 148a GewO;11 § 82 Abs. 1, 2 Nr. 1 GmbHG mit Beihilfe zum Betrug sowie § 82 Abs. 2 Nr. 2 GmbHG;12 § 10 HalblSchG;13 § 14 HWG;14 § 5 HeilPrG;15 §§ 331, 332 HGB;16 § 54 KWG;17 § 22a Abs. 1 Nr. 2, 7 KrWaffG;18 §§ 58, 59 LFGB;19 §§ 143 ff. MarkenG;20 § 142 PatG;21 § 39 SortSchG;22 §§ 106–108a UrhG;23 § 16 UWG;24 §§ 51, 52 WaffG;25 §§ 48, 49 WeinG;26 § 38 WpHG.27 4. Tatmehrheit Tatmehrheit kommt zunächst in Betracht bei jenen Serienbetrügereien, die sich nicht nach den Regeln des Orga- 306 nisationsdelikts zu einer Tat zusammenfassen lassen (Rz. 296 f. m.w.N.),28 sowie in den Fällen, wo ein Sicherungsbetrug ausscheidet, weil die Geschädigten beider Straftaten nicht identisch sind, der nachfolgende Betrug ein neues Rechtsgut verletzt oder den bereits durch die Vortat eingetretenen Schaden erweitert oder vertieft (Rz. 300 f. m.w.N.). Tatmehrheit ist ferner anzunehmen mit § 246, wenn der Täter sich den Besitz der Sache ohne Zueignungsabsicht erschlichen hat und sie später an einen Dritten verkauft (dazu bereits Rz. 302 m.w.N.); § 259, wenn der Hehlerei ein Betrug folgt (dazu Rz. 304 m.w.N.); mit den §§ 274 bis § 276 und § 278, da die von ihnen erfassten Manipulationen bzw. Tathandlungen i.d.R. zeitlich vor der Täuschungshandlung liegen;29 § 306b, wenn die Brandstiftung den Betrug ermöglicht bzw. zum Zwecke eines nachfolgenden Versicherungsbetrugs begangen

1 Vgl. BGH v. 4.7.1984 – 3 StR 199/84, BGHSt 13, 382, 383 zu § 296 AktG a.F.; Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 181; Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 411; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 323; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 340. A.A. Fischer, StGB, § 263 Rz. 237: Subsidiarität zu § 263. 2 BGH v. 6.1.1981 – 5 StR 681/80, GA 1981, 412 zu § 96 Nr. 3, 5 AMG; Fischer, StGB, § 263 Rz. 238; Tiedemann in LKStGB, § 263 Rz. 323; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 340. 3 Vgl. BGH v. 21.2.1989 – 1 StR 631/88, BGHSt 36, 124 ff. zu § 92a AuslG a.F.; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 323. 4 Fischer, StGB, § 263 Rz. 238; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 340; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 323. 5 Vgl. BGH v. 7.12.1979 – 2 StR 315/79, BGHSt 29, 152, 158 f. zu § 89 BörsG a.F.; Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 878 zu § 61 BörsG a.F. 6 BGHSt 9, 30 ff.; Fischer, StGB, § 263 Rz. 238. 7 Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 323. 8 Fischer, StGB, § 263 Rz. 238; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 340. 9 Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 323. 10 Vgl. Fischer, StGB, § 263 Rz. 238. 11 Fischer, StGB, § 263 Rz. 238. 12 Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 323; Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 878; Dannecker in G/J/W, § 263 Rz. 163. 13 Fischer, StGB, § 263 Rz. 238. 14 Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 323. 15 BGH v. 4.11.1955 – 5 StR 421/55, BGHSt 8, 237, 239. 16 Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 411; Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 878; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 323; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 340. A.A. Fischer, StGB, § 263 Rz. 237: Subsidiarität des § 333 HGB. 17 AG Gera v. 10.11.2004 – 750 Js 32484/03 - 10 Ls, NStZ-RR 2005, 213, 215; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 340; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 323. 18 Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 323. 19 Vgl. BGH v. 8.7.1955 – 1 StR 245/55, BGHSt 8, 46, 49 zum Hopfenherkunftsgesetz a.F.; BGH v. 12.12.1958 – 1 StR 439/58, BGHSt 12, 347, 350 ff. zu § 4 LMG a.F.; BGH v. 19.2.1969 – 1 StR 617/68, MDR 1969, 497 zu § 51 LMBG a.F.; Fischer, StGB, § 263 Rz. 238; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 323. 20 Vgl. RG v. 24.11.1909 – III 787/09, RGSt 43, 87, 121 zu § 24 Warenzeichengesetz a.F.; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 323. 21 Fischer, StGB, § 263 Rz. 238. 22 Vgl. Fischer, StGB, § 263 Rz. 238. 23 Fischer, StGB, § 263 Rz. 238; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 340; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 323. 24 Vgl. BGH v. 15.12.1971 – 2 StR 566/71, NJW 1972, 592; BGH v. 26.10.1977 – 2 StR 432/77, BGHSt 27, 293, 295; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 340; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 323; Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 411. A.A. Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 878: subsidiär zu § 263. 25 Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 323; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 273. 26 OLG Koblenz v. 12.3.1998 – 1 Ss 205/97; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 273; Fischer, StGB, § 263 Rz. 238; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 323. 27 Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 323; Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 878; Fischer, StGB, § 263 Rz. 238; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 273. 28 Statt aller BGH v. 11.12.1997 – 4 StR 323/97, NJW 1998, 767, 769; BGH v. 17.6.2004 – 3 StR 344/03, BGHSt 49, 177, 183; Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 407. 29 Vgl. Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 316.

Saliger

543

StGB

Betrug

StGB

§ 263 StGB Rz. 307

Strafgesetzbuch

wird;1 §§ 331 ff., wenn durch die Diensthandlung ein Betrug verübt wird (dazu Rz. 303 m.w.N.); § 17 Abs. 2 Nr. 1, 2 UWG.2

II. Wahlfeststellung und Postpendenz 307

Wahlfeststellung ist nach der Rspr. nach allgemeinen Grundsätzen möglich zwischen Betrug und § 246;3 Betrug und § 259;4 Betrug und § 263a;5 Betrug und § 266;6 eigennützigem und fremdnützigem Betrug (dazu bereits Rz. 257 m.w.N.). Darüber hinaus wird im Schrifttum eine wahlweise Verurteilung zwischen Betrug und § 253 für zulässig gehalten.7 Dagegen ist Wahlfeststellung nach der Judikatur unzulässig zwischen Betrug und § 332,8 Betrug und § 267 (str.)9 sowie Betrug und § 218.10 Auch eine wahlweise Verurteilung wegen § 242 oder Betrugs soll regelmäßig ausgeschlossen sein (sehr str.).11 Anderes gelte aber ausnahmsweise für die eng zu begrenzende Fallgruppe des Trickdiebstahls.12

308

Nach den Regeln der Postpendenz verurteilt die Rspr. nur wegen § 259, wenn zwar eine Mittäterschaft des Täters am vorangegangenen Betrug nicht aufgeklärt werden kann, jedoch feststeht, dass er einen Teil der durch den Betrug erlangten Beute in Kenntnis der Vortat von den Tätern des Betrugs erhalten hat;13 nur wegen § 266, wenn seine Täterschaft an dem vorangegangenen Betrug fraglich ist, aber seine (Mit-)Täterschaft an der späteren Veruntreuung der Betrugsbeute feststeht;14 nur wegen § 263a, wenn ungewiss ist, ob der Täter betrügerisch Schecks eingelöst hat, aber feststeht, dass er später einen Computerbetrug begangen hat.15

G. Verfolgungsvoraussetzungen I. Strafantrag (Absatz 4) 309

Absatz 4 ordnet über die entsprechende Verweisung auf § 247 für den Haus- und Familienbetrug (absolutes Antragsdelikt) und über die entsprechende Verweisung auf § 248a für den Bagatellbetrug (relatives Antragsdelikt; Wertgrenze für eine „geringwertige Sache“ als jeder geringe Vermögenswert: 50 Euro, s. Rz. 277);16 gilt nicht für Tatobjekte ohne objektiven Verkehrswert wie Personalausweise17 und, sofern der Betrugstatbestand überhaupt einschlägig ist, vgl. Rz. 146 ff., ohne legalen Marktwert18) ein Strafantragserfordernis an (§§ 77 ff.).19 Der Verweis auf die entsprechende Geltung des § 243 Abs. 2 schließt für geringwertige Vermögensgegenstände die Annahme eines Betrugs in einem besonders schweren Fall gem. Absatz 3 aus (dazu Rz. 277). Das Antragserfordernis gilt

1 BGH v. 23.9.1999 – 4 StR 700/98, BGHSt 45, 211, 213 f.; BGH v. 22.4.2004 – 3 StR 428/03, NStZ-RR 2004, 235, 236; Fischer, StGB, § 263 Rz. 236; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 341. 2 BGH v. 15.5.1997 – 1 StR 233/96, BGHSt 43, 96, 98. 3 OLG Hamm v. 5.3.1974 – 5 Ss 4/74, NJW 1974, 1957, 1958; OLG Saarbrücken v. 16.10.1975 – Ss 55/75, NJW 1976, 65, 67 f. m. krit. Anm. Günther, JZ 1976, 665; Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 415; Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 186a. 4 BGH v. 20.2.1974 – 3 StR 1/74, NJW 1974, 804, 805; offengelassen von BGH v. 23.2.1989 – 4 StR 628/88, NJW 1989, 1867, 1868; Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 415; Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 186a. 5 BGH v. 12.2.2008 – 4 StR 623/07, NJW 2008, 1394, 1395; Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 186a; Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 415. 6 BGH v. 24.7.1968 – 3 StR 173/68, GA 1970, 24 f.; OLG Hamburg v. 17.8.55 – Ss 91755, JR 1956, 28 m. zust. Anm. Nüse; Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 415; Hoyer in SK-StGB, § 263 Rz. 303; Dannecker in ö, § 263 Rz. 162. 7 Hoyer in SK-StGB, § 263 Rz. 303; Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 415; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 348. 8 BGH v. 25.7.1960 – 2 StR 91/60, BGHSt 15, 88, 100; Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 415; krit. Tiedemann in LKStGB, § 263 Rz. 310. 9 OLG Düsseldorf v. 28.6.1974 – 3 Ss 312/74, NJW 1974, 1833, 1834; zust. Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 415; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 310. A.A. Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 881. 10 BGH v. 20.5.1958 – 5 StR 101/58, bei Dallinger MDR 1958, 738, 739; zust. Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 310; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 349. 11 BGH v. 18.9.1984 – 4 StR 483/84, NStZ 1985, 123; BGH v. 23.2.1989 – 4 StR 628/88, NJW 1989, 1867, 1868; Hoyer in SK-StGB, § 263 Rz. 303; Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 186a.; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 349. A.A. Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 415; MüKoStGB/Hefendehl Rz. 807. 12 OLG Karlsruhe v. 18.12.1975 – 1 Ss 343/75, NJW 1976, 902, 903 f.; Hoyer in SK-StGB, § 263 Rz. 303; Satzger in S/S/WStGB, § 263 Rz. 349. Abl. LK/Gribbohm § 1 Rz. 110. 13 BGH v. 23.2.1989 – 4 StR 628/88, NJW 1989, 1867, 1868; OLG Hamburg v. 11.4.1994 – 2 Ss 4/94, MDR 1994, 712; zust. Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 186a; Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 882; Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 416; krit. Hoyer in SK-StGB, § 263 Rz. 304. 14 OLG Hamburg v. 11.4.1994 – 2 Ss 4/94, MDR 1994, 712 f.; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 308; Kindhäuser in NKStGB, § 263 Rz. 416. 15 BGH v. 18.7.2007 – 2 StR 69/07, NStZ 2008, 396 f.; Fischer, StGB, § 263 Rz. 236. 16 Saliger in M/R-StGB, § 263 Rz. 349. 17 BayObLGSt 1979, 61; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 356; Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 866. 18 Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 866; Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 404. 19 Näher Saliger in M/R-StGB, § 263 Rz. 348 f.

544

Saliger

§ 263a StGB

nicht für den Qualifikationstatbestand des Absatzes 5 (dazu Rz. 291 f.).1 Sowohl der Haus- und Familienbetrug als auch der Bagatellbetrug sind wirtschaftsstrafrechtlich nicht relevant.

II. Verjährung Die Verfolgungsverjährung des Betrugs beginnt mit der Beendigung der Tat (§ 78a), also nach h.M. mit der Er- 310 langung des rechtswidrigen Vermögensvorteils und Abschluss der Tat im Ganzen (dazu bereits Rz. 260 f.). Beim Betrugsversuch ist Verjährungsbeginn der Abschluss der letzten zur Täuschung bestimmten Täterhandlung.2 Die Verjährungsfrist beträgt für Taten nach Absatz 1–3 fünf Jahre (§ 78 Abs. 3 Nr. 4), für Taten nach Absatz 5 zehn Jahre (§ 78 Abs. 3 Nr. 3).

III. Sonstiges Eine gerichtliche Zuständigkeit der Wirtschaftsstrafkammer ergibt sich für den Betrug nach § 74c Abs. 1 Nr. 6 311 GVG, soweit zur Beurteilung des Falles besondere Kenntnisse des Wirtschaftslebens erforderlich sind (vgl. auch §§ 74e Nr. 2 GVG und 103 Abs. 2 JGG; zum Betrug als zentrales Delikt des Wirtschaftsstrafrechts Rz. 4).3 RiStBV Nr. 236–238 enthalten Hinweise zur Verfolgung von Schwindelunternehmen, Maklerbetrug, betrügerischen Abzahlungsgeschäften und betrügerischen Bankgeschäften. Aus der StPO sind für den Betrug zu beachten die Zulässigkeit der TK-Überwachung nach § 100a Abs. 2 Nr. 1 lit. n StPO und die Erleichterung der Anordnung von U-Haft bei wiederholten oder fortgesetzten schwerwiegenden Betrügereien gem. § 112a Abs. 1 Nr. 2 StPO.

§ 263a Computerbetrug (1) Wer in der Absicht, sich oder einem Dritten einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen, das Vermögen eines anderen dadurch beschädigt, daß er das Ergebnis eines Datenverarbeitungsvorgangs durch unrichtige Gestaltung des Programms, durch Verwendung unrichtiger oder unvollständiger Daten, durch unbefugte Verwendung von Daten oder sonst durch unbefugte Einwirkung auf den Ablauf beeinflußt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. (2) § 263 Abs. 2 bis 7 gilt entsprechend. (3) Wer eine Straftat nach Absatz 1 vorbereitet, indem er Computerprogramme, deren Zweck die Begehung einer solchen Tat ist, herstellt, sich oder einem anderen verschafft, feilhält, verwahrt oder einem anderen überlässt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. (4) In den Fällen des Absatzes 3 gilt § 149 Abs. 2 und 3 entsprechend. A. Grundsätzliches I. Deliktscharakter und Rechtsgut . . . . . . . . . . . . . II. Genese, Funktion und kriminalpolitische Bedeutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Voraussetzungen I. Objektiver Tatbestand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Täterkreis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Unbefugte Beeinflussung des Ergebnisses eines Datenverarbeitungsvorgangs . . . . . . . . . . . . . 3. Tathandlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Unrichtige Programmgestaltung (Abs. 1 Var. 1) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Verwendung unrichtiger oder unvollständiger Daten (Abs. 1 Var. 2) . . . . . . . . . . . . . .

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II. C. D. E. F.

c) Unbefugtes Verwenden von Daten (Abs. 1 Var. 3) . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Sonstiges unbefugtes Einwirken auf den Ablauf (Abs. 1 Var. 4) . . . . . . . . . . 4. Vermögensschaden als Taterfolg. . . . . . . . Subjektiver Tatbestand . . . . . . . . . . . . . . . . Vorbereitungshandlungen (Absatz 3) und tätige Reue (Absatz 4) . . . . . . . . . . . . . . . . Versuch und Vollendung, Täterschaft und Teilnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Konkurrenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rechtsfolgen, besonders schwere Fälle und Antragserfordernis . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Literatur (Auswahl): Altenhain, Der strafbare Mißbrauch kartengestützter elektronischer Zahlungssysteme, JZ 1997, 752; Arloth, Leerspielen von Geldspielautomaten – ein Beitrag zur Struktur des Computerbetrugs, CR 1996, 359; Berghaus, § 263a StGB und der Codekartenmißbrauch durch den Kontoinhaber selbst, JuS 1990, 981; Buggisch, Dialer-Programme – Strafrechtliche Bewertung eines aktuellen Problems, NStZ 2002, 178; Bühler, Ein Versuch, Computerkriminellen das Handwerk zu legen: Das Zweite Gesetz zur Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität, MDR 1987, 448; Eisele, Payment Card Crime: Skimming, CR 2011, 131; Eisele/Fad, Strafrechtliche Verantwortlichkeit beim Missbrauch kartengestützter Zahlungssysteme, JURA 2002, 305; Fahl, „Kassenschmuggel“ an Selbstbedienungskassen, NStZ 2014, 244; Feldmann, Strafbarkeit und Strafbarkeitslücken im Zusammenhangmit Skimming und Fälschung von Zahlungskarten, wistra 2015, 41; Feldmann, Strafbarkeit und Strafbarkeitslücken im Zusammenhang mit Skimming und Fälschung von Zahlungskarten, wistra 2015, 41; Fest/Simon, 1 Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 402; Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 864; Satzger in S/S/W-StGB, § 263 Rz. 354. 2 RG v. 31.3.1938 – 2 D 887/37, RGSt 72, 150 f.; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 338; Kindhäuser in NK-StGB, § 263 Rz. 384. 3 Dazu näher OLG Stuttgart v. 4.1.1991 – 1 Ws 296/90, wistra 1991, 236 f.; Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 339.

Saliger

545

StGB

Computerbetrug

StGB

§ 263a StGB Rz. 1

Strafgesetzbuch

Examensrelevante Grundlagen des Bankrechts im Besonderen Teil des StGB, JuS 2009, 798; Gercke, Die Strafbarkeit von „Phishing“ und Identitätsdiebstahl, CR 2005, 606; Graf, „Phishing“ derzeit nicht generell strafbar!, NStZ 2007, 129; Haft, Das Zweite Gesetz zur Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität (2. WiKG) – Teil 2: Computerdelikte, NStZ 1987, 6; Hilgendorf, Grundfälle zum Computerstrafrecht, JuS 1997, 130; Husemann, Die Verbesserung des strafrechtlichen Schutzes des bargeldlosen Zahlungsverkehrs durch das 35. Strafrechtsänderungsgesetz, NJW 2004, 104; Kudlich, Computerbetrug und Scheckkartenmissbrauch durch den berechtigten Karteninhaber – BGH NJW 2002, 905, JuS 2003, 537; Mitsch, Rechtsprechung zum Wirtschaftsstrafrecht nach dem 2. WiKG, JZ 1994, 877; Möhrenschlager, Computerstraftaten und ihre Bekämpfung in der Bundesrepublik Deutschland, wistra 1991, 321; Mühlbauer, Die Betrugsähnlichkeit des § 263a Abs. 1 Var. 3 StGB anhand der „Geschäftsgrundlagen“ beim Geldautomatengebrauch, wistra 2003, 244; U. Neumann, Unfaires Spielen an Geldautomaten – OLG Celle, Urt. v. 11.4.1989 – 1 Ss 287/88, JuS 1990, 535; U. Neumann, Anmerkung zu BGH, Beschl. v. 10.11.1994 – 1 StR 157/94, StV 1996, 375; Obermann, Der einarmige Bandit und die „Geisterjetons“ – zum unbefugten Verhalten i.S.v. § 263a StGB, NStZ 2015, 197; Otto, Zum Bankomatenmißbrauch nach Inkrafttreten des 2. WiKG, JR 1987, 221; Popp, Von „Datendieben“ und „Betrügern“- Zur Strafbarkeit des so genannten „phishing“, NJW 2004, 3517; Ranft, Der Bankomatenmißbrauch, wistra 1987, 79; Ranft, Zur „betrugsnahen“ Auslegung des § 263a StGB, NJW 1994, 2574; Ranft, „Leerspielen“ von Glücksspielautomaten – BGHSt 40, 331, JuS 1997, 19; Rossa, Mißbrauch beim electronic cash. Eine strafrechtliche Bewertung, CR 1997, 219; Scheffler, Einsatz einer Pay-TV Piraten-SmartCard – strafrechtliche Würdigung, CR 2002, 151; Schulz/ Tscherwinka, Probleme des Codekartenmißbrauchs, JA 1991, 119; Tiedemann, Die Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität durch den Gesetzgeber, JZ 1986, 865.

A. Grundsätzliches I. Deliktscharakter und Rechtsgut 1

Die Vorschrift stellt in Ergänzung zum Betrugstatbestand das vorsätzliche Beeinflussen von Ergebnissen eines vermögenserheblichen Datenverarbeitungsvorgangs durch bestimmte betrugsähnliche Einwirkungshandlungen unter Strafe. Da § 263a mit der Schädigung einer anderen Person den Eintritt eines Taterfolges in Form eines Vermögensschadens verlangt, handelt es sich um ein klassisches Erfolgsdelikt.1 Geschütztes Rechtsgut des § 263a ist allein das Vermögen des durch den Computerbetrug Geschädigten als Individualrechtsgut.2 Der Ansicht, dass § 263a daneben auch allgemeine Interessen, wie bspw. die Funktionstüchtigkeit von Datenverarbeitungssystemen und -anlagen in Verwaltung und Wirtschaft als Universalrechtsgut schützt,3 kann angesichts der Stellung der Norm im 22. Abschnitts des StGB und eines bereits ausreichenden strafrechtlichen Schutzes des Datenverkehrs sowie der Computersicherheit durch die §§ 202a ff., 269, 303a, 303b nicht gefolgt werden.4 Aufgrund des reinen Individualrechtsgutsschutzes erfasst § 263a auch Auslandstaten, sofern die Voraussetzungen der §§ 3 ff. vorliegen.5

II. Genese, Funktion und kriminalpolitische Bedeutung 2

Die Vorschrift wurde durch Art. 1 Nr. 11 des 2. WiKG vom 15.5.1986 in das StGB eingeführt.6 Durch das 6. StrRG vom 1.4.1998 wurde sie um den Absatz 2 erweitert;7 die Absätze 3 und 4 ergänzen § 263a seit dem 35. StrÄndG vom 22.12.2003.8 Mit der Einfügung der Norm hat der Gesetzgeber den strafrechtlichen Vermögensschutz im Hinblick auf vermögensschädigende Computermanipulationen komplettiert. Derartige Handlungen unterfallen nämlich nicht dem Anwendungsbereich des § 263,9 da ein datenbasierter Vermögensangriff keinen täuschungsbedingten Irrtum bei einem Menschen hervorruft, sondern lediglich den automatisierten Prozess einer Datenverarbeitungsanlage in Gang setzt, der nicht die Voraussetzungen einer Vermögensverfügung erfüllt. Weil der Tatbestand des Betruges nur aufgrund seiner Abhängigkeit von menschlichen Entscheidungsprozessen nicht einschlägig ist, im Übrigen der Unrechtsgehalt einer vermögensschädigenden Computermanipulation aber mit dem einer durch Täuschung erwirkten Vermögensverfügung gleichbedeutend ist, weist § 263a nach dem ge-

1 Bär in G/J/W, § 263a Rz. 3; Cornelius in Kilian/Heussen, 10. Teil/BT StGB Rz. 73; Hilgendorf in S/S/W-StGB, § 263a Rz. 1; Hoyer in SK-StGB, § 263a Rz. 5; Kindhäuser in NK-StGB, § 263a Rz. 2 („Vermögensdelikt“); Tiedemann/Valerius in LK-StGB, § 263a Rz. 15; Wohlers/Mühlbauer in MüKo-StGB, § 263a Rz. 2. 2 BT-Drucks. 10/318, S. 19; BT-Drucks. 10/5058, S. 30; BGH v. 10.11.1994 – 1 StR 157/94, BGHSt 40, 331, 334; Altenhain in M/R-StGB, § 263a Rz. 1; Bär in G/J/W, § 263a Rz. 4; Bühler, MDR 1987, 448, 449; Cornelius in Kilian/Heussen, 10. Teil/BT StGB Rz. 73; Eisele, Computer- und MedienstrafR, 8. Kap. § 40 Rz. 22; Fischer, StGB, § 263a Rz. 2; Haft, NStZ 1987, 6, 7; Heger in Lackner/Kühl, StGB, § 263a Rz. 1; Heghmanns in A/R/R, 6. Teil/1, Rz. 197; Hilgendorf in S/S/WStGB, § 263a Rz. 1; Hoyer in SK-StGB, § 263a Rz. 2; Kindhäuser in NK-StGB, § 263a Rz. 2; Otto, JR 1987, 221, 225; Ranft, NJW 1994, 2574; Schulz/Tscherwinka, JA 1991, 119, 123; Wohlers/Mühlbauer in MüKo-StGB, § 263a Rz. 2. 3 So Perron in S/S-StGB, Vor § 263 Rz. 12. Zur Diskussion s. Tiedemann/Valerius in LK-StGB, § 263a Rz. 14 ff. 4 Ebenso Hoyer in SK-StGB, § 263a Rz. 2. Sich für einen mittelbaren Schutz überindividueller Interessen durch § 263a aussprechend Bär in G/J/W, § 263a Rz. 4; Fischer, StGB, § 263a Rz. 2; Hilgendorf in S/S/W-StGB, § 263a Rz. 1; Kindhäuser in NK-StGB, § 263a Rz. 2 („Schutzreflex“). 5 Tiedemann/Valerius in LK-StGB, § 263a Rz. 102. 6 BGBl. I, S. 721. 7 BGBl. I, S. 164. 8 BGBl. I, S. 2838. 9 BT-Drucks. 10/318, S. 18, 19; Bär in G/J/W, § 263a Rz. 1; Fischer, StGB, § 263a Rz. 2; Heghmanns in A/R/R, 6. Teil/1, Rz. 197; Hoyer in SK-StGB, § 263a Rz. 3; Kindhäuser in NK-StGB, § 263a Rz. 2.

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Rz. 5 § 263a StGB

setzgeberischen Willen starke betrugsähnliche Strukturen auf.1 § 263a schließt insoweit eine Strafbarkeitslücke, die dadurch entsteht, dass § 263 nur bei täuschungsbedingten Vermögensschädigungen gegenüber Menschen eingreift (Funktion).2 Die vom Gesetzgeber dementsprechend bewusst vorgenommene parallele Ausgestaltung der §§ 263, 263a zwingt konsequenterweise zu einer betrugsnahen und insoweit systemtreuen Auslegung der einzelnen Tatbestandsmerkmale des § 263a.3 Die kriminalpolitische Bedeutung der Vorschrift insgesamt ist hoch:4 Im Bereich der Computerkriminalität ist § 263a das am häufigsten verwirklichte Delikt.5 Praxisrelevant ist vor allem der Betrug mittels rechtswidrig erlangter Debitkarten mit PIN. So weist die PKS für das Jahr 2015 49 230 Straftaten nach § 263a aus (2014: 48 032), wovon 23 790 auf den Betrug mittels rechtswidrig erlangter Debitkarten mit PIN fallen (2014: 23 670).6 Darüber hinaus ist § 263a Schutzgesetz i.S.d. § 823 Abs. 2 BGB.7

B. Voraussetzungen I. Objektiver Tatbestand § 263a erfordert im objektiven Tatbestand die Beeinflussung des Ergebnisses eines Datenverarbeitungsvorgangs 3 durch eine der vier aufgezählten Manipulationsformen, also entweder durch unrichtige Gestaltung des Programms (Abs. 1 Var. 1), durch Verwendung unrichtiger oder unvollständiger Daten (Abs. 1 Var. 2), durch unbefugte Verwendung von Daten (Abs. 1 Var. 3) oder sonst durch unbefugte Einwirkung auf den Ablauf (Abs. 1 Var. 4), wodurch bei einer anderen Person ein Vermögensschaden eintreten muss. 1. Täterkreis Die Tat ist kein Sonderdelikt, sie kann von jedermann begangen werden.8 Dass für die Begehung der Tat zum Teil 4 besondere EDV-Kenntnisse oder technische Fähigkeiten vonnöten sind, hat keinerlei Einfluss auf die Täterqualität.9 2. Unbefugte Beeinflussung des Ergebnisses eines Datenverarbeitungsvorgangs Für alle vier Tatmodalitäten gilt die Voraussetzung einer unbefugten Einwirkung auf den Prozess eines Daten- 5 verarbeitungsvorgangs, die dessen Ergebnis beeinflusst. Deutlich wird dies an der vom Gesetzgeber gewählten Formulierung „sonst durch unbefugte Einwirkung“ innerhalb der vierten Tathandlungsvariante,10 die im Verhältnis zu den drei anderen Tathandlungen Auffangcharakter besitzt.11 Wenn bereits der Auffangtatbestand eine 1 BT-Drucks. 10/318, S. 19; BT-Drucks. 10/5058, S. 30; BGH v. 22.11.1991 – 2 StR 376/91, BGHSt 38, 120, 124; BGH v. 21.11.2001 – 2 StR 260/01, BGHSt 40, 160, 162; OLG Köln v. 9.7.1991 – Ss 624/90, NJW 1992, 125, 126; OLG Karlsruhe v. 26.7.2003 – 3 Ws 134/02, NStZ 2003, 333, 334; LG Bonn v. 18.6.1999 – 32 Qs 144-99, NJW 1999, 3726; Altenhain in M/R-StGB, § 263a Rz. 1; Bühler, MDR 1987, 448, 449; Eisele/Fad, JURA 2002, 305, 307; Heger in Lackner/Kühl, StGB, § 263a Rz. 2; Hoyer in SK-StGB, § 263a Rz. 5; Kindhäuser in NK-StGB, § 263a Rz. 3. Krit. Bär in G/J/W, § 263a Rz. 1; Hilgendorf in S/S/W-StGB, § 263a Rz. 2; Perron in S/S-StGB, § 263a Rz. 2; Tiedemann/Valerius in LK-StGB, § 263a Rz. 12 ff.; Wohlers/Mühlbauer in MüKo-StGB, § 263a Rz. 4. 2 BT-Drucks. 10/318, S. 19; BT-Drucks. 10/5058, S. 29, 30; BGH v. 21.11.2001 – 2 StR 260/01, BGHSt 40, 160, 162; BGH v. 20.12.2012 – 4 StR 580/11, NJW 2013, 1017, 1018; OLG Karlsruhe v. 26.7.2003 – 3 Ws 134/02, NStZ 2003, 333, 334; LG Bonn v. 18.6.1999 – 32 Qs 144-99, NJW 1999, 3726; Altenhain in M/R-StGB, § 263a Rz. 1; Bär in G/J/W, § 263a Rz. 1; Cornelius in Kilian/Heussen, 10. Teil/BT StGB Rz. 72; Eisele, Computer- und MedienstrafR, 8. Kap. § 40 Rz. 24; Eisele/Fad, JURA 2002, 305, 307; Fischer, StGB, § 263a Rz. 2; Haft, NStZ 1987, 6, 7; Heghmanns in A/R/R, 6. Teil/1, Rz. 197; Hilgendorf in S/S/W-StGB, § 263a Rz. 2; Hoyer in SK-StGB, § 263a Rz. 7; Möhrenschlager, wistra 1991, 321, 325; Kindhäuser in NK-StGB, § 263a Rz. 2; Kudlich, JuS 2003, 537; Otto, JR 1987, 221, 225; Perron in S/S-StGB, § 263a Rz. 2; Schulz/Tscherwinka, JA 1991, 119, 123; Tiedemann/Valerius in LK-StGB, § 263a Rz. 2, 17. 3 BT-Drucks. 10/5058, S. 30; BGH v. 21.11.2001 – 2 StR 260/01, BGHSt 40, 160, 162 f.; OLG Köln v. 9.7.1991 – Ss 624/90, NJW 1992, 125, 126; OLG Karlsruhe v. 26.7.2003 – 3 Ws 134/02, NStZ 2003, 333, 334; LG Bonn v. 18.6.1999 – 32 Qs 144-99, NJW 1999, 3726; Heghmanns in A/R/R, 6. Teil/1, Rz. 200; Hilgendorf in S/S/W-StGB, § 263a Rz. 2; Hoyer in SKStGB, § 263a Rz. 6; Kindhäuser in NK-StGB, § 263a Rz. 4; Kudlich, JuS 2003, 537, 538; Perron in S/S-StGB, § 263a Rz. 2; Tiedemann/Valerius in LK-StGB, § 263a Rz. 3; Wohlers/Mühlbauer in MüKo-StGB, § 263a Rz. 3. 4 Bär in G/J/W, § 263a Rz. 1; Heghmanns in A/R/R, 6. Teil/1, Rz. 198; Kindhäuser in NK-StGB, § 263a Rz. 6. Ausf. zur kriminalpolitischen Bedeutung der Vorschrift Tiedemann/Valerius in LK-StGB, § 263a Rz. 5 ff.; Wohlers/Mühlbauer in MüKo-StGB, § 263a Rz. 6. 5 Bär in G/J/W, § 263a Rz. 1; Tiedemann/Valerius in LK-StGB, § 263a Rz. 7; Wohlers/Mühlbauer in MüKo-StGB, § 263a Rz. 7. 6 PKS 2015, IMK-Kurzbericht, S. 93. 7 LG Itzehoe v. 4.11.2010 – 7 O 16/10, BeckRS 2011, 01530. 8 Altenhain in M/R-StGB, § 263a Rz. 1; Hilgendorf in S/S/W-StGB, § 263a Rz. 43; Kindhäuser in NK-StGB, § 263a Rz. 2; Perron in S/S-StGB, § 263a Rz. 31. 9 Hilgendorf in S/S/W-StGB, § 263a Rz. 43; Wohlers/Mühlbauer in MüKo-StGB, § 263a Rz. 79. 10 Heger in Lackner/Kühl, StGB, § 263a Rz. 5; Hoyer in SK-StGB, § 263a Rz. 8; Kindhäuser in NK-StGB, § 263a Rz. 8; Ranft, wistra 1987, 79, 83. 11 BGH v. 10.11.1994 – 1 StR 157/94, BGHSt 40, 331, 334; OLG München v. 27.6.2007 – 2 Ws 494-496, 501/06, NJW 2007, 3734, 3736; Bär in G/J/W, § 263a Rz. 8; Fischer, StGB, § 263a Rz. 18; Hilgendorf in S/S/W-StGB, § 263a Rz. 4; Hoyer in SK-StGB, § 263a Rz. 8, 21; Kindhäuser in NK-StGB, § 263a Rz. 28; Perron in S/S-StGB, § 263a Rz. 16; Tiedemann/ Valerius in LK-StGB, § 263a Rz. 24; Wohlers/Mühlbauer in MüKo-StGB, § 263a Rz. 60. Krit. Neumann, StV 1996, 375.

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Computerbetrug

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§ 263a StGB Rz. 6

Strafgesetzbuch

unbefugte Einwirkung auf den Datenverarbeitungsvorgang voraussetzt, muss dies erst recht für die drei übrigen, spezielleren Tatvarianten gelten. Datenverarbeitungsvorgang meint alle technischen Prozesse, innerhalb derer Arbeitsergebnisse durch die Aufnahme und Verknüpfung von Daten zu Programmen erzielt werden,1 wobei das erzielte Ergebnis des Vorganges gerade in einer unmittelbaren Vermögensdisposition liegen muss.2 Die Beeinflussung des Ergebnisses eines Datenverarbeitungsvorgangs nimmt damit im Vergleich zu § 263 die Stelle von Irrtum und Vermögensverfügung ein.3 Die Beeinflussung eines Datenverarbeitungsvorgangs umfasst sowohl das Ingangsetzen eines neuen Vorgangs als auch das Einwirken auf einen bereits laufenden Prozess,4 soweit dadurch im Ergebnis Daten entstehen, die ohne die Einflussnahme so nicht entstanden wären.5 Daten sind – losgelöst vom Datenbegriff der §§ 202a Abs. 2, 268 Abs. 2 – einem bestimmten Zeichen- und Zahlenmuster folgende codierte Informationen.6 6

Wie das Merkmal der Unbefugtheit bei § 263a zu bestimmen ist, ist heftig umstritten.7 Ein computerspezifischer Ansatz befürwortet eine stark restriktive Auslegung des Merkmals, indem er fordert, dass sich der einer Einwirkung entgegenstehende Wille des Betreibers der Datenverarbeitungsanlage auch in der Programmgestaltung des Datenverarbeitungsvorgangs niedergeschlagen haben muss.8 Wenn also der Betreiber seinen Willen gegen unbefugte Einwirkungshandlungen nicht computerspezifisch manifestiert hat, z.B. durch sog. Missbrauchserkennungsmodule, kann eine Einwirkung auch nicht unbefugt i.S.d. Tatbestandes sein.9 Eine andere, verhältnismäßig weit gehende subjektive Auslegung des Merkmals stellt hingegen nur darauf ab, ob sich die in Rede stehende Verhaltensweise mit dem wirklichen oder mutmaßlichen Willen des Berechtigten an den Daten deckt.10 In die gleiche Richtung hält eine weitere Ansicht jede Handlung für unbefugt, wenn sie nicht durch Gesetz, Vertrag oder mutmaßliche Einwilligung gedeckt ist.11 Der computerspezifische Ansatz hat den Nachteil, dass er solche Handlungen von vorneherein vom Tatbestand ausnimmt, die auf einer prinzipiell ordnungsgemäßen Bedienung des Computers beruhen,12 so vor allem die relevanten Fälle des EC-Karten-Missbrauchs (Rz. 13).13 Die subjektive Auslegung ist demgegenüber nicht geeignet, im Hinblick auf den Bestimmtheitsgrundsatz nach Art. 103 Abs. 2 GG angemessene Grenzen des Tatbestandes zu setzen. Zwar ist es richtig, dass der Wortlaut keine Anhaltspunkte dafür

1 BT-Drucks. 10/318, S. 21; Altenhain in M/R-StGB, § 263a Rz. 21; Bär in G/J/W, § 263a Rz. 7; Cornelius in Kilian/Heussen, 10. Teil/BT StGB Rz. 76; Eisele, Computer- und MedienstrafR, 8. Kap. § 40 Rz. 26; Fischer, StGB, § 263a Rz. 3; Heger in Lackner/Kühl, StGB, § 263a Rz. 4; Hilgendorf in S/S/W-StGB, § 263a Rz. 3; Hilgendorf, JuS 1997, 130, 131; Hoyer in SK-StGB, § 263a Rz. 9; Kindhäuser in NK-StGB, § 263a Rz. 12; Tiedemann/Valerius in LK-StGB, § 263a Rz. 22; Wohlers/Mühlbauer in MüKo-StGB, § 263a Rz. 13, 15. 2 BT-Drucks. 10/318, S. 19; BGH v. 22.11.1991 – 2 StR 376/91, BGHSt 38, 120, 122; BGH v. 22.1.2013 – 1 StR 416/12, NJW 2013, 2608; BGH v. 28.5.2013 – 3 StR 80/13, NStZ 2013, 586; OLG Hamm v. 9.3.2006 – 1 Ss 58/06, NJW 2006, 2341; Altenhain in M/R-StGB, § 263a Rz. 23; Bär in G/J/W, § 263a Rz. 7; Cornelius in Kilian/Heussen, 10. Teil/BT StGB Rz. 77; Eisele, Computer- und MedienstrafR, 8. Kap. § 40 Rz. 56; Fahl, NStZ 2014, 244, 246; Fischer, StGB, § 263a Rz. 20; Heger in Lackner/Kühl, StGB, § 263a Rz. 17; Hilgendorf, JuS 1997, 130, 131; Hoyer in SK-StGB, § 263a Rz. 9; Perron in S/S-StGB, § 263a Rz. 20; Rossa, CR 1997, 219, 220; Wohlers/Mühlbauer in MüKo-StGB, § 263a Rz. 61. 3 Heger in Lackner/Kühl, StGB, § 263a Rz. 16. 4 Str., wie hier: BGH v. 22.11.1991 – 2 StR 376/91, BGHSt 38, 120, 121; BayObLG v. 28.8.1990 – RReg. 4 St 250/89, NJW 1991, 438, 440; BayObLG v. 10.2.1994 – 4 St RR 145/93, NStZ 1994, 287, 288; OLG Köln v. 9.7.1991 – Ss 624/90, NJW 1992, 125; Cornelius in Kilian/Heussen, 10. Teil/BT StGB Rz. 77; Eisele, Computer- und MedienstrafR, 8. Kap. § 40 Rz. 56; Fischer, StGB, § 263a Rz. 20; Heger in Lackner/Kühl, StGB, § 263a Rz. 22; Hoyer in SK-StGB, § 263a Rz. 12; Kindhäuser in NK-StGB, § 263a Rz. 32; Perron in S/S-StGB, § 263a Rz. 18; Tiedemann/Valerius in LK-StGB, § 263a Rz. 69. A.A. Ranft, wistra 1987, 79, 83. 5 BT-Drucks. 10/318, S. 19 f.; Cornelius in Kilian/Heussen, 10. Teil/BT StGB Rz. 77; Fischer, StGB, § 263a Rz. 20; Heger in Lackner/Kühl, StGB, § 263a Rz. 22; Hoyer in SK-StGB, § 263a Rz. 12; Perron in S/S-StGB, § 263a Rz. 18 f.; Rossa, CR 1997, 219, 221; Tiedemann, JZ 1986, 865, 869; Tiedemann/Valerius in LK-StGB, § 263a Rz. 26, 65 ff.; Wohlers/Mühlbauer in MüKo-StGB, § 263a Rz. 18. 6 Altenhain in M/R-StGB, § 263a Rz. 2–3; Bär in G/J/W, § 263a Rz. 6; Cornelius in Kilian/Heussen, 10. Teil/BT StGB Rz. 75; Eisele, Computer- und MedienstrafR, 8. Kap. § 40 Rz. 26; Fischer, StGB, § 263a Rz. 3; Hilgendorf in S/S/W-StGB, § 263a Rz. 3; Hoyer in SK-StGB, § 263a Rz. 11; Kindhäuser in NK-StGB, § 263a Rz. 10; Rossa, CR 1997, 219, 220; Tiedemann/Valerius in LK-StGB, § 263a Rz. 21; Wohlers/Mühlbauer in MüKo-StGB, § 263a Rz. 14. 7 Für eine detaillierte Darstellung des Meinungsstreites s. Mühlbauer, wistra 2003, 244, 245 ff.; Tiedemann/Valerius in LKStGB, § 263a Rz. 42 ff. und Wohlers/Mühlbauer in MüKo-StGB, § 263a Rz. 37 ff. 8 OLG Celle v. 11.4.1989 – 1 Ss 287/88368, NStZ 1989, 367; LG Freiburg v. 17.4.1990 – IV Qs 33/90, NJW 1990, 2635, 2636 f. 9 OLG Celle v. 11.4.1989 – 1 Ss 287/88368, NStZ 1989, 367; LG Freiburg v. 17.4.1990 – IV Qs 33/90, NJW 1990, 2635, 2636 f.; Hoyer in SK-StGB, § 263a Rz. 17; Neumann, StV 1996, 375. 10 BayObLG v. 10.2.1994 – 4 St RR 145/93, NStZ 1994, 287, 288 f.; BayObLG v. 28.8.1990 – RReg. 4 St 250/89, NJW 1991, 438, 440 f.; Etter, CR 1991, 484, 488; Hilgendorf in S/S/W-StGB, § 263a Rz. 10; Hilgendorf, JuS 1997, 130, 132; Kindhäuser in NK-StGB, § 263a Rz. 27; Mitsch, JZ 1994, 877, 883 f. 11 Bühler, MDR 1987, 448, 451; Hilgendorf in S/S/W-StGB, § 263a Rz. 10; Rossa, CR 1997, 219, 221. 12 Bär in G/J/W, § 263a Rz. 14; Hilgendorf in S/S/W-StGB, § 263a Rz. 11; Wohlers/Mühlbauer in MüKo-StGB, § 263a Rz. 39. 13 BT-Drucks. 10/5058, S. 30; Cornelius in Kilian/Heussen, 10. Teil/BT StGB Rz. 97; Fischer, StGB, § 263a Rz. 10a; Hilgendorf in S/S/W-StGB, § 263a Rz. 11; Hoyer in SK-StGB, § 263a Rz. 17; Mühlbauer, wistra 2003, 244, 246; Perron in S/SStGB, § 263a Rz. 9; Tiedemann/Valerius in LK-StGB, § 263a Rz. 45; Wohlers/Mühlbauer in MüKo-StGB, § 263a Rz. 42.

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Rz. 8 § 263a StGB

gibt, das Merkmal der Unbefugtheit unnötig eng zu verstehen.1 Berücksichtigt man allerdings die Entstehungsgeschichte und Normbegründung des Gesetzgebers (Rz. 2), so scheint es geboten, ein restriktiveres Verständnis des Merkmals in Form einer betrugsspezifischen Auslegung anzunehmen.2 Der Gesetzgeber hat § 263a bewusst der Struktur des § 263 angelehnt, um mit dieser Vorschrift die Strafbarkeitslücken zu füllen, die dadurch entstehen, dass ein Computer keinem durch Täuschung hervorgerufenen Irrtum i.S.d. Betrugstatbestandes unterliegen kann (Rz. 2). Dementsprechend ist es nur folgerichtig, bei dem Merkmal der Unbefugtheit danach zu fragen, ob die Handlung, nähme man sie gegenüber einem Menschen vor, eine (konkludente) Täuschung darstellen würde.3 Allerdings muss sich die Täuschungsäquivalenz immer auf Tatsachen beziehen, die der Computer auch tatsächlich prüft,4 um keine hypothetischen Verläufe zulasten des Täters zu konstruieren. Im Ergebnis ist nur die betrugsspezifische Auslegung in der Lage, Systemwidersprüche zu vermeiden. Sie verdient deshalb bei der Auslegung des Merkmals der Unbefugtheit den Vorzug. 3. Tathandlungen Aufgrund der strukturellen Anlehnung an den Tatbestand des § 263 sind die einzelnen Tathandlungen des 7 § 263a dem Täuschungsmerkmal des Betrugstatbestandes nachempfunden.5 Sie können alle auch durch ein Unterlassen verwirklicht werden.6 a) Unrichtige Programmgestaltung (Abs. 1 Var. 1) § 263a Abs. 1 Var. 1 bedroht sog. Programmmanipulationen mit Strafe. Da Programme nur eine besondere 8 Art von Daten (zum Begriff s. Rz. 5) sind,7 geht § 263a Abs. 1 Var. 1 vollständig in § 263a Abs. 1 Var. 2 auf.8 Der Gesetzgeber stufte die Programmmanipulation trotz dieser Erkenntnis dennoch als selbständiges strafwürdiges Verhalten mit dem Argument ein, dass diese Form der Computerkriminalität zu hohen Schäden führen könne und grundsätzlich nur schwer zu entdecken sei.9 Unter einem Programm ist eine in Form von Daten fixierte Arbeitsanweisung an den Computer zu verstehen.10 Gestalten erfasst sowohl das Erstellen eines von vorneherein mit Fehlern behafteten Programms als auch die nachträgliche Manipulation des Programms durch Veränderung einzelner Arbeitsschritte.11 Wann die Programmgestaltung unrichtig ist, wird unterschiedlich beurteilt: Vertreter einer subjektiven Auffassung halten die Gestaltung für unrichtig, wenn sie nicht mit dem Willen des Anlagenbetreibers übereinstimmt.12 Eine solche Bewertung ist allerdings nicht mit dem Gebot einer betrugsnahen Auslegung der Tatbestandsmerkmale des § 263a (Rz. 2, 6) in Einklang zu bringen. Überzeugender

1 Hilgendorf in S/S/W-StGB, § 263a Rz. 14. 2 BT-Drucks. 10/5058, S. 30; BGH v. 21.11.2001 – 2 StR 260/01, BGHSt 47, 160, 162 ff.; BGH v. 31.3.2004 – 1 StR 482/03, NStZ 2004, 213; BGH v. 23.7.2013 – 3 StR 96/13, BeckRS 2013, 15229; OLG Köln v. 9.7.1991 – Ss 624/90, NJW 1992, 125, 126; OLG Düsseldorf v. 5.1.1998 – 2 Ss 437/97 - 123/97 II, NStZ-RR 1998, 137; OLG Karlsruhe v. 21.1.2009 – 2 Ss 155/08, NJW 2009, 1287, 1288; LG Bonn v. 18.6.1999 – 32 Qs 144-99, NJW 1999, 3726; Altenhain, JZ 1997, 752, 757; Arloth, CR 1996, 359, 363 f.; Bär in G/J/W, § 263a Rz. 14; Bernsau, Der Scheck- oder Kreditkartenmißbrauch durch den berechtigten Karteninhaber, 1990, S. 167 ff.; Cornelius in Kilian/Heussen, 10. Teil/BT StGB Rz. 99; Fischer, StGB, § 263a Rz. 11; Heger in Lackner/Kühl, StGB, § 263a Rz. 13; Hoyer in SK-StGB, § 263a Rz. 16, 19; Kudlich, JuS 2003, 537, 538; Mühlbauer, wistra 2003, 244, 248 f.; Obermann, NStZ 2015, 197; Perron in S/S-StGB, § 263a Rz. 9; Rossa, CR 1997, 219, 221; Schönauer, wistra 2008, 445, 450; Tiedemann/Valerius in LK-StGB, § 263a Rz. 44, 46; Wohlers/Mühlbauer in MüKo-StGB, § 263a Rz. 44; Zielinski, NStZ 1995, 345, 347. 3 OLG Karlsruhe v. 26.7.2003 – 3 Ws 134/02, NStZ 2004, 333, 334; Bär in G/J/W, § 263a Rz. 14; Fischer, StGB, § 263a Rz. 11; Heger in Lackner/Kühl, StGB, § 263a Rz. 13; Hoyer in SK-StGB, § 263a Rz. 19; Mühlbauer, wistra 2003, 244, 249; Perron in S/S-StGB, § 263a Rz. 2; Tiedemann/Valerius in LK-StGB, § 263a Rz. 44. 4 BGH v. 21.11.2001 – 2 StR 260/01, BGHSt 47, 160, 163; Altenhain, JZ 1997, 752, 758; Hoyer in SK-StGB, § 263a Rz. 20. 5 Achenbach, NJW 1986, 1835, 1837; Hoyer in SK-StGB, § 263a Rz. 8; Kindhäuser in NK-StGB, § 263a Rz. 3; Perron in S/S-StGB, § 263a Rz. 2; krit. Haft, NStZ 1987, 6, 7. 6 Altenhain in M/R-StGB, § 263a Rz. 4; Fischer, StGB, § 263a Rz. 5; Heger in Lackner/Kühl, StGB, § 263a Rz. 5; Tiedemann/Valerius in LK-StGB, § 263a Rz. 64. 7 BT-Drucks. 10/5058, S. 30. 8 BT-Drucks. 10/318, S. 20; BT-Drucks. 10/5058, S. 30; Altenhain in M/R-StGB, § 263a Rz. 5; Bär in G/J/W, § 263a Rz. 9; Cornelius in Kilian/Heussen, 10 Teil/BT StGB Rz. 87; Fischer, StGB, § 263a Rz. 6; Haft, NStZ 1987, 6, 7; Heger in Lackner/Kühl, StGB, § 263a Rz. 6; Heghmanns in A/R/R, 6. Teil/1 Rz. 201; Tiedemann/Valerius in LK-StGB, § 263a Rz. 27; Wohlers/Mühlbauer in MüKo-StGB, § 263a Rz. 22. 9 BT-Drucks. 10/318, S. 18–19; Cornelius in Kilian/Heussen, 10 Teil/BT StGB Rz. 81; Kindhäuser in NK-StGB, § 263a Rz. 13; Tiedemann/Valerius in LK-StGB, § 263a Rz. 27; Wohlers/Mühlbauer in MüKo-StGB, § 263a Rz. 22. 10 BT-Drucks. 10/5058, S. 30; Altenhain in M/R-StGB, § 263a Rz. 5; Bär in G/J/W, § 263a Rz. 9; Cornelius in Kilian/Heussen, 10 Teil/BT StGB Rz. 84; Fischer, StGB, § 263a Rz. 6; Haft, NStZ 1987, 6, 7; Hoyer in SK-StGB, § 263a Rz. 22; Wohlers/Mühlbauer in MüKo-StGB, § 263a Rz. 23. 11 Altenhain in M/R-StGB, § 263a Rz. 6; Cornelius in Kilian/Heussen, 10 Teil/BT StGB Rz. 89 f.; Eisele, Computer- und MedienstrafR, 8. Kap. § 40 Rz. 27; Hoyer in SK-StGB, § 263a Rz. 22; Kindhäuser in NK-StGB, § 263a Rz. 13; Tiedemann/Valerius in LK-StGB, § 263a Rz. 28; Wohlers/Mühlbauer in MüKo-StGB, § 263a Rz. 24. 12 Heghmanns in A/R/R, 6. Teil/1 Rz. 202; Kindhäuser in NK-StGB, § 263a Rz. 14; Perron in S/S-StGB, § 263a Rz. 5; vgl. auch BT-Drucks. 10/318, S. 20.

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StGB

Computerbetrug

StGB

§ 263a StGB Rz. 9

Strafgesetzbuch

ist eine objektive Auffassung, die danach fragt, ob durch die jeweilige Programmgestaltung auch objektiv unzutreffende Arbeitsergebnisse des Programms bewirkt wurden.1 9

Die Verwendung sog. Dialer-Programme (auch bekannt als 0190-Dialer) kann eine Strafbarkeit nach § 263a Abs. 1 Var. 1 sowohl in unmittelbarer Täterschaft, wenn sich das Dialer-Programm selbsttätig installiert und unbemerkt beim Surfen des Users Kosten verursacht, als auch in mittelbarer Täterschaft begründen, wenn der Nutzer unter dem Vorwand einer Abrechnung eines anderweitigen kostenpflichtigen Internetangebotes zur Installation des Anwählprogramms motiviert wird.2 b) Verwendung unrichtiger oder unvollständiger Daten (Abs. 1 Var. 2)

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§ 263a Abs. 1 Var. 2 stellt die sog. Inputmanipulation, also die Verwendung unrichtiger oder unvollständiger Daten, unter Strafe. Ein Datum (zum Begriff s. Rz. 5) ist unrichtig, wenn es eine Information codiert, die objektiv nicht der Wahrheit entspricht.3 Unvollständig ist ein Datum, dessen codierte Informationen nur einen Teil der objektiv wahren Gegebenheiten wiedergeben.4 Verwendet werden unrichtige oder unvollständige Daten, sobald sie vom Täter in den Datenverarbeitungsvorgang eingeführt5 oder genutzt werden.6

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Das Benutzen von Falschgeld zur Auslösung eines Datenverarbeitungsvorgangs fällt nicht unter § 263a Abs. 1 Var. 2, sondern allenfalls unter §§ 242, 265a, denn Falschgeld stellt mangels codierter Informationen kein Datum dar.7 Ebenso wenig erfüllt die Angabe falscher Tatsachen im automatisierten Mahnverfahren nach § 689 Abs. 1 S. 2 ZPO entgegen der Rspr.8 die Voraussetzungen des § 263a Abs. 1 Var. 2: Der zuständige Rechtspfleger ist nach § 692 Abs. 1 Nr. 2 ZPO nicht zu einer Überprüfung der Richtigkeit oder Schlüssigkeit der Angaben des Antragsstellers verpflichtet, sodass er weder getäuscht werden noch einem Irrtum i.S.d. § 263 unterliegen kann.9 Im geschlossenen strafrechtlichen System der Vermögensdelikte gebietet das Gebot der betrugsnahen Auslegung (Rz. 2), dass diese Wertung auch auf § 263a übertragen wird.10 Es verdient daher keine Zustimmung, wenn der BGH § 263a auf Fälle anwendet, in denen der Täter eine rein fiktive Forderung im Mahnverfahren geltend machen will.11 c) Unbefugtes Verwenden von Daten (Abs. 1 Var. 3)

12

§ 263a Abs. 1 Var. 3 pönalisiert die unbefugte Verwendung richtiger Daten.12 Diese Tathandlungsmodalität wurde vom Gesetzgeber explizit aufgenommen, um sicherzustellen, dass die missbräuchliche Verwendung von

1 Altenhain in M/R-StGB, § 263a Rz. 6; Bär in G/J/W, § 263a Rz. 9; Bühler, MDR 1987, 448, 450; Cornelius in Kilian/ Heussen, 10 Teil/BT StGB Rz. 86; Eisele, Computer- und MedienstrafR, 8. Kap. § 40 Rz. 28; Fischer, StGB, § 263a Rz. 6; Haft, NStZ 1987, 6, 7; Heger in Lackner/Kühl, StGB, § 263a Rz. 7; Hilgendorf in S/S/W-StGB, § 263a Rz. 5; Hoyer in SKStGB, § 263a Rz. 24; Tiedemann/Valerius in LK-StGB, § 263a Rz. 3; Wohlers/Mühlbauer in MüKo-StGB, § 263a Rz. 23. 2 Altenhain in M/R-StGB, § 263a Rz. 7; Heghmanns in A/R/R, 6. Teil/1 Rz. 217; Hilgendorf in S/S/W-StGB, § 263a Rz. 5; Kindhäuser in NK-StGB, § 263a Rz. 60a. Ausf. zur Strafbarkeit von Dialer-Programmen Buggisch, NStZ 2002, 178. 3 Str., wie hier: BGH v. 22.1.2013 – 1 StR 416/12, NJW 2013, 2608, 2610; Altenhain in M/R-StGB, § 263a Rz. 8; Bär in G/J/W, § 263a Rz. 11; Cornelius in Kilian/Heussen, 10. Teil/BT StGB Rz. 91; Fischer, StGB, § 263a Rz. 7; Heger in Lackner/Kühl, StGB, § 263a Rz. 10; Hilgendorf in S/S/W-StGB, § 263a Rz. 6; Hoyer in SK-StGB, § 263a Rz. 26; Kindhäuser in NK-StGB, § 263a Rz. 17; Perron in S/S-StGB, § 263a Rz. 6; Tiedemann/Valerius in LK-StGB, § 263a Rz. 33; Wohlers/ Mühlbauer in MüKo-StGB, § 263a Rz. 28. A.A. Heghmanns in A/R/R, 6. Teil/1 Rz. 203. 4 BGH v. 22.1.2013 – 1 StR 416/12, NJW 2013, 2608, 2610; Altenhain in M/R-StGB, § 263a Rz. 8; Bär in G/J/W, § 263a Rz. 11; Fischer, StGB, § 263a Rz. 7; Heger in Lackner/Kühl, StGB, § 263a Rz. 10; Hilgendorf in S/S/W-StGB, § 263a Rz. 6; Hoyer in SK-StGB, § 263a Rz. 26; Kindhäuser in NK-StGB, § 263a Rz. 17; Perron in S/S-StGB, § 263a Rz. 6; Tiedemann/Valerius in LK-StGB, § 263a Rz. 34; Wohlers/Mühlbauer in MüKo-StGB, § 263a Rz. 28. 5 BGH v. 22.1.2013 – 1 StR 416/12, NJW 2013, 2608, 2610; Altenhain in M/R-StGB, § 263a Rz. 9; Bär in G/J/W, § 263a Rz. 11; Cornelius in Kilian/Heussen, 10. Teil/BT StGB Rz. 92; Fischer, StGB, § 263a Rz. 7, 8; Heger in Lackner/Kühl, StGB, § 263a Rz. 9; Heghmanns in A/R/R, 6. Teil/1 Rz. 205; Hoyer in SK-StGB, § 263a Rz. 27; Kindhäuser in NK-StGB, § 263a Rz. 16; Perron in S/S-StGB, § 263a Rz. 6; Wohlers/Mühlbauer in MüKo-StGB, § 263a Rz. 30. 6 BayObLG v. 28.8.1990 – RReg. 4 St 250/89, NJW 1991, 438, 440; Hilgendorf in S/S/W-StGB, § 263a Rz. 7; Hilgendorf JuS 1997, 130, 131. 7 Im Ergebnis auch OLG Düsseldorf v. 29.10.1998 – 5 Ss 369-98 - 90-98 I, NJW 1999, 3208, 3209; Hoyer in SK-StGB, § 263a Rz. 28. 8 OLG Celle v. 13.9.2011 – 3 StR 262/11, NStZ-RR 2012, 111, 112; OLG Düsseldorf v. 30.8.1991 – 2 Ws 317/91, NStZ 1991, 586; s. auch Kindhäuser in NK-StGB, § 263a Rz. 18; Tiedemann/Valerius in LK-StGB, § 263a Rz. 39. 9 Altenhain in M/R-StGB, § 263a Rz. 22; Bär in G/J/W, § 263a Rz. 12; Cornelius in Kilian/Heussen, 10. Teil/BT StGB Rz. 93; Eisele, Computer- und MedienstrafR, 8. Kap. § 40 Rz. 30; Heger in Lackner/Kühl, StGB, § 263a Rz. 20; Heghmanns in A/R/R, 6. Teil/1 Rz. 204; Hoyer in SK-StGB, § 263a Rz. 30; Perron in S/S-StGB, § 263a Rz. 6; Wohlers/ Mühlbauer in MüKo-StGB, § 263a Rz. 29. 10 Altenhain in M/R-StGB, § 263a Rz. 22; Eisele, Computer- und MedienstrafR, 8. Kap. § 40 Rz. 30; Heghmanns in A/R/R, 6. Teil/1 Rz. 204; Hilgendorf in S/S/W-StGB, § 263a Rz. 6; Hoyer in SK-StGB, § 263a Rz. 30; Perron in S/S-StGB, § 263a Rz. 6; Wohlers/Mühlbauer in MüKo-StGB, § 263a Rz. 29. 11 BGH v. 19.11.2013 – 4 StR 292/13, NJW 2014, 711 m. krit. Anm. Trüg, NStZ 2014, 157. 12 BT-Drucks. 10/5058, S. 23, 30.

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Saliger

Rz. 13 § 263a StGB

EC-Karten an Bankautomaten nicht straflos ist.1 Während der Begriff des Verwendens wie bei § 263a Abs. 1 Var. 2 zu definieren ist (Rz. 10),2 ist stark umstritten, wie das Merkmal der Unbefugtheit zu verstehen ist (zum Meinungsstand s. bereits Rz. 6): Vor dem Hintergrund der Intention des Gesetzgebers, Strafbarkeitslücken zu schließen, und im Hinblick auf die strukturelle Anlehnung an § 263 ist eine betrugsspezifische Auslegung des Merkmals vorzunehmen (Rz. 6). Es ist also stets danach zu fragen, ob die in Rede stehende Handlung des Täters, würde sie gegenüber einem Menschen vorgenommen werden, eine Täuschung i.S.d. § 263 darstellen würde. Daraus ergeben sich folgende Konsequenzen für die verschiedenen Konstellationen der missbräuchlichen Ver- 13 wendung einer EC-Karte als praktisch häufigstem Anwendungsfall von § 263a:3 Hebt ein Nichtberechtigter mit einer manipulierten bzw. gefälschten oder mit einer durch verbotene Eigenmacht (§ 858 Abs. 1 BGB) erlangten Karte Geld ab, so liegen die Voraussetzungen des § 263a Abs. 1 Var. 3 unstreitig vor, da der Täter, hätte er die Handlung gegenüber einem Bankangestellten vorgenommen, seine Berechtigung vorgetäuscht hätte.4 Allerdings greift nur § 263 und nicht § 263a, wenn der Täter die Karte vom Berechtigten bereits durch Täuschung erlangt hat.5 Hebt jemand mit einer Karte, die er im Einverständnis mit dem Berechtigten erhalten hat, lediglich abredewidrig Geld ab, so scheidet nach h.M. § 263a Abs. 1 Var. 3 mangels hypothetischer Täuschungshandlung über die Berechtigung aus; in Betracht kommt in solchen Konstellationen aber eine Strafbarkeit nach § 266 gegenüber dem berechtigten Karteninhaber.6 Im Falle einer Abhebung durch den berechtigten Karteninhaber, der dabei seine vertraglichen Befugnisse im Verhältnis zum Kartenaussteller überschreitet, scheidet § 263a nach zutreffender herrschender Ansicht aus, da für solche Fälle der Tatbestand der missbräuchlichen Verwendung von Scheck- und Kreditkarten nach § 266b geschaffen wurde und es überdies an einer Täuschungshandlung fehlt.7 Denn bevor die Bank im Einzelfall überhaupt eine Auszahlung tätigt, prüft sie automatisch den vorhandenen Verfügungsrahmen des Kontoinhabers, sodass sie durch rein vertragliche Pflichtverletzungen des Karteninhabers keinem durch Täuschung hervorgerufenen Irrtum unterliegen kann. Aus demselben Grund scheidet eine Strafbarkeit nach § 263a aus, wenn der berechtigte Karteninhaber selbst seine EC-Karte im POS-Verfahren (point-of-sale mit Zahlungsgarantie, s. dazu § 266b StGB Rz. 11) vertragswidrig einsetzt; dagegen kann § 263a jedoch greifen, wenn der Täter die Karte zunächst unberechtigt vom Inhaber erlangt hat und diese dann im POS-Verfahren benutzt.8 Bei dem

1 BT-Drucks. 10/5058, S. 30; Bär in G/J/W, § 263a Rz. 13; Berghaus, JuS 1990, 981, 982; Cornelius in Kilian/Heussen, 10. Teil/BT StGB Rz. 94; Heger in Lackner/Kühl, StGB, § 263a Rz. 11; Heghmanns in A/R/R, 6. Teil/1 Rz. 207; Hilgendorf in S/S/W-StGB, § 263a Rz. 8; Hoyer in SK-StGB, § 263a Rz. 34; Kindhäuser in NK-StGB, § 263a Rz. 19; Perron in S/S-StGB, § 263a Rz. 7; Wohlers/Mühlbauer in MüKo-StGB, § 263a Rz. 35. 2 Altenhain in M/R-StGB, § 263a Rz. 11; Hoyer in SK-StGB, § 263a Rz. 32; Kindhäuser in NK-StGB, § 263a Rz. 20; Wohlers/Mühlbauer in MüKo-StGB, § 263a Rz. 35; krit. Tiedemann/Valerius in LK-StGB, § 263a Rz. 41. 3 Eisele, Computer- und MedienstrafR, 8. Kap. § 40 Rz. 31; Heger in Lackner/Kühl, StGB, § 263a Rz. 11, Hilgendorf in S/S/ W-StGB, § 263a Rz. 15; Schulz/Tscherwinka, JA 1991, 119, 122; Tiedemann/Valerius in LK-StGB, § 263a Rz. 47. 4 BGH v. 22.11.1991 – 2 StR 376/91, BGHSt 38, 120; BGH v. 21.11.2001 – 2 StR 260/01, BGHSt 47, 160; OLG Köln v. 9.7.1991 – Ss 624/90, NJW 1992, 125; Altenhain in M/R-StGB, § 263a Rz. 13; Bär in G/J/W, § 263a Rz. 16; Berghaus, JuS 1990, 981 f.; Cornelius in Kilian/Heussen, 10. Teil/BT StGB Rz. 100; Eisele, Computer- und MedienstrafR, 8. Kap. § 40 Rz. 37 f.; Fest/Simon, JuS 2009, 798, 801; Fischer, StGB, § 263a Rz. 12a; Heger in Lackner/Kühl, StGB, § 263a Rz. 14; Heghmanns in A/R/R, 6. Teil/1 Rz. 208; Hilgendorf in S/S/W-StGB, § 263a Rz. 16; Hoyer in SK-StGB, § 263a Rz. 37; Kindhäuser in NK-StGB, § 263a Rz. 46; Perron in S/S-StGB, § 263a Rz. 10; Schulz/Tscherwinka, JA 1991, 119, 123; Tiedemann/Valerius in LK-StGB, § 263a Rz. 48 f.; Wohlers/Mühlbauer in MüKo-StGB, § 263a Rz. 49. 5 Altenhain in M/R-StGB, § 263a Rz. 14; Bär in G/J/W, § 263a Rz. 17; Fischer, StGB, § 263a Rz. 13; Perron in S/S-StGB, § 263a Rz. 12. 6 Str., wie hier: BGH v. 31.3.2004 – 1 StR 482/03, NStZ 2005, 213; OLG Köln v. 9.7.1991 – Ss 624/90, NJW 1992, 125; OLG Düsseldorf v. 5.1.1998 – 2 Ss 437/97 - 123/97 II, NStZ-RR 1998, 137; OLG Dresden v. 13.4.2005 – 2 Ss 654/04, StV 2005, 443; OLG Jena v. 20.9.2006 – 1 Ss 226/06, wistra 2007, 236; Altenhain in M/R-StGB, § 263a Rz. 14; Bär in G/J/W, § 263a Rz. 17; Cornelius in Kilian/Heussen, 10. Teil/BT StGB Rz. 100; Fest/Simon, JuS 2009, 798 (801); Fischer, StGB, § 263a Rz. 13; Hoyer in SK-StGB, § 263a Rz. 39; Perron in S/S-StGB, § 263a Rz. 12; Tiedemann/Valerius in LK-StGB, § 263a Rz. 50; Wohlers/Mühlbauer in MüKo-StGB, § 263a Rz. 50; s. auch BGH v. 31.3.2004 – 1 StR 482/03, NStZ 2005, 213 (abredewidrige Nutzung einer Telefonkarte) und OLG Koblenz v. 2.2.2015 – 2 OLG 3 Ss 170/14, BeckRS 2015, 03297; AG Eggenfelden v. 12.1.2009 – 2 Cs 54 JS 3329/06, NStZ-RR 2009, 139, 140 (abredewidrige Nutzung einer Tankkarte). A.A. Eisele/Fad, JURA 2002, 305, 310; Heger in Lackner/Kühl, StGB, § 263a Rz. 14; Hilgendorf in S/S/W-StGB, § 263a Rz. 16; Hilgendorf, JuS 1997, 130, 134; Kindhäuser in NK-StGB, § 263a Rz. 51; Mitsch, JZ 1994, 877, 881 f. 7 Str., wie hier: BGHSt v. 21.11.2001 – 2 StR 260/01, BGHSt 47, 160 (162 f.); OLG Düsseldorf v. 5.1.1998 – 2 Ss 437/97 123/97 II, NStZ-RR 1998, 137; OLG Stuttgart v. 23.11.1987 – 3 Ss 389/87, NJW 1988, 981; Altenhain in M/R-StGB, § 263a Rz. 15; Altenhain, JZ 1997, 752, 758; Bär in G/J/W, § 263a Rz. 18; Beckemper, JA 2002, 545, 546 f.; Cornelius in Kilian/Heussen, 10. Teil/BT StGB Rz. 100; Eisele, Computer- und MedienstrafR, 8. Kap. § 40 Rz. 47; Fischer, StGB, § 263a Rz. 14a; Heghmanns in A/R/R, 6. Teil/1 Rz. 208; Hoyer in SK-StGB, § 263a Rz. 35; Kudlich, JuS 2003, 537, 540; Löhnig, JR 1999, 362, 363; Perron in S/S-StGB, § 263a Rz. 11; Tiedemann/Valerius in LK-StGB, § 263a Rz. 51; Zielinski, JR 2008, 342, 343. A.A. Bernsau, Der Scheck- oder Kreditkartenmißbrauch durch den berechtigten Karteninhaber, 1990, S. 154 ff., 191 f.; Berghaus, JuS 1990, 981, 982; Eisele/Fad, JURA 2002, 305, 311; Heger in Lackner/Kühl, StGB, § 263a Rz. 14; Hilgendorf in S/S/W-StGB, § 263a Rz. 17; Kindhäuser in NK-StGB, § 263a Rz. 47; Möhrenschlager, wistra 1991, 321, 325; Otto, wistra 1986, 150, 153; Tiedemann, JZ 1986, 865, 869. 8 Bär in G/J/W, § 263a Rz. 19; Eisele, Computer- und MedienstrafR, 8. Kap. § 40 Rz. 40; Fischer, StGB, § 263a Rz. 15; Heghmanns in A/R/R, 6. Teil/1 Rz. 214; Hoyer in SK-StGB, § 263a Rz. 40; Perron in S/S-StGB, § 263a Rz. 13; Tiedemann/ Valerius in LK-StGB, § 263a Rz. 52; Wohlers/Mühlbauer in MüKo-StGB, § 263a Rz. 52.

Saliger

551

StGB

Computerbetrug

StGB

§ 263a StGB Rz. 14

Strafgesetzbuch

missbräuchlichen Einsatz einer EC-Karte im Lastschrift- bzw. POZ-Verfahren (poinf-of-sale-ohne Zahlungsgarantie, s. dazu § 266b StGB Rz. 12) kommt schließlich immer nur § 263 zulasten des Händlers in Betracht.1 14

In den Fällen des sog. Phishings2 ist zwischen dem Phishing an sich, also dem Vorgang, bei welchem der Täter versucht, unrechtmäßig Passwörter, PINs, TANs oder andere Zugangsdaten zu erlangen, und dem Einsatz der durch das Phishing erlangten Daten zu unterscheiden: Nur im letzten Fall ist § 263a Abs. 1 Var. 3 einschlägig.3 Zum gleichen Ergebnis führt der Sportwettenbetrug an Wettautomaten: Die Wettabgabe in vorheriger Kenntnis des Verlaufes und Resultates eines Spieles wäre gegenüber menschlichen Anbietern als konkludente Täuschung zu bewerten, sodass nach der betrugsspezifischen Auslegung (Rz. 2, 6) ein unbefugtes Handeln i.S.d. § 263a Abs. 1 Var. 3 vorliegt.4 Ebenfalls strafbar nach § 263a macht sich, wer sich mithilfe von Computerprogrammen oder Piratenkarten unberechtigt Zugang zu Pay-TV-Programmen zu verschaffen versucht.5 Nicht einschlägig ist § 263a allerdings beim sog. Schwarzsurfen in unverschlüsselten fremden WLAN-Funknetzen.6 d) Sonstiges unbefugtes Einwirken auf den Ablauf (Abs. 1 Var. 4)

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§ 263a Abs. 1 Var. 4 erfasst als Auffangtatbestand alle Manipulationen, die nicht unter die ersten drei Varianten zu subsumieren sind, solange es sich bei der Tathandlung um ein täuschungsäquivalentes Verhalten handelt.7 Auch hier gilt für das Merkmal der Unbefugtheit der Vorrang der betrugsspezifischen Auslegung (Rz. 2, 6). Besondere Relevanz erlangt die vierte Variante im Hinblick auf das Leerspielen von Geldspielautomaten, auch wenn diese Fälle aufgrund fortschreitender technischer Sicherungsmöglichkeiten an praktischer Bedeutung verloren haben.8 Charakteristisch für diese Fallkonstellationen ist, dass der Täter mittels einer rechtswidrig erlangten Computersoftware die Programmabläufe eines Automaten auslesen kann, wodurch er erfährt, wann die für einen Gewinn entscheidende Risikotaste am Gerät zu bedienen ist. Nach der i.R.d. § 263a gebotenen betrugsspezifischen Auslegung (Rz. 2, 6) liegt in solchen Fällen regelmäßig ein unbefugtes Einwirken vor, da eine natürliche Person anstelle des Spielautomaten (konkludent) über die Tatsache getäuscht worden wäre, dass der Täter die internen Abläufe des Automaten nicht kennt.9 In ähnlicher Weise verhält es sich beim Einsatz sog. Geisterjetons an Roulettespiel-Automaten.10 In diesen Fällen ist es dem Täter aufgrund eines Programmfehlers möglich, seine zunächst rechtmäßig gegen Geldeinsatz erworbenen virtuellen Jetons auf dem gesetzten Roulettefeld liegen zu lassen, auch wenn er sich seinen Geldeinsatz bereits durch gleichzeitiges Festhalten der Jetons auf dem Bildschirm und Drücken der Geldrückgabetaste hat zurückerstatten lassen. Da ein Spieler bei rechtmäßigem Einsatz der Jetons konkludent erklärt, dass er eine Forderung gegen den Betreiber des Automaten in Höhe des Nennwertes hat, die mit dem Verlust der Jetons erlischt, ist in dem Fall von den noch auf den Feldern „herumgeisternden“ Jetons von einem täuschungsäquivalenten Verhalten auszugehen, da dem Automatenbetreiber beim Verlust der Jetons

1 Altenhain in M/R-StGB, § 263a Rz. 16; Altenhain, JZ 1997, 752, 759; Bär in G/J/W, § 263a Rz. 20; Eisele, Computerund MedienstrafR, 8. Kap. § 40 Rz. 41; Fischer, StGB, § 263a Rz. 15; Heger in Lackner/Kühl, StGB, § 263a Rz. 14; Heghmanns in A/R/R, 6. Teil/1 Rz. 214; Hilgendorf in S/S/W-StGB, § 263a Rz. 18; Hoyer in SK-StGB, § 263a Rz. 41; Kindhäuser in NK-StGB, § 263a Rz. 54; Perron in S/S-StGB, § 263a Rz. 13; Rossa, CR 1997, 219, 228; Tiedemann/Valerius in LK-StGB, § 263a Rz. 53; Wohlers/Mühlbauer in MüKo-StGB, § 263a Rz. 53. 2 Detailliert zur Strafbarkeit des Phishings Gercke, CR 2005, 606; Graf, NStZ 2007, 129; Popp, NJW 2004, 3517. Zu Fragen der Strafbarkeit des sog. Skimmings (Ausspähen von Daten auf Zahlungskarten) Bär in G/J/W, § 263a Rz. 28; Eisele, CR 2011, 131; Feldmann, wistra 2015, 41; Wohlers/Mühlbauer in MüKo-StGB, § 263a Rz. 49. 3 Altenhain in § 263a Rz. 16; Bär in G/J/W, § 263a Rz. 27; Eisele, Computer- und MedienstrafR, 8. Kap. § 40 Rz. 50; Fischer, StGB, § 263a Rz. 11a; Heger in Lackner/Kühl, StGB, § 263a Rz. 14b; Heghmanns in A/R/R, 6. Teil/1 Rz. 218; Hilgendorf in S/S/W-StGB, § 263a Rz. 21; Kindhäuser in NK-StGB, § 263a Rz. 60a; Perron in S/S-StGB, § 263a Rz. 14; Tiedemann/Valerius in LK-StGB, § 263a Rz. 56; Wohlers/Mühlbauer in MüKo-StGB, § 263a Rz. 55. 4 BGH v. 20.12.2012 – 4 StR 580/11, NStZ 2013, 281, der der Ansicht der Vorinstanz (LG Bochum) folgt. 5 Bär in G/J/W, § 263a Rz. 24; Eisele, Computer- und MedienstrafR, 8. Kap. § 40 Rz. 51; Fischer, StGB, § 263a Rz. 17; Heghmanns in A/R/R, 6. Teil/1 Rz. 216; Hilgendorf in S/S/W-StGB, § 263a Rz. 21; Kindhäuser in NK-StGB, § 263a Rz. 59; Perron in S/S-StGB, § 263a Rz. 15; Scheffler, CR 2002, 151; Wohlers/Mühlbauer in MüKo-StGB, § 263a Rz. 56. 6 LG Wuppertal v. 19.10.2010 – 25 Qs 10 Js 1977/08-177/10, MM/R-StGB 2011, 65, 66. 7 BT-Drucks. 10/318, S. 19; BT-Drucks. 10/5058, S. 30; Altenhain in M/R-StGB, § 263a Rz. 18; Bär in G/J/W, § 263a Rz. 30; Cornelius in Kilian/Heussen, 10. Teil/BT StGB Rz. 101; Eisele, Computer- und MedienstrafR, 8. Kap. § 40 Rz. 53; Fischer, StGB, § 263a Rz. 18; Hilgendorf in S/S/W-StGB, § 263a Rz. 23; Hoyer in SK-StGB, § 263a Rz. 46; Kindhäuser in NK-StGB, § 263a Rz. 28; Perron in S/S-StGB, § 263a Rz. 16; Tiedemann/Valerius in LK-StGB, § 263a Rz. 62; Wohlers/ Mühlbauer in MüKo-StGB, § 263a Rz. 59 f. 8 Bär in G/J/W, § 263a Rz. 29; Tiedemann/Valerius in LK-StGB, § 263a Rz. 61. 9 Cornelius in Kilian/Heussen, 10. Teil/BT StGB Rz. 105; Eisele, Computer- und MedienstrafR, 8. Kap. § 40 Rz. 54; Hoyer in SK-StGB, § 263a Rz. 45; Perron in S/S-StGB, § 263a Rz. 17; Ranft, JuS 1997, 19; Tiedemann/Valerius in LK-StGB, § 263a Rz. 61. Eher darauf abstellend, dass gegen den Willen des Rechtsgutsinhabers verstoßen wird BGH v. 10.11.1994 – 1 StR 157/94, BGHSt 40, 331, 334 ff. m. Anm. Zielinski, NStZ 1995, 345; Fischer, StGB, § 263a Rz. 19. Die 3. Var. von § 263a bejahend BayObLG v. 28.8.1990 – 4 St 250/89, NJW 1991, 438, 440 f. A.A. OLG Celle v. 11.4.1989 – 1 Ss 287/88, wistra 1989, 355 ff.; Altenhain in M/R-StGB, § 263a Rz. 18; Arloth, CR 1996, 359; Neumann, StV 1996, 375; Neumann, JuS 1990, 535; Wohlers/Mühlbauer in MüKo-StGB, § 263a Rz. 62; s. auch KG v. 8.12.2014 – (3) 161 Ss 216/13 (160/13), NStZ-RR 2015, 111. 10 Ausf. zur Strafbarkeit des Einsatzes solcher „Geisterjetons“ Obermann, NStZ 2015, 197.

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Saliger

Rz. 18 § 263a StGB

kein entsprechender Wert zufließt.1 Im Gegensatz dazu muss eine Strafbarkeit nach § 263a ausscheiden, wenn der Täter über die Verarbeitung der von einem Spielautomaten ausgegebenen Daten lediglich Informationen für eine zielsichere Bedienung der Risikotaste gewinnen will.2 Ebenfalls nicht von § 263a erfasst sind die Fälle, in denen der Täter mit einem präparierten Geldschein einen Wechselautomaten zur Geldausgabe bewegt3 oder wenn dieser lediglich einen nicht durch ihn verursachten Defekt einer vollautomatischen Selbstbedienungstankstelle ausnutzt.4 4. Vermögensschaden als Taterfolg Die Beeinflussung des Ergebnisses eines Datenverarbeitungsvorgangs durch eine der vier Tatmodalitäten muss 16 bei einer anderen Person zu einem unmittelbaren Vermögensschaden führen. Es gelten dieselben Grundsätze wie beim Vermögensschaden des § 263 (§ 263 StGB Rz. 148 ff.).5 Fallen Geschädigter (z.B. der Kontoinhaber in den EC-Karten-Fällen, s. Rz. 13) und Betreiber der Datenverarbeitungsanlage auseinander, so greifen die allgemeinen Regeln des Dreiecksbetruges.6 Ein Schaden an der Datenverarbeitungsanlage selbst und daraus resultierende Reparatur- und Wiederherstellungskosten sind allerdings keine Vermögensschäden i.S.d. § 263a, da sie nicht das Ergebnis einer Beeinflussung des Datenverarbeitungsvorganges sind.7

II. Subjektiver Tatbestand Für den subjektiven Tatbestand muss der Täter zumindest bedingten Vorsatz im Hinblick auf die Verwirk- 17 lichung aller objektiven Tatbestandsmerkmale haben, d.h. er muss nach Laiengrundsätzen erkannt haben, dass sein Handeln unbefugt und damit nicht erlaubt ist.8 Geht der Täter aufgrund der Tatsachenlage irrig von einer Berechtigung aus, so liegt ein den Vorsatz ausschließender Tatbestandsirrtum nach § 16 Abs. 1 vor.9 Anderweitige Irrtümer sind regelmäßig nach § 17 zu beurteilen.10 Die darüber hinaus erforderliche Absicht des Täters ist identisch mit der des § 263 (§ 263 StGB Rz. 239 ff.) und bezieht sich auf eine rechtswidrige und stoffgleiche Bereicherung.11

C. Vorbereitungshandlungen (Absatz 3) und tätige Reue (Absatz 4) Seit der Einfügung des Abs. 3 durch das 35. StrÄndG v. 22.12.200312 werden auch Vorbereitungshandlungen zum 18 Computerbetrug strafrechtlich erfasst. Die dadurch bewirkte und zu Recht als im Verhältnis zu § 263 systemwidrig kritisierte13 Vorverlagerung der Strafbarkeit dient der Umsetzung von Art. 4 Abs. 2 des EU-Rahmen-

1 Vgl. Obermann, NStZ 2015, 197, 198 f. 2 LG Göttingen v. 2.8.1988 – Ns 10 Ls 41 Js 19525/87, NJW 1988, 2488; Bär in G/J/W, § 263a Rz. 29. 3 OLG Düsseldorf v. 29.7.1999 – 5 Ss 291/98 – 71/98 II, NJW 2000, 158; Fischer, StGB, § 263a Rz. 19; Hilgendorf in S/S/ W-StGB, § 263a Rz. 26; Perron in S/S-StGB, § 263a Rz. 17a; Tiedemann/Valerius in LK-StGB, § 263a Rz. 62; Wohlers/ Mühlbauer in MüKo-StGB, § 263a Rz. 65. 4 Str., wie hier: Cornelius in Kilian/Heussen, 10. Teil/BT StGB Rz. 103; Eisele, Computer- und MedienstrafR, 8. Kap. § 40 Rz. 55; Perron in S/S-StGB, § 263a Rz. 17a; Tiedemann/Valerius in LK-StGB, § 263a Rz. 62; Wohlers/Mühlbauer in MüKo-StGB, § 263a Rz. 63. A.A. OLG Braunschweig v. 12.10.2007 – Ss 64/07, NStZ 2008, 402. 5 BT-Drucks. 10/318, S. 19; BGH v. 22.1.2013 – 1 StR 416/12, BGHSt 58, 119; BGH v. 20.12.2012 – 4 StR 580/11, NJW 2013, 1017, 1018; Altenhain in M/R-StGB, § 263a Rz. 24; Bär in G/J/W, § 263a Rz. 32; Fischer, StGB, § 263a Rz. 22; Heger in Lackner/Kühl, StGB, § 263a Rz. 23; Heghmanns in A/R/R, 6. Teil/1 Rz. 211; Hilgendorf in S/S/W-StGB, § 263a Rz. 30; Hoyer in SK-StGB, § 263a Rz. 52; Kindhäuser in NK-StGB, § 263a Rz. 36; Perron in S/S-StGB, § 263a Rz. 24; Tiedemann/Valerius in LK-StGB, § 263a Rz. 70; Wohlers/Mühlbauer in MüKo-StGB, § 263a Rz. 66. 6 Altenhain in M/R-StGB, § 263a Rz. 23; Bär in G/J/W, § 263a Rz. 32; Eisele/Fad, JURA 2002, 305, 308; Heger in Lackner/ Kühl, StGB, § 263a Rz. 21; Heghmanns in A/R/R, 6. Teil/1 Rz. 212; Hilgendorf in S/S/W-StGB, § 263a Rz. 32; Tiedemann/Valerius in LK-StGB, § 263a Rz. 71; Wohlers/Mühlbauer in MüKo-StGB, § 263a Rz. 69. Haft, NStZ 1987, 6, 8 geht sogar davon aus, dass der Computerbetrug strukturell ein Dreiecksbetrug sei; ähnlich Bühler, MDR 1987, 448, 449. 7 Altenhain in M/R-StGB, § 263a Rz. 24; Bär in G/J/W, § 263a Rz. 32; Fischer, StGB, § 263a Rz. 22; Tiedemann/Valerius in LK-StGB, § 263a Rz. 70. 8 Altenhain in M/R-StGB, § 263a Rz. 25; Cornelius in Kilian/Heussen, 10. Teil/BT StGB Rz. 106 f.; Fischer, StGB, § 263a Rz. 23; Hilgendorf in S/S/W-StGB, § 263a Rz. 33; Hoyer in SK-StGB, § 263a Rz. 53; Perron in S/S-StGB, § 263a Rz. 27; Tiedemann/Valerius in LK-StGB, § 263a Rz. 72. 9 Altenhain in M/R-StGB, § 263a Rz. 25; Bär in G/J/W, § 263a Rz. 33; Fischer, StGB, § 263a Rz. 23; Heger in Lackner/ Kühl, StGB, § 263a Rz. 24; Heghmanns in A/R/R, 6. Teil/1 Rz. 220; Hilgendorf in S/S/W-StGB, § 263a Rz. 33; Kindhäuser in NK-StGB, § 263a Rz. 39; Perron in S/S-StGB, § 263a Rz. 27; Wohlers/Mühlbauer in MüKo-StGB, § 263a Rz. 70. 10 Altenhain in M/R-StGB, § 263a Rz. 25; Heghmanns in A/R/R, 6. Teil/1 Rz. 220; Hoyer in SK-StGB, § 263a Rz. 53 f.; Kindhäuser in NK-StGB, § 263a Rz. 39; Tiedemann/Valerius in LK-StGB, § 263a Rz. 75. 11 Bär in G/J/W, § 263a Rz. 33; Cornelius in Kilian/Heussen, 10. Teil/BT StGB Rz. 108; Heger in Lackner/Kühl, StGB, § 263a Rz. 25; Hilgendorf in S/S/W-StGB, § 263a Rz. 35; Hoyer in SK-StGB, § 263a Rz. 56; Kindhäuser in NK-StGB, § 263a Rz. 37; Perron in S/S-StGB, § 263a Rz. 29; Tiedemann/Valerius in LK-StGB, § 263a Rz. 76; Wohlers/Mühlbauer in MüKo-StGB, § 263a Rz. 71. 12 BGBl. I, S. 2838. 13 Fischer, StGB, § 263a Rz. 29; Heger in Lackner/Kühl, StGB, § 263a Rz. 26a; Husemann, NJW 2004, 104, 107.

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StGB

Computerbetrug

StGB

§ 263a StGB Rz. 19

Strafgesetzbuch

beschlusses vom 28.5.2001.1 Strafbar ist demnach bereits, wer ein Computerprogramm, das objektiv darauf gerichtet ist, einen Computerbetrug zu verwirklichen, herstellt, sich oder einem anderen verschafft, feilhält, verwahrt oder einem anderen überlässt.2 Entgegen des Wortlautes reicht es für die Verwirklichung des Tatbestandes aus, wenn nur ein einzelnes Computerprogramm betroffen ist.3 Ein Computerprogramm ist eine aus Daten bestehende Arbeitsanweisung.4 Nach dem Willen des Gesetzgebers muss der Zweck des Programms objektiv in der Begehung von Computerbetrügereien liegen, wobei das Programm aber nicht ausschließlich diesem Zweck dienen muss.5 Darüber hinaus hat der Gesetzgeber es offengelassen, wie der Zweck im konkreten Einzelfall zu bestimmen ist:6 Im Hinblick auf Art. 103 Abs. 2 GG ist jedenfalls zu fordern, dass die Begehung von Computerbetrügereien der wesensbestimmende Zweck des Programmes sein muss.7 Die einzelnen Tathandlungen des § 263a Abs. 3 entsprechen denen des § 149 Abs. 1.8 Hergestellt ist ein Programm, wenn es zum Einsatz für eine Tat nach Absatz 1 bereit ist.9 Ein Verschaffen liegt vor, wenn der Täter die tatsächliche Verfügungsmacht über das Programm für sich oder einen anderen erlangt, unabhängig davon, ob dies gegen oder ohne den Willen des Vorbesitzers geschieht.10 Feilhalten meint das den käuflichen Erwerb durch Dritte ermöglichende Bereitstellen und Präsentieren des Programms.11 Der Täter verwahrt ein Programm, wenn er vorübergehend den Gewahrsam daran für einen anderen ausübt.12 Wer die tatsächliche Verfügungsmacht einem Dritten überträgt, überlässt das Programm.13 In subjektiver Hinsicht erfordert Absatz 3 zumindest dolus eventualis bezüglich der einzelnen Programmmerkmale, der jeweiligen Tathandlung sowie der Grundzüge der geplanten künftigen Tat nach Absatz 1.14 19

Absatz 4 begründet mit der Verweisung auf § 149 Abs. 2 und 3 einen persönlichen Strafaufhebungsgrund in Form der tätigen Reue für die Vorbereitungshandlungen nach Abs. 3.15 Liegen die Voraussetzungen der tätigen Reue, die enger als beim Rücktritt sind,16 vor, ist die Straffreiheit zwingend.17 Im Einzelnen18 muss der Täter die Tat freiwillig aufgeben und entweder die durch ihn geschaffene Gefahr, dass andere Personen die Tat weiter vorbereiten oder ausführen, abwenden, oder die Tatvollendung verhindern (§ 149 Abs. 2 Nr. 1). Das freiwillige

1 BT-Drucks. 15/1720, S. 10; Bär in G/J/W, § 263a Rz. 35; Cornelius in Kilian/Heussen, 10. Teil/BT StGB, Rz. 109; Eisele, Computer- und MedienstrafR, 8. Kap. § 40 Rz. 59; Fischer, StGB, § 263a Rz. 29; Heger in Lackner/Kühl, StGB, § 263a Rz. 26a; Hilgendorf in S/S/W-StGB, § 263a Rz. 37; Perron in S/S-StGB, § 263a Rz. 32; Tiedemann/Valerius in LK-StGB, § 263a Rz. 80. 2 BT-Drucks. 15/1720, S. 10 f. 3 Fischer, StGB, § 263a Rz. 30; Hilgendorf in S/S/W-StGB, § 263a Rz. 38; Tiedemann/Valerius in LK-StGB, § 263a Rz. 82. 4 Haft, NStZ 1987, 6, 7; Hoyer in SK-StGB, § 263a Rz. 58. 5 BT-Drucks. 15/1720, S. 10 f.; Altenhain in M/R-StGB, § 263a Rz. 28; Cornelius in Kilian/Heussen, 10. Teil/BT StGB Rz. 109; Eisele, Computer- und MedienstrafR, 8. Kap. § 40 Rz. 60; Fischer, StGB, § 263a Rz. 30; Husemann, NJW 2004, 104, 108; Wohlers/Mühlbauer in MüKo-StGB, § 263a Rz. 73. 6 Fischer, StGB, § 263a Rz. 30; Hilgendorf in S/S/W-StGB, § 263a Rz. 38. 7 BVerfG v. 18.5.2009 – 2 BvR 2233/07, 2 BvR 1151/08, 2 BvR 1524/08, JR 2010, 79 zu § 202c; LG Karlsruhe v. 24.4.2006 – 6 Qs 11/06, NStZ-RR 2007, 19; Bär in G/J/W, § 263a Rz. 36; Cornelius in Kilian/Heussen, 10. Teil/BT StGB, Rz. 110; Eisele, Computer- und MedienstrafR, 8. Kap. § 40 Rz. 60; Fischer, StGB, § 263a Rz. 31 („wesentlicher Zweck“); Hilgendorf in S/S/W-StGB, § 263a Rz. 38; Kindhäuser in NK-StGB, § 263a Rz. 43; Perron in S/S-StGB, § 263a Rz. 33; Tiedemann/Valerius in LK-StGB, § 263a Rz. 85; Wohlers/Mühlbauer in MüKo-StGB, § 263a Rz. 68 („spezifische Widmung“). Entscheidend ist, dass das Programm nicht nur Vorbereitungsmaßnahmen zur Begehung eines Computerbetruges enthält, sondern selbst darauf angelegt ist, einen vollendeten Computerbetrug zu verwirklichen, vgl. Altenhain in M/RStGB, § 263a Rz. 28; Eisele CR 2011, 131, 134; Gercke, CR 2005, 606, 608; Perron in S/S-StGB, § 263a Rz. 33 f.; Tiedemann/Valerius in LK-StGB, § 263a Rz. 86 f.; Wohlers/Mühlbauer in MüKo-StGB, § 263a Rz. 75. 8 Altenhain in M/R-StGB, § 263a Rz. 29; Fischer, StGB, § 263a Rz. 33; Heger in Lackner/Kühl, StGB, § 263a Rz. 26c; Hilgendorf in S/S/W-StGB, § 263a Rz. 39; Perron in S/S-StGB, § 263a Rz. 34. 9 Altenhain in M/R-StGB, § 263a Rz. 29; Hoyer in SK-StGB, § 263a Rz. 60; Kindhäuser in NK-StGB, § 263a Rz. 43. 10 Altenhain in M/R-StGB, § 263a Rz. 29; Hoyer in SK-StGB, § 263a Rz. 60; Wohlers/Mühlbauer in MüKo-StGB, § 263a Rz. 76. 11 Altenhain in M/R-StGB, § 263a Rz. 29; Fischer, StGB, § 263a Rz. 33; Hoyer in SK-StGB, § 263a Rz. 60; Tiedemann/Valerius in LK-StGB, § 263a Rz. 90; Wohlers/Mühlbauer in MüKo-StGB, § 263a Rz. 76. 12 Altenhain in M/R-StGB, § 263a Rz. 29; Fischer, StGB, § 263a Rz. 33; Hoyer in SK-StGB, § 263a Rz. 60; Kindhäuser in NK-StGB, § 263a Rz. 43; Wohlers/Mühlbauer in MüKo-StGB, § 263a Rz. 76. 13 Hoyer in SK-StGB, § 263a Rz. 60; Tiedemann/Valerius in LK-StGB, § 263a Rz. 90; Wohlers/Mühlbauer in MüKo-StGB, § 263a Rz. 76. 14 Altenhain in M/R-StGB, § 263a Rz. 30; Bär in G/J/W, § 263a Rz. 38; Fischer, StGB, § 263a Rz. 34; Heger in Lackner/ Kühl, StGB, § 263a Rz. 26c; Hilgendorf in S/S/W-StGB, § 263a Rz. 41; Hoyer in SK-StGB, § 263a Rz. 61; Kindhäuser in NK-StGB, § 263a Rz. 44; Perron in S/S-StGB, § 263a Rz. 36; Tiedemann/Valerius in LK-StGB, § 263a Rz. 91; Wohlers/ Mühlbauer in MüKo-StGB, § 263a Rz. 78. 15 BT-Drucks. 15/1720, S. 11; Altenhain in M/R-StGB, § 263a Rz. 30; Bär in G/J/W, § 263a Rz. 39; Eisele, Computer- und MedienstrafR, 8. Kap. § 40 Rz. 59; Fischer, StGB, § 263a Rz. 35; Heger in Lackner/Kühl, StGB, § 263a Rz. 26a; Hilgendorf in S/S/W-StGB, § 263a Rz. 42; Kindhäuser in NK-StGB, § 263a Rz. 45; Perron in S/S-StGB, § 263a Rz. 37; Tiedemann/Valerius in LK-StGB, § 263a Rz. 92; Wohlers/Mühlbauer in MüKo-StGB, § 263a Rz. 78; anders nur Hoyer in SKStGB, § 263a Rz. 58, der von einem strafbefreienden Rücktritt spricht. 16 Wittig in S/S/W-StGB, § 149 Rz. 10. 17 Maier in M/R-StGB, § 149 Rz. 16. 18 S. ausf. statt vieler Sternberg-Lieben in S/S-StGB, § 149 Rz. 13 ff.

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Saliger

Rz. 21 § 263a StGB

und ernsthafte Bemühen, das Ziel nach § 149 Abs. 2 Nr. 1 zu erreichen, genügt aber in den Fällen, in denen die Gefahr ohne Zutun des Täters abgewendet oder die Vollendung verhindert wird.

D. Versuch und Vollendung, Täterschaft und Teilnahme Aufgrund der Verweisung in Absatz 2 auf § 263 Abs. 2 ist der Versuch des § 263a strafbar. Vollendet ist die Tat 20 mit dem Eintritt des Vermögensschadens, beendet i.S.d. § 78a ist sie, wenn auch der letzte Vermögensvorteil erlangt wurde.1 Täter kann jedermann sein (Rz. 4), auch Mittäterschaft und mittelbare Täterschaft sind denkbar;2 für die Teilnahme gelten die allgemeinen Regeln.

E. Konkurrenzen Werden mehrere Varianten des § 263a durch eine Handlung verwirklicht, so liegt nur ein Computerbetrug vor 21 und es erfolgt ein einheitlicher Schuldspruch.3 Var. 4 tritt in solchen Fällen als Auffangtatbestand hinter allen anderen Varianten zurück.4 Tätigt der Täter in engem zeitlich-räumlichem Zusammenhang mehrere Abhebungen mit derselben Karte, so ist Tateinheit (§ 52) gegeben.5 Im Verhältnis zu § 263 tritt § 263a zurück, wenn der Schaden die Folge eines menschlichen Handelns ist; § 263 tritt dagegen zurück, wenn der Schaden unmittelbare Folge eines Datenverarbeitungsvorganges ist.6 Ist der Sachverhalt nicht genau aufklärbar, so kommt eine Wahlfeststellung in Betracht.7 Die Regeln über die Postpendenz greifen ein, wenn § 263a sicher, § 263 aber nur möglicherweise verwirklicht ist.8 § 263a als Selbstschädigungsdelikt und § 242 als Fremdschädigungsdelikt schließen sich grundsätzlich gegenseitig aus.9 Wurde zuvor aber bspw. die Debitkarte vom Berechtigten mit Zueignungsabsicht entwendet, so liegt Tatmehrheit vor.10 Tateinheit ist daneben grundsätzlich denkbar zu §§ 152a,11 202a, 267, 268, 269, 270, 303, 303a und 303b sowie § 17 UWG.12 § 370 AO geht § 263a grundsätzlich als lex specialis vor,13 insbesondere wenn der Vermögensvorteil allein in der Verkürzung von Steuereinnahmen besteht.14

1 BGH v. 11.9.2014 – 4 StR 312/14, NStZ-RR 2015, 13; Altenhain in M/R-StGB, § 263a Rz. 27; Fischer, StGB, § 263a Rz. 26; Hilgendorf in S/S/W-StGB, § 263a Rz. 36; Kindhäuser in NK-StGB, § 263a Rz. 40; Perron in S/S-StGB, § 263a Rz. 30; Tiedemann/Valerius in LK-StGB, § 263a Rz. 77 f.; Wohlers/Mühlbauer in MüKo-StGB, § 263a Rz. 83. 2 Hilgendorf in S/S/W-StGB, § 263a Rz. 7, 43; Hoyer in SK-StGB, § 263a Rz. 13, 27; Kindhäuser in NK-StGB, § 263a Rz. 41; Wohlers/Mühlbauer in MüKo-StGB, § 263a Rz. 79. 3 BGH v. 9.3.2010 – 4 StR 592/09, wistra 2010, 263; Altenhain in M/R-StGB, § 263a Rz. 31; Fischer, StGB, § 263a Rz. 37; Hilgendorf in S/S/W-StGB, § 263a Rz. 44; Perron in S/S-StGB, § 263a Rz. 39. 4 Altenhain in M/R-StGB, § 263a Rz. 31; Bär in G/J/W, § 263a Rz. 40; Fischer, StGB, § 263a Rz. 37; Hilgendorf in S/S/WStGB, § 263a Rz. 44; Hoyer in SK-StGB, § 263a Rz. 63; Kindhäuser in NK-StGB, § 263a Rz. 61; Tiedemann/Valerius in LK-StGB, § 263a Rz. 93. 5 BGH v. 19.12.2007 – 2 StR 457/07, wistra 2008, 220; Bär in G/J/W, § 263a Rz. 40; Cornelius in Kilian/Heussen, 10. Teil/ BT StGB Rz. 113; Fischer, StGB, § 263a Rz. 37; Heger in Lackner/Kühl, StGB, § 263a Rz. 27; Perron in S/S-StGB, § 263a Rz. 39; Tiedemann/Valerius in LK-StGB, § 263a Rz. 93; Wohlers/Mühlbauer in MüKo-StGB, § 263a Rz. 84. 6 Str., wie hier: Hoyer in SK-StGB, § 263a Rz. 63; Tiedemann/Valerius in LK-StGB, § 263a Rz. 17, 95; Wohlers/Mühlbauer in MüKo-StGB, § 263a Rz. 76. A.A. - § 263a tritt immer zurück – Bär in G/J/W, § 263a Rz. 40; Eisele, Computer- und MedienstrafR, 8. Kap. § 40 Rz. 22; Heger in Lackner/Kühl, StGB, § 263a Rz. 27; Heghmanns in A/R/R, 6. Teil/1 Rz. 223; Kindhäuser in NK-StGB, § 263a Rz. 62; Perron in S/S-StGB, § 263a Rz. 41 f. 7 BGH v. 12.2.2008 – 4 StR 623/07, NJW 2008, 1394; BGH v. 5.3.2013 – 1 StR 613/12, NStZ 2014, 42; Fischer, StGB, § 263a Rz. 38; Heger in Lackner/Kühl, StGB, § 263a Rz. 30; Hilgendorf in S/S/W-StGB, § 263a Rz. 45; Kindhäuser in NK-StGB, § 263a Rz. 62; Perron in S/S-StGB, § 263a Rz. 42; Wohlers/Mühlbauer in MüKo-StGB, § 263a Rz. 85. 8 BGH v. 18.7.2007 – 2 StR 69/07, NStZ 2008, 396; Cornelius in Kilian/Heussen, 10. Teil/BT StGB Rz. 113; Fischer, StGB, § 263a Rz. 38; Heger in Lackner/Kühl, StGB, § 263a Rz. 30; Perron in S/S-StGB, § 263a Rz. 42. 9 Altenhain in M/R-StGB, § 263a Rz. 32; Cornelius in Kilian/Heussen, 10. Teil/BT StGB Rz. 111; Heger in Lackner/Kühl, StGB, § 263a Rz. 28; Hoyer in SK-StGB, § 263a Rz. 64; Kindhäuser in NK-StGB, § 263a Rz. 64; Perron in S/S-StGB, § 263a Rz. 23; Schulz/Tscherwinka, JA 1991, 119, 123. Zur Abgrenzung von § 242 zu § 263a bei Selbstbedienungskassen Fahl, NStZ 2014, 244. 10 Str., wie hier: BGH v. 30.1.2001 – 1 StR 512/00, NJW 2001, 1508; zust. Cornelius in Kilian/Heussen, 10. Teil/BT StGB Rz. 111; Fischer, StGB, § 263a Rz. 38; Kindhäuser in NK-StGB, § 263a Rz. 64; Weber, JZ 1987, 215, 216 f.; Wohlers/Mühlbauer in MüKo-StGB, § 263a Rz. 84. Tendenziell auch Bär in G/J/W, § 263a Rz. 40. A.A. – § 242 tritt als mitbestrafte Vortat zurück – Heger in Lackner/Kühl, StGB, § 263a Rz. 28; Hoyer in SK-StGB, § 263a Rz. 64; Perron in S/S-StGB, § 263a Rz. 42; Tiedemann/Valerius in LK-StGB, § 263a Rz. 98. 11 BGH v. 23.6.2010 – 2 StR 243/10, wistra 2010, 406. 12 Altenhain in M/R-StGB, § 263a Rz. 32; Bär in G/J/W, § 263a Rz. 40; Fischer, StGB, § 263a Rz. 39; Heger in Lackner/ Kühl, StGB, § 263a Rz. 29; Heghmanns in A/R/R, 6. Teil/1 Rz. 223; Hilgendorf in S/S/W-StGB, § 263a Rz. 49; Hoyer in SK-StGB, § 263a Rz. 65; Kindhäuser in NK-StGB, § 263a Rz. 63; Perron in S/S-StGB, § 263a Rz. 43; Tiedemann/Valerius in LK-StGB, § 263a Rz. 99; Wohlers/Mühlbauer in MüKo-StGB, § 263a Rz. 92 f. 13 BT-Drucks. 10/5058, S. 30; BGH v. 6.6.2007 – 5 StR 127/07, NJW 2007, 2864, 2866; Heger in Lackner/Kühl, StGB, § 263a Rz. 29; Heghmanns in A/R/R, 6. Teil/1 Rz. 223; Tiedemann/Valerius in LK-StGB, § 263a Rz. 96; Wohlers/Mühlbauer in MüKo-StGB, § 263a Rz. 92. 14 BGH v. 6.6.2007 – 5 StR 127/07, NStZ 2007, 596, 598; Altenhain in M/R-StGB, § 263a Rz. 32; Cornelius in Kilian/Heussen, 10. Teil/BT StGB Rz. 115; Fischer, StGB, § 263a Rz. 38; Hoyer in SK-StGB, § 263a Rz. 65; Kindhäuser in NK-StGB, § 263a Rz. 63; Perron in S/S-StGB, § 263a Rz. 42.

Saliger

555

StGB

Computerbetrug

StGB

§ 263a StGB Rz. 22

Strafgesetzbuch

F. Rechtsfolgen, besonders schwere Fälle und Antragserfordernis 22

Der Strafrahmen des § 263a entspricht mit einer Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe dem des § 263. Die Verweisung des § 263a Abs. 2 erklärt die Strafzumessungsregeln des § 263 Abs. 3 in besonders schweren Fällen (§ 263 StGB Rz. 274 ff.) sowie den qualifizierenden Tatbestand des § 263 Abs. 5 (§ 263 StGB Rz. 291 ff.) für anwendbar. Über §§ 263a Abs. 2, 263 Abs. 4 gelten die Geringwertigkeitsklausel des § 243 Abs. 2 und die Antragserfordernisse der §§ 243 Abs. 2, 247 (§ 263 StGB Rz. 277, 309). Nach §§ 263a Abs. 2, 263 Abs. 6 kann Führungsaufsicht festgesetzt werden (§ 263 StGB Rz. 293), in den Fällen des §§ 263a Abs. 2, 263 Abs. 7 ist darüber hinaus der erweiterte Verfall anzuordnen (§ 263 StGB Rz. 294). Erhebt die StA Anklage vor dem Landgericht (§ 24 Abs. 1 Nr. 3 GVG), so kann die Wirtschaftsstrafkammer gem. § 74c Abs. 1 S. 1 Nr. 6a GVG zuständig sein.

§ 264 Subventionsbetrug (1) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer 1. einer für die Bewilligung einer Subvention zuständigen Behörde oder einer anderen in das Subventionsverfahren eingeschalteten Stelle oder Person (Subventionsgeber) über subventionserhebliche Tatsachen für sich oder einen anderen unrichtige oder unvollständige Angaben macht, die für ihn oder den anderen vorteilhaft sind, 2. einen Gegenstand oder eine Geldleistung, deren Verwendung durch Rechtsvorschriften oder durch den Subventionsgeber im Hinblick auf eine Subvention beschränkt ist, entgegen der Verwendungsbeschränkung verwendet, 3. den Subventionsgeber entgegen den Rechtsvorschriften über die Subventionsvergabe über subventionserhebliche Tatsachen in Unkenntnis läßt oder 4. in einem Subventionsverfahren eine durch unrichtige oder unvollständige Angaben erlangte Bescheinigung über eine Subventionsberechtigung oder über subventionserhebliche Tatsachen gebraucht. (2) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter 1. aus grobem Eigennutz oder unter Verwendung nachgemachter oder verfälschter Belege für sich oder einen anderen eine nicht gerechtfertigte Subvention großen Ausmaßes erlangt, 2. seine Befugnisse oder seine Stellung als Amtsträger oder Europäischer Amtsträger mißbraucht oder 3. die Mithilfe eines Amtsträgers oder Europäischen Amtsträgers ausnutzt, der seine Befugnisse oder seine Stellung mißbraucht. (3) § 263 Abs. 5 gilt entsprechend. (4) Wer in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 bis 3 leichtfertig handelt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. (5) Nach den Absätzen 1 und 4 wird nicht bestraft, wer freiwillig verhindert, daß auf Grund der Tat die Subvention gewährt wird. Wird die Subvention ohne Zutun des Täters nicht gewährt, so wird er straflos, wenn er sich freiwillig und ernsthaft bemüht, das Gewähren der Subvention zu verhindern. (6) Neben einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr wegen einer Straftat nach den Absätzen 1 bis 3 kann das Gericht die Fähigkeit, öffentliche Ämter zu bekleiden, und die Fähigkeit, Rechte aus öffentlichen Wahlen zu erlangen, aberkennen (§ 45 Abs. 2). Gegenstände, auf die sich die Tat bezieht, können eingezogen werden; § 74a ist anzuwenden. (7) Subvention im Sinne dieser Vorschrift ist 1. eine Leistung aus öffentlichen Mitteln nach Bundes- oder Landesrecht an Betriebe oder Unternehmen, die wenigstens zum Teil a) ohne marktmäßige Gegenleistung gewährt wird und b) der Förderung der Wirtschaft dienen soll; 2. eine Leistung aus öffentlichen Mitteln nach dem Recht der Europäischen Gemeinschaften, die wenigstens zum Teil ohne marktmäßige Gegenleistung gewährt wird. Betrieb oder Unternehmen im Sinne des Satzes 1 Nr. 1 ist auch das öffentliche Unternehmen. (8) Subventionserheblich im Sinne des Absatzes 1 sind Tatsachen, 1. die durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes von dem Subventionsgeber als subventionserheblich bezeichnet sind oder 2. von denen die Bewilligung, Gewährung, Rückforderung, Weitergewährung oder das Belassen einer Subvention oder eines Subventionsvorteils gesetzlich abhängig ist.

556

Saliger

A. I. II. III.

Grundsätzliches Genese, Funktion, Rechtsgut . . . . . . . . . . . . . . . . Deliktscharakter und Strukturen . . . . . . . . . . . . . Kriminalpolitische Bedeutung und Verfassungsmäßigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Voraussetzungen I. Anwendungsbereich 1. Subventionsbegriff, Absatz 7 . . . . . . . . . . . . . . a) Allgemeines aa) Materieller Subventionsbegriff, Subventionsgeber und -nehmer, Subventionsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Leistung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Aus öffentlichen Mitteln . . . . . . . . . . . . dd) Ohne marktmäßige Gegenleistung . . . . b) Subvention nach Bundes- oder Landesrecht, Abs. 7 S. 1 Nr. 1 aa) Leistung nach Bundes- oder Landesrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Wenigstens teilweise zur Förderung der Wirtschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Betriebe oder Unternehmen als Leistungsempfänger . . . . . . . . . . . . . . . dd) Beispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Subvention nach EG- bzw. EU-Recht, Abs. 7 S. 1 Nr. 2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Subventionserhebliche Tatsache, Absatz 8 . . . . . a) Formale Bezeichnung durch ein Gesetz, Abs. 8 Nr. 1 Alt. 1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Formale Bezeichnung aufgrund eines Gesetzes, Abs. 8 Nr. 1 Alt. 2 . . . . . . . . . . . . . c) Gesetzliche Abhängigkeit, Abs. 8 Nr. 2 . . . . . II. Grundtatbestand, Absatz 1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Tathandlungen a) Unrichtige Angaben, Abs. 1 Nr. 1 . . . . . . . . . aa) Machen von Angaben über subventionserhebliche Tatsachen . . . . . .

1 2 3

4

5 7 8 9 III. 11 12 14 15 16 17 18 19 20 21 22

IV. V. C. D. E.

§ 264 StGB

bb) Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit der Angaben . . . . . . . . . . . . . . cc) Vorteilhaftigkeit der Angaben . . . . . dd) Für sich oder einen anderen, Täterkreis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Verwendung entgegen einer Verwendungsbeschränkung, Abs. 1 Nr. 2 aa) Zweckwidrige Verwendung . . . . . . bb) Täterkreis und Verhältnis zu Abs. 1 Nr. 3 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Verschweigen subventionserheblicher Tatsachen, Abs. 1 Nr. 3 aa) Pflichtverletzung . . . . . . . . . . . . . . bb) Täterkreis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Gebrauch unrechtmäßig erlangter Bescheinigungen, Abs. 1 Nr. 4 . . . . . . . . 2. Subjektiver Tatbestand . . . . . . . . . . . . . . . Besonders schwere Fälle, Absatz 2 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die benannten Regelbeispiele a) Erlangung einer ungerechtfertigten Subvention großen Ausmaßes, Abs. 2 S. 2 Nr. 1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Missbrauch der Befugnisse oder Stellung als Amtsträger, Abs. 2 S. 2 Nr. 2 . . . c) Ausnutzen der Mithilfe eines missbräuchlich handelnden Amtsträgers, Abs. 2 S. 2 Nr. 3 . . . . . . . . . . . . . . . . . . Qualifikation: Gewerbs- und bandenmäßiger Subventionsbetrug, Absatz 3 . . . . . . . . . . . . . Leichtfertigkeitstatbestand, Absatz 4 . . . . . . . Versuch und Vollendung, Täterschaft und Teilnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tätige Reue, Absatz 5. . . . . . . . . . . . . . . . . . Konkurrenzen und Rechtsfolgen . . . . . . . . .

24 26 27 28 29 30 32 33 34 35

36 37 38 39 40 41 42 43

23

Literatur (Auswahl): Adick, Zum Begriff der subventionserheblichen Tatsachen (§ 264 Abs. 8 StGB), HRRS 2011, 408; Benthin, Subventionspolitik und Subventionskriminalität, KritV 2010, 288; Bock/Gubitz, Zum Tatbestandsmerkmal der „Verwendung gegen eine Verwendungsbeschränkung“ i.S.v. § 264 Abs. 1 Nr. 2 StGB, StraFo 2011, 73; Detzner, Rückkehr zum „klassischen Strafrecht“ und die Einführung einer Beweislastumkehr, 1998; Dörn, Leichtfertige Steuerverkürzung (§ 378 AO) und leichtfertiger Subventionsbetrug (§ 264 Abs. 1, 3 StGB) durch den Steuerberater, wistra 1994, 215; Eberle, Der Subventionsbetrug nach § 264 StGB, 1983; Gaede, Kraft und Schwäche der systemimmanenten Legitimationsfunktion der Rechtsgutstheorie am Beispiel des Subventionsbetruges, in: Hefendehl u.a. (Hrsg.), Die Rechtsgutstheorie, 2003, 168; Gaede/Leydecker, Subventionsbetrug mit Hilfe der Kurzarbeit im Schatten der globalen Finanzkrise, NJW 2009, 3542; Göhler/Wilts, Das Erste Gesetz zur Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität, DB 1976, 1609; Graßmück, Die Subventionserschleichung, 1988; Hack, Probleme des Tatbestands Subventionsbetrug, 1982; Halla-Heißen, Subventionsbetrug bei Agrarexporten, 2004; Hentschel, Verjährt der Subventionsbetrug nach § 264 I Nr. 3 StGB nie?, wistra 2000, 81; Kindhäuser, Zur Auslegung des Merkmals „vorteilhaft“ in § 264 Abs. 1 Nr. 1, JZ 1991, 492; Koenig/Müller, Der strafrechtliche Subventionstatbestand des § 264 Abs. 7 StGB am Beispiel langfristiger staatlicher Ausfuhrgewährleistungen (sog. Hermes-Deckungen), NStZ 2005, 607; Löwer, Rechtspolitische und verfassungsrechtliche Bedenken gegenüber dem Ersten Wirtschaftskriminalitätsgesetz, JZ 1979, 621; Lüderssen, Das Merkmal „vorteilhaft“ in § 264 Abs. 1 S. 1 StGB, wistra 1988, 43; Martens, Subventionskriminalität zum Nachteil der Europäischen Gemeinschaften, 2001; Meine, Der Vorteilsausgleich beim Subventionsbetrug, wistra 1988, 13; Mischke, Der Subventionsbetrug – eine strafrechtliche Haftungsfalle?, KommJur 2011, 281; Mitsch, Strafrecht, Besonderer Teil 2, 2015; Müller-Emmert/Maier, Das Erste Gesetz zur Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität, NJW 1976, 1657; Nuzinger, Subventionsbetrug, in: Böttger, Wirtschaftsstrafrecht in der Praxis, 2011, Kap. 2; Ranft, Die Rechtsprechung zum sogenannten Subventionsbetrug (§ 264 StGB), NJW 1986, 3163; Ranft, Täterschaft beim Subventionsbetrug i.S.d. § 264 I Nr. 1 StGB – BGHSt 32, 203, JuS 1986, 445; Sannwald, Rechtsgut und Subventionsbegriff, 1982; Schmidt-Hieber, Verfolgung der Subventionserschleichungen nach Einführung des § 264 StGB, NJW 1980, 322; Schrömbges, Ist eine Ausfuhrerstattung eine Subvention im Sinne des § 264 StGB?, wistra 2009, 249; Schultze, Die Betrugsnatur des Subventionsbetrugs, 2006; Tenckhoff, Das Merkmal der Vorteilhaftigkeit in § 264 StGB, FS für Bemmann, 1997, 465; Tiedemann, Subventionskriminalität in der Bundesrepublik, 1974; Tiedemann, Der Subventionsbetrug, ZStW 86 (1974), 897; Vogel, Schein- und Umgehungshandlungen im Strafrecht, insbesondere im europäischen Recht, in: Schünemann u.a., Bausteine des europäischen Wirtschaftsstrafrechts, Madrid-Symposium für Klaus Tiedemann, 1994, 151; Wassmann, Strafrechtliche Risiken bei Subventionen, 1995.

Saliger

557

StGB

Subventionsbetrug

StGB

§ 264 StGB Rz. 1

Strafgesetzbuch

A. Grundsätzliches I. Genese, Funktion, Rechtsgut 1

Die Vorschrift stellt die vorsätzliche (Absätze 1 bis 3) und leichtfertige (Absatz 4) Erschleichung von direkten öffentlichen Subventionen (Absatz 7) im Vorfeld des Betrugs unter Strafe.1 Sie ist eingeführt worden durch das 1. WiKG vom 29.7.19762 und – nach Hinzufügung von Absatz 3 durch das 6. StrRG vom 26.1.19983 – geändert worden durch das EGFinSchG vom 10.9.1998,4 das Abs. 1 Nr. 2 hinzugefügt und Abs. 7 Nr. 2 neu gefasst hat.5 Zuletzt hat Art. 1 Nr. 8 des Gesetzes zur Bekämpfung der Korruption vom 20.11.20156 den Europäischen Amtsträger in Abs. 2 S. 2 Nr. 2 und 3 aufgenommen.7 § 264 kommt die Funktion zu, Missbräuche bei der Inanspruchnahme von Subventionen effektiver zu bekämpfen, als dies durch § 263 ermöglicht wird.8 Denn der allgemeine Betrugstatbestand trifft zum einen nach Ansicht des Gesetzgebers auch bei Einbeziehung der Zweckverfehlungslehre (dazu § 263 StGB Rz. 178 ff.) den Unrechtskern des Subventionsbetruges nicht. Zum anderen soll § 263 angesichts der Komplexität und begrenzten Kontrollierbarkeit des Subventionsverfahrens erhebliche (Beweis-)Schwierigkeiten bei der strafrechtlichen Erfassung von Verstößen gegen Verwendungsbeschränkungen und von subventionsrelevantem Verschweigen veränderter Verhältnisse nach Erhalt der Subvention offenbaren. Zur Schließung dieser Strafbarkeitslücken verzichtet § 264 auf die Betrugsmerkmale der Irrtumserregung, des Vermögensschadens und der Bereicherungsabsicht und pönalisiert allein Täuschungshandlungen. Darüber hinaus hat der Gesetzgeber sogar einen Leichtfertigkeitstatbestand (Absatz 4) für unabdingbar gehalten.9 Rechtsgut der Vorschrift ist vor allem das Allgemeininteresse an einer wirksamen staatlichen Lenkung der Wirtschaftsförderung (Abs. 7 S. 1 Nr. 1) oder sonstigen Zielverfolgung (Abs. 7 S. 1 Nr. 2) durch Subventionen, aber auch das Vermögen der öffentlichen Hand (doppelter Rechtgutsbezug).10 Die unter Berufung auf den Sonderausschuss vielfach vertretene Gegenansicht, Rechtsgut des § 264 sei nur das Allgemeininteresse an der staatlichen Planungs- und Dispositionsfreiheit im Wirtschaftsbereich,11 übersieht das einschränkende Merkmal der Vorteilhaftigkeit in Abs. 1 Nr. 1 und vernachlässigt in Verabsolutierung der öffentlichen Vermögensplanungshoheit zu einem Selbstzweck die Betrugsnähe der Vorschrift, die der Gesetzgeber selbst als Sonderregelung zu § 263 bezeichnet hat (s. Rz. 2). Abzulehnen ist auch die im Vordringen begriffene These vom staatlichen Vermögen als alleinigem Rechtsgut des § 264.12 Sie entspricht weder den Intentionen des Gesetzgebers, noch vermag sie die sogar Leichtfertigkeit einbeziehende Vorfeldkriminalisierung gerade von Subventionsbetrügereien vollständig zu erklären.

II. Deliktscharakter und Strukturen 2

Die h.M. deutet die Vorschrift als abstraktes Gefährdungsdelikt.13 Daran ist richtig, dass § 264 keinen Erfolg voraussetzt, nicht einmal einen Irrtum des Subventionsgebers als „Zwischenerfolg“.14 Insoweit ist § 264 in der Tat kein konkretes Gefährdungsdelikt, wie vereinzelt15 und vom Sonderausschuss selbst missverständlich angenommen.16 Allerdings wird die Struktur von § 264 auch durch die Charakterisierung als abstraktes Gefährdungsdelikt nur unvollständig bezeichnet.17 Denn § 264 erfasst sowohl Gefährdungshandlungen als auch Sachverhalte, bei de1 BT-Drucks. 7/5291, S. 1. 2 Materialien: BGBl. I, S. 2034; RegE BT-Drucks. 7/3441; Bericht des BT-Sonderausschusses für die Strafrechtsreform BTDrucks. 7/5291; Müller-Emmert/Maier, NJW 1976, 1657; Göhler/Wilts, DB 1976, 1609. 3 BGBl. I, S. 164. 4 BGBl. II, S. 2322. 5 BT-Drucks. 13/10425, S. 6 f. 6 BGBl. I, S. 2026. 7 Dazu BT-Drucks. 18/4350, S. 20. 8 BT-Drucks. 7/5291, S. 1, 3 ff. 9 BT-Drucks. 7/5291, S. 3 f., 8; vgl. auch BGH v. 8.3.1990 – 2 StR 367/89, BGHSt 36, 373, 374 f.; Tiedemann, Subventionskriminalität, 1974, S. 299 ff., 320 ff.; Eberle, Der Subventionsbetrug, 1983, S. 2 ff. 10 BGH v. 13.12.1988 – VI ZR 235/87, BGHZ 106, 204, 207 ff.; Wessels/Hillenkamp, Rz. 684; Kühl in Lackner/Kühl, StGB, § 264 Rz. 1; Perron in S/S-StGB, § 264 Rz. 4; Saliger in S/S/W-StGB, § 264 Rz. 1; Verjans in Volk, MAH, § 35 Rz. 28; Gaede in M/R-StGB, § 264 Rz. 4; Rengier, BT I § 17 Rz. 3; Mitsch, BT II/2 § 3 Rz. 37. 11 BT-Drucks. 7/5291, S. 3, 5; OLG Karlsruhe v. 16.10.1980 – 3 Ss 202/80, NJW 1981, 1383; OLG Hamburg v. 3.1.1984 – 2 Ws 459/83, NStZ 1984, 218; Tiedemann in LK-StGB, § 264 Rz. 26; Göhler/Wilts, DB 1976, 1610; weiter: Wohlers/ Mühlbauer in MüKo-StGB, § 264 Rz. 8: Schutz der für das Subventionswesen relevanten Funktionszusammenhänge. 12 Fischer, StGB, § 264 Rz. 2b; Hoyer in SK-StGB, § 264 Rz. 10; Hellmann in NK-StGB, § 264 Rz. 10; Benthin, KritV 2010, 288, 296; Schultze, Die Betrugsnatur 2006, S. 179, 186 f.; Wassmann, Strafrechtliche Risiken, 1995, S. 18; Hack, Probleme, 1982, S. 73 f.; Sannwald, Rechtsgut, 1982, S. 65. 13 Vgl. RegE BT-Drucks. 7/3441, S. 25; BGH, v. 13.1.1987 – 4 ARs 22/86, BGHSt 34, 265, 269; BGH v. 1.2.2007 – 5 StR 467/06, NStZ 2007, 578, 579; Kühl in Lackner/Kühl, StGB, § 264 Rz. 2; Perron in S/S-StGB, § 264 Rz. 5; Fischer, StGB, § 264 Rz. 4; Hellmann in NK-StGB, § 264 Rz. 11. Von einem Kumulationsdelikt sprechen Wohlers/Mühlbauer in MüKo-StGB, § 264 Rz. 13. 14 H.M.: OLG München v. 22.2.2006 – 5 St RR 012/06, NStZ 2006, 630, 631; Perron in S/S-StGB, § 264 Rz. 5; Hellmann in NK-StGB, § 264 Rz. 11; Tiedemann in LK-StGB, § 264 Rz. 28. A.A. Walter, GA 2001, 140. 15 Ranft, JuS 1986, 449 für Abs. 1 Nr. 3. 16 Vgl. BT-Drucks. 7/5291, S. 5 einerseits, S. 6 andererseits, wo „folgenlose“ Täuschungshandlungen einbezogen sind. 17 So der Sonderausschuss in BT-Drucks. 7/5291, S. 5.

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Saliger

Rz. 3 § 264 StGB

nen der Verletzungserfolg bereits eingetreten ist.1 Richtigerweise wird man daher vor dem Hintergrund der einschränkenden Merkmale „subventionserhebliche Tatsache“, die der Subventionsgeber nicht willkürlich bezeichnen darf (Rz. 19),2 und „Vorteilhaftigkeit“ in Abs. 1 Nr. 1 (dazu Rz. 26)3 sowie des Regelbeispiels der Erlangung einer ungerechtfertigten Subvention großen Ausmaßes (Abs. 2 S. 2 Nr. 1) § 264 als Eignungsdelikt (abstraktkonkretes Gefährdungsdelikt) ansehen dürfen.4 Danach erfasst § 264 (nur) Täuschungshandlungen, die generell geeignet sind, das Rechtsgut zu beeinträchtigen.5 Insoweit verlangt § 264 zwar nicht die Feststellung eines konkreten Gefahrerfolgs. Im Unterschied zu den abstrakten Gefährdungsdelikten muss der Richter aber die Schadenseignung auf Basis eines anhand invarianter Tatumstände gebildeten generellen Kausalitätsurteils feststellen, sodass es keine unwiderlegbare gesetzliche Vermutung der Gefährlichkeit des Verhaltens gibt.6 Erheblich wird dieser Aspekt vor allem für die Auslegung des Merkmals der Vorteilhaftigkeit in Abs. 1 Nr. 1 (Rz. 26). Absatz 1 und Absatz 2 sind in enger Anlehnung an § 370 AO gebildet.7 Abs. 1 Nr. 1, 2, 4 bezeichnen Tätigkeitsdelikte,8 Abs. 1 Nr. 3 ein echtes Unterlassungsdelikt (Rz. 30). Wie § 370 AO geht § 264 als Sonderregelung § 263 vor.9 Ergänzt wird § 264 durch das SubvG.10 Da die Vorschrift auch das Vermögen schützt (Rz. 1), ist sie Schutzgesetz gem. § 823 Abs. 2 BGB.11 Über Abs. 7 S. 1 Nr. 2 ergibt sich ein Schutz der EG- bzw. EU-Subventionen in Mitgliedsstaaten der EU.12 Die Strafbarkeit von Auslandstaten folgt aus § 6 Nr. 8.

III. Kriminalpolitische Bedeutung und Verfassungsmäßigkeit Die Einschätzung der kriminalpolitischen Bedeutung der Vorschrift leidet am Mangel empirischer Daten.13 Die 3 Urteile reichen von weitgehender Bedeutungslosigkeit14 bis hin zur Annahme einer erheblichen praktischen Bedeutung.15 Die PKS weist für das Berichtsjahr 2015 462 Fälle gegenüber 414 Fällen im Jahr 2014 aus. Die Aufklärungsquote beträgt für 2015 99,4 % (2014: 99,3 %).16 Der dadurch verursachte Gesamtschaden belief sich 2015 auf ca. 49 Mio. Euro (2014 ca. 33 Mio. Euro; 2013 ca. 28 Mio. Euro; 2012 ca. 34 Mio. Euro), wobei der Schaden in 94 Fällen bemerkenswerterweise unter 15 Euro lag.17 Im Schrifttum wird ein großes Dunkelfeld vermutet.18 Die Verfassungsmäßigkeit der Vorschrift wird verschiedentlich bezweifelt. Gerügt werden Verstöße gegen das Schuldprinzip durch Absatz 4, der eine Verdachtsstrafe begründe,19 sowie gegen das Bestimmtheitsgebot durch den materiellen Subventionsbegriff20 und die subventionserhebliche Tatsache in Abs. 8 Nr. 1 Alt. 2.21 Teilweise wird die Strafwürdigkeit des erfassten Verhaltens insgesamt verneint.22 Die h.M. bejaht die Verfassungsmäßigkeit.23 In der Tat mag der Tatbestand noch hinreichend bestimmbar erscheinen.24 Der Bruch zwischen der Krimi1 2 3 4

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BT-Drucks. 7/5291, S. 6 f. Vgl. BT-Drucks. 7/5291, S. 13. A.A. Hack, Probleme 1982, S. 85 f.; Schultze, Die Betrugsnatur, 2006, S. 138. Ebenso Hoyer in SK-StGB, § 264 Rz. 19; Göhler/Wilts, DB 1976, 1613; Gaede in Hefendehl u.a. (Hrsg.), Die Rechtsgutstheorie, 2003, S. 194, und Gaede in M/R-StGB, § 264 Rz. 5; Saliger in S/S/W-StGB, § 264 Rz. 2. Missverständlich der Sonderausschuss in BT-Drucks. 7/5291, S. 5, der von konkreter Gefahr spricht; ohne diesen Bezug RegE BT-Drucks. 7/3441, S. 25. Vgl. auch OLG Karlsruhe v. 16.10.1980 – 3 Ss 202/80, NJW 1981, 1383: generelle Gefahr einer Fehlleitung. Dazu Saliger in S/S/W-StGB, vor §§ 324 ff. Rz. 7. Für Berücksichtigung nur bei § 46 bzw. bei §§ 153 ff. StPO Tiedemann in LK-StGB, § 264 Rz. 31. Vgl. BT-Drucks. 7/5291, S. 4 f., 6 f., 11. OLG München v. 22.2.2006 – 5 St RR 012/06, NStZ 2006, 630, 631 zu Nr. 1. Str., wie hier: BT-Drucks. 7/5291, S. 5 f.; BGH, v. 11.11.1998 – 3 StR 101-98, BGHSt 44, 233, 243; OLG Rostock v. 17.1.2012 – I Ws 404/11, BeckRS 2012, 03289, S. 3; Perron in S/S-StGB, § 264 Rz. 5; Hoyer in SK-StGB, § 264 Rz. 1; Wessels/Hillenkamp, Rz. 685, 695. A.A. Hellmann in NK-StGB, § 264 Rz. 173 f. m.w.N.; Schmidt-Hieber, NJW 1980, 323 f. V. 29.7.1976, BGBl. I, S. 2034, 2037. BGH v. 13.12.1988 – VI ZR 235/87, BGHZ 106, 204, 207; BGH v. 16.7.2013 – VI ZR 442/12, BeckRS 2013, 13627, Rz. 19. Verjans in Volk, MAH, § 35 Rz. 27. Vgl. Wattenberg in A/R/R, 4. Teil/2 Rz. 5. Fischer, StGB, § 264 Rz. 1; Kühl in Lackner/Kühl, StGB, § 264 Rz. 1. Vgl. Tiedemann in LK-StGB, § 264 Rz. 6 ff. PKS 2015, IMK-Kurzbericht, S. 92. PKS 2015, Tb. 07; PKS 2014, Tb. 07; PKS 2013, Tb. 07; PKS 2012, Tb. 07. Vgl. Wattenberg in A/R/R, 4. Teil/2 Rz. 6 f. Zu den – nicht zwangsläufig kriminellen – Unregelmäßigkeiten auf EU-Ebene s. Jahresbericht des Europäischen Rechnungshofes v. 10.11.2008 zum Haushaltsjahr 2007 (2008/C286/01) mit geschätzten Fehlerquoten zwischen 2 und 5 % etwa für die Bereiche Landwirtschaft und Außenhilfe; Anhang 5.1.1 S. 133 u. 8.1 S. 193; ferner Martens, Subventionskriminalität, 2001, S. 127 ff., 214 ff. Maurach/Schroeder/Maiwald, BT 1, § 41 Rz. 173; Albrecht, KritV 1993, 168; Herzog, Gesellschaftliche Unsicherheit, 1991, S. 133; vgl. auch Mischke, KommJur 2011, 281, 285: strafrechtliche Haftungsfalle. Vgl. Heinz, GA 1977, 211 f.; Löwer, JZ 1979, 624 ff. Löwer, JZ 1979, 624, 630. Wohlers/Mühlbauer in MüKo-StGB, § 264 Rz. 17 f. Tiedemann in LK-StGB, § 264 Rz. 6 ff.; Perron in S/S-StGB, § 264 Rz. 3; Hellmann in NK-StGB, § 264 Rz. 7 f.; Saliger in S/S/W-StGB, § 264 Rz. 3; diff. Gaede in M/R-StGB, § 264 Rz. 6 f. Perron in S/S-StGB, § 264 Rz. 3; Hack, Probleme, 1982, S. 148 ff., 155.

Saliger

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StGB

Subventionsbetrug

StGB

§ 264 StGB Rz. 4

Strafgesetzbuch

nalstrafe für die leichtfertige Erschleichung direkter Subventionen in Absatz 4 und der bloßen OWi-Sanktion für die leichtfertige Erschleichung von (indirekten) Steuer-Subventionen in § 378 AO1 legt de lege ferenda aber die Einstufung des Absatzes 4 als Ordnungswidrigkeit nahe.2

B. Voraussetzungen I. Anwendungsbereich 1. Subventionsbegriff, Absatz 7 4

§ 264 ist (nur) anwendbar, wenn eine Subvention i.S.d. Absatzes 7 vorliegt. Absatz 7 enthält zwei Subventionsbegriffe, die nach der rechtlichen Grundlage unterschieden werden: Subventionen nach Bundes- oder Landesrecht (S. 1 Nr. 1; Rz. 11 ff.) und Subventionen nach EG- bzw. EU-Recht (S. 1 Nr. 2; Rz. 16). Beide Begriffe weisen einerseits gemeinsame Voraussetzungen auf (materieller Subventionsbegriff, Leistung aus öffentlichen Mitteln, wenigstens teilweise ohne marktmäßige Gegenleistung; Rz. 5–10). Andererseits unterscheiden sie sich über die rechtliche Grundlage hinaus auch in ihrer Reichweite: Während die Subvention nach Bundes- oder Landesrecht wenigstens teilweise der Förderung der Wirtschaft dienen soll und als Empfänger nur Betriebe und Unternehmen kennt (enger Subventionsbegriff: Rz. 12–14), enthält die Subvention nach EG- bzw. EU-Recht diese praxisrelevanten Einschränkungen nicht und ist insoweit umfassender geschützt (weiter Subventionsbegriff). a) Allgemeines aa) Materieller Subventionsbegriff, Subventionsgeber und -nehmer, Subventionsverfahren

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Absatz 7 legt den Kreis der geschützten Subventionen als Tatobjekte fest.3 Der Gesetzgeber hat sich aus Gründen der Gleichbehandlung und der Tatbestandsbestimmtheit für einen materiellen Subventionsbegriff entschieden und den im RegE ursprünglich vorgesehenen, von einem Bestimmungsakt abhängigen „formellen“ Subventionsbegriff fallen gelassen.4 Absatz 7 definiert damit unabhängig von der außerstrafrechtlichen Bezeichnung als Beihilfe, Beitrag, Erstattung, Finanzhilfe, Zuschuss, Prämie oder Unterstützung5 eigenständige strafrechtliche Subventionsbegriffe mit spezifischen Voraussetzungen (Rz. 7 ff., 11 ff., 16).6 § 264 erfasst nur Subventionen, die von einem Subventionsgeber im Rahmen eines Subventionsverfahrens an einen Subventionsnehmer gewährt werden bzw. gewährt worden sind (zur Bedeutung der letzteren Begriffe für Täterkreis und Tathandlung Rz. 6, 29 ff.). Subventionsgeber ist in Abs. 1 Nr. 1 (gleichlautend mit § 2 Abs. 1 SubvG) legaldefiniert als eine für die Bewilligung einer Subvention zuständige Behörde oder einer anderen in das Subventionsverfahren eingeschaltete Stelle oder Person. Zur Behörde s. § 11 Abs. 1 Nr. 7. Bewilligungsbehörde ist die sachlich wie örtlich zuständige Behörde, die die Endentscheidung über die Gewährung der konkreten Subvention zu treffen hat, unabhängig von der Subventionsträgerschaft.7 Darüber hinaus kommen als Subventionsgeber in Gestalt anderer Stellen oder Personen alle anderen Behörden, öffentliche Einrichtungen (z.B. Beirat, Ausschuss8) und natürliche oder juristische Personen des öffentlichen oder privaten Rechts in Betracht, die – sei es durch Gesetz, behördliche Anordnung oder zivilrechtlichen Vertrag – in die vielfältigen Formen einer Subventionsvermittlung eingeschaltet sind.9 Dazu genügt, wenn die Stelle oder Person nur mit vorbereitenden Maßnahmen befasst ist, eine Vorprüfung vorzunehmen oder Teilentscheidung auszusprechen hat, oder nur mit der Kontrolle der ordnungsgemäßen Verwendung der Subvention bzw. ggf. ihrer Rückforderung befasst ist.10 Taugliche Subventionsgeber sind deshalb auch von der Geberseite eingeschaltete Kreditinstitute,11 eine dafür gegründete GmbH oder Privatpersonen.12

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Der von § 264 nicht verwendete Begriff des Subventionsnehmers wird vom SubvG in § 2 als Adressat der Bezeichnung einer Tatsache als subventionserheblich und in § 3 als Adressat der Offenbarungspflicht über subventionserhebliche Tatsachen gegenüber dem Subventionsgeber gebraucht. Damit ist der Begriff mittelbar bedeutsam für Abs. 1 Nr. 313 und Abs. 8 Nr. 1,14 während Täter der Abs. 1 Nr. 1, 4 nicht notwendig Subventionsnehmer sein 1 Fischer, StGB, § 264 Rz. 3a. 2 Ebenso Eberle, Der Subventionsbetrug, 1983, S. 167 f.; Hack, Probleme, 1982, S. 142 ff.; Wassmann, Strafrechtliche Risiken, 1995, S. 22; Saliger in S/S/W-StGB, § 264 Rz. 3; Gaede in M/R-StGB, § 264 Rz. 7. 3 BT-Drucks. 7/5291, S. 10. 4 BT-Drucks. 7/5291, S. 9 f.; 7/3441, S. 22 ff. 5 Tiedemann in LK-StGB, § 264 Rz. 40; Perron in S/S-StGB, § 264 Rz. 12. 6 Kühl in Lackner/Kühl, StGB, § 264 Rz. 3; Hellmann in NK-StGB, § 264 Rz. 12; Sannwald, Rechtsgut, 1982, S. 76 f. 7 Hoyer in SK-StGB, § 264 Rz. 46. 8 Göhler, Prot. 7/2674. 9 BT-Drucks. 7/5291, S. 6. 10 Tiedemann in LK-StGB, § 264 Rz. 86; Perron in S/S-StGB, § 264 Rz. 40; Hoyer in SK-StGB, § 264 Rz. 47; Fischer, StGB, § 264 Rz. 20. 11 BT-Drucks. 7/5291, S. 6. 12 Fischer, StGB, § 264 Rz. 20; Perron in S/S-StGB, § 264 Rz. 41. 13 Fischer, StGB, § 264 Rz. 21; Hoyer in SK-StGB, § 264 Rz. 48; Hellmann in NK-StGB, § 264 Rz. 68 bejaht auch eine Relevanz für Abs. 1 Nr. 2. 14 Tiedemann in LK-StGB, § 264 Rz. 35.

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Rz. 7 § 264 StGB

müssen.1 § 2 Abs. 1 SubvG definiert den Subventionsnehmer als denjenigen, der für sich oder einen anderen eine Subvention beantragt oder eine Subvention oder einen Subventionsvorteil in Anspruch nimmt. Nach dieser weiten, nicht an den Empfänger der Subvention gebundenen und auch für § 264 maßgebenden2 Definition sind Subventionsnehmer aufgrund eigener Antragstellung („für einen anderen“) neben den Angestellten eines Betriebes auch – für die Dauer ihres Mandats – Steuerberater, Wirtschaftsprüfer oder Rechtsanwälte,3 ferner der Vertreter ohne Vertretungsmacht4 sowie jeder, der die Subvention oder einen Subventionsvorteil unter Anmaßung eines Rechts tatsächlich erlangt.5 Diese Grundsätze zum Subventionsnehmer gelten entsprechend für die Subventionen nach EG- bzw. EU-Recht.6 Der in Abs. 1 Nr. 1, 4 verwendete Begriff des Subventionsverfahrens umfasst das gesamte Verwaltungsverfahren der Subventionierung von der Antragstellung bis zur vollständigen Gewährung (bei Weitergewährung also bis zur Erbringung der letzten Leistung) bzw. endgültigen Ablehnung der Subvention.7 Zum Subventionsverfahren gehören auch Kontrollen zur Einhaltung von Verwendungsbeschränkungen,8 nicht dagegen bloß vorbereitende Erkundigungen des potenziellen Subventionsnehmers oder die Gerichtsverfahren zur Überprüfung der Rechtmäßigkeit einer Subventionsentscheidung.9 Das Rückforderungsverfahren der Subventionsbehörde bildet ein eigenes Subventionsverfahren.10 Zum Zusammenhang zwischen Subventionsverfahren und Tathandlungen gilt Folgendes: Abs. 1 Nr. 4 erfasst bereits vom Wortlaut her nur Tathandlungen in einem Subventionsverfahren. Bei Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 3 wird die Tathandlung i.d.R. nach Abschluss des Verfahrens begangen.11 Abs. 1 Nr. 1 setzt Angaben im Rahmen eines Subventionsverfahrens voraus (Rz. 23).12 bb) Leistung § 264 schützt nur Subventionen in der Form der Leistung. Leistung bezeichnet eine direkte geldwerte Zuwen- 7 dung des Zuwendungsgebers an den Zuwendungsempfänger mit dem Charakter einer Sonderunterstützung.13 Geldwerte Leistung umfasst, wie sich aus Abs. 1 Nr. 2 (und §§ 3 Abs. 2, 5 SubvG) ergibt, neben Geldzahlungen auch die Zuwendung von Gegenständen, Arbeitsleistungen, Forderungen14 und bedingte Zuwendungen wie Bürgschaften, Garantien oder Gewährleistungen.15 Nur Leistungen mit Sonderunterstützungscharakter fallen unter § 264, sodass reguläre Haushaltszahlungen an öffentliche Wirtschaftsunternehmen und sog. Schadenssubventionen, soweit sie (allein) staatshaftungsrechtlichen Entschädigungscharakter haben (auch Rz. 9), ausscheiden.16 Ebenfalls bereits aus dem Begriff der Leistung folgt, dass Absatz 7 allein die Vermögensmehrung des Zuwendungsempfängers durch direkte Mittelzuwendungen erfasst.17 Keine Leistungen sind deshalb Steuervergünstigungen als indirekte Subventionen, die in Form der Verrechnung mit der Steuer entweder als Steuerermäßigung oder ausnahmsweise in Form echter Geldzahlung gewährt werden.18 Deren Hinterziehung wird ausschließlich von § 370 AO erfasst, der nach der Intention des Sonderausschusses § 264 vorgeht.19 Die praxisrelevante Abgrenzung zu § 370 AO richtet sich grundsätzlich nach der Vergabeform.20 Teilweise ist das Steuerstrafrecht sogar kraft ausdrücklicher gesetzlicher Verweisung anwendbar wie in § 14 Abs. 3 5. VermBG (zur Arbeitnehmer-Sparzulage), § 8 Abs. 2 S. 1 WoPG oder § 5a Abs. 2 BergPG.21 Soweit Zweifel verbleiben, ist entscheidend, ob die Leistung aufgrund steuerrechtlicher Vorschriften erbracht wird.22 Denn der Gesetzgeber wollte,

1 BGH v. 30.9.2010 – 5 StR 61/10, NStZ-RR 2011, 81; Fischer, StGB, § 264 Rz. 21; Hellmann in NK-StGB, § 264 Rz. 68. 2 Kühl in Lackner/Kühl, StGB, § 264 Rz. 15; Hoyer in SK-StGB, § 264 Rz. 48; vgl. auch BayObLG v. 30.12.1981 – 5 St 85/81, NJW 1982, 2202. 3 Tiedemann in LK-StGB, § 264 Rz. 34; Wohlers/Mühlbauer in MüKo-StGB, § 264 Rz. 49, 94 f. 4 Wohlers/Mühlbauer in MüKo-StGB, § 264 Rz. 94; Hoyer in SK-StGB, § 264 Rz. 48; Hellmann in NK-StGB, § 264 Rz. 70. 5 Tiedemann in LK-StGB, § 264 Rz. 35, 89; Hoyer in SK-StGB, § 264 Rz. 48. 6 Wattenberg in A/R/R, 4. Teil/2 Rz. 28. 7 Perron in S/S-StGB, § 264 Rz. 40; Hellmann in NK-StGB, § 264 Rz. 71. 8 Tiedemann in LK-StGB, § 264 Rz. 93; Perron in S/S-StGB, § 264 Rz. 40. 9 Tiedemann in LK-StGB, § 264 Rz. 91; Hellmann in NK-StGB, § 264 Rz. 72. 10 Perron in S/S-StGB, § 264 Rz. 40; Tiedemann in LK-StGB, § 264 Rz. 93; Hellmann in NK-StGB, § 264 Rz. 71. 11 Vgl. Fischer, StGB, § 264 Rz. 19; Tiedemann in LK-StGB, § 264 Rz. 92. 12 H.M.: Tiedemann in LK-StGB, § 264 Rz. 92; Kühl in Lackner/Kühl, StGB, § 264 Rz. 16; Wohlers/Mühlbauer in MüKoStGB, § 264 Rz. 52. 13 Fischer, StGB, § 264 Rz. 7; Wohlers/Mühlbauer in MüKo-StGB, § 264 Rz. 29; Perron in S/S-StGB, § 264 Rz. 10. 14 Hellmann in NK-StGB, § 264 Rz. 13; Hoyer in SK-StGB, § 264 Rz. 22. 15 Sannwald, Rechtsgut, 1982, S. 91; Verjans in Volk, MAH, § 35 Rz. 40. 16 Wohlers/Mühlbauer in MüKo-StGB, § 264 Rz. 29; Hellmann in NK-StGB, § 264 Rz. 19; Gaede in M/R-StGB, § 264 Rz. 11. 17 BT-Drucks. 7/3441, S. 17, 25; Hellmann in NK-StGB, § 264 Rz. 17; Sannwald, Rechtsgut, 1982, S. 92 f. 18 Perron in S/S-StGB, § 264 Rz. 10; Saliger in S/S/W-StGB, § 264 Rz. 7. 19 BT-Drucks. 7/5291, S. 11. 20 Wohlers/Mühlbauer in MüKo-StGB, § 264 Rz. 30; Saliger in S/S/W-StGB, § 264 Rz. 7; Tiedemann in LK-StGB, § 264 Rz. 41. 21 Sannwald, Rechtsgut, 1982, S. 94; Hellmann in NK-StGB, § 264 Rz. 18. 22 Kühl in Lackner/Kühl, StGB, § 264 Rz. 5; Tiedemann in LK-StGB, § 264 Rz. 41; Perron in S/S-StGB, § 264 Rz. 10; Saliger in S/S/W-StGB, § 264 Rz. 7.

Saliger

561

StGB

Subventionsbetrug

StGB

§ 264 StGB Rz. 8

Strafgesetzbuch

dass § 264 nur greift, soweit nicht bereits ein Strafrechtsschutz nach § 370 AO besteht.1 So bezeichnet die Ausfuhr- und Ausfuhrhändlervergütung eine steuerliche Leistung, während auf die Investitionszulage nach § 19 BerlinFG 1990, obwohl sie vom Finanzamt aus den Einnahmen aus Einkommen- und Körperschaftsteuer gewährt wird, kraft ausdrücklicher Verweisung in § 20 BerlinFG § 264 Anwendung findet.2 Der Ausschluss indirekter Subventionen gilt auch für die Subventionen nach EG- bzw. EU-Recht, sodass etwa die Befreiung von einer Abgabepflicht nicht genügt.3 cc) Aus öffentlichen Mitteln 8

Die Leistungen müssen aus öffentlichen Mitteln stammen. Das ist grundsätzlich der Fall, wenn die Mittel einer juristischen Person des öffentlichen Rechts (Körperschaft, Anstalt, Stiftung) oder zwischenstaatlichen Einrichtung zugeordnet sind.4 Erfasst sind damit hauptsächlich die Träger öffentlicher Finanzwirtschaft, also die Haushalte von Bund, Ländern und Gemeinden sowie der EU einschließlich deren Sondervermögen.5 Bei der EU können die öffentlichen Mittel aus dem Gesamthaushaltsplan, den Haushaltsplänen einzelner Gemeinschaften oder aus Haushaltsplänen stammen, deren Verwaltung im Auftrag der Gemeinschaften erfolgt.6 Da es auf den Verteiler der Mittel nicht ankommt,7 können auch privatrechtliche Einrichtungen für die öffentliche Hand Leistungen gewähren.8 Deshalb unterfällt die Vergabe öffentlicher Mittel durch private Subventionsvermittler wie Treuhandgesellschaften oder Kreditinstitute jedenfalls dann § 264, wenn der Subventionsvermittler im Namen und auf Rechnung des öffentlichen Rechtssubjekts tätig wird.9 Darüber hinaus sollen Subventionsvermittler auch bei Handeln im eigenen Namen und auf eigene Rechnung einbezogen sein, sofern sie sich bei der öffentlichen Hand refinanzieren.10 Der Wortlaut schließt nicht aus, auch nur mittelbar aus einem öffentlichen Haushalt stammende Leistungen wie die Abgabe verbilligter Waren unter § 264 zu subsumieren.11 Weitergehend will insbesondere der RegE den Strafrechtsschutz des § 264 auch auf private Leistungen erstrecken, die von Unternehmen und Betrieben aufgrund öffentlich-rechtlicher Bestimmungen in einen Sonderfonds eingebracht und zur Förderung öffentlicher Zwecke (z.B. Investitionshilfen, Schiffsabwrackung) freigegeben werden.12 Dem wird man dann zustimmen können, wenn – wie häufig – die Sonderfonds entweder mit eigener Rechtspersönlichkeit ausgestattet werden oder im Staatshaushalt ausgewiesen sind.13 Auch das umlagefinanzierte Wintergeld gem. §§ 102, 354 SGB III stammt zwar aus öffentlichen Mitteln,14 scheidet aber wegen der bloßen Subventionsvermittlung durch die Arbeitgeber und daher mangels Leistung an einen tauglichen Empfänger (Betrieb, Unternehmen) als taugliches Tatobjekt des § 264 aus (auch Rz. 14).15 Zum Kurzarbeitergeld und Saison-Kurzarbeitergeld s. Rz. 14. Unstreitig keine öffentlichen Mittel stellen eigene Mittel nichtstaatlicher, privatrechtlicher Einrichtungen dar, selbst wenn diese gemeinnützig sind, von der öffentlichen Hand unterstützt werden, der Staat an der privaten Einrichtung beteiligt ist oder der Staat die privaten Mittel verteilt.16 dd) Ohne marktmäßige Gegenleistung

9

Weitere Voraussetzung einer strafrechtlich relevanten Subvention (Rz. 5) ist, dass die Leistung ganz („wenigstens“) oder teilweise ohne marktmäßige Gegenleistung gewährt wird. Gegenleistung ist das Äquivalent für die Leistung im Rahmen des Rechtsverhältnisses zwischen Subventionsgeber und -nehmer.17 Der Begriff der Markt-

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17

BT-Drucks. 7/5291, S. 11. Tiedemann in LK-StGB, § 264 Rz. 42; Wohlers/Mühlbauer in MüKo-StGB, § 264 Rz. 30. Wohlers/Mühlbauer in MüKo-StGB, § 264 Rz. 31; Martens, Subventionskriminalität, 2001, S. 71 f. Hellmann in NK-StGB, § 264 Rz. 15; Saliger in S/S/W-StGB, § 264 Rz. 8; Hoyer in SK-StGB, § 264 Rz. 24; Kühl in Lackner/Kühl, StGB, § 264 Rz. 4. BT-Drucks. 7/5291, S. 10; Tiedemann in LK-StGB, § 264 Rz. 43; Perron in S/S-StGB, § 264 Rz. 8. BT-Drucks. 13/10425, S. 7; LG Saarbrücken v. 14.1.2014 – 2 KLs 23/13, juris, Rz. 113; Wohlers/Mühlbauer in MüKoStGB, § 264 Rz. 33. Vgl. BT-Drucks. 7/5291, S. 10. Hellmann in NK-StGB, § 264 Rz. 15; Tiedemann in LK-StGB, § 264 Rz. 43. Sannwald, Rechtsgut, 1982, S. 102; Hellmann in NK-StGB, § 264 Rz. 15. Hellmann in NK-StGB, § 264 Rz. 15; Hoyer in SK-StGB, § 264 Rz. 24; einschränkend Sannwald, Rechtsgut, 1982, S. 104 f. am Bsp. der ERP-Mittel; ihm insoweit zustimmend Tiedemann in LK-StGB, § 264 Rz. 45. Tiedemann in LK-StGB, § 264 Rz. 43; Wohlers/Mühlbauer in MüKo-StGB, § 264 Rz. 34; Wassmann, Risiken, 1995, Rz. 18. BT-Drucks. 7/3441, S. 27. Str., wie hier: Sannwald, Rechtsgut, 1982, S. 89 f.; Wohlers/Mühlbauer in MüKo-StGB, § 264 Rz. 34; Verjans in Volk, MAH, § 35 Rz. 41; Saliger in S/S/W-StGB, § 264 Rz. 8. Noch weiter z.B. Tiedemann in LK-StGB, § 264 Rz. 43; Hellmann in NK-StGB, § 264 Rz. 16. Krit. Heinz, GA 1977, 211; Eberle, Der Subventionsbetrug, 1983, S. 54. Tiedemann in LK-StGB, § 264 Rz. 43; Fischer, StGB, § 264 Rz. 7; Wohlers/Mühlbauer in MüKo-StGB, § 264 Rz. 34. A.A. BGH v. 12.11.1980 – 2 StR 606/80, MDR (H) 1981, 268. Tiedemann in LK-StGB, § 264 Rz. 57; Wohlers/Mühlbauer in MüKo-StGB, § 264 Rz. 34 m. Fn. 127; Saliger in S/S/WStGB, § 264 Rz. 8. I.E. ebenso BGH v. 12.11.1980 – 2 StR 606/80, MDR (H) 1981, 268. Sannwald, Rechtsgut, 1982, S. 86; Hellmann in NK-StGB, § 264 Rz. 15; Hoyer in SK-StGB, § 264 Rz. 24; Wassmann, Risiken, 1995, Rz. 18. Hellmann in NK-StGB, § 264 Rz. 23; Kühl in Lackner/Kühl, StGB, § 264 Rz. 6.

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Saliger

Rz. 10 § 264 StGB

mäßigkeit steuert sowohl die Prüfung des Gegenleistungscharakters einer Leistung des Empfängers als auch die Prüfung ihrer Gleichwertigkeit.1 Schon keine Gegenleistung, sondern Voraussetzung für die Subventionsgewährung ist insoweit die Erfüllung des Subventionszwecks.2 Keine Gegenleistung liegt auch in der Annahme einer auf einem staatshaftungsrechtlichen Ausgleichsanspruch beruhenden Schadenssubvention, der mangels Sonderunterstützungscharakters bereits die Leistungseigenschaft fehlt (Rz. 7),3 es sei denn, die staatliche Leistung übersteigt zu Förderungszwecken den Ersatzanspruch.4 Eine Leistung wird ganz oder teilweise ohne marktmäßige Gegenleistung gewährt, wenn sie „auf dem in Frage stehenden Markt in dieser Weise nicht erhältlich wäre“.5 Das ist unstreitig gegeben bei verlorenen Zuschüssen als „klassischer“ Subvention, wo die Leistung ohne jede unmittelbare Gegenleistung gewährt wird,6 wie bei der Hilfe in Katastrophenfällen7 oder der Ausfuhrerstattung für Drittlandexporte nach EG-Recht.8 An einer Gleichwertigkeit von Leistung und Gegenleistung fehlt es aber auch, wenn die Gegenleistung nicht dem objektiven Marktwert (= Marktpreis) entspricht, der unter den konkreten Marktverhältnissen normalerweise für eine vergleichbare Leistung aufgebracht werden muss (verdeckte Subvention).9 Beispiele sind Darlehen zu verbilligten Zinsen und sog. Realförderungen durch Abgabe von Waren unter dem Marktpreis,10 verbilligte Vermietung und Verpachtung oder überteuerter Ankauf von Waren seitens der öffentlichen Hand.11 Die Ermittlung des konkreten Verhältnisses von Leistung und Gegenleistung (Saldierung) setzt eine wirtschaftliche Gesamtbetrachtung auf Basis normaler Marktbedingungen voraus.12 Wegen der Möglichkeit von „Gemengelagen“ zwischen Subvention und entgeltlicher Leistung und mit Rücksicht auf marktübliche Schwankungsbreiten ist für die Annahme einer teilweisen Unentgeltlichkeit das eindeutige Zurückbleiben der tatsächlichen hinter der marktgerechten Gegenleistung zu verlangen.13 Ist ein Markt für die staatliche Leistung nicht feststellbar, was bei staatlichen Bürgschaften oder Garantien 10 der Fall sein kann, so soll nach dem Sonderausschuss mithilfe allgemeiner wirtschaftlicher Grundsätze ermittelt werden, ob gänzliche oder teilweise Unentgeltlichkeit vorliegt. Deckt etwa die für eine Garantie verlangte Gegenleistung zumindest die Verwaltungskosten und bei Anlegung versicherungsmathematischer Grundsätze auch das Risiko, so sei teilweise Unentgeltlichkeit zu verneinen, was erst recht gelte, wenn aus der Gegenleistung Gewinn gezogen werden kann.14 Man wird diese Ausführungen dahin verstehen dürfen, dass bei Fehlen eines Marktes grundsätzlich der hypothetische Marktpreis zu ermitteln ist.15 Die vom Sonderausschuss erwähnten Umstände, namentlich die Kosten und das Garantie- bzw. Bürgschaftsrisiko, können dabei als Indizien dienen.16 Im Einzelnen sieht die h.M. staatliche Exportkreditversicherungen (sog. Hermes-Deckungen) nicht als Subvention i.S.v. Absatz 7 an.17 Der BGH hat hinsichtlich der Einstufung der Fördermittel nach dem II. WoBauG (aufgehoben mit Wirkung vom 1.1.2002) als Subventionen Bedenken geäußert, die Frage jedoch offengelassen.18 Liegt die Gegenleistung unter dem realen oder fiktiven Marktpreis, so ist Subvention allein die Differenz zwischen tatsächlichem Preis und dem Marktpreis.19

1 Perron in S/S-StGB, § 264 Rz. 11; Hellmann in NK-StGB, § 264 Rz. 23. 2 BGH v. 5.9.1989 – 1 StR 291/89, NStZ 1990, 35, 36; Perron in S/S-StGB, Rz. 11; Kühl in Lackner/Kühl, StGB, § 264 Rz. 6; Fischer, StGB, § 264 Rz. 9. 3 Wattenberg in A/R/R, 4. Teil/2 Rz. 18. 4 Sannwald, Rechtsgut, 1982, S. 115; vgl. auch BT-Drucks. 7/3441, S. 22; Tiedemann in LK-StGB, § 264 Rz. 52; Hellmann in NK-StGB, § 264 Rz. 26. 5 Tagungsberichte der Sachverständigenkommission Bd. IV, S. 137; Tiedemann in LK-StGB, § 264 Rz. 47. 6 BGH v. 5.9.1989 – 1 StR 291/89, NStZ 1990, 35, 36; Tiedemann in LK-StGB, § 264 Rz. 48; Wohlers/Mühlbauer in MüKo-StGB, § 264 Rz. 37; Hellmann in NK-StGB, § 264 Rz. 24; Saliger in S/S/W-StGB, § 264 Rz. 9; Gaede in M/R-StGB, § 264 Rz. 13: offene Subvention. 7 BT-Drucks. 7/5291, S. 10; Kühl in Lackner/Kühl, StGB, § 264 Rz. 6. 8 BGH v. 5.9.1989 – 1 StR 291/89, NStZ 1990, 35, 36; a.A. Schrömbges, wistra 2009, 249, 253 f. 9 Saliger in S/S/W-StGB, § 264 Rz. 9; Kühl in Lackner/Kühl, StGB, § 264 Rz. 6; Verjans in Volk, MAH, § 35 Rz. 42; Hoyer in SK-StGB, § 264 Rz. 26 f.; Tiedemann in LK-StGB, § 264 Rz. 49; Wohlers/Mühlbauer in MüKo-StGB, § 264 Rz. 39. 10 BT-Drucks. 7/5291, S. 10. 11 Perron in S/S-StGB, § 264 Rz. 12; Wohlers/Mühlbauer in MüKo-StGB, § 264 Rz. 39; Eberle, Subventionsbetrug, 1983, S. 75. 12 Koenig/Müller, NStZ 2005, 611; Wohlers/Mühlbauer in MüKo-StGB, § 264 Rz. 39. 13 Perron in S/S-StGB, § 264 Rz. 11; Kühl in Lackner/Kühl, StGB, § 264 Rz. 6; Verjans in Volk, MAH, § 35 Rz. 42; enger Schmidt, GA 1979, 140 f. und Sannwald, Rechtsgut, 1982, S. 119 f.: auffälliges Missverhältnis. 14 BT-Drucks. 7/5291, S. 10. 15 Str., wie hier: Göhler/Wilts, DB 1976, 1612; Hellmann in NK-StGB, § 264 Rz. 30; Saliger in S/S/W-StGB, § 264 Rz. 10; Hoyer in SK-StGB, § 264 Rz. 27; Koenig/Müller, NStZ 2005, 612 ff., 614. A.A. (Kostenprinzip) Fischer, StGB, § 264 Rz. 9; Tiedemann in LK-StGB, § 264 Rz. 50; Wohlers/Mühlbauer in MüKo-StGB, § 264 Rz. 40; Gaede in M/R-StGB, § 264 Rz. 14; Graßmück, Die Subventionserschleichung, 1988, S. 13. 16 Hellmann in NK-StGB, § 264 Rz. 30. 17 Fischer, StGB, § 264 Rz. 9; Hellmann in NK-StGB, § 264 Rz. 32; Tiedemann in LK-StGB, § 264 Rz. 49; Sannwald, Rechtsgut, 1982, S. 123; Eberle, Der Subventionsbetrug, 1983, S. 87; a.A. Koenig/Müller, NStZ 2005, 614. 18 BGH v. 11.11.1998 – 3 StR 101/98, BGHSt 44, 233, 236. Bejahend Tiedemann in LK-StGB, § 264 Rz. 65 ff.; Kühl in Lackner/Kühl, StGB, § 264 Rz. 9. Verneinend Eberle, Der Subventionsbetrug, 1983, S. 39. 19 Fischer, StGB, § 264 Rz. 9; Tiedemann in LK-StGB, § 264 Rz. 53; Wohlers/Mühlbauer in MüKo-StGB, § 264 Rz. 41; a.A. wohl BGH v. 8.3.1990 – 2 StR 367/89, BGHSt 36, 373, 376.

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StGB

Subventionsbetrug

StGB

§ 264 StGB Rz. 11

Strafgesetzbuch

b) Subvention nach Bundes- oder Landesrecht, Abs. 7 S. 1 Nr. 1 aa) Leistung nach Bundes- oder Landesrecht 11

Rechtsgrundlage einer Subvention nach Abs. 7 S. 1 Nr. 1 kann nur Bundes- oder Landesrecht sein. Wie sich aus dem Wort „nach“ ergibt, ist der Begriff der Rechtsgrundlage weit zu verstehen.1 Als unmittelbare Rechtsgrundlage kommen zunächst alle Rechtsnormen im formellen und materiellen Sinne in Betracht.2 Da die mittelbare Rückführbarkeit der Subvention auf formelles oder materielles Bundes-/Landesrecht genügt, sind darüber hinaus Leistungsansätze in Haushaltsplänen erfasst, die durch Haushaltsgesetz festgelegt sind.3 Dazu zählen auch die in Haushaltsansätzen einer Gemeinde oder eines Gemeindeverbandes ausgewiesenen Leistungen, da sie auf Gemeindeordnungen und damit mittelbar auf Landesrecht beruhen.4 Nicht ausreichend sind Subventionen auf rein vertraglicher Grundlage.5 bb) Wenigstens teilweise zur Förderung der Wirtschaft

12

Die Subvention soll wenigstens teilweise der Förderung der Wirtschaft dienen. Mit diesem Erfordernis will der Gesetzgeber einerseits den Leichtfertigkeit einschließenden Gefährdungstatbestand des § 264 aus Gründen der Verhältnismäßigkeit auf einen Bereich beschränken, in dem ein unabweisbares Bedürfnis für einen verstärkten Strafrechtsschutz besteht. Andererseits soll das Erfordernis Sozialsubventionen tatbestandlich ausschließen, deren Erschleichung von § 263 hinreichend sanktioniert wird.6 Der Begriff der Wirtschaft ist nach der Verkehrsanschauung zu bestimmen7 unter Rücksicht auf den Willen des Gesetzgebers, allein die Wirtschaft wegen ihrer häufig intransparenten Sachverhalte durch den speziellen § 264 zu schützen (vgl. Rz. 1).8 Auch auf dieser Basis ist die strafrechtsautonome Begriffsbildung von Wirtschaft denkbar weit9 und geht insbesondere über Art. 74 Nr. 11 GG hinaus.10 Wirtschaft umfasst danach die Gesamtheit der in unternehmerischer Form betriebenen Tätigkeiten zur Erzeugung, Herstellung oder Verteilung von Gütern sowie zur Erbringung sonstiger der Erfüllung menschlicher Bedürfnisse dienender Leistungen.11 Zur Wirtschaft i.d.S. zählen namentlich: Land- und Forstwirtschaft,12 Fischerei, Bergbau, Industrie, Energiewirtschaft, Handwerk, Gewerbe, Handel, Verkehrswirtschaft, Schiffsbau,13 Bank-, Börsen- und Versicherungswesen, Filmwirtschaft14 oder Verlagswesen.15 Nicht zur Wirtschaft gehören: grundsätzlich Wissenschaft, Forschung und Technologie (zu Ausnahmen Rz. 13), Kultur (z.B. Kunst, Literatur, Theater), Bildung (z.B. Jugendförderung, internationale Verständigung, Schulbildung), soziale Leistungen wie Kindergeld, Wohngeld, Ausbildungs- oder Umschulungsförderung,16 Gesundheitswesen,17 freie Berufe (Anwälte, Ärzte etc.), sofern die Berufsausübung nicht unter den Gewerbebegriff (z.B. Apotheker) fällt,18 oder Sportförderung (zu Ausnahmen Rz. 13).19 Das gilt auch, soweit die nichtwirtschaftlichen Einrichtungen wie Betriebe und Unternehmen geführt und finanziert werden.20

13

Förderung bedeutet jede Steigerung der Leistungsfähigkeit von Wirtschaftsbetrieben oder Wirtschaftszweigen.21 Insoweit erfasst Förderung über Förderungssubventionen hinaus auch Erhaltungs-, Anpassungs- und Produkti-

1 Tiedemann in LK-StGB, § 264 Rz. 44; Sannwald, Rechtsgut, 1982, S. 105. 2 Hoyer in SK-StGB, § 264 Rz. 29; Wohlers/Mühlbauer in MüKo-StGB, § 264 Rz. 35; Hellmann in NK-StGB, § 264 Rz. 21. 3 Vgl. BT-Drucks. 7/34 41, S. 28 f.; BGH v. 30.9.2010 – 5 StR 61/10, NStZ-RR 2011, 81. 4 BT-Drucks. 7/5291, S. 10; Perron in S/S-StGB, § 264 Rz. 8; Tiedemann in LK-StGB, § 264 Rz. 45; Hoyer in SK-StGB, § 264 Rz. 29; im Ergebnis auch Sannwald, Rechtsgut, 1982, S. 106 f. 5 Hoyer in SK-StGB, § 264 Rz. 29; Wohlers/Mühlbauer in MüKo-StGB, § 264 Rz. 35. 6 BT-Drucks. 7/5291, S. 10 f.; BGH v. 28.5.2014 – 3 StR 206/13, NJW 2014, 3114, 3115 m.krit. Anm. Asholt, ZWH 2014, 467. 7 Tiedemann in LK-StGB, § 264 Rz. 62; Perron in S/S-StGB, § 264 Rz. 14; Wohlers/Mühlbauer in MüKo-StGB, § 264 Rz. 43; Hellmann in NK-StGB, § 264 Rz. 35. 8 BT-Drucks. 7/5291, S. 10 f.; einschränkend Tiedemann in LK-StGB, § 264 Rz. 62. 9 Vgl. Fischer, StGB, § 264 Rz. 10. 10 Tiedemann in LK-StGB, § 264 Rz. 62 Hellmann in NK-StGB, § 264 Rz. 35; Saliger in S/S/W-StGB, § 264 Rz. 12. 11 Tiedemann in LK-StGB, § 264 Rz. 62; Perron in S/S-StGB, § 264 Rz. 14; Wohlers/Mühlbauer in MüKo-StGB, § 264 Rz. 43; Hellmann in NK-StGB, § 264 Rz. 36. 12 BT-Drucks. 7/5291, S. 10; OLG Rostock v. 17.1.2012 – I Ws 404/11, BeckRS 2012, 03289. 13 Vgl. BGH v. 30.9.2010 – 5 StR 61/10, NStZ-RR 2011, 81. 14 Produktion, Verleih, Filmtheater; vgl. BT-Drucks. 7/5291, S. 11 und BGH v. 20.6.1986 – 1 StR 184/86, BGHSt 34, 111, 113. 15 Perron in S/S-StGB, § 264 Rz. 15; Verjans in Volk, MAH, § 35 Rz. 45. 16 BT-Drucks. 7/5291, S. 10 f.; Perron in S/S-StGB, § 264 Rz. 15; Hellmann in NK-StGB, § 264 Rz. 36. Krit. Eberle, Der Subventionsbetrug, 1983, S. 106 f. 17 Z.B. Krankenhäuser; vgl. BGH v. 2.12.1982 – 1 StR 476/82, NJW 1983, 2646, 2649; Tiedemann in LK-StGB, § 264 Rz. 63; Wohlers/Mühlbauer in MüKo-StGB, § 264 Rz. 43. 18 Tiedemann in LK-StGB, § 264 Rz. 63; grundsätzlich a.A. Sannwald, Rechtsgut, 1982, S. 136. 19 Perron in S/S-StGB, § 264 Rz. 15; Fischer, StGB, § 264 Rz. 10. 20 Tiedemann in LK-StGB, § 264 Rz. 63; Perron in S/S-StGB, § 264 Rz. 15. 21 Perron in S/S-StGB, § 264 Rz. 16; Wohlers/Mühlbauer in MüKo-StGB, § 264 Rz. 44.

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Saliger

Rz. 14 § 264 StGB

vitätsbeihilfen sowie Schadenssubventionen jenseits einer Entschädigung.1 Ob die Leistung die Wirtschaft tatsächlich fördert, ist unerheblich. Es genügt („dienen“) der Förderungszweck.2 Allerdings bereitet die Feststellung des wirtschaftlichen Förderungszwecks angesichts der Gemengelage von Förderungszielen in der Praxis Schwierigkeiten. Der Sonderausschuss nennt als Beispiel für eine § 264 unterfallende Leistung eine Subvention, die primär der Stützung eines Wirtschaftszweigs dient, zugleich aber auch einer dort drohenden Arbeitslosigkeit entgegenwirken soll.3 Um die Schwierigkeiten bei Mehrzwecksubventionen zu verringern, verzichtet das Gesetz auf das Erfordernis eines ausschließlich wirtschaftlichen Förderungszwecks und begnügt sich mit seinem teilweisen Vorliegen.4 Welche Zwecke eine Leistung verfolgt, ist durch Auslegung des gemeinten Sinns der maßgeblichen Rechtsgrundlagen zu ermitteln.5 Wenigstens teilweise zur Förderung der Wirtschaft dient eine Leistung, wenn die Wirtschaftsförderung zumindest ein mit der Subvention verfolgter Zweck ist.6 Letzteres beurteilt sich nicht nach den subventionsrechtlichen Primärzwecken, die durch ein bestimmtes Verhalten des Leistungsempfängers erreicht werden, wie Produktion bestimmter Güter, Stilllegung eines Betriebes etc. Maßgeblich ist vielmehr der sich aus der Summe der Primärzwecke ergebende Endzweck der Subvention, also z.B. die Förderung eines bestimmten Industriezweigs.7 Bei Mehrzwecksubventionen muss der wirtschaftliche Förderungszweck nicht Hauptzweck sein.8 Er kann sekundärer bzw. nachrangiger Zweck sein,9 muss dann aber einen signifikanten, mehr als nur ganz entfernten Bezug zur Wirtschaft haben.10 Nicht ausreichend sind (unbeabsichtigte) wirtschaftliche Nebeneffekte, z.B. von Sozialsubventionen.11 Unterstützungen der Forschung sind je nach Sachlage verschieden zu bewerten. Während Leistungen für marktnahe Forschung Subventionscharakter zukommen kann, gilt das für Fördermittel zur Grundlagenforschung regelmäßig nicht.12 Auch Leistungen zur Sportförderung unterfallen § 264, wenn sie für wirtschaftlich orientierte Vermarktungsgesellschaften bestimmt sind.13 Subventionsempfänger können auch wirtschaftsexterne Betriebe oder Unternehmen sein, sofern die Leistung nur (mittelbar) die Wirtschaft als Endzweck fördert.14 cc) Betriebe oder Unternehmen als Leistungsempfänger Als Empfänger der Subvention nach Bundes- oder Landesrecht kommen nur Betriebe oder (auch öffentliche, 14 Abs. 7 S. 2) Unternehmen in Betracht. Mit dieser Einschränkung will der Gesetzgeber zusätzlich sicherstellen, dass Sozialsubventionen, deren Empfänger unterstützungsbedürftige Einzelpersonen sind, nicht dem Tatbestand unterfallen (vgl. auch Rz. 12).15 Ihre Erschleichung wird allein von § 263 erfasst. Soweit allerdings Sozialsubventionen nicht betroffen sind, erfasst § 264 Abs. 7 S. 1 Nr. 1 auch Subventionen, die nicht nur Betrieben und Unternehmen, sondern auch Privatpersonen gewährt werden können.16 Der Wille des Gesetzgebers steht dieser Auslegung nicht entgegen.17 Die Begriffe Betrieb oder Unternehmen, die ebenso weit zu verstehen sind wie in §§ 11 Abs. 1 Nr. 4b, 14 Abs. 2 (§ 14 StGB Rz. 55a ff.) und § 265b (§ 265b StGB Rz. 3 f.),18 bezeichnen die nicht nur vorübergehende Zusammenfassung mehrerer Personen unter Einsatz von Sachmitteln in gewissem räumlichen Zusammenhang unter einer Leitung zur Erreichung eines bestimmten, nicht stets wirtschaftlichen Zwecks. Unerheblich sind rechtliche Form und Absicht der Gewinnerzielung.19 In dieser Bestimmung reichen beide Begriffe über 1 2 3 4 5 6 7

8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19

Hellmann in NK-StGB, § 264 Rz. 37 f.; Perron in S/S-StGB, § 264 Rz. 16; Hoyer in SK-StGB, § 264 Rz. 33. Hellmann in NK-StGB, § 264 Rz. 37. BT-Drucks. 7/5291, S. 11. BT-Drucks. 7/5291, S. 11; BGH v. 28.5.2014 – 3 StR 206/13, NJW 2014, 3114, 3115. BGH v. 28.5.2014 – 3 StR 206/13, NJW 2014, 3114, 3115; Tiedemann in LK-StGB, § 264 Rz. 67. Perron in S/S-StGB, § 264 Rz. 17; Wassmann, Risiken, 1995, Rz. 24. H.M.: BGH v. 5.9.1989 – 1 StR 291/89, NStZ 1990, 35, 36; auch LG Saarbrücken v. 14.1.2014 – 2 KLs 23/13, juris, Rz. 118; ferner Perron in S/S-StGB, § 264 Rz. 18; Tiedemann in LK-StGB, § 264 Rz. 64; Hellmann in NK-StGB, § 264 Rz. 39; Eberle, Der Subventionsbetrug, 1983, S. 96. Offengelassen in BGH v. 28.5.2014 – 3 StR 206/13, NJW 2014, 3114, 3115. Fischer, StGB, § 264 Rz. 10. Kühl in Lackner/Kühl, StGB, § 264 Rz. 7. Vgl. BT-Drucks. 7/5291, S. 11; BGH v. 28.5.2014 – 3 StR 206/13, NJW 2014, 3114, 3115; Saliger in S/S/W-StGB, § 264 Rz. 13. Fischer, StGB, § 264 Rz. 10; Perron in S/S-StGB, § 264 Rz. 17. Vgl. BT-Drucks. 7/5291, S. 11. Fischer, StGB, § 264 Rz. 10; a.A. Perron in S/S-StGB, § 264 Rz. 15. Tiedemann in LK-StGB, § 264 Rz. 64; Hoyer in SK-StGB, § 264 Rz. 33. BT-Drucks. 7/5291, S. 12; BGH v. 28.5.2014 – 3 StR 206/13, NJW 2014, 3114, 3115. Wie hier BGH v. 28.5.2014 – 3 StR 206/13, NJW 2014, 3114, 3115 m. krit. Anm. Asholt, ZWH 2014, 467; Wessels/Hillenkamp, Rz. 688 m. Fn. 8. A.A. Tiedemann in LK-StGB, § 264 Rz. 54; Perron in S/S-StGB, § 264 Rz. 21; Straßer in G/J/W, § 264 Rz. 29. Vgl. BT-Drucks. 7/5291, S. 12, wo nur die Rede davon ist, dass die Subvention „für Betriebe und Unternehmen bestimmt sein muß“, was auch als bloßer Hinweis auf den Empfängerkreis gelesen werden kann. A.A. Perron in S/S-StGB, § 264 Rz. 21. Vgl. auch Kühl in Lackner/Kühl, StGB, § 264 Rz. 8; Tiedemann in LK-StGB, § 264 Rz. 55; Hellmann in NK-StGB, § 264 Rz. 44. BGH v. 8.5.2003 – 4 StR 550/02, NStZ 2003, 541, 542; BGH v. 28.5.2014 – 3 StR 206/13, NJW 2014, 3114, 3115; Fischer, StGB, § 264 Rz. 11; Tiedemann in LK-StGB, § 264 Rz. 55.

Saliger

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StGB

Subventionsbetrug

StGB

§ 264 StGB Rz. 15

Strafgesetzbuch

den Bereich der Wirtschaft hinaus und erfassen auch Arzt- und Anwaltspraxen, Krankenhäuser, gemeinnützige Fördervereine,1 Theater oder Forschungseinrichtungen (zur Leistung an wirtschaftsexterne Betriebe Rz. 13).2 Obgleich man den Betrieb als organisatorische Einheit zu arbeitstechnischen Zwecken vom Unternehmen als eher rechtlich-wirtschaftlicher Einheit trennen kann,3 erübrigt sich im Zweifel eine genaue Abgrenzung ebenso wie bei öffentlichen Unternehmen und – den nicht ausdrücklich erwähnten, nach dem Regelungszweck aber einbezogenen – Betrieben.4 Der Gesetzgeber hat die öffentlichen Unternehmen den privaten Betrieben und Unternehmen mangels signifikanter Unterschiede jenseits der Rechtsträgerschaft gleichgestellt.5 Öffentliche Unternehmen umfasst alle von der öffentlichen Hand getragenen Einrichtungen, über die diese als Erzeuger oder Verteiler von Gütern oder sonstigen Leistungen der Daseinsvorsorge am Wirtschaftsleben teilnehmen.6 Beispiele sind kommunale Verkehrsbetriebe, Wohnungsbaugesellschaften, Wirtschaftsförderungsgesellschaften,7 Gas- und Elektrizitätswerke oder unter Beteiligung der öffentlichen Hand geführte Außenhandelsgesellschaften.8 Unerheblich ist die Organisationsform, sodass öffentliche Unternehmen sowohl juristische Personen des öffentlichen oder privaten Rechts als auch unselbständige Eigenbetriebe sein können.9 Wie § 265b (§ 265b StGB Rz. 4) ist auch § 264 anwendbar, wenn die Existenz des Betriebes oder Unternehmens nur vorgetäuscht wird (Scheinbetrieb; zu Scheingeschäften Rz. 25).10 Ausgenommen sind dagegen Finanzzuweisungen an Länder und Kommunen sowie speziell für die hoheitliche Verwaltung bestimmte Mittel.11 Deshalb fällt auch die Gewährung öffentlicher Mittel an eine Gemeinde als Gebietskörperschaft nicht unter § 264.12 Das Gleiche gilt für die bloße Subventionsvermittlung, etwa Zahlungen an den Arbeitgeber beim Kurzarbeits- und Saison-Kurzarbeitsgeld (§§ 95, 101 SGB III), die dieser an den Arbeitnehmer als Endempfänger weiterleitet. Hier liegen keine Leistungen an Betriebe bzw. Unternehmen vor, weil sie ihnen nicht zu eigener Verwendung überlassen sind.13 Trotz seines mittelbaren Profits fungiert der Arbeitgeber insoweit lediglich als Subventionsvermittler.14 Zum ebenfalls nicht erfassten Wintergeld (§§ 102, 354 SGB III) s. Rz. 8. dd) Beispiele 15

Beispiele für taugliche Subventionen nach Abs. 7 S. 1 Nr. 1 sind:15 Investitionszulagen nach § 19 BerlinFG 1990, § 3 InvZulG 1999 und Investitionsförderungsgesetz Aufbau Ost i.V.m. Wohnen 2001 Richtlinie,16 §§ 1 ff., 14 InvZulG 2007 und § 3 Gesetz über die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“;17 Fördermaßnahmen nach § 3 Gesetz über die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes“; Städtebauförderungsmittel nach § 164a BauGB; Leistungen nach Wohnraumförderungsbestimmungen der Länder (zum II. WoBauG s. Rz. 10); Leistungen nach §§ 2 Abs. 4, 14 ff. FFG;18 Vergünstigungen nach § 6 MOG sowie nach den einzelnen ERP-Gesetzen; Leistungen nach § 2 Abs. 2 3. VerstromungsG; staatliche Beihilfen und Investitionshilfen nach §§ 5, 6 MarktStrG; staatliche Zuwendungen gem. § 41 Abs. 5 BWaldG; Betriebsbeihilfen nach Art. 2 § 1 VerkehrsfinanzG 1971, Abschn. III Art. 4 VerkehrsfinanzG 1955 und Art. 9 StrFinG 1960; preisvergünstigter Erwerb von Forstflächen gem. EALG i.V.m. AusglLeistG und FlErwV.19 c) Subvention nach EG- bzw. EU-Recht, Abs. 7 S. 1 Nr. 2

16

Die Subvention nach EG-Recht gem. Abs. 7 S. 1 Nr. 2 folgt insofern einem weiten Subventionsbegriff (Rz. 4), als sie nur die allgemeinen Voraussetzungen erfüllen muss (Leistung aus öffentlichen Mitteln, ohne marktmäßige Gegenleistung; Rz. 7–10) und unabhängig davon geschützt wird, ob sie der Wirtschaftsförderung dient und wer Subventionsnehmer ist.20 Die EU-Subvention erfasst deshalb neben Leistungen aus dem Europäischen Ga1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20

BGH v. 8.5.2003 – 4 StR 550/02, NStZ 2003, 541, 542. Perron in S/S-StGB, Rz. 22; Tiedemann in LK-StGB, § 264 Rz. 55; Hellmann in NK-StGB, § 264 Rz. 44. Hoyer in SK-StGB, § 264 Rz. 31. Perron in S/S-StGB, § 264 Rz. 23 Tiedemann in LK-StGB, § 264 Rz. 56; Eberle, Der Subventionsbetrug, 1983, S. 67 f. Vgl. BT-Drucks. 7/5291, S. 12. Tiedemann in LK-StGB, § 264 Rz. 56; Perron in S/S-StGB, § 264 Rz. 23; Hellmann in NK-StGB, § 264 Rz. 45. LG Mühlhausen v. 15.1.1996 – 310 Js 16901-91-6Kls, NJW 1998, 2069. BT-Drucks. 7/5291, S. 12. BT-Drucks. 7/5291, S. 12; Kühl in Lackner/Kühl, StGB, § 264 Rz. 8; Hellmann in NK-StGB, § 264 Rz. 45. BT-Drucks. 7/5291, S. 12; BGH v. 8.5.2003 – 4 StR 550/02, NStZ 2003, 541, 542; OLG Koblenz v. 13.1.2000 – 1 Ausschl 3/99, wistra 1985, 82; Wohlers/Mühlbauer in MüKo-StGB, § 264 Rz. 57; Hoyer in SK-StGB, § 264 Rz. 32. BT-Drucks. 7/5291, S. 12. LG Mühlhausen v. 15.1.1996 – 310 Js 16901-91-6Kls, NJW 1998, 2069. Perron in S/S-StGB, § 264 Rz. 25; Wohlers/Mühlbauer in MüKo-StGB, § 264 Rz. 57. Vgl. Gaede/Leydecker, NJW 2009, 3542, 3545 f.; Gaede in M/R-StGB, § 264 Rz. 18; Saliger in S/S/W-StGB, § 264 Rz. 8; Straßer in G/J/W, § 264 Rz. 29. Vgl. BT-Drucks. 7/3441, S. 15 Art. 6 zu § 264; Tiedemann in LK-StGB, § 264 Rz. 68; Kühl in Lackner/Kühl, StGB, § 264 Rz. 9; Wassmann, Risiken, 1995, Rz. 25; Göhler/Wilts, DB 1976, 1612 f. BGH v. 28.5.2014 – 3 StR 206/13, NJW 2014, 3114, 3115. Vgl. OLG Jena v. 1.11.2006 – 1 Ws 290/06, juris, Rz. 30. Vgl. BGH v. 20.6.1986 – 1 StR 184/86, BGHSt 34, 111, 114. OLG Rostock v. 17.1.2012 – I Ws 404/11, BeckRS 2012, 03289. Vgl. BT-Drucks. 13/10425, S. 7.

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Rz. 18 § 264 StGB

rantiefonds für die Landwirtschaft (EGFL), insbesondere Ausfuhrerstattungen für Drittlandexporte,1 dem Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums (ELER), dem Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) oder dem Europäischen Sozialfonds2 auch Leistungen zur Förderung der Berufsbildung, der Kultur oder zum Schutz der Umwelt, selbst wenn sie für öffentliche Gebietskörperschaften oder Idealvereine bestimmt sind.3 Aus öffentlichen Mitteln (Rz. 8) nach (formellem oder materiellem, Rz. 11) EG- bzw. EU-Recht erbracht sind auch Leistungen aus nur im Auftrag der EU verwalteten Haushaltsplänen.4 Erfasst sind damit auch nicht im Haushaltsplan aufgeführte Fonds, die auf eigene Rechnung von Unionsinstitutionen ohne Organstellung verwaltet werden wie das Europäische Zentrum für die Förderung der Berufsbildung oder die Europäische Umweltagentur.5 Gleichgültig ist, ob die Fördermittel von der Union selbst oder von den Mitgliedstaaten verwaltet bzw. vergeben werden.6 2. Subventionserhebliche Tatsache, Absatz 8 Absatz 8 bestimmt die Formen, in denen die subventionserheblichen Tatsachen vom Gesetz- oder Subventions- 17 geber (Rz. 5) ausgewiesen werden müssen, um als Tatmittel für die Tathandlungen in Abs. 1 Nr. 1, 3 und 4 zu taugen. Zweck von Absatz 8 ist, angesichts der zahlreichen Normativbegriffe des Subventionsrechts7 in Verbindung mit dem SubvG sicherzustellen, dass sowohl die Vergabevoraussetzungen für den Subventionsempfänger als auch etwaige Täuschungshandlungen für den Subventionsgeber und die Strafverfolgungsorgane möglichst klar erkennbar sind.8 Die Regelung reagiert damit auf Mängel der früheren Vergabepraxis, die aufgrund ungenauer Umschreibung der Vergabevoraussetzungen nicht nur zu Beweisschwierigkeiten in Strafverfahren, sondern auch zu Subventionsfehlleitungen geführt hatte.9 Um auch mit Blick auf die Kriminalisierung schon leichtfertiger Täuschungshandlungen durch § 264 zu verhindern, dass sich die subventionserheblichen Tatsachen erst aus dem Subventionszweck im Wege der Auslegung ergeben hätten,10 kennt Absatz 8 nur drei Formen des Ausweises subventionserheblicher Tatsachen (Rz. 18–20). Absatz 8 legt damit einen formalen Begriff der Subventionserheblichkeit fest: Subventionserheblich und strafbarkeitsbegründend nach § 264 sind nur die gem. Absatz 8 ausgewiesenen Tatsachen, unabhängig von ihrer materiellen Subventionserheblichkeit.11 Täuschungen über materiell subventionserhebliche Tatsachen jenseits von Absatz 8 können daher allenfalls eine Strafbarkeit aus § 263 begründen.12 a) Formale Bezeichnung durch ein Gesetz, Abs. 8 Nr. 1 Alt. 1 Der erste, am wenigsten praxisrelevante zulässige Ausweis subventionserheblicher Tatsachen ist die formelle Be- 18 zeichnung durch das Gesetz selbst. Der Begriff Tatsache entspricht dem in § 263 (§ 263 StGB Rz. 12 ff.),13 umfasst also äußere wie innere14 Tatsachen, nicht Bewertungen wie die Aktivierungsfähigkeit eines Kaufpreises15 und Prognosen.16 Bezeichnung meint eine ausdrückliche Bezeichnung17 vor der Tat; bei Bezeichnung nach Gewährung der Subvention gem. § 2 Abs. 2 SubvG (dazu Rz. 19) beginnt die Tat erst ab diesem Zeitpunkt.18 Erforderlich sind klare und unmissverständliche, auf den konkreten Fall bezogene Angaben.19 Dass sich die Subventionserheblichkeit nur aus dem Kontext ergibt, genügt ebenso wenig wie eine pauschale oder formelhafte Bezeichnung.

1 BGH v. 5.9.1989 – 1 StR 291/89, NStZ 1990, 35, 36; Halla-Heißen, Subventionsbetrug, 2004, S. 67 ff. A.A. Schrömbges, wistra 2009, 249, 253 f. 2 LG Saarbrücken v. 14.1.2014 – 2 KLs 23/13, juris, Rz. 113 Rz. 113 f. für das Programm „Lernziel Produktivität“. Zu weiteren Fonds BT-Drucks. 13/10425, S. 16; Fischer, StGB, § 264 Rz. 12; Martens, Subventionskriminalität, 2001, S. 82 ff. 3 Verjans in Volk, MAH, § 35 Rz. 47; Fischer, StGB, § 264 Rz. 12; Martens, Subventionskriminalität, 2001, S. 99 ff. 4 BT-Drucks. 13/10425, S. 7; Perron in S/S-StGB, § 264 Rz. 26. 5 BT-Drucks. 13/10425, S. 16 und 7; Fischer, StGB, § 264 Rz. 12. 6 BT-Drucks. 7/5291, S. 10; LG Saarbrücken v. 14.1.2014 – 2 KLs 23/13, juris, Rz. 113. 7 BGH v. 11.11.1998 – 3 StR 101/98, BGHSt 44, 233, 238. 8 BT-Drucks. 7/5291, S. 13; BGH, v. 11.11.1998 – 3 StR 101/98, BGHSt 44, 233, 238 ff.; Kühl in Lackner/Kühl, StGB, § 264 Rz. 10; Tiedemann in LK-StGB, § 264 Rz. 72; Göhler/Wilts, DB 1976, 1614; krit. Detzner, Rückkehr, 1990, S. 141. 9 Vgl. BT-Drucks. 7/5291, S. 3 f.; BR-Drucks. 5/75, S. 28; Perron in S/S-StGB, § 264 Rz. 28. 10 BT-Drucks. 7/5291, S. 13; BGH v. 11.11.1998 – 3 StR 101/98, BGHSt 44, 233, 238 ff.; vgl. auch BT-Drucks. 7/3441, S. 4. 11 Vgl. BT-Drucks. 7/5291, S. 13; BR-Drucks. 5/75, S. 28; BGH v. 11.11.1998 – 3 StR 101/98, BGHSt 44, 233, 236 f.; BGH v. 30.9.2010 – 5 StR 61/10, NStZ-RR 2011, 81; Fischer, StGB, § 264 Rz. 13; Hellmann in NK-StGB, § 264 Rz. 51. 12 BGH v. 11.11.1998 – 3 StR 101/98, BGHSt 44, 233, 242 f.; BayObLG v. 30.12.1981 – 5 St 85/81, NJW 1982, 2202, 2203; Hellmann in NK-StGB, § 264 Rz. 51. 13 H.M.: Tiedemann in LK-StGB, § 264 Rz. 71. 14 Vgl. BGH v. 20.6.1986 – 1 StR 184/86, BGHSt 34, 111, 114: Absicht. 15 Vgl. BGH v. 9.11.2009 – 5 StR 136/09, wistra 2010, 100, 102 m. Anm. Bittmann. 16 Tiedemann in LK-StGB, § 265b Rz. 64. 17 OLG München v. 1.7.1981 – 2 Ws 668/81, NJW 1982, 457; Perron in S/S-StGB, § 264 Rz. 30; Fischer, StGB, § 264 Rz. 14; Tiedemann in LK-StGB, § 264 Rz. 73; Straßer in G/J/W, § 264 Rz. 42. 18 Perron in S/S-StGB, § 264 Rz. 29; Hoyer in SK-StGB, § 264 Rz. 39. 19 BGH v. 11.11.1998 – 3 StR 101/98, BGHSt 44, 233, 238; LG Magdeburg v. 14.10.2004 – 24 KLs 4/04, wistra 2005, 155, 156; LG Düsseldorf v. 14.11.1980 – X – 24/80, NStZ 1981, 223 und dazu Ranft, NJW 1986, 3164 f.; Kühl in Lackner/ Kühl, StGB, § 264 Rz. 10; Hellmann in NK-StGB, § 264 Rz. 56.

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Subventionsbetrug

StGB

§ 264 StGB Rz. 19

Strafgesetzbuch

Insbesondere reicht die bloße Wiederholung der in Abs. 8 Nr. 2 aufgeführten abstrakten Umstände nicht.1 Keine gesetzliche Bezeichnung enthalten die §§ 3–5 SubvG.2 Dagegen soll die Bezeichnung „wirtschaftliche Verhältnisse des Antragstellers“ hinreichend bestimmt sein,3 ebenso die Voraussetzungen für einen preisvergünstigten Erwerb von Forstflächen gem.§ 7 S. 2, 3 FlErwV i.V.m. §§ 3 ff. AusglLeistG, § 1 Abs. 1 S. 9 EntschG.4 Der Ausdruck „subventionserheblich“ muss nicht wörtlich benutzt werden; ausreichend ist die unmissverständliche Verwendung gleichbedeutender Ausdrücke.5 Durch Gesetz erfasst formelle wie materielle Gesetze von Bund, Land oder EU, schließt also RechtsVO, kommunale Satzungen und Haushaltspläne ein.6 Keine Gesetze sind Verwaltungsvorschriften und Richtlinien wie ministerielle Erlasse,7 die Bürgschaftsrichtlinien des Freistaates Sachsen für die Wirtschaft8 oder ein Rahmenplan9 sowie die in der EU verbreiteten Vertragssubventionen.10 b) Formale Bezeichnung aufgrund eines Gesetzes, Abs. 8 Nr. 1 Alt. 2 19

Die zweite zulässige Form der formellen Subventionserheblichkeit ist die Bezeichnung (dazu Rz. 18) der subventionserheblichen Tatsache (Rz. 18) durch den Subventionsgeber (Rz. 5) aufgrund eines Gesetzes, also aufgrund gesetzlicher (dazu Rz. 18) Ermächtigung oder Verpflichtung.11 Die Bezeichnung setzt eine zugangsbedürftige Erklärung gegenüber dem Subventionsnehmer (Rz. 6) voraus, bei mehreren mindestens gegenüber einem, sodass ein allgemeiner Aushang nicht reicht.12 Dabei genügt die Konkretisierung durch mündlich ergangenen Verwaltungsakt.13 Der Bezeichnung durch den Subventionsgeber soll besondere Bedeutung dann zukommen, wenn eine gesetzliche Benennung nach Nr. 1 und Nr. 2 fehlt, z.B. wenn die Subvention nur im Haushaltsansatz ausgewiesen ist.14 Als Gesetz kommt vor allem das SubvG in Betracht.15 § 2 Abs. 1 SubvG verpflichtet den Subventionsgeber zur Bezeichnung der Tatsachen als subventionserheblich i.S.d. § 264, die nach dem Subventionszweck (Nr. 1), den Rechtsvorschriften, Verwaltungsvorschriften und Richtlinien über die Subventionsvergabe (Nr. 2) sowie den sonstigen Vergabevoraussetzungen (Nr. 3) bewilligungsrelevant für die Subvention oder einen Subventionsvorteil sind. Darüber hinaus statuiert § 2 Abs. 2 SubvG bei Zweifeln im Subventionsverfahren eine Pflicht des Subventionsgebers, dem Subventionsnehmer die klärungsbedürftigen Tatsachen nachträglich als subventionserheblich i.S.d. § 264 zu bezeichnen. Allerdings gilt das SubvG (§ 1 Abs. 2) unmittelbar nur für Subventionen nach Bundesrecht einschließlich der vom Bund vergebenen Subventionen nach EG- bzw. EU-Recht, ferner für Subventionen nach Landesrecht bei Bezug der Landesnorm, wie weitgehend geschehen,16 auf das SubvG, nicht dagegen bei den EU-Subventionen, die von Stellen der EU selbst vergeben werden.17 Der Subventionsgeber ist in der Bezeichnung der subventionserheblichen Tatsachen nicht frei. Die Bezeichnung muss sich im Rahmen von Wortlaut und Gesetzeszweck halten. Geht die Bezeichnung darüber hinaus, so ist sie auch im Fall einer Täuschung des Subventionsnehmers nicht geeignet, eine Strafbarkeit nach § 264 zu begründen.18 c) Gesetzliche Abhängigkeit, Abs. 8 Nr. 2

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Als dritte zulässige Form der Subventionserheblichkeit erfasst Abs. 8 Nr. 2 Tatsachen (Rz. 18), von denen die Bewilligung (verbindliche Zusage), Gewährung (tatsächliche Vergabe aufgrund der Bewilligung), Rückforderung, Weitergewährung (wiederholte Vergabe aufgrund einheitlicher Entscheidung) oder das Belassen (Entscheidung,

1 BGH v. 11.11.1998 – 3 StR 101/98, BGHSt 44, 233, 238; Perron in S/S-StGB, § 264 Rz. 30; Saliger in S/S/W-StGB, § 264 Rz. 18. 2 BGH v. 11.11.1998 – 3 StR 101/98, BGHSt 44, 333, 238; Fischer, StGB, § 264 Rz. 14. 3 Vgl. BGH v. 13.5.1992 – 5 StR 440/91, wistra 1992, 257. 4 Vgl. OLG Rostock v. 17.1.2012 – I Ws 404/11, BeckRS 2012, 03289, S. 4. 5 BayObLG v. 30.12.1981 – 5 St 85/81, NJW 1982, 2202, 2203; OLG München v. 1.7.1981 – 2 Ws 668/81, NJW 1982, 457; Tiedemann in LK-StGB, § 264 Rz. 73; Perron in S/S-StGB, § 264 Rz. 30 f.; Hoyer in SK-StGB, § 264 Rz. 39. 6 BGH v. 11.11.1998 – 3 StR 101/98, BGHSt 44, 233, 237; OLG Rostock v. 17.1.2012 – I Ws 404/11, BeckRS 2012, 03289, S. 4; Tiedemann in LK-StGB, § 264 Rz. 74; Perron in S/S-StGB, § 264 Rz. 33; Hellmann in NK-StGB, § 264 Rz. 54. Zu eng BT-Drucks. 7/5291, S. 13. 7 BGH v. 11.11.1998 – 3 StR 101/98, BGHSt 44, 233, 237. 8 BGH v. 26.1.2006 – 5 StR 334/05, NStZ 2006, 625, 628. 9 LG Magdeburg v. 14.10.2004 – 24 KLs 4/04, wistra 2005, 155, 157. 10 Perron in S/S-StGB, § 264 Rz. 28; Hellmann in NK-StGB, § 264 Rz. 52; Fischer, StGB, § 264 Rz. 13, 17a. 11 Fischer, StGB, § 264 Rz. 15; Hellmann in NK-StGB, § 264 Rz. 55; Perron in S/S-StGB, § 264 Rz. 34; Saliger in S/S/WStGB, § 264 Rz. 19. 12 Tiedemann in LK-StGB, § 264 Rz. 73; Perron in S/S-StGB, § 264 Rz. 34. 13 BGH v. 26.1.2006 – 5 StR 334/05, NStZ 2006, 625, 627 f.; vgl. auch BT-Drucks. 7/5291, S. 13. 14 BT-Drucks. 7/5291, S. 13; Perron in S/S-StGB, § 264 Rz. 35. 15 Vgl. BT-Drucks. 7/5291, S. 13; LG Saarbrücken v. 14.1.2014 – 2 KLs 23/13, juris, Rz. 128 ff.; Kühl in Lackner/Kühl, StGB, § 264 Rz. 11; Fischer, StGB, § 264 Rz. 15; Wohlers/Mühlbauer in MüKo-StGB, § 264 Rz. 66 ff.; Perron in S/S-StGB, § 264 Rz. 35. Krit. Tiedemann in LK-StGB, § 264 Rz. 75 f.; Löwer, JZ 1979, 630; Hack, Probleme, 1982, S. 153 ff. 16 Perron in S/S-StGB, § 264 Rz. 35. 17 Vgl. BT-Drucks. 7/5291, S. 13, 21; OLG München v. 1.7.1981 – 2 Ws 668/81, NJW 1982, 457, 458; Kühl in Lackner/ Kühl, StGB, § 264 Rz. 11. 18 BT-Drucks. 7/5291, S. 13; Wohlers/Mühlbauer in MüKo-StGB, § 264 Rz. 68; Perron in S/S-StGB, § 264 Rz. 34; Hoyer in SK-StGB, § 264 Rz. 39.

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Rz. 21 § 264 StGB

die Zuwendung nicht zurückzufordern, oder das Absehen von dieser Entscheidung)1 einer Subvention (Rz. 4 ff.) oder eines Subventionsvorteils gesetzlich (Rz. 18)2 abhängig ist. Abs. 8 Nr. 2 geht ins Leere, soweit Nr. 1 greift, insbesondere der Subventionsgeber seine Bezeichnungspflicht nach Nr. 1 Alt. 2 erfüllt hat.3 Praktisch erfasst die Vorschrift damit zunächst die Fälle, in denen das SubvG nicht greift, also vor allem die Subventionen durch die Vergabestellen der EU.4 Darüber hinaus ist Nr. 2 nach Wortlaut und Willen des Gesetzgebers anwendbar in allen Fällen, in denen eine ausdrückliche Bezeichnung von Tatsachen als subventionserheblich, gleichviel aus welchen Gründen – also auch trotz Verpflichtung nach dem SubvG –, entweder völlig fehlt oder unwirksam (unklar, unvollständig oder verspätet) ist.5 Weiterhin setzt Nr. 2 voraus, dass dem Gesetzeswortlaut selbst mit hinreichender Deutlichkeit, ggf. auch erst mithilfe der üblichen Interpretationsmethoden, entnommen werden kann, dass die Subventionierung unter der im Gesetz genannten Voraussetzung erfolgt.6 Daran fehlt es regelmäßig, wenn der Verwaltung ein Ermessensspielraum eingeräumt ist, also keine gebundene Verwaltungsentscheidung vorliegt.7 Denn in einem solchen Fall reicht die Kenntnis des Gesetzes allein weder für den potenziellen Täter noch für die Strafverfolgungsorgane aus, um die Anknüpfung der Subventionierung an die Erfüllung der Voraussetzung im konkreten Fall beurteilen zu können.8 Das Gleiche trifft zu für den Fall, dass sich der Charakter einer Subventionsvoraussetzung erst aus der Auslegung des Subventionszwecks ergibt (oben Rz. 17).9 Dagegen kann sich ein zwingendes Verbot der Subventionierung und damit eine gesetzliche Abhängigkeit auch aus § 4 SubvG ergeben, namentlich aus einem Scheingeschäft gem. § 4 Abs. 1 S. 1 SubvG (dazu Rz. 25).10 Das Vertrauen des Subventionsnehmers in die Wirksamkeit einer unwirksamen Bezeichnung wird hinreichend durch § 16 geschützt.11 Subventionsvorteil meint in Abgrenzung zur Subvention und auf Basis des § 2 SubvG nicht die Vorteile nach § 5 SubvG, sondern jene Vorteile, die einem Subventionsempfänger mittelbar zufließen, wie beim Erwerb subventionierter Ware durch den Zweitempfänger, der dadurch selbst zum Subventionsnehmer (Rz. 6) wird.12 An dem Erfordernis der gesetzlichen Abhängigkeit der Subventionsgewährung ändert der Umstand nichts, dass ein Dritter und nicht der Subventionsnehmer selbst Täter des Subventionsbetrugs ist.13 Das Tatgericht hat die gesetzliche Abhängigkeit durch Auslegung zu ermitteln, sofern die Subventionsgewährung keine ausdrücklichen Anhaltspunkte für sie enthält.14 Insbesondere muss es regelmäßig die dafür bedeutsamen rechtlichen Anknüpfungspunkte in den schriftlichen Urteilsgründen darlegen, wenn vom Subventionszweck auf den Charakter der Subventionsvoraussetzungen geschlossen wird.15

II. Grundtatbestand, Absatz 1 Die Grundstrukturen der Vorschrift stellen sich wie folgt dar: Absatz 1 markiert den Grundtatbestand des vor- 21 sätzlichen Subventionsbetrugs. Er enthält vier Tathandlungen (Rz. 22-33). Der Eintritt eines Erfolgs (Gewährung der Subvention, Vermögensschaden) oder „Zwischenerfolgs“ (Irrtum) ist nicht vorausgesetzt (vgl. Rz. 1 f.). Absatz 2 verschärft die Strafdrohung für besonders schwere Fälle und bezeichnet damit eine Strafzumessungsvorschrift (Rz. 35 ff.). Absatz 3 qualifiziert den Subventionsbetrug durch den entsprechenden Verweis auf § 263 Abs. 5 zu einem Verbrechen (Rz. 39). Absatz 4 erweitert die Strafbarkeit für die Tathandlungen des Abs. 1 Nr. 1 bis 3 auf leichtfertiges Handeln (Rz. 40). Absatz 5 gewährt die mit Blick auf die Vorverlagerung der Strafbarkeit (Rz. 2 f.) gebotene tätige Reue (Rz. 42). Absatz 6 schließlich eröffnet (weitere) besondere Rechtsfolgen (Rz. 44). 1 Zu den Begriffen Fischer, StGB, § 264 Rz. 16; Hoyer in SK-StGB, § 264 Rz. 43; zur Irrelevanz von Überschneidungen BR-Drucks. 5/75, S. 29; Perron in S/S-StGB, § 264 Rz. 36. 2 BGH v. 11.11.1998 – 3 StR 101/98, BGHSt 44, 233, 240. 3 Vgl. BT-Drucks. 7/5291, S. 13; Fischer, StGB, § 264 Rz. 17; vgl. auch BGH v. 11.11.1998 – 3 StR 101/98, BGHSt 44, 233, 241. 4 Vgl. BT-Drucks. 7/5291, S. 13; Kühl in Lackner/Kühl, StGB, § 264 Rz. 12; Wohlers/Mühlbauer in MüKo-StGB, § 265 Rz. 72; oben Rz. 19. 5 H.M.: BGH v. 11.11.1998 – 3 StR 101/98, BGHSt 44, 233, 241; BGH v. 30.9.2010 – 5 StR 61/10, NStZ-RR 2011, 81; BGH v. 14.1.2015 – 1 StR 93/14, NZWiSt 2015, 263, 269 m. Anm. Gehm; ferner BT-Drucks. 7/5291, S. 13; Kühl in Lackner/Kühl, StGB, § 264 Rz. 12; Tiedemann in LK-StGB, § 264 Rz. 82; Saliger in S/S/W-StGB, § 264 Rz. 20; Fischer, StGB, § 264 Rz. 17a; Hellmann in NK-StGB, § 264 Rz. 62. A.A. z.B. Hoyer in SK-StGB, § 264 Rz. 42; einschr. auch Ranft, NJW 1986, 3165 f. 6 Vgl. BT-Drucks. 7/5291, S. 13; BGH v. 11.11.1998 – 3 StR 101/98, BGHSt 44, 233, 241; BGH v. 30.9.2010 – 5 StR 61/10, NStZ-RR 2011, 81 (dort verneint); BGH v. 14.1.2015 – 1 StR 93/14, NZWiSt 2015, 263, 269 m. Anm. Gehm; LG Magdeburg v. 14.10.2004 – 24 KLs 4/04, wistra 2005, 155, 157. 7 BGH v. 11.11.1998 – 3 StR 101/98, BGHSt 44, 233, 241 ff.; BGH v. 30.9.2010 – 5 StR 61/10, NStZ-RR 2011, 81 m. Anm. Adick, HRRS 2011, 408; BGH v. 28.5.2014 – 3 StR 206/13, NJW 2014, 3114, 3116; BGH v. 14.1.2015 – 1 StR 93/14, NZWiSt 2015, 263, 269; OLG Jena v. 1.11.2006 – 1 Ws 290/06, juris, Rz. 30. 8 BGH v. 11.11.1998 – 3 StR 101/98, BGHSt 44, 233, 241; BGH v. 30.9.2010 – 5 StR 61/10, NStZ-RR 2011, 81. 9 Vgl. BT-Drucks. 7/5291, S. 13; Perron in S/S-StGB, § 264 Rz. 36; Straßer in G/J/W, § 264 Rz. 50. 10 BGH v. 28.5.2014 – 3 StR 206/13, NJW 2014, 3114, 3116 m. krit. Anm. Asholt, ZWH 2014, 467. 11 Tiedemann in LK-StGB, § 264 Rz. 82. 12 BT-Drucks. 7/3441, S. 29; Fischer, StGB, § 264 Rz. 17; Perron in S/S-StGB, § 264 Rz. 36 f.; Tiedemann in LK-StGB, § 264 Rz. 84; Wohlers/Mühlbauer in MüKo-StGB, § 264 Rz. 75. 13 BGH v. 30.9.2010 – 5 StR 61/10, NStZ-RR 2011, 81. 14 Vgl. BGH v. 14.1.2015 – 1 StR 93/14, NZWiSt 2015, 263, 269 f. m. Anm. Gehm zu § 2 Abs. 4 und 5 InvZulG 2005. 15 BGH v. 30.9.2010 – 5 StR 61/10, NStZ-RR 2011, 81 f.

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Subventionsbetrug

StGB

§ 264 StGB Rz. 22

Strafgesetzbuch

1. Tathandlungen a) Unrichtige Angaben, Abs. 1 Nr. 1 22

Die Tathandlung des Abs. 1 Nr. 1 besteht darin, dass der Täter gegenüber dem Subventionsgeber (Rz. 5) über subventionserhebliche Tatsachen (Rz. 17–20) für sich oder einen anderen unrichtige oder unvollständige Angaben macht, die für ihn oder einen anderen vorteilhaft sind. aa) Machen von Angaben über subventionserhebliche Tatsachen

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Angaben sind alle schriftlichen oder mündlichen Erklärungen über das Vorliegen oder Nichtvorliegen bestimmter Sachverhalte zu subventionserheblichen Tatsachen (Rz. 17–20).1 Die Tat ist nach dem Wortlaut („Angaben machen“) Äußerungsdelikt, sodass zumindest eine konkludente Erklärung erforderlich ist, die auch in der Hingabe eines Schecks2 oder in der Vorlage verfälschter Augenscheinsobjekte liegen kann.3 Die bloße Manipulation äußerer Umstände genügt nach h.M. nicht, selbst wenn damit auf die Vorstellung des Subventionsgebers eingewirkt wird.4 Deshalb beinhaltet auch das bloße Dulden der Entnahme von Produktproben keine konkludente Erklärung gegenüber dem Subventionsgeber.5 Gemacht sind Angaben, wenn sie dem Subventionsgeber (der zuständigen Behörde, Stelle, Person; s. Rz. 5) im Rahmen des Subventionsverfahrens (Rz. 6) zugegangen sind.6 Damit ist die Tat vollendet.7 Bei schriftlichen Angaben reicht aus, dass sie auf Veranlassung des Subventionsnehmers in den Machtbereich des Empfängers gelangt sind und mit dessen Kenntnisnahme gerechnet werden kann; mündliche und konkludente Erklärungen hingegen erfordern eine tatsächliche Kenntnisnahme durch die zuständige Person.8 Werden in einem mehrstufigen Verfahren Angaben gegenüber einer mit dem unrichtigen Teil nicht befassten Stelle gemacht, so ist die Tat erst mit der Weiterleitung an die zuständige Stelle vollendet.9 Abs. 1 Nr. 1 setzt als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal voraus, dass die Angaben im Subventionsverfahren gemacht sein müssen.10 Angaben im Rahmen nur vorbereitender Erkundigungen genügen daher nicht.11 Weitere ungeschriebene Voraussetzung ist, dass der Täter mit seinen Angaben die Richtigkeit bzw. Vollständigkeit der Erklärungen vorspiegeln muss. Abs. 1 Nr. 1 ist daher mangels Machens unrichtiger oder unvollständiger Angaben (näher Rz. 24 f.) nicht erfüllt, wenn die Angaben erkennbar unvollständig sind oder der Täter seine Angaben unter dem Vorbehalt macht, er müsse sie noch auf ihre Richtigkeit bzw. Vollständigkeit hin überprüfen.12 Das Gleiche gilt, wenn im parallel laufenden Subventionsverfahren der Subventionsempfänger die subventionserhebliche Tatsache dem Subventionsgeber unter Bezug auf das andere Subventionsverfahren mitteilt und der Subventionsgeber die Mitteilung ohne Weiteres zuzuordnen vermag.13 Obwohl die Tat primär auf ein aktives Tun gerichtet ist („Machen“), ist auch Unterlassen möglich. Letzteres kommt in Betracht, wenn der Betriebsinhaber die unrichtigen Angaben seines Angestellten duldet.14 Sind die Angaben dem Subventionsgeber bereits zugegangen, so greift allein Abs. 1 Nr. 3.15 bb) Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit der Angaben

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Die Angaben müssen unrichtig oder unvollständig sein. Unrichtig sind sie, wenn sie objektiv nicht mit der Wirklichkeit der subventionserheblichen Tatsachen übereinstimmen.16 Das gilt auch bei (konkludenter) Bestä-

1 Perron in S/S-StGB, § 264 Rz. 43; Tiedemann in LK-StGB, § 264 Rz. 95; Saliger in S/S/W-StGB, § 264 Rz. 23. 2 Vgl. BGH v. 26.1.2006 – 5 StR 334/05, NStZ 2006, 625, 627 f. 3 H.M.: Tiedemann in LK-StGB, § 264 Rz. 95 Perron in S/S-StGB, § 264 Rz. 43; Wohlers/Mühlbauer in MüKo-StGB, § 264 Rz. 60; vgl. auch BGH v. 8.4.2003 – 5 StR 448/02, NJW 2003, 2179, 2181. 4 Tiedemann in LK-StGB, § 264 Rz. 95; Perron in S/S-StGB, § 264 Rz. 43; Wohlers/Mühlbauer in MüKo-StGB, § 264 Rz. 60; Hoyer in SK-StGB, § 264 Rz. 51; enger Fischer, StGB, § 264 Rz. 22; a.A. Hellmann in NK-StGB, § 264 Rz. 76. 5 Vgl. BGH v. 28.4.1981 – 5 StR 692/80, NJW 1981, 1744 m. zust. Anm. Tiedemann, JR 1981, 470; ferner Fischer, StGB, § 264 Rz. 22; Verjans in Volk, MAH, § 35 Rz. 58; a.A. Hellmann in NK-StGB, § 264 Rz. 76. 6 Saliger in S/S/W-StGB, § 264 Rz. 23; vgl. ferner Perron in S/S-StGB, § 264 Rz. 48; Kühl in Lackner/Kühl, StGB, § 264 Rz. 16; Tiedemann in LK-StGB, § 264 Rz. 103; Hellmann in NK-StGB, § 264 Rz. 77. 7 Vgl. BGH v. 13.1.1987 – 4 ARs 22/86, BGHSt 34, 265, 267; BGH v. 9.11.2009 – 5 StR 136/09, wistra 2010, 100, 102; Tiedemann in LK-StGB, § 264 Rz. 103. 8 Kühl in Lackner/Kühl, StGB, § 264 Rz. 16; Hellmann in NK-StGB, § 264 Rz. 77; Wohlers/Mühlbauer in MüKo-StGB, § 264 Rz. 61. 9 LG Saarbrücken v. 14.1.2014 – 2 KLs 23/13, juris, Rz. 148; Tiedemann in LK-StGB, § 264 Rz. 88; Hellmann in NK-StGB, § 264 Rz. 78; Perron in S/S-StGB, § 264 Rz. 48. 10 H.M.: Perron in S/S-StGB, Rz. 48; Verjans in Volk, MAH, § 35 Rz. 63; Saliger in S/S/W-StGB, § 264 Rz. 23 und Nw. in Rz. 6 a.E. Weiter: Hellmann in NK-StGB, § 264 Rz. 79 und Fischer, StGB, § 264 Rz. 19. 11 Perron in S/S-StGB, § 264 Rz. 48. 12 Tiedemann in LK-StGB, § 264 Rz. 104, 98; Wohlers/Mühlbauer in MüKo-StGB, § 264 Rz. 78; Hellmann in NK-StGB, § 264 Rz. 83; Eberle, Der Subventionsbetrug, 1983, S. 131 f. 13 Vgl. dazu neigend BGH v. 20.5.2010 – 5 StR 138/10, NStZ-RR 2010, 311, 312. 14 Perron in S/S-StGB, § 264 Rz. 48; Tiedemann in LK-StGB, § 264 Rz. 94. 15 Perron in S/S-StGB, § 264 Rz. 48. 16 BGH v. 20.6.1986 – 1 StR 184/86, BGHSt 34, 111, 115; Tiedemann in LK-StGB, § 264 Rz. 96; Kühl in Lackner/Kühl, StGB, § 264 Rz. 17; Hellmann in NK-StGB, § 264 Rz. 80; Perron in S/S-StGB, § 264 Rz. 44; vgl. auch BayObLG v. 28.2.1989 – RReg. 5 St 56/89, MDR 1989, 101.

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Saliger

Rz. 25 § 264 StGB

tigung der unrichtigen Darstellungen des Antragstellers dadurch, dass ein Amtsträger wider besseres Wissen die Unterlagen seinem Vorgesetzten vorlegt.1 Innere Tatsachen sind unrichtig, wenn sie bei Abgabe in der Vorstellung des Täters nicht vorliegen. Das ist bei inneren Tatsachen mit Zukunftsbezug (Absicht) der Fall, wenn die ihr zugrunde liegenden äußeren Tatsachen nicht zutreffen bzw. bei objektiver Beurteilung keinen Schluss auf die Richtigkeit der inneren Tatsachen erlauben.2 Täuschungen über nicht subventionserhebliche Tatsachen sind unerheblich.3 Unvollständig sind Angaben, wenn sie einen einheitlichen Lebenssachverhalt nur teilweise und damit entstellt so wiedergeben, dass ein falsches Gesamtbild über subventionserhebliche Tatsachen vermittelt wird.4 Das ist etwa der Fall bei richtiger Angabe des Kaufpreises unter Verschweigen eines Preisnachlasses bzw. einer Provision,5 bei Hingabe eines Schecks zum Nachweis der Zahlung unter Nichtangabe einer Stundungsabrede6 oder bei Hingabe eines Schecks zum Nachweis des eigenen finanziellen Beitrags unter Verschweigen des Umstands, dass dieser Beitrag unter Verminderung des Vermögens des zu unterstützenden Unternehmens erbracht wird.7 Der mit der unvollständigen Angabe als konkludent positives Tun einhergehende Aspekt der unterlassenen Aufklärung nach Abs. 1 Nr. 3 hat in einem einheitlichen Lebenssachverhalt keine selbständige Bedeutung, sodass nur eine Begehungstat nach Abs. 1 Nr. 1 vorliegt.8 Vor allem bei der Unrichtigkeit und Unvollständigkeit von Angaben (aber auch bei Abs. 1 Nr. 3)9 stellt sich das 25 für die Subventionserschleichung besonders praxisrelevante Problem der Schein- und Umgehungshandlungen. Bei Scheingeschäften werden übereinstimmende Willenserklärungen nur zum Schein abgegeben, Scheinhandlungen täuschen als einseitige rechtliche oder tatsächliche Akte einen in Wahrheit nicht bestehenden Sachverhalt vor.10 Beispiele sind die Unterhaltung einer Scheinbetriebstätte11 oder fiktive Exporte zur Erlangung von EUSubventionen.12 Umgehungsgeschäfte bzw. -handlungen erfüllen dagegen im Unterschied zu den Scheinhandlungen die formalen Voraussetzungen zur Erlangung der Subvention, namentlich den Primärzweck, missachten aber bewusst den Endzweck der Förderung (vgl. Rz. 13).13 Hierzu gehört insbesondere der Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten, der nach § 4 Abs. 2 S. 2 SubvG vorliegt, wenn jemand eine im Hinblick auf die Sachlage unangemessene Gestaltungsmöglichkeit benutzt, um eine Subvention oder einen Subventionsvorteil für sich oder einen anderen wider den Subventionszweck in Anspruch zu nehmen. Das ist nach § 4 Abs. 2 S. 3 SubVG namentlich dann anzunehmen, wenn die förmlichen Voraussetzungen einer Subvention oder eines Subventionsvorteils in einer dem Subventionszweck widersprechender Weise künstlich geschaffen werden. Ein solches Schein- bzw. Umgehungsgeschäft ist anzunehmen, wenn der gewählten Gestaltungsform kein eigenständiger Sinngehalt zukommt und sie allein um der Herbeiführung der Subvention willen vorgenommen wird.14 Das beurteilt sich nach einer Gesamtwürdigung der relevanten Umstände.15 Beispiele sind Anträge auf Ausfuhrerstattung für Exporte in Nichtmitgliedsländer der EU, die sofort in andere Länder weitertransportiert werden sollen, oder die Fälle des sog. Kreisverkehrs von Export, Reimport und erneutem Export subventionierter Waren.16 Zu Schein- und Umgehungshandlungen enthalten § 4 SubvG, der §§ 41 Abs. 2, 42 AO nachgebildet ist,17 und für die EU vergleichbar Art. 4 Abs. 3 VO (EG, Euratom) Nr. 2988/9818 Regelungen. Nach § 4 Abs. 1 S. 1 SubvG sind Scheingeschäfte und Scheinhandlungen für die Subventionsentscheidung unerheblich. Sofern durch ein Scheingeschäft oder eine Scheinhandlung ein anderer Sachverhalt verdeckt wird, ist der verdeckte Sachverhalt für die Subventionsentscheidung maßgebend (§ 4 Abs. 1 S. 2 SubvG). Die Bewilligung einer Subvention oder eines Subventionsvorteils ist

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BGH v. 14.12.1983 – 3 StR 452/83, BGHSt 32, 203, 204 f.; Fischer, StGB, § 264 Rz. 23. BGH v. 20.6.1986 – 1 StR 184/86, BGHSt 34, 111, 115. Vgl. BGH v. 13.1.2011 – 3 StR 332/10, NStZ-RR 2011, 181 f.; ferner Tiedemann in LK-StGB, § 264 Rz. 96. BGH v. 26.1.2006 – 5 StR 334/05, NStZ 2006, 625, 626, 627 f.; AG Alsfeld v. 24.6.1981 – 9 Js 20699/80Cs, NJW 1981, 2588; vgl. aber BGH v. 9.11.2009 – 5 StR 136/09, wistra 2010, 100, 101: unvollständiges Gesamtbild als Fall der Unrichtigkeit; ferner Kühl in Lackner/Kühl, StGB, § 264 Rz. 17; Perron in S/S-StGB, § 264 Rz. 44; Hellmann in NK-StGB, § 264 Rz. 81; Wohlers/Mühlbauer in MüKo-StGB, § 264 Rz. 77. BGH v. 1.10.1985 – 1 StR 274/85, wistra 1986, 67, 68. LG Hamburg v. 21.8.1987 – (50) 9/87 Ns, wistra 1988, 362. BGH v. 26.1.2006 – 5 StR 334/05, NStZ 2006, 625, 627 f. Str., wie hier: Kühl in Lackner/Kühl, StGB, § 264 Rz. 17; Tiedemann in LK-StGB, § 264 Rz. 99; Saliger in S/S/W-StGB, § 264 Rz. 24; Fischer, StGB, § 264 Rz. 23; Hellmann in NK-StGB, § 264 Rz. 81; Wassmann, Risiken, Rz. 41. A.A. Göhler, Prot. 7/2680; auch Perron in S/S-StGB, § 264 Rz. 44. Tiedemann in LK-StGB, § 264 Rz. 123. Vgl. BGH v. 28.5.2014 – 3 StR 206/13, NJW 2014, 3114, 3116; ferner Hellmann in NK-StGB, § 264 Rz. 84; Tiedemann in LK-StGB, § 264 Rz. 126 f.; Vogel in Schünemann u.a. (Hrsg.), Bausteine, 1994, 156 ff. Vgl. OLG Koblenz v. 13.1.2000 – 1 Ausschl 3/99, wistra 1985, 82; BGH v. 8.5.2003 – 4 StR 550/02, NStZ 2003, 541, 542. Verjans in Volk, MAH, § 35 Rz. 60. Hellmann in NK-StGB, § 264 Rz. 84; Vogel in Schünemann u.a. (Hrsg.), Bausteine, 1994, S. 159. BGH v. 9.11.2009 – 5 StR 136/09, wistra 2010, 100, 101. Vgl. BGH v. 9.11.2009 – 5 StR 136/09, wistra 2010, 100, 102, wo die Entscheidung offengelassen wird. Hellmann in NK-StGB, § 264 Rz. 84; Perron in S/S-StGB, § 264 Rz. 45; zum „Kreisverkehr“ mit Butterschmalz und Getreide Tiedemann, Subventionskriminalität, S. 105 ff., 151 ff. BT-Drucks. 7/5291, S. 21. Abl. EG v. 18.12.1995 Nr. L 312, S. 1 ff.

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Subventionsbetrug

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§ 264 StGB Rz. 26

Strafgesetzbuch

ausgeschlossen, wenn im Zusammenhang damit ein Rechtsgeschäft oder eine Handlung unter Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten vorgenommen wird (§ 4 Abs. 2 S. 1 SubvG). Da diese Regelungen nur den allgemeinen Rechtsgedanken von der Unbeachtlichkeit von Schein- und Umgehungshandlungen (vgl. § 117 BGB) ausdrücken,1 haben sie für § 264 im Wesentlichen deklaratorische Bedeutung.2 So sind Angaben, mit denen eine scheinbar gegebene subventionserhebliche Tatsache als in Wahrheit bestehend dargestellt wird, ohne Weiteres unrichtig i.S.v. Abs. 1 Nr. 1,3 sodass es eines Rückgriffs auf § 4 Abs. 1 SubvG nicht bedarf. Auch bei Umgehungshandlungen ist so lange nicht auf § 4 Abs. 2 SubvG zurückzugreifen, wie sich nicht aus einer Auslegung die (auch konkludente) Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit der Angaben gem. Abs. 1 Nr. 1 ergibt. Erst jenseits der Auslegungsmöglichkeiten, wenn etwa ein Realakt wie die Verbringung von Waren über die Grenze nicht mehr als konkludente Erklärung gem. Abs. 1 Nr. 1 gedeutet werden kann, gewinnt § 4 Abs. 2 SubvG i.V.m. der Offenbarungspflicht des § 3 SubvG selbständige Bedeutung im Rahmen von Abs. 1 Nr. 3.4 Zu beachten ist, dass ein pauschaler Hinweis des Tatgerichts auf § 4 SubvG nicht genügt. Da nicht jede unrichtige oder unvollständige Angabe zugleich eine strafbarkeitsauslösende Scheinhandlung ist, muss die durch die unrichtige Angabe verdeckte Tatsache zu einer anderen Subventionsentscheidung führen können. Zudem ist auch bei einer Scheinhandlung Voraussetzung der Strafbarkeit, dass die verdeckte Tatsache gem. § 4 Abs. 1 S. 2 SubvG subventionserheblich ist.5 cc) Vorteilhaftigkeit der Angaben 26

Die Angaben müssen des Weiteren für den Täter oder den anderen (beide nicht notwendig Subventionsnehmer; näher Rz. 27) vorteilhaft sein. Die Vorteilhaftigkeit ist entgegen verbreiteter Ansicht kein praktisch überflüssiges6 oder nur klarstellendes Tatbestandsmerkmal,7 sondern konkretisiert den Rechtsgutsbezug und Deliktscharakter der Vorschrift als Eignungsdelikt (Rz. 1 f.) und hat damit, wie vom RegE selbst hervorgehoben,8 strafbarkeitseinschränkende Bedeutung.9 Angaben sind vorteilhaft, wenn sie geeignet sind, die Chancen des Subventionsnehmers auf Erlangung der beantragten Subvention nicht nur unwesentlich zu verbessern.10 Das ist zunächst unstreitig nicht der Fall, wenn Angaben neutral oder für den Täter ungünstig sind oder zur Versagung einer Subvention für einen anderen führen könnten.11 Umgekehrt liegt unstreitig eine Chancenverbesserung vor, wenn die Falschangaben das Ermessen der Verwaltung beeinträchtigen oder ausschließen.12 Streitig ist dagegen, ob Falschangaben auch vorteilhaft sind, wenn sie im Ergebnis die Lage des Subventionsnehmers nicht verbessern, weil für ihn die Voraussetzungen für eine Subventionsgewährung zwingend aus einem anderen Grunde erfüllt sind. Die neuere Rspr. und ein Teil der Literatur vertreten eine abstrakte Betrachtungsweise und bejahen § 264 auch dann, wenn ein anderer als der im Subventionsantrag wahrheitswidrig behauptete Sachverhalt einen Anspruch auf Subvention begründet.13 Die h.L. und ältere Rspr. nehmen demgegenüber mit Recht eine konkrete Betrachtungsweise ein und verneinen § 264 bei materieller Subventionsberechtigung des täuschenden Subventionsnehmers.14 Wer materiell ohnehin zwingend subventionsberechtigt ist, bewirkt nicht durch „vorteilhafte“ Falschangaben eine Fehlleitung öffentlicher Mittel. Das folgt aus dem Vermögensschutz im doppelten Rechtsgutsbezug (Rz. 1), dem Willen des Gesetzgebers zur Abwehr konkreter Gefahren (vgl. Rz. 2) sowie systematisch aus dem Regelbeispiel einer ungerechtfertigten Subvention großen Ausmaßes in Abs. 2 S. 2 Nr. 1. Allerdings birgt die Bestimmung des Umfangs

1 Vgl. RegE BT-Drucks. 7/3441, S. 44. 2 Tiedemann in LK-StGB, § 264 Rz. 124; Verjans in Volk, MAH, § 35 Rz. 61; Perron in S/S-StGB, § 264 Rz. 46; vgl. auch Wohlers/Mühlbauer in MüKo-StGB, § 264 Rz. 82; Schmidt/Hieber, NJW 1980, 326. 3 BGH v. 28.5.2014 – 3 StR 206/13, NJW 2014, 3114, 3116. 4 Perron in S/S-StGB, § 264 Rz. 46; Verjans in Volk, MAH, § 35 Rz. 61; Wohlers/Mühlbauer in MüKo-StGB, § 264 Rz. 84; Wassmann, Risiken, 1995, Rz. 42; Schmidt-Hieber, NJW 1980, 326. 5 BGH v. 30.9.2010 – 5 StR 61/10, NStZ-RR 2011, 81, 82. 6 So Tiedemann in LK-StGB, Rz. 100; Wassmann, Risiken, 1995, Rz. 43. 7 BGH v. 8.3.1990 – 2 StR 367/89, BGHSt 36, 373, 376; Hellmann in NK-StGB, § 264 Rz. 85; Perron in S/S-StGB, § 264 Rz. 47. 8 BT- Drucks. 7/3441, S. 4, 25; vgl. auch BGH v. 28.5.2014 – 3 StR 206/13, NJW 2014, 3114, 3115 f. 9 Saliger in S/S/W-StGB, § 264 Rz. 26; vgl. auch Ranft, NJW 1986, 3166. 10 Vgl. BGH v. 11.6.1985 – 5 StR 275/85, wistra 1985, 150 f.; Perron in S/S-StGB, § 264 Rz. 47; Tiedemann in LK-StGB, § 264 Rz. 101; Kühl in Lackner/Kühl, StGB, § 264 Rz. 18; Hellmann in NK-StGB, § 264 Rz. 85 f. 11 BT-Drucks. 7/3441, S. 25; BGH v. 8.3.1990 – 2 StR 367/89, BGHSt 36, 373, 376; OLG Karlsruhe v. 16.10.1980 – 3 Ss 202/80, NJW 1981, 1383; Perron in S/S-StGB, § 264 Rz. 47; Kühl in Lackner/Kühl, StGB, § 264 Rz. 18; Fischer, StGB, § 264 Rz. 24; Hellmann in NK-StGB, § 264 Rz. 85. 12 Tiedemann in LK-StGB, § 264 Rz. 102; Wohlers/Mühlbauer in MüKo-StGB, § 264 Rz. 85; Gaede in Hefendehl u.a. (Hrsg.), Die Rechtsgutstheorie, 2003, S. 194 Fn. 55. 13 BGH v. 13.1.1987 – 4 ARs 22/86, BGHSt 34, 265, 270 f. m. zust. Anm. Achenbach, JR 1988, 251; Meine, wistra 1988, 14 und abl. Anm. Lüderssen, wistra 1988, 48; BGH v. 8.3.1990 – 2 StR 367/89, BGHSt 36, 373, 376 m. krit. Anm. Kindhäuser, JZ 1991, 496; Wohlers/Mühlbauer in MüKo-StGB, § 264 Rz. 87; Verjans in Volk, MAH, § 35 Rz. 62. 14 OLG Karlsruhe v. 16.10.1980 – 3 Ss 202/80, NJW 1981, 1383 f.; auch BGH v. 11.6.1985 – 5 StR 275/85, wistra 1985, 150 f.; ferner z.B. Perron in S/S-StGB, § 264 Rz. 47; Kühl in Lackner/Kühl, StGB, § 264 Rz. 18; Tiedemann in LK-StGB, § 264 Rz. 102; Hellmann in NK-StGB, § 264 Rz. 87; Hoyer in SK-StGB, § 264 Rz. 58; Saliger in S/S/W-StGB, § 264 Rz. 26; Gaede in M/R-StGB, § 264 Rz. 36; Wattenberg in A/R/R, 4. Teil/2 Rz. 48 f.; Tenckhoff, FS Bemmann, 1997, S. 478; Schultze, Die Betrugsnatur, 2006, S. 250.

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Rz. 28 § 264 StGB

des nach h.L. eröffneten „Vorteilsausgleichs“1 nach wie vor Unklarheiten. Einigkeit sollte zumindest darüber zu erzielen sein, dass der „Vorteilsausgleich“ sich auf ein- und dasselbe Subventionsverhältnis, insbesondere Förderungsobjekt, beziehen sollte.2 dd) Für sich oder einen anderen, Täterkreis Der Täter muss „für sich oder einen anderen“ unrichtige bzw. unvollständige Angaben machen, die „für ihn oder 27 einen anderen“ (vgl. Rz. 26) vorteilhaft sind. Bereits aus dem Normtext wird deutlich, dass Abs. 1 Nr. 1 nicht nur vom Subventionsnehmer (Rz. 6) begangen werden kann, sondern Jedermanndelikt ist.3 Das Merkmal „für sich oder einen anderen“ ist weit auszulegen.4 „Für sich“ handelt der Subventionsnehmer (Rz. 6), „für einen anderen“ dessen Vertreter bzw. jeder, der zu dessen Gunsten tätig wird.5 Für die Annahme von Täterschaft genügt die schiere faktische Entscheidungskompetenz hinsichtlich der Antragsstellung.6 Ausgenommen sind Personen, die ausschließlich im Binnenbereich des Subventionsnehmers handeln7 und für die allein Beihilfe in Betracht kommt.8 „Zu Gunsten“ des Subventionsnehmers handelt unstreitig, wer in dessen „Lager“ steht. Doch setzt ein „Handeln für einen anderen“ angesichts des weiten Wortlauts und der ausdrücklichen Einbeziehung der täterschaftlichen Strafbarkeit von Amtsträgern in Abs. 2 S. 2 Nr. 2 nicht notwendig die Wahrnehmung fremder Interessen voraus.9 Täter können daher neben Amtsträgern auch in das Subventionsverfahren einbezogene außenstehende Dritte (z.B. Geschäftspartner des Subventionsnehmers) sein, die aus eigenem Antrieb, auf Befragen des Subventionsgebers oder auf Bitten des Subventionsnehmers Falschangaben machen.10 Für Amtsträger gilt Folgendes: Der den Bewilligungsbescheid erteilende Amtsträger scheidet als Täter aus, weil er niemandem gegenüber Angaben zu machen hat.11 Täter des Abs. 1 Nr. 1 können aber Amtsträger sein, die als Angehörige der Bewilligungsbehörde oder einer anderen im Rahmen des Subventionsverfahrens mit der Überprüfung beauftragten Behörde Falschangaben über subventionserheblichen Tatsachen machen,12 insbesondere der Amtsträger, der falsche Angaben eines Subventionsnehmers gegenüber einem bewilligungsbefugten Vorgesetzten bestätigt.13 Handelt er mit dem Antragsteller einverständlich zusammen, so kann er Mittäter oder Gehilfe sein.14 Da das Machen von Angaben kein eigenhändiges Handeln voraussetzt, ist mittelbare Täterschaft möglich.15 Insoweit ist auch eine wahlweise Feststellung zwischen mittelbarer Täterschaft und Mittäterschaft zulässig.16 Ein Geschäftspartner, der dem Subventionsnehmer die erforderlichen Rechnungen stellt, kann sich wegen Beihilfe durch berufstypisches neutrales Verhalten strafbar machen.17 b) Verwendung entgegen einer Verwendungsbeschränkung, Abs. 1 Nr. 2 aa) Zweckwidrige Verwendung Die durch das EGFinSchG (vgl. Rz. 1) eingeführte Tathandlung des Abs. 1 Nr. 2 besteht darin, dass der Täter einen 28 Gegenstand (bewegliche und unbewegliche Sachen, Rechte, u.U. Unternehmen)18 oder eine Geldleistung (regel1 Vgl. Meine, wistra 1988, 13 ff. 2 Vgl. BGH v. 13.1.1987 – 4 ARs 22/86, BGHSt 34, 265, 270 f.; Wattenberg in A/R/R, 4. Teil/2 Rz. 49; Saliger in S/S/WStGB, § 264 Rz. 26; weitere Kriterien bei Meine, wistra 1988, 16 und Tenckhoff, FS Bemmann, 1997, S. 478 ff. 3 BGH v. 28.4.1981 – 5 StR 692/80, NJW 1981, 1744, 1755; BGH v. 28.5.2014 – 3 StR 206/13, NJW 2014, 3114, 3116; ferner BGH v. 30.9.2010 – 5 StR 61/10, NStZ-RR 2011, 81; Fischer, StGB, § 264 Rz. 22; Hellmann in NK-StGB, § 264 Rz. 89. 4 OLG Hamburg v. 3.1.1984 – 2 Ws 459/83, NStZ 1984, 218; Tiedemann in LK-StGB, § 264 Rz. 105, 158; Wessels/Hillenkamp, Rz. 692. 5 OLG Hamburg v. 3.1.1984 – 2 Ws 459/83, NStZ 1984, 218; Perron in S/S-StGB, § 264 Rz. 49; Fischer, StGB, § 264 Rz. 22; Wohlers/Mühlbauer in MüKo-StGB, § 264 Rz. 49; Hellmann in NK-StGB, § 264 Rz. 90. 6 BGH v. 28.5.2014 – 3 StR 206/13, NJW 2014, 3114, 3116 m. krit. Anm. Asholt, ZWH 2014, 467. 7 Kühl in Lackner/Kühl, StGB, § 264 Rz. 19; Wohlers/Mühlbauer in MüKo-StGB, § 264 Rz. 49. 8 Vgl. BayObLG v. 9.11.1993 – 4 St RR 54/93, wistra 1994, 34 m. Anm. Dörn, wistra 1994, 215 für den Fall eines Steuerberaters; Hellmann in NK-StGB, § 264 Rz. 91; Perron in S/S-StGB, § 264 Rz. 49. 9 OLG Hamburg v. 3.1.1984 – 2 Ws 459/83, NStZ 1984, 218 f.; Tiedemann in LK-StGB, § 264 Rz. 105. 10 Vgl. BGH v. 30.9.2010 – 5 StR 61/10, NStZ-RR 2011, 81 für einen Subunternehmer; Hellmann in NK-StGB, § 264 Rz. 90; Tiedemann in LK-StGB, § 264 Rz. 105; Müller-Emmert/Maier, NJW 1976, 1660. Zweifelnd Kühl in Lackner/ Kühl, StGB, § 264 Rz. 19. 11 BT-Drucks. 7/5291, S. 7 f.; OLG Hamburg v. 3.1.1984 – 2 Ws 459/83, NStZ 1984, 218; Wohlers/Mühlbauer in MüKoStGB, § 264 Rz. 50; Hellmann in NK-StGB, § 264 Rz. 89. 12 RegE BT-Drucks. 7/3441, S. 26 f.; BT-Drucks. 7/5291, S. 7; OLG Hamburg v. 3.1.1984 – 2 Ws 459/83, NStZ 1984, 218. 13 BGH v. 14.12.1983 – 3 StR 452/83, BGHSt 32, 203, 205 ff. m. zust. Anm. Schünemann, NStZ 1985, 73 und abl. Anm. Otto, JR 1984, 475: nur Beihilfe; Wohlers/Mühlbauer in MüKo-StGB, § 264 Rz. 51; Hellmann in NK-StGB, § 264 Rz. 89. 14 BT-Drucks. 7/5291, S. 7. 15 BGH v. 28.4.1981 – 5 StR 692/80, NJW 1981, 1744, 1745 m. krit. Bespr. Ranft, NJW 1986, 3173; BGH v. 28.5.2014 – 3 StR 206/13, NJW 2014, 3114, 3116 m. krit. Anm. Asholt, ZWH 2014, 467; LG Saarbrücken v. 14.1.2014 – 2 KLs 23/13, juris, Rz. 135 f.; Hoyer in SK-StGB, § 264 Rz. 54; Fischer, StGB, § 264 Rz. 22; Wohlers/Mühlbauer in MüKo-StGB, § 264 Rz. 49. 16 BGH v. 28.5.2014 – 3 StR 206/13, NJW 2014, 3114, 3116. 17 Vgl. BGH v. 14.1.2015 – 1 StR 93/14, NZWiSt 2015, 263, 270 m. Anm. Gehm. 18 Fischer, StGB, § 264 Rz. 25.

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Subventionsbetrug

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§ 264 StGB Rz. 29

Strafgesetzbuch

mäßig die Subventionsleistung selbst)1 entgegen einer durch Rechtsvorschriften oder durch den Subventionsgeber im Hinblick auf die Subvention auferlegten Verwendungsbeschränkung verwendet. Die Vorschrift bezweckt als Tätigkeitsdelikt (Rz. 2),2 die missbräuchliche Verwendung von Subventionen unabhängig von etwaigen Aufklärungs- und Anzeigepflichten zu kriminalisieren und damit eine Strafbarkeitslücke zu schließen, die insbesondere für EG- bzw. EU-Subventionen wegen der Nichtgeltung von § 3 Abs. 2 SubvG, der eine Anzeigepflicht für beabsichtigte Abweichungen von Verwendungsbeschränkungen vorsieht (auch Rz. 31), und dem Fehlen entsprechender flächendeckender Anzeigepflichten auf EG-Ebene bestanden hatte.3 Die Geltung von Abs. 1 Nr. 2 ist aber nicht auf europäische Subventionen begrenzt.4 Die ausdrückliche oder durch Auslegung ermittelbare5 Verwendungsbeschränkung kann auf Rechtsvorschriften (deutsche Gesetze im formellen und materiellen Sinn, Rechtsvorschriften der EU und ihrer Mitgliedstaaten),6 auf einem Verwaltungsakt7 und – anders als bei Nr. 1 und 3 – auch auf einem Vertrag mit dem Subventionsgeber beruhen.8 Die Verwendungsbeschränkung muss im Hinblick auf eine Subvention erfolgt sein, also die Konkretisierung des Subventionszwecks fördern.9 Soweit sich die Verwendungsbeschränkung auf Gegenstände bezieht, erfasst sie nicht nur die mit Subventionsmitteln erworbenen, sondern auch die vorher im Besitz oder Eigentum des Subventionsnehmers befindlichen Gegenstände, deren Verwendung nun durch eine Subvention gefördert werden soll. Ein Beispiel sind Stilllegungsprämien für landwirtschaftlich genutzte Flächen.10 Abs. 1 Nr. 2 bestraft die schiere Verletzung der Verwendungsbeschränkung i.d.R. nach Abschluss des Subventionsverfahrens (zu Letzterem Rz. 6). Bereits damit bzw. – bei zeitlich gestreckten Verwendungsvorgängen – mit der ersten regelwidrigen Verwendung ist die Tat vollendet, mit Abschluss des regelwidrigen Verwendungsvorgangs insgesamt beendet.11 Als zweckwidrige Verwendung in Betracht kommen schon das Einbringen von Subventionsbeträgen ohne Zweckbindung und ohne Wertsicherung in ein zentrales Cash-Management oder ihr Stehenlassen auf einem Konto, um Zinsen zu ziehen oder Liquidität zu halten.12 Insoweit zeigt sich ein untreueähnlicher Charakter der Vorschrift,13 die mit Recht Gegenstand rechtspolitischer Kritik ist.14 Eine mehrfache Tatbegehung ist möglich, solange das Tatobjekt nicht endgültig aus der geförderten Verwendung herausgenommen wird.15 bb) Täterkreis und Verhältnis zu Abs. 1 Nr. 3 29

Täter des Abs. 1 Nr. 2 können neben dem Subventionsnehmer (Rz. 6) auch Dritte sein, die einen verwendungsbeschränkten Subventionsgegenstand erworben haben, sofern die Beschränkung ihnen gegenüber fortwirkt.16 Bei Bestehen einer Anzeigepflicht nach § 3 Abs. 2 SubvG überschneiden sich Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 3. Bei Vollendung von Abs. 1 Nr. 2 wird Abs. 1 Nr. 3 aber verdrängt. Denn der bereits nach Abs. 1 Nr. 2 Strafbare ist zur Vermeidung einer Pflicht zur Selbstanzeige auch nicht aus § 3 Abs. 1 S. 1 SubvG verpflichtet, seine nach Erhalt der Subventionen gefasste Absicht der zweckwidrigen Verwendung oder die schon erfolgte zweckwidrige Verwendung anzuzeigen.17 Das gilt auch, wenn der Verstoß gegen die Anzeigepflicht vor der Verletzung der Verwendungsbeschränkung liegt.18 c) Verschweigen subventionserheblicher Tatsachen, Abs. 1 Nr. 3 aa) Pflichtverletzung

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Nach Abs. 1 Nr. 3 macht sich strafbar, wer den Subventionsgeber (Rz. 5) entgegen den Rechtsvorschriften über die Subventionsvergabe über subventionserhebliche Tatsachen (Rz. 17–20) in Unkenntnis lässt. Die Tat ist ech1 Hellmann in NK-StGB, § 264 Rz. 94. 2 Saliger in S/S/W-StGB, § 264 Rz. 27. A.A. Hoyer in SK-StGB, § 264 Rz. 30; Hellmann in NK-StGB, § 264 Rz. 92: echtes Unterlassungsdelikt. 3 In Umsetzung von Art. 1 Abs. 1 lit. a 3. Spiegelstrich des Übereinkommens über den Schutz der finanziellen Interessen der EG, BT-Drucks. 13/10425, S. 6. 4 BT-Drucks. 13/10425, S. 6; Fischer, StGB, § 264 Rz. 27; vgl. auch BGH v. 16.7.2013 – VI ZR 442/12, BeckRS 2013, 13627, Rz. 2, 18. 5 Wohlers/Mühlbauer in MüKo-StGB, § 264 Rz. 91; Tiedemann in LK-StGB, § 264 Rz. 107. 6 Vgl. BT-Drucks. 13/10425, S. 6 f. 7 Siehe BGH v. 16.7.2013 – VI ZR 442/12, BeckRS 2013, 13627, Rz. 2, 18. 8 BT-Drucks. 13/10425, S. 6; Tiedemann in LK-StGB, § 264 Rz. 107. 9 Fischer, StGB, § 264 Rz. 25; Hellmann in NK-StGB, § 264 Rz. 95. 10 Hellmann in NK-StGB, § 264 Rz. 94; Perron in S/S-StGB, § 264 Rz. 49b; Fischer, StGB, § 264 Rz. 25. 11 Wattenberg in A/R/R, 4. Teil/2 Rz. 54; Perron in S/S-StGB, § 264 Rz. 49c. Über die Verletzung der Verwendungsbeschränkung hinaus fordern eine Beeinträchtigung des Subventionszwecks Bock/Gubitz, StraFo 2011, 73, 75 ff. 12 BT-Drucks. 13/10425, S. 6. 13 Aufgegriffen von BGH v. 16.7.2013 – VI ZR 442/12, BeckRS 2013, 13627, Rz. 22. 14 Vgl. Fischer, StGB, § 264 Rz. 25a; Wattenberg in A/R/R, 4. Teil/2 Rz. 53. Zur Abgrenzung von § 266 s. BGH v. 13.5.2004 – 5 StR 73/03, BGHSt 49, 147, 157 – Bremer Vulkan. 15 Fischer, StGB, § 264 Rz. 26; Hellmann in NK-StGB, § 264 Rz. 97. 16 Perron in S/S-StGB, § 264 Rz. 49c; Hellmann in NK-StGB, § 264 Rz. 98; Fischer, StGB, § 264 Rz. 26. 17 BGH v. 16.7.2013 – VI ZR 442/12, BeckRS 2013, 13627, Rz. 31 f. unter Bezug auf Fischer, StGB, § 264 Rz. 27; vgl. auch BT-Drucks. 13/10425, S. 6 f. 18 Fischer, StGB, § 264 Rz. 27; auch Perron in S/S-StGB, § 264 Rz. 53.

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Saliger

Rz. 31 § 264 StGB

tes Unterlassungsdelikt1 und hat im Wesentlichen eine spiegelbildliche Kriminalisierungsfunktion wie die Begehungsalternative in Abs. 1 Nr. 1, geht im Wortlaut aber verschiedentlich über diese Funktion hinaus. Insbesondere setzt Abs. 1 Nr. 3 kein laufendes Subventionsverfahren voraus (auch Rz. 6).2 In-Unkenntnis-Lassen des Subventionsgebers bedeutet das pflichtwidrige Unterlassen der Mitteilung von subventionserheblichen und – obwohl nicht ausdrücklich erwähnt, aufgrund der Spiegelbildfunktion aber impliziert – nachteilhaften (vgl. Rz. 26) Tatsachen.3 Abs. 1 Nr. 3 scheidet daher aus, wenn der Subventionsgeber zur Zeit der Verletzung der Mitteilungspflicht bereits positive Kenntnis von der subventionshindernden Tatsache erhalten hat.4 Dafür genügt die Kenntnis des zuständigen Sachbearbeiters bzw. Leiters der zuständigen Behörde, bei mehreren in das Subventionsverfahren eingeschalteten Stellen die Kenntnis einer zuständigen Stelle.5 Ein bloßer Verdacht reicht aber ebenso wenig aus wie die Kenntnis unzuständiger Behördenmitarbeiter.6 Die Unterlassung der Mitteilung ist pflichtwidrig, wenn sie entgegen den Rechtsvorschriften über die Subventi- 31 onsvergabe erfolgt. Zu den Rechtsvorschriften gehören unstreitig formelle und materielle deutsche Gesetze sowie Rechtsvorschriften der EU und anderer Mitgliedstaaten.7 Als Rechtvorschrift „über die Subventionsvergabe“ kommen sowohl die Vorschriften, welche die Vergabe der konkreten Subvention regeln, als auch allgemeine Rechtsvorschriften, namentlich das SubvG in Betracht.8 Nach § 3 Abs. 1 S. 1 SubvG ist der Subventionsnehmer verpflichtet, dem Subventionsgeber unverzüglich alle Tatsachen mitzuteilen, die der Bewilligung, Gewährung, Weitergewährung oder dem Belassen der Subvention oder des Subventionsvorteils (Rz. 20) entgegenstehen oder für deren Rückforderung erheblich sind. Das gilt nicht für die Anzeige der nach Erhalt der Subventionen gefassten Absicht der zweckwidrigen Verwendung oder der bereits erfolgten zweckwidrige Verwendung, wenn der Subventionsnehmer sich nach Abs. 1 Nr. 2 strafbar gemacht hat9 (näher Rz. 29; zur i.Ü. bestehenden Anzeigepflicht vor der beabsichtigten Abweichung von einer Verwendungsbeschränkung s. § 3 Abs. 2 SubvG; zur Bedeutung von § 4 SubvG über Schein- und Umgehungshandlungen Rz. 25). Soweit vor allem die Rspr. in § 3 Abs. 1 S. 1 SubvG eine umfassende Offenbarungspflicht des Subventionsnehmers sieht, anerkennt sie unter konkretisierender Anknüpfung an § 2 Abs. 1 SubvG, der allgemein (also unabhängig von Absatz 8) die subventionserheblichen Tatsachen beschreibt, als Rechtsvorschriften i.S.v. Abs. 1 Nr. 3 auch Verwaltungsvorschriften und Richtlinien wie die Richtlinie des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung sowie die vom Arbeitsamt vor und bei der Vergabe erteilten Hinweise und Auflagen oder die im Vergabebescheid verlangten Angaben.10 Das ist mit Blick auf die Spiegelbildfunktion des Abs. 1 Nr. 3 zu Nr. 1 (Rz. 30) zweifelhaft.11 Stets setzt aber auch Abs. 1 Nr. 3 voraus, dass sich die Offenbarungspflicht auf eine nach Absatz 8 als subventionserheblich ausgewiesene Tatsache bezieht, sodass beim Fehlen dieser Voraussetzung allein eine Strafbarkeit wegen (versuchten) Betrugs möglich bleibt.12 Praxisrelevant wird die Tat hauptsächlich beim nachträglichen Wegfall der tatsächlichen Subventionsvoraussetzungen, aber auch bei nachträglicher Erkenntnis von der Unrichtigkeit (unvorsätzlich) mitgeteilter Falschangaben.13 Kein strafbares Unterlassen nach Abs. 1 Nr. 3 liegt dagegen vor, wenn der Täter den Subventionsgeber über eine trotz zutreffender Angaben irrtümlich gewährte Subvention nicht aufklärt,14 wenn er bei fehlender Bewilligungsreife ohne Korrektur der bisherigen Falschangaben die Mitteilung weiterer Subventionsvoraussetzungen unterlässt oder wenn er bei bereits erfolgter Bewilligung, aber Abhängigkeit der noch nicht erfolgten Auszahlung von

1 BayObLG v. 30.12.1981 – 5 St 85/81, NJW 1982, 2202; Kühl in Lackner/Kühl, StGB, § 264 Rz. 21; Fischer, StGB, § 264 Rz. 28. 2 Perron in S/S-StGB, § 264 Rz. 50; Tiedemann in LK-StGB, § 264 Rz. 113; Wohlers/Mühlbauer in MüKo-StGB, § 264 Rz. 98. 3 Wohlers/Mühlbauer in MüKo-StGB, § 264 Rz. 100; Tiedemann in LK-StGB, § 264 Rz. 116; Saliger in S/S/W-StGB, § 264 Rz. 30; Gaede in M/R-StGB, § 264 Rz. 39; Tenckhoff, FS Bemmann, S. 475; Ranft, NJW 1986, 3171; auch Sannwald, Rechtsgut, 1982, S. 72 f. 4 OLG Stuttgart v. 15.7.2008 – 6 U 8/06, wistra 1992, 232, 233; Perron in S/S-StGB, § 264 Rz. 51; Tiedemann in LK-StGB, § 264 Rz. 110; Wattenberg in A/R/R, 4. Teil/2 Rz. 57. 5 Hellmann in NK-StGB, § 264 Rz. 101; Wattenberg in A/R/R, 4. Teil/2 Rz. 57. 6 Wohlers/Mühlbauer in MüKo-StGB, § 264 Rz. 99; Hellmann in NK-StGB, § 264 Rz. 101; Tiedemann in LK-StGB, § 264 Rz. 111 f. 7 BT-Drucks. 13/10425, S. 6 f.; Perron in S/S-StGB, § 264 Rz. 52. 8 BT-Drucks. 7/3441, S. 26; BayObLG v. 30.12.1981 – 5 St 85/81, NJW 1982, 2202 f. m. krit. Bespr. Ranft, NJW 1986, 3169 ff.; OLG Jena v. 1.11.2006 – 1 Ws 290/06, juris, Rz. 44; Fischer, StGB, § 264 Rz. 28; Saliger in S/S/W-StGB, § 264 Rz. 30. 9 BGH v. 16.7.2013 – VI ZR 442/12, BeckRS 2013, 13627, Rz. 30 ff. 10 BayObLG v. 30.12.1981 – 5 St 85/81, NJW 1982, 2202 f.; vgl. auch OLG Jena v. 1.11.2006 – 1 Ws 290/06, juris, Rz. 44; Fischer, StGB, § 264 Rz. 28; Kühl in Lackner/Kühl, StGB, § 264 Rz. 21; Tiedemann in LK-StGB, § 264 Rz. 114. 11 Abl. daher die wohl überwiegende Lehre: Perron in S/S-StGB, § 264 Rz. 52; Wohlers/Mühlbauer in MüKo-StGB, § 264 Rz. 96 f.; Hellmann in NK-StGB, § 264 Rz. 105; Hoyer in SK-StGB, § 264 Rz. 66; Saliger in S/S/W-StGB, § 264 Rz. 31; Ranft, NJW 1986, 3170. 12 Vgl. BayObLG v. 30.12.1981 – 5 St 85/81, NJW 1982, 2202, 2203; OLG Jena v. 1.11.2006 – 1 Ws 290/06, juris, Rz. 44; Fischer, StGB, § 264 Rz. 28; Perron in S/S-StGB, § 264 Rz. 55; Hoyer in SK-StGB, § 264 Rz. 72. 13 Tiedemann in LK-StGB, § 264 Rz. 113; Perron in S/S-StGB, § 264 Rz. 53; Wohlers/Mühlbauer in MüKo-StGB, § 264 Rz. 98; Hoyer in SK-StGB, § 264 Rz. 70. 14 Hellmann in NK-StGB, § 264 Rz. 104.

Saliger

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StGB

Subventionsbetrug

StGB

§ 264 StGB Rz. 32

Strafgesetzbuch

weiteren Mitwirkungshandlungen seinerseits diese unterlässt.1 Zum Verhältnis von Abs. 1 Nr. 3 zu Nr. 1 s. Rz. 24.2 bb) Täterkreis 32

Täter kann nur sein, wer zur Mitteilung gesetzlich verpflichtet ist (Sonderdelikt). Das ist wegen § 3 Abs. 1 SubvG grundsätzlich allein der Subventionsnehmer (Rz. 6) bzw. über § 14 dessen Vertreter.3 Dritte, also Nicht-Subventionsnehmer, kommen nur ausnahmsweise bei gesetzlicher Verpflichtung als Täter in Betracht.4 Amtsträger, die nachträglich erkannte Fehler ihrer gutgläubig erstellten Bestätigungsvermerke nicht korrigieren, scheiden als Täter aus.5 Die Mitteilungspflicht und damit Tätertauglichkeit von Personen, die ihre Eigenschaft als Subventionsnehmer von der Antragstellung für einen Dritten ableiten (z.B. Rechtsanwalt oder Geschäftsführer; vgl. Rz. 6), endet mit dem konkreten Mandat bzw. Beschäftigungsverhältnis.6 d) Gebrauch unrechtmäßig erlangter Bescheinigungen, Abs. 1 Nr. 4

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Die vierte Tathandlung kriminalisiert den Gebrauch einer durch unrichtige oder unvollständige Angaben (Rz. 23–24) erlangten Bescheinigung über eine Subventionsberechtigung oder über subventionserhebliche Tatsachen (Rz. 17–20) in einem Subventionsverfahren (Rz. 6). Die Vorschrift soll (vermeintliche) Strafbarkeitslücken bei Abs. 1 Nr. 1, 3 schließen,7 insbesondere die (seltenen) Fälle erfassen, in denen die Bewilligung aufgrund einer von einer anderen Stelle ausgestellten Bescheinigung ohne zusätzliche Nachprüfung erfolgt8 oder der Täter einen von einer anderen Person, z.B. einem Angestellten, mit Falschangaben erschlichenen Bewilligungsbescheid erst nach Erhalt als ungerechtfertigt erkennt und sich dennoch damit die Subvention verschafft.9 Selbständige Bedeutung soll Abs. 1 Nr. 4 darüber hinaus bei Bescheinigungen über subventionserhebliche Tatsachen dann erlangen, wenn der Täter die Bescheinigung nicht von sich aus, sondern auf Anforderung der Behörde vorlegt.10 Bescheinigung meint eine schriftliche, von einer amtlichen oder privaten Stelle ausgefertigte Bestätigung über für das Subventionsverfahren erhebliche tatsächliche oder rechtliche Umstände, die für den Täter vorteilhaft ist.11 Die Bescheinigung muss durch Falschangaben des Täters oder eines Dritten von einem gutgläubigen Aussteller12 erlangt worden sein. Auch im letzteren Fall ist Kenntnis des Täters erforderlich, da Abs. 1 Nr. 4 von dem Leichtfertigkeitstatbestand in Absatz 4 nicht erfasst ist. Obwohl nicht explizit vorausgesetzt, ist im Hinblick auf die Konzentrationswirkung des Absatzes 8 für beide Bescheinigungen einschränkend ein Erlangen durch Falschangaben zu subventionserheblichen Tatsachen zu verlangen.13 Der Begriff des Gebrauchs entspricht dem in § 267. Demgemäß wird eine Bescheinigung gebraucht, wenn sie dem Subventionsgeber (Rz. 5) im Subventionsverfahren zugänglich gemacht wird; auf eine tatsächliche Kenntnisnahme kommt es nicht an.14 Auch der Gebrauch muss Täuschungscharakter haben, setzt also wie bei Abs. 1 Nr. 1 (Rz. 23) ein Vorspiegeln voraus.15 Täter kann Jedermann sein.16 Im Verhältnis zu Abs. 1 Nr. 1 ist Nr. 4 mitbestrafte Nachtat.17 2. Subjektiver Tatbestand

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Der Grundtatbestand des Absatzes 1 setzt Vorsatz voraus, bedingter Vorsatz genügt. Eine Bereicherungsabsicht ist anders als bei § 263 nicht vorausgesetzt. Der Vorsatz muss sich insbesondere auf den Subventionscharakter 1 Perron in S/S-StGB, § 264 Rz. 53; Hellmann in NK-StGB, § 264 Rz. 108; letzterer Fall offengelassen von OLG Stuttgart v. 15.7.2008 – 6 U 8/06, wistra 1992, 232, 233. 2 Krit. insoweit zur Erforderlichkeit der Vorschrift Hellmann in NK-StGB, § 264 Rz. 100. 3 BayObLG v. 30.12.1981 – 5 St 85/81, NJW 1982, 2202 f. m. krit. Bespr. Ranft, NJW 1986, 3173 f.; Fischer, StGB, § 264 Rz. 28; Perron in S/S-StGB, § 264 Rz. 56; Tiedemann in LK-StGB, § 264 Rz. 115; Kühl in Lackner/Kühl, StGB, § 264 Rz. 21. 4 Hoyer in SK-StGB, § 264 Rz. 67; Hellmann in NK-StGB, § 264 Rz. 109. 5 Perron in S/S-StGB, § 264 Rz. 56; Hellmann in NK-StGB, § 264 Rz. 109. 6 Tiedemann in LK-StGB, § 264 Rz. 115; Perron in S/S-StGB, Rz. 67. 7 BT-Drucks. 7/3441, S. 26. 8 Göhler, Prot. 7/2681. 9 BT-Drucks. 7/5291, S. 6. Zust. Hoyer in SK-StGB, § 264 Rz. 73; mit Recht krit. Tiedemann in LK-StGB, § 264 Rz. 117 f.; Perron in S/S-StGB, § 264 Rz. 58; Hellmann in NK-StGB, § 264 Rz. 111; Wohlers/Mühlbauer in MüKo-StGB, § 264 Rz. 102. 10 Perron in S/S-StGB, § 264 Rz. 58; Tiedemann in LK-StGB, § 264 Rz. 118; a.A. Wohlers/Mühlbauer in MüKo-StGB, § 264 Rz. 102. 11 Perron in S/S-StGB, § 264 Rz. 59; Tiedemann in LK-StGB, § 264 Rz. 120. 12 Hoyer in SK-StGB, § 264 Rz. 76. 13 Str., wie hier: Fischer, StGB, § 264 Rz. 30; Perron in S/S-StGB, § 264 Rz. 58, 60; Wohlers/Mühlbauer in MüKo-StGB, § 264 Rz. 105; Saliger in S/S/W-StGB, § 264 Rz. 33. A.A. Tiedemann in LK-StGB, § 264 Rz. 121; Hellmann in NK-StGB, § 264 Rz. 114. 14 Tiedemann in LK-StGB, § 264 Rz. 122; Perron in S/S-StGB, § 264 Rz. 61; Wohlers/Mühlbauer in MüKo-StGB, § 264 Rz. 106. 15 Fischer, StGB, § 264 Rz. 29; Saliger in S/S/W-StGB, § 264 Rz. 33; a.A. Hoyer in SK-StGB, § 264 Rz. 73. 16 Hellmann in NK-StGB, § 264 Rz. 116; Perron in S/S-StGB, § 264 Rz. 70. 17 Fischer, StGB, § 264 Rz. 29, 31; Wohlers/Mühlbauer in MüKo-StGB, § 264 Rz. 101.

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Saliger

Rz. 36 § 264 StGB

der Zuwendung beziehen, darüber hinaus bei Nr. 1 namentlich auf die Unrichtigkeit und Unvollständigkeit der Angaben zu subventionserheblichen Tatsachen sowie deren Vorteilhaftigkeit für den Täter oder einen anderen,1 bei Nr. 2 auf die Verwendungsbeschränkung und ihre Verletzung, bei Nr. 3 auf die Missachtung der Mitteilungspflicht aus Subventionsvorschriften gegenüber dem Subventionsgeber, bei Nr. 4 auf den Gebrauch einer erschlichenen Bescheinigung im Subventionsverfahren.2 Ist nicht der Subventionsnehmer selbst, sondern ein Dritter Täter des Subventionsbetrugs, so ist erforderlich, dass er die der Subventionserheblichkeit zugrunde liegende Wertung nachvollzogen hat.3 Verkennt der Täter normative Tatbestandsmerkmale wie Subvention, subventionserhebliche Tatsache oder Subventionsgeber bei ansonsten zutreffender Parallelwertung der Tatsachen in der Laiensphäre, so liegt ein unbeachtlicher Subsumtionsirrtum vor.4 Bei Abs. 1 Nr. 3 kommt ein Tatbestandsirrtum gem. § 16 Abs. 1 S. 1 in Betracht, wenn der Täter schon die tatsächlichen Umstände der Mitteilungspflicht nicht kennt. Hingegen begründet die schiere Unkenntnis der Mitteilungspflicht lediglich einen Verbotsirrtum gem. § 17.5

III. Besonders schwere Fälle, Absatz 2 1. Allgemeines Abs. 2 S. 1 bedroht analog § 370 Abs. 3 AO (vgl. Rz. 2) besonders schwere Fälle mit Freiheitsstrafe von sechs Mo- 35 naten bis zu zehn Jahren. Abs. 2 S. 2 führt drei benannte Regelbeispiele auf, deren Merkmale vom Vorsatz umfasst sein müssen.6 Der Gesetzgeber begründet diese Regelung zum einen mit dem Bedürfnis nach einer schärferen Sanktionierung von Fällen mit außerordentlichem Unrechtsgehalt und Schäden auch bei § 264, zum anderen mit der Notwendigkeit, durch benannte Regelbeispiele das richterliche Ermessen bei der Strafzumessung einzugrenzen.7 Hinsichtlich der Regelbeispiele als Strafzumessungsvorschriften gelten die allgemeinen Grundsätze, insbesondere die Möglichkeit der Annahme unbenannter Regelbeispiele etwa in den Fällen des über Abs. 2 S. 2 hinausgehenden § 263 Abs. 3 S. 28 und der Verneinung benannter Regelbeispiele in atypischen Fällen.9 Das Fehlen einer Ausschlussklausel für geringwertige Subventionen (vgl. §§ 263 Abs. 4 i.V.m. § 243 Abs. 2) mag wegen Abs. 7 Nr. 1 vertretbar sein,10 bleibt aber mit Blick auf die Rechtswirklichkeit (vgl. Rz. 3) unbefriedigend. 2. Die benannten Regelbeispiele a) Erlangung einer ungerechtfertigten Subvention großen Ausmaßes, Abs. 2 S. 2 Nr. 1 Das erste Regelbeispiel betrifft den an § 370 Abs. 3 S. 2 Nr. 1, 4 AO angelehnten11 Erschwerungsfall, dass der Täter 36 aus grobem Eigennutz oder unter Verwendung nachgemachter oder verfälschter Belege für sich oder einen anderen eine nicht gerechtfertigte Subvention großen Ausmaßes erlangt. Grob eigennützig handelt, wer sich bei seinem Verhalten von dem Streben nach eigenem Vorteil im besonders anstößigen Maße leiten lässt. Das ist der Fall, wenn sein Streben das bei einem durchschnittlichen Straftäter vorhandene Gewinnstreben deutlich übersteigt, was auf Basis einer Gesamtwürdigung anhand der kriminellen Energie, namentlich Art und Häufigkeit der Begehung und Grad der zu Tage getretenen Gewinnsucht zu beurteilen ist.12 Nachgemachte (entspricht § 146 Abs. 1) oder verfälschte (entspricht § 267 Abs. 1)13 Belege (Urkunden und technische Aufzeichnungen i.S.v. § 267)14 sind verwendet, wenn sie unmittelbar bei Tatbegehung vorgelegt werden; es genügt nicht, dass der Täter den unrichtigen Inhalt der Belege in seine Erklärungen einfließen lässt.15 Bezugspunkt für eine Subvention großen Ausmaßes ist insbesondere bei Kreditsubventionen nicht die gewährte Gesamtleistung, sondern der unent-

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15

BGH v. 9.11.2009 – 5 StR 136/09, wistra 2010, 100, 102 m. zust. Anm. Bittmann. Kühl in Lackner/Kühl, StGB, § 264 Rz. 23; Fischer, StGB, § 264 Rz. 33. BGH v. 30.9.2010 – 5 StR 61/10, NStZ-RR 2011, 81. Fischer, StGB, § 264 Rz. 34; Hellmann in NK-StGB, § 264 Rz. 122. Sehr str., wie hier Fischer, StGB, § 264 Rz. 34; Perron in S/S-StGB, Rz. 62a; Saliger in S/S/W-StGB, § 264 Rz. 34; Verjans in Volk, MAH, § 35 Rz. 97; vgl. auch Tiedemann in LK-StGB, § 264 Rz. 142. A.A. Hoyer in SK-StGB, Rz. 80; Hellmann in NK-StGB, § 264 Rz. 123; Wohlers/Mühlbauer in MüKo-StGB, § 264 Rz. 108. Fischer, StGB, § 264 Rz. 45. BT-Drucks. 7/5291, S. 6 f. BT-Drucks. 13/9074, S. 19; Kühl in Lackner/Kühl, StGB, § 264 Rz. 25; Wohlers/Mühlbauer in MüKo-StGB, § 264 Rz. 139. Enger Hoyer in SK-StGB, § 264 Rz. 83. Vgl. BGH v. 20.11.1990 – 1 StR 548/90, wistra 1991, 106; BGH v. 13.3.2012 – 5 StR 411/11, BeckRS 2012, 07425, Rz. 3; ferner Wohlers/Mühlbauer in MüKo-StGB, § 264 Rz. 126; Hellmann in NK-StGB, § 264 Rz. 129. Fischer, StGB, § 264 Rz. 49. Vgl. BT-Drucks. 7/5291, S. 7. BGH v. 20.11.1990 – 1 StR 548/90, wistra 1991, 106; NStZ 1990, 497; Tiedemann in LK-StGB, § 264 Rz. 167; Hellmann in NK-StGB, § 264 Rz. 131; Wassmann, Risiken, 1995, Rz. 52; enger Perron in S/S-StGB, § 264 Rz. 75: zusätzlich Skrupellosigkeit. Vgl. Fischer, StGB, § 264 Rz. 46. Vgl. Kühl in Lackner/Kühl, StGB, § 264 Rz. 25. Vgl. BGH v. 25.1.1983 – 5 StR 814/82, BGHSt 31, 225, 226 zu § 370 AO; Fischer, StGB, § 264 Rz. 46.

Saliger

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StGB

Subventionsbetrug

StGB

§ 264 StGB Rz. 37

Strafgesetzbuch

geltlich gewährte Vorteil.1 Als Maßstab sind derzeit Beträge ab etwa 50 000 Euro anzusetzen.2 Ein Handeln für sich oder einen anderen hat der Gesetzgeber im Unrechtsgehalt gleichgestellt.3 Die schiere Höhe der Subvention ohne die zusätzlichen Voraussetzungen der Nr. 1 begründet nur bei einem deutlichen Übersteigen des „großen Ausmaßes“ einen unbenannten Erschwerungsfall.4 b) Missbrauch der Befugnisse oder Stellung als Amtsträger, Abs. 2 S. 2 Nr. 2 37

Der zweite benannte Erschwerungsfall ist der Missbrauch von Befugnissen oder der Stellung als Amtsträger (zum Begriff s. § 11 Abs. 1 Nr. 2 und § 11 StGB Rz. 2 ff.) oder Europäischer Amtsträger (zum Begriff s. § 11 Abs. 1 Nr. 2a und § 11 StGB Rz. 46 ff.). Die Aufnahme des Europäischen Amtsträgers in Abs. 2 S. 2 Nr. 2 und 3 durch das Korruptionsbekämpfungsgesetz (dazu Rz. 1) beruht wie bei § 263 auf der Vorgabe in Art. 4 Abs. 1 des EUProtokolls und dient der Überleitung von Art. 2 § 1 Abs. 2 Nr. 1 EUBestG in das StGB.5 Der Begriff des (Europäischen) Amtsträgers ist besonderes persönliches Merkmal gem. § 28 Abs. 2.6 Zu den bei § 264 als Täter in Betracht kommenden Amtsträgern und ihren möglichen Missbrauchshandlungen s. Rz. 27 und i.Ü. § 263 Abs. 3 S. 2 Nr. 4 (§ 263 StGB Rz. 287 ff.). Der nur mit der Eingangsbestätigung befasste Amtsträger in der Posteingangsstelle, der nicht die Aufgabe hat, von den Angaben des Antragstellers auch nur Kenntnis zu nehmen, scheidet als (Mit-)Täter nach dieser Vorschrift aus.7 Insoweit und wegen § 27 Abs. 2 S. 2 dürfte auch bei bloßer Beihilfestrafbarkeit des Amtsträgers die Verneinung von Nr. 2 aufgrund eines atypischen Falls (vgl. Rz. 35) nicht selten in Betracht kommen.8 c) Ausnutzen der Mithilfe eines missbräuchlich handelnden Amtsträgers, Abs. 2 S. 2 Nr. 3

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Das dritte Regelbeispiel schärft die Strafe für Täter, die die Mithilfe eines Amtsträgers (§ 11 Abs. 1 Nr. 2 und dort Rz. 2 ff.) oder Europäischen Amtsträgers (§ 11 Abs. 1 Nr. 2a und § 11 StGB Rz. 46 ff.; zur Genese Rz. 1 und 37) ausnutzen, der seinerseits seine Befugnisse oder Stellung (strafbar) missbraucht (dazu Rz. 37). Ausnutzen der Mithilfe erfasst jede vorsätzliche Wahrnehmung der durch die Hilfsbereitschaft des (Europäischen) Amtsträgers geschaffenen Gelegenheit zur Erlangung nicht gerechtfertigter Subventionen.9 Ein kollusives Handeln ist ebenso wenig erforderlich wie einseitige Einwirkungen durch Zwang oder Bestechung.10

IV. Qualifikation: Gewerbs- und bandenmäßiger Subventionsbetrug, Absatz 3 39

Der durch das 6. StrRG (Rz. 1) eingefügte Absatz 3 qualifiziert für die Fälle der gewerbsmäßigen Tatbegehung durch Bandenmitglieder analog § 263 Abs. 5 den Vergehenstatbestand des Absatzes 1 zu einem Verbrechen nach § 12 Abs. 1. Der Qualifikationstatbestand verfolgt das Ziel, der organisierten Kriminalität auch bei der Subventionserschleichung wirksamer entgegentreten zu können.11 Zu den Voraussetzungen des § 263 Abs. 5 s. § 263 StGB Rz. 291 ff.

V. Leichtfertigkeitstatbestand, Absatz 4 40

Absatz 4 stellt für die Vorsatztaten nach Abs. 1 Nr. 1 bis 3 – nicht Nr. 4 – auch leichtfertiges Handeln unter Strafe. Der Gesetzgeber hat die Einführung dieses kriminalpolitischen „Kernstücks“ von § 264 wegen der erhöhten Verantwortung des Subventionsnehmers für unabdingbar gehalten und rechtsstaatliche Bedenken im Hinblick auf die Pönalisierung von Fahrlässigkeit bei Vermögensdelikten unter Hinweis auf die Beschränkung der Subventionen auf Betriebe in Abs. 7 Nr. 1 und die Formalisierung der subventionserheblichen Tatsachen in Absatz 8 zurückgewiesen.12 Auch die Erweiterung der Leichtfertigkeitsstrafbarkeit durch die Ausdehnung des Subventionsbegriffs in Abs. 7 Nr. 2 (vgl. Rz. 16) hat der Gesetzgeber sehenden Auges in Kauf genommen (ferner oben Rz. 3).13 Die Leichtfertigkeit bestimmt sich nach allgemeinen Grundsätzen.14 Danach bezeichnet Leichtfertigkeit eine gesteigerte Form der Fahrlässigkeit, die in etwa der groben Fahrlässigkeit des Zivilrechts entspricht. Leichtfertig han1 Tiedemann in LK-StGB, § 264 Rz. 170; Kühl in Lackner/Kühl, StGB, § 264 Rz. 25. 2 BGH v. 20.11.1990 – 1 StR 548/90, wistra 1991, 106; BGH v. 7.10.2003 – 1 StR 274/03, BGHSt 48, 360 zu § 263 Abs. 3; Kühl in Lackner/Kühl, StGB, § 264 Rz. 25; Fischer, StGB, § 264 Rz. 46. Krit. Stam, NStZ 2013, 144, 147. 3 BT-Drucks. 7/5291, S. 7. 4 Vgl. BGH v. 4.4.2001 – 1 StR 582/00, wistra 2001, 304, 305: verneint für drei Einzeltaten mit Gesamtschadenshöhe von ca. 4 Mio. Euro; Saliger in S/S/W-StGB, § 264 Rz. 36; auch Fischer, StGB, § 264 Rz. 46. 5 BT-Drucks. 18/4350, S. 20. 6 Hellmann in NK-StGB, § 264 Rz. 144; Kühl in Lackner/Kühl, StGB, § 264 Rz. 26. 7 BT-Drucks. 7/5291, S. 7. 8 Fischer, StGB, § 264 Rz. 47; Hellmann in NK-StGB, § 264 Rz. 144. 9 Kühl in Lackner/Kühl, StGB, § 264 Rz. 27. 10 Perron in S/S-StGB, § 264 Rz. 78; Tiedemann in LK-StGB, § 264 Rz. 175; Saliger in S/S/W-StGB, § 264 Rz. 38. 11 BT-Drucks. 13/9064, S. 19; Hoyer in SK-StGB, § 264 Rz. 94. 12 Vgl. BT-Drucks. 7/5291, S. 8. 13 Vgl. BT-Drucks. 13/10425, S. 7. Zur auch verfassungsrechtlichen Kritik stellvertretend Wohlers/Mühlbauer in MüKoStGB, § 264 Rz. 109; Hellmann in NK-StGB, § 264 Rz. 151. 14 Fischer, StGB, § 264 Rz. 37.

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Rz. 42 § 264 StGB

delt, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt bei der Abgabe von Erklärungen in ungewöhnlich hohem Maße verletzt und dabei unbeleuchtet gelassen hat, was im konkreten Fall jedem hätte einleuchten müssen.1 Insoweit setzt Leichtfertigkeit als vorsatznahe Schuldform eine besondere Gleichgültigkeit oder grobe Unachtsamkeit voraus.2 Dabei soll eine zu weitgehende Leichtfertigkeitsstrafe nach den Vorstellungen des Gesetzgebers sowohl durch eine Orientierung an den persönlichen Verhältnissen und Fähigkeiten des Täters3 als auch durch eine Beschränkung auf gröbste Verfehlungen4 vermieden werden.5 In diesem Sinne ist maßgeblich, dass der Täter nach seinen individuellen Fähigkeiten die an sich gebotene Handlung hätte erkennen können.6 Insbesondere erfordert eine leichtfertige Begehung von § 264 Abs. 1 Nr. 3 eine grobe Verkennung der Umstände, die eine Unterrichtung der Subventionsbehörde geboten hätten.7 Die Rspr. hat Leichtfertigkeit bejaht für die blindlings vorgenommene Unterzeichnung von Erklärungen, die von einer Hilfskraft vorbereitet worden waren,8 und für die Vornahme gänzlich unzureichender Prüfungen von subventionierter Ware.9 Nicht leichtfertig handelt dagegen der für die Stellung des Subventionsantrags intern nicht primär zuständige Mitgeschäftsführer und Mitgesellschafter einer GmbH, der mangels Anhaltspunkten für Zweifel oder Unstimmigkeiten auf das Handeln des ressortmäßig zuständigen Organwalters vertrauen durfte,10 oder der juristisch nicht vorgebildete Geschäftsführer, der von der Aussetzung einer Kündigung ausgeht und deshalb die tatsächliche Vertragsauflösung dem zuständigen Finanzamt nicht mitteilt.11 Leichtfertigkeit kommt auch bei einem Dritten als Täter des Subventionsbetrugs in Betracht.12

C. Versuch und Vollendung, Täterschaft und Teilnahme Der Versuch von Absatz 1 ist straflos, der Versuch von Absatz 3 strafbar (§ 23 Abs. 1). Vollendet ist die Tat nach 41 Abs. 1 Nr. 1, sobald die falschen Angaben dem Subventionsgeber gegenüber gemacht sind (näher Rz. 23);13 nach Abs. 1 Nr. 3, sobald der Täter die Mitteilungspflicht nicht unverzüglich (§ 3 Abs. 1 S. 1 SubvG) erfüllt hat;14 nach Abs. 1 Nr. 4 mit Gebrauch (Rz. 33) der Bescheinigung im Subventionsverfahren.15 Zur Vollendung nach Abs. 1 Nr. 2 s. Rz. 28. Beendet ist § 264 – mit der Konsequenz des Verjährungsbeginns (§ 78a) – erst bei Erlangung der letzten auf dem erschlichenen Zuwendungsbescheid beruhenden (Teil-)Auszahlung bzw. bei endgültigem Belassen oder endgültiger Versagung der Subvention.16 Zu Täterschaft und Teilnahme bei den einzelnen Tathandlungen s. Rz. 27, 29, 32 und 33. I.Ü. gelten die allgemeinen Regeln.17

D. Tätige Reue, Absatz 5 Der eng an § 24 Abs. 1 angelehnte Absatz 5 eröffnet für Taten nach Absatz 1 und 4 den persönlichen Strafauf- 42 hebungsgrund der tätigen Reue.18 Sein Zweck ist, die aufgrund der frühen Vollendungszeitpunkte (Rz. 41) fehlende Möglichkeit eines strafbefreienden Rücktritts nach § 24 auszugleichen.19 Das gilt auch für Absatz 2, nicht aber Absatz 3.20 Nach Abs. 5 S. 1 wird nicht bestraft, wer freiwillig21 verhindert, dass aufgrund der Tat die Subvention gewährt wird. Abs. 5 S. 2 erstreckt die Straflosigkeit auf den Fall, dass die Subvention ohne Zutun des Täters nicht gewährt wird, unter der Voraussetzung, dass er sich freiwillig und ernsthaft (dazu § 24 StGB Rz. 7, 14, 18) bemüht, das Gewähren der Subvention zu verhindern. Damit macht Absatz 5 die Rechtswohltat der tä1 Vgl. BGH v. 29.10.2009 – 4 StR 97/09, NStZ-RR 2010, 311; BGH v. 13.12.1988 – VI ZR 235/87, BGHZ 106, 204, 211; ferner Perron in S/S-StGB, § 264 Rz. 65; Fischer, StGB, § 264 Rz. 37; Straßer in G/J/W, § 264 Rz. 98. 2 BGH v. 20.5.2010 – 5 StR 138/10, NStZ-RR 2010, 311, 312; BGH v. 13.12.2012 – 5 StR 542/12, NStZ 2013, 406. 3 BT-Drucks. 13/10425, S. 7 unter Bezug auf Tiedemann in LK-StGB, § 264 Rz. 145. 4 Vgl. BT-Drucks. 7/5291, S. 8: „jedenfalls“. 5 Für eine Einschränkung „auf die Grenze zum Vorsatz“ Tiedemann in LK-StGB, § 264 Rz. 145; dagegen Hellmann in NK-StGB, § 264 Rz. 154; Gaede in M/R-StGB, § 264 Rz. 46. 6 BGH v. 13.12.2012 – 5 StR 542/12, NStZ 2013, 406. 7 BGH v. 13.12.2012 – 5 StR 542/12, NStZ 2013, 406. 8 BGH v. 13.12.1988 – VI ZR 235/87, BGHZ 106, 204, 211; vgl. auch den Fall in BT-Drucks. 7/5291, S. 8. 9 OLG Hamburg v. 3.1.1984 – 2 Ws 459/83, NStZ 1984, 218, 219. 10 BGH v. 20.5.2010 – 5 StR 138/10, NStZ-RR 2010, 311, 312. 11 BGH v. 13.12.2012 – 5 StR 542/12, NStZ 2013, 406. 12 Vgl. BGH v. 30.9.2010 – 5 StR 61/10, NStZ-RR 2011, 81. Zum Streit, ob Absatz 4 in der Sache auch die Fälle des Abs. 1 Nr. 4 erfasst, s. bejahend Perron in S/S-StGB, § 264 Rz. 64 und Tiedemann in LK-StGB, § 264 Rz. 148, verneinend Hellmann in NK-StGB, § 264 Rz. 161; Hoyer in SK-StGB, § 264 Rz. 96; Wohlers/Mühlbauer in MüKo-StGB, § 264 Rz. 110. 13 BGH v. 13.1.1987 – 4 ARs 22/86, BGHSt 34, 265, 267. 14 Vgl. BT-Drucks. 7/5291, S. 9; Perron in S/S-StGB, § 264 Rz. 66; enger Fischer, StGB, § 264 Rz. 38: Verstreichen der ersten Möglichkeit zur Pflichterfüllung. 15 Wohlers/Mühlbauer in MüKo-StGB, § 264 Rz. 115. 16 BGH v. 21.5.2008 – 5 StR 93/08, wistra 2008, 348; BGHR StGB § 264 Abs. 1 Konkurrenzen Nr. 3; OLG Rostock v. 17.1.2012 – I Ws 404/11, BeckRS 2012, 03289, S. 2 f.; Fischer, StGB, § 264 Rz. 38; Wohlers/Mühlbauer in MüKo-StGB, § 264 Rz. 116. 17 BGH v. 28.5.2014 – 3 StR 206/13, NJW 2014, 3114, 3116 m. krit. Anm. Asholt, ZWH 2014, 467. 18 Vgl. OLG Rostock v. 17.1.2012 – I Ws 404/11, BeckRS 2012, 03289, S. 3. 19 BT-Drucks. 7/5291, S. 8 f.; BGH v. 9.11.2009 – 5 StR 136/09, wistra 2010, 100, 102; Krack, NStZ 2001, 505 ff. 20 Fischer, StGB, Rz. 40; Tiedemann in LK-StGB, § 264 Rz. 152; Saliger in S/S/W-StGB, § 264 Rz. 42; Wohlers/Mühlbauer in MüKo-StGB, § 264 Rz. 117; a.A. Hellmann in NK-StGB, § 264 Rz. 160. 21 Dazu BGH v. 9.11.2009 – 5 StR 136/09, wistra 2010, 100, 102 und § 24 StGB Rz. 7 f.

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Subventionsbetrug

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§ 264 StGB Rz. 43

Strafgesetzbuch

tigen Reue davon abhängig, dass der Verletzungserfolg, den § 264 letztlich verhindern will, noch nicht eingetreten ist.1 Aus diesem Grund scheidet Absatz 5 aus, wenn der Täter pflichtwidrig eine Mitteilung unterlässt, die entweder nach § 3 Abs. 1 SubvG zur Rückforderung einer ursprünglich zu Recht erlangten Subvention geführt hätte oder nach §§ 5 Abs. 1 i.V.m. 3 Abs. 2 SubvG zur Herausgabe eines aus einer zweckwidrigen Mittelverwendung erlangten Subventionsvorteils. Darin liegt keine Härte, weil bereits das SubvG mit Begriffen wie „unverzügliche Mitteilung“ (§ 3 Abs. 1 SubvG) oder „rechtzeitige Anzeige“ (§ 3 Abs. 2 SubvG) einen angemessenen zeitlichen Spielraum für die Pflichterfüllung eröffnet.2 Umgekehrt genügt für die tätige Reue nach Abs. 5 S. 1, wenn der Täter die für die Weitergewährung einer Subvention erforderlichen Erklärungen über das Fortbestehen der Bewilligungsvoraussetzungen nicht abgibt und dadurch weitere Subventionsleistungen verhindert.3 Tätige Reue nach Abs. 5 S. 1 ist auch gegeben, wenn die Subvention zwar (teilweise) ausgezahlt wurde, der Subventionsnehmer oder Dritte den Subventionsgeber aber zuvor rechtzeitig über alle subventionserheblichen Umstände zutreffend in Kenntnis gesetzt hatte. In einem solchen Fall ist die Subvention mangels Kausalzusammenhangs nicht „aufgrund der Tat“ gewährt worden.4 Bei einer Beteiligung mehrerer sollen nach dem Willen des Gesetzgebers aufgrund der engen Anlehnung an § 24 die Grundsätze des § 24 Abs. 2 auch bei § 264 Anwendung finden.5

E. Konkurrenzen und Rechtsfolgen 43

Wird Absatz 1 mehrfach oder in mehreren Varianten verwirklicht, so liegt grundsätzlich nur eine Tat vor,6 ausgenommen der zweistufige sog. Finanzierungshilfeantrag.7 Tateinheit im Sinne einer natürlichen Handlungseinheit soll nach der Rspr. vorliegen, wenn die Abgabe verschiedener Anträge in einem äußeren Vorgang zusammenfällt und in den jeweiligen Erklärungen übereinstimmende unrichtige Angaben enthalten sind.8 Bei unvollständigen Angaben ist im Verhältnis von Abs. 1 Nr. 1 zu Nr. 3 nur die Begehungstat verwirklicht (s. Rz. 24).9 Abs. 1 Nr. 1 geht Nr. 2 vor, wenn sich die Falschangabe auf die geplante Verwendung bezieht.10 Gleiches gilt im Verhältnis von Abs. 1 Nr. 1 zu Nr. 4 (s. auch Rz. 33).11 Abs. 1 Nr. 2 geht der Nr. 3 vor (s. Rz. 29). Soweit § 264 einschlägig ist, geht er als Sondertatbestand dem § 263 vor;12 i.Ü. bleibt § 263 anwendbar (vgl. Rz. 17 m.N.). Die Vorschrift steht zu § 370 AO im Verhältnis der Exklusivität.13 Die zweckwidrige Verwendung von Subventionen unterfällt allein § 264, nicht auch § 266.14 Tateinheit ist möglich mit § 265b (vgl. dort Rz. 19; str.), §§ 267, 268, 269.15

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Die Absätze 1 bis 4 enthalten unterschiedliche Strafrahmen mit teilweise entsprechend verschiedenen Folgen für die Verjährung gem. § 78 Abs. 3, 4.16 Zur Verjährung von Abs. 1 Nr. 3 i.V.m. InvZulG s. Hentschel, wistra 2000, 81. Der § 375 AO nachgebildete Absatz 6 sieht in Satz 1 als fakultative Nebenfolgen neben einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr wegen einer Straftat nach Absatz 1 bis 3 den Verlust der Amtsfähigkeit und der Wählbarkeit gem. § 45 Abs. 2 vor. Zum Widerruf der Approbation als Rechtsfolge des § 264 s. VGH München v. 22.7.2014 – 21 B 14.463, BeckRS 2014, 57175, Rz. 24 ff. Der BFH lehnt mittlerweile eine Haftung des Beteiligten eines Subventionsbetruges für die zu Unrecht gewährte Investitionszulage nach § 71 AO ab.17 Satz 2 Hs. 1 eröffnet darüber hinaus für die Absätze 1 bis 4 zum einen die Möglichkeit der Einziehung von Beziehungsgegenständen. Erfasst sind damit z.B. Gegenstände, die im Hinblick auf eine Verwendungsbeschränkung verbilligt abgegeben und anschließend entgegen der Beschränkung verwendet wurden, sowie die durch

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BT-Drucks. 7/5291, S. 9. BT-Drucks. 7/5291, S. 9; Kühl in Lackner/Kühl, StGB, § 264 Rz. 28. OLG Stuttgart v. 15.7.2008 – 6 U 8/06, wistra 1992, 232, 233. Zutreffend BGH v. 9.11.2009 – 5 StR 136/09, wistra 2010, 100, 102 m. zust. Anm. Bittmann, wistra 2010, 102, 103. BT-Drucks. 7/5291, S. 9. Wohlers/Mühlbauer in MüKo-StGB, § 264 Rz. 121. BGH v. 1.2.2007 – 5 StR 467/06, NStZ 2007, 578 f.; LG Saarbrücken v. 14.1.2014 – 2 KLs 23/13, juris, Rz. 147 f.; Fischer, StGB, § 264 Rz. 54: Tateinheit. BGH v. 28.5.2014 – 3 StR 206/13, NJW 2014, 3114, 3116 m. krit. Anm. Asholt, ZWH 2014, 467. Auch Tiedemann in LK-StGB, § 264 Rz. 188. Perron in S/S-StGB, § 264 Rz. 86; Wohlers/Mühlbauer in MüKo-StGB, § 264 Rz. 121. Tiedemann in LK-StGB, § 264 Rz. 188; Fischer, StGB, § 264 Rz. 31; a.A. Hellmann in NK-StGB, § 264 Rz. 119. Str., vgl. Rz. 2 m.N.; zum Problem ferner Hellmann in NK-StGB, § 264 Rz. 170 ff.; Hoyer in SK-StGB, § 264 Rz. 108 f. Str., wie hier: Hoyer in SK-StGB, § 266 Rz. 110; Hellmann in NK-StGB, § 266 Rz. 169; a.A. Fischer, StGB, § 266 Rz. 54a. BGH v. 13.5.2004 – 5 StR 73/03, BGHSt 49, 147, 157; Wohlers/Mühlbauer in MüKo-StGB, § 266 Rz. 122; Saliger in S/S/ W-StGB, § 264 Rz. 44. Vgl. aber BGH v. 21.12.2011 – 4 StR 453/11, wistra 2012, 149, 151, wo § 52 zwischen der zweckwidrigen Verwendung der Subvention gem. § 264 Abs. 1 Nr. 2 und Untreue durch Entzug der Mittel gem. § 266 Abs. 1 bejaht wird. Hoyer in SK-StGB, § 266 Rz. 110; Hellmann in NK-StGB, § 266 Rz. 175. Zur Festsetzung von Geldstrafe neben Freiheitsstrafe gem. § 41 und zur Kompensation wegen rechtsstaatswidriger Verfahrensverzögerung im Fall eines Subventionsbetruges BGH v. 13.3.2012 – 5 StR 411/11, BeckRS 2012, 07425. BFH v. 19.12.2013 – III R 25/10, DStRE 2014, 685. Zu den Konsequenzen der Entscheidung für den Streit um die Anwendbarkeit des § 173 Abs. 2 AO auf § 264 s. verneinend Petry, DStR 2015, 464 und bejahend T. Jahn/Bergan, DStR 2015, 2054.

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§ 264a StGB

Falschangaben erlangten Gegenstände.1 Zum anderen ermöglicht Satz 2 Hs. 2 auch die Einziehung unter erweiterten Voraussetzungen gem. § 74a (s. dort). Einbezogen wird insoweit der Fall des Eigentümers, der zwar nicht als Täter oder Beteiligter des § 264 überführt werden kann, bei dem jedoch feststeht, dass er leichtfertig dazu beigetragen hat, dass die Sache oder das Recht Gegenstand der Tat gewesen sind.2 Zu Auslandstaten s. Rz. 2. Anzeigepflicht für Gerichte und Behörden nach § 6 SubvG. Befugnisse der Zollbehörden gem. § 37 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 MOG. Zuständigkeit der Wirtschaftsstrafkammer nach § 74c Abs. 1 Nr. 5 GVG.

§ 264a Kapitalanlagebetrug (1) Wer im Zusammenhang mit 1. dem Vertrieb von Wertpapieren, Bezugsrechten oder von Anteilen, die eine Beteiligung an dem Ergebnis eines Unternehmens gewähren sollen, oder 2. dem Angebot, die Einlage auf solche Anteile zu erhöhen, in Prospekten oder in Darstellungen oder Übersichten über den Vermögensstand hinsichtlich der für die Entscheidung über den Erwerb oder die Erhöhung erheblichen Umstände gegenüber einem größeren Kreis von Personen unrichtige vorteilhafte Angaben macht oder nachteilige Tatsachen verschweigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. (2) Absatz 1 gilt entsprechend, wenn sich die Tat auf Anteile an einem Vermögen bezieht, das ein Unternehmen im eigenen Namen, jedoch für fremde Rechnung verwaltet. (3) Nach den Absätzen 1 und 2 wird nicht bestraft, wer freiwillig verhindert, daß auf Grund der Tat die durch den Erwerb oder die Erhöhung bedingte Leistung erbracht wird. Wird die Leistung ohne Zutun des Täters nicht erbracht, so wird er straflos, wenn er sich freiwillig und ernsthaft bemüht, das Erbringen der Leistung zu verhindern. A. Grundsätzliches I. Deliktscharakter und Rechtsgut . . . . . . . . . . . . II. Genese, Funktion und kriminalpolitische Bedeutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Voraussetzungen I. Objektiver Tatbestand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Tatobjekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Wertpapiere (Abs. 1 Nr. 1 Var. 1) . . . . . . . b) Bezugsrechte (Abs. 1 Nr. 1 Var. 2) . . . . . . c) Anteile an Ergebnisbeteiligungen (Abs. 1 Nr. 1 Var. 3) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Anteile an Treuhandvermögen (Absatz 2) . 2. Tathandlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Unrichtige vorteilhafte Angaben . . . . . . . b) Verschweigen nachteiliger Tatsachen . . . . c) Erheblichkeitserfordernis. . . . . . . . . . . . .

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II. C. D. E. F.

d) Zusammenhang mit dem Vertrieb (Abs. 1 Nr. 1) bzw. dem Angebot auf Einlagenerhöhung (Abs. 1 Nr. 2) . . . . 3. Tatmittel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Prospekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Darstellungen oder Übersichten über den Vermögensstand . . . . . . . . . . . . 4. Adressatenkreis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . Subjektiver Tatbestand . . . . . . . . . . . . . . . Versuch und Vollendung, Täterschaft und Teilnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tätige Reue (Absatz 3) . . . . . . . . . . . . . . . Konkurrenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rechtsfolgen, Verjährung und Zuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Literaturverzeichnis (Auswahl): Achenbach, Das Zweite Gesetz zur Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität, NJW 1986, 1835; Cerny, § 264a – Kapitalanlagebetrug – Gesetzlicher Anlegerschutz mit Lücken, MDR 1987, 271; Flanderka/Heydel, Strafbarkeit des Vertriebs von Bauherren-, Bauträger- und Erwerbermodellen gem. § 264a StGB, wistra 1990, 256; Gallandi, § 264a – Der Wirkung nach ein Mißgriff?, wistra 1987, 316; Joecks, Anleger und Verbraucherschutz durch das 2. WiKG, wistra 1986, 142; Klaffke, Verbesserungspotential bei der Bekämpfung von Anlagebetrug im Bereich der Justiz – Grauer Kapitalmarkt, ZRP 2003, 450; Knauth, Kapitalanlagebetrug und Börsendelikte im zweiten Gesetz zur Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität, NJW 1987, 28; Möhrenschlager, Der Regierungsentwurf eines Zweiten Gesetzes zur Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität, wistra 1982, 201; Mutter, § 264a StGB: ausgewählte Probleme rund um ein verkanntes Delikt, NStZ 1991, 421; Otto, Strafrechtliche Aspekte der Anlageberatung, WM 1988, 729; Park, Kapitalmarktstrafrecht und Anlegerschutz, NStZ 2007, 369; Rössner/Worms, Welche Änderungen bringt § 264a StGB für den Anlegerschutz?, BB 1988, 93; Schmidt-Lademann, Zum neuen Straftatbestand „Kapitalanlagebetrug“ (§ 264a StGB), WM 1986, 1241; Schockenhoff, Geheimhaltung von Compliance-Verstößen. Gesellschaftsrecht – Kapitalmarktrecht – Rechnungslegung, NZG 2015, 409; Schröder, Aktienhandel und Strafrecht, 1994; Stackmann, Böses Erwachen – die gesetzliche Haftung für fehlgeschlagene Kapitalanlagen, NJW 2013, 1985; Weber, Das Zweite Gesetz zur Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität (2. WiKG) – Teil 1: Vermögens- und Fälschungsdelikte (außer Computerkriminalität), NStZ 1986, 481; Weinrich/Tiedemann, Kapitalanlagebetrug bei Geschlossenen Alternativen Investmentfonds (AIF) – Ansatzpunkte für eine juristische und betriebswirtschaftliche Bewertung, NJ 2014, 462; Worms, § 264a StGB – ein wirksames Remedium gegen den Anlageschwindel (1. Teil), wistra 1987, 242; Worms, § 264a StGB – ein wirksames Remedium gegen den Anlageschwindel (2. Teil), wistra 1987, 272.

1 BT-Drucks. 7/5291, S. 9. 2 BT-Drucks. 7/5291, S. 9.

Saliger

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StGB

Kapitalanlagebetrug

StGB

§ 264a StGB Rz. 1

Strafgesetzbuch

A. Grundsätzliches I. Deliktscharakter und Rechtsgut 1

Die Vorschrift stellt im Vorfeld des Betrugstatbestandes das manipulative Einwirken auf die für eine Anlageentscheidung wesentlichen Werbemittel im Zusammenhang mit dem Vertrieb von Kapitalanlagen oder dem Angebot auf Einlagenerhöhung unter Strafe. Da § 264a die bloße Gefährdung des Vermögens als ausreichenden Strafgrund ansieht und neben dem Nachweis eines Vermögensschadens auf weitere betrugstypische Merkmale wie das Hervorrufen eines Irrtums oder die Vornahme einer Vermögensverfügung verzichtet,1 handelt es sich um ein abstraktes (Vermögens-)Gefährdungsdelikt,2 das dem Kapitalmarktstrafrecht zuzuordnen und § 265b nachgebildet ist.3 Die Rechtfertigung für die durch § 264a bewirkte Vorverlagerung der Strafbarkeit sieht der Gesetzgeber dabei in dem doppelten Rechtsgüterschutz, den die Strafnorm verfolgt:4 Neben dem Individualvermögen des einzelnen Anlegers wird auch und vor allem das Vertrauen in die Funktionsfähigkeit des Kapitalmarktes geschützt.5 Dafür sprechen, neben der amtlichen Gesetzesbegründung,6 vor allem die vom Tatbestand aufgestellte Voraussetzung eines großen Adressatenkreises (s. dazu Rz. 18), der einer Täuschungshandlung ausgesetzt sein muss,7 sowie die Tatsache, dass § 264a rechtsformunabhängig eine Vielzahl von Anlageformen schützt.8 Nichtsdestotrotz bleibt die Vorgehensweise des Gesetzgebers, die Strafnorm des § 264a in erster Linie über den doppelten Rechtsgüterschutz zu legitimieren, rechtsstaatlich bedenklich,9 wenn in Rechnung gestellt wird, dass die bei der Anwendung des Betrugstatbestandes aufgetretenen Beweisprobleme der vordringliche Grund waren, einen dem § 263 vorgelagerten Tatbestand zu erschaffen.10 So erfasst § 264a nicht nur Fallkonstellationen im Versuchsstadium des Betruges, sondern auch reine Vorfeldbetätigungen,11 was im Hinblick auf die ultima ratio-Funktion des Strafrechts eine besonders restriktive Auslegung der einzelnen Tatbestandsmerkmale gebietet.12

2

Vom Schutzbereich des § 264a umfasst sind unter Berücksichtigung der zunehmenden Transnationalität der Kapitalmärkte richtigerweise auch ausländische Anlageformen.13 Aufgrund der Individualrechtsgutseinfärbung der Norm sind dementsprechend Auslandstaten erfasst, sofern die Voraussetzungen der §§ 3 ff. vorliegen. Allerdings muss der Schutzbereich im Hinblick auf den ebenfalls bezweckten Universalrechtsgutsschutz des Kapitalmarktes in sachlicher Hinsicht auf das Gebiet der Europäischen Union begrenzt werden.14 S. zur ähnlichen Problematik bei § 265b s. § 265b StGB Rz. 2.

1 Achenbach, NJW 1986, 1835, 1839; Bock in G/J/W, § 264a Rz. 6; Duttge in HK-GS, § 264a StGB Rz. 2; Fischer, StGB, § 264a Rz. 3; Joecks in A/R/R, 10. Teil/1, Rz. 4; Park in Kapitalmarktstrafrecht, § 264a Rz. 180, 183; Weber, NStZ 1986, 481, 485; Wittig, § 18 Rz. 6; Wohlers/Mühlbauer in MüKo-StGB, § 264a Rz. 9. 2 BT-Drucks. 10/318, S. 22; BGH v. 21.10.1991 – II ZR 204/90, NJW 1992, 241, 243; Bock in G/J/W, § 264a Rz. 6; Bosch in S/S/W-StGB, § 264a Rz. 2; Fischer, StGB, § 264a Rz. 3; Gercke in AnwK-StGB, § 264a Rz. 4; Hellmann in NK-StGB, § 264a Rz. 11; Joecks in A/R/R, 10. Teil/1, Rz. 4; Knauth, NJW 1987, 28; Lackner in Lackner/Kühl, StGB, § 264a Rz. 2; Park in Kapitalmarktstrafrecht, § 264a Rz. 183 [erfolgskupierter Betrug]; Perron in S/S-StGB, § 264a Rz. 1; Rössner/ Worms, BB 1988, 93, 94; Schröder, NStZ 1998, 552; Wittig, § 18 Rz. 6; Wohlers/Mühlbauer in MüKo-StGB, § 264a Rz. 9. A.A. Hoyer in SK-StGB, § 264a Rz. 11: abstrakt-konkretes Gefährdungsdelikt; Tiedemann/Vogel in LK-StGB, § 264a Rz. 28: zugleich Tätigkeitsdelikt durch Verletzung der außerstrafrechtlichen Prospektwahrheits- und vollständigkeitspflicht. 3 Perron in S/S-StGB, § 264a Rz. 1; Tiedemann/Vogel in LK-StGB, § 264a Rz. 8 f. 4 BT-Drucks. 10/318, S. 22. 5 Str., wie hier: BGH v. 21.10.1991 – II ZR 204/90, NJW 1992, 241, 243; BGH v. 24.6.2014 – VI ZR 560/13, NZG 2014, 949, 951; Bock in G/J/W, § 264a Rz. 5; Gercke in AnwK-StGB, § 264a Rz. 3; Lackner in Lackner/Kühl, StGB, § 264a Rz. 1; Möhrenschlager, wistra 1982, 201, 204 f.; Mutter, NStZ 1991, 421, 422; Otto, WM 1988, 729, 736; Park in Kapitalmarktstrafrecht, § 264a Rz. 181; Perron in S/S-StGB, § 264a Rz. 1; Schröder/Bergmann in M/R-StGB, § 264a Rz. 1; Tiedemann/Vogel in LK-StGB, § 264a Rz. 22 ff.; Wittig, § 18 Rz. 5. A.A. [ausschließlich Individualrechtsgutsschutz] Hellmann in NK-StGB, § 264a Rz. 9; Hoyer in SK-StGB, § 264a Rz. 6 ff.; Joecks in A/R/R, 10. Teil/1, Rz. 10; Joecks, wistra 1986, 142, 143; Rössner/Worms, BB 1988, 93, 94; Worms, wistra 1987, 242, 245. [Ausschließlich Universalrechtsgutsschutz] OLG Hamm v. 11.7.1990 – 25 U 215/98, ZIP 1990, 1331, 1333; Bosch in S/S/W-StGB, § 264a Rz. 1; Knauth, NJW 1987, 28; Wohlers/Mühlbauer in MüKo-StGB, § 264a Rz. 6 ff. 6 BT-Drucks. 10/318, S. 22. 7 BT-Drucks. 10/318, S. 22; Bock in G/J/W, § 264a Rz. 4; Gercke in AnwK-StGB, § 264a Rz. 3; Hoyer in SK-StGB, § 264a Rz. 1; Park in Kapitalmarktstrafrecht, § 264a Rz. 181; Perron in S/S-StGB, § 264a Rz. 1. 8 Park in Kapitalmarktstrafrecht, § 264a Rz. 182; Perron in S/S-StGB, § 264a Rz. 1. 9 Park in Kapitalmarktstrafrecht, § 264a Rz. 183; Wohlers/Mühlbauer in MüKo-StGB, § 264a Rz. 9. 10 BT-Drucks. 10/318, S. 22; Joecks in A/R/R, 10. Teil/1, Rz. 3; Bosch in S/S/W-StGB, § 264a Rz. 2; Park in Kapitalmarktstrafrecht, § 264a Rz. 180; Wittig, § 18 Rz. 2; krit. Hellmann in NK-StGB, § 264a Rz. 3; Tiedemann/Vogel in LK-StGB, § 264a Rz. 4 ff. 11 Achenbach, NJW 1986, 1835, 1839; Bosch in S/S/W-StGB, § 264a Rz. 2; Fischer, StGB, § 264a Rz. 1, 3; Schröder, NStZ 1998, 552; Weber, NStZ 1986, 481, 485. 12 Bock in G/J/W, § 264a Rz. 6; Fischer, StGB, § 264a Rz. 2; Park, JuS 2007, 621, 622 sieht in der notwendigerweise restriktiven Auslegung die Möglichkeit „wertvolle[r] Verteidigungsansätze“. 13 BT-Drucks. 10/318, S. 22; Bosch in S/S/W-StGB, § 264a Rz. 5, 7; Fischer, StGB, § 264a Rz. 8; Hellmann in NK-StGB, § 264a Rz. 20; Knauth, NJW 1987, 28; Perron in S/S-StGB, § 4 ff.; Tiedemann/Vogel in LK-StGB, § 264a Rz. 116. 14 Im Einzelnen s. Tiedemann/Vogel in LK-StGB, § 264a Rz. 118.

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Saliger

Rz. 4 § 264a StGB

II. Genese, Funktion und kriminalpolitische Bedeutung Die Vorschrift wurde durch Art. 1 Nr. 10 des 2. WiKG vom 15.5.19861 in das StGB eingeführt und seitdem in sei- 3 ner sprachlichen Ausgestaltung auch nicht mehr geändert. Hintergrund der Einführung der Norm war der seit den 1960er Jahre zunehmende Anstieg privaten Anlage- und Investitionskapitals, das neue Vertriebsformen auf den Kapitalmärkten eröffnete und nach Ansicht des Gesetzgebers einen besseren Schutz des meist unerfahrenen Anlegers erforderte (Funktion).2 Vor allem die Gefahren des unbewachten außerbörslichen Grauen Kapitalmarktes3 sowie neuartiger hochspekulativer und -komplexer Anlageprodukte führten zu der Erkenntnis, dass die bisherigen spezialgesetzlichen Regelungen, wie bspw. § 4 a.F. UWG oder § 88 a.F. BörsG, keinen ausreichenden strafrechtlichen Schutz boten.4 Um die typischen Beweisschwierigkeiten im Rahmen des Betrugstatbestandes zu umgehen, verzichtete der Gesetzgeber bei der Schaffung des § 264a auf den Nachweis eines Vermögensschadens.5 Nicht zuletzt aus diesem Grund ist die Norm kriminalpolitisch nicht unumstritten (s. auch Rz. 1). Während sie z.T. sogar für zu eng gefasst gehalten wird,6 wird ihr größtenteils vorgeworfen, einen deutlich zu weiten Anwendungsbereich zu haben:7 Sie verlagere die Strafbarkeit vor, wirke rein symbolisch und sei zu unbestimmt.8 Jedenfalls die verfassungsrechtlichen Bedenken im Hinblick auf Art. 103 Abs. 2 GG tragen nicht, da sich der Tatbestand akzessorisch zum mittlerweile umfassend gesetzlich geregelten Kapitalmarkt- und Prospektrecht verhält und zudem eine restriktive Auslegung geboten ist (Rz. 1).9 Schließlich kann ihr auch nicht generell die Eignung zur Präventivwirkung abgesprochen werden,10 obgleich die praktische Bedeutung der Vorschrift in der strafrechtlichen Verfolgung tatsächlich gering ausfällt:11 2014 wies die PKS 53 erfasste Fälle aus, 2015 lediglich 35.12 Zu berücksichtigen ist jedoch zum einen, dass § 264a i.d.R. nur den ersten Anknüpfungspunkt für weitergehende strafrechtliche Ermittlungen bildet und in der Folge häufig hinter anderen, schwerer wiegenden Vermögensstraftaten zurücktritt,13 weshalb sich auch nur wenige strafgerichtliche Entscheidungen zu § 264a finden. Hohe Relevanz erlangt die Vorschrift zum anderen für die zivilrechtliche Prospekthaftung, denn § 264a ist Schutzgesetz i.S.d. § 823 Abs. 2 BGB.14

B. Voraussetzungen I. Objektiver Tatbestand § 264a erfordert im objektiven Tatbestand das Machen unrichtiger vorteilhafter Angaben oder das Verschweigen 4 nachteiliger Tatsachen über entscheidungserhebliche Umstände in Prospekten oder Darstellungen oder Übersichten über den Vermögensstand gegenüber einem größeren Kreis von Personen im Zusammenhang mit dem Vertrieb von Wertpapieren bzw. dem Angebot auf Einlagenerhöhung.

1 BGBl. I, S. 721. 2 BT-Drucks. 10/318, S. 21; Bock in G/J/W, § 264a Rz. 1; Joecks in A/R/R, 10. Teil/1, Rz. 1 f.; Park in Kapitalmarktstrafrecht, § 264a Rz. 180; Perron in S/S-StGB, § 264a Rz. 2; Wittig, § 18 Rz. 1; Wohlers/Mühlbauer in MüKo-StGB, § 164a Rz. 2. 3 Zum Begriff s. Bock in G/J/W, § 264a Rz. 1; Wittig, § 18 Rz. 1. 4 BT-Drucks. 10/318, S. 21 f.; Fischer, StGB, § 264a Rz. 1; Perron in S/S-StGB, § 264a Rz. 2; Tiedemann/Vogel in LK-StGB, § 264a Rz. 3; krit. Hellmann in NK-StGB, § 264a Rz. 2. 5 BT-Drucks. 10/318, S. 22; Bock in G/J/W, § 264a Rz. 1; Tiedemann/Vogel in LK-StGB, § 264a Rz. 4. 6 Gallandi, wistra 1987, 316 bspw. kritisiert, dass die mündliche Anlageberatung nicht von § 264a miterfasst ist. Für weitere Nachweise s. Tiedemann/Vogel in LK-StGB, § 264a Rz. 10. Ein kriminalpolitisches Bedürfnis der Norm generell ablehnend Hellmann in NK-StGB, § 264a Rz. 2; Wohlers/Mühlbauer in MüKo-StGB, § 164a Rz. 13. 7 Duttge in HK-GS, § 264a StGB Rz. 1; Tiedemann/Vogel in LK-StGB, § 264a Rz. 11 m.w.N. 8 Derartige Vorwürfe fallen zusammen mit einer generellen Kritik am modernen (Risiko-)Strafrecht überhaupt, s. nur Albrecht, KritV 1993, 163; Hassemer, ZRP 1992, 378; Hassemer, NStZ 1989, 553, 558 ff. 9 Joecks in A/R/R, 10. Teil/1, Rz. 11; Perron in S/S-StGB, § 264a Rz. 1; Tiedemann/Vogel in LK-StGB, § 264a Rz. 5 ff., 12 f. 10 Bock in G/J/W, § 264a Rz. 11; Joecks in A/R/R, 10. Teil/1, Rz. 5; Klaffke, ZRP 2003, 450, 451 ff.; Tiedemann/Vogel in LKStGB, § 264a Rz. 15. 11 Zustimmend Bock in G/J/W, § 264a Rz. 9; Bosch in S/S/W-StGB, § 264a Rz. 3; Fischer, StGB, § 264a Rz. 2; Hellmann in NK-StGB, § 264a Rz. 4; Park in Kapitalmarktstrafrecht, § 264a Rz. 184; Tiedemann/Vogel in LK-StGB, § 264a Rz. 14; Weber, NStZ 1986, 481, 486; Wohlers/Mühlbauer in MüKo-StGB, § 164a Rz. 11. 12 PKS 2015, IMK-Kurzbericht, Schlüsselnummer 513100, S. 92. 13 Gercke in AnwK-StGB, § 264a Rz. 5; Joecks in A/R/R, 10. Teil/1, Rz. 5 f. [„Schutzmannfunktion“ des § 264a]; Park in Kapitalmarktstrafrecht, § 264a Rz. 184; Theile, wistra 2004, 121. S. auch Bock in G/J/W, § 264a Rz. 10. 14 Str., wie hier: BGH v. 21.10.1991 – II ZR 204/90, NJW 1992, 241, 242; BGH v. 29.5.2000 – II ZR 280/98, NJW 2000, 3346; BGH v. 25.6.2009 – III ZR 279/08, GWR 2009, 277; BGH, v. 24.6.2014 – VI ZR 560/13, NZG 2014, 949, 950; BGH v. 12.5.2015 – VI ZR 108/14, NZG 2015, 1432, 1433; Bock in G/J/W, § 264a Rz. 3; Duttge in HK-GS, § 264a StGB Rz. 3; Fischer, StGB, § 264a Rz. 2; Hellmann in NK-StGB, § 264a Rz. 5; Joecks in A/R/R, 10. Teil/1, Rz. 5; Lackner in Lackner/Kühl, StGB, § 264a Rz. 1; Perron in S/S-StGB, § 264a Rz. 1; Schröder/Bergmann in M/R-StGB, § 264a Rz. 1; Tiedemann/Vogel in LK-StGB, § 264a Rz. 16; Wagner in MüKo-StGB, § 823 BGB Rz. 423; Wittig, § 18 Rz. 3. A.A. Bosch in S/S/W-StGB, § 264a Rz. 1; Wohlers/Mühlbauer in MüKo-StGB, § 164a Rz. 3, 15 ff. mit dennoch tiefgehenden Ausführungen zu den Anspruchsvoraussetzungen. S. zum Ganzen auch Stackmann, NJW 2013, 1985, 1986 f.

Saliger

583

StGB

Kapitalanlagebetrug

StGB

§ 264a StGB Rz. 5

Strafgesetzbuch

1. Tatobjekte 5

Die Vorschrift erfasst nur bestimmte Anlageformen als taugliche Tatobjekte, darunter Wertpapiere, Bezugsrechte und Anteile an Ergebnisbeteiligungen (Abs. 1 Nr. 1) sowie Anteile an Treuhandvermögen (Absatz 2). Unstreitig nicht erfasst sind haptisch-physische Vermögensanlagen wie bspw. Rohstoffe, Edelmetalle und -steine, soweit sie nicht selbst wertpapiermäßig verbrieft sind.1 a) Wertpapiere (Abs. 1 Nr. 1 Var. 1)

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Der Wertpapierbegriff des § 264a knüpft zwar an die zivilrechtlichen Definitionen des Kapitalmarkt- und Prospektrechts an, ist für das Strafrecht jedoch letztlich eigenständig zu bestimmen2 und umfasst richtigerweise nur sog. Kapitalmarktpapiere.3 Unter Wertpapieren sind demnach Urkunden über Rechte zu verstehen, die nicht nur vereinzelt begeben, sondern typischerweise massenhaft emittiert werden und dadurch handelbar sind sowie der Kapitalanlage selbst und/oder der Kapitalschöpfung durch den Emittenten dienen.4 Erfasst sind u.a. (in- und ausländische, s. Rz. 2) Aktien, Anleihen, Rentenpapiere, Optionsscheine, Schuldtitel/-verschreibungen und Zertifikate,5 nicht jedoch Beteiligungen an Lebensversicherungen oder geschlossenen Immobilienfonds.6 Ebenfalls nicht in den Anwendungsbereich des § 264a fallen sog. Rektapapiere, wie z.B. Hypotheken oder Grundschuldpapiere, solange sie nicht massenhaft gehandelt werden.7 b) Bezugsrechte (Abs. 1 Nr. 1 Var. 2)

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Was unter Bezugsrechten zu verstehen ist, lässt der Gesetzgeber außer dem Hinweis, dass es sich weder um Anteile noch um Wertpapiere i.S.d. Tatbestandes handele, i.Ü. offen.8 Berücksichtigt man, dass die Bezugsrechte neben den Wertpapieren eigene Erwähnung in § 264a finden, entspricht es einer systemimmanenten Auslegung, davon auszugehen, dass Bezugsrechte alle unverbrieften, gleichwohl umlauffähigen Rechte auf den Bezug von Leistungen sind, die sich aus einem Stammrecht ableiten, welches zuvor durch Leistung von Kapital erworben worden sein muss.9 Klassischerweise werden dadurch das dem Altaktionär zustehende Recht, bei einer Kapitalerhöhung auf eine anteilige Zuteilung neuer Aktien nach § 186 AktG bestehen zu können, das Gewinnbezugsrecht des GmbH-Gesellschafters nach § 29 GmbHG sowie die Gewinn- oder Wandelschuldverschreibung gem. § 221 AktG erfasst.10

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Umstr. ist, ob Termin- und Optionsgeschäfte, die seit dem Vierten Finanzmarktförderungsgesetz vom 21.6.200211 einem breiten Anlegerpublikum zugänglich sind, zu den geschützten Anlageobjekten des § 264a gehören. Es handelt sich dabei um z.T. hochspekulative und risikoreiche Anlageformen, die zu den Börsenspekulationsgeschäften zählen.12 Richtigerweise wird man derartige Geschäfte grundsätzlich aus dem Tatbestand auszunehmen haben,13 da bei ihnen der Anleger typischerweise besser mit den spekulativen Finanzprodukten 1 Bock in G/J/W, § 264a Rz. 45; Park in Kapitalmarktstrafrecht, § 264a Rz. 195; Schröder/Bergmann in M/R-StGB, § 264a Rz. 2; Wohlers/Mühlbauer in MüKo-StGB, § 264a Rz. 32. 2 Möhrenschlager, wistra 1982, 201, 206. 3 Str., wie hier: Bock in G/J/W, § 264a Rz. 46; Fischer, StGB, § 264a Rz. 6; Gercke in AnwK-StGB, § 264a Rz. 8; Hellmann in NK-StGB, § 264a Rz. 15; Park in Kapitalmarktstrafrecht, § 264a Rz. 197; Tiedemann/Vogel in LK-StGB, § 264a Rz. 37. A.A. [zivilrechtlicher Wertpapierbegriff] Bosch in S/S/W-StGB, § 264a Rz. 5; Duttge in HK-GS, § 264a StGB Rz. 14; Hoyer in SK-StGB, § 264a Rz. 28; Joecks in A/R/R, 10. Teil/1, Rz. 13 f.; Joecks, wistra 1986, 142, 144; Perron in S/S-StGB, § 264a Rz. 5; Wittig, § 18 Rz. 11; Wohlers/Mühlbauer in MüKo-StGB, § 264a Rz. 35 ff. Von einem wertpapierrechtlichen Begriff gehen Schröder/Bergmann in M/R-StGB, § 264a Rz. 6 aus. 4 Park in Kapitalmarktstrafrecht, § 264a Rz. 197; Tiedemann/Vogel in LK-StGB, § 264a Rz. 37. 5 Für eine ausf. Aufzählung s. Tiedemann/Vogel in LK-StGB, § 264a Rz. 41. 6 Bock in G/J/W, § 264a Rz. 48; Duttge in HK-GS, § 264a StGB Rz. 14; Fischer, StGB, § 264a Rz. 6; Joecks in A/R/R, 10. Teil/1, Rz. 15; Park in Kapitalmarktstrafrecht, § 264a Rz. 197 m.w.N.; Perron in S/S-StGB, § 264a Rz. 7; Wittig, § 18 Rz. 14. 7 Str., wie hier: Bock in G/J/W, § 264a Rz. 48; Duttge in HK-GS, § 264a StGB Rz. 14; Fischer, StGB, § 264a Rz. 6; Gercke in AnwK-StGB, § 264a Rz. 8; Hellmann in NK-StGB, § 264a Rz. 17; wohl auch Joecks in A/R/R, 10. Teil/1, Rz. 14; Park in Kapitalmarktstrafrecht, § 264a Rz. 197; Tiedemann/Vogel in LK-StGB, § 264a Rz. 42. A.A. Perron in S/S-StGB, § 264a Rz. 5; Wittig, § 18 Rz. 13; Wohlers/Mühlbauer in MüKo-StGB, § 264a Rz. 39. 8 BT-Drucks. 10/318, S. 22. 9 Bock in G/J/W, § 264a Rz. 49; Hellmann in NK-StGB, § 264a Rz. 18; Hoyer in SK-StGB, § 264a Rz. 29; Möhrenschlager, wistra 1986, 201, 206; Park in Kapitalmarktstrafrecht, § 264a Rz. 198; Tiedemann/Vogel in LK-StGB, § 264a Rz. 44. Im Ergebnis wohl auch Wohlers/Mühlbauer in MüKo-StGB, § 264a Rz. 40 ff. 10 Bock in G/J/W, § 264a Rz. 49; Bosch in S/S/W-StGB, § 264a Rz. 6; Fischer, StGB, § 264a Rz. 7; Gercke in AnwK-StGB, § 264a Rz. 9; Knauth, NJW 1987, 28, 29; Perron in S/S-StGB, § 264a Rz. 8; Park in Kapitalmarktstrafrecht, § 264a Rz. 198; Schröder/Bergmann in M/R-StGB, § 264a Rz. 7 f.; Tiedemann/Vogel in LK-StGB, § 264a Rz. 43; Wittig, § 18 Rz. 16. 11 BGBl. I 2002, S. 2010. 12 Ausf. dazu Park in Kapitalmarktstrafrecht, § 49 BörsG Rz. 324 ff. 13 Str., wie hier: Bosch in S/S/W-StGB, § 264a Rz. 8; Fischer, StGB, § 264a Rz. 9; Gercke in AnwK-StGB, § 264a Rz. 11; Joecks in A/R/R, 10. Teil/1, Rz. 18; Knauth, NJW 1987, 28, 30; Park in Kapitalmarktstrafrecht, § 264a Rz. 200; Richter, wistra 1987, 117. A.A. Bock in G/J/W, § 264a Rz. 52; Tiedemann/Vogel in LK-StGB, § 264a Rz. 45; Wohlers/Mühlbauer in MüKo-StGB, § 264a Rz. 43. Differenzierend Hellmann in NK-StGB, § 264a Rz. 19; Hoyer in SK-StGB, § 264a Rz. 29; Lackner in Lackner/Kühl, StGB, § 264a Rz. 4.

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Saliger

Rz. 10 § 264a StGB

vertraut und daher weniger schutzwürdig i.S.d. § 264a ist. Darüber hinaus ist der Anleger, wenn er sich zu solchen Risikogeschäften entschließt, hinreichend über § 49 BörsG geschützt.1 c) Anteile an Ergebnisbeteiligungen (Abs. 1 Nr. 1 Var. 3) § 264a Abs. 1 Nr. 1 Var. 3 soll nach dem Willen des Gesetzgebers diejenigen Fälle erfassen, in denen der Anleger 9 entweder selbst einen Gesellschaftsteil an einem Unternehmen erwirbt oder in eine anderweitige unmittelbare Rechtsbeziehung zu dem Unternehmen tritt, die ihm eine Beteiligung an diesem gewährleistet.2 Einbezogen sind damit jegliche Formen gewerblicher Beteiligung an einem in- oder ausländischen Unternehmen,3 aber auch sog. patriarische Darlehen.4 Grundsätzlich ausscheiden müssen dagegen Beteiligungen an Bauherren-, Bauträgerund Erwerbermodellen, da diese reine Innengesellschaften darstellen, die allein auf die Bildung von Wohnungseigentum gerichtet sind und keine erwerbswirtschaftliche Marktbeteiligung bezwecken.5 Etwas anderes gilt nur, wenn die Eigentümer die Bildung eines sog. Mietpools anstreben, der als Außengesellschaft am Markt auftreten soll.6 Anteile an offenen oder geschlossenen Immobilienfonds sowie stille Beteiligungen sind dagegen stets taugliche Tatobjekte i.S.d. Abs. 1 Nr. 1 Var. 3.7 d) Anteile an Treuhandvermögen (Absatz 2) Absatz 2 erweitert in Ergänzung zu Abs. 1 Nr. 1 Var. 3 den Anwendungsbereich der Vorschrift, indem auch Anteile 10 an einem Treuhandvermögen als taugliches Tatobjekt gelten.8 Erfasst werden nur echte Treuhandverhältnisse, in denen der Treuhänder und nicht der Anleger den entsprechenden Anteil erwirbt und in das Unternehmen eintritt.9 Fälle der unechten Treuhand (sog. Verwaltungstreuhand), bei welcher der Anleger Gesellschafter wird und dem Treuhänder lediglich die Aufgabe zukommt, die Rechte des Treugebers wahrzunehmen, fallen bereits in den Anwendungsbereich von Abs. 1 Nr. 1 Var. 3.10 Treuhänder i.S.d. Absatzes 2 kann dabei nur ein Unternehmen sein:11 Klassischerweise handelt es sich um Treuhandkommanditisten in geschlossenen Immobilienfonds oder echte Treuhandbeteiligungen an Abschreibungsgesellschaften,12 aber auch Steuerberatungs- und Rechtsanwalts1 Perron in S/S-StGB, § 264a Rz. 2 BT-Drucks. 10/318, S. 22. 3 Bock in G/J/W, § 264a Rz. 50; Bosch in S/S/W-StGB, § 264a Rz. 7; Fischer, StGB, § 264a Rz. 8; Gercke in AnwK-StGB, § 264a Rz. 10; Hellmann in NK-StGB, § 264a Rz. 20; Lackner in Lackner/Kühl, StGB, § 264a Rz. 3; Park in Kapitalmarktstrafrecht, § 264a Rz. 199; Perron in S/S-StGB, § 264a Rz. 9; Schröder/Bergmann in M/R-StGB, § 264a Rz. 12 ff.; Tiedemann/Vogel in LK-StGB, § 264a Rz. 48; Wittig, § 18 Rz. 17 f.; Wohlers/Mühlbauer in MüKo-StGB, § 264a Rz. 46; Worms wistra 1987, 242, 245 f. 4 BT-Drucks. 10/318, S. 22; Bock in G/J/W, § 264a Rz. 50; Bosch in S/S/W-StGB, § 264a Rz. 7; Duttge in HK-GS, § 264a StGB Rz. 16; Fischer, StGB, § 264a Rz. 8; Gercke in AnwK-StGB, § 264a Rz. 10; Hellmann in NK-StGB, § 264a Rz. 21; Hoyer in SK-StGB, § 264a Rz. 30; Joecks in A/R/R, 10. Teil/1, Rz. 17; Joecks, wistra 1986, 142, 144; Lackner in Lackner/ Kühl, StGB, § 264a Rz. 3; Möhrenschlager, wistra 1982, 201, 205; Park in Kapitalmarktstrafrecht, § 264a Rz. 199; Perron in S/S-StGB, § 264a Rz. 10; Schröder/Bergmann in M/R-StGB, § 264a Rz. 15; Wittig, § 18 Rz. 17 f.; Wohlers/Mühlbauer in MüKo-StGB, § 264a Rz. 47 f.; Worms, wistra 1987, 242, 246. Differenzierend Tiedemann/Vogel in LK-StGB, § 264a Rz. 50. A.A. Cerny, MDR 1987, 271, 274. 5 Bock in G/J/W, § 264a Rz. 51; Bosch in S/S/W-StGB, § 264a Rz. 7; Gercke in AnwK-StGB, § 264a Rz. 10; Hellmann in NK-StGB, § 264a Rz. 22; Hoyer in SK-StGB, § 264a Rz. 30; Joecks in A/R/R, 10. Teil/1, Rz. 19; Perron in S/S-StGB, § 264a Rz. 12; Tiedemann/Vogel in LK-StGB, § 264a Rz. 49; Wohlers/Mühlbauer in MüKo-StGB, § 264a Rz. 49. 6 Str., wie hier: Bock in G/J/W, § 264a Rz. 50; Bosch in S/S/W-StGB, § 264a Rz. 7; Flanderka/Heydel, wistra 1990, 256, 258; Hoyer in SK-StGB, § 264a Rz. 30; Park in Kapitalmarktstrafrecht, § 264a Rz. 199; Perron in S/S-StGB, § 264a Rz. 12; Schröder/Bergmann in M/R-StGB, § 264a Rz. 15; Tiedemann/Vogel in LK-StGB, § 264a Rz. 49; Wittig, § 18 Rz. 17 f.; Wohlers/Mühlbauer in MüKo-StGB, § 264a Rz. 49. A.A. Cerny, MDR 1987, 271, 273; Hellmann in NK-StGB, § 264a Rz. 22; Joecks in A/R/R, 10. Teil/1, Rz. 19. 7 Bosch in S/S/W-StGB, § 264a Rz. 7; Hellman in NK-StGB, § 264a Rz. 21 f.; Hoyer in SK-StGB, § 264a Rz. 30; Joecks in A/R/R, 10. Teil/1, Rz. 15, 17; Park in Kapitalmarktstrafrecht, § 264a Rz. 199; Perron in S/S-StGB, § 264a Rz. 9 f.; Tiedemann/Vogel in LK-StGB, § 264a Rz. 48. 8 BT-Drucks. 10/318, S. 22 f.; krit. Joecks in A/R/R, 10. Teil/1, Rz. 23. 9 Bock in G/J/W, § 264a Rz. 53; Bosch in S/S/W-StGB, § 264a Rz. 9; Duttge in HK-GS, § 264a StGB Rz. 19; Hellmann in NK-StGB, § 264a Rz. 23; Hoyer in SK-StGB, § 264a Rz. 32; Joecks in A/R/R, 10. Teil/1, Rz. 23; Knauth, NJW 1987, 28, 31; Park in Kapitalmarktstrafrecht, § 264a Rz. 201; Perron in S/S-StGB, § 264a Rz. 34; Schröder/Bergmann in M/R-StGB, § 264a Rz. 17; Tiedemann/Vogel in LK-StGB, § 264a Rz. 52; Wittig, § 18 Rz. 21; Wohlers/Mühlbauer in MüKo-StGB, § 264a Rz. 50. 10 Duttge in HK-GS, § 264a StGB Rz. 19; Hellmann in NK-StGB, § 264a Rz. 23; Hoyer in SK-StGB, § 264a Rz. 33; Joecks in A/R/R, 10. Teil/1, Rz. 23; Park in Kapitalmarktstrafrecht, § 264a Rz. 201; Perron in S/S-StGB, § 264a Rz. 34; Tiedemann/Vogel in LK-StGB, § 264a Rz. 52; Wittig, § 18 Rz. 21; Wohlers/Mühlbauer in MüKo-StGB, § 264a Rz. 50. 11 BT-Drucks. 10/318, S. 23; Bock in G/J/W, § 264a Rz. 54; Fischer, StGB, § 264a Rz. 19; Hellmann in NK-StGB, § 264a Rz. 24; Park in Kapitalmarktstrafrecht, § 264a Rz. 201; Perron in S/S-StGB, § 264a Rz. 34; Tiedemann/Vogel in LK-StGB, § 264a Rz. 53; Wohlers/Mühlbauer in MüKo-StGB, § 264a Rz. 51. 12 BT-Drucks. 10/318, S. 22 f.; Bock in G/J/W, § 264a Rz. 53; Bosch in S/S/W-StGB, § 264a Rz. 9; Cerny, MDR 1987, 271, 274; Duttge in HK-GS, § 264a StGB Rz. 19; Fischer, StGB, § 264a Rz. 19; Gercke in AnwK-StGB, § 264a Rz. 12; Hellmann in NK-StGB, § 264a Rz. 23; Lackner in Lackner/Kühl, StGB, § 264a Rz. 4; Möhrenschlager, wistra 1982, 201, 206; Park in Kapitalmarktstrafrecht, § 264a Rz. 201; Perron in S/S-StGB, § 264a Rz. 34; Tiedemann/Vogel in LK-StGB, § 264a Rz. 53.

Saliger

585

StGB

Kapitalanlagebetrug

StGB

§ 264a StGB Rz. 11

Strafgesetzbuch

kanzleien können darunter fallen, wenn die betroffenen Freiberufler in größerem Umfang mit der Vermögensverwaltung befasst sind.1 2. Tathandlungen 11

Als Tathandlungen kommen das Machen unrichtiger vorteilhafter Angaben oder das Verschweigen nachteiliger Tatsachen als qualifizierte Kollektivtäuschungen2 in Betracht, sofern eine gewisse Erheblichkeitsschwelle im Hinblick auf die Beeinflussung der Entscheidung des Anlegers überschritten wird. a) Unrichtige vorteilhafte Angaben

12

Die erste Tathandlungsalternative erfasst die Verwirklichung durch aktives Tun und ist dementsprechend als Begehungsdelikt einzustufen.3 Der Begriff der Angaben orientiert sich an § 20a Abs. 1 Nr. 1 WpHG und umfasst – weiter als § 263 – Tatsachen, Prognosen, tatsachengestützte Werturteile, Berechnungen usw. bis hin zu Aussagen „ins Blaue hinein“.4 Dies ergibt sich zum einen systematisch aus einem Umkehrschluss mit der zweiten Tathandlungsalternative, die auf Tatsachen beschränkt ist, zum anderen teleologisch vor dem Hintergrund, dass die Angaben sich auf jegliche anlageentscheidungserheblichen Umstände beziehen müssen.5 Unrichtig ist eine Angabe, wenn sie – wie bei § 265b (s. § 265b StGB Rz. 13) – nicht vorhandene Umstände als vorhanden oder vorhandene Umstände als nicht vorhanden bezeichnet.6 Es kommt dabei entscheidend auf die objektive Unrichtigkeit, also den Widerspruch zwischen der Angabe und der tatsächlichen Sachlage, an.7 Bei Tatsachenerklärungen ist dies der Fall, wenn sie nachweislich falsch sind, bei Prognosen und Bewertungen ist maßgeblich, ob der Täter falsche Tatsachen zugrunde gelegt hat.8 Da Prognosen ihrer Natur nach ein Unsicherheitsfaktor innewohnt, ist eine ex ante Sichtweise bei der Bewertung der Unrichtigkeit geboten.9 Vorteilhaft i.S.d. § 264a ist eine Angabe dann, wenn sie sich auf die Werthaltigkeit der Anlage bezieht und aus der Sicht eines durchschnittlich verständigen Anlegers geeignet ist, eine künftige Anlageentscheidung positiv zu beeinflussen.10 Abwertende Angaben oder Boykottaufrufe sind dementsprechend nicht vom Tatbestand erfasst.11 Wird eine Angabe erst später unrichtig, besteht eine (mittelbare) Aktualisierungspflicht des Emittenten dergestalt, dass entsprechende Prospekte von den Verantwortlichen eingezogen oder berichtigt werden müssen.12 b) Verschweigen nachteiliger Tatsachen

13

Die zweite Tathandlungsalternative bürdet dem Täter, unabhängig von außerstrafrechtlichen Mitteilungs- und Offenbarungspflichten, eine selbständige, strafrechtliche relevante Aufklärungspflicht auf und stellt deshalb ein

1 Bock in G/J/W, § 264a Rz. 54; Park in Kapitalmarktstrafrecht, § 264a Rz. 201; Perron in S/S-StGB, § 264a Rz. 24; Tiedemann/Vogel in LK-StGB, § 264a Rz. 53; Wohlers/Mühlbauer in MüKo-StGB, § 264a Rz. 51. 2 Tiedemann/Vogel in LK-StGB, § 264a Rz. 64. 3 BT-Drucks. 10/318, S. 24; Gercke in AnwK-StGB, § 264a Rz. 22; Hellmann in NK-StGB, § 264a Rz. 31, 34; Lackner in Lackner/Kühl, StGB, § 264a Rz. 12; Tiedemann/Vogel in LK-StGB, § 264a Rz. 76; Wittig, § 18 Rz. 24. 4 Str., wie hier: Gercke in AnwK-StGB, § 264a Rz. 22; Joecks in A/R/R, 10. Teil/1, Rz. 37 f.; Joecks, wistra 1986, 142, 145; Lackner in Lackner/Kühl, StGB, § 264a Rz. 12; Park in Kapitalmarktstrafrecht, § 264a Rz. 188; Schröder/Bergmann in M/R-StGB, § 264a Rz. 26; Tiedemann/Vogel in LK-StGB, § 264a Rz. 77 f.; Wittig, § 18 Rz. 25; Wohlers/Mühlbauer in MüKo-StGB, § 264a Rz. 54. A.A. [Beschränkung auf Tatsachen] Bock in G/J/W, § 264a Rz. 14 f.; Hellmann in NK-StGB, § 264a Rz. 32 f.; Hoyer in SK-StGB, § 264a Rz. 15. 5 Tiedemann/Vogel in LK-StGB, § 264a Rz. 77. 6 BT-Drucks. 10/318, S. 24; Bock in G/J/W, § 264a Rz. 17; Bosch in S/S/W-StGB, § 264a Rz. 15; Duttge in HK-GS, § 264a StGB Rz. 5; Fischer, StGB, § 264a Rz. 14; Joecks in A/R/R, 10. Teil/1, Rz. 41; Tiedemann/Vogel in LK-StGB, § 264a Rz. 78; Wohlers/Mühlbauer in MüKo-StGB, § 264a Rz. 55. 7 Cerny, MDR 1987, 271, 276; Gercke in AnwK-StGB, § 264a Rz. 22; Hellmann in NK-StGB, § 264a Rz. 38; Hoyer in SKStGB, § 264a Rz. 17; Park in Kapitalmarktstrafrecht, § 264a Rz. 188; Schröder/Bergmann in M/R-StGB, § 264a Rz. 27. 8 Gercke in AnwK-StGB, § 264a Rz. 22; Hellmann in NK-StGB, § 264a Rz. 39; Joecks in A/R/R, 10. Teil/1, Rz. 41; Park in Kapitalmarktstrafrecht, § 264a Rz. 188; Perron in S/S-StGB, § 264a Rz. 26; Tiedemann/Vogel in LK-StGB, § 264a Rz. 78; Wittig, § 18 Rz. 25; Wohlers/Mühlbauer in MüKo-StGB, § 264a Rz. 59. 9 Joecks in A/R/R, 10. Teil/1, Rz. 41; Schröder/Bergmann in M/R-StGB, § 264a Rz. 27; Schröder/Bergmann in M/R-StGB, § 264a Rz. 28; Tiedemann/Vogel in LK-StGB, § 264a Rz. 78; Wohlers/Mühlbauer in MüKo-StGB, § 264a Rz. 58. 10 Bock in G/J/W, § 264a Rz. 19; Bosch in S/S/W-StGB, § 264a Rz. 15; Cerny, MDR 1987, 271, 276; Gercke in AnwK-StGB, § 264a Rz. 22; Hellmann in NK-StGB, § 264a Rz. 43 f.; Hoyer in SK-StGB, § 264a Rz. 36; Joecks in A/R/R, 10. Teil/1, Rz. 43; Park in Kapitalmarktstrafrecht, § 264a Rz. 188; Perron in S/S-StGB, § 264a Rz. 25; Tiedemann/Vogel in LK-StGB, § 264a Rz. 83; Wittig, § 18 Rz. 26; Wohlers/Mühlbauer in MüKo-StGB, § 264a Rz. 63. 11 BT-Drucks. 10/318, S. 24; Bock in G/J/W, § 264a Rz. 19; Joecks in A/R/R, 10. Teil/1, Rz. 43; Lackner in Lackner/Kühl, § 264a Rz. 12; Park in Kapitalmarktstrafrecht, § 264a Rz. 188; Perron in S/S-StGB, § 264a Rz. 25; Tiedemann/Vogel in LK-StGB, § 264a Rz. 83; Wohlers/Mühlbauer in MüKo-StGB, § 264a Rz. 63. 12 BGH v. 24.6.2014 – VI ZR 560/13, NZG 2014, 949, 952; BGH v. 12.5.2015 – VI ZR 108/14, NZG 2015, 1432, 1435; ferner Joecks in A/R/R, 10. Teil/1, Rz. 45; Tiedemann/Vogel in LK-StGB, § 264a Rz. 82; Wohlers/Mühlbauer in MüKo-StGB, § 264a Rz. 61 f.

586

Saliger

Rz. 14 § 264a StGB

echtes Unterlassungsdelikt dar.1 Im Gegensatz zur ersten Tathandlungsvariante ist nur das Verschweigen von Tatsachen erfasst. Prognosen und Werturteile sind – wie bei § 263 – nicht tatbestandsrelevant, es sei denn, sie besitzen einen nachweisbaren Tatsachenkern.2 Nachteilig sind Angaben, die bei einer objektiven ex ante Betrachtung dazu geeignet sind, die Entscheidung des durchschnittlichen Anlegers zum Erwerb der Anlage negativ zu beeinflussen.3 Im Hinblick auf den Umfang der Offenbarungspflicht ist eine sachgerechte Begrenzung auf solche Tatsachen vorzunehmen, die den Anleger einerseits sinnvoll informieren, ihn andererseits aber auch nicht unnötig überfordern: In Betracht kommen deshalb nur solche Aufklärungspflichten, die sich auf generelluniversale Tatsachenangaben über das Anlageprodukt beziehen, nicht jedoch an einer detaillierten Individualberatung ausgerichtet sind.4 Offenzulegen sind damit jedenfalls Informationen über den Vermögenswert der Anlage, das Chance-Risiko-Verhältnis sowie mögliche Kick-Back-Abreden.5 Unvollständige Angaben des Täters, die den Anschein der Vollständigkeit erwecken, sind dem Bereich des aktiven Tuns in Form einer konkludenten Täuschung und damit der ersten Tathandlungsalternative zuzuordnen.6 c) Erheblichkeitserfordernis Im Sinne einer angemessenen Restriktion des Tatbestandes müssen sich die Tathandlungen des § 264a auf Um- 14 stände beziehen, die für die Anlageentscheidung von erheblicher Bedeutung sind.7 Der Kapitalmarkt und seine Teilnehmer sind nicht vor jeglichen Falschangaben zu schützen, Bagatellrisiken oder Umstände ohne Relevanz für den Erwerb der Anlage sind dementsprechend aus dem Tatbestand auszunehmen.8 Erheblich i.S.d. Norm sind damit zunächst nur solche Aspekte, die aus der Perspektive eines durchschnittlich verständigen Anlegers unter Berücksichtigung der Art des Geschäfts und der Erwartungen des Kapitalmarktes Bedeutung erlangen können.9 Dies sind i.d.R. Angaben, die Einfluss auf den Wert, die Chancen und Risiken der Anlage haben.10 Im Gegensatz zu der rein objektiven Begriffsbestimmung bei § 265b (s. § 265b StGB Rz. 11) ist bei § 264a ferner in jedem Einzelfall, abhängig von den Gesamtumständen sowie der Art der entsprechenden Kapitalanlage, eine am konkreten Anlegerkreis ausgerichtete Abwägung vorzunehmen, ob die getätigten oder verschwiegenen Angaben tatsächlich Berührungspunkte mit der Werthaltigkeit und/oder dem Risiko-Chancen-Verhältnis aufweisen und ob sie deshalb als erheblich einzustufen sind.11 Nur auf diesem Weg ist eine im Hinblick auf die Vielfalt der potentiellen Anlageprodukte gebotene restriktive und einzelfallgerechte Handhabung des ausfüllungsbedürftigen Tatbestandsmerkmals gewährleistet. Der Verstoß gegen von Beratungsfirmen ausgefertigte Checklis-

1 Str., wie hier: BT-Drucks. 10/318, S. 24 f.; Bosch in S/S/W-StGB, § 264a Rz. 16; Duttge in HK-GS, § 264a StGB Rz. 6; Gercke in AnwK-StGB, § 264a Rz. 23; Lackner in Lackner/Kühl, StGB, § 264a Rz. 12; Möhrenschlager wistra 1982, 201, 207; Otto, WM 1988, 729, 738; Park in Kapitalmarktstrafrecht, § 264a Rz. 189; Perron in S/S-StGB, § 264a Rz. 27; Wittig, § 18 Rz. 28. A.A. [Begehungsdelikt] Hellmann in NK-StGB, § 264a Rz. 34; Hoyer in SK-StGB, § 264a Rz. 14; Wohlers/Mühlbauer in MüKo-StGB, § 264a Rz. 64. 2 Fischer, StGB, § 264a Rz. 15; Gercke in AnwK-StGB, § 264a Rz. 23; Joecks in A/R/R, 10. Teil/1, Rz. 46; Park in Kapitalmarktstrafrecht, § 264a Rz. 189; Perron in S/S-StGB, § 264a Rz. 27; Tiedemann/Vogel in LK-StGB, § 264a Rz. 86; Wittig, § 18 Rz. 29; Wohlers/Mühlbauer in MüKo-StGB, § 264a Rz. 65. 3 Bock in G/J/W, § 264a Rz. 22; Hellmann in NK-StGB, § 264a Rz. 46; Park in Kapitalmarktstrafrecht, § 264a Rz. 189; Schröder/Bergmann in M/R-StGB, § 264a Rz. 29; Tiedemann/Vogel in LK-StGB, § 264a Rz. 87; Wittig, § 18 Rz. 30; Wohlers/Mühlbauer in MüKo-StGB, § 264a Rz. 66. 4 Fischer, StGB, § 264a Rz. 15; Gercke in AnwK-StGB, § 264a Rz. 23; Joecks in A/R/R, 10. Teil/1, Rz. 50; Park in Kapitalmarktstrafrecht, § 264a Rz. 189. Einschränkend im Hinblick auf ein Überstrapazieren des Tatbestandes s. auch BVerfG v. 29.2.2008 – 1 BvR 371/07, NJW 2008, 1726. 5 Fischer, StGB, § 264a Rz. 15; Gercke in AnwK-StGB, § 264a Rz. 23; Park in Kapitalmarktstrafrecht, § 264a Rz. 189. Zur Aufklärungsnotwendigkeit im Hinblick auf Vorstrafen s. Park in Kapitalmarktstrafrecht, § 264a Rz. 189. 6 Str., wie hier: Hoyer in SK-StGB, § 264a Rz. 14; Park in Kapitalmarktstrafrecht, § 264a Rz. 190; Tiedemann/Vogel in LKStGB, § 264a Rz. 80. A.A. Hellmann in NK-StGB, § 264a Rz. 35; Perron in S/S-StGB, § 264a Rz. 27. 7 Kriterienkatalog bei Bock in G/J/W, § 264a Rz. 33; Joecks in A/R/R, 10. Teil/1 Rz. 65 ff.; Tiedemann/Vogel in LK-StGB, § 264a Rz. 75. 8 Bock in G/J/W, § 264a Rz. 23; Cerny, MDR 1987, 271, 277; Duttge in HK-GS, § 264a StGB Rz. 7; Hellmann in NK-StGB, § 264a Rz. 59; Lackner in Lackner/Kühl, StGB, § 264a Rz. 13; Park in Kapitalmarktstrafrecht, § 264a Rz. 191; Perron in S/S-StGB, § 264a Rz. 30; Schockenhoff, NZG 2015, 409, 413; Tiedemann, JZ 1986, 865, 873; Tiedemann/Vogel in LKStGB, § 264a Rz. 70; Wohlers/Mühlbauer in MüKo-StGB, § 264a Rz. 72. 9 BT-Drucks. 10/318, S. 24; BGH v. 12.5.2005 – 5 StR 283/04, NStZ 2005, 568; Gercke in AnwK-StGB, § 264a Rz. 24; Hellmann in NK-StGB, § 264a Rz. 61; Hoyer in SK-StGB, § 264a Rz. 34; Joecks in A/R/R, 10. Teil/1 Rz. 52; Knauth, NJW 1987, 28, 31; Otto, WM 1988, 729, 738; Park in Kapitalmarktstrafrecht, § 264a Rz. 191; Tiedemann/Vogel in LK-StGB, § 264a Rz. 73 [Maßstab eines „homo oeconomicus“]. 10 Duttge in HK-GS, § 264a StGB Rz. 7; Lackner in Lackner/Kühl, StGB, § 264a Rz. 13; Joecks in A/R/R, 10. Teil/1 Rz. 52; Park in Kapitalmarktstrafrecht, § 264a Rz. 191; Tiedemann/Vogel in LK-StGB, § 264a Rz. 71; Wittig, § 18 Rz. 32; Wohlers/Mühlbauer in MüKo-StGB, § 264a Rz. 68. 11 BT-Drucks. 10/318, S. 24; Bock in G/J/W, § 264a Rz. 26 ff.; Cerny, MDR 1987, 271, 277; Duttge in HK-GS, § 264a StGB Rz. 7; Fischer, StGB, § 264a Rz. 16; Gercke in AnwK-StGB, § 264a Rz. 24; Hellmann in NK-StGB, § 264a Rz. 57; Joecks in A/R/R, 10. Teil/1 Rz. 61; Joecks, wistra 1986, 142, 146 f.; Park in Kapitalmarktstrafrecht, § 264a Rz. 191; Perron in S/SStGB, § 264a Rz. 32; Schröder/Bergmann in M/R-StGB, § 264a Rz. 32 ff.; Wohlers/Mühlbauer in MüKo-StGB, § 264a Rz. 68, 71. A.A. [rein obj. Bewertung] Tiedemann/Vogel in LK-StGB, § 264a Rz. 71 ff.

Saliger

587

StGB

Kapitalanlagebetrug

StGB

§ 264a StGB Rz. 15

Strafgesetzbuch

ten stellt dabei lediglich ein Indiz für die Erheblichkeit der Angaben dar.1 Bei bestehenden Zweifeln im Hinblick auf die Auslegung des Merkmals kann die zivilgerichtliche Rspr. zur Prospekthaftung Anhaltspunkte für die Bestimmung im Strafrecht liefern.2 d) Zusammenhang mit dem Vertrieb (Abs. 1 Nr. 1) bzw. dem Angebot auf Einlagenerhöhung (Abs. 1 Nr. 2) 15

Die Täuschungshandlungen müssen in einem sachlichen und zeitlichen Zusammenhang zu dem Vertrieb des jeweiligen Tatobjektes oder einem entsprechenden Angebot auf Einlagenerhöhung stehen. Gefordert ist ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen der Täuschungshandlung und der späteren Investitionsentscheidung des Anlegers,3 weshalb bspw. Pressemitteilungen im Vorfeld der eigentlichen Werbungsmaßnahme ebenso regelmäßig aus dem Tatbestand auszunehmen sind4 wie wirtschaftsjournalistische Berichterstattung.5 Der Tatbestand ist auf Maßnahmen gegenüber einem größeren Personenkreis begrenzt, sodass speziell die rein individuelle Anlageberatung nach dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers nicht unter den Tatbestand des § 264a fällt, sondern allenfalls unter § 263.6 Ein personeller Zusammenhang in der Form, dass Identität zwischen dem Täter und dem Anbieter des Tatobjektes bestehen muss, ist allerdings nicht erforderlich;7 Täter kann vielmehr jedermann sein (s. dazu Rz. 21). Der Begriff des Vertriebs erfasst alle auf Veräußerung gerichteten Tätigkeiten im eigenen oder fremden Namen, die sich entweder auf die Ausgabe des Anlageobjektes selbst oder auf die entsprechende Werbung für die künftige Emission beziehen.8 Nicht erforderlich ist dementsprechend, dass das Bezugsobjekt bereits existiert.9 § 264a Abs. 1 Nr. 2 erweitert den Schutz schließlich auf Kapitelsammelmaßnahmen gegenüber Anlegern, die bereits Anteile erworben haben.10 Der Vertriebsbezug ist hier gerade keine Voraussetzung.11 Der Wortlaut bedingt schließlich, dass nur Anteile an Ergebnisbeteiligungen (s. dazu Rz. 9) in den Schutzbereich des Abs. 1 Nr. 2 fallen, nicht jedoch Wertpapiere und Bezugsrechte (zur Beschränkung auf Publikumsgesellschaften unten Rz. 19).12 Ein Angebot liegt dabei, losgelöst vom zivilrechtlichen Verständnis, bereits in einer invitatio ad offerendum seitens des Täters.13

1 Bock in G/J/W, § 264a Rz. 31; Fischer, StGB, § 264a Rz. 16; Joecks, wistra 1986, 142, 147; Park in Kapitalmarktstrafrecht, § 264a Rz. 191; Tiedemann/Vogel in LK-StGB, § 264a Rz. 69; s. auch Cerny, MDR 1987, 271, 277; Gallandi, wistra 1987, 316, 317. 2 BT-Drucks. 10/5058., S. 31; Bock in G/J/W, § 264a Rz. 30; Bosch in S/S/W-StGB, § 264a Rz. 17; Cerny, MDR 1987, 271, 277; Fischer, StGB, § 264a Rz. 16; Hellmann in NK-StGB, § 264a Rz. 58; Joecks in A/R/R, 10. Teil/1 Rz. 53; Lackner in Lackner/Kühl, StGB, § 264a Rz. 13; Park in Kapitalmarktstrafrecht, § 264a Rz. 191; Perron in S/S-StGB, § 264a Rz. 32; Tiedemann/Vogel in LK-StGB, § 264a Rz. 68 f.; Wohlers/Mühlbauer in MüKo-StGB, § 264a Rz. 70. 3 Park in Kapitalmarktstrafrecht, § 264a Rz. 207. 4 Bock in G/J/W, § 264a Rz. 59; Gercke in AnwK-StGB, § 264a Rz. 16; Hellmann in NK-StGB, § 264a Rz. 49; Joecks in A/R/R, 10. Teil/1, Rz. 31; Park in Kapitalmarktstrafrecht, § 264a Rz. 203, 207. 5 BT-Drucks. 10/318, S. 24; Bock in G/J/W, § 264a Rz. 59; Hellmann in NK-StGB, § 264a Rz. 49; Lackner in Lackner/ Kühl, § 264a Rz. 9; Tiedemann/Vogel in LK-StGB, § 264a Rz. 32; Wohlers/Mühlbauer in MüKo-StGB, § 264a Rz. 91. 6 BT-Drucks. 10/318, S. 24; Bock in G/J/W, § 264a Rz. 55; Duttge in HK-GS, § 264a StGB Rz. 13; Fischer, StGB, § 264a Rz. 5; Hellmann in NK-StGB, § 264a Rz. 48; Joecks in A/R/R, 10. Teil/1, Rz. 30; Knauth, NJW 1987, 28, 31; Lackner in Lackner/Kühl, StGB, § 264a Rz. 7; Park in Kapitalmarktstrafrecht, § 264a Rz. 203; Perron in S/S-StGB, § 264a Rz. 14; Tiedemann/Vogel in LK-StGB, § 264a Rz. 34. 7 BT-Drucks. 10/318, S. 24; Bock in G/J/W, § 264a Rz. 59; Bosch in S/S/W-StGB, § 264a Rz. 12; Duttge in HK-GS, § 264a StGB Rz. 20; Fischer, StGB, § 264a Rz. 11; Gercke in AnwK-StGB, § 264a Rz. 16; Hellmann in NK-StGB, § 264a Rz. 48; Hoyer in SK-StGB, § 264a Rz. 27; Joecks in A/R/R, 10. Teil/1, Rz. 31; Lackner in Lackner/Kühl, StGB, § 264a Rz. 6; Möhrenschlager, wistra 1982, 201, 206; Park in Kapitalmarktstrafrecht, § 264a Rz. 207; Perron in S/S-StGB, § 264a Rz. 16; Schröder/Bergmann in M/R-StGB, § 264a Rz. 23; Tiedemann/Vogel in LK-StGB, § 264a Rz. 30. 8 Bock in G/J/W, § 264a Rz. 55; Bosch in S/S/W-StGB, § 264a Rz. 11; Duttge in HK-GS, § 264a StGB Rz. 13; Fischer, StGB, § 264a Rz. 5; Gercke in AnwK-StGB, § 264a Rz. 14; Hellmann in NK-StGB, § 264a Rz. 48; Joecks in A/R/R, 10. Teil/1, Rz. 30; Knauth NJW 1987, 28, 30 f.; Lackner in Lackner/Kühl, StGB, § 264a Rz. 7; Park in Kapitalmarktstrafrecht, § 264a Rz. 203; Perron in S/S-StGB, § 264a Rz. 14; Schröder/Bergmann in M/R-StGB, § 264a Rz. 23; Tiedemann/Vogel in LK-StGB, § 264a Rz. 34; Wohlers/Mühlbauer in MüKo-StGB, § 264a Rz. 88. 9 Bock in G/J/W, § 264a Rz. 55; Bosch in S/S/W-StGB, § 264a Rz. 11; Gercke in AnwK-StGB, § 264a Rz. 16; Fischer, StGB, § 264a Rz. 5; Hellmann in NK-StGB, § 264a Rz. 48; Hoyer in SK-StGB, § 264a Rz. 27; Park in Kapitalmarktstrafrecht, § 264a Rz. 203, 207; Tiedemann/Vogel in LK-StGB, § 264a Rz. 31. 10 BT-Drucks. 10/318, S. 24; Bock in G/J/W, § 264a Rz. 58; Duttge in HK-GS, § 264a StGB Rz. 18; Hellmann in NK-StGB, § 264a Rz. 50; Knauth, NJW 1987, 28, 30; Lackner in Lackner/Kühl, StGB, § 264a Rz. 8; Park in Kapitalmarktstrafrecht, § 264a Rz. 204; Perron in S/S-StGB, § 264a Rz. 15; Tiedemann/Vogel in LK-StGB, § 264a Rz. 51; Wohlers/Mühlbauer in MüKo-StGB, § 264a Rz. 89 f. 11 BT-Drucks. 10/318, S. 24; Cerny, MDR 1987, 271, 275; Joecks in A/R/R, 10. Teil/1, Rz. 32; Park in Kapitalmarktstrafrecht, § 264a Rz. 205; Tiedemann/Vogel in LK-StGB, § 264a Rz. 51. 12 Bock in G/J/W, § 264a Rz. 56; Knauth, NJW 1987, 28, 30; Park in Kapitalmarktstrafrecht, § 264a Rz. 204; Perron in S/SStGB, § 264a Rz. 15. 13 Bock in G/J/W, § 264a Rz. 57; Fischer, StGB, § 264a Rz. 10; Gercke in AnwK-StGB, § 264a Rz. 15; Hellmann in NK-StGB, § 264a Rz. 50; Hoyer in SK-StGB, § 264a Rz. 31; Park in Kapitalmarktstrafrecht, § 264a Rz. 204 mit entspr. Bsp.; Wohlers/Mühlbauer in MüKo-StGB, § 264a Rz. 89.

588

Saliger

Rz. 18 § 264a StGB

3. Tatmittel Für eine Strafbarkeit nach § 264a relevant sind nur solche Täuschungshandlungen, die einen Prospekt oder 16 Darstellungen oder Übersichten über den Vermögensstand als Werbeträger nutzen. a) Prospekte Nach dem Willen des Gesetzgebers ist der Begriff des Prospektes weit zu verstehen und nicht auf börsen-, pro- 17 spekt- oder kapitalmarktrechtliche Lesarten zu begrenzen.1 Vielmehr meint Prospekt jedes werbende Informations- oder Schriftstück, das einerseits darauf angelegt ist, den Eindruck zu erwecken, alle für eine Anlageentscheidung wesentlichen Angaben zu enthalten, andererseits aber auch tatsächlich dazu geeignet und bestimmt ist, als Entscheidungsgrundlage zu dienen.2 Taugliche Tatmittel sind deshalb richtigerweise nur solche Schriften, die grundsätzlich auch den Anschein von Vollständigkeit vermitteln.3 Dies ist regelmäßig der Fall, wenn dem Prospekt eine Beitritts- oder Zeichnungserklärung zu der beworbenen Anlage beiliegt.4 Für den Anleger erkennbar lückenhafte Angaben erfüllen folglich ebenso wenig die Anforderungen an die Prospekteigenschaft wie bspw. reine Ad-hoc-Mitteilungen.5 Entscheidend für die Einstufung eines Schriftstückes (z.B. eines Flyers) als Prospekt ist letztlich, dass die wesentlichen Informationen mitgeteilt werden, die für einen Anleger typischerweise den Ausschlag für oder gegen eine Kaufentscheidung geben.6 Im Hinblick auf die doppelte Schutzgutsausrichtung der Norm (s. Rz. 1) sollte es deshalb nicht vornehmlich auf die tatsächliche Vollständigkeit der Prospektangaben ankommen,7 sondern vor allem darauf, ob der Kapitalmarkt und deren Beteiligte die Informationen bei verständiger Würdigung als vollständig und damit entscheidungserheblich einstufen konnten (kapitalmarktorientierte Vollständigkeit). b) Darstellungen oder Übersichten über den Vermögensstand Die Begriffe entsprechen im Wesentlichen der Regelung in § 400 Abs. 1 Nr. AktG.8 Unter das engere Merkmal 18 der Übersichten fällt jeder schriftliche Status mit Vermögensrelevanz, also z.B. Bilanzen, Inventarlisten oder Gewinn- und Verlustrechnungen.9 Das Tatbestandsmerkmal der Darstellungen ist nach dem Willen des Gesetzgebers in einem umfassenderen Sinne zu verstehen und soll neben mündlichen auch durch Ton- oder Bild verarbeitete Informationen erfassen.10 Sowohl die Übersichten als auch die Darstellungen müssen sich dabei auf 1 BT-Drucks. 10/318, S. 23. 2 BT-Drucks. 10/318, S. 23; BGH v. 21.12.1994 – 2 StR 628/94, BGHSt 40, 385, 388; Bock in G/J/W, § 264a Rz. 40; Bosch in S/S/W-StGB, § 264a Rz. 10; Duttge in HK-GS, § 264a StGB Rz. 10; Fischer, StGB, § 264a Rz. 12; Joecks in A/R/R, 10. Teil/1, Rz. 28; Joecks, wistra 1986, 142, 144; Gercke in AnwK-StGB, § 264a Rz. 19; Hellmann in NK-StGB, § 264a Rz. 26; Hoyer in SK-StGB, § 264a Rz. 19; Lackner in Lackner/Kühl, StGB, § 264a Rz. 10; Möhrenschlager wistra 1982, 201, 206; Park in Kapitalmarktstrafrecht, § 264a Rz. 209; Perron in S/S-StGB, § 264a Rz. 18; Schröder/Bergmann in M/R-StGB, § 264a Rz. 20; Wittig, § 18 Rz. 36; Wohlers/Mühlbauer in MüKo-StGB, § 264a Rz. 78; Worms, wistra 1987, 271, 274. 3 Str., wie hier: BGH v. 21.12.1994 – 2 StR 628/94, BGHSt 40, 385, 388; Joecks in A/R/R, 10. Teil/1, Rz. 27, 28; Joecks, wistra 1986, 142, 144; Möhrenschlager, wistra 1982, 201, 206; Otto, WM 1988, 729, 739; Park in Kapitalmarktstrafrecht, § 264a Rz. 209; Perron in S/S-StGB, § 264a Rz. 19; Schmidt-Lademann, WM 1986, 1241; Schröder/Bergmann in M/R-StGB, § 264a Rz. 20; Wittig, § 18 Rz. 36; Wohlers/Mühlbauer in MüKo-StGB, § 264a Rz. 78; Worms, wistra 1987, 271, 274. A.A. BGH v. 12.5.2005 – 5 StR 283/04, NJW 2005, 2242, 2244 mit dem Vorwurf, dass „Prospektangaben schon ihrer Funktion nach nicht auf Vollständigkeit angelegt sein können“; dies aufgreifend Tiedemann/Vogel in LK-StGB, § 264a Rz. 58. 4 Bock in G/J/W, § 264a Rz. 42; Park in Kapitalmarktstrafrecht, § 264a Rz. 209; Schröder/Bergmann in M/R-StGB, § 264a Rz. 20; Wohlers/Mühlbauer in MüKo-StGB, § 264a Rz. 79. 5 Bock in G/J/W, § 264a Rz. 41; Bosch in S/S/W-StGB, § 264a Rz. 10; Gercke in AnwK-StGB, § 264a Rz. 19; Hellmann in NK-StGB, § 264a Rz. 26; Hoyer in SK-StGB, § 264a Rz. 19; Lackner in Lackner/Kühl, StGB, § 264a Rz. 10; Park in Kapitalmarktstrafrecht, § 264a Rz. 209; Perron in S/S-StGB, § 264a Rz. 19; Schröder/Bergmann in M/R-StGB, § 264a Rz. 20. Anders Fischer, StGB, § 264a Rz. 12. 6 So trotz der Kritik am Erfordernis der h.M. des Anscheins der Vollständigkeit auch BGH v. 12.5.2005 – 5 StR 283/04, NJW 2005, 2242, 2244; Tiedemann/Vogel in LK-StGB, § 264a Rz. 58. S. auch Wohlers/Mühlbauer in MüKo-StGB, § 264a Rz. 78, die zutreffend darauf hinweisen, dass zwischen den beiden Ansichten wohl kein tatsächlicher Widerspruch vorliegt, sondern nur erkannt und klargestellt werden muss, dass Angaben typischerweise vollständig sein müssen, wenn sie als hinreichende Entscheidungsgrundlage dienen sollen. 7 So aber die missverständliche Kritik bei Tiedemann/Vogel in LK-StGB, § 264a Rz. 58 unter Berufung auf BGH v. 12.5.2005 – 5 StR 283/04, NJW 2005, 2242, 2244. 8 BT-Drucks. 10/318, S. 23; Fischer, StGB, § 264a Rz. 12; Gercke in AnwK-StGB, § 264a Rz. 20; Hellmann in NK-StGB, § 264a Rz. 28; Joecks in A/R/R, 10. Teil/1, Rz. 29; Park in Kapitalmarktstrafrecht, § 264a Rz. 210; Wohlers/Mühlbauer in MüKo-StGB, § 264a Rz. 80. 9 Bock in G/J/W, § 264a Rz. 44; Bosch in S/S/W-StGB, § 264a Rz. 10; Gercke in AnwK-StGB, § 264a Rz. 20; Hellmann in NK-StGB, § 264a Rz. 28; Hoyer in SK-StGB, § 264a Rz. 21; Joecks in A/R/R, 10. Teil/1, Rz. 29; Park in Kapitalmarktstrafrecht, § 264a Rz. 210; Perron in S/S-StGB, § 264a Rz. 20; Wohlers/Mühlbauer in MüKo-StGB, § 264a Rz. 81. A.A. [Mündlichkeit bei Übersichten ausreichend] Cerny, MDR 1987, 271, 274; Tiedemann/Vogel in LK-StGB, § 264a Rz. 62. 10 BT-Drucks. 10/318, S. 23; Bock in G/J/W, § 264a Rz. 43; Bosch in S/S/W-StGB, § 264a Rz. 10; Cerny, MDR 1987, 271, 274; Duttge in HK-GS, § 264a StGB Rz. 11; Fischer, StGB, § 264a Rz. 12; Gercke in AnwK-StGB, § 264a Rz. 20; Joecks in A/R/R, 10. Teil/1, Rz. 29; Knauth, NJW 1987, 28 (31); Lackner in Lackner/Kühl, StGB, § 264a Rz. 10; Möhrenschlager wistra 1982, 201 (206); Park in Kapitalmarktstrafrecht, § 264a Rz. 210; Perron in S/S-StGB, § 264a Rz. 21; Schmidt-Lademann WM 1986, 1241; Schröder/Bergmann in M/R-StGB, § 264a Rz. 22; Tiedemann/Vogel in LK-StGB, § 264a Rz. 61;

Saliger

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StGB

Kapitalanlagebetrug

StGB

§ 264a StGB Rz. 19

Strafgesetzbuch

den Vermögensstand des Emittenten1 beziehen und wie der Prospekt einen gewissen Anspruch auf Vollständigkeit erheben.2 4. Adressatenkreis 19

Da Individualtäuschungen nicht vom Tatbestand des § 264a erfasst werden sollen, müssen die Tathandlungen gegenüber einem größeren Kreis von Personen vorgenommen werden.3 Mit Blick auf den doppelten Rechtsgüterschutz der Norm (s. Rz. 1) ist darunter eine so große Anzahl an Personen zu verstehen, dass deren Individualität gegenüber dem sie verbindenden potentiellen Interesse an der entsprechenden Kapitalanlage zurücktritt.4 Unerheblich ist dabei, ob die einzelnen Gruppenmitglieder durch gemeinsame Merkmale, z.B. die Angehörigkeit zu einer Berufsgruppe, verbunden sind.5 Unter den Tatbestand fallen jedenfalls öffentliche getätigte Aussagen, da sie zwangsläufig gegenüber einem unbestimmten Personenkreis vorgenommen werden.6 Aber auch das Auslegen von Werbematerial, das massenweise Verschicken von E-Mails, das gezielte Anrufen von Personen sowie das systematische „von Haus zu Haus ziehen“ sind erfasst,7 solange keine individuell zugeschnittenen Anlageangebote getätigt werden.8 Ohne Relevanz ist es für die Tatbestandsmäßigkeit, dass die betroffenen Personen überhaupt kein Interesse an der Kapitalanlage besitzen.9 Die Beschränkung des Tatbestandes auf Täuschungen gegenüber einem größeren Personenkreis führt bei Kapitalsammelmaßnahmen (Abs. 1 Nr. 2) dazu, dass § 264a nur bei Publikumsgesellschaften Relevanz erlangen kann.10

II. Subjektiver Tatbestand 20

Im subjektiven Tatbestand ist es ausreichend, dass der Täter mit dolus eventualis im Hinblick auf die Verwirklichung aller objektiven Tatbestandsmerkmale handelt (§ 15), eine besondere Absicht als überschießende Innentendenz ist nicht erforderlich.11 Für Irrtümer gelten zunächst keine Besonderheiten: Kennt der Täter die Nachteiligkeit der Angaben nicht, so befindet er sich in einem vorsatzausschließenden Tatbestandsirrtum nach § 16 Abs. 1 S. 1.12 Glaubt er hingegen, gar keiner Informationspflicht zu unterliegen, so liegt nur ein – i.d.R. vermeid-

1 2

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4 5 6 7

8 9 10 11 12

Wittig, § 18 Rz. 37; Wohlers/Mühlbauer in MüKo-StGB, § 264a Rz. 80. A.A. [Ausschluss mündlicher Darstellungen] Hellmann in NK-StGB, § 264a Rz. 29; Hoyer in SK-StGB, § 264a Rz. 20. BGH v. 24.6.2014 – VI ZR 560/13, NZG 2014, 949, 951; BGH v. 12.5.2015 – VI ZR 108/14, NZG 2015, 1432, 1434; Bock in G/J/W, § 264a Rz. 43; Park in Kapitalmarktstrafrecht, § 264a Rz. 210; Wohlers/Mühlbauer in MüKo-StGB, § 264a Rz. 82. BGH v. 19.7.2004 – II ZR 218/03, NJW 2004, 2664, 2665; Cerny, MDR 1987, 271, 274; Hellmann in NK-StGB, § 264a Rz. 29; Hoyer in SK-StGB, § 264a Rz. 21; Joecks in A/R/R, 10. Teil/1, Rz. 29; Lackner in Lackner/Kühl, StGB, § 264a Rz. 10; Möhrenschlager, wistra 1982, 201, 206; Otto, WM 1988, 729, 739; Park in Kapitalmarktstrafrecht, § 264a Rz. 210; Schmidt-Lademann, WM 1986, 1241; Schröder/Bergmann in M/R-StGB, § 264a Rz. 22; Tiedemann/Vogel in LK-StGB, § 264a Rz. 60, 62; Wohlers/Mühlbauer in MüKo-StGB, § 264a Rz. 84; Worms, wistra 1987, 271, 274. BT-Drucks. 10/318, S. 23; Bock in G/J/W, § 264a Rz. 38; Bosch in S/S/W-StGB, § 264a Rz. 18; Duttge in HK-GS, § 264a StGB Rz. 8; Hellmann in NK-StGB, § 264a Rz. 52; Park in Kapitalmarktstrafrecht, § 264a Rz. 193; Tiedemann/Vogel in LK-StGB, § 264a Rz. 65; Wohlers/Mühlbauer in MüKo-StGB, § 264a Rz. 86; Wittig, § 18 Rz. 38; Worms, wistra 1987, 271, 274. BT-Drucks. 10/318, S. 23. BT-Drucks. 10/318, S. 23; Bock in G/J/W, § 264a Rz. 37; Fischer, StGB, § 264a Rz. 17; Gercke in AnwK-StGB, § 264a Rz. 17; Hellmann in NK-StGB, § 264a Rz. 53; Park in Kapitalmarktstrafrecht, § 264a Rz. 193; Perron in S/S-StGB, § 264a Rz. 93; Tiedemann/Vogel in LK-StGB, § 264a Rz. 65; Wohlers/Mühlbauer in MüKo-StGB, § 264a Rz. 87. BT-Drucks. 10/318, S. 23; Lackner in Lackner/Kühl, StGB, § 264a Rz. 11; Park in Kapitalmarktstrafrecht, § 264a Rz. 193; Tiedemann/Vogel in LK-StGB, § 264a Rz. 66. BT-Drucks. 10/318, S. 23 f.; Bock in G/J/W, § 264a Rz. 37; Bosch in S/S/W-StGB, § 264a Rz. 18; Duttge in HK-GS, § 264a StGB Rz. 8; Fischer, StGB, § 264a Rz. 17; Gercke in AnwK-StGB, § 264a Rz. 17; Hellmann in NK-StGB, § 264a Rz. 54; Joecks in A/R/R, 10. Teil/1, Rz. 33; Knauth, NJW 1987, 28, 31; Lackner in Lackner/Kühl, StGB, § 264a Rz. 11; Park in Kapitalmarktstrafrecht, § 264a Rz. 193; Perron in S/S-StGB, § 264a Rz. 33; Tiedemann/Vogel in LK-StGB, § 264a Rz. 66; Wittig, § 18 Rz. 38; Wohlers/Mühlbauer in MüKo-StGB, § 264a Rz. 87. Bosch in S/S/W-StGB, § 264a Rz. 18; Hoyer in SK-StGB, § 264a Rz. 22; Joecks in A/R/R, 10. Teil/1, Rz. 34; Park in Kapitalmarktstrafrecht, § 264a Rz. 193; Wohlers/Mühlbauer in MüKo-StGB, § 264a Rz. 87; Worms, wistra 1987, 271, 274. Bock in G/J/W, § 264a Rz. 37; Duttge in HK-GS, § 264a StGB Rz. 8; Fischer, StGB, § 264a Rz. 17; Hellmann in NK-StGB, § 264a Rz. 53; Park in Kapitalmarktstrafrecht, § 264a Rz. 193; Perron in S/S-StGB, § 264a Rz. 33; Tiedemann/Vogel in LK-StGB, § 264a Rz. 65. Duttge in HK-GS, § 264a StGB Rz. 8; Fischer, StGB, § 264a Rz. 17; Hellmann in NK-StGB, § 264a Rz. 55; Joecks in A/R/R, 10. Teil/1, Rz. 35; Möhrenschlager, wistra 1982, 201, 206; Park in Kapitalmarktstrafrecht, § 264a Rz. 193; Perron in S/S-StGB, § 264a Rz. 33; Schmidt-Lademann, WM 1986, 1241, 1243; Tiedemann/Vogel in LK-StGB, § 264a Rz. 65. Bock in G/J/W, § 264a Rz. 60; Fischer, StGB, § 264a Rz. 20; Gercke in AnwK-StGB, § 264a Rz. 25; Hellmann in NK-StGB, § 264a Rz. 62; Hoyer in SK-StGB, § 264a Rz. 43; Joecks in A/R/R, 10. Teil/1, Rz. 84; Park in Kapitalmarktstrafrecht, § 264a Rz. 211; Tiedemann/Vogel in LK-StGB, § 264a Rz. 91; Wohlers/Mühlbauer in MüKo-StGB, § 264a Rz. 93. Duttge in HK-GS, § 264a StGB Rz. 21; Joecks in A/R/R, 10. Teil/1, Rz. 85; Park in Kapitalmarktstrafrecht, § 264a Rz. 213; Perron in S/S-StGB, § 264a Rz. 36.

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Saliger

Rz. 21 § 264a StGB

barer – Gebotsirrtum nach § 17 S. 1 vor.1 Da es sich bei den Tatbestandsmerkmalen der Vorteil- bzw. Nachteilhaftigkeit sowie der Erheblichkeit um normative Tatbestandsmerkmale handelt, muss der Täter für ein vorsätzliches Handeln neben der reinen Kenntnis dieser Elemente auch nach Laienart erkannt haben, dass sie für die Entscheidung des Anlegers von Bedeutung sind.2 Geht der Täter bei dem von ihm verwendeten Tatmittel fälschlicherweise von einem „richtigen“ Prospekt aus, so unterliegt er einem (strafbaren) Subsumtionsirrtum.3 Die irrige Annahme des Täters, er habe den Tatbestand des § 264a verwirklicht, führt mangels Versuchsstrafbarkeit (s. Rz. 21) zwar nicht zur Strafbarkeit wegen versuchten Kapitalanlagebetruges; möglich bleibt allerdings eine Strafbarkeit wegen untauglichen Betrugsversuches, §§ 263 Abs. 2, 22, 23.4 Für die Tatgerichte ergeben sich im Rahmen des subjektiven Tatbestandes regelmäßig Beweisschwierigkeiten, vor allem in Fällen, in denen der Täuschungshandlung eine unrichtige Prognose des Täters zugrunde liegt.5

C. Versuch und Vollendung, Täterschaft und Teilnahme Der Kapitalanlagebetrug ist bereits vollendet und zeitgleich auch beendet, wenn die unrichtigen vorteilhaften An- 21 gaben oder die nachteiligen Tatsachen dem Adressatenkreis zugegangen sind, wobei es auf eine tatsächliche Kenntnisnahme nicht ankommt.6 Denn Zugang bedeutet nur, dass die Informationen dergestalt in den Machtbereich der Adressaten gelangt sind, dass für diese die Möglichkeit zur Kenntnisnahme bestand.7 Dieser frühe Vollendungszeitpunkt erklärt auch die Straflosigkeit des Versuchs bei § 264a.8 Da die Tat kein Sonderdelikt ist, kann Täter jedermann sein.9 Als Täter in Betracht kommen insbesondere die für die Erarbeitung und den Inhalt eines Prospektes Verantwortlichen,10 aber auch Führungskräfte, wenn sie Arbeits- und Organisationsstrukturen ausnutzen, um wissentlich regelhafte Prozesse und Abläufe in Gang zu setzen, oder sie die ihnen unterstellten Mitarbeiter nicht ordnungsgemäß überwachen (mittelbarer Täter kraft Organisationsherrschaft/Geschäftsherrenhaftung).11 Zudem können Angehörige beratender Berufe, z.B. Rechtsanwälte, Täter i.S.d. § 264a sein, wenn sie tatsächlich Einfluss auf den Inhalt eines Prospekts genommen haben.12 Mittelbare Täterschaft jenseits der Organi-

1 Bock in G/J/W, § 264a Rz. 61; Bosch in S/S/W-StGB, § 264a Rz. 19; Duttge in HK-GS, § 264a StGB Rz. 21; Fischer, StGB, § 264a Rz. 20; Lackner in Lackner/Kühl, StGB, § 264a Rz. 15; Park in Kapitalmarktstrafrecht, § 264a Rz. 213; Perron in S/S-StGB, § 264a Rz. 36; Worms, wistra 1987, 271, 275. A.A. Hellmann in NK-StGB, § 264a Rz. 65, der die zweite Tathandlungsvariante für ein Begehungsdelikt hält. Differenzierend Wohlers/Mühlbauer in MüKo-StGB, § 264a Rz. 94. 2 Bock in G/J/W, § 264a Rz. 60; Bosch in S/S/W-StGB, § 264a Rz. 19; Duttge in HK-GS, § 264a StGB Rz. 21; Gercke in AnwK-StGB, § 264a Rz. 26; Joecks in A/R/R, 10. Teil/1, Rz. 85; Park in Kapitalmarktstrafrecht, § 264a Rz. 214; Stackmann, NJW 2013, 1985, 1986 f.; Tiedemann/Vogel in LK-StGB, § 264a Rz. 92; Wohlers/Mühlbauer in MüKo-StGB, § 264a Rz. 93. 3 Joecks in A/R/R, 10. Teil/1, Rz. 88; Park in Kapitalmarktstrafrecht, § 264a Rz. 215. 4 Hellmann in NK-StGB, § 264a Rz. 66. 5 Bock in G/J/W, § 264a Rz. 60; Gercke in AnwK-StGB, § 264a Rz. 25; Hellmann in NK-StGB, § 264a Rz. 63; Joecks in A/R/R, 10. Teil/1, Rz. 86 f., 89; Park in Kapitalmarktstrafrecht, § 264a Rz. 212. S. auch Tiedemann/Vogel in LK-StGB, § 264a Rz. 93. 6 OLG Köln v. 13.4.1999 – 2 Ws 97-98/99, NJW 2000, 598; Bosch in S/S/W-StGB, § 264a Rz. 20; Duttge in HK-GS, § 264a StGB Rz. 9; Fischer, StGB, § 264a Rz. 3; Gercke in AnwK-StGB, § 264a Rz. 27 f.; Hellmann in NK-StGB, § 264a Rz. 37; Joecks in A/R/R, 10. Teil/1, Rz. 95; Park in Kapitalmarktstrafrecht, § 264a Rz. 188; Perron in S/S-StGB, § 264a Rz. 37; Schröder/Bergmann in M/R-StGB, § 264a Rz. 39; Tiedemann/Vogel in LK-StGB, § 264a Rz. 84; Wittig, § 18 Rz. 7; Wohlers/Mühlbauer in MüKo-StGB, § 264a Rz. 101. Vgl. auch jüngst BGH v. 24.6.2014 – VI ZR 560/13, NZG 2014, 949, 951; BGH v. 12.5.2015 – VI ZR 108/14, NZG 2015, 1432, 1435. 7 Bosch in S/S/W-StGB, § 264a Rz. 21; Perron in S/S-StGB, § 264a Rz. 37. 8 Perron in S/S-StGB, § 264a Rz. 37; Tiedemann/Vogel in LK-StGB, § 264a Rz. 84, 96. 9 BT-Drucks. 10/318, S. 24; BGH v. 24.6.2014 – VI ZR 560/13, NZG 2014, 949, 951; BGH v. 12.5.2015 – VI ZR 108/14, NZG 2015, 1432, 1434; Bock in G/J/W, § 264a Rz. 68; Bosch in S/S/W-StGB, § 264a Rz. 23; Duttge in HK-GS, § 264a StGB Rz. 24; Fischer, StGB, § 264a Rz. 22; Gercke in AnwK-StGB, § 264a Rz. 29; Hellmann in NK-StGB, § 264a Rz. 68; Joecks in A/R/R, 10. Teil/1, Rz. 90; Joecks, wistra 1986, 142, 147 f.; Park in Kapitalmarktstrafrecht, § 264a Rz. 222; Perron in S/S-StGB, § 264a Rz. 38; Stackmann, NJW 2013, 1985, 1986; Tiedemann/Vogel in LK-StGB, § 264a Rz. 101; Wittig, § 18 Rz. 8; Wohlers/Mühlbauer in MüKo-StGB, § 264a Rz. 95. 10 Gercke in AnwK-StGB, § 264a Rz. 29; Schröder/Bergmann in M/R-StGB, § 264a Rz. 38; Wohlers/Mühlbauer in MüKoStGB, § 264a Rz. 95. Zum Strafbarkeitsrisiko im Zusammenhang mit Compliance-Verstößen s. Schockenhoff, NZG 2015, 409, 414. 11 BGH v. 2.11.2007 – 2 StR 384/07, NStZ 2008, 89; OLG Köln v. 26.8.1999 – 1 U 43/99, NZG 2000, 89; Bock in G/J/W, § 264a Rz. 69; Gercke in AnwK-StGB, § 264a Rz. 29; Wohlers/Mühlbauer in MüKo-StGB, § 264a Rz. 98. Die Anwendung der Figur der mittelbaren Täterschaft kraft Organisationsherrschaft (seit BGH v. 26.7.1994 – 5 StR 98/94, BGHSt 40, 218) auf Wirtschaftsstraftaten wird zu Recht stark kritisiert, s. statt vieler Mansdörfer, Zur Theorie des Wirtschaftsstrafrechts, 2011, S. 394. 12 Duttge in HK-GS, § 264a StGB Rz. 24; Gercke in AnwK-StGB, § 264a Rz. 29; Hellmann in NK-StGB, § 264a Rz. 71; Joecks, wistra 1986, 142, 147 f.; Otto, WM 1988, 729, 739; Perron in S/S-StGB, § 264a Rz. 38; Schröder/Bergmann in M/R-StGB, § 264a Rz. 38; Stackmann, NJW 2013, 1985, 1986; Tiedemann/Vogel in LK-StGB, § 264a Rz. 101; Wohlers/ Mühlbauer in MüKo-StGB, § 264a Rz. 74; Worms, wistra 1987, 271, 274. Vgl. auch BGH v. 20.9.2000 – 3 StR 88/00, WM 2000, 2357, 2358 f.

Saliger

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StGB

Kapitalanlagebetrug

StGB

§ 264a StGB Rz. 22

Strafgesetzbuch

sationsherrschaft kommt in Betracht, wenn sich der Täter gutgläubiger Dritter bedient.1 Zurechnungs- und Abgrenzungsprobleme ergeben sich schließlich häufig in Unternehmen mit arbeitsteiligen Strukturen,2 insbesondere im Rahmen von Gremienentscheidungen3 und der Frage nach der Strafbarkeit von berufstypischen Beihilfehandlungen.4

D. Tätige Reue (Absatz 3) 22

Um dem Täter im Hinblick auf den frühen Vollendungszeitpunkt der Tat (s. Rz. 21) gleichwohl die Möglichkeit der Rückkehr in die Legalität zu gestatten, hat der Gesetzgeber in Absatz 3 einen persönlichen Strafaufhebungsgrund in Form der tätigen Reue normiert.5 Da die Regeln des Rücktritts nur aufgrund der weiten Vorverlagerung der Strafbarkeit nicht greifen, die Motivation für die Straffreiheit aber letztlich die gleiche ist, lehnt sich die Ausgestaltung des Absatzes 3 an die des § 24 Abs. 1 an.6 Straffreiheit nach Abs. 3 S. 1 erlangt dementsprechend, wer freiwillig verhindert, dass aufgrund der Tat die durch den Erwerb oder die Erhöhung bedingte Leistung erbracht wird. Gleiches muss mangels Zurechnungszusammenhanges gelten, wenn der Täter nach der Zeichnung der Anlage falsche Angaben korrigiert oder nachteilige Angaben offenbart, und der Anleger die Leistung dennoch erbringt.7 Freiwillig handelt der Täter, wenn sein Entschluss zur Verhinderung der Tat – wie bei § 24 Abs. 1 – auf einer autonomen Willensentscheidung beruht.8 Unter Leistung ist die dingliche Vermögensverfügung des Anlegers zu verstehen, die dem schuldrechtlichen Geschäft (i.d.r. der Zeichnung der Anlage) zeitlich auch weit nachgelagert sein kann.9 Da die Eingehung der schuldrechtlichen Verpflichtung jedoch regelmäßig bereits einen vollendeten Eingehungsbetrug nach § 263 (s. § 263 StGB Rz. 200 ff.) darstellt, von dem der Täter nicht mehr zurücktreten kann, ist in solchen Fällen von einer Sperrwirkung des § 264a Abs. 3 für § 263 auszugehen, um die Vorschrift einerseits nicht ins Leere laufen zu lassen und andererseits allgemeine Normwidersprüche zu vermeiden (zum Parallelproblem bei § 265b s. § 265b StGB Rz. 18).10 Aus demselben Grund ist eine Sperrwirkung des Absatzes 3 für eine Strafbarkeit aus § 16 UWG anzunehmen.11 Haben sich an der Tat mehrere beteiligt, gelten die Grundsätze des § 24 Abs. 2 entsprechend.12 Im Falle des Ausbleibens der Leistungserbringung ohne Zutun des Täters (Abs. 3 S. 2) ist Straffreiheit – wie bei § 24 Abs. 1 S. 2 – dadurch zu erlangen, dass der Täter sich freiwillig und ernsthaft bemüht, das Erbringen der Leistung zu unterbinden.13

E. Konkurrenzen 23

Beim Zusammentreffen mehrerer Varianten des § 264a liegt nur eine Tat vor.14 Im Hinblick auf den doppelten Rechtsgüterschutz der Norm (s. Rz. 1) ist im Verhältnis zu § 263 entgegen dem BGH von Idealkonkurrenz aus1 Bock in G/J/W, § 264a Rz. 69; Duttge in HK-GS, § 264a StGB Rz. 24; Fischer, StGB, § 264a Rz. 22; Gercke in AnwKStGB, § 264a Rz. 29; Hellmann in NK-StGB, § 264a Rz. 68; Joecks in A/R/R, 10. Teil/1, Rz. 90; Park in Kapitalmarktstrafrecht, § 264a Rz. 223; Perron in S/S-StGB, § 264a Rz. 38; Wohlers/Mühlbauer in MüKo-StGB, § 264a Rz. 95. A.A. [unmittelbare Täterschaft] Bosch in S/S/W-StGB, § 264a Rz. 23. 2 Ausf. dazu Tiedemann/Vogel in LK-StGB, § 264a Rz. 102 ff. 3 Bock in G/J/W, § 264a Rz. 68 f. Zu der Frage der Strafbarkeit der Teilnehmer von Gremienentscheidungen s. Knauer, Die Kollegialentscheidung im Strafrecht, 2001. 4 Bock in G/J/W, § 264a Rz. 71; Bosch in S/S/W-StGB, § 264a Rz. 23; Duttge in HK-GS, § 264a StGB Rz. 24; Fischer, StGB, § 264a Rz. 22; Joecks in A/R/R, 10. Teil/1, Rz. 91; Park in Kapitalmarktstrafrecht, § 264a Rz. 222; Perron in S/S-StGB, § 264a Rz. 38; Schröder/Bergmann in M/R-StGB, § 264a Rz. 38; Wohlers/Mühlbauer in MüKo-StGB, § 264a Rz. 100. S. zur Problematik der Beihilfestrafbarkeit bei § 264a auch Stackmann, NJW 2013, 1985, 1987. 5 BT-Drucks. 10/318, S. 25; Bock in G/J/W, § 264a Rz. 64; Hellmann in NK-StGB, § 264a Rz. 72; Joecks in A/R/R, 10. Teil/1, Rz. 105; Möhrenschlager, wistra 1982, 201, 207; Park in Kapitalmarktstrafrecht, § 264a Rz. 216; Schröder/Bergmann in M/R-StGB, § 264a Rz. 40; Weber, NStZ 1986, 481, 485. 6 BT-Drucks. 10/318, S. 25; Duttge in HK-GS, § 264a StGB Rz. 23; Hellmann in NK-StGB, § 264a Rz. 75; Park in Kapitalmarktstrafrecht, § 264a Rz. 216; Weber, NStZ 1986, 481, 485. 7 Bock in G/J/W, § 264a Rz. 67; Hoyer in SK-StGB, § 264a Rz. 45; Joecks in A/R/R, 10. Teil/1, Rz. 111; Joecks, wistra 1986, 142, 148; Otto, WM 1988, 729, 739; Park in Kapitalmarktstrafrecht, § 264a Rz. 217; Perron in S/S-StGB, § 264a Rz. 40; Tiedemann/Vogel in LK-StGB, § 264a Rz. 97; Wohlers/Mühlbauer in MüKo-StGB, § 264a Rz. 106. 8 Hellmann in NK-StGB, § 264a Rz. 77; Joecks in A/R/R, 10. Teil/1, Rz. 106 ff.; Park in Kapitalmarktstrafrecht, § 264a Rz. 220; Perron in S/S-StGB, § 264a Rz. 40. 9 Bock in G/J/W, § 264a Rz. 65; Hoyer in SK-StGB, § 264a Rz. 40; Schröder/Bergmann in M/R-StGB, § 264a Rz. 40; Tiedemann/Vogel in LK-StGB, § 264a Rz. 97; Wohlers/Mühlbauer in MüKo-StGB, § 264a Rz. 103. 10 Str., wie hier: Park in Kapitalmarktstrafrecht, § 264a Rz. 218; Perron in S/S-StGB, § 264a Rz. 39; Schröder/Bergmann in M/R-StGB, § 264a Rz. 40; Tiedemann/Vogel in LK-StGB, § 264a Rz. 100. A.A. Duttge in HK-GS, § 264a StGB Rz. 23; Fischer, StGB, § 264a Rz. 21; Hellmann in NK-StGB, § 264a Rz. 74; Hoyer in SK-StGB, § 264a Rz. 47; Joecks in A/R/R, 10. Teil/1, Rz. 112; Lackner in Lackner/Kühl, StGB, § 264a Rz. 16; Wohlers/Mühlbauer in MüKo-StGB, § 264a Rz. 104. 11 Park in Kapitalmarktstrafrecht, § 264a Rz. 219. 12 Bock in G/J/W, § 264a Rz. 67; Hellmann in NK-StGB, § 264a Rz. 80; Park in Kapitalmarktstrafrecht, § 264a Rz. 216; Tiedemann/Vogel in LK-StGB, § 264a Rz. 99. Krit. Joecks in A/R/R, 10. Teil/1, Rz. 110. 13 Park in Kapitalmarktstrafrecht, § 264a Rz. 221; Tiedemann/Vogel in LK-StGB, § 264a Rz. 100; Wohlers/Mühlbauer in MüKo-StGB, § 264a Rz. 105. 14 Bosch in S/S/W-StGB, § 264a Rz. 24; Gercke in AnwK-StGB, § 264a Rz. 32; Park in Kapitalmarktstrafrecht, § 264a Rz. 225; Wohlers/Mühlbauer in MüKo-StGB, § 264a Rz. 107. Differenzierend Bock in G/J/W, § 264a Rz. 74; Tiedemann/ Vogel in LK-StGB, § 264a Rz. 109.

592

Saliger

§ 265 StGB

zugehen.1 Mit § 264a idealiter konkurrieren können überdies § 2662 sowie §§ 38 Abs. 2 i.V.m. 39 Abs. 1, 20a WpHG,3 §§ 49 i.V.m. 26 BörsG4 und §§ 23, 61 BörsG.5 Gegenüber § 16 UWG ist § 264a lex specialis.6

F. Rechtsfolgen, Verjährung und Zuständigkeit Bei Rechtsfolgen von Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe verjährt die Tat in fünf Jahren (§ 78 24 Abs. 3 Nr. 4). Da § 264a ein sog. Presseinhaltsdelikt ist,7 gehen aber grundsätzlich die kürzeren Verjährungsfristen der Landepressegesetze vor.8 Jedoch enthalten viele dieser Landesgesetze Ausnahmeregelungen für gewerbliche Druckschriften,9 worunter auch Prospekte i.S.d. § 264a fallen,10 mit der Konsequenz, dass die strafrechtliche Verjährungsfrist weiter gilt.11 Die Verjährung beginnt mit der Beendigung der Tat (§ 78a S. 1), die bei § 264a sehr früh mit dem Zugang der tatbestandsrelevanten Angaben (s. Rz. 21) gegenüber einem größeren Personenkreis anzusetzen ist.12 Nach § 74c Abs. 1 Nr. 5 GVG fällt die Aburteilung des Kapitalanlagebetruges in den Zuständigkeitsbereich der Wirtschaftsstrafkammer vor dem LG. Für die Strafzumessung können insbesondere die konkrete Ausgestaltung der Werbeträger, die Höhe eines tatsächlich eingetretenen Schadens oder einer Vermögensgefährdung sowie eine u.U. vorhandene Bereicherungsabsicht Bedeutung erlangen.13

§ 265 Versicherungsmißbrauch (1) Wer eine gegen Untergang, Beschädigung, Beeinträchtigung der Brauchbarkeit, Verlust oder Diebstahl versicherte Sache beschädigt, zerstört, in ihrer Brauchbarkeit beeinträchtigt, beiseite schafft oder einem anderen überläßt, um sich oder einem Dritten Leistungen aus der Versicherung zu verschaffen, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft, wenn die Tat nicht in § 263 mit Strafe bedroht ist. (2) Der Versuch ist strafbar.

1 Str., wie hier: Bock in G/J/W, § 264a Rz. 75; Bosch in S/S/W-StGB, § 264a Rz. 24; Cerny, MDR 1987, 271, 278; Duttge in HK-GS, § 264a StGB Rz. 25; Gercke in AnwK-StGB, § 264a Rz. 33; Hoyer in SK-StGB, § 264a Rz. 48; Mutter, NStZ 1991, 421, 422; Otto, WM 1988, 729, 739; Park in Kapitalmarktstrafrecht, § 264a Rz. 225; Perron in S/S-StGB, § 264a Rz. 41; Schröder/Bergmann in M/R-StGB, § 264a Rz. 44; Tiedemann/Vogel in LK-StGB, § 264a Rz. 110; Wittig, § 18 Rz. 41; Wohlers/Mühlbauer in MüKo-StGB, § 264a Rz. 108. A.A. [§ 264a ist subsidiär] BGH v. 20.9.2000 – 3 StR 88/00, WM 2000, 2357; Hellmann in NK-StGB, § 264a Rz. 82; Joecks in A/R/R, 10. Teil/1, Rz. 113; Joecks, wistra 1986, 142, 148; Knauth, NJW 1987, 32; Lackner in Lackner/Kühl, StGB, § 264a Rz. 17; Worms, wistra 1987, 271, 275. 2 Bock in G/J/W, § 264a Rz. 76; Duttge in HK-GS, § 264a StGB Rz. 25; Hellmann in NK-StGB, § 264a Rz. 86; Park in Kapitalmarktstrafrecht, § 264a Rz. 226; Wohlers/Mühlbauer in MüKo-StGB, § 264a Rz. 108. A.A. [Subsidiarität] Knauth, NJW 1987, 28, 32. 3 Bock in G/J/W, § 264a Rz. 76; Bosch in S/S/W-StGB, § 264a Rz. 24; Fischer, StGB, § 264a Rz. 24; Gercke in AnwK-StGB, § 264a Rz. 33; Hellmann in NK-StGB, § 264a Rz. 83; Hoyer in SK-StGB, § 264a Rz. 49; Joecks in A/R/R, 10. Teil/1, Rz. 114; Lackner in Lackner/Kühl, StGB, § 264a Rz. 17; Park in Kapitalmarktstrafrecht, § 264a Rz. 225; Schröder/Bergmann in M/R-StGB, § 264a Rz. 44; Tiedemann/Vogel in LK-StGB, § 264a Rz. 111; Wittig, § 18 Rz. 42; Wohlers/Mühlbauer in MüKo-StGB, § 264a Rz. 110. A.A. [§ 264a lex specialis] Duttge in HK-GS, § 264a StGB Rz. 25; Perron in S/S-StGB, § 264a Rz. 41. 4 Gercke in AnwK-StGB, § 264a Rz. 33; Hellmann in NK-StGB, § 264a Rz. 84; Perron in S/S-StGB, § 264a Rz. 41; Tiedemann/Vogel in LK-StGB, § 264a Rz. 111; Wohlers/Mühlbauer in MüKo-StGB, § 264a Rz. 110. 5 Bock in G/J/W, § 264a Rz. 76; Duttge in HK-GS, § 264a StGB Rz. 25; Fischer, StGB, § 264a Rz. 24; Park in Kapitalmarktstrafrecht, § 264a Rz. 225. 6 BT-Drucks. 10/318, S. 22; Bock in G/J/W, § 264a Rz. 76; Bosch in S/S/W-StGB, § 264a Rz. 24; Duttge in HK-GS, § 264a StGB Rz. 25; Gercke in AnwK-StGB, § 264a Rz. 33; Hellmann in NK-StGB, § 264a Rz. 85; Hoyer in SK-StGB, § 264a Rz. 49; Park in Kapitalmarktstrafrecht, § 264a Rz. 225; Perron in S/S-StGB, § 264a Rz. 41; Tiedemann/Vogel in LK-StGB, § 264a Rz. 113. A.A. [Tateinheit] Joecks in A/R/R, 10. Teil/1, Rz. 114; Schröder/Bergmann in M/R-StGB, § 264a Rz. 44; Wittig, § 18 Rz. 43; Wohlers/Mühlbauer in MüKo-StGB, § 264a Rz. 108. 7 BGH v. 21.12.1994 – 2 StR 628/94, BGHSt 40, 385, 387. 8 Tiedemann/Vogel in LK-StGB, § 264a Rz. 126; Worms, wistra 1987, 271, 275. S. dazu auch Saliger in NK-StGB, § 78 Rz. 18 ff. 9 Nur das BayPrG enthält keine Ausnahmeregelung; s. dazu LG Augsburg v. 11.9.2003 – 3 KLs 502 Js 127369/00, wistra 2004, 75 m. krit. Anmerkung Pananis/Frings, wistra 2004, 238. 10 BGH v. 21.12.1994 – 2 StR 628/94, BGHSt 40, 385. 11 Bock in G/J/W, § 264a Rz. 72; Fischer, StGB, § 264a Rz. 23; Gercke in AnwK-StGB, § 264a Rz. 34; Hellmann in NKStGB, § 264a Rz. 87; Lackner in Lackner/Kühl, StGB, § 264a Rz. 17; Park in Kapitalmarktstrafrecht, § 264a Rz. 224; Perron in S/S-StGB, § 264a Rz. 41; Schröder/Bergmann in M/R-StGB, § 264a Rz. 46; Tiedemann/Vogel in LK-StGB, § 264a Rz. 126; Wohlers/Mühlbauer in MüKo-StGB, § 264a Rz. 111. Zum Ganzen auch ausf. Joecks in A/R/R, 10. Teil/1, Rz. 100 ff. 12 OLG Köln v. 13.4.1999 – 2 Ws 97-98/99, NJW 2000, 598; Bock in G/J/W, § 264a Rz. 73; Joecks in A/R/R, 10. Teil/1, Rz. 95; Park in Kapitalmarktstrafrecht, § 264a Rz. 224; Schröder/Bergmann in M/R-StGB, § 264a Rz. 46; Wohlers/Mühlbauer in MüKo-StGB, § 264a Rz. 111. Vgl. auch Tiedemann/Vogel in LK-StGB, § 264a Rz. 126, die zw. den beiden Tathandlungsvarianten differenzieren. A.A. Duttge in HK-GS, § 264a StGB Rz. 26; Hellmann in NK-StGB, § 264a Rz. 88. 13 Bock in G/J/W, § 264a Rz. 77; Park in Kapitalmarktstrafrecht, § 264a Rz. 227 f.

Saliger

593

StGB

Versicherungsmißbrauch

StGB

§ 265 StGB Rz. 1

Strafgesetzbuch

A. Grundsätzliches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Voraussetzungen I. Objektiver Tatbestand 1. Tatobjekt: Versicherte Sache . . . . . . . . . . . . 2. Tathandlungen a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die einzelnen Tathandlungen aa) Beschädigen, Zerstören, Beeinträchtigung der Brauchbarkeit . . . . . . . .

...

1

...

3

...

6

...

8

II. C. D. E.

bb) Beiseiteschaffen . . . . . . . . . . cc) Überlassen . . . . . . . . . . . . . Subjektiver Tatbestand . . . . . . . . . . . . Versuch und Vollendung; Tätige Reue Täterschaft und Teilnahme . . . . . . . . Konkurrenzen und Rechtsfolgen . . . .

. . . . . .

. . . . . .

. . . . . .

. . . . . .

. . . . . .

9 11 13 14 15 16

Literatur (Auswahl): Bröckers, Versicherungsmissbrauch (§ 265 StGB), 1999; Bussmann, Konservative Anmerkungen zur Ausweitung des Strafrechts nach dem Sechsten Strafrechtsreformgesetz, StV 1999, 613; Engemann, Die Regelung des Versicherungsmissbrauchs (§ 265 StGB) nach dem 6. Strafrechtsreformgesetz, 2001; Geppert, Versicherungsmißbrauch (§ 265 StGB n.F.), JURA 1998, 382; Hörnle, Die wichtigsten Änderungen des Besonderen Teils des StGB durch das 6. Gesetz zur Reform des Strafrechts, JURA 1998, 169; Klipstein, § 265 StGB, in: Schlüchter (Hrsg.), Bochumer Erläuterungen zum 6. Strafrechtsreformgesetz, 1998, 85; Krämer, Volkssport Versicherungsbetrug, zfs 2015, 241; Krets, Strafrechtliche Erfassung des Versicherungsmißbrauchs und des Versicherungsbetrugs nach dem 6. Strafrechtsreformgesetz, 2001; Lindenau, Die Betrugsstrafbarkeit des Versicherungsnehmers aus strafrechtlicher und kriminologischer Sicht, 2005; Mitsch, Die Vermögensdelikte im Strafgesetzbuch nach dem 6. Strafrechtsreformgesetz, ZStW 111 (1999), 65; Papamoschou/Bung, § 265 StGB – Eine legislative Entgleisung, in: Institut für Kriminalwissenschaften und Rechtsphilosophie Frankfurt a.M. (Hrsg.), Irrwege der Strafgesetzgebung, 1999, 142; Rönnau, Der neue Straftatbestand des Versicherungsmißbrauchs – eine wenig geglückte Gesetzesregelung, JR 1998, 241; Roxin, Was darf der Gesetzgeber unter Strafe stellen?, FS Marinucci, 2006, 715; Rzepka, Der neue Straftatbestand des Versicherungsmißbrauchs (§ 265 StGB), in: Institut für Kriminalwissenschaft und Rechtsphilosophie a.a.O., 1999, S. 271; R. Schröder, Versicherungsmissbrauch – § 265 StGB, 2000; Schüll, Die Strafbarkeit von Versicherungsnehmer und Versicherungsvermittler nach dem Strafgesetzbuch, 2011; Weber, Die strafrechtliche Erfassung des Versicherungsmißbrauchs nach dem 6. Strafrechtsreformgesetz, FS Baumann, 1999, S. 345; Wirth, Zur Notwendigkeit des strafrechtlichen Schutzes des Privatversicherungswesens durch Sondernormen, 2004; C. Wolff, Die Neuregelung des Versicherungsmißbrauchs (§ 265, § 263 Abs. 3 S. 2 Nr. 5 StGB), 2000; Zopfs, Erfordert der Schutz des Versicherers den strafrechtlichen Tatbestand des Versicherungsmisbrauchs (§ 265 StGB)?, VersR 1999, 265.

A. Grundsätzliches 1

Die Vorschrift stellt den vorsätzlichen vollendeten (Absatz 1) und versuchten (Absatz 2) Missbrauch von Sachversicherungen unter Strafe. Sie ist 1998 durch das 6. StrRG1 auf Anregung des Bundesrates2 kurzfristig an die Stelle von § 265 a.F. (Versicherungsbetrug), dessen Regelungsgehalt teilweise in § 263 Abs. 3 Nr. 5 aufgenommen wurde (s. § 263 StGB Rz. 288 ff.), eingefügt worden. Kriminalpolitische Motive waren die Ermöglichung einer wirksamen „Bekämpfung“ internationaler Kfz-Schiebereien und die Behebung der bereits seit Längerem kritisierten Unzulänglichkeiten des Verbrechenstatbestandes des Versicherungsbetrugs, der in der Beschränkung auf Feuerund Schiffsversicherungen, bestimmte Tathandlungen und ein Handeln in betrügerischer Absicht als wenig effektiv galt.3 Die Neufassung lehnt sich weitgehend an § 256 Abs. 2 StGB-E 1962 an.4 Allerdings wurden die dort geschützten Personenversicherungen (Unfall- und Krankenversicherung) nicht einbezogen, während die Tathandlung des Überlassens zur Erfassung der Kfz-Schiebereien hinzugefügt wurde.5 Die Vorschrift hat eine doppelte dogmatische Funktion: Zum einen bezweckt sie eine Vorverlagerung der Strafbarkeit im Bereich des Versicherungsbetrugs. Zum anderen markiert sie einen gegenüber dem Betrug selbständigen Tatbestand des Versicherungsmissbrauchs insofern, als sie durch die Aufgabe des Handelns in betrügerischer Absicht auch Handlungen versicherungsfremder Dritter kriminalisiert.6 Rechtsgut ist allein das Vermögen der Sachversicherer, nicht auch die soziale Leistungsfähigkeit des Versicherungswesens, die allenfalls Schutzreflex ist.7 Dafür sprechen die formelle

1 Art. 1 Nr. 61; BGBl. I, S. 164. 2 BT-Drucks. 13/8587, S. 65. 3 Vgl. BT-Drucks. 13/8587, S. 65; 13/9064, S. 19. Zur Kritik an § 265 a.F.: Weber, FS Baumann, 1999, S. 347 ff.; Schröder Versicherungsmissbrauch, 2000, S. 82 ff. m.w.N. 4 BT-Drucks. IV 650, S. 427, 697, 708. 5 BT-Drucks. 13/9064, S. 19. Zur Genese Zopfs, VersR 1999, 266 ff.; Engemann, Regelung, 2001, S. 37 ff. 6 So der Wille des Gesetzgebers in BT-Drucks. 13/9064, S. 19 f. 7 Sehr str., wie hier: Hellmann in NK-StGB, § 265 Rz. 15; Hoyer in SK-StGB, § 265 Rz. 5 ff.; Kindhäuser, LPK, § 265 Rz. 1; Saliger in S/S/W-StGB, § 265 Rz. 1; Gaede in M/R-StGB, § 265 Rz. 1; Rengier, BT I, § 15 Rz. 2; Geppert, Jura 1998, 383; Bussmann, StV 1999, 617; Bröckers, Versicherungsmissbrauch, 1999, S. 94 f.; Engemann, Regelung, 2001, S. 69; Wirth, Notwendigkeit, 2004, S. 51, 55. A.A. – Vermögen und Leistungsfähigkeit des Versicherungswesens als gleichrangige Rechtsgüter – die wohl (noch) überwiegende Auffassung: Kühl in Lackner/Kühl, StGB, § 265 Rz. 1; Perron in S/S-StGB, § 265 Rz. 2; Wessels/Hillenkamp, Rz. 656; Klipstein in Schlüchter, BE, 1998, S. 85; Rönnau, JR 1998, 442, 445; Zopfs, VersR 1999, 268; Weber, FS Baumann, S. 354; Krets, Strafrechtliche Erfassung, 2001, S. 28; Sackreuther in G/J/W, § 265 Rz. 3. Allein auf den Schutz des Versicherungswesens stellen ab Wohlers/Mühlbauer in MüKo-StGB, § 265 Rz. 4; Duttge in HK-GS, § 265 Rz. 1; Tiedemann in LK-StGB, § 265 Rz. 4; Otto, BT § 61 Rz. 1.

594

Saliger

Rz. 4 § 265 StGB

Subsidiarität zu § 263,1 die abgesenkte Strafdrohung und der notwendige Vermögens(mit)bezug des Schutzes des Versicherungswesens als Institution.2 § 265 ist in seinem nicht auf den Schutz inländischer Rechtsgüter beschränkten3 Vermögensbezug abstraktes 2 Gefährdungsdelikt, da er bereits mit der Einwirkung auf die versicherte Sache in Leistungsverschaffungsabsicht vollendet ist.4 Die formelle Subsidiarität zu § 263 macht die Vorschrift zugleich in spezifischem Umfang (Rz. 16) zum Auffangtatbestand.5 Ihre kriminalpolitische Bedeutung erscheint wohl infolge zunehmender Selbstschutzmaßnahmen der Versicherer beim Kfz-Diebstahl stark rückläufig.6 Die PKS erfasst für 2015 129 Fälle (2014: 120; 2009: 300; 2004: 11743) bei einer Aufklärungsquote von 96,9 % (2014: 98,8 %).7 Der Gesamtschaden belief sich 2015 auf 785 146 Euro, was gegenüber dem Vorjahr zwar einen Anstieg (2014: ca. 513 000 Euro),8 gemessen an den Zahlen in 2009 und 2010 (ca. 1,76 Mio. bzw. 967 000 Euro)9 jedoch einen erheblichen Rückgang bedeutet. Die Verurteilungsstatistik weist für 2013 182 Fälle aus (2012: 179).10 Die Dunkelziffer wird als hoch bis sehr hoch eingestuft.11 Wegen seiner weitreichenden Erfassung von Vorfeldhandlungen gilt § 265 als verfassungsrechtlich und kriminalpolitisch hochproblematisch.12 De lege lata verpflichtet die weite Einbeziehung von Vorfeldhandlungen den Rechtsanwender zu einer restriktiven Auslegung.13

B. Voraussetzungen I. Objektiver Tatbestand 1. Tatobjekt: Versicherte Sache Tatobjekt sind alle Sachen, die gegen Untergang, Beschädigung, Beeinträchtigung der Brauchbarkeit usw. ver- 3 sichert sind. Sachen meint alle körperlichen Gegenstände einschließlich der Tiere ohne Rücksicht auf Beweglichkeit, Wert und Eigentumsverhältnisse, sodass § 265 auch vom Eigentümer der Sache begangen werden kann.14 Die Sache muss versichert sein. Das ist nach h.M. der Fall, wenn ein förmlicher Versicherungsvertrag zustande 4 gekommen und dieser nicht rechtsgeschäftlich wieder aufgehoben worden ist. Ob der Vertrag nichtig (z.B. wegen Überversicherung gem. § 74 Abs. 2 VVG) oder anfechtbar ist, soll ebenso wenig beachtlich sein wie ein Leistungsverweigerungsrecht des Versicherers, etwa wegen Nichtzahlung der Erstprämie gem. § 37 Abs. 2 VVG oder Zahlungsverzugs bei der Folgeprämie gem. § 38 Abs. 2 VVG.15 Nach einer schon zu § 265 a.F. vertretenen16 und im Vordringen begriffenen Gegenansicht ist eine Sache zumindest dann nicht versichert, wenn die Versicherung die Leistung verweigern kann.17 Zustimmung verdient die Gegenansicht. Zwar ist der h.M. zuzugeben, dass sich bei Bestehen eines förmlichen Versicherungsvertrages trotz fehlender Leistungspflicht dem Wortsinn nach von einer „versicherten Sache“ sprechen lässt.18 Doch ist mangels abstrakter Vermögensgefahr der Schutzzweck des § 265 (Rz. 1) nicht berührt, wenn für den Versicherer die Nichtleistungspflicht offenkundig ist und daher wegen hinreichender Selbstschutzmöglichkeiten kein Schutzbedürfnis besteht. Das ist bei Nichtzahlung von Prämien regel1 A.A. Weber, FS Baumann, S. 354. 2 Kindhäuser, LPK, § 265 Rz. 1; Hellmann in NK-StGB, § 265 Rz. 15; Hoyer in SK-StGB, § 265 Rz. 6 f.; Wirth, Notwendigkeit, 2004, S. 55. 3 Vgl. BGH v. 3.5.1993 – 5 StR 688/92, wistra 1993, 224, 225 zu § 265 a.F. 4 Fischer, StGB, § 265 Rz. 2; Hellmann in NK-StGB, § 265 Rz. 16; auch Wohlers/Mühlbauer in MüKo-StGB, § 265 Rz. 5. 5 Klipstein in Schlüchter, BE, 1998, S. 85; Geppert, Jura 1998, 383; Rönnau, JR 1998, 442. 6 Vgl. Fischer, StGB, § 265 Rz. 2. 7 PKS 2015, IMK-Kurzbericht, S. 93; PKS 2009, Tab. 07, S. 31. 8 PKS 2015, Tab. 07, Z 350; PKS 2014, Tab. 07. 9 PKS 2010, Tab. 07, S. 9; PKS 2009, Tab. 07, S. 31. 10 Statistisches Bundesamt Fachserie 10: Rechtspflege Strafverfolgung, Reihe 3 2013 (2015), S. 39 bzw. 2012 (2014), S. 37. 11 Wirth, Notwendigkeit, 2004, S. 37 f.; Schröder, Versicherungsmissbrauch, 2000, S. 41 ff. 12 Wohlers/Mühlbauer in MüKo-StGB, § 265 Rz. 7: Verstoß gegen Subsidiaritätsprinzip; Roxin, FS Marinucci, 2006, S. 734: illegitime Vorverlagerung; Rönnau, JR 1998, 446: Nähe zum Gesinnungsstrafrecht; Papamoschou/Bung, IfKuR 1999, 241: legislative Entgleisung; Rzepka, ebenda, 284: illegitimes Strafrecht; Schröder Versicherungsmissbrauch, 2000, S. 203 f. Krit. ferner Perron in S/S-StGB, § 265 Rz. 1; Hörnle, Jura 1998, 176; Geppert, Jura 1998, 386. Für Streichung Zopfs, VersR 1999, 273; Krets, Strafrechtliche Erfassung, 2001, S. 60, 112; Wirth, Notwendigkeit, 2004, S. 328, 332. Legitimät bejahen Hellmann in NK-StGB, § 265 Rz. 12; Bröckers, Versicherungsmissbrauch, 1999, S. 167. Neutral: Kühl in Lackner/Kühl, StGB, § 265 Rz. 1; Hoyer in SK-StGB, § 265 Rz. 1 ff. 13 Geppert, Jura 1998, 386; Engemann, Regelung, 2001, S. 240; Schröder, Versicherungsmissbrauch, 2000, S. 204. 14 Kühl in Lackner/Kühl, StGB, § 265 Rz. 2; Hoyer in SK-StGB, § 265 Rz. 8; Wohlers/Mühlbauer in MüKo-StGB, § 265 Rz. 11; Hellmann in NK-StGB, § 265 Rz. 18. 15 BGH v. 1.12.1955 – 3 StR 399/55, BGHSt 8, 343, 344 f.; BGH v. 20.4.1988 – 2 StR 88/88, BGHSt 35, 261 ff.; Kühl in Lackner/Kühl, StGB, § 265 Rz. 2; Fischer, StGB, § 265 Rz. 3; Wessels/Hillenkamp, Rz. 657; Geppert, Jura 1998, 384; Schröder, Versicherungsmissbrauch, 2000, S. 122; Engemann, Regelung, 2001, S. 88; Krets, Strafrechtliche Erfassung, 2001, S. 79. 16 Vgl. Tiedemann in LK-StGB, § 265 Rz. 10. 17 Perron in S/S § 265 Rz. 6; Hellmann in NK-StGB, § 265 Rz. 21; Kindhäuser, LPK, § 265 Rz. 3; Saliger in S/S/W-StGB, § 265 Rz. 4. Weiter – auch offenkundige Nichtigkeit – Hoyer in SK-StGB, § 265 Rz. 10 f.; Wohlers/Mühlbauer in MüKoStGB, § 265 Rz. 13; Gaede in M/R-StGB, § 265 Rz. 2; Wirth, Notwendigkeit, 2004, S. 180 f., 183. 18 BGH v. 20.4.1988 – 2 StR 88/88, BGHSt 35, 261, 262 f.

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Versicherungsmißbrauch

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Strafgesetzbuch

mäßig der Fall, da der Versicherer diese vor Leistung prüft, gilt jedoch nicht für das Vorliegen von Nichtigkeitsgründen. Auch wenn das Bestehen eines Leistungsanspruchs nach Wegfall der „betrügerischen Absicht“ durch die Neufassung keine Strafbarkeitsvoraussetzung des § 265 mehr ist, bleibt doch Raum für eine rechtsgutsbezogene Einschränkung in den Fällen, in denen eine Leistungspflicht des Versicherers und damit eine Vermögensgefahr ausgeschlossen ist.1 5

Die Sache muss gegen Untergang, Beschädigung, Beeinträchtigung der Brauchbarkeit, Verlust oder Diebstahl versichert sein. Das beurteilt sich nach dem Versicherungsrecht.2 Obgleich die strafrechtliche Terminologie mit der versicherungsrechtlichen nur teilweise übereinstimmt, lassen sich die typischen Versicherungsrisiken der Substanz- (Beschädigung, Untergang) und Entziehungsschäden (Verlust, Diebstahl) erfassen.3 Die genannten Beeinträchtigungen müssen einzeln oder zusammen das durch die Versicherung abgedeckte Schadensrisiko ausmachen. Andere als die aufgeführten Beeinträchtigungen, insbesondere Folgerisiken, sind nicht erfasst.4 Bei gekoppelten oder verbundenen Versicherungen genügt die Einbeziehung einer der Sachversicherungen.5 Selbstbehalte ändern an dem Vorliegen einer versicherten Sache nichts (zur Auswirkung bei den Tathandlungen unten Rz. 7).6 Etwas anderes gilt für Einzelgegenstände innerhalb von Versicherungen von Sachgesamtheiten, die aus dem Versicherungsvertrag ausgenommen sind.7 2. Tathandlungen a) Allgemeines

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§ 265 soll Lücken schließen, die § 265 a.F. mit der Bestrafung allein der betrügerischen Verursachung des Versicherungsfalls offengelassen hatte.8 Dazu hat § 265 die alten Handlungsbeschreibungen (Inbrandsetzen, Sinken bzw. Strandenmachen) aufgegeben und die Tathandlungen erweitert (Rz. 8–12). Dass der Gesetzgeber damit eine möglichst lückenlose Kriminalisierung denkbarer Formen des Versicherungsmissbrauchs angestrebt hat,9 ergibt sich so weder aus den Materialien noch trifft es tatsächlich zu.10 Zweifelsfrei ist nur, dass mit Blick auf die bislang unzureichende Erfassung kollusiver Kfz-Verschiebungen Lückenschließung bezweckt wurde.11 Tatsächlich bietet auch § 265 bei Sachversicherungen keinen umfassenden Schutz vor allen Erscheinungsformen des Versicherungsmissbrauchs. Zwar erfasst die Vorschrift vollständig die vorsätzliche Herbeiführung des Schadensfalls, jedoch nur teilweise die Schadensfallvortäuschung (durch Beiseiteschaffen, Überlassen) und vereinzelt die Schadensfallausnutzung. Nicht erfasst sind vor allem die nicht direkt auf die versicherte Sache einwirkenden Manipulationen wie Schaffung einer Täuschungsbasis durch Legen falscher Spuren,12 betrügerische Schadensliquidation und betrügerische Vertragsgestaltung oder die Diebstahlsvortäuschung eines schrottreifen, lediglich auf dem Papier zugelassenen Fahrzeugs, die allein § 263 sanktioniert.13

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Gemeinsam ist allen Tathandlungen des § 265, dass sie geeignet sein müssen, den Versicherungsfall auszulösen.14 Daran fehlt es, wenn die Tathandlung kein versichertes Risiko berührt wie die Beschädigung im Rahmen des Selbstbehalts15 oder der von einem Dritten herbeigeführte Substanzschaden an einem Kfz, das nur gegen Unfallschäden durch den Inhaber vollkaskoversichert ist.16 Da § 265 mit seiner weiten Vorfeldkriminalisierung tief in die Lebensführung des Versicherungsnehmers eingreift und vom Wortlaut her bei Vorliegen der Leistungsver-

1 Wirth, Notwendigkeit, 2004, S. 182; Perron in S/S-StGB, § 265 Rz. 6; Saliger in S/S/W-StGB, § 265 Rz. 4; a.A. Geppert, Jura 1998, 384; Schröder, Versicherungsmissbrauch, 2000, S. 122. 2 Wirth, Notwendigkeit, 2004, S. 168. 3 Perron in S/S-StGB, § 265 Rz. 5; Hoyer in SK-StGB, § 265 Rz. 12; Hellmann in NK-StGB, § 265 Rz. 19; Bröckers, Versicherungsmissbrauch, 1999, S. 116 ff.; Wirth, Notwendigkeit, 2004, S. 168 ff. 4 Vgl. BGH v. 25.10.1983 – 1 StR 682/83, BGHSt 32, 137, 138 f. m. Anm. Keller, JR 1984, 434: Betriebsunterbrechungsentschädigung kein durch Feuer-Inventarversicherung abgedecktes Schadensrisiko; Fischer, StGB, § 265 Rz. 3; Engemann, Regelung, 2001, S. 95 f. 5 Vgl. BGH v. 24.8.1988 – 2 StR 324/88, BGHSt 35, 325, 326 f.; Kühl in Lackner/Kühl, StGB, § 265 Rz. 2; Engemann, Regelung, 2001, S. 94 f. 6 Tiedemann in LK-StGB, § 265 Rz. 12; Wirth, Notwendigkeit, 2004, S. 183. 7 Tiedemann in LK-StGB, § 265 Rz. 12; Wohlers/Mühlbauer in MüKo-StGB, § 265 Rz. 14; Wirth, Notwendigkeit, 2004, S. 183; Engemann, Regelung, 2001, S. 96. 8 BT-Drucks. 13/9064, S. 19. 9 Hellmann in NK-StGB, § 265 Rz. 23; ihm folgend Duttge in HK-GS, § 265 Rz. 6; vgl. auch Wirth, Notwendigkeit, 2004, S. 164 f., 227. 10 Saliger in S/S/W-StGB, § 265 Rz. 6. 11 BT-Drucks. 13/9064, S. 19. 12 Krit. Zopfs, VersR 1999, 270; Schröder, Versicherungsmissbrauch, 2000, S. 151 f. 13 Zust. Schröder, Versicherungsmissbrauch, 2000, S. 152 ff., 154. Krit. Zopfs, VersR 1999, 270; Krets, Strafrechtliche Erfassung, 2001, S. 35 ff., 38; Wirth, Notwendigkeit, 2004, S. 225 ff., 227. 14 BT-Drucks. 13/9064, S. 19; Hellmann in NK-StGB, § 265 Rz. 23; Wohlers/Mühlbauer in MüKo-StGB, § 265 Rz. 15; Hoyer in SK-StGB, § 265 Rz. 14 f.; Geppert, Jura 1998, 384. 15 Wohlers/Mühlbauer in MüKo-StGB, § 265 Rz. 15; Bröckers, Versicherungsmissbrauch, 1999, S. 122 ff. 16 Hoyer in SK-StGB, § 265 Rz. 15.

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Rz. 9 § 265 StGB

schaffungsabsicht auch sozial unauffälliges bzw. relativ harmloses Verhalten erfasst,1 ist zudem einschränkend für alle Tathandlungen eine objektive Manifestation der Leistungsverschaffungsabsicht in dem auf die Sache einwirkenden Verhalten dergestalt zu verlangen, dass die Sache erkennbar aus ihrem normalen Gebrauch herausgenommen wird (fehlende Sozialadäquanz).2 Unerheblich ist, dass das missbräuchliche Verhalten die Leistungspflicht des Versicherers gem. § 81 VGG ausschließt.3 Nach h.M. sind alle Tathandlungen auch durch Unterlassen begehbar (Bsp.: Der Versicherungsnehmer unterlässt es, den ohne sein Zutun in seinem Haus entstandenen Brand zu löschen), wobei die Garantenstellung sich aus dem Versicherungsvertrag und/oder aus Obliegenheiten des VVG (z.B. §§ 23, 81, 82) ergeben soll.4 b) Die einzelnen Tathandlungen aa) Beschädigen, Zerstören, Beeinträchtigung der Brauchbarkeit Beschädigen und Zerstören haben grundsätzlich die gleiche Bedeutung wie bei § 303.5 Beschädigen bezeichnet 8 danach jede körperliche Einwirkung auf die Sache, die entweder zu einer nicht unerheblichen Substanzverletzung und/oder zu einer nachhaltigen Minderung der bestimmungsgemäßen Brauchbarkeit und/oder zu einer belangreichen Veränderung der äußeren Erscheinung führt.6 Zerstören bedeutet die Vernichtung der Substanz und/oder die vollständige Aufhebung der bestimmungsgemäßen Brauchbarkeit der Sache.7 Zu beachten ist, dass die Tathandlungen geeignet sein müssen, den Versicherungsfall auszulösen (Rz. 7). Deshalb ist eine Sache mit Eintritt des Schädigungserfolgs nach § 303 nur dann auch „beschädigt“ i.S.d. § 265, wenn der Schädigungserfolg gem. § 303 nach Art und Umfang unter das versicherte Risiko fällt.8 Da Brauchbarkeitsminderungen gegenwärtig von Sachversicherungen regelmäßig nicht abgedeckt sind, beschränkt sich „Beschädigen“ i.S.d. § 265 typischerweise auf Substanzverletzungen.9 Zudem fallen Bagatellschäden aus dem Tatbestand, wenn der Versicherungsvertrag ihren Ersatz ausschließt.10 Eine Brauchbarkeitsbeeinträchtigung soll vorliegen, wenn das durch die Versicherung geschützte Maß der Brauchbarkeit herabgesetzt ist.11 Diese Tathandlung dürfte praktisch keinen selbständigen Anwendungsbereich haben. Denn entweder ist der Ersatz dieses Risikos in den Versicherungsverträgen nicht enthalten, oder die Brauchbarkeitsminderung geht bei ausnahmsweise individualvertraglicher Berücksichtigung regelmäßig im Beschädigen auf.12 bb) Beiseiteschaffen Der Begriff des Beiseiteschaffens ist sehr streitig. Einigkeit besteht zunächst darin, dass die bloße Falschbehaup- 9 tung eines Diebstahls oder die Ableugnung des Besitzes mangels objektiver Manifestation der Leistungsverschaffungsabsicht (Rz. 7) noch kein Beiseiteschaffen begründen.13 Darüber hinaus wird die reine Änderung der rechtlichen Lage mangels äußerer Sacheinwirkung und Nicht-Übertragbarkeit des entsprechenden Begriffsverständnisses in § 283 Abs. 1 Nr. 1 (s. § 283 StGB Rz. 7 ff.), der eine andere Schutzfunktion hat, mit Fug ganz überwiegend als für ein Beiseiteschaffen nicht ausreichend angesehen.14 Gemeinsamer Minimalnenner des Begriffs des Beiseiteschaffens ist daher nur, dass er eine gewisse räumliche Einwirkung auf die Sache verlangt. Das Weite-

1 Hörnle, Jura 1998, 176; Rönnau, JR 1998, 443. 2 So in Anlehnung an die enge Manifestationstheorie bei § 246 Engemann, Regelung, 2001, S. 11; Saliger in S/S/W-StGB, § 265 Rz. 7; ähnlich Schröder, Versicherungsmissbrauch, 2000, S. 201 ff.; vgl. auch Wohlers/Mühlbauer in MüKo-StGB, § 265 Rz. 15; abl. mit weitergehendem eigenen Vorschlag Wirth, Notwendigkeit, 2004, S. 195 f. 3 Kühl in Lackner/Kühl, StGB, § 265 Rz. 3; Wohlers/Mühlbauer in MüKo-StGB, § 265 Rz. 15; Hoyer in SK-StGB, § 265 Rz. 15. 4 BGH v. 19.12.1950 – 4 StR 14/50, NJW 1951, 204 f.; vgl. auch BGH v. 14.4.1976 – IV ZR 29/74, VersR 1976, 649 ff.; Kühl in Lackner/Kühl, StGB, § 265 Rz. 3; Hellmann in NK-StGB, § 265 Rz. 32; Schröder, Versicherungsmissbrauch, 2000, S. 128 ff.; Wirth, Notwendigkeit, 2004, S. 223 ff. A.A. Wohlers/Mühlbauer in MüKo-StGB, § 265 Rz. 20; auch Engemann, Regelung, 2001, S. 137 ff., 154. 5 Vgl. BT-Drucks. 13/9064, S. 19 i.V.m. BT-Drucks. IV/650, S. 428. Kühl in Lackner/Kühl, StGB, § 265 Rz. 3; Fischer, StGB, § 265 Rz. 5. 6 S. Saliger in S/S/W-StGB, § 303 Rz. 5 ff. 7 Saliger in S/S/W-StGB, § 303 Rz. 4. 8 Hoyer in SK-StGB, § 265 Rz. 18; Perron in S/S-StGB, § 265 Rz. 8; Wessels/Hillenkamp, Rz. 658. 9 Perron in S/S-StGB, § 265 Rz. 8; Wohlers/Mühlbauer in MüKo-StGB, § 265 Rz. 16. 10 Tiedemann in LK-StGB, § 265 Rz. 13; Hellmann in NK-StGB, Rz. 24; Wohlers/Mühlbauer in MüKo-StGB, Rz. 16. 11 BT-Drucks. IV/650, S. 428 i.V.m. BT-Drucks. 13/9064, S. 19; Kühl in Lackner/Kühl, StGB, § 265 Rz. 3; Geppert, Jura 1998, 384. 12 Perron in S/S-StGB, § 265 Rz. 8; Wohlers/Mühlbauer in MüKo-StGB, § 265 Rz. 17; Saliger in S/S/W-StGB, § 265 Rz. 8; Engemann, Regelung, 2001, S. 121; a.A. Hellmann in NK-StGB, § 265 Rz. 25; Krets, Strafrechtliche Erfassung, 2001, S. 66. 13 Hoyer in SK-StGB, § 265 Rz. 18; Fischer, StGB, § 265 Rz. 6; Hellmann in NK-StGB, Rz. 23; Wirth, Notwendigkeit, 2004, S. 204 f. 14 Fischer, StGB, § 265 Rz. 6; Wohlers/Mühlbauer in MüKo-StGB, § 265 Rz. 18; Kühl in Lackner/Kühl, StGB, § 265 Rz. 3; Saliger in S/S/W-StGB, § 265 Rz. 9; Wirth, Notwendigkeit, 2004, S. 205 f.; Krets, Strafrechtliche Erfassung, 2001, S. 70 f.; a.A. Otto, BT, § 61 Rz. 4; Schroth, BT, S. 209.

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re ist umstr. Nach der Gesetzesbegründung soll eine Sache beiseitegeschafft sein, wenn sie der Verfügungsmöglichkeit des Berechtigten (räumlich) entzogen ist.1 Dieser Ansatz überzeugt schon deshalb nicht, weil er, soweit er allein auf den Versicherungsnehmer als Berechtigten abstellt, entgegen dem Wortlaut nur Dritte als Täter zuließe und, soweit er den Versicherer als Berechtigten ansieht,2 vor der Hürde steht, dass dem Versicherer weder Verfügungsmöglichkeit noch -berechtigung hinsichtlich der versicherten Sache zukommt.3 10

Richtigerweise ist eine Sache beiseitegeschafft, wenn der Täter derart auf ihre räumliche Lage einwirkt, dass sie in objektiver Manifestation der Leistungsverschaffungsabsicht aus ihrem normalen Gebrauch herausgenommen und dadurch die Gefahr einer zivilrechtswidrigen Schädigung des Versicherers durch Verlust oder Abhandenkommen begründet wird (vgl. Rz. 7).4 Indizien dafür sind das Verbringen der Sache aus dem räumlichen Herrschaftsbereich des Versicherungsnehmers, das Wegwerfen der Sache oder ihre Preisgabe an einem gefährlichen Ort.5 Auch ein Verbergen der Sache kann ausreichen, wenn die räumliche Einwirkung auf die Sache die Leistungsverschaffungsabsicht hinreichend manifestiert. Das ist der Fall – weil kein normaler Gebrauch mehr –, wenn z.B. eine versicherte Skulptur eingemauert wird, nicht ohne Weiteres schon dann, wenn die Sache im räumlichen Herrschaftsbereich des Versicherungsnehmers „schlicht verborgen“, z.B. im Keller oder auf dem Speicher versteckt oder verstaut wird.6 Beiseiteschaffen setzt damit eine räumliche Veränderung nicht zwingend voraus.7 Die Tathandlung ist durch den Versicherungsnehmer und einen versicherungsfremden Dritten (Rz. 12) begehbar.8 Der Versicherungsnehmer kann auch mit ihm im Einzelnen unbekannten Dritten zusammenwirken.9 cc) Überlassen

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Der Gesetzgeber hat die Tathandlung des Überlassens neu aufgenommen, um den „im Bereich der Kfz-Verschiebung praktisch bedeutsamen Fall“ zu erfassen, dass der Täter die versicherte Sache einem anderen zur Auslösung des Versicherungsfalls überlässt.10 Überlassen der Sache an einen anderen ist insoweit die einverständliche Übertragung der Sachherrschaft auf einen anderen durch den Versicherungsnehmer bzw. dessen Duldung der Herrschaftsbegründung durch den Dritten in einer Weise, die den Leistungsverschaffungswillen hinreichend objektiv manifestiert (Rz. 7) und deshalb außerhalb eines normalen Umgangs mit der Sache liegt.11 Unerheblich ist, ob die Übertragung der Sachherrschaft entgeltlich erfolgt.12 Eine räumliche Veränderung ist nach einhelliger Meinung nicht erforderlich.13 Typische Erscheinungsformen des Überlassens sind die Übergabe der Sache nach Verkauf oder das Zurücklassen der Sache zum Zwecke der Vortäuschung eines Diebstahls durch einen bestimmten versicherungsfremden Dritten.14 Kein Überlassen liegt dagegen vor, wenn der Vater im Urlaub aus Ärger seine Videokamera an seinen Sohn in Leistungsverschaffungsabsicht verschenkt und später auf die Kritik seiner Frau hin weitere Schritte unterlässt.15 Dieser Fall zeigt nicht nur, wie weit § 265 mit dem Überlassen in sozial unauffälliges, harmloses Verhalten hineinreicht (Rz. 7).16 Er veranschaulicht zugleich, dass auch beim Überlassen auf das Erfordernis der Manifestation (Rz. 7) nicht verzichtet werden kann.17 Täter kann der 1 BT-Drucks. IV/650, S. 428 i.V.m. BT-Drucks. 13/9064, S. 19. Zust. z.B. Geppert, Jura 1998, 384; Tiedemann in LK-StGB, § 265 Rz. 15. 2 So Tiedemann in LK-StGB, § 265 Rz. 15. 3 Perron in S/S-StGB, § 265 Rz. 9; Hellmann in NK-StGB, § 265 Rz. 27; Bröckers, Versicherungsmissbrauch, 1999, S. 129 ff.; Wirth, Notwendigkeit, 2004, S. 205. 4 Saliger in S/S/W-StGB, § 265 Rz. 10; ähnlich Hellmann in NK-StGB, § 265 Rz. 26; Hoyer in SK-StGB, § 265 Rz. 17; Perron in S/S-StGB, § 265 Rz. 9; Fischer, StGB, § 265 Rz. 6. Enger Bröckers, Versicherungsmissbrauch, 1999, S. 132, 134. Weiter Wirth, Notwendigkeit, 2004, S. 213. 5 Vgl. Wohlers/Mühlbauer in MüKo-StGB, § 265 Rz. 18; Wirth, Notwendigkeit, 2004, S. 212 f. 6 Auch Weber, FS Baumann, S. 353. Für die generelle Einbeziehung des Verbergens Fischer, StGB, § 265 Rz. 6; Hoyer in SK-StGB, § 265 Rz. 18; Hellmann in NK-StGB, § 265 Rz. 27; Wessels/Hillenkamp, Rz. 658; Sackreuther in G/J/W, § 265 Rz. 13. 7 Str., wie hier: Hoyer in SK-StGB, § 265 Rz. 18; Wohlers/Mühlbauer in MüKo-StGB, § 265 Rz. 18; Saliger in S/S/W-StGB, § 265 Rz. 10; Schröder, Versicherungsmissbrauch, 2000, S. 126 f.; a.A. Hellmann in NK-StGB, § 265 Rz. 27; Perron in S/S § 265 Rz. 9; Bröckers, Versicherungsmissbrauch, 1999, S. 132, 134. Ein Verbringen aus dem räumlichen Herrschaftsbereich des Versicherungsnehmers verlangen Kühl in Lackner/Kühl, StGB, § 265 Rz. 3; Weber, FS Baumann, S. 353; Krets, Strafrechtliche Erfassung, 2001, S. 74. 8 Hellmann in NK-StGB, Rz. 28; BT-Drucks. 13/9064, S. 19 f. 9 Fischer, StGB, § 265 Rz. 6; Wessels/Hillenkamp, Rz. 658. 10 BT-Drucks. 13/9064, S. 19. 11 Str., wie hier: Wohlers/Mühlbauer in MüKo-StGB, § 265 Rz. 19; Saliger in S/S/W-StGB, § 265 Rz. 11; Bröckers, Versicherungsmissbrauch, 1999, S. 136; Engemann, Regelung, 2001, S. 130 f.; ähnlich, aber aus Tätersicht beurteilend, Wirth, Notwendigkeit, 2004, S. 223. Weiter: Fischer, StGB, Rz. 7; Kühl in Lackner/Kühl, StGB, § 265 Rz. 3; Hoyer in SK-StGB, § 265 Rz. 19: Übergabe der Sache an Dritte. 12 Fischer, StGB, § 265 Rz. 7; Engemann, Regelung, 2001, S. 130 f. 13 Hoyer in SK-StGB, § 265 Rz. 19; Perron in S/S-StGB, § 265 Rz. 10; Hellmann in NK-StGB, § 265 Rz. 29; Wohlers/Mühlbauer in MüKo-StGB, § 265 Rz. 19; Bröckers, Versicherungsmissbrauch, 1999, S. 136. 14 Fischer, StGB, § 265 Rz. 7. 15 Bsp. von Hörnle, Jura 1998, 176; i.E. ebenso Geppert, Jura 1998, 386. 16 Wohlers/Mühlbauer in MüKo-StGB, Rz. 19. Weitere Bsp. bei Rönnau, JR 1998, 443. 17 A.A. Perron in S/S-StGB, § 265 Rz. 10; Hellmann in NK-StGB, § 265 Rz. 29.

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Saliger

Rz. 13 § 265 StGB

Versicherungsnehmer sein, der die eigene Sache einem Dritten überlässt, oder ein versicherungsfremder Dritter, der die bereits in Besitz befindliche fremde Sache einer anderen Person überlässt.1 Kollusives Handeln ist möglich, aber nicht zwingend; der Dritte kann auch gutgläubig sein.2 Bei dolosem Zusammenwirken ist das Überlassen ein Spezialfall des Beiseiteschaffens.3 Für professionelle Kfz-Schiebereien gilt Folgendes: Der Versicherungsnehmer, der sein Auto dem Kfz-Schieber 12 überlässt, verwirklicht die Tathandlungen des Beiseiteschaffens und des Überlassens. Da das Überlassen ein Spezialfall des Beiseiteschaffens darstellt (Rz. 11), ist sein Handeln letztlich als Überlassen zu ahnden.4 Streitig ist die Beurteilung des Kfz-Schiebers. Handelt dieser mit Drittverschaffungsabsicht, so ist er auch bei kollusivem Zusammenwirken nicht Mittäter des Überlassens, sondern Täter durch Beiseiteschaffen.5 Handelt der Schieber wie regelmäßig ohne Drittverschaffungsabsicht, so scheidet eine täterschaftliche Verwirklichung des § 265 aus.6 Hinsichtlich der Teilnahmestrafbarkeit ist danach zu differenzieren, ob der Schieber mit dem Versicherungsnehmer kollusiv zusammenwirkt oder nicht und ob sich sein Tatbeitrag auf die Entgegennahme des Kfz beschränkt oder darüber hinausgeht: Wirkt der Schieber kollusiv zusammen und beschränkt er sich auf die Entgegennahme des Kfz, so scheidet zwar Beihilfe zum Überlassen des Versicherungsnehmers aus, da er insoweit strafloser notwendiger Teilnehmer ist.7 Bestehen bleibt aber die strafbare Beihilfe zum gleichfalls verwirklichten Beiseiteschaffen des Versicherungsnehmers.8 Darin liegt keine Umgehung der Grundsätze der Straflosigkeit der notwendigen Teilnahme. Die Beihilfestrafbarkeit entspricht vielmehr der Zielsetzung des Gesetzgebers (Rz. 1, 11) und der bewussten Kombination von „Beiseiteschaffen“ und „Überlassen“. Beschränkt sich der Schieber nicht auf die bloße Entgegennahme des Kfz, weil er durch die Zusage der Verbringung des Kfz ins Ausland erst den Tatentschluss des Versicherungsnehmers hervorgerufen hat, so ist er nicht mehr nur notwendiger Teilnehmer, sondern strafbarer Anstifter zum Überlassen.9 Greift der Dritte ohne Wissen des Versicherungsnehmers und ohne Drittverschaffungsabsicht auf das fremde Kfz zu, kommen allein die §§ 242 ff. in Betracht.

II. Subjektiver Tatbestand Strafbar ist nur vorsätzliches Handeln (§ 15), bedingter Vorsatz genügt. Der Vorsatz muss sich namentlich bezie- 13 hen auf die Versicherung der Sache und die Eignung der Tathandlung, den Versicherungsfall auszulösen.10 Anders als in § 265 a.F. ist kein betrügerisches Handeln mehr vorausgesetzt (Rz. 1). Stattdessen genügt die Absicht des Täters, sich oder einem Dritten Leistungen aus der Versicherung zu verschaffen. Absicht in § 265 bedeutet nach h.M. zielgerichtetes Wollen, sodass der Täter die Versicherungsleistung an sich oder Dritte als End- oder Zwischenziel erstreben muss.11 Auf die Rechtswidrigkeit der Versicherungsleistung kommt es nicht mehr an. Strafbar ist auch der versicherungsfremde Dritte, der die Sache manipuliert, damit der Versicherungsnehmer, der von der Manipulation nichts weiß, die rechtmäßige Versicherungsleistung erhält (Rz. 1).12 Die frühere Rspr. zur „Repräsentantenhaftung“ ist damit gegenstandslos geworden.13 Nach wie vor erforderlich ist dagegen subjektive Deckungsgleichheit zwischen dem Versicherungsschutz und der erstrebten Versicherungsleistung (zur objektiven Deckungsgleichheit Rz. 5, 7),14 wobei sich die Kongruenzprobleme durch den erweiterten Versicherungsschutz (Rz. 1, 6) entschärft haben.15 Daran fehlt es, wenn der Täter den Ersatz von Folgeschäden beabsich-

1 Fischer, StGB, § 265 Rz. 7; Hellmann in NK-StGB, § 265 Rz. 29; Bröckers, Versicherungsmissbrauch, 1999, S. 131. 2 Wohlers/Mühlbauer in MüKo-StGB, § 265 Rz. 19; Fischer, StGB, § 265 Rz. 7; Bröckers Versicherungsmissbrauch, 1999, S. 131. 3 Tiedemann in LK-StGB, § 265 Rz. 16; Hellmann in NK-StGB, § 265 Rz. 30; Krets, Strafrechtliche Erfassung, 2001, S. 74. 4 Saliger in S/S/W-StGB, § 265 Rz. 12. 5 Str., wie hier: Fischer, StGB, § 265 Rz. 7; Tiedemann in LK-StGB, § 265 Rz. 16; Wohlers/Mühlbauer in MüKo-StGB, § 265 Rz. 27; Saliger in S/S/W-StGB, § 265 Rz. 12; Wessels/Hillenkamp, Rz. 658; a.A. Duttge in HK-GS, § 265 Rz. 11; Rönnau, JR 1998, 443 f. 6 Hellmann in NK-StGB, § 265 Rz. 37. 7 Rönnau, JR 1998, 444; Hoyer in SK-StGB, § 265 Rz. 19; Tiedemann in LK-StGB, § 265 Rz. 16; Perron in S/S-StGB, § 265 Rz. 10. 8 Str., wie hier: Hellmann in NK-StGB, § 265 Rz. 31; a.A. Hoyer in SK-StGB, § 265 Rz. 20; Rönnau, JR 1998, 444. 9 Tiedemann in LK-StGB, § 265 Rz. 16; Hellmann in NK-StGB, § 265 Rz. 31; Wohlers/Mühlbauer in MüKo-StGB, § 265 Rz. 27; vgl. auch Rönnau, JR 1998, 444. Einschränkend Perron in S/S-StGB, § 265 Rz. 10. 10 Kühl in Lackner/Kühl, StGB, § 265 Rz. 4; Hoyer in SK-StGB, § 265 Rz. 21; Wohlers/Mühlbauer in MüKo-StGB, § 265 Rz. 21. 11 BT-Drucks. IV/650, S. 428 i.V.m. BT-Drucks. 13/9064, S. 19 f.; Kühl in Lackner/Kühl, StGB, § 265 Rz. 4; Fischer, StGB, § 265 Rz. 9; Saliger in S/S/W-StGB, § 265 Rz. 13; Perron in S/S-StGB, § 265 Rz. 13; Hellmann in NK-StGB, § 265 Rz. 34; Hoyer in SK-StGB, § 265 Rz. 22; Wessels/Hillenkamp, Rz. 659; a.A. Bröckers, Versicherungsmissbrauch, 1999, S. 155: nur dolus eventualis; Engemann, Regelung, 2001, S. 172: sicheres Folgewissen. 12 Kühl in Lackner/Kühl, StGB, § 265 Rz. 4; Fischer, StGB, § 265 Rz. 10. 13 BT-Drucks. 13/9064, S. 19 f.; Hörnle, Jura 1998, 176; Geppert, Jura 1998, 385 f. 14 Vgl. BGH v. 20.5.1999 – 4 StR 718/98, wistra 1999, 379, 380. 15 Tiedemann in LK-StGB, § 265 Rz. 24; Perron in S/S-StGB, § 265 Rz. 14; Wohlers/Mühlbauer in MüKo-StGB, § 265 Rz. 22; Hoyer in SK-StGB, § 265 Rz. 23; Hellmann in NK-StGB, § 265 Rz. 36.

Saliger

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StGB

Versicherungsmißbrauch

StGB

§ 265 StGB Rz. 14

Strafgesetzbuch

tigt (oben Rz. 5)1 oder eine fremde Sache beschädigt, um dem Eigentümer Leistungen aus seiner eigenen Haftpflichtversicherung zu verschaffen.2

C. Versuch und Vollendung; Tätige Reue 14

Der Versuch ist strafbar (Absatz 2). Der Gesetzgeber hat die für § 265 a.F. bestehende Versuchsstrafbarkeit auch bei der erweiterten Tatbestandsfassung nicht für entbehrlich gehalten.3 Da bereits die Tathandlungen vielfach sozial unauffälliges Verhalten erfassen (Rz. 7), ist die zusätzliche Kriminalisierung des Versuchs kriminalpolitisch unverhältnismäßig4 und verschärft die Einschränkungsproblematik (Rz. 2).5 Diese kann hier nur durch die subjektiven Nachweisprobleme und die Anwendung der §§ 153 ff. StPO entspannt werden.6 Vollendung tritt früh ein mit Vornahme der Tathandlung in manifestierter Leistungsverschaffungsabsicht (Rz. 7).7 Zu einer Täuschung oder Schädigung des Versicherers muss es nicht kommen (Rz. 2). Tätige Reue hat der Gesetzgeber im Unterschied zu den §§ 264 Abs. 5, 264a Abs. 3, 265b Abs. 2 nicht vorgesehen. Eine analoge Anwendung dieser Vorschriften8 oder von § 306e9 scheidet aus, weil dem Gesetzgeber die Problematik bei Abfassung bekannt war.10 De lege ferenda wäre eine Vorschrift zur tätigen Reue aber wünschenswert (auch Rz. 16).

D. Täterschaft und Teilnahme 15

Täter können der Versicherungsnehmer und versicherungsfremde Dritte sein, sofern sie mit Leistungsverschaffungsabsicht handeln (Rz. 10, 11). Zur Beteiligung bei Kfz-Schiebereien Rz. 12. I.Ü. gelten für Täterschaft und Teilnahme die allgemeinen Regeln.11

E. Konkurrenzen und Rechtsfolgen 16

Die Tathandlung des Überlassens ist bei dolosem Zusammenwirken spezieller als das Beiseiteschaffen (Rz. 11). Die Begehung mehrerer Tathandlungen bildet eine einheitliche Tat.12 Zu § 263 ist § 265 kraft ausdrücklicher Anordnung („wenn die Tat nicht …“) formell subsidiär.13 Das Ziel, beide Vorschriften besser als bisher aufeinander abzustimmen,14 ist dem Gesetzgeber sprachlich nur unvollkommen gelungen.15 Tat meint – trotz des uneindeutigen Wortlauts – gemäß dem Willen des Gesetzgebers16 schlicht die (und jede) nachfolgende Tat nach § 263.17 Denn § 265 ist Vorfelddelikt, auf das § 263 typischerweise mit teils längerer zeitlicher Verzögerung nachfolgt. Die Subsidiarität gilt auch für die Fälle des Versuchs und der Teilnahme zu § 263.18 Tritt der Täter vom Betrugsversuch strafbefreiend zurück, lebt der vollendete § 265 nicht wieder auf. Angesichts des insoweit klaren Wortlauts und mit Blick auf das gesetzgeberische Ziel einer vollständigen formellen Subsidiarität bezieht sich „mit Strafe bedroht“ schlicht und allein auf die Strafdrohung und verlangt nicht, dass § 263 auch tatsäch-

1 Vgl. BGH v. 25.10.1983 – 1StR 682/83, BGHSt 32, 137, 138 f. 2 Vgl. BGH v. 20.5.1999 – 4 StR 718/98, wistra 1999, 379, 380; Fischer, StGB, § 265 Rz. 13; Perron in S/S-StGB, § 265 Rz. 14. 3 BT-Drucks. 13/9064, S. 20 unter Bezug auf BT-Drucks. IV/650, S. 428. 4 A.A. für Kfz-Schiebereien Hellmann in NK-StGB, § 265 Rz. 39. 5 Bröckers, Versicherungsmissbrauch, 1999, S. 162; vgl. auch Krämer, zfs 2015, 241 mit Beispielsfall. 6 Saliger in S/S/W-StGB, § 265 Rz. 14; auch Fischer, StGB, § 265 Rz. 13; Tiedemann in LK-StGB, § 265 Rz. 29; Duttge in HK-GS, § 265 Rz. 16. 7 Saliger in S/S/W-StGB, § 265 Rz. 14; vgl. ferner Wessels/Hillenkamp, Rz. 660. 8 Dafür Perron in S/S-StGB, § 265 Rz. 15; Wohlers/Mühlbauer in MüKo-StGB, § 265 Rz. 32; Gaede in M/R-StGB, § 265 Rz. 9; Kindhäuser, LPK, Rz. 9; Sackreuther in G/J/W, § 265 Rz. 28; Wirth, Notwendigkeit, 2004, S. 247; Engemann, Regelung, 2001, S. 198. 9 So Geppert, Jura 1998, 385. 10 H.M.: Kühl in Lackner/Kühl, StGB, § 265 Rz. 5; Fischer, StGB, § 265 Rz. 14; Hellmann in NK-StGB, § 265 Rz. 42; Tiedemann in LK-StGB, § 265 Rz. 29; Saliger in S/S/W-StGB, § 265 Rz. 14; Hoyer in SK-StGB, § 265 Rz. 26; Wessels/Hillenkamp, Rz. 660. 11 Vgl. auch Fischer, StGB, § 265 Rz. 15; Wohlers/Mühlbauer in MüKo-StGB, § 265 Rz. 25 ff. 12 Wohlers/Mühlbauer in MüKo-StGB, § 265 Rz. 33. 13 BT-Drucks. 13/9064, S. 20; BGH v. 23.9.1999 – 4 StR 700/98, BGHSt 45, 211, 214; BGH v. 20.5.1999 4 StR 718/98, wistra 1999, 379, 380; BGH v. 21.9.2011 – 1 StR 95/11, NStZ 2012, 39, 40. 14 BT-Drucks. 13/9064, S. 20. 15 Vgl. Mitsch, ZStW 1999, 118 f. 16 Vgl. BT-Drucks. 13/9064, S. 20: „In den Fällen, in denen die Tat als Vorbereitung zum Betrug anzusehen ist, stellt (…) die Subsidiaritätsklausel das Verhältnis zu § 263 klar.“ 17 Str., wie hier: Kühl in Lackner/Kühl, StGB, § 265 Rz. 6; Perron in S/S-StGB, § 265 Rz. 16; Saliger in S/S/W-StGB, § 265 Rz. 15; Wessels/Hillenkamp, Rz. 656 m.w.N.; Bröckers, Versicherungsmissbrauch, 1999, S. 164 f.; a.A. – Tat im prozessualen Sinn – BGH v. 23.9.1999 – 4 StR 700/98, BGHSt 45, 211, 215; Fischer, StGB, § 265 Rz. 17; Hoyer in SK-StGB, § 265 Rz. 29; Wohlers/Mühlbauer in MüKo-StGB, § 265 Rz. 34; Hellmann in NK-StGB, § 265 Rz. 43; Duttge in HK-GS, § 265 Rz. 19. 18 Fischer, StGB, § 265 Rz. 17; Hoyer in SK-StGB, § 265 Rz. 29; Perron in S/S-StGB, § 265 Rz. 16; Bröckers, Versicherungsmissbrauch, 1999, S. 165.

600

Saliger

§ 265b StGB

lich verhängt wird.1 Tateinheit ist möglich mit §§ 242, 246, 303 ff., 306 ff., nicht aber mit § 306b Abs. 2 Nr. 2.2 § 265 ist mangels Schaffung einer rechtswidrigen Besitzlage keine taugliche Vortat zu § 259.3 Die Tat ist vom Verbrechen des § 265 a.F. auf ein Vergehen herabgestuft, das in der Strafdrohung (Freiheitsstra- 17 fe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe) auch gegenüber § 263 Abs. 1 zurückbleibt.4 Sie verjährt in fünf Jahren (§ 78 Abs. 3 Nr. 4).5 Strafantrag ist nicht erforderlich.6

§ 265a Erschleichen von Leistungen (1) Wer die Leistung eines Automaten oder eines öffentlichen Zwecken dienenden Telekommunikationsnetzes, die Beförderung durch ein Verkehrsmittel oder den Zutritt zu einer Veranstaltung oder einer Einrichtung in der Absicht erschleicht, das Entgelt nicht zu entrichten, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft, wenn die Tat nicht in anderen Vorschriften mit schwererer Strafe bedroht ist. (2) Der Versuch ist strafbar. (3) Die §§ 247 und 248a gelten entsprechend.

§ 265b Kreditbetrug (1) Wer einem Betrieb oder Unternehmen im Zusammenhang mit einem Antrag auf Gewährung, Belassung oder Veränderung der Bedingungen eines Kredits für einen Betrieb oder ein Unternehmen oder einen vorgetäuschten Betrieb oder ein vorgetäuschtes Unternehmen 1. über wirtschaftliche Verhältnisse a) unrichtige oder unvollständige Unterlagen, namentlich Bilanzen, Gewinn- und Verlustrechnungen, Vermögensübersichten oder Gutachten vorlegt oder b) schriftlich unrichtige oder unvollständige Angaben macht, die für den Kreditnehmer vorteilhaft und für die Entscheidung über einen solchen Antrag erheblich sind, oder 2. solche Verschlechterungen der in den Unterlagen oder Angaben dargestellten wirtschaftlichen Verhältnisse bei der Vorlage nicht mitteilt, die für die Entscheidung über einen solchen Antrag erheblich sind, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. (2) Nach Absatz 1 wird nicht bestraft, wer freiwillig verhindert, daß der Kreditgeber auf Grund der Tat die beantragte Leistung erbringt. Wird die Leistung ohne Zutun des Täters nicht erbracht, so wird er straflos, wenn er sich freiwillig und ernsthaft bemüht, das Erbringen der Leistung zu verhindern. (3) Im Sinne des Absatzes 1 sind 1. Betriebe und Unternehmen unabhängig von ihrem Gegenstand solche, die nach Art und Umfang einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordern; 2. Kredite Gelddarlehen aller Art, Akzeptkredite, der entgeltliche Erwerb und die Stundung von Geldforderungen, die Diskontierung von Wechseln und Schecks und die Übernahme von Bürgschaften, Garantien und sonstigen Gewährleistungen. A. Grundsätzliches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Tatbestand I. Objektiver Tatbestand 1. Anwendungsbereich a) Betrieb oder Unternehmen, Abs. 3 Nr. 1 . . . . b) Kredit, Abs. 3 Nr. 2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1

3 5

2. Tathandlungen, Absatz 1 a) Allgemeines aa) Zusammenhang mit einem Kreditantrag . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Täuschungsadressat . . . . . . . . . . . . cc) Wirtschaftliche Verhältnisse . . . . . .

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1 Sehr str., wie hier: Hoyer in SK-StGB, § 265 Rz. 27; Wohlers/Mühlbauer in MüKo-StGB, § 265 Rz. 34; Saliger in S/S/WStGB, § 265 Rz. 15; Kindhäuser, LKP, § 265 Rz. 9; auch Perron in S/S-StGB, § 265 Rz. 16; a.A. die h.M.: Fischer, StGB, § 265 Rz. 17; Hellmann in NK-StGB, § 265 Rz. 44; Klipstein in Schlüchter, BE, S. 85; Wessels/Hillenkamp, Rz. 661; Mitsch, ZStW 1999, 118 f.; Engemann, Regelung, 2001, S. 165. 2 BGH v. 23.9.1999 – 4 StR 700/98, BGHSt 45, 211, 218 f.; BGH v. 15.3.2007 – 3 StR 454/06, BGHSt51, 236, 239 ff.; Fischer, StGB, § 265 Rz. 18; Perron in S/S-StGB, § 265 Rz. 16; Wohlers/Mühlbauer in MüKo-StGB, § 265 Rz. 33; Hellmann in NK-StGB, § 265 Rz. 45. 3 BGH v. 26.8.2014 – 2 StR 30/14, NStZ-RR 2014, 373 f. 4 BT-Drucks. 13/9064, S. 20. 5 Zum Verhältnis zu § 265 a.F. vgl. BGH v. 20.5.1999 – 4 StR 718/98, wistra 1999, 379, 380. 6 Zur Anzeigepraxis Wohlers/Mühlbauer in MüKo-StGB, § 265 Rz. 36.

Saliger

601

StGB

Kreditbetrug

StGB

§ 265b StGB Rz. 1

Strafgesetzbuch

dd) Entscheidungserheblichkeit. . . . . . . . . b) Einzelne Handlungen aa) Vorlage unrichtiger Unterlagen, Abs. 1 Nr. 1a . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Machen unrichtiger schriftlicher Angaben, Abs. 1 Nr. 1b . . . . . . . . . . . . cc) Verschweigen von Verschlechterungen, Abs. 1 Nr. 2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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II. Subjektiver Tatbestand . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Versuch und Vollendung; tätige Reue; Täterschaft und Teilnahme . . . . . . . . . . . . . D. Konkurrenzen und Rechtsfolgen . . . . . . . . .

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Literatur (Auswahl): Brodmann, Probleme des Tatbestands des Kreditbetrugs (§ 265b StGB), Diss. Köln 1984; Cyrus/Köllner, Strafbarkeitsrisiken des (anwaltlichen) Sanierungsberaters, NZJ 2016, 288; Kießner, Kreditbetrug: § 265 StGB, 1985; Lampe, Der Kreditbetrug (§§ 263, 265b StGB), 1980; Meincke/Hingst, Der Kreditbegriff im deutschen Recht, WM 2011, 633; Munoz Conde, Über den sogenannten Kreditbetrug, FS für Tiedemann, 2008, S. 677; Otto, Probleme des Kreditbetruges, JURA 1983, 16; Prost, „Krediterschleichung“, ein Vorfeldtatbestand des Betrugs, JZ 1975, 18; Theile, Die Bedrohung prozessualer Freiheit durch materielles Wirtschaftsstrafrecht am Beispiel der §§ 264a, 265b StGB, wistra 2004, 121; Warneke/Thienhaus, Strafrechtlicher Schutz und strafrechtliche Grenzen bei der Verhandlung von Finanzierungsverträgen, WM 2015, 1929.

A. Grundsätzliches 1

Die Vorschrift stellt vorsätzliche Täuschungshandlungen im Zusammenhang mit der Beantragung von Unternehmenskrediten im Vorfeld des allgemeinen Betrugstatbestands unter Strafe.1 Sie ist eingeführt worden durch das 1. WiKG vom 29.7.1976.2 Ihre Funktion besteht darin, eine wirksame Bekämpfung von Kreditbetrügereien zu ermöglichen, die der allgemeine Betrugstatbestand wegen Beweisschwierigkeiten vor allem in subjektiver Hinsicht nicht zulässt.3 § 265b verzichtet deshalb im Unterschied zu § 263 auf den Eintritt eines Vermögensschadens und eine Bereicherungsabsicht. Um der mit der Kriminalisierung bloßer Täuschungshandlungen einhergehenden Ausweitung der Strafbarkeit entgegenzuwirken und nur strafbedürftiges Verhalten zu erfassen, ist die Strafbarkeit andererseits auf Kredite zwischen Unternehmen (Rz. 3 f.) und den Zusammenhang mit einem Kreditantrag (Rz. 6 f.) eingegrenzt worden.4 Rechtsgut ist nach dem Willen des Gesetzgebers und mit der überwiegenden Auffassung (mit Unterschieden im Einzelnen) neben dem Vermögen des einzelnen Kreditgebers vorrangig die Funktionsfähigkeit der Kredit- und Volkswirtschaft insgesamt (doppelter Rechtsgutsbezug).5 Demgegenüber kann die verbreitete Lehre, dass § 265b allein das Vermögen schützt,6 weder seine Existenz im Vorfeld der bereits von § 263 erfassten konkreten Vermögensgefahr (s. § 263 StGB Rz. 187 ff.) vollständig legitimieren,7 noch die Herausnahme gerade von Privatkrediten aus dem Betrugsvorfeldschutz des § 265b erklären.8 Auch die These vom alleinigen Schutz des Kreditwesens9 vernachlässigt, dass der Tatbestand mit den Merkmalen der Entscheidungserheblichkeit (Rz. 10 f.) und der Vorteilhaftigkeit für den Kreditnehmer (Rz. 14) individuell vermögensschadensbezogene Elemente enthält, die bei einem konsequent überindividuellen Rechtsgut entbehrlich erscheinen. Der 1. Strafsenat des BGH hat zuletzt in zwei Entscheidungen den doppelten Rechtsgüterschutz – anders als hier – im Sinne eines gleichrangigen Schutzes des individuellen Vermögens des Kreditgebers und der überindividuellen Funktionsfähigkeit der Kredit- und Volkswirtschaft verstanden.10

2

Die Vorschrift ist mangels Erfolgs (vgl. Rz. 1) abstraktes Gefährdungsdelikt.11 Eine teleologische Reduktion ihres Anwendungsbereichs kommt daher auch dann nicht in Betracht, wenn behauptet wird, ein Kreditausfallrisiko sei 1 BT-Drucks. 7/5291, S. 14. 2 BGBl. I, S. 2034; RegE BT-Drucks. 7/3441, S. 17 ff., 30 ff.; Sonderausschuss BT-Drucks. 7/5291, S. 14 ff. Zur Genese und der bis 1961 geltenden, engeren „Vorläufervorschrift“ im KWG Tiedemann in LK-StGB, § 265b Rz. 1 ff.; Brodmann, Probleme des Tatbestands des Kreditbetrugs, 1984, S. 3 ff. 3 BT-Drucks. 7/5291, S. 14; BGH v. 21.2.1989 – 4 StR 643/88, BGHSt 36, 130, 131. 4 BT-Drucks. 7/5291, S. 14 f. 5 BT-Drucks. 7/5291, S. 14, 16; OLG Stuttgart v. 14.6.1993 – 3 Ars 43/93, NStZ 1993, 545; OLG Celle v. 12.8.1991 – 1 Ws 183/91, wistra 1991, 359 m. Anm. Kochheim; OLG Hamm v. 4.12.2004 – 27 U 5/03, NZG 2004, 289, 290; Perron in S/S-StGB, § 265b Rz. 3; Kühl in Lackner/Kühl, StGB, § 265b Rz. 1; Tiedemann in LK-StGB, § 265b Rz. 10, 14 ff.; Wessels/Hillenkamp, Rz. 699; auch Otto, BT § 61 Rz. 28: Kreditwesen und mittelbar Vermögen. 6 Fischer, StGB, § 265b Rz. 3; Hoyer in SK-StGB, § 265b Rz. 6 ff.; Hellmann in NK-StGB, § 265b Rz. 9 und Hellmann/ Beckemper, Wirtschaftsstrafrecht4 (2013), Rz. 194; Park in Park, Kapitalmarktstrafrecht, § 265b Rz. 231. Auch BGH v. 21.2.1989 – 4 StR 643/88, BGHSt 36, 130, 131 m. Anm. Kindhäuser, JR 1990, 520 neigt dieser Lehre zu, ohne sich festzulegen. 7 Perron in S/S-StGB, § 265b Rz. 3. 8 Wohlers/Mühlbauer in MüKo-StGB, § 265b Rz. 2; vgl. auch BT-Drucks. 7/3441, S. 30. 9 So Wohlers/Mühlbauer in MüKo-StGB, § 265b Rz. 1 f.; Lampe, Der Kreditbetrug, 1980, S. 37. 10 BGH v. 10.4.2014 – 1 StR 649/13, NStZ 2015, 342, 343; BGH v. 8.10.2014 – 1 StR 114/14, NJW 2015, 423, 424 f.; ebenso zuvor etwa Wiedner in G/J/W, § 265b Rz. 3, 6. 11 H.M.: BGH v. 16.11.2010 – 1 StR 502/10, NStZ 2011, 279; BGH v. 10.4.2014 – 1 StR 649/13, NStZ 2015, 342, 343 f.; BGH v. 8.10.2014 – 1 StR 114/14, NJW 2015, 423, 424; Perron in S/S-StGB, § 265b Rz. 4; Fischer, StGB, § 265b Rz. 2; Kühl in Lackner/Kühl, StGB, § 265b Rz. 1; Saliger in S/S/W-StGB, § 265b Rz. 2; Hellmann in NK-StGB, § 265b Rz. 10; krit. Tiedemann in LK-StGB, § 265b Rz. 13: Vertrauensverletzung; a.A. Hoyer in SK-StGB, § 265b Rz. 10: abstrakt-konkretes Gefährdungsdelikt; Wohlers/Mühlbauer in MüKo-StGB, § 265b Rz. 3: Kumulationsdelikt.

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Rz. 3 § 265b StGB

wegen ausreichender Sicherheiten oder einer Übersicherung „praktisch ausgeschlossen“, abgesehen davon, dass ein solches Risiko wegen der Unwägbarkeit wirtschaftlicher Entwicklungen nie ausgeschlossen werden kann.1 Streitig ist der Schutzbereich der Vorschrift im Hinblick auf transnationale Sachverhalte. Nach Ansicht des 1. Strafsenats des BGH erfasst § 265b auch Taten zum Nachteil ausländischer Kapitalgeber. Wegen des Schutzes transnational anerkannter Individualrechtsgüter soll es auf die Staatsangehörigkeit des Rechtsgutsträgers oder die Belegenheit des geschützten Rechtsguts nicht ankommen.2 Damit sind auch Täuschungshandlungen im Ausland gegenüber ausländischen Kreditgebern erfasst, sofern Anknüpfungspunkte für deutsches Strafrecht gem. §§ 3 ff. bestehen. Da der BGH jedoch kurzerhand die kollektivschützende Kompenente des § 265b für die Frage ihres transnationalen Schutzbereichs für unerheblich erklärt und i.Ü. nur vermeintliche Einwände widerlegt (Bezug zum KWG; § 264 i.V.m. § 6; § 264 Abs. 7 Nr. 2; § 299 Abs. 3),3 fehlt eine überzeugende positive Begründung für die Annahme eines transnationalen Schutzbereichs des § 265b. Insoweit sollte der Gesetzgeber die Ausdehnung vorgeben wie bei § 264 oder § 299.4 Richtigerweise schützt § 265b deshalb wie die Vorläufernorm § 48 KWG 1934 grundsätzlich nur die inländische Kreditwirtschaft.5 Jedoch können Sachverhalte mit Auslandsberührung über die allgemeinen Regeln (§§ 3 ff.) unter § 265b fallen, insbesondere wenn der Tätigkeitsort (§ 9 Abs. 1) im Inland liegt.6 Darüber hinaus mag man mit einer europarechtskonformen Auslegung auch Kreditgeber innerhalb der EU schützen.7 § 265b widerspricht nicht dem verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgebot.8 Die kriminalpolitische Bedeutung der Vorschrift ist gering, nicht zuletzt wegen der schwachen Anzeigebereitschaft der Kreditinstitute.9 Die PKS weist für das Berichtsjahr 2015 263 Fälle des Kreditbetrugs (Schlüssel 514100) gem. § 265b (PKS 2014: 280) bei einer Aufklärungsquote von 92,8 % gegenüber 97,5 % im Jahr 2014 aus.10 Zum Vergleich sind in 2015 für den Kreditbetrug gem. § 263 (Schlüssel 514300) 4456 Fälle (2014: 4465) bei einer Aufklärungsquote von 92,8 % (2014: 91,7 %) belegt.11 Eine praktische Funktion wird § 265b teilweise als erleichterter Einstieg in strafprozessuale Zwangsmaßnahmen zuerkannt.12 U.a. wegen dieser nicht unzweifelhaften Praxiswirkungen und der nicht verstummenden verfassungsrechtlichen Bedenken ist die Vorschrift nach wie vor Gegenstand rechtspolitischer Kritik.13

B. Tatbestand I. Objektiver Tatbestand 1. Anwendungsbereich a) Betrieb oder Unternehmen, Abs. 3 Nr. 1 Der Anwendungsbereich ist in mehrfacher Hinsicht eingeschränkt. Zunächst ist § 265b anwendbar nur auf Kredi- 3 te, bei denen Kreditnehmer (Täter) und Kreditgeber (Opfer) Betriebe oder Unternehmen i.S.v. Abs. 3 Nr. 1 sind.14 Die Begriffe Betrieb und Unternehmen entsprechen wie bei § 264 Abs. 7 der Bedeutung in den §§ 11 Abs. 1 Nr. 4b und 14 Abs. 2 (§ 14 StGB Rz. 55a ff.), sodass das zu § 264 Ausgeführte (§ 264 StGB Rz. 14) entsprechend gilt.15 Zu ihnen zählen, obwohl eine ausdrückliche Gleichstellung wie in § 264 Abs. 7 S. 2 fehlt, auch öffentliche Betriebe und Unternehmen, insbesondere kommunale Sparkassen oder öffentlich-rechtlich organisierte Verkehrsbetriebe, 1 Zutreffend BGH v. 10.4.2014 – 1 StR 649/13, NStZ 2015, 342, 344; vgl. auch Wiedner in G/J/W, § 265b Rz. 4. 2 BGH v. 8.10.2014 – 1 StR 114/14, NJW 2015, 423, 425 mit krit. Anm. Rübenstahl und abl. Anm. Saliger/Grüner-Blatt WuB 3/2015, 131; noch offen gelassen in BGH v. 7.2.2002 – 1 StR 222/01, NStZ 2002, 433, 435. Zustimmend Wessels/ Hillenkamp, BT/2 Rz. 699 mit Fn. 57; Warneke/Thienhaus, WM 2015, 1929, 1930 f. So bereits zuvor Wiedner in G/J/W, § 265b Rz. 6; Perron in S/S-StGB, § 265b Rz. 3; Werle/Jeßberger in LK-StGB, Vor § 3 Rz. 308 f. 3 Vgl. BGH v. 8.10.2014 – 1 StR 114/14, NJW 2015, 423, 425; krit. insoweit auch Rübenstahl, NJW 2015, 427. 4 Näher Saliger/Grüner-Blatt, WuB 3/2015, 131 ff. 5 OLG Stuttgart v. 14.6.1993 – 3 Ars 43/93, NStZ 1993, 545; Kühl in Lackner/Kühl, StGB, § 265b Rz. 1; Saliger in S/S/WStGB, § 265b Rz. 2. 6 BGH v. 8.10.2014 – 1 StR 114/14, NJW 2015, 423, 424; ferner BGH v. 14.9.1983 – 3 StR 157/83, wistra 1984, 25, 26; Tiedemann in LK-StGB, § 265b Rz. 118 ff.; Wiedner in G/J/W, § 265b Rz. 6; Fischer, StGB, § 265b Rz. 2. 7 Tiedemann in LK-StGB, § 265b Rz. 117 unter Bezug auf die zweite BankrechtskoordinierungsRL; Rübenstahl, NJW 2015, 427. 8 BGH v. 8.12.1981 – 1 StR 706/81, BGHSt 30, 285, 286 ff. mit insoweit krit. Anm. Lampe, JR 1982, 430 f. Zustimmend Hellmann in NK-StGB, § 265b Rz. 8; Wessels/Hillenkamp, Rz. 698; Saliger in S/S/W-StGB, § 265b Rz. 2. Einschränkend Perron in S/S-StGB, § 265b Rz. 2; Wohlers/Mühlbauer in MüKo-StGB, § 265b Rz. 7. 9 Wohlers/Mühlbauer in MüKo-StGB, § 265b Rz. 5 ff.; Fischer, StGB, § 265b Rz. 4; Hebenstreit in M-G, § 50 Rz. 150 f.; Wittig, Wirtschaftsstrafrecht, § 19 Rz. 1; a.A. Tiedemann in LK-StGB, § 265b Rz. 18. 10 PKS 2015, IMK-Kurzbericht, S. 92. 11 PKS 2015, IMK-Kurzbericht, S. 92. 12 Fischer, StGB, § 265b Rz. 4; Tiedemann in LK-StGB, § 265b Rz. 18; Park in Park, Kapitalmarktstrafrecht, § 265b Rz. 234; Arzt/Weber, § 21 Rz. 94; a.A. Hellmann in NK-StGB, § 265b Rz. 6; Wohlers/Mühlbauer in MüKo-StGB, § 265b Rz. 6. 13 Vgl. nur Fischer, StGB, § 265b Rz. 5: Streichung; Hebenstreit in M-G, § 50 Rz. 152: Misserfolg; Wohlers/Mühlbauer in MüKo-StGB, § 265b Rz. 6; Theile, wistra 2004, 121 ff. 14 BGH v. 16.11.2010 – 1 StR 502/10, NStZ 2011, 279. 15 Vgl. Tiedemann in LK-StGB, § 265b Rz. 28; Fischer, StGB, § 265b Rz. 7; Perron in S/S-StGB, § 265b Rz. 7; Hellmann in NK-StGB, § 265b Rz. 16.

Saliger

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StGB

Kreditbetrug

StGB

§ 265b StGB Rz. 4

Strafgesetzbuch

nicht aber Behörden und andere Stellen der öffentlichen Verwaltung.1 Nach Abs. 3 Nr. 1 kommt es auf den Gegenstand des Betriebes nicht an. Erfasst sind damit über den Bereich der Banken hinaus nicht nur alle Gewerbe- und Handelsbetriebe, sondern auch nichtkaufmännische Betriebe aus Land- und Forstwirtschaft, der sog. Urproduktion und der freien Berufe (Architekten, Rechtsanwälte, Wirtschaftsprüfer, Ärzte),2 Theater und Krankenhäuser sowie allgemein gemeinnützige Einrichtungen.3 Unter § 265b fallen demnach insbesondere auch Warenkredite.4 Voraussetzung ist allerdings gem. Abs. 3 Nr. 1, dass die Betriebe oder Unternehmen nach Art und Umfang einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordern.5 Mit dieser, an § 1 Abs. 2 HGB angelehnten (aber nicht auf Handelsgewerbe beschränkten) Formulierung will der Gesetzgeber § 265b auf Kreditnehmer mit nicht ohne Weiteres überschaubaren Vermögensverhältnissen und Kredite einer bestimmten Größenordnung beschränken.6 Kleinkredite fallen damit aber nicht in jedem Fall aus § 265b heraus.7 Ein in kaufmännischer Weise eingerichteter Geschäftsbetrieb liegt vor, wenn er Einrichtungen benötigt, wie sie ein Kaufmann zum Zwecke ordentlicher und zuverlässiger Geschäftsführung schaffen muss. Dazu gehören vor allem geordnetes Rechnungswesen, Buchhaltung und Bankverbindung.8 Das Kriterium der Erforderlichkeit gibt vor, dass es nicht darauf ankommt, ob ein kaufmännischer Geschäftsbetrieb tatsächlich eingerichtet ist, sondern ob er einer solchen Einrichtung bedarf.9 Erforderlichkeit nach Art des Betriebs meint Geschäftszweck, Beschaffenheit und Betriebsweise, Umfang des Betriebs, Höhe des Umsatzes, Größe des Anlage- und Betriebskapitals, Zahl und Art der Beschäftigten, Produkte, Betriebsstätten, Geschäftsbeziehungen.10 Maßgeblich ist eine Gesamtbewertung aller relevanten Faktoren11 auf wirtschaftlicher Basis.12 Zu den Anforderungen an die Feststellung der Unternehmenseigenschaft bei ausländischen Kreditgebern s. BGH v. 8.10.2014 – 1 StR 114/74, NJW 2015, 423 (424). 4

Die Anwendbarkeit von § 265b setzt nicht die tatsächliche Existenz eines Betriebs im Zeitpunkt der Stellung des Kreditantrags voraus. Es genügt die – und sei es nur mündliche13 – Vortäuschung der kompletten Existenz eines Betriebes (Scheinfirma) oder der Voraussetzungen des Abs. 3 Nr. 1 für einen existierenden Betrieb (Schwindelfirma).14 Stets muss der Betrieb aber entweder tatsächlich bereits gegründet sein oder als bereits gegründet vorgetäuscht werden. Es reicht daher nicht, wenn der Betrieb bzw. das Unternehmen erst gegründet werden soll, also ein „Gründungskredit“ beantragt wird.15 Die Beschränkung auf Betriebskredite schließt sog. Privatkredite aus dem Tatbestand aus,16 die als regelmäßig überschaubarer allein von § 263 erfasst werden.17 Unter Privatkredite sind solche zu verstehen, die lediglich für private Zwecke des Kreditnehmers bestimmt sind.18 Die Abgrenzung zwischen Betriebs- und Privatkrediten richtet sich wiederum nach wirtschaftlicher Betrachtung (s. Rz. 3).19 Maßgeblich ist damit, wem der beantragte Kredit nach seiner faktischen Zweckbestimmung wirtschaftlich zugutekommen soll.20 Die Zweckbestimmung nach dem Inhalt des Darlehensvertrages, die Willensäußerungen von Kreditgeber und -nehmer sowie die Art der Sicherheiten haben nur Indizwirkung.21 Demnach fallen nicht unter § 265b Kredite an einen Unternehmer zu privaten Zwecken wie ein Hausbaudarle-

1 Tiedemann in LK-StGB, § 265b Rz. 28; Schröder/Bergmann in M/R-StGB, § 265b Rz. 5; Hellmann in NK-StGB, § 265b Rz. 15; Perron in S/S-StGB, § 265b Rz. 8; Fischer, StGB, § 265b Rz. 7. 2 Vgl. BGH v. 16.11.2010 – 1 StR 502/10, NStZ 2011, 279. 3 BT-Drucks. 7/5291, S. 15; Tiedemann in LK-StGB, § 265b Rz. 28; Hellmann in NK-StGB, § 265b Rz. 16; Perron in S/SStGB, § 265b Rz. 7. 4 BT-Drucks. 7/5291, S. 15. 5 Vgl. BGH v. 16.11.2010 – 1 StR 502/10, NStZ 2011, 279. 6 Vgl. BT-Drucks. 7/5291, S. 14 f.; Perron in S/S-StGB, § 265b Rz. 9. 7 BT-Drucks. 7/5291, S. 15. 8 Perron in S/S-StGB, § 265b Rz. 10; Park in Park, Kapitalmarktstrafrecht, § 265b Rz. 240. 9 Tiedemann in LK-StGB, § 265b Rz. 30; Fischer, StGB, § 265b Rz. 8. 10 Tiedemann in LK-StGB, § 265b Rz. 30; Fischer, StGB, § 265b Rz. 8. 11 H.M.: Tiedemann in LK-StGB, § 265b Rz. 30; Perron in S/S-StGB, § 265b Rz. 10; Fischer, StGB, § 265b Rz. 8; Saliger in S/S/W-StGB, § 265b Rz. 3. 12 Vgl. BGH v. 27.3.2003 – 5 StR 508/02, NStZ 2003, 539, 540; BGH v. 16.11.2010 – 1 StR 502/10, NStZ 2011, 279; BGH v. 7.4.2016 – 1 StR 579/15, BeckRS 2016, 08720; OLG Hamm v. 4.12.2004 – 27 U 5/03, NZG 2004, 289, 290; Fischer, StGB, § 265b Rz. 8. 13 Fischer, StGB, § 265b Rz. 9. 14 BT-Drucks. 7/5291, S. 15; BT-Drucks. 7/3441, S. 32; BGH v. 16.11.2010 – 1 StR 502/10, NStZ 2011, 279. 15 BayObLG v. 15.2.1990 – RReg. 2 St 398/89, NJW 1990, 1677, 1678; Hellmann in NK-StGB, § 265b Rz. 22; Wohlers/ Mühlbauer in MüKo-StGB, § 265b Rz. 12; Fischer, StGB, § 265b Rz. 9; Hoyer in SK-StGB, § 265b Rz. 26. 16 BGH v. 16.11.2010 – 1 StR 502/10, NStZ 2011, 279; vgl. auch Cornelius, NZWiSt 2012, 259 mit Fn. 6. 17 BT-Drucks. 7/5291, S. 15; BayObLG v. 15.2.1990 – RReg. 2 St 398/89, NJW 1990, 1677, 1678. 18 BT-Drucks. 7/5291, S. 15. 19 H.M.: BGH v. 27.3.2003 – 5 StR 508/02, NStZ 2003, 539, 540; BGH v. 7.4.2016 – 1 StR 579/15, BeckRS 2016, 08720; BayObLG v. 15.2.1990 – RReg. 2 St 398/89, NJW 1990, 1677, 1679; OLG Hamm v. 4.12.2004 – 27 U 5/03, NZG 2004, 289, 290; Perron in S/S-StGB, § 265b Rz. 5; Hellmann in NK-StGB, § 265b Rz. 18, 20; Schröder/Bergmann in M/R-StGB, § 265b Rz. 14; Saliger in S/S/W-StGB, § 265b Rz. 4; a.A. Wohlers/Mühlbauer in MüKo-StGB, § 265b Rz. 9; offengelassen in BGH v. 16.11.2010 – 1 StR 502/10, NStZ 2011, 279. 20 Hoyer in SK-StGB, § 265b Rz. 26. 21 Saliger in S/S/W-StGB, § 265b Rz. 4; auch Tiedemann in LK-StGB, § 265b Rz. 23; a.A. wohl Wohlers/Mühlbauer in MüKo-StGB, § 265b Rz. 9.

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Saliger

Rz. 5 § 265b StGB

hen1 oder ein kreditfinanzierter Immobilienerwerb, der der Begleichung der Einkommensteuer oder der Finanzierung des Lebensbedarfs der Privatperson dient und bei dem der nicht am Unternehmen beteiligte Ehepartner ebenfalls als Kreditnehmer auftrit,2 ferner „durchlaufende“ Kredite, bei denen das kreditgewährende Kreditinstitut nur formell als Kreditgeber auftritt, wirtschaftlich jedoch die öffentliche Hand Kreditgeber ist,3 oder Kredite zwecks Aktivierung von persönlichem Eigenkapital, selbst wenn sie in einen „Darlehensvertrag“ zwischen Unternehmen gekleidet werden.4 Umgekehrt ist die Vorschrift anwendbar auf Kredite, die ein Privater zwar im eigenen Namen, aber für Rechnung des Betriebes aufnimmt,5 oder auf kreditvermittelnde Unternehmen, sofern sie das Kreditrisiko tragen.6 b) Kredit, Abs. 3 Nr. 2 Der in Anlehnung an den früheren § 19 KWG 19767 gebildete Begriff des Kredits wird durch Abs. 3 Nr. 2 abschlie- 5 ßend festgelegt.8 Er umfasst unabhängig von der Kredithöhe9 neben Krediten im rechtlichen Sinne (Darlehen) alle Rechtsgeschäfte, durch die dem Kreditnehmer Geld oder geldwerte Mittel zeitweise zur Verfügung gestellt werden.10 Im Einzelnen sind erfasst: Gelddarlehen aller Art, also Rechtsgeschäfte, die die Hingabe, zeitweise Überlassung („Belassung“, Absatz 1) oder Rückzahlung von Geld innerhalb einer bestimmten Frist zum Gegenstand haben ohne Rücksicht auf Verzinsung und Dauer der Rückzahlungsfrist,11 insbesondere Genussrechte unabhängig von ihrer Ausgestaltung im Einzelnen, weil sie strukturell klassische Elemente von Darlehensgeschäften aufweisen,12 ferner Lombardgeschäfte, Hypotheken und Grundschulden13 sowie Dispositionskredite,14 nicht dagegen Beteiligungen zur Verhinderung der Anwendbarkeit des § 265b u.a. auf Unternehmensfusionen,15 Leasingverträge16 und die Geldhingabe zu Anlagezwecken.17 Akzeptkredite sind Kredite, die eine Bank ihrem Kunden dadurch gewährt, dass sie ihm durch eine Akzeptunterschrift auf einem Wechsel ermöglicht, den Wechsel bei einer (anderen) Bank zu diskontieren oder einem Gläubiger in Zahlung zu geben, nicht dagegen die Überlassung der Ausstellerunterschrift der Bank.18 Mit dem entgeltlichen Erwerb von Geldforderungen werden vor allem die Fälle des unechten und echten Factoring erfasst, das – obgleich rechtlich ein Forderungskauf (§ 453 BGB) – sich wirtschaftlich als Kredit darstellt.19 Die Stundung von Geldforderungen20 bezeichnet das vereinbarte Hinausschieben des Fälligkeitszeitpunktes bei fortbestehender Erfüllbarkeit. Sie wird praxisrelevant vor allem bei Warenkrediten,21 aber auch bei Werk- und Dienstleistungsforderungen.22 Diskontierung von Wechseln und Schecks bedeutet – als Unterfall des entgeltlichen Erwerbs von Geldforderungen – den Ankauf vor Fälligkeit, wobei der Käufer als Gegenleistung den Nennwert des Papiers abzüglich Diskont (Zwischenzins), Provision und Unkosten zahlt.23 Nicht erfasst ist das bloße Wechsel- und Scheckinkasso.24 Zur Übernahme von Bürgschaften (§ 765 BGB) zählen auch ihre

1 Tiedemann in LK-StGB, § 265b Rz. 23; Perron in S/S-StGB, § 265b Rz. 5. 2 BGH v. 16.11.2010 – 1 StR 502/10, NStZ 2011, 279. 3 Str., wie hier: Perron in S/S-StGB, § 265b Rz. 5; Hellmann in NK-StGB, § 265b Rz. 18; Park in Park, Kapitalmarktstrafrecht, § 265b Rz. 242; § 265b Rz. 10; a.A. Tiedemann in LK-StGB, § 265b Rz. 26; Wohlers/Mühlbauer in MüKo-StGB, § 265b Rz. 9. 4 BGH v. 7.4.2016 – 1 StR 579/15, BeckRS 2016, 08720. 5 Perron in S/S-StGB, § 265b Rz. 5; Hoyer in SK-StGB, § 265b Rz. 26; Park in Park, Kapitalmarktstrafrecht, § 265b Rz. 241. 6 Hellmann in NK-StGB, § 265b Rz. 19; einschränkend Tiedemann in LK-StGB, § 265b Rz. 27. 7 Perron in S/S-StGB, § 265b Rz. 11. 8 Tiedemann in LK-StGB, § 265b Rz. 34; Wohlers/Mühlbauer in MüKo-StGB, § 265b Rz. 13; Meincke/Hingst, WM 2011, 633, 634. 9 BT-Drucks. 7/5291, S. 15. 10 Zustimmend BGH v. 8.10.2014 – 1 StR 114/14, NJW 2015, 423, 425; ferner Perron in S/S-StGB, § 265b Rz. 11; Wohlers/ Mühlbauer in MüKo-StGB, § 265b Rz. 13; Park in Park, Kapitalmarktstrafrecht, § 265b Rz. 243. 11 Vgl. OLG Hamm v. 20.12.2007 – 3 Ws 676/07, wistra 2008, 195, 197. 12 Klärend BGH v. 8.10.2014 – 1 StR 114/14, NJW 2015, 423, 426 m. insoweit zust. Anm. Saliger/Grüner-Blatt, WuB 3/2015, 131; OLG Hamm v. 20.12.2007 – 3 Ws 676/07, wistra 2008, 195, 197; a.A. – einzelfallbezogene Prüfung – Wohlers/Mühlbauer in MüKo-StGB, § 265b Rz. 14. 13 Fischer, StGB, § 265b Rz. 11; Hebenstreit in M-G, § 50 Rz. 161. 14 Fischer, StGB, § 265b Rz. 11. 15 BT-Drucks. 7/3441, S. 32 f.; BGH v. 8.10.2014 – 1 StR 114/14, NJW 2015, 423, 425; ferner Perron in S/S-StGB, § 265b Rz. 12; Hebenstreit in M-G, § 50 Rz. 161; Tiedemann in LK-StGB, § 265b Rz. 34. 16 Hebenstreit in M-G, § 50 Rz. 161. 17 Str., wie hier: BT-Drucks. 7/5291, S. 16; Saliger in S/S/W-StGB, § 265b Rz. 5; vgl. auch Hebenstreit in M-G, § 50 Rz. 161; differenzierend für Einlagen dagegen Tiedemann in LK-StGB, § 265b Rz. 37; Perron in S/S-StGB, § 265b Rz. 12. 18 Tiedemann in LK-StGB, § 265b Rz. 38 f.; Hoyer in SK-StGB, § 265b Rz. 29; Hebenstreit in M-G, § 50 Rz. 161. 19 Perron in S/S-StGB, § 265b Rz. 14; Fischer, StGB, § 265b Rz. 13; Tiedemann in LK-StGB, § 265b Rz. 40 f. 20 Vgl. BGH v. 7.2.2002 – 1 StR 222/01, NStZ 2002, 433, 434. 21 Fischer, StGB, § 265b Rz. 14; Perron in S/S-StGB, § 265b Rz. 15; Hoyer in SK-StGB, § 265b Rz. 31; s. Rz. 3. 22 Hebenstreit in M-G, § 50 Rz. 161. 23 Tiedemann in LK-StGB, § 265b Rz. 44; Perron in S/S-StGB, § 265b Rz. 16. 24 Tiedemann in LK-StGB, § 265b Rz. 46; Perron in S/S-StGB, § 265b Rz. 16.

Saliger

605

StGB

Kreditbetrug

StGB

§ 265b StGB Rz. 6

Strafgesetzbuch

Sonderformen (Nach-, Zeitbürgschaft etc.).1 Garantien sind z.B. die Ausbietungsgarantie einer Hypothek,2 Liefer-, Leistungs- und Anzahlungsgarantien insbesondere im Auslandsgeschäft sowie Ausschreibungsgarantien bei Submissionen.3 Unter sonstige Gewährleistungen fallen etwa Schuldbeitritt, Kreditauftrag (§ 778 BGB), Wechsel- und Scheckbürgschaft (Art. 30 ff. WG, Art. 25 ff. ScheckG), Indossamentsverpflichtungen nach Wechsel- und Scheckrecht sowie Akkreditiveröffnung und -bestätigung im ausländischen Zahlungsverkehr.4 2. Tathandlungen, Absatz 1 a) Allgemeines aa) Zusammenhang mit einem Kreditantrag 6

Um sicherzustellen, dass § 265b im Unterschied zur Vorgängervorschrift § 48 a.F. KWG kein Absichtsdelikt ist5 und erst bei der begründeten Gefahr der Kreditgewährung an eine kreditunwürdige Person greift,6 müssen die Tathandlungen mit einem (gestellten) Antrag auf Gewährung, Belassung oder Veränderung der Bedingungen eines Kredits in Zusammenhang stehen. Antrag meint nicht nur den (rechtsverbindlichen) Antrag nach § 145 BGB, sondern jede formlose, auch mündliche Erklärung, die auf die Erlangung eines Kredits gerichtet ist. Dazu gehören unstreitig die Annahme des Kreditangebots,7 die Bitte um Stundung,8 die Einreichung eines Schecks zum Einzug,9 aber auch die Aufforderung an den Kreditgeber, ein verbindliches Kreditangebot zu machen.10 Nicht ausreichend sind unverbindliche Erkundigungen, Vorsondierungen und Vorverhandlungen.11 Das Gesetz gibt den Inhalt des Antrags vor: Gewährung eines Kredits ist das Erbringen der gewünschten Kreditleistung i.S.v. Abs. 3 Nr. 2; Belassen bedeutet seine Verlängerung durch Verzicht auf die rechtlich mögliche sofortige Rückforderung, nicht dagegen die Verhinderung einer unberechtigten Kündigung oder Kürzung des gewährten Kredits (auch Rz. 7 und 14);12 Veränderung der Kreditbedingungen umfasst jegliche Modifikation des ursprünglichen Kreditgeschäfts wie Änderungen von Zinssatz, Tilgungs- und Kündigungsmodalitäten, Sicherheiten etc. Unerheblich ist, ob die Änderungen zum Vor- oder Nachteil des Kreditnehmers gereichen.13

7

Zwischen dem – gestellten – Kreditantrag und der Täuschungshandlung muss ein sachlicher und zeitlicher Zusammenhang bestehen.14 Vorverhandlungen ohne nachfolgenden Kreditantrag sind daher straflos, weil sie nicht einmal die abstrakte Gefahr (Rz. 2) einer Gefährdung des Rechtsguts (Rz. 1) begründen (auch Rz. 6).15 Sachlicher Zusammenhang bezeichnet den Bezug der Tathandlung (Rz. 12 ff.) auf einen oder mehrere Kreditanträge16 mit der Maßgabe, dass die Falschangaben erkennbar als Entscheidungsgrundlage für die Kreditentscheidung dienen sollen.17 Zeitlicher Zusammenhang meint, dass die Falschangaben zu einem Zeitpunkt abgegeben werden müssen, in dem sie noch für die Kreditentscheidung relevant werden können.18 Nicht erforderlich ist ein unmittelbarer oder naher Zusammenhang in dem Sinne, dass die Falschangaben im Kreditantrag selbst enthalten oder mit diesem verbunden sein müssen oder mit diesem zeitgleich vorgelegt werden.19 Sie können auch vor oder nach Antragstellung eingereicht werden, sofern ein hinreichender (ausdrücklicher oder konkludenter) Bezug besteht.20 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14

15 16 17 18 19 20

Perron in S/S-StGB, § 265b Rz. 17. Fischer, StGB, § 265b Rz. 15. Tiedemann in LK-StGB, § 265b Rz. 48. Perron in S/S-StGB, § 265b Rz. 19; Hebenstreit in M-G, § 50 Rz. 161. BT-Drucks. 7/5291, S. 15. BT-Drucks. 7/5291, S. 14. Hoyer in SK-StGB, § 265b Rz. 35. Hebenstreit in M-G, § 50 Rz. 164. Tiedemann in LK-StGB, § 265b Rz. 54; Hebenstreit in M-G, § 50 Rz. 164. Str., wie hier: Perron in S/S-StGB, § 265b Rz. 25; Saliger in S/S/W-StGB, § 265b Rz. 6; Park in Park, Kapitalmarktstrafrecht, § 265b Rz. 265; Hebenstreit in M-G, § 50 Rz. 164. A.A. Tiedemann in LK-StGB, § 265b Rz. 53; Hoyer in SK-StGB, § 265b Rz. 35. Tiedemann in LK-StGB, § 265b Rz. 52; Perron in S/S-StGB, § 265b Rz. 25; Fischer, StGB, § 265b Rz. 18. OLG Frankfurt v. 23.8.1989 – 2 Ss 346/89, StV 1990, 213. Wohlers/Mühlbauer in MüKo-StGB, § 265b Rz. 27; Tiedemann in LK-StGB, § 265b Rz. 55; Fischer, StGB, § 265b Rz. 17. BT-Drucks. 7/5291, S. 15; Kühl in Lackner/Kühl, StGB, § 265b Rz. 4; Hellmann in NK-StGB, § 265b Rz. 24; Tiedemann in LK-StGB, § 265b Rz. 21, 57; Saliger in S/S/W-StGB, § 265b Rz. 7; Hebenstreit in M-G, § 50 Rz. 166. Einschränkend etwa Wohlers/Mühlbauer in MüKo-StGB, § 265b Rz. 25 f. Einen zeitlichen Zusammenhang verwerfen Perron in S/SStGB, § 265b Rz. 27; Fischer, StGB, § 265b Rz. 19. BT-Drucks. 7/5291 S. 14; Perron in S/S-StGB, § 265b Rz. 27; Hellmann in NK-StGB, § 265b Rz. 22. Fischer, StGB, § 265b Rz. 19. Perron in S/S-StGB, § 265b Rz. 27; Kühl in Lackner/Kühl, StGB, § 265b Rz. 4; Tiedemann in LK-StGB, § 265b Rz. 57; Park in Park, Kapitalmarktstrafrecht, § 265b Rz. 267; Hellmann in NK-StGB, § 265b Rz. 24. BGH v. 10.4.2014 – 1 StR 649/13, NStZ 2015, 342, 343; Hoyer in SK-StGB, § 265b Rz. 37; vgl. auch Fischer, StGB, § 265b Rz. 19; Warneke/Thienhaus, WM 2015, 1929, 1931. Zu Unrecht BT-Drucks. 7/5291, S. 15 unterstellt von Heinz in Park, Kapitalmarktstrafrecht, 2. Aufl., § 265b Rz. 21, Fn. 45. Perron in S/S-StGB, § 265b Rz. 27; Fischer, StGB, § 265b Rz. 19; Hellmann in NK-StGB, § 265b Rz. 24; Wiedner in G/J/W, § 265b Rz. 34.

606

Saliger

Rz. 9 § 265b StGB

Täuschungshandlungen nach der Kreditentscheidung sind aber tatbestandslos (auch Rz. 10).1 Mangels Belassens (Rz. 6) besteht auch bei Falschangaben, die eine unberechtigte Kündigung oder Kürzung des Kredits durch den Kreditgeber verhindern sollen, kein Zusammenhang.2 Wie (auch) das Zusammenhangserfordernis ergibt, verlangt § 265b keinen personellen Zusammenhang im Sinne eines Handelns des Täuschenden für den Antragsteller oder einer Identität von Täuschendem und Antragsteller.3 § 265b soll erklärtermaßen auch das Handeln Dritter erfassen wie Bürgen,4 Gesellschafter des Kreditnehmers, Mitarbeiter einer Auskunft gebenden Bank,5 Inhaber und Angestellte einer Auskunftsdatei,6 (anwaltliche) Sanierungsberater7 oder Geschäftspartner (auch unten Rz. 18).8 bb) Täuschungsadressat Adressat der Täuschungshandlungen ist mit Recht nur der jeweilige potenzielle Kreditgeber,9 wobei in der Pra- 8 xis zunehmend Bankenkonsortien auftreten.10 Die Erfassung auch schierer Falschangaben gegenüber Handelsauskunftsdateien11 würde die Vorfeldstrafbarkeit des § 265b zu weit ausdehnen. Täuschungen gegenüber Dritten sind bei § 265b nur insoweit relevant, als die Voraussetzungen der mittelbaren Täterschaft oder Beihilfe vorliegen (s. Rz. 18).12 Eine Falschangabe gegenüber einem Bürgen begründet keine Strafbarkeit aus § 265b auch gegenüber dem Kreditinstitut.13 cc) Wirtschaftliche Verhältnisse Die Falschangaben müssen sich auf wirtschaftliche Verhältnisse beziehen. Der Wortlaut enthält keine Ein- 9 schränkung auf die wirtschaftlichen Verhältnisse des Kreditnehmers. Relevant erscheinen daher nicht nur die wirtschaftlichen Verhältnisse Dritter, sondern auch objektive Umstände wie die prognostizierte Entwicklung einer Branche, der nationalen Wirtschaft, ja der Weltwirtschaft insgesamt.14 Andererseits bedürfen Großbanken kaum des Strafrechtsschutzes gegenüber der Vorlage unrichtiger Konjunktur-Gutachten durch Handwerksbetriebe.15 Deshalb ist der Begriff der wirtschaftlichen Verhältnisse dahin subjektbezogen einzugrenzen, dass er nur diejenigen wirtschaftlichen Umstände erfasst, die für die Beurteilung der Kreditwürdigkeit des Kreditnehmers bedeutsam sind und aus seiner Sphäre stammen.16 Das umfasst zunächst unstreitig die wirtschaftlichen Verhältnisse des Kreditnehmers wie Activa und Passiva inklusive der einzelnen Vermögensstücke,17 Höhe und Entwicklung des Umsatzes, Marktgängigkeit der Produkte, Bewertungsgrundlagen und – teils bestritten – Geschäftsprognosen.18 Darüber hinaus sind nach h.M. auch die wirtschaftlichen Verhältnisse von Dritten wie Schuldnern, Bürgen oder Mitbewerbern erheblich, weil auch von ihnen die Beurteilung der Kreditwürdigkeit des Kreditnehmers abhängt.19 Letzteres gilt mittelbar auch für den Verwendungszweck eines Kredits, sofern er z.B. als Investition die Prognose über die Geschäftsentwicklung mitbestimmt20 wie bei einem Kredit zur Erhö1 Wohlers/Mühlbauer in MüKo-StGB, § 265b Rz. 26; Tiedemann in LK-StGB, § 265b Rz. 83. 2 OLG Frankfurt v. 23.8.1989 – 2 Ss 346/89, StV 1990, 213; Tiedemann in LK-StGB, § 265b Rz. 57; Kühl in Lackner/Kühl, StGB, § 265b Rz. 4. 3 Vgl. BT-Drucks. 7/3441, S. 31; ferner Perron in S/S-StGB, § 265b Rz. 28; Hebenstreit in M-G, § 50 Rz. 167. 4 BT-Drucks. 7/5291, S. 15. 5 Hebenstreit in M-G, § 50 Rz. 167. 6 Perron in S/S-StGB, § 265b Rz. 28; Tiedemann in LK-StGB, § 265b Rz. 56. 7 Cyrus/Köllner NZI 2016, 290. 8 Hellmann in NK-StGB, § 265b Rz. 27. 9 H.M.: Fischer, StGB, § 265b Rz. 20; Perron in S/S-StGB, § 265b Rz. 23; Hebenstreit in M-G, § 50 Rz. 168 ff.; Saliger in S/S/W-StGB, § 265b Rz. 8; Wohlers/Mühlbauer in MüKo-StGB, § 265b Rz. 25, 34 f. Weiter Tiedemann in LK-StGB, § 265b Rz. 59. 10 S. den Sachverhalt in BGH v. 10.4.2014 – 1 StR 649/13, NStZ 2015, 342; zur Unternehmensfinanzierung durch Konsortialkredite Werneke/Thienhaus, WM 2015, 1929 f. 11 Dafür Tiedemann in LK-StGB, § 265b Rz. 59. 12 Perron in S/S-StGB, § 265b Rz. 23; Hellmann in NK-StGB, § 265b Rz. 42, 59; krit. Tiedemann in LK-StGB, § 265b Rz. 59. 13 Wohlers/Mühlbauer in MüKo-StGB, § 265b Rz. 34. 14 Vgl. BT-Drucks. 7/3441, S. 31; Perron in S/S-StGB, § 265b Rz. 30; Tiedemann in LK-StGB, § 265b Rz. 76 ff.; Hellmann in NK-StGB, § 265b Rz. 29. 15 Fischer, StGB, § 265b Rz. 23; auch Wohlers/Mühlbauer in MüKo-StGB, § 265b Rz. 30; a.A. Tiedemann in LK-StGB, § 265b Rz. 77. 16 Str., wie hier: Saliger in S/S/W-StGB, § 265b Rz. 9; Hellmann in NK-StGB, § 265b Rz. 29; Park in Park, Kapitalmarktstrafrecht, § 265b Rz. 271; Perron in S/S-StGB, § 265b Rz. 30 f.; a.A. und weiter Tiedemann in LK-StGB, § 265b Rz. 77 f.; Hoyer in SK-StGB, § 265b Rz. 13. 17 Vgl. BT-Drucks. 7/3441, S. 31. 18 Zu Prognosen durch den Kreditnehmer Werneke/Thienhaus, WM 2015, 1929, 1933 f.; ferner Perron in S/S-StGB, § 265b Rz. 32, 39; Park in Park, Kapitalmarktstrafrecht, § 265b Rz. 272; Hellmann in NK-StGB, § 265b Rz. 29; a.A. für Prognosen Hoyer in SK-StGB, § 265b Rz. 14. 19 Fischer, StGB, § 265b Rz. 23; Perron in S/S-StGB, § 265b Rz. 31; Tiedemann in LK-StGB, § 265b Rz. 76; Saliger in S/S/ W-StGB, § 265b Rz. 9. 20 Fischer, StGB, § 265b Rz. 23; Perron in S/S-StGB, § 265b Rz. 32; Heinz in Park, Kapitalmarktstrafrecht, 2. Aufl., § 265b Rz. 23. Ohne Einschränkung Tiedemann in LK-StGB, § 265b Rz. 78; Kühl in Lackner/Kühl, StGB, § 265b Rz. 5.

Saliger

607

StGB

Kreditbetrug

StGB

§ 265b StGB Rz. 10

Strafgesetzbuch

hung der Beteiligung des Kreditnehmers an einem Unternehmen.1 Mangels hinreichender Subjektbezogenheit und wegen ausreichender Selbstschutzmöglichkeiten des Kreditgebers auszuscheiden haben aber Angaben zur Branchen- sowie nationalen und globalen Konjunkturlage.2 dd) Entscheidungserheblichkeit 10

§ 265b erfasst nur Falschangaben, die für die Entscheidung über einen Kreditantrag (Rz. 6 f.; „solcher Antrag“) erheblich sind. Das ist unstreitig nicht der Fall bei Bagatellunrichtigkeiten, unwesentlichen Abweichungen3 und Täuschungen nach der Kreditentscheidung (auch Rz. 7).4 Da die Tat abstraktes Gefährdungsdelikt ist (Rz. 2), kommt es weder darauf an, ob die Falschangaben für die Kreditentscheidung kausal geworden sind5 bzw. diese tatsächlich beeinflusst haben,6 noch ob der Kreditgeber die Fehlerhaftigkeit erkannt hat.7 Es genügt die generelle Eignung der Falschangaben, die Entscheidung über einen Kreditantrag zu beeinflussen.8

11

Im Streit, ob als Beurteilungsmaßstab für die Entscheidungserheblichkeit auch die Vorstellungen des Kreditgebers oder beider Parteien eine Rolle spielen, nimmt die h.M. zu Recht einen objektiven Standpunkt ein: Bereits aus dem Wortlaut („erheblich für solchen Antrag“) ergibt sich die Maßgeblichkeit einer generalisierenden Betrachtung anstelle einer subjektiven Parteisicht. Ausschlaggebend ist danach das objektive ex-ante Urteil darüber, was nach Art des Geschäfts im konkreten Fall von einem verständigen, durchschnittlich vorsichtigen Dritten für erheblich gehalten wird,9 also nicht objektiv irrelevante oder rein persönliche Falschangaben.10 Die Gegenauffassung, die unter Berufung auf die Vertragsfreiheit auch die erkennbaren Vorstellungen der Parteien, insbesondere den Willen des Kreditgebers berücksichtigen will,11 widerspricht Wortlaut und Willen des Gesetzgebers und unterläuft die Struktur des § 265b als abstraktes Gefährdungsdelikt.12 I.Ü. erscheint der praktische Unterschied zwischen beiden Ansichten gering. Soweit die Gegenauffassung nur „sinnvolle und vernünftige“ Parteivorstellungen anerkennt,13 kommt sie ohne objektive Momente nicht aus. Auch auf Basis der h.M. ist eine Gesamtschau der Umstände des Einzelfalls erforderlich, bei der die Art des Kredit suchenden Betriebs, seine Situation zur Tatzeit sowie auch die Lage des Kreditgebers die Entscheidungserheblichkeit mitbestimmen.14 Insoweit kann nicht nur die spätere Kreditentscheidung Indiz für die Entscheidungserheblichkeit einer vorgelegten Bilanz sein.15 Als Indiz gegen Erheblichkeit kommt mangels abstrakter Vermögensgefahr auch die eindeutige Erklärung des Kreditgebers gegenüber dem Kreditnehmer in Betracht, eine objektiv erhebliche Angabe als entscheidungsirrelevant zu behandeln.16 Generell entscheidungserheblich sind alle Umstände, die sich auf das Kreditrisiko auswirken,17 entscheidungsunerheblich dagegen allgemeine Anpreisungen, die für den Kreditgeber offenkundig sind,18 oder eingepreiste Risiken.19 1 S. BGH v. 10.4.2014 – 1 StR 649/13, NStZ 2015, 342, 343 – Porsche-Fall. 2 Str., wie hier: Fischer, StGB, 265b Rz. 23; Saliger in S/S/W-StGB, § 265b Rz. 9; Wohlers/Mühlbauer in MüKo-StGB, § 265b Rz. 30; auch Park in Park, Kapitalmarktstrafrecht, § 265b Rz. 271; a.A. Tiedemann in LK-StGB, § 265b Rz. 77; Mitsch, BT II 2 § 3 Rz. 183. 3 BT-Drucks. 7/3441, S. 31; BGH v. 8.12.1981 – 1 StR 706/81, BGHSt 30, 285, 292 m. Anm. Lampe, JR 1982, 430; Perron in S/S-StGB, § 265b Rz. 42. 4 Tiedemann in LK-StGB, § 265b Rz. 83; Hellmann in NK-StGB, § 265b Rz. 34. 5 Hellmann in NK-StGB, § 265b Rz. 31; Park in Park, Kapitalmarktstrafrecht, § 265b Rz. 275. 6 BGH v. 8.12.1981 – 1 StR 706/81, BGHSt 30, 285, 290 f.; LG Mannheim v. 15.11.1984 – (22) 6 Kls 12/82, wistra 1985, 158; Fischer, StGB, § 265b Rz. 34; Perron in S/S-StGB, § 265b Rz. 42; Hoyer in SK-StGB, § 265b Rz. 38; Wohlers/Mühlbauer in MüKo-StGB, § 265b Rz. 33. 7 LG Mannheim v. 15.11.1984 – (22) 6 Kls 12/82, wistra 1985, 158; Fischer, StGB, § 265b Rz. 34; Hebenstreit in M-G, § 50 Rz. 179; Park in Park, Kapitalmarktstrafrecht, § 265b Rz. 275. 8 BGH v. 8.12.1981 – 1 StR 706/81, BGHSt 30, 285, 290; Fischer, StGB, § 265b Rz. 31; Hebenstreit in M-G, § 50 Rz. 179; Park in Park, Kapitalmarktstrafrecht, § 265b Rz. 275; Hellmann in NK-StGB, § 265b Rz. 31; Perron in S/S-StGB, § 265b Rz. 42. 9 So BT-Drucks. 7/5291, S. 16; auch 7/3441, S. 5, 31; ferner BGH v. 8.12.1981 – 1 StR 706/81, BGHSt 30, 285, 291 ff.; BGH v. 7.2.2002 – 1 StR 222/01, NStZ 2002, 433, 434; LG Stuttgart v. 4.6.2013 – 11 KLs 159 Js77250/11, BeckRS 2014, 03776, S. 42; Kühl in Lackner/Kühl, StGB, § 265b Rz. 5; Fischer, StGB, § 265b Rz. 33; Hebenstreit in M-G, § 50 Rz. 179; Saliger in S/S/W-StGB, § 265b Rz. 11; Schröder/Bergmann in M/R-StGB, § 265b Rz. 32 f.; Hoyer in SK-StGB, § 265b Rz. 38. 10 Vgl. BGH v. 8.12.1981 – 1 StR 706/81, BGHSt 30, 285, 293; Wohlers/Mühlbauer in MüKo-StGB, § 265b Rz. 33; Fischer, StGB, § 265b Rz. 34; Brodmann, Probleme des Tatbestands des Kreditbetrugs, S. 122; a.A. Tiedemann in LK-StGB, § 265b Rz. 81. 11 Tiedemann in LK-StGB, § 265b Rz. 81; Perron in S/S-StGB, § 265b Rz. 42. 12 Zur Kritik Fischer, StGB, § 265b Rz. 32; Hellmann in NK-StGB, § 265b Rz. 33. 13 So Perron in S/S-StGB, § 265b Rz. 42. 14 Vgl. BGH v. 8.12.1981 – 1 StR 706/81, BGHSt 30, 285, 292 f.; Fischer, StGB, § 265b Rz. 33; Park in Park, Kapitalmarktstrafrecht, § 265b Rz. 274. 15 Vgl. BGH v. 8.12.1981 – 1 StR 706/81, BGHSt 30, 285, 291. 16 Hoyer in SK-StGB, § 265b Rz. 39; Wohlers/Mühlbauer in MüKo-StGB, § 265b Rz. 33; Perron in S/S-StGB, § 265b Rz. 42. 17 LG Stuttgart v. 4.6.2013 – 11 KLs 159 Js77250/11, BeckRS 2014, 03776, S. 42. 18 BGH v. 7.2.2002 – 1 StR 222/01, NStZ 2002, 433, 434; Wohlers/Mühlbauer in MüKo-StGB, § 265b Rz. 33. 19 LG Stuttgart v. 4.6.2013 – 11 KLs 159 Js77250/11, BeckRS 2014, 03776, S. 48.

608

Saliger

Rz. 13 § 265b StGB

b) Einzelne Handlungen aa) Vorlage unrichtiger Unterlagen, Abs. 1 Nr. 1a Mittel der Täuschung in Abs. 1 Nr. 1a sind unrichtige oder unvollständige Unterlagen. Die aufgeführten Bilan- 12 zen (§§ 242 ff., 264 ff., 297 ff., 336 ff. HGB), Gewinn- und Verlustrechnungen (§§ 242 Abs. 2, 275 ff., 297 ff., 336 HGB), Vermögensübersichten (vgl. §§ 153, 229 InsO, 400 Nr. 1 AktG) und Gutachten, die Wertungen und Schlussfolgerungen enthalten (vgl. zur Vermögensbewertung §§ 252 ff., 279 ff., 308 f. HGB), sind nur beispielhaft („namentlich“). Unterlagen umfasst alle verkörperten Erklärungen und Darstellungen, die ungeachtet ihrer Urheberschaft (vgl. Rz. 15) über die wirtschaftlichen Verhältnisse des Kreditnehmers oder eines Dritten (Rz. 9) insgesamt oder über einzelne Angaben Beweis erbringen können.1 Erfasst sind demnach auch Anhänge zur Bilanz und Gewinn- und Verlustrechnung (§§ 264, 284 ff. HGB), Lageberichte (§§ 264, 289 HGB), Betriebsanalysen, Absatz- und Ertragsprognosen, Rechenmodelle, Kontoauszüge, Abnehmerlisten, Liefer- und Versicherungsverträge oder Augenscheinsobjekte wie Fotos, Modelle oder Filme.2 Keine Unterlagen sind dagegen ungedeckte Schecks oder Wechsel.3 Unrichtig sind Unterlagen, deren Inhalt mit der Wirklichkeit nicht übereinstimmt.4 Das gilt bereits für die Be- 13 zeichnung einer Vorlage als Status oder vorläufige Bilanz, obwohl sie nicht einmal einen vorläufigen Zusammenhang mit der Buchhaltung erkennen lässt.5 Die Echtheit der Schriftstücke gem. § 267 spielt keine Rolle.6 Deshalb fällt die Vorlage einer für das verlorene Original nachgemachten Ersatzunterlage nicht unter § 265b.7 Abweichend von §§ 263, 264 (§ 263 StGB Rz. 20 f. bzw. § 264 StGB Rz. 18) sind mit Recht nach h.M. auch Bewertungen und Prognosen als Nichttatsachen einbezogen.8 Mit Blick auf das Bestimmtheitsgebot (Art. 103 Abs. 2 GG) sind sie aber erst „unrichtig“, wenn sie unter Berücksichtigung aller seriösen Beurteilungsmaßstäbe ex-ante schlechterdings (eindeutig) nicht mehr vertretbar sind.9 Die Gegenansicht, die nur Anknüpfungstatsachen in Bewertungen und Prognosen berücksichtigt,10 vernachlässigt, dass das Gesetz mit der Einbeziehung von Gutachten (Rz. 12) bereits selbst zum Ausdruck bringt, Bewertungen und Prognosen einbeziehen zu wollen.11 Das gilt umso mehr, als die „Richtigkeit“ gerade von Bilanzen in hohem Ausmaß von Bewertungen und Prognosen abhängt („relative Bilanzwahrheit“).12 Maßstab ist hier das primär an den Vorschriften der Buchführung ausgerichtete Urteil des bilanzkundigen Lesers über die Bilanzrichtigkeit.13 Verstöße gegen die Bilanzklarheit oder Formvorschriften sind nur erheblich, sofern sie zu einer sachlichen Unrichtigkeit führen.14 Unvollständig ist eine (an sich richtige) Unterlage, wenn sie das in Bezug genommene wirtschaftliche Verhältnis nicht erkennen lässt15 oder einen einheitlichen Lebenssachverhalt nur teilweise wiedergibt, weil entscheidungserhebliche Umstände (Rz. 10 f.) fehlen.16 Mündliche Zusätze vor oder bei Vorlage der Unterlage können eine Unvollständigkeit ausschließen.17 Bei Bilanzen beurteilt sich die Vollständigkeit nach dem entsprechenden Grundsatz in § 246 Abs. 1 HGB.18 Unrichtigkeit bzw. Unvollständigkeit kommen u.a. in folgenden Fallgruppen in Betracht:19 Einstellen falscher bzw. fiktiver Posten;20 Weglassen von Posten; bewusst falsche Wertansätze;21 Bilanzierung von Umgehungshandlungen (s. i.Ü. § 264 StGB Rz. 24 f.).

1 Saliger in S/S/W-StGB, § 265b Rz. 12; Hellmann in NK-StGB, § 265b Rz. 44; Park in Park, Kapitalmarktstrafrecht, § 265b Rz. 253; Perron in S/S-StGB, § 265b Rz. 34. Ohne Bezug auf eine Beweiseignung Tiedemann in LK-StGB, § 265b Rz. 62. 2 Perron in S/S-StGB, § 265b Rz. 35; Fischer, StGB, § 265b Rz. 25; Werneke/Thienhaus, WM 2015, 1929, 1932. 3 Hellmann in NK-StGB, § 265b Rz. 45; Fischer, StGB, § 265b Rz. 25; Wohlers/Mühlbauer in MüKo-StGB, § 265b Rz. 29. 4 Wohlers/Mühlbauer in MüKo-StGB, § 265b Rz. 31; Fischer, StGB, § 265b Rz. 28; Perron in S/S-StGB, § 265b Rz. 38. 5 LG Mannheim v. 15.11.1984 – (22) 6 Kls 12/82, wistra 1985, 158. 6 Fischer, StGB, § 265b Rz. 28; Park in Park, Kapitalmarktstrafrecht, § 265b Rz. 254. 7 Perron in S/S-StGB, § 265b Rz. 38; Wohlers/Mühlbauer in MüKo-StGB, § 265b Rz. 31. 8 Vgl. BGH v. 8.12.1981 – 1 StR 706/81, BGHSt 30, 285, 287 ff.; Hebenstreit in M-G, § 50 Rz. 176; Perron in S/S-StGB, § 265b Rz. 39; Saliger in S/S/W-StGB, § 265b Rz. 13; Tiedemann in LK-StGB, § 265b Rz. 64; Brodmann, Probleme des Tatbestands des Kreditbetrugs, S. 133. 9 Wohlers/Mühlbauer in MüKo-StGB, § 265b Rz. 32; Kühl in Lackner/Kühl, StGB, § 265b Rz. 5; Perron in S/S-StGB, § 265b Rz. 39; Saliger in S/S/W-StGB, § 265b Rz. 9; Tiedemann in LK-StGB, § 265b Rz. 65. Als Beweisfrage aufgegriffen von BGH v. 8.12.1981 – 1 StR 706/81, BGHSt 30, 285, 288 f. Krit. Fischer, StGB, § 265b Rz. 28. 10 Hellmann in NK-StGB, § 265b Rz. 37; Park in Park, Kapitalmarktstrafrecht, § 265b Rz. 254, 259; weiter Fischer, StGB, § 265b Rz. 27 f. 11 Tiedemann in LK-StGB, § 265b Rz. 64. 12 Perron in S/S-StGB, § 265b Rz. 39; Tiedemann in LK-StGB, § 265b Rz. 67 ff. 13 Perron in S/S-StGB, § 265b Rz. 40; Hebenstreit in M-G, § 50 Rz. 176; krit. Fischer, StGB, § 265b Rz. 28. 14 Perron in S/S-StGB, § 265b Rz. 40. 15 Hebenstreit in M-G, § 50 Rz. 175. 16 Tiedemann in LK-StGB, § 265b Rz. 66; Wohlers/Mühlbauer in MüKo-StGB, § 265b Rz. 31; auch Hellmann in NK-StGB, § 265b Rz. 40. 17 Wohlers/Mühlbauer in MüKo-StGB, § 265b Rz. 31; Perron in S/S-StGB, § 265b Rz. 38. 18 Tiedemann in LK-StGB, § 265b Rz. 69. 19 Tiedemann in LK-StGB, § 265b Rz. 74 f.; Perron in S/S-StGB, § 265b Rz. 40. 20 BGH v. 8.12.1981 – 1 StR 706/81, BGHSt 30, 285, 289. 21 BGH v. 8.12.1981 – 1 StR 706/81, BGHSt 30, 285, 289.

Saliger

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StGB

Kreditbetrug

StGB

§ 265b StGB Rz. 14 14

Strafgesetzbuch

Zusätzlich zur Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit erfasst Abs. 1 Nr. 1a nur solche Unterlagen, die für den Kreditnehmer vorteilhaft und entscheidungserheblich sind. Zur Entscheidungserheblichkeit s. Rz. 10 f. Vorteilhaft sind Unterlagen, wenn sie nach einem objektiven ex-ante Urteil geeignet sind, die konkreten Aussichten des Kreditantrages zu verbessern.1 Die Vorteilhaftigkeit muss sich gerade aus der Unrichtigkeit bzw. Unvollständigkeit der Unterlage ergeben. Das ist der Fall, wenn die unrichtige Unterlage die entscheidungserheblichen Umstände günstiger als in Wirklichkeit darstellt bzw. die unvollständige Unterlage relevante nachteilige Umstände verschweigt.2 Neutrale Falschunterlagen werden daher ebenso wenig erfasst3 wie für den Kreditnehmer ungünstige Falschunterlagen, es sei denn, die scheinbar ungünstigen Falschunterlagen vermögen ihm bessere Kreditbedingungen wie eine Senkung des Zinssatzes oder der Tilgungsrate zu verschaffen.4 Aufgrund der Struktur der Norm als abstraktes Gefährdungsdelikt (Rz. 2) ist die wirtschaftliche Vertretbarkeit der Kreditgewährung unerheblich.5 Die Vorteilhaftigkeit fehlt, wenn der Kreditnehmer mit seinen fingierten Unterlagen eine unberechtigte Kreditkündigung und -kürzung abwehren und allein die Erfüllung der gewährten Kreditzusage erreichen will (auch Rz. 6, 7).6 Tathandlung ist die Vorlage der Unterlagen. Vorlage bedeutet den vom Willen des Kreditnehmers getragenen und unter Bezugnahme auf den Kreditantrag erfolgten Zugang (vgl. § 130 Abs. 1 S. 1 BGB) der Unterlage im Machtbereich des Kreditgebers dergestalt, dass nach den Umständen mit einer Kenntnisnahme zu rechnen ist.7 Tatsächliche Kenntnisnahme ist nicht erforderlich.8 Es genügt der Zugang bei einer empfangszuständigen Hilfsperson des Kreditgebers.9 Befindet sich die Unterlage bereits beim Kreditgeber, so reicht die Bezugnahme des Antragstellers auf sie.10 bb) Machen unrichtiger schriftlicher Angaben, Abs. 1 Nr. 1b

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Mittel der Täuschung nach Abs. 1 Nr. 1b sind unrichtige oder unvollständige schriftliche Angaben. Angabe erfasst alle sonstigen Gedankenerklärungen über wirtschaftliche Verhältnisse, soweit sie nicht bereits Unterlagen gem. Abs. 1 Nr. 1a (Rz. 12) sind.11 Die Auslegung schriftlicher unrichtiger Angaben beurteilt sich wie bei sonstigen Erklärungen nicht allein nach dem Inhalt, sondern, wie sich auch aus der Alternative der unvollständigen Angaben ergibt, auch nach dem Kontext der expliziten Angaben.12 Anders als Unterlagen, die auch von Dritten erstellt werden können (vgl. Rz. 12), kommen als Angaben nur tätereigene bzw. ihm zurechenbare Erklärungen in Betracht, wobei eine Unterschrift nicht erforderlich ist.13 Andererseits genügt die Unterschrift des Täters unter eine von einem Dritten verfasste Erklärung für die eigene Urheberschaft.14 Eine genaue Abgrenzung zu Abs. 1 Nr. 1a ist entbehrlich, weil die Tatvariante Auffangfunktion hat.15 Erfasst sind abweichend von § 264 (§ 264 StGB Rz. 23) nur schriftliche Angaben, sodass mündliche Erklärungen unter § 263 fallen. Die Schriftlichkeit ist wegen ihrer Bedeutung für den (höheren) Unrechtsgehalt mit Recht Tatbestandsmerkmal.16 Zur Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit der Angaben, die sich nach h.M. wie die Unterlagen ebenfalls auf Bewertungen und Prognosen beziehen können, s. Rz. 13 m.N.17 Darüber hinaus müssen auch die schriftlichen Falschangaben für den Kreditnehmer vorteilhaft (Rz. 14) und entscheidungserheblich sein (Rz. 10 f.). Für das Machen der Angaben als Tathandlung gilt Gleiches wie bei der Vorlage der Unterlagen (Rz. 14), sodass ebenfalls vom Willen des Urhebers getragener Zugang der schriftlichen Erklärung im Machtbereich des Kreditgebers erforderlich ist.18 Soweit teilweise eine Tatbegehung 1 H.M.: Tiedemann in LK-StGB, § 265b Rz. 80; Fischer, StGB, § 265b Rz. 30; Saliger in S/S/W-StGB, § 265b Rz. 14; Perron in S/S-StGB, § 265b Rz. 41; Hebenstreit in M-G, § 50 Rz. 178. Enger Hoyer in SK-StGB, § 265b Rz. 41 ff.; Lampe, Kreditbetrug, S. 49. 2 Fischer, StGB, § 265b Rz. 30; Hebenstreit in M-G, § 50 Rz. 178. 3 Hellmann in NK-StGB, § 265b Rz. 30. 4 Wohlers/Mühlbauer in MüKo-StGB, § 265b Rz. 33; Perron in S/S-StGB, § 265b Rz. 41; Saliger in S/S/W-StGB, § 265b Rz. 14; Park in Park, Kapitalmarktstrafrecht, § 265b Rz. 273. 5 Str., wie hier: Tiedemann in LK-StGB, § 265b Rz. 80; Perron in S/S-StGB, § 265b Rz. 41; Wohlers/Mühlbauer in MüKoStGB, § 265b Rz. 33; Saliger in S/S/W-StGB, § 265b Rz. 14. A.A. Hoyer in SK-StGB, § 265b Rz. 42 f.; Lampe, Kreditbetrug, S. 49. 6 Vgl. OLG Frankfurt v. 23.8.1989 – 2 Ss 346/89, StV 1990, 213; Tiedemann in LK-StGB, § 265b Rz. 57. 7 Vgl. BGH v. 8.12.1981 – 1 StR 706/81, BGHSt 30, 285, 291; Kühl in Lackner/Kühl, StGB, § 265b Rz. 5; Saliger in S/S/WStGB, § 265b Rz. 14; Hellmann in NK-StGB, § 265b Rz. 46; Park in Park, Kapitalmarktstrafrecht, § 265b Rz. 257. Weiter Fischer, StGB, § 265b Rz. 26, 35, und Tiedemann in LK-StGB, § 265b Rz. 59, 84. 8 Kühl in Lackner/Kühl, StGB, § 265b Rz. 5. 9 Tiedemann in LK-StGB, § 265b Rz. 89; Wohlers/Mühlbauer in MüKo-StGB, § 265b Rz. 34. 10 Wohlers/Mühlbauer in MüKo-StGB, § 265b Rz. 35. 11 Perron in S/S-StGB, § 265b Rz. 36; Park in Park, Kapitalmarktstrafrecht, § 265b Rz. 258. 12 BGH v. 10.4.2014 – 1 StR 649/13, NStZ 2015, 342, 343. 13 Wohlers/Mühlbauer in MüKo-StGB, § 265b Rz. 29; Tiedemann in LK-StGB, § 265b Rz. 62; Hoyer in SK-StGB, § 265b Rz. 16. 14 Hellmann in NK-StGB, § 265b Rz. 41; Perron in S/S-StGB, § 265b Rz. 36. 15 Tiedemann in LK-StGB, § 265b Rz. 62; vgl. auch Perron in S/S-StGB, § 265b Rz. 36. 16 H.M.: Perron in S/S-StGB, § 265b Rz. 37; Tiedemann in LK-StGB, § 265b Rz. 63; vgl. BT-Drucks. 7/3441, S. 30 f., wo aber auch der höhere Beweiswert schriftlicher Mitteilungen betont wird. Krit. Fischer, StGB, § 265b Rz. 27; Lampe Kreditbetrug, S. 48. 17 Krit. Fischer, StGB, § 265b Rz. 27. 18 Perron in S/S-StGB, § 265b Rz. 43; Saliger in S/S/W-StGB, § 265b Rz. 15; Tiedemann in LK-StGB, § 265b Rz. 87. Weiter Fischer, StGB, § 265b Rz. 35.

610

Saliger

Rz. 18 § 265b StGB

durch Unterlassen für möglich gehalten wird – Bsp.: Betriebsinhaber lässt Vorlage eigener Unterlagen für ihn durch Angestellten zu1 –, ist nicht nur die Annahme einer Garantenstellung (Herrschaftsmacht, Vertrauensverhältnis, Ingerenz) zweifelhaft. Die Konstruktion ist auch wegen der allgemeinen Regeln von mittelbarer Täterschaft und Mittäterschaft nicht erforderlich.2 cc) Verschweigen von Verschlechterungen, Abs. 1 Nr. 2 Abs. 1 Nr. 2 kriminalisiert die Verletzung der Mitteilungspflicht von solchen Verschlechterungen der in den Un- 16 terlagen (Rz. 13) oder Angaben (Rz. 15) dargestellten wirtschaftlichen Verhältnisse (Rz. 9) bei der Vorlage (Rz. 14), die entscheidungserheblich (Rz. 10 f.) für den Kreditantrag (Rz. 6 f.) sind. Die Tatvariante ist echtes Unterlassungsdelikt.3 Der Gesetzgeber will mit Abs. 1 Nr. 2 dem Umstand Rechnung tragen, dass bei einem Kreditantrag häufig ältere, zu anderen Zwecken erstellte Unterlagen eingereicht werden und dass sich die wirtschaftlichen Verhältnisse in der Zwischenzeit verschlechtert haben können.4 Gleichwohl ist der Anwendungsbereich der Vorschrift stark eingeschränkt. Denn Abs. 1 Nr. 2 regelt nach zutreffender h.M. nur den Fall, dass die Verschlechterung von Umständen in dem Zeitraum zwischen der Erstellung der Unterlagen und ihrer Vorlage eintritt und der Mitteilungspflichtige in diesem Zeitpunkt davon Kenntnis hat. Verschlechterungen nach Vorlage der Unterlagen bzw. Abgabe der Angaben und vor Entscheidung über den Kreditantrag scheiden aus.5 Die weiter gehende Ansicht, die auch die Kenntniserlangung des Antragstellers von der Verschlechterung nach der Vorlage einbeziehen will,6 ist mit dem Wortlaut („bei der Vorlage“) nicht vereinbar.7 Eine Strafbarkeit kann sich insoweit allein aus § 263 ergeben,8 wobei die Konstruktion eines Betruges durch Unterlassen aber i.d.R. am Fehlen einer Garantenstellung scheitern dürfte.9 Hinzu kommt, dass die Vorlage nicht aktueller, weil zu positiver Unterlagen meist bereits als konkludente Täuschung von Abs. 1 Nr. 1a oder b erfasst wird.10 Eine weitere Einschränkung erfährt Abs. 1 Nr. 2 dadurch, dass er sich nur auf Verschlechterungen jener wirtschaftlichen Verhältnisse erstreckt, die in den Unterlagen oder Angaben dargestellt sind. Andere wirtschaftliche Verhältnisse oder Verbesserungen (anders Abs. 1 Nr. 1; vgl. Rz. 14) sind von der Mitteilungspflicht nicht erfasst.11 Die Mitteilungspflicht kann auch mündlich erfüllt werden.12

II. Subjektiver Tatbestand Der subjektive Tatbestand setzt Vorsatz voraus (§ 15), bedingter Vorsatz genügt. Hinsichtlich der zahlreichen 17 normativen Tatbestandsmerkmale (u.a. Betrieb, Kredit, Unrichtigkeit, Unvollständigkeit, Erheblichkeit) genügt die Erfassung ihres sozialen Sinngehalts (Parallelwertung in der Laiensphäre).13 Von der Kenntnis der Unrichtigkeit allein kann nicht auf die Kenntnis der Entscheidungserheblichkeit geschlossen werden.14 Der Irrtum über die Mitteilungspflicht nach Abs. 1 Nr. 2 ist Verbotsirrtum (§ 17).15

C. Versuch und Vollendung; tätige Reue; Täterschaft und Teilnahme Der Versuch ist straflos. Vollendung tritt bereits ein mit Zugang der Unterlagen bzw. Angaben beim Kreditgeber 18 (vgl. Rz. 14, 15, 16).16 Angesichts des frühen Vollendungszeitpunkts und zwecks Harmonisierung mit der Rücktrittsmöglichkeit bei § 26317 eröffnet Absatz 2 die Möglichkeit der tätigen Reue. Er ist strukturgleich mit den Re-

1 Perron in S/S-StGB, § 265b Rz. 43; Tiedemann in LK-StGB, § 265b Rz. 111. 2 Wohlers/Mühlbauer in MüKo-StGB, § 265b Rz. 28. 3 Perron in S/S-StGB, § 265b Rz. 44; Kühl in Lackner/Kühl, StGB, § 265b Rz. 6; Fischer, StGB, § 265b Rz. 36; Hoyer in SKStGB, § 265b Rz. 21. 4 BT-Drucks. 7/3441, S. 31. 5 Fischer, StGB, § 265b Rz. 36; Kühl in Lackner/Kühl, StGB, § 265b Rz. 6; Perron in S/S-StGB, § 265b Rz. 47; Wohlers/ Mühlbauer in MüKo-StGB, § 265b Rz. 36; Park in Park, Kapitalmarktstrafrecht, § 265b Rz. 262; Hebenstreit in M-G, § 50 Rz. 180 f. 6 So Tiedemann in LK-StGB, § 265b Rz. 93. 7 Park in Park, Kapitalmarktstrafrecht, § 265b Rz. 262; Saliger in S/S/W-StGB, § 265b Rz. 16; Fischer, StGB, § 265b Rz. 36. 8 Perron in S/S-StGB, § 265b Rz. 47; Fischer, StGB, § 265b Rz. 36; Kühl in Lackner/Kühl, StGB, § 265b Rz. 6; Park in Park, Kapitalmarktstrafrecht, § 265b Rz. 262; a.A. Mitsch, BT II 2 § 3 Rz. 187. 9 Hellmann in NK-StGB, § 265b Rz. 53; vgl. auch Werneke/Thienhaus, WM 2015, 1929, 1934 und Mitsch, BT II 2 § 3 Rz. 187. 10 Tiedemann in LK-StGB, § 265b Rz. 92; Saliger in S/S/W-StGB, § 265b Rz. 16; Perron in S/S-StGB, § 265b Rz. 44; Hoyer in SK-StGB, § 265b Rz. 21. 11 Park in Park, Kapitalmarktstrafrecht, § 265b Rz. 263; Perron in S/S-StGB, § 265b Rz. 45; weiter Fischer, StGB, § 265b Rz. 37: Verschlechterung durch nachträgliches Unvollständigwerden. 12 Wohlers/Mühlbauer in MüKo-StGB, § 265b Rz. 37. 13 Tiedemann in LK-StGB, § 265b Rz. 96; Hellmann in NK-StGB, § 265b Rz. 55. 14 Fischer, StGB, § 265b Rz. 38. 15 Wohlers/Mühlbauer in MüKo-StGB, § 265b Rz. 40; Fischer, StGB, § 265b Rz. 38. 16 Perron in S/S-StGB, § 265b Rz. 49. 17 Dazu BT-Drucks. 7/5291, S. 16.

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StGB

Kreditbetrug

StGB

§ 265b StGB Rz. 19

Strafgesetzbuch

gelungen in § 264 Abs. 5 (§ 264 StGB Rz. 42 ff.) und § 264a Abs. 3 (§ 264a StGB Rz. 22), sodass hinsichtlich der Einzelheiten auf die dortigen Ausführungen verwiesen sei. Sein Anwendungsbereich erstreckt sich von der formellen Vollendung bis zur materiellen Beendigung des Kreditbetrugs durch Erbringung der beantragten Kreditleistung. Wann Letzteres der Fall ist, richtet sich nach der Art des beantragten Kredits gem. Abs. 3 Nr. 2 (Rz. 5) und seiner zivilrechtlichen Lage:1 bei Gelddarlehen also Barauszahlung oder Kontogutschrift, bei Bürgschaften der Abschluss des Vertrages, bei Ratenkrediten die erste Leistung.2 Tätige Reue ist auch durch Nichtweiterhandeln möglich.3 Bei der Beteiligung mehrerer gilt § 24 Abs. 2 analog.4 Obwohl Absatz 2 die Strafbarkeit nach anderen Strafvorschriften grundsätzlich nicht berührt, dürfte bei §§ 263, 22 regelmäßig § 24 greifen.5 Täter von Abs. 1 Nr. 1 kann Jedermann sein: Kreditnehmer und Antragsteller, seine Vertreter, Bürge, Wirtschaftsprüfer, Bankmitarbeiter, Inhaber einer Auskunftsdatei etc. (auch Rz. 7).6 Abs. 1 Nr. 2 dagegen ist Sonderdelikt, da Täter nur derjenige sein kann, der die Unterlagen zurechenbar selbst vorlegt bzw. Angaben macht.7 Unter diesen Voraussetzungen kommt auch eine Täterschaft des (anwaltlichen) Sanierungsberaters in Betracht.8 I.Ü. gelten die allgemeinen Regeln von Täterschaft und Teilnahme.9 Insbesondere ist auch beim Kreditbetrug sukzessive Beihilfe bis zum Erbringen der letzten Leistung möglich.10

D. Konkurrenzen und Rechtsfolgen 19

Beim Zusammentreffen mehrerer Varianten des Absatzes 1 liegt nur eine Tat vor.11 § 265b soll nach h.M. sowohl hinter § 263 als auch §§ 263, 22 zurücktreten.12 Wegen des doppelten Rechtsgutsbezugs (Rz. 1) besteht aber richtigerweise Tateinheit mit §§ 263 und 263, 22.13 § 52 ist ferner möglich mit §§ 264,14 267, 269, 273, 331 f. HGB, 400, 403 AktG, § 82 GmbHG.15 Bei Rechtsfolgen von Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe verjährt die Tat in fünf Jahren (§ 78 Abs. 3 Nr. 4). Im Unterschied zu § 263 Abs. 4 sind die §§ 247, 248a nicht anwendbar. Die Tat ist Ausschlussgrund für Geschäftsführer (§§ 6 Abs. 2 S. 2 Nr. 3e GmbHG, 76 Abs. 3 S. 2 Nr. 3e AktG). Bei der Strafzumessung kann zugunsten der Angeklagten berücksichtigt werden, dass der Kredit umfangreich gesichert war, dass der Kreditgeber Kreditrisiken minimieren konnte, sich nicht geschädigt fühlte und gute Geschäftsbeziehungen zum Kreditnehmer fortbestehen, dass der Kredit ordnungsgemäß bedient wurde oder die Angeklagten eine drohende Zahlungsfähigkeit ihres Arbeitgebers abwenden, damit letzlich Arbeitsplätze sichern wollten und die Entscheidungen unter Zeitdruck erfolgten.16 Die Wirtschaftsstrafkammer ist gem. § 74c Abs. 1 Nr. 5 GVG zuständig, auch wenn nach h.M. § 265b hinter § 263 zurücktritt.17 Bei Drucklegung dieses Kommentars lag der Entwurf eines … Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuches – Strafbarkeit von Sportwettbetrug und der Manipulation von berufssportlichen Wettbewerben (BT-Drucks. 18/8831 v. 20.6.2016) vor, der die Einfügung neuer §§ 265c bis 265f StGB vorsieht. Bei Drucklegung des Kommentars stand die Verabschiedung dieses Gesetzes noch aus.

1 BGH v. 11.2.2010 – 4 StR 433/09, wistra 2010, 219, 220; Fischer, StGB, § 265b Rz. 39; Tiedemann in LK-StGB, § 265b Rz. 104 ff.; Kühl in Lackner/Kühl, StGB, § 265b Rz. 8. 2 Fischer, StGB, § 265b Rz. 39; Perron in S/S-StGB, § 265b Rz. 49. 3 Wohlers/Mühlbauer in MüKo-StGB, § 265b Rz. 49. 4 BT-Drucks. 7/5291, S. 16; Tiedemann in LK-StGB, § 265b Rz. 107. 5 Vgl. BT-Drucks. 7/5291, S. 16; Kühl in Lackner/Kühl, StGB, § 265b Rz. 8; Fischer, StGB, § 265b Rz. 39; Hoyer in SKStGB, § 265b Rz. 45. 6 Tiedemann in LK-StGB, § 265b Rz. 109; Wohlers/Mühlbauer in MüKo-StGB, § 265b Rz. 42. 7 Tiedemann in LK-StGB, § 265b Rz. 94; Wohlers/Mühlbauer in MüKo-StGB, § 265b Rz. 45; Kühl in Lackner/Kühl, StGB, § 265b Rz. 6. 8 Cyrus/Köllner NZI 2016, 290. 9 Zu § 27 BGH v. 14.9.1983 – 3 StR 157/83, wistra 1984, 25, 26 f.; LG Mannheim v. 15.11.1984 – (22) 6 Kls 12/82, wistra 1985, 158. Zu § 25 Abs. 2 LG Stuttgart v. 4.6.2013 – 11 KLs 159 Js77250/11, BeckRS 2014, 03776, S. 2 f., 49 f. Ferner Wohlers/Mühlbauer in MüKo-StGB, § 265b Rz. 42 ff.; Tiedemann in LK-StGB, § 265b Rz. 108 ff. Zu einem Kreditbetrug in mittelbarer Täterschaft Hellmann/Beckemper, Wirtschaftsstrafrecht Rz. 202 ff. 10 BGH v. 11.2.2010 – 4 StR 433/09, wistra 2010, 219, 220. 11 Perron in S/S-StGB, § 265b Rz. 51; Hellmann in NK-StGB, § 265b Rz. 68; Saliger in S/S/W-StGB, § 265b Rz. 19; a.A. Fischer, StGB, § 265b Rz. 41. 12 BGH v. 21.2.1989 – 4 StR 643/88, BGHSt 36, 130 ff. m. Anm. Kindhäuser, JR 1990, 520; BGH v. 16.11.2010 – 1 StR 502/10, NStZ 2011, 279, 280; OLG Celle v. 12.8.1991 – 1 Ws 183/91, wistra 1991, 359 m. Anm. Kochheim; Hebenstreit in M-G, § 50 Rz. 184 f.; Fischer, StGB, § 265b Rz. 41; Park in Park, Kapitalmarktstrafrecht, § 265b Rz. 287. Einschränkend Kühl in Lackner/Kühl, StGB, § 265b Rz. 10 und Hoyer in SK-StGB, § 265b Rz. 48: Subsidiarität nur bei § 263. 13 Ebenso Tiedemann in LK-StGB, § 265b Rz. 113; Perron in S/S-StGB, § 265b Rz. 51; Wohlers/Mühlbauer in MüKo-StGB, § 265b Rz. 53; Saliger in S/S/W-StGB, § 265b Rz. 19; Wessels/Hillenkamp, Rz. 699; Otto, BT § 61 Rz. 37. 14 A.A. Fischer, StGB, § 265b Rz. 41. 15 Wohlers/Mühlbauer in MüKo-StGB, § 265b Rz. 52; Perron in S/S-StGB, § 265b Rz. 51. 16 LG Stuttgart v. 4.6.2013 – 11 KLs 159 Js77250/11, BeckRS 2014, 03776, S. 50. 17 OLG Celle v. 12.8.1991 – 1 Ws 183/91, wistra 1991, 359 f.

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§ 266 StGB

§ 266 Untreue (1) Wer die ihm durch Gesetz, behördlichen Auftrag oder Rechtsgeschäft eingeräumte Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen oder einen anderen zu verpflichten, mißbraucht oder die ihm kraft Gesetzes, behördlichen Auftrags, Rechtsgeschäfts oder eines Treueverhältnisses obliegende Pflicht, fremde Vermögensinteressen wahrzunehmen, verletzt und dadurch dem, dessen Vermögensinteressen er zu betreuen hat, Nachteil zufügt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. (2) § 243 Abs. 2 und die §§ 247, 248a und 263 Abs. 3 gelten entsprechend. A. Grundsätzliches I. Rechtsgut und Deliktscharakter . . . . . . . . . . . . . . II. Genese, Funktion, Verfassungsmäßigkeit und kriminalpolitische Bedeutung . . . . . . . . . . . . . . . III. Strukturen 1. Das Verhältnis von Missbrauchs- und Treubruchstatbestand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Verschleifung von Tathandlung und Taterfolg als Strukturproblem . . . . . . . . . . . . . B. Anwendungsbereich I. Vermögensbetreuungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Voraussetzungen a) Begriff, Gesamtwürdigung, Indizienkatalog, interne Machtstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Entstehungsgründe: Gesetz, behördlicher Auftrag und Rechtsgeschäft . . . . . . . . . . . . . 2. Weitere Beispiele aus der Rechtsprechung . . . . . II. Pflichtverletzung 1. Missbrauchstatbestand, Absatz 1 Alt. 1 . . . . . . . a) Voraussetzungen aa) Fremdes Vermögen als Bezugspunkt . . . bb) Externe Rechtsmacht: Verfügungs- und Verpflichtungsbefugnis . . . . . . . . . . . . . cc) Missbrauch der Befugnis: Tun und Unterlassen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Weitere Einzelfälle. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Treubruchstatbestand, Absatz 1 Alt. 2 . . . . . . . . a) Pflichtquellen, insbesondere Treueverhältnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Rechtsunwirksame Betreuungsverhältnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Erloschene Betreuungsverhältnisse . . . . cc) Gesetzes- oder sittenwidrige Beziehungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Drittbezogene Betreuungsverhältnisse . . b) Pflichtverletzung aa) Allgemeines (Treubruchs- und Missbrauchsuntreue) (1) Systematische Bedeutung . . . . . . . . . . . (2) Verfassungsrechtliche Anforderungen . . bb) Anforderungen an die Pflichtverletzung (Treubruchs- und Missbrauchsuntreue). (1) Negative, asymmetrische Akzessorietät . (2) Mittelbarer Vermögensschutz . . . . . . . . (3) Verhältnis der Pflichtverletzung zur Vermögensbetreuungspflicht . . . . . . . . . (4) Gravierende Pflichtverletzung . . . . . . . . (5) Allgemeines Schädigungsverbot . . . . . . cc) Erscheinungsformen der Treubruchsuntreue (1) Unterlassen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Pflichtenumfang bei mehreren vermögensbetreuungspflichtigen Personen . (3) Weitere Beispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Einverständnis a) Funktion und Erscheinungsformen . . . . . . . b) Allgemeine Wirksamkeitsvoraussetzungen . .

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4. Risikogeschäft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Vermögensnachteil 1. Grundsätzliches a) Bedeutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Verfassungsrechtliche Vorgaben. . . . . . . 2. Begriff des Vermögens. . . . . . . . . . . . . . . . 3. Begriff des Nachteils a) Allgemeines: Nachteil und Schaden . . . . b) Einzelfragen der Saldierung aa) Das Prinzip der Gesamtsaldierung (1) Gesamtvermögen und wirtschaftliche Betrachtung . . . . . . . . . . . . . (2) Gesamtsaldierung . . . . . . . . . . . . . (3) Kompensation. . . . . . . . . . . . . . . . bb) Individueller Schadenseinschlag . . . cc) Ausbleiben einer Vermögensmehrung und Kick-Back . . . . . . . . . . . c) Sonderproblem: Schadensgleiche Vermögensgefährdung aa) Begründung und Problematik der h.M. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Restriktionsansätze (1) Rechtsprechung vor BVerfG NJW 2010, 3209 . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Schrifttum . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Verfassungsrechtliche Anforderungen nach BVerfG NJW 2010, 3209. . (4) Stellungnahme: Unmittelbarkeitsprinzip mit Bilanzrecht als heuristischem Hilfsmittel . . . . . . . . . . . . cc) Einzelne Fallgruppen (1) Eingehungsgeschäfte . . . . . . . . . . . (2) Unordentliche Buchführung. . . . . . (3) Falsche Behandlung von Mandantengeldern durch Rechtsanwälte . . . (4) Auslösung von Schadensersatzansprüchen und Sanktionen . . . . . . (5) Schwarze Kassen . . . . . . . . . . . . . . IV. Kausalität und objektive Zurechnung 1. Kausalität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Objektive Zurechnung . . . . . . . . . . . . . . . a) Schaffung einer rechtlich relevanten Gefahr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Pflichtwidrigkeitszusammenhang . . . . . c) Schutzzweckzusammenhang? . . . . . . . . d) Unmittelbarkeitszusammenhang? . . . . . V. Besondere Untreuefallgruppen 1. Gesellschaftsrechtliche Untreue a) GmbH-Untreue und AG-Untreue . . . . . b) KG-Untreue . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Organuntreue: Sponsoring, Gehälter, Einstellungen, Investitionen . . . . . . . . . d) Konzernuntreue . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Haushaltsuntreue . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Kredituntreue. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Parteienuntreue . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Subjektiver Tatbestand: Vorsatz und Irrtum . .

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Untreue

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§ 266 StGB

Strafgesetzbuch

C. Rechtswidrigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 D. Täterschaft und Teilnahme; Versuch und Vollendung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 E. Konkurrenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134

F. Rechtsfolgen I. Absatz 1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 II. Besonders schwere Fälle, Absatz 2 i.V.m. § 263 Abs. 3 und § 243 Abs. 2 . . . . . . . . . . . . 136 III. Strafantrag, Absatz 2 i.V.m. §§ 247, 248a . . . . 138

Literatur: Achenbach, Aus der 1996/97 veröffentlichten Rspr. zum Wirtschaftsstrafrecht, NStZ 1997, 537; Adick, Organuntreue (§ 266 StGB) und Business Judgment: Die strafrechtliche Bewertung unternehmerischen Handelns unter Berücksichtigung von Verfahrensregeln, 2010; Adick, Anm. zu BGH v. 15.9.2011 – 3 StR 118/11 – Zur Frage der Aufgabe der Interessentheorie bei der Abgrenzung zwischen Untreue und Bankrott, ZWH 2012, 18; Albrecht, In Treue gegen die Untreue – Rainer Hamm und sein steter Versuch, die Rspr. zur verfassungsrechtlichen Präzisierung des § 266 StGB anzuhalten, FS Hamm, 2008, S. 1; Aldenhoff/Kuhn, § 266 StGB – Strafrechtliches Risiko bei der Unternehmenssanierung durch Banken?, ZIP 2004, 103; Allgaier, Untreuehandlungen eines Bürgermeisters, DÖD 2003, 121; Altenburg, Unternehmerische (Fehl-)Entscheidungen als Untreue?: Eine gefährliche (Fehl-)Entwicklung!, BB 2015, 323; Altenburg, Anm. zu BGH v. 11.12.2014 – 3 StR 265/14, NJW 2015, 1624; Altvater, § 266 StGB auch heute noch sinnvoll und notwendig, DRiZ 2004, 134; Ambos, Zur Strafbarkeit der Drittmittelakquisition, JZ 2003, 345; Ammon, Die Untreue, 1894; Anders, Untreue zum Nachteil der GmbH, 2012; Arloth, Zur Abgrenzung von Untreue und Bankrott bei der GmbH, NStZ 1990, 574 f.; Arnold, Untreue durch Schädigung des Unternehmens durch den Vorstand bzw. die Geschäftsführung, Jura 2005, 844; Arzt, Zur Untreue durch befugtes Handeln, FS Bruns (1978), S. 365; Bader/Wilkens, Untreue bei spekulativen Derivaten im öffentlichen Sektor, wistra 2013, 81; Beckemper, BGH v. 6.12.2001 – 1 StR 215/01, NStZ 2002, 324; Beckemper, Untreuestrafbarkeit des GmbH-Gesellschafters bei einverständlicher Vermögensverschiebung, GmbHR 2005, 594 f.; Beckemper, Zur Untreue eines directors gegenüber einer in einem offshore-Staat gegründeten Limited, zur Verfassungsmäßigkeit des § 266 StGB, ZJS 2010, 554; Becker, Paradigmenwechsel in der Schadensdogmatik oder „Viel Lärm um nichts“? Zur aktuellen Kontroverse um die sog. schadensgleiche Vermögensgefährdung, HRRS 2009, 334; Becker, Das BVerfG und die Untreue: Weißer Ritter oder feindliche Übernahme? Zum Beschluss des BVerfG v. 23.6.2010 – 2 BvR 2559/08 u.a., HRRS 2010, 383; Becker, Anm. zu BGH v. 27.8.2014 – 5 StR 181/14 – Zur Frage der Verwirklichung des Untreuetatbestandes bei der Bildung einer „schwarzen Kasse“ und der Verwendung der Gelder daraus, NZWiSt 2015, 38; Berndt, Strafrechtliche Garantenpflicht eines Compliance-Officers. Anm. zu BGH v. 17.7.2009 – 5 StR 394/08, StV 2009, 689; Bernsmann, „Kick-Back“ zu wettbewerbswidrigen Zwecken – keine Untreue, StV 2005, 576; Bernsmann, Alles Untreue? Skizzen zu Problemen der Untreue nach § 266 StGB, GA 2007, 219; Bernsmann, Untreue und Korruption – der BGH auf Abwegen, GA 2009, 296; Bernsmann/Schoß, Vertragsarzt und „kick-back“ – zugleich Anm. zu OLG Hamm v. 22.12.2004, GesR 2005,193; Beukelmann, Der Untreuenachteil, NJW-Spezial 2008, 600; Beukelmann, Anforderungen an den Untreuevorsatz bei Gefährdungsschaden, NJW-Spezial 2013, 440; Bieneck, Die Rspr. des BGH zur Haushaltsuntreue – zugleich eine Anmerkung zu BGH wistra 1998, 103, wistra 1998, 249; Bittmann, Das BGH-Urteil im sog. Bugwellenprozeß – das Ende der Haushaltsuntreue?, NStZ 1998, 495; Bittmann, Strafrechtliche Folgen des MoMiG, NStZ 2009, 113; Bittmann, Anm. zu BGH v. 13.4.2010 – 5 StR 428/09, wistra 2010, 302; Bittmann, Zur Verwirklichung des Untreuetatbestands durch Entgegennahme von Parteispenden unter Verstoß gegen das Transparenzgebot, wistra 2011, 343; Bittmann, Dogmatik der Untreue, insbesondere des Vermögensnachteils, NStZ 2012, 57; Bittmann, Verschleifungsverbot, Quantifizierungsgebot (§§ 263, 266 StGB) und Pflichtwidrigkeit (§ 266 StGB), wistra 2013, 1; Bittmann, Erneut das BVerfG und dreimal die Strafjustiz – Untreue oder auch nicht, ZWH 2013, 56; Bittmann/Richter, Zum Geschädigten bei der GmbH- und der KG-Untreue, wistra 2005, 51; du Bois-Pedain, Die Strafbarkeit untreueartigen Verhaltens im englischen Recht: „Fraud by abuse of position“ und andere einschlägige Strafvorschriften, ZStW 122 (2010), 325; Bosch, Anm. zu BGH v. 13.2.2001 – 1 StR 488/00, wistra 2001, 257; Böse, Das BVerfG „bestimmt“ den Inhalt des Untreuetatbestandes, Jura 2011, 617; Bott/Orlowski, Anm. zu BGH v. 7.10.2014 – 4 StR 371/14 – Zur gesonderten Prüfung von Konkurrenzen im Zusammenhang mit den jeweiligen Beteiligten, NZWiSt 2015, 426; Brammsen, Strafbare Untreue des Geschäftsführers bei einverständlicher Schmälerung des GmbH-Vermögens?, DB 1989, 1609; Brand, Anm. zu BGH v. 27.8.2010 – 2 StR 111/09, NJW 2010, 3463; Brand, Anm. zu BGH v. 13.4.2011 – 1 StR 94/10, NJW 2011, 1752; Brand, Anm. zu BGH v. 13.9.2010 – 1 StR 220/09: Zur Frage der strafbaren Beeinflussung der Betriebsratswahl durch den Arbeitgeber bei Verschleierung der finanziellen Unterstützung seiner Kandidaten als pflichtwidrige Normverletzung im Sinne des Untreuetatbestandes, JR 2011, 400; Brand, Der Verstoß gegen § 1 BauFordSiG – auch ein Fall der Untreue?, wistra 2012, 92; Brand, Untreuestrafrechtliche Implikationen der Nürburgring-Sanierung, NZG 2016, 690; Brand/Hotz, Das „vertragsärztliche Wirtschaftsrecht“ nach BGH, Beschl. v. 29.3.2012, GSSt 2/11, PharmR 2012, 317; Brand/Sperling, Legalitätsverstöße in der Aktiengesellschaft als untreuerelevante Pflichtverletzung?, AG 2011, 233; Braum, Zur Strafbarkeit des „goldenen Handschlags“ wegen Untreue (§ 266 StGB) – Rechtliche Überlegungen zum Fall Mannesmann, KritV 2004, 67; Bräunig, Untreue in der Wirtschaft. Eine funktionale Interpretation des Untreuestrafrechts, 2011; Brauns, Zum Untreuetatbestand bei einer Überschreitung eines öffentlichen Haushalts, JR 1998, 381; Bringewat, Scheckkartenmißbrauch und nullum crimen sine lege, GA 1973, 353; Bringewat, Finanzmanipulation im Fußball – ein Risikogeschäft?, JZ 1977, 667; Bringewat, Der Kreditkartenmißbrauch – eine Vermögensstraftat!, NStZ 1985, 535; Broß/Thode, Untreue und Betrug am Bau – und deren Bewältigung durch Teile der Justiz?, NStZ 1993, 369; Brüning, Zur Frage der Schadensbestimmung beim Betrug im Falle eines Risikogeschäfts, ZJS 2009, 300; Brüning/Wimmer, Untreue durch Einrichtung verdeckter Kassen; Bestechung im Ausland (Fall Siemens) (Anm. zu BGH v. 29.8.2008 – 2 StR 587/07, StV 2009, 21), ZIS 2009, 94; Brüning/Samson, Bankenkrise und strafrechtliche Haftung wegen Untreue gem. § 266 StGB, ZIP 2009, 1089; Bruns, Anm. zu BGH v. 17.11.1955 – 3 StR 243/55, NJW 1956, 151; Büch, Zur Strafbarkeit eines Stiftungsvorstands wegen Untreue, wistra 2011, 20; Bülte, Der Vertragsarzt-Beschluss des Großen Senats und die Vertragsarztuntreue – zugleich Bespr. von OLG Stuttgart v. 18.12.2012 – 1 Ss 559/12, NZWiSt 2013, 346; Bülte, Geldwäschetauglichkeit als Vermögensnachteil: Instrumentalisierung der Untreue für die Strafverfolgung?, NStZ 2014, 680; Bung, Gefährdungsschaden und Vermögensverlust, IfKuR (Hrsg.), Jenseits des rechtsstaatlichen Strafrechts, 2007, 363; Burckhardt, Zu einer restriktiven Interpretation der Treubruchshandlung – Bemerkungen zum Urteil des OLG Hamm in NJW 73, 1809, NJW 1973, 2190; Burger, Untreue (§ 266 StGB) durch das Auslösen von Sanktionen zu Lasten von Unternehmen, 2007; Burghardt/Bröckers, Bezahlung von Schwarzarbeit und Untreuestrafbarkeit. Zugleich Überlegungen zu den Grenzen eines normativierten Vermögensbegriffs, NJW 2015, 903; Busch, Konzernuntreue, 2004; Cappel, Grenzen auf dem Weg zu einem europäischen Untreuestrafrecht: das Mannesmann-

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§ 266 StGB

Verfahren und § 266 StGB als Beispiele eines expansiven Wirtschaftsstrafrechts, 2009; Clemente, Sicherungsgrundschuld und Untreue, wistra 2010, 249; Coenen, Die Strafbarkeit von Verstößen gegen das Haushaltsrecht bei der Bewirtschaftung öffentlicher Mittel, 2000; Cordes/Sartorius, Der Verjährungsbeginn bei der Untreue – Notwendigkeit einer Neubestimmung, NJW 2013, 2635; Cornelius, Zum strafrechtlichen Schutz des Fernmeldegeheimnisses und der Untreuerelevanz datenschutzrechtlicher Verstöße – zugleich Bespr. von BGH v. 10.10.2012 – 2 StR 591/11, NZWiSt 2013, 166; Corsten, Pflichtverletzung und Vermögensnachteil bei der Untreue – Kritische Betrachtung des „VW-Urteils“ des BGH wistra 2009, 468, wistra 2010, 206; Corsten, Anm. zu BGH v. 13.4.2011 – 1 StR 94/10 – Zur Frage der Untreue im Zusammenhang mit der Erstellung bzw. der Einreichung eines fehlerhaften Rechenschaftsberichts einer Partei, wistra 2011, 389; Corsten, Erfüllt die Zahlung von Bestechungsgeldern den Tatbestand der Untreue?, HRRS 2011, 247; Corsten, Einwilligung in die Untreue sowie in die Bestechlichkeit und Bestechung, 2011; Corsten, Anm. zu BGH v. 13.12.2012 – 5 StR 407/12 (BB 2013, 658) – Zur Annahme einer Vermögensbetreuungspflicht des Geschäftsführers eines herrschenden Unternehmens gegenüber dem abhängigen Unternehmen, BB 2013, 660; Cramer, Vermögensbegriff und Vermögensschaden im Strafrecht, 1968; Dahs, § 266 StGB – allzu oft missverstanden, NJW 2002, 272; Dannecker/Dannecker, Die „Verteilung“ der strafrechtlichen Geschäftsherrenhaftung im Unternehmen – Zur strafrechtlichen Verantwortung der Compliance Officers und (leitender) Angestellter bei der Übernahme unternehmensbezogener Aufgaben – zugleich Bespr. von BGH v. 17.7.2009 – 5 StR 394/08, JZ 2010, 981; Dehne-Niemann, Ein Abgesang auf die Interessentheorie bei der Abgrenzung von Untreue und Bankrott – zugleich Anm. zu BGH wistra 2009, 275, wistra 2009, 417; Deiters, Organuntreue durch Spenden und prospektiv kompensationslose Anerkennung, ZIS 2006, 159; Deutscher/Körner, Die strafrechtliche Produktverantwortung von Mitgliedern kollegialer Geschäftsleitungsorgane – Eine Einführung unter besonderer Berücksichtigung der Rspr. des BGH – (Teil 2) wistra 1996, 327; Dierlamm, Neue Entwicklungen bei der Untreue – Loslösung des Tatbestandes von zivilrechtlichen Kategorien?, StraFo 2005, 397; Dierlamm/Links, Anm. zu BGH v. 6.4.2000 – 1 StR 280/99, NStZ 2000, 656; Dinter, Der Pflichtwidrigkeitsvorsatz der Untreue, 2012; Dobers, Freifahrtschein für Vermögende? Die Ausgleichsfähigkeit und Ausgleichsbereitschaft des Treupflichtigen und ihre Auswirkungen auf die Untreuestrafbarkeit gemäß § 266 StGB“, 2015; Doster, Strafrechtliche Ermittlungsverfahren gegen Bankmitarbeiter wegen des Verdachts der Untreue, WM 2001, 333; Drüen/van Heek, Die Kommanditgesellschaft auf Aktien zwischen Trennungs- und Transparenzprinzip – Eine steuersystematische Bestandsaufnahme, DStR 2012, 541; Dunkel, Erfordernis und Ausgestaltung des Merkmals „Vermögensbetreuungspflicht“ im Rahmen des Mißbrauchstatbestandes der Untreue (§ 266 I 1. Alternative), 1976; Dunkel, Nochmals: Der Scheckkartenmißbrauch in strafrechtlicher Sicht, GA 1977, 329; Eisele, Untreue in Vereinen mit ideeller Zielsetzung, GA 2001, 377; Engländer, Wenn der betrogene Rauschgiftkäufer den Verkäufer erpresst, JR 2003, 164; Englisch, Untreue abschaffen – nein danke!, NJW 2005, 2974; Erb, Strafbarkeit wegen Untreue (§ 266 StGB) durch die Begründung einer Haftungsverbindlichkeit beim Handeln im wirtschaftlichen Interesse des Vermögensinhabers – Strafrecht als ultima ratio?, FS Zoll, Band 2, 2012, S. 1075; Fabricius, Strafbarkeit der Untreue im Öffentlichen Dienst, NStZ 1993, 414; Faust, Zur möglichen Untreuestrafbarkeit im Zusammenhang mit Parteispenden, 2006; Feigen, Untreue durch Kreditvergabe, FS Rudolphi, 2004, S. 445; Fischer, Der Gefährdungsschaden bei § 266 in der Rspr. des BGH, StraFo 2008, 269; Fischer, Prognosen, Schäden, Schwarze Kassen. Aktuelle Diskussionen im Untreue- und Betrugsstrafrecht, NStZ-Sonderheft 2009, 8; Fischer, Strafbarer Gefährdungsschaden oder strafloser Untreueversuch – zur Begriffsbestimmung der Untreue – Rspr., StV 2010, 95; Fischer, Schätzungen in der Rspr. des BGH, StraFo 2012, 429; Fleischer, Zum Grundsatz der Gesamtverantwortung im Aktienrecht, NZG 2003, 449; Florstedt, Grundsätze der Unternehmensbewertung für das Strafrecht, wistra 2007, 441; Foffani, Untreuestrafbarkeit im französischen und italienischen Strafrecht, ZStW 122 (2010), 374; Franzheim, Zur Strafbarkeit des Komplicen- und Dirnenlohnbetrugs – Ein Beitrag zum Begriff des Vermögensschadens, GA 1960, 269; Franzheim, Zur Untreue-Strafbarkeit von Rechtsanwälten wegen falscher Behandlung von fremden Geldern, StV 1986, 409; Freudenthal, Untreue, 1906; Frisch, Zur hinreichenden Bestimmtheit des Untreuetatbestands, EWiR 2010, 657; Fullenkamp, KickBack – Haftung ohne Ende?, NJW 2011, 421; Gallandi, Anm.zu BGH v. 7.10.2003 – 1 StR 212/03, NStZ 2004, 268; Geerds, Untreue durch Schädigung einer GmbH im Einverständnis mit Alleingesellschafter, JR 1997, 340; Gehrmann/Lammers, Kommunale Zinsswapgeschäfte und strafrechtliches Risiko, KommJur 2011, 41; Gericke, Strafrechtliche Sanktionen für Fehlverhalten von Mietvertragsparteien, NJW 2013, 1633; Gerst, Organuntreue und gesetzeswidrige Zahlungen, WiJ 2013, 178; Gmeiner, Die Begrenzung des staatlichen Strafanspruchs durch das Kirchenrecht am Beispiel der Untreue, ZIS 2016, 19; Golombek/v. Tippelskirch, Regelbeispiel für besonders schweren Fall des Betrugs bzw. der Untreue – Vermögensverlust großen Ausmaßes, NStZ 2004, 530; Görling, BGH: Beihilfe zur Untreue wegen Verletzung der gesellschaftsrechtlichen Sorgfalts- und Buchführungsvorschriften – Schwarze Kassen im Ausland – fehlendes Einverständnis von Mitgesellschaftern, CCZ 2011, 77; Gräwe/v. Maltzahn, Die Untreuestrafbarkeit von Stiftungsvorstand und -beirat: Vermeidungsstrategien bei stiftungstypischen Maßnahmen, BB 2013, 329; Greeve, Kann der Verstoß gegen die VOB/B eine Untreue sein? Strafbare Untreue aufgrund der Nichteinzahlung eines Sicherheitseinbehaltes auf ein Sperrkonto gemäß § 17 Nr. 6 Abs. 1 Satz 2 VOB/B?, FS Hamm, 2008, S. 121; Grunst, Untreue zum Nachteil von Gesamthandsgesellschaften – Auswirkungen der BGH-Entscheidung zur Rechtsfähigkeit der GbR auf den strafrechtlichen Vermögensschutz, BB 2001, 1537; Güntge, Untreueverhalten durch Unterlassen, wistra 1996, 84; Günther, Die Untreue im Wirtschaftsrecht, FS Weber, 2004, S. 311; Gutman, BGH: Hohe Anforderungen an die Feststellung der „faktischen Geschäftsführung“ beim Untreuetatbestand, FD-StrafR 2013, 342502; Haas, Die Untreue (§ 266 StGB): Vorschläge de lege ferenda und geltendes Recht, 1997; Haft, Absprachen bei öffentlichen Bauten und das Strafrecht, NJW 1996, 238; Haft, Bestechlichkeit, Angestelltenbestechlichkeit, Untreu und Verrat von Geschäftsgeheimnissen bei der Ausschreibung von Aufträgen: Amtsträgereigenschaft; Verfolgungsverjährung; Konkurrenzen, NJW 1996, 268; Hanft, Bewilligung kompensationsloser Anerkennungsprämien durch den Aufsichtsrat einer Aktiengesellschaft als Untreue – Fall Mannesmann, Jura 2007, 58; Hannich/Röhm, Die Herbeiführung eines Vermögensverlustes großen Ausmaßes im Betrugsund Untreuestrafrecht, NJW 2004, 2061; Hartung, Anm. zu BGH v. 17.11.1955 – 3 StR 234/55, JZ 1956, 572; Hefendehl, Vermögensgefährdung und Exspektanzen, 1994; Hefendehl, Auslaufmodell „Vermögensgefährdung“? FS Samson, 2010, S. 295; Hefendehl, Die Feststellung des Vermögensschadens – auf dem Weg zum Sachverständigenstrafrecht?, wistra 2012, 325; Heimbach/Boll, Führungsaufgabe und persönliche Haftung der Vorstandsmitglieder und des Vorstandsvorsitzenden im ressortaufgeteilten Vorstand einer AG, VersR 2001, 801; Hellmann, Risikogeschäfte und Untreuestrafbarkeit, ZIS 2007, 433 f.; Helmrich, „Cross-Border-Leasinggeschäfte“ – ein Fall strafbarer Untreue (§ 266 StGB)?, wistra 2006, 326; Hentschke, Der Untreueschutz der Vor-GmbH vor einverständlichen Schädigungen, 2002; Hillenkamp, Risikogeschäft und Untreue, NStZ 1981, 161; Hillenkamp, Zur Frage, ob die Bezahlung einer fremden Geldstrafe den Tatbestand der Strafvollstreckungsvereitelung nach StGB § 258 Abs. 2 erfüllt, JR 1992, 75; Hillenkamp, Zur Kongruenz von objektivem und subjektivem Tatbestand der Untreue, FS Maiwald, 2010, 323; Hinrichs, Konsequenzen der Vorgaben des BVerfG zur Figur des Gefährdungsschadens, wistra

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StGB

Untreue

StGB

§ 266 StGB

Strafgesetzbuch

2013, 161; Hoffmann, Untreue und Unternehmensinteresse, 2010; Hoffmann, Anm. zu BGH v. 27.8.2010 – 2 StR 111/09 – Zu den Voraussetzungen einer Organuntreue, GmbHR 2010, 1150; Hoffmann-Becking, Vorstandsvergütung nach Mannesmann, NZG 2006, 127; Hohn, Die „äußersten“ Grenzen des erlaubten Risikos bei Entscheidungen über die Verwendung von Gesellschaftsvermögen – Anm. zum Urteil des BGH im sog Mannesmann-Verfahren, wistra 2006, 161; Hohn, Abschöpfung der Steigerung des Firmenwerts als Bruttowertersatzverfall? – Anm. zu BGH v. 2.12.2005 – 5 StR 119/05, wistra 2006, 321; Hohn, Eigenkapitalregeln, Kompetenzverteilungsordnung und Zustimmungen zu Vermögensschädigungen bei Kapitalgesellschaften, FS Samson, 2010, S. 315; Hoven, Anm. zu BGH v. 27.8.2014 – 5 StR 181/14, NStZ 2014, 646; Hüls, Bestimmtheitsgrundsatz, § 266 StGB und § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO – Die Beschlüsse des BVerfG v. 23.6.2010 (2 BvR 2559/08, 2 BvR 105/09, 2 BvR 491/09) und v. 16.6.2011 (2 BvR 542/09), NZWiSt 2012, 12; Ibold, Unternehmerische Entscheidungen als pflichtwidrige Untreuehandlungen. Dargestellt am Beispiel von Bestechungszahlungen zugunsten eines Unternehmens, 2011; Ignor/Sättele, Pflichtwidrigkeit und Vorsatz bei der Untreue (§ 266 StGB) am Beispiel der sog. Kredituntreue – Zugleich ein Beitrag zum Bestimmtheitsgebot des Art. 103 Abs. 2 GG, FS Hamm, 2008, S. 211; Ipsen, Parteiengesetz, 2008; Jäger, Untreue durch Auslösung von Schadensersatzpflichten und Sanktionen, FS Otto, 2007, S. 593; Jäger, Der untreue Notar, JA 2014, 875; Jäger, Shoppen, bis die Kreditkarte glüht, JA 2015, 629; Jahn, Rspr. Strafrecht. Betrug, JA 1999, 628; Jahn, Untreue durch die Führung „schwarzer Kassen“ – Fall Siemens/ENEL, JuS 2009, 173; Jahn, „Bestechende Untreue“. Strafbarkeit von Zuwendungen einer Gesellschaft an Amtsträger einer Stadt, die deren alleinige Aktionärin ist, JuS 2015, 850; Jahn/Ziemann, „Untreuestrafrecht 2.0“ usw., ZIS 2016, 552; Jakobs, Anm. zu LG Düsseldorf v. 22.7.2004 – XIV 5/03, NStZ 2005, 276; Joecks, Gefühlte Schäden?, FS Samson, 2010, S. 355; Kargl, Die Mißbrauchskonzeption der Untreue (§ 266 StGB) – Vorschlag de lege ferenda, ZStW 113 (2001), 565; Kasiske, Existenzgefährdende Eingriffe in das GmbH-Vermögen mit Zustimmung der Gesellschafter als Untreue, wistra 2005, 85; Keller/Sauer, Zum Unrecht der sog. Bankenuntreue – zugleich Anm. zu BGH v. 15.11.2001 – 1 StR 185/01, wistra 2002, 365; Kempf, Bestechende Untreue?, FS Hamm, 2008, S. 255; Kempf, „Schwarze Kassen“: Effektiver Schaden?, FS Volk, 2009, S. 231; Kempf, Bilanzorientierte Schadensfeststellung, in Fischer u.a. (Hrsg.) Dogmatik und Praxis des strafrechtlichen Vermögensschadens, 2015, S. 325; Keuffel-Hospach, Die Grenzen der Strafbarkeit wegen Untreue (§ 266 StGB) aufgrund eines (tatsächlichen) Treueverhältnisses, 1997; Kiefner, Zur zivilrechtlichen Genealogie des Mißbrauchstatbestands (§ 266 StGB), FS Stree/Wessels, 1993, S. 1205; Kiethe, Die Grenzen der strafrechtlichen Verantwortlichkeit von Bürgermeistern – Zugleich Bespr. von BGH v. 9.12.2004 – 4 StR 294/04, NStZ 2005, 529; Kindhäuser, Pflichtverletzung und Schadenszurechnung bei der Untreue (§ 266 StGB), FS Lampe, 2003, S. 709; Kindhäuser/Goy, Zur Strafbarkeit ungenehmigter Drittmitteleinwerbung, NStZ 2003, 291; Kindhäuser/Wallau, Die strafrechtliche Beurteilung der erzwungenen Rückzahlung des Entgelts aus betrügerischem Rauschgiftgeschäft, NStZ 2003, 152; Kirchner, Untreuerisiken beim Einsatz von Zinsswaps und Forward Rate Agreements durch Kommunen, wistra 2013, 418; Kirkpatrick, Die Target2-Salden der Deutschen Bundesbank – Ein Fall der Untreue?, wistra 2013, 249; Klemm, Anm. zu BGH v. 12.12.2013 – 3 StR 146/13, NStZ 2015, 223; Klötzer/ Schilling, Zum Vorsatz und zum Vermögensnachteil bei Untreuehandlungen durch pflichtwidriges Eingehen von Risiken für fremdes Vermögen sowie zur Terminierung in Wirtschaftsstrafsachen, StraFo 2008, 305; Knauer, Kollegialentscheidung im Strafrecht, 2001; Knauer, Die Strafbarkeit der Bankvorstände für mißbräuchliche Kreditgewährung, NStZ 2002, 399; Knauer, Zur Frage der Bildung verdeckter Kassen als Untreue, NStZ 2009, 151; Knierim, Untreue durch Nutzung einer „schwarzen Kasse“, CCZ 2008, 37; Knierim/Smok, BVerfG: Verfassungsrechtliches Bestimmtheitsgebot begrenzt Ermittlungen wegen Untreue, FD-StrafR 2010, 307157; Köhler/Hitz, Die Vermögensbetreuungspflicht des Steuerberaters im Mandat und die Gefahr einer Strafbarkeit wegen Untreue gemäß § 266 StGB, DStR 2013, 1053; Kohlmann/Löffeler, Die strafrechtliche Verantwortlichkeit des GmbH-Geschäftsführers, 1990; Köllner/Lendermann, Untreue eines Vorstandsvorsitzenden wegen Belastung der Gesellschaft mit privaten Reisekosten – Anm. zu LG Essen – 35 KLs 14/13, BeckRS 2016, 04218, NZI 2016, 476; Kort, Mannesmann – Das „Aus“ für nachträglich vorgesehene Vorstandsvergütungen ohne Anreizwirkung?, NZG 2006, 131; Kraatz, Anm. zu BVerfG v. 11.6.2010 – 2 BvR 1046/08, JR 2010, 403; Kraatz, Der Untreuetatbestand ist verfassungsgemäß – gerade noch! – Zugleich Anm. zu BVerfG – 2 BvR 2559/08, JR 2011, 434; Kraatz, Zur „limitierten Akzessorietät“ der strafbaren Untreue – Überlegungen zur Strafrechtsrelevanz gesellschaftsrechtlicher Pflichtverletzungen im Rahmen des § 266 StGB anhand von Beispielen zur „GmbH-Untreue“, ZStW 123 (2011), 447; Kraatz, Anm. zu BGH v. 29.3.2012 – GSSt 2/11 – Zur Bestechung eines Vertragsarztes, NZWiSt 2012, 273; Kraft, Die Garantenpflicht des Leiters der Innenrevision und des Compliance Officers zur Abwendung von unternehmensbezogenen Straftaten – zugleich Anm. zu BGH wistra 2009, 433, wistra 2010, 81; Krause, Die Feststellung des Vermögensschadens – auf dem Weg zum Sachverständigenstrafrecht? – Statement aus der Sicht eines Verteidigers, wistra 2012, 331; Krause, Anm. zu BGH v. 21.12.2005 – 3 StR 470/04, StV 2006, 307; Krause, Konzerninternes Cash-Management – der Fall Bremer Vulkan – Neue Ansätze bei der Untreue (§ 266 StGB) und ihre Konsequenzen für die Praxis – Zum Urteil des BGH v. 13.5.2004 – 5 StR 73/03, JR 2006, 51; Krehl, Reichweite und Bindungswirkung der Verfassungsgerichtsentscheidungen zu Schaden und Nachteil bei Betrug und Untreue, in Fischer u.a. (Hrsg.) Dogmatik und Praxis des strafrechtlichen Vermögensschadens, 2015, S. 133; Krehl, Anm. zu BGH v. 3.12.2013 – 1 StR 526/13 – Zur Untreuestrafbarkeit, NStZ 2014, 159; Krekeler/Werner, Unternehmer und Strafrecht, 2006; Krell, Untreue durch Stellenbesetzungen: zugleich ein Beitrag zur Pflichtwidrigkeitsdogmatik, 2015; Kretschmer, Garantenstellung des Angeklagten, JR 2009, 474; Krüger, Zum Risikogeschäft im Untreuetatbestand und seinen Risiken – Überlegungen zur Untreue durch Belastung mit dem Risiko zukünftiger Sanktionen am Beispiel verdeckter Parteienfinanzierung, NJW 2002, 1178; Krüger, Konsequenzen aus dem Plenarbeschluss in Sachen Vertragsärzte, StraFo 2012, 308; Krüger, Neues aus Karlsruhe zu Art. 103 II GG und § 266 StGB – Bespr. von BVerfG, Beschl. v. 23.6.2010 – 2 BvR 2559/08, NStZ 2011, 369; Krüger/Brand/Müller/Raschke, Strafbare Untreue bei Spielertransfers?, causa sport 2/2012, 137; M. Krüger, Anm. zu BGH v. 7.10.2003 – 1 StR 212/03, wistra 2004, 146; Kubiciel, Gesellschaftsrechtliche Pflichtwidrigkeit und Untreuestrafbarkeit, NStZ 2005, 353; Kudlich, „Anstellungsuntreue“ – Untreue durch die Anstellung von ungeeigneten Personen im öffentlichen Dienst; Übertragung der Grundsätze für den Anstellungsbetrug durch Erschleichen einer Beamtenernennung, JA 2006, 826; Kudlich, Fast wie im richtigen Leben: Wo fängt eigentlich Untreue an …?, JA 2011, 66; Kudlich, „Der Erbschleicher“ – Untreue in mittelbarer Täterschaft zum Nachteil eines Testierunfähigen durch den Betreuer, JA 2013, 710; Kudlich, Anm. zu OLG Celle – 1 Ws 248/12 (Betrug und Untreue bei dauerhaft hohen Kosten einer gemeinnützigen GmbH), ZWH 2013, 24; Kudlich, Die Lehre vom individuellen Schadenseinschlag, in Fischer u.a. (Hrsg.) Dogmatik und Praxis des strafrechtlichen Vermögensschadens, 2015, S. 123; Kuhlen, Fragen einer strafrechtlichen Produkthaftung, 1989; Kuhlen, Gesetzlichkeitsprinzip und Untreue, JR 2011, 246; Kühne, Kreditvergabe als Untreue durch Bankmitarbeiter, StV 2002, 198; Küper, Zum rechtfertigenden Notstand bei Kollision von Vermögenswerten – Bemerkungen zum Urteil des BGH v. 27.1.1976, JZ 1976, 515; Küpper, Anm. zu BGH v. 8.7.2014 – I ZR 174/13 – Zum Zustimmungserfordernis des Aufsichtsrates bei vom Arbeitgeber übernommenen Geldsanktionen des Vorstandes, NZWiSt

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2015, 319; Kutzner, Anm. zu BGH v. 13.5.2004 – 5 StR 73/03, NStZ 2005, 271; Kutzner, Einfache gesellschaftsrechtliche Pflichtverletzungen als Untreue – Die Kinowelt-Entscheidung des BGH, NJW 2006, 3541; Labsch, Untreue (§ 266 StGB). Grenzen und Möglichkeiten einer Deutung, 1983; Labsch, Einverständliche Schädigung des Gesellschaftsvermögens und Strafbarkeit des Gesellschafters, JuS 1985, 602; Labsch, Grundprobleme des Mißbrauchstatbestandes der Untreue (§ 266 I 1. Alt. StGB), Jura 1987, 343, 411; Lang/Eichhorn, Regelbeispiel für besonders schweren Fall des Betrugs bzw. der Untreue – Vermögensverlust großen Ausmaßes, NStZ 2004, 528; Langrock, Der Vermögensschaden des § 263 StGB – ein verschmähtes Tatbestandsmerkmal?, wistra 2005, 46; Lassmann, Stiftungsuntreue, 2008; Lassmann, Untreue zu Lasten gemeinnütziger Stiftungen – Strafbarkeitsrisiken im Non-Profit-Bereich, NStZ 2009, 473; Laub, Grenzen der Spendenkompetenz des Vorstands – Zugleich Bespr. von BGH v. 6.12.2001 – 1 StR 215/01, AG 2002, 308; Leffson, Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung, 7. Aufl. 1987; Lehmann, Untreue durch kommunale Amtsträger, FS Faber, 2007, S. 137; Leimenstoll, Vermögensbetreuungspflicht des Vertragsarztes?, 2012; Leimenstoll, Der Vertragsarzt – Tauglicher Täter einer Untreue zu Lasten der gesetzlichen Krankenkassen?, wistra 2013, 121; Lenckner, Vermögensschaden und Vermögensgefährdung beim sog. Eingehungsbetrug, JZ 1971, 320; Lenckner, Anm. zu OLG Stuttgart v. 4.4.1973 – 1 Ss 724/72, JZ 1973, 794; Leplow, Zur Feststellung des Nachteils bei der Untreue, wistra 2010, 475; Lesch, § 266 StGB – Tatbestand ist schlechthin unbestimmt, DRiZ 2004, 135; Lesch/Hüttemann/Reschke, Zur Untreue im Unternehmensverbund, NStZ 2015, 609; Lichtenwimmer, Untreueschutz der GmbH gegen den übereinstimmenden Willen der Gesellschafter?, 2008; Lindemann, Die strafrechtliche Verantwortlichkeit des faktischen Geschäftsführers, Jura 2005, 305; Link, Anm. zu BGH v. 10.2.2009 – 3 StR 372/08, NJW 2009, 2228; Livonius, Untreue wegen existenzgefährdenden Eingriffs – Rechtsgeschichte?, wistra 2009, 91; Loeck, Strafbarkeit des Vorstands der Aktiengesellschaft wegen Untreue, 2006; Lorenzen, Normentheorie und Untreue, 2009; Louis, Die Falschbuchung im Strafrecht, 2002; Lüderssen, „Nützliche Aufwendungen“ und strafrechtliche Untreue, FS Müller-Dietz, 2001, S. 467; Lüderssen, Gesellschaftsrechtliche Grenzen der strafrechtlichen Haftung des Aufsichtsrats, FS Lampe 2003, S. 727; Lüderssen, Zur Konkretisierung der Vermögensbetreuungspflicht in § 266 Strafgesetzbuch durch § 87 Abs. 1 Satz 1 Aktiengesetz – Das Problem akzessorischer Bindung strafrechtlicher Normen an kontrovers interpretierte Normen anderer Rechtsgebiete, FS Schroeder, 2006, S. 569; Lüderssen, Bemerkungen zum Irrtum über die Pflicht zur Wahrnehmung fremder Vermögensinteressen im Sinne des § 266 StGB, FS Richter II, 2006, S. 373; Luthmann, Zur Frage der Untreue im Rahmen rechts- oder sittenwidriger Abmachungen, NJW 1960, 419; Luzón Pena/Roso Canadillas, Untreuestrafbarkeit im spanischen Strafrecht, ZStW 122 (2010), 354; Mansdörfer, Die Vermögensgefährdung als Nachteil im Sinne des Untreuetatbestandes, JuS 2009, 114; Martin, Bankuntreue, 2000; Marxen, Zur Strafbarkeit nach StGB § 266 bei pflichtwidriger Kreditvergabe, EWiR 2002, 307; Marxen/Karitzky, Zur Strafbarkeit nach StGB § 266 wegen risikobehafteter Kreditvergabe, EWiR 2001, 391; Matt, Missverständnisse zur Untreue – Eine Betrachtung auch zum Verhältnis von (Straf-)Recht und Moral, NJW 2005, 389; Matt/Saliger, Straflosigkeit der versuchten Untreue, in: Irrwege der Strafgesetzgebung, 1999; Mayer, Die Untreue im Zusammenhang der Vermögensverbrechen, 1926; Meier, Verbraucherschutz durch Strafrecht? – Überlegungen zur strafrechtlichen Produkthaftung nach der „Lederspray“Entscheidung des BGH, NJW 1992, 3193; D. Meyer, Die missbräuchliche Benutzung der Scheckkarte – Betrug oder Untreue?, JuS 1973, 214; Meyer-Lohkamp, Gewährung geldwerter Zuwendungen an Amtsträger durch Vorstand einer AG, jurisPRStrafR 16/2015; Michaelsen, Abweichungen vom Deutschen Corporate Governance Kodex und von § 161 AktG als Pflichtverletzung im Sinne der Untreue, 2011; Michalke, Neue Garantenpflichten? – oder: Haftung des Compliance-Officers – Das obiter dictum des BGH und die Folgen (auch) für die anwaltliche Dienstleistung, AnwBl. 2010, 666; Michalke, Untreue – neue Vermögensbetreuungspflichten durch Compliance-Regeln, StV 2011, 245; Mölter, Untreuestrafbarkeit von Anlageberatern unter spezieller Betrachtung der Vermögensbetreuungspflicht, wistra 2010, 53; Mosbacher/Dierlamm, Zur Frage der Garantenpflicht eines Compliance-Officers, NStZ 2010, 268; Mosenheuer, Untreue durch mangelhafte Dokumentation von Zahlungen?, NStZ 2004, 179; Mosiek, Zur Unmittelbarkeit des Untreueschadens, HRRS 2009, 565; Munoz/Vila, Untreue durch die Auslösung der Gefahr von Sanktionen zu Lasten des betreuten Vermögens?, GA 2015, 284; Munz, Haushaltsuntreue, 2001; Nack, Bedingter Vorsatz beim Gefährdungsschaden – ein „doppelter Konjunktiv“, StraFo 2008, 277; Naucke, Zur Lehre vom strafbaren Betrug, 1964; Naucke, Keine Vermögensgefährdung als Tatbestandsmerkmal des Betruges bei wirtschaftlich gleichwertigem Rückerstattungsanspruch?, StV 1985, 187; Nelles, Untreue zum Nachteil von Gesellschaften, 1991; Nettesheim, Können sich Gemeinderäte der „Untreue“ schuldig machen?, BayVBl. 1989, 161; Neudecker, Die strafrechtliche Verantwortlichkeit der Mitglieder von Kollegialorganen, 1995; Neye, Untreue im oeffentlichen Dienst: ein Beitrag zur Dogmatik und Auslegung des Paragraphen 266 StGB, 1991; Nix, Zweckentsprechende Mittelverwendung in einem öffentlich-rechtlichen Theater unter Haushaltsüberschreitung – Zur sog. Haushaltsuntreue, NJ 1998, 325; Noll, Die Schätzung des Schadens im Vermögensstrafrecht, in Fischer u.a. (Hrsg.) Dogmatik und Praxis des strafrechtlichen Vermögensschadens, 2015, S. 313; Noltensmeier, Public Private Partnership und Korruption, 2009; Oglakcioglu, Anm. zu OLG Celle v. 13.2.2013 – 1 Ws 54/13 (Untreue durch Veranlassung einer letztwilligen Verfügung bei Testierunfähigem), ZWH 2013, 375; Olßon, Kritik an der Rspr. des 1 Strafsenats zur Parteienuntreue, BLJ 2013, 80; Otto, Zur Untreue und zur Rechtsbeugung bei Verfehlungen des Rechtspflegers als Nachlaßrichter, JZ 1988, 883; Otto, Der Betreute als Opfer der Untreue, § 266 StGB, Jura 1991, 48; Otto, Die neuere Rspr. zu den Vermögensdelikten – Teil 2, JZ 1993, 652; Otto, Keine strafbare Untreue im Fall Kohl, RuP 2000, 109; Otto, Riskante Kreditvergabe durch Banken, JR 2000, 517; Otto, Untreue der Vertretungsorgane von Kapitalgesellschaften durch Vergabe von Spenden, FS Kohlmann, 2003, S. 187; Pauly, Untreue bei vertragswidrigem Eigenverbrauch der Mieterkaution? – Zugleich Bespr. von BGH v. 23.8.1995 – 5 StR 371/95, ZMR 1996, 417; Pattberg, Zur strafrechtlichen Verantwortlichkeit des directors einer englischen Limited, 2010; Peglau, Vermögensschaden, „Vermögensgefährdung“ und die neuere verfassungsgerichtliche Rspr., wistra 2012, 368; Perron, Bemerkungen zum Gefährdungsschaden bei der Untreue, FS Tiedemann, 2008, S. 737; Perron, Zum Fall Kanther/Weyhrauch – Unteue durch Bildung einer schwarzen Kasse, NStZ 2008, 517; Perron, Schwarze Kassen als Vermögensnachteil im Sinne des Untreuetatbestandes – Ein Blick von außen, in Fischer u.a. (Hrsg.) Dogmatik und Praxis des strafrechtlichen Vermögensschadens, 2015, S. 189; Peters, Ressortverteilung zwischen GmbH-Geschäftsführern und ihre Folgen, GmbHR 2008, 682; Pietzke, Die Verantwortung für Risikomanagement und Compliance im mehrköpfigen Vorstand, CCZ 2010, 47; Poller, Untreue durch Übernahme von Geldsanktionen, Verfahrenskosten und Verteidigerhonoraren?, StraFo 2005, 274; Radtke, Einwilligung und Einverständnis der Gesellschafter bei der sog. GmbH-rechtlichen Untreue, GmbHR 1998, 311, 361; Radtke, Untreue (§ 266 StGB) zu Lasten von ausländischen Gesellschaften mit faktischem Sitz in Deutschland?, GmbHR 2008, 729; Radtke, Strafrechtliche Untreue durch Manager und verfassungsrechtlicher Bestimmtheitsgrundsatz – Forderungen aus dem Beschluss des BVerfG v. 23.6.2010, GmbHR 2010, 1121; Radtke, Anm. zu BGH v. 13.4.2010 – 5 StR 428/09 – Zur Verwirklichung des Untreuetatbestands durch den „Director“ einer Offshore-Gesellschaft, NStZ 2011, 556; Radtke/Hoffmann, Gesellschaftsakzessorietät bei der strafrechtlichen Untreue zu Las-

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ten von Kapitalgesellschaften? – oder: „Trihotel“ und die Folgen, GA 2008, 535; Ranft, Der Kreditkartenmißbrauch (§ 266b Alt. 2 StGB), JuS 1988, 673; Ransiek, Untreue im GmbH-Konzern, FS Kohlmann, 2003, S. 207; Ransiek, Risiko, Pflichtwidrigkeit und Vermögensnachteil bei der Untreue, ZStW 116 (2004), 634; Ransiek, Untreue zum Nachteil einer abhängigen GmbH – „Bremer Vulkan“, wistra 2005, 121; Ransiek, Anerkennungsprämien und Untreue – Das „Mannesmann“-Urteil des BGH, NJW 2006, 814; Ransiek, „Verstecktes“ Parteivermögen und Untreue, NJW 2007, 1727; Ransiek/Reichling, Vermögensnachteil bei Betrug und Untreue im Fall eines betrügerischen Risikogeschäfts, ZIS 2009, 315; Reiner/Geuter, Zur Verletzung der Vermögensbetreuungspflicht durch Prämienzahlungen an ausscheidende Manager, EWiR 2006, 187; Reiß, Das „Treueverhältnis“ des § 266 StGB. Ein Tatbestandsmerkmal zwischen Akzessorietät und faktischer Betrachtung, 2014; Rentrop, Untreue und Unterschlagung (§§ 266 und 246 StGB): Reformdiskussion und Gesetzgebung seit dem 19. Jahrhundert, 2007; Riemann, Vermögensgefährdung und Vermögensschaden, 1989; Rönnau, „Kick-backs“: Provisionsvereinbarungen als strafbare Untreue – Eine kritische Bestandsaufnahme, FS Kohlmann, 2003, S. 239; Rönnau, Haftung der Direktoren einer in Deutschland ansässigen englischen Private Company Limited by Shares nach deutschem Strafrecht – eine erste Annäherung, ZGR 2005, 832; Rönnau, Anm. zu BGH v. 21.12.2005 – 3 StR 470/04, NStZ 2006, 214; Rönnau, Untreue als Wirtschaftsdelikt, ZStW 119 (2007), 887; Rönnau, Einrichtung „schwarzer“ Kassen (Schmiergeld-)Kassen in der Privatwirtschaft – eine strafbare Untreue?, FS Tiedemann, 2008, S. 713; Rönnau, Untreue zu Lasten juristischer Personen und Einwilligungskompetenz der Gesellschafter, FS Amelung, 2009, S. 247; Rönnau, Untreue durch Einrichtung verdeckter Kassen, Bestechung im geschäftlichen Verkehr im Ausland sowie ausländischer Amtsträger, StV 2009, 246; Rönnau, (Rechts-)Vergleichende Überlegungen zum Tatbestand der Untreue, ZStW 122 (2010), 299; Rönnau, Die Zukunft des Untreuetatbestandes, StV 2011, 753; Rönnau, Anm. zu BGH v. 13.4.2010 – 5 StR 428/09 – Verfassungsrechtliche Bedenken der Fremdrechtanwendung beim Tatbestand der Untreue, NStZ 2011, 558; Rönnau/Becker, Untreue (§ 266 Abs. 1 StGB) durch verbotswidrige Zahlungen des GmbH-Geschäftsführers nach Insolvenzreife, NZWiSt 2014, 441; Rönnau/Hohn, Die Festsetzung (zu) hoher Vorstandsvergütungen durch den Aufsichtsrat – ein Fall für den Staatsanwalt?, NStZ 2004, 113; Rönnau/Schneider, Der Compliance-Beauftragte als strafrechtlicher Garant – Überlegungen zu BGH v. 17.7.2009 – 5 StR 394/08, ZIP 2010, 53, 56; Rose, Die strafrechtliche Relevanz von Risikogeschäften – zugleich Anm. zu BGH v. 4.2.2004 – 2 StR 355/03, wistra 2005, 281; Rostalski, Verfahrenseinstellung bei „innerkirchlichen Angelegenheiten“. Plädoyer für die (Wieder-)Aufnahme staatsanwaltschaftlicher Ermittlungen gegen den früheren Limburger Bischof wegen des Vorwurfs der Untreue, RW 2015, 1; Rotsch, Neues zur Organisationsherrschaft, NStZ 2005, 13; Rotsch, Der Vermögensverlust großen Ausmaßes bei Betrug und Untreue, ZStW 117 (2005), 577; Rotsch, Bespr. zu BGH v. 17.7.2009 – 5 StR 394/08, ZJS 2009, 712; Rübenstahl, Die Untreue des Rechtsanwalts durch Verwahrung von Mandantengeldern auf eigenen Konten, HRRS 2004, 53; Rübenstahl, Zur „regelmäßigen“ Garantenstellung des Compliance Officers, NZG 2009, 1341; Rübenstahl, Anm. zu BGH v. 18.2.2009 – 1 StR 731/08, NJW 2009, 3292; Rübenstahl/Wasserburg, „Haushaltsuntreue“ bei Gewährung von Subventionen, NStZ 2004, 521; Saam, „Schwarze Kassen“ und Untreuestrafbarkeit. Eine kritische Betrachtung der Rspr., HRRS 2015, 345; Safferling, Bestimmt oder nicht bestimmt? Der Untreuetatbestand vor den verfassungsrechtlichen Schranken – Anm. zuBVerfG v. 23.6.2010 – 2 BvR 2559/08, 2 BvR 105/09, 2 BvR 491/09, NStZ 2011, 376; Sahan, Keine Vermögensbetreuungspflicht des formal bestellten aber faktisch machtlosen Geschäftsführers, FS I. Roxin, 2012, S. 295; Salditt, Anm. zu BGH v. 13.5.2004 – 5 StR 73/03, NStZ 2005, 270; Salditt, Kölner Müllskandal – ein kleines Repetitorium und ein Apell, PStR 2006, 33; Saliger, Wider die Ausweitung des Untreuetatbestandes, ZStW 112 (2000), 563; Saliger, Parteiengesetz und Strafrecht, 2005; Saliger, Strafbare Untreue bei Stiftungen, in Walz u.a. (Hrsg.), Non Profit Law Yearbook 2005, 2006, S. 209; Saliger, Gibt es eine Untreuemode? Die neuere Untreuedebatte und Möglichkeiten einer restriktiven Auslegung, HRRS 2006, 10; Saliger, Kick-Back, PPP, Verfall – Korruptionsbekämpfung im Kölner Müllfall, NJW 2006, 3377; Saliger, Rechtsprobleme des Untreuetatbestandes, JA 2007, 326; Saliger, Parteienuntreue durch schwarze Kassen und unrichtige Rechenschaftsberichte, NStZ 2007, 545; Saliger, Das Untreuestrafrecht auf dem Prüfstand der Verfassung, NJW 2010, 3195; Saliger, Die Normativierung des Schadensbegriffs in der neueren Rspr. zu Betrug und Untreue, FS Samson 2010, S. 455; Saliger, Schutz der GmbH-internen Willensbildung durch Untreuestrafrecht?, FS C. Roxin, Band 2, 2011, S. 1053; Saliger, Auswirkungen des Untreue-Beschlusses des BVerfG v. 23.6.2010 auf die Schadensdogmatik, ZIS 2011, 902; Saliger, Juristischer und wirtschaftlicher Schaden, HRRS 2012, 365; Saliger, Anm. zu BGH v. 28.5.2013 – 5 StR 551/11, ZWH 2014, 74; Saliger, Alternativen zur hypothetischen Einwilligung im Strafrecht, FS Beulke, 2015, S. 257; Saliger, Grundbezüge von Vermögen und Schaden – Person, Wirtschaft und Recht, in Fischer u.a. (Hrsg.) Dogmatik und Praxis des strafrechtlichen Vermögensschadens, 2015, S. 15; Saliger, Transnationale Korruption und Untreue, in: Hoven/Kubiciel (Hrsg.), Das Verbot der Auslandsbestechung, 2016, S. 123; Saliger/Gaede, Rückwirkende Ächtung der Auslandskorruption und Untreue als Korruptionsdelikt – Der Fall Siemens als Startschuss in ein entgrenztes internationales Wirtschafsstrafrecht?, HRRS 2008, 57; Saliger/Sinner, Korruption und Betrug durch Parteispenden, NJW 2005, 1073; Samson, VGR Gesellschaftsrecht in der Diskussion 2004, 2005; Samson, Untreue durch Unternehmensspenden?, in Walz u.a. (Hrsg.), Non Profit Law Yearbook, 2004, 2005, 233; Sättele, Bestimmung des Vermögensschadens bei der Untreue. Anm. zu OLG Köln v. 26.6.2014 – 2 Ws 189/14, FDStrafR 2014, 360450; Satzger, Die Untreue des Vermieters im Hinblick auf eine Mietkaution, Jura 1998, 570; Satzger, „Schwarze Kassen“ zwischen Untreue und Korruption – Bespr. von BGH – 2 StR 587/07 (Siemens-Entscheidung), NStZ 2009, 297; Sauer, Zur Strafbarkeit eines Vorstands wegen Untreue auf Grund des Sponsorings eines Sportvereins, wistra 2002, 465; Sax, Überlegungen zum Treubruchstatbestand des § 266 StGB, JZ 1977, 633, 702, 743; E. Schäfer, Das Gesetz zur Abänderung strafrechtlicher Vorschriften v. 26.5.1933, DJZ 1933, Sp. 795; F. Schäfer, Vorsatz bei unterlassener Aufklärung über den Erhalt von Rückvergütungen, WM 2012, 1022; G. Schäfer, Vorbemerkung zu den beiden nachstehend abgedruckten Entscheidungen einer Kammer des BVerfG und des 1. Strafsenats des BGH zur schadensgleichen Gefährdung bei Betrug und Untreue, JR 2009, 289; Schelzke, Strafbarkeitsrisiken in kommunalen Spitzenverbänden 2013; Schlösser, Die Strafbarkeit des Geschäftsführers einer private company limited by shares in Deutschland – Zu den Folgen der „Inspire Art“-Entscheidung des EuGH für die Anwendbarkeit deutschen Strafrechts, wistra 2006, 81; Schlösser, Anm. zu BGH v. 25.5.2007 – 2 StR 469/06, NStZ 2008, 397; Schlösser, Der Schaden der Siemens-Entscheidung. Zum Begriff des endgültigen Schadens bei der Untreue durch Führung verdeckter Kassen im Bereich privater Unternehmungen – Zugleich Bespr. von BGH v. 29.8.2008 – 2 StR 587/07, HRRS 2009, 19; Schlösser, Zum Schaden beim betrügerisch veranlassten Eingehen eines Risikogeschäfts – Überlegungen zu BGH v. 18.2.2009 – 1 StR 731/08, NStZ 2009, 663; Schlösser, Verdeckte Kick-back-Zahlungen von Fondsgesellschaften an Banken als strafbares Verhalten gegenüber den Bankkunden? – zugleich Anm. zu OLG Stuttgart v. 16.3.2011 – 9 U 129/10, BKR 2011, 470; Schlösser, Verfassungsrechtliche Grenzen einer Subjektivierung des Schadensbegriffes. Zur jüngsten Rspr. des BVerfG zur Untreue und ihren Folgen für eine Schadensbegründung im Rahmen des Betruges, HRRS 2011, 254; Schlösser/ Dörfler, Strafrechtliche Folgen eines Verstoßes gegen den Deutschen Corporate Governance Kodex, wistra 2007, 326; Schlös-

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ser/Mosiek, Anwendbarkeit ausländischen Gesellschaftsrechts im Rahmen der Untreue zum Nachteil einer EU-Auslandsgesellschaft – Zugleich Anm. zu BGH v. 13.4.2010 – 5 StR 428/09, HRRS 2010, 424; Schmidt, Die zweckwidrige Verwendung von Fremdgeldern durch einen Rechtsanwalt, NStZ 2013, 498; K. Schmidt, Untreuestrafbarkeit bei der GmbH & Co. KG: kompliziert oder einfach? – usw., JZ 2014, 878; Schmidt-Salzer, Konkretisierungen der strafrechtlichen Produkt- und Umweltverantwortung, NJW 1996, 1; Schmitt, Zur Untreue durch Kreditbewilligung, FS Nobbe, 2009, S. 1009; Schneider, Voraussetzungen einer faktischen Geschäftsführerstellung und Untreuestrafbarkeit – Anm. zu BGH v. 13.12.2012 – 5 StR 407/12, HRRS 2013, 297; Schneider, Spezifische Fragen der Untreue bei der Bürgschaftsvergabe, wistra 2015, 369; Schramm, Untreue und Konsens, 2005; Schramm/Hinderer, Die Untreue-Strafbarkeit eines Limited-Directors, § 266 StGB, insbesondere im Lichte des Europäischen Strafrechts, ZIS 2010, 494; Schreiber/Beulke, Untreue durch Verwendung von Vereinsgeldern zu Bestechungszwecken, JuS 1977, 656; Schriever, Sicherheiten für Akquisitionskredite – Das Untreuerisiko beim Leveraged Buyout einer GmbH, wistra 2006, 404; Schröder, Anm. zu BGH v. 10.11.1959 – 5 StR 337/59, JR 1960, S. 105; Schröder, Anm. zu OLG Hamburg v. 28.3.1963 – 2 Ss 5/63, JR 1963, 394; Schröder, Der Vermögensbegriff bei Betrug und Erpressung – Zugleich Bespr. von BGH v. 18.12.1964 – 2 StR 461/64, JZ 1965, 513; Schröder, Anm. zu BGH v. 7.12.1965 – 5 StR 312/65, JR 1966, 185; Schröder, Anm. zu BGH v. 26.7.1972 – 2 StR 62/72, JZ 1972, 707; Schröder, Anm. zu OLG Köln v. 14.8.1967 – Ss 960/66, JZ 1967, 578; Schulz, Neues zum Bestimmtheitsgrundsatz – Zur Entscheidung des BVerfG v. 23.6.2010, FS C. Roxin, 1. Band, 2011, 305; Schumacher, Vermögensbetreuungspflichten von Kapitalgesellschaftsorganen, 2010; Schünemann, Vom qualifiziert faktischen GmbH-Konzern zum Schutz der abhängigen GmbH durch das Vermögensstrafrecht, LM § 309 AktG 1965 Nr. 1 Bl. 902; Schünemann, Vom Unterschichts- zum Oberschichtsstrafrecht. Ein Paradigmawechsel im moralischen Anspruch? in Kühne/Miyazawa (Hrsg.), Alte Strafrechtsstrukturen und neue gesellschaftliche Herausforderungen in Japan und Deutschland, 2000, S. 17; Schünemann, Haushaltsuntreue als dogmatisches und kriminalpolitisches Problem, StV 2003, 463; Schünemann, Organuntreue – Der Mannesmann-Fall als Exempel?, 2004; Schünemann, Die gravierende Pflichtverletzung bei der Untreue: dogmatischer Zauberhut oder taube Nuss?, NStZ 2005, 473; Schünemann, Der BGH im Gestrüpp des Untreuetatbestandes, NStZ 2006, 196; Schünemann, Zur Quadratur des Kreises in der Dogmatik des Gefährdungsschadens, NStZ 2008, 430; Schünemann, Der Begriff des Vermögensschadens als archimedischer Punkt des Untreuetatbestandes, StraFo 2010, 477; Schünemann Unverzichtbare Gesetzgebungsmaßnahmen zur Bekämpfung der Haushaltsuntreue und der Verschwendung öffentlicher Mittel: Gutachten erstattet für den Bund der Steuerzahler e.V., 2011; Schünemann, Wider verbreitete Irrlehren zum Untreuetatbestand, FS I. Roxin, 2012, S. 341; Schünemann, Identität des Schadensbegriffs bei Betrug und Untreue?, in Fischer u.a. (Hrsg.) Dogmatik und Praxis des strafrechtlichen Vermögensschadens, 2015, S. 61; Schwerdtfeger, Strafrechtliche Pflicht der Mitglieder des Aufsichtsrats einer Aktiengesellschaft zur Verhinderung von Vorstandsstraftaten, 2016; Schwind, Zur Strafbarkeit der Entgegennahme von anonymen Parteispenden als Untreue (§ 266 StGB) – dargestellt am Fall Dr. Helmut Kohl, NStZ 2001, 349; Schwinge/Siebert, Das neue Untreuestrafrecht, 1933; Seebode, Zur Frage der Strafbarkeit eines bayerischen Bürgermeisters wegen Untreue, wenn er – ohne direkte Mitwirkung an dem zuvor gefaßten Gemeinderatsbeschluß – die Überweisung einer besoldungsrechtlich unzulässigen Abgeltung auf sein Konto duldet, JR 1989, 301; Seelmann, Grundfälle zu den Straftaten gegen das Vermögen als Ganzes – 3. Teil – Erpressung (§ 253 StGB) und räuberische Erpressung (§ 255 StGB), JuS 1982, 917; Seelmann, Zum Schadensbegriff beim (Eingehungs-)Betrug und zur Problematik des wirtschaftlichen Vermögensbegriffs beim Betrugstatbestand, JR 1986, 346; Seibt/Schwarz, Aktienrechtsuntreue – Analyse und aktienrechtsspezifische Konturierung der Untreuestrafbarkeit von Geschäftsleitern bei Pflichtverletzungen, AG 2010, 301; Selle/Wietz, Anm. zu BGH v. 20.3.2008 – 1 StR 488/07, ZIS 2008, 471; v. Selle, Parlamentarisches Budgetrecht und Haushaltsuntreue in Zeiten „Neuer Steuermodelle, JZ 2008, 178; Solka/Altenburg, Staatliche Sanktionen als Untreuenachweis?, NZWiSt 2016, 212; Sowada, Anm. zu BGH v. 23.8.1995 – 5 StR 371/95, JR 1997, 28; Sowada, Die hypothetische Einwilligung im Strafrecht, NStZ 2012, 1; Soyka, Untreue zum Nachteil von Personengesellschaften, 2008; Soyka, Die „Goldfüller-Gier“: Untreue zu Lasten der Bundesrepublik durch Abgeordnete des Deutschen Bundestags?, JA 2011, 566; Spatscheck/Ehnert, Übernahme von Geldsanktionen und Verteidigerhonorar. Straf- und steuerrechtliche Aspekte, StraFo 2005, 265; Spring, Die Garantenstellung des Compliance Officers oder – Neues zur Geschäftsherrenhaftung – Zugleich Bespr. von BGH v. 17.7.2009, GA 2010, 222; Steinhilper, Abrechnungsbetrug/Rabattgewährung/Kontrastmittel/Entsorgungskosten – OLG Hamm v. 22.12.2004 – 3 Ss 431/04, MedR 2005, 236; Sternberg-Lieben, Übungsblätter Klausur Strafrecht – „Selbsttore eines Vereinskassierers“, JA 1997, 124; Stoffers, Garantenpflicht des Leiters der Innenrevision und der Rechtsabteilung der Berliner Stadtreinigungsbetriebe zur Unterbindung betrügerischer Abrechnungen, NJW 2009, 3176; Stoffers, Untreue durch Zusage der Übernahme von Geldsanktionen und Verteidigungskosten, JR 2010, 239; Strate, Untreuetatbestand verstößt nicht gegen Bestimmtheitsgebot, GWR 2010, 422; Strelczyk, Die Strafbarkeit der Bildung schwarzer Kassen: eine Untersuchung zur schadensgleichen Vermögensgefährdung sowie zur objektiven Zurechnung finanzieller Sanktionen infolge schwarzer Kassen als Vermögensnachteil i.S.d. § 266 StGB, 2008; Sutherland, White collar crime, 1949; Szebrowski, Kick Back, 2005; Taschke, Straftaten im Interesse von Unternehmen – auch strafbar wegen Untreue?, in FS Lüderssen, 2002, S. 667; Taschke, Die Strafbarkeit des Vertragsarztes bei der Verordnung von Rezepten – Anm. zu BGH v. 25.11.2003 – 4 StR 239/03, StV 2005, 406; Theile, Konvergenzen und Divergenzen zwischen Gesellschaftsrecht und Strafrecht – Das Merkmal der gravierenden Pflichtverletzung (§ 266 StGB) aus systemtheoretischer Sicht, ZIS 2011, 616; Tiedemann, Untreue bei Interessenkonflikten. Am Beispiel der Tätigkeit von Aufsichtsratsmitgliedern, in FS Tröndle, 1989, S. 319; Tiedemann, Der Untreuetatbestand – ein Mittel zur Begrenzung von Managerbezügen? – Bemerkungen zum „Fall Mannesmann“, in FS Weber, 2004, S. 319; Tiedemann, Zur Vermögensbetreuungspflicht des Unternehmensberaters, ZIP 2004, 2440; Tiedemann, Vermögensbetreuungspflicht des beherrschenden Alleingesellschafters bei der Konzernuntreue, JZ 2005, 45; Tiedemann, Anm. zu LG Mainz v. 13.11.2000 – 1 Qs 257/00, wistra 2001, 473; Tholl, Zur Strafbarkeit wegen Untreue und Vorteilsannahme bei der Drittmitteleinwerbung an Universitätskliniken, wistra 2003, 181; Thomas, Das allgemeine Schädigungsverbot des § 266 Abs. 1 StGB, FS Hamm, 2008, S. 767; Thomas, Anm. zu BGH v. 17.7.2009 – 5 StR 394/08, CCZ 2009, 239; Triffterer, Vermögensdelikte im Bundesligaskandal, NJW 1975, 612; Trück, Anm. zu BGH v. 19.2.2013 – 5 StR 427/12 – Zur Strafbarkeit des faktischen Geschäftsführers bei Entnahmen in der Krise, ZWH 2013, 367; Trüg, Persönlicher Schadenseinschlag beim Immobilienkauf. Praxiskommentar zu BGH v. 2.7.2014 – 5 StR 182/14, NStZ 2014, 520; Tsambikakis, Aktuelles zum Strafrecht bei GmbH und GmbH & Co., GmbHR 2005, 331; Tsambikakis, Beschlagnahme von Verteidigerunterlagen, ZWH 2012, 514; Ulsenheimer, Der Vertragsarzt als Sachwalter der Vermögensinteressen der gesetzlichen Krankenkassen?, MedR 2005, 622; Vath, Das Einrichten „schwarzer Kassen“ kann als Untreue strafbar sein, GWR 2010, 472; Velten, Untreue durch Belastung mit dem Risiko zukünftiger Sanktionen am Beispiel verdeckter Parteienfinanzierung, NJW 2000, 2852; Vogel/Hocke, Wirtschaftsstrafrechtliche Anm. zur Mannesmann-Entscheidung des BGH v. 21.12.2005, JZ 2006, 568; Volhard, Die Untreuemode. Ist die Abgabe eines unvollständi-

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Untreue

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§ 266 StGB Rz. 1

Strafgesetzbuch

gen Rechenschaftsberichts einer politischen Partei wegen Untreue strafbar, in FS Lüderssen, 2002, S. 763; von der Meden, OLG Düsseldorf: Eine Unrechtsvereinbarung scheidet bei Präsenten in aller Offenheit an Amtsträger grundsätzlich aus, GWR 2015, 403; Vrzal, Versuchsstrafbarkeit der Untreue de lege ferenda?, 2005; M. Wagner, Untreue aufgrund unrichtiger Rechenschaftsberichte über Parteispenden, ZIS 2012, 28; S. Wagner, Haushaltsuntreue bei zweckentsprechendem Einsatz öffentlicher Mittel, NStZ 2003, 543; T. Wagner, Die Untreue des Gesellschafters in der einfachen und konzernierten EinmannGmbH, 2005; Warneke, Die Garantenstellung von Compliance-Beauftragten, NStZ 2010, 312; Waßmer, Untreue bei Risikogeschäften, 1997; Waßmer, Grundprobleme der Kompensation beim Vermögensschaden, in Fischer u.a. (Hrsg.), Dogmatik und Praxis des strafrechtlichen Vermögensschadens, 2015, S. 175; Wattenberg, Zentrales Cash-Management als Untreuetatbestand im Konzernverbund, StV 2005, 523; Wattenberg/Gehrmann, Zum Tatbestandsmerkmal des Vermögensnachteil im Untreuetatbestand – Der „bilanzielle Ansatz“ des BVerfG, ZBB 2010, 507; Weber, Wirtschaft und Gesellschaft, 1922; U. Weber, Überlegungen zur Neugestaltung des Untreuestrafrechts, in FS Dreher, 1977, S. 555; Wegenast, Missbrauch und Treubruch, 1994; Weidhaas, Der Kassenarzt zwischen Betrug und Untreue, ZMGR 2005, 52; Weimann, Die Strafbarkeit der Bildung sog. schwarzer Kassen gem. § 266 StGB (Untreue), 1996; Weise, Finanzielle Beeinflussungen von sportlichen Wettkämpfen durch Vereinsfunktionäre: Überlegungen zur Missbrauchsuntreue auf der Grundlage des sog. Bundesliga-Skandals, 1982; Werner, Die Untreuestrafbarkeit der Stiftungsorgane, ZWH 2013, 348; Wessing, Untreue durch Begleichung nichtiger Forderung – Die Telekom-Spitzelaffäre und ihre strafrechtlichen Auswirkungen, NZG 2013, 494; Wessing/Krawczyk, Der Untreueparagraf auf dem verfassungsrechtlichen Prüfstand, NZG 2010, 1121; Wietz, Vermögensbetreuungspflichtverletzung gegenüber einer im Inland ansässigen Auslandsgesellschaft, 2009; Wittig, Konsequenzen der Ausgleichsfähigkeit und Ausgleichsbereitschaft des Täters für die Untreuestrafbarkeit, in FS I. Roxin, 2012, S. 375; Wodicka, Strafvereitelung durch Bezahlung der einem anderen auferlegten Geldstrafe?, NStZ 1991, 487; Wodicka, Die Untreue zum Nachteil der GmbH bei vorheriger Zustimmung aller Gesellschafter, 1993; Wolf, Die Strafbarkeit der rechtswidrigen Verwendung öffentlicher Mittel, 1998; Wolf, Die Strafbarkeit des ehemaligen CDU-Vorsitzenden Dr. Helmut Kohl nach § 266 StGB – Ein Beleg für die Unbegründetheit der Einwände gegen den Untreuetatbestand, KJ 2000, 531; Worm, Die Strafbarkeit eines directors einer englischen Limited nach dem deutschen Strafrecht, 2009; Zieschang, Strafbarkeit des Geschäftsführers einer GmbH wegen Untreue trotz Zustimmung sämtlicher Gesellschafter?, in FS Kohlmann, 2003, S. 351; Zoller, Anm. zu OLG Stuttgart v. 16.3.2011 – 9 U 129/10, GWR 2011, 168.

A. Grundsätzliches I. Rechtsgut und Deliktscharakter 1

Die Vorschrift bedroht die vorsätzliche Verletzung von Vermögensbetreuungspflichten, die zu Vermögensnachteilen des Vermögensinhabers führt, mit Strafe. Rechtsgut ist nach zutreffender ganz h.M. ausschließlich das Vermögen des Treugebers.1 Nicht mitgeschützt sind die allgemeine Dispositionsfreiheit2 und das Vertrauen des Geschäftsherrn,3 die als Elemente der Pflichtverletzung lediglich das Angriffsmittel mitbeschreiben,4 ferner das Befriedigungsinteresse von Gläubigern (auch Rz. 108 f.)5 oder das Vertrauen in die Redlichkeit des Rechts- und Wirtschaftsverkehrs als Universalrechtsgut.6 Auch wenn die Untreue über die in jedem Vermögensnachteil enthaltene Verletzung der Dispositionsfreiheit in Bezug auf den geschädigten Vermögensbestandteil einen unselbständigen Dispositionsschutz mitsanktioniert, ist sie kein Freiheitsdelikt in dem Sinne, dass als unzulässiger selbständiger Dispositionsschutz7 die „Möglichkeit zur Disposition über das eigene Vermögen … zum Kern der von § 266 StGB geschützten Rechtsposition“ zählt (zur Relevanz dieser Frage vgl. vor allem Rz. 92 ff. [Falsche Behandlung von Mandantengeldern], 97 f. [Schwarze Kassen], 117 ff. [Haushaltsuntreue]).8 Strafbare Untreue verlangt den Eintritt eines Vermögensnachteils beim Geschäftsherrn und ist damit – verfassungsrechtlich abgesichert – Erfolgsdelikt in Gestalt eines Verletzungsdelikts.9 Das gilt selbst dann, wenn man mit der h.M. auch bei der Untreue die konkrete schadensgleiche Vermögensgefahr als Vermögensnachteil anerkennt (Rz. 82 ff.). Im Unterschied 1 St. Rspr.: BVerfG v. 23.6.2010 – 2 BvR 2559/08, 2 BvR 105/09, 2 BvR 491/09, NJW 2010, 3209, 3212 = BVerfGE 126, 170, 200 f.; BGH v. 4.11.1997 – 1 StR 273/97, BGHSt 43, 293, 297; v. 23.5.2002 – 1 StR 372/01, 47, 295, 301; v. 21.12.2005 – 3 StR 470/04, BGHSt 50, 331, 342; BGH v. 13.4.2011 – 1 StR 592/10, NStZ 2011, 520, 521; Fischer, StGB, § 266 Rz. 2; Heger in Lackner/Kühl, StGB, § 266 Rz. 1; Saliger in S/S/W-StGB, § 266 Rz. 1; Perron in S/S-StGB, § 266 Rz. 1; Schünemann in LK-StGB, § 266 Rz. 23; Dierlamm in MüKo-StGB, § 266 Rz. 1; Kindhäuser in NK-StGB, § 266 Rz. 1; Matt in M/RStGB, § 266 Rz. 1; Esser in AnwK-StGB, § 266 Rz. 1 ff.; Seier in A/R/R, Rz. 10. 2 BVerfG v. 1.11.2012 – 2 BvR 1235/11, ZWH 2013, 60, 62; BGH v. 4.11.1997 – 1 StR 273/97, BGHSt 43, 293, 297; v. 23.5.2002 – 1 StR 372/01, BGHSt 47, 295, 301; BGH v. 24.6.2010 – 3 StR 90/10, wistra 2010, 445, 447; BGH v. 13.4.2011 – 1 StR 592/10, NStZ 2011, 520, 521; Perron in S/S-StGB, § 266 Rz. 1; Esser in AnwK-StGB, § 266 Rz. 2; a.A. Volk in HWiStR, Stichw. Haushaltsuntreue, S. 3. 3 In diese Richtung: Klug in Großkommentar AktG, 2. Bd., 2. Aufl., § 294 AktG a.F. Rz. 4; vgl. auch Ammon, Untreue, S. 44. 4 Vgl. Seier in A/R/R, Rz. 10; Saliger, Parteiengesetz, S. 28 f. 5 Vgl. BGH v. 20.7.1999 – 1 StR 668/98, NJW 2000, 155; Dierlamm in MüKo-StGB, § 266 Rz. 1. 6 Zutreffend BVerfG v. 23.6.2010 – 2 BvR 2559/08, 2 BvR 105/09, 2 BvR 491/09, NJW 2010, 3209, 3212; Esser in AnwKStGB, § 266 Rz. 6; Luthmann, NJW 1960, 420; vgl. auch D. Meyer, JuS 1973, 215. A.A. Dunkel, Erfordernis, 1976, S. 41 ff., 109 ff.; Dunkel, GA 1977, 334 f.; Lorenzen, Normentheorie, 2009, S. 21. 7 Zu dieser Unterscheidung Saliger in M/R-StGB, § 263 Rz. 1 m.w.N.; Saliger in S/S/W-StGB, § 266 Rz. 1; zust. Matt in M/R-StGB, § 266 Rz. 1; vgl. auch Hoyer in SK-StGB, § 266 Rz. 4 f. 8 So aber BGH v. 29.8.2008 – 2 StR 587/07, NJW 2009, 89, 92 = BGHSt 52, 323, 339 – Fall Siemens – m. zust. Anm. Ransiek und auch Seier in A/R/R, Rz. 10; ähnlich Wessels/Hillenkamp, Rz. 747. A.A. Saliger/Gaede, HRRS 2008, 70; Satzger, NStZ 2009, 302 ff.; Bernsmann GA 2009, 303 f.; Matt in M/R-StGB, § 266 Rz. 1. 9 BVerfG v. 23.6.2010 – 2 BvR 2559/08, 2 BvR 105/09, 2 BvR 491/09, NJW 2010, 3209, 3213; BGH v. 13.4.2011 – 1 StR 592/10, NStZ 2011, 520, 521.

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Rz. 3 § 266 StGB

zum Erfolgsdelikt des Betrugs setzt § 266 jedoch keine Bereicherungsabsicht voraus, so dass die Vorschrift ein reines Fremdschädigungsdelikt und kein Vermögensverschiebungsdelikt ist.1 Da § 266 nur von vermögensbetreuungspflichtigen Personen begangen werden kann, ist die Norm Sonderdelikt (näher Rz. 5, 9 ff., 132). § 266 ist Schutzgesetz i.S.d. § 823 Abs. 2 BGB,2 wobei der Anspruchsteller alle objektiven und subjektiven Tatbestandsvoraussetzungen der Untreue darzulegen und grundsätzlich zu beweisen sowie das Gericht entsprechende Feststellungen zu treffen hat.3 § 266 gilt als allgemeinverbindliches Gesetz (vgl. Art. 140 GG i.V.m. 137 Abs. 3 S. 1 WRV) auch im innerkirchlichen Bereich.4

II. Genese, Funktion, Verfassungsmäßigkeit und kriminalpolitische Bedeutung Absatz 1 geht in seinen tatbestandlichen Voraussetzungen5 unverändert zurück auf das Gesetz v. 26.5.1933,6 Ab- 2 satz 2 ist durch das 6. StrRG v. 30.1.19987 neu gefasst worden.8 Die Normgenese von Absatz 1 ist unklar und strittig, auch weil kein Gesetzentwurf mit authentischer Begründung vorliegt.9 Soweit in dem damaligen Streben nach einem lückenlosen strafrechtlichen Vermögensschutz10 die nationalsozialistische Konzeption der Untreue als Verratsdelikt11 aufscheint, ist diese Zielsetzung für die heutige Rechtsanwendung unbeachtlich. Frei von nationalsozialistischer Rechtsfärbung und verfassungsrechtlich nicht beanstandet12 ist dagegen die Konzeption des § 266 als allgemeiner, nicht kasuistischer Untreuetatbestand, der die Missbrauchs- und Treubruchstheorie zur Untreue verbindet (näher Rz. 6). Diese Konzeption basiert auf den Reformdiskussionen seit der Kaiserzeit zu der auch aufgrund ihrer Kasuistik als unzureichend empfundenen Vorgängervorschrift § 266 RStGB 187113 und ist legitimierbare Grundlage der heutigen Auslegung. Funktion des § 266 ist es, die aus der für moderne Wirtschaftssysteme (Arbeitsteilung) charakteristischen Tren- 3 nung von Vermögensinhaberschaft und Vermögensverwaltung resultierenden Vermögensrisiken durch eine pflichtwidrige Vermögensverwaltung strafrechtlich zu minimieren.14 Strafgrund der Untreue ist entsprechend die vorsätzliche pflichtwidrige und mit Vermögensnachteilen verbundene Ausübung einer anvertrauten internen Machtstellung in einer fremden Vermögenssphäre durch den Treunehmer.15 Insoweit zeichnet sich der Handlungsunwert der Untreue durch eine spezifische Verbindung von Angriffsmittel (Pflichtverletzung) und Angriffsweg (von innen) auf das Rechtsgut (Vermögen) aus.16 In der Verletzung der anvertrauten internen Machtstellung17 liegt sowohl aus der Perspektive der Gefährlichkeit des Täters als auch der Schutzbedürftigkeit des Opfers die Strafwürdigkeit der Untreue. Denn in dem Maße, wie das Untreueopfer wegen der gewährten Vertrauensstellung regelmäßig entweder auf eine Kontrolle des Treunehmers gänzlich verzichtet oder die Kontrolle zumindest eingeschränkt hat, erhält der Treunehmer eine „große und gefährliche“ Möglichkeit, das fremde Vermögen zu schädigen.18 Mit diesem eigenständigen Strafgrund ist die Untreue im Vermögensstrafrecht des StGB nicht nur legitimierbar, sondern auch unverzichtbar.19 Insbesondere kann sie weder durch den Betrug noch die 1 2 3 4

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Wessels/Hillenkamp, Rz. 748. BGH v. 25.5.2010 – VI ZR 205/09, (Z) NJW 2010, 2948 m.w.N. BGH v. 18.6.2013 – II ZR 217/12, BeckRS 2013, 12877, Rz. 7 ff. BGH v. 28.1.1983 – 1 StR 820/81, NJW 1983, 1807, 1809: „Die Verfolgung dabei begangener Straftaten wird davon nicht berührt“; vgl. ferner BGH v. 11.10.2000 – 3 StR 336/00, NStZ 2001, 155; BGH v. 1.9.2010 – 2 StR 347/10, BeckRS 2011, 16244; eingehend Rostalski, RW 2015, 1, 10 ff. A.A. und die Judikatur mit haltloser Begründung ignorierend StA Limburg, Pressemitteilung v. 2.7.2014 und Vfg. zu Az 5 Js 14546/13 v. 2.7.2014 zum Fall Tebartz-van Elst; ebenso fehlgehend Gmeiner, ZIS 2015, 19. Zu den Änderungen der Rechtsfolgen durch das 1. StrRG v. 25.6.1969 – BGBl. I, S. 645 – und das EGStGB 1974 – BGBl. I, S. 1 – Schünemann in LK-StGB, Entstehungsgeschichte Nr. 2, 3. RGBl. I, S. 295. BGBl. I, S. 164, 179. Art. 1 Nr. 62; dazu BT-Drucks. 13/8587, S. 42 f. Vgl. Nelles, Untreue, S. 17 ff., 122 ff., 131 ff., 212 ff. S. Schäfer, DJZ 1933, Sp. 794 f.; vgl. auch Schwinge/Siebert, Untreuestrafrecht, S. 12. Dazu Klee und Freisler in Prot. 48. Sitzg. Strafrechtskommission v. 21.9.1934, S. 9; Dahm in Gürtner, BT2 (1936), S. 449, 452. Vgl. zu beidem BVerfG v. 23.6.2010 – 2 BvR 2559/08, 2 BvR 105/09, 2 BvR 491/09, NJW 2010, 3209, 3212. Dazu Schünemann in LK-StGB, Entstehungsgeschichte und Rz. 4 ff.; Kindhäuser in NK-StGB, § 266 Rz. 7 ff., 11 ff.; Maurach/Schroeder/Maiwald, BT 19, § 45 Rz. 6 ff.; Nelles, Untreue, S. 17 ff., 122 ff., 131 ff., 212 ff.; Kiefner, FS Stree/ Wessels, S. 1205. Vgl. auch BVerfG v. 23.6.2010 – 2 BvR 2559/08, 2 BvR 105/09, 2 BvR 491/09, NJW 2010, 3209, 3212 unter Hinweis auf Perron, GA 2009, 223 und Kindhäuser in NK-StGB, § 266 Rz. 3. Zum Folgenden Saliger, JA 2007, 327; Saliger, HRRS 2006, 17; Saliger, Parteiengesetz, S. 24 ff.; Saliger in S/S/W-StGB, § 266 Rz. 3. Vgl. BVerfG v. 23.6.2010 – 2 BvR 2559/08, 2 BvR 105/09, 2 BvR 491/09, NJW 2010, 3209, 3212. Vgl. dazu Schünemann in LK-StGB, § 266 Rz. 1, 20, 26, 30, 56, 58, 86 ff.; wegweisend Sax, JZ 1977, 666 f., 702 ff. Mayer, Untreue, S. 346 in Bezug auf die Tätergefährlichkeit. Wie hier auf beide Aspekte abstellend Burckhardt, NJW 1973, 2190 f.; Labsch, Jura 1987, 344; vgl. auch Binding, BT 12 (1902), § 92 II, freilich allein für die Missbrauchstheorie; den Opferschutzaspekt betont Schünemann in LK-StGB, § 266 Rz. 1, 20; auch Perron in S/S-StGB, § 266 Rz. 1. Vgl. Schünemann in LK-StGB, § 266 Rz. 2 ff.; Schünemann, NStZ 2005, 474 f. und FS I. Roxin (2012), S. 341; Englisch, NJW 2005, 2974; Altvater, DRiZ 2004, 134; Rönnau, ZStW 2007, 890 ff. und StV 2011, 753; Seier in A/R/R, Rz. 7, 20; Hadamitzky in M-G, § 32 Rz. 6 ff.; Kindhäuser, FS Lampe, S. 709 f.; Arzt/Weber/Heinrich/Hilgendorf, § 22 Rz. 4, 7.

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Untreue

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§ 266 StGB Rz. 4

Strafgesetzbuch

(veruntreuende) Unterschlagung ersetzt werden.1 Typisch für den Betrug ist der täuschende Zugriff auf fremdes Vermögen von außen; Vermögensangriffe durch Pflichtverletzungen von innen erfasst er nicht. Auch die Unterschlagung ist auf fremde Sachen beschränkt und leistet damit keinen hinreichenden Vermögensschutz gegen Gefahren von innen. Für die grundsätzliche Unentbehrlichkeit der Untreue streitet i.Ü. die Systemgerechtigkeit des strafrechtlichen Vermögensschutzes selbst. § 266 gehört zu den wenigen Strafnormen, die sich hauptsächlich gegen die „Großen und Mächtigen“ einer Gesellschaft wenden.2 Die Systemgerechtigkeit eines strafrechtlichen Vermögensschutzes, ja des Strafrechts insgesamt hängt maßgeblich auch davon ab, ob und inwieweit es Vorschriften wie die Untreue als „umgekehrtes Klassenstrafrecht“ zulässt.3 4

Aus der Legitimierbarkeit einer allgemeinen Untreuestrafnorm (Rz. 3) folgt, dass § 266 im Grundsatz verfassungsgemäß ist (h.M.).4 Zu weit geht die Kritik, die namentlich den Treubruchstatbestand wegen irreparablen Verstoßes gegen den Bestimmtheitsgrundsatz aus Art. 103 Abs. 2 GG für verfassungswidrig hält.5 Zwar ist richtig, dass mit der Entscheidung für einen nicht kasuistischen Untreuetatbestand die Ermittlung der Täterstellung und vor allem der Tathandlung in hohem Maße akzessorisch zu außerstrafrechtlichen Normen und damit strukturell unterbestimmt ist.6 Zudem ist bei der Anwendung des Untreuetatbestands eine problematische Verschleifung von Tathandlung und Taterfolg möglich (näher Rz. 8).7 Doch bedeutet diese qualitative Verschärfung der Auslegungsproblematik nicht, dass eine verfassungsgemäße Auslegung unmöglich ist, mag auch die eine oder andere Auslegung der Gerichte hochproblematisch sein (s. Rz. 8).8 Das BVerfG hat in einem bahnbrechenden Beschluss vom Juni 2010 zur Bedeutung des Bestimmtheitsgrundsatzes gem. Art. 103 Abs. 2 GG für die Untreue auf Basis eines an die Rspr. adressierten allgemeinen Präzisierungsgebots9 mehrere Leitlinien für die verfassungskonforme Auslegung des Untreuetatbestands aufgestellt, insbesondere das vom Verfasser schon vorher formulierte Verbot der Verschleifung von Pflichtwidrigkeits- und Nachteilsmerkmal (näher Rz. 8 und 64),10 das Gebot der Begrenzung der Pflichtwidrigkeit auf klare und deutliche Fälle (näher Rz. 32 ff.)11 sowie das Gebot der eigenständigen Feststellung und grundsätzlich Bezifferung des Vermögensnachteils (näher Rz. 69 ff.).12 Rspr. und Wissenschaft stehen insoweit vor der schwierigen Aufgabe, anhand dieser verfassungsrechtlichen Maßgaben generalisierungsfähige Rechtssätze für die heterogenen Untreuefallgruppen zu entwickeln, die den gesetzlichen Grundcharakter der Untreue als reines Vermögensdelikt nicht verformen. Geboten ist damit unstreitig eine restriktive Auslegung,13 aber nicht um jeden Preis,14 insbesondere nicht um den Preis von dogmatischen Inkonsistenzen (vgl. z.B. Rz. 125) und einer rechtsgutsgelösten Verkürzung des § 266 als allgemeiner Untreuestrafvorschrift (vgl. Rz. 104 f.).

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Die Bedeutung der Untreuestrafvorschrift ist in den letzten 20 Jahren stark angestiegen.15 Das gilt insbesondere in medialer, justizieller und wissenschaftlich-dogmatischer Hinsicht. Spektakuläre Strafverfahren wie die Fälle Kohl, Mannesmann, Siemens, Sal. Oppenheim, HSH Nordbank oder Nürburgring haben die Untreuevorschrift in den Fokus von Öffentlichkeit und Wissenschaft gerückt und gehalten. In der Tat hat die Strafjustiz seit Mitte der 1990er Jahre zahlreiche Grundsatzurteile zu besonderen Fallgruppen der Untreue gesprochen wie Haushaltsuntreue, Kredituntreue, Spendenuntreue, Vergütungsuntreue, Organuntreue, Konzernuntreue, Parteienuntreue, 1 Zur historischen Verwandtschaft statt aller Kindhäuser in NK-StGB, § 266 Rz. 4 ff. 2 Vgl. Ransiek, ZStW 2004, 636. 3 Saliger, HRRS 2006, 17; auch Rönnau, ZStW 2007, 891 f.; Fischer, StraFo 2008, 270 m. Fn. 18; zur Entwicklung vom Unterschichts- zum Oberschichtsstrafrecht Schünemann in Kühne/Miyazawa (Hrsg.), Alte Strafrechtsstrukturen, 15 ff.; auch Schünemann, NStZ 2006, 196 f. Zur Theorie der Untreue Bräunig, Untreue, 2011. 4 BVerfG v. 23.6.2010 – 2 BvR 2559/08, NJW 2009, 2370 f. m. Bspr. Fischer, StV 2010, 95; BVerfG v. 23.6.2010 – 2 BvR 2559/08, 2 BvR 105/09, 2 BvR 491/09, NJW 2010, 3209, 3212 ff. m. Anm. u.a. Becker, HRRS 2010, 383; Knierim/Smok, FDStrafR 2010, 307157; Leplow, wistra 2010, 475; Radtke, GmbHR 2010, 1121; Saliger, NJW 2010, 3195; Wattenberg/Gehrmann, ZBB 2010, 507; Wessing/Krawczyk, NZG 2010, 1121; Böse, Jura 2011, 617; Kudlich, JA 2011, 66; Kuhlen, JR 2011, 246; Kraatz, JR 2011, 434; Krüger, NStZ 2011, 369; Safferling, NStZ 2011, 376; Schulz, FS C. Roxin (2011), S. 305; vgl. auch Schünemann, StraFo 2010, 477, 480 ff.; Schünemann in LK-StGB, § 266 Rz. 24 ff., 28; Perron in S/S-StGB, § 266 Rz. 1; Saliger in S/S/W-StGB, § 266 Rz. 4; Hadamitzky in M-G, § 32 Rz. 6 ff.; Kindhäuser in NK-StGB, § 266 Rz. 2 f.; Esser in AnwK-StGB, § 266 Rz. 11; Matt in M/R-StGB, § 266 Rz. 5; Arzt/Weber/Heinrich/Hilgendorf, § 22 Rz. 67 f.; Wolf, Strafbarkeit, S. 36; Ransiek, ZStW 2004, 640 ff., 678; Altvater, DRiZ 2004, 134; Rönnau, ZStW 2007, 892 f. 5 Labsch, Untreue, S. 177 ff., 201 f.; Kargl, ZStW 2001, 576, 589 f.; Lesch, DRiZ 2004, 135: Tatbestand schlechthin unbestimmt; Zweifel etwa bei Seier in A/R/R, Rz. 18 ff.; Dierlamm in MüKo-StGB, § 266 Rz. 3 ff.: verfassungsrechtlich bedenklich. 6 Vgl. auch Ransiek, ZStW 2004, 678 f. 7 Saliger, ZStW 2000, 610 f. 8 Wie hier Schünemann in LK-StGB, § 266 Rz. 24 ff.; Rönnau, ZStW 2007, 892 f.; Saliger, HRRS 2006, 16 ff. 9 Näher einerseits Saliger, NJW 2010, 3195 f. und ZIS 2011, 59 ff., andererseits Kuhlen, JR 2011, 248 ff. 10 BVerfG v. 23.6.2010 – 2 BvR 2559/08, 2 BvR 105/09, 2 BvR 491/09, NJW 2010, 3209, 3215. 11 BVerfG v. 23.6.2010 – 2 BvR 2559/08, 2 BvR 105/09, 2 BvR 491/09, NJW 2010, 3209, 3215. 12 BVerfG v. 23.6.2010 – 2 BvR 2559/08, 2 BvR 105/09, 2 BvR 491/09, NJW 2010, 3209, 3215. 13 Vgl. BVerfG v. 10.3.2009 – 2 BvR 1980/07, NJW 2009, 2370, 2372 f. und v. 23.6.2010 – 2 BvR 2559/08, NJW 2010, 3209, 3214 ff.; Dierlamm in MüKo-StGB, § 266 Rz. 4; Hoyer in SK-StGB, § 266 Rz. 9; Matt in M/R-StGB, § 266 Rz. 5; Perron in S/S-StGB, § 266 Rz. 22; Saliger, HRRS 2006, 17 ff. 14 Saliger, JA 2007, 334; auch Schünemann, FS I. Roxin (2012), S. 341 ff. 15 Eine Untreuemode beklagt sogar Volhard, FS Lüderssen, S. 763; dagegen Saliger, HRRS 2006, 14 ff.

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Rz. 6 § 266 StGB

Kick-Backs, schwarze Kassen oder Zahlung von Schmiergeldern. Teilweise hat sie prominente und stark umstrittene Untreueprozesse auch strafprozessual über § 153a StPO „entsorgt“.1 Diese Hochkonjunktur der Untreue, die ein kaum noch überschaubares Schrifttum ausgelöst hat, manifestiert sich zum einen in einer auf Basis einer allgemeinen Untreue unumkehrbaren Entwicklung des Untreuestrafrechts zu einem Fallgruppenrecht, das bei teilweise schwindender Halbwertszeit seiner Rechtsschöpfungen2 tendenziell unübersichtlicher wird, zum anderen in der zunehmenden Präsenz der Untreue als Wirtschaftsdelikt.3 Letzteres gilt jedenfalls4 angesichts steigender Schadenssummen, einer wachsenden tatsächlichen und rechtlichen Komplexität der Untreuefälle, die zur Beurteilung „besondere Kenntnisse des Wirtschaftslebens erforderlich“ machen (so § 74c Abs. 1 Nr. 6a GVG), und – mit Geschäftsführern, Vorstands- und Aufsichtsratsmitgliedern – einer sichtbaren Tätertypologie als „white collar“Kriminalität.5 Vor allem mit der zunehmenden Bedeutung als Wirtschaftsdelikt geht eine Schwerpunktverlagerung in der Untreuedogmatik insofern einher, als an Stelle der Frage nach den Anforderungen an die Vermögensbetreuungspflicht (dazu Rz. 9 ff.) die Bestimmung von Pflichtverletzung und Vermögensnachteil in den Mittelpunkt gerückt hat.6 Gegen den Befund eines gestiegenen Bedeutungszuwachses der Untreue spricht nicht, dass er sich in der PKS nur eingeschränkt spiegelt. Die Untreue eignet aufgrund ihres Charakters als Sonderdelikt mit typischerweise großem Dunkelfeld u.a. wegen der geringeren Anzeigebereitschaft der Untreueopfer bei gleichzeitig überproportional hohen Schadenssummen (Gesamtschaden laut PKS 2010, S. 209 Tab. 180: 911,9 Mio. Euro; PKS 2015, Tab. 07: ca. 511 Mio. Euro) und hoher Aufklärungsquote (98,2 % nach PKS 2011; 97,6 % nach PKS 20157), anders als Diebstahl und Betrug, nicht zum Massendelikt.8 Immerhin indizierten eine wachsende kriminalpolitische Bedeutung der Untreue auch nach der PKS die Verdoppelung der erfassten Kriminalität Mitte der 1990er Jahre9 sowie ihr Anstieg um 22,9 % von 10 385 Fällen in 2006 auf 12 761 Fälle in 2007 trotz parallelem Rückgang der Veruntreuungen insgesamt (vgl. PKS 2007, S. 195 Tab. 01); die Fallzahlen der letzten Jahre sind freilich schwankend, insgesamt sogar eher rückläufig.10 Untreueähnliche Sondertatbestände bezeichnen die §§ 34 DepotG, 266a und 266b.11 Zu Reform und Perspektiven der Untreue s. Mayer, Untreue, 333; AlternativEntwurf eines Strafgesetzbuchs, Besonderer Teil, Straftaten gegen die Wirtschaft, 1977, S. 127 ff.; BT-Drs. 13/8587, S. 10, 43, 13/8991, S. 21 und 13/9064, S. 20 (dazu näher Rz. 133); Weber, FS Dreher, 555; Haas, Untreue; Rentrop, Untreue; Matt/Saliger, Irrwege, S. 217; Kargl, ZStW 2001, 565; H.-L. Günther, FS Weber (2004), S. 311; Vrzal, Die Versuchsstrafbarkeit usw.; Perron, GA 2009, 219; Rönnau, StV 2011, 753; Schünemann, FS I. Roxin (2012), S. 341. Zur Untreue in rechtsvergleichender Perspektive Cappel, Grenzen auf dem Weg zu einem europäischen Untreuestrafrecht 2009, S. 187 ff.; du Bois-Pedain, ZStW 2010, 325 zum englischen Recht; Luzón Pena/Roso Canadillas, ZStW 2010, 354 zum spanischen Recht; Foffani, ZStW 2010, 374 zum französischen und italienischen Recht; zusammenfassend Rönnau, ZStW 2010, 299. Danach taugt eine allgemeine Untreuestrafnorm wie die deutsche (Rz. 2) durchaus als Exportschlager.

III. Strukturen 1. Das Verhältnis von Missbrauchs- und Treubruchstatbestand Absatz 1 enthält einen Missbrauchs- (Alt. 1) und einen Treubruchstatbestand (Alt. 2). Die Strukturen der Un- 6 treue hängen von der bis heute strittigen Frage ab, wie sich Missbrauchs- und Treubruchstatbestand zueinander verhalten. Seit dem Scheckkartenurteil von 197212 nehmen st. Rspr.13 und h.L.14 an, dass beide Tatbestands1 Z.B. Kohl, Mannesmann; krit. dazu Saliger, GA 2005, 155; Saliger/Sinner, ZIS 2007, 476. 2 Krit. Fischer, StraFo 2008, 277. 3 Vgl. Seier in A/R/R, Rz. 1: Zentralnorm im Wirtschaftsstrafrecht; Ransiek, ZStW 2004, 634; Schünemann, Organuntreue, S. 7. 4 Diff. zur Einordnung der Untreue als Wirtschaftsdelikt aber Rönnau, ZStW 2007, 890 ff., 926. 5 Klassisch Sutherland, White collar crime, S. 4. 6 Saliger, JA 2007, 326 f.; Saliger, HRRS 2006, 11 ff.; Schünemann, Organuntreue, S. 18 ff.; Rönnau, ZStW 2007, 888 Fn. 2. 7 Vgl. PKS 2011, IMK-Kurzbericht, S. 52 bzw. PKS 2015, IMK-Kurzbericht, S. 93. 8 Vgl. Schünemann in LK-StGB, § 266 Rz. 5; Kindhäuser in NK-StGB, § 266 Rz. 27; Fischer, StGB, § 266 Rz. 3. 9 Dazu Rönnau, ZStW 2007, 889. 10 2008: 11.005; 2009: 12.577 (PKS 2009, S. 40); 2010: 10.186; 2011: 10.697 (PKS 2011, IMK-Kurzbericht, S. 52); 2012: 8.471; 2013: 8.512 (PKS 2013, IMK-Kurzbericht, S. 68); 2014: 8.696; 2015: 7.410 (PKS 2015, IMK-Kurzbericht, S. 93). 11 Vgl. Fischer, StGB, § 266 Rz. 4. 12 BGH v. 26.7.1972 – 2 StR 62/72, BGHSt 24, 386, 387 f. 13 BGH v. 13.6.1985 – 4 StR 213/85, BGHSt 33, 244, 250; v. 25.2.1988 – 1 StR 466/87, BGHSt 35, 224, 227; v. 6.12.2011 – 1 StR 215/01, BGHSt 47, 187, 192; v. 21.12.2005 – 3 StR 470/04, BGHSt 50, 331, 342; BGH v. 17.9.2009 – 5 StR 521/08, NJW 2010, 92, 96; v. 13.4.2010 – 5 StR 428/09, NStZ 2010, 632, 633; v. 3.5.2012 – 2 StR 446/11, StraFo 2012, 374; OLG München v. 30.11.2009 – 5St RR 357/09, wistra 2010, 155, 156 f.; offengelassen in OLG Koblenz v. 14.7.2011 – 2 Ss 80/11, wistra 2011, 397, 398. 14 Heger in Lackner/Kühl, StGB, § 266 Rz. 4; Saliger in S/S/W-StGB, § 266 Rz. 6; Hoyer in SK-StGB, § 266 Rz. 11, 17 f.; Kindhäuser in NK-StGB, § 266 Rz. 22 ff., 26; Dierlamm in MüKo-StGB, § 266 Rz. 31; Esser in AnwK-StGB, § 266 Rz. 13; Matt in M/R-StGB, § 266 Rz. 7; Arzt/Weber/Heinrich/Hilgendorf, § 22 Rz. 68; Maurach/Schroeder/Maiwald, BT 1 § 45 Rz. 11, 18; Rengier, BT I § 18 Rz. 2, 8, 9 ff.; Wessels/Hillenkamp, Rz. 750; Nelles, Untreue S. 510; krit. Seier in A/R/R, Rz. 53 f.

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StGB

Untreue

StGB

§ 266 StGB Rz. 7

Strafgesetzbuch

alternativen die Verletzung einer inhaltsgleichen Vermögensbetreuungspflicht als gemeinsamen Unrechtskern voraussetzen (sog. streng monistische Untreuetheorie). Für die herrschende Untreuetheorie spricht zunächst der Wortlaut, weil das Merkmal „dem, dessen Vermögensinteressen er zu betreuen hat“ sich auf beide Untreuealternativen beziehen lässt. Weiterhin und entscheidend streitet für die h.M., dass der Gesetzgeber die streng monistische Untreuetheorie mit der Einführung des § 266b zur Strafbarkeit des Missbrauchs von Scheck- und Kreditkarten durch das 2. WiKG v. 15.5.1986 indirekt anerkannt hat. Denn indem der Gesetzgeber die Einfügung der Strafvorschrift unter expliziter Anknüpfung an das Scheckkartenurteil mit dem Motiv der Schließung einer bei der Anwendung der Untreue offenbar gewordenen Lücke gerechtfertigt hat,1 ist er notwendig von der streng monistischen Untreuetheorie ausgegangen.2 Auch das BVerfG hat die streng monistische Untreuetheorie verfassungsrechtlich insofern anerkannt, als es die „gefestigte Rspr. in diesem Bereich“ für geeignet hält, „den Anwendungsbereich des Untreuetatbestands i.S.d. dahinterstehenden Schutzkonzeption zu begrenzen“.3 Insoweit eignet den Gegenauffassungen4 derzeit vor allem eine rechtspolitische Stoßrichtung. Überhaupt ist zu berücksichtigen, dass der „unbefriedigende Streit“ zwischen Missbrauchs- und Treubruchstheorie5 an Bedeutung verloren hat, nicht zuletzt weil sich mit der Karriere der Untreue als Wirtschaftsdelikt (Rz. 5) der Fokus der Untreuediskussionen auf andere Fragen verschoben hat. 7

Aus der h.M. folgt, dass der Missbrauchstatbestand ein Spezialfall des umfassenderen Treubruchstatbestands ist,6 so dass die Missbrauchsuntreue als lex specialis vorgeht.7 Die Missbrauchsuntreue ist damit nicht überflüssig,8 sondern beschreibt den relativ klaren, historisch gewachsenen Untreuetyp der Verletzung einer anvertrauten internen Machtstellung durch Missbrauch eingeräumter Rechtsmacht.9 Das gilt insbesondere hinsichtlich der mit Blick auf die erforderliche sorgfältige Klärung der Akzessorietät des Strafrechts zu Zivil- und öffentlichem Recht problematischen Tendenz der Rechtspraxis, die verwirklichte Untreuealternative nicht mehr zu subsumieren und dahinstehen zu lassen.10 Ob sich darin eine Abkehr von der bisherigen Rspr. zur erforderlichen Hinweispflicht gem. § 265 Abs. 1 StPO im Verhältnis der Untreuealternativen andeutet,11 ist zweifelhaft.12 2. Die Verschleifung von Tathandlung und Taterfolg als Strukturproblem

8

Auf Grundlage der h.M. besteht der objektive Tatbestand der Untreue aus vier Elementen: der Vermögensbetreuungspflicht als Grundlage der Täterstellung des Treunehmers, den Tathandlungen des Missbrauchs und des Treubruchs, die sich als Verletzung der Vermögensbetreuungspflicht darstellen müssen, dem Taterfolg des Eintritts eines Vermögensnachteils für den Treugeber und dem Erfordernis eines Kausalzusammenhangs (einschließlich der objektiven Zurechnung; dazu Rz. 100 ff.) zwischen Tathandlung und Taterfolg. Diese viergliedrige Tatbestandsstruktur steht vor zwei Herausforderungen:13 Mit dem Siegeszug der Untreue als Wirtschaftsdelikt lässt sich zum einen eine Verengung der Prüfung des objektiven Untreuetatbestandes auf die Merkmale der Pflichtverletzung und des Vermögensnachteils feststellen (Rz. 5). Diese Verengung wird zum anderen verschärft durch die Möglichkeit der Verschleifung von Tathandlung und Taterfolg als Strukturproblem der Anwendung

1 BT-Drucks. 10/5058, S. 31, 33. 2 Vgl. Kindhäuser in NK-StGB, § 266 Rz. 22 ff.; Dierlamm in MüKo-StGB, § 266 Rz. 21; krit. Schünemann in LK-StGB, § 266 Rz. 13 ff. 3 BVerfG v. 23.6.2010 – 2 BvR 2559/08, 2 BvR 105/09, 2 BvR 491/09, NJW 2010, 3209, 3215 unter Bezug auf die qualifizierte Treuestellung als Vermögensbetreuungspflicht, die nach der Rspr. Voraussetzung nicht nur des Treubruch-, sondern auch des Missbrachtatbestands ist. 4 Die sog. eingeschränkte monistische Untreuetheorie verlangt für die Missbrauchsuntreue lediglich die Verletzung fremdnütziger Verfügungs- und Verpflichtungsbefugnisse; Perron in S/S-StGB, § 266 Rz. 2, 11 ff.; Küper, S. 339 ff.; Wegenast, Missbrauch, S. 158 ff.; Seelmann, JuS 1982, 917; nunmehr auch Schünemann in LK-StGB, § 266 Rz. 14 ff. Die sog. modifizierte dualistische Untreuetheorie lässt dagegen für die Missbrauchsuntreue im wesentlichen einen Missbrauch der nach außen eingeräumten Rechtsmacht genügen; Schramm in M/G, § 266 StGB Rz. 13; strenger Labsch, Jura 1987, 346; Bringewat, NStZ 1985, 537; weicher Otto, BT § 54 Rz. 8 ff.; Ranft, JuS 1988, 673 f. 5 Kindhäuser in NK-StGB, § 266 Rz. 23. 6 BGH v. 21.12.2005 – 3 StR 470/04, BGHSt 50, 331, 342; BGH v. 11.11.1982 – 4 StR 406/82, JR 1983, 515. 7 Heger in Lackner/Kühl, StGB, § 266 Rz. 21; Saliger in S/S/W-StGB, § 266 Rz. 7; Kindhäuser in NK-StGB, § 266 Rz. 26; Wessels/Hillenkamp, Rz. 749. 8 So aber Fischer, StGB, § 266 Rz. 6a; Hoyer in SK-StGB, § 266 Rz. 88. 9 Vgl. auch Kindhäuser in NK-StGB, § 266 Rz. 26. 10 Vgl. explizit BGH v. 6.12.2001 – 1 StR 215/01, BGHSt 47, 187, 192; BGH v. 21.12.2005 – 3 StR 470/04, BGHSt 50, 331, 341 f.; auch BGH v. 18.10.2006 – 2 StR 499/05, BGHSt 51, 100, 112 ff.; krit. Seier in A/R/R, Rz. 39 f.; Saliger, NStZ 2007, 546; Matt in M/R-StGB, § 266 Rz. 43. 11 BGH v. 10.7.1975 – GSSt 1/75, BGHSt 26, 167, 174, demnach die Hinweispflicht „die rechtliche Natur der Begehungsweisen als Erscheinungsformen gleichartigen Unrechts unberührt“ lässt; für inkonsequent hält den BGH insoweit Seier in A/R/R, Rz. 60; vgl. auch Schünemann in LK-StGB, § 266 Rz. 19. 12 Mit Recht für Beibehaltung Matt in M/R-StGB, § 266 Rz. 43. 13 Zum Folgenden bereits Saliger, HRRS 2006, 12 ff., 14; Saliger, ZStW 2000, 569 ff., 609 ff.; Saliger in S/S/W-StGB, § 266 Rz. 8.

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Rz. 10 § 266 StGB

der Untreue.1 Diese Verschleifung tritt auf als Rückschluss vom Taterfolg auf die Tathandlung und umgekehrt. Die Verschleifung von Tathandlung (Pflichtverletzung) und Taterfolg (Vermögensnachteil) zeigt sich etwa, wenn die Rspr. bei der Submissionsuntreue schon die Herausgabe von Bieterlisten als schadensgleiche konkrete Vermögensgefahr wertet (näher Rz. 92).2 Ein Beispiel für den Rückschluss vom Taterfolg auf die Tathandlung bilden Risikogeschäfte, bei denen in der Praxis regelmäßig von einem verwirklichten großen Schadensrisiko auf eine entsprechende Pflichtverletzung zurückgefolgert wird (Rz. 60 ff.). Soweit die Verschleifung nicht sachlich notwendig ist – wie etwa die Verschleifung von Tathandlung und Taterfolg teilweise bei der Haushaltsuntreue (Rz. 117 ff.) –, ist ihr als unzulässige Entdifferenzierung und Ausweitung der gesetzlichen Untreuestrafbarkeit entgegenzutreten. So ist die Identität von Tathandlung und Taterfolg im Urteil zur Submissionsuntreue ein aussagekräftiges Indiz für das Vorliegen einer bloß abstrakten Vermögensgefahr, die für § 266 nicht hinreicht. Das BVerfG hat dieses Strukturproblem unter dem Aspekt des Bestimmtheitsgrundsatzes in Gestalt eines allgemeinen Verbots der Verschleifung oder Entgrenzung von Tatbestandsmerkmalen aufgegriffen, wonach einzelne Tatbestandsmerkmale auch innerhalb ihres möglichen Wortsinnes nicht so weit ausgelegt werden dürfen, „dass sie vollständig in anderen Tatbestandsmerkmalen aufgehen, also zwangsläufig mit diesen mitverwirklicht werden“.3 Untreuespezifisch konkretisiert das BVerfG dieses allgemeine Verschleifungsverbot dahin, dass die Rspr. das Nachteilsmerkmal nicht mit dem Pflichtwidrigkeitsmerkmal verschleifen darf, „d.h., es in diesem Merkmal aufgehen lassen“.4 Das Verschleifungs- oder Identitätsverbot von Pflichtwidrigkeits- und Nachteilsmerkmal5 wird nicht nur bei der Tathandlung (unten Rz. 31 ff.), dem Taterfolg (Rz. 64, 70 ff.) und dem subjektiven Tatbestand (unten Rz. 128)6 der Untreue praxisrelevant,7 sondern auch beim Betrug.8 Das Verschleifungsverbot von Tatbestandsmerkmalen gilt sogar für das Verhältnis von Vermögensbetreuungspflicht und untreuetauglicher Pflichtverletzung.9 Allein die sorgfältige Rücksicht auf das verfassungsrechtliche Verschleifungsverbot stellt sicher, dass bei der Untreue nicht „alles in einem großen Prüfungspunkt“ verschwimmt.10

B. Anwendungsbereich I. Vermögensbetreuungspflicht Auf Basis der herrschenden streng monistischen Untreuetheorie (vgl. Rz. 6) ist die Feststellung einer Vermögens- 9 betreuungspflicht sowohl konstitutiv für die Bestimmung des Täterkreises der Untreue als auch rahmengebend für die Identifizierung der konkreten Pflichtverletzung (unten Rz. 21 ff. und 31 ff.). In beiden Bezügen kennzeichnet die Vermögensbetreuungspflicht das für die Untreue charakteristische Innenverhältnis zwischen Vermögensinhaber (Geschäftsherr, Treugeber) und Vermögensverwalter (Treunehmer). 1. Voraussetzungen a) Begriff, Gesamtwürdigung, Indizienkatalog, interne Machtstellung Eine Vermögensbetreuungspflicht setzt in allgemeinster begrifflicher Bestimmung gemäß dem Wortlaut voraus, 10 dass der Täter in einer Beziehung zum Geschädigten steht, die eine besondere, über die für jedermann geltenden Pflichten zur Wahrung der Rechtssphäre anderer hinausgehende Verantwortung für dessen materielle Güter mit sich bringt.11 Den Täter muss eine inhaltlich besonders herausgehobene Pflicht zur Wahrnehmung fremder Vermögensinteressen treffen.12 Die Rspr. macht die Anwendung dieses allgemeinen Begriffs der Vermögensbetreuungspflicht seit jeher von einer Würdigung der gesamten Umstände des Falles abhängig, die durch einen Indizienkatalog konkretisiert wird.13 Anhaltspunkte für eine Vermögensbetreuungspflicht sind danach der Stellenwert der 1 Zust. Matt, NJW 2005, 390; Rose, wistra 2005, 285; in die gleiche Richtung Ransiek, ZStW 2004, 638, 646 ff.; Albrecht, FS Hamm, S. 3. 2 So BayObLG v. 20.7.1995 – 4 StR RR 4/95, NJW 1996, 271. 3 BVerfG v. 23.6.2010 – 2 BvR 2559/08, NJW 2010, 3209, 3211; BVerfG v. 1.11.2012 – 2 BvR 1235/11, NJW 2013, 365, 366. 4 BVerfG v. 23.6.2010 – 2 BvR 2559/08, NJW 2010, 3209, 3215 unter Bezug auf Saliger, ZStW 2000, 610 und Saliger, HRRS 2006, 14; BVerfG v. 1.11.2012 – 2 BvR 1235/11, NJW 2013, 365, 366; grds. zustimmend auch Bittmann, wistra 2013, 1 f. 5 Zu Unrecht krit. Schünemann in LK-StGB, § 266 Rz. 163. 6 BGH v. 28.5.2013 – 5 StR 551/11, NStZ 2013, 715 ff. m. Anm. Saliger, ZWH 2014, 74. 7 Zutreffend Matt in M/R-StGB, § 266 Rz. 13 ff., 114, 150, 155. 8 Näher Saliger in M/R-StGB, § 263 Rz. 4, 28, 36, 51, 182, 183 ff., 187, 190. 9 OLG Celle v. 18.7.2013 – 1 Ws 238/13, BeckRS 2013, 15199; zur Verschleifung von Täterschaft und Tathandlung bereits Saliger, Parteiengesetz, S. 30 Fn. 57. 10 So mit Recht krit. Ransiek, ZStW 2004, 638. 11 BVerfG v. 23.6.2010 – 2 BvR 2559/08, NJW 2010, 3209, 3213; BGH v. 13.9.2010 – 1 StR 220/09, BGHSt 55, 288, 298; BGH v. 28.7.2011 – 4 StR 156/11, wistra 2011, 424. 12 BVerfG v. 23.6.2010 – 2 BvR 2559/08, NJW 2010, 3209, 3214; BGH v. 25.5.2010 – VI ZR 205/09, NJW 2010, 2948; BGH v. 13.9.2010 – 1 StR 220/09, BGHSt 55, 288, 298; BGH v. 28.7.2011 – 4 StR 156/11, wistra 2011, 424; Fischer, StGB, § 266 Rz. 35. 13 Grundlegend RG v. 14.12.1934 – 1 D 865/34, RGSt 69, 58; ferner BGH v. 11.12.1957 – 2 StR 481/57, BGHSt 13, 315, 317; BVerfG v. 23.6.2010 – 2 BvR 2559/08, NJW 2010, 3209, 3214.

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Untreue

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§ 266 StGB Rz. 11

Strafgesetzbuch

Pflicht zur Wahrnehmung fremder Vermögensinteressen, Spielraum und Verantwortlichkeit des Treunehmers bei der Pflichterfüllung sowie Dauer und Umfang seines Pflichtenkreises. Von primärer Bedeutung ist insbesondere, ob die fremdnützige Vermögensfürsorge den Hauptgegenstand der Rechtsbeziehung bildet und ob dem Verpflichteten bei deren Wahrnehmung ein gewisser Spielraum, eine gewisse Bewegungsfreiheit oder Selbständigkeit, mit anderen Worten die Möglichkeit zur verantwortlichen Entscheidung innerhalb eines gewissenen Ermessensspielraums verbleibt.1 So soll eine Vermögensbetreuungspflicht indizieren, dass die Pflicht, fremde Vermögensinteressen wahrzunehmen, Hauptpflicht und nicht bloße Nebenverpflichtung des Treunehmers ist.2 Das ist der Fall, wenn sie – insbesondere wirtschaftlich betrachtet3 – den wesentlichen Inhalt des Vertragsverhältnisses zwischen Treugeber und Treunehmer bildet,4 also von einigem Gewicht und gewisser Bedeutung ist,5 d.h. sich als zumindest mitbestimmende und nicht nur „beiläufige“ Pflicht darstellt.6 Die wichtigste oder einzige Hauptpflicht muss sie nicht darstellen.7 Der Aspekt des Spielraums verweist auf ein signifikantes Maß an Bewegungsfreiheit, Selbständigkeit und Verantwortlichkeit des Treunehmers bei der Pflichtenerfüllung als weiteres Anzeichen für eine Vermögensbetreuungspflicht.8 Dabei kommt es nicht nur auf die Weite des dem Treunehmer eingeräumten Spielraums an, sondern auch auf das Fehlen von Kontrolle in Gestalt tatsächlicher Möglichkeiten des Treunehmers, ohne gleichzeitige Steuerung und Überwachung durch den Treugebers auf dessen Vermögen zuzugreifen.9 Nicht ausreichend sind daher regelmäßig rein mechanische Tätigkeiten wie Botendienste, die Erledigung untergeordneter Einzelaufträge oder allgemein „Dienste der Handreichung“.10 Die Orientierung an Gesamtwürdigung und Indizienkatalog ermöglicht der Rspr., die einzelnen Beweiszeichen für eine Vermögensbetreuungspflicht fallbezogen zu gewichten. So wollte bereits das RG auch solche Pflichtenkreise in § 266 einbeziehen, die an Bedeutung und Umfang hinter denjenigen eines Vormundes oder Testamentvollstreckers zurückbleiben und sich einer einzelnen Geschäftsbesorgung i.S.v. § 675 BGB annähern.11 Entsprechend hat der BGH wiederholt einerseits auf den Aspekt der Geschäftsbesorgung abgestellt, um strafbewehrte (weil primär fremdnützige) von nicht strafbewehrten (weil primär eigennützige) Vertragspflichten abzugrenzen.12 Andererseits sollen strafbewehrte Treuepflichten auch bei einem an sich nicht fremdnützigen Rechtsverhältnis bei atypischer Vertragsgestaltung nicht ausgeschlossen sein.13 11

Diese Rspr. verdient trotz der nur eingeschränkt vermittelten Rechtssicherheit im Grundsatz Zustimmung.14 Ihr indizieller Gesamtansatz spiegelt nicht juristische Willkür, sondern ist Folge des unterbestimmten Gesetzestextes, der mit den Entstehungsgründen der Vermögensbetreuungspflicht und der Formulierung „Betreuung fremder Vermögensinteressen“ lediglich ein Konkretisierungsprogramm vorgibt. Dieses Programm wird von der Rspr. noch verfassungskonform umgesetzt, soweit der Strafgrund der Untreue (Rz. 3) beachtet wird.15 So gesehen be1 BVerfG v. 23.6.2010 – 2 BvR 2559/08, NJW 2010, 3209, 3214 f.; BGH v. 13.9.2010 – 1 StR 220/09, BGHSt 55, 288, 298; BGH v. 28.7.2011 – 4 StR 156/11, wistra 2011, 424 f.; BGH v. 3.5.2012 – 2 StR 446/11, StraFo 2012, 374; BGH v. 5.3.2013 – 3 StR 438/12, NJW 2013, 1615; BGH v. 11.12.2014 – 3 StR 265/14, NJW 2015, 1618, 1619 f.; BGH v. 26.11.2015 – 3 StR 17/15, NZG 2016, 703, 708. 2 BGH v. 8.5.1951 – 1 StR 171/51, BGHSt 1, 186, 189; v. 11.12.1957 – 2 StR 481/57, BGHSt 13, 315, 317; BGH v. 25.5.2010 – VI ZR 205/09, NJW 2010, 2948, 2949; BGH v. 3.5.2012 – 2 StR 446/11, StraFo 2012, 374; BGH v. 5.3.2013 – 3 StR 438/12, NJW 2013, 1615; BGH v. 11.12.2014 – 3 StR 265/14, NJW 2015, 1618, 1619 f.; BGH v. 25.5.2010 – VI ZR 205/09, NZG 2016, 703, 708; RG v. 14.12.1934 – 1 D 865/34, RGSt 69, 58, 62. 3 BGH v. 3.3.1953 – 1 StR 5/53, BGHSt 4, 170, 172; auch BGH v. 8.5.1951 – 1 StR 171/51, BGHSt 1, 186, 188 ff. 4 BGH v. 17.12.1953 – 4 StR 483/53, BGHSt 5, 187, 188; v. 11.12.1957 – 2 StR 481/57, BGHSt 13, 315, 317; RG v. 14.12.1934 – 1 D 865/34, RGSt 69, 58, 62; OLG Celle v. 18.7.2013 – 1 Ws 238/13, BeckRS 2013, 15199. 5 BGH v. 4.11.1952 – 1 StR 441/52, BGHSt 3, 289, 293 f.; auch BGH v. 11.2.1982 – 4 StR 10/82, NStZ 1982, 201. 6 BGH v. 8.5.1951 – 1 StR 171/51, BGHSt 1, 186, 188 ff.; BGH v. 25.5.2010 – VI ZR 205/09, NJW 2010, 2948, 2949; BGH v. 5.3.2013 – 3 StR 438/12, NJW 2013, 1615; BGH v. 16.8.2016 – 4 StR 163/16, BeckRS 2016, 16636, Rz. 10. 7 BGH v. 16.8.2016 – 4 StR 163/16, BeckRS 2016, 16636, Rz. 18. 8 BGH v. 4.11.1952 – 1 StR 441/52, BGHSt 3, 289, 294; BGH v. 11.12.1957 – 2 StR 481/57, BGHSt 13, 315, 317 ff.; BGH v. 26.5.1983 – 4 StR 265/83, NStZ 1983, 455; BGH v. 3.8.2005 – 2 StR 202/05, NStZ 2006, 38; RG v. 14.12.1934 – 1 D 865/34, RGSt 69, 58, 62. 9 BGH v. 5.3.2013 – 3 StR 438/12, NJW 2013, 1615 unter Bezug auf BVerfG v. 23.6.2010 – 2 BvR 2559/08, 2 BvR 105/09, 2 BvR 491/09, BVerfGE 126, 170, 208 ff.; BGH v. 11.12.2014 – 3 StR 265/14, NJW 2015, 1618, 1619 f.; BGH v. 26.11.2015 – 3 StR 17/15, NZG 2016, 703, 708; BGH v. 16.8.2016 – 4 StR 163/16, BeckRS 2016, 16636, Rz. 10. 10 BGH v. 23.8.1995 – 5 StR 371/95, BGHSt 41, 224, 229; ferner BGH v. 11.12.1957 – 2 StR 481/57, BGHSt 13, 315, 317; RG v. 14.12.1934 – 1 D 865/34, RGSt 69, 58, 62. 11 RG v. 14.12.1934 – 1 D 865/34, RGSt 69, 58, 62. 12 BGH v. 15.6.1976 – 1 StR 266/76, GA 1977, 19 für den Darlehensvertrag; BGH v. 4.11.1988 – 1 StR 480/88, NStZ 1989, 72 f. für den Factoring-Vertrag. 13 Vgl. BGH v. 4.11.1988 – 1 StR 480/88, NStZ 1989, 72 f. 14 Ebenso Heger in Lackner/Kühl, StGB, § 266 Rz. 4, 8 ff.; Fischer, StGB, § 266 Rz. 33 ff.; Saliger in S/S/W-StGB, § 266 Rz. 11; Schünemann in LK-StGB, § 266 Rz. 75 ff.; Kindhäuser in NK-StGB, § 266 Rz. 32 ff., 67 ff.; Dierlamm in MüKoStGB, § 266 Rz. 40 ff., 54 ff.; Esser in AnwK-StGB, § 266 Rz. 15 f., 33 ff.; Matt in M/R-StGB, § 266 Rz. 31 f.; Wessels/ Hillenkamp, Rz. 752, 770 ff.; Rengier, BT I § 18 Rz. 9 ff.; auch Seier in A/R/R, Rz. 144 ff. Prinzipiell krit. Perron in S/SStGB, § 266 Rz. 24; Labsch, Untreue, S. 163 ff.; Kargl, ZStW 2001, 583 ff.; Bräunig, Untreue, S. 94 ff. 15 Zum Folgenden Saliger, JA 2007, 327 f.; Saliger, HRRS 2006, 17; Saliger, Parteiengesetz, S. 24 ff.; Saliger in S/S/W-StGB, § 266 Rz. 11; ebenso BVerfG v. 23.6.2010 – 2 BvR 2559/08, 2 BvR 105/09, 2 BvR 491/09, NJW 2010, 3209, 3215: „Die gefestigte Rspr. in diesem Bereich ist geeignet, den Anwendungsbereich des Untreuetatbestands i.S.d. dahinterstehenden Schutzkonzeption zu begrenzen“.

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Rz. 12 § 266 StGB

zeichnet die Vermögensbetreuungspflicht nichts anderes als die anvertraute interne Machtstellung des Treunehmers in der Vermögenssphäre des Treugebers. Sie liegt vor, wenn die eigenverantwortliche Sorge um fremdes Vermögen wesentlicher Inhalt der Pflichtenbeziehung des Treunehmers zum Treugeber ist. Insoweit markieren, wie das auch das BVerfG hervorhebt (dazu Rz. 10),1 die überwiegende Fremdnützigkeit der Vermögenssorge als Hauptpflicht und die selbständige, mit Ermessensspielraum verbundene bedeutsame Verantwortung bei der Pflichterfüllung die zentralen Elemente der Vermögensbetreuungspflicht, die als Garantenstellung sui generis mit dem Inhalt einer überwiegend fremdnützigen Geschäftsbesorgung charakterisiert werden kann.2 Dagegen haben Dauer oder Umfang des Pflichtenkreises keine selbständige Bedeutung.3 Auf dieser Basis begründen unstreitig weder die bloße Pflicht, einen Vertrag zu erfüllen, noch die allgemeine vertragliche Nebenpflicht (§§ 241 Abs. 2, 242, 311 Abs. 2 BGB), auf die (Vermögens-)Interessen des Vertragspartners nach Treu und Glauben Rücksicht zu nehmen, eine Vermögensbetreuungspflicht.4 Ebensowenig genügen der schiere Umgang des Arbeitnehmers mit Eigentum des Arbeitgebers,5 die schlichte rechtsgeschäftliche Verpflichtung, zu einer vereinbarten Zeit eine bestimmte Leistung zu bewirken,6 und mangels Fremdnützigkeit die Verwendung einer ausschließlich zur Eigennutzung überlassenen Kreditkarte.7 Auch die Entgegennahme von Vorauszahlungen lässt nur ausnahmsweise eine Vermögensbetreuungspflicht entstehen, so wenn der Empfänger das Geld mit der Auflage erhält, es nur zu einem bestimmten Ankauf zu verwenden, und insofern die Stellung eines Kommissionärs oder Beauftragten erlangt (vgl. auch unten Rz. 17),8 wenn er mit den Vorauszahlungen erst das Betriebskapital erwirbt9 oder wenn ein Anwalt Gelder zur Weiterleitung an seinen Mandanten erhält (zu Letzterem auch unten Rz. 25 ff.).10 Zu weit geht die Rspr., wenn sie aus § 551 Abs. 3 BGB eine Vermögensbetreuungspflicht des Vermieters von Wohnraum bzgl. der abredewidrigen Verwendung der Mietkaution bejaht,11 weil die Vermieterpflicht zur Kautionsanlage nicht überwiegend fremdnützig und zudem ohne erhebliche Dispositionsmacht ist.12 Erst recht abzulehnen ist mangels Erheblichkeit und hinreichender Fremdnützigkeit der gesetzlich nicht geregelten und dispositiven Einzahlungspflicht die Annahme einer Vermögensbetreuungspflicht des Auftraggebers von Bauleistungen bei Nichteinzahlung eines Sicherheitseinbehalts auf ein Sperrkonto gem. § 17 Nr. 6 Abs. 1 Satz 3 VOB/B.13 Auch ein Baugeldempfänger ist nicht vermögensbetreuungspflichtig gegenüber den Baugläubigern.14 b) Entstehungsgründe: Gesetz, behördlicher Auftrag und Rechtsgeschäft Das Gesetz nennt als Entstehungsgründe der Vermögensbetreuungspflicht für beide Untreuealternativen Gesetz, 12 behördlichen Auftrag oder Rechtsgeschäft sowie zusätzlich für die Treubruchsuntreue das Treueverhältnis (zu letzterem unten Rz. 25 ff.). Dabei können mehrere Entstehungsgründe zusammen vorliegen und sich überschneiden,15 etwa bei der Vermögensbetreuungspflicht eines Parteivorsitzenden, die sich ergibt aus Rechts1 BVerfG v. 23.6.2010 – 2 BvR 2559/08, 2 BvR 105/09, 2 BvR 491/09, NJW 2010, 3209, 3214 f.; BGH v. 13.9.2010 – 1 StR 220/09, BGHSt 55, 288, 298. 2 Ähnlich Perron in S/S-StGB, § 266 Rz. 23b; ferner BGH v. 13.5.2004 – 5 StR 73/03, BGHSt 49, 147, 155; BGH v. 2.4.2008 – 5 StR 154/07, BGHSt 52, 182, 186 f.; BGH v. 25.5.2010 – VI ZR 205/09, NJW 2010, 2948, 2949; BGH v. 13.12.2012 – 5 StR 407/12, NJW 2013, 624, 625; weiter Kindhäuser in NK-StGB, § 266 Rz. 36: Obhutsgarantenpflicht mit auch fremdnütziger Geschäftsbesorgung; ebenso Hoyer in SK-StGB, § 266 Rz. 27 ff.; für Gleichschaltung von Garantenpflicht und Vermögensbetreuungspflicht dagegen Matt in M/R-StGB, § 266 Rz. 53, 84 Vgl. auch Hübner in LKStGB, § 266 Rz. 26 ff.; Schünemann in LK-StGB, § 266 Rz. 75 ff.; Esser in AnwK-StGB, § 266 Rz. 16, 33 ff.: Geschäftsbesorgung. 3 Kindhäuser in NK-StGB, § 266 Rz. 35; Dierlamm in MüKo-StGB, § 266 Rz. 64; Perron in S/S-StGB, § 266 Rz. 23b f. 4 BVerfG v. 23.6.2010 – 2 BvR 2559/08, 2 BvR 105/09, 2 BvR 491/09, NJW 2010, 3209, 3214 f.; BGH v. 8.6.1951 – 1 StR 171/51, BGHSt 1, 186, 188; BGH v. 2.4.2008 – 5 StR 354/07, BGHSt 52, 182, 186; BGH v. 19.5.1953 – 2 StR 116/53, NJW 1953, 1600, 1601; BGH v. 22.1.1988 – 2 StR 133/87, NJW 1988, 2483; BGH v. 25.5.2010 – VI ZR 205/09, NJW 2010, 2948; BGH v. 5.3.2013 – 3 StR 438/12, NJW 2013, 1615; Fischer, StGB, § 266 Rz. 36a; Seier in A/R/R, Rz. 155. 5 BVerfG v. 23.6.2010 – 2 BvR 2559/08, 2 BvR 105/09, 2 BvR 491/09, NJW 2010, 3209, 3215: keine Vermögensbetreuungspflicht für Arbeitnehmer, die keine spezifischen Bezüge zum Vermögen ihres Arbeitgebers aufweisen; BGH v. 3.3.1953 – 1 StR 5/53, BGHSt 4, 170, 171 f.; Seier in A/R/R, Rz. 156. 6 BGH v 19.5.1953 – 2 StR 116/53, NJW 1953, 1600, 1601. 7 OLG Hamm v. 12.3.2015 – 1 RVs 15/15, NStZ-RR 2015, 213, 214 m. Bspr. Jäger, JA 2015, 629. 8 RGSt 77, 391. 9 BGH v. 8.5.1951 – 1 StR 171/51, BGHSt 1, 186, 189 f. 10 Zum Ganzen BGH v. 19.5.1953 – 2 StR 116/53, NJW 1953, 1600, 1601. 11 BGH v. 23.8.1995 – 5 StR 371/95, BGHSt 41, 224, 228 f.; einschränkend und für gewerbliche Mietverhältnisse ablehnend BGH v. 2.4.2008 – 5 StR 354/07, BGHSt 52, 182, 185 ff., dazu Rz. 17; auch BGH v. 25.5.2010 – VI ZR 205/09, NJW 2010, 2948, 2949; zust. Fischer, StGB, § 266 Rz. 36a; Schünemann in LK-StGB, § 266 Rz. 147; Pauly, ZMR 1996, 417; Gericke, NJW 2013, 1634 mit nicht überzeugendem Hinweis auf die eingeschränkten Kontrollmöglichkeiten des Treugebers sowie die große praktische und sozialpolitische Bedeutung der Problematik. 12 Abl. Kindhäuser in NK-StGB, § 266 Rz. 57; Perron in S/S-StGB, § 266 Rz. 26; Matt in M/R-StGB, § 266 Rz. 30; Wessels/ Hillenkamp, Rz. 771; Sowada, JR 1997, 28 ff.; Satzger, Jura 1998, 570; Saliger, JA 2007, 328; Bräunig, Untreue, S. 102 f. 13 Wie hier BGH v. 25.5.2010 – VI ZR 205/09, NJW 2010, 2948 ff.; OLG Köln v. 27.7.2009 – I-11 U 86/09, IBR 2010, 28 L; Esser in AnwK-StGB, § 266 Rz. 58; Greeve, FS Hamm (2008), S. 121, 134 f.; a.A. OLG München v. 23.2.2006 – 2 Ws 22/06, NJW 2006, 2278 f.; zweifelnd OLG Frankfurt v. 10.9.2008 – 7 U 272/07, NJW-RR 2009, 571 f. 14 Brand, wistra 2012, 92, 97. 15 Perron in S/S-StGB, § 266 Rz. 7; Schünemann in LK-StGB, § 266 Rz. 32, 60; Saliger in S/S/W-StGB, § 266 Rz. 12.

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Untreue

StGB

§ 266 StGB Rz. 13

Strafgesetzbuch

geschäft (satzungsmäßige Wahl) i.V.m. gesetzlich (bzw. dispositiv) bestimmten Verfügungs- und Verpflichtungsbefugnissen (z.B. § 26 Abs. 2 BGB, § 11 Abs. 3, 4 PartG).1 Zudem ist zu beachten, dass sich insbesondere mit der gesetzlichen Ausgestaltung von Verfügungs- und Verpflichtungsbefugnissen i.S.v. § 266 Abs. 1 Alt. 1 i.d.R. auch eine Vermögensbetreuungspflicht des Befugten verbindet. 13

Kraft Gesetzes (teils i.V.m. behördlichem Auftrag) vermögensbetreuungspflichtig sind typischerweise z.B. Betreuer (§§ 1896 ff. BGB),2 Gerichtsvollzieher (§§ 753, 755, 803 ff. ZPO) gegenüber Gläubiger, Schuldner, soweit sich diesen zustehende Überschüsse ergeben,3 und Staat als Dienstherr,4 Vergleichs-5 und Insolvenzverwalter (§§ 27, 56, 80 Abs. 1 InsO)6 sowie Sachwalter bei der Eigenverwaltung (§§ 270 Abs. 3, 274 InsO)7 und Treuhänder im vereinfachten Insolvenzverfahren (§ 313 InsO),8 Liquidatoren (z.B. §§ 48 f. BGB, 146 Abs. 2, 149, 161 Abs. 2 HGB, 66 Abs. 2, 70 GmbHG) und Abwickler (z.B. § 265 Abs. 3 AktG), Nachlasspfleger (§ 1960 Abs. 2 BGB),9 Nachlassverwalter (§ 1985 BGB), Rechtspfleger im Zwangsverwaltungsverfahren gegenüber Gläubigern und Schuldner, selbst wenn der Rechtspfleger in dem Verfahren gar nicht hätte tätig werden dürfen (§ 153 ZVG),10 Sequester (§§ 848, 855 ZPO), Testamentsvollstrecker (§§ 2203 ff. BGB), Zwangsverwalter (§§ 9, 152, 154 ZVG)11 gegenüber Schuldner und Gläubigern.

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Vermögensbetreuungspflichtig kraft behördlichen Auftrags sind Amtswalter, die eigenverantwortlich mit bedeutsamen Entscheidungen bei der Verfügung über Haushaltsmittel betraut sind.12 Das gilt insbesondere für Abgeordnete bzgl. der ihrem Zugriff unterliegenden Haushaltstitel,13 Bürgermeister14 und zur Vertretung befugte Beigeordnete, nicht aber die Mitglieder kommunaler Vertretungskörperschaften,15 ferner Finanzbeamte,16 Kassenleiter einer Gemeinde,17 Landräte,18 Lehrstuhlinhaber,19 insbesondere in Personalunion als Ärztlicher Direktor einer Universitätsklinikabteilung,20 Minister bzgl. des der Rechtsträgerschaft ihres Ministeriums unterfallenden Vermögens,21 Oberbürgermeister,22 Oberkreisdirektor,23 Schulleiter,24 Sparkassenleiter,25 Stadtdirektor,26 Stadtkämmerer,27 Leiter einer Strafanstalt.28 Keine tauglichen Untreuetäter sind dagegen alle Amtswalter, die ohne erheblichen Entscheidungsspielraum nur untergeordnete fiskalische Tätigkeiten wahrnehmen,

1 Näher Saliger, Parteiengesetz, S. 53 f. 2 Vgl. BGH v. 14.8.2013 – 4 StR 255/13, BeckRS 2013, 15849, Rz. 12; OLG Celle v. 13.2.2013 – 1 Ws 54/13, NStZ-RR 2013, 176 m. krit. Anm. Oglakcioglu, ZWH 2013, 375 und krit. Bspr. Kudlich, JA 2013, 710; BVerwG v. 10.12.2015 – 2 C 50/13, NVwZ-RR 2016, 421, 422. 3 BGH v. 20.10.1959 – 1 StR 466/59, BGHSt 13, 274, 276; BGH v. 14.8.2013 – 4 StR 255/13, BeckRS 2013, 15849, Rz. 12; ferner BGH v. 7.1.2011 – 4 StR 409/10, NStZ 2011, 281, 282: Gläubiger; KG v. 19.2.2013 – (4) 121 Ss 10/13 (20/13), NStZ-RR 2013, 279; a.A. für den Schuldner Fischer, StGB, § 266 Rz. 23. 4 Schünemann in LK-StGB, § 266 Rz. 129; Kindhäuser in NK-StGB, § 266 Rz. 58. 5 BGH v. 26.7.1960 – 1 StR 248/60; BGH v. 28.7.2011 – 4 StR 156/11, wistra 2011, 424, 425. 6 Dazu LG Magdeburg v. 28.11.2001 – 24 Qs 18/01, wistra 2002, 156; BGH v. 28.7.2011 – 4 StR 156/11, wistra 2011, 424, 425; eingehend Diversy/Weyand, ZInsO 2009, 802 mit in Bezug auf den vorläufigen Insolvenzverwalter zutreffender Differenzierung zwischen „starkem“ vorläufigen Insolvenzverwalter (stets Vermögensbetreuungspflicht) und „schwachem“ vorläufigen Insolvenzverwalter (Vermögensbetreuungspflicht je nach übertragenen Befugnissen). 7 Diversy/Weyand ZInsO 2009, 805. 8 Seier in A/R/R, Rz. 110. 9 Vgl. auch v. 24.3.1988 – 1 StR 83/88, BGHSt 35, 224, 229. 10 BGH v. 28.7.2011 – 4 StR 156/11, wistra 2011, 424, 425. 11 BGH v. 28.7.2011 – 4 StR 156/11, wistra 2011, 424, 425. 12 Kindhäuser in NK-StGB, § 266 Rz. 58; Dierlamm in MüKo-StGB, § 266 Rz. 71; Schünemann in LK-StGB, § 266 Rz. 129. 13 OLG Koblenz v. 14.6.1999 – 1 Ss 75–99, NStZ 1999, 564, 565; Soyka, JA 2011, 568; krit. Dierlamm in MüKo-StGB, Rz. 109. 14 BGH v. 8.5.2003 – 4 StR 550/02, NStZ 2003, 540, 541; BGH v. 9.12.2004 – 4 StR 294/04, NStZ-RR 2005, 83 m. Bespr. Kiethe, NStZ 2005, 529; BGH v. 13.2.2007 – 5 StR 400/06, wistra 2007, 259, 260; BGH v 13.4.2011 – 1 StR 592/10, NStZ 2011, 520; BGH v. 31.8.1955 – 2 StR 110/55, GA 1956, 121, 122. 15 Dierlamm in MüKo-StGB, Rz. 109; Nettesheim, BayVBl. 1989, 164; Lehmann, FS Faber, S. 139; a.A Meyer, Hess. Städteund GemeindeZ 2009, 308 f. 16 BGH v. 14.3.1972 – 5 StR 589/71, BGHSt 24, 326; BGH v. 6.6.2007 – 5 StR 127/07, BGHSt 51, 356, 362; BGH v. 21.10.1997 – 5 StR 328/97, NStZ 1998, 91; BGH v. 23.4.1954 – 1 StR 425/53, GA 1954, 312, 313. 17 BGH v. 20.5.1994 – 2 StR 202/94, NStZ 1994, 586. 18 BGH v. 26.4.2006 – 2 StR 515/05, wistra 2006, 307; dazu Kudlich, JA 2006, 826. 19 BGH v. 27.7.1982 – 1 StR 209/82, NJW 1982, 2881; BGH v. 30.9.2010 – 4 StR 150/10, NStZ-RR 2011, 82, 83. 20 BGH v. 23.5.2002 – 1 StR 372/01, BGHSt 47, 295, 297. 21 BGH v. 17.2.1999 – 5 StR 494/98, BGHSt 44, 376, 379; vgl. auch BGH v. 26.11.2015 – 3 StR 17/15, NZG 2016, 703, 710. 22 BGH v. 25.4.2006 – 1 StR 539/05, wistra 2006, 306; BGH v. 24.5.2016 – 4 StR 440/15, BeckRS 2016, 10401, S. 4. 23 BGH v. 21.1.1969 – 5 StR 644/68, JurionRS 1969, 11358. 24 BGH v. 26.5.1983 – 4 StR 265/83, NStZ 1983, 455. 25 BGH v. 11.1.1955 – 5 StR 371/54, NJW 1955, 508 f. 26 BGH v. 20.5.1960 – 4 StR 126/60, bei Pfeiffer/Maul/Schulte StGB § 266 Rz. 18. 27 BGH v. 13.4.2011 – 1 StR 592/10, NStZ 2011, 520; BGH v. 29.3.1955 – 1 StR 725/54, JurionRS 1955, 11693. 28 BGH v. 15.12.1955 – 2 StR 213/55, GA 1956, 154 f.

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Saliger

Rz. 15 § 266 StGB

wie Polizeibeamte und sonstige ermächtigte Personen bei der Erhebung von Verwarnungsgeldern1 oder Verwalter von Nebenkassen.2 Aufgrund (primär) vertraglicher Grundlage – seien dies Arbeits-, Dienst-, Gesellschaftsverträge, Aufträge, Ge- 15 schäftsbesorgungen oder Satzungen – sind vermögensbetreuungspflichtig vor allem die mit Vollmachten (§§ 166 Abs. 2 BGB, 80 f. ZPO) oder Ermächtigungen (§ 185 BGB) ausgestatteten Funktionsträger. Dazu zählen – teils mit gesetzlich bzw. dispositiv geregelten Befugnissen – etwa Abteilungsleiter Personalwesen3 und Konzernsicherheit,4 Anlageberater,5 Aufsichtsratsmitglieder einer AG (§§ 111 ff., insbes. 116 i.V.m. 93 AktG;6 auch als von Arbeitnehmern gewähltes Mitglied und Vorsitzender des Gesamtbetriebsrats, nicht aber in eigenen Vergütungsangelegenheiten [Rz. 84]7) oder GmbH,8 Bankbevollmächtigter,9 Compliance-Officer, sofern ihm aufgrund seines Anstellungsvertrages die beschriebene interne Machtstellung innerhalb der fremden Vermögenssphäre anvertraut ist (Rz. 10 f.), was eine Frage des Einzelfalls ist,10 Director einer Limited,11 Frachtführer (§ 407 HGB12), Generalintendant und Verwaltungsdirektor in Bezug auf den Haushalt eines Staatstheaters,13 Geschäftsführer einer GmbH (§ 35 GmbHG14), auch nur tatsächlich bestellte und nicht eingetragene (zum faktischen Geschäftsführer unten Rz. 27),15 geschäftsführende Gesellschafter von BGB-Gesellschaft (§ 714 BGB), OHG (§§ 125, 126 HGB16), KG (§§ 161 Abs. 2, 170 HGB) und GmbH & Co. KG (§§ 161 Abs. 2, 125 HGB, 35 GmbHG17), Handelsvertreter (§§ 84 ff. HGB18), Handlungsbevollmächtigte (§§ 54 f. HGB19), Handlungsgehilfen (§§ 59 ff. HGB), Hauptbuchhalter,20 Inkassounternehmer,21 Kommissionäre (§§ 383, 406 HGB22), Vorstände, Präsidiumsmitglieder und Geschäftsführer bei kommunalen Spitzenverbänden,23 Vorstandsmitglieder und Geschäftsführer von Körperschaften öffentlichen Rechts (dabei nicht für Entscheidungen, die im weitesten Sinne die Bezüge der Vorstandsmitglieder selbst betreffen, wohl aber für die Unterschriftsleistung zur Anordnung von Auszahlungen [Letzteres zweifelhaft]24 und auch dann, wenn das Vorstandsmitglied in kollusivem Zusammenwirken den eigentlichen Entscheidungsträger umgeht25), Notare,26 Prokuristen (§ 49 HGB27), Leiter der Rechtsabteilung und In-

1 A.A. OLG Köln v. 12.2.1963 – Ss 335/62, NJW 1963, 1992; OLG Koblenz v. 3.10.1974 – 1 Ss 206/74, GA 1975, 122, 123; wie hier Kindhäuser in NK-StGB, § 266 Rz. 57. 2 BGH v. 4.11.1952 – 1 StR 441/52, BGHSt 3, 289, 293 f.; zu extensiv BGH v. 2.4.1963 – 1 StR 66/63, BGHSt 18, 312, 313. 3 BGH v. 17.9.2009 – 5 StR 521/08, NJW 2010, 92, 96. 4 BGH v. 10.10.2012 – 2 StR 591/11, NZG 2013, 268. 5 BGH v. 12.7.1977 – VI ZR 159/75, NJW 1977, 2259; Schünemann in LK-StGB, § 266 Rz. 130; Seier in A/R/R, Rz. 270 f.; eingehend Mölter, wistra 2010, 53. 6 Vgl. BGH v. 21.12.2005 – 3 StR 470/04, BGHSt 50, 331, 335 f.; BGH v. 17.9.2009 – 5 StR 521/08, NJW 2010, 92, 94 Rz. 49 f. = BGHSt 54, 148 – VW-Fall. 7 Zu letzterem ebenso OLG Braunschweig v. 14.6.2011 – Ws 44/12, 45/12, ZWH 2012, 494 f. m. Anm. Adick; eingehend Schwerdtfeger, Strafrechtliche Pflicht, 2016, S. 65 ff., 266 f.: Pflicht zur Verhinderung geschäftsführungsbezogener Straftaten. 8 BGH v. 26.11.2015 – 3 StR 17/15, NZG 2016, 703, 708 f. für ein acting-Aufsichtsratsmitglied. 9 BGH v. 29.8.2011 – 5 StR 247/11, wistra 2012, 22; OLG Koblenz v. 14.7.2011 – 2 Ss 80/11, wistra 2011, 397, 398. 10 Schünemann in LK-StGB, § 266 Rz. 136; Fischer, StGB, § 266 Rz. 55; Michalke, StV 2011, 251; typischerweise eine Vermögensbetreuungspflicht verneinend Matt in M/R-StGB, § 266 86. Vgl. auch zur Garantenstellung von ComplianceOfficern BGH v. 17.7.2009 – 5 StR 394/08, BGHSt 54, 44, 49 f. m. Anm. Berndt, StV 2009, 689; Kretschmer, JR 2009, 474; Rotsch, ZIS 2009, 712; Rübenstahl, NZG 2009, 1341; Stoffers, NJW 2009, 3176; Thomas, CCZ 2009, 239; Dannecker/ Dannecker, JZ 2010, 981; Kraft, wistra 2010, 81; Michalke, AnwBl. 2010, 666; Mosbacher/Dierlamm, NStZ 2010, 268; Rönnau/Schneider, ZIP 2010, 53; Spring, GA 2010, 222; Warneke, NStZ 2010, 312. 11 BGH v. 13.4.2010 – 5 StR 428/09, NStZ 2010, 632, 633 f. 12 BGH v. 21.11.1975 – I ZR 74/75, BGHZ 65, 340, 343. 13 BGH v. 4.11.1997 – 1 StR 273/97, BGHSt 43, 293, 294. 14 BGH v. 27.8.2010 – 2 StR 111/09, BGHSt 55, 266, 274. 15 BGH v. 24.6.1952 – 1 StR 153/52, BGHSt 3, 32, 37 ff. 16 Vgl. BGH v. 7.9.2011 – 2 StR 600/10, NJW 2011, 3528. 17 BGH v. 23.2.2012 – 1 StR 586/11, wistra 2012, 233, 234: gegenüber Komplementär-GmbH und anderen Kommanditisten. 18 BGH v. 29.9.1982 – 2 StR 360/82, NStZ 1983, 74. 19 Vgl. BGH v. 19.1.1965 – 1 StR 497/64, BGHSt 20, 143 f.; BGH v. 16.12.2010 – 4 StR 492/10, wistra 2011, 141, 142: Arthandlungsvollmacht; RGSt 75, 75, 77 ff. 20 BGH v. 8.8.1978 – 1 StR 296/78, GA 1979, 143 f. 21 Dierlamm in MüKo-StGB, § 266 Rz. 100; Kindhäuser in NK-StGB, § 266 Rz. 58. 22 BGH v. 8.5.1951 – 1 StR 171/51, BGHSt 1, 186, 189. 23 Schelzke, Strafbarkeitsrisiken in kommunalen Spitzenverbänden, 2013, S. 112 ff., 124. 24 KG v. 4.11.2014 – 2 Ws 298/14 – 161 AR 16/14, BeckRS 2014, 22076, S. 3 ff. für die Vorstandsmitglieder einer Kassenärztlichen Vereinigung. 25 BGH v. 12.12.2013 – 3 StR 146/13, NStZ 2015, 220, 222 f. m. Anm. Klemm für einen kommunalen Wasserverband. 26 BGH v. 6.4.1982 – 5 StR 8/82, NStZ 1982, 331; BGH v. 2.9.2008 – 4 StR 281/08, wistra 2008, 466, 467; BGH v. 7.4.2010 – 2 StR 153/09, NJW 2010, 1764; BGH v. 2.7.2014 – 5 StR 182/14, NStZ 2014, 517, 518. 27 BGH v. 26.6.1963 – 2 StR 156/63, GA (H) 1964, 130.

Saliger

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StGB

Untreue

StGB

§ 266 StGB Rz. 16

Strafgesetzbuch

nenrevision gegenüber Dienstherrn,1 Spediteure (§ 453 HGB2), Steuerberater gegenüber Mandanten (§§ 32, 33 StBerG3), bei Stiftungen Vorstände (§§ 86 i.V.m. 26 BGB4), Geschäftsführer bzw. Verwaltungsleiter,5 Mitglieder eines Stiftungsbeirats als Kontrollorgan – nicht bloßes Beratungsgremium6 – und Mitarbeiter bzw. Beauftragte der Stiftungsaufsichtsbehörde,7 Treuhänder,8 Unterbevollmächtigte,9 sofern die Unterbevollmächtigung zulässig ist und die obigen Voraussetzungen (Rz. 10 ff.) erfüllt sind,10 Versteigerer (§ 156 BGB), Vermögensverwalter;11 Verwalter von Wohnungseigentum (§§ 26, 27 WEG12), Vorstände und Vorsitzende von Vereinen (§ 26 Abs. 2 BGB),13 insbesondere von Parteien,14 Fraktionen,15 AG (§§, 76, 78, 93 AktG16 (aber nicht in eigenen Vergütungsangelegenheiten17) und Genossenschaften (§ 24 GenG),18 Wirtschaftsprüfer (§ 2 WPO).19 2. Weitere Beispiele aus der Rechtsprechung 16

Über die aufgeführten typischen Fälle tauglicher Untreuetäter hinaus hat die Rspr. Vermögensbetreuungspflichten bejaht: bei Kassenärzten gegenüber der Krankenkasse (§§ 12 Abs. 1, 70 Abs. 1 iVm 2 Abs. 4 SGB V; zweifelhaft, auch unten Rz. 127);20 bei Architekten, sofern sie über die Bauplanung hinaus die kaufmännische Durchführung des Bauobjekts mit Bauausschreibung, Vergabe der Bauarbeiten und Schlussabrechnung übernommen haben;21 Bauherren gegenüber Mietern, die ihnen Baukostenzuschüsse zur Erstellung und Gewährung von Wohnraum überlassen haben;22 beim Cash-Pooling die Vorstände der herrschenden Gesellschaft gegenüber der beherrschten Gesellschaft,23 bei mehrstufigen Beherrschungsverhältnissen für die Organe auf sämtlichen die 1 BGH v. 17.7.2009 – 5 StR 394/08, NJW 2009, 3173, 3175, nicht abgedruckt in BGHSt 54, 44. 2 BGH v. 8.5.1951 – 1 StR 171/51, BGHSt 1, 186, 189; einschränkend BGH v. 11.2.1982 – 4 StG 10/82, wistra 1982, 107. 3 BGH v. 3.8.2005 – 2 StR 202/05, NStZ 2006, 38, 39 m. Bspr. Satzger, JK 28; BGH v. 23.10.1980 – IVa ZR 28/80, BGHZ 78, 263; Perron in S/S-StGB, § 266 Rz. 25; einschränkend Köhler/Hitz, DStR 2013, 1053, 1056, die für die Annahme einer Vermögensbetreuungpsflicht über den Beratervertrag hinaus das Vorliegen weiterer Umstände verlangen. 4 BGH v. 24.6.2010 – 3 StR 90/09, wistra 2010, 445 (446) m. krit. Anm. Büch, wistra 2011, 20. 5 BGH v. 11.10.2000 – 3 StR 336/00, NStZ 2001, 155. 6 Lassmann, Stiftungsuntreue, S. 62 ff.; Gräwe/v. Maltzahn, BB 2013, 330; Werner, ZWH 2013, 349. 7 Vgl. BGH v. 28.1.1983 – 1 StR 820/81, NJW 1983, 1807; zum Ganzen Saliger, Yearbook 2005, 211 f.; Lassmann, Stiftungsuntreue, S. 51 ff. und Lassmann, NStZ 2009, 474 f.; Gräwe/v. Maltzahn, BB 2013, 329; Werner, ZWH 2013, 348. 8 BGH v. 29.11.1996 – 2 StR 491/96, NStZ 1997, 124. 9 RGSt 61, 174. 10 Vgl. Perron in S/S-StGB, § 266 Rz. 13. 11 OLG München v. 30.11.2009 – 5St RR 357/09, wistra 2010, 155, 157. 12 BGH v. 23.8.1995 – 5 StR 371/95, BGHSt 41, 224, 226 f. 13 BGH v. 13.4.2011 – 1 StR 94/10, BGHSt 56, 203, 210; LG Lübeck v. 5.2.2014 – 3 Ns 89/13, juris, Rz. 156. 14 BGH v. 18.10.2006 – 2 StR 499/05, BGHSt 51, 100, 112 f., 117; BGH v. 13.4.2011 – 1 StR 94/10, BGHSt 56, 203, 210 f.: Vorsitzender eines Kreisverbandes gegenüber dem Kreisverband und der Bundespartei; BGH v. 11.12.2014 – 3 StR 265/14, NJW 2015, 1618, 1622: Vorsitzender eines Landesverbandes gegenüber dem Landes- und Bundesverband. 15 BGH v. 11.12.2014 – 3 StR 265/14, NJW 2015, 1618, 1619 f. 16 BVerfG v. 23.6.2010 – 2 BvR 2559/08, 2 BvR 105/09, 2 BvR 491/09, NJW 2010, 3209, 3217; BGH v. 6.12.2001 – 1 StR 215/01, BGHSt 47, 187, 192; BGH v. 29.8.2008 – 2 StR 587/07, NJW 2009, 89, 91: für die kaufmännische Leitung des Geschäftsbereichs verantwortlicher Bereichsvorstand; BGH v. 17.9.2009 – 5 StR 521/08, NJW 2010, 92, 94; BGH v. 27.8.2010 – 2 StR 111/09, BGHSt 55, 266, 274; BGH v. 13.9.2010 – 1 StR 220/09, BGHSt 55, 288, 298: kaufmännischer Vorstand, Leiter einer Hauptabteilung für Konzernstrategie, Mitglied des Gesamt- und Zentralvorstands. 17 BGH v. 21.12.2005 – 3 StR 470/04, HRRS 2006 Nr. 100 Rz. 81 – Fall Mannesmann, in BGHSt 50, 331 nicht abgedruckt. 18 Vgl. BGH v. 9.12.1975 – VI ZR 157/73, BGHZ 65, 333. 19 BGH v. 3.8.2005 – 2 StR 202/05, NStZ 2006, 38, 39; Schünemann in LK-StGB, § 266 Rz. 161; a.A. für Abschlussprüfer Dierlamm in MüKo-StGB, § 266 Rz. 69. 20 BGH v. 25.11.2003 – 4 StR 239/03, BGHSt 49, 17, 23 f.; BGH v. 27.4.2004 – 1 StR 165/03, NStZ 2004, 568, 569. Diese Rspr. war nach der Entscheidung des Großen Senats BGH v. 29.3.2012 – GSSt 2/11, NZWiSt 2012, 268 (= BGHSt 57, 202) m. Anm. Kraatz; Brand, PharmR 2012, 317; Krüger, StraFo 2012, 308; Leimenstoll, wistra 2013, 121 zweifelhaft geworden, weil der Große Senat sowohl die Vertreterthese aufgegeben (Rz. 36) als auch die Pflicht des Arztes zur Wahrung des Wirtschaftlichkeitsgebots deutlich abgeschwächt hat (Rz. 42 ff.). Auch das OLG Stuttgart hatte in einem obiter dictum die Annahme einer Vermögensbetreuungspflicht des Arztes gegenüber der Krankenkasse als zweifelhaft bezeichnet; s. OLG Stuttgart v. 18.12.2012 – 1 Ss 559/12, NStZ-RR 2013, 174 m. insoweit abl. Bspr. Bülte, NZWiSt 2013, 346, 352. Der 4. Strafsenat des BGH hat nunmehr mit im Hinblick auf das Verschleifungsverbot von Vermögensbetreuungspflicht und Pflichtverletzung (vgl. Rz. 8 aE) nicht unproblematischer Begründung eine Vermögensbetreuungspflicht des Vertragsarztes gegenüber den Krankenkassen bejaht, die ihm zumindest gebietet, Heilmittel nicht ohne jegliche medizinische Indikation in der Kenntnis zu verordnen, dass die verordneten Leistungen nicht erbracht, aber gegenüber den Krankenkassen abgerechnet werden, BGH v. 16.8.2016 – 4 StR 163/16, BeckRS 2016, 16636, Rz. 11 ff. Die Diskussion dürfte weiterhin im Fluss sein. Verneinend: Leimenstoll, wistra 2013, 128 f. und Leimenstoll, Vermögensbetreuungspflicht, 2012, S. 173 ff.; Sommer/Tsambikakis in Terbille, MAH Medizinrecht, § 2 Rz. 154; Brand, PharmR 2012, 320 ff.; Matt in M/R-StGB, § 266 Rz. 22; wohl auch Krüger, StraFo 2012, 311 f. Bejahend: Bülte, NZWiSt 2013, 352. 21 BGH v. 30.4.1974 – 4 StR 78/74, MDR (D) 1975, 23; BayObLG v. 20.7.1995 – 4 St RR 4/95, NJW 1996, 268, 271; Seier in A/R/R, Rz. 259 f.; Dierlamm in MüKo-StGB, § 266 Rz. 77. 22 BGH v. 22.11.1955 – 5 StR 705/54, BGHSt 8, 271, 272 f. 23 BGH v. 13.5.2004 – 5 StR 73/03, BGHSt 49, 147, 157 ff.

630

Saliger

Rz. 17 § 266 StGB

Untergesellschaft beherrschenden Konzernebenen über der Alleingesellschafterin der geschädigten Gesellschaft (näher unten Rz. 116);1 für im Alleinauftrag tätige Vermittlungsmakler gegenüber dem Auftraggeber2 und für Makler mit über das Makeln hinausgehendem Auftrag.3 Vermögensbetreuungspflichtig können auch Handelsmakler (§ 93 HGB), Versicherungsmakler4 und Börsenmakler (§§ 27 ff. BörsG) sein,5 während der bloße Nachweismakler6 und der Auftraggeber nicht vermögensbetreuungspflichtig sind;7 für Notare (§§ 14 Abs. 1 S. 2, 24 BNotO), wenn sie Mandantengelder eigenverantwortlich verwalten8 und – unzutreffend – auch bei Zahlungen ohne Entscheidungsspielraum nach festgelegten Konditionen;9 grundsätzlich, aber nicht stets,10 Rechtsanwälte gegenüber ihren Mandanten (entgeltliche Geschäftsbesorgung i.S.d. § 675 BGB), insbesondere wenn sie eigenverantwortlich Zahlungsansprüche ihres Mandanten geltend machen, zum Abschluss von Vergleichen ermächtigt sind oder dessen Vermögen verwalten (näher Rz. 92 und 127),11 also nicht, sofern schon faktisch jegliche Herrschaft des Rechtsanwalts über Vermögensinteressen des Geschädigten fehlt12 oder die Entscheidung über das Ob und Wie der Klage beim Mandanten oder Dritten liegt und der Mandant ohne Beteiligung des Rechtsanwalts Vergleichsverhandlungen führt, der Anwalt mithin vom Mandanten an der „kurzen Leine“ gehalten wird;13 für Inhaber von Reisebüros bzw. Reiseunternehmer (§§ 651a ff. BGB) sowohl gegenüber dritten Leistungsträgern als auch den Kunden, sofern der Reiseunternehmer als Vermittler zum Inkasso von Drittforderungen befugt ist,14 nicht aber, wenn das Reisebüro selbst Reiseveranstalter ist und sich zur Erfüllung Dritter als Leistungsträger bedient;15 Vermieter von Wohnraum hinsichtlich der Mietkaution (abzulehnen, näher Rz. 11). Verneint worden sind Vermögensbetreuungspflichten von der Judikatur (vgl. auch oben Rz. 11, 14): im Ver- 17 hältnis von Arbeitgeber16 und Arbeitnehmer (auch oben Rz. 11);17 für die Bank bzw. gewöhnlichen Bankangestellten gegenüber Giro- oder Sparkontenvertragskunden;18 bei Bankkunden gegenüber ihrer Bank;19 Baugeldempfänger (Rz. 11); Boten;20 für Buchhalter ohne Entscheidungskompetenz;21 mit Schreibarbeiten befasste Büroangestellte;22 Darlehensnehmer gegenüber dem Darlehensgläubiger;23 beim (echten oder unechten) Factoring, selbst wenn der zedierende Gläubiger noch eingehende Zahlungen weiterzuleiten hat;24 für Geschäftsführer ohne Auftrag, ausgenommen bei bewusster Überschreitung eines erteilten Auftrags zum Nachteil des Auftrag-

1 BGH v. 31.7.2009 – 2 StR 95/09, BGHSt 54, 52, 58 f. 2 BGH v. 21.3.1966 – 8 ZR 290/63, NJW 1966, 1405, 1406; BGH v. 14.5.1969 – IV ZR 787/68, NJW 1969, 1626, 1627; zust. Schünemann in LK-StGB, § 266 Rz. 146; Kindhäuser in NK-StGB, § 266 Rz. 57; a.A. Dierlamm in MüKo-StGB, § 266 Rz. 106. 3 BGH v. 20.1.1984 – 3 StR 520/83, wistra 1984, 109, 110; zur Erteilung einer Generalvollmacht BGH NStZ 1994, 45. 4 BGH v. 3.12.2013 – 1 StR 526/13, NStZ 2014, 158. 5 Schünemann in LK-StGB, § 266 Rz. 146. 6 BGH v. 11.8.1970 – 1 StR 301/70, GA 1971 209, 210. 7 Schünemann in LK-StGB, § 266 Rz. 146; Dierlamm in MüKo-StGB, § 266 Rz. 106; Kindhäuser in NK-StGB, § 266 Rz. 57. 8 BGH v. 6.4.1982 – 5 StR 8/82, NStZ 1982, 331 f.; BGH v. 12.6.1990 – 5 StR 268/89, NJW 1990, 3219; BGH v. 7.4.2010 – 2 StR 153/09, NJW 2010, 1764 f.: Verwahrungstreuhand gem. §§ 54a ff. BeurkG. 9 So BGH v. 6.4.1982 – 5 StR 8/82, MDR (H) 1982, 625; BGH v. 3.12.2001 – NotZ 13/01, DNotZ 2002, 236; abl. wie hier Kindhäuser in NK-StGB, § 266 Rz. 58. 10 Vgl. BGH v. 5.3.2013 – 3 StR 438/12, NJW 2013, 1615, 1616. 11 Vgl. BGH v. 11.11.1982 – 4 StR 406/82, NJW 1983, 461; BGH v. 5.3.2013 – 3 StR 438/12, NJW 2013, 1615, 1616; BGH v. 27.11.2012 – 3 StR 421/12, BeckRS 2013, 01324; BGH v. 29.1.2015 – 1 StR 587/14, NJW 2015, 1190, 1191; Schmidt, NStZ 2013, 498. 12 BGH v. 9.5.2012 – 4 StR 381/11, NStZ-RR 2012, 310, 311. 13 Zutr. BGH v. 5.3.2013 – 3 StR 438/12, NJW 2013, 1615, 1616 m. Anm. Bosbach/Sering, ZWH 2013, 364, wo der Senat sogar für den „Haus- und Hofanwalt“ des Mandanten im Einzelfall die Vermögensbetreuungspflicht verneint. 14 BGH v. 3.5.1978 – 3 StR 30/78, BGHSt 28, 20, 21 f.; BGH v. 12.12.1958 – 5 StR 475/58, BGHSt 12, 207, 208 ff.; zweifelhaft. bzgl. des Leistungsträgers beim Verkauf von Pauschalreisen, wie hier: Hübner in LK-StGB, § 266 Rz. 48 f.; Kindhäuser in NK-StGB, § 266 Rz. 57; Dierlamm in MüKo-StGB, § 266 Rz. 113. 15 BGH v. 3.5.1978 – 3 StR 30/78, BGHSt 28, 20, 22 ff. 16 Vgl. BGH v. 15.7.2010 – 4 StR 164/10, NStZ-RR 2011, 276, 277: vermögenswirksame Leistungen (bloße Nebenpflicht); BGH v. 5.10.1954 – 2 StR 447/53, BGHSt 6, 314, 317 f.: Urlaubsmarken; BGH v. 25.5.2010 – VI ZR 205/09, NJW 2010, 2948, 2950: Einbehalten und Nichtabführen von Teilen des Arbeitsentgelts, das § 266a Abs. 3 unterfällt; dazu schon früher BayObLG v. 24.9.1957 – RevReg. 2 St 457/57, NJW 1957, 1683: Lohnzahlungspflicht; OLG Köln v. 13.1.1967 – Ss 345/66, NJW 1967, 836: Abführung von Lohnanteilen an Gläubiger des Arbeitsnehmers. 17 BGH v. 4.11.1952 – 1 StR 441/52, BGHSt 3, 289, 293 f.; 4, 170, 171 f.: Umgang mit Eigentum des Arbeitgebers; BGH v. 17.12.1953 – 4 StR 483/53, BGHSt 5, 187, 188 f. 18 BGH v. 17.11.1983 – 4 StR 662/83, NStZ 1984, 118 f.; OLG Düsseldorf v. 4.11.1994 – 1 Ws 807 – 809/94, wistra 1995, 72, 73; OLG München v. 30.11.2009 – 5St RR 357/09, wistra 2010, 155, 157. 19 Vgl. BGH v. 26.7.1972 – 2 StR 62/72, BGHSt 24, 386, 387. 20 RGSt 69, 58, 60 ff.; anders – jedoch unzutreffend – für schlichte Postboten RGSt 73, 235, 236 f.; BGH v. 8.10.1953 – 4 StR 395/53, NJW 1953, 1924; wie hier: Schünemann in LK-StGB, § 266 Rz. 150. 21 BGH v. 14.1.1986 – 1 StR 655/85, StV 1986, 203 f.; wistra 1987, 27. 22 BGH v. 4.11.1952 – 1 StR 441/52, BGHSt 3, 289, 293 f. 23 BGH v. 15.6.1976 – 1 StR 266/76, GA 1977, 18, 19; BGH v. 16.10.1968 – 2 StR 429/68, MDR (D) 1969, 533. 24 BGH v. 4.11.1988 – 1 StR 480/88, NStZ 1989, 72.

Saliger

631

StGB

Untreue

StGB

§ 266 StGB Rz. 18

Strafgesetzbuch

gebers;1 grundsätzlich im Verhältnis zwischen Käufer und Verkäufer, auch bei Verkauf unter Eigentumsvorbehalt,2 es sei denn, das Vertragsverhältnis enthält im Einzelfall überwiegend Elemente fremdnütziger Geschäftsbesorgung, etwa wenn der Lieferungsverkäufer einem Einkaufskommissionär3 oder der Käufer einem Verkaufskommissionär gleichkommt4 sowie bei „Aussteuer-Kaufverträgen“ mit langjähriger Laufzeit (auch oben Rz. 11);5 Kreditbearbeiter ohne eigenverantwortlichem Entscheidungsspielraum;6 Kreditkarteninhaber gegenüber Bank und Kartenunternehmen;7 Besitzer einer zur eigennützigen Verwendung überlassenen Kreditkarte gegenüber verstorbenem Kartenüberlasser und dessen Erben;8 im Lastschrifteinzugverfahren für den Zahlungsempfänger gegenüber dem Zahlungspflichtigen;9 bei Leasingnehmern gegenüber dem Leasinggeber;10 für Provisions- und Schmiergeldempfänger gegenüber dem Geschäftsherrn;11 für den Rechtsschein, einen Gutglaubenserwerb (§§ 407, 932 BGB, 366 HGB) zu vermitteln,12 während der Rechtsschein aus einer ursprünglich wirksam erteilten Vollmacht (§§ 168, 674, 729 BGB: fiktives Fortbestehen; §§ 170 ff. BGB: Fortwirken) eine Vermögensbetreuungspflicht begründen kann (auch unten Rz. 20);13 Scheckkarteninhaber gegenüber Bank (auch oben Rz. 6);14 Sicherungsgeber und -nehmer bei Sicherungsübereignung und Sicherungsabtretung wegen der grundsätzlich eigennützigen Struktur von Sicherungsabreden,15 auch bei ungewöhnlich hoher Übersicherung, weil andernfalls Vermögensbetreuungspflicht und Pflichtverletzung sich entgegen dem Verschleifungsverbot (vgl. Rz. 4, 8) verschleifen;16 grundsätzlich bei Subventionen,17 es sei denn, der Empfänger von Investitionsbeihilfen hat über den Subventionszweck hinausgehende Vermögensinteressen des Subventionsgebers zu beachten;18 für Steuerpflichtige gegenüber dem Staat;19 Unternehmensberater, es sei denn, der Berater erlangt in Bezug auf das Vermögen des Unternehmens tatsächliche Entscheidungsmacht und fungiert wie ein Vorstand;20 Vermieter von Gewerberaum hinsichtlich der Anlage von Mietkautionen (zur Wohnraummiete Rz. 11);21 Wirtschaftsprüfer und Steuerberater gegenüber Kapitalanlegern.22

II. Pflichtverletzung 1. Missbrauchstatbestand, Abs. 1 Alt. 1 18

§ 266 Abs. 1 Alt. 1 bestimmt die Tathandlung der Missbrauchsuntreue dahin, dass der Täter eine ihm durch Gesetz, behördlichen Auftrag oder Rechtsgeschäft eingeräumte Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen oder einen anderen zu verpflichten, missbraucht. Kennzeichnend für die Missbrauchsuntreue ist danach die Verletzung der anvertrauten internen Machtstellung durch Ausüung allein von externer Rechtsmacht, während bei der Treubruchsuntreue faktische Macht pflichtwidrig eingesetzt wird (unten Rz. 24 ff.). Zweck des Missbrauchstatbestan1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13

14 15

16

17 18 19 20 21 22

BGH v. 14.7.1955 – 3 StR 158/55, BGHSt 8, 149, 150. BGH v. 5.7.1968 – 5 StR 262/68, BGHSt 22, 190, 191 f.; zu letzterem Schünemann in LK-StGB, § 266 Rz. 143. BGH v. 8.5.1951 – 1 StR 171/51, BGHSt 1, 186, 189 f. BGH v. 3.12.1965 – 1 StR 362/65, MDR 1967, 174; vgl. auch BayObLG v. 30.9.1988 – Rreg 5 St 144/88, wistra 1989, 113. BGH v. 17.9.1990 – 1 StR 372/90, NJW 1991, 371; zum Ganzen Dierlamm in MüKo-StGB, § 266 Rz. 102; Kindhäuser in NK-StGB, § 266 Rz. 57; Schünemann in LK-StGB, § 266 Rz. 143 f. BGH v. 3.5.2012 – 2 StR 446/11, StraFo 2012, 374 f. BGH v. 13.6.1985 – 4 StR 213/85, BGHSt 33, 244, 250 f. OLG Hamm v. 12.3.2015 – 1 RVs 15/15, NStZ-RR 2015, 213, 214 m. Bspr. Jäger, JA 2015, 629. OLG Hamm v. 15.6.1977 – 4 Ss 363/76, NJW 1977, 1834 m. Anm. Winterberg, BB 1977, 1627. OLG Köln v. 6.10.1987 – Ss 292/87, NJW 1988, 3219; auch BGH v. 3.2.2005 – 5 StR 84/04, wistra 2005, 223. BGH v. 23.5.2002 – 1 StR 372/01, BGHSt 47, 295, 298. BGH v. 16.6.1953 – 1 StR 67/53, BGHSt 5, 61, 62 f., 65 zu §§ 407, 932 BGB. Str., wie hier: OLG Stuttgart v. 14.3.1985 – 3 Ss (14) 823/84, NStZ 1985, 365, 366; OLG Koblenz v. 14.7.2011 – 2 Ss 80/11, wistra 2011, 397, 398 für eine im Innenverhältnis erloschene, aber nach außen gem. § 170 BGB fortwirkende Bankvollmacht; Perron in S/S-StGB, § 266 Rz. 4; Fischer, StGB, § 266 Rz. 20; Saliger in S/S/W-StGB, § 266 Rz. 18; Kindhäuser in NK-StGB, § 266 Rz. 89; Schünemann in LK-StGB, § 266 Rz. 39, 41. A.A. Hoyer in SK-StGB, § 266 Rz. 80; Maurach/Schroeder/Maiwald, BT 1 § 45 Rz. 17. BGH v. 26.7.1972 – 2 StR 62/72, BGHSt 24, 386, 387 f. Vgl. BGH v. 28.2.1978 – 1 StR 671/77, MDR (D) 1978, 625; BGH v. 6.3.1984 – 5 StR 997/83, wistra 1984, 143; BGH v. 12.6.1990 – 5 StR 268/89, MDR (D) 1990, 837, 838; OLG Celle v. 18.7.2013 – 1 Ws 238/13, BeckRS 2013, 15199; Schünemann in LK-StGB, § 266 Rz. 155; Kindhäuser in NK-StGB, § 266 Rz. 57; Dierlamm in MüKo-StGB, § 266 Rz. 115; Seier in A/R/R, Rz. 156. Abw. und unzutreffend BGH v. 16.6.1953 – 1 StR 67/53, BGHSt 5, 61, 62 ff.; Clemente, wistra 2010, 251. Zutr. OLG Celle v. 18.7.2013 – 1 Ws 238/13, BeckRS 2013, 15199; a.A. Schünemann in LK-StGB, § 266 Rz. 79, 155 unter nicht überzeugender Anknüpfung an die Konstruktion einer an die Sicherungstreuhand angekoppelten, fremdnützigen Verwaltungstreuhand. Für Annahme einer Vermögensbetreuungspflicht bei der Sicherungsgrundschuld Clemente wistra 2010, 251 ff.; a.A. Perron in S/S-StGB, § 266 Rz. 26. BGH v. 13.5.2004 – 5 StR 73/03, BGHSt 49, 147, 154 ff. – Bremer Vulkan – m. Anm. Tiedemann, JZ 2005, 45; Ransiek, wistra 2005, 121; Salditt, NStZ 2005, 270; Kutzner, NStZ 2005, 271; BGH LM StGB § 266 Nr. 16. BGH v. 13.5.2004 – 5 StR 73/03, BGHSt 49, 147, 156. Vgl. BGH v. 3.4.1952 – 3 StR 630/51, BGHSt 2, 338 f., 343 f. für Arbeitgeber. OLG München v. 6.8.2004 – 2 Ws 660, 694/04, ZIP 2004, 2438 m. krit. Anm. Tiedemann, S. 2440. BGH v. 2.4.2008 – 5 StR 354/07, BGHSt 52, 182, 185 ff. BGH v. 3.8.2005 – 2 StR 202/05, NStZ 2006, 38, 39.

632

Saliger

Rz. 20 § 266 StGB

des ist dementsprechend der Schutz von Rechtsbeziehungen, durch die einem Beteiligten ein rechtliches Können (nach außen zum Rechtsverkehr) gewährt wird, das über das rechtliche Dürfen (nach innen zum Geschäftsherrn) hinausgehen kann (näher Rz. 21).1 Die Pflichtverletzung im Innenverhältnis beurteilt sich deshalb bei der Missbrauchsuntreue nach denselben Regeln wie bei der Treubruchsuntreue (unten Rz. 24 ff., 33 ff.). a) Voraussetzungen aa) Fremdes Vermögen als Bezugspunkt Bezugspunkt der Befugnis ist fremdes Vermögen, das sich nach den einschlägigen zivil- und öffentlichrecht- 19 lichen Regeln beurteilt.2 Fremd ist danach Vermögen, wenn es nicht im Alleineigentum bzw. in Alleininhaberschaft des Täters steht.3 Wirtschaftliche Gesichtspunkte sind ebenso unbeachtlich4 wie Macht und Recht, über die Zwecke des Vermögenseinsatzes zu entscheiden.5 Das Vermögen von Kapitalgesellschaften, etwa einer AG, ist daher für Vorstand6 und Aufsichtsrat fremd.7 Das Gleiche gilt für das Vermögen einer Einmann-GmbH in bezug auf den geschäftsführenden Alleingesellschafter8 und für das Vermögen von Personenhandelsgesellschaften (z.B. OHG, KG) in bezug auf den einzelnen Gesellschafter.9 Verfügungsbefugnisse etwa des Insolvenzverwalters berühren die materielle Vermögenszuordnung nicht.10 bb) Externe Rechtsmacht: Verfügungs- und Verpflichtungsbefugnis Befugnis meint die Rechtsmacht des Treunehmers, zivil- oder öffentlichrechtlich wirksam Verfügungs- oder 20 Verpflichtungsgeschäfte für fremdes Vermögen zu tätigen. Verfügung umfasst jede Übertragung, Aufhebung oder Inhaltsänderung einer vermögenswerten Rechtsposition; Verpflichtung ist die Begründung einer Verbindlichkeit zu Lasten des Geschäftsherrn.11 Als Entstehungsgründe kommen Gesetz, behördlicher Auftrag oder Rechtsgeschäft in Betracht (oben Rz. 12 ff.). Ob der Täter in fremdem (§ 164 BGB) oder in eigenem Namen (§§ 185 BGB, 383 HGB) verfügt, ist unerheblich.12 Rein faktische Einwirkungen auf das fremde Vermögen genügen nicht, da sie nicht von der anvertrauten Rechtsmacht abgeleitet sind. Keine Verfügungen sind daher die Vermögensschädigung durch Beschädigung, Vernichtung, Verbindung (§ 947 BGB), Vermischung (§ 948 BGB) oder Verarbeitung (§ 950 BGB) einer Sache13 sowie die Ermöglichung eines Gutglaubenserwerbs (§§ 407, 932 BGB, 366 HGB; dazu oben Rz. 17). Auch der Bote besitzt grundsätzlich keine rechtsgeschäftliche Verfügungsbefugnis, sondern allenfalls faktische Einwirkungsmöglichkeiten.14 Als anvertraute Rechtsmacht muss die Befugnis vom Treugeber abgeleitet und als solche zugleich in seinem Interesse (oben Rz. 3) eingeräumt sein.15 Keine Befugnis begründen deshalb Duldungs- und Anscheinsvollmacht, deren Rechtsschein nicht auf eine ausdrückliche Vollmacht des Treugebers zurückgeht und zudem allein Zwecken des Verkehrsschutzes dient.16 Dagegen lässt sich der fortwirkende Rechtsschein aus einer wirksam erteilten Vollmacht noch von der anvertrauten Rechtsmacht ableiten, weshalb er eine untreuetaugliche Befugnis vermittelt (näher oben Rz. 17 m.w.N.).17 Die Befugnis bzw. die mit ihr verbundene Rechtsstellung müssen rechtswirksam begründet sein.18 Ist das der Fall, so sind ursprüngliche oder 1 BGH v. 16.6.1953 – 1 StR 67/53, BGHSt 5, 61, 63; BGH v. 4.11.1997 – 1 StR 273/97, BGHSt 43, 293, 296; BGH v. 16.12.2010 – 4 StR 492/10, wistra 2011, 141, 142. 2 RGSt 69, 333, 338 f.; Perron in S/S-StGB, § 266 Rz. 6; Kindhäuser in NK-StGB, § 266 Rz. 30; Fischer, StGB, § 266 Rz. 11. 3 Kindhäuser in NK-StGB, § 266 Rz. 30. 4 BGH v. 8.5.1951 – 1 StR 171/51, BGHSt 1, 186, 187 f. 5 So aber Nelles, Untreue, S. 513, 515; abl. Perron in S/S-StGB, § 266 Rz. 6; Kindhäuser in NK-StGB, § 266 Rz. 30; Saliger in S/S/W-StGB, § 266 Rz. 19; Fischer, StGB, § 266 Rz. 11; Dierlamm in MüKo-StGB, § 266 Rz. 35. 6 Vgl. BGH v. 6.12.2001 – 1 StR 215/01, BGHSt 47, 187, 192. 7 BGH v. 10.10.1984 – 2 StR 470/84, BGHSt 50, 331, 335 f. 8 BGH v. 29.5.1987 – 3 StR 242/86, BGHSt 34, 379, 384; ferner BGH v. 24.8.1988 – 3 StR 232/88, BGHSt 35, 333, 337. 9 Vgl. BGH v. 23.2.2012 – 1 StR 586/11, wistra 2012, 233, 234 für eine KG; Dierlamm in MüKo-StGB, § 266 Rz. 35; Soyka, Untreue, S. 96 ff. 10 BGH v. 8.5.1951 – 1 StR 171/51, BGHSt 1, 186, 187 f.; Kindhäuser in NK-StGB, § 266 Rn. 30; Dierlamm in MüKoStGB, § 266 Rz. 35; Perron in S/S-StGB, § 266 Rz. 6; Esser in AnwK-StGB, § 266 Rz. 96; a.A. Schünemann in LK-StGB, § 266 Rz. 45, 72. 11 Perron in S/S-StGB, § 266 Rz. 15; Hoyer in SK-StGB, § 266 Rz. 74. 12 Schünemann in LK-StGB, § 266 Rz. 31; Dierlamm in MüKo-StGB, § 266 Rz. 34. 13 Vgl. OLG Hamm v. 18.11.1971 – 2 Ss 685/71, NJW 1972, 298, 299; Hoyer in SK-StGB, § 266 Rz. 90; Kindhäuser in NKStGB, § 266 Rz. 87. 14 Str., wie hier: Dierlamm in MüKo-StGB, § 266 Rz. 34; Perron in S/S-StGB, § 266 Rz. 5; Kindhäuser in NK-StGB, § 266 Rz. 85; Saliger in S/S/W-StGB, § 266 Rz. 20; Hoyer in SK-StGB, § 266 Rz. 81; Schünemann in LK-StGB, § 266 Rz. 42 ff.; Labsch, Untreue, S. 308. A.A. Schröder, JZ 1972, 708; Meyer, JuS 1973, 216; Bringewat, GA 1973, 363 f. 15 Perron in S/S-StGB, § 266 Rz. 11; Fischer, StGB, § 266 Rz. 21; vgl. auch BGH v. 16.6.1953 – 1 StR 67/53, BGHSt 5, 61, 63. 16 Str., wie hier: BGH v. 29.10.1991 – 1 StR 513/91, wistra 1992, 66; Perron in S/S-StGB, § 266 Rz. 4; Saliger in S/S/WStGB, § 266 Rz. 20; Kindhäuser in NK-StGB, § 266 Rz. 88; Dierlamm in MüKo-StGB, § 266 Rz. 34; Matt in M/R-StGB, § 266 Rz. 50; vgl. auch Seier in A/R/R, Rz. 47. A.A. Schünemann in LK-StGB, § 266 Rz. 40; Labsch, Untreue, S. 307. 17 OLG Koblenz v. 14.7.2011 – 2 Ss 80/11, wistra 2011, 397, 398. 18 Kindhäuser in NK-StGB, § 266 Rz. 86; Schünemann in LK-StGB, § 266 Rz. 38.

Saliger

633

StGB

Untreue

StGB

§ 266 StGB Rz. 21

Strafgesetzbuch

spätere Mängel des Innenverhältnisses zwischen Treugeber und Treunehmer (Auftrag, Geschäftsbesorgung) jenseits der Nichtigkeitsgründe aus §§ 134, 138 BGB unerheblich.1 Bei rein faktischen Einwirkungen und sonstiger Rechtsunwirksamkeit der Befugnis ist eine Treubruchsuntreue zu prüfen (s. unten Rz. 26). cc) Missbrauch der Befugnis: Tun und Unterlassen 21

Ein Missbrauch der Verfügungs- oder Verpflichtungsbefugnis liegt vor, wenn der Täter sein rechtliches Dürfen (Innenverhältnis) im Rahmen des rechtlichen Könnens (Außenverhältnis) überschreitet.2 Kern der Missbrauchsuntreue ist damit die Differenz von interner und externer Rechtsmacht: Der Täter macht im Außenverhältnis mehr, als er im Innenverhältnis darf. In dieser Bestimmung setzt die Missbrauchsuntreue einen Abgleich zwischen externer und interner Rechtsmacht voraus (zweistufige Prüfung)3 und ist in Abgrenzung zur Treubruchsuntreue nach heute ganz h.M. beschränkt auf zivilrechtlich oder öffentlichrechtlich wirksames Verhalten.4 Keinen Missbrauch begründet daher neben den rein faktischen Einwirkungen jegliches rechtsgeschäftliche oder hoheitliche Verhalten, das außerhalb der externen Rechtsmacht liegt, wie das Handeln des Vertreters ohne Vertretungsmacht (§§ 164, 179 BGB5), der Abschluss eines Scheingeschäfts (§ 117 BGB6), das unzulässige Insichgeschäft (§ 181 BGB7), der Abschluss einer rechtlich ausgeschlossenen Vereinbarung,8 eine zu sittenwidrigen oder gesetzeswidrigen Zwecken eingeräumte Befugnis,9 der evidente Missbrauch einer Vollmacht10 oder kollusives Zusammenwirken mit dem Dritten.11 Die Gegenauffassung, die der Missbrauchsuntreue mit der Kollusion ihren schärfsten Anwendungsfall erhalten will und deshalb die Rechtswirksamkeit als Voraussetzung ablehnt,12 überzeugt nicht. Sie vernachlässigt über eine strafrechtsautonome Bestimmung der Missbrauchsuntreue deren Akzessorietät zu außerstrafrechtlichen Regeln, löst die Missbrauchsuntreue damit von ihrer „Befugnisorientierung“ und entgrenzt sie ohne zwingendes kriminalpolitisches Bedürfnis zu einem allgemeinen Delikt der vorsätzlichen Schädigung fremden Vermögens.13 Fehlt eine Differenz von externer und interner Rechtsmacht, so scheidet die Missbrauchsuntreue aus. Das gilt insbesondere für den Fall, dass sich der Täter im Rahmen von externer und interner Rechtsmacht hält und eine spätere Schädigung nur beabsichtigt.14 Bei der Prüfung, ob der einer Missbrauchsuntreue Beschuldigte sich im Rahmen seines rechtlichen Dürfens gehalten hat, gelten alle Beschränkungen, die auch für die Treubruchsuntreue eine Pflichtverletzung im Innenverhältnis ausschließen, also insbesondere das Erfordernis der Verletzung einer zumindest mittelbar vermögensschützenden außerstrafrechtlichen Pflicht, der funktionale Zusammenhang zwischen Vermögensbetreuungspflicht und Pflichtverletzung oder das Erfordernis einer gravierenden Pflichtverletzung (dazu unten Rz. 31 ff.).

22

Die Missbrauchsuntreue kann auch durch Unterlassen begangen werden. Das ist unstreitig der Fall, wenn dem Unterlassen selbst ein positiver rechtsgeschäftlicher Erklärungswert innewohnt wie dem Schweigen auf ein

1 Str., wie hier: Perron in S/S-StGB, § 266 Rz. 11; Saliger in S/S/W-StGB, § 266 Rz. 20; Fischer, StGB, § 266 Rz. 17; Dierlamm in MüKo-StGB, § 266 Rz. 164; vgl. auch Kindhäuser in NK-StGB, § 266 Rz. 86; noch weiter Nelles, Untreue, S. 516 ff. A.A. Hoyer in SK-StGB, § 266 Rz. 43, 80; Maurach/Schroeder/Maiwald, BT 1 § 45 Rz. 15. 2 BGH v. 16.6.1953 – 1 StR 67/53, BGHSt 5, 61, 63; BGH v. 5.7.1984 – 4 StR 255/84, JR 1985, 28; BGH v. 23.5.2002 – 1 StR 372/01, BGHSt 47, 293, 296; BGH v. 25.11.2003 – 4 StR 239/03, BGHSt 49, 17, 23 f.; Heger in Lackner/Kühl, StGB, § 266 Rz. 6; Fischer, StGB, § 266 Rz. 9, 24. 3 Saliger in S/S/W-StGB, § 266 Rz. 21; vgl. ferner Fischer, StGB, § 266 Rz. 24 f., 28; Wessels/Hillenkamp, § 266 Rz. 753; von dualer Prüfung spricht Matt in M/R-StGB, § 266 Rz. 47 ff. 4 BGH v. 16.6.1953 – 1 StR 67/53, BGHSt 5, 61, 63; BGH v. 11.5.2001 – 3 StR 549/00, BGHSt 47, 293, 296; BGH v. 2.12.2005 – 5 StR 119/05, BGHSt 50, 299, 313; BGH v. 21.12.2005 – 3 StR 470/04, BGHSt 50, 331, 341 f.; BGH v. 17.9.2009 – 5 StR 521/08, BGHSt 54, 148, 156 ff.; BGH v. 13.2.2007 – 5 StR 400/06, NStZ 2007, 579, 580; BGH v. 13.2.2007 – 5 StR 400/06, wistra 2007, 259; Heger in Lackner/Kühl, StGB, § 266 Rz. 6; Fischer, StGB, § 266 Rz. 24 ff.; Saliger in S/S/W-StGB, § 266 Rz. 21; Perron in S/S-StGB, § 266 Rz. 17; Hoyer in SK-StGB, § 266 Rz. 75 f.; Kindhäuser in NK-StGB, § 266 Rz. 86; Dierlamm in MüKo-StGB, § 266 Rz. 136; Esser in AnwK-StGB, § 266 Rz. 106 ff.; Matt in M/RStGB, § 266 Rz. 48; Seier in A/R/R, Rz. 50. 5 Vgl. BGH v. 14.7.1955 – 3 StR 158/55, BGHSt 8, 149, 150; BGH v. 17.9.2009 – 5 StR 521/08, BGHSt 54, 148, 157 f.; Fischer, StGB, § 266 Rz. 26. 6 BGH v. 19.10.1982 – 5 StR 601/82, MDR (H) 1983, 92. 7 Perron in S/S-StGB, § 266 Rz. 17. 8 BGH v. 17.9.2009 – 5 StR 521/08, BGHSt 54, 148, 156 f. zur Nichtigkeit von Sonderbonuszahlungen an Betriebsratsvorsitzenden gem. §§ 78 S. 2 BetrVG, 134 BGB. 9 BGH v. 19.1.1965 – 1 StR 497/64, BGHSt 20, 143, 145 f.; BGH v. 6.12.1983 – VI ZR 117/82, NJW 1984, 800; Fischer, StGB, § 266 Rz. 27. 10 Hoyer in SK-StGB, § 266 Rz. 78; Seier in A/R/R, Rz. 52. 11 BGH v. 2.12.2005 – 5 StR 119/05, BGHSt 50, 299, 313 f.; Fischer, StGB, § 266 Rz. 27; Seier in A/R/R, Rz. 51; Hoyer in SK-StGB, § 266 Rz. 78; Perron in S/S-StGB, § 266 Rz. 17; Kindhäuser in NK-StGB, § 266 Rz. 90; Dierlamm in MüKoStGB, § 266 Rz. 134, 137; Esser in AnwK-StGB, § 266 Rz. 108; Labsch, Untreue, S. 307. 12 Arzt, FS Bruns (1977), S. 368 ff., 370, 375; Schünemann in LK-StGB, § 266 Rz. 47 ff. 13 Saliger in S/S/W-StGB, § 266 Rz. 21 mit weiteren Argumenten; vgl. ferner Perron in S/S-StGB, § 266 Rz. 17; Dierlamm in MüKo-StGB, § 266 Rz. 136; Esser in AnwK-StGB, § 266 Rz. 108. 14 BGH v. 6.3.1984 – 5 StR 997/83, wistra 1984, 143 für einen Inkassobevollmächtigten; Kindhäuser in NK-StGB, § 266 Rz. 93; Hoyer in SK-StGB, § 266 Rz. 83; Perron in S/S-StGB, § 266 Rz. 19; anders noch BGH v. 5.10.1954 – 2 StR 447/53, BGHSt 6, 314, 316.

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Saliger

Rz. 23 § 266 StGB

kaufmännisches Bestätigungsschreiben (z.B. §§ 362, 383 HGB), dem Unterlassen der Mängelrüge beim Handelskauf (§ 377 Abs. 2 HGB) oder dem Schweigen als Saldoanerkenntnis aufgrund allgemeiner Bank-AGB.1 In diesen Fällen geht es in der Sache eher um konkludentes Verhalten.2 Davon abgesehen, also in den Fällen „echten“ Unterlassens, ist zu differenzieren:3 Gestaltet das Unterlassen unmittelbar negativ die Rechtslage, so ist von einer Missbrauchsuntreue auszugehen wie beim Verjährenlassen einer Forderung,4 dem Unterlassen einer Kündigung5 oder der Nicht- bzw. verspäteten Stellung eines Antrags auf staatliche Parteienfinanzierung mit der Folge des Anspruchsverlustes.6 Bewirkt das Unterlassen hingegen lediglich als mittelbare (gesetzliche) Folge eine Vermögenseinbuße, so dominiert das faktische Untätigsein, das wie rein faktisches Tun für die Missbrauchsuntreue nicht genügt. Das trifft zu für die Nichtausführung eines Pfändungsauftrags,7 das Verschweigen einer Schuld8 oder die Nichtabführung des Versteigerungserlöses durch den Gerichtsvollzieher.9 Insoweit kommt aber eine Treubruchsuntreue in Betracht (unten Rz. 24 ff.).10 Zur Anwendbarkeit von § 13 s. Rz. 51. b) Weitere Einzelfälle Eine Missbrauchsuntreue hat die Rspr. in folgenden weiteren Fällen bejaht bzw. in Betracht gezogen: Verkauf ei- 23 ner Ware unter Limit bzw. den Vorgaben der Geschäftsleitung durch Verkaufsbevollmächtigten;11 Zahlung überhöhter Provisionen durch GmbH-Geschäftsführer an sich selbst;12 Überschreiten der Kreditlinie durch Verkaufsleiter;13 Anordnung der Überweisung eines Anwaltshonorars an sich selbst durch einen zugleich als Anwalt tätigen Vorstand einer AG für Tätigkeiten im Aufgabenbereich des Vorstands;14 Einzug von Forderungen auf Privatkonto durch Geschäftsführer einer Stiftung;15 Haushaltsuntreue durch zweckentsprechende Mittelverwendung unter Haushaltsüberschreitung (näher Rz. 117);16 Verwertung der Insolvenzmasse durch Insolvenzverwalter unter Verletzung kaufmännischer Grundsätze;17 Verfügung des Vereinsvorsitzenden außerhalb des Satzungszwecks;18 Kreditvergabe durch Vorstände einer Sparkasse unter gravierender Verletzung der banküblichen Informations- und Prüfungspflicht bzgl. der wirtschaftlichen Verhältnisse des Kreditnehmers (näher Rz. 120 ff.);19 Zahlung von Sponsorengelder durch alleinvertretungsberechtigten Vorstandsvorsitzenden einer AG (dazu Rz. 112);20 Entzug von Liquidität durch Erfüllung nicht fälliger eigener Forderungen durch Insolvenzverwalter oder Liquidator;21 Verordnung medizinisch nicht indizierter Medikamente und Hilfsmittel durch Kassenarzt;22 Einsatz von Haushaltsmitteln für ersichtlich rechtsgrundlose Zahlungen durch Oberbürgermeister;23 Bestellung überteuerter Labormittel zu Lasten der gesetzlichen Krankenkasse unter Verschweigen von Vergütungen bzw. Rabattleistungen;24 Bewilligung kompensationsloser Anerkennungsprämien durch Aufsichtsrat einer AG bei zivilrechtlicher Wirksamkeit der Zuwendung (dazu Rz. 113);25 Einstellung von unqualifizierten Personen auf leitende Dienstposten entgegen Vorschriften des Haushalts- und Personalrechts (Rz. 118 f.);26 pflichtwidrige Buchung von Reisen für Nichtbetriebsratsmitglieder und von Privatreisen auf Kosten des Arbeitgebers durch Abteilungslei-

1 Perron in S/S-StGB, § 266 Rz. 16; Dierlamm in MüKo-StGB, § 266 Rz. 138; Fischer, StGB, § 266 Rz. 32; Esser in AnwKStGB, § 266 Rz. 104; Schünemann in LK-StGB, § 266 Rz. 53. 2 Kindhäuser in NK-StGB, § 266 Rz. 91. 3 Saliger in S/S/W-StGB, § 266 Rz. 22; ähnlich Matt in M/R-StGB, § 266 Rz. 53; Schünemann in LK-StGB, § 266 Rz. 53. 4 Str., wie hier: RGSt 11, 412, 413 f.; Saliger in S/S/W-StGB, § 266 Rz. 22; Heger in Lackner/Kühl, StGB, § 266 Rz. 6; Schünemann in LK-StGB, § 266 Rz. 53; offengelassen von BGH v. 21.6.1983 – 1 StR 222/83, NStZ 1983, 461. A.A. Perron in S/S-StGB, § 266 Rz. 16; Esser in AnwK-StGB, § 266 Rz. 105. 5 BGH v. 15.3.1951 – IV ZR 9/50, NJW 1951, 645; Fischer, StGB, § 266 Rz. 32; Seier in A/R/R, Rz. 75. 6 Saliger, Parteiengesetz, S. 301 f.; auch 308 f. und passim; Matt in M/R-StGB, § 266 Rz. 53. 7 RGSt 61, 228 ff.; a.A. LK/Schünemann Rz. 53. 8 Schünemann in LK-StGB, § 266 Rz. 53. 9 A.A. BGH v. 20.10.1959 – 1 StR 466/59, BGHSt 13, 274, 276; Matt in M/R-StGB, § 266 Rz. 53. 10 In allen diesen Fällen für Treubruchsuntreue Perron in S/S-StGB, § 266 Rz. 16; Dierlamm in MüKo-StGB, § 266 Rz. 138; Kindhäuser in NK-StGB, § 266 Rz. 91. 11 BGH v. 16.12.2010 – 4 StR 492/10, wistra 2011, 141, 142 f.; OLG Köln JMBl. NRW 1959, 38. 12 BGH v. 3.10.1986 – 2 StR 256/86, wistra 1987, 65. 13 BGH v. 10.2.1988 – 3 StR 502/87, NStE Nr. 12. 14 BGH v. 16.3.1993 – 1 StR 804/92, wistra 1993, 225. 15 BGH v. – 2 StR 413/97. 16 Vgl. BGH v. 4.11.1997 – 1 StR 273/97, BGHSt 43, 293, 296 f., 299. 17 BGH v. 14.1.1998 – 1 StR 504/97, NStZ 1998, 246, 247. 18 BGH v. 5.2.1991 – 1 StR 623/90, NStE Nr. 30; OLG Hamm v. 29.4.1959 – 2 Ws 71/99, wistra 1999, 350, 353; Saliger, Parteiengesetz, S. 453 ff., 456; vgl. auch LG Bonn v. 28.2.2001 – 27 AR 2/01, NStZ 2001, 375, 377 f. 19 BGH v. 15.11.2001 – 1 StR 185/01, BGHSt 47, 148, 149 f.; vgl. auch BGH v. 6.4.2000 – 1 StR 280/99, BGHSt 46, 30, 33 f., 35. 20 Vgl. BGH v. 6.12.2001 – 1 StR 215/01, BGHSt 47, 187, 191 f. 21 Vgl. LG Chemnitz v. 25.9.2002 – 4 KLs 370 Js 42487/05, wistra 2003, 194. 22 BGH v. 25.11.2003 – 4 StR 239/03, BGHSt 49, 17, 23 f. 23 BGH v. 9.12.2004 – 4 StR 294/04, NStZ-RR 2005, 83 m. Anm. Kiethe, NStZ 2005, 529. 24 Vgl. OLG Hamm v. 22.12.2004 – 3 Ss 431/04, MedR 2005, 236 m. Anm. Steinhilper. 25 Vgl. BGH v. 21.12.2005 – 3 StR 470/04, BGHSt 50, 331, 341 f. 26 BGH v. 26.4.2006 – 2 StR 515/05, wistra 2006, 307, 308; dazu Kudlich, JA 2006, 826.

Saliger

635

StGB

Untreue

StGB

§ 266 StGB Rz. 24

Strafgesetzbuch

ter im Personalwesen;1 pflichtwidrige Kreditaufnahmen für den Gemeindehaushalt durch Bürgermeister (dazu auch Rz. 74 und 119);2 Missbrauch einer (fortbestehenden) Bankvollmacht durch Abhebung eines dem Bevollmächtigten nicht zustehenden Geldbetrages;3 Bewilligung rechtsgrundloser Übergangsgelder an Vorstände einer Kassenärztlichen Vereinigung durch den Vorsitzenden der Vertreterversammlung;4 Bewilligung einer rechtsgrundlosen Gehaltserhöhung für Geschäftsführer eines kommunalen Wasserverbandes durch den Verbandsvorsteher.5 2. Treubruchstatbestand, Abs. 1 Alt. 2 24

Die Tathandlung der Treubruchsuntreue setzt gem. § 266 Abs. 1 Alt. 2 voraus, dass der Täter eine ihm kraft Gesetzes, behördlichen Auftrages, Rechtsgeschäfts oder eines Treueverhältnisses obliegende Pflicht, fremde Vermögensinteressen wahrzunehmen, verletzt. In dieser Fassung ist die Treubruchsuntreue in zweifacher Hinsicht weiter als die Missbrauchsuntreue: Zum einen ermöglicht die Nennung des Treueverhältnisses als Quelle für eine Vermögensbetreuungspflicht die Einbeziehung faktischer Rechtsverhältnisse in den Untreuetatbestand (unten Rz. 25). Zum anderen ist die Treubruchsuntreue nicht an die wirksame Ausübung externer Rechtsmacht gebunden, so dass sie in allen (anderen) Fällen in Betracht kommt, in denen die interne Rechtsmacht als Grundlage der Vermögensbetreuungspflicht pflichtwidrig eingesetzt wird. Das ist konstruktiv auch in der Weise denkbar, dass der Treugeber den Treunehmer als undoloses Werkzeug gegen sich selbst einsetzt,6 wiewohl wegen der internen Machtstellung des unmittelbaren Untreuetäters ein Rückgriff auf die mittelbare Täterschaft nicht zwingend notwendig ist.7 Aus dieser strukturellen Unterbestimmtheit (nicht Unbestimmtheit, oben Rz. 4) der Treubruchshandlung erwächst die Gefahr, nahezu jede vermögensbezogene Verletzung zivil- oder öffentlichrechtlicher Pflichten als strafbare Untreue zu kriminalisieren. Da eine solche uferlose Kriminalisierung den Geschäfts- und Rechtsverkehr praktisch zum Erliegen bringen könnte, ergibt sich für die Treubruchsuntreue in verschärftem Maße die Notwendigkeit einer restriktiven Auslegung (unstr.).8 Keinen Unterschied zur Missbrauchsuntreue bezeichnet dagegen auf Basis der zutreffenden monistischen Untreuetheorie (oben Rz. 6 f.) der Bezug der Treubruchsuntreue auf die Pflicht zur Wahrnehmung fremder Vermögensinteressen. Die Pflicht, fremde Vermögensinteressen wahrzunehmen, und die Pflicht, fremdes Vermögen zu betreuen, sind bedeutungsgleich.9 a) Pflichtquellen, insbesondere Treueverhältnisse

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Zu den Entstehungsgründen einer Vermögensbetreuungspflicht aus Gesetz, behördlichem Auftrag und/oder Rechtsgeschäft s. Rz. 12 ff. Zu beachten ist, dass die Anforderungen an die Vermögensbetreuungspflicht (oben Rz. 10 f.) hauptsächlich bei der Treubruchsuntreue praktisch werden, weil diese nicht wie die Missbrauchsuntreue an die Ausübung akzessorischer Verfügungs- und Verpflichtungsbefugnisse gebunden ist (vgl. Rz. 12). Darüber hinaus kennt die Treubruchsuntreue auch bloße Treueverhältnisse als Quelle für Vermögensbetreuungspflichten.10 Mit dieser Pflichtenquelle löst sich die Treubruchsuntreue von der außerstrafrechtlichen Rechtsakzessorietät und lässt den Strafgrund der Untreue (oben Rz. 3) in Reinform aufscheinen.11 Treueverhältnisse als „Beziehungen rein tatsächlicher Art“12 begründen aber nur dann autonom strafrechtlich eine Vermögensbetreuungspflicht,13 wenn sie sich als anvertraute faktische Machtstellung in fremder Vermögenssphäre darstellen. Für ein untreuerelevantes Treueverhältnis genügen deshalb weder ethisch-moralische Verpflichtungen aus Verwandtschaft, Freundschaft oder Bekanntschaft,14 noch das bloße Auftreten als Wirtschaftsprüfer und Steuerberater im

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BGH v. 17.9.2009 – 5 StR 521/08, NJW 2010, 92, 96 – nicht abgedruckt in BGHSt 54, 148. BGH v. 13.4.2011 – 1 StR 592/10, NStZ 2011, 520. BGH v. 29.8.2011 – 5 StR 247/11, wistra 2012, 22; OLG Koblenz v. 14.7.2011 – 2 Ss 80/11, wistra 2011, 397, 398. KG v. 4.11.2014 – 2 Ws 298/14 – 161 AR 16/14, BeckRS 2014, 22076, S. 3 ff. BGH v. 12.12.2013 – 3 StR 146/13, NStZ 2015, 220, 222 m. Anm. Klemm. So OLG Celle v. 13.2.2013 – 1 Ws 54/13, NStZ-RR 2013, 176 f. m. krit. Anm. Oglakcioglu, ZWH 2013, 375 und Bspr. Kudlich, JA 2013, 710. Zutr. Kudlich, JA 2013, 712. Vgl. RGSt 69, 58, 60 f.; BVerfG v. 23.6.2010 – 2 BvR 2559/08, 2 BvR 105/09, 2 BvR 491/09, NJW 2010, 3209, 3214; BGH v. 23.5.2002 – 1 StR 372/01, BGHSt 47, 295, 297 f.; Dierlamm in MüKo-StGB, § 266 Rz. 161; Saliger in S/S/WStGB, § 266 Rz. 24; Perron in S/S-StGB, § 266 Rz. 22; Schünemann in LK-StGB, § 266 Rz. 58; Matt in M/R-StGB, § 266 Rz. 43; Wessels/Hillenkamp, Rz. 770 ff.; Seier in A/R/R, Rz. 149 ff.; Saliger, HRRS 2006, 17 ff. BGH v. 15.6.1976 – 1 StR 266/76, GA 1977, 18 f.; Kindhäuser in NK-StGB, § 266 Rz. 59; Saliger in S/S/W-StGB, § 266 Rz. 24; Seier in A/R/R, Rz. 134; Hoyer in SK-StGB, § 266 Rz. 17 f.; auch Dierlamm in MüKo-StGB, § 266 Rz. 31. A.A. Kraatz, ZStW 2011, 467 f. Dazu Keuffel-Hospach, Grenzen, S. 67 ff.; R. Reiß, Das „Treueverhältnis“ (2014), der auf Basis des Kriteriums des „gemeinsamen Wollens“ für eine Erstreckung auf den Missbrauchstatbestand votiert (S. 513 f.). Schünemann in LK-StGB, § 266 Rz. 61. BGH v. 22.4.1954 – 4 StR 807/53, BGHSt 6, 67. Vgl. Fischer, StGB, § 266 Rz. 40. Insoweit zutreffend gegen einen sittlichen Treuebegriff: BGH v. 17.11.1955 – 3 StR 234/55, BGHSt 8, 254, 257; ferner Fischer, StGB, § 266 Rz. 40; Perron in S/S-StGB, § 266 Rz. 30; Saliger in S/S/W-StGB, § 266 Rz. 26; Esser in AnwK-StGB, § 266 Rz. 51; Nelles, Untreue, S. 509 f.

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Saliger

Rz. 27 § 266 StGB

Geschäftsleben1 oder der schiere Umstand einer Geschäftsverbindung.2 Vor allem vier Fallgruppen kommen als tatsächliche Treueverhältnisse in Betracht: aa) Rechtsunwirksame Betreuungsverhältnisse Ein untreuerelevantes Treueverhältnis begründen nach allgemeiner Ansicht zunächst anfänglich oder rückwir- 26 kend rechtsunwirksame Betreuungsverhältnisse.3 Das hat seinen zutreffenden Grund darin, dass es aus Sicht von Treugeber wie Treunehmer keine Rolle spielt, ob eine gewollte fremdnützige Machtstellung zivil- oder öffentlichrechtlich wirksam begründet wird, sofern sie nur als Treueverhältnis faktisch besteht.4 Eine solche tatsächliche Machtstellung liegt etwa vor, wenn das Vorstandsmitglied einer AG durch einen nicht vorschriftsmäßig besetzten Aufsichtsrat besetzt wird,5 wenn ein nicht zugelassener Rechtsberater Geschäftsbesorgungen für Rechtssuchende übernimmt,6 wenn ein Rechtsanwalt die an ihn aufgrund formungültiger (§ 125 BGB) Kaufverträge und Vollmachten geleisteten Kaufpreiszahlungen veruntreut,7 wenn der Rechtsanwalt einer Partei aufgrund der Unerfahrenheit der anderen Partei nahezu unbegrenzten Zugriff auf deren Vermögen erlangt8 oder wenn die Bestellung eines Geschäftsführers scheitert (sog. faktische Geschäftsführer „wider Willen“). Auch die eigentlichen Fälle faktischer Geschäftsführung lassen sich dem „rechtsunwirksamen“ als zivilrechtlich 27 nicht wirksam entstandenen Betreuungsverhältnis zuordnen,9 nämlich der „gezielte“ faktische Geschäftsführer „mit Willen“ bei der GmbH (auch Rz. 107)10 bzw. die Strohmann-Fälle, in denen ein Strohmann Geschäftsführer oder formeller Firmeninhaber ist und den wahren Geschäftsführer bzw. Vermögensinhaber eine Treuepflicht gegenüber Dritten trifft.11 Faktische Geschäftsführung i.d.S. setzt voraus, dass der informelle Geschäftsführer die Geschäftsführung mit Einverständnis der Gesellschafter ohne förmliche Bestellung faktisch übernommen hat, tatsächlich ausübt und gegenüber dem formellen Geschäftsführer eine überragende Stellung oder zumindest ein deutliches Übergewicht besitzt (vgl. auch unten Rz. 107).12 Letzteres erfordert i.d.R. die faktische Wahrnehmung kompetenzieller Geschäftsführerbefugnisse wie Bankvollmacht oder Übernahme von Pflichten im Außenverhältnis etwa gegenüber Sozialversicherungsträgern oder Finanzbehörden.13 Fehlen solche kompetenziellen Befugnisse, so spricht das indiziell gegen eine faktische Geschäftsführung.14 Ebensowenig reicht für sich genommen ein erheblicher Einfluss gegenüber dem bestellten Geschäftsführer aus.15 Allerdings genügt nach der Rspr. im Einzelfall, dass der faktische Geschäftsführer den förmlich bestellten Geschäftsführer anweisen kann und er durch ihn die Geschäftspolitik des Unternehmens tatsächlich bestimmt. Das soll der Fall sein, wenn der informelle Geschäftsleiter über ein solches Machtpotential in die Gesellschafterebene hinein verfügt, dass er die Unternehmensentscheidungen zu bestimmen vermag.16 Insoweit ist auch die Annahme der faktischen Geschäftsführung durch außenstehende Dritte, die weder Mitgesellschafter noch Angestellte sind, sondern auf Seite eines wirtschaftlich einflussreichen Auftraggebers die Geschäfte des Vertragspartners führen, grundsätzlich nicht ausgeschlossen.17 Diese vorsichtige, auf kompentenzielle Befugnisse erweiternde Ausdehnung der Vermögensbetreuungspflicht ist konsequent, da Strafgrund der Untreue die Verletzung einer internen Machtstellung ist (oben Rz. 3, 11).18 Freilich bedarf die Erweiterung nicht zuletzt im Hinblick auf die Vorgaben des BVerfG (Rz. 4, 8) der doppelten Einschränkung, damit die untreuetaugliche faktische Geschäftsführung von der untreueuntauglichen bloßen wirtschaftlichen Abhängigkeit des Geschäftspartners infolge der Übermacht eines gegenläufige Interessen verfolgenden Ver1 BGH v. 3.8.2005 – 2 StR 202/05, NStZ 2006, 38, 39. 2 In diese Richtung jedoch BGH v. 12.12.1958 – 5 StR 475/58, BGHSt 12, 207, 208 f.; krit. auch Perron in S/S-StGB, § 266 Rz. 30. 3 Schünemann in LK-StGB, § 266 Rz. 63; Dierlamm in MüKo-StGB, § 266 Rz. 163; Saliger in S/S/W-StGB, § 266 Rz. 26; Fischer, StGB, § 266 Rz. 42; Seier in A/R/R, Rz. 142; a.A. Labsch, Untreue, S. 343 f. 4 Ebenso Reiß, Das „Treueverhältnis“, S. 508. 5 Vgl. BGH v. 6.4.1964 – II ZR 75/62, BGHZ 41, 282, 285, 287; BGH v. 23.10.1975 – II ZR 90/73, BGHZ 65, 190. 6 BGH v. 25.6.1962 – VII ZR 120/61, BGHZ 37, 258. 7 BGH v. 3.9.1953 – 1 StR 641/52, JurionRS 1953, 11519. 8 BGH v. 7.11.1996 – 4 StR 423/96, NStZ 1997, 124, 125. 9 Vgl. BGH v. 13.12.2012 – 5 StR 407/12, NJW 2013, 624, 625 Rz. 6; ferner Saliger in S/S/W-StGB, § 266 Rz. 27; Fischer, StGB, § 266 Rz. 42; Dierlamm in MüKo-StGB, § 266 Rz. 163; selbständige Einordnung bei Seier in A/R/R, Rz. 148; Matt in M/R-StGB, § 266 Rz. 44. A.A. Reiß, Das „Treueverhältnis“, S. 508 ff. 10 BGH v. 24.6.1952 – 1 StR 153/52, BGHSt 3, 32, 33, 37; BGH v. 22.9.1982 – 3 StR 287/82, BGHSt 31, 118, 121 f.; BGH v. 14.7.1999 – 3 StR 188–99, NStZ 1999, 558; Seier in A/R/R, Rz. 300. 11 Etwa v. 10.11.1959 – 5 StR 337/59, BGHSt 13, 330, 331 m. Anm. Schröder, JR 1960, 105 zur Firmeninhaberschaft; Saliger in S/S/W-StGB, § 266 Rz. 27; andere Einordnung bei Perron in S/S-StGB, § 266 Rz. 33. 12 BGH v. 13.12.2012 – 5 StR 407/12, NJW 2013, 624, 625 Rz. 7 m. Anm. Corsten, BB 2013, 660; Gutman, FD-StrafR 2013, 342502; Schneider, HRRS 2013, 297; ferner BGH v. 10.5.2000 – 3 StR 101/00, BGHSt 46, 62, 64 f. zu § 82 Abs. 1 Nr. 1, 3 GmbHG. 13 BGH v. 13.12.2012 – 5 StR 407/12, NJW 2013, 624, 625 Rz. 8. 14 BGH v. 13.12.2012 – 5 StR 407/12, NJW 2013, 624, 625 Rz. 8 unter Bezug auf BGH v. 27.6.2005 – II ZR 113/03, ZIP 2005, 1414. 15 BGH v. 13.12.2012 – 5 StR 407/12, NJW 2013, 624, 625 Rz. 8. 16 BGH v. 13.12.2012 – 5 StR 407/12, NJW 2013, 624, 625 Rz. 11. 17 BGH v. 13.12.2012 – 5 StR 407/12, NJW 2013, 624, 625 f. Rz. 10 ff. 18 Saliger in S/S/W-StGB, § 266 Rz. 27; zust. Gutman, FD-StrafR 2013, 342502; krit. Schneider, HRRS 2013, 300 f.

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StGB

Untreue

StGB

§ 266 StGB Rz. 28

Strafgesetzbuch

tragspartners abgegrenzt werden kann.1 Zum einen nimmt der BGH mit Recht eine hinreichende faktische Machtposition des Geschäftspartners in die Gesellschafterebene i.d.R. nur an, wenn der Gesellschafter für ihn handelt. Das erfordere grundsätzlich eine persönliche Abhängigkeit oder ein sonstiges einverständliches Zusammenwirken, welche die beherrschte Firma zur „gleichsam abhängigen und unselbständigen Strohmannfirma“ machten.2 Zum anderen bedarf das Merkmals des Anvertrautseins der Machtposition in diesen Fällen der besonders sorgfältigen Prüfung.3 Beides dürfte wegen der gegenläufigen Interessen von Vertragspartnern nur in Ausnahmefällen zu bejahen sein.4 Zum Verhältnis der Treupflichten zwischen „faktischem Organ“ und formellen „Strohmann-Organ“ unten Rz. 55. bb) Erloschene Betreuungsverhältnisse 28

Die zweite Fallgruppe, aus der sich nach allg. Meinung ein „tatsächliches“ Treueverhältnis ergeben kann, sind erloschene (wirksame) Betreuungsverhältnisse.5 Voraussetzung dafür ist, dass die fremdnützige Machtstellung in der fremden Vermögenssphäre trotz Beendigung des akzessorischen Betreuungsverhältnisses – ausnahmsweise – faktisch fortbesteht und ein enger sachlicher Zusammenhang mit der ursprünglich begründeten Vermögensbetreuungspflicht besteht.6 Das ist z.B. der Fall, wenn der nur zur Vertretung bei der Auflassung Bevollmächtigte nach Auftragserfüllung auch einen Teil des Kaufpreises einzieht und für sich verbraucht (dazu auch oben Rz. 20 f.)7 oder ein Gerichtsvollzieher nach Versetzung in den Innendienst die bereits davor begonnene Vollstreckungstätigkeit unter Weiterverwendung seines alten Briefkopfes und Dienstkontos fortsetzt.8 Unter den genannten Voraussetzungen kommen fortbestehende faktische Vermögensfürsorgepflichten allgemein bei vermögensschädigenden Handlungen nach Beendigung eines zivilrechtlichen Auftrages, Arbeitsverhältnisses oder sonstigen Treueverhältnisses in Betracht.9 Grundsätzlich lässt die Beendigung eines (rechtswirksamen) Betreuungsverhältnisses aber nur zivilrechtliche Rückabwicklungspflichten entstehen, deren Verletzung als einfache Schuldnerpflichten prinzipiell nicht dem Untreuetatbestand unterfällt (ferner unten Rz. 44 f.).10 Deshalb begründet weder die Verletzung eines nachvertraglichen Wettbewerbsverbots, noch die nicht rechtzeitige Herausgabe von Vermögenswerten nach Betreuungsbeendigung (§ 667 BGB) eine strafbare Untreue (zu einer Ausnahme Rz. 92),11 auch nicht – entgegen der Rspr.12 – die schädigende Verwendung nicht herausgegebener Geschäftsunterlagen des früheren Arbeitgebers.13 cc) Gesetzes- oder sittenwidrige Beziehungen

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Uneinheitlich ist die Behandlung gesetzes- oder sittenwidriger Beziehungen als dritte Fallgruppe tatsächlicher Treueverhältnisse („Ganovenuntreue“). Einigkeit besteht zunächst im Ergebnis mit Fug dahin, dass derjenige, der die Ausführung eines gesetzes- oder sittenwidrigen Vermögensauftrags mit Entscheidungsspielraum (ansonsten läge bereits keine signifikante Vermögensbetreuungspflicht vor, vgl. oben Rz. 10 f.) unterlässt, sich nicht wegen Untreue strafbar macht.14 Kein Auftragnehmer hat die Pflicht zur Realisierung gesetzeswidriger Absprachen, weil die entsprechende Erwartung des Auftraggebers strafrechtlich nicht schutzwürdig ist.15 Streitig ist dagegen

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Zutr. BGH v. 13.12.2012 – 5 StR 407/12, NJW 2013, 624, 625 f. Rz. 10 ff. BGH v. 13.12.2012 – 5 StR 407/12, NJW 2013, 624, 625 Rz. 11; krit. Schneider, HRRS 2013, 300 f. Vgl. BGH v. 13.12.2012 – 5 StR 407/12, NJW 2013, 624, 626 Rz. 12. Saliger in S/S/W-StGB, § 266 Rz. 27. Für den konkreten Fall verneinend auch BGH v. 13.12.2012 – 5 StR 407/12, NJW 2013, 624, 625 f., Rz. 11 f. BGH v. 14.8.2013 – 4 StR 255/13, BeckRS 2013, 15849, Rz. 11 ff.; Dierlamm in MüKo-StGB, § 266 Rz. 164; Saliger in S/S/W-StGB, § 266 Rz. 28; Schünemann in LK-StGB, § 266 Rz. 62; Perron in S/S-StGB, § 266 Rz. 34; Seier in A/R/R, Rz. 143; a.A. Labsch, Untreue, S. 343 f. BGH v. 14.8.2013 – 4 StR 255/13, BeckRS 2013, 15849, Rz. 12. BGH v. 14.7.1955 – 3 StR 158/55, BGHSt 8, 149 ff. BGH v. 14.8.2013 – 4 StR 255/13, BeckRS 2013, 15849, Rz. 13. BGH v. 14.8.2013 – 4 StR 255/13, BeckRS 2013, 15849, Rz. 12 unter Bezug auf BGH v. 3.10.1986 – 2 StR 256/86, wistra 1987, 65 und OLG Stuttgart v. 4.4.1973 – 1 Ss 724/72, JZ 1973, 739, 740. Perron in S/S-StGB, § 266 Rz. 30, 34; Saliger in S/S/W-StGB, § 266 Rz. 28; Seier in A/R/R, Rz. 143; Dierlamm in MüKoStGB, § 266 Rz. 164; auch BGH v. 14.8.2013 – 4 StR 255/13, BeckRS 2013, 15849, Rz. 12, wonach die Vermögensbetreuungspflicht grundsätzlich mit dem zugrundeliegenden Rechtsverhältnis erlischt und nicht automatisch in ein tatsächliches Treueverhältnis übergeht. BGH v. 30.10.1985 – 2 StR 383/85, NStZ 1986, 361; OLG Hamm v. 20.1.2000 – 2 Ss 1293/99, NStZ-RR 2000, 236; BGH v. 4.4.2001 – 1 StR 582/00, StV 2002, 142. OLG Stuttgart v. 4.4.1973 – 1 Ss 724/72, NJW 1973, 1385, 1386 m. abl. Anm. Lenckner, JZ 1973, 794; zust. Seier in A/R/R, Rz. 143. Str., i.E. wie hier Perron in S/S-StGB, § 266 Rz. 30, 34; Saliger in S/S/W-StGB, § 266 Rz. 28; Dierlamm in MüKo-StGB, § 266 Rz. 164; vgl. auch Wessels/Hillenkamp, Rz. 772; a.A. für § 667 BGB Schünemann in LK-StGB, § 266 Rz. 62. RGSt 70, 8 (9); 73, 157, 158; BGH v. 17.11.1955 – 3 StR 234/55, BGHSt 8, 254, 258; BGH v. 19.1.1965 – 1 StR 497/64, BGHSt 20, 143, 146; Schünemann in LK-StGB, § 266 Rz. 64; Dierlamm in MüKo-StGB, § 266 Rz. 166; Saliger in S/S/WStGB, § 266 Rz. 29; Seier in A/R/R, Rz. 144; Perron in S/S-StGB, § 266 Rz. 31; Fischer, StGB, § 266 Rz. 45; Esser in AnwK-StGB, § 266 Rz. 52. BGH v. 17.11.1955 – 3 StR 234/55, BGHSt 8, 254, 258; Dierlamm in MüKo-StGB, § 266 Rz. 166; Saliger, JA 2007, 328.

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Saliger

Rz. 30 § 266 StGB

die Würdigung der abredewidrigen Verwendung (Selbstzueignung oder sonst interessenwidrige Verwertung) rechtswidriger Vermögensgegenstände durch den Auftragnehmer. Die Rspr.1 hält seit Mitte der 1950er Jahre unter Billigung gewichtiger Stimmen im Schrifttum2 insbesondere hinsichtlich der abredewidrigen Verwendung von zu gesetzes- oder sittenwidrigen Zwecken überlassenem „gutem“ Geld eine Treubruchsuntreue für möglich.3 Sie stützt sich im Wesentlichen auf die Ordnungsfunktion des strafrechtlichen Vermögensschutzes auch im „Ganovenbereich“ und auf eine kriminalpolitische Ergänzungsfunktion der Untreue für die Aneignungsdelikte.4 Die ebenfalls gewichtige Gegenansicht lehnt unter Berufung auf die Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung und das Eingreifen anderer Straftatbestände wie namentlich der Unterschlagung jede Untreuestrafbarkeit bei abredewidriger Verwendung rechtswidriger Vermögensgegenstände ab.5 Richtigerweise ist nach dem Strafgrund der Untreue, insbesondere der Schutzbedürftigkeit des Treugebers zu differenzieren:6 Soll der Auftragnehmer auf Geheiß des Auftraggebers einen rechtswidrig erlangten Vermögensgegenstand, insbesondere bemakeltes Geld, eigenverantwortlich zu gesetzwidrigen Zwecken einsetzen, so ist widerspruchsfrei nicht begründbar, warum er nur bei Nichtausführung des Auftrags, nicht aber bei Selbstzueignung des Geldes keine strafbare Untreue begeht. In beiden Fällen werden signifikant schutzbedürftige (faktische) Vermögensinteressen des Treugebers nicht verletzt,7 wohingegen die Rspr. die gesetzeswidrige Abrede zwischen Treugeber und Treunehmer mitschützen muss. Das gilt auch in den Fällen, in denen für den Treunehmer unabhängig vom gesetzeswidrigen Auftrag eine Vermögensbetreuungspflicht besteht. Nicht wegen Untreue strafbar macht sich deshalb der Bereichsvorstand einer AG, der durch Steuerhinterziehung erlangtes „schwarzes“ Firmengeld abredewidrig nicht für Bestechungszwecke einsetzt, sondern für sich verbraucht. Im letzteren Fall kommt eine Untreuestrafbarkeit allerdings in Betracht, wenn das Geld aus legalen Quellen stammt. Denn dann enttäuscht der Treunehmer auch das nach wie vor schutzbedürftige Vertrauen des Treugebers, Firmengelder nicht zu unterschlagen.8 Schutzbedürftig bleibt der Treugeber auch dort, wo ein Treunehmer illegale Gelder seines Treugebers vorfindet und diese sich unabhängig von einem gesetzeswidrigen Auftrag zueignet. dd) Drittbezogene Betreuungsverhältnisse Ein faktisches Treueverhältnis kann viertens aus erweiterten bzw. drittbezogenen Betreuungsverhältnissen ent- 30 stehen.9 Da die Annahme eines Treueverhältnisses allein vom Bestehen einer faktischen Machtposition in fremder Vermögenssphäre abhängt, kann sich die Machtposition nicht nur auf die Vermögensinteressen des Auftraggebers bzw. Dienstherrn, sondern auch auf die eines Dritten, insbesondere des Vertragspartners des Dienstherrn beziehen. Das hat die Rspr. bejaht bzw. in Betracht gezogen etwa bei einem angestellten Geschäftsführer in bezug auf Baukostenzuschüsse von Firmenkunden unter besonderer Akzentuierung der selbständigen Verfügungsmacht des Treunehmers;10 bei einem Bankangestellten im Verhältnis zum Bankkunden;11 mit Recht dagegen verneint beim bloßen Auftreten als Wirtschaftsprüfer und Steuerberater einer Unternehmensgruppe gegenüber Kapitalanlegern.12 Des Rückgriffs auf § 14 bedarf es in diesen Fällen nicht,13 es sei denn, das vertretungsberechtigte Organ ist selbst nicht treupflichtig.14 Zu den Grenzen faktischer Geschäftsführung insoweit oben Rz. 27.

1 Zur abweichenden älteren Rspr. s. etwa RGSt 70, 8, 9; 73, 157, 159; BGH v. 27.3.1953 – 2 StR 146/52, NJW 1954, 889; dazu Seier in A/R/R, Rz. 146. 2 Zust. etwa Schünemann in LK-StGB, § 266 Rz. 64; Fischer, StGB, § 266 Rz. 46: nur bzgl. Geld; Heger in Lackner/Kühl, StGB, § 266 Rz. 10; Wessels/Hillenkamp, Rz. 774. 3 BGH v. 17.11.1955 – 3 StR 234/55, BGHSt 8, 254, 258 f. m. Anm. Bruns, NJW 1956, 153 und Hartung, JZ 1956, 572: auftragswidrige Aneignung von illegalen Zwecken dienenden Geldern der FDJ durch geflohenen FDJ-Funktionär; BGH v. 6.12.1983 – VI ZR 117/82, NJW 1984, 800: Verspekulation von Geld aus Auftrag zu gesetzwidrigen Warentermingeschäften; BGH v. 26.10.1998 – 5 StR 746-97, NStZ-RR 1999, 184, 185 f.: auftragswidrige hochspekulative Anlage von Geldmitteln aus angesammelten Bestechungsgeldern; BGH v. 9.12.1987 – 3 StR 104/87, BGHR StGB § 266 Abs. 1 Nachteil 10: Illegaler Erwerb von Wertpapieren durch „Koffergeschäfte“, um sie im Ausland gewinnbringend zu verkaufen. 4 Stellvertretend BGH v. 17.11.1955 – 3 StR 234/55, BGHSt 8, 254, 258 f. 5 Hoyer in SK-StGB, § 266 Rz. 42; Perron in S/S-StGB, § 266 Rz. 31; Dierlamm in MüKo-StGB, § 266 Rz. 167 ff.; Matt in M/R-StGB, § 266 Rz. 46; Seier in A/R/R, Rz. 146 f.; Maurach/Schroeder/Maiwald BT 1 § 45 Rz. 28. 6 So bereits Saliger in S/S/W-StGB, § 266 Rz. 29. 7 Perron in S/S-StGB, § 266 Rz. 31; Seier in A/R/R, Rz. 145. 8 Insoweit übereinstimmend Kindhäuser in NK-StGB, § 266 Rz. 42. 9 Schünemann in LK-StGB, § 266 Rz. 66 ff.; Saliger in S/S/W-StGB, § 266 Rz. 30; Perron in S/S-StGB, § 266 Rz. 32. 10 BGH v. 10.11.1959 – 5 StR 337/59, BGHSt 13, 330, 331 f., 332; krit. zu letzterem Aspekt Schünemann in LK-StGB, § 266 Rz. 67. 11 BGH v. 14.12.1954 – 5 StR 538/54, weitere Rspr. bei Schünemann in LK-StGB, § 266 Rz. 66. 12 BGH v. 3.8.2005 – 2 StR 202/05, NStZ 2006, 38, 39. 13 Perron in S/S-StGB, § 266 Rz. 32; Schünemann in LK-StGB, § 266 Rz. 68; Matt in M/R-StGB, § 266 Rz. 44. 14 Vgl. BGH v. 23.8.1995 – 5 StR 371/95, BGHSt 41, 224, 229 f.

Saliger

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StGB

Untreue

StGB

§ 266 StGB Rz. 31

Strafgesetzbuch

b) Pflichtverletzung aa) Allgemeines (Treubruchs- und Missbrauchsuntreue) (1) Systematische Bedeutung 31

Die Frage nach den Voraussetzungen einer untreuetauglichen Pflichtverletzung ist mit der stürmischen Karriere der Untreue als Wirtschaftsdelikt in den Fokus von Rspr. und Wissenschaft getreten (s. oben Rz. 5). Systematisch bezeichnen Vermögensbetreuungspflicht und Pflichtverletzung nicht nur sorgfältig zu trennende Prüfungspunkte der Treubruchs- und Missbrauchsuntreue (unten Rz. 41 ff.). Zudem werden vor allem die Voraussetzungen einer Pflichtverletzung im Innenverhältnis für beide Untreuetatbestände praktisch (auch Rz. 21).1 Die Bestimmung der Pflichtverletzung stellt dabei vor kein geringeres Problem als die Frage nach der Vermögensbetreuungspflicht. Die Schwierigkeit resultiert ebenfalls aus der Unterbestimmtheit des Gesetzeswortlauts, der es jedenfalls nicht ausschließt, sogar die Verletzung des allgemeinen Schädigungsverbots als untreuetaugliche Pflichtverletzung anzusehen (dazu unten Rz. 50). Obwohl die Diskussion der letzten Jahre bedeutende Fortschritte erbracht hat, ist nicht restlos geklärt, wie die einhellige Annahme, dass insbesondere die Treubruchsuntreue einer restriktiven Auslegung bedarf (oben Rz. 24), praktikabel und konsistent umzusetzen ist. (2) Verfassungsrechtliche Anforderungen

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Nach Auffassung des BVerfG hat die bisherige Rspr. des BGH auch das Merkmal der Pflichtwidrigkeit in einer die Vorhersehbarkeit der Strafbarkeit im Regelfall hinreichend sicheren Weise konkretisiert. Im Hinblick auf die Voraussehbarkeit der Strafdrohung und die Kohärenz der Rechtsordnung formuliert das BVerfG gleichwohl drei verfassungsrechtlich gebotene Auslegungsziele für die Rspr., nämlich „die Anwendung des Untreuetatbestands auf Fälle klarer und deutlicher (evidenter) Fälle pflichtwidrigen Handelns zu beschränken, Wertungswidersprüche zur Ausgestaltung spezifischer Sanktionsregelungen zu vermeiden und den Charakter des Untreuetatbestands als eines Vermögensdelikts zu bewahren“.2 Die Strafgerichte haben die Aufgabe, im Interesse der Berechenbarkeit und Voraussehbarkeit der Rechtsanwendung den Untreuetatbestand in wichtigen Anwendungsbereichen durch fallgruppenspezifische Obersatzbildung unter Berücksichtigung der Auslegungsziele handhabbar zu machen.3 Die drei Auslegungsziele lassen sich vor allem in folgenden Kriterien (teils mit Überschneidungen) zur Geltung bringen: Das Gebot der Beschränkung der Pflichtwidrigkeit auf klare Fälle findet Umsetzung im Kriterium der gravierenden Pflichtverletzung, insbesondere i.V.m. dem unternehmerischen Handlungsspielraum (Rz. 46 ff.), in dem Kriterium des funktionalen Zusammenhangs der Pflichtverletzung zur Vermögensbetreuungspflicht (Rz. 43 ff.), in der Untauglichkeit des allgemeinen Schädigungsverbots als untreuetaugliche Pflichtenquelle (Rz. 50) und in der Konkretisierungsbedürftigkeit der allgemeinen gesetzlichen Sorgfaltsmaßstäbe als Anknüpfungspunkte für untreuetaugliche Pflichtverletzungen (vgl. Rz. 34 und 50). Den Geboten der Vermeidung von Wertungswidersprüchen zur Ausgestaltung spezifischer Sanktionsregelungen und der Wahrung des Charakters der Untreue als Vermögensdelikt wird Rechnung getragen im Kriterium des zumindest mittelbaren Vermögensschutzes der untreuetauglichen Pflicht (Rz. 36 ff.)4 und in dem Kriterium des funktionalen Zusammenhangs der Pflichtverletzung zur Vermögensbetreuungspflicht (Rz. 43 ff.). Im Einzelnen ist Folgendes anzunehmen: bb) Anforderungen an die Pflichtverletzung (Treubruchs- und Missbrauchsuntreue)

33

An die Untreuetauglichkeit einer Pflichtverletzung sind insgesamt vier kumulativ vorliegende Anforderungen zu stellen: Erstens muss der Täter eine außerstrafrechtliche Pflicht verletzen (Rz. 34 f.), die zweitens zumindest mittelbar vermögensschützend ist (Rz. 36 ff.), drittens in einem funktionalen Zusammenhang zu seiner Vermögensbetreuungspflicht steht (Rz. 42 ff.) und viertens gravierend ist (Rz. 46 ff.). Alle diese Anforderungen setzen nicht nur die Vorgaben des BVerfG um (Rz. 32), sondern stellen sicher, dass das Tatbestandsmerkmal der Pflichtverletzung anhand des Strafgrundes der Untreue und damit strafrechtsautonom ausgelegt wird. (1) Negative, asymmetrische Akzessorietät

34

Die Tathandlung der Treubruchs(– und Missbrauchs)untreue besteht in der Verletzung der Pflicht, fremde Vermögensinteressen wahrzunehmen. Mangels näherer Qualifizierung der Pflicht im Innenverhältnis ist der Untreuetatbestand akzessorisch zur gesamten Rechtsordnung mit der Folge, dass grundsätzlich alle Rechtsnormen als taugliche Quelle einer untreuerelevanten Pflichtverletzung in Betracht kommen.5 Die Vermögensbetreuungs-

1 Vgl. BGH v. 22.11.2005 – 1 StR 571/04, NJW 2006, 453, 454; Saliger in S/S/W-StGB, § 266 Rz. 31; Matt in M/R-StGB, § 266 Rz. 47. 2 BVerfG v. 23.6.2010 – 2 BvR 2559/08, 2 BvR 105/09, 2 BvR 491/09, NJW 2010, 3209, 3215, Hervorhebungen von mir; zust. BGH v. 13.9.2010 – 1 StR 220/09, BGHSt 55, 288, 300. 3 BVerfG v. 23.6.2010 – 2 BvR 2559/08, 2 BvR 105/09, 2 BvR 491/09, NJW 2010, 3209, 3215. 4 Dazu BGH v. 13.9.2010 – 1 StR 220/09, BGHSt 55, 288, 302. 5 Saliger, HRRS 2006, 14; vgl. auch BVerfG v. 23.6.2010 – 2 BvR 2559/08, 2 BvR 105/09, 2 BvR 491/09, NJW 2010, 3209, 3213.

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Saliger

Rz. 35 § 266 StGB

pflicht ist danach verletzt, wenn der Treunehmer die ihm übertragene Geschäftsbesorgung in vermögensrelevanter Weise nicht oder nicht ordnungsgemäß ausführt.1 Beurteilungsgrundlage dafür sind die für das jeweilige Rechtsverhältnis einschlägigen Gesetze (z.B. §§ 1908i i.V.m. 1802 ff. BGB für die Vermögensverwaltung durch den Betreuer, §§ 2216 ff. BGB für die Nachlassverwaltung durch den Testamenstvollstrecker), Richtlinien, Weisungen oder vertraglichen Regelungen. Wie aus der Einbeziehung behördlicher Aufträge folgt, kommt auch die Verletzung öffentlichrechtlicher Vorschriften als Untreuehandlung in Betracht (zur Haushaltsuntreue Rz. 112 f.).2 Fehlen konkrete Vorgaben, so ist auf die für das jeweilige Rechtsverhältnis geltenden gesetzlichen Sorgfaltsmaßstäbe zurückzugreifen wie die im Verkehr übliche oder im Interesse des Geschäftsherrn erforderliche Sorgfalt (§§ 276, 665, 677, 27 Abs. 3, 86, 713 BGB), die Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns (§ 347 HGB) und Geschäftsmanns (§ 43 Abs. 1 GmbHG)3 oder die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters bei Kapitalgesellschaften (§§ 93 Abs. 1, 116 AktG).4 Letztere bedürfen aber als Vorschriften von erheblicher Unbestimmtheit und generalklauselartigem Charakter5 zur Umsetzung der Beschränkung der Pflichtwidrigkeit auf klare Fälle und zur Wahrung des Vermögensdeliktscharakters der Untreue (Rz. 32) der Präzisierung durch konkrete Pflichten, die weitere Anforderungen erfüllen, insbesondere einen zumindest mittelbaren Fremdvermögensschutz (Rz. 36 ff., insbesondere Rz. 39) bezwecken.6 An dieser quantitativ wie qualitativ signifikanten Akzessorietät, die der Hauptgrund für die Weite der Untreue ist,7 entzünden sich zahlreiche Streitfragen. Unstreitig ist, dass die Untreue negativ akzessorisch zur übrigen (außerstrafrechtlichen) Rechtsordnung ist. D.h.: Da die Untreue eine (i.d.R. außerstrafrechtliche) Pflichtverletzung „auf der Primärebene“8 voraussetzt, scheidet sie aus, wenn schon keine „primäre“ Pflichtverletzung etwa auf dem Gebiet des Zivilrechts oder des öffentlichen Rechts vorliegt.9 Umgekehrt führt die positive Feststellung einer (außerstrafrechtlichen) Pflichtverletzung nicht automatisch zur Annahme einer untreuetauglichen und damit strafbaren Pflichtverletzung. Der Strafgrund der Untreue erfordert eine strafrechtsautonome Prüfung dahin, ob die außerstrafrechtliche Pflichtverletzung mit Blick auf den Schutzzweck der Untreue strafwürdig ist. Insoweit besteht keine positive, sondern eine asymmetrische Akzessorietät (näher Rz. 36 ff. und 46 ff.).10 Da das Pfichtwidrigkeitsmerkmal das Handlungsunrecht der Untreue (vgl. Rz. 3) im Kern selbst beschreibt, ist es 35 kein auf genau bezeichnete Vorschriften weiterverweisendes Blankettmerkmal, sondern ein komplexes normatives Tatbestandsmerkmal.11 Konsequenz dieser Einordnung ist, dass die die Pflichtwidrigkeit des § 266 ausfüllenden (außerstrafrechtlichen) Normen anders als bei einem Blanketttatbestand grundsätzlich nicht an Art. 103 Abs. 2 GG gemessen werden müssen.12 Hinsichtlich der Feststellung der (außerstrafrechtlichen) Pflichtverletzung hat der Strafrichter eine selbständige Auslegungskompetenz (vgl. § 262 Abs. 1 StPO). Es besteht keine Zivilrechtlerakzessorietät.13 Die Akzessorietät des Untreuetatbestands ermöglicht auch die Anwendung von Fremd1 Saliger in S/S/W-StGB, § 266 Rz. 33; vgl. ferner Perron in S/S-StGB, § 266 Rz. 35a; Dierlamm in MüKo-StGB, § 266 Rz. 170; Seier in A/R/R, Rz. 164; ähnlich Kindhäuser in NK-StGB, § 266 Rz. 63: Überschreitung der Entscheidungsfreiheit durch Fehl- bzw. Nichtgebrauch. 2 Kindhäuser in NK-StGB, § 266 Rz. 63; vgl. ferner stellvertretend BGH v. 13.4.2011 – 1 StR 592/10, NStZ 2011, 520, 521. 3 Vgl. BGH v. 17.6.1952 – 1 StR 668/51, BGHSt 3, 23, 24. 4 Dazu RGSt 69, 203, 207; BVerfG v. 23.6.2010 – 2 BvR 2559/08, 2 BvR 105/09, 2 BvR 491/09, NJW 2010, 3209, 3213; BGH v. 6.12.2001 – 1 StR 215/01, BGHSt 47, 187, 192 ff.; BGH v. 21.12.2005 – 3 StR 470/04, BGHSt 50, 331, 336; §§ 34, 41 GenG; zum Ganzen Kindhäuser in NK-StGB, § 266 Rz. 63; Dierlamm in MüKo-StGB, § 266 Rz. 170. 5 BVerfG v. 23.6.2010 – 2 BvR 2559/08, 2 BvR 105/09, 2 BvR 491/09, NJW 2010, 3209, 3213 = BVerfGE 126, 170, 205. 6 Zutreffend BGH v. 13.9.2010 – 1 StR 220/09, BGHSt 55, 288, 302; auch BGH v. 27.8.2010 – 2 StR 111/09, BGHSt 55, 266, 275 ff. 7 Statt aller Ransiek, ZStW 2004, 640 ff., 645 f. 8 Dierlamm in MüKo-StGB, § 266 Rz. 173. 9 Dierlamm in MüKo-StGB, Rz. 173; Saliger, HRRS 2006, 14; Schünemann in LK-StGB, § 266 Rz. 94; vgl. auch BVerfG v. 23.6.2010 – 2 BvR 2559/08, 2 BvR 105/09, 2 BvR 491/09, NJW 2010, 3209, 3213: „Die aus zivil- oder öffentlich-rechtlichen Normen folgende Pflichtwidrigkeit des Handelns ist als notwendige (nicht hinreichende, f.S.) Voraussetzung der Untreuestrafbarkeit klar bezeichnet“. 10 Str., wie hier: Dierlamm in MüKo-StGB, § 266 Rz. 174; Saliger in S/S/W-StGB, § 266 Rz. 33; Hoyer in SK-StGB, § 266 Rz. 47; Matt in M/R-StGB, § 266 Rz. 47 ff., 55 ff.: duale Prüfung; Lüderssen, FS Lampe (2003), S. 729; Kubiciel, NStZ 2005, 357 ff.; Theile, ZIS 2011, 623 ff., 627; Kraatz, ZStW 2011, 449 f.; auch BGH v. 13.4.2010 – 5 StR 428/09, NStZ 2010, 632, 634; Esser in AnwK-StGB, § 266 Rz. 75 ff. Für eine „Zivilrechtsaffinität“ bzw. „sektorale Zivilrechtsakzessorietät“ dagegen Schünemann in LK-StGB, § 266 Rz. 94 ff., der auf dieser Basis freilich weder eine Prüfungsstruktur erkennen läßt, noch zwingend zu abweichenden Ergebnissen gelangt. Dass das Strafrecht eigener Wertungen bedürftig und fähig ist, vernachlässigt die zivlrechtsakzessorische Methode; vgl. Radtke/Hofmann, GA 2008, 535, 544; Vogel/Hocke, JZ 2006, 570. 11 BVerfG v. 23.6.2010 – 2 BvR 2559/08, 2 BvR 105/09, 2 BvR 491/09, NJW 2010, 3209, 3213; BGH v. 21.12.2005 – 3 StR 470/04, NStZ 2006, 214, 217; BGH v. 13.4.2010 – 5 StR 428/09, NStZ 2010, 632, 634; Saliger in S/S/W-StGB, § 266 Rz. 34; vgl. ferner Kubiciel, NStZ 2005, 357 ff.; Dierlamm, StraFo 2005, 397; Rönnau, ZStW 2007, 904. A.A. – Blanketttatbestand – OLG Stuttgart v. 14.4.2009 – 1 Ws 32/09, StV 2010, 80, 81; Hoyer in SK-StGB, § 266 Rz. 49; Deiters, ZIS 2006, 159. 12 Vgl. nur mit Vergleich zu § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO Hüls, NZWiSt 2012, 12; mit Bezug auf die Anwendung von Fremdrecht Wietz, Vermögensbetreuungspflicht (2009), S. 119, 214 f., jeweils m.w.N. 13 Samson, VGR Gesellschaftsrecht in der Diskussion (2004, 2005), S. 112; Rönnau, ZStW 2007, 913 ff.; Hoyer in SK-StGB, § 266 Rz. 48. Einschränkend Seibt/Schwarz, AG 2010, 308.

Saliger

641

StGB

Untreue

StGB

§ 266 StGB Rz. 36

Strafgesetzbuch

recht, sofern das deutsche Strafrecht gem. §§ 3 ff. anwendbar ist. So ist zur Bestimmung der Pflichten des „Director“ einer als EU-Auslandsgesellschaft gegründeten Limited im Rahmen des § 266 auf ausländisches Gesellschaftsrecht zurückzugreifen.1 Diese Fremdrechtsanwendung, die auch bei anderen Tatbeständen anerkanntermaßen vorkommt (z.B. Fremdheit einer Sache bei § 242), ist mit dem Bestimmtheitsgrundsatz aus Art. 103 Abs. 2 GG (und dem Parlamentsvorbehalt) vereinbar, soweit sich auch der Prüfung des Fremdrechts eine strafrechtsautonome Prüfung (vgl. Rz. 34) anschließt.2 (2) Mittelbarer Vermögensschutz 36

Die verletzte Pflicht muss sich bei der Treubruchsuntreue wie beim Missbrauchstatbestand auf fremdes Vermögen beziehen, so dass zunächst das zur Missbrauchsuntreue Gesagte entsprechend gilt (vgl. Rz. 19). Da die Treubruchsuntreue aber nicht an die akzessorische Verfügungs- oder Verpflichtungsbefugnis der Missbrauchsuntreue gebunden ist, ergibt sich für die Treubruchshandlung ein weiterer Anwendungsbereich: Die Treubruchsuntreue kommt in Abgrenzung zur Missbrauchsuntreue nicht nur bei allen Pflichtverletzungen rechtsgeschäftlicher Art in Betracht, die sich nicht als wirksame Ausübung externer Rechtsmacht darstellen (dazu oben Rz. 21), sondern auch bei allen Handlungen tatsächlicher Art.3 Letztere umfassen z.B. die Zueignung von Geld aus der verwalteten Kasse,4 Diebstahl5 oder Eigentumsbeeinträchtigungen durch Verbindung, Vermischung oder Verarbeitung gem. §§ 946 ff. BGB, sofern dadurch Ansprüche gefährdet werden.6 Wie bei der Missbrauchsuntreue ist auch bei der Treubruchsuntreue vom Wortlaut nicht abschließend vorgegeben, in welchem genauen Verhältnis die außerstrafrechtliche Pflicht zum Vermögen des Treugebers steht. Immerhin kann dem Gesetzeswortlaut entnommen werden, dass sich die konkrete Pflichtverletzung im Innenverhältnis zugleich als Verletzung der Vermögensbetreuungspflicht und damit der anvertrauten internen Machtstellung darstellen muss (zum Verhältnis zwischen Vermögensbetreuunsgspflicht und Pflichtverletzung näher Rz. 41 ff.). Das bedeutet, dass auch die verletzte außerstrafrechtliche Rechtsnorm einen Bezug auf das Vermögen des Treugebers in dem Sinne aufweist, dass sie ebenfalls den Schutz des Treugebersvermögens bezweckt (hinreichender Fremdvermögensbezug bzw. Fremdvermögensschutz).7 Auch die neuere Judikatur des BGH verlangt in Umsetzung der verfassungsrechtlichen Auslegungsziele der Wahrung des Vermögensdeliktscharakters der Untreue und der Vermeidung von Wertungswidersprüchen zu spezifischen Sanktionsregelungen (Rz. 32) nun mit Recht, dass die unmittelbar verletzte Rechtsnorm selbst vermögensschützenden Charakter für das zu betreuende Vermögen hat.8 Nur dann liegt der „untreuespezifische Zusammenhang zwischen Pflichtverletzung und geschütztem Rechtsgut“ vor.9 Unerheblich ist, ob der Gesetzesverstoß für sich (speziell) sanktionsbewehrt ist oder auch geeignet ist, Schadensersatzansprüche auszulösen. Aus dem Gesetzesverstoß allein kann jedenfalls eine untreuetaugliche Pflichtverletzung grundsätzlich noch nicht hergeleitet werden.10

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Mit dem Erfordernis, dass nur außerstrafrechtliche Pflichten, die das Vermögen des Treugebers schützen sollen, untreuetauglich sind, ist noch nicht die Intensität dieses Vermögensschutzes bestimmt. Die Auslegung steht 1 BGH v. 13.4.2010 – 5 StR 428/09, NStZ 2010, 632, 634 m. zust. Anm. Beckemper, ZJS 2010, 554; Bittmann, wistra 2010, 302; Schlösser/Mosiek, HRRS 2010, 424 und Schramm/Hinderer, ZIS 2010, 494; vgl. ferner Rönnau, ZGR 2005, 845 ff., 854; Radtke, GMbHR 2008, 734; Worm, Die Strafbarkeit eines directors einer englischen Limited (2009), S. 108 f.; Pattberg, Die strafrechtliche Verantwortlichkeit des Directors einer Limited (2010), S. 262, 287. 2 BGH v. 13.4.2010 – 5 StR 428/09, NStZ 2010, 632, 634; Schlösser/Mosiek, HRRS 2010, 427; Bittmann, wistra 2010, 303; Radtke, NStZ 2011, 556; Worm, a.a.O., S. 115; Saliger in S/S/W-StGB, § 266 Rz. 34. A.A. Rönnau, ZGR 2005, 856 und Rönnau, NStZ 2011, 558 m.w.N. 3 Schünemann in LK-StGB, § 266 Rz. 106 ff.; Perron in S/S-StGB, § 266 Rz. 35 ff.; Fischer, StGB, § 266 Rz. 51; Kindhäuser in NK-StGB, § 266 Rz. 64; Esser in AnwK-StGB, § 266 Rz. 139, 141; Matt in M/R-StGB, § 266 Rz. 57. 4 BGH v. 17.11.1955 – 3 StR 234/55, BGHSt 8, 254, 255; BGH v. 11.12.1957 – 2 StR 481/57, BGHSt 13, 315, 316. 5 Vgl. BGH v. 12.7.1962 – 1 StR 282/62, BGHSt 17, 360, 361 f. 6 Vgl. BGH v. 19.5.1953 – 2 StR 116/53, NJW 1953, 1600, 1601; BGH v. 12.12.1958 – 5 StR 475/58, BGHSt 12, 207, 209. 7 Saliger in S/S/W-StGB, § 266 Rz. 35; Saliger, Parteiengesetz, 48 ff.; auch Schlösser/Dörfer, wistra 2007, 329 m. Fn. 31 und – die Formulierung aufgreifend – Rönnau, StV 2011, 754 f. I.E. ebenso Perron in S/S-StGB, § 266 Rz. 19a; Hoyer in SK-StGB, § 266 Rz. 51; Hoffmann, GmbHR 2010, 1151; vgl. auch Esser in AnwK-StGB, § 266 Rz. 20; Matt in M/RStGB, § 266 Rz. 51 Fn. 392, Rz. 66: „inklusiver Zusammenhang“. A.A. und auf das Erfordernis eines Fremdvermögensschutzes der Primärpflicht verzichtend Brand/Sperling, AG 2011, 237 und Brand, NZG 2016, 692; Bittmann, NStZ 2012, 59: Untreuetauglichkeit von Verstößen gegen nicht vermögensschützende Einzelpflichten, soweit der Täter damit zugleich seine Vermögensbetreuungspflicht verletzt (in wistra 2013, 7 fordert Bittmann „vermögensbezogene Pflichtverletzungen“); für eine umfassend untreuebewehrte Legalitätspflicht sogar Michaelsen, Abweichungen (2011), S. 157, 367; die Probleme aus dem „Treueverhältnis“ (!) lösen will Krell, NStZ 2014, 62, 64 ff. und eingehend Krell, Untreue durch Stellenbesetzung (2015), S. 90 ff.: folgenbezogene Pflichtwidrigkeit als Schaffung eines rechtlich missbilligten Risikos. 8 BGH v. 13.9.2010 – 1 StR 220/09, BGHSt 55, 288, 300 f.; BGH v. 13.4.2011 – 1 StR 94/10, BGHSt 56, 203, 211; BGH v. 28.7.2011 – 4 StR 156/11, wistra 2011, 424, 425; BGH v. 11.12.2014 – 3 StR 265/14, NJW 2015, 1618, 1622; BGH v. 26.11.2015 – 3 StR 17/15, NZG 2016, 703, 712, 713, 716 m. Anm. Brand, S. 690 und Saliger/Schweiger, NJW 2016, 2600; BGH v. 16.8.2016 – 4 StR 163/16, BeckRS 2016, 16636, Rn. 24 und 31. 9 BGH v. 13.9.2010 – 1 StR 220/09, BGHSt 55, 288, 301; ferner BGH v. 13.4.2011 – 1 StR 94/10, BGHSt 56, 203, 212 f. und BGH v. 11.12.2014 – 3 StR 265/14, NJW 2015, 1618, 1622, wo auch von „funktionalem Zusammenhang“ die Rede ist. 10 BGH v. 13.9.2010 – 1 StR 220/09, BGHSt 55, 288, 301.

642

Saliger

Rz. 38 § 266 StGB

hier vor der Alternative, ob der Untreuetatbestand verlangt, dass die außerstrafrechtliche Pflicht im Innenverhältnis dem Schutz des Treugebervermögens allein und unmittelbar dienen muss, oder es genügt, dass sie wenigstens mittelbar fremdvermögensschützenden Charakter hat. Die Diskussion leidet daran, dass die Frage systematisch fehlerhaft teilweise erst unter dem Aspekt eines Schutzzweckzusammenhangs im Rahmen der objektiven Zurechnung behandelt wird (vgl. Rz. 104 f.). Richtigerweise erfordert der Strafgrund der Untreue nur, dass die verletzte außerstrafrechtliche Rechtsnorm zumindest mittelbar fremdvermögensschützenden Charakter hat (mittelbarer Vermögensschutz).1 Zwar steht der Wortlaut des § 266 der engeren Ansicht, die fordert, dass die verletzte Rechtsnorm unmittelbar und primär den Schutz des Treugebersvermögens bezweckt,2 nicht entgegen.3 Jedoch wahrt die engere Ansicht nicht mehr den Charakter der Untreue als Vermögensdelikt (vgl. Rz. 32), sondern verkürzt im Gegenteil den Schutz des Rechtsguts (Rz. 1) und den Strafgrund der Untreue (Rz. 3) unverhältnismäßig, weil Strafbarkeitslücken etwa bei anerkannten Fallgruppen wie der unordentlichen Buchführung4 oder der Kredituntreue (vgl. z.B. § 18 KWG) entstehen (näher Rz. 105).5 Demgegenüber verhindert bereits das Erfordernis eines mittelbaren Vermögensschutzes, dass nicht jede mit Vermögensnachteilen verbundene Verletzung einer außerstrafrechtlichen Pflicht bereits als Untreue interpretiert werden kann6 und § 266 damit zu einer Superverbotsnorm mutiert, die jenseits ihres Charakters als Vermögensdelikt die Verfolgung beliebiger Schutzzwecke strafbewehrt. Die Feststellung des mittelbaren Fremdvermögensbezugs erfordert eine sorgfältige Analyse des Schutzzwecks 38 bzw. der Schutzzwecke der einschlägigen außerstrafrechtlichen Norm.7 Maßgebend dafür sind die klassischen Regeln der Auslegung, insbesondere der Wille des Gesetzgebers, daneben aber auch die Art des Rechtsverhältnisses und die Nähe der Pflicht zum Vermögen bzw. zu Vermögensgegenständen des Treugebers. Der Schutz des Vermögens des Treugebers muss weder der einzige Zweck der außerstrafrechtlichen Rechtsnorm, noch bei einer Mehrzahl von Schutzzwecken der dominante sein. Entgegen dem 1. Strafsenat des BGH ist für die Frage des Zwecks des Vermögensschutzes nicht die satzungsmäßige Verankerung (näher Rz. 125),8 sondern der Inhalt der Pflicht entscheidend.9 Unter diesen Voraussetzungen können untreuetaugliche Pflichten auch Obliegenheiten10 und Pflichten nach dem Deutschen Corporate Governance Kodex sein,11 wobei für letztere mangels Rechtsnormqualität zu verlangen ist, dass sie gesellschaftsintern in Satzungen, Geschäftsordnungen der Organe oder Anstellungsverträge der Unternehmensmitarbeiter transformiert sind.12 Gleiches gilt im Einzelfall für ComplianceRegeln.13 Eine Compliance-Regel ist aber wegen fehlenden Vermögensschutzes dann nicht untreuetauglich, wenn sie allein der Herstellung einer guten Unternehmenskultur, eines sozialen Umgangs der Mitarbeiter untereinander oder dem Schutz vor Bespitzelung und einer ausufernden Überwachung dient.14 Bei Vorschriften bzw. Pflichten, die öffentlichen Interessen dienen, ist zu differenzieren: Nur Pflichten, die zumindest auch dem Fremdvermögensschutz dienen, sind vom Untreuetatbestand erfasst. Dagegen genügen Pflichten, die allein öffentliche Interessen schützen, nicht.15 Die Analyse der Pflichten bereitet in der Praxis nicht selten Schwierigkeiten, da Vorschriften häufig mehrere Zwecke unmittelbar und/oder mittelbar verfolgen.

1 BGH v. 13.9.2010 – 1 StR 220/09, BGHSt 55, 288, 301; AUB-Fall, 1. Strafsenat m. Anm. Bittmann, NJW 2010, 96; Brand, JR 2011, 400; Kraatz, wistra 2011, 447; Saliger in S/S/W-StGB, § 266 Rz. 36; Saliger, ZIS 2011, 65 f.: „verletzte Rechtsnorm ihrerseits – wenigstens auch, und sei es mittelbar – vermögensschützenden Charakter“; ebenso BGH v. 28.7.2011 – 4 StR 156/11, wistra 2011, 424, 425 (4. Strafsenat) unter Bezug u.a. auf Saliger in S/S/W2, § 266 Rz. 32; BGH v. 16.8.2016 – 4 StR 163/16, BeckRS 2016, 16636, Rz. 24; vgl. bereits Saliger, Parteiengesetz, S. 48 ff.; Saliger, FS C. Roxin, S. 1061; zust. Rönnau, StV 2011, 754 f.; Matt in M/R-StGB, § 266 Rz. 57, 66. I.E. ebenso Perron in S/S-StGB, § 266 Rz. 19a; Hoyer in SK-StGB, § 266 Rz. 51; Hoffmann, GmbHR 2010, 1151. Die Position des Verf. missverstehen Perron in S/S-StGB, § 266 Rz. 19a; Corsten, wistra 2010, 208; Brand/Sperling, AG 2011, 236 Fn. 38. 2 S. – überwiegend mit Bezug auf die objektive Zurechnung – die Nachw. in Rz. 104; ferner Dierlamm in MüKo-StGB, § 266 Rn. 170; Corsten wistra 2010, 207 f. und HRRS 2011, 249; Volhard FS Lüderssen, S. 678. 3 Vgl. BVerfG v. 23.6.2010 – 2 BvR 2559/08, 2 BvR 105/09, 2 BvR 491/09, NJW 2010, 3209, 3215 für das Erfordernis einer gravierenden Pflichtverletzung. 4 Vgl. dazu zuletzt BGH v. 13.4.2011 – 1 StR 94/10, BGHSt 55, 266, 277 f. 5 I.E. ebenso Rönnau, StV 2011, 754 f. 6 Vgl. auch BGH v. 13.9.2010 – 1 StR 220/09, BGHSt 55, 288, 300. 7 Saliger in S/S/W-StGB, § 266 Rz. 37. 8 So aber BGH v. 13.4.2011 – 1 StR 94/10, BGHSt 56, 203, 211 f.; Kölner Parteispenden-Fall m. krit. Anm. Brand, NJW 2011, 1751; Saliger, ZIS 2011, 66; zust. aber BGH v. 11.12.2014 – 3 StR 265/14, NJW 2015, 1618, 1622 – Konzept „Wahlsieg 2006“; Matt in M/R-StGB, § 266 Rz. 72. 9 Saliger ZIS 2011, 68; krit. auch Fischer, StGB, § 266 Rz. 21a; Brand, NJW 2011, 1752. 10 Vgl. Saliger, Parteiengesetz, S. 44 ff. 11 Dazu diff. Schlösser/Dörfler, wistra 2007, 326; zust. Schünemann, NStZ 2008, 433 f.; Leckner in S/S-StGB, § 266 Rz. 19b; Matt in M/R-StGB, § 266 Rz. 57. A.A. Michalke, StV 2011, 250. 12 Michaelsen, Abweichungen (2011), S. 338 f., 370 f. 13 Vgl. Michalke, StV 2011, 247. 14 Michalke, StV 2011, 250; zur Bedeutung von compliance-Regelungen s. ferner BGH v. 29.8.2008 – 2 StR 587/07, NJW 2009, 89, 91 – Siemens; Bernsmann, GA 2007, 232; Rönnau, FS-Tiedemann, S. 721 f.; Saliger/Gaede, HRRS 2008, 68 ff. 15 I.E. ebenso Schünemann, NStZ 2006, 198 f.; auch Schlösser/Dörfer, wistra 2007, 329; Ransiek, ZStW 2004, 672 ff.

Saliger

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StGB

Untreue

StGB

§ 266 StGB Rz. 39

Strafgesetzbuch

39

Die Rspr. hat auf dieser Basis folgende Normverstöße als nicht untreuetauglich behandelt: den Verstoß gegen § 119 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG, auch nicht in Verbindung mit §§ 76, 93, 116 AktG und der Legalitätspflicht;1 den Verstoß gegen § 25 a.F. PartG,2 es sei denn, die Pflichten aus §§ 23, 25 a.F. PartG sind in der Satzung der Partei verankert, was indes nicht überzeugt (vgl. Rz. 38 und näher Rz. 125); die Beauftragung einer Werbeagentur mit einer i.S.v. § 3 UWG unlauteren Werbung;3 europäische Beihilfevorschriften4 und – für zweifelhaft erklärt – zur Nichtigkeit führende rechtsgeschäftliche Formvorschriften.5 Untreuetauglich sollen dagegen sein: Zahlungen ohne ausreichende inhaltliche Kontrolle und mit Verschleierung durch den kaufmännischen Vorstand einer AG;6 die Pflicht des Rechtspflegers gem. § 153 Abs. 1 ZVG i.V.m. § 3 Nr. 1 lit. i RPflG, die Geschäftsführung des Verwalters zu beaufsichtigen;7 die Regelung gem. § 39 Nr. 5 S. 2 VV-LHO, wonach Bürgschaften nicht übernommen werden dürfen, wenn mit hoher Wahrscheinlichkeit mit der Inanspruchnahme des Landes zu rechnen ist;8 Verletzungen des Wirtschaftlichkeitsgebots gemäß §§ 12 Abs. 1, 70 Abs. 1 iVm. 2 Abs. 4 SGB V durch den Vertragsarzt.9 Der 2. Strafsenat des BGH hat im Fall Trienekens in Konkretisierung der Sorgfaltspflichten der §§ 43 Abs. 1 GmbHG, 93 Abs. 1 S. 1 AktG (vgl. dazu Rz. 34) nicht nur mit Recht die handelsrechtliche Buchführungspflicht (§§ 41 GmbHG, 91 AktG, 290 HGB) als untreuetaugliche Pflicht anerkannt,10 sondern auch Verstöße gegen die Loyalitätspflicht gegenüber den übrigen Gesellschaftsorganen und gegen die gesellschaftsrechtliche Legalitätspflicht, derzufolge profitable Pflichtverletzungen nicht im Handlungsspielraum der geschäftsführenden Organe liegen.11 Letzteres überzeugt im Hinblick auf die Grundsätze des BVerfG-Beschlusses vom Juni 2010 (vgl. Rz. 32) nicht. Gesellschaftsrechtliche Loyalitätspflichten sind nicht untreuetauglich, weil sie allein im Verhältnis der Gesellschaftsorgane zueinander bestehen und daher nicht, auch nicht mittelbar den Schutz des Gesellschaftsvermögens bezwecken.12 Auch die schiere Verletzung der allgemeinen gesellschaftsrechtlichen Legalitätspflicht genügt mangels konkreten Fremdvermögensbezugs nicht zur Begründung einer untreuetauglichen Pflichtverletzung. Hinzutreten muss die Verletzung einer konkreten Primärpflicht, die zumindest mittelbar dem Schutz des Treugebervermögens dient (vgl. auch Rz. 34).13

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In seinem Urteil zur Telekom-Spitzelaffäre hat sich der 2. Strafsenat des BGH der Sache nach von dem mittelbaren Vermögensschutz als Voraussetzung für die Untreuetauglichkeit einer außerstrafrechtlichen Pflichtverletzung gelöst. Der BGH konnte dort die Pflichtverletzung nach den vorstehenden Maßstäben nicht aus der Auftragserteilung an die Firma, die u.a. zu einer gem. § 206 strafbaren Mitteilung der Telefonverbindungsdaten geführt hatte, herleiten, weil die verletzte Strafnorm nicht vermögensschützend ist. Entsprechend sieht der 2. Strafsenat die Pflichtverletzung allein in der Begleichung einer nichtigen Forderung und den Vermögensnachteil in der rechtsgrundlosen Zahlung ohne Kompensation in Gestalt der Befreiung von einer Verbindlichkeit. In dieser Perspektive ist die Nichtigkeit der Auftragserteilung lediglich „Auslöser der Untreuestrafbarkeit“, und es soll, wie der 2. Strafsenat erklärt, auf „den vermögensschützenden Charakter eines ‚Primärverstoßes‘“ nicht ankommen.14 Abgesehen von dem untauglichen Versuch des 2. Strafsenats, die damit eröffnete Divergenz zur Rspr. des 1. Strafsenats auszuräumen,15 ist dessen Entscheidung auch in der Sache falsch. So lässt sich schon materiell die Rechtsgrundlosigkeit der Zahlung nicht von ihrem Auslöser, der Nichtigkeit der Auftragserteilung, trennen. Der 2. Strafsenat verstößt deshalb gegen das Verschleifungsverbot (Rz. 4, 8), weil er die kompensationslose Zahlung als Vermögensnachteil aus der Begleichung einer nichtigen Forderung als Pflichtverletzung ableitet.16 Soweit das Gericht dabei allein auf die Forderungsseite abstellt und das aus wirtschaftlicher Sicht eigentlich relevante Er-

1 BGH v. 13.9.2010 – 1 StR 220/09, BGHSt 55, 288, 301 ff. (AUB-Fall) m. Anm. s. Rz. 37. 2 BGH v. 13.4.2011 – 1 StR 94/10, BGHSt 56, 203, 211 ff.; ebenso BGH v. 11.12.2014 – 3 StR 265/14, NJW 2015, 1618, 1622. 3 Vgl. BGH v. 13.9.2010 – 1 StR 220/09, BGHSt 55, 288, 302. 4 BGH v. 26.11.2015 – 3 StR 17/15, NZG 2016, 703, 713. 5 BGH v. 26.11.2015 – 3 StR 17/15, BeckRS 2016, 08605, Rz. 99 – in BGH NZG 2016, 703 nicht abgedruckt. 6 BGH v. 13.9.2010 – 1 StR 220/09, BGHSt 55, 288, 303. 7 BGH v. 28.7.2011 – 4 StR 156/11, wistra 2011, 424, 425. 8 BGH v. 26.11.2015 – 3 StR 17/15, NZG 2016, 703, 712 – Nürburgring. 9 BGH v. 16.8.2016 – 4 StR 163/16, BeckRS 2016, 16636, Rz. 31. 10 BGH v. 27.8.2010 – 2 StR 111/09, BGHSt 55, 266, 276 ff.: für gravierende Verstöße, wie sie bewusste Nicht- und Falschbuchungen zur Verschleierung der Führung „schwarzer Kassen“ darstellen; insoweit zust. Hoffmann, GmbHR 2010, 1151; Brand, NJW 2010, 3463. 11 BGH v. 27.8.2010 – 2 StR 111/09, BGHSt 55, 266, 275 f. m. Anm. Brand, NJW 2010, 3463; Hoffmann, GmbHR 2010, 1150; Wessing, EWiR § 266 StGB 4/10, 797; Görling, CCZ 2011, 77; Saliger, FS C. Roxin (2011), S. 1053. 12 Hoffmann, GmbHR 2010, 1151; Saliger in S/S/W-StGB, § 266 Rz. 38; Saliger, FS C. Roxin, S. 1060 ff.; i.E. auch Brand, NJW 2010, 3463. 13 BGH v. 13.9.2010 – 1 StR 220/09, BGHSt 55, 288, 301 f.; AUB-Fall. Weitergehend und nach der Weggabe von Vermögensgegenständen diff. Brand/Sperling, AG 2011, 240 ff. 14 BGH v. 10.10.2012 – 2 StR 591/11, NZG 2013, 268, 270 Rz. 31 m. zust. Bspr. Wessing, NZG 2013, 494 und abl. Bspr. Cornelius, NZWiSt 2013, 166; vgl. auch BGH v. 26.11.2015 – 3 StR 17/15, BeckRS 2016, 08605, Rz. 99 – in BGH NZG 2016, 703 nicht abgedruckt. 15 Dazu näher Saliger in S/S/W-StGB, § 266 Rz. 39. 16 Saliger in S/S/W-StGB, § 266 Rz. 39; ebenso Waßmer in Fischer u.a. (Hrsg.), Dogmatik und Praxis, 2015, 182 f.

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Saliger

Rz. 42 § 266 StGB

gebnis des Auftrags, die Ermittlung des Informanten, als Kompensationsfaktor ausblendet, folgt er der verfassungsrechtlich nicht mehr haltbaren1 juristischen Schadenslehre.2 Bezeichnend ist in diesem Zusammenhang der Bezug des 2. Strafsenats auf Brand,3 der unter Kritik am Erfordernis des vermögensschützenden Charakters der verletzten Norm vor allem das Moment der Vermögensweggabe als eindeutigen Anwendungsfall der Untreuetauglichkeit von außerstrafrechtlichen Pflichtverletzungen, insbesondere von Legalitätspflichtverstößen favorisiert.4 Mit diesem Moment lässt sich indes der „Charakter der Untreue als Vermögensdelikt“ als einer der verfassungsrechtlichen Leitlinien für die Bestimmung der Untreuetauglichkeit von außerstrafrechtlichen Pflichtverletzungen (Rz. 32) nicht wahren. Denn die „Vermögensweggabe“ ist ein unverzichtbares Element der Eigentumsdelikte, nicht der Untreue als Vermögensdelikt (Rz. 1), für welche die wirtschaftliche Gesamtsaldierung konstitutierend ist (vgl. Rz. 70 ff.). Unvereinbar ist das Urteil des 2. Strafsenats deshalb mit dem Satz des BVerfG, dass die Verwendung des anvertrauten Vermögens zu verbotswidrigen Zwecken nicht per se einen Nachteil begründet, sondern der Prüfung bedarf, ob das verbotene Geschäft wirtschaftlich betrachtet nachteilig war (unten Rz. 65).5 (3) Verhältnis der Pflichtverletzung zur Vermögensbetreuungspflicht Bei der Prüfung der Untreuehandlung sind die Feststellung der Vermögensbetreuungspflicht (und damit die 41 Untreuetätertauglichkeit; Rz. 9) und die Feststellung der konkreten Pflichtverletzung streng zu unterscheiden (Rz. 31). Das wirft die streitige Frage auf, in welchem Verhältnis die Pflichtverletzung zur Vermögensbetreuungspflicht steht. Im Einzelnen gilt: (a) Keine Gleichschaltung von Vermögensbetreuungspflicht und Pflichtverletzung Zunächst besteht heute weitgehend Einigkeit dahin, dass eine Gleichschaltung von Vermögensbetreuungspflicht 42 und Pflichtverletzung mit dem Strafgrund der Untreue nicht vereinbar ist (zur zusätzlichen Unvereinbarkeit mit dem Verschleifungsverbot oben Rz. 8). Abzulehnen ist deshalb zum einen die Auffassung, die jede Pflichtverletzung eines vermögensbetreuungspflichtigen Täters als Verletzung seiner Vermögensbetreuungspflicht und damit untreuetaugliche Pflichtverletzung wertet. Danach würde sich der Geschäftsführer eines Unternehmens, der das Firmenfahrzeug vorsätzlich ins Halteverbot stellt, wegen Untreue strafbar machen, weil Bußgeld und Abschleppkosten die Firma treffen,6 oder das Vorstandsmitglied einer Supermarktkette, das nachts in einen Laden der Kette einbricht und zwei Weinflaschen mitnimmt. In beiden Fällen verletzt der Handelnde mit seiner Pflichtverletzung aber nicht die ihm anvertraute Machtstellung, sondern lediglich allgemeines Vertrauen, das jedem Arbeitnehmer vom Geschäftsherrn entgegengebracht wird, so dass mangels untreuetauglicher Pflichtverletzung eine strafbare Untreue auscheidet.7 Daran ändert auch der Umstand gewollter bzw. beabsichtigter Schadensauslösung nichts.8 Die Rspr. folgt seit langem dieser Einsicht, sei es der Sache nach in der häufigen Formulierung, dass eine vertragliche Beziehung, die sich insgesamt als Treueverhältnis darstellt, auch Verpflichtungen enthalten kann, deren Verletzung nicht vom Untreuetatbestand geschützt ist,9 sei es explizit mit dem im Kontext des Merkmals „gravierende Pflichtverletzung“ (unten Rz. 46 ff.) aufgestellten Satz, dass nicht jeder Pflichtenverstoß eine Pflichtverletzung i.S.d. § 266 Abs. 1 begründet.10 Zu eng ist zum anderen die Ansicht, welche die untreuespezifische Machtstellung zur faktischen Voraussetzung der Pflichtverletzung erklärt. Die Untreuestrafbarkeit hängt nicht davon ab, ob nicht vermögensbetreuungspflichtige Personen die Pflichtverletzung faktisch ebenfalls hätten begehen können. Denn so unsinnig es wäre, die Strafbarkeit eines Polizisten wegen Körperverletzung im Amt (§ 340) erst zu bejahen, wenn keine andere Person tatsächlich die Körperverletzung begehen konnte, so unsinnig wäre es, die Untreuestrafbarkeit von einfachen Abrechnungsmanipulationen des eigenverantwortlichen Hauptkassierers (vgl.

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Vgl. Saliger in M/R-StGB, § 263 Rz. 187. Zutr. Cornelius, NZWiSt 2013, 169 f.; zum Problem bereits Saliger, HRRS 2012, 363 ff. Vgl. BGH v. 10.10.2012 – 2 StR 591/11, NZG 2013, 268, 269 Rz. 30. Brand, JR 2011, 401 f.; näher Brand/Sperling, AG 2011, 240 ff. BVerfG v. 23.6.2010 – 2 BvR 2559/08, 2 BvR 105/09, 2 BvR 491/09, NJW 2010, 3209, 3215 Rz. 115; BVerfG v. 1.11.2012 – 2 BvR 1235/11, NJW 2013, 365, 366. So Wolf, KJ 2000, 548; auch Jäger, FS Otto (2007), S. 607 bejaht die Untreuestrafbarkeit des Geschäftsführers, der mit dem Geschäftswagen einen Unfall provoziert, für den der Firmeninhaber gem. § 7 StVG einzustehen hat. Saliger in S/S/W-StGB, § 266 Rz. 42; Saliger, Parteiengesetz, S. 32; Saliger, HRRS 2006, 18; Burkhardt, NJW 1973, 2190 f.; Samson/Günther in SK-StGB, § 266 Rz. 40; Perron in S/S-StGB, § 266 Rz. 36; Sax, JZ 1977, 703, 743 ff.; Kraatz, ZStW 2011, 472; vgl. auch weitergehend Esser in AnwK-StGB, § 266 Rz. 147. A.A. Schünemann in LK-StGB, § 266 Rz. 102. So aber Jäger, FS Otto (2007), S. 607 f. BGH v. 30.10.1985 – 2 StR 383/85, wistra 1986, 71 und 256; OLG Karlsruhe v. 20.12.1990 – 2 Ws 265/89, NStZ 1991, 239, 240; BGH v. 30.10.1990 – 1 StR 544/90, NJW 1991, 1069; BGH v. 13.12.1994 – 1 StR 622/94, StV 1995, 303; BGH v. 4.4.2001 – 1 StR 582/00, wistra 2001, 305; BGH v. 23.5.2002 – 1 StR 372/01, BGHSt 47, 295, 297; BGH v. 26.11.2015 – 3 StR 17/15, NZG 2016, 703, 716. BGH v. 6.12.2001 – 1 StR 215/01, BGHSt 47, 187, 197; 50, 331, 344; vgl. auch BGH v. 13.9.2010 – 1 StR 220/09, BGHSt 55, 288, 300; BGH v. 26.11.2015 – 3 StR 17/15, NZG 2016, 703, 716.

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Untreue

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§ 266 StGB Rz. 43

Strafgesetzbuch

oben Rz. 10, 14) mit der Begründung zu verneinen, dass tatsächlich die Manipulationen auch der Pförtner hätte begehen können.1 (b) Inklusiver, innerer und funktionaler Zusammenhang 43

Mit der Notwendigkeit einer differenzierenden Bestimmung des Zusammenhangs von interner Machtstellung und konkreter Pflichtverletzung ist noch nicht geklärt, wie dieser Zusammenhang näher zu spezifizieren ist. Diese Frage ist streitig.2 Auszugehen ist von der von § 266 tatbestandlich unstreitig vorausgesetzten Identität von zu betreuenden und geschädigten Vermögensinteressen.3 Bereits aus dieser Tatbestandsstruktur folgt, dass die konkrete Pflichtverletzung nicht weiter reichen kann als die eingeräumte Vermögensbetreuungspflicht.4 Entsprechend wird der Zusammenhang zwischen Machtstellung und Pflichtverletzung teilweise mit Recht dahin bestimmt, dass die konkrete Pflichtverletzung innerhalb des betreuten Pflichtenkreises liegen müsse,5 bzw. – den Taterfolg mitumfassend oder ausschließlich auf ihn bezogen – dass die Vermögensschädigung6 oder das Tatobjekt7 sich innerhalb des Pflichtenkreises des Täters befinden müsse (inklusiver Zusammenhang). Allerdings geht dieser Ansatz in der gebotenen Eingrenzung der untreuetauglichen Pflichtverletzungen nicht weit genug, weil er etwa die Untreuestrafbarkeit des Treunehmers im Parkverstoß- oder Diebstahlsfall (Rz. 42) nicht mangels inklusiven Zusammenhangs zwischen Vermögensbetreuungspflicht und Pflichtverletzung verneinen kann.8

44

Die überwiegende Rspr. fordert – teilweise unter Einbeziehung des Kriteriums des inklusiven Zusammenhangs – enger, dass zwischen Vermögensbetreuungspflicht und konkreter Pflichtverletzung ein innerer (interner) Zusammenhang bestehen muss.9 Maßgeblich dafür sollen Inhalt und Umfang der Treuabrede sein, wie sie sich aus den vertraglichen Vereinbarungen und deren Auslegung nach Treu und Glauben ergeben.10 Die Rspr. hat auf dieser Basis eine Treubruchsuntreue u.a. in folgenden Fällen verneint: Nichtherausgabe erlangter personengebundener Vorteile an den Arbeitgeber, deren Gewährung diesen nicht schlechter stellt;11 Verletzung der Pflicht zur Abführung vereinnahmter Provisionen durch Filialleiter einer Bank (s. auch Rz. 81),12 Rechtsanwalt13 oder Vorstandsvorsitzenden einer AG;14 Nichtherausgabe von Schmiergeldern durch Mitglied und Vorsitzenden der Geschäftsleitung (zur Abgrenzung vom Kick-Back unten Rz. 81);15 Nichtauskehr von Mandantengeldern nach Vertragsbeendigung durch Rechtsanwalt;16 Gebührenüberhebung durch Rechtsanwalt;17 Entgegennahme einer nicht zustehenden Aufwandsentschädigung durch Landesvorsitzenden einer Partei;18 gegenüber dem Vorstandsmitglied einer AG bestehendes Eintrittsrecht der AG;19 rechtswidrige Zueignung von Konkursmasse durch den GmbH-Geschäftsführer nach Konkurseröffnung.20 Auch wenn diese Auffassung zutreffend die Verletzung von für das fremdnützige Treueverhältnis unwesentlichen Herausgabe- und Rückerstattungspflichten als „blo-

1 Saliger in S/S/W-StGB, § 266 Rz. 43; Saliger, JA 2007, 329; i.E. ebenso BGH v. 12.7.1962 – 1 StR 282/62, BGHSt 17, 360, 361 f.; OLG Stuttgart v. 21.5.1962 – 2 Ss 779/61, NJW 1962, 1272; Schünemann in LK-StGB, § 266 Rz. 102; Kindhäuser in NK-StGB, § 266 Rz. 62; Dierlamm in MüKo-StGB, § 266 Rz. 189; Hoyer in SK-StGB, § 266 Rz. 53. Unrichtig daher OLG Köln v. 10.7.1958 – Ss 146/58, JMBl. NRW 1958, 208 f., 209; auch RG v. 7.3.1927 – III 976/26, RGSt 61, 228, 230. 2 Zum Folgenden bereits Saliger, Parteiengesetz, S. 33 ff. 3 BGH v. 23.5.2002 – 1 StR 372/01, BGHSt 47, 295, 297; LK/Schünemann Rz. 101 f.; Esser in AnwK-StGB, § 266 Rz. 66; Matt in M/R-StGB, § 266 Rz. 51 Fn. 392, Rz. 67. 4 Vgl. Dierlamm in MüKo-StGB, § 266 Rz. 185; Matt in M/R-StGB, § 266 Rz. 65. 5 BGH v. 22.1.1988 – 2 StR 133/87, NJW 1988, 2483, 2485; BGH v. 23.5.2002 – 1 StR 372/01, BGHSt 47, 295, 297; Hübner in LK-StGB, § 266 Rz. 81; Kindhäuser in NK-StGB, § 266 Rz. 62; Esser in AnwK-StGB, § 266 Rz. 66; Matt in M/RStGB, § 266 Rz. 51, 65, 67; Schwinge/Siebert, Untreuestrafrecht, S. 38. 6 OLG Hamm v. 22.5.1973 – 5 Ss 519/73, NJW 1973, 1810 f.; BayOblG v. 18.2.1988 – RReg 1 St 309/87, JR 1989, 300; Maurach/Schroeder/Maiwald, BT 1 § 45 Rz. 36. 7 So Samson/Günther in SK-StGB, § 266 Rz. 40. 8 Saliger in S/S/W-StGB, § 266 Rz. 44; zust. Matt in M/R-StGB, § 266 Rz. 69. 9 BGH v. 3.5.1991 – 2 StR 613/90, NJW 1992, 250, 251; Fischer, StGB, § 266 Rz. 50; Heger in Lackner/Kühl, StGB, § 266 Rz. 15; Seier in A/R/R, Rz. 165. 10 BGH v. 30.10.1990 – 1 StR 544/90, NJW 1991, 1069; BGH v. 13.12.1994 – 1 StR 622/94, StV 1995, 302, 303; ferner BGH v. 16.12.1987 – 3 StR 497/87, BGHR StGB § 266 Abs. 1 Vermögensbetreuungspflicht 9, S. 1. 11 BGH v. 4.4.2001 – 1 StR 582/00, wistra 2001, 304 f.; BGH v. 23.5.2002 – 1 StR 372/01, BGHSt 47, 295, 298 ff. m. Anm. Ambos, JZ 2003, 345; Kindhäuser/Goy, NStZ 2003, 291; Tholl, wistra 2003, 181. 12 BGH v. 21.10.1997 – 1 StR 605/97, BGHR StGB § 266 Abs. 1 Nachteil 40; anders dagegen OLG Stuttgart v. 16.3.2011 – 9 U 129/10, (Z) NZG 2011, 634, 635 mit zu Recht abl. Anm. Schlösser, BKR 2011, 465, 472, 476 für das Verschweigen und die unterlassene Herausgabe von Bankprovisionen (Rückvergütungen, Kick-Back) bei der Anlageberatung im Zusammenenhang mit Finanzkommissionsgeschäften. 13 BGH v. 30.10.1990 – 1 StR 544/90, NJW 1991, 1069. 14 BGH v. 13.12.1994 – 1 StR 622/94, StV 1995, 302, 303. 15 BGH v. 13.10.1994 – 1 StR 614/93, wistra 1995, 61, 62. 16 BGH v. 30.10.1985 – 2 StR 383/85, wistra 1986, 71 f. 17 OLG Karlsruhe v. 20.12.1990 – 2 Ws 265/89, NStZ 1991, 239, 240; anders BGH v. 7.1.2011 – 4 StR 409/10, NStZ 2011, 281, 282 für die Gebührenüberhebung durch einen Gerichtsvollzieher. 18 BGH v. 13.6.1986 – 3 StR 197/86, wistra 1986, 256. 19 BGH v. 22.1.1988 – 2 StR 133/87, NJW 1988, 2483, 2485. 20 BGH v. 3.5.1991 – 2 StR 613/90, NJW 1992, 250, 251.

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ßen Schuldnerpflichten“ aus dem Untreuetatbestand ausscheidet, überzeugt sie nicht restlos, weil die Rspr. etwa bei der Beurteilung von Pflichtverletzungen durch Rechtsanwälte nach Mandatsbeendigung die Frage des inneren Zusammenhangs mit der Problematik erloschener Betreuungsverhältnisse (oben Rz. 28) und dem Grundsatz vermengt, dass die Vermögensbetreuungspflicht des Täters selbstverständlich im Zeitpunkt der Pflichtverletzung vorliegen muss.1 Vorzugswürdig ist deshalb die neuere, dem Strafgrund der Untreue entsprechende Lehre, welche den Zusam- 45 menhang zwischen interner Machtstellung (Vermögensbetreuungspflicht) und konkreter Pflichtverletzung als funktionalen Zusammenhang begreift.2 Danach muss sich die konkrete Pflichtverletzung als signifikante Ausübung der eigenverantwortlichen internen Machtposition des Treunehmers erweisen bzw. wesentlich von ihr mitgeprägt sein.3 M.a.W.: Der Täter darf die konkrete Pflicht nicht nur bei Gelegenheit der Vermögensbetreuung, er muss sie zugleich als Vermögensbetreuer verletzen.4 Ein solcher funktionaler Zusammenhang ist regelmäßig gegeben, wenn die eigenverantwortliche fremdnützige Machtposition dem Treunehmer die Pflichtverletzung ermöglicht, erleichtert oder in sonstiger Weise maßgeblich gefördert hat.5 Indizien dafür sind die erhöhte Zugriffsmöglichkeit für den Treunehmer, fehlende Kontrollen ihm gegenüber6 oder die Überwindung von Tathindernissen mit Hilfe auch seiner Machtposition.7 Mangels eines funktionellen Zusammenhangs scheidet eine Untreuestrafbarkeit daher aus bei Herausgabe- und Rückerstattungspflichten (Rz. 44), die sich nicht als signifikante Ausübung der internen Machtposition darstellen, sowie in den Parkverstoß- und Diebstahlsfällen (Rz. 42), in denen der Treunehmer seine Pflichten nicht als Vermögensbetreuer verletzt. Generell fehlt der funktionale Zusammenhang auch bei rein privaten, moralischen, nicht hinreichend fremdvermögensbezogenen (insbesondere bei letzteren aber nicht stets, vgl. näher Rz. 36 ff.; zum streitigen Erfordernis eines Schutzzweckzusammenhangs unten Rz. 104 f.) oder – unabhängig von faktischen Einwirkungsmöglichkeiten – aufgabenbereichsexternen Pflichten8 sowie regelmäßig, aber nicht zwingend bei Pflichtverletzungen in Bezug auf für den Treunehmer aufgabenbereichsexterne Vermögenswerte.9 (4) Gravierende Pflichtverletzung (a) Entwicklung der Rechtsprechung Teile der neueren Rspr. des BGH anerkennen für bestimmte Handlungsfelder nur solche (außerstrafrecht- 46 lichen) Pflichtverletzungen als untreuetauglich an, die in spezifischer Weise gravierend sind. Den Ausgangspunkt dieser Rspr. bilden zwei Urteile des 1. Strafsenats zur Untreue durch Kreditvergabe (Bankenuntreue), in denen insbesondere im zweiten Urteil die untreuetaugliche Pflichtwidrigkeit explizit auf die gravierende Verletzung banküblicher Informations- und Prüfungspflichten (und nicht der Vermögensbetreuungspflicht)10 begrenzt wird (näher Rz. 121).11 In beiden Entscheidungen bleibt offen, ob sich das Merkmal „gravierend“ auf das Gewicht der Pflicht oder auf Art und Ausmaß ihrer Verletzung bezieht. Ersteren Mangel behebt der 1. Strafsenat in seinem Urteil zur Untreue durch Unternehmensspenden (Sponsoring), wo das Merkmal „gravierend“ erstmals der Sache nach die Überschreitung der äußeren Grenzen des unternehmerischen Ermessens beschreibt.12 Danach besitzt der Unternehmensvorstand einer AG hinsichtlich des sozialen, politischen und 1 Dazu Mitsch, BT II Kap. 6, 6.2.1.2.3; weitere Kritik an der Rspr. bei Saliger, Parteiengesetz, S. 34 f. 2 LG Düsseldorf v. 22.7.2004 – XIV 5/03, NJW 2004, 3275, 3281; Saliger in S/S/W-StGB, § 266 Rz. 46; Perron in S/SStGB, § 266 Rz. 23, 36; Esser in AnwK-StGB, § 266 Rz. 66, 148; Mitsch, BT II Kap. 6, 6.2.1.3.4; Eisele, GA 2001, 388; Rönnau/Hohn, NStZ 2004, 114; Kubiciel, NStZ 2005, 355; Schlösser, BKR 2011, 470; Kraatz, ZStW 2011, 472 f.; Saliger, Parteiengesetz, S. 35 f.; Lassmann, Stiftungsuntreue, S. 85 ff.; Bräunig, Untreue, S. 129 ff. In die gleiche Richtung Burkhardt, NJW 1973, 2190 f.; Samson/Günther in SK-StGB, § 266 Rz. 40; Sax, JZ 1977, 703 m. Fn. 39. Andere Begriffsverwendung bei Matt in M/R-StGB, § 266 Rz. 51, 69; zum funktionalen Zusammenhang bei BGH v. 13.4.2011 – 1 StR 94/10, BGHSt 56, 203, 212 f. oben Rz. 36. Für überflüssig hält das Kriterium Schünemann in LK-StGB, § 266 Rz. 103. 3 LG Düsseldorf v. 22.7.2004 – XIV 5/03, NJW 2004, 3275, 3281; Perron in S/S-StGB, § 266 Rz. 23; Saliger, Parteiengesetz, S. 35 f.; auch Esser in AnwK-StGB, § 266 Rz. 66, 148. Auf die Ausnutzung der Machtstellung stellen ab Burckhardt, NJW 1973, 2191; Samson/Günther in SK-StGB, § 266 Rz. 40; Sternberg-Lieben, JA 1997, 126; vgl. auch Perron in S/SStGB, § 266 Rz. 36. 4 Saliger in S/S/W-StGB, § 266 Rz. 46; Saliger, Parteiengesetz, S. 36; Mitsch, BT II Kap. 6, 6.2.1.3.4; auch Burckhardt, NJW 1973, 2190. 5 Saliger, Parteiengesetz, S. 36; zust. Kraatz, ZStW 2011, 473. 6 Burckhardt, NJW 1973, 2190; auch Samson/Günther in SK-StGB, § 266 Rz. 40. 7 Vgl. Perron in S/S-StGB, § 266 Rz. 36; zust. Kraatz, ZStW 2011, 473. 8 BGH v. 21.12.2005 – 3 StR 470/04, NJW 2006, 522, 530 und LG Düsseldorf v. 22.7.2004 – XIV 5/03, NJW 2004, 3275, 3281 f. für den Vorstandsvorsitzenden einer AG in Bezug auf die eigenen Bezüge. 9 Saliger in S/S/W-StGB, § 266 Rz. 46; auch Saliger, Parteiengesetz, S. 36 Fn. 102; Perron in S/S-StGB, § 266 Rz. 36 hält Untreue für möglich, wenn der Treunehmer auf solche Vermögenswerte unter Umgehung der für andere bestehenden Hindernisse zugreift; generell gegen die Möglichkeit einer Treubruchsuntreue insoweit Schünemann in LK-StGB, § 266 Rz. 104; Hoyer in SK-StGB, § 266 Rz. 53; Maurach/Schroeder/Maiwald, BT 1 § 45 Rz. 36. 10 Klarstellend BGH v. 21.12.2005 – 3 StR 470/04, BGHSt 50, 331, 344. 11 BGH v. 15.11.2001 – 1 StR 185/01, BGHSt 47, 148, 150, 152 ff.; nur beiläufig BGH v. 6.4.2000 – 1 StR 280/99, BGHSt 46, 30, 32. 12 Schünemann, NStZ 2005, 476.

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kulturellen Sponsorings einen breiten Ermessensspielraum (zur Bedeutung der seit 1.12.2005 in § 93 Abs. 1 S. 2 AktG positivierten Business Judgement Rule s. Rz. 48 und 114).1 Wegen dieses Ermessensspielraums genüge für die Annahme einer untreuetauglichen Pflichtwidrigkeit nicht jede gesellschaftsrechtliche (außerstrafrechtliche) Pflichtverletzung, sondern nur eine gravierende. Ob dies der Fall sei, richte sich nach einer Gesamtschau insbesondere der gesellschaftsrechtlichen Indizien wie fehlende Nähe zum Unternehmensgegenstand, Unangemessenheit im Hinblick auf die Ertrags- und Vermögenslage, fehlende innerbetriebliche Transparenz sowie Vorliegen sachwidriger Motive, namentlich das Verfolgen rein persönlicher Präferenzen. Jedenfalls wenn beim Sponsoring alle diese Indizien erfüllt sind, liege eine gravierende Pflichtverletzung vor (dazu m.w.N. Rz. 114).2 Im Kinowelt-Urteil von 2005 bezieht der 1. Strafsenat das Merkmal „gravierend“ allgemein auf den weiten unternehmerischen Handlungsspielraum von Vorständen bei geschäftlichen Entscheidungen. Erst wenn „die – weit zu ziehenden – äußersten Grenzen unternehmerischer Entscheidungsfreiheit überschritten (sind) und … damit eine Hauptpflicht gegenüber dem zu betreuenden Unternehmen verletzt“ wird, liegt „eine Verletzung gesellschaftsrechtlicher Pflichten vor, die so gravierend ist, dass sie zugleich eine (untreuetaugliche) Pflichtwidrigkeit begründet“ (auch Rz. 114).3 Im Mannesmann-Urteil relativiert der 3. Strafsenat die Bedeutung dieses Merkmals stark, indem er es explizit auf risikobehaftete unternehmerische Entscheidungen wie Kredituntreue und Sponsoring begrenzt, seine Irrelevanz für die andersgelagerte Frage der Pflichtwidrigkeit der Zahlung kompensationsloser Anerkennungsprämien explizit feststellt und in einem obiter dictum bemerkt, dass er nicht zu entscheiden brauche, welche Aussagekraft den Indizien im Fall der Untreue durch Sponsoring „im Einzelnen zukommt und ob ihre Zusammenstellung insgesamt hilfreich ist“ (s. Rz. 113).4 Gegen diese Relativierung hat das BVerfG in seinem Untreue-Beschluss vom Juni 2010 (dazu Rz. 4) dem Merkmal „gravierende Pflichtverletzung“ ausdrücklich eine tatbestandsbegrenzende Funktion zugesprochen und es gegen Einwände verteidigt.5 So überzeuge der Einwand, dass sich das Merkmal dem Wortlaut nicht entnehmen lässt, angesichts der Notwendigkeit einer Beschränkung des sehr weiten Wortlauts nicht. Zudem verkenne die Kritik, mit dem Merkmal würden nur weitere, im Einzelfall unvorhersehbare Wertungsspielräume eröffnet, dass sich „gravierende Pflichtverletzungen nur dann werden bejahen lassen, wenn die Pflichtverletzung evident ist“.6 Nach dieser Entscheidung haben Strafsenate des BGH wiederholt an das Merkmal „gravierende Pflichtverletzung“ angeknüpft. Im Trienekens-Urteil sieht der 2. Strafsenat in der Errichtung und Unterhaltung einer „Kriegskasse“ im Ausland eine gravierende Verletzung der vom Täter zu beachtenden Sorgfalt sowohl in Richtung der gesellschaftsrechtlichen Legalitäts- als auch der Loyalitätspflicht (dazu auch Rz. 39).7 Im Kölner Parteispenden-Fall wertet der 1. Strafsenat die Pflichtverletzungen der Angeklagten ebenfalls als gravierend, weil die Spenden zum einen durch die Angabe von Scheinspendern gezielt verschleiert wurden und zum anderen die fehlerhafte Verbuchung von Spenden geeignet war, erhebliche das Parteivermögen betreffende Sanktionen nach sich zu ziehen.8 Im IGB-Fall eines Risikogeschäfts lässt der 5. Strafsenat mit Recht grundsätzlich nur schwere Pflichtverletzungen für den objektiven Untreuetatbestand ausreichen. Das ist der Fall, wenn die Pflichtverletzung klar und evident ist.9 Daran fehlt es bei einem Konzernsachverhalt, sofern der Untreuevorwurf sich einseitig auf einen Konzernteil fokussiert, insbesondere naheliegende Vorteile für den Gesamtkonzern vernachlässigt.10 Im Konzept „Wahlsieg 2006“-Fall ordnet der 3. Strafsenat die zweckwidrige Verwendung von Fraktionsgeldern als klar, evident und schwerwiegend ein, ohne zu entscheiden, ob die gravierende Pflichtverletzung ein generell geeignetes Restriktionskriterium ist.11 Im Nürburgring-Fall bezieht derselbe Senat die Schwere der Pflichtverletzung allein auf die Überschreitung des weiten Beurteilungs- und Ermessensspielraums bei unternehmerischen Entscheidungen.12 Im Fall Kassenarzt wertet der 4. Strafsenat die Verordnung nicht medizinisch indizierter Heilmittel in Kenntnis ihrer Nichterbringung und betrügerischen Abrechnung gegenüber den Krankenkassen als gravierend.13 Im Fall der HSH Nordbank hat das LG Hamburg eine gravierende und evidente Pflichtverletzung der Bankvorstände beim Abschluss der Transaktion „Omega 55“ verneint (näher

1 BGH v. 6.12.2001 – 1 StR 215/01, BGHSt 47, 187, 195 unter Konkretisierung der allgemeinen Sorgfaltspflicht eines Geschäftsleiters gem. §§ 93 Abs. 1 i.V.m. 76 Abs. 1 AktG. 2 BGH v. 6.12.2001 – 1 StR 215/01, BGHSt 47, 187, 197; daran anknüpfend LG Düsseldorf v. 22.7.2004 – XIV 5/03, NJW 2004, 3275, 3280 ff. 3 BGH v. 22.11.2005 – 1 StR 571/04, NJW 2006, 453, 454 f. m. Anm. Schünemann, NStZ 2006, 196, 197 ff.; Kutzner, NJW 2006, 3541. 4 BGH v. 21.12.2005 – 3 StR 470/04, BGHSt 50, 331, 343 ff., 345. 5 BVerfG v. 23.6.2010 – 2 BvR 2559/08, 2 BvR 105/09, 2 BvR 491/09, NJW 2010, 3209, 3215. 6 BVerfG v. 23.6.2010 – 2 BvR 2559/08, 2 BvR 105/09, 2 BvR 491/09, NJW 2010, 3209, 3215. 7 BGH v. 27.8.2010 – 2 StR 111/09, BGHSt 55, 266, 276. 8 BGH v. 13.4.2011 – 1 StR 94/10, BGHSt 56, 203, 213. 9 BGH v. 28.5.2013 – 5 StR 551/11, BeckRS 2013, 10324, Rz. 17 unter Bezug auf BVerfG v. 23.6.2010 – 2 BvR 2559/08, 2 BvR 105/09, 2 BvR 491/09, BVerfGE 126, 170, 210 f. 10 BGH v. 28.5.2013 – 5 StR 551/11, BeckRS 2013, 10324, Rz. 17. 11 BGH v. 11.12.2014 – 3 StR 265/14, NJW 2015, 1618, 1620 unter Berufung auf BVerfG v. 23.6.2010 – 2 BvR 2559/08, 2 BvR 105/09, 2 BvR 491/09, BVerfGE 126, 170, 210 m. Anm. Altenburg. 12 BGH v. 26.11.2015 – 3 StR 17/15, NZG 2016, 703, 709 f. m. Anm. Brand, S. 690 und Saliger/Schweiger, NJW 2016, 2600. 13 BGH v. 16.8.2016 – 4 StR 163/16, BeckRS 2016, 16636, Rz. 32.

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Rz. 63).1 Angesichts dieser und weiterer Rspr. (vgl. Rz. 49) ist die Behauptung, die gravierende Pflichtverletzung spiele „in der Rspr. der letzten Jahre keine besondere Rolle mehr“,2 nicht nachvollziehbar. (b) Anwendungsbereich Analysiert man diese Rspr., so ergibt sich ein uneinheitliches Bild. Unklar geworden ist zunächst der Anwen- 47 dungsbereich des Merkmals „gravierende Pflichtverletzung“. Die Rspr. des BGH hat vor der Entscheidung des BVerfG das Merkmal „gravierende Pflichtverletzung“ allein bei unternehmerischen Entscheidungen mit weitem Ermessensspielraum angewandt. Dafür spricht, dass alle drei zentralen Entscheidungen (Sponsoring, Kinowelt, Mannesmann) auf die im Fall ARAG/Garmenbeck3 entwickelte gesellschaftsrechtliche Doktrin vom weiten Ermessensspielraum hinsichtlich des materiellen Unternehmensinteresses bei unternehmerischen Entscheidungen Bezug nehmen.4 Dagegen lässt die Rspr. nach der Entscheidung des BVerfG ganz überwiegend5 eine solche Eingrenzung nicht mehr erkennen.6 Fraglich ist in der Tat, was aus dem Untreue-Beschluss des BVerfG folgt. Einerseits ist die Aussage des BVerfG zur tatbestandsbegrenzenden Funktion des Merkmals „gravierende Pflichtverletzung“ allgemein gehalten (vgl. Rz. 46). Andererseits trifft das BVerfG diese Aussage mit Bezug auf jene Rspr., welche das Merkmal nur bei unternehmerischen Entscheidungen anwendet.7 Allerdings dürfte letzterer Aspekt nicht entscheidend sein, weil das BVerfG zum damaligen Zeitpunkt gar keine andere Rspr. zitieren konnte. Daraus zu schließen, dass das BVerfG mit dem Bezug auf diese Rspr. auch nur deren Restriktion auf unternehmerische Entscheidungen verfassungsrechtlich anerkannt habe,8 ist daher zu eng. Denn im Vordergrund der verfassungsgerichtlichen Argumentation steht das verfassungsgerichtliche Gebot der Einschränkung des Untreuetatbestands, aus dem die Figur der gravierenden Pflichtverletzung als ein Restriktionsinstrument ohne Anwendungsbeschränkung abgeleitet und gegen Einwände verteidigt wird (vgl. Rz. 46).9 Richtigerweise ist die Anwendung der „gravierende Pflichtverletzung“ daher auf Basis des maßgeblichen Untreue-Beschlusses nicht mehr auf unternehmerische Entscheidungen mit Ermessensspielraum eingegrenzt, sondern bezeichnet ein allgemeines Restriktionskriterium.10 Hinsichtlich der Konkretisierung der Schwere der Pflichtverletzung ist zwischen unternehmerischen Entscheidungen mit Handlungsspielraum und sonstigen Fällen zu differenzieren. (c) Gravierende Pflichtverletzung bei Entscheidungen mit Handlungsspielraum Schon bei der Frage nach Maßstab und Kriterien für die Schwere der Pflichtverletzung in bezug auf unterneh- 48 merische Entscheidungen mit Handlungsspielraum gehen die Auffassungen auseinander. Drei Auffassungen lassen sich in Rspr. und Schrifttum unterscheiden: Im Sponsoring-Urteil (Rz. 46)11 findet sich eine starr indizienbasierte und strafrechtsautonome Schweretheorie, bei der der 1. Strafsenat zusätzlich zur gesellschafts-

1 LG Hamburg v. 9.7.2014 – 608 KLs 12/11, BeckRS 2015, 09104, VI. 2. b. und c. unter Bezug auf BVerfG v. 23.6.2010 – 2 BvR 2559/08, 2 BvR 105/09, 2 BvR 491/09, BVerfGE 126, 170 Rz. 110 (nicht rechtskräftig); aufgehoben durch BGH v. 12.10.2016 – 5 StR 134/15, Pressemitteilung BGH Nr. 182/16. 2 So Schünemann in LK-StGB, § 266 Rz. 95. 3 BGH v. 21.4.1997 – II ZR 175/95, BGHZ 135, 244, 253. 4 BGH v. 6.12.2001 – 1 StR 215/01, BGHSt 47, 187, 192; BGH v. 22.11.2005 – 1 StR 571/04, NJW 2006, 453, 455; BGH v. 21.12.2005 – 3 StR 470/04, BGHSt 50, 331, 336, 338. 5 Vgl. aber den Nürburgring-Fall in Rz. 46. 6 Vor allem Kölner Parteispenden-Fall; teils auch Trienekens-Urteil; allgemein formuliert ferner im IGB- und KassenarztFall; vgl. auch OLG Hamm v. 21.8.2012 – III-4 RVs 42/12, wistra 2012, 447, 448; OLG Celle v. 18.7.2013 – 1 Ws 238/13, BeckRS 2013, 15199; ferner OLG Köln v. 26.6.2014 – 2 Ws 189/14, BeckRS 2014, 14061, S. 2 m. Anm. Sättele, FDStrafR 2014, 360450; LG Hamburg v. 9.7.2014 – 608 KLs 12/11, BeckRS 2015, 09104, VI. 2. b. und c. – Fall HSH Nordbank (nicht rechtskräftig); LG Essen v. 14.11.2014 – 35 KLs 14/13, BeckRS 2016, 04218, S. 106 f. – Fall Middelhoff – m. instruktiver Anm. Köllner/Lendermann, NZI 2016, 476. 7 Vgl. BVerfG v. 23.6.2010 – 2 BvR 2559/08, 2 BvR 105/09, 2 BvR 491/09, NJW 2010, 3209, 3215 Rz. 112. 8 So Bittmann, wistra 2013, 6. 9 Unerheblich ist insoweit auch die Bestätigung des Restriktionskriteriums durch das BVerfG im Prämien-Fall, wo ein Entscheidungsspielraum bestand, vgl. BVerfG v. 23.6.2010 – 2 BvR 2559/08, 2 BvR 105/09, 2 BvR 491/09, NJW 2010, 3209, 3217 Rz. 128. 10 Str., wie hier: Saliger in S/S/W-StGB, § 266 Rz. 48; vgl. ferner OLG Hamm v. 21.8.2012 – III-4 RVs 42/12, wistra 2012, 447, 448 m. zust. Anm. Tierel, jurisPR-StrafR 18/2012; OLG Celle v. 18.7.2013 – 1 Ws 238/13, BeckRS 2013, 15199; OLG Köln v. 26.6.2014 – 2 Ws 189/14, BeckRS 2014, 14061, S. 2; LG Hamburg v. 9.7.2014 – 608 KLs 12/11, BeckRS 2015, 09104, VI. 2. b. und c. – Fall HSH Nordbank; LG Essen v. 14.11.2014 – 35 KLs 14/13, BeckRS 2016, 04218, S. 106 f. – Fall Middelhoff – m. Anm. Köllner/Lendermann, NZI 2016, 476; Matt in M/R-StGB, § 266 Rz. 51, 76 ff.; Schramm in M/G, § 266 StGB Rz. 55 unter Betonung der Evidenz; Seibt/Schwarz, AG 2010, 310 ff. für die Aktienrechtsuntreue; Schwerdtfeger, Strafrechtliche Pflicht, S. 128 ff.; offengelassen von BGH v. 11.12.2014 – 3 StR 265/14, NJW 2015, 1618, 1620 – Konzept „Wahlsieg 2006“. A.A. OLG Braunschweig v. 14.6.2012 – Ws 44/12, Ws 45/12, ZWH 2012, 494, 495 m. Anm. Adick: Einschränkung auf Entscheidungen mit Handlungsspielraum; Schünemann in LK-StGB, § 266 Rz. 95 ff., 99 f.; Bittmann, wistra 2013, 6; Ibold, Entscheidungen, S. 134, 190. 11 Und bei LG Düsseldorf v. 22.7.2004 – XIV 5/03, NJW 2004, 3280 ff. im Fall Mannesmann.

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Untreue

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Strafgesetzbuch

rechtlichen Pflichtverletzung eine spezifisch strafrechtliche Pflichtwidrigkeit verlangt.1 Demgegenüber vertritt der 3. Strafsenat im Fall Mannesmann eine (eher) zivilrechtsakzessorische Schweretheorie, weil er die Indizienlösung des 1. Strafsenats grundsätzlich in Zweifel zieht und deshalb neben der Prüfung der gesellschaftsrechtlichen Pflichtwidrigkeit keine spezifische strafrechtliche Wertungsstufe erkennen lässt (vgl. Rz. 46).2 Eine dritte Auffassung wird sichtbar im Kinowelt-Urteil (vgl. Rz. 46).3 Diese kann man als nicht (bzw. nicht starr) indizienbasierte und gleichwohl strafrechtsautonome Schweretheorie begreifen, welche vermittels des Begriffs der Hauptpflicht nicht jede strafrechtliche Pflichtverletzung aus einer gesellschaftsrechtlichen Pflichtwidrigkeit herleiten muss.4 Vorzugswürdig ist die letztgenannte Ansicht.5 Gegen die starr indizienbasierte Schweretheorie sprechen Irrelevanz, Willkürlichkeit und Überflüssigkeit der angeführten Indizien im Sponsoring-Urteil.6 So ist nicht zu begründen, warum danach prosperierende Unternehmen (Angemessenheit in Bezug auf die Ertrags- und Vermögenslage) mit weniger Untreuerisiko geschädigt werden dürften als notleidende,7 insbesondere wenn die Vorstandskollegen in dem dafür vorgesehenen Verfahren zustimmen (innerbetriebliche Transparenz).8 Daran ändert auch der Hinweis auf die Erforderlichkeit einer Gesamtwürdigung nichts.9 I.Ü. ist die Indizienlehre auch im Sponsoring-Fall nicht erforderlich, weil die Vermögensweggaben evident nicht vom materiellen Unternehmensinteresse gedeckt waren. Abzulehnen ist auch die zivilrechtsakzessorische Schweretheorie. Denn obgleich originär strafrechtliche Gesichtspunkte jenseits der gesellschaftsrechtlichen (außerstrafrechtlichen) Pflichtwidrigkeit nicht leicht in Ansatz zu bringen sind,10 verlangen die verschiedenen Funktionen von strafrechtlichem und zivilrechtlichem Vermögensschutz nach einem eigenständigen strafrechtlichen Filter (oben Rz. 34).11 Dieser Filter bildet das Kriterium der Evidenz. Eine Pflichtverletzung i.S.d. strafrechtsautonomen Schweretheorie ist demnach gravierend, wenn sie auf Basis einer Gesamtwürdigung der Umstände evident unvertretbar und/oder willkürlich ist, weil sie auch unter Berücksichtigung des unternehmerischen Handlungsspielraums nicht mehr als eine ex-ante im materiellen Unternehmensinteresse liegende Entscheidung gedacht werden kann.12 Nach dieser Maßgabe begründet der Verzicht auf Schadensersatzforderungen gegen (ehemalige) Führungskräfte einer AG durch deren aktuelle Vorstands- und/oder Aufsichtsratmitglieder nicht automatisch eine untreuetaugliche Pflichtverletzung.13 (d) Gravierende Pflichtverletzung in sonstigen Fällen 49

Noch weitgehend ungeklärt ist die Konkretisierung der strafrechtsautonomen Schwere der Pflichtverletzung in den Fällen jenseits eines Handlungsspielraums, die hier als „sonstige Fälle“ bezeichnet werden.14 Hierbei empfiehlt es sich, zwischen zwei Fallgruppen zu unterscheiden. Die erste Fallgruppe besteht aus außerstrafrechtlichen Pflichten, die vom Gesetzgeber oder Treugeber in Gesetz, Vertrag, Satzung oder behördlichem Auftrag bereits als so gewichtig angesehen werden, dass ihre Verletzung i.d.R. auch die strafrechtliche Höhenmarke der gravierenden Pflichtverletzung erreicht.15 Das dürfte etwa der Fall sein für alle Pflichten, deren Missachtung der Gesetzgeber mit finanziellen Sanktionen (z.B. Gegenansprüche, Schadensersatz) verbunden und die er deshalb als schwerwiegend eingestuft hat, wie bestimmte sanktionsbewehrte Pflichten im Parteiengesetz16 1 Vgl. Schünemann, NStZ 2005, 476; Dierlamm, StraFo 2005, 402 f.; Braum, KritV 2004, 76 f. Diese Lehre findet im Schrifttum auch nach der Mannesmann-Entscheidung des BGH Anhänger: Dierlamm in MüKo-StGB, § 266 Rz. 175 ff.; Krause, StV 2006, 308; Ransiek, NJW 2006, 814. 2 Ebenso Schünemann, NStZ 2005, 476; Vogel/Hocke, JZ 2006, 570; Bittmann, wistra 2013, 7 f.; grundsätzlich auch Radtke/Hoffmann, GA 2008, 544. 3 Schünemann, NStZ 2006, 198. Zu den Schwierigkeiten der Einordnung dieser Entscheidung, die auch andere Lesarten nahelegt, Saliger in S/S/W-StGB, § 266 Rz. 49 m.w.N. 4 Ebenso mit Unterschieden im Einzelnen Saliger, HRRS 2006, 19 f.; Kutzner, NJW 2006, 3543; Kubiciel, NStZ 2005, 360; Tiedemann, FS Tröndle (1989), S. 328; wohl auch Rönnau, NStZ 2006, 219 und Hohn, wistra 2006, 162. 5 Zum Folgenden Saliger in S/S/W-StGB, § 266 Rz. 50. 6 Vgl. auch Saliger, HRRS 2006, 19 f. 7 Vgl. Schünemann, NStZ 2005, 475 f.: „pure Klassenjustiz“. 8 Vgl. Samson in Walz u.a. (Hrsg.), Non Profit Law Yearbook, 2004, S. 238 ff. 9 A.A. Dierlamm in MüKo-StGB, § 266 Rz. 176, der wie Kiethe, NStZ 2005, 531 und Matt, NJW 2005, 390 eine strafrechtliche Pflichtverletzung annehmen will, wenn mindestens drei der vier Leitkriterien vorliegen. 10 Vgl. Radtke/Hoffmann, GA 2008, 544. 11 Vgl. Kutzner, NJW 2006, 3543. 12 Saliger in S/S/W-StGB, § 266 Rz. 50; Saliger, HRRS 2006, 20; zust. Theile, ZIS 2011, 626; ebenso Esser in AnwK-StGB, § 266 Rz. 72 f., 297; Matt in M/R-StGB, § 266 Rz. 80, 83; Ibold, Entscheidungen, S. 256 f.; auch Kubiciel, NStZ 2005, 360; Tiedemann, FS Tröndle, S. 328; Lassmann, Stiftungsuntreue, S. 97; ferner OLG Karlsruhe v. 13.2.2006 – 3 Ws 199/04, wistra 2006, 354; vgl. unter Anknüpfung an die Business Judgement Rule in § 93 Abs. 1 S. 2 AktG als allgemeines Prinzip BGH v. 26.11.2015 – 3 StR 17/15, NZG 2016, 703, 709 f. – Nürburgring – m. Anm. Brand, S. 690 und Saliger/Schweiger, NJW 2016, 2600; ferner LG Hamburg v. 9.7.2014 – 608 KLs 12/1, BeckRS 2015, 09104, VI. 2. b. und c. – Fall HSH Nordbank –, wo das Gericht die festgestellten Pflichtverletzungen in einer Gesamtwürdigung nicht als gravierend eingestuft hat (dazu näher Rz. 63). A.A. Bittmann, wistra 2013, 7 f.; für ein funktionales Prinzip Bräunig, Untreue, S. 136 ff., 139 ff. 13 Helmrich/Eidam, ZIP 2011, 257, 260, 262. 14 Saliger in S/S/W-StGB, § 266 Rz. 51; vgl. ferner Seibt/Schwarz, AG 2010. 312 ff.; Bittmann, wistra 2013, 6 ff. 15 Vgl. Saliger, Parteiengesetz, S. 52; Seibt/Schwarz, AG 2010, 314. 16 Näher Saliger, Parteiengesetz, S. 52; vgl. auch BGH v. 11.12.2014 – 3 StR 265/14, NJW 2015, 1618, 1619 f. – Konzept „Wahlsieg 2006“ – für die zweckwidrige Verwendung von Fraktionsgeldern.

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oder die in § 93 Abs. 3 Nrn. 1–9 AktG aufgezählten gesetzwidrigen Verhaltensweisen.1 Deren Verletzung begründet i.d.R. zugleich eine Parteienuntreue (unten Rz. 125 f.) bzw. eine Aktienrechtsuntreue.2 Auch die Verletzung unmissverständlicher Satzungsregelungen wie die Norm, Sitzungsgelder allein für die Teilnahme an Sitzungen des Aufsichtsrats oder seiner Ausschüsse zu zahlen, wird man als schwerwiegend werten dürfen.3 Das Gleiche gilt für die pflichtwidrige Abrechnung von Reisekosten, die ausschließlich privat oder privatgeschäftlich veranlasst waren (Reisen allein zur Ausübung externer Mandate, Reise mit Mehrkosten durch Wahrnehmung privater Termine, vermeintliche „Urlaubsunterbrechungen“ sowie Reisen vom Wohnort zum Dienstort und zurück), und die pflichtwidrige Abrechnung der Kosten für eine private Festschrift nebst Einladungen für ein Symposium.4 Die zweite Fallgruppe bilden jene (zahlreicheren) außerstrafrechtlichen Pflichten, deren Verletzung trotz ihres zumindest mittelbaren Fremdvermögensschutzes (Rz. 36 ff.) nicht automatisch strafbedürftig erscheint. Das betrifft etwa die große Gruppe der formellen Pflichten aus Zuständigkeits-, Form- und Verfahrensvorschriften, aber auch nebensächliche oder marginale materielle Pflichten.5 Die Untreuetauglichkeit dieser außerstrafrechtlichen Pflichten beurteilt sich nach einer strafrechtsautonomen Gesamtwürdigung der Umstände, innerhalb derer Bedeutung, Ausmaß, Art und Folgen der Pflichtverletzung ebenso zu berücksichtigen sind wie Verschuldensgrad und die Verfolgung von Eigen- bzw. Sonderinteressen.6 (5) Allgemeines Schädigungsverbot Streitig ist, ob das allgemeine Verbot, das Vermögen des Geschäftsherrn zu schädigen, als Anknüpfungspunkt 50 für eine untreuetaugliche Pflichtverletzung in Betracht kommt.7 Diese Frage ist zu verneinen. Im allgemeinen Schädigungsverbot sind Pflichtverletzung und Vermögensnachteil strukturell insofern miteinander verschränkt, als die Pflichtwidrigkeit aus dem Vermögensnachteil rückgeschlossen wird.8 Dieser Rückschluss ist, soweit er wie im Fall des allgemeinen Schädigungsverbots ohne Not erfolgt (vgl. oben Rz. 8; zum Risikogeschäft und zur Haushaltsuntreue unten Rz. 60 ff. bzw. 117 ff.), mit Blick auf das verfassungsrechtlich vorgegebene Verschleifungsverbot (Rz. 4, 8) abzulehnen, weil er zu einer Einebnung der gesetzlichen Unterscheidung von Tathandlung und Taterfolg mit hochproblematischem Extensionspotential für die ohnehin unterbestimmte Untreue führt.9 Tatsächlich besteht für den Rückgriff auf das allgemeine Schädigungsverbots in dem Fall, „dass kein eindeutiges Gebot feststellbar ist“,10 praktisch keine Notwendigkeit. Denn dieser Fall dürfte unwahrscheinlich sein, wenn man bedenkt, dass beim Fehlen konkreter Vorgaben aus Gesetz, Rechtsgeschäft oder behördlichem Auftrag regelmäßig die allgemeinen gesetzlichen bzw. für das jeweilige Rechtsverhältnis im Rechtsverkehr anerkannten Sorgfaltsmaßstäbe greifen, aus denen sich die für den Einzelfall eine verbindliche Pflicht konkretisieren lässt (vgl. Rz. 34).11 I.d.S. hat auch der BGH im Fall Mannesmann das allgemeine Schädigungsverbot auf eine allgemeine gesetzliche Sorgfaltspflicht bezogen, indem er erklärte, dass das „Gebot, alle Maßnahmen zu unterlassen, die den Eintritt eines sicheren Vermögensschadens bei der Gesellschaft zur Folge haben, … zu den Treupflichten (gehört), die ein ordentliches und gewissenhaftes Präsidiumsmitglied (§§ 93 Abs. 1 S. 1, 116 S. 1 AktG) zwingend zu beachten hat“.12 Auch soweit das OLG Koblenz die Pflichtverletzung bei der Ausübung einer im Innenverhältnis erloschenen, aber nach außen fortwirkenden Bankvollmacht aus einem allgemeinen Schädigungsverbot herleitet,13 ist die Anknüpfung an eine konkretere Pflichtenquelle in Gestalt nachvertraglicher Vermögensfürsorge möglich. cc) Erscheinungsformen der Treubruchsuntreue (1) Unterlassen Auch die Treubruchsuntreue kann unstreitig durch Unterlassen begangen werden.14 Tatsächlich dürfte das Un- 51 terlassen bei der Treubruchsuntreue im Unterschied zur Missbrauchsuntreue praktisch den Hauptanwendungs1 2 3 4 5 6 7

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Seibt/Schwarz, AG 2010, 314. Seibt/Schwarz, AG 2010, 314. Vgl. OLG Braunschweig v. 14.6.2012 – Ws 44/12, Ws 45/12, ZWH 2012, 494, 495 m. Anm. Adick. LG Essen v. 14.11.2014 – 35 KLs 14/13, BeckRS 2016, 04218, S. 106 f. – Fall Middelhoff – m. instruktiver Anm. Köllner/ Lendermann, NZI 2016, 476. Vgl. auch Bittmann, wistra 2013, 7. Zutr. Seibt/Schwarz, AG 2010, 314 für die Aktienrechtsuntreue. Dafür Perron in S/S-StGB, § 266 Rz. 36; vgl. auch Fischer, StGB, § 266 Rz. 54; Schünemann in LK-StGB, § 266 Rz. 94: Zivilrechtsaffinität; einschr. Schramm in M/G, § 266 StGB Rz. 104. Dagegen Dierlamm in MüKo-StGB, § 266 Rz. 186 ff., 189; Matt in M/R-StGB, § 266 Rz. 91 und Thomas, FS Hamm, S. 770, 772; Saliger in S/S/W-StGB, § 266 Rz. 52; krit. bereits Saliger, ZStW 2000, 569 f., 610 ff.; auch Rose, wistra 2005, 285. Saliger, ZStW 2000, 569. Saliger, ZStW 2000, 569 f., 610 ff.; Rose, wistra 2005, 285. A.A. Schramm in M/G, § 266 StGB Rz. 104. Schünemann in LK-StGB11, § 266 Rz. 94. Dierlamm in MüKo-StGB, § 266 Rz. 189. BGH v. 21.12.2005 – 3 StR 470/04, BGHSt 50, 331, 336; krit. Thomas, FS Hamm, S. 767 f. OLG Koblenz v. 14.7.2011 – 2 Ss 80/11, wistra 2011, 397, 398. BGH v. 21.7.1989 – 2 StR 214/89, BGHSt 36, 227, 228; BGH v. 22.1.1988 – 2 StR 133/87, NJW 1988, 2483, 2485; Heger in Lackner/Kühl, StGB, § 266 Rz. 2; Fischer, StGB, § 266 Rz. 55; Saliger in S/S/W-StGB, § 266 Rz. 40; Seier in A/R/R, Rz. 74 ff.; Schünemann in LK-StGB, § 266 Rz. 106, 108; Perron in S/S-StGB, § 266 Rz. 35; Kindhäuser in NK-StGB, § 266 Rz. 64, 91; Esser in AnwK-StGB, § 266 Rz. 143; Matt in M/R-StGB, § 266 Rz. 84 ff.

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Untreue

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Strafgesetzbuch

fall bilden.1 Ein (vor allem faktisches) Unterlassen kommt z.B. in Betracht (zur Abgrenzung von der Missbrauchsuntreue Rz. 22) bei der Nichtvornahme vermögensmehrender Handlungen,2 insbesondere dem Nichtabschluss günstiger Geschäfte, sofern eine konkrete, sichere Möglichkeit eines günstigeren Erwerbs besteht (zur vermögenswerten Exspektanz näher Rz. 68, 80)3 und das wirtschaftlich günstige Geschäft nicht verboten (etwa wettbewerbswidrig) ist (zum Kick-Back Rz. 56, 81);4 bei der Nichterfüllung von Aufsichtspflichten, vor allem dem Nichteinschreiten von Aufsichts wegen5 oder dem Unterlassen des Rechtspflegers im Zwangsverwaltungsverfahren, den Zwangsverwalter anzuhalten, Miete bzw. Nutzungsentschädigung und Betriebskosten einzufordern;6 bei jahrelanger Verzögerung der Abrechnung durch den Rechtsanwalt nach Ausführung des Auftrags (Rz. 94);7 bei Nichtüberführung von auf einem Eigenkonto befindlichen Fremdgeldern auf ein Andernkonto in wirtschaftlich bedrängter Lage durch einen Rechtsanwalt8 und Notar (dazu auch Rz. 92);9 oder bei vertragswidriger Nichtabführung von Prämienüberschüssen zum monatlichen Abrechnungszeitpunkt10 bzw. von vereinnahmten Versicherungsprämien zum Fälligkeitstermin durch den Versicherungsmakler.11 Möglich ist eine Treubruchsuntreue durch Unterlassen auch bei der Nichtabwendung drohender Vermögensgefahren, wobei es keine Rolle spielt, ob die Gefahr natürliche Ursachen hat oder auf menschliches Handeln zurückgeht.12 Treubruchsuntreue begeht daher – in den Grenzen seiner Zuständigkeit13 – der Steuerberater, der die Umleitung von Mandantengeldern auf ein Privatkonto durch Angestellte geschehen lässt.14 Die Rspr. bejaht in zweifelhafter Weise eine strafbare Untreue auch durch das schiere Nichtoffenbaren einer vorgefundenen „schwarzen Kasse“ und das Nichtrückführen der Gelder in die ordentliche Buchführung (näher Rz. 97 f.),15 ebenso das Nichtoffenbaren vollständig vorhandener Drittmittel (auch Rz. 119).16 Das Unterlassen jeglicher Maßnahmen der Fortbestandssicherung entgegen § 91 Abs. 2 AktG, insbesondere die Nichteinrichtung eines Überwachungssystems (Compliance), begründet eine untreuetaugliche Pflichtverletzung (vgl. Rz. 37 ff.),17 die jedoch mangels Auslösens konkreter Vermögensgefahren nicht zur Untreuestrafbarkeit führt.18 Dagegen stellt das Ergreifen unzureichender Compliance-Maßnahmen schon keine untreuetaugliche Pflichtverletzung dar, wenn es nicht gravierend i.S.d. Bestimmungen in Rz. 48 f. ist.19 Die Abgrenzung von Tun und Unterlassen richtet sich nach dem Schwerpunkt des Täterverhaltens, über das in wertender Würdigung zu entscheiden ist.20 Durch die Möglichkeit strafbaren (faktischen) Unterlassens entsteht für den Bürger vor allem bei der Treubruchsuntreue die Gefahr einer „Strafrechtsfalle“. Sie manifestiert sich insbesondere bei Risikogeschäften im Bankbereich, etwa Sanierungskrediten (dazu Rz. 62 und 122), wo der Treunehmer sich bei Vergabe eines (risikoreichen) Sanierungskredits wegen Untreue durch Tun und bei Nichtvergabe des Sanierungskredits, um den Ausfall des Altkredits abzuwenden, wegen Untreue durch Unterlassen strafbar machen kann.21 Mit Recht wird insoweit die Strafrechtsfalle entschärft durch die Zubilligung eines unternehmerischen Gestaltungsspielraums (Rz. 46 ff.) und die Berücksichtigung eines wirtschaftlich vernünftigen Gesamtplans

1 Schünemann in LK-StGB, § 266 Rz. 106; Seier in A/R/R, Rz. 74. 2 Vgl. RG v. 7.3.1927 – III 976/26, RGSt 61, 228 ff.: Nichtausführung eines Pfändungsauftrags (auch oben Rz. 22); BGH v. 14.2.1955 – 3 StR 459/54, JurionRS 1955, 11943: Nichteinziehung von Forderungen zur Masse durch Insolvenzverwalter; OLG Bremen v. 5.12.1988 – Ss 85/87, NStZ 1989, 228 f.: Unterlassen einer verzinslichen Anlage des Mündelgeldes durch Vormund; BGH v. 28.7.2011 – 4 StR 156/11, wistra 2011, 424, 425: Unterlassen des Zwangsverwalters eines Grundstücks, alle möglichen Nutzungen zu ziehen, insbes. es durch Vermietung nutzbar zu machen und den Mietzins einzuziehen oder zu niedrige Mieten anzuheben; ferner RGSt 71, 334; BGH v. 20.1.1984 – 3 StR 520/83, wistra 1984, 109. 3 BGH v. 28.1.1983 – 1 StR 820/81, NJW 1983, 1807, 1808; auch BGH v. 23.5.2002 – 1 StR 372/01, BGHSt 47, 295, 298. 4 BGH v. 19.1.1965 – 1 StR 497/64, BGHSt 20, 143, 145 f.; BGH v. 22.1.1988 – 2 StR 133/87, NJW 1988, 2483, 2485; BGH v. 4.4.2001 – 1 StR 528/00, NStZ 2001, 545. 5 Vgl. BGH v. 12.1.1956 – 3 StR 626/54, BGHSt 9, 203, 210; RG v. 13.4.1942 – 2 D 78/42, RGSt 76, 115. 6 BGH v. 28.7.2011 – 4 StR 156/11, wistra 2011, 424, 425. 7 RG HRR 1940, 257; OLG Karlsruhe v. 30.8.1989 – 1 Ws 60/89, NStZ 1990, 82. 8 RG JW 1937, 3092; BGH v. 25.7.1997 – 3 StR 179/97, NStZ-RR 1997, 357. 9 BGH v. 6.4.1982 – 5 StR 8/82, NStZ 1982, 331; BGH v. 1.11.1983 – 5 StR 363/83, wistra 1984, 71. 10 BGH v. 7.9.2011 – 2 StR 600/10, NJW 2011, 3528, 3529. 11 BGH v. 3.12.2013 – 1 StR 526/13, NStZ 2014, 158, 159 unter Rückgriff auf den Rechtsgedanken der omissio libera in causa m. Anm. Krehl. 12 Vgl. BGH v. 17.12.1953 – 4 StR 483/53, BGHSt 5, 187, 190; Perron in S/S-StGB, § 266 Rz. 35a; Saliger in S/S/W-StGB, § 266 Rz. 40; Seier in A/R/R, Rz. 77; Esser in AnwK-StGB, § 266 Rz. 143; Matt in M/R-StGB, § 266 Rz. 89; a.A. Labsch, Untreue, S. 248 f. 13 Perron in S/S-StGB, § 266 Rz. 35a. 14 BGH v. 21.7.1989 – 2 StR 214/89, NStZ 1990, 77. 15 BGH v. 18.10.2006 – 2 StR 499/05, BGHSt 51, 100, 112; BGH v. 29.8.2008 – 2 StR 587/07, BGHSt 52, 323, 333 f. 16 BGH v. 30.9.2010 – 4 StR 150/10, NStZ-RR 2011, 82, 83. 17 Ebenso Mosiek, wistra 2003, 370; Theile, wistra 2010, 461; Michalke, StV 2011, 249. 18 Theile, wistra 2010, 461 f. 19 Ebenso Theile, wistra 2010, 461. 20 BGH v. 7.9.2011 – 2 StR 600/10, NJW 2011, 3528, 3529; zur Abgrenzung von Tun und Unterlassen bei Untreuehandlungen eines Rechtsanwalts BGH v. 29.1.2015 – 1 StR 587/14, NJW 2015, 1190, 1191 und Rz. 93. 21 Saliger in S/S/W-StGB, § 266 Rz. 40; Saliger, HRRS 2006, 14; Matt/Saliger, Irrwege, S. 224; auch Matt in M/R-StGB, § 266 Rz. 84 f.

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Saliger

Rz. 52 § 266 StGB

(unten Rz. 62, 75, 122). Streitig ist, ob § 13 anwendbar ist. Der BGH hatte zunächst allein die Anwendbarkeit von § 13 Abs. 2 auf § 266 bejaht1 und die Anwendbarkeit von § 13 Abs. 1 offengelassen.2 Im Fall Siemens hat der 2. Strafsenat § 13 Abs. 1 ausdrücklich auch auf § 266 angewendet.3 Richtigerweise findet § 13 keine Anwendung. Da die Untreue eine Garantenstellung sui generis mit dem überschießenden Inhalt einer Geschäftsbesorgung voraussetzt (oben Rz. 11), besteht für einen Rückgriff auf § 13 kein Bedürfnis.4 Das gilt umso mehr, als nicht jede Garantenstellung eine Vermögensbetreuungspflicht begründet (vgl. auch Rz. 11, 15).5 Härten drohen dadurch nicht, weil den Belangen des § 13 Abs. 2, soweit erforderlich, bei der Strafzumessung sowohl für § 266 Abs. 1 als auch für § 266 Abs. 2 iVm. 263 Abs. 36 Rechnung getragen werden kann. (2) Pflichtenumfang bei mehreren vermögensbetreuungspflichtigen Personen Insbesondere in Unternehmen wird die Vermögensbetreuung regelmäßig arbeitsteilig wahrgenommen. So sind 52 interne funktionale oder divisionale Geschäftsaufteilungen in größeren Unternehmen ein Gebot betriebswirtschaftlicher Rationalität7 und werden bei mehrgliedrigen Vorständen einer AG sogar als Regel bezeichnet.8 Das wirft die Frage auf, wie das Verhältnis mehrerer vermögensbetreuungspflichtiger Organe, etwa Vorstände einer AG oder Geschäftsführer einer GmbH, zueinander zu bestimmen ist, namentlich ob und inwieweit untreuestrafbewehrte Interventionspflichten des ressortunzuständigen Organs gegenüber dem ressortzuständigen Organ bestehen.9 Im Ausgangspunkt ist auch dieses Verhältnis nach der gesellschaftsrechtlichen Unterscheidung von Gesamt- und Ressortverantwortung, die im Strafrecht in Theorie10 und Praxis11 anerkannt ist, auszuloten.12 Nach dem gesellschaftsrechtlichen Grundsatz der Gesamtverantwortung (Allzuständigkeit) trifft jedes Mitglied der Geschäftsleitung die Pflicht zur Geschäftsführung im Ganzen und eine entsprechend umfassende Verantwortung für die Belange der Gesellschaft.13 Insbesondere obliegt jedem Geschäftsleiter grundsätzlich die Erfüllung der öffentlich-rechtlichen Pflichten der Gesellschaft wie die Pflicht zur Abführung der Arbeitnehmerbeiträge zur Sozialversicherung.14 Andererseits steht der Grundsatz der Allzuständigkeit einer internen Geschäftsaufteilung nicht entgegen. Denn dem modernes Wirtschaften erst ermöglichendem Prinzip der Arbeitsteilung entspricht es, dass der für das Ressort zuständige Geschäftsleiter seinen Bereich grundsätzlich eigenverantwortlich zu führen hat und dass er bei zulässiger interner Geschäftsaufteilung die volle Ressortverantwortung hat.15 Insoweit wird das Verhältnis zwischen Gesamt- und Ressortverantwortung im Gesellschaftsrecht allgemein dahin bestimmt, dass eine interne Geschäftsaufteilung die Gesamtverantwortung der Geschäftsleiter zwar nicht aufhebt, aber doch nach innen und außen beschränkt.16 Das Strafrecht knüpft im Kern an diese Grundsätze an. Abgesehen von Sonderdelikten wie §§ 399, 400 AktG oder §§ 82, 84 GmbHG, bei denen die Ressortaufteilung nach überwiegender Ansicht tatbestandlich unerheblich ist,17 bestimmt sich die Pflichtenstellung des Leitungsorgans auch im Strafrecht grundsätzlich nach dem von ihm betreuten Geschäftsbereich.18 Insoweit ist anerkannt, dass durch eine horizontale Ressortverteilung innerhalb eines Kollegialorgans die strafrechtliche Verantwortlichkeit der im Einzel-

1 BGH v. 21.7.1989 – 2 StR 214/89, BGHSt 36, 227 ff.; BGH v. 25.7.1997 – 3 StR 179/97, StV 1998, 127; BGH v. 29.1.2015 – 1 StR 587/14, NJW 2015, 1190, 1191. 2 BGH v. 21.7.1989 – 2 StR 214/89, BGHSt 36, 227, 228; dafür BayObLG v. 18.2.1988 – RReg 1 St 309/87, JR 1989, 301. 3 BGH v. 29.8.2008 2 StR 587/07, NJW 2009, 89, 91 = BGHSt 52, 323, 334, 338; auch BGH v. 7.9.2011 – 2 StR 600/10, NJW 2011, 3528, 3529: Unterlassen i.S.v. § 13. 4 Wie hier: Perron in S/S-StGB, § 266 Rz. 35; Saliger in S/S/W-StGB, § 266 Rz. 40; Esser in AnwK-StGB, § 266 Rz. 143; Güntge, wistra 1996, 84 ff.; Seebode, JR 1989, 302 f.; vgl. auch Schünemann in LK-StGB, § 266 Rz. 202 und Seier in A/R/R, Rz. 79 f., die freilich § 13 Abs. 2 anwenden wollen. Für die Anwendbarkeit von § 13 Abs. 2 ferner Dierlamm in MüKo-StGB, § 266 Rz. 184; Kindhäuser in NK-StGB, § 266 Rz. 28; Heger in Lackner/Kühl, StGB, § 266 Rz. 2; Fischer, StGB, § 266 Rz. 55; Matt in M/R-StGB, § 266 Rz. 53, 84; Hoyer in SK-StGB, § 266 Rz. 123. 5 Zutreffend Perron in S/S-StGB, § 266 Rz. 35. 6 A.A. Seier in A/R/R, Rz. 80. 7 Vgl. Fleischer, NZG 2003, 451 f. 8 Heimbach/Boll, VersR 2001, 802. 9 Zum Folgenden bereits Saliger in S/S/W-StGB, § 266 Rz. 53 ff. 10 Raum in W/J, Kap. 4 Rz. 33 ff.; Krause in Krieger/Schneider Hb Managerhaftung2, § 35 Rz. 25 ff.; Neudecker, Verantwortlichkeit (1995), S. 27 ff., 33 ff. 11 Vgl. BGH v. 6.7.1990 – 2 StR 549/89, BGHSt 37, 106, 123 ff.; 46, 30, 35; BGH v. 20.5.2010 – 5 StR 138/1, NStZ-RR 2010, 311, 312. 12 Fischer, StGB, § 266 Rz. 73d; Esser in AnwK-StGB, § 266 Rz. 21 ff. 13 BGH v. 15.10.1996 – VI ZR 319/95, (Z) NJW 1997, 130, 132; Schmidt-Salzer, NJW 1996, 4; Fleischer, NZG 2003, 449 ff. 14 BGH v. 15.10.1996 – VI ZR 319/95, (Z) NJW 1997, 130, 132. 15 Spindler in MüKo-AktG, § 93 Rz. 148; Schmidt-Salzer, NJW 1996, 4; Fleischer, NZG 2003, 452. 16 BGH v. 15.10.1996 – VI ZR 319/95, (Z) NJW 1997, 130, 132; Spindler in MüKo-AktG, § 93 Rz. 149; Fleischer, NZG 2003, 452; Peters, GmbHR 2008, 684. 17 RGSt 64, 81, 85; Neudecker, Verantwortlichkeit, S. 53 f. m.w.N. Eine Berücksichtigung bei der Strafzumessung bleibt freilich möglich. 18 BGH v. 6.7.1990 – 2 StR 549/89, BGHSt 37, 106, 123 m. Anm. u.a. v. Meier, NJW 1992, 3193.

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Untreue

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§ 266 StGB Rz. 53

Strafgesetzbuch

fall nichtzuständigen Geschäftsführer beschränkt wird.1 In dem Maße, wie vom einzelnen Geschäftsleiter vorrangig eine umfassende Handlungspflicht bezüglich seines Zuständigkeitsbereichs angenommen wird (primäre Ressortverantwortung), gebietet es das Schuldprinzip bzw. der Grundsatz der Eigenverantwortung,2 dass eine strafrechtliche Haftungserleichterung im Rahmen einer Begrenzung des Pflichtenmaßstabs bezüglich der anderen Bereiche stattfindet. An dieser Stelle bringen Strafrechtsprechung und Teile des Schrifttums im Einklang mit dem Gesellschaftsrecht3 mit Fug den Vertrauensgrundsatz in Ansatz. Danach darf der redliche Geschäftsleiter grundsätzlich darauf vertrauen, dass die anderen Geschäftsleiter ihre Ressortaufgaben pflichtgemäß, sachgerecht und gesetzestreu erledigen.4 53

Soweit die interne Geschäftsaufteilung die Gesamtverantwortung nur einschränkt, bleibt die Gesamtverantwortung an sich bestehen und lebt als Restverantwortung fort. Im Gesellschaftsrecht wird diese Restverantwortung näher dahin bestimmt, dass jedes Mitglied des Geschäftsleitungsgremiums auch im Rahmen einer zulässigen Geschäftsverteilung eine auf alle Ressorts bezogene Grundverantwortung besitzt, die sich auf eine Überwachungspflicht bezüglich der anderen (zuständigen) Geschäftsleiter etwa hinsichtlich der Erfüllung von öffentlich-rechtlichen Pflichten wie die Entrichtung von Steuern beschränkt.5 Die Überwachungspflicht wiederum kann sich im Einzelfall zu einer Handlungspflicht verdichten, die den nicht zuständigen Geschäftsleiter kraft seiner Allzuständigkeit als Organmitglied zum Einschreiten verpflichten kann.6 Die Strafrechtswissenschaft hat dieses Konzept der Restverantwortung in Gestalt von Überwachungs- und Handlungspflichten adaptiert.7 Auch die Strafrechtsprechung ist dem gefolgt. Zwar hat der 2. Strafsenat des BGH im grundlegenden Lederspray-Urteil es für zweifelhaft erklärt, ob der gesellschaftsrechtliche Grundsatz der Gesamtverantwortung, der für die zivilrechtlichen Haftungfolgen maßgebend ist, auch über den Umfang der strafrechtlichen Pflichtenstellung entscheidet.8 Gleichwohl lässt er den Grundsatz der Gesamtverantwortung dann greifen, wenn aus besonderem Anlass das Unternehmen als Ganzes betroffen ist.9 Auch die spätere BGH-Rspr. geht von einer Restverantwortung des nichtzuständigen Geschäftsleiters aus, wenn sie ihn unter bestimmten Voraussetzungen zum Handeln verpflichtet.10 Nicht abschließend geklärt ist, unter welchen Voraussetzungen sich die Überwachungspflicht des einzelnen Leitungsorgans im Spannungsverhältnis zwischen Vertrauensgrundsatz und Gesamtverantwortung zu einer Pflicht zum Einschreiten verdichtet.11 Anerkannt ist zunächst, dass eine Interventionspflicht besteht, wenn ein ressortübergreifender wesentlicher Entscheidungsgegenstand betroffen ist. Denn wenn ein Gegenstand inhaltlich mehrere Ressorts berührt oder eine für das jeweilige Unternehmen grundsätzliche Bedeutung hat, ist für eine Begrenzung auf die Ressortverantwortung von vorneherein kein Raum, so dass der Grundsatz der Allzuständigkeit uneingeschränkt gilt.12 Eine gesteigerte Überwachungspflicht des ressortfremden Geschäftsleitungsmitglieds, die sich zu einer Pflicht zum Einschreiten verdichten kann, kommt des Weiteren in einer Krise des Unternehmens in Betracht.13 Soweit nämlich das Unternehmen als Ganzes in Mitleidenschaft gezogen wird, besteht auch ein Anhaltspunkt für jeden Geschäftsleiter, die Arbeitsweise der anderen Geschäftsleiter kritisch zu hinterfragen.14 Unternehmenskrisen können finanzieller Natur sein, aber auch eine Umweltkatastrophe.15 Der BGH hat in der Lederspray-Entscheidung mit Recht eine solche Krisensituation auch „bei einer Häufung von Verbraucherbeschwerden über Schadensfälle durch Benutzung eines vom Unternehmen massenweise hergestellten und ver1 BGH v. 6.7.1990 – 2 StR 549/89, BGHSt 37, 106, 126; BGH v. 10.11.1999 – 5 StR 221/99, wistra 2000, 137; BGH v. 6.4.2000 – 1 StR 280/99, BGHSt 46, 30, 35; Große-Vorholt, Wirtschaftsstrafrecht2(2007), S. 20 Rz. 67; Neudecker, Verantwortlichkeit, S. 48 ff., 276 f. 2 Vgl. BGH v. 18.3.1952 – GSSt 2/51, BGHSt 2, 194, 200; Deutscher/Körner, wistra 1996, 328; Schmidt-Salzer, NJW 1988, 1938; auch Fischer, StGB, vor § 13 Rz. 8 und § 266 Rz. 73d. 3 Z.B. BGH v. 15.10.1996 – VI ZR 319/95, (Z) NJW 1997, 130, 132; Schmidt-Salzer, NJW 1996, 4; Fleischer, NZG 2003, 453 ff. 4 Vgl. BGH v. 6.4.2000 – 1 StR 280/99, BGHSt 46, 30, 35; BGH v. 20.5.2010 – 5 StR 138/1, NStZ-RR 2010, 311, 312; Sternberg-Lieben/Schuster in S/S-StGB, § 15 Rz. 217; Esser in AnwK-StGB, § 266 Rz. 22; Deutscher/Körner, wistra 1996, 329; Kuhlen, Produkthaftung (1989), S. 126 ff.; Loeck, Strafbarkeit (2006), S. 248 ff. Zu Unrecht krit. m.w.N. Neudecker, Verantwortlichkeit, S. 57 ff., 65, und Knauer, Kollegialentscheidung (2001) S. 210 ff. 5 BGH v. 8.7.1985 – II ZR 198/84, (Z) NJW 1986, 54, 55; BGH v. 15.10.1996 – VI ZR 319/95, (Z) NJW 1997, 130, 132; BFH v. 22.7.1997 – I B 44/97, GmbHR 1998, 203; Fleischer, NZG 2003, 453; Peters, GmbHR 2008, 684; Pietzke, CCZ 2010, 47. 6 BGH v. 15.10.1996 – VI ZR 319/95, (Z) NJW 1997, 130, 132; vgl. auch Fleischer, NZG 2003, 452. 7 Sternberg-Lieben/Schuster in S/S-StGB, § 15 Rz. 217; Raum in W/J, Kap. 4 Rz. 35 ff.; Krause in Krieger/Schneider, Hb Managerhaftung, § 35 Rz. 25 ff.; Krekeler/Werner, Unternehmer (2006), S. 24 Rz. 54. 8 BGH v. 6.7.1990 – 2 StR 549/89, BGHSt 37, 106, 123. 9 BGH v. 6.7.1990 – 2 StR 549/89, BGHSt 37, 106, 124. 10 BGH v. 6.4.2000 – 1 StR 280/99, BGHSt 46, 30, 35; BGH v. 20.5.2010 – 5 StR 138/1, NStZ-RR 2010, 311, 312. 11 Zu den Grundkonstellationen Fleischer, NZG 2003, 454. 12 OLG Koblenz v. 22.11.2007 – 6 U 1170/07, NZG 2008, 397, 400; vgl. ferner Preussner/Pananis, BKR 2004, 355; Pietzke, CCZ 2010, 46. 13 Vgl. BGH v. 6.7.1990 – 2 StR 549/89, BGHSt 37, 106, 124; Fleischer, NZG 2003, 454; Peters, GmbHR 2008, 686; Hoffmann/Holland/Singelnstein in G/J/W, § 25 StGB Rz. 125. 14 Spindler in MüKo-AktG, § 93 Rz. 156; Matt in M/R-StGB, § 266 Rz. 111. 15 BGH v. 15.10.1996 – VI ZR 319/95, (Z) NJW 1997, 130, 132; Spindler in MüKo-AktG, § 93 Rz. 152; Saliger, Umweltstrafrecht (2012), Rz. 165.

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Saliger

Rz. 54 § 266 StGB

triebenen Serienprodukts“ bejaht. Insoweit war darüber zu entscheiden gewesen, ob ressortübergreifende Maßnahmen wie ein Vertriebsstopp und eine Warn- oder Rückrufaktion hätten initiiert werden müssen.1 Darüber hinaus kann sich im Einzelfall eine Pflicht zum Einschreiten des nicht zuständigen Organmitglieds aus 54 dem konkreten Verdacht der pflichtwidrigen Geschäftsausübung durch den zuständigen Geschäftsleiter ergeben.2 Das setzt zunächst tatsächliche konkrete Anhaltspunkte voraus, die die Gefahr begründen, dass „die Erfüllung der der Gesellschaft obliegenden Aufgaben durch den zuständigen Geschäftsführer nicht mehr gewährleistet ist“.3 In diesem Fall ist auch der ressortfremde Geschäftsleiter zum Eingreifen etwa durch Rückfrage oder eigene Nachprüfung verpflichtet.4 Erforderlich ist also im Grundsatz, dass sich Fehlentwicklungen im fremden Ressort abzeichnen.5 Denn auf das Vertrauen in eine ordnungsgemäße Geschäftsführung darf sich der nicht zuständige Geschäftsleiter dann nicht mehr berufen, wenn konkrete Anhaltspunkte für Zweifel oder Unstimmigkeiten in der Amtsführung des zuständigen Organs vorliegen.6 Insoweit schützt der Vertrauensgrundsatz nicht blindes, sondern nur berechtiges Vertrauen.7 Dabei ist aber zu beachten, dass keine generelle Pflicht zum Misstrauen besteht, die primäre Ressortverantwortung des Geschäftsorgans für seinen Zuständigkeitsbereich also nicht durch eine extensive Auslegung der Verdachtsmomente im Ergebnis wieder aufgehoben wird. So hat der BGH bei der Kreditvergabe durch ein Gremium im Falle des Einstimmigkeitsprinzips entschieden, dass sich der Vorstandsvorsitzende grundsätzlich auf den Bericht des Kreditsachbearbeiters und des Kreditvorstands verlassen darf, es sei denn, es gehe um besonders hohe Risiken.8 Dafür spricht, dass die Kompetenzverteilung in einem Kollegialorgan nicht nur eine Entlastung für den unzuständigen Geschäftsleiter bedeutet, sondern auch den Kompetenzbereich des zuständigen Geschäftsleiters sichert.9 Insoweit müssen die Mitglieder des Kollegialorgans auf die Ressortzuständigkeit der anderen Geschäftsleitungsmitglieder Rücksicht nehmen10 und dürfen sich grundsätzlich nicht „in den Bereich des anderen Ressorts aktiv einmischen“.11 Das gilt umso mehr, als die Einmischung in den Bereich eines spezialisierten Kollegen grundsätzlich als störend und illoyal angesehen wird und deshalb unerwünscht ist.12 Davon abgesehen bestimmen sich die näheren Voraussetzungen für eine Interventionspflicht des ressortunzuständigen Organs nach Art und Ausmaß der Eigenverantwortung der ressortzuständig Handelnden, um eine Verwischung der Grenzen der individuellen Verantwortlichkeiten zu vermeiden und den ressortfremden Geschäftsleiter nicht zu einem pauschalen „Reserveverantwortlichen“ zu stilisieren. Denn je selbständiger eine Person eine Aufgabe wahrnimmt, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit einer Spezialisierung und Intensivierung ihrer Fachkenntnis und desto stärker darf folglich das Vertrauen des nicht zuständigen Geschäftsleiters in die Ordnungsgemäßheit des Handelns des zuständigen Organmitglieds sein.13 Ein zum Einschreiten verpflichtender Verdacht der pflichtwidrigen Geschäftsausübung kann danach und mit Blick auf die Beschränkung des Pflichtwidrigkeitsmerkmals auf schwere und evidente Fälle durch das BVerfG (oben Rz. 4, 32 ff.) erst dann vorliegen, wenn die Geschäftsausübung durch den ressortzuständigen Geschäftsleiter in erheblichem Maße pflichtwidrig ist und die Zweifel an der ordnungsgemäßen Geschäftsausübung offensichtlich zu Tage treten.14 Das ist z.B. der Fall für eine Berichterstattung des ressortzuständigen Geschäftsleiters, die erkennbar wesentliche Bereiche ausspart, auf systematisch unzutreffenden Annahmen beruht (z.B. systematisch unzureichende Risikoerfassung im Kreditbereich) oder offensichtlich widersprüchlich ist.15 Insoweit ist der konkrete Verdacht ex-ante aus der Perspektive des konkreten Unternehmens und des betroffenen Geschäftsbereichs zu bestimmen, wobei die Beurteilung der Fehlentwicklung anhand eines Vergleichs zur bekannten und bewährten Unternehmenspraxis vorzunehmen ist. Bestehen schon keine signifikanten Abweichungen von dieser Normalität, so kann auch kein untreuerelevanter Verdacht auf eine nicht ordnungsgemäße Geschäftsführung ausgelöst werden.16 Im Einzelnen sind zu berücksichtigen: Unternehmensgröße und -gegenstand, die Bedeutung der jeweiligen Geschäfte, die Art der jeweiligen Aufgaben, persönliche Fähigkeiten des Geschäftsleitungsmitglieds, seine Erfahrung und

1 BGH v. 6.7.1990 – 2 StR 549/89, BGHSt 37, 106, 124. 2 OLG Koblenz v. 22.11.2007 – 6 U 1170/07, NZG 2008, 397, 400; Spindler in MüKo-AktG, § 93 Rz. 154; Fleischer, NZG 2003, 454. 3 BGH v. 15.10.1996 – VI ZR 319/95, (Z) NJW 1997, 130, 132. 4 BGH v. 15.10.1996 – VI ZR 319/95, (Z) NJW 1997, 130, 132; BGH v. 6.4.2000 – 1 StR 280/99, BGHSt 46, 30, 35. 5 OLG Koblenz v. 22.11.2007 – 6 U 1170/07, NZG 2008, 397, 398; Fleischer, NZG 2003, 454; Spindler in MüKo-AktG, § 93 Rz. 152. 6 BGH v. 6.4.2000 – 1 StR 280/99, BGHSt 46, 30, 35; BGH v. 20.5.2010 – 5 StR 138/1, NStZ-RR 2010, 311, 312; SchmidtSalzer, NJW 1988, 1940; Deutscher/Körner, wistra 1996, 330. 7 Vgl. Neudecker, Verantwortlichkeit, S. 61. 8 BGH v. 6.4.2000 – 1 StR 280/99, BGHSt 46, 30, 35; das gelte auch für weitere Beteiligte wie die Mitglieder eines Kreditausschusses. 9 OLG Koblenz v. 22.11.2007 – 6 U 1170/07, NZG 2008, 397, 399; Fleischer, NZG 2003, 455; Neudecker, Verantwortlichkeit, S. 168. 10 Fleischer, NZG 2003, 455; Neudecker, Verantwortlichkeit, S. 169. 11 OLG Koblenz v. 22.11.2007 – 6 U 1170/07, NZG 2008, 397, 399. 12 Heimbach/Boll, VersR 2001, 803. 13 Große-Vorholt, Wirtschaftsstrafrecht, Rz. 75; Neudecker, Verantwortlichkeit, S. 168. 14 Vgl. auch Krekeler/Werner, Unternehmer, S. 24 Rz. 54; Große-Vorholt, Wirtschaftsstrafrecht, Rz. 74. 15 Vgl. Fleischer, NZG 2003, 455; Fischer, StGB, § 266 Rz. 73d. 16 Vgl. OLG Koblenz v. 22.11.2007 – 6 U 1170/07, NZG 2008, 397, 400.

Saliger

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StGB

Untreue

StGB

§ 266 StGB Rz. 55

Strafgesetzbuch

bisherige Bewährung in dem jeweiligen Ressort.1 Wie die Dogmatik zum grundsätzlich zulässigen Institut des Doppelmaklers zeigt, der für beide Vertragsparteien etwa eines Grundstücksverkaufs tätig wird,2 begründet auch die bloße Möglichkeit einer Interessenkollision beim zuständigen Geschäftsleiterkollegen noch keine Interventionspflicht. 55

Die Relevanz der Eigenverantwortlichkeit des Handelns für die Bestimmung der individuellen Verantwortlichkeit findet Bestätigung in der Figur des faktischen Geschäftsführers. Die inzwischen überwiegende Ansicht in Rspr. und Schrifttum bejaht bei einer Person, die zwar nicht formal als Geschäftsführer bestellt wurde, aber tatsächlich die Aufgaben eines Geschäftsführers wahrnimmt und von der betriebsintern wie -extern alle Dispositionen des Unternehmens ausgehen, die Eigenschaft als Geschäftsführer und Vermögensbetreuungspflichtiger i.S.d. § 266 StGB (oben Rz. 26 m.w.N.).3 Unter Berücksichtigung der Eigenverantwortlichkeit wird zunehmend die Strafbarkeit des formellen Geschäftsführers neben dem faktischen Organ bezweifelt und eine strafrechtliche Verantwortlichkeit auch des formal bestellten Geschäftsführers davon abhängig gemacht, dass eine auf seine formelle Rechtsposition gegründete Einflussnahme des formellen Geschäftsführers auf die Geschäftsführung bestand.4 Unter radikalisierender Berücksichtigung des Grundsatzes der Eigenverantwortung wird von einer rein faktischen Betrachtung eine Vermögensbetreuungspflicht des formal bestellten, faktisch aber machtlosen Geschäftsführers sogar gänzlich abgelehnt.5 (3) Weitere Beispiele

56

Nach der Rspr. kommt eine Treubruchsuntreue in folgenden weiteren Fällen in Betracht: unordentliche Buchführung (näher unten Rz. 91), eigenmächtige Vergütung der Arbeit durch Vorsitzenden eines gemeinnützigen Vereins aus Vereinsvermögen,6 Einstellung von Tarifbeschäftigten im Öffentlichen Dienst in zu hohen Erfahrungsstufen,7 Falschbuchungen zur Verschleierung von Unterschleifen, um Ersatzansprüche zu vereiteln,8 Gebührenschinderei (Churning) durch Anlageberater,9 Zahlung von Geldstrafen – nicht Verfahrenskosten – für Mitarbeiter durch Vorsteher eines Abwasserverbandes aus Mitteln des Verbandes (vgl. auch Rz. 119 m.w.N.),10 Kick-Back-Zahlungen als Tun (näher Rz. 81),11 Akzeptierung überhöhter Preise,12 pflichtwidrige Reisekostenabrechnungen (dazu bereits Rz. 49)13 und pflichtwidrige Abrechnung von privaten Kosten (dazu schon Rz. 49),14 Einrichtung und Unterhaltung von schwarzen Kassen (näher Rz. 97 f.), zweckwidrige Verwendung anvertrauten Geldes.15 Zur Auslösung von Schadensersatzansprüchen Rz. 95. Zur Treubruchsuntreue durch Front-Running und Scalping Dierlamm in MüKo-StGB, § 266 Rz. 195.

1 Spindler in MüKo-AktG, § 93 Rz. 152; Esser in AnwK-StGB, § 266 Rz. 22; Fleischer, NZG 2003, 453 f.; Loeck, Strafbarkeit, S. 262. 2 Vgl. BGH v. 25.10.1967 – VIII ZR 215/66, (Z) NJW 1968, 150, 151; BGH v. 16.1.1970 – IV ZR 1162/68, (Z) NJW 1970, 1075, 1076; BGH v. 30.4.2003 – III ZR 318/02, (Z) NJW-RR 2003, 991; Roth in MüKo-BGB6 (2012), § 654 Rz. 7 ff.; Arnold in Staudinger, BGB, § 654 Rz. 8 ff. 3 Ferner BGH v. 28.6.1966 – 1 StR 414/65, BGHSt 21, 101; BayObLG v. 20.2.1997 – 5 St RR 159/96, NJW 1997, 1936; Schünemann in LK-StGB, § 266 Rz. 246; Sahan, FS-Imme Roxin (2012), S. 295 ff.; Fischer, Vor § 283 Rz. 23; Schumacher, Vermögensbetreuungspflichten (2010), S. 24 f. 4 OLG Hamm v. 10.2.2000 – 1 Ss 1337/99, NStZ-RR 2001, 173, 174; Fischer, StGB, Vor § 283 Rz. 23; Perron in S/S-StGB, § 266 Rz. 33. 5 Sahan, FS I. Roxin, S. 299 ff. 6 LG Lübeck v. 5.2.2014 – 3 Ns 89/13, juris, Rz. 156. 7 BGH v. 24.5.2016 – 4 StR 440/15, BeckRS 2016, 10401, S. 4 ff. 8 BGH v. 18.4.1961 – 1 StR 602/60, JurionRS 1961, 14033. 9 Vgl. BGH v. 22.11.1994 – XI ZR 45/91, NJW 1995, 1225, 1226. 10 BGH v. 7.11.1990 – 2 StR 439/90, NJW 1991, 990, 991; anderes gilt für die Privatwirtschaft unter den Voraussetzungen, dass etwa bei einer AG der Aufsichtsrat die Übernahme der Geldstrafe, Geldauflage oder Geldbuße beschließt bzw. mit Zustimmung der Hauptversammlung, wenn die von dem Vorstandsmitglied begangene Straftat zugleich eine Pflichtverletzung gegenüber der AG begründet, so BGH v. 8.7.2014 – II ZR 174/13, NZWiSt 2015, 315, 316 f. m. Anm. Küpper. 11 BGH v. 2.12.2005 – 5 StR 119/05, BGHSt 50, 299, 315. 12 Vgl. BGH v. 23.5.2002 – 1 StR 372/01, BGHSt 47, 295, 299; BGH v. 29.6.2006 – 5 StR 485/05, NJW 2006, 2864, 2867. 13 LG Essen v. 14.11.2014 – 35 KLs 14/13, BeckRS 2016, 04218, S. 106 – Fall Middelhoff – m. instruktiver Anm. Köllner/ Lendermann, NZI 2016, 476. Treuepflichtverletzungen in bezug auf die Reisekosten wurden u.a. verneint in den Fällen „Vorstandswochenenden“, bei Reisen mit dienstlichem Mit-Reiseanlass und ohne Mehrkosten durch privaten Mit-Reiseanlass sowie bei einer Reise zu einem Termin mit nur mittelbarem dienstlichem Zusammenhang, aber ohne Mehrkosten. 14 BGH v. 12.12.2013 – 3 StR 146/13, NStZ 2015, 220, 223 m. krit. Anm. Klemm: Buffetkosten für Feier einer Silberhochzeit; LG Essen v. 14.11.2014 – 35 KLs 14/13, BeckRS 2016, 04218, S. 106 f. – Fall Middelhoff. 15 BGH v. 8.5.1951 – 1 StR 171/51, BGHSt 1, 186, 189 f.; BGH v. 16.6.1953 – 1 StR 67/53, BGHSt 5, 61, 64; BGH v. 12.12.1958 – 5 StR 475/58, BGHSt 12, 207, 210; BGH v. 20.3.2008 – 1 StR 488/07, wistra 2008, 343, 344.

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Saliger

Rz. 58 § 266 StGB

3. Einverständnis a) Funktion und Erscheinungsformen Das (ausdrückliche oder stillschweigende) Einverständnis des Vermögensinhabers erweitert die Handlungs- 57 befugnis des Treunehmers und schließt daher grundsätzlich die Pflichtwidrigkeit und damit Tatbestandsmäßigkeit des Treunehmerhandelns aus (heute h.M.).1 Das gilt auch für das mutmaßliche Einverständnis.2 Das Einverständnis muss im Zeitpunkt der Tat als Zustimmung manifest sein,3 eine nachträgliche Genehmigung führt nicht zum Tatbestandsausschluss.4 Aus diesem Grund ist auch ein hypothetisches Einverständnis des Treugebers in Gestalt einer hypothetisch nachträglichen Zustimmung bei ausreichender Aufklärung nicht als Tatbestandsausschluss anzuerkennen, zumal diese Figur bereits im Arztstrafrecht den Rechtsgüterschutz schwächt5 und zudem bei der Untreue im Hinblick auf das besondere Verhältnis zwischen Treugeber und Treunehmer überflüssig ist.6 Wer Vermögensinhaber und damit dispositionsbefugt ist, richtet sich nach den einschlägigen zivilrechtlichen und öffentlichrechtlichen Normen.7 Bei Gesellschaften ist maßgebend, wer – materiell – als Vermögensinhaber oberstes Willens(bildungs)organ in der jeweiligen Gesellschaft ist und – formell – zugleich über signifikante Handlungskompetenzen verfügt (näher Rz. 107 ff.).8 Bei einer Stiftung etwa ist dispositionsbefugt das Kuratorium,9 bei einer kommunalen GmbH die Gemeinde als Alleingesellschafterin bzw. deren organschaftlicher Vertreter.10 b) Allgemeine Wirksamkeitsvoraussetzungen Abweichend von der herrschenden Unterscheidung zwischen Einverständnis und Einwilligung11 besitzt das Ein- 58 verständnis bei der Untreue mit dem Tatbestandsausschluss unstreitig nur die Funktion des allgemeinen Einverständnisses, im Übrigen teilt es die Voraussetzungen der Einwilligung. Demnach ist ein Einverständnis des Vermögensinhabers nur beachtlich, wenn es rechtlich wirksam ist. Ein „natürliches“ Einverständnis genügt nicht. Wirksam ist ein Einverständnis, wenn der Vermögensinhaber einwilligungsfähig ist, er über Art und Tragweite seiner Zustimmung grundsätzlich orientiert ist und die Zustimmung nicht an Willensmängeln (Irrtum, Zwang, Täuschung etc.), sofern sie rechtsgutsbezogen sind,12 leidet.13 Insoweit kann ein wirksames Einverständnis voraussetzen, dass der Vermögensinhaber über die Folgen seiner Zustimmung vorher aufgeklärt wurde, obwohl geschäftliche Unerfahrenheit an sich einem Einverständnis nicht die tatbestandsausschließende Wirkung entzieht.14 Insbesondere bei Risikogeschäften (vgl. unten Rz. 60 ff.) kommt die Unwirksamkeit eines Einverständnisses in Betracht, wenn etwa der in geschäftlichen Dingen unerfahrene Vermögensinhaber gezielt nicht (hinreichend) 1 BGH v. 17.6.1952 – 1 StR 668/51, BGHSt 3, 23, 24 f.; BGH v. 29.5.1987 – 3 StR 242/86, BGHSt 34, 379, 384 ff.; BGH v. 13.5.2004 – 5 StR 73/03, BGHSt 49, 147, 157 f.; BGH v. 21.12.2005 – 3 StR 470/04, BGHSt 50, 331, 342; BGH v. 20.7.1999 – 1 StR 668/98, NJW 2000, 154, 155; BGH v. 29.8.2008 – 2 StR 587/07, NJW 2009, 89, 91; BGH v. 10.2.2009 – 3 StR 372/08, NJW 2009, 2225, 2227; BGH v. 30.8.2011 – 3 StR 228/11, ZWH 2012, 22; BGH v. 15.5.2012 – 3 StR 118/11, NStZ 2012, 630, 632; Saliger in S/S/W-StGB, § 266 Rz. 58; Fischer, StGB, § 266 Rz. 90; Heger in Lackner/Kühl, StGB, § 266 Rz. 20; Perron in S/S-StGB, § 266 Rz. 21; Schünemann in LK-StGB, § 266 Rz. 124; Kindhäuser in NK-StGB, § 266 Rz. 66; Hoyer in SK-StGB, § 266 Rz. 58; Dierlamm in MüKo-StGB, § 266 Rz. 143, 200; Seier in A/R/R, Rz. 88; Esser in AnwK-StGB, § 266 Rz. 112; Matt in M/R-StGB, § 266 Rz. 92; Schramm, Untreue, S. 46 ff., 285 f. und Schramm in M/G, § 266 StGB Rz. 74; für Rechtfertigung früher BGH v. 24.6.1952 – 1 StR 153/52, BGHSt 3, 32 (39 f.); 9, 203 (216); offengelassen in BGH v. 23.10.1981 – 2 StR 477/80, BGHSt 30, 247, 249. 2 Str., wie hier: Fischer, StGB, § 266 Rz. 90; Saliger in S/S/W-StGB, § 266 Rz. 58; Dierlamm in MüKo-StGB, § 266 Rz. 145; Seier in A/R/R, Rz. 88; Schünemann in LK-StGB, § 266 Rz. 157; Schramm, Untreue, S. 227 ff., 287 f.; Esser in AnwKStGB, § 266 Rz. 116 ff.; Matt in M/R-StGB, § 266 Rz. 92. A.A. Perron in S/S-StGB, § 266 Rz. 48: Rechtfertigungsgrund; Kindhäuser in NK-StGB, § 266 Rz. 124; Wessels/Hillenkamp, Rz. 786. 3 Vgl. Schramm, Untreue, S. 175 ff., 186, 287. 4 KG v. 4.11.2014 – 2 Ws 298/14 – 161 AR 16/14, BeckRS 2014, 22076, S. 5; Saliger in S/S/W-StGB, § 266 Rz. 58; Kindhäuser in NK-StGB, § 266 Rz. 66; Schünemann in LK-StGB, § 266 Rz. 124; Dierlamm in MüKo-StGB, § 266 Rz. 143; Matt in M/R-StGB, § 266 Rz. 92; krit. Schramm in M/G, § 266 StGB Rz. 77. 5 Vgl. stellvertretend die Kritik von Sowada, NStZ 2012, 1 und Saliger, FS Beulke (2015), S. 257. 6 Str., wie hier: Saliger in S/S/W-StGB, § 266 Rz. 58; Anders, Untreue zum Nachteil der GmbH (2012), S. 115 f.; vgl. ferner Esser in AnwK-StGB, § 266 Rz. 116 ff.; Fischer, StGB, § 266 Rz. 90; Perron in S/S-StGB, § 266 Rz. 21; Corsten, Einwilligung in die Untreue (2011), S. 38 f. A.A. OLG Hamm v. 21.8.2012 – III-4 RVs 42/12, 4 RVs 42/12, ZWH 2012, 457, 458 – obiter dictum – m. Anm. Tsambikakis, ZWH 2012, 514; Rönnau, StV 2011, 755 f.; Schramm in M/G, § 266 StGB Rz. 81. 7 Eingehend Schramm, Untreue, S. 74 ff.; Soyka, Untreue, S. 141 ff.; Corsten, Einwilligung (2011), S. 68 ff. 8 Saliger in S/S/W-StGB, § 266 Rz. 58; vgl. ferner BGH v. 24.6.2010 – 3 StR 90/10, wistra 2010, 445, 447; BGH v. 27.8.2010 – 2 StR 111/09, BGHSt 55, 266, 278; BGH v. 15.5.2012 – 3 StR 118/11, NStZ 2012, 630, 632 f.; OLG Jena v. 12.1.2011 – 1 Ws 352/10, wistra 2011, 315, 317. 9 BGH v. 24.6.2010 – 3 StR 90/10, wistra 2010, 445, 447. 10 OLG Jena v. 12.1.2011 – 1 Ws 352/10, wistra 2011, 315, 316 f. 11 Dazu stellvertretend Lencker/Sternberg-Lieben in S/S-StGB, Vor §§ 32 ff. Rz. 29 ff. 12 Schramm, Untreue, S. 208 ff., 287 und Schramm in M/G, § 266 StGB Rz. 80. 13 Fischer, StGB, § 266 Rz. 92; Saliger in S/S/W-StGB, § 266 Rz. 59; Seier in A/R/R, Rz. 89; Kindhäuser in NK-StGB, § 266 Rz. 67; Matt in M/R-StGB, § 266 Rz. 93. 14 Dierlamm in MüKo-StGB, § 266 Rz. 144.

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Untreue

StGB

§ 266 StGB Rz. 59

Strafgesetzbuch

über die hohen Vermögensrisiken aufgeklärt wird.1 Ist ein Einverständnis unwirksam, so greifen die allgemeinen Sorgfaltsregeln des Geschäftsbereichs (Rz. 34, 62).2 Die Unwirksamkeit eines Einverständnisses kann sich auch daraus ergeben, dass rechtsgutsbezogene gesetzliche Voraussetzungen fehlen, dass es erschlichen oder durch Rechtsmissbrauch (z.B. Kollusion) erlangt wurde oder dass es gegen rechtsgutsbezogene gesetzliche Vorgaben verstößt und insoweit selbst treuwidrig ist.3 Das gilt etwa für die Zustimmung zu zweckwidriger Mittelverwendung durch die Studentenvertretung,4 für die unwirksame Zustimmung eines kirchlichen Aufsichtsorgans,5 für die satzungswidrige Zustimmung durch die Mitgliederversammlung eines Vereins6 oder die unwirksame Zustimmung des zukünftigen Alleinaktionärs bei einer AG,7 nicht aber, wenn die Gesellschafter ihr Einverständnis in eine Vermögensverfügung des Geschäftsführers erteilen, die unter Verstoß gegen Buchführungspflichten erfolgt.8 59

Besonderheiten gelten für die Einhaltung von Formvorschriften. So ist heute anerkannt, dass die Einwilligung der Gesamtheit der Gesellschafter einer GmbH für ein strafrechtlich wirksames Einverständnis selbst dann genügt, wenn ein förmlicher Beschluss gem. §§ 47 ff. GmbHG fehlt.9 Sehr streitig ist dagegen, ob ein förmlicher Beschluss auch bei einem Einverständnis bloß der Mehrheit der Gesellschafter entbehrlich ist. Der 2. Strafsenat hat diese Frage im Fall Trienekens offengelassen und die Wirksamkeit des Einverständnisses der Gesellschaftermehrheit mit der Begründung verneint, dass ein tatbestandsausschließendes Einverständnis durch eine Gesellschaftermehrheit stets die inhaltliche Befassung auch der Minderheitsgesellschafter mit der Frage der Billigung voraussetze, woran es vorliegend gefehlt hat.10 In der Sache läuft diese Position auf die formale Einverständnistheorie hinaus, wonach die Einhaltung des Verfahrens unverzichtbare Wirksamkeitsvoraussetzung ist.11 Das überzeugt nicht, weil die gesellschaftsrechtlichen Formvorschriften dem Schutz der Partizipationsinteressen der Gesellschafter und nicht dem Schutz des Gesellschaftsvermögens dienen. Um eine verfassungswidrige Rechtsgutsvertauschung zu vermeiden (vgl. Rz. 32, 36 ff.), ist daher die materielle Einverständnistheorie vorzugswürdig, derzufolge eine Verletzung von Verfahrens- und Formvorschriften über die Beschlussfassung grundsätzlich irrelevant ist.12 Davon abgesehen setzt eine wirksame Einwilligung stets die Kenntnis der zuständigen Stelle voraus.13 Weitere Grenzen der Dispositionsmacht des Vermögeninhabers bestehen insbesondere für Risikogeschäfte in bestimmten Lebensbereichen (Rz. 61). Sehr streitig und praxisrelevant sind Fragen des Einverständnisses bei der GmbH (dazu näher Rz. 108) und anderen juristischen Personen (zur AG s. Rz. 110; zur KG, GmbH & Co. KG und KGaA s. Rz. 111). 4. Risikogeschäft

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Es ist allgemeine Meinung, dass das bloße Eingehen riskanter Geschäfte grundsätzlich schon ebensowenig eine strafbare Untreue begründet wie der schiere Fehlschlag solcher Geschäfte (auch oben Rz. 8).14 Ansonsten drohte eine Lähmung des gesamten Wirtschaftslebens, wenn die Untreue mit der Kriminalisierung des geschäftlichen Wagnisses an sich z.B. jede Kreditvergabe unter Strafe stellen würde.15 Andererseits begeht unstreitig derjenige regelmäßig (jenseits der Gestattung durch den Treugeber) eine strafbare Untreue, der „nach Art eines Spielers“ bewusst und entgegen den Regeln kaufmännischer Sorgfalt eine aufs äußerste gesteigerte Verlustgefahr auf sich 1 Vgl. BGH v. 7.11.1996 – 4 StR 423/96, NStZ 1997, 124, 125; Fischer, StGB, § 266 Rz. 91; Saliger in S/S/W-StGB, § 266 Rz. 59; Kindhäuser in NK-StGB, § 266 Rz. 67; Dierlamm in MüKo-StGB, § 266 Rz. 144. 2 Kindhäuser in NK-StGB, § 266 Rz. 67. 3 BGH v. 21.12.2005 – 3 StR 470/04, BGHSt 50, 331, 342; BGH v. 29.5.1987 – 3 StR 242/86, BGHSt 34, 379, 384 ff.; BGH v. 24.8.1988 – 3 StR 232/88, BGHSt 35, 333, 335 ff.; BGH v. 24.6.2010 – 3 StR 90/10, wistra 2010, 445, 447; BGH v. 11.12.2014 – 3 StR 265/14, NJW 2015, 1618, 1620 f.; OLG Jena v. 12.1.2011 – 1 Ws 352/10, wistra 2011, 315, 317; KG v. 4.11.2014 – 2 Ws 298/14 – 161 AR 16/14, BeckRS 2014, 22076, S. 5; Fischer, StGB, § 266 Rz. 92; Kindhäuser in NK-StGB, § 266 Rz. 67; Saliger in S/S/W-StGB, § 266 Rz. 59; Dierlamm in MüKo-StGB, § 266 Rz. 144; Schramm in M/G, § 266 StGB Rz. 80. 4 BGH v. 23.10.1981 – 2 StR 477/80, BGHSt 30, 247, 249. 5 BGH v. 28.1.1983 – 1 StR 820/81, NJW 1983, 1807. 6 OLG Hamm v. 29.4.1999 – 2 Ws 71/99, wistra 1999, 350, 353. 7 BGH v. 21.12.2005 – 3 StR 470/04, BGHSt 50, 331, 342 f. 8 BGH v. 27.8.2010 – 2 StR 111/09, BGHSt 55, 266, 279. 9 Vgl. BGH v. 21.12.2005 – 3 StR 470/04, BGHSt 50, 331, 342; OLG Jena v. 12.1.2011 – 1 Ws 352/10, wistra 2011, 315, 317; Perron in S/S-StGB, § 266 Rz. 21; Fischer, StGB, § 266 Rz. 95; Saliger, FS I. Roxin (2012), S. 1066; Hoffmann, Untreue und Unternehmensinteresse (2010), S. 192 ff. 10 BGH v. 27.8.2010 – 2 StR 111/09, BGHSt 55, 266, 279 f. m. Anm. u.a. von Hoffmann, GmbHR 2010, 1146; Saliger, FS I. Roxin (2012), 1053. 11 So etwa Tiedemann, Wirtschaftsstrafrecht AT § 4 Rz. 217; Busch, Konzernuntreue (2004), S. 147; Lichtenwimmer, Untreueschutz der GmbH (2008), S. 125. 12 Schramm in M/G, § 266 StGB Rz. 90, und Schramm, Untreue und Konsens (2005), S. 137; Ransiek in FS Kohlmann, S. 216 f.; Hoffmann, GmbHR 2010, 1150 f. und Hoffmann, Untreue und Unternehmensinteresse (2010), S. 197; Saliger, FS I. Roxin (2012), S. 1067. 13 BGH v. 30.9.2010 – 4 StR 150/10, NStZ-RR 2011, 82, 83. 14 BGH v. 4.2.2004 – 2 StR 355/03, StV 2004, 424; gegen den in der Praxis häufigen Rückschluss vom ex-post-Vermögensnachteil auf die ex-ante-Pflichtverletzung Samson/Günther in SK-StGB, § 266 Rz. 21. 15 Saliger in S/S/W-StGB, § 266 Rz. 61; Schünemann in LK-StGB, § 266 Rz. 95; Kindhäuser in NK-StGB, § 266 Rz. 73; Kohlmann/Löffeler, Verantwortlichkeit, Rz. 316; Martin, Bankuntreue, S. 98.

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Rz. 61 § 266 StGB

nimmt, nur um eine höchst zweifelhafte Gewinnaussicht zu erhalten.1 Damit gerät das Problem der Abgrenzung erlaubter von unerlaubten Risiken in das Zentrum des Verhältnisses von Risikogeschäft und Untreue. Allerdings leidet die Abgrenzung bis heute daran, dass der Begriff des Risikogeschäfts (gewagtes Geschäft) unklar bzw. streitig ist. Auf eine Klärung kann nicht verzichtet werden,2 weil vom Begriff des Risikogeschäfts die rechtssichere Anwendbarkeit der zu ihm entwickelten Dogmatik abhängt.3 Zweckmäßigerweise ist unter Risikogeschäft ein Geschäft zu verstehen, bei dem die Prognose, ob es zu einem Gewinn oder Verlust führt, geschäftsimmanent mit einem erhöhten Maß an Ungewissheit behaftet ist.4 Risikogeschäfte sind danach die klassischen Finanzierungsgeschäfte der Kreditvergabe (Rz. 120 ff.), der Sanierung sowie Börsen-, Termin- und andere Spekulationsgeschäfte, auch die angestrebte Erhöhung der Eigenkapitalquote einer Bank durch RWA-Entlastungsgeschäfte.5 Keine Risikogeschäfte sind entgegen der überwiegenden Meinung6 Schmiergeldzahlungen, Parteienuntreue und Investionsgeschäfte in Werbung, Forschung und Lagerhaltung. Das Risiko der (Nicht-)Entdeckung einer Pflichtverletzung bzw. Straftat (Schmiergeldzahlung, Parteienuntreue) macht ein Geschäft noch nicht zu einem Risikogeschäft, weil das Geschäft in diesen Fällen eindeutig pflichtwidrig ist und sich deshalb das für das Risikogeschäft typische Problem der Abgrenzung erlaubter von unerlaubter Vermögensrisiken nicht stellt.7 Auch Investitionsgeschäfte in Werbung oder Forschung markieren mangels geschäftsimmanent erhöhten Prognoserisikos keine Risikogeschäfte, sondern bezeichnen Geschäfte, für die der normale unternehmerische Gestaltungsspielraum greift (vgl. Rz. 46 ff.). Das Gleiche gilt für einen schieren Vergleichsschluss8 und die Gewährung von Anerkennungsprämien.9 Gegen die Begriffsbestimmung lässt sich daher nicht einwenden, sie würde bereits im Begriff des Risikogeschäfts eine normative Auslese erlaubter Risiken betreiben.10 Überhaupt ist zu fragen, worin der Erkenntnisgewinn liegt, Schmiergeldzahlungen erst in den Begriff des Risikogeschäfts einzubeziehen, um später festzustellen, dass sie regelmäßig jenseits des vom Geschäftsherrn konsentierbaren Risikos liegen.11 Hinreichend trennscharf12 ist die hiesige Begriffsbestimmung auch gegenüber dem normalen Wirtschaftsgeschäft, das wie jede menschliche Unternehmung das Risiko eines Fehlschlags in sich birgt. Unterscheidungskriterium ist das für das Risikogeschäft typische erhöhte Maß an Prognoseungewissheit.13 Risikogeschäfte unterliegen grundsätzlich den beim Einverständnis (Rz. 57 f.) und beim unternehmerischen Ge- 61 staltungsspielraum (Rz. 46 ff.) aufgestellten allgemeinen Regeln. Danach beurteilt sich das Risikogeschäft mit der heute h.M. ex-ante aus dem Innenverhältnis zum Vermögensinhaber und bezeichnet daher primär eine Frage der Pflichtwidrigkeit,14 nicht erst eine Frage des Vermögensnachteils.15 Diese Maßgeblichkeit der ex-ante-Perspektive und die verfassungsrechtlichen Restriktionen auf allen Ebenen der tatbestandlichen Prüfung (vgl. Rz. 4, 8, 32, 65 f., 86 f., 128 f.) setzen auch dem Bestreben Grenzen, die Ursachen der Banken- und Finanzkrise mit den Mitteln des Untreuestrafrechts extensiv „aufarbeiten“ zu wollen (dazu auch Rz. 63).16 Im Einzelnen gilt: Hat der 1 RG JW 1935, 2639; BGH v. 27.2.1975 – 4 StR 571/74, NJW 1975, 1234, 1236; BGH v. 8.3.1977 – 5 StR 607/76, GA 1977, 342, 343; BGH v. 12.6.1990 – 5 StR 268/89, NJW 1990, 3220; BGH v. 4.2.2004 – 2 StR 355/03, StV 2004, 424, 425. 2 So aber Martin, Bankuntreue, S. 100; vgl. auch Schünemann in LK-StGB, § 266 Rz. 115. 3 Vgl. BGH v. 21.12.2005 – 3 StR 470/04, BGHSt 50, 331, 343 ff.; ferner Waßmer, Untreue, S. 5; Rose, wistra 2005, 282. 4 Saliger in S/S/W-StGB, § 266 Rz. 61; vgl. ferner – die Bestimmungen verbindend – BGH v. 4.2.2004 – 2 StR 355/03, StV 2004, 424 (Geschäfte, die das Risiko des Vermögensverlustes beinhalten) und Perron in S/S-StGB, § 266 Rz. 20 bzw. zust. Seier in A/R/R, Rz. 391. 5 Dazu LG Hamburg v. 9.7.2014 – 608 KLs 12/11, BeckRS 2015, 09104, I. 6. 6 Vgl. aus der Rspr. BGH v. 27.2.1975 – 4 StR 571/74, NJW 1975, 1234, 1235 für Schmiergeldzahlungen im Bundesligaskandal-Fall, die ähnlich wie Risikogeschäfte zu beurteilen seien; zur Werbung BGH v. 11.11.1959 – 2 StR 376/59, WM 1960, 203; ferner Seier in A/R/R, Rz. 391; Kindhäuser in NK-StGB, § 266 Rz. 73 ff.; Schünemann in LK-StGB, § 266 Rz. 95; Hellmann, ZIS 2007, 433 f.; Hillenkamp, NStZ 1981, 165; Burger, Untreue, S. 83 ff. 7 Saliger in S/S/W-StGB, § 266 Rz. 61; für Schmiergeldzahlungen vgl. bereits Saliger, Parteiengesetz, S. 148 und JA 2007, 332; i.E. ebenso Weise, Finanzielle Beeinflussungen, S. 329 ff.; für die Parteienuntreue i.E. Schwind, NStZ 2001, 352 und Krüger, NJW 2002, 1180; vgl. auch Klötzer/Schilling, StraFo 2008, 306. 8 A.A. OLG Karlsruhe v. 13.2.2006 – 3 Ws 199/04, wistra 2006, 354, 355. 9 Vgl. zutreffend BGH v. 21.12.2005 – 3 StR 470/04, BGHSt 50, 331, 346, wonach für kompensationslose Prämien noch nicht einmal ein Spielraum besteht. 10 Vgl. dazu Hillenkamp, NStZ 1981, 163; Rose, wistra 2005, 282. 11 Vgl. Hellmann, ZIS 2007, 439; Kindhäuser in NK-StGB, § 266 Rz. 81. 12 Anders die Definition von Hillenkamp, NStZ 1981, 165, der das Risikogeschäft als geschäftliche Disposition versteht, die eine Fehlentscheidung sein kann. 13 Zu weiteren Definitionen Waßmer, Untreue, S. 7 ff.; Martin, Bankuntreue, S. 97 ff.; Hillenkamp, NStZ 1981, 162 f. 14 Regelmäßig im Rahmen der Missbrauchsuntreue; Schünemann in LK-StGB, § 266 Rz. 95. 15 BGH v. 4.2.2004 – 2 StR 355/03, StV 2004, 424 f.; BGH v. 29.5.1987 – 3 StR 242/86, MDR 1987, 949, 951; Bringewat, JZ 1977, 669; Arzt, FS Bruns (1978), S. 377; Hillenkamp, NStZ 1981, 164 ff.; Fischer, StGB, § 266 Rz. 63 ff.; SSW-Saliger Rz. 62; Heger in Lackner/Kühl, StGB, § 266 Rz. 7; Kindhäuser in NK-StGB, § 266 Rz. 73; Seier in A/R/R, Rz. 392 ff.; Hadamitzky in M-G, § 32 Rz. 156 ff.; Dierlamm in MüKo-StGB, § 266 Rz. 229 ff.; Samson/Günther in SK-StGB, § 266 Rz. 21; Rose, wistra 2005, 284 ff.; Waßmer, Untreue, S. 30; Nelles, Untreue, S. 569 ff.; Saliger, Parteiengesetz, S. 146. Zu abweichenden älteren Auffassungen m. Nachw. Hillenkamp, NStZ 1981, 163 ff.; Nelles, Untreue, S. 565 ff. 16 Vgl. zur Diskussion Brüning/Samson, ZIP 2009, 1089 ff., 1094; Lüderssen, StV 2009, 486; Becker/Walla/Endert, WM 2010, 875; Bittmann, NStZ 2011, 361; Krey, FS C. Roxin (2011), S. 1073; Schünemann, ZStW 2011, 767; Schröder, ZStW 2011, 771; Wohlers, ZStW 2011, 791; Fischer, ZStW 2011, 816; WisteV CCZ 2012, 144. Insbesondere zu den ABS-Anleihen Schröder, NJW 2010, 1169 und Schröder in Kempf/Lüderssen/Volk (Hrsg.), Ökonomie versus Recht im Finanz-

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StGB

Untreue

StGB

§ 266 StGB Rz. 62

Strafgesetzbuch

Geschäftsherr ausdrücklich (wirksame) Risikoabreden oder einen Risikokorridor vorgegeben und hält der Treunehmer sich an diese Vorgaben, so scheidet eine Pflichtverletzung und eine Untreuestrafbarkeit des Treunehmers kraft Einverständnisses grundsätzlich aus, selbst wenn das Risikogeschäft im Fehlschlag endet.1 Das trifft bei entsprechender (wirksamer) Risikoermächtigung auch dann zu, wenn der Treunehmer ein hochriskantes Spekulationsgeschäft mit äußerst gesteigerter Verlustgefahr tätigt, es sei denn, das Risikogeschäft liegt außerhalb der Dispositionsmacht des Vermögensinhabers.2 Gesetzliche Grenzen der Dispositionsmacht markieren insoweit der weitgehende Ausschluss bzw. die Einschränkung von Risikogeschäften in bestimmten Lebensbereichen wie im Familienrecht für Eltern gegenüber ihren Kindern (§§ 1642, 1667 BGB), für den Vormund gegenüber dem Mündel (§§ 1802 ff. BGB3), für den Betreuer (§ 1901 BGB), im Erbrecht für den Testamentsvollstrecker gegenüber den Erben (§ 2216 BGB), im Stiftungsrecht für den Verwaltungsleiter gegenüber der Stiftung,4 für den Sparkassendirektor in Bezug auf Sparkassenmittel,5 für das Vorstandsmitglied einer Genossenschaft (§ 34 GenG)6 oder das kommunalrechtliche Spekulationsverbot (dazu auch Rz. 63). Zur Strukturierung des Risikokorridors bei der Kredituntreue durch die Vorschriften des KWG unten Rz. 120 f. Stets ist dabei die Wirksamkeit des Einverständnisses sorgfältig zu prüfen (oben Rz. 58), das insbesondere eine angemessene Risikoaufklärung voraussetzt.7 Überschreitet der Treunehmer den vom Geschäftsherrn gezogenen Risikobereich, so handelt er pflichtwidrig, so dass grundsätzlich (nicht aber zwangsläufig) eine Untreuestrafbarkeit in Betracht kommt.8 62

Fehlt es an klaren Risikovorgaben des Geschäftsherrn oder sind diese nur allgemein bzw. unvollständig, so ist der subjektive Risikokorridor anhand des mutmaßlichen Willens des Vermögensinhabers auf Basis der vorhandenen Willenstatsachen unter Einbeziehung des Zwecks des Auftrags sowie der für das jeweilige Geschäft üblichen Sorgfalt zu ermitteln.9 Allein nach dieser objektiven verkehrsüblichen Sorgfalt (dazu auch Rz. 34) beurteilt sich der zulässige Risikokorridor, sofern dem Treueverhältnis überhaupt keine risikobezogenen Erklärungen des Vermögensinhabers entnommen werden können oder vorhandene Erklärungen in Gänze unwirksam sind (vgl. auch Rz. 58). Zu berücksichtigen sind hierbei u.a. Art und Zweck des Geschäfts, die Höhe der Investition und die rationalen Handlungsmaximen der jeweiligen Verkehrsteilnehmer,10 insbesondere die Ausstrahlungswirkung einschlägiger gesetzlicher Vorgaben (oben Rz. 61). Allgemeingültige Aussagen lassen sich kaum treffen, da die Verkehrsüblichkeit sich nach der Branchenüblichkeit richtet.11 Auf jeden Fall handelt derjenige Treunehmer pflichtgemäß, der die Anforderungen des branchenüblichen Risikomanagements einhält, also die entscheidungserheblichen Informationen genau prüft, auswertet und bewertet.12 Unstreitig pflichtwidrig ist deshalb regelmäßig das Risikogeschäft eines Treunehmers nach Art der Spieler-Formel (oben Rz. 60). Konsens dürfte auch darüber zu erzielen sein, dass bei hohen Einsätzen mit hohem Verlustrisiko grundsätzlich eine hohe Wahrscheinlichkeit der Gewinnaussicht zu verlangen ist.13 Im Bundesligaskandalfall hat der BGH die Annahme eines Vermögensnachteils im Zweifel davon abhängig gemacht, ob die Gefahr eines Verlustgeschäfts wahrscheinlicher ist als die Aussicht auf Gewinnzuwachs (zum Ganzen auch Rz. 76 f.).14 Jenseits der Abwägung von Gewinn- und Verlustchancen wird überwiegend angenommen, dass ein Risikogeschäft erst dann pflichtwidrig ist, wenn es auch unter Berücksichtigung des Handlungsspielraums wirtschaftlich eindeutig (klar und evident) nicht mehr vertretbar ist.15 Daran ist richtig, dass an die Strafbarkeit des Risikogeschäfts jedenfalls keine geringeren Anforderungen gestellt werden dürfen als an die gravierende Pflichtverletzung beim unternehmerischen Handlungsspielraum (oben Rz. 46 ff., 48). Allerdings kann es nach Lage der Dinge, etwa in Krisensituationen, geboten sein,

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markt? (2011), S. 59; Ransiek WM 2010, 869. Die Einzelheiten sind wegen der Komplexität Spezialmaterie (s. aber Rz. 63). Zum Freispruch der Entscheidungsträger bei der HSH Nordbank mangels gravierender Pflichtverletzung s. etwa LG Hamburg v. 9.7.2014 – 608 KLs 12/11, BeckRS 2015, 09104, VI und näher Rz. 63. Vgl. BGH v. 4.2.2004 – 2 StR 355/03, StV 2004, 424 f.; Dierlamm in MüKo-StGB, § 266 Rz. 231; Saliger in S/S/W-StGB, § 266 Rz. 62; Hillenkamp, NStZ 1981, 165 f. Vgl. BGH v. 4.2.2004 – 2 StR 355/03, StV 2004, 424, 425; Seier in A/R/R, Rz. 395 f. Bei einem Unternehmen darf der Vormund allerdings vertretbare und den Regeln kaufmännischer Sorgfalt entsprechende Risiken eingehen, vgl. BGH v. 12.6.1990 – 5 StR 268/89, NJW 1990, 3219, 3220. BGH v. 11.10.2000 – 3 StR 336/00, NStZ 2001, 155; dazu Saliger, Yearbook 2005, S. 213 ff. BayOblG v. 14.7.1965 – RReg 1a St 123/65, BayOblGSt 1965, 88. Vgl. RGSt 53, 193. Zum Ganzen Fischer, StGB, § 266 Rz. 65; Seier in A/R/R, Rz. 395; Dierlamm in MüKo-StGB, Rz. 230; Kindhäuser in NK-StGB, § 266 Rz. 73 ff.; Hillenkamp, NStZ 1981, 167 f. Seier in A/R/R, Rz. 396. Saliger in S/S/W-StGB, § 266 Rz. 62; Hillenkamp, NStZ 1981, 166 f. Saliger in S/S/W-StGB, § 266 Rz. 63; vgl. ferner BGH v. 4.2.2004 – 2 StR 355/03, StV 2004, 424; GA 1977, 342; Hadamitzky in M-G, § 32 Rz. 166; Perron in S/S-StGB, § 266 Rz. 20; Rose, wistra 2005, 286. Kindhäuser in NK-StGB, § 266 Rz. 75; Saliger in S/S/W-StGB, § 266 Rz. 62. Vgl. BGH v. 27.2.1975 – 4 StR 571/74, NJW 1975, 1234, 1236; Seier in A/R/R, Rz. 398; Rose, wistra 2005, 286 f.; Waßmer, Untreue, S. 28. Hadamitzky in M-G, § 32 Rz. 169 ff.; Seier in A/R/R, Rz. 399. Vgl. OLG Hamm v. 26.4.1968 – 3 Ss 25/68, NJW 1968, 1940; Kindhäuser in NK-StGB, § 266 Rz. 75. BGH v. 27.2.1975 – 4 StR 571/74, NJW 1975, 1234, 1236; krit. Fischer, StGB, § 266 Rz. 66; eine höhere Wahrscheinlichkeit der Gewinnaussicht für das Risikogeschäft fordern etwa Triffterer, NJW 1975, 614; Schreiber/Beulke, JuS 1977, 660; OLG Bremen v. 5.12.1988 – Ss 85/87, NStZ 1989, 228, 229; krit. Schünemann in LK-StGB, § 266 Rz. 96. Perron in S/S-StGB, § 266 Rz. 20; Dierlamm in MüKo-StGB, § 266 Rz. 232; Waßmer, Untreue, S. 73 ff.; vgl. auch Fischer, StGB, § 266 Rz. 67; krit. Rose, wistra 2005, 287.

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Saliger

Rz. 63 § 266 StGB

den straflosen Abschluss höchstriskanter Geschäfte noch stärker zu privilegieren. In diesen Fällen wird die Pflichtwidrigkeitsschwelle erst überschritten, wenn das Risikogeschäft schlechterdings nicht mehr vertretbar ist.1 Eine weitere Einschränkung anerkennt die Rspr. mit Fug für die Fallgruppe der Sanierungskredite (vgl. bereits oben Rz. 51). Danach kann die Pflichtwidrigkeit auch für hochriskante (Folge-)Kredite entfallen, wenn diese Erfolg bei der Sanierung des gesamten Kreditengagements versprechen. Das soll insbesondere bei einem wirtschaftlich vernünftigen Gesamtplan der Fall sein, der auf einen einheitlichen Erfolg angelegt ist und bei dem erst nach einem Durchgangsstadium (Sanierung) ein Erfolg erzielt wird (dazu sowie allgemein zur Kredituntreue unten Rz. 120 ff. (122).2 Zur unklaren Lage in Bezug auf die Notwendigkeit einer Vorsatzeinschränkung für die schadensgleiche Vermögensgefährdung bei Risikogeschäften – einerseits Einschränkung des voluntativen Elements des bedingten Vorsatzes auf eine Billigung der Realisierung der Gefahr durch den 2. Strafsenat,3 andererseits weitgehende Skepsis gegenüber der Notwendigkeit einer solchen Einschränkung durch Annahme bereits eines direkten Vorsatzes durch den 1. Strafsenat4 – s. Rz. 82 ff., 123, 128. Aus dem weiten Feld der Risikogeschäfte seien einige aktuelle Entscheidungen und Probleme angesprochen, die 63 überwiegend auch in einem Zusammenhang mit der Banken- und Finanzkrise stehen. Das LG Hamburg hatte im Fall der HSH Nordbank eine Untreuestrafbarkeit der Entscheidungsträger durch Abschluss der „Omega 55-Transaktion“ verneint, weil es zwar Pflichtverletzungen, aber keine gravierenden – und evidenten – feststellen konnte.5 Bei der Gesamtabwägung der Umstände würdigte das Gericht für eine Schwere der Pflichtverletzungen, dass die Entscheidungsträger sich durchgehend nur unvollständig informiert und für eine nicht sicher erfolgversprechende Transaktion erhebliche Kosten für die Bank in Kauf genommen hatten. Gegen eine gravierende Pflichtverletzung hätten aber vor allem das uneigennützige und in Verfolgung wichtiger strategischer Bankziele erfolgende Handeln der Entscheidungsträger, die Nichtangabe von Fehlinformationen, das Einhalten von Kreditund Risikoobergrenzen sowie der Umstand, dass die fragliche Transaktion in allen den Entscheidungsträgern zur Verfügung gestellten Voten empfohlen wurde, gesprochen.6 Der BGH hat die Entscheidung auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft aufgehoben, weil das LG das Vorliegen von Pflichtverletzungen unvollständig geprüft habe.7 Streitig ist die strafrechtliche Behandlung von kommunalen Zinsswapgeschäften (z.B. Plain Vanilla Swap, CMS Spread Ladder Swap), die seit Mitte der 1990er Jahre vermehrt von kommunalen Entscheidungsträgern (Stadtkämmerern, Bürgermeistern etc.) bundesweit zur Optimierung des kommunalen Zinsschuldenmanagements mit Banken abgeschlossen worden sind und deren Risiken als derivate Finanzinstrumente sich auch in Folge der Finanzkrise realisiert haben. Zinsswapverträge sind Termingeschäfte, die an bereits bestehende Kreditgeschäfte – mehr oder weniger konnex – anknüpfen und zwecks Optimierung des vorhandenen Zinsstruktur vertraglich definierte, in der Höhe allerdings offene Zahlungsströme zwischen zwei Parteien in der Zukunft austauschen,8 oder, wie der BGH formuliert, atypische gegenseitige Verträge mit Spiel- oder Wettcharakter.9 Die Zinsswapverträge haben dabei wegen der eingepreisten Gewinnmarge der Bank anfänglich einen negativen Marktwert zum Nachteil des Bankkunden.10 Während eine Ansicht den Abschluss insbesondere kommunaler CMS Spread Ladder Swaps regelmäßig als strafbare Untreue wertet, weil gegen das kommunalrechtliche Spekulationsverbot verstoßen wird und den Kommunen durch die nachteilige Vertragsstruktur ein Vermögensnachteil erwächst,11 verneint eine andere Auffassung bei Marktangemessenheit der Zinsswapsverträge regelmäßig eine Untreuestrafbarkeit.12 Richtigerweise ist zu differenzieren: Strafbar ist der Abschluss von Zinsswapverträgen, bei denen die Bank entweder marktunüblich überhöhte Gewinnmargen einpreist oder die die Bank so strukturiert, dass der Kunde nicht in die Gewinnzone gelangen kann, also von vorneherein chancenlos ist.13 Davon abgesehen begründet der anfängliche negative Marktwert der Zinsswapverträge keine Untreuestrafbarkeit, auch nicht wegen Unbrauchbarkeit unter dem Aspekt des individuellen Schadenseinschlags (dazu Rz. 81). Wie der BGH klargestellt hat, indiziert der anfängliche negative Marktwert der Zinsswaps keine überwiegende Verlustwahrscheinlichkeit, da der Erfolg der Swaps letztlich allein von der künftigen Entwicklung der vertraglichen Bezugsgröße (Zinsen, Währungen etc.) abhängt. Bei der Einpreisung von Gewinnmargen in Zinsswapverträgen unterscheidet sich die Situation des Kun-

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Saliger in S/S/W-StGB, § 266 Rz. 62; vgl. ferner Seier in A/R/R, Rz. 399; a.A. Wagner, Untreue, S. 189 f. BGH v. 15.11.2001 – 1 StR 185/01, BGHSt 47, 148, 153. BGH v. 18.10.2006 – 2 StR 499/05, BGHSt 51, 100, 121 ff.; BGH v. 25.5.2007 – 2 StR 469/06, NStZ 2007, 704, 705. BGH v. 20.3.2008 – 1 StR 488/07, wistra 2008, 343, 344 f. LG Hamburg v. 9.7.2014 – 608 KLs 12/11, BeckRS 2015, 09104, VI (nicht rechtskräftig). LG Hamburg v. 9.7.2014 – 608 KLs 12/11, BeckRS 2015, 09104, VI. 2. c. BGH v. 12.10.2016 – 5 StR 134/15, BGH Pressemitteilung Nr. 182/16. Vgl. Gehrmann/Lammers, KommJur 2011, 41, 42; Bader/Wilkens, wistra 2013, 81. Allgemein zu Finanzderivaten Zerey (Hrsg.), Finanzderivate. Rechtshandbuch4 (2016). BGH v. 28.4.2015 – XI ZR 378/13, (Z) NJW 2015, 2248, 2255 Rz. 70; auch BGH v. 22.3.2011 – XI ZR 33/10, (Z) NJW 2011, 1949, 1951 Rz. 21. BGH v. 20.1.2015 – XI ZR 316/13, (Z) NJW 2015, 1095, 1098 Rz. 36 f.; BGH v. 28.4.2015 – XI ZR 378/13, (Z) NJW 2015, 2248, 2251 Rz. 31 f. Bader/Wilkens, wistra 2013, 81, 85; ihnen folgend Fischer, StGB, § 266 Rz. 73. Gehrmann/Lammers, KommJur 2011, 41, 47; Kirchner, wistra 2013, 418, 421. Vgl. BGH v. 28.4.2015 – XI ZR 378/13, (Z) NJW 2015, 2248, 2255 Rz. 70; BGH v. 20.1.2015 – XI ZR 316/13, (Z) NJW 2015, 1095 (1098 Rz. 37 f.); auch Gehrmann/Lammers, KommJur 2011, 47; Kirchner, wistra 2013, 421.

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§ 266 StGB Rz. 64

Strafgesetzbuch

den nicht von sonstigen Finanzprodukten der Banken, bei denen Provisionen offen ausgewiesen sind. Deshalb kann die bankliche Empfehlung kommunaler Zinsswapsverträge trotz des anfänglichen negativen Marktwertes objekt- und anlegergerecht sein,1 so dass Zinsswaps mitnichten unbrauchbar sind. I.Ü. ist der Abschluss von kommunalen Zinsswapverträgen, unabhängig davon, ob sie in einem konnexen Zusammenhang zu Grundgeschäften der Kommune stehen, nach Ansicht des BGH vom gemeindlichen Wirkungskreis umfasst und, sofern die Kunden nicht chancenlos sind, weder wegen Verstoßes gegen ein kommunalrechtliches Spekulationsverbot noch wegen Sittenwidrigkeit nach § 138 BGB nichtig.2 Führt demnach der Abschluss von kommunalen Zinsswapverträgen nur in Ausnahmefällen zur Untreuestrafbarkeit, so gilt Gleiches erst recht für kommunale Cross Border-Leasinggeschäfte. Dabei handelt es sich um Geschäfte, bei denen deutsche Kommunen Eigenbetriebe wie Kraftwerke oder Müllverbrennungsanlagen an US-Investoren i.d.R. für eine Dauer von 99 Jahren vermietet und unmittelbar zurückgeleast haben mit „Rückkaufoption“ nach einer Laufzeit von meist 20 bis 35 Jahren. Diese Geschäfte sollen für beide Vertragspartner vorteilhaft sein: für den US-Investor, der steuerliche Abschreibungsmöglichkeiten in seinem Heimatland nutzt, und für die Kommunen, die im voraus die gesamte Miete des US-Investors erhalten plus den während der Laufzeit teilweise weitergereichten Barwertvorteil aus den Steuervorteilen.3 Nach Auslauf dieses Geschäftsmodells aufgrund einer US-Steueränderung in 2004 werden gleichwohl fortbestehende Strafbarkeitsrisiken wegen Untreue bejaht, sofern die Kommunen den Vorteil kurzfristiger Liquidität gegen eine langfristige Abhängigkeit bei unkalkulierbaren Risiken eingetauscht hätten.4 Indes erscheinen gerade im Hinblick auf die Rspr. des BGH in Zivilsachen zu den auch spekulativen Zinsswapverträgen die bei den Cross Border-Leasinggeschäften von den Kommunen übernommenen, teils jedem Geschäft anhaftenden Risiken (Übernahme der Kosten für Betrieb und Instandhaltung der Anlagen, Tragung der Insolvenzrisiken von Investoren und beteiligten Banken, Risiken einer Änderung des Steuerrechts) ex ante für vertretbar, so dass eine Untreuestrafbarkeit bereits mangels untreuetauglicher Pflichtverletzung ausscheiden dürfte.5

III. Vermögensnachteil 1. Grundsätzliches a) Bedeutung 64

Durch die Pflichtverletzung muss der Treunehmer dem Vermögensinhaber einen Vermögensnachteil als Taterfolg zufügen. Das Tatbestandsmerkmal des Vermögensnachteils ist für die Untreue von zentraler Bedeutung. Es charakterisiert die Untreue als Vermögensdelikt und strukturiert sie als Erfolgsdelikt in Gestalt eines Verletzungsdelikts (Rz. 1, 8).6 Angesichts der Nähe von Tathandlung und Taterfolg bei der Untreue (vgl. Rz. 60 ff. und Rz. 69) und der Tendenz zu ihrer Verschleifung in der Untreuepraxis (Rz. 8) ist zu betonen, dass der Vermögensnachteil ein selbständiges Tatbestandsmerkmal bezeichnet,7 das nach eigenen Regeln, insbesondere grundsätzlich losgelöst von der Pflichtverletzung festzustellen ist.8 Das hat das BVerfG in seinem bahnbrechenden Beschluss zur Untreue vom Juni 2010 (vgl. Rz. 4, 8) mit spezifischen verfassungsrechtlichen Konkretisierungen (Rz. 65 f.) und weitreichenden Folgen für die Praxis (s. etwa unten Rz. 82 ff., 86 ff., 95 f., 118, 120 ff., 126, 128) aufgegriffen und bekräftigt.9 Der Taterfolg der Untreue ist eingetreten, wenn die Pflichtverletzung des Treunehmers auf das Vermögen des Geschäftsherrn eingewirkt (Rz. 67 f.) und diese Einwirkung zu einem Nachteil für das Vermögen geführt hat (Rz. 69 ff.). Dabei genügt für den Untreueerfolg nach ganz h.M. auch die Herbeiführung einer schadensgleichen konkreten (besser: schadensbegründenden) Vermögensgefahr (Rz. 82 ff.). b) Verfassungsrechtliche Vorgaben

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Aus dem verfassungsrechtlichen Verschleifungsverbot (Rz. 4, 8) folgert das BVerfG, dass das Tatbestandsmerkmal des Vermögensnachteils selbständig und unabhängig von dem Pflichtwidrigkeitsmerkmal festzustellen ist. Das verlangt von den Strafgerichten jenseits einfach gelagerter und eindeutiger Fälle eine Bezifferung der Höhe des angenommenen Nachteils und eine Darlegung seiner Ermittlung in wirtschaftlich nachvollziehbarer Weise

1 BGH v. 20.1.2015 – XI ZR 316/13, (Z) NJW 2015, 1095, 1098 Rz. 36 ff.; BGH v. 28.4.2015 – XI ZR 378/13, (Z) NJW 2015, 2248, 2251 Rz. 31 f.; BGH v. 22.3.2016 – XI ZR 425/14, (Z) BKR 2016, 291, 293 Rz. 23. 2 BGH v. 28.4.2015 – XI ZR 378/13, (Z) NJW 2015, 2248, 2254 f. Rz. 56 ff. 3 S. dazu Helmrich, wistra 2006, 326. 4 So Fischer, StGB, § 266 Rz. 73a f. 5 Erst den Vermögensnachteil verneint Helmrich, wistra 2006, 331. 6 Vgl. auch BVerfG v. 10.3.2009 – 2 BvR 1980/07, NJW 2009, 2370, 2372 Rz. 34; BVerfG v. 23.6.2010 – 2 BvR 2559/08, 2 BvR 105/09, 2 BvR 491/09, NJW 2010, 3209, 3212 ff. Rz. 86, 100, 115. 7 Vgl. BGH v. 4.11.1997 – 1 StR 273/97, BGHSt 43, 293, 297 und BGH v. 14.12.2000 – 5 StR 123/00, NStZ 2001, 248, 251 für die Haushaltsuntreue; BGH v. 6.4.2000 – BGH 1 StR 280/99, BGHSt 46, 30, 34 für die Kredituntreue; Kindhäuser in NK-StGB, § 266 Rz. 94; Schünemann in LK-StGB, § 266 Rz. 131. 8 Saliger in S/S/W-StGB, § 266 Rz. 64; Saliger, HRRS 2006, 12 ff.; Saliger, ZStW 2000, 610 ff.; Seier in A/R/R, Rz. 207; Hadamitzky in M-G, § 32 Rz. 175. 9 BVerfG v. 23.6.2010 – 2 BvR 2559/08, 2 BvR 105/09, 2 BvR 491/09, NJW 2010, 3209, 3215 Rz. 113 ff. mit Bezug u.a. auf Saliger, ZStW 2000, 610; zu Anm. und Bspr. s. Nachw. Rz. 4.

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Rz. 66 § 266 StGB

in den Urteilsgründen.1 Praktische Schwierigkeiten sind nicht geeignet, die gebotene konkrete Nachteilsermittlung zu unterlassen. In dem Maße, wie die wirtschaftliche Praxis geeignete Methoden zur Vermögensbewertung entwickelt hat, müssen die Gerichte diese ggf. unter Heranziehung von Sachverständigen ihrer Nachteilsbestimmung zugrundelegen.2 Dabei verweist das BVerfG mit Bezug auf die Anwendung der Figur der schadensbegründenden Vermögensgefahr (Rz. 82 ff.) auf die Bedeutung der Bewertungsvorschriften des Bilanzrechts (näher Rz. 86 f.).3 Erst bei verbleibenden Unsicherheiten dürfen die Gerichte unter Beachtung des Zweifelssatzes den (Mindest-)Schaden im Wege der Schätzung ermitteln.4 Auch wenn der 2. Senat einerseits einräumt, dass normative Gesichtspunkte bei der Feststellung des Vermögensnachteils durchaus relevant sind, so betont er andererseits, dass diese normativen Gesichtspunkte die wirtschaftlichen Überlegungen zwecks Wahrung der Untreue als Vermögens- und Erfolgsdelikt nicht verdrängen dürfen. Demgemäß ist auch die Verwendung von Treugebervermögen zu verbotenen Zwecken nicht per se nachteilsbegründend. Vielmehr setzt die Annahme des Taterfolgs bei der Untreue auch in diesen Fällen die Prüfung voraus, ob das verbotene Geschäft in wirtschaftlicher Hinsicht nachteilhaft war.5 Die Rspr., insbesondere der BGH, hat diese verfassungsrechtlichen Vorgaben schnell adaptiert.6 So sollen unvollständige Buchhaltungsunterlagen das Gericht nicht von der Schwierigkeit entbinden, tatbezogene Feststellungen zur Vermögenssituation des Treugebers zu treffen.7 Darüber hinaus könne erst eine konkrete wirtschaftliche Auswirkung eine zukünftige Verlustgefahr zu einem wirtschaftlichen Schaden führen. Dabei seien unvermeidliche Prognose- und Beurteilungsspielräume durch vorsichtige Schätzung auszufüllen.8 Sind komplexe wirtschaftliche Analysen vorzunehmen, ist im Übrigen die Hinzuziehung eines Sachverständigen erforderlich.9 Diese Vorgaben sind grundsätzlich zu begrüßen.10 Das Gebot der selbständigen wirtschaftlichen Feststellung 66 des Vermögensnachteils ist, konsequent umgesetzt, geeignet, den Charakter der Untreue als reines Vermögensdelikt zu wahren. Insbesondere vermag das Gebot zwei zusammenhängenden Extensionsgefahren beim Vermögensnachteil entgegenzuwirken. Die erste Extensionsgefahr resultiert aus der Möglichkeit, die mit dem Verlust eines Vermögensgegenstands einhergehende Unvermeidlichkeit und Zulässigkeit eines unselbständigen Dispositionsschutzes zu einem unzulässigen selbständigen Dispositionsschutz zu erweitern.11 Diese Möglichkeit wird Realität etwa bei der Haushaltsuntreue, wenn die Figur des persönlichen Schadenseinschlags losgelöst von wirtschaftlichen Erwägungen zu ausdehnend ausgelegt wird (vgl. Rz. 79, 117 ff.). Die zweite Extensionsgefahr offenbart sich in einer Tendenz namentlich der Rspr. zu einer juristischen Schadenslehre. Diese Tendenz zeigt sich in Fällen der Kappung bzw. des Verbots einer Saldierung (dazu auch Rz. 118)12 sowie der Wertung von abstrakten Wertdifferenzen als Vermögensschäden (z.B. die Rspr. zu den schwarzen Kassen, unten Rz. 97 ff.).13 Trotz dieser Leistungen des Trennungsgebots darf das grundsätzliche Bezifferungsgebot unter Zuhilfenahme des Bilanzrechts in der Anwendung nicht übertrieben werden.14 Zunächst sind die einfach gelagerten und eindeutigen Fälle zu präzisieren, die keiner exakten Bezifferung bedürfen.15 Das BVerfG nennt als Beispiel Konstellationen, bei denen ein Mindestschaden ohne Weiteres greifbar ist.16 Das wird man annehmen dürfen für den sprichwörtlichen „Griff“ des Treunehmers in die Kasse des Treugebers, bei dem sich jener einen bestimmten Betrag von dessen Konten auf sein Privatkonto überweist und verbraucht. Der Nennbetrag 1 BVerfG v. 23.6.2010 – 2 BvR 2559/08, NJW 2010, 3209, 3215 Rz. 113; BVerfG v. 1.11.2012 – 2 BvR 1235/11, NJW 2013, 365, 366; näher Schlösser, StV 2010, 157. 2 BVerfG v. 23.6.2010 – 2 BvR 2559/08, NJW 2010, 3209, 3215 Rz. 114. 3 BVerfG v. 23.6.2010 – 2 BvR 2559/08, NJW 2010, 3209, 3219 Rz. 141 unter Bezug auf Hefendehl, Vermögensgefährdung (1994), S. 169 ff., 448, 454 f.; zur Aufnahme dieses Gedankens durch den 1. Strafsenat des BGH unten Rz. 84 m.w.N. 4 BVerfG v. 23.6.2010 – 2 BvR 2559/08, NJW 2010, 3209, 3215 Rz. 114; dazu Fischer, StraFo 2012, 429; Noll in Fischer u.a. (Hrsg.), Dogmatik, S. 313 ff. 5 BVerfG v. 23.6.2010 – 2 BvR 2559/08, NJW 2010, 3209, 3215 Rz. 115; BVerfG v. 1.11.2012 – 2 BvR 1235/11, NJW 2013, 365, 366. 6 BGH v. 10.10.2012 – 2 StR 591/11, NZG 2013, 268, 270 Rz. 33; BGH v. 19.2.2013 – 5 StR 427/12, ZWH 2013, 366, 367; BGH v. 6.6.2013 – 30 W (pat) 86/11, BeckRS 2013, 10904 Rz. 8 ff.; BGH v. 26.11.2015 – 3 StR 17/15, NZG 2016, 703, 710; OLG Köln v. 6.5.2013 – 2 Ws 254/13, BeckRS 2013, 08025 m. Anm. Lindemann/Andreschewski, NZWiSt 2013, 398; LG Arnsberg v. 7.5.2013 – 4 Ws 51/13 – 161 AR 13/13, BeckRS 2013, 15115; OLG Köln v. 26.6.2014 – 2 Ws 189/14, BeckRS 2014, 14061, S. 2 f.; zum Ganzen Krehl in Fischer u.a. (Hrsg.), Dogmatik, S. 133 ff. 7 BGH v. 19.2.2013 – 5 StR 427/12, ZWH 2013, 366, 367 m. Anm. Trück. 8 BGH v. 30.5.2013 – 5 StR 309/12, BeckRS 2013, 10904 Rz. 9 f. 9 LG Arnsberg v. 17.7.2013 – 6 KLs 1/13, BeckRS 2013, 15115. 10 Zum Folgenden bereits Saliger in S/S/W-StGB, § 266 Rz. 66. 11 Zu dieser Unterscheidung Saliger in M/R-StGB, § 263 Rz. 1, 189; zust. Matt in M/R-StGB, § 266 Rz. 1, 123. 12 Etwa die Revisionsentscheidung des BGH im Fall Schäch, BGH v. 13.4.2011 – 1 StR 592/10, NStZ 2011, 520, 521. 13 Näher Saliger, HRRS 2012, 365 ff. und Saliger, FS Samson 2010, 457 ff.: Normativierung als Fiktionalisierung; dabei geht es nicht um die „Erschlagung“ sämtlicher normativer Schadenselemente (so aber unzutr. Bittmann wistra 2013, 2), sondern nur um die Brandmarkung der Fiktionalisierung als unzulässiger Erscheinungsform von Normativierung; ferner Saliger in Fischer u.a. (Hrsg.), Dogmatik, S. 25 ff. 14 Fischer, StGB, § 266 Rz. 162 ff. 15 Saliger in S/S/W-StGB, § 266 Rz. 66. 16 BVerfG v. 23.6.2010 – 2 BvR 2559/08, 2 BvR 105/09, 2 BvR 491/09, NJW 2010, 3209, 3215 Rz. 113; BVerfG v. 1.11.2012 – 2 BvR 1235/11, NJW 2013, 365, 366.

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§ 266 StGB Rz. 67

Strafgesetzbuch

ist insoweit der Schaden. Ein Sachverständiger ist auch nicht entbehrlich, wenn der Treunehmer einen gebrauchten Dienstwagen auf Kosten des Treugebers zum Preis eines Neuwagens erwirbt. Hier ergibt sich der Vermögensnachteil aus der Differenz zwischen dem Wert des Dienstwagens nach Schwacke-Liste und dem Kaufpreis.1 Um einen Evidenzfall dürfte es sich schließlich handeln im Falle einer Forderung, dessen Ausfallrisiko bei nahezu 100 % liegt. Der Vermögensnachteil entspricht dann nahezu dem Nennbetrag der Forderung.2 Davon abgesehen kann das Bilanzrecht die auch normativen strafrechtlichen Probleme um die Bestimmung des Vermögensschadens bei Untreue und Betrug nicht allein lösen, sondern allenfalls als heuristisches Mittel dienen (näher unten Rz. 87 f.).3 2. Begriff des Vermögens 67

Der Begriff des Vermögensnachteils entspricht nach st. Rspr. des BGH und (noch) h.M. dem Begriff des Vermögensschadens beim Betrug (dazu näher Rz. 69).4 Dem ist uneingeschränkt zuzustimmen, was den Begriffsbestandteil „Vermögen“ im Begriff des Vermögensnachteils betrifft. Aus der gemeinsamen funktionalen Ausrichtung auf den Schutz des Gesamtvermögens des Vermögensinhabers und der identischen Strafdrohung im Grunddelikt – unterstrichen durch die Zusammenfassung im 22. Abschnitt – ergibt sich trotz der Differenz der Angriffswege die Notwendigkeit, das Handlungsobjekt „Vermögen“ bei Untreue und Betrug inhaltsgleich zu bestimmen. Hinsichtlich Inhalt und Umfang des Vermögensbegriffs kann daher auf die kontroverse Debatte bei § 263 verwiesen werden (§ 263 StGB Rz. 124 ff.). Die Rspr. und Teile des Schrifttums verstehen unter Vermögen nach wirtschaftlicher Betrachtungsweise grundsätzlich die Summe aller geldwerten Güter einer (natürlichen oder juristischen) Person nach Abzug der Verbindlichkeiten,5 ausgenommen gewisse normativ problematische6 oder abgeschwächte7 Positionen (grundsätzlich wirtschaftlicher Vermögensbegriff).8 Stärker normative Wertungen berücksichtigend begreift die wohl h.L. in unterschiedlichen Ausprägungen unter Vermögen alle geldwerten Wirtschaftsgüter einer Person, die ihr unter dem Schutz der Rechtsordnung9 bzw. ohne deren Missbilligung10 zustehen (sog. juristisch-ökonomische Vermittlungslehren).11 Hier wird ein wirtschaftlicher Vermögensbegriff mit normativer Anpassung als Spielart des juristisch-ökonomischen Vermögensbegriffs zugrunde gelegt (näher § 263 StGB Rz. 131).

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Für die Untreue bedeutsam ist die allgemeine Anerkennung tatsächlicher Exspektanzen als Vermögensbestandteil (auch § 263 StGB Rz. 135 ff.).12 Ihre Vereitelung durch Tun oder Unterlassen kann als Ausbleiben einer Vermögensmehrung einen Vermögensnachteil (vgl. Rz. 51 und 80) und bei (teilweise) Zufluss der ausgebliebenen Vermögensmehrung an den Täter einen Vermögensnachteil in Gestalt eines Kick-Back begründen (dazu Rz. 81). Nach der Rspr. fällt eine tatsächliche Erwerbs- und Gewinnaussicht unter das strafrechtlich geschützte Vermögen, wenn der Geschäftsverkehr ihr bereits deshalb wirtschaftlichen Wert beimisst, weil sie mit Wahrscheinlichkeit einen Vermögenszuwachs erwarten lässt.13 Die (graduelle) Abgrenzung zur flüchtigen, 1 Bittmann, wistra 2013, 4 ff. mit weiteren Beispielen. 2 Zutr. Peglau, wistra 2012, 369. 3 Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 450 und Hefendehl, wistra 2012, 327 ff.; Becker, HRRS 2009, 337 ff. und Becker, HRRS 2010, 390 ff.; vgl. auch Saliger in M/R-StGB, § 263 Rz. 229. 4 BGH v. 16.12.1960 – 4 StR 401/60, BGHSt 15, 342, 343 f.; BGH v. 21.10.1994 – 2 StR 328/94, BGHSt 40, 287, 295; BVerfG v. 10.3.2009 – 2 BvR 1980/07, NJW 2009, 2370, 2371 Rz. 25; Heger in Lackner/Kühl, StGB, § 266 Rz. 17; Fischer, StGB, § 266 Rz. 115; Lenckner/Perron in S/S-StGB, § 266 Rz. 39; Schünemann in LK-StGB, § 266 Rz. 132 und Schünemann in Fischer u.a. (Hrsg.), Dogmatik, S. 61 ff.; Dierlamm in MüKo-StGB, § 266 Rz. 201; Seier in A/R/R, Rz. 25, 170; Küper, S. 369 f. Differenzierend aber Wessels/Hillenkamp, Rz. 775 ff.; Labsch, Untreue, S. 319 ff.; Saliger in S/S/W-StGB, § 266 Rz. 67 ff.; Matt/Saliger, Irrwege, S. 230; Mansdörfer, JuS 2009, 114; Esser in AnwK-StGB, § 266 Rz. 159 ff.; Perron in S/S-StGB, § 266 Rz. 39; Matt in M/R-StGB, § 266 Rz. 122 f.; vgl. auch BVerfG v. 23.6.2010 – 2 BvR 2559/08, 2 BvR 105/09, 2 BvR 491/09, NJW 2010, 3209, 3213 f. Rz. 98 ff. 5 RGSt 44, 230, 234; BGH v. 18.7.1961 – 1 StR 606/60, BGHSt 16, 220, 221; BGH v. 27.2.1975 – 4 StR 571/74, NJW 1975, 1234, 1235; BGH v. 22.10.1986 – 3 StR 226/86, BGHSt 34, 199, 203; BGH v. 21.3.2002 – 5 StR 138/01, JR 2003, 162 m. zust. Anm. Engländer und krit. Anm. Kindhäuser/Wallau, NStZ 2003, 152; BGH v. 7.8.2003 – 3 StR 137/03, BGHSt 48, 322, 330: die Rechtsordnung kennt kein wegen seiner Herkunft, Entstehung oder Verwendung schlechthin schutzunwürdiges Vermögen; BVerfG v. 10.3.2009 – 2 BvR 1980/07, NJW 2009, 2370, 2371 Rz. 24. 6 BGH v. 28.4.1987 – 5 StR 566/86, JR 1988, 125 für den Dirnenlohn als Leistung, die verbotenen oder unsittlichen Zweck erfüllt (durch ProstG überholt). 7 BGH v. 21.12.1982 – 1 StR 662/82, BGHSt 31, 178, 179 f. für den erfolgsbedingten Vergütungsanspruch des Maklers. 8 Krey/Heinrich/Hellmann, BT 2 Rz. 613 ff.; wohl auch Fischer, StGB, § 263 Rz. 89 ff., 91 ff. 9 Mitsch, BT II 5.2.1.5.2.1; Franzheim, GA 1960, 277. 10 Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 82 ff., 84 ff., 92 f.; Perron in S/S-StGB, § 266 Rz. 39; Gössel, BT 2 § 21 Rz. 121; vgl. auch Rengier, BT 1 § 13 Rz. 55; Dierlamm in MüKo-StGB, § 266 Rz. 205. 11 Vgl. Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 132; zum personalen und normativ-ökonomischen Vermögensbegriff s. § 263 StGB Rz. 130. 12 Dierlamm in MüKo-StGB, § 266 Rz. 210; Saliger in S/S/W-StGB, § 266 Rz. 68; Fischer, StGB, § 266 Rz. 116; Schünemann in LK-StGB, § 266 Rz. 135; Kindhäuser in NK-StGB, § 266 Rz. 98.; Perron in S/S-StGB, § 263 Rz. 87 ff.; eingehend Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 382 ff.; Hefendehl, Vermögensgefährdung, S. 25 ff.; Rönnau, FS Kohlmann (2003), S. 239. 13 BGH v. 20.2.1962 – 1 StR 496/61, BGHSt 17, 147, 148; BGH v. 27.2.1975 – 4 StR 571/74, NJW 1975, 1234, 1235 f.

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Saliger

Rz. 69 § 266 StGB

wirtschaftlich noch nicht fassbaren Hoffnung richtet sich danach, ob die Erwerbschance schon von solcher Gewissheit ist, dass sie nach der Verkehrsauffassung messbaren Vermögenswert erlangt hat.1 Die bloß allgemeine bzw. unbestimmte Hoffnung, einen Vermögenswert zu erlangen,2 genügt ebensowenig wie der Verlust der mehr oder minder unsicheren Aussicht eines Geschäftsabschlusses.3 Die Rspr. hat eine hinreichend konkretisierte tatsächliche Erwerbsaussicht bejaht u.a. in folgenden Fällen: fester Kundenkreis bzw. Stammkunde eines Kaufmanns;4 sicher bevorstehender Abschluss mit einem Gelegenheitskunden;5 gesicherte Anwartschaft auf Zuteilung bewirtschafteter Ware;6 begründete Aussicht für den Mindestbietenden auf den Zuschlag bei einer öffentlichen Versteigerung;7 sichere Erwerbsaussicht auf Aktien für rechtmäßigen Zeichner vor Zuteilung,8 konkrete sichere Möglichkeit eines günstigeren Grundstückskaufs9 bzw. – allgemein – eines Vertragsabschlusses zu günstigeren Preisen.10 Verneint hat sie eine konkrete Exspektanz u.a. bei der bloßen Aussicht auf einen Vertragsabschluss ohne verbindliche Vorverhandlungen;11 der Chance auf Zuteilung einer freien Wohnung aufgrund öffentlich-rechtlicher Vorschriften;12 den Zins- und Gewinnerwartungen bei hochspekulativen Kapitalanlagen13 oder der Chance, ein Grundstück bei Zahlungsunfähigkeit des Geschäftspartners wesentlich günstiger zu erwerben.14 3. Begriff des Nachteils a) Allgemeines: Nachteil und Schaden Im Unterschied zum Vermögensbegriff kann die herrschende Gleichbehandlung von Betrug und Untreue 69 (Rz. 67) in Bezug auf den Nachteilsbegriff nur im Grundsatz überzeugen. Richtig an der h.M. ist, dass auch der Begriff des Nachteils trotz seiner weiteren Wortbedeutung aus den zum Vermögensbegriff aufgeführten Gründen (Rz. 67) jedenfalls nicht weiter ausgelegt werden darf als der Begriff des Schadens. Das gilt namentlich für die Gesamtsaldierung mit ihrem Bezug auf das Gesamtvermögen (Rz. 70 f.) und den individuellen Schadenseinschlag (Rz. 79), wo die Grundsätze zum Betrug auch für die Untreue entsprechend Anwendung finden. Die Notwendigkeit einschränkender Auslegung ergibt sich für die Untreue aber aus drei strukturellen Besonderheiten zum Betrug:15 dem internen Angriffsweg auf das Vermögen verbunden mit einem spezifischen Täterprofil (Rz. 3, 5), der Nähe von Tathandlung und Taterfolg (Rz. 8)16 sowie der Straflosigkeit des Untreueversuchs (näher Rz. 123). Im Einzelnen findet der interne Angriffsweg eingrenzend Berücksichtigung bei der Beurteilung des Ausbleibens einer Vermögensmehrung (Rz. 80), das andere Täterprofil bei dem Strafbarkeitsausschluss der ständigen Ausgleichsbereitschaft und -fähigkeit des Untreuetäters, der systematisch zutreffend zur Gefahrschaffung im Rahmen der objektiven Zurechnung gehört (dazu Rz. 102). Die strukturelle Nähe von Tathandlung und Taterfolg sowie die Straflosigkeit des Untreueversuchs wirken einschränkend bei der Behandlung der schadensgleichen Vermögensgefahr (unten Rz. 82 ff.), die strukturelle Tatbestandsverschleifung darüber hinaus restriktiv bei der Gesamtsaldierung (Rz. 71, 73 ff.). Unstreitig setzt die Annahme eines Vermögensnachteils die Identität von betreutem und geschädigtem Vermögen voraus (Rz. 43).17 Nicht identisch müssen Treugeber und Geschäftsherr (Geschädigter) sein, so dass die Treunehmerstellung auch nicht direkt vom Geschäftsherrn stammen kann (Rz. 30).18 Beispiele sind die verdeckte Stellvertretung, wo etwa ein Ehemann Aktien seiner Frau durch seine Bank verwalten lässt,19 oder Fälle, in denen der Treupflichtige seinerseits von einem Treupflichtigen des Geschäftsherrn 1 BGH v. 20.2.1962 – 1 StR 496/61, BGHSt 17, 147, 148. 2 BGH v. 28.1.1983 – 1 StR 820/81, NJW 1983, 1807, 1808 = BGHSt 31, 232. 3 BGH v. 19.1.1965 – 1 StR 497/64, BGHSt 20, 143, 145; vgl. auch BGH v. 27.2.1975 – 4 StR 571/74, NJW 1975, 1234, 1235 f. 4 RGSt 26, 227, 229, 71, 333; einschr. RGSt 74, 316. 5 BGH v. 19.1.1965 – 1 StR 497/64, BGHSt 20, 143, 145. 6 RGSt 51, 204. 7 BGH v. 20.2.1962 – 1 StR 496/61, BGHSt 17, 147, 148; auch RGSt 73, 382, 384. 8 BGH v. 18.7.1963 – 1 StR 130/63, BGHSt 19, 37, 42. 9 BGH v. 28.1.1983 – 1 StR 820/81, NJW 1983, 1807, 1808. 10 BGH v. 9.3.1989 – 4 StR 622/88, wistra 1989, 224, 225; OLG Bremen v. 5.12.1988 – Ss 85/87, NStZ 1989, 228, 229; krit. Perron in S/S-StGB, § 266 Rz. 46 und Seier in A/R/R, Rz. 174; diese Kritik relativierend Schünemann in LK-StGB, § 266 Rz. 145. 11 RGSt 13, 8, 9. 12 RGSt 58, 285, 289. 13 Vgl. BGH v. 29.11.1995 – 5 StR 495/95, NStZ 1996, 191; OLG Köln v. 8.2.2000 – Ss 40/00 – 25, NStZ 2000, 481. 14 BGH v. 29.6.2006 – 5 StR 485/05, NJW 2006, 2864, 2868. 15 Saliger in S/S/W-StGB, § 266 Rz. 69; zust. nunmehr Perron in S/S-StGB, § 266 Rz. 39; Matt in M/R-StGB, § 266 Rz. 122 f.; vgl. auch BVerfG v. 23.6.2010 – 2 BvR 2559/08, 2 BvR 105/09, 2 BvR 491/09, NJW 2010, 3209, 3213 f. Rz. 98 ff.; Mansdörfer, JuS 2009, 118; Esser in AnwK-StGB, § 266 Rz. 159 ff. 16 A.A. Wessels/Hillenkamp, Rz. 780. 17 BGH v. 23.5.2002 – 1 StR 372/01, BGHSt 47, 295, 297; BGH v. 11.11.1982 – 4 StR 406/82, NJW 1983, 461, 462; Fischer, StGB, § 266 Rz. 115; Dierlamm in MüKo-StGB, § 266 Rz. 201; Perron in S/S-StGB, § 266 Rz. 47; Kindhäuser in NKStGB, § 266 Rz. 95; Wessels/Hillenkamp, Rz. 775. 18 OLG Braunschweig v. 14.7.1961 – Ss 132/61, NJW 1961, 2030, 2031; Kindhäuser in NK-StGB, § 266 Rz. 95; Dierlamm in MüKo-StGB, § 266 Rz. 201. 19 Schünemann in LK-StGB, § 266 Rz. 140; Schröder, JR 1963, 394, 395.

Saliger

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StGB

Untreue

StGB

§ 266 StGB Rz. 70

Strafgesetzbuch

beauftragt wird.1 In diesen Fällen ist auch der Beauftragte vermögensbetreuungspflichtig gegenüber dem Geschäftsherrn unter der Voraussetzung, dass die Begründung der Treunehmerstellung durch den Treugeber sich auf den Willen des Geschäftsherrn zurückführen lässt (vgl. auch Rz. 15, 30). Den tatsächlichen Vermögensträger muss der Treunehmer nicht kennen.2 Bei Personengesellschaften (KG, OHG, BGB-Gesellschaft) ist mangels eigener Rechtspersönlichkeit die Schädigung des Gesamthandsvermögens nur insoweit bedeutsam, als sie gleichzeitig das Vermögen der Gesellschafter berührt (dazu auch Rz. 111).3 Das gilt auch für die GmbH & Co KG (s. Rz. 111)4 sowie die Vor-GmbH (auch Rz. 108)5 b) Einzelfragen der Saldierung aa) Das Prinzip der Gesamtsaldierung (1) Gesamtvermögen und wirtschaftliche Betrachtung 70

Die Feststellung des Vermögensnachteils beurteilt sich im Grundsatz wie die Feststellung des Vermögensschadens beim Betrug (Rz. 69). Danach erleidet das Vermögen einen Nachteil, wenn sein Gesamtwert nach wirtschaftlicher Betrachtung durch die Pflichtverletzung vermindert wird.6 Das Abstellen auf den Gesamtwert des Vermögens stellt sicher, dass bloße Veränderungen des Vermögens in seinen Bestandteilen grundsätzlich nicht hinreichen.7 Ein solcher Schutz bloß der Integrität des Vermögensbestandes würde auf den Schutz der Dispositionsfreiheit des Geschäftsherrn hinauslaufen und damit den Charakter der Untreue als Vermögensdelikt verformen (Rz. 1; zur Problematik der neueren Rspr. zu schwarzen Kassen unten Rz. 97 f.). Darüber hinaus ergibt sich aus dem Schutzzweck der Untreue, dass sie zwar Nachteilszufügung verbietet, nicht aber Gewinnmaximierung verlangt.8 Wie der Betrug schützt die Untreue den Rechtsgutsträger nur vor dem „Ärmerwerden“, nicht auch vor dem „Nicht-Reicher-Werden“.9 Soweit es um den pflichtwidrigen Entzug von Vermögensteilen, der Nichterhaltung des status quo des Vermögens oder der unterlassenen Abwehr von Gefahren für das Vermögen geht, ist das unproblematisch. Aber auch für die Untreuestrafbarkeit durch Vereitelung einer Vermögensmehrung (Rz. 68 und 80) gilt nichts anderes. Die dort in Bezug genommenen konkreten tatsächlichen Anwartschaften gehören bereits zum Vermögensbestand, so dass ihre Vereitelung bzw. Nichtwahrnehmung sich auch als „Ärmerwerden“ darstellt. (2) Gesamtsaldierung (a) Grundsätze: Gleichzeitigkeit und ex-ante Einzelbetrachtung

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Die Verminderung des Gesamtvermögens wird durch einen Vergleich der Vermögenslagen vor und nach der Pflichtverletzung unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten ermittelt.10 Ein Vermögensnachteil liegt vor, wenn dieser Vergleich einen Negativsaldo zu Lasten des Gesamtvermögens des Geschäftsherrn ergibt. Ein Negativsaldo ist gegeben, wenn die durch die Untreuehandlung verursachte Wertminderung nicht gleichzeitig durch eine durch dieselbe Untreuehandlung bewirkte Werterhöhung voll ausgeglichen wird (h.M.: Gesamtsaldierung bei tathandlungsvermittelter Gleichzeitigkeit von Wertminderung und Werterhöhung; zur Unmittelbarkeit von Wertminderung und Werterhöhung unten Rz. 73 ff.).11 Dass Wertminderung und Werterhöhung unabhängig 1 Vgl. Perron in S/S-StGB, § 266 Rz. 32. 2 Schünemann in LK-StGB, § 266 Rz. 140; Perron in S/S-StGB, § 266 Rz. 32; Dierlamm in MüKo-StGB, § 266 Rz. 201; a.A. Schröder, JR 1963, 395. 3 BGH v. 6.11.1986 – 1 StR 327/86, BGHSt 34, 221, 222 f.; BGH v. 29.11.1983 – 5 StR 616/83, wistra 1984, 71; Kindhäuser in NK-StGB, § 266 Rz. 95; Schünemann in LK-StGB, § 266 Rz. 140; a.A. Grunst, BB 2001, 1537. 4 BGH v. 17.3.1987 – 5 StR 272/86, NStZ 1987, 279; BGH v. 22.2.1991 – 3 StR 348/90, wistra 1991, 183; vgl. auch BGH v. 3.5.1991 – 2 StR 613/90, NJW 1992, 250, 251. 5 BGH v. 24.7.1991 – 4 StR 258/91, wistra 1992, 24; Dierlamm in MüKo-StGB, § 266 Rz. 201; a.A. Hentschke, Der Untreueschutz der Vor-GmbH, S. 150 ff., 222 ff. 6 BVerfG v. 10.3.2009 – 2 BvR 1980/07, NJW 2009, 2370, 2371 Rz. 24; BVerfG v. 23.6.2010 – 2 BvR 2559/08, 2 BvR 105/09, 2 BvR 491/09, NJW 2010, 3209, 3216 Rz. 119; BGH v. 4.11.1997 – 1 StR 273/97, BGHSt 43, 293, 297; BGH v. 27.2.1975 – 4 StR 571/74, NJW 1975, 1234, 1235; BGH v. 27.8.2003 – 5 StR 254/03, NStZ 2004, 205, 206; BGH v. 2.7.2014 – 5 StR 182/14, NStZ 2014, 517, 519; Fischer, StGB, § 266 Rz. 115; Saliger in S/S/W-StGB, § 266 Rz. 70; Dierlamm in MüKo-StGB, § 266 Rz. 202; vgl. auch Kindhäuser in NK-StGB, § 266 Rz. 100, 106. 7 Vgl. BGH v. 18.7.1961 – 1 StR 606/60, BGHSt 16, 220, 221 f. zu § 263; BGH v. 21.10.1994 – 2 StR 328/94, BGHSt 40, 287, 295 f. 8 BGH v. 28.1.1983 – 1 StR 820/81, BGHSt 31, 232, 234 = NJW 1983, 1807, 1809. 9 Saliger in S/S/W-StGB, § 266 Rz. 70; vgl. ferner Seier in A/R/R, Rz. 170; Wessels/Hillenkamp, Rz. 776; Rönnau, FS Kohlmann, S. 250 ff. 10 BVerfG v. 10.3.2009 – 2 BvR 1980/07, NJW 2009, 2370, 2371 Rz. 24; BVerfG v. 23.6.2010 – 2 BvR 2559/08, NJW 2010, 3209, 3216 Rz. 119; BGH v. 17.8.2006 – 4 StR 117/06, NStZ-RR 2006, 378, 379; BGH v. 2.7.2014 – 5 StR 182/14, NStZ 2014, 517, 519; BGH v. 26.11.2015 – 3 StR 17/15, NZG 2016, 703, 710. 11 BGH v. 4.11.1997 – 1 StR 273/97, BGHSt 43, 293, 298; BGH v. 23.5.2002 – 1 StR 372/01, 47, 295, 301 f.; BGH v. 27.2.1975 – 4 StR 571/74, NJW 1975, 1234, 1235; BGH v. 2.7.1997 – 2 StR 228/97, NStZ 1997, 543; BGH v. 17.4.2002 – 2 StR 531/01, NStZ-RR 2002, 237, 238; BGH v. 9.2.2006 – 5 StR 423/05, NStZ-RR 2006, 175 und 378, 379; BGH v. 7.9.2011 – 2 StR 600/10, NJW 2011, 3528, 3529; BGH v. 11.12.2014 – 3 StR 265/14, NJW 2015, 1618, 1621; Heger in Lackner/Kühl, StGB, § 266 Rz. 17, 17b; Fischer, StGB, § 266 Rz. 115, 164 ff.; Saliger in S/S/W-StGB, § 266 Rz. 71; Perron

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Saliger

Rz. 72 § 266 StGB

voneinander zufällig zur gleichen Zeit eintreten, genügt für den Ausschluss eines Vermögensnachteils bei § 266 nicht. Die gleichzeitig eintretenden Vermögensfolgen müssen vielmehr durch dieselbe Untreuehandlung bewirkt sein.1 Dabei kommt es grundsätzlich nicht auf das Gesamtergebnis einer Wirtschaftsperiode oder eine „letzten Endes“ erreichbare Saldierung möglicher Vor- und Nachteile für das zu betreuende Vermögen, sondern auf die einzelne Untreuehandlung an.2 Maßgeblicher Zeitpunkt für die Gesamtsaldierung ist grundsätzlich die ex-ante Perspektive bei Vollendung der einzelnen Pflichtverletzung.3 Insoweit erfordert die Gesamtsaldierung auch keine Ermittlung des Gesamtwerts des Vermögens durch Festlegung des Wertes sämtlicher Vermögensposten des Geschäftsherrn. Es genügt der Vergleich der beiden Vermögenslagen im Hinblick auf die durch die Pflichtverletzung beeinträchtigten Vermögensgegenstände und die als Ausgleich zugeflossenen Vermögenswerte.4 Bei dem Vergleich sind nur solche Aspekte negativ und positiv zu berücksichtigen, die einen konkretisierbaren Vermögenswert besitzen, die also nach wirtschaftlicher Betrachtung in Geld messbar sind.5 Ansehensverlust, Rufschädigung oder Geschäftsverleumdung z.B. sind nur beachtenswert, wenn sie das Vermögen konkret messbar beeinträchtigen.6 Weitgehend ungeklärt ist die Bewertung von Unternehmen. Nach BGH v. 10.7.1996 – 3 StR 50/96, NJW 1997, 66 (68) besteht der Wert eines Unternehmens i.d.R. nicht nur aus der Summe seiner vermögenswerten Sachen und Rechte (= Substanzwert). BGH v. 11.9.2003 – 5 StR 524/02, wistra 2003, 457 (459) will mit Blick auf die im Zivilrecht bestehenden Bewertungsunsicherheiten und ungeklärten Maßstäbe dem in dubio-Grundsatz Rechnung tragen und zur Unternehmenswertbestimmung grundsätzlich diejenigen anerkannten Bewertungsmethoden heranziehen, die für den Beschuldigten am günstigsten sind.7 (b) Prüfungsreihenfolge und Beispiele Die Gesamtsaldierung erfolgt in drei Schritten:8 Im ersten Schritt ist festzustellen, ob und inwieweit das Ver- 72 mögen durch die Pflichtverletzung vermindert worden ist. Im zweiten Schritt ist zu ermitteln, ob und inwieweit dem Vermögen durch dieselbe Untreuehandlung wirtschaftliche Vorteile zugeflossen sind, die zu einem vollen Wertausgleich der Vermögensminderung geführt haben (Rz. 73 ff.). Im dritten Schritt ist zu prüfen, ob ein nach den Schritten 1 und 2 vorhandener Vermögensnachteil bei pflichtgemäßem Verhalten nicht eingetreten oder durch einen Vermögenszuwachs kompensiert worden wäre. Dieser Pflichtwidrigkeitszusammenhang gehört systematisch nicht mehr zur Saldierung i.e.S., sondern zur objektiven Zurechnung (Rz. 103). Ein Vermögensnachteil ist danach anzunehmen bzw. kommt in Betracht bei der Verminderung des Aktivvermögens, etwa wenn Vermögensgegenstände weit unter Wert verkauft oder verschleudert,9 verschenkt,10 beschädigt, zerstört oder entzogen werden,11 wenn für Waren weit überhöhte Preise oder sonstige Leistungen weit überhöhte Honorare bezahlt werden,12 bei Zahlungen ohne Gegenleisung, auf die kein Anspruch besteht, und bei Zuwendungen außerhalb des gesetzlich Zulässigen,13 bei der Gewährung kompensationsloser Anerkennungsprämien;14 ferner bei der ding-

1 2 3

4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14

in S/S-StGB, § 266 Rz. 40 f.; Schünemann in LK-StGB, § 266 Rz. 136 f.; Kindhäuser in NK-StGB, § 266 Rz. 106 f.; Seier in A/R/R, Rz. 170; Dierlamm in MüKo-StGB, § 266 Rz. 202; Wessels/Hillenkamp, Rz. 777; a.A. Wolf, Die Strafbarkeit (1998), S. 53 ff., 61 ff. Saliger in S/S/W-StGB, § 266 Rz. 71; vgl. ferner Schünemann in LK-StGB, § 266 Rz. 138; Esser in AnwK-StGB, § 266 Rz. 163. BGH v. 17.4.2002 – 2 StR 531/01, NStZ-RR 2002, 237, 238; BGH v. 4.11.1997 – 1 StR 273/97, BGHSt 43, 293, 296 f. BGH v. 17.8.2006 – 4 StR 117/06, NStZ-RR 2006, 378, 379; BGH v. 2.7.1997 – 2 StR 228/97, NStZ 1997, 543; BGH v. 14.12.2000 – 5 StR 123/00, NStZ 2001, 248, 251; auch BGH v. 21.10.1994 – 2 StR 328/94, BGHSt 40, 287, 298; BGH v. 2.7.2014 – 5 StR 182/14, NStZ 2014, 517, 529 und BGH v. 26.11.2015 – 3 StR 17/15, NZG 2016, 703, 710; Fischer, StGB, § 266 Rz. 164 ff.; Perron in S/S-StGB, § 266 Rz. 40 ff.; Saliger in S/S/W-StGB, § 266 Rz. 71. A.A. der Sache nach BGH v. 13.4.2011 – 1 StR 94/10, BGHSt 56, 203, 219: Tatentdeckung, dazu abl. unten Rz. 126; relativierend auch Bittmann, NStZ 2013, 72, der eine pragmatische (!) Quantifizierung des Untreuenachteils im Wege korrigierter ex-post-Betrachtung vorschlägt. Vgl. Hefendehl in MüKo-StGB, § 263 Rz. 493; Hoyer in SK-StGB, § 263 Rz. 193. Saliger in S/S/W-StGB, § 266 Rz. 71; ferner BGH v. 27.2.1975 – 4 StR 571/74, NJW 1975, 1234, 1235; BGH v. 8.4.1986 – 1 StR 104/86, NStZ 1986, 455, 456; BGH v. 17.4.2002 – 2 StR 531/01, NStZ-RR 2002, 237, 238. Seier in A/R/R, Rz. 171. Zum Problem: Florstedt, wistra 2007, 441; Langrock, wistra 2005, 46. Saliger in S/S/W-StGB, § 266 Rz. 72; auch Dierlamm in MüKo-StGB, § 266 Rz. 202 und der Sache nach Kindhäuser in NK-StGB, § 266 Rz. 100, 106; zur Komplexität der dabei aufgeworfenen Fragen Bräunig, Untreue (2011), S. 226 ff., 319 ff. Vgl. BGH v. 14.11.1978 – 5 StR 546/78, MDR (H) 1979, 636; OLG Bremen v. 5.12.1988 – Ss 85/87, NStZ 1989, 228, 229; zur schadensgleichen Vermögensgefahr durch den Abschluss wirtschaftlich unausgewogener Kaufverträge unten Rz. 90. Perron in S/S-StGB, § 266 Rz. 40. Seier in A/R/R, Rz. 172. BGH v. 11.5.2001 – 3 StR 549/00, BGHSt 47, 22, 24 f.; BGH v. 1.4.1969 – 1 StR 614/68, MDR (D) 1969, 534; BGH v. 13.8.1970 – StR 276/70, GA 1971, 209, 210; auch BGH v. 3.2.2005 – 5 StR 84/04, NStZ-RR 2005, 343, 344. BGH v. 9.12.2004 – 4 StR 294/04, NStZ-RR 2005, 83, 84, 86; BGH v. 12.12.2013 – 3 StR 146/13, NStZ 2015, 220, 222; auch BGH v. 26.11.2015 – 3 StR 17/15, BeckRS 2016, 08605, Rz. 98 f. – in NZG 2016, 703 nicht abgedruckt. BGH v. 21.12.2005 – 3 StR 470/04, BGHSt 50, 331, 341, 346 – Fall Mannesmann.

Saliger

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StGB

Untreue

StGB

§ 266 StGB Rz. 73

Strafgesetzbuch

lichen Belastung von Vermögensstücken1 oder der Belastung mit Verbindlichkeiten (auch Rz. 109 f.)2 sowie beim bestimmungswidrigen Einsatz von Personal- und/oder Sachmitteln zum eigenen Vorteil (näher Rz. 112 f.).3 Einen Vermögensnachteil bilden auch die vermeidbaren Mehrkosten, die durch die Einbindung eines Dritten entstehen, der von einem Gerichtsvollzieher zur Ermöglichung von Einkünften einen Speditionsauftrag erhalten hat und diesen Auftrag tatsächlich durch einen Subunternehmer ausführen lässt.4 Dagegen scheidet ein Vermögensnachteil aus, wenn der fragliche Vermögenswert zum Tatzeitpunkt bereits dem Treunehmervermögen zuzurechnen ist.5 (3) Kompensation (a) Grundsätze: Unmittelbarkeit auf Vorteilsseite und Irrelevanz gesetzlicher Ersatzansprüche 73

Die Feststellung der vollen Kompensation einer Vermögensminderung stellt Theorie und Praxis des Untreuestrafrechts vor besondere Probleme.6 Unklar ist nicht nur, welche Vermögensvorteile berücksichtigt werden sollen und wie sie zu bewerten sind. Streitig ist auch, ob auf der Nachteilsseite ein Unmittelbarkeitserfordernis zu verlangen ist. Anerkannt ist zunächst, dass bei der Saldierung auf der Vorteilsseite grundsätzlich nur Vermögensvorteile zu berücksichtigen sind, die unmittelbar durch die Pflichtverletzung ausgelöst worden sind (zur Ausnahme der Gesamtbetrachtung Rz. 74).7 Vorteile, die nur mittelbar auf der Pflichtverletzung beruhen, scheiden ebenso aus8 wie ein Vermögensvorteil, der sich nicht aus der pflichtwidrigen Handlung selbst ergibt, sondern durch eine andere, rechtlich selbständige Handlung des Täters oder eines Dritten hervorgebracht wird.9 Letzteres ergibt sich bereits aus dem Grundsatz der tathandlungsvermittelten Gleichzeitigkeit von Wertminderung und Werterhöhung (vgl. Rz. 71).10 Ein Vorteil ist aber nur dann wirtschaftlich voll kompensationsfähig, wenn seine Realisierung jederzeit ohne nennenswerte Schwierigkeiten, insbesondere ohne besonderen Zeit- und Kostenaufwand und ohne Mitwirkung des Schuldners, zu erwarten ist.11 Nach Ansicht des 1. Strafsenats soll ein kompensationstauglicher unmittelbarer Vorteil nicht stets einen engen zeitlichen Zusammenhang mit der Pflichtverletzung voraussetzen. Denn „unmittelbar“ bedeute „nicht zeitgleich bzw. sofort oder auch nur bald“.12 Diese Ansicht ist an die hiesige Auffassung durchaus anschlußfähig, weil auch der 1. Strafsenat die Unmittelbarkeit verneint, wenn der kompensationsfähige Vermögenszuwachs von einer weiteren, selbständigen Handlung abhängt.13 In der Ausgrenzung mittelbarer und auf selbständigen Handlungen beruhender Vermögensvorteile leistet das Unmittelbarkeitserfordernis die Abgrenzung zur nachträglichen Schadenswiedergutmachung. Diese berührt, da der Vermögensnachteil nicht anzudauern braucht, wie bei § 263 nicht mehr den bereits verwirklichten Tatbestand und ist allenfalls beim Strafmaß zu berücksichtigen.14 Gleichfalls anerkannt ist, dass gesetzliche Ersatzansprüche aus der Pflichtverletzung wie bei § 263 grundsätzlich auch bei der Untreue kompensationsuntauglich sind. Das gilt insbesondere für die zivilgesetzlichen Schadensersatzansprüche aus §§ 823 Abs. 2, 826 BGB oder die Bereicherungsansprüche nach §§ 812 ff. BGB,15 nach h.M. auch

1 RGSt 61, 174. 2 Vgl. BGH v. 11.5.1999 – 4 StR 110/99, NStZ 1999, 557, 558 zulasten einer GmbH, wobei ein Vermögensnachteil nur in Bezug auf noch unbelastetes Vermögen anzunehmen ist; BGH v. 17.8.2006 – 4 StR 117/06, NStZ-RR 2006, 378 für eine Bürgeschaftsübernahme. 3 Vgl. BGH v. 21.1.1969 – 5 StR 644/68; Seier in A/R/R, Rz. 172; Dierlamm in MüKo-StGB, § 266 Rz. 204. 4 KG v. 15.5.2013 – 1 StR 476/12, NStZ-RR 2013, 279. 5 BGH v. 14.4.2010 – 5 StR 72/10, wistra 2010, 303, 304 zu einer Lebensversicherung. 6 Dazu Waßmer in Fischer u.a. (Hrsg.), Dogmatik, S. 175 ff. 7 BGH v. 4.11.1997 – 1 StR 273/97, BGHSt 43, 293, 298; BGH v. 17.4.2002 – 2 StR 531/01, NStZ-RR 2002, 237, 238; BGH v. 26.4.2006 – 2 StR 515/05, wistra 2006, 307, 308; BGH v. 8.4.1986 – 1 StR 104/86, NStZ 1986, 455, 456; BGH v. 5.7.2011 – 3 StR 444/10, NStZ-RR 2011, 312, 313; v. 11.12.2014 – 3 StR 265/14, NJW 2015, 1618, 1621; BayObLG v. 20.7.1995 – 4St RR 4/95, NJW 1996, 268, 271; LG Mainz v. 4.4.2000 – 4 U 71/99, NJW 2001, 906, 907; Fischer, StGB, § 266 Rz. 115, 134, 166; Saliger in S/S/W-StGB, § 266 Rz. 73; Seier in A/R/R, Rz. 175; Kindhäuser in NK-StGB, § 266 Rz. 107; Wessels/Hillenkamp, Rz. 777; tendenziell weiter BGH v. 27.2.1975 – 4 StR 571/74, NJW 1975, 1234, 1235, dazu unten Rz. 76. 8 Kindhäuser in NK-StGB, § 266 Rz. 107. 9 BGH v. 8.4.1986 – 1 StR 104/86, NStZ 1986, 455, 456. 10 Zutreffend BGH v. 8.4.1986 – 1 StR 104/86, NStZ 1986, 455, 456. 11 BGH v. 11.12.2014 – 3 StR 265/14, NJW 2015, 1618, 1621 unter Bezug auf Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 167. 12 BGH v. 13.9.2010 – 1 StR 220/09, BGHSt 55, 288, 305 – AUB-Fall – m. Anm. Bittmann, NJW 2011, 96; Brand, JR 2011, 400 sowie Bspr. Kraatz, wistra 2011, 447 und Saliger, ZIS 2011, 908; ebenso BGH v. 11.12.2014 – 3 StR 265/14, NJW 2015, 1618, 1623. 13 Vgl. BGH v. 13.9.2010 – 1 StR 220/09, BGHSt 55, 288, 305 f. 14 Vgl. BGH v. 8.4.1986 – 1 StR 104/86, NStZ 1986, 455, 456; BGH v. 21.10.1994 – 2 StR 328/94, BGHSt 40, 287, 298; BGH v. 18.10.2006 – 2 StR 499/05, 51, 100, 116; auch BGH v. 19.1.1965 – 1 StR 497/64, 20, 143, 144; Fischer, StGB, § 266 Rz. 164; Saliger in S/S/W-StGB, § 266 Rz. 73; Schünemann in LK-StGB, § 266 Rz. 137; Kindhäuser in NK-StGB, § 266 Rz. 107. 15 BGH v. 2.6.1993 – 2 StR 144/93, wistra 1993, 265, 266; BGH v. 11.12.2014 – 3 StR 265/14, NJW 2015, 1618, 1621; auch BVerfG v. 23.6.2010 – 2 BvR 2559/08, NJW 2010, 3209, 3217 Rz. 126; Fischer, StGB, § 266 Rz. 168; Perron in S/S-StGB, § 266 Rz. 42; Dierlamm in MüKo-StGB, § 266 Rz. 209; zu den Gründen Saliger, Parteiengesetz, S. 142.

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Saliger

Rz. 75 § 266 StGB

für Anfechtungs-, Rücktritts- und Gewährleistungsrechte.1 Von diesem Grundsatz macht die h.M. bei der Untreue eine Ausnahme, wenn der Täter ständig zu einem vollen Ausgleich ersatzbereit und ersatzfähig ist (dazu Rz. 102). Nicht zulässig ist eine Kompensation unter Berücksichtigung hypothetischer Sachverhalte.2 Als kompensationsgeeigneten Vermögensvorteil hat die Rspr. u.a. bejaht bzw. in Betracht gezogen die unmittel- 74 bare (vgl. auch Rz. 131)3 Befreiung des betreuten Vermögens von einer fälligen Verbindlichkeit in gleicher Höhe,4 u.U. schon vor Eintritt der Fälligkeit, wenn durch die vorfristige Überweisung kein Nachteil entstanden ist,5 auch dann, wenn die Verbindlichkeit schwer zu beweisen wäre,6 etwa im Fall des Erlöschens eines Provisionsverpflichtung;7 grundsätzlich die gleichwertige Gegenleistung (zum individuellen Schadenseinschlag Rz. 79),8 insbesondere die Verfügungsmöglichkeit über ausgezahlte Kreditbeträge (dazu auch Rz. 79, 118),9 die faktische Aufwendung von Arbeitszeit und Arbeitskraft10 sowie auch auch die Dienstleistung der angestellten Person,11 es sei denn, diese ist fachlich unqualifiziert und ihre Arbeitsleistung wäre von dem vorhandenen Personal erledigt worden;12 konkrete Gewinnerwartungen (dazu auch Rz. 76 f.);13 ein Betriebsübergang gem. § 613a BGB, sofern das abgebende Treugeberunternehmen im Innenverhältnis von dem Nachfolgeunternehmen freigestellt wird und somit kein Gesamtschuldnerausgleich besteht;14 den Verzicht des Angeklagten auf die zusätzliche Vergütung von Überstunden.15 Verneint hat sie eine Kompensation u.a. bei Ersetzung des veräußerten Gegenstandes durch ein entsprechendes Stück;16 bei späterer Verwendung des durch die Pflichtverletzung erlangten Geldes für Zwecke des Geschäftsherrn;17 in Bezug auf das Adressenausfallrisiko bei Scheckreiterei;18 beim Abzug liquider Geldmittel aus Abwicklungsgesellschaften zur Begleichung nicht fälliger Honorarforderungen;19 bei nachtatlichen freiwilligen Leistungen Dritter oder des Täters an den Geschäftsherrn;20 bei einer Prämienzahlung als Vermögenszuwachs, die schon im Verrechnungszeitpunkt mit einem Kapitalrückerstattungsanspruch als Vermögensminderung behaftet war;21 bei teilweiser Nichtigkeit der Verpflichtung;22 bei Zahlung von Sonderboni für Leistungen, zu denen der Angekl. bereits arbeitsvertraglich verpflichtet und entlohnt war;23 bei einem Bereicherungsanspruch.24 (b) Ausnahme: Gesamtbetrachtung Eine Ausnahme von der Einzelbetrachtung und dem Unmittelbarkeitserfordernis bejahen Rspr. und Schrifttum 75 auch jenseits von Risikogeschäften (vgl. Rz. 62) dann, „wenn – bei wirtschaftlicher Betrachtung – nach einem vernünftigen Gesamtplan mehrere Verfügungen erforderlich sind, um den ausgleichenden Erfolg zu erreichen“.25 Insbesondere das RG hat in ständiger Rspr. ein Handeln zum Nachteil regelmäßig dann nicht angenommen, wenn die eine wirtschaftliche Einheit bildende Verwaltung des Treunehmers für den Treugeber teilweise nützlich und schädlich zugleich ist und der wirtschaftlich höher stehende Vorteil nicht anders als über einen wirtschaftlich ge-

1 Vgl. jew. zu § 263 BGH v. 28.11.1967 – 5 StR 556/67, BGHSt 21, 384, 386; BGH v. 16.7.1970 – 4 StR 505/69, 23, 300, 302 f.; Kindhäuser in NK-StGB, § 266 Rz. 107. 2 BGH v. 7.9.2011 – 2 StR 600/10, NJW 2011, 3528, 3529; Schramm in M/G, § 266 StGB Rz. 125. 3 Dazu BGH v. 5.7.2011 – 3 StR 444/10, NStZ-RR 2011, 312, 313: er fordert eine Inbeziehungsetzung zum bestehenden Anspruch. 4 Vgl. BGH v. 11.11.2004 – 5 StR 299/03, BGHSt 49, 317, 333 f.; auch BGH v. 24.8.1988 – 3 StR 232/88, BGHSt 35, 333, 336. 5 BGH v. 9.2.2006 – 5 StR 423/05, NStZ-RR 2006, 175, 176. 6 BGH v. 13.7.1999 – 5 StR 667/98, BGHR StGB § 266 Nachteil 46. 7 BGH v. 27.8.2003 – 5 StR 254/03, NStZ 2004, 205, 206. 8 BGH v. 4.11.1997 – 1 StR 273/97, BGHSt 43, 293, 298; BGH v. 17.4.2002 – 2 StR 531/01, NStZ-RR 2002, 237, 238. 9 BVerfG v. 1.11.2012 – 2 BvR 1235/11, NJW 2013, 365, 366 f. – Fall Schäch. 10 OLG Köln v. 6.5.2013 – III-2 Ws 254/13, BeckRS 2013, 08025. 11 Vgl. BGH v. 18.2.1999 – 5 StR 193/98, BGHSt 45, 1, 5 ff. 12 BGH v. 26.4.2006 – 2 StR 515/05, wistra 2006, 307, 308; Fischer, StGB, § 266 Rz. 73d. 13 Vgl. BGH v. 17.8.2006 – 4 StR 117/06, NStZ-RR 2006, 378, 379. 14 BGH v. 30.5.2013 – 5 StR 309/12, BeckRS 2013, 10904, Rz. 13. 15 BGH v. 12.12.2013 – 3 StR 146/13, NStZ 2015, 220, 222. 16 BGH v. 19.1.1965 – 1 StR 497/64, BGHSt 20, 143, 144: teilweise Wiedergutmachung. 17 BGH v. 8.4.1986 – 1 StR 104/86, NStZ 1986, 455, 456: allenfalls nachträgliche Wiedergutmachung; auch BGH v. 21.10.1994 – 2 StR 328/94, BGHSt 40, 287, 298: Schadenswiedergutmachung. 18 BGH v. 13.2.2001 – 1 StR 448/00, BGHR StGB § 266 Nachteil 47. 19 BGH v. 13.6.2001 – 5 StR 78/01, BGHR StGB § 266 Nachteil 51. 20 „Kohl“-Pfenning als Schadenswiedergutmachung; vgl. LG Bonn v. 28.2.2001 – 27 AR 2/01, NJW 2001, 1736, 1737, 1739; Schwind, NStZ 2001, 353; Saliger, Parteiengesetz, S. 141. 21 BGH v. 4.3.1999 – 5 StR 355/98, wistra 1999, 263, 266 zu § 263: „vorübergehender Vermögenszuwachs“. 22 BGH v. 11.11.2004 – 5 StR 299/03, BGHSt 49, 317, 334 – Fall Schreiber. 23 BGH v. 17.9.2009 – 5 StR 521/08, BGHSt 54, 148, 158 f. – VW-Fall – m. Anm. Bittmann, NJW 2010, 98; Corsten, wistra 2010, 206. 24 BGH v. 11.12.2014 – 3 StR 265/14, NJW 2015, 1618, 1621. 25 BGH v. 23.5.2002 – 1 StR 372/01, BGHSt 47, 295, 302; ferner Saliger in S/S/W-StGB, § 266 Rz. 75; Schünemann in LKStGB, § 266 Rz. 137; Heger in Lackner/Kühl, StGB, § 266 Rz. 17; Seier in A/R/R, Rz. 177 f.; Dierlamm in MüKo-StGB, § 266 Rz. 207; Lüderssen, FS Müller-Dietz, S. 468 ff.; Taschke, FS Lüderssen, S. 667; Waßmer in Fischer u.a. (Hrsg.), Dogmatik, S. 177 ff.

Saliger

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Untreue

StGB

§ 266 StGB Rz. 76

Strafgesetzbuch

ringeren Nachteil zu erreichen ist.1 In solchen Fällen wie auch bei einer fortlaufenden Geschäftsverbindung, „bei der jeder Teil dem anderen gelegentlich entgegenkommen muss, um dafür später wieder eine günstige Geschäftsabwicklung zu erreichen“, sei es „rechtlich unzulässig, aus diesem Gesamtverhalten Einzelhandlungen willkürlich herauszugreifen und unabhängig von den anderen zu beurteilen“.2 Diese Rspr. macht insofern eine Ausnahme von dem Unmittelbarkeitserfordernis auf Vorteilsseite, als die Perspektive auf ein wirtschaftlich vernünftiges Gesamtverhalten die Berücksichtigung von – bezogen auf die Tathandlung – mittelbaren Vermögensvorteilen erlaubt, die gegebenenfalls auf weiteren selbständigen Handlungen des Täters beruhen.3 Dass die Zulassung einer Gesamtbetrachtung bei der Saldierung Probleme birgt, liegt auf der Hand. Erwähnt seien nur die Schwierigkeit der Eingrenzung der mittelbaren Vorteile und das Abgrenzungsproblem zwischen Tatvollendung und nachträglicher Schadenswiedergutmachung.4 Gleichwohl verdient die Rspr. grundsätzlich Zustimmung, weil es auch jenseits von Risikogeschäften in den Fällen langfristiger Vermögensverwaltung sachgerecht ist, wirtschaftlicher Geschäftslogik bei der Frage der kompensationstauglichen Vermögensvorteile, namentlich in Bezug auf konkrete Gewinnchancen, Rechnung zu tragen.5 Stets bleibt allerdings genau zu prüfen, ob in diesen Fällen nicht schon eine Pflichtverletzung ausscheidet (vgl. Rz. 60 ff.).6 Anwendungsfälle für eine Gesamtbetrachtung sind vor allem komplexe kaufmännische und industrielle Investitionsentscheidungen.7 (c) Problem: Verrechnung von Mittelabfluss mit konkreter Gewinnchance 76

Die mit der Gesamtbetrachtung verbundenen Anwendungsschwierigkeiten zeigen sich bei dem streitigen Kompensationsproblem, wie pflichtwidrige bzw. gesetzwidrige Mittelabflüsse mit konkreten Chancen auf Vermögensgewinn zu verrechnen sind (zu den Verrechnungsproblemen bei Beteiligung einer Vermögensgefahr Rz. 95). In der einschlägigen Leitentscheidung zum Bundesligaskandal hat der 4. Strafsenat auf Basis einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise bei der Saldierung jeden Vorteil als kompensationsgeeignet angesehen, der durch die pflichtwidrige Handlung erzielt worden ist, insbesondere auch den Erhalt der Bundesligazugehörigkeit für ein weiteres Jahr durch die Beeinflussung des Spielausgangs.8 Die Rechtslage sei ähnlich zu beurteilen wie beim Risikogeschäft. Insoweit komme es für die Annahme eines Vermögensnachteils im Zweifel darauf an, „ob bei wirtschaftlich vernünftiger, alle bekannten äußeren Umstände berücksichtigender Gesamtbetrachtung die Gefahr eines Verlustgeschäfts wahrscheinlicher ist als die Aussicht auf Gewinnzuwachs“ (vgl. oben Rz. 62).9 Auch wenn dieses Urteil auf ein uneinheitliches Echo gestoßen ist,10 ist ihm im Kern zuzustimmen.11 Bei der Verrechnung von effektiven Güterverlusten mit konkreten Gewinnchancen muss der wirtschaftliche Nutzen (Aussicht auf Bundesligazugehörigkeit für ein Jahr) in der Tat zumindest größer sein als der wirtschaftliche Nachteil (50 000 Euro Bestechungsgeld). Denn es wäre für den Treugeber unverständlich, wenn der Treunehmer straflos effektive Güterverluste gegen gleichwertige oder geringerwertige Vermögenschancen eintauschen dürfte. Der Besitz von 50 000 Euro ist werthaltiger als die bloße Chance auf 50 000 Euro.12 Zudem entspricht es einer wirtschaftlichen Sicht, Manipulationsgeschäfte bei der Saldierung als „einheitlichen zusammenhängenden Vorgang“ aufzufassen, „der es nicht zulässt, … die Bewertung von Nachteil und Vorteil in einzelne, unabhängig voneinander zu beurteilende Abschnitte“ aufzuteilen.13

77

Die Rspr. ist diesen Maßgaben auch in späteren Entscheidungen durchaus gefolgt.14 So soll nach einem Beschluss des OLG Frankfurt bei Schmiergeldzahlungen der Treunehmer an Angestellte potentieller Auftraggeber

1 RG JW 1934, 2923; auch RG JW 1935, 2639; RGSt 64, 422, 430 ff.; RGSt 75, 227, 230. 2 RG JW 1936, 882 f. in Anknüpfung an RGSt 65, 422, 430, 432. 3 Deutlich RGSt 75, 227, das die Ablehnung einer Vermögensbenachteiligung auch bei einem nur mittelbaren Schadensausgleich für möglich hält. 4 Näher Saliger, Parteiengesetz, S. 144 ff. 5 Saliger in S/S/W-StGB, § 266 Rz. 75; Saliger, HRRS 2006, 21; auch Dierlamm in MüKo-StGB, § 266 Rz. 207. 6 Krit. Seier in A/R/R, Rz. 177. 7 Vgl. Dierlamm in MüKo-StGB, § 266 Rz. 207; Schünemann in LK-StGB, § 266 Rz. 137. 8 BGH v. 27.2.1975 – 4 StR 571/74, NJW 1975, 1234, 1235 m. Anm. Schreiber/Beulke, JuS 1977, 656; Bringewat, JZ 1977, 667; ferner Triffterer, NJW 1975, 612. 9 BGH v. 27.2.1975 – 4 StR 571/74, NJW 1975, 1234, 1236; ebenso OLG Frankfurt v. 25.2.2004 – 2 Ws 73/03, NStZ-RR 2004, 244, 245. 10 Zust. etwa Kempf, FS Hamm, S. 260 f.; Saliger, JA 2007, 332; auch Schünemann in LK-StGB, § 266 Rz. 96, 98, 138 m. Fn. 712. Für Ausschluss strafbar bzw. sittenwidrig erlangter Vorteile dagegen Bringewat, JZ 1977, 672; Hübner in LKStGB, § 266 Rz. 86; Seelmann, JuS 1982, 918; Fischer, StGB, § 266 Rz. 167. Für eine höhere Wahrscheinlichkeit Triffterer, NJW 1975, 614; Schreiber/Beulke, JuS 1977, 660; OLG Bremen v. 5.12.1988 – Ss 85/87, NStZ 1989, 228, 229. Für Berücksichtigung des Werts der Bundesligazugehörigkeit für ein Jahr im Rahmen einer Einzelbetrachtung Triffterer, NJW 1975, 613 f.; Schreiber/Beulke, JuS 1977, 659; Weise, Finanzielle Beeinflussungen, S. 284 ff., 321; vgl. auch Waßmer, Untreue, S. 121 ff., 122. 11 Zum Folgenden Saliger in S/S/W-StGB, § 266 Rz. 76 mit weiteren Hinweisen zur Debatte. 12 Vgl. Schreiber/Beulke, JuS 1977, 659; Saliger, Parteiengesetz, S. 152; auch Maurach/Schroeder/Maiwald, BT 1 § 41 Rz. 111. 13 BGH v. 27.2.1975 – 4 StR 571/74, NJW 1975, 1234, 1235; i.E. ebenso Corsten, HRRS 2011, 247, 251 ff., 253 f. 14 Vgl. etwa BGH v. 28.1.1983 – 1 StR 820/81, NJW 1983, 1807, 1808: Maßgeblichkeit des einzelnen Geschäfts, soweit es eine wirtschaftliche Einheit bildet.

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Rz. 78 § 266 StGB

(aus der Autobranche) nicht allein auf die jeweils unmittelbar mit einer Schmiergeldzahlung zusammenhängenden Aufträge abgestellt werden, sondern – als weitergehende Betrachtungsweise – auch auf den vom Täter jeweils ins Auge gefassten Gesamt- oder Schlussgewinn des Unternehmens in Gestalt der konkreten Aussicht auf Markteinstiege und einer Steigerung des Umsatzvolumens. Deshalb handele – unabhängig von Schmiergeldzahlungen – „nicht entgegen den Regeln eines sorgfältigen Kaufmanns nach Art eines Spielers, wer, um dem Unternehmen eine bestimmte Marktposition zu verschaffen, zunächst verlustbringende Aufträge annimmt, um überhaupt erst einmal in den Markt eintreten und dann daran anschließend künftig gewinnbringende (Folge-)Aufträge erhalten zu können“.1 Auch das LG Mainz hat eine Kompensation hinsichtlich des Erwerbs überteuerter HerzschrittmacherImplantate für den Treugeber durch die Einsparungen aus dem Einsatz eines EKG-Gerätes als Vorteil bejaht, das die Treunehmer mit den Zuwendungen der Lieferfirma an sie angeschafft hatten.2 I.S.d. in diesen Entscheidungen zum Ausdruck kommenden wirtschaftlichen Betrachtungsweise hat auch der 2. Strafsenat des BGH bei der Kompensation des Grundstückverkaufs einer Stadt mit Verpflichtung zur altlastenfreien Übergabe als Vermögensnachteil mit Recht die begründete Aussicht auf erhöhte Gewerbesteuereinnahmen, Erhalt und Schaffung neuer Arbeitsplätze sowie einer Stärkung des Wirtschaftsstandorts als konkrete Vermögenschancen gewürdigt.3 In diesem Zusammenhang verdient Beachtung, dass der 2. Strafsenat sich im Fall Siemens zumindest der Würdigung des LG Darmstadt4 verschlossen hat, auch die Bestechungszahlungen der Treunehmer unter Rückgriff auf die der Sache nach stark normativierende Konstruktion einer „schadensgleichen Kompensationsgefährdung“5 als strafbare Untreue zu bestätigen (dazu näher Rz. 98).6 Obschon die Berücksichtigung bemakelter oder strafbar erlangter Vermögensvorteile im Rahmen der Kompensation in der Konsequenz eines rein wirtschaftlichen Vermögensbegriff liegt,7 so ist die Rechtsunbeständigkeit eines Vermögensvorteils doch zumindest ein Faktor, der bei der Bewertung des Vorteils wertmindernd zu berücksichtigen ist.8 Insgesamt wird man feststellen dürfen, dass diese Rspr. durch die vom BVerfG aufgestellte Normativierungsgrenze für die Bestimmung des Vermögensnachteils (oben Rz. 65 f.) eine verfassungsrechtliche Bestätigung erfahren hat. Denn wenn die Verwendung des Treugebervermögens zu verbotenen Zwecken nicht per se als nachteilsbegründend betrachtet werden darf, sondern eine Prüfung der wirtschaftlichen Nachteilhaftigkeit des gesamten verbotenen Geschäfts erforderlich ist,9 dann sind auch Schmiergeldzahlungen auf ihre wirtschaftliche Gesamtvorteilhaftigkeit für den Treugeber zu prüfen (vgl. dazu auch oben Rz. 65 und unten Rz. 99 zu schwarzen Kassen).10 (d) Unmittelbarkeit auf Nachteilsseite Streitig ist, ob das Unmittelbarkeitserfordernis auch auf der Nachteilsseite11 der Saldierung Geltung bean- 78 spruchen darf. Die Diskussion wird verunklart durch ihre Überschneidung mit der allgemeineren Frage nach einem Unmittelbarkeitserfordernis im Rahmen der objektiven Zurechnung, die überwiegend und zu Recht verneint wird (dazu Rz. 106). Eine veröffentlichte Entscheidung des BGH zu dieser Frage existierte bis zum Beschluss des 5. Strafsenats vom Juli 200912 nicht.13 Das OLG Hamm hatte in der bis dato einzigen Entscheidung, die ausdrücklich das Unmittelbarkeitserfordernis bei der Untreue behandelt, den Begriff der Unmittelbarkeit als „dem Recht der Untreue fremd“ bezeichnet.14 Demgegenüber hatte das LG Mainz unter unspezifischer Berufung auf BGH-Rspr. die Gesamtsaldierung als Ausgleich von Vor- und Nachteilen rezipiert, bei dem „beide unmittelbar durch das treuwidrige Verhalten herbeigeführt werden“.15 In seinem Beschluß zum Berliner Straßenreinigungsfall vom Juli 2009 erkennt der 5. Strafsenat als erster Strafsenat des BGH das Unmittelbarkeitsprinzip als Voraussetzung für die Bestimmung der Nachteilsseite bei der Untreue an. Danach scheiden das Risiko der Inanspruchnahme auf Schadensersatz und Prozesskosten als nachteilsbegründende Faktoren aus, weil eine 1 OLG Frankfurt v. 26.2.2004 – 2 Ws 73/03, NStZ-RR 2004, 244, 245, Ausführungen alle im Rahmen der Vorsatzprüfung; zur Einordnung auch Saliger in Hoven/Kubiciel (Hrsg.), Verbot (2016), S. 125 f.; krit. Fischer, StGB, § 266 Rz. 167, 73d. 2 LG Mainz v. 4.4.2000 – 4 U 71/99, NJW 2001, 906, 907; abl. Tholl, wistra 2001, 473 f.; Fischer, StGB, § 266 Rz. 167. 3 BGH v. 2.7.1997 – 2 StR 228/97, NStZ 1997, 543. 4 LG Darmstadt v. 14.5.2007 – 712 Js 5213/04 – KLs, UA S. 54 f. 5 S. die krit. Analyse bei Saliger/Gaede, HRRS 2008, 73 ff. 6 Vgl. BGH v. 29.8.2008 – 2 StR 587/07, NJW 2009, 89, 91 f. 7 Seier in A/R/R, Rz. 178. 8 Vgl. BGH v. 27.2.1975 – 4 StR 571/74, NJW 1975, 1234, 1236; Saliger in S/S/W-StGB, § 266 Rz. 77; Saliger, Parteiengesetz, S. 156; dort S. 154 auch zur Relevanz des Entdeckungsrisikos. 9 BVerfG v. 23.6.2010 – 2 BvR 2559/08, 2 BvR 105/09, 2 BvR 491/09, NJW 2010, 3209, 3215, Rz. 115. 10 Saliger in S/S/W-StGB, § 266 Rz. 77; näher Saliger in Hoven/Kubiciel (Hrsg.), Verbot, 139 ff. 11 Für den Begriff der Abflussseite Solka/Altenburg, NZWiSt 2016, 213. 12 BGH v. 7.7.2009 – 5 StR 394/08, NJW 2009, 3173, 3175. 13 Unzutr. OLG Düsseldorf v. 4.4.2000 – 4 U 71/99, NJW 2001, 906, 907; BGH v. 4.3.1999 – 5 StR 355/98, wistra 1999, 263, 265 behandelt primär § 263 u. ist zudem unklar. 14 BGH v. 15.10.1981 – 4 StR 461/81, NJW 1982, 190, 192: Die Unmittelbarkeit stelle ein spezifisches Erfordernis des Betrugstatbestandes dar, während die Untreue bloß einen Ursachenzusammenhang zwischen Pflichtwidrigkeit und Nachteil voraussetze. Deshalb begründe jede durch die Tathandlung verursachte Vermögenseinbuße einen Vermögensnachteil. 15 OLG Düsseldorf v. 4.4.2000 – 4 U 71/99, NJW 2001, 906, 907 unter Bezugnahme auf Nachw. bei Tröndle/Fischer, StGB49, § 266 Rz. 24.

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StGB

Untreue

StGB

§ 266 StGB Rz. 79

Strafgesetzbuch

solche Inanspruchnahme „mit der Aufdeckung der Tat einen Zwischenschritt“ voraussetze und somit nicht unmittelbar sei.1 Im Anschluß an diese Entscheidung haben andere Strafsenate des BGH ausdrücklich2 oder der Sache nach3 betont, dass für die Annahme eines Vermögensnachteils die Pflichtverletzung unmittelbar zu einer wirtschaftlichen Minderung des Gesamtvermögens des Treugebers geführt haben muss.4 Einzig der 1. Strafsenat hat in einem obiter dictum zum Kölner Parteispendenfall in Radikalisierung seiner Position zur Vorteilsseite (dazu oben Rz. 73) erklärt, dass es eines unmittelbaren Zusammenhangs zwischen pflichtwidrigem Tun und Vermögensnachteil nicht bedürfe und schlichte Kausalität genüge.5 Diese Ansicht unterläuft nicht nur das verfassungsrechtliche Restriktionsgebot (vgl. Rz. 4, 8, 65 f.), sondern erklärt sich aus den Folgeproblemen der verfehlten Konstruktion der Strafbarkeit der Parteienuntreue durch den 1. Strafsenat, die aus den in Rz. 126 aufgeführten Gründen abzulehnen ist. Im Schrifttum wird, soweit man sich mit der Frage überhaupt explizit beschäftigt, ein Unmittelbarkeitserfordernis auch auf Nachteilsseite überwiegend bejaht.6 Dem ist zuzustimmen. Das anerkannte zeitliche Erfordernis der Gleichzeitigkeit von Wertminderung und Werterhöhung folgt aus der grundsätzlichen Orientierung der Saldierung an einer ex-ante Einzelbetrachtung (Rz. 71). Diese ex-ante Einzelbetrachtung ist am Gesamtvermögen auf wirtschaftlicher Basis rechtssicher nur durchführbar, wenn Wertminderung und Werterhöhung nicht nur gleichzeitig, sondern grundsätzlich auch unmittelbar durch die Pflichtverletzung ausgelöst werden. Das gebietet nicht zuletzt die Strafgerechtigkeit: Es ist nicht zu begründen, warum anerkanntermaßen grundsätzlich nur unmittelbare Vorteile kompensationstauglich sind, während mittelbare Wertminderungen zu Lasten des Beschuldigten berücksichtigt werden sollen.7 Praxisrelevant ist die Frage vor allem bei der konkreten schadensgleichen Vermögensgefahr, insbesondere der Auslösung von Schadensersatzansprüchen und Sanktionen (Rz. 95 f.). Im Verhältnis von Eingehungs- und Erfüllungsschaden gilt, dass soweit bereits ein unmittelbar bewirkter Eingehungsschaden in Gestalt einer konkreten schadensgleichen Vermögensgefahr angenommen werden kann, auch der spätere Erfüllungsschaden (der Bürgschaftsfall) als unmittelbar bewirkt gelten darf, unabhängig davon, ob er isoliert betrachtet eine sachliche und zeitliche Nähe zu der Pflichtverletzung aufweist (auch Rz. 90).8 bb) Individueller Schadenseinschlag 79

Grundsätzlich tritt kein Vermögensnachteil ein, wenn Leistung und Gegenleistung objektiv gleichwertig sind (Rz. 74). Von diesem Grundsatz macht die Rspr. unter Rückgriff auf die zum Betrug entwickelte Lehre vom individuellen Schadenseinschlag (§ 263 StGB Rz. 171 ff.) auch bei der Untreue eine Ausnahme. Schon 1985 hat das OLG Hamm zur Untreuestrafbarkeit des Geschäftsführers einer privatrechtlich strukturierten Stadtwerke-GmbH wegen Einkäufen zu Repräsentationszwecken erklärt, dass der Vermögensnachteil sich auch aus einem individuellen Schadenseinschlag ergeben könne. Denn eine rein objektive Betrachtungsweise werde der Eigentümlichkeit der Gesellschaft nicht gerecht, die mit der öffentlichen Daseinsvorsorge anderen Zwecken diene als ein allein auf wirtschaftliches Gewinnstreben ausgerichteter privatwirtschaftlicher Betrieb.9 Jenseits der Haushaltsuntreue hat auch der 3. Strafsenat des BGH auf den subjektiven Schadenseinschlag zurückgegriffen, um für den Fall einer treuwidrigen Vereinnahmung von zur Erfüllung eines Auftrags überlassenen Mandantengeldern durch einen Rechtsanwalt aus der zeitlichen Verzögerung eines Haftverschonungsbeschlusses für den Mandanten einen Vermögensnachteil herzuleiten (dazu Rz. 92).10 Von besonderer praktischer Bedeutung ist der individuelle Schadenseinschlag bei der Haushaltsuntreue, seit der 1. Strafsenat des BGH 1997 in Übertragung der Grundsätze des Melkmaschinen-Beschlusses11 eine strafbare Untreue auch für den Fall der Haushaltsüberziehung bejaht hat, wenn durch die Pflichtverletzung eine wirtschaftlich gewichtige Kreditaufnahme erforderlich wird, wenn die Dispositionsfähigkeit des Geschäftsherrn in schwerwiegender Weise beeinträchtigt wird und er durch den Mit1 BGH v. 17.7.2009 – 5 StR 394/08, NJW 2009, 3173, 3175 – nicht abgedruckt in BGHSt 54, 44 – m. insoweit zust. Bspr. Mosiek, HRRS 2009, 565; Saliger, FS Samson (2010), S. 482. 2 BGH v. 7.9.2011 – 2 StR 600/10, NJW 2011, 3528, 3529 – 2. Strafsenat; BGH v. 11.12.2014 – 3 StR 265/14, NJW 2015, 1618, 1623, BGH v. 26.11.2015 – 3 StR 17/15, NZG 2016, 703, 713 – beide 3. Strafsenat; vgl. auch BGH v. 28.7.2011 – 4 StR 156/11, wistra 2011, 424, 425 – 4. Strafsenat, wo ein unmittelbarer Vermögensnachteil bejaht wird; ferner OLG Celle v. 23.8.2012 – 1 Ws 248/12, ZWH 2013, 21, 23 f. m. Anm. Kudlich. 3 Vgl. BGH v. 20.10.2009 – 3 StR 410/09, NStZ 2010, 329, 330 – 3. Strafsenat –, wo ein zurechenbarer Zusammenhang mit der Pflichtverletzung gefordert wird. 4 Vgl. zum Ganzen Mosiek, HRRS 2012, 454. 5 BGH v. 13.4.2011 – 1 StR 94/10, BGHSt 56, 203, 220 f. m. abl. Anm. Brand, NJW 2011, 1751, 1752; Jahn, JuS 2011, 1133, 1135 f.; Mosiek, HRRS 2012, 454, 455 f.; zust. Bittmann, wistra 2011, 344. 6 Saliger in S/S/W-StGB, § 266 Rz. 78; Saliger, HRRS 2006, 20 und Parteiengesetz, S. 140; Kindhäuser in NK-StGB, § 266 Rz. 107; Küper, BT S. 367, 370; Lassmann, Stiftungsuntreue, S. 213 f.; Solka/Altenburg, NZWiSt 2016, 213 ff.; als strittiges Element der objektiven Zurechnung gefordert von Seier in A/R/R, Rz. 220 ff. und Esser in AnwK-StGB, § 266 Rz. 216 und 176, der es zugleich bei der Kompensation berücksichtigt; s. unten Rz. 106. A.A. Bittmann, wistra 2011, 344. 7 Saliger in S/S/W-StGB, § 266 Rz. 78; Saliger, HRRS 2006, 20. Zust. Seier in A/R/R, Rz. 221; Lassmann, Stiftungsuntreue, S. 213; Mosiek, HRRS 2009, 566; Kraatz, ZStW 2011, 482 f.; Solka/Altenburg, NZWiSt 2016, 214. 8 BGH v. 26.11.2015 – 3 StR 17/15, NZG 2016, 703, 713 – Nürburgring – für den Fall einer Bürgschaft m. Anm. Brand, S. 690 und Saliger/Schweiger, NJW 2016, 2600. 9 OLG Hamm v. 21.6.1985 – 4 Ws 163/85, NStZ 1986, 119, 120 unter Rekurs auf Perron in S/S-StGB, § 266 Rz. 43. 10 BGH v. 30.10.2003 – 3 StR 276/03, NStZ-RR 2004, 54, 55 m. krit. Anm. Rübenstahl, HRRS 2004, 62 f. 11 BGH v. 16.8.1961 – 4 StR 166/61, BGHSt 16, 321, 325 ff.; dazu Saliger in M/R-StGB, § 263 Rz. 207 ff.

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Rz. 80 § 266 StGB

telaufwand insbesondere in seiner politischen Gestaltungsbefugnis beschnitten wird (auch Rz. 118).1 Darüber hinaus soll ein Vermögensnachteil in Betracht kommen, wenn die gleichwertige Gegenleistung unter Berücksichtigung der individuellen Bedürfnisse und Verhältnisse des Treugebers sowie der von ihm verfolgten Zwecke nach dem Standpunkt eines objektiven Betrachters subjektiv wertlos ist.2 Das ist etwa der Fall bei völlig übertriebenem Repräsentationsaufwand3 oder allgemein bei der statutenwidrigen Verschwendung von Treugebervermögen (vgl. Rz. 117 zur Haushaltsuntreue).4 Das BVerfG hat diese Rspr. verfassungsrechtlich gebilligt, weil sie das Nachteilsmerkmal konkretisiere und daher zur Begrenzung des Untreuetatbestands i.S.d. Bestimmtheitsgebots (vgl. Rz. 4, 8) geeignet sei.5 Diese Billigung relativiert tendenziell die vom 5. Senat wiederholt aufgeworfene und offen gelassene Frage, ob die Figur des persönlichen Schadenseinschlags im Lichte der Rspr. des BVerfG in Teilen der Korrektur bedarf.6 Entsprechend soll die durch eine Darlehensaufnahme begründete Zinsverpflichtung einen untreuetauglichen Vermögensnachteil darstellen können, wenn die Kreditaufnahme nach den genannten Kriterien für den Treugeber subjektiv wirtschaftlich wertlos gewesen ist.7 Dieser Rspr. ist zuzugeben, dass der Rückgriff auf objektiv-individualisierende Aspekte bei der Schadensbestimmung in gewissem Umfang unvermeidlich erscheint.8 Das gilt vor allem für die Untreue, wo sich das Strafunrecht gerade aus der Beziehung zwischen Treugeber und Treunehmer ergibt (zur Zweckverfehlung bei der Haushaltsuntreue Rz. 112 ff.). Dennoch ist die damit verbundene Personalisierung der Nachteilsbestimmung nicht unproblematisch. Zunächst offenbaren die Instanzgerichte gelegentlich Schwierigkeiten bei der Handhabung der Lehre vom persönlichen Schadenseinschlag. So darf auf die Figur erst zurückgegriffen werden, wenn feststeht, dass bereits der objektive Wertvergleich von Leistung und Gegenleistung keinen Negativsaldo ergibt. Zudem ist zu unterscheiden zwischen der nicht im versprochenen Umfang vorhandenen Eignung des erworbenen Gegenstands und dem Erwerb eines „aliud“. Schließlich kann von einer relevanten Beeinträchtigung der wirtschaftlichen Dispositionsfreiheit der Erwerber keine Rede sein, wenn das Erlangte einen für jedermann ohne größeren Aufwand realisierbaren Geldwert aufweist.9 Unabhängig davon bestehen auch normative Probleme. Abgesehen von Überschneidungen zwischen den Kriterien im Intendanten-Urteil10 signalisieren bereits die Begriffe „Dispositionsfähigkeit“ und „politische Gestaltungsbefugnis“, dass die Personalisierung der Nachteilsbestimmung die gesetzeswidrige Gefahr innewohnt, die Untreue von einem Vermögensdelikt zu einem Delikt zum Schutz der Dispositionsfreiheit auszuweiten (Rz. 1). Bei der Haushaltsuntreue offenbart sich diese Gefahr in der Extensionstendenz von einem nur materiellen zu einem auch formellen Haushaltsschutz (Schutz von Zuständigkeits-, Kompetenz- und Verfahrensaspekten; Rz. 118 f.).11 Zu begrüßen ist immerhin, dass die Rspr. die Kriminalisierung von Haushaltsüberziehungen – restriktiv – von einer zwar vagen,12 aber doch signifikanten Schwere (gewichtige Kreditaufnahme; schwerwiegende Beeinträchtigung der Dispositionsfähigkeit) abhängig gemacht hat.13 cc) Ausbleiben einer Vermögensmehrung und Kick-Back Aus der Maßgeblichkeit des Innenverhältnisses zwischen Treugeber und Treunehmer für das Strafunrecht der Un- 80 treue folgt, dass der Eintritt eines Vermögensnachteils durch Ausbleiben einer Vermögensmehrung bei § 266 eine erheblich größere praktische Bedeutung hat als bei § 263.14 Diese Fallgruppe des Vermögensnachteils, die durch Tun oder Unterlassen verwirklicht werden kann, verdankt sich der allgemein anerkannten Einbeziehung tatsächlicher Exspektanzen in das strafrechtlich geschützte Vermögen (Rz. 68). Insoweit kann sich der Treunehmer wegen Untreue strafbar machen, wenn er die konkret begründete (sichere) Aussicht auf einen Vertragsabschluss zu günstigeren Preisen nicht nutzt oder vereitelt, so dass der Treugeber den Vorteil mit Sicherheit erlangt hätte, wenn der Treunehmer sich pflichtgemäß verhalten hätte.15 Untreue begeht daher z.B. der Pfleger, der die sichere 1 BGH v. 4.11.1997 – 1 StR 273/97, BGHSt 43, 293, 299 – Intendanten-Fall – m. Anm. Bieneck, wistra 1998, 249; Bittmann, NStZ 1998, 495; Brauns, JR 1998, 381; Nix, NJ 1998, 325; Otto, JK (1998) StGB § 266/17; ebenso BGH v. 14.12.2000 – 5 StR 123/00, NStZ 2001, 248, 251; BGH v. 17.4.2002 – 2 StR 531/01, NStZ-RR 2002, 237, 238; BGH v. 8.4.2003 – 5 StR 448/02, NJW 2003, 2179, 2180; BGH v. 2.7.2014 – 5 StR 182/14, NStZ 2014, 517, 519 m. Anm. Trüg und Bspr. Jäger, JA 2014, 875. 2 BGH v. 10.11.2009 – 4 StR 194/09, JR 2010, 404, 406 – dort verneint – m. Anm. Kraatz. 3 Vgl. OLG Hamm v. 21.6.1985 – 4 Ws 163/85, NStZ 1986, 119. 4 Fischer, StGB, § 266 Rz. 125; Schramm in M/G, § 266 StGB Rz. 133. 5 BVerfG v. 1.11.2012 – 2 BvR 1235/11, NJW 2013, 365, 367 m. krit. Bspr. Bittmann, ZWH 2013, 56 f.; i.E. zust. Schlösser, HRRS 2011, 257 ff.; Saliger in Fischer u.a. (Hrsg.), Dogmatik, S. 28 f.; zweifelnd dagegen Kudlich, ebenda, 129 ff. und Jäger, JA 2014, 877. 6 BGH v. 19.2.2014 – 5 StR 510/13, NStZ 2014, 318 und 517, 519. 7 BVerfG v. 1.11.2012 – 2 BvR 1235/11, NJW 2013, 365, 367 – Fall Schäch; dazu auch Rz. 118. 8 Zum Folgenden bereits Saliger in S/S/W-StGB, § 266 Rz. 79. 9 Zu allem klärend BGH v. 2.7.2014 – 5 StR 182/14, NStZ 2014, 517, 519 m. Anm. Trüg und Bspr. Jäger, JA 2014, 875. 10 Vgl. Brauns, JR 1998, 382 ff.; Saliger, ZStW 2000, 598 ff.; mit anderer Richtung krit. auch Fischer, StGB, § 266 Rz. 125. 11 Vgl. Saliger, Parteiengesetz, S. 465 f. 12 Krit. Bittmann, NStZ 1998, 497; Nix, NJ 1998, 326. 13 Dem BGH v. 4.11.1997 – 1 StR 273/97, BGHSt 43, 293, 297 ff., zust. v. Selle, JZ 2008, 181. 14 Saliger in S/S/W-StGB, § 266 Rz. 80; vgl. ferner Fischer, StGB, § 266 Rz. 116. 15 BGH v. 9.3.1989 – 4 StR 622/88, wistra 1989, 224, 225; BGH v. 28.1.1983 – 1 StR 820/81, NJW 1983, 1807, 1808; BGH v. 13.10.1994 – 1 StR 614/93, wistra 1995, 61, 62; OLG Bremen v. 5.12.1988 – Ss 85/87, NStZ 1989, 228, 229; Perron in S/S-StGB, § 266 Rz. 46; Saliger in S/S/W-StGB, § 266 Rz. 80.

Saliger

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StGB

Untreue

StGB

§ 266 StGB Rz. 81

Strafgesetzbuch

Möglichkeit ungenutzt lässt, im Austausch gegen Vermögensteile des Pfleglings hohe Geldbeträge zu erlangen, die er günstig anlegen kann.1 Wegen der Anwendungsunsicherheiten bei der einzelfallabhängigen Ermittlung einer konkret sicheren Gewinnchance2 und dem Zweck der Untreue, die den Geschäftsherrn nur vor dem Ärmerwerden schützt (Rz. 70), bedarf die Annahme einer Untreuestrafbarkeit durch Vereitelung einer Vermögensmehrung restriktiver Auslegung im Hinblick auf Entstehung, Inhalt und Realisierbarkeit der Pflicht.3 Deshalb führt die schiere Nichtnutzung der abstrakten Möglichkeit, für seinen Geschäftsherrn einen günstigeren Geschäftsabschluss zu erreichen, nicht zur Untreuestrafbarkeit. Insbesondere ist ein Treuhänder, der in den Verhandlungen über den Verkauf eines Grundstücks bereits einen dem Verkehrswert entsprechenden Preis erzielt hat, grundsätzlich nicht verpflichtet zu versuchen, in weiteren Verhandlungen einen höheren Preis zu erzielen.4 Das Gleiche gilt für den Geschäftsführer. Dieser mag zwar zivilrechtlich verpflichtet sein, das Vermögen seines Geschäftsherrn zu vermehren. Doch findet die zivilrechtliche Pflicht keine automatische Verlängerung ins Strafrecht.5 Auch zum Abschluss günstiger gesetzeswidriger Geschäfte ist der Treunehmer nicht verpflichtet (vgl. auch Rz. 29 und 51).6 Ob das pflichtwidrig unterlassene Geschäft sich später tatsächlich als gewinnbringend erwiesen hätte, ist wegen der ex-ante Perspektive der Saldierung (Rz. 71) unerheblich.7 81

Systematisch teilweise einen Unterfall des Ausbleibens einer Vermögensmehrung, teilweise einen Unterfall der ungleichwertigen Gegenleistung bildet der sog. Kick-Back. Für ihn ist kennzeichnend, dass Schmiergelder („Provisionen“) aus dem Vermögen des Geschäftsherrn über den Geschäftspartner als Lieferanten einer Ware oder sonstigen Leistung an den Treunehmer zurückfließen („Rückvergütungsrabatt“8). Kick-Back ist möglich auf Käufer- oder Verkäuferseite bzw. Auftraggeber- oder Auftragnehmerseite.9 Der Rückfluss kann direkt zwischen Geschäftspartner und Treunehmer,10 häufig aber vermittelt über Firmen11 oder Dritte als Provisionsnehmer erfolgen.12 Das Strafunrecht des Kick-Back als aktives Tun in Gestalt typischerweise einer Treubruchsuntreue (Rz. 56)13 liegt darin, schmiergeld-überteuerte Verträge mit Kick-Back-Abrede abzuschließen bzw. bewusst Abschlüsse mit einem sachlich nicht gerechtfertigten Verteuerungsfaktor zu tätigen, um sich unberechtigte und vom Geschäftsherr nicht genehmigte Vorteile zu verschaffen, die über die eigene Vergütung hinausgehen.14 Der Vermögensnachteil beim Kick-Back ist unproblematisch, wenn der Kick-Back zum Abschluss eines Vertrages mit infolge der Überteuerung ungleichwertigen Gegenleistung führt (vgl. Rz. 72, 74).15 Anwendungsschwierigkeiten entstehen, wenn ein Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung nicht bzw. nicht ohne Weiteres feststellbar ist.16 Denn in diesem Fall ist der Kick-Back von dem Rechtssatz abzugrenzen, dass die Nichtherausgabe personengebundener Vorteile wie Provisionen nicht wegen Untreue strafbar ist (Rz. 44; auch Rz. 17). Kick-Back führt hier zur Untreuestrafbarkeit, wenn er sich als aktive Vernichtung einer konkreten vermögenswerten Chance des Geschäftsherrn darstellt.17 Die Rspr. ist mittlerweile streng.18 Danach soll bei Schmiergeldabreden der prozentuale Preisaufschlag regelmäßig einen untreuetauglichen Vermögensnachteil begründen. Denn der Betrag, den der Vertragspartner für Schmiergelder aufwendet, hätte regelmäßig auch in Form eines Preisnachlasses dem Geschäftsherrn gewährt werden können. Deshalb begründe bei der Auftragserlangung durch Bestechung im ge1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17

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OLG Bremen v. 5.12.1988 – Ss 85/87, NStZ 1989, 228, 229. Vgl. Fischer, StGB, § 266 Rz. 116. Zutreffend Kindhäuser in NK-StGB, § 266 Rz. 97. BGH v. 28.1.1983 – 1 StR 820/81, BGHSt 31, 232, 234 = NJW 1983, 1807, 1809. Saliger in S/S/W-StGB, § 266 Rz. 80; vgl. ferner Szebrowski, Kick Back, S. 101 ff. BGH v. 19.1.1965 – 1 StR 497/64, BGHSt 20, 143, 145 f.; BGH v. 22.1.1988 – 2 StR 133/87, NJW 1988, 2483, 2485. Perron in S/S-StGB, § 266 Rz. 46. Zum Begriff Rönnau, FS Kohlmann, S. 240 ff.; Bernsmann, StV 2005, 576; Szebrowski, Kick-Back, S. 1 ff. Vgl. BGH v. 11.11.2004 – 5 StR 299/03, BGHSt 49, 317, 333 ff. – Fall Schreiber; Fischer, StGB, § 266 Rz. 59, 119. Vgl. BGH v. 28.1.1983 – 1 StR 820/81, NJW 1983, 1807. Vgl. BGH v. 2.12.2005 – 5 StR 119/05, BGHSt 50, 299, 302 – Kölner Müll-Fall – m. Anm. Saliger, NJW 2006, 3377; Hohn, wistra 2006, 321; Salditt, PStR 2006, 33. Vgl. BGH v. 29.6.2006 – 5 StR 485/05, NJW 2006, 2864 f. Zu den verschiedenen Konstellationen einer insoweit „bestechenden Untreue“ Saliger in Hoven/Kubiciel (Hrsg.), Verbot (2016), S. 136 ff. Vgl. BGH v. 2.12.2005 – 5 StR 119/05, BGHSt 50, 299, 313 f.; zu einem Fall der Missbrauchsuntreue BGH v. 27.4.2004 – 1 StR 165/03, ArztR 2005, 46, 47. BGH v. 2.12.2005 – 5 StR 119/05, BGHSt 50, 299, 315; auch BGHJ v. 11.11.2004 – 5 StR 299/03, 49, 317, 333 ff.; Fischer, StGB, § 266 Rz. 56; Saliger NJW 2006, 3378; zur Tendenz der älteren Rspr. zu einem Unterlassen vgl. BGH v. 28.1.1983 – 1 StR 820/81, NJW 1983, 1807, 1808 f.; auch BGH v. BGH v. 20.1.1984 – 3 StR 520/83, wistra 1984, 109. Vgl. BGH v. 28.1.1983 – 1 StR 820/81, NJW 1983, 1807, 1808; BGH v. 9.3.1989 – 4 StR 622/88, wistra 1989, 224, 225; BGH v. 23.5.2002 – 1 StR 372/01, BGHSt 47, 295, 299; Fischer, StGB, § 266 Rz. 118; Kindhäuser in NK-StGB, § 266 Rz. 114; Saliger in S/S/W-StGB, § 266 Rz. 81. Dierlamm in MüKo-StGB, § 266 Rz. 272; Fischer, StGB, § 266 Rz. 119. Vgl. BVerfG v. 23.6.2010 – 2 BvR 2559/08, 2 BvR 105/09, 2 BvR 491/09, NJW 2010, 3209, 3216 Rz. 120 ff. zu den verfassungsrechtlich gleichwertigen Konstruktionen der Vereitelung einer konkreten faktischen Erwerbsaussicht und dem Unterlassen einer Vermögensmehrung; BGH v. 10.11.2009 – 4 StR 194/09, JR 2010, 404, 407; ferner Schünemann in LKStGB, § 266 Rz. 125d, 135, 145; Dierlamm in MüKo-StGB, § 266 Rz. 272; Fischer, StGB, § 266 Rz. 118 f.; Saliger in S/S/ W-StGB, § 266 Rz. 81; Rönnau, FS Kohlmann, S. 249 ff.; Szebrowski, Kick-Back, S. 27 ff., 101 f. Andere Begründung bei Kindhäuser in NK-StGB, § 266 Rz. 114. Krit. Dierlamm in MüKo-StGB, § 266 Rz. 273; Esser in AnwK-StGB, § 266 Rz. 198; Schramm in M/G, § 266 StGB Rz. 148.

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Saliger

Rz. 82 § 266 StGB

schäftlichen Verkehr der auf den Preis aufgeschlagene Schmiergeldbetrag regelmäßig die Mindestsumme des beim Auftraggeber entstandenen Vermögensnachteils (auch Rz. 118).1 Dem ist jedenfalls dann zuzustimmen, wenn das Schmiergeld wie im Kölner Müll-Fall für den Vertragspartner einen bloßen Durchlaufposten darstellt und dieser bereit gewesen ist, für sein Unternehmen zu einem um den Schmiergeldbetrag verminderten Preis abzuschließen.2 Davon abgesehen ist aber, wie der BGH selbst wiederholt hervorgehoben hat,3 zu beachten, dass sich nicht jede Schmiergeldzahlung zwangsläufig beim Geschäftsherrn des Empfängers als Vermögensnachteil auswirken muss. Insoweit ist in jedem Einzelfall unter maßgeblicher Würdigung der Motive des Gebers und den Umständen der Zahlung4 sorgfältig zu prüfen, ob es bei Nichtvereinbarung des Schmiergelds zu einer entsprechend verminderten Zahlungsverpflichtung für den Geschäftsherrn gekommen wäre.5 Das ist nicht der Fall, wenn der „Provisionsgeber“ den Treunehmer durch die Zahlungen lediglich für weitere Geschäfte „geneigt“ machen will, weil er zentral an Geschäften „über ihn“ interessiert ist,6 wenn er die Provisionen firmenintern den jeweiligen Abteilungen in Belastung stellt, so dass sich letztlich nur die Provisionen seiner Mitarbeiter reduzieren,7 oder wenn er an der Aufspaltung von Verkaufspreis einerseits und „Provisionspaket“ andererseits ein erhebliches Eigeninteresse hat.8 Gleiches gilt für Kick-Back-Zahlungen in bezug auf einen ausgehandelten Pauschalpreis, der die Mindestsätze der Verordnung über die Honorare für Architekten- und Ingenieurleistungen (HOAI) unterschritt oder deren Mindestsätze wenigstens entsprach.9 Grundsätzlich nicht wegen Untreue strafbar machen sich auch die Verantwortlichen einer anlageberatenden Bank, wenn sie von Fondsgesellschaften in Gestalt von KickBack-Zahlungen erhaltene Provisionen gegenüber ihren Kunden verschweigen (vgl. auch Rz. 44).10 c) Sonderproblem: Schadensgleiche Vermögensgefährdung aa) Begründung und Problematik der h.M. Ständige Rspr. und h.L. anerkennen in Übertragung der zum Betrug entwickelten Grundsätze (s. § 263 StGB 82 Rz. 187 ff.) seit jeher11 auch bei der Untreue als Vermögensnachteil den Eintritt einer schadensgleichen – besser: schadensbegründenden Vermögensgefährdung.12 Danach soll eine Vermögensgefährdung einen Vermögensnachteil (bzw. Vermögensschaden) begründen, wenn nach wirtschaftlicher Betrachtung bereits durch die Gefährdung eine gegenwärtige Minderung des Vermögenswertes eingetreten ist,13 selbst wenn es letztlich nicht zu 1 BGH v. 2.12.2005 – 5 StR 119/05, BGHSt 50, 299, 314 f. unter Bezugnahme auf BGH v. 23.5.2002 – 1 StR 372/01, BGHSt 47, 295, 298 f.; BGH v. 11.11.2004 – 5 StR 299/03, BGHSt 49, 317, 332 ff.; BGH v. 29.6.2006 – 5 StR 485/05, NJW 2006, 2864, 2867 unter Rekurs auf BGH v. 11.7.2001 – 1 StR 576/00, BGHSt 47, 83, 88. Zu Kick-Back-Vereinbarungen im Kassenarztrecht BGH v. 27.4.2004 – 1 StR 165/03, ArztR 2005, 46; OLG Hamm v. 22.12.2004 – 3 Ss 431/04, GesR 2005, 175 m. Anm. Bernsmann, S. 193. 2 Vgl. BGH v. 2.12.2005 – 5 StR 119/05, BGHSt 50, 299, 315; vgl. auch BGH v. 11.11.2004 – 5 StR 299/03, BGHSt 49, 317, 334 und BGH v. 28.1.1983 – 1 StR 820/81, NJW 1983, 1807, 1808; Fischer, StGB, § 266 Rz. 119; Saliger NJW 2006, 3378 und Saliger in Hoven/Kubiciel (Hrsg.), Verbot, 128, 136 ff.; grundsätzlich a.A. beim Kick-Back zu wettbewerbswidrigen Zwecken Bernsmann, StV 2005, 578. 3 BGH v. 11.11.2004 – 5 StR 299/03, BGHSt 49, 317, 332 f.; auch BGH v. 29.6.2006 – 5 StR 485/05, NJW 2006, 2864, 2867. 4 Vgl. extensiv BGH v. 29.6.2006 – 5 StR 485/05, NJW 2006, 2864, 2867. 5 Saliger in S/S/W-StGB, § 266 Rz. 81; Saliger, NJW 2006, 3378 f. 6 BGH v. 28.1.1983 – 1 StR 820/81, NJW 1983, 1807, 1809. 7 BGH v. 23.5.2002 – 1 StR 372/01, BGHSt 47, 295, 299, wo der Treunehmer auch keine Möglichkeit der Preisreduktion besaß. 8 BGH v. 11.11.2004 – 5 StR 299/03, BGHSt 49, 317, 332 f.; zu weiteren Fällen Rönnau, FS Kohlmann, S. 258 ff.; Bernsmann, StV 2005, 577; sehr extensiv OLG Hamm v. 22.12.2004 – 3 Ss 431/04, NStZ-RR 2006, 13. 9 BGH v. 10.11.2009 – 4 StR 194/09, JR 2010, 404, 407 m. Anm. Kraatz. 10 Eine solche für möglich hält OLG Stuttgart v. 16.3.2011 – 9 U 129/10, NZG 2011, 634, 635 m. Anm. Zoller, GWR 2011, 168; dagegen mit Recht Schlösser, BKR 2011, 465, 468 ff.; vgl. ferner Schäfer, WM 2012, 1022; Fullenkamp, NJW 2011, 421. 11 Zur Entwicklung bei Betrug und Untreue: Riemann, Vermögensgefährdung (1989), S. 28 ff.; Hefendehl, Vermögensgefährdung, S. 49 ff.; Cramer, Vermögensbegriff und Vermögensschaden, S. 118 ff.; Olshausen/Gutjahr, StGB11 (1927), Rz. 2c; Rüdorff, StGB4 (1892), § 263 Nr. 15. 12 BVerfG v. 10.3.2009 – 2 BvR 1980/07, NJW 2009, 2370, 2372 Rz. 30 ff.; BVerfG v. 23.6.2010 – 2 BvR 2559/08, 2 BvR 105/09, 2 BvR 491/09, NJW 2010, 3209, 3218 f. Rz. 136 ff.; RGSt 16, 77, 81; BGH v. 7.12.1965 – 5 StR 312/65, BGHSt 20, 304, 305; BGH v. 21.10.1994 – 2 StR 328/94, BGHSt 40, 287, 296; BGH v. 17.2.1999 – 5 StR 494/98, BGHSt 44, 376, 384; BGH v. 26.4.2001 – 5 StR 587/00, BGHSt 47, 8, 11; BGH v. 15.11.2001 – 1 StR 185/01, BGHSt 47, 148, 156 f.; BGH v. 7.10.2003 – 1 StR 212/03, BGHSt 48, 354, 356; BGH v. 18.10.2006 – 2 StR 499/05, BGHSt 51, 100, 113 f., 116, 117 f., 121; BGH v. 2.4.2008 – 5 StR 354/07, BGHSt 52, 182, 188 ff.; OLG Hamm v. 29.4.1999 – 2 Ws 71/99, wistra 1999, 354; BGH v. 14.12.2000 – 5 StR 123/00, NStZ 2001, 251; BGH v. 3.2.2005 – 5 StR 84/04, NStZ-RR 2005, 343; Fischer, StGB, § 266 Rz. 150 ff.; Heger in Lackner/Kühl, StGB, § 266 Rz. 17a; Saliger in S/S/W-StGB, § 266 Rz. 82 ff.; Schünemann in LK-StGB, § 266 Rz. 136; Perron in S/S-StGB, § 266 Rz. 45; Dierlamm in MüKo-StGB, § 266 Rz. 211 ff.; Seier in A/R/R, Rz. 25, 183 ff.; Kindhäuser in NK-StGB, § 266 Rz. 110 ff.; Volk/Thomas, Hb. § 17 Rz. 111 ff.; abl. Naucke, Betrug (1964), S. 215 und StV 1985, 187 f. 13 BVerfG v. 10.3.2009 – 2 BvR 1980/07, NJW 2009, 2370, 2372 Rz. 31; BVerfG v. 23.6.2010 – 2 BvR 2559/08, 2 BvR 105/09, 2 BvR 491/09, NJW 2010, 3209, 3219 Rz. 140; RGSt 9, 168, 169 f. und 16, 1, 11 zu § 263; RGSt 16, 77 zu § 266 a.F.; BGH v. 2.4.2008 – 5 StR 354/07, NJW 2008, 1827, 1829; BGH v. 26.11.2015 – 3 StR 17/15, NZG 2016, 703, 710; OLG Köln v. 26.6.2014 – 2 Ws 189/14, BeckRS 2014, 14061, S. 4.

Saliger

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StGB

Untreue

StGB

§ 266 StGB Rz. 83

Strafgesetzbuch

einem endgültigen Schadenseintritt kommt.1 Voraussetzung für eine solche schadensgleiche, wirtschaftlich schon zu einer Minderbewertung führende Vermögensgefährdung ist, dass sie konkret ist.2 Konkret ist eine Vermögensgefährdung vor allem in zeitlicher Hinsicht, wenn nach den Umständen des Einzelfalls „mit wirtschaftlichen Nachteilen ernstlich zu rechnen ist“,3 wenn „der Vermögensverlust nahe liegt“,4 wenn „mit dem alsbaldigen Eintritt eines entsprechenden endgültigen Schadens zu rechnen“ ist,5 oder wenn die Gefahr des endgültigen Verlusts eines Vermögensbestandteils so groß ist, dass sie schon jetzt eine Minderung des Gesamtvermögens zur Folge hat.6 Darüber hinaus soll – an der Vermeidemacht des Geschädigten ansetzend – eine konkrete Vermögensgefahr bestehen bei einer vom Berechtigten nicht mehr zu kontrollierenden und nur noch im Belieben des Täters stehenden Möglichkeit des endgültigen Vermögensverlustes,7 wie nach der Rspr. mit Eintritt der Testierunfähigkeit des betreuten Erblassers bei Erbschleicherei durch vermögensbetreuungspflichtige Betreuer (abzulehnen, näher Rz. 89).8 Abstrakte Vermögensgefahren wie der Eingang eines Schreibens beim Grundbuchamt,9 die bloße Unordentlichkeit einer Buchführung (unten Rz. 91)10 oder die schiere Belastung des Vermögens mit einer Bürgschaftsverpflichtung (dazu auch Rz. 90)11 genügen nicht. Ob eine Vermögensgefährdung schadensgleich ist, ist in wertender Betrachtung unter Berücksichtigung auch rein faktischer Gesichtspunkte12 und der wirtschaftlichen Situation der Beteiligten13 zu bestimmen. Eine schadensgleiche Vermögensgefahr kann nur dann bejaht werden, wenn die sie begründenden Tatsachen feststehen, nicht schon dann, wenn sie nur wahrscheinlich oder gar möglicherweise vorliegen.14 Als typische Fallgruppen der Vermögensgefährdung bei der Untreue gelten nach der Rspr.15 vor allem Eingehungsgeschäfte wie Kreditgewährungen (Kredituntreue) oder allgemein Risikogeschäfte (dazu oben Rz. 60 ff.), die unordentliche Buchführung oder die falsche Behandlung von Mandantengeldern durch einen Rechtsanwalt. Andere Fallgruppen wie die schwarzen Kassen sind in der Zuordnung streitig geworden (zu den Fallgruppen unten Rz. 90 ff.). 83

Die Rspr. folgert die Anerkennung der schadensgleichen Vermögensgefahr bei der Untreue aus der Parallele zum Betrug (Rz. 69)16 und aus der wirtschaftlichen Betrachtungsweise (Rz. 67 ff.).17 In der Tat ist die schadensgleiche Vermögensgefahr in zweifacher Weise Konsequenz eines wirtschaftlichen Vermögensbegriffs.18 Zum einen ermöglicht eine wirtschaftliche Betrachtungsweise die Erfassung jener Sachverhalte als Vermögensnachteil, in denen die rechtliche Zuordnung der betreffenden Mittel nicht verändert wird wie bei der unordentlichen Buchführung.19 Zum anderen veranschaulichen die Eingehungsgeschäfte, dass wirtschaftliches Handeln insbesondere bei der für die Untreue typischen langfristigen Vermögensverwaltung in hohem Maße von (unsicheren) Prognosen über den Geschäftsverlauf abhängt, so dass auch die Genese eines Vermögensnachteils einen Vorgang in der Zeit beschreiben kann.20 Deshalb bezeichnet die Differenzierung zwischen schadensgleicher Vermögensgefahr und endgültigem Schaden21 auch eine Differenzierung zwischen verschiedenen Stufen der Schadensverwirklichung bzw. -vertiefung. Deshalb wird richtigerweise betont, dass zwischen schadensgleicher Vermögensgefahr

1 Vgl. BGH v. 3.2.2005 – 5 StR 84/04, NStZ-RR 2005, 343. 2 BVerfG v. 10.3.2009 – 2 BvR 1980/07, NJW 2009, 2370, 2372 Rz. 31, 35; BGH v. 21.10.1994 – 2 StR 328/94, BGHSt 40, 287, 296; BGH v. 17.2.1999 – 5 StR 494/98, 44, 376, 384; BGH v. 26.11.2015 – 3 StR 17/15, NZG 2016, 703, 710. 3 BVerfG v. 23.6.2010 – 2 BvR 2559/08, 2 BvR 105/09, 2 BvR 491/09, NJW 2010, 3209, 3218 Rz. 138; BGH v. 9.7.1987 – 4 StR 216/87, BGHSt 34, 394, 395; BGH v. 30.5.2013 – 5 StR 309/12, BeckRS 2013, 10904, Rz. 10. 4 BGH v. 7.10.2003 – 1 StR 212/03, BGHSt 48, 354, 356; BGH v. 26.11.2015 – 3 StR 17/15, NZG 2016, 703, 710. 5 BVerfG v. 10.3.2009 – 2 BvR 1980/07, NJW 2009, 2370, 2372 Rz. 35; BGH v. 21.10.1994 – 2 StR 328/94, BGHSt 40, 2987, 296; OlG Köln v. 26.6.2014 – 2 Ws 189/14, BeckRS 2014, 14061, S. 4. 6 BGH v. 2.4.2008 – 5 StR 354/07, BGHSt 52, 182, 189; BGH v. 30.5.2013 – 5 StR 309/12, BeckRS 2013, 10904, Rz. 10. 7 Vgl. BVerfG v. 10.3.2009 – 2 BvR 1980/07, NJW 2009, 2370, 2372 Rz. 35 unter Bezugnahme auf Schünemann in LKStGB11, § 266 Rz. 146; BGH v. 18.10.2006 – 2 StR 499/05, BGHSt 51, 100, 113. 8 OLG Celle v. 13.2.2013 – 1 Ws 54/13, NStZ-RR 2013, 176, 177 m. zu Recht abl. Anm. Oglakcioglu, ZWH 2013, 375 und Bspr. Kudlich, JA 2013, 710. 9 BGH v. 9.9.1986 – 5 StR 25/86, BGHR StGB § 266 Nachteil 1. 10 Vgl. BGH v. 26.4.2001 – 5 StR 587/00, BGHSt 47, 8, 11. 11 Vgl. BGH v. 17.8.2006 – 4 StR 117/06, NStZ-RR 2006, 378, 379. 12 BGH v. 3.2.2005 – 5 StR 84/04, NStZ-RR 2005, 343, 344. 13 BGH v. 9.2.2006 – 5 StR 423/05, NStZ-RR 2006, 175, 176. 14 BGH v. 22.2.1994 – 1 StR 684/93, StV 1995, 24 f. zu § 263; BVerfG v. 10.3.2009 – 2 BvR 1980/07, Rz. 35. 15 Vgl. BGH v. 21.10.1994 – 2 StR 328/94, BGHSt 40, 287, 295 f. 16 Etwa BVerfG v. 10.3.2009 – 2 BvR 1980/07, NJW 2009, 2370, 2372 Rz. 31 f.; BGH v. 7.10.2003 – 1 StR 212/03, BGHSt 48, 354, 356; grundlegend BGH v. 16.12.1960 – 4 StR 401/60, BGHSt 15, 342, 343 f. 17 Z.B. BVerfG v. 23.6.2010 – 2 BvR 2559/08, 2 BvR 105/09, 2 BvR 491/09, NJW 2010, 3209, 3218 f. Rz. 137, 140; BGH v. 21.10.1994 – 2 StR 328/94, BGHSt 40, 287, 295 f. 18 Saliger in S/S/W-StGB, § 266 Rz. 83. 19 BGH v. 21.10.1994 – 2 StR 328/94, BGHSt 40, 287, 295 f. 20 Vgl. BVerfG v. 23.6.2010 – 2 BvR 2559/08, 2 BvR 105/09, 2 BvR 491/09, NJW 2010, 3209, 3219 Rz. 140 unter Bezug auf Fischer, NStZ-Sonderheft 2009, 11. 21 Vgl. BGH v. 15.11.2001 – 1 StR 185/01, BGHSt 47, 148, 157; BGH v. 7.10.2003 – 1 StR 212/03, BGHSt 48, 354, 356: endgültiger Verlust; Nack, StraFo 2008, 278: Endschaden; näher Saliger, FS Samson (2010), S. 471 ff.: substanzieller Vermögensverlust (Endschaden) als Bezugspunkt der schadensbegründenden Vermögensgefahr.

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Rz. 84 § 266 StGB

und endgültigem Schaden kein qualitativer, sondern nur ein quantitativer Unterschied besteht.1 Das ändert nichts daran, dass die schadensgleiche Vermögensgefahr einen vollgültigen Vermögensnachteil markiert.2 Allerdings verunklart die kurzschlüssige Parallele zum Betrug (Rz. 69), dass Grund und Grenzen der schadensgleichen Vermögensgefahr bei der Untreue eigenständig zu bestimmen sind.3 Dafür spricht bereits, dass der Gesetzestext der Untreue mit der Befugnis, „einen anderen zu verpflichten“, die schiere Möglichkeit des Abschlusses unausgewogener Verträge als Pflichtverletzung und damit die Möglichkeit schadensgleicher Vermögensgefahren als Vermögensnachteil einschließt (unten Rz. 90).4 Vor allem bedarf die Bestimmung der Grenzen der schadensgleichen Vermögensgefahr bei der Untreue eigener Wege, weil der Versuch der Untreue, anders als der Versuch des Betruges, straflos ist (dazu Rz. 123). Da schadensgleiche Vermögensgefahr und Versuch im Vorfeld des „endgültigen Vermögensnachteils“ angesiedelt sind, ist die Anwendung der schadensgleichen Vermögensgefahr als Vorverlagerung des Vollendungszeitpunkts in ständiger Gefahr, die gesetzliche Wertung der Straflosigkeit des Untreueversuchs zu unterlaufen. Zudem fehlt der Untreue im Unterscheid zum Betrug eine Bereicherungsabsicht (unten Rz. 118), die als subjektives Korrektiv insbesondere für risikobehaftetes wirtschaftliches Handeln bei der Abgrenzung von strafbarer Vollendung und straflosem Versuch einschränkend wirkt. Deshalb kann die Forderung nach Eingrenzung der Vermögensgefahr bei der Untreue insbesondere nach den beiden Untreue-Beschlüssen des BVerfG aus den Jahren 2009 und 2010 mittlerweile als unstrittig bezeichnet werden.5 Auch wenn über die Einschränkungsansätze im Einzelnen noch Unklarheit herrscht, ist das BVerfG der Ansicht, dass die von der Rspr. zur Bestimmung der schadensgleichen Vermögensgefahr entwickelten Ansätze die Auslegung grundsätzlich noch im zulässigen Rahmen halten.6 bb) Restriktionsansätze (1) Rechtsprechung vor BVerfG NJW 2010, 3209 Schon die Rspr. ist uneinheitlich hinsichtlich der Restriktionsansätze. Den Ausgangspunkt bildet das Kanther- 84 Urteil des 2. Strafsenats des BGH zur Parteienuntreue durch schwarze Kassen und unrichtige Rechenschaftsberichte. Danach ist der Tatbestand der Untreue „in Fällen der vorliegenden Art“ im subjektiven Bereich dahin zu begrenzen, dass der bedingte Vorsatz eines Gefährdungsschadens nicht nur Kenntnis und Inkaufnehmen der konkreten Gefahr eines Schadenseintritts voraussetzt, sondern „darüber hinaus eine Billigung der Realisierung dieser Gefahr“, sei es auch nur in der Form eines Sich-Abfindens des Täters mit dem Eintritt des ihm unerwünschten Erfolges.7 Diese Entscheidung ist in ihrer restriktiven Stoßrichtung im Schrifttum einhellig begrüßt, in ihrer dogmatischen Fundierung jedoch überwiegend abgelehnt worden (dazu auch Rz. 129).8 Ähnlich kontrovers haben andere Strafsenate des BGH reagiert. Nachdem der 2. Strafsenat seine Rspr. zunächst unter Aufgabe der Beschränkung auf „Fälle der vorliegenden Art“ auf die Kreditvergabe erstreckt9 und der 5. Strafsenat10 sich ihm angeschlossen hatte, hat sich der 1. Strafsenat in einem obiter dictum gegen den 2. Strafsenat gestellt. Bei dem Problem, das der 2. Strafsenat lösen wolle, handele es sich um ein Scheinproblem, das sich bei präziser Begriffsverwendung und exakter Betrachtung des tatsächlichen wirtschaftlichen Nachteils und der subjektiven Seite weitgehend erledige. Insoweit stelle sich die sog. konkrete Vermögensgefährdung bei pflichtwidrigen Risikogeschäften in Wirklichkeit als ein bereits unmittelbar mit der Tathandlung eingetretener Vermögensnachteil dar. Denn namentlich bei der Vergabe eines ungesicherten Kredits an ein zahlungsunfähiges Unternehmen folge aus der Saldierung der ausbezahlten Darlehenssumme mit der sofort weit über das zulässige Maß hinaus minderwertigen Rückzahlungsforderung „der unmittelbar und realiter eingetretene Vermögensnachteil“.11 Der Wert des Rückzahlungsanspruchs müsse dabei nach kaufmännischen Grundsätzen bilanzrechtlich bewertet, letztlich geschätzt werden. Bezüglich eines solchen Vermögensnachteils handele der Täter bei entsprechendem Wissen dann 1 2 3 4 5

6 7 8

9 10 11

BGH v. 5.6.1991 – 2 StR 581/90, wistra 1991, 307 f. Klarstellend BGH v. 20.3.2008 – 1 StR 488/07, NStZ 2008, 457 f. Matt/Saliger, Irrwege, S. 230 ff.; Saliger, ZStW 2000, 611 f.; Perron, FS Tiedemann (2008), S. 739 ff. und NStZ 2008, 518. Seier in A/R/R, Rz. 184. Vgl. BVerfG v. 10.3.2009 – 2 BvR 1980/07, NJW 2009, 2370, 2372 Rz. 33; Saliger in S/S/W-StGB, § 266 Rz. 83; Dierlamm in MüKo-StGB, § 266 Rz. 211, 219 ff.; Seier in A/R/R, Rz. 183 ff.; Fischer, StGB, § 266 Rz. 159 ff.; Schramm in M/G, § 266 StGB Rz. 137, 141; Arzt/Weber, § 20 Rz. 97 ff.; Saliger, Parteiengesetz, S. 127 ff. und Saliger, ZStW 2000, 563, 609 ff.; Perron, FS Tiedemann (2008), S. 742 ff.; Matt, NJW 2005, 389 und Matt in M/R-StGB, § 266 Rz. 126 ff.; Bosch, wistra 2001, 257; Matt/Saliger, Irrwege, S. 229 ff.; Haft, NJW 1996, 238; Riemann, Vermögensgefährdung, S. 157 ff. BVerfG v. 10.3.2009 – 2 BvR 1980/07, NJW 2009, 2370, 2372 Rz. 33. BGH v. 18.10.2006 – 2 StR 499/05, BGHSt 51, 100, 121 f. m. Anm. Bernsmann, GA 2007, 229 ff.; Ransiek, NJW 2007, 1727; Saliger, NStZ 2007, 545; Perron, NStZ 2008, 517; billigend unter dem Aspekt des Bestimmtheitserfordernis BVerfG v. 10.3.2009 – 2 BvR 1980/07, NJW 2009, 2370, 2373 Rz. 40. Vgl. für eine objektive Lösung: Bernsmann, GA 2007, 229 f.; Ransie, NJW 2007, 1729; Saliger, NStZ 2007, 550 f.; Seier in A/R/R, Rz. 192 f.; Schlösser, NStZ 2008, 398; Zweifel auch bei Perron, NStZ 2008, 518 und Selle/Wietz, ZIS 2008, 474; der subjektiven Lösung stimmen grundsätzlich zu Fischer, StGB, § 266 Rz. 183 f. und StraFo 2008, 275 ff.; Schünemann, NStZ 2008, 433 f.; Kempf, FS Hamm (2008), S. 264; vgl. auch Klötzer/Schilling, StraFo 2008, 306 f. BGH v. 25.5.2007 – 2 StR 469/06, NStZ 2007, 704 m. Anm. Schlösser, NStZ 2008, 397. BGH v. 2.4.2008 – 5 StR 354/07, BGHSt 52, 182, 190. BGH v. 20.3.2008 – 1 StR 488/07, NStZ 2008, 457 m. Anm. Klötzer/Schilling, StraFo 2008, 305 (krit.); Selle/Wietz, ZIS 2008, 471, 474 f.; Peglau, wistra 2008, 430.

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Untreue

StGB

§ 266 StGB Rz. 85

Strafgesetzbuch

auch mit direktem Vorsatz.1 Schließlich ist der 2. Strafsenat im Siemens-Urteil von der jahrzehntelangen und auch im Kanther-Urteil zugrundegelegten Rspr. insofern abgerückt, als er die Errichtung schwarzer Kassen nicht mehr (nur) als schadensgleiche Vermögensgefahr, sondern als endgültigen Schaden wertet (dazu Rz. 97).2 (2) Schrifttum 85

Noch uneinheitlicher als in der Rspr. sind die hauptsächlich zum Betrug entwickelten Restriktionsansätze der schadensgleichen Vermögensgefahr im Schrifttum (dazu näher m.N. § 263 Rz. 192).3 Teilweise wird auf die (fehlende) Beherrschbarkeit der Gefahr durch den Täter bzw. seine Vermeidemacht abgestellt, teilweise der Herrschaftsgedanke primär opferorientiert akzentuiert, teils sich an zivilrechtlichen Regeln orientiert unter Einschluß einer konkretisierenden Heranziehung des Bilanzrechts (Bejahung einer schadensgleichen Vermögensgefahr dann, wenn dem drohenden endgültigen Vermögensverlust keine Vermeidemöglichkeiten des Bedrohten mehr gegenüberstehen) und schließlich der Unmittelbarkeitsgrundsatz für die Untreue fruchtbar gemacht und nur solche Vermögensgefährdungen als schadensgleich qualifiziert, die unmittelbar in einen effektiven Güterverlust umschlagen können (zur Konkretisierung dieses Ansatzes unten Rz. 89).4 (3) Verfassungsrechtliche Anforderungen nach BVerfG NJW 2010, 3209

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In seinem Untreue-Beschluss von 2010 hat der 2. Senat des BVerfG die Gebote selbständiger Feststellung und grundsätzlicher Bezifferung der Höhe des Vermögensnachteils (dazu bereits Rz. 65 f., zu den Ausnahmen Rz. 66) vor allem mit Blick auf die schadensbegründende Vermögensgefahr entwickelt. Auch letztere müssen Strafgerichte in wirtschaftlich nachvollziehbarer Weise feststellen.5 Dabei hebt das BVerfG die Bedeutung der Bewertungsvorschriften des Bilanzrechts hervor.6 Insbesondere macht der 2. Senat den namentlich von Hefendehl entwickelten und zuletzt auch vom 1. Strafsenat des BGH (Rz. 84)7 favorisierten bilanzrechtsorientierten Ansatz für die Anwendung der schadensbegründenden Vermögensgefahr am Beispiel der Kredituntreue fruchtbar (dazu bereits Rz. 65 m.w.N.). Danach sind im Rahmen der Bestimmung des Saldo zwischen vertraglich vorausgesetztem und tatsächlich gegebenem Wert des Rückzahlungsanspruchs (als Kompensation) bei Gegenständen des Umlaufvermögens gem. § 253 Abs. 4 HGB Abschreibungen vorzunehmen, um diese mit einem niedrigeren Wert anzusetzen, der sich aus einem Börsen- oder Marktpreis am Abschlussstichtag ergibt. Ist ein Börsen- oder Marktpreis nicht festzustellen und übersteigen die Anschaffungs- oder Herstellungskosten den Wert, der den Vermögensgegenständen am Abschlussstichtag beizulegen ist, so ist auf diesen Wert abzustellen. Dieser niedrigere beizulegende Wert i.S.d. § 253 Abs. 4 HGB wird durch die geschätzte Höhe des mit Wahrscheinlichkeit zufließenden Betrages bestimmt.8 Demnach erleidet eine Bank bei der gebotenen wirtschaftlichen Betrachtung bereits durch den Vertragsschluss (die verbindliche Kreditzusage) wegen Minderwertigkeit des Gegenleistungsanspruchs einen Vermögensnachteil als Tatfrage, wenn aufgrund fehlender Bonität des Schuldners und/oder fehlender Sicherheiten konkret erkennbar mit einem teilweisen oder vollständigen Forderungsausfall zu rechnen ist, so dass eine Einzelwertberichtigung gebildet oder sogar eine Direktabschreibung vorgenommen werden muss.9 Die Erbringlichkeit der Forderung am Bilanzstichtag (das Ausfallrisiko) soll sich ermitteln „nach dem Barwert der voraussichtlich erzielbaren künftigen Zins- und Tilgungszahlungen“ unter Berücksichtigung der Bonität des Kreditnehmers, der Rendite des Kredits, verwertbarer Sicherheiten und etwaiger Rückgriffsmöglichkeiten sowie „aller Umstände, die den Forderungseingang zweifelhaft erscheinen lassen“.10 1 BGH v. 20.3.2008 – 1 StR 488/07, NStZ 2008, 457, 458. 2 BGH v. 29.8.2008 – 2 StR 587/07, NJW 2009, 89, 92. 3 Vgl. die Übersichten bei Dierlamm in MüKo-StGB, § 266 Rz. 219 ff.; Strelczyk, Strafbarkeit, S. 49 ff.; Hefendehl, Vermögensgefährdung, S. 61 ff.; Riemann, Vermögensgefährdung (1989), S. 24 ff., 39 ff., 44 ff.; Cramer, Vermögensbegriff, S. 119 ff. 4 Matt/Saliger, Irrwege, S. 234 ff.; Saliger, ZStW 2000, 577 f., Parteiengesetz, S. 127 ff. und HRRS 2006, S. 20; Matt, NJW 2005, 391; Mosenheuer, NStZ 2004, 181; Haft, NJW 1996, 268; Lassmann, Stiftungsuntreue, S. 211 ff.; ferner Riemann, Vermögensgefährdung, S. 121 ff. für § 263. 5 BVerfG v. 23.6.2010 – 2 BvR 2559/08, 2 BvR 105/09, 2 BvR 491/09, NJW 2010, 3209, 3220, Rz. 151; BVerfG v. 1.11.2012 – 2 BvR 1235/11, NJW 2013, 365, 366; BGH v. 14.4.2011 – 2 StR 616/10, NJW 2011, 2675 f. Rz. 12; BGH v. 26.11.2015 – 3 StR 17/15, NZG 2016, 703, 710; OLG Köln v. 26.6.2014 – 2 Ws 189/14, BeckRS 2014, 14061, S. 4; zum Folgenden bereits Saliger in M/R-StGB, § 263 Rz. 185. 6 BVerfG v. 23.6.2010 – 2 BvR 2559/08, 2 BvR 105/09, 2 BvR 491/09, NJW 2010, 3209, 3219 ff., Rz. 141 ff., 151 ff., weil die bisherige Rspr. in verfassungsrechtlich bedenklicher Weise bei Gefährdungsschäden eine konkrete Feststellung der Schadenshöhe nach anerkannten Bewertungsmaßstäben nicht durchweg für erforderlich gehalten habe (S. 3220 Rz. 147 ff.) mit Kritik u.a. an der Spieler-Formel; dazu krit. Saliger, NJW 2010, 3197 f. 7 Vgl. BGH v. 18.2.2009 – 1 StR 731/08, BGHSt 53, 199, 203; BGH v. 20.3.2008 – 1 StR 488/07, NStZ 2008, 457. 8 BVerfG v. 23.6.2010 – 2 BvR 2559/08, 2 BvR 105/09, 2 BvR 491/09, NJW 2010, 3209, 3219 Rz. 141; zur Bedeutung der International Accounting Standards (IAS) oder der Rückstellungs-Richtlinien der Finanzinstitute bei Einzelwertberichtigungen, Bildung von Rückstellungen für drohende Verluste (§ 249 HGB) oder auch Verkauf von Forderungen BGH v. 18.2.2009 – 1 StR 731/08, BGHSt 53, 199, 203. 9 BVerfG v. 23.6.2010 – 2 BvR 2559/08, 2 BvR 105/09, 2 BvR 491/09, NJW 2010, 3209, 3219 Rz. 143. 10 BVerfG v. 23.6.2010 – 2 BvR 2559/08, 2 BvR 105/09, 2 BvR 491/09, NJW 2010, 3209, 3220 Rz. 146; ferner BGH v. 30.5.2013 – 5 StR 309/12, BeckRS 2013, 10904 Rz. 8 f.; LG Arnsberg v. 17.7.2013 – 6 KLs 1/13, BeckRS 2013, 15115. Zust. z.B. Wattenberg/Gehrmann, ZBB 2010, 512 ff.; Peglau, wistra 2012, 368; auch Krause, wistra 2012, 331. Krit. dagegen Becker, HRRS 2009, 337 ff.; Becker, HRRS 2010, 390 ff.; Hefendehl, wistra 2012, 327 ff.

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Rz. 89 § 266 StGB

Auch wenn das BVerfG und der 1. Strafsenat des BGH betonen, dass Bewertung und Wertberichtigung von Forde- 87 rungen zum „kaufmännischen Alltag“ gehören,1 ist offenkundig, dass dieser Ansatz mit theoretischen und praktischen Problemen verbunden ist.2 Das BVerfG räumt selbst ein, dass die Umsetzung des bilanzrechtlichen Bewertungsverfahrens im Einzelfall, namentlich bei Kreditvergaben, komplexe wirtschaftliche Analysen erfordert,3 was das Problem des Sachverständigenstrafrechts und seine Umgehung durch vermehrte Absprachen verschärfen könnte.4 Zudem erscheinen die bilanzrechtlichen Unsicherheiten und Spielräume (Stichwort: Vielzahl der Bewertungsmethoden), die andere Funktion dieser Grundsätze (Stichwort: Vorsichtsprinzip gem. § 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB) und das Fehlen von Bewertungsgrundsätzen für zahlreiche Konstellationen kaum geeignet, die Probleme der Konkretisierung etwa bei der schadensbegründenden Vermögensgefahr vollständig zu lösen.5 Überhaupt ist an die dogmatische Scheidung von materiellem Schadensbegriff und beweisrechtlicher Schadensfeststellung zu erinnern, die den bilanzrechtlichen Ansatz ergänzungsbedürftig durch andere Konzepte, etwa das Unmittelbarkeitsprinzip, macht (Rz. 89).6 So überzeugt es nicht, Mindestschätzungen vorzunehmen, die zugunsten der Angeklagten unter dem Regelbeispiel des § 266 Abs. 2 i.V.m. § 263 Abs. 3 Nr. 2 Alt. 1 bleiben, wenn der Schadensgrund nicht festgestellt wird.7 (4) Stellungnahme: Unmittelbarkeitsprinzip mit Bilanzrecht als heuristischem Hilfsmittel Der subjektiven Lösung von Teilen der Rspr. ist ihre restriktive Tendenz zuzubilligen. Gegen die Vorsatzver- 88 engung auf eine Billigung der Schadensrealisierung sprechen allerdings die durch sie geschaffene Inkongruenz von objektivem und subjektivem Tatbestand, die damit verbundene Aufgabe einer einheitlichen Vorsatzdogmatik und ihre Unterlegenheit gegenüber einer objektiven Lösung hinsichtlich dogmatischer Stimmigkeit und Rechtsklarheit.8 Ebenfalls zweifelhaft ist das Problemlösungspotential des Ansatzes des 1. Strafsenats, der die Bemühungen um eine Restriktion der schadensgleichen Vermögensgefahr zu Unrecht als Scheinproblem brandmarkt.9 Weder dürften kaufmännische Bewertungsregeln jenseits von Fällen der Kredituntreue stets für eine Lösung des normativen Saldierungsproblems taugen,10 noch dürfte die stete Annahme von direktem Vorsatz die Vielfalt der Sachverhalte bei der Kredituntreue angemessen erfassen. Eine Eingrenzung der Untreue auf eine Schädigungsabsicht jedenfalls kann nur der Gesetzgeber vornehmen.11 Auch die Mehrheit der Vorschläge im Schrifttum überzeugt als für die Untreue zu einseitig nicht. Dazu muss man zum einen sehen, dass das Unrecht der Untreue keine Interaktion zwischen Täter und Opfer voraussetzt, sondern einseitig vom Täter aus einer internen, i.d.R. vom Opfer selbst gewährten Machtposition heraus erfolgt (vgl. Rz. 3). Deshalb taugen weder die Opferperspektive mangels Interaktion noch die Täterperspektive aufgrund des internen Angriffswegs allein für eine hinreichende Einschränkung der schadensgleichen Vermögensgefahr.12 Zum anderen verlangt die grundsätzlich wirtschaftliche Betrachtung von Vermögens- und Schadensbegriff nach einer strafrechtsautonomen Bestimmung der schadensgleichen Vermögensgefahr. Das steht sowohl einem streng zivilrechtsakzessorischen Ansatz als auch einem zivilrechtlich-bilanzrechtlich ausgefülltem Herrschaftsmodell entgegen, abgesehen davon, dass das Bilanzrecht häufig selbst entweder keine Regeln enthält oder unklar bzw. strittig ist.13 Vorzugswürdig ist daher das Unmittelbarkeitsprinzip14 i.V.m. den bilanzrechtlichen Bewertungsregeln, soweit 89 letztere rechtsgutsbezogen für geeignete Fallkonstellationen wie die Kredit- und Anlageuntreue als heuristisches Konkretisierungs- und Plausibilisierungskriterium15 herangezogen werden können (vgl. auch § 263 StGB 1 BVerfG v. 23.6.2010 – 2 BvR 2559/08, 2 BvR 105/09, 2 BvR 491/09, NJW 2010, 3209, 3219 Rz. 146; auch BGH v. 18.2.2009 – 1 StR 731/08, BGHSt 53, 199, 203. 2 Fischer, StGB, § 266 Rz. 162 ff.; Saliger in S/S/W-StGB, § 266 Rz. 87. 3 BVerfG v. 23.6.2010 – 2 BvR 2559/08, 2 BvR 105/09, 2 BvR 491/09, NJW 2010, 3209, 3219 Rz. 146. 4 Vgl. Fischer, StGB, § 266 Rz. 163 f.; relativierend aber Hefendehl, wistra 2012, 331 und Krause, wistra 2012, 331 f. 5 Krit. zum bilanzrechtsorientierten Ansatz Kempf, FS Volk, S. 240 ff. und Kempf in Fischer u.a. (Hrsg.), Dogmatik, S. 325 ff., 334 f.; Fischer, NStZ-Sonderheft 2009, 14 f.; Rübenstahl, NJW 2009, 2392; Schlösser, NStZ 2009, 665 f.; Schmitt, FS Nobbe (2009), S. 1023 f.; vgl. auch Brüning, ZJS 2009, 303. Diff. Becker, HRRS 2009, 337 ff. und Joecks, FS Samson, S. 366 ff., 372, 374. Zurückhaltung empfehlen Ransiek/Reichling, ZIS 2009, 317. Zust. ferner Schäfer, JR 2009, 289 f.; verteidigend Hefendehl, FS Samson, S. 301 ff. 6 Vgl. Hinrichs, wistra 2013, 163 ff.; ferner Fischer, StGB, § 266 Rz. 162. 7 So BGH v. 10.10.2012 – 2 StR 591/11, NZG 2013, 268, 270 Rz. 33 – Telekom-Spitzelaffäre – m. insoweit abl. Bspr. Wessing, NZG 2013, 495. 8 Zur Kritik vgl. Bernsmann, GA 2007, 229 f.; Ransiek, NJW 2007, 1729; Saliger in S/S/W-StGB, § 266 Rz. 88 und Saliger, NStZ 2007, 550 f.; Schlösser, NStZ 2008, 398; Seier in A/R/R, Rz. 192 f. 9 Ebenso Klötzer/Schilling, StraFo 2008, 306 f. 10 Fischer, StraFo 2008, 274 f.; a.A. Nack, StraFo 2008, 278 ff. 11 Ebenso Perron, NStZ 2008, 518 f. 12 Saliger in S/S/W-StGB, § 266 Rz. 88; vgl. ferner instruktiv Perron, FS Tiedemann (2008), S. 742 ff., der indes für eine Betrachtung von Täter- und Opferperspektive jeweils für sich unter Einbeziehung von Zurechnungsüberlegungen votiert. 13 Vgl. zu letzterem: Tiedemann in LK-StGB, § 263 Rz. 172; Erb, GA 1996, 143; Strelczyk, Strafbarkeit, S. 128 ff. 14 Matt/Saliger, Irrwege, S. 234 ff.; Saliger, Parteiengesetz, S. 127 ff. und HRRS 2006, S. 20; Matt, NJW 2005, 391; Brüning/ Wimmer, ZIS 2009, 98; Lassmann, Stiftungsuntreue, S. 214; Riemann, Vermögensgefährdung, S. 121 ff. 15 Vgl. zu diesem Einsatz des Bilanzrechts Hefendehl, FS Samson, S. 301 ff. und Hefendehl, wistra 2012, 328 ff.; Becker, HRRS 2009, 338 und Becker, HRRS 2010, 392; auch Wattenberg/Gehrmann, ZBB 2010, 513 f.; Joecks, FS Samson, S. 374; Kempf in Fischer u.a. (Hrsg.), Dogmatik, S. 334 f.

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Rz. 193).1 Eine konkrete schadensgleiche Vermögensgefahr begründen danach nur solche Gefährdungslagen, die aufgrund festgestellter Tatsachen unmittelbar in einen effektiven Güterverlust umschlagen können. Das Unmittelbarkeitsprinzip beinhaltet zwei limitierende Maßgaben: Erstens muss die Vermögensgefährdung unmittelbar durch die Untreuehandlung herbeigeführt werden. Diese Maßgabe entspricht dem (strittigen) Unmittelbarkeitserfordernis auf der Nachteilsseite der Saldierung (Rz. 78). Zweitens und wichtiger ist eine Vermögensgefahr nur konkret, wenn sie unmittelbar in den endgültigen Schaden übergehen kann. Das ist grundsätzlich nicht der Fall bei Gefährdungslagen, in denen die Herbeiführung des endgültigen Vermögensverlustes noch von weiteren eigenmächtigen Handlungen des Täters, des Opfers oder Dritter abhängt.2 Das schließt die Annahme einer konkreten Gefahr nicht aus, wenn der endgültige Schadenseintritt noch faktisch von Handlungen des Opfers oder Dritter abhängt wie bei der Auslösung von Schadensersatzansprüchen oder Sanktionen. In diesen Fällen ist eine Vermögensgefahr aber nur konkret, wenn die Sanktion materiell selfexecuting ist, so dass keine relevante Eigenmacht von Seiten Dritter oder des Opfers vorliegt (Rz. 95). In dieser Fassung trägt das strafrechtsautonom bestimmte Unmittelbarkeitsprinzip nicht nur Täter- und Opferperspektive gleichermaßen Rechnung, sondern führt auch bereits im objektiven Tatbestand zu angemessenen Ergebnissen (unten Rz. 90 ff.). So tritt mangels Rechtswirkung vor Eintritt des Erbfalls noch keine konkrete schadensbegründende Vermögensgefahr für das Vermögen des Treugebers ein, wenn ein Treunehmer einen testierunfähigen Treugeber zu letztwilligen Verfügungen zu seinen Gunsten oder zugunsten von Dritten veranlasst. Andernfalls würde man die bloße Beeinträchtigung der Testier- und damit Dispositionsfreiheit (vgl. Rz. 1) kriminalisieren (auch Rz. 82).3 In diesen Fällen kommt neben versuchter oder – mit Eintritt des Erbfalls – vollendeter Erbschleicherei gem. § 263 zu Lasten der gesetzlichen Erben4 mit Eintritt des Erbfalls allenfalls eine Untreue zu Lasten der gesetzlichen Erben in Betracht, sofern man eine Vermögensbetreuungspflicht bejaht.5 Gegen das Unmittelbarkeitsprinzip lässt sich nicht sein Zusammenhang mit dem Unmittelbarkeitsgrundsatz bei § 263, von dem es in der Tat inspiriert und motiviert ist, und die Irrelevanz einer Vermögensverfügung bei der Untreue einwenden (vgl. Rz. 106). Denn materiell speist sich das Prinzip eigenständig und zentral aus der Wertung der Straflosigkeit des Untreueversuchs,6 ergänzt durch die Besonderheit des internen Angriffsweges bei der Untreue und die grundsätzlich wirtschaftliche Betrachtungsweise des Schadensbegriffs. cc) Einzelne Fallgruppen (1) Eingehungsgeschäfte 90

Eingehungsgeschäfte (gegenseitige oder einseitige) bezeichnen eine klassische Fallgruppe der schadensgleichen Vermögensgefahr.7 So ist anerkannt, dass die Kreditvergabe ohne hinreichende Sicherheit wegen der Minderwertigkeit des Rückzahlungsanspruches einen wirtschaftlich unausgewogenen Darlehensvertrag und damit eine schadensgleiche Vermögensgefahr begründet (zur Kredituntreue s. Rz. 120 ff.).8 Das Gleiche gilt, wenn ein Wechsel bei Zweifelhaftigkeit der gesicherten Forderung akzeptiert wird9 oder wenn durch die Abtretung einer nichtvalutierten Grundschuld an einen gutgläubigen Erwerber der Eigentümer des Grundstücks die Einrede der Nichtvalutierung nicht mehr erheben kann.10 Risikogeschäfte (Rz. 60 ff.) führen dann unstreitig zu einer schadensgleichen Vermögensgefahr, wenn der Täter „nach Art eines Spielers“ bewusst aufs Äußerste gesteigerte Verlustgefahren auf sich nimmt, nur um höchst zweifelhafte Gewinnchancen zu erhalten (Rz. 60 m.w.N.). Freilich liegen bei der Kreditvergabe und allgemein den Risikogeschäften die Probleme mehr in der Feststellung der Pflichtwidrigkeit als in der Eingrenzung der Vermögensgefahr (vgl. Rz. 60 und 120 ff.). Insoweit zutreffend hat der BGH in der schieren Belastung des Vermögens mit einer Bürgschaftsverpflichtung noch keine schadensgleiche Vermögensgefahr gesehen. Entscheidend ist die Wahrscheinlichkeit der Inanspruchnahme der Bürgschaft. Ein Gefährdungsschaden mit der vollen Bürgschaftssumme kann deshalb nur angenommen werden, wenn das besicherte Vorhaben von vorneherein zum Scheitern verurteilt ist oder es sich um ein hochspekulatives Projekt handelt und deshalb mit einer Inanspruchnahme der Bürgschaft von vornherein zu rechnen ist.11 M.a.W. setzt die Begründung eines Vermögensnachteils durch die Abgabe einer Bürgschaftserklärung vo-

1 So bereits Saliger in M/R-StGB, § 263 Rz. 229; Saliger in S/S/W-StGB, § 266 Rz. 89; ähnlich Hinrichs, wistra 2013, 163 ff., 166 f. 2 Saliger in S/S/W-StGB, § 266 Rz. 89; Saliger, Parteiengesetz, S. 128 f. und HRRS 2006, S. 20. 3 Zutr. Oglakcioglu, ZWH 2013, 376; Kudlich, JA 2013, 712. A.A. OLG Celle v. 13.2.2013 – 1 Ws 54/13, NStZ-RR 2013, 176, 177. 4 Vgl. Saliger in M/R-StGB, § 263 Rz. 166, 297. 5 I.d.S. Oglakcioglu, ZWH 2013, 376; Zweifel bei Kudlich, JA 2013, 712. 6 Saliger, ZStW 2000, 611 f.: materiale Versuchslösung; vgl. insoweit auch unmittelbares Ansetzen analog § 22. 7 Vgl. Cramer, Vermögensbegriff, S. 133 ff.; Riemann, Vermögensgefährdung, S. 75 ff., 160 f.; Hefendehl, Vermögensgefährdung, S. 262 ff., 323 ff.; Krell, NZWiSt 2013, 370. 8 BGH v. 6.4.2000 – 1 StR 280/99, BGHSt 46, 30, 34; BGH v. 15.11.2001 – 1 StR 185/01, 47, 148, 156 f.; BGH v. 20.3.2008 – 1 StR 488/07, NStZ 2008, 457; Kindhäuser in NK-StGB, § 266 Rz. 110. 9 BGH v. 30.8.1990 – 3 StR 459/87, wistra 1991, 68, 72; Kindhäuser in NK-StGB, § 266 Rz. 110. 10 BGH v. 12.6.1990 – 5 StR 268/89, wistra 1991, 219; Schünemann in LK-StGB, § 266 Rz. 146. 11 BGH v. 17.8.2006 – 4 StR 117/06, NStZ-RR 2006, 378; BGH v. 26.11.2015 – 3 StR 17/15, NZG 2016, 703, 711 – Nürburgring – m. Anm. Brand, S. 690 und Saliger/Schweiger, NJW 2016, 2600.

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raus, dass sich die künftige Verlustgefahr aufgrund der Eintrittswahrscheinlichkeit des Bürgschaftsfalls schon zu dem Zeitpunkt der Erklärung so weit verdichtet hat, dass sie als schadensgleich zu werten ist.1 Soweit danach ein unmittelbar bewirkter Eingehungsschaden in Gestalt einer konkreten schadensgleichen Vermögensgefahr gegeben ist, darf auch der spätere und dann für die Wertbemessung entscheidende Erfüllungsschaden (der Bürgschaftsfall) als unmittelbar bewirkt gelten unabhängig davon, ob er isoliert betrachtet eine sachliche und zeitliche Nähe zu der Pflichtverletzung aufweist.2 Ähnlich restriktiv hat der BGH bei der überhöhten Miete von Maschinen gegen die vorschnelle Bejahung einer konkreten Vermögensgefahr genaue Feststellungen zu schadensmindernden Kaufoptionen, Zurückbehaltungsrechten und sonstiger faktischer Möglichkeiten zur Durchsetzung einer Kaufoption angemahnt.3 Freilich verfährt die Rspr. nicht stets restriktiv. Im Fall Diestel hat der BGH anders als das LG eine schadensgleiche Vermögensgefahr durch Abschluss eines unausgewogenen Grundstückskaufvertrages bejaht, obwohl der Vertrag genehmigungsbedürftig und evident nichtig war,4 was nach dem Unmittelbarkeitsprinzip auf eine abstrakte Vermögensgefahr hinweist.5 Noch weiter gehend soll in einem Ausschreibungsverfahren bereits die pflichtwidrige Bekanntgabe des Budgets und der Bieterlisten an einen Mitbieter zu einer schadensgleichen Vermögensgefahr führen.6 Indes schafft der Geheimnisverrat für die Mitwisser erst die Möglichkeit zur Schädigung des Ausschreibenden als abstrakte Vermögensgefahr, begründet aber noch nicht den Vermögensnachteil selbst, der im Abschluss eines unausgewogenen Vertrags liegt.7 (2) Unordentliche Buchführung Nach st. Rspr. des BGH – und im Wesentlichen auch des RG8 – begründet eine mit den Grundsätzen eines or- 91 dentlichen Kaufmanns unvereinbare unordentliche, lückenhafte oder falsche Buchführung nicht schon als solche einen Vermögensnachteil in Gestalt einer schadensgleichen Vermögensgefahr, sondern erst dann, wenn sie die Durchsetzung berechtigter Ansprüche verhindert oder erheblich erschwert.9 Das gilt im Grundsatz auch für einzelne Falsch- und Nichtbuchungen.10 Voraussetzung für eine Gefährdung ist, dass die in Betracht kommenden Vermögensstücke schon vor der Untreuehandlung vorhanden waren oder ohne sie vorhanden sein würden. Eine unordentliche Buchführung, die es wahrscheinlich macht, dass die Geltendmachung begründeter Ansprüche unterbleibt, ist deshalb nur dann strafbar, wenn das Bestehen der begründeten Ansprüche festgestellt ist; ihre bloße Wahrscheinlichkeit genügt nicht.11 Eine erhebliche Erschwerung der Durchsetzung der Ansprüche und damit eine Gefährdung des Vermögens liegen nicht vor, wenn die bestehenden Ansprüche sich trotz der Buchführungsmängel relativ leicht erahnen lassen.12 Weitergehend will der BGH eine schadengleiche Vermögensgefahr auch dann annehmen, wenn aufgrund der Umstände des Einzelfalls mit einer ungerechtfertigten Doppelinanspruchnahme zu rechnen und wegen der unzureichenden Buchführung eine wesentliche Erschwerung der Rechtsverteidigung zu besorgen ist.13 Das überzeugt nicht. Eine schadensgleiche Vermögensgefahr ist grundsätzlich noch nicht konkret, wenn der Eintritt des endgültigen Vermögensverlustes von eigenmächtigen Handlungen Dritter abhängt (Rz. 89). Eine unordentliche Buchführung, die Dritten lediglich eigenverantwortlich Gelegenheit gibt, ungerechtfertige Forderungen gegen den Geschäftsherrn zu erheben, begründet nur eine abstrakte, noch keine konkrete Gefahr, so dass es insoweit auch auf die Umstände des Ein-

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BGH v. 26.11.2015 – 3 StR 17/15, NZG 2016, 703, 711; dort als nicht nachgewiesen angesehen. BGH v. 26.11.2015 – 3 StR 17/15, NZG 2016, 703, 713; vgl. auch und wohl enger Schneider, wistra 2015, 373. BGH v. 3.2.2005 – 5 StR 84/04, NStZ-RR 2005, 343 f. BGH v. 17.2.1999 – 5 StR 494/98, BGHSt 44, 376, 384 ff. Saliger, ZStW 2000, 574 ff. BayObLG v. 20.7.1995 – 4St RR 4/95, NJW 1996, 268, 271 m. krit. Anm. Haft, NJW 1996, 238. Saliger in S/S/W-StGB, § 266 Rz. 90; Saliger, ZStW 2000, 586; Matt/Saliger, Irrwege, S. 235; weiter Dierlamm in MüKoStGB, § 266 Rz. 227. Abl. auch Haft, NJW 1996, 238; Schünemann in LK-StGB, § 266 Rz. 146. Krit. zur Subjektivierung objektiver Tatbestandsmerkmale in BGH v. 10.7.1996 – 3 StR 50/96, NJW 1997, 66, 69; Matt/Saliger, Irrwege, S. 237 f.; Saliger, ZStW 2000, 566 ff. RG JW 1936, 2319 Nr. 15; RGSt 77, 228; auch RG JW 1935, 2963; abw. RGSt 73, 228. Zutreffend zur nicht extensiven Position des RG: Louis, Falschbuchung, S. 114 ff. m.w.N. gegen Schünemann in LK-StGB, § 266 Rz. 146 Fn. 773; Seier in A/R/R, Rz. 201 Fn. 422. BGH v. 31.8.1955 – StR 110/55, GA 1956, 121, 122 und BGH v. 15.12.1955 – 2 StR 213/55, GA 1956, 154, 155; BGH v. 7.12.1965 – 5 StR 312/65, BGHSt 20, 304, 305; BGH v. 26.4.2001 – 5 StR 587/00, BGHSt 47, 8, 11; auch BGH v. 24.8.1988 – 3 StR 232/88, BGHSt 35, 333, 336; Fischer, StGB, § 266 Rz. 152; Saliger in S/S/W-StGB, § 266 Rz. 91; Perron in S/S-StGB, § 266 Rz. 45; Seier in A/R/R, Rz. 201; Riemann, Vermögensgefährdung, S. 159. BGH v. 6.4.1954 – 5 StR 74/54, BGHSt 6, 115, 116 f. zu § 263 für eine Gutschrift; BGH v. 21.10.1994 – 2 StR 328/94, 40, 287, 295 f. zu § 266; auch RG JW 1926, 586 Nr. 6; entsprechend diff. Louis, Falschbuchung, S. 127 ff. BGH v. 7.12.1965 – 5 StR 312/65, BGHSt 20, 304 f. m. krit. Anm. Schröder, JR 1966, 185, der die Geltendmachung der Ansprüche mit hinreichender Erfolgsaussicht ausreichen lässt; ebenso Louis, Falschbuchung, S. 127, 129; wie hier: Dierlamm in MüKo-StGB, § 266 Rz. 191, 227; Saliger in S/S/W-StGB, § 266 Rz. 91. BGH v. 8.6.1988 – 2 StR 219/88, wistra 1988, 353. BGH v. 26.4.2001 – 5 StR 587/00, BGHSt 47, 8, 11 – verneint im konkreten Fall – m. abl. Bespr. Mosenheuer, NStZ 2004, 179; Saliger, JA 2007, 331 f.; zust. OLG Frankfurt v. 25.2.2004 – 2 Ws 73/03, NStZ-RR 2004, 244, 245 f.; Perron in S/S-StGB, § 266 Rz. 45; Seier in A/R/R, Rz. 201; Louis, Falschbuchung, S. 127 f.; einschr. Dierlamm in MüKo-StGB, § 266 Rz. 191, 227.

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zelfalls nicht ankommt.1 Zur Vermengung der Fallgruppen der unordentlichen Buchführung und der schwarzen Kassen (dazu Rz. 97 f.) in der Rspr. vgl. BGH v. 31.8.1955 – 2 StR 110/55, GA 1956, 121 (122) und BGH v. 15.12.1955 – 2 StR 213/55, GA 1956, 154 (155); krit. Saliger, Parteiengesetz, S. 412 f. und 419 f. (3) Falsche Behandlung von Mandantengeldern durch Rechtsanwälte 92

Eine weitere in der Rspr. anerkannte Fallgruppe der schadensgleichen Vermögensgefahr ist die falsche Behandlung von Mandantengeldern durch Rechtsanwälte als grundsätzlich Vermögensbetreuungspflichtige gem. § 675 BGB (oben Rz. 16).2 Unproblematisch ist die Annahme einer konkreten Vermögensgefahr, wenn der Rechtsanwalt Fremdgelder weisungswidrig als Sicherheit für eigene Kredite verwendet.3 Ebenfalls unproblematisch ist der Rechtssatz, dass Rechtsanwälte und Notare, die empfangenes oder verwahrtes Geld nicht einem Anderkonto zuführen (vgl. §§ 43a Abs. 5 S. 2 BRAO, 4 BORA, 23 BNotO, 54b BeurKG), sich jenseits abweichender vertraglicher Vereinbarungen jedenfalls dann nicht wegen Untreue strafbar machen, wenn sie uneingeschränkt und jederzeit mit eigenen flüssigen Mitteln vollständig ausgleichsbereit und -fähig sind (dazu Rz. 102).4 Darüber hinaus sollen Rechtsanwälte aber nach der Rspr. grundsätzlich der Untreue schuldig sein, wenn sie empfangene Mandantengelder nicht einem Anderkonto zuführen oder weiterleiten, sondern auf einem Geschäftskonto vereinnahmen oder anderweitig verwenden.5 Das gilt nach dem 3. Strafsenat auch für den Fall, dass der Mandant dem Rechtsanwalt die Mittel zur Ausführung eines Auftrags überlassen hat.6 Der 3. Strafsenat lässt zwar offen, ob eine Untreuestrafbarkeit dann entfallen kann, wenn trotz fehlender Sicherstellung der jederzeitigen Verfügbarkeit von Ersatzmitteln nach Inhalt und Umstände des Auftragsverhältnisses eine zeitliche Verzögerung bei der Erfüllung des Auftrags unwesentlich erscheint. Ein solcher Ausnahmefall scheide aber unter Heranziehung der Grundsätze des subjektiven Schadenseinschlags jedenfalls für den Fall aus, dass die dem Rechtsanwalt überlassenen Gelder dazu dienen sollten, eine – der Höhe nach noch zu verhandelnde – Kaution zu stellen, um eine bereits in Aussicht gestellte Haftverschonung zu erreichen.7 Diese Rspr. ist nicht unproblematisch.8 Da die bloße Nichterfüllung eines Auftrags ebenso wie dessen verzögerte Erfüllung nicht als solche zwingend eine strafbare Untreue darstellt,9 wird man aus der Perspektive der Untreue als Vermögensdelikt verlangen dürfen, dass die zweckwidrige Mittelverwendung durch Nichtzuführung der Gelder auf ein Anderkonto erst dann eine konkrete Vermögensgefahr begründet, wenn sie unmittelbar nachteilige Vermögensfolgen auslöst, also etwa das Fremdgeld dem ungehinderten Zugriff vollstreckungsbereiter Gläubiger des Rechtsanwalts aussetzt.10 Eine vermögensneutrale Auftragsverzögerung als solche (ohne Zinsverluste oder vernichtete Exspektanz) genügt ebensowenig wie das Auslösen sonstiger negativer, nicht vermögensbezoger Folgen.11 Selbst bei für möglich erachteten Vollstreckungsmaßnahmen entsteht wegen der Möglichkeit der Drittwiderspruchsklage nicht zwangsläufig eine schadensgleiche Vermögensgefahr.12 Die Bezifferung des Vermögensnachteils in Gestalt der konkreten Vermögensgefahr richtet sich nach der Wahrscheinlichkeit, in welcher Höhe mit einem Verlust infolge des Gläubigerzugriffs zu rechnen war. Das soll nach teilweise vertretener Auffassung ohne Rückgriff auf bilanzielle Bewertungsmaßstäbe und Hinzuziehung eines Sachverständigen durch schlichte Gegenüberstellung von Höhe der Gläubigerforderung und Kontensaldo zu einem bestimmten Stichtag unter Mitberücksichtigung vereinbarter Dispositionskredite möglich sein.13

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Ein endgültiger Vermögensnachteil tritt dagegen ein, wenn der Rechtsanwalt Fremdgelder pflichtwidrig für sich verbraucht.14 Das Gleiche gilt für die Fälle, in denen nach Anwaltsvertrag weiterzuleitende Fremdgelder auf ein häufig überzogenes oder dauernd Pfändungsmaßnahmen unterworfenes Geschäftskonto der Rechtsanwalts gelangen, weil die Kontokorrentbuchung der Bank oder die Pfändung zu einem direkten Abfluss des Zahlungsein-

1 Ebenso Mosenheuer, NStZ 2004, 180 f.; Matt, NJW 2005, 391; Saliger in S/S/W-StGB, § 266 Rz. 91; Saliger, HRRS 2006, 12 f. und JA 2007, 331 f.; vgl. auch Fischer, StGB, § 266 Rz. 152. 2 Zum Treueverhältnis ferner BGH v. 30.10.1985 – 2 StR 383/85, NStZ 1986, 361; OLG Karlsruhe v. 30.8.1989 – 1 Ws 60/89, NStZ 1990, 82, 83. 3 BGH v. 27.1.1988 – 3 StR 61/87, wistra 1988, 191, 192; Seier in A/R/R, Rz. 261; Saliger in S/S/W-StGB, § 266 Rz. 92; a.A. Schmidt NStZ 2013, 499: endgültiger Vermögensnachteil. 4 BGH v. 6.4.1982 – 5 StR 8/82, NStZ 1982, 331; BGH v. 30.10.2003 – 3 StR 276/03, NStZ-RR 2004, 54 m. Anm. Rübenstahl, HRRS 2004, 54; BGH v. 7.4.2010 – 2 StR 153/09, NJW 2010, 1764; BGH v. 24.7.2014 – 2 StR 221/14, NStZ 2015, 277; BGH v. 29.1.2015 – 1 StR 587/14, NJW 2015, 1190, 1191; BGH v. 26.11.2015 – 2 StR 144/15, wistra 2016, 152, 153; OLG Hamm v. 14.7.2009 – 2 Ss 197/09, wistra 2010, 76, 77; Schmidt, NStZ 2013, 499 f. 5 Vgl. auch BGH v. 6.4.1982 – 5 StR 8/82, NStZ 1982, 331 für Notare; zum Problem Schmidt, NStZ 2013, 500 ff. 6 BGH v. 30.10.2003 – 3 StR 276/03, NStZ-RR 2004, 54. 7 BGH v. 30.10.2003 – 3 StR 276/03, NStZ-RR 2004, 54 f. 8 Zum Folgenden schon Saliger in S/S/W-StGB, § 266 Rz. 92. 9 Konzediert in BGH v. 30.10.2003 – 3 StR 276/03, NStZ-RR 2004, 54. 10 Riemann, Vermögensgefährdung, S. 160; Schünemann in LK-StGB, § 266 Rz. 147; Schmidt, NStZ 2013, 500. 11 Ebenso Rübenstahl, HRRS 2004, 59 f., 62 f.; Perron in S/S-StGB, § 266 Rz. 45a; Schmidt, NStZ 2013, 501. 12 BGH v. 17.7.1987 – 2 StR 292/87, BGHR StGB § 266 Nachteil 7; Schünemann in LK-StGB, § 266 Rz. 146; Matt/Saliger, Irrwege, S. 240. 13 So Schmidt, NStZ 2013, 501. 14 Vgl. BGH v. 6.2.1961 – AnwSt (R) 3/60, BGHSt 15, 372, 375 f.; BGH v. 27.11.2012 – 3 StR 421/12, BeckRS 2013, 01324; BGH v. 26.11.2015 – 2 StR 144/15, wistra 2016, 152, 153; Schmidt, NStZ 2013, 499.

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Rz. 95 § 266 StGB

gangs vom Konto führen.1 Zwar können gleichwertige und fällige Geldansprüche des Rechtsanwalts gegen das treuhänderisch verwaltete Fremdvermögen die Annahme eines Vermögensnachteils hindern. Das soll aber nach der Rspr. voraussetzen, dass die Verwendung der Mandantengelder nicht vom Vorsatz rechtswidriger Bereicherung getragen ist, sondern tatsächlich dem Zweck dient, bestehende Honoraransprüche zu befriedigen.2 Bei der Nichtweiterleitung von Fremdgeldern durch Rechtsanwälte richtet sich die Abgrenzung von Tun und Unterlassen danach, ob zu dem bloßen Gelderhalt ein Tätigwerden der Rechtsanwalts in Gestalt von Anforderungen des Geldes, Ableugnen des Zahlungseingangs oder Verwendung des Geldes zu eigenen Zwecken hinzutritt – dann Tun – oder sich der Vorwurf in dem bloßen Untätigbleiben nach Zahlungserhalt erschöpft – dann Unterlassen mit Möglichkeit der Anwendung von § 13 Abs. 2.3 Die fortgesetzte Leistungsunfähigkeit des Rechtsanwalts steht dabei einer Treubruchsuntreue durch Unterlassen nicht entgegen, weil er zur Gewährleistung seiner Leistungsfähigkeit zu den verschiedenen Zahlungszeitpunkten verpflichtet ist.4 Beschränkt sich die Tathandlung des Rechtsanwalts auf eine einmalige Zahlungsaufforderung, so scheidet Tatmehrheit ungeachtet der Anzahl der daraufhin erhaltenen Zahlungen aus.5 Nicht abschließend geklärt ist die unterlassene oder verspätete Auskehr von Mandantengeldern. Die Rspr. ist 94 nicht spannungsfrei. Einerseits hat der 2. Strafsenat restriktiv eine strafbare Untreue erst bejaht, wenn der Rechtsanwalt das Fremdgeld angreift oder dessen Bestand im Tatzeitraum konkret gefährdet, z.B. bei drohenden Zwangsvollstreckungsmaßnahmen. Der alleinige Verstoß gegen die Verpflichtung zur Auskehr des Geldes nach Vertragsbeendigung begründe als Verletzung einer bloßen Schuldnerpflicht keine strafbare Untreue.6 Andererseits hat der 2. Strafsenat in einem späteren Urteil die strafbewehrte Vermögensbetreuungspflicht auch auf die Rückzahlung eines Kostenvorschusses des Mandanten erstreckt und § 266 durch die schiere Verletzung der Rückzahlungspflicht bejaht.7 Praktisch noch vertretbar erscheint ein vom OLG Karlsruhe gewiesener vermittelnder Weg. Dabei kann dahinstehen, ob die Aufspaltung zwischen strafbewehrter mandatsbezogener Vermögensbetreuungspflicht und der Pflicht zur Auskehr von Mandantengeldern als bloßer Schuldnerpflicht (Rz. 28) für die hiesige Fallgruppe aufzugeben ist.8 Ausnahmsweise wird jedoch die Vermögensbetreuungspflicht verletzt mit der Folge einer schadensgleichen Vermögensgefahr,9 wenn der Rechtsanwalt dauerhaft nicht herausgabefähig oder -willig ist und das Fremdgeld deshalb als verloren gelten kann. Indizien dafür sind u.a. jahrelanges Nichtabrechnen,10 keine Mitteilung oder bewusstes Abstreiten von Zahlungseingängen, langer Zeitablauf zwischen Geldeingang und Tataufdeckung.11 Zur Vermögensgefahr durch die Auszahlung eines Darlehens unter Verletzung des Treuhandauftrages BVerfG v. 10.3.2009 – 2 BvR 1980/07, NJW 2009, 2370 (2372 f. Rz. 37 ff.); BGH v. 21.6.2007 – 4 StR 69/07, wistra 2007, 422. Zur Berücksichtigung von Honoraransprüchen des Rechtsanwalts bei der Nachteilsermittlung s. unten Rz. 131. (4) Auslösung von Schadensersatzansprüchen und Sanktionen Noch weitgehend ungeklärt ist die Behandlung der Auslösung von Schadensersatzansprüchen und Sanktionen 95 als schadensgleiche Vermögensgefahr.12 Die Rspr. tendierte ursprünglich zu einer extensiven Haltung. So hat sie eine schadensgleiche Vermögensgefahr bejaht bzw. in Betracht kommen lassen bei drohenden Schadensersatzklagen von um Friedhofsgebühren geprellten Bürgern gegen den Dienstherrn,13 dem Risiko des behördlichen Entzugs manipulierter Ware (Wein) des Geschäftsherrn aus dem Verkehr,14 der Gefahr der Festsetzung verwaltungsgerichtlicher Ordnungsgelder gegen den Geschäftherrn,15 der Gefahr der Aberkennung des steuerlichen Status der Gemeinnützigkeit durch das Finanzamt,16 der drohenden Gefahr einer erfolgreichen Inanspruchnahme des Geschäftsherrn auf Schadensersatz,17 der Gefahr der parteiengesetzlichen Sanktion wegen

1 BGH v. 29.1.2015 – 1 StR 587/14, NJW 2015, 1190, 1191; auch BGH v. 24.7.2014 – 2 StR 221/14, NStZ 2015, 277. 2 BGH v. 24.7.2014 – 2 StR 221/14, NStZ 2015, 277; dort verneint. 3 BGH v. 29.1.2015 – 1 StR 587/14, NJW 2015, 1190, 1191; BGH v. 26.11.2015 – 2 StR 144/15, wistra 2016, 152, 153, dort Tun. 4 BGH v. 29.1.2015 – 1 StR 587/14, NJW 2015, 1190, 1191 unter Rückgriff auf den Rechtsgedanken der omissio libera in causa. 5 BGH v. 24.7.2014 – 2 StR 221/14, NStZ 2015, 277; BGH v. 29.1.2015 – 1 StR 587/14, NJW 2015, 1190, 1191. 6 BGH v. 30.10.1985 – 2 StR 383/85, NStZ 1986, 361 f. m. Bespr. Franzheim, StV 1986, 409. 7 BGH v. 3.10.1986 – 2 StR 256/86, wistra 1987, 65. 8 So OLG Karlsruhe v. 30.8.1989 – 1 Ws 60/89, NStZ 1990, 82, 83; Seier in A/R/R, Rz. 267; Otto, JZ 1993, 660 Fn. 228. 9 A.A. Schmidt, NStZ 2013, 500: endgültiger Vermögensnachteil. 10 Franzheim, StV 1986, 410. 11 Vgl. OLG Karlsruhe v. 30.8.1989 – 1 Ws 60/89, NStZ 1990, 82, 84 auch zu Gegenindizien; zust. Seier in A/R/R, Rz. 268; vgl. auch Schünemann in LK-StGB, § 266 Rz. 147. 12 Vgl. dazu Burger, Untreue; Munoz/Vila, GA 2015, 284; Solka/Altenburg, NZWiSt 2016, 212. 13 RG DR 1949, 729. 14 BGH v. 4.7.1979 – 3 StR 198/79, MDR (H) 1979, 988. 15 OLG Hamm v. 15.10.1981 – 4 StR 461/81, NJW 1982, 190, 192. 16 OLG Hamm v. 29.4.1999 – 2 Ws 71/99, wistra 1999, 350, 354; das LG hat die Angeklagten später freigesprochen, was der BGH nicht beanstandet hat; vgl. BGH v. 2.5.2001 – 2 StR 128/01, wistra 2001, 340. 17 BGH v. 23.3.2000 – 4 StR 19/00, NStZ 2000, 375, 376.

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Untreue

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§ 266 StGB Rz. 96

Strafgesetzbuch

pflichtwidrigen Umgangs mit Parteispenden (§ 23a Abs. 1 S. 1 Alt. 1 PartG 1994) im Fall Kohl1 oder der Gefahr der Verhängung der parteiengesetzlichen Sanktion wegen Einreichung materiell unrichtiger Rechenschaftsberichte (Verlust des Zuwendungsanteils an der staatlichen Parteienfinanzierung gem. § 19 Abs. 4 Satz 3 PartG 1994) und der konkreten Gefahr von Schadensersatzforderungen der Bundes-CDU gegen die Hessen-CDU im Fall Kanther.2 Im Fall Siemens hat der 2. Strafsenat die vom LG Darmstadt3 bei der Frage des Vermögensnachteils durch die Bestechungszahlungen vorgenommene weitgehende Berücksichtigung mittelbarer Vermögensfolgen wie zivilrechtliche Ansprüche auf Rückabwicklung und die Gefahr des Gewinnverfalls für unbeachtlich erklärt.4 Über die Siemens-Entscheidung hinaus finden sich vor allem seit dem Beschluss des 5. Strafsenats im Berliner Straßenreinigungsfall vom Juli 2009 (dazu bereits Rz. 78) weitere begrüßenswerte restriktive Tendenzen (zur abweichenden Auffassung des 1. Strafsenats s. Rz. 78). So hat der 5. Strafsenat erklärt, dass das Risiko, auf Schadensersatz und Prozesskosten in Anspruch genommen zu werden, wegen der Erforderlichkeit eines Zwischenschritts nicht unmittelbar ist.5 Auch die Gefahr der Aberkennung der Gemeinnützigkeit hält das OLG Celle – anders als das OLG Hamm – mangels Unmittelbarkeit nunmehr nicht mehr für geeignet, eine konkrete schadensbegründende Vermögensgefahr auszulösen.6 Im Schrifttum reichen die Auffassungen von einer generellen Ablehnung strafbarer Untreue durch die Auslösung von Schadensersatzansprüchen und Sanktionen mangels Schutzzweckzusammenhangs und Unmittelbarkeit als Elemente der Zurechnung (s. auch Rz. 104 f. m.w.N.)7 über unterschiedlich differenzierende Ansichten8 bis hin zu überwiegend9 oder generell bejahenden10 Positionen. 96

Richtigerweise hat die Lösung über das Unmittelbarkeitsprinzip zu erfolgen.11 Gegen die generelle bejahende Rspr. und Literaturansicht sprechen bereits die Gründe, die für das Unmittelbarkeitserfordernis auf der Nachteilsseite geltend gemacht worden sind, insbesondere das Gebot der Symmetrie auf Vorteils- und Nachteilsseite (Rz. 78). Die generell ablehnende Auffassung verkennt, dass es Sanktionen geben kann, die bereits im Moment ihrer Auslösung durch die pflichtwidrige Handlung eine schadensgleiche Vermögensgefahr begründen, weil sie sich materiell quasi selbst vollstrecken.12 Soweit die Annahme strafbarer Untreue davon abhängig gemacht wird, ob die Handlung einen untreuespezifischen Sinnbezug durch einen unmittelbar vermögensbezogenen internen Umgang mit dem Vermögen herstellt, ist schon nicht zu sehen, warum ein solcher „interner Sinnbezug“ bei den parteiengesetzlichen Sanktionen fehlen soll, wo Spendenumgang und Rechenschaftslegung ebenfalls einen internen Vermögensumgang bezeichnen.13 Das gilt umso mehr, als ein objektiv fehlender untreuespezifischer Sinnbezug bei gewollter bzw. beabsichtigter Sanktionsauslösung zur Untreuestrafbarkeit führen soll (dazu Rz. 42).14 Das Fehlen objektiven Untreueunrechts mangels funktionalen Zusammenhangs der Pflichtverletzung zur Vermögensbetreuungspflicht und/oder Unmittelbarkeit des Nachteils lässt sich nicht durch Subjektivierung ersetzen, zumal der Untreueversuch straflos ist.15 Nach dem Unmittelbarkeitsprinzip ist zu differenzieren:16 Sanktionen, die sich materiell gleichsam selbst vollstrecken – materiell selfexecuting sind –, begründen eine schadensgleiche Vermögensgefahr.17 Beispiele sind § 23a Abs. 1 S. 1 PartG 1994, § 31c Abs. 1 S. 1 PartG18 oder das Risiko einer materiell zwingenden (Ermessensreduzierung auf Null) behördlichen Untersagung. Dagegen genügen Sanktionen, bezüglich derer die Sanktionsinstanz ein Entschließungs- und/oder Auswahlermessen hat (z.B. § 19 Abs. 4 S. 3

1 Erwogen von LG Bonn v. 28.2.2001 – 27 AR 2/01, NJW 2001, 1736, 1739. 2 BGH v. 18.10.2006, BGHSt 51, 100, 117. 3 LG Darmstadt v. 14.5.2007 – 712 Js 5213/04, UA, S. 54 f. m. Anm. Knierim, CCZ 2008, 37; krit. Saliger/Gaede, HRRS 2008, 73 ff. 4 BGH v. 29.8.2008 – 2 StR 587/07, NJW 2009, 89, 91 f. 5 BGH v. 17.7.2009 – 5 StR 394/08, NJW 2009, 3173, 3175, wobei der Senat überflüssigerweise noch dem Tatplan des Täters zusätzliche Relevanz zuerkennt – nicht abgedruckt in BGHSt 54, 44, m. zust. Bspr. Mosiek, HRRS 2009, 565; Saliger, FS Samson (2010), S. 482; i.E. ebenso OLG Celle v. 23.8.2012 – 1 Ws 248/12, ZWH 2013, 21, 23. 6 OLG Celle v. 23.8.2012 – 1 Ws 248/12, ZWH 2013, 21, 23 m. Anm. Kudlich. 7 Seier in A/R/R, Rz. 212 ff. und 220 ff. 8 Saliger, Parteiengesetz, S. 127 ff., 130 ff., 392 ff. und NStZ 2007, 549 sowie Solka/Altenburg, NZWiSt 2016, 216 ff.: Unmittelbarkeitsprinzip; Jäger, FS Otto (2007), S. 601 ff.: mittelbare Rechtsgutsverletzung als Anwendungsfall der neutralen Handlung; Schünemann in LK-StGB, § 266 Rz. 184. 9 Perron in S/S-StGB, § 266 Rz. 37, 45; Perron NStZ 2008, 517, 518. 10 Burger Untreue, S. 286 ff.; Schramm in M/G, § 266 StGB Rz. 140. 11 Zum Folgenden schon Saliger in S/S/W-StGB, § 266 Rz. 94. 12 Vgl. nunmehr auch BGH v. 11.12.2014 – 3 StR 265/14, NJW 2015, 1618, 1623 – Konzept „Wahlsieg 2006“. 13 A.A. Jäger, FS Otto (2007), S. 603 ff., 606. 14 So Jäger, FS Otto (2007), S. 607 f. für den Fall vorsätzlicher Unfallverursachung. 15 Gegen die Subjektivierung objektiver Tatbestandsmerkmale bei der Untreue Matt/Saliger, Irrwege, S. 237 f. 16 Saliger in S/S/W-StGB, § 266 Rz. 94; zust. Matt in M/R-StGB, § 266 Rz. 134. 17 Zust., wenngleich mit Bezug auf die Tatentdeckung, der 1. Strafsenat in BGH v. 13.4.2011 – 1 StR 94/10, BGHSt 56, 203, 220; Kriterium ebenfalls aufgegriffen vom 4. Strafsenat in BGH v. 28.7.2011 – 4 StR 156/11, wistra 2011, 424, 425 Rz. 19 und 3. Strafsenat in BGH v. 11.12.2014 – 3 StR 265/14, NJW 2015, 1618, 1623 – Konzept „Wahlsieg 2006“, wo wegen der vom Bundestagspräsidenten festgesetzten und akzeptierten „Strafzahlung“ auch ein endgültiger Schaden des Landesverbandes bejaht wird; zust. Solka/Altenburg, NZWiSt 2016, 617. 18 BGH v. 11.12.2014 – 3 StR 265/14, NJW 2015, 1618, 1623 unter Bezug auf Saliger, Parteiengesetz, S. 671 ff.

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Rz. 98 § 266 StGB

PartG 1994; Schadensersatzansprüche), grundsätzlich nicht dem Unmittelbarkeitsgrundsatz (vgl. Rz. 89).1 Das gilt auch für die bloße Möglichkeit der Aberkennung der Gemeinnützigkeit infolge pflichtwidriger Vertragsschlüsse, ohne dass das Finanzamt entsprechende Steuerbescheide erlassen hat.2 Dagegen lässt sich nicht einwenden, dass beim Prozessbetrug die Autonomie des Richters nicht zu einem Zurechnungsausschluss führt.3 Denn der Vermögensnachteil ist bei der Untreue eigenständig und prinzipiell restriktiver zu bestimmen (vgl. oben Rz. 69, 83). I.Ü. gilt bei der Saldierung unter Beteiligung einer schadensgleichen Vermögensgefahr auf der Nachteilsseite Folgendes: Treffen Vermögensgefahr und Vermögenschance aufeinander, so greift die Standardsaldierungsregel (Rz. 71). Treffen Vermögensgefahr und effektiver Güterzuwachs aufeinander, so liegt ein Vermögensnachteil nur vor, wenn die Vermögensgefahr als wertmindernder Faktor erheblich größer ist.4 (5) Schwarze Kassen Große Dynamik mit dem Potential, die Konturen des Untreuestrafrechts insgesamt zu verändern, kennzeichnet 97 die neuere Rspr. des BGH zu den schwarzen Kassen.5 Als schwarze Kasse (bzw. Konto) im öffentlichen Bereich, der Privatwirtschaft oder im gesellschaftlichen Sektor6 kann begrifflich ein Bestand von Geldern verstanden werden, der unter Verletzung von Pflichten (u.a. aus Buchführungs- oder Haushaltsvorschriften) gebildet,7 vor dem Geschäftsherrn bzw. der zuständigen Stelle zwecks Erlangung alleiniger Verfügungsmacht verheimlicht und primär von dem Motiv getragen wird, die Gelder zu Zwecken des Geschäftsherrn zu verwenden.8 Keine schwarze Kasse liegt vor, wenn die Zahlungsvorgänge transparent und als solche verfolgbar vonstatten gehen9 oder wenn verschleierte Zahlungen jeweils nur im Einzelfall erfolgen.10 Eine Schattenkasse als Unterfall der schwarzen Kasse kommt in Betracht, wenn das Geheimkonto gesetzwidrig, aber mit Kenntnis (Geheiß, Billigung, Duldung) des Geschäftsherrn bzw. der zuständigen Stelle gebildet wird.11 Von einer Organkasse kann gesprochen werden, wenn die „schwarze Kasse“ auf Veranlassung des vertretungsberechtigten Organs des Treugebers eingerichtet wird (zum Einverständnis Rz. 57 ff., 108, 110 f.).12 „Schwarze Kassen“, die mit wirksamen Einverständnis des Treugebers gebildet werden, sind untreuestrafrechtlich unbeachtlich.13 Nach der neueren Rspr. des 2. Strafsenats des BGH in den Fällen Kanther und Siemens soll auf Basis einer ver- 98 wendungszweckunabhängigen Lesart14 bereits die Bildung (und Unterhaltung) einer schwarzen Kasse als Unterlassen der gebotenen Offenlegung15 regelmäßig zu einem Vermögensnachteil führen.16 Ein Vermögensnachteil scheidet nur noch ausnahmsweise aus, etwa wenn der Mitteleinsatz zur Befreiung von einer Verbindlichkeit des Geschäftsherrn als Gegenleistung führt,17 wenn die Mittel zur Erfüllung von Aufgaben verwendet werden, die der Vermögensträger gleichfalls wahrnehmen muss, so dass die unumgängliche Inanspruchnahme anderweitiger Mittel erspart wird,18 oder die Verwendung des Schwarzgeldes dringend erforderlich gewesen ist, nur aus einem dafür nicht vorgesehenen Titel bezahlt werden konnte und eine nachträgliche Mittelbewilligung durch die zu-

1 In der Sache zust. BGH v. 11.12.2014 – 3 StR 265/14, NJW 2015, 1618, 1623; OLG Celle v. 23.8.2012 – 1 Ws 248/12, ZWH 2013, 21, 24; Solka/Altenburg, NZWiSt 2016, 217; Schwerdtfeger, Strafrechtliche Pflicht, S. 152; ferner Saliger, NStZ 2007, 549; auch Matt, NJW 2005, 391; a.A. Munoz/Vila, GA 2015, 298. 2 Zutr. OLG Celle v. 23.8.2012 – 1 Ws 248/12, ZWH 2013, 21, 23 f.; ferner Dierlamm in MüKo-StGB, § 266 Rz. 227; Lassmann, Stiftungsuntreue, S. 206 ff., 219. 3 So Perron, NStZ 2008, 518. 4 Näher Saliger, Parteiengesetz, S. 151 ff.; zust. Solka/Altenburg, NZWiSt 2016, 219. 5 Vgl. Saliger in Hoven/Kubiciel, Verbot (2016), S. 123 ff. 6 Zur facettenreichen Phänomenologie Strelczyk, Strafbarkeit, S. 2 ff. 7 Zur Pflichtwidrigkeit näher Rönnau, FS Tiedemann (2008), S. 716 ff.; Saliger/Gaede, HRRS 2008, 67 ff.; Strelczyk, Strafbarkeit, S. 16 ff.; Saliger, Parteiengesetz, S. 398 ff. im Kontext der Parteienuntreue. 8 Saliger in S/S/W-StGB, § 266 Rz. 95 und Saliger, NStZ 2007, 547; Weimann, Strafbarkeit, S. 10 ff., 12 f.; Rönnau, FS Tiedemann, S. 713; auch Hefendehl, Vermögensgefährdung, S. 287. Teilweise abw. Begriffsverständnis bei Strelczyk, Strafbarkeit, S. 14 f. und Fischer, StGB, § 266 Rz. 131, 132. 9 Vgl. BGH v. 21.10.1994 – 2 StR 328/94, BGHSt 40, 287, 293. 10 Vgl. OLG Frankfurt v. 25.2.2004 – 2 Ws 73/03, NStZ-RR 2004, 244, 245: projektbezogen. 11 Saliger, NStZ 2007, 547 Fn. 29; Saliger/Gaede, HRRS 2008, 67; aufgegriffen in BGH v. 29.8.2008 – 2 StR 587/07, NJW 2009, 89, 91 – Fall Siemens; ferner Rönnau, FS Tiedemann, S. 717 ff. 12 Vgl. für den alleinvertretungsberechtigten Geschäftsführer BGH v. 27.8.2010 – 2 StR 111/09, BGHSt 55, 266, 269 ff.: „Kriegskasse“ im Ausland – Fall Trienekens; zum Begriff bereits Saliger, FS C. Roxin (2011), S. 1053 Fn. 3. 13 BGH v. 27.8.2010 – 2 StR 111/09, BGHSt 55, 266, 278 Rz. 33; Schramm in M/G, § 266 StGB Rz. 142; Fischer, NStZ 2009, Sonderheft für Miebach, 20. 14 Zum Begriff: Saliger, Parteiengesetz, S. 422 ff. 15 Krit. Saliger, NStZ 2007, 546 f.: Tun. 16 BGH v. 18.10.2006 – 2 StR 499/05, BGHSt 51, 100, 112 – Kanther – m. Bespr. Bernsmann, GA 2007, 229 ff.; Ransiek, NJW 2007, 1727; Saliger, NStZ 2007, 545; Perron, NStZ 2008, 517; Selle/Wietz, ZIS 2008, 471; BGH v. 29.8.2008 – 2 StR 587/07, NJW 2009, 89, 91 f. = BGHSt 52, 323 – Siemens – m. zust. Anm. Ransiek, NJW 2009, 95; Beukelmann, NJW-Spezial 2008, 600; abl. Jahn, JuS 2009, 173; Knauer, NStZ 2009, 151; Maxen/Tascher, EWiR § 266 StGB 1/09; Rönnan, StV 2009, 246; Satzger, NStZ 2009, 297; Schlösser, HRRS 2009, 19. 17 Vgl. RGSt 75, 227, 229. 18 Vgl. BGH v. 21.10.1994 – 2 StR 328/94, BGHSt 40, 287, 294 f.; Fischer, StGB, § 266 Rz. 134.

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Untreue

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§ 266 StGB Rz. 99

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ständige Stelle mit Sicherheit zu erwarten war.1 Im Fall Kanther stützte der Senat den Vermögensnachteil in Gestalt noch einer schadensgleichen Vermögensgefahr darauf, dass die Täter das Sondervermögen als „geheimen, keiner tatsächlich wirksamen Zweckbindung unterliegenden und jeder Kontrolle durch den Berechtigten entzogenen Dispositionsfonds“ genutzt hätten. In dieser Möglichkeit der Mittelverwendung nach eigenem Gutdünken liege nicht nur eine Beeinträchtigung der Dispositionsbefugnis des Geschäftsherrn, die für § 266 nicht genüge, sondern bereits eine konkrete, unkontrollierbare Gefahr des engültigen Vermögensverlustes als Vermögensnachteil.2 Diese Rspr. hat der 2. Strafsenat im Fall Siemens auf schwarze Kassen in der Privatwirtschaft übertragen und in zweifacher Hinsicht verschärft. Zum einen hat er die schadensbegründenden Momente der „Wegnahme, Entziehung, Vorenthaltung oder Verheimlichung von Vermögensteilen“3 insofern radikalisiert, als er den Mittelbestand der schwarzen Kasse nicht nur von der Restriktion der ständigen Ausgleichsbereitschaft- und fähigkeit des Täters (dazu Rz. 102) abgegrenzt hat, sondern vor allem die Absicht des Täters, die Mittel zu Zwecken des Geschäftsherrn einzusetzen, sowie die vage Chance auf vorteilhafte Vertragsabschlüsse durch den Mitteleinsatz dezidiert für unerheblich erklärt hat. Denn anders als bei der Haushaltsuntreue und den schwarzen Kassen in der öffentlichen Verwaltung spielten hier Fragen der Zweckerreichung keine Rolle, zumal die Mittel zu strafbaren (Bestechungs-)Zwecken eingesetzt worden seien.4 Zum anderen wertet der 2. Strafsenat den Vermögensnachteil nicht mehr nur als schadensgleiche Vermögensgefahr, sondern als endgültigen Vermögensverlust. Bei Vermögenswerten, die sich Kenntnis und Zugriff des Geschäftsherrn entzögen, sei mit der Dispositionsmöglichkeit ein Vermögenswert verletzt, der „zum Kern der von § 266 geschützten Rechtsposition“ gehöre (Rz. 1).5 In dieser normativen Neubewertung des Vermögensnachteils durch schwarze Kassen liegt insofern eine Verschärfung, als die subjektive Restriktion der Vorsatzverengung, die der 2. Strafsenat im Fall Kanther gerade für die schadensgleiche Vermögensgefahr entwickelt hat (dazu Rz. 84 und 119), auf schwarze Kassen nun keine Anwendung mehr findet. Das BVerfG hat die Siemens-Entscheidung des 2. Strafsenats – in nicht spannungsfreier Weise – verfassungsrechtlich bestätigt. Das Verschleifungsverbot (Rz. 4, 8) werde nicht verletzt, weil die Endgültigkeit des Mittelentzugs entweder eine konkrete vermögenswerte Exspektanz von Siemens aktiv vereitelt oder – konstruktiv in gleicher Weise möglich – eine nachteilige Differenz zwischen Ist- und Sollzustand bei Siemens infolge der unterlassenen Offenlegung bzw. Rückführung bewirkt habe.6 Insoweit sei nicht zu beanstanden, dass der 2. Strafsenat aufgrund der wirtschaftlichen Wertlosigkeit der Schwarzkassengelder für Siemens einen Endschaden angenommen und die Parallele zur jederzeitigen Ausgleichsbereitschaft und -fähigkeit zurückgewiesen hat.7 In Kenntnis der Entscheidung des BVerfG ist der 2. Strafsenat im Fall Trienekens noch einen Schritt weiter gegangen. Obgleich der Senat bezüglich der Schadensbegründung auf sein Siemens-Urteil rekurriert, könne diese Würdigung auf die Einrichtung und Führung einer „verdeckten Kasse“ durch den alleinvertretungsberechtigten GmbH-Geschäftsführer, der zugleich Repräsentant der Gesellschaftermehrheit war, nicht ohne Weiteres übertragen werden. Insoweit genüge nicht die Irrelevanz der Absicht, die Mittel zugunsten des Treugebers zu verwenden. Vielmehr komme es auf die konkrete Ausgestaltung der verdeckten Kasse an, wonach die verschobenen Vermögenswerte im Ergebnis ebenfalls dem Zugriff der Treugeberin endgültig entzogen waren, so dass ein Endschaden in Höhe der gesamten „Schwarzkassenmittel“ anzunehmen sei.8 Im Gleisbau-Fall hat sich der 5. Strafsenat der Rspr. des 2. Strafsenats angeschlossen.9 In dem Fall hatte der Täter einen „Geldspeicher“ bei Dritten als schwarze Kasse gebildet.10 Der 5. Strafsenat stellt klar, dass es für die Untreuestrafbarkeit nicht auf die Mittelabrufe aus der schwarzen Kasse zur Tilgung privater Verbindlichkeiten ankomme. Vielmehr sei bereits durch die auf Zuruf bewirkten Rechnungsstellungen, die wegen tatsächlich nicht erbrachter Leistungen überschießende Geldabflüsse zu Folge hatten, in strafbarer Weise eine schwarze Kasse beim Kunden gespeist worden, die zu einem Endschaden beim Geschäftsherrn und Rechnungsadressaten geführt hat.11 99

Dieser Rspr. kann nicht gefolgt werden.12 Die verwendungszweckunabhängige Lesart der schwarzen Kasse als endgültigem Vermögensverlust verformt die Untreue zu einem Bilanz- und Korruptionsvorfelddelikt mit un1 Vgl. BGH v. 1.8.1984 – 2 StR 341/84, wistra 1985, 69, 71 i.V.m. 70. 2 BGH v. 18.10.2006 – 2 StR 499/05, BGHSt 51, 100, 113 unter Bezugnahme auf BGH v. 21.10.1994 – 2 StR 328/94, BGHSt 40, 287, 296 – BND-Fall. 3 BGH v. 29.8.2008 – 2 StR 587/07, NJW 2009, 89, 92. 4 BGH v. 29.8.2008 – 2 StR 587/07, NJW 2009, 89, 92. 5 BGH v. 29.8.2008 – 2 StR 587/07, NJW 2009, 89, 92. 6 BVerfG v. 23.6.2010 – 2 BvR 2559/08, 2 BvR 105/09, 2 BvR 491/09, NJW 2010, 3209, 3216 f. Rz. 117 ff. m. abl. Anm. bzw. Bspr. Becker, HRRS 2010, 388 f.; Saliger, NJW 2010, 3197; zust. dagegen Radtke, GmbHR 2010, 1127; Kuhlen, JR 2011, 252. 7 BVerfG v. 23.6.2010 – 2 BvR 2559/08, 2 BvR 105/09, 2 BvR 491/09, NJW 2010, 3209, 3217 Rz. 126. 8 BGH v. 27.8.2010 – 2 StR 111/09, BGHSt 55, 266, 282 ff. m. insoweit zust. Anm. Hoffmann, GmbHR 2010, 1152; Vath, GWR 2010, 472 und letztlich wohl auch Brand, NJW 2010, 3464; ferner Perron in S/S-StGB, § 266 Rz. 45c; Fischer, StGB, § 266 Rz. 134. Abl. Schünemann, StraFo 2010, 482 und Schünemann in LK-StGB, § 266 Rz. 180. 9 BGH v. 27.8.2014 – 5 StR 181/14, NStZ 2014, 646 m. Anm. Hoven und Becker, NZWiSt 2015, 38. 10 Zu dieser nicht untypischen Konstellation RGSt 71, 155 f.; BGH v. 1.8.1984 – 2 StR 341/84, wistra 1985, 69 f.; Weimann, Strafbarkeit, S. 11 f., 15 ff. 11 BGH v. 27.8.2014 – 5 StR 181/14, NStZ 2014, 646. 12 Abl. Bernsmann, GA 2007, 229 ff.; Saliger in S/S/W-StGB, § 266 Rz. 97; Saliger, Parteiengesetz, S. 418 ff.; Saliger, NStZ 2007, 547 f.; Saliger/Gaede, HRRS 2008, 69 ff.; Saliger in Hoven/Kubiciel (Hrsg.), Verbot, S. 143 ff.; Kempf, FS Hamm, S. 265 f.; Rönnau, FS Tiedemann, S. 736 und StV 2009, 251; Satzger, NStZ 2009, 306; Bernsmann, GA 2009, 303 ff.;

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absehbaren Folgen für die anderen Fallgruppen der schadensgleichen Vermögensgefahr und das Rechtsgut der Untreue allgemein (Rz. 1).1 Mit dem Abstellen auf den Entzug von Kontroll-, Prüfungs- und Verwendungsmöglichkeiten erschöpft sich die Bestimmung des Vermögensnachteils in dem reinen Handlungsunwert der schwarzen Kasse, so dass eine bloß abstrakte Vermögensgefahr kriminalisiert wird.2 Die Rspr. lässt sich friktionsfrei weder auf eine Parallele zum Diebstahl3 noch den sozialen Sinn der Tathandlung stützen.4 Sowohl Diebstahl als auch Unterschlagung kommen ohne „Verwendungsabsichten“ nicht aus. Beim Diebstahl bleibt der schiere Gewahrsamsverlust an den Dieb ohne Zueignungsabsicht straflos.5 Die Unterschlagung ist nach h.M. erst vollendet, wenn der Täter seinen Zueignungswillen nach außen erkennbar betätigt hat.6 Die Entbehrlichkeit einer Verwendungsabsicht folgt auch nicht aus dem sozialen Sinn der Tathandlung. Sofern letzterer in der Machtanmaßung gesehen wird, „nach eigenem, vom Vermögensinhaber unkontrollierbaren Gutdünken zu verfügen“, weil schwarze Kassen regelmäßig nicht gebildet würden, „um unerkannt seine Pflicht zu tun und heimlich Aufwendungen zu tätigen“,7 so verkürzt diese objektiv-normativierende Sinnbestimmung die Realität schwarzer Kassen. Der soziale Sinn einer Handlung lässt sich ohne Rücksicht auf den auch subjektiv gemeinten Sinn (Motiv) des Handelnden nicht angemessen erfassen.8 Für die Bestimmung des sozialen Sinns einer schwarzen Kasse ist es deshalb erheblich, ob der Täter die Kasse unterhält, um Etatprobleme einer von ihm verwalteten Halle zu beheben,9 um das Geld für den Geschäftherrn zu erhalten (Kanther), oder um (vermeintlich) vorteilhafte Geschäftsabschlüsse zu erreichen (Siemens). Das gilt umso mehr, als nicht zu sehen ist, wie ohne Rückgriff auf die Verwendungsabsicht die erstmalige Bildung von Schwarzgeld, bevor es zu Mittelverwendungen kommt, strafrechtlich beurteilt werden soll.10 Die Rspr. und das ihr folgende Schrifttum schließen in der Sache unzulässigerweise Strafbarkeitslücken bei den Eigentumsdelikten mit dem Vermögensdelikt der Untreue und tendieren insoweit zu einer verfassungswidrigen juristischen Schadenslehre.11 Vorzugswürdig ist daher eine verwendungszweckabhängige Lesart,12 die jenseits von realer Mittelverwendung (Rz. 112 f.) und unordentlicher Buchführung (Rz. 91) die Konkretheit der Vermögensgefahr bei der schwarzen Kasse zumindest in entkriminalisierender Hinsicht13 an der materiellen Zweckkonformität der Mittelverwendungsabsicht des Schwarzkassenverwalters ausrichtet. Danach macht sich der Treunehmer bei der Bildung der schwarzen Kasse grundsätzlich nicht wegen Untreue strafbar, wenn er die Schwarzgelder allein für Zwecke des Geschäftsherrn einsetzen will.14 Dabei sind die unterschiedlichen Erscheinungsformen schwarzer Kassen in den einzelnen Lebensbereichen zu beachten.15 Eine schadensgleiche Vermögensgefahr begründet erst, wer die schwarze Kasse so einrichtet, dass er seinen Gläubigern den Zugriff auf das Geld ermöglicht, oder wer das Schwarzgeld bei unzuverlässigen Dritten parkt.16 Die schiere Zahlung von Bestechungsgeld (aus schwarzen Kassen) zur Erlangung vorteilhafter Aufträge begründet regelmäßig keine strafbare Untreue (Rz. 76 f.).17 Das hat das BVerfG in seinem Untreue-Beschluss selbst klargestellt, indem es unmißverständlich erklärte, dass die Verwendung anvertrauten Vermögens zu verbotenen Zwecken per se nicht nachteilsbegründend ist, sondern es zu ihrer zutreffenden Würdigung einer wirtschaftlichen Gesamtbetrachtung der Nachteilhaftigkeit des verbotenen Geschäfts bedarf (dazu auch Rz. 65, 77).18 Insoweit war die verfassungsgerichtliche Bestätigung

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Saam, HRRS 2015, 345 ff.; Seier in A/R/R, Rz. 204 f.; Schünemann in LK-StGB, § 266 Rz. 148; Kindhäuser in NK-StGB, § 266 Rz. 121b; auch Strelczyk, Strafbarkeit, S. 97 ff., 108, 140 ff., 149; Matt, NJW 2005, 391; Weimann, Strafbarkeit, S. 130 ff.; Riemann, Vermögensgefährdung, S. 158 f.; Dierlamm in MüKo-StGB, § 266 Rz. 248 f.; Esser in AnwK-StGB, § 266 Rz. 202. Zust. Fischer, StGB, § 266 Rz. 74 ff., 130 ff. und NStZ 2009, Sonderheft für Miebach, Fazit; Ransiek, NJW 2007, 1727 ff. und NJW 2009, 95 f.; Perron NStZ 2008, 517 und zwischen drei Konstellationen diff. Perron in S/SStGB, § 266 Rz. 45 c und in Fischer u.a. (Hrsg.), Dogmatik, 189 ff.; Schramm in M/G, § 266 StGB Rz. 143 ff.; Selle/ Wietz, ZIS 2008, 472 f.; Hoven in Fischer u.a. (Hrsg.), Dogmatik, 210, 215 f. Saliger in Hoven/Kubiciel (Hrsg.), Verbot (2016), S. 133 f. Saliger, NStZ 2007, 547; Saliger/Gaede, HRRS 2008, 69 ff. Ransiek, NJW 2007, 1728. Fischer, StGB, § 266 Rz. 140. Konzedierend Perron, NStZ 2008, 517. Statt aller Fischer, StGB, § 246 Rz. 6 ff. m.w.N. Fischer, StGB, § 266 Rz. 140. Vgl. Weber, Wirtschaft und Gesellschaft, 1. Kap. § 1, insbesondere Nr. 7. Vgl. BGH v. 1.8.1984 – 2 StR 341/84, wistra 1985, 69. Vgl. Kempf, FS Hamm, S. 265 f.; Saliger/Gaede, HRRS 2008, 70. Schünemann in LK-StGB, § 266 Rz. 180; zum Problem Saliger, HRRS 2012, 363; vgl. auch Kindhäuser in NK-StGB, § 266 Rz. 121b. Saliger in S/S/W-StGB, § 266 Rz. 97; Saliger, Parteiengesetz S. 418 ff., 422 ff.; zust. Schünemann in LK-StGB, Rz. 180; Saam, HRRS 2015, 349. Weitergehend Hefendehl, Vermögensgefährdung, S. 292. Schünemann in LK-StGB, § 266 Rz. 148; Dierlamm in MüKo-StGB, § 266 Rz. 248 f.; Weimann, Strafbarkeit, S. 123 ff.; Saliger, Parteiengesetz, S. 422 ff.; Matt, NJW 2005, 391; Rönnau, FS Tiedemann, S. 729 ff. und JZ 2009, 249 ff.; Satzger, NStZ 2009, 303 f. Für eine Rücktrittslösung: Strelczyk, Strafbarkeit, S. 142 ff. Vgl. Saliger/Gaede, HRRS 2008, 70 f. Weimann, Strafbarkeit, S. 134 ff.; Saliger, Parteiengesetz, S. 418 ff., 420 ff.; Rönnau, FS Tiedemann, S. 728 f. A.A. LG Darmstadt v. 14.5.2007 – 712 Js 5213/04, UA S. 54 f.; nicht aufgegriffen in BGH v. 29.8.2008 – 2 StR 587/07, NJW 2009, 89, 91 f.; wie hier Seier in A/R/R, Rz. 414; Saliger/Gaede, HRRS 2008, 72 ff.; Kempf, FS Tiedemann, S. 259, 261, 267; Saliger in Hoven/Kubiciel (Hrsg.), Verbot (2016), S. 123 ff.; vgl. auch Rönnau, ZStW 2007, 921 f. BVerfG v. 23.6.2010 – 2 BvR 2559/08, 2 BvR 105/09, 2 BvR 491/09, NJW 2010, 3209, 3215 Rz. 115.

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Untreue

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des Siemens-Urteils des 2. Strafsenats widersprüchlich,1 zumal nicht erfindlich ist, wie ein wirtschaftlich noch dem Treugeber zuzuordnendes und jahrelang in seinem Interesse verwendetes Vermögen sich in einer „schwarzen Kasse“ zu einer bloßen vermögenswerten Exspektanz verwandelt.2 Derartige Übernormativierungen offenbart auch die Endschadenskonstruktion im Trienekens-Urteil, weil die schadensbegründende Annahme einer fehlenden Kontrolle der durch Getreue im Ausland geführten „Kriegskasse“ hinsichtlich des alleinvertretungsberechtigten Geschäftsführers und Repräsentanten der Gesellschaftermehrheit, der „sein“ Unternehmen beherrschte, kontrafaktisch ist.

IV. Kausalität und objektive Zurechnung 1. Kausalität 100

Der objektive Tatbestand der Untreue verlangt Kausalität („dadurch“) der Pflichtverletzung für den Vermögensnachteil des Geschäftsherrn.3 Das Erfordernis der Kausalität stellt sicher, dass Pflichtverletzung und Vermögensnachteil trotz ihrer Nähe selbständig zu prüfende Tatbestandsmerkmale der Untreue bleiben (vgl. Rz. 64). Für die Kausalität gelten die allgemeinen Regeln. Eine Pflichtverletzung ist danach kausal für den Vermögensnachteil, wenn sie nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Vermögensnachteil in seiner konkreten Gestalt entfiele.4 Der Vermögensnachteil muss auf die Pflichtverletzung zurückgeführt werden können.5 Mitursächlichkeit genügt. Die Kausalität fehlt, wenn der Vermögensnachteil ausschließlich auf anderen Ursachen beruht.6 2. Objektive Zurechnung

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So unstrittig das Erfordernis der Kausalität ist, so unklar ist demgegenüber die Frage der objektiven Zurechnung bei der Untreue, deren Klärung erst in den Anfängen steckt.7 Fraglich ist nicht nur, in welchem Umfang die objektive Zurechnung bei der Untreue eine Rolle spielen kann. Fraglich ist bereits, welche Elemente aus der allgemeinen Zurechnungslehre berücksichtigt werden sollen.8 Dass die objektive Zurechnung bei der Untreue erheblich ist, kann allerdings nicht in Abrede gestellt werden. Denn das Gesetz selbst fordert mit dem Wort „dadurch“ die Kausalität der Pflichtverletzung und also über die Äquivalenzkausalität hinaus (Rz. 81) einen Pflichtwidrigkeitszusammenhang, der heute überwiegend zur objektiven Zurechnung gerechnet wird (dazu unten Rz. 103). Zweckmäßig erscheint es, jenseits der Äquivalenzkausalität in Übereinstimmung mit der allgemeinen Lehre von der objektiven Zurechnung9 folgende zwei Elemente anzuerkennen und zwei weitere zurückzuweisen:10 a) Schaffung einer rechtlich relevanten Gefahr

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Nach der Grundformel der objektiven Zurechnung ist ein Erfolg dann objektiv zurechenbar, wenn der Täter eine rechtlich relevante Gefahr geschaffen hat, die sich im tatbestandsmäßigen Erfolg realisiert.11 Der Aspekt der Gefahrschaffung lässt sich für die Untreue insofern fruchtbar machen, als im Untreuestrafrecht eine Einschränkung des Vermögensnachteils bei fortwährender Ausgleichsbereitschaft und -fähigkeit des Täters angenommen wird. Danach ist ein untreuerelevanter Vermögensnachteil12 zu verneinen, wenn der Täter für die pflichtwidrig eingesetzten Gelder jederzeit eigene Mittel in gleicher Höhe bzw. adäquate Sicherheiten bereit hält und

1 Vgl. Becker, HRRS 2010, 389; Schünemann in LK-StGB, § 266 Rz. 180. 2 Saliger, NJW 2010, 3197. 3 Saliger in S/S/W-StGB, § 266 Rz. 98; ferner BGH v. 6.4.2000 – 1 StR 280/99, BGHSt 46, 30, 34; Seier in A/R/R, Rz. 208; Hadamitzky in M-G, § 32 Rz. 175. 4 Saliger in S/S/W-StGB, § 266 Rz. 98; vgl. auch Martin, Bankuntreue, S. 134; zur condicio-qua-non-Formel bzw. Äquivalenzkausalität statt aller BGH v. 13.11.2003 – 5 StR 327/03, BGHSt 49, 1, 3; Kühl in Lackner/Kühl, StGB, Vor § 13 Rz. 10. 5 BGH v. 6.4.2000 – 1 StR 280/99, BGHSt 46, 30, 34; Seier in A/R/R, Rz. 208; Wessels/Hillenkamp, Rz. 767, 775. 6 Seier in A/R/R, Rz. 208. 7 Vgl. Schünemann, NStZ 2005, 475 f.; allgemein zur objektiven Zurechnung im BT Rengier, FS Roxin (2001), S. 811. 8 Vgl. Seier in A/R/R, Rz. 207 ff.: Kausalität, Pflichtwidrigkeit, Schutzzweck, Unmittelbarkeit; ähnlich Volk/Thomas, Hb. § 17 Rz. 124 ff.; Esser in AnwK-StGB, § 266 Rz. 210 ff.: Gefahrschaffung, Pflichtwidrigkeit, atypischer Kausalverlauf, Unmittelbarkeit und eigenverantwortliche Selbstgefährdung; Matt in M/R-StGB, § 266 Rz. 147 f.: nur Pflichtwidrigkeitszusammenhang; Schramm in M/G, § 266 StGB Rz. 130: Pflichtwidrigkeit und Unmittelbarkeit; Martin, Bankuntreue, S. 134 ff.: Pflichtwidrigkeits- und Schutzzweckzusammenhang; Saliger, HRRS 2006, 21 ff.: Gefahrschaffung und Pflichtwidrigkeitszusammenhang; Burger, Untreue, S. 240 ff.: Gefahrschaffung, Pflichtwidrigkeits- und Schutzzweckzusammenhang; Strelczyk, Strafbarkeit, S. 181 ff.: Schutzzweckzusammenhang. 9 Stellvertretend Roxin, AT I § 11 Rz. 44 ff.; Kühl, AT § 4 Rz. 36 ff.; Wessels/Beulke/Satzger, Rz. 246 ff. 10 Zum Folgenden bereits Saliger in S/S/W-StGB, § 266 Rz. 99 ff. 11 Zu dieser Formel und ihren Varianten Kühl, AT § 4 Rz. 43 ff.; Roxin, AT I § 11 Rz. 42 ff. 12 Bzw. schon die Pflichtverletzung; s. BGH v. 30.10.2003 – 3 StR 276/03, NStZ-RR 2004, 54.

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Rz. 103 § 266 StGB

sein Augenmerk auf den Ausgleich richtet.1 Dieser Rechtssatz, den die h.M. nur bei der Untreue mit Blick auf die besondere Beziehung zwischen Treugeber und Treunehmer und dem Wert entsprechender Ersatzansprüche anerkennt, ist entgegen der überwiegenden Auffassung bei dem Merkmal „Vermögensnachteil“ systematisch nicht befriedigend verortet: Angesichts eingesetzter Gelder liegt einerseits ein effektiver Güterverlust vor, so dass Restriktionen zur konkreten Vermögensgefahr (Unmittelbarkeitsprinzip) nicht greifen können (vgl. Rz. 89); andererseits erfolgen Mittelbereithalten und Mittelausgleich durch selbständige Handlungen unabhängig von der Pflichtverletzung, so dass auch eine Kompensation im Saldierungswege nicht offensteht (vgl. Rz. 72). Der Rechtssatz findet daher seine Rechtfertigung im objektiven Moment des untauglichen Versuchs2 und damit im Aspekt der fehlenden Schaffung einer rechtlich relevanten Gefahr.3 Soweit der Täter ständig eigene Mittel als Ausgleich bereithält, begründet sein pflichtwidriger Mitteleinsatz lediglich eine „abgeschirmte Gefahrenlage“, die unter normalen Umständen nicht in einen endgültigen Vermögensnachteil umschlagen kann. Eine solche „Gefahrenlage“ ist bei der Untreue rechtlich irrelevant, weil sie dem untauglichen Versuch entspricht, der straflos ist. Nach der Rspr. soll die Ersatzbereitschaft Dritter, auch Angehöriger wie der Ehefrau, mangels sicherer Ersatzfähigkeit im Machtbereich des Täters allerdings grundsätzlich ebensowenig genügen wie die Möglichkeit des Täters, sich das Geld bei Bedarf von anderen, insbesondere durch Kreditaufnahme, zu beschaffen.4 Das überzeugt in dieser Allgemeinheit nicht. Aus Sicht des potentiell Geschädigten macht es keinen Unterschied, aus welcher konkreten Quelle der Verlust ausgeglichen wird, sofern die Quelle zuverlässig ist. Auch eine seriöse Verlustabsicherung über Kreditaufnahme im Tatzeitpunkt oder andere seriöse Sicherheiten wie eine Bürgschaftserklärung der Ehefrau können hier den Eintritt eines endgültigen Schadens ausschließen und damit Lagen mangelnder Gefahrschaffung bezeichnen.5 Nicht anwendbar ist die jederzeitige Ausgleichs- und Ersatzfähigkeit auf schwarze Kassen.6 b) Pflichtwidrigkeitszusammenhang Weitere Voraussetzung der objektiven Zurechnung bei der Untreue ist der Pflichtwidrigkeitszusammenhang zwi- 103 schen Pflichtverletzung und Vermögensnachteil.7 Die Relevanz dieser in der Fahrlässigkeitsdogmatik entwickelten Zurechnungsregel für die Untreue kann nicht geleugnet werden, weil die Untreue ein Pflichtdelikt ist und der Wortlaut selbst die Zufügung des Vermögensnachteils „durch“ die Pflichtverletzung („dadurch“) verlangt.8 Nach dem Pflichtwidrigkeitszusammenhang schlägt sich die durch die Pflichtverletzung geschaffene rechtliche Gefahr nicht im Erfolg nieder, wenn dieser auch bei pflichtgemäßem Verhalten eingetreten wäre oder wenn sich dies aufgrund erheblicher Tatsachen nach der Überzeugung des Tatrichters nicht ausschließen lässt (so die h.M.)9 bzw. – strenger – wenn der Taterfolg auch bei pflichtgemäßem Verhalten mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit eingetreten wäre.10 Der Pflichtwidrigkeitszusammenhang ist von vereinzelter Rspr. zur Untreue bereits der Sache nach erwähnt worden, so wenn der BGH erklärt, dass „die Stiftungen die Grundstücke ohne das pflichtwidrige Verhalten des Angekl. … günstiger (hätten) erwerben können“11 oder im Intendanten-Fall die Feststel1 BGH v. 16.12.1960 – 4 StR 401/60, BGHSt 15, 342, 344; BGH v. 8.12.1976 – 3 StR 363/76, NJW 1977, 443, 444; BGH v. 27.1.1988 – 3 StR 61/87, wistra 1988, 191, 192; BGH v. 13.12.1994 – 1 StR 622/94, NStZ 1995, 233, 234; BGH v. 2.4.2008 – 5 StR 354/07, NJW 2008, 1827, 1829; BGH v. 29.8.2008 – 2 StR 587/07, NJW 2009, 89, 92; BGH v. 29.1.2015 – 1 StR 587/14, NJW 2015, 1190, 1191; für den Fall einer Aufrechnung: KG v. 23.3.2007 – (4) 1 Ss 186/05 (94/05), NStZ 2008, 405, 406; Dierlamm in MüKo-StGB, Rz. 209; Saliger in S/S/W-StGB, § 266 Rz. 100; Heger in Lackner/Kühl, StGB, § 266 Rz. 17; Seier in A/R/R, Rz. 179 ff.; Wessels/Hillenkamp, Rz. 779; eingehend Dobers, Freifahrtschein für Vermögende? (2015); abl. Perron in S/S-StGB, § 266 Rz. 42; krit. Fischer, StGB, § 266 Rz. 169. 2 Vgl. Matt/Saliger, Irrwege, S. 238 ff. 3 Saliger in S/S/W-StGB, § 266 Rz. 100; Saliger, HRRS 2006, 21 f. Zust. Seier in A/R/R, Rz. 182; Esser in AnwK-StGB, § 266 Rz. 181; Kraatz, ZStW 2011, 478; Dobers, Freifahrtschein, S. 204 ff., 223 ff. Für eine fallgruppenabhängige Einordnung als pflichtwidrigkeits-, nachteils- oder zurechnungsausschließendes Element Wittig, FS I. Roxin (2012), S. 375, 389; für Einordnung als persönlicher Strafaufhebungs- bzw. Strafmilderungsgrund Schramm in M/G, § 266 StGB Rz. 128. 4 BGH v. 6.2.1961 – AnwSt (R) 3/60, BGHSt 15, 372, 376; BGH v. 6.4.1982 – 5 StR 8/82, NStZ 1982, 331; BGH v. 27.1.1988 – 3 StR 61/87, wistra 1988, 191, 192; Dierlamm in MüKo-StGB, § 266 Rz. 209. 5 Matt/Saliger, Irrwege, S. 239 f.; vgl. auch Rübenstahl, HRRS 2004, 61. 6 Str., wie hier: BVerfG v. 23.6.2010 – 2 BvR 2559/08, 2 BvR 105/09, 2 BvR 491/09, NJW 2010, 3209, 3217 Rz. 126; BGH v. 29.8.2008 – 2 StR 587/07, NJW 2009, 89, 92; Perron in S/S-StGB, § 266 Rz. 42; Saliger in S/S/W-StGB, § 266 Rz. 100 und Saliger, Parteiengesetz, S. 423 ff.; Wittig, FS I. Roxin (2012), S. 389 f. A.A. z.B. Hefendehl, Vermögensgefährdung, S. 291; Weimann, Strafbarkeit, S. 135: analog; Satzger, NStZ 2009, 302 f. 7 Kindhäuser in NK-StGB, § 266 Rz. 99; Kindhäuser, FS Lampe (2003), S. 724; Seier in A/R/R, Rz. 209 f.; Martin, Bankuntreue, S. 135 ff.; Saliger in S/S/W-StGB, § 266 Rz. 101 und Saliger, HRRS 2006, 22; Esser in AnwK-StGB, § 266 Rz. 213; Matt in M/R-StGB, § 266 Rz. 147; Schramm in M/G, § 266 StGB Rz. 130; Volk/Thomas, Hb. § 17 Rz. 124; Schlösser/ Dörfler, wistra 2007, 333; Doster, WM 2001, 337; auch Hillenkamp, NStZ 1981, 166 m. Fn. 56 a.E. 8 A.A. Bittmann, Insolvenzstrafrecht, § 16 Rz. 41. 9 BGH v. 25.9.1957 – 4 StR 354/57, BGHSt 11, 1, 7; BGH v. 26.11.1970 – 4 StR 26/70, BGHSt 24, 31, 34; BGH v. 6.11.1984 – 4 StR 72/84, BGHSt 33, 61, 63; BGH v. 13.11.2003 – 5 StR 327/03, BGHSt 49, 1, 4; Sternberg-Lieben/Schuster in S/S-StGB, § 15 Rz. 174; für die Untreue Seier in A/R/R, Rz. 209; Martin, Bankuntreue, S. 136 m. Fn. 533. 10 Fischer, StGB, Vor § 13 Rz. 35; Wessels/Beulke/Satzger, Rz. 294; für die Untreue mit Blick auf das Vorsatzunrecht Saliger, HRRS 2006, 22; auch Kindhäuser in NK-StGB, § 266 Rz. 99; grundsätzlich a.A. die Risikoerhöhungslehre, dazu statt aller Roxin, AT I § 11 Rz. 88 ff. 11 BGH v. 28.1.1983 – 1 StR 820/81, NJW 1983, 1808 ff.; dazu Saliger, Yearbook 2005, S. 226.

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Untreue

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§ 266 StGB Rz. 104

Strafgesetzbuch

lung fordert, „welche Steuerungsmöglichkeiten die Angeklagten hatten, um sich haushaltsplangerecht zu verhalten“.1 Der Pflichtwidrigkeitszusammenhang fehlt etwa im Bereich der Kredituntreue, wenn der Kreditsachbearbeiter ohne hinreichende Bonitätsprüfung einen später notleidenden Kredit bewilligt, den er auch bei sorgfältiger Prüfung (mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit) bewilligt hätte, weil die eingereichten Kreditunterlagen perfekt gefälscht waren, oder wenn ein Bankmitarbeiter unter Missachtung des Vier-Augen-Prinzips einen später ausfallenden Kredit bewilligt und festgestellt werden kann, dass der übergangene Entscheidungsträger (mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit) zugestimmt hätte.2 Der Pflichtwidrigkeitszusammenhang liegt auch dann nicht vor, wenn etwa der Geschäftsführer G einer Stiftung S entgegen dem Auftrag des Stiftungsvorstands ein Grundstück der Stiftung nicht an X verkauft, der ein sehr gutes Angebot deutlich über dem Verkehrswert abgegeben hat. Wenig später kommt es nach Entdeckung eines Ölvorkommens auf dem Grundstück zu einem rasanten und dauerhaften Wertanstieg. In diesem Fall fehlt der Pflichtwidrigkeitszusammenhang, weil die Kompensation bei pflichtgemäßem Verhalten (Verkauf des Grundstücks) jedenfalls nicht besser ausgefallen wäre, sondern durch den rasanten Wertanstieg noch schlechter, als sie aufgrund der Untreuehandlung (Nichtverkauf des Grundstücks) tatsächlich ausgefallen ist.3 c) Schutzzweckzusammenhang? 104

Zweifelhaft ist, ob und inwieweit der Schutzzweckzusammenhang ein relevantes Prinzip bei der objektiven Zurechnung der Untreue markiert. Nach diesem Prinzip werden dem Täter nur solche Erfolge objektiv zugerechnet, deren Abwendung innerhalb des Schutzzwecks der übertretenen Sorgfaltsnorm liegt. Liegt der verwirklichte Erfolg außerhalb des Schutzzwecks der verletzten Sorgfaltsnorm, so hat sich im Erfolg nicht die vom Täter geschaffene Gefahr verwirklicht.4 Diese Zurechnungsregel wird von einer im Vordringen begriffenen Meinungsgruppe auf die Untreue übertragen. So wird teilweise die Vermögensbetreuungspflicht auf solche Pflichten begrenzt, die primär und unmittelbar dem Schutz des Vermögens des Treugebers dienen5 oder gerade auf den Schutz des Vermögens des Treugebers angelegt bzw. genuin zum Zwecke der Schadensverhinderung aufgestellt sind.6 Nach dieser Auffassung sollen z.B. Verstöße gegen das Parteiengesetz nicht unter den Untreuetatbestand fallen, weil das PartG primär bzw. allein die Transparenz der Parteifinanzen und die Demokratie schütze, während es Vermögensinteressen allenfalls mittelbar betreffe.7 Innerhalb der Meinungsgruppe wird auch anders differenziert, so dass geradezu entgegengesetzte Ergebnisse begründet werden. So wird für die Kredituntreue danach unterschieden, ob die verletzte Pflicht auf die einzelne Kreditvergabe Bezug nimmt (relative Vorschrift) oder auf die Kreditpolitik der Bank insgesamt (absolute Vorschrift) und nur im ersten Fall ein Schutzzweckzusammenhang bejaht.8 Darüber hinaus wird vereinzelt jedenfalls für ergebnisrelevante Verfahrens- und erst recht für Kompetenzmängel gerade bei unternehmerischen Entscheidungen mit weitem Ermessensspielraum ein ausreichender Schutzzweckzusammenhang bejaht.9 Schließlich wird nicht nur für die Parteienuntreue im Fall der Hessen-CDU ein Schutzzweckzusammenhang angenommen,10 sondern sogar für jedwedes Auslösen von Sanktionen zu Lasten von Unternehmen.11

105

Die Diskussion um die Erforderlichkeit eines Schutzzweckzusammenhangs bei der Untreue krankt daran, dass sie von dem Erfordernis eines mittelbaren Vermögensschutzes (bzw. hinreichenden Fremdvermögensbezuges) der untreuerelevanten Pflichten (Rz. 36 ff.) nicht unterschieden wird.12 Das führt teilweise dazu, dass zum Schutzzweckzusammenhang Schrifttum gerechnet wird, das in der Sache den mittelbaren Vermögensschutz behandelt,13 oder schon bei der Bestimmung der Pflichtwidrigkeit unter Berufung auf den Schutzzweckzusammenhang jene Pflichtenauswahl erfolgt, die zum mittelbaren Vermögensschutz gehört.14 Systematisch ist jedoch die Frage nach der Pflichtwidrigkeit bzw. die Auswahl untreuetauglicher Pflichten nach ihrem mittelbaren Vermögensschutz, die bereits zur Verneinung einer Untreuehandlung, ja der Täterstellung insgesamt führen kann, durch den Tatbestand der Untreue vorgegeben. Dagegen ist die weitergreifende Forderung nach einem Schutzzweckzusammenhang zwischen festgestellter Pflichtwidrigkeit und Vermögensnachteil weder im Wortlaut noch im Strafgrund der Untreue angelegt.15 Dem Wortlaut nach ist für § 266 unerheblich, ob der von ei1 BGH v. 4.11.1997 – 1 StR 273/97, BGHSt 43, 293, 297. 2 Vgl. Martin, Bankuntreue, S. 137 ff.; Seier in A/R/R, Rz. 209; im Kontext fehlgeschlagener Lockerungsentscheidungen Saliger, JZ 2004, 980. 3 Saliger, Yearbook 2005, S. 226 f.; zu einem anderen Beispiel Kindhäuser, FS Lampe, S. 724. 4 Exemplarisch Roxin, AT I § 11 Rz. 72 ff.; bereits die Gefahrschaffung verneint Wessels/Beulke/Satzger, Rz. 264 ff. 5 H.-L. Günther, FS Weber, S. 316; in diese Richtung auch Kubiciel, NStZ 2005, 360 und Schlösser/Dörfler, wistra 2007, 329 ff. 6 Seier in A/R/R, Rz. 212. 7 Günther, FS Weber, S. 316 f.; Seier in A/R/R, Rz. 214. 8 Martin, Bankuntreue, S. 140 ff. 9 Schünemann, Organuntreue, S. 63 ff. 10 So Strelczyk, Strafbarkeit, S. 192 ff., 201. 11 Burger, Untreue, S. 96 ff., 240 ff., 286 ff. 12 Vgl. auch Volk/Thomas, Hb. § 17 Rz. 125. 13 S. die von Schlösser/Dörfler, wistra 2007, 329 in Fn. 29 angegebene Literatur. 14 So Schlösser/Dörfler, wistra 2007, 328 ff. 15 Saliger in S/S/W-StGB, § 266 Rz. 103; Saliger, HRRS 2006, 22 f.; Saliger, JA 2007, 333 f.

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Rz. 106 § 266 StGB

nem Vermögensbetreuungspflichtigen durch funktionale Pflichtverletzungen ausgelöste Vermögensnachteil auf Normen zurückgeht, die primär und unmittelbar dem Vermögensschutz dienen. Für die Untreue genügt jede vermögensrelevante Handlung, die hinreichend fremdvermögensbezogene Weisungen, gesetzliche Bestimmungen oder Richtlinien missachtet (Rz. 36 ff.) und dadurch Vermögensnachteile verursacht.1 Auch sachlich besteht für die vorgeschlagene Restriktion kein Bedürfnis. Zum einen scheiden bereits die Kriterien des funktionalen und mittelbaren Vermögensschutzes rein private, moralische oder rein öffentlichen Interessen dienende Pflichten aus (Rz. 38, 45). Auch der Fall des Geschäftsführers eines Busunternehmens, der aufgrund der Duldung von Lenkzeitüberschreitungen der Fahrer außer einer gegen ihn verhängten Geldbuße auch gem. § 30 OWiG eine Geldbuße zu Lasten des Busunternehmens auslöst, verlangt zur Vermeidung einer Untreuestrafbarkeit keinen Schutzzweckzusammenhang;2 denn in diesem Fall fehlt es schon an einem saldierungsfähigen Vermögensnachteil, weil das Dulden der Lenkzeitüberschreitungen die Geldbuße zu Lasten des Unternehmens nur mittelbar auslöst (vgl. zum Unmittelbarkeitserfordernis bei der Vermögensgefahr Rz. 89, 95). Zum anderen entstehen durch die Forderung nach einem primären und unmittelbaren Schutzzweckzusammenhang missliche Strafbarkeitslücken. So würde die bislang anerkannte Fallgruppe der Untreue durch unordentliche Buchführung (Rz. 56 und 91) herausfallen, weil etwa die Bilanzvorschriften im HGB primär und unmittelbar den Zwecken der Dokumentation, Information und Kapitalerhaltung zum Schutz aktueller und potentieller Gläubiger dienen.3 Zudem ist nicht ersichtlich, warum der mit seiner Partei zerstrittene Vorsitzende, der vorsätzlich die vorrangig der Rechtssicherheit dienende Antragsfrist für die Parteienfinanzierung (§ 19 Abs. 1 S. 1 PartG) versäumt und dadurch den Verlust des ganzen Finanzierungsanspruchs seiner Partei herbeiführt (näher Rz. 117), nicht wegen Untreue strafbar sein soll.4 d) Unmittelbarkeitszusammenhang? Von Missverständnissen gekennzeichnet ist auch die Diskussion um den Unmittelbarkeitszusammenhang bei der 106 Untreue. So wird vereinzelt u.a. unter Berufung auf die systematische Nähe der Untreue zu § 263 als Element der objektiven Zurechnung gefordert, dass der Vermögensnachteil unmittelbar aus der Pflichtverletzung resultieren müsse,5 ganz überwiegend indes ein solcher Unmittelbarkeitszusammenhang abgelehnt.6 Die bis Juli 2009 einzige einschlägige Entscheidung verneinte ebenfalls kategorisch die Relevanz eines Unmittelbarkeitszusammenhangs für die Untreue, wobei die Entscheidung sich allerdings eher auf die vermögensmindernde Seite des Nachteils als die Frage der objektiven Zurechnung bezog (oben Rz. 78).7 Auch die Anerkennung des Unmittelbarkeitsprinzips durch den 5. Strafsenat in seiner Entscheidung im Berliner Straßenreinigungsfall vom Juli 20098 bezieht sich wie die nachfolgende Rspr. auf die Bestimmung der Nachteilsseite (dazu m.w.N. oben Rz. 78). Die Debatte um das Unmittelbarkeitsprinzip leidet daran, dass nicht hinreichend differenziert wird zwischen vier verschiedenen Bedeutungsebenen der Unmittelbarkeit bei der Untreue:9 der anerkannten Relevanz für die Vorteilsseite der Kompensation (Rz. 73), der strittigen (und zu bejahenden) Relevanz für die Nachteilsseite (Abflussseite) der Saldierung (Rz. 78), der ebenfalls strittigen (und zu bejahenden) Relevanz als Konkretisierungskriterium für die schadensgleiche konkrete Vermögensgefahr (vgl. Rz. 88 f. m.N.) und schließlich der strittigen Relevanz als Element der objektiven Zurechnung. Insbesondere werden teilweise auf Basis eines zwar möglichen, aber zu weiten Begriffs der objektiven Zurechnung die Bedeutungsebenen zwei bis vier vermengt.10 Tatsächlich ist der Forderung nach einem Unmittelbarkeitszusammenhang als Element der objektiven Zurechnung bei der Untreue eine Absage zu erteilen.11 Schon die allgemeine Lehre von der objektiven Zurechnung kennt keinen Unmittelbarkeitszusammenhang als selbständiges Element.12 Zudem beinhaltet die Untreue anders als der Betrug keine Vermögensverfügung als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal, ist deshalb ein reines Fremdschädigungsdelikt (Rz. 1) und gibt insoweit weder vom Wortlaut noch von der Deliktsstruktur her eine Handhabe für eine allgemeine Einschränkung des Zusammenhangs zwischen Pflichtverletzung und Vermögensnachteil nach Maßgabe einer 1 Vgl. noch weiter Fischer, StGB, § 266 Rz. 38, 50, 54; Perron in S/S-StGB, § 266 Rz. 35a. 2 So aber Seier in A/R/R, Rz. 213. 3 Vgl. dazu Heymann/Walz, HGB Einl. §§ 238 ff. Rz. 47 ff.; Leffson, Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung7 (1987), S. 38 ff., 41 ff.; a.A. Strelczyk, Strafbarkeit, S. 195 f., der eine Verletzung des Arbeitsvertrags annimmt. 4 Saliger in S/S/W-StGB, § 266 Rz. 103; zust. Kraatz, ZStW 2011, 481; vgl. auch Erb, FS Zoll 2012, 1083 f.; krit. zu diesem Argument dagegen unter Vermengung von Antragsfrist und Pflicht zur Vorlage eines Rechenschaftsberichts Strelczyk, Strafbarkeit, S. 200 f. 5 Seier in A/R/R, Rz. 220 ff.; Esser in AnwK-StGB, § 266 Rz. 215 ff. 6 Martin, Bankuntreue, S. 148 ff.; Strelczyk, Strafbarkeit, S. 182 ff., 187. 7 OLG Hamm v. 15.7.1981 – 5 Ws 29/81, NJW 1982, 190, 192; zust. Coenen, Strafbarkeit, S. 28 f.; vgl. auch Saliger, Parteiengesetz, S. 138 Fn. 323. 8 BGH v. 17.7.2009 – 5 StR 394/08, NJW 2009, 3173, 3175. 9 Saliger in S/S/W-StGB, § 266 Rz. 104. Diese Analyse greifen auf z.B. Mosiek, HRRS 2009, 566 Fn. 8 und Krell, NZWiSt 2013, 377 Fn. 80. 10 Vgl. mit unterschiedlicher Stoßrichtung einerseits affirmativ Seier in A/R/R, Rz. 220 ff. m. Fn. 383; Esser in AnwKStGB, § 266 Rz. 215 ff., 176 und auch noch Saliger, ZStW 2000, 578 m. Fn. 68; andererseits krit. Strelczyk, Strafbarkeit, S. 182 ff., auch Martin, Bankuntreue, S. 148 ff. und Fischer, StraFo 2008, 272. 11 Saliger in S/S/W-StGB, § 266 Rz. 104; zust. Matt in M/R-StGB, § 266 Rz. 132 m. Fn. 770 und Rz. 148. 12 Vgl. statt aller Roxin, AT I § 11 Rz. 44 ff.; Kühl, AT § 4 Rz. 36 ff.

Saliger

691

StGB

Untreue

StGB

§ 266 StGB Rz. 107

Strafgesetzbuch

Unmittelbarkeit (zu diesem Erfordernis für die Vermögensverfügung bei § 263 StGB Rz. 112 ff.). Auch praktisch ist ein allgemeiner Unmittelbarkeitszusammenhang nicht notwendig. Die hier diskutierten Fallgruppen der Submissionsuntreue1 und der Auslösung von Schadensersatzansprüchen bzw. Sanktionen, insbesondere der Parteienuntreue2 gehören zum Problemkreis „Schadensgleiche Vermögensgefahr“ und können dort sachgerechten Lösungen zugeführt werden (vgl Rz. 90 und 95).3 Die hiesige Ablehnung eines Unmittelbarkeitszusammenhangs als Element der objektiven Zurechnung besagt nichts für die (zu bejahende) Relevanz der Unmittelbarkeit sowohl für die Nachteilsseite der Saldierung als auch die Konkretisierung der schadensgleichen Vermögensgefahr. Beide Aspekte erfassen systematisch beschränktere Fragestellungen und speisen sich wertungsmäßig aus anderen Quellen (vgl. dazu Rz. 78 und 89).

V. Besondere Untreuefallgruppen 1. Gesellschaftsrechtliche Untreue a) GmbH-Untreue und AG-Untreue 107

Eine klassische und in hohem Maße praxisrelevante Fallgruppe des Untreuestrafrechts bildet die GmbH-Untreue als Teil der gesellschaftsrechtlichen Untreue.4 Die (eingetragene) GmbH ist nach h.M. selbständiger Träger von Fremdvermögen (§ 13 GmbHG) sowohl für den Geschäftsführer als auch für den (Allein-)Gesellschafter.5 Unstreitig begeht der vermögensbetreuungspflichtige (auch stellvertretende) Geschäftsführer (§§ 35, 43, 44 GmbHG) daher Untreue, wenn er hinter dem Rücken der Gesellschafter entweder sich persönlich oder Dritten willkürlich Gesellschaftsvermögen zuwendet.6 Das ist insbesondere der Fall, wenn er dem Gesellschaftsvermögen Gelder zu privaten Zwecken entnimmt und verbraucht, ohne dass die Privatentnahmen als angemessene Vergütung angesehen werden können.7 Das gilt auch für den faktischen Geschäftsführer, dessen Einbeziehung in die Treubruchsuntreue sich bereits aus der Zulassung faktischer Treueverhältnisse ergibt (vgl. bereits Rz. 27).8 Die Vermögensbetreuungspflicht des faktischen Geschäftsführers „mit Willen“9 beurteilt sich grundsätzlich nach den allgemeinen Regeln (Rz. 10 ff.), so dass dem Täter eine faktische Machtstellung in fremder Vermögenssphäre anvertraut worden sein muss (Rz. 27).10 Die insbesondere zu den §§ 64, 82, 84 GmbHG entwickelten Grundsätze faktischer Geschäftsführung (überragende Stellung in der Gesellschaft; bestimmender Einfluss auf Unternehmensleitung als „Seele des Geschäfts“; selbständige Leitung der Außengeschäfte usw.)11 können dabei eine eingrenzende Indizwirkung entfalten.12

108

Streitig ist, ob und inwieweit die Gesellschafter gesellschaftsrechtswidrigen Vermögensverfügungen des Geschäftsführers zustimmen können wie verdeckten13 oder vorweggenommenen Gewinnausschüttungen,14 gemeinsamer Zueignung von Vermögensobjekten,15 Rückzahlung eines eigenkapitalersetzenden Darlehens in der Situation des §§ 32a, b a.F. GmbHG16 oder Verstößen gegen das Verbot der Kreditgewährung aus dem Stammkapital.17 Mangels 1 2 3 4 5

6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17

Vgl. Seier in A/R/R, Rz. 223. Vgl. Strelczyk, Strafbarkeit, S. 182 ff. Für Lösung über den Schutzzweckzusammenhang Volk/Thomas, Hb. § 17 Rz. 126. Zu letzterem Begriff vgl. Tiedemann, Wirtschaftsstrafrecht BT Rz. 379 mit weiterem Verständnis; wie hier bereits Saliger in S/S/W-StGB, § 266 Rz. 105. BGH v. 24.6.1952 – 1 StR 153/52, BGHSt 3, 32, 39 f.; BGH v. 12.1.1956 – 3 StR 626/54, BGHSt 9, 203, 216; BGH v. 29.5.1987 – 3 StR 242/86, BGHSt 34, 379, 384 ff.; BGH v. 13.5.2004 – 5 StR 73/03, BGHSt 49, 147, 158; BGH v. 20.12.1994 – 1 StR 593/94, NStZ 1995, 185, 186; BGH v. 20.7.1999 – 1 StR 668/98, NJW 2000, 154, 155; Heger in Lackner/Kühl, StGB, § 266 Rz. 20a; Ransiek, wistra 2005, 122 und FS Kohlmann, S. 214 f.; Bittmann/Richter, wistra 2005, 51; Wodicka, Untreue, S. 364 f. Vgl. BGH v. 29.5.1987 – 3 StR 242/86, BGHSt 34, 379, 387; auch BGH v. 26.11.2015 – 3 StR 17/15, BeckRS 2016, 08605, Rz. 127 f. – in NZG 2016, 703 nicht abgedruckt; Seier in A/R/R, Rz. 323 f. BGH v. 20.12.1994 – 1 StR 593/94, NStZ 1995, 185 f.; vgl. ferner BGH v. 29.5.1987 – 3 StR 242/86, BGHSt 34, 379, 382 f., 387 f. Seier in A/R/R, Rz. 314; Lindemann, Jura 2005, 311; Soyka, Untreue, S. 217 ff. Auch im faktischen GmbH-Konzern, BGH v. 10.7.1996 – 3 StR 50/96, NJW 1997, 66, 67; zum faktischen Geschäftsführer „wider Willen“ Rz. 26. Vgl. BGH v. 10.7.1996 – 3 StR 50/96, NJW 1997, 66, 67. Vgl. BGH v. 19.10.1999 – 5 StR 336/99, NStZ 2000, 34 f.; BayObLG v. 20.2.1997 – 5St RR 159/96, NJW 1997, 1936; Lindemann, Jura 2005, 306 ff. Tiedemann, Wirtschaftsstrafrecht BT Rz. 395; Seier in A/R/R, Rz. 314; Lindemann, Jura 2005, 311; vgl. auch Schünemann in LK-StGB, § 266 Rz. 125. Vgl. BGH v. 29.5.1987 – 3 StR 242/86, BGHSt 34, 379, 388 f.; BGH v. 24.8.1988 – 3 StR 232/88, BGHSt 35, 333, 335 ff. Vgl. BGH v. 24.8.1988 – 3 StR 232/88, BGHSt 35, 333, 338. BGH v. 24.6.1952 – 1 StR 153/52, BGHSt 3, 32 ff. Vgl. BGH v. 12.1.1956 – 3 StR 626/54, BGHSt 9, 203, 208 ff.; Seier in A/R/R, Rz. 325. § 43a GmbHG; vgl. BGH v. 24.11.2003, NJW 2004, 1111; zu beachten sind insoweit die seit dem 1.11.2008 geltenden Änderungen des GmbHG durch das MoMiG, insbesondere die Einschränkungen des Grundsatzes der Kapitalerhaltung in § 30 Abs. 1 S. 2 und 3 GmbHG, die Regelung der verdeckten Sacheinlage in § 19 Abs. 4, 5 GmbHG und die Neuregelung des Eigenkapitalersatzrechts in den §§ 30 ff. GmbHG; vgl. dazu Bittmann, NStZ 2009, 117 f.; Livonius, wistra 2009, 94 f.

692

Saliger

Rz. 109 § 266 StGB

Anspruchs auf einen ungeschmälerten Bestand billigt der BGH im Grundsatz, dass der Gesellschaft mit Zustimmung aller Gesellschafter Vermögenswerte entzogen werden dürfen.1 Allerdings sieht er unter Berufung auf Schutzerfordernisse des Rechtsverkehrs seit BGH v. 24.8.1988 – 3 StR 232/88, BGHSt 35, 333 (337) – wieder – in st. Rspr. die Zustimmung von Gesellschaftern einer GmbH dann als treuwidrig und wirkungslos an, wenn die Verfügung – als Oberbegriff2 – die Existenz der Gesellschaft konkret gefährdet,3 weil das Stammkapital (§ 30 GmbHG) beeinträchtigt,4 der GmbH ihre Produktionsgrundlage entzogen oder ihre Liquidität gefährdet wäre (eingeschränkte Körperschaftstheorie).5 Darüber hinaus soll die Zustimmung auch bei bestehender Überschuldung und aufgezehrtem Stammkapital unwirksam sein.6 In diesen Fällen ist das Einverständnis der Gesellschafter nur für die Strafzumessung von Bedeutung.7 Im Schrifttum wird dagegen teilweise unter Berufung auf die wirtschaftliche Vermögensträgerschaft der Gesellschafter jede Einschränkung der Zustimmungsbefugnisse abgelehnt (strenge Gesellschaftstheorie),8 wohl noch überwiegend – mit Unterschieden im Einzelnen und mit der Rspr. weitgehend übereinstimmend – eine Einschränkung nur insoweit bejaht, als die Vorschriften über die Kapitalerhaltung (§§ 30 ff. GmbHG) verletzt werden oder eine Überschuldung eintritt (eingeschränkte Gesellschaftertheorie).9 Die Rspr. ist problematisch. Abgesehen von der Spannung zum GmbH-Recht, die bereits in der Erweiterung der Zustimmungsgrenzen über die Kapitalerhaltungsgrenzen des § 30 GmbHG hinaus deutlich wird,10 gerät die Rspr. in Widerspruch zur Konzeption der Untreue als reinem Vermögensdelikt (Rz. 1). Auch wenn sich dieser Widerspruch im Hinblick auf die möglichen Folgen aus der Trihotel-Entscheidung11 insofern abmildern mag, als an die Stelle der Außenhaftung der Gesellschafter gegenüber den Gläubigern eine auf § 826 BGB gestützte Innenhaftung der Gesellschafter gegenüber der Gesellschaft tritt,12 so ändert dies nichts daran, dass jede Annahme von kapitalerhaltenden Dispositionsgrenzen im Kern bloßen Gläubigerschutz betreibt, der von anderen Delikten wie §§ 283 ff. geleistet werden sollte.13 Keinen Beschränkungen unterliegt das Einverständnis, wenn die GmbH noch nicht ins Handelsregister eingetragen ist.14 Soweit die GmbH eigenständiger Träger von Fremdvermögen ist, ist eine Untreuestrafbarkeit auch des (Al- 109 lein-)Gesellschafters denkbar. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass die Gesellschafter die wirtschaftlichen Eigentümer der GmbH sind und dass die GmbH der eigennützigen Verwirklichung ihrer wirtschaftlichen Interessen dient. Deshalb sind die Gesellschafter nach h.M. mangels primär fremdnütziger Pflichten grundsätzlich nicht vermögensbetreuungspflichtig.15 Ausnahmsweise hat die Rspr. in Konzern-Sachverhalten vor allem 1 BGH v. 13.5.2004 – 5 StR 73/03, BGHSt 49, 147, 157 f.; BGH v. 19.2.2013 – 5 StR 427/12, ZWH 2013, 366; BGH v. 28.5.2013 – 5 StR 551/11, BeckRS 2013, 10324 Rz. 28 für einen Konzern. 2 BGH v. 28.5.2013 – 5 StR 551/11, BeckRS 2013, 10324 Rz. 30. 3 Bloße Eignung in BGH v. 10.7.1996 – 3 StR 50/96, NJW 1997, 66, 69. 4 Auch BGH v. 24.6.1952 – 1 StR 153/52, BGHSt 3, 32, 39 f.; BGH v. 12.1.1956 – 3 StR 626/54, BGHSt 9, 203, 216; BGH v. 20.7.1999 – 1 StR 668/98, NJW 2000, 154, 155; bloße Eignung in BGH v. 13.5.2004 – 5 StR 73/03, BGHSt 49, 147, 158. 5 BGH v. 31.7.2009 – 2 StR 95/09, BGHSt 54, 52, 58; BGH v. 10.2.2009 – 3 StR 372/08, NJW 2009, 2225, 2227; BGH v. 30.8.2011 – 3 StR 228/11, ZWH 2012, 22; BGH v. 15.5.2012 – 3 StR 118/11, NStZ 2012, 630, 633; BGH v. 28.5.2013 – 5 StR 551/11, BeckRS 2013, 10324 Rz. 30; BGH v. 19.2.2013 – 5 StR 427/12, ZWH 2013, 366, 367; vgl. auch BGH v. 13.5.2004 – 5 StR 73/03, BGHSt 49, 147, 148; BGH v. 20.7.1999 – 1 StR 668/98, NJW 2000, 154, 155; BGH v. 10.1.2006 – 4 StR 561/05, wistra 2006, 229, 230 und 265. Zu den Theoriebezeichnungen s. Schünemann in LK-StGB, § 266 Rz. 249; zur mit BGH v. 24.8.1988 – 3 StR 232/88, BGHSt 35, 333 aufgegebenen Entscheidung BGH v. 29.5.1987 – 3 StR 242/86, BGHSt 34, 379, 389, die zu einer strengen Körperschaftstheorie insofern tendierte, als sie den Verstoß der Zustimmung gegen die Grundsätze eines ordentlichen Kaufmanns genügen ließ, s. BGH v. 20.7.1999 – 1 StR 668/98, NJW 2000, 154, 155. 6 BGH v. 11.8.1989 – 3 StR 75/89, wistra 1990, 99; BGH v. 20.3.1991 – 2 StR 610/90, wistra 1991, 305 f.; BGH v. 4.2.1992 – 5 StR 11/92, wistra 1992, 141; BGH v. 11.5.1999 – 4 StR 110/99, wistra 1999, 381 ff. 7 BGH v. 20.12.1994 – 1 StR 593/94, NStZ 1995, 185 f. 8 Perron in S/S-StGB, § 266 Rz. 21b; Fischer, StGB, § 266 Rz. 99; Saliger in S/S/W-StGB, § 266 Rz. 106; Matt in M/RStGB, § 266 Rz. 102; Dierlamm in MüKo-StGB, § 266 Rz. 155 ff., 158; Schramm, Untreue. S. 123 ff. und Schramm in M/G, § 266 StGB Rz. 87; Nelles, Untreue, S. 553; Rönnau, FS Amelung, 2009; Kasiske, wistra 2005, 85; Arloth, NStZ 1990, 574 f.; Labsch, JuS 1985, 602. 9 Schünemann in LK-StGB, § 266 Rz. 125; Kindhäuser in NK-StGB, § 266 Rz. 71; Esser in AnwK-StGB, § 266 Rz. 287 f.; Soyka, Untreue, S. 184 ff.; Busch, Konzernuntreue, S. 163 ff.; Tiedemann, JZ 2005, 47; Zieschang, FS Kohlmann, S. 351 ff.; Radtke, GmbHR 1998, 365 f.; Brammsen, DB 1989, 1609. 10 Vgl. die Kritik von Dierlamm in MüKo-StGB, § 266 Rz. 158; Schünemann in LK-StGB, § 266 Rz. 125; Wodicka, Untreue, S. 210 ff.; 249 ff., 288 ff.; zur Kritik an der Subjektivierung im Sachsenbau-Fall BGH v. 10.7.1996 – 3 StR 50/96, NJW 1997, 66, 68 f. s. Rz. 116. 11 BGH v. 16.7.2007 – II ZR 3/04, NJW 2007, 2689. 12 Radtke/Hoffmann, GA 2008, 547 ff.; für gänzliche Straflosigkeit der Gesellschafter als Untreuetäter Livonius, wistra 2009, 95. 13 Vgl. Perron in S/S-StGB, § 266 Rz. 21b; Fischer, StGB, § 266 Rz. 99; Saliger in S/S/W-StGB, § 266 Rz. 106 und Saliger, ZStW 2000, 570; Seier in A/R/R, Rz. 332 f.; Schramm, Untreue, S. 122 f., 129 ff. A.A. Ransiek, wistra 2005, 122; Soyka, Untreue, S. 184. 14 Vor-GmbH: BGH v. 17.6.1952 – 1 StR 668/51, BGHSt 3, 23, 25; Schünemann in LK-StGB, § 266 Rz. 125; Kindhäuser in NK-StGB, § 266 Rz. 72; a.A. Hentschke, Der Untreueschutz, S. 222 ff. 15 Str., wie hier: Seier in A/R/R, Rz. 338 ff.; Saliger in S/S/W-StGB, § 266 Rz. 107; Schünemann in LK-StGB, § 266 Rz. 125; Krause, JR 2006, 52; Tiedemann, JZ 2005, 47; Schramm, Untreue, S. 127 f. A.A. Ransiek, wistra 2005, 123 f.; Beckemper, GmbHR 2005, 594 f.; Wagner, Untreue, S. 44 ff., 65, 140 ff.

Saliger

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StGB

Untreue

StGB

§ 266 StGB Rz. 110

Strafgesetzbuch

für zwei Konstellationen eine Vermögensbetreuungspflicht bejaht: für den Alleingesellschafter und Geschäftsführer der herrschenden GmbH gegenüber der beherrschten GmbH wegen seiner faktischen Dominanz und extremen Ausübung des Weisungsrechts in die Sphäre des beherrschten Unternehmens,1 und – noch weiter gehend – für den das konzerneigene Cash-Management-System beherrschenden Alleingesellschafter in Verbindung mit der Lehre vom existenzgefährdenden Eingriff.2 Zur Beteiligung des fakultativen Aufsichtsrats bei einer GmbH s. BGH v. 26.11.2015 – 3 StR 17/15, NZG 2016, 703 (714 ff.) – Nürburgring – m. Anm. Brand, S. 690, und Saliger/Schweiger, NJW 2016, 2600. Zur Untreue durch verbotswidrige Zahlungen des GmbH-Geschäftsführers nach Insolvenzreife Rönnau/Becker, NZWiSt 2014, 441. Zum Strafantragserfordernis bei der GmbH s. Rz. 138. Zur Untreue durch Direktoren einer Limited s. BGH v. 13.4.2010 – 5 StR 428/09, NStZ 2010, 632 m. Anm. Bittmann, wistra 2010, 302; Schramm/Hinderer, ZIS 2010, 494; dazu auch die Kontroverse Radtke/ Rönnau, in NStZ 2011, 556; zur Untreuestrafbarkeit von GmbH-Geschäftsführer und Limited-Director im Vergleich Fornauf/Jobst, GmbHR 2013, 125; s. auch Rz. 127. 110

Nicht abschließend geklärt sind Beachtlichkeit und Umfang des Einverständnisses bei der AG.3 Die überwiegende Auffassung wendet die Regeln zur GmbH entsprechend an.4 Auch nach dem BGH setzt ein strafrechtlich bedeutsames Einverständnis bei der AG voraus, dass es entweder vom Alleinaktionär oder von der Gesamtheit der Aktionäre durch einen Beschluss der Hauptversammlung über die Verwendung des Bilanzgewinns (§§ 58 Abs. 3 S. 1, 174 Abs. 1 S. 1 AktG) erteilt worden ist, nicht gegen Rechtsvorschriften verstößt oder aus sonstigen Gründen ausnahmsweise als unwirksam zu bewerten ist.5 Damit dürften die Dispositionsgrenzen der Vorschriften zur Erhaltung des Grundkapitals (z.B. § 57 AktG) und der Überschuldung entsprechend greifen.6 Gegen die Übertragung werden teils dieselben Einwände erhoben wie gegen die Rspr. zur GmbH-Untreue,7 teils zumindest einem gesetzmäßigen Beschluss der Hauptversammlung Einverständniswirkung zuerkannt,8 teils grundsätzlich die Übertragbarkeit der Regeln aufgrund der Strukturunterschiede zwischen GmbH und AG in Zweifel gezogen und eine Einverständnismöglichkeit verneint.9 Richtigerweise ist bei der AG der Alleinaktionär bzw. die Hauptversammlung als Gesamtheit der Anteilseigner mit zumindestens signifikanten Handlungskompetenzen (vgl. Rz. 57) das zuständige einverständnisbefugte Organ.10 Demgegenüber ist die These von der Unmöglichkeit eines Einverständnisses bei der AG bereits für Familien-AGs unplausibel. Zudem verkennt sie die Eigenständigkeit der strafrechtlichen Einverständnisfrage im Verhältnis zum Gesellschaftsrecht, verkürzt die Gestaltungsmacht der wirtschaftlichen Inhaber und läuft auf einen dem Vermögensstrafrecht fremden Einwilligungssozialismus hinaus.11 Zur Vermögensbetreuungspflicht der Aufsichtsratsmitglieder einer AG s. oben Rz. 15; zu deren strafrechtlichen Pflicht zur Verhinderung von Vorstandsstraftaten Schwerdtfeger, 2016. b) KG-Untreue

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Anders hinsichtlich der Gesellschafterstellung und des Einverständnisses beurteilt sich die Untreuestrafbarkeit bei der KG, die stellvertretend für die Personengesellschaften (OHG, BGB-Gesellschaft) behandelt sei (zur VorGmbH Rz. 108). Da die teilsrechtsfähige Personengesellschaft keine juristische Person ist, kann sie nach h.M. nicht selbständiger Träger von Fremdvermögen sein. Konsequenz daraus ist, dass eine Untreue zum Nachteil der KG als Personengesellschaft nicht möglich ist. Untreue kommt nur als Schädigung des Gesamthandsvermögens in Betracht, und zwar nur insoweit, als sie gleichzeitig das Vermögen der Gesellschafter betrifft.12 Hinsichtlich des Nachteilseintritts bei einer KG ist deshalb nicht allein auf die Gesellschaft, sondern auf das Vermögen der ein-

1 BGH v. 10.7.1996 – 3 StR 50/96, NJW 1997, 66, 67 – Sachsenbau. 2 BGH v. 13.5.2004 – 5 StR 73/03, BGHSt 49, 147, 158 ff. – Bremer Vulkan; zu beiden Entscheidungen näher Rz. 115 f.; eine grundsätzliche Bedeutung dieser Entscheidung bejaht Beckemper, GmbHR 2005, 594 f.; dagegen Krause, JR 2006, 52. 3 Dazu Rönnau, FS Amelung (2009); Hohn, FS Samson (2010), S. 315; Schramm, Untreue, S. 141 ff.; Corsten, Einwilligung in die Untreue (2011), S. 144 ff. 4 Dierlamm in MüKo-StGB, § 266 Rz. 159; vgl. auch Schünemann in LK-StGB, § 266 Rz. 261. 5 BGH v. 21.12.2005 – 3 StR 470/04, BGHSt 50, 331, 342 – Fall Mannesmann – unter Bezugnahme u.a. auf BGH v. 24.8.1988 – 3 StR 232/88, BGHSt 35, 333, 335 ff. 6 Vgl. auch Dierlamm in MüKo-StGB, § 266 Rz. 159. 7 So von Perron in S/S-StGB, § 266 Rz. 21c, der die strenge Gesellschaftertheorie favorisiert; ebenso Schramm in M/G, § 266 StGB Rz. 88. 8 Esser in AnwK-StGB, § 266 Rz. 301; Hohn, FS Samson (2010), S. 334 ff. 9 So Rönnau, FS Amelung, der für eine strenge Körperschaftstheorie votiert; zust. Fischer, StGB, § 266 Rz. 102. 10 Wie hier Saliger in S/S/W-StGB, § 266 Rz. 108; Matt in M/R-StGB, § 266 Rz. 94; Esser in AnwK-StGB, § 266 Rz. 301; Schramm in M/G, § 266 StGB Rz. 88; Dierlamm in MüKo-StGB, § 266 Rz. 159; Hohn, FS Samson, 2010, 334 ff.; Corsten, Einwilligung in die Untreue, S. 188. 11 Saliger in S/S/W-StGB, § 266 Rz. 108; vgl. ferner Schramm in M/G, § 266 StGB Rz. 88; Hohn, FS Samson (2010), S. 334 ff. 12 BGH v. 6.11.1986 – 1 StR 327/86, BGHSt 34, 221, 222 f.; BGH v. 30.8.2011 – 2 StR 652/10, NJW 2011, 3733, 3735 Rz. 23; BGH v. 23.2.2012 – 1 StR 586/11, NStZ 2013, 38 f. Rz. 10 m. Bspr. Soyka/Voß, ZWH 2012, 348; Seier in A/R/R, Rz. 312 ff.; Saliger in S/S/W-StGB, § 266 Rz. 109; Bittmann/Richter, wistra 2005, 51 f.; Schramm, Untreue, S. 54 f. und Schramm in M/G, § 266 StGB Rz. 84; s. auch Rz. 69 m.N. Krit. und a.A. K. Schmidt, JZ 2014, 878 (884 ff.); Soyka, Untreue, S. 56 ff., 96 ff., 137 f. m.w.N.

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Saliger

Rz. 112 § 266 StGB

zelnen Gesellschafter abzustellen.1 Weitere Konsequenz ist, dass die schädigende Verfügung eines GesellschafterGeschäftsführers im Einverständnis aller Mitgesellschafter tatbestandslos ist.2 Bei Einverständnis nur eines oder mehrerer Gesellschafter scheidet Untreue zu deren Lasten aus.3 In diesen Fällen ist genau zu ermitteln, wer in welcher Höhe benachteiligt worden ist.4 Der Alleingesellschafter-Geschäftsführer einer Einmann-GmbH & Co. KG, der sich am Vermögen der KG vergreift, begeht hinsichtlich seiner eigenen Kommanditistenstellung lediglich eine straflose Selbstschädigung.5 Die Frage einer Schädigung der Komplementär-GmbH für den Fall, dass der Täter über das Vermögen einer GmbH & Co. KG unberechtigt verfügt, richtet sich danach, ob die GmbH an der KG beteiligt ist (dann anteilsmäßige Schädigung im Verhältnis zu den gesamten Kommanditisteneinlagen plus ggf. konkrete Gefahr von Haftungsansprüchen der Gläubiger der KG) oder nicht (dann allein konkrete Gefahr von Ansprüchen der Gläubiger der KG unter der Voraussetzung, dass sich die KG in der Krise befindet).6 Bei einer überschuldeten GmbH & Co KG kann die Komplementär-GmbH auch dann Geschädigte einer Untreue sein, wenn sie aufgrund gesellschaftlicher Vereinbarungen im Außenverhältnis nicht haften soll.7 Hinsichtlich der Reichweite des Einverständnisses der GmbH-Gesellschafter bei einer GmbH & Co. KG gelten die Regeln zur GmbH-Untreue (Rz. 107 ff.). Die KGaA steht als hybride Rechtsform zwischen Personengesellschaftsrecht und Aktienrecht.8 § 278 Abs. 1 AktG behandelt die KGaA als juristische Person, so dass sie selbst wie GmbH und AG Trägerin von Fremdvermögen ist.9 Gleichwohl verbietet sich angesichts der personalistischen Struktur der KGaA eine schematische Übertragung der Regeln von GmbH und AG bezüglich der Einverständnisproblematik. Für die Einverständnisbefugnis muss entscheidend sein, wer oberstes Willensbildungsorgan ist und zugleich über signifikante Kompetenzen verfügt, etwa ein Aktionärsausschuss. c) Organuntreue: Sponsoring, Gehälter, Einstellungen, Investitionen Der BGH hat im Zuge der Karriere der Untreue als Wirtschaftsdelikt (Rz. 5) in den letzten Jahren mehrere Grund- 112 satzurteile zur Untreue durch Organe juristischer Personen (Organuntreue) jenseits bzw. ergänzend zur maßstabsbildenden GmbH-Untreue (Rz. 107 ff.) gefällt.10 Grundlegend für den Bereich des Sponsoring ist das Urteil des 1. Strafsenats im Offenburger Spendenfall (auch Rz. 46 ff.).11 Danach sind klassisches Sponsoring (Hingabe von Geld gegen Werbung), einseitige Spendenvergabe und reines Mäzenatentum durch Unternehmen gesellschaftrechtlich zulässig und nicht per se strafbar. Zuwendungen zur Förderung von Kunst, Wissenschaft, Sozialwesen und Sport stehen grundsätzlich im weiten unternehmerischen Handlungsspielraum (§ 93 AktG; Rz. 48) der vermögensbetreuungspflichtigen Organe.12 Äußere Grenzen dieses Ermessens ergeben sich aus der Sorgfalt eines pflichtbewussten Unternehmers, der insbesondere privaten Präferenzen keinen unangemessen Raum geben darf. Je loser die Verbindung des Zuwendungsempfängers zum Unternehmensgegenstand, desto enger ist der Handlungspielraum des Vorstandsmitglieds, der nicht mehr alleine entscheiden kann, und desto größer sind die Anforderungen an die interne Publizität. Aus dem Gebot der Angemessenheit des Spendenumfangs folgt, dass die Höhe der Zuwendung der Größenordnung und finanziellen Situation des Unternehmens entsprechen muss. Das erfordert bei längerfristiger Ertragsschwäche eine sorgfältige Prüfung der Spendenpraxis unter dem Aspekt des Unternehmensinteresses.13 Die strafrechtlichen Grenzen markiert der 1. Strafsenat autonom: Beim Sponsoring genüge für die Annahme einer untreuetauglichen Pflichtwidrigkeit nicht jede gesellschaftsrechtliche Pflichtverletzung, sondern nur eine gravierende (dazu auch Rz. 46 ff.). Das bestimme sich nach einer Gesamtschau insbesondere der gesellschaftsrechtlichen Kriterien fehlende Nähe zum Unternehmensgegenstand, Unangemessenheit zur Ertrags- und Vermögenslage, fehlende innerbetriebliche Transparenz sowie sachwidrige Motive, namentlich Verfolgung rein persönlicher Präferenzen. Eine Zuwendung sei jedenfalls dann pflichtwidrig i.S.d. § 266, wenn sämtliche Kriterien erfüllt sind.14 Diese Grundsätze gelten nach der Rspr. entsprechend für unentgeltliche Zuwendungen, die keine mildtätigen, politischen oder kulturellen Zwecke verfolgen. Das OLG Düsseldorf hat die 1 BGH v. 30.8.2011 – 2 StR 652/10, NJW 2011, 3733, 3735 Rz. 23; BGH v. 23.2.2012 – 1 StR 586/11, NStZ 2013, 38, 39 Rz. 19. 2 Vgl. BGH v. 17.6.1952 – 1 StR 668/51, BGHSt 3, 23, 25; BGH v. 24.7.1991 – 4 StR 258/91, wistra 1992, 24; BGH v. 18.6.2003 – 5 StR 489/02, NJW 2003, 2996, 2999; i.E. ebenso Soyka, Untreue, S. 192. 3 Vgl. BGH v. 6.11.1986 – 1 StR 327/86, BGHSt 34, 221, 222 f.; BGH v. 22.2.1991 – 3 StR 348/90, BGHR StGB § 266 Nachteil 25; BGH v. 30.8.2011 – 2 StR 652/10, NJW 2011, 3733, 3735 Rz. 24; BGH v. 23.2.2012 – 1 StR 586/11, NStZ 2013, 38, 39 Rz. 19. 4 BGH v. 17.3.1987 – 5 StR 272/86, wistra 1987, 216 f.; Seier in A/R/R, Rz. 365; Schramm, Untreue, S. 85. 5 BGH v. 17.3.1987 – 5 StR 272/86, wistra 1987, 216 f. 6 Vgl. BGH v. 22.2.1991 – 3 StR 348/90, BGHR StGB § 266 Nachteil 25; näher Seier in A/R/R, Rz. 366; Esser in AnwKStGB, § 266 Rz. 308. 7 BGH v. 24.3.2009 – 5 StR 353/08, wistra 2009, 273. 8 Drüen/van Heek, DStR 2012, 541, 542. 9 BGH v. 16.10.1985 – 2 StR 563/84, wistra 1986, 69, 70; Esser in AnwK-StGB, § 266 Rz. 309. 10 Vgl. auch Gerst, WiJ 2013, 178. 11 BGH v. 6.12.2001 – 1 StR 215/01, BGHSt 47, 187 m. Bespr. Beckemper, NStZ 2002, 324; Sauer, wistra 2002, 465; Laub, AG 2002, 308; Otto, FS Kohlmann, 2003, 187; Samson in Walz u.a. (Hrsg.), Non Profit Law Yearbook (2004), S. 233; Schünemann, Organuntreue, S. 21 ff.; Loeck, Strafbarkeit, S. 107 ff.; Saliger, JA 2007, 329. 12 BGH v. 6.12.2001 – 1 StR 215/01, BGHSt 47, 187, 192 ff. 13 BGH v. 6.12.2001 – 1 StR 215/01, BGHSt 47, 187, 195 ff. 14 BGH v. 6.12.2001 – 1 StR 215/01, BGHSt 47, 187, 197; grds. zust. Dierlamm in MüKo-StGB, § 266 Rz. 183, 266.

Saliger

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StGB

Untreue

StGB

§ 266 StGB Rz. 113

Strafgesetzbuch

Hingabe von Wein/Champagner-Präsenten als Weihnachtsgeschenke an Amtsträger im Wert von ca. 4000 Euro jährlich durch den alleinigen Vorstand einer AG mit Recht als vom weiten unternehmerischen Handlungsspielraum gem. §§ 76, 93 AktG umfasst angesehen. Denn mit den Verhaltenspflichten eines Vorstands als ordentlichem Geschäftsleiter ist es vereinbar, wenn er unentgeltliche Zuwendungen mit dem Ziel tätigt, die soziale Akzeptanz der AG („good corporate citizen“) und damit indirekt deren wirtschaftliches Fortkommen zu verbessern, sofern die Zuwendung vom Unternehmensgegenstand gedeckt ist (Nähe zum Unternehmensgegenstand), ihr Umfang der Wirtschafts- und Ertragslage des Unternehmens entspricht und die Zuwendung innerbetrieblich offengelegt wird.1 113

So zutreffend der 1. Strafsenat den grundsätzlichen strafrechtlichen Rahmen des Unternehmenssponsorings bestimmt, so wenig überzeugt aufgrund der Widersprüchlichkeit der Indizienbasis die Anwendung seiner strafrechtsautonomen Schweretheorie (näher Rz. 48). Jedenfalls im Ergebnis ist es zu begrüßen, dass der 3. Strafsenat ihr in seinem Grundsatzurteil zum Fall Mannesmann nicht gefolgt ist und sie insgesamt in Zweifel gezogen hat (vgl. Rz. 46 f.).2 Dort klärt der BGH die strafrechtlichen Grenzen der Gewährung von Anerkennungsprämien an Vorstandsmitglieder einer AG. Die Vermögensbetreuungspflicht eines ordentlichen und gewissenhaften Präsidiumsmitglieds des Aufsichtsrats (§§ 116 S. 1 i.V.m. 93 Abs. 1 S. 1 AktG) ergibt sich aus der Treuepflicht, alle Maßnahmen zu unterlassen, die den Eintritt eines sicheren Vermögensschadens der Gesellschaft zur Folge haben. Auch Vergütungsentscheidungen bezeichnen unternehmerische Führungs- und Gestaltungsaufgaben, für die i.d.R. ein weiter, durch das Gebot der Angemessenheit in § 87 Abs. 1 S. 1 AktG konkretisierter Beurteilungs- und Ermessensspielraum eröffnet ist. Eine Pflichtverletzung liegt solange nicht vor, wie die Grenzen, in denen sich ein verantwortungsbewusstes, „ausschließlich am Unternehmenswohl orientiertes, auf sorgfältiger Ermittlung der Entscheidungsgrundlagen beruhendes unternehmerisches Handeln“ bewegen muss, nicht überschritten sind.3 Zulässig sind nachträgliche Sonderzahlungen, wenn sie im Dienstvertrag als an den Geschäftserfolg gebundene einmalige und jährlich wiederkehrende Prämie vereinbart sind, oder außerhalb einer vertraglichen Regelung, wenn und soweit dem Unternehmen gleichzeitig Vorteile wie Anreizwirkungen für den Begünstigten und/oder Dritte (andere aktive oder potentielle Führungskräfte, selbst ein bald ausscheidendes Vorstandsmitglied) zufließen, die in einem angemessenen Verhältnis zur Vermögensminderung stehen.4 Die Grenzen sind überschritten, wenn eine außervertragliche Sonderzahlung für eine geschuldete Leistung, „die ausschließlich belohnenden Charakter hat und der Gesellschaft keinen zukunftsbezogenen Nutzen bringen kann (kompensationslose Anerkennungsprämie)“, bewilligt wird. Eine solche „Verschwendung“ des Gesellschaftsvermögens ist bereits dem Grund nach unzulässig, ohne dass es auf die Angemessenheit in § 87 Abs. 1 S. 1 AktG ankommt.5 Dieser Entscheidung ist in ihrem abstrakten Rechtssatz zuzustimmen. Eine Prämie ohne jeden Unternehmensnutzen ist jenseits einer Zustimmung des Geschäftsherrn unvertretbar.6 Die überwiegende Kritik an dem Urteil erklärt sich u.a. aus der damaligen Sondersituation einer gleichsam „wachsenden Einverständnislage“ seitens des Käufers Vodafone, der im Tatzeitpunkt freilich nicht Alleinaktionär von Mannesmann war (zum Einverständnis bei der AG s. Rz. 109).7 Auf diesem Hintergrund hat die Rspr. wiederholt eine Organuntreue durch Bewilligung rechtsgrundloser Gehälter bejaht. So macht sich wegen Untreue strafbar, wer als Vorsteher eines kommunalen Wasserverbandes dem Geschäftsführer ein erhöhtes Gehalt ohne Gegenleistung bewilligt und dabei als Geschäftsführer in kollusivem Zusammenwirken die eigentlichen Entscheidungsträger umgeht;8 wer als Vorsitzender der Vertreterversammlung einer Kassenärztlichen Vereinigung den Vorständen der Kassenärztlichen Vereinigung rechtsgrundlos Übergangsgelder zuspricht;9 wer sich als Vorsitzende eines gemeinnützigen Vereins rechtsgrundlose Vergütungen für die Vereinsarbeit aus dem Vereinsvermögen zuweist;10 wer als Oberbürgermeister einer Stadt Personen als Tarifbeschäftigte in den Öffentlichen Dienst einstellt und dabei zu hohe Erfahrungsstufen festsetzt.11 Allgemein können Organe Untreue durch Stellenbesetzungen begehen, wenn sie Personen trotz mangelnder Eignung oder ohne Bedarf einstellen,12 nicht aber durch bloßes Übergehen eines besseren Bewerbers (auch Rz. 119).13 1 OLG Düsseldorf v. 29.4.2015 – III-1 Ws 429/14, juris, Rz. 46 (= wistra 2015, 482) m. Anm. Jahn, JuS 2015, 850; von der Meden, GWR 2015, 403; Meyer-Lohkamp, jurisPR-StrafR 16/2015 Anm. 2. 2 Vgl. BGH v. 21.12.2005 – 3 StR 470/04, BGHSt 50, 331, 332, 345 m. Anm. Hohn, wistra 2006, 161; Krause, StV 2006, 307; Ransiek, NJW 2006, 814; Rönnau, NStZ 2006, 218; Vogel/Hocke, JZ 2006, 568; ferner Hoffmann-Becking, NZG 2006, 127; Kort, NZG 2006, 131; Lüderssen, FS Schroeder, S. 569; Reiner/Geuter, EWiR 2006, 187; Tiedemann, FS Weber S. 319; Cappel, Grenzen (2009), S. 69 ff.; 245 ff. 3 BGH v. 21.12.2005 – 3 StR 470/04, BGHSt 50, 331, 336. 4 BGH v. 21.12.2005 – 3 StR 470/04, BGHSt 50, 331, 336 f. 5 BGH v. 21.12.2005 – 3 StR 470/04, BGHSt 50, 331, 337 f.; zust. Fischer, StGB, § 266 Rz. 107 f.; Rönnau, NStZ 2006, 218 ff.; Vogel/Hocke, JZ 2006, 569 f.; krit. Schünemann, NStZ 2006, 199; Krause, StV 2006, 308 ff.; Ransiek, NJW 2006, 814 f.; Dierlamm in MüKo-StGB, § 266 Rz. 270; vgl. auch Hohn, wistra 2006, 163 f.; Reiner/Geuter, EWiR 2006, 188. 6 Saliger in S/S/W-StGB, § 266 Rz. 111. 7 Abl. daher BGH v. 21.12.2005 – 3 StR 470/04, BGHSt 50, 331, 342 f.; krit. Ransiek, NJW 2006, 815 f.; Krause, StV 2006, 310 f. 8 BGH v. 12.12.2013 – 3 StR 146/13, NStZ 2015, 220, 222 f. m. Anm. Klemm. 9 KG v. 4.11.2014 – 2 Ws 298/14 – 161 AR 16/14, BeckRS 2014, 22076, S. 3 ff.: Missbrauchsuntreue. 10 LG Lübeck v. 5.2.2014 – 3 Ns 89/13, juris, Rz. 156. 11 BGH v. 24.5.2016 – 4 StR 440/15, BeckRS 2016, 10401, S. 4 ff. 12 Näher Krell, Untreue, S. 150 ff., 187 ff. 13 Krell, Untreue, S. 192 ff.

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Saliger

Rz. 116 § 266 StGB

Allgemein erreicht eine gesellschaftsrechtliche Pflichtverletzung die strafrechtliche Unrechtshöhe, wenn sie gra- 114 vierend in dem Sinne ist, dass sie auf Basis einer Gesamtwürdigung der Umstände im Hinblick auf das materielle Unternehmensinteresse evident unvertretbar und/oder willkürlich ist (Rz. 48). Dieser Maßstab stellt sicher, dass sich die Strafjustiz bei der Aufarbeitung von unternehmerischen (Fehl-)Entscheidungen nicht überhebt.1 Dabei ist zu berücksichtigen, dass die seit dem 1.12.2005 in § 93 Abs. 1 S. 2 AktG verankerte Business Judgement Rule den Handlungsspielraum mitstrukturiert.2 Danach scheidet eine Pflichtverletzung aus, wenn das Vorstandsmitglied bei einer unternehmerischen Entscheidung vernünftigerweise annehmen durfte, auf der Grundlage angemessener Information zum Wohle der Gesellschaft zu handeln.3 Der 3. Strafsenat hat in seiner Kinowelt-Entscheidung die strafrechtliche Unrechtshöhe für Investitionsentscheidungen und Geldtransferleistungen innerhalb einer Unternehmensgruppe konkretisiert. Ein weiter, gerichtlich nur begrenzt überprüfbarer Handlungsspielraum steht den entscheidenden Organen eines Unternehmens gerade dann zu, wenn neue Tätigkeitsfelder erschlossen, neue Geschäftsideen verwirklicht oder in eine neue Geschäftsidee investiert werden soll. Wegen ihres starken Prognosecharakters bedürfen solche Investitionsentscheidungen einer möglichst breiten Entscheidungsgrundlage durch eine angemessene Risikoprüfung, ggf. unter Beiziehung sachverständiger Hilfe (ferner Rz. 120).4 Insoweit können auch Zahlungen an Unternehmen im Vorgriff auf die beabsichtigte Übernahme pflichtgemäß sein, wenn sie im Unternehmensinteresse liegen, ein ernsthafter Übernahmewille besteht und das zuwendende Unternehmen eine Rechtsposition erlangt hat, die die Übernahme sicherstellt (zur Bedeutung der Entscheidung auch Rz. 46 f.).5 Voraussetzung ist aber stets, dass eine hinreichende Aussicht auf die Übernahme besteht. Das ist nicht mehr der Fall, wenn die Zahlungen mangels Sicherheiten und Illiquidität des Zielunternehmens in hohem Maße verlustgefährdet sind, dem übernehmenden Unternehmen dringend benötigtes Kapitel entziehen und dadurch dessen Insolvenzrisiko vertiefen.6 d) Konzernuntreue Für die vielfach noch klärungsbedürftige Konzernuntreue7 sind vor allem zwei Entscheidungen bedeutsam. Im 115 Sachsenbau-Fall hat der 3. Strafsenat in einem faktischen GmbH-Konzern den Geschäftsführer der herrschenden GmbH als Alleingesellschafterin wegen seiner faktischen Dominanz, die sich in umfangreichen Anweisungen an die Geschäftsführer der beherrschten GmbH äußerte, als vermögensbetreuungspflichtig gegenüber der beherrschten GmbH angesehen. Denn schon in einer extremen Ausübung des Weisungsrechts durch einen Gesellschafter kann im Einzelfall eine versteckte Übertragung von Geschäftsführerbefugnissen liegen.8 Soweit der faktische Alleingesellschafter die beherrschte GmbH mit dem – unwirksamen – Einverständnis der Alleingesellschafterin zum überhöhten Kauf von Unternehmen veranlasst, hält das Gericht unter Rekurs auf die (nicht unproblematischen) Grundsätze der Rspr. zur GmbH-Untreue (Rz. 107 ff.) eine strafbare Untreue für möglich, wenn die Vermögensverschiebung nach den Gesamtumständen des Einzelfalls entweder für sich alleine genommen oder als Teil einer Gesamtstrategie geeignet ist, das Stammkapital (§ 30 GmbHG) der beherrschten GmbH konkret zu gefährden. Dabei soll eine maßgebliche Rolle spielen, ob das Gesamtverhalten von einer Aushöhlungsabsicht getragen war.9 Zentral für die Konzernuntreue ist die Grundsatzentscheidung des 5. Strafsenats im Fall Bremer Vulkan.10 Dort 116 verneint das Gericht zwar mit Recht eine Vermögensbetreuungspflicht der Vorstandsmitglieder der herrschenden AG gegenüber den beherrschten GmbHs aufgrund der Kaufverträge und der an die GmbHs geleisteten Subventionen (zu letzterem näher Rz. 17).11 In weitgehender12 Anknüpfung an die Entscheidung im parallelen

1 Dazu Altenburg, BB 2015, 323. 2 Ebenso als allgemeines Prinzip BGH v. 26.11.2015 – 3 StR 17/15, NZG 2016, 703, 709 f. – Nürburgring – m. Anm. Brand, S. 690 und Saliger/Schweiger, NJW 2016, 2600. 3 Dazu Fleischer in Spindler/Stilz, AktG (2007), § 93 Rz. 55 ff., insbesondere Rz. 57 f. zur Bedeutung der ARAG/Garmenbeck-Entscheidung BGH v. 21.4.1997 – II ZR 175/95, BGHZ 135, 244; Arnold, Jura 2005, 847; Seibt/Schwarz, AG 2010, 305 ff.; Adick, Organuntreue, 2010. 4 Vgl. zu den Informationspflichten auch LG Hamburg v. 9.7.2014 – 608 KLs 12/11, BeckRS 2015, 09104, VI. 2. b. – Fall HSH Nordbank; zu Risikosteuerungspflichten ferner Mosiek, wistra 2003, 370. 5 BGH v. 22.11.2005 – 1 StR 571/04, NJW 2006, 453, 455 f. m. Anm. Kutzner (S. 3541). 6 BGH v. 22.11.2005 – 1 StR 571/04, NJW 2006, 453, 455. 7 Dazu Seier in A/R/R, Rz. 369 ff.; Dierlamm in MüKo-StGB, § 266 Rz. 274 ff.; Saliger in S/S/W-StGB, § 266 Rz. 113 f.; Esser in AnwK-StGB, § 266 Rz. 310 ff.; Schünemann in LK-StGB, § 266 Rz. 265 f.; Ransiek, FS Kohlmann, S. 207; Brand, Der Konzern (2010), S. 285; Lesch/Hüttemann/Reschke, NStZ 2015, 609; Busch, Konzernuntreue; Höf, Untreue im Konzern; Loeck, Strafbarkeit, S. 205 ff. 8 BGH v. 10.7.1996 – 3 StR 50/96, NJW 1997, 66, 67 m. Anm. Achenbach, NStZ 1997, 537; Geerds, JR 1997, 340; vgl. auch OLG Koblenz v. 17.11.1983 – 1 Ss 428/83, wistra 1984, 79 und dazu Seier in A/R/R, Rz. 371 f. 9 BGH v. 10.7.1996 – 3 StR 50/96, NJW 1997, 66, 68 f.; krit. zur Subjektivierung Matt/Saliger, Irrwege, S. 237 f.; Saliger, ZStW 2000, 566 ff. 10 BGH v. 13.5.2004 – 5 StR 73/03, BGHSt 49, 147 m. Bespr. Kutzner, NStZ 2005, 271; Ransiek, wistra 2005, 121; Rotsch, NStZ 2005, 13; Salditt, NStZ 2005, 269; Tiedemann, JZ 2005, 45; Tsambikakis, GmbHR 2005, 335 ff.; Wattenberg, StV 2005, 523; Krause, JR 2006, 51. 11 BGH v. 13.5.2004 – 5 StR 73/03, BGHSt 49, 147, 153 ff. 12 Vgl. aber BGH v. 13.5.2004 – 5 StR 73/03, BGHSt 49, 147, 160.

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StGB

Untreue

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§ 266 StGB Rz. 117

Strafgesetzbuch

Zivilverfahren1 überträgt der 5. Strafsenat aber den Gesichtspunkt des existenzgefährdenden Eingriffs als Verfügungsgrenze eines beherrschenden Alleingesellschafters (vgl. auch Rz. 109) auf die Konzernuntreue und stützt seine Vermögensbetreuungspflicht auf die Treupflicht, dem beherrschten Unternehmen nicht Vermögenswerte in einem die Unternehmensexistenz gefährdenden Umfang zu entziehen.2 Entscheidend sei die Ausgestaltung des an sich nicht pflichtwidrigen Cash-Management-Systems. Wenn der Vermögenstransfer ein solches Ausmaß erreicht, „dass die Erfüllung der eigenen Verbindlichkeiten des einlegenden Konzernmitglieds im Fall eines Verlustes der Gelder gefährdet wäre, dann trifft die Muttergesellschaft eine Vermögensbetreuungspflicht, die Rückzahlung der Gelder – etwa durch ausreichende Besicherung – zu gewährleisten. Sie hat dann die wirtschaftlichen Eigeninteressen ihrer Tochter (und deren Gläubiger) zu wahren“.3 Die Verpflichtung soll im mehrstufigen Beherrschungsverhältnis nicht nur die Alleingesellschafterin der geschädigten Gesellschaft, sondern sämtliche die Untergesellschaft beherrschenden Konzernebenen über dieser treffen.4 Diese Entscheidung mag in der Formulierung Anlass für die Kritik geben, dass der BGH die Vermögensbetreuungspflicht unzulässigerweise aus der Pflichtverletzung hergeleitet habe (vgl. Rz. 31).5 Auch ist zweifelhaft (und auch Tatfrage), ob das Cash-Management-System als an sich nicht fremdnütziger Darlehensvertrag (Rz. 17) eine Vermögensbetreuungspflicht trägt.6 In der Sache lässt sich jedenfalls die Vermögensbetreuungspflicht des „beherrschenden Alleingesellschafters“ auf seine anvertraute und faktische Herrschaftsmacht im Konzern gründen,7 unabhängig von der Berechtigung der Ausdehnung der strafrechtlichen Untreuehaftung des Gesellschafters durch den existenzgefährdenden Eingriff (dazu Rz. 108).8 Zur Bedeutung des Urteils für die streitige Anwendung der mittelbaren Täterschaft kraft Organisationsherrschaft auf Wirtschaftsunternehmen vgl. BGH v. 13.5.2004 – 5 StR 73/03, BGHSt 49, 147 (163 f.); Tiedemann, JZ 2005, 47; krit. Rotsch, NStZ 2005, 13. Zur Möglichkeit eines tatbestandsausschließenden Einverständnisses auch im Konzern BGH v. 28.5.2013 – 5 StR 551/11, BeckRS 2013, 10324 Rz. 28 ff. 2. Haushaltsuntreue 117

In Zeiten immer knapper werdender öffentlicher Kassen und steter Berichte der Bundes- und Landesrechnungshöfe über die Verschwendung öffentlicher Mittel bezeichnen die Amtsuntreue und (ihr Teilbereich) die Haushaltsuntreue9 eine anerkannte Fallgruppe der Untreue. Heute wird nicht mehr bezweifelt,10 dass § 266 nach Wortlaut („behördlicher Auftrag“), Systematik und Zweck privates wie öffentliches Vermögen schützt (h.M.).11 Aus der vollständigen, strikten und stark formalisierten Zweckbindung des öffentlichen Vermögens an das Allgemeinwohl erwächst bei der Haushaltsuntreue die Gefahr, § 266 über eine Kriminalisierung allein der Pflichtwidrigkeit haushaltswidriger Verfügungen in einen Tatbestand zum unzulässigen Schutz bloß der Dispositionsbefugnis des Haushaltsgebers zu entgrenzen (vgl. Rz. 1, 79).12 Deshalb wird nahezu einhellig und mit Recht betont, dass der Verstoß gegen haushaltsrechtliche Grundsätze allein nicht den Tatbestand der Untreue erfüllt, insbesondere nicht jeder Haushaltsverstoß zu einem Vermögensnachteil führt.13 Das gilt umso 1 BGH v. 17.9.2001 – II ZR 178/99, BGHZ 149, 10, 17 f.: existenzvernichtender Eingriff als Dispositionsgrenze; zu den möglichen Konsequenzen von „Trihotel“ für § 266 Radtke/Hoffmann, GA 2008, 547 ff. und Rz. 108. 2 BGH v. 13.5.2004 – 5 StR 73/03, BGHSt 49, 147, 157 ff. 3 BGH v. 13.5.2004 – 5 StR 73/03, BGHSt 49, 147, 161; vgl. auch die mit Blick auf das problematische Urt. BGH v. 24.11.2003 – II ZR 171/01, NJW 2004, 1111 durch das MoMiG eingeführte, seit dem 1.11.2008 geltende Regelung des Cash-Pooling in § 30 Abs. 1 S. 2 GmbHG, wonach das Verbot der Auszahlung von Stammkapital nicht gilt bei Leistungen, die bei Bestehen eines Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrages (§ 291 AktG) erfolgen oder durch einen vollwertigen Gegenleistungs- oder Rückgewähranspruch gegen den Gesellschafter gedeckt sind (dazu Bittmann, NStZ 2009, 118). Zur Untreue beim Leveraged Buyout einer GmbH Schriever, wistra 2006, 404. 4 BGH v. 31.7.2009 – 2 StR 95/09, BGHSt 54, 52, 58 f. – unter Hinweis auf § 14 – m. Anm. Ehmann, GWR 2009, 343. 5 Beckemper, GmbHR 2005, 594; Dierlamm in MüKo-StGB, § 266 Rz. 280; auch Tiedemann, JZ 2005, 46. 6 Ransiek, wistra 2005, 125; die Vermögensverwaltung betonen Schünemann, LM § 309 AktG 1965 Nr. 1 Bl. 902; Tiedemann, JZ 2005, 47. 7 Ransiek, wistra 2005, 124 f., auch zu § 14; Saliger in S/S/W-StGB, § 266 Rz. 114; ferner Beckemper, GmbHR 2005, 594 f.; vgl. auch Seier in A/R/R, Rz. 384. 8 Krit. Seier in A/R/R, Rz. 383. 9 Zu Begriff und Erscheinungsformen: Munz, Haushaltsuntreue, S. 1 ff., 17 ff.; Coenen, Strafbarkeit, S. 39 ff.; Wolf, Strafbarkeit, S. 183 ff.; Neye, Untreue, S. 40 ff. 10 Zu älteren Auffassungen Neye Untreue, S. 24 ff. 11 RGSt 15, 41; 69, 333; BGH v. 21.10.1994 – 2 StR 328/94, BGHSt 40, 287, 294; BGH v. 4.11.1997 – 1 StR 273/97, BGHSt 43, 293, 296; BGH v. 14.12.2000 – 5 StR 123/00, NStZ 2001, 248, 251; BGH v. 17.4.2002 – 2 StR 531/01, NStZ-RR 2002, 237; BGH v. 13.4.2011 – 1 StR 592/10, NStZ 2011, 520, 521; Heger in Lackner/Kühl, StGB, § 266 Rz. 17c; Fischer, StGB, § 266 Rz. 86 ff., 121 ff.; Perron in S/S-StGB, § 266 Rz. 44; Saliger in S/S/W-StGB, § 266 Rz. 115; Seier in A/R/R, Rz. 344 ff.; Dierlamm in MüKo-StGB, Rz. 219 ff.; Kindhäuser in NK-StGB, § 266 Rz. 117; Schünemann in LK-StGB, § 266 Rz. 230 ff.; Schünemann, StV 2003, 463; Fabricius, NStZ 1993, 414. 12 Zutreffend BVerfG v. 1.11.2012 – 2 BvR 1235/11, NJW 2013, 365, 367; BGH v. 4.11.1997 – 1 StR 273/97, BGHSt 43, 293, 297; BGH v. 14.12.2000 – 5 StR 123/00, NStZ 2001, 248, 251; auch BGH v. 13.4.2011 – 1 StR 592/10, NStZ 2011, 520, 521. 13 BGH v. 21.10.1994 – 2 StR 328/94, BGHSt 40, 287, 294; BGH v. 4.11.1997 – 1 StR 273/97, BGHSt 43, 293, 297; BGH v. 14.12.2000 – 5 StR 123/00, NStZ 2001, 248, 251; BGH v. 8.4.2003 – 5 StR 448/02, BGHR § 266 Nachteil 54, S. 2; Fischer, StGB, § 266 Rz. 88; Perron in S/S-StGB, § 266 Rz. 44; Seier in A/R/R, Rz. 345; Saliger in S/S/W-StGB, § 266 Rz. 115 und Saliger, ZStW 2000, 593; v. Selle, JZ 2008, 181 ff. A.A. Wolf, Strafbarkeit, S. 156, 229. De lege ferenda für ei-

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mehr, als das BVerfG mit Blick auf das Verschleifungsverbot (Rz. 4, 8) zutreffend betont, dass die verbotswidrige Mittelverwendung nicht per se einen Nachteil begründet, sondern einer Prüfung der wirtschaftlichen Nachteilhaftigkeit des gesamten Geschäfts bedarf.1 Über die eingrenzenden Kriterien vor allem bei der Bestimmung des Vermögensnachteils gehen die Auffassungen allerdings auseinander. Unstreitig strafbare Haushaltsuntreue begeht,2 wer sich als vermögensbetreuungspflichtiger Amtsträger an öffentlichen Geldern persönlich bereichert3 oder dies geschehen lässt;4 wer ohne entsprechende Gegenleistung Zahlungen veranlasst, auf die im Rahmen vertraglich geregelter Rechtsverhältnisse kein Anspruch besteht, oder Zuwendungen in gesetzeswidriger Höhe gewährt;5 wer öffentliche Gelder verschwendet6 oder vorteilhafte Vertragsschlüsse für den Dienstherrn vereitelt (s. Rz. 80 f.).7 In diesen Fällen werden Mittel fehlgeleitet, ohne dass dem Dienstherrn daraus ein gleichwertiger wirtschaftlicher Vorteil erwächst,8 bzw. es liegt ein zweckwidriger Mitteleinsatz vor, weil die „zweckgebundenen Mittel verringert wurden, ohne dass der Zweck erreicht wurde“.9 Umgekehrt bleibt der Amtsträger unstreitig straffrei,10 wenn er durch die pflichtwidrige Ausgabe eine Notsituation behebt und mit nachträglicher Bewilligung rechnen kann11 oder wenn er dem Dienstherrn notwendige Aufwendungen erspart (Rz. 98).12 Ebenfalls unproblematisch ist ein Vermögensnachteil gegeben, wenn Leistung und Gegenleistung objektiv un- 118 gleichwertig sind (Rz. 71 ff.). Das beurteilt sich grundsätzlich nach der einzelnen Tathandlung, nicht am Gesamtergebnis der Wirtschaftsperiode.13 Ungleichwertigkeit kommt in Betracht z.B. bei der Vereinbarung überhöhter Mieten,14 bei dem Abschluss eines (nicht unwirksamen) nachteiligen öffentlich-rechtlichen Vertrages15 oder bei der wissentlichen Anstellung fachlich ungeeigneter Personen oder von Personen ohne Bedarf (Anstellungsuntreue; näher Rz. 113).16 Jenseits dieser Fälle beginnen die Kontroversen. Zu schwarzen Kassen s. Rz. 97 f.17 Der 2. Strafsenat hat erwogen, bereits die Umleitung von Haushaltsmitteln, die mangels Inanspruchnahme zum Jahresende verfallen würden („Überkipper“), zu einer anderen Behörde als schadensgleiche Vermögensgefahr zu werten, wenn sie dort als geheimer, keiner Zweckbindung unterliegendem Dispositionsfond genutzt werden.18 Für den Fall pflichtwidriger Haushaltsüberziehung – also überplanmäßigen (zweckgerechten) Mittelausgaben, bei denen Leistung und Gegenleistung gleichwertig sind19 – hat der 1. Strafsenat die Lehre vom individuellen Schadenseinschlag auf die Untreue übertragen und eine Strafbarkeit bejaht, wenn infolge der Pflichtverletzung eine wirtschaftlich gewichtige Kreditaufnahme erforderlich wird, die Dispositionsfähigkeit des Geschäftsherrn in schwerwiegender Weise beeinträchtigt wird und er durch den Mittelaufwand insbesondere in seiner

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ne weitgehende Kriminalisierung der Haushaltsuntreue Coenen, Strafbarkeit, S. 95 ff., 117 ff. und Schünemann, Unverzichtbare Gesetzgebungsmaßnahmen zur Bekämpfung der Haushaltsuntreue (2011), S. 38 ff., 40 f., 90 f. BVerfG v. 23.6.2010 – 2 BvR 2559/08, 2 BvR 105/09, 2 BvR 491/09, NJW 2010, 3209, 3215; BVerfG v. 1.11.2012 – 2 BvR 1235/11, NJW 2013, 365, 366 zu einem Vorwurf der Haushaltsuntreue. Saliger in S/S/W-StGB, § 266 Rz. 115; vgl. ferner Seier in A/R/R, Rz. 351; Fischer, StGB, § 266 Rz. 122. BGH v. 2.4.1963 – 1 StR 66/63, BGHSt 18, 312 f. und BGH v. 11.12.1957 – 2 StR 481/57, BGHSt 13, 315 f.: Griff in Kassen; BGH v. 13.4.2011 – 1 StR 592/10, NStZ 2011, 520: Abrechnung von privaten Aufwendungen über den Gemeindehaushalt. BGH v. 8.1.1952 – 1 StR 527/51, BGHSt 2, 169: Bürgermeister „erlaubt“ Griff in die Gemeindekasse; zur Untreue von Bürgermeistern Allgaier, DÖD 2003, 121. Vgl. BGH v. 9.12.2004 – 4 StR 294/04, NStZ-RR 2005, 83, 84, 86: Abfindung für städtischen Angestellten; BVerfG v. 23.6.2010 – 2 BvR 2559/08, 2 BvR 105/09, 2 BvR 491/09, Rz. 29 ff., 127 f. (in BVerfGE 126, 170 teils nicht abgedruckt): jahrelange Bewilligung von Prämien, die zu einer Verdoppelung des Gehalt führen, entgegen § 4 Abs. 4 SGB V; BGH v. 4.11.2014 – 2 Ws 298/14 – 161 AR 16/14, BeckRS 2014, 22076, S. 4 f.: Bewilligung rechtsgrundloser Übergangsgelder durch Vorsitzenden der Vertreterversammlung einer Kassenärztlichen Vereinigung; BGH v. 12.12.2013 – 3 StR 146/13, NStZ 2015, 220, 222: Bewilligung überhöhter Vergütung durch Vorsteher eines kommunalen Wasserverbandes; BGH v. 24.5.2016 – 4 StR 440/15, BeckRS 2016, 10401, S. 4 ff.: Einstellung als Tarifbeschäftige im Öffentlichen Dienst mit Festsetzung zu hoher Erfahrungsstufen durch Oberbürgermeister. Vgl. OLG Hamm v. 21.6.1985 – 4 Ws 163/85, NStZ 1986, 119 für Einkäufe zu Repräsentationszwecken, dazu Rz. 79; zur „Goldfüller-Gier“ von Abgeordneten Soyka, JA 2011, 570 ff. BGH v. 8.5.2003 – 4 StR 550/02, NStZ 2003, 540 f. BGH v. 21.10.1994 – 2 StR 328/94, BGHSt 40, 287, 295. BGH v. 4.11.1997 – 1 StR 273/97, BGHSt 43, 293, 297 f. Saliger in S/S/W-StGB, § 266 Rz. 115; vgl. ferner Seier in A/R/R, Rz. 345; Dierlamm in MüKo-StGB, § 266 Rz. 259. Vgl. BGH v. 1.8.1984 – 2 StR 341/84, wistra 1985, 69, 71; mit Fug für ein Entfallen bereits der Pflichtwidrigkeit bei dieser Notgeschäftsführung v. Selle, JZ 2008, 180 f. Vgl. BGH v. 21.10.1994 – 2 StR 328/94, BGHSt 40, 287, 294 f. BGH v. 4.11.1997 – 1 StR 273/97, BGHSt 43, 293, 296 f.; BGH v. 17.4.2002 – 2 StR 531/01, NStZ-RR 2002, 237. Vgl. BGH v. 3.2.2005 – 5 StR 84/04, NStZ-RR 2005, 343. Vgl. BGH v. 13.2.2007 – 5 StR 400/06, wistra 2007, 259. BGH v. 26.4.2006 – 2 StR 515/05, wistra 2006, 307 m. Anm. Kudlich, JA 2006, 826; näher Krell, Untreue. Zweifelhaft daher auch BGH v. 30.9.2010 – 4 StR 150/10, NStZ-RR 2011, 82, 83, wo das Nichtoffenbaren der nach Abschluss der Projekte (vollständig) vorhandenen Drittmittel durch einen Hochschullehrer als vollendete Untreue gewertet wird. BGH v. 21.10.1994 – 2 StR 328/94, BGHSt 40, 287, 296 – BND-Fall. Nicht erfüllt in BGH v. 17.4.2002 – 2 StR 531/01, NStZ-RR 2002, 237 f.

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Untreue

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§ 266 StGB Rz. 119

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politischen Gestaltungsbefugnis beschnitten wird.1 Noch weiter anerkennt der 5. Strafsenat unter Anknüpfung an das Intendanten-Urteil eine strafbare Haushaltsuntreue bei zweckentsprechender Subventionsgewährung unter Verstoß gegen den (materiell verstandenen) Grundsatz der Förderung lediglich nicht begonnener Projekte.2 Mit Recht keine Untreue begründet die haushaltsrechtswidrige Aufnahme von Kassenkrediten, weil die Verpflichtung zur Zinszahlung als in Betracht kommender Nachteil regelmäßig durch die Verfügbarkeit über die Kreditmittel wirtschaftlich kompensiert wird, so dass ein Vermögensnachteil ausscheidet.3 Etwas anderes soll gelten, wenn die Kreditaufnahme für den Treugeber wegen seiner konkreten finanziellen Situation subjektiv wirtschaftlich wertlos ist (dazu Rz. 79).4 119

Dieser Rspr. ist in ihren restriktiven Ausprägungen zuzustimmen.5 Rechtssicherer wird die Restriktion allerdings, wenn man in maßvoll wirtschaftlicher Anwendung der Zweckverfehlungslehre klärt, was unter Zweckwidrigkeit zu verstehen ist. Zu unterscheiden ist zwischen strafbarer, weil kompensationsloser materieller Zweckwidrigkeit der Mittelverwendung und strafloser rein formeller Zweckwidrigkeit der Mittelverwendung.6 Materiell zweckwidrig ist der Einsatz öffentlicher Mittel, wenn er nicht jener öffentlichen Gesamtaufgabe dient, die der Vermögensträger bestimmungsgemäß zu verfolgen hat. In diesem (strafrechtsautonomen) Sinne materiell zweckwidrig und damit strafbare Untreue ist etwa die allgemeinpolitisch motivierte Verwendung von Hochschulgeld durch Mitglieder des AStA für die Veröffentlichung von Druckschriften, die weder Angelegenheiten der Universität noch der Studierenden betreffen,7 die von einem Landtagsabgeordneten veranlasste Erstattung von Theaterbesuchskosten aus dem Titel „Einführung in die Parlamentsarbeit“,8 die mandatsneutrale Anschaffung von Goldfüllern durch Abgeordnete,9 nicht aber die Verwendung von Geld aus der Portokasse durch einen Berufsschulleiter für die Finanzierung der Schulteilnahme an einer Fachausstellung.10 Formel zweckwidrig ist eine Mittelverwendung, die unter Verstoß gegen haushaltsrechtliche Zuständigkeits-, Kompetenz- und Verfahrensvorschriften sowie gegen den Grundsatz der sachlichen und zeitlichen Bindung der Mittel (vgl. §§ 27 Abs. 1 S. 1 HGrG, 45 BHO) erfolgt. Rein formelle Haushaltsrechtsverstöße müssen wegen ihrer Rechtsgutsneutralität grundsätzlich straflos bleiben (für sie genügt eine disziplinarrechtliche Sanktionierung), will man mit der Eingrenzung der Kriminalisierung bloßer Dispositionsverletzungen bei der Haushaltsuntreue ernst machen und Verstöße gegen die sachliche und zeitliche Bindung der Mittel nicht per se kriminalisieren.11 Wie die Rspr. allerdings im BND-Fall, Intendanten-Fall und vor allem Holzbackofen-Fall zeigt, beschränkt sie sich nicht auf materiellen Haushaltsrechtsschutz, sondern betreibt in Ausweitung der nicht unproblematischen Tendenz zur Personalisierung des Schadensbegriffs notwendigerweise auch formellen Haushaltsrechtsschutz, damit Schutz der politischen Zwecksetzungen des Haushaltsgesetzgebers und also auch Schutz seiner Dispositionsfreiheit.12 Das ist vom Strafgrund der Untreue nicht mehr gedeckt. Das durchaus anerkennenswerte kriminalpolitische Ziel des BGH, eine Kriminalisierung von Haushaltsüberziehungen ab einer bestimmten Größenordnung zu ermöglichen (Rz. 79), lässt sich auch durch eine Anwendung des materiellen Haushaltsgrundsatzes der wirtschaftlichen und sparsamen Mittelverwaltung (vgl. §§ 19 Abs. 2, 6 Abs. 1 HGrG, 34 Abs. 2 S. 1 BHO) erreichen.13 Denn ab einer bestimmten Höhe dürften Haushaltsüberziehungen gegen diesen Grundsatz verstoßen und damit bereits materiell zweckwidrig sein.14 Allerdings folgt aus dem Sparsamkeitsgrundsatz noch nicht die untreuestrafbewehrte Verpflichtung, für eine Leistung in jedem Fall das niedrigste Angebot anzunehmen.15 Bei der Anstellungsuntreue wird der Gefahr einer Moralisierung des Schadensbegriffs gewehrt, wenn man auf die Kommerzialisierung (bzw. 1 BGH v. 4.11.1997 – 1 StR 273/97, BGHSt 43, 293, 299 – Intendanten-Fall; zust. Schramm in M/G, § 266 StGB Rz. 135; verfassungsrechtlich anerkannt in BVerfG v. 1.11.2012 – 2 BvR 1235/11, NJW 2013, 365, 367; zu Anm. und Kritik s. Rz. 79. 2 BGH v. 8.4.2003 – 5 StR 448/02, BGHR StGB § 266 Nachteil 54 – Holzbackofen-Fall – m. Anm. Wagner, NStZ 2003, 543; krit. Rübenstahl/Wasserburg, NStZ 2004, 521; Dierlamm in MüKo-StGB, § 266 Rz. 264; Saliger, JA 2007, 331 m. Fn. 63. 3 BVerfG v. 1.11.2012 – 2 BvR 1235/11, NJW 2013, 365, 366 f. – Fall Schäch – m. krit. Bspr. Bittmann, ZWH 2013, 56 f. A.A. zuvor BGH v. 13.4.2011 – 1 StR 592/10, NStZ 2011, 520, 521 m. abl. Bspr. Saliger, ZIS 2011, 912 ff. und Saliger, HRRS 2012, 365 f. 4 BVerfG v. 1.11.2012 – 2 BvR 1235/11, NJW 2013, 365, 367. 5 Zum Folgenden bereits Saliger in S/S/W-StGB, § 266 Rz. 117. 6 Saliger, ZStW 2000, 593 ff. u. Parteiengesetz, S. 460 ff.; zust. BGH v. 12.12.2013 – 3 StR 146/13, NStZ 2015, 220, 222 Rz. 22 m. Anm. Klemm; Noltensmeier, Public Private Partnership (2009), S. 305; ähnlich Fabricius, NStZ 1993, 419; Weimann, Strafbarkeit, S. 116 ff.; auch v. Selle, JZ 2008, 181, 184, der zwischen außer- und überplanmäßigen Ausgaben unterscheidet. 7 BGH v. 23.10.1981 – 2 StR 477/80, BGHSt 30, 247, 248. 8 OLG Koblenz v. 14.6.1999 – 1 Ss 75/99, NStZ 1999, 564, 565. 9 Soyka, JA 2011, 569 f. 10 A.A. BGH v. 8.4.1986 – 1 StR 104/86, NStZ 1986, 455 f.; Perron in S/S-StGB, § 266 Rz. 44. 11 BGH v. 21.10.1994 – 2 StR 328/94, BGHSt 40, 287, 294; BGH v. 14.12.2000 – 5 StR 123/00, NStZ 2001, 248, 251. 12 Dezidiert befürwortend Wolf, Strafbarkeit, S. 98 ff.; in die gleiche Richtung Schünemann, StV 2003, 469 ff. 13 Verstöße gegen diesen Grundsatz bejahen BGH v. 4.11.2014 – 2 Ws 298/14 – 161 AR 16/14, BeckRS 2014, 22076, S. 4 – Kassenärztliche Vereinigung; BGH v. 12.12.2013 – 3 StR 147/13, NStZ 2015, 220, 222 – kommunaler Wasserverband; BGH v. 25.5.2016 – IV ZR 197/15, BeckRS 2016, 10401, S. 4 ff. – Oberbürgermeister; zu diesen Fällen s. Rz. 117. 14 Saliger, ZStW 2000, 599 f. 15 Vgl. BGH v. 29.8.2007 – 5 StR 103/07, NStZ 2008, 87, 89; Fischer, StGB, § 266 Rz. 88.

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Kommerzialisierbarkeit) einer Einstellungsvoraussetzung abstellt. Daraus ergibt sich ein Wertungsunterschied zwischen der strafbaren Anstellung fachlich ungeeigneter Personen und der grundsätzlich straflosen Anstellung persönlich ungeeigneter Personen (vgl. auch Rz. 113).1 Die Übernahme von Verfahrens- und Verteidigerkosten durch den Dienstherrn kann als Ausübung seiner Fürsorgepflicht straflos sein, soweit der Strafvorwurf eine Amtsverrichtung betrifft oder damit im Zusammenhang steht und die Kosten angemessen sind (auch Rz. 56).2 Zu den Strafbarkeitsrisiken wegen Untreue bei kommunaler Aufgabenerfüllung Meyer, Hess. Städteund GemeindeZ 2009, 306. 3. Kredituntreue Die Strafbarkeit von Bank- und Sparkassenmitarbeitern (Bankleiter, Filialleiter, vermögensbetreuungspflichtige 120 Kreditsachbearbeiter etc.) wegen Untreue durch Kreditvergabe markiert die in der Praxis bedeutsamste Fallgruppe der Bankenuntreue.3 Da die Kreditvergabe der klassische Fall eines Risikogeschäfts ist (dazu Rz. 60 ff.),4 bildet die Abgrenzung erlaubter von unerlaubten Kreditrisiken bei der Prüfung der Pflichtwidrigkeit den Problemschwerpunkt der Rechtsanwendung. Ist die Kreditvergabe pflichtwidrig gewesen, so entsteht wegen der Minderwertigkeit des Rückzahlungsanspruchs ein wirtschaftlich unausgewogener Darlehensvertrag und damit unproblematisch eine konkrete schadensbegründende Vermögensgefahr (Rz. 90)5 als vollgültiger Vermögensnachteil (Rz. 83),6 der auf Basis des dargestellten bilanzrechtlichen Konkretisierungsansatzes grundsätzlich der Höhe nach zu beziffern ist (Rz. 65 f., 86 f. m.w.N.). Für die Bestimmung der Pflichtwidrigkeit gelten zunächst die Regeln des Risikogeschäfts (Rz. 61 f.) einschließlich der Regeln zum Einverständnis (Rz. 57 ff.) und zum unternehmerischen Gestaltungsspielraum (Rz. 46 ff.).7 Allerdings ist der beim Risikogeschäft u.U. noch erweiterte unternehmerische Gestaltungsspielraum (Rz. 62) bei der Kredituntreue gebunden an die Beachtung der – teilweise auch gesetzlich verankerten – Regeln professioneller Entscheidungsfindung, die den Risikokorridor strukturieren (vgl. Rz. 62). Die neuere Rspr. nimmt dazu die Ordnungsgemäßheit des Abwägungsvorgangs zum Ausgangspunkt. Danach sind bei einer Kreditvergabe auf der Grundlage umfassender Information die Risiken gegen die sich daraus ergebenden Chancen abzuwägen. Ist diese Abwägung sorgfältig erfolgt, so kann eine Pflichtverletzung nicht deshalb angenommen werden, weil das Kreditengagement später notleidend wird.8 In seinem ersten Grundsatzurteil zur Kredituntreue hat der 1. Strafsenat folgende Indizien für eine nicht ausreichende Risikoprüfung aufgestellt: Vernachlässigung der Informationspflicht, Überschreitung von Entscheidungsbefugnissen, falsche oder unvollständige Angaben gegenüber Mitverantwortlichen oder aufsichtsbefugten Personen, Nichteinhaltung vorgegebener Zwecke, Überschreitung der Höchstkreditgrenzen nach dem KWG oder eigennütziges Handeln der Entscheidungsträger. Der Senat betont, dass selbst bei Annahme einer Pflichtverletzung der eingetretene Vermögensnachteil nicht auf ihr beruhen muss. Die Kausalität der Pflichtwidrigkeit fehle etwa, wenn die erforderliche Befugnis der Entscheidungsträger nicht vorhanden, die Bonität des Kreditnehmers aber unzweifelhaft ist.9 Allerdings betont der 3. Strafsenat, dass Handlungs- und Beurteilungsspielräume nur auf Basis sorgfältig erhobener, geprüfter und analysierter Informationen bestehen. Dabei richtet sich der Umfang der Pflicht zur Informationsverschaffung auch nach dem Risiko, das dem Entscheidungsträger hinsichtlich fehlender Informationen erlaubt ist.10 In der Spruchpraxis kreist die nähere Bestimmung dieser Risikoprüfung vor allem um die Bedeutung der Vor- 121 schriften des KWG für die strafrechtliche Pflichtwidrigkeit, insbesondere die Stellung von § 18 KWG. Nach dieser Norm hat sich die Bank von Kreditnehmern, denen Kredite von insgesamt mehr als 750 000 Euro gewährt werden, die wirtschaftlichen Verhältnisse, vornehmlich durch Vorlage der Jahresabschlüsse, offenlegen zu lassen.11 Zunächst hat der 1. Strafsenat betont, dass die (allenfalls geringfügige) Verletzung der Informationspflicht aus § 18 KWG für sich die Annahme einer Pflichtverletzung nach § 266 nicht trägt. Entscheidend sei, ob die Entscheidungsträger ihrer Prüfungs- und Informationspflichten bezüglich des Kreditnehmers insgesamt ausreichend nachgekommen sind. Aus der Verletzung von § 18 KWG können sich demnach Anhaltspunkte für eine Verletzung der allgemeinen (strafrechtlichen) Prüfungspflicht ergeben. Doch kann eine fehlende Information wie der nicht 1 Saliger, ZStW 2000, 600 ff., 605 ff.; im Grundsatz übereinstimmend Jahn, JA 1999, 630; a.A. für das Verschweigen einer Stasi-Tätigkeit BGH v. 18.2.1999 – 5 StR 193/98, BGHSt 45, 1, 6 ff., 10 ff., 12. 2 BGH v. 7.11.1990 – 2 StR 439/90, NJW 1991, 990, 991 m. Anm. Wodicka, NStZ 1991, 487; Hillenkamp, JR 1992, 75. Im Einzelnen str., vgl. Dierlamm in MüKo-StGB, § 266 Rz. 196 und Perron in S/S-StGB, § 266 Rz. 44; krit. und enger Schünemann in LK-StGB, § 266 Rz. 237 und Fischer, StGB, § 266 Rz. 124. 3 Schünemann in LK-StGB, § 266 Rz. 240 ff.; zu weiteren Konstellationen Seier in A/R/R, Rz. 278 ff. 4 BGH v. 6.4.2000 – 1 StR 280/99, BGHSt 46, 30, 34; BGH v. 11.6.1985 – 5 StR 275/85, wistra 1985, 190, 191. 5 BGH v. 15.11.2001 – 1 StR 185/01, BGHSt 47, 148, 156 f. 6 BGH v. 20.3.2008 – 1 StR 488/07, NStZ 2008, 457 f. 7 Vgl. auch Ignor/Sättele, FS Hamm, S. 214 ff. 8 BGH v. 6.4.2000 – 1 StR 280/99, BGHSt 46, 30, 34; BGH v. 15.11.2001 – 1 StR 185/01, BGHSt 47, 148, 149 f. 9 BGH v. 6.4.2000 – 1 StR 280/99, BGHSt 46, 30, 34 m. Anm. Dierlamm/Links, NStZ 2000, 656; Doster, WM 2001, 333; Marxen/Karitzky, EWiR 2001, 391; Otto, JR 2000, 517; BVerfG v. 23.6.2010 – 2 BvR 2559/08, 2 BvR 105/09, 2 BvR 491/09, NJW 2010, 3209, 3217 f. Rz. 132. 10 BGH v. 13.8.2009 – 3 StR 576/08, ZIP 2009, 1854, 1857; vgl. auch LG Hamburg v. 9.7.2014 – 608 KLs 12/11, BeckRS 2015, 09104, VI. 2. b. – Fall HSH Nordbank. 11 Näher Schumann in M-G, § 67 Rz. 31 ff.

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Untreue

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§ 266 StGB Rz. 122

Strafgesetzbuch

vorliegende Jahresabschluss auch durch andere gleichwertige Informationen ersetzt werden.1 In seinem zweiten Grundsatzurteil zur Kredituntreue präzisiert der 1. Strafsenat das Verhältnis von § 18 KWG und der strafrechtlichen Pflichtwidrigkeit unter stärkerer Akzentuierung der Spezialvorschrift, die als „zentrale Bestimmung für die Kreditvergabe“ auch materiell einzuhalten ist. Zwar sollen die bankübliche Prüfungspflicht und § 18 KWG „nicht vollständig deckungsgleich“ sein. „Gravierende Verstöße gegen die bankübliche Informations- und Prüfungspflicht begründen aber eine Pflichtwidrigkeit i.S.d. Missbrauchstatbestands“, wobei auf die Erläuterungen der BAFin zurückgegriffen werden kann.2 Der 3. Strafsenat fordert im WestLB-Fall, dass ggf. auch Prüfberichte oder testierte Jahresabschlüsse von Wirtschaftsprüfern zu analysieren sind. Bei Erschließung eines neuen Geschäftsfeldes oder bei Verwirklichung einer neuen Geschäftsidee ist der Entscheidungsträger gehalten, sich für die erforderliche Risikoanalyse eine breite Entscheidungsgrundlage zu verschaffen.3 Das BVerfG hat diese Rspr. verfassungsrechtlich bestätigt.4 Damit bestimmen sich die internen Grenzen der Kreditwürdigkeitsprüfung zwar in erster Linie nach § 18 KWG, aber nicht ausschließlich, so dass Raum für eine strafrechtsautonome Pflichtwidrigkeitsprüfung verbleibt.5 Allgemein ist dieser strafrechtsspezifische Raum – der mittelbare Vermögensschutz (Rz. 36 ff.) – im Verhältnis zu den Vorschriften des KWG danach auszufüllen, ob die verletzte KWG-Norm auf die einzelne Kreditvergabe Bezug nimmt (als beachtliche „relative“ Vorschrift wie § 18 KWG) oder auf die Kreditpolitik der Bank insgesamt (als regelmäßig unbeachtliche, weil rechtsgutsneutrale „absolute“ Vorschrift)6 Insgesamt setzt die Festellung der Pflichtwidrigkeit eine umfassende Prüfung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Kreditnehmers, der beabsichtigten Verwendung des Kredits und der Einschätzung der Risiken voraus.7 122

Die Pflichtwidrigkeit bei Sanierungskrediten beurteilt die Rspr. auf Basis einer Gesamtbetrachtung (vgl. Rz. 62, 75). Danach kann eine Pflichtwidrigkeit auch bei hochriskanten (Folge-)Krediten entfallen, wenn diese Erfolg bei der Sanierung des gesamten Kreditengagements versprechen. Das soll insbesondere bei einem wirtschaftlich vernünftigen Gesamtplan der Fall sein, der auf einen einheitlichen Erfolg angelegt ist und bei dem erst nach einem Durchgangsstadium (Sanierung) ein Erfolg erzielt wird.8 Diese Restriktion ist zu begrüßen (h.M.).9 Sie bewahrt Entscheidungsspielraum und -freude der Treunehmer, schützt die Interessen des Treugebers und ermöglicht in sinnvollem Umfang Sanierungen. So betont der BGH, dass bei fehlender Existenzbedrohung der Bank und sorgfältiger Prüfung der Kreditwürdigkeit im Rahmen der Bewertung des wirtschaftlich vernünftigen Gesamtplans neben der Chance auf die Rettung von Altkrediten auch die ökonomisch sinnvolle Erhaltung des Unternehmens und seiner Arbeitsplätze als weitere Umstände berücksichtigt werden können.10 Sachlich bedeutet die Restriktion „wirtschaftlich vernünftiger Gesamtplan“ bei Risikogeschäften nichts anderes als eine in die Tathandlung vorgezogene Berücksichtigung der Judikatur zur Schadenskompensationstauglichkeit von Gewinnchancen (Rz. 75).11 Bei erkannter existentieller Gefährdung eines Kreditnehmers trifft die Vorstandsmitglieder des Kreditinstituts eine besondere Informations- und Prüfungspflicht im Zuge erneuter Kreditvergabeentscheidungen.12 Andererseits kann es gerade bei Sanierungskrediten geboten sein, den straflosen Abschlusses höchstriskanter Geschäfte stärker auszuweiten (vgl. Rz. 62).

123

Neben der Pflichtwidrigkeit kann bei der Kredituntreue auch die Feststellung des Vorsatzes Probleme bereiten. Eine bemerkenswerte Verschärfung hat die Vorsatzfeststellung bei der Kredituntreue in der neueren Rspr. des 1. Strafsenats erfahren. In BGH v. 6.4.2000 – 1 StR 280/99, BGHSt 46, 30 (34 f.) bemerkt das Gericht noch restriktiv, dass sich bei Bankvorständen und -mitarbeitern Kenntnis und Billigung einer über das allgemeine Risiko bei Kreditgeschäften hinausgehenden Gefährdung des Rückzahlungsanspruchs nicht von selbst verstehe. Entspreche bedürfe es einer sorgfältigen und strengen Prüfung insbesondere des bedingten Vorsatzes. In BGH v. 15.11.2001 – 1 StR 185/01, BGHSt 47, 148 (157) hingegen finden sich nach Art von „Beweisregeln“13 gestufte „Vorsatzpräsumtionen“: naheliegende Billigung bei höchster Gefährdung des Rückzahlungsanspruchs; noch näherliegende Billigung bei Unbeherrschbarkeit des Kreditengagements; stete Billigung bei Existenzgefährdung 1 BGH v. 6.4.2000 – 1 StR 280/99, BGHSt 46, 30, 32. 2 BGH v. 15.11.2001 – 1 StR 185/01, BGHSt 47, 148, 152 m. Anm. Kühne, StV 2002, 198; Marxen, EWiR 2002, 307; Keller/Sauer, wistra 2002, 365; krit. Knauer, NStZ 2002, 399, 400 ff. und Seier in A/R/R, Rz. 286; abl. Feigen, FS Rudolphi, S. 451 f.; LG Arnsberg v. 17.7.2013 – 6 KLs 1/13, BeckRS 2013, 15115. 3 BGH v. 13.8.2009 – 3 StR 576/08, ZIP 2009, 1854, 1857 m. Bspr. Wessing, BKR 2010, 159. 4 BVerfG v. 23.6.2010 – 2 BvR 2559/08, 2 BvR 105/09, 2 BvR 491/09, NJW 2010, 3209, 3218 Rz. 134. 5 Nack in M-G5, § 66 Rz. 79. 6 So Martin, Bankuntreue S. 140 ff. mit eingehender Analyse unter dem Aspekt des Schutzzweckzusammenhangs; dazu Rz. 104 f. 7 BGH v. 6.4.2000 – 1 StR 280/99, BGHSt 46, 30, 33. 8 BGH v. 15.11.2001 – 1 StR 185/01, BGHSt 47, 148, 153; vgl. auch BGH v. 11.6.1991 – 1 StR 267/91, wistra 1992, 26; LG Arnsberg v. 17.7.2013 – 6 KLs 1/13, BeckRS 2013, 15115. 9 Seier in A/R/R, Rz. 287; Saliger in S/S/W-StGB, § 266 Rz. 120 und Saliger, HRRS 2006, 18 f.; Dierlamm in MüKo-StGB, Rz. 239; Schumann in M-G, § 67 Rz. 111 ff.; Dahs, NJW 2002, 273; Feigen, FS Rudolphi, 454 f.; Ignor/Sättele, FS Hamm, S. 216; krit. Fischer, StGB, § 266 Rz. 66. 10 BGH v. 15.11.2001 – 1 StR 185/01, BGHSt 47, 148, 153 f.; LG Arnsberg v. 17.7.2013 – 6 KLs 1/13, BeckRS 2013, 15115. 11 Saliger in S/S/W-StGB, § 266 Rz. 120; vgl. ferner Saliger, Parteiengesetz, S. 142 ff., 146 f.; auch Feigen, FS Rudolphi, S. 454 f.; a.A., also erst Berücksichtigung bei der Schadenskompensation, Aldenhoff/Kuhn, ZIP 2004, 108. 12 BGH v. 31.8.2004 – 1 StR 347/04, NStZ-RR 2004, 367; vgl. auch v. 15.11.2001 – 1 StR 185/01, BGHSt 47, 148, 154 f. 13 Kühne, StV 2002, 199.

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Rz. 125 § 266 StGB

der Bank; naheliegender direkter Vorsatz bei positiver Kenntnis der Unzuverlässigkeit des Kreditnehmers.1 In BGH v. 20.3.2008 – 1 StR 488/07, NStZ 2008, 457 f. beschränkt sich die Vorsatzprüfung auf eine Zuordnung des regelmäßig gegebenen direkten Vorsatzes zur konkreten Vermögensgefahr als realer Vermögenseinbuße durch die pflichtwidrige Kreditvergabe. Mit dieser Vorsatzverschärfung wendet der 1. Strafsenat die Möglichkeit ab, die vom 2. Strafsenat im Fall Kanther für die schadensgleiche Vermögensgefahr entwickelte Verengung des bedingten Vorsatzes auf eine Billigung der Schadensrealisierung auf die Kredituntreue anwenden zu müssen. Fraglich bleibt allerdings, ob die Vorsatzverschärfung des 1. Strafsenats der Komplexität der Entscheidungslagen bei der Kredituntreue gerecht werden kann (vgl. auch Rz. 84, 119). Der 3. Strafsenat grenzt im WestLB-Fall danach ab, ob der Täter die den Minderwert des Rückzahlungsanspruchs begründenden Umstände kennt und um dessen Minderwertigkeit nach allgemeinen Bewertungsmaßstäben weiß – dann direkter Vorsatz –, oder ob er nur mit Umständen rechnet und diese billigend in Kauf nimmt, welche die Pflichtwidrigkeit seines Tuns und die Minderwertigkeit des Rückzahlungsanspruchs begründen – dann bedingter Vorsatz. In beiden Fällen ist die Hoffnung des Täters, den Kredit letztlich noch zurückführen zu können, irrelevant.2 Soweit die Kreditentscheidung wie praktisch häufig auf einer Gremienentscheidung beruht, gelten die Grund- 124 sätze der Lederspray-Entscheidung.3 Der 1. Strafsenat stellt jedoch klar, dass auch für den Fall des Einstimmigkeitsprinzips unterschiedliche Verantwortlichkeiten der Beteiligten in Frage kommen. So kann sich der Bankleiter grundsätzlich auf den Bericht des federführenden Vorstandsmitglieds oder als zuverlässig bekannter Kreditsachbearbeiter verlassen. Erst bei Zweifeln oder Unstimmigkeiten ist Rückfrage oder eigene Nachprüfung geboten. Eine eigene Nachprüfung soll auch dann erforderlich sein, wenn das Kreditengagement ein besonders hohes Risiko insbesondere für die Existenz der Bank beinhaltet oder die Bonität des Kunden eines hohen Kredits ungewöhnlich problematisch ist (s. auch Rz. 52 ff.).4 4. Parteienuntreue Eine neue Untreuefallgruppe, die ihren Ausgang von den Parteienfinanzierungsaffären Anfang 2000 genommen 125 hat, ist die Parteienuntreue.5 Nach anfänglich großer Rechtsunsicherheit in der Praxis6 und einer nach wie vor streitigen Diskussionslage im Schrifttum7 hat die Strafjustiz mittlerweile die Strafbarkeit der Partienuntreue anerkannt. Dass eine Untreue durch die pflichtwidrige8 Auslösung von parteiengesetzlichen Sanktionen – neben innerparteilichen Rückforderungsansprüchen – als Vermögensnachteil verwirklicht werden kann, haben der 3. Strafsenat9 für die Erlangung rechtswidriger Einflussspenden und der 2. Strafsenat für das Risiko des Verlustes des Zuwendungsanteils an der Parteienfinanzierung durch die Einreichung eines unrichtigen Rechenschaftsberichts10 jeweils in Form schadensgleicher Vermögensgefahren bejaht. Das BVerfG ist in seinem Untreue-Beschluss wie selbstverständlich von der Akzeptanz der Parteienuntreue als strafbarer Fallgruppe der Untreue ausgegangen.11 Auch der 1. Strafsenat des BGH bestätigt in seiner jüngsten Rspr. zum PartG a.F., wenngleich mit völlig abweichender dogmatischer Konstruktion, im Ergebnis die Strafbarkeit der Parteienuntreue (dazu näher Rz. 126). Auch das AG Altötting12 gelangt im ersten Strafurteil zum neuen PartG zu einer entsprechenden Einordnung der Auslösung des finanziellen Gegenanspruchs des Bundestagspräsidenten (§ 31c Abs. 1 S. 2 PartG). Der 3. Strafsenat hat im Fall Konzept „Wahlsieg 2006“ als erste höchstrichterliche Entscheidung zum neuen Parteiengesetz die Grundsätze der Rspr. des 1. Strafsenats einerseits im Kern bekräftigt, andererseits neue – und zutreffende – eigene Akzente gesetzt.13 Diese Rspr. verdient im Grundsatz Zustimmung, obgleich die Annahme einer schadensgleichen Vermögensgefahr durch den Verlust des Zuwendungsanteils und die Einbeziehung von 1 Krit. Feigen, FS Rudolphi, 461 f.; Ignor/Sättele, FS Hamm, S. 223 f. 2 BGH v. 13.8.2009 – 3 StR 576/08, ZIP 2009, 1854, 1856 Rz. 24 m. Bspr. Wessing, BKR 2010, 159. 3 BGH v. 6.7.1990 – 2 StR 549/89, BGHSt 37, 106, 123 ff.; vgl. auch den Bezug in BGH v. 15.11.2001 – 1 StR 185/01, BGHSt 47, 148, 156; zum Ganzen Fischer, StGB, § 266 Rz. 73; Matt in M/R-StGB, § 266 Rz. 111 f. 4 BGH v. 15.11.2001 – 1 StR 185/01, BGHSt 47, 148, 156; auch BGH v. 6.4.2000 – 1 StR 280/99, BGHSt 46, 30, 35. 5 Zum Folgenden Saliger in S/S/W-StGB, § 266 Rz. 123 f. und Ipsen/Saliger, PartG § 31d Rz. 137 ff. 6 Vgl. LG Bonn v. 28.2.2001 – 27 AR 2/01, NJW 2001, 1736 – Kohl; LG Wiesbaden v. 25.3.2002 – 6 Js 3204/00 – 16 KLs, NJW 2002, 1510 – Kanther. 7 Für möglich halten eine Parteienuntreue – mit Unterschieden im einzelnen – Saliger in S/S/W-StGB, § 266 Rz. 123 f. und Saliger, Parteiengesetz, 2005, S. 165 ff., 692 ff.; Perron in S/S-StGB, § 266 Rz. 45 und Perron, NStZ 2008, 517 ff.; Fischer, StGB, § 266 Rz. 76, 131, 136; Esser in AnwK-StGB, § 266 Rz. 268 ff.; Wessels/Hillenkamp, Rz. 777 m. Fn. 152; Burger, Untreue (2007), S. 286 f.; Strelczyk, Strafbarkeit (2008), S. 206 f.; Wolf, KJ 2000, 531; Velten, NJW 2000, 2852; Schwind, NStZ 2001, 349; vgl. auch Heger in Lackner/Kühl, StGB, § 266 Rz. 5a, 17a. Gegen eine Parteienuntreue Otto, RuP 2000, 109; Hamm, NJW 2001, 1694; Volhard, FS Lüderssen, S. 673; H.-L. Günther, FS Weber 316 f.; Seier in A/R/R, Rz. 199 ff.; krit. auch Krüger, NJW 2002, 1178; Dierlamm in MüKo-StGB, § 266 Rz. 258; Matt, NJW 2005, 389; ferner Faust, Untreuestrafbarkeit, S. 164 f., die zu weitgehender Straflosigkeit gelangt. 8 Zu Täterkreis und Pflichtwidrigkeit näher: Saliger, Parteiengesetz, S. 20 ff., 66 ff., 668 ff. 9 BGH v. 21.12.2006 – 3 StR 240/06, HRRS 2007 Nr. 173 – Fall Richter/Kremendahl; vgl. auch BGH v. 28.10.2004 – 3 StR 301/03, BGHSt 49, 275 (303) und dazu Saliger/Sinner, NJW 2005, 1077. 10 BGH v. 18.10.2006 – 2 StR 499/05, BGHSt 51, 100, 117 f., Anm. s. Rz. 97. 11 Vgl. BVerfG v. 23.6.2010 – 2 BvR 2559/08, 2 BvR 105/09, 2 BvR 491/09, NJW 2010, 3209, 3212 f. Rz. 91. 12 AG Altötting v. 20.8.2007 – 4 Ls 400 Js 38335/05, UA S. 6 f., 10 f. 13 BGH v. 11.12.2014 – 3 StR 265/14, NJW 2015, 1618, 1619 ff. m. Anm. Altenburg.

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StGB

Untreue

StGB

§ 266 StGB Rz. 126

Strafgesetzbuch

Rückforderungsansprüchen im Lichte des Unmittelbarkeitsprinzips nicht überzeugt (dazu Rz. 95). Bei den finanziellen Sanktionen des alten und des neuen Parteiengesetzes handelt es sich um untreuetaugliche Vermögensnachteile, die in einem funktionalen Zusammenhang (Rz. 45) zur Vermögensbetreuungspflicht der Parteiakteure stehen.1 Insbesondere lässt sich die Untreuestrafbarkeit nicht unter Hinweis auf einen fehlenden Schutzzweckzusammenhang verneinen (vgl. Rz. 82 f.). Der 3. Strafsenat hat zum Fall „Konzept Wahlsieg 2006“ Folgendes richtig festgestellt: Die zweckwidrige Verwendung von Fraktionsgeldern zu Gunsten der Landespartei durch den Fraktions- und Landesvorsitzenden begründet als unzulässige verdeckte Parteienfinanzierung eine gravierende Pflichtverletzung und führt zu einem entsprechenden endgültigen Vermögensnachteil der Landtagsfraktion.2 Ebenfalls als Untreue zum Nachteil des Landesverbandes strafbar ist die Annahme einer rechtswidrigen Parteispende, ihre Nichtweiterleitung an den Bundestagspräsidenten und ihre Nichtveröffentlichung im Rechenschaftsbericht der Partei.3 Denn § 31c Abs. 1 S. 1 PartG markiert als materiell selbstvollstreckende Sanktion einen untreuetauglichen Vermögensnachteil.4 Schließlich führt das Bewirken eines falschen Rechenschaftsberichts zur Strafbarkeit nach § 31d Abs. 1 Nr. 1 PartG, da diese Strafnorm mit dem Vertrauen der Öffentlichkeit in die Richtigkeit der Rechnungslegung ein eigenständiges Rechtsgut schützt und daher nicht straflose mitbestrafte Nachtat ist.5 Zu den Fallgruppen einer Parteienuntreue i.e.S. durch die Auslösung parteiengesetzlicher Sanktionen,6 die praktisch eine erhebliche Strafbarkeitseinschränkung durch das Vorsatzerfordernis erfahren, s. Ipsen/Saliger, PartG, § 31d Rz. 142 f.; zur Parteienuntreue i.w.S. durch zweckwidrige Mittelverwendungen s. Saliger, Parteiengesetz, S. 446 ff., 682 f. und Rz. 112 f., durch schwarze Kassen Rz. 97 f.; zur Betrugsstrafbarkeit vgl. BGH v. 11.12.2014 – 3 StR 265/14, NJW 2015, 1618 (1624); zur analogen Anwendung der strafbefreienden Selbstanzeige in § 31d Abs. 1 S. 2 PartG bei der Parteienuntreue s. Ipsen/Saliger, PartG, § 31d Rz. 147 ff. (150). Das Restriktionserfordernis der gravierenden Pflichtverletzung ist erfüllt, weil schon der Parteiengesetzgeber selbst alle Verstöße gegen das Parteiengesetz, die er mit finanziellen Sanktionen versehen hat, als schwerwiegend eingestuft hat (vgl. Rz. 49).7 126

Davon abweichend konstruiert der 1. Strafsenat des BGH (und ihm im Wesentlichen folgend der 3. Strafsenat) die Strafbarkeit der Parteienuntreue. Danach scheiden die Vorschriften des PartG als untreuetaugliche Pflichtenquelle aus, weil sie vornehmlich der Sicherstellung und Transparenz der staatlichen Parteienfinanzierung dienten und deshalb trotz ihres mittelbaren Bezugs auf das Parteivermögen durch Auslösung von Sanktionen nicht vermögensschützend seien.8 Vermögensschützend und damit untreuetauglich sollen die Normen des PartG jedoch dann werden, wenn sie – wie (noch) regelmäßig – Gegenstand einer selbständigen, von der Partei in ihrer Satzung statuierten Verpflichtung sind.9 Auch den Vermögensnachteil bestimmt der 1. Strafsenat anders. Um den Anforderungen des BVerfG für die grundsätzliche Bezifferbarkeit des Vermögensnachteils (dazu Rz. 65) Rechnung tragen zu können,10 erklärt der 1. Strafsenat, dass der Vermögensnachteil für die Partei nach Tataufdeckung auch vor Festsetzung der finanziellen Sanktion durch den Bundestagspräsidenten „nicht lediglich unter dem Gesichtspunkt einer schadensgleichen Vermögensgefährdung“ zu betrachten sei, sondern unmittelbar „mit der Entdeckung der Tathandlung“ eintrete.11 Denn wegen des self-executing-Charakters der parteiengesetzlichen Sanktionen sei die Inanspruchnahme der Partei nach Aufdeckung der Tat „nahezu sicher, jedenfalls überwiegend wahrscheinlich“. Der bezifferbare Schaden ergebe sich insoweit unmittelbar aus dem gemäß der parteiengesetzlichen Sanktion erforderlichen Abzugsbetrag.12 Das Problem des längeren Zeitraums zwischen Tathandlung und sanktionsauslösender Tatentdeckung sieht der 1. Strafsenat durch Hinweise auf die vorhandene Kausalität und – in vermeintlicher Fortführung des AUB-Beschlusses – auf die Nichterforderlichkeit eines unmittelbaren Zusammenhangs zwischen Tathandlung und Vermögensnachteil behoben.13 Diese Rspr. ist abzulehnen.14 Zunächst ist der ohne nähere 1 2 3 4 5 6 7 8 9

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So nun auch BGH v. 11.12.2014 – 3 StR 265/14, NJW 2015, 1618, 1623. BGH v. 11.12.2014 – 3 StR 265/14, NJW 2015, 1618, 1620 f. BGH v. 11.12.2014 – 3 StR 265/14, NJW 2015, 1618, 1621 ff. BGH v. 11.12.2014 – 3 StR 265/14, NJW 2015, 1618, 1623 unter Bezug auf Saliger, Parteiengesetz, 671 ff. BGH v. 11.12.2014 – 3 StR 265/14, NJW 2015, 1618, 1624; zu dieser Norm eingehend Ipsen/Saliger, PartG, § 31d. Zum Begriff: Saliger, Parteiengesetz, S. 66 f.; aufgegriffen in BGH v. 11.12.2014 – 3 StR 265/14, NJW 2015, 1618, 1621. Vgl. BGH v. 11.12.2014 – 3 StR 265/14, NJW 2015, 1618, 1620. Letzteres noch offengelassen in BGH v. 13.9.2010 – 1 StR 220/09, BGHSt 55, 288, 301. BGH v. 13.4.2011 – 1 StR 94/10, BGHSt 56, 203, 211 ff. – Kölner Parteispendenfall – m.abl. Anm. bzw. Bspr. Brand, NJW 2011, 1751; Rönnau, StV 2011, 755; Saliger, ZIS 2011, 909; Wagner, ZIS 2012, 28; Olßon, BLJ 2013, 80 ff.; nur teils krit. Corsten, wistra 2011, 389; eher zust. Bittmann, wistra 2011, 343. Bestätigt in BGH v. 5.9.2012 – 1 StR 297/12, NJW 2012, 3797, 3798; BGH v. 11.12.2014 – 3 StR 265/14, NJW 2015, 1618, 1622 – Konzept „Wahlsieg 2006“; vgl. auch BGH v. 10.1.2013 – 1 StR 297/12, wistra 2013, 153, 154. Vgl. BGH v. 13.4.2011 – 1 StR 94/10, BGHSt 56, 203, 220. BGH v. 13.4.2011 – 1 StR 94/10, BGHSt 56, 203, 219. BGH v. 13.4.2011 – 1 StR 94/10, BGHSt 56, 203, 220; vgl. auch BGH v. 11.12.2014 – 3 StR 265/14, NJW 2015, 1618, 1623, wo zusätzlich festgestellt wird, dass der Schaden auch endgültig beim in Regress genommenen Landesverband eingetreten ist. BGH v. 13.4.2011 – 1 StR 94/10, BGHSt 56, 203, 220 f. Zum Folgenden Saliger in S/S/W-StGB, § 266 Rz. 124 und Saliger, ZIS 2011, 910 f.; i.E. ebenso Brand, NJW 2011, 1751; Rönnau, StV 2011, 755 nur zur Pflichtverletzung; Wagner, ZIS 2012, 28, 30 ff., der allerdings trotz aufbaumäßiger Trennung in der Sache nicht klar (vgl. S. 31 ff., 33) zwischen Vermögensbetreuungspflicht und Pflichtverletzung unterscheidet; Olßon, BLJ 2013, 80 ff.

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Rz. 128 § 266 StGB

Pflichtenanalyse (zu deren Erforderlichkeit Rz. 38) und Auseinandersetzung mit dem einschlägigen Schrifttum erfolgten Verneinung jeglichen vermögensschützenden Charakters der parteiengesetzlichen Normen1 zu widersprechen. Denn der zumindest mittelbare Vermögensbezug (vgl. Rz. 36 ff.) der parteiengesetzlichen Normen wird schon durch ihre Sanktionsbewehrung hergestellt, zumal das Parteienrecht Wettbewerbsrecht ist2 und durch die sanktionsbedingte Verminderung der Finanzmittel jener Parteien, die das PartG verletzen, deren Wettbewerbschancen steuert.3 Nicht überzeugend ist auch die wundersame Verwandlung der vermeintlich an sich untreueuntauglichen parteiengesetzlichen Pflichten in untreuetaugliche durch ihre satzungsmäßige Verankerung,4 weil entscheidend für die Untreuetauglichkeit einer Rechtspflicht nicht ihre Quelle, sondern ihr Inhalt ist.5 Der Ansatz des 1. Strafsenats erlaubt demgegenüber inakzeptable Ergebnisse, sei es dass nicht vermögensbezogene Pflichten qua Satzung untreuetauglich werden können,6 sei es dass die Parteien dazu befähigt werden, sich der Strafbarkeitsrisiken aus der Parteienuntreue durch Satzungsänderungen zu entledigen, was dem Rangverhältnis zwischen öffentlichem Recht und privatem Recht Hohn spräche.7 Nicht haltbar ist schließlich die Konstruktion des Vermögensnachteils als Endschaden. Mit dem Abstellen auf die Tatentdeckung als maßgeblichem Beurteilungszeitpunkt für die Schadensbestimmung verläßt der 1. Strafsenat ohne Not (zur Saldierung in diesen Fällen Rz. 86 ff.) den bislang unstrittigen Ausgangspunkt, dass die Gesamtsaldierung sich bei den Vermögensdelikten nach dem Zeitpunkt der Vornahme der Tathandlung beurteilt (vgl. Rz. 71). Von dem prozessualen Moment der Tatendeckung kann aber die materielle Strafbarkeit grundsätzlich nicht abhängig gemacht werden. Hinzu kommt, dass der Verzicht auf den Unmittelbarkeitszusammenhang (Rz. 73 ff.) zu einer zeitlich unabsehbaren Ausweitung der Untreuestrafbarkeit führt, die mit den Restriktionsvorgaben des BVerfG zur schadensbegründenden Vermögensgefahr (vgl. Rz. 86) unvereinbar ist.8 Weitere Fallgruppen. Zur Anstellungsuntreue s. Rz. 113, 118 f. Zur Untreue durch Anwälte und Notare 127 Rz. 15 f., 51, 92 ff. und Seier in A/R/R, Rz. 259 ff., 387 ff. Zur Untreue durch Architekten Rz. 16 sowie Seier in A/R/R, Rz. 270 f. Zur Arztuntreue s. Rz. 16, 23, 81; ferner BGH v. 25.11.2003 – 4 StR 239/03, wistra 2006, 63 (Verschreibung überflüssiger Medikamente); BGH v. 16.8.2016 – 4 StR 163/16, BeckRS 2016, 16636 (Ausstellung von nicht indizierten, fiktiven Heilmittelverordnungen); OLG Karlsruhe, v. 13.2.2006 – 3 Ws 199/04, NStZ-RR 2007, 78 (Vergleich über betrügerisch erlangte Arzthonorare); Ulsenheimer, MedR 2005, 622; Taschke, StV 2005, 406; Weidhaas, ZMGR 2005, 52; Seier in A/R/R, Rz. 273 ff. Zur Bauträgeruntreue s. Rz. 11, 16 sowie Greeve/Leipold, Handbuch des Baustrafrechts (2004), § 27; Broß/Thode, NStZ 1993, 369; Holzmann, Bauträgeruntreue und Strafrecht; Seier in A/R/R, Rz. 293 ff. Zur Untreue von Mitarbeitern in kommunalen Spitzenverbänden Schelzke, Strafbarkeitsrisiken (2013), S. 125 ff. Zur Untreue bei Cross-Border-Leasinggeschäften und bei spekulativen Derivaten im öffentlichen Sektor (Zinsswaps) s. Rz. 63. Zur Geldwäschetauglichkeit als Vermögensnachteil bei der Untreue Bülte, NStZ 2014, 680. Zur Untreuestrafbarkeit durch Übernahme von Geldsanktionen, Verfahrenskosten und Verteidigerhonoraren s. Rz. 56, 119; Poller, StraFo 2005, 274; Spatscheck/Ehnert, StraFo 2005, 265. Zur Untreuestrafbarkeit bei der Private Company Limited by Shares Rönnau, ZGR 2005, 832 (853 ff.); Schlösser, wistra 2006, 81 (85 ff.) und Rz. 109. Zur regelmäßig nicht gegebenen Untreue durch Bezahlung von Schwarzarbeit Burghardt/Bröckers, NJW 2015, 903. Zum Untreuevorwurf im Zusammenhang mit den Target2-Salden der Bundesbank Kirkpatrick, wistra 2013, 249. Zur Untreue bei Spielertransfers Krüger/Brand/Müller/Raschke, causa sport 2/2012, 137. Zur Stiftungsuntreue s. Rz. 15 sowie Saliger, Non Profit Law Yearbook 2005, S. 209, Lassmann, Stiftungsuntreue und Lassmann, NStZ 2009, 473, Gräwe/v. Maltzahn, BB 2013, 329; Werner, ZWH 2013, 348. Zur Vereinsuntreue OLG Köln v. 6.5.2013 – 2 Ws 254/13, BeckRS 2013, 08025; Eisele, GA 2001, 377; Brand/Sperling, JR 2010, 473. Zur Untreue durch Vermögens- und Anlageberater s. Rz. 15, 56 und Seier in A/R/R, Rz. 225 ff., 254 ff.

VI. Subjektiver Tatbestand: Vorsatz und Irrtum § 266 setzt vorsätzliches Handeln voraus (vgl. § 15). Fahrlässige Untreue ist traditioneller- und richtigerweise 128 nicht strafbar.9 Unstreitig genügt bedingter Vorsatz.10 Eine Bereicherungsabsicht ist anders als beim Betrug nicht erforderlich (Rz. 1).11 Wegen der Weite des objektiven Tatbestands (Rz. 4, 8) sind an die Annahme des Untreuevorsatzes nach st. Rspr strenge Anforderungen zu stellen, vor allem dann, wenn nur bedingter Vorsatz in Frage 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10

Vgl. BGH v. 13.4.2011 – 1 StR 94/10, BGHSt 56, 203, 211. Vgl. Morlok, NJW 2000, 768. Saliger, Parteiengesetz S. 203 f. So zuvor auch Velten, NJW 2000, 2853; Strelczyk, Strafbarkeit (2008), S. 177 ff. Saliger, ZIS 2011, 911; krit. auch Brand, NJW 2011, 1752; Rönnau, StV 2011, 755. Rönnau, StV 2011, 755. Saliger, ZIS 2011, 911. Brand, NJW 2011, 1752. Zu den Gründen und vereinzelten abw. Vorschlägen Saliger, Parteiengesetz S. 474 f. m.N. BGH v. 6.4.2000 – 1 StR 280/99, BGHSt 46, 30, 35; BGH v. 27.2.1975 – 4 StR 571/74, NJW 1975, 1234, 1236; Heger in Lackner/Kühl, StGB, § 266 Rz. 19; Fischer, StGB, § 266 Rz. 175; Saliger in S/S/W-StGB, § 266 Rz. 126; Perron in S/SStGB, § 266 Rz. 49; LK/Schünemann Rz. 150. 11 Zu abw. historischen Regelungen: Freudenthal, Untreue, S. 118, zu rechtspolitischen Forderungen Saliger Parteiengesetz, S. 476 f. mN.

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StGB

Untreue

StGB

§ 266 StGB Rz. 129

Strafgesetzbuch

steht und der Täter nicht eigensüchtig gehandelt hat,1 auch bei bloßer Vermögensgefährdung durch Unterlassen.2 Diese Rspr. ist in ihrem Restriktionsbestreben zwar begrüßenswert. Soweit der unterbestimmte objektive Untreuetatbestand allerdings der Eingrenzung bedarf (Rz. 4), ist diese Eingrenzung mit der gebotenen Rechtssicherheit nur objektiv und nicht subjektiv zu leisten.3 Allgemein muss sich der Täter nicht nur seiner Vermögensbetreuungspflicht und der Pflichtwidrigkeit seines Tuns, sondern auch des dadurch bewirkten Vermögensnachteils bewusst sein.4 Dabei sind in Umsetzung des verfassungsrechtlichen Verschleifungsverbots (vgl. Rz. 4, 8) der Vorsatz zur Pflichtverletzung und der Vorsatz zur Nachteilszufügung unabhängig voneinander festzustellen. Insbesondere darf der Nachteilsvorsatz nicht derart im Pflichtwidrigkeitsvorsatz aufgehen, dass er seine eigenständige Bedeutung weitgehend verliert. Das gilt trotz des inneren Zusammenhangs zwischen Tathandlung und Taterfolg, etwa wenn die Pflichtwidrigkeit der Tathandlung aus der für das Treugebervermögen innewohnenden Gefährdung folgt.5 129

Die sorgfältige Trennung von Pflichtwidrigkeits- und Nachteilsvorsatz jeweils in ihren kognitiven wie volitiven Elementen wird vor allem bei Risikogeschäften erheblich.6 Von besonderer Bedeutung ist der Nachteilsvorsatz. Bezüglich der Wissenseite verlangt die Rspr. eine zutreffende Bewertung des eingegangenen Risikos durch den Täter, welche sich nach dem festzustellenden Umfang der Kenntnis von Risikofaktoren und Risikograd beurteilt.7 Uneinheitlich geworden sind in der neueren Rspr. des BGH die Anforderungen an die Wollenskomponente des Nachteilsvorsatzes.8 So verlangt der 2. Strafsenat seit dem Kanther-Urteil für den bedingten Gefährdungsvorsatz nicht nur Kenntnis und Billigung der Gefahr eines endgültigen Vermögensverlustes, sondern Billigung der Realisierung dieser Gefahr.9 Der 1. Strafsenat hat dieser Rspr. in einem obiter dictum widersprochen. Er betrachtet für den Fall einer pflichtwidrigen Kreditvergabe die in der Minderung des Rückzahlungsanspruchs liegende sog. konkrete Vermögensgefährdung bereits als reale Vermögenseinbuße, so dass diesbezüglich direkter Vorsatz gegeben sei (auch Rz. 84, 88, 89).10 Er hält diese Rspr. vereinbar11 mit seinem früheren Urteil zur Untreue durch Kreditvergabe, wo er je nach Kenntnis des Täters von der Höhe des Ausfallrisikos Vorsatzpräsumtionen von bedingtem bis direktem Vorsatz aufgestellt hat (Rz. 123).12 Das BVerfG hat in seiner Kammerentscheidung von 2009 in einem obiter dictum einerseits erklärt, dass die einschränkende Auslegung in Gestalt eines Schadensrealisierungsvorsatzes „gerade dem Bestimmtheitserfordernis aus Art. 103 Abs. 2 GG Rechnung tragen kann“.13 Andererseits hat der 2. Senat sich in seinem wichtigeren Untreuebeschluss von 2010 zu dieser Figur nicht mehr geäußert.14 Im Schrifttum ist die Restriktion dogmatisch nur teilweise auf Zustimmung,15 überwiegend jedoch wegen der in Rz. 88 genannten Gründe mit Recht auf Ablehnung gestoßen.16 Die Strafsenate des BGH weichen derzeit unbefriedigenderweise einer Anrufung des Großen Senats aus, sei es, dass sie nach wie vor bisherige Fallgruppen der

1 BGH v. 27.2.1975 – 4 StR 571/74, NJW 1975, 1234, 1236; BGH v. 11.11.1982 – 4 StR 406/82, NJW 1983, 461; BGH v. 2.7.1997 – 2 StR 228/97, NStZ 1997, 543; BGH v. 23.5.2002 – 1 StR 372/01, BGHSt 47, 295, 302; BVerfG v. 10.3.2009 – 2 BvR 1980/07, NJW 2009, 2370, 2372 Rz. 36; zust. Heger in Lackner/Kühl, StGB, § 266 Rz. 19; eingehende Analyse bei Hillenkamp, FS Maiwald (2010), S. 326 ff. 2 Vgl. BGH v. 11.11.1982 – 4 StR 406/82, NJW 1983, 461; BGH v. 2.7.1997 – 2 StR 228/97, wistra 1997, 301; Maurach/ Schroeder/Maiwald, BT 1 § 45 Rz. 51; Seier in A/R/R, Rz. 88; Fischer, StGB, § 266 Rz. 176. 3 Krit. ebenso Schünemann in LK-StGB, § 266 Rz. 151; Perron in S/S-StGB, § 266 Rz. 50; Seier in A/R/R, Rz. 89; Dierlamm in MüKo-StGB, § 266 Rz. 281; Saliger in S/S/W-StGB, § 266 Rz. 126 und Saliger, HRRS 2006, 23; Kubiciel, NStZ 2005, 356; auch Fischer, StGB, § 266 Rz. 176. 4 BGH v. 8.4.1986 – 1 StR 104/86, NStZ 1986, 455, 456; ferner BGH v. 2.7.1997 – 2 StR 228/97, NStZ 1997, 543; BGH v. 9.11.1999 – 1 StR 540/99, wistra 2000, 61; BGH v. 23.5.2002 – 1 StR 372/01, BGHSt 47, 295, 302. 5 BGH v. 28.5.2013 – 5 StR 551/11, NStZ 2013, 715 m. Anm. Saliger, ZWH 2014, 74; dazu auch Beukelmann, NJW-Spezial 2013, 440. 6 Vgl. BGH v. 28.5.2013 – 5 StR 551/11, NStZ 2013, 715 f. m. Anm. Saliger, ZWH 2014, 74. 7 BGH v. 28.5.2013 – 5 StR 551/11, NStZ 2013, 715 f. 8 Vgl. auch Esser in AnwK-StGB, § 266 Rz. 225 ff. 9 BGH v. 18.10.2006 – 2 StR 499/05, BGHSt 51, 100, 121; BGH v. 25.5.2007 – 2 StR 469/06, wistra 2007, 384, 385; BGH v. 7.4.2010 – 2 StR 153/09, NJW 2010, 1764 f.; ebenso der 5. Strafsenat in BGH v. 2.4.2008 – 5 StR 354/07, BGHSt 52, 182, 190 und BGH v. 28.5.2013 – 5 StR 551/11, BeckRS 2013, 10324, Rz. 24; ferner OLG Hamburg v. 10.6.2009 -3 Ss 29/09, BeckRS 2009, 28061. 10 BGH v. 20.3.2008 – 1 StR 488/07, NStZ 2008, 457 f.; vgl. ferner BGH v. 18.2.2009 – 1 StR 731/08, BGHSt 53, 199, 204 und BGH v. 13.4.2011 – 1 StR 94/10, BGHSt 56, 203, 221. 11 Vgl. BGH v. 20.3.2008 – 1 StR 488/07, NStZ 2008, 457. 12 BGH v. 15.11.2001 – 1 StR 185/01, BGHSt 47, 148, 157. Krit. Dierlamm in MüKo-StGB, § 266 Rz. 283; Fischer, StraFo 2008, 273 f. 13 BVerfG v. 10.3.2009 – 2 BvR 1980/07, NJW 2009, 2370, 2373 Rz. 40. 14 Vgl. BVerfG v. 23.6.2010 – 2 BvR 2559/08, 2 BvR 105/09, 2 BvR 491/09, NJW 2010, 3209, 3214 Rz. 105. 15 Vgl. etwa Fischer, StGB, § 266 Rz. 183 f.; Matt in M/R-StGB, § 266 Rz. 155; Kempf, FS Hamm, S. 264. Für eine Beschränkung des Pflichtwidrigkeitsvorsatzes auf sichere Kenntnis unter freihändiger Berufung auf Art. 103 Abs. 2 GG sogar Dinter, Der Pflichtwidrigkeitsvorsatz (2012), S. 122 ff., 129 ff. 16 Zu den in Rz. 88 Genannten Perron in S/S-StGB, § 266 Rz. 50 und Perron, FS Tiedemann (2008), S. 747 f.; Saliger in S/S/W-StGB, § 266 Rz. 127; Schramm in M/G, § 266 StGB Rz. 141; Hillenkamp, FS Maiwald (2010), S. 341 ff.; Erb, FS Zoll (2012), S. 1084 f.

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Rz. 130 § 266 StGB

schadensbegründenden Vermögensgefahr nicht überzeugend in Endschäden verwandeln,1 sei es dass sie im konkreten Fall Widersprüche zur Auffassung des anderen Senats auszuräumen suchen.2 Bei der Abgrenzung zwischen bedingtem Vorsatz und bewusster Fahrlässigkeit kommt es auf die Umstände des Einzelfalls an. Ebensowenig wie die Kenntnis des Täters von der Unzulässigkeit seines Tuns zur Annahme eines bedingten Untreuevorsatzes zwingt, schließt andererseits die nur unsichere Hoffnung auf den guten Ausgang des Geschäfts Fahrlässigkeit aus.3 Für die beweismäßige Feststellung des bedingten Gefährdungsvorsatzes bei Risikogeschäften kann der Grad der Wahrscheinlichkeit eines Erfolgseintritts allein kein Kriterium für das Einverständnis des Täters mit dem Erfolgseintritt sein. Auch hier entscheiden die Umstände des Einzelfalls, bei denen insbesondere Motive und Interessenlage des Täters erheblich sind.4 Allerdings ist der erkannte Gefährdungsgrad ein erhebliches Indiz für die Wollensseite. Denn für je wahrscheinlicher der Täter den Erfolgseintritt hält, umso mehr spricht für sein letztliches Abfinden mit dem Schadenseintritt.5 Stets muß der Täter aber die Gefahrenlage tatsächlich erkannt haben. Dass eine Existenzgefährdung des Treugebervermögens bei ordnungsgemäßer Risikoanalyse objektiv erkennbar gewesen wäre, ist als bloße Erkennbarkeit für einen Fahrlässigkeitsvorwurf relevant, belegt aber keinen Vorsatz.6 Gegenindizien für die Wissensseite beim bedingten Nachteilsvorsatz sind mehrfache externe Überprüfungen der Verwaltung des Treugebervermögens und die subjektive Annahme eines Treugebernutzens. Gegenindizien für die Wollensseite sind von den Angeklagten veranlasste Kapitalerhöhungen, der Aufbau eines Risikocontrollings und Transparenz des gesamten Controlling- und Buchhaltungssystems.7 Die feste Überzeugung des Täters, zum Vorteil des Geschäftsherrn zu handeln, schließt bedingten Vorsatz nicht aus.8 Das Gleiche gilt für den Umstand, dass finanzielle Nachteile bei Tatentdeckung von den Handelnden nicht gewollt sind.9 Str. bzw. unklar ist bei der Untreue die Abgrenzung von Tatbestands- (§ 16) und Verbotsirrtum (§ 17).10 Im 130 Schrifttum lassen sich drei Auffassungen unterscheiden. Nach einer Auffassung soll jede fehlerhafte Vorstellung des Täters, sich pflichtgemäß zu verhalten, zu einem Vorsatzausschluss (§ 16 Abs. 1) führen (These vom generellen Vorsatzausschluss).11 Nach anderer Auffassung bezeichnet die Pflichtwidrigkeit ein gesamttatbewertendes Merkmal, bei dem der Vorsatz allein die die Pflichtwidrigkeit des Handelns begründenden tatsächlichen Umstände umfassen muss, so dass die fehlerhafte Wertung der Pflichtgemäßheit des Handelns in Kenntnis dieser Umstände nur einen Verbotsirrtum begründen kann (These vom generellen Verbotsirrtum).12 Eine dritte Ansicht begreift die Pflichtwidrigkeit als normatives Tatbestandsmerkmal mit der Konsequenz, dass der Täter für den Vorsatz das Pflichtwidrigkeitsurteil zumindest auf Basis einer Parallelwertung in der Laiensphäre nachvollziehen muss (These vom normativen Tatbestandsmerkmal).13 Die Rspr. folgt (noch) keiner einheitlichen Linie. Zwar besteht allgemein eine tendenzielle Irrtumsfreundlichkeit, wenn betont wird, dass es stets sorgfältiger Prüfung bedürfe, ob der Täter nicht in dem guten Glauben an die Pflichtgemäßheit seines Tuns gehandelt hat.14 Im Mannesmann-Urteil hat der 3. Strafsenat jedoch den beiden generellen Thesen vom Vorsatzausschluss und vom Verbotsirrtum eine Absage erteilt. Eine sachgerechte Einordnung etwaiger Fehlvorstellungen erfordere „wertende Kriterien und differenzierende Betrachtungen“. Insoweit begründe es lediglich einen Verbotsirrtum, wenn die Täter in Kenntnis des Verbots, alles das Vermögen sicher und ausnahmslos Schädigende zu unterlassen, von einer Handlungsbefugnis zur Gewährung kompensationsloser Anerkennungsprämien ausgegangen seien.15 Der Sache nach dürfte der 3. Strafsenat damit der These vom normativen Tatbestandsmerkmal nahestehen.16 Dagegen hat 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16

So der 1. Strafsenat in BGH v. 13.4.2011 – 1 StR 94/10, BGHSt 56, 203, 221 f. für die Parteienuntreue; dazu Rz. 126. So der 5. Strafsenat in BGH v. 28.5.2013 – 5 StR 551/11, NStZ 2013, 715, 716. BGH v. 27.2.1975 – 4 StR 571/74, NJW 1975, 1234, 1236. BGH v. 6.4.2000 – 1 StR 280/99, BGHSt 46, 30, 35; auch BGH v. 23.5.2002 – 1 StR 372/01, BGHSt 47, 295, 302 f.; BGH v. 28.5.2013 – 5 StR 551/11, NStZ 2013, 715, 716. BGH v. 28.5.2013 – 5 StR 551/11, NStZ 2013, 715, 716. Zutr. BGH v. 28.5.2013 – 5 StR 551/11, BeckRS 2013, 10324, Rz. 41 – in NStZ 2013, 715 nicht abgedruckt. BGH v. 28.5.2013 – 5 StR 551/11, BeckRS 2013, 10324, Rz. 35 ff. und 42 ff. – in NStZ 2013, 715, 717 teils nicht abgedruckt. BGH v. 8.4.1986 – 1 StR 104/86, NStZ 1986, 455, 456; Saliger, Parteiengesetz, S. 480 f. BGH v. 13.4.2011 – 1 StR 94/10, BGHSt 56, 203, 221. Zum Folgenden Saliger in S/S/W-StGB, § 266 Rz. 128; s. ferner Fischer, StGB, § 266 Rz. 173 f.; Esser in AnwK-StGB, § 266 Rz. 231 ff.; Schünemann in LK-StGB, § 266 Rz. 192 ff.; Volk/Thomas, Hb. § 17 Rz. 132 f.; Rönnau, NStZ 2006, 221 m. Fn. 38. Perron in S/S-StGB, § 266 Rz. 49; Dierlamm in MüKo-StGB, § 266 Rz. 282; Schramm in M/G, § 266 StGB Rz. 154; Lüderssen, FS Richter II (2006), S. 378. Schünemann in LK-StGB, § 266 Rz. 153 f.; Kindhäuser in NK-StGB, § 266 Rz. 122; vgl. i.E. auch Marwedel, ZStW 2011, 569. Arzt/Weber/Heinrich/Hilgendorf, § 22 Rz. 69; SK-StGB/Samson/Günther, § 266 Rz. 49; Jakobs, NStZ 2005, 277; Vogel/ Hocke, JZ 2006, 571. RGSt 68, 371, 374; RGSt 70, 166, 170 f.; BGH v. 17.6.1952 – 1 StR 668/51, BGHSt 3, 23, 24 f.; 34, 379, 390; BayObLG v. 23.1.1969 – RReg. 4 b St 74/68, GA 1969, 309 f. BGH v. 21.12.2005 – 3 StR 470/04, NJW 2006, 522, 531; nicht abgedruckt in BGHSt 50, 331; zust. Vogel/Hocke, JZ 2006, 571 und Hohn, wistra 2006, 164; krit. Ransiek, NJW 2006, 816. Vgl. BGH v. 21.12.2005 – 3 StR 470/04, NJW 2006, 522, 531, wo der Senat von der Untreue als Tatbestand mit stark normativ geprägten objektiven Merkmalen spricht; ebenso BVerfG v. 23.6.2010 – 2 BvR 2559/08, 2 BvR 105/09, 2 BvR 491/09, NJW 2010, 3209, 3213 Rz. 97; BGH v. 13.9.2010 – 1 StR 220/09, BGHSt 55, 288, 300; Hohn, wistra 2006, 164.

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Untreue

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§ 266 StGB Rz. 131

Strafgesetzbuch

der 2. Strafsenat im Fall Kanther die (tatsächlich nicht vorhandene) Fehlvorstellung über die parteiengesetzlichen Anforderungen zur Einreichung von Rechenschaftsberichten als Tatbestandsirrtum gewertet.1 Im VW-Fall ist der 5. Strafsenat der Unterlassung des LG, die Vorstellung des Angeklagten, er habe sich zur Entgegennahme der Sonderbonuszahlungen für berechtigt gehalten, unter dem Aspekt des Tatbestandsirrtums zu prüfen, nicht entgegengetreten. Wegen seiner grundlegenden Verkennung der gesetzlich vorgegebenen betriebsverfassungsrechtlichen Struktur berufe sich der Angeklagte lediglich auf einen nicht tatsachenfundierten irrigen Erlaubnissatz, wobei sogar die Zubilligung eines Verbotsirrtums gänzlich ferngelegen hätte.2 Diese Rspr. verdient in ihrem differenzierenden Bestreben grundsätzliche Zustimmung. Sie scheint der intuitiv nicht unplausiblen Leitlinie zu folgen, dass je komplizierter die akzessorische Bestimmung der Pflichtwidrigkeit ausfällt, umso eher die Annahme eines Tatbestandsirrtums in Betracht kommt, während bei evidenter Pflichtwidrigkeit ein Verbotsirrtum naheliegt.3 Das KG Berlin meint, dass jedenfalls bei eklatanten Verstößen gegen die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit die Voraussetzungen sowohl des § 16 als auch des § 17 fernliegen.4 Unstreitig vorsatzausschließend ist die irrige Annahme eines Einverständnisses des Geschäftsherrn.5

C. Rechtswidrigkeit 131

Das ausdrückliche oder mutmaßliche Einverständnis (Einwilligung) des Geschäftsherrn schließt bereits den objektiven Tatbestand aus (Rz. 57 f. m.N.), so dass als Rechtfertigungsgründe bei der Untreue vor allem rechtfertigender Notstand (§ 34) und rechtfertigende Pflichtenkollision praktisch werden können. Mit Blick auf die umfassende Interessendefinitionsmacht des Geschäftsherrn sowie die abschließenden Regelungen des Zwangsvollstreckungs-, Konkurs- und Vergleichsrecht für den Fall der Zahlungsunfähigkeit verbleibt für eine Berufung des Täters insbesondere auf § 34 nur ganz ausnahmsweise Raum.6 So übersteigt weder das Interesse an der Fortführung des Betriebes und am Schutz von Arbeitsplätzen das Vermögensinteresse des Treugebers wesentlich7 noch erlaubt § 34 einem Rechtsanwalt, zur Rettung seiner Praxis ihm anvertraute Mandantengelder zur Tilgung von Bankforderungen zweckwidrig zu verwenden.8 Auch ein Vergütungs- oder Erstattungsanspruch gibt dem Treunehmer grundsätzlich nicht das Recht, eigenmächtig und ohne Vorlage überprüfbarer Nachweise dem Vermögen des Treugebers Nachteile zuzufügen.9 Das soll nach der Rspr. – wohl wegen der besonderen Intensität des Treueverhältnisses10 – dann nicht gelten, wenn ein Geschäftsführer zwecks Erfüllung einer geschuldeten Vergütung Gelder vom Geschäftskonto der GmbH entnimmt11 oder einem Rechtsanwalt Honoraransprüche bzw. Kostenforderungen zustehen.12 Eine weitere ausnahmsweise Rechtfertigung hat der BGH angenommen in einem Fall, wo Verwaltungsleiter und Verwaltungsangestellter einer staatlichen Musikakademie pflichtwidrig Gelder der Akademie verpfändet hatten, um eine sonst gescheiterte Konzertreise ins Ausland zu finanzieren, weil der Bund ein gewichtiges kulturpolitisches Interesse am Zustandekommen der Reise hatte und die Angeklagten dieses Interesse gewahrt hätten.13

D. Täterschaft und Teilnahme; Versuch und Vollendung 132

Die Untreue ist ein Sonderdelikt (Rz. 1, 5).14 Alleintäter, Mittäter oder mittelbarer Täter (zu Letzterem oben Rz. 24) der Untreue kann deshalb nur der (auch faktisch) vermögensbetreuungspflichtige Treunehmer sein (dazu Rz. 9 ff.).15 Er kommt dann allerdings stets als Täter in Betracht und kann sich nicht darauf berufen, dass

1 BGH v. 18.10.2006 – 2 StR 499/05, BGHSt 51, 100, 119. 2 BGH v. 17.9.2009 – 5 StR 521/08, BGHSt 54, 148, 161 f.; vgl. ferner OLG Koblenz v. 14.7.2011 – 2 Ss 80/11, wistra 2011, 397, 398. 3 Saliger in S/S/W-StGB, § 266 Rz. 128; zust. Matt in M/R-StGB, § 266 Rz. 151. 4 KG v. 4.11.2014 – 2 Ws 298/14 – 161 AR 16/14, BeckRS 2014, 22076, S. 8 f. 5 BGH v. 17.6.1952 – 1 StR 668/51, BGHSt 3, 23, 25; Fischer, StGB, § 266 Rz. 171; Perron in S/S-StGB, § 266 Rz. 49; Kindhäuser in NK-StGB, § 266 Rz. 122; Schünemann in LK-StGB, § 266 Rz. 153. 6 Saliger in S/S/W-StGB, § 266 Rz. 129; vgl. ferner Seier in A/R/R, Rz. 91 f.; Schünemann in LK-StGB, § 266 Rz. 199. 7 BGH v. 16.6.1953 – 1 StR 67/53, BGHSt 5, 61, 66. 8 BGH v. 27.1.1976 – 1 StR 739/75, NJW 1976, 680 m. Anm. Küper, JZ 1976, 515. 9 BGH v. 28.1.1983 – 1 StR 820/81, NJW 1983, 1807, 1808; OLG Koblenz v. 14.7.2011 – 2 Ss 80/11, wistra 2011, 397, 398; Perron in S/S-StGB, § 266 Rz. 48; Fischer, StGB, § 266 Rz. 170. 10 Vgl. die Zweifel bei Fischer, StGB, § 266 Rz. 170. 11 BGH v. 13.12.1994 – 1 StR 622/94, wistra 1995, 144. 12 Vgl. BGH v. 3.10.1986 – 2 StR 256/86, wistra 1987, 65; OLG Hamm v. 20.1.2000 – 2 Ss 1293/99, NStZ-RR 2000, 236; für Berücksichtigung auch nicht fälliger Honoraransprüche auf der Kompensationsseite Schmidt, NStZ 2013, 501 f. sowie allgemein oben Rz. 74. 13 BGH v. 13.11.1958 – 4 StR 199/58, BGHSt 12, 299, 304 ff.; zweifelhaft. 14 BGH v. 26.11.2015 – 3 StR 17/15, NZG 2016, 703, 716; LG Düsseldorf v. 22.7.2004 – XIV 5/03, NJW 2004, 3275, 3281. 15 BGH v. 10.11.1959 – 5 StR 337/59, BGHSt 13, 330, 331 f.; BGH v. 6.12.2001 – 1 StR 215/01, BGHSt 47, 187, 200; BGH v. 21.12.2005 – 3 StR 470/04, NJW 2006, 522, 530; LG Düsseldorf v. 22.7.2004 – XIV 5/03, NJW 2004, 3275, 3281; Fischer, StGB, § 266 Rz. 185; Saliger in S/S/W-StGB, § 266 Rz. 130; Perron in S/S-StGB, § 266 Rz. 52; Schünemann in LKStGB, § 266 Rz. 160.

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Rz. 133 § 266 StGB

sein Tatbeitrag nach allgemeinen Regeln bloße Teilnahme wäre.1 Das gilt aber nur, soweit der Vermögensbetreuungspflichtige innerhalb seines Pflichtenkreises tätig wird (dazu Rz. 43 ff.). Deshalb kann eine vermögensbetreuungspflichtige Person auch bloße Beihilfe zur Untreue leisten, wenn sie erkennbar widerwillig an einem Vorgang außerhalb ihres Pflichtenkreises lediglich unterstützend mitwirkt.2 Personen, die nicht vermögensbetreuungspflichtig sind, können nur Teilnehmer (Gehilfe oder Anstifter) sein.3 Auf sie wendet die h.M. mit Recht die zwingende Strafmilderung des § 28 Abs. 1 an, weil es sich bei der Vermögensbetreuungspflicht um ein strafbegründendes besonderes persönliches Merkmal handelt.4 Bei Gehilfen ist damit eine doppelte Strafrahmenmilderung (§§ 27 Abs. 2, 28 Abs. 1) möglich. Die h.M. macht von ihr allerdings nur dann Gebrauch, wenn der Beteiligte auch nach den allgemeinen Regeln Gehilfe ist, also nicht der Sache nach Mittäter wäre und seine Gehilfenstellung allein dem Fehlen der Vermögensbetreuungspflicht verdankt.5 I.Ü. gelten für Täterschaft und Teilnahme die allgemeinen Regeln.6 Ist der Vermögensbetreuungspflichtige eine juristische Person oder eine GmbH & Co. KG, so haften ihre Organe und Vertreter strafrechtlich über § 14,7 es sei denn, der Betroffene ist bereits aus einem anderen Grund gegenüber dem externen Geschäftsherrn vermögensbetreuungspflichtig.8 Bei internen Schädigungen des Geschäftsherrn durch den Vermögensbetreuungspflichtigen oder seine Beauftragten bedarf es § 14 nicht.9 Auch bei der Untreue soll eine mittelbare Täterschaft kraft Organisationsherrschaft möglich sein (vgl. Rz. 116).10 Zur Verantwortung in Gremienentscheidungen s. für die Kredituntreue Rz. 124 und auch Rz. 52 ff.; für den Gemeinderat einer Kommune BayObLG v. 18.2.1988 – RReg. 1 St 309/87, JR 1989, 299; allgemein für Entscheidungen in Unternehmen BGH v. 21.12.2005 – 3 StR 470/04, NJW 2006, 522 (527) (Fall Mannesmann), wonach sogar eine Stimmenthaltung Mittäterschaft durch Tun begründen soll (zweifelhaft).11 Zur Beihilfestrafbarkeit bei „berufstypischen neutralen Untreuehandlungen“ s. BGH v. 21.12.2005 – 3 StR 470/04, NJW 2006, 522 (528 f.) – Fall Mannesmann. Zu den Konkurrenzen bei Täterschaft und Teilnahme Rz. 134. Der Versuch der Untreue ist anders als der Versuch des Betruges (§ 263 Abs. 2) nicht strafbar (vgl. §§ 12 Abs. 2, 133 23 Abs. 1),12 auch nicht in einem besonders schweren Fall (§ 12 Abs. 3; dazu Rz. 127 f.). Das Vorhaben der Bundesregierung, in § 266 Abs. 2-E 6. StrRG eine Strafbarkeit des Untreueversuchs einzuführen,13 ist aufgrund der Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses14 mit Recht gescheitert.15 Der auch danach vereinzelt erhobene Vorschlag für die Einführung einer Versuchsstrafbarkeit der Untreue de lege ferenda16 verdient vor allem wegen der geringen „Greifbarkeit“ der Untreuehandlung keine Zustimmung.17 Die Entscheidung des Gesetzgebers für

1 BGH v. 12.1.1956 – 3 StR 626/54, BGHSt 9, 203, 217 f.; Seier in A/R/R, Rz. 66; Saliger in S/S/W-StGB, § 266 Rz. 130; Kindhäuser in NK-StGB, § 266 Rz. 127; Schramm, Untreue, S. 71 ff. und Schramm in M/G, § 266 StGB Rz. 156; für die Geltung von Tatherrschaftsregeln dagegen Maurach/Schroeder/Maiwald, BT I § 45 Rz. 21. 2 Zutr. BGH v. 26.11.2015 – 3 StR 17/15, NZG 2016, 703, 716 f. – Nürburgring – m. Anm. Brand, S. 690 und Saliger/ Schweiger, NJW 2016, 2600. 3 Vgl. BGH v. 21.10.1983 – 2 StR 482/83, wistra 1984, 22; BGH v. 12.7.1994 – 1 StR 300/97, StV 1995, 73; BGH v. 21.12.2005 – 3 StR 470/04, NJW 2006, 522, 530; zu einem Fall der Anstiftung KG v. 4.11.2014 – 2 Ws 298/14 – 161 AR 16/14, BeckRS 2014, 22076, S. 5. 4 St. Rspr.: BGH v. 8.1.1975 – 2 StR 567/74, BGHSt 26, 53, 54; BGH v. 25.1.1995 – 5 StR 491/94, BGHSt 41, 1, 2; BGH v. 28.1.1983 – 1 StR 820/81, NJW 1983, 1807, 1810; BGH v. 15.12.1994 – 1 StR 656/94, StV 1995, 73; BGH v. 6.12.2001 – 1 StR 215/01, NJW 2002, 1585, 1589; BGH v. 25.4.2007 – 2 StR 25/07, wistra 2007, 306, 307; BGH v. 13.11.2008 – 5 StR 344/08, wistra 2009, 105; ferner Heger in Lackner/Kühl, StGB, § 266 Rz. 2; Fischer, StGB, § 266 Rz. 186; Saliger in S/S/W-StGB, § 266 Rz. 130; Schünemann in LK-StGB, § 266 Rz. 162; Dierlamm in MüKo-StGB, § 266 Rz. 286; Kindhäuser in NK-StGB, § 266 Rz. 127; Seier in A/R/R, Rz. 64; a.A. Perron in S/S-StGB, § 266 Rz. 52. 5 BGH v. 8.1.1975 – 2 StR 567/74, BGHSt 26, 53, 55; BGH v. 28.1.1993 – 1 StR 820/81, NJW 1983, 1807, 1810; BGH v. 11.6.1985 – 5 StR 275/85, wistra 1985, 190, 191; BGH v. 25.10.2011 – 3 StR 309/11, wistra 2012, 72; auch BGH v. 18.10.2006 – 2 StR 499/05, BGHSt 51, 100, 109; Fischer, StGB, § 266 Rz. 186; Saliger in S/S/W-StGB, § 266 Rz. 130; Kindhäuser in NK-StGB, § 266 Rz. 127; Dierlamm in MüKo-StGB, § 266 Rz. 286. A.A. Perron in S/S-StGB, § 266 Rz. 52; Seier in A/R/R, Rz. 65; krit. auch Schünemann in LK-StGB, § 266 Rz. 162. 6 Zur strafbaren Teilnahme an § 266 bei gegenläufigen Interessen Thomas, FS Rissing-van Saan (2011), S. 669. 7 BGH v. 23.8.1995 – 5 StR 371/95, BGHSt 41, 224, 229 für eine GmbH; BGH v. 13.5.2004 – 5 StR 73/03, BGHSt 49, 147, 157, 161 für eine AG; LG Bonn v. 15.1.1980 – 13 R 4/78 IX, NJW 1981, 469 für eine GmbH & Co. KG. 8 Vgl. BGH v. 12.1.1956 – 3 StR 626/54, BGHSt 9, 203, 217; Fischer, StGB, § 266 Rz. 79; Perron in S/S-StGB, § 14 Rz. 5; Dierlamm in MüKo-StGB, § 266 Rz. 287; Schramm in M/G, § 266 StGB Rz. 158; auch Seier in A/R/R, Rz. 67 ff.; Kindhäuser in NK-StGB, § 266 Rz. 127; Heger in Lackner/Kühl, StGB, § 266 Rz. 2; gegen jeden Rückgriff auf § 14 Schünemann in LK-StGB, § 266 Rz. 67, 160; anders auch BGH v. 10.11.1959 – 5 StR 337/59, BGHSt 13, 330, 331 f. 9 Perron in S/S-StGB, § 14 Rz. 5; Seier in A/R/R, Rz. 72, 73. 10 BGH v. 13.5.2004 – 5 StR 73/03, BGHSt 49, 147, 163 f. 11 Abl. Ransiek, NJW 2006, 816; krit. Hanft, Jura 2007, 58; für Unterlassungshaftung Dierlamm in MüKo-StGB, § 266 Rz. 298; Seier in A/R/R, Rz. 83; Hohn, wistra 2006, 164; OLG Stuttgart v. 1.9.1980 – 3 Ss 440/80, NStZ 1981, 27, 28. 12 BGH v. 9.9.1986 – 5 StR 25/86, BGHR StGB § 266 Nachteil 1; BGH v. 11.5.2001 – 3 StR 549/00, BGHSt 47, 22, 27; BGH v. 3.2.2005 – 5 StR 84/04, NStZ-RR 2005, 343, 344. 13 BT-Drucks. 13/8587, S. 10, 43. 14 BT-Drucks. 13/8991, S. 21; 13/9064, S. 20. 15 Dazu Matt/Saliger, Irrwege, S. 217 ff. m.w.N. 16 H.-L. Günther, FS Weber (2004), S. 317; Vrzal, Die Versuchsstrafbarkeit der Untreue, S. 58 ff. 17 Zu weiteren Gründen Matt/Saliger, Irrwege, S. 221 ff.; i.E. ebenso Fischer, StGB, § 266 Rz. 187; Schramm, Untreue, S. 25 f.; offengelassen von Wolf, Strafbarkeit, S. 164.

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§ 266 StGB Rz. 134

Strafgesetzbuch

die Straflosigkeit des Untreueversuchs droht durch eine extensive Handhabung der schadensgleichen Vermögensgefahr unterlaufen zu werden (näher Rz. 82 ff.). Die bloße Ankündigung, sich pflichtwidrig verhalten zu wollen, ist mangels Verletzungshandlung nur Vorbereitungshandlung. Auch Unrechtsvereinbarungen i.S.v. §§ 299, 331 ff. liegen regelmäßig im straflosen Versuchsbereich. Die Strafbarkeit beginnt hier erst mit dem Abschluss des nachteiligen Vertrages als Vermögensnachteil (zur Konkurrenz von § 266 und Bestechungsdelikten s. Rz. 134).1 Vollendet ist die Untreue mit dem Eintritt des Vermögensnachteils,2 wofür nach h.M. auch der Eintritt einer schadensgleichen Vermögengefahr genügt (Rz. 82 ff.). Beendet ist die Untreue, wenn der Nachteil erst durch verschiedene Ereignisse entsteht oder sich durch sie nach und nach vergrößert, im Zeitpunkt des letzten Ereignisses, so dass ab diesem Zeitpunkt (§ 78a Abs. 1) auch die Verjährung beginnt.3 Entsprechend ist die Untreue bei der schadensgleichen Vermögensgefahr erst beendet, wenn die konkrete Gefährdungslage in einen effektiven Vermögensverlust umschlägt oder der Nichteintritt eines effektiven Vermögensverlustes feststeht.4 Zum Unterlassen s. oben Rz. 22 und 51.

E. Konkurrenzen 134

Der Missbrauchstatbestand geht dem Treubruchstatbestand in Bezug auf ein- und denselben Vermögensnachteil als lex specialis vor (dazu und zur Hinweispflicht gem. § 265 StPO s. Rz. 7).5 Tateinheit oder Tatmehrheit kommen in Betracht, wenn beide Untreuealternativen sich auf unterschiedliche Vermögensnachteile beziehen.6 Fortgesetzte Untreue ist nach BGH v. 3.5.1994 – GSSt 2/93, GSSt 3/93, BGHSt 40, 138 (165 ff.) ausgeschlossen.7 Natürliche Handlungseinheit kommt in Betracht, wenn zwischen mehreren strafrechtlich relevanten Verhaltensweisen, die auf einer einzigen Willensentschließung beruhen, ein derart unmittelbarer räumlicher und zeitlicher Zusammenhang besteht, dass das Gesamthandeln des Täters für einen Dritten objektiv als einheitliches zusammengehöriges Tun erscheint. Die Rspr. hat dies bejaht bei Überweisungen bzw. Barabhebungen, die am selben Tag vom selben Girokonto des Geschädigten erfolgten.8 Sind an einer Deliktsserie mehrere Personen als Täter oder Teilnehmer beteiligt, so ist für jeden Tatbeteiligten gesondert zu prüfen, ob die einzelnen Straftaten tateinheitlich oder tatmehrheitlich zusammentreffen. Hat insbesondere ein an der unmittelbaren Tatausführung nicht beteiligter Gehilfe einen mehrere Einzeldelikte fördernden Beitrag erbracht (z.B. den Kontakt zwischen Haupttäter und Geschädigtem hergestellt), werden ihm die jeweiligen Taten des Haupttäters nur als tateinheitlich begangen zugerechnet. Ohne Belang ist, ob der Haupttäter selbst tateinheitlich oder tatmehrheitlich gehandelt hat.9 Tateinheit ist möglich u.a. mit Bankrott, wenn der Täter durch eine Handlung Vermögenswerte teils für sich und teils für den Unternehmensinhaber beiseite schafft,10 nach Aufgabe der Interessentheorie durch den BGH aber nach der Rspr. auch bei Handeln des Vertreters i.S.d. § 14 im Geschäftskreis des Vertretenen;11 mit Bestechlichkeit, wenn sich die tatbestandlichen Ausführungshandlungen zumindest teilweise überschneiden,12 auch bei Pflichtverletzungen vor Vollendung der Untreue, sofern sie mit der Vollendung der Bestechlichkeit zusammentreffen,13 ansonsten besteht Tatmehrheit, weil die pflichtwidrige Diensthandlung als Untreue nicht zum Tatbestand der Bestechlichkeit gehört;14 mit Betrug, wenn die pflichtwidrige Nachteilszufügung durch Täuschung, auch eines 1 Saliger in S/S/W-StGB, § 266 Rz. 131; vgl. ferner BGH v. 11.5.2001 – 3 StR 549/00, BGHSt 47, 22, 27 f.; Fischer, StGB, § 266 Rz. 187. 2 Vgl. BGH v. 11.5.2001 – 3 StR 549/00, BGHSt 47, 22, 27. 3 BGH v. 14.10.1988 – 2StR 86/88, wistra 1989, 97; Perron in S/S-StGB, § 266 Rz. 58; Saliger in S/S/W-StGB, § 266 Rz. 131. 4 Vgl. BGH v. 19.7.2001 – 3 StR 203/01, NStZ 2001, 650; BGH v. 15.3.2001 – 5 StR 454/00, NJW 2001, 2102, 2106; BGH v. 8.5.2003 – 4 StR 550/02, NJW 2003, 3498; vgl. auch BGH v. 18.10.2006 – 2 StR 499/05, BGHSt 51, 100, 115 f.; Kindhäuser in NK-StGB, § 266 Rz. 126; Fischer, StGB, § 266 Rz. 187; Perron in S/S-StGB, § 266 Rz. 51, 58; Saliger in S/S/W-StGB, § 266 Rz. 131; Schünemann in LK-StGB, § 266 Rz. 166. Krit. Dierlamm in MüKo-StGB, § 266 Rz. 284. Für Beginn der Verjährung bereits mit Eintritt der schadensbegründenden Vermögensgefahr bei der Missbrauchsuntreue, was nicht überzeugt, Cordes/Sartorius, NJW 2013, 2637. Zur Verjährung bei der Parteienuntreue Saliger, Parteiengesetz, S. 488 ff. 5 OLG Hamm v. 26.4.1968 – 3 Ss 25/68, NJW 1968, 1940. 6 BGH v. 16.6.1953 – 1 StR 67/53, BGHSt 5, 61, 65; Fischer, StGB, § 266 Rz. 194; missverständlich Heger in Lackner/Kühl, StGB, § 266 Rz. 21. 7 Vgl. BGH v. 13.12.1994 – 1 StR 622/94, wistra 1995, 144, 145; Perron in S/S-StGB, § 266 Rz. 54. 8 BGH v. 27.1.2010 – 5 StR 224/09, wistra 2010, 345. 9 St. Rspr., nur BGH v. 7.10.2014 – 4 StR 371/14, NZWiSt 2015, 425, 426 m. Anm. Bott/Orlowski. 10 BGH v. 4.4.1979 – 3 StR 488/78, BGHSt 28, 371, 373; 30, 127, 130. 11 Vgl. BGH v. 10.2.2009 – 3 StR 372/08, NJW 2009, 2225, 2227 f. m. Anm. Link; zust. Dehne-Niemann, wistra 2009, 417, 423 f.; Bittmann, wistra 2010, 8, 10; Brand, NStZ 2010, 9, 12 f.; BGH v. 15.9.2011 – 3 StR 118/11, ZWH 2012, 16, 18 m. Anm. Adick; BGH v. 15.5.2012 – 3 StR 118/11, NStZ 2012, 630, 633 Rz. 31; näher Esser in AnwK-StGB, § 266 Rz. 284. A.A. auf Basis der auch hier (Rz. 108) vertretenen strengen Gesellschaftertheorie Hoyer in SK-StGB, § 266 Rz. 73, 129; Perron in S/S-StGB, § 266 Rz. 21b; ferner Schünemann in LK-StGB, § 266 Rz. 212. 12 BGH v. 2.12.2005 – 5 StR 119/05, NJW 2006, 925, 932. 13 BGH v. 11.5.2001 – 3 StR 549/00, BGHSt 47, 22, 26 ff.; Fischer, StGB, § 266 Rz. 196. 14 BGH v. 28.10.1986 – 5 StR 244/86, NStZ 1987, 326, 327; BGH v. 11.5.2001 – 3 StR 549/00, BGHSt 47, 22, 25 f.; BGH v. 2.12.2005 – 5 StR 119/05, NJW 2006, 925, 932; Dierlamm in MüKo-StGB, § 266 Rz. 307; Fischer, StGB, § 266 Rz. 196.

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Saliger

Rz. 135 § 266 StGB

Dritten,1 begangen wird2 – vorausgesetzt, der Täter steht bereits bei Vornahme der Täuschung in einem Vermögensbetreuungsverhältnis zum Getäuschten oder dem zu Schädigenden3 – oder wenn durch eine nachfolgende Untreue ein neuer Vermögensnachteil zugefügt wird,4 ansonsten ist die nachfolgende Untreue regelmäßig mitbestrafte Nachtat;5 mit Diebstahl, auch wenn eine nicht vermögensbetreuungspflichtige Person den Diebstahl hätte begehen können (auch Rz. 42);6 mit Gebührenüberhebung (§ 352);7 mit Verstößen gegen das Parteiengesetz (§ 31d Abs. 1 PartG);8 mit Rechtsbeugung;9 mit Steuerhinterziehung durch einen Finanzbeamten;10 mit Subventionsbetrug;11 mit den Urkundsdelikten (§§ 267, 268, 269, 274),12 es sei denn, auf die vollendete Untreue folgt eine Urkundenfälschung mit neuem Vorsatz.13 Die Unterschlagung tritt aufgrund formeller Subsidiarität hinter § 266 zurück, wenn der Täter Zueignungsvorsatz schon bei der Untreuehandlung hatte.14 Das gilt auch im Verhältnis von veruntreuender Unterschlagung gem. § 246 Abs. 2 zur Untreue in einem besonders schweren Fall gem. § 266 Abs. 2 i.V.m. § 263 Abs. 3.15 Wird der Zueignungsvorsatz erst nach der Vollendung der Untreue gefasst, so besteht Tatmehrheit.16 Auch die Sachbeschädigung tritt zurück.17

F. Rechtsfolgen I. Absatz 1 Die Strafe für § 266 Abs. 1 ist wie beim Betrug Freiheitsstrafe von einem Monat (§ 38 Abs. 2) bis zu fünf Jah- 135 ren oder Geldstrafe. Die Verjährung beträgt fünf Jahre (§ 78 Abs. 3 Nr. 4). Bei der Strafzumessung bedarf es für die Bestimmung des Schuldumfangs gesicherter Feststellungen zur Schadenshöhe.18 Strafmildernd sind zu berücksichtigen Fremd-19 bzw. Uneigennützigkeit,20 Mitverschulden des Opfers,21 Schadenswiedergutmachung22 oder wirtschaftliche Not des Täters,23 nicht aber ohne Weiteres die aus der Prominenz des Angeklagten resultierenden Belastungen.24 Handeln aus Eigennutz oder Gewinn kann nur bei Erreichung eines besonders anstößigen Maßes zur Strafschärfung führen.25 Auch Uneinsichtigkeit kommt als strafschärfender Umstand in Betracht.26 Das Gleiche gilt für das Vorliegen einer Bereicherungsabsicht, wobei ihr Fehlen aber nur ausnahmsweise strafmildernd wirkt.27 Zur Anwendbarkeit der fakultativen Strafmilderung in § 13 Abs. 2 bei Unterlassen s. oben Rz. 51. Zur Anwendung von § 46a vgl. BayObLG v. 31.3.1995 – 3St RR 17/95, wistra 1995, 238. Zu Verfall und Berufsverbot s. BGH v. 30.10.2003 – 3 StR 276/03, NStZ-RR 2004, 54 (55).

1 BGH v. 30.11.1978 – 1 StR 490/78; Fischer, StGB, § 266 Rz. 195. 2 BGH v. 17.11.1955 – 3 StR 234/55, BGHSt 8, 254, 259 f.; BGH v. 15.1.1991 – 5 StR 435/90, wistra 1991, 218, 219; BGH v. 27.5.1992 – 3 StR 10/92, wistra 1992, 342, 343; BGH v. 5.3.2008 – 5 StR 36/08, NStZ 2008, 340. 3 BGH v. 25.11.2008 – 4 StR 500/08, wistra 2009, 106. 4 Vgl. BGH v. 22.4.1954 – 4 StR 807/53, BGHSt 6, 67, 68; Schünemann in LK-StGB, § 266 Rz. 167. Für § 53 RGSt 67, 273. 5 BGH v. 22.4.1954 – 4 StR 907/53, BGHSt 6, 67 f.; BGH v. 20.9.2000 – 3 StR 19/00, NStZ 2001, 195; Fischer Rz. 195; Perron in S/S-StGB, § 266 Rz. 54. 6 BGH v. 12.7.1962 – 1 StR 282/62, BGHSt 17, 360, 361 f. 7 BGH v. 17.1.1957 – 4 StR 393/56, NJW 1957, 596; BGH v. 7.1.2011 – 4 StR 409/10, NStZ 2011, 281 f.; Perron in S/SStGB, § 266 Rz. 54; Dierlamm in MüKo-StGB, § 266 Rz. 307; für Spezialität des § 352 OLG Karlsruhe v. 20.12.1990 – 2 Ws 265/89, NStZ 1991, 239. 8 BGH v. 11.12.2014 – 3 StR 265/14, NJW 2015, 1618, 1619, 1624 – Konzept „Wahlsieg 2006“; Ipsen/Saliger, PartG, § 31d Rz. 151. 9 BGH v. 25.2.1988 – 1 StR 466/87, BGHSt 35, 224, 230. 10 BGH v. 6.6.2007 – 5 StR 127/07, BGHSt 51, 356, 362 f. 11 BGH v. 15.12.2011 – 5 StR 122/11, wistra 2012, 149, 151. 12 BGH v. 2.4.1963 – 1 StR 66/63, BGHSt 18, 312, 313; Fischer, StGB, § 266 Rz. 195. 13 RG LZ 1915, 1026; Schünemann in LK-StGB, § 266 Rz. 170. 14 BGH v. 5.10.1954 – 2 StR 447/53, BGHSt 6, 314, 316; 8, 254, 260; BGH v. 5.3.1991 – 1 StR 647/90, wistra 1991, 213, 214; OLG Stuttgart v. 4.4.1973 – 1 Ss 724/72, NJW 1973, 1385. 15 BGH v. 26.6.2012 – 2 StR 137/12, StV 2013, 85, 86. 16 Heger in Lackner/Kühl, StGB, § 266 Rz. 23; Saliger in S/S/W-StGB, § 266 Rz. 132; Perron in S/S-StGB, § 266 Rz. 55; Schünemann in LK-StGB, § 266 Rz. 169; Dierlamm in MüKo-StGB, § 266 Rz. 307. A.A. RGSt 69, 64; Fischer, StGB, § 266 Rz. 195. 17 Schramm in M/G, § 266 StGB Rz. 165; Saliger in S/S/W-StGB, § 266 Rz. 132; a.A. Esser in AnwK-StGB, § 266 Rz. 242. 18 BGH v. 11.5.1999 – 4 StR 110/99, NStZ 1999, 557: bei einer GmbH Vermögensnachteil nur in Höhe des unbelasteten Vermögens. 19 BGH v. 19.8.1986 – 4 StR 358/86, wistra 1987, 28. 20 BGH v. 26.5.1983 – 4 StR 265/83, NStZ 1983, 455; BGH v. 4.4.2001 – 1 StR 582/00, wistra 2001, 304, 306. 21 BGH v. 8.3.1988 – 1 StR 100/88, wistra 1988, 232. 22 BayObLG v. 31.3.1995 – 3St RR 17/95, NJW 1995, 2120. 23 Vgl. BGH v. 4.6.1981 – 4 StR 147/81, NStZ 1981, 343. 24 BGH v. 20.7.1999 – 1 StR 668/98, NJW 2000, 154, 157. 25 BGH v. 4.6.1981 – 4 StR 137/81, NStZ 1981, 343; BGH v. 26.5.1983 – 4 StR 265/83, NStZ 1983, 455. 26 BGH v. 26.4.2006 – 2 StR 515/05, wistra 2006, 307, 308. 27 BGH v. 2.7.1986 – 2StR 97/86, wistra 1987, 27; Fischer, StGB, § 266 Rz. 188.

Saliger

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StGB

Untreue

StGB

§ 266 StGB Rz. 136

Strafgesetzbuch

II. Besonders schwere Fälle, Absatz 2 i.V.m. § 263 Abs. 3 und § 243 Abs. 2 136

Für besonders schwere Fälle droht Absatz 2 i.V.m. § 263 Abs. 3 analog in Regelbeispielstechnik Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren an. Diese Regelung geht zurück auf das 6. StrRG 1998, das die auf § 263 zugeschnittene Regelung ohne nähere Begründung auf die Untreue übertragen hat. Diese Entscheidung ist im Hinblick auf die nicht geringen Strukturunterschiede zwischen Betrug und Untreue in hohem Maße fragwürdig und nahezu einhellig Gegenstand teils heftiger Kritik.1 Der Rechtsanwender steht hier vor dem Problem, die Verweisung untreueadäquat auszulegen. Soweit das nicht möglich ist, weil den Regelbeispielen der Leitbildcharakter fehlt, verbleibt es bei den vor Einführung der Regelbeispiele entwickelten Grundsätzen zu den unbenannten besonders schweren Fällen. Danach setzt die Annahme eines besonders schweren Falles eine Gesamtwürdigung aller relevanten tat- und täterbezogenen Umstände des Einzelfalls wie Dauer der Tatbegehung, Maß an krimineller Energie oder Schwere des Vertrauensbruchs voraus.2 Nicht ausreichend ist etwa der schiere Genuss der Tatfrüchte ohne Skrupel.3 Zu beachten ist dabei, dass die Regelbeispielstechnik die Ablehnung eines besonders schweren Falles trotz Verwirklichung des Regelbeispiels erlaubt.4 Für § 266 Abs. 2 unterstreicht das nicht zuletzt die entsprechende Verweisung auf § 243 Abs. 2, der die Annahme eines besonders schweren Falls bei geringfügigen Schäden (nicht nur an Sachen) ausschließt,5 wobei die Geringfügigkeitsgrenze bei 25 Euro festzusetzen ist.6 Im Einzelnen gilt für die Regelbeispiele:

137

§ 263 Abs. 3 S. 2 Nr. 1 macht für die Untreue wenig Sinn. Auch wenn weder eine gewerbs- noch eine bandenmäßige Untreue ausgeschlossen erscheint7 und die Bandenabrede auf die fortgesetzte Begehung von Untreuetaten bezogen werden müsste,8 so ist die gewerbs- oder bandenmäßige Begehung wegen der personalen Beziehung des Täters zum Geschäftsherrn für die Untreue doch untypisch.9 Das gilt in noch stärkerem Maße für die Absicht des Untreuetäters analog § 263 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 Alt. 2, durch die fortgesetzte Tatbegehung eine große Zahl von Menschen in die Gefahr des Verlustes von Vermögenswerten zu bringen.10 Praktisch relevant wird für die Untreue vor allem § 263 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 Alt. 1 mit der Herbeiführung eines Vermögensverlustes großen Ausmaßes. Der 1. Strafsenat hat in einem Urteil zum Betrug erklärt, dass ein Vermögensverlust jedenfalls dann nicht von großem Ausmaß ist, wenn er den Wert von 50 000 Euro nicht erreicht.11 Dieser Mindestwert kann mit Blick auf die deutlich höhere durchschnittliche Schadenssumme in Untreuefällen (vgl. Rz. 5)12 nicht unbesehen übernommen werden.13 Vielmehr ist bei § 266 ein Mindestwert nicht unter 100 000 Euro anzusetzen.14 Für die schadensgleiche Vermögensgefahr fordert die Rspr. unter maßgeblicher Berufung auf den Wortlaut („Vermögensverlust“) den Eintritt der Realisierung der Gefahr – im konkreten Fall eines Vertragsschlusses die Erbringung der geschuldeten Leistung –, wobei die Annahme eines unbenannten besonders schweren Falls nicht ausgeschlossen wird.15 Auch § 263 Abs. 3 S. 2 Nr. 3, der verlangt, dass der Täter eine andere Person in wirtschaftliche Not bringt (dazu § 263 StGB Rz. 286), kann für die Untreue praktisch werden.16 Schon rechtlich zweifelhaft ist bei der Untreue dagegen das Regelbeispiel des Missbrauchs der Befugnisse oder Stel-

1 Vgl. Schünemann in LK-StGB, § 266 Rz. 176 f.: „kapitale Fehlleistung“; Perron in S/S-StGB, § 266 Rz. 53; Heger in Lackner/Kühl, StGB, § 266 Rz. 22; Saliger in S/S/W-StGB, § 266 Rz. 134; Dierlamm in MüKo-StGB, § 266 Rz. 300; Wessels/ Hillenkamp, § 266 Rz. 786; Seier in A/R/R, Rz. 35; Martin, Bankuntreue, S. 162 ff.; Kindhäuser in NK-StGB, § 266 Rz. 128; milder: Fischer, StGB, § 266 Rz. 189. 2 Vgl. BGH v. 4.10.2001 – 4 StR 390/01, wistra 2002, 63; Perron in S/S-StGB, § 266 Rz. 53; Schünemann in LK-StGB, § 266 Rz. 177; Dierlamm in MüKo-StGB, § 266 Rz. 305. 3 BGH v. 4.10.1988 – 1 StR 424/88, wistra 1989, 100; Fischer, StGB, § 266 Rz. 192. 4 Schünemann in LK-StGB, § 266 Rz. 177; vgl. auch BGH v. 18.10.2006 – 2 StR 499/05, BGHSt 51, 100, 108 f. 5 Schünemann in LK-StGB, § 266 Rz. 178; Perron in S/S-StGB, § 266 Rz. 53; Dierlamm in MüKo-StGB, § 266 Rz. 306. 6 LG Lübeck v. 5.2.2014 – 3 Ns 89/13, juris, Rz. 161. 7 Vgl. die Bemerkung in BGH v. 18.10.2006 – 2 StR 499/05, BGHSt 51, 100, 109 – Fall Kanther – zur unerörterten bandenmäßigen Begehung. 8 Perron in S/S-StGB, § 266 Rz. 53; Fischer, StGB, § 266 Rz. 191. 9 Schünemann in LK-StGB, § 266 Rz. 176; Dierlamm in MüKo-StGB, § 266 Rz. 301; Saliger in S/S/W-StGB, § 266 Rz. 135; Perron in S/S-StGB, § 266 Rz. 53; Martin, Bankuntreue, S., 164 ff. Zu einem Fall der Gewerbsmäßigkeit s. aber LG Lübeck v. 5.2.2014 – 3 Ns 89/13, juris, Rz. 160. 10 Perron in S/S-StGB, § 266 Rz. 53; Schünemann in LK-StGB, § 266 Rz. 176; Martin, Bankuntreue, S. 168 f. 11 BGH v. 7.10.2003 – 1 StR 274/03, BGHSt 48, 360, 361 m. zust. Bespr. Rotsch, ZStW 2005, 603 f.; krit. Golombek/v. Tippelskirch, NStZ 2004, 530, 532. 12 Durchschnittsschaden nach PKS 2007 knapp unter 100 000 Euro; s. auch die Zahlen bei Golombek/v. Tippelskirch, NStZ 2004, 532 und Seier in A/R/R, Rz. 4 ff. 13 So aber die wohl h.M.: BGH v. 10.10.2012 – 2 StR 591/11, NZG 2013, 268, 270 zu § 266 (Telekom-Spitzelaffäre); KG v. 4.11.2014 – 2 Ws 298/14 – 161 AR 16/14, BeckRS 2014, 22076, S. 9; Heger in Lackner/Kühl, StGB, § 266 Rz. 22 und § 263 Rz. 66; Fischer, StGB, § 266 Rz. 189 und § 263 Rz. 215a; Perron in S/S-StGB, § 266 Rz. 53 und § 263 Rz. 188c. 14 Dierlamm in MüKo-StGB, § 266 Rz. 302; Saliger in S/S/W-StGB, § 266 Rz. 135; vgl. auch Martin, Bankuntreue, S. 167 f.; Golombek/v. Tippelskirch, NStZ 2004, 532; Seier in A/R/R, Rz. 37; Matt in M/R-StGB, § 266 Rz. 160. 15 BGH v. 7.10.2003 – 1 StR 212/03, BGHSt 48, 354, 359 m. zust. Bespr. Rotsch, ZStW 2005, 596; Lang/Eichhorn, NStZ 2004, 528, 530; Krüger, wistra 2004, 146; abl. Gallandi, NStZ 2004, 268; Peglau, wistra 2004, 8; Hannich/Röhm, NJW 2004, 2065; ferner BGH v. 25.4.2007 – 2 StR 25/07, wistra 2007, 306, 307. 16 Fischer, StGB, § 266 Rz. 189; Schünemann in LK-StGB, § 266 Rz. 177; Dierlamm in MüKo-StGB, § 266 Rz. 303.

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Saliger

§ 266a StGB

lung als Amtsträger oder Europäischer Amtsträger in § 263 Abs. 3 S. 2 Nr. 4. Denn die Amtsträgereigenschaft begründet hier häufig erst die Täterstellung (vgl. Haushaltsuntreue, Rz. 117 ff.), so dass ihre strafschärfende Berücksichtigung als unzulässige Doppelbelastung (vgl. § 46 Abs. 3) erscheint.1 Der BGH sieht keine Bedenken.2 Missbrauch der Befugnisse meint ein vorsätzlich rechtswidriges Handeln des Amtsträgers innerhalb seiner Befugnisse, Missbrauch der „Stellung“ dagegen ein Handeln außerhalb seines Zuständigkeitsbereichts unter Ausnutzung der durch das Amt gegebenen Handlungsmöglichkeiten. Stets ist der Missbrauch einer im Tatzeitpunkt tatsächlich innegehabten Amtsträgerschaft (vgl. § 11 Abs. 1 Nr. 2, 2a) erforderlich; die bloße Vortäuschung einer nicht vorhandenen Amtsträgereigenschaft genügt nicht.3 Im letzteren Fall ist ein unbenannter besonders schwerer Fall zu prüfen.4 Gänzlich funktionslos ist bei der Untreue das Regelbeispiel des Vortäuschen eines Versicherungsfalls in § 263 Abs. 3 S. 2 Nr. 5, weil die Vortäuschung Tathandlung des Betruges und nicht der Untreue ist.5

III. Strafantrag, Absatz 2 i.V.m. §§ 247, 248a Absatz 2 macht wie § 263 Abs. 4 beim Betrug die Strafverfolgung wegen Untreue zwingend von einem Straf- 138 antrag abhängig, wenn die Tat sich u.a. gegen Angehörige (§ 11 Abs. 1 Nr. 1) oder Personen richtet, mit denen der Täter in häuslicher Gemeinschaft lebt (Absatz 2 i.V.m. § 247 analog). Verletzte i.S.v. § 247 sind auch die Gesellschafter einer GmbH, wenn sie Angehörige des Täters sind.6 Ein Strafantrag soll aber dann nicht erforderlich sein, wenn die Tathandlung zu einem bedeutsamen Vermögensnachteil der GmbH selbst geführt hat, insbesondere zu ihrer konkreten Existenzgefährdung durch Beeinträchtigung des Stammkapitals.7 Bei geringwertigen Sachen lässt Absatz 2 eine Strafverfolgung nicht nur bei Strafantrag, sondern auch bei Vorliegen eines besonderen öffentlichen Interesses zu (Absatz 2 i.V.m. § 248a analog). Zur Anwendung der §§ 247, 248a s. bei § 263 StGB Rz. 309.

§ 266a Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt (1) Wer als Arbeitgeber der Einzugsstelle Beiträge des Arbeitnehmers zur Sozialversicherung einschließlich der Arbeitsförderung, unabhängig davon, ob Arbeitsentgelt gezahlt wird, vorenthält, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. (2) Ebenso wird bestraft, wer als Arbeitgeber 1. der für den Einzug der Beiträge zuständigen Stelle über sozialversicherungsrechtlich erhebliche Tatsachen unrichtige oder unvollständige Angaben macht oder 2. die für den Einzug der Beiträge zuständige Stelle pflichtwidrig über sozialversicherungsrechtlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis lässt und dadurch dieser Stelle vom Arbeitgeber zu tragende Beiträge zur Sozialversicherung einschließlich der Arbeitsförderung, unabhängig davon, ob Arbeitsentgelt gezahlt wird, vorenthält. (3) Wer als Arbeitgeber sonst Teile des Arbeitsentgelts, die er für den Arbeitnehmer an einen anderen zu zahlen hat, dem Arbeitnehmer einbehält, sie jedoch an den anderen nicht zahlt und es unterlässt, den Arbeitnehmer spätestens im Zeitpunkt der Fälligkeit oder unverzüglich danach über das Unterlassen der Zahlung an den anderen zu unterrichten, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Satz 1 gilt nicht für Teile des Arbeitsentgelts, die als Lohnsteuer einbehalten werden. (4) In besonders schweren Fällen der Absätze 1 und 2 ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter 1. aus grobem Eigennutz in großem Ausmaß Beiträge vorenthält, 2. unter Verwendung nachgemachter oder verfälschter Belege fortgesetzt Beiträge vorenthält oder 3. die Mithilfe eines Amtsträgers ausnutzt, der seine Befugnisse oder seine Stellung missbraucht.

1 Abl. Schünemann in LK-StGB, § 266 Rz. 176; Perron in S/S-StGB, § 266 Rz. 53; Dierlamm in MüKo-StGB, § 266 Rz. 304; Seier in A/R/R, Rz. 38; Martin, Bankuntreue, S. 172 f.; krit. auch Fischer, StGB, § 266 Rz. 190. 2 BGH v. 11.2.2000 – 3 StR 486/99, StV 2001, 111; KG v. 4.11.2014 – 2 Ws 298/14 – 161 AR 16/14, BeckRS 2014, 22076, S. 9; einschr. aber BGH v. 13.5.2004 – 5 StR 73/03, NStZ 2004, 559. 3 BGH v. 14.8.2013 – 4 StR 255/13, BeckRS 2013, 15849, Rz. 7; Saliger in M/R-StGB, § 263 Rz. 325. 4 BGH v. 14.8.2013 – 4 StR 255/13, BeckRS 2013, 15849, Rz. 9. 5 Allg. Meinung: Perron in S/S-StGB, § 266 Rz. 53; Saliger in S/S/W-StGB, § 266 Rz. 135; Schünemann in LK-StGB, § 266 Rz. 176; Dierlamm in MüKo-StGB, § 266 Rz. 305; Fischer, StGB, § 266 Rz. 191; Matt in M/R-StGB, § 266 Rz. 163; Martin, Bankuntreue, S. 173. 6 BGH v. 22.5.2003 – 5 StR 520/02, NJW 2003, 2924, 2926; BGH v. 30.9.2004 – 4 StR 381/04, NStZ-RR 2005, 86; a.A. Bittmann/Richter, wistra 2005, 53. 7 BGH v. 30.9.2004 – 4 StR 381/04, NStZ-RR 2005, 86; BGH v. 10.1.2006 – 4 StR 561/05, NStZ-RR 2007, 79, 80; Fischer, StGB, § 266 Rz. 193; Dierlamm in MüKo-StGB, § 266 Rz. 306.

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Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt

StGB

§ 266a StGB

Strafgesetzbuch

(5) Dem Arbeitgeber stehen der Auftraggeber eines Heimarbeiters, Hausgewerbetreibenden oder einer Person, die im Sinne des Heimarbeitsgesetzes diesen gleichgestellt ist, sowie der Zwischenmeister gleich. (6) In den Fällen der Absätze 1 und 2 kann das Gericht von einer Bestrafung nach dieser Vorschrift absehen, wenn der Arbeitgeber spätestens im Zeitpunkt der Fälligkeit oder unverzüglich danach der Einzugsstelle schriftlich 1. die Höhe der vorenthaltenen Beiträge mitteilt und 2. darlegt, warum die fristgemäße Zahlung nicht möglich ist, obwohl er sich darum ernsthaft bemüht hat. Liegen die Voraussetzungen des Satzes 1 vor und werden die Beiträge dann nachträglich innerhalb der von der Einzugsstelle bestimmten angemessenen Frist entrichtet, wird der Täter insoweit nicht bestraft. In den Fällen des Absatzes 3 gelten die Sätze 1 und 2 entsprechend. A. Grundsätzliches I. Genese, Funktionen und Rechtsgüter . . . . . . . . . II. Deliktscharakter, Strukturen, kriminalpolitische Bedeutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Objektiver Tatbestand 1. Täterkreis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Arbeitgeber, Absätze 1 bis 3 aa) Grundsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Verdeckte Arbeitsverhältnisse, insbesondere Scheinselbständige . . . . . cc) Handeln für einen anderen (1) Bestellung und Mehrheit von Organen, Delegation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Formeller Geschäftsführer und Strohmann . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Faktischer Geschäftsführer . . . . . . . . . (4) Beauftragung, § 14 Abs. 2 . . . . . . . . . . b) Gleichgestellte Personen, Absatz 5 . . . . . . . 2. Tathandlungen a) Vorenthalten von Arbeitnehmerbeiträgen, Absatz 1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Der geschuldete Tatgegenstand (1) Arbeitnehmerbeiträge. . . . . . . . . . . . . (2) Materielle Sozialrechtsakzessorietät . . .

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II. C. D. E. I. II.

(3) Fälligkeit gegenüber der Einzugsstelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Berechnung, Schätzung . . . . . . . . . bb) Tathandlung (1) Vorenthalten . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Tilgungsbestimmung bei Teilzahlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Möglichkeit und Zumutbarkeit der Pflichterfüllung . . . . . . . . . . . . . . . b) Vorenthalten von Arbeitgeber-Beiträgen, Absatz 2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Einbehalten von Arbeitsentgelt, Absatz 3 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Subjektiver Tatbestand . . . . . . . . . . . . . . . . . Rechtswidrigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Versuch und Vollendung, Täterschaft und Teilnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Konkurrenzen und Rechtsfolgen Konkurrenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rechtsfolgen 1. Absätze 1 bis 3 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Besonders schwere Fälle, Absatz 4 . . . . . . . 3. Absehen von Strafe, Absatz 6 . . . . . . . . . . .

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Literatur (Auswahl): Ast/Klocke, Die Sanktionierung der Mindestlohnunterschreitung durch § 23 Abs. 1 Nr. 1 AentG und § 266a StGB, wistra 2014, 206; Bachmann, Zur Strafverfolgungsverjährung der Beitragsvorenthaltung gemäß § 266a StGB, Festschrift Samson, 2010, 233; Bader, Schadensermittlung im Beitragsstrafrecht (§ 266a StGB), wistra 2010, 121; Bente, Die Strafbarkeit des Arbeitgebers wegen Beitragsvorenthaltung und Veruntreuung von Arbeitsentgelt (§ 266a StGB), 1992; Bollacher, Das Vorenthalten von Sozialversicherungsbeiträgen, 2006; Bürger, Der Arbeitgeberbegriff in § 266a StGB – ein komplexes und normatives Tatbestandsmerkmal usw., wistra 2016, 169; Dehne-Niemann, Omissio libera in causa bei echten Unterlassungsdelikten?, GA 2009, 150; Fritz, Die Selbstanzeige im Beitragsstrafrecht gemäß § 266a Abs. 5 StGB, 1997; Gercke/ Leimenstoll, Vorenthalten von Sozialversicherungsbeiträgen (§ 266a StGB) – Ein Leitfaden für die Praxis, HRRS 2009, 442; Gross/Schork, Der GmbH-Geschäftsführer im Spannungsverhältnis des Zahlungsverbots nach § 64 II 1 GmbHG und der Strafbarkeit wegen Vorenthaltens von Sozialversicherungsbeiträgen, NZI 2004, 358; Hüls/Reichling, Der Verjährungsbeginn beim Vorenthalten von Sozialversicherungsbeiträgen gemäß § 266a Abs. 1 StGB, StraFo 2011, 305; Ignor/Rixen, Handbuch Arbeitsstrafrecht, 2. Aufl. 2008; Ignor/Rixen, Europarechtliche Grenzen des § 266a Abs. 1 StGB, wistra 2001, 201; Ignor/Rixen, Grundprobleme und gegenwärtige Tendenzen des Arbeitsstrafrechts usw., NStZ 2002, 510; Ischebeck, Vorenthalten von Sozialversicherungsbeiträgen i.S.v. § 266a Abs. 1 StGB während der materiellen Insolvenz der GmbH, 2009; Klam, Die Strafbarkeit des Arbeitgebers nach § 266a StGB bei Teilzahlungen, ZInsO 2005, 1250; Körner, Haftungsrisiko Sozialversicherung – Beitragsrechtliche Folgen der Schwarzarbeit, NJW 2014, 584; Krack, Die Tätige Reue im Wirtschaftsstrafrecht, NStZ 2001, 505; Krack, Zur Interpretation des § 266a Abs. 2 StGB, wistra 2015, 121; Krumm, Zehn Schritte zur revisionsrechtlichen Prüfung des § 266a StGB, wistra 2012, 211; Krumm, Schwieriges Merkmal: Wer ist eigentlich Arbeitgeber im Sinne des § 266a StGB? NZWiSt 2015, 102; Kudlich, (Schein-)Selbständigkeit von „Busfahrern ohne eigenen Bus“ und Fragen des § 266a Abs. 1 StGB, ZIS 2011, 482; Kutzner, Strafbarkeit wegen Vorenthaltens von Arbeitsentgelt – Höhen und Tiefen neuester BGH-Rechtsprechung, NJW 2006, 413; Laitenberger, Beitragsvorenthaltung, Minijobs und Schwarzarbeitsbekämpfung, NJW 2004, 2703; Lange, Die Strafbarkeit des Arbeitgebers nach § 266a StGB bei mit Scheinwerkverträgen und im Rahmen des „Contractings“ beschäftigten Fachkräften, NZWiSt 2015, 248; Mayer, Zur inneren Tatseite bei § 266a StGB, NZWiSt 2015, 169; Metz, Strafbarkeit bei untertariflicher Bezahlung, NZA 2011, 782; Metz, Aktuelle Rechtsprechung zum Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt, NStZ-RR 2013, 297 (1. Teil) und 333 (2. Teil); Plagemann, Die Beitragshaftung des Geschäftsführers im Lichte der neuen InsO, NZS 2000, 8; Popp, Pflichtenakzessorietät und Irrtumslehre – Die neuere Rechtsprechung des BGH zu § 266a Abs. 1 StGB, in: Steinberg u.a. (Hrsg.), Wirtschaftsstrafrecht, 2011, 116; Radtke, Nichtabfüh-

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ren von Arbeitnehmerbeiträgen (§ 266a StGB) in der Krise des Unternehmens, GmbHR 2009, 673; Radtke, Die Anwendung nationalen Beitragsstrafrechts (§ 266a StGB) bei Arbeitnehmerentsendung innerhalb und außerhalb der Europäischen Union, GmbHR 2009, 915; Renzikowski, Strafbarkeit nach § 266a Abs. 1 StGB bei Zahlungsunfähigkeit wegen Vorverschuldens?, FS Weber 2004, 333; Rönnau, Die Strafbarkeit des Arbeitgebers gemäß § 266a StGB in der Krise des Unternehmens, wistra 1997, 13; Rönnau, Die Strafbarkeit des Vorenthaltens von Arbeitnehmersozialversicherungsbeiträgen in der Krise des Unternehmens, NJW 2004, 976; Rönnau/Kirch-Heim, Das Vorenthalten von Arbeitgeberbeiträgen zur Sozialversicherung gem. § 266a StGB n.F. – eine geglückte Regelung?, wistra 2005, 321; Schröder, Die strafrechtliche Haftung wegen Nichtabführens von Sozialversicherungsabgaben usw., GmbHR 2005, 736; L. Schulz, Neues bei § 266a StGB – Methodendisziplin als Strafbarkeitsrisiko? ZIS 2014, 572; U. Schulz, Die Strafbarkeit des Arbeitgebers nach § 266a StGB bei der Beschäftigung von Scheinselbständigen, NJW 2006, 183; Stuckert, Schadensermittlung bei Schwarzarbeit am Bau, wistra 2014, 289; Tag, Das Vorenthalten von Arbeitnehmerbeiträgen zur Sozial- und Arbeitslosen-Versicherung sowie das Veruntreuen von Arbeitsentgelt. Untersuchungen zu § 266a, 1994; Thum/Selzer, Die Strafbarkeit des Arbeitgebers bei illegaler Beschäftigung im Lichte der neueren Rechtsprechung des BGH, wistra 2011, 290; Trüg, Die Schwarzlohnabrede – Faktizität und Geltung, DStR 2011, 727; Wegner, Schwarzarbeit im Baugewerbe – Kriterien einer Indizienlösung, SteuK 2015, 391; Weidemann, Vorsatz und Irrtum bei Lohnsteuerhinterziehung und Beitragsvorenthaltung, wistra 2010, 463; Wittig, Zur Auslegung eines missglückten Tatbestandes – Die neue Rechtsprechung des BGH zu § 266a Abs. 2 StGB und deren Folgen für § 266a Abs. 1 StGB, HRRS 2012, 63; Zieglmeier, Rechtswegzersplitterung bei der Nichtabführung von Sozialversicherungsbeiträgen, NZA 2015, 651; Zieglmeier, Neue Beitragsrisiken für (Sport-)Vereine in der Sozialversicherung durch das MiLoG, NZS 2015, 890; Zimmermann/ Smok, Strafrechtliche Risiken arbeitsvertraglicher Gestaltungen, ArbRAktuell 2015, 394.

A. Grundsätzliches I. Genese, Funktionen und Rechtsgüter Die Vorschrift bedroht das vorsätzliche Vorenthalten (Absätze 1, 2) und Veruntreuen (Absatz 3) von Arbeitsent- 1 gelt mit Strafe. Sie ist eingeführt worden durch das 2. WiKG 1986.1 Art. 8 des Gesetzes zur Erleichterung der Bekämpfung von illegaler Beschäftigung und Schwarzarbeit vom 23.7.20022 hat mit Wirkung vom 1.8.2002 u.a. in Absatz 1 Klarstellungen in Anlehnung an die Fortentwicklung des Sozialversicherungsrechts vorgenommen3 sowie in Anlehnung an § 370 Abs. 3 AO benannte Regelbeispiele für besonders schwere Fälle in einem neuen Absatz 4 eingeführt; die bisherigen Absätze 4 und 5 wurden zu Absätzen 5 und 6. Art. 2 des Gesetzes zur Intensivierung der Bekämpfung der Schwarzarbeit und damit zusammenhängender Steuerhinterziehung vom 23.7.20044 hat mit Wirkung vom 1.8.2004 das Vorenthalten auch von Arbeitgeberentgelt in einem neuen Absatz 2 kriminalisiert,5 den bisherigen Absatz 3 wegen Wegfalls seines Anwendungsbereichs aufgehoben6 und durch den redaktionell neu gefassten bisherigen Absatz 2 ersetzt sowie die Absätze 4 und 6 durch die Bezugnahme auf Absatz 2 erweitert. Die Funktionen des § 266a sind aufgrund der Heterogenität seiner drei Tatbestände unterschiedlich:7 Absatz 1 fasst die vormals verstreuten Strafvorschriften der verschiedenen Sozialversicherungsgesetze über das Vorenthalten von Sozialversicherungsbeiträgen (vgl. u.a. § 225 AFG, §§ 529, 1428 RVO, § 150 AVG, § 234 RKG) in einer vereinheitlichten Vorschrift im Kernstrafrecht zusammen, um einerseits der gewichtigen Bedeutung des untreueähnlichen Strafunrechts in der Praxis Rechnung zu tragen, und andererseits die präventive Wirkung des Strafschutzes zu verbessern.8 Absatz 2 erfasst im Interesse eines umfassenden strafrechtlichen Schutzes der Sozialversicherung als Neuerung gegenüber dem alten Recht auch die Hinterziehung von Arbeitgeberanteilen und soll strafwürdige Lücken beim Beitragsbetrug schließen, die § 263 insbesondere beim pflichtwidrigen Unterlassen von Angaben zurücklässt.9 Der ebenfalls neue Absatz 3 soll als allgemeiner Tatbestand über das Veruntreuen von Arbeitsentgelt eine strafwürdige Lücke im Randbereich der insoweit unzureichenden Tatbestände von Untreue und Betrug schließen und damit den Schutz gegen unseriöse Unternehmer verstärken, die sich insbesondere auf Kosten der Arbeitnehmer bereichern.10 Entsprechend diesen unterschiedlichen Funktionen schützt die Vorschrift auch verschiedene Rechtsgüter.11 2 Rechtsgut des Absatzes 1 ist nach zutreffender h.M. primär das Interesse der Solidargemeinschaft an der Sicherstellung des Beitragsaufkommens der Sozialversicherung,12 also letztlich das Vermögen der Sozialversiche-

1 Art. 1 Nr. 11; BGBl. I, S. 721; dazu vor allem BT-Drucks. 10/318, S. 12 f., 25 ff. und Bericht Rechtsaussch. BT-Drucks. 10/5058, S. 31. 2 BGBl. I, S. 2787; BT-Drucks. 14/8221, S. 8 f., 18. 3 Umstellung auf Beiträge zur Arbeitsförderung, Aufnahme der Lohnpflichttheorie; zu Letzterem Rz. 25. 4 BGBl. I, S. 1842; BT-Drucks. 15/2573, S. 9 f., 28 f.; Beschlussempfehlung Finanzaussch. BT-Drucks. 15/3077, S. 18 f.; Bericht Finanzaussch. BT-Drucks. 15/3079, S. 10. 5 Laitenberger, NJW 2004, 2703 f.; krit. Rönnau/Kirch-Heim, wistra 2005, 321. 6 Bericht Finanzaussch. BT-Drucks. 15/3079, S. 10; Laitenberger, NJW 2004, 2704 ff. 7 Zum Folgenden bereits Saliger in S/S/W-StGB, § 266a Rz. 1. 8 BT-Drucks. 10/318, S. 12, 25. 9 BT-Drucks. 15/2573, S. 28. 10 BT-Drucks. 10/318, S. 13, 26 ff., 28. 11 Dazu Saliger in S/S/W-StGB, § 266a Rz. 2. 12 BT-Drucks. 10/318, S. 12, 25; 10/5058, S. 31; BGH v. 21.9.2005 – 5 StR 263/05, wistra 2005, 458, 459 m. Anm. Rolletschke, wistra 2006, 105; OLG Köln v. 28.3.2003 – 1 Zs 120/03 – 19/03, NStZ-RR 2003, 212, 213; Fischer, StGB, § 266a Rz. 2; Kühl in Lackner/Kühl, StGB, § 266a Rz. 1; Perron in S/S-StGB, § 266a Rz. 2; Radtke in MüKo-StGB, § 266a Rz. 4.

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Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt

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Strafgesetzbuch

rungsträger.1 Nicht mitgeschützt ist dagegen das Vermögen des einzelnen Arbeitnehmers, der durch das Vorenthalten von Arbeitnehmerbeiträgen grundsätzlich keinen Schaden erleidet und deshalb nicht Verletzter i.S.d. § 172 StPO ist.2 Das gilt auch für die in der Gesetzesbegründung genannten Geschäftspartner und Mitbewerber,3 gegenüber denen Absatz 1 allenfalls Schutzreflexe entfaltet.4 Der untreueähnliche Charakter von Absatz 1 ergibt sich nicht im Verhältnis zum Arbeitnehmer, sondern wegen der originären Schuldnerstellung des Arbeitgebers auch hinsichtlich der Arbeitnehmerbeiträge (§ 28e Abs. 1 S. 1 SGB IV) und seines auch im Interesse der Solidargemeinschaft der Versicherten bestehenden Rechts zum Lohnabzug (§ 28g S. 2 SGB IV) im Verhältnis zum Sozialversicherungsträger.5 Das Rechtsgut von Absatz 2 erschöpft sich ebenso wie bei Absatz 1 in dem Schutz des Beitragsaufkommens der Sozialversicherung,6 wobei im Unterschied zu Absatz 1 das Handlungsunrecht Betrugsähnlichkeit aufweist.7 Absatz 3 schützt dagegen allein das Vermögen des betroffenen Arbeitnehmers.8 Auch bei Absatz 3 bezeichnen die im Gesetzentwurf erwähnten möglichen Vermögensschäden für Geschäftspartner und Wettbewerber durch das pflichtwidrige Verhalten des Arbeitgebers9 lediglich Schutzreflexe.10

II. Deliktscharakter, Strukturen, kriminalpolitische Bedeutung 3

Da Absatz 1 nur das pflichtwidrige Vorenthalten von Arbeitnehmerbeiträgen zur Sozialversicherung verlangt,11 stellt er ein echtes Unterlassungsdelikt dar.12 Das ergibt sich daraus, dass der Erfolg beim Erfolgsdelikt den Zustand einer von der Täterhandlung sichtbar losgelösten Zustandsveränderung in der Außenwelt beschreibt,13 was bei § 266a Abs. 1 nicht der Fall ist. Das tatsächliche Ausbleiben der Beiträge fällt hier mit dem Täterverhalten zusammen, so dass der Vorenthaltungserfolg sich nicht vom Verhalten des Täters – dem Vorenthalten – trennen lässt. Der Schwerpunkt der Vorwerfbarkeit liegt damit auf dem Unterlassen. Friktionen, die von einer Mindermeinung, die Absatz 1 als Erfolgsdelikt ansieht,14 im Hinblick auf die Zahlung der Beiträge durch Dritte geltend gemacht werden, können bei präziser Auslegung des Tatbestands vermieden werden. So entfällt bei Entrichtung der Beiträge durch einen Dritten u.U. bereits die Zahlungspflicht und damit auch eine Strafbarkeit.15 Ebenfalls keine Zustimmung verdient die – nicht durch den Sachverhalt veranlasste – Rechtsfortbildung des 1. Strafsenats des BGH. Soweit danach in Fällen, in denen Absatz 1 durch betrugsähnliche, in Absatz 2 beschriebene Handlungen verwirklicht wird, die für echte Unterlassungsdelikte geltenden Grundsätze wie der Einwand der Unmöglichkeit der Beitragsentrichtung (dazu Rz. 27 ff.) nicht greifen sollen,16 widerspricht diese Rechtsfortbildung zum einen Wortlaut17 und Struktur des Absatzes 1, zum anderen beruft sich der 1. Strafsenat zu Unrecht auf den Willen des Gesetzgebers.18 Dass der Gesetzgeber in der Frage der Unmöglichkeit eine ein1 OLG Saarbrücken v. 27.5.2015 – 1 U 89/14, NZS-RR 2015, 487, 488 f.; Hoyer in SK-StGB, § 266a Rz. 9; Matt in M/RStGB, § 266a Rz. 1; Saliger in S/S/W-StGB, § 266a Rz. 2. Vgl. auch Pananis in Ignor/Rixen, § 6 Rz. 8 und Fritz, Die Selbstanzeige, 1997, S. 10 ff.: Funktionsfähigkeit der Sozialversicherung. 2 Str., wie hier die h.M.: OLG Köln v. 28.3.2003 – 1 Zs 120/03 - 19/03, NStZ-RR 2003, 212, 213; Fischer, StGB, § 266a Rz. 2; Hoyer in SK-StGB, § 266a Rz. 5 ff.; Matt in M/R-StGB, § 266a Rz. 2; Radtke in MüKo-StGB, § 266a Rz. 4; Pananis in Ignor/Rixen, Rz. 9; Gercke in A/R/R, 12. Teil/2 Rz. 10. A.A. BSG v. 22.2.1996 – 12 RK 42/94, BSGE 78, 20, 23 f.; Möhrenschlager in LK-StGB, § 266a Rz. 9 f.; Tag in NK-StGB, § 266a Rz. 8 ff.; Thul in M-G, § 38 Rz. 11; Tag, Das Vorenthalten, 1994, S. 34 ff. 3 BT-Drucks. 10/318, S. 12, 25. 4 Perron in S/S-StGB, § 266a Rz. 2. 5 Perron in S/S-StGB, § 266a Rz. 2; Pananis in Ignor/Rixen, § 6 Rz. 5. Krit. Bollacher, Das Vorenthalten, 2006, S. 64 ff., der den Kern des Unrechts von Absatz 1 in der Verletzung der Solidaritätspflicht durch den Arbeitgeber sieht (S. 77). 6 Unstreitig: BT-Drucks. 15/2573, S. 28; OLG Saarbrücken v. 27.5.2015 – 1 U 89/14, NZS-RR 2015, 487, 488 f.; Fischer, StGB, § 266a Rz. 2; Kühl in Lackner/Kühl, StGB, § 266a Rz. 1; Hoyer in SK-StGB, § 266a Rz. 11; Pananis in Ignor/Rixen, § 6 Rz. 8; Tag in NK-StGB, § 266a Rz. 15. 7 Perron in S/S-StGB, § 266a Rz. 2; vgl. auch BGH v. 24.4.2007 – 1 StR 639/06, NStZ 2007, 527; Radtke in MüKo-StGB, § 266a Rz. 5. 8 Ebenfalls unstreitig: BT-Drucks. 10/5058, S. 31; OLG Celle v. 1.7.1991 – 3 Ss 77/91, NJW 1992, 190; Fischer, StGB, § 266a Rz. 2; Kühl in Lackner/Kühl, StGB, § 266a Rz. 1; Hoyer in SK-StGB, § 266a Rz. 12; Radtke in MüKo-StGB, § 266a Rz. 6; Tag in NK-StGB, § 266a Rz. 17. 9 BT-Drucks. 10/318, S. 26, 28. 10 Perron in S/S-StGB, § 266a Rz. 2. 11 BT-Drucks. 10/318, S. 28. 12 H.M.: BGH v. 28.5.2002 – 5 StR 16/02, BGHSt 47, 318, 320; BGH v. 24.10.2006 – 1 StR 44/06, BGHSt 51, 124, 133; BGH v. 2.12.2008 – 1 StR 416/08, BGHSt 53, 71, 79; BGH v. 15.3.2012 – 5 StR 288/11, NJW 2012, 2051, 2053; OLG Celle v. 4.6.1997 – 22 Ss 68/97, NStZ 1998, 303 f.; OLG Düsseldorf v. 21.12.2007 – III-5 Ss 288/07 - 166/07 IV, 5 Ss 288/07 - 166/07 IV, StV 2009, 193, 194; auch OLG Hamm v. 6.3.2007 – 5 Ss 226/06, NStZ-RR 2007, 170 f.; Hoyer in SKStGB, § 266a Rz. 14; Kühl in Lackner/Kühl, StGB, § 266a Rz. 7; Radtke in MüKo-StGB, § 266a Rz. 7; Fischer, StGB, § 266a Rz. 14; Matt in M/R-StGB, § 266a Rz. 6. 13 Roxin, AT/Band I, § 10 Rz. 102; Rengier, AT § 10 Rz. 3. 14 Möhrenschlager in LK-StGB, § 266a Rz. 3; Rönnau/Kirch-Heim, wistra 2005, 321, 323; Krack, wistra 2015, 121. 15 Vgl. Matt in M/R-StGB, § 266a Rz. 6; einschränkend Kühl in Lackner/Kühl, StGB, § 266a Rz. 7. Dazu auch Rz. 15. 16 BGH v. 11.8.2011 – 1 StR 295/11, NJW 2011, 3047, 3048 m. krit. Anm. Bittmann und Kudlich ZWH 2012, 80; Wittig, HRRS 2012, 63. 17 Ebenso Bittmann, NJW 2011, 3048; auch Wittig, HRRS 2012, 67. 18 Saliger in S/S/W-StGB, § 266a Rz. 3. A.A. Bittmann, NJW 2011, 3048 f.

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Saliger

Rz. 5 § 266a StGB

heitliche Anwendung beider Absätze in kriminalisierender Hinsicht bezweckt hätte,1 ist eine petitio principii. Der Gesetzgeber wollte weder einen umfassenden strafrechtlichen Schutz der Sozialversicherung,2 noch war er unempfänglich für die Bedenken hinsichtlich der Kriminalisierung der Nichtzahlung einer eigenen Schuld durch Absatz 2 (auch unten Rz. 31).3 Insoweit lässt sich die – in der Tat – gebotene Gleichbehandlung von Absatz 1 und 2 in der Frage der Unmöglichkeit der Beitragsentrichtung auch entkriminalisierend durch ihre grundsätzliche Berücksichtigung gewährleisten, abgesehen davon, dass in Fällen wie dem vom 1. Strafsenat entschiedenen regelmäßig die Grundsätze der omissio libera in causa in Betracht kommen (dazu Rz. 28) und daher ein Tatbestandsausschluss ohnehin ausscheidet.4 Gegen die Ansicht des 1. Strafsenats spricht schließlich, dass sie zu unterschiedlichen Verjährungszeitpunkten nicht nur innerhalb von Absatz 1 (zwischen den Fällen schlichter Nichtzahlung und verspäteter Zahlung sowie den Fällen illegaler Beschäftigungsverhältnisse, bei denen die Nichtzahlung auf betrugsähnliche Handlungen zurückgeht), sondern auch innerhalb von Absatz 2 (zwischen Nr. 1 als Erfolgsdelikt und Nr. 2 als echtem Unterlassungsdelikt) führt. Denn bei unechten Unterlassungsdelikten beginnt die Verjährung mit Erlöschen der Beitragspflicht (Rz. 41), während bei Erfolgsdelikten die Verjährung mit Eintritt des Taterfolgs, also der Nichtzahlung der Beiträge im Fälligkeitszeitpunkt beginnt.5 Dann würden die Taten mit der Täuschung als schwererem Handlungsunrecht früher verjähren. Das kann nicht richtig sein. Die Grundsätze des echten Unterlassungsdelikts gelten im Ergebnis auch für den ebenfalls ein Vorenthalten vo- 4 raussetzenden Absatz 2, wobei allerdings Nr. 1 zusätzlich eine Täuschung durch Tun und Nr. 2 eine Täuschung durch Unterlassen erfordern. Trotz der nicht zu leugnenden „Erfolgsmomente“ (vgl. auch Rz. 32 f.) wird auch hier das maßgebliche Täterverhalten durch das Vorenthalten als Unterlassen beschrieben, so dass der Schwerpunkt auch hier auf einem Unterlassen liegt.6 Die Gegenauffassung, die entweder nur Nr. 17 oder beide Deliktsvarianten als Erfolgsdelikte begreift,8 vernachlässigt die Pflichtenbasis des Abatzes 2, die es erlaubt, selbst das Machen unrichtiger oder unvollständiger Angaben als pflichtwidriges Unterlassen einer wahrheitsgemäßen bzw. vollständigen Meldung zu interpretieren, weshalb Nr. 1 nur ein Spezialfall von Nr. 2 ist (vgl. auch Rz. 33).9 Zudem führt die Gegenansicht zu unhaltbaren Friktionen (s. Rz. 3), insbesondere der unnötigen Konsequenz, Absatz 2 bei Unmöglichkeit der Zahlung stets mangels Kausalität entfallen zu lassen, was dann wegen der Ungleichheit zu Absatz 1 nur der Gesetzgeber korrigieren könne.10 Die Tathandlung des Absatzes 3 kombiniert Elemente des Tuns (Einbehalten) mit Elementen des Unterlassens (Nichtzahlung, Nichtunterrichtung) und bildet angesichts des Übergewichts des Unterlassens insgesamt gleichfalls ein echtes Unterlassungsdelikt.11 Soweit das Tatunrecht sich im Verzug erschöpft (Vorenthalten; Rz. 25), wird auch mit Blick auf Absatz 6 nicht zwingend ein (endgültiger) Vermögensschaden der Sozialversicherungsträger bzw. betroffenen Arbeitnehmer (Absatz 3) vorausgesetzt, so dass der Tat gewisse Gefährdungselemente eigen sind.12 Die Vorschrift ist Schutzgesetz i.S.d. § 823 Abs. 2 BGB,13 namentlich auch § 266a Abs. 2.14 Obgleich § 266a sozi- 5 alrechtsakzessorisch ausgestaltet ist,15 bestehen Bezüge auch zum Zivil- und Steuerrecht, woraus nicht nur bei Unternehmen in der Krise (näher Rz. 28 ff.) Abstimmungsprobleme resultieren.16 Trotz der entstehungs1 2 3 4 5 6 7

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So BGH v. 11.8.2011 – 1 StR 295/11, NJW 2011, 3047, 3048. In BT-Drucks. 15/2573, S. 28 ist lediglich von einem in Bezug auf § 263 „umfassenderen“ Schutz die Rede. Vgl. BT-Drucks. 15/2573, S. 28. Selbst betont in BGH v. 11.8.2011 – 1 StR 295/11, NJW 2011, 3047, 3048. Überzeugend Metz, NStZ-RR 2013, 297 f. Radtke in MüKo-StGB, § 266a Rz. 7; Saliger in S/S/W-StGB, § 266a Rz. 3; i.E. auch Kühl in Lackner/Kühl, StGB, § 266a Rz. 11 f.; Fischer, StGB, § 266a Rz. 21b; ferner BT-Drucks. 15/2573, S. 28. BGH v. 11.8.2011 – 1 StR 295/11, NJW 2011, 3047, der unter Annahme eines erhöhten Unrechts und Überbetonung der Formulierung „dadurch“ Abs. 2 Nr. 1 als Erfolgsdelikt ansieht, für das aber nicht Äquivalenzkausalität (dafür Wittig, HRRS 2012, 65), sondern ein funktionaler Zusammenhang ausreichen soll, so dass der Einwand der Unmöglichkeit der Beitragsentrichtung nicht greift; ebenso für Erfolgsdelikt BGH v. 15.3.2012 – 5 StR 288/11, NJW 2012, 2051, 2053; Hoyer in SK-StGB, § 266a Rz. 15. Rönnau/Kirch-Heim, wistra 2005, 323 ff.; Wittig, HRRS 2012, 64 f.; Krack, wistra 2015, 121 ff. Metz, NStZ-RR 2013, 298; vgl. auch Perron in S/S-StGB, § 266a Rz. 11e. So Rönnau/Kirch-Heim, wistra 2005, 326 f.; ihnen folgend Krack, wistra 2015, 127. Str., wie hier: Radtke in MüKo-StGB, § 266a Rz. 56, 7; Saliger in S/S/W-StGB, § 266a Rz. 3; auch Kühl in Lackner/Kühl, StGB, § 266a Rz. 14 f. und Fischer, StGB, § 266a Rz. 21b. Für echtes Unterlassungsdelikt mit Taterfolg wohl BGH v. 11.8.2011 – 1 StR 295/11, NJW 2011, 3047 f. und explizit Wittig, HRRS 2012, 64. Differenzierend Hoyer in SK-StGB, § 266a Rz. 17; Möhrenschlager in LK-StGB, § 266a Rz. 7; Mitsch, BT II 2 § 4 Rz. 39: Einbehalten kein Handlungsmerkmal. Vgl. BT-Drucks. 10/318, S. 11, 12, 25 f., 31; Möhrenschlager in LK-StGB, § 266a Rz. 7: Absatz 3 als Gefährdungsdelikt. BGH v. 21.1.1997 – VI ZR 338/95, BGHZ 134, 304; BGH v. 18.4.2005 – II ZR 61/03, NJW 2005, 2546, 2547; BGH v. 11.6.2013 – II ZR 389/12, NZG 2013, 937, 938. Eingehend OLG Saarbrücken v. 27.5.2015 – 1 U 89/14, NZS-RR 2015, 487, 488 f. BGH v. 24.10.2006 – 1 StR 44/06, BGHSt 51, 124, 128; BGH v. 24.10.2007 – 1 StR 160/07, BGHSt 52, 67, 70; BGH v. 2.12.2008 – 1 StR 416/08, BGHSt 53, 71, 76; OLG Düsseldorf v. 21.12.2007 – III-5 Ss 288/07 – 166/07 IV, 5 Ss 288/07 – 166/07 IV, StV 2009, 193; Fischer, StGB, § 266a Rz. 9a; Saliger in S/S/W-StGB, § 266a Rz. 3. Zu den Unterschieden zwischen Straf-, Sozial-, Arbeits- und Steuerrecht Körner, NJW 2014, 584; Zieglmeier, NZA 2015, 651.

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StGB

Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt

StGB

§ 266a StGB Rz. 6

Strafgesetzbuch

geschichtlichen Nähe des § 266a zu § 370 AO (vgl. Rz. 1, 32) kann die Vorschrift gleichwohl nicht wie ein Steuerdelikt ausgelegt werden. Die kriminalpolitische Bedeutung der Vorschrift ist hoch.1 Die PKS 20152 weist von 21 602 gemeldeten Fällen für Veruntreuungen insgesamt (§§ 266, 266a, 266b) für § 266a (Schl. 522000) 12 243 Fälle aus (2014: 13 088), bei einer Aufklärungsquote von 99,4 % (2014: 99,4 %) und einem Gesamtschaden von ca. 67 Mio. Euro (2014: 71,5 Mio. Euro).3 Praxisrelevant wird § 266a hauptsächlich bei Arbeitgebern in der Krise. Weitere Praxisrelevanz vermitteln Schattenwirtschaft, Schwarzarbeit4 und Entsendebescheinigungen (näher Rz. 20). Von großer praktischer Bedeutung ist § 266a auch im Rahmen zivilrechtlicher Schadensersatzklagen insbesondere gegen Geschäftsführer von Kapitalgesellschaften, was erklärt, dass ein Großteil der einschlägigen Rspr. von Zivilgerichten stammt.5

B. Voraussetzungen 6

§ 266a enthält in den Absätzen 1 bis 3 selbständige Tatbestände des vorsätzlichen Vorenthaltens (Absätze 1, 2) und Veruntreuens (Absatz 3) von Arbeitsentgelt. Absatz 4 schärft in Regelbeispielstechnik für besonders schwere Fälle der Absätze 1 und 2 die Strafe. Absatz 5 erweitert den Täterkreis durch Gleichstellung verschiedener Personen mit dem Arbeitgeber. Absatz 6 eröffnet in Satz 1 die fakultative Möglichkeit des Absehens von Strafe und in Satz 2 einen obligatorischen Strafausschließungsgrund.

I. Objektiver Tatbestand 1. Täterkreis 7

Als Täter kommen allein Arbeitgeber sowie die in Absatz 5 dem Arbeitgeber gleichgestellten Personen in Betracht. Die Tat ist echtes Sonderdelikt.6 Soweit der Arbeitgeber eine juristische Person ist, erfolgt die Zurechnung an die Repräsentanten, Beauftragten und gewillkürten Vertreter über § 14 (näher Rz. 12 ff.).7 Dass sich die Organ- bzw. Beauftragtenstellung des Täters auf eine ausländische Gesellschaft bezieht, steht der Anwendung von § 14 nicht entgegen. Denn entscheidend ist das Tätigkeitsbild der betreffenden Person, das im Anwendungsbereich von § 14 Abs. 2 nicht abhängig ist vom Sitz der Gesellschaft und im Anwendungsbereich von § 14 Abs. 1 Nr. 1 StGB einen Vergleich der Organaufgaben erfordert (näher Rz. 20).8 Bei der Arbeitgebereigenschaft und der Gleichstellung nach Absatz 5 handelt es sich wegen der herausgehobenen sozialrechtlichen Pflichtenstellung auch um ein strafbegründendes besonderes persönliches Merkmal i.S.d. § 28 Abs. 1 mit der Konsequenz, dass die Strafe für Teilnehmer obligatorisch zu mildern ist gem. § 49 Abs. 1.9 Die nicht eigenständig definierten strafrechtlichen Begriffe des Arbeitgebers und der gleichgestellten Personen sind sozial- bzw. zivilrechtsakzessorisch auszulegen,10 und zwar für alle Tatbestände einheitlich (dazu auch Rz. 34).11 Aufgrund der Funktionen und geschützten Rechtsgüter besteht insoweit kein Raum für eine strafrechtsautonome Auslegung. a) Arbeitgeber, Absätze 1 bis 3 aa) Grundsätze

8

Insbesondere der Arbeitgeberbegriff richtet sich, wie es der 1. Strafsenat des BGH wiederholt formuliert hat, nach dem Sozialrecht, das seinerseits auf das zivilrechtliche Dienstvertragsrecht verweist.12 Arbeitgeber ist danach, wem der Arbeitnehmer gem. §§ 611 ff. BGB nicht-selbständige Dienste in persönlicher Abhängigkeit ent-

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10 11 12

Vgl. bereits BT-Drucks. 10/318, S. 25; Saliger in S/S/W-StGB, § 266a Rz. 3. IMK-Kurzbericht, S. 93 f. PKS 2015, Tab. 07; PKS 2014, Tab. 07. Pananis in Ignor/Rixen, § 36 Rz. 7; Thul in M-G, § 38 Rz. 8 f. Vgl. nur BGH v. 18.4.2005 – II ZR 61/03, NJW 2005, 2546 m.w.N.; ferner Fischer, StGB, § 266a Rz. 2; Tag in NK-StGB, § 266a Rz. 16. Fischer, StGB, § 266a Rz. 3; Kühl in Lackner/Kühl, StGB, § 266a Rz. 2. Unstreitig: BT-Drucks. 10/318, S. 30; BGH v. 28.5.2002 – 5 StR 16/02, BGHSt 47, 318, 324 ff.; BGH v. 30.7.2003 – 5 StR 221/03, BGHSt 48, 307, 313 f.; Radtke in MüKo-StGB, § 266a Rz. 11; Perron in S/S-StGB, § 266a Rz. 20; Pananis in Ignor/Rixen, § 6 Rz. 11. BGH v. 11.6.2013 – II ZR 389/12, NZG 2013, 937, 938. Streitig, wie hier die h.M.: BGH v. 8.2.2011 – 1 StR 651/10, NJW 2011, 2526; BGH v. 20.10.1983 – 4 StR 477/83, wistra 1984, 67 zu § 529 RVO a.F.; Fischer, StGB, § 266a Rz. 3; Hoyer in SK-StGB, § 266a Rz. 18; Möhrenschlager in LKStGB, § 266a Rz. 82; Radtke in MüKo-StGB, § 266a Rz. 98; Saliger in S/S/W-StGB, § 266a Rz. 5; Tag in NK-StGB, § 266a Rz. 18. A.A. Kühl in Lackner/Kühl, StGB, § 266a Rz. 2; Perron in S/S-StGB, § 266a Rz. 20; Otto, BT § 54 Rz. 57 und § 61 Rz. 69. Vgl. BT-Drucks. 10/318, S. 30; ferner Radtke in MüKo-StGB, § 266a Rz. 10; Pananis in Ignor/Rixen, § 6 Rz. 10. Hoyer in SK-StGB, § 266a Rz. 19; Saliger in S/S/W-StGB, § 266a Rz. 5; auch Fischer, StGB, § 266a Rz. 4 ff. Differenzierend Tag in NK-StGB, § 266a Rz. 104; Perron in S/S-StGB, § 266a Rz. 11, 15/16. BGH v. 5.6.2013 – 1 StR 626/12, NStZ 2013, 587; BGH v. 4.9.2013 – 1 StR 94/13, NStZ 2014, 321, 322; BGH v. 16.4.2014 – 1 StR 638/13, NStZ-RR 2014, 246, 247; BGH v. 24.6.2015 – 1 StR 76/15, NStZ 2015, 648, 649.

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Rz. 9 § 266a StGB

geltlich leistet,1 was sich vornehmlich in einer Tätigkeit nach Weisungen und einer Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers gem. § 7 Abs. 1 S. 2 SGB IV äußert.2 Zur Sicherung eines umfassenden sozialrechtlichen Schutzes des Arbeitnehmers kommt es nicht auf die zivilrechtliche Wirksamkeit des Arbeitsverhältnisses an.3 Entscheidend sind die faktischen Verhältnisse, nicht abweichende und/oder verschleiernde vertragliche Gestaltungen.4 Insbesondere können die Vertragsparteien die sozialversicherungsrechtlichen Abführpflichten, die aus einem nach den tatsächlichen Umständen bestehenden Beschäftigungsverhältnis resultieren, nicht durch eine abweichende Vertragsgestaltung beseitigen.5 Die tatsächlichen Gegebenheiten sind einer wertenden Gesamtbetrachtung zu unterziehen, in die vor allem folgende Indizien einzustellen sind: das Vorliegen eines umfassenden arbeitsrechtlichen Weisungsrechts in sachlicher, zeitlicher und örtlicher Hinsicht, insbesondere die Festlegung des täglichen Beginns und des Endes der konkreten Tätigkeit, die Gestaltung des Entgelts und seiner Berechnung (etwa Bezahlung nach festen Entgeltsätzen oder variable Vergütung), Art und Ausmaß der Einbindung in den Betriebsablauf des Weisungsgebers6 oder das Fehlen eines eigenen unternehmerischen Risikos.7 Ob der Arbeitgeber Gewinn erzielt oder in Gewinnerzielungsabsicht handelt, ist unerheblich.8 Das Problem der Abgrenzung stellt sich nicht nur im Bereich der Schattenwirtschaft,9 sondern zunehmend im Bereich prekärer Arbeitsverhältnisse und alternativer Beschäftigungsmöglichkeiten zur Arbeitnehmerüberlassung, die vermehrt Merkmale von Abhängigkeit und Selbständigkeit enthalten und damit ambivalent ausgestaltet sind.10 In solchen Fällen wird entscheidend, welche Merkmale im Gesamtbild der tatsächlichen Umstände überwiegen.11 Halten sich die Merkmale der Abhängigkeit und der Selbständigkeit die Waage, spricht insbesondere die tatsächliche Handhabung nicht zwingend für ein Arbeitsverhältnis, so ist die Vertragstypenwahl der Beteiligten zu berücksichtigen.12 Der BGH ist der Ansicht, dass diese strafrechtliche Bestimmung des Arbeitgeberbegriffs nicht nur mit der Rspr. des BAG und des BSG übereinstimmt.13 Laut 1. Strafsenat harmonieren die Grundsätze des deutschen Rechts hinsichtlich der Abgrenzung von Arbeitnehmern und Selbständigen im Wesentlichen auch mit den gemeinschaftsrechtlichen Maßstäben. Die innerstaatlichen Gerichte müssen daher kein Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH richten, wenn der EuGH die relevanten Rechtssätze des Unionsrechts eindeutig und zweifelsfrei ausgelegt hat und sich die Anwendung des ausgelegten Rechts auf den zu entscheidenden Einzelfall beschränkt.14 bb) Verdeckte Arbeitsverhältnisse, insbesondere Scheinselbständige Soweit bei der Abgrenzung von Arbeitnehmern und Selbständigen die tatsächlichen Verhältnisse ausschlag- 9 gebend sind, können verdeckte Arbeitsverhältnisse wie die Führung als freier Mitarbeiter oder Subunternehmer einbezogen werden. Maßgeblich ist die Rechtsbeziehung so, wie sie praktiziert wird, und die praktizierte Beziehung so, wie sie rechtlich zulässig ist.15 Insbesondere entscheidet über die rechtliche Einordnung von Verträgen der tatsächliche Geschäftsinhalt und nicht die von den Parteien gewünschte Rechtsfolge oder eine dem Geschäftsinhalt tatsächlich nicht entsprechende Bezeichnung.16 Der Auftraggeber des Scheinselbständigen ist insoweit der sozialversicherungspflichtige Arbeitgeber.17 Beim Fremdpersonaleinsatz ist zu berücksichtigen, dass es sich durchweg um Dreiecksverhältnisse handelt, in denen der Werktätige von einem einsetzenden Un1 Kühl in Lackner/Kühl, StGB, § 266a Rz. 3; Fischer, StGB, § 266a Rz. 4; Radtke in MüKo-StGB, § 266a Rz. 12; Gercke in A/R/R, 12. Teil/2 Rz. 13. 2 BGH v. 11.8.2011 – 1 StR 295/11, NJW 2011, 3047; BGH v. 5.6.2013 – 1 StR 626/12, NStZ 2013, 587; BGH v. 24.6.2016 – 1 StR 76/15, NStZ 2015, 648, 649; OLG Celle v. 3.7.2013 – 1 Ws 123/13, NZWiSt 11/2015, 430, 433 f.; Saliger in S/S/ W-StGB, § 266a Rz. 6; Tag in NK-StGB, § 266a Rz. 19; Thum/Selzer, wistra 2011, 290 f.; Krumm, NZWiSt 2015, 102. 3 Hoyer in SK-StGB, § 266a Rz. 23; Tag in NK-StGB, § 266a Rz. 20. 4 BGH v. 7.10.2009 – 1 StR 320/09, NStZ 2010, 337; BGH v. 11.8.2011 – 1 StR 295/11, NJW 2011, 3047; BGH v. 27.9.2011 – 1 StR 399/11, NJW 2012, 471, 472; BGH v. 4.9.2013 – 1 StR 94/13, NStZ 2014, 321, 322; Perron in S/SStGB, § 266a Rz. 11; Fischer, StGB, § 266a Rz. 4a; Gercke in A/R/R, 12. Teil/2 Rz. 13; Möhrenschlager in LK-StGB, § 266a Rz. 15; Gercke/Leimenstoll, HRRS 2009, 442, 443. 5 BGH v. 4.9.2013 – 1 StR 94/13, NStZ 2014, 321, 322; BGH v. 16.4.2014 – 1 StR 638/13, NStZ-RR 2014, 246, 248. 6 BGH v. 4.9.2013 – 1 StR 94/13, NStZ 2014, 321, 323; BGH v. 16.4.2014 – 1 StR 638/13, NStZ-RR 2014, 246, 247 f. 7 BGH v. 7.10.2009 – 1 StR 320/09, NStZ 2010, 337; BGH v. 24.6.2015 – 1 StR 76/15, NStZ 2015, 648, 649; Fischer, StGB, § 266a Rz. 4a; Thul in M-G, § 38 Rz. 56; Krumm, NZWiSt 2015, 102; umfassender Indizienkatalog bei Metz, NStZ-RR 2013, 333, 334 f.; auch Trüg, NStZ 2015, 650. 8 BVerfG v. 30.9.2002 – 2 BvR 562/02, NJW 2003, 961; Pananis in Ignor/Rixen, § 6 Rz. 10. 9 Zur Schwarzarbeit im Baugewerbe Wegner, SteuK 2015, 391. 10 Vgl. Metz, NStZ-RR 2013, 333; L. Schulz, ZIS 2014, 572; Trüg, NStZ 2015, 650; Lange, NZWiSt 2015, 248 ff. 11 BSG v. 11.3.2009 – B 12 KR 21/07, Rz. 15; OLG Celle v. 3.7.2013 – 1 Ws 123/13, NZWiSt 2015, 430, 434; Metz, NStZRR 2013, 333; Trüg, NStZ 2015, 650. 12 BGH v. 11.8.2011 – 1 StR 295/11, NJW 2011, 3047 unter Bezug auf BAG v. 9.6.2010 – 5 AZR 332/09, NJW 2010, 2455, 2457; Saliger in S/S/W-StGB, § 266a Rz. 6; Trüg, NStZ 2015, 650. 13 BGH v. 4.9.2013 – 1 StR 94/113, NStZ 2014, 321, 323; ebenso Trüg, NStZ 2015, 650. 14 BGH v. 27.9.2011 – 1 StR 399/11, NJW 2012, 471, 472 zur bis 1.5.2011 beschränkten Arbeitnehmerfreizügigkeit. 15 BSG v. 11.3.2009 – B 12 KR 21/07, Rz. 15; Metz, NStZ-RR 2013, 333. 16 BGH v. 16.4.2014 – 1 StR 638/13, NStZ-RR 2014, 246, 248; BGH v. 16.4.2014 – 1 StR 516/13, NJW 2014, 1975, 1977. 17 BGH v. 7.10.2009 – 1 StR 320/09, NStZ 2010, 337; BGH v. 27.9.2011 – 1 StR 399/11, NJW 2012, 471, 472; Tag in NKStGB, § 266a Rz. 20 f.; Thul in M-G, § 38 Rz. 49 ff. Näher U. Schulz, NJW 2006, 183.

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StGB

Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt

StGB

§ 266a StGB Rz. 10

Strafgesetzbuch

ternehmen bei einem Einsatzunternehmen eingesetzt wird.1 Vor allem die Abgrenzung zu den Scheinselbständigen nimmt sich wie folgt aus:2 Liegt ein normaler Werkvertrag vor, bei dem ein Werkunternehmer als Subunternehmer mit seinem Personal in einem eigenen Betrieb nach seiner Weisung die vereinbarte Werkleistung auf dem fremden Betriebsgelände erbringt, so ist der Werkunternehmer Arbeitgeber seines eingesetzten Personals.3 Das Gleiche gilt im Fall der zulässigen, mit Erlaubnis erfolgenden offenen Arbeitnehmerüberlassung. Eine solche Arbeitnehmerüberlassung liegt gem. § 1 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 AÜG vor, wenn einem Entleiher Arbeitskräfte zur Verfügung gestellt werden, die in dessen Betrieb eingegliedert sind und ihre Arbeit allein nach Weisungen des Entleihers und in dessen Interesse ausführen.4 Bei der zulässigen Arbeitnehmerüberlassung bleibt der Verleiher trotz der subsidiären Haftung des Entleihers als selbstschuldnerischer Bürge (§ 28e Abs. 2 S. 1 SGB IV) alleiniger Arbeitgeber (Argument aus § 28e Abs. 2 S. 2 SGB IV).5 Das gilt auch für die fehlerhafte Arbeitnehmerüberlassung.6 Hingegen fingiert das Gesetz bei der illegalen, ohne Erlaubnis (§ 9 Nr. 1 AÜG) erfolgenden gewerblichen Arbeitnehmerüberlassung den Entleiher als Arbeitgeber zum Schutz des Arbeitnehmers (§ 10 Abs. 1 AÜG). Zahlt der Verleiher hier ganz oder teilweise das Arbeitsentgelt, so ist auch er Arbeitgeber, und sowohl Verleiher als auch Entleiher haften als Gesamtschuldner für die Abführung des Gesamtsozialversicherungsbetrages (§ 10 Abs. 3 AÜG, § 28e Abs. 2 S. 3 und 4 SGB IV).7 Beide kommen daher als Täter des § 266a in Betracht. Daran ändert sich für den Entleiher nichts, wenn der lohnzahlende Verleiher aufgrund interner Absprache auch die volle Zahlung der Gesamtsozialversicherung übernimmt,8 weil sich die Erfüllungspflicht des Entleihers dann in eine Überwachungspflicht verwandelt.9 Vor diesem Hintergrund konsequent ist ein Verleiher, der Löhne an gem. § 15 Abs. 1, 2 AÜG illegal überlassene Werkvertragsarbeitnehmer ausgezahlt hatte, von der Rspr. bei § 266a als faktischer Arbeitgeber angesehen worden.10 10

Da die Arbeitnehmerüberlassung nur (noch) vorübergehend sein darf (§ 1 Abs. 1 S. 2 AÜG) und als unerwünscht geltende Folgen für Mitbestimmungsrechte sowie betriebsverfassungs- und kündigungsschutzrechtliche Schwellenwerte im Entleiherunternehmen hat, etablieren sich in der Praxis vermehrt andere Formen des Fremdpersonaleinsatzes. Zu diesen Formen gehört die zunehmende Nutzung von Scheinwerkverträgen, bei denen das Fremdpersonal unter dem Deckmantel von Werkverträgen tatsächlich in den Betrieb des Einsatzunternehmerns eingegliedert wird und dessen Weisungen unterliegt.11 In dieser Konstellation entsteht das Risiko einer verdeckten Arbeitnehmerüberlassung, deren Rechtsfolgen sich danach unterscheiden, ob der Werkunternehmer eine Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis hat oder nicht. Insoweit gilt für die verdeckte Arbeitnehmerüberlassung das Gleiche wie für die offene Arbeitnehmerüberlassung (dazu Rz. 9). Da insbesondere die Rechtsfolge der Arbeitgeberfiktion des Entleihers bei der verdeckten Arbeitnehmerüberlassung ohne Erlaubnis vermieden werden soll, arbeiten Werkunternehmer, die ihre Leistungen im Schnittbereich von Werkvertrag und Arbeitnehmerüberlassung anbieten, mit dem „Fallschirm“ einer Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis, der freilich von vereinzelter arbeitsgerichtlicher Rspr. neuerdings in Zweifel gezogen wird.12 Eine weitere Alternative zur Arbeitnehmerüberlassung bildet das Contracting.13 Bei dieser Form des Fremdpersonaleinsatzes stellt ein Personaldienstleister einem Einsatzunternehmen Fachkräfte (Freelancer) auf der Grundlage von Rahmen- oder Projekteinzelverträgen zur Verfügung, ohne dass zwischen dem Personaldienstleister und der Fachkraft ein Arbeitsvertrag geschlossen wird sowie zwischen dem Personaldienstleister und dem Einsatzunternehmen ein Arbeitnehmerüberlassungsvertrag vorliegt. Ziel dieser Variante eines Dienstverschaffungsvertrages ist es vor allem, jegliche Vertragsverhältnisse zwischen Fachkraft und Einsatzunternehmen zu verhindern. Die Abgrenzung des Contractings zur (verdeckten) Arbeitnehmerüberlassung erfolgt danach, ob die eingesetzten Fachkräfte tatsächlich selbständige freie Mitarbeiter oder weisungsgebunden in das Einsatzunternehmen eingeliedert sind. In letzterem Fall treten die Rechtsfolgen der (verdeckten) Arbeitnehmerüberlassung ein. Einen Unterfall der Scheinselbständigkeit bilden Scheingesellschaften, die für die Auftraggeber nur zum Schein Rechnungen stellen und bei denen die Gesellschafter ihren Arbeitslohn über den Umweg einer Gesellschaftervergütung erhalten.14 1 Vgl. Lange, NZWiSt 2015, 249 ff. 2 Zum Folgenden Lange, NZWiSt 2015, 249 ff.; Krumm, NZWiSt 2015, 103 f.; Metz, NStZ-RR 2013, 333 ff.; Thum/Selzer, wistra 2011, 290 ff. zur illegalen Beschäftigung; vgl. auch Zimmermann/Smok, ArbRAktuell 2015, 394. 3 Vgl. BGH v. 16.4.2014 – 1 StR 638/13, NStZ-RR 2014, 246, 248; BGH v. 16.4.2014 – 1 StR 516/13, NJW 2014, 1975, 1977; Krumm, NZWiSt, 2015, 104; Lange, NZWiSt 2015, 249 f. 4 BGH v. 16.4.2014 – 1 StR 638/13, NStZ-RR 2014, 246, 248; BGH v. 16.4.2014 – 1 StR 516/13, NJW 2014, 1975, 1977. 5 Perron in S/S-StGB, § 266a Rz. 11; Tag in NK-StGB, § 266a Rz. 22. 6 Radtke in MüKo-StGB, § 266a Rz. 17; Tag in NK-StGB, § 266a Rz. 23. 7 Überholt daher BGH v. 31.3.1982 – 2 StR 744/81, BGHSt 31, 32, 36; BGH v. 25.1.1984 – 3 StR 278/83, BGHSt 32, 236, 239 f. 8 Unzutreffend Möhrenschlager in LK-StGB, § 266a Rz. 18; Gercke in A/R/R, 12. Teil/2 Rz. 18. 9 Radtke in MüKo-StGB, § 266a Rz. 17; vgl. auch Perron in S/S-StGB, § 266a Rz. 11; Hoyer in SK-StGB, § 266a Rz. 24; Tag in NK-StGB, § 266a Rz. 23. 10 LG Oldenburg v. 8.7.2004 – 2 KLs 65/04, wistra 2005, 117, 118 m. zust. Anm. Südbeck. 11 Zum Problem Lange, NZWiSt 2015, 249 ff.; vgl. auch Krumm, NZWiSt 2015, 104. 12 Dazu näher Lange, NZWiSt 2015, 250 f. 13 Zum Folgenden Lange, NZWiSt 2015, 252 ff. 14 Vgl. BGH v. 27.9.2011 – 1 StR 399/11, NJW 2012, 471, 472; SG Oldenburg v. 31.10.2012 – S 81 R 580/11, openJur; näher Metz, NStZ-RR 2013, 333.

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Rz. 12 § 266a StGB

Die Strafrspr. hat hinsichtlich der Abgrenzung von abhängiger Beschäftigung und (Schein-)Selbständigkeit 11 nach den vorstehenden Grundsätzen (Rz. 6 ff.) Folgendes entschieden: Abhängige Beschäftigte sind z.B. polnische Saisonarbeiter in einer Champignonzuchtanlage, die in den Betrieb eingeliedert sind und der Weisungshoheit des Betriebsinhabers unterliegen, selbst wenn drei Arbeiter als Gewerbetreibende auftreten, mit denen „Werksverträge“ geschlossen worden sind;1 Krankentransportfahrer, die in den Betriebsablauf einer GmbH eingebunden sind, von der sie gestellte Fahrzeuge und Kleidung nutzen, keinem unternehmerischen Risiko ausgesetzt sind, die Abrechnung von der GmbH erstellen lassen und nur zu von der GmbH vorgegebenen Zeiten tätig werden können;2 Transportfahrer einer Transportgesellschaft, die aufgrund von Werkverträgen, nicht einer unerlaubten Arbeitnehmerüberlassung, für Kurier-Express-Dienstleister die Auslieferung und Abholung von Sendungen übernommen haben;3 keine Scheinselbständige dagegen Bühnenaufbauer, wenn sie frei in der Auftragsannahme sind, in unterschiedlichem Umfang tätig werden, keinen Weisungen vor Ort unterliegen, einen Gewerbeschein besitzen und auch mit anderen Auftraggebern Verträge abschließen.4 Nach der sozialgerichtlichen Judikatur5 sind Arbeitnehmer und keine „Scheinselbständigen“ Lkw-Fahrer ohne eigenes Fahrzeug und ohne Unterhaltsverpflichtung für das überlassene Fahrzeug;6 Busfahrer, denen ihre Touren von der Auftraggeberin vorgegeben werden;7 die Sortierer von Eintagsküken;8 Masseure, die ihre Tätigkeiten in den Räumlichkeiten der beauftragenden Badeanstalt in einem arbeitnehmertypischen Zeit- und Vergütungsrahmen ausüben;9 ärztliche Psychotherapeuten, die nicht erfolgsbezogen vergütet werden und ohne Einfluss auf die Patientenzuführung durch den Auftraggeber sind;10 die teilweise Verrichtung der Tätigkeiten einer Bilanzbuchhalterin;11 Fitnesstrainer trotz weitgehender Freiheit hinsichtlich der Ausgestaltung ihrer Tätigkeit.12 Dagegen kommt Selbständigkeit in Betracht bei Fotografen in der Möbelindustrie, die ihr eigenes Equipment verwenden und ihre Arbeitszeit frei einteilen können;13 Kurierfahrern, deren Unternehmen sich noch im Aufbau befindet, die entsprechende Werbung betreiben und sich um Aufträge bemühen.14 Nach der sozial- und finanzgerichtlichen Rspr. sollten bis zur Entscheidung des BFH vom Juni 2015 auch Telefoninterviewer Arbeitnehmer (und nicht bloß freie Mitarbeiter) sein, wenn sie hinsichtlich der Interviews aufgrund konkreter Vorgaben weisungsgebunden und mit der vorgegebenen Technik in die Betriebsorganisation des Auftragsgebers eingegliedert sind.15 Das war jedenfalls in der Tat insoweit problematisch, als allein die Anwendung bestimmter wissenschaftlicher Methoden noch kein Indiz für Weisungsgebundenheit ist.16 In Sportvereinen ist die Scheinselbständigkeit von „selbständigen“ Platzwarten oder Hausmeistern kein Ausweg aus der Flucht vor dem Mindestlohn, weil der Verein sozialversicherungspflichtiger Arbeitgeber bleibt.17 cc) Handeln für einen anderen (1) Bestellung und Mehrheit von Organen, Delegation Als taugliche Täter gem. § 14 (Rz. 7) kommen insbesondere Geschäftsführer von Kapitalgesellschaften (vor al- 12 lem GmbH) in Betracht. Die Rspr. geht hier teilweise sehr weit.18 Unproblematisch ist, dass die Abführungspflicht mit der Bestellung zum Geschäftsführer beginnt,19 für die Zeit der vorübergehenden urlaubsbedingten Abwesenheit fortdauert20 und mit der Abberufung bzw. Niederlegung der Funktion endet.21 Ebenso einhellig anerkannt ist, dass dem Geschäftsführer die Delegation der Erfüllung seiner sozialversicherungsrechtlichen Pflichten auf andere erlaubt ist und dass er sich nach einer angemessenen und beanstandungsfreien Einarbei-

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BGH v. 4.9.2013 – 1 StR 94/13, NStZ 2014, 321, 323 m. Bspr. Floeth, NZS 2014, 207. OLG Celle v. 3.7.2013 – 1 Ws 123/13, NZWiSt 2015, 430 mit Anm. Bürger. BGH v. 16.4.2014 – 1 StR 638/13, NStZ-RR 2014, 246, 248 m. Bspr. Floeth, NStZ 2015, 60. BGH v. 24.6.2015 – 1 StR 76/15, NStZ 2015, 648, 649 m. zust. Anm. Trüg. S. den Überblick bei Metz, NStZ-RR 2013, 333 f. Bay. LSG v. 9.5.2012 – L 5 R 23/12, openJur. LSG Baden-Württemberg v. 2.9.2011 – L 4 R 1036/10, openJur. SG Oldenburg v. 31.10.2012 – S 81 R 580/11, openJur. Bay. LSG v. 2.10.2012 – L 5 R 781/12 B ER, openJur. SG Kassel v. 20.2.2013 – S 12 KR 69/12, openJur. LSG Baden-Württemberg v. 19.4.2013 – L 4 R 2078/11, openJur. LSG Baden-Württemberg v. 30.3.2012 – L 4 R 2043/10, openJur. LAG Hamm v. 10.1.2013 – 15 Sa 1238/12, openJur. LSG Baden-Württemberg v. 25.1.2013 – L 8 AL 3283/11, openJur. FG Köln v. 14.3.2012 – 2 K 476/06, BeckRS 2012, 95691, aufgehoben durch BFH v. 18.6.2015 – VI R 77/12, DStR 2015, 2123; LSG Nordrhein-Westfalen v. 2.2.2006 – L 6 KR 253/04, zitiert bei L. Schulz ZIS 2014, 572 (576 m. Fn. 43). Zutreffend BAG v. 9.5.1996 – 2 AZR 438/95, Jurion, Rz. 31; zum Ganzen L. Schulz, ZIS 2014, 572, 576 ff. Näher Zieglmeier, NZS 2015, 890, 891 f., der allgemein die neuen sozialversicherungsrechtlichen Beitragsrisiken für Sportvereine durch das MiLoG getrennt nach den Personengruppen (Vorstände, Geschäftsstellenmitarbeiter, Zeugwarte, Praktikanten, Übungsleiter, Sportler) behandelt. Vgl. bereits Saliger in S/S/W-StGB, § 266a Rz. 7. BGH v. 11.12.2001 – VI ZR 123/00, NJW 2002, 1122. BGH v. 21.1.1997 – VI ZR 338/95, BGHZ 134, 304, 313; Tag, BB 1997, 1115. BGH v. 15.10.1996 – VI ZR 327/95, wistra 1997, 102 f.; vgl. auch BGH v. 30.7.2003 – 5 StR 221/03, BGHSt 48, 307, 308.

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StGB

Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt

StGB

§ 266a StGB Rz. 13

Strafgesetzbuch

tungszeit grundsätzlich auf die Erfüllung der Pflicht durch den Betrauten verlassen darf.1 Allerdings setzt ein solches Vertrauen voraus, dass die beauftragte Person die ihr übertragenen Aufgaben auch tatsächlich erfüllt,2 was deren zeitnahe und vollständige Versorgung mit den zur Aufgabenerfüllung erforderlichen Informationen verlangt.3 Auch bei mehreren Geschäftsführern bleibt jeder Geschäftsführer kraft seiner Amtsstellung und Allzuständigkeit grundsätzlich für die Erfüllung der öffentlich-rechtlichen Pflichten der Gesellschaft einschließlich der sozialversicherungsrechtlichen Melde- und Abführpflichten zuständig, selbst wenn die diesbezüglichen Aufgaben durch interne Zuständigkeitsverteilung oder Delegation auf einzelne Personen übertragen worden sind. Denn der Erfüllung der sozialversicherungsrechtlichen Pflichten können sich die Geschäftsführer nicht durch eine interne Zuständigkeitsverteilung oder Delegation entziehen.4 Die Aufteilung der Aufgabenbereiche bzw. eine Delegation hat hier die Konsequenz, dass sich die Pflicht zur Erfüllung der sozialversicherungsrechtlichen Pflichten auf eine anlassbezogene Kontroll- und Überwachungspflicht über den zuständigen Geschäftsführer bzw. die beauftragte Person5 beschränkt.6 Danach bestehen Anhaltspunkte zum Eingreifen der nicht primär zuständigen Geschäftsführer, wenn die Erfüllung von der Gesellschaft obliegenden Aufgaben durch den intern zuständigen Geschäftsführer oder einen beauftragten Arbeitnehmer nicht mehr gewährleistet ist. Namentlich in Fällen einer offensichtlichen Finanzkrise der Gesellschaft, von ungeordneten Verhältnissen im Geschäftsablauf oder sonstigen Anhaltspunkten für Unregelmäßigkeiten ist jeder Geschäftsführer gehalten, aufgrund eigener Kontrolle dafür Sorge zu tragen, dass die sozialversicherungsrechtlichen Pflichten erfüllt werden.7 Er darf dann nicht mehr auf die Zusage des intern zuständigen Mitgeschäftsführers vertrauen.8 Zutreffend ist daher die Annahme von Täterschaft für einen mehr den technischen Bereich betreuenden Geschäftsführer jedenfalls dann, wenn er durch betriebswirtschaftliche Auswertungen Kenntnisse über die wirtschaftliche Krise des Unternehmens hat und deshalb die Regelung der Finanzen nicht mehr seinem Mitgeschäftsführer überlassen darf.9 Die interne Zuständigkeitsverteilung kann aber Auswirkungen auf den Vorsatz (Rz. 36 f.) der primär nicht zuständigen Geschäftsführer haben.10 (2) Formeller Geschäftsführer und Strohmann 13

Auch den formellen Geschäftsführer wird man grundsätzlich als tauglichen Täter ansehen dürfen, weil bereits die externe Verantwortung als Gesellschaftsorgan die Einstandspflicht für die Erfüllung öffentlich-rechtlicher Pflichten begründet.11 Das gilt insbesondere dann, wenn der Betroffene gegenüber Behörden, dem Steuerberater und den Arbeitnehmern im schriftlichen Verkehr als Betriebsinhaber aufgetreten ist,12 nicht jedoch für den Scheingeschäftsführer (Strohmann), der trotz formeller Bestellung über keine Kompetenzen im Innenverhältnis verfügt, um auf die rechtliche und/oder wirtschaftliche Entwicklung der Gesellschaft Einfluß zu nehmen.13 Der Strohmann wird auch nicht dadurch zum Arbeitgeber, dass er für seine (Nicht-)Tätigkeit oder untergeordnete Büroarbeit ein Entgelt erhält.14 (3) Faktischer Geschäftsführer

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In Spannung zu der für die faktische Vertretung abschließenden Vorschrift des § 14 Abs. 3 gerät mangels intentionalen Bestellungsaktes aber die umstandlose Anerkennung der Tätertauglichkeit des faktischen Geschäftsfüh-

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7 8 9 10 11 12 13

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BGH v. 15.10.1996 – VI ZR 319/95, NJW 1997, 130, 132; BGH v. 28.5.2002 – 5 StR 16/02, BGHSt 47, 318, 325. BGH v. 15.10.1996 – VI ZR 319/95, NJW 1997, 130, 132. OLG Saarbrücken v. 27.5.2015 – 1 U 89/14, NZS-RR 2015, 487, 490. BGH v. 15.10.1996 – VI ZR 319/95, NJW 1997, 130, 132; BGH v. 9.1.2001 – VI ZR 407/99, NJW 2001, 969, 971. Zu weitgehend OLG Saarbrücken v. 27.5.2015 – 1 U 89/14, NZS-RR 2015, 487, 490, wo offenbar eine anlasslose stichprobenartige Kontrolle verlangt wird. BGH v. 15.10.1996 – VI ZR 319/95, NJW 1997, 130, 132; BGH v. 9.1.2001 – VI ZR 407/99, NJW 2001, 969, 971; BGH v. 2.6.2008 – II ZR 27/07, NJW-RR 2008, 1253, 1254; OLG Celle v. 3.7.2013 – 1 Ws 123/13, NZWiSt 2015, 430, 433 m. Anm. Bürger; OLG Düsseldorf v. 16.9.2014 – I-21 U 38/14, NZI 2015, 517, 518 m. Anm. Kluth; Metz, NStZ-RR 2013, 297, 298. BGH v. 15.10.1996 – VI ZR 319/95, NJW 1997, 130, 132; BGH v. 2.6.2008 – II ZR 27/07, NJW-RR 2008, 1253, 1254; BGH v. 12.6.2012 – II ZR 105/10, NJW 2013, 1304, 1305; OLG Düsseldorf v. 16.9.2014 – I-21 U 38/14, NZI 2015, 517, 518 m. Anm. Kluth und Bspr. Floeth, NZS 2015, 855. OLG Düsseldorf v. 16.9.2014 – I-21 U 38/14, NZI 2015, 517, 518. BGH v. 30.7.2003 – 5 StR 221/03, BGHSt 48, 307, 313 f.; Tag in NK-StGB, § 266a Rz. 28. OLG Celle v. 3.7.2013 – 1 Ws 123/13, NZWiSt 2015, 430, 433 m. Anm. Bürger. BGH v. 28.5.2002 – 5 StR 16/02, BGHSt 47, 318, 325; BGH v. 7.3.2007 – 1 StR 301/06, BGHSt 51, 224, 232; BGH v. 8.11.1989 – 3 StR 249/89, wistra 1990, 97 f.; Pananis in Ignor/Rixen, § 6 Rz. 12; Gercke in A/R/R, 12. Teil/2 Rz. 15 f.; Saliger in S/S/W-StGB, § 266a Rz. 7. BGH v. 15.3.2012 – 5 StR 288/11, NJW 2012, 2051, 2052. OLG Hamm v. 10.2.2000 – 1 Ss 1337/99, NStZ-RR 2001, 173: „Strohfrau“; Fischer, StGB, § 266a Rz. 5; Kühl in Lackner/ Kühl, StGB, § 266a Rz. 4; Tag in NK-StGB, § 266a Rz. 30; Krumm, NZWiSt 2015, 103. Zur Unvereinbarkeit dieser Rechtansicht mit der Annahme einer Verantwortlichkeit des Strohmanns hinsichtlich der Erfüllung steuerrechtlichen Pflichten Metz, NStZ-RR 2013, 298 f. Krumm, NZWiSt 2015, 103.

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Saliger

Rz. 15 § 266a StGB

rers durch die Judikatur.1 Danach ist faktischer Geschäftsführer (oder faktischer Vorstand), wer die Geschäftsführung mit Einverständnis der Gesellschafter ohne förmliche Bestellung faktisch übernommen hat, tatsächlich ausübt und gegenüber dem formellen Geschäftsführer eine überragende Stellung einnimmt oder zumindestens ein deutliches Übergewicht innehat.2 Das ist jedenfalls dann der Fall, wenn die Tätigkeit des faktischen Geschäftsführers sechs der acht klassischen Merkmale im Kernbereich der Geschäftsführung umfasst (Bestimmung der Unternehmenspolitik, Organisation des Unternehmens, Einstellung der Mitarbeiter und Besprechung der Gehaltshöhen, Erteilung von Arbeitsanweisungen, Entscheidung aller wichtigen Mitarbeiterfragen, Gestaltung der Geschäftsbeziehungen und Führung der Vertragsverhandlungen mit Auftraggebern, Entscheidung in Steuerangelegenheiten sowie Steuerung der Buchführung)3 und der formelle Geschäftsführer demgegenüber nur untergeordnete Tätigkeiten ausübt. Nicht ausgeschlossen ist die Bejahung einer Arbeitgebereigenschaft des faktischen Geschäftsführers bei Verwirklichkung von weniger als sechs der vorgenannten Merkmale, sofern dessen Tätigkeit eine überragende Bedeutung für die Gesellschaft hat und die Unternehmensentwicklung dadurch über eine längere Zeit entscheidend geprägt wird.4 Der Tatrichter muss das deutliche Übergewicht des faktischen Geschäftsführers positiv feststellen.5 Es genügt nicht, wenn die klassischen Merkmale des Kernbereichs der Geschäftsführung nur aufgezählt werden.6 Auch wenn der BGH sich im Verhältnis des formellen zum faktischen Geschäftsführer um eine Eingrenzung der Verantwortlichkeit des ersteren dahin bemüht, dass dieser erst bei Missachtung von Anhaltspunkten für eine unzureichende Erfüllung der sozialversicherungsrechtlichen Pflichten durch den faktischen Geschäftsführer vorsätzlich pflichtwidrig handelt, bedarf die Figur des faktischen Geschäftsführers einer strengeren Anbindung an die Voraussetzungen des § 14 Abs. 2. Der faktische Geschäftsführer kommt demnach nur dann als tauglicher Täter des § 266a in Betracht, wenn er im Einzelfall gem. § 14 Abs. 2 Nr. 2 ausdrücklich zur Abführung der Sozialversicherungsbeiträge beauftragt wurde.7 Scheidet eine faktische Geschäftsführung nach den vorstehenden Grundsätzen aus, ist die Möglichkeit einer Beihilfestrafbarkeit zu prüfen.8 (4) Beauftragung, § 14 Abs. 2 Allgemein sind an die Beauftragung i.S.d. § 14 Abs. 2 Nr. 2 angesichts ihrer Konsequenz, für den Beauftragten ei- 15 ne persönliche strafbewehrte Normadressatenstellung zu begründen, strenge Anforderungen zu stellen.9 Sie ist zwar formlos möglich, muss aber zweifelsfrei und hinreichend konkret sein, damit der Beauftragte Inhalt und Ausmaß seiner Pflichten eindeutig aus der Beauftragung erkennen kann.10 Insoweit genügt nicht schon jede Übertragung von Leitungsbefugnissen oder die Einbeziehung in eine unternehmerische Mitverantwortung.11 Entscheidend ist vielmehr, dass der Beauftragte mit der eigenverantwortlichen Ausführung von gesetzlich begründeten Pflichten eines Arbeitgebers befasst wird.12 Wer als Personalverantwortliche im Wesentlichen auf die Rolle einer fachlichen Vorgesetzten beschränkt ist, während der alleinvertretungsberechtigte Geschäftsführer und Ehemann die „Büroarbeit“ macht, ist daher nicht Arbeitgeber gem. § 266a; in Betracht kommt hier nur Beihilfe.13 Das Gleiche gilt für Unternehmensberater, die erst Arbeitgeber i.S.v. § 266a werden, wenn sie hinsichtlich der Abführung von Sozialversicherungsbeiträgen einen ausdrücklichen Auftrag erhalten haben.14 Zumindest nicht schwächer als für den Beauftragten gem. § 14 Abs. 2 Nr. 2 sind die Voraussetzungen für den auch konkludent betraubaren (Teil-)Betriebsleiter gem. § 14 Abs. 2 Nr. 1.15 Arbeitgeber i.S.d. § 266a kann auch der endgültige Insolvenzverwalter als gesetzlicher Vertreter gem. § 14 Abs. 1 Nr. 3 sein,16 nicht jedoch der vorläufige gem. §§ 21 Abs. 2 Nr. 2,

1 BGH v. 28.5.2002 – 5 StR 16/02, BGHSt 47, 318, 324 ff. unter Bezugnahme auf BGH v. 28.6.1966 – 1 StR 414/65, BGHSt 21, 101, 103 ff.; BGH v. 7.3.2007 – 1 StR 301/06, BGHSt 51, 224, 232. Zust. Kühl in Lackner/Kühl, StGB, § 266a Rz. 4; Fischer, StGB, § 266a Rz. 5; Möhrenschlager in LK-StGB, § 266a Rz. 22; Tag in NK-StGB, § 266a Rz. 30; referierend Gercke in A/R/R, 12. Teil/2 Rz. 15 f. Generell abl. Hoyer in SK-StGB, § 266a Rz. 29; Pananis in Ignor/Rixen, § 6 Rz. 12. 2 BGH v. 11.6.2013 – II ZR 389/12, NZG 2013, 937, 939, LG Augsburg v. 31.1.2014 – 2 Qs 1002/14, wistra 2015, 39; Krumm, NZWiSt 2015, 103. 3 Vgl. BGH v. 11.6.2013 – II ZR 389/12, NZG 2013, 937, 939. 4 LG Augsburg v. 31.1.2014 – 2 Qs 1002/14, wistra 2015, 39. 5 BGH v. 20.9.1999 – 5 StR 729/98, NStZ 2000, 34, 35 f.; Krumm, NZWiSt 2015, 103. 6 BGH v. 11.6.2013 – II ZR 389/12, NZG 2013, 937, 939. 7 Ebenso Radtke in MüKo-StGB, § 266a Rz. 34.; Saliger in S/S/W-StGB, § 266a Rz. 7; vgl. auch Perron in S/S-StGB, § 266a Rz. 11. 8 Vgl. nur LG Augsburg v. 31.1.2014 – 2 Qs 1002/14, wistra 2015, 39, 40. 9 Saliger in S/S/W-StGB, § 266a Rz. 7. 10 Zutreffend restriktiv in dieser Hinsicht BGH v. 12.9.2012 – 5 StR 363/12, NJW 2012, 3385, 3387. 11 Saliger in S/S/W-StGB, § 266a Rz. 7; vgl. auch Metz, NStZ-RR 2013, 299; Krumm, NZWiSt 2015, 103. 12 BGH v. 12.9.2012 – 5 StR 363/12, NJW 2012, 3385, 3387; Krumm, NZWiSt 2015, 103. 13 BGH v. 12.9.2012 – 5 StR 363/12, NJW 2012, 3385, 3387. 14 Krumm, NZWiSt 2015, 103. 15 BGH v. 12.9.2012 – 5 StR 363/12, NJW 2012, 3385, 3387. 16 Unstreitig: Fischer, StGB, § 266a Rz. 4b; Tag in NK-StGB, § 266a Rz. 32.

Saliger

723

StGB

Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt

StGB

§ 266a StGB Rz. 16

Strafgesetzbuch

22 InsO.1 Auch der Nachlassverwalter kommt als Arbeitgeber in Betracht,2 nicht dagegen der Kreditgeber des Arbeitgebers, sofern er nicht die Geschäftstätigkeit mit Wirkung auf die Beschäftigungsverhältnisse bestimmend beeinflusst.3 b) Gleichgestellte Personen, Absatz 5 16

Absatz 54 stellt den Arbeitgebern gleich den Auftraggeber bestimmter Personen in arbeitnehmerähnlicher Stellung, nämlich den Auftraggeber eines Heimarbeiters (s. § 12 Abs. 2 SGB IV), eines Hausgewerbetreibenden (s. § 12 Abs. 1 SGB IV) oder einer Person, die i.S.d. Heimarbeitsgesetzes diesen gleichgestellt ist (s. § 12 Abs. 5 SGB IV i.V.m. § 1 Abs. 2 S. 1 lit. a, c und d HAG), sowie den Zwischenmeister (s. § 12 Abs. 4 SGB IV). Der Begriff „Auftraggeber“ verweist auf § 12 Abs. 3 SGB IV. Danach gilt als Arbeitgeber der Hausgewerbetreibenden oder Heimarbeiter, wer die Arbeit unmittelbar an sie vergibt, und als Auftraggeber derjenige, in dessen Auftrag und für dessen Rechnung sie arbeiten.5 2. Tathandlungen a) Vorenthalten von Arbeitnehmerbeiträgen, Absatz 1

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Nach Absatz 1 macht sich strafbar, wer als Arbeitgeber der Einzugsstelle Beiträge des Arbeitnehmers zur Sozialversicherung einschließlich der Arbeitsförderung unabhängig davon vorenthält, ob Arbeitsentgelt bezahlt wird. Da die Tat eine Beitragsstraftat als echtes Unterlassungsdelikt beschreibt (Rz. 3 f.), bezieht sich die Tathandlung des Vorenthaltens auf fällige Beitragsforderungen des Arbeitnehmers als Tatgegenstände, die der Arbeitgeber der Einzugsstelle nach materiellem Sozialversicherungsrecht schuldet.6 aa) Der geschuldete Tatgegenstand (1) Arbeitnehmerbeiträge

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Von dem Gesamtsozialversicherungsbeitrag, der sich aus den Beiträgen zur Kranken-, Pflege-, Rentenversicherung und zur Arbeitsförderung (§ 28d SGB IV) zusammensetzt und der mit Ausnahme der Krankenversicherung (seit 1.1.2009 hat der Arbeitgeber gem. § 249 Abs. 1 S. 1 n.F. SGB V die Hälfte des um 0,9 Beitragssatzpunkte verminderten Beitragssatz zu zahlen; den Rest trägt der Arbeitnehmer) i.d.R. von Arbeitgeber und Arbeitnehmer je zur Hälfte getragen wird (§ 20 SGB I i.V.m. §§ 58 Abs. 1 SGB XI, 168 SGB VI, 346 Abs. 1 SGB III; bis 1.1.2009 auch § 249 Abs. 1 a.F. SGB V), erfasst Absatz 1 als Tatobjekt ausschließlich die Arbeitnehmerbeiträge;7 die Arbeitgeberanteile unterfallen Absatz 2.8 Der Arbeitgeber ist unabhängig von der aus dem Arbeitsverhältnis entspringenden Lohnzahlungsverpflichtung alleiniger Schuldner auch der Arbeitnehmeranteile gegenüber der Einzugsstelle (§ 28e Abs. 1 SGB IV).9 Entsprechend gewährt ihm das Gesetz gegen den Beschäftigten einen Anspruch auf den vom Beschäftigten zu tragenden Teil des Gesamtsozialversicherungsbeitrags (§ 28g S. 1 SGB IV) und berechtigt ihn zur Geltendmachung dieses Anspruchs durch Abzug vom Bruttolohn (§ 28g S. 2 SGB IV). Ob der Arbeitgeber von diesem Recht im Innenverhältnis tatsächlich Gebrauch macht, ist unerheblich. Da die Zahlung des vom Beschäftigten zu tragenden Teils des Gesamtsozialversicherungsbetrags im Außenverhältnis stets als „aus dem Vermögen des Beschäftigten erbracht“ gilt (§ 28e Abs. 1 S. 2 SGB IV), gehen Nettolohnabreden ins Leere, bei denen der Arbeitgeber den Arbeitnehmerbeitrag allein finanziert, weil er mit dem Arbeitnehmer die Auszahlung des Entgelts ohne jeden Abzug vereinbart hat.10 Zu den Arbeitnehmerbeiträgen gehören auch solche, die der Arbeitgeber der Krankenkasse nicht nach § 28a SGB IV gemeldet hat,11 sowie jene Beitragsanteile zur gesetzlichen Rentenversicherung, die für geringfügig Beschäftigte bei einem Verzicht auf die Versicherungsfreiheit gem. § 5 Abs. 2 S. 2 SGB VI geschuldet und vom Arbeitgeber abzuführen sind.12 Keine nach Absatz 1 geschützten Arbeitnehmeranteile sind die Beiträge zur freiwilligen oder höheren Kranken- und Rentenversicherung, die jedoch unter

1 Sehr str., wie hier: Perron in S/S-StGB, § 266a Rz. 11; Radtke in MüKo-StGB, § 266a Rz. 37; Pananis in Ignor/Rixen, § 6 Rz. 11; Krumm, NZWiSt 2015, 104. Differenzierend Hoyer in SK-StGB, § 266a Rz. 28; Möhrenschlager in LK-StGB, § 266a Rz. 22. Auf den Einzelfall abstellend Tag in NK-StGB, § 266a Rz. 32. Plagemann, NZS 2000, 9. 2 Fischer, StGB, § 266a Rz. 6; Krumm, NZWiSt 2015, 104. 3 Vgl. BSG v. 20.12.1966 – 3 RK 63/63, NJW 1967, 2031 f.; Perron in S/S-StGB, § 266a Rz. 11; Krumm, NZWiSt 2015, 104. 4 Dazu BT-Drucks. 10/318, S. 30. 5 Vgl. Radtke in MüKo-StGB, § 266a Rz. 39; Fischer, StGB, § 266a Rz. 7; Möhrenschlager in LK-StGB, § 266a Rz. 23 ff. 6 BGH v. 2.12.2008 – 1 StR 416/08, BGHSt 53, 71, 76. 7 BT-Drucks. 10/318, S. 28. 8 Radtke in MüKo-StGB, § 266a Rz. 45. 9 BGH v. 15.3.2012 – 5 StR 288/11, NJW 2012, 2051, 2053. 10 BT-Drucks. 10/318, S. 25; RGSt 40, 42, 43; Hoyer in SK-StGB, § 266a Rz. 33; Perron in S/S-StGB, § 266a Rz. 4; Tag in NK-StGB, § 266a Rz. 41. 11 Vgl. BGH v. 2.12.2008 – 1 StR 416/08, BGHSt 53, 71, 77; ferner Fischer, StGB, § 266a Rz. 9. 12 Radtke in MüKo-StGB, § 266a Rz. 45; Pananis in Ignor/Rixen, § 6 Rz. 21; Plagemann, NZS 2000, 9.

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Saliger

Rz. 20 § 266a StGB

Absatz 3 fallen können.1 Ebenfalls grundsätzlich nicht von Absatz 1, sondern von Absatz 2 erfasst werden die Beiträge des Arbeitgebers für geringfügige Beschäftigte (§ 8 SGB IV).2 (2) Materielle Sozialrechtsakzessorietät Die Beitragsforderung des Arbeitnehmers zur Gesamtsozialversicherung beurteilt sich hinsichtlich Entstehung, 19 Umfang, Fälligkeit und Verjährung nach den Vorschriften des Sozialgesetzbuchs (materielle Sozialrechtsakzessorietät).3 Danach entsteht die sozialversicherungsrechtliche Beitragspflicht durch die versicherungspflichtige Beschäftigung eines Arbeitnehmers gegen Entgelt (§ 22 Abs. 1 i.V.m. § 2 Abs. 2 Nr. 1, § 7 Abs. 1 SGB IV),4 also mit Eintritt des Arbeitnehmers in das entgeltliche Beschäftigungsverhältnis.5 Eine Anmeldung des Versicherungspflichtigen zur Sozialversicherung ist ebenso wenig erforderlich wie die Wirksamkeit des Arbeitsvertrages.6 Entscheidend für die Beurteilung eines sozialversicherungspflichtigen Arbeitsverhältnisses sind die tatsächlichen Gegebenheiten, nicht abweichende vertragliche Gestaltungen oder Parteiwillen (näher Rz. 8 ff.).7 Ein Arbeitsverhältnis liegt also auch dann vor, wenn Werkverträge geschlossen werden, um die Beschränkung der Arbeitnehmerfreizügigkeit der EU-Beitrittsstaaten gem. § 284 SGB III zu umgehen. Die Anwendung von § 266a bei faktisch vorliegenden Arbeitsverhältnissen verstößt auch nicht gegen die Niederlassungsfreiheit gem. Art. 49 AEUV, da bei einem nach objektiven Maßstäben zu beurteilenden abhängigen Beschäftigungsverhältnis die Niederlassungsfreiheit nicht berührt ist (vgl. dazu auch Rz. 8).8 Voraussetzung für eine Sozialversicherungspflicht ist aber grundsätzlich, dass die Beschäftigung im räumlichen 20 Geltungsbereich des SGB IV, also in Deutschland, erfolgt (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 SGB IV), wobei maßgeblich der Ort der tatsächlichen Ausübung der Beschäftigung ist (§ 9 Abs. 1 SGB IV).9 Von diesem Territorialitätsgrundsatz macht das Gesetz zwei Ausnahmen:10 In den Fällen der „Ausstrahlung“ (§ 4 SGB IV) gilt die deutsche Versicherungspflicht auch für Personen, die im Rahmen eines in Deutschland bestehenden Beschäftigungsverhältnisses ins Ausland entsandt werden. Umgekehrt gelten für Arbeitnehmer, die im Rahmen eines ausländischen Beschäftigungsverhältnisses für einen im Voraus begrenzten Zeitraum in das Inland entsandt werden, die Vorschriften ihres Heimatlandes fort, so dass das deutsche SGB IV nicht greift („Einstrahlung“, § 5 SGB IV). Dabei bleiben insbesondere Regelungen des über- und zwischenstaatlichen Rechts unberührt (§ 6 SGB IV), woraus sich die Relevanz von Europarecht ergibt (vgl. auch Rz. 8), namentlich von Art. 14 Abs. 1 lit. a Wanderarbeitnehmer-VO Nr. 1408/71 i.V.m. Art. 11 Durchführungs-VO Nr. 574/72 und der auf ihnen beruhenden Entsendebescheinigung (E-101-Bescheinigung).11 Der BGH hat einer von einem EU-Mitgliedsstaat ausgestellten Entsendebescheinigung (E-101) Bindungswirkung für die deutschen Strafverfolgungsorgane mit der Folge der Unanwendbarkeit des § 266a zuerkannt, solange sie nicht zurückgenommen ist, unabhängig davon, ob sie durch Manipulation erschlichen wurde.12 Dagegen soll § 266a anwendbar sein bei einem nur bilateralen Sozialversicherungsabkommen (D/H-101-Bescheinigung), das keine derart weitgehende Bindungswirkung wie die E-Bescheinigung habe.13 Auch die Annahme einer beschränkten Bindungswirkung findet nach dem BGH ihre Grenze jedenfalls dann, wenn schon kein Entsendetatbestand vorliegt, weil die Beschäftigten im Entsendestaat nicht beschäftigt waren und die deutsche Firma, die die ausländischen Arbeitnehmer anderen deutschen Firmen überließ, weder imstande gewesen ist, die werkvertraglich geschuldeten Leistungen eigenverantwortlich zu planen, durchzuführen und zu überwachen, noch die Arbeitnehmer weiter zu beschäftigen, so dass die „Entsendung“ einzig dem Zweck diente, die deutsche Sozialversicherungspflicht zu umgehen.14 Eine Rückwirkung des

1 Fischer, StGB, Rz. 9; Perron in S/S-StGB, § 266a Rz. 4; Matt in M/R-StGB, § 266a Rz. 24. 2 Tag in NK-StGB, § 266a Rz. 43 f.; Matt in M/R-StGB, § 266a Rz. 24. 3 BGH v. 28.5.2002 – 5 StR 16/02, BGHSt 47, 318, 319; BGH v. 24.10.2006 – 1 StR 44/06, BGHSt 51, 124, 128; BGH v. 24.10.2007 – 1 StR 160/07, BGHSt 52, 67, 70; BGH v. 2.12.2008 – 1 StR 416/08, BGHSt 53, 71, 77; Fischer, StGB, § 266a Rz. 9a; Radtke in MüKo-StGB, § 266a Rz. 49; Tag in NK-StGB, § 266a Rz. 47 ff.; Saliger in S/S/W-StGB, § 266a Rz. 11. 4 Vgl. auch BGH v. 28.5.2002 – 5 StR 16/02, BGHSt 47, 318, 319. 5 Tag in NK-StGB, § 266a Rz. 47. 6 Radtke in MüKo-StGB, § 266a Rz. 49; Tag in NK-StGB, § 266a Rz. 47. 7 BGH v. 2.12.2008 – 1 StR 416/08, BGHSt 53, 71, 77; BGH v. 7.10.2009 – 1 StR 320/09, NStZ 2010, 337; BGH v. 11.8.2011 – 1 StR 295/11, NJW 2011, 3047; BGH v. 27.9.2011 – 1 StR 399/11, NJW 2012, 471, 472; vgl. auch BGH v. 13.6.2001 – 3 StR 126/01, NStZ 2001, 599, 600. 8 BGH v. 27.9.2011 – 1 StR 399/11, NJW 2012, 471, 472. 9 Vgl. BGH v. 24.10.2006 – 1 StR 44/06, BGHSt 51, 124, 128; BGH v. 7.3.2007 – 1 StR 301/06, BGHSt 51, 224, 229. 10 Zum Folgenden auch Saliger in S/S/W-StGB, § 266a Rz. 12. 11 Dazu BGH v. 24.10.2006 – 1 StR 44/06, BGHSt 51, 124, 129 ff.; Fischer, StGB, § 266a Rz. 9b; Gercke in A/R/R, 12. Teil/2 Rz. 22; Pananis in Ignor/Rixen, § 6 Rz. 23; Ignor/Rixen, wistra 2001, 201; Radtke, GmbHR 2009, 915, 917. 12 BGH v. 24.10.2006 – 1 StR 44/06, BGHSt 51, 124, 130 ff. m. zust. Anm. U. Schulz, NJW 2007, 237 und abl. Anm. Hauck, NStZ 2007, 221 f.; differenzierend Radtke, GmbHR 2009, 915, 922, der die Bindungswirkung für die deutschen Strafverfolgungsorgane bei offensichtlicher Unrichtigkeit ablehnt. 13 BGH v. 27.10.2007 – 1 StR 160/07, BGHSt 52, 67, 71 – zu einer „Entsendung“ vor dem Beitritt Ungarns zur EU – m. zust. Anm. Heger, JZ 2008, 369 und abl. Anm. Rübenstahl, NJW 2008, 598 f.; offengelassen in BGH v. 7.3.2007 – 1 StR 301/06, BGHSt 51, 224, 231. 14 BGH v. 27.10.2007 – 1 StR 160/07, BGHSt 52, 67, 68 f., 70 f., 76 f.

Saliger

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StGB

Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt

StGB

§ 266a StGB Rz. 21

Strafgesetzbuch

EG-Sozialrechts und die Anwendung von § 2 Abs. 3 werden ausdrücklich verneint.1 Auch eine die Sozialversicherungspflicht aufhebende „Entsendung“ aus einem Nicht-EU-Staat kommt zumindest dann nicht in Betracht, wenn das ausländische Unternehmen eine Scheinfirma ist und die Arbeitnehmer in Wahrheit bei dem deutschen Unternehmen beschäftigt sind.2 (3) Fälligkeit gegenüber der Einzugsstelle 21

Die Arbeitnehmerbeiträge als Tatgegenstände sind nur dann geschuldet, wenn sie gegenüber der Einzugsstelle fällig sind.3 Zuständige Einzugsstelle für den Gesamtsozialversicherungsbeitrag ist die Krankenkasse, von der die Krankenversicherung durchgeführt wird (§ 28i S. 1 SGB IV).4 Die Fälligkeit bestimmt sich nach § 23 SGB IV, also zunächst entsprechend den Regelungen der Satzung der Krankenkasse (§ 23 Abs. 1 S. 1 SGB).5 Für Beitragsschulden, die nach dem Arbeitentgelt zu bemessen sind, hat der Gesetzgeber die Fälligkeit neu geregelt. Bis zum 31.12.2005 wurden Sozialversicherungsbeiträge grundsätzlich spätestens am 15. Tag des der Entgeltzahlung folgenden Monats fällig (§ 23 Abs. 1 S. 2 a.F. SGB IV).6 Seit dem 1.1.2006 werden sie in voraussichtlicher Höhe grundsätzlich spätestens am drittletzten Banktag des Monats der Ausübung der entgeltlichen Beschäftigung fällig (§ 23 Abs. 1 S. 2 Hs. 1 SGB IV; dort auch zahlreiche weitere Fälligkeitsregelungen).7 Verfügungen des Arbeitgebers über einbehaltene Beiträge vor Fälligkeit sind unerheblich, wenn rechtzeitig gezahlt wird.8 Belanglos ist das Einverständnis des Arbeitnehmers mit der Nichtentrichtung seiner Beiträge.9 Stundet die Einzugsstelle die Beitragsschuld wirksam vor Eintritt der Fälligkeit (§ 76 Abs. 2, 3 SGB IV), so ist der Tatbestand ausgeschlossen.10 (4) Berechnung, Schätzung

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Die geschuldeten Beiträge müssen zur Feststellung des Schuldumfangs, zur Ermöglichung einer revisionsgerichtlichen Nachprüfung und in Parallele zur Darlegung der Höhe hinterzogener Steuern grundsätzlich vom Tatrichter im Einzelnen dargelegt werden, also für jeden monatlichen Fälligkeitszeitpunkt gesondert Angaben über Anzahl, Beschäftigungszeiten und Löhne der Arbeitnehmer sowie die Höhe des Beitragssatzes der örtlich zuständigen Sozialversicherungsträger enthalten.11 Das gilt nicht bei Taten nach § 266a Abs. 1, bei denen der Arbeitgeber die Arbeitnehmer ordnungsgemäß gemeldet, die Beitragsnachweise eingereicht und in der Folge lediglich die Arbeitnehmerbeträge zur Sozialversicherung nicht oder nicht fristgerecht gezahlt hat. In diesen Fällen besteht kein Anlass für umfangreiche Feststellungen im Urteil über die Anzahl der Beschäftigten, deren Beschäftigungszeiten, das zu zahlende Arbeitsentgelt etc. Sofern keine Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit der eingereichten Beitragsnachweise vorliegen, genügen insoweit – anders als bei illegalen Beschäftigungsverhältnissen – neben Feststellungen zur Arbeitgeberstellung des Täters und den daraus folgenden Meldepflichten i.d.R. die Mitteilung der Höhe der vorenthaltenen Gesamtsozialversicherungsbeiträge und der darin enthaltenen Arbeitnehmeranteile, der jeweils geschädigten Krankenkassen sowie der betroffenen Beitragsmonate.12

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Bemessungsgrundlage für die Sozialversicherungsbeiträge ist das Bruttoarbeitsentgelt,13 das dem gezahlten Arbeitsentgelt (Nettolohn) entspricht.14 Arbeitsentgelt sind dabei alle laufenden oder einmaligen Einnahmen aus einer Beschäftigung unabhängig vom Bestehen eines Rechtsanspruchs, der Bezeichnung, der Form oder davon, ob sie unmittelbar aus der Beschäftigung oder im Zusammenhang mit ihr erzielt werden (§ 14 Abs. 1 S. 1 SGB IV).15 Bei Nettolohnabreden (vgl. Rz. 18 und Rz. 25) gelten als Arbeitsentgelt die Einnahmen des Beschäftigten einschließlich der darauf entfallenden Steuern und der seinem gesetzlichen Anteil entsprechenden Beiträge

1 BGH v. 27.10.2007 – 1 StR 160/07, BGHSt 52, 67, 73; zust. Heger, JZ 2008, 372; krit. Rübenstahl, NJW 2008, 599; Radtke, GmbHR 2009, 915, 917 ff. 2 BGH v. 7.3.2007 – 1 StR 301/06, BGHSt 51, 224, 226 ff. – für die Türkei – m. krit. Bespr. Rübenstahl, NJW 2007, 3538. 3 Vgl. BT-Drucks. 10/318, S. 28 f.; BGH v. 6.7.1990 – 2 StR 549/89, NStZ 1990, 588. 4 Auch BGH v. 21.9.2005 – 5 StR 263/05, wistra 2005, 458, 459. 5 Hoyer in SK-StGB, § 266a Rz. 38. 6 Vgl. BT-Drucks. 10/318, S. 26. 7 Vgl. Pananis in Ignor/Rixen, § 6 Rz. 26; Gercke in A/R/R, 12. Teil/2 Rz. 29. 8 Kühl in Lackner/Kühl, StGB, § 266a Rz. 9; Saliger in S/S/W-StGB, § 266a Rz. 13. 9 Radtke in MüKo-StGB, § 266a Rz. 53; Hoyer in SK-StGB, § 266a Rz. 38. 10 Tag in NK-StGB, § 266a Rz. 52; Hoyer in SK-StGB, § 266a Rz. 38; i.E. auch BT-Drucks. 10/318, S. 26; Radtke in MüKoStGB, § 266a Rz. 51. 11 BGH v. 28.5.2002 – 5 StR 16/02, NJW 2002, 2480, 2483; BGH v. 4.3.1993 – 1 StR 16/93, StV 1993, 364; BGH v. 28.2.2007 – 5 StR 544/06, wistra 2007, 220, 221; BGH v. 11.8.2010 – 1 StR 199/10, NStZ-RR 2010, 376; OLG Saarbrücken v. 17.7.2008 – 1 Ws 131/08, NStZ-RR 2009, 88, 89; OLG Düsseldorf v. 21.12.2007 – III-5 Ss 288/07 – 166/07 IV, 5 Ss 288/07 – 166/07 IV, StV 2009, 193 f.; Fischer, StGB, § 266a Rz. 9d; Pananis in Ignor/Rixen, § 6 Rz. 24; Möhrenschlager in LK-StGB, § 266a Rz. 39; Saliger in S/S/W-StGB, § 266a Rz. 14; Metz, NStZ-RR 2013, 333, 336. 12 BGH v. 7.10.2010 – 1 StR 424/10, NStZ 2011, 161; Metz, NStZ-RR 2013, 333, 336. 13 Vgl. z.B. § 226 Abs. 1 S. 1 SGB V; § 162 Nr. 1 SGB VI; § 82 Abs. 1 S. 1 SGB VII; dazu BGH v. 2.12.2008 – 1 StR 416/08, BGHSt 53, 71, 76; Thul in M-G, § 38 Rz. 129. 14 Möhrenschlager in LK-StGB, § 266a Rz. 40; Saliger in S/S/W-StGB, § 266a Rz. 14. 15 Vgl. auch BGH v. 16.4.2014 – 1 StR 638/13, NStZ-RR 2014, 246, 249.

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Saliger

Rz. 24 § 266a StGB

zur Sozialversicherung und zur Arbeitsförderung (§ 14 Abs. 2 S. 1 SGB IV).1 Bei – auch nur teilweiser2 – illegaler Beschäftigung, zu der nicht nur verbotene Beschäftigungsverhältnisse (§ 134 BGB), sondern auch die Fälle gehören, in denen der Arbeitgeber pflichtwidrig die für die Arbeitsverhältnisse vorgeschriebenen Meldungen nicht erstattet oder Beiträge für die versicherten Arbeitnehmer nicht zahlt (Schwarzlohnabrede),3 gilt ein Nettoarbeitsentgelt als vereinbart (§ 14 Abs. 2 S. 2 SGB IV).4 Insoweit können in die Schwarzlohnsumme auch Zahlungen des Arbeitgebers für die Verpflegung und Unterkunft der Arbeitnehmer einbezogen werden, wenn diese Zahlungen nicht zusätzlich, sondern anstatt des Gehalts gezahlt worden sind;5 nicht dagegen die Umsatzsteuer, Abzüge für Vertragsstrafen und ggf. Beträge für Fahrzeugnutzung und Erhalt des Fahrzeugs.6 Das so ermittelte Nettoarbeitsentgelt ist dann auf ein Bruttoentgelt hochzurechnen.7 Die Hochrechnung nach § 14 Abs. 2 S. 2 SGB IV und die sich daran anschließende Berechnung der vorenthaltenen Sozialversicherungsbeiträge sind dabei Rechtsanwendung.8 Bei einer unterbliebenen Anmeldung geringfügig Beschäftigter gem. § 8 Abs. 1 Nr. 1 SGB IV richtet sich die Berechnung der geschuldeten Beiträge nach § 249b S. 1 SGB V, wonach der Arbeitgeber Pauschalbeiträge zu entrichten hat (vgl. auch Rz. 31).9 Bei untertariflicher oder unter einem gesetzlichen Mindestlohn liegender Bezahlung ist die Berechnung an dem jeweiligen Tarifvertrag bzw. der einschlägigen gesetzlichen Vorschrift (z.B. AEntG) auszurichten. Maßgeblich ist der Anspruch des Arbeitnehmers, nicht das ihm tatsächlich zugeflossene Arbeitsentgelt.10 Denn eine Vereinbarung zur Unterschreitung des tarifvertraglich oder gesetzlich vorgesch