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German Pages 1736 Year 2017
von Oertzen/Loose Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz Kommentar
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von Oertzen • Loose
Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz Kommentar mit Bewertung und ErbSt-DBA herausgegeben von
Dr. Christian von Oertzen Rechtsanwalt Fachanwalt für Steuerrecht in Frankfurt a.M.
Prof. Dr. Matthias Loose Richter am Bundesfinanzhof in München Honorarprofessor an der Ruhr-Universität Bochum
2017
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Bearbeiter Dr. Johannes Baßler
Dipl.-Finw. Wilfried Mannek
Rechtsanwalt und Steuerberater in Hamburg
Oberregierungsrat in Düsseldorf
Klaus Deimel
Dr. Christian von Oertzen
Vorsitzender Richter am Finanzgericht Düsseldorf
Rechtsanwalt und Fachanwalt für Steuerrecht in Frankfurt a.M.
Prof. Dr. Manzur Esskandari
Dr. Manfred Reich
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht, Arbeitsrecht und Strafrecht in Osnabrück Honorarprofessor an der Universität des Saarlandes
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Erbrecht und Steuerberater in Frankfurt a.M.
Dr. Tanja Schienke-Ohletz
Dr. Horst-Dieter Fumi
Rechtsanwältin und Steuerberaterin in Frankfurt a.M.
Richter am Bundesfinanzhof in München
Dipl.-Finw. Nico Schley
Dipl.-Finw. (FH) Mathias Grootens
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht und Steuerberater in Köln
Steueramtsrat, Dozent an der Fachhochschule für Finanzen in Nordkirchen
Dipl.-Finw. Dr. Jörg Stalleiken
Dr. Jochen Kotzenberg, LL.M.
Rechtsanwalt, Steuerberater in Bonn
Rechtsanwalt und Steuerberater in Bonn
Dr. Thomas Stein
Prof. Dr. Matthias Loose Richter am Bundesfinanzhof in München Honorarprofessor an der Ruhr-Universität Bochum
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht und Steuerberater in Ulm
Zitierempfehlung: Autor in von Oertzen/Loose, ErbStG, 2017, § … ErbStG Rz. … Autor in von Oertzen/Loose, ErbStG, 2017, § … BewG Rz. … Autor in von Oertzen/Loose, ErbStG, 2017, Art. … Erb-DBA-Land Rz. …
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Verlag Dr. Otto Schmidt KG Gustav-Heinemann-Ufer 58, 50968 Köln Tel. 02 21/9 37 38-01, Fax 02 21/9 37 38-943 [email protected] www.otto-schmidt.de ISBN 978-3-504-25012-6
©2017 by Verlag Dr. Otto Schmidt KG, Köln Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlages. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeiche rung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das verwendete Papier ist aus chlorfrei gebleichten Rohstoffen hergestellt, holz- und säurefrei, alterungs beständig und umweltfreundlich. Einbandgestaltung: Lichtenford, Mettmann Satz: WMTP, Birkenau Druck und Verarbeitung: Kösel, Krugzell Printed in Germany
Vorwort Nach einem schwierigen und langwierigen Gesetzgebungsverfahren, das nach einer Nachtsitzung im Vermittlungsausschuss Mitte September 2016 seinen Abschluss fand, ist am 4.11.2016 das neue Erbschaftsteuergesetz in Kraft getreten. Das Gesetzgebungsverfahren wurde erforderlich, weil das Bundesverfassungsgericht am 17.12.2014 die alte Unternehmenserbschaftsteuer, die zum 1.1.2009 in Kraft getreten war, als teilweise verfassungswidrig verwarf. Dies allein ist schon Anlass genug, um den Versuch zu unternehmen, das Erbschaftsteuergesetz komplett neu zu kommentieren. Die Internationalität der Lebensverhältnisse und das verstärkte Planen der Unternehmensnachfolge mit steuerpflichtigen und steuerbegünstigten Stiftungen waren aber ebenfalls ein Grund, eine Neukommentierung des Erbschaftsteuergesetzes vorzunehmen. Die Bereiche Unternehmenserbschaftsteuer, Internationales und Stiftungen sind deswegen mit einem besonderen Schwerpunkt kommentiert worden. Dieser Kommentar bietet eine systematische, umfassende und kompakte Kommentierung der Normen des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes. Darüber hinaus werden wichtige Vorschriften des Bewertungsgesetzes und die DBA mit Dänemark, Frankreich, Griechenland, Schweden, der Schweiz und den USA kommentiert. Den Gesetzesanwender wollen wir mit Hilfe dieses neuen Kommentars in die Lage versetzen, sich das Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz und weitere Normen leicht zu erschließen und für seine Belange nutzbar zu machen. Die Kommentierung der einzelnen Paragraphen erfolgt in Anlehnung an den Aufbau und den Verlauf der jeweiligen Norm und untergliedert sich grundsätzlich den Absätzen der Vorschrift entsprechend; gegebenenfalls ist weiter nach Satz, Halbsatz, Nummer und Buchstabe der Vorschrift unterteilt. Eingeleitet wird die Kommentierung einer Vorschrift regelmäßig durch einen allgemeinen Teil, der wiederum verschiedene Untergliederungspunkte ausweist. Innerhalb der einzelnen Kommentierung bestimmt die Praxisrelevanz den Maßstab für die Auswahl der zu erläuternden Einzelfragen und für die Tiefe der Darstellung. In diesem Rahmen wird die Rechtsprechung ausgewertet und kritisch diskutiert, neben der herrschenden die abweichende und die eigene Auffassung dargestellt, eigene – praktikable – Lösungen für wichtige Praxisfragen aufgezeigt und rechtliche Querverbindungen auch zu anderen verwandten Rechtsbereichen hergestellt. Die Sichtweisen der Finanzverwaltung, Rechtsprechung und Beratung werden angemessen und ausgewogen dargestellt, damit der Benutzer eine für die tägliche Arbeit verlässliche Erläuterung erhält. Der Rechtsstand unseres Werks ist der 1.1.2017. Das ErbStG ist aber weiterhin in Bewegung. Schon wirft das Steuerumgehungsbekämpfungsgesetz seinen Schatten voraus. Auch auf dieses Gesetz – in der Entwurfsfassung der Bundesregierung – wird bereits in den entsprechenden Kommentierungen vorausgeblickt. Großer Dank gilt dem Autorenteam bestehend aus erfahrenen Richtern, Finanzbeamten und Beratern, die dieses Werk neben ihrer Tätigkeit in der Justiz, der Verwaltung und ihren Kanzleien geschultert haben. Dies erforderte eine besondere Willensstärke und Leidensfähigkeit und, angesichts des langwierigen Gesetzgebungsverfahrens, auch eine gehörige Portion Geduld … Dank gilt auch dem Lektorenteam im Otto-Schmidt-Verlag, das viele Jahre dieses Projekt mitbegleitet hat, immer im konstruktiven, lösungsorientierten Dialog mit den Autoren und den Herausgebern. Möge dieser Kommentar Ihnen ein verlässlicher Ratgeber sein, unabhängig davon, ob Sie in der Judikative, Exekutive oder in der Beratung tätig sind! Frankfurt/Bochum im Januar 2017
Die Herausgeber
VII
Bearbeiterverzeichnis Dr. Johannes Baßler
Rechtsanwalt und Steuerberater, Hamburg Art. 1 bis 13 DBA-Schweiz
Klaus Deimel
Vorsitzender Richter am Finanzgericht Düsseldorf Auswirkungen des Unionsrechts auf die Erbschaft- und Schenkungsteuer (§ 2 ErbStG Rz. 90 ff.)
Prof. Dr. Manzur Esskandari
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht, Arbeitsrecht und Strafrecht, Osnabrück, Honorarprofessor an der Universität des Saarlandes § 7 ErbStG Abs. 1 Nr. 1 bis Nr. 7, Nr. 10, Abs. 2 bis Abs. 7 ErbStG
Dr. Horst-Dieter Fumi
Richter am Bundesfinanzhof, München §§ 9 bis 11 ErbStG, § 14 ErbStG
Dipl.-Finw. (FH) Mathias Grootens Steueramtsrat, Dozent an der Fachhochschule für Finanzen, Nordkirchen §§ 30 bis 37a ErbStG, §§ 158 bis 175 BewG Dr. Jochen Kotzenberg, LL.M.
Rechtsanwalt und Steuerberater, Bonn Art. 1 bis 13 DBA-Schweiz
Prof. Dr. Matthias Loose
Richter am Bundesfinanzhof, München, Honorarprofessor an der Ruhr-Universität Bochum § 1 Abs. 1 Nr. 1 bis Nr. 3, Abs. 2 ErbStG, § 3 Abs. 1 Nr. 1, Nr. 3 bis Nr. 4, Abs. 2 Nr. 2 bis Nr. 7 ErbStG, § 4, § 7 Abs. 8, § 20 ErbStG
Dipl.-Finw. Wilfried Mannek
Oberregierungsrat, Düsseldorf § 12 ErbStG, §§ 11 bis 16 BewG, §§ 176 bis 203 BewG
Dr. Christian von Oertzen
Rechtsanwalt und Fachanwalt für Steuerrecht, Frankfurt a.M. § 1 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG, § 3 Abs. 2 Nr. 1 ErbStG, § 7 Abs. 1 Nr. 8, Nr. 9 ErbStG, § 24 ErbStG, § 26 ErbStG, Art. 14 bis 18 DBA-Schweiz, DBA-USA, Gegenseitigkeitserklärungen Deutschlands mit Dänemark, Italien, den Niederlanden und einigen Schweizer Kantonen im Rahmen des § 13 Abs. 1 Nr. 16 Buchst. c ErbStG a.F.
Dr. Manfred Reich
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Erbrecht und Steuerberater, Frankfurt a.M. §§ 5, 6, 22, 27, 28, 29 ErbStG, DBA-Dänemark, DBA-Schweden
Dr. Tanja Schienke-Ohletz
Rechtsanwältin und Steuerberaterin, Frankfurt a.M. §§ 2, 8, 13, 21 ErbStG, DBA-Frankreich
Dipl.-Finw. Nico Schley
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht und Steuerberater, Köln § 23 ErbStG
Dipl.-Finw. Dr. Jörg Stalleiken
Rechtsanwalt und Steuerberater, Bonn §§ 13a, 13b, 13c, 13d, 19a, 28a ErbStG
Dr. Thomas Stein
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht und Steuerberater, Ulm §§ 15 bis 19 ErbStG, DBA-Griechenland
IX
Inhaltsverzeichnis Seite
Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bearbeiterverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . Verzeichnis der abgekürzt zitierten Literatur Abkürzungsverzeichnis. . . . . . . . . . . . . .
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1 17 75 115 121 143 159 261 267
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311 365 375 389
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451 521 593 599
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605 631 671 681 689 693
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709 723 741 745 763 765
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767 771
Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz Erster Abschnitt: Steuerpflicht § 1 Steuerpflichtige Vorgänge . . . . § 2 Persönliche Steuerpflicht . . . . . § 3 Erwerb von Todes wegen . . . . . § 4 Fortgesetzte Gütergemeinschaft. § 5 Zugewinngemeinschaft . . . . . . § 6 Vor- und Nacherbschaft . . . . . § 7 Schenkungen unter Lebenden . . § 8 Zweckzuwendungen . . . . . . . . § 9 Entstehung der Steuer. . . . . . .
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Zweiter Abschnitt: Wertermittlung § 10 Steuerpflichtiger Erwerb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 11 Bewertungsstichtag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 12 Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 13 Steuerbefreiungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 13a Steuerbefreiung für Betriebsvermögen, Betriebe der Land- und Forstwirtschaft und Anteile an Kapitalgesellschaften. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 13b Begünstigtes Vermögen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 13c Verschonungsabschlag bei Großerwerben von begünstigtem Vermögen . . . . . . . . . § 13d Steuerbefreiung für zu Wohnzwecken vermietete Grundstücke . . . . . . . . . . . . . . Dritter Abschnitt: Berechnung der Steuer § 14 Berücksichtigung früherer Erwerbe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 15 Steuerklassen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 16 Freibeträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 17 Besonderer Versorgungsfreibetrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 18 Mitgliederbeiträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 19 Steuersätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 19a Tarifbegrenzung beim Erwerb von Betriebsvermögen, von Betrieben der Land- und Forstwirtschaft und von Anteilen an Kapitalgesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . Vierter Abschnitt: Steuerfestsetzung und Erhebung § 20 Steuerschuldner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 21 Anrechnung ausländischer Erbschaftsteuer. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 22 Kleinbetragsgrenze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 23 Besteuerung von Renten, Nutzungen und Leistungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 24 Verrentung der Steuerschuld in den Fällen des § 1 Abs. 1 Nr. 4 . . . . . . . . . . . . . . § 25 (aufgehoben). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 26 Ermäßigung der Steuer bei Aufhebung einer Familienstiftung oder Auflösung eines Vereins . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 27 Mehrfacher Erwerb desselben Vermögens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
XI
Inhaltsverzeichnis Seite
§ 28 § 28a § 29 § 30 § 31 § 32 § 33 § 34 § 35
Stundung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verschonungsbedarfsprüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Erlöschen der Steuer in besonderen Fällen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anzeige des Erwerbs. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Steuererklärung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bekanntgabe des Steuerbescheides an Vertreter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anzeigepflicht der Vermögensverwahrer, Vermögensverwalter und Versicherungsunternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anzeigepflicht der Gerichte, Behörden, Beamten und Notare . . . . . . . . . . . . . . Örtliche Zuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Fünfter Abschnitt: Ermächtigungs- und Schlussvorschriften § 36 Ermächtigungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 37 Anwendung des Gesetzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 37a Sondervorschriften aus Anlass der Herstellung der Einheit Deutschlands. §§ 38, 39 (weggefallen) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Zweiter Teil: Besondere Bewertungsvorschriften Sechster Abschnitt: Vorschriften für die Bewertung von Grundbesitz, von nicht notierten Anteilen an Kapitalgesellschaften und von Betriebsvermögen für die Erbschaftsteuer ab 1. Januar 2009 B. Land- und forstwirtschaftliches Vermögen I. Allgemeines § 158 Begriff des land- und forstwirtschaftlichen Vermögens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 159 Abgrenzung land- und forstwirtschaftlich genutzter Flächen zum Grundvermögen . . § 160 Betrieb der Land- und Forstwirtschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 161 Bewertungsstichtag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 162 Bewertung des Wirtschaftsteils . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 163 Ermittlung der Wirtschaftswerte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 164 Mindestwert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 165 Bewertung des Wirtschaftsteils mit dem Fortführungswert. . . . . . . . . . . . . . . . . . § 166 Bewertung des Wirtschaftsteils mit dem Liquidationswert . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 167 Bewertung der Betriebswohnungen und des Wohnteils . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 168 Grundbesitzwert des Betriebs der Land- und Forstwirtschaft . . . . . . . . . . . . . . . .
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960 966 968 977 979 982 994 1001 1004 1008 1014
Bewertungsgesetz (Auszug) Erster Teil: Allgemeine Bewertungsvorschriften § 11 Wertpapiere und Anteile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 12 Kapitalforderungen und Schulden . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 13 Kapitalwert von wiederkehrenden Nutzungen und Leistungen § 14 Lebenslängliche Nutzungen und Leistungen . . . . . . . . . . . . § 15 Jahreswert von Nutzungen und Leistungen . . . . . . . . . . . . § 16 Begrenzung des Jahreswerts von Nutzungen . . . . . . . . . . . .
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II. Besonderer Teil a) Landwirtschaftliche Nutzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1019 § 169 Tierbestände. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1019 § 170 Umlaufende Betriebsmittel. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1022
XII
Inhaltsverzeichnis Seite
b) Forstwirtschaftliche Nutzung . . . . . . . . . . . . . . . § 171 Umlaufende Betriebsmittel. . . . . . . . . . . . . . . § 172 Abweichender Bewertungsstichtag . . . . . . . . . . c) Weinbauliche Nutzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 173 Umlaufende Betriebsmittel. . . . . . . . . . . . . . . d) Gärtnerische Nutzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 174 Abweichende Bewertungsverhältnisse . . . . . . . . e) Übrige land- und forstwirtschaftliche Nutzungen . . § 175 Übrige land- und forstwirtschaftliche Nutzungen
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C. Grundvermögen I. Allgemeines § 176 Grundvermögen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1031 § 177 Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1036 II. Unbebaute Grundstücke § 178 Begriff der unbebauten Grundstücke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1040 § 179 Bewertung der unbebauten Grundstücke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1045 III. Bebaute Grundstücke § 180 Begriff der bebauten Grundstücke . . . § 181 Grundstücksarten . . . . . . . . . . . . . § 182 Bewertung der bebauten Grundstücke § 183 Bewertung im Vergleichswertverfahren § 184 Bewertung im Ertragswertverfahren . . § 185 Ermittlung des Gebäudeertragswerts . § 186 Rohertrag des Grundstücks . . . . . . . § 187 Bewirtschaftungskosten . . . . . . . . . . § 188 Liegenschaftszinssatz . . . . . . . . . . . § 189 Bewertung im Sachwertverfahren. . . . § 190 Ermittlung des Gebäudesachwerts . . . § 191 Wertzahlen. . . . . . . . . . . . . . . . . .
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IV. Sonderfälle § 192 Bewertung in Erbbaurechtsfällen . . . . . . . . . . § 193 Bewertung des Erbbaurechts. . . . . . . . . . . . . § 194 Bewertung des Erbbaugrundstücks. . . . . . . . . § 195 Gebäude auf fremdem Grund und Boden . . . . § 196 Grundstücke im Zustand der Bebauung . . . . . § 197 Gebäude und Gebäudeteile für den Zivilschutz .
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1162 1166 1171 1178 1183 1188
V. Nachweis des niedrigeren gemeinen Werts § 198 Nachweis des niedrigeren gemeinen Werts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1190 D. Nicht notierte Anteile an Kapitalgesellschaften und Betriebsvermögen § 199 Anwendung des vereinfachten Ertragswertverfahrens . . . . . . . . . . . § 200 Vereinfachtes Ertragswertverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 201 Ermittlung des Jahresertrags . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 202 Betriebsergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 203 Kapitalisierungsfaktor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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1202 1209 1214 1218 1223
XIII
Inhaltsverzeichnis
Doppelbesteuerungsabkommen Seite Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich Dänemark zur Vermeidung der Doppelbesteuerung bei den Steuern vom Einkommen und vom Vermögen sowie bei den Nachlass-, Erbschaft- und Schenkungsteuern und zur Beistandsleistung in Steuersachen („DBA-Dänemark“, Auszug betr. Erbschaftsteuer) . . . . . . . . . . . . . 1229 Anhang: Denkschrift zum DBA-Dänemark . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1257
Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Französischen Republik zur Vermeidung der Doppelbesteuerung der Nachlässe, Erbschaften und Schenkungen („DBA-Frankreich“) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1269 Anhang: Denkschrift zum DBA-Frankreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1352 Übereinkommen zwischen Deutschland und Griechenland über die Besteuerung des beweglichen Nachlassvermögens („DBA-Griechenland“) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1355 Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich Schweden zur Vermeidung der Doppelbesteuerung bei den Steuern vom Einkommen und vom Vermögen sowie bei den Erbschaft- und Schenkungsteuern und zur Leistung gegenseitigen Beistands bei den Steuern („DBA-Schweden“, Auszug betr. Erbschaftsteuer) . . . . . . . . 1365 Anhang: Denkschrift zum DBA-Schweden. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1383 Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen Eidgenossenschaft zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Nachlass- und Erbschaftsteuern („DBA-Schweiz“) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1395 Anhang 1: Denkschrift der deutschen Bundesregierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1473 Anhang 2: Botschaft des (Schweizer) Bundesrates an die Bundesversammlung über ein Erbschaftsteuerabkommen mit der Bundesrepublik Deutschland v. 31.1.1979. . . . 1476 Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Nachlass-, Erbschaft- und Schenkungsteuern („DBA-USA“) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anhang 1: Besteuerung unentgeltlicher Übertragungen in den USA . . . . . . . . . . . . . . . . Anhang 2: Gesetz zu dem Abkommen vom 3.12.1980 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Nachlaß-, Erbschaft- und Schenkungsteuern . . . Anhang 3: Gesetz zu dem Protokoll vom 14.12.1998 zur Änderung des am 3.12.1980 in Bonn unterzeichneten Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Nachlass-, Erbschaft- und Schenkungsteuern. . . . . Anhang 4: Denkschrift zum Abkommen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anhang 5: Explanation of Proposed Estate and Gift Tax Treaty between the United States and the Federal Republic of Germany . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anhang 6: Technical Explanation of the Convention between the United States of America and the Federal Republic of Germany for the Avoidance of Double Taxation with Respect to Taxes on Estates, Inheritances, and Gifts . . . . . . . . . . . . . . . . Anhang 7: Treasury Department Technical Explanation of the Protocol between the United States of America and the Federal Republic of Germany signed at Washington on December 14, 1998 amending the Convention between the United States of America and the Federal Republic of Germany for the Avoidance of Double Taxation with Respect to Taxes on Estates, Inheritances, and Gifts . . . . . . . . . . .
. 1481 . 1568 . 1573
. 1574 . 1579 . 1586 . 1593
. 1604
Die Gegenseitigkeitserklärungen Deutschlands mit Dänemark, Italien, den Niederlanden und einigen Schweizer Kantonen im Rahmen des § 13 Abs. 1 Nr. 16 Buchst. c ErbStG a.F. . . 1609 Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1643 XIV
Verzeichnis der abgekürzt zitierten Literatur Bamberger/Roth3
Bamberger/Roth, Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 3. Aufl. 2012
Baumbach/Hopt37
Baumbach/Hopt, Handelsgesetzbuch, Kommentar, 37. Aufl. 2016
Baumbach/Hueck20
Baumbach/Hueck, GmbHG, Kommentar, 20. Aufl. 2013
Beck’scher Bilanz-Kommentar10
Beck’scher Bilanz-Kommentar, Handels- und Steuerbilanz, §§ 238 bis 339, 342 bis 342e HGB, 10. Aufl. 2016
Beck’sches Formularbuch Erbrecht3
Beck’sches Formularbuch Erbrecht, hrsg. von Brambring, 3. Aufl. 2014
Beermann/Gosch
Beermann/Gosch, Abgabenordnung – Finanzgerichtsordnung, Kommentar (Loseblatt)
Bengel/Reimann5
Bengel/Reimann, Handbuch der Testamentsvollstreckung, Handbuch, 5. Aufl. 2013
Blümich
Blümich, EStG, KStG, GewStG, Kommentar (Loseblatt)
Boruttau18
Boruttau, Grunderwerbsteuergesetz, Kommentar, 18. Aufl. 2016
Calliess/Ruffert5
Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, Das Verfassungsrecht der Europäischen Union mit Europäischer Grundrechtecharta, Kommentar, 5. Aufl. 2016
von Campenhausen/Richter4
von Campenhausen/Richter, Stiftungsrechts-Handbuch, 4. Aufl. 2014
Crezelius
Crezelius, Unternehmenserbrecht, 2. Aufl. 2009
D/H/R2
Daragan/Halaczinsky/Riedel, Praxiskommentar ErbStG und BewG, Kommentar, 2. Aufl. 2012
Dutta/Weber
Dutta/Weber, Internationales Erbrecht, Kommentar, 2016
Ebeling/Geck
Ebeling/Geck, Handbuch der Erbengemeinschaft (Loseblatt)
Endres/Jacob/Gohr/Klein
Endres/Jacob/Gohr/Klein, DBA Deutschland-USA, 2009
F/J/P/W5
Fischer/Jüptner/Pahlke/Wachter, ErbStG, Kommentar, 5. Aufl. 2014
Flick/Piltz2
Flick/Piltz, Der Internationale Erbfall, 2. Aufl. 2008
F/W/B/S
Flick/Wassermeyer/Baumhoff/Schönfeld, Außensteuerrecht Kommentar (Loseblatt)
F/W/K
Flick/Wassermeyer/Kempermann, DBA-Kommentar (Loseblatt)
G/H/N
Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union, EUV/AEUV, Kommentar (Loseblatt)
G/K/G
Gosch/Kroppen/Grotherr, DBA-Kommentar (Loseblatt)
Gürsching/Stenger
Gürsching/Stenger, Bewertungsrecht, Kommentar (Loseblatt)
Haase4
Haase, Internationales und Europäisches Steuerrecht, Lehrbuch, 4. Aufl. 2014
Haase3
Haase, Außensteuergesetz/ Doppelbesteuerungsabkommen, Kommentar, 3. Aufl. 2016 XV
Verzeichnis der abgekürzt zitierten Literatur
Hannes
Hannes, Formularbuch Vermögens- und Unternehmensnachfolge, 2011
HHR
Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz: EStG KStG, Kommentar (Loseblatt)
HHSp
Hübschmann/Hepp/Spitaler, Abgabenordnung – Finanzgerichtsordnung, Kommentar (Loseblatt)
H/R/M5
Hailbronner/Renner/Maaßen, Staatsangehörigkeitsrecht, 5. Aufl. 2010
Hübner
Hübner, Erbschaftsteuerreform 2009, 2008
Kapp/Ebeling
Kapp/Ebeling, Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz, Kommentar (Loseblatt)
Kirchhof15
Kirchhof, EStG, Kommentar, 15. Aufl. 2016
Klein13
Klein, Abgabenordnung, Kommentar, 13. Aufl. 2016
Koenig3
Koenig, Abgabenordnung, Kommentar, 3. Aufl. 2014
Kraft,
Kraft, AStG, Kommentar, 2009
K/S/M
Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, Einkommensteuergesetz, Kommentar (Loseblatt)
K/S/S3
Kreutziger/Schaffner/Stephany, Bewertungsgesetz, Kommentar, 3. Aufl. 2013
L/B/P
Littmann/Bitz/Pust, Das Einkommensteuerrecht, Kommentar (Loseblatt)
Lippross/Seibel
Basiskommentar Steuerrecht, Kommentar (Loseblatt)
Lüdicke
Lüdicke, Vermeidung der Doppelbesteuerung und ihre Grenzen, 2013
Lüdicke/Sistermann/Fischer
Unternehmensteuerrecht, Handbuch, 2008
Mayer/Süß/Tanck/Wälzholz3
Handbuch Pflichtteilsrecht, 3. Aufl. 2013
Meincke16
Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz: ErbStG, Kommentar, 16. Aufl. 2012
Moench/Weinmann
Erbschaft- und Schenkungsteuergesetz ErbStG, Kommentar (Loseblatt)
Mössner u.a.4
Mössner/Baumhoff/Greif, Steuerrecht international tätiger Unternehmen, Handbuch, 4. Aufl. 2012
Münchener Anwaltshandbuch Erbrecht4
Münchener Anwaltshandbuch Erbrecht, hrsg. von Scherer, 4. Aufl. 2014
Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts4
Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Band 1: BGBGesellschaft, Offene Handelsgesellschaft, Partnerschaftsgesellschaft, Partenreederei, EWIV, hrsg. von Gummert/Weipert, 4. Aufl. 2014
Münchener Kommentar
Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, Band 1: Allgemeiner Teil §§ 1–240, 7. Aufl. 2015; Band 2: Schuldrecht – Allgemeiner Teil, 7. Aufl. 2016; Band 3: Schuldrecht – Besonderer Teil I §§ 433–534, 7. Aufl. 2016; Band 6: Schuldrecht – Besonderer Teil IV, §§ 705–853, 7. Aufl. 2017; Band 8: Familienrecht I §§ 1297–1588, 7. Aufl. 2017
XVI
Verzeichnis der abgekürzt zitierten Literatur
Musterkommentar
OECD-Musterkommentar zu OECD-Musterabkommen
Palandt75
Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, Kommentar, 75. Aufl. 2016
P/R/S2
Preißer/Rödl/Seltenreich, Erbschaft- und Schenkungsteuer, Kompakt-Kommentar, 2. Aufl. 2013
Rössler/Troll
Rössler/Troll, Bewertungsgesetz: BewG, Kommentar (Loseblatt)
Schaumburg4
Schaumburg, Internationales Steuerrecht, 4. Aufl. 2017
Scherer4
Münchener Anwaltshandbuch Erbrecht, 4. Aufl. 2014
Schlitt/Müller
Schlitt/Müller, Handbuch Pflichtteilsrecht, 2010
Schmidt35
Schmidt, Einkommensteuergesetz, Kommentar, 35. Aufl. 2016
Schönfeld/Ditz
Doppelbesteuerungsabkommen (DBA), Kommentar, 2013
Schwarz/Pahlke
Schwarz/Pahlke, AO/FGO, Kommentar (Loseblatt)
S/K/K
Strunk/Kaminski/Köhler, Außensteuergesetz – Doppelbesteuerungsabkommen, Kommentar (Loseblatt)
Staudinger
Staudinger, BGB, Kommentar; Buch 2: Recht der Schuldverhältnisse: §§ 516–534 (Schenkungsrecht), Neubearbeitung 2013; Buch 5: Erbrecht §§ 1922–1966 (Erbfolge), Neubearbeitung 2016
T/G/J
Troll/Gebel/Jülicher, Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz, mit Bewertungsrecht und Verfahrensrecht, Kommentar (Loseblatt)
Tiedtke
Tiedtke, Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz, Kommentar, 2009
Tipke/Kruse
Tipke/Kruse, Abgabenordnung – Finanzgerichtsordnung, Kommentar (Loseblatt)
Tipke/Lang
Tipke/Lang, Steuerrecht (Praxishandbuch), 22. Auflage 2015
V/K/S/W4
Viskorf/Knobel/Schuck/Wälzholz, Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz, Bewertungsgesetz, Kommentar, 4. Aufl. 2012
Vogel/Lehner6
Vogel/Lehner, Doppelbesteuerungsabkommen, Kommentar, 6. Aufl. 2015
Wassermeyer
Wassermeyer, Doppelbesteuerungsabkommen, Kommentar (Loseblatt)
Wilms/Jochum
Wilms/Jochum, Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz, Kommentar (Loseblatt)
W/R/S2
Wassermeyer/Richter/Schnittker, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht, 2. Aufl. 2015
XVII
Abkürzungsverzeichnis a.A. a.a.O. abl. ABl. EG ABl. EU Abs. Abschn. Abt. abw. AcP a.E. AEAO AEErbSt AEUV a.F. AfA AktG Alt. a.M. AMBLFin. amtl. AMVO ÄndG Anh. Anl. Anm. AO AOA Art. AStG Aufl. ausf. AWD Az.
andere(r) Ansicht am angeführten Ort ablehnend Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften (bis Januar 2003) Amtsblatt der Europäischen Union (ab Februar 2003) Absatz Abschnitt Abteilung abweichend Archiv für die civilistische Praxis (Zeitschrift) am Ende Anwendungserlass zur Abgabenordnung Anwendungserlass zu den geänderten Vorschriften des ErbStG v. 25.6.2009 (BStBl. I 2009, 713) Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union alte Fassung Absetzung für Abnutzung Aktiengesetz Alternative anderer Meinung Amtliches Mitteilungsblatt der Verwaltung für Finanzen amtlich Altbaumietenverordnung Änderungsgesetz Anhang Anlage Anmerkung Abgabenordnung Authorised OECD Approach Artikel Außensteuergesetz Auflage ausführlich Außenwirtschaftsdienst des Betriebsberaters (Zeitschrift) Aktenzeichen
BAnz. BAO BauGB BauNVO Bay./bay. BayObLG BB BBauG BBEV BBl. Bd. Bdb. BdF BDI Begr. Beschl. BeSt
Bundesanzeiger Bundesabgabenordnung (Österreich) Baugesetzbuch Baunutzungsverordnung Bayern, bayerisch Bayerisches Oberstes Landesgericht Betriebs-Berater (Zeitschrift) Bundesbaugesetz Beraterbrief Erben und Vermögen (Zeitschrift) Bundesblatt (Schweiz) Band Brandenburg Bundesminister der Finanzen Bundesverband der Deutschen Industrie Begründung Beschluss Beratersicht zur Steuerrechtsprechung (Zeitschrift) XIX
Abkürzungsverzeichnis
betr. BetrKV BeurkG BewÄndG BewDB BewDV BewG BewR Bh BewR DB
BFH BFH/NV BFHE Bf(in) BGB BGBl. BGH BGHZ BMF BNotO BodSchätzDB BodSchätzG BodSchätzOffVo Bp. BR BR-Drucks. BStBl. BT-Drucks. Buchst. BuW BV BVerfG BVerfGE BVerwG BVo BW BWaldG BWNotZ bzgl. BZSt bzw.
betreffend Betriebskostenverordnung Beurkundungsgesetz Bewertungsänderungsgesetz (Gesetz zur Änderung des Bewertungsgesetzes) Bewertungsdurchführungsbestimmungen Durchführungsverordnung zum Bewertungsgesetz Bewertungsgesetz Richtlinien für die Bewertung der Hafengrundstücke in Binnenhäfen Richtlinien für die Bewertung der Betriebsgrundstücke der Deutschen Bundesbahn Richtlinien für die Bewertung von Jacht- und Bootshäfen Richtlinien für die Bewertung der Betriebsgrundstücke der Seilschwebebahnen, Schlepplifte und Standseilbahnen Richtlinien für die Bewertung des Grundvermögens v. 19.9.1966, BStBl. I 1966, 890 Richtlinien für die Bewertung des land- und forstwirtschaftlichen Vermögens, Teile 1–4 u. 8 veröffentlicht in BStBl. I 1967, 397; Teile 5–7 veröffentlicht in BStBl. I 1968, 223 Bundesfinanzhof BFH/NV (Zeitschrift) Amtliche Sammlung der Entscheidungen des BFH Beschwerdeführer(in) Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgesetzblatt Teil I oder II Bundesgerichtshof Sammlung der Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen Bundesministerium der Finanzen Bundesnotarordnung Durchführungsbestimmungen zum Bodenschätzungsgesetz Bodenschätzungsgesetz Verordnung über die Offenlegung der Ergebnisse der Bodenschätzung Betriebsprüfung Bundesrat Drucksachen des Bundesrates Bundessteuerblatt Teil I, II oder III Drucksachen des Bundestages Buchstabe Betrieb und Wirtschaft (Zeitschrift) Berechnungsverordnung/Betriebsvermögen Bundesverfassungsgericht Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts Bundesverwaltungsgericht Betriebsvorrichtung(en) Baden-Württemberg Bundeswaldgesetz Zeitschrift für das Notariat in Baden-Württemberg bezüglich Bundeszentralamt für Steuern beziehungsweise
Corp
Corporation
DB DBA
Der Betrieb (Zeitschrift) Doppelbesteuerungsabkommen
BewR Jh BewR PSB BewRGr BewRL
XX
Abkürzungsverzeichnis
DBA-Dänemark
DBA-Frankreich DBA-Griechenland DBA-Schweden
DBA-Schweiz DBA-USA ders. dgl. d.h. dies. DIN DK DM DNotZ DRiZ Drucks. DStJG DStR DStRE DStZ DStZ/A DStZ/E DSWR DurchfBest. DV DVR
Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich Dänemark zur Vermeidung der Doppelbesteuerung bei den Steuern vom Einkommen und vom Vermögen sowie bei den Nachlass-, Erbschaft- und Schenkungsteuern und zur Beistandsleistung in Steuersachen vom 22.11.1995 Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Französischen Republik zur Vermeidung der Doppelbesteuerung der Nachlässe, Erbschaften und Schenkungen vom 12.10.2006 Übereinkommen zwischen Deutschland und Griechenland über die Besteuerung des beweglichen Nachlassvermögens vom 22.1.1912 Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich Schweden zur Vermeidung der Doppelbesteuerung bei den Steuern vom Einkommen und vom Vermögen sowie bei den Erbschaft- und Schenkungsteuern und zur Leistung gegenseitigen Beistands bei den Steuern vom 8.6.1994 Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen Eidgenossenschaft zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Nachlass- und Erbschaftsteuern vom 30.11.1978 Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Nachlass-, Erbschaft- und Schenkungsteuern vom 21.12.2000 derselbe dergleichen das heißt dieselbe(n) Deutsche Industrie-Norm Der Konzern (Zeitschrift) Deutsche Mark Deutsche Notar-Zeitschrift (Zeitschrift) Deutsche Richterzeitung (Zeitschrift) Drucksache Veröffentlichungen der Deutschen Steuerjuristischen Gesellschaft e.V. (Tagungsbände) Deutsches Steuerrecht; bis 1961 Deutsche Steuer-Rundschau (Zeitschrift) Deutsches Steuerrecht – Entscheidungsdienst (Zeitschrift) Deutsche Steuerzeitung (Zeitschrift) Deutsche Steuerzeitung Ausgabe A (Zeitschrift) Deutsche Steuerzeitung (Eildienst = Ausgabe B) (Zeitschrift) Datenverarbeitung in Steuer, Wirtschaft und Recht (Zeitschrift) Durchführungsbestimmung Durchführungsverordnung Deutsche Verkehrsteuer-Rundschau (Zeitschrift)
-E EAS EC EFG EG
(Gesetzes-)Entwurf Express-Antwort-Service des BMF (Österreich) Tax Review European Communities Tax Review (Zeitschrift) Entscheidungssammlung der Finanzgerichte (Zeitschrift) Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft in der Fassung des Vertrages von Amsterdam EGV Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (EG-Vertrag) EHFV Erbhoffortbildungsverordnung Einf. Einführung EinfG RealStG Einführungsgesetz zu den Realsteuergesetzen EinhW(EW)FortschrG Einheitswertfortschreibungsgesetz EMZ Ertragsmesszahl Entsch. Entscheidung XXI
Abkürzungsverzeichnis
ErbbauVO ErbBstg. ErbSt. ErbStAnpG
ErbStVA Erl. ESt EStB EStDV EStER EStG EStH EStR EStRG ET et al. EU EuGH EuGHE EuZW e.V. EW EWG EWR EWS
Verordnung über das Erbbaurecht Erbfolgebesteuerung (Zeitschrift) Erbschaftsteuer Gesetz zur Anpassung des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes an die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (ErbStRAnpG k.a.Abk.) vom 4.11.2016 Erbschaft-Steuer-Berater (Zeitschrift) Erbschaftsteuer-Durchführungsverordnung Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz Gleich lautende Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder – Hinweise zu den Erbschaftsteuer-Richtlinien 2011 v. 19.12.2011, BStBl. I 2011, Sondernummer 1/2011, 117 Allgemeine Verwaltungsvorschrift zur Anwendung des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuerrechts (Erbschaftsteuer-Richtlinien 2011) v. 19.12.2011, BStBl. I 2011, Sondernummer 1/2011, 2 Gesetz zur Reform des Erbschaftsteuer- und Bewertungsrechts (Erbschaftsteuerreformgesetz) vom 24.12.2008 Allgemeine Verwaltungsanweisungen für die Erbschaftsteuer Erlass Einkommensteuer Ertrag-Steuer-Berater (Zeitschrift) Einkommensteuer-Durchführungsverordnung Einkommensteuer-Ergänzungsrichtlinien Einkommensteuergesetz Einkommensteuer-Hinweise Einkommensteuer-Richtlinien Einkommensteuer-Reformgesetz European Taxation (Zeitschrift) et alii Europäische Union Europäischer Gerichtshof Entscheidungssammlung des EuGH Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht (Zeitschrift) eingetragener Verein Einheitswert Europäische Wirtschaftsgemeinschaft Europäischer Wirtschaftsraum Europäisches Wirtschafts- und Steuerrecht (Zeitschrift)
f. FA FamRZ Fass. ff. FG FGG FGO FinBeh. FinMin. FinSen. FinVerw. FMBl. Fn. FortschrG FR FRL
folgend (eine Seite) Finanzamt Zeitschrift für das gesamte Familienrecht (Zeitschrift) Fassung folgende (mehrere Seiten) Finanzgericht Gesetz über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit Finanzgerichtsordnung Finanzbehörde Finanzministerium Finanzsenat Finanzverwaltung Finanz-Ministerial-Blatt Fußnote Fortschreibungsgesetz Finanz-Rundschau (Zeitschrift) Fusions-Richtlinie
ErbStB ErbStDV ErbStG ErbStH 2011 ErbStR 2011 ErbStRG
XXII
Abkürzungsverzeichnis
FS FusionsRL FVerlV FVG FZA
Festschrift Fusions-Richtlinie Funktionsverlagerungsverordnung Finanzverwaltungsgesetz Freizügigkeitsabkommen
GA GAV GBl. GBO GbR gem. GemVO GenG Ges. GewSt. GewStDV GewStG GewStR GG ggf. GKKB gl.A. GmbH GmbHR GmbH-StB GP GrBewV GrESt. GrEStG GrESWG
Generalanwalt Gewinnabführungsvertrag Gesetzblatt Grundbuchordnung Gesellschaft bürgerlichen Rechts gemäß Gemeinnützigkeitsverordnung Gesetz betr. die Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften Gesetz Gewerbesteuer Gewerbesteuer-Durchführungsverordnung Gewerbesteuergesetz Gewerbesteuer-Richtlinien Grundgesetz gegebenenfalls Gemeinsame konsolidierte Körperschaftsteuer-Bemessungsgrundlage gleicher Ansicht Gesellschaft mit beschränkter Haftung GmbH-Rundschau (Zeitschrift) GmbH-Steuer-Berater (Zeitschrift) General Partnership Grundvermögensbewertungsverordnung Grunderwerbsteuer Grunderwerbsteuergesetz Bayer. Gesetz über die Grunderwerbsteuerbefreiung für den sozialen Wohnungsbau Großer Senat Grundsteuer Grundsteuer-Änderungsgesetz Grundsteuer-Durchführungsverordnung
GrS GrSt GrStÄndG GrStDV (GrStDurchfVO) GrStG GrStR GS GStB GuG GuV GVBl./GVOBl. GW-StRK
Grundsteuergesetz Grundsteuer-Richtlinie Gedächtnisschrift Gestaltende Steuerberatung (Zeitschrift) Grundstücksmarkt und Grundstückswert (Zeitschrift) Gewinn- und Verlustrechnung Gesetz- und Verordnungsblatt Grundwerk zur Steuerrechtsprechung in Karteiform
H Halbs. Hess./hess. HFR HGB h.M. HMdF HöfeVfO HRR
Hinweis Halbsatz Hessen/hessisch Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung (Zeitschrift) Handelsgesetzbuch herrschende Meinung Hessisches Ministerium der Finanzen Höfeverfahrensordnung Höchstrichterliche Rechtsprechung (Zeitschrift)
XXIII
Abkürzungsverzeichnis
Hrsg. hrsg.
Herausgeber herausgegeben
IAS IBFD i.d.F. i.d.R. i.d.S. i.e.S. IFA IFRS IFSt i.H.v. Inc. INF insb. InsO Intertax InvFR InvG InvStG InvZulG IPrax IRS i.S. i.S.d. IStR i.S.v. ITPJ i.V.m. IWB
International Accounting Standard International Bureau of Fiscal Documentation in der Fassung in der Regel in dem Sinne im engeren Sinne International Fiscal Association International Financial Reporting Standard Institut Finanzen und Steuern in Höhe von Incorporated Die Information für Steuerberater und Wirtschaftsprüfer (Zeitschrift) insbesondere Insolvenzordnung International Tax Review (Zeitschrift) Investitionsfondsrichtlinie (Österreich) Investmentgesetz Investmentsteuergesetz Investitionszulagengesetz Praxis des Internationalen Privat- und Verfahrensrechts (Zeitschrift) Internal Revenue Service im Sinne im Sinne des Internationales Steuerrecht (Zeitschrift) im Sinne von International Transfer Pricing Journal (Zeitschrift) in Verbindung mit Internationale Wirtschafts-Briefe
JbFStR JR JStG jurisPR JV JW JZ
Jahrbuch der Fachanwälte für Steuerrecht Juristische Rundschau Jahressteuergesetz juris Praxisreport Joint Venture Juristische Wochenschrift (Zeitschrift) Juristenzeitung (Zeitschrift)
Kap. KBV KFR KG KGA KGaA KirchSt. Kj. Komm. KÖSDI krit. KSt. KStDV KStG KStH KStR
Kapitel Kleinbetragsverordnung Kommentierte Finanzrechtsprechung Kommanditgesellschaft Kreditgewinnabgabe Kommanditgesellschaft auf Aktien Kirchensteuer Kalenderjahr Kommentar Kölner Steuerdialog (Zeitschrift) kritisch Körperschaftsteuer Körperschaftsteuer-Durchführungsverordnung Körperschaftsteuergesetz Körperschaftsteuer-Hinweise Körperschaftsteuer-Richtlinien
XXIV
Abkürzungsverzeichnis
KStZ KVLG KVSt. KVStG (KapVerkStG) KWG
Kommunale Steuerzeitschrift (Zeitschrift) Gesetz über die Krankenversicherung der Landwirte Kapitalverkehrsteuer Kapitalverkehrsteuergesetz Gesetz über das Kreditwesen
LAG LBO LdErl. LFA Lfg. LG lit. LLC LLLP LLP LP LPartG LPG LSt. LStDV lt. Ltd. LuF, luf. LuftVG
Lastenausgleichsgesetz Leveraged Buy-Out Ländererlass Landesfinanzamt Lieferung Landgericht litera Limited Liability Company Limited Liability Limited Partnership Limited Liability Partnership Limited Partnership Gesetz über die eingetragene Lebenspartnerschaft Landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaft Lohnsteuer Lohnsteuer-Durchführungsverordnung laut Private Company Limited by Shares, Limited Land- und Forstwirtschaft, land- und forstwirtschaftlich Luftverkehrsgesetz
m. Anm. MA MABl. MA-InfAust m.a.W. MBl. MDR MinBlFin. Mio. MittBayNotK MittRhNotK MTR MV m.w.N. MwStSystRL m.W.v.
mit Anmerkung(en) Musterabkommen Ministerialamtsblatt OECD-Musterabkommen über den Informationsaustausch in Steuersachen mit anderen Worten Ministerialblatt Monatsschrift für Deutsches Recht (Zeitschrift) Ministerialblatt des Bundesfinanzministers Million(en) Mitteilungen der Bayerischen Notarkammer (Zeitschrift) Mitteilungen der Rheinischen Notarkammer (Zeitschrift) Mutter-Tochter-Richtlinie Mecklenburg-Vorpommern mit weiteren Nachweisen Mehrwertsteuersystemrichtlinie mit Wirkung vom
Nds., nds. n.F. NJW NJW-RR Nr. nrkr. NSt. n.v. NW NWB NZB NZG NZM
Niedersachsen, niedersächsisch neue Fassung Neue Juristische Wochenschrift (Zeitschrift) Neue Juristische Wochenschrift-Rechtsprechungs-Report (Zeitschrift) Nummer nicht rechtskräftig Neues Steuerrecht von A-Z (Loseblatt) nicht veröffentlicht Nordrhein-Westfalen Neue Wirtschafts-Briefe (Zeitschrift) Nichtzulassungsbeschwerde Neue Zeitschrift für Gesellschaftsrecht Neue Zeitschrift für Miet und Wohnungsrecht (Zeitschrift) XXV
Abkürzungsverzeichnis
o.a. OECD OECD-MA
OFD OFH OFPräs. OHG OLG OVG
oben angegeben (-e, -er, -en) Organization for Economic Cooperation and Development OECD-Musterabkommen OECD-Musterabkommen für ein Abkommen zwischen (Staat A) und (Staat B) zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Nachlaß-, Erbschaft- und Schenkungsteuern OECD-Musterabkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und Vermögen Oberfinanzdirektion Oberster Finanzgerichtshof Oberfinanzpräsident offene Handelsgesellschaft Oberlandesgericht Oberverwaltungsgericht
p.a. PartGG PBefG PIStB plc PStG PTLP
pro anno Partnerschaftsgesellschaftsgesetz Personenbeförderungsgesetz Praxis Internationale Steuerberatung (Zeitschrift) Public Limited Company Personenstandsgesetz Publicly Traded Limited Partnership
R. RabelZ RAP Rb. RdErl. RdF RdL RdVfg. REG REIT RErbhG Rev. RFH RFHE RG RGBl. RGZ Rh.-Pf. RIW Rj. rkr. RL Rn. RPflG Rs. Rspr. RStBl. RWP Rz.
Rechtsspruch Rabels Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht (Zeitschrift) Rechnungsabgrenzungsposten Rechtsbeschwerde Runderlass Reichsminister der Finanzen Recht der Landwirtschaft (Zeitschrift) Rundverfügung Rückerstattungsgesetz Real Estate Investment Trust Reichserbhofgesetz Revision Reichsfinanzhof Sammlung der Entscheidungen des Reichsfinanzhofs Reichsgericht Reichsgesetzblatt Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen Rheinland-Pfalz Recht der internationalen Wirtschaft (Zeitschrift) Rechnungsjahr rechtskräftig Richtlinie Randnummer Rechtspflegergesetz Rechtssache Rechtsprechung Reichssteuerblatt Rechts- und Wirtschaftspraxis Randzahl, Randziffer
s. S. S.A.
siehe Seite Société anonyme; Sociéta a accomandita
OECD-MA/ESt
XXVI
Abkürzungsverzeichnis
Sa.-Anh. Saarl. Sachs., sächs. Schl.-Holst. Schr. SE SEStEG SGB Slg. s.o. sog. Sp. st. Rspr. StÄndG StAnpG StB StBereinG Stbg StbJb StBp StbW StEd StEK StEL StEntlG SteuK StGB StKl. StLex str. StuB StUmgBG StuW StW s.u. SWI SZ
Sachsen-Anhalt Saarland Sachsen, sächsisch Schleswig-Holstein Schreiben Societas Europea Gesetz über steuerliche Begleitmaßnahmen zur Einführung der Europäischen Gesellschaft und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften Sozialgesetzbuch Amtliche Sammlung der EuGH-Entscheidungen siehe oben so genannt Spalte ständige Rechtsprechung Steueränderungsgesetz Steueranpassungsgesetz Der Steuerberater (Zeitschrift) Steuerbereinigungsgesetz Die Steuerberatung (Zeitschrift) Steuerberater-Jahrbuch Die steuerliche Betriebsprüfung (Zeitschrift) SteuerberaterWoche (Zeitschrift) Steuereildienst (Zeitschrift) Felix/Carlé, Steuererlasse in Karteiform Steuerrechtliche Entscheidungen zur Land- und Forstwirtschaft Steuerentlastungsgesetz Steuerrecht kurzgefasst (Zeitschrift) Strafgesetzbuch Steuerklasse Steuerlexikon (Loseblatt) streitig Steuern und Bilanzen (Zeitschrift) Steuerumgehungsbekämpfungsgesetz Steuer und Wirtschaft (Zeitschrift) Die Steuer-Warte (Zeitschrift) siehe unten Steuer & Wirtschaft International (Zeitschrift) Süddeutsche Zeitung
T Tab. Thür., thür. TMTP TNI TPIR Tz.
Tausend Tabelle Thüringen, thüringisch Tax Management Transfer Pricing (Zeitschrift) Tax Notes International (Zeitschrift) Tax Planning International Review (Zeitschrift) Textziffer
u. u.a. u.Ä. Ubg u.E. UmwG UmwStG UR Urt.
und unter anderem und Ähnliche(s) Die Unternehmensbesteuerung (Zeitschrift) unseres Erachtens Umwandlungsgesetz Umwandlungssteuergesetz Umsatzsteuer-Rundschau Urteil XXVII
Abkürzungsverzeichnis
USt. UStG usw. u.U.
Umsatzsteuer Umsatzsteuergesetz und so weiter unter Umständen
v. VAT VerkSt. VermG VerschG Vfg. VG (VerwG) vGA VGH vgl. v.H. VO VOBl. v.T. VVG VwGO VwV VZ
vom, von Value added Tax Verkehrsteuer Vermögensgesetz Verschollenheitsgesetz Verfügung Verwaltungsgericht verdeckte Gewinnausschüttung Verwaltungsgerichtshof vergleiche vom Hundert Verordnung Verordnungsblatt vom Tausend Gesetz über den Versicherungsvertrag Verwaltungsgerichtsordnung Allgemeine Verwaltungsvorschrift Veranlagungszeitraum
WEG WertR WertV WFA WG Wj. WM WoFlV Wpg
Wohnungseigentumsgesetz Wertermittlungs-Richtlinie Wertermittlungs-Verordnung Wertermittlungs-Forum Aktuell (Zeitschrift) Wirtschaftsgut Wirtschaftsjahr Wertpapiermitteilungen (Zeitschrift) Wohnflächenverordnung Die Wirtschaftsprüfung (Zeitschrift)
z.B. ZErb. ZEV ZfZ ZGR ZHR Ziff. ZIP ZNotP ZPO ZSKG
zum Beispiel Zeitschrift für die Steuer- und Erbrechtpraxis Zeitschrift für Erbrecht und Vermögensnachfolge Zeitschrift für Zölle und Verbrauchsteuern Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht Zeitschrift für das gesamte Handels- und Wirtschaftsrecht Ziffer Zeitschrift für Wirtschaftsrecht und Insolvenzpraxis Zeitschrift für die Notarpraxis Zivilprozessordnung Gesetz über den Zivilschutz und die Katastrophenhilfe des Bundes (Zivilschutz- und Katastrophenhilfegesetz) Zeitschrift für Steuern und Recht zum Teil zustimmend Zwangsversteigerungsgesetz zurzeit
ZSteu z.T. zust. ZVG z.Z., zzt.
XXVIII
Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz i.d.F. der Bekanntmachung v. 27.2.1997 (BGBl. I 1997, 378), zuletzt geändert durch Art. 1 Ges. v. 4.11.2016 (BGBl. I 2016, 2464)
Erster Abschnitt Steuerpflicht
§ 1 Steuerpflichtige Vorgänge (1) Der Erbschaftsteuer (Schenkungsteuer) unterliegen 1. der Erwerb von Todes wegen; 2. die Schenkungen unter Lebenden; 3. die Zweckzuwendungen; 4. das Vermögen einer Stiftung, sofern sie wesentlich im Interesse einer Familie oder bestimmter Familien errichtet ist, und eines Vereins, dessen Zweck wesentlich im Interesse einer Familie oder bestimmter Familien auf die Bindung von Vermögen gerichtet ist, in Zeitabständen von je 30 Jahren seit dem in § 9 Abs. 1 Nr. 4 bestimmten Zeitpunkt. (2) Soweit nichts anderes bestimmt ist, gelten die Vorschriften dieses Gesetzes über die Erwerbe von Todes wegen auch für Schenkungen und Zweckzuwendungen, die Vorschriften über Schenkungen auch für Zweckzuwendungen unter Lebenden. A. I. II. III. IV.
Grundaussagen der Vorschrift. . . . . . . . . . Regelungsgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . Bedeutung und Telos . . . . . . . . . . . . . . . . . Geltungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rechtsentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Verfassungsmäßigkeit der Erbschaftund Schenkungsteuer . . . . . . . . . . . . . . .
10
B. Erwerb von Todes wegen (Abs. 1 Nr. 1) . . . C. Schenkung unter Lebenden (Abs. 1 Nr. 2) .
18 21
D. Zweckzuwendungen (Abs. 1 Nr. 3) . . . . . .
23
E. Ersatzbesteuerung von Stiftungen und Vereinen (Abs. 1 Nr. 4) . . . . . . . . . . . . . . . I. Grundaussagen des Abs. 1 Nr. 4 . . . . . . . . . 1. Regelungsgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . 2. Bedeutung und Telos . . . . . . . . . . . . . . . 3. Geltungsbereich und Verhältnis zu anderen Vorschriften (nationales Recht, internationale Bezüge) . . . . . . . . . . . . . .
1 1 5 7 9 9
24 24 24 28
4. Rechtsentwicklung. . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Ersatzbesteuerung von Stiftungen (Abs. 1 Nr. 4 Alt. 1) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Vermögen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Stiftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Wesentlich im Interesse einer Familie oder bestimmter Familien errichtet . . . . . a) Familie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Im Interesse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Zeitpunkt des Vorliegens der Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Wesentlich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Satzungsänderungen . . . . . . . . . . . . . . . . III. Ersatzbesteuerung von Vereinen (Abs. 1 Nr. 4 Alt. 2) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . F. Schenkungen und Zweckzuwendungen (Abs. 2) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
56 57 57 58 59 59 62 64 66 74 75 78
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Verwaltungsanweisungen: R E 1.1–1.2 ErbStR 2011; H E 1.1–1.2 ErbStH 2011.
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§ 1 ErbStG Rz. 1 Steuerpflichtige Vorgänge
A. Grundaussagen der Vorschrift I. Regelungsgegenstand 1 § 1 Abs. 1 ErbStG listet entgegen der Überschrift, die von steuerpflichtigen Vorgängen spricht, die
Vorgänge auf, die nach dem ErbStG steuerbar sind. Ob die Vorgänge tatsächlich steuerpflichtig oder von der Besteuerung ausgenommen sind, ist in den §§ 13, 13a, 13b und 13c ErbStG geregelt. § 1 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 ErbStG definiert nicht, wann ein Erwerb von Todes wegen, eine Schenkung unter Lebenden oder eine Zweckzuwendung vorliegen. Dies wird in § 3 ErbStG (Erwerb von Todes wegen), § 7 ErbStG (Schenkung unter Lebenden) und § 8 ErbStG (Zweckzuwendungen) geregelt. Dabei knüpfen diese Vorschriften eng an zivilrechtliche Vorgänge an. Das hindert den Gesetzgeber allerdings nicht, Fiktionstatbestände einzuführen, wonach Rechtsvorgänge als Erwerb von Todes wegen oder als Schenkungen unter Lebenden gelten, obwohl es zivilrechtlich keine Erwerbe von Todes wegen sind. 2 § 1 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG ordnet einen eigenen Steuertatbestand für das Vermögen bestimmter inländi-
scher Stiftungen und Vereine an. Das Vermögen von Stiftungen und Vereinen unterläge ohne § 1 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG nicht der Erbschaftsteuer, weil diese juristischen Personen nicht dem biologischen Tod ausgesetzt sind. Alle 30 Jahre haben diese Steuersubjekte auf ihr Vermögen eine (Erb-)Ersatzsteuer zu zahlen (Einzelheiten s. Rz. 24 ff.). Andere als die in § 1 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG genannten juristischen Personen unterliegen nicht der Erbschaftsteuer. Einstweilen frei.
3–4
II. Bedeutung und Telos 5 Durch § 1 ErbStG hat der Gesetzgeber den Erwerb von Todes wegen und den Erwerb aufgrund einer
Schenkung unter Lebenden nebeneinander gestellt und in einem einheitlichen Gesetz geregelt. Bis auf wenige Ausnahmen ist es im Ergebnis daher ohne Bedeutung, ob die Bereicherung des Erwerbers auf einer Schenkung unter Lebenden oder einem Erwerb von Todes wegen beruht. Die Ermittlung der Bemessungsgrundlage und die Steuerberechnung erfolgt im Wesentlichen gleichgerichtet. 6 Aus § 10 Abs. 1 Satz 1 ErbStG folgt, dass eine Besteuerung nur dann erfolgen soll, wenn beim Erwerber
auch tatsächlich eine Bereicherung eingetreten ist.1 Gleichwohl gehört die Bereicherung beim Erwerb von Todes wegen, anders als bei der freigebigen Zuwendung nach § 7 Abs. 1 ErbStG oder der Schenkung auf den Todesfall nach § 3 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 ErbStG, nicht zum Tatbestand des § 3 ErbStG und ist nicht Voraussetzung für die Steuerbarkeit des Erwerbs.2
III. Geltungsbereich 7 Der sachliche Geltungsbereich des § 1 ErbStG, d.h. auf welche Erwerbe von Todes wegen oder durch
Schenkungen unter Lebenden er Anwendung findet, erschließt sich nur im Zusammenspiel mit § 2 ErbStG, der die persönliche Steuerpflicht regelt. Nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 ErbStG gelten die in § 1 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 ErbStG aufgelisteten Erwerbstatbestände für den gesamte Vermögensanfall, wenn der Erblasser zur Zeit seines Todes, der Schenker zur Zeit der Ausführung der Schenkung oder der Erwerber zur Zeit der Entstehung der Steuer ein Inländer ist. Entsprechend gilt § 1 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG nur für Stiftungen oder Vereine, wenn deren Geschäftsleitung oder Sitz im Inland belegen ist (§ 2 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG). 8 § 1 ErbStG ist aber nicht auf inländische Erwerbe beschränkt. Die aufgelisteten Erwerbstatbestände
können auch im Ausland verwirklicht sein. In diesem Fall unterliegt der Erbschaft- oder Schenkungsteuer jedoch nur der inländische Vermögensanfall (§ 2 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG). § 1 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG i.V.m. § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG verweisen zwar auf Erwerbstatbestände des BGB. Das ist aber nicht so zu verstehen, dass die Vorschrift nur solche Erwerbe von Todes wegen der Erbschaftsteuer unterwirft, die 1 Meincke16, § 3 ErbStG Rz. 9. 2 RFH v. 21.5.1931 – I D 1/30, RStBl. 1931, 539; Wälzholz in V/K/S/W4, § 3 ErbStG Rz. 26.
2
Loose
Grundaussagen der Vorschrift
Rz. 11 § 1 ErbStG
auf den in ihr genannten Vorschriften des BGB beruhen. Vielmehr kann auch ein nach ausländischem Recht erfolgter Erwerb von Todes wegen der Erbschaftsteuer nach dem ErbStG unterliegen.1
IV. Rechtsentwicklung 1. Allgemeines § 1 ErbStG ist mit seinem heutigen Text seit 1974 unverändert geblieben. Durch die Gesetzestechnik, 9 in § 1 ErbStG die steuerbaren Vorgänge lediglich aufzulisten, die Definition dieser Vorgänge jedoch den Einzelvorschriften vorzubehalten, bedurfte es keiner Anpassung des § 1 ErbStG, auch wenn sich der Anwendungsbereich durch die Ausweitung der § 3 ErbStG (Erwerbe von Todes wegen)2 und § 7 ErbStG (Schenkung unter Lebenden)3 seit 1974 deutlich vergrößert hat. 2. Verfassungsmäßigkeit der Erbschaft- und Schenkungsteuer Die Erbschaft- und Schenkungsteuer wurde in den letzten Jahren mehrfach einer grundlegenden Re- 10 form unterzogen. Die Änderungen waren stets durch Entscheidungen des BVerfG veranlasst und geboten. Die bisherigen Fassungen des ErbStG haben einer Überprüfung anhand des Gleichheitssatzes des Art. 3 Abs. 1 GG nicht standgehalten. Dieser Gleichheitssatz verlangt für das Steuerrecht, dass die Steuerpflichtigen durch ein Steuergesetz rechtlich und tatsächlich gleichmäßig belastet werden.4 Die Erbschaftsteuer besteuert als Erbanfallsteuer die durch die Bereicherung eingetretene finanzielle Leistungsfähigkeit des Erwerbers.5 Diese Belastungsentscheidung muss der Gesetzgeber folgerichtig umsetzen, anderenfalls scheitert das Gesetz zwangsläufig an Art. 3 GG. Da sich die Belastung bei der Erbschaftsteuer aus dem Zusammenwirken eines nach Maßgabe des Verwandtschaftsgrades und der Höhe des Erbes (vgl. § 19 i.V.m. § 15 ErbStG) gestaffelten Steuersatzes und der Bemessungsgrundlage ergibt, hängt die gleichmäßige Belastung der Steuerpflichtigen davon ab, dass für die einzelnen zur Erbschaft gehörenden wirtschaftlichen Einheiten und Wirtschaftsgüter Bemessungsgrundlagen gefunden werden, die der durch den Erwerb der jeweiligen Güter vermittelten Leistungsfähigkeit des Erwerbers entsprechen.6 Das bedeutet, dass die nach den Vorschriften des ErbStG i.V.m. dem BewG vorzunehmende Bewertung der zu besteuernden wirtschaftlichen Einheiten und Wirtschaftsgüter nur dann den Anforderungen genügen, wenn die Bewertung „die jeweiligen Werte in ihrer Relation realitätsgerecht abbilden“.7 Daran sind in der Vergangenheit sämtliche Fassungen des ErbStG gescheitert. Das lag insbesondere an der Begünstigung des Grundvermögens und – seit 1992 – an der zunehmenden Begünstigung des Betriebsvermögens. Bis einschließlich 1996 führte die Bewertung des Grundbesitzes mit den gesondert festgestellten Ein- 11 heitswerten zur Ungleichbehandlung zwischen den Steuerpflichtigen, die – begünstigtes – Grundvermögen durch Erwerb von Todes wegen oder durch Schenkung unter Lebenden erlangt hatten und solchen, die nicht begünstigtes sonstiges Vermögen (z.B. Kapitalvermögen) erlangt hatten.8 Das BVerfG verlangte eine Neugestaltung der Bewertung des Grundvermögens. Der Gesetzgeber glaubte, diese Vorgaben mit dem JStG 19979 und der Bewertung des Grundbesitzes mit einem aus dem Ertragswert abgeleiteten Bedarfswert umgesetzt zu haben. Das BVerfG sah dies auf den Vorlagebeschluss des BFH10 hin anders und erklärte die Erhebung der Erbschaftsteuer mit einheitlichen Steuersätzen für verfassungs1 2 3 4 5 6 7 8 9 10
BFH v. 4.7.2012 – II R 38/10, BStBl. II 2012, 782 m.w.N. Zur Rechtsentwicklung des § 3 ErbStG vgl. § 3 Rz. 10. Zur Rechtsentwicklung des § 7 ErbStG vgl. § 7 Rz. 8. Grundlegend BVerfG v. 21.6.1991 – 2 BvR 1493/89, BVerfGE 84, 239 = BStBl. II 1991, 654; v. 22.6.1995 – 2 BvL 37/91, BVerfGE 93, 121 = BStBl. II 1995, 655 (660). BFH v. 22.5.2002 – II R 61/99, BFHE 198, 342 = BStBl. II 2002, 598, Rz. 125. BVerfG v. 22.6.1995 – 2 BvR 552/91, BVerfGE 93, 165 = BStBl. II 1995, 671 (673). BVerfG v. 22.6.1995 – 2 BvR 552/91, BVerfGE 93, 165 = BStBl. II 1995, 671 (673); BFH v. 22.5.2002 – II R 61/99, BFHE 198, 342 = BStBl. II 2002, 598, Rz. 125. BVerfG v. 22.6.1995 – 2 BvR 552/91, BVerfGE 93, 165 = BStBl. II 1995, 671. JStG 1997 v. 20.12.1996, BGBl. I 1996, 2049 = BStBl. I 1996, 1523. BFH v. 22.5.2002 – II R 61/99, BFHE 198, 342 = BStBl. II 2002, 598.
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§ 1 ErbStG Rz. 12 Steuerpflichtige Vorgänge widrig, weil die Ermittlung des Wertes wesentlicher Gruppen von Vermögensgegenständen (Betriebsvermögen, Grundvermögen, Anteilen an Kapitalgesellschaften und land- und forstwirtschaftlichen Betrieben) den Anforderungen des Gleichheitssatzes aus Art. 3 Abs. 1 GG nicht genüge.1 Das BVerfG hatte deutlich gemacht, dass auf der Bewertungsebene alle Vermögensgegenstände gleich behandelt werden müssen und sich die Wertermittlung jeweils am gemeinen Wert zu orientieren habe. Dies führte zu einer grundlegenden Reform des ErbStG und des BewG durch das ErbStRG 2009.2 Die bis dahin günstige Bewertung des Grundvermögens wurde den Vorgaben des BVerfG entsprechend dahingehend angepasst, dass seit 2009 im Wesentlichen der gemeine Wert eines Grundstücks der Besteuerung zugrunde gelegt wird. 12
Durch die Vorgabe, sämtliche Vermögensgegenstände gleich zu bewerten und dabei den gemeinen Wert als Maßstab zu nehmen, wurde der Fokus des Gesetzgebers auf die Begünstigung des Betriebsvermögens gelenkt, hätte die höhere Bewertung doch – ohne entsprechende Begünstigungen durch das ErbStG – zu einer sehr starken Belastung des Betriebsvermögens mit Erbschaft- oder Schenkungsteuer geführt, die die Erwerber von Betriebsvermögen und mittelbar die betroffenen Unternehmen – so die Annahme des Gesetzgebers des ErbStRG 2009 – stark beeinträchtigt hätte.
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Die Bewertung des Betriebsvermögens für erbschaftsteuerrechtliche Zwecke war bis zum 31.12.1992 vom Ansatz der Einzelwirtschaftsgüter mit ihrem jeweiligen Teilwert (§ 10 BewG), der im Wesentlichen dem gemeinen Wert entsprach, bzw. dem Ansatz der Betriebsgrundstücke mit den Einheitswerten geprägt. Der Gesetzgeber hat somit für erbschaftsteuerrechtliche Zwecke auf eine Unternehmensbewertung unter Einschluss der mit der Fortführung des Betriebs zusammenhängenden Chancen und Risiken verzichtet. Dieses vorsichtige, auf den reinen Zerschlagungswert abzielende Bewertungsverfahren führte im Durchschnitt zu einer Erfassung der reinen Sachwerte des Betriebsvermögens in Höhe von etwa 2/3 ihres Teilwerts.3 Durch das StÄndG 19924 ordnete der Gesetzgeber die weitgehende Übernahme der Steuerbilanzwerte bei der Bewertung des Betriebsvermögens auch für Zwecke der Erbschaft- und Schenkungsteuer an, um die Unternehmen zu entlasten. Diese Übernahme der Steuerbilanzwerte führte im Vergleich zur Rechtslage vor dem 1.1.1993 zu einem durchschnittlich um etwa ein Drittel niedrigeren Wertansatz des Betriebsvermögens.5 Mit Wirkung ab 1.1.1994 führte der Gesetzgeber für den Erwerb von Betriebsvermögen zusätzlich einen Freibetrag von 500 000 DM (256 000 Euro) ein.6 Der im ursprünglichen Gesetzesentwurf darüber hinaus vorgesehene Bewertungsabschlag für Betriebsvermögen i.H.v. 25 % scheiterte zunächst am Widerstand des Bundesrates, wurde dann jedoch durch das JStG 19977 i.H.v. 40 % rückwirkend auf den 1.1.19968 eingeführt. Zudem wurde der Anwendungsbereich des § 13a ErbStG über die vorweggenommene Erbfolge hinaus auf alle Schenkungen unter Lebenden erweitert. Die Übernahme der Steuerbilanzwerte, der Freibetrag nach § 13a Abs. 1 ErbStG sowie der verminderte Wertansatz (Bewertungsabschlag) nach § 13a Abs. 2 ErbStG bewirkten, dass der Erwerb von (kleineren) Betriebsvermögen bis zu einem (Sach-)Wert von rd. 1,1 Mio. Euro regelmäßig völlig ohne Steuerbelastung blieb und die Entlastungswirkung selbst bei größeren Betriebsvermögen bis zu einem (Sach-)Wert von ca. 10 Mio. Euro bei mehr als 2/3 der reinen Sachwerte lag.9
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Durch das ErbStRG 200910 wurde auch die Steuerbefreiung für Betriebsvermögen, Betriebe der Land- und Forstwirtschaft und Anteile an Kapitalgesellschaften neu geregelt und durch das WachstumsbeschleunigungsG11 weiter geändert. Danach sahen §§ 13a und 13b ErbStG eine Steuerbefreiung von 85 % (Regelverschonung) und von 100 % (Optionsverschonung) des Betriebsvermögens vor. 1 2 3 4 5 6 7 8 9
BVerfG v. 7.11.2006 – 1 BvL 10/02, BVerfGE 117, 1 = BStBl. II 2007, 192. ErbStRG v. 24.12.2008, BGBl. I 2008, 3018. Meincke, DStR 1996, 1305 (1309); BFH v. 22.5.2002 – II R 61/99, BFHE 198, 342 = BStBl. II 2002, 598, Rz. 26. StÄndG 1992 v. 25.2.1992, BGBl. I 1992, 297. Meincke, DStR 1996, 1305 (1309); Hübner, DStR 1993, 1656 (1657); Christoffel, GmbHR 1993, 205 (206). § 13 Abs. 2a ErbStG i.d.F. des Art. 13 Nr. 2 des Standortsicherungsgesetzes v. 13.9.1993, BGBl. I 1993, 1569. JStG 1997 v. 20.12.1996, BGBl. I 1996 2049 = BStBl. I 1996, 1523. Vgl. § 37 Abs. 1 ErbStG i.d.F. des Art. 2 Nr. 14 des JStG 1997. Meincke, DStR 1996, 1305 (1309); BFH v. 22.5.2002 – II R 61/99, BFHE 198, 342 = BStBl. II 2002, 598, Rz. 53 (mit Berechnungsbeispielen). 10 ErbStRG v. 24.12.2008, BGBl. I 2008, 3018. 11 WachstumsbeschleunigungsG v. 22.12.2009, BGBl. I 2009, 3950.
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Grundaussagen der Vorschrift
Rz. 16 § 1 ErbStG
Voraussetzung war, dass das Betriebsvermögen bei der Regelverschonung nicht zu mehr als 50 % und bei der Optionsverschonung nicht zu mehr als 10 % aus schädlichem Verwaltungsvermögen bestand. Da Zahlungsmittel, Geldforderungen und Geschäftsguthaben nach dem Gesetzeswortlaut nicht zu dem schädlichen Verwaltungsvermögen gehörten,1 erlaubten §§ 13a und 13b ErbStG die Übertragung von nicht produktivem Vermögen ohne eine Belastung mit Erbschaft- oder Schenkungsteuer. Hinzu kam, dass über Holdingstrukturen der Anteil des für die Begünstigung schädlichen Verwaltungsvermögens weiter erhöht werden konnte.2 Der BFH sah wegen dieser umfassenden Begünstigung des Betriebsvermögens und den im Gesetz angelegten Möglichkeiten, den eigentlichen Zweck der Begünstigung zu umgehen, das gesamte ErbStG (ausgehend von der Tarifnorm des § 19 Abs. 1 ErbStG, die als Klammer zwischen der Besteuerung der einzelnen Vermögensarten wirkt) wegen Verstoßes gegen den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) als verfassungswidrig an.3 Die in §§ 13a und 13b ErbStG vorgesehenen Steuervergünstigungen seien nicht durch ausreichende Sach- und Gemeinwohlgründe gerechtfertigt. Nach Ansicht des BFH führten die Verfassungsverstöße „teils für sich allein, teils in ihrer Kumulation zu einer durchgehenden, das gesamte Gesetz erfassenden verfassungswidrigen Fehlbesteuerung, durch die Steuerpflichtige, die die Vergünstigungen nicht beanspruchen können, in ihrem Recht auf eine gleichmäßige, der Leistungsfähigkeit entsprechende und folgerichtige Besteuerung verletzt werden.“4 Das BVerfG ist dem BFH im Wesentlichen gefolgt. Seiner Ansicht nach war die Verschonung von Erb- 15 schaftsteuer beim Übergang betrieblichen Vermögens in §§ 13a und 13b ErbStG angesichts ihres Ausmaßes und der eröffneten Gestaltungsmöglichkeiten mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar.5 Gleichzeitig hat das BVerfG die vollständige Befreiung von der Erbschaft- und Schenkungsteuer im Rahmen der Optionsverschonung gebilligt. Der Gleichheitssatz belasse dem Gesetzgeber im Steuerrecht einen weitreichenden Entscheidungsspielraum sowohl bei der Auswahl des Steuergegenstands als auch bei der Bestimmung des Steuersatzes. Abweichungen von der einmal getroffenen Belastungsentscheidung müssen sich aber am Gleichheitssatz messen lassen (Gebot der folgerichtigen Ausgestaltung des steuerrechtlichen Ausgangstatbestands). Sie bedürften eines besonderen sachlichen Grundes. Die Anforderungen an die Rechtfertigung stiegen mit Umfang und Ausmaß der Abweichung.6 Ausgehend davon, so das BVerfG, konnte der Gesetzgeber zwar kleine und mittelständische Unternehmen von der Erbschaftsteuer weitgehend oder vollständig freistellen. Die Privilegierung des unentgeltlichen Erwerbs betrieblichen Vermögens ist jedoch unverhältnismäßig, soweit die Verschonung über den Bereich kleiner und mittlerer Unternehmen hinausgreift, ohne eine Bedürfnisprüfung vorzusehen. Von Bedeutung sind auch die Ausführungen des BVerfG zur Zulässigkeit der Vorlage, die nur ausnahmsweise bejaht wurde und an denen künftige Vorlagen von Finanzgerichten oder des BFH nach Art. 100 GG zu messen sind. Eine Absage hat das BVerfG zudem sämtlichen Ansinnen erteilt, die Erbschaft- und Schenkungsteuer in den einzelnen Bundesländern unterschiedlich zu regeln. Nach einer fast unerträglich langen und zähen politischen Auseinandersetzung zwischen dem Bund 16 und einzelnen Ländern ist das neue, an die Vorgaben des BVerfG angepasste ErbStG am 14.10.2016 vom Bundesrat beschlossen worden. Das neue Recht ist rückwirkend auf den 1.7.2016 in Kraft getreten, der neue Vervielfältiger von 13,75 im vereinfachten Ertragswertverfahren gilt bereits ab dem 1.1.2016.7 Die Neuregelung ist von einer im Wesentlichen unveränderten Definition des begünstigungsfähigen und des begünstigten Vermögens geprägt. Die neuen Verschonungsregelungen gelten allerdings nur noch für das begünstigte Vermögen, nicht mehr für das (schädliche) Verwaltungsvermögen. Die Ermittlung des begünstigten Vermögens ist an Kompliziertheit kaum noch zu überbieten. Der Gesetzgeber wollte erkennbar Missbrauch vermeiden und hat vermutlich gerade dadurch weiteren Gestaltungsmöglichkeiten die Tür geöffnet. Der Verschonungsabschlag von 85 % (Regelverschonung) bzw. 100 % wird zukünftig gewährt, wenn der Erwerb des begünstigten Vermögens nicht mehr als 26 Mio. 1 2 3 4 5 6 7
BFH v. 27.9.2012 – II R 9/11, BFHE 238, 241 = BStBl. II 2012, 899, Rz. 39. Sog. Kaskadeneffekt, vgl. BFH v. 27.9.2012 – II R 9/11, BFHE 238, 241 = BStBl. II 2012, 899, Rz. 107. BFH v. 27.9.2012 – II R 9/11, BFHE 238, 241 = BStBl. II 2012, 899. BFH v. 27.9.2012 – II R 9/11, BFHE 238, 241 = BStBl. II 2012, 899. BVerfG v. 17.12.2014 – 1 BvL 21/12, BVerfGE 138, 136 = BStBl. II 2015, 50. BVerfG v. 17.12.2014 – 1 BvL 21/12, BVerfGE 138, 136 = BStBl. II 2015, 50. Zur Frage der Verfassungsmäßigkeit der Rückwirkung vgl. Wachter, FR 2016, 690; Koblenzer/Günther, DB 2016, 2016; Reich, BB 2016, 2647 u. DStR 2016, 1459.
Loose
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§ 1 ErbStG Rz. 17 Steuerpflichtige Vorgänge Euro beträgt (vgl. § 13a ErbStG Rz. 2 ff., 35). Liegt der Erwerb darüber, schmilzt auf Antrag des Erwerbers der Verschonungsabschlag von 26 Mio. Euro bis 90 Mio. Euro schrittweise um 1 % pro 750 000 Euro (sog. Abschmelzungsmodell, vgl. § 13c ErbStG Rz. 6 ff.). Bei über 90 Mio. Euro hat der Erwerber nur noch die Möglichkeit, den Erlass der Steuer auf das begünstigte unternehmerische Vermögen zu beantragen (sog. Verschonungsbedarfsprüfung, vgl. § 28a ErbStG Rz. 1 ff.). Hierzu muss der Erwerber jedoch einen Teil des miterworbenen, bereits vorhandenen und auch zukünftig erlangten Privat- und Verwaltungsvermögens einsetzen. 17
In den letzten 30 Jahren sind alle ErbStG am Maßstab des Art. 3 GG gescheitert. Es bleibt abzuwarten, ob das geltende ErbStG erneut einer Prüfung durch das BVerfG unterworfen wird. Bislang haben sich Politiker der Länder und des Bundes, Berufsverbände und andere Interessenvertreter nicht dazu durchringen können, ein modernes, wettbewerbsfähiges und zukunftsorientiertes Erbschaft- und Schenkungsteuergesetz auszuarbeiten. Stattdessen hat man sich in Einzelfragen aufgerieben. Aktuell ist das ErbStG geprägt von hohen Steuersätzen und einer Vielzahl von Ausnahmevorschriften, die jeweils einer besonderen Rechtfertigung bedürfen und ihrem Zweck nach sachgerecht abgegrenzt sein müssen.
B. Erwerb von Todes wegen (Abs. 1 Nr. 1) 18
§ 3 ErbStG zählt alle Erwerbstatbestände abschließend auf, die infolge des Todes einer natürlichen Person in Betracht kommen können. Die Erwerbstatbestände setzen alle voraus, dass ein Erbfall, also der Tod einer natürlichen Person, eingetreten ist. Dadurch unterscheiden sich die Tatbestände des § 3 ErbStG von der freigebigen Zuwendung unter Lebenden nach § 7 ErbStG. Beiden Vorschriften ist jedoch die Unentgeltlichkeit gemein. Der Erwerb von Todes wegen ist auch dann unentgeltlich, wenn der Erbe aufgrund der Gesamtrechtsnachfolge (§ 1922 BGB) in Verbindlichkeiten des Erblassers eintritt oder das Erbe mit Vermächtnissen und Auflagen belastet ist. Eine Ausnahme besteht nur beim entgeltlichen Erbvertrag, bei dem der Vertragserbe mit Rücksicht auf die erbrechtliche Zuwendung eine schuldrechtliche Verpflichtung gegenüber dem Erblasser übernimmt (s. § 3 ErbStG Rz. 44).
19
Neben den in § 3 Abs. 1 EStG aufgelisteten Erwerben von Todes wegen hat der Gesetzgeber in § 3 Abs. 2 ErbStG eine Reihe von Erwerbstatbeständen geregelt. Fällt ein Erwerb aufgrund eines Todesfalls weder unter § 3 Abs. 1 ErbStG noch unter § 3 Abs. 2 ErbStG, ist der Erwerb nicht steuerbar. Eine analoge Anwendung des § 3 ErbStG ist nicht zulässig.1 Folglich ist es für die Annahme eines Erwerbs von Todes wegen nicht ausreichend, dass der Erwerb lediglich im Zusammenhang mit einem Erbfall steht. Nicht in § 3 ErbStG aufgelistete Erwerbstatbestände unterliegen daher nicht der Erbschaftsteuer.2
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§ 1 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG unterwirft den Erwerb von Todes wegen der Besteuerung, ohne ausdrücklich und ausschließlich auf § 3 ErbStG zu verweisen. Weitere Regelungen über den Erwerb von Todes wegen finden sich in § 4 ErbStG (fortgesetzte Gütergemeinschaft) und § 6 ErbStG (Vor- und Nacherbschaft).
C. Schenkung unter Lebenden (Abs. 1 Nr. 2) 21
Nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG unterliegen der Schenkungsteuer die Schenkungen unter Lebenden. Was als Schenkung unter Lebenden zu verstehen ist, regelt § 7 ErbStG abschließend. § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG enthält den Grundtatbestand der Schenkung unter Lebenden. § 7 Abs. 1 Nr. 2 bis 10 ErbStG regeln Einzelfälle von Schenkungen unter Lebenden. § 7 Abs. 2 bis 5 ErbStG enthalten keine gesonderten Tatbestände, sondern enthalten ergänzende Bestimmungen, die die Steuerbarkeit voraussetzen (s. § 7 ErbStG Rz. 1). § 7 Abs. 6 bis 8 ErbStG enthalten Fiktionstatbestände, nach denen in bestimmten Fällen von einer Schenkung auszugehen ist, obwohl sowohl zivilrechtlich keine Schenkung unter Lebenden vorliegt und auch der Grundtatbestand einer freigebigen Zuwendung i.S.d. § 7 Abs. 1 Satz 1 ErbStG nicht erfüllt ist. Durch die Aufnahme dieser Tatbestände hat der Anwendungs1 BFH v. 6.3.1991 – II R 69/87, BStBl. II 1991, 412. 2 BFH v. 4.5.2011 – II R 34/09, BStBl. II 2011, 725; v. 4.7.2012 – II R 38/10, BStBl. II 2012, 782.
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Loose
Ersatzbesteuerung von Stiftungen und Vereinen (Abs. 1 Nr. 4)
Rz. 23 § 1 ErbStG
bereich der steuerbaren Schenkungen unter Lebenden i.S.d. § 1 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG eine große Ausweitung erfahren. Der Anwendungsbereich des § 516 BGB einerseits und des § 7 ErbStG andererseits laufen neben- 22 einander her, ohne dass sie sich zwingend berührten (s. § 7 ErbStG Rz. 1). Daher ist nicht jede Schenkung i.S.d. § 516 BGB zugleich auch eine Schenkung unter Lebenden i.S.d. § 1 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 7 ErbStG und umgekehrt nicht jede Schenkung unter Lebenden i.S.d. § 1 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG eine Schenkung im zivilrechtlichen Sinn.
D. Zweckzuwendungen (Abs. 1 Nr. 3) Zweckzuwendungen i.S.d. § 1 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG sind nach § 8 ErbStG Zuwendungen von Todes we- 23 gen oder freigebige Zuwendungen unter Lebenden, die mit der Auflage verbunden sind, zugunsten eines bestimmten Zwecks verwendet zu werden, oder die von der Verwendung zugunsten eines bestimmten Zwecks abhängig sind, soweit hierdurch die Bereicherung des Erwerbers gemindert wird. § 1 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG erfasst die Zweckzuwendung als gesonderten Tatbestand, da ansonsten eine Besteuerungslücke entstünde, weil der Empfänger der Zuwendung als Belasteter die Zweckauflage mangels entsprechender Bereicherung bei seinem Erwerb abziehen kann (vgl. § 10 Abs. 5 Nr. 2 ErbStG), während der mit der Zweckzuwendung Bedachte sie nicht versteuern müsste.1 Die Steuerbarkeit der Zweckzuwendung richtet sich entweder nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG, wenn ihr ein Erwerb von Todes wegen zugrunde liegt (z.B. Geldvermächtnis), und nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG, wenn ihr eine Schenkung unter Lebenden zugrunde liegt (z.B. Geldschenkung).
E. Ersatzbesteuerung von Stiftungen und Vereinen (Abs. 1 Nr. 4) Literatur: Binz/Sorg, Die Familienstiftung – Renaissance einer Rechtsform für Familienunternehmen?, StBJb 1987/88, 147; Binz/Sorg, Aktuelle ErbSt-Probleme der Familienstiftung, DStR 1994, 229; Blumers, Die Familienstiftung als Instrument der Nachfolgeregelung, DStR 2012, 1; Boochs, Die erbschaftsteuerliche Behandlung von Stiftungen nach deutschem und österreichischem Stiftungsrecht, UVR 1996, 47; Carlé/Strahl, Stiftungen bei der Erbfolgegestaltung, KÖSDI 2002, Nr. 10, 13471; Eisele, Schenkungsteuer bei Vermögensübertragungen auf Auslandsstiftungen, NWB F. 10, 1625 (45/2007); Fläming, Die Familienstiftung unter dem Damoklesschwert der Erbersatzsteuer, DStZ 1986, 11; Götz, Steuerliche Besonderheiten bei unternehmensverbundenen Stiftungen, NWB F. 2, 7533; Heuser/Frye, Die deutsche Familienstiftung – steuerrechtliche Gestaltung für Familienvermögen, BB 2011, 983; Hübner/Currle/Schenk, Die nichtrechtsfähige Stiftung als Familienstiftung, DStR 2013, 1966; Jülicher, Die Familienstiftung i.S.d. § 1 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG, StuW 1995, 71; Kleeberg/Eberl, Kulturgüter im Privatbesitz, 2001; Langenfeld, Die letztwillige Stiftung, ZEV 2002, 481; Laule/Heuer, Familienstiftungen als Objekt der ErbSt, DStZ 1987, 495; Schauhoff, Stiftungen in der Unternehmensnachfolge, Die Unternehmensbesteuerung 2008, 309; Seifert/von Campenhausen, Handbuch des Stiftungsrechts, 2009; Schiffer in Festschrift Spiegelberger, 2009, Stiftungen und Familie: Anmerkungen zu „Familienstiftungen“, S. 1358; Schiffer, Aktuelles Beratungs-Know-how Gemeinnützigkeitsund Stiftungsrecht, DStR 2003, 1015; Schiffer/Schubert, Trusts und ausländische Stiftungen, ErbBStg 2003, 10; Schuhmann, Zur Familienstiftung im Erbschaftsteuerrecht, UVR 1994, 359; Turner, Die Stiftung – ein selbständig und individuell gestaltbarer Wunscherbe, ZEV 1995, 206; Verstl, Das Rechtinstrument Stiftung – Allheilmittel für die Unternehmensnachfolgeregelung?, DStR 1997, 674; von Löwe in Festschrift Spiegelberger, 2009, Die steuerliche Behandlung der Familienstiftung, S. 1370; von Löwe/Du Roi Droege, Ist die Ersatzerbschaftsteuer bei Familienstiftungen reformbedürftig?, ZEV 2006, 530; von Oertzen, Vorbereitungen für den großen Ersatzerbschaftsteuertermin zum 1. Januar 2014, Beihefter zu Heft 11/2012 DStR; von Oertzen, Renaissance der Familienstiftung durch die Erbschaftsteuer-Reform?, ZEV 1997, 103; von Oertzen, Verwaltungsanweisung zum Kommunalleasing (Erbschaftsteuermodell), ZEV 2003, 73; Werner, Stiftungen als Instrument der Unternehmens- und Vermögensnachfolge, ZEV 2006, 539.
1 Meincke16, § 1 ErbStG Rz. 11.
von Oertzen
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§ 1 ErbStG Rz. 24 Steuerpflichtige Vorgänge
I. Grundaussagen des Abs. 1 Nr. 4 1. Regelungsgegenstand 24
Die Norm ordnet einen besonderen Steuertatbestand für das Vermögen bestimmter inländischer Stiftungen und Vereine an. Alle 30 Jahre haben diese Steuersubjekte auf ihr Vermögen eine Ersatzsteuer dafür zu zahlen, dass ihr Vermögen nicht der Erbschaftsteuer unterliegt, weil sie als juristische Personen nicht dem biologischen Tod ausgesetzt sind.
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Diese Ersatzsteuer ist dadurch gekennzeichnet, dass sie diese Rechtslage fiktiv wie bei der Vererbung dieses Vermögens in der Zwei-Kind-Familie besteuert. Anders als die Erbschaft- und Schenkungsteuer knüpft der Steuertatbestand an das Innehaben des Vermögens an. Stichtag dieser besonderen Steuer ist ein Zeitpunkt, der sich alle 30 Jahre ereignet.
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Sie trifft Stiftungen, die im wesentlichen Interesse einer Familie oder bestimmten Familien errichtet sind oder Vereine, deren Zweck im wesentlichen Interesse der o.g. Familien auf die Bindung von Vermögen gerichtet ist.
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Die Vorschrift begründet eine Besteuerung eigener Art und fügt dem Gesetz eine weitere Besteuerungsform neben der Besteuerung des Erwerbs von Todes wegen, freigebigen Zuwendungen und Zweckzuwendungen hinzu. 2. Bedeutung und Telos
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Diese Steuer trägt Züge einer Nachlass- oder Vermögensteuer.1 Sie dient der Lückenschließung. Verhindert werden soll, dass Vermögen, welches in die benannten Rechtsträger eingebracht wird, dauerhaft der Erbschaftsbesteuerung entzogen ist. Deswegen wird dieses Vermögen auf der Ebene dieses Rechtsträgers alle 30 Jahre mit einer Ersatzsteuer belegt. Dabei orientiert sich das Gesetz für die Zeitabstände sehr grob an dem 30-Jahreszeitraum mit der Zeitenfolge einer Generation.
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Systematisch besser wäre es gewesen, nicht an dem Vermögen der Stiftung, sondern an den hinter den Rechtsträgern stehenden begünstigten Familien anzusetzen.2 In der Praxis steht der Besteuerungstatbestand für die inländische Familienstiftung im Vordergrund. Der Besteuerungstatbestand für den inländischen Familienverein spielt in der Praxis so gut wie keine Rolle, was auch die Tatsache zeigt, dass weder Äußerungen der FinVerw. noch Rspr. bekannt sind.3 3. Geltungsbereich und Verhältnis zu anderen Vorschriften (nationales Recht, internationale Bezüge)
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Aufgrund des Wortlauts des § 2 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG greift die Vorschrift nur ein, wenn die Stiftung oder der Verein im Besteuerungszeitpunkt (§ 9 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG) Sitz oder Geschäftsleitung im Inland hat. Das Gesetz kennt keine beschränkte Ersatzerbschaftsteuerpflicht mit Inlandsvermögen i.S.d. § 2 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG i.V.m. § 121 BewG. Bei Stiftungen und Vereinen mit Sitz oder Geschäftsleitung im Inland wird aber auch das Auslandsvermögen erfasst. Eine ausländische Stiftung kann einen faktischen Inlandssitz haben, wenn die maßgeblichen Geschäfte vom Inland geführt werden.4
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Dem Besteuerungstatbestand unterworfen sind nur rechtsfähige Stiftungen des bürgerlichen Rechts gem. §§ 80 ff. BGB und rechtsfähige Vereine gem. §§ 38 f. BGB. Nichtrechtsfähige Stiftungen und Vereine können nicht einer Ersatzerbschaftsteuer unterliegen. Dies ergibt sich aus dem systematischen Zusammenhang von § 1 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG mit der Errichtungsbesteuerung des § 7 Abs. 1 Nr. 8 ErbStG i.V.m. § 9 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG und § 15 Abs. 2 Satz 2 ErbStG. Aus diesen Vor1 Vgl. Jülicher in T/G/J, § 1 ErbStG Rz. 38 (Stand: Oktober 2014); Meincke16, § 1 ErbStG Rz. 14. 2 Vgl. von Loewe/du Roi Droege, ZEV 2006, 530. 3 Vgl. Weinmann in Moench/Weinmann, § 1 ErbStG Rz. 19 (Stand: Juli 2015); Jülicher in T/G/J, § 1 ErbStG Rz. 54 (Stand: Oktober 2014). Ausnahme: Die kurzen Ausführungen in den ErbStR (R E 1.2. Abs. 5 ErbStR 2011). 4 Vgl. FinMin. NW v. 5.1.1971, DB 1971, 74; FG Nds. v. 12.12.1968 – I 43/68, EFG 1970, 316; Werkmüller, ZEV 1999, 138 (139).
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Ersatzbesteuerung von Stiftungen und Vereinen (Abs. 1 Nr. 4)
Rz. 36 § 1 ErbStG
schriften ergibt sich, dass auf die mit Rechtsfähigkeit versehene Stiftung bzw. den Verein abzustellen ist.1 Anders sieht dies das FG Köln in seiner Entscheidung vom 25.5.2016.2 Es ist Revision beim BFH eingelegt.3 Stiftungen im Erbschaftsteuerrecht sind meist die rechtsfähigen Stiftungen. Die nicht rechtsfähige Stif- 32 tung ist eine Vermögensmasse i.S.d. Erbschaftsteuerrechts. Im Übrigen existiert bei der nichtrechtsfähigen Stiftung oder dem nichtrechtsfähigen Verein nicht eine Lücke, die zu schließen ist. Wird eine nichtrechtsfähige Stiftung gegründet und Vermögen auf einen Treuhänder übertragen, wird der Treugeber bzw. der Erbe des Treugebers, der in dem Treuhandvertrag enthält, besteuert. Im Übrigen gilt § 8 ErbStG.4 Auch die Änderungen durch das StEntlG 1999/2000/20025 bringen kein anderes Ergebnis. Der Gesetzgeber hat im Rahmen dieser Gesetzesänderung die Dotierung nicht rechtsfähiger Vermögensmassen ausländischen Rechts als Besteuerungstatbestand aufgenommen. Diese greifen aber bei der nicht rechtsfähigen inländischen Familienstiftung nicht ein, weil der Wortlaut der Normen erfordert, dass die Vermögensmasse ausländischem Recht untersteht. Die nicht rechtsfähige inländische Stiftung unterliegt deutschem Zivilrecht.6 Die Ersatzerbschaftsteuer war zum 1.1.1984 verfassungsgemäß.7 Das BVerfG hat die Verfassungs- 33 mäßigkeit der Ersatzerbschaftsteuer nochmals bestätigt.8 Die EU-Rechtskonformität der Ersatzerbschaftsteuer erscheint fraglich, da sie nur auf inländischen Familienstiftungen und -vereinen lastet, aber nicht ausländische Familienstiftungen und -vereine mit ihrem Inlandsvermögen erfasst. EUrechtlich dürfte aber die beschriebene reine Inländerdiskriminierung zulässig sein.9 Bemessungsgrundlage der Steuer ist das Nettovermögen der Stiftung zum Stichtag, wobei Leistungen 34 an die nach der Stiftungsurkunde Berechtigten von dem Wert des Vermögens, das der Besteuerung unterliegt, nicht abzugsfähig sind (§ 10 Abs. 7 ErbStG). Dafür werden diese Leistungen bei dem Berechtigten nicht als erbschaftsteuerpflichtige Zuwendungen erfasst, außer bei der Auflösung dieser Stiftung (§ 7 Abs. 1 Nr. 9 ErbStG). Die Grundsätze der denkmalschutzrechtlichen Überlast10 gelten auch in der Ersatzerbschaftsteuer 35 bei Grundbesitz, welcher nach einem Denkmalschutzgesetz eines Landes als Baudenkmal unter Schutz gestellt ist. Diese denkmalschutzrechtliche Überlast gilt auch in der Ersatzerbschaftsteuer bei der Ermittlung des steuerpflichtigen Vermögens, weil die wirtschaftliche Belastung im Erbfall und bei der Schenkung Berücksichtigung findet und in gleicher Weise im Ersatzerbschaftsteuerfall eine wirtschaftliche Belastung für die Stiftung vorliegt. Die Situation ist nicht anders, als sie bei der Vermögensteuer gewesen war.11 Aufgrund der Europäisierung des Erbschaftsteuerrechts müssen diese Grundsätze auch für Baudenkmäler in der EU oder im EWR angewandt werden, sofern sie in dem dortigen Staat ebenfalls einem Denkmalschutzrecht unterstehen. Darüber hinaus sollten diese Grundsätze nicht nur gelten, wenn der Grundbesitz nach einem Landesdenkmalschutzgesetz unter Schutz steht, sondern auch dann, wenn sich die Erhaltungspflicht aus den Pflichten nach § 6 FidErlG oder einer Einzelanordnung eines Fideikommiss-Auflösungssenats eines OLG anlässlich der Errichtung einer alten Familienstiftung ergibt,12 denn diese Pflichten gelten trotz Aufhebung der Fideikommiss-Auflösungsgesetzgebung fort. Die Ersatzerbschaftsteuer ist bei der Ermittlung des steuerpflichtigen Vermögens nicht abzugsfähig. 36 Dies ergibt sich aus § 10 Abs. 8 ErbStG. Dort wird zwar nur von der Erbschaftsteuer gesprochen. Hie1 A.A.: Hübner/Currle/Schenk, DStR 2013, 1966; vgl. auch Theuffel-Werhahn, ZEV 2014, 14 ff.; a.A. wohl aber die FinVerw., vgl. van Randenborgh, BB 2013, 2780 ff. 2 FG Köln v. 25.5.2016 – 7 K 291/16, EFG 2016, 1447 (nrkr.); vgl. auch Daragan, ZERB 2017, 1 ff. 3 Az.: II R 26/16. 4 Vgl. Jülicher in T/G/J, § 1 ErbStG Rz. 11 (Stand: April 2014); Meincke16, § 1 ErbStG Rz. 16. 5 StEntlG 1999/2000/2002 v. 24.3.1999, BGBl. I 1999, 402. 6 A.A.: vgl. Hübner/Currle/Schenk, DStR 2013, 1966. 7 BVerfG v. 8.3.1983 – 2 BvL 27/81, BStBl. II 1983, 779 = FR 1983, 283. 8 BVerfG v. 23.8.2011 – 1 BvR 2570/10, ZEV 2012, 51. 9 Vgl. von Oertzen, DStR 2012, Beihefter 2, 37 (39). 10 Vgl. R E 10.6 ErbStR 2011. 11 Vgl. von Oertzen, DStR 2012, Beihefter 2, 37 (48). 12 Vgl. hierzu Kleeberg/Eberl, Kulturgüter im Privatbesitz2, Rz. 269 ff., 429, 577, 662, 764, jeweils m.w.N.
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§ 1 ErbStG Rz. 37 Steuerpflichtige Vorgänge runter ist jedoch der Verweis auf § 1 ErbStG zu verstehen. Das gesamte Stiftungsvermögen ist steuerbar, selbst wenn Teile nicht unmittelbar für die Nutzung der Familie vorgesehen sind. Für die Ermittlung des steuerpflichtigen Vermögens gelten die für die Erbschaft- und Schenkungsteuer geltenden Bewertungsvorschriften (§ 12 ErbStG). 37
Das Vermögen der Familienstiftung kann die im Erbschaft- und Schenkungsteuergesetz geregelten Steuerbefreiungen nutzen.
38
Dabei sind zwei Fälle zu unterscheiden: (i) die Fälle, in denen das Gesetz ausdrücklich die Anwendung des erbschaftsteuerlichen Steuerbefreiungstatbestands auf die Ersatzerbschaftsteuer anordnet und (ii) die Fälle, in denen der Befreiungstatbestand hierzu schweigt. Ersteres ist z.B. in § 13a Abs. 11 ErbStG geschehen. Danach ist der Verschonungstatbestand des § 13a ErbStG auch im Rahmen der Ersatzerbschaftsteuer anwendbar. Diese Anordnung ist ebenso in § 13d Abs. 4 ErbStG erfolgt, wonach Wohngrundstücke nur mit 90 % ihres Wertes anzusetzen sind. Eine entsprechende Klarstellung hat der Gesetzgeber auch im Rahmen der besonderen erbschaftsteuerlichen Stundungsvorschriften in § 28 Abs. 2 ErbStG vorgesehen. Nach dieser Vorschrift sind die besonderen erbschaftsteuerlichen Stundungsvorschriften für land- und forstwirtschaftliches Vermögen und für Betriebsvermögen auch im Ersatzerbschaftsteuerfall anwendbar. Es überrascht jedoch, dass es für den besonderen Steuerstundungsfall des § 28 Abs. 3 ErbStG, der sich mit fremdvermietetem Wohnraum i.S.d. § 13d ErbStG beschäftigt, eine entsprechende Anwendungserklärung nicht gibt. Da bei § 13d ErbStG für den 10 %igen Bewertungsabschlag ausdrücklich die Ersatzerbschaftsteuer erwähnt wird, erscheint die Nichterwähnung der Ersatzerbschaftsteuer für den Fall des § 28 Abs. 3 ErbStG als planwidrige Lücke.
39
Fraglich ist, wie das Gesetz zu interpretieren ist, wenn für bestimmte Befreiungstatbestände die ausdrückliche Gleichstellungserklärung in § 13c Abs. 4 oder § 13a Abs. 9 ErbStG fehlt. Dies gilt insbesondere für den Fall der Befreiungstatbestände des § 13 ErbStG. Auch diese Befreiungsvorschrift ist anwendbar, da der Einleitungssatz des § 13 Abs. 1 ErbStG generell eine Steuerfreistellung anordnet, ohne, jedenfalls bei den meisten Steuerbefreiungstatbeständen, eine Einschränkung dieses Befreiungstatbestandes auf Schenkungen und/oder Erbschaft vorzunehmen. Eine Ausnahme gilt z.B. für § 13 Abs. 1 Nr. 4a bis 4c ErbStG, in denen ausdrücklich nur auf die Fälle der § 7 bzw. § 3 ErbStG verwiesen wird. Im Übrigen ist die Anwendung des § 13 ErbStG systembedingt, weil die Ersatzerbschaftsteuer den Erbfall in der Zwei-Kind-Familie fingiert.
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Dementsprechend kommt auch ein doppelter Kinderfreibetrag zum Abzug, und die Steuer wird nach dem Steuersatz der Steuerklasse I berechnet, der für die Hälfte des steuerpflichtigen Vermögens gelten würde (§ 15 Abs. 2 Satz 3 ErbStG). Dieser Steuersatz ist aber auf das gesamte steuerpflichtige Vermögen nach Anwendung der Steuerbefreiungsvorschriften anzuwenden. Entsprechend hat auch der BFH in seiner Entscheidung vom 10.12.19971 § 13 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b ErbStG auf Kulturgüter einer ersatzerbschaftsteuerpflichtigen Familienstiftung angewandt.
41
In diesem Zusammenhang hat die FinVerw. in R E 1.5 ErbStR 2011 klargestellt, dass wenn eine ersatzerbschaftsteuerpflichtige Familienstiftung durch Satzungsänderung in eine gemeinnützige Stiftung vor dem Stichtag umgewandelt wird, deren Erwerb nach § 13 Abs. 1 Nr. 16 Buchst. b ErbStG steuerfrei bleibt. Die Umwandlung wird als Erwerb bzw. als Zuwendung i.S.d. § 13 Abs. 1 Nr. 16 Buchst. b ErbStG fingiert.
42
Ein Versorgungsfreibetrag gem. § 17 ErbStG wird bei der Ersatzerbschaftsteuer nicht gewährt. Der Wortlaut des § 17 ErbStG ist eindeutig.
43
Auf Antrag der Familienstiftung kann die Ersatzerbschaftsteuer statt durch eine Einmalzahlung in 30 Jahresraten entrichtet werden (§ 24 ErbStG). Der Familienstiftung stehen die besonderen Steuerstundungsmöglichkeiten des § 28 ErbStG zur Verfügung, wenn zum Vermögen Betriebsvermögen oder land- und forstwirtschaftliches Vermögen gehört (§ 28 Abs. 2 ErbStG). Daneben stehen der Familienstiftung die allgemeinen Stundungstatbestände des § 222 AO zur Verfügung.
44
Der Familienstiftung steht auch die besondere Vorschrift des § 224a AO zur Verfügung. Nach dieser Vorschrift kann die Erbschaftsteuer bei Vorlage besonderer Voraussetzungen, auch durch Hingabe von Kunstgegenständen beglichen werden. Die Ersatzerbschaftsteuer ist eine Steuer, die im ErbStG ge1 BFH v. 10.12.1997 – II R 25/94, BStBl. II 1998, 114.
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Ersatzbesteuerung von Stiftungen und Vereinen (Abs. 1 Nr. 4)
Rz. 51 § 1 ErbStG
regelt ist. Sie ist unter dem gesetzestechnischen Begriff „Erbschaftsteuer“ mit Schenkung- und Erbschaftsteuern in einem Gesetz zusammengefasst. Auf die Begriffsbildung des § 1 ErbStG bezieht sich der Verweis in § 224a Abs. 1 AO. Der Begriff „Erbschaftsteuer“ in § 224a AO bezieht sich daher auf sämtliche im ErbStG geregelte Steuern, also auch auf die in § 1 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG geregelte besondere Steuer.1 Der Familienstiftung sind aber nicht die Möglichkeiten des § 29 ErbStG zum Erlöschen der Steuer 45 nach dem Stichtag eröffnet. Insbesondere ist es ihr nicht möglich, durch Übertragung von Teilen des Vermögens innerhalb von 24 Monaten nach dem Zeitpunkt der Entstehung der Steuer auf eine steuerbegünstigte Stiftung die einmal entstandene Ersatzerbschaftsteuer zu beseitigen. Dies beruht darauf, dass der Erlöschenstatbestand des § 29 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG diese Möglichkeiten ausdrücklich nur bei den Steuertatbeständen der §§ 3 bis 7 ErbStG vorsieht, so dass sich in diesem Zusammenhang nicht die Frage stellt, ob überhaupt zivilrechtlich die Familienstiftung in der Lage ist, Vermögen auf eine gemeinnützige Stiftung zu übertragen. Eine Anrechnung ausländischer Ersatzerbschaftsteuern gem. § 21 ErbStG ist nicht möglich, weil 46 diese Vorschrift nur auf die Fälle des § 2 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG, nicht aber auf § 2 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG verweist. Dieses an sich dramatische Ergebnis ist jedoch für die inländische Familienstiftung in der Praxis folgenlos, denn eine der Ersatzerbschaftsteuer vergleichbare ausländische Steuer wird – soweit ersichtlich – in kaum einem anderen Staat erhoben.2 Steuerschuldner ist die Stiftung (§ 20 Abs. 1 ErbStG). Für die von der Stiftung geschuldete Steuer 47 haftet der Stiftungsvorstand gem. § 69 i.V.m. § 34 AO persönlich. Ob für den Vorstand eine Anzeigepflicht nach § 30 Abs. 1 ErbStG besteht, ist umstritten.3 Als Argu- 48 ment für eine fehlende Anzeigepflicht wird angeführt, dass § 30 Abs. 1 ErbStG formuliert, dass der Erwerber jeden der Erbschaftsteuer unterliegenden Erwerb binnen einer Frist von drei Monaten nach Erlangung der Kenntnis vom Anfall dem zuständigen Finanzamt anzuzeigen habe. Der Ersatzerbschaftsteuertatbestand des § 1 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG besteuere nicht einen Erwerb, sondern das Innehaben von Vermögen einer Stiftung zu einem bestimmten Stichtag. Salopp formuliert wird der „fingierte“ Erwerb anlässlich des 30-jährigen Geburtstags der Familienstiftung besteuert. Dies sei kein Erwerb. Hiergegen ist einzuwenden, dass § 30 Abs. 1 ErbStG generell auf § 1 ErbStG verweist. In § 1 ErbStG wird klargestellt, dass auch der fingierte Vermögenserwerb gem. § 1 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG ein dem ErbStG unterliegendes Ereignis ist. Dann spricht aber viel dafür, dass dieser fingierte Vermögenserwerb nach § 30 Abs. 1 ErbStG auch anzeigepflichtig ist.4 Wird die Familienstiftung innerhalb von zwei Jahren nach dem Ersatzerbschaftsteuertermin aufgelöst, 49 kann auf die Auflösungserbschaftsteuer 50 % der Ersatzerbschaftsteuer angerechnet werden. Erfolgt die Auflösung im Jahre drei oder vier nach dem Ersatzerbschaftsteuertermin, können 25 % der Ersatzerbschaftsteuer angerechnet werden (§ 7 Abs. 1 Nr. 9 i.V.m. § 26 ErbStG). Eng verbunden mit dem Ersatzsteuertatbestand sind § 7 Abs. 1 Nr. 8 ErbStG (Errichtungsbesteue- 50 rung), die Auflösungsbesteuerung (§ 7 Abs. 1 Nr. 9 ErbStG), ferner die Steuerklassenvorschrift des § 15 Abs. 2 Satz 2 ErbStG. In einkommensteuerlicher Hinsicht sind § 20 Abs. 1 Nr. 9 EStG und § 20 Abs. 2 Nr. 8 EStG auf der 51 Ebene der Destinatäre, für Altstiftungen § 1 der Verordnung vom 13.2.1926 zu beachten.5 Für körperschaftsteuerliche und ertragsteuerliche Zwecke ist davon auszugehen, dass das Grundstockvermögen Nennkapital ist und Zustiftungen ggf. in einem steuerlichen Einlagekonto nach § 27 KStG zu erfassen sind.6
1 Vgl. ausführlich von Oertzen, DStR 2012, Beihefter 2, 37 (50). 2 Vgl. von Oertzen, DStR 2012, Beihefter 2, 37 (41); u.U. in UK für bestimmte Settlements, vgl. Jülicher in T/G/J, § 21 ErbStG Rz. 102 – Großbritannien (Stand: April 2014). 3 Vgl. von Oertzen, DStR 2012, Beihefter 2, 37 (41). 4 Kien-Hümbert in Moench/Weinmann, § 30 ErbStG Rz. 3 (Stand: Juli 2015). 5 Vgl. weiterführend ausführlich von Oertzen, DStR 2012, Beihefter 2, 37 (42). 6 Vgl. hierzu ausführlich von Oertzen/Friz, BB 2014, 87.
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§ 1 ErbStG Rz. 52 Steuerpflichtige Vorgänge 52
Das System der Familienvereinsbesteuerung ist sehr ähnlich. Fraglich ist aber, ob für die Familienvereinsbesteuerung das Steuerklassenprivileg des § 15 Abs. 2 Satz 1 ErbStG gilt (vgl. § 15 ErbStG Rz. 87). Dagegen spricht der Wortlaut des § 15 Abs. 2 Satz 1 ErbStG, der nur von den entferntest Berechtigten der Stiftungssatzung, nicht der Vereinssatzung, spricht.
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Darüber hinaus fehlt es an den ausdrücklichen Errichtungsbesteuerungstatbeständen. § 7 Abs. 1 Nr. 8 ErbStG erwähnt nur die Errichtung der Stiftung, nicht die Errichtung des Familienvereins. Die Besteuerung richtet sich insoweit dann nach allgemeinen Besteuerungsvorschriften.
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Um die steuersystematische Gleichstellung mit der Familienstiftung herzustellen, muss bei einem Verein die Vereinsmitgliedschaft unvererblich sein, damit dieser ein Verein i.S.d. § 1 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG ist.1 Ansonsten fehlt es an der Parallele zur Stiftung, wonach das Vermögen oder die Beteiligung der Vererbung entzogen sein muss.2
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Über die Verfassungsmäßigkeit der Familienvereinsbesteuerung hat das BVerfG noch nicht entschieden. Die Entscheidung des BVerfG aus dem Jahre 1983 zur Verfassungsmäßigkeit der Ersatzerbschaftsteuer erging ausdrücklich nur zur Ersatzerbschaftsteuer der Familienstiftung. Es ist aber davon auszugehen, dass die Gründe, die zur Annahme der Verfassungsmäßigkeit der Ersatzerbschaftsteuer von Familienstiftungen geführt hat, auch entsprechend für Familienvereine gelten. 4. Rechtsentwicklung
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Der Besteuerungstatbestand des § 1 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG ist mit seinem heutigen Text seit 1974 unverändert geblieben.
II. Ersatzbesteuerung von Stiftungen (Abs. 1 Nr. 4 Alt. 1) 1. Vermögen 57
Der Begriff des Vermögens meint alle i.S.d. Erbschaft- und Schenkungsteuergesetzes bewertungsrelevanten Wirtschaftsgüter zum Stichtag, die bei einem Vermögensanfall als Bereicherung erfasst werden (§ 10 Abs. 1 Satz 7 ErbStG). 2. Stiftung
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Aus den unter Rz. 32 genannten Gründen ist die rechtsfähige Stiftung bürgerlichen Rechts i.S.d. §§ 80 ff. BGB gemeint, nicht jedoch die nicht rechtsfähige Stiftung.3 3. Wesentlich im Interesse einer Familie oder bestimmter Familien errichtet a) Familie
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Der Rechtsträger muss im Interesse einer Familie errichtet worden sein. Familie meint nach h.M. den Kreis der durch Abstammung, Heirat oder häusliche Gemeinschaft verbundenen Angehörigen i.S.d. § 15 AO.4 Nach anderer Auffassung ist der Familienbegriff wesentlich enger zu ziehen.5 Danach ist nur die Kernfamilie Familie i.S.d. Norm.
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Für die h.M. spricht die Begriffsdefinition des § 15 AO und die Definition des § 15 Abs. 2 AStG über das Vorliegen einer ausländischen Familienstiftung i.S.d. Hinzurechnungsbesteuerung. Dort wird definiert, dass Familienstiftungen Stiftungen sind, bei denen der Stifter, seine Angehörigen und deren Abkömmlinge zu mehr als die Hälfte bezugs- und/oder anfallsberechtigt sind. Diese Aussage, die den Personenkreis auf den Stifter, seine Angehörigen und deren Abkömmlinge bezieht, ist bei der Familien1 2 3 4 5
Meincke16, § 1 ErbStG Rz. 19. H.-U. Viskorf in V/K/S/W4, § 1 ErbStG Rz. 25. A.A. FG Köln v. 25.5.2016 – 7 K 291/16; Revision beim BFH: II R 26/16. Vgl. Meincke16, § 1 ErbStG Rz. 17. Fläming, DStZ 1986, 11 ff.
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von Oertzen
Ersatzbesteuerung von Stiftungen und Vereinen (Abs. 1 Nr. 4)
Rz. 65 § 1 ErbStG
definition i.S.d. § 1 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG zu beachten.1 Einzelheiten der Bezugnahme auf den Angehörigenkreis bleiben jedoch problematisch. So ist fraglich, ob auch die Förderung von Pflegekindern eine Familienstiftung begründet.2 Fraglich erscheint dies auch bei Personen des § 15 Abs. 2 AO. Nach Meincke3 muss es sich um die Familie des Stifters handeln. Dem ist nicht zu folgen. Die Förderung jeder Familie wird erfasst. Der Wortlaut kennt keine derartige Einschränkung. Es muss deswegen nicht zwingend die Stifterfamilie sein. Wird eine Stiftung errichtet, die die Unterstützung von Betriebsangehörigen und deren Familien 61 fördern soll, kann ebenfalls eine ersatzerbschaftsteuerpflichtige Familienstiftung vorliegen.4 Es muss sich aber nicht nur um bestimmbare, sondern um bestimmte Familien handeln. b) Im Interesse Im Interesse dieses Personenkreises muss die Stiftung errichtet sein. Interesse meint Vermögensinte- 62 resse im weitesten Sinne. Die Besteuerung knüpft an das Vermögen der Stiftung an. Es wird eine Lücke im Besteuerungssystem des Vermögensanfalls geschlossen, also muss konsequenterweise dann auch auf die Vermögensinteressen der Familien am Stiftungsvermögen abgestellt werden. Nach dem BFH und der ihm folgenden FinVerw. sind die Vermögensinteressen weit zu verstehen. Da- 63 bei sind alle Vermögensinteressen im weitesten Sinne einzubeziehen.5 Nicht nur Bezugs- und Anfallsrechte, sondern alle Vermögensvorteile, die die begünstigten Familien und ihre Mitglieder aus dem Stiftungsvermögen ziehen können, sind prägend. So liegt auch eine Familienstiftung vor, wenn es den Familien möglich ist, das Stiftungsvermögen, soweit es zu einer Nutzung zu privaten Zwecken zugängig ist, zu nutzen oder die Stiftungserträge an sich zu ziehen. Darunter fallen auch die unentgeltliche oder verbilligte Nutzung des Stiftungsvermögens sowie die Nutzung der stiftungseigenen Immobilien zu Wohnzwecken, der Einsatz des Personals der Stiftung für Arbeiten im Rahmen des eigenen Haushalts oder bei einer Stiftung mit Kunstbesitz der Vorteil, von diesem Kunstbesitz umgeben zu sein.6 c) Zeitpunkt des Vorliegens der Voraussetzungen Die genannten Voraussetzungen müssen im Zeitpunkt der Besteuerung vorliegen. Dies ergibt sich 64 aus § 9 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG.7 Darüber hinaus, wenn im Zeitpunkt der Besteuerung die Voraussetzungen vorliegen, ist nach der 65 Rspr. des BFH zu prüfen, ob die Voraussetzungen innerhalb des 30-Jahreszeitraums vor dem Entstehen der Steuerschuld vorgelegen haben.8 Der Rspr. des BFH ist zu folgen.9 Zwar ist die Ersatzerbschaftsteuer eine Stichtagssteuer. Dies bedeutet aber nicht, dass bei Vorliegen eines Tatbestandsmerkmals zum Besteuerungszeitpunkt nicht auch auf Erkenntnisse des Zeitraums vor diesem Zeitpunkt abzustellen ist. Ist das Vermögen eines Rechtsträgers einer besonderen Steuer in Zeitabständen von 30 Jahren ausgesetzt, ist es nur konsequent, bei der Qualifikation, ob dieser Rechtsträger wesentlich im Interesse einer Familie errichtet ist, den 30-Jahreszeitraum zu betrachten. Der 30-Jahreszeitraum ist der Gesamtbeurteilungszeitraum, aus dem auf das Tatbestandsmerkmal zu schließen ist. Von einem Rechtsträger, der wesentlich im Interesse einer Familie errichtet wurde, kann nicht gesprochen werden, wenn er nur zum Stichtag diese Voraussetzungen erfüllte, aber in der gesamten anderen Zeit z.B. für einen Zeitraum von 29 Jahren anderen Zwecken diente. Die Prägung des Vermögens für die Familie und Vermögensinteressen setzt zwingend eine zeitraumbezogene Betrachtung voraus, die
Vgl. auch ausführlich Naumann zu Grünberg in P/R/S2, § 1 ErbStG Rz. 211 f. Zu Recht verneinend H.-U. Viskorf in V/K/S/W4, § 1 ErbStG Rz. 13. Vgl. Meincke16, § 1 ErbStG Rz. 16. Vgl. Schiffer in F/J/P/W5, § 1 ErbStG Rz. 66 f. Vgl. Pöllath/Richter in Seifart/von Campenhausen, Handbuch des Stiftungsrechts4, § 13 Rz. 77 ff. R E 1.2 Abs. 3 ErbStR 2011; so auch BFH v. 10.12.1997 – II R 25/94, BStBl. II 1998, 114. Vgl. R E 1.2 Abs. 1 Satz 2 ErbStR 2011. Vgl. auch BFH v. 18.11.2009 – II R 46/07, ErbStB 2010, 92 = BFH/NV 2010, 898; Weinmann in Mönch/Weinmann, § 1 ErbStG Rz. 18 (Stand: Juli 2015). 9 Vgl. auch H.-U. Viskorf in V/K/S/W4, § 1 ErbStG Rz. 22 sowie Schiffer in F/J/P/W5, § 1 ErbStG Rz. 98, 99. 1 2 3 4 5 6 7 8
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§ 1 ErbStG Rz. 66 Steuerpflichtige Vorgänge aufgrund der Systematik der alle 30 Jahre wiederkehrenden Besteuerung durch diesen Steuerzyklus vorgegeben wird. d) Wesentlich 66
Wann eine Stiftung wesentlich im Interesse einer Familie errichtet ist, ist das umstrittenste Tatbestandsmerkmal der Vorschrift. Sein Bedeutungsgehalt dürfte aber aufgrund der BFH-Rspr. als geklärt gelten. Der BFH hat entschieden, dass eine Stiftung dann wesentlich dem Interesse einer Familie dient, wenn nach der Satzung und ggf. dem Stiftungsgeschäft ihr Wesen darin besteht, es der Familie zu ermöglichen, das Stiftungsvermögen, soweit es einer Nutzung zu privaten Zwecken zugänglich ist, zu nutzen und die Stiftungserträge an sich zu ziehen. Ob insoweit davon tatsächlich Gebrauch gemacht wird, ist unerheblich.1 Die Thesaurierung verhindert nicht die Qualifikation als Familienstiftung.2
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Die FinVerw. orientiert sich stärker an Fallgruppen und hat in den Richtlinien angeordnet, dass nach ihrer Vorstellung eine Familienstiftung, die wesentlich im Interesse einer oder bestimmter Familien ist, vorliegt, wenn entweder der Stifter, seine Angehörigen oder deren Abkömmlinge zu mehr als der Hälfte bezugs- oder anfallsberechtigt sind oder wenn die genannten Destinatäre zu mehr als 1/4 bezugs- oder anfallsberechtigt sind und zusätzliche Merkmale ein wesentliches Familieninteresse belegen. Ob diese Voraussetzungen vorliegen, ist anhand der Stiftungssatzung, dem Stiftungsgeschäft und anhand der tatsächlichen Verwaltung des Vermögens zu überprüfen, schließlich kann auch die Zusammensetzung des Stiftungsvorstands ein starkes Kriterium für die Annahme einer Familienstiftung begründen.3
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Nach Ansicht der Finanzverwaltung, die insoweit stifterfreundlicher ist als die Ansicht des BFH, soll bei einer nur 25 %igen Bezugsberechtigung der Familie das wesentliche Merkmal eines wesentlichen Familieninteresses nur vorliegen, wenn die Familie wesentlichen Einfluss auf die Geschäftsführung der Stiftung hat.4
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Der Rspr. des BFH ist zu folgen. Nach Gesetzeszweck soll das Vermögen eines Rechtsträgers besteuert werden, der Vermögen aufnimmt, das für eine Familie bereitgehalten wird. Dabei kann der Geschäftsführungsbefugnis von Familienmitgliedern eine große Bedeutung zukommen. Hieraus können sich satzungsmäßige Herrschaftsrechte ergeben, die eine Nutzung des Vermögens zugunsten einer Familie reservieren. Maßgebend für die Besteuerung ist die Möglichkeit, das Vermögen für private Zwecke wie eigenes zu nutzen und ggf. Erträge an sich zu ziehen. Dabei ist es gleichgültig, ob die Ertragsberechtigung erst eingreift, wenn bestimmte Eingriffsschwellen unterschritten werden oder nicht. Durch die satzungsmäßige Bezugsberechtigung sind Vorsorgevermögen für private Zwecke reserviert.
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Fraglich ist, ob dies auch in den Fällen gilt, wenn die Familie nur eine Anfallsberechtigung hat, aber keinerlei Bezugsberechtigung und die Stiftung im Übrigen nur gemeinnützige oder öffentliche Zwecke verfolgt. In diesen Fällen sollte m.E. maßgebend sein, inwieweit die Familie die Möglichkeit hat, die Anfallsberechtigung auch zu erzwingen, so dass noch von einer Beherrschung der Familie ausgegangen werden kann.5
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In der Literatur6 wird darauf hingewiesen, dass dann u.U. eine gemeinnützige Stiftung, die Förderungen nach § 58 Nr. 6 AO vornimmt, dann ersatzerbschaftsteuerpflichtig sein könnte, wenn die Familie in den Stiftungsorganen vertreten ist. Diese Sorge ist jedoch unbegründet. Eine Ersatzerbschaftsteuerpflicht kann nur dann angenommen werden, wenn tatsächlich regelmäßig entsprechende Ausschüttungen auf der Grundlage des § 58 Nr. 6 AO während der Dauer der 30-jährigen Ersatzerbschaftsteuerzeit erfolgen. Regelmäßig werden aber hierfür die materiellen Voraussetzungen für Ausschüttungen dem Grunde nach – auf der Grundlage des § 58 Nr. 6 AO – gar nicht vorgelegen haben (Bedürftigkeit etc.). Die vorbehaltene Möglichkeit von Zuwendungen nach § 58 Nr. 6 AO macht die potentielle Stifterfamilie allenfalls zu Zufallsdestinatären. Zufallsdestinatäre sind aber für die Anwen-
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Vgl. BFH v. 10.12.1997 – II R 25/94, BStBl. II 1998, 114. Vgl. BFH v. 10.12.1997 – II R 25/94, BStBl. II 1998, 114. Vgl. auch Naumann zu Grünberg in P/R/S2, § 1 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG Rz. 235. Vgl. R E 1.2 Abs. 2 Satz 3 ErbStR 2011. Vgl. ähnlich Schiffer in F/J/P/W5, § 1 ErbStG Rz. 100. Vgl. z.B. Jülicher in T/G/J, § 1 ErbStG Rz. 51 (Stand: April 2014).
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Ersatzbesteuerung von Stiftungen und Vereinen (Abs. 1 Nr. 4)
Rz. 77 § 1 ErbStG
dung einer Besteuerungsnorm regelmäßig irrelevant.1 Nur dann, wenn in der Zeitspanne von 30 Jahren in den meisten Jahren tatsächlich die Voraussetzungen für eine Förderung nach § 58 Nr. 6 AO vorgelegen haben, kann man davon ausgehen, dass die vorbehaltene Versorgungsmöglichkeit des § 58 Nr. 6 AO dieser gemeinnützigen Stiftung in relevanter Weise i.S.d. Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes den Charakter einer ersatzerbschaftsteuerlichen Familienstiftung gegeben hat. Im Übrigen dürfen die Wertungen des Gemeinnützigkeitsrechts in der Ersatzerbschaftsteuer nicht 72 unberücksichtigt bleiben. Für die allgemeine Steuerbefreiung einer gemeinnützigen Stiftung ist es unschädlich, wenn derartige Versorgungsmöglichkeiten existieren. Dann kann aber die Möglichkeit von Versorgungen nach § 58 Nr. 6 AO diese Stiftung für Ersatzerbschaftsteuerzwecke nicht zum Ersatzerbschaftsteuersubjekt machen. Hierfür spricht auch § 13 Abs. 1 Nr. 16 Buchst. b ErbStG, der Zuwendungen an gemeinnützige Stiftungen inklusive gemeinnütziger Stiftungen, die Leistungen nach § 58 Nr. 6 AO erbringen können, von der Erbschaftsteuer befreit. Im Übrigen: Selbst wenn man in dieser Situation eine Ersatzerbschaftsteuerpflicht der Familienstif- 73 tung i.S.d. § 1 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG dem Grunde nach annimmt, muss man aber dann § 13 Abs. 1 Nr. 16 Buchst. b ErbStG für den fiktiven Erbfall nach 30 Jahren entsprechend anwenden.2 4. Satzungsänderungen Zu den Problemen der Satzungsänderung zur Begründung einer ersatzerbschaftsteuerpflichtigen 74 Stiftung vgl. die Kommentierung zu § 7 Abs. 1 Nr. 8 und § 7 Abs. 9 ErbStG sowie R E 1.4 ErbStR 2011.
III. Ersatzbesteuerung von Vereinen (Abs. 1 Nr. 4 Alt. 2) Die Ersatzerbschaftsteuertatbestände treffen auch einen Verein, der folgende Kriterien erfüllt: 75 (i) Sein Zweck muss wesentlich auf die Interessen einer Familie oder bestimmter Familien gerichtet sein. (ii) Dieser Zweck muss gleichzeitig auf die Bindung von Vermögen gerichtet sein. Aus den unter Rz. 32 genannten Gründen ist Besteuerungssubjekt nur der rechtsfähige Verein, nicht 76 der nicht rechtsfähige Verein (h.M.). Sein Zweck muss wesentlich im Interesse einer oder mehrerer Familien bestimmt sein. Es gelten die Ausführungen zur Familienstiftung entsprechend bezüglich des Zeitraums sowie die Ausführungen zu Vermögensinteressen bezüglich des Familienbegriffes. Der Zweck muss auf die Bindung von Vermögen gerichtet sein. Dieses Tatbestandsmerkmal ist anders formuliert als die Begriffsdefinition für die Familienstiftung, meint aber wohl nicht mehr als das Bereithalten des Vermögens für die Familie. § 7 Abs. 1 Nr. 9 ErbStG enthält ebenfalls das Tatbestandsmerkmal „Bindung von Vermögen“. Danach ist nach der hier vertretenen Auffassung zu prüfen, ob der Verein dauertestamentsvollstreckungsähnliche Zwecke erfüllt. Rspr. fehlt hierzu. Die FinVerw. erklärt hingegen die Grundsätze der Interpretation der Familienstiftung auf den Familienverein für anwendbar.3 Wegen des unterschiedlichen Wortlautes ist diese Vorgehensweise nicht frei von Zweifeln. Da der Tatbestand der Lückenfüllung dient, muss darüber hinaus die Mitgliedschaft unvererblich 77 sein.4 Vgl. auch die Kommentierung zu § 7 Abs. 1 Nr. 9 ErbStG.
1 Vgl. z.B. ausdrücklich Tz. 15.2.1 des Anwendungsschreibens zum Außensteuergesetz vom 14.5.2004, BStBl. I 2004, 3 ff. 2 Vgl. zum Ganzen auch von Oertzen in FS Spiegelberger, 1390 (1393). 3 R E 1.6 ErbStR 2011. 4 Meincke16, § 1 ErbStG Rz. 19.
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§ 1 ErbStG Rz. 78 Steuerpflichtige Vorgänge
F. Schenkungen und Zweckzuwendungen (Abs. 2) 78
Nach § 1 Abs. 2 ErbStG gelten die Vorschriften über Erwerbe von Todes wegen auch für Schenkungen und Zweckzuwendungen und die Vorschriften über Schenkungen auch für Zweckzuwendungen unter Lebenden. Durch diese Regelung werden der Erwerb von Todes wegen, die Schenkung unter Lebenden und die Zweckzuwendung im Hinblick auf die Steuerfolgen gleichgestellt. Praktische Bedeutung erlangt § 1 Abs. 2 ErbStG nur dort, wo Vorschriften nicht ohnehin bereits für sämtliche Erwerbe Anwendung finden,1 wie z.B. die Vorschriften über die Steuerklassen oder über die Freibeträge. Die Gleichstellung gilt nicht, wenn der Gesetzgeber ausdrücklich angeordnet hat, dass eine Vorschrift nur für einen bestimmten Erwerb Anwendung findet.
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Nicht auf Schenkungen anzuwenden sind z.B. die Vorschriften zum Abzug der Nachlassverbindlichkeiten (§ 10 Abs. 1 Satz 2 ErbStG), zum Pauschbetrag für Erbfallkosten (§ 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 2 ErbStG), zum Erwerb eines Familienheims von Todes wegen (§ 13 Abs. 1 Nr. 4b und 4c ErbStG), zur Reinvestition (§ 13a Abs. 5 Satz 2 ErbStG), zur Steuerklasse der Eltern bei Erwerben von Todes wegen (§ 15 Abs. 1 ErbStG Steuerklasse I Nummer 4), zu Erwerben aufgrund gemeinschaftlicher Testamente von Ehegatten oder Lebenspartner i.S.d. LPartG (§ 15 Abs. 3 ErbStG), zur Haftung von Kreditinstituten (§ 20 Abs. 6 Satz 2 ErbStG) oder zur Steuerermäßigung bei mehrfachem Erwerb desselben Vermögens (§ 27 ErbStG).2
1 Meincke16, § 1 ErbStG Rz. 23. 2 Vgl. R E 1.1 ErbStH 2011; Geck in Kapp/Ebeling, § 1 ErbStG Rz. 63 (Stand: November 2015).
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Loose
§ 2 Persönliche Steuerpflicht (1) Die Steuerpflicht tritt ein 1. 1in den Fällen des § 1 Abs. 1 Nr. 1 bis 3, wenn der Erblasser zur Zeit seines Todes, der Schenker zur Zeit der Ausführung der Schenkung oder der Erwerber zur Zeit der Entstehung der Steuer (§ 9) ein Inländer ist, für den gesamten Vermögensanfall (unbeschränkte Steuerpflicht). 2Als Inländer gelten a) natürliche Personen, die im Inland einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, b) deutsche Staatsangehörige, die sich nicht länger als fünf Jahre dauernd im Ausland aufgehalten haben, ohne im Inland einen Wohnsitz zu haben, c) 1unabhängig von der Fünfjahresfrist nach Buchstabe b deutsche Staatsangehörige, die aa) im Inland weder einen Wohnsitz noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben und bb) zu einer inländischen juristischen Person des öffentlichen Rechts in einem Dienstverhältnis stehen und dafür Arbeitslohn aus einer inländischen öffentlichen Kasse beziehen, sowie zu ihrem Haushalt gehörende Angehörige, die die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen. 2Dies gilt nur für Personen, deren Nachlass oder Erwerb in dem Staat, in dem sie ihren Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, lediglich in einem der Steuerpflicht nach Nummer 3 ähnlichen Umfang zu einer Nachlass- oder Erbanfallsteuer herangezogen wird, d) Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen, die ihre Geschäftsleitung oder ihren Sitz im Inland haben; 2. in den Fällen des § 1 Abs. 1 Nr. 4, wenn die Stiftung oder der Verein die Geschäftsleitung oder den Sitz im Inland hat; 3. 1in allen anderen Fällen vorbehaltlich des Absatzes 31 für den Vermögensanfall, der in Inlandsvermögen im Sinne des § 121 des Bewertungsgesetzes besteht (beschränkte Steuerpflicht). 2Bei Inlandsvermögen im Sinne des § 121 Nr. 4 des Bewertungsgesetzes ist es ausreichend, wenn der Erblasser zur Zeit seines Todes oder der Schenker zur Zeit der Ausführung der Schenkung entsprechend der Vorschrift am Grund- oder Stammkapital der inländischen Kapitalgesellschaft beteiligt ist. 3Wird nur ein Teil einer solchen Beteiligung durch Schenkung zugewendet, gelten die weiteren Erwerbe aus der Beteiligung, soweit die Voraussetzungen des § 14 erfüllt sind, auch dann als Erwerb von Inlandsvermögen, wenn im Zeitpunkt ihres Erwerbs die Beteiligung des Erblassers oder Schenkers weniger als ein Zehntel des Grund- oder Stammkapitals der Gesellschaft beträgt. (2) Zum Inland im Sinne dieses Gesetzes gehört auch der der Bundesrepublik Deutschland zustehende Anteil am Festlandsockel, soweit dort Naturschätze des Meeresgrundes und des Meeresuntergrundes erforscht oder ausgebeutet werden. (3)2 1Auf Antrag des Erwerbers wird ein Vermögensanfall, zu dem Inlandsvermögen im Sinne des § 121 des Bewertungsgesetzes gehört (Absatz 1 Nummer 3), insgesamt als unbeschränkt steuerpflichtig behandelt, wenn der Erblasser zur Zeit seines Todes, der Schenker zur Zeit der Ausführung der Schenkung oder der Erwerber zur Zeit der Entstehung der Steuer (§ 9) seinen Wohnsitz in einem Mitgliedsstaat der Europäischen Union oder einem Staat hat, auf den das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum anwendbar ist. 2In diesem Fall sind auch mehrere innerhalb von zehn Jahren vor dem Vermögensanfall und innerhalb von zehn Jahren nach dem Vermögensanfall von derselben Person anfallende Erwerbe als unbeschränkt steuerpflichtig zu behandeln und nach Maßgabe des § 14 zusammenzurechnen. 3Die Festsetzungsfrist für die Steuer endet
1 Gemäß Art. 4 Nr. 1 Buchst. a des Gesetzentwurfs der Bundesregierung v. 21.12.2016 zum Steuerumgehungsbekämpfungsgesetz (StUmgBG) sollen in § 2 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG in dem Satzteil vor Satz 2 die Wörter „vorbehaltlich des Absatzes 3“ gestrichen werden. 2 Gemäß Art. 4 Nr. 1 Buchstb. b des Gesetzentwurfs der Bundesregierung v. 21.12.2016 zum Steuerumgehungsbekämpfungsgesetz (StUmgBG) soll Abs. 3 aufgehoben werden.
Schienke-Ohletz/Deimel
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§ 2 ErbStG Persönliche Steuerpflicht im Falle des Satzes 2 Nummer 1 nicht vor Ablauf des vierten Jahres, nachdem die Finanzbehörde von dem Antrag Kenntnis erlangt. A. I. II. III.
Grundaussagen der Vorschrift. . . . . . . . . . Regelungsgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . Bedeutung und Telos . . . . . . . . . . . . . . . . . Geltungsbereich und Verhältnis zu anderen Vorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Rechtsentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Eintritt der persönlichen Steuerpflicht (Abs. 1) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Unbeschränkte Steuerpflicht (Abs. 1 Nr. 1) . 1. Vorliegen einer unbeschränkten Steuerpflicht (Abs. 1 Nr. 1 Satz 1) . . . . . . . . . . 2. Inländer (Abs. 1 Nr. 1 Satz 2) . . . . . . . . . a) Wohnsitz oder gewöhnlicher Aufenthalt im Inland (Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 Buchst. a) . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Anknüpfungspunkt. . . . . . . . . . . bb) Wohnsitz . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Definition (§ 8 AO) . . . . . . . . . . (2) Objektiver Wohnungsbegriff . . . . (3) Wohnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Innehaben der Wohnung . . . . . . (5) Wohnsitz bei Ehegatten. . . . . . . . (6) Begleitumstände des Wohnens . . (7) Bewertung und Folgen für die Praxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Gewöhnlicher Aufenthalt (§ 9 AO) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Erweitert unbeschränkte Steuerpflicht (Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 Buchst. b) . aa) Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . bb) ErbSt-DBA USA . . . . . . . . . . . . . cc) Aufgabe der Staatsangehörigkeit . c) Deutsche Auslandsbedienstete und deren Angehörige (Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 Buchst. c) . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Kein Inlandswohnsitz oder gewöhnlicher Aufenthalt im Inland (Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 Buchst. c Satz 1 Doppelbuchst. aa) . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Dienstverhältnis mit einer inländischen juristischen Person des öffentlichen Rechts (Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 Buchst. c Satz 1 Doppelbuchst. bb Halbs. 1) . . . . . . . . . . cc) Arbeitslohn aus einer inländischen öffentlichen Kasse (Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 Buchst. c Satz 1 Doppelbuchst. aa Halbs. 2) . . . . . dd) Beschränkte Steuerpflicht im Wohnsitzstaat (Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 Buchst. c Satz 2) . . . . . . . . (1) Tatsächliche Betrachtungsweise . . (2) Wiener Übereinkommen über diplomatische Beziehungen (WÜD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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(3) Wiener Übereinkommen über konsularische Beziehungen (WÜK) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen (Abs. 1 Nr. 1 Buchst. d) . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Legaldefinition §§ 10, 11 AO . . . . bb) Geschäftsleitung . . . . . . . . . . . . . . cc) Sitz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Personengesellschaften im Erbschaftsteuerrecht. . . . . . . . . . . e) Maßgeblicher Zeitpunkt der unbeschränkten Steuerpflicht . . . . . . . . . . . II. Familienstiftungen (Abs. 1 Nr. 2) . . . . . . . . . III. Beschränkte Steuerpflicht (Abs. 1 Nr. 3) . . . . 1. Anwendungsbereich der beschränkten Steuerpflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Unterschiede zur unbeschränkten Steuerpflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Inlandsvermögen gem. § 121 BewG . . . . . a) Begriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Inländisches land- und forstwirtschaftliches Vermögen und inländisches Grundvermögen (§ 121 Nr. 1 und 2 BewG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Inländisches Betriebsvermögen (§ 121 Nr. 3 BewG) . . . . . . . . . . . . . . . aa) Legaldefinition §§ 12, 13 AO . . . . bb) Betriebsstätte . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Ständiger Vertreter . . . . . . . . . . . . dd) Umfang des Betriebsvermögens . . d) Anteile an inländischen Kapitalgesellschaften (§ 121 Nr. 4 BewG) . . . . . . . . aa) Verhältnis zu Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 . . bb) Teilübertragungen (Abs. 1 Nr. 3 Satz 3) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Berücksichtigung von mittelbaren Beteiligungen . . . . . . . . . . . . . . . . dd) R E 2.2 Abs. 3 ErbStR 2011 . . . . . . ee) Funktionserfüllte Gesellschaft . . . . ff) Berücksichtigung von Anteilen nahestehender Personen . . . . . . . . (1) Begriff und Ratio des § 1 Abs. 2 AStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) § 1 Abs. 2 Nr. 1 AStG . . . . . . . . . . (3) § 1 Abs. 2 Nr. 2 AStG . . . . . . . . . . (4) § 1 Abs. 2 Nr. 3 AStG . . . . . . . . . . (5) Schlussfolgerung . . . . . . . . . . . . . e) Sonstige Rechte (§ 121 Nr. 5 bis 9 BewG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Sachleistungsansprüche. . . . . . . . . . . . aa) Grundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Beschränkte Steuerpflicht . . . . . . . cc) Folgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Gestaltungen im Rahmen der beschränkten Steuerpflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
26 27 27 28 29 30 31 32 33 33 34 35 35
36 37 37 39 40 41 42 42 43 45 47 49 50 50 52 54 55 56 57 58 58 59 59a 60
Persönliche Steuerpflicht IV. Erweitert beschränkte Steuerpflicht (§ 4 AStG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Wesen der erweitert beschränkten Steuerpflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Voraussetzungen des § 4 AStG . . . . . . . . a) Wegzugsbesteuerung für Zwecke der Einkommensteuer (§ 2 Abs. 1 AStG) . b) Unbeschränkte Steuerpflicht nach § 1 Abs. 1 Satz 1 EStG . . . . . . . . . . . . c) Wegzug in ein Niedrigsteuerland . . . . aa) Grundsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Vorzugsbesteuerung . . . . . . . . . . cc) Niedrigsteuergebiete . . . . . . . . . . d) Wirtschaftliche Interessen im Inland . e) Nachweis einer Mindestbesteuerung . 4. Rechtsfolge des § 4 AStG bei fehlendem Nachweis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Zwischengesellschaften nach § 5 AStG . . a) Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . b) Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . aa) § 2 Abs. 1 Nr. 1 AStG . . . . . . . . . bb) Beteiligung an Zwischengesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Rechtsfolge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Inlandsbegriff (Abs. 2) . . . . . . . . . . . . . . . D. Antrag auf unbeschränkte Steuerpflicht (Abs. 3) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Inhalt und Zweck des Antragsrechts nach Abs. 3. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Voraussetzungen und Rechtsfolge (Abs. 3 Satz 1) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Rechtsfolge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Zehn-Jahres-Zeitraum (Abs. 3 Satz 2) . . . . .
61 61 62 63 63 64 65 65 66 67 68 69 70 72 72 73 73 74 75 76 77 77 78 78 79 80
§ 2 ErbStG
IV. Ende der Festsetzungsfrist (Abs. 3 Satz 3) . . . V. Verfahrensrechtliche Hinweise und zeitlicher Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . VI. Gestaltungshinweise. . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII. Ausdehnung auf die Schweiz bzw. andere Drittländer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VIII. Unvereinbarkeit mit EU-Recht . . . . . . . . . . . E. Auswirkungen des Unionsrechts auf die Erbschaft- und Schenkungsteuer . . . . . . . . I. Steuerrechtliche Probleme bei grenzüberschreitenden Erbfällen . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Maßgebendes Unionsrecht . . . . . . . . . . . . . . 1. Kapitalverkehrsfreiheit (Art. 63 AEUV) . . a) Erwerb von Todes wegen oder Schenkungen unter Lebenden als Kapitalverkehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Beschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Rechtfertigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Niederlassungsfreiheit (Art. 49 AEUV). . . 3. Verhältnis der Niederlassungsfreiheit zur Kapitalverkehrsfreiheit. . . . . . . . . . . . . . . III. Auswirkungen des Unionsrechts auf einzelne Vorschriften des ErbStG . . . . . . . . . . . . . 1. § 2 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 Buchst. b ErbStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. § 10 Abs. 10 ErbStG. . . . . . . . . . . . . . . . . 3. § 12 Abs. 7 ErbStG . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. § 13 Abs. 1 Nr. 4a bis 4c, § 13a, § 13b, § 13d ErbStG. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. § 16 Abs. 2 ErbStG . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. § 21 Abs. 2 ErbStG i.V.m. § 121 BewG . . . 7. § 27 Abs. 1 ErbStG . . . . . . . . . . . . . . . . . 8. § 33 ErbStG. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
84 85 86 87 88 90 90 91 92 92 93 96 101 103 105 105 106 109 113 115 121 124 126
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A. Grundaussagen der Vorschrift I. Regelungsgegenstand 1 § 2 ErbStG trägt die amtliche Überschrift „Persönliche Steuerpflicht“ und trifft damit eine Aussage
darüber, welche Personen im Erbschaft- und Schenkungsteuerrecht steuerpflichtig sind. Der Anwendungsbereich wird dabei auf natürliche und juristische Personen begrenzt. Welche Personen darunter fallen, wird in § 2 ErbStG nicht geregelt, sondern ist eine Frage des materiellen Rechts.1 Darüber hinaus wird für die natürlichen und juristischen Personen festgelegt, unter welchen Voraussetzungen sie unbeschränkt steuerpflichtig sind. Diese Frage hängt von persönlichen Merkmalen ab (Wohnsitz, Aufenthalt, Staatsangehörigkeit, Sitz, Geschäftsleitung). Die unbeschränkte Steuerpflicht knüpft an die Inländereigenschaft von Erblasser/Schenker oder Erwerber an. Neben den persönlichen Merk-
1 Richter in V/K/S/W4, § 2 ErbStG Rz. 1.
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Grundaussagen der Vorschrift
Rz. 3 § 2 ErbStG
malen der Steuerpflicht legt § 2 ErbStG aber auch fest, in welchem Umfang ein Besteuerungsanspruch besteht. Insofern regelt § 2 ErbStG auch den sachlichen Anwendungsbereich der Steuerpflicht, nicht nur den persönlichen. Die Steuerpflicht umfasst das Weltvermögen, wenn entweder der Erblasser/Schenker oder der Erwerber Inländer sind. Davon wird die beschränkte Steuerpflicht nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG abgegrenzt. Erbfälle und Schenkungen von Steuerausländern, d.h. Personen, die weder ihren Wohnsitz noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Inland haben, unterliegen der Erbschaft- und Schenkungsteuer nur hinsichtlich ihres Inlandsvermögens i.S.d. § 121 BewG. Die beschränkte Steuerpflicht wird durch § 4 AStG erweitert, wenn die Voraussetzungen der erweitert beschränkten Einkommensteuerpflicht des § 2 Abs. 1 Satz 1 AStG gegeben sind. Dies ergibt sich nicht aus § 2 ErbStG, sondern aus § 4 AStG. Ist bei einem Erwerb von Todes wegen oder einer Schenkung weder ein Inländer beteiligt noch Gegenstand des Vermögenstransfers Inlandsvermögen, ist eine deutsche Erbschaftsteuerpflicht nicht gegeben.1 Regelungsgegenstand des § 4 AStG ist, dass der Begriff des Inlandsvermögens in bestimmten Fällen erweitert wird. § 2 Abs. 2 ErbStG normiert die geographische Einbeziehung des Festlandsockels, die praktisch geringe Bedeutung hat. § 2 Abs. 3 ErbStG sieht vor, dass beschränkt Steuerpflichtige das Wahlrecht haben, ihren Erwerb insgesamt der unbeschränkten Steuerpflicht zu unterwerfen.2 Die Begriffe der unbeschränkten Steuerpflicht und der beschränkten Steuerpflicht wurden in § 2 ErbStG bisher nicht verwendet. Im Rahmen des Gesetzes zur Umsetzung der Beitreibungsrichtlinie sowie zur Änderung steuerlicher Vorschriften vom 7.11.2011 (BeitrRLUmsG)3 wurde der Begriff der unbeschränkten Steuerpflicht in § 2 Abs. 1 Nr. 1 als Klammerzusatz eingefügt, der Begriff der beschränkten Steuerpflicht als Klammerzusatz in § 2 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG.
II. Bedeutung und Telos Die Vorschrift des § 2 ErbStG schränkt die umfassende Besteuerung der in § 1 ErbStG als steuerpflich- 2 tig definierten Vorgänge in der Weise ein, dass nur solche Vorgänge der deutschen Besteuerung unterworfen werden, die auch Inlandsbezug haben. § 2 ErbStG regelt nicht nur in persönlicher Hinsicht, welche Personen unter die Erbschaft- und Schenkungsteuer fallen, sondern grenzt auch in sachlicher Hinsicht den Anwendungsbereich der Besteuerung ein. § 1 ErbStG regelt hierzu im Gegensatz, welche Vorgänge der Erbschaftsteuer bzw. der Schenkungsteuer generell unterliegen können. Insbesondere bei grenzüberschreitenden Sachverhalten hat § 2 ErbStG eine zentrale Bedeutung, weil sich daraus ergibt, ob und in welchem Umfang der jeweilige Vorgang vom ErbStG umfasst wird. § 2 ErbStG eröffnet die Anwendung des deutschen Erbschaft- und Schenkungsteuerrechts oder schließt sie mangels Inlandsbezugs von vornherein aus.
III. Geltungsbereich und Verhältnis zu anderen Vorschriften Grundsätzlich regelt § 2 ErbStG nur die Frage der abstrakten Steuerpflicht einer natürlichen oder juris- 3 tischen Person. Es wird keine Aussage darüber getroffen, wer Steuerschuldner der Erbschaft- oder Schenkungsteuer ist. Dies regelt § 20 ErbStG. Aufgrund des Weltvermögensprinzips, das im Rahmen der unbeschränkten Steuerpflicht anwendbar ist, kommt es zu Überschneidungen mit Besteuerungsansprüchen ausländischer Staaten. Eine solche Überschneidung erfolgt z.B. dann, wenn ein Erblasser/ Schenker in zwei verschiedenen Staaten unter die unbeschränkte Steuerpflicht fällt oder wenn der Erblasser/Schenker in einem Staat unbeschränkt steuerpflichtig ist und der Erwerber in einem anderen. Doppelbesteuerungen können auch dadurch entstehen, dass eine unbeschränkte Steuerpflicht in einem Staat besteht und eine beschränkte Steuerpflicht in einem anderen Staat aufgrund der Belegenheit bestimmter Vermögensgegenstände. Nach § 2 AO gehen Verträge, die auf internationalen Verträgen i.S.d. Art. 59 Abs. 2 Satz 1 GG beruhen und unmittelbar anwendbares innerstaatliches Recht geworden sind, dem nationalen Recht vor. Verträge mit anderen Staaten sind u.a. Doppelbesteuerungsabkommen. Ist ein Doppelbesteuerungsabkommen vorhanden, so hat dies Vorrang vor dem nationalen 1 Meincke16, § 2 ErbStG Rz. 1; Weinmann in Moench/Weinmann, § 2 ErbStG Rz. 1 (Stand: März 2016). 2 Schulte/Sedemund, BB 2011, 2080 (2081). 3 BGBl. I 2011, 2592; BR-Drucks. 253/1111; BT-Drucks. 17/6263, 45 ff.
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§ 2 ErbStG Rz. 4 Persönliche Steuerpflicht Recht, sofern es ordnungsgemäß in innerstaatliches Recht transformiert wurde.1 Allerdings gibt es im Bereich der Erbschaft- und Schenkungsteuer nur mit wenigen Ländern ein Doppelbesteuerungsabkommen, so dass in Fällen der Doppelbesteuerung häufig nur durch Anrechnung nach den nationalen Vorschriften (§ 21 ErbStG) eine doppelte Belastung des Nachlasses oder der Schenkung vermieden wird. Eine Anrechnung von ausländischen Erbschaft- und Schenkungsteuern ist nach § 21 ErbStG nur zulässig, wenn in Deutschland eine unbeschränkte Steuerpflicht vorliegt. Durch die verschiedenen Erbschaft- und Schenkungsteuersysteme in anderen Ländern kann es auch wegen eingeschränkter Anrechnungsmöglichkeit zu einer echten Doppelbesteuerung kommen.2 Zu berücksichtigen ist in diesem Zusammenhang, dass das ErbStG auf Vorgänge des deutschen Zivilrechts zurückgreift.3 Dennoch sind auch Vorgänge nach einer ausländischen Rechtsordnung steuerpflichtig. Daher ist bei internationalen Sachverhalten zu untersuchen, wie ein Vorgang, der sich zivilrechtlich nach einer ausländischen Rechtsordnung richtet, zu behandeln ist.
IV. Rechtsentwicklung 4 Das europäische Steuerrecht hat vor der Entscheidung des EuGH in der Rechtssache Barbier4 aus dem
Jahre 2003 nur geringen Einfluss auf das Erbschaftsteuerrecht ausgeübt.5 Nach dem EuGH fallen auch Erbschaften, Schenkungen und Vermächtnisse unter die Kapitalverkehrsfreiheit.6 Daher wurde ein Verstoß gegen die Kapitalverkehrsfreiheit für den Fall bejaht, dass ein Mitgliedstaat im Fall eines erbrechtlichen Erwerbs eines in diesem Staat belegenen Grundstücks den Abzug einer Weiterübertragungsverpflichtung bei der Bewertung nur für den Fall vorsieht, dass der Erblasser bei seinem Tod auch im Belegenheitsstaat der Immobilie wohnt und nicht in einem anderen Mitgliedstaat.7 Auch die Vereinbarkeit des § 2 ErbStG mit den Grundfreiheiten war Gegenstand einer EuGH-Entscheidung, die sich allerdings auf eine ähnliche Vorschrift des niederländischen Rechts bezog. Das niederländische Steuerrecht enthält eine der deutschen erweitert unbeschränkten Steuerpflicht des § 2 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 Buchst. b ErbStG ähnliche Vorschrift, die Gegenstand der EuGH-Entscheidung van Hilten-vander-Heijden8 war. Gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 Buchst. b ErbStG ist ein deutscher Staatsangehöriger, der keinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat, bis zu fünf Jahren nach seinem Wegzug der unbeschränkten Erbschaft- und Schenkungsteuerpflicht unterworfen. In der Entscheidung des EuGH ging es um die Frage, ob eine Vorschrift gegen das europäische Gemeinschaftsrecht verstößt, die vorsieht, dass natürliche Personen trotz eines Wegzugs aus den Niederlanden bis zu zehn Jahren der unbeschränkten Erbschaftsteuerrecht unterlagen. Einen Verstoß gegen die Kapitalverkehrsfreiheit verneinte der EuGH, verband dies aber mit der Forderung, dass auch ein entsprechendes System der Anrechnung von doppelt gezahlten Steuern in beiden Ländern zur Verfügung stehen muss. Eine weitere EuGH-Entscheidung hat § 2 ErbStG auf den Prüfstand gestellt. In der Rechtssache Mattner stellte der EuGH fest, dass die unterschiedlichen Freibeträge unbeschränkter und beschränkter Steuerpflichtiger gegen die Kapitalverkehrsfreiheit verstoßen.9 § 2 Abs. 3 ErbStG, der beschränkt Steuerpflichtigen bei einer Erbschaft oder Schenkung ein Optionsrecht dahingehend gewährt, unter be1 Gersch in Klein13, § 2 AO Rz. 2. 2 EuGH v. 12.2.2009 – Rs. C-67/08, FR 2009, 294 m. Anm. Billig = ZErb 2009, 101 m. Anm. Riedel; Watrin/Kappenberg, ZEV 2011, 105. 3 BFH v. 28.10.2009 – II R 32/08, BFH/NV 2010, 893; zum ausländischen Zivilrecht BFH v. 4.7.2012 – II R 38/10, BStBl. II 2012, 782 = ErbStB 2012, 296. 4 EuGH v. 11.12.2003 – Rs. C-346/01 – Barbier, ZEV 2004, 74 m. Anm. Dautzenberg. 5 Zum Überblick über die möglicherweise EU-rechtswidrigen Normen des ErbStG vgl. von Oertzen in Scherer, Münchener Anwaltshandbuch Erbrecht4, § 34 Rz. 72; vgl. hierzu auch die sehr restriktive Entscheidung des FG Berlin v. 9.9.2003 – 5 K 5035/02, ZEV 2004, 385; Dautzenberg, ZEV 2004, 74; Meincke, ZEV 2004, 353. 6 ABl. Nr. L 178 S. 5; Bröhmer in Calliess/Ruffert5, Art. 63 AEUV Rz. 44 ff.; Ress/Ukrow in G/H/N, Art. 63 AEUV Rz. 112 ff. (Stand: September 2010). 7 Bröhmer in Calliess/Ruffert5, Art. 63 AEUV Rz. 44 ff.; Ress/Ukrow in G/H/N, Art. 63 AEUV Rz. 112 ff. (Stand: September 2010). 8 EuGH v. 23.2.2006 – Rs. C-513/03 – van Hilten-van der Heijden, IStR 2006, 309 m. Anm. Jochum, DStR/E 2006, 851; Bron, IStR 2006, 296; Eule, ZEV 2008, 80; Schnitger, IStR 2006, 493 (495). 9 EuGH v. 22.5.2010 – Rs. C-510/08, Vera Mattner, ZEV 2010, 270 m. Anm. Jochum.
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Eintritt der persönlichen Steuerpflicht (Abs. 1)
Rz. 7 § 2 ErbStG
stimmten Voraussetzungen die für unbeschränkt Steuerpflichtige anwendbaren Freibeträge in Anspruch zu nehmen, wurde mittlerweile auch vom EuGH als unionsrechtswidrig angesehen.1
B. Eintritt der persönlichen Steuerpflicht (Abs. 1) I. Unbeschränkte Steuerpflicht (Abs. 1 Nr. 1) 1. Vorliegen einer unbeschränkten Steuerpflicht (Abs. 1 Nr. 1 Satz 1) Eine unbeschränkte Steuerpflicht ist gegeben, wenn einer der Beteiligten, d.h. entweder der Erblas- 5 ser/Schenker oder der Erwerber Inländer ist.2 Folge ist, dass der gesamte Vermögensanfall besteuert wird. Es ist aber in der Rechtsfolge zu unterscheiden, ob der Erblasser/Schenker Inländer ist oder der Erwerber. Handelt es sich bei dem Erblasser/Schenker um einen Inländer, so wird der gesamte Erbanfall bzw. die einheitliche Schenkung Gegenstand der Besteuerung. Dies gilt auch, wenn der Erwerber des Nachlasses/der Schenkung kein Inländer ist. Ist hingegen nur der Erwerber Inländer, nicht aber der Erblasser/Schenker, so unterliegt nur der von ihm erworbene Teil des Erbes bzw. der Schenkung der Erbschaft- und Schenkungsteuer.3 2. Inländer (Abs. 1 Nr. 1 Satz 2) a) Wohnsitz oder gewöhnlicher Aufenthalt im Inland (Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 Buchst. a) aa) Anknüpfungspunkt § 2 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 Buchst. a ErbStG regelt die unbeschränkte Steuerpflicht von im Inland ansäs- 6 sigen Personen und knüpft dabei an das Vorliegen eines Wohnsitzes oder des gewöhnlichen Aufenthalts an. Dabei wird für die Definition des Wohnsitzes bzw. des gewöhnlichen Aufenthalts auf die allgemeinen Regelungen der AO verwiesen. §§ 8, 9 AO lauten wie folgt: § 8 AO Wohnsitz. Einen Wohnsitz hat jemand dort, wo er eine Wohnung unter Umständen innehat, die darauf schließen lassen, dass er die Wohnung beibehalten und benutzen wird. § 9 AO Gewöhnlicher Aufenthalt. Den gewöhnlichen Aufenthalt hat jemand dort, wo er sich unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, dass er an diesem Ort oder in diesem Gebiet nicht nur vorübergehend verweilt. Als gewöhnlicher Aufenthalt im Geltungsbereich dieses Gesetzes ist stets und von Beginn an ein zeitlich zusammenhängender Aufenthalt von mehr als sechs Monaten Dauer anzusehen; kurzfristige Unterbrechungen bleiben unberücksichtigt. Satz 2 gilt nicht, wenn der Aufenthalt ausschließlich zu Besuchs-, Erholungs-, Kur- oder ähnlichen privaten Zwecken genommen wird und nicht länger als ein Jahr dauert.
bb) Wohnsitz (1) Definition (§ 8 AO) Nach § 8 AO hat jemand einen Wohnsitz dort, wo er eine Wohnung u.U. innehat, die darauf schlie- 7 ßen lassen, dass er die Wohnung beibehalten und benutzen wird (§ 8 AO). Zur Frage, wann ein Wohnsitz gegeben ist, hat sich die FinVerw. im Anwendungserlass zur AO ausführlich geäußert.4 Darüber hinaus gibt es auch umfangreiche Rspr. des BFH und der FG.5
1 EuGH v. 8.6.2016 – C-479/14, DStR 2016, 1360. 2 Vgl. Überblich zur persönlichen Steuerpflicht im Erbschaftsteuerrecht: von Oertzen in Scherer, Münchener Anwaltshandbuch Erbrecht4, § 34 Rz. 1 ff. 3 Jülicher in T/G/J, § 2 ErbStG Rz. 7 (Stand: Juli 2015). 4 BMF-Schr. betr. Anwendungserlass zur Abgabenordnung, BMF v. 2.1.2008 – IV A 4 - S 0062/07/0001, BStBl. I 2008, 26. 5 Zum Wohnsitzbegriff, vgl. Buciek in Beermann/Gosch, § 8 AO Rz. 8 ff. (Stand: Mai 2011).
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§ 2 ErbStG Rz. 8 Persönliche Steuerpflicht (2) Objektiver Wohnungsbegriff 8 Für das Innehaben einer Wohnung im Inland kommt es auf den objektiven Zustand an.1 Nicht er-
forderlich ist, dass der Steuerpflichtige auch subjektiv den Willen hat, im Inland eine Wohnung zu begründen.2 Daher kann z.B. auch jemand einen Wohnsitz begründen, der geschäftsunfähig oder nur beschränkt geschäftsfähig ist. Allerdings wird insoweit ein subjektives Element gefordert, als der Steuerpflichtige die Wohnung auch subjektiv als seine Bleibe widmen muss, worin der Unterschied zwischen einer bloßen Aufenthaltsnahme und einem Wohnsitz besteht.3 Die Wohnsitzbegründung oder -aufgabe im Inland muss auch rechtlich zulässig sein. Es kommt nicht auf das Vorliegen einer Aufenthaltsgenehmigung an.4 Die melderechtliche An- und Abmeldung bei den Ordnungsbehörden kann als ein Indiz für eine Wohnsitzbegründung herangezogen werden, hat jedoch keine unmittelbare steuerliche Wirkung.5 Gleichwohl wird in Fällen einer Wohnsitzaufgabe empfohlen, die behördliche Abmeldung vorzunehmen, um eine klare Beweislage herzustellen. Es ist auch grundsätzlich möglich, dass ein Steuerpflichtiger mehrere Wohnsitze hat (vgl. § 19 Abs. 1 Satz 2 AO).6 Ein steuerlicher Wohnsitz im Ausland schließt einen Wohnsitz in Deutschland nicht aus. Die unbeschränkte Steuerpflicht geht von einer Gleichwertigkeit aller Wohnsitze aus. Es gibt keine Differenzierung zwischen „Hauptwohnsitz“ oder „Nebenwohnsitz“7 oder zwischen Erst- und Zweitwohnsitz8 . Insbesondere ist nicht erforderlich, dass es sich bei dem Wohnsitz um den Mittelpunkt der Lebensinteressen handelt.9 Dieser Begriff stammt aus den Doppelbesteuerungsabkommen. Es besteht kein direkter Zusammenhang mit dem Wohnsitzbegriff des deutschen Steuerrechts.10 Insoweit ist die Frage nach dem Wohnsitz gem. § 8 AO zu trennen von der Frage, wo eine Person im Sinne eines Doppelbesteuerungsabkommens nach Art. 4 OECD-MA als ansässig anzusehen ist. (3) Wohnung 9 Unter einer Wohnung versteht die FinVerw. objektiv zum Wohnen geeignete Wohnräume. Die
Wohnung muss weder standesgemäß noch angemessen sein.11 Dabei genügt eine bescheidene Bleibe. Nicht erforderlich ist eine abgeschlossene Wohnung mit Küche und separater Waschgelegenheit i.S.d. Bewertungsrechts (§ 181 Abs. 9 BewG).12 Fraglich ist, ob die Wohnung eine gewisse Mindestgröße aufweisen muss. Dafür spricht, dass die Möglichkeit des „Wohnens“ bestehen muss, so dass ein Mindestmaß an Bewegungsfreiheit erforderlich ist. Eine vorübergehende oder notdürftige Unterkunft ist daher nicht ausreichend. Nach der Rspr. genügt eine sog. Stand-by-Wohnung mit nur minimalem Ausstattungsstandard, die nur für berufliche Zwecke benutzt wird.13 Daher reicht grundsätzlich ein möbliertes 1 FG Nds. v. 28.5.1997 – IX 173/94; BFH v. 20.11.2008 – III R 53/05, BFH/NV 2009, 564; v. 22.8.2007 – III R 89/06, BFH/NV 2008, 351; v. 26.2.1986 – II R 200/82, BFH/NV 1987, 301. 2 BFH v. 5.11.2001 – VI B 219/00, BFH/NV 2002, 311; Klein in Klein13, § 8 AO Rz. 1; Koenig3, § 8 AO Rz. 4. 3 BFH v. 23.11.2000 – VI R 107/99, BStBl. II 2001, 243 = FR 2001, 426 m. Anm. Kanzler; v. 22.4.1994 – III R 22/92, FR 1994, 647 m. Anm. Kanzler = BStBl. 1994, 887. 4 Musil in HHSp, § 8 AO Rz. 11 (Stand: Mai 2016). 5 AEAO zu § 8 Nr. 2; BFH v. 14.11.1969 – III R 95/68, BStBl. II 1970, 153; FG BW v. 10.11.2006 – 7 K 211/03, EFG 2007, 333, rkr. 6 BFH v. 23.10.1985 – I R 274/82, BStBl. II 1986, 133 = FR 1986, 161; Kruse in Tipke/Kruse, § 8 AO Rz. 4 (Stand: Juli 2016). 7 BFH v. 28.1.2004 – I R 56/02, BFH/NV 2004, 917; FG Münster v. 10.6.2006 – 6 K 2529/99 E, DStRE 2003, 94, rkr. 8 BFH v. 28.1.2004 – I R 56/02, BFH/NV 2004, 917. 9 BFH v. 19.3.2001 – I R 15/01, DStRE 2003, 346; v. 12.1.2001 – VI R 64/98, DStRE 2001, 641 (642); FG Köln v. 27.6.2006 – 10 K 6348/97, EFG 2002, 1198; FG Hamburg v. 18.2.1988 – II 297/85, EFG 1988, 424, rkr. 10 Musil in HHSp, § 8 AO Rz. 13 (Stand: Mai 2016); Kruse in Tipke/Kruse, § 8 AO Rz. 1, 4 (Stand: Juli 2016); BFH v. 24.1.2001 – I R 100/99, BFH/NV 2001, 1402 (1403). 11 Von Oertzen in Scherer, Münchener Anwaltshandbuch Erbrecht4, § 34 Rz. 9. 12 AEAO zu § 8 Nr. 3. 13 FG Hamburg v. 31.1.2013 – 6 K 224/12 – juris; FG Hess. v. 13.12.2010 – 3 K 1060/09, EFG 2011, 1133; so auch bereits FG Hamburg v. 10.7.2008 – 6 K 56/06 – juris; allerdings verneinend vgl. FG Hess. v. 12.4.2012 – 3 K 1061/09, EFG 2012, 1718 (nrkr., Az. BFH I R 50/12): Zimmer im Keller eines Einfamilienhauses, das ein Pilot nur zum Zwecke der Übernachtung nutzte.
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Eintritt der persönlichen Steuerpflicht (Abs. 1)
Rz. 10 § 2 ErbStG
Zimmer – insbesondere ein Hotelzimmer – aus.1 Eigene Möbel sind grundsätzlich nicht erforderlich.2 Streitig ist, ob eine Küche/Kochgelegenheit erforderlich ist. Auf eine Kochgelegenheit kommt es nach h.M. nicht an.3 Eine andere Auffassung in der Literatur hingegen verneint das Vorliegen einer Wohnung, wenn keine Küche bzw. Kochgelegenheit vorhanden ist.4 Ob eine Wohnung vorliegt oder nicht, kann nicht allein von dem Vorhandensein einer Küche/Kochgelegenheit abhängen. Das Vorliegen einer Küche ist m.E. kein geeignetes Abgrenzungskriterium. Insgesamt ist die Rspr. so zu interpretieren, dass die Anforderungen an eine Wohnung recht gering sind. (4) Innehaben der Wohnung Die Annahme einer Wohnung i.S.d. § 2 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 Buchst. a ErbStG i.V.m. § 8 AO verlangt ne- 10 ben zum dauerhaften Wohnen geeigneten Räumlichkeiten deren Innehaben in dem Sinne, dass der Steuerpflichtige über eine seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen entsprechende Wohnung tatsächlich verfügen kann und sie als Bleibe entweder ständig benutzt oder sie doch mit einer gewissen Regelmäßigkeit – wenn auch in größeren Zeitabständen – aufsucht.5 Die Beurteilung richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls. Nach einem Urteil des BFH,6 auf das auch die FinVerw. im AEAO verweist, reicht es aus, dass die Wohnung regelmäßig zu bestimmten Zeiten über einige Wochen jährlich benutzt wird. Sie dient dem BFH zufolge dem Steuerpflichtigen als Bleibe, wenn dieser sie ständig oder doch mit einer gewissen Regelmäßigkeit und Gewohnheit benutzt. Der BFH betonte in dieser Entscheidung jedoch, dass ein nur gelegentliches Verweilen während unregelmäßig aufeinanderfolgenden kurzen Zeiträumen zu Erholungszwecken gegen einen Wohnsitz spricht.7 In dem dieser Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt nutzte eine Steuerpflichtige eine Doppelhaushälfte im Inland über mehrere Jahre zweimal jährlich zu bestimmten Zeiten für zwei bis drei Wochen zur Rehwildjagd. Der BFH sah diese Nutzung aufgrund der Regelmäßigkeit für ausreichend an. Für einen Wohnsitz sprach auch der Umstand, dass die Steuerpflichtige an diesem Ort noch familiäre Bindungen hatte (Geschwister). Eine Mindestaufenthaltsdauer wird von der Rspr. nicht gefordert. In einigen Urteilen des BFH hingegen wird eine unregelmäßige Nutzung der inländischen Wohnung als ausreichend angesehen, sofern die Wohnung nicht nur zu Besuchs- oder Freizeitzwecken aufgesucht worden ist.8 Es können zwischen den einzelnen Nutzungen auch größere Zeitabstände liegen.9 In einem neueren Urteil des FG BW10 ging es um die Frage, ob eine natürliche Person, die im Ausland ansässig ist, aber in Deutschland noch über ein Ferienhaus verfügt, unbeschränkt erbschaftsteuerpflichtig sein kann, wenn das Ferienhaus lediglich zu Erholungszwecken sechs bis acht Wochen im Jahr genutzt wird. Die Beschenkten beriefen sich auf die Anwendbarkeit der Freibeträge. Das FG BW vertrat die Auffassung, dass sechs- bis achtwöchige Aufenthalte in einem Ferienhaus im Inland nicht ausreichend seien, um einen Wohnsitz zu begründen.11 Ein Wochenend- oder Ferienhaus kann auch einen Wohnsitz darstellen, allerdings nur, wenn es nicht nur als Feriendomizil benutzt wird.12 Handelt es sich nur um gelegentliche Aufenthalte des Steuerpflichtigen in einem Haus während der Schulferien der Kinder, so soll kein 1 FG Hamburg v. 18.2.1988 – II 297/85, EFG 1988, 424 (425); FG BW v. 3.11.2004 – 10 K 211/01, EFG 2005, 535 (536); fraglich ist aber dann, ob auch ein Innehaben des Hotelzimmers durch den Steuerpflichtigen bejaht werden kann. 2 BFH v. 14.11.1969 – III R 95/68, BStBl. II 1970, 153 (155); FG Hamburg v. 18.2.1988 – II 297/85, EFG 1988, 424 (425). 3 FG Hess. v. 12.4.2012 – 3 K 1061/09; bestätigt durch BFH/NV 2013, 1909. 4 BFH v. 2.4.1997 – X R 141/94, BStBl. II 1997, 611 = FR 1997, 643; FG BW v. 3.5.1985 – II 271/82, EFG 1985, 483; Gersch in Klein13, § 8 AO Rz. 2; Koenig3, § 8 AO Rz. 9. 5 BFH v. 12.1.2001 – VI R 64/98, DStRE 2001, 641; v. 23.11.2000 – VI R 107/99, BStBl. II 2001, 243 = FR 2001, 426 m. Anm. Kanzler; v. 23.11.1988 – II R 139/87, BStBl. II 1989, 182; FG BW v. 1.3.1996 – 9 K 276/93. 6 BFH v. 23.11.1988 – II R 139/87, BStBl. II 1989, 182. 7 BFH v. 5.1.2012 – III B 42/11, BFH/NV 2012, 978; v. 5.6.2003 – III R 10/02, FR 2003, 973 m. Anm. Kanzler = DStRE 2001, 1089; FG München v. 1.8.2008 – 10 K 3316/07, DStRE 2009, 1106 (rkr.). 8 BFH v. 28.1.2004 – I R 56/02, BFH/NV 2004, 917; v. 19.3.1997 – I R 69/96, FR 1997, 648 = BStBl. II 1997, 447 (448); v. 27.9.1999 – I B 83/98, BFH/NV 2000, 673. 9 FG Hess. v. 8.3.2012 – 3 K 3210/09. 10 FG BW v. 29.10.2008 – 2 K 1986/07, IStR 2009, 249. 11 So auch bereits BFH v. 26.1.2001 – VI R 89/00, BFH/NV 2001, 1018. 12 BFH v. 6.3.1968 – I 38/65, BStBl. II 1968, 439; v. 24.4.1964 – VI 236/62 U, BStBl. III 1964, 535.
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§ 2 ErbStG Rz. 11 Persönliche Steuerpflicht Wohnsitz an diesem Ort gegeben sein. Allerdings ist hier auch die Rspr. nicht einheitlich. So hat der BFH ein Ferienhaus als Wohnsitz angesehen, das mit Unterbrechungen etwas vier Monate lang, im Sommer und im Winter, zum Aufenthalt diente.1 Die Nutzung der Wohnung darf keine nur vorübergehende sein. Teilweise wird in der Rspr. zum Zwecke einer zeitlichen Vorgabe beim Wohnsitzbegriff regelmäßig auf die Sechs-Monats-Frist des § 9 Satz 2 abgestellt.2 In der Sechs-Monats-Frist kommt zum Ausdruck, ab welcher Zeitdauer ein Aufenthalt nicht mehr nur vorübergehend ist.3 Kein Innehaben liegt vor, wenn sich jemand in regelmäßigen Abständen in der Wohnung eines Angehörigen oder Bekannten aufhält, sofern es nicht wie im Fall einer Familienwohnung oder der Wohnung einer Wohngemeinschaft gleichzeitig die eigene Wohnung ist.4 Ein Innehaben mangels Verfügungsmöglichkeit soll nach dem Hessischen FG nicht gegeben sein, wenn sich mehrere Flugbegleiter bzw. Piloten eine Standby-Wohnung teilen, aber aufgrund der Vielzahl der Mieter nicht jede der Personen ständig die Verfügungsgewalt über die Wohnung hat.5 Fraglich ist, ob auch ein angemietetes Hotelzimmer zum Wohnsitz werden kann. Dies wird von der Rspr. nicht einheitlich beantwortet.6 Ist eine natürliche Person – wenn auch regelmäßig – im Inland und wohnt dort stets in verschiedenen Hotels, kommt ein Wohnsitz vom Wortlaut des § 8 AO nicht in Betracht. Es fehlt an der Verfügungsmöglichkeit. Diese Frage dürfte sich höchstens stellen, wenn einer Person ein Hotelzimmer in einem Hotel jederzeit zur Nutzung bereitgehalten wird, also langfristig angemietet wird bzw. eine langfristige Vermietung desselben Hotelzimmers vorliegt.7 (5) Wohnsitz bei Ehegatten 11
Grundsätzlich ist die Frage des Wohnsitzes bei Ehegatten und sonstigen Familienangehörigen getrennt zu prüfen.8 Es gibt die Vermutung, dass ein Ehegatte, der nicht dauernd getrennt lebt, seinen Wohnsitz grundsätzlich dort hat, wo seine Familie lebt.9 Die Beziehung zur Familie hat Vorrang gegenüber sonstigen familiären und gesellschaftlichen Bindungen. Grundsätzlich ist der Rspr. zu entnehmen, dass die Wohnung der Familie grds. ein Indiz dafür ist, dass ein Steuerpflichtiger auch dort seinen Wohnsitz hat. In den Urteilen, in welchen die Vermutung, dass ein Ehegatte seinen Wohnsitz bei seiner Familie hat, aufgestellt wird, bedeutet dies allerdings lediglich, dass an diesem Ort in jedem Fall ein Wohnsitz angenommen wird. Dies schließt allerdings nicht aus, dass der Steuerpflichtige auch in einem anderen Staat weiterhin einen anderen Wohnsitz begründet.10 Die Vermutung, dass ein Ehegatte dort in jedem Falle wohnt, wo seine Familie sich befindet, kann er allerdings auch widerlegen.11 So soll dies nicht der Fall sein, wenn ein im Ausland lebender Ehegatte niemals im Inland mit dem Ehegatten zusammengelebt hat.12 Bei Auslandsaufenthalten von weniger als einem Jahr existiert eine Vermutung dafür, dass ein davor existierender Wohnsitz beibehalten wird. Bei längerer Abwesenheit müssen besondere Umstände hinzutreten, um ein Aufrechterhalten des Wohnsitzes annehmen zu können; kurz-
1 BFH v. 23.11.1988 – II R 139/87, BStBl. II 1989, 182; v. 4.6.1964 – IV 29/64 U, BStBl. III 1964, 535; Ferienhaus als Wohnsitz, vgl. auch BFH v. 10.11.1978 – VI R 127/76, BStBl. II 1979, 335 mit der Besonderheit, dass der Steuerpflichtigen während der Sommermonate von diesem Ferienhaus aus auch seine Arbeitsstätte aufsuchte. 2 BFH v. 30.8.1989 – I R 215/85, BStBl. II 1989, 956 (957); Musil in HHSp, § 9 AO Rz. 11 (Stand: Mai 2016). 3 BFH v. 20.11.2008 – III R 53/05, BFH/NV 2009, 564; v. 22.8.2007 – III R 89/06, BFH/NV 2008, 351. 4 AEAO zu § 8 Nr. 4 Satz 6. 5 FG Hess. v. 13.11.2012 – 3 K 1062/09, EFG 2013, 742; vgl. dazu BFH v. 10.4.2013 – I R 50/12, BFH/NV 2013, 1909 mit Zurückverweisung an das FG. 6 Dies verneinend: FG Münster v. 22.2.1984 – V 2216/83 U, EFG 1984, 636. 7 FG Hamburg v. 31.1.2013 – 6 K 224/12 – juris; Buciek in Beermann/Gosch, § 8 AO Rz. 17 (Stand: Mai 2011). 8 AEAO zu § 8 Ziff. 1 Satz 1. 9 AEAO zu § 8 Ziff. 1 Satz 3; BFH v. 6.2.1985 – I R 23/82, BStBl. II 1985, 331 = FR 1985, 325; v. 17.5.1995 – I R 8/94, BStBl. II 1996, 2 = FR 1996, 35. 10 FG Köln v. 27.6.2002 – 10 K 6348/97, DStRE 2002, 1335; BFH v. 19.3.1997 – I R 69/96, FR 1997, 648 = BStBl. II 1997, 447. 11 FG Hess. v. 8.3.2012 – 3 K 3210/09. 12 BFH v. 3.3.1978 – VI R 195/75, BStBl. II 1978, 372; a.A.: Koenig3, § 8 AO Rz. 15.
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Eintritt der persönlichen Steuerpflicht (Abs. 1)
Rz. 13 § 2 ErbStG
zeitige Besuche und sonstige kurzfristige Aufenthalte zu Urlaubs-, Berufs- oder familiären Zwecken genügen dann gerade nicht mehr.1 (6) Begleitumstände des Wohnens Das Innehaben einer Wohnung muss unter Umständen geschehen, die darauf schließen lassen, dass 12 die Wohnung beibehalten und benutzt wird.2 Das Innehaben einer Wohnung begründet nur solange einen Wohnsitz, wie es nach den tatsächlichen Verhältnissen zumindest wahrscheinlich ist, dass die Verfügungsgewalt fortdauert. Es ist insoweit eine Prognoseentscheidung zu treffen, bei der aus den äußeren objektiven Tatsachen Schlüsse auf das künftige Verhalten des Wohnungsinhabers zu ziehen sind. Die äußeren Umstände müssen den Schluss zulassen, dass der Wohnungsinhaber die Wohnung auch in Zukunft weiterhin benutzen wird, und der maßgebliche Nutzungswille muss erkennbar anhand der äußeren Gegebenheiten hervorgetreten sein. Die Bestimmung der Wohnung zu nicht nur vorübergehenden Wohnzwecken ist entscheidend.3 (7) Bewertung und Folgen für die Praxis Eine Analyse der Rspr. zu § 8 AO ergibt, dass hinsichtlich des Tatbestandsmerkmals des Innehabens ei- 13 ner Wohnung grds. keine einheitlichen Maßstäbe erkennbar sind. Zwar stellt die Rspr. stets darauf ab, dass eine gewisse Regelmäßigkeit und Dauerhaftigkeit des Aufenthalts des Steuerpflichtigen erforderlich ist. Allerdings wird immer wieder in diversen BFH-Urteilen festgestellt, dass es keine Mindestaufenthaltsdauer gibt, bei der ein Wohnsitz in jedem Falle angenommen werden kann. So hat der BFH in einem Urteil vom 22.11.20114 nochmals betont, dass es unter Berücksichtigung der Umstände des konkreten Falls im Wege der Tatsachenwürdigung beurteilt werden muss, ob bei einem Auslandsaufenthalt im Einzelfall ein Wohnsitz beibehalten wird. Die Rspr. zu § 8 AO ist kasuistisch. Hat ein Erblasser/Schenker oder ein Erwerber eine Wohnung im Inland, kann darin ein Wohnsitz i.S.d. § 8 AO vorliegen. Dies hat im Rahmen des § 2 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 Buchst. a ErbStG weitreichende Folgen, weil ein Wohnsitz eines Beteiligten dazu führt, dass der Erbanfall oder die Schenkung der unbeschränkten Erbschaftsteuer unterliegen und damit das weltweite Vermögen erfasst wird. Daher ist bei einer grenzüberschreitenden Erbschaftsteuerplanung darauf zu achten, ob der Steuerpflichtige neben ausländischen Wohnsitzen noch einen Wohnsitz in Deutschland hat. Zur Vermeidung der unbeschränkten Erbschaftsteuerpflicht ist zu empfehlen, den Wohnsitz aufzugeben. In solchen Fällen ist allerdings bei deutschen Staatsangehörigen die erweitert unbeschränkte Steuerpflicht zu beachten.5 Die Aufgabe eines Wohnsitzes liegt vor, wenn die Mietwohnung gekündigt oder ein im Eigentum stehendes Haus bzw. Wohnung nicht nur kurzfristig vermietet wird.6 Dies gilt auch, wenn eine nur befristete Vermietung vorliegt und eine Rückkehr ins Inland geplant ist.7 Auch bei Zurücklassung der Wohnung zur bloßen Vermögensverwaltung soll der Wohnsitz nach der FinVerw. mit dem Wegzug des Steuerpflichtigen beendet sein. Eine Vermögensverwaltung liegt vor, wenn ein ins Ausland versetzter Steuerpflichtiger seine Wohnung bzw. seinen Grundbesitz verkaufen oder langfristig vermieten will und dies in absehbarer Zeit auch tatsächlich verwirklicht. Selbst eine zwischenzeitlich kurze Rückkehr führt nicht dazu, dass die zurückgelassene Wohnung dadurch zum inländischen Wohnsitz wird.
1 BFH v. 20.11.2008 – III R 53/05, BFH/NV 2009, 564; FG Münster v. 16.6.2001 – 3 K 4610/10 Kg, EFG 2012, 70; FG BW v. 9.2.2010 – 4 K 5221/08, EFG 2010, 886. 2 Kruse in Tipke/Kruse, § 8 AO Rz. 9 (Stand: Juli 2016); BFH v. 23.11.2000 – VI R 107/99, BStBl. II 2001, 243 = FR 2001, 426 m. Anm. Kanzler. 3 BFH v. 23.10.1985 – I R 274/82, BStBl II 1986, 133; v. 26.2.1986 – II R 200/82, BFH/NV 1987, 201. 4 BFH v. 22.11.2011 – III B 154/11, juris. 5 Von Oertzen in Scherer, Münchener Anwaltshandbuch Erbrecht4, § 34 Rz. 11. 6 AEAO zu § 8 Nr. 6 Satz 2. 7 FG Hamburg v. 20.6.2001 – I 468/98, juris.
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§ 2 ErbStG Rz. 14 Persönliche Steuerpflicht cc) Gewöhnlicher Aufenthalt (§ 9 AO) 14
Liegt kein Wohnsitz i.S.d. § 8 AO vor, ist darüber hinaus zu prüfen, ob ein gewöhnlicher Aufenthalt gem. § 9 AO gegeben ist.1 Es reicht für eine unbeschränkte Steuerpflicht nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 Buchst. a ErbStG bereits aus, wenn eines der beiden Tatbestandsmerkmale gegeben ist. Aus dem Gesetz ergibt sich grundsätzlich kein Vorrang des Wohnsitzes vor dem gewöhnlichen Aufenthalt. Es wird regelmäßig zunächst das Vorliegen eines Wohnsitzes geprüft und erst dann das Vorliegen eines gewöhnlichen Aufenthalts. Allerdings ist die Reihenfolge nicht rechtlich zwingend.2 Auch im Rahmen des gewöhnlichen Aufenthalts kommt es nur auf die objektivierten Umstände an.3 Daher können sowohl ein zwangsweiser als auch ein rechtlich unzulässiger Aufenthalt als gewöhnlicher Aufenthalt qualifiziert werden. Im Gegensatz zum Wohnsitz ist der gewöhnliche Aufenthalt an eine bestimmte Zeitdauer geknüpft, so dass hier weniger Abgrenzungsschwierigkeiten auftreten als beim Wohnsitzbegriff. Einen gewöhnlichen Aufenthalt kann eine natürliche Person nur entweder im Inland oder im Ausland haben, einen Wohnsitz hingegen in mehreren Staaten.4
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Die Vorschrift des § 9 AO beinhaltet zwei verschiedene Tatbestände, die nebeneinander stehen: Gemäß § 9 Satz 1 AO hat jemand seinen gewöhnlichen Aufenthalt dort, wo er sich unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, dass er an diesem Ort oder in diesem Gebiet nicht nur vorübergehend verweilt. Gemäß § 9 Satz 2 AO ist als ein gewöhnlicher Aufenthalt stets und von Beginn an ein zeitlich aufeinanderfolgender Aufenthalt von sechs Monaten Dauer anzusehen;5 kurzfristige Unterbrechungen bleiben unberücksichtigt. § 9 Satz 2 AO gilt nicht, wenn der Aufenthalt ausschließlich zu Besuchs-, Erholungs-, Kur- oder ähnlichen privaten Zwecken genommen wird und nicht länger als ein Jahr dauert (§ 9 Satz 3 AO),6 so dass dies vorrangig geprüft werden sollte. Bei einer weniger als sechs Monate andauernden Tätigkeit ist ein gewöhnlicher Aufenthalt zu bejahen, wenn Inlandsaufenthalte nacheinander folgen, die sachlich miteinander verbunden sind, und der Steuerpflichtige von vornherein beabsichtigt, nicht nur vorübergehend im Inland zu verweilen.7 Ist ein Aufenthalt geplant, der weniger als sechs Monate dauern soll, liegen die Voraussetzungen des § 9 Satz 1 AO nicht vor.8 Sollte der Aufenthalt indes länger andauern, so wird er zu einem gewöhnlichen Aufenthalt i.S.d. § 9 Satz 2 AO. Das bedeutet, dass auch Aufenthalte von weniger als sechs Monaten § 9 AO unterliegen können. § 9 Satz 1 AO ist im Unterschied zu § 9 Satz 2 AO aus der ex-ante-Betrachtung zu beurteilen. So würde auch ein geplanter Aufenthalt von mehr als sechs Monaten zu einem gewöhnlichen Aufenthalt führen, wenn dieser dann vor Ablauf der sechs Monate beendet wird. Dadurch kann auch über § 9 Satz 1 AO ein gewöhnlicher Aufenthalt bei einer Aufenthaltsdauer von weniger als sechs Monaten vorliegen, wenn die ursprüngliche Absicht des Steuerpflichtigen auf einen längeren Aufenthalt erkennbar ist.9 Als ein gewöhnlicher Aufenthalt ist ein zeitlich zusammenhängender Aufenthalt von mehr als sechs Monaten anzusehen, wenn es sich nicht nur um einen Aufenthalt für bestimmte private Zwecke handelt (§ 9 Satz 2, 3 AO). Bei fortdauernden Schwerpunktaufenthalten im Ausland begründet nach der FinVerw. ein kurzzeitiger Aufenthalt im Inland keinen gewöhnlichen Aufenthalt. Umgekehrt kann ein fortdauernder Schwerpunktaufenthalt im Inland nicht durch einen kurzzeitigen Aufenthalt im Ausland unterbrochen werden.10 Ein zeitlich zusammenhängender Aufenthalt von mehr als sechs Monaten liegt vor, wenn dieser vorgegebene Zeitraum überschritten wird; kurzfristige Unterbrechungen werden nicht mitgerechnet. Die Sechs-Monats-Frist muss nicht innerhalb eines Kalenderjahres oder Veranlagungszeitraums überschritten werden.11 So liegt auch ein gewöhnlicher Aufenthalt vor, wenn 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11
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Dazu Buciek in Beermann/Gosch, § 9 AO Rz. 1 ff. (Stand: Mai 2011). Musil in HHSp, § 9 AO Rz. 11 (Stand: Mai 2016); Kruse in Tipke/Kruse, § 9 AO Rz. 2 (Stand: Juli 2016). BFH v. 3.8.1977 – I R 210/75, BStBl. II 1978, 118; FG Hess. v. 18.12.2001 – 8 K 6973/98, juris. BFH v. 10.8.1983 – I R 241/82, BStBl. II 1984, 11 = FR 1984, 48; AEAO zu § 9 Ziff. 3 Satz 1; Eich, EStB 2011, 269 (270). FG BW v. 17.4.2013 – 14 K 2879/12, EFG 2013, 1304. Musil in HHSp, § 9 AO Rz. 13 (Stand: Januar 2016). BFH v. 27.7.1962 – VI 156/59 U, BStBl. III 1962, 429; v. 3.8.1977 – I R 210/75, BStBl. II 1978, 118. Buciek in Beermann/Gosch, § 9 AO Rz. 19 (Stand: Mai 2011); Musil in HHSp, § 9 AO Rz. 21 (Stand: Mai 2016); a.A.: Stapperfend in HHR, § 1 EStG Rz. 76 (Stand: Juni 2016). BFH v. 30.8.1989 – I R 215/85, BStBl. II 1989, 956; v. 3.8.1977 – I R 210/75, BStBl. II 1978, 118. AEAO zu § 9 Ziff. 3 Sätze 2 und 3. BFH v. 22.6.2011 – I R 26/10, NV 2011, 2001; Anm. Marfels, StBW 2011, 1028.
Schienke-Ohletz
Eintritt der persönlichen Steuerpflicht (Abs. 1)
Rz. 17 § 2 ErbStG
der Steuerpflichtige vom 1.10. an mehr als sechs Monate im Inland verbringt. Wird die Frist einmal überschritten, gilt der Beginn der Frist rückwirkend als maßgeblicher Zeitpunkt für die unbeschränkte Steuerpflicht. Bei Unterbrechungen der Anwesenheit kommt es darauf an, ob der Aufenthalt trotz der Unterbrechung nach den objektiven Umständen (z.B. der Fortdauer des Anlasses für den Aufenthalt) noch als zusammenhängend angesehen werden kann.1 Nach einer Auffassung in der steuerrechtlichen Literatur soll eine Abwesenheit von mehr als zwei bis drei Wochen als weitere zeitliche Grenze für das Vorliegen eines gewöhnlichen Aufenthalts dienen, bei deren Überschreitung die Frist des § 9 Satz 2 AO unterbrochen wird.2 Eine andere Auffassung, der sich auch der BFH angeschlossen hat,3 spricht sich indes gegen eine „feste zeitliche Grenze“ aus. Maßgebend sei eine einzelfallbezogene zeitliche Grenze im Verhältnis zur Dauer des Gesamtaufenthalts.4 So könne bei einem z.B. vierjährigen Aufenthalt in Deutschland eine Abwesenheit von mehr als zwei bis drei Wochen jährlich nicht dazu führen, dass der gewöhnliche Aufenthalt im Inland unterbrochen werde.5 Der Auffassung des BFH ist zuzustimmen. Sonst könnte die Vermutung des § 9 Satz 2 AO stets dadurch widerlegt werden, dass der Steuerpflichtige mehrfach durch Auslandsaufenthalte die Frist unterbricht. Allerdings ist auch zu bedenken, dass bei immer wiederkehrenden Aufenthalten im Inland bereits ein Wohnsitz gegeben sein kann, so dass es auf die Frage des gewöhnlichen Aufenthalts selten ankommt. Bei Grenzgängern liegt der gewöhnliche Aufenthalt grundsätzlich im Wohnsitzstaat.6 Dies gilt ebenfalls für selbständig Tätige, die nach Dienstschluss stets zu ihrem Wohnsitz zurückkehren.7 Etwas anderes hinsichtlich des gewöhnlichen Aufenthalts gilt allerdings bei Personen, die im Inland arbeiten und nicht nach Dienstschluss zu ihrer Familie ins Ausland zurückkehren, sondern dort i.d.R. nur am Wochenende bzw. zu Ferienzeiten anwesend sind. In einem solchen Fall kann ein gewöhnlicher Aufenthalt in Deutschland grundsätzlich gegeben sein.8 Eine Aufgabe des gewöhnlichen Aufenthalts liegt vor, wenn der Steuerpflichtige zusammenhän- 16 gend mehr als sechs Monate wiederum im Ausland lebt. Dies gilt nur dann nicht, wenn besondere Umstände darauf schließen lassen, dass die Beziehungen zum Inland bestehen bleiben. Dabei kommt es darauf an, ob der Steuerpflichtige den persönlichen und geschäftlichen Lebensmittelpunkt ins Ausland verlegt hat und ob er seinen Willen, in den Geltungsbereich dieses Gesetzes zurückzukehren, endgültig aufgegeben hat.9 Bei einem Aufenthalt von mehr als einem Jahr im Ausland ist i.d.R. davon auszugehen, dass ein gewöhnlicher Aufenthalt in Deutschland aufgegeben worden ist.10 b) Erweitert unbeschränkte Steuerpflicht (Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 Buchst. b) aa) Voraussetzungen Das Erbschaftsteuerrecht kennt auch die sog. erweitert unbeschränkte Steuerpflicht. Sie beinhaltet, 17 dass deutsche Staatsgehörige, die weniger als fünf Jahre aus Deutschland weggezogen sind, trotz Aufgabe ihres Wohnsitzes innerhalb dieser Frist noch der unbeschränkten Erbschaftsteuerpflicht in Deutschland unterliegen. Die erweitert unbeschränkte Steuerpflicht soll verhindern, dass die Erbschaft- und Schenkungsteuerpflicht durch einen nur vorübergehenden Wegzug ins Ausland umgangen wird.11 Dies betrifft sowohl Erblasser bzw. Schenker als auch Erwerber. Voraussetzung ist, dass sie keinen Wohnsitz in Deutschland haben. Liegt noch ein Wohnsitz vor, so ist die unbeschränkte 1 Buciek in Beermann/Gosch, § 9 AO Rz. 48 m.w.N. (Stand: Mai 2011). 2 Kratzsch in Schwarz/Pahlke, § 9 AO Rz. 9 (Stand: Januar 2016); Stapperfend in HHR, § 1 EStG Rz. 77 (Stand: Juni 2016); Lehner/Waldhoff in K/S/M, § 1 EStG Rz. B 193 (Stand: Februar 2016). 3 BFH v. 22.6.2011 – I R 26/10, BFH/NV 2011, 2001. 4 Buciek in Beermann/Gosch, § 9 AO Rz. 49 (Stand: Mai 2011); Koenig3, § 9 AO Rz. 17; Mössner in Mössner u.a.4, Steuerrecht international tätiger Unternehmen, Rz. B 33. 5 BFH v. 22.6.2011 – I R 26/10, BFH/NV 2011, 2001. 6 BFH v. 10.5.1989 – I R 50/85, BStBl. II 1985, 755; v. 10.7.1996 – I R 4/96, BStBl. II 1997, 15 = FR 1997, 23 m. Anm. Kempermann. 7 AEAO zu § 9 Ziff. 2 Satz 3. 8 AEAO zu § 9 Ziff. 2 Satz 4. 9 BFH v. 27.7.1962 – VI 156/59 U, BStBl. III 1962, 429. 10 AEAO zu § 9 Ziff. 4 Satz 4. 11 Weinmann in Moench/Weinmann, § 1 ErbStG Rz. 12 (Stand: November 2015).
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§ 2 ErbStG Rz. 18 Persönliche Steuerpflicht Steuerpflicht gem. § 2 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 Buchst. a ErbStG anwendbar. Die fünfjährige Frist beginnt mit Aufgabe des Wohnsitzes, wird allerdings bei jeder kurzzeitigen Neubegründung eines Wohnsitzes wieder beendet und beginnt anschließend von neuem.1 Die deutsche Staatsangehörigkeit wird grds. durch Geburt, Legitimation oder Einbürgerung erworben. Seit dem 1.1.2000 besteht auch die Möglichkeit, dass ein auf deutschem Boden von Ausländern geborenes Kind die deutsche Staatsangehörigkeit erwirbt (§ 4 Abs. 3 StAG).2 Sollte ein Kind eine weitere Staatsbürgerschaft besitzen, so muss es zwischen dem Eintritt der Volljährigkeit und der Vollendung des 23. Lebensjahres die ausländische Staatsangehörigkeit aufgeben, um die deutsche nicht zu verlieren (§ 29 StAG).3 Auch bei einer doppelten Staatsangehörigkeit ist die erweitert unbeschränkte Steuerpflicht anwendbar. Nach Jülicher soll die erweitert unbeschränkte Steuerpflicht nicht anwendbar sein, wenn der Steuerpflichtige zu dem anderen Staat die näheren Beziehungen aufweist, dessen Staatsangehöriger er ebenfalls ist.4 Diese Einschränkung wird von anderen Teilen in der Literatur abgelehnt, weil das Gesetz eine solche nicht vorsieht.5 Dem ist entgegenzuhalten, dass eine teleologische Reduktion der Vorschrift zugunsten des Steuerpflichtigen unproblematisch sein dürfte. Schwierigkeiten wird aber die Abgrenzung bereiten, zu welchem Staat die näheren Beziehungen bestehen. bb) ErbSt-DBA USA 18
Im Zusammenhang mit dem Doppelbesteuerungsabkommen in Bezug auf Nachlass-, Erbschaft- und Schenkungsteuern von 1980 zwischen den USA und Deutschland vom 14.12.19986 ist seit dem 15.12.2000 die Fünfjahresfrist für Wegzügler in die USA mit nur deutscher Staatsangehörigkeit auf zehn Jahre verlängert worden (Art. 4 Abs. 3 DBA USA für Nachlass-, Erbschaft- und Schenkungsteuern). Gemäß Art. 4 Abs. 3 DBA USA gilt der Wohnsitz einer Person und der zu ihrem Haushalt gehörenden Familienmitglieder ungeachtet des Abs. 2 (sog. Tie-Breaker-Rule) als in dem Vertragsstaat gelegen, dessen Staatsangehörige sie waren (vgl. ausführlich von Oertzen, Art. 4 DBA-USA Rz. 18 ff.). cc) Aufgabe der Staatsangehörigkeit
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Zur Vermeidung einer erweitert unbeschränkten Steuerpflicht kann in der Praxis die Staatsangehörigkeit aufgegeben werden (§§ 17 ff. StAG). Allerdings ist zu berücksichtigen, dass in Fällen, in denen sowohl der Erblasser/Schenker als auch der Erwerber die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen, beide der unbeschränkten Steuerpflicht unterliegen und daher auch beide die deutsche Staatsangehörigkeit aufgeben müssten. Eine Aufgabe der Staatsangehörigkeit ist grds. dann unproblematisch, wenn der Steuerpflichtige noch eine andere Staatsangehörigkeit besitzt, also ohnehin Mehrstaater ist. Es kann auch vorher unter bestimmten Voraussetzungen des jeweiligen Staates eine neue Staatsangehörigkeit erworben werden, um die alte aufzugeben. Allerdings ist dringend zu empfehlen, diese Maßnahme vorher genau zu überlegen. Denn die Aufgabe der Staatsangehörigkeit kann weitreichende existentielle und politische Folgen nach sich ziehen. Es sollte daher z.B. nicht ohne weiteres die Staatsangehörigkeit eines „Steuerparadieses“ angenommen werden. Mit Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit entfallen auch alle Rechte sowie der diplomatische Schutz im Ausland. Daher kann es in der Praxis auch im Falle von geplanten Schenkungen ratsam sein, die Fünfjahresfrist abzuwarten. c) Deutsche Auslandsbedienstete und deren Angehörige (Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 Buchst. c) aa) Kein Inlandswohnsitz oder gewöhnlicher Aufenthalt im Inland (Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 Buchst. c Satz 1 Doppelbuchst. aa)
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Unabhängig von der Fünfjahresfrist sind auch deutsche Staatsangehörige, die im Inland weder einen Wohnsitz noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben und zu einer inländischen juristischen Person 1 2 3 4 5 6
Jülicher in T/G/J, § 2 ErbStG Rz. 21 (Stand: Juli 2015); Riedel in D/H/R, § 2 ErbStG Rz. 10. Renner/Maaßen in H/R/M5, § 4 StAngG Rz. 71 ff. Renner/Maaßen in H/R/M5, § 29 StAngG Rz. 4 ff. Jülicher in T/G/J, § 2 ErbStG Rz. 23 (Stand: Juli 2015). Weinmann in Moench/Weinmann, § 1 ErbStG Rz. 12 (Stand: Februar 2016). BGBl. II 2001, 62; BStBl. I 2001, 114.
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Eintritt der persönlichen Steuerpflicht (Abs. 1)
Rz. 23 § 2 ErbStG
des öffentlichen Rechts in einem Dienstleistungsverhältnis stehen und dafür Arbeitslohn aus einer inländischen öffentlichen Kasse beziehen, Inländer i.S.d. § 2 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 Buchst. c ErbStG. Dies gilt auch für zu ihrem Haushalt gehörende Angehörige, die die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen. Die unbeschränkte Erbschaft- und Schenkungsteuerpflicht für Auslandsbedienstete lehnt an § 1 Abs. 2 EStG an. Um eine doppelte unbeschränkte Steuerpflicht in zwei Ländern zu vermeiden, gilt dies einschränkend nur, wenn der Auslandsbedienstete lediglich in einem der beschränkten Steuerpflicht ähnlichen Umfang zu einer Nachlass- oder Erbanfallsteuer herangezogen wird (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 Buchst. c ErbStG). Die Inländereigenschaft nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 Buchst. c ErbStG greift nur ein, wenn der Steuerpflichtige keinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat, d.h. sich die Inländereigenschaft nicht bereits aus Buchst. a ergibt. Entsprechendes gilt, wenn er sowohl seinen Wohnsitz als auch den gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland aufgegeben hat, aber als deutscher Staatsangehöriger weniger als fünf Jahre im Ausland lebt. Dann ergibt sich die Inländereigenschaft bereits aus Buchst. b. Die Inländereigenschaft nach Buchst. c ist dann erst relevant, wenn ein deutscher Staatsangehöriger länger als fünf Jahre weggezogen ist. bb) Dienstverhältnis mit einer inländischen juristischen Person des öffentlichen Rechts (Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 Buchst. c Satz 1 Doppelbuchst. bb Halbs. 1) Voraussetzung ist, dass der deutsche Staatsangehörige zu einer inländischen juristischen Person des 21 öffentlichen Rechts in einem Dienstverhältnis steht. Eine inländische Körperschaft des öffentlichen Rechts kann eine inländische Gebietskörperschaft, wie z.B. Bund, Länder, etc. sein oder auch eine Personalkörperschaft, wie z.B. eine Religionsgemeinschaft oder berufsständische Vereinigung.1 Bundesoder Landesrecht ist maßgeblich. Wenn Zweifel bestehen, sollte Auskunft bei der entsprechenden Bundes- oder Landesbehörde eingeholt werden, der die jeweilige Körperschaft unterliegt.2 Ein aktives Dienstverhältnis liegt nur vor, wenn der Steuerpflichtige entweder staatliche Aufgaben wahrnimmt oder seine Dienste im Rahmen einer unmittelbaren privatwirtschaftlichen Betätigung der Körperschaft des öffentlichen Rechts leistet.3 Pensionäre sind nicht mehr in einem aktiven Dienstverhältnis. Ferner muss der Steuerpflichtige hoheitliche Aufgaben oder Dienste im Rahmen der privatwirtschaftlichen Betätigung erfüllen. Es reicht nicht aus, dass der Steuerpflichtige für eine Körperschaft tätig wird, die zu 100 % von einer inländischen juristischen Person gehalten wird.4 cc) Arbeitslohn aus einer inländischen öffentlichen Kasse (Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 Buchst. c Satz 1 Doppelbuchst. aa Halbs. 2) Der Arbeitslohn muss aus einer öffentlichen Kasse bezogen werden. Dies ist der Fall, wenn die Ver- 22 gütung durch die Kasse einer Körperschaft bezahlt wird, die der Dienstaufsicht und der Prüfung durch die öffentliche Hand unterliegt.5 Dabei kommt es nur darauf an, dass die Vergütung durch die Kasse einer Körperschaft gezahlt wird. Es muss es sich nicht um die konkrete Kasse der Körperschaft handeln, mit der auch das Dienstverhältnis besteht.6 dd) Beschränkte Steuerpflicht im Wohnsitzstaat (Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 Buchst. c Satz 2) (1) Tatsächliche Betrachtungsweise Darüber hinaus ist für die Inländereigenschaft von Auslandsbediensteten Voraussetzung, dass sie in ih- 23 rem ausländischen Wohnsitzstaat nur in einem der deutschen beschränkten Steuerpflicht ähnlichen Umfang erbschaftsteuerpflichtig sind. In den meisten Staaten wird der dort Ansässige aufgrund des Wohnsitzes der unbeschränkten Erbschaftsteuerpflicht unterliegen. Der Begriff der beschränkten Steuerpflicht ist allerdings in diesem Falle nicht technisch zu verstehen. Es ist in tatsächlicher Hinsicht zu 1 2 3 4 5 6
Jülicher in T/G/J, § 2 ErbStG Rz. 29 (Stand: Juli 2015); Jüptner in F/J/P/W5, § 2 ErbStG Rz. 50. BFH v. 1.3.1951 – I 52/50 U, BStBl. III 1951, 120. Riedel in D/H/R, § 2 ErbStG Rz. 15. BFH v. 1.3.1951 – I 52/50 U, BStBl. III 1951, 129; Riedel in D/H/R2, § 2 ErbStG Rz. 15. BFH v. 15.3.1968 – VI R 288/66, BStBl. II 1968, 437. BFH v. 15.3.1968 – VI R 288/66, BStBl. II 1968, 437.
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§ 2 ErbStG Rz. 24 Persönliche Steuerpflicht prüfen, in welchem Umfang eine Steuerpflicht im ausländischen Staat besteht. Anhand der tatsächlichen Besteuerung ist dann aus deutscher Sicht zu unterscheiden, ob es sich der Art nach um eine beschränkte oder eine unbeschränkte Steuerpflicht handelt.1 Insbesondere bei Angehörigen deutscher, diplomatischer und konsularischer Vertretungen im Ausland kommt diese Betrachtungsweise zum Tragen, wenn der ausländische Staat dem WÜD2 oder dem WÜK3 beigetreten ist und deshalb gem. Art. 39 Abs. 4 WÜD das bewegliche Vermögen des Auslandsbediensteten trotz unbeschränkter Steuerpflicht steuerfrei ist. Besteuert wiederum der ausländische Staat nur das dort belegene Inlandsvermögen, würde eine unbeschränkte Steuerpflicht gem. § 2 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 Buchst. c ErbStG relevant werden. Hinzu kommt, dass sich diese unbeschränkte Erbschaftsteuerpflicht auch auf die zu seinem Haushalt gehörenden Angehörigen erstreckt, wenn diese die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen und im ausländischen Wohnsitzstaat ebenfalls nur in einem der deutschen beschränkten Steuerpflicht ähnlichen Umfang zur dortigen Erbschaftsteuer herangezogen werden. Der Begriff der Angehörigen richtet sich nicht nach § 15 AO, sondern nach Art. 37 Abs. 1 WÜD.4 Umgekehrt gilt für deutsche Staatsangehörige im Dienste eines ausländischen Staates, dass sie in den meisten Fällen entsprechend § 2 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 Buchst. a oder b ErbStG bereits der unbeschränkten Steuerpflicht unterliegen. 24
Das Wiener Übereinkommen über diplomatische Beziehungen (WÜD) sowie das Wiener Übereinkommen über konsularische Beziehungen (WÜK) enthält folgende relevante Vorschriften: Art. 34 WÜD Der Diplomat ist von allen staatlichen, regionalen und kommunalen Personal- und Realsteuern oder -abgaben befreit; ausgenommen hiervon sind: a) die normalerweise im Preis von Waren oder Dienstleistungen enthaltenen indirekten Steuern; b) Steuern und sonstige Abgaben von privatem, im Hoheitsgebiet des Empfangsstaats gelegenem unbeweglichem Vermögen, es sei denn, dass der Diplomat es im Auftrag des Entsendestaats für die Zwecke der Mission im Besitz hat; c) Erbschaftsteuern, die der Empfangsstaat erhebt, jedoch vorbehaltlich des Art. 39 Abs. 4; d) Steuern und sonstige Abgaben von privaten Einkünften, deren Quelle sich im Empfangsstaat befindet, sowie Vermögenssteuern von Kapitalanlagen in gewerblichen Unternehmen, die im Empfangsstaat gelegen sind; e) Steuern, Gebühren und sonstige Abgaben, die als Vergütung für bestimmte Dienstleistungen erhoben werden; d) Eintragungs-, Gerichts-, Beurkundungs-, Beglaubigungs-, Hypotheken- und Stempelgebühren in Bezug auf unbewegliches Vermögen, jedoch vorbehaltlich des Art. 23. Art. 37 WÜD (1) Die zum Haushalt eines Diplomaten gehörenden Familienmitglieder genießen, wenn sie nicht Angehörige des Empfangsstaats sind, die in den Art. 29 bis 36 bezeichneten Vorrechte und Immunitäten. (2) Mitglieder des Verwaltungs- und technischen Personals der Mission und die zu ihrem Haushalt gehörenden Familienmitglieder genießen, wenn sie weder Angehörige des Empfangsstaats noch in demselben ständig ansässig sind, die in den Art. 29 bis 35 bezeichneten Vorrechte und Immunitäten; jedoch sind ihre nicht in Ausübung ihrer dienstlichen Tätigkeit vorgenommenen Handlungen von der in Art. 31 Abs. 1 bezeichneten Immunität von der Zivil- und Verwaltungsgerichtsbarkeit des Empfangsstaats ausgeschlossen. Sie genießen ferner die in Art. 36 Abs. 1 bezeichneten Vorrechte in Bezug auf Gegenstände, die anlässlich ihrer Ersteinrichtung eingeführt werden. (3) Mitglieder des dienstlichen Hauspersonals der Mission, die weder Angehörige des Empfangsstaats noch in demselben ständig ansässig sind, genießen Immunität in Bezug auf die in Ausübung ihrer dienstlichen Tätigkeit vorgenommenen Handlungen, Befreiung von Steuern und sonstigen Abgaben auf ihre Dienstbezüge, sowie die in Art. 33 vorgesehene Befreiung. (4) Private Hausangestellte von Mitgliedern der Mission genießen, wenn sie weder Angehörige des Empfangsstaats noch in demselben ständig ansässig sind, Befreiung von Steuern und sonstigen Abgaben auf die Bezüge, die sie aufgrund ihres Arbeitsverhältnisses erhalten. Im Übrigen stehen ihnen Vorrechte und Immunitäten 1 FG Düsseldorf v. 5.4.1978 – VII 274/77 E, EFG 1978, 440 zu § 1 Abs. 2 Satz 2 EStG. 2 Wiener Übereinkommen über diplomatische Beziehungen (WÜD v. 1.4.1961, BGBl. II 1964, 958). 3 Wiener Übereinkommen über die konsularischen Beziehungen (WÜK v. 24.4.1963, BGBl. II 1969, 1587; II 1971, 12 85). 4 FG Nds. v. 12.12.1969 – I 43/68, EFG 1970, 316.
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Eintritt der persönlichen Steuerpflicht (Abs. 1)
Rz. 24 § 2 ErbStG
nur in dem vom Empfangsstaat zugelassenen Umfang zu. Der Empfangsstaat darf jedoch seine Hoheitsgewalt über diese Personen nur so ausüben, dass er die Mission bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben nicht ungebührlich behindert. Art. 39 WÜD (1) Die Vorrechte und Immunitäten stehen den Berechtigten von dem Zeitpunkt an zu, in dem sie in das Hoheitsgebiet des Empfangsstaats einreisen, um dort ihren Posten anzutreten, oder, wenn sie sich bereits in diesem Hoheitsgebiet befinden, von dem Zeitpunkt an, in dem ihre Ernennung dem Ministerium für auswärtige Angelegenheiten oder dem anderen in gegenseitigem Einvernehmen bestimmten Ministerium notifiziert wird. (2) Die Vorrechte und Immunitäten einer Person, deren dienstliche Tätigkeit beendet ist, werden normalerweise im Zeitpunkt der Ausreise oder aber des Ablaufs einer hierfür gewährten angemessenen Frist hinfällig; bis zu diesem Zeitpunkt bleiben sie bestehen und zwar auch im Fall eines bewaffneten Konflikts. In Bezug auf die von der betreffenden Person in Ausübung ihrer dienstlichen Tätigkeit als Mitglied der Mission vorgenommenen Handlungen bleibt jedoch die Immunität auch weiterhin bestehen. (3) Stirbt ein Mitglied der Mission, so genießen seine Familienangehörigen bis zum Ablauf einer angemessenen Frist für ihre Ausreise weiterhin die ihnen zustehenden Vorrechte und Immunitäten. (4) Stirbt ein Mitglied der Mission, das weder Angehöriger des Empfangsstaats noch in demselben ständig ansässig ist, oder stirbt ein zu seinem Haushalt gehörendes Familienmitglied, so gestattet der Empfangsstaat die Ausfuhr des beweglichen Vermögens des Verstorbenen mit Ausnahme von im Inland erworbenen Vermögensgegenständen, deren Ausfuhr im Zeitpunkt des Todesfalles verboten war. Von beweglichem Vermögen, das sich nur deshalb im Empfangsstaat befindet, weil sich der Verstorbene als Mitglied der Mission oder als Familienangehöriger eines solchen in diesem Staat aufhielt, dürfen keine Erbschaftsteuern erhoben werden. Art. 49 WÜK Konsularbeamte und Bedienstete des Verwaltungs- und technischen Personals sowie die mit ihnen im gemeinsamen Haushalt lebenden Familienmitglieder sind von allen staatlichen, regionalen und kommunalen Personal- und Realsteuern oder -abgaben befreit; ausgenommen hiervon sind: a) die normalerweise im Preis von Waren oder Dienstleistungen enthaltenen indirekten Steuern; b) Steuern und sonstige Abgaben von privatem, im Hoheitsgebiet des Empfangsstaats gelegenem unbeweglichem Vermögen, jedoch vorbehaltlich des Art. 32; c) Erbschaftsteuern, die der Empfangsstaat erhebt, jedoch vorbehaltlich des Art. 51 Buchstabe b; und Abgaben vom Vermögensübergang; d) Steuern und sonstige Abgaben von privaten Einkünften, deren Quelle sich im Empfangsstaat befindet, sowie Vermögenssteuern von Kapitalanlagen in gewerblichen Unternehmen, die im Empfangsstaat gelegen sind; e) Steuern, Gebühren und sonstige Abgaben, die als Vergütung für bestimmte Dienstleistungen erhoben werden; d) Eintragungs-, Gerichts-, Beurkundungs-, Beglaubigungs-, Hypotheken- und Stempelgebühren in Bezug auf unbewegliches Vermögen, jedoch vorbehaltlich des Art. 23. Art. 51 WÜK Stirbt ein Mitglied der konsularischen Vertretung oder ein mit ihm im gemeinsamen Haushalt lebender Familienangehöriger, so ist der Empfangsstaat verpflichtet, a) die Ausfuhr des beweglichen Vermögens des Verstorbenen mit Ausnahme von im Empfangsstaat erworbenen Vermögensgegenständen, deren Ausfuhr im Zeitpunkt des Todesfalles verboten war, zu gestatten, b) von dem beweglichen Vermögen, das sich nur deshalb im Empfangsstaat befindet, weil sich der Verstorbene als Mitglied der konsularischen Vertretung oder als Familienangehöriger eines solchen in diesem Staat aufhielt, keine staatlichen, regionalen oder kommunalen Erbschaftssteuern oder Abgaben vom Vermögen zu erheben. Art. 53 WÜK (1) Die in diesem Übereinkommen vorgesehenen Vorrechte und Immunitäten stehen den Mitgliedern der konsularischen Vertretung von dem Zeitpunkt an zu, in dem sie in das Hoheitsgebiet des Empfangsstaates einreisen, um dort ihren Posten anzutreten, oder, wenn sie sich bereits in seinem Hoheitsgebiet befinden, von dem Zeitpunkt an, in dem sie ihre dienstliche Tätigkeit in der konsularischen Vertretung aufnehmen. (2) Den im gemeinsamen Haushalt mit einem Mitglied der konsularischen Vertretung lebenden Familienangehörigen sowie den Mitgliedern seines Privatpersonals stehen die in diesem Übereinkommen vorgesehenen Vorrechte und Immunitäten von dem Zeitpunkt an zu, in dem das Mitglied der konsularischen Vertretung nach Abs. 1 in den Genuss der Vorrechte und Immunitäten kommt oder in dem die Mitglieder der
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§ 2 ErbStG Rz. 25 Persönliche Steuerpflicht Familie oder des Privatpersonals in das Hoheitsgebiet des Empfangsstaats einreisen oder in dem sie Mitglied der Familie oder des Privatpersonals werden, je nachdem, welcher Zeitpunkt am spätesten liegt. (3) Ist die dienstliche Tätigkeit eines Mitglieds einer konsularischen Vertretung beendet, so werden seine Vorrechte und Immunitäten sowie diejenigen der mit ihm im gemeinsamen Haushalt lebenden Familienangehörigen und der Mitglieder seines Privatpersonals normalerweise im Zeitpunkt der Ausreise des Betreffenden aus dem Empfangsstaat oder nach Ablauf einer hierfür gewährten angemessenen Frist hinfällig, je nachdem, welcher Zeitpunkt früher liegt; bis zu diesem Zeitpunkt bleiben sie bestehen, und zwar auch im Fall eines bewaffneten Konflikts. Die Vorrechte und Immunitäten der in Abs. 2 bezeichneten Personen werden beim Ausscheiden aus dem Haushalt oder dem Privatpersonal eines Mitglieds der konsularischen Vertretung hinfällig; beabsichtigen sie jedoch, innerhalb einer angemessenen Frist aus dem Empfangsstaat auszureisen, so bleiben ihre Vorrechte und Immunitäten bis zu ihrer Ausreise bestehen. (4) In Bezug auf die von einem Konsularbeamten oder einem Bediensteten des Verwaltungs- oder technischen Personals in Wahrnehmung seiner Aufgaben vorgenommenen Handlungen bleibt jedoch die Immunität von der Gerichtsbarkeit auf unbegrenzte Zeit bestehen. (5) Stirbt ein Mitglied der konsularischen Vertretung, so genießen die mit ihm im gemeinsamen Haushalt lebenden Familienangehörigen weiterhin die ihnen zustehenden Vorrechte und Immunitäten bis zu ihrer Ausreise aus dem Empfangsstaat oder bis zum Ablauf einer hierfür gewährten angemessenen Frist, je nachdem, welcher Zeitpunkt früher liegt.
(2) Wiener Übereinkommen über diplomatische Beziehungen (WÜD) 25
Das Wiener Übereinkommen über diplomatische Beziehungen vom 18.4.19611 enthält folgende Regelungen: Diplomaten sind gem. Art. 34 WÜD grds. von Steuern befreit. Dies gilt nicht für die Erbschaftsteuer, die Deutschland erhebt (Art. 34 Buchst. c WÜD). Allerdings unterliegt wiederum das bewegliche Vermögen des Verstorbenen nicht der Erbschaftsteuer (Art. 39 Abs. 4 WÜD), wenn es sich nur deshalb in Deutschland befindet, weil der Verstorbene sich als Mitglied der Mission im Inland aufgehalten hat. Kapitalvermögen ist nicht als bewegliches Vermögen zu qualifizieren.2 Für zum Haushalt eines Diplomaten gehörende Familienmitglieder gilt Entsprechendes, wenn sie nicht Staatsangehörige des Empfangsstaat sind (Art. 37 Abs. 1 WÜD). Dabei handelt es sich um den Ehegatten und minderjährige Kinder, aber auch volljährige bzw. unverheiratete Kinder sowie die Eltern und Schwiegereltern, die mit im Haushalt des Diplomaten leben und von ihm wirtschaftlich abhängig sind. Dies ist nach den jeweiligen Einkommens- und Vermögensverhältnissen aufgrund einer über das Einkommen und das Vermögen abzugebenden Erklärung zu beurteilen.3 Mitglieder des Verwaltungs- und technischen Personals haben ebenfalls die Vorrechte nach Art. 37 WÜD, wenn sie weder die Staatsangehörigkeit des Empfangsstaats besitzen noch in diesem ständig ansässig sind.4 (3) Wiener Übereinkommen über konsularische Beziehungen (WÜK)
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Das Wiener Übereinkommen über konsularische Beziehungen enthält folgende Regelungen: Konsularbeamte und Bedienstete des Verwaltungs- und technischen Personals sowie die mit diesen im gemeinsamen Haushalt lebenden Familienmitglieder sind von allen staatlichen, regionalen und kommunalen Personal- und Realsteuern befreit. Ausgenommen hiervon ist ebenfalls die Erbschaftsteuer (Art. 49 Abs. 1 Buchst. c WÜK). Befreit ist allerdings auch das bewegliche Vermögen in Deutschland (Art. 51 Buchst. b Abs. 4 WÜK). Hierzu gehört ebenfalls nicht Kapitalvermögen. Privilegierungen nach dem WÜK und dem WÜD gelten nur, wenn der Diplomat bzw. Konsularbeamte und Bedienstete des Verwaltungs- und technischen Personals sich im Inland im Rahmen seiner Amtsausübung aufhält. Ist er nach seiner Tätigkeit aus privaten Gründen noch im Inland, gelten die allgemeinen Regelungen. Die Inländereigenschaft nach Buchst. c ist daher stets im Zusammenhang mit dem WÜD bzw. dem WÜK zu prüfen.
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BGBl. II 1964, 959. H E 2.1 Ziff. 2 ErbStH 2011. H E 2.1 Ziff. 3 Buchst. b ErbStH 2011. H E 2.1 Ziff. 4 ErbStH 2011.
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Eintritt der persönlichen Steuerpflicht (Abs. 1)
Rz. 30 § 2 ErbStG
d) Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen (Abs. 1 Nr. 1 Buchst. d) aa) Legaldefinition §§ 10, 11 AO Bei Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen richtet sich die Inländereigen- 27 schaft nach der Geschäftsleitung oder dem Sitz. Für die beiden Begriffe gilt ebenfalls die Legaldefinition der §§ 10, 11 AO. Sie lauten: § 10 AO Geschäftsleitung. Geschäftsleitung ist der Mittelpunkt der geschäftlichen Oberleitung. § 11 Sitz. Den Sitz hat eine Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse an dem Ort, der durch Gesetz, Gesellschaftsvertrag, Satzung, Stiftungsgeschäft oder dergleichen bestimmt ist.
bb) Geschäftsleitung Ort der Geschäftsleitung ist gem. § 10 AO der Mittelpunkt der geschäftlichen Oberleitung. Dieser 28 befindet sich dort, wo nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse abhängig von Struktur und Eigenart des Unternehmens in organisatorischer und wirtschaftlicher Hinsicht die wichtigste Stelle ist, an der die für die laufende Geschäftsführung nötigen Maßnahmen von einiger Bedeutung angeordnet werden.1 Dies ist regelmäßig dort, wo die Tagesgeschäfte vorgenommen werden.2 Die Beurteilung richtet sich nach den tatsächlichen Umständen.3 cc) Sitz Von der Geschäftsleitung ist der Sitz des Unternehmens gem. § 11 AO zu unterscheiden. Aus diesem 29 lassen sich keine Rückschlüsse auf den Ort der Geschäftsleitung ziehen. Das bedeutet, dass Sitz und Geschäftsleitung nicht zwangsläufig am selben Ort sein müssen.4 Ihren Sitz hat eine Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse dort, wo es durch Gesetz, Gesellschaftsvertrag, Satzung, Stiftungsgeschäft oder dergleichen bestimmt ist. In der Praxis sind beide Orte identisch. Ausreichend ist es jedoch, wenn einer der beiden Orte im Inland liegt.5 Der Sitz einer Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse wird daher durch Rechtsgeschäft oder durch Gesetz festgelegt, wohingegen für den Ort der Geschäftsleitung nach § 10 AO die tatsächlichen Verhältnisse maßgebend sind. dd) Personengesellschaften im Erbschaftsteuerrecht Für den Begriff der Personenvereinigung ist fraglich, ob Personengesellschaften darunter fallen. 30 Die Frage ist für die Anwendung der Freibeträge und des Steuersatzes von Bedeutung. Ist eine Zuwendung an eine Personengesellschaft als Erwerberin möglich, wäre nur Steuerklasse III anwendbar. Nach einem Urteil des BFH v. 7.12.19886 können Gesamthandsgemeinschaften Erwerber bzw. Schenker i.S.v. § 20 Abs. 1 ErbStG sein. Dies ergebe sich unmittelbar aus § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Buchst. d ErbStG. Als Inländer gelten neben natürlichen Personen u.a. Personenvereinigungen, die ihre Geschäftsleitung oder ihren Sitz im Inland haben. Die Vorschrift könne ihrem eindeutigen Wortlaut nach nicht anders ausgelegt werden, als dass der Gesetzgeber Personenvereinigungen als Erwerber oder Schenker ansieht. Zu den Personenvereinigungen gehörten allerdings auch Gesamthandsgemeinschaften wie OHG, KG und GbR. Denn es handele sich zivilrechtlich bzw. handelsrechtlich um organisierte Personenzusammenschlüsse, deren Zweck auf die gemeinschaftliche Verwirklichung eines bestimmten Bestrebens gerichtet ist. Allerdings wurde diese Auffassung mit Urteil des BFH v. 14.9.1994 bereits wieder in Frage
1 BFH v. 16.12.1998 – I R 138/97, BStBl. II 1999, 437 = FR 1999, 756 m. Anm. Kempermann. 2 BFH v. 3.7.1997 – IV R 58/95, BStBl. II 1998, 86 = FR 1998, 212; v. 23.1.1991 – I R 22/90, BStBl. II 1991, 554; v. 7.12.1994 – I K 1/93, BStBl. II 1995, 175 = FR 1995, 194 = FR 1995, 193. 3 Gersch in Klein13, § 10 AO Rz. 3. 4 BFH v. 21.9.1989 – V R 55/84, BFH/NV 1990, 353. 5 Weinmann in Moench/Weinmann, § 2 ErbStG Rz. 8 (Stand: Februar 2016). 6 BFH v. 7.12.1988 – II R 150/85, BStBl. II 1989, 237.
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§ 2 ErbStG Rz. 31 Persönliche Steuerpflicht gestellt.1 Erwerber i.S.d. ErbStG und damit auch Steuerschuldner sei nicht die Gesamthand selbst, sondern die Gesamthänder, d.h. die Gesellschafter. Dies wurde zivilrechtlich damit begründet, dass die Personengesellschaft lediglich teilrechtsfähig ist. Die Teilrechtsfähigkeit allerdings bedeute nicht, dass der Gesamthand eine den juristischen Personen vergleichbare Rechtsfähigkeit zuerkannt werden sollte, sondern nur, dass sie im Rechtsverkehr teilnehmen kann. Da nach wie vor ein Unterschied zwischen einer Kapitalgesellschaft und einer Personengesellschaft bestehe, sei für die Erbschaft- und Schenkungsteuer nicht die Gesamthand als bereichert anzusehen, sondern die Gesamthänder. Dem folgte der BFH mit einem weiteren Urteil vom 15.7.1998.2 Bei einer Schenkung an eine Gesamthand sind daher stets die Gesamthänder bereichert. Dies folge aus der Regelung des § 718 BGB für die GbR, für die Personenhandelsgesellschaften aus § 105 Abs. 2 i.V.m. § 161 Abs. 2 HGB, wonach das Gesellschaftsvermögen gemeinschaftliches Vermögen der Gesellschafter sei und nicht Vermögen der Gesellschaft. Dies gilt auch für den umgekehrten Fall, nämlich bei der Frage, auf wessen Kosten ein Erwerber bereichert ist, der von einer Gesamthandsgemeinschaft erwirbt. Zivilrechtlich ist auch hier nicht die Gesamthand als Zuwendender anzusehen, sondern die Gesamthänder. Vorteil dieser Rspr. ist, dass z.B. Schenkungen von Personengesellschaften an Familienangehörige der Gesellschafter nicht nach Steuerklasse III, sondern nach Steuerklasse I zu behandeln sind, d.h. nach dem Verwandtschaftsverhältnis zwischen den Gesamthändern und den Empfängern. Zu berücksichtigen ist, dass bei einer Erbschaft oder einer Schenkung einer Personengesellschaft alle Gesellschafter das Gesellschaftsvermögen in Höhe ihrer Beteiligung vererben bzw. verschenken. Es ist daher bei der Schenkung einer GbR bei jedem Gesellschafter zu prüfen, in welchem Verhältnis er zum Erwerber steht und welche Steuerklasse bzw. Freibeträge anwendbar sind. e) Maßgeblicher Zeitpunkt der unbeschränkten Steuerpflicht 31
In § 2 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG wird auch der Zeitpunkt definiert, in welchem eine Person Inländer sein muss. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Entscheidung, ob eine unbeschränkte Steuerpflicht vorliegt, ist im Erbfall zur Zeit des Todes des Erblassers. Bei einer Schenkung kommt es auf den Zeitpunkt der Ausführung der Schenkung an, insoweit auf die Steuerentstehung (§ 9 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG). Dabei lassen sich folgende Fallgruppen bilden: (1) Der Erblasser ist Inländer: Unabhängig von der Inländereigenschaft des Erwerbers entsteht die Steuer zum Zeitpunkt des Todes. Auf die Entstehung der Steuer der einzelnen Erwerber kommt es gar nicht an. (2) Der Erblasser ist nicht Inländer, aber der Erbwerber ist Inländer: Beim Erwerber ist auf den Zeitpunkt der Entstehung der Steuer abzustellen (vgl. § 9 ErbStG). Grundsätzlich wird diese mit dem Tod des Erblassers eintreten. Aber die Ausnahmen des § 9 Abs. 1 Nr. 1 lit a bis j ErbStG sind zu beachten. Ggf. kann eine unbeschränkte Steuerpflicht des Erwerbers noch rechtzeitig aufgegeben werden, wenn die Steuer doch zu einem späteren Zeitpunkt entsteht.3 Nach der herrschenden Auffassung in der Literatur soll für den Nacherben, der Ausländer ist, auf die Inländereigenschaft des Vorerben abgestellt werden, nicht auf die Inländereigenschaft des Erblassers. Dies soll auch gelten, wenn der Nacherbe nach § 6 Abs. 2 Satz 2 ErbStG beantragt, dass sein Verwandtschaftsverhältnis zum Erblasser der Besteuerung zugrunde gelegt werden soll.4
II. Familienstiftungen (Abs. 1 Nr. 2) 32
Unter die persönliche Steuerpflicht fällt auch eine Stiftung oder ein Verein in den Fällen des § 1 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG, wenn sie im Inland ihren Sitz oder die Geschäftsleitung hat. Gemäß § 1 Abs. 1 1 BFH v. 14.9.1994 – II R 95/92, BStBl. II 1995, 81. 2 BFH v. 15.7.1998 – II R 82/96, BStBl. II 1998, 630; zur Steuerschuldnerschaft vgl. Hartmann, ErbStB 2011, 341. 3 Weinmann in Moench/Weinmann, § 2 ErbStG Rz. 15 (Stand: Februar 2016); Meßbacher-Hönsch in Wilms/Jochum, § 2 ErbStG Rz. 70 ff. (Stand: März 2016). 4 Eisele in Kapp/Ebeling, § 2 ErbStG Rz. 4.1 (Stand: Juli 2016); Meincke16, § 2 ErbStG Rz. 7; Weinmann in Moench/Weinmann, § 2 ErbStG Rz. 15 (Stand: Februar 2016).
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Eintritt der persönlichen Steuerpflicht (Abs. 1)
Rz. 33 § 2 ErbStG
Nr. 4 ErbStG unterliegt der Erbschaft- und Schenkungsteuer auch das Vermögen einer Stiftung, sofern sie im wesentlichen Interesse einer Familie oder bestimmter Familien errichtet ist oder eines Vereins, dessen Zweck wesentlich im Interesse einer Familie oder bestimmter Familien auf die Bindung von Vermögen gerichtet ist, in Zeitabständen von je 30 Jahren seit dem in § 9 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG bestimmten Zeitpunkt (Ersatzerbschaftsteuer). Der maßgebliche Zeitpunkt ist der erste Übergang von Vermögen an die Stiftung oder den Verein. Grundsätzlich fallen Familienstiftungen oder Familienvereine bezüglich der Erbschaft- und Schenkungsteuer bereits als Körperschaften unter § 2 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 Buchst. d ErbStG. § 2 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG bezieht sich nur auf die Ersatzerbschaftsteuer. Das weltweite Vermögen der Familienstiftung oder des Familienvereins unterliegt damit der Ersatzerbschaftsteuer. § 2 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG legt fest, dass eine unbeschränkte Steuerpflicht einer Familienstiftung oder eines Familienvereins nur in Betracht kommt, wenn die jeweilige Stiftung oder der jeweilige Verein Geschäftsleitung oder Sitz im Inland hat. Hier ist wiederum auf die Vorschriften der §§ 10, 11 AO zu verweisen (vgl. Rz. 40 ff.). Demnach befindet sich der Sitz einer Familienstiftung oder eines Familienvereins an dem Ort, der durch Gesetz, Gesellschaftsvertrag, Satzung, Stiftungsgeschäft oder dergleichen bestimmt ist. Die Geschäftsleitung ist der Mittelpunkt der geschäftlichen Oberleitung. Ausländische Familienstiftungen etc. unterliegen nicht der Ersatzerbschaftsteuer (vgl. weiterführend von Oertzen, § 1 ErbStG Rz. 30).1
III. Beschränkte Steuerpflicht (Abs. 1 Nr. 3) 1. Anwendungsbereich der beschränkten Steuerpflicht Ist weder der Erblasser/Schenker noch der Erwerber zum maßgeblichen Besteuerungszeitpunkt Inlän- 33 der i.S.d. § 2 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG, unterliegt der Vermögensübergang nur der beschränkten Steuerpflicht gem. § 2 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG. Ist einer der beiden Personen Inländer, so liegt eine unbeschränkte Steuerpflicht vor.2 Für juristische Personen gilt entsprechend, dass die an dem Vermögensübergang beteiligte juristische Person weder ihren Sitz noch ihre Geschäftsleitung in Deutschland haben darf. Im Rahmen der beschränkten Steuerpflicht kommt eine Steuerpflicht nur für Vermögensgegenstände in Betracht, die zum sog. Inlandsvermögen gehören. Damit knüpft das deutsche ErbStG an das jeweilige ausländische Erbschaft- und Schenkungsteuerrecht an, welches aufgrund persönlicher Anknüpfungen wie Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt, ggf. auch Staatsangehörigkeit den Erwerb des weltweit vorhandenen Vermögens besteuert. Eine Besteuerung aufgrund der Belegenheit des Vermögens wird auch als sachgerecht angesehen, wenn persönliche Anknüpfungspunkte fehlen.3 § 2 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG verweist auf § 121 BewG, der eine abschließende Aufzählung der als Inlandsvermögen geltenden Vermögenswerte für die Erbschaft- und Schenkungsteuer vornimmt. Alle im Rahmen des § 121 BewG aufgezählten Vermögensgegenstände unterliegen damit der beschränkten Erbschaft- und Schenkungsteuerpflicht.4 Insoweit ist der Begriff „inländisches Vermögen“ nicht wörtlich gemeint, sondern ergibt sich aus der Definition des BewG. Nicht in § 121 BewG genannte Vermögensgegenstände, z.B. Wertpapierdepots, Forderungen, Barvermögen oder bestimmte bewegliche Wirtschaftsgüter (z.B. Gold), gelten nicht als Inlandsvermögen. Weiterhin gehören nicht zum Inlandsvermögen Pflichtteilsansprüche von Steuerausländern, auch wenn der Erbe Inländer ist und der Nachlass nur aus Inlandsvermögen i.S.d. § 121 BewG besteht.5 Auch Vermächtnisse in Geld qualifizieren nicht als Inlandsvermögen.6 Der Grund dafür ist, dass insbesondere Geldforderungen wie auch andere bewegliche Vermögensgegenstände keinen besonderen Bezug zu einem Ort vorweisen. Es könnte bei der Bestimmung der Belegenheit sowohl auf den Schuldner der Forderung als auch den Gläubiger der Forderung abgestellt werden. Darauf kommt es im Anwendungsbereich des § 2 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG nicht an, weil solche Vermögensgegenstände generell ausgenommen werden. 1 § 15 Abs. 1 Satz 2 AStG; Weinmann in Moench/Weinmann, § 2 ErbStG Rz. 15 (Stand: Februar 2016); Eisele in Kapp/Ebeling, § 2 ErbStG Rz. 15 (Stand: Juli 2016). 2 Krumm, IStR 2011, 615. 3 BVerfG v. 22.3.1983 – 2 BvR 475/78, NJW 1983, 2757. 4 Vgl. Übersicht bei Lehmann/Hahn, ZEV 2011, 191 (194). 5 BFH v. 21.7.1972 – III R 44/70, BStBl. II 1973, 3. 6 FG Bremen v. 7.6.1955 – III 13/55, EFG 1955, 336; Meincke16, § 2 ErbStG Rz. 11.
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§ 2 ErbStG Rz. 34 Persönliche Steuerpflicht 2. Unterschiede zur unbeschränkten Steuerpflicht 34
Nachteil der beschränkten Steuerpflicht ist, dass Schulden und Lasten gem. § 10 Abs. 6 Satz 2 ErbStG nur dann abgezogen werden können, wenn sie mit dem beschränkt steuerpflichtigen Vermögen in einem wirtschaftlichen Zusammenhang stehen.1 Danach liegt ein wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen einem Wirtschaftsgut und einer Schuld dann vor, wenn diese Schuld den Vermögensgegenstand wirtschaftlich belastet. Für die Ermittlung des Inlandsvermögens bedeutet dies, dass eine Schuld nur insoweit vom Rohvermögen abgezogen werden kann, als sie Wirtschaftsgüter belastet, die zum Inlandsvermögen gehören.2 Die Entstehung der Schuld muss ursächlich und unmittelbar auf Vorgängen beruhen, die diesen Vermögensgegenstand betreffen. Ein wirtschaftlicher Zusammenhang ist danach insbesondere zu bejahen, wenn eine Verbindlichkeit zum Erwerb, zur Sicherung oder zur Erhaltung eines Wirtschaftsguts eingegangen worden ist. Anders verhält es sich indes, wenn ein beschränkt Steuerpflichtiger aus rein familiären Gründen – etwa um seine Unterhaltspflicht zu erfüllen bzw. aufgrund sonstiger persönlicher Erwägungen – Wirtschaftsgüter des Inlandsvermögens belastet.3 Darüber hinaus erhalten alle Erwerber im Rahmen der beschränkten Steuerpflicht nur einen einheitlichen Freibetrag von 2 000 Euro (§ 16 Abs. 2 ErbStG). Sachliche Steuerbefreiungen sowie die steuerlichen Entlastungen für Betriebsvermögen sind auch im Rahmen der beschränkten Steuerpflicht anwendbar. Die Zugehörigkeit zu einer Steuerklasse richtet sich ebenfalls nach dem persönlichen Verhältnis des Erwerbers zum Erblasser/Schenker. Dies gilt auch für die Steuersätze. Hinsichtlich des Freibetrages gibt es seit dem 14.12.2011 die Möglichkeit, einen Antrag zu stellen, die gesamte Erbschaft/Schenkung als unbeschränkt steuerpflichtig zu behandeln mit der Folge, dass auch die höheren Freibeträge zur Anwendung kommen (vgl. § 2 Abs. 3 ErbStG). Eine Anrechnung der ausländischen Erbschaft- oder Schenkungsteuer hinsichtlich des betreffenden Vermögensgegenstandes ist ebenfalls nicht möglich (§ 21 ErbStG). Allerdings ist zu prüfen, ob bei Fehlen eines Doppelbesteuerungsabkommens ggf. eine Anrechnung der deutschen Erbschaft- und Schenkungsteuer im anderen Staat, regelmäßig dem Wohnsitzstaat, möglich sein kann. Dies richtet sich nach dem Recht des Wohnsitzstaats. 3. Inlandsvermögen gem. § 121 BewG a) Begriff
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Der Begriff des Inlandsvermögens meint das im Inland befindliche Vermögen. Es ist eine Anknüpfung des Vermögensgegenstands an das Inland erforderlich. Allerdings reicht nicht jede Anknüpfung aus. § 121 BewG nennt abschließend die Vermögensgegenstände, die Inlandsvermögen darstellen. Bei Vorliegen einer beschränkten Steuerpflicht ist stets zu prüfen, ob der betreffende Vermögenswert zum Inlandsvermögen i.S.d. § 121 BewG gehört. § 121 BewG lautet wie folgt: § 121 BewG Inlandsvermögen. Zum Inlandsvermögen gehören: 1. das inländische land- und forstwirtschaftliche Vermögen; 2. das inländische Grundvermögen; 3. das inländische Betriebsvermögen. Als solches gilt das Vermögen, das einem im Inland betriebenen Gewerbe dient, wenn hierfür im Inland eine Betriebsstätte unterhalten wird oder ein ständiger Vertreter bestellt ist; 4. Anteile an einer Kapitalgesellschaft, wenn die Gesellschaft Sitz oder Geschäftsleitung im Inland hat und der Gesellschafter entweder allein oder zusammen mit anderen ihm nahestehenden Personen i.S.d. § 1 Abs. 2 des Außensteuergesetzes in der jeweils geltenden Fassung am Grund- oder Stammkapital der Gesellschaft mindestens zu einem Zehntel unmittelbar oder mittelbar beteiligt ist; 5. nicht unter Nr. 3 fallende Erfindungen, Gebrauchsmuster und Topographien, die in ein inländisches Buch oder Register eingetragen sind; 6. Wirtschaftsgüter, die nicht unter die Nr. 1, 2 und 5 fallen und einem inländischen Gewerbebetrieb überlassen, insbesondere an diesen vermietet oder verpachtet sind;
1 R E 2.2. Abs. 7, 10.10 Abs. 3 ErbStR 2011. 2 BFH v. 21.7.1972 – III R 44/70, BStBl. II 1973, 3. 3 BFH v. 19.2.1982 – III R 108/80, NJW 1983, 648.
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Eintritt der persönlichen Steuerpflicht (Abs. 1)
Rz. 37 § 2 ErbStG
7. Hypotheken, Grundschulden, Rentenschulden und andere Forderungen oder Rechte, wenn sie durch inländischen Grundbesitz, durch inländische grundstücksgleiche Rechte oder durch Schiffe, die in ein inländisches Schiffsregister eingetragen sind, unmittelbar oder mittelbar gesichert sind. Ausgenommen sind Anleihen und Forderungen, über die Teilschuldverschreibungen ausgegeben sind; 8. Forderungen aus der Beteiligung an einem Handelsgewerbe als stiller Gesellschafter und aus partiarischen Darlehen, wenn der Schuldner Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt, Sitz oder Geschäftsleitung im Inland hat; 9. Nutzungsrechte an einem der in den Nr. 1 bis 8 genannten Vermögensgegenstände.
b) Inländisches land- und forstwirtschaftliches Vermögen und inländisches Grundvermögen (§ 121 Nr. 1 und 2 BewG) Zum Inlandsvermögen zählt gem. § 121 Nr. 1 und 2 BewG das im Inland belegene land- und forstwirt- 36 schaftliche Vermögen sowie das im Inland belegene Grundvermögen. Hinsichtlich der Definition ist das BewG anwendbar (§§ 158 ff. BewG, 176 ff. BewG). Beim land- und forstwirtschaftlichen Vermögen kommt es darauf an, wo sich das Vermögen befindet. Es gehört zum Inlandsvermögen, wenn es sich in Deutschland befindet, unabhängig davon, wo sich der Sitz der Leitung befindet, ob der Eigentümer das land- und forstwirtschaftliche Vermögen selbst bewirtschaftet oder überlässt. Die Nutzungsberechtigung an einem inländischen Betrieb der Land- und Forstwirtschaft fällt hingegen unter § 121 Nr. 9 BewG. Wird das land- und forstwirtschaftliche Vermögen bzw. das Grundvermögen von einer vermögensverwaltenden Personengesellschaft gehalten, so gilt die steuerrechtliche Bruchteilsbetrachtung, d.h. dass eine Beteiligung an den im Eigentum der Personengesellschaft stehenden Wirtschaftsgütern vorliegt (§ 10 Abs. 1 Satz 4 ErbStG).1 Gehören sie indes zu einer gewerblichen oder gewerblich geprägten Personengesellschaft (inländisches Betriebsvermögen), so fallen sie unter § 121 Nr. 3 BewG. So sind z.B. Anteile an einem geschlossenen, nicht unternehmerischen Immobilienfonds Anteile an einer vermögensverwaltenden Personengesellschaft, so dass diese unter § 121 Nr. 2 BewG fallen und auf die inländischen Grundstücke abzustellen ist. Bei einer Beteiligung an einem inländischen Immobilienfonds, der indes inländische und ausländische Grundstücke hält, würde nur der Anteil am inländischen Grundbesitz (Bruchteilsbetrachtung) unter das Inlandsvermögen gem. § 121 Nr. 2 BewG fallen.2 Der Anspruch auf Übereignung eines Grundstücks gehört mangels ausdrücklicher Aufzählung in § 121 BewG nicht zum Inlandsvermögen.3 c) Inländisches Betriebsvermögen (§ 121 Nr. 3 BewG) aa) Legaldefinition §§ 12, 13 AO Gemäß § 121 Nr. 3 BewG gehört das inländische Betriebsvermögen zum Inlandsvermögen. Als sol- 37 ches gilt das Vermögen, das einem im Inland betriebenen Gewerbe dient, wenn hierfür im Inland eine Betriebsstätte unterhalten wird oder ein ständiger Vertreter bestellt ist. Für die Begriffe der Betriebsstätte und des ständigen Vertreters gelten die Vorschriften der §§ 12, 13 AO. Die Vorschriften lauten: § 12 AO Betriebsstätte. Betriebsstätte ist jede feste Geschäftseinrichtung oder Anlage, die der Tätigkeit eines Unternehmens dient. Als Betriebsstätten sind insbesondere anzusehen: 1. die Stätte der Geschäftsleitung, 2. Zweigniederlassungen, 3. Geschäftsstellen, 4. Fabrikations- oder Werkstätten, 5. Warenlager, 6. Ein- oder Verkaufsstellen,
1 Weinmann in Moench/Weinmann, § 2 ErbStG, Rz. 23 (Stand: Februar 2016). 2 Vgl. aber zu § 49 EStG: FG München v. 29.7.2013 – 7 K 190/11, EFG 2013, 1852. 3 BFH v. 10.10.1958 – III 98/58 U, BStBl. III 1959, 22; Eisele in Rössler/Troll, § 121 BewG Rz. 5 (Stand: Oktober 2015).
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§ 2 ErbStG Rz. 38 Persönliche Steuerpflicht 7. Bergwerke, Steinbrüche oder andere stehende, örtlich fortschreitende oder schwimmende Stätten der Gewinnung von Bodenschätzen, 8. Bauausführungen oder Montagen, auch örtlich fortschreitende oder schwimmende, wenn a) die einzelne Bauausführung oder Montage oder b) eine von mehreren zeitlich nebeneinander bestehenden Bauausführungen oder Montagen oder c) mehrere ohne Unterbrechung aufeinander folgende Bauausführungen oder Montagen länger als sechs Monate dauern. § 13 AO Ständiger Vertreter. Ständiger Vertreter ist eine Person, die nachhaltig die Geschäfte eines Unternehmens besorgt und dabei dessen Sachweisungen unterliegt. Ständiger Vertreter ist insbesondere eine Person, die für ein Unternehmen nachhaltig 1. Verträge abschließt oder vermittelt oder Aufträge einholt oder 2. einen Bestand von Gütern oder Waren unterhält und davon Auslieferungen vornimmt.
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Im Besteuerungsverfahren für die Erbschaft- und Schenkungsteuer ist selbständig darüber zu entscheiden, ob für das im Inland betriebene Gewerbe, dem das Vermögen dient, eine Betriebsstätte unterhalten oder ein ständiger Vertreter bestellt wird.1 In der Praxis wird in den meisten Fällen die ertragsteuerliche Würdigung auch im Erbschaft- und Schenkungsteuerverfahren übernommen. Grundsätzlich kann sowohl ein Teil eines ausländischen Gewerbebetriebs als Betriebsstätte qualifizieren als auch ein selbständiger inländischer Gewerbebetrieb.2 Voraussetzung ist, dass im Inland ein Gewerbe betrieben wird. Diese Voraussetzung ist von Bedeutung für Kapitalgesellschaften sowie für die anderen in § 97 Abs. 1 BewG genannten Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen, sofern sie ihren Sitz und Ort der Geschäftsleitung im Ausland haben, denn sie haben nicht kraft Gesetzes bzw. kraft Rechtsform bereits einen Gewerbebetrieb (§ 97 Abs. 2 BewG). Es muss daher für steuerliche Zwecke einen Anknüpfungspunkt geben, d.h. durch Qualifikation als Betriebsstätte oder ständiger Vertreter.
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Für den Begriff der Betriebsstätte kommt es auf § 12 AO an. Es ist auch der Betriebsstätten-Erlass zu beachten.3 Eine Betriebsstätte ist jede feste Geschäftseinrichtung oder Anlage, die der Tätigkeit eines Unternehmens dient. Sie muss örtlich fixiert sein, und der Unternehmer muss darin seine eigene gewerbliche Tätigkeit ausüben.4 Eine feste Geschäftseinrichtung muss auf Dauer angelegt sein. Eine solche gewisse Dauer ist bei einem Zeitraum von mehr als sechs Monaten gegeben. § 12 Satz 2 AO gibt einen Katalog von Betriebsstätten vor, ist aber nicht abschließend („insbesondere“). Im Gegensatz zu § 12 Satz 1 AO setzen die Tatbestände des § 12 Satz 2 Nr. 1 bis 8 AO keine feste Einrichtung oder Anlage voraus. In den Anwendungsbereich fallen nicht nur gewerbliche und freiberufliche Einzelunternehmen, sondern auch Anteile an gewerblichen und freiberuflichen Personengesellschaften. Bei einer vermögensverwaltenden Personengesellschaft liegt ein inländisches Betriebsvermögen vor, wenn es sich um eine gewerblich geprägte Personengesellschaft nach § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG handelt. Bei einer im Handelsregister eingetragenen Zweigniederlassung soll nach dem BFH eine Betriebsstätte gegeben sein.5 Für den Begriff der Zweigniederlassung ist auf § 13d HGB abzustellen.
bb) Betriebsstätte
1 R E 2.2 Abs. 2 ErbStR 2011. 2 Eisele in Rössler/Troll, § 121 BewG Rz. 6 (Stand: Oktober 2015). 3 BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1200 – 111/99, BStBl. I 1999, 1076, geändert durch BMF v. 20.11.2000, BStBl. I 2000, 1509; v. 25.8.2009, BStBl. I 2009, 888 und v. 20.6.2013, BStBl. I 2013, 980; vgl. zum Begriff Eisele in Rössler/Troll, § 121 BewG Rz. 8 (Stand: Oktober 2015). 4 Betriebsstätten-Erlass, Tz. 1.1.1.1. 5 BFH v. 30.1.1981 – III R 116/79, BStBl. II 1981, 560; v. 9.11.1999 – II R 107/97, BFH/NV 2000, 688.
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Eintritt der persönlichen Steuerpflicht (Abs. 1)
Rz. 41 § 2 ErbStG
cc) Ständiger Vertreter Der Begriff des ständigen Vertreters richtet sich nach § 13 AO. Es handelt sich um eine Person, die 40 nachhaltig die Geschäfte eines Unternehmens besorgt und dabei dessen Sachweisungen unterliegt. Er muss nicht Arbeitnehmer des Unternehmens sein, sondern nur an Stelle des Unternehmens tätig werden.1 Ständiger Vertreter kann eine natürliche, aber auch eine juristische Person (z.B. inländische Tochtergesellschaft) sein. Als selbständige Vertreter kommen sowohl ein sich regelmäßig im Inland aufhaltender Angestellter einer ausländischen Firma als auch ein mit entsprechender Vollmacht ausgestatteter selbständiger Gewerbetreibender in Betracht.2 Der selbständige Vertreter muss dauerhaft tätig sein, Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt muss er nicht im Inland haben. Ebenso gilt bei der Frage, ob eine Betriebsstätte oder ein ständiger Vertreter gegeben ist, dass es nicht auf die Qualifikation der Doppelbesteuerungsabkommen ankommt, welche die Begriffe restriktiv auslegen, um das Besteuerungsrecht einzuschränken.3 Es kommt für die Frage nach der beschränkten Steuerpflicht nur auf den Begriff des nationalen Rechts an. Gleichermaßen kann das Vorliegen eines Betriebsvermögens nicht verneint werden, weil in dieser ein ständiger Vertreter beschäftigt ist, der nach der Auslegung des Art. 5 Abs. 4 Buchst. f OECD-MA nicht als solcher zu qualifizieren wäre.4 Ein inländisches Betriebsvermögen ist auch dann gegeben, wenn das Besitzunternehmen im Falle einer Betriebsaufspaltung im Ausland ist.5 dd) Umfang des Betriebsvermögens Zum inländischen Betriebsvermögen gehören auch Wirtschaftsgüter, die diesem zu dienen bestimmt 41 sind, auch wenn sie sich im Ausland befinden. Insoweit hat die funktionelle Zugehörigkeit Vorrang vor der Belegenheit. Allerdings können ausländische Vermögenswerte, die nach § 121 BewG i.V.m. § 21 ErbStG als Auslandsvermögen gelten, nicht dem inländischen Betriebsvermögen zugerechnet werden. Zur Ermöglichung der Anrechnung sollen daher die als Auslandsvermögen geltenden Vermögensanteile nicht zum inländischen Betriebsvermögen gehören.6 Eine andere Auffassung in der steuerrechtlichen Literatur hingegen stellt auf die Funktionalität des jeweiligen Wirtschaftsguts ab.7 Letztere Auffassung führt zu Doppelbesteuerungen, so dass ihr nicht zu folgen ist. Wenn zum inländischen Betriebsvermögen nach § 121 Nr. 3 BewG sowohl nach § 97 Abs. 1a BewG der Anteil am inländischen Betriebsvermögen der Gesellschaft sowie das Sonderbetriebsvermögen gehören, ist zu fragen, welche Folgen es für den Inlandsvermögensbegriff hat, wenn eine ausländische Kapitalgesellschaft zum Sonderbetriebsvermögen eines inländischen Betriebsvermögens gehört. Grundsätzlich sind Wirtschaftsgüter des Sonderbetriebsvermögens stets als Inlandsvermögen anzusehen und zwar entweder nach § 121 Nr. 3 oder Nr. 6 BewG.8 Anteile an ausländischen Kapitalgesellschaften würden ihrer Zuordnung nach zunächst nur unter § 121 Nr. 4 BewG fallen. Sind die Voraussetzungen des § 121 Nr. 4 BewG erfüllt, ist zweifelhaft, ob noch auf eine andere Variante des § 121 BewG zurückzugreifen ist. Dies würde zu einer erheblichen Rechtsunsicherheit führen. Es ist ohnehin in vielen Fällen in der Praxis unklar, ob ein Wirtschaftsgut zum Sonderbetriebsvermögen gehört oder nicht. Damit ergibt sich häufig eine relativ schwierige Abgrenzung. Daher ist es konsequent, wenn Anteile an ausländischen Kapitalgesellschaften abschließend in § 121 Nr. 4 BewG geregelt werden und eine andere Qualifikation unbeachtlich bleibt. In der Literatur wird allerdings teilweise eine andere Auffassung vertreten. Wachter9 würde z.B. eine Darlehensforderung, die grundsätzlich nicht unter den Inlandsbegriff des § 121 BewG fällt, unter § 121 Nr. 3 BewG subsumieren, wenn sie zu einem inländischen Betriebsvermögen gehört. 1 BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 – 111/99, BStBl. I 1999, 1076 Tz. 1.1.2. 2 Eisele in Rössler/Troll, § 121 BewG Rz. 11 (Stand: Oktober 2015). 3 Eisele in Rössler/Troll, § 121 BewG Rz. 8 (Stand: Oktober 2015); Jülicher in T/G/J, § 2 ErbStG Rz. 53 (Stand: Juli 2015). 4 BFH v. 9.11.1999 – II R 107/97, BFH/NV 2000, 688. 5 FG Saarland v. 10.6.2010 – 1 K 1209/07, ErbStB 2010, 263 = EFG 2010, 1711 (Rev. BFH v. 4.7.2012 – II R 38/10, FR 2013, 45 = ErbStB 2012, 296). 6 FinMin. NRW v. 2.3.1979, DB 1979, 769; Riedel in D/H/R2, § 121 BewG Rz. 4; Kreutziger in K/S/S3, § 121 BewG Rz. 19; Jülicher in T/G/J, § 2 ErbStG Rz. 54 (Stand: Juli 2015). 7 Richter in V/K/S/W4, § 121 BewG Rz. 12; Eisele in Rössler/Troll, § 121 BewG Rz. 13 ff. (Stand: Oktober 2015). 8 Eisele in Rössler/Troll, § 121 BewG Rz. 16 (Stand: Oktober 2015). 9 Wachter, GmbHR 2005, 418 (423), Beispiel 24 a.E.
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§ 2 ErbStG Rz. 42 Persönliche Steuerpflicht Die Frage ist, ob dann etwas anderes für Anteile an einer ausländischen Kapitalgesellschaft gelten kann. Allerdings ist der entscheidende Unterschied, dass für die ausländischen Kapitalgesellschaftsanteile bereits eine Regelung besteht, die sie gerade nicht als Inlandsvermögen qualifiziert. Insoweit hat § 121 Nr. 4 BewG gegenüber § 121 Nr. 3 BewG eine Sperrwirkung (str.). Bei ausländischen Gewerbebetrieben bzw. Personengesellschaften gilt die beschränkte Steuerpflicht nur für den Teil des Vermögens, der sich im Inland befindet. Auslandsvermögen sind alle Wirtschaftsgüter, die in § 121 BewG aufgeführt sind, sich aber im Ausland befinden. Es kommt dann zu einer zweistufigen Ermittlung des inländischen Betriebsvermögens. Zunächst müssen das Gesellschaftsvermögen und der Anteil des Gesellschafters ermittelt werden. In einem nächsten Schritt wird der Anteil des Gesellschafters am Gesellschaftsvermögen noch anteilig um das Auslandsvermögen gekürzt. d) Anteile an inländischen Kapitalgesellschaften (§ 121 Nr. 4 BewG) aa) Verhältnis zu Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 42
Des Weiteren gehören zum Inlandsvermögen Anteile an Kapitalgesellschaften mit Sitz oder Geschäftsleitung im Inland, wenn der Gesellschafter allein oder zusammen mit anderen nahestehenden Personen i.S.d. § 1 Abs. 2 AStG unmittelbar oder mittelbar eine Beteiligung von mindestens 10 % des Nennkapitals hält (§ 121 Nr. 4 BewG). Die beschränkte Steuerpflicht ist nicht an eine bestimmte Besitzdauer geknüpft. Es kommt nur darauf an, wie hoch die Beteiligung des Erblassers/Schenkers im Zeitpunkt seines Todes oder bei Ausführung der Schenkung ist (§ 2 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 ErbStG). Auf die Beteiligung des Erwerbers kommt es nicht an. bb) Teilübertragungen (Abs. 1 Nr. 3 Satz 3)
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Bei mehreren Schenkungen von weniger als 10 % ist nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 Satz 3 ErbStG zu berücksichtigen, dass eine Zusammenrechnung mehrerer Schenkungen nach § 14 ErbStG erfolgt. Innerhalb eines Zehnjahreszeitraums werden mehrere Teilübertragungen zusammengefasst.1 Damit kann die beschränkte Steuerpflicht nicht umgangen werden, wenn eine beschränkt steuerpflichtige Person nacheinander mehrere Anteile von jeweils weniger als 10 % überträgt.
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Beispiel: Der nicht in Deutschland ansässige Anteilseigner an einer GmbH hält einen Anteil von 9 % im Jahr 2000 und schenkt seiner Tochter am 1.4.2000 5 % der Anteile. Im Jahr 2002 ist er zu 12,5 % beteiligt und schenkt seiner Tochter am 1.4.2002 6 % der Anteile. Im Jahr 2004 beträgt die Beteiligung nur noch 6,5 % und es erfolgt am 1.4.2004 eine Schenkung von 4,5 % der Anteile. Im Jahr 2013 hält der Anteilseigner nur noch 2 % und verschenkt diese ebenfalls am 1.4.2013. Lösung: Die Zuwendung am 1.4.2000 unterliegt nicht der beschränkten Steuerpflicht, weil eine Beteiligung von weniger als 10 % kein Inlandsvermögen darstellt. Die Schenkung vom 1.4.2002 hingegen unterliegt der beschränkten Steuerpflicht, weil zu dieser Zeit eine Beteiligung von mindestens 10 % gegeben ist. Die Beteiligung im Jahr 2004 beträgt zwar weniger als 10 %. Allerdings wird die Zuwendung aus 2004 zur Zuwendung aus 2002 hinzugerechnet, weil sie noch innerhalb des Zehnjahreszeitraums stattfindet. Die Zuwendung im Jahr 2013 bleibt steuerfrei, weil für die Frage der Zusammenrechnung erforderlich ist, dass innerhalb der Zehnjahresfrist bereits eine Beteiligung von mindestens 10 % bestand. Die erste Zuwendung bleibt ebenfalls unberücksichtigt, weil eine Zusammenrechnung erst in Betracht kommt, nachdem eine Zuwendung der beschränkten Steuerpflicht unterlag. Datum der Zuwendung
Beteiligung in %
Beschränkte Steuerpflicht
1.4.2000
9%
Keine Besteuerung
1.4.2002
12,5 %
Besteuerung
1.4.2004
6,5 %
Besteuerung, weil Zusammenrechnung mit Schenkung am 1.4.2002
1.4.2013
2%
Keine Besteuerung
1 R E 2.2 Abs. 3 Satz 2 ErbStR 2011.
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Schienke-Ohletz
Eintritt der persönlichen Steuerpflicht (Abs. 1)
Rz. 49 § 2 ErbStG
cc) Berücksichtigung von mittelbaren Beteiligungen Mittelbar gehaltene Anteile sind für die Ermittlung der Quote des § 121 Nr. 4 BewG zu berücksich- 45 tigen. Dies gilt auch für Anteile, die über eine inländische Betriebsstätte oder eine inländische Personengesellschaft gehalten werden, die bereits nach § 121 Nr. 3 BewG als Inlandsvermögen qualifiziert.1 Es erfolgt dann eine Zusammenrechnung mit den unmittelbar gehaltenen Anteilen. Allerdings zählt nur die unmittelbar gehaltene Beteiligung zum Inlandsvermögen, auch wenn diese für sich betrachtet die Beteiligungsgrenze nicht erreicht.2 Die mittelbare Beteiligung ist nur Zählobjekt. Mittelbar gehaltene Anteile können indes nicht Gegenstand einer Zuwendung sein. Hält der Steuerpflichtige nur mittelbare Anteile, unterbleibt eine Zusammenrechnung. Etwas anderes gilt nur, wenn die mittelbare Beteiligung nur treuhänderisch gehalten wird, weil dann eine Zurechnung an den Treugeber nach § 39 Abs. 1 Satz 2 AO erfolgt. Beispiel: Ein nicht in Deutschland ansässiger Anteilseigner ist an einer französischen Kapitalgesellschaft zu 50 % beteiligt und an einer deutschen GmbH zu 5 %. Die französische Kapitalgesellschaft hält ebenfalls 60 % an der deutschen GmbH.
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Lösung: Die unmittelbar und die mittelbar gehaltenen Beteiligungen werden zusammengerechnet. Über die französische Kapitalgesellschaft ist er zu 30 % an der deutschen GmbH beteiligt. Diese wird mit der unmittelbaren Beteiligung von 5 % zusammengerechnet. Bestünde nur die unmittelbare Beteiligung an der deutschen GmbH, so würde kein Inlandsvermögen vorliegen. Steuerpflichtig ist dann aber nur die Beteiligung an der inländischen GmbH.
dd) R E 2.2 Abs. 3 ErbStR 2011 Weiterhin ist im Rahmen des § 121 Nr. 4 BewG fraglich, ob R E 2.2 Abs. 3 ErbStR 2011 auf sämtliche 47 Vermögenswerte anwendbar ist. Die Richtlinie befasst sich lediglich mit den Besonderheiten des § 121 Nr. 4 BewG, d.h. mit der Zuordnung zum Inlandsvermögen bei Kapitalgesellschaftsanteilen. R E 2.2 Abs. 3 Sätze 6 und 7 ErbStR 2011 erfassen auch nur den Fall, dass eine inländische Kapitalgesellschaft von einer ausländischen gehalten wird und ziehen dann die Schlussfolgerung, dass eine solche Struktur nur anerkannt werden kann, wenn es sich bei der ausländischen Kapitalgesellschaft um eine funktionserfüllte handelt. Beispiel: Der nicht in Deutschland ansässige Erblasser A hält eine Beteiligung an einer deutschen GmbH i.H.v. 25 %. Er bringt diese in eine französische S.a.r.l. (Kapitalgesellschaft) ein. Die Anteile an der S.a.r.l. verschenkt er an seine nicht in Deutschland ansässige Tochter T.
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Lösung: Grundsätzlich könnte eine beschränkte Steuerpflicht gem. § 2 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG i.V.m. § 121 Nr. 4 BewG vorliegen. Gemäß § 121 Nr. 4 BewG unterliegen allerdings die Anteile an einer ausländischen Kapitalgesellschaft nicht dem Inlandsvermögensbegriff, so dass hier kein Inlandsvermögen gegeben ist. Allerdings wird nicht auf das Vorliegen einer ausländischen Kapitalgesellschaft abgestellt, sondern auf die von der französischen Kapitalgesellschaft gehaltenen Anteile an der deutschen GmbH, wenn die französische Kapitalgesellschaft nicht funktionserfüllt ist.
ee) Funktionserfüllte Gesellschaft Wird ein Anteil mittelbar über eine ausländische Gesellschaft gehalten, muss es sich nach R E 2.2 Abs. 3 49 Sätze 6 und 7 ErbStR 2011 um eine funktionserfüllte Gesellschaft handeln. Es wird von der FinVerw. als Gestaltungsmissbrauch angesehen, wenn durch die Einschaltung der ausländischen Gesellschaft die beschränkte Steuerpflicht umgangen werden soll. Letzteres soll der Fall sein, wenn für die Einschaltung der ausländischen Gesellschaft wirtschaftliche oder sonst beachtliche Gründe fehlen und sie keine eigene Wirtschaftstätigkeit entfaltet.3 Es wird in der Literatur kritisiert, dass für den Begriff der funktionserfüllten Kapitalgesellschaft im ErbStG ertragsteuerliche Überlegungen einbezogen werden. Das 1 R E 2.2 Abs. 3 Satz 4 ErbStR 2011. 2 R E 2.2 Abs. 2 Satz 5 ErbStR 2011. 3 R E 2.2 Abs. 2 Satz 6, 7 ErbStR 2011.
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§ 2 ErbStG Rz. 50 Persönliche Steuerpflicht Ersetzen von unmittelbar gehaltenen Beteiligungen durch mittelbare bspw. bei Gründung einer Familienholding ist für sich genommen immer ein wirtschaftlich zu beachtender Grund.1 Der letztgenannten Auffassung ist zuzustimmen. Es kann nicht direkt von einem Missbrauch ausgegangen werden, nur weil eine unmittelbare Beteiligung vermieden wird. Es kann für die Qualifikation der funktionserfüllten Kapitalgesellschaft auch auf die Grundsätze zur Briefkastengesellschaft zurückgegriffen werden.2 Die Frage, ob auch andere Vermögenswerte des § 121 BewG (z.B. Grundbesitz), die in eine funktionslose ausländische Kapitalgesellschaft eingebracht werden, ebenfalls dadurch weiterhin zum Inlandsvermögen zählen, wird von der FinVerw. nicht beantwortet. Der Wortlaut der Richtlinie spricht nur von einer Beteiligung. Mit „Beteiligung“ kann auch kein Anteil an einer Personengesellschaft gemeint sein, weil R E 2.2 Abs. 3 ErbStR 2011 nur von Kapitalgesellschaftsanteilen spricht. Zudem kann eine Verwaltungsrichtlinie, die keinen Gesetzesrang hat, nicht über ihren Wortlaut hinaus zu Lasten des Steuerpflichtigen interpretiert werden. Insoweit kann aus der Richtlinie nicht resultieren, dass eine Einbringung von Inlandsvermögen des § 121 BewG in eine ausländische Kapitalgesellschaft zu einem Missbrauch führt. Gleichwohl ist in der Praxis auf die allgemeinen Regeln, insbesondere auch auf § 42 AO hinzuweisen, der sämtliche Fälle des Gestaltungsmissbrauchs erfasst. ff) Berücksichtigung von Anteilen nahestehender Personen (1) Begriff und Ratio des § 1 Abs. 2 AStG 50
Neben den mittelbaren und unmittelbaren Beteiligungen des Steuerpflichtigen sind auch Anteile von anderen Personen einzubeziehen, sofern es sich um dem beschränkt Steuerpflichtigen nahestehende Personen handelt. Der Begriff richtet sich nach § 1 Abs. 2 i.V.m. Abs. 5 AStG, der folgenden Wortlaut hat: § 1 AStG Berichtigung von Einkünften. (1) … (2) Dem Steuerpflichtigen ist eine Person nahestehend, wenn 1. die Person an dem Steuerpflichtigen mindestens zu einem Viertel unmittelbar oder mittelbar beteiligt (wesentlich beteiligt) ist oder auf den Steuerpflichtigen unmittelbar oder mittelbar einen beherrschenden Einfluss ausüben kann oder umgekehrt der Steuerpflichtige an der Person wesentlich beteiligt ist oder auf diese Person unmittelbar oder mittelbar einen beherrschenden Einfluss ausüben kann oder 2. eine dritte Person sowohl an der Person als auch an dem Steuerpflichtigen wesentlich beteiligt ist oder auf beide unmittelbar oder mittelbar einen beherrschenden Einfluss ausüben kann oder 3. die Person oder der Steuerpflichtige imstande ist, bei der Vereinbarung der Bedingungen einer Geschäftsbeziehung auf den Steuerpflichtigen oder die Person einen außerhalb dieser Geschäftsbeziehung begründeten Einfluss auszuüben oder wenn einer von ihnen ein eigenes Interesse an der Erzielung der Einkünfte des anderen hat. (3) … (4) … (5) Geschäftsbeziehung i.S.d. Abs. 1 und 2 ist jede den Einkünften zugrunde liegende schuldrechtliche Beziehung, die keine gesellschaftsvertragliche Vereinbarung ist und entweder beim Steuerpflichtigen oder bei der nahe stehenden Person Teil einer Tätigkeit ist, auf die die §§ 13, 15, 18 oder § 21 des Einkommensteuergesetzes anzuwenden sind oder im Fall eines ausländischen Nahestehenden anzuwenden wären, wenn die Tätigkeit im Inland vorgenommen würde.
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Zweck des § 1 AStG ist die Korrektur von Gewinnminderungen bei grenzüberschreitenden Geschäftsbeziehungen.3 Der Begriff der nahestehenden Person ist im internationalen Konzernsteuerrecht von Bedeutung, während bei voneinander unabhängigen Unternehmen aufgrund des gegebenen Interessengegensatzes kein Anlass für eine derartige Überprüfung besteht. Preise bei Geschäftsbeziehungen von Gesellschaften, die einem Konzern angehören, werden frei von Interessensgegensätzen und Marktverhältnissen verhandelt. § 1 AStG statuiert daher den Grundsatz des Fremdvergleichs für internatio1 So Eisele in Rössler/Troll, § 121 BewG Rz. 23 (Stand: Oktober 2015); Kreutziger in K/S/S3, § 121 BewG Rz. 29. 2 BFH v. 19.1.2000 – I R 94/97, BStBl. II 2001, 222 = FR 2000, 453 m. Anm. Kempermann (Dublin Docks I); v. 19.1.2000 – I R 117/97, BFH/NV 2000, 824 (Dublin Docks II); v. 25.2.2004 – I R 42/02, BStBl. II 2005, 14 = FR 2004, 1064 m. Anm. Fischer (Dublin Docks III); Protzen in Kraft, § 7 AStG Rz. 76 ff. 3 Kaminski in S/K/K, § 1 AStG Rz. 1 (Stand: November 2015); Kraft, § 1 AStG Rz. 160.
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Eintritt der persönlichen Steuerpflicht (Abs. 1)
Rz. 52 § 2 ErbStG
nale Geschäftsbeziehungen. Die Regelung steht neben den allgemeinen Regeln zur verdeckten Gewinnausschüttung und verdeckten Einlage. § 1 Abs. 1 AStG sieht eine Einkünftekorrektur nach dem Grundsatz des Fremdvergleichs nur unter „nahestehenden Personen“ vor. Unter welchen Voraussetzungen sich Personen „nahestehen“, wird in § 1 Abs. 2 AStG durch eine abschließende Aufzählung festgelegt.1 In den Vorschriften, in denen ein ausdrücklicher Verweis auf § 1 Abs. 2 AStG enthalten ist, sind die Definition des § 1 Abs. 2 AStG und deren Auslegungsgrundsätze zu verwenden.2 Für den Begriff ist daher auf einschlägige Kommentierungen zum AStG zu verweisen.3 Im Folgenden sollen aber Besonderheiten des Begriffs der nahestehenden Person im Rahmen der beschränkten Erbschaftsteuerpflicht erörtert werden. (2) § 1 Abs. 2 Nr. 1 AStG Gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 1 AStG ist für ein Nahestehen erforderlich, dass die Person an dem Steuerpflich- 52 tigen mindestens zu 1/4 unmittelbar oder mittelbar beteiligt (wesentlich beteiligt) ist (1. Var.) oder auf den Steuerpflichtigen unmittelbar oder mittelbar einen beherrschenden Einfluss ausüben kann (2. Var.) oder umgekehrt der Steuerpflichtige an der Person wesentlich beteiligt ist (3. Var.) oder auf diese Person unmittelbar oder mittelbar einen beherrschenden Einfluss ausüben kann (4. Var.). Die erste und dritte Variante scheiden bei natürlichen Personen als beschränkt Steuerpflichtige aus, weil hiermit Fälle erfasst werden, die auf einem Einfluss infolge einer gesellschaftsrechtlichen Beteiligung einer Person beruhen.4 Als Beteiligungsobjekte kommen nur juristische Personen und Personengesellschaften in Betracht. Die 2./4. Var. des § 1 Abs. 2 Nr. 1 AStG erfordern einen beherrschenden Einfluss. Davon ist auszugehen, wenn dem Steuerpflichtigen kein entscheidender Entscheidungsspielraum mehr verbleibt (2. Var.) bzw. wenn er durch seine beherrschende Stellung der nahestehenden Person keinen Entscheidungsspielraum mehr gewährt (4. Var.).5 Ein mitbestimmender Einfluss ist nicht ausreichend.6 Voraussetzung für einen beherrschenden Einfluss ist eine strukturelle Grundlage, die ein absolutes Abhängigkeitsverhältnis begründet. Diese Grundlage rechtlicher und/oder tatsächlicher Natur kann insbesondere auf beteiligungsähnlichen Rechten, aktienrechtlichen Unternehmensverträgen, der Beteiligung derselben Personen an Geschäftsleitung oder Kontrolle der betroffenen Unternehmen oder der Beherrschung zweier Unternehmen durch ein drittes beruhen.7 Es reicht aus, wenn der Einfluss ausgeübt werden könnte, er muss nicht tatsächlich ausgeübt worden sein. Entscheidend ist also nicht die tatsächliche Beeinflussung, sondern lediglich die potentielle Einflussnahme.8 Im Erbschaft- und Schenkungsteuerrecht geht es oft um Zuwendungen innerhalb der Familie, Gesellschaften sind selten beteiligt. Allerdings führen verwandtschaftliche Beziehungen (z.B. Eltern und Kinder) nicht stets zu einem Nahestehen, so dass noch weitere Umstände hinzukommen müssen9 . Es muss infolge der Verwandtschaft ein beherrschender Einfluss bestehen. Bei natürlichen Personen wird die Annahme eines beherrschenden Einflusses regelmäßig eine Ausnahme sein.10 Fraglich ist, ob z.B. durch den Abschluss eines Poolvertrages ein Nahestehen begründet wird, weil dadurch ein wesentlicher Einfluss des Pools auf den jeweiligen Anteilseigner ausgeübt werden könnte. Dies ist zu verneinen. Zwar setzt sich bei einer Abstimmung von Gesellschaftern innerhalb eines Pools die Mehrheit durch, weil die Gesellschafter durch den mehrheitlich erfassten Beschluss einheitlich ihre Stimme in der Gesellschafterversammlung abgeben. Aber deswegen hat nicht ein einzelner Anteilseigner einen beherrschenden Einfluss auf die anderen Anteilseigner oder umgekehrt. Entscheidend ist, dass ein einzelner 1 Pohl in Blümich, § 1 AStG Rz. 57 (Stand: Mai 2016). 2 Kaminski in S/K/K, § 1 AStG Rz. 322 (Stand: Oktober 2011); Eisele in Rössler/Troll, § 121 BewG Rz. 28 (Stand: Oktober 2015). 3 Wassermeyer/Baumhoff in F/W/B/S, § 1 AStG Rz. 501 ff. (Stand: März 2016); Kraft, § 1 AStG (Stand: Oktober 2011). 4 Kaminski in S/K/K, § 1 AStG Rz. 333 (Stand: Oktober 2011). 5 Kraft, § 1 AStG Rz. 176. 6 Kraft, § 1 AStG Rz. 176; Wassermeyer/Baumhoff in F/W/B/S, § 1 AStG Rz. 841 (Stand: März 2016). 7 BMF v. 23.2.1983, BStBl. I 1983, 218, Rz. 1.3.2.1. 8 Kraft, § 1 AStG Rz. 175; Kaminski in S/K/K, § 1 AStG Rz. 363 (Stand: Oktober 2011). 9 Baßler, ZEV 2014, 469 (473); Wassermeyer/Baumhoff in F/W/B/S, § 1 AStG Rz. 826 (Stand: März 2016); Kaminski in S/K/K, § 1 AStG Rz. 372 zu § 1 Abs. 2 Nr. 3 AStG (Stand: Oktober 2011); Kraft, § 1 AStG Rz. 177. 10 Baßler, ZEV 2014, 469 (473).
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§ 2 ErbStG Rz. 53 Persönliche Steuerpflicht Anteilseigner seine Auffassung zu einem bestimmten Gesellschafterbeschluss nur durchsetzen kann, wenn diese Auffassung von der Mehrheit der anderen auch vertreten wird. Insoweit ist es schon gesellschaftsrechtlich nicht möglich, dass ein Anteilseigner auf andere einen beherrschenden Einfluss ausüben könnte oder umgekehrt. 53
Beispiel: A ist ein im Ausland ansässiger Anteilseigner einer deutschen GmbH mit 9 %. Er hat einen Poolvertrag mit B und C, die je 8 % halten, abgeschlossen, in dem sich die Gesellschafter verpflichten, ihre Stimmrechte einheitlich gegenüber nicht gebundenen Gesellschaftern auszuüben und nur gemeinsam über Anteile zu verfügen. Gemeinsam halten sie 25 % an der GmbH. Bei der Beschlussfassung gilt nach dem Poolvertrag, dass alle Gesellschafter eine Stimme haben und die Beschlüsse mehrheitlich gefasst werden. Lösung: Fraglich ist, ob die Poolmitglieder B und C dem A nahestehende Personen darstellen. Dies ist der Fall, wenn entweder A gegenüber B und C oder B und C dem A gegenüber einen wesentlichen Einfluss bei den Poolbeschlüssen ausüben könnten. Dies ist aber nicht der Fall, denn A kann sich innerhalb des Pools nicht durchsetzen, wenn er eine andere Auffassung vertritt als B und C. Dies gilt entsprechend auch für die anderen beiden Gesellschafter B und C. Diese können zwar innerhalb des Pools den A überstimmen, aber nur, wenn zwischen ihnen Einigkeit besteht. Dass in einer Gesellschafterversammlung mehrere Gesellschafter einen anderen überstimmen können, ist immer der Fall. Dies allein vermag keinen wesentlichen Einfluss eines Gesellschafters zu begründen. Etwas anderes mag gelten, wenn z.B. A innerhalb des Pools durch ein Mehrfachstimmrecht B und C stets überstimmen könnte. In einem solchen Fall hätte A gegenüber den anderen Poolmitgliedern einen wesentlichen Einfluss.
(3) § 1 Abs. 2 Nr. 2 AStG 54
Nach § 1 Abs. 2 Nr. 2 AStG ist dem Steuerpflichtigen eine Person nahestehend, wenn eine dritte Person sowohl an der Person als auch an dem Steuerpflichtigen wesentlich beteiligt ist (1. Var.) oder auf beide unmittelbar oder mittelbar einen beherrschenden Einfluss ausüben kann (2. Var.). Eine (wesentliche) Beteiligung kann bei natürlichen Personen nicht vorkommen. Auch die Variante, in der eine dritte Person einen wesentlichen Einfluss auf zwei andere Personen ausübt, wird in der Praxis im Erbschaftsteuerrecht nicht allzu häufig vorkommen. Allein die Zugehörigkeit zu einer Familie reicht auch in dieser Konstellation nicht aus. Auch in einer Poolkonstellation wie im Beispiel in Rz. 53 beschrieben hat regelmäßig nicht eine Person Einfluss auf zwei andere, wenn kein Mehrfachstimmrecht gegeben ist. (4) § 1 Abs. 2 Nr. 3 AStG
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Gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 3 Alt. 1 AStG ist eine Person nahestehend, wenn sie oder der Steuerpflichtige im Stande ist, bei der Vereinbarung der Bedingungen einer Geschäftsbeziehung auf den Steuerpflichtigen oder die Person einen außerhalb dieser Geschäftsbeziehung begründeten Einfluss auszuüben. Unter einer Geschäftsbeziehung versteht man eine mit Gewinnerzielungsabsicht und unter Teilnahme am allgemeinen Verkehr ausgeübte Betätigung.1 Eine Geschäftsbeziehung setzt nach der Legaldefinition des § 1 Abs. 4 Nr. 1 AStG voraus, dass der Steuerpflichtige und die nahestehende Person gemeinsam Einkünfte aus freiberuflicher, gewerblicher, land- und forstwirtschaftlicher Tätigkeit oder einer Vermietung erzielen und keine gesellschaftsvertragliche Vereinbarung zugrunde liegt. Dabei muss einer der beiden jeweils auf den anderen Einfluss ausüben können, der aber nicht aus der Geschäftsbeziehung resultiert, sondern aufgrund anderer Umstände gegeben ist. Bei der Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft erzielen die Gesellschafter Einkünfte aus Kapitalvermögen (Dividenden), so dass es sich nicht um eine Geschäftsbeziehung handelt. Gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 3 Alt. 2 AStG ist erforderlich, dass die Person oder der Steuerpflichtige ein eigenes Interesse an der Einkünfteerzielung des anderen hat. Im Einzelnen setzt sich der Tatbestand aus den folgenden Tatbestandsmerkmalen zusammen: Es muss ein Interesse gegeben sein, es muss sich um ein eigenes Interesse handeln und es muss sich auf die Einkünfteerzielung eines anderen beziehen. Nach der Rspr. des BFH2 sind im Rahmen des § 1 Abs. 2 Nr. 3 Alt. 2 AStG nicht nur wirtschaftliche Interessen gemeint, sondern auch persönliche. Persönliche Interessen, wie sie der BFH im Rahmen 1 BFH v. 5.12.1990 – I R 94/88, BStBl. II 1991, 287; Kraft, § 1 AStG Rz. 625. 2 BFH v. 19.1.1994 – I R 93/93, BStBl. II 1994, 725 = FR 1994, 367.
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Eintritt der persönlichen Steuerpflicht (Abs. 1)
Rz. 57 § 2 ErbStG
des § 1 Abs. 2 Nr. 3 Alt. 2 AStG fordert, sind insbesondere in einem Familienbund denkbar. Der BFH hat es offen gelassen, ob es einen allgemeinen Erfahrungsgrundsatz dahingehend gibt, dass von einer allgemein bestehenden Interessengemeinschaft zwischen Eltern und Kindern auszugehen sei. Es ist darüber hinaus aber auch noch erforderlich, dass sich das Interesse des Steuerpflichtigen auf die Einkünfteerzielung der nahestehenden Person beziehen muss oder umgekehrt. Aus den Erwägungen ergibt sich, dass neben der familiären Verbindung stets weitere Umstände für ein Nahestehen positiv festgestellt werden müssen. (5) Schlussfolgerung Problematisch am Begriff der nahestehenden Person ist, dass § 1 Abs. 2 AStG eine Norm des interna- 56 tionalen Konzernsteuerrechts ist und bei denkbaren Fallgestaltungen im Erbschaft- und Schenkungsteuerrecht vom Sinn und Zweck nicht auf das ErbStG abgestimmt ist. Daher ist zweifelhaft, dass der Verweis auf § 1 Abs. 2 AStG zu sinnvollen Ergebnissen führt und ob nicht der Begriff der „nahestehenden Person“ im Erbschaft- und Schenkungsteuerrecht eine eigene Bedeutung haben sollte. Das Vorliegen einer nahestehenden Person und eine daraus resultierende Zusammenrechnung von Anteilen dürfte in der Praxis selten vorkommen. Einige Tatbestände des § 1 Abs. 2 AStG scheiden aufgrund fehlender Beteiligungsmöglichkeit an einer natürlichen Person aus (§ 1 Abs. 2 Nr. 1 Var. 1/3, § 1 Abs. 2 Nr. 2 Var. 1 AStG). Im Rahmen des § 121 Nr. 4 BewG müssen dann nur die Tatbestände des § 1 Abs. 2 Nr. 1 Var. 2/4, Nr. 2 Var. 2, Nr. 3 AStG beachtet werden. Eine familiäre oder verwandtschaftliche Beziehung allein reicht für ein Näheverhältnis nicht aus. e) Sonstige Rechte (§ 121 Nr. 5 bis 9 BewG) Des Weiteren fallen unter den Begriff des Inlandsvermögens Erfindungen, Gebrauchsmuster und To- 57 pografien, die in ein inländisches Register eingetragen sind (§ 121 Nr. 5 BewG). Dabei kommt es nicht auf den Ort der Verwendung an. Aus Gründen der Rechtssicherheit wird nur auf den Ort der Eintragung abgestellt. Vorrang genießt allerdings § 121 Nr. 3 BewG, wenn die Vermögenswerte bereits einer Betriebsstätte zuzurechnen sind. § 121 Nr. 6 BewG erfasst alle Wirtschaftsgüter der § 121 Nr. 1, 2 und 5 BewG, die aufgrund ihrer Belegenheit nicht dem Inlandsvermögen angehören, aber einem inländischen Gewerbebetrieb überlassen werden. Dabei kommt es nach der FinVerw. nicht darauf an, dass die dem Gewerbebetrieb überlassenen Wirtschaftsgüter diesem für die Dauer oder auf lange Zeit zu dienen bestimmt sind. Es genügt, dass sie tatsächlich dem inländischen Gewerbebetrieb zur gewerblichen Verwendung am Stichtag überlassen sind.1 Nach § 121 Nr. 7 BewG sind Hypotheken, Grundschulden, Rentenschulden und andere Forderungen und Rechte Inlandsvermögen, wenn sie durch inländischen Grundbesitz oder inländische grundstücksgleiche Rechte (z.B. Erbbaurechte) unmittelbar oder mittelbar gesichert sind. Anknüpfungspunkt für eine Besteuerung ist die Belegenheit des Grundbesitzes. Eine unmittelbare Besicherung liegt vor, wenn der im Inland belegene Grundbesitz für die Forderung oder das Recht haftet.2 Eine mittelbare Besicherung liegt vor, wenn der Gläubiger auf ein inländisches Grundstück als Sicherungsgegenstand zugreifen kann, um sich daraus zu befriedigen. Es reicht auch bereits eine formgerechte Eintragungsbewilligung für eine Sicherungshypothek aus, wenn diese jederzeit hätte eingetragen werden können, denn in einem solchen Fall kann jederzeit ohne Mitwirkung des Schuldners eine dingliche Sicherung erfolgen.3 Entsprechendes gilt auch für Forderungen und Rechte, die durch Schiffe, die in ein inländisches Schiffsregister eingetragen sind, unmittelbar oder mittelbar gesichert sind.4 Ausgenommen vom Inlandsvermögen sind Anleihen und Forderungen, über die Teilschuldverschreibungen, d.h. Pfandbriefe der Hypothekenbanken, ausgegeben sind. Nach § 121 Nr. 8 BewG gehören zum Inlandsvermögen des Weiteren Forderungen aus der Beteiligung an einem Handelsgewerbe, als stiller Gesellschafter und aus partiarischen Darlehen, wenn der Schuldner seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt, Sitz oder Geschäftsleitung im Inland hat. Dabei meint § 121 Nr. 8 BewG die Beteiligung als typisch stiller Gesellschafter. Die Beteiligung als atypisch stiller Gesellschafter hingegen gehört bereits zu § 121 Nr. 3 BewG, weil es sich um 1 2 3 4
R E 2.2 Abs. 4 Satz 2, 3 ErbStR 2011. BFH v. 12.8.1964 – II 125/62 U, BStBl. III 1964, 647. BFH v. 17.2.1961 – VI 76/59 U, BStBl. III 1961, 161. Näher dazu: Eisele in Rössler/Troll, § 121 BewG Rz. 42 (Stand: Oktober 2015).
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§ 2 ErbStG Rz. 58 Persönliche Steuerpflicht Betriebsvermögen handelt.1 Gewinnanteile aus der stillen Beteiligung gehören nicht zum Inlandsvermögen.2 Dies gilt für die atypisch stille Unterbeteiligung an inländischen Betrieben bzw. Personengesellschaftsanteilen, weil es sich bei dem stillen Unterbeteiligten um einen Mitunternehmer handelt.3 Nutzungsrechte gehören nach § 121 Nr. 9 BewG nur zum Inlandsvermögen, wenn sie an einem Vermögensgegenstand begründet sind, der unter § 121 BewG fällt. So können auch z.B. nur Nutzungsrechte (wie z.B. Nießbrauch) an Anteilen an inländischen Kapitalgesellschaften unter den Begriff des Inlandsvermögens fallen, wenn eine Beteiligung von mindestens 10 % besteht. Dabei ist auf die Beteiligung an der inländischen Kapitalgesellschaft abzustellen, nicht auf den Nießbrauch. Ist das belastete Wirtschaftsgut hingegen steuerfrei (z.B. nach § 13 ErbStG), so soll nach Auffassung der FinVerw. das Nutzungsrecht dennoch zum Inlandsvermögen gehören.4 Dies widerspricht der Funktion des § 121 Nr. 9 BewG, der als Auffangtatbestand dienen soll. Sinn und Zweck ist, dass die Qualifikation als Inlandsvermögen nicht umgangen wird, indem nur ein Nutzungsrecht an dem Vermögensgegenstand eingerichtet wird und nicht der Vermögensgegenstand selbst vererbt oder verschenkt wird. Eine Schlechterstellung des Nutzungsberechtigten ist indes nicht gerechtfertigt.5 f) Sachleistungsansprüche aa) Grundsatz 58
Forderungen sind grundsätzlich kein Inlandsvermögen. Dies ist bei Geldforderungen auch nachvollziehbar, weil Geld kein Inlandsvermögen darstellt. Allerdings ist fraglich, wie Forderungen auf Übertragung von Inlandsvermögen i.S.d. § 121 BewG qualifiziert werden. Ein solcher Anspruch kann in einen Nachlass fallen, wenn das schuldrechtliche Verpflichtungsgeschäft bereits abgeschlossen, das dingliche Verfügungsgeschäft aber noch nicht erfüllt wurde (z.B. Eintragung ins Grundbuch). Der Anspruch auf Übertragung eines inländischen Grundstücks würde dann im Erbfall nicht in den Nachlass fallen.6 Ist der Erblasser indes kurz vor seinem Tod noch ins Grundbuch eingetragen und damit Eigentümer geworden, würde der Erwerb als Inlandsvermögen nach § 121 Nr. 2 BewG steuerpflichtig sein. In der Praxis dürfte es bei Erbfällen vom Zufall abhängen, ob eine beschränkte Steuerpflicht vorliegt oder nicht. bb) Beschränkte Steuerpflicht
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Ob eine Forderung auf Übertragung von Inlandsvermögen unter die beschränkte Steuerpflicht fällt, ist streitig, wird aber von der Rspr. und der herrschenden Auffassung in der steuerrechtlichen Literatur verneint. Der BFH entschied bereits im Jahr 1958, dass eine Qualifikation von Sachleistungsansprüchen als Inlandsvermögen ausscheide, weil sie in § 121 BewG nicht erwähnt seien.7 Darüber hinaus komme auch keine Analogie zu Lasten des Steuerpflichtigen in Betracht. Die herrschende Literatur bestätigt diese Auffassung.8 Diese Problematik stellt sich bei Treuhandverhältnissen. Das Treuhandverhältnis ist i.d.R. ein Auftrag oder Geschäftsbesorgungsvertrag mit der Folge, dass der Treugeber nach Beendigung des Treuhandverhältnisses einen Herausgabeanspruch gegen den Treuhänder hat (§ 667 BGB). Dabei handelt es sich zunächst nur um einen Sachleistungsanspruch und 1 Zur Abgrenzung zwischen atypisch stiller und typisch stiller Gesellschaft, vgl. Stuhrmann in Blümich, § 20 EStG Rz. 220 (Stand: Mai 2016); Weber-Grellet in Schmidt35, § 20 EStG Rz. 92. 2 R E 2.2 Abs. 5 Satz 3 ErbStR 2011. 3 FinMin. BW v. 9.4.2009, DB 2009, 878. 4 BFH v. 31.5.1957 – III 38/57, BStBl. III 1957, 242; H E 2.2 ErbStH 2011; im Ergebnis wohl auch Eisele in Rössler/Troll, § 121 BewG Rz. 45 (Stand: Oktober 2015). 5 So auch: Jülicher in T/G/J, § 2 ErbStG Rz. 66 (Stand: November 2015); Kreutziger in K/S/S3, § 121 BewG Rz. 54. 6 Von Oertzen in Scherer, Münchener Anwaltshandbuch Erbrecht4, § 34 Rz. 23. 7 BFH v. 10.10.1958 – III R 98/58 S, BStBl. III 1959, 22. 8 Geck, ZEV 1995, 249 (251); Jülicher in T/G/J, § 2 ErbStG Rz. 72 (Stand: Juli 2015); Jüptner in F/J/P/W5, § 2 ErbStG Rz. 94; Richter in V/K/S/W4, § 2 ErbStG Rz. 27; Weinmann in Moench/Weinmann, § 2 ErbStG Rz. 35 (Stand: Februar 2016); Wilms in Wilms/Jochum, § 2 ErbStG Rz. 142 (Stand: März 2016).
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Eintritt der persönlichen Steuerpflicht (Abs. 1)
Rz. 60 § 2 ErbStG
würde – folgt man der h.M. – nicht zu einer beschränkten Steuerpflicht führen, auch wenn Gegenstand des Treuhandverhältnisses im Inland belegener Grundbesitz oder ein im Inland belegenes Betriebsvermögen wäre. Dies wird auch von der FinVerw. bestätigt.1 Hingegen geht sie in einer anderen Fallkonstellation davon aus, dass der Anspruch des Treugebers gegen den Treuhänder auf Herausgabe der Beteiligung eines Kommanditanteils an einer gewerblichen KG stets Inlandsvermögen darstellt und dass dies unabhängig davon gelte, ob die KG inländisches oder ausländisches Vermögen halte.2 Teilweise wird kritisiert, dass bei Sachvermächtnissen keine beschränkte Steuerpflicht ausgelöst wird. Der Erbe ist bei Erwerb von Inlandsvermögen entweder unbeschränkt steuerpflichtig, sofern Inländer, oder zumindest beschränkt steuerpflichtig. Die Vermächtnislast kann er in jedem Fall im Rahmen der unbeschränkten Steuerpflicht von der Erbschaftsteuer abziehen (§ 10 Abs. 5 Nr. 2 ErbStG). Selbst im Rahmen der beschränkten Steuerpflicht ist ein Abzug möglich, weil nach § 10 Abs. 6 Satz 2 ErbStG der erforderliche wirtschaftliche Zusammenhang gegeben sein dürfte.3 Allerdings bliebe der bloße Anspruch auf ein Sachvermächtnis steuerfrei, wenn ein Sachleistungsanspruch nicht unter den Inlandsbegriff fällt. Der Erbe, der mit dem Vermächtnis belastet ist, kann dieses voll abziehen. Der Erwerber, sofern nur beschränkt steuerpflichtig, muss indes den Erwerb nicht versteuern. Daher wird vereinzelt gefordert, dass auch ein solches Sachleistungsvermächtnis zu einer beschränkten Steuerpflicht führen solle.4 cc) Folgen Die Einbeziehung von Sachleistungsansprüchen ist m.E. problematisch, weil die Vorschrift des § 121 59a BewG eine solche weite Auslegung nicht zulässt. Unbestritten ist, dass die Differenzierung zwischen einem Direkterwerb von Inlandsvermögen und dem Erwerb eines Anspruchs auf Inlandsvermögen ein Gestaltungspotential hat, wenn der Erwerb eines inländischen Grundstücks zur beschränkten Steuerpflicht führt, nicht aber der Erwerb eines Vermächtnisses, das einen Anspruch gegen den Erben auf Übertragung eines inländischen Grundstücks verleiht (§§ 2147, 2174 BGB). Die beschränkte Steuerpflicht kann zumindest bei Schenkungen dadurch vermieden werden, dass anstelle des Vermögensgegenstandes i.S.d. § 121 BewG ein Anspruch darauf übertragen wird. In der Literatur wird dazu vereinzelt vertreten, dass bei Zugrundelegung der objektiv-teleologischen Auslegung des § 121 BewG Sachleistungsansprüche auf Übertragung von Inlandsvermögen ebenfalls Inlandsvermögen darstellen, weil auch in diesem Fall der geforderte Inlandsbezug des jeweiligen Vermögensgegenstandes gegeben sei.5 Dem ist nicht zu folgen. Der Gesetzgeber hat ausdrücklich in § 121 Nr. 9 BewG geregelt, dass auch Nutzungsrechte an den in § 121 Nr. 1 bis 8 BewG genannten Vermögensgegenständen zu Inlandsvermögen führen. Wenn der Gesetzgeber Nutzungsrechte an den Vermögensgegenständen ausdrücklich als Inlandsvermögen definiert, nicht aber Ansprüche auf den Erwerb der dort aufgezählten Vermögensgegenstände, so fallen letztere nicht unter den Begriff des Inlandsvermögens. Wenn erst über eine Auslegung des § 121 BewG über den Wortlaut hinaus ein solcher Anspruch Inlandsvermögen darstellt, ergibt sich hier das Problem der Analogie zu Lasten des Steuerpflichtigen. Nach Meincke6 „erscheint die unterschiedliche Behandlung wertungsmäßig gleichliegender Tatbestände als Wertungswiderspruch, deren Vermeidung eine Forderung an den Gesetzgeber wie auch den Interpreten des Gesetzes ist“. Es kann vorliegend aber nicht Aufgabe des Rechtsanwenders sein, den Anwendungsbereich des § 121 BewG auf Ansprüche auf die Übertragung von Inlandsvermögen auszudehnen, obwohl sich dies nicht aus dem Wortlaut des § 121 BewG ergibt. Es wäre Aufgabe des Gesetzgebers, die Vorschrift zu ändern, sollte ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 GG bestehen. 4. Gestaltungen im Rahmen der beschränkten Steuerpflicht Sollte tatsächlich eine beschränkte Erbschaft- und Schenkungsteuerpflicht bestehen, gibt es allerdings 60 einige praktikable Wege, die Steuerpflicht zu vermeiden.7 Eine Möglichkeit ist schlicht die Veräuße1 2 3 4 5 6 7
FinMin. Bayern v. 14.6.2005, DStR 2005, 1231; Lüdicke/Kaiser, DStR 2005, 1926 (1927). FinMin. BW v. 16.2.2007, DStR 2007, 627; FinMin. Bay. v. 11.1.2008, DStR 2008, 508. Krumm, IStR 2011, 615 (618). Krumm, IStR 2011, 615 (618); so auch Meincke16, § 2 ErbStG Rz. 11. Krumm, IStR 2011, 615 (621). Meincke16, § 2 ErbStG Rz. 11. Von Oertzen in FS Piltz, S. 367 ff.
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§ 2 ErbStG Rz. 61 Persönliche Steuerpflicht rung des jeweiligen Vermögensgegenstandes, denn der Veräußerungserlös würde kein Inlandsvermögen darstellen. Ebenfalls kann das Inlandsvermögen insgesamt umstrukturiert werden. Anlehnend an die unter Rz. 58 dargestellte herrschende Auffassung können auch beschränkt steuerpflichtige Personen anstelle eines inländischen Vermögensgegenstandes ein Vermächtnis erhalten oder einen anderen Geldanspruch. Möglich ist auch die Einbringung der inländischen Vermögensgegenstände in eine funktionserfüllte ausländische Kapitalgesellschaft. Bei letzterer Gestaltung ist aber darauf zu achten, dass es sich um eine Gesellschaft handelt, die nicht als Briefkastengesellschaft qualifiziert. Sinnvoll ist ein solcher Schritt immer, wenn die ausländische Kapitalgesellschaft bereits für eine längere Zeit besteht und unabhängig von der Nachfolgeplanung eine eigene Geschäftstätigkeit hat. Dann dürfte auch § 42 AO fernliegend sein. Sollte Inlandsvermögen bestehen, kann über den Schuldenabzug nach § 10 Abs. 6 Satz 2 ErbStG versucht werden, die Steuerlast zu minimieren. Dann ist aber darauf zu achten, dass die geltend gemachten Schulden im wirtschaftlichen Zusammenhang mit dem Vermögensgegenstand stehen. Zu berücksichtigen ist auch, dass § 10 Abs. 2 ErbStG, d.h. die Übernahme der Schenkungsteuer für den Beschenkten, kein Inlandsvermögen darstellt und daher nicht besteuert wird. Ggf. ist auch empfehlenswert, nach § 2 Abs. 3 ErbStG für die unbeschränkte Steuerpflicht zu optieren. Bei Veräußerung von Inlandsvermögen sind Veräußerungstatbestände zu berücksichtigen. Bei der Veräußerung von Betriebsvermögen kann es zu einer Realisierung von stillen Reserven kommen. Eine steuerfreie Veräußerung ist nicht möglich. Bei Grundstücken ist die Haltefrist des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG zu beachten, bei Anteilen an Kapitalgesellschaften i.S.d. § 121 Nr. 4 BewG § 17 EStG, der bereits bei einer Beteiligung von mindestens 1 % eingreift.
IV. Erweitert beschränkte Steuerpflicht (§ 4 AStG) 1. Anwendungsbereich 61
Wie im Einkommensteuerrecht gibt es bei der Erbschaft- und Schenkungsteuer auch neben der beschränkten Steuerpflicht nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG die sog. erweitert beschränkte Steuerpflicht gem. § 4 AStG. Dabei erfasst § 4 AStG wie § 2 AStG den Fall, dass ein Erblasser oder Schenker in das niedrig besteuerte Ausland zieht. Es kommt nicht auf den Erben oder Beschenkten an.1 Der Gesetzgeber versucht in Anknüpfung an die Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 AStG den Wegzug für bestimmte Steuerpflichtige unattraktiv zu machen.2 Daher wird unter bestimmten Voraussetzungen die beschränkte Erbschaft- und Schenkungsteuerpflicht durch § 4 AStG dahingehend erweitert, dass auch Teile des Erwerbs steuerpflichtig sind, deren Erträge bei unbeschränkter Steuerpflicht nicht ausländische Einkünfte gem. § 34c Abs. 1 EStG wären. Sowohl hinsichtlich der Voraussetzungen als auch der Rechtsfolgen knüpft § 4 AStG an die erweitert beschränkte Einkommensteuerpflicht des § 2 AStG an. Die betreffenden Vorschriften lauten: § 2 AStG Einkommensteuer. (1) Eine natürliche Person, die in den letzten zehn Jahren vor dem Ende ihrer unbeschränkten Steuerpflicht nach § 1 Abs. 1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes als Deutscher insgesamt mindestens fünf Jahre unbeschränkt einkommensteuerpflichtig war und 1. in einem ausländischen Gebiet ansässig ist, in dem sie mit ihrem Einkommen nur einer niedrigen Besteuerung unterliegt, oder in keinem ausländischen Gebiet ansässig ist und 2. wesentliche wirtschaftliche Interessen im Geltungsbereich dieses Gesetzes hat, ist bis zum Ablauf von zehn Jahren nach Ende des Jahres, in dem ihre unbeschränkte Steuerpflicht geendet hat, über die beschränkte Steuerpflicht im Sinne des Einkommensteuergesetzes hinaus beschränkt einkommensteuerpflichtig mit allen Einkünften i.S.d. § 2 Abs. 1 erster Halbsatz des Einkommensteuergesetzes, die bei unbeschränkter Einkommensteuerpflicht nicht ausländische Einkünfte i.S.d. § 34d des Einkommensteuergesetzes sind. Für Einkünfte der natürlichen Person, die weder durch deren ausländische Betriebsstätte noch durch deren in einem ausländischen Staat tätigen ständigen Vertreter erzielt werden, ist für die Anwendung dieser Vorschrift das Bestehen einer inländischen Geschäftsleitungsbetriebsstätte der natürlichen Person anzunehmen, der solche Einkünfte zuzuordnen sind. Satz 1 findet nur Anwendung für Veranlagungszeiträume, in denen die hiernach insgesamt beschränkt steuerpflichtigen Einkünfte mehr als v 16 500 betragen. 1 Baßler in F/W/B/S, § 4 AStG Rz. 29 (Stand: März 2016). 2 Kraft, § 2 AStG Rz. 1.
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(2) Eine niedrige Besteuerung i.S.d. Abs. 1 Nr. 1 liegt vor, wenn 1. die Belastung durch die in dem ausländischen Gebiet erhobene Einkommensteuer – nach dem Tarif unter Einbeziehung von tariflichen Freibeträgen – bei einer in diesem Gebiet ansässigen unverheirateten natürlichen Person, die ein steuerpflichtiges Einkommen von v 77 000 bezieht, um mehr als ein Drittel geringer ist als die Belastung einer im Geltungsbereich dieses Gesetzes ansässigen natürlichen Person durch die deutsche Einkommensteuer unter sonst gleichen Bedingungen, es sei denn, die Person weist nach, dass die von ihrem Einkommen insgesamt zu entrichtenden Steuern mindestens zwei Drittel der Einkommensteuer betragen, die sie bei unbeschränkter Steuerpflicht nach § 1 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes zu entrichten hätte oder 2. die Belastung der Person durch die in dem ausländischen Gebiet erhobene Einkommensteuer auf Grund einer gegenüber der allgemeinen Besteuerung eingeräumten Vorzugsbesteuerung erheblich gemindert sein kann, es sei denn, die Person weist nach, dass die von ihrem Einkommen insgesamt zu entrichtenden Steuern mindestens zwei Drittel der Einkommensteuer betragen, die sie bei unbeschränkter Steuerpflicht nach § 1 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes zu entrichten hätten. (3) Eine Person hat i.S.d. Abs. 1 Nr. 2 wesentliche wirtschaftliche Interessen im Geltungsbereich dieses Gesetzes, wenn 1. sie zu Beginn des Veranlagungszeitraums Unternehmer oder Mitunternehmer eines im Geltungsbereich dieses Gesetzes belegenen Gewerbebetriebs ist oder, sofern sie Kommanditist ist, mehr als 25 Prozent der Einkünfte i.S.d. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes aus der Gesellschaft auf sie entfallen oder ihr eine Beteiligung i.S.d. § 17 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes an einer inländischen Kapitalgesellschaft gehört oder 2. ihre Einkünfte, die bei unbeschränkter Einkommensteuerpflicht nicht ausländische Einkünfte i.S.d. § 34c Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes sind, im Veranlagungszeitraum mehr als 30 Prozent ihrer sämtlichen Einkünfte betragen oder 62 000 v übersteigen oder 3. zu Beginn des Veranlagungszeitraums ihr Vermögen, dessen Erträge bei unbeschränkter Einkommensteuerpflicht nicht ausländische Einkünfte i.S.d. § 34c Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes wären, mehr als 30 Prozent ihres Gesamtvermögens beträgt oder 154 000 v übersteigt. (4) Bei der Anwendung der Abs. 1 und 3 sind bei einer Person Gewerbebetriebe, Beteiligungen, Einkünfte und Vermögen einer ausländischen Gesellschaft i.S.d. § 5, an der die Person unter den dort genannten Voraussetzungen beteiligt ist, entsprechend ihrer Beteiligung zu berücksichtigen. (5) Ist Abs. 1 anzuwenden, so kommt der Steuersatz zur Anwendung, der sich für sämtliche Einkünfte der Person ergibt. Auf Einkünfte, die dem Steuerabzug vom Kapitalertrag oder dem Steuerabzug auf Grund des § 50a des Einkommensteuergesetzes unterliegen, ist § 50 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes nicht anzuwenden. (6) Weist die Person nach, dass die auf Grund der Abs. 1. und 5. zusätzlich zu entrichtende Steuer insgesamt zu einer höheren inländischen Steuer führt, als sie sie bei unbeschränkter Steuerpflicht und Wohnsitz ausschließlich im Geltungsbereich dieses Gesetzes zu entrichten hätte, so wird der übersteigende Betrag insoweit nicht erhoben, als er die Steuer überschreitet, die sich ohne Anwendung der Abs. 1 und 5 ergäbe. § 4 AStG Erbschaftsteuer (1) War bei einem Erblasser oder Schenker zur Zeit der Entstehung der Steuerschuld § 2 Abs. 1 Satz 1 anzuwenden, so tritt bei Erbschaftsteuerpflicht nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 des Erbschaftsteuergesetzes die Steuerpflicht über den dort bezeichneten Umfang hinaus für alle Teile des Erwerbs ein, deren Erträge bei unbeschränkter Einkommensteuerpflicht nicht ausländische Einkünfte i.S.d. § 34c Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes wären. (2) Abs. 1 findet keine Anwendung, wenn nachgewiesen wird, dass für die Teile des Erwerbs, die nach dieser Vorschrift über § 2 Abs. 1 Nr. 3 des Erbschaftsteuergesetzes hinaus steuerpflichtig wären, im Ausland eine der deutschen Erbschaftsteuer entsprechende Steuer zu entrichten ist, die mindestens 30 Prozent der deutschen Erbschaftsteuer beträgt, die bei Anwendung des Abs. 1 auf diese Teile des Erwerbs entfallen würde. § 5 AStG Zwischengeschaltete Gesellschaften (1) Sind natürliche Personen, die in den letzten zehn Jahren vor dem Ende ihrer unbeschränkten Steuerpflicht nach § 1 Abs. 1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes als Deutscher insgesamt mindestens fünf Jahre unbeschränkt einkommensteuerpflichtig waren und die Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 erfüllen (Person i.S.d. § 2), allein oder zusammen mit unbeschränkt Steuerpflichtigen an einer ausländischen Gesellschaft i.S.d. § 7 beteiligt, so sind Einkünfte, mit denen diese Personen bei unbeschränkter Steuerpflicht nach den §§ 7, 8 und 14 steuerpflichtig wären und die nicht ausländische Einkünfte i.S.d. § 34c Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes sind, diesen Personen zuzurechnen. Liegen die Voraussetzungen des Satzes 1 vor, so sind die Vermögenswerte der ausländischen Gesellschaft, deren Erträge bei unbeschränkter Steuerpflicht nicht ausländische Einkünfte i.S.d. § 34c Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes wären, im Fall des § 4 dem Erwerb entsprechend der Beteiligung zuzurechnen.
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§ 2 ErbStG Rz. 61 Persönliche Steuerpflicht (2) Das Vermögen, das den nach Abs. 1 einer Person zuzurechnenden Einkünften zugrunde liegt, haftet für die von dieser Person für diese Einkünfte geschuldeten Steuern. (3) § 18 findet entsprechende Anwendung. § 34c Steuerermäßigung bei ausländischen Einkünften (1) Bei unbeschränkt Steuerpflichtigen, die mit ausländischen Einkünften in dem Staat, aus dem die Einkünfte stammen, zu einer der deutschen Einkommensteuer entsprechenden Steuer herangezogen werden, ist die festgesetzte und gezahlte und um einen entstandenen Ermäßigungsanspruch gekürzte ausländische Steuer auf die deutsche Einkommensteuer anzurechnen, die auf die Einkünfte aus diesem Staat entfällt; das gilt nicht für Einkünfte aus Kapitalvermögen, auf die § 32d Abs. 1 und 3 bis 6 anzuwenden ist. 2Die auf die ausländischen Einkünfte nach Satz 1 erster Halbsatz entfallende deutsche Einkommensteuer ist in der Weise zu ermitteln, dass die sich bei der Veranlagung des zu versteuernden Einkommens, einschließlich der ausländischen Einkünfte, nach den §§ 32a, 32b, 34, 34a und 34b ergebende deutsche Einkommensteuer im Verhältnis dieser ausländischen Einkünfte zur Summe der Einkünfte aufgeteilt wird. 3Bei der Ermittlung des zu versteuernden Einkommens, der Summe der Einkünfte und der ausländischen Einkünfte sind die Einkünfte nach Satz 1 zweiter Halbsatz nicht zu berücksichtigen; bei der Ermittlung der ausländischen Einkünfte sind die ausländischen Einkünfte nicht zu berücksichtigen, die in dem Staat, aus dem sie stammen, nach dessen Recht nicht besteuert werden. 4Gehören ausländische Einkünfte der in § 34d Nr. 3, 4, 6, 7 und 8 Buchstabe c genannten Art zum Gewinn eines inländischen Betriebes, sind bei ihrer Ermittlung Betriebsausgaben und Betriebsvermögensminderungen abzuziehen, die mit den diesen Einkünften zugrunde liegenden Einnahmen in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen. 5Die ausländischen Steuern sind nur insoweit anzurechnen, als sie auf die im Veranlagungszeitraum bezogenen Einkünfte entfallen. […] § 34d Ausländische Einkünfte Ausländische Einkünfte i.S.d. § 34c Abs. 1 bis 5 sind 1. Einkünfte aus einer in einem ausländischen Staat betriebenen Land- und Forstwirtschaft (§§ 13 und 14) und Einkünfte der in den Nr. 3, 4, 6, 7 und 8 Buchstabe c genannten Art, soweit sie zu den Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft gehören; 2. Einkünfte aus Gewerbebetrieb (§§ 15 und 16), a) die durch eine in einem ausländischen Staat belegene Betriebsstätte oder durch einen in einem ausländischen Staat tätigen ständigen Vertreter erzielt werden, und Einkünfte der in den Nr. 3, 4, 6, 7 und 8 Buchstabe c genannten Art, soweit sie zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb gehören, b) die aus Bürgschafts- und Avalprovisionen erzielt werden, wenn der Schuldner Wohnsitz, Geschäftsleitung oder Sitz in einem ausländischen Staat hat, oder c) die durch den Betrieb eigener oder gecharterter Seeschiffe oder Luftfahrzeuge aus Beförderungen zwischen ausländischen oder von ausländischen zu inländischen Häfen erzielt werden, einschließlich der Einkünfte aus anderen mit solchen Beförderungen zusammenhängenden, sich auf das Ausland erstreckenden Beförderungsleistungen; 3. Einkünfte aus selbständiger Arbeit (§ 18), die in einem ausländischen Staat ausgeübt oder verwertet wird oder worden ist, und Einkünfte der in den Nr. 4, 6, 7 und 8 Buchstabe c genannten Art, soweit sie zu den Einkünften aus selbständiger Arbeit gehören; 4. Einkünfte aus der Veräußerung von a) Wirtschaftsgütern, die zum Anlagevermögen eines Betriebs gehören, wenn die Wirtschaftsgüter in einem ausländischen Staat belegen sind, b) Anteilen an Kapitalgesellschaften, wenn die Gesellschaft Geschäftsleitung oder Sitz in einem ausländischen Staat hat; 5. Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit (§ 19), die in einem ausländischen Staat ausgeübt oder, ohne im Inland ausgeübt zu werden oder worden zu sein, in einem ausländischen Staat verwertet wird oder worden ist, und Einkünfte, die von ausländischen öffentlichen Kassen mit Rücksicht auf ein gegenwärtiges oder früheres Dienstverhältnis gewährt werden. Einkünfte, die von inländischen öffentlichen Kassen einschließlich der Kassen der Deutschen Bundesbahn und der Deutschen Bundesbank mit Rücksicht auf ein gegenwärtiges oder früheres Dienstverhältnis gewährt werden, gelten auch dann als inländische Einkünfte, wenn die Tätigkeit in einem ausländischen Staat ausgeübt wird oder worden ist; 6. Einkünfte aus Kapitalvermögen (§ 20), wenn der Schuldner Wohnsitz, Geschäftsleitung oder Sitz in einem ausländischen Staat hat oder das Kapitalvermögen durch ausländischen Grundbesitz gesichert ist; 7. Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung (§ 21), soweit das unbewegliche Vermögen oder die Sachinbegriffe in einem ausländischen Staat belegen oder die Rechte zur Nutzung in einem ausländischen Staat überlassen worden sind;
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8. sonstige Einkünfte i.S.d. § 22, wenn a) der zur Leistung der wiederkehrenden Bezüge Verpflichtete Wohnsitz, Geschäftsleitung oder Sitz in einem ausländischen Staat hat, b) bei privaten Veräußerungsgeschäften die veräußerten Wirtschaftsgüter in einem ausländischen Staat belegen sind, c) bei Einkünften aus Leistungen einschließlich der Einkünfte aus Leistungen i.S.d. § 49 Abs. 1 Nr. 9 der zur Vergütung der Leistung Verpflichtete Wohnsitz, Geschäftsleitung oder Sitz in einem ausländischen Staat hat.
2. Wesen der erweitert beschränkten Steuerpflicht Im Gegensatz zur unbeschränkten Steuerpflicht ergibt sich ein Besteuerungszugriff nur auf das In- 62 landsvermögen i.S.d. § 34c EStG. Damit ist der Zugriff weiter als bei der beschränkten Steuerpflicht, bezieht sich aber auch nicht auf das Weltvermögen. Wie bei der beschränkten Steuerpflicht gibt es nur einen eingeschränkten Schuldenabzug, wenn die Schulden im wirtschaftlichen Zusammenhang mit dem jeweiligen Vermögensgegenstand stehen (§ 10 Abs. 6 Satz 2 ErbStG). Hinsichtlich des Freibetrags gilt auch § 16 Abs. 2 ErbStG. Gleichwohl ist auch im Rahmen der erweitert beschränkten Steuerpflicht das Antragsrecht nach § 2 Abs. 3 ErbStG anwendbar.1 3. Voraussetzungen des § 4 AStG a) Wegzugsbesteuerung für Zwecke der Einkommensteuer (§ 2 Abs. 1 AStG) § 4 AStG erfordert, dass die Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 AStG vorliegen, d.h. die Voraussetzun- 63 gen für eine Wegzugsbesteuerung für Zwecke der Einkommensteuer. b) Unbeschränkte Steuerpflicht nach § 1 Abs. 1 Satz 1 EStG Zu den persönlichen Voraussetzungen der erweiterten beschränkten Steuerpflicht nach § 2 AStG ge- 64 hört u.a., dass der Steuerpflichtige in den letzten zehn Jahren vor Ende seiner unbeschränkten Steuerpflicht als Deutscher insgesamt mindestens fünf Jahre unbeschränkt einkommensteuerpflichtig war. Die Berechnung der Fristen richtet sich nach § 108 Abs. 1 AO i.V.m. den §§ 187 ff. BGB.2 Dabei muss eine unbeschränkte Steuerpflicht nach § 1 Abs. 1 Satz 1 EStG vorgelegen haben; eine unbeschränkte Steuerpflicht für Bedienstete des öffentlichen Rechts und ihre Angehörigen nach § 1 Abs. 2 EStG sowie die unbeschränkte Steuerpflicht auf Antrag gem. § 1 Abs. 3 EStG reichen nicht aus. Ebenso wenig reicht die vorangegangene fiktive unbeschränkte Steuerpflicht von EU/EWR-Familienangehörigen nach § 1a EStG. c) Wegzug in ein Niedrigsteuerland aa) Grundsätze Darüber hinaus setzt § 2 Abs. 1 AStG voraus, dass der Steuerpflichtige in ein Niedrigsteuerland weg- 65 zieht oder in keinem Gebiet ansässig ist (z.B. weil er seinen Aufenthalt ständig wechselt).3 Dabei kommt es durch den Verweis auf § 2 Abs. 1 AStG auf die Frage an, ob es sich im Hinblick auf die Einkommensteuer (!) bei dem Wegzugsstaat um ein Niedrigsteuergebiet handelt. Auf die Erbschaftsteuer kommt es auch im Rahmen des § 4 AStG nicht an. So würden z.B. die Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 AStG nicht vorliegen, wenn der Steuerpflichtige in ein Land wegzieht, das in einkommensteuerrechtlicher Hinsicht nicht als Niedrigsteuerland gilt, aber z.B. keine Erbschaft- und Schenkungsteuer erhebt. Der Begriff des Niedrigsteuerlandes ist in § 2 Abs. 2 AStG definiert. Dabei wendet die Vorschrift zwei verschiedene Maßstäbe an. Nach § 2 Abs. 2 Nr. 1 AStG ist eine niedrige Besteuerung gegeben, wenn gemessen an einem unverheirateten Steuerpflichtigen bei einem steuerpflichtigen Einkommen von 77 000 Euro die Besteuerung im jeweiligen Wegzugsstaat um ein Drittel geringer ist als im Inland. An1 Gleich lautender Ländererlass v. 15.3.2012 Rz. 1; vgl. Eisele, NWB 2012, 1591 (1593). 2 Anwendungserlass zum Außensteuergesetz v. 14.5.2004, Rz. 2.1.1. 3 Anwendungserlass zum Außensteuergesetz v. 14.5.2004, Rz. 2.2.1.
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§ 2 ErbStG Rz. 66 Persönliche Steuerpflicht lage 1 des Anwendungserlasses zum AStG v. 14.5.2004 enthält eine Aufzählung von Niedrigsteuerländern, die aber nicht abschließend ist. Der Steuerpflichtige kann indes nachweisen, dass seine individuelle Steuerlast in dem ausländischen Staat mehr als zwei Drittel im Vergleich zur inländischen beträgt. bb) Vorzugsbesteuerung 66
Des Weiteren kann eine Niedrigbesteuerung gegeben sein, wenn in dem ausländischen Gebiet dem Steuerpflichtigen eine wesentliche Vorzugsbesteuerung gegenüber anderen Steuerpflichtigen gewährt wird (§ 2 Abs. 2 Nr. 2 AStG). Dies ist gegeben, wenn z.B. – aus dem Ausland zuziehende Personen einkommensteuerfrei sind; – Steuervergünstigungen (z.B. Besteuerung aufgrund ihres Verbrauchs, begünstigende Steuerverträge, Erlasse oder Steuerstundungen ohne Rücksicht auf die steuerliche Leistungsfähigkeit) erlangt werden können; – die Einkünfte aus dem im Inland verbliebenen Wirtschaftsinteressen gegenüber anderen Einkünften bevorzugt besteuert werden. Es genügt, wenn diese Voraussetzungen für wesentliche Teile des Einkommens vorliegen.1 Eine Vorzugsbesteuerung liegt auch vor, wenn der ausländische Staat, in dem die natürliche Person ansässig ist, nach seinem Rechtssystem gegenüber der allgemeinen Besteuerung eine Vorzugsbesteuerung einräumt, ohne dass es darauf ankommt, dass der jeweils betroffenen Person diese Vorzugsbesteuerung auch tatsächlich gewährt wird oder von Rechtswegen gewährt werden kann. Unterliegen z.B. sämtliche Personen in dem Wegzugsstaat der Möglichkeit der Option für eine Vorzugsbesteuerung, so ist keine Vorzugsbesteuerung i.S.d. § 2 AStG darin zu sehen (Anwendungserlass zum AStG, Rz. 2.2.2). Bei der in Großbritannien anwendbaren Remittance-Base-Besteuerung soll es sich um eine einkommensteuerrechtliche Vorzugsbesteuerung handeln.2 Bei der Pauschalbesteuerung (Besteuerung nach dem Verbrauch) der Schweiz soll es sich ebenfalls um eine Vorzugsbesteuerung handeln. cc) Niedrigsteuergebiete
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Ob ein Niedrigsteuergebiet vorliegt, ist im Einzelfall zu prüfen. Es gibt keine abschließende Liste. Das Anwendungsschreiben zum AStG vom 11.7.1974 enthielt eine solche Liste, die aber nicht bis heute fortgeführt wurde. Daher muss eine Prüfung erfolgen. Gleichwohl gibt es Gebiete, die in der damaligen Liste aufgeführt waren und nach wie vor als Niedrigsteuergebiete gelten dürften: Andorra, Bahamasinseln, Bermuda, Britische Jungferninseln, Britische Kanalinseln, Gibraltar, Kaimaninseln, Monaco, Niederländische Antillen und die Schweiz. In einem BMF-Schreiben vom 15.3.19963 war von der FinVerw. entschieden worden, dass Österreich kein Niedrigsteuergebiet darstellt. Das BMFSchreiben ist durch BMF-Schreiben vom 23.4.20104 zur Eindämmung der Normenflut nicht mehr gültig. Es handelt sich bei Österreich allerdings nicht um ein Niedrigsteuergebiet, obwohl keine Erbschaft- und Schenkungsteuer erhoben wird.5 d) Wirtschaftliche Interessen im Inland
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Zu den Voraussetzungen des § 2 AStG gehört ebenfalls, dass ein Steuerpflichtiger wesentliche wirtschaftliche Interessen in Deutschland hat. § 2 Abs. 3 AStG normiert drei verschiedene Fälle, die zu wesentlichen wirtschaftlichen Interessen in Deutschland führen. Gemäß § 2 Abs. 3 Nr. 1 AStG sollen wesentliche wirtschaftliche Interessen nach dem Gesetz vorliegen, wenn zu Beginn des Veranlagungszeitraums eine Person Unternehmer eines Gewerbebetriebs oder Mitunternehmer ist. Dabei bezieht 1 Anwendungserlass zum Außensteuergesetz v. 14.5.2004, Rz. 2.2.2, Nr. 2. 2 Anwendungserlass zum Außensteuergesetz v. 14.5.2004, Rz. 2.2.2; so auch FG München v. 21.11.2011 – 8 K 628/08, EFG 2012, 587; a.A.: Kraft, § 2 AStG Rz. 62; dazu Baßler in F/W/B/S, § 2 AStG Rz. 223.1 (Stand: März 2016). 3 BStBl. I 1996, 161. 4 BStBl. I 2010, 391. 5 Baßler in F/W/B/S, § 4 AStG Rz. 225 (Stand: März 2016).
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Eintritt der persönlichen Steuerpflicht (Abs. 1)
Rz. 70 § 2 ErbStG
sich der Mitunternehmerbegriff nur auf persönlich haftende Gesellschafter. Vom Mitunternehmer abgegrenzt wird der Kommanditist, der nur dann wesentliche wirtschaftliche Interessen in Deutschland hat, wenn mehr als 25 % der Einkünfte aus der Personengesellschaft auf ihn entfallen. Darüber hinaus sollen wesentliche wirtschaftliche Interessen vorliegen, wenn der Steuerpflichtige eine Beteiligung nach § 17 Abs. 1 EStG an einer inländischen Kapitalgesellschaft hält. Insgesamt muss es sich um gewerbliche Einkünfte handeln. Sofern § 2 Abs. 3 Nr. 1 AStG von Personengesellschaften spricht, meint die Vorschrift nur gewerblich tätige Personengesellschaften; die Beteiligung an einer rein vermögensverwaltenden Gesellschaft führt nicht zum wesentlichen Inlandsinteresse.1 Darüber hinaus sieht alternativ dazu § 2 Abs. 3 Nr. 2 AStG vor, dass wesentliche Inlandsinteressen gegeben sind, wenn die ermittelten nicht ausländischen Einkünfte in einem Veranlagungszeitraum mehr als 30 % des Gesamtbetrags der Einkünfte ausmachen oder mehr als 62 000 Euro betragen. Dabei gehören Einkünfte, die sowohl inländische Einkünfte nach § 49 Abs. 1 EStG darstellen und zugleich ausländische Einkünfte, nach § 34d EStG zu den nicht ausländischen Einkünfte i.S.d. § 2 Abs. 3 Nr. 2 AStG.2 Des Weiteren sind gem. § 2 Abs. 3 Nr. 3 AStG wesentliche wirtschaftliche Interessen im Inland gegeben, wenn die ehemals unbeschränkt steuerpflichtige Person zu Beginn des Veranlagungszeitraums Vermögen hat, dessen Erträge bei unbeschränkter Einkommensteuerpflicht nicht ausländische Einkünfte i.S.d. § 34d EStG wären und das im Sinne einer relativen Größe 30 % ihres Gesamtvermögens übersteigt oder zu Beginn des Veranlagungszeitraums Vermögen hat, dessen Erträge bei unbeschränkter Einkommensteuerpflicht nicht ausländische Einkünfte i.S.d. § 34d EStG wären und das im Sinne einer absoluten Größe 154 000 Euro nicht übersteigt. Nach der herrschenden Auffassung sollen, obwohl es auf das Vermögen an sich ankommt, solche Vermögenswerte nicht mit einberechnet werden, die keine laufenden Erträge generieren.3 e) Nachweis einer Mindestbesteuerung Nach § 4 Abs. 2 ErbStG besteht für den Steuerpflichtigen wie im Einkommensteuerrecht die Mög- 69 lichkeit, der erweitert beschränkten Erbschaftsteuerpflicht durch Führen des Nachweises einer Mindestbesteuerung zu entgehen. Die erweitert beschränkte Steuerpflicht findet daher keine Anwendung, wenn für Teile des Erwerbs, die nach dieser Vorschrift über § 2 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG hinaus steuerpflichtig wären, im Ausland eine der deutschen Erbschaftsteuer entsprechende Steuer zu entrichten ist, die mindestens 30 % der deutschen Erbschaftsteuer beträgt, die bei Anwendung des Abs. 1 auf diese Teile des Erwerbs entfallen würde. Gelingt dieser Nachweis, verbleibt es dann bei der beschränkten Steuerpflicht nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG.4 Sind die Voraussetzungen des § 2 AStG nicht anwendbar, entfällt auch eine erweitert beschränkte Erbschaftsteuerpflicht nach § 4 AStG. Bei der Vergleichsberechnung sind sämtliche ausländische Steuern zu berücksichtigen, die der deutschen Erbschaft- und Schenkungsteuer entsprechen, auch soweit sie in anderen Staaten als dem ausländischen Wohnsitzstaat des Erblassers bzw. Schenkers zu entrichten sind. Dabei kommt es auf die Belastung der durch die Erweiterung des § 4 AStG von der beschränkten Steuerpflicht umfassten Vermögensgegenstände an.5 4. Rechtsfolge des § 4 AStG bei fehlendem Nachweis Rechtsfolge des § 4 AStG ist, dass über den Katalog des § 121 BewG hinaus weitere Vermögensgegen- 70 stände in die beschränkte Steuerpflicht einbezogen werden:6 1. Kapitalforderungen gegen Schuldner im Inland; 2. Spareinlagen und Bankguthaben bei Geldinstituten im Inland; 1 Eliker in Blümich, § 2 AStG Rz. 33 (Stand: Mai 2016); Weggenmann in Haase2, § 2 AStG Rz. 93. 2 BFH v. 19.12.2007 – I R 19/06, BStBl. II 2010, 398 = FR 2008, 920; Anwendungserlass zum AStG v. 14.5.2004, Rz. 2.3.2. 3 Baßler in F/W/B/S, § 2 AStG Rz. 104 (Stand: Mai 2014); Eliker in Blümich, § 2 AStG Rz. 36 (Stand: Oktober 2015). 4 Anwendungserlass zum Außensteuergesetz, Rz. 4.2.1. 5 Eliker in Blümich, § 4 AStG Rz. 9 (Stand: Mai 2016). 6 Anwendungserlass zum Außensteuergesetz v. 14.5.2004, Rz. 4.1.1; Plewka/Watrin, ZEV 2002, 253 (256).
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§ 2 ErbStG Rz. 71 Persönliche Steuerpflicht 3. Aktien und Anteile an Kapitalgesellschaften, Investmentfonds und offene Immobilienfonds sowie Geschäftsguthaben bei Genossenschaften im Inland; 4. Ansprüche auf Renten und andere wiederkehrende Leistungen gegen Schuldner im Inland sowie Nießbrauchs- und Nutzungsrechte an Vermögensgegenständen im Inland; 5. Erfindungen und Urheberrechte, die im Inland verwertet werden; 6. Versicherungsansprüche gegen Versicherungsunternehmen im Inland; 7. Bewegliche Wirtschaftsgüter, die sich im Inland befinden; 8. Vermögen, dessen Erträge nach § 5 AStG der erweiterten beschränkten Einkommensteuerpflicht unterliegen; 9. Vermögen, das nach § 15 AStG dem erweitert beschränkt Steuerpflichtigen zuzurechnen ist. 71
Die erweitert beschränkte Steuerpflicht gilt im Jahr des Wegzugs und in den folgenden zehn Jahren. Allerdings ist eine Kollision zur erweitert unbeschränkten Steuerpflicht nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 Buchst. b ErbStG zu berücksichtigen. Die unbeschränkte Steuerpflicht ist daher zunächst auszuschließen. Sollten die Voraussetzungen gegeben sein, würde die erweitert beschränkte Steuerpflicht erst fünf Jahre nach dem Wegzug beginnen und nur noch fünf Jahre andauern. 5. Zwischengesellschaften nach § 5 AStG a) Anwendungsbereich
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Die §§ 2, 4 AStG erfassen nur natürliche Personen, keine Gesellschaften.1 Nicht geregelt wird der Fall, dass eine natürliche Person ihr Vermögen auf eine ausländische niedrig besteuerte Kapitalgesellschaft i.S.d. § 7 AStG überträgt und dann kein Inlandsvermögen mehr hat. Auch die Voraussetzungen des § 4 AStG sind dann nicht mehr gegeben, weil diese Person keine wesentlichen wirtschaftlichen Interessen mehr im Inland hat (§ 2 Abs. 1 Nr. 2 AStG). Damit sind die Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 AStG nicht gegeben, so dass weder § 2 noch § 4 AStG vorliegen. § 5 AStG stellt damit eine Ergänzungsnorm zu den §§ 2, 4 AStG dar. Es handelt sich um eine „Hinzurechnungsbesteuerung eigener Art“ für beschränkt Steuerpflichtige.2 § 5 Abs. 1 Satz 1 AStG knüpft an die Hinzurechnungsbesteuerung der §§ 7 ff. AStG an. § 5 Abs. 1 Satz 2 AStG erfasst auch im Rahmen der erweitert beschränkten Steuerpflicht die Beteiligung an einer Zwischengesellschaft durch den Erblasser oder Schenker mit der Folge, dass die von der Zwischengesellschaft gehaltenen Vermögenswerte auch dem steuerpflichtigen Erwerb hinzugerechnet werden, sofern es sich um solche Vermögenswerte handelt, deren Einkünfte nicht ausländische Einkünfte gem. § 34c Abs. 1 i.V.m. § 34d EStG wären. Im Gegensatz zu § 4 AStG muss keine erweitert beschränkte Steuerpflicht nach § 2 Abs. 1 AStG gegeben sein. b) Voraussetzungen aa) § 2 Abs. 1 Nr. 1 AStG
73
Voraussetzung ist, dass eine natürliche Person in den letzten zehn Jahren vor Ende ihrer unbeschränkten Steuerpflicht mindestens fünf Jahre unbeschränkt steuerpflichtig im Inland war und aus Deutschland wegzieht. Damit korrespondiert die Vorschrift zu § 2 Abs. 1 AStG. Weiterhin erforderlich ist die deutsche Staatsangehörigkeit. Es müssen aber lediglich die Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AStG vorliegen. Das bedeutet, dass die natürliche Person in einem Niedrigsteuerland ansässig sein muss. Nicht erforderlich ist, dass sie wesentliche wirtschaftliche Interessen im Inland haben muss. Grund dafür ist, dass die natürliche Person bei vorheriger Übertragung ihrer Vermögenswerte auf eine ausländische Kapitalgesellschaft auch definitionsgemäß keine wesentlichen wirtschaftlichen Interessen im Inland haben wird.
1 Kraft, § 5 AStG Rz. 1. 2 Kraft, § 5 AStG Rz. 2.
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Eintritt der persönlichen Steuerpflicht (Abs. 1)
Rz. 75 § 2 ErbStG
bb) Beteiligung an Zwischengesellschaft Darüber hinaus muss der steuerpflichtige Erblasser oder Schenker gemeinsam oder mit anderen 74 Personen zu mehr als 50 % an einer ausländischen Zwischengesellschaft i.S.d. § 7 AStG beteiligt sein (Deutschbeherrschung). Wann eine Zwischengesellschaft i.S.d. § 7 AStG vorliegt, richtet sich dann ausschließlich nach dem AStG. Es wird auf die entsprechenden Kommentare zum AStG verwiesen.1 Es reicht aber nicht eine bloße Beteiligung an einer ausländischen Kapitalgesellschaft. Es müssen auch die Voraussetzungen der Zwischengesellschaft gegeben sein. Die Gesellschaft muss ihrerseits nicht ausländische Einkünfte erzielen (§ 34c Abs. 1 i.V.m. § 34d EStG). Bei diesen Einkünften muss es sich um passive Einkünfte handeln nach § 8 Abs. 1 AStG. Des Weiteren müssen auch auf der Ebene der Gesellschaft diese Einkünfte niedrig besteuert werden. Die Voraussetzungen werden in der Praxis nicht häufig vorliegen, so dass der Anwendungsbereich des § 5 AStG verhältnismäßig gering sein dürfte.2 Bei folgenden nicht ausländischen Einkünften kommt § 5 AStG ggf. zum Tragen: Lizenzeinkünfte, Einkünfte aus Kapitalvermögen, Vermietung von beweglichen Sachen, Vergütungen für bestimmte kaufmännische Leistungen, sofern diese auch niedrig besteuert werden. Für die Erbschaft- und Schenkungsteuer bedeutet das, dass auch nur für die diesen Einkünften zugrunde liegenden Vermögenswerte § 5 Abs. 1 Satz 2 AStG eingreifen kann. c) Rechtsfolge In ertragsteuerlicher Hinsicht ist die Folge für das Vorliegen einer Zwischengesellschaft i.S.d. § 7 75 AStG, dass die Einkünfte der Zwischengesellschaft der unbeschränkt steuerpflichtigen Person zugerechnet werden. Für erweitert beschränkt steuerpflichtige Erblasser und Schenker gilt hingegen, dass dem steuerpflichtigen Erwerb solche Vermögenswerte hinzugerechnet werden, die von der ausländischen Zwischengesellschaft gehalten werden. Einschränkung ist aber, dass nur solche Vermögenswerte hinzugerechnet werden, aus denen nicht ausländische Einkünfte nach § 34c Abs. 1 EStG resultieren. Dies sind alle Einkünfte, die nicht explizit in § 34d EStG genannt werden. Beispiel: Erblasser A, deutscher Staatsangehöriger, zieht auf die englischen Kanalinseln. Er war vor Ende seiner unbeschränkten Steuerpflicht in Deutschland fünf Jahre unbeschränkt steuerpflichtig. Er vererbt u.a. Anteile an einer Ltd., die in Jersey belegen ist und die Voraussetzungen des § 7 AStG erfüllt. Die Ltd. hält Anteile an deutschen Kapitalgesellschaften von # 10 % sowie Bankguthaben bei inländischen Kreditinstituten. Der Erbe des A ist ebenfalls nicht im Inland ansässig. Lösung: Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a ErbStG liegt eine unbeschränkte Steuerpflicht nicht vor, weil weder A noch sein Erbe im Zeitpunkt der Entstehung der Erbschaftsteuer im Inland einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt hatten. Auch eine beschränkte Steuerpflicht nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG i.V.m. § 121 BewG ist nicht gegeben, weil Anteile an einer ausländischen Kapitalgesellschaft kein Inlandsvermögen darstellen. Eine beschränkte Steuerpflicht würde ungeachtet des § 5 AStG eingreifen, wenn die ausländische Kapitalgesellschaft inländisches Vermögens i.S.d. § 121 BewG hält und damit R E 2.2 Abs. 6 ErbStR eingreift. Dies wäre aber nicht der Fall, wenn sie z.B. Bankguthaben bei einem deutschen Kreditinstitut hält oder Anteile an einer deutschen Kapitalgesellschaft von # 10 %. Auch die Voraussetzungen des § 4 AStG sind nicht gegeben. Diese Vorschrift würde wiederum § 2 Abs. 1 AStG voraussetzen. Dieser ist aber nicht gegeben, weil keine wesentlichen wirtschaftlichen Interessen im Inland nach § 2 Abs. 1 Nr. 2 AStG vorliegen. Unabhängig davon würde die Anwendung des § 4 AStG nicht zu einer Besteuerung der Vermögenswerte der Kapitalgesellschaft führen. Denn § 4 AStG erweitert lediglich den Begriff des Inlandsvermögens auf Kapitalforderungen gegen Schuldner im Inland, Sparguthaben und Bankguthaben bei Geldinstituten im Inland, Aktien und Anteile an Kapitalgesellschaften im Inland, auch wenn sie keine Beteiligung i.S.d. § 121 Nr. 4 BewG darstellen, etc.3 Hier kommt dann die Anwendung des § 5 AStG in Betracht. Die Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AStG liegen vor. Ebenso ist A an einer Zwischengesellschaft nach § 7 AStG beteiligt. Diese Zwischengesellschaft hält Vermögenswerte, mit denen sie nicht ausländische Einkünfte nach § 34c Abs. 1 i.V.m. § 34d EStG erzielt. Aus den Konten bei inländischen Banken und den Anteilen an den inländischen 1 Wassermeyer in F/W/B/S, § 7 AStG Rz. 1 ff. (Stand: März 2016); Köhler in S/K/K, § 7 AStG §§ 1 ff. (Stand: November 2012). 2 Rundshagen in S/K/K, § 5 AStG Rz. 4 (Stand: Januar 2017); Kraft, § 5 AStG Rz. 5. 3 BMF v. 14.5.2004, BStBl. I 2004, Tz. 4; Weinmann in Moench/Weinmann, § 2 ErbStG Rz. 36 (Stand: Februar 2016).
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§ 2 ErbStG Rz. 76 Persönliche Steuerpflicht Kapitalgesellschaften resultieren daher Einkünfte, die nicht unter § 34c Abs. 1 i.V.m. § 34d EStG fallen. Die Voraussetzungen sind daher erfüllt. Rechtsfolge ist, dass auch das inländische Bankkonto erbschaftsteuerlich als steuerpflichtiger Erwerb erfasst wird und die ausländische Zwischengesellschaft nicht abschottet. Dies gilt indes nicht für die Anteile an den inländischen Kapitalgesellschaften, weil diese nicht als passive Einkünfte des § 8 Abs. 1 AStG qualifizieren.
Bei Gestaltungen im Zusammenhang mit ausländischen Kapitalgesellschaften ist daher nicht nur an R E 2.2. Abs. 6 ErbStR 2011 zu denken, der im Rahmen der beschränkten Steuerpflicht bereits Missbrauchsgestaltungen vermeiden soll. Sollte eine erweitert beschränkte Steuerpflicht gegeben sein, ist auch stets § 5 AStG zu berücksichtigen.
C. Inlandsbegriff (Abs. 2) 76
Gemäß § 2 Abs. 2 ErbStG wird ausdrücklich der Inlandsbegriff definiert. Danach gehört zum Inland i.S.d. Gesetzes neben dem Bundesgebiet der der Bundesrepublik Deutschland zustehende Anteil am Festlandsockel, soweit dort Naturschätze des Meeresgrundes und des Meeresuntergrundes erforscht oder ausgebeutet werden. Diese klarstellende Vorschrift hat allerdings in der Praxis kaum Bedeutung.
D. Antrag auf unbeschränkte Steuerpflicht (Abs. 3) I. Inhalt und Zweck des Antragsrechts nach Abs. 3 77
Mit dem Beitreibungsrichtlinie-Umsetzungsgesetz1 wurde ab dem Veranlagungszeitraum 2012 mit Einführung des § 2 Abs. 3 ErbStG ein Vorbehalt im Rahmen der beschränkten Steuerpflicht eingefügt, der es dem Steuerpflichtigen ermöglicht, einen Vermögensanfall auf Antrag insgesamt als unbeschränkt steuerpflichtig behandeln zu können („fiktive unbeschränkte Steuerpflicht“).2 Es gilt insoweit nicht die sog. „Rosinen-Theorie“.3 Möchte der steuerpflichtige Erwerber im Rahmen seiner beschränkten Steuerpflicht den Freibetrag für unbeschränkt Steuerpflichtige nutzen, so muss er den gesamten Vermögensanfall der deutschen Erbschaft- und Schenkungsteuer unterstellen. Wenn ein beschränkt Steuerpflichtiger mehrere Vermögenswerte auf der ganzen Welt erbt, aber z.B. nur ein in Deutschland belegenes Grundstück, so muss er im Falle der Option für die unbeschränkte Steuerpflicht den gesamten Vermögensanfall in Deutschland besteuern, d.h. auch die nicht inländischen Vermögenswerte. Dafür erhält er dann den Freibetrag im Rahmen der unbeschränkten Steuerpflicht. Darüber hinaus gilt nach § 2 Abs. 3 Satz 2 ErbStG, dass der Erwerber, der wirksam einen Antrag gestellt hat, auch die innerhalb von zehn Jahren vor und innerhalb von zehn Jahren nach dem Vermögensanfall von derselben Person anfallenden Erwerbe der unbeschränkten Steuerpflicht unterwirft. Damit soll verhindert werden, dass Schenkungen zwischen denselben Personen in mehrere Teilschenkungen aufgeteilt werden.4 Nach § 2 Abs. 3 Satz 3 ErbStG endet die Festsetzungsfrist für die Steuer im Falle des Satzes 1 nicht vor Ablauf des vierten Jahres, nachdem die Finanzbehörde Kenntnis von dem Antrag erlangt hat. Der Gesetzesentwurf begründet die eingeschränkte Optionsmöglichkeit damit, dass ansonsten ein unbeschränkt Steuerpflichtiger gegenüber den beschränkt Steuerpflichtigen benachteiligt würde, denn unbeschränkt und beschränkt steuerpflichtige Erwerber unterscheiden sich regelmäßig im Umfang des erfassten Vermögens. Während der beschränkt Steuerpflichtige lediglich die in Deutschland belegenen Vermögenswerte versteuern muss, muss der unbeschränkt Steuerpflichtige das Weltvermögen der Steuer unterwerfen. Daneben werden auch im Rahmen der beschränkten Steuerpflicht bestimmte Gegenstände vollständig der Steuer entzogen (§ 121 BewG). Daher hält es der Gesetzgeber für gleichheitswidrig, wenn eine beschränkt steuerpflichtige Person nur bestimmte in Deutschland belegene Vermögenswerte versteuern muss, aber gleichzeitig den vollen Freibetrag be1 BGBl. I 2011, 2592. 2 Gemäß Art. 4 Nr. 1 Buchst. b des Gesetzentwurfs der Bundesregierung v. 21.12.2016 zum StUmgBG soll Abs. 3 aufgehoben werden. 3 Eisele, NWB 2012, 1591 (1594); Schulte/Sedemund, BB 2011, 2080 (2081). 4 BR-Drucks. 253/11, 103.
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Antrag auf unbeschränkte Steuerpflicht (Abs. 3)
Rz. 78 § 2 ErbStG
kommt.1 Grund für die Einführung des Antragsrechts war ein Urteil des EuGH vom 22.4.20102 in der Rechtssache Vera Mattner. Der EuGH wertete es als Verstoß gegen die Kapitalverkehrsfreiheit nach Art. 63 AEUV, wenn Nichtgebietsansässigen im Falle einer Erbschaft oder Schenkung nicht dieselben Freibeträge gewährt werden wie Gebietsansässigen. In dem der EuGH-Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt hatte eine beschränkt steuerpflichtige Beschenkte von ihrer in den Niederlanden ansässigen Mutter, die mangels Wohnsitzes oder gewöhnlichen Aufenthalts ebenfalls nur beschränkt steuerpflichtig war, ein in Deutschland belegenes Grundstück erworben. Ihr wurde nur der Freibetrag gem. § 16 Abs. 1 Nr. 5 ErbStG a.F. für beschränkt Steuerpflichtige i.H.v. DM 1 100 (heute: 2 000 Euro) gewährt und nicht der seinerzeit geltende höhere Freibetrag für Schenkungen zwischen Eltern und Kindern i.H.v. 205 000 Euro. Da die unterschiedlichen persönlichen Freibeträge des § 16 ErbStG nicht auf den Wohnsitz abstellen, sondern auf die persönliche Beziehung des Erwerbers zum Erblasser/Schenker, sei eine solche Ungleichbehandlung nicht gerechtfertigt.3
II. Voraussetzungen und Rechtsfolge (Abs. 3 Satz 1) 1. Voraussetzungen § 2 Abs. 3 Satz 1 ErbStG beinhaltet die Voraussetzungen und die grundlegende Rechtsfolge des An- 78 tragsrechts. Voraussetzung für einen Antrag nach § 2 Abs. 3 ErbStG ist ein Vermögensanfall, zu dem Inlandsvermögen nach § 121 BewG gehört. Das bedeutet, dass es sich um eine Erbschaft oder Schenkung von beschränkt Steuerpflichtigen handeln muss. Ist entweder der Erblasser/Schenker oder der Erwerber unbeschränkt steuerpflichtig, greift die unbeschränkte Steuerpflicht mit den hohen Freiträgen ohnehin ein. Darüber hinaus müssen der Erblasser zur Zeit seines Todes, der Schenker zur Zeit der Ausführung der Schenkung oder der Erwerber zur Zeit der Entstehung der Steuer seinen Wohnsitz innerhalb der EU/EWR haben. Nicht ausreichend ist der gewöhnliche Aufenthalt. Es ist zwar eine Anlehnung an die ertragsteuerlichen Regelungen des Antrags auf unbeschränkte Steuerpflicht der §§ 1 Abs. 3, 1a EStG erkennbar. Gleichwohl stellt das EStG auf die Staatsangehörigkeit ab und nicht auf den Wohnsitz.4 Ein weiterer Unterschied ist, dass § 1 Abs. 3 EStG nur zu einer Besteuerung der inländischen Einkünfte führt, nicht aber auch die ausländischen Einkünfte in die Besteuerung miteinbezieht. Letztere werden nur im Rahmen des Progressionsvorbehalts berücksichtigt (§ 32b Abs. 1 Nr. 5 EStG).5 Des Weiteren ist ein Antrag des Erwerbers erforderlich. Dieser Antrag muss sich darauf beziehen, dass sein gesamter Vermögensanfall als unbeschränkt steuerpflichtig behandelt wird. Auch im Fall der Übernahme der Schenkungsteuer durch den Schenker nach § 10 Abs. 2 ErbStG bleibt es nach der FinVerw. bei dem Antragserfordernis durch den Erwerber.6 Sonst könnte der Schenker einen Antrag stellen und damit die Folgewirkungen für vorherige und spätere Erwerbe des Beschenkten auslösen. Damit würde der Beschenkte auch hinsichtlich der anderen Erwerbe innerhalb des Zehnjahreszeitraums der unbeschränkten Steuerpflicht unterliegen. Dies kann aber nicht richtig sein, weil dann eine andere Person über die Schenkungsteuer mehrerer Erwerbe einer anderen Person entscheiden könnte.7 Das Antragsrecht gilt auch im Falle der erweitert beschränkten Steuerpflicht nach § 4 AStG.8 Der Antrag kann unabhängig davon gestellt werden, wie hoch der Anfall des Inlandsvermögens am gesamten Vermögensanfall ist.
1 BT-Drucks. 17/6263, 64. 2 EuGH v. 22.4.2010 – Rs. C-110/08, ZEV 2010, 270 m. Anm. Jochum; Vorinstanz: FG Düsseldorf vom FG Düsseldorf v. 14.11.2008 – 4 K 2226/08 Erb, IStR 2009, 240; a.A.: FG BW v. 29.10.2008 – 2 K 1986/07, IStR 2009, 249; so bereits FG München v. 5.11,2003 – 4 K 4790/01, DStRE 2004, 339; vgl. auch: Wachter, IStR 2004, 361; Werkmüller, ZEV 2010, 361 (362). 3 Steinmetz/Löber, ZEV 2012, 204 zu Parallelproblematik Spanien. 4 Eisele, NWB 2012, 1591 (1592). 5 Lüdicke/Schulz, IStR 2012, 417 (418). 6 Gleich lautende Ländererlasse v. 15.3.2012, BStBl. I 2012, 328, Rz. 1. 7 Eisele, NWB 2012, 1591 (1594). 8 Gleich lautende Ländererlasse v. 15.3.2012, BStBl. I 2012, 328, Rz. 1.
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§ 2 ErbStG Rz. 79 Persönliche Steuerpflicht 2. Rechtsfolge 79
Rechtsfolge ist, dass der gesamte Vermögensanfall als unbeschränkt steuerpflichtig behandelt wird. Allerdings stehen dem Antragsteller auch die jeweils höheren Freibeträge nach § 16 Abs. 1 ErbStG zu. Maßgeblich ist dann wie bei der unbeschränkten Steuerpflicht das persönliche Verhältnis des Erwerbers zum Erblasser/Schenker. Darüber hinaus steht dem überlebenden Ehegatten/Lebenspartner bzw. Kindern noch der Versorgungsfreibetrag nach § 17 ErbStG zu.1 Der Antrag hat keine Wirkungen auf eine beschränkte Einkommensteuerpflicht.2
III. Zehn-Jahres-Zeitraum (Abs. 3 Satz 2) 80
Satz 2 regelt ergänzend die Rechtsfolgen des Antragsrechts. Es wird angeordnet, dass nicht nur der jeweilige Vermögensanfall der unbeschränkten Steuerpflicht unterliegt, für den das Antragsrecht ausgeübt wurde, sondern darüber hinaus auch sämtliche Erwerbe von derselben Person innerhalb eines Zehn-Jahres-Zeitraums vor und nach dem Vermögensanfall. Dabei handelt es sich nicht um einen Progressionsvorbehalt, sondern es werden vielmehr vorangegangene Erwerbe rückwirkend der unbeschränkten Steuerpflicht unterworfen. Sollte bereits eine Steuer im Rahmen der beschränkten Steuerpflicht festgesetzt worden sein, ist der Antrag nach § 2 Abs. 3 ErbStG ein rückwirkendes Ereignis nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO.
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Beispiel:3 Ein Erwerber mit Wohnsitz in einem ausländischen Mitgliedstaat der EU hat im Jahr 2012 von einem Schenker mit Wohnsitz in einem Drittstaat ein Grundstück und ein Wertpapierdepot in Deutschland erhalten und für den Erwerb einen Antrag nach § 2 Abs. 3 ErbStG gestellt. Im Jahre 2005 hatte er von demselben Schenker einen Geldbetrag schenkweise erworben. Beide Beteiligten hatten im Jahr 2005 dieselben Wohnsitze wie im Jahr 2012. Lösung: Aufgrund des Antrags nach § 2 Abs. 3 ErbStG besteht für den Erwerb aus 2012 unbeschränkte Steuerpflicht. Hingegen war die Schenkung im Jahr 2005 in Deutschland nicht steuerpflichtig, weil die Schenkung eines Geldbetrages mangels Inlandsvermögens nicht unter die beschränkte Steuerpflicht fällt. Wegen des Antrags müsste nunmehr auch diese Schenkung als unbeschränkt steuerpflichtig behandelt werden mit der Folge, dass eine Schenkungsteuer auch für diesen Erwerb festgesetzt werden muss.
Entsprechend sind auch Erwerbe im Zehn-Jahres-Zeitraum nach dem Antrag in die unbeschränkte Steuerpflicht miteinzubeziehen.4 82
Beispiel: Ein Erwerber hat für einen Erwerb aus dem Jahre 2012 einen Antrag nach § 2 Abs. 3 ErbStG gestellt. Im Jahr 2014 erhält er eine weitere Schenkung und ebenso im Jahr 2023, jeweils von demselben Schenker. Lösung: Bei der Besteuerung des Erwerbs im Jahr 2014 ist der Antrag aus 2012 zu berücksichtigen, so dass dieser Erwerb auch in jedem Fall der unbeschränkten Steuerpflicht unterliegt. Bezogen auf den Antrag im Jahre 2012 ist hingegen die Schenkung im Jahre 2023 aufgrund des Zehn-Jahres-Zeitraums nicht von dem Antrag umfasst, sondern unterliegt nur der beschränkten Steuerpflicht.
Im Falle der beschränkten Steuerpflicht ist eine Anrechnung von im Ausland gezahlter Erbschaft- oder Schenkungsteuer nicht möglich. Es kann nur die deutsche Erbschaft- und Schenkungsteuer je nach Regelung im Doppelbesteuerungsabkommen oder nach innerstaatlichem Recht angerechnet werden. Im Falle eines Antrags nach § 2 Abs. 3 ErbStG hingegen wird die Anrechnungsvorschrift des § 21 ErbStG wieder anwendbar. Bei unbeschränkter Steuerpflicht ist auf Antrag die festgesetzte, auf den Erwerber entfallende, gezahlte und keinem Ermäßigungsanspruch unterliegende ausländische Steuer insoweit auf die deutsche Erbschaftsteuer anzurechnen, als das Auslandsvermögen auch der deutschen Erbschaftsteuer unterliegt. Voraussetzung ist, dass kein Doppelbesteuerungsabkommen vorliegt. Es gilt 1 2 3 4
Gleich lautende Ländererlasse v. 15.3.2012, BStBl. I 2012, 328, Rz. 5. Eisele, NWB 2012, 1591 (1592); Korn, NWB 2012, 1295 (1296). Nach den gleich lautenden Ländererlassen v. 15.3.2012, BStBl. I 2012, 328, Rz. 3 Buchst. a Beispiel 1. Gleich lautende Ländererlasse v. 15.3.2012, BStBl. I 2012, 328, Rz. 3 Buchst. b.
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Antrag auf unbeschränkte Steuerpflicht (Abs. 3)
Rz. 85 § 2 ErbStG
auch die Höchstbetragsregelung des § 21 Abs. 1 Satz 3, 4 ErbStG. Das bedeutet, dass die im Ausland auf Auslandsvermögen gezahlte Steuer nur auf den Teil der deutschen Steuer angerechnet werden darf, der auf das Auslandsvermögen entfällt. Zum Auslandsvermögen gehören nach der Definition des § 21 Abs. 2 Nr. 2 ErbStG alle erworbenen Vermögensgegenstände mit Ausnahme derer, die nach § 121 BewG zum Inlandsvermögen gehören. Beispiel:1 Ein Erwerber mit Wohnsitz in einem ausländischen Mitgliedstaat der EU hat von seinem Vater mit Wohnsitz in einem Drittstaat durch Schenkung ein im Inland belegenes Grundstück mit einem Wert von 500 000 Euro und ein Wertpapierdepot im Wert von 1 000 000 Euro erhalten und für diesen Erwerb im Jahr 2012 einen Antrag nach § 2 Abs. 3 ErbStG gestellt. Die in dem anderen EU-Mitgliedstaat zu entrichtende Erbschaft- und Schenkungsteuer beträgt 150 000 Euro.
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Lösung: In Deutschland steht dem Erwerber aufgrund des Antrags nach § 2 Abs. 3 ErbStG der persönliche Freibetrag von 400 000 Euro zu. Die Schenkungsteuer wird wie folgt ermittelt: Steuerpflichtiger Erwerb 1 500 000 t ./. persönlicher Freibetrag nach § 16 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG 400 000 t 1 100 000 t Anwendung des Steuersatzes 19 % 209 000 t Anrechnung der ausländischen Steuer: Anrechnungshöchstbetrag: deutsche Erbschaftsteuer × ausländisches Vermögen Gesamtvermögen 209 000 × 1 000 000 1 500 000 = 139 333 Die ausländische Steuer kann bis zu einem Anrechnungshöchstbetrag von 139 333 Euro angerechnet werden. Bei der Anrechnung ist zu berücksichtigen, dass aus deutscher Sicht nur eine Anrechnung der Steuer erfolgen kann, die im EU-Mitgliedstaat auf das Wertpapierdepot entfällt (§ 21 Abs. 2 Nr. 2 ErbStG). Die hinsichtlich des inländischen Grundstücks gezahlte ausländische Erbschaft- und Schenkungsteuer hingegen kann nicht angerechnet werden, weil es sich insoweit um Inlandsvermögen handelt.
IV. Ende der Festsetzungsfrist (Abs. 3 Satz 3) Gemäß § 2 Abs. 3 Satz 3 ErbStG endet die Festsetzungsfrist im Fall des Satz 2 Nr. 1 nicht vor Ablauf 84 des vierten Jahres, nachdem die Finanzbehörde von dem Antrag Kenntnis erlangt hat. Bei dem Verweis auf Satz 2 Nr. 1 handelt es sich um ein redaktionelles Versehen, weil Satz 2 Nr. 1 enthält. Es hätte richtigerweise ein Verweis auf Satz 2, 1. Alt. erfolgen müssen. Das bedeutet, dass bei einem Antrag auf Ausübung der Option die Finanzverwaltung vier Jahre nach Kenntnis Zeit hat, Erwerbe innerhalb von zehn Jahren vor dem Vermögensanfall festzusetzen.
V. Verfahrensrechtliche Hinweise und zeitlicher Anwendungsbereich Die Zuständigkeit des Finanzamtes richtet sich auch in diesem Fall nach § 35 ErbStG mit folgenden 85 Besonderheiten: Im Falle der unbeschränkten Steuerpflicht aufgrund des Antrags nach § 2 Abs. 3 ErbStG ist § 35 Abs. 4 ErbStG anwendbar. Örtlich zuständig ist das Finanzamt nach sinngemäßer Anwendung des § 19 Abs. 2 AO, in dessen Bezirk sich das erworbene inländische Vermögen und, wenn dies für mehrere Finanzämter zutrifft, der wertvollste Teil des Vermögens befindet.2 Sollte sich eine Zusammenrechnung nach § 14 ErbStG mit vorherigen und nachfolgenden Erwerben ergeben, so ist zu differenzieren: – Gehört zu dem Erwerb kein Inlandsvermögen, ist für die Besteuerung das Finanzamt zuständig, das für die Besteuerung des Erwerbs zuständig ist, für den der Antrag gestellt wurde;
1 Gleich lautende Ländererlasse v. 15.3.2012, BStBl. I 2012, 328, Rz. 6. 2 Gleich lautende Ländererlasse v. 15.3.2012, BStBl. I 2012, 328, Rz. 7.
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§ 2 ErbStG Rz. 86 Persönliche Steuerpflicht – Gehört indes Inlandsvermögen zu vorherigen oder nachfolgenden Erwerben, so ist das Finanzamt zuständig, das für den beschränkt steuerpflichtigen Erwerb zuständig wäre. Das für den gegenwärtigen Erwerb zuständige Finanzamt hat das andere Finanzamt über die nachträgliche Änderung der Besteuerung zu unterrichten. Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass aufgrund eines Auslandssachverhalts § 90 AO anwendbar ist, d.h. eine erhöhte Mitwirkungspflicht der Beteiligten besteht. Der Antragsteller wird daher nach den Vorgaben der FinVerw. verpflichtet, bei einem Antrag den Finanzbehörden gegenüber Angaben über frühere Zuwendungen von derselben Person, Zeitpunkt, Zusammensetzung und Wert der Erwerbe zu machen.1 Die Antragsmöglichkeit gilt für Erwerbe, für die die Steuer nach dem 13.12.2011 entsteht (§ 37 Abs. 7 Satz 1 ErbStG). Sollte die Bestandskraft noch nicht eingetreten sein, kann diese Option auch auf Erwerbe Anwendung finden, für die die Steuer vor dem 14.12.2011 entsteht (§ 37 Abs. 7 Satz 2 ErbStG). Ein Einspruch, der sich auf einen Erwerb bezieht, bei dem die Steuer erst nach dem 14.12.2011 entsteht, ist nicht in einen Antrag auf unbeschränkte Steuerpflicht nach § 2 Abs. 3 ErbStG umzudeuten, weil dieser Antrag im Einzelfall auch nachteilig sein kann (Berücksichtigung früherer Erwerbe, Besteuerung des Weltvermögens). Es ist daher nur ein Hinweis zu machen, dass eine solche Option möglich ist.2
VI. Gestaltungshinweise 86
Mit Einführung des § 2 Abs. 3 ErbStG versucht der Gesetzgeber, den Vorgaben des EuGH-Urteils in der Rechtssache Vera Mattner Rechnung zu tragen. Vorteilhafte steuerliche Folgen ergeben sich allerdings nur in wenigen Fällen. Aufgrund der Zusammenrechnung von mehreren Erwerben werden auch Erwerbe in die Steuerpflicht einbezogen, die normalerweise in Deutschland gar nicht der beschränkten Steuerpflicht unterliegen würden. Darüber hinaus wird das Weltvermögen bei Antragsstellung versteuert, so dass genau ausgerechnet werden muss, ob sich ein solcher Antrag lohnt oder nicht sogar eine Schlechterstellung erfolgt. Fraglich ist, ob der Antrag zurückgenommen werden kann, wenn ein Nacherwerb stattfindet und sich die Option nachträglich als nachteilig erweist. Der Nacherwerb kann als rückwirkendes Ereignis qualifizieren, so dass eine Änderung des Steuerbescheids infolge der Option möglich sein muss (§ 175 Abs. 1 Nr. 2 AO).
VII. Ausdehnung auf die Schweiz bzw. andere Drittländer 87
Im Falle einer Beschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit ist gem. Art. 63 AEUV zu berücksichtigen, dass dieser auch auf Drittländer, d.h. Nicht-EU-/EWR-Länder anwendbar ist. Insoweit stellt sich – sollte der EuGH hinsichtlich einer Vorschrift im deutschen Steuerrecht bereits festgestellt haben, dass ein Verstoß gegen die Kapitalverkehrsfreiheit gegeben ist – stets die Frage, ob nicht dadurch auch automatisch eine Ausdehnung auf Drittstaaten gegeben sein muss. In Bezug auf die Schweiz hat daher der EuGH am 17.10.20133 entschieden, dass die Nichtgewährung der hohen Freibeträge im Rahmen der unbeschränkten Steuerpflicht für in der Schweiz ansässige Personen ebenfalls einen Verstoß gegen die Kapitalverkehrsfreiheit darstelle. In der Entscheidung ging es um die Erbschaft eines in Deutschland belegenen Grundstücks durch eine in der Schweiz ansässige Person von dem ebenfalls in der Schweiz ansässigen Erblasser. Trotz der EuGH-Entscheidung ist eine Ausdehnung des § 2 Abs. 3 ErbStG auf Drittstaaten bisher nicht erfolgt. Die Finanzverwaltung wendet § 2 Abs. 3 ErbStG nicht auf Drittstaatenfälle an, sondern sieht folgendes vor:4 Der Freibetrag ist um den Teil zu kürzen, der anteilig auf das von der beschränkten Steuerpflicht nicht erfasst Vermögen entfällt. Dabei sind auch Vorerwerbe zu berücksichtigen. Daher ist im Einzelfall zu erfragen:
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Gleich lautende Ländererlasse v. 15.3.2012, BStBl. I 2012, 328, Rz. 8. Gleich lautende Ländererlasse v. 15.3.2012, BStBl. I 2012, 328, Rz. 9. EuGH v. 17.10.2013 – Rs. C-181/12 – Yvon Welte, DStR 2013, 2269. OFD NRW Kurzinformation v. 29.7.2014 Nr. 003/2014, ZEV 2014, 508.
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Auswirkungen des Unionsrechts auf die Erbschaft- und Schenkungsteuer
Rz. 89 § 2 ErbStG
– welches Vermögen nicht zum inländischen Vermögen gehört; – der Wert solchen Vermögens, das bei früheren Zuwendungen innerhalb von zehn Jahren vor dem Erwerb von demselben Erblasser/Schenker zugewendet wurde. In einer Entscheidung des FG Baden-Württemberg wurde die Auffassung vertreten, dass § 2 Abs. 3 ErbStG auch auf Drittstaatensachverhalte anwendbar sein müsse.1
VIII. Unvereinbarkeit mit EU-Recht Insbesondere aufgrund der Berücksichtigung der Erwerbe zehn Jahre vor und zehn Jahre nach Aus- 88 übung des Antragsrechts gem. § 2 Abs. 3 ErbStG war stets zweifelhaft, ob die Vorschrift mit den EU-Grundfreiheiten vereinbar ist. Mit Urteil v. 8.6.20162 hat der EuGH endgültig entschieden, dass es gegen die Kapitalverkehrsfreiheit verstoße, wenn ohne Antrag der Steuerpflichtigen ein niedrigerer Freibetrag angewandt werde. Dies gelte auch, wenn bei Anwendung des höheren Freibetrags eine Berücksichtigung und Zusammenrechnung mit den Schenkungen in den zehn Jahren vor und in den zehn Jahren nach der Schenkung erfolge. Parallel gab es bereits ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland wegen § 16 Abs. 2 ErbStG, in dem aber die Vorschrift des § 2 Abs. 3 ErbStG noch nicht berücksichtigt wurde.3 Die Benachteiligung hinsichtlich der Freibeträge von Nichtgebietsansässigen wurde vom EuGH als Verstoß gegen die Kapitalverkehrsfreiheit gewertet. Der deutsche Gesetzgeber hat nunmehr auf die Unionsrechtswidrigkeit des § 2 Abs. 3 ErbStG rea- 89 giert, und zwar im Rahmen des Steuerumgehungsbekämpfungsgesetzes („StUmgBG“).4 § 2 Abs. 3 ErbStG und damit das bisherige Antragsrecht soll aufgehoben werden.5 Stattdessen soll § 16 Abs. 2 ErbStG, der die Freibeträge für beschränkt Steuerpflichtige bisher geregelt hat, vollständig neu gefasst werden. Zukünftig soll in Fällen der beschränkten Steuerpflicht ein anteiliger Freibetrag nur für das Inlandsvermögen gewährt werden.6 Es ist auch eine Wortlautkorrektur geplant, so dass in § 2 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG die Einschränkung „vorbehaltlich des Absatzes. 3“ entfällt.7 Der anteilige Freibetrag gem. § 16 Abs. 2 ErbStG soll für alle Erwerbe anwendbar sein, für die die Steuer nach dem Tag der Verkündung des StUmgBG entstanden ist. Das bedeutet, dass bis zur Verkündung in Fällen des beschränkt steuerpflichtigen Erwerbs § 2 Abs. 3 ErbStG noch Anwendung findet (vgl. dazu § 37 Abs. 14 ErbStG i.d.F. des StUmgBG).8
E. Auswirkungen des Unionsrechts auf die Erbschaft- und Schenkungsteuer Literatur: Bachmann/Richter, Anrechnungshöchstbetrag bei der Erbschaft- und Schenkungsteuer: Ist die Rechtsprechung von EuGH und BFH zur Unionsrechtswidrigkeit von § 34c Abs. 1 S. 2 auf § 21 Abs. 1 S. 2 ErbStG übertragbar?, FR 2014, 829; Billig, Unterschiedliche schenkungsteuerrechtliche Behandlung von Gebietsansässigen und Gebietsfremden, FR 2010, 532; Billig, Die Kapitalverkehrsfreiheit und das deutsche ErbStG – eine unendliche Geschichte?, UVR 2011, 182; Billig, Unbeschränkte Steuerpflicht auf Antrag – Das neue Antragsrecht für gebietsfremde Erwerber nach § 2 Abs. 3 ErbStG, UVR 2012, 312; Billig, Unterschiedliche Behandlung von Gebietsansässigen und Gebietsfremden bei der Berechnung von Erbschaftsteuern – Unvereinbarkeit von § 16 Abs. 2 ErbStG mit der Kapitalverkehrsfreiheit, FR 2013, 1109; Corsten/Führich, Europarechtliche Aspekte der Erbschaftsteuerreform, ZEV 2009, 481; Dautzenberg/Brüggemann, EG-Vertrag und deutsche Erbschaftsteuer, BB 1997, 123; Dautzenberg, Die Bedeutung des EG-Vertrages für die Erbschaftsteuer, EWS 1998, 86; Eicker, Die Europarechtskonformität des deutschen Erbschaftsteuerrechts, DSWR 2005, 235; Eisele, BeitrRLUmsG: Fiktive unbeschränkte Erbschafts- und 1 FG BW v. 28.7.2014 – 11 K 3629/13 (Az. BFH: II R 53/14); vgl. dazu FG Düsseldorf v. 18.12.2015 – 4 K 3636/14 Erb, DStRE 2016, 926 (Az. BFH: II R 2/16). 2 EuGH v. 8.6.2016 – C-479/14, Sabine Hünnebeck, DStR 2016, 1360. 3 EuGH v. 4.9.2014 C-211/13, ZEV 2014, 675 Anm. Jülicher. Vgl. zu Spanien: EuGH v. 3.9.2014 C-127/12, ErbBstg 2014, 253; vgl. Hellwege, ErbStB 2014, 319; ErbStB 2015, 121. 4 Regierungsentwurf v. 21.12.2016 – StUmgBG. 5 Vgl. Art. 4 Nr. 1 Buchst. b des Regierungsentwurfes v. 21.12.2016. 6 Vgl. Art. 4 Nr. 2 Buchst. b des Regierungsentwurfes v. 21.12.2016. 7 Vgl. Art. 4 Nr. 1 Buchst. a des Regierungsentwurfes v. 21.12.2016. 8 Vgl. Art. 4 Nr. 4 des Regierungsentwurfes v. 21.12.2016.
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§ 2 ErbStG Rz. 90 Persönliche Steuerpflicht Schenkungssteuerpflicht, NWB 2012, 1591; Escher, Freier Kapitalverkehr – Schenkung einer im Inland belegenen Immobilie, BB 2016, 1636; Esskandari/Bick, Diskriminierende Erbschaftsteuer in Deutschland, ErbStB 2011, 133; Esskandari/Bick, Doppelte Erbschaft- und Schenkungsteuerpflicht in Europa, ErbStB 2012, 142; Esskandari/Bick, Vertragsverletzungsverfahren wegen Unionsrechtswidrigkeit von § 17 ErbStG, NWB 2016, 404; Eule, Freibeträge bei beschränkter Erbschaft- oder Schenkungsteuerpflicht aus deutscher und niederländischer Sicht, ZEV 2015, 88; Feldner/Härke, Doppelte Erbschaft- bzw. Schenkungsteuerpflicht in Europa, ErbStB 2012, 147; Gebel, § 21 ErbStG und EU-Gemeinschaftsrecht – keine Erstattung deutscher Erbschaftsteuer bei Anrechnung einer höheren ausländischen Erbschaftsteuer, ZEV 2006, 130; Hahn, Deutscher und europäischer Grundrechtsschutz in grenzüberschreitenden Fällen, BB 2014, 152; Hecht/von Cölln, Auswirkungen des Erbschaftsteuerreformgesetzes auf die Bewertung von ausländischem Grundbesitz, BB 2009, 1212; Heurung/Fröhr/Bresgen, Erbschaftsteuerliche Gleichstellung bei der Gewährung von Freibeträgen nach § 16 ErbStG, ISR 2015, 20; Heurung/Fröhr/Ferdinand, Europäische Harmonisierungsbestrebungen im internationalen Erb- und Erbschaftsteuerrecht – Aktuelle Bestandsaufnahme, ISR 2016, 201; Jochum, Beschränkte Steuerpflicht bei der Schenkungsteuer: Schenkungsteuerfreibetrag EU-rechtswidrig, ZEV 2010, 274; Jülicher, Praxisprobleme im internationalen Erbschaftsteuerrecht, BB 2014, 1367; Lüdicke/Schulz, Konzeptionelle Mängel des Antragsrechts auf Behandlung als unbeschränkt steuerpflichtig nach § 2 Abs. 3 ErbStG, IStR 2012, 417; Meincke, Ist das deutsche Erbschaftsteuerrecht EU-konform?, ZEV 2004, 353; Pahlke, Deutsches Erbschaftsteuerrecht europarechtskonform?, NWB Fach 10, 1565; Rehm/Nagler, Erwerb einer Beteiligung als Alleingesellschafter an einer in einem Drittland ansässigen Kapitalgesellschaft von Todes wegen, GmbHR 2012, 972; Scheller/Bader, Wie weit reichen die europarechtlichen Grundfreiheiten in der Erbschaftsteuer bei Drittlandsfällen, insbesondere gegenüber der Schweiz?, ZEV 2011, 112; Schmidt/Siegmund, Erbschaftsteuerliche Begünstigungen für Unternehmensvermögen im Drittland?, DStZ 2012, 427; Thömmes, Grundfreiheitenschutz für die Vererbung von Drittstaatenvermögen?, IWB 2012, 262; Tigtemeyer, Zur fehlenden Europarechtskonformität des alten und des neuen deutschen Erbschaft- und Schenkungsteuerrechts, BB 2010, 1894; Wachter, Das Erbschaftsteuerrecht auf dem Prüfstand des Europäischen Gerichtshofs, DStR 2004, 540; Wachter, Internationale Erbfälle und Anteile an Gesellschaften mit beschränkter Haftung, GmbHR 2005, 407; Wachter, Verstoß gegen den freien Kapitalverkehr bei unterschiedlicher schenkungsteuerlicher Behandlung von Schenkungen bebauter Grundstücke bei Gebietsansässigen und Gebietsfremden, DB 2010, 931; Wachter, Unionsrechtswidrigkeit des Freibetrags bei Erbschaftsteuer und Schenkungsteuer, DB 2014, 2147; Wienbracke, Nationales Erbschaft- und Schenkungsteuerrecht im Licht der EuGH-Rechtsprechung, EWS 2012, 176; Wulf, Begünstigte Übertragung von Anteilen an Drittlands-Kapitalgesellschaften nach dem ErbStG?, AG 2012, 710.
I. Steuerrechtliche Probleme bei grenzüberschreitenden Erbfällen 90
Immer mehr Bürgerinnen und Bürger lassen sich in einem Land der Europäischen Union nieder, das nicht ihr Herkunftsland ist. 2010 waren es in den 27 Mitgliedstaaten rund 12,3 Mio. (3 Mio. mehr als 2005). Zwischen 2002 und 2010 nahm der grenzübergreifende Immobilienbesitz in der EU um bis zu 50 % zu.1 In Anbetracht dieser Zahlen kann davon ausgegangen werden, dass grenzübergreifende Erbschafts- und Schenkungsfälle zunehmen und somit auch mehr Erbschaftsteuerprobleme auftreten werden. Bei grenzübergreifenden Sachverhalten können sich insbesondere zwei Probleme ergeben. Zum einen war immer wieder zu beobachten, dass Mitgliedstaaten der EU Erbschaften bei grenzübergreifenden Sachverhalten im Vergleich zu inländischen Erbschaften benachteiligten. Waren zwei oder mehr Mitgliedstaaten befugt, einen Nachlass oder Teile eines Nachlasses zu besteuern, konnte es zu einer Doppelbesteuerung kommen.2
II. Maßgebendes Unionsrecht 91
Auswirkungen auf das einzelstaatliche Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuerrecht kann nur das primäre Unionsrecht haben. Hier sind insbesondere die Grundfreiheiten des AEUV, namentlich die Kapitalverkehrsfreiheit (Art. 63 AEUV) und die Niederlassungsfreiheit (Art. 49 AEUV) zu nennen. Einschlägiges sekundäres Unionsrecht (Richtlinien oder Verordnungen) gibt es mangels Harmonisie1 Europäische Kommission, Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat und den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss – Abbau grenzübergreifender Erbschaftsteuerhindernisse in der EU – v. 15.12.2011 KOM(2011) 864. 2 Europäische Kommission, Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat und den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss – Abbau grenzübergreifender Erbschaftsteuerhindernisse in der EU – v. 15.12.2011 KOM(2011) 864, S. 5.
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Auswirkungen des Unionsrechts auf die Erbschaft- und Schenkungsteuer
Rz. 94 § 2 ErbStG
rung im Bereich der Besteuerung von Erbschaften und Schenkungen nicht.1 Hier sieht die Rechtslage anders als im Bereich der zivilrechtlichen Abwicklung von grenzüberschreitenden Erbfällen innerhalb der EU aus. Insoweit ist namentlich auf die VO (EU) Nr. 650/212 hinzuweisen.2 1. Kapitalverkehrsfreiheit (Art. 63 AEUV) a) Erwerb von Todes wegen oder Schenkungen unter Lebenden als Kapitalverkehr Der EuGH hat in mittlerweile st. Rspr. entschieden, dass es sich bei einem Erwerb von Todes wegen 92 um Kapitalverkehr i.S.v. Art. 63 AEUV handelt. Dabei ist es unerheblich, ob der Erwerb Geldbeträge, bewegliche oder unbewegliche Vermögensgegenstände betrifft. Ausgenommen sind nur die Fälle, die mit keinem ihrer wesentlichen Elemente über die Grenzen eines Mitgliedstaats hinausweisen.3 Entsprechendes gilt für die Schenkungen unter Lebenden.4 b) Beschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit In Bezug auf Erbschaften hat der EuGH entschieden, dass zu den Maßnahmen, die als Beschränkungen 93 des Kapitalverkehrs nach Art. 63 Abs. 1 AEUV verboten sind, solche gehören, die eine Wertminderung des Nachlasses dessen bewirken, der in einem anderen Mitgliedstaat als dem ansässig war, in dem sich die betreffenden Vermögensgegenstände befinden und der den Erwerb von Todes wegen besteuert.5 Unzulässig ist es hiernach, bei der Besteuerung eines Erwerbs von Todes wegen zwischen zum Zeitpunkt ihres Todes gebietsansässigen und zu diesem Zeitpunkt gebietsfremden Personen zu unterschieden; z.B. durch Vorschriften über die beschränkte Abzugsfähigkeit von Verbindlichkeiten,6 durch eine unterschiedliche Bewertung von zum Nachlass gehörender Vermögensgegenstände7 oder durch unterschiedliche Verjährungsfristen.8 Art. 63 Abs. 1 AEUV untersagt auch Beschränkungen des Kapitalverkehrs zwischen den Mitgliedstaa- 94 ten und Drittstaaten.9 Dies gilt unabhängig von der Art der betreffenden Kapitalbewegungen. Der Begriff der Beschränkung des Kapitalverkehrs ist im Verhältnis zu Drittstaaten auch nicht anders 1 Europäische Kommission, Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat und den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss – Abbau grenzübergreifender Erbschaftsteuerhindernisse in der EU – v. 15.12.2011 KOM(2011) 864, S. 3. 2 VO (EU) Nr. 650/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 4.7.2012 über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen und die Annahme und Vollstreckung öffentlicher Urkunden in Erbsachen sowie zur Einführung eines Europäischen Nachlasszeugnisses, ABl. EU Nr. L 201, 107. 3 EuGH v. 11.12.2003 – Rs. C-364/01, ECLI:EU:C:2003:665 Rz. 58 – Barbier; v. 23.2.2006 – Rs. C-513/03, ECLI: EU:C:2006:131 Rz. 42 – van Hilten; v. 17.1.2008 – Rs. C-256/06, ECLI:EU:C:2008:20 Rz. 25 – Jäger; v. 11.9.2008 – Rs. C-43/07, ECLI:EU:C:2008:490, Rz. 30 – Arens-Sikken; v. 11.9.2008 – Rs. C-11/07, ECLI:EU:C:2008:489, Rz. 39 – Eckelkamp; v. 12.2.2009 – Rs. C-67/08, ECLI:EU:C:2009:92, Rz. 20 – Block = FR 2009, 294 m. Anm. Billig; v. 10.2.2011 – Rs. C-25/10, ECLI:EU:C:2011:65 Rz. 16 – Missionswerk Heukelbach = ErbStB 2011, 92; v. 15.9.2011 – Rs. C-132/10, ECLI:EU:C:2011:586 Rz. 19 – Halley; v. 17.10.2013 – Rs. C-181/12, ECLI:EU:C:2013: 662 Rz. 20 – Welte; v. 26.5.2016 – Rs. C-244/15, ECLI:EU:C:2016:359 Rz. 25. 4 EuGH v. 11.12.2003 – Rs. C-364/01, ECLI:EU:C:2003:665 Rz. 58 – Barbier; v. 22.4.2010 – Rs. C-510/08, ECLI: EU:C:2010:216 Rz. 20 – Mattner, FR 2010, 528 m. Anm. Billig = ErbStB 2010, 159; v. 8.6.2016 – Rs. C-479/14, ECLI:EU:C:2016:412 Rz. 39 – Hünnebeck = ErbStB 2016, 225. 5 EuGH v. 23.2.2006 – Rs. C-513/03, ECLI:EU:C:2006:131 Rz. 44 – van Hilten; v. 17.1.2008 – Rs. C-256/06, ECLI: EU:C:2008:20 Rz. 30 f. – Jäger; v. 11.9.2008 – Rs. C-11/07, ECLI:EU:C:2008:489 Rz. 43 f. – Eckelkamp; v. 11.9.2007 Rs. C-43/07, ECLI:EU:C:2008:490 Rz. 36 f. – Arens-Sikken; v. 12.2.2009 – Rs. C-67/08, = ECLI:EU:C: 2009:92 Rz. 24 – Block = FR 2009, 294 m. Anm. Billig; v. 10.2.2011 Rs. C-25/10, ECLI:EU:C:2011:65 Rz. 22 – Missionswerk Heukelbach = ErbStB 2011, 92; v. 17.10.2013 – Rs. C-181/12, ECLI:EU:C:2013:662 Rz. 23 – Welte; v. 26.5.2016 – Rs. C-244/15, ECLI:EU:C:2016:359 Rz. 28. 6 EuGH v. 11.12.2003 – Rs. C-364/01, ECLI:EU:C:2003:665 Rz. 76 – Barbier; v. 11.9.2008 – Rs. C-11/07, ECLI:EU:C:2008:489 Rz. 46 – Eckelkamp; v. 11.9.2008 – Rs. C-43/07, ECLI:EU:C:2008:490 Rz. 38 – Arens-Sikken. 7 EuGH v. 17.1.2008 – Rs. C-256/06, ECLI:EU:C:2008:20 Rz. 32 – Jäger. 8 EuGH v. 15.9.2011 – Rs. C-132/10, ECLI:EU:C:2011:586 Rz. 19 – Halley. 9 EuGH v. 17.10.2013 – Rs. C-181/12, ECLI:EU:C:2013:662 Rz. 39 – Welte.
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§ 2 ErbStG Rz. 95 Persönliche Steuerpflicht auszulegen als bei Kapitalbewegungen zwischen Mitgliedstaaten.1 Die durch Art. 63 Abs. 1 AEUV garantierte Kapitalverkehrsfreiheit gilt daher grundsätzlich nicht nur zwischen den Mitgliedstaaten und den Staaten des Europäischen Wirtschaftsraums – EWR – (Island, Liechtenstein, Norwegen2). 95
Ausnahmen für Beschränkungen des Kapitalverkehrs zwischen den Mitgliedstaaten und Drittstaaten bestehen in den Fällen des Art. 64 Abs. 1 Satz 1 AEUV (sog. Standstill-Klausel). Danach berührt Art. 63 AEUV nicht die Anwendung derjenigen Beschränkungen auf dritte Länder, die am 31.12.1993 aufgrund einzelstaatlicher Rechtsvorschriften oder aufgrund von Rechtsvorschriften der Union für den Kapitalverkehr mit Drittstaaten im Zusammenhang mit Direktinvestitionen einschließlich Anlagen in Immobilien, mit der Niederlassung, der Erbringung von Finanzdienstleistungen oder der Zulassung von Wertpapieren zu den Kapitalmärkten bestehen. Allerdings unterfallen Vermögensanlagen in Immobilien, die sich auf ein Hausgrundstück des Erblassers beziehen, zu privaten Zwecken getätigt wurden und nicht mit der Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit verbunden sind, nicht dem Anwendungsbereich des Art. 64 Abs. 1 AEUV.3 c) Rechtfertigung
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Art. 63 AEUV berührt nicht das Recht der Mitgliedstaaten, die einschlägigen Vorschriften ihres Steuerrechts anzuwenden, die Steuerpflichtige mit unterschiedlichem Wohnort oder Kapitalanlageort unterschiedlich behandeln (Art. 65 Abs. 1 Buchst. a AEUV). Hierbei handelt es sich um eine eng auszulegende Ausnahmevorschrift. Sie kann nicht so verstanden werden, dass jede Regelung, die zwischen Steuerpflichtigen nach ihrem Wohnort oder nach dem Mitgliedstaat ihrer Kapitalanlage unterscheidet, ohne weiteres mit dem Vertrag vereinbar wäre. Die Vorschrift des Art. 65 Abs. 1 Buchst. a AEUV wird vielmehr ihrerseits durch Art. 65 Abs. 3 AEUV eingeschränkt, wonach die in Art. 65 Abs. 1 AEUV genannten nationalen Maßnahmen „weder ein Mittel zur willkürlichen Diskriminierung noch eine verschleierte Beschränkung des freien Kapital- und Zahlungsverkehrs i.S.d. Art. 63 darstellen“ dürfen. Die unterschiedliche Behandlung einer zum Zeitpunkt ihres Todes in einem Mitgliedstaat wohnhaften Person und einer zu diesem Zeitpunkt in einem anderen Mitgliedstaat wohnhaften Person ist danach nur dann gerechtfertigt, wenn sie Situationen betrifft, die objektiv nicht miteinander vergleichbar sind, oder wenn sie durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt ist.4
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So kann sich ein Mitgliedstaat zur Rechtfertigung einer Beschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit nicht auf eine in einem anderen Mitgliedstaat mögliche Steuergutschrift oder sonstige Steuerbegünstigung berufen, welche die Benachteiligung ganz oder teilweise ausgleichen kann.5 Denn eine derartige in einem anderen Mitgliedstaat geltende Steuerbegünstigung kann ohne Mitwirkung des Mitgliedstaats, der eine Beschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit vornimmt, wieder aufgehoben werden. Auch das Erfordernis, einen Rückgang der Steuereinnahmen zu vermeiden, gehört weder zu den in Art. 65 AEUV genannten Zielen noch zu den zwingenden Gründen des Allgemeininteresses, die eine Beschränkung einer Grundfreiheit rechtfertigen könnte.6
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Ferner kann als Rechtfertigung nicht der Zweck einer steuerrechtlichen Vorschrift dienen, die Weiterführung von Unternehmen und den Erhalt von Arbeitsplätzen zu gewährleisten, weil sich Unternehmen in den anderen Mitgliedstaaten in einer vergleichbaren Situation befinden können.7 1 EuGH v. 18.12.2007 – Rs. C-101/05, ECLI:EU:C:2007:804 Rz. 27 und 31 – Skatteverket/A. 2 Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum zwischen den Europäischen Gemeinschaften und ihren Mitgliedstaaten ABl. EG 1994 Nr. L 1, 3. 3 EuGH v. 17.10.2013 – Rs. C-181/12, ECLI:EU:C:2013:662 Rz. 35 – Welte. 4 EuGH v. 17.1.2008 – Rs. C-256/06, ECLI:EU:C:2008:20 Rz. 40 ff. – Jäger; v. 11.9.2008 – Rs. C-11/07, ECLI:EU:C:2008:489 Rz. 57 ff. – Eckelkamp; v. 11.9.2008 – Rs. C-43/07, ECLI:EU:C:2008:490 Rz. 51 ff. – ArensSikken; v. 10.2.2011 – Rs. C-25/10, ECLI:EU:C:2011:65 Rz. 29 – Missionswerk Heukelbach = ErbStB 2011, 92; v. 26.5.2016 – Rs. C-244/15, ECLI:EU:C:2016:359 Rz. 34 f. 5 EuGH v. 11.9.2008 – Rs. C-11/07, ECLI:EU:C:2008:489 Rz. 68 f. – Eckelkamp; v. 11.9.2008 – Rs. C-43/07, ECLI:EU:C:2008:490 Rz. 65 f. – Arens-Sikken; v. 22.4.2010 – Rs. C-510/08, ECLI:EU:C:2010:216 Rz. 41 ff. – Mattner = FR 2010, 528 m. Anm. Billig = ErbStB 2010, 159. 6 EuGH v. 10.2.2011 – Rs. C-25/10, ECLI:EU:C:2011:65 Rz. 31 – Missionswerk Heukelbach = ErbStB 2011, 92; v. 26.5.2016 – Rs. C-244/15, ECLI:EU:C:2016:359 Rz. 43. 7 EuGH v. 17.1.2008 – Rs. C-256/06, ECLI:EU:C:2008:20 Rz. 51 f. – Jäger.
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Auswirkungen des Unionsrechts auf die Erbschaft- und Schenkungsteuer
Rz. 104 § 2 ErbStG
Auch Schwierigkeiten bei der Feststellung des Wertes eines in einem anderen Mitgliedstaat belege- 99 nen Vermögensgegenstandes können eine Beschränkung des Kapitalverkehrs nicht rechtfertigen.1 Zwar kann die Kohärenz einer Steuerregelung eine Beschränkung der Ausübung der Kapitalver- 100 kehrsfreiheit rechtfertigen. Das gilt jedoch nur dann, wenn ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen dem betreffenden steuerlichen Vorteil und dessen Ausgleich durch eine bestimmte steuerliche Belastung dargetan ist.2 Ferner muss die Beschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit zur Erreichung des verfolgten Ziels geeignet und im Hinblick darauf verhältnismäßig sein.3 2. Niederlassungsfreiheit (Art. 49 AEUV) Art. 49 AEUV untersagt Beschränkungen der freien Niederlassung von Staatsangehörigen eines Mit- 101 gliedstaats in dem Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats. Der EuGH hat schon frühzeitig klargestellt, dass die Auswirkungen einer erbschaftsteuerlichen Regelung zu den Überlegungen gehören, die ein Angehöriger eines Mitgliedstaats bei der Entscheidung, ob er von der im Vertrag verankerten Freizügigkeit Gebrauch machen will, anstellen darf.4 Nach der Rspr. des EuGH verstößt eine Regelung eines Mitgliedstaats, welche die Steuerpflichtigen nach Maßgabe des Sitzes der Gesellschaften, an denen sie Anteile besitzen, ungleich behandelt, grundsätzlich gegen Art. 49 AEUV. Entsprechendes gilt für eine Regelung eines Mitgliedstaats, die eine Ungleichbehandlung von Steuerpflichtigen nach Maßgabe des Ortes vorsieht, an dem die Gesellschaft, deren Gesellschafter der Steuerpflichtige ist, eine bestimmte Zeit lang eine bestimmte Anzahl von Arbeitnehmern beschäftigt.5 Eine Ungleichbehandlung von Steuerpflichtigen ist nur zulässig, wenn mit ihr ein berechtigtes, mit 102 dem Vertrag zu vereinbarendes Ziel verfolgt wird oder wenn sie durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt ist. Die Regelung muss außerdem zur Erreichung des damit verfolgten Ziels geeignet sein und darf nicht über das hinausgehen, was hierzu erforderlich ist.6 Ein Mitgliedstaat kann sich daher nicht darauf berufen, eine bestimmte Anzahl von Arbeitsplätzen erhalten zu wollen oder die Wirksamkeit steuerlicher Kontrollen sicherstellen zu wollen.7 3. Verhältnis der Niederlassungsfreiheit zur Kapitalverkehrsfreiheit Berührt eine einzelstaatliche Regelung über die Besteuerung einer Erbschaft oder Schenkung vorwie- 103 gend die Niederlassungsfreiheit (Art. 49 AEUV), dürfen etwaige Beschränkungen der Kapitalverkehrsfreiheit nicht mehr im Hinblick auf ihre Vereinbarkeit mit den Art. 63 und 65 AEUV hin untersucht zu werden.8 Das gilt auch dann, wenn sich die betreffende Niederlassung in einem Drittstaat befindet und die Bestimmungen zur Niederlassungsfreiheit deshalb nicht anwendbar sind.9 Das hat insbesondere Auswirkungen auf die Frage, ob ein Steuerpflichtiger die Steuerbegünstigung 104 des § 13a ErbStG in Anspruch nehmen kann, die nur für Betriebsvermögen oder Anteile an Kapitalgesellschaften gilt, wenn die Betriebsstätte oder der Sitz oder die Geschäftsleitung der Kapitalgesellschaft in einem Mitgliedstaat der EU oder in einem Staat des EWR liegt (§ 13b Abs. 1 Nr. 2 und 3 ErbStG). Eine steuerrechtliche Regelung eines Mitgliedstaats, die nur auf Beteiligungen anwendbar ist, die es er1 EuGH v. 17.1.2008 – Rs. C-256/06, ECLI:EU:C:2008:20 Rz. 55 – Jäger. 2 EuGH v. 22.4.2010 – Rs. C-510/08, 59 = ECLI:EU:C:2010:216 Rz. 53 – Mattner = FR 2010, 528 m. Anm. Billig = ErbStB 2010, 1; v. 8.6.2016 – Rs. C-479/14, ECLI:EU:C:2016:412 Rz. 62 – Hünnebeck = ErbStB 2016, 225; v. 30.6.2016 – Rs. C-123/15, ECLI:EU:C:2016:496 Rz. 30 – Feilen. 3 EuGH v. 30.6.2016 – Rs. C-123/15, ECLI:EU:C:2016:496 Rz. 39 – Feilen. 4 EuGH v. 11.12.2003 – Rs. C-364/01, ECLI:EU:C:2003:665 Rz. 75 – Barbier; v. 25.10.2007 – Rs. C-464/05, ECLI:EU:C:2007:631 Rz. 17 – Geurts. 5 EuGH v. 25.10.2007 – Rs. C-464/05, ECLI:EU:C:2007:631 Rz. 19 – Geurts. 6 EuGH v. 25.10.2007 – Rs. C-464/05, ECLI:EU:C:2007:631 Rz. 24 – Geurts. 7 EuGH v. 25.10.2007 – Rs. C-464/05, ECLI:EU:C:2007:631 Rz. 27 f. – Geurts. 8 EuGH v. 25.10.2007 – Rs. C-464/05, ECLI:EU:C:2007:631 Rz. 16 – Geurts; v. 19.7.2012 – Rs. C-31/11, ECLI:EU:C:2012:481 Rz. 30, 32 f. – Scheunemann = ErbStB 2012, 266. 9 EuGH v. 10.5.2007 – Rs. C-492/04, ECLI:EU:C:2007:273 Rz. 27 – Lasertec = FR 2007, 692 m. Anm. Prinz; v. 24.5.2007 – Rs. C-157/05, ECLI:EU:C:2007:297 Rz. 28 – Holböck; v. 19.7.2012 – Rs. C-31/11, ECLI:EU:C:2012: 481 Rz. 30, 32 – Scheunemann = ErbStB 2012, 266.
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§ 2 ErbStG Rz. 105 Persönliche Steuerpflicht möglichen, einen sicheren Einfluss auf die Entscheidungen einer Gesellschaft auszuüben und deren Tätigkeiten zu bestimmen, kann nur darauf überprüft werden, ob sie mit den Bestimmungen des Vertrags über die Niederlassungsfreiheit (Art. 49 AEUV) zu vereinbaren ist. Demgegenüber können einzelstaatliche Bestimmungen über die Besteuerung von Beteiligungen, die in der alleinigen Absicht einer Kapitalanlage erworben wurden, ohne dass auf die Verwaltung und Kontrolle des Unternehmens Einfluss genommen werden soll, ausschließlich im Hinblick darauf überprüft werden, ob sie mit den Bestimmungen über die Freiheit des Kapitalverkehrs (Art. 63 ff. AEUV) zu vereinbaren sind.1 Der EuGH hat bei einer Mindestbeteiligung von mehr als 25 % am Kapital einer Gesellschaft – wie nach § 13b Abs. 1 Nr. 3 ErbStG – angenommen, dass die fragliche Regelung vorwiegend die Niederlassungsfreiheit berühre und daher allein in den Anwendungsbereich der Bestimmungen des Vertrags über die Niederlassungsfreiheit (Art. 49 AEUV) falle.2 Das dürfte bedeuten, dass bei der Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft von weniger oder gleich 25 % am Kapital der Gesellschaft oder bei einer Minderheitsbeteiligung an einer vergleichbaren Personengesellschaft i.S.d. § 13b Abs. 1 Nr. 2 ErbStG mit Sitz in einem Drittstaat die Vorschriften über die Kapitalverkehrsfreiheit (Art. 63 ff. AEUV) anwendbar sind, die auch zugunsten von Beteiligungen an Gesellschaften in Drittstaaten gelten.
III. Auswirkungen des Unionsrechts auf einzelne Vorschriften des ErbStG 1. § 2 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 Buchst. b ErbStG 105 Der EuGH hat bereits zu einer ähnlichen Regelung des niederländischen Erbschaftsteuerrechts ent-
schieden, dass eine nationale Regelung, nach welcher der Übergang des Nachlasses eines Angehörigen eines Mitgliedstaats, der innerhalb von zehn Jahren nach Verlegung seines Wohnsitzes in das Ausland verstorben ist, so besteuert wird, als wäre dieser Staatsangehörige im selben Mitgliedstaat wohnen geblieben – wenn auch unter Befreiung in Höhe der Erbschaftsteuer, die in dem Staat erhoben wird, in den der Verstorbene seinen Wohnsitz verlegt hatte – keine Beschränkung des Kapitalverkehrs darstellt.3 Zur Begründung hat der EuGH ausgeführt, eine derartige Regelung halte weder Staatsangehörige, die ihren Wohnsitz in das Ausland verlegt haben, davon ab, von einem anderen Mitgliedstaat aus Investitionen in dem betreffenden Mitgliedstaat zu tätigen, noch Staatsangehörige, die in dem betreffenden Mitgliedstaat geblieben seien, davon ab, von dem betreffenden Mitgliedstaat aus Investitionen in einem anderen Mitgliedstaat zu tätigen. Die Regelung sehe vielmehr die gleiche Besteuerung des Erwerbs von Todes wegen für Staatsangehörige, die ihren Wohnsitz in das Ausland verlegt hätten, und für solche, die in dem betreffenden Mitgliedstaat geblieben seien, vor. Unabhängig davon, wo sich die fraglichen Vermögensgegenstände befänden, mindere die Regelung auch nicht den Wert des Nachlasses eines Staatsangehörigen, der seinen Wohnsitz in das Ausland verlegt habe.4 Derartige, zum Zwecke der Aufteilung der Steuerhoheit getroffene Regelungen könnten nicht als eine nach Art. 63 AEUV verbotene unterschiedliche Behandlung angesehen werden. Sie ergäben sich in Ermangelung unionsrechtlicher Vereinheitlichungs- oder Harmonisierungsmaßnahmen aus der Befugnis der Mitgliedstaaten, die Kriterien für die Aufteilung ihrer Steuerhoheit vertraglich oder einseitig festzulegen. Eine solche Regelung könne durch die Sorge gerechtfertigt sein, eine Form der Steuerflucht zu vermeiden, die darin bestehe, dass ein Angehöriger eines Staates im Hinblick auf seinen Tod seinen Wohnsitz in einen anderen Staat verlege, in dem die Steuer niedriger sei.5 2. § 10 Abs. 10 ErbStG 106 § 10 Abs. 10 ErbStG, der – in Abweichung von § 11 ErbStG – eine Begünstigung des Erwerbers eines
Mitgliedschaftsrechts an einer Personengesellschaft oder eines Geschäftsanteils an einer GmbH vorsieht, indem bei einer unverzüglichen Übertragung nach dem Erbfall nur der Abfindungsanspruch und nicht der höhere Wert des Anteils der Besteuerung zugrunde gelegt wird, gilt seinem Wortlaut 1 2 3 4 5
EuGH v. 19.7.2012 – Rs. C-31/11, ECLI:EU:C:2012:481 Rz. 23 – Scheunemann = ErbStB 2012, 266. EuGH v. 19.7.2012 – Rs. C-31/11, ECLI:EU:C:2012:481 Rz. 30 – Scheunemann = ErbStB 2012, 266. EuGH v. 23.2.2006 – Rs. C-513/03, ECLI:EU:C:2006:131 Rz. 45 – van Hilten. EuGH v. 23.2.2006 – Rs. C-513/03, ECLI:EU:C:2006:131 Rz. 46 – van Hilten. EuGH v. 23.2.2006 – Rs. C-513/03, ECLI:EU:C:2006:131 Rz. 47 f. – van Hilten.
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Auswirkungen des Unionsrechts auf die Erbschaft- und Schenkungsteuer
Rz. 111 § 2 ErbStG
nach für Anteile an einer Personengesellschaft und für Anteile an einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung. Die Bestimmung ist unionsrechtskonform dahingehend auszulegen, dass in den Fällen der unbeschränkten Steuerpflicht (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG) auch der Anteil an einer in einem anderen Mitgliedstaat (z.B. SARL) oder in einem Drittland ansässigen Gesellschaft (Art. 63 Abs. 1 AEUV) begünstigt ist.1 Das korrespondiert in den Fällen der unbeschränkten Steuerpflicht mit der Besteuerung der verblei- 107 benden Gesellschafter einer in einem anderen Mitgliedstaat oder in einem Drittland ansässigen Gesellschaft nach § 3 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 ErbStG. Diese Bestimmung setzt ihrem Wortlaut nach den Übergang eines Anteils oder eines Teils eines Anteils an einer „Personengesellschaft oder Kapitalgesellschaft“ voraus, ohne dass die Gesellschaft notwendig ihren Sitz im Inland haben muss. Sie erfasst daher auch Anteile an Personengesellschaften und Kapitalgesellschaften in anderen Mitgliedstaaten und Drittländern, sofern die Voraussetzungen für den Eintritt der unbeschränkten Steuerpflicht nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG gegeben sind. Das Erfordernis einer unionsrechtskonformen Auslegung des § 10 Abs. 10 ErbStG gilt unein- 108 geschränkt für in einem Drittland ansässige Gesellschaften, wenn die fragliche Minderheitsbeteiligung an der Gesellschaft, die Gegenstand des Erwerbs ist, es nicht ermöglicht, einen sicheren Einfluss auf die Entscheidungen der betreffenden Gesellschaft auszuüben und deren Tätigkeiten zu bestimmen (z.B. eine Beteiligung am Kapital der Gesellschaft von weniger als 25 %).2 S. hierzu im Einzelnen Rz. 103 f. 3. § 12 Abs. 7 ErbStG Nach § 12 Abs. 7 ErbStG i.V.m. den §§ 31, 9 BewG sind ausländischer Grundbesitz und auslän- 109 disches Betriebsvermögen mit dem gemeinen Wert anzusetzen. Dies führte nach alter Rechtslage (§ 12 Abs. 3, 5 und 6 ErbStG a.F.) zu einer unterschiedlichen Bewertung von inländischem und ausländischem Grundbesitz sowie von inländischem und ausländischem Betriebsvermögen. Denn inländischer Grundbesitz einschließlich inländischer Betriebsgrundstücke war nur mit dem Grundbesitzwert anzusetzen (§§ 99 Abs. 3, 138 ff. BewG a.F.). Der Grundbesitzwert war nicht ein dem gemeinen Wert angenäherter Steuerwert.3 Der EuGH4 hat entschieden, dass die Art. 63 und 65 AEUV dahin auszulegen sind, dass sie der Rege- 110 lung eines Mitgliedstaats entgegenstehen, die für die Berechnung der Steuer auf einen Nachlass, der aus in diesem Staat belegenem Vermögen und einem in einem anderen Mitgliedstaat belegenen landund forstwirtschaftlichen Vermögensgegenstand besteht, – vorsieht, dass der in diesem anderen Mitgliedstaat belegene Vermögensgegenstand mit seinem gemeinen Wert angesetzt wird, während für einen gleichartigen inländischen Vermögensgegenstand ein besonderes Bewertungsverfahren gilt, dessen Ergebnisse durchschnittlich nur 10 % dieses gemeinen Werts erreichen, und – die Anwendung eines gegenstandsbezogenen Freibetrags sowie die Berücksichtigung des verbliebenen Werts lediglich i.H.v. 60 % inländischem land- und forstwirtschaftlichen Vermögen vorbehält. Der deutsche Gesetzgeber hat die Regelung des § 12 Abs. 6 ErbStG a.F. in § 12 Abs. 7 ErbStG n.F. 111 beibehalten. Danach sind ausländischer Grundbesitz und ausländisches Betriebsvermögen nach wie vor mit dem gemeinen Wert anzusetzen (§ 31 BewG). Insbesondere unterliegen ausländisches Grundvermögen und ausländisches Betriebsvermögen nicht der gesonderten Feststellung (§ 151 Abs. 4 BewG n.F.). Grundbesitzwerte für inländische Grundstücke werden dagegen „unter Berücksichtigung der tatsächlichen Verhältnisse und Wertverhältnisse“ zum Bewertungsstichtag gesondert festgestellt (§ 157 Abs. 1 Satz 1 BewG n.F.). Der verfahrensrechtliche Unterschied zwischen der detaillierten Regelung für die Bewertung inländischen Grundbesitzes in den §§ 176 ff. BewG n.F. und 1 Vgl. zur Verpflichtung der einzelstaatlichen Gerichte zur unionsrechtskonformen Auslegung des nationalen Rechts etwa: EuGH v. 11.1.2007 – Rs. C-208/05, ECLI:EU:C:2007:16 Rz. 68 – ITC. 2 EuGH v. 19.7.2012 – Rs. C-31/11, ECLI:EU:C:2012:481 Rz. 30 ff. – Scheunemann = ErbStB 2012, 266. 3 BVerfG v. 7.11.2006 – 1 BvL 10/02, BVerfGE 117, 1 = FR 2007, 338 = ErbStB 2007, 64. 4 EuGH v. 17.1.2008 – Rs. C-256/06, ECLI:EU:C:2008:20 Rz. 57 – Jäger.
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§ 2 ErbStG Rz. 112 Persönliche Steuerpflicht der nicht geregelten Bewertung ausländischen Grundbesitzes nach den §§ 31, 9 BewG dürfte nicht gegen das Unionsrecht verstoßen.1 Überdies ist der gemeine Wert ausländischen Grundbesitzes entsprechend den Vorschriften über die Bewertung inländischen Grundvermögens zu schätzen.2 112 Es bleibt abzuwarten, ob das Bewertungsverfahren für inländisches Grundvermögen nach den
§§ 176 ff. BewG n.F. tatsächlich die nach altem Recht vorhanden gewesene Ungleichbehandlung beseitigen wird. Nach § 198 Satz 1 BewG n.F. ist ein vom Steuerpflichtigen nachgewiesener (gemeiner) Wert anzusetzen, wenn dieser niedriger ist als der nach den §§ 179, 182 bis 196 BewG n.F. ermittelte Steuerwert. Wenn der gemeine Wert allerdings höher ist als der nach den §§ 179, 182 bis 196 BewG n.F. ermittelte Steuerwert, verbleibt es demnach bei diesem niedrigeren Wert. Eine vergleichbare Regelung gibt es für ausländischen Grundbesitz und ausländisches Betriebsvermögen, die immer mit dem gemeinen Wert anzusetzen sind (§ 31 BewG), nicht. 4. § 13 Abs. 1 Nr. 4a bis 4c, § 13a, § 13b, § 13d ErbStG 113 Art. 63 Abs. 1 AEUV untersagt auch Beschränkungen des Kapitalverkehrs zwischen den Mitgliedstaa-
ten und Drittstaaten außerhalb des EWR.3 Daher dürften die §§ 13 Abs. 1 Nr. 4a, 4b, 4c und 13d ErbStG, die eine Steuerbegünstigung nur für im Inland, in einem Mitgliedstaat der EU oder in einem Staat des EWR belegene Grundstücke vorsehen, gegen Art. 63 Abs. 1 AEUV verstoßen, soweit insbesondere in Fällen der unbeschränkten Steuerpflicht (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 ErbStG) in einem Besteuerungsfall Grundstücke in Drittstaaten außerhalb des EWR erfasst werden. 114 Besonderheiten gelten jedoch für die Steuerbegünstigungen des § 13a ErbStG für Betriebsvermögen
und Anteile an Kapitalgesellschaften mit Sitz in Drittstaaten in den Fällen des § 13b Abs. 1 Nr. 2 und 3 ErbStG. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass bei einer Gesellschaftsbeteiligung von mehr als 25 % ausschließlich die Vertragsbestimmungen über die Niederlassungsfreiheit zu prüfen sind, die nicht für Gesellschaften mit Sitz in einem Drittland gelten.4 S. hierzu im Einzelnen Rz. 103 f. 5. § 16 Abs. 2 ErbStG 115 Der EuGH hat auf Vorlagebeschluss des FG Düsseldorf5 für einen Schenkungsteuerfall entschieden,
dass der im Vergleich zu § 16 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG geringere Freibetrag des § 16 Abs. 2 ErbStG mit der Kapitalverkehrsfreiheit nicht zu vereinbaren ist.6 Die Art. 56 und 58 EG (jetzt Art. 63 und 65 AEUV) seien dahin auszulegen, dass sie der Regelung eines Mitgliedstaats entgegenstünden, die hinsichtlich der Berechnung der Schenkungsteuer vorsehe, dass der Freibetrag auf die Bemessungsgrundlage im Fall der Schenkung eines im Inland belegenen Grundstücks dann, wenn Schenker und Schenkungsempfänger zur Zeit der Ausführung der Schenkung ihren Wohnsitz in einem anderen Mitgliedstaat hatten, niedriger ist als der Freibetrag, der zur Anwendung gekommen wäre, wenn zumindest einer von ihnen zu diesem Zeitpunkt seinen Wohnsitz im erstgenannten Mitgliedstaat gehabt hätte.7 116 Die Entscheidung hat auch Auswirkungen auf die Frage, ob dem überlebenden Ehegatten (§ 17 Abs. 1
ErbStG) und den überlebenden Kindern (§ 17 Abs. 2 ErbStG) ein Versorgungsfreibetrag gewährt werden kann.8 Der Versorgungsfreibetrag des § 17 ErbStG knüpft an den Freibetrag des § 16 Abs. 1 Nr. 1 und 2 ErbStG an. Deshalb hat die Kommission mittlerweile gegen die Bundesrepublik Deutschland ein Vertragsverletzungsverfahren (Nr. 2012–2158) eingeleitet.9 1 Hecht/Cölln, BB 2009, 1212. 2 BFH v. 1.7.2008 – II R 71/06, BStBl. II 2008, 874 = FR 2009, 245. 3 EuGH v. 18.12.2007 – Rs. C-101/05, ECLI:EU:C:2007:804 Rz. 27 und 31 – Skatteverket/A; v. 17.10.2013 – Rs. C-181/12, ECLI:EU:C:2013:662 Rz. 39 – Welte. 4 EuGH v. 19.7.2012 – Rs. C-31/11, ECLI:EU:C:2012:481 Rz. 30 ff. – Scheunemann = ErbStB 2012, 266. 5 FG Düsseldorf v. 14.11.2008 – 4 K 2226/08 Erb, EFG 2009, 205. 6 EuGH v. 22.4.2010 – Rs. C-510/08, ECLI:EU:C:2010:216 – Mattner = FR 2010, 528 m. Anm. Billig = ErbStB 2010, 159. 7 EuGH v. 22.4.2010 – Rs. C-510/08, ECLI:EU:C:2010:216 Rz. 56 – Mattner = FR 2010, 528 m. Anm. Billig = ErbStB 2010, 159. 8 Wachter, DB 2004, 540 (542); Billig, UVR 2011, 182 (186). 9 Esskandari/Bick, NWB 2016, 404.
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Auswirkungen des Unionsrechts auf die Erbschaft- und Schenkungsteuer
Rz. 119 § 2 ErbStG
Nach Ergehen des Urteils des EuGH v. 22.4.20101 ist die kontrovers diskutierte Frage erörtert wor- 117 den, ob die dargestellten Grundsätze auf die Besteuerung von Erbschaften zu übertragen sind.2 So wurde insbesondere für die Rechtfertigung der Ungleichbehandlung beschränkt und unbeschränkt Steuerpflichtiger geltend gemacht, dass es nicht zu rechtfertigen sei, einem nur beschränkt Steuerpflichtigen den gesamten Freibetrag des § 16 Abs. 1 ErbStG zuzubilligen, obwohl nur ein Teil des Inlandsvermögens besteuert wird (§ 2 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 i.V.m. § 121 BewG).3 Dieses Argument hat die Kommission indes nicht davon abgehalten, gegen die Bundesrepublik Deutschland ein Vertragsverletzungsverfahren einzuleiten, das auch zu einer entsprechenden Verurteilung geführt hat.4 Darüber hinaus hat der EuGH auf Vorlagebeschluss des FG Düsseldorf5 hin entschieden, dass die 118 Art. 56 EG und 58 EG (jetzt Art. 63, 65 AEUV) einer Regelung eines Mitgliedstaats über die Berechnung der Erbschaftsteuer entgegenstehen, die für den Fall des Erwerbs eines im Gebiet dieses Staates belegenen Grundstücks durch Erbanfall vorsieht, dass der Freibetrag auf die Steuerbemessungsgrundlage dann, wenn der Erblasser und der Erwerber zum Zeitpunkt des Erbfalls ihren Wohnsitz in einem Drittland wie der Schweizerischen Eidgenossenschaft hatten, niedriger ist als der Freibetrag, der zur Anwendung gekommen wäre, wenn zumindest eine dieser beiden Personen zu diesem Zeitpunkt ihren Wohnsitz in dem genannten Mitgliedstaat gehabt hätte.6 Der hiernach in den Fällen der beschränkten Erbschaftsteuerpflicht auf Grund der Rspr. des EuGH zu gewährende Freibetrag des § 16 Abs. 1 ErbStG darf auch nicht um den Anteil des nicht von der beschränkten Steuerpflicht erfassten Auslandsvermögens am Gesamtnachlass gekürzt werden.7 Mittlerweile hat der deutsche Gesetzgeber gehandelt und – nach dem Vorbild des § 1 Abs. 3 EStG8 – 119 in § 2 Abs. 3 ErbStG9 ein Wahlrecht des Erwerbers bei beschränkter Steuerpflicht eingeführt. Auf Antrag des Erwerbers wird jetzt ein Vermögensanfall, zu dem Inlandsvermögen i.S.d. § 121 BewG gehört, insgesamt als unbeschränkt steuerpflichtig behandelt, wenn der Erblasser zur Zeit seines Todes, der Schenker zur Zeit der Ausführung der Schenkung oder der Erwerber zur Zeit der Entstehung der Steuer seinen Wohnsitz in einem Mitgliedstaat der EU oder einem Staat hatte, auf den das Abkommen über den EWR anwendbar ist. In diesem Fall sind auch mehrere innerhalb von zehn Jahren vor dem Vermögensanfall und innerhalb von zehn Jahren nach dem Vermögensanfall von derselben Person anfallende Erwerbe als unbeschränkt steuerpflichtig zu behandeln und nach Maßgabe des § 14 ErbStG zusammenzurechnen. Diese Neuregelung findet keine Anwendung in den Fällen, in denen der Erblasser, Schenker oder der Erwerber zur Zeit der Entstehung der Steuer seinen Wohnsitz in einem Drittstaat außerhalb des EWR (etwa in der Schweiz) hatte. Darüber hinaus findet die Neuregelung des § 2 Abs. 3 ErbStG grundsätzlich nur auf Erwerbe Anwendung, für welche die Steuer nach dem 13.12.2011 entstanden ist (§ 37 Abs. 7 Satz 1 ErbStG). § 2 Abs. 3 ErbStG findet auf Antrag jedoch auch auf Erwerbe Anwendung, für welche die Steuer vor dem 14.12.2011 entstanden ist, soweit die Steuerbescheide noch nicht bestandskräftig sind (§ 37 Abs. 7 Satz 2 ErbStG). Dies hat den BFH in der Folgezeit bewogen, auch für Erwerbe, für welche die Steuer vor dem 14.12.2011 entstanden ist, die Auffassung zu vertreten, der Gesetzgeber habe den unionsrechtlichen Anforderungen dadurch Rechnung getragen, dass der Steuerpflichtige in den in § 2 Abs. 3 ErbStG genannten Fällen bei beschränkter Steuerpflicht beantragen könne, den Vermögensanfall insgesamt als unbeschränkt steuerpflichtig zu behandeln.10 1 EuGH v. 22.4.2010 – Rs. C-510/08, ECLI:EU:C:2010:216 – Mattner = FR 2010, 528 m. Anm. Billig = ErbStB 2010, 159. 2 Billig, FR 2010, 532; Wachter, DB 2010, 931. 3 So die Bundesrepublik Deutschland in der Rs. C-211/13, ECLI:EU:C:2014:2148 Rz. 31 ff. und in der Rs. C-181/12, ECLI:EU:C:2013:662 Rz. 45 – Welte. 4 EuGH v. 4.9.2014 – Rs. C-211/13, ECLI:EU:C:2014:2148. 5 FG Düsseldorf v. 2.4.2012 – 4 K 689/12 Erb, EFG 2012, 1486. 6 EuGH v. 17.10.2013 – Rs. C-181/12, ECLI:EU:C:2013:662 Rz. 68 – Welte. 7 FG BW v. 28.7.2014 – 11 K 3629/13, ZEV 2015, 122 (Rev. BFH II R 53/14); FG Düsseldorf v. 18.12.2015 – 4 K 3636/14 Erb, EFG 2016, 301 (Rev. BFH II R 2/16) = ErbStB 2016, 101. 8 Vgl. das dieser Regelung zugrunde liegende Urteil des EuGH v. 14.9.1999 – Rs. C-391/97, ECLI:EU:C:1999:409 – Gschwind = FR 1999, 1076 m. Anm. Stapperfend = FR 1999, 1195. 9 I.d.F. des Art. 11 des Beitreibungsrichtlinie-Umsetzungsgesetzes v. 7.12.2011, BGBl. I 2011, 2592. 10 BFH v. 4.7.2012 – II R 38/10, BStBl. II 2012, 782 = FR 2013, 45 = ErbStB 2012, 296.
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§ 2 ErbStG Rz. 120 Persönliche Steuerpflicht 120 Der Rspr. des BFH1 ist das FG Düsseldorf2 allerdings nicht gefolgt und hat dem EuGH die Frage zur
Vorabentscheidung vorgelegt, ob die Optionsregelung des § 2 Abs. 3 ErbStG mit den Art. 63, 65 AEUV in Einklang steht. Der EuGH hat daraufhin entschieden, dass die Art. 63, 65 AEUV bereits einer nationalen Regelung entgegenstehen, nach der bei Schenkungen unter Gebietsfremden die Steuer unter Anwendung eines niedrigeren Freibetrags (§ 16 Abs. 2 ErbStG) berechnet wird, wenn der Erwerber keinen Antrag nach § 2 Abs. 3 ErbStG stellt.3 Dabei konnte sich der EuGH auf seine bisherige Rspr.4 stützen, nach der eine die Grundfreiheiten beschränkende einzelstaatliche Regelung auch dann mit dem Unionsrecht unvereinbar sein kann, wenn ihre Anwendung fakultativ ist. Das Bestehen einer Wahlmöglichkeit, die unter Umständen zur Vereinbarkeit einer Situation mit dem Unionsrecht führen könnte, könne hiernach für sich allein nicht die Rechtswidrigkeit eines Systems heilen, das nach wie vor einen mit dem Unionsrecht unvereinbaren Besteuerungsmechanismus enthalte. Dies gelte erst recht, wenn die mit dem Unionsrecht unvereinbare Besteuerung (§ 16 Abs. 2 ErbStG) eine solche sei, die automatisch angewandt werde, wenn der Steuerpflichtige keinen Antrag gestellt habe.5 Darüber hinaus sei es mit den Art. 63, 65 AEUV nicht zu vereinbaren, wenn bei einer Wahrnehmung der Option des § 2 Abs. 3 Satz 1 ErbStG nach § 2 Abs. 3 Satz 2 ErbStG bei der Berechnung der Steuer für den betreffenden Erwerb alle Schenkungen, die dieser Steuerpflichtige in den zehn Jahren vor und den zehn Jahren nach der Schenkung von derselben Person erhalten habe, zusammengerechnet würden.6 6. § 21 Abs. 2 ErbStG i.V.m. § 121 BewG 121 Die Verweisung des § 21 Abs. 2 ErbStG auf § 121 BewG hat zur Folge, dass insbesondere die auf auslän-
disches Kapitalvermögen entfallende ausländische Erbschaftsteuer nicht auf die inländische Erbschaftsteuer angerechnet werden kann. Der EuGH7 hat entschieden, dass die Regelung des § 21 Abs. 2 ErbStG i.V.m. § 121 BewG nicht gegen die Art. 56, 58 EG (jetzt Art. 63, 65 AEUV) verstößt. Der sich aus der Bestimmung ergebende Steuernachteil folge daraus, dass die beiden betroffenen Mitgliedstaaten ihre Besteuerungsbefugnis parallel zueinander ausgeübt hätten, und zwar so, dass der eine – die Bundesrepublik Deutschland – sich dafür entschieden habe, auf Kapitalforderungen die deutsche Erbschaftsteuer zu erheben, wenn der Gläubiger seinen Wohnsitz in Deutschland habe, während der andere Mitgliedstaat – das Königreich Spanien – die Entscheidung getroffen habe, auf solche Forderungen die spanische Erbschaftsteuer zu erheben, wenn der Schuldner in Spanien ansässig sei. Das Unionsrecht schreibe bei seinem gegenwärtigen Entwicklungsstand in Bezug auf die Beseitigung der Doppelbesteuerung innerhalb der Gemeinschaft keine allgemeinen Kriterien für die Kompetenzverteilung zwischen den Mitgliedstaaten vor. Daraus folge, dass die Mitgliedstaaten über eine gewisse Autonomie in diesem Bereich verfügten und deshalb nicht verpflichtet seien, ihr eigenes Steuersystem den verschiedenen Steuersystemen der anderen Mitgliedstaaten anzupassen, um die sich aus der parallelen Ausübung ihrer Besteuerungsbefugnisse ergebende Doppelbesteuerung zu beseitigen.8 122 Das vom EuGH gefundene Ergebnis überrascht nur auf den ersten Blick. Es ist indes zu berücksichti-
gen, dass die fragliche Regelung keine Wertminderung des Nachlasses dessen bewirkt, der in einem anderen Mitgliedstaat als dem ansässig war, in dem sich die betreffenden Vermögensgegenstände befinden und der den Erwerb von Todes wegen besteuert. Die Regelung sieht für die Berechnung der Erbschaftsteuer gleiche Bestimmungen unabhängig davon vor, ob das Finanzinstitut – der Schuldner der Forderungen – in Deutschland oder in einem anderen Mitgliedstaat ansässig ist. Die im Ergebnis höhere Steuerbelastung beruht vielmehr darauf, dass die beiden betroffenen Mitgliedstaaten ihre Be-
1 2 3 4 5 6 7 8
BFH v. 4.7.2012 – II R 38/10, BStBl. II 2012, 782 = FR 2013, 45 = ErbStB 2012, 296. FG Düsseldorf v. 22.10.2014 – 4 K 488/14 Erb, EFG 2014, 2153 = ErbStB 2014, 334 = ErbStB 2015, 95. EuGH v. 8.6.2016 – Rs. C-479/14, ECLI:EU:C:2016:412 Rz. 42 – Hünnebeck = ErbStB 2016, 225. EuGH v. 28.2.2013 – Rs. C-168/11, EU:C:2013:117 Rz. 62 – Beker. EuGH v. 8.6.2016 – Rs. C-479/14, ECLI:EU:C:2016:412 Rz. 42 – Hünnebeck = ErbStB 2016, 225. EuGH v. 8.6.2016 – Rs. C-479/14, ECLI:EU:C:2016:412 Rz. 68 – Hünnebeck = ErbStB 2016, 225. EuGH v. 12.2.2009 – Rs. C-67/08, ECLI:EU:C:2009:92 – Block = FR 2009, 294 m. Anm. Billig. EuGH v. 12.2.2009 – Rs. C-67/08, ECLI:EU:C:2009:92 Rz. 28 ff. – Block = FR 2009, 294 m. Anm. Billig.
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Auswirkungen des Unionsrechts auf die Erbschaft- und Schenkungsteuer
Rz. 126 § 2 ErbStG
steuerungsbefugnis parallel zueinander ausgeübt haben.1 Unbeschadet dessen hatte der EuGH bereits zuvor entschieden, dass eine Ungleichbehandlung von Gebietsansässigen und Nichtgebietsansässigen zum Zwecke der Aufteilung der Steuerhoheit nicht gegen Art. 56 Abs. 1 EG (jetzt Art. 63 Abs. 1 AEUV) verstößt.2 Art. 293 zweiter Anstrich EG begründete nach der Rspr. des EuGH auch keine subjektiven Rechte des Einzelnen, sondern steckte nur den Rahmen für Verhandlungen der Mitgliedstaaten zur Beseitigung einer Doppelbesteuerung ab.3 Der Unionsgesetzgeber hat zudem die Vermeidung der Doppelbesteuerung nicht zu einem absoluten Grundsatz erhoben.4 Ein Abzug der ausländischen, nicht anrechenbaren Erbschaftsteuer als Nachlassverbindlichkeit 123 nach § 10 Abs. 5 Nr. 3 ErbStG scheidet nach § 10 Abs. 8 ErbStG gleichfalls aus, weil sich diese Bestimmung auch auf die von dem Erwerber zu entrichtende eigene ausländische Erbschaftsteuer bezieht.5 7. § 27 Abs. 1 ErbStG § 27 Abs. 1 ErbStG macht die Steuerbegünstigung bei mehrfachem Erwerb desselben Vermögens da- 124 von abhängig, dass für das Vermögen „nach diesem Gesetz“ eine Steuer zu erheben war. Der BFH hatte einen Sachverhalt zu beurteilen, in dem für das Vermögen bei dem Vorerwerb eine Steuer nicht nach dem ErbStG zu erheben war, weil die Erblasserin und die Erwerberin zum Zeitpunkt des Erwerbs in Österreich wohnten. Der BFH hat deshalb dem EuGH die Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt, ob Art. 63 Abs. 1 AEUV der Regelung des § 27 Abs. 1 ErbStG entgegensteht, die zur Folge hat, dass eine Steuerermäßigung ausscheidet, wenn für den Vorerwerb Erbschaftsteuer in einem anderen Mitgliedstaat erhoben wurde.6 Der EuGH hat entschieden, dass die Regelung des § 27 Abs. 1 ErbStG zwar eine Beschränkung des Ka- 125 pitalverkehrs i.S.v. Art. 63 Abs. 1 AEUV darstelle, weil sie eine Wertminderung des Nachlasses bewirke.7 Gleichwohl sei diese Beschränkung nach Art. 65 Abs. 1 Buchst. a AEUV zulässig, weil die Regelung durch einen zwingenden Grund des Allgemeininteresses wie der Notwendigkeit der Wahrung der Kohärenz des Steuersystems gerechtfertigt sei. Die Ausgestaltung der Steuerermäßigung folge einer spiegelbildlichen Logik. Diese Logik wäre gestört, wenn der Steuervorteil auch Personen zugutekäme, die Vermögen erbten, für das in der Bundesrepublik Deutschland keine Erbschaftsteuer erhoben worden sei. Daher bestehe auch ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen der Steuerermäßigung nach § 27 Abs. 1 ErbStG und einer früheren Besteuerung.8 Ferner sei die Begrenzung der Steuerermäßigung auch verhältnismäßig, weil die Bundesrepublik Deutschland keine Besteuerungsbefugnis für den Vorerwerb von Todes wegen gehabt habe und dieser deshalb in Deutschland nicht besteuert worden sei.9 8. § 33 ErbStG Der BFH hat dem EuGH die Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt, ob Art. 49 AEUV einer einzel- 126 staatlichen Regelung entgegensteht, nach der ein Kreditinstitut mit Sitz im Inland und Zweigniederlassung in Österreich beim Tod eines inländischen Erblassers dessen Kapitalvermögen dem für die Verwaltung der Erbschaftsteuer zuständigen Finanzamt anzuzeigen hat, während in dem anderen Mitgliedstaat keine vergleichbare Anzeigepflicht besteht und Kreditinstitute dort einem strafbewehr-
1 EuGH v. 12.2.2009 – Rs. C-67/08, ECLI:EU:C:2009:92 Rz. 25 – Block = FR 2009, 294 m. Anm. Billig. 2 EuGH v. 23.2.2006 – Rs. C-513/03, ECLI:EU:C:2006:131 Rz. 47 – van Hilten. 3 EuGH v. 12.5.1998 – Rs. C-336/96, ECLI:EU:C:1998:221 Rz. 15 f. – Gilly = FR 1998, 847 m. Anm. Dautzenberg. 4 EuGH v. 13.12.2007 – Rs. C-374/06, ECLI:EU:C:2007:788 Rz. 55 – Batig. 5 BFH v. 19.6.2013 – II R 10/12, BStBl. II 2013, 746 = FR 2014, 248 = ErbStB 2013, 271; FG Düsseldorf v. 13.5.2009 – 4 K 155/08 Erb, EFG 2009, 1310 (rkr.) = ErbStB 2009, 241. 6 BFH v. 20.1.2015 – II R 37/13, BStBl. II 2015, 497 = FR 2015, 859 = ErbStB 2015, 126. 7 EuGH v. 30.6.2016 – Rs. C-123/15, ECLI:EU:C:2016:496 Rz. 22 – Feilen. 8 EuGH v. 30.6.2016 – Rs. C-123/15, ECLI:EU:C:2016:496 Rz. 33 ff. – Feilen. 9 EuGH v. 30.6.2016 – Rs. C-123/15, ECLI:EU:C:2016:496 Rz. 40 – Feilen.
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§ 2 ErbStG Rz. 127 Persönliche Steuerpflicht ten Bankgeheimnis unterliegen.1 Der Streitfall betraf einen Zeitraum vor dem Inkrafttreten der Richtlinie 2011/16/EU2 127 Der EuGH hat auf den Vorlagebeschluss des BFH3 entschieden, dass Art. 49 AEUV nicht der Verpflich-
tung von Kreditinstituten mit Sitz in Deutschland entgegensteht, dem Finanzamt gem. § 33 ErbStG Vermögensgegenstände, die bei ihren unselbständigen Zweigstellen in Österreich verwaltet werden, im Fall des Ablebens des Erblassers, der in Deutschland Steuerinländer war, anzuzeigen.4 Zwar beziehe sich das Verbot der Beschränkung der Niederlassungsfreiheit (Art. 49 AEUV) nicht nur auf den Aufnahmestaat, sondern auch auf den Herkunftsstaat. Dieser dürfe die Niederlassung eines seiner Staatsangehörigen oder einer nach seinem Recht gegründeten Gesellschaft in einem anderen Mitgliedstaat nicht behindern.5 Gleichwohl könne das Bestehen der Anzeigepflicht des § 33 ErbStG nicht als Beschränkung der Niederlassungsfreiheit qualifiziert werden. Die nachteiligen Folgen der Anzeigepflicht ergäben sich nämlich daraus, dass zwei Mitgliedstaaten parallel zueinander ihre Zuständigkeit einerseits auf dem Gebiet der Regelung der Pflichten von Kreditinstituten gegenüber ihren Kunden in Bezug auf die Beachtung des Bankgeheimnisses und andererseits auf dem Gebiet der steuerlichen Kontrollen ausgeübt hätten. Aus der Niederlassungsfreiheit folge nicht, dass ein Mitgliedstaat verpflichtet sei, seine Steuervorschriften auf die Steuervorschriften eines anderen Mitgliedstaats abzustimmen, um in allen Situationen zu gewährleisten, dass jede Diskrepanz, die sich aus den nationalen Regelungen ergibt, beseitigt werde.6
1 BFH v. 1.10.2014 – II R 29/13, BStBl. II 2015, 232 = FR 2015, 189 = FR 2015, 96 = ErbStB 2015, 3. 2 Richtlinie 2011/16/EU des Rates v. 15.2.2011 über die Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden im Bereich der Besteuerung und zur Aufhebung der Richtlinie 77/799/EWG zum automatischen und verpflichtenden Informationsaustausch, ABl. EU Nr. L 64, 11. 3 BFH v. 1.10.2014 – II R 29/13, BStBl. II 2015, 232 = FR 2015, 189 = FR 2015, 96 = ErbStB 2015, 3. 4 EuGH v. 14.4.2016 – Rs. C-522/14, ECLI:EU:C:2016:253 – Sparkasse Allgäu = ErbStB 2016, 165. 5 EuGH v. 14.4.2016 – Rs. C-522/14, ECLI:EU:C:2016:253 Rz. 20 ff. – Sparkasse Allgäu = ErbStB 2016, 165. 6 EuGH v. 14.4.2016 – Rs. C-522/14, ECLI:EU:C:2016:253 Rz. 24 ff. – Sparkasse Allgäu = ErbStB 2016, 165.
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§ 3 Erwerb von Todes wegen (1) 1Als Erwerb von Todes wegen gilt 1. der Erwerb durch Erbanfall (§ 1922 des Bürgerlichen Gesetzbuchs), durch Vermächtnis (§§ 2147 ff. des Bürgerlichen Gesetzbuchs) oder auf Grund eines geltend gemachten Pflichtteilsanspruchs (§§ 2303 ff. des Bürgerlichen Gesetzbuchs); 2. der Erwerb durch Schenkung auf den Todesfall (§ 2301 des Bürgerlichen Gesetzbuchs). 2Als Schenkung auf den Todesfall gilt auch der auf dem Ausscheiden eines Gesellschafters beruhende Übergang des Anteils oder des Teils eines Anteils eines Gesellschafters einer Personengesellschaft oder Kapitalgesellschaft bei dessen Tod auf die anderen Gesellschafter oder die Gesellschaft, soweit der Wert, der sich für seinen Anteil zur Zeit seines Todes nach § 12 ergibt, Abfindungsansprüche Dritter übersteigt. 3Wird auf Grund einer Regelung im Gesellschaftsvertrag einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung der Geschäftsanteil eines Gesellschafters bei dessen Tod eingezogen und übersteigt der sich nach § 12 ergebende Wert seines Anteils zur Zeit seines Todes Abfindungsansprüche Dritter, gilt die insoweit bewirkte Werterhöhung der Geschäftsanteile der verbleibenden Gesellschafter als Schenkung auf den Todesfall; 3. die sonstigen Erwerbe, auf die die für Vermächtnisse geltenden Vorschriften des bürgerlichen Rechts Anwendung finden; 4. jeder Vermögensvorteil, der auf Grund eines vom Erblasser geschlossenen Vertrags bei dessen Tode von einem Dritten unmittelbar erworben wird. (2) Als vom Erblasser zugewendet gilt auch 1. 1der Übergang von Vermögen auf eine vom Erblasser angeordnete Stiftung. 2Dem steht gleich die vom Erblasser angeordnete Bildung oder Ausstattung einer Vermögensmasse ausländischen Rechts, deren Zweck auf die Bindung von Vermögen gerichtet ist; 2. was jemand infolge Vollziehung einer vom Erblasser angeordneten Auflage oder infolge Erfüllung einer vom Erblasser gesetzten Bedingung erwirbt, es sei denn, daß eine einheitliche Zweckzuwendung vorliegt; 3. was jemand dadurch erlangt, daß bei Genehmigung einer Zuwendung des Erblassers Leistungen an andere Personen angeordnet oder zur Erlangung der Genehmigung freiwillig übernommen werden; 4. was als Abfindung für einen Verzicht auf den entstandenen Pflichtteilsanspruch oder für die Ausschlagung einer Erbschaft, eines Erbersatzanspruchs oder eines Vermächtnisses oder für die Zurückweisung eines Rechts aus einem Vertrag des Erblassers zugunsten Dritter auf den Todesfall oder anstelle eines anderen in Absatz 1 genannten Erwerbs gewährt wird; 5. was als Abfindung für ein aufschiebend bedingtes, betagtes oder befristetes Vermächtnis, für das die Ausschlagungsfrist abgelaufen ist, vor dem Zeitpunkt des Eintritts der Bedingung oder des Ereignisses gewährt wird; 6. was als Entgelt für die Übertragung der Anwartschaft eines Nacherben gewährt wird; 7. was der Vertragserbe oder der Schlusserbe eines gemeinschaftlichen Testaments oder der Vermächtnisnehmer wegen beeinträchtigender Schenkungen des Erblassers (§§ 2287, 2288 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs) von dem Beschenkten nach den Vorschriften über die ungerechtfertigte Bereicherung erlangt. A. I. II. III.
Grundaussagen der Vorschrift. . . . . . . . . . Regelungsgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . Bedeutung und Telos . . . . . . . . . . . . . . . . . Geltungsbereich und Verhältnis zu anderen Vorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Rechtsentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Steuerpflichtiger Erwerb von Todes wegen (Abs. 1) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Erwerb durch Erbanfall (Abs. 1 Nr. 1 Fall 1) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1 1 4 6 10 13
1. Erbanfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Gegenstand des Erwerbs durch Erbanfall. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Anknüpfung an das Zivilrecht . . . . . . . c) Erwerbstatbestände nach ausländischem Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Erblasser. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Erbe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Erbengemeinschaft . . . . . . . . . . . . . . . g) Ausschlagung der Erbschaft. . . . . . . . .
13 13 15 18 19 21 24 26
13
Loose/von Oertzen
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§ 3 ErbStG Erwerb von Todes wegen
II. III.
IV. V. VI. VII.
2. Gewillkürte Erbfolge . . . . . . . . . . . . . . . a) Testament . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Errichtung des Testaments . . . . . . . . . c) Auslegung des Testaments . . . . . . . . . d) Testamentsanfechtung . . . . . . . . . . . . e) Testamentsvollstreckung . . . . . . . . . . f) Erbvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Gesetzliche Erbfolge . . . . . . . . . . . . . . . . a) Subsidiarität der gesetzlichen Erbfolge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Erbfolge nach Ordnungen . . . . . . . . . c) Erbrecht nichtehelicher und adoptierter Kinder . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Erbrecht des überlebenden Ehegatten/Lebenspartners . . . . . . . . . . . . . . 4. Erbauseinandersetzung. . . . . . . . . . . . . . a) Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Erbvergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Teilungsanordnung . . . . . . . . . . . . . . Erwerb durch Vermächtnis (Abs. 1 Nr. 1 Fall 2) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Erwerb aufgrund geltend gemachten Pflichtteilsanspruchs (Abs. 1 Nr. 1 Fall 3) . . 1. Pflichtteilsanspruch . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Pflichtteilsergänzungsanspruch. . . . . . . . 3. Geltendmachung des Pflichtteilsanspruchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Erwerb durch Schenkung auf den Todesfall (Abs. 1 Nr. 2 Satz 1) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Übergang von Gesellschaftsanteilen von Todes wegen (Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 und 3) . . . Vermächtnisgleicher Erwerb (Abs. 1 Nr. 3) . Vermögensvorteile von Dritten aufgrund eines vom Erblasser geschlossenen Vertrages (Abs. 1 Nr. 4) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Vertrag zugunsten Dritter . . . . . . . . . . . . 2. Lebensversicherungen . . . . . . . . . . . . . . 3. Ansprüche von Hinterbliebenen . . . . . . . 4. Verträge zugunsten Dritter im Zusammenhang mit Bankguthaben und -depots . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
28 28 34 38 40 43 44 47 47 48 52 55 62 62 63 65
II.
67 71 71 73 75
III. IV.
80 83 87
90 90 93 94
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C. Sonstige Zuwendungen des Erblassers (Abs. 2) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 I. Zuwendungen durch Errichtung einer Stiftung oder ausländischen Vermögensmasse (Abs. 2 Nr. 1) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 1. Grundaussagen des Abs. 2 Nr. 1 . . . . . . . 99
V.
VI. VII.
a) Regelungsgegenstand . . . . . . . . . . . . . b) Bedeutung und Telos . . . . . . . . . . . . . c) Geltungsbereich und Verhältnis zu anderen Vorschriften. . . . . . . . . . . . . . d) Rechtsentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . 2. Übergang von Vermögen auf eine vom Erblasser angeordnete Stiftung (Abs. 2 Nr. 1 Satz 1) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Übergang auf eine vom Erblasser angeordnete Vermögensmasse ausländischen Rechts, gerichtet auf die Bindung von Vermögen (Abs. 2 Nr. 1 Satz 2) . . . . . . . . a) Systematische Aspekte. . . . . . . . . . . . . b) Begriff der Vermögensmasse . . . . . . . . c) Ausländisches Recht . . . . . . . . . . . . . . d) Bindung von Vermögen . . . . . . . . . . . e) Rechtsfolgen des Vorliegens des Tatbestandsmerkmals . . . . . . . . . . . . . Zuwendungen durch Auflage oder Bedingung (Abs. 2 Nr. 2) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Erwerb infolge Vollziehung einer vom Erblasser angeordneten Auflage (Abs. 2 Nr. 2 Fall 1) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Erwerb infolge Erfüllung einer vom Erblasser angeordneten Bedingung (Abs. 2 Nr. 2 Fall 2) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Genehmigungserwerb (Abs. 2 Nr. 3). . . . . . . Abfindung für Verzicht oder Ausschlagung (Abs. 2 Nr. 4). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Abfindung für den Pflichtteilsverzicht (Abs. 2 Nr. 4 Fall 1) . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Abfindung für die Ausschlagung einer Erbschaft, eines Erbersatzanspruchs oder eines Vermächtnisses (Abs. 2 Nr. 4 Fall 2). 3. Abfindung für die Zurückweisung eines Rechts aus einem Vertrag des Erblassers zugunsten Dritter auf den Todesfall (Abs. 2 Nr. 4 Fall 3) . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Abfindung anstelle eines anderen in Abs. 1 genannten Erwerbs (Abs. 2 Nr. 4 Fall 4) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abfindung für ein aufschiebend bedingtes, betagtes oder befristetes Vermächtnis (Abs. 2 Nr. 5). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Entgelt für die Übertragung der Nacherbenanwartschaft (Abs. 2 Nr. 6) . . . . . . . . . . . . . Erlangung eines Herausgabeanspruchs des Vertrags- oder Schlusserben (Abs. 2 Nr. 7) . .
99 100 103 106
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145 147 150
Literatur: Billig, Zur erbschaftsteuer- und schenkungsteuerrechtlichen Bedeutung des Pflichtteilsanspruchs, UVR 2014, 314; Bredemeyer; Lebensversicherungen vor und nach dem Todesfall, ZEV 2010, 288; Brüggemann, Erbvergleiche im Einkommensteuer- und Erbschaftsteuerrecht, ErbBstg 2014, 101; Bruschke, Der Erwerb von Todes wegen, ErbStB 2013, 158; Bruschke, Die Behandlung eines Kaufrechtsvermächtnisses bei der Erbschaft- und Schenkungsteuer und bei der Grunderwerbsteuer, UVR 2006, 115; Carlé, Abfindungsklauseln in Gesellschaftsverträgen, KÖSDI 2013, 18327; Daragan, Das Kaufrechtsvermächtnis im Erbschaftsteuerrecht, DB 2004, 2389; Geck, Die Lebensversicherung im Zivil- und Erbschaftsteuerrecht, KÖSDI 2007, 15584; Halaczinsky, Lebensversicherungen im Erbschaftsteuerrecht, ZErb 2002, 306; Hasbach, Gesellschaftsvertragliche Abfindungsklauseln in der Erbschaftund Schenkungsteuer, Diss., Köln 2014; Holler, Erbschaftsteuerliche Überlegungen zum gemeinschaftlichen Ehe-
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Loose/von Oertzen
Grundaussagen der Vorschrift
Rz. 3 § 3 ErbStG
gattentestament, ErbR 2015, 495; Jülicher, Pflichtteilsansprüche im EStG und ErbStG – steuersparende Überlegungen vor und nach dem Erbfall, ZErb 2014, 126; Kamps, Erbrechtliche Konsequenzen bei nichtehelichen Lebensgemeinschaften, ErbStB 2005, 242; Keim, „Super“ oder „(super) falsch“? – Das „Supervermächtnis“ zur Erbschaftsteuerersparnis beim Berliner Testament, ZEV 2016, 6; Knepper, Erbschaftsteuerliche Behandlung der eingetragenen Lebenspartnerschaft, ErbR 2006, 79; Krüger, Der Pflichtteilsanspruch im Erbschaftsteuerrecht, ZErb 2014, 102; Lehmann, Die Erbschaftsbesteuerung von Versicherungsverträgen, ZEV 2004, 398; Levedag, Nachfolge in Personengesellschaften von Todes wegen am Beispiel der GmbH & Co. KG, GmbHR 2010, 629; Lohr/Görges, Die Behandlung des Pflichtteils in der Erbschaftsteuer, DStR 2011, 1939; Mayer, Erbschaftsteuersparen um jeden Preis?, DStR 2004, 1371; Meincke, Zum Geltendmachen des Pflichtteils, ZErb 2004, 1; von Oertzen/Cornelius, Steuerrechtliche Gestaltungen mit und um das Pflichtteilsrecht, ErbStB 2006, 49; Riedel, Nachfolge von Todes wegen in der GmbH & Co. KG, GmbH-StB 2013, 178; Seer/Krumm, Der Pflichtteilsanspruch im System der erbschaftsteuerlichen Vermögensanfallbesteuerung, ZEV 2010, 57; Spiegelberger, Auslegungsvertrag und Erbvergleich, ErbR 2012, 165; Stein/Stein, Erbschaftsteuerliche Gestaltung nach dem Tod: Die Ausschlagung gegen Abfindung, ErbBstg 2013, 41; Theysohn-Wadle, Die Anerkennung unwirksamer Testamente im Steuerrecht, ZEV 2002, 221; Theysohn-Wadle, Die Anerkennung verspätet aufgefundener Testamente im Steuerrecht, ZEV 2002, 358; Tölle, Erbschaftsteuerliche Optimierung durch Pflichtteilsgestaltung, NWB 2013, 227; Tölle, Erbschaftsteuerrechtliche Optimierung durch Ausschlagung, NWB 2013, 148; Vorwold, Der Vertrag zugunsten Dritter auf den Todesfall, ErbStB 2006, 22; Wall, Wider die herrschende Meinung: Forderungsvermächtnis statt Schenkung im Valutaverhältnis des Vertrags zugunsten Dritter auf den Todesfall, ZEV 2011, 3; Wälzholz, Die Ausschlagung gegen Abfindung NWB 2010, 1360; Wälzholz, Erbauseinandersetzung und Teilungsanordnung nach der Erbschaftsteuerreform, ZEV 2009, 113. Verwaltungsanweisungen: R E 3.1–3.7 ErbStR 2011; H E 3.1(1)–3.7 ErbStH 2011.
A. Grundaussagen der Vorschrift I. Regelungsgegenstand Während § 1 ErbStG ganz allgemein regelt, an welche steuerpflichtigen Vorgänge das Erbschaftsteu- 1 ergesetz eine Leistungspflicht anknüpft, definiert § 3 ErbStG, welche Steuerobjekte genau als Erwerb von Todes wegen gelten. Dazu findet sich in § 3 ErbStG eine abschließende Aufzählung der möglichen Tatbestände der Erwerbe von Todes wegen.1 § 3 Abs. 1 ErbStG erfasst Erwerbe von Todes wegen, die entweder unmittelbar aus dem Vermögen 2 des Erblassers erfolgen oder (beim Vertrag zugunsten Dritter; § 3 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG) zumindest vom Erblasser veranlasst sind. § 3 Abs. 2 ErbStG erweitert diese Grundtatbestände um weitere Erwerbe. Dadurch werden Regelungslücken des § 3 Abs. 1 ErbStG geschlossen.2 § 3 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 und Nr. 7 ErbStG sind Ergänzungstatbestände. Sie erfassen Erwerbsvorgänge, die ebenfalls durch den Tod eines Vermögensinhabers ausgelöst werden. Die in § 3 ErbStG Abs. 2 Nr. 4 bis 6 ErbStG aufgeführten Erwerbe treten an die Stelle von Bereicherungen, die infolge einer rechtserheblichen Disposition des Erwerbers entweder nicht endgültig eintreten konnten oder rückwirkend entfallen sind.3 Diese Tatbestände gehen über den eigentlichen Erwerb von Todes wegen hinaus. Erfasst werden Rechtsgeschäfte unter Lebenden, die lediglich in einem engen sachlichen Zusammenhang mit dem Erwerb von Todes wegen stehen.4 Anders als im Zivilrecht unterscheidet § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG nicht zwischen Einzel- oder Gesamt- 3 rechtsnachfolge, sondern stellt den Erbanfall (§ 1922 BGB), das Vermächtnis und den geltend gemachten Pflichtteilsanspruch als Erwerbe von Todes wegen gleich, obwohl das Vermächtnis und der geltend gemachte Pflichtteilsanspruch lediglich schuldrechtliche Ansprüche gegen den oder die Erben begründen.5
1 BFH v. 6.3.1991 – II R 69/87, BStBl. II 1991, 412; v. 4.5.2011 – II R 34/09, BStBl. II 2011, 725 = FR 2011, 870 = ErbStB 2011, 214. 2 Esskandari/Winter in Lippross/Seibel, § 3 ErbStG Rz. 8 (Stand: Juni 2013). 3 Seer in Tipke/Lang, Steuerrecht22, § 15 Rz. 18. 4 Wälzholz in V/K/S/W4, § 3 ErbStG Rz. 199. 5 Hülsmann in Wilms/Jochum, § 3 ErbStG Rz. 6 (Stand: Oktober 2014).
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§ 3 ErbStG Rz. 4 Erwerb von Todes wegen
II. Bedeutung und Telos 4 § 3 ErbStG will als einer der beiden Grundtatbestände des ErbStG unentgeltliche Erwerbe von Todes
wegen, die keine Erwerbe aufgrund freigebiger Zuwendungen unter Lebenden nach § 7 ErbStG sind, erfassen. Der Gesetzgeber hat beides, den Erwerb von Todes wegen und aufgrund freigebiger Zuwendung unter Lebenden, nebeneinander gestellt und in einem einheitlichen Gesetz geregelt. Bis auf wenige Ausnahmen ist es im Ergebnis der Besteuerung ohne Bedeutung, ob die Bereicherung des Erwerbers auf einer freigebigen Zuwendung unter Lebenden oder einem Erwerb von Todes wegen beruht. 5 Aus § 10 Abs. 1 Satz 1 ErbStG folgt, dass eine Besteuerung nach § 3 ErbStG nur dann erfolgen soll,
wenn beim Erwerber auch tatsächlich eine Bereicherung eingetreten ist.1 Gleichwohl gehört die Bereicherung, anders als bei der freigebigen Zuwendung nach § 7 Abs. 1 ErbStG oder der Schenkung auf den Todesfall nach § 3 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 ErbStG, nicht zum Tatbestand des Erwerbs von Todes wegen und ist nicht Voraussetzung für die Steuerbarkeit des Erwerbs.2 Ob eine Bereicherung tatsächlich eingetreten ist, lässt sich nämlich erst nach Ermittlung des Nachlasswerts aufgrund der Bewertung der einzelnen Vermögensgegenstände und nach Abzug von Nachlassverbindlichkeiten feststellen.
III. Geltungsbereich und Verhältnis zu anderen Vorschriften 6 § 3 ErbStG zählt alle Erwerbstatbestände abschließend auf, die infolge des Todes einer natürlichen
Person in Betracht kommen können. Die Erwerbstatbestände setzen alle voraus, dass ein Erbfall, also der Tod einer natürlichen Person, eingetreten ist. Dadurch unterscheiden sich die Tatbestände des § 3 ErbStG von der freigebigen Zuwendung unter Lebenden nach § 7 ErbStG. Zwar ist die Unentgeltlichkeit kein Tatbestandsmerkmals des § 3 ErbStG.3 Gleichwohl liegt auch in den Fällen des § 3 ErbStG ein unentgeltlicher Erwerb vor. Der Erwerb von Todes wegen ist auch dann unentgeltlich, wenn der Erbe aufgrund der Gesamtrechtsnachfolge (§ 1922 BGB) in Verbindlichkeiten des Erblassers eintritt oder das Erbe mit Vermächtnissen und Auflagen belastet ist. Eine Ausnahme besteht nur beim entgeltlichen Erbvertrag, bei dem der Vertragserbe mit Rücksicht auf die erbrechtliche Zuwendung eine schuldrechtliche Verpflichtung gegenüber dem Erblasser übernimmt. 7 Im Falle eines Todes einer natürlichen Person ist zunächst zu prüfen, ob ein Erwerb nach § 3 Abs. 1
EStG vorliegt. Wenn keiner der dort genannten Erwerbstatbestände erfüllt ist, ist zu prüfen, ob einer der Ersatztatbestände des § 3 Abs. 2 ErbStG einschlägig ist. Ist keiner der beiden Absätze einschlägig, so ist der Erwerb erbschaftsteuerfrei. Eine analoge Anwendung des § 3 ErbStG ist nicht zulässig.4 Für die Annahme eines Erwerbs von Todes wegen ist es nicht ausreichend, das der Erwerb lediglich im Zusammenhang mit einem Erbfall steht. Nicht in § 3 ErbStG aufgelistete Erwerbstatbestände unterliegen daher nicht der Erbschaftsteuer.5 Nicht von § 3 ErbStG werden daher z.B. Versorgungsbezüge, Schadenersatzansprüche oder auch Vermögensvorteile, die mit dem Tod des Erblassers eintreten oder wirksam werden, und zwar auch dann, wenn sie auf Entscheidungen des Erblassers beruhen.6 8 § 3 ErbStG wird durch die Regelungen über die fortgesetzte Gütergemeinschaft (§ 4 ErbStG) und
über die Vor- und Nacherbschaft (§ 5 ErbStG) für erbschaftsteuerliche Zwecke ergänzt. Beide Regelungen bewirken eine Abkehr von den zivilrechtlichen Vorgaben zur vollständigen Erfassung jeglichen Erwerbs von Todes wegen. Der güterrechtliche Zugewinnausgleich soll hingegen nicht von der Erbschaftsteuer erfasst werden, selbst wenn er erst beim Tod des Ehegatten anfällt. Um diesen Erwerb vom steuerbaren Erwerb von Tode wegen abzugrenzen, dienen die Regelungen des § 6 ErbStG. Meincke16, § 3 ErbStG Rz. 9. RFH v. 21.5.1931 – I D 1/30, RStBl. 1931, 539; Wälzholz in V/K/S/W4, § 3 ErbStG Rz. 26. Fischer in F/J/P/W5, § 3 ErbStG Rz. 6. BFH v. 6.3.1991 – II R 69/87, BStBl. II 1991. BFH v. 4.5.2011 – II R 34/09, BStBl. II 2011, 725 = FR 2011, 870 = ErbStB 2011, 214; v. 4.7.2012 – II R 38/10, BStBl. II 2012, 782 = FR 2013, 45 = ErbStB 2012, 296. 6 BFH v. 7.2.2001 – II B 11/00, BStBl. II 2001, 245 = FR 2001, 425; Gottschalk in T/G/J, § 3 ErbStG Rz. 4 (Stand: Oktober 2014). 1 2 3 4 5
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Steuerpflichtiger Erwerb von Todes wegen (Abs. 1)
Rz. 13 § 3 ErbStG
Die Verweisungen in § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG auf das BGB sind nach ständiger Rspr. des BFH nicht 9 so zu verstehen, dass die Vorschrift nur solche Erwerbe von Todes wegen der Erbschaftsteuer unterwirft, die auf den in ihr genannten Vorschriften des BGB beruhen. Vielmehr kann auch ein nach ausländischem Recht erfolgter Erwerb von Todes wegen der Erbschaftsteuer nach dem ErbStG unterliegen1 (zu unionsrechtlichen Vorgaben s. § 2 ErbStG Rz. 88 f.).
IV. Rechtsentwicklung § 3 ErbStG ist mit dem ErbStG 19742 eingeführt worden und ist in wesentlichen Teilen seitdem unver- 10 ändert geblieben. In vorherigen Fassungen des ErbStG3 war der Erwerb von Todes wegen jeweils in § 2 geregelt. Durch das StÄndG 19924 wurde die Vorschrift über die Bereicherung von Vertragserben (§ 3 Abs. Nr. 7 ErbStG) angefügt. Eine erste größere Änderung hat § 3 ErbStG durch das StEntlG 1999/2000/20025 erfahren. Zum einen wurde § 3 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG um einen Satz 3 dahingehend ergänzt, dass auch die Werterhöhung von Anteilen der anderen Gesellschafter aufgrund des Einzugs des Gesellschaftsanteiles beim Tode eines Gesellschafters als Schenkung auf den Todesfall erfasst wird. Zum anderen wurde § 3 Abs. 2 Nr. 1 ErbStG um einen weiteren Satz ergänzt und auch die Bildung oder Ausstattung einer Vermögensmasse nach ausländischem Recht beim Tode des Erblassers der Besteuerung unterworfen. Damit wollte man insbesondere die Errichtung und Ausstattung angloamerikanischer Trusts von Todes wegen der Besteuerung unterwerfen. Beide Vorschriften haben ihr Spiegelbild in § 7 ErbStG, um entsprechende Vorgänge unter Lebenden ebenfalls zu besteuern (§ 7 Abs. 1 Nr. 8 und 9 ErbStG, s. § 7 ErbStG Rz. 343 ff., 359; § 7 Abs. 7 ErbStG, s. § 7 ErbStG Rz. 398, 529). Das ErbStRG 20096 hat umfangreiche Änderungen des ErbStG im Bereich der Begünstigung des Be- 11 triebsvermögens mit sich gebracht, allerdings § 3 ErbStG im Wesentlichen unverändert belassen. Lediglich § 3 Abs. 1 Nr. 1 und 4 ErbStG wurden an die geänderte Rechtslage im Zivilrecht angepasst, wonach der bis zum 1.4.1998 in §§ 1934a bis 1934e BGB geregelte Erbersatzanspruch nichtehelicher Kinder ersatzlos gestrichen wurde.7 In § 3 Abs. 2 Nr. 7 ErbStG wurde zudem klargestellt, dass auch der Herausgebeanspruch eines Schlusserben aus ungerechtfertigter Bereicherung der Besteuerung unterliegen soll.8 Bezüglich § 3 Abs. 2 Nr. 1 ErbStG vgl. Rz. 99–106.
12
B. Steuerpflichtiger Erwerb von Todes wegen (Abs. 1) I. Erwerb durch Erbanfall (Abs. 1 Nr. 1 Fall 1) 1. Erbanfall a) Gegenstand des Erwerbs durch Erbanfall Erwerb von Todes wegen ist jeder vermögensrechtliche Vorgang, der infolge des Todes einer natürli- 13 chen Person entsteht.9 Beim Erwerb von Todes wegen durch Erbanfall wird der Erbe aufgrund gewillkürter oder gesetzlicher Erbfolge Gesamtrechtsnachfolger aller Rechte und Pflichten des verstorbenen Erblassers.10 Er erbt das hinterlassene Vermögen in dem Zustand, in dem es sich im Zeitpunkt des
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BFH v. 4.7.2012 – II R 38/10, BStBl. II 2012, 782 m.w.N. = FR 2013, 45 = ErbStB 2012, 296; s. Rz. 18. ErbStG 1974 v. 17.4.1974, BGBl. I 1974, 933. ErbStG 1919 (RGBl. 1919, 1543); ErbStG 1925 (RGBl. I 1925, 320). StÄndG 1992 v. 25.2.1992, BGBl. I 1992, 297. StEntlG 1999/2000/2002 v. 25.3.1999, BGBl. I 1999, 402. ErbStRG 2009 v. 24.12.2008, BGBl. I 2008, 3018. ErbrechtsgleichstellungsG v. 16.12.1997, BGBl. I 1997, 2968. Hils in Tiedtke, § 3 ErbStG Rz. 1. Hülsmann in Wilms/Jochum, § 3 ErbStG Rz. 2 (Stand: Oktober 2014). BFH v. 23.1.1991 – II B 46/90, BStBl. II 1991, 310.
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§ 3 ErbStG Rz. 14 Erwerb von Todes wegen Todes befunden hat. Anders als der Vermächtnisnehmer oder der Pflichtteilsberechtigte erhält der Erbe aufgrund der gewillkürten oder gesetzlichen Erbfolge nicht nur einen schuldrechtlichen Anspruch, sondern tritt zivilrechtlich an die Stelle des Erblassers, der die Rechtsgemeinschaft durch seinen Tod und Abberufung an höheren Ort verlassen hat. Damit unterscheidet sich der „Erwerb durch Erbanfall“ von dem „Erwerb aufgrund eines Erbfalles“.1 Der Übergang des Vermögens des Erblassers auf den Erben ist Gegenstand des Erwerbs durch Erbanfall und Gegenstand der Besteuerung i.S.v. § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG.2 14
Vom Erwerb unter Lebenden bzw. von Schenkungen unter Lebenden (§ 7 ErbStG) unterscheidet sich der Erwerb durch Erbanfall dadurch, dass er ausschließlich aufgrund gewillkürter oder gesetzlicher Erbfolge und nicht aufgrund rechtsgeschäftlicher Vorgänge erfolgt. Ein Bereicherungswille des Erblassers ist – anders als bei der Schenkung auf den Todesfall i.S.v. § 3 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 ErbStG (s. Rz. 80)3 – ebenso wenig erforderlich wie die Unentgeltlichkeit des Vermögenszuflusses.4 b) Anknüpfung an das Zivilrecht
15
§ 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG knüpft für die Besteuerung an Vorgänge und Vorschriften des Zivilrechts an. Aus der Maßgeblichkeit des Zivilrechts für die Erbschaftsteuer folgt indes nicht, dass wirtschaftliche Vorgänge unbeachtlich sind. Da § 3 ErbStG auf Vorschriften des BGB verweist und sich dessen Tatbestände zu eigen macht, müssen auch die aus dem Zivilrecht entliehenen Begriffe anhand der zivilrechtlichen Teleologie ausgelegt werden. Das bedeutet jedoch nicht, dass eine wirtschaftliche Betrachtungsweise, die stets bei der Auslegung steuerrechtlicher Vorschriften geboten ist, im Erbschaftsteuerrecht gänzlich ausgeschlossen ist.5
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Maßgeblich ist auch beim Erwerb durch Erbanfall, ob der Erbe durch den erbrechtlichen Vorgang bereichert ist.6 Nach § 1922 BGB, auf den § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG ausdrücklich verweist, geht der Nachlass beim Tode des Erblassers als Ganzes auf den Erben über (sog. Gesamtrechtsnachfolge oder Universalsukzession).7 Eine Annahme der Erbschaft oder eine Inbesitznahme des Nachlasses durch den Erben ist für den Erbanfall nicht erforderlich.8 Davon bleibt allerdings das Recht des Erben, die Erbschaft auszuschlagen, unberührt.9 Dieses Recht kann der Erblasser dem Erben nicht nehmen.10 Die bloße Möglichkeit der Ausschlagung verhindert allerdings nicht die Erfüllung des Steuertatbestandes. Erforderlich ist, dass der Erbe die Ausschlagung auch tatsächlich erklärt.
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Gegenüber Dritten erbringt der Erbe den Nachweis der Erbenstellung durch Erbschein (§ 2353 BGB). Der Erbschein wird dem Erben vom Nachlassgericht auf Antrag ausgestellt. Der Erbschein enthält Angaben über die Erbfolge und bei mehreren Erben auch über die Höhe des Erbanteils. Darüber hinaus enthält er Angaben über eine eventuelle Nacherbfolge und über ihre Voraussetzungen, über etwaige Nacherben (§ 2363 BGB) sowie über die Anordnung einer Testamentsvollstreckung.11 1 2 3 4 5
6 7 8 9 10 11
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BFH v. 23.1.1991 – II B 46/90, BStBl. II 1991, 310; Wälzholz in V/K/S/W4, § 3 ErbStG Rz. 20 ff. Gebel in T/G/J, § 3 ErbStG Rz. 5 (Stand: Januar 2012). BFH v. 5.12.1990 – II R 109/86, BStBl. II 1991, 181. BFH v. 31.10.1984 – II R 200/81, BStBl. II 1985, 59; Fischer in F/J/P/W5, § 3 ErbStG Rz. 6; Geck in Kapp/Ebeling, § 3 ErbStG Rz. 7 f. (Stand: Juni 2015). BVerfG v. 27.12.1991 – 2 BvR 72/90, BStBl. II 1992, 212 = FR 1992, 270; BFH v. 22.9.1982 – II R 61/80, BStBl. II 1983, 179; v. 15.10.1997 – II R 68/95, BStBl. II 1997, 820; v. 4.5.2011 – II R 34/09, BStBl. II 2011, 725 = ErbStB 2011, 214; v. 4.7.2012 – II R 38/10, BStBl. II 2012, 782 = ErbStB 2012, 296; eingehend Seer in Tipke/Lang, Steuerrecht22, § 1 Rz. 31 ff. und § 5 Rz. 71; Crezelius, FR 2007, 613 (619). Götz in Gürsching/Stenger, § 3 ErbStG Rz. 34 (Stand: September 2016); Geck in Kapp/Ebeling, § 3 ErbStG Rz. 5 (Stand: Juni 2015). Zur Behandlung von Verwendungsauflagen vgl. Gottschalk in T/G/J, § 3 ErbStG Rz. 92. (Stand: Oktober 2014). Hülsmann in Wilms/Jochum, § 3 ErbStG Rz. 32 (Stand: Oktober 2014); Seer in Tipke/Lang, Steuerrecht22, § 15 Rz. 8. Geck in Kapp/Ebeling, § 3 ErbStG Rz. 1 (Stand: Juni 2015). Fischer in F/J/P/W5, § 3 ErbStG Rz. 13. BFH v. 22.11.1995 – II R 89/93, BStBl. II 1996, 242; ausführlich Hülsmann in Wilms/Jochum, § 3 ErbStG Rz. 101 ff. (Stand: Oktober 2014).
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Steuerpflichtiger Erwerb von Todes wegen (Abs. 1)
Rz. 21 § 3 ErbStG
Nach § 2365 BGB wird im Rechtsverkehr vermutet, dass demjenigen, welcher in dem Erbschein als Erbe bezeichnet ist, das in dem Erbschein angegebene Erbrecht zusteht und er nicht durch andere als die angebenden Anordnungen beschränkt ist. c) Erwerbstatbestände nach ausländischem Recht Die Verweisungen in § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG auf das BGB sind nach ständiger Rspr. des BFH nicht 18 so zu verstehen, dass die Vorschrift nur solche Erwerbe von Todes wegen der Erbschaftsteuer unterwirft, die auf den in ihr genannten Vorschriften des BGB beruhen. Vielmehr kann auch ein nach ausländischem Recht erfolgter Erwerb von Todes wegen der Erbschaftsteuer nach dem ErbStG unterliegen.1 Beruht der Erwerb auf ausländischem Recht, ist die Besteuerung unproblematisch, soweit die Institutionen des ausländischen Erbrechts denen des deutschen Erbrechts entsprechen. Trifft das nicht zu, ist die wirtschaftliche Bedeutung dessen, was das ausländische Recht vorschreibt, für die Besteuerung nach deutschem Recht maßgeblich.2 Nur soweit der Vermögensanfall durch den Erbfall in seiner wirtschaftlichen Bedeutung einem durch das ErbStG erfassten Erwerb gleichkommt, sind die Voraussetzungen eines Tatbestands erfüllt, an den das ErbStG die Leistungspflicht knüpft (§ 38 AO).3 d) Erblasser Erblasser können nur natürliche Personen sein. Juristische Personen sterben nicht, sondern werden 19 aufgelöst und liquidiert. Eine Gesamtrechtsnachfolge findet bei ihnen nicht statt. Der Erbfall tritt mit dem Tod des Erblassers ein. In diesem Zeitpunkt entsteht die Erbschaftsteuer (§ 9 Abs. 1 ErbStG). Der Zeitpunkt des Todes wird nicht juristisch, sondern medizinisch definiert. Er gilt als eingetreten, wenn alle Gehirnfunktionen vollständig und irreversibel ausgefallen sind.4 Den Eintritt des Todes kann nur ein Arzt feststellen. Der Nachweis des Todes erfolgt jedoch durch die vom Standesbeamten auszustellende amtliche Sterbeurkunde (§ 64 PStG). Ist eine Person verschollen, gilt für die Besteuerung der Tag als Todestag, mit dessen Ablauf der ge- 20 richtliche Beschluss über die Todeserklärung des Verschollenen rechtskräftig wird (§ 49 AO).5 Die Todeserklärung durch das Gericht hat bürgerlich-rechtlich nur die Rechtswirkung einer Vermutung, die jederzeit widerlegt werden kann (§ 9 VerschG). Stellt sich später heraus, dass der Verschollene noch lebt oder über den vermutlichen Todeszeitpunkt hinaus noch gelebt hat, so ist die Erbfolge nicht oder erst später eingetreten (§§ 30, 33a VerschG).6 e) Erbe Erben können sowohl lebende natürliche als auch juristische Personen sein. Natürliche Personen 21 können bereits vor ihrer Geburt Erben sein (sog. Nasciturus, vgl. § 1923 Abs. 2 BGB). Voraussetzung ist jedoch, dass sie auch tatsächlich lebend geboren werden. Juristische Personen müssen beim Erbfall zivilrechtlich in der Lage sein, Rechte und Pflichten innezuhaben. Das sind z.B. der eingetragene Verein, die eingetragene GmbH und die eingetragene AG, aber auch der Vorverein und die Vorgesellschaft vor der Eintragung.7
1 BFH v. 4.7.2012 – II R 38/10, BStBl. II 2012, 782 m.w.N. = FR 2013, 45 = ErbStB 2012, 296. 2 BFH v. 19.10.1956 – III 128/55 U, BStBl. III 1956, 363; v. 12.5.1970 – II 52/64, BStBl. II 1972, 462; Götz in Gürsching/Stenger, § 3 ErbStG Rz. 40 (Stand: September 2016). 3 BFH v. 4.7.2012 – II R 38/10, BStBl. II 2012, 782 = FR 2013, 45 = ErbStB 2012, 296. 4 Weidlich in Palandt75 § 1922 BGB Rz. 2. Einzelheiten zur Bestimmung des Todeszeitpunkts vgl. Hülsmann in Wilms/Jochum, § 3 ErbStG Rz. 20 (Stand: Oktober 2014). 5 BFH v. 21.9.1956 – III 30/56 U, BFHE 63, 460; Hülsmann in Wilms/Jochum, § 3 ErbStG Rz. 25 (Stand: Oktober 2014); Götz in Gürsching/Stenger, § 3 ErbStG Rz. 77 (Stand: September 2016). 6 Geck in Kapp/Ebeling, § 1 ErbStG Rz. 36 (Stand: November 2015). 7 Götz in Gürsching/Stenger, § 3 ErbStG Rz. 51 (Stand: September 2016); Einzelheiten zu den Begrifflichkeiten und zu den Rechtsverhältnissen der Gründungs- und Vorgesellschaften vgl. Loose in Tipke/Kruse, Vor § 69 AO Rz. 60 ff. (Stand: Juni 2015).
Loose
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§ 3 ErbStG Rz. 22 Erwerb von Todes wegen 22
Unabhängig von der Frage, ob Personengesellschaften zivilrechtlich Erbe sein können, werden im Erbschaftsteuerecht die Gesamthänder und nicht die Gesamthandsgemeinschaft als Erwerber betrachtet.1 Der nichtrechtsfähige Verein kann zivilrechtlich Erbe sein.2 Er kann auch den Tatbestand des § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG erfüllen.3 Das Vereinsvermögen des nichteingetragenen Vereins steht zwar gem. § 54 i.V.m. § 718 BGB den einzelnen Vereinsmitgliedern zur gesamten Hand zu. Von der GbR unterscheidet sich der nichtrechtsfähige Verein jedoch durch seine körperschaftliche Struktur. Die Mitglieder haben beim Ausscheiden keinen Anspruch auf ein Auseinandersetzungsguthaben, der Anteil jedes einzelnen Mitglieds am Vereinsvermögen ist weder übertragbar noch pfändbar.4
23
Der sog. Scheinerbe ist kein Erbe, geht jedoch zunächst davon aus, dass er Erbe geworden ist, bis sich – z.B. aufgrund eines später aufgefundenen Testaments – herausstellt, dass er kein Erbe geworden ist. In diesem Fall ist er verpflichtet, den Nachlass an den Erben herauszugeben (§§ 2018 ff. BGB). Der Scheinerbe kann objektiv den Tatbestand des § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG nicht erfüllen. Gleichwohl gegen den Scheinerben ergangene Steuerbescheide sind nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO aufzuheben, wenn nachträglich bekannt wird, wer Erbe geworden ist.5 Die Aufhebung des Bescheids gegen den Scheinerben ist zwar nur innerhalb der Festsetzungsfrist möglich. Die Festsetzungsfrist beginnt nach § 170 Abs. 5 Nr. 1 AO jedoch erst mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem der wahre Erbe von seinem Erwerb Kenntnis erlangt.6 Das gilt auch für die gegen den Scheinerben zu Unrecht festgesetzte Erbschaftsteuer. f) Erbengemeinschaft
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Bei mehreren Erben (Erbengemeinschaft) wird der Nachlass gemeinschaftliches Vermögen der Erben (§ 2032 Abs. 1 BGB). Die Erben haben den Nachlass gemeinschaftlich zu verwalten (§ 2038 Abs. 1 BGB). Steuerschuldner der Erbschaftsteuer ist jedoch nicht die Erbengemeinschaft als solche, sondern der jeweilige Miterbe entsprechend seiner Erbquote (§ 39 Abs. 2 Nr. 2 AO).7 Die Besteuerung des Nachlasses bei den einzelnen Erben erfolgt also gemessen an der Höhe ihrer Erbquote am Gesamtnachlass.
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Die tatsächliche Auseinandersetzung des Nachlasses sowie die faktische Verteilung der Vermögensgenstände unter den Erben sind steuerlich unerheblich.8 Folgerichtig kann daher auch jeder der Miterben die den gesamten Nachlass betreffenden sachlichen Steuerbefreiungen unabhängig davon geltend machen, wer den steuerbegünstigten Gegenstand nach der Erbauseinandersetzung tatsächlich erhält.9 Sollte die wertmäßige Verteilung der Wirtschaftsgüter jedoch den quotenmäßig vorgegebenen Anteil eines Erben wesentlich übersteigen, so kann dadurch eventuell der Tatbestand der Schenkung verwirklicht werden.10
1 BFH v. 14.9.1994 – II R 95/92, BStBl. II 1995, 81 unter Aufgabe von BFH v. 7.12.1988 – II R 150/85, BStBl. II 1989, 237. 2 BGH v. 29.1.2001 – II ZR 331/00, NJW 2001, 1056; Reuter in Münchener Kommentar7, § 54 BGB Rz. 32 f. m.w.N. 3 FG Münster v. 18.1.2007 – 3 K 2592/05 Erb, EFG 2007, 1037. 4 FG Münster v. 18.1.2007 – 3 K 2592/05 Erb, EFG 2007, 1037 unter Hinweis auf BGH v. 11.7.1968 – VII ZR 63/66, BGHZ 50, 325. 5 Wälzholz in V/K/S/W4, § 3 ErbStG Rz. 37; Gottschalk in T/G/J, § 3 ErbStG Rz. 106 (Stand: Oktober 2014); a.A. Geck in Kapp/Ebeling, § 3 ErbStG Rz. 66 (Stand: November 2015): Änderung nach § 174 Abs. 1 AO. 6 Wälzholz in V/K/S/W4, § 3 ErbStG Rz. 37; zur Anerkennung verspätet aufgefundener Testamente im Erbschaftsteuerecht vgl. Theysohn-Wadle, ZEV 2002, 358. 7 Geck in Kapp/Ebeling, § 3 ErbStG Rz. 116 f. (Stand: Juni 2015); Meincke16, § 3 ErbStG Rz. 20; Hils in Tiedtke, § 3 ErbStG Rz. 24; Gottschalk in T/G/J, § 3 ErbStG Rz. 110 f. (Stand: Oktober 2014). 8 BFH v. 30.6.1960 – II R 254/57 U, BStBl. II 1960, 348; v. 1.4.1992 – II R 21/89, BStBl. II 1992, 669. 9 Zur Verteilung der Steuerbefreiungen für das selbstgenutzte Einfamilienhaus (§ 13 Abs. 1 Nr. 4c ErbStG) und für vermietete Grundstücke (§ 13c Abs. 1 ErbStG) unter Mitgliedern der Erbengemeinschaft vgl. BFH v. 23.6.2015 – II R 39/13, FR 2015, 91 = ErbStB 2015, 287. 10 BFH v. 14.7.1982 – II R 125/79, BStBl. II 1982, 714; Esskandari/Winter in Lippross/Seibel, § 3 ErbStG Rz. 61 ff. (Stand: Juni 2013).
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Steuerpflichtiger Erwerb von Todes wegen (Abs. 1)
Rz. 28 § 3 ErbStG
g) Ausschlagung der Erbschaft Der Tatbestand des § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG i.V.m. § 1922 Abs. 1 BGB wird unmittelbar mit dem 26 Erbfall verwirklicht, ohne dass es einer Erwerbshandlung des Erben bedarf.1 Die Erbschaft kann jedoch nach §§ 1942, 1944 BGB binnen sechs Wochen ab dem Zeitpunkt der Kenntniserlangung von dem Anfall und dem Grund der Berufung durch den Erwerber ausgeschlagen werden.2 Nimmt der Erbe die Erbschaft vor Ablauf der Frist für die Ausschlagung an, geht das Recht, die Erbschaft auszuschlagen jedoch schon vor dem Verstreichen der für die Ausschlagung vorgesehenen Frist verloren (§ 1943 BGB). Schlägt der Erbe die Erbschaft aus, gilt der Anfall der Erbschaft an den Ausschlagend als nicht erfolgt 27 (§ 1953 Abs. 1 BGB). Das hat zur Folge, dass die Erbschaft bei demjenigen anfällt, der als Erbe berufen gewesen wäre, wenn der Ausschlagende zur Zeit des Erbfalls nicht gelebt hätte (§ 1953 Abs. 2 BGB).3 Die Ausschlagung wirkt folglich auf den steuerlichen Tatbestand zurück. es handelt sich also um ein rückwirkendes Ereignis i.S.d. § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO.4 Der Beweggrund für die Ausschlagung der Erbschaft ist unbeachtlich. Dies gilt selbst dann, wenn dadurch Gestaltungsspielräume ausgenutzt werden, um z.B. im Falle eines Berliner Testaments den Anfall der Erbschaftsteuer bei dem zuvor begünstigten Erben zu vermeiden oder um eine unentgeltliche Bereicherung des durch die Ausschlagung Begünstigten zu erreichen.5 Solange dem Erben noch die Möglichkeit der Ausschlagung zusteht, ist er nur vorläufiger Erbe.6 Die Ausschlagung und die Annahme können nicht unter einer Bedingung oder Befristung erfolgen (§ 1947 BGB), beide können jedoch binnen sechs Wochen angefochten werden (§ 1954 BGB).7 Aus dem Grundsatz der Gesamtrechtsnachfolge aus § 1942 BGB folgt, dass sich die Ausschlagung grundsätzlich auf den gesamten Nachlass erstreckt. Sie kann nicht nur im Hinblick auf einzelne Nachlassgegenstände oder Sachgesamtheiten erklärt werden. Eine Ausnahme davon macht § 1951 BGB, wenn der Erbe zu mehreren Erbteilen berufen ist. Der Erbe kann in diesem Fall den einen Erbteil annehmen und den anderen ausschlagen, wenn die Berufung auf verschiedenen Gründen beruht.8 2. Gewillkürte Erbfolge a) Testament Der Erblasser kann abweichend von der gesetzlichen Erbfolge die Erben nach seinem Willen selbst 28 bestimmen. Diese sog. Testierfreiheit ist Ausfluss der Privatautonomie und in Art. 14 Abs. 1 GG als Grundrecht abgesichert. Der Erblasser ist grundsätzlich frei von Beschränkungen in Bezug auf seine letztwilligen Verfügungen.9 Die Testierfreiheit ist durch die Regelungen über Pflichtteilsansprüche eingeschränkt. Durch das Pflichtteilsrecht wird den nächsten Angehörigen des Erblassers ein Min-
1 Nds. FG v. 31.7.1985 – III 554/83, EFG 1986, 27; Geck in Kapp/Ebeling, § 3 ErbStG Rz. 2 (Stand: Juni 2015); Esskandari/Winter in Lippross/Seibel, § 3 ErbStG Rz. 11 (Stand: Juni 2013); Seer in Tipke/Lang, Steuerrecht22, § 15 Rz. 8. 2 BGH v. 26.9.1990 – IV ZR 131/89, NJW 1991, 169. 3 BGH v. 29.6.1960 – V ZR 64/59, BGHZ 33, 60; BFH v. 18.9.1984 – VIII R 119/81, BStBl. II 1985, 55 = FR 1985, 51. 4 Götz in Gürsching/Stenger, § 3 ErbStG Rz. 76 (Stand: September 2016); Meincke16, § 3 ErbStG Rz. 16 f. 5 BFH v. 22.12.1976 – II R 58/67, BStBl. II 1977, 420 (435) Rz. 37; Geck in Kapp/Ebeling, § 3 ErbStG Rz. 145 (Stand: Juni 2015); Esskandari/Winter in Lippross/Seibel, § 3 ErbStG Rz. 44 (Stand: Juni 2013); Christ, ZEV 1995, 446; Hannes, ZEV 1996, 10; Mayer, DStR 2004, 1541; zur taktischen Ausschlagung vgl. Götz in Gürsching/Stenger, § 3 ErbStG Rz. 100 f. (Stand: September 2016); Tölle, NWB 2013, 148; Stein/Stein, ErbBstg 2013, 41. 6 BFH v. 27.11.1981 – II R 18/80, BStBl. II 1982, 276 Rz. 16. 7 Geck in Kapp/Ebeling, § 3 ErbStG Rz. 146 (Stand: Juni 2015); Wälzholz in V/K/S/W4, § 3 ErbStG Rz. 103 ff. 8 Vgl. hierzu ausführlich Geck in Kapp/Ebeling, § 3 ErbStG Rz. 138.1 (Stand: Juni 2015). 9 BGH v. 21.3.1990 – IV ZR 169/89, NJW 1990, 2055; Geck in Kapp/Ebeling, § 3 ErbStG Rz. 50 (Stand: August 2014); zu erbschaftsteuerlichen Risiken bei testamentarischen Auflagen, die Haustiere des Erblassers zu pflegen vgl. Götz, ZEV 2012, 649.
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§ 3 ErbStG Rz. 29 Erwerb von Todes wegen destanteil an dessen Vermögen zugesichert.1 Darüber hinaus dürfen die letztwilligen Verfügungen nicht gegen die guten Sitten verstoßen.2 29
Die Einsetzung der Erben geschieht durch die Errichtung eines Testaments oder den Abschluss eines Erbvertrags. Ein Testament i.S.d. § 1937 BGB ist eine einseitige, nicht empfangsbedürftige und jederzeit widerrufliche Willenserklärung, die der Erblasser vor seinem Ableben persönlich verfasst. Durch testamentarische Verfügung kann er die Erben, die Erbteile, die Anordnung einer Vor- und Nacherbschaft, die Höhe eventueller Vermächtnisse, Teilungsanordnungen und auch die Einsetzung eines Testamentsvollstreckers regeln.
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Ehegatten und Lebenspartner können ein gemeinschaftliches Testament errichten (§ 2265 BGB). Zur Errichtung eines solchen gemeinschaftlichen Testaments genügt es, wenn einer der Ehegatten das Testament in der nach § 2247 BGB vorgeschriebenen Form errichtet und der andere Ehegatte oder Lebenspartner die gemeinschaftliche Erklärung eigenhändig mitunterzeichnet (§ 2267 BGB). Er sollte nach Möglichkeit angeben, zu welcher Zeit und an welchem Orte er seine Unterschrift beigefügt hat. Sofern eine gemeinschaftliche Erklärung vorliegt, kann das gemeinschaftliche Testament auch aus rechtlich selbständigen Einzelverfügungen der beiden Ehegatten oder Lebenspartnern oder sogar aus getrennten Urkunden bestehen.3 Bei wechselbezüglichen Verfügungen durch die Ehegatten oder Lebenspartner hat die Nichtigkeit oder der Widerruf der einen Verfügung die Unwirksamkeit der anderen zur Folge (§ 2270 BGB). Errichten zwei nicht verheiratete oder nicht in eingetragener Partnerschaft lebende Personen ein gemeinschaftliches Testament, ist dieses Testament unwirksam, kann aber gegebenenfalls durch Umdeutung in zwei einseitige Testamente jeweils Rechtswirksamkeit erlangen.4
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Das Berliner Testament (§ 2269 BGB) ist eine weit verbreitete, spezielle Form des gemeinschaftlichen Testaments. Dabei setzen sich die Ehegatten gegenseitig als Vollerben ein und bestimmen einen oder mehrere Dritte als Schlusserben. Bei dem oder den Dritten handelt es sich in der Praxis um die Kinder der Eheleute oder Lebenspartner. Die Eheleute oder Lebenspartner müssen bei Errichtung des Testaments das beiderseitige Vermögen als eine Einheit ansehen. Eine Trennung der Vermögensmassen ist nach dem Tod des zuerst versterbenden Ehegatten oder Lebenspartners nicht mehr möglich. Der Dritte bzw. Schlusserbe erhält im Zeitpunkt des Todes des zuletzt versterbenden Ehegatten oder Lebenspartners also den gesamten Nachlass beider Ehegatten oder Lebenspartner.5 Dies bewirkt, dass der überlebende Ehegatte oder Lebenspartner an die Verfügungen in dem gemeinschaftlichen Testament über den Tod des zuerst versterbenden Ehegatten oder Lebenspartner hinaus gebunden ist und sich von diesem nur durch Ausschlagung der Erbschaft lösen kann.6
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Erbschaftsteuerlich ist das Berliner Testament i.d.R. ungünstig, denn die Kinder werden nach dem Tode des zunächst versterbenden Elternteils keine Erben und verlieren ihren Freibetrag. Es kommt zu einer Zusammenballung des zunächst gemeinsamen Vermögens in Person des überlebenden Elternteils. Um dem Willen der Eltern, wonach der Überlebende als Alleinerbe zunächst uneingeschränkt über das gemeinsame Vermögen verfügen soll, nachzukommen und trotzdem die Freibeträge nicht zu verschenken, werden in der Praxis häufig für den Tod des Erstversterbenden Vorausvermächtnisse für die Kinder vereinbart, deren Erfüllung auf den Tod des Letztversterbenden aufschiebend bedingt ist.7
1 BVerfG (1. Senat) v. 19.4.2005 – 1 BvR 1644/00, 1 BvR 188/03, BVerfGE 112, 332 = NJW 2005, 1561; Geck in Kapp/Ebeling, § 3 ErbStG Rz. 50 (Stand: August 2014). 2 Die Moralvorstellungen sind diesbezüglich jedoch einem Wandel unterzogen; vgl. noch zum sog. „Geliebtentestament“ BGH v. 10.11.1982 – IVa ZR 83/81, NJW 1983, 674 und BGH v. 29.6.1973 – V ZR 187/71, NJW 1973, 1645; zur Einschränkung bzgl. der Wahl der Rechtsordnung vgl. BGH v. 29.3.1972 – IV ZR 1200/68, NJW 1972, 1001. 3 Geck in Kapp/Ebeling, § 3 ErbStG Rz. 39 (Stand: August 2014). 4 BGH v. 16.6.1987 – IVa ZR 74/86, NJW-RR 1987, 1410; Geck in Kapp/Ebeling, § 3 ErbStG Rz. 38 (Stand: August 2014). 5 Zur Auslegung eines gemeinschaftlichen Testamtens vgl. BGH v. 7.10.1992 – IV ZR 160/91, NJW 1993, 256. 6 Geck in Kapp/Ebeling, § 3 ErbStG Rz. 43 ff. (Stand: August 2014); Hülsmann in Wilms/Jochum, § 3 ErbStG Rz. 80 ff. (Stand: Oktober 2014). 7 Zu Gestaltungsüberlegungen im Einzelnen vgl. Holler, ErbR 2015, 495; Keim, ZEV 2016, 6.
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Steuerpflichtiger Erwerb von Todes wegen (Abs. 1)
Rz. 37 § 3 ErbStG
Von dem Berliner Testament unterscheidet sich die Anordnung einer Vor- und Nacherbschaft 33 (§§ 2100 ff. BGB). Danach bestimmt der Erblasser in seinem Testament oder bestimmen Ehegatten oder Lebenspartner in ihrem gemeinschaftlichen Testament gleich zwei Erben, die zeitlich nacheinander Erbe werden. Dabei geht der Nachlass zunächst auf den Vorerben über und mit dessen Tod oder durch Zeitablauf auf den Nacherben. Der Vorerbe kann in seiner Verfügungsmacht über das Vermögen beschränkt sein. Erbschaftsteuerrechtlich wird die Anordnung der Vor- und Nacherbschaft ignoriert. Der Vorerbe gilt als Erbe (§ 6 ErbStG). Von dem Nacherben ist der Ersatzerbe (§ 2096 BGB) zu unterscheiden. Letzterer wird vom Erblasser für den Fall eingesetzt, dass der eingesetzte Erbe vor oder nach dem Eintritt des Erbfalls wegfällt. b) Errichtung des Testaments Voraussetzung zur Errichtung eines Testaments ist, dass die errichtende Person in der Lage ist, die 34 Bedeutung der von ihr abgegebenen Willenserklärung einzusehen und nach dieser Einsicht zu handeln (§ 2229 Abs. 4 BGB). Volljährigkeit ist jedoch nicht erforderlich. Ein Minderjähriger kann ein Testament errichten, wenn er das sechzehnte Lebensjahr vollendet hat und die nötige Einsicht hat. Einer Zustimmung seines gesetzlichen Vertreters bedarf er dafür nicht (§ 2229 Abs. 2 BGB).1 Das Testament kann zur Niederschrift eines Notars (§ 2231 BGB) oder durch eine eigenhändig ge- 35 schriebene und unterschriebene Erklärung (§ 2247 BGB) errichtet werden. Das eigenhändige Testament soll Angaben enthalten, wann und wo diese Erklärung niedergeschrieben worden ist (§ 2247 Abs. 2 BGB). Die Unterschrift soll den Vornamen und Familiennamen des Erblassers enthalten (§ 2247 Abs. 3 Satz 1 BGB).2 Unterzeichnet der Erblasser jedoch in anderer Weise, steht das der Gültigkeit des Testaments nicht entgegen, wenn aus der Unterschrift erkennbar ist, wer unterzeichnet hat und ob er sich der Ernstlichkeit seiner Erklärung bewusst war (§ 2247 Abs. 3 Satz 2 BGB). Nachträglich vom Erblasser auf der Testamentsurkunde vorgenommene Ergänzungen brauchen von ihm nicht besonders unterzeichnet zu werden, wenn sie nach seinem festgestellten Willen von der Unterschrift gedeckt sein sollten und wenn das räumliche Erscheinungsbild der Testamentsurkunde dem nicht entgegensteht.3 Die Erbeinsetzung bezieht sich grundsätzlich auf den gesamten Nachlass als Vermögensbegriff unabhängig von den Vorstellungen, die der Erblasser im Augenblick der Testamentserrichtung bezüglich des Umfangs seines Nachlasses hatte.4 Für die Errichtung eines öffentlichen Testaments (§ 2232 BGB) ist die Beurkundung durch einen 36 Notar erforderlich. Dazu muss der Erblasser dem Notar gegenüber seinen letzten Willen erklären oder dem Notar eine schriftliche Erklärung mit seinem letzten Willen übergeben. In diesem Fall braucht die Erklärung nicht vom Erblasser selbst geschrieben zu sein, und es kommt auch nicht darauf an, ob die Schrift offen oder verschlossen an den Notar übergeben worden ist. Bei Todesgefahr und Nichtverfügbarkeit eines Notars kann ein öffentliches Testament auch in Form eines Nottestaments (§§ 2249 ff. BGB) errichtet werden. Aufgrund der strengen Formvorschriften des Zivilrechts können letztwillige Verfügungen aus den 37 unterschiedlichsten Gründen unwirksam sein, z.B. weil zwingende Formvorschriften nicht eingehalten wurden, der Erblasser nicht testierfähig ist oder der Erblasser bereits durch einen Erbvertrag gebunden ist. Die Unwirksamkeit der letztwilligen Verfügung bewirkt, dass der durch das Testament Bedachte keinerlei Rechte aus diesem herleiten kann. Wenn die Beteiligten den in einem formunwirksamen Testament festgehaltenen Willen des Erblassers trotz der Unwirksamkeit des Testaments dennoch ausführen wollen und sie das wirtschaftliche Ergebnis des Rechtsgeschäfts eintreten und bestehen lassen, um dem Verlangen des Erblassers zu entsprechen, so ist die Unwirksamkeit gem. § 41 AO für die Besteuerung unerheblich.5 Dies gilt selbst dann, wenn die trotz Unwirksamkeit ausgeführte 1 Zu Folgen der Testierunfähigkeit im Erbschaftsteuerrecht vgl. Holler, ErbR 2014, 112; zur Anerkennung unwirksamer Testamente im Steuerrecht vgl. Theysohn-Wadle, ZEV 2002, 221. 2 Zu den Grenzen zulässiger Schreibhilfe vgl. BGH v. 12.3.1981 – IVa ZR 111/80, NJW 1981, 1900. 3 BGH v. 20.3.1974 – IV ZR 133/73, NJW 1974, 1083; Geck in Kapp/Ebeling, § 3 ErbStG Rz. 35 (Stand: August 2014). 4 Geck in Kapp/Ebeling, § 3 ErbStG Rz. 30 (Stand: August 2014). 5 BFH v. 7.10.1981 – II R 16/80, BStBl. II 1982, 28; v. 15.3.2000 – II R 15/98, BStBl. II 2000, 588 Rz. 14 = FR 2000, 830 m. Anm. Viskorf; v. 9.11.2005 – II B 163/04, BFH/NV 2006, 554; Crezelius, FR 2007, 613 (618).
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§ 3 ErbStG Rz. 38 Erwerb von Todes wegen Verfügung von Todes wegen nicht in vollem Umfang befolgt wird.1 Wichtig ist jedoch, dass dieser letzte Wille des Erblassers auch belegt werden kann und dass die Ausführung nicht bloß auf einer Mutmaßung basiert.2 c) Auslegung des Testaments 38
Die Auslegung der letztwilligen Verfügung richtet sich maßgebend nach den zivilrechtlichen Auslegungsregeln der §§ 2066 ff. BGB. Lässt der Inhalt einer letztwilligen Verfügung verschiedene Auslegungen zu, so ist nach § 2084 BGB im Zweifel diejenige Auslegung vorzuziehen, bei welcher die Verfügung Erfolg haben kann. Ziel der Auslegung nicht eindeutiger letztwilliger Verfügungen ist es, den wirklichen Willen des Erblassers zu erforschen und zu klären, was der Erblasser mit seinen Worten sagen wollte. Erst wenn eine solche Auslegung nicht zum Ziel führt und der wahre Wille des Erblassers nicht belegt werden kann, ist sein mutmaßlicher Wille zu ermitteln. Mit Hilfe der gesetzlichen Auslegungsregeln3 ist zu fragen, was der Erblasser vernünftigerweise gewollt haben kann, um so verbleibende Zweifel über die Auslegung seiner Worte zu beseitigen. Eventuelle verbleibende Lücken in der letztwilligen Verfügung sind durch ergänzende Auslegung zu schließen.4 Um den Willen des Erblassers begründen zu können, müssen sich im Testament Anhaltspunkte finden, die darauf schließen lassen, dass der Erblasser seine letztwillige Verfügung tatsächlich so gemeint hat. Zudem müssen sich die ermittelten Ergebnisse in den Gesamtzusammenhang des Testamtsinhalts einfügen lassen und mit diesem stimmig sein.5 Zur Ermittlung des Willens des Erblassers können auch Umstände herangezogen werden, die außerhalb der Urkunde liegen.6 Die Beteiligten können nach dem Erbfall in einem sog. Auslegungsvertrag (§ 2385 Abs. 1 BGB) verbindlich festlegen, wie die Verfügung von Todes wegen auszulegen ist.7 Ein solcher Vertrag entfaltet nur schuldrechtliche Wirkung unter den Beteiligten.8 Für den Erwerb von Todes wegen i.S.v. § 3 Abs. 1 ErbStG ist der nach Auslegung der letztwilligen Verfügung ermittelte Wille des Erblassers maßgeblich. Alle weiteren Vereinbarungen der Erben nach dem Tode des Erblassers, die auf die Verteilung des Nachlasses gerichtet sind, sind für die Erbschaftsteuer ohne Bedeutung, können im Einzelfall sogar den Tatbestand einer freigebigen Zuwendung nach § 7 ErbStG erfüllen (Einzelheiten zur Auseinandersetzung der Erben und deren Folgen für die Besteuerung s. Rz. 62).
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Hat der Erblasser in der letztwilligen Verfügung Anordnungen getroffen, die den Erben verpflichten, einem Dritten etwas zuzuwenden, liegt darin für den Dritten kein Erwerb von Todes wegen i.S.d. § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG. Der Erwerb kann jedoch nach § 3 Abs. 2 Nr. 2 ErbStG steuerpflichtig sein, wenn der Dritte etwas aufgrund einer Auflage des Erblassers erlangt. Ist die Anordnung des Erblassers nicht als Auflage für den Erwerb, sondern bloß als ein an den Erben gerichteter Wunsch des Erblassers auszulegen,9 liegt aus Sicht des Dritten auch kein nach § 3 Abs. 2 Nr. 2 ErbStG vor. Die Zuwendung kann jedoch eine freigebige Zuwendung des Erben sein, wenn er damit eine moralische Verpflichtung aus dem Testament erfüllt. Hat der Erblasser in der letztwilligen Verfügung dem Erben etwas zuerkannt, worauf dieser – für den Erblasser unerkannt oder zu Lebzeiten bestritten – einen schuldrechtlichen Anspruch hatte, liegt ebenfalls kein Erwerb von Todes wegen vor. Insoweit hat die letztwillige Verfügung lediglich deklaratorische Bedeutung.10
1 BFH v. 7.10.1981 – II R 16/80, BStBl. II 1982, 28; v. 22.9.2010 – II R 46/09, BFH/NV 2011, 261. 2 Geck in Kapp/Ebeling, § 3 ErbStG Rz. 67 ff. (Stand: Juni 2015); Gottschalk in T/G/J, § 3 ErbStG Rz. 56 (Stand: Oktober 2014); Esskandari, ErbStB 2014, 77. 3 §§ 2066 ff., 2096 ff., 2101 f., 2108 Abs. 2, 2148, 2165, 2167, 2169 Abs. 3, 2173 ff. BGB. 4 Geck in Kapp/Ebeling, § 3 ErbStG Rz. 37 (Stand: August 2014); Hils in Tiedtke, § 3 ErbStG Rz. 20. 5 Geck in Kapp/Ebeling, § 3 ErbStG Rz. 37.1. ff. (Stand: August 2014). 6 BFH v. 3.8.1983 – II R 20/80, BStBl. II 1984, 9. 7 BGH v. 22.1.1986 – IVa ZR 90/84, NJW 1986, 1812; Götz in Gürsching/Stenger, § 3 ErbStG Rz. 86 (Stand: September 2016); Spiegelberger, ErbR 2012, 165. 8 Geck in Kapp/Ebeling, § 3 ErbStG Rz. 37.5 (Stand: August 2014). 9 Z.B. der im Testament enthaltene Wunsch, der Erbe möge Bedürftige aus der Erbschaft großzügig bedenken. 10 BFH v. 11.9.1963 – II R 170/62, HFR 1964, 82; v. 12.11.1980 – II R 1/78, BStBl. II 1981, 177; v. 24.10.1984 – II R 103/83, BStBl. II 1985, 190; Geck in Kapp/Ebeling, § 3 ErbStG Rz. 53 (Stand: Juni 2015).
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Steuerpflichtiger Erwerb von Todes wegen (Abs. 1)
Rz. 44 § 3 ErbStG
d) Testamentsanfechtung Eine letztwillige Verfügung kann gem. § 2078 BGB angefochten werden, soweit der Erblasser über 40 den Inhalt seiner Erklärung im Irrtum war oder eine Erklärung dieses Inhalts überhaupt nicht abgeben wollte und anzunehmen ist, dass er die Erklärung bei Kenntnis der wirklichen Sachlage nicht abgegeben haben würde. Darüber hinaus ist sie auch dann gem. § 2079 BGB anfechtbar, wenn der Erblasser einen zur Zeit des Erbfalls vorhandenen Pflichtteilsberechtigten übergangen hat, dessen Vorhandensein ihm bei der Errichtung des Testaments nicht bekannt war, z.B. weil dieser erst zu einem späteren Zeitpunkt geboren oder pflichtteilsberechtigt wurde. Die Anfechtung ist ausgeschlossen, wenn anzunehmen ist, dass der Erblasser auch bei Kenntnis der Sachlage seine Verfügungen unverändert getroffen hätte. Zur Anfechtung ist derjenige berechtigt, dem die Anfechtung unmittelbar zugutekommen würde 41 (§ 2080 BGB), also in aller Regel der von der Erbschaft ausgeschlossene gesetzliche Erbe oder im Fall des Irrtums über einen Pflichtteilsberechtigten der Pflichtteilsberechtigte. Die Anfechtung einer letztwilligen Verfügung, durch die ein Erbe eingesetzt, ein gesetzlicher Erbe von der Erbfolge ausgeschlossen, ein Testamentsvollstrecker ernannt oder eine Verfügung solcher Art aufgehoben wird, erfolgt gem. § 2081 BGB durch Erklärung gegenüber dem Nachlassgericht. Bei Anordnung von Vermächtnissen erfolgt die Anfechtung gegenüber dem Vermächtnisnehmer.1 Für die Anfechtung gilt eine Jahresfrist (§ 2082 BGB). Sie beginnt in dem Zeitpunkt, in dem der Anfechtungsberechtigte von dem Anfechtungsgrund Kenntnis erlangt hat. Spätestens 30 Jahre nach dem Erbfall ist die Anfechtung jedoch gänzlich ausgeschlossen. Zivilrechtlich bewirkt die wirksame Anfechtung, dass die angefochtene Verfügung als von Anfang an 42 nichtig anzusehen ist. Steuerlich wirkt die wirksame Anfechtung auf den Tatbestand des § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG zurück. Bereits ergangene Erbschaftsteuerbescheide sind nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO aufzuheben.2 § 41 Abs. 1 AO gilt nicht.3 e) Testamentsvollstreckung Der Erblasser kann durch Testament einen oder mehrere Testamentsvollstrecker ernennen oder einen 43 Dritten mit dessen Bestimmung beauftragen, um sicherzustellen, dass seine letztwilligen Verfügungen auch tatsächlich eingehalten werden (sog. Testamentsvollstreckung; §§ 2197 f. BGB). Die Verfügungsbefugnis über die Nachlassgegenstände unterliegt der Verwaltung des Testamentsvollstreckers, welcher mit der Abwicklungsvollstreckung oder auch mit der dauernden Verwaltung des Nachlasses betraut ist. Durch die Anordnung der Testamentsvollstreckung werden die Erben in ihren Verfügungsmöglichkeiten beschränkt (§ 2211 BGB). Für die Erfüllung des Tatbestands des § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG hat die Testamentsvollstreckung keine Bedeutung. Ungeachtet der Verfügungsbeschränkungen des Erben durch die Testamentsvollstreckung ist der Tatbestand im Zeitpunkt des Erbfalls erfüllt.4 f) Erbvertrag Der Erbvertrag (§ 2278 Abs. 1 BGB) ermöglicht es den Vertragsparteien, zweiseitige vertragliche Ver- 44 fügungen von Todes wegen zu treffen, die für alle Vertragsparteien bindend sind.5 In einem Erbvertrag können jedoch keine anderen Verfügungen als Erbeinsetzungen, Vermächtnisse und Auflagen getroffen werden (§ 2278 Abs. 2 BGB). Im Gegensatz zum gemeinschaftlichen Testament (§§ 2265 ff. BGB) kann ein Erbvertrag auch von nicht verheirateten oder in Lebenspartnerschaft lebenden Personen geschlossen werden. Der Erbvertrag bedarf zu seiner Gültigkeit zwingend der notariellen Beurkundung (§ 2276 Abs. 1 BGB). 1 Gottschalk in T/G/J, § 3 ErbStG Rz. 73 (Stand: Oktober 2014). 2 Gottschalk in T/G/J, § 3 ErbStG Rz. 74 (Stand: Oktober 2014). 3 Gottschalk in T/G/J, § 3 ErbStG Rz. 74 (Stand: Oktober 2014); Esskandari/Winter in Lippross/Seibel, § 3 ErbStG Rz. 56 (Stand: Juni 2013). 4 BFH v. 9.7.1954 – III 84/54 U, BStBl. II 1954, 250; Fischer in F/J/P/W5, § 3 ErbStG Rz. 268; Wälzholz in V/K/ S/W4, § 3 ErbStG Rz. 69 f. 5 Weidlich in Palandt75, § 2278 BGB Rz. 1.
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§ 3 ErbStG Rz. 45 Erwerb von Todes wegen 45
Die erbvertragliche Verfügung bewirkt eine vertragliche Bindung zwischen dem Erblasser und dem Vertragserben. Der Erblasser kann nach Abschluss eines solchen Erbvertrages zu Lebzeiten keine testamentarischen Verfügungen mehr treffen, die das Recht des vertragsmäßig Bedachten beeinträchtigen würden.1 Letztwillige Verfügungen, die der Erblasser vor Abschluss des Erbvertrages geschlossenen hat, werden aufgehoben, wenn sie der erbvertraglichen Verfügung zuwiderlaufen (§ 2289 BGB). Verfügungen durch Rechtsgeschäft unter Lebenden sind jedoch ungeachtet der Regelungen im Erbvertrag zulässig (§ 2286 BGB).2 Eine Schenkung in der Absicht, den Vertragserben zu beeinträchtigen, führt nach § 2287 BGB allerdings zu einem Herausgabeanspruch des Vertragserben. Der Erbvertrag kann nur gemeinschaftlich aufgehoben werden, soweit sich keiner der Beteiligten ein Rücktrittsrecht i.S.v. § 2293 BGB vorbehält oder einer der Rücktrittsgründe der §§ 2294 f. BGB vorliegt.3
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Zuwendungen, die der Erbe zu Lebzeiten des Erblassers an diesen als Gegenleistung für eine vertraglich vereinbarte Erbeinsetzung erbracht hat, sind Kosten, die unmittelbar im Zusammenhang mit der Erlangung des Erwerbs stehen und somit als Nachlassverbindlichkeiten nach § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG vom Erwerb abziehbar.4 Das gilt jedoch nicht rückwirkend, sondern nur ab dem Zeitpunkt, ab dem der Leistende Zug um Zug gegen die Erbeinsetzung Leistungen erbringt. Zuvor erbrachte Leistungen stehen nicht im unmittelbaren Zusammenhang mit der Erbeinsetzung, auch wenn sie seitens des Leistenden im Hinblick auf die spätere Erbeinsetzung erbracht worden sind.5 3. Gesetzliche Erbfolge a) Subsidiarität der gesetzlichen Erbfolge
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Gesetzlich erbberechtigt sind die Verwandten und der Ehegatte bzw. Lebenspartner des Erblassers. Ist zur Zeit des Erbfalls kein Verwandter, Ehegatte oder Lebenspartner des Erblassers vorhanden, so erbt nach § 1936 BGB der Fiskus.6 Die gesetzliche Erbfolge nach §§ 1924 ff. BGB kommt nur dann zum Tragen, wenn der Erblasser keine letztwillige Verfügung (Testament oder Erbvertrag) getroffen hat bzw. wenn die Verfügung unwirksam ist (z.B. aufgrund von Testierunfähigkeit, Formverstößen, Sittenwidrigkeit) oder diese nur Vermächtnisse und/oder Auflagen, aber keine Anordnungen zur Erbeinsetzung enthält. Ist ein gültiges Testament vorhanden, so geht der darin festgehaltene Wille des Erblassers der gesetzlichen Erbfolge vor. Darauf, dass dem tatsächlich ein wirtschaftlicher Vorteil zufließt, kommt es nicht an; er wird auch dann gesetzlicher Erbe, wenn der Nachlass durch Vermächtnisse und Auflagen etc. vollständig verteilt ist.7 b) Erbfolge nach Ordnungen
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Das gesetzliche Erbrecht richtet sich nach Ordnungen (sog. Ordnungsprinzip; §§ 1924 ff. BGB), die nach dem Verwandtschaftsgrad zum Erblasser gestaffelt sind. Je weiter das Verwandtschaftsverhältnis, desto höher die Ordnung. Erben ersten Ordnung sind die Abkömmlinge des Erblasser (§ 1924 BGB), Erben zweiter Ordnung die Eltern des Erblassers und deren Abkömmlinge (§ 1925 BGB), Erben dritten Ordnung die Großeltern des Erblassers und deren Abkömmlinge (§ 1926 BGB), Erben vierter und fernerer Ordnungen die Urgroßeltern und entfernteren Voreltern des Erblassers und deren Abkömmlinge (§§ 1928 f. BGB).
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Sind Erben einer früheren Ordnung vorhanden, schließen diese die Erben einer späteren Ordnung aus (§ 1930 BGB). Somit ist sichergestellt, dass die dem Erblasser verwandtschaftlich nahestehenden 1 Esskandari/Winter in Lippross/Seibel, § 3 ErbStG Rz. 40 (Stand: Juni 2013). 2 BGH v. 30.9.1959 – V ZR 66/58, NJW 1959, 2252; v. 12.6.1980 – IVa ZR 5/80, NJW 1980, 2307; v. 17.6.1992 – IV ZR 88/91, NJW 1992, 2630. 3 Zum Rücktritts- und Änderungsvorbehalt vgl. Geck in Kapp/Ebeling, § 3 ErbStG Rz. 97 f. (Stand: Juni 2015). 4 BFH v. 13.7.1983 – II R 105/82, BStBl. II 1984, 37; Geck in Kapp/Ebeling, § 3 ErbStG Rz. 102 ff. (Stand: Juni 2015). 5 FG München v. 15.2.1995 – 4 K 415/92, EFG 1995, 752; Geck in Kapp/Ebeling, § 3 ErbStG Rz. 103 (Stand: Juni 2015). 6 Zum in der Praxis seltenen und erbschaftsteuerrechtlich unbeachtlichen Erbrecht des Fiskus vgl. Geck in Kapp/ Ebeling, § 3 ErbStG Rz. 11.1 (Stand: Juni 2015). 7 Geck in Kapp/Ebeling, § 3 ErbStG Rz. 11 (Stand: Juni 2015).
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Steuerpflichtiger Erwerb von Todes wegen (Abs. 1)
Rz. 54 § 3 ErbStG
Personen vorrangig vor weiteren Verwandten erben. Innerhalb der Ordnungen schließen die zur Zeit des Erbfalls lebenden Abkömmlinge die weiteren, ebenfalls mit dem Erblasser verwandten Abkömmlinge von der Erbfolge aus (sog. Repräsentationsprinzip; § 1924 Abs. 2 BGB). Das bedeutet, dass Kinder des Erblassers vor dessen Enkeln und Urenkeln (1. Ordnung) und die Eltern des Erblassers vor dessen Geschwistern und Nichten/Neffen (2. Ordnung) erben. Ein weiteres Grundprinzip der gesetzlichen Erbfolge ist die Erbfolge nach Stämmen (§ 1924 Abs. 3 50 BGB). Danach treten an die Stelle eines zur Zeit des Erbfalls nicht mehr lebenden Abkömmlings die durch ihn mit dem Erblasser verwandten Abkömmlinge, so dass das Erbe innerhalb eines Stammes weitergegeben wird. Erst wenn kein Mitglied des Stammes einer höheren Ordnung mehr vorhanden ist, kommen die Erben der nächsthöheren Ordnung zum Zuge. Demzufolge erben die Enkel und Urenkel des Erblassers vor dessen Eltern und Geschwistern. Sind im Zeitpunkt des Erbfalls keine Abkömmlinge des Erblassers vorhanden, so erben nach den 51 oben genannten Grundsätzen die Eltern des Erblassers als Erben zweiter Ordnung (§ 1925 BGB). Dabei sollen nach dem Willen des Gesetzgebers die väterliche und die mütterliche Linie gleich viel erhalten. Lebt zur Zeit des Erbfalls ein Elternteil nicht mehr, treten an dessen Stelle dessen Abkömmlinge (§ 1925 Abs. 3 Satz 1 BGB). Nur wenn keine (weiteren) Abkömmlinge (als der verstorbene Erblasser) vorhanden sind, erbt der überlebende Elternteil allein (sog. Linienprinzip; § 1925 Abs. 3 Satz 2 BGB). Dieselben Grundsätze gelten für die Großeltern (§ 1926 Abs. 3 BGB). Ab der vierten Ordnung wird dieses Prinzip durch das sog. Gradualsystem abgelöst. Danach erben nur die mit dem Erblasser dem Grade nach am nächsten verwandten Personen (§ 1928 Abs. 3 BGB). Mehrere gleich nahe Verwandter erben in diesem Fall zu gleichen Teilen. c) Erbrecht nichtehelicher und adoptierter Kinder Seit Inkrafttreten des Gesetzes über die rechtliche Gleichstellung der nichtehelichen Kinder von Juli 52 19691 wird für die erbrechtliche Stellung des Kindes nicht mehr unterschieden, ob es ehelich oder nichtehelich zur Welt gekommen ist. Den nichtehelichen Kindern stand neben den ehelichen Abkömmlingen jedoch anstelle eines Anspruchs auf den gesetzlichen Erbteil nur ein sog. Erbersatzanspruch in Höhe des Wertes seines Erbteils zu. Dabei handelte es sich um einen schuldrechtlichen Anspruch in Geld. Dadurch sollte verhindert werden, dass nichteheliche Kinder aufgrund ihrer Erbenstellung einen Anteil am sonstigen Familienvermögen (Immobilienvermögen, Betriebsvermögen) erlangten. Erst mit dem Gesetz zur erbrechtlichen Gleichstellung nichtehelicher Kinder von Dezember 19972 wurden auch die Sondervorschriften in Bezug auf den Erbersatzanspruch aufgehoben. Adoptivkinder haben dieselbe rechtliche Stellung, wie eigene gemeinschaftliche Kinder der Ehe- 53 gatten (§ 1754 Abs. 1 BGB). Sie und ihre Nachkommen sind daher Erben erster Ordnung. Bei der Adoption Minderjähriger erlischt auch das Verwandtschaftsverhältnis des angenommenen Kindes zu seinen leiblichen Eltern und den bisherigen Verwandten (§ 1755 BGB).3 Das adoptierte minderjährige Kind wird sowohl gesetzlicher Erbe der Adoptiveltern als auch gesetzlicher Erbe der Großeltern und anderen Verwandten der Adoptiveltern (sog. Volladoption).4 Etwas anderes gilt bei der Adoption eines Volljährigen (§§ 1767 ff. BGB). Bei dieser wird nur ein 54 neues Verwandtschaftsverhältnis zu den Adoptiveltern selbst, nicht aber zu deren Verwandten begründet,5 es sei denn, das Vormundschaftsgericht bestimmt, dass auch für die Adoption des Volljährigen die Vorschriften über die Adoption Minderjähriger gelten sollen. Dafür ist ein gemeinsamer Antrag des adoptierten Volljährigen und der Adoptiveltern erforderlich (§ 1772 BGB).6 Solange die 1 Gesetz über die rechtliche Gleichstellung der nichtehelichen Kinder v. 1.7.1970, BGBl. I, 1234. 2 Gesetz zur erbrechtlichen Gleichstellung nichtehelicher Kinder v. 16.12.1997, BGBl. I, 2968, berichtigt gem. Mittelung v. 17.3.1998, BGBl. I 1998, 524, in Kraft getreten am 1.4.1998; Hülsmann in Wilms/Jochum, § 3 ErbStG Rz. 73 (Stand: Oktober 2014). 3 Loose in Tipke/Kruse, § 15 AO Rz. 12 (Stand: Oktober 2014). 4 Vgl. Gottschalk in T/G/J, § 3 ErbStG Rz. 100 (Stand: Oktober 2014). 5 Loose in Tipke/Kruse, § 15 AO Rz. 13 (Stand: Oktober 2014). 6 Geck in Kapp/Ebeling, § 3 ErbStG Rz. 15 (Stand: Juni 2015); Gottschalk in T/G/J, § 3 ErbStG Rz. 100 (Stand: Oktober 2014).
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§ 3 ErbStG Rz. 55 Erwerb von Todes wegen Adoption wirksam ist, ist sie auch steuerlich zu beachten. Die Adoption ist auch dann kein Missbrauch von rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten, wenn sie allein aus steuerlichen Gründen erfolgt. Die Adoption kann jedoch aus familienrechtlichen Gründen unwirksam sein, wenn die Absicht, Steuern zu sparen, bei der Adoption im Vordergrund stand.1 d) Erbrecht des überlebenden Ehegatten/Lebenspartners 55
Neben den Verwandten des Erblassers erbt auch der Ehegatte oder Lebenspartner als gesetzlicher Erbe. Voraussetzung ist, dass die Ehe oder Lebenspartnerschaft2 im Zeitpunkt des Erbfalls noch besteht und kein Ausschlussgrund des § 1933 BGB vorliegt. Nach § 1931 Abs. 1 BGB wird der überlebende Ehegatte oder Lebenspartner neben Verwandten der ersten Ordnung zu einem Viertel, neben Verwandten der zweiten Ordnung oder neben Großeltern zur Hälfte der Erbschaft gesetzlicher Erbe. Sind neben dem überlebenden Ehegatten oder Lebenspartner des Erblassers weder Verwandte der ersten oder der zweiten Ordnung noch Großeltern vorhanden, so erhält dieser gem. § 1931 Abs. 2 BGB die ganze Erbschaft. Das weitergehende Erbrecht des überlebenden Ehegatten oder Lebenspartners ist abhängig von der Form des Güterstandes, in welchem die Ehegatten oder Lebenspartner zum Zeitpunkt des Ablebens des verstorbenen Ehepartners oder Lebenspartners gelebt haben. Wenn durch Ehevertrag kein anderer Güterstand vereinbart worden ist, so leben die Ehegatten nach § 1363 Abs. 1 BGB im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft. Daneben kennt das BGB die durch Ehevertrag gesondert zu vereinbarenden Güterstände der Gütergemeinschaft (§ 1415 ff. BGB) und der Gütertrennung (§ 1414 BGB).
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Der gesetzliche Güterstand der Zugewinngemeinschaft zeichnet sich dadurch aus, dass die Vermögenssphären der Ehegatten oder Lebenspartner getrennt bleiben, und zwar sowohl für das zu Beginn der Ehe oder Lebenspartnerschaft vorhandene als auch für das nach der Eheschließung erworbene Vermögen. Ähnlich wie bei der Gütertrennung begründen die Ehegatten oder Lebenspartner also kein gemeinsames Vermögen (§ 1363 Abs. 2 BGB). Im Gegensatz zur Gütertrennung erhält der Ehegatte oder Lebenspartner bei Beendigung des Güterstandes durch Tod, Scheidung oder Wechsel des Güterstandes jedoch einen Ausgleich des während der Ehe erworbenen Zugewinns (§ 1363 Abs. 2 Satz 2 BGB). Zur Berechnung dieses sog. Zugewinnausgleichs wird zunächst der Zugewinn eines jedes Ehegatten oder Lebenspartners durch Gegenüberstellung seines Endvermögens und seines Anfangsvermögens ermittelt (§ 1373 ff. BGB). Anschließend wird die Differenz zwischen dem Zugewinn der beiden Ehegatten oder Lebenspartner gebildet. Der hälftige Betrag aus dieser so ermittelten Vermögensdifferenz stellt den tatsächlichen Zugewinnausgleich dar, der demjenigen Ehegatten oder Lebenspartner zusteht, der während der Ehe oder Lebenspartnerschaft den geringeren Zugewinn erzielt hat.
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Bei Beendigung des gesetzlichen Güterstandes durch Tod eines Ehegatten gilt grundsätzlich die erbrechtliche Regelung (§ 1371 Abs. 1 Satz 1 BGB). Danach wird der Ausgleich des Zugewinns durch einen pauschalen Zuschlag zum gesetzlichen Erbteil des überlebenden Ehegattens oder Lebenspartners um ein Viertel der Erbschaft erhöht (§ 1931 BGB). Auf die tatsächliche Erzielung eines Zugewinns kommt es dabei nicht an (§ 1371 Abs. 1 Satz 2 BGB). Beim Vorhandensein von Erben der ersten Ordnung erhält der überlebende Ehegatte oder Lebenspartner somit durch die Addition des gesetzlichen Erbteils nach § 1931 BGB und des pauschalen Zugewinnausgleichs aus § 1371 Abs. 1 BGB die Hälfte des Erbes. Sind nur noch Erben der zweiten Ordnung vorhanden, neben denen der Ehegatte oder Lebenspartner zur Hälfte erbt, stehen ihm beim Zugewinnausgleich insgesamt drei Viertel der Erbschaft zu (§§ 1931, 1371 Abs. 1 BGB).
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Wird der überlebende Ehegatte oder Lebenspartner nicht Erbe (z.B. aufgrund letztwilliger Verfügung oder durch Ausschlagung des Erbes), greift die güterrechtliche Regelung des § 1371 Abs. 1 BGB. In 1 Hölscher, ZErb 2012, 253, Gottschalk in T/G/J, § 3 ErbStG Rz. 100 (Stand: Oktober 2014). 2 Das Erbrecht der eingetragenen Lebenspartner nach dem LPartG ist dem der Ehegatten nachgebildet (vgl. § 10 LPartG); vgl. Tölle, NJW 2011, 2165; Gottschalk in T/G/J, § 3 ErbStG Rz. 101 (Stand: Oktober 2014); Loose in Tipke/Kruse, § 15 AO Rz. 7a (Stand: Oktober 2014); auf die nichteheliche Lebensgemeinschaft sind die Vorschriften dagegen nicht – auch nicht entsprechend – anwendbar; Weidlich in Palandt75, § 1931 BGB Rz. 2; Loose in Tipke/Kruse, § 15 AO Rz. 7 (Stand: Oktober 2014); zu erbrechtlichen Konsequenzen bei nichtehelichen Lebensgemeinschaften vgl. Kamps, ErbStB 2005, 242.
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Steuerpflichtiger Erwerb von Todes wegen (Abs. 1)
Rz. 62 § 3 ErbStG
diesem Fall steht dem überlebenden Ehegatten oder Lebenspartner neben seinem Pflichtteilsanspruch aus § 2303 Abs. 2 BGB auch ein Anspruch auf einen tatsächlichen Zugewinnausgleich zu. Der Zugewinnausgleich wird dann wie im Falle der Scheidung auf den Zeitpunkt des Todes des anderen Ehegatten oder Lebenspartners berechnet. Haben die Ehegatten oder Lebenspartner vertraglich den Güterstand der Gütergemeinschaft (§ 1415 59 BGB) vereinbart, so werden nach § 1416 BGB das Vermögen der beiden Partner sowie das während der Ehe oder Lebenspartnerschaft von beiden erwirtschaftete Vermögen zum gemeinschaftlichen Vermögen beider Partner (sog. Gesamtgut). Jeder Ehegatte oder Lebenspartner hat einen zivilrechtlichen Anspruch auf die ideelle Hälfte dieses Gesamtguts. Ausgeschlossen vom Gesamtgut sind das Sondergut gem. § 1417 BGB und das Vorbehaltsgut gem. § 1418 BGB. Bei Beendigung des Güterstandes durch Tod eines Ehegatten verbleibt dem überlebenden Ehegatten oder Lebenspartner die ihm gehörende Hälfte am Gesamtgut. Nur der ideelle Anteil des Erblassers fällt in den Nachlass. Der Erbteil des überlebenden Ehegattens oder Lebenspartners an diesem Nachlass berechnet sich ausschließlich nach § 1931 BGB, ein Zugewinnausgleich findet nicht statt. Der überlebende Ehegatte oder Lebenspartner ist also neben Verwandten der ersten Ordnung zu einem Viertel, neben Verwandten der zweiten Ordnung oder neben Großeltern zur Hälfte der Erbschaft gesetzlicher Erbe. Für den in der Praxis seltenen Fall, wonach die Gütergemeinschaft beim Tod eines Ehegatten oder beim Tod eines Lebenspartners mit den Kindern oder Enkeln fortgesetzt wird (sog. fortgesetzte Gütergemeinschaft; §§ 1483 ff. BGB), sieht § 4 ErbStG eine erbschafsteuerspezifische Regelung vor. Danach wird der Anteil des verstorbenen Ehegatten oder Lebenspartners am Gesamtgut so behandelt, als wäre er ausschließlich bei den berechtigten Abkömmlingen angefallen (s. § 4 ErbStG Rz. 8). Beim vertraglichen Güterstand der Gütertrennung (§ 1414 BGB) bleiben die Vermögenssphären der 60 Ehegatten oder Lebenspartner getrennt, und zwar sowohl in Bezug auf das zu Beginn der Ehe vorhandene als auch in Bezug auf das während der Ehe erworbene Vermögen. Ein gemeinsames Vermögen wird also nicht begründet. Nur das Vermögen des Erblassers fällt in den Nachlass, das Vermögen des überlebenden Ehegatten oder Lebenspartners bleibt unberührt.1 Sind ein oder zwei Abkömmlinge vorhanden, so erben im Falle der Gütertrennung der überlebende Ehegatte oder Lebenspartner und jedes Kind (bzw. bei Vorversterben die Abkömmlinge des Kindes, § 1924 Abs. 3 BGB) zu gleichen Teilen (§ 1931 Abs. 4 BGB). Sind mehr als zwei Abkömmlinge vorhanden, so gilt der Regelfall des § 1931 Abs. 1 BGB und der überlebende Ehegatte erhält ein Viertel des Nachlasses neben den sonstigen Erben der ersten Ordnung. Sind im Zeitpunkt des Erbfalls keine Kinder mehr vorhanden, sondern nur Verwandten der zweiten Ordnung oder Großeltern, so steht dem überlebenden Ehegatten nach § 1931 Abs. 1 BGB die Hälfte der Erbschaft als gesetzliches Erbe zu. Das Erbrecht des überlebenden Ehegatten oder Lebenspartners führt zu einem Erwerb von Todes 61 wegen nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 BGB. Das gilt auch für den pauschalen Zuschlag von einem Viertel auf den gesetzlichen Erbteil zum Ausgleich des Zugewinns nach § 1371 Abs. 1 BGB. Nur wenn der überlebende Ehegatte oder Lebenspartner nicht erbt oder die Erbschaft ausschlägt und der Zugewinn berechnet wird, gilt § 5 ErbStG, wonach der im Falle des Todes anfallende Zugewinnausgleich nicht der Erbschaftsteuer unterliegt. Im Einzelfall – z.B. bei einem sehr hohen Zugewinnausgleich – kann es für den überlebenden Ehegatten oder Lebenspartner aus erbschafsteuerlichen Gründen günstiger sein, die Erbschaft auszuschlagen, den Pflichtteil geltend zu machen und zugleich den Ausgleich des tatsächlichen Zugewinnausgleichs nach § 1371 Abs. 2 BGB zu verlangen s. § 5 ErbStG Rz. 42, 64 ff.). 4. Erbauseinandersetzung a) Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft Auch wenn Erbengemeinschaften im Einzelfall über Jahre und Jahrzehnte bestehen können, sind sie 62 – anders als z.B. die GbR – nicht auf Dauer angelegt. Nach § 2042 BGB kann jeder Miterbe jederzeit die Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft verlangen. Der Anspruch auf Auseinandersetzung richtet sich gegen die einzelnen Miterben und führt zur vollständigen Aufteilung des Nachlasses.2
1 Zum Schutz von Beteiligungen durch Eheverträge vgl. A. u. C. Beckervordersandfort, ZErb 2014, 43. 2 Weidlich in Palandt75, § 2042 BGB Rz. 2.
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§ 3 ErbStG Rz. 63 Erwerb von Todes wegen Der Erblasser kann die Auseinandersetzung ganz oder teilweise verbieten1 oder Teilungsanordnungen treffen (§ 2048 BGB). Erbschaftsteuerlich stellt sich die Frage, ob die Auseinandersetzung weitere Tatbestände außer dem Erwerb von Todes wegen nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG erfüllt und ob die Teilungsanordnung beim Erwerb von Todes wegen nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG zu berücksichtigen ist. b) Erbvergleich 63
Nicht selten lässt der Inhalt einer letztwilligen Verfügung verschiedene Auslegungen zu oder der Wille des Erblassers lässt sich tatsächlich nicht genau ermitteln, so kann der Besteuerung in Ausnahmefällen der von den Erben geschlossene Vergleich über die Erbeinsetzungen und Vermächtnisse zugrunde gelegt werden.2 Der Erbvergleich muss dabei auf die einvernehmliche Beseitigung streitiger erbrechtlicher Verhältnisse und etwa bestehender Ungewissheiten über einzelne Erbteile oder über den Nachlassberechtigten zufallende Beträge gerichtet sein, um seinen Rechtsgrund noch im Erbrecht zu haben.3 Die Nachlassgegenstände sind den Vergleichspartnern als vom Erblasser direkt erworben zuzurechnen.4 Wird der Vergleich erst während eines Verfahrens vor dem Nachlassgericht getroffen, wirkt dessen Inhalt auf die Besteuerung im Zeitpunkt der Erbeinsetzung zurück. Etwaige schon ergangene Steuerbescheide sind nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO aufzuheben oder zu ändern.5
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Verzichtet ein Erbe, der zunächst die Erbenstellung für sich beansprucht hat (Erbprätendent), im Rahmen eines Erbvergleichs auf seinen Erbteil und wird daraufhin ein Dritter Erbe, wirkt dies ebenfalls zurück. Der Dritte erfüllt den Tatbestand des § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG. Erhält der weichende Erbprätendent für seinen Verzicht eine Abfindung, ist dieser Erwerb von Todes wegen weder von § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG noch von anderen Tatbeständen des § 3 ErbStG erfasst.6 Demgegenüber kann der Erbe die von ihm gezahlte Abfindung als Nachlassverbindlichkeit nach § 10 Abs. 5 Nr. 3 ErbStG von seinem Erwerb abziehen.7 Aus dessen Sicht handelt es sich bei der Abfindung um Kosten, die ihm unmittelbar im Zusammenhang mit dem Erwerb von Todes wegen entstehen. Etwas anderes gilt jedoch, wenn mehrere Miterben sich im Wege eines ernstgemeinten Erbvergleichs darauf einigen, dass ein Miterbe eine Abfindung erhält, so unterliegt diese der Erbschaftsteuer. In einem solchen Fall ist die Abfindung auf die (unstreitige) Miterbenstellung zurückzuführen. Diese unterschiedliche Betrachtungsweise überzeugt im Ergebnis nicht und führt zu unnötigen Gestaltungsmöglichkeiten.8 c) Teilungsanordnung
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Teilungsanordnungen nach § 2048 BGB sind schuldrechtliche, nur im Verhältnis der Miterben zueinander wirkende letztwillige Regelungen des Erblassers über die Zuweisung bestimmter Nach1 Das Verbot wirkt nur schuldrechtlich und kann durch Vereinbarungen der Erben ganz oder zum Teil aufgehoben werden; vgl. Weidlich in Palandt75, § 2042 BGB Rz. 3. 2 BFH v. 1.2.1961 – II 269/58 U, BStBl. III 1961, 133; v. 24.7.1972 – II R 35/70, BStBl. II 1972, 886; v. 22.11.1995 – II R 89/93, BStBl. II 1996, 242; v. 25.8.1998 – II B 45/98, BFH/NV 1999, 313; Geck in Kapp/Ebeling, § 3 ErbStG Rz. 56 (Stand: Juni 2015); a.A. Crezelius, FR 2007, 613 (619). 3 BFH v. 19.9.2000 – II B 10/00, BFH/NV 2001, 163; v. 6.12.2000 – II R 28/98, BFH/NV 2001, 601; FG München v. 20.9.2006 – 4 K 755/04, EFG 2007, 270; v. 25.10.2006 – 4 K 3039/05, EFG 2007, 271; Geck in Kapp/Ebeling, § 3 ErbStG Rz. 58 (Stand: Juni 2015); Meincke16, § 3 ErbStG Rz. 26; zu Auslegungsvertrag und Erbvergleich vgl. auch Spiegelberger, ErbR 2012, 165. 4 FG München v. 15.6.1989 – 10 K 10022/85, EFG 1989, 642. 5 BFH v. 26.2.2008 – II R 82/05, BStBl. II 2008, 629 = FR 2008, 886 = ErbStB 2008, 166; FG München v. 8.7.2015 – 4 K 2514/12, ErbStB 2015, 323 = EFG 2015, 1955; Geck in Kapp/Ebeling, § 3 ErbStG Rz. 65 (Stand: März 2016). 6 BFH v. 4.5.2011 – II R 34/09, BStBl. II 2011, 725 = FR 2011, 870 = ErbStB 2011, 214; Götz in Gürsching/Stenger, § 3 ErbStG Rz. 85 (Stand: September 2016); Hülsmann in Wilms/Jochum, § 3 ErbStG Rz. 110 f. (Stand: Oktober 2014); Brüggemann, ErbBstg 2014, 101; krit. Seer in Tipke/Lang, Steuerrecht22, § 15 Rz. 21 m.w.N., wonach die Rspr. des BFH den Gesetzgeber auf den Plan ruft, den Katalog der Ersatztatbestände in § 3 Abs. 2 ErbStG zu verlängern. 7 BFH v. 15.6.2016 – II R 24/15, BFHE 254, 60. 8 Zu letzteren vgl. Geck in Kapp/Ebeling, § 3 ErbStG Rz. 63 (Stand: März 2016).
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Steuerpflichtiger Erwerb von Todes wegen (Abs. 1)
Rz. 70 § 3 ErbStG
lassgegenstände im Rahmen der Erbauseinandersetzung. Der Erblasser bestimmt, wie die Auseinandersetzung nach dem Eintritt des Erbfalls unter den Erben erfolgen soll oder er beauftragt einen Dritten, die Auseinandersetzung nach billigem Ermessen vorzunehmen.1 Für die Ermittlung der Anteile der einzelnen Erben am Nachlass ist die Teilungsanordnung grundsätzlich ohne Bedeutung2 Auch wenn der Erblasser eine andere Aufteilung gewünscht und angeordnet hat, sind die Erbquoten für die Besteuerung des Erwerbs der einzelnen Erben maßgebend.3 Problematisch sind indes die Fälle, in denen zwar eine Teilungsanordnung durch den Erblasser getroffen wurde, in denen die Erbeinsetzung selbst aber keine Regelung bezüglich der Erbquoten enthält. In diesen Fällen ist durch Auslegung der Wille des Erblassers zu ermitteln. Dies kann im Ergebnis dazu führen, dass in der Teilungsanordnung eine Festlegung der Erbquoten zu sehen ist. In diesem Fall richtet sich die Beteiligung am Nachlass ausnahmsweise nach der Teilungsanordnung, was auch für die Besteuerung der Erwerbe der Miterben zu beachten ist.4 Von der Teilungsanordnung abzugrenzen ist das sog. Vorausvermächtnis (§ 2150 BGB), bei welchem 66 der Erblasser bestimmt, dass einem oder mehreren Erben bestimmte Vermögenswerte zugedacht werden sollen, die nicht auf die Erbquote angerechnet werden sollen.5 Durch diese Verfügung stellt er den oder die Bedachten im Vergleich zum Wert seines bzw. ihres Wertes am Erbteil besser, als nach der Erbquote vorgesehen. Hierdurch kommt es zu einer Verschiebung der Erbquoten und zur erbschaftsteuerlichen Werterhöhung des Bedachten (R E 3.1 (4) ErbStR 2011).
II. Erwerb durch Vermächtnis (Abs. 1 Nr. 1 Fall 2) Beim Erwerb aufgrund eines Vermächtnisses (§§ 1939; 2147 ff. BGB) erlangt der Vermächtnisnehmer 67 einen schuldrechtlichen Anspruch gegen den Erben. Gleichwohl stellt § 3 Abs. 1 Nr. 1 Fall 2 ErbStG den Erwerb aufgrund Vermächtnisses einem Erwerb durch Erbanfall gleich. In beiden Fällen handelt es sich um einen Erwerb von Todes wegen. Beim mit dem Vermächtnis belasteten Erben ist die schuldrechtliche Verpflichtung als Nachlassverbindlichkeit abzuziehen (§ 10 Abs. 5 Nr. 2 ErbStG). Zu den Einzelheiten s. § 10 ErbStG Rz. 62. § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG erfasst alle Arten von Vermächtnissen. Gegenstand des Erwerbs ist der 68 Vermächtnisanspruch. Für die Besteuerung ist nicht der Steuerwert des vermachten Gegenstands, sondern der gemeine Wert des Vermächtnisanspruchs maßgeblich.6 Beim Geldvermächtnis ist der Nennwert des Anspruchs anzusetzen (§ 12 Abs. 1 BewG), und zwar auch dann, wenn der Erbe den Anspruch z.B. durch Übereignung eines Gegenstandes an Erfüllungs statt erfüllt. Beim Sachvermächtnis hingegen ist nach der Rspr. des BFH der gemeine Wert der vermächtnisweise 69 zugewandten Sache maßgebend.7 Die Entscheidungen sind jedoch zum Erbschaftsteuergesetz vor dem ErbStG 2009 ergangen. Da heute in aller Regel bei jedem Zuwendungsgegenstand der der gemeine Wert anzusetzen ist, wird der Wert des Vermächtnisanspruchs auch bei einem Sachvermächtnis dem gemeinen Wert des Gegenstands entsprechen. Beim Verschaffungsvermächtnis (§ 2170 BGB) wendet der Erblasser durch Vermächtnis einen An- 70 spruch auf Übereignung eines Gegenstands zu, der sich nicht im Nachlass befindet, sondern zu1 Zur Berücksichtigung von Ausgleichspflichten unter den Abkömmlingen des Erblassers gem. § 2050 BGB vgl. Gottschalk in T/G/J, § 3 ErbStG Rz. 124 f. (Stand: Oktober 2014). 2 BFH v. 10.11.1982 – II R 85/78, II R 86/78, BStBl. II 1983, 329; v. 1.4.1992 – II R 21/89, BStBl. II 1992, 669; v. 6.10.2010 – II R 29/09, BFH/NV 2011, 603. 3 R E 3.1 ErbStR; Götz in Gürsching/Stenger, § 3 ErbStG Rz. 97 f. (Stand: September 2016); Hils in Tiedtke, § 3 ErbStG Rz. 25; Hülsmann in Wilms/Jochum, § 3 ErbStG Rz. 113 ff. (Stand: Oktober 2014). 4 R E 3.1 ErbStR 2011; Esskandari/Winter in Lippross/Seibel, § 3 ErbStG Rz. 65 (Stand: Juni 2013); Meincke16, § 3 ErbStG Rz. 25. 5 BFH v. 16.3.1977 – II R 11/69, BStBl. II 1977, 640: v. 2.7.2004 – II R 73/01, BFH/NV 2005, 214; v. 6.12.2010 – II R 29/09, BFH/NV 2011, 603; Geck in Kapp/Ebeling, § 3 ErbStG Rz. 126 ff. (Stand: Juni 2015); Schuhmann, UVR 2005, 375. 6 Moench/Hübner, Erbschaftsteuerrecht3, Rz. 301. 7 BFH v. 25.10.1995 – II R 5/92, BStBl. II 1996, 97; v. 15.2.2000 – II R 15/98, BStBl. II 2000, 588; v. 13.8.2008 – II R 7/07, BStBl. II 2008, 982 (984) = FR 2009, 192 = ErbStB 2008, 319.
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§ 3 ErbStG Rz. 71 Erwerb von Todes wegen nächst noch vom Erben erworben werden muss. Dieser Anspruch ist ebenfalls mit dem gemeinen Wert des anzuschaffenden Gegenstands anzusetzen.1 Beim Kaufrechtsvermächtnis erlangt der Vermächtnisnehmer das Recht, einen zum Nachlass gehörenden Gegenstand (z.B. ein Grundstück) zu einem im Testament festgelegten (i.d.R. günstigen) Kaufpreis vom Erben zu erwerben.2 Gegenstand ist eine auf die Ausübung des Rechts aufschiebend bedingte Forderung des Vermächtnisnehmers gegen den Beschwerten (§ 2174 BGB). Diese Forderung aus einem Kaufrechtsvermächtnis oder aus einem Übernahmevermächtnis ist mit dem gemeinen Wert anzusetzen, der sich aus der Differenz zwischen dem Verkehrswert des zu erwerbenden Gegenstands und dem vom Erblasser festgelegten Kaufpreis ergibt.3 Beim Bestimmungsvermächtnis (§ 2156 BGB) hat der Erblasser weder Art, Umfang noch Fälligkeit des Vermächtnisses selbst geregelt. Es obliegt dem Vermächtnisnehmer, Art, Umfang und Fälligkeit zu bestimmen. Zu einem steuerlichen Erwerb kommt es erst dann, wenn der Erbe von diesem Recht Gebrauch macht.4
III. Erwerb aufgrund geltend gemachten Pflichtteilsanspruchs (Abs. 1 Nr. 1 Fall 3) 1. Pflichtteilsanspruch 71
Der Erblasser kann durch letztwillige Verfügung die Erben abweichend von der gesetzlichen Erbfolge bestimmen. Dennoch ist er in seiner Testierfreiheit insoweit beschränkt, als er bestimmte gesetzliche Erben nicht vollständig von der Teilhabe am Nachlass ausschließen kann.5 Durch den in den §§ 2303 BGB geregelten Pflichtteilsanspruch wird den Abkömmlingen des Erblassers sowie seinem Ehepartner und seinen Eltern ein schuldrechtlicher Anspruch am Nachlass in Höhe der Hälfte des Wertes des gesetzlichen Erbteils zugesichert. Lebenspartner sind dem Ehegatten auch im Hinblick auf den Pflichtteil gleichgestellt (§ 10 Abs. 5 Satz 2 LPartG).6 Die Abkömmlinge und der überlebende Ehegatte/Lebenspartner sind immer pflichtteilsberechtigt, die Eltern des Erblassers nur für den Fall, dass keine Erben erster Ordnung vorhanden sind. Der Erblasser kann seine Abkömmlinge, Eltern oder Ehegatten/Lebenspartner nicht nur enterben, in den in § 2333 BGB normierten Ausnahmefällen kann er ihnen auch den Pflichtteil entziehen.7
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Setzt der Erblasser den Pflichtteilsberechtigten zum Erben ein, ist der Erbteil jedoch geringer als die Hälfte des gesetzlichen Erbteils, hat der Pflichtteilsberechtigte gem. § 2305 BGB gegen die Miterben einen Anspruch auf Auszahlung des sog. Zusatzpflichtteils in Höhe des an der Hälfte fehlenden Teils. Ist der Pflichtteilsberechtigte durch Beschränkungen oder Beschwerungen belastet, kann es im Einzelfall günstiger sein, den Erbteil auszuschlagen und den Pflichtteil zu verlangen (§ 2306 BGB).8 Für den Fall, dass ein Pflichtteilsberechtigter mit einem Vermächtnis bedacht ist, kann er dieses ausschlagen und an dessen Stelle seinen Pflichtteil verlangen (§ 2307 Abs. 1 Satz 1 BGB). Schlägt er es nicht aus, so steht ihm gem. § 2307 Abs. 1 Satz 2 BGB ein Recht auf den Pflichtteil nicht zu, soweit der Wert des Vermächtnisses reicht.9 Bemessungsgrundlage für den Pflichtteilsanspruch ist die Summe der Vermögensgegenstände abzgl. der Summe der Schulden sowie der Erbfallkosten, der Kosten der Testamentsvollstreckung und der
1 BFH v. 28.3.2007 – II R 25/05, BStBl. II 2007, 461 = FR 2007, 932 = ErbStB 2007, 196; v. 13.8.2008 – II R 7/07, BStBl. II 2008, 982 = FR 2009, 192 = ErbStB 2008, 319. 2 Zur Behandlung und Bewertung eines Kaufrechtsvermächtnisses bei der Erbschaft- und Schenkungsteuer und bei der Grunderwerbsteuer vgl. Daragan, DB 2004, 2389; Bruschke, UVR 2006, 115. 3 Moench/Hübner, Erbschaftsteuerrecht3, Rz. 306 mit Berechnungsbeispiel. 4 Zur steuerlichen Flexibilität durch offene Vermächtnisse vgl. Piltz, ZEV 2005, 469. 5 Weidlich in Palandt75, § 2303 BGB Rz. 1. 6 Weidlich in Palandt75, § 2303 BGB Rz. 12; Knepper, ErbR 2006, 79. 7 BGH v. 11.10.1989 – IVa ZR 208/87, NJW-RR 1990, 130; Weidlich in Palandt75, § 2303 BGB Rz. 1; Geck in Kapp/Ebeling, § 3 ErbStG Rz. 208 ff. (Stand: November 2015). 8 Fischer in F/J/P/W5, § 3 ErbStG Rz. 408. 9 BGH v. 30.4.1981 – IVa ZR 128/80, NJW 1981, 1837.
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Steuerpflichtiger Erwerb von Todes wegen (Abs. 1)
Rz. 74 § 3 ErbStG
Zugewinnausgleichsforderung.1 Vermächtnisse und Auflagen werden hingegen nicht abgezogen.2 Die Steuer entsteht jedoch nur in der Höhe, in welcher der Pflichtteilsanspruch auch tatsächlich geltend gemacht worden ist.3 Dies setzt jedoch voraus, dass er auf den nicht geltend gemachten Anspruchsteil verzichtet.4 2. Pflichtteilsergänzungsanspruch In der Praxis von großer Bedeutung ist der sog. Pflichtteilsergänzungsanspruch. Hat der Erblasser zu 73 Lebzeiten einem Dritten etwas geschenkt, kann der Pflichtteilsberechtigte nach § 2325 Abs. 1 BGB als Ergänzung des Pflichtteils den Betrag verlangen, um den sich der Pflichtteil erhöht, wenn der verschenkte Gegenstand dem Nachlasse hinzugerechnet wird.5 Die Schenkung wird nur innerhalb des ersten Jahres vor dem Erbfall in vollem Umfang berücksichtigt, danach reduziert sich der Pflichtteilsergänzungsanspruch für jedes vollendete Jahr ab Vollzug der Schenkung um ein Zehntel (§ 2325 Abs. 3 Satz 1 BGB). Wenn seit der Leistung des verschenkten Gegenstandes jedoch zehn Jahre verstrichen sind, bleibt die Schenkung unberücksichtigt (§ 2325 Abs. 3 Satz 2 BGB).6 Der Pflichtteilsergänzungsanspruch ist ein Geldanspruch; er richtet sich gegen den Erben und bildet folglich eine Nachlassverbindlichkeit.7 Der Pflichtteilsergänzungsanspruchs ist von § 3 Abs. 1 Nr. 1 Fall 3 ErbStG nicht ausdrücklich um- 74 fasst. Daraus wird abgeleitet, dass dieser Anspruch bei Geltendmachung nicht der Besteuerung unterfällt.8 Die Gegenmeinung stellt darauf ab, dass § 3 Abs. 1 Nr. 1 Fall 3 BGB ausdrücklich auf die §§ 2303 ff. BGB verweist und der Pflichtteilsergänzungsanspruch dem Pflichtteilsrecht zugeordnet ist.9 Die Rechtsfrage ist erstaunlicherweise bislang noch nicht höchstrichterlich geklärt.10 Der BFH hat zwar entschieden, dass ein Grundstückserwerb zur Erfüllung eines auf Geld gerichteten Pflichtteils- oder Pflichtteilsergänzungsanspruchs „an Erfüllung statt“ nicht nach § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG von der Grunderwerbsteuer befreit ist11 und dass die Verpflichtung des Erben aus einem gegen ihn gerichteten Pflichtteilsergänzungsanspruch gem. § 2325 BGB eine Nachlassverbindlichkeit bei diesem verpflichteten Erben gem. § 10 Abs. 5 Nr. 2 ErbStG ist.12 Damit hat er jedoch keine Aussage darüber getroffen, ob die Geltendmachung des Pflichtteilsergänzungsanspruchs zu einem Erwerb von Todes wegen i.S.v. § 3 Abs. 1 Nr. 1 Fall 3 ErbStG führt. 1 BGH v. 26.4.1972 – IV ZR 114/70, NJW 1972, 1269; BFH v. 5.7.1978 – II R 64/73, BStBl. II 1979, 23; BGH v. 10.7.1985 – IVa ZR 151/83, NJW 1985, 2828; BFH v. 10.3.1988 – IV R 226/85, BStBl. II 1988, 832 = FR 1988, 533; BGH v. 14.10.1992 – IV ZR 211/91, NJW-RR 1993, 131; Geck in Kapp/Ebeling, § 3 ErbStG Rz. 210 ff. (Stand: November 2015). 2 Zur Berechnung des Pflichtteils Geck in Kapp/Ebeling, § 3 ErbStG Rz. 191 ff. (Stand: Juni 2015); Gottschalk in T/G/J, § 3 ErbStG Rz. 221 (Stand: Oktober 2014). 3 BFH v. 18.7.1973 – II R 34/69, BStBl. 1973, 798 Rz. 21; Esskandari/Winter in Lippross/Seibel, § 3 ErbStG Rz. 97 (Stand: Juni 2013). 4 BFH v. 19.7.2006 – II R 1/05, BStBl. II 2006, 718 = ErbStB 2006, 273; FG Hamburg v. 17.4.1978 – V 234/77, EFG 1978, 555; FG München v. 24.8.2005 – 4 K 4361/03, ErbStB 2006, 8 = EFG 2005, 1887; Geck in Kapp/Ebeling, § 3 ErbStG Rz. 213.1 f. (Stand: November 2015); Seer in Tipke/Lang, Steuerrecht22, § 15 Rz. 14; Seer/ Krumm, ZEV 2010, 57 (62). 5 BGH v. 25.5.1970 – III ZR 141/68, NJW 1970, 1638; v. 21.6.1972 – IV ZR 69/71, BGHZ 59, 210; v. 21.3.1973 – IV ZR 157/71, NJW 1973, 995; v. 17.9.1986 – IVa ZR 13/85, NJW 1987, 122; v. 6.5.1987 – IVa ZR 41/86, NJW 1988, 138; v. 2.12.1987 – IVa ZR 149/86, NJW 1988, 821; v. 25.6.1997 – IV ZR 233/96, NJW 1997, 2676. 6 Fischer in F/J/P/W5, § 3 ErbStG Rz. 421 ff.; Gottschalk in T/G/J, § 3 ErbStG Rz. 223. (Stand: Oktober 2014). 7 BFH v. 10.7.2002 – II R 11/01, BStBl. II 2002, 775; v. 8.10.2003 – II R 46/01, BStBl. II 2004, 234 = FR 2004, 488 = ErbStB 2004, 105; Weidlich in Palandt75, § 2325 BGB Rz. 5. 8 Fischer in F/J/P/W5, § 3 ErbStG Rz. 421, Geck in Kapp/Ebeling, § 3 ErbStG Rz. 226 (Stand: November 2015); Götz in Gürsching/Stenger, § 3 ErbStG Rz. 160 (Stand: September 2016); Fischer in F/J/P/W5, § 3 ErbStG Rz. 424. 9 Meincke16, § 3 ErbStG Rz. 54, Gottschalk in T/G/J, § 3 ErbStG Rz. 223 (Stand: Oktober 2014); Hülsmann in Wilms/Jochum, § 3 ErbStG Rz. 160 (Stand: Oktober 2014); vgl. auch Moench, DStR 1991, 1137. 10 Wie hier Geck in Kapp/Ebeling, § 3 ErbStG Rz. 226 (Stand: November 2015); a.A. Weinmann in Moench/ Weinmann, § 3 ErbStG Rz. 117 (Stand: Juli 2013). 11 BFH v. 10.7.2002 – II R 11/01, BStBl. II 2002, 775. 12 BFH v. 8.10.2003 – II R 46/01, BStBl. II 2004, 234 = FR 2004, 488 = ErbStB 2004, 105.
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§ 3 ErbStG Rz. 75 Erwerb von Todes wegen 3. Geltendmachung des Pflichtteilsanspruchs 75
Nur der geltend gemachte Pflichtteilsanspruch unterliegt der Besteuerung. Im Gegensatz zum Erbanfall und zum Vermächtnis entsteht beim Pflichtteil die Steuer auch erst im Zeitpunkt der Geltendmachung des Anspruchs (§ 9 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b ErbStG) und nicht bereits mit dem Erbfall (vgl. § 9 ErbStG Rz. 53).1 Die Geltendmachung erfolgt in Form eines formlosen, ernstlichen Verlangens auf Erfüllung gegenüber dem Erben. Eine Bezifferung des Anspruchs ist dazu nicht erforderlich.2 Ein bloßes Auskunftsverlangen über den Bestand des Nachlasses i.S.d. § 2314 BGB ist ebenso wenig eine Geltendmachung wie die Aufnahme von Verhandlungen mit dem Erben oder die Abtretung des Pflichtteilsanspruchs.3
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Der Verzicht des Pflichtteilsberechtigten auf den geltend gemachten Pflichtteilsanspruch (§ 1246 BGB) kann eine freigebige Zuwendung des Pflichtteilsberechtigten an den Erben sein. Dasselbe gilt für die Abfindung, die ein künftiger gesetzlicher Erbe an einen anderen Erben für den Verzicht auf einen künftigen Pflichtteilsanspruch zahlt. Dabei handelt es sich um eine freigebige Zuwendung des künftigen gesetzlichen Erben an den anderen, nicht jedoch um eine fiktive freigebige Zuwendung des künftigen Erblassers.4 Keine freigebige Zuwendung ist der wechselseitige Verzicht auf gegenseitige Pflichtteilsansprüche. Hier fehlt es an der Unentgeltlichkeit, denn der Verzicht ist jeweils die Gegenleistung für den Verzicht des anderen. Der Pflichtteilsverzicht vor Geltendmachung ist nach § 13 Abs. 1 Nr. 11 ErbStG ausdrücklich von der Steuer befreit.5 Dieser Vorschrift bedurfte es eigentlich nicht, weil der nicht geltend gemachte Pflichtteilsanspruch bereits nicht steuerbar ist.6
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Der geltend gemachte Pflichtteilsanspruch ist beim Erben als Nachlassverbindlichkeit gem. § 10 Abs. 5 Nr. 2 ErbStG abzugsfähig.7 Hat der Pflichtteilsberechtigte lediglich einen Teil seines Anspruchs geltend gemacht, entsteht nur in dieser Höhe die Erbschaftsteuer bzw. kann der Erbe nur in dieser Höhe Nachlassverbindlichkeiten geltend machen.8 Dasselbe gilt, wenn sich der Pflichtteilsberechtigte nach ernstlichem Streit über die Höhe seines Pflichtteils vergleichsweise mit weniger zufrieden gibt, als er beansprucht hat und ihm zusteht.9
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Ist der Pflichtteilsberechtigte der Alleinerbe des Verpflichteten, bleibt trotz des zivilrechtlichen Erlöschens des Pflichtteilsanspruchs erbschaftsteuerrechtlich sein Recht zur Geltendmachung des Pflichtteils als Folge der Regelung in § 10 Abs. 3 ErbStG bestehen. Erklärt der Berechtigte in einem solchen Fall gegenüber dem Finanzamt, er mache den Anspruch geltend, ist dies erbschaftsteuerrechtlich unabhängig davon zu berücksichtigen, ob der Verpflichtete damit rechnen musste, den Anspruch zu
1 Seer in Tipke/Lang, Steuerrecht22, § 15 Rz. 14; Seer/Krumm, ZEV 2010, 57 (59 f.). 2 BFH v. 19.7.2006 – II R 1/05, BStBl. II 2006, 718 = ErbStB 2006, 273; v. 19.2.2013 – II R 47/11, BStBl. II 2013, 332; Seer in Tipke/Lang, Steuerrecht22, § 15 Rz. 14; Meincke, ZErb 2004, 1; Lohr/Görges, DStR 2011, 1939; Billig, UVR 2014, 314; Krüger, ZErb 2014, 102; Jülicher, ZErB 2014, 126; zur erbschaftsteuerlichen Optimierung durch Pflichtteilsgestaltung vgl. von Oertzen/Cornelius, ErbStB 2006, 49; Tölle, NWB 2013, 227. 3 BGH v. 28.2.1989 – XI ZR 91/88, NJW 1989, 1601; FG Hess. v. 7.3.1990 – 10 K 389/83, EFG 1990, 587; FG Köln v. 28.11.2000 – 9 K 4299/98, EFG 2001, 765; Geck in Kapp/Ebeling, § 3 ErbStG Rz. 211 ff. (Stand: November 2015); Esskandari/Winter in Lippross/Seibel, § 3 ErbStG Rz. 97 (Stand: Juni 2013). 4 BFH v. 16.5.2013 – II R 21/11, BFHE 241, 390 = BStBl. II 2013, 922. 5 BGH v. 4.7.1962 – V ZR 14/61, BGHZ 37, 319; BFH v. 7.12.1977 – IV ZR 20/76, NJW 1978, 1159; v. 13.11.1996 – IV ZR 62/96, NJW 1997, 521; v. 19.7.2006 – II R 1/05, BStBl. II 2006, 178 = ErbStB 2006, 273 Rz. 12; vgl. auch BGH v. 9.4.1981 – IVa ZR 144/80, NJW 1981, 1732; FG München v. 24.8.2005 – 4 K 4361/03, ErbStB 2006, 8 = EFG 2005, 1887 m. Anm. Loose; vgl. zum Verzicht auf den Pflichtteilsanspruch dessen Folgen Geck in Kapp/ Ebeling, § 3 ErbStG Rz. 214 ff. (Stand: Oktober 2014); Gottschalk in T/G/J, § 3 ErbStG Rz. 237 (Stand: Oktober 2014); Billig, UVR 2014, 314. 6 Meinke16, § 3 ErbStG Rz. 47. 7 BFH v. 21.8.2015 – II B 126/14. 8 BFH v. 19.7.2006 – II R 1/05, BFHE 213, 122 = BStBl. II 2006, 718 = ErbStB 2006, 273; Wälzholz in V/K/S/W4, § 3 ErbStG Rz. 152; Gottschalk in T/G/J, § 3 ErbStG Rz. 227 (Stand: Oktober 2014); Geck in Kapp/Ebeling, § 3 ErbStG Rz. 212, 213 und 213.2. (Stand: November 2015). 9 BFH v. 18.7.1973 – II R 34/69, BFHE 110, 196 = BStBl. II 1973, 798; v. 19.7.2006 – II R 1/05, BFHE 213, 122 = BStBl. II 2006, 718 = ErbStB 2006, 273.
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Steuerpflichtiger Erwerb von Todes wegen (Abs. 1)
Rz. 81 § 3 ErbStG
Lebzeiten erfüllen zu müssen.1 Gibt der Pflichtteilsberechtigte dem zuständigen Finanzamt gegenüber vor der Verjährung des Pflichtteilsanspruchs eine entsprechende Erklärung ab, handelt es sich um ein rückwirkendes Ereignis i.S.d. § 175 Abs. 1 Satz. 1 Nr. 2 AO. Das Finanzamt hat sowohl hinsichtlich der Besteuerung des Erwerbs des Pflichtteils nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG als auch hinsichtlich des Abzugs der Pflichtteilsschuld als Nachlassverbindlichkeit die sich hieraus ergebenden steuerrechtlichen Folgerungen zu ziehen.2 Noch nicht entschieden ist, ob dies auch dann gilt, wenn der Pflichtteilsanspruch nach dem Erstver- 79 sterbenden im Zeitpunkt der Geltendmachung durch den Pflichtteilsberechtigten bereits verjährt ist. Der Pflichtteilsanspruch verjährt nach Ablauf von drei Jahren nach dem Erbfall (§§ 2332, 195 BGB).3 Zwar ist die Geltendmachung des Pflichtteils außerhalb der Verjährungsfrist grundsätzlich auch dann zu beachten, wenn der Pflichtteilsanspruch tatsächlich erfüllt wird, denn der Erbe muss sich nicht auf die Einrede der Verjährung berufen. Wird der Pflichtteilsanspruch vom Pflichtteilsberechtigten jedoch erst nach dem Tod des Pflichtteilsverpflichteten (gegen sich selbst) geltend gemacht, stellt sich die Frage, ob der Pflichtteilsverpflichtete tatsächlich belastet ist.4
IV. Erwerb durch Schenkung auf den Todesfall (Abs. 1 Nr. 2 Satz 1) Eine Schenkung auf den Todesfall i.S.d. § 3 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 ErbStG ist ein Schenkungsversprechen 80 unter der Bedingung, dass der Beschenkte den Schenker überlebt (sog. Überlebensbedingung).5 Der Zweck der Regelung besteht darin, eine Umgehung erbrechtlicher Regelungen durch Rechtsgeschäfte unter Lebenden, die erst mit dem Tod erfüllt werden, zu verhindern.6 Das BGB unterscheidet zwischen der Schenkung auf den Todesfall, bei der das bedingte Schenkungsversprechen mit dem Tod des Erblassers durch den Erben erfüllt wird (§ 2301 Abs. 1 Satz 1 BGB), und dem Fall, dass der Verstorbene selbst die Leistung erbracht, also die Schenkung bewirkt hat (§ 2301 Abs. 2 BGB). Im ersten Fall erlangt der mit der Schenkung Bedachte mit dem Tod des Schenkers einen entsprechenden Anspruch gegen den Erben, das Schenkungsversprechen zu erfüllen. Auf diesen Fall finden die Vorschriften über Verfügungen von Todes wegen Anwendung (§ 2301 Abs. 1 Satz 1 BGB). Hat der Schenker jedoch bereits zu Lebzeiten alles bewirkt und wird die Schenkung allein mit Eintritt der Bedingung (Tod des Schenkenden) wirksam, finden die Vorschriften über die Schenkung unter Lebenden Anwendung (§ 2301 Abs. 2 BGB). In beiden im Zivilrecht unterschiedlich geregelten Fällen handelt es sich jedoch um eine Schenkung 81 auf den Todesfall, da sie beide unter der Bedingung stehen, dass der Beschenkte den Schenker überlebt. Der Tatbestand des § 3 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG umfasst daher beide Fälle des § 2301 BGB, auch wenn die Rechtsfolgen des Erfüllungsgeschäfts mit dem Tode des Schenkers (Erblassers) als aufschiebender Bedingung ohne weitere Rechtshandlungen des Erben eintreten.7 Die Schenkung unter der Überlebensbedingung ist nur dann als Schenkung unter Lebenden i.S.d. § 7 ErbStG anzusehen, wenn der Vollzug durch Leistung des Gegenstandes bereits zu Lebzeiten erfolgt und durch den Tod des Schenkers auflösend bedingt ist.8 Im Einzelfall kann es schwierig sein, den tatsächlichen Willen der Beteiligten zu ergründen, wenn der Schenker bereits zu Lebzeiten die Schenkung bewirkt hat. Die Schenkung unter Lebenden (§ 7 ErbStG) steht zwar dem Erwerb von Todes wegen (§ 3 Abs. 1 Nr. 2 1 BFH v. 19.2.2013 – II R 47/11, BFHE 240, 186 = BStBl. II 2013, 332 = ErbStB 2013, 138; Wachter, ZEV 2013, 222. 2 BFH v. 19.2.2013 – II R 47/11, BFHE 240, 186 = BStBl. II 2013, 332 = ErbStB 2013, 138; Gottschalk in T/G/J, § 3 ErbStG Rz. 232 (Stand: Oktober 2014); Schuck in V/K/S/W4, § 10 ErbStG Rz. 85; Geck in Kapp/Ebeling, § 10 ErbStG Rz. 78 (Stand: November 2015); Muscheler, ZEV 2001, 377 (381 f.); Moench, DStR 1987, 139 (144); Hardt, ZEV 2004, 408. 3 Weidlich in Palandt75, § 2317 BGB Rz. 11, § 2332 BGB Rz. 1. 4 Geck in Kapp/Ebeling, § 10 ErbStG Rz. 78 (Stand: November 2015); zu Empfehlungen für die Gestaltungspraxis vgl. Geck, DStR 2013, 1368. 5 Weidlich in Palandt75, § 2301 BGB Rz. 1. 6 Geck in Kapp/Ebeling, § 3 ErbStG Rz. 236 (Stand: März 2016). 7 BFH v. 5.12.1990 – II R 109/86, BFHE 163, 223 = BStBl. II 1991, 181; Meinke16, § 3 ErbStG Rz. 57. 8 BFH v. 5.12.1990 – II R 109/86, BFHE 163, 223 = BStBl. II 1991, 181.
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§ 3 ErbStG Rz. 82 Erwerb von Todes wegen ErbStG) im Wesentlichen gleich. Entscheidend ist die Abgrenzung jedoch für die Frage nach dem Zeitpunkt der Erfüllung des Tatbestands. 82
Die Schenkung auf den Todesfall i.S.d. § 3 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 ErbStG setzt über den Wortlaut der Vorschrift hinaus voraus, dass die Zuwendung zu einer Bereicherung des Beschenkten führt und dass sich die Beteiligten über die Unentgeltlichkeit der Zuwendung einig sind.1 § 3 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 ErbStG ordnet die Schenkung auf den Todesfall lediglich erbschaftsteuerrechtlich den Erwerben von Todes wegen zu, bestimmt deren Voraussetzungen jedoch nicht eigenständig. Zivilrechtlich setzt das Schenkungsversprechen unter Überlebensbedingung das Bewusstsein der Unentgeltlichkeit voraus. Daraus folgt, dass der Tatbestand des § 3 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 ErbStG nur erfüllt ist, wenn die Zuwendung weder in rechtlichem Zusammenhang mit einer Gegenleistung (oder einem Gemeinschaftszweck) steht, noch zur Erfüllung einer bestehenden Verbindlichkeit erfolgt.2
V. Übergang von Gesellschaftsanteilen von Todes wegen (Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 und 3) 83
§ 3 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 ErbStG umfasst die Werterhöhung eines Gesellschaftsanteils als Reflex auf den Tod eines anderen Gesellschafters und Übernahme oder Einziehung dessen Gesellschaftsanteils unter Wert. Erfasst ist der Fall, dass beim Tode eines Gesellschafters sein Anteil am Gesellschaftsvermögen nicht auf seine Erben, sondern auf die verbleibenden Gesellschafter bzw. die Gesellschaft selbst übergeht. Ist der Wert der Abfindung, die die verbliebenden Gesellschafter an den oder die Erben zahlen müssen, geringer, als der sich nach § 12 ErbStG ergebende Wert des Anteils, gilt die insoweit eintretende Bereicherung der Gesellschafter als Schenkung auf den Todesfall (§ 3 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 ErbStG). Durch das StEntlG 1999/2000/20023 wurde § 3 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG um einen Satz 3 dahingehend ergänzt, dass auch die Werterhöhung von Anteilen der anderen Gesellschafter aufgrund des Einzugs des Gesellschaftsanteiles beim Tode eines Gesellschafters als Schenkung auf den Todesfall erfasst wird.
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§ 3 Abs. 1 Nr. 2 Sätze 2 und 3 ErbStG enthalten eine Fiktion. Auf das subjektive Merkmal eines Willens zur Unentgeltlichkeit seitens des verstorbenen Gesellschafters kommt es nicht an.4 Es reicht aus, wenn die verblieben Gesellschafter durch die Werterhöhung ihrer Anteile objektiv bereichert sind. Insoweit gilt dasselbe, wie bei der Parallelvorschrift des § 7 Abs. 7 ErbStG (§ 7 ErbStG Rz. 529 ff.).
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§ 3 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 ErbStG betrifft Anteile an Personengesellschaften und Kapitalgesellschaften gleichermaßen. Bei Personengesellschaften betrifft der Tatbestand sowohl den Anwachsungserwerb (§ 738 Abs. 1 BGB, §§ 105 Abs. 2, 161 Abs. 2 HGB), als auch den Übergang des Gesamthandseigentums in das Alleineigentum des übernehmenden Gesellschafters im Fall einer zweigliedrigen Personengesellschaft. Erwerber sind die verbleibenden Gesellschafter, deren Anteile durch die Anwachsung einen Wertzuwachs erlangt haben, bzw. der letzte übernehmende Gesellschafter.
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Das Recht der Kapitalgesellschaft kennt keine Anwachsung der Anteile bei den verbleibenden Gesellschaftern Der Anteil ist rechtlich selbständig und geht mit dem Tod des Gesellschafters auf den oder die Erben als Gesamtrechtsnachfolger über. Die Vererblichkeit des Geschäftsanteils kann durch den Gesellschaftsvertrag auch nicht abbedungen werden (§ 15 GmbHG). Der Gesellschaftsvertrag kann jedoch Regelungen enthalten, nach denen die Erben verpflichtet sind, den durch Erbanfall erworbenen Geschäftsanteil auf die verbliebenen Gesellschafter oder die Gesellschaft gegen eine Abfindung zu übertragen. Ist die Abfindung geringer als der sich nach § 12 Abs. 1 und 2 ErbStG ergebende steuerliche Wert des Anteils, werden die verbleibenden Gesellschafter bereichert. Diesen Erwerb erfasst § 3 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 ErbStG. Erwerber sind bei der Kapitalgesellschaft die Gesellschafter, wenn die 1 BFH v. 5.12.1990 – II R 109/86, BFHE 163, 223 = BStBl. II 1991, 181; FG Düsseldorf v. 14.6.2006 – 4 K 7107/02 Erb, ErbStB 2006, 305 = EFG 2006, 1447; Meinke16, § 3 ErbStG Rz. 59; Geck in Kapp/Ebeling, § 3 ErbStG Rz. 237 (Stand: Juni 2015). 2 BFH v. 12.7.1979 – II R 26/78, BFHE 128, 266 = BStBl. II 1979, 631; v. 5.12.1990 – II R 109/86, BFHE 163, 223 = BStBl. II 1991, 181. 3 StEntlG 1999/2000/2002 v. 25.3.1999, BGBl. I 1999, 402. 4 BFH v. 1.7.1992 – II R 103/90, BFH/NV 1993, 101; a.A. Meinke16, § 3 ErbStG Rz. 70.
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Steuerpflichtiger Erwerb von Todes wegen (Abs. 1)
Rz. 90 § 3 ErbStG
Erben verpflichtet sind, den Anteil des verstorbenen Gesellschafters auf diese zu übertragen. Sind sie verpflichtet, den Anteil auf die Gesellschaft zu übertragen, ist die Gesellschaft selbst Erwerber. Wird der Geschäftsanteil eines Gesellschafters einer GmbH bei dessen Tod eingezogen (§ 34 GmbHG), geht der auf die Erben übergegangene Anteil unter. Erhalten die Erben eine Abfindung, die geringer ist, als der sich nach § 12 ErbStG ergebende steuerliche Wert des Anteils, unterliegt die dadurch eintretende Werterhöhung der Anteile der verbleibenden Gesellschafter nach § 3 Abs. 1 Nr. 2 Satz 3 ErbStG als Schenkung auf den Todesfall des Erblassers an diese Gesellschafter der Besteuerung. Die Regelung wurde durch das StEntlG 1999/2000/20021 eingefügt und sollte die bis dahin bestehende Regelungs- und Besteuerungslücke schließen.
VI. Vermächtnisgleicher Erwerb (Abs. 1 Nr. 3) Sonstige Erwerbe, auf die die für Vermächtnisse geltenden Vorschriften des bürgerlichen Rechts An- 87 wendung finden, gelten als Erwerbe von Todes wegen (§ 3 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG). Zu diesen vermächtnisgleichen Erwerben gehört insbesondere der sog. Voraus (§ 1932 BGB). Sofern der überlebende Ehegatte oder Lebenspartner (§ 10 Abs. 1 Satz 3 bis 5 LPartG) gesetzlicher Erbe geworden ist, hat er unabhängig von der Form des Güterstandes gem. § 1932 BGB neben seinem Erbteil einen vermächtnisgleichen Anspruch auf die zum ehelichen Haushalt gehörenden Gegenstände (soweit sie nicht Zubehör eines Grundstücks sind) und auf die Hochzeitsgeschenke. Sind neben ihm gesetzliche Erben der ersten Ordnung vorhanden, so muss er nachweisen, dass er die Gegenstände zur Führung eines angemessenen Haushalts benötigt, § 1932 Abs. 1 Satz 2 BGB. Dass der Gesetzgeber den Voraus gleichwohl im Ergebnis nicht besteuern wollte, zeigt § 13 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG, wonach der Hausrat einschließlich Wäsche und Kleidungsstücke bei einem Erwerb durch einen Steuerpflichtigen der Steuerklasse 1 bis zu einem Betrag von insgesamt 41 000 Euro steuerfrei ist (vgl. § 13 ErbStG Rz. 7).2 Ein weiterer Fall des § 3 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG ist der sog. Dreißigste (§ 1969 BGB). Demzufolge ha- 88 ben Familienangehörige des Erblassers, die zur Zeit des Todes des Erblassers zu dessen Haushalt gehören und die von ihm Unterhalt bezogen haben, einen vermächtnisgleichen Anspruch gegen den Erben auf Unterhalt für die ersten dreißig Tage nach dem Erbfall, und zwar in demselben Umfang, in dem sie zuvor von dem Erblasser Unterhalt empfangen haben. Darüber hinaus haben sie für den Zeitraum von dreißig Tagen ein Benutzungsrecht an der Wohnung und den Haushaltsgegenständen. Nach § 13 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG bleiben auch diese Unterhaltsleistungen steuerfrei(vgl. § 13 ErbStG Rz. 57).3 Zu den vermächtnisgleichen Erwerben gehören auch die Kürzung des Anteils eines Abkömmlings 89 bei der fortgesetzten Gütergemeinschaft und Zuwendungen an einen Dritten (§§ 1512 ff. BGB), der Anspruch auf Ausbildungsmittel des Stiefabkömmlings, der durch den Zugewinnausgleich benachteiligt wurde (§ 1371 Abs. 4 BGB) und der Abfindungsergänzungsanspruch nach § 13 Abs. 1 HöfeO.4
VII. Vermögensvorteile von Dritten aufgrund eines vom Erblasser geschlossenen Vertrages (Abs. 1 Nr. 4) 1. Vertrag zugunsten Dritter Nach § 3 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG gilt jeder Vermögensvorteil, der aufgrund eines vom Erblasser ge- 90 schlossenen Vertrags bei dessen Tode von einem Dritten unmittelbar erworben wird, als Erwerb von Todes wegen. Voraussetzung ist, dass der Erblasser mit einem anderen einen Vertrag zugunsten eines 1 2 3 4
StEntlG 1999/2000/2002 v. 25.3.1999, BGBl. I 1999, 402. Götz in Gürsching/Stenger, § 3 ErbStG Rz. 216 (Stand: September 2016); Hils in Tiedtke, § 3 ErbStG, Rz. 53. Hils in Tiedtke, § 3 ErbStG 2009 Rz. 54. BFH v. 28.7.1976 – II R 145/71, BFHE 120, 401 = BStBl. II 1977, 79; v. 29.9.2015 – II R 23/14, BFHE 251, 485 = BStBl. II 2016, 104; Esskandari/Winter in Lippross/Seibel, § 3 ErbStG Rz. 123 (Stand: Juni 2013); Meincke16, § 3 ErbStG Rz. 71 f.; Hülsmann in Wilms/Jochum, § 3 ErbStG Rz. 205 (Stand: Oktober 2014).
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§ 3 ErbStG Rz. 91 Erwerb von Todes wegen begünstigten Dritten abgeschlossen hat (sog. Vertrag zugunsten Dritter; §§ 328 ff. BGB). Zivilrechtlich wird zwischen dem echten und dem unechten Vertrag zugunsten Dritter entscheiden. Beim echten Vertrag zugunsten Dritten erhält der Dritte durch den Abschluss des Vertrages einen unmittelbaren Rechtsanspruch gegen den Vertragspartner des Erblassers. Beim unechten Vertrag zugunsten Dritter steht das Recht, die Leistung zu fordern, weiterhin dem Erblasser bzw. dessen Erben zu, der Vertragspartner kann jedoch mit befreiender Wirkung gegenüber dem Dritten leisten.1 § 3 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG erfasst beide Formen des Vertrags zugunsten Dritter. Ihnen ist gemein, dass der Dritte seine Leistung außerhalb des Nachlasses erlangt. Gäbe es die Fiktion des § 3 Abs. 4 Nr. 4 ErbStG nicht, würde dieser außerhalb des Nachlasses stattfindende Erwerb nicht von der Erbschaftsteuer erfasst. Die häufigsten Anwendungsfälle des § 3 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG sind Lebensversicherungsverträge, Rentenverträge und Verträge über Hinterbliebenenbezüge.2 91
Die Beziehung zwischen dem Erblasser und seinem Vertragspartner wird als Deckungsverhältnis bezeichnet, die Beziehung zwischen dem Erblasser und dem Dritten als Valutaverhältnis.3 Das Valutaverhältnis ist eine freigebige Zuwendung i.S.v. § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG, die nach dem Tod des Erblassers von dem Vertragspartner erfüllt wird. Sie wird nach § 3 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG den Erwerben von Todes wegen zugerechnet, weil die die Steuerpflicht auslösende Bereicherung des Dritten erst beim Tode des Erblassers als Zuwendendem eintritt. Gleichwohl ist die Rechtslage vergleichbar. Daher muss das Valutaverhältnis als weitere Voraussetzung für den Erwerb von Todes wegen nach § 3 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG alle objektiven und subjektiven Merkmale einer freigebigen Zuwendung erfüllen, d.h. es muss zu einer objektiven Bereicherung beim Zuwendungsempfänger führen und der Erblasser muss mit dem Willen zur Unentgeltlichkeit handeln.4 Darüber hinaus setzt § 3 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG voraus, dass der Rechtsanspruch des begünstigten Dritten gegen den Vertragspartner des Erblassers erst mit dem Tod des Erblassers entsteht.5 Entsteht der Anspruch des Dritten aus dem Vertrag bereits zu Lebzeiten des Erblassers, so sind die Voraussetzungen des § 3 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG nicht erfüllt und es bleibt eine Schenkung unter Lebenden i.S.v. § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG.
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Nach § 333 BGB hat der begünstigte Dritte das Recht, das aus dem Vertrag zugunsten Dritter erworbene Recht dem Versprechenden gegenüber zurückzuweisen. Für eine erfolgreiche Zurückweisung muss diese gegenüber dem Vertragspartner des Erblassers als Versprechendem erfolgen.6 Eine Zurückweisung gegenüber dem Erblasser ist nicht ausreichend. Das Recht gilt im Fall einer erfolgreichen Zurückweisung als nicht erworben, so dass keine Besteuerung des zurückgewiesenen Vermögensvorteils bei dem Zurückweisenden eintritt.7 Die Zurückweisung wirkt auf den Zeitpunkt der Entstehung des Steuertatbestands zurück. Erfolgt sie nach der Steuerfestsetzung, ist der Erbschaftsteuerbescheid nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO zu ändern oder aufzuheben.
1 Grüneberg in Palandt75, Einf. § 328 BGB Rz. 1; Götz in Gürsching/Stenger, § 3 ErbStG Rz. 220 (Stand: September 2016). 2 BGH v. 26.11.1975 – IV ZR 138/74, NJW 1976, 749; v. 19.10.1983 – IVa ZR 71/82, NJW 1984, 480; v. 26.11.2003 – IV ZR 438/02, NJW 2004, 767; BFH v. 17.10.2007 – II R 8/07, ErbStB 2008, 163 = BFH/NV 2008, 572). Zu Leistungsbezügen aus einer vom Erblasser zur Befreiung von der Pflichtversicherung in der gesetzlichen Rentenversicherung abgeschlossene Lebensversicherungen vgl. BFH v. 24.10.2001 – II R 10/00, BStBl. II 2002, 153 = FR 2002, 348 m. Anm. Viskorf. 3 Grüneberg in Palandt75, Einf. § 328 BGB Rz. 3, 4; a.A. Wall, ZEV 2011, 3; Forderungsvermächtnis statt Schenkung im Valutaverhältnis des Vertrags zugunsten Dritter auf den Todesfall. 4 BFH v. 30.9.1987 – II R 122/85, BStBl. II 1987, 861; v. 24.10.2001 – II R 10/00, BStBl. II 2002, 153 Rz. 14 = FR 2002, 348 m. Anm. Viskorf; v. 17.10.2007 – II R 8/07, ErbStB 2008, 163 = BFH/NV 2008, 572; v. 18.9.2013 – II R 29/11, FR 2014, 575 = ErbStB 2014, 61 = BFH/NV 2014, 447; vgl. auch BFH v. 5.12.1990 – II R 109/86, BStBl. II 1991, 181; Geck in Kapp/Ebeling, § 3 ErbStG Rz. 274 ff. (Stand: Juni 2015); Esskandari/Winter in Lippross/Seibel, § 3 ErbStG Rz. 127 ff. (Stand: Juni 2013); Meincke16, § 3 ErbStG Rz. 79 ff.; Gottschalk in T/G/J, § 3 ErbStG Rz. 278 (Stand: Oktober 2014); Seer in Tipke/Lang, Steuerrecht22, § 15 Rz. 17. 5 BFH v. 7.2.2001 – II B 11/00, BStBl. II 2001, 245 = FR 2001, 425. 6 Grüneberg in Palandt75, § 333 BGB Rz. 2. 7 Grüneberg in Palandt75, § 333 BGB Rz. 3.
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Steuerpflichtiger Erwerb von Todes wegen (Abs. 1)
Rz. 96 § 3 ErbStG
2. Lebensversicherungen Bei den Lebensversicherungsverträgen erhält der begünstigte Dritte, der als Bezugsberichtigter im 93 Versicherungsvertrag genannt sein muss, im Fall des Todes des Erblassers als Versicherungsnehmer einen Anspruch auf Auszahlung der Versicherungssumme gegen die Versicherung. Dieser Anspruch fällt nicht in den Nachlass, sondern wird von § 3 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG erfasst. Hat der Bezugsberechtigte aus der Lebensversicherung hingegen die Prämien ganz oder teilweise selbst gezahlt, liegt im Valutaverhältnis keine Schenkung oder gemischte Schenkung vor. Die beim Tod ausgezahlte Versicherungsleistung ist dann nach dem Verhältnis der vom Versicherungsnehmer/Erblasser gezahlten Versicherungsbeiträge aufzuteilen.1 Nur der vom Erblasser getragene Teil der Versicherungsleistung – gemessen am Anteil an den geleisteten Prämien – unterliegt der Erbschaftsteuer. Der Bezugsberechtigte trägt die Beweislast hinsichtlich der von ihm gezahlten Versicherungsbeiträge.2 3. Ansprüche von Hinterbliebenen Ansprüche auf eine zusätzliche betriebliche Altersversorgung, die Hinterbliebenen eines Arbeitneh- 94 mers zustehen, unterliegen nach der Rspr. des BFH nicht nach § 3 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG der Erbschaftsteuer.3 Diese Rspr. beruht darauf, dass Ansprüche auf eine betriebliche Altersversorgung erbschaftsteuerrechtlich nicht anders behandelt werden sollen, als die Bezüge, die Hinterbliebene kraft Gesetzes erhalten, z.B. Bezüge, die den Hinterbliebenen von gesetzlich rentenversicherten Arbeitnehmern und von Beamten, Berufssoldaten und Richtern zustehen. Der zu weite Wortlaut des § 3 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG ist ggf. entsprechend einzuschränken (teleologische Reduktion).4 Dies gilt für alle Hinterbliebenenansprüche, unabhängig davon, ob sie durch Tarifvertrag, Betriebs- 95 vereinbarung, eine Ruhegeldordnung, betriebliche Übung, den Gleichbehandlungsgrundsatz oder Einzelvertrag begründet wurden.5 Etwas anders gilt jedoch für den Anspruch aus einer Direktversicherung, wenn der Bezugsberechtigte die in §§ 46 bis 48 SGB VI bestimmten persönlichen Voraussetzungen für den Bezug einer Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung des verstorbenen Arbeitnehmers nicht erfüllt. Dieser Fall ist nicht anders zu behandeln, als der Anspruch aus einer vom Arbeitnehmer selbst abgeschlossenen Lebensversicherung.6 Daher unterfallen auch Hinterbliebenenbezüge, die nicht auf ein Arbeitnehmer-Verhältnis des Erblassers zurückgehen, z.B. die den Hinterbliebenen eines verstorbenen Gesellschafters einer Personengesellschaft auf Grund des Gesellschaftsvertrags zustehen, der Besteuerung nach § 3 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG. Hinterbliebenenbezüge, die auf einem zwischen dem Erblasser und seinem Arbeitgeber geschlosse- 96 nen Einzelvertrag beruhen, sind, soweit sie angemessen sind, nicht steuerbar. Als „angemessen“ sind solche Hinterbliebenenbezüge anzusehen, die 45 % des Brutto-Arbeitslohnes des verstorbenen Arbeitnehmers nicht übersteigen.7 Darunter fallen auch die Hinterbliebenenbezüge, die ein Gesellschafter-Geschäftsführer mit der GmbH, deren Geschäftsführer er war, vereinbart hat. Voraussetzung dafür ist jedoch, dass der Gesellschafter-Geschäftsführer wie ein abhängiger Beschäftigter anzusehen ist und die Hinterbliebenenbezüge angemessen sind. Ist der Geschäftsführer zugleich als herrschender 1 BFH v. 18.9.2013 – II R 29/11, BFHE 243, 385 = BStBl. II 2014, 261 = FR 2014, 575 = ErbStB 2014, 61; R E 3.7 Abs. 2 Satz 1 ErbStR 2011; Fischer in F/J/P/W5, § 3 ErbStG Rz. 520; Geck in Kapp/Ebeling, § 3 ErbStG Rz. 269.1 (Stand: Juni 2015); Gebel in T/G/J, § 3 ErbStG Rz. 293 (Stand: Oktober 2014). 2 R E 3.7 Abs. 2 Satz 3 ErbStR 2011. 3 BFH v. 20.5.1981 – II R 11/81, BStBl. II 1981, 715; v. 13.12.1989 – II R 23/85, BStBl. II 1990, 322; v. 15.7.1998 – II R 80/96, BFH/NV 1999, 311; v. 18.12.2013 – II R 55/12, BStBl. II 2014, 323 = FR 2014, 574 = ErbStB 2014, 62. 4 BFH v. 18.12.2013 – II R 55/12, BStBl. II 2014, 323 = FR 2014, 574 = ErbStB 2014, 62. 5 BFH v. 13.12.1989 – II R 31/89, BFHE 159, 223 = BStBl. II 1990, 325; v. 13.12.1989 – II R 23/85, BFHE 159, 228 = BStBl. II 1990, 322; v. 15.7.1998 – II R 80/96, BFH/NV 1999, 311; v. 16.1.2008 – II R 30/06, BFHE 220, 518 = BStBl. II 2008, 626 = FR 2008, 834 = ErbStB 2008, 132; v. 5.5.2010 – II R 16/08, BFHE 230, 188 = BStBl. II 2010, 923 = FR 2011, 40 = ErbStB 2010, 296; v. 24.5.2005 – II B 40/04, BFH/NV 2005, 1571; v. 18.12.2013 – II R 55/12, BStBl. II 2014, 323 = FR 2014, 574 = ErbStB 2014, 62; R E 3.5 Abs. 2 ErbStR 2011; Gebel in T/G/J, § 3 ErbStG Rz. 300 ff. (Stand: Oktober 2014); Hülsmann in Wilms/Jochum, § 3 ErbStG Rz. 211 ff. (Stand: Oktober 2014); Geck in Kapp/Ebeling, § 3 ErbStG Rz. 278 ff. (Stand: Juni 2015). 6 BFH v. 18.12.2013 – II R 55/12, BStBl. II 2014, 323 = FR 2014, 574 = ErbStB 2014, 62. 7 R E 3.5 Abs. 3 ErbStR 2011; Geck in Kapp/Ebeling, § 3 ErbStG Rz. 278 ff. (Stand: Juni 2015).
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§ 3 ErbStG Rz. 97 Erwerb von Todes wegen Gesellschafter anzusehen, unterliegen die Hinterbliebenenbezüge der Besteuerung nach § 3 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG. Nach Ansicht der FinVerw. ist ein beherrschender Gesellschafter dann anzunehmen, wenn er mittelbar oder unmittelbar zu mindestens 50 % am Kapital der Gesellschaft beteiligt ist oder über eine Sperrminorität im Gesellschaftsvertrag verfügt. Dabei sollen ihm Anteile des Ehegatten/Lebenspartners oder von Kindern zugerechnet werden.1 Diese Auffassung fußt auf einem Gesellschaftsbild der Anfangsjahre des letzten Jahrhunderts. Sie verstößt gegen den heute im Steuerrecht geltenden Grundsatz, dass Anteile von Eheleuten/Kindern nicht zusammengerechnet werden dürfen, weil diese unterschiedliche Interessen verfolgen können.2 Ob ein Geschäftsführer-Gesellschafter als herrschender Gesellschafter oder als Arbeitnehmer anzusehen ist, ist nur anhand objektiver Merkmale des Einzelfalls (Stimmrechtsausübung, Beteiligungsverhältnis) festzustellen. 4. Verträge zugunsten Dritter im Zusammenhang mit Bankguthaben und -depots 97
Der Erblasser kann außerhalb letztwilliger Verfügungen einem Dritten ein Bankguthaben oder ein Wertpapierdepot zukommen lassen, indem er dem Dritten eine Vollmacht über den Tod hinaus einräumt und gleichzeitig bestimmt, dass nach seinem Tod der Dritte allein über das Bankguthaben oder das Wertpapierdepot verfügen darf. Der Dritte kann dann nach dem Tod über das Bankguthaben oder das Depot vollumfänglich verfügen. Gleichwohl fällt es in den Nachlass und unterliegt nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG der Besteuerung, ggf. liegt in der Einräumung der Vollmacht zu Lebzeiten eine freigebige Zuwendung nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG vor.3
98
Hat der Erblasser dagegen mit der Bank einen Vertrag zugunsten Dritter auf den Todesfall zum Vorteil des Dritten abgeschlossen, wonach der Dritte nach dem Tod des Erblassers die im Bankguthaben oder Depot verkörperte Forderung gegenüber der Bank direkt erwirbt, erlangt der Dritte das Bankguthaben oder Depot außerhalb der Erbfolge unmittelbar aufgrund dieses Vertrags und unterliegt nach § 3 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG der Besteuerung.4
C. Sonstige Zuwendungen des Erblassers (Abs. 2) Literatur: Binnewies, Anmerkungen zum Urteil des BFH vom 30.1.2013, ErbStB 2013, 204; Blumers, Die Familienstiftung als Instrument der Nachfolgeplanung, DStR 2012, 1; Ebeling, Stiftungsvermögen im Zeitraum zwischen Todestag des Stifters und Genehmigung der Stiftung, ZEV 1998, 93; Gebel, Die Lust an Fiktionen, ZEV 1999, 249; Gebel, Erbschaftsteuer bei der Stiftung von Todes wegen, BB 2001, 2554; Habammer, Der ausländische Trust im deutschen Ertrag- und Erbschaft/Schenkungsteuerrecht, DStR 2002, 425; Jülicher, Brennpunkte der Besteuerung der inländischen Familienstiftung im ErbStG, StuW 1999, 363; Korezkij, Familienstiftungen im neuen Stiftungsrecht, ZEV 1999; Mutter/Schwarz, Keine Angst vor der Selbstanzeige – Nacherklärung von Einkünften aus Kapitalvermögen bei Vermögensbindung in Stiftungen und Trusts, IStR 2009, 807; von Oertzen, Anmerkungen zum Beitrag von Habammer aus der Sicht der Gestaltungsberatung, DStR 2002, 433; von Oertzen, Auflösung einer österreichischen Privatstiftung aus Sicht deutscher Begünstigter, SWI 2000, 324; von Oertzen/Friz, Steuerliche Fragen der neuen (Familien-)Verbrauchsstiftung nach dem „Gesetz zur Stärkung des Ehrenamtes“, BB 2014, 78; von Oertzen/Lemmer, Der US-Estate im deutschen Steuerrecht, IStR 2015, 952; von Oertzen/Reich/Stein, AngloAmerikanische Nachlasstruts und inländische Grundstücke bzw. grundstücksbesitzende Erbengemeinschaften; von Oertzen/Stein, Deutsch-US-Amerikanische Nachfolgeplanung: Steuervorteile im ErbStG durch Verwendung von Trusts, ZEV 2011, 500; Richter in von Campenhausen/Richter, Stiftungsrechts-Handbuch, 2014, § 41 Rz. 4 ff.; Roderburg, Anmerkungen zum Urteil des BFH vom 19.6.2013, ErbStB 2013, 271; Schauhoff, Gemeinnützige Stiftung und Versorgung des Stifters und seiner Nachkommen, DB 1996, 1693; Schienke-Ohletz/Kühn, Die steuerlichen Folgen beim Ausscheiden aus Truststrukturen, ZEV 2015, 150; Schindhelm/Stein, Der Trust im deutschen Erbschaft- und Schenkungsteuerrecht nach dem StEntlG 1999/2000/2002, FR 1999, 880; Schmidt, Aufwendungen zur Erfüllung einer Vermächtnisschuld keine Spende, FR 1994, 17; Sieker, Der US-Trust, 1991; Wachter, Steuerliche Behandlung von Stiftungen zwischen Errichtung und Anerkennung, ZEV 2003, 445; Wachter, Stiftungen, 2001; Weber/Grellet, Vermächtniszuwendung auch beim Erblasser nicht als Spende abziehbar, FR 1997, 179; Weber/Zürcher, Keine Schenkungsteuerbarkeit der Übertragung von Vermögen auf eine liechtensteinische Familienstiftung 1 2 3 4
H E 3.5 Nr. 1 ErbStH 2011. Vgl. Wacker in Schmidt35, § 15 EStG Rz. 846; Geck in Kapp/Ebeling, § 3 ErbStG Rz. 278 ff. (Stand: Juni 2015). Hülsmann in Wilms/Jochum, § 3 ErbStG Rz. 229 ff. (Stand: Oktober 2014). R E 3.7 Abs. 1 ErbStR 2011.
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Sonstige Zuwendungen des Erblassers (Abs. 2)
Rz. 103 § 3 ErbStG
als (unechte) Treuhänderin – Bemerkungen zum Urteil des BFH vom 28.6.2007, II R 21/05, DStRE 2007, 1170, DStR 2008, 803; Werder/Wystrcil, Steuerliches „Zuzugsverbot“ für Begünstigte eines Trusts in Deutschland, BB 2015, 412; Zensus/Schmitz, Die Familienstiftung als Gestaltungsinstrument zur Vermögensübertragung und -sicherung, NJW 2012, 1312.
I. Zuwendungen durch Errichtung einer Stiftung oder ausländischen Vermögensmasse (Abs. 2 Nr. 1) 1. Grundaussagen des Abs. 2 Nr. 1 a) Regelungsgegenstand § 3 Abs. 2 Nr. 1 ErbStG enthält zwei Steuertatbestände. Als erbschaftsteuerlicher Erwerb wird in § 3 99 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 ErbStG der Übergang von Vermögen auf eine vom Erblasser angeordnete Stiftung qualifiziert. In Satz 2 wird die Bildung oder Ausstattung einer Vermögensmasse ausländischen Rechts, die auf die Bindung von Vermögen gerichtet ist, zum steuerbaren Erwerb erklärt. Letzterer Steuertatbestand kam 1999 in das Gesetz und diente der Schließung von Besteuerungslücken. Dies ist bei der Interpretation der Norm zu berücksichtigen. b) Bedeutung und Telos § 3 Abs. 2 Nr. 1 ErbStG enthält Ergänzungstatbestände zu den Erwerben des § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG. 100 Sie fingiert erbschaftsteuerbare Erwerbe. Dadurch wird gleichzeitig festgelegt, dass für das Besteuerungsverhältnis im Grundsatz das Verhältnis des Erwerbers zum Erblasser maßgebend ist.1 Die Vorschrift enthält eine Sondervorschrift für alle Fälle des Vermögenstransfers auf eine vom Erb- 101 lasser angeordnete oder erbrechtlich begünstigte Stiftung.2 Sie gilt nicht bei Übergang von Vermögen bei im Erbfall schon existierender Stiftung oder Vermögensmasse ausländischen Rechts. Dann ist unmittelbar § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG einschlägig.3 Sie greift ein, wenn durch Stiftungsgeschäft von Todes wegen eine Stiftung durch Erbeinsetzung, Vermächtnisanordnung oder durch Auflage entstehen soll. Ferner greift die Vorschrift ein, wenn der Erbe oder Vermächtnisnehmer durch Stiftungsgeschäft unter Lebenden aufgrund einer testamentarischen Anordnung des Erblassers die Stiftung errichtet. Die Bedeutung der Vorschrift liegt in letzterem Fall darin, dass sie das Stiftungsgeschäft unter Leben- 102 den aus der Schenkungsbesteuerung (§ 7 Abs. 1 Nr. 8 ErbStG) in die Erbschaftsbesteuerung verlagert und als Zuwendung des Erblassers fingiert. Dies kann Auswirkungen auf die Steuerklasse haben. c) Geltungsbereich und Verhältnis zu anderen Vorschriften § 3 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 ErbStG greift nur ein, sofern eine rechtsfähige Stiftung errichtet wird i.S.d. 103 §§ 80 ff. BGB.4 Dies ergibt sich unmittelbar aus dem Gesetz, denn § 9 Abs. 1 Buchst. c ErbStG ordnet an, dass für die Steuerentstehung der Zeitpunkt der Anerkennung der Stiftung als rechtsfähig maßgeblich ist. Eine nicht rechtsfähige, unselbständige Stiftung wird generell nicht von einer Stiftungsaufsicht anerkannt. Die Errichtung einer nicht rechtsfähigen Stiftung wird als Zweckzuwendung gem. § 8 ErbStG qualifiziert. Erfasst wird auch nur die rechtsfähige Stiftung des privaten Rechts, weil die Errichtung einer öffentlich-rechtlichen Stiftung nicht vom Erblasser angeordnet werden kann.5 Der Steuertatbestand greift auch für ausländische Stiftungen, die nach dem deutschen steu-
1 Gebel in T/G/J, § 3 ErbStG Rz. 317 (Stand: Juli 2015). 2 Vgl. BFH v. 25.10.1995 – II R 20/92, BStBl. II 1996, 99. 3 Vgl. Meincke16, § 3 ErbStG Rz. 96; Weinmann in Moench/Weinmann, § 3 ErbStG Rz. 197 (Stand: Februar 2016). 4 Vgl. Gebel in T/G/J, § 3 ErbStG Rz. 318 f. (Stand: Juli 2015). 5 Vgl. Wälzholz in V/K/S/W4, § 3 ErbStG Rz. 214; Fischer in F/J/P/W 5, § 3 ErbStG Rz. 528.
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§ 3 ErbStG Rz. 104 Erwerb von Todes wegen errechtlichen Typenvergleich der deutschen rechtsfähigen Stiftung vergleichbar sind. Ein Rückfall auf § 3 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 ErbStG erfolgt nicht (vgl. auch § 1 ErbStG Rz. 32 m.w.N.).1 104 § 3 Abs. 2 Nr. 1 ErbStG wird für lebzeitige Stiftungserrichtungen und lebzeitige Errichtungen auslän-
discher Vermögensmassen um § 7 Abs. 1 Nr. 8 ErbStG ergänzt, die Auflösung wird in § 7 Abs. 1 Nr. 9 ErbStG geregelt. Der Steuerentstehungszeitpunkt ist in § 9 Abs. 1 Buchst. c ErbStG definiert. Bei der Errichtung einer Familienstiftung i.S.d. § 1 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG ist das Steuerklassenprivileg des § 15 Abs. 2 Satz 3 ErbStG zu beachten, und bei der Errichtung einer gemeinnützigen Stiftung kann die Steuerbefreiung des § 13 Abs. 1 Nr. 16 Buchst. b ErbStG eingreifen. Satzungsmäßige Ausschüttungen der Stiftung sind jedoch nicht schenkungsteuerbar,2 anders als Ausschüttungen an einen sog. Zwischenberechtigten einer Vermögensmasse ausländischen Rechts, gerichtet auf die Bindung von Vermögen. Ertragsteuerlich ist anlässlich der Errichtung § 6 Abs. 3 EStG bei Mitunternehmeranteilen zu beachten. Mitunternehmerteilanteile können nach h.M. nicht buchwertneutral auf Stiftungen übertragen werden. Dies gilt selbst bei gemeinnützigen Stiftungen.3 Bzgl. der Ausschüttungen ist auf Ebene der Stiftung das Abzugsverbot des § 10 Nr. 1 KStG zu beachten. Für die Besteuerung der Destinatäre gilt § 20 Abs. 1 Nr. 9 EStG bzw. § 20 Abs. 2 Nr. 8 EStG. Einzelheiten sind aber umstritten (vgl. auch die Ausführungen in § 1 ErbStG Rz. 28). Besonders unklar ist das Verhältnis bei der Ausschüttung von Grundstockvermögen.4 105 Sofern eine gemeinnützige Stiftung errichtet wird, ist zu beachten, dass bei Vermächtnissen oder
Auflagen diese Vermögensdotation nicht als Sonderausgabe, weder beim Erblasser noch beim Erben, geltend gemacht werden kann.5 Dies gilt auch bei der Ernennung der Stiftung zum Erben.6 Bezüglich des Steuertatbestands der Bildung der Vermögensmasse ausländischen Rechts werden verfassungs- und völkerrechtliche Bedenken an der Norm geltend gemacht.7 Der BFH teilt ersichtlich diese Auffassung nicht.8 d) Rechtsentwicklung 106 § 3 Abs. 2 Nr. 1 ErbStG ist durch das StEntlG 1999/2000/20029 um den Tatbestand der Dotation der
Vermögensmasse ausländischen Rechts, gerichtet auf die Bindung von Vermögen, ergänzt worden. 2. Übergang von Vermögen auf eine vom Erblasser angeordnete Stiftung (Abs. 2 Nr. 1 Satz 1) 107 Aus den unter Rz. 103 genannten Gründen ist Zuwendungsempfänger eine rechtsfähige Stiftung des
Privatrechts.10 108 Besteuert wird das Vermögen im Zeitpunkt der Anerkennung der Stiftung als rechtsfähig. Dies ord-
net ausdrücklich § 9 Abs. 1 Buchst. c ErbStG an. Daraus schließt der BFH,11 dass erbschaftsteuerlich nicht nur das im Todestag des Erblassers vorhandene Vermögen, sondern auch der zwischen Todestag und Anerkennung der Stiftung eingetretene Zuwachs des Vermögens der Besteuerung unterliegt. Dem BFH folgt die Finanzverwaltung.12 Dies ist insoweit problematisch, als dieser Vermögenszuwachs gleichzeitig auch der Körperschaftsteuer oder je nach Situation (z.B. bei Vermächt1 Str., vgl. Gebel in T/G/J, § 3 ErbStG Rz. 322 (Stand: Juli 2015); Hülsmann in Wilms/Jochum, § 3 ErbStG Rz. 251 (Stand: Juni 2016). 2 Vgl. Wachter, Stiftungen, Teil D, Rz. 22; Richter in v. Campenhausen/Richter4, § 41 Rz. 4. 3 BMF v. 3.3.2005 – IV b 2 - S 2241-14/05, BStBl. I, 458, Tz. 3. 4 Vgl. hierzu von Oertzen/Friz, BB 2014, 87 ff. m.w.N. 5 Vgl. BFH v. 23.10.1996 – X R 75/94, BStBl. II 1997, 239 = FR 1997, 178 m. Anm. Weber-Grellet; v. 22.9.1993 – X R 107/91, BStBl. II 1993, 874 = FR 1994, 15 m. Anm. Schmidt. 6 Kulosa in HHR, § 10b EStG Rz. 13 (Stand: Mai 2016). 7 Vgl. weiterführend Gebel in T/G/J, § 3 ErbStG Rz. 322 (Stand: Juli 2015). 8 Vgl. BFH v. 19.6.2013 – II R 10/12, FR 2014, 248 = ISR 2013, 302 m. Anm. Roderburg = ErbStB 2013, 271 = BFH/NV 2013, 1491. 9 StEntlG 1999/2000/2002 v. 24.3.1999, BGBl. I 1999, 402. 10 Vgl. Gebel in T/G/J, § 3 ErbStG Rz. 318 f. (Stand: Juli 2015); Wälzholz in V/K/S/W4, § 3 ErbStG Rz. 214. 11 Vgl. BFH v. 25.10.1995 – II R 20/92, BStBl. II 1996, 99. 12 Vgl. H E 9.3 ErbStH 2011.
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Sonstige Zuwendungen des Erblassers (Abs. 2)
Rz. 113 § 3 ErbStG
niseinsetzungen) auch der Einkommensteuer beim Erben unterliegen kann.1 Nach dem Wortlaut und der Systematik des Gesetzes (vgl. auch § 11 ErbStG) ist die Auffassung des BFH nachvollziehbar und vom Wortlaut des Gesetzes zwingend. Es fragt sich aber, ob im Hinblick auf die letzte BFHRechtsprechungsentwicklung2 der BFH heute noch genauso entscheiden würde. Bei der Bereicherung der Stiftung kann nicht bereicherungsmindernd berücksichtigt werden, dass 109 die Stiftung das zugewendete Vermögen satzungsmäßig zu verwenden hat. Für Familienstiftungen ergibt sich dies unmittelbar aus § 10 Abs. 7 ErbStG. Im Übrigen ergibt sich dies daraus, dass es sich bei satzungsmäßigen Verwendungsvorgaben nicht um auf der Zuwendung ruhende Lasten oder Auflagen handelt.3 Etwas anderes gilt nur dann, wenn unmittelbare Zahlungsansprüche bei den Destinatären begründet werden oder wenn Vermögen mit Nießbrauchsvorbehalten auf die Stiftung übergeht. Ein Übergang von Vermögen liegt im Übrigen nur dann vor, wenn die Stiftung rechtlich und wirt- 110 schaftlich frei über das Vermögen verfügen kann (vgl. ausführlich zum Thema Hinterziehungs-/ Treuhandstiftung noch in § 7 ErbStG Rz. 366 ff.).4 3. Übergang auf eine vom Erblasser angeordnete Vermögensmasse ausländischen Rechts, gerichtet auf die Bindung von Vermögen (Abs. 2 Nr. 1 Satz 2) a) Systematische Aspekte Diese Vorschrift, die auf Initiative des Landes Hessen in das Gesetz kam (zusammen mit einer Er- 111 gänzung der §§ 7 Abs. 1 Nr. 8, 7 Abs. 1 Nr. 9, 15 Abs. 2 Satz 2 und 20 Abs. 1 Satz 2 ErbStG), sollte eine vermeintliche Lücke, insbesondere der sog. Trustbesteuerung, schließen, weil der Gesetzgeber meinte, die ausländischen Rechtsträger nicht mit den vorhandenen Steuertatbeständen erfassen zu können. Daraus folgt aber auch, dass die Vorschrift restriktiv und subsidiär anzuwenden ist, also dann, wenn der ausländische Rechtsvorgang nicht unter einen anderen Steuertatbestand gefasst werden kann. Sie ist eingebettet in das bisherige Erbschaftsteuersystem zu interpretieren.5 Daraus folgt aber auch, dass sie genauso wie § 3 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 ErbStG, als eine Sondervorschrift für alle Fälle des Vermögenstransfers auf eine vom Erblasser letztwillig angeordnete oder errichtete Vermögensmasse anzuwenden ist. Sie greift aber nicht ein bei einer im Erbfall schon vorhandenen Vermögensmasse, die im Wege des 112 Vermächtnisses etwas erhält, z.B. im Testament erhält ein schon existierender Generation-SkippingTrust nach US-Recht ein Vermächtnis. Ein Fall des § 3 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 ErbStG liegt aber vor, wenn im Testament ein Generation-Skip- 113 ping-Trust angeordnet wird, wenn die Testamentsanordnung nach deutschem internationalen Privatrecht, also seit dem 16.8.2015 (früher nach Art. 25 Abs. 1 EGBGB) nach der EU-Erbrechtsverordnung wirksam ist. Der Steuertatbestand greift auch in Fällen, in denen der Erblasser den Erben oder Vermächtnisnehmer mit der Auflage beschwert hat, einen Irrevocable Trust mit intendierter Dauer von mehreren Jahrzehnten durch Rechtsgeschäft unter Lebenden zu errichten. Dies ist eine zivilrechtliche Struktur, die man bei der Anwendbarkeit deutschen Erbrechts wählen könnte, um der Tatsache Rechnung zu tragen, dass der erbrechtlich errichtete testamentarische Trust mangels Existenz im deutschen Erbrecht unwirksam und in eine deutsche erbrechtliche Verfügung umzudeuten ist, was auch für die Besteuerung gilt, da die Erbschaftsteuer als Verkehrssteuer an das Zivilrecht anknüpft.
1 Vgl. Gebel in T/G/J, § 3 ErbStG Rz. 320 m.w.N. (Stand: Juli 2015). 2 Vgl. BFH v. 30.1.2013 – II R 38/11, FR 2013, 562 = GmbHR 2013, 668 m. Anm. Binnewies = ErbStB 2013, 204 = ZFV 2013, 349. 3 Vgl. BFH v. 16.1.2002 – II R 82/99, BStBl. II 2002, 303 = FR 2002, 797; Gebel in T/G/J, § 3 ErbStG Rz. 320 (Stand: Juli 2015). 4 Vgl. BFH v. 28.6.2007 – II R 21/05, BStBl. II 2007, 669 = FR 2008, 149 = ErbStB 2007, 293. 5 Vgl. hierzu auch von Oertzen/Lemmer, IStR 2015, 952 ff.
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§ 3 ErbStG Rz. 114 Erwerb von Todes wegen 114 Meincke1 fragt sich, ob die ausländische Vermögensmasse bei Auflösung ggf. spätestens die Weiter-
gabeverpflichtung an die Anfallsberechtigten bereicherungsmindernd geltend machen kann. Dies ist nicht der Fall. Es gilt dasselbe wie bei der Stiftung. Dort kann bei Auflösung der Stiftung die Errichtungsbesteuerung ebenfalls nicht korrigiert werden, vgl. im Übrigen noch die Ausführungen zu § 7 Abs. 1 Nr. 9 ErbStG, dort auch zum Verhältnis zur Einkommensteuer (vgl. § 7 ErbStG Rz. 405). b) Begriff der Vermögensmasse 115 Der Besteuerungstatbestand setzt verschiedene Kriterien voraus: Es muss
(i) eine Vermögensmasse vorliegen, (ii) die ausländischem Recht unterliegt, und (iii) diese Vermögensmasse muss auf die Bindung von Vermögen gerichtet sein. 116 Das ErbStG benutzt diesen Begriff der Vermögensmasse auch in § 2 Abs. 2 Buchst. d ErbStG. Dort
wird nach herkömmlicher Auffassung auf die Vorschriften des KStG verwiesen. In § 2 KStG wird der Begriff der Vermögensmasse erwähnt, die weder ihre Geschäftsleitung noch ihren Sitz im Inland hat. Auch in § 3 KStG findet der Begriff Erwähnung. Da das ErbStG im Baukastenprinzip konzipiert ist, folgt daraus, dass eine ausländische Vermögensmasse nicht eine ausländische rechtsfähige Stiftung sein kann. Die ausländische Stiftung wird schon durch den Begriff Stiftung in § 3 Abs. 2 Nr. 1 ErbStG erfasst. Darüber hinaus kann eine Vermögensmasse nicht ein ausländischer Kapitalgesellschaftsanteil oder Personengesellschaftsanteil sein. Das Gesetz hat für diese Rechtspositionen eigenständige Vorschriften vorgesehen, wie z.B. § 3 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG oder § 7 Abs. 7 ErbStG zeigen. Das Gesetz kennt den Begriff der Stiftung, den Verein, den Anteil an einer Personengesellschaft und den Anteil an einer Kapitalgesellschaft. 117 In Abgrenzung zum Anteil an einer Kapitalgesellschaft oder zum Anteil an einer Personengesellschaft
darf es keine Anteilseigner geben. Die Vermögensmasse darf allenfalls destinatärsähnliche Rechte gewähren, ohne Mitgliedschaftsrechte auszugeben oder zu gewähren. Deswegen kann auch die Joint-Tenancy With the Right to Survivorship nicht von diesem Begriff erfasst sein.2 Denn sie ist eine Art Bruchteilseigentümergemeinschaft mit Anwachsungsrecht bei Tode des ersten der Partner. Da in der Joint-Tenancy Eigentumswerte bei den Joint-Tenants existieren, kann dann aber keine Vermögensmasse vorliegen, weil sie den Begünstigten Eigentümerrechte in Form von Mitgliedschaftsrechten gewährt. Dies schließt aber den subsidiären Tatbestand der Vermögensmasse gerichtet auf die Bindung von Vermögen aus. 118 Vermögensmasse bedeutet eine gewisse Verselbständigung i.S.e. eigenen Zweckvermögens.3 Wenn
die Vermögensmasse noch nicht rechtlich und wirtschaftlich eigenständig über das Vermögen verfügen kann, wie dies z.B. beim Revocable Trust der Fall ist, der auch ertragsteuerlich regelmäßig als nicht existent behandelt wird, liegt die Vermögensmasse ebenfalls nicht vor.4 Bei der Frage, ob eine Vermögensmasse vorliegt, sollte man sich auch von den Wertungen des § 15 AStG leiten lassen, insbesondere § 15 Abs. 4 AStG und § 15 Abs. 6 Nr. 1 AStG, damit der Begriff in allen Steuerarten möglichst einheitlich interpretiert wird. c) Ausländisches Recht 119 Die Vermögensmasse muss ausländischen Rechts sein. Eine Vermögensmasse, die inländischen
Rechts ist, qualifiziert nicht für den Tatbestand. Da das Gesetz nicht von einer ausländischen Vermögensmasse, sondern von einer Vermögensmasse ausländischen Rechts spricht, ist maßgebend nicht der Sitz oder die Geschäftsleitung im In- oder Ausland, sondern, ob auf die Vermögensmasse ausländisches oder inländisches Recht anzuwenden ist. Das Unterscheidungskriterium, wann dies der Fall ist, bestimmt sich ausschließlich nach den Vorschriften des deutschen internationalen Privatrechts. Ist nach dem deutschen internationalen Privatrecht auf dieses Steuersubjekt kollisions1 2 3 4
Meincke16, § 3 ErbStG Rz. 95a. Vgl. Jülicher, ZEV 2001, 469 (474). Vgl. Füger/von Oertzen, IStR 1999, 11 ff. A.A.: Jülicher in T/G/J, § 2 ErbStG Rz. 128 m.w.N. (Stand: Juli 2015).
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Sonstige Zuwendungen des Erblassers (Abs. 2)
Rz. 123 § 3 ErbStG
rechtlich kraft deutscher Verweisung ausländisches Recht anzuwenden, kann eine Vermögensmasse ausländischen Rechts gegeben sein. Nicht maßgebend ist, welches Recht der Sitzstaat oder Belegenheitsstaat des Vermögens auf diese Vermögensmasse anwendet. § 3 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 ErbStG ist eine deutsche Besteuerungsvorschrift, die als Tatbestandsmerkmal eine Vermögensmasse ausländischen Rechts voraussetzt. Dieses Tatbestandsmerkmal ist unter Zugrundelegung des deutschen Rechts, der deutschen Regelungssystematik und inklusive des deutschen Kollisionsrechts auszulegen. Deswegen müssen deutsche Kollisionsnormen den Anwendungsbefehl für das Vorliegen des ausländischen Rechts geben. Das Vorliegen des Steuertatbestands kann nicht davon abhängig sein, ob ein ausländischer Staat sein Recht angewendet wissen will, sondern kann nur dann eingreifen, wenn eine deutsche Rechtsnorm kraft gesetzlichen Anwendungsbefehls festgestellt hat, dass die Vermögensmasse vom ausländischen Recht beherrscht wird. Dies bedeutet aber für die Praxis, dass ein Deutscher im Ausland, der unter falschem Recht aus deut- 120 scher Sicht testiert und z.B. einen Testamentary Trust errichtet, nicht den Besteuerungstatbestand des § 3 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 ErbStG erfüllt. Entsteht nach deutschem Recht nicht die Vermögensmasse, weil deutsches Recht anzuwenden ist und ist aus deutscher Sicht die ausländische Rechtsfigur in eine deutsche Testamentsvollstreckung oder Vor- und Nacherbschaft umzudeuten, gilt dies auch für die deutsche Besteuerung. Es liegt dann eine hybride Rechtsform vor. Aus deutscher Sicht liegt im Zweifel eine Vor- und Nacherbschaft, aus ausländischer Sicht vielleicht ein Trust vor. Da aber das deutsche IPR den Normanwendungsbefehl zur Anwendung deutschen Erbrechts gibt, muss dies auch steuerrechtlich nachvollzogen werden. Der Trustee ist dann u.U. aus deutscher Sicht Testamentsvollstrecker, die begünstigten Erben Vor- oder Nacherben. Entsprechende Grundsätze gelten, wenn zwar wirksam das Gesamtstatut den Trust zulässt (z.B. US-Amerikaner mit Wohnsitz USA errichtet für sein Weltvermögen einen Testamentary Trust), aber in Deutschland belegenes Vermögen Trustvermögen werden soll. Dies ist aus sachenrechtlichen Gründen nicht möglich.1 Die Trusteeship an einen dem deutschen Recht unterstehenden GmbH- oder Kommanditanteil oder an einem deutschen Grundstück ist in eine Vor- und Nacherbschaft mit Testamentsvollstreckung umzudeuten, was auch steuerlich nachzuvollziehen ist.2 Ansonsten würde der deutsche Staat ein unwirksames Rechtsverhältnis besteuern, also eine nichtexistente Rechtsposition (hier die Errichtung einer Vermögensmasse ausländischen Rechts an einem deutschen Wirtschaftsgut, die aber real gar nicht existiert). d) Bindung von Vermögen Nicht jede Vermögensmasse ausländischen Rechts qualifiziert für den Tatbestand des § 3 Abs. 2 Nr. 1 121 Satz 2 ErbStG. Nur Vermögensmassen ausländischen Rechts, gerichtet auf die Bindung von Vermögen, erfüllen den Tatbestand. Das Merkmal Bindung von Vermögen ist auch in § 1 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG beim Familienverein mit- 122 erwähnt und in § 7 Abs. 1 Nr. 9 ErbStG bei der Auflösung eines Vereins, gerichtet auf die Bindung von Vermögen. Unklar ist, wann eine Bindung von Vermögen vorliegt. Das Kriterium soll einen Gleichlauf mit der Stiftungsbesteuerung herstellen. Bindung von Vermögen setzt eine gewisse Dauerhaftigkeit voraus. Eine Vermögensmasse ausländischen Rechts, die nur Abwicklungsfunktion hat, z.B. bei einer Truststruktur, die nur die Nachlassverteilung außerhalb des teuren US-Nachlassverfahrens mit seinen Öffentlichkeitswirkungen anstrebt (sehr häufig z.B. im Bundesstaat Kalifornien verwendet), ist keine Vermögensmasse gerichtet auf die Bindung von Vermögen. Es fehlt am stiftungsund dauertestamentsvollstreckungsähnlichen Element. Der schlichte Estate anglo-amerikanischen Rechts qualifiziert regelmäßig deswegen ebenfalls nicht für § 3 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 ErbStG.3 Ein klarer Fall liegt bei einem US-Generation-Skipping-Trust vor, der errichtet wird, um generati- 123 onsübergreifend Vermögen zu separieren und zu verwalten und der es auch ermöglicht, dass das Trustvermögen nicht den Gläubigern der Begünstigten zur Verfügung steht.
1 Vgl. ausführlich weiterführend von Oertzen/Stein/Reich, ZEV 2013, 109. 2 AG Freiburg i.Br. v. 3.4.2013 – 3 NG 246/10. 3 Vgl. ausführlich von Oertzen/Lemmer, IStR 2015, 952 ff.
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§ 3 ErbStG Rz. 124 Erwerb von Todes wegen 124 Schwierig zu qualifizieren sind die Fälle des Irrevocable Trust, die nur eine eingeschränkte Laufzeit
haben. Nach Schindhelm/Stein1 soll unter Anwendung des Rechtsgedanken des § 21 Abs. 1 Satz 4 ErbStG die Vermögensbindung nur vorliegen, wenn die Laufzeit dieser Vermögensmasse länger als fünf Jahre beträgt. Die Steueranrechnung ausländischer Steuern ist nach dieser Vorschrift nur innerhalb von fünf Jahren zwischen dem deutschen und ausländischen Steuerentstehungszeitpunkt möglich. Der Wortlaut des § 3 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 ErbStG spricht von einer Vermögensmasse ausländischen Rechts, deren Zweck auf die Bindung von Vermögen gerichtet ist. Daraus ist zu schließen, dass es die Intention sein muss, eine dauerhafte Vermögensverselbständigung herbeizuführen. Liegt eine Situation, ähnlich wie bei einer Dauertestamentsvollstreckung vor, ist der Tatbestand erfüllt. Hat die Vermögensmasse nur Abwicklungs- und Verteilungsfunktion, dann liegt die Bindung nicht vor. 125 Ist die Vermögensmasse so strukturiert, dass die Gläubiger der Begünstigten der Vermögensmasse
auf dieses Vermögen zugreifen können, liegt auch keine Vermögensmasse gerichtet auf die Bindung von Vermögen vor, weil dieses Vermögen wie bei einer Personengesellschaftsbeteiligung zerschlagen werden kann. 126 Trusts, die wie beim englischen bare trust oder bei US-Trusts errichtet nach den einzelstaatlichen Ge-
setzgebungen der US-Bundesstaaten, diese wiederum fußend auf dem Uniform Transfers to Minors Act und die letztlich in diesen Jurisdiktionen der einzige Weg sind, um minderjährigen Kindern Vermögen zuzuwenden und die mit Volljährigkeit oder kurz danach enden, wird man nicht als Vermögensmassen gerichtet auf die Bindung von Vermögen, qualifizieren, sondern als direkte Schenkungen an die begünstigten Kinder. Dies gilt jedenfalls dann, wenn die Erträge steuerlich in diesen Jurisdiktionen den Kindern zugerechnet werden und auch Gläubiger in Haftungsfällen der Kinder auf dieses Vermögen zugreifen können. Denn dann fehlt es an der Vermögensmasse, gerichtet auf die Bindung von Vermögen. Diese Trusts ersetzen insoweit die deutsche Schenkung an das Kind unter Mitwirkung eines Ergänzungspflegers. Sie sind diesem deutschen Rechtsinstitut funktionsäquivalent. 127 Die Anwendungsprobleme dieses Steuertatbestands zeigen, dass die Vorschrift sehr vage ist und mit
erheblichen Rechtsunsicherheiten verbunden ist. Sie hat aber die vom Gesetzgeber gewollte Verhinderungswirkung erzielt.2 e) Rechtsfolgen des Vorliegens des Tatbestandsmerkmals 128 Liegt eine Vermögensmasse ausländischen Rechts gerichtet auf die Bindung von Vermögen vor, ist
der Übergang des Vermögens auf die Vermögensmasse zu besteuern. Besteuerungszeitpunkt ist der Zeitpunkt der Bildung oder Ausstattung der Vermögensmasse, nicht der Tod. Dies ist auch der Bewertungsstichtag. Die satzungsmäßigen Vermögens- und Einkommensbindungen sind nicht – genauso wie bei der Stiftung – steuerlich abzugsfähig. Dies gilt insbesondere bei einem Discretionary Irrecovable Trust, also bei solchen Vermögensmassen, bei denen die Begünstigten keinen Rechtsanspruch auf Ausschüttung erhalten. 129 Fraglich ist aber, ob bei Vermögensmassen mit festen Ansprüchen etwas anderes gilt, wie z.B. bei
einem Fixed Interest Trust, bei denen feste Ansprüche auf das jährliche Einkommen oder auf das Vermögen eingeräumt werden. Könnte eine Stiftung in der vergleichbaren Situation diese Rechtsposition bereicherungsmindernd geltend machen (z.B. Stiftung ist letztwillig verpflichtet, einem Destinatär lebenslänglich ein Wohnrecht einzuräumen), kann nichts anderes für die ausländische Vermögensmasse gerichtet auf die Bindung von Vermögen gelten. Der Tatbestand kann als subsidiärer „Lückenfüller“ nicht weiter greifen als bei der Stiftung. Dies spielt z.B. bei dem US-amerikanischen QDOT eine Rolle. Der feste Anspruch des überlebenden Ehepartners auf das jährliche Einkommen wird man deswegen bereicherungsmindernd anlässlich der Errichtung abziehen können. Eine hiervon zu unterscheidende Frage ist, ob dann die Begünstigten i.S.d. § 23 ErbStG zu besteuern sind oder i.S.d. § 7 Abs. 1 Nr. 9 Satz 2 ErbStG. Der BFH ist der Auffassung, dass § 7 Abs. 1 Nr. 9 Satz 2 ErbStG lex specialis ist, was dazu führt, dass auch beim QDOT der überlebende Ehepartner 1 Schindhelm/Stein, StuW 1999, 31; Haase in Dutta/Weber, S. 678, Rz. 432; Schindhelm/Stein, FR 1999, 880 (885). 2 Vgl. Weinmann in Moench/Weinmann, § 3 ErbStG Rz. 202 (Stand: Februar 2016).
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Sonstige Zuwendungen des Erblassers (Abs. 2)
Rz. 133 § 3 ErbStG
dann erst steuerbar und steuerpflichtig mit den konkreten Ausschüttungen bei Zufluss wird (vgl. hierzu § 7 ErbStG Rz. 402 ff.).1
II. Zuwendungen durch Auflage oder Bedingung (Abs. 2 Nr. 2) 1. Erwerb infolge Vollziehung einer vom Erblasser angeordneten Auflage (Abs. 2 Nr. 2 Fall 1) Eine erbrechtliche Auflage ist eine Verfügung von Todes wegen, durch die der Erblasser den Erben 130 oder einen Vermächtnisnehmer zu einer Leistung verpflichten kann, ohne einem anderen ein Recht auf die Leistung zuzuwenden (§ 1940 BGB). Die Auflage unterscheidet sich vom Vermächtnis darin, dass der Dritte keinen Anspruch gegen den Erben erwirbt.2 § 2194 Satz 1 BGB sichert dem Erben, dem Miterben und demjenigen, welchem der Wegfall des mit der Auflage zunächst Beschwerten unmittelbar zugutekommen würde, einen Anspruch gegen den Beschwerten auf Vollziehung der Auflage zu. Ist eine Testamentsvollstreckung angeordnet, kann der Anspruch auch gegen den Willen des Beschwerten durch den Testamentsvollstrecker nach § 2203 BGB vollzogen werden.3 § 3 Abs. 2 Nr. 2 Fall 1 ErbStG stellt die erbrechtliche Auflage nach §§ 1940, 2192 ff. BGB dem Ver- 131 mächtnis trotz der zivilrechtlichen Unterschiede erbschaftsteuerlich gleich. Zuwendungen des Erben an einen Dritten, die der Erbe in Vollziehung einer Auflage des Erblassers vornimmt, sind beim Zuwendungsempfänger nach § § 3 Abs. 2 Nr. 2 Fall 1 ErbStG steuerbar.4 Der Erwerb aufgrund der Auflage gilt dabei als vom Erblasser und nicht als vom Erben zugwendet. Im Gegensatz zum Vermächtnis wird der Begünstigte nicht bereits mit Eintritt des Erbfalls, sondern erst in dem Zeitpunkt bereichert, in welchem die Auflage vollzogen wird.5 Die Steuer entsteht daher auch erst im Zeitpunkt der Vollziehung der Auflage durch den Erben (§ 9 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. d ErbStG – s. § 9 ErbStG Rz. 74). Nach § 10 Abs. 5 Nr. 2 ErbStG ist die Zuwendung beim belasteten Erben als Nachlassverbindlichkeit abzugsfähig.6 Der Erwerb muss tatbestandlich von Todes wegen erfolgen und nicht z.B. durch vorzeitige Erfüllung 132 einer vom Erblasser angeordneten Auflage bereits zu dessen Lebzeiten. Außerdem darf es sich nicht bloß um die Erfüllung eines den Erben rechtlich nicht bindenden Wunsches oder die Befolgung eines unverbindlichen Ratschlags oder einer Empfehlung des Erblassers handeln. In diesen Fällen kann jedoch eine Schenkung des Erben an den Dritten i.S.d. § 7 Abs. Nr. 2 EStG vorliegen.7 Auflagen, die dem Beschwerten selbst zugutekommen, werden von § 3 Abs. 2 Nr. 2 ErbStG nicht erfasst.8 Wenn die Auflage einem unbestimmten Personenkreis (z.B. „den Armen“) zugutekommen soll oder überhaupt keine begünstigte Peron, sondern ein sachlicher Zweck bestimmt ist, handelt es sich um eine Zweckzuwendung i.S.d. § 8 ErbStG. Solche einheitlichen Zweckzuwendungen sind gem. § 3 Abs. 2 Nr. 2 Halbs. 2 ErbStG vom Tatbestand ausgeschlossen.9 2. Erwerb infolge Erfüllung einer vom Erblasser angeordneten Bedingung (Abs. 2 Nr. 2 Fall 2) Nach § 3 Abs. 2 Nr. 2 Fall 1 ErbStG gilt als Erwerb von Todes wegen, was ein Dritter infolge der Er- 133 füllung einer vom Erblasser gesetzten Bedingung erwirbt. Bedingung ist die in einem Rechtsgeschäft 1 Vgl. BFH v. 27.9.2012 – II R 45/10, BStBl. II 2013, 84 = FR 2013, 362 = ErbStB 2013, 5. 2 Weidlich in Palandt75, § 1940 BGB Rz. 1, § 2192 BGB Rz. 1; FG München v. 10.1.2005 – 4 V 2999/04, EFG 2005, 717; Geck in Kapp/Ebeling, § 3 ErbStG Rz. 289 (Stand: März 2016); Esskandari/Winter in Lippross/Seibel, § 3 ErbStG Rz. 164 (Stand: Juni 2013). 3 Weidlich in Palandt75, § 2203 BGB Rz. 3; Geck in Kapp/Ebeling, § 3 ErbStG Rz. 289.1 (Stand: März 2016); Hülsmann in Wilms/Jochum, § 3 ErbStG Rz. 276 ff. (Stand: Oktober 2014). 4 Seer in Tipke/Lang, Steuerrecht22, § 15 Rz. 20. 5 BFH v. 29.3.1961 – III 292/58, HFR 1962, 83; Gottschalk in T/G/J, § 3 ErbStG Rz. 324 (Stand: Oktober 2014). 6 Meincke16, § 3 ErbStG Rz. 96; Hils in Tiedtke, § 3 ErbStG Rz. 77. 7 Fischer in F/J/P/W5, § 3 ErbStG Rz. 539 f.; Geck in Kapp/Ebeling, § 3 ErbStG Rz. 290 f. (Stand: März 2016); Götz in Gürsching/Stenger, § 3 ErbStG Rz. 292 (Stand: September 2016). 8 Meincke16, § 3 ErbStG Rz. 96; Gottschalk in T/G/J, § 3 ErbStG Rz. 325 f. (Stand: Oktober 2014). 9 Meincke16, § 3 ErbStG Rz. 96; Gottschalk in T/G/J, § 3 ErbStG Rz. 324 (Stand: Oktober 2014); Wälzholz in V/K/ S/W4, § 3 ErbStG Rz. 207.
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§ 3 ErbStG Rz. 134 Erwerb von Todes wegen enthaltene Bestimmung, nach der die Wirkungen des Rechtsgeschäfts mit dem Eintritt eines zukünftigen ungewissen Ereignisses eintreten oder beendet werden soll (§ 158 BGB). Der Rechtsverkehr unterscheidet aufschiebende und auflösende Bedingungen. Durch die Anordnung der Bedingung allein wird weder eine Verpflichtung des Erben gegenüber dem Dritten noch ein Anspruch des Dritten auf Erfüllung der Bedingung begründet.1 134 Der Dritte hat nach § 3 Abs. 2 Nr. 2 Fall 2 ErbStG die Vermögenszuwendung zu versteuern, die ihm
der Erbe zuwendet, um die vom Erblasser gesetzte Bedingung zu erfüllen. Dabei gilt der Erwerb aufgrund der Bedingung als vom Erblasser und nicht vom Erben zugwendet. Außerdem wird der Begünstigte, genau wie beim Erwerb infolge Vollziehung einer Auflage, nicht bereits mit Eintritt des Erbfalls, sondern erst in dem Zeitpunkt bereichert, in welchem die Bedingung erfüllt wird. Folgerichtig entsteht die Steuer bei einer aufschiebenden Bedingung erst im Zeitpunkt der Erfüllung der Bedingung (§ 9 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. d ErbStG). Sie ist beim belasteten Erben gem. § 10 Abs. 5 Nr. 3 ErbStG als Nachlassverbindlichkeit abziehbar (s. § 10 ErbStG Rz. 68, 73). Bei einer auflösenden Bedingung ist der Erwerb wie ein unbedingter Erwerb zu behandeln.2 135 Von den Fällen des § 3 Abs. 2 Nr. 2 Fall 2 ErbStG zu unterscheiden ist die aufschiebend oder auf-
lösend bedingte Erbeinsetzung, bei welcher die Steuerpflicht nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG i.V.m. § 9 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a ErbStG erst mit Eintritt der Bedingung entsteht (s. § 9 ErbStG Rz. 27).3 Demgegenüber erfasst § 3 Abs. 2 Nr. 2 Fall 2 ErbStG die Steuerpflicht des Drittes und nicht die Steuerpflicht des unter einer Bedingung zum Erben Eingesetzten.
III. Genehmigungserwerb (Abs. 2 Nr. 3) 136 § 3 Abs. 2 Nr. 3 ErbStG erfasst den Erwerb aufgrund von Leistungen, die auf einer Anordnung staat-
licher Stellen beruhen. Nach Art. 86 EGBGB in der vor Juli 1998 geltenden Fassung unterlag der Erwerb von Todes wegen in einigen Bundesländern und in bestimmten Fällen einer staatlichen Genehmigung. Der Genehmigungsvorbehalt galt für juristische Personen mit Sitz im Ausland außerhalb des EG-Bereichs bei Erwerb über eine bestimmte Wertgrenze hinaus. § 3 Abs. 2 Nr. 3 ErbStG erfasst die Vermögenszuwendung aufgrund der zur Erlangung der Genehmigung angeordneten Leistungen beim Empfänger, und zwar unabhängig davon, ob sie zwangsweise oder freiwillig erfolgt.4 Die Steuer entsteht im Zeitpunkt der Genehmigung (§ 9 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. e ErbStG – s. § 9 ErbStG Rz. 65, 78). Die Leistungen sind beim Erben als Kosten nach § 10 Abs. 5 Nr. 3 ErbStG abzugsfähig.5 § 3 Abs. 2 Nr. 3 ErbStG hat heute seine praktische Bedeutung verloren.6
IV. Abfindung für Verzicht oder Ausschlagung (Abs. 2 Nr. 4) 1. Abfindung für den Pflichtteilsverzicht (Abs. 2 Nr. 4 Fall 1) 137 Der Pflichtteilsberechtigte kann auf seinen Pflichtteil aus §§ 2303 BGB verzichten.7 Erhält er dafür
vom Erben oder einem Dritten eine Abfindung, so unterliegt diese nach § 3 Abs. 2 Nr. 4 Fall 1 ErbStG der Erbschaftsteuer. Die Vorschrift erfasst nur Abfindungen für den Verzicht auf bereits entstandene,
1 BFH v. 27.6.1962 – II 273/60, HFR 1962, 303; Hülsmann in Wilms/Jochum, § 3 ErbStG Rz. 278.1 (Stand: Oktober 2014). 2 Geck in Kapp/Ebeling, § 3 ErbStG Rz. 293 ff. (Stand: März 2016); Gottschalk in T/G/J, § 3 ErbStG Rz. 327 (Stand: Oktober 2014); Wälzholz in V/K/S/W4, § 3 ErbStG Rz. 209 f. 3 Meincke16, § 3 ErbStG Rz. 96; Gottschalk in T/G/J, § 3 ErbStG Rz. 327 (Stand: Oktober 2014). 4 Meincke16, § 3 ErbStG Rz. 97; Hils in Tiedtke, § 3 ErbStG Rz. 80 f.; Hülsmann in Wilms/Jochum, § 3 ErbStG Rz. 279 f. (Stand: Oktober 2014). 5 Geck in Kapp/Ebeling, § 3 ErbStG Rz. 301 f. (Stand: Juli 2016); Esskandari/Winter in Lippross/Seibel, § 3 ErbStG Rz. 169 (Stand: Juni 2013). 6 Meincke16, § 3 ErbStG Rz. 97; Fischer in F/J/P/W5, § 3 ErbStG Rz. 542; Gottschalk in T/G/J, § 3 ErbStG Rz. 328 (Stand: Oktober 2014). 7 Götz in Gürsching/Stenger, § 3 ErbStG Rz. 310 (Stand: September 2016).
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Sonstige Zuwendungen des Erblassers (Abs. 2)
Rz. 140 § 3 ErbStG
aber noch nicht geltend gemachte Pflichtteilsansprüche.1 Die Abfindung tritt erbschaftsteuerlich an die Stelle des ausgeschlagenen Vermögensanfalls. Sie gilt als vom Erblasser zugewendet, wobei für die Besteuerung das Verhältnis des Abgefundenen zum Erblasser und der Wert der Abfindungen vom Zeitpunkt der Entstehung der Steuerschuld maßgebend sind.2 Die Steuer entsteht im Zeitpunkt des Verzichts und nicht im Zeitpunkt der Zahlung der Abfindung (§ 9 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. f ErbStG).3 Das für die Abfindung Aufgewendete ist für den durch den Verzicht Begünstigten nach § 10 Abs. 5 Nr. 3 ErbStG als Nachlassverbindlichkeit abzugsfähig.4 Von der Abfindung für den entstandenen, noch nicht geltend gemachten Pflichtteilsanspruch zu 138 unterscheiden ist der Fall, in dem künftige gesetzliche Erben einen Erbschaftsvertrag schließen, demzufolge der eine gegenüber dem anderen gegen Abfindung auf etwaige künftige Pflichtteilsansprüche verzichtet. Die Abfindung, die ein künftiger gesetzlicher Erbe an einen anderen Erben für den Verzicht auf einen künftigen Pflichtteilsanspruch zahlt, ist eine freigebige Zuwendung des künftigen gesetzlichen Erben an den anderen.5 Die Steuerklasse richtet sich jedoch nicht nach dem Verhältnis des Zuwendungsempfängers (Verzichtenden) zum Zahlenden, sondern zum künftigen Erblasser.6 Von der Abfindung für den bereits geltend gemachten Pflichtteilsanspruch sind auch die Fälle ab- 139 zugrenzen, in denen der Erblasser an den Pflichtteilsberechtigten etwas an Erfüllungs statt (§ 364 BGB) leistet, um den Pflichtteilsanspruch zu Erlöschen zu bringen.7 Die Abgrenzung war früher von Bedeutung, um die Leistung mit dem zutreffenden Steuerwert anzusetzen. Beim Verzicht auf den geltend gemachten Pflichtteilsanspruch gegen Abfindung ist der Steuerwert der Abfindung, bei der Leistung an Erfüllungs statt jedoch der Pflichtteilsanspruch mit dem Nennwert anzusetzen.8 Das kann heute nur noch dann zu einer unterschiedlichen Besteuerung führen, wenn ein Vermögenswert als Abfindung oder an Erfüllungs statt hingegeben wird, der mit einem niedrigeren Steuerwert anzusetzen ist. 2. Abfindung für die Ausschlagung einer Erbschaft, eines Erbersatzanspruchs oder eines Vermächtnisses (Abs. 2 Nr. 4 Fall 2) Schlägt der Erbe die ihm angefallene Erbschaft aus (§§ 1942 ff. BGB), fällt der Vermögenswert dem in 140 der Erbfolge nachfolgenden oder – bei Erbeinsetzung durch Testament – dem gesetzlichen Erben zu. Die Ausschlagung wirkt auf den Tatbestand des § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG zurück. Der Anfall an den Ausschlagenden gilt rückwirkend als nicht erfolgt. Dasselbe gilt für die Ausschlagung eines Erbersatzanspruchs oder eines Vermächtnisses.9 Erhält der Ausschlagende für die Ausschlagung eine Abfindung, unterliegt diese nach § 3 Abs. 2 Nr. 4 Fall 2 ErbStG der Erbschaftsteuer.10 Abfindungsvereinbarungen können u.a. dazu genutzt werden, steuerlich ungünstige Folgen testamentarischer Anordnungen zu
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Meincke16, § 3 ErbStG Rz. 101. Gottschalk in T/G/J, § 3 ErbStG Rz. 332 (Stand: Oktober 2014). Esskandari/Winter in Lippross/Seibel, § 3 ErbStG Rz. 176 (Stand: Juni 2013). BFH v. 18.3.1981 – II R 89/79, BStBl. II 1981, 473; Gottschalk in T/G/J, § 3 ErbStG Rz. 333 (Stand: Oktober 2014). BFH v. 25.1.2001 – II R 22/98, BStBl. II 2001, 456 Rz. 9; v. 16.5.2013 – II R 21/11, BStBl. II 2013, 922; Hülsmann in Wilms/Jochum, § 3 ErbStG Rz. 288.1 ff. (Stand: Oktober 2014); Hartmann, UVR 2001, 255; Löhr/ Görges, DStR 2011, 1939. BFH v. 25.1.2001 – II R 22/98, BStBl. II 2001, 456; v. 16.5.2013 – II R 21/11, BStBl. II 2013, 922. Meincke16, § 3 ErbStG Rz. 101. Meincke16, § 3 ErbStG Rz. 101; Gottschalk in T/G/J, § 3 ErbStG Rz. 332 (Stand: Oktober 2014); Crezelius BB 2000, 2333. Seit Inkrafttreten des Gesetzes zur erbrechtlichen Gleichstellung nichtehelicher Kinder (v. 16.12.1997, BGBl. I, 2968) wurden die Sondervorschriften in Bezug auf den Erbersatzanspruch aufgehoben. Der Erbersatzanspruch hat in der Praxis daher kaum noch Bedeutung; vgl. hierzu noch Gottschalk in T/G/J, § 3 ErbStG Rz. 336 (Stand: Oktober 2014); Fischer in F/J/P/W5, § 3 ErbStG Rz. 545. Götz in Gürsching/Stenger, § 3 ErbStG Rz. 320 ff. (Stand: September 2016); Gottschalk in T/G/J, § 3 ErbStG Rz. 334 f. (Stand: Oktober 2014); Meincke, ZEV 2000, 214.
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§ 3 ErbStG Rz. 141 Erwerb von Todes wegen vermeiden, z.B. um im Falle eines Berliner Testaments den Anfall der Erbschaftsteuer bei dem zuvor begünstigten Erben zu vermeiden.1 141 Besteuerungsgegenstand des § 3 Abs. 2 Nr. 4 Fall 2 ErbStG ist nicht der Erwerb des Anspruchs auf
Abfindung, sondern nur dasjenige, was tatsächlich als Abfindung gewährt wird.2 Da das als Abfindung Gewährte erbschaftsteuerlich an die Stelle des ausgeschlagenen Vermögensanfalls tritt, gilt die Abfindung als vom Erblasser zugewendet. Für die Besteuerung ist das Verhältnis des Abgefundenen zum Erblasser maßgebend. Die Steuer entsteht im Zeitpunkt des Verzichts und nicht im Zeitpunkt der Zahlung der Abfindung (§ 9 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. f ErbStG).3 Das für die Abfindung Aufgewendete ist für den durch den Verzicht Begünstigten nach § 10 Abs. 5 Nr. 3 ErbStG als Nachlassverbindlichkeit abzugsfähig. Übersteigt die Abfindungszahlung den Wert der Erbschaft bzw. des Vermächtnisses, kann in der Höhe des Mehrbetrages eine freigebige Zuwendung an den Ausschlagenden gem. § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG zu sehen sein.4 142 Wird die Abfindung nicht von demjenigen gewährt, dem die Ausschlagung zugutekommt, sondern
von einem Außenstehenden, kann darin eine freigebige Zuwendung des Dritten an den Erben zu sehen sein, wenn der Dritte die Abfindung in der Absicht leistet, den Erben zu begünstigen. Dies führt im Ergebnis zu einer doppelten Besteuerung desselben Erwerbs. Sie kann jedoch verhindert werden, wenn die Leistung des Außenstehenden so behandelt wird, als habe der begünstigte Erbe die Abfindung selbst erbracht. Dann kann er die Abfindung als Erwerbskosten nach § 10 Abs. 5 Nr. 3 ErbStG abziehen.5 3. Abfindung für die Zurückweisung eines Rechts aus einem Vertrag des Erblassers zugunsten Dritter auf den Todesfall (Abs. 2 Nr. 4 Fall 3) 143 Der bedachte Dritte kann den im mit dem Tod des Versprechensempfängers entstehenden Anspruch
aus dem Vertrag zugunsten Dritter auf den Todesfall gemäß zurückweisen (§ 333 BGB). Das zurückgewiesene Recht gilt dann gem. § 333 BGB als rückwirkend nicht erworben. Erhält der Dritte für diese Zurückweisung eine Abfindung, so ist diese nach § 3 Abs. 2 Nr. 4 Fall 3 ErbStG steuerbar. Durch die Erweiterung des Tatbestandes aufgrund des ErbStRG 20096 wurde eine zuvor bestehende Regelungslücke geschlossen.7 4. Abfindung anstelle eines anderen in Abs. 1 genannten Erwerbs (Abs. 2 Nr. 4 Fall 4) 144 § 3 Abs. 2 Nr. 4 Fall 4 ErbStG erfasst als Auffangtatbestand alle anderen Abfindungen, die einem
Erwerber anstelle eines anderen steuerbaren Erwerbs nach § 3 Abs. 1 ErbStG gewährt werden. § 3 Abs. 2 Nr. 4 Fall 4 ErbStG ist wie Fall 3 ebenfalls durch das ErbStRG 20098 eingefügt worden, um vorhandene Besteuerungslücken zu schließen.9 Dadurch werden Rechtsgeschäfte unter Lebenden als Erwerb von Todes wegen erfasst, die lediglich in einem engen sachlichen Zusammenhang mit dem Erwerb von Todes wegen stehen.10 Diese Entwicklung ist bedenklich. Rechtsgeschäfte unter Leben1 Zur taktischen Ausschlagung vgl. Götz in Gürsching/Stenger, § 3 ErbStG Rz. 100 f. (Stand: September 2016); Seer in Tipke/Lang, Steuerrecht22, § 15 Rz. 21. 2 Meincke16, § 3 ErbStG Rz. 98. 3 Esskandari/Winter in Lippross/Seibel, § 3 ErbStG Rz. 176 (Stand: Juni 2013). 4 Gottschalk in T/G/J, § 3 ErbStG Rz. 330 (Stand: Oktober 2014); Geck in Kapp/Ebeling, § 3 ErbStG Rz. 306 (Stand: November 2015). 5 Dies ist umstritten; vgl. Fischer in F/J/P/W5, § 3 ErbStG Rz. 545; Götz in Gürsching/Stenger, § 3 ErbStG Rz. 312 ff. (Stand: September 2016); Hils in Tiedtke, § 3 ErbStG Rz. 91; Gottschalk in T/G/J, § 3 ErbStG Rz. 338 (Stand: Oktober 2014); a.A. Meincke16, § 3 ErbStG Rz. 99; Wälzholz in V/K/S/W4, § 3 ErbStG Rz. 218 ff. 6 ErbStRG 2009 v. 24.12.2008, BGBl. I 2008, 3018. 7 Fischer in F/J/P/W5, § 3 ErbStG Rz. 547; zur Rechtslage vor Inkrafttreten der Neuregelung vgl. Meincke16, § 3 ErbStG Rz. 100; Götz in Gürsching/Stenger, § 3 ErbStG Rz. 333 f. (Stand: September 2016); Hülsmann in Wilms/Jochum, § 3 ErbStG Rz. 292 (Stand: Oktober 2014). 8 ErbStRG 2009 v. 24.12.2008, BGBl. I 2008, 3018. 9 Hils in Tiedtke, § 3 ErbStG, Rz. 89; Hülsmann in Wilms/Jochum, § 3 ErbStG Rz. 292 (Stand: Oktober 2014). 10 Fischer in F/J/P/W5, § 3 ErbStG Rz. 543.
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Sonstige Zuwendungen des Erblassers (Abs. 2)
Rz. 149 § 3 ErbStG
den unterliegen entweder als freigebige Zuwendungen oder gar nicht der Erbschaft- und Schenkungsteuer. Die wachsende Zahl an fiktiven Erwerben von Todes wegen führt zu einer weiteren Abkehr des ErbStG vom Zivilrecht.
V. Abfindung für ein aufschiebend bedingtes, betagtes oder befristetes Vermächtnis (Abs. 2 Nr. 5) § 3 Abs. 2 Nr. 5 ErbStG erfasst Abfindungen, die für ein ausschiebend bedingtes, betagtes oder be- 145 fristetes Vermächtnis, für das die Ausschlagungsfrist bereits abgelaufen ist, gewährt werden. Voraussetzung ist, dass dem Vermächtnisnehmer die Abfindung für den Verzicht vor dem Zeitpunkt des Eintritts der Bedingung oder des Ereignisses gewährt wird. Solange aus dem bedingten, betagten oder befristeten Anspruch noch keine unbedingte, unbetagte oder unbefristete Forderung geworden ist, kann der Berechtigte das Entstehen des Vermächtnisanfalls trotz Annahme des Vermächtnisses verhindern.1 Verzichtet der Berechtigte nun vor Bedingungseintritt bzw. vor Eintritt des Ereignisses auf das angenommene Vermächtnis, so unterliegt die Abfindung, die er für den Verzicht erhält, der Besteuerung, anderenfalls entstünde eine Regelungslücke. Die Steuer entsteht mit dem Zeitpunkt der Vereinbarung über die Abfindung (§ 9 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. g ErbStG).2 Vor Eintritt der Bedingung oder des Ereignisses ist der Verzichtende noch nicht im erbschaftsteuer- 146 lichen Sinne bereichert. Folglich kann in dem Verzicht gegen Abfindung auch dann keine (gemischte) Schenkung gesehen werden, wenn die Abfindung deutlich geringer ausfällt, als der Steuerwert des Vermächtnisses.3 § 7 Abs. 1 Nr. 10 ErbStG erfasst nur die Fälle, die nicht den Tatbestand des § 3 Abs. 2 Nr. 5 ErbStG erfüllen (s. § 7 ErbStG Rz. 410, 416). § 3 Abs. 2 Nr. 5 ErbStG ist auch auf den Fall anwendbar, dass der Nachvermächtnisnehmer gegen Abfindung auf das Nachvermächtnis verzichtet.4
VI. Entgelt für die Übertragung der Nacherbenanwartschaft (Abs. 2 Nr. 6) Der Erblasser kann einen Erben in der Weise einsetzen, dass dieser erst Erbe wird, nachdem zunächst 147 ein anderer Erbe geworden ist (sog. Nacherbe vgl. § 2100 ff. BGB, s. § 6 ErbStG Rz. 6, 16). Mit dem Tod des Erblassers geht das Erbe zunächst auf den Vorerben über und mit dessen Tod oder durch Zeitablauf auf den Nacherben. Durch die Einsetzung als Nacherbe erhält der Begünstigte nach Eintritt des Vorerbfalls eine Anwartschaft, welche auf andere Personen übertragbar ist. § 3 Abs. 2 Nr. 6 ErbStG erfasst die entgeltliche Übertragung dieser Nacherbenanwartschaft. Da Nachvermächtnisse i.S.v. § 2191 BGB den Nacherbschaften gem. § 6 Abs. 4 ErbStG gleichstehen, werden auch diese von § 3 Abs. 2 Nr. 6 ErbStG erfasst.5 Der Vermögensanfall beim Veräußerer gilt als vom Erblasser zugewendet. Die Steuer entsteht im Zeit- 148 punkt der Übertragung der Nacherbenanwartschaft (§ 9 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. i ErbStG; s. § 9 ErbStG Rz. 88). Das an den Veräußerer zur Erlangung der Nacherbenstellung gezahlte Entgelt kann vom Erwerber als Nachlassverbindlichkeit nach § 10 Abs. 5 Nr. 3 ErbStG abgezogen werden.6 Da der Erwerber der Nacherbenanwartschaft die Rechtstellung des Nacherben erlangt, unterliegt 149 auch ihr Erwerb bei Eintritt des Nacherbenfalls der Erbschaftsteuer gem. § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG. Die Besteuerung des Erwerbers richtet sich entsprechend § 6 Abs. 2 Satz 1 ErbStG nach dem Verhältnis des Erwerbers zum Vorerben oder auf Antrag entsprechend § 6 Abs. 2 Satz 2 ErbStG nach dem 1 BFH v. 18.5.1966 – II 167/62, BStBl. III 1966, 593; Fischer in F/J/P/W5, § 3 ErbStG Rz. 549; Götz in Gürsching/ Stenger, § 3 ErbStG Rz. 336 ff. (Stand: September 2016); Meincke16, § 3 ErbStG Rz. 102; Gottschalk in T/G/J, § 3 ErbStG Rz. 341 (Stand: Oktober 2014). 2 Esskandari/Winter in Lippross/Seibel, § 3 ErbStG Rz. 180 (Stand: Juni 2013). 3 Geck in Kapp/Ebeling, § 3 ErbStG Rz. 310 (Stand: Juni 2015). 4 Meincke16, § 3 ErbStG Rz. 102; Hülsmann in Wilms/Jochum, § 3 ErbStG Rz. 293 (Stand: Oktober 2014). 5 BFH v. 19.4.1989 – II R 189/85, BStBl. II 1989, 623; Fischer in F/J/P/W5, § 3 ErbStG Rz. 550; Götz in Gürsching/ Stenger, § 3 ErbStG Rz. 344 (Stand: September 2016). 6 Hierzu krit. Hülsmann in Wilms/Jochum, § 3 ErbStG Rz. 295 (Stand: Oktober 2014).
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§ 3 ErbStG Rz. 150 Erwerb von Todes wegen Verhältnis des Erwerbers zum Erblasser.1 Erfolgt die Übertragung der Nacherbenanwartschaft an den Nacherben unentgeltlich, so liegt darin keine Schenkung i.S.d. § 7 ErbStG, da die Anwartschaft im Zeitpunkt der Übertragung als aufschiebend bedingter Erwerb keinen steuerlichen Wert hat.2
VII. Erlangung eines Herausgabeanspruchs des Vertrags- oder Schlusserben (Abs. 2 Nr. 7) 150 Ein Erbvertrag (§§ 2274 ff. BGB) entfaltet Bindungswirkung zwischen dem Erblasser und dem Ver-
tragserben (s. Rz. 44). Gleichwohl kann der Erblasser Verfügungen durch Schenkung unter Lebenden treffen (§ 2286 BGB). Geschieht dies in der Absicht, den Vertragserben in seinen Rechten aus dem Erbvertrag zu beeinträchtigen, kann der Vertragserbe, sobald ihm die Erbschaft angefallen ist, von dem Beschenkten die Herausgabe des Geschenks nach den Vorschriften über die ungerechtfertigte Bereicherung verlangen (§ 2287 BGB). Dieser Herausgabeanspruch des Vertragserben unterliegt nach § 3 Abs. 2 Nr. 7 ErbStG der Erbschaftsteuer. Darüber hinaus umfasst § 3 Abs. 2 Nr. 7 ErbStG den Herausgabeanspruch des Schlusserben eines gemeinschaftlichen Testaments (§ 2287 BGB analog)3 sowie den Herausgabeanspruch des Vermächtnisnehmers (§ 2288 Abs. 2 BGB). Nach § 2288 Abs. 2 Satz 1 BGB ist der Erbe im Fall der beeinträchtigenden Schenkung verpflichtet, dem Vermächtnisnehmer den Gegenstand zu verschaffen oder die Belastung zu beseitigen. Ist die Veräußerung oder die Belastung schenkweise erfolgt und kann der Vermächtnisnehmer keinen Ersatz vom Erben erlangen, so steht ihm gem. § 2288 Abs. 2 Satz 1 BGB der Bereicherungsanspruch aus § 2287 gegen den Beschenkten zu.4 151 Vor der Neufassung des § 3 Abs. 2 Nr. 7 ErbStG durch das StÄndG 19925 wurde der Anspruch des
Vertragserben mangels Erwerb von Todes wegen nicht von der Besteuerung erfasst.6 Bei der Neufassung hatte der Gesetzgeber nicht erkannt, dass § 2287 BGB in entsprechender Anwendung auch den Schlusserben eines gemeinschaftlichen Testaments vor Beeinträchtigungen durch den Ehegatten/Lebenspartner schützt.7 Der BFH hatte die Vorschrift gleichwohl auch für dessen Ersatzanspruch angewandt.8 § 3 Abs. 2 Nr. 7 ErbStG i.d.F. durch das ErbStRG 20099 stellt dies ausdrücklich klar.10 152 Der Erblasser hat durch die beeinträchtigende Zuwendung den Herausgabeanspruch aus § 2287
BGB bzw. aus § 2288 Abs. 2 BGB verursacht. Daher ist es konsequent, dass der Anspruch als vom Erblasser zugewendet gilt. Die Besteuerung richtet sich demzufolge nach dem Verhältnis des Vertrags- oder Schlusserben bzw. des Vermächtnisnehmers zum Erblasser und nicht zum Beschenkten.11 Die Steuer entsteht im Zeitpunkt der Geltendmachung des Herausgabeanspruchs (§ 9 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. j ErbStG, s. § 9 ErbStG Rz. 90).
1 BFH v. 28.10.1992 – II R 21/92, BStBl. II 1993, 158; v. 20.10.2005 – II B 32/05, BFH/NV 2006, 304; Geck in Kapp/Ebeling, § 3 ErbStG Rz. 314 (Stand: Juni 2015); Esskandari/Winter in Lippross/Seibel, § 3 ErbStG Rz. 184 (Stand: Juni 2013); krit. Meincke16, § 3 ErbStG Rz. 103; Götz in Gürsching/Stenger, § 3 ErbStG Rz. 340 ff. (Stand: September 2016). 2 BFH v. 21.5.2001 – II R 40/99, BFH/NV 2001, 1406; Götz in Gürsching/Stenger, § 3 ErbStG Rz. 345 (Stand: September 2016); Hülsmann in Wilms/Jochum, § 3 ErbStG Rz. 295 (Stand: Oktober 2014); Wälzholz in V/K/ S/W4, § 3 ErbStG Rz. 229. 3 Weidlich in Palandt75, § 2271 BGB Rz. 10. 4 Geck in Kapp/Ebeling, § 3 ErbStG Rz. 316 f. (Stand: Juni 2015); Hülsmann in Wilms/Jochum, § 3 ErbStG Rz. 296 ff. (Stand: Oktober 2014); Götz in Gürsching/Stenger, § 3 ErbStG Rz. 350 ff. (Stand: September 2016). 5 StÄndG 1992 v. 25.2.1992, BGBl. I 1992, 297. 6 BFH v. 6.3.1991 – II R 69/87, BStBl. II 1991, 412; BFH v. 25.2.1992, BGBl. I 1992, 297. 7 Weidlich in Palandt75, § 2271 BGB Rz. 10 m.w.N.; Seer in Tipke/Lang, Steuerrecht22, § 15 Rz. 20, Fn. 2. 8 BFH v. 8.8.2000 – II R 40/98, BStBl. II 2000, 587 = FR 2000, 1289. 9 ErbStRG 2009 v. 24.12.2008, BGBl. I 2008, 3018. 10 Seer in Tipke/Lang, Steuerrecht22, § 15 Rz. 20, Fn. 2. 11 Geck in Kapp/Ebeling, § 3 ErbStG Rz. 318 (Stand: Juni 2015); Meincke16, § 3 ErbStG Rz. 104.
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§ 4 Fortgesetzte Gütergemeinschaft (1) Wird die Gütergemeinschaft beim Tod eines Ehegatten oder beim Tod eines Lebenspartners fortgesetzt (§§ 1483 ff. des Bürgerlichen Gesetzbuchs), wird dessen Anteil am Gesamtgut so behandelt, als wäre er ausschließlich den anteilsberechtigten Abkömmlingen angefallen. (2) 1Beim Tode eines anteilsberechtigten Abkömmlings gehört dessen Anteil am Gesamtgut zu seinem Nachlaß. 2Als Erwerber des Anteils gelten diejenigen, denen der Anteil nach § 1490 Satz 2 und 3 des Bürgerlichen Gesetzbuchs zufällt. A. I. II. III.
Grundaussagen der Vorschrift. . . . . . . . . . Regelungsgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . Bedeutung und Telos . . . . . . . . . . . . . . . . . Geltungsbereich und Verhältnis zu anderen Vorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Rechtsentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Erwerb beim Tod eines Ehegatten oder Lebenspartners (Abs. 1) . . . . . . . . . . . . . . I. Fortgesetzte Gütergemeinschaft . . . . . . . . .
1 1 2 4 5 6 6
II. Rechtsfolge beim Tod eines Ehegatten oder Lebenspartners . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Gesetzliche Fiktion . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Wertermittlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Steuerschuldner. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Erwerb beim Tod eines Abkömmlings (Abs. 2) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Zugehörigkeit des Anteils zum Nachlass . . . . II. Erwerber des Anteils . . . . . . . . . . . . . . . . . .
8 8 11 13 14 14 16
Literatur: Bruschke, Die fortgesetzte Gütergemeinschaft, ErbStB 2014, 22.
A. Grundaussage der Vorschrift I. Regelungsgegenstand § 4 ErbStG regelt die Besteuerungsfolgen der fortgesetzten Gütergemeinschaft und bildet somit das 1 erbschaftsteuerliche Pendant zu den zivilrechtlichen Regelungen der §§ 1483 ff. BGB. Während § 4 Abs. 1 ErbStG die erbschaftsteuerlichen Rechtsfolgen bestimmt, welche durch die Fortsetzung der Gütergemeinschaft bei Tod eines Ehegatten ausgelöst werden, regelt § 4 Abs. 2 ErbStG die Folgen des Versterbens der anteilsberechtigten Abkömmlinge. § 4 ErbStG gehört somit als Ergänzungstatbestand systematisch in den Katalog des § 3 Abs. 1 ErbStG.1
II. Bedeutung und Telos § 4 ErbStG negiert, wie § 5 ErbStG für den Vor- und Nacherbfall, die zivilrechtlichen Rechtsfolgen der 2 fortgesetzten Gütergemeinschaft aus erbschaftsteuerrechtlichen Gründen. Ohne diese Regelung wäre beim Tod eines Ehegatten oder Lebenspartners kein Erwerb von Todes wegen zugunsten der anteilsberechtigten Abkömmlinge i.S.d. ErbStG anzunehmen. Dem begegnet § 4 ErbStG mit einer erbschaftsteuerlichen Fiktion für den Fall des Todes des Ehegatten/Lebenspartners (Abs. 1) und des anteilsberechtigten Abkömmlings (Abs. 2). Die Bedeutung des § 4 ErbStG in der Praxis hat in der Weise abgenommen, wie die fortgesetzte Güter- 3 gemeinschaft aus der Rechtswirklichkeit tatsächlich verschwunden ist. Die fortgesetzte Gütergemeinschaft ist heute noch in Süddeutschland bei älteren Ehepaaren, insbesondere im ländlichen Gebieten verbreitet. In vielen anderen Gebieten ist sie nahezu vollständig aus dem Rechtsalltag verschwunden. Die fortgesetzte Gütergemeinschaft war bis zum 30.6.1958 der gesetzliche Normalfall der Gütergemeinschaft. Seit dem 1.7.1958 muss die Fortsetzung der Gütergemeinschaft ausdrücklich vereinbart werden, anderenfalls endet die Gütergemeinschaft mit dem Tod eines Ehepartners.
1 Kobor in F/J/P/W5, § 4 ErbStG Rz. 1 u. 10; Kirschstein in Gürsching/Stenger, § 4 ErbStG Rz. 12 (Stand: Juli 2015); Philipp in V/K/S/W4, § 4 ErbStG Rz. 3; Engel in Wilms/Jochum, § 4 ErbStG Rz. 2 (Stand: April 2013).
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§ 4 ErbStG Rz. 4 Fortgesetzte Gütergemeinschaft
III. Geltungsbereich und Verhältnis zu anderen Vorschriften 4 § 4 ErbStG ist nur auf fortgesetzte Gütergemeinschaften im Sinne des BGB anwendbar. Das folgt aus
dem Verweis auf §§ 1483 ff. BGB. Auf Gütergemeinschaften ausländischen Rechts hingegen erstreckt sich der Anwendungsbereich des § 4 ErbStG nicht.1 Dies gilt auch dann, wenn die ausländische Gütergemeinschaft im wirtschaftlichen Ergebnis ein ähnliches Rechtsverhältnis begründet.2
IV. Rechtsentwicklung 5 § 4 ErbStG ist mit dem ErbStG 19743 eingeführt worden. Die Vorschrift geht zurück auf § 5 ErbStG
1922,4 der nahezu unverändert übernommen wurde. In den 1970er und 1980er-Jahren hatte die Vorschrift wegen der größeren Verbreitung der fortgesetzten Gütergemeinschaft eine größere praktische Bedeutung. Durch das ErbStRG 20095 wurde der Verweis auf Art. 200 EGBGB, wonach für den Güterstand einer zur Zeit des Inkrafttretens des BGB am 1.1.1900 bereits bestehenden Ehe die bis dahin geltenden Gesetze maßgebend blieben, gestrichen. Man ging – zu Recht – davon aus, dass mit Gütergemeinschaften, die vor 1900 begründet wurden, nicht mehr zu rechnen ist.6 Ebenfalls mit dem ErbStRG 20097 wurde der Anwendungsbereich des § 4 ErbStG auf Lebenspartner erweitert.
B. Erwerb beim Tod eines Ehegatten oder Lebenspartners (Abs. 1) I. Fortgesetzte Gütergemeinschaft 6 Der gesetzliche Güterstand der Zugewinngemeinschaft gilt für jede Ehe oder Lebenspartnerschaft, in
der die Eheleute oder Lebenspartner keine besondere Vereinbarung über den Güterstand treffen. Vereinbart werden kann die Gütertrennung oder die Gütergemeinschaft. Beim Güterstand der Gütergemeinschaft (§ 1415 BGB) werden das Vermögen des Mannes und der Frau bzw. die Vermögen der Lebenspartner sowie das während der Ehe/Lebenspartnerschaft von beiden erwirtschaftete Vermögen zum gemeinschaftlichen Vermögen beider Ehegatten oder Lebenspartner (§ 1416 BGB). Dieses gemeinschaftliche Vermögen wird als Gesamtgut bezeichnet, auf dessen ideelle Hälfte jeder Ehepartner oder Lebenspartner einen zivilrechtlichen Anspruch hat. Die damit möglicherweise einhergehende Bereicherung bei einem der Ehepartner oder Lebenspartner kann den Tatbestand einer freigebigen Zuwendung (§ 7 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG) erfüllen.8 Ausgeschlossen vom Gesamtgut und der gemeinschaftlichen Verwaltung sind das Sondergut gem. § 1417 BGB und das Vorbehaltsgut gem. § 1418 BGB.9 7 Die fortgesetzte Gütergemeinschaft ist eine besondere Form der Gütergemeinschaft, bei der die
Gütergemeinschaft über den Tod hinaus zwischen dem überlebenden Ehepartner oder Lebenspartner und deren Abkömmlingen fortgesetzt wird. Stirbt einer der Ehepartner oder Lebenspartner, verbleibt dem überlebenden Ehegatten oder Lebenspartner seine Hälfte am Gesamtgut, und nur der ideelle Anteil des Erblassers fällt in den Nachlass. Wenn keine testamentarische Verfügung des Erblassers vorliegt, unterliegt dieser Nachlass in der Regel der gesetzlichen Erbfolge. Durch die vertragliche Ver1 BFH v. 4.7.2012 – II R 38/10, BStBl. II 2012, 782 = FR 2013, 45 = ErbStB 2012, 296; Kobor in F/J/P/W5, § 4 ErbStG, Rz. 13; Kirschstein in Gürsching/Stenger, § 4 ErbStG Rz. 11 (Stand: Juli 2015); Geck in Kapp/Ebeling, § 4 ErbStG Rz. 27 (Stand: August 2012); Meincke16, § 4 ErbStG Rz. 1. 2 RFH v. 17.2.1944 – III 84/83, RFHE 54, 58; Gebel in T/G/J, § 4 ErbStG Rz. 5 (Stand: Dezember 2015); Engel in Wilms/Jochum, § 4 ErbStG Rz. 3.2. (Stand: April 2013); zur Anwachsungsklausel nach französischem Ehegüterrecht vgl. Jülicher, ZErb 2012, 277. 3 ErbStG 1974 v. 17.4.1974, BGBl. I 1974, 933. 4 ErbStG 1922 v. 20.7.1922, RGBl. I 1922, 695. 5 ErbStRG 2009 v. 24.12.2008, BGBl. I 2008, 3018. 6 Meincke16, § 4 ErbStG Rz. 1. 7 ErbStRG 2009 v. 24.12.2008, BGBl. I 2008, 3018. 8 Ausf. hierzu vgl. Engel in Wilms/Jochum, § 4 ErbStG Rz. 20 (Stand: April 2013). 9 Vgl. Geck in Kapp/Ebeling, § 4 ErbStG Rz. 5 (Stand: August 2012); zu den zivilrechtlichen Begrifflichkeiten und Zusammenhängen vgl. Engel in Wilms/Jochum, § 4 ErbStG Rz. 5 ff. (Stand: April 2013).
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Erwerb beim Tod eines Ehegatten oder Lebenspartners (Abs. 1)
Rz. 10 § 4 ErbStG
einbarung der fortgesetzten Gütergemeinschaft können die Eheleute oder Lebenspartner jedoch verhindern, dass der Anteil des verstorbenen Ehegatten am Gesamtgut in dessen Nachlass fällt (§ 1483 Abs. 1 Satz 3 BGB). Es handelt sich um einen Fall der Sonderrechtsnachfolge (§ 1483 Abs. 1 Satz 2 BGB). Die anteilsberechtigten Abkömmlinge treten anstelle des verstorben Ehegatten in die Gütergemeinschaft ein. Auf diese Weise wird eine Erbauseinandersetzung hinsichtlich des Gesamtguts vermieden, so dass das Gesamtgut seinen Charakter als gebundene Vermögensmasse behält.1
II. Rechtsfolge beim Tod eines Ehegatten oder Lebenspartners 1. Gesetzliche Fiktion Durch den Eintritt der Abkömmlinge in die Gesamtgutsgemeinschaft geht der Anteil des verstorbenen 8 Ehegatten am Gesamtgut nicht durch Erbanfall i.S.d. § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG, sondern auf der Grundlage güterrechtlicher Vorschriften des Familienrechts über.2 § 4 ErbStG bestimmt demgegenüber, dass der Anteil des verstorben Ehegatten am Gesamtgut erbschaftsteuerlich so behandelt werden soll, als wäre er ausschließlich den anteilsberechtigten Abkömmlingen zugefallen. Durch diese Fiktion erfasst § 4 ErbStG als Ergänzungstatbestand zu § 3 ErbStG die Bereicherung, die den gemeinschaftlichen Abkömmlingen an der fortgesetzten Gütergemeinschaft kraft Güterrechts anfällt.3 Zum Zwecke der Besteuerung wird durch § 4 ErbStG dieser güterrechtliche Vorgang wie ein Erwerb von Todes wegen behandelt.4 Es handelt sich um eine gesetzliche Fiktion zu Zwecken des Erbschaftsteuerrechts. Die Verwendung des Wortes „ausschließlich“ macht deutlich, dass nur die anteilsberechtigten Ab- 9 kömmlinge, nicht aber auch der überlebende Ehegatte Steuersubjekte i.S.d. § 4 Abs. 1 ErbStG sind.5 Ohne ausdrückliche Vereinbarung der Fortsetzung der Gütergemeinschaft über den Tod eines Ehegatten oder Lebenspartner hinaus läge ein gewöhnlicher Erwerb durch Erbanfall vor, der nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG zu besteuern wäre. Sind neben den gemeinschaftlichen Abkömmlingen noch andere Abkömmlinge vorhanden, werden sie so behandelt, als wäre die fortgesetzte Gütergemeinschaft nicht eingetreten (§ 1483 Abs. 2 BGB). Es wird also so getan, als wäre der Gesamtgutsanteil allen Abkömmlingen zugefallen. Der Ausgleich zwischen den gemeinschaftlichen Abkömmlingen und denen, die nicht an der Gütergemeinschaft teilnehmen, erfolgt durch einen Ausgleichsanspruch der übrigen Abkömmlinge gegen den oder die gemeinschaftlichen Abkömmlinge.6 Die nichtgemeinschaftlichen Abkömmlinge zählen jedoch nicht zu den anteilsberechtigten Abkömmlingen i.S.d. § 4 Abs. 1 ErbStG. Ihre Erbteile werden als Erwerb von Todes wegen nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG erfasst.7 Der überlebende Ehegatte kann die Fortsetzung der Gütergemeinschaft ablehnen (§ 1484 BGB) und 10 sie unter den Voraussetzungen des § 1492 BGB jederzeit aufheben. Darüber hinaus endet die fortgesetzte Gütergemeinschaft automatisch, wenn der überlebende Ehegatte wieder heiratet (§ 1493 BGB) oder verstirbt (§ 1494 BGB). Nach Beendigung der Gütergemeinschaft kommt es zur Auseinandersetzung gem. § 1497 Abs. 1 BGB, die jedoch in der Regel keine selbständige Bereicherung bewirkt und daher steuerlich praktisch ohne Belang ist.8 Durch den Tod des zweitversterbenden Ehegatten wird in Bezug auf seinen Anteil am Gesamtgut die gewöhnliche Erbfolge ausgelöst. Sein Anteil am Gesamtgut fällt somit in seinen Nachlass und unterliegt bei seinen Erben als Erwerb von Todes wegen der Besteuerung durch § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG.9
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Geck in Kapp/Ebeling, § 4 ErbStG Rz. 8 (Stand: August 2012). Esskandari/Winter in Lippross/Seibel, § 4 ErbStG Rz. 9 (Stand: Juni 2013). Peterek in Tiedtke, § 4 ErbStG Rz. 5. Geck in Kapp/Ebeling, § 4 ErbStG Rz. 1.2 (Stand: August 2012); Meincke16, § 4 ErbStG Rz. 3. Meincke16, § 4 ErbStG Rz. 6; Peterek in Tiedtke, § 4 ErbStG Rz. 18. Engel in Wilms/Jochum, § 4 ErbStG Rz. 35 (Stand: April 2013). Meincke16, § 4 ErbStG Rz. 7. Für den seltenen Fall einer Wertverschiebung vgl. Kirschstein in Gürsching/Stenger, § 4 ErbStG Rz. 27 (Stand: Juli 2015), Rz. 27 sowie Esskandari/Winter in Lippross/Seibel, § 4 ErbStG Rz. 19 (Stand: Juni 2013); Gebel in T/G/J, § 4 ErbStG Rz. 11 (Stand: 2015). 9 Kirschstein in Gürsching/Stenger, § 4 ErbStG, Rz. 26 (Stand: Juli 2015); Meincke16, § 4 ErbStG Rz. 10; Engel in Wilms/Jochum, § 4 ErbStG Rz. 36 (Stand: April 2013).
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§ 4 ErbStG Rz. 11 Fortgesetzte Gütergemeinschaft 2. Wertermittlung 11
Zur Ermittlung der Höhe des zu versteuernden Vermögenszuwachses wird zunächst der Steuerwert für das Gesamtgut nach den Verhältnissen vom Todestag des verstorbenen Ehegatten errechnet.1 Das Gesamtgut der fortgesetzten Gütergemeinschaft besteht nach § 1485 Abs. 1 BGB aus dem ehelichen Gesamtgut, soweit es nicht nach § 1483 Abs. 2 BGB einem nicht anteilsberechtigten Abkömmling zufällt, und aus dem Vermögen, das der überlebende Ehegatte aus dem Nachlass des verstorbenen Ehegatten oder nach dem Eintritt der fortgesetzten Gütergemeinschaft erwirbt. Das Vermögen, das ein gemeinschaftlicher Abkömmling zur Zeit des Eintritts der fortgesetzten Gütergemeinschaft hat oder später erwirbt, gehört nicht zum Gesamtgut (§ 1483 Abs. 2 BGB). Nach § 1483 Abs. 1 Satz 3 Halbs. 1 BGB gehört nur der Anteil des verstorbenen Ehegatten am Gesamtgut zum Nachlass. Das übrige Vermögen des verstorbenen Ehegatten unterliegt gem. § 1483 Abs. 1 Satz 3 Halbs. 2 BGB der gewöhnlichen Erbfolge.2 Die Besteuerung des Sonderguts nach § 1417 BGB und des Vorbehaltsguts nach § 1418 BGB erfolgt daher nicht im Wege des § 4 ErbStG, sondern wird als Erwerb von Todes wegen von § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG erfasst.
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Vom Gesamtgut sind die Gesamtgutsverbindlichkeiten der Gütergemeinschaft i.S.v. § 1488 BGB abzuziehen (§ 1475 BGB). Von diesem so ermittelten Wert ist die eine Hälfte als Anteil des überlebenden, die andere als Anteil des verstorbenen Ehegatten anzusehen.3 Der Anteil des verstorbenen Ehegatten ist entsprechend auf die anteilsberechtigten Abkömmlinge aufzuteilen und von diesen zu versteuern. Nachlassverbindlichkeiten können von den Abkömmlingen dementsprechend auch nur in Höhe des auf sie entfallenden Anteils zum Abzug gebracht werden.4 3. Steuerschuldner
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Die Steuerschuldnerschaft der Abkömmlinge ist gem. § 20 Abs. 2 ErbStG auf die Höhe ihres jeweiligen Anteils beschränkt. Neben den Abkömmlingen wird gem. § 20 Abs. 2 ErbStG auch der überlebende Ehegatte Steuerschuldner, und zwar für den gesamten Steuerbetrag (s. § 20 ErbStG Rz. 22).5 Auch wenn er selber kein Anteilserwerber ist, so obliegt ihm nach § 1487 BGB jedoch allein die Verwaltung des Gesamtguts, während die anteilsberechtigten Abkömmlinge die rechtliche Stellung des anderen Ehegatten einnehmen.6 Außerdem kann das Finanzamt nach § 31 Abs. 3 ErbStG die Steuererklärung allein von dem überlebenden Ehegatten verlangen, so dass ein sicherer Steuerzugriff nur bei ihm möglich ist.7 Die Steuerschuldnerschaft aus § 20 Abs. 2 ErbStG erfasst jedoch nur die aus dem Gesamtgut stammenden Erwerbe und erstreckt sich nicht auf das übrige Vermögen des verstorbenen Ehegatten.8 Die Steuer entsteht nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG mit dem Tod des erstversterbenden Ehegatten und ist ungeachtet des alleinigen Verwaltungsrechts des überlebenden Ehegatten aus § 1487 BGB sofort zu versteuern.9
1 Kobor in F/J/P/W5, § 4 ErbStG Rz. 12; Gebel in T/G/J, § 4 ErbStG Rz. 6 (Stand: Dezember 2015); Engel in Wilms/Jochum, § 4 ErbStG Rz. 25 (Stand: April 2013). 2 Geck in Kapp/Ebeling, § 4 ErbStG Rz. 8 (Stand: August 2012); Gebel in T/G/J, § 4 ErbStG Rz. 3 (Stand: Dezember 2015). 3 Peterek in Tiedtke, § 4 ErbStG Rz. 13 f. 4 Gebel in T/G/J, § 4 ErbStG Rz. 6 (Stand: Dezember 2015). 5 Zu den Steuerschuldnern im Fall einer fortgesetzten Gütergemeinschaft vgl. auch Schuhmann, ErbR 2014, 156. 6 Kirschstein in Gürsching/Stenger, § 4 ErbStG Rz. 15 (Stand: Juli 2015). 7 Meincke16, § 4 ErbStG Rz. 9; Engel in Wilms/Jochum, § 4 ErbStG, Rz. 3.3 (Stand: April 2013). 8 Meincke16, § 4 ErbStG Rz. 10. 9 Ausf. Geck in Kapp/Ebeling, § 4 ErbStG Rz. 14 f. (Stand: August 2012); Gebel in T/G/J, § 4 ErbStG Rz. 10 (Stand: Dezember 2015); Kirschstein in Gürsching/Stenger, § 4 ErbStG Rz. 14 (Stand: Juli 2015); Engel in Wilms/Jochum, § 4 ErbStG Rz. 15 (Stand: April 2013).
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Erwerb beim Tod eines Abkömmlings (Abs. 2)
Rz. 17 § 4 ErbStG
C. Erwerb beim Tod eines Abkömmlings (Abs. 2) I. Zugehörigkeit des Anteils zum Nachlass Beim Tod eines anteilsberechtigten Abkömmlings gehört dessen Anteil am Gesamtgut für Zwecke der 14 Erbschaftsteuer zu seinem Nachlass (§ 4 Abs. 2 Satz 1 ErbStG). Diese Regelung weicht wie die Fiktion in Abs. 1 von den Bestimmungen des Zivilrechts ab.1 Nach § 1490 Satz 1 BGB gehört beim Tod eines anteilsberechtigten Abkömmlings dessen Anteil am Gesamtgut gerade nicht zu dessen Nachlass. Zivilrechtlich bleibt das Gesamtgut auch weiterhin als gebundene Vermögensmasse erhalten. Der güterrechtlich bedingte Vermögenszuwachs ist bei den Personen, denen er zuwächst oder auf die 15 er übergeht, als Erwerb aus dem Nachlass und damit als Erwerb von Todes wegen gem. § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG zu versteuern.2 Zur Berechnung und entsprechenden Aufteilung des zu versteuernden Vermögenszuwachses muss die Höhe des Anteils des verstorbenen Abkömmlings nach den zivilrechtlichen Ausgleichsvorschriften ermittelt werden.
II. Erwerber des Anteils Als Erwerber des Anteils des verstorbenen Abkömmlings gelten nach § 4 Abs. 2 Satz 2 ErbStG diejeni- 16 gen, denen der Anteil nach § 1490 Satz 2 und 3 BGB zufällt. Insoweit negiert § 4 Abs. 2 Satz 2 ErbStG nicht die zivilrechtlichen Vorschriften, sondern nimmt ausdrücklich auf diese Bezug.3 Nach § 1490 Satz 2 BGB treten zunächst die Abkömmlinge des verstorbenen Anteilseigners an dessen Stelle, also diejenigen, die anteilsberechtigt sein würden, wenn er den verstorbenen Ehegatten nicht überlebt hätte. Für den Fall, dass der Verstorbene seinerseits keine eintrittsberechtigten Abkömmlinge hinterlässt, bestimmt § 1490 Satz 3 BGB, dass sein Anteil den übrigen anteilsberechtigten Abkömmlingen zuwächst, also denjenigen, die mit ihm und dem überlebenden Ehegatten zusammen in die Gesamtgutsgemeinschaft eingetreten sind bzw. – falls diese bereits verstorben sein sollten – deren eintrittsberechtigten Abkömmlingen. Erst wenn keine weiteren Abkömmlinge vorhanden sind, fällt der Anteil des verstorbenen Abkömmlings dem überlebenden Ehegatten zu. Andere Erben des verstorbenen Abkömmlings wie z.B. sein Ehegatte werden durch den Verweis in § 4 Abs. 2 Satz 2 ErbStG vom Eintritt in die Gütergemeinschaft ausgeschlossen, so dass neben den bereits vorhandenen Anteilseignern ausschließlich die Abkömmlinge eines verstorbenen Anteilseigners eintrittsberechtigt sind. Auf diese Weise wird der Kreis der eintrittsberechtigten Personen bewusst klein gehalten und die Funktionalität der Gütergemeinschaft somit aufrechterhalten.4 Die Steuerschuldnerschaft richtet sich auch im Falle des Todes eines anteilsberechtigten Abkömm- 17 lings nach § 20 Abs. 2 ErbStG. Der überlebende Ehegatte schuldet neben den Abkömmlingen den gesamten Steuerbetrag (s. § 20 Rz. 22).5
1 BFH v. 26.3.1954 – III 89/52 U, BStBl. III 1954, 159; Kirschstein in Gürsching/Stenger, § 4 ErbStG Rz. 21 (Stand: Juli 2015); Geck in Kapp/Ebeling, § 4 ErbStG Rz. 22 (Stand: August 2012); Meincke16, § 4 ErbStG Rz. 8. 2 Kobor in F/J/P/W5, § 4 ErbStG Rz. 20; Meincke16, § 4 ErbStG Rz. 8; Peterek in Tiedtke, § 4 ErbStG Rz. 21; Engel in Wilms/Jochum, § 4 ErbStG Rz. 38 (Stand: April 2013). 3 Geck in Kapp/Ebeling, § 4 ErbStG Rz. 22 (Stand: August 2012). 4 Gebel in T/G/J, § 4 ErbStG Rz. 17 (Stand: Dezember 2015). 5 Geck in Kapp/Ebeling, § 4 ErbStG Rz. 22 (Stand: August 2012); Gebel in T/G/J, § 4 ErbStG Rz. 17 (Stand: Dezember 2015); Schuhmann, ErbR 2014, 156.
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§ 5 Zugewinngemeinschaft (1) 1Wird der Güterstand der Zugewinngemeinschaft (§ 1363 des Bürgerlichen Gesetzbuchs, § 6 des Lebenspartnerschaftsgesetzes) durch den Tod eines Ehegatten oder den Tod eines Lebenspartners beendet und der Zugewinn nicht nach § 1371 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs ausgeglichen, gilt beim überlebenden Ehegatten oder beim überlebenden Lebenspartner der Betrag, den er nach Maßgabe des § 1371 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs als Ausgleichsforderung geltend machen könnte, nicht als Erwerb im Sinne des § 3. 2Bei der Berechnung dieses Betrags bleiben von den Vorschriften der §§ 1373 bis 1383 und 1390 des Bürgerlichen Gesetzbuchs abweichende güterrechtliche Vereinbarungen unberücksichtigt. 3Die Vermutung des § 1377 Abs. 3 des Bürgerlichen Gesetzbuchs findet keine Anwendung. 4Wird der Güterstand der Zugewinngemeinschaft durch Ehevertrag oder Lebenspartnerschaftsvertrag vereinbart, gilt als Zeitpunkt des Eintritts des Güterstandes (§ 1374 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs) der Tag des Vertragsabschlusses. 5Soweit das Endvermögen des Erblassers bei der Ermittlung des als Ausgleichsforderung steuerfreien Betrags mit einem höheren Wert als dem nach den steuerlichen Bewertungsgrundsätzen maßgebenden Wert angesetzt worden ist, gilt höchstens der dem Steuerwert des Endvermögens entsprechende Betrag nicht als Erwerb im Sinne des § 3. (2) Wird der Güterstand der Zugewinngemeinschaft in anderer Weise als durch den Tod eines Ehegatten oder eines Lebenspartners beendet oder wird der Zugewinn nach § 1371 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs ausgeglichen, gehört die Ausgleichsforderung (§ 1378 des Bürgerlichen Gesetzbuchs) nicht zum Erwerb im Sinne der §§ 3 und 7. (3) Wird der Güterstand der Wahl-Zugewinngemeinschaft (§ 1519 des Bürgerlichen Gesetzbuchs) beendet und der Zugewinn ausgeglichen, so gehört die Ausgleichsforderung (Artikel 12 Absatz 1 des Abkommens vom 4. Februar 2010 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Französischen Republik über den Güterstand der Wahl-Zugewinngemeinschaft) nicht zum Erwerb im Sinne der §§ 3 und 7. A. I. II. III.
Grundaussagen der Vorschrift. . . . . . . . . . Regelungsgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . Bedeutung und Telos . . . . . . . . . . . . . . . . . Geltungsbereich und Verhältnis zu anderen Vorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Rechtsentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Zugewinngemeinschaft im Zivilrecht . . . . I. Güterstand der Zugewinngemeinschaft . . . . II. Erbrechtliche Regelung und erbrechtliche Lösung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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III. Güterrechtliche Regelung und güterrechtliche Lösung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Berechnung des Zugewinnausgleichs . . . . . . V. Gleichzeitiges Versterben . . . . . . . . . . . . . . . C. Fiktiver Zugewinnausgleich (Abs. 1) . . . . . I. Anwendungsbereich (Abs. 1 Satz 1) . . . . . . . II. Berechnung des Betrags (Abs. 1 Satz 2 bis 5). D. Konkreter Zugewinnausgleich (Abs. 2) . . . .
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E. Güterstand der Wahl-Zugewinngemeinschaft (Abs. 3). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87
Literatur: Bruschke, Zugewinnausgleich – Berücksichtigung latenter Steuern bei der Berechnung der Ausgleichsleistung, ErbStB 2016, 80; Geck, Gestaltungen im Rahmen des Güterstands der Zugewinngemeinschaft – Chancen und Risiken, ZErb 2004, 21; Jäger, Der neue deutsch-französische Güterstand der Wahl-Zugewinngemeinschaft – Inhalt und seine ersten Folgen für die Gesetzgebung und Beratungspraxis –, DNotZ 2010, 804; Jeremias, Erbschaftsteuerrechtliche Aspekte des Zugewinnausgleichs in internationalen Fällen, ZEV 2005, 414; Kogel, Die Indexierung von negativem Anfangsvermögen nach der Güterrechtsnovelle, NJW 2010, 2025; Leipold, Ist der Wegfall des Zugewinnausgleichs bei Vorversterben des Ehegatten mit dem geringeren Zugewinn verfassungsgemäß?, NJW 2011, 1179; Reich, Die rückwirkende Begründung der Zugewinngemeinschaft und ihre Auswirkung auf § 29 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG und § 1380 BGB, ZEV 2011, 59; Stein, Einkommensteuerliches Veräußerungsgeschäft durch gesetzliche Anrechnung von Ehegatten – Schenkungen auf den Zugewinnausgleich?, DStR 2012, 1734; Stein, Vermeidung von Veräußerungsgewinnen bei Beendigung der Zugewinngemeinschaft – Vorteile eines gegenstandsbezogenen Zugewinnausgleichs durch Ehevertrag –, DStR 2012, 1063; von Oertzen, Fiktiver Zugewinnausgleich gem. § 5 Abs. 1 ErbStG bei grenzüberschreitenden Sachverhalten, ZEV 1994, 93; von Oertzen/Reich, Die postmortale Ausschlagung eines Ehegattenvermächtnisses nach dem Tod des überlebenden Ehepartners als erbschaftsteuerliches Gestaltungsinstrument, ZEV 2010, 281.
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§ 5 ErbStG Rz. 1 Zugewinngemeinschaft Verwaltungsanweisungen: R E 5.1–5.2 ErbStR 2011; H E 5.1(2)–5.2 ErbStH 2011.
A. Grundaussagen der Vorschrift I. Regelungsgegenstand 1 Nach § 5 ErbStG wird dann, wenn die Ehegatten oder Lebenspartner im Güterstand der Zugewinn-
gemeinschaft leben, eine fiktive oder tatsächliche Zugewinnausgleichsforderung erbschaft- oder schenkungsteuerfrei gestellt. § 5 Abs. 1 ErbStG ist als zusätzlicher Freibetrag zu verstehen, § 5 Abs. 2 und Abs. 3 ErbStG hingegen enthalten nur die Klarstellung, dass der tatsächliche Ausgleichsanspruch aufgrund gesetzlicher Vorschrift steuerfrei vereinnahmt werden kann.
II. Bedeutung und Telos 2 In der Praxis hat die Vorschrift eine große Bedeutung bei Erwerben zwischen Ehegatten und Lebens-
partnern, da die Steuerbefreiung nach § 5 ErbStG gerade bei großen Vermögenszuwächsen ein Vielfaches des persönlichen Freibetrags bzw. des besonderen Versorgungsfreibetrags betragen kann, weil § 5 ErbStG keine betragsmäßige Obergrenze enthält. Allerdings ist eine Berechnung des fiktiven oder tatsächlichen Ausgleichsanspruchs im erbschaftsteuerlichen Veranlagungsverfahren erforderlich, was einen erheblichen Aufwand und praktische Schwierigkeiten bedeuten kann. Gerade bei langen Ehen können einzelne Berechnungsparameter häufig nur noch geschätzt werden. 3 Sinn und Zweck der Vorschrift ist, dem Ehegatten oder Lebenspartner in Höhe der fiktiven oder tat-
sächlichen Ausgleichsforderung eine zusätzliche Steuerbefreiung zu gewähren.
III. Geltungsbereich und Verhältnis zu anderen Vorschriften 4 § 5 ErbStG verschafft dem Steuerpflichtigen neben dem persönlichen Freibetrag nach § 16 ErbStG
und dem besonderen Versorgungsfreibetrag nach § 17 ErbStG eine zusätzliche Steuerbefreiung. Die Vorschriften sind kumulativ anzuwenden. § 5 ErbStG gilt für alle Arten der persönlichen Steuerpflicht. 5 Bei internationalem Kontext ist stets eine intensive Prüfung insbesondere der in- und ausländischen
familienrechtlichen Kollisions- und Sachvorschriften inklusive der erbschaft-, schenkungs- und ertragsteuerlichen Vorschriften vorzunehmen, um die gewünschte steuerlichen Effekte herbeizuführen. Aus deutscher Sicht ist derzeit nach Art. 15 EGBGB insbesondere zunächst zu prüfen, in welchem Güterstand die Eheleute bzw. Lebenspartner leben. Für Ehen, die nach dem 31.3.1953 und vor dem 9.4.1983 sowie solche die vor dem 1.4.1953 geschlossen worden sind, gelten hinsichtlich der güterrechtlichen Wirkungen die Besonderheiten des Art. 220 Abs. 3 EGBGB. Mit Blick auf die Gebiete der ehemaligen DDR ist diesbezüglich Art. 236 § 3 EGBGB zu beachten, nach dem für die güterrechtlichen Wirkungen von Ehen, die vor dem Wirksamwerden des Beitritts geschlossen worden sind, von diesem Tag an dem Art. 15 EGBGB unterliegen, wobei an die Stelle des Zeitpunkts der Eheschließung der Tag des Wirksamwerdens des Beitritts tritt. Es gibt Bestrebungen auf europäischer Ebene, entsprechend der EuErbVO eine kollisionsrechtliche Regelung für das Güterrecht einzuführen. Das zeigt der am 16.3.2011 vorgestellte Kommissionsentwurf. 6 Leben die Eheleute in einem ausländischen Güterstand, ist die Vergleichbarkeit mit der Zugewinn-
gemeinschaft zu untersuchen.1 Das wurde z.B. in der Praxis für den Güterstand der Errungenschaftsbeteiligung in der Schweiz, der seit dem 1.1.1988 der gesetzliche Güterstand ist,2 auch seitens der Finanzverwaltung mittels verbindlicher Auskunft bereits bejaht. 1 Von Oertzen, ZEV 1994, 93; Gottschalk in T/G/J, § 5 ErbStG Rz. 50 ff. (Stand: Juli 2015); Jeremias, ZEV 2005, 414; BFH v. 5.3.1975 – II R 125/68, BStBl. II 1975, 447 für den Güterstand der Gütertrennung mit Ausgleichsanspruch in der früheren DDR. 2 Wachter in Flick/Piltz2, Rz. 858.
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Grundaussagen der Vorschrift
Rz. 9 § 5 ErbStG
Ist die Vergleichbarkeit nicht gegeben, kann u.U. möglicherweise durch einen Güterstandswechsel 7 nach Art. 15 Abs. 2 und Abs. 3 EGBGB der Güterstand der Zugewinngemeinschaft u.U. mit steuerlicher Rückwirkung gewählt werden. Zu beachten sind allerdings in diesem Zusammenhang stets die zivilrechtlichen Kollisions- und Sachvorschriften des ausländischen Familienrechts über die Abwicklung des ausländischen Güterstands bei Güterstandswechsel sowie die daraus resultierenden schenkungs- und ertragsteuerlichen Konsequenzen der betroffenen Rechtsordnungen. Zu beachten ist, dass bei Existenz eines ausländischen Güterstands regelmäßig auch ein Zeitraum existiert, in dem die Ehegatten in Deutschland nicht steuerpflichtig waren, so dass u.U. möglicherweise ausländische Steuerfreistellungen für diese Zeit im Ausland existieren, die zu einem ähnlichen Effekt wie § 5 ErbStG führen können. Möglicherweise macht es im Einzelfall auch Sinn, im ausländischen Güterstand zu bleiben. Zu beachten ist, dass die Finanzverwaltung den Güterstandswechsel von § 5 Abs. 1 Satz 2 bis 4 ErbStG als erfasst ansieht, also insbesondere der Tag der notariell beurkundeten Erklärungen als Zeitpunkt des Eintritts des Güterstands der Zugewinngemeinschaft gilt.1 Ist der überlebende Ehegatte nur beschränkt erbschaftsteuerpflichtig, so stellt sich die Frage, ob das 8 Inlandsvermögen i.S.d. §§ 2 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG, 121 BewG in Höhe der fiktiven Zugewinnausgleichsforderung nach § 5 Abs. 1 ErbStG erbschaftsteuerfrei gestellt ist. Das ist zu bejahen,2 weil § 5 Abs. 1 ErbStG keine mit § 16 Abs. 2 ErbStG vergleichbare Vorschrift enthält und anders als § 17 Abs. 1 und Abs. 2 ErbStG nicht auf § 16 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 ErbStG verweist. Für beschränkt Erbschaftsteuerpflichtige steht nach wie vor nach dem Wortlaut des § 16 Abs. 2 ErbStG nur ein Freibetrag i.H.v. 2 000 Euro zur Verfügung steht, was aber europarechtlich nicht haltbar ist.3 Teilweise wird jedoch die Auffassung vertreten, dass der steuerfrei bleibende Ausgleichsanspruch zu beschränken ist, d.h., der abzugsfähige Teilbetrag soll sich aus dem Verhältnis des Steuerwerts, seit 1.1.2009 grds. des gemeinen Werts, des zum Inlandsvermögen gehörenden Nachlassvermögens zum Verkehrswert des gesamten Nachlassvermögens des Erblassers ergeben.4 Hierfür soll sprechen, dass § 10 Abs. 6 ErbStG bei Pflichtteilsansprüchen gegenüber beschränkt steuerpflichtigen Erben anzuwenden sei.5 Diese Rechtsauffassung zur Beschränkung der Steuerfreiheit nach § 5 Abs. 1 ErbStG kann jedoch nicht überzeugen, da § 5 Abs. 1 ErbStG keine derartige Beschränkung zu entnehmen ist.6 § 10 Abs. 6 ErbStG beschränkt die Abzugsfähigkeit von Schulden und Lasten, die in wirtschaftlichem Zusammenhang mit Vermögensgegenständen stehen, die nicht der Besteuerung nach dem ErbStG unterliegen. Der BFH7 hat kürzlich auch entschieden, dass die Pflichtteilsschuld und die Zugewinnausgleichsforderung mangels wirtschaftlichen Zusammenhangs nicht zu kürzen ist, selbst wenn zum Nachlass begünstigtes Betriebsvermögen i.S.d. §§ 13a ff. ErbStG gehört. Im Rahmen des § 5 Abs. 2 ErbStG, der die Steuerfreiheit der tatsächlichen Zugewinnausgleichsforde- 9 rung klarstellt, stellt sich diese Frage auf Seiten des beschränkt steuerpflichtigen überlebenden Ehegatten nicht, weil die tatsächliche Zugewinnausgleichsforderung kein Inlandsvermögen i.S.d. § 2 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG, § 121 BewG ist und zwar unabhängig davon, wo das Vermögen belegen ist.8 Ist hingegen der Erbe, gegen den sich die tatsächliche Zugewinnausgleichsforderung richtet, im Inland steuerpflichtig, so stellt sich die Frage, ob die Abzugsfähigkeit nach § 10 Abs. 6 ErbStG eingeschränkt ist. Das ist abzulehnen.9
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H E 5.1 Abs. 3 ErbStR 2011. Weinmann in Moench/Weinmann, § 5 ErbStG Rz. 15 (Stand: Juni 2016). EuGH v. 8.6.2016 – C-479/14, DStR 2016, 1360; FG Düsseldorf v. 13.7.2016 – 4 K 488/14 Erb, juris. Weinmann in Moench/Weinmann, § 5 ErbStG Rz. 15 (Stand: Juni 2016); Gottschalk in T/G/J, § 5 ErbStG Rz. 215 (Stand: Juli 2015). Weinmann in Moench/Weinmann, § 5 ErbStG Rz. 15 (Stand: Juni 2016) unter Verweis auf BFH v. 21.7.1972 – III R 44/70, BStBl. II 1973, 4. Gottschalk in T/G/J, § 5 ErbSTG Rz. 215 (Stand: Juli 2015); Geck in Kapp/Ebeling, § 5 ErbStG Rz. 92.2 (Stand: Mai 2016); Meincke16, § 5 ErbStG Rz. 7, 37. BFH v. 22.7.2015 – II R 12/14, BStBl. II 2016, 230; FM Bayern v. 12.4.2016 – 34-S3810-5/1, DStR 2016, 1750; a.A. noch OFD NRW v. 31.10.2014 – 005/2014, DStR 2014, 2571. Weinmann in Moench/Weinmann, § 5 ErbStG Rz. 58 (Stand: Juni 2016). BFH v. 22.7.2015 – II R 12/14, BStBl. II 2016, 230.
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§ 5 ErbStG Rz. 10 Zugewinngemeinschaft
IV. Rechtsentwicklung 10
Entstehungsgeschichtlich1 ist zu beachten, dass ursprünglich das Erbschaftsteuergesetz die Steuerfreiheit eines Nachlassviertels vorsah, was eine in der Praxis einfach zu handhabende Regelung war. Der Gesetzgeber des Erbschaftsteuergesetzes 1974 änderte dann das Gesetz dahingehend, dass der Freibetrag der fiktiven Zugewinnausgleichsforderung entspricht. Zum 1.1.1994 wurden in § 5 Abs. 1 ErbStG die Sätze 2 bis 4 eingefügt, die die Berechnung der fiktiven Zugewinnausgleichsforderung modifizieren. § 5 Abs. 1 Satz 5 ErbStG wurde durch das Erbschaftsteuerreformgesetz 2009 ab dem 1.1.2009 geringfügig abgeändert. § 5 Abs. 3 ErbStG gilt ab dem 1.5.2013. § 5 ErbStG gilt sowohl für Ehegatten als auch für Lebenspartner. Eine Änderung des § 5 Abs. 1 ErbStG wurde vom Finanz- und Wirtschaftsausschuss des Bundesrates2 im Rahmen der Reform der Unternehmenserbschaftsteuer veranlasst durch das Urteil des BVerfG vom 17.12.2014 erwogen, allerdings wurde das selbst vom Bundesrat in seiner Stellungnahme vom 25.9.20153 nicht aufgegriffen.
B. Zugewinngemeinschaft im Zivilrecht I. Güterstand der Zugewinngemeinschaft 11
§ 5 Abs. 1 und 2 ErbStG knüpfen – wie das gesamte Erbschaftsteuergesetz – grundsätzlich zivilrechtlich an, enthält jedoch auch Besonderheiten.
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Diese Vorschriften sind nur dann anwendbar, wenn die Eheleute im Steuerentstehungszeitpunkt im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft lebten bzw. leben. Seit dem 1.7.1958 ist die Zugewinngemeinschaft der gesetzliche Güterstand (§ 1363 Abs. 1 BGB).4 Vor Einführung der Zugewinngemeinschaft als gesetzlichen Güterstand durch das Gleichberechtigungsgesetz geschlossene Ehen, die im gesetzlichen Güterstand der Verwaltung und Nutznießung des Mannes lebten, wurden grundsätzlich in die Zugewinngemeinschaft übergeleitet.5
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Ehegatten, die in der früheren DDR im gesetzlichen Güterstand der Eigentums- und Vermögensgemeinschaft (Errungenschaftsgemeinschaft) lebten, wurden ab dem 3.10.1990 güterrechtlich in den gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft nach Art. 234 § 4 Abs. 1 bis 3 EGBGB übergeleitet; das konnte durch Antragsstellung bis zum 2.10.1992 verhindert werden.6 Eine weiter zurückwirkende Vereinbarung der Zugewinngemeinschaft als zum 3.10.1990 wird steuerlich von der Finanzverwaltung wegen der Abwicklung der Errungenschaftsgemeinschaft nach Art. 234 § 4 Abs. 4 EGBGB zu diesem Zeitpunkt zutreffenderweise nicht anerkannt.7 Für Ehegatten aus der DDR vor der Wiedervereinigung war danach zu differenzieren, ob sie im Güterstand der Gütertrennung mit Ausgleichsanspruch, für den § 5 ErbStG galt, oder in der Gütergemeinschaft mit Ausgleichsanspruch lebten.8
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Bei Lebenspartnern ist die Zugewinngemeinschaft seit dem 1.1.2005 der gesetzliche Güterstand (§ 6 LPartG), wobei sie abweichend durch notariellen Lebenspartnerschaftsvertrag die Gütergemeinschaft oder Gütertrennung vereinbaren können. Maßgeblich ist grundsätzlich steuerlich der Zeitpunkt der Begründung der Lebenspartnerschaft.9 Bei Güterstandswechsel gilt im Rahmen des § 5 Abs. 1 ErbStG der Tag der Begründung der Zugewinngemeinschaft.10 Die Ausführungen der Finanzverwaltung zu 1 Weinmann in Moench/Weinmann, § 5 ErbStG Rz. 9 f. m.w.N. (Stand: Juni 2016); Meincke16, § 5 ErbStG Rz. 3 m.w.N.; Geck in Kapp/Ebeling, § 5 ErbStG Rz. 1 ff., 47 m.w.N. (Stand: Mai 2016). 2 BR-Drucks. 353/1/15, S. 5 ff. 3 BR-Drucks. 353/1/15 (B). 4 R E 5.1 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 ErbStR 2011. 5 R E 5.1 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ErbStR 2011. 6 R E 5.1 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 ErbStR 2011. 7 R E 5.1 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 ErbStR 2011; Weinmann in Moench/Weinmann, § 5 ErbStG Rz. 79 (Stand: Juni 2016); Meincke16, § 5 ErbStG Rz. 6. 8 BFH v. 5.3.1975 – II R 125/68, BStBl. II 1975, 447. 9 R E 5.1 Abs. 7 Satz 2 Nr. 1 ErbStR 2011. 10 R E 5.1 Abs. 7 Satz 2 Nr. 3 ErbStR 2011.
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Zugewinngemeinschaft im Zivilrecht
Rz. 20 § 5 ErbStG
§ 5 Abs. 2 ErbStG gelten für Lebenspartner entsprechend.1 Vor dem 1.1.2005 konnten Lebenspartner entweder ihren Güterstand durch Lebenspartnerschaftsvertrag regeln oder den Güterstand der Ausgleichsgemeinschaft eintreten lassen, für den die Vorschriften der Zugewinngemeinschaft galten. Eine Überleitung in den Güterstand der Zugewinngemeinschaft mit Wirkung ab dem 1.1.2005 fand nach § 21 Abs. 1 LPartG statt, wenn die Lebenspartner nichts anderes vereinbarten. Die Überleitung in den Güterstand der Zugewinngemeinschaft konnte jeder Lebenspartner nach § 21 Abs. 2 LPartG bis zum 31.12.2005 durch die Erklärung gegenüber dem AG vermeiden, dass für die Lebenspartnerschaft die Gütertrennung gelten soll. Für Lebenspartner, die bereits vor dem 1.1.2005 im Güterstand der Ausgleichsgemeinschaft lebten, gilt für das Anfangsvermögen der Zeitpunkt der Begründung der Ausgleichsgemeinschaft.2 Für Vertriebene, Spätaussiedler, Flüchtlinge oder Zuwanderer ist das Gesetz über den ehelichen 15 Güterstand von Vertriebenen und Flüchtlingen vom 4.8.19693 zu beachten. Vereinbaren die Ehegatten nicht aufgrund Ehevertrag nach den §§ 1408 ff. BGB die Gütertrennung 16 (§ 1414 BGB) oder die Gütergemeinschaft (§ 1415 ff. BGB), leben sie im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft. Für Lebenspartner gilt dies nach den § 6 f. LPartG entsprechend. Die Ehegatten bzw. Lebenspartner leben auch dann im Güterstand der Zugewinngemeinschaft, wenn 17 sie diesen lediglich ehevertraglich modifizieren. Der BFH4 beanstandet es z.B. nicht, wenn der Zugewinnausgleich für den Fall einer Auflösung der Ehe auf andere Weise als durch Tod ausgeschlossen war, da dies der Ehevertragsfreiheit nach § 1408 Abs. 1 BGB entspricht. Dass Modifizierungen des Güterstands der Zugewinngemeinschaft möglich sind, ohne aus dem Anwendungsbereich des § 5 ErbStG herauszufallen, folgt auch aus § 5 Abs. 1 Satz 2, 4 ErbStG. Diese Vorschrift besagt, dass abweichende ehevertragliche Bestimmungen bei der Ermittlung der fiktiven Zugewinnausgleichsforderung nach § 5 Abs. 1 ErbStG nicht zu berücksichtigen sind, also trotz dieser (nicht näher konkretisierten) abweichenden ehevertraglichen Vereinbarungen der Güterstand der Zugewinngemeinschaft vorliegen muss. Der Güterstand der Zugewinngemeinschaft kann als „Gütertrennung mit Zugewinnausgleich“ cha- 18 rakterisiert werden. Jeder Ehegatte bleibt Eigentümer seines Vermögens und während der Ehe erworbenes Vermögen wird grundsätzlich kein gemeinschaftliches Vermögen in Form von Gesamthandsvermögen im Sinne der Gütergemeinschaft. Jeder Ehegatte kann – vorbehaltlich der Verfügungsbeschränkungen in den §§ 1365, 1367 und § 1369 BGB – frei über sein eigenes Vermögen verfügen. Er verwaltet auch sein Vermögen selbst. Erst dann, wenn der Güterstand der Zugewinngemeinschaft beendet wird, kommt es zu einem Zugewinnausgleich in Geld nach § 1378 BGB. Der Zugewinnausgleich nach Beendigung des Güterstands der Zugewinngemeinschaft ist vom nach- 19 ehelichen und nachpartnerschaftlichen Versorgungsausgleich im Scheidungsfall nach den §§ 1587a ff. BGB a.F. bzw. ab 1.9.2009 von dem VersAusglG ggf. i.V.m. § 20 LPartG abzugrenzen. Diejenigen Versorgungsleistungen, die unter den Versorgungsausgleich fallen, sind vom Zugewinnausgleich ausgenommen (§ 2 Abs. 4 VersAusglG), d.h. sind bei der Berechnung der Zugewinnausgleichsforderung auszuklammern.5 Der Versorgungsausgleich selbst führt aufgrund der gesetzlichen Grundlage nicht zur Schenkungsteuer. Das Gleiche gilt, wenn eine Abfindung gewährt wird. Der Verzicht auf einen noch nicht entstandenen Versorgungsausgleich führt aufgrund des Verzichts auf eine bloße Erwerbsaussicht nicht zur Schenkungsteuer.
II. Erbrechtliche Regelung und erbrechtliche Lösung Nach der erbrechtlichen Regelung des § 1371 Abs. 1 BGB wird der Ausgleich des Zugewinns in 20 dem Fall, dass der Güterstand durch den Tod eines Ehegatten beendet wird, dadurch verwirklicht, dass sich der gesetzliche Erbteil des überlebenden Ehegatten um ein Viertel der Erbschaft erhöht, 1 2 3 4 5
R E 5.2 Abs. 4 ErbStR 2011. R E 5.1 Abs. 7 Satz 2 Nr. 2 ErbStR 2011. BGBl. I 1969, 1067. BFH v. 18.1.2006 – II R 64/04, ErbStB 2006, 116 = BFH/NV 2006, 948. R E 5.1 Abs. 4 Satz 3 ErbStR 2011.
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§ 5 ErbStG Rz. 21 Zugewinngemeinschaft wobei unerheblich ist, ob die Ehegatten im Einzelfall einen Zugewinn erzielt haben. Diese Vorschrift greift ein, wenn die Ehegatten im Zeitpunkt des Todes in der Zugewinngemeinschaft lebten und der überlebende Ehegatte gesetzlicher Erbe des Verstorbenen wurde.1 Nur in diesem Fall erhöht sich der gesetzliche Erbteil des überlebenden Ehegatten um ein Viertel. 21
Die sog. erbrechtliche Lösung ist nur dann ein Fall des § 1371 Abs. 1 BGB, wenn der überlebende Ehegatte gesetzlicher Erbe wird und die Erbschaft nicht ausschlägt. Im Übrigen, d.h. insbesondere in den Fällen der gewillkürten Erbfolge, ist § 1371 Abs. 1 BGB nicht anwendbar. Diese Fälle sind solche der sog. erbrechtlichen Lösung, wenn der überlebende Ehegatte das ihm zugewandte Vermächtnis und/oder die Erbschaft nicht ausschlägt. Ihm steht der sog. große Pflichtteil zu und er kann nach den §§ 2305, 2307 BGB den am Wert des großen Pflichtteils fehlenden Betrag verlangen. Die Erbteilserhöhung nach § 1371 Abs. 1 BGB ist selbst dann zu berücksichtigen, wenn der Ehegatte Alleinerbe geworden ist.2 Der große Pflichtteil korrespondiert mit den reduzierten Pflichtteilsquoten der sonstigen weichenden Pflichtteilsberechtigten.
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Die Fälle der erbrechtlichen Regelung und der erbrechtlichen Lösung sind unter die Vorschrift des § 5 Abs. 1 ErbStG zu subsumieren, d.h. der Erwerb wird i.H.d. fiktiven Zugewinnausgleichsforderung steuerfrei gestellt.
III. Güterrechtliche Regelung und güterrechtliche Lösung 23
Die güterrechtliche Regelung des § 1372 BGB ist dann anwendbar, wenn der Güterstand der Zugewinngemeinschaft nicht durch den Tod beendet wird (§ 1372 BGB). Die güterrechtliche Regelung erfasst insbesondere die Beendigung der Zugewinngemeinschaft durch rechtskräftigen Scheidungsbeschluss und den Güterstandswechsel, d.h. die Beendigung des Güterstands der Zugewinngemeinschaft durch notarielle Gütertrennungsvereinbarung. Im Fall der rechtskräftigen Aufhebung der Ehe findet ein güterrechtlicher Ausgleich nur im Falle der Härteklausel des § 1318 Abs. 3 BGB statt. Auch die rechtskräftige Entscheidung über den Antrag auf vorzeitigen Zugewinnausgleich führt nach § 1388 zur Gütertrennung, also zur Beendigung des Güterstands der Zugewinngemeinschaft auf andere Weise.
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Unter der sog. güterrechtlichen Lösung sind zum einen die Fälle zu verstehen, in denen der Ehegatte weder Erbe noch Vermächtnisnehmer wird (§ 1371 Abs. 2 BGB) und zum anderen diejenigen des § 1371 Abs. 3 BGB, in denen der überlebende Ehegatte sich dazu entschließt, die Erbschaft und/oder ein ihm zugewandtes Vermächtnis auszuschlagen. Die Ausschlagung kann nach den §§ 1953, 2180 Abs. 3 BGB auch postmortal, d.h. auch noch nach dem Tod des überlebenden Ehegatten, erklärt werden.3 Zu beachten ist, dass für die Erbausschlagung nach § 1944 BGB eine Ausschlagungsfrist von sechs Wochen bzw. sechs Monaten zu beachten ist, hingegen existiert für die Vermächtnisausschlagung keine Ausschlagungsfrist.4 Die Erbausschlagungsfrist bewirkt bei der ohnehin hoch komplexen Entscheidung, die erbrechtliche Zuwendung anzunehmen oder auszuschlagen, zusätzlichen Zeitdruck. Dieser kann bei privatschriftlichen, nicht in die amtliche Verwahrung gegebenen Testamenten dadurch abgemildert werden, dass diese erst mit einer gewissen zeitlichen Verzögerung dem Nachlassgericht übergeben werden, so dass der Fristbeginn nach § 1944 Abs. 2 Satz 2 BGB gehemmt ist. Eine Ausschlagung ist ausgeschlossen, sobald eine Annahme der Erbschaft bzw. des Vermächtnisses erklärt worden ist.
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Bei der güterrechtlichen Lösung kann der überlebende Ehegatte, sollte er nicht auf sein gesetzliches Erbrecht oder sein Pflichtteilsrecht verzichtet haben, neben dem tatsächlichen Zugewinnausgleich den sog. kleinen Pflichtteil geltend machen, d.h. die Hälfte des nicht um ein Viertel der Erbschaft erhöhten gesetzlichen Erbteils (§ 1371 Abs. 3, Abs. 2 BGB), wobei dann zusätzlich der Abzug der Zugewinnausgleichsforderung vom Nachlass den Pflichtteilsanspruch mindert. Aus erbschaftsteuerlichen Gründen sollte jedoch vor der Geltendmachung des kleinen Pflichtteils geprüft werden, ob 1 2 3 4
Mayer in Bamberger/Roth3, § 1371 BGB Rz. 5. BGH v. 21.3.1962 – IV ZR 251/61, BGHZ 37, 58. von Oertzen/Reich, ZEV 2010, 281. BGH v. 12.1.2011 – IV ZR 230/09, NJW 2011, 1353.
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Zugewinngemeinschaft im Zivilrecht
Rz. 32 § 5 ErbStG
der überlebende Ehegatte den Pflichtteilsanspruch für seine Versorgung wirklich benötigt (§§ 3 Abs. 1 Nr. 1, 13 Abs. 1 Nr. 11 ErbStG). Im Fall der güterrechtlichen Lösung vergrößern sich die Pflichtteilsrechte der anderen Pflichtteilsberechtigten. Ist das nicht gewollt, müssen die Nachfolgedokumente so ausgestaltet werden, dass der überlebende Ehegatte Erbe bzw. Vermächtnisnehmer wird und möglichst nicht ausschlägt. Wird ausgeschlagen, ist statt § 5 Abs. 1 ErbStG der § 5 Abs. 2 ErbStG anwendbar, was u.U. pflichtteilsrechtlich nachteilig ist, aber postmortale erbschaftsteuerliche Gestaltungspielräume eröffnet. Um die güterrechtliche Lösung für den überlebenden Ehegatten als echte wirtschaftliche Alternative 26 darzustellen, ist zu erwägen, den Zugewinnausgleich ehevertraglich zu modifizieren und möglichst den erbrechtlichen Zuwendungen anzugleichen. Selbstverständlich ist in diesem Zusammenhang zu beachten, dass die ehevertragliche Ausgestaltung des Zugewinnausgleichs ehevertraglich bindend ist. Es kann aber z.B. erwogen werden, bestimmte Versorgungsbausteine ehevertraglich bindend im Rahmen des Zugewinnausgleichs zuzusagen, aber darüber hinaus in die modifizierte Zugewinnausgleichsvereinbarung aufzunehmen, dass der Ehegatte zusätzlich diejenigen Zuwendungen über den Zugewinnausgleich erhält, die der erstversterbende Ehegatte in seiner Verfügung von Todes wegen dem überlebenden Ehegatten zusätzlich zugewandt hat. Diese Vereinbarung ist zwar ehevertraglich bindend, aber der erstversterbende Ehegatte kann über die Änderung seiner Verfügungen von Todes wegen die Höhe des Zugewinnausgleichs steuern. Eine solche Vereinbarung ist auch hinreichend bestimmt bzw. bestimmbar. Im Rahmen des § 5 Abs. 2 ErbStG ist sie jedenfalls auch steuerlich anzuerkennen, soweit die erbrechtlichen Zuwendungen den gesetzlichen Zugewinnausgleich nicht übersteigen. Die Fälle der güterrechtlichen Regelung und der güterrechtlichen Lösung sind unter § 5 Abs. 2 27 ErbStG zu subsumieren, d.h. die tatsächliche Zugewinnausgleichsforderung ist klarstellend steuerfrei gestellt.
IV. Berechnung des Zugewinnausgleichs Für die Berechnung des Zugewinnausgleichs gelten für § 5 Abs. 1 ErbStG – abgesehen von den 28 Sondervorschriften des § 5 Abs. 1 Satz 2 bis 5 ErbStG – und für § 5 Abs. 2 ErbStG die Vorschriften der §§ 1373 bis 1383, 1390 BGB.1 Der Zugewinn ist nach § 1373 BGB der Betrag, um den das Endvermögen (§ 1375 BGB) eines Ehe- 29 gatten dessen Anfangsvermögen (§ 1374 BGB) übersteigt. Der Zugewinn kann – anders als das Anfangs- und Endvermögen – nicht negativ sein, also lediglich Null.2 Ist ein Verzeichnis über das Anfangsvermögen nicht aufgenommen worden, so wird zivilrechtlich nach § 1377 Abs. 3 BGB vermutet, dass das Endvermögen eines Ehegatten seinen Zugewinn darstellt. Diese Vermutung kann durch alle Beweismittel widerlegt werden. Durch das Gesetz zur Änderung des Zugewinnausgleichs- und Vormundschaftsrechts, das am 30 1.9.2009 in Kraft getreten ist, wurden einzelne Vorschriften des Zugewinnausgleichsrechts modifiziert, was bei der Berechnung des Zugewinnausgleichsanspruchs zu beachten ist. Die Übergangsvorschrift des Art. 229 § 20 EGBGB ist zu berücksichtigen. Das Anfangsvermögen ist nach § 1374 Abs. 1 BGB das Vermögen, das einem Ehegatten nach Abzug 31 der Verbindlichkeiten bei Eintritt des Güterstands gehört. Z.B. sind seit dem 1.9.2009 – im Gegensatz zum früheren Recht – Verbindlichkeiten nach § 1374 Abs. 3 BGB über die Höhe des Vermögens hinaus abzuziehen, so dass das Anfangsvermögen gem. § 1374 Abs. 1 BGB auch negativ sein kann.3 Nominale Wertsteigerungen des Anfangsvermögens, d.h. die infolge des Kaufkraftschwunds ein- 32 getreten sind, sind vom Zugewinn auszuscheiden, so dass eine Indexierung des Anfangsvermögens
1 BFH v. 27.6.2007 – II R 39/05, BStBl. II 2007, 783 = FR 2008, 149 = ErbStB 2007, 331. 2 Mayer in Bamberger/Roth3, § 1374 BGB Rz. 6. 3 R E 5.1 Abs. 2 Satz 4 ErbStR 2011.
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§ 5 ErbStG Rz. 33 Zugewinngemeinschaft zu erfolgen hat.1 Das gilt auch in den Fällen eines negativen Anfangsvermögens.2 Das wird damit begründet, dass auch eine Verbindlichkeit infolge der Geldentwertung an Wert verliert.3 33
Zu beachten ist gem. § 1374 Abs. 2 BGB z.B. auch, dass Vermögen, das ein Ehegatte nach Eintritt des Güterstands von Todes wegen oder mit Rücksicht auf ein künftiges Erbrecht, durch Schenkung oder als Ausstattung erwirbt, nach Abzug der Verbindlichkeiten dem Anfangsvermögen hinzuzurechnen ist, soweit es nicht den Umständen nach den Einkünften zuzuordnen ist.4 Allerdings erfolgt diese Hinzurechnung mit dem Wert im Zeitpunkt des Erwerbs, so dass Gewinne, Verluste und echte Wertsteigerungen den Zugewinn erhöhen bzw. mindern können.5 Ist das z.B. mit Blick auf die echten Wertsteigerungen nicht gewünscht, muss die Zugewinngemeinschaft durch Ehevertrag modifiziert werden. Zuwendungen, die ein Ehegatte während des gesetzlichen Güterstands um der Ehe Willen zu deren dauerhafter wirtschaftlicher Sicherung von seinen Schwiegereltern erhalten hat, sind dem Anfangsvermögen des Begünstigten hinzuzurechnen.6 Verbindlichkeiten sind von dem Hinzuerwerb abzuziehen, selbst wenn dadurch der Wert des Hinzuerwerbs negativ wird, also das Anfangsvermögen mindert, weil seit der Neuregelung auch das Anfangsvermögen negativ sein kann.7 Sind Vermögensgegenstände nach § 1374 Abs. 2 BGB dem Anfangsvermögen hinzuzurechnen, ist bei der Berechnung des Vermögenszuwachses der Kaufkraftschwund durch Indexierung seit dem Zeitpunkt ihres Erwerbs herauszurechnen.8 Schenkungen und ehebezogene unbenannte Zuwendungen zwischen Ehegatten sind hingegen nicht dem Anfangsvermögen des Beschenkten nach § 1374 Abs. 2 BGB hinzuzurechnen.9 § 1380 BGB ist jedoch in diesem Fall u.U. zu beachten.
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Das Endvermögen ist das Vermögen, das einem Ehegatten nach Abzug der Verbindlichkeiten bei der Beendigung des Güterstands bzw. eines vorgezogenen Stichtags (z.B. Berechnungszeitpunkt bei Scheidung: Rechtshängigkeit des Scheidungsantrags, § 1384 BGB) gehört; Verbindlichkeiten sind über die Höhe des Vermögens hinaus abzuziehen (§ 1375 Abs. 1 BGB).10 Zum Endvermögen gehört auch das einem Ehegatten zustehende Nießbrauchsrecht,11 das z.B. resultierend aus einer Unternehmensnachfolge einen signifikanten Wert haben und eine Güterstandsschaukel sinnvoll machen kann. Nach § 1375 Abs. 2 Satz 2 BGB ist dem Endvermögen eines Ehegatten der Betrag hinzuzurechnen, um den sein Vermögen dadurch vermindert ist, dass er nach Eintritt des Güterstands über Anstandsschenkungen hinaus unentgeltliche Zuwendungen gemacht, Vermögen verschwendet oder Handlungen in der Absicht vorgenommen hat, den anderen Ehegatten zu benachteiligen.12 Dies gilt dann nicht, wenn die Vermögensminderung mindestens zehn Jahre vor Beendigung des Güterstands eingetreten ist oder der andere Ehegatte mit der unentgeltlichen Zuwendung oder der Verschwendung einverstanden gewesen ist. Eine konkludente Zustimmung ist ausreichend. Die Finanzverwaltung indexiert den Hinzurechnungsbetrag nach § 1375 Abs. 2 BGB seit dem Zeitpunkt der Minderung des Vermögens.13
1 BGH v. 14.11.1973 – IV ZR 147/72, BGHZ 61, 385; BFH v. 27.6.2007 – II R 39/05, BStBl. II 2007, 783 = FR 2008, 149; R E 5.1 Abs. 2 Satz 5 ErbStR 2011; H E 5.1 Abs. 2 ErbStR 2011; BMF v. 22.2.2016 – IV C 7 - S 3804/08/10001, BStBl. I 2016, 231. 2 Kogel, NJW 2010, 2025 m.w.N.; R E 5.1 Abs. 2 Satz 5 ErbStR 2011. 3 Weinmann in Moench/Weinmann, § 5 ErbStG Rz. 20a (Stand: Juni 2016). 4 R E 5.1 Abs. 2 Satz 3 ErbStR 2011. 5 Mayer in Bamberger/Roth3, § 1374 BGB Rz. 26. 6 BGH v. 3.2.2010 – XII ZR 189/06, ErbStB 2010, 201 = NJW 2010, 2202; a.A. noch BGH v. 12.4.1995 – XII ZR 58/94, NJW 1995, 1889. 7 Mayer in Bamberger/Roth3, § 1374 BGB Rz. 24. 8 BGH v. 20.5.1987 – IVb ZR 62/86, NJW 1987, 2814; BFH v. 27.6.2007 – II R 39/05, BStBl. II 2007, 783 = FR 2008, 149 = ErbStB 2007, 331; R E 5.1 Abs. 2 Satz 6 ErbStR 2011; H E 5.1 Abs. 2 ErbStR 2011. 9 BGH v. 20.5.1987 – IVb ZR 62/86, NJW 1987, 2814; v. 26.11.1981 – IX ZR 91/80, NJW 1982, 1093. 10 R E 5.1 Abs. 2 Satz 4 ErbStR 2011. 11 BGH v. 15.10.2003 – XII ZR 23/01, NJW 2004, 1321. 12 R E 5.1 Abs. 2 Satz 3 ErbStR 2011. 13 H E 5.1 Abs. 2 ErbStR 2011; Mayer in Bamberger/Roth3, § 1376 BGB Rz. 41; a.A. Meincke16, § 5 ErbStG Rz. 14.
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Zugewinngemeinschaft im Zivilrecht
Rz. 39 § 5 ErbStG
Die Bewertung des Anfangs- und Endvermögens erfolgt mit dem objektiven Verkehrswert der Ver- 35 mögensgegenstände (§ 1376 Abs. 1 bis 3 BGB).1 § 1376 Abs. 4 BGB ordnet für einen land- oder forstwirtschaftlichen Betrieb den Ertragswert als maßgeblichen Wert an, wenn der Eigentümer nach § 1378 Abs. 1 BGB in Anspruch genommen wird und eine Weiterführung oder Wiederaufnahme des Betriebs durch den Eigentümer oder einen Abkömmling erwartet werden kann, wobei dann die Vorschrift des § 2049 Abs. 2 BGB anzuwenden ist. Zu beachten ist, dass der BGH eine latente Ertragsteuerlast ungeachtet einer bestehenden Veräuße- 36 rungsabsicht als Konsequenz der Bewertungsmethode wertmindernd in Ansatz bringt, also als Verbindlichkeit berücksichtigt.2 Folglich müssen latente Ertragsteuern, die im Anfangs- oder Endvermögen vorhanden sind bzw. in denjenigen Vermögensgegenständen, die nach § 1374 Abs. 2 BGB hinzuzurechnen sind, wertmindernd in Abzug gebracht werden. Dies wirft eine Vielzahl von Fragen auf.3 Sachliche Steuerbefreiungen wie z.B. § 13 ErbStG bzw. die Verschonungsregelungen für unterneh- 37 merisches Vermögen oder für fremdvermietete Wohnungen sind bei der Ermittlung der Ausgleichsforderung nicht zu berücksichtigen, d.h. mit dem Verkehrswert bzw. mit dem Steuerwert (§ 5 Abs. 1 Satz 5 ErbStG) anzusetzen.4 Eine Änderung des § 5 Abs. 1 ErbStG wurde vom Finanz- und Wirtschaftsausschuss des Bundesrates5 im Rahmen der Reform der Unternehmenserbschaftsteuer, veranlasst durch das Urteil des BVerfG vom 17.12.2014, erwogen, allerdings wurde das selbst vom Bundesrat in seiner Stellungnahme vom 25.9.20156 nicht aufgegriffen. Übersteigt der Zugewinn des einen Ehegatten den Zugewinn des anderen, so steht gem. § 1378 38 Abs. 1 BGB die Hälfte des Überschusses dem anderen Ehegatten als Ausgleichsforderung zu. Jedoch ist zu beachten, dass nach § 1378 Abs. 2 Satz 1 BGB die Höhe der Ausgleichsforderung durch den Wert des Vermögens begrenzt wird, das nach Abzug der Verbindlichkeiten bei Beendigung des Güterstands vorhanden ist. Durch die Erfüllung der Zugewinnausgleichsforderung kann daher das Vermögen des zugewinnausgleichspflichtigen Ehegatten nicht negativ werden, es sei denn, es greift § 1378 Abs. 2 Satz 2 BGB ein, weil z.B. dieser das Endvermögen durch Handlungen in der Absicht gemindert hat, den anderen Ehegatten zu benachteiligen. Wird die Ausgleichsforderung entgegen § 1378 BGB nicht in Geld, sondern an Erfüllungs statt in Form anderer Wirtschaftsgüter erfüllt, kann es ertragsteuerlich zu einer Realisierung stiller Reserven kommen. Dies kann nach einer Literaturansicht vermieden werden, wenn vor der Beendigung der Zugewinngemeinschaft der Zugewinnausgleich durch Ehevertrag gegenständlich konkretisiert wird.7 Der erstversterbende Ehegatte hat keinen Zugewinnausgleichsanspruch, was aus verfassungsrechtlichen Gründen kritisiert wird.8 Nach § 1380 BGB wird auf die Ausgleichsforderung eines Ehegatten angerechnet, was ihm von dem 39 anderen Ehegatten durch Rechtsgeschäft unter Lebenden mit einer ausdrücklichen oder konkludenten Bestimmung zugewendet worden ist, dass es auf die Ausgleichsforderung angerechnet werden soll. In der zivilrechtlichen Praxis wirkt sich diese Vorschrift auf die Berechnung der Ausgleichsforderung in der Regel betragsmäßig nicht aus. Sie wird dann bedeutsam, wenn der Empfänger keinen Zugewinn oder allenfalls einen solchen erzielt hat, der unter dem Wert der Zuwendung liegt.9 Steuerliche Bedeutung erlangt § 1380 BGB insbesondere bei § 29 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG, also wenn es um das Erlöschen der Erbschaft- oder Schenkungsteuer mit Wirkung für die Vergangenheit aufgrund Anrechnung geht; § 29 Abs. 2 ErbStG greift wegen des Vorauszahlungsgedankens dann nicht ein.10 Es stellt sich die Frage, ob die Anrechnung auf die Zugewinnausgleichsforderung die Übertragung zu einem entgeltlichen Geschäft macht, was einkommensteuerliche Konsequenzen haben könnte. 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10
BGH v. 2.2.2011 – XII ZR 185/08, NJW 2011, 2572; R E 5.1 Abs. 2 Satz 2 ErbStR 2011. BGH v. 2.2.2011 – XII ZR 185/08, NJW 2011, 2572. vgl. hierzu auch Bruschke, ErbStB 2016, 80 m.w.N. R E 5.1 Abs. 5 Satz 3 ErbStR 2011. BR-Drucks. 353/1/15, S. 5 ff. BR-Drucks. 353/1/15 (B). Stein, DStR 2012, 1063. Leipold, NJW 2011, 1179. Mayer in Bamberger/Roth3, § 1380 BGB Rz. 1. R E 5.1 Abs. 6 ErbStR 2011.
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§ 5 ErbStG Rz. 40 Zugewinngemeinschaft Dies wird jedoch von der herrschenden Meinung1 abgelehnt, weshalb zuerst geschenkt und dann der Güterstand der Zugewinngemeinschaft i.V.m. §§ 29 Abs. 1 Nr. 3, 5 Abs. 2 ErbStG, § 1380 BGB beendet werden sollte. Wird hingegen zuerst der Güterstand der Zugewinngemeinschaft durch Gütertrennungsvereinbarung beendet und der Zugewinnausgleichsanspruch an Erfüllungs statt durch die Übertragung sonstiger Wirtschaftsgüter erfüllt, ist dies einkommensteuerlich als Veräußerungsgeschäft zu qualifizieren. 40
Hat der ausgleichspflichtige Ehegatte unentgeltliche Zuwendungen an Dritte gemacht, ist § 1390 BGB zu berücksichtigen. Diese Vorschrift erhöht im Rahmen des § 5 Abs. 1 ErbStG die fiktive Zugewinnausgleichsforderung.2 Bei Anwendung des § 5 Abs. 2 ErbStG ist der Anspruch nach § 1390 BGB für den ausgleichsberechtigten Ehegatten steuerfrei.3 Musste der Dritte in diesem Fall auf die Zuwendung Schenkungsteuer bezahlen, ist ihm diese nach einer in der Literatur vertretenen Auffassung wieder insoweit nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG zu erstatten, als er sie herauszugeben hat.4 Es ist jedoch zu beachten, dass § 1390 Abs. 1 Satz 1 BGB nur einen Wertersatzanspruch enthält, so dass die Rechtsfolge des Erlöschens der Schenkungsteuer allenfalls dann in Betracht kommen kann, wenn der Schenkgegenstand nach § 1390 Abs. 1 Satz 3 BGB herausgegeben wird. Jedoch existiert auch dann kein Rückforderungsanspruch, sondern nur ein Wertersatzanspruch, der vom Dritten abgewendet werden kann, aber nicht durch Herausgabe abgewendet werden muss, weshalb der Wortlaut des § 29 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG („… wegen eines Rückforderungsrechts herausgegeben werden musste;“) nicht verwirklicht sein dürfte. Allerdings wäre dann bei der Besteuerung der Schenkung die Zahlung nach den §§ 10 Abs. 5 Nr. 2, 1 Abs. 2 ErbStG erwerbsmindernd zu berücksichtigen.5
V. Gleichzeitiges Versterben 41
Bei gleichzeitigem Tod beider Ehegatten kommt es weder zur Anwendung der erbrechtlichen oder güterrechtlichen Regelung noch zur güterrechtlichen oder erbrechtlichen Lösung.6 Das Gleiche gilt, wenn nach § 11 Verschollenheitsgesetz anzunehmen ist, dass beide gleichzeitig verstorben sind. Hiervon zu unterscheiden sind die Fälle des sog. gemeinsamen Versterbens, d.h. in denen die Eheleute zeitlich nacheinander versterben. In diesen Fällen sind keine Besonderheiten mit Blick auf § 5 ErbStG zu beachten.
C. Fiktiver Zugewinnausgleich (Abs. 1) I. Anwendungsbereich (Abs. 1 Satz 1) 42
Der Anwendungsbereich des § 5 Abs. 1 ErbStG ist eröffnet, wenn der Güterstand der Zugewinngemeinschaft durch Tod beendet und der Zugewinn nicht nach § 1371 Abs. 2 oder Abs. 3 BGB ausgeglichen wird, d.h. liegt ein Fall der erbrechtlichen Regelung bzw. der erbrechtlichen Lösung vor, gilt beim überlebenden Ehegatten oder Lebenspartner der Betrag, den er nach Maßgabe des § 1371 Abs. 2 BGB als Ausgleichsforderung geltend machen könnte (fiktive Zugewinnausgleichsforderung), nicht als Erwerb i.S.d. § 3 ErbStG.
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Die fiktive Zugewinnausgleichsforderung ist kein Vermögensgegenstand, weil es sich nicht um eine zivilrechtliche Ausgleichsforderung, sondern lediglich um eine steuerliche Berechnungsgröße handelt; sie ist folglich nicht übertragbar oder vererbbar.7 Sie kann aber von dem Erben des überlebenden Ehegatten steuerlich in der Veranlagung nach dem erstversterbenden Ehegatten geltend gemacht werden, wenn zum Zeitpunkt des Todes des überlebenden Ehegatten das Veranlagungsverfahren 1 2 3 4 5 6 7
Stein, DStR 2012, 1734. Gottschalk in T/G/J, § 5 ErbStG Rz. 231 (Stand: Juli 2015). Gottschalk in T/G/J, § 5 ErbStG Rz. 252 (Stand: Juli 2015). Gottschalk in T/G/J, § 5 ErbStG Rz. 252 (Stand: Juli 2015). BFH v. 8.10.2003 – II R 46/01, BStBl. II 2004, 234. BGH v. 28.6.1978 – IV ZR 47/77, NJW 1978, 1855; Mayer in Bamberger/Roth3, § 1371 BGB Rz. 19. BFH v. 22.3.2001 – II B 91/00, BFH/NV 2001, 1266.
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Fiktiver Zugewinnausgleich (Abs. 1)
Rz. 47 § 5 ErbStG
noch nicht abgeschlossen war; das ergibt sich aus dem Rechtsgedanken der Universalsukzession nach § 1922 BGB i.V.m. § 45 AO.1 Der überlebende Ehegatte muss Vermögen des verstorbenen Ehegatten ganz oder teilweise durch 44 Erbanfall oder Vermächtnis erwerben. Es wird z.B. vertreten, dass von einem Erwerb aufgrund eines Pflichtteilsrechts oder aufgrund eines ausschließlichen vertraglichen Erwerbs (§ 3 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG) keine fiktive Ausgleichsforderung nach § 5 Abs. 1 ErbStG abgezogen werden könne, selbst wenn der überlebende Ehegatte in diesem Fall den ihm nach § 1371 Abs. 2 BGB zustehenden güterrechtlichen Zugewinnausgleich nicht verlange.2 Diese Rechtsauffassung ist prinzipiell zutreffend, wenn dem überlebenden Ehegatten die Zugewinnausgleichsforderung nach § 1371 Abs. 2 BGB zusteht, weil dann § 5 Abs. 2 ErbStG eingreift und dieser die konkrete Zugewinnausgleichsforderung steuerfrei stellt. Wird diese konkrete Zugewinnausgleichsforderung nicht geltend gemacht, ist darin ein Verzicht auf die Zugewinnausgleichsforderung zu sehen, was eine freigebige Zuwendung i.S.d. § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG darstellt.3 Soll diese rechtliche Konsequenz vermieden werden, weil z.B. die konkrete Zugewinnausgleichsforderung zur Versorgung des überlebenden Ehegatten nicht notwendig ist und das Vermögen direkt in die nächste Generation übergehen soll, so sollte als Gestaltung dem überlebenden Ehegatten ein kleines Vermächtnis zugewandt werden, das der Entstehung der konkreten Zugewinnausgleichsforderung nach den §§ 1371 Abs. 2 und Abs. 3 BGB entgegensteht. Zivilrechtlich ist jedoch zu beachten, dass diese Lösung bei der Zugewinngemeinschaftsehe dazu führt, dass der überlebende Ehegatte nach § 2307 Abs. 1 Satz 2 BGB den sog. großen Pflichtteil geltend machen kann.4 Wird dieser Pflichtteilsanspruch nicht geltend gemacht, entsteht nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG aber keine Erbschaftsteuer; der Verzicht auf die Geltendmachung des Pflichtteilsanspruchs ist nach § 13 Abs. 1 Nr. 11 ErbStG erbschaftsteuerfrei. Für Renten oder andere wiederkehrende Nutzungen und Leistungen, für die der Erwerber die Wahl trifft (§ 23 ErbStG), die Steuer anstatt von derem Kapitalwert jährlich im Voraus vom Jahreswert zu entrichten, vertritt die bayerische Finanzverwaltung5 die Ansicht, dass die Steuer erstmals zu erheben sei, wenn u.a. die fiktive Zugewinnausgleichsforderung ausgeschöpft sei. Sie scheint daher diese Fälle dann § 5 Abs. 1 ErbStG zuzuordnen. Erhält der überlebende Ehegatte z.B. eine Schenkung von Todes wegen i.S.d. § 2301 BGB, so stellt 45 sich die Frage, wie dieser Fall in § 5 ErbStG einzuordnen ist. Nach § 2301 Abs. 1 Satz 1 BGB finden die Vorschriften über Verfügungen von Todes wegen Anwendung, so dass das Schenkungsversprechen in seiner Wirkung einem Testament bzw. einem Erbvertrag gleichgestellt ist, was zur Folge hat, dass beim Erbfall das formgerechte Schenkungsversprechen die Wirkungen eines Vermächtnisses oder, wenn sich dieses auf einen Bruchteil des Vermögens bezieht, eine Erbeinsetzung hat.6 Dies spricht dafür, den Fall der erbrechtlichen Lösung zuzuordnen, was erbschaftsteuerlich bedeutet, dass § 5 Abs. 1 ErbStG anzuwenden ist. Vollzieht7 der Schenker – ggf. aufschiebend bedingt – die Schenkung von Todes wegen durch Leistung 46 des zugewendeten Gegenstands i.S.d. § 2301 Abs. 2 BGB, so finden die Vorschriften über Schenkungen unter Lebenden Anwendung. Dadurch wird die Frage vermieden, wie der Fall in § 5 ErbStG einzuordnen ist und es werden Gestaltungsspielräume dadurch eröffnet, dass ein Erwerb von Todes wegen z.B. auch ausgeschlagen werden kann, um § 5 Abs. 2 ErbStG zu eröffnen. Die fiktive Ausgleichsforderung kann auch bei einem späteren Erwerb von Todes wegen i.S.d. § 3 47 ErbStG abgezogen werden, wenn z.B. der überlebende Ehegatte nur Nacherbe wird oder z.B. ein aufschiebend bedingtes Vermächtnis i.S.d. § 9 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a ErbStG erwirbt. Da die fiktive Zugewinnausgleichsforderung nicht verjähren kann, spielt es auch keine Rolle, ob die tatsächliche Ausgleichsforderung, die nicht entstanden ist, nach § 1378 Abs. 4 BGB verjährt wäre.8 Dagegen spricht 1 2 3 4 5 6 7 8
BFH v. 22.3.2001 – II B 91/00, BFH/NV 2001, 1266. Weinmann in Moench/Weinmann, § 5 ErbStG Rz. 14 (Stand: Juni 2016). R E 5.2 Abs. 1 Satz 2 ErbStR 2011. Mayer in Bamberger/Roth3, § 2307 BGB Rz. 6. LfSt Bayern v. 14.1.2013 – S 3804.1.1-3/St 34, DStR 2013, 593. Litzenburger in Bamberger/Roth3, § 2301 BGB Rz. 9. BGH v. 10.5.1989 – IVa ZR 66/88, NJW-RR 1989, 1282. Gottschalk in T/G/J, § 5 ErbStG Rz. 194 (Stand: Juli 2015).
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§ 5 ErbStG Rz. 48 Zugewinngemeinschaft auch nicht § 5 Abs. 1 Satz 2 ErbStG, der auf § 1378 Abs. 4 BGB verweist, weil § 5 Abs. 1 Satz 2 ErbStG nur hinsichtlich der Berechnung des Abzugsbetrags einen Verweis ausspricht.
II. Berechnung des Betrags (Abs. 1 Satz 2 bis 5) 48
§ 5 Abs. 1 Satz 2 bis 4 ErbStG enthält ab dem 1.1.19941 Sonderregeln, wobei es unerheblich ist, ob die Eheverträge bereits zuvor abgeschlossen worden sind.2 § 5 Abs. 1 Satz 2 ErbStG besagt, dass bei der Berechnung des nach § 5 Abs. 1 Satz 1 ErbStG steuerfreien Betrags von den Vorschriften der §§ 1373 bis 1383 und 1390 BGB abweichende güterrechtliche Vereinbarungen unberücksichtigt bleiben. Diese Regelung ist verfassungskonform,3 die Verfassungsbeschwerde gegen das Urteil des BFH wurde vom BVerfG4 nicht zur Entscheidung angenommen. Der Verweis auf die §§ 1373 bis 1383 und 1390 BGB bedeutet, dass die fiktive Zugewinnausgleichsforderung entsprechend den zivilrechtlichen Vorschriften zu errechnen ist. Die Berechnung kann nur dann unterbleiben, wenn absehbar ist, dass der Erwerb einschließlich Vorschenkungen (§ 14 ErbStG) die persönlichen Freibeträge (§§ 16, 17 ErbStG) nicht überschreitet.5 Auf das Leistungsverweigerungsrecht des § 1381 BGB kann sich der Fiskus trotz des Verweises in § 5 Abs. 1 Satz 2 ErbStG nicht berufen.6 Wird der Güterstand der Zugewinngemeinschaft durch Ehevertrag vereinbart, enthält § 5 Abs. 1 Satz 4 ErbStG die ausdrückliche Regelung, dass als Zeitpunkt des Eintritts des Güterstands der Tag des Vertragsschlusses gilt.
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Modifizierungen der dispositiven gesetzlichen Vorschriften sind bei Ermittlung der fiktiven Zugewinnausgleichsforderung damit nicht zu berücksichtigen. Das führt in den meisten Fällen zu steuerlich ungünstigeren Ergebnissen. Allerdings hat diese gesetzliche Regelung z.B. dann erhebliche Vorteile für Steuerpflichtige, wenn die Ehegatten z.B. aufgrund einer gesellschaftsvertraglichen Regelung eine Gesellschaftsbeteiligung ehevertraglich vom Zugewinnausgleich ausnehmen müssen. § 5 Abs. 1 Satz 2 ErbStG führt in diesem Fall dazu, dass die Herausnahme der Gesellschaftsbeteiligung aus dem Zugewinnausgleich steuerlich unberücksichtigt bleibt, so dass die Wertsteigerungen in der Gesellschaftsbeteiligung die fiktive Zugewinnausgleichsforderung erhöhen.7 Hingegen sind bei § 5 Abs. 2 ErbStG die abweichenden ehevertraglichen Vereinbarungen zu beachten, so dass die Wertsteigerungen in der Gesellschaftsbeteiligung nur im Rahmen des § 5 Abs. 1 ErbStG zu steuerfreiem Ausgleichsvolumen führen können. Deswegen kann es steuerlich aus Beratersicht Sinn machen, § 5 Abs. 1 ErbStG zur Anwendung gelangen zu lassen.
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Es stellt sich die Frage, ob bei ehevertraglichem Ausschluss des Zugewinnausgleichs für den Todesfall § 5 Abs. 1 ErbStG die fiktive Zugewinnausgleichsforderung als Freibetrag gewährt. Dies wird abgelehnt von Geck,8 aber von Gottschalk9 bejaht.
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Aus dem Verweis auf § 1371 Abs. 2 BGB folgt, dass bei der Berechnung der fiktiven Zugewinnausgleichsforderung zu unterstellen ist, der überlebende Ehegatte sei weder Erbe noch Vermächtnisnehmer geworden. Das bedeutet, dass der gesamte Nachlass für die Berechnung der fiktiven Ausgleichsforderung Endvermögen des Erblassers i.S.d. § 1375 BGB ist.10 Im Rahmen des § 5 Abs. 2 ErbStG ist dies selbstverständlich, da die güterrechtliche Lösung nach § 1371 Abs. 3, Abs. 2 BGB voraussetzt, dass der überlebende Ehegatte weder Erbe noch Vermächtnisnehmer geworden ist.
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BGBl. I 1993, 2310. BFH v. 18.1.2006 – II R 64/04, BFH/NV 2006, 948. BFH v. 18.1.2006 – II R 64/04, BFH/NV 2006, 948; v. 13.4.2005 – II R 46/03, BFH/NV 2005, 1814. BVerfG v. 9.10.2007 – 1 BvR 887/06. R E 5.1 Abs. 1 Satz 2 ErbStR 2011. Gottschalk in T/G/J, § 5 ErbStG Rz. 230 (Stand: Juli 2015). Gottschalk in T/G/J, § 5 ErbStG Rz. 236 (Stand: Juli 2015). Geck in Kapp/Ebeling, § 5 ErbStG Rz. 41 (Stand: Mai 2016). Gottschalk in T/G/J, § 5 ErbStG Rz. 265 (Stand: Juli 2015). BFH v. 12.4.1978 – II B 45/76, BStBl. II 1978, 400.
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Fiktiver Zugewinnausgleich (Abs. 1)
Rz. 56 § 5 ErbStG
Erwerbe gem. § 3 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG sind für die Berechnung der fiktiven Ausgleichsforderung 52 nach Ansicht des BFH bei § 5 Abs. 1 ErbStG nicht anders zu behandeln wie der Nachlass selbst, so dass sie dem Endvermögen des Erblassers, aber nicht des überlebenden Ehegatten hinzuzurechnen sind.1 Dass die Rechtsauffassung des BFH zutreffend ist, folgt aus der Überlegung, dass der überlebende Ehegatte nach § 333 BGB das aus dem Vertrag zugunsten Dritter erworbene Recht zurückweisen könnte und infolge dessen das Recht als nicht erworben gelten würde.2 Es stünde dem Erben zu.3 Konsequenz dieser Zurückweisung wäre, dass sich das Endvermögen des Erblassers und infolge dessen auch die fiktive Zugewinnausgleichsforderung erhöhen würde. Im Ergebnis bleibt daher der Erwerb i.S.d. § 3 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG zur Hälfte steuerfrei. Die Hinzurechnung zum Endvermögen gilt auch für erbschaftsteuerpflichtige Hinterbliebenenbezüge, die dem überlebenden Ehegatten aufgrund eines privaten Anstellungsvertrags des verstorbenen Ehegatten zustehen.4 Der Versorgungsfreibetrag nach § 17 ErbStG ist nicht um den Teilbetrag der Versorgungsbezüge zu kürzen, der im Ergebnis als Zugewinnausgleich erbschaftsteuerfrei bleibt.5 Ist hingegen § 3 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG nicht anzuwenden, weil die Bezüge das angemessene Maß nicht übersteigen, oder unterfallen sie im Scheidungsfall dem schenkungsteuerfreien Versorgungsausgleich, also nicht dem Zugewinnausgleich, so folgt daraus, dass der Kapitalwert dieser Renten bei der Errechnung der fiktiven Zugewinnausgleichsforderung nicht zu berücksichtigen, d.h. dem Anfangs- und Endvermögen nicht hinzuzurechnen ist.6 Nur dann, wenn der überlebende Ehegatte den geringeren Zugewinn erzielt hat, kann er eine fikti- 53 ve Zugewinnausgleichsforderung als zusätzlichen Freibetrag von dem Erwerb nach § 3 ErbStG abziehen. Nach § 5 Abs. 1 Satz 3 ErbStG ist die Vermutung des § 1377 Abs. 3 BGB bei der Ermittlung der fik- 54 tiven Zugewinnausgleichsforderung nicht zu berücksichtigen. Das Anfangsvermögen muss daher im Zweifel geschätzt werden, wobei das Finanzamt auch andere Steuerakten, z.B. Vermögensteuer- oder Einkommensteuerakten, heranziehen kann, sollten diese noch existieren.7 Die Unanwendbarkeit der Vermutung hat ihren Grund darin, dass bei Ermittlung der fiktiven Ausgleichsforderung kein Interessengegensatz existiert. Für Ehen, bei denen die Eheleute (aus einem zunächst vertraglich vereinbarten anderen Güterstand, 55 z.B. Gütertrennung) später durch ehevertragliche Vereinbarung in den Güterstand der Zugewinngemeinschaft wechseln, gilt diese steuerlich nach § 5 Abs. 1 Satz 4 ErbStG erst mit Wirkung ab dem Tag des Vertragsschlusses.8 Diese Gesetzesänderung ab dem 1.1.1994 war aus Sicht des Gesetzgebers notwendig geworden, weil der BFH9 auch im Rahmen des § 5 Abs. 1 ErbStG ursprünglich die rückwirkende Vereinbarung der Zugewinngemeinschaft anerkannt hat. Aus Beratersicht ist es daher in diesen Fällen zu empfehlen, z.B. den Güterstand der Zugewinngemeinschaft lebzeitig wieder zu beenden oder die güterrechtliche Lösung zu wählen, um den Fall in § 5 Abs. 2 ErbStG hineinzusteuern, da im Rahmen des § 5 Abs. 2 ErbStG die rückwirkend vereinbarte Zugewinngemeinschaft steuerlich anerkannt wird. Selbst wenn die Regelungen zum Versorgungsausgleich und Unterhalt in einem Ehevertrag sitten- 56 widrig i.S.d. § 138 BGB sind, führt dies nach Ansicht des BGH10 aufgrund der meist in Eheverträgen enthaltenen salvatorischen Klauseln nicht zur Gesamtnichtigkeit des Ehevertrags, d.h., die Güter-
1 BFH v. 12.4.1978 – II B 45/76, BStBl. II 1978, 400; v. 22.12.1976 – II R 58/67, BStBl. II 1977, 420; R E 5.1 Abs. 4 Satz 1, 2 ErbStR 2011; FG Hamburg v. 1.7.1986 – II 194/82, EFG 1987, 191. 2 Weinmann in Moench/Weinmann, § 5 ErbStG Rz. 34 (Stand: Juni 2016). 3 Janoschek in Bamberger/Roth3, § 333 BGB Rz. 4; BFH v. 17.1.1990 – II R 122/86, BStBl. II 1990, 467. 4 R E 5.1 Abs. 4 Satz 2 ErbStR 2011. 5 H E 5.1 Abs. 4 ErbStR 2011. 6 BFH v. 5.5.2010 – II R 16/08, BStBl. II 2010, 923; v. 20.5.1981 – II R 33/78, BStBl. II 1982, 27; R E 5.1 Abs. 4 Satz 3 ErbStR 2011; H E 5.1 Abs. 4 ErbStR 2011. 7 Weinmann in Moench/Weinmann, § 5 ErbStG Rz. 28 (Stand: Juni 2016). 8 R E 5.1 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 ErbStR 2011. 9 BFH v. 12.5.1993 – II R 37/89, BStBl. II 1993, 739. 10 BGH v. 21.11.2012 – XII ZR 48/11, NJW 2013, 457.
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§ 5 ErbStG Rz. 57 Zugewinngemeinschaft trennungsvereinbarung bleibt wirksam. Die Anfechtung oder die Berufung auf die Grundsätze über den Wegfall der Geschäftsgrundlage dürfte seitens der Finanzverwaltung nicht akzeptiert werden.1 57
Nach § 5 Abs. 1 Satz 5 ErbStG gilt der dem Steuerwert des Endvermögens entsprechende Betrag nicht als Erwerb i.S.d. § 3 ErbStG, soweit das Endvermögen des Erblassers bei der Ermittlung des als Ausgleichsforderung steuerfreien Betrags mit einem höheren Wert als dem nach den steuerlichen Bewertungsgrundsätzen maßgebenden Wert angesetzt worden ist. Damit enthält § 5 Abs. 1 Satz 5 ErbStG eine höhenmäßige Kappung der fiktiven Zugewinnausgleichsforderung.
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Die praktische Relevanz der Vorschrift wurde durch das Erbschaftsteuerreformgesetz ab dem 1.1.2009 stark zurückgedrängt, da infolge der Entscheidung des BVerfG vom 7.11.20062 die Bewertungsvorschriften des BewG stark angepasst wurden, damit diese zu gemeinen Werten führen. Praktische Bedeutung kann die Vorschrift allerdings z.B. dann erlangen, wenn es um die Bewertung von landund forstwirtschaftlichem Vermögen geht, weil nach wie vor eine erhebliche Diskrepanz zwischen dem Steuerwert und dem Verkehrswert existieren kann. Jedoch ist in diesem Fall auch zivilrechtlich § 1376 Abs. 4 BGB zu beachten, der die Anwendung der Ertragswertbewertung auslösen kann. Inzwischen hat der BFH auch die Unterbewertung von land- und forstwirtschaftlichem Vermögen im Vorlagebeschluss zum BVerfG vom 27.9.2012 gerügt,3 das BVerfG hat die Bewertung und die Verschonung für land- und forstwirtschaftliches Vermögen im Urteil vom 17.12.2014 jedoch nicht beanstandet.
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Bei der Bewertung von Betriebsvermögen kann es zu erheblichen Diskrepanzen zwischen dem Verkehrswert nach Bewertungsgutachten und dem steuerlichen Wert kommen, wenn der Steuerpflichtige im Veranlagungsverfahren zum vereinfachten Ertragswertverfahren nach den §§ 199 ff. BewG optiert. Jedoch enthält § 5 Abs. 1 Satz 5 ErbStG nur eine Höchstgrenze für den Fall, dass die steuerlichen Werte unter den Verkehrswerten liegen. Sind die steuerlichen Werte infolge standardisierter Bewertungsvorschriften höher, so enthält das Gesetz eine Regelungslücke, weil § 5 Abs. 1 Satz 5 ErbStG nur die steuerliche Unter-, aber nicht die steuerliche Überbewertung regelt. Daher stellt sich die Frage, ob die Intention des Gesetzgebers, eine unangemessen hohe Zugewinnausgleichsforderung durch diese Vorschrift zu verhindern, also ein Gleichlauf mit den steuerlichen Vorschriften herbeizuführen, dazu führt, dass im umgekehrten Fall der steuerlichen Überbewertung eine entsprechend hohe fiktive Zugewinnausgleichsforderung abzugsfähig wäre. Dies wäre folgerichtig, allerdings ist zu befürchten, dass die Finanzverwaltung in Anbetracht des § 5 Abs. 1 Satz 2 ErbStG i.V.m. der am Verkehrswert orientierten zivilrechtlichen Ermittlung der fiktiven Zugewinnausgleichsforderung diese Betrachtung ablehnen würde. Regelmäßig dürfte die steuerliche Überbewertung aber weder dem Steuerpflichtigen noch der Finanzverwaltung bekannt sein, weil der Steuerpflichtige regelmäßig überhaupt kein Bewertungsgutachten erstellen lässt, wenn er zum vereinfachten Ertragswertverfahren optiert.
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Führt das vereinfachte Ertragswertverfahren zu einer steuerlichen Unterbewertung, z.B. weil in Zukunft mit einem starken Ertragswachstum zu rechnen ist, das das vergangenheitsorientierte vereinfachte Ertragswertverfahren nicht berücksichtigt, ist § 5 Abs. 1 Satz 5 ErbStG grundsätzlich anwendbar, aber die Diskrepanz wird nicht offenkundig. Lässt der Steuerpflichtige jedoch das Bewertungsgutachten erstellen, ist der höhere Gutachtenwert auch steuerlich maßgeblich, so dass es zu keiner Diskrepanz i.S.d. § 5 Abs. 1 ErbStG kommen kann. Die Finanzverwaltung kann nicht zum vereinfachten Ertragswertverfahren optieren. Das gleiche Ergebnis gilt auch dann, wenn der Steuerpflichtige nach § 199 Abs. 1 BewG nicht zum vereinfachten Ertragswertverfahren optieren kann, weil dieses zu offensichtlich unzutreffenden Ergebnissen führt.
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Bei der Immobilienbewertung spielt § 5 Abs. 1 Satz 5 ErbStG praktisch ebenfalls keine Rolle, weil regelmäßig ausschließlich nach den §§ 176 ff. BewG bewertet wird, ein Bewertungsgutachten wird meist nicht eingeholt. § 198 BewG lässt lediglich den Nachweis eines niedrigeren gemeinen Werts durch Bewertungsgutachten zu, der dann aber auch steuerlich maßgeblich ist (keine Diskrepanz). Diesen Weg wird der Steuerpflichtige dann beschreiten, wenn der Verkehrswert deutlich unter dem 1 A.A. Geck in Kapp/Ebeling, § 5 ErbStG Rz. 58.1 (Stand: Mai 2016). 2 BVerfG v. 7.11.2006 – 1 BvL 10/02, NJW 2007, 573. 3 BFH v. 27.9.2012 – II R 9/11, BStBl. II 2012, 899.
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Konkreter Zugewinnausgleich (Abs. 2)
Rz. 67 § 5 ErbStG
Wert nach den standardisierten steuerlichen Bewertungsvorschriften liegt, weil über § 5 Abs. 1 ErbStG nur 50 % der steuerlichen Überbewertung steuerfrei gestellt werden kann, also die Reduzierung der Bemessungsgrundlage über § 198 BewG stärker wirkt. Sollte § 5 Abs. 1 Satz 5 ErbStG in der Praxis Bedeutung erlangen, so ist aus Gestaltungssicht zu prü- 62 fen, ob sich der Fall in § 5 Abs. 2 ErbStG hineinstrukturieren lässt, da bei Ermittlung der steuerfreien tatsächlichen Zugewinnausgleichsforderung die höhenmäßige Kappung des § 5 Abs. 1 Satz 5 ErbStG keine Anwendung findet. Die Finanzverwaltung hat zur Berechnung der höhenmäßigen Kappungsgrenze des § 5 Abs. 1 Satz 5 63 ErbStG eine Rechenmethode1 entwickelt, wozu sich auch der BFH in einigen Entscheidungen äußerte.2 Zu Schenkungen, die auf die Ausgleichsforderung nach § 1380 BGB angerechnet werden, hat sich die Finanzverwaltung ebenfalls positioniert.3 Der Gesetzgeber hat im Erbschaftsteuerreformgesetz § 5 Abs. 1 Satz 5 ErbStG mit Wirkung vom 1.1.2009 dahingehend abgeändert, dass er den Begriff des „Nachlasses“ durch den Begriff des „Endvermögens“ ersetzte.4
D. Konkreter Zugewinnausgleich (Abs. 2) In den Anwendungsbereich des § 5 Abs. 2 ErbStG fallen die güterrechtliche Lösung (§ 1371 Abs. 3, 64 Abs. 2 BGB) und die Fälle der güterrechtlichen Regelung (§ 1372 BGB). Dass § 1371 Abs. 3 BGB in § 5 Abs. 2 ErbStG nicht erwähnt ist, ändert nichts daran, dass die Fälle der Erb- und Vermächtnisausschlagung von § 5 Abs. 2 ErbStG erfasst sind, weil § 1371 Abs. 3 BGB ein Unterfall des § 1371 Abs. 2 BGB ist. § 5 Abs. 2 ErbStG hat nur klarstellende Bedeutung.5 Er bringt zum Ausdruck, dass die Ausgleichs- 65 forderung i.S.d. § 1378 BGB nicht zum Erwerb i.S.d. §§ 3 und 7 ErbStG gehört. Die Ausgleichsforderung ist grundsätzlich anhand der zivilrechtlichen Vorschriften zu ermitteln. So- 66 weit die gesetzlichen Regelungen zum Zugewinnausgleich dispositive Regelungen enthalten, sind dann, wenn ehevertraglich abweichende Vereinbarungen im disponiblen Bereich getroffen wurden, diese bei der Berechnung zu berücksichtigen. § 5 Abs. 1 Satz 2 bis 5 ErbStG sind im Rahmen des § 5 Abs. 2 ErbStG nicht anwendbar. Zum Beispiel führte der BFH6 u.a. bei der Frage, ob § 5 Abs. 1 Satz 4 ErbStG materiell verfassungskonform ist, aus, dass diese Vorschrift nicht gegen das Grundrecht auf Schutz der Ehe (Art. 6 Abs. 1 GG) verstößt, weil sie nicht im Rahmen des § 5 Abs. 2 ErbStG gilt. In den Fällen, in denen abweichende Vereinbarungen getroffen werden oder die Sonderreglungen des § 5 Abs. 1 Satz 3 und 5 ErbStG nicht gelten sollen, sollte daher exakt aus Beratersicht geprüft werden, ob der Fall in § 5 Abs. 2 ErbStG hineinstrukturiert werden soll, was Vor-, aber auch Nachteile haben kann. Die Nichtsteuerbarkeit gilt auch hinsichtlich einer durch Ehevertrag (§ 1408 BGB) und durch Ver- 67 trag im Zusammenhang mit einer Ehescheidung (§ 1378 Abs. 3 Satz 2 BGB) modifizierten Ausgleichsforderung als Ausfluss der bürgerlich-rechtlichen Gestaltungsfreiheit der Ehegatten bei der Ausgestaltung des Zugewinnausgleichs.7 Es stellt sich jedoch die Frage, ob es Grenzen für die Gestaltungsfreiheit gibt und wo diese zu ziehen sind. Der BFH hat mit Urteil vom 28.6.19898 ausgesprochen, dass dem Ehegatten keine überhöhte Ausgleichsforderung verschafft werden darf. Aus 1 R E 5.1 Abs. 5 ErbStR 2011; H E 5.1 Abs. 5 ErbStR 2011. 2 Weinmann in Moench/Weinmann, § 5 ErbStG Rz. 47 ff. m.w.N. (Stand: Juni 2016); BFH v. 10.3.1993 – II R 87/91, BStBl. II 1993, 510; v. 30.7.1996 – II B 4/96, BFH/NV 1997, 29; v. 29.6.2005 – II R 7/01, BStBl. II 2005, 873. 3 H E 5.1 Abs. 5 ErbStR 2011. 4 Weinmann in Moench/Weinmann, § 5 ErbStG Rz. 47 f. m.w.N. (Stand: Juni 2016). 5 BFH v. 27.6.2011 – II R 39/05, BStBl. II 2007, 783; v. 10.3.1993 – II R 87/91, BStBl. 1993, 510. 6 BFH v. 18.1.2006 – II R 64/04, BFH/NV 2006, 948; FG Düsseldorf v. 14.6.2006 – 4 K 7107/02 Erb, EFG 2006, 1447. 7 R E 5.2 Abs. 2 Satz 1 ErbStR 2011. 8 BFH v. 28.6.1989 – II R 82/86, BStBl. II 1989, 897; v. 12.7.2005 – II R 29/02, BStBl. II 2005, 843; FG Düsseldorf v. 14.6.2006 – 4 K 7107/02 Erb, EFG 2006, 1447.
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§ 5 ErbStG Rz. 68 Zugewinngemeinschaft dieser Entscheidung folgt, dass zum einen die rückwirkende Vereinbarung der Zugewinngemeinschaft auf den Zeitpunkt der Eheschließung nicht zu einer überhöhten Zugewinnausgleichsforderung führt. Ob die Zugewinngemeinschaft rückwirkend vereinbart werden kann1 oder durch die rückwirkende Vereinbarung nur ein abweichender Zeitpunkt für die Berechnung des Anfangsvermögens festgelegt wird,2 ist noch nicht abschließend geklärt. Richtigerweise kann die Zugewinngemeinschaft grundsätzlich als solche rückwirkend vereinbart, was mit Blick auf § 29 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG wichtig ist.3 Dies folgt aus dem BGH, Urt. v. 1.4.1998, in dem dieser entschied, dass der neue Güterstand nicht nur für die Zukunft Wirkung entfalten soll, sondern dass „insbesondere“ im Rahmen eines etwaigen Zugewinnausgleichs für das Anfangsvermögen (§ 1374 Abs. 1 BGB) nicht der Vertragsabschluss, sondern der Zeitpunkt der Eheschließung maßgebend sein soll und eine solche Gestaltung keinen rechtlichen Bedenken mit Blick auf die in § 1408 Abs. 1 BGB statuierte Vertragsfreiheit begegnet. Abschließend ist die Aussage des BGH daher nicht. Daraus folgt, dass die rückwirkende Vereinbarung der Zugewinngemeinschaft nicht nur für das Anfangsvermögen Bedeutung hat. Zum anderen löst aber die Vereinbarung, nach der ein Anfangsvermögen zu einem vor der Eheschließung liegenden Zeitpunkt zugrunde zu legen ist, nach Ansicht des BFH eine überhöhte Ausgleichsforderung aus. 68
Die Finanzverwaltung sieht in der Gewährung einer überhöhten güterrechtlichen Ausgleichsforderung eine steuerpflichtige Schenkung auf den Todesfall (§ 3 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 ErbStG) bzw. eine Schenkung unter Lebenden (§ 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG), wenn mit den Vereinbarungen in erster Linie nicht güterrechtliche, sondern erbrechtliche Wirkungen herbeigeführt werden sollen.4 Für den Willen zur Unentgeltlichkeit genügt nach Auffassung der Finanzverwaltung die Kenntnis, dass der andere Ehegatte keinen Rechtsanspruch auf die Vereinbarungen und die dadurch sich erhöhende Ausgleichsforderung hatte und auch kein rechtlicher Zusammenhang mit einer Gegenleistung des anderen Ehegatten bestand.5 Zuwendungszeitpunkt, d.h. Steuerentstehungszeitpunkt ist nicht der Vertragsabschluss, sondern erst die Beendigung des Güterstands, weil erst in diesem Zeitpunkt die Ausgleichsforderung entsteht. Eine überhöhte Ausgleichsforderung soll nach Ansicht der Finanzverwaltung vorliegen, soweit die tatsächliche Ausgleichsforderung, z.B. durch Vereinbarung eines vor dem Zeitpunkt des Vertragsschlusses liegenden Beginns des Güterstands oder eines abweichenden Anfangsvermögens, die sich nach den §§ 1373 bis 1383 und 1390 BGB ohne Modifizierung ergebende Ausgleichsforderung übersteigt.6 Auch nach Auffassung der Finanzverwaltung führt jedoch die rückwirkende Vereinbarung der Zugewinngemeinschaft nicht zu einer erhöhten güterrechtlichen Ausgleichsforderung.7
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Geht man davon aus, dass grundsätzlich die Eheleute hinsichtlich der güterrechtlichen Regelungen im Rahmen des dispositiven Güterrechts die Gestaltungsfreiheit haben, kann in der Ausnutzung dieses Gestaltungsspielraums zeitlich ab der Eheschließung keine überhöhte Ausgleichsforderung gesehen werden.8 Z.B. ist nach Auffassung von Geck die Vereinbarung, dass die Ausgleichsforderung i.S.d. § 1378 Abs. 1 BGB nicht die Hälfte, sondern 75 % des Überschusses, der dem anderen Ehegatten als Ausgleichsforderung zu gewähren sei, keine Verschaffung einer überhöhten Zugewinnausgleichsforderung.9
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Die Finanzverwaltung will mit der Anforderung, dass nicht in erster Linie güterrechtliche, sondern erbrechtliche Wirkungen herbeigeführt werden sollen, z.B. danach differenzieren, ob der Zeitpunkt des Vertragsschlusses vor oder kurz nach der Eheschließung oder nach dem Ausscheiden aus dem 1 BFH v. 28.6.1989 – II R 82/86, BStBl. II 1989, 897. 2 Unklar insoweit BFH v. 18.1.2006 – II R 64/04, BFH/NV 2006, 948 m.w.N.; v. 12.7.2005 – II R 29/02, BStBl. II 2005, 843; FG Düsseldorf v. 14.6.2006 – 4 K 7107/02 Erb, EFG 2006, 1447; a.A. BFH v. 12.5.1993 – II R 37/89, BStBl. II 1993, 739; Meincke16, § 5 ErbStG Rz. 27 m.w.N.; Geck in Kapp/Ebeling, § 5 ErbStG Rz. 8 (Stand: Mai 2016). 3 Reich, ZEV 2011, 59. 4 R E 5.2 Abs. 2 Satz 2 ErbStR 2011. 5 R E 5.2 Abs. 2 Satz 6, 7 ErbStR 2011; H E 5.2 ErbStR 2011. 6 R E 5.2 Abs. 2 Satz 3 ErbStR 2011. 7 R E 5.2 Abs. 2 Satz 4 ErbStR 2011. 8 Geck, ZErb 2004, 21. 9 Geck, ZErb 2004, 21.
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Konkreter Zugewinnausgleich (Abs. 2)
Rz. 73 § 5 ErbStG
Erwerbsleben bzw. zu einem Zeitpunkt, in dem die Höhe des Zugewinns schon relativ präzise ermittelt werden kann, lag.1 Dies wird mit der Rechtsprechung des BFH begründet, in dem dieser dargelegt hat, dass Zuwendungen zwischen Ehegatten den Charakter einer freigiebigen Zuwendung haben können, und mit einem BFH-Urteil zur alten Rechtslage (vor Einfügung von § 7 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG) bzgl. der Frage, ob in der Vereinbarung der allgemeinen Gütergemeinschaft eine freigebige Zuwendung zu sehen ist; in dieser Entscheidung differenzierte der BFH danach, ob der vermögendere Ehegatte güterrechtliche oder erbrechtliche Wirkungen herbeiführen wollte.2 Ob der BFH dieser Differenzierung der Finanzverwaltung bei der Beantwortung der Frage, ob eine 71 überhöhte Ausgleichsforderung verschafft wird, folgen wird, ist zweifelhaft, da der BFH3 auch aufgrund der zivilrechtlichen Anknüpfung der güterrechtlichen Gestaltungsfreiheit und der damit verbundenen freien güterrechtlichen Ausgestaltung der Ehe dieser eine große Bedeutung beigemessen hat. Es wurde in der Entscheidung vom 28.6.1989 hinsichtlich der Gestaltung der rückwirkenden Vereinbarung der Zugewinngemeinschaft gerade nicht dahingehend differenziert, ob in erster Linie güterrechtliche oder erbrechtliche Wirkungen herbeigeführt werden sollen. Das spricht dafür, dass der BFH bei zulässigem Gebrauchmachen von der ehevertraglichen bzw. güterrechtlichen Gestaltungsfreiheit die jeweilige Gestaltung generell billigen wird, also sie im konkreten Einzelfall nicht davon abhängig machen wird, ob die Eheleute güterrechtliche oder erbrechtliche Wirkungen erzeugen wollten. Der BFH4 erwähnt lediglich § 42 AO als Korrektiv, wobei in Anbetracht der Vielzahl von außersteuerlichen Gründen bislang kein Fall der rückwirkenden Vereinbarung der Zugewinngemeinschaft bekannt geworden ist, in dem die Gestaltung rechtsmissbräuchlich gewesen wäre. Der BFH hatte auch bereits in dem Urteil zur Begründung der Gütergemeinschaft ausgeführt, dass die Herbeiführung erbrechtlicher Wirkungen nur in Sonderfällen angenommen werden kann. Bei der rückwirkenden Vereinbarung der Zugewinngemeinschaft nimmt die Finanzverwaltung die von ihr vorgeschlagene Differenzierung ebenfalls nicht vor, im Übrigen weil das BFH-Urteil für diese Differenzierung auch nichts hergab. Darüber hinaus konnten die Steuerpflichtigen in den zitierten Entscheidungen des BFH zur Qualifikation von ehebedingten Zuwendungen als freigebige Zuwendungen sich gerade nicht auf die güterrechtliche Gestaltungsfreiheit nach § 1408 Abs. 2 BGB berufen, was einen erheblichen Unterschied darstellt. Deswegen ist zu erwarten, dass der BFH einzelne Gestaltungen grundsätzlich billigen und die Finanzverwaltung diesen nicht mit ihrer Differenzierung begegnen können wird. Die Vermutung des 1377 Abs. 3 BGB, nach der das Endvermögen dem Zugewinn entsprechen soll, 72 ist zwar anwendbar, kann allerdings seitens der Finanzverwaltung durch andere Steuerakten (z.B. Vermögensteuer- oder Einkommensteuerakten) oder sonstige Beweismittel entkräftet werden. Der Steuerpflichtige ist auch zur Mitwirkung verpflichtet.5 Erst wenn die Ermittlung des Anfangsvermögens mit zumutbaren Mitteln ohne Erfolgt bleibt, stellt sich die Frage nach der gesetzlichen Vermutung.6 Aufgrund der Mitwirkungspflicht des Steuerpflichtigen sollte man aus Beratersicht auch zurückhaltend sein, sich auf die Vermutung des § 1377 Abs. 3 BGB zu berufen. Dies sollte nur dann erfolgen, wenn der Mandant keinerlei Erkenntnisquellen hinsichtlich des Anfangsvermögens mehr hat. Da die zivilrechtliche Zugewinnausgleichsforderung entscheidend ist, gibt es auch keine steuerliche 73 Höchstgrenze i.S.d. § 5 Abs. 1 Satz 5 ErbStG. Deswegen ist zum einen die Ausgleichsforderung vollumfänglich steuerfrei, zum anderen kann sie der Erbe in voller Höhe als Nachlassverbindlichkeit nach § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG abziehen.7 Unerheblich ist, dass sie den Erblasser selbst nie getroffen hat, da sie aus einem Dauerrechtsverhältnis herrührt, in dem der Erblasser zu Lebzeiten stand und das sich im Zeitpunkt seines Todes zur Ausgleichsforderung verengte. Die Abzugsfähigkeit ist nur dann mangels wirtschaftlicher Belastung beschränkt, wenn der Erbe damit rechnen konnte, dass der 1 2 3 4 5 6 7
Weinmann in Moench/Weinmann, § 5 ErbStG Rz. 66 (Stand: Juni 2016). BFH v. 2.3.1994 – II R 59/92, BStBl. II 1994, 366; v. 29.1.1964 – II 78/60 U, BStBl. III 1964, 202. BFH v. 28.6.1989 – II R 82/86, BStBl. II 1989, 897. BFH v. 12.7.2005 – II R 29/02, BStBl. II 2005, 843. BFH v. 8.2.1984 – II R 164/83, BStBl. II 1984, 438. BFH v. 8.2.1984 – II R 164/83, BStBl. II 1984, 438. BFH v. 10.3.1993 – II R 27/89, BStBl. II 1993, 368; v. 1.7.2008 – II R 71/06, BStBl. II 2008, 874 = FR 2009, 245.
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§ 5 ErbStG Rz. 74 Zugewinngemeinschaft überlebende Ehegatte die Zugewinnausgleichsforderung nicht oder nicht in voller Höhe geltend macht.1 Die Erfüllung der Ausgleichsforderung an Erfüllungs statt steht dem nicht entgegen. Der Abzug erfolgt mit dem Nennwert der Zugewinnausgleichsforderung, selbst wenn sich der Erbe und der Ausgleichsberechtigte vergleichsweise über die Höhe des Zugewinnausgleichs einigen.2 Dies wird damit begründet, dass die Ausgleichsforderung ihren Rechtsgrund nicht im Erbrecht, sondern im ehelichen Güterrecht hat, also sie wie jede andere Erblasserschuld zu behandeln ist. 74
Aus dem Hinweis auf § 1371 Abs. 2 BGB folgt, dass der gesamte Nachlass für die Berechnung der Ausgleichsforderung Endvermögen des Erblassers i.S.d. § 1375 BGB ist.3 Im Rahmen des § 5 Abs. 2 ErbStG ist dies selbstverständlich, da die güterrechtliche Lösung nach § 1371 Abs. 3, Abs. 2 BGB voraussetzt, dass der überlebende Ehegatte weder Erbe noch Vermächtnisnehmer geworden ist.
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Erwerbe gem. § 3 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG sind nach Ansicht des BFH4 zu § 5 Abs. 1 ErbStG nicht anders zu behandeln wie der Nachlass selbst, so dass sie dem Endvermögen des Erblassers i.S.d. § 1375 BGB hinzuzurechnen sind. Das muss auch im Rahmen des § 5 Abs. 2 ErbStG gelten. Weist der überlebende Ehegatte den Erwerb nicht nach § 333 BGB zurück, muss er sich auf die konkrete Zugewinnausgleichsforderung den Auszahlungsbetrag zivilrechtlich i.S.d. § 1380 BGB anrechnen lassen.5 Für die angemessenen Versorgungsbezüge wird das die Finanzverwaltung jedoch ebenfalls entsprechend den Ausführungen zu § 5 Abs. 1 ErbStG handhaben (Rz. 52).
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Wird auf die Zugewinnausgleichsforderung verzichtet, dann ist zu differenzieren. Bezieht sich der Verzicht auf eine bereits entstandene Zugewinnausgleichsforderung, führt der Verzicht zu einer freigiebigen Zuwendung i.S.d. § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG, sofern Bereicherung und Wille zur Unentgeltlichkeit gegeben sind.6 Hingegen wird teilweise abweichend in der Literatur vertreten, dass der Verzicht auf die Ausgleichsforderung – entsprechend dem Pflichtteilsanspruch – erst dann eine freigiebige Zuwendung sein kann, wenn der Zugewinnausgleichsanspruch geltend gemacht worden ist.7 Wird hingegen der Verzicht vor dem Entstehen der Zugewinnausgleichsforderung ausgesprochen, stellt dies keine freigiebige Zuwendung dar. Das ergibt sich insbesondere daraus, dass selbst der Verzicht auf ein Anwartschaftsrecht keine freigiebige Zuwendung i.S.d. § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG ist. Das ergibt sich auch aus § 517 BGB.
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Das wird allerdings teilweise kritisiert, weil der Güterstand der Zugewinngemeinschaft durch den Verzicht auf den Zugewinn automatisch erlösche.8 Allerdings kann dieser Einwand nicht überzeugen, da die Regelung des § 1414 Satz 2 BGB den wirksamen Ausschluss des Zugewinns erfordert, so dass stets selbst der wirksame vollumfängliche Verzicht auf den Zugewinn zeitlich der Beendigung der Zugewinngemeinschaft vorangeht, also doch die Ausgleichsforderung vor der Beendigung der Zugewinngemeinschaft erlischt.
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Erfolgt der Verzicht auf die entstandene Zugewinnausgleichsforderung gegen eine Abfindung, so führt dies bei Äquivalenz von Ausgleichsforderung und Abfindung zu keiner freigiebigen Zuwendung.9 § 3 Abs. 2 Nr. 4 ErbStG ist nicht einschlägig, wobei darauf zu achten ist, dass die Abfindung nicht für die Ausschlagung der Erbschaft oder des Vermächtnisses gewährt wird, sondern für den Verzicht auf die entstandene Zugewinnausgleichsforderung.10 Erfolgt die Abfindungsleistung durch Gegenstände an Erfüllungs statt (z.B. Grundstücke) sind bei Äquivalenz zwar keine schenkungsteuerlichen Nachteile zu befürchten,11 jedoch sind z.B. ertragsteuerliche Aspekte zu beachten, weil die
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BFH v. 1.7.2008 – II R 71/06, BStBl. II 2008, 874. BFH v. 1.7.2008 – II R 71/06, BStBl. II 2008, 874. Entscheidung zu § 5 Abs. 1 ErbStG: BFH v. 12.4.1978 – II B 45/76, BStBl. II 1978, 400. BFH v. 12.4.1978 – II B 45/76, BStBl. II 1978, 400. Gottschalk in T/G/J, § 5 ErbStG Rz. 224 (Stand: Juli 2015); Mayer in Bamberger/Roth3, § 1380 BGB Rz. 2; Koch in Münchener Kommentar7, § 1380 BGB Rz. 14. R E 5.2 Abs. 1 Satz 2 ErbStR 2011. Geck in Kapp/Ebeling, § 5 ErbStG Rz. 13 (Stand: Mai 2016). Weinmann in Moench/Weinmann, § 5 ErbStG Rz. 59 (Stand: Juni 2016). R E 5.2 Abs. 2 Satz 3 ErbStR 2011. Gottschalk in T/G/J, § 5 ErbStG Rz. 289 (Stand: Juli 2015). R E 5.2 Abs. 1 Satz 4 ErbStR 2011.
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Konkreter Zugewinnausgleich (Abs. 2)
Rz. 82 § 5 ErbStG
Erfüllung an Erfüllung statt als Veräußerung des hingegebenen Wirtschaftsguts qualifiziert, was zur einkommensteuerpflichtigen Realisierung stiller Reserven führen kann.1 Wird die Abfindung zugleich auch für eine vorangegangene Erbausschlagung oder einen Verzicht auf einen Pflichtteilsanspruch gewährt, ist § 3 Abs. 2 Nr. 4 ErbStG zu beachten und die Abfindungsleistung aufzuteilen. Wird einer Schenkung seitens des anderen Ehegatten (konkludent) zugestimmt, so ist die Hin- 79 zurechnung zum Endvermögen gem. § 1375 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BGB nach § 1375 Abs. 3 BGB ausgeschlossen. Dies mindert den Zugewinnausgleich, wirkt also ähnlich zu einem Verzicht; allerdings ist die Regelung des § 1414 Satz 2 BGB eindeutig nicht anwendbar, so dass die Zustimmung i.S.v. § 1375 Abs. 3 BGB u.a. wegen § 517 BGB keine freigiebige Zuwendung darstellen kann.2 Werden die Ansprüche des überlebenden Ehegatten auf den Zugewinnausgleich und den Pflichtteil 80 in einem Vergleich mit dem Erben ohne Unterscheidung nach dem Anspruchsgrund mit einer pauschalen, den Zugewinnausgleichsanspruch übersteigenden Zahlung abgegolten, führt dies nach Auffassung des BFH3 zu einem anteiligen Verzicht auf den steuerfreien Zugewinnausgleichsanspruch mit der Folge einer entsprechenden Erhöhung des realisierten steuerpflichtigen Pflichtteilsanspruchs. Auf Seiten des Erben ist die Ausgleichsforderung trotz des Vergleichs vollumfänglich abzugsfähig, d.h., es fehlt insoweit auch nicht die wirtschaftliche Belastung.4 Hingegen ist die Abzugsfähigkeit des Pflichtteilsanspruchs auf die Vergleichssumme beschränkt.5 Der sog. fliegende Zugewinnausgleich ist nicht von § 5 Abs. 2 ErbStG erfasst. Voraussetzung ist für 81 den Wechsel in die Zugewinngemeinschaft eine notariell beurkundete Gütertrennungsvereinbarung, die dazu führt, dass die Zugewinnausgleichsforderung entsteht, die nach dem Wortlaut des § 5 Abs. 2 ErbStG erforderlich ist. Folgerichtig qualifiziert der BFH6 und die Finanzverwaltung7 den fliegenden Zugewinnausgleich als nicht steuerbefreite freigiebige Zuwendung. Das gilt nach Auffassung des BFH8 auch dann, wenn Wirtschaftsgüter zur Abgeltung übertragen werden. Der BFH hat in diesem Urteil auch klargestellt, dass der Verzicht auf eine noch nicht entstandene Zugewinnausgleichsforderung im Rahmen eines fliegenden Zugewinnausgleichs keine freigiebige Zuwendung aufgrund einer bloßen Erwerbschance darstellt. Wird der Güterstand der Zugewinngemeinschaft später beendet, besteht je nach Berechnungsparameter die Möglichkeit, dass eine entstandene Steuer nach § 29 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG erlischt.9 Der Güterstandswechsel von der Zugewinngemeinschaft zur Gütertrennung hat nach der Recht- 82 sprechung des BFH10 keine schenkungsteuerlichen Folgen. Die Güterstandsschaukel, d.h. die Beendigung des Güterstands der Zugewinngemeinschaft durch notarielle Gütertrennungsvereinbarung, führt zur Beendigung des Güterstands der Zugewinngemeinschaft i.S.d. § 1372 BGB, so dass die Ausgleichsforderung entsteht und – klargestellt nach § 5 Abs. 2 ErbStG – steuerfrei ist. Vor Vereinbarung der Gütertrennung ist jedoch bei Ehegatten, die in der modifizierten Zugewinngemeinschaft leben, darauf zu achten, dass der Zugewinnausgleich nicht nur bei Tod, sondern auch im Falle der Vereinbarung des Güterstands der Gütertrennung durchzuführen ist. Sollte dies nach dem Ehevertrag über die Vereinbarung der modifizierten Zugewinngemeinschaft nicht der Fall sein, sollte vor Vereinbarung der Gütertrennung die modifizierte Zugewinngemeinschaft durch ergänzenden Ehevertrag dahingehend modifiziert werden. Des Weiteren müssen auch ehevertragliche Vereinbarungen, die die Berechnung der Zugewinnausgleichsforderung beschränken können und im Rahmen des § 5 Abs. 2 ErbStG anwendbar sind, ggf. vor der Vereinbarung der Gütertrennung modifiziert oder beseitigt werden, um das Gestaltungsziel der Ehegatten zu erreichen.
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BFH v. 31.7.2002 – X R 48/99, BStBl. II 2003, 282. Gottschalk in T/G/J, § 5 ErbStG Rz. 286 (Stand: Juli 2015). BFH v. 27.9.2012 – II R 52/11, BFH/NV 2013, 938. BFH v. 1.7.2008 – II R 71/06, BStBl. II 2008, 874. BFH v. 1.7.2008 – II R 71/06, BStBl. II 2008, 874. BFH v. 24.8.2005 – II R 28/02, DStR 2006, 178. R E 5.2 Abs. 3 ErbStR 2011; H E 5.2 ErbStR 2011. BFH v. 28.6.2007 – II R 12/06, BStBl. II 2007, 785. BFH v. 28.6.2007 – II R 12/06, BStBl. II 2007, 785. BFH v. 12.7.2005 – II R 29/02, BStBl. II 2005, 843.
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§ 5 ErbStG Rz. 83 Zugewinngemeinschaft 83
Erforderlich ist für die Steuerfreiheit, dass es tatsächlich zu einer güterrechtlichen Abwicklung der Zugewinngemeinschaft kommt.1 Diese Abwicklung muss entsprechend den (modifizierten) gesetzlichen Vorschriften zum Zugewinnausgleich erfolgen, da anderenfalls in der fehlerhaften Umsetzung eine freigebige Zuwendung i.S.d. § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG zu sehen ist (Verzicht auf die Zugewinnausgleichsforderung bzw. überschießender Betrag). Sie ist nach § 1378 Abs. 1 BGB in Geld zu erfüllen, die Erfüllung an Erfüllung statt kann steuerliche Konsequenzen auslösen (z.B. die einkommensteuerpflichtige Realisierung stiller Reserven). Wird im Rahmen des Güterstandswechsels die Zugewinnausgleichsforderung zinslos gestundet, so stellt die zinslose Stundung eine freigiebige Zuwendung i.S.d. § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG dar, führt aber nicht gleichzeitig zu einer Einkommensteuerbelastung.2
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Eine Anzeige des Güterstandswechsels gegenüber der Finanzverwaltung ist nicht erforderlich, weil der Ausgleich des Zugewinns in Anbetracht des existierenden Ausgleichsanspruchs und der bloß klarstellenden Bedeutung des § 5 Abs. 2 ErbStG von vornherein keine schenkungsteuerpflichtige freigebige Zuwendung sein kann, vorausgesetzt, die Zugewinnausgleichsforderung wird zutreffend ermittelt und ausgeglichen. Dann fehlt ein Erwerb, also der Anknüpfungspunkt für die Anzeigepflicht.
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Die Eheleute können anschließend wieder in den Güterstand der Zugewinngemeinschaft zurückwechseln, was keine schenkungsteuerlichen Konsequenzen hat und auch seitens der Finanzverwaltung3 nicht beanstandet wird. Sinnvoll ist das, um durch eine sich zukünftig aufbauende Zugewinnausgleichsforderung steuerfreies Ausgleichsvolumen zu erzeugen. Dann ist zu beachten, dass nicht an das Anfangsvermögen im Zeitpunkt der Eheschließung angeknüpft werden kann. Entweder kann auf das Anfangsvermögen im Zeitpunkt der erneuten Vereinbarung der Zugewinngemeinschaft abgestellt werden oder es kann rückwirkend der Zeitpunkt des Güterstandswechsels, d.h. der Beendigung des Güterstands der Zugewinngemeinschaft durch die notarielle Gütertrennungsvereinbarung (Güterstandsschaukel), für maßgeblich erklärt werden. Dafür, dass eine „Schamfrist“ beachtet werden muss, können der BFH-Entscheidung vom 12.7.2005 keine Anhaltspunkte entnommen werden. Auch ergibt sich aus diesem BFH-Urteil, dass die Nebenabreden der Unabtretbarkeit der Ausgleichsforderung und deren Stundung zu einem Zinssatz von 1,5 % der Beendigung des Güterstands der Zugewinngemeinschaft nicht entgegenstehen und keinen Gestaltungsmissbrauch i.S.d. § 42 AO darstellen.
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Anders ist dies, wenn anfänglich die Gütergemeinschaft begründet oder in die Gütergemeinschaft gewechselt wird, weil das Gesamtgut hälftig auf die Ehegatten verteilt wird (§ 7 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG). Beim Wechsel von der Zugewinngemeinschaft in die Gütergemeinschaft ist der Vermögenstransfer i.H.d. der tatsächlichen Ausgleichsforderung steuerfrei gestellt (§ 5 Abs. 2 ErbStG). Erfolgt der Wechsel von der Gütergemeinschaft in die Gütertrennung oder in die Zugewinngemeinschaft, wird das Gesamtgut hälftig auf die Ehegatten verteilt. Dies entspricht der güterrechtlichen Abwicklung der Gütergemeinschaft, so dass dies keine Schenkungsteuer auslöst.
E. Güterstand der Wahl-Zugewinngemeinschaft (Abs. 3) 87
Mit dem Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der französischen Republik über den Güterstand der Wahl-Zugewinngemeinschaft vom 4.2.2010 wurde ein spezieller binationaler Güterstand entwickelt, um die Probleme, die aus den sehr unterschiedlichen familienrechtlichen Vorschriften zum Güterrecht in Deutschland und Frankreich existieren, zu vermeiden. In Deutschland liegt das die Ratifizierung des Abkommens ermöglichende Gesetz seit dem 15.3.2012 vor.4 Die Ratifikationsurkunden wurden am 18.4.2013 ausgetauscht.5 In Kraft getreten ist § 1519 BGB n.F. wie die im Gesetz ebenfalls enthaltenen Änderungen des RPflG, des FamFG und des ErbStG zum 1.5.2013. 1 H E 5.2 ErbStR 2011. 2 BFH v. 12.9.2011 – VIII B 70/09, BFH/NV 2012, 229; die Frage der Doppelbesteuerung mit Schenkung- und Einkommensteuer offengelassen: BFH v. 30.1.2013 – II R 6/12, BFH/NV 2013, 846. 3 H E 5.2 ErbStR 2011. 4 BGBl. II 2012, 178. 5 Brudermüller in Palandt75, Vor § 1519 BGB Rz. 1.
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Güterstand der Wahl-Zugewinngemeinschaft (Abs. 3)
Rz. 91 § 5 ErbStG
Betroffene Ehegatten können den Güterstand der Wahl-Zugewinngemeinschaft wählen. Diese Mög- 88 lichkeit steht auch Lebenspartnern zur Verfügung. Zu beachten ist, dass § 1519 BGB bestimmt, dass dann, wenn die Ehegatten durch Ehevertrag den Güterstand der Wahl-Zugewinngemeinschaft vereinbaren, die Vorschriften des Abkommens vom 4.2.2010 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der französischen Republik über den Güterstand der Wahl-Zugewinngemeinschaft gelten. § 1368 BGB gilt entsprechend, hingegen ist § 1412 BGB nicht anzuwenden. § 5 Abs. 3 ErbStG enthält die Regelung, dass dann, wenn der Güterstand der Wahl-Zugewinnge- 89 meinschaft (§ 1519 BGB) beendet und der Zugewinn ausgeglichen wird, die Ausgleichsforderung nach Art. 12 Abs. 1 des Abkommens vom 4.2.2010 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der französischen Republik über den Güterstand der Wahl-Zugewinngemeinschaft nicht zum Erwerb i.S.d. §§ 3 und 7 ErbStG gehört. Einen erbrechtlichen Ausgleich des Zugewinns gibt es nicht, so dass sich das Erbrecht eines in der 90 Wahl-Zugewinngemeinschaft lebenden deutschen Ehegatten ausschließlich nach § 1931 BGB bestimmt, wenn erbkollisionsrechtlich das deutsche Erbrecht gilt. Allerdings erfolgt auch bei Beendigung des Güterstands durch Tod eine güterrechtliche Abwicklung des tatsächlichen Zugewinnausgleichsanspruchs, die steuerfrei gestellt wird (§ 5 Abs. 3 ErbStG), selbst wenn der überlebende Ehegatte Erbe oder Vermächtnisnehmer wird. Zu einer fiktiven Zugewinnausgleichsforderung entsprechend § 5 Abs. 1 ErbStG kann es nicht kommen. Eine Ausnahme hiervon wird in der Literatur für den ehevertraglichen Verzicht auf den Ausgleichsanspruch für den Todesfall gemacht (vgl. Rz. 50).1 Da der tatsächliche Zugewinnausgleichsanspruch als Nachlassverbindlichkeit im Rahmen des Pflicht- 91 teilsrechts zu berücksichtigen ist, kann trotz des Umstands, dass das gesetzliche Ehegattenerbrecht in diesem Güterstand nur ein Viertel beträgt, dieser Güterstand dennoch zur Pflichtteilsreduzierung eingesetzt werden.2
1 Gottschalk in T/G/J, § 5 ErbStG Rz. 265 (Stand: Juli 2015). 2 Jäger, DNotZ 2010, 804.
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§ 6 Vor- und Nacherbschaft (1) Der Vorerbe gilt als Erbe. (2) 1Bei Eintritt der Nacherbfolge haben diejenigen, auf die das Vermögen übergeht, den Erwerb als vom Vorerben stammend zu versteuern. 2Auf Antrag ist der Versteuerung das Verhältnis des Nacherben zum Erblasser zugrunde zu legen. 3Geht in diesem Fall auch eigenes Vermögen des Vorerben auf den Nacherben über, sind beide Vermögensanfälle hinsichtlich der Steuerklasse getrennt zu behandeln. 4Für das eigene Vermögen des Vorerben kann ein Freibetrag jedoch nur gewährt werden, soweit der Freibetrag für das der Nacherbfolge unterliegende Vermögen nicht verbraucht ist. 5Die Steuer ist für jeden Erwerb jeweils nach dem Steuersatz zu erheben, der für den gesamten Erwerb gelten würde. (3) 1Tritt die Nacherbfolge nicht durch den Tod des Vorerben ein, gilt die Vorerbfolge als auflösend bedingter, die Nacherbfolge als aufschiebend bedingter Anfall. 2In diesem Fall ist dem Nacherben die vom Vorerben entrichtete Steuer abzüglich desjenigen Steuerbetrags anzurechnen, welcher der tatsächlichen Bereicherung des Vorerben entspricht. (4) Nachvermächtnisse und beim Tod des Beschwerten fällige Vermächtnisse oder Auflagen stehen den Nacherbschaften gleich. A. I. II. III.
Grundaussagen der Vorschrift. . . . . . . . . . Regelungsgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . Bedeutung und Telos . . . . . . . . . . . . . . . . . Geltungsbereich und Verhältnis zu anderen Vorschriften, internationale Bezüge. . . . . . . IV. Rechtsentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Zivilrechtliche Ausgestaltung der Vorund Nacherbschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. D. I. II.
Besteuerung des Vorerben (Abs. 1) . . . . . . Besteuerung des Nacherben (Abs. 2) . . . . . Zeitraum vor Eintritt des Nacherbfalls . . . . Eintritt des Nacherbfalls durch Tod des Vorerben – Besteuerung des Nacherben. . . .
1 1 2 3 5 6 12 16 16 28
1. Tod des Vorerben . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Besteuerungsverhältnis (Abs. 2 Satz 1) . . . 3. Besteuerung nach dem Verhältnis zum Erblasser (Abs. 2 Satz 2) . . . . . . . . . . . . . 4. Erwerb vom Erblasser und vom Vorerben (Abs. 2 Satz 3 bis 5) . . . . . . . . . . . . . . . . . E. Eintritt des Nacherbfalls zu Lebzeiten des Vorerben (Abs. 3) – Besteuerung des Nacherben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
28 29 31 37
43
F. Erwerb des Anwartschaftsrechts durch den Vorerben oder einen Dritten/Ausschlagung durch den Nacherben. . . . . . . . . 55 G. Nachvermächtnisse und beim Tod des Beschwerten fällige Vermächtnisse (Abs. 4) . . 58
Literatur: Gerken, Verfassungswidrigkeit der Besteuerung bei Vor- und Nacherbschaft, ZErb 2003, 72; Kamps, Vorund Nacherbschaft in Gesellschaftsbeteiligungen aus erbschaftsteuerlicher Sicht, FR 2014, 361; Reich, Die Nutzenund Lastenverteilung in der mehrfach gestaffelten Vor- und Nacherbschaft zum Schutz von Traditionsvermögen, ZEV 2013, 188. Verwaltungsanweisungen: R E 6 ErbStR 2011.
A. Grundaussagen der Vorschrift I. Regelungsgegenstand Erbschaftsteuerrechtlich ist entsprechend den zivilrechtlichen Vorschriften sowohl der Erwerb des 1 Vorerben als auch derjenige des Nacherben ein Erwerb durch Erbanfall i.S.d. § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG. Das Nachlassvermögen unterliegt zunächst zu Lasten des Vorerben (§ 20 Abs. 4 ErbStG) und anschließend zu Lasten des Nacherben der Erbschaftsteuer.
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§ 6 ErbStG Rz. 2 Vor- und Nacherbschaft
II. Bedeutung und Telos 2 Die Vorschrift hat eine besondere Bedeutung für deutsches Traditionsvermögen, das immer noch
häufig vom letzten Nacherben wieder in eine (mehrfach gestaffelte) Vor- und Nacherbschaft gegeben wird. Aber auch bei Immobilienvermögen bietet sich die Vor- und Nacherbschaft an, weil durch den Nacherbenvermerk im Grundbuch auch effektiv der Erwerb durch den Nacherben gesichert werden kann. Hingegen führt sie bei liquidem Vermögen zu praktischen Schwierigkeiten, weil es häufig zu einer Vermögensvermischung kommt. Auch bei unternehmerischem Vermögen muss im Einzelfall überlegt werden, ob die Vor- und Nacherbschaft passend ist.1 Abhängig vom Einzelfall kann auch das Nießbrauchsvermächtnis die bessere Gestaltung sein.
III. Geltungsbereich und Verhältnis zu anderen Vorschriften, internationale Bezüge 3 International zivilrechtlich ist zu beachten, dass die Vor- und Nacherbschaft, insbesondere die
mehrfach gestaffelte Vor- und Nacherbschaft in ausländischen Rechtsordnungen teilweise unbekannt ist. Ist z.B. ein Grundstück in einem Staat belegen, der nicht Mitgliedsstaat i.S.d. EuErbVO ist, kennt das ausländische Erbrecht die Vor- und Nacherbschaft nicht an und gilt der Grundsatz lex rei sitae, so gehört das Grundstück nicht zum Nacherbschaftsvermögen. Dies muss in der erbschaftsteuerlichen Veranlagung beachtet werden. Für die Mitgliedstaaten i.S.d. EuErbVO ist für Erbfälle, die nach dem 16.8.2015 eingetreten sind, der Grundsatz lex rei sitae infolge des Erwägungsgrunds Nr. 54 der EuErbVO stark zurückgedrängt, er gilt insbesondere nicht für Ferienimmobilien im Ausland (z.B. Ferienhaus in Frankreich); Art. 30 EuErbVO ist eine eng auszulegende Ausnahmevorschrift. Ist das deutsche Erbrecht anwendbar, erfasst die Vor- und Nacherbschaft insbesondere auch die Ferienimmobilien in den Mitgliedstaaten der EuErbVO. 4 Die erbschaftsteuerliche Besonderheit der Vorschrift ist darin zu sehen, dass – anders als im Zivil-
recht – der Vorerbe fiktiv als Vollerbe des Erblassers behandelt wird, obwohl er nach § 2130 BGB nach dem Eintritt des Nacherbfalls verpflichtet ist, dem Nacherben die Erbschaft in dem Zustand herauszugeben, in dem sie sich bei einer bis zur Herausgabe fortgesetzten ordnungsgemäßen Verwaltung ergäbe. Zivilrechtlich wird der Nacherbe Erbe des Erblassers und nicht des Vorerben. Auch das gilt jedoch infolge einer Fiktion nicht im Erbschaftsteuerrecht, nach der der Nacherbe bei Eintritt des Nacherbfalls durch Tod des Vorerben den Erwerb als vom Vorerben stammend zu versteuern hat (§ 6 Abs. 2 Satz 1 ErbStG). Diese Fiktion wird dann unter bestimmten Voraussetzungen nach § 6 Abs. 2 Satz 2 ff. ErbStG (begrenzt) gemildert. § 27 ErbStG kann unter bestimmten Voraussetzungen (begrenzt) die Doppelbelastung mildern. Diese erbschaftsteuerlichen Besonderheiten gelten nach § 6 Abs. 4 ErbStG für Nachvermächtnisse und beim Tod des Beschwerten fällige Vermächtnisse oder Auflagen entsprechend.2 § 6 ErbStG gilt für alle Arten der persönlichen Steuerpflicht.
IV. Rechtsentwicklung 5 Entstehungsgeschichtlich ist zu beachten, dass die Erbschaftsteuer-Gesetze vor 1922 den nicht-
befreiten Vorerben als Nießbraucher behandelten.3 Hiervon ist der Gesetzgeber jedoch später abgewichen, weshalb teilweise vertreten wird, dass die Gleichbehandlung des Vorerben mit einem Vollerben und das Ungleichbehandeln gegenüber einem Nießbraucher zur Verfassungswidrigkeit der erbschaftsteuerlichen Besteuerung des Vorerben u.a. wegen Verstoßes gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG führe.4 Dies wird damit begründet, dass der nichtbefreite Vorerbe wirtschaftlich gesehen dem Nießbraucher vergleichbar sei und er daher im Vergleich zur Besteuerung des Nießbrauchers nicht schlechter gestellt werden dürfe. Dieser Einwand der Verfassungswidrigkeit kann jedoch 1 2 3 4
Kamps, FR 2014, 391. R E 6 Satz 1 ErbStR 2011. Meincke16, § 6 ErbStG Rz. 3. Gerken, ZErb 2003, 72.
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Zivilrechtliche Ausgestaltung der Vor- und Nacherbschaft
Rz. 8 § 6 ErbStG
nicht überzeugen.1 Das ergibt sich für den befreiten Vorerben bereits daraus, dass er über § 2136 BGB von den zivilrechtlichen Beschwerungen, denen der Vorerbe eigentlich unterliegt, weitestgehend befreit werden kann, abgesehen z.B. von dem grundsätzlichen Verbot, Schenkungen vornehmen zu dürfen (§ 2113 Abs. 2 Satz 1 BGB). Aber auch der nichtbefreite Vorerbe unterliegt nur punktuell Verfügungsbeschränkungen, so z.B. für ein zur Erbschaft gehörendes Grundstück oder Recht an einem Grundstück oder ein zur Erbschaft gehörendes eingetragenes Schiff oder Schiffsbauwerk (§ 2113 Abs. 1 BGB). Hingegen kann der Vorerbe über sonstige Gegenstände, z.B. Forderungen, Bankguthaben, Wertpapiere, Schmuck, Kunstgegenstände etc. als Eigentümer entgeltlich frei verfügen, was dem Nießbraucher verwehrt ist, der nur ein beschränkt dingliches Recht innehat. Auch für Nachvermächtnisse und beim Tod des Beschwerten fällige Vermächtnisse oder Auflagen nach § 6 Abs. 4 ErbStG gilt nichts anderes, da z.B. selbst für den Nachvermächtnisnehmer nach § 2191 Abs. 2 BGB die Vorschriften für die Einsetzung eines Nacherben nur punktuell entsprechend gelten, also z.B. nicht die Verfügungsbeschränkungen des § 2113 BGB. Daher ist es auch legitim, den Vor- und Nachvermächtnisnehmer jeweils als Vollrechtsinhaber und den Vorvermächtnisnehmer nicht nur als Nießbraucher zu besteuern. Auch der BFH2 hat keine verfassungsrechtlichen Bedenken.
B. Zivilrechtliche Ausgestaltung der Vor- und Nacherbschaft Zivilrechtlich hat der Erblasser nach § 2100 BGB die Möglichkeit, einen Erben durch Verfügung 6 von Todes wegen in der Weise einzusetzen, dass dieser erst Erbe wird (Nacherbe), nachdem zunächst ein anderer (Vorerbe) Erbe geworden ist. Es entscheidet daher der Erblasser (und nicht der Vorerbe), wer sein Nacherbe wird. Zivilrechtlich ist der Vor- und Nacherbe Erbe des Erblassers, also anders als die erbschaftsteuerliche Fiktion ist der Nacherbe zivilrechtlich nicht Erbe des Vorerben. Hat der Erblasser einen Nacherben eingesetzt, ohne den Zeitpunkt oder das Ereignis zu bestimmen, mit dem die Nacherbfolge eintreten soll, so fällt die Erbschaft dem Nacherben mit dem Tode des Vorerben an (§ 2106 Abs. 1 BGB). Der Eintritt des Nacherbfalls kann entsprechend dieser Vorschrift auch von einer anderen Bedingung (z.B. Wiederheirat des als Vorerbe eingesetzten Ehegatten) oder Befristung (z.B. Vollendung des 30. Lebensjahres des Nacherben) abhängig gemacht werden. Nur dann, wenn das Ereignis nicht mehr eintreten kann, erstarkt der Vorerbe zum Vollerben. Existiert eine sog. „Wiederverheiratungsklausel“, so stellt sich die Frage, ob dies ein Fall des § 6 7 ErbStG ist. Von einer Wiederverheiratungsklausel ist auszugehen, wenn sich die Ehegatten gegenseitig als Vollerben einsetzen, jedoch dies mit der Klausel verbinden, dass der Überlebende im Falle seiner Wiederheirat den Nachlass des Erstverstorbenen an die eingesetzten gemeinsamen Abkömmlinge oder Dritte ganz oder teilweise herausgeben muss. Das bedeutet, dass der überlebende Ehegatte ab dem Erbfall bis zu seiner eventuellen Wiederheirat auflösend bedingter Vollerbe und gleichzeitig aufschiebend bedingter Vorerbe ist und die Schlusserben zugleich aufschiebend bedingte Nacherben sind. Fällt die Bedingung aus, weil der überlebende Ehegatte nicht mehr heiratet, so wird er mit seinem Tod endgültig Vollerbe. Ein Fall des § 6 Abs. 2 ErbStG liegt dann nicht vor. Heiratet hingegen der überlebende Ehegatte wieder, so führt dies zur Anwendung des § 6 Abs. 3 ErbStG, weil der Nacherbfall nicht durch den Tod des Vorerben eintritt. Eine Vor- und Nacherbschaft existiert z.B. auch dann, wenn eine sog. „Katastrophenklausel“ greifen 8 sollte, also z.B., wenn Eheleute in gemeinsamer Gefahr (z.B. infolge eines Unfalls) zeitlich hintereinander versterben und für diesen Fall die Schlusserben und nicht der (kurzfristig) überlebende Ehegatte als Erben eingesetzt wird. Für diesen Fall ist die Klausel dahingehend auszulegen, dass der überlebende Ehegatte Vorerbe und die nachberufenen Erben Nacherben werden. Als Gestaltung bietet es sich an, dass die Nacherben die Vorerbschaft des Vorerben (überlebenden Ehegatten) postmortal auszuschlagen, da das Ausschlagungsrecht nach § 1952 Abs. 1 BGB vererblich ist. Nach § 1953 Abs. 1 BGB gilt dann die Erbschaft als dem überlebenden Ehegatten nicht angefallen, vielmehr rücken die als Ersatzerben berufenen Nacherben in die Stellung des überlebenden Ehegatten nach (§ 1953 Abs. 2 BGB). Rechtsfolge dieser Ausschlagungslösung ist, dass die Schlusserben sowohl Erben des erstverstorbenen Ehegatten als auch Erben des überlebenden Ehegatten werden, wenn auch 1 Weinmann in Moench/Weinmann, § 6 ErbStG Rz. 7a (Stand: Juni 2016); Meincke16, § 6 ErbStG Rz. 25 f. 2 BFH v. 13.4.2016 – II R 55/14, DStR 2016, 1604.
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§ 6 ErbStG Rz. 9 Vor- und Nacherbschaft dieser die Nacherben/Ersatzerben als Schlusserben eingesetzt hat. § 6 ErbStG und § 27 ErbStG, die meist zu einem deutlich schlechteren erbschaftsteuerlichen Ergebnis führen, sind dann nicht anwendbar. 9 Der Nacherbe erlangt eine gesicherte Stellung in Form eines Anwartschaftsrechts, das grundsätzlich
vererblich und übertragbar ist, es sei denn, der Erblasser hat etwas anderes bestimmt (§ 2108 Abs. 2 BGB).1 Die rechtliche Stellung des Vorerben kann zivilrechtlich sehr unterschiedlich ausgestaltet sein, da der Erblasser es bei den Verfügungs- und sonstigen Beschränkungen, die sich aus den §§ 2100 ff. BGB ergeben, belassen oder hiervon Befreiung i.S.d. § 2136 BGB erteilen kann, abgesehen jedoch z.B. von der Verfügungsbeschränkung bezogen auf unentgeltliche Rechtsgeschäfte (§ 2113 Abs. 2 BGB), die nur durch ein Vorausvermächtnis außer Kraft gesetzt werden kann. Des Weiteren kann z.B. der Erblasser von der gesetzlichen Nutzen- und Lastenverteilung abweichende Regelungen treffen.2 Mit dem Eintritt des Nacherbfalls hört der Vorerbe auf, Erbe zu sein und die Erbschaft, d.h. das Nacherbschaftsvermögen, das ein Sondervermögen ist, fällt dem Nacherben an (§ 2139 BGB). Der Vorerbe ist nach § 2130 BGB dann verpflichtet, dem Nacherben die Erbschaft in dem Zustand herauszugeben, in dem sie sich bei einer bis zur Herausgabe fortgesetzten ordnungsgemäßen Verwaltung befunden hätte. 10
Die Vor- und Nacherbschaft kann auch in Form der mehrfach gestaffelten Vor- und Nacherbschaft über mehrere Generationen hinweg genutzt werden, um insbesondere bei deutschem Traditionsvermögen die Erbfolge generationenübergreifend pflichtteilsoptimiert zu gestalten.3 Zu beachten ist nämlich, dass das Nacherbschaftsvermögen beim Vorerben ein Sondervermögen darstellt, das er mit Eintritt der Nacherbfolge nach § 2130 BGB an den Nacherben herauszugeben hat, was pflichtteilsrechtlich dazu führt, dass dieses Nacherbschaftsmögen ein Abzugsposten i.S.d. § 2311 BGB hinsichtlich des Nachlasses des Vorerben darstellt, also insoweit die Abkömmlinge des Vorerben keine Pflichtteilsrechte geltend machen können. Den Abkömmlingen des Vorerben stehen nur an dessen Eigenvermögen Pflichtteilsrechte zu. Bei der mehrfach gestaffelten Vor- und Nacherbschaft ist der Nacherbe zugleich Vorerbe, wobei die zeitliche Begrenzung des § 2109 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BGB zu beachten ist, nach der der letzte Vorerbe zu Lebzeiten des Erblassers gelebt bzw. gezeugt gewesen sein muss. Die Dauervollstreckung nach § 2209 BGB, die in diesem Zusammenhang teilweise angeordnet wird, kann nach § 2210 Satz 2 BGB bis zum Tod des Nacherben fortdauern.
11
Zu beachten ist, dass der Erblasser auch die Möglichkeit hat, einzelne Gegenstände dem Vorerben als Vorausvermächtnis i.S.d. § 2150 BGB zuzuwenden, was zur Folge hat, dass diese Gegenstände zivilrechtlich nicht zum Nacherbschaftsvermögen gehören (§ 2110 Abs. 2 BGB) und insbesondere auch die Verfügungsbeschränkungen nicht gelten. Damit kann auch eine gegenständliche beschränkte Vor- und Nacherbschaft erzeugt werden.
C. Besteuerung des Vorerben (Abs. 1) 12
Nach § 6 Abs. 1 ErbStG gilt der Vorerbe als Vollerbe, d.h. er erwirbt durch Erbanfall i.S.d. § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG. Diese erbschaftsteuerliche Aussage entspricht der zivilrechtlichen der §§ 2100, 1922 BGB.
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Die zivilrechtlich existierenden Verfügungsbeschränkungen und sonstigen Beschwerungen, die sich aus der Verfügung von Todes wegen i.V.m. den §§ 2100 ff. BGB ergeben, bleiben als persönliche Verhältnisse i.S.d. §§ 12 Abs. 1, 9 Abs. 2 und 3 BewG unbeachtet und zwar unabhängig davon, durch welches Ereignis die Nacherbfolge eintritt. Tritt diese nicht durch den Tod des Vorerben ein, gilt die Vorerbfolge als auflösend bedingter, die Nacherbfolge als aufschiebend bedingter Anfall (§ 6 Abs. 3 Satz 1 ErbStG). Die aufschiebend bedingte Last wird jedoch bei der Bewertung nach § 12 Abs. 1 ErbStG i.V.m. § 6 Abs. 1 BewG nicht berücksichtigt. Eine Berichtigung der Steuer nach den §§ 5 Abs. 2, 6 Abs. 2 BewG scheidet infolge der Spezialregelung des § 6 Abs. 3 Satz 2 ErbStG aus, aus der
1 BFH v. 28.10.1992 – II R 21/92, BStBl. II 1993, 158. 2 Reich, ZEV 2013, 188. 3 Reich, ZEV 2013, 188.
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Besteuerung des Nacherben (Abs. 2)
Rz. 17 § 6 ErbStG
sich ergibt, dass dem Nacherben die vom Vorerben entrichtete Steuer abzgl. desjenigen Steuerbetrags anzurechnen ist, welcher der tatsächlichen Bereicherung des Vorerben entspricht. Nach § 20 Abs. 1 Satz 1 ErbStG ist der Vorerbe als Erwerber i.S.d. § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG Steuer- 14 schuldner. Er kann die durch die Vorerbschaft veranlasste Steuer aus den Mitteln der Vorerbschaft entrichten (§ 20 Abs. 4 ErbStG) und zwar unabhängig davon, ob er befreiter oder nicht befreiter Vorerbe ist. Dies entspricht dem Zivilrecht, nach dem die Erbschaftsteuer eine außerordentliche Last i.S.d. § 2126 BGB ist. Der Vorerbe kann auch die Zustimmung zur Veräußerung über ein Nachlassgrundstück nach § 2120 BGB vom Nacherben verlangen, wenn die Erbschaftsteuer nicht aus sonstigen Mitteln aufzubringen ist.1 Bezahlt der Vorerbe sie aus seinem sonstigen Vermögen, mit dem er für die Erbschaftsteuer ebenfalls einzustehen hat, so steht ihm ein Ersatzanspruch nach den §§ 2126 Satz 2, 2124 Abs. 2 BGB zu, der zu seinem sonstigen Vermögen gehört. Aus § 10 Abs. 8 ErbStG ergibt sich, dass der Vorerbe als Erwerber die zu entrichtende Erbschaftsteuer nicht bereicherungsmindernd geltend machen kann. Tritt der Nacherbfall vor Entrichtung der Erbschaftsteuer ein, ist nach der Rechtsprechung des 15 BFH2 regelmäßig die Erbschaftsteuer für den Vorerbfall gegen den Nacherben und nur ausnahmsweise gegen den Erben des Vorerben festzusetzen. Dies begründet der BFH damit, dass auch der Nacherbe für die Erbschaftsteuer für den Vorerbfall hafte, und das Finanzamt auch wegen § 20 Abs. 4 ErbStG regelmäßig den Nacherben in Anspruch nehmen müsse. Zu beachten ist, dass dem Vorerben bzw. dessen Erben ein Zurückbehaltungsrecht gegen den Herausgabeanspruch nach § 2130 BGB zusteht, d.h. der Herausgabeanspruch muss nur Zug um Zug gegen Erfüllung des Ersatzanspruchs aus § 2124 Abs. 2 Satz 1 BGB erfüllt werden.3 Das erwähnt auch der BFH und vertritt hierzu die Ansicht, dass z.B. dann ausnahmsweise auch der Vorerbe in Anspruch genommen werden kann. Sicherlich ist der Vorerbe bzw. dessen Erbe gut beraten, dieses Zurückbehaltungsrecht zu nutzen, um das Haftungsrisiko auszuschließen. Wird die Inanspruchnahme des Vorerben nicht in zulässiger Form begründet, ist der Steuerbescheid nach der Rechtsprechung des BFH aufzuheben, selbst wenn anschließend der Nacherbe nicht mehr in Anspruch genommen werden kann. Für den Nacherben, der die Erbschaftsteuer letztlich tragen muss, sollte sie noch nicht vor dem Eintritt des Nacherbfalls entrichtet worden sein, stellt sie eine abzugsfähige Kostenposition dar, da die Verbindlichkeit resultierend aus dem Ersatzanspruch der Erben des Vorerben in unmittelbarem Zusammenhang mit der Erlangung des Erwerbs steht (§ 10 Abs. 5 Nr. 3 ErbStG). Das folgt auch aus § 20 Abs. 4 ErbStG.
D. Besteuerung des Nacherben (Abs. 2) I. Zeitraum vor Eintritt des Nacherbfalls Nach Eintritt des Erbfalls aber vor Eintritt des Nacherbfalls hat der Nacherbe ein Anwartschaftsrecht. 16 Der Erwerb dieses Anwartschaftsrechts führt im Zeitpunkt des Todes des Erblassers, d.h. des Erbfalls, nicht zu einem erbschaftsteuerpflichtigen Erwerb.4 Das folgt auch aus den §§ 10 Abs. 4, 1 Abs. 2 ErbStG.5 Der Erbschaftsteuer unterliegt erst der Vermögenserwerb durch Eintritt des Nacherbfalls, da in diesem Zeitpunkt auch die Steuer nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. h ErbStG entsteht.6 Auch der unentgeltliche Verzicht auf das Anwartschaftsrecht zugunsten des Vorerben unterliegt nicht der Schenkungsteuer.7 Verstirbt der Nacherbe vor dem Nacherbfall, so geht zivilrechtlich das Anwartschaftsrecht auf seine 17 Erben über, sofern der Erblasser nichts anderes bestimmt hat (§ 2108 Abs. 2 BGB). Erbschaftsteuerrechtlich gehört jedoch das Anwartschaftsrecht nach § 10 Abs. 4 ErbStG nicht zu seinem Nachlass. 1 2 3 4 5 6 7
Meincke16, § 6 ErbStG Rz. 5. BFH v. 13.4.2016 – II R 55/14, DStR 2016, 1604. Litzenburger in Bamberger/Roth3, § 2130 BGB Rz. 4. BFH v. 28.10.1992 – II R 21/92, BStBl. II 1993, 158. BFH v. 28.10.1992 – II R 21/92, BStBl. II 1993, 158. BFH v. 28.10.1992 – II R 21/92, BStBl. II 1993, 158. BFH v. 24.7.2002 – II R 33/01, BStBl. II 2002, 781 = FR 2002, 1374 m. Anm. Viskorf = ErbStB 2003, 6; v. 28.10.1992 – II R 21/92, BStBl. II 1993, 158.
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§ 6 ErbStG Rz. 18 Vor- und Nacherbschaft Für das Besteuerungsverhältnis ist von dem Erben des Nacherben auszugehen, also nicht von dem ursprünglichen Nacherben; je nach dem, durch welches Ereignis der Nacherbfall eintritt, ist dann § 6 Abs. 2 ErbStG oder § 6 Abs. 3 ErbStG ausgehend von dem Erben des Nacherben zu prüfen. Das gilt entsprechend, wenn der Nacherbe das Anwartschaftsrecht unentgeltlich auf einen Dritten überträgt.1 18
Ist das Anwartschaftsrecht nicht vererbbar und nicht übertragbar, rückt z.B. im Falle des Todes des ursprünglichen Nacherben der berufene Ersatznacherbe an dessen Stelle, so ist das Besteuerungsverhältnis von dem Ersatznacherben aus zu ermitteln, je nachdem, ob § 6 Abs. 2 ErbStG oder § 6 Abs. 3 ErbStG verwirklicht ist. Im Falle der erbrechtlich unwirksamen Übertragung des Anwartschaftsrechts ist § 6 Abs. 2 ErbStG oder § 6 Abs. 3 ErbStG ausgehend vom berufenen Nacherben zu prüfen.
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Wird das Anwartschaftsrecht entgeltlich wirksam übertragen, führt dies zu einer Zuwendung beim Nacherben seitens des Erblassers nach § 3 Abs. 2 Nr. 6 ErbStG bzw. § 3 Abs. 2 Nr. 4 ErbStG. Erfolgt die Übertragung auf den Vorerben gegen Entgelt, kann er dieses bei seiner Besteuerung nicht als Nachlassverbindlichkeiten nach § 10 Abs. 5 Nr. 3 ErbStG abziehen. Nach Auffassung des BFH beruht der Erwerb der unbeschränkten Vollerbenstellung durch den Vorerben weder auf dem Erbfall noch auf einer Erbauseinandersetzung, sondern allein auf einer von den Anordnungen des Erblassers unabhängigen Vermögensdisposition.2 Hierfür spricht auch, dass der Vorerbe mit dem Erbfall erbschaftsteuerlich nach § 6 Abs. 1 ErbStG als Vollerbe besteuert wird.3
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Das Gleiche gilt für eine Ausschlagung der Nacherbschaft gegen Abfindung durch den Nacherben, damit sie dem Vorerben nach § 2142 Abs. 2 BGB als Vollerben endgültig verbleibt, wobei Ersatznacherbeneinsetzungen und deren Auslegung zu beachten sind.4 Fraglich ist, ob der Vorerbe die Abfindung als Nachlassverbindlichkeit i.S.d. § 10 Abs. 5 Nr. 3 ErbStG abziehen kann. Dagegen spricht die Rechtsprechung des BFH, nach der der Vorerbe auch nicht das gezahlte Entgelt für den Erwerb des Anwartschaftsrechts bereicherungsmindernd geltend machen kann.5
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Es liegt in beiden Fällen, d.h. der entgeltlichen Übertragung des Anwartschaftsrechts bzw. der Ausschlagung gegen Abfindung, ein Erwerb des Entgelts bzw. der Abfindung vom Erblasser vor, also nicht vom Vorerben. Der Vorteil ist, dass man sich insbesondere dann, wenn auch eigenes Vermögen des Vorerben auf den Nacherben übergehen soll, aus § 6 Abs. 2 Satz 4 und 5 ErbStG hinausstrukturieren kann, was dazu führt, dass zwei persönliche Freibeträge abzuziehen sind und kein Progressionsvorbehalt existiert. Teilweise wird jedoch hierzu abweichend vertreten, dass analog § 7 Abs. 2 ErbStG die Besteuerung des Erwerbs nach § 6 Abs. 2 ErbStG abzuwickeln sei.6
22
Macht der Erblasser von der Gestaltungsmöglichkeit des Vorausvermächtnisses zugunsten des Vorerben Gebrauch, gliedert er also einzelne Gegenstände aus dem Nacherbschaftsvermögen aus, gelten z.B. die §§ 6 Abs. 2 Satz 2 ff. ErbStG und § 20 Abs. 4 ErbStG insoweit nicht, da diese Vorschriften voraussetzen, dass der jeweilige Gegenstand zum Nacherbschaftsvermögen gehört. Der Vorausvermächtnisgegenstand gehört auch dann, wenn er zeitgleich mit dem Eintritt des Nacherbfalls auf den Nacherben übergeht, zum Eigenvermögen des Vorerben i.S.d. § 6 Abs. 2 Satz 3 ErbStG.
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Nutzziehungsansprüche des Nacherben nach § 2111 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 BGB und Ersatzansprüche des Nacherben nach den §§ 2124 Abs. 2 Satz 2, 2126 Satz 2 BGB, so z.B., wenn der Vorerbe andere als gewöhnliche Erhaltungskosten oder auch die Erbschaftsteuer entgegen § 2126 Satz 1 BGB, § 20 Abs. 4 ErbStG aus seinem Vermögen, also nicht dem Nacherbschaftsvermögen bestreitet, mindern das Nacherbschaftsvermögen, das dem Nacherben mit dem Eintritt des Nacherbfalls anfällt. Der Nacherbe kann sie folglich nach § 10 Abs. 5 Nr. 3 ErbStG vom erworbenen Nacherbschaftsvermögen abziehen. Sie gehören dann, wenn mit dem Eintritt der Nacherbfolge auch Eigenvermögen des Vorerben auf den 1 2 3 4 5 6
BFH v. 28.10.1992 – II R 21/92, BStBl. II 1993, 158. BFH v. 23.8.1995 – II R 88/92, BStBl. II 1996, 137. BFH v. 23.8.1995 – II R 88/92, BStBl. II 1996, 137. Litzenburger in Bamberger/Roth3, § 2142 BGB Rz. 4. BFH v. 23.8.1995 – II R 88/92, BStBl. II 1996, 137. Gottschalk in T/G/J, § 6 ErbStG Rz. 8 (Stand: Juli 2015); Gottschalk in T/G/J, § 3 ErbStG Rz. 334 (Stand: Juli 2015).
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Besteuerung des Nacherben (Abs. 2)
Rz. 27 § 6 ErbStG
Nacherben übergeht (§ 6 Abs. 2 Satz 3 ErbStG), zum Eigenvermögen des Vorerben. Zu beachten ist, dass die gesetzlichen Vorschriften zur Nutzen- und Lastenverteilung in der Vor- und Nacherbschaft (§§ 2124 ff. BGB) tendenziell zu einer Auszehrung des Nacherbschaftsvermögens führen, weil der Begriff der gewöhnlichen Erhaltungskosten relativ eng gefasst ist. Z.B. ist der Einbau einer neuen Heizungsanlage oder von Fenstern mit Isolierverglasung eine außergewöhnliche Erhaltungsaufwendung, also aus dem Nacherbschaftsvermögen zu tragen.1 Trägt sie der Vorerbe aus seinem Vermögen bzw. verwendet er die ihm zustehenden Nutzungen hierfür, hat er folglich einen Ersatzanspruch nach § 2124 Abs. 2 Satz 2 BGB. Wegen der Auszehrung des Nacherbschaftsvermögens ist über eine von den gesetzlichen Regelungen abweichende Anordnung in der Verfügung von Todes wegen nachzudenken.2 Überträgt der Vorerbe Nacherbschaftsvermögen ganz oder teilweise ohne Gegenleistung auf den 24 Nacherben vor Eintritt des Nacherbfalls, sind die Vorschriften des § 7 Abs. 1 Nr. 7, Abs. 2 ErbStG zu beachten und führen beim Nacherben zu einem der Schenkungsteuer unterliegenden Erwerb. Auf Seiten des Vorerben führt dies nicht zu einer Änderung der zu seinen Lasten festgesetzten Erbschaftsteuer, da kein rückwirkendes Ereignis i.S.d. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO vorliegt. Seitens des Nacherben führt dessen Verzicht auf das Anwartschaftsrecht hinsichtlich des übertragenen Nacherbschaftsvermögens nicht zu einer Gegenleistung an den Vorerben, die er bereicherungsmindernd geltend mache könnte. Das Anwartschaftsrecht kann nicht eine die Freigiebigkeit ausschließende Gegenleistung sein.3 Auch § 27 ErbStG schafft keine Milderung der Doppelbesteuerung, da der Zweiterwerb im Sinne dieser Vorschrift ein Erwerb von Todes wegen sein muss, hingegen bei der Übergabe von Nacherbschaftsvermögen durch den Vorerben ein Erwerb unter Lebenden nach § 7 Abs. 1 Nr. 7 ErbStG verwirklicht wird. Nur dann, wenn der Nacherbe Verbindlichkeiten übernimmt oder sonstige Gegenleistungen erbringt, ist dies nach den Grundsätzen der gemischten Schenkung zu behandeln.4 Maßgeblich ist grundsätzlich nach § 7 Abs. 1 Nr. 7 ErbStG das Verhältnis des Vorerben zum Nacherben, jedoch kann auf Antrag das Verhältnis des Nacherben zum Erblasser nach § 7 Abs. 2 Satz 1 ErbStG gewählt werden. Dann gilt § 6 Abs. 2 Satz 3 bis 5 ErbStG entsprechend (§ 7 Abs. 2 Satz 2 ErbStG).5 Die vorzeitige Übergabe von Nacherbschaftsvermögen durch den Vorerben an den Nacherben kann 25 auch dann als Gestaltung genutzt werden. Das gilt z.B. auch dann, wenn die Nacherbfolge nicht durch den Tod des Vorerben eintritt, also ein Fall des § 6 Abs. 3 ErbStG vorliegt. Zu beachten ist nämlich, dass bei § 6 Abs. 3 ErbStG die Vorerbfolge auflösend bedingt ist und die Nacherbfolge als aufschiebend bedingter Anfall behandelt wird. Der Versteuerung ist folglich das Verhältnis des Nacherben zum Erblasser zugrunde zu legen, wobei die Anrechnungsmöglichkeit nach § 6 Abs. 3 Satz 2 ErbStG zu beachten ist. Hingegen ist bei § 7 Abs. 1 Nr. 7 ErbStG grundsätzlich das Verhältnis des Nacherben zum Vorerben maßgebend, was erbschaftsteuerliche Vorteile bringen kann. Jedoch ist bei der vorzeitigen Übertragung von Nacherbschaftsvermögen eine Anrechnung der Erbschaftsteuer nicht vorgesehen, da § 7 Abs. 2 ErbStG nicht auf § 6 Abs. 3 ErbStG verweist. Hieraus folgt, dass eine Vergleichsberechnung anzustellen ist. Es ist einerseits die Erbschaftsteuer im Besteuerungsverhältnis zwischen Erblasser und Nacherbe mit Anrechnung bei Eintritt des Nacherbfalls und andererseits im Verhältnis des Nacherben zum Vorerben ohne Anrechnung bei vorzeitiger Übergabe des Nacherbschaftsvermögens zu ermitteln. Ein Vorteil der vorzeitigen Übergabe von nacherbschaftsbehaftetem Vermögen durch den Vorerben 26 ist, dass der Zeitpunkt der Steuerentstehung exakt geplant werden kann, also z.B. frühzeitig zur Vermeidung der Zusammenrechnung nach § 14 ErbStG oder gezielt die Betriebsvermögensbegünstigungen genutzt werden können. Es kann sich z.B. auch anbieten, das nacherbschaftsbehaftete Vermögen in erbschaftsteuerfreies bzw. 27 erbschaftsteuerbegünstigtes Vermögen vor der vorzeitigen Übergabe umzustrukturieren. Ist der Vorerbe von der Verfügungsbeschränkung des § 2113 Abs. 1 BGB nach § 2136 BGB befreit, kann er 1 2 3 4 5
BGH v. 7.7.1993 – IV ZR 90/92, NJW 1993, 3198. Reich, ZEV 2013, 188. FG München v. 6.11.2002 – 4 K 5600/00, ErbStB 2003, 116 = EFG 2003, 552. Weinmann in Moench/Weinmann, § 6 ErbStG Rz. 12 (Stand: Juni 2016). Vgl. hierzu BFH v. 3.11.2010 – II R 65/09, BStBl. II 2011, 123 = ErbStB 2011, 35.
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§ 6 ErbStG Rz. 28 Vor- und Nacherbschaft z.B. auch Immobilienvermögen ohne weiteres veräußern und z.B. in begünstigtes Betriebsvermögen i.S.d. §§ 13a, 13b, 13c, 28a ErbStG oder Kunstgegenstände i.S.d. § 13 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG investieren. Aber selbst wenn keine Befreiung i.S.d. § 2136 BGB erteilt worden ist, kann der Vorerbe über Immobilienvermögen verfügen, wenn der Nacherbe die Einwilligung erteilt, was sich aus § 2120 BGB ergibt, wonach der Nacherbe unter bestimmten Voraussetzungen sogar verpflichtet ist, die Zustimmung zu einer Verfügung zu erteilen. Herausgegeben wird i.S.d. § 7 Abs. 1 Nr. 7 ErbStG dann das Surrogat i.S.d. § 2111 BGB. Durch diese Gestaltung und der Ausnutzung von Steuerfreistellungen oder -begünstigungen kann die Erbschaftsteuer zu Lasten des Nacherben folglich drastisch reduziert werden.
II. Eintritt des Nacherbfalls durch Tod des Vorerben – Besteuerung des Nacherben 1. Tod des Vorerben 28
Mit Eintritt der Nacherbfolge durch den Tod des Vorerben hört der Vorerbe auf, Erbe zu sein. Die Erbschaft fällt dem Nacherben nach den §§ 2139, 1922 BGB an und muss vom Vorerben an den Nacherben herausgegeben werden (§ 2130 BGB). Dies führt zu einem Erwerb durch Erbanfall gem. § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG.1 Diese zivilrechtliche Wertung ist auch erbschaftsteuerlich maßgeblich.2 Die erbschaftsteuerlichen Besteuerungskonsequenzen ergeben sich aus § 6 Abs. 2 ErbStG, wenn die Nacherbfolge durch den Tod des Vorerben eintritt. § 6 Abs. 2 ErbStG sieht – anders als § 6 Abs. 3 Satz 2 ErbStG – keine Anrechnung der durch den Vorerben gezahlten Steuer vor.3 2. Besteuerungsverhältnis (Abs. 2 Satz 1)
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Nach § 6 Abs. 2 Satz 1 ErbStG haben bei Eintritt der Nacherbfolge durch den Tod des Vorerben diejenigen, auf die das Vermögen übergeht, den Erwerb als vom Vorerben stammend zu versteuern. Das kann zu gravierenden Besteuerungsfolgen führen, wenn nicht nur das Nacherbschaftsvermögen, sondern auch Eigenvermögen des Vorerben auf den Nacherben übergeht. Punktuell kann das nach § 6 Abs. 2 Satz 2 ff. ErbStG (begrenzt) abgemildert werden.
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Des Weiteren ist gestalterisch eine Ausschlagung der Nacherbschaft gegen Abfindung nach Eintritt des Nacherbfalls zu erwägen, um erbschaftsteuerlich zu optimieren. Dadurch kann z.B. bezogen auf die Abfindung die Anwendung des § 6 Abs. 2 Satz 4 ErbStG (nur ein Freibetrag!) und des § 6 Abs. 2 Satz 5 ErbStG (Progressionsvorbehalt) vermieden werden. Es kann erwogen werden, dass der Nacherbe die Nacherbschaft nach Eintritt des Nacherbfalls z.B. gegenüber dem Testamentsvollstrecker gegen eine Abfindung ausschlägt; das Ausschlagungsrecht wird stets vom Erben ausgeübt, also nicht vom Testamentsvollstrecker.4 Die Nacherbschaft kann nach § 2142 Abs. 1 BGB ausgeschlagen werden, sobald der Erbfall eingetreten ist, jedoch beginnt die Ausschlagungsfrist nach § 1944 BGB frühestens dann, wenn der Nacherbe von dem Eintritt des Nacherbfalls Kenntnis erlangt.5 Da die Abfindung des „Nacherben“ als vom Erblasser stammend zu versteuern ist, führt die Gestaltung zur Anwendung von zwei persönlichen Freibeträgen und zu Progressionsvorteilen, da § 6 Abs. 2 Satz 4 und 5 ErbStG keine Anwendung findet. Die Ausschlagung kann auch mit außersteuerlichen Gründen gerechtfertigt werden, da der Erblasser auch zu Lasten des Nacherben eine Testamentsvollstreckung angeordnet hatte, die nach § 2210 Satz 2 BGB bis zum Tod des Nacherben fortdauern kann. Dann stellt die Abfindung nacherbschafts- und testamentsvollstreckerfreies Vermögen dar.
1 2 3 4 5
BFH v. 28.10.1992 – II R 21/92, BStBl. II 1993, 158. BFH v. 28.10.1992 – II R 21/92, BStBl. II 1993, 158. BFH v. 10.5.1972 – II 78/64, BStBl. II 1972, 765. Klumpp/Schaub in Bengel/Reimann5, Kapitel 3 Rz. 142. Litzenburger in Bamberger/Roth3, § 2142 BGB Rz. 1.
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Besteuerung des Nacherben (Abs. 2)
Rz. 35 § 6 ErbStG
3. Besteuerung nach dem Verhältnis zum Erblasser (Abs. 2 Satz 2) Auf Antrag ist der Besteuerung das Verhältnis des Nacherben zum Erblasser zugrunde zu legen (§ 6 31 Abs. 2 Satz 2 ErbStG). Dieses Antragsrecht steht dem Nacherben zu.1 Es kann nicht vom Testamentsvollstrecker ausgeübt werden.2 Der Antrag kann bis zur materiellen Bestandskraft der Steuerfestsetzung gestellt werden.3 Ob der Antrag zu stellen ist, muss im Wege einer Vergleichsberechnung ermittelt werden, d.h. es ist 32 einerseits die Steuer im Verhältnis des Nacherben zum Vorerben sowie andererseits die Steuer im Verhältnis des Nacherben zum Erblasser (Nacherbschaftsvermögen) und zusätzlich die Steuer im Verhältnis des Nacherben zum Vorerben bezüglich des Eigenvermögens des Vorerben unter Berücksichtigung der Besonderheiten des § 6 Abs. 2 Satz 3 ff. ErbStG zu berechnen. Ist der Antrag gestellt, aber führt er entgegen den Erwartungen nicht zu einer günstigeren Besteue- 33 rung, stellt sich die Frage, ob der Antrag eine Wirkung entfaltet. Hierzu wird die Ansicht vertreten, dass in diesem Fall der Antrag wirkungslos bleibt.4 Jedenfalls dürfte der Antrag bis zur bestandskräftigen Steuerfestsetzung widerruflich sein, da in § 6 Abs. 2 Satz 2 ErbStG die Unwiderruflichkeit nicht ausgesprochen ist, anders hingegen z.B. für den Antrag auf Optionsverschonung (§ 13a Abs. 8 ErbStG a.F.).5 Eine Frage der Auslegung des § 6 Abs. 2 Satz 2 ErbStG ist, auf welche Besteuerungsmerkmale sich 34 der Antrag auswirkt, d.h. ob das Verhältnis der Versteuerung nur die Steuerklasse betrifft, also es im Übrigen dabei bleibt, dass der Erwerb des Nacherben als vom Vorerben stammend zu versteuern ist (§ 6 Abs. 2 Satz 1 ErbStG) oder sich darüber hinaus weitere Besteuerungsmerkmale nach dem Verhältnis des Nacherben zum Erblasser richten. Der BFH hat entschieden, dass sich der Antrag nur auf die Steuerklasse bezieht,6 also den persönlichen Freibetrag und den Steuersatz. Auch soll das für sachliche Steuerbefreiungen gelten, die an die Steuerklasse anknüpfen (§ 13 Abs. 1 Nr. 1, Nr. 6, Nr. 10 ErbStG).7 Frühere Schenkungen des Vorerben an den Nacherben sind innerhalb des Zehnjahreszeitraums des § 14 ErbStG im Nacherbfall zusammenzurechnen, nicht jedoch frühere Schenkungen des Erblassers zugunsten des Nacherben.8 Der Betriebsvermögensabzugsbetrag kann innerhalb von zehn Jahren für von derselben Person anfallende Erwerbe nur einmal berücksichtigt werden. Nach einer Ansicht in der Literatur scheidet eine Geltendmachung aus, wenn der Abzugsbetrag bereits vor Eintritt des Nacherbfalls für Betriebsvermögenszuwendungen des Vorerben zugunsten des Nacherben berücksichtigt worden sei, auch wenn das Betriebsvermögen zum Nacherbschaftsvermögen gehöre.9 Hat der Nacherbe jedoch nur vom Erblasser Betriebsvermögen erhalten, könne der Betriebsvermögensabzugsbetrag selbst dann geltend gemacht werden, wenn zum Nacherbschaftsvermögen Betriebsvermögen gehöre, da der Nacherbe dieses vom Vorerben und nicht vom Erblasser erwerbe (§ 6 Abs. 2 Satz 1 ErbStG). Der zum Nacherben eingesetzte Ehegatte kann nach Tod des vorverstorbenen, zum Vorerben eingesetzten Ehegatten § 5 ErbStG und den Versorgungsfreibetrag nach § 17 Abs. 1 ErbStG für Ehegatten beanspruchen, da der überlebende Ehegatte (Nacherbe) von seinem vorverstorbenen Ehegatten (Vorerbe) erwirbt (§ 6 Abs. 2 Satz 1 ErbStG).10 Bei der mehrfach gestaffelten Vorerbschaft, wenn also der Nacherbe zugleich Vorerbe ist, kann je- 35 der der Nacherben den Antrag nach § 6 Abs. 2 Satz 2 ErbStG stellen.11 § 6 Abs. 2 Satz 1 und 2 ErbStG sieht keine hiervon abweichende Einschränkung vor.
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Weinmann in Moench/Weinmann, § 6 ErbStG Rz. 15 (Stand: Juni 2016). Jülicher in T/G/J, § 31 ErbStG Rz. 34 (Stand: Juli 2015). Weinmann in Moench/Weinmann, § 6 ErbStG Rz. 15 (Stand: Juni 2016). Weinmann in Moench/Weinmann, § 6 ErbStG Rz. 15 (Stand: Juni 2016). R E 13a.13 Abs. 2 Satz 3 und 4 ErbStR 2011. BFH v. 3.11.2010 – II R 65/09, BStBl. II 2011, 123 = FR 2011, 341 = ErbStB 2011, 35; v. 28.2.2007 – II B 82/06, BFH/NV 2007, 919; v. 2.12.1998 – II R 43/97, BStBl. II 1999, 235; v. 30.6.1976 – II R 3/69, BFHE 119, 492. Meincke16, § 6 ErbStG Rz. 13. BFH v. 3.11.2010 – II R 65/09, BStBl. II 2011, 123 = FR 2011, 341 = ErbStB 2011, 35. Weinmann in Moench/Weinmann, § 6 ErbStG Rz. 17 (Stand: Juni 2016). Weinmann in Moench/Weinmann, § 6 ErbStG Rz. 19 (Stand: Juni 2016). Weinmann in Moench/Weinmann, § 6 ErbStG Rz. 20 (Stand: Juni 2016).
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§ 6 ErbStG Rz. 36 Vor- und Nacherbschaft 36
Eine analoge Anwendung des § 6 Abs. 2 Satz 2 ErbStG auf andere Fälle eines mehrfachen Übergangs von Vermögen ist ausgeschlossen, was sich auch aus der Gesetzessystematik des § 7 Abs. 1 Nr. 7, Abs. 2 ErbStG ergibt. Das FG Niedersachsen entschied am 5.1.1989 einen Fall, in dem die Schenkung an ein Kind mit der Bestimmung verbunden war, einem anderen Kind einen Teil der Schenkung durch Vermächtnis weiterzugeben.1 Nach Auffassung des Gerichts ergab sich das Verhältnis des anderen Kindes zum Schenker im Urteilsfall nicht aus § 6 Abs. 2 Satz 2 ErbStG analog, sondern unmittelbar aus § 7 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG.2 4. Erwerb vom Erblasser und vom Vorerben (Abs. 2 Satz 3 bis 5)
37
Häufig sind die Fälle, in denen der Nacherbe nicht nur das Nacherbschaftsvermögen, sondern zusätzlich auch Eigenvermögen des Vorerben erwirbt, so z.B., wenn der Erblasser den überlebenden Ehegatten zum Vorerben und beide die gemeinsamen Kinder zu Nacherben bzw. Erben eingesetzt hat/haben. Es geht dann nicht nur das vor- und nacherbschaftsbehaftete Vermögen, sondern zugleich eigenes Vermögen des Vorerben auf die Nacherben über. Hierzu kommt es häufig auch bei der mehrfach gestaffelten Vor- und Nacherbschaft insbesondere bezogen auf Traditionsvermögen, da meist der erstgeborene Sohn nicht nur Nacherbe, sondern auch Alleinerbe des Vorerben hinsichtlich dessen Eigenvermögens wird.3
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Die zivilrechtliche Separierung des Nacherbschaftsvermögens vom Eigenvermögen des Vorerben wird erbschaftsteuerlich grundsätzlich nicht nachvollzogen, vielmehr bilden die beiden Vermögensmassen erbschaftsteuerlich eine Einheit, also einen einheitlichen Erwerb.4 Punktuell wird dies durch die Stellung des Antrags nach § 6 Abs. 2 Satz 2 ErbStG gelockert, was sich auch aus § 6 Abs. 2 Satz 3 ErbStG ergibt. Der Nacherbe trägt die Feststellungslast/Beweislast dafür, dass der Nachlass des Vorerben der Nacherbfolge unterliegendes Vermögen enthält und für die Höhe dieses Vermögens.5 Jedoch ist der steuerliche Vorteil der Ausübung des Antragsrechts begrenzt, da im Ergebnis nur ein persönlicher Freibetrag, d.h. maximal derjenige im Verhältnis des Nacherben zum Erblasser (§ 6 Abs. 2 Satz 4 ErbStG) gewährt und die Steuer für jeden Erwerb jeweils nach dem Steuersatz berechnet wird, der für den gesamten Erwerb gilt (Progressionsvorbehalt, § 6 Abs. 2 Satz 5 ErbStG).
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Der persönliche Freibetrag für das Nacherbschaftsvermögen bestimmt sich nach dem Verhältnis des Nacherben zum Erblasser (§ 6 Abs. 2 Satz 4 ErbStG). Dieser persönliche Freibetrag ist vom erworbenen Nacherbschaftsvermögen abzuziehen. Ist dieser abzugsfähige persönliche Freibetrag voll verbraucht, ist kein persönlicher Freibetrag für das Eigenvermögen des Vorerben mehr abzugsfähig.6 Ist der persönliche Freibetrag im Verhältnis des Nacherben zum Erblasser nicht voll verbraucht, bedeutet dies nicht, dass dieser nicht verbrauchte persönliche Freibetrag vollumfänglich vom erworbenen Eigenvermögen des Vorerben abzugsfähig wäre. Der nicht verbrauchte Betrag kann nur insoweit vom erworbenen Eigenvermögen des Vorerben abgezogen werden, als ein persönlicher Freibetrag im Verhältnis des Nacherben zum Vorerben nach § 16 ErbStG existiert.7
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Nach § 6 Abs. 2 Satz 5 ErbStG ist die Steuer für jeden Erwerb jeweils nach dem Steuersatz zu erheben, der für den gesamten Erwerb gelten würde. Unproblematisch ist zunächst, wenn man beide Erwerbe addiert, also den „gesamten Erwerb“ als Summe der Bereicherungen (Nacherbschaftsvermögen und Eigenvermögen des Vorerben) versteht. Fraglich ist jedoch, ob es hierbei sein Bewenden hat oder vielmehr noch Freibeträge abzuziehen sind. Für die letztgenannte Interpretation spricht die Grundkonzeption des Erbschaftsteuergesetzes bezogen auf die Ermittlung der Steuersätze, da § 19 Abs. 1 ErbStG an den steuerpflichtigen Erwerb i.S.d. § 10 Abs. 1 Satz 1 ErbStG anknüpft, also an die
1 FG Nds. v. 5.1.1989 – III 44/85, EFG 1989, 463. 2 Krit. zur Anwendung des § 7 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG: Weinmann in Moench/Weinmann, § 6 ErbStG Rz. 21 (Stand: Juni 2016); Meincke16, § 6 ErbStG Rz. 14. 3 Reich, ZEV 2013, 188. 4 BFH v. 3.11.2010 – II R 65/09, BStBl. II 2011, 123 = FR 2011, 341 = ErbStB 2011, 35; v. 28.2.2007 – II B 82/06, BFH/NV 2007, 919; v. 2.12.1998 – II R 43/97, BStBl. II 1999, 235. 5 BFH v. 28.2.2007 – II B 82/06, BFH/NV 2007, 919. 6 BFH v. 2.12.1998 – II R 43/97, BStBl. II 1999, 235. 7 BFH v. 2.12.1998 – II R 43/97, BStBl. II 1999, 235.
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Eintritt des Nacherbfalls zu Lebzeiten des Vorerben (Abs. 3)
Rz. 45 § 6 ErbStG
Bereicherung des Erwerbers, soweit sie nicht steuerfrei ist. Den „gesamten Erwerb“ muss man daher als gesamten steuerpflichtigen Erwerb interpretieren. Der Härteausgleich nach § 19 Abs. 3 ErbStG ist dann zu gewähren, wenn der gesamte steuerpflich- 41 tige Erwerb eine der aus § 19 Abs. 1 ErbStG zu entnehmenden Wertgrenzen überschreitet und in einen Bereich fällt, in dem der Härteausgleich vorzunehmen ist.1 Der Härteausgleich ist nicht auf die fiktiven Einzelerwerbe anzuwenden.2 Es stellt sich die Frage, ob die Abrundungsvorschrift des § 10 Abs. 1 Satz 6 ErbStG nur einmal oder 42 zweimal bezogen auf den jeweiligen steuerpflichtigen Erwerb bezüglich des Nacherbschaftsvermögens und hinsichtlich des Eigenvermögens des Vorerben anzuwenden ist. Befürwortet wird, dass nur einmal der gesamte steuerpflichtige Erwerb abgerundet werden soll.3 Hierfür spricht, dass erbschaftsteuerlich nach der Rechtsprechung des BFH grundsätzlich von einem einheitlichen steuerpflichtigen Erwerb (Nacherbschaftsvermögen zzgl. Eigenvermögen des Vorerben) zwischen dem Nach- und dem Vorerben auszugehen ist und auch ein Härteausgleich nur dann zu gewähren ist, wenn der gesamte steuerpflichtige Erwerb eine aus § 19 Abs. 1 ErbStG zu entnehmende Wertgrenze überschreitet. Anschließend wird dann der Abrundungsbetrag in Euro von dem Erwerb mit dem höheren Steuersatz abgezogen, weil er sich dort für den Steuerpflichtigen am günstigsten auswirkt.
E. Eintritt des Nacherbfalls zu Lebzeiten des Vorerben (Abs. 3) – Besteuerung des Nacherben Die Nacherbfolge tritt nach § 2106 Abs. 1 BGB durch den Tod des Erblassers ein, wenn er dies aus- 43 drücklich bestimmt oder einen Nacherben eingesetzt hat, ohne den Zeitpunkt oder das Ereignis zu bestimmen, mit dem die Nacherbfolge eintreten soll. Hat der Erblasser hingegen den Eintritt der Nacherbfolge von einem anderen Zeitpunkt (z.B. Vollendung des 28. Lebensjahres) oder von einem anderen Ereignis (z.B. Wiederheirat, Geburt eines Kindes) abhängig gemacht, tritt die Nacherbfolge nicht durch den Tod des Vorerben ein. Es gilt dann § 6 Abs. 3 ErbStG. Die Vorerbfolge ist als auflösend bedingter, die Nacherbfolge als aufschiebend bedingter Anfall anzusehen. Der Vorerbe bleibt jedoch als Vollerbe besteuert, was aus § 6 Abs. 3 Satz 2 ErbStG folgt. Nach die- 44 ser Vorschrift ist dem Nacherben die vom Vorerben entrichtete Steuer abzgl. desjenigen Steuerbetrags anzurechnen, welcher der tatsächlichen Bereicherung des Vorerben entspricht. § 5 Abs. 2 BewG und § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO sind daher durch die Sonderregeln des § 6 Abs. 3 ErbStG verdrängt. Der steuerpflichtige Nacherbe hat lediglich einen Anspruch darauf, dass die Steuer richtig berechnet oder jedenfalls nicht zu hoch festgesetzt wird, aber keinen abtretbaren, aufrechenbaren oder pfändbaren oder in einer anderen Weise verselbständigten Anspruch auf eine Geldleistung.4 Eine Erstattung der vom Vorerben gezahlten Steuer an diesen findet nicht statt und zwar selbst dann, wenn die vom Vorerben bezahlte Steuer höher ist als die vom Nacherben geschuldete Steuer. Dies gilt z.B. dann, wenn der Vorerbe die Steuer nach § 20 Abs. 4 ErbStG dem Nacherbschaftsvermögen entnommen hat und anschließend es zu keinen Wertsteigerungen und Bewertungsunterschieden im Nacherbschaftsvermögen kommt. Der Nacherbe verwirklicht mit Eintritt des Nacherbfalls den Steuertatbestand des § 3 Abs. 1 Nr. 1 45 ErbStG. Das Nacherbschaftsvermögen, das ihm infolge des Eintritts des Nacherbfalls anfällt, unterliegt der Besteuerung im Verhältnis des Nacherben zum Erblasser.5 Dieses Besteuerungsverhältnis gilt ohne Antrag. Der Nacherbe hat auch kein Wahlrecht, zugunsten einer Besteuerung nach seinem Verhältnis zum Vorerben zu optieren. Es besteht aber die Gestaltungsmöglichkeit, dieses Besteuerungsverhältnis dadurch zu erlangen, dass der Vorerbe vor Eintritt des Nacherbfalls Nacherbschaftsver1 BFH v. 9.7.2009 – II R 42/07, BFH/NV 2009, 1994; vgl. auch Weinmann in Moench/Weinmann, § 6 ErbStG Rz. 29 (Stand: Juni 2016). 2 BFH v. 9.7.2009 – II R 42/07, BFH/NV 2009, 1994. 3 Weinmann in Moench/Weinmann, § 6 ErbStG Rz. 29a (Stand: Juni 2016); Stempel, UVR 2000, 208 in einer Anm. zu BFH v. 16.6.1999 – II R 57/96, BStBl. II 1999, 789 = FR 1999, 1258. 4 BFH v. 10.5.1972 – II 78/64, BStBl. II 1972, 765. 5 BFH v. 10.5.1972 – II 78/64, BStBl. II 1972, 765.
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§ 6 ErbStG Rz. 46 Vor- und Nacherbschaft mögen dem Nacherben nach § 7 Abs. 1 Nr. 7 ErbStG übergibt, ohne das Antragsrecht nach § 7 Abs. 2 ErbStG auszuüben. Die Ausschlagung der Nacherbschaft gegen Abfindung führt hingegen nach § 3 Abs. 2 Nr. 4 ErbStG bezogen auf die Abfindung zu einem Erwerb des Nacherben im Verhältnis zum Erblasser, ändert also insoweit nichts an dem Besteuerungsverhältnis nach § 6 Abs. 3 ErbStG. 46
Der Erwerb des Nacherbschaftsvermögens ist ein gesonderter Erwerb, selbst wenn zeitgleich Eigenvermögen des Vorerben auf den Nacherben übergeht. Es erfolgt keine Zusammenrechnung, sondern vielmehr ist die Zuwendung von Eigenvermögen des Vorerben, selbst wenn sie zeitgleich mit dem Eintritt des Nacherbfalls erfolgt, ein komplett selbständiger Steuerfall.
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§ 14 ErbStG greift nur im Verhältnis des Nacherben zum Erblasser, d.h. es ist maßgeblich, ob innerhalb von zehn Jahren vor dem Eintritt des Nacherbfalls der Nacherbe vom Erblasser weitere Zuwendungen erhalten hat. War dies der Fall, stellt sich ebenfalls vor Eintritt des Nacherbfalls die Frage, ob der Vorerbe nach § 7 Abs. 1 Nr. 7 ErbStG Nacherbschaftsvermögen dem Nacherben übergeben soll, da dann das Verhältnis des Nacherben zum Vorerben für das übergebene Nacherbschaftsvermögen maßgeblich ist.
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Eine Steuerermäßigung nach § 27 ErbStG scheidet aus, weil infolge der Anrechnung nach § 6 Abs. 3 Satz 2 ErbStG eine mehrfache Belastung mit der Erbschaftsteuer nicht vorliegt, d.h. § 27 ErbStG ist durch § 6 Abs. 3 Satz 2 ErbStG verdrängt.1
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Die Steuer des Nacherben ist nach § 6 Abs. 3 Satz 2 ErbStG dahingehend zu ermitteln, dass zunächst die Steuer für den Erwerb des Nacherbschaftsvermögens zu errechnen ist, anschließend ist die Steuer, die der Vorerbe entrichtet hat, festzustellen, danach ist die Steuer, die auf die verbleibende tatsächliche Bereicherung des Vorerben entfällt, zu ermitteln, dem folgend ist die vom Vorerben entrichtete Steuer um die Steuer, die auf die tatsächlich verbleibende Bereicherung des Vorerben entfällt, zu reduzieren und schließlich ist die Steuerschuld des Nacherben um diese reduzierte Steuer zu mindern.2 Wichtig ist, dass der Anrechnungsvorteil nach § 6 Abs. 3 Satz 2 ErbStG nicht zu einem erbschaftsteuerpflichtigen Erwerb führt.3
50
Die tatsächliche Bereicherung des Vorerben ist zu ermitteln, weil der hierauf entfallende Steuerbetrag von der anrechenbaren Steuer abzuziehen ist. Unter die tatsächliche Bereicherung des Vorerben fallen z.B. Erbschaftsgegenstände, die der Erblasser dem Vorerben mittels Vorausvermächtnis zugewandt hat, die also nicht zum Nacherbschaftsvermögen gehören. Die auf die Vorausvermächtnisgegenstände entfallende Erbschaftsteuer des Vorerben nach dem Erblasser sind in dessen einheitlicher Erbschaftsteuerschuld enthalten, müssen also herausgerechnet werden.
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Des Weiteren gehören zur tatsächlichen Bereicherung des Vorerben auch gezogene Nutzungen nach § 2111 Abs. 1 Satz 1 BGB, die dem Vorerben zustehen. Der Wert der Nutzungen ist wie bei einem Nießbrauch zu kapitalisieren, also die §§ 13 ff. BewG sind anzuwenden.4 In Anbetracht des Wortlauts des § 6 Abs. 3 Satz 2 ErbStG, der auf die tatsächliche Bereicherung des Vorerben abstellt, wäre nach dem Wortlaut dieser Vorschrift dann eine andere Auffassung vertretbar, wenn die tatsächlichen Nutzungen hinter dem nach §§ 13 ff. BewG ermittelten Wert zurückbleiben. Auch ein Substanzverbrauch, sollte er zulässig sein, ist als tatsächliche Bereicherung aufzufassen.5 Ist der Substanzverbrauch nicht zulässig, hat der Nacherbe einen Ersatzanspruch nach § 2134 BGB, was dazu führt, dass eine tatsächliche Bereicherung beim Vorerben nicht gegeben ist.6 Haben sich Gegenstände des Nacherbschaftsvermögens negativ verändert oder verschlechtert und zwar trotz ordnungsmäßiger Benutzung, so stellt dies ebenfalls keine tatsächliche Bereicherung des Vorerben dar.7 Unterliegt der gemeine Wert eines Gegenstands ständigen Schwankungen, so stellt auch die negative Abweichung des
1 2 3 4 5 6 7
Weinmann in Moench/Weinmann, § 6 ErbStG Rz. 32 (Stand: Juni 2016). Weinmann in Moench/Weinmann, § 6 ErbStG Rz. 34 (Stand: Juni 2016). BFH v. 10.5.1972 – II 78/64, BStBl. II 1972, 765. BFH v. 10.5.1972 – II 78/64, BStBl. II 1972, 765. BFH v. 10.5.1972 – II 78/64, BStBl. II 1972, 765. BFH v. 10.5.1972 – II 78/64, BStBl. II 1972, 765. BFH v. 10.5.1972 – II 78/64, BStBl. II 1972, 765.
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Erwerb des Anwartschaftsrechts durch Vorerben/Dritten
Rz. 55 § 6 ErbStG
Werts im Zeitpunkt des Eintritts des Nacherbfalls zum Zeitpunkt des Erbfalls keine tatsächliche Bereicherung des Vorerben dar.1 Die Steuer, die der Vorerbe entrichtet und aus dem Nacherbschaftsvermögen entnommen hat (§§ 20 52 Abs. 4 ErbStG, 2126 BGB), stellt keine tatsächliche Bereicherung des Vorerben i.S.d. § 6 Abs. 3 Satz 1 ErbStG dar. Aufwendungen und Verwendungen des Vorerben, die er nach den §§ 2124 ff. BGB aus den Nutzun- 53 gen zu tragen hat, also nicht dem Nacherbschaftsvermögen entnommen werden können, mindern die tatsächliche Bereicherung des Vorerben. Aufwendungen und Verwendungen, für die dem Vorerben Ersatzansprüche gegen den Nacherben zustehen, führen ebenfalls zu keiner tatsächlichen Bereicherung des Vorerben, weil er zuvor Aufwendungen und Verwendungen erbracht hat, die nur durch die Ersatzansprüche kompensiert werden. Die aus den Ersatzansprüchen resultierende Verbindlichkeit ist beim Nacherben jedoch dahingehend zu berücksichtigen, dass sie das nach § 12 ErbStG bewertete Nacherbschaftsvermögen reduziert. Dieses Ergebnis ist fiskalisch nicht unbillig, da die Aufwendungen und Verwendungen das Nacherbschaftsvermögen aufgewertet haben. Die Frage, welcher Zeitpunkt für die Ermittlung der tatsächlichen Bereicherung des Vorerben 54 maßgeblich ist, hat nicht nur Auswirkungen darauf, wie hoch die Bereicherung tatsächlich ist, sondern auch darauf, wie hoch die Steuer ist, die auf die tatsächliche Bereicherung des Vorerben entfällt. Denn zwischen dem Eintritt des Erbfalls und des Nacherbfalls können sich die Steuerklasse, die Freibeträge, die Steuersätze und weitere Berechnungsparameter ändern. Teilweise wird die Auffassung vertreten, dass der Eintritt des Nacherbfalls der relevante Stichtag ist, da auf diesem Zeitpunkt die Steuerschuld des Nacherben zu ermitteln ist.2 Hierfür spricht, dass der Anrechnungsbetrag um den Steuerbetrag zu reduzieren ist, welcher der tatsächlichen Bereicherung entspricht, die tatsächliche Bereicherung jedoch erst im Zeitpunkt des Eintritts des Nacherbfalls feststeht. Jedoch lässt sich auch eine andere Ansicht vertreten, nach der die Verhältnisse im Zeitpunkt des Erbfalls maßgeblich sind. Hierfür lässt sich anführen, dass für die Steuer des Vorerben der Eintritt des Erbfalls entscheidend bleibt, diese Steuer um einen fiktiven Steuerbetrag reduziert wird, welcher der tatsächlichen Bereicherung entspricht. Wird ein fiktiver Steuerbetrag des Vorerben hinsichtlich der tatsächlichen Bereicherung ermittelt, spricht einiges dafür, auf den für den Vorerben maßgeblichen Besteuerungszeitpunkt abzustellen, auch wenn die tatsächliche Bereicherung erst bei Eintritt des Nacherbfalls feststeht.
F. Erwerb des Anwartschaftsrechts durch den Vorerben oder einen Dritten/ Ausschlagung durch den Nacherben Erwirbt der Vorerbe das Anwartschaftsrecht, so erlangt er unter bestimmten Voraussetzungen die 55 Rechtsstellung eines Vollerben.3 Erfolgt der Erwerb entgeltlich und soll der Nacherbfall durch den Tod des Vorerben eintreten, so kann er das Entgelt nicht nach § 10 Abs. 5 Nr. 3 ErbStG von seinem Erwerb abziehen, da der Erwerb der unbeschränkten Vollerbenstellung durch den Vorerben nach der Rechtsprechung des BFH weder auf dem Erbfall noch auf einer Erbauseinandersetzung, sondern allein auf einer von den Anordnungen des Erblassers unabhängigen Vermögensdisposition beruht.4 Hierfür spricht auch, dass dies zur gewünschten doppelten Besteuerung des Nacherbschaftsvermögens nach § 6 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 ErbStG führt, d.h. auf Ebene des Vorerben kommt es zunächst zur Vollbesteuerung, der Nacherbe muss das Entgelt für den Verzicht auf das Anwartschaftsrecht versteuern und z.B. mit dem Tod des Vorerben (Vollerbe) geht die Vermögensmasse dann reduziert um das an den Nacherben gezahlte Entgelt auf den Erben des Vorerben (Vollerbe) über. Aber auch dann, wenn der Nacherbfall nicht durch den Tod des Vorerben eintreten soll, lässt sich § 6 Abs. 3 ErbStG entnehmen, dass der Vorerbe voll besteuert bleiben soll, was dazu führt, dass auch in diesem Fall die Abzugsmöglichkeit nach § 10 Abs. 5 Nr. 3 ErbStG für das gezahlte Entgelt nicht 1 2 3 4
BFH v. 10.5.1972 – II 78/64, BStBl. II 1972, 765. Weinmann in Moench/Weinmann, § 6 ErbStG Rz. 36 (Stand: Juni 2016). Litzenburger in Bamberger/Roth3, § 2100 BGB Rz. 42. BFH v. 23.8.1995 – II R 88/92, BStBl. II 1996, 137.
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§ 6 ErbStG Rz. 56 Vor- und Nacherbschaft einschlägig ist. Die fehlende Abzugsfähigkeit gilt auch dann, wenn der Nacherbe zugunsten des Vorerben gegen eine Abfindung ausschlägt, also der Vorerbe durch die Ausschlagung Vollerbe wird, weil kein Ersatznacherbe berufen ist. Dafür spricht auch, dass in diesem Fall zwischen dem entgeltlichen Erwerb des Anwartschaftsrechts und der Ausschlagung gegen Abfindung kein wirtschaftlicher Unterschied besteht. 56
Hat der Nacherbe unentgeltlich oder entgeltlich sein Anwartschaftsrecht auf einen Dritten übertragen, was nur dann möglich ist, wenn ein anderer Wille des Erblassers nicht feststellbar ist (§ 2108 Abs. 2 BGB), erwirbt der Übertragungsempfänger bei Eintritt des Nacherbfalls das Nacherbschaftsvermögen. Zwar wird der Dritte nicht Nacherbe, aber er erlangt die volle Rechtsstellung des Nacherben.1 Der Dritte erwirbt zivilrechtlich mit dem Eintritt des Nacherbfalls ohne Durchgangserwerb beim ursprünglichen Nacherben das Nacherbschaftsvermögen und haftet anstelle des eingesetzten Nacherben für die Nachlassverbindlichkeiten.2 Erbschaftsteuerlich irrelevant ist, dass § 6 Abs. 2 und Abs. 3 ErbStG die Terminologie des „Nacherben“ verwenden und der Dritte, der das Anwartschaftsrecht erworben hat, selbst nicht Nacherbe ist.3 Da die Übertragung des Anwartschaftsrechts nichts an der Ausgestaltung der Vor- und Nacherbschaft ändert und es nur zu einem Austausch des begünstigten Nacherben kommt, ist für die Besteuerungsfolgen maßgeblich, ob der Nacherbfall durch Tod des Vorerben (§ 6 Abs. 2 ErbStG) oder durch ein anderes Ereignis oder einen anderen Zeitpunkt eintritt (§ 6 Abs. 3 ErbStG), wobei von dem Dritten und nicht von dem ursprünglichen Nacherben auszugehen ist, d.h. der Dritte erwirbt i.S.d. § 6 Abs. 2 Satz 1 ErbStG das Nacherbschaftsvermögen als vom Vorerben stammend und bei § 6 Abs. 3 ErbStG ist das Verhältnis des Dritten zum Erblasser maßgeblich.4 Unerheblich ist auch, ob der Erwerb des Anwartschaftsrechts durch den Dritten entgeltlich oder unentgeltlich erfolgt ist.5
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Erfolgt der Erwerb entgeltlich, kann der Dritte nach § 10 Abs. 5 Nr. 3 ErbStG das Entgelt bereicherungsmindernd abziehen. Dafür spricht, dass nach der Rechtsprechung des BFH der ursprüngliche Nacherbe das Entgelt als Zuwendung seitens des Erblassers nach § 3 Abs. 2 Nr. 6 ErbStG zu versteuern hat6 und damit korrespondierend auch die Abzugsfähigkeit des Entgelts gegeben sein muss. Es kommt wirtschaftlich in diesem Fall auch zu der seitens des Gesetzgebers gewünschten doppelten Besteuerung des Nacherbschaftsvermögens, da es auf Ebene des Vorerben zunächst zur Vollbesteuerung kommt, der ursprüngliche Nacherbe das Entgelt versteuern muss und der Dritte dann das Nacherbschaftsvermögen reduziert um das an den Nacherben gezahlte Entgelt zu versteuern hat. Die Abzugsfähigkeit nach § 10 Abs. 5 Nr. 3 ErbStG ist auch dann gegeben, wenn der Nacherbe gegen eine Abfindung zugunsten eines Ersatznacherben ausschlägt, also der Ersatznacherbe die Nacherbschaft nur deswegen erlangt, weil der berufene Nacherbe infolge einer von ihm gezahlten Abfindung ausgeschlagen hat.
G. Nachvermächtnisse und beim Tod des Beschwerten fällige Vermächtnisse oder Auflagen (Abs. 4) 58
Nach § 2191 Abs. 1 BGB besteht die Möglichkeit, dass der Erblasser den vermachten Gegenstand von einem nach dem Anfall des Vermächtnisses eintretenden bestimmten Zeitpunkt oder Ereignis einem Dritten zuwendet (Nachvermächtnis). Der erste Vermächtnisnehmer ist dann Vorvermächtnisnehmer und der danach Erwerbende Nachvermächtnisnehmer. Möglich ist auch ein mehrfach gestaffeltes Vor- und Nachvermächtnis. Auf das Vor- und Nachvermächtnis finden dann nach § 2191 Abs. 2 BGB einzelne Vorschriften der Vor- und Nacherbschaft Anwendung.
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Erbschaftsteuerrechtlich sind Nachvermächtnisse den Nacherbschaften gleichgestellt und nach Auffassung der Finanzverwaltung abweichend vom bürgerlichen Recht als Erwerb vom Vorvermächtnis1 2 3 4 5 6
Litzenburger in Bamberger/Roth3, § 2100 BGB Rz. 42. Litzenburger in Bamberger/Roth3, § 2100 BGB Rz. 42. BFH v. 28.10.1992 – II R 21/92, BStBl. II 1993, 158. BFH v. 20.10.2005 – II B 32/05, BFH/NV 2006, 304; v. 28.10.1992 – II R 21/92, BStBl. II 1993, 158. BFH v. 20.10.2005 – II B 32/05, BFH/NV 2006, 304. BFH v. 20.10.2005 – II B 32/05, BFH/NV 2006, 304; v. 28.10.1992 – II R 21/92, BStBl. II 1993, 158.
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Nachvermächtnisse, Vermächtnisse, Auflagen (Abs. 4)
Rz. 63 § 6 ErbStG
nehmer und nicht als Erwerb vom Erblasser zu behandeln (§ 6 Abs. 4 ErbStG),1 wobei diese Aussage zu pauschal ist. Maßgeblich ist die Vorschrift des § 6 Abs. 2 ErbStG einschließlich des dort verankerten Antragsrechts, wenn der Nachvermächtnisfall durch den Tod des Vorvermächtnisnehmers eintritt. Hingegen findet die Regelung des § 6 Abs. 3 ErbStG Anwendung, wenn der Nachvermächtnisfall durch einen anderen bestimmten Zeitpunkt oder ein anderes Ereignis ausgelöst wird. Nach § 6 Abs. 4 ErbStG stehen auch Vermächtnisse oder Auflagen, die beim Tod des Beschwerten 60 fällig werden, den Nacherbschaften gleich. Nach § 2147 BGB kann der Erblasser einen Erben oder einen Vermächtnisnehmer mit einem Vermächtnis beschweren. Das Vermächtnis fällt mit dem Erbfall an (§ 2176 BGB), wobei diese Vorschrift nichts über die Fälligkeit des Anspruchs aussagt. Dafür gilt die ausdrückliche oder im Wege der Auslegung ermittelbare Erblasseranordnung. Fehlt eine solche, gilt § 271 Abs. 1 BGB, d.h. der Vermächtnisnehmer kann die Leistung sofort verlangen. Hat der Erblasser die Erfüllung eines Vermächtnisses dem freien Belieben des Beschwerten überlassen, so wird die Leistung nach § 2181 BGB im Zweifel mit dem Tode des Beschwerten fällig. Das beim Tod des Beschwerten fällige Vermächtnis unterscheidet sich vom Nachvermächtnis dadurch, dass der Vermächtnisnehmer nicht erst dann zum Zuge kommt, wenn ein anderer Vermächtnisnehmer den vermachten Gegenstand herauszugeben hat. Des Weiteren ist das Nachvermächtnis stets ein Untervermächtnis,2 das nicht schon mit dem Erbfall anfällt, sondern nach § 2177 BGB erst mit dem Eintritt der Bedingung oder des Termins.3 Ein Vermächtnis oder eine Auflage, die beim Tod des Beschwerten fällig wird, ist insbesondere ge- 61 geben, wenn die Ehegatten in einem gemeinschaftlichen Testament mit gegenseitiger Erbeinsetzung bestimmen, dass ihren zu Schlusserben eingesetzten Kindern beim Tod des erstversterbenden Elternteils Vermächtnisse zufallen, die erst beim Tod des überlebenden Elternteils fällig werden.4 Es liegt insoweit weder beim Tod des Erstversterbenden noch beim Tod des überlebenden Ehegatten eine die jeweilige Bereicherung durch Erbanfall mindernde Vermächtnislast nach § 10 Abs. 5 Nr. 2 ErbStG vor; beim Tod des überlebenden Ehegatten ist jedoch eine Erblasserschuld nach § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG abzugsfähig.5 Existiert ein Vermächtniserwerb, muss korrespondierend auch eine Abzugsfähigkeit gegeben sein. Entsprechendes gilt auch, wenn in einem sog. Berliner Testament (§ 2269 BGB) – um nach dem Tod des erstversterbenden Ehegatten die Geltendmachung von Pflichtteilsansprüchen durch die zu Schlusserben eingesetzten gemeinschaftlichen Kinder zu verhindern – bestimmt wird, dass den Kindern, die den Pflichtteil nicht fordern, als Erwerb vom erstversterbenden Elternteil ein Vermächtnis im Werte des Pflichtteils zufallen soll, das erst mit dem Tod des überlebenden Elternteils fällig wird (sog. Jastrow’sche Klausel).6 Wird bei einem Pflichtteilsverzicht gegen Abfindung vereinbart, dass der Abfindungsanspruch des 62 Schlusserben erst beim Tod des überlebenden Ehegatten fällig wird, kann der Schlusserbe den auf ihn übergehenden Nachlass des überlebenden Ehegatten nicht um den erst beim Tod des Überlebenden fälligen Anspruch kürzen, weil dieser Anspruch keine wirtschaftliche Belastung für den überlebenden Ehegatten gebildet hat; korrespondierend damit stellt jedoch der Abfindungsanspruch wirtschaftlich keine Bereicherung dar.7 Bei einem mit dem Tod des Beschwerten fälligen Vermächtnis gilt § 6 Abs. 2 ErbStG, so dass 63 grundsätzlich der Vermächtnisnehmer das vermachte Vermögen vom Beschwerten und nicht vom Erblasser erwirbt, jedoch ist auf Antrag der Besteuerung das Verhältnis des Vermächtnisnehmers zum Erblasser zugrunde zu legen. Dieser Antrag führt jedoch in der klassischen Konstellation, dass sich die Eltern gegenseitig zu Alleinerben und die Kinder zu Schlusserben einsetzen, nicht zu einem erbschaftsteuerlichen Vorteil, da § 6 Abs. 2 Satz 4 ErbStG die Regelung enthält, dass maximal einmal der persönliche Kinderfreibetrag abzugsfähig ist; zudem enthält § 6 Abs. 2 Satz 5 ErbStG einen Progressionsvorbehalt. Diese Vorschriften führen zu einer erbschaftsteuerlich ungünstigen Kumulation 1 2 3 4 5 6 7
R E 6 Satz 1 ErbStR 2011. Müller-Christmann in Bamberger/Roth3, § 2191 BGB Rz. 1, 3. Müller-Christmann in Bamberger/Roth3, § 2191 BGB Rz. 6. R E 6 Satz 2 ErbStR 2011. R E 6 Satz 4 ErbStR 2011. R E 6 Satz 5 ErbStR 2011. BFH v. 27.6.2007 – II R 30/05, BStBl. II 2007, 651 = FR 2007, 1080 = ErbStB 2007, 291.
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§ 6 ErbStG Rz. 64 Vor- und Nacherbschaft von Vermögen beim Übergang von dem überlebenden Ehegatten auf die zu Schlusserben eingesetzten Kinder. 64
Wird das Vermächtnis nicht mit dem Tod des Beschwerten fällig und liegt auch kein Nachvermächtnis vor, ist § 6 Abs. 4 Alt. 2 ErbStG und § 6 Abs. 3 ErbStG nicht anwendbar. Der Vermächtnisnehmer erwirbt vom Erblasser, d.h. es ist für die Besteuerung das Verhältnis des Erwerbers zum Erblasser entscheidend. Es gilt auch § 10 Abs. 5 Nr. 2 ErbStG.
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Als Gestaltung zur Vermeidung des § 6 Abs. 4 ErbStG kann z.B. das sog. Supervermächtnis1 erwogen werden, nachdem der Beschwerte nach billigem Ermessen den Vermächtnisgegenstand und den Leistungszeitpunkt zu bestimmen hat. Dadurch besteht die Möglichkeit, die Anwendung des § 6 Abs. 4, Abs. 2 ErbStG zu vermeiden, ohne dass der Beschwerte (z.B. überlebender Ehegatte) befürchten müsste, nicht hinreichend versorgt zu sein.
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Zur postmortalen erbschaftsteuerlichen Optimierung bietet es sich an, dass die Kinder im Einvernehmen mit dem überlebenden Ehegatten das Vermächtnis ausschlagen und den Pflichtteil geltend machen (§ 2307 Abs. 1 Satz 1 BGB), wobei eine Pflichtteilsstrafklausel notfalls durch Auslegungsvertrag dahingehend zu interpretieren ist, dass sie nicht einschlägig ist, wenn die Geltendmachung im Einvernehmen mit dem überlebenden Ehegatten erfolgt. Bei der Ausschlagung eines Vermächtnisses ist keine Ausschlagungsfrist zu beachten. Allerdings muss dann der Pflichtteilsanspruch auch vollumfänglich erfüllt werden, da anderenfalls eine freigebige Zuwendung vorliegen kann. Der Pflichtteil bezogen auf den Nachlass des Erstversterbenden kann selbst durch den Alleinerben des überlebenden Ehegatten auch noch nach dem Tod des überlebenden Ehegatten geltend gemacht werden, sollte die Verjährungsfrist im Zeitpunkt der Mitteilung an das Finanzamt noch nicht eingetreten sein.2 Als Alternative zur Pflichtteilsgeltendmachung ist daran zu denken, – ggf. nach einer Ausschlagung – gegen eine Abfindung auf die Geltendmachung des Pflichtteils zu verzichten, da dann § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG nicht einschlägig ist, sondern vielmehr § 3 Abs. 2 Nr. 4 ErbStG gilt.3 Der Vorteil dieser Gestaltung – im Gegensatz zur Pflichtteilsgeltendmachung – ist, dass ein sinnvoller Interessenausgleich zwischen der Versorgung des überlebenden Ehegatten und der Erbschaftsteueroptimierung, d.h. der Ausnutzung der persönlichen Freibeträge der Kinder nach dem Tod des erstversterbenden Ehegatten nebst Erzielung von Progressionsvorteilen, gefunden werden kann.
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Die Auflage (§§ 1940, 2192 ff. BGB) führt dann, wenn sie vollzogen wird, grundsätzlich zu einem Erwerb im Verhältnis des Auflagenbegünstigten zum Erblasser nach § 3 Abs. 2 Nr. 2 ErbStG. Voraussetzung hierfür ist die Vollziehung, da anders als beim Vermächtnis der Auflagenbegünstigte keinen schuldrechtlichen Anspruch hat, jedoch kann die Erfüllung durch eine Testamentsvollstreckung abgesichert werden. Wird allerdings die Auflage erst mit dem Tod des Beschwerten fällig, so gilt § 6 Abs. 4, Abs. 2 ErbStG, jedoch nur für Erwerbe, für die die Steuer nach dem 31.12.2008 entsteht.
1 Kössinger in Beck'sches Formularbuch Erbrecht3, Abschn. C., V. 10. 2 BFH v. 19.2.2013 – II R 47/11, ErbStB 2013, 138 = DStR 2013, 523. 3 Gottschalk in T/G/J, § 3 ErbStG Rz. 330 (Stand: Juli 2015).
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§ 7 Schenkungen unter Lebenden (1) Als Schenkungen unter Lebenden gelten 1. jede freigebige Zuwendung unter Lebenden, soweit der Bedachte durch sie auf Kosten des Zuwendenden bereichert wird; 2. was infolge Vollziehung einer von dem Schenker angeordneten Auflage oder infolge Erfüllung einer einem Rechtsgeschäft unter Lebenden beigefügten Bedingung ohne entsprechende Gegenleistung erlangt wird, es sei denn, daß eine einheitliche Zweckzuwendung vorliegt; 3. was jemand dadurch erlangt, daß bei Genehmigung einer Schenkung Leistungen an andere Personen angeordnet oder zur Erlangung der Genehmigung freiwillig übernommen werden; 4. die Bereicherung, die ein Ehegatte oder ein Lebenspartner bei Vereinbarung der Gütergemeinschaft (§ 1415 des Bürgerlichen Gesetzbuchs) erfährt; 5. was als Abfindung für einen Erbverzicht (§§ 2346 und 2352 des Bürgerlichen Gesetzbuchs) gewährt wird; 6. (aufgehoben) 7. was ein Vorerbe dem Nacherben mit Rücksicht auf die angeordnete Nacherbschaft vor ihrem Eintritt herausgibt; 8. 1der Übergang von Vermögen auf Grund eines Stiftungsgeschäfts unter Lebenden. Dem steht gleich die Bildung oder Ausstattung einer Vermögensmasse ausländischen Rechts, deren Zweck auf die Bindung von Vermögen gerichtet ist; 9. was bei Aufhebung einer Stiftung oder bei Auflösung eines Vereins, dessen Zweck auf die Bindung von Vermögen gerichtet ist, erworben wird. 2Dem steht gleich der Erwerb bei Auflösung einer Vermögensmasse ausländischen Rechts, deren Zweck auf die Bindung von Vermögen gerichtet ist, sowie der Erwerb durch Zwischenberechtigte während des Bestehens der Vermögensmasse. 3Wie eine Auflösung wird auch der Formwechsel eines rechtsfähigen Vereins, dessen Zweck wesentlich im Interesse einer Familie oder bestimmter Familien auf die Bindung von Vermögen gerichtet ist, in eine Kapitalgesellschaft behandelt; 10. was als Abfindung für aufschiebend bedingt, betagt oder befristet erworbene Ansprüche, soweit es sich nicht um einen Fall des § 3 Abs. 2 Nr. 5 handelt, vor dem Zeitpunkt des Eintritts der Bedingung oder des Ereignisses gewährt wird. (2) 1Im Fall des Absatzes 1 Nr. 7 ist der Versteuerung auf Antrag das Verhältnis des Nacherben zum Erblasser zugrunde zu legen. 2§ 6 Abs. 2 Satz 3 bis 5 gilt entsprechend. (3) Gegenleistungen, die nicht in Geld veranschlagt werden können, werden bei der Feststellung, ob eine Bereicherung vorliegt, nicht berücksichtigt. (4) Die Steuerpflicht einer Schenkung wird nicht dadurch ausgeschlossen, daß sie zur Belohnung oder unter einer Auflage gemacht oder in die Form eines lästigen Vertrags gekleidet wird. (5) 1Ist Gegenstand der Schenkung eine Beteiligung an einer Personengesellschaft, in deren Gesellschaftsvertrag bestimmt ist, daß der neue Gesellschafter bei Auflösung der Gesellschaft oder im Fall eines vorherigen Ausscheidens nur den Buchwert seines Kapitalanteils erhält, werden diese Bestimmungen bei der Feststellung der Bereicherung nicht berücksichtigt. 2Soweit die Bereicherung den Buchwert des Kapitalanteils übersteigt, gilt sie als auflösend bedingt erworben. (6) Wird eine Beteiligung an einer Personengesellschaft mit einer Gewinnbeteiligung ausgestattet, die insbesondere der Kapitaleinlage, der Arbeits- oder der sonstigen Leistung des Gesellschafters für die Gesellschaft nicht entspricht oder die einem fremden Dritten üblicherweise nicht eingeräumt würde, gilt das Übermaß an Gewinnbeteiligung als selbständige Schenkung, die mit dem Kapitalwert anzusetzen ist. (7) 1Als Schenkung gilt auch der auf dem Ausscheiden eines Gesellschafters beruhende Übergang des Anteils oder des Teils eines Anteils eines Gesellschafters einer Personengesellschaft oder Kapitalgesellschaft auf die anderen Gesellschafter oder die Gesellschaft, soweit der Wert, der sich für seinen Anteil zur Zeit seines Ausscheidens nach § 12 ergibt, den Abfindungsanspruch übersteigt. 2Wird auf Grund einer Regelung im Gesellschaftsvertrag einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung der Geschäftsanteil eines Gesellschafters bei dessen Ausscheiden eingezogen und übersteigt der sich nach § 12 ergebende Wert seines Anteils zur Zeit seines Ausscheidens den AbfindungsEsskandari/von Oertzen/Loose
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§ 7 ErbStG Schenkungen unter Lebenden anspruch, gilt die insoweit bewirkte Werterhöhung der Anteile der verbleibenden Gesellschafter als Schenkung des ausgeschiedenen Gesellschafters. 3Bei Übertragungen im Sinne des § 10 Abs. 10 gelten die Sätze 1 und 2 sinngemäß. (8) 1Als Schenkung gilt auch die Werterhöhung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft, die eine an der Gesellschaft unmittelbar oder mittelbar beteiligte natürliche Person oder Stiftung (Bedachte) durch die Leistung einer anderen Person (Zuwendender) an die Gesellschaft erlangt. 2Freigebig sind auch Zuwendungen zwischen Kapitalgesellschaften, soweit sie in der Absicht getätigt werden, Gesellschafter zu bereichern und soweit an diesen Gesellschaften nicht unmittelbar oder mittelbar dieselben Gesellschafter zu gleichen Anteilen beteiligt sind. 3Die Sätze 1 und 2 gelten außer für Kapitalgesellschaften auch für Genossenschaften. A. I. II. III.
IV. B. I.
II.
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Grundaussagen der Vorschrift. . . . . . . . . . Regelungsgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . Bedeutung und Telos . . . . . . . . . . . . . . . . . Geltungsbereich und Verhältnis zu anderen Vorschriften (nationales Recht, internationale Bezüge). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rechtsentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Freigebige Zuwendung (Abs. 1 Nr. 1) . . . . Grundaussagen der Vorschrift. . . . . . . . . . . 1. Regelungsgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . 2. Bedeutung und Telos . . . . . . . . . . . . . . . 3. Geltungsbereich und Verhältnis zu anderen Vorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Rechtsentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . Freigebige Zuwendung unter Lebenden . . . . 1. Unentgeltlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Objektive Unentgeltlichkeit . . . . . . . . b) Schenkungsversprechen und Bewirkung der Leistung . . . . . . . . . . . . . . . c) Ausschluss der Schenkungsteuerbarkeit durch ertragsteuerliche Erfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Rechtliche Abhängigkeiten und Verknüpfungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Zinsloses/niedrigverzinsliches Darlehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Besonderheiten bei Ehe/Lebensgemeinschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Gemischte Schenkung/Schenkung unter Auflage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Gemischte Schenkung . . . . . . . . . . . . b) Schenkung unter Auflage . . . . . . . . . . c) Berücksichtigung von Erwerbsnebenkosten und weiteren Kosten . . . . . . . . d) Aufschiebend bedingte Gegenleistungspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Übertragung von Betrieben, Betriebsteilen und Wirtschaftsgütern . . . . . . . f) Nießbrauchs- oder Wohnrecht . . . . . . 3. Objektive Bereicherung des Bedachten . . a) Bewertung der Vermögensmehrung . . b) Zuwendung unter Widerrufsvorbehalt und Rückforderungsrecht . . . . c) Wegfall der Geschäftsgrundlage . . . . . d) Vertragliche Widerrufsklauseln . . . . . e) Kettenschenkungen . . . . . . . . . . . . . .
Esskandari/von Oertzen/Loose
1 1 2
7 10 11 11 11 13 14 17 18 18 18 20 27 29 33 36 41 41 56 76 81 87 102 111 111 117 123 130 145
f) Zuwendungen unter Eheleuten, OderKonten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Auf Kosten des Zuwendenden . . . . . . . . . . . 1. Maßgeblichkeit des Zivilrechts . . . . . . . . . 2. Erlass mit Besserungsabrede. . . . . . . . . . . 3. Gewährung einer Nutzungsmöglichkeit . . 4. Unentgeltliche Arbeits- oder Dienstleistungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Mittelbare Schenkung . . . . . . . . . . . . . . . IV. Wille zur Freigebigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Erwerb durch Vollziehung einer Auflage/ Erfüllung einer Bedingung (Abs. 1 Nr. 2) . . I. Grundaussagen der Vorschrift . . . . . . . . . . . 1. Regelungsgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Bedeutung und Telos . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Geltungsbereich und Verhältnis zu anderen Vorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Rechtsentwicklung. . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Inhalt der Vorschrift im Einzelnen . . . . . . . . D. Erwerb aufgrund staatlicher Genehmigung (Abs. 1 Nr. 3) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Grundaussagen der Vorschrift . . . . . . . . . . . 1. Regelungsgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Bedeutung und Telos . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Geltungsbereich und Verhältnis zu anderen Vorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Rechtsentwicklung. . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Inhalt der Vorschrift im Einzelnen . . . . . . . . E. Erwerb durch Vereinbarung der Gütergemeinschaft (Abs. 1 Nr. 4). . . . . . . . . . . . . I. Grundaussagen der Vorschrift . . . . . . . . . . . 1. Regelungsgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Bedeutung und Telos . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Geltungsbereich und Verhältnis zu anderen Vorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Rechtsentwicklung. . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Inhalt der Vorschrift im Einzelnen . . . . . . . . F. Erwerb durch Abfindung für Erb- oder Pflichtteilsverzicht (Abs. 1 Nr. 5) . . . . . . . . I. Grundaussagen der Vorschrift . . . . . . . . . . . 1. Regelungsgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Bedeutung und Telos . . . . . . . . . . . . . . . .
167 194 194 197 207 215 216 231 238 238 238 239 242 250 251 256 256 256 257 258 261 262 264 264 264 265 267 270 271 279 279 279 282
Schenkungen unter Lebenden 3. Geltungsbereich und Verhältnis zu anderen Vorschriften . . . . . . . . . . . . . . . 284 4. Rechtsentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . 288 II. Inhalt der Vorschrift im Einzelnen . . . . . . . 289 G. Erwerb durch vorzeitige Herausgabe der Nacherbschaft (Abs. 1 Nr. 7) . . . . . . . . . . . I. Grundaussagen der Vorschrift. . . . . . . . . . . 1. Regelungsgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . 2. Bedeutung und Telos . . . . . . . . . . . . . . . 3. Geltungsbereich und Verhältnis zu anderen Vorschriften . . . . . . . . . . . . . . . 4. Rechtsentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Inhalt der Vorschrift im Einzelnen . . . . . . . H. Vermögensübergang durch Stiftungsgeschäft unter Lebenden oder gleichgestellte Fälle (Abs. 1 Nr. 8). . . . . . . . . . . . I. Grundaussagen des Abs. 1 Nr. 8 . . . . . . . . . 1. Regelungsgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . 2. Bedeutung und Telos . . . . . . . . . . . . . . . 3. Geltungsbereich und Verhältnis zu anderen Vorschriften . . . . . . . . . . . . . . . 4. Rechtsentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Übergang von Vermögen aufgrund eines Stiftungsgeschäfts unter Lebenden (Abs. 1 Nr. 8 Satz 1) . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Bildung oder Ausstattung einer Vermögensmasse ausländischen Rechts, deren Zweck auf die Bindung von Vermögen gerichtet ist (Abs. 1 Nr. 8 Satz 2) . . . . . . . . . 1. Systematische Aspekte . . . . . . . . . . . . . . 2. Vermögensmasse ausländischen Rechts gerichtet auf die Bindung von Vermögen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Errichtung und Ausstattung . . . . . . . . . . IV. Umgang mit Steuerhinterziehungsstiftungen und Vermögensmassen . . . . . . . . I. Aufhebung einer Stiftung, Auflösung eines Vereins oder einer Vermögensmasse ausländischen Rechts (Abs. 1 Nr. 9). . . . . . I. Grundaussagen des Abs. 1 Nr. 9 . . . . . . . . . 1. Regelungsgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . 2. Bedeutung und Telos . . . . . . . . . . . . . . . 3. Geltungsbereich und Verhältnis zu anderen Vorschriften (nationales Recht, internationale Bezüge) . . . . . . . . . . . . . . 4. Rechtsentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Aufhebung einer Stiftung oder Auflösung eines Vereins, dessen Zweck auf die Bindung von Vermögen gerichtet ist (Abs. 1 Nr. 9 Satz 1) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Aufhebung einer Stiftung . . . . . . . . . . . . 2. Auflösung eines Vereins . . . . . . . . . . . . . III. Erwerb bei Auflösung einer Vermögensmasse ausländischen Rechts, dessen Zweck auf die Bindung von Vermögen gerichtet ist (Abs. 1 Nr. 9 Satz 2 Alt. 1) . . . . . . . . . . . . .
316 316 316 317 320 324 325
343 343 343 345 346 353
354
358 358
359 360 366
374 374 374 375
377 383
384 384 390
398
§ 7 ErbStG
IV. Erwerb durch Zwischenberechtigte während des Bestehens der Vermögensmasse ausländischen Rechts, deren Zweck auf die Bindung von Vermögen gerichtet ist (Abs. 1 Nr. 9 Satz 2 Alt. 2) . . . . . . . . . . . . . . V. Formwechsel eines Familienvereins in eine Kapitalgesellschaft (Abs. 1 Nr. 9 Satz 3) . J. Erwerb Abfindung für aufschiebend bedingte, befristete und betagte Ansprüche (Abs. 1 Nr. 10). . . . . . . . . . . . . . I. Grundaussagen der Vorschrift . . . . . . . . . . . 1. Regelungsgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Bedeutung und Telos . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Geltungsbereich und Verhältnis zu anderen Vorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Rechtsentwicklung. . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Inhalt der Vorschrift im Einzelnen . . . . . . . . K. Versteuerungswahlrecht des Nacherben (Abs. 2) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Grundaussagen der Vorschrift . . . . . . . . . . . 1. Regelungsgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Bedeutung und Telos . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Geltungsbereich und Verhältnis zu anderen Vorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Rechtsentwicklung. . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Inhalt der Vorschrift im Einzelnen . . . . . . . . L. Gegenleistungen nicht vermögensrechtlicher Art (Abs. 3) . . . . . . . . . . . . . . . . I. Grundaussagen der Vorschrift . . . . . . . . . . . 1. Regelungsgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Bedeutung und Telos . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Geltungsbereich und Verhältnis zu anderen Vorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Rechtsentwicklung. . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Inhalt der Vorschrift im Einzelnen . . . . . . . . M. Schenkung zur Belohnung, unter Auflage oder in Form eines lästigen Vertrags (Abs. 4) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Grundaussagen der Vorschrift des § 7 Abs. 4 ErbStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Regelungsgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Bedeutung und Telos . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Geltungsbereich und Verhältnis zu anderen Vorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Rechtsentwicklung. . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Inhalt der Vorschrift im Einzelnen . . . . . . . . N. Schenkung eines Personengesellschaftsanteils bei Buchwertklausel (Abs. 5) . . . . . . I. Grundaussagen der Vorschrift . . . . . . . . . . . 1. Regelungsgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Bedeutung und Telos . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Geltungsbereich und Verhältnis zu anderen Vorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Rechtsentwicklung. . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Inhalt der Vorschrift im Einzelnen . . . . . . . .
Esskandari/von Oertzen/Loose
402 409
410 410 410 411 413 417 418 431 431 431 432 434 435 436 438 438 438 439 441 442 443
475 475 475 476 477 478 479 489 489 489 490 495 497 498
161
§ 7 ErbStG Schenkungen unter Lebenden O. Schenkung eines Personengesellschaftsanteils mit überhöhter Gewinnbeteiligung (Abs. 6). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Grundaussagen der Vorschrift. . . . . . . . . . . 1. Regelungsgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . 2. Bedeutung und Telos . . . . . . . . . . . . . . . 3. Geltungsbereich und Verhältnis zu anderen Vorschriften . . . . . . . . . . . . . . . 4. Rechtsentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Inhalt der Vorschrift im Einzelnen . . . . . . . P. Schenkung bei Ausscheiden eines Gesellschafters zu unter dem gemeinen Wert liegenden Abfindungsentgelt (Abs. 7) . . . . I. Grundaussagen der Vorschrift. . . . . . . . . . . 1. Regelungsgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . 2. Bedeutung und Telos . . . . . . . . . . . . . . . 3. Geltungsbereich und Verhältnis zu anderen Vorschriften . . . . . . . . . . . . . . . 4. Rechtsentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Inhalt der Vorschrift im Einzelnen . . . . . . .
517 517 517 518 519 522 523
529 529 529 530 535 537 538
Q. Schenkung durch Leistungen an Kapitalgesellschaften (Abs. 8) . . . . . . . . . . . I. Grundaussagen der Vorschrift . . . . . . . . . . . 1. Regelungsgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Bedeutung und Telos . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Geltungsbereich und Verhältnis zu anderen Vorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Rechtsentwicklung. . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Tatbestandsvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . 1. Fiktion einer freigebigen Zuwendung . . . . 2. Leistung (Abs. 8 Satz 1) . . . . . . . . . . . . . . 3. Zuwendender . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Werterhöhung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Anwendung der §§ 13a und 13b ErbStG. . 6. Zuwendungen zwischen Kapitalgesellschaften (Abs. 8 Satz 2) . . . . . . . . . . . . . . III. Teleologische Reduktion des Abs. 8 . . . . . . . 1. Voraussetzungen einer teleologischen Reduktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Gesamtbetrachtung verschiedener Leistungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Sanierungsfälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
562 562 562 563 568 569 570 570 571 574 575 576 578 583 583 586 590
Literatur: Albrecht, Schenkungsteuerliche Probleme bei Ehegattenzuwendungen, ZErb 2002, 272; Billig, Erweiterung des Anwendungsbereichs einer mittelbaren Grundstücksschenkung, UVR 2005, 210; Bruschke, Risiken der Kettenschenkung vermeiden, ErbStB 2014, 261; Cornelius/Loleit, Die Wohnleihe – Unentgeltliche Versorgung von Angehörigen und nahestehenden Personen mit Wohnraum, ErbStB 2014, 223; Ebeling, Schenkungsteuerrechtliche Bewertung von Auflagenschenkungen bei vorzeitigem Ableben von Schenker und Auflagenbegünstigtem, DStR 2002, 533; Eggers, Schenkungsteuer bei Zuwendungen an Vereine, DStR 2007, 1752; Esskandari/Bick, Achtung Falle – „Oder-Konten“ in der Schenkungsteuer, FamRZ 2012, 1112; Eulberg/Ott-Eulberg/Halaczinsky, Die Lebensversicherung im Erb- und Erbschaftsteuerrecht, 2005, Rz. 324 ff.; Fiedler, Zur Besteuerung des Erwerbs einer nicht fälligen Kapitallebensversicherung von Todes wegen, DStR 2005, 533; Fischer, Lebzeitige Zuwendungen unter Ehegatten, ErbStB 2004, 231; Fromm, Kettenschenkung statt Schenkung unter Auflage – eine steueroptimale Gestaltung, DStR 2000, 453; Fuhrmann, Bezugsrechte von Kapitallebensversicherungen zugunsten naher Angehöriger, ErbStB 2005, 355 u. 2006, 13; Gebel, Einsatz von Erträgen aus hingegebenen Vermögensmitteln für eine mittelbare freigebige Zuwendung – Eigenleistung oder Zusatzschenkung?, DStR 2005, 358; Gebel, Mittelbare Schenkung einer Versicherungssumme durch unentgeltliche Einräumung eines Bezugsrechts aus einer Kapitallebensversicherung, ZEV 2005, 236; Gebel, Teilschenkung oder gemischte Schenkung bei mittelbarer Zuwendung von Anteilen an Personen- und Kapitalgesellschaften, DStR 2003, 622; Gebel, Zusammenfassung mehrerer Zuwendungen bei Steuerberechnung und Steuerfestsetzung, ZEV 2001, 213; Gosch, Die Behandlung von Beratungs- und Gutachterkosten bei Schenkungen nach den gleich lautenden Ländererlassen vom 16.3.2012, ZEV 2012, 650; Götz, Gemeinschaftskonten von Ehegatten im Visier der Betriebsprüfung, DStR 2002, 1462; Götz, Lebzeitige Beendigung der Zugewinngemeinschaft als Gestaltungsmittel zur Erlangung rückwirkender Steuer- und Straffreiheit bei unbenannten Zuwendungen, DStR 2001, 417; Götz, Stellt die Begründung von Gemeinschaftskonten stets eine schenkungsteuerpflichtige Zuwendung dar?, ZEV 2003, 65; Halaczinsky, Die erbschaft- und schenkungsteuerliche Behandlung von Darlehen im Privatvermögen, ZEV 2004, 261; Halaczinsky, Lebensversicherungen im Erbschaftsteuerrecht, ZErb 2002, 306; Hartmann, Mittelbare Grundstücksschenkung oder Geldschenkung?, ErbStB 2005, 224; Kalbfleisch, „Steuerfalle Oder-Konto“ – Wie ungeplante Schenkungen vermieden werden können, UVR 2013, 23; Lehmann, Die Erbschaftsbesteuerung von Versicherungsverträgen, ZEV 2004, 398; Lehnen/Hanau, Optimale Nutzung der Schenkungsteuer-Freibeträge, Beendigung des gesetzlichen Güterstands als Alternative zur Kettenschenkung, ZErb 2006, 149; Van de Loo, Bemerkungen zur neueren Entwicklung der mittelbaren Grundstücksschenkung aus schenkung- und einkommensteuerlicher Sicht, DStR 2005, 723; Mäscher, Freigebige Zuwendungen im Geschäftsverkehr, DStR 2015, 193; Milatz/Herbst, Eheliche Lebensgemeinschaft: Lebzeitiger Zugewinnausgleich und Störung der Geschäftsgrundlage als Gestaltungsmittel, DStR 2011, 706; Milatz/Herbst, Eheliche Lebensgemeinschaft: Treuhand und Ehegatteninnengesellschaft als schenkungsteuerliches Gestaltungsmittel, DStR 2011, 645; Mutschler/Thiex, Schenkung und Vermögensübertragung mit Rentenversicherungen gegen Einmalbetrag, ZEV 2014, 351; von Oertzen/Straub, Oderkonten in der Abwehrberatung – Steuerbare Vermögensübertragung zwischen Ehegatten?, BB 2007, 1473; Pach-Hanssenheimb, Der Verschonungsabschlag bei gemischten Schenkungen, DStR 2009, 466; Pauli,
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Grundaussagen der Vorschrift
Rz. 2 § 7 ErbStG
Unternehmensnachfolge unter Vorbehalt von Rückforderungsrechten, ZEV 2013, 289; Reymann, Schwiegerkinderzuwendungen im steuerlichen und zivilrechtlichen Zielkonflikt, ZEV 2006, 55; Schienke-Ohletz, Begründung eines Oder-Kontos als Schenkung unter Ehegatten: Entwarnung durch den BFH?, DStR 2012, 1265; Schlünder/ Geißler, Schenkungsteuer bei der Immobilienfinanzierung durch nichteheliche Lebenspartner?, ZEV 2007, 64; Schlünder/Geißler, Schenkungsteuerfreie Zuwendungen zwischen Ehegatten, ZEV 2005, 505; M. Söffing, Mittelbare Schenkung bei grundstücksbezogenen Zuwendungen, ZErb 2004, 39; Steiner, Gemeinschaftskonten im Erbschaftsteuerrecht, ErbStB 2005, 76; Taplan/G. Baumgartner/E. Baumgartner, Zur steuerlichen Behandlung von Kettenschenkungen, DStR 2014, 2153; Theißen/Steger, Grundstücksschenkungen unter Nießbrauchsvorbehalt nach der Erbschaftsteuerreform, ErbStB 2009, 158; Wälzholz, Aktuelle Probleme von lebzeitigen Ehegattenzuwendungen im ErbStG, FR 2007, 638; Wefers/Carlé, Freigebige Zuwendungen unter Ehegatten, ErbStB 2013, 48; Worgulla, Die Übertragung von Lebensversicherungen – Besonderheiten bei Risiko-LV und der Bewertung nach § 12 Abs. 4 BewG, ErbStB 2008, 234. Verwaltungsanweisungen: R E 7.1–7.9 ErbStR 2011; H E 7.1–7.9 ErbStH 2011.
A. Grundaussagen der Vorschrift I. Regelungsgegenstand Nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG unterliegen der Schenkungsteuer die Schenkungen unter Lebenden. Die 1 der Schenkungsteuer unterfallenden Vorgänge sind in § 7 ErbStG abschließend aufgeführt. § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG enthält den Grundtatbestand der Schenkung unter Lebenden. Die Nr. 2 bis 10 des § 7 Abs. 1 ErbStG führen Einzelfälle von Schenkungen unter Lebenden auf. Die Abs. 6, 7 und 8 enthalten Sonderfälle der Schenkung unter Lebenden. Die Abs. 2 bis 5 treffen ergänzende Bestimmungen, die Steuerbarkeit und Steuerpflicht bereits voraussetzen. Bei den Vorschriften des ErbStG über Erwerbe von Todes wegen hat der Gesetzgeber enge Bezüge zum Zivilrecht hergestellt (z.B. § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG: „Als Erwerb von Todes wegen gelten der Erwerb durch Erbanfall (§ 1922 des Bürgerlichen Gesetzbuchs), durch Vermächtnis (§§ 2147 ff. des Bürgerlichen Gesetzbuchs) oder auf Grund eines geltend gemachten Pflichtteilsanspruchs (§§ 2303 ff. des Bürgerlichen Gesetzbuchs)“. Dies ist im Anwendungsbereich des § 7 ErbStG nicht der Fall. Die Anwendungsbereiche der §§ 516 ff. BGB einerseits und des § 7 ErbStG andererseits laufen damit quasi nebeneinander her, ohne dass sie sich zwingend berührten. Wenn deshalb mitunter gesagt wird, dass die Schenkung i.S.d. BGB als Grundmodell der Schenkung unter Lebenden i.S.d. § 7 ErbStG zu gelten habe,1 dann ist dies insoweit sicher richtig, als dass jede Schenkung im zivilrechtlichen Sinn auch eine Schenkung unter Lebenden in schenkungsteuerlicher Hinsicht ist. Allerdings ist dies umgekehrt schon nicht der Fall;2 darüber hinaus ist es grundsätzlich ein für die Praxis besserer, weil mehr Fehler vermeidender Ansatz, nach der zivilrechtlichen Prüfung und Beurteilung eines Lebenssachverhalts, den Sachverhalt und das gefundene Ergebnis allein unter steuerlichen Gesichtspunkten zu würdigen. Und hier folgt das Erbschaft- und Schenkungsteuer seinen eigenen Regeln.
II. Bedeutung und Telos Die in § 1 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 ErbStG normierten Steuertatbestände des Erwerbs von Todes wegen 2 und der Schenkung unter Lebenden lassen sich bereits im Reichs-Erbschaftsteuergesetz 1906 finden. In der Gesetzesüberschrift werden die Erbschaftsteuer und die Schenkungsteuer getrennt aufgeführt. Auch der Einleitungssatz in § 1 Abs. 1 ErbStG spricht von Erbschaftsteuer und Schenkungsteuer. Trotz dieser sprachlichen Unterscheidung ist davon auszugehen, dass es sich hierbei letztlich um ein und dieselbe Steuer und nicht um zwei unterschiedliche Steuerarten handelt. Die Schenkungsteuer stellt sich als eine Unterart bzw. als notwendige Ergänzung der Erbschaftsteuer dar. Wie sich aus § 1 Abs. 2 ErbStG ergibt, sollen die steuerrechtlichen Folgen aus den unterschiedlichen Besteuerungstatbestän-
1 Meincke16, § 7 ErbStG Rz. 3. 2 Vgl. nur R E 7.1 Abs. 1 Satz 1 ErbStR 2011.
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§ 7 ErbStG Rz. 3 Schenkungen unter Lebenden den weitgehend identisch sein. Die Regelung dient allein der sprachlichen Entlastung des ErbStG.1 Bei der Besteuerung von Schenkungen unter Lebenden gelten deshalb über den Wortlaut des Gesetzes hinaus alle Bestimmungen des ErbStG, sofern sie nicht Sachverhalte betreffen, die allein bei Erwerben von Todes wegen vorkommen.2 Die Schenkungsteuer soll ein Ausweichen vor dem steuerpflichtigen Vermögensübergang von Todes wegen in steuerfreie Rechtsgeschäfte unter Lebenden verhindern. § 7 ErbStG erläutert im Einzelnen, welche Vorgänge als Schenkungen unter Lebenden besteuert werden. Ob man sagen kann, dass ein grundsätzlicher Vorrang der Besteuerung nach § 3 ErbStG vor der Besteuerung nach § 7 ErbStG besteht, weil § 3 ErbStG die Erbschaftsteuerpflicht auch auf Tatbestände erstreckt, die nicht durch das Erbrecht definiert werden, also aus Rechtsgeschäften unter Lebenden resultieren,3 sei dahingestellt. Denn im Ergebnis kommt es nicht auf ein grundsätzliches Hierarchieverhältnis der Vorschriften zueinander an, sondern darauf, ob ein Lebenssachverhalt unter § 3 ErbStG oder unter § 7 ErbStG zu subsumieren ist. § 3 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 ErbStG beispielsweise erfasst als Erwerb von Todes wegen den Erwerb aufgrund Schenkung auf den Todesfall i.S.v. § 2301 BGB. § 2301 BGB spricht richtigerweise von einem Schenkungsversprechen auf den Todesfall, § 3 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 ErbStG dagegen von einer Schenkung auf den Todesfall. Da das Versprechen nur unter der Bedingung wirksam werden soll, dass der Beschenkte den Schenker überlebt, erwirbt der Beschenkte im Zeitpunkt des Todes des Erblassers einen Sachleistungsanspruch gegen den Erben. Eine solche Schenkung kann bereits zu Lebzeiten des Schenkers, aber auch erst mit dem Tod oder nach seinem Tod vollzogen werden. Erbschaftsteuerlich wird in Übereinstimmung mit dem Zivilrecht (§ 2301 Abs. 1 und Abs. 2 BGB) nach dem Zeitpunkt des Vollzuges unterschieden:4 – Bei Vollzug vor dem Tod des Schenkers handelt es sich um eine Schenkung unter Lebenden (§ 7 ErbStG); – bei Vollzug mit dem Tod oder nach dem Tod des Schenkers unterliegt der Erwerb den Vorschriften über den Erwerb von Todes wegen. 3 Entscheidend dafür, ob ein Erwerb von Todes wegen oder ein Fall des § 7 ErbStG vorliegt, ist also
der Vollzug des Schenkungsversprechens. Je nachdem sind die Tatbestandsmerkmale der einen oder der anderen Vorschrift erfüllt. 4 Die Abgrenzung zwischen der Schenkung auf den Todesfall i.S.v. § 3 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG und der
Schenkung unter Lebenden i.S.v. § 7 ErbStG ist erbschaftsteuerlich aufgrund der unterschiedlichen Rechtsfolgen von Bedeutung:5 5 Beim Erwerb von Todes wegen entsteht die Steuer erst mit dem Erbfall (§ 9 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG),
zudem kommt eine Haftung des Schenkers für die Steuer nicht in Betracht. Auch der Freibetrag nach § 17 ErbStG gilt lediglich für den Erwerb von Todes wegen. 6 Bei der Schenkung unter Lebenden entsteht die Steuer im Zeitpunkt der Ausführung der Zuwen-
dung (§ 9 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG); der Schenker ist neben dem Erwerber Schuldner der Steuer (§ 20 Abs. 1 ErbStG).
III. Geltungsbereich und Verhältnis zu anderen Vorschriften (nationales Recht, internationale Bezüge) 7 Rechtsfolge der Tatbestände des § 7 Abs. 1, 6, 7, 8 ErbStG ist die Steuerbarkeit einer Schenkung unter
Lebenden. Als steuerpflichtiger Erwerb nach § 10 Abs. 1 Satz 1 ErbStG gilt jedoch erst die „Bereicherung des Erwerbers“, soweit sie nicht steuerfrei ist. Nachdem die Steuerbarkeit gem. § 7 ErbStG festgestellt wurde, sind also die Steuerbefreiungsvorschriften der §§ 5, 13, 13a, 13c, 16, 17 und 18 ErbStG zu prüfen. Maßgebend in zeitlicher Hinsicht für Bestand und Wert des Erwerbs ist der Bewertungs-
1 2 3 4 5
Vgl. BFH v. 8.10.2003 – II R 46/01, BStBl. II 2001, 234. Vgl. R E 1.1 Abs. 1 Satz 1 ErbStR 2011. Fischer in F/J/P/W, § 7 ErbStG Rz. 2 (Stand: März 2014). BFH v. 5.12.1990 – II R 109/86, BStBl. II 1991, 181. Vgl. R E 3.3 ErbStR 2011.
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Grundaussagen der Vorschrift
Rz. 10 § 7 ErbStG
stichtag nach § 11 ErbStG.1 Sinn und Zweck des § 11 ErbStG ist es somit, die für die gesamte Wertermittlung maßgeblichen Umstände zeitlich exakt zu fixieren, unabhängig davon, dass sich diese in einem Zustand dauernder Veränderung befinden. Wertveränderungen nach dem Stichtag, gleichgültig ob positive oder negative, wirken sich erbschaftsteuerlich somit nicht aus. Nach dem Gesetz spielt es also grundsätzlich keine Rolle, ob eine Bereicherung von Dauer ist; nur am Bewertungsstichtag muss sie vorgelegen haben. Nach § 10 Abs. 1 Satz 2 ErbStG gilt in den Fällen des Erwerbs von Todes wegen gem. § 3 ErbStG als Be- 8 reicherung der Betrag, der sich ergibt, wenn von dem nach § 12 ErbStG zu ermittelnden Wert des gesamten Vermögensanfalls, soweit er der Besteuerung nach dem ErbStG unterliegt, die nach den Abs. 3 bis 9 des § 10 ErbStG abzugsfähigen Nachlassverbindlichkeiten mit ihrem nach § 12 ErbStG zu ermittelnden Wert abgezogen worden sind. Eine entsprechende Vorschrift sieht das Gesetz für Schenkungen unter Lebenden nicht vor. Dies scheint auf den ersten Blick auch entbehrlich. Denn die Bereicherung besteht hier unmittelbar im Reinwert des Erwerbs. Beispielsweise im Fall der freigebigen Zuwendung (§ 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG) ist diese abhängig von dem Zuwendungsgegenstand. Er bestimmt sich danach, wie sich die Vermögensmehrung im Zeitpunkt der Ausführung der Schenkung beim Bedachten darstellt, d.h. worüber der Bedachte im Verhältnis zum Schenker tatsächlich und rechtlich frei verfügen kann. Dabei geht es zunächst um den Reinwert nach bürgerlich-rechtlichen Maßstäben, der unter Ansatz des Verkehrswertes (gemeinen Werts) des zugewendeten Vermögens und der den Bedachten auferlegten Gegenleistungen und Auflagen festzustellen ist. Von der „Bereicherung“ i.S.d. § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG ist die „Bereicherung“ i.S.d. § 10 Abs. 1 Satz 1 ErbStG jedoch zu unterscheiden.2 Denn die „Bereicherung“ des § 10 ErbStG meint „Bereicherung“ i.S.v. § 7 ErbStG, nach Anwendung von Steuerbefreiungstatbeständen und abzgl. der Kosten zur Erlangung des Erwerbs. Dass § 10 Abs. 1 ErbStG dies nicht ausdrücklich anordnet, quasi eine „Regelungslücke“ lässt, kann da- 9 durch behoben werden, dass über § 1 Abs. 2 ErbStG die Regelung des § 10 Abs. 1 Satz 2 ErbStG auch für die Fälle des § 7 ErbStG sinngemäß angewendet wird.3 § 10 Abs. 5 Nr. 3 ErbStG behandelt zwar im Wesentlichen nur Fallgruppen von Nachlassverbindlichkeiten; was es aber nicht ausschließt, dass auch im Fall der Schenkung entsprechende bereicherungsmindernde Umstände eintreten können. So hat der BFH anerkannt, dass bei einer Schenkung der Erwerbsaufwand des Beschenkten nach § 10 Abs. 5 Nr. 3 ErbStG (als „Kosten, die dem Erwerber unmittelbar im Zusammenhang mit der Erlangung des Erwerbs entstehen“) abzugsfähig ist.4 In gleicher Weise wurden auch den Beschenkten nach § 2329 BGB treffende Verbindlichkeiten aus geltend gemachten Pflichtteilen, die mit der zur Ausgleichspflicht führenden Schenkung zusammenhingen und dieser als Folge der durch die Schenkung herbeigeführten Pflichtteilsbeeinträchtigung von Beginn an als potentielle Verpflichtungslage anhafteten, vom Wert der schenkweisen Zuwendung abgezogen.5
IV. Rechtsentwicklung Am 1.7.1906 trat erstmals reichseinheitlich ein Gesetz in Kraft, das die Fragen der Erbschaft- und 10 Schenkungsteuerpflicht regelte: das erste deutsche Reichserbschaftsteuergesetz (ErbStG 1906).6 Kurz und bündig ordnete § 55 ErbStG 1906 an: „Schenkungen unter Lebenden unterliegen der gleichen Steuer wie der Erwerb von Todes wegen“. Das Gesetz knüpfte dabei an den Schenkungsbegriff des BGB an. Nach Ende des Ersten Weltkriegs wurde das ErbStG 1906 durch das ErbStG von 1919 abgelöst.7 Hier wurde in § 40 ErbStG 1919 der Tatbestand der freigebigen Zuwendung der Schenkung gleichgestellt. Bereits damals stellte man klar, dass nur geldwerte Gegenleistungen bereicherungsmindernd wirken und fingierte katalogmäßig weitere Erwerbsfälle als Schenkungen.8 Diese Fik1 2 3 4 5 6 7 8
BFH v. 2.3.2006 – II R 57/04, ErbStB 2006, 213 = BFH/NV 2006, 1480. Vgl. Weinmann in Moench/Weinmann, § 10 ErbStG Rz. 6 (Stand: Januar 2014). Vgl. Weinmann in Moench/Weinmann, § 10 ErbStG Rz. 6 (Stand: Januar 2014). BFH v. 20.12.2000 – II R 42/99, BStBl. II 2001, 454 = FR 2001, 908 m. Anm. Viskorf. BFH v. 8.10.2003 – II R 46/01, BStBl. II 2004, 234 = FR 2004, 488 = ErbStB 2004, 105. RGBl. 1906, 654; zur Rechtsentwicklung des ErbStG ausf. Meincke, ZEV 2006, 285 ff. RGBl. 1919, 543. Vgl. Hartmann in Gürsching/Stenger, § 7 ErbStG Rz. 1 (Stand: September 2011).
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§ 7 ErbStG Rz. 11 Schenkungen unter Lebenden tionstechnik wurde bis heute beibehalten. Allerdings gab man die seit § 3 ErbStG i.d.F. v. 20.7.19221 getroffene Unterscheidung zwischen der bürgerlich-rechtlichen Schenkung (Abs. 1 Nr. 1) und anderen freigebigen Zuwendungen (Abs. 1 Nr. 2) mit der Erbschaftsteuerreform 1974 wieder auf.2 Denn nach Rspr. des BFH war diese gesetzliche Differenzierung überflüssig. Der BFH hatte ausgeführt: „Die Schenkung im Sinne des bürgerlichen Rechts (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 ErBStG) ist ein Unterfall der freigebigen Zuwendung des § 3 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG. Es braucht deshalb nur untersucht zu werden, ob eine freigebige Zuwendung i.S.d. ErbStG vorliegt. Wird diese verneint, so ist auch eine Schenkung i.S.d. bürgerlichen Rechts nicht gegeben. Siehe dazu das Gutachten des Reichsfinanzhofs I D 1/30 vom 21.5.1931 (Slg. Bd. 29 S. 137, Reichssteuerblatt – RStBl. – 1931, S. 559).“3 Seit 1.1.1974 gilt nun § 7 ErbStG, ursprünglich i.d.F. v. 20.4.1974,4 zuletzt geändert durch das Gesetz zur Umsetzung der Beitreibungsrichtlinie sowie zur Änderung steuerlicher Vorschriften vom 7.12.2011.5
B. Freigebige Zuwendung (Abs. 1 Nr. 1) I. Grundaussagen der Vorschrift 1. Regelungsgegenstand 11
Wenn es nach der veröffentlichten Rspr. geht, dann stellt die freigebige Zuwendung nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG, als Grundtatbestand der Schenkungen unter Lebenden, sicherlich die bedeutsamste Vorschrift des ErbStG dar. Nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG gilt als Schenkung unter Lebenden jede freigebige Zuwendung unter Lebenden, soweit der Bedachte durch sie auf Kosten des Zuwendenden bereichert wird. Die Vorschrift enthält damit zunächst einmal drei objektive Tatbestandsmerkmale: (1) Freigebige Zuwendung unter Lebenden, (2) objektive Bereicherung des Bedachten und (3) auf Kosten des Zuwendenden. Darüber hinaus setzt der Tatbestand aber noch ein subjektives Tatbestandsmerkmal, nämlich den Willen zur Freigebigkeit, voraus. Der Zuwendungstatbestand ist erfüllt, wenn die Zuwendung i.S.d. § 9 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG ausgeführt ist.
12
Der steuerliche Schenkungsbegriff i.S.d. § 7 ErbStG stimmt nicht mit der zivilrechtlichen Definition der Schenkung überein (vgl. schon unter Rz. 1). Dass sich die Schenkungsteuer immer noch auf Schenkungen bezieht, erklärt sich historisch. Inzwischen hat sich die Schenkungsteuer von der Schenkung i.S.d. § 516 BGB gelöst und erfasst freigebige Zuwendungen. Das Erbschaftsteuergesetz 1919 unterschied noch zwischen Schenkungen i.S.d. bürgerlichen Rechts und anderen freigebigen Zuwendungen unter Lebenden, durch die der Bedachte auf Kosten des Zuwendenden bereichert wurde (vgl. schon unter Rz. 10). Der Unterschied zwischen beiden Begriffen lag ausschließlich in der subjektiven Seite. Eine Schenkung nach BGB setzt voraus, dass auch auf Seiten des Beschenkten ein Bereicherungswille besteht. Für die freigebige Zuwendung reicht es aus, wenn der Bereicherungswille lediglich bei dem Zuwendenden vorliegt.6 Eine freigebige Zuwendung umfasst demnach die Schenkung im bürgerlich-rechtlichen Sinne mit.7 Der Gesetzgeber hat daher bei der Neufassung des Gesetzes mit Wirkung ab 1.1.1974 die Unterscheidung aufgegeben und sich auf die Aufnahme des Oberbegriffs „freigebige Zuwendung“ beschränkt (vgl. schon unter Rz. 10). Eine sachliche Änderung ist dadurch nicht eingetreten.8 1 2 3 4 5 6 7
RGBl. I 1922, 695. Vgl. Hartmann in Gürsching/Stenger, § 7 ErbStG Rz. 1 (Stand: September 2011). BFH v. 2.10.1957 – II 127/57 U, BStBl. III 1957, 449. BGBl. I 1974, 933. BGBl. I 2011, 2592. Vgl. BFH v. 2.10.1957 – II 127/57 U, BStBl. III 1957, 449. Der BFH fasste deshalb die Schenkung i.S.d. bürgerlichen Rechts als Unterfall der freigebigen Zuwendung i.S.d. Erbschaftsteuergesetzes auf, BFH v. 2.10.1957 – II 127/57 U, BStBl. III 1957, 449. 8 Vgl. Schuck in V/K/S/W4, § 7 ErbStG Rz. 2.
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Freigebige Zuwendung (Abs. 1 Nr. 1)
Rz. 19 § 7 ErbStG
2. Bedeutung und Telos § 3 ErbStG enthält einen abschließenden Katalog der Erwerbe von Todes wegen.1 Die Vorschrift 13 grenzt den Erwerb von Todes wegen gegenüber Schenkungen unter Lebenden ab. Von der Systematik her hat der Gesetzgeber in § 3 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 ErbStG zunächst die Erwerbe geregelt, die unmittelbar auf den Erblasser zurückgehen. Die weiteren Erwerbe, die als vom Erblasser zugewandt gelten und damit als Erwerbe von Todes wegen zu behandeln sind, finden sich in § 3 Abs. 2 Nr. 1 bis 7 ErbStG. Für die Prüfungsreihenfolge gilt also, dass immer zunächst die in § 3 Abs. 1 ErbStG genannten Erwerbe zu prüfen sind. Ist keiner der dort genannten Erwerbstatbestände einschlägig, kommen solche aus § 3 Abs. 2 ErbStG in Betracht. Greifen auch diese nicht, ist der Erwerb erbschaftsteuerfrei. Im Gegensatz zu dieser abschließenden Aufzählung in § 3 ErbStG ist die Aufzählung der diversen Erwerbstatbestände in § 7 ErbStG nicht abschließend. Der Gesetzgeber hat dies deutlich gemacht, indem er den Anwendungsbereich des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG auf „jede“ freigebige Zuwendung unter Lebenden erstreckt hat. Für die Prüfungsreihenfolge gilt: Zunächst sind die spezielleren Tatbestände der § 7 Abs. 1 Nr. 2 bis 10, Abs. 6, Abs. 7 und Abs. 8 ErbStG zu prüfen. Sind sie nicht einschlägig, kommt § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG als Grund- und damit gleichzeitig Auffangtatbestand in Betracht. Voraussetzung ist dann, dass die drei objektive Tatbestandsmerkmale und – subjektiv – der Wille zur Freigebigkeit vorliegen (vgl. schon unter Rz. 12). 3. Geltungsbereich und Verhältnis zu anderen Vorschriften Die Abgrenzung des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG zu den Erwerben von Todes wegen gem. § 3 ErbStG 14 folgt den für § 7 ErbStG generell geltenden Regeln vgl. schon unter Rz. 1, 7 ff.). Im Verhältnis zu den übrigen, spezielleren Erwerbstatbeständen aus § 7 ErbStG stellt § 7 Abs. 1 15 Nr. 1 ErbStG den Grund- und damit Auffangtatbestand dar (vgl. schon unter Rz. 1). Liegen die Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG vor, ist ein Vorgang steuerbar. Die Steuer- 16 pflicht bestimmt sich dann nach den allgemeinen Regeln, die für § 7 ErbStG generell gelten (vgl. schon unter Rz. 1, 7 ff.). 4. Rechtsentwicklung Seit dem 1.1.1974 gilt § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG in der aktuell geltenden Fassung; seitdem wird also 17 nicht mehr zwischen der Schenkung i.S.d. BGB und einer anderen freigebigen Zuwendungen unterschieden (vgl. schon unter Rz. 10).
II. Freigebige Zuwendung unter Lebenden 1. Unentgeltlichkeit a) Objektive Unentgeltlichkeit Eine freigebige Zuwendung liegt vor, wenn die Zuwendung unentgeltlich erfolgt. Dies ist der Fall, 18 wenn die Zuwendung weder in rechtlichem Zusammenhang mit einer Gegenleistung noch zur Erfüllung einer Verbindlichkeit (und sei es auch nur einer Naturalobligation) erfolgt.2 Die Bereicherung muss (objektiv) unentgeltlich sein. Teilweise wird vertreten, dass es eine objektive 19 Unentgeltlichkeit als Voraussetzung einer freigebigen Zuwendung unter Lebenden nicht gäbe.3 Das Kriterium der „Unentgeltlichkeit“ sei vielmehr allein im Zusammenhang mit dem subjektiven Tatbestandsmerkmal des Willens zur Freigebigkeit zu erörtern.4 Auch wenn sich dieses Verständnis aus dogmatischen Gründen nachvollziehen ließe, kann die Frage einer Entgeltlichkeit oder Unentgeltlichkeit nicht allein der subjektiven Betrachtungsweise von Schenker und Beschenktem vorbehalten 1 2 3 4
BFH v. 4.5.2011 – II R 34/09, BStBl. II 2011, 725 = FR 2011, 870 = ErbStB 2011, 214. R E 7.1 Abs. 2 Satz 3 ErbStR 2011. Meincke16, § 7 ErbStG Rz. 13. Meincke16, § 7 ErbStG Rz. 13.
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§ 7 ErbStG Rz. 20 Schenkungen unter Lebenden bleiben. Denn die Beurteilung, ob eine Zuwendung entgeltlich oder unentgeltlich erfolgt, kann – objektiv und nachprüfbar – nur mit Blick auf den Verkehrswert der Leistung des anderen oder im Vergleich des Verkehrswerts der Leistung des einen mit dem Verkehrswert der Leistung des anderen sinnvoll erfolgen. Auch die Beteiligten haben sicherlich eine Vorstellung vom Wert einer solchen Leistung oder, vielleicht besser: von den, den Wert begründenden Tatsachen oder – verkehrswesentlichen – Eigenschaften. Diese subjektiven Wertvorstellungen mögen dann zivilrechtlich im Rahmen beispielsweise der §§ 119 ff. BGB eine Rolle spielen. Einen feststellbaren objektiven Wert setzen sie aber geradezu voraus. b) Schenkungsversprechen und Bewirkung der Leistung 20
Die Frage der Unentgeltlichkeit ist unter Rückgriff auf die schuldrechtliche Rechtsgrundabrede zu beurteilen. Dieser allein ist der Maßstab. Wurde in der Vergangenheit eine Leistung als unentgeltlich gewährt, ist der Vorgang schenkungsteuerrechtlich abgeschlossen und kann nicht durch nachträgliche Vereinbarungen zu einem entgeltlichen Vorgang umqualifiziert werden. Gleiches gilt auch umgekehrt. Anderes ist nur denkbar, wenn entsprechende Vorbehalte bereits in der ursprünglichen vertraglichen Vereinbarung enthalten waren.
21
Dass nur die tatbestandlichen Voraussetzungen der freigebigen Zuwendung für die Steuerbarkeit einer Vermögensverschiebung maßgebend sind, die bereits zu Lebzeiten des Zuwendenden vollzogen wird, hat der Steuergesetzgeber überdies in § 7 Abs. 4 ErbStG ausdrücklich klargestellt. Danach wird die Steuerpflicht einer Schenkung unter Lebenden nicht dadurch ausgeschlossen, dass sie in die Form eines „lästigen“ Vertrages gekleidet wird. Nicht die äußere Form, sondern allein der Inhalt des Rechtsgeschäfts entscheidet über die Steuerbarkeit eines vereinbarten Erwerbsvorgangs.1 Ohne Belang ist deshalb auch, ob die freigebige Zuwendung offen oder verdeckt erfolgt.2
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Eine freiwillige Zuwendung vollzieht sich regelmäßig in mehreren Schritten. Am Anfang steht das Schenkungsversprechen. Hierbei handelt es sich um ein Rechtsgeschäft, das zu seiner Wirksamkeit der notariellen Beurkundung bedarf (§ 518 Abs. 1 BGB). Die mangelnde notarielle Beglaubigung kann allerdings durch die tatsächliche Bewirkung der Schenkung geheilt werden (§ 518 Abs. 2 BGB). Nach der Abgabe des Schenkungsversprechens folgt die Bewirkung der Leistung nach. Diese kann z.B. in der Übertragung des Eigentums, dem Erlass einer Schuld oder der Abtretung einer Forderung bestehen. Bei der Schenkung von Sachen kommt ggf. die körperliche Übergabe hinzu.
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Ein schenkungsteuerlich relevanter Sachverhalt kann auch dann vorliegen, wenn ein Zivilgericht die Schenkung selbst als nichtig beurteilt hat.3 Es empfiehlt sich also, im steuerrechtlichen Verfahren Sachverhalte zusätzlich zu unterfüttern und bei einer umstrittenen rechtlichen Grundlage nicht nur auf zivilrechtliche Entscheidungen zu verweisen.4
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Schenkungsversprechen und Bewirkung der Leistung folgen grundsätzlich einander nach, wobei die Zeitspanne zwischen beiden Schritten unerheblich ist. In besonderen Fällen, wie z.B. der sog. Handschenkung, ist eine zeitliche Differenz überhaupt nicht ersichtlich; die einzelnen Bereiche gegen vielmehr ineinander über.
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Bei Grundstücksschenkungen hingegen kann zwischen Schenkungsversprechen und der tatsächlichen Eigentumsübertragung ein längerer Zeitraum liegen, da die Grundstücksschenkung erst dann ausgeführt ist, wenn die Auflassung erklärt wurde und der bisherige Eigentümer die Bewilligung zur Eintragung der Eigentumsänderung in das Grundbuch erklärt hat (§ 19 GBO). Die tatsächliche Eintragung ist unerheblich. Erfolgt die Aufhebung der Schenkungsabrede vor der Umschreibung des Eigentums im Grundbuch, wird kein schenkungsteuerlich relevanter Sachverhalt verwirklicht.5
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Entscheidend für die Entstehung der Schenkungsteuer ist nicht das Schenkungsversprechen, sondern nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG die tatsächliche Ausführung der Schenkung. Dann ist der Zuwendungs1 2 3 4 5
RFH v. 9.7.1931 – I e A 886/28, RStBl. 1931, 971. Gebel in T/G/J, § 7 ErbStG Rz. 16 (Stand: Juli 2015). FG Münster v. 2.2.2012 – 3 K 1291/09, 3 K 1293/09, 3 K 1295/09, EFG 2012, 1576. Heinrichshofen, FG Münster v. 2.2.2012 – 3 K 1291/09, 3 K 1293/09 Erb, ErbStB 2012, 236. BFH v. 24.7.2002 – II R 33/01, BStBl. II 2002, 781 = FR 2002, 1374 m. Anm. Viskorf = ErbStB 2003, 6.
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Freigebige Zuwendung (Abs. 1 Nr. 1)
Rz. 30 § 7 ErbStG
vorgang abgeschlossen i.S.d. Gesetzes. Erst dann ist die Vermögensverschiebung im steuerlichen Sinne endgültig. Die Schenkungsteuer knüpft nicht bereits an die Abgabe des Versprechens einer unentgeltlichen Leistung an.1 Ob eine freigebige Zuwendung vorliegt, ist anhand der gemeinen Werte (Verkehrswerte) der Zuwendungsgegenstände und der ggf. vom Bedachten zu erfüllenden Gegenleistungen und Auflagen auf den nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG maßgeblichen Zeitpunkt zu beurteilen.2 Erst dann, wenn eine freigebige Zuwendung festgestellt wurde, richtet sich die Bewertung der zugewendeten Wirtschaftsgüter und der ggf. vom Bedachten zu erfüllenden Gegenleistungen und Auflagen nach § 12 ErbStG.3 c) Ausschluss der Schenkungsteuerbarkeit durch ertragsteuerliche Erfassung Keine schenkungsteuerbaren Zuwendungen können Leistungen sein, die als Einnahme oder Ent- 27 gelt ertragsteuerlich zu erfassen sind.4 Während der II. Senat des BFH insoweit die Freigebigkeit verneinte,5 hatte der VIII. Senat es bereits – objektiv – tatbestandlich für ausgeschlossen gehalten, dass mit derselben Handlung sowohl eine freigebige Zuwendung zu verwirklichen, als auch wirtschaftlich am Markt teilzunehmen sei (§ 2 EStG).6 Im konkreten Fall unterfiel jedoch ein und derselbe Lebenssachverhalt tatbestandlich sowohl der Einkommen- als auch der Schenkungsteuer. In diesem Fall ließ der VIII. Senat bei summarischer Prüfung die Ertragsbesteuerung zurückzutreten.7 Nach st. Rspr. des BFH ist der Erwerb eines zugewendeten Gegenstandes, auf den kein Rechts- 28 anspruch besteht, (objektiv) unentgeltlich, wenn er nicht rechtlich abhängig ist von einer den Erwerb ausgleichenden Gegenleistung des Erwerbers.8 d) Rechtliche Abhängigkeiten und Verknüpfungen Als rechtliche Abhängigkeit, welche die Unentgeltlichkeit ausschließt und Entgeltlichkeit begründet, 29 kommen Verknüpfungen sowohl nach Art eines gegenseitigen Vertrages (synallagmatische Verknüpfung) als auch durch Setzen einer Bedingung (konditionale Verknüpfung) oder eines entsprechenden Rechtszwecks (kausale Verknüpfung) in Betracht. Dies bedeutet insbesondere, dass die sog. belohnende (Schenkung als unentgeltliche Zuwendung eingeordnet werden muss (vgl. § 7 Abs. 4 ErbStG). Bereicherungsausschließend bzw. bereicherungsmindernd auswirken kann sich nur eine (Gegen-)Leistung des Beschenkten, die mit der Leistung des Schenkers in einem rechtlichen Zusammenhang steht; dies ist nicht gegeben, wenn sich unterschiedliche Ansprüche nur faktisch ausschließen, ohne aber rechtlich miteinander verknüpft oder voneinander abhängig zu sein.9 Von einer konditionalen Verknüpfung zwischen Leistung und Gegenleistung ist auszugehen, wenn 30 der Leistende die Gegenleistung zwar nicht beanspruchen darf, diese aber zur Bedingung für die eigene Leistung macht. Während bei der Verknüpfung nach Art eines gegenseitigen Vertrags die beiderseitigen Leistungspflichten derart in einem Abhängigkeitsverhältnis zueinander stehen, dass jeder Vertragspartner seine Leistung um der anderen willen verspricht, ist die Gegenleistung bei der konditionalen Verknüpfung (§ 158 BGB) eine Wirksamkeitsvoraussetzung und bei der Verbindung durch Setzung eines Rechtszwecks, also der kausalen Verknüpfung, nur Geschäftsgrundlage für die eigene Leistung.10
1 BFH v. 28.11.1967 – II 72/63, BStBl. II 1968, 239; v. 15.3.2007 – II R 5/04, BStBl. II 2007, 472 = FR 2007, 851 = ErbStB 2007, 159. 2 Vgl. R E 7.1 Abs. 2 Satz 2 ErbStR 2011. 3 Vgl. R E 7.1 Abs. 4 ErbStR 2011. 4 BFH v. 27.8.2014 – II R 44/13, BStBl. II 2015, 249 = FR 2015, 383 = ErbStB 2014, 326. 5 BFH v. 27.8.2014 – II R 44/13, BStBl. II 2015, 249 = FR 2015, 383 = ErbStB 2014, 326. 6 BFH v. 12.9.2011 – VIII B 70/09, ErbStB 2012, 32 = DStRE 2012, 154. 7 BFH v. 12.9.2011 – VIII B 70/09, ErbStB 2012, 32 = DStRE 2012, 154. 8 BFH v. 21.5.2001 – II R 48/99, BFH/NV 2001, 1407. 9 BFH v. 21.5.2011 – II R 48/99, BFH/NV 2011, 1407. 10 FG Nürnberg v. 9.6.2005 – IV 446/2004, DStRE 2005, 1154.
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§ 7 ErbStG Rz. 31 Schenkungen unter Lebenden 31
Eine kausale Verknüpfung liegt vor, wenn die Gegenleistung nicht Wirksamkeitsbedingung ist, sondern Geschäftsgrundlage für die eigene Leistung.1 Eine kausale Verknüpfung der Leistung mit einer Gegenleistung kann vorliegen, wenn die Bewirkung der erstrebten Gegenleistung Geschäftsgrundlage für die eigene Leistung ist. Es kann sich aber auch um eine Zweckschenkung handeln, die als unentgeltlich anzusehen ist. Die Abgrenzung ist nach dem Parteiwillen vorzunehmen. Je mehr die Zweckerreichung dem Interesse des Leistenden oder einem Dritten dient, desto näher liegt die Annahme einer kausalen Verknüpfung. Je mehr die Zweckerreichung dem Interesse des Leistungsempfängers dient, desto näher liegt die Annahme einer Zweckschenkung.2 Zweckzuwendungen sind nach § 8 ErbStG Zuwendungen von Todes wegen oder freigebige Zuwendungen unter Lebenden, die mit der Auflage verbunden sind, zugunsten eines bestimmten Zwecks verwendet zu werden, oder die von der Verwendung zugunsten eines bestimmten Zwecks abhängig sind, soweit hierdurch die Bereicherung des Erwerbers gemindert wird. Von der Rspr. wurde eine kausale Verknüpfung der Leistung mit der Gegenleistung deshalb – ausschließlich – in den Fallgestaltungen anerkannt, in denen der Empfänger zu einem Verhalten bewegt werden sollte, das seinem eigenen Willen nicht entsprach.3
32
Eine Bereicherung tritt nicht ein, soweit der Empfänger das Erhaltene rechtlich beanspruchen konnte, z.B. infolge einer entsprechenden Forderung oder als Entlohnung für vereinbarte Dienste. e) Zinsloses/niedrigverzinsliches Darlehen
33
Unter Anwendung dieser Rechtsgrundsätze liegt deshalb zwar grundsätzlich bei der zinslosen Überlassung eines Darlehens eine objektive Unentgeltlichkeit vor.4 Gleiches gilt für ein niedrigverzinsliches Darlehen.5 Der Empfänger eines zinslosen/niedrigverzinslichen Darlehens erfährt durch die Gewährung des Rechts, das als Darlehen überlassene Kapital unentgeltlich zu nutzen, eine Vermögensmehrung, die der Schenkungsteuer unterliegt. Die Minderung des Vermögens des Zuwendenden besteht dabei darin, dass er auf einen Ertrag verzichtet, den er bei verkehrsüblichem Verhalten gezogen hätte. Der Verzicht auf die zum Vermögen des Darlehensgebers gehörende Nutzungsmöglichkeit ist eine Vermögensminderung. Dabei ist es unerheblich, dass zivilrechtlich in der bloßen vorübergehenden Gebrauchsüberlassung einer Sache in der Regel keine das Vermögen mindernde Zuwendung liegt, wie sie für eine Schenkung gem. § 516 Abs. 1 BGB erforderlich ist.6
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Der Jahreswert des Nutzungsvorteils für ein zinsfreies Darlehen ist regelmäßig gem. § 15 Abs. 1 BewG mit 5,5 % anzusetzen,7 wenn kein anderer Wert feststeht.8 Bei einem zinsgünstigen Darlehen entspricht der Nutzungsvorteil der Differenz zwischen den tatsächlich vereinbarten Zinsen und dem Zinssatz von 5,5 %, wenn kein anderer Wert feststeht.9 Die Steuer entsteht mit der Überlassung der Darlehensmittel.
35
Diese Beurteilung ändert sich aber dann, wenn die zinslose Überlassung in ein synallagmatisches Verhältnis gestellt wird.10 Ein solches Verhältnis hat der BFH angenommen, als ein zinslos gewährtes Darlehen in Zusammenhang gestellt wurde mit einem im Gegenzug eingeräumten unbedingten Vorkaufsrecht.11
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FG Rh.-Pf. v. 5.11.2009 – 4 K 1338/05, Rz. 28, juris. BFH v. 15.3.2007 – II R 5/04, BStBl. II 2007, 472 = FR 2007, 851 = ErbStB 2007, 159. BFH v. 15.3.2007 – II R 5/04, BStBl. II 2007, 472 = FR 2007, 851 = ErbStB 2007, 159. BFH v. 4.3.2015 – II R 19/13, ErbStB 2015, 189 = BFH/NV 2015, 993. BFH v. 11.4.2006 – II R 13/04, BFH/NV 2006, 1665, 1666; FG München v. 24.1.2007 – 4 K 2798/04, EFG 2007, 782, rkr. nach Rücknahme der NZB, BFH v. 25.5.2007 – II B 18/07. BFH v. 27.10.2010 – II R 37/09, BStBl. II 2011, 134. BFH v. 4.3.2015 – II R 19/13, ErbStB 2015, 189 = BFH/NV 2015, 993. BFH v. 27.10.2010 – II R 37/09, BStBl. II 2011, 134. BFH v. 27.10.2010 – II R 37/09, BStBl. II 2011, 134. BFH v. 11.4.2006 – II R 13/04, BFH/NV 2006, 1665 (1666). BFH v. 11.4.2006 – II R 13/04, BFH/NV 2006, 1665 (1666).
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Freigebige Zuwendung (Abs. 1 Nr. 1)
Rz. 40 § 7 ErbStG
f) Besonderheiten bei Ehe/Lebensgemeinschaft Dem Vorliegen einer freigebigen Zuwendung steht es demgegenüber nicht entgegen, dass wenn 36 Schenker und Beschenkter entweder Partner einer nichtehelichen (eheähnlichen) Lebensgemeinschaft oder aber sogar miteinander verheiratet sind und ein zinsloses/zinsverbilligtes Darlehen im Zusammenhang mit der Eingehung der Lebensgemeinschaft/Ehe gewährt wird.1 Eine eheähnliche Lebensgemeinschaft ist dadurch gekennzeichnet, dass sie auf Dauer angelegt ist, 37 daneben keine weitere Lebensgemeinschaft gleicher Art zulässt und sich durch innere Bindungen auszeichnet, die ein gegenseitiges Einstehen der Partner füreinander begründen, also über die Beziehungen einer reinen Haushalts- und Wirtschaftsgemeinschaft hinausgehen.2 Die eheähnliche Lebensgemeinschaft zeichnet sich somit durch vielfältige persönliche und materielle Beziehungen aus. Zuwendungen zwischen den Lebensgefährten, die der Verwirklichung der eheähnlichen Lebensgemeinschaft dienen, haben demgemäß zivilrechtlich nach denselben Grundsätzen, wie sie für Zuwendungen zwischen Ehegatten gelten, keinen Schenkungscharakter.3 Schenkungsteuerrechtlich ist dies ebenso wenig maßgebend wie die zivilrechtliche Beurteilung von Zuwendungen zwischen Ehegatten. Sog. unbenannte (ehebedingte) Zuwendungen sind nicht deswegen von der Schenkungsteuer ausgenommen, weil sie – wegen ihres spezifisch ehebezogenen Charakters – zivilrechtlich keine Schenkungen i.S.d. §§ 515 ff. BGB darstellen. Die Schenkungsteuerpflicht unbenannter Zuwendungen beurteilt sich vielmehr – nicht anders als bei 38 sonstigen Zuwendungen – nach den allgemeinen Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG. Die danach u.a. erforderliche objektive Unentgeltlichkeit der Leistung kann nicht allein deswegen verneint werden, weil der unbenannten Zuwendung besondere ehebezogene Motive zugrunde liegen.4 Dem steht nicht entgegen, dass diese Zuwendungen unter Ehegatten zivilrechtlich nicht als Schenkungen i.S.d. §§ 516 ff. BGB eingeordnet werden. Maßgebend für die Schenkungsteuerbarkeit unbenannter Zuwendungen ist allein, dass diese den objektiven und subjektiven Tatbestand der freigebigen Zuwendung erfüllen.5 Die danach u.a. erforderliche objektive Unentgeltlichkeit der Leistung, kann nicht allein deswegen verneint werden, weil der unbenannten Zuwendung besondere ehebezogene Motive zugrunde liegen, etwa dahingehend, dass die Zuwendung dem „Ausgleich für geleistete Mitarbeit“ des bedachten Ehegatten oder dessen „angemessener Beteiligung an den Früchten des ehelichen Zusammenwirkens“ dienen soll.6 Die selben Grundsätze gelten auch für die Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft. Wen- 39 det ein Lebensgefährte aus Anlass der Eingehung der eheähnlichen Gemeinschaft dem anderen freigebig etwas zu, ist diese Zuwendung keine Gegenleistung für die Eingehung der Gemeinschaft und die Eingehung der Gemeinschaft auch keine Gegenleistung für die Zuwendung. Allenfalls kann es sich um eine belohnende Schenkung handeln, die nach § 7 Abs. 4 ErbStG der Steuerpflicht der freigebigen Zuwendung nicht entgegensteht. Davon abgesehen kann die Eingehung einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft auch nicht in Geld veranschlagt werden und muss daher nach § 7 Abs. 3 ErbStG bei der Feststellung, ob eine Bereicherung des Empfängers der Zuwendung vorliegt, unberücksichtigt bleiben.7 Wichtig für den Berater ist es, ein Gespür für potentiell schenkungsteuerlich relevante Sachverhalte 40 zu entwickeln. Denn dort, wo eine „Freigebigkeit“ auftauchen könnte, lassen sich häufig noch rechtzeitig gestalterisch Alternativen finden, bei denen mit rechtlichen Verknüpfungen oder vereinbarten Gegenleistungen der Schenkungsteuer – zumindest zum Teil – entgegengearbeitet werden kann.
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BVerfG v. 17.11.1992 – 1 BvL 8/87, BVerfGE 87, 234. Vgl. BFH v. 27.11.2013 – II R 25/12, ErbStB 2014, 89 = BFH/NV 2014, 537. BGH v. 9.7.2008 – XII ZR 179/05, BGHZ 177, 193 = ErbStB 2008, 325. BFH v. 2.3.1994 – II R 59/92, BStBl. II 1994, 366; v. 24.8.2005 – II R 28/02, ErbStB 2006, 6 = BFH/NV 2006, 63. 5 BFH v. 2.3.1994 – II R 125/89, BFH/NV 1995, 341. 6 BFH v. 2.3.1994 – II R 59/92, BStBl. II 1994, 366. 7 BFH v. 27.11.2013 – II R 25/12, ErbStB 2014, 89 = BFH/NV 2014, 537; mit Zuwendungen unter nichtehelichen Lebenspartner beschäftigt sich Franck, ErbStB 2014, 100 ff. ausf. unter zivilrechtlichen Gesichtspunkten.
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§ 7 ErbStG Rz. 41 Schenkungen unter Lebenden 2. Gemischte Schenkung/Schenkung unter Auflage a) Gemischte Schenkung 41
Dogmatisch gesehen ist bei dem Tatbestandsmerkmal der „Unentgeltlichkeit“ die freigebige Zuwendung unter Lebenden zur gemischten Schenkung und zur Schenkung unter Auflage abzugrenzen.
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Auch wenn unter einer Schenkung üblicherweise eine einseitige Leistung des Zuwendenden an den Beschenkten verstanden wird, gibt es eine Vielzahl von Fällen, in denen zwischen Schenkern und Beschenkten zweiseitige Verträge geschlossen werden. Diese Verträge zeichnen sich dadurch aus, dass auch der Beschenkte eine Leistung zu erbringen hat, die jedoch wertmäßig der Leistung des Schenkers nicht entspricht. Man spricht in diesem Fällen von einer gemischten Schenkung.
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Zivilrechtlich liegt eine gemischte Schenkung vor, wenn der Beschenkte durch einen Überschuss des Werts der Zuwendungen verglichen mit seinen Gegenleistungen objektiv bereichert wird, die Vertragsparteien sich dieses Überschusses bewusst und subjektiv darüber einig sind, jedenfalls den überschießenden Zuwendungsteil dem Beschenkten unentgeltlich zuzuwenden.
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Dies setzt nicht voraus, dass der objektive Wert der Zuwendung mindestens das Doppelte der Gegenleistungen beträgt.1
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Bei einer gemischten Schenkung, die regelmäßig mit einem Kauf verbunden ist, herrscht neben einem Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung Einverständnis der Parteien, dass die Wertdifferenz unentgeltlich zugewendet wird.2
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Über das objektive Missverhältnis hinaus muss der subjektive Tatbestand hinzutreten: Er fehlt, wenn die Parteien trotz des erkannten Missverhältnisses den Vertrag als entgeltlich betrachten.3
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Liegt ein objektives Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung vor oder ist die Bewertung der wechselseitigen Leistungen willkürlich, so streitet eine tatsächliche Vermutung für eine gemischte Schenkung.4
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Eine bloße Wertdifferenz zugunsten des Beschenkten reicht für eine gemischte Schenkung nicht aus. Übergabeverträge, die eine künftige Erbfolge vorwegnehmen, sind regelmäßig gemischte Schenkung.5
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Keine gemischte Schenkung, sondern zwei selbständige Verträge, nämlich Kauf und Schenkung, liegen vor, wenn die überschießende Differenz real teilbar ist.6
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Die Einheitstheorie fasst das Geschäft als vermischten Vertrag auf, der den Bestimmungen beider Vertragstypen unterliegt; Normkollisionen sind durch Anwendung der dem Vertragszweck entsprechenden Bestimmung aufzulösen.7 Die Trennungstheorie behandelt den entgeltlichen und den unentgeltlichen Teil des Vertrags jeweils nach den insoweit maßgebenden Vorschriften.8 Die überwiegende Auffassung, der der Vorzug einzuräumen ist, folgt der Zweckwürdigungstheorie, die nach Maßgabe des Vertragszwecks, dem Überwiegen von Entgeltlichkeit und Unentgeltlichkeit, entscheidet, welche Normen Vorrang genießen.9
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Alle der genannten Theorien beziehen sich auf die zivilrechtliche Durchführung, Abwicklung und Rückabwicklung einer gemischten Schenkung, wohingegen im Schenkungsteuerrecht die stichtagsbezogene Bereicherung allein maßgeblich sein sollte; aus diesem Grunde lässt sich aus den zivilrechtlichen Theorien eigentlich überhaupt nichts für die schenkungsteuerliche Bewertung herleiten.10
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BGH v. 18.10.2011 – X ZR 45/10, ErbStB 2012, 140 = NJW 2012, 605. BGH v. 6.3.1996 – IV ZR 374/94, NJW-RR 1996, 754. BGH v. 18.5.1990 – V ZR 304/88, WM 1990, 1790 (1792). BGH v. 18.10.2011 – X ZR 45/10, ErbStB 2012, 140 = NJW 2012, 605. BGH v. 7.4.1989 – V ZR 252/87, NJW 1989, 2122. Weidenkaff in Palandt75, § 515 BGB Rz. 13. Vgl. die Nachw. bei Wimmer-Leonhardt in Staudinger, § 516 BGB Rz. 205. RG v. 27.6.1935 – IV 28/35, RGZ 148, 236 (238). Vgl. die Nachw. bei Weidenkaff in Palandt75, § 515 BGB Rz. 14. Geck in Kapp/Ebeling, § 7 ErbStG Rz. 50 (Stand: Juni 2015).
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Freigebige Zuwendung (Abs. 1 Nr. 1)
Rz. 57 § 7 ErbStG
Eine gemischte Schenkung setzt objektiv voraus, dass bei einem gegenseitigen Vertrag die Werte der 52 Leistungen in einem Missverhältnis zueinander stehen. Um diesen Sachverhalt zu erkennen, müssen die Werte der jeweiligen Leistungen nach bürgerlich-rechtlichen Grundsätzen ermittelt werden. Dabei handelt es sich regelmäßig um den Verkehrswert der entsprechenden Leistung. Nach der Rspr. des BFH1 ist bei einem auffallenden Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung (im Zeitpunkt des Rechtsgeschäfts) davon auszugehen, dass die Zuwendung im Umfang der Bereicherung unentgeltlich war, d.h. dass dem Zuwendenden der Wertunterschied bekannt und bewusst war. In einer Entscheidung hatte der BFH statt von einem auffallenden Missverhältnis – auch – von einem groben Missverhältnis gesprochen.2 „Auch“, weil in den Gründen der Entscheidung dann doch – nur – wieder vom auffallenden Missverhältnis die Rede war. Es dürfte also eher davon auszugehen sein, dass dem Gericht hier eine sprachliche Ungenauigkeit unterlaufen ist, als dass daran zu denken wäre, es wären möglicherweise strengere Kriterien aufgestellt worden. Das FG München hat bei einem Missverhältnis zwischen Verkehrswert von Leistung und Gegenleistung von über 51 % die Auffassung vertreten, dies sei auffällig genug.3 Die Praxis geht von einem auffälligen Missverhältnis aus, wenn die tatsächliche Gegenleistung die sonst übliche angemessene Gegenleistung um 20 bis 25 % unterschreitet.4 Subjektiv muss auch bei einer gemischten Schenkung der Wille des Schenkers vorliegen, den Be- 53 schenkten zu bereichern. Da es sich dabei um eine sog. innere Tatsache handelt, kommt der objektivierenden Theorie insoweit eine besondere Bedeutung zu. Grundsätzlich wird dabei widerlegbar vorausgesetzt, dass die Vertragsparteien das Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung kennen. Steuerrechtlich kann sowohl begrifflich, als auch rechtlich die gemischte Schenkung nur im Falle der 54 Schenkung unter Lebenden stattfinden, da im Falle des Erwerbes von Todes wegen durch die Regelungen der Gesamtrechtsnachfolge (§§ 1922 ff. BGB) stets ein einheitlicher unentgeltlicher Erwerb vorliegt. Dem trägt das Erbschaftsteuerrecht durch die Regelung des § 10 Abs. 1 Satz 2 ErbStG in der Weise Rechnung, dass ausschließlich der Nachlass Gegenstand der Besteuerung ist, Vermögen und Verbindlichkeiten im Nachlass also bei der Ermittlung der erbschaftsteuerlichen Bemessungsgrundlage stets saldiert werden. Im Falle der Schenkung unter Lebenden trifft das Erbschaftsteuergesetz keine Regelung darüber, wie 55 Verbindlichkeiten, die zusammen mit Vermögen auf den Bedachten übertragen werden, bei der Ermittlung der schenkungsteuerlichen Bemessungsgrundlage zu berücksichtigen sind. Für die Frage der Bereicherung des Bedachten im Schenkungsteuerrecht – insoweit dem Zivilrecht folgend – wird deshalb zunächst unterschieden zwischen – der reinen Schenkung ohne Gegenleistung, – und der Schenkung mit einer Verpflichtung oder Belastung des Beschenkten. b) Schenkung unter Auflage Bei der Schenkung, durch die dem Erwerber eine Verpflichtung auferlegt wird, wird weiter diffe- 56 renziert5 zwischen: – der gemischten Schenkung, – und der Schenkung unter Auflage. Auch insoweit wird dem Zivilrecht gefolgt, das für die Fälle der gemischten Schenkung die Regelung 57 des § 516 BGB und für die der Schenkung unter Auflage die des § 525 BGB vorsieht. Bei der Schenkung unter Auflage handelt es sich um eine Zuwendung, die vom Beschenkten zwar keine Gegenleistung abfordert, diesen aber verpflichtet, eine vom Schenker verfügte Auflage zu erfüllen (§ 525 Abs. 1 BGB). Diese Auflage ist aus dem Wert der Schenkung zu erfüllen und mindert daher unmittelbar den Wert der Zuwendung. Die Auflage wird somit nicht als Schuld des Beschenkten gesehen. Klassische Beispiele
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BFH v. 1.7.1992 – II R 70/88, BStBl. II 1992, 921. BFH v. 10.9.1986 – II R 81/84, BStBl. II 1987, 80 (81). FG München v. 5.2.2001 – 4 V 3339/00, EFG 2001, 701. Vgl. Geck in Kapp/Ebeling, § 7 ErbStG Rz. 51.1 (Stand: Juni 2015). Vgl. BFH v. 12.4.1989 – II R 37/87, BStBl. II 1989, 524.
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§ 7 ErbStG Rz. 58 Schenkungen unter Lebenden für eine Schenkung unter Auflage ist die Übertragung eines Grundstücks im Generationenverbund gegen Einräumung eines Nießbrauchs- oder Wohnrechtes bzw. laufender Rentenzahlungen. 58
Die Rspr. des BFH,1 der sich die FinVerw. uneingeschränkt angeschlossen hat,2 sieht für die Schenkung unter Auflage unterschiedliche Rechtsfolgen vor, je nachdem, ob es sich um eine – Schenkung unter Leistungsauflage oder um eine – Schenkung unter Nutzungs- oder Duldungsauflage handelt.
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Die zivilrechtliche Unterscheidung zwischen gemischter Schenkung und Schenkung unter Auflage wurde erbschaftsteuerlich nicht übernommen.
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Bei der Leistungsauflage wird der Bedachte zu Leistungen verpflichtet, die er unabhängig vom Innehaben des auf ihn übergegangenen Gegenstands oder Rechts aus seinem persönlichen Vermögen erbringen muss. Typisches Beispiel ist die Verpflichtung eines Beschenkten, dem Schenker lebenslänglich eine Rente zu zahlen. Für die Beurteilung ist es in diesen Fällen unerheblich, ob die Beteiligten davon ausgehen bzw. ausgegangen sind, dass diese Rente aus den Erträgen des übertragenen Vermögens geleistet werden soll.
61
Die Leistungsauflage wird schenkungsteuerlich wie eine Gegenleistung behandelt. Die Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen erfolgt genau wie bei einer gemischten Schenkung. Die Belastung des übertragenen Vermögens führt zu einer Minderung des gemeinen Wertes und wird daher steuerlich berücksichtigt. Eine aufschiebend bedingte Leistungsauflage, die z.B. erst mit dem Tode des Beschenkten zu erfüllen ist, bleibt unberücksichtigt, da sie als bloße schuldrechtliche Verpflichtung den Beschenkten zum Zeitpunkt der Schenkung weder tatsächlich noch wirtschaftlich belastet.3
62
Eine Zuwendung, für die der Beschenkte eine Gegenleistung zu erbringen hat, stellt eine gemischte Schenkung dar, wenn Leistung und Gegenleistung nicht den gleichen Wert haben und die Parteien übereinstimmend davon ausgehen, dass der überschießende Wert der Leistung unentgeltlich übernommen wird. Bei der gemischten Schenkung ist als Besteuerungstatbestand der freigebigen Zuwendung die bürgerlich-rechtliche Bereicherung des Bedachten anzusehen, d.h. dass der Wille zur freigebigen Bereicherung des Bedachten den entgeltlichen Vertragsteil nicht mit umfasst. Lediglich der die Belastung übersteigende Wert stellt die schenkungsteuerliche Bereicherung dar.4 Die Bereicherung des Bedachten umfasst nicht den (anteiligen) entgeltlichen Erwerb des Bedachten. Denn insoweit liegt nach der Auffassung des BFH keine „freigebige Zuwendung“ i.S.d. § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG vor.
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Der Steuerwert der gemischten Schenkung orientiert sich am Bereicherungswillen des Schenkers. Nur insoweit, wie die Zuwendung des Schenkers die Gegenleistung des Bedachten übersteigt, handelt es sich um einen schenkungsteuerlich relevanten Vorgang. Die Leistung des Zuwendenden ist daher in einen entgeltlichen und einen unentgeltlichen Teil aufzuteilen. Nur hinsichtlich des unentgeltlichen Teiles liegt eine Schenkung vor.5
64
Bei der Übertragung eines Betriebes oder eines Anteils daran liegt eine gemischte Schenkung nur dann vor, wenn neben den Passiva des Betriebs weitere Leistungen durch den Beschenkten übernommen werden. Die Passiva des Betriebs stellen keine eigenständige Gegenleistung dar, weil der Betrieb als Zusammenfassung der Vermögensgegenstände abzgl. der Schulden Gegenstand der Schenkung ist.
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Auch in anderen Fällen führt nicht jede Wertabweichung zu einer gemischten Schenkung, zumal über eine teilweise Unentgeltlichkeit und die Frage einer Bereicherung nach zivilrechtlichen Grundsätzen zu entscheiden ist.6
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Bei der Bewertung der zugewendeten Leistung ist auf den Verkehrswert abzustellen.7 Dabei sind alle tatsächlichen, rechtlichen und wirtschaftlichen Umstände zu berücksichtigen, die üblicherweise vom 1 BFH v. 12.4.1989 – II R 37/87, BStBl. II 1989, 524; v. 16.12.1992 – II R 114/89, BFH/NV 1993, 298; v. 17.12.1993 – III R 29/91, BFH/NV 1994, 371. 2 R E 7.4 ErbStR 2011. 3 FG Köln v. 5.6.2009 – 9 K 4279/07, ErbStB 2009, 297. 4 BFH v. 19.10.2007 – II B 107/06, BFH/NV 2008, 573. 5 BFH v. 21.10.1981 – II R 176/87, BStBl. II 1982, 83. 6 BFH v. 17.10.2001 – II R 60/99, BStBl. II 2002, 165 = FR 2002, 474 m. Anm. Pohl/Deininger. 7 BFH v. 8.2.2006 – II R 38/04, BStBl. II 2006, 475 = FR 2006, 656 = ErbStB 2006, 143.
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Freigebige Zuwendung (Abs. 1 Nr. 1)
Rz. 72 § 7 ErbStG
Markt beachtet werden. Ungewöhnliche und persönliche Umstände haben dagegen unberücksichtigt zu bleiben. Ungewöhnliche und persönliche Umstände sind allerdings nur solche, mit denen der Verkehr bei 67 Abschätzung des Werts eines Wirtschaftsguts nicht zu rechnen pflegt, die lediglich in einem Einzelfall ausnahmsweise die Preisbildung beeinflusst haben; persönliche Verhältnisse weisen darüber hinaus die Besonderheit auf, dass sie in der Person des Käufers oder Verkäufers liegen.1 Wesentliche Veränderungen in wichtigen Betriebsteilen oder in der Geschäftsführung eines Unternehmens können dagegen trotz ihres persönlichen Charakters von solchem Gewicht für die Ertragskraft eines Unternehmens sein, dass sie den Verkehrswert beeinflussen.2 Eine Gegenleistung oder sonstige schenkungsteuerlich zu berücksichtigende Belastung des Empfän- 68 gers liegt nicht in der Übernahme der lediglich dinglichen Haftung für die auf einem zugewendeten Grundstück lastenden Grundschulden.3 Dies gilt unabhängig davon, ob der Veräußerer und Inhaber der Grundpfandrechte diese durch Ab- 69 tretung oder sonstige Übertragung auf einen Dritten verwertet oder nicht und wieweit die Grundpfandrechte dem Inhaber als Sicherung dienen.4 Maßgebend ist, wer im Innenverhältnis Zins und Tilgung zu tragen hat. Deshalb können Grundschuldverbindlichkeiten trotz Schuldbeitritt oder -übernahme durch den 70 Beschenkten abgezogen werden, solange der Schenker Zinsen und Tilgung bedient, z.B. aus dem noch für ihn bestehenden Nießbrauch.5 Bei der Ermittlung des Umfangs der Bereicherung im Rahmen der gemischten Schenkung konnte nach 71 dem bisherigen Verständnis nicht die gesamte übernommene Gegenleistung vom Steuerwert der Zuwendung abgezogen werden, sondern nur die Gegenleistung, die anteilig dem unentgeltlichen Teil der gemischten Schenkung entspricht.6 Nach der Erbschaftsteuerreform zum 1.1.2009 hat die FinVerw. mit den aktuellen Erbschaftsteuerrichtlinien diese Rechtsauffassung aufgegeben.7 Entsprechend § 10 Abs. 1 Satz 1 und 2 ErbStG gilt nun bei der gemischten Schenkung wie bei der Schenkung unter einer Auflage als steuerpflichtiger Erwerb die Bereicherung des Bedachten, soweit sie der Besteuerung nach diesem Gesetz unterliegt.8 Die Bereicherung wird ermittelt, indem von dem nach § 12 ErbStG zu ermittelnden Steuerwert der Leistung des Schenkers die Gegenleistungen des Beschenkten und die von ihm übernommenen Leistungs-, Nutzungs- und Duldungsauflagen mit ihrem nach § 12 ErbStG ermittelten Wert abgezogen werden.9 Hinsichtlich Nutzungs- und Duldungsauflagen gilt dies nur, soweit § 10 Abs. 6 Satz 6 ErbStG den Abzug nicht ausschließt, weil ein Nutzungsrecht sich bereits als Grundstücksbelastung bei der Ermittlung des gemeinen Werts eines Grundstücks ausgewirkt hat.10 Nach dem aktuellen Erbschaftsteuer- und Bewertungsrecht sollen bei allen zu bewertenden Wirt- 72 schaftsgütern stets die vom Gesetz vorgesehenen Bewertungsverfahren dazu führen, dass die gemeinen Werte der Wirtschaftsgüter ermittelt werden. Die nach den Vorschriften des Bewertungsgesetzes ermittelten Werte müssten folglich mit den gemeinen Werten identisch sein. Wenn dies aber so ist, dann gibt es keinen Grund mehr für die unterschiedliche Behandlung gemischter Schenkungen, die sich bislang durch Abweichungen zwischen Steuerwerten und gemeinen Werten rechtfertigte. Ob die Rspr. sich der Verwaltungsauffassung anschließen wird, bleibt abzuwarten. Dies dürfte wohl davon abhängig sein, ob auch die Rspr. zu dem Ergebnis kommt, dass durch das aktuelle Bewertungsrecht sämtliche Wirtschaftsgüter tatsächlich durch die vom Gesetz vorgegebenen Bewertungsverfahren mit ihren gemeinen Werten erfasst werden. 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10
BFH v. 26.2.2007 – II R 73/05, BFH/NV 2007, 1277. BFH v. 19.12.2007 – II R 22/06, BFH/NV 2008, 962. FG Nürnberg v. 26.4.2007 – 4 K 177/2007, rkr., erledigt durch BFH v. 9.12.2009 – II R 13/08. FG Nürnberg v. 26.4.2007 – 4 K 177/2007, rkr., erledigt durch BFH v. 9.12.2009 – II R 13/08. FG Hamburg v. 5.3.2009 – 3 K 210/08, ErbStB 2009, 375 = EFG 2010, 23, rkr. R 17 Abs. 2 ErbStR 2003. R E 7.4 Abs. 1 Satz 2 ErbStR 2011. R E 7.4 Abs. 1 Satz 1 ErbStR 2011. R E 7.4 Abs. 1 Satz 2 ErbStR 2011. R E 7.4 Abs. 1 Satz 3 ErbStR 2011.
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§ 7 ErbStG Rz. 73 Schenkungen unter Lebenden 73
Soweit die Gegenleistung in der Übernahme von Verbindlichkeiten des Zuwendenden bestehen soll, ist dabei nicht maßgebend, ob der Bedachte die Verbindlichkeiten im Außenverhältnis zu den Gläubigern übernommen hat. Vielmehr ist darauf abzustellen, ob der Bedachte im Innenverhältnis zum Zuwendenden diesen von seinen Verbindlichkeiten zu befreien hat.
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Der Abzug der Gegenleistungen, Leistungs-, Nutzungs- und Duldungsauflagen ist nach § 10 Abs. 6 ErbStG beschränkt, soweit der Gegenstand nach §§ 13, 13a oder 13c ErbStG befreit ist.1
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Sind mehrere Vermögensgegenstände Gegenstand einer freigebigen Zuwendung, sind unabhängig davon, ob die Gegenstände zu einer oder zu mehreren Vermögensarten gehören, die steuerlichen Einzelwerte zu einem einheitlichen Steuerwert der Gesamtschenkung zusammenzufassen.2 Soweit ein Teil des zugewendeten Vermögens nach §§ 13, 13a oder 13c ErbStG begünstigt ist, sind die Befreiungen bei dem einzelnen begünstigten Vermögen vorzunehmen.3 Steht eine Gegenleistung, Leistungs-, Nutzungs- oder Duldungsauflage im Zusammenhang mit allen Vermögensgegenständen, ohne dass sie wirtschaftlich einem einzelnen Vermögensgegenstand oder einzelnen Vermögensgegenständen zugeordnet werden kann, ist sie auf die einzelnen Vermögensgegenstände nach dem Verhältnis der Steuerwerte aufzuteilen.4 c) Berücksichtigung von Erwerbsnebenkosten und weiteren Kosten
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Hinsichtlich der im Zusammenhang mit der Ausführung der Schenkung anfallenden Erwerbsnebenkosten sieht das Gesetz für freigebige Zuwendungen unter Lebenden keine Regelung vor. Bei den Erwerben von Todes wegen hilft demgegenüber § 10 Abs. 5 Nr. 3 ErbStG, der die Abzugsfähigkeit insbesondere der „Kosten zur Erlangung des Erwerbs“ zulässt. Durch gleich lautende Ländererlasse vom 23.3.20155 hat die FinVerw. hier der Praxis weiter geholfen und deutlich über die bisherigen Ausführungen in R E 7.4 ErbStR 2011 Stellung genommen. Bei Schenkungen unter Lebenden können im Zusammenhang mit der Ausführung der Zuwendung zwangsläufig folgende Kosten anfallen: – allgemeine Erwerbsnebenkosten (Kosten der Rechtsänderung, z.B. Kosten für Notar- oder Handelsregister), – Steuer- und Rechtsberatung im Vorfeld der Schenkung, – Kosten zur Erstellung der Steuer- bzw. Feststellungserklärung, – Kosten für Rechtsbehelfsverfahren oder Finanzgerichtsverfahren im Steuerfestsetzungs- bzw. Feststellungsverfahren, – Kosten eines Gutachters für die Ermittlung des gemeinen Werts von Grundbesitz, Betriebsvermögen oder nicht notierten Anteilen an Kapitalgesellschaften, – Grunderwerbsteuer.
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Die allgemeinen Erwerbsnebenkosten, wie z.B. für Notar, Grundbuch oder Handelsregister, entstehen erst durch die Schenkung. Hinsichtlich der allgemeinen Erwerbsnebenkosten gilt:
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Bedachter trägt Kosten
Schenker trägt Kosten
Reine Schenkung/gemischte Schenkung/mittelbare Schenkung
Voller Abzug/keine Kürzung nach § 10 Abs. 6 ErbStG
Weitere Schenkung/voller Abzug/ keine Kürzung nach § 10 Abs. 6 ErbStG
Anteilige mittelbare Schenkung
Anteilig abzugsfähig/keine Kürzung Weitere Schenkung/voller Abzug/ nach § 10 Abs. 6 ErbStG anteiliger Abzug/keine Kürzung nach § 10 Abs. 6 ErbStG
Im Vorfeld der Schenkung angefallene Steuerberatungskosten und Rechtsberatungskosten stehen nicht im Zusammenhang mit dem schenkweise zugewendeten Vermögen und sind deshalb nicht ab1 2 3 4 5
R E 7.4 Abs. 2 ErbStR; vgl. R E 13.1 ff., R E 13a.1 ff., R E 13c ErbStR 2011. R E 7.4 Abs. 3 Satz 2 ErbStR 2011. R E 7.4 Abs. 3 Satz 4 ErbStR 2011. R E 7.4 Abs. 3 Satz 1 ErbStR 2011. Oberste Finanzbehörden der Länder v. 23.3.2015, BStBl. I 2015, 893.
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Freigebige Zuwendung (Abs. 1 Nr. 1)
Rz. 85 § 7 ErbStG
ziehbar.1 Bei einer Übernahme der Kosten durch den Schenker kann es sich um eine zusätzliche Zuwendung handeln, wenn der Beschenkte diese zu tragen hätte. Selbstverständlich könnte der Schenker in diesem Fall – vorsorglich – erklären, dass er die Schenkungsteuer für diese – ggf. weitere – Zuwendung übernimmt, § 10 Abs. 2 ErbStG. Bezüglich der weiteren Kosten gilt: 79 – Kosten für Erstellung der Schenkungsteuer- bzw. Feststellungserklärung sind immer in voller Höhe abzugsfähig. Gleiches gilt für in diesem Zusammenhang anfallende Gutachterkosten. Diese Kosten stehen zwar nicht unmittelbar im Zusammenhang mit dem schenkweise zugewendeten Vermögen. Sie fallen jedoch an, weil die Beteiligten durch § 31 ErbStG bzw. § 153 BewG zur Abgabe der Steuer- bzw. Feststellungserklärung verpflichtet sind. Deshalb sind die Kosten im vollen Umfang abzugsfähig. Sie unterliegen nicht der Kürzung nach § 10 Abs. 6 ErbStG.2 – Kosten für anschließende Rechtsbehelfsverfahren oder finanzgerichtliche Verfahren bzw. Verfahren zur Änderung der Steuerfestsetzung oder Wertfeststellung sind nicht abziehbar, da es sich hierbei um Rechtsverfolgungskosten zur Abwehr der Entrichtung der eigenen Schenkungsteuer handelt, die unter das Abzugsverbot des § 10 Abs. 8 ErbStG fallen.3 – Anfallende Grunderwerbsteuer ist bei einer gemischten Schenkung und Schenkung unter Auflage nicht abzugsfähig, da sie nur den entgeltlichen Teil der Zuwendung betrifft. Bei Übernahme dieser weiteren Kosten durch den Schenker liegt immer eine weitere Schenkung 80 vor. d) Aufschiebend bedingte Gegenleistungspflichten Bei der Berechnung der Schenkungsteuer für eine gemischte Schenkung sind aufschiebend bedingte 81 Gegenleistungspflichten des Bedachten erst nach Bedingungseintritt zu berücksichtigen.4 Bei der gemischten Schenkung unterliegt der Schenkungsteuer nur der (unselbständige) freigebige 82 Teil der Zuwendung. Dieser Teil ist die Bereicherung i.S.v. § 10 Abs. 1 Satz 1 ErbStG. Unter einer aufschiebenden Bedingung (§ 158 Abs. 1 BGB) stehende Gegenleistungspflichten des Bedachten sind bei dieser Berechnung nur zu berücksichtigen, soweit sie bei der Steuerfestsetzung oder während eines dagegen gerichteten Rechtsbehelfsverfahrens bereits infolge Bedingungseintritts entstanden sind.5 Diese Rspr. des BFH hat insbesondere Bedeutung in den klassischen Fällen, in denen ein Elternteil 83 Vermögen gegen wiederkehrende Leistungen für sich und den anderen Ehegatten überträgt. Nach Auffassung des BFH ist in diesen Fällen nur der Verkehrswert der Leistungen einzubeziehen, die unmittelbar geschuldet werden. Etwa aufschiebend bedingt geschuldete Leistungen sollen erst dann berücksichtigt werden, wenn sie tatsächlich fällig werden.6 Das Finanzamt kann bei der Festsetzung der Schenkungsteuer für eine gemischte Schenkung aus 84 Gründen der Verwaltungsvereinfachung eine Rentenverpflichtung des Bedachten mit dem sich aus § 14 Abs. 1 BewG ergebenden Kapitalwert ansetzen, wenn nicht der Steuerpflichtige den Ansatz des Verkehrswertes verlangt.7 Der Verkehrswert entspricht dem Betrag, der auf der Grundlage der bei Rentenbeginn maßgeben- 85 den (abgekürzten) Sterbetafel des Statistischen Bundesamts für die Begründung eines den getroffenen Vereinbarungen entsprechenden Rentenanspruchs zugunsten des Schenkers oder der vertraglich bestimmten Person an ein Lebensversicherungsunternehmen entrichtet werden müsste. Vereinbarte Wertsicherungsklauseln sind nur zu berücksichtigen, soweit Änderungen der Rentenhöhe bis zur Steuerfestsetzung oder während eines Rechtsbehelfsverfahrens eingetreten sind (§ 12 Abs. 1 ErbStG i.V.m. §§ 6 und 5 Abs. 2 BewG). Spätere Änderungen der Rentenhöhe führen nach § 6 Abs. 2 i.V.m. 1 2 3 4 5 6 7
R E 7.4 Abs. 4 Satz 2 ErbStR 2011. R E 7.4 Abs. 4 Satz 2 ErbStR 2011. BFH v. 20.6.2007 – II R 29/06, BStBl. II 2007, 722 = FR 2008, 98 = ErbStB 2007, 294. BFH v. 8.2.2006 – II R 38/04, BStBl. II 2006, 475 = FR 2006, 656 = ErbStB 2006, 143. H E 7.4 Abs. 4 „Erwerbsnebenkosten im Zusammenhang mit einer Schenkung“ ErBStH. Vgl. hierzu Jülicher, ZErb 2006, 243 (244). BFH v. 8.2.2006 – II R 38/04, BStBl. II 2006, 475 = FR 2006, 656 = ErbStB 2006, 143.
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§ 7 ErbStG Rz. 86 Schenkungen unter Lebenden § 5 Abs. 2 BewG und § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO zu einer entsprechenden Berichtigung des Schenkungsteuerbescheides.1 86
Die Grundsätze der gemischten Schenkung kommen auch dann zur Anwendung, wenn eine Schenkung mit einer Leistungsauflage zugunsten des Schenkers oder eines Dritten beschwert wird.2 Bei der Schenkung unter Leistungsauflage wird dem Bedachten eine Verpflichtung zu einer Leistung auferlegt, welche ihm Geld- oder Sachaufwand verursacht.3 Die Leistungsauflage ist ggf. steuerlich mit ihrem Kapitalwertanzusetzen, der sich aus der tatsächlichen oder durchschnittlichen Dauer der Leistung gem. §§ 13, 14 BewG ergibt. e) Übertragung von Betrieben, Betriebsteilen und Wirtschaftsgütern
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Ebenso wenig wie ein Erbfall, löst eine reine Schenkung als solche Einkommensteuer aus. Denn die Voraussetzungen einer der in § 2 Abs. 1 EStG aufgeführten sieben Einkommensarten ist nicht erfüllt. Der Bedachte erwirbt den Schenkungsgegenstand im Wege der Einzelrechtsnachfolge vom Schenker. Soweit dabei Wirtschaftsgüter betroffen sind, die zum steuerlichen Privatvermögen des Schenkers gehören, tritt der Bedachte in die Bindung des Schenkers an die AfA-Bemessungsgrundlagen (§ 11d EStDV) und an dessen Anschaffungskosten (z.B. bei §§ 17, 23 EStG) ein.
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Gewerbesteuerlich gelten die zur Einkommensteuer dargestellten Grundsätze entsprechend. Ein unentgeltlicher Vorgang bewirkt auch gewerbesteuerlich keine Gewinn- oder Verlustrealisierung. Sofern kein Gewinn nach dem Einkommensteuergesetz erzielt wird, liegt auch kein Gewerbeertrag vor (§ 7 Abs. 1 GewStG). Wird hingegen ein Veräußerungsgewinn erzielt, der gem. §§ 16, 34 EStG begünstigt ist, so stellt dieser keinen steuerpflichtigen Gewerbeertrag dar (§ 7 Satz 2 Nr. 1 GewStG).4
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Die ertragsteuerliche Abgrenzung zwischen unentgeltlichem oder teilentgeltlichem Erwerb knüpft an die zivilrechtlichen Grundsätze an.5 Demgemäß führt die gemischte Schenkung zu einer jedenfalls teilweisen, weil teilentgeltlichen Anschaffung/Veräußerung, soweit Wirtschaftsgüter des steuerlichen Privatvermögens übertragen werden.6 Dies gilt insbesondere für Übertragungen bei vorweggenommener Erbfolge gegen Abstandszahlungen und Gleichstellungsgeldern.7 Diese Gegenleistungen sind einem bestimmten, wertmäßig abgrenzbaren Teil der Zuwendung zuzuordnen.
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Die gemischte Schenkung ist mithin im Verhältnis des Verkehrswert der Leistung zum Verkehrswert der Gegenleistung in einen voll entgeltlichen und einen voll unentgeltlichen Erwerb aufzuspalten (Aufteilungsmethode).8
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Hinsichtlich des unentgeltlich erworbenen Teils der Leistung ordnet § 11d Abs. 1 EStDV die Geltung der sog. Fußstapfentheorie an. Der Rechtsnachfolger tritt in vollem Umfang in die Rechtsstellung des Rechtsvorgängers ein. Der Rechtsnachfolger übernimmt insbesondere Die AfA-Bemessungsgrundlage, die AfA-Methode, den AfA-Satz und das restliche AfA-Volumen.
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Für den entgeltlich erworbenen Teil ergeben sich eigene Anschaffungskosten und eine neue AfA. Beispiel: A hat 05 – auf einem geerbten Grundstück – ein privates Mietwohnhaus für 350 000 Euro errichtet und seither zutreffend nach § 7 Abs. 5 Satz 1 Nr. 3 Buchst. c EStG mit 4 % abgeschrieben. Mit Wirkung ab 1.7.2010 überträgt A das Grundstück gegen Zahlung von 120 000 Euro und Übernahme des auf dem Grundstück besicherten und mit 130 000 Euro valutierenden Darlehens auf seinen Neffen (N). Das Grundstück hat im Übergabezeitpunkt einen Verkehrswert/Steuerwert für Zwecke der Erbschaft- und Schenkungsteuer von 500 000 Euro (davon 100 000 Euro
1 BFH v. 8.2.2006 – II R 38/04, BStBl. II 2006, 475 = FR 2006, 656 = ErbStB 2006, 143. 2 BFH v. 12.4.1989 – II R 37/87, BStBl. II 1989, 524; v. 11.1.2002 – II B 55/00, BFH/NV 2002, 790; R E 7.4 Abs. 1 ErbStR 2011. 3 Meincke16, § 7 ErbStG Rz. 34. 4 Abschn. R 7.1 Abs. 3 GewStR. 5 BFH v. 26.11.1985 – IX R 64/82, BStBl. II 1986, 161 = FR 1986, 274. 6 Vgl. BFH v. 19.3.2014 – X R 28/12, BStBl. II 2014, 629 = FR 2014, 752 m. Anm. Strahl = ErbStB 2014, 243. 7 Vgl. BFH v. 23.10.2002 – II R 71/00, BStBl. II 2003, 162 = FR 2003, 420 = ErbStB 2003, 76. 8 Vgl. BFH v. 17.7.1966 – IV R 15/76, BStBl. II 1981, 11.
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Freigebige Zuwendung (Abs. 1 Nr. 1)
Rz. 99 § 7 ErbStG
Grund und Boden). A und N sind sich darüber einig, dass ein erhebliches Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung besteht.
Es liegt eine gemischte Schenkung vor. Die Anschaffungskosten des N betragen 250 000 Euro (120 000 Euro Barzahlung + 130 000 Euro Übernahme Darlehen). Da der Verkehrswert 500 000 Euro beträgt, hat N zu 50 % entgeltlich und zu 50 % unentgeltlich erworben. Abwandlung des Beispiels: A das Grundstück 05 für 350 000 Euro erworben. In ertragsteuerlicher Hinsicht gilt Folgendes: Für das Jahr 10 ergibt sich für N folgende AfA: Beim unentgeltlich erworbenen Teil gilt § 11d Abs. 1 EStDV: Bemessungsgrundlage: Herstellungskosten des A: 350 000 Euro × 1/2 = 175 000 Euro. AfA: Fortführung § 7 Abs. 5 Satz 1 Nr. 3c EStG: 4 % (5. Jahr) zeitanteilig (§ 7 Abs. 1 Satz 4 EStG): 6 Monate Summe: 3 500 Euro. Beim entgeltlich erworbenen Teil liegt eine eigenständig zu beurteilende Anschaffung vor: Bemessungsgrundlage: Anschaffungskosten des Gebäudes: 250 000 Euro ./. 50 000 Euro Grund und Boden = 200 000 Euro. AfA: § 7 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2a EStG: 2 % zeitanteilig (§ 7 Abs. 1 Satz 4 EStG): 6 Monate Summe: 2 000 Euro.
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In grunderwerbsteuerlicher Hinsicht gilt Folgendes (vgl. unter Rz. 79): 94 Der Erwerb des N ist nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG grunderwerbsteuerbar. Soweit N unentgeltlich erwirbt (50 %) ist der Erwerb nach § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG steuerfrei. Für den entgeltlich erworbenen Teil (50 %) gilt dies nicht. Da N mit A nicht in gerader Linie verwandt ist, greift auch die Steuerbefreiung des § 3 Nr. 5 GrEStG nicht ein. Somit ist auf die Gegenleistung für den entgeltlich erworbenen Teil von 250 000 Euro als Bemessungsgrundlage (§ 8 Abs. 1, § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG) der maßgebenden Grunderwerbsteuersatz anzuwenden. In schenkungsteuerlicher Hinsicht hat N in der Steuerklasse II (§ 15 Steuerklasse II Nr. 3 ErbStG), 95 unter Abzug eines Freibetrags von 20 000 Euro (§ 16 Abs. 1 Nr. 5 ErbStG) 20 % Schenkungsteuer auf den Erwerb von 230 000 Euro zu entrichten, insgesamt also 46 000 Euro. In der Abwandlung ergibt sich für A noch ein privates Veräußerungsgeschäft nach § 23 Abs. 1 Nr. 1 96 EStG, weil die maßgeblich Spekulationsfrist von zehn Jahren für das Grundstück nicht eingehalten wurde. Dem Veräußerungspreis von 250 000 Euro sind die anteiligen (50 %) Anschaffungskosten (350 000 Euro), also 175 000 Euro gegenüber zu stellen. Der Veräußerungsgewinn beträgt also 250 000 Euro ./. 175 000 Euro = 75 000 Euro. Eine teilentgeltliche Veräußerung ist auch bei Anwendung des § 17 EStG nach dem Verhältnis des 97 Verkehrswerts der übertragenen Anteile zur Gegenleistung in eine voll entgeltliche Übertragung und eine voll unentgeltliche Übertragung aufzuteilen. Die erste stellt dann eine Veräußerung i.S.v. § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG dar und führt – wenn der Veräußerer innerhalb der letzten fünf Jahre am Kapital der Gesellschaft unmittelbar oder mittelbar zu mindestens 1 % beteiligt war – zu Einkünften aus Gewerbebetrieb. Wird ein ganzer Betrieb, ein Teilbetrieb oder ein gesamter Mitunternehmeranteil in einem einheit- 98 lichen Vorgang voll unentgeltlich übertragen, so gelten die Grundsätze des § 6 Abs. 3 Satz 1, 3 EStG. Danach realisiert der Übergeber keinen Gewinn- oder Verlust und der Erwerber hat keine Anschaffungskosten, sondern hat zwingend die Buchwerte seines Rechtsvorgängers fortzuführen; er tritt hinsichtlich sämtlicher Verbleibensfristen und Vorbesitzzeiten in die Rechtsstellung des Übergebers ein. Bei teilentgeltlicher Veräußerung eines ganzen Betriebs, eines Teilbetriebs oder eines gesamten Mit- 99 unternehmeranteils in einem einheitlichen Vorgang ist von einem einheitlichen Vorgang auszugehen (Einheitstheorie).1 Der Veräußerungsgewinn ist durch Gegenüberstellung des Entgelts und des Werts 1 H 16 Abs. 7 („Veräußerungsgewinn“) EStH.
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§ 7 ErbStG Rz. 100 Schenkungen unter Lebenden des Betriebsvermögens oder des Werts des Anteils am Betriebsvermögen zu ermitteln. Nur soweit die Gegenleistung den gesamten (Netto-)Buchwert des Übergebers übersteigt, entsteht ein Veräußerungsgewinn. Auf Antrag kann dann – unter den Voraussetzungen des § 16 Abs. 4 EStG – ein Freibetrag in voller Höhe gewährt werden (ggf. ermäßigt, sofern die volle Freibetragsgrenze des § 16 Abs. 4 Satz 3 EStG überschritten ist). 100 Bei teilentgeltlicher Übertragung von Wirtschaftsgütern des steuerlichen Betriebsvermögens wird
es schwierig: Die FinVerw. vertritt seit jeher die Auffassung, dass der Vorgang in ein voll unentgeltliches und ein voll entgeltliches Geschäft aufzuteilen sei (sog. „strenge Trennungstheorie“).1 Der Buchwert sei dann anteilig den beiden Teilen des Geschäfts zuzuweisen. Durch diese Berechnungsweise ergibt sich aus dem entgeltlichen Teil des Geschäfts stets ein gewisser Gewinnrealisierungsbetrag. Die Rspr. des BFH ist insoweit nicht eindeutig. Auf der einen Seite gibt es Entscheidungen, die sich der strengen Trennungstheorie anschließen,2 auf der anderen Seite wird auch eine sog. „modifizierte Trennungstheorie“ vertreten.3 Auch die Literatur ist zu dieser Frage gespalten.4 Eine hoffentlich verbindliche Klärung für die Praxis wird sich nun aus dem Vorlagebeschluss des X. Senats des BFH v. 27.10.2015 ergeben, denn der X. Senat des BFH möchte vom Großen Senat des BFH wissen: „Wie ist im Fall der teilentgeltlichen Übertragung eines Wirtschaftsguts aus einem Einzelbetriebsvermögen eines Mitunternehmers in das Gesamthandsvermögen einer Mitunternehmerschaft (§ 6 Abs. 5 Satz 3 Nr. 1 EStG) die Höhe eines eventuellen Gewinns aus dem Übertragungsvorgang zu ermitteln?“.5 101 Gemäß § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG sind Schenkungen unter Lebenden i.S.d. ErbStG von der Grund-
erwerbsteuer befreit. Eine gemischte Schenkung ist jedoch nur insoweit befreit, als sie Schenkung ist, also die Pflicht zur Übereignung des Grundstücks unentgeltlich übernommen wird, nicht aber insoweit, als sich der Erwerber zu einer Gegenleistung verpflichtet. Im Übrigen greift die Grunderwerbsteuer nach den allgemeinen Regeln ein.6 Denn nur der freigebige Teil der Zuwendung ist die Bereicherung i.S.v. § 10 Abs. 1 Satz 1 ErbStG. Für die GrESt kann es daher regelmäßig dahingestellt bleiben, ob ein geringer Kaufpreis auf Freigebigkeit oder auf anderen Gründen beruht. Der niedrige Kaufpreis führt als solcher zur (teilweisen) Steuerpflicht und fließt nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG in die Bemessungsgrundlage ein.7 f) Nießbrauchs- oder Wohnrecht 102 Bei der Schenkung unter Nutzungs- oder Duldungsauflage gebührt dem Bedachten der Nutzungs-
wert des Schenkungsgegenstands für eine gewisse Zeit zumindest teilweise nicht, weil ein fremdes Nutzungsrecht an dem Gegenstand besteht.8 Hierbei handelt es sich insbesondere um den Fall der Grundstücksschenkung bei bestehendem oder neu vereinbartem Nießbrauchs- oder Wohnrecht des Schenkers oder eines Dritten. Die Nutzungs- oder Duldungsauflage belastet den Bedachten lediglich mit einer zeitlich befristeten Duldungspflicht, die keinen entgeltlichen Vertragsbestandteil begründet. Als Bereicherung des Bedachten gilt der gesamte Vermögensanfall.9 Die Belastung durch die Auflage kann aber durch Abzug der Last berücksichtigt werden, sofern dies nicht in Zeiträumen bis zum 31.12.2008 durch § 25 Abs. 1 ErbStG a.F. ausgeschlossen war.10 103 Die vorstehenden Grundsätze sind auch dann anzuwenden, wenn der zu beurteilende Vorgang ne-
ben einer Gegenleistung oder Leistungsauflage auch Nutzungs- oder Duldungsauflagen enthält. In 1 Vgl. zuletzt BMF v. 12.9.2013, BStBl. I 2013, 1164. 2 Vgl. die Nachw. in BFH v. 19.3.2014 – X R 28/12, BStBl. II 2014, 629 = FR 2014, 752 m. Anm. Strahl = ErbStB 2014, 243. 3 Vgl. die Nachw. in BFH v. 19.3.2014 – X R 28/12, BStBl. II 2014, 629 = FR 2014, 752 m. Anm. Strahl = ErbStB 2014, 243. 4 Vgl. die Nachw. in BFH v. 19.3.2014 – X R 28/12, BStBl. II 2014, 629 = FR 2014, 752 m. Anm. Strahl = ErbStB 2014, 243. 5 BFH v. 27.10.2015 – X R 28/12, FR 2014, 752 m. Anm. Strahl = ErbStB 2014, 243 = DStR 2015, 2834. 6 BFH v. 20.4.1977 – II R 48/76, BStBl. II 1977, 676. 7 Meßbacher-Hönsch in Boruttau18, § 3 GrEStG Rz. 253. 8 Meincke16, § 7 ErbStG Rz. 34. 9 Meincke16, § 7 ErbStG Rz. 34. 10 BFH v. 17.10.2001 – II R 72/99, BStBl. II 2002, 25 = FR 2002, 94 m. Anm. Viskorf.
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Freigebige Zuwendung (Abs. 1 Nr. 1)
Rz. 110 § 7 ErbStG
diesen Mischfällen, die häufig bei Verträgen zur vorweggenommenen Erbfolge vorkommen, kann die Besteuerungsgrundlage durch Aufteilung des um die Nutzungs- und Duldungsauflagen gekürzten Steuerwerts in einen entgeltlichen und einen unentgeltlichen Teil erfolgen. Ist ein nach § 198 BewG nachgewiesener gemeiner Wert als Grundstückswert festgestellt worden, 104 der aufgrund von Grundstücksbelastungen durch Nutzungsrechte, wie z.B. Nießbrauch oder Wohnrecht, gemindert wurde, kann der Erwerber darüber hinaus das Nutzungsrecht nicht zusätzlich bereicherungsmindernd geltend machen, § 10 Abs. 6 Satz 6 ErbStG. Gerade in den Fällen vorweggenommener Erbfolge, aber auch dann, wenn fremdvermietete Immo- 105 bilien unter Nießbrauchsvorbehalt übertragen werden, bleibt die Übergeberseite häufig zu Lebzeiten zur Leistung von Zins und Tilgung für auf dem Grundstück lastende Verbindlichkeiten verpflichtet. Erst im Todesfall der Übergeberseite und damit bei Beendigung des Nießbrauchs gehen in diesen Fällen die dann noch bestehenden Grundstücksverbindlichkeiten auf die Übergeberseite über. Aus Sicht des ErbStG stellt sich in diesem Fall die Beendigung des Nießbrauchs als eine aufschie- 106 bende Bedingung für den Schuldübergang dar. Bei Bedingungseintritt sind deshalb die – ggf. mit Genehmigung der Gläubiger nach § 415 BGB – auf den Bedachten übergegangenen Schulden gem. § 6 Abs. 2 i.V.m. § 5 Abs. 2 BewG bereits auf den Ausführungszeitpunkt der nunmehr gemischten Schenkung anzusetzen.1 Die Berichtigung erfolgt nur auf Antrag, § 6 Abs. 2 i.V.m. § 5 Abs. 2 BewG. Bei dieser Berichtigung würden nun aber die Schulden und Lasten mit dem Steuerwert anzusetzen 107 sein, auf den die zu berichtigende Steuerfestsetzung durchgeführt worden ist. Dies ist aber nicht möglich, denn sie haben zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht bestanden. Die Schulden und Lasten sind deshalb mit ihrem Wert vom Zeitpunkt des Eintritts der Bedingung, jedoch abgezinst gem. § 12 Abs. 3 BewG auf den Zeitpunkt der zu berichtigenden Steuerfestsetzung anzusetzen.2 Damit würden dann auch die Vorteile abgegolten sein, die der Steuerpflichtige dadurch hatte, dass er in der Zwischenzeit nicht mit einer Schuld belastet war, für die er unter Umständen Zinsen hätte entrichten müssen.3 Weil die ertragsteuerliche Abgrenzung zwischen unentgeltlichem oder teilentgeltlichem Erwerb an 108 die zivilrechtlichen Grundsätze anknüpft,4 führt die Schenkung unter Auflage – anders als die gemischte Schenkung (vgl. unter Rz. 89) – zu keiner Anschaffung. Hier kommt es, anders als bei der gemischten Schenkung, auch nicht auf die Unterscheidung zwischen der Übertragung von Wirtschaftsgütern des steuerlichen Privatvermögens einerseits und solchen des steuerlichen Betriebsvermögens (vgl. unter Rz. 89, 97 ff.) andererseits an. Nach § 3 Nr. 2 Satz 2 GrEStG unterliegen Schenkungen unter einer Auflage der Besteuerung hin- 109 sichtlich des Werts solcher Auflagen, die bei der Schenkungsteuer abziehbar sind. Die Vorschrift begründet eine Ausnahme von der Steuerbefreiung des § 3 Nr. 2 Satz 2 GrEStG. Sie bezweckt, Grundstücksschenkungen unter einer Auflage insoweit von der Grunderwerbsteuerbefreiung auszuschließen, als eine Doppelbelastung mit Schenkungsteuer und Grunderwerbsteuer nicht eintritt. Auflagen, die bei der Schenkungsteuer abziehbar sind, mindern die Schenkungsteuer für die Grundstücksschenkung. Der Wert solcher Auflagen unterliegt grundsätzlich der Grunderwerbsteuer. Ist die freigebige Zuwendung unter der bei der Schenkungsteuer abziehbaren Auflage erfolgt, dass 110 der Bedachte dem Schenker ein lebenslängliches Wohnungsrecht einräumt, entspricht der Wert der Auflage dem Wert des Wohnungsrechts, das nach § 1 Abs. 1 i.V.m. §§ 14 und 15 BewG mit seinem Kapitalwert zu bewerten ist. Bei dem Wohnungsrecht handelt es sich um eine Nutzung, die nicht in Geld besteht und deren Jahreswert deshalb gem. § 15 Abs. 2 BewG mit dem üblichen Mittelpreis des Verbrauchsorts anzusetzen ist. Der Jahreswert ist für die Anwendung des § 3 Nr. 2 Satz 2 GrEStG anders als bei der Bemessung der Schenkungsteuer nicht nach § 16 BewG auf den Wert beschränkt, der sich ergibt, wenn der für das zugewendete Grundstück für Zwecke der Schenkungsteuer gem. § 12 Abs. 3 ErbStG nach den Vorschriften des BewG (§ 151 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 157 Abs. 3, §§ 176 bis
1 2 3 4
BFH v. 27.6.2006 – II B 162/05, BFH/NV 2006, 1845 (1846). BFH v. 27.6.2006 – II B 162/05, BFH/NV 2006, 1845 (1846). Halaczinsky in Rössler/Troll, § 6 BewG Rz. 5 (Stand: Oktober 2015). BFH v. 26.11.1985 – IX R 64/82, BStBl. II 1986, 161 = FR 1986, 274.
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§ 7 ErbStG Rz. 111 Schenkungen unter Lebenden 198) anzusetzende Wert durch 18,6 geteilt wird. § 16 BewG findet gem. § 17 Abs. 3 Satz 2 BewG auf die Grunderwerbsteuer keine Anwendung.1 3. Objektive Bereicherung des Bedachten a) Bewertung der Vermögensmehrung 111 In objektiver Hinsicht ist erforderlich, dass die Leistung zu einer Bereicherung des Bedachten auf
Kosten des Zuwendenden führt und die Zuwendung (objektiv) unentgeltlich ist. Dies erfordert, dass der Empfänger über das Zugewendete im Verhältnis zum Leistenden tatsächlich und rechtlich frei verfügen kann. Dafür, ob dies der Fall ist, kommt es ausschließlich auf die Zivilrechtslage an.2 112 Objektive Bereicherung kann jede Vermögensvermehrung und jede Minderung von Schulden oder
Belastungen beim Bedachten sein.3 Steuerbar ist ebenso die Verhinderung einer Vermögensminderung durch Ersparen von Aufwand, beispielsweise bei Gewährung eines zinslosen/-günstigen Darlehens4 oder – wie § 29 Abs. 2 ErbStG zu entnehmen ist – bei (teil-)unentgeltlicher Nutzungsüberlassung. 113 Die Bereicherung muss eingetreten sein. Es genügt nicht, dass sie verbindlich zugesagt ist. Die tat-
bestandliche Erfüllung des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG erfordert also zwingend eine reale Vermögensmehrung auf Seiten des Bedachten. In Anwendung des Rechtsgedankens des § 4 BewG, wonach Wirtschaftsgüter, deren Erwerb vom Eintritt einer aufschiebenden Bedingung abhängt, erst berücksichtigt werden, wenn die Bedingung eingetreten ist,5 lösen weder das bloße Schenkungsversprechen noch ein Schenkungsvertrag, selbst wenn sie infolge notarieller Beurkundung rechtswirksam sind (§ 518 Abs. 1 BGB), bereits Schenkungsteuer aus. Der Anspruch aus einem Schenkungsversprechen genügt grundsätzlich noch nicht;6 entscheidend ist dessen Erfüllung durch Leistung des versprochenen Gegenstands.7 114 Ob eine Bereicherung vorliegt, ist zunächst anhand der gemeinen Werte (Verkehrswerte), der Zu-
wendungsgegenstände und der gegebenenfalls vom Bedachten zu erfüllenden Gegenleistungen und Auflagen zu beurteilen. Dies bedeutet, dass sich die Bereicherung dem Grunde nach bei § 7 ErbStG nach den Bewertungsgrundsätzen des bürgerlichen Rechts und nicht nach den steuerlichen Werten bestimmt.8 115 Der Vermögensbestand des Bedachten muss sich greifbar verändern.9 Dies ist nicht unter Anwen-
dung einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise, sondern ausschließlich nach Maßgabe des Zivilrechts zu beurteilen,10 das ggf. – so z.B. bei minderjährigen Erwerbern11 – die Beachtung besonderer Formalitäten verlangt. Entscheidend für die Vermögensübertragung ist grundsätzlich der Rechtsträgerwechsel, die endgültige Veränderung der dinglichen Rechtslage.12 Dabei kommt es selbstverständlich auf den jeweiligen, allein zivilrechtlich bestimmbaren, Bereicherungsgegenstand an.13
1 BFH v. 20.11.2013 – II R 38/12, BStBl. II 2014, 479 = ErbStB 2014, 90. 2 BFH v. 28.6.2007 – II R 21/05, BStBl. II 2007, 669 = FR 2008, 149 = ErbStB 2007, 293; v. 22.8.2007 – II R 33/06, BStBl. II 2008, 28 = FR 2008, 242 = ErbStB 2008, 3; v. 16.1.2008 – II R 10/06, BStBl. II 2008, 631 = FR 2008, 981 = ErbStB 2008, 133; v. 30.11.2011 – II B 60/11, ErbStB 2012, 100 = DStR 2011, 1652 (1653). 3 R E 7.1 Abs. 2 Satz 1 ErbStR 2011. 4 BFH v. 27.10.2010 – II R 37/09, BStBl. II 2011, 134. 5 Vgl. BFH v. 17.10.2007 – II R 53/05, BStBl. II 2008, 256 = FR 2008, 528 m. Anm. Schlünder/Geißler = ErbStB 2008, 102; v. 16.1.2008 – II R 10/06, BStBl. II 2008, 631 = FR 2008, 981 = ErbStB 2008, 133. 6 BFH v. 27.4.2009 – II B 167/08, BFH/NV 2009, 1123. 7 BFH v. 30.6.1999 – II R 70/97, BStBl. II 1999, 742 = FR 1999, 1254 m. Anm. Viskorf. 8 BFH v. 17.10.2001 – II R 60/99, BStBl. II 2002, 165 = FR 2002, 474 m. Anm. Pohl/Deininger; v. 19.10.2007 – II B 107/06, BFH/NV 2008, 573. 9 BFH v. 29.10.1997 – II R 60/94, BStBl. II 1997, 832. 10 BFH v. 29.11.2006 – II R 42/05, BStBl. II 2007, 319 = ErbStB 2007, 72. 11 BGH v. 30.9.2010 – V ZB 206/10, ErbStB 2011, 72 = NJW 2010, 3643; OLG München v. 17.6.2010 – 31 Wx 70/10, ErbStB 2011, 73 = ZEV 2010, 646. 12 BFH v. 1.2.2001 – II B 15/00, BFH/NV 2001, 1265. 13 Vgl. BFH v. 16.1.2008 – II R 10/06, BStBl. II 2008, 631 = FR 2008, 981 = ErbStB 2008, 133.
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Esskandari
Freigebige Zuwendung (Abs. 1 Nr. 1)
Rz. 119 § 7 ErbStG
Verzichtet der Gläubiger auf eine wertlose Forderung mit Besserungsschein, ist für die schenkung- 116 steuerliche Beurteilung die Werthaltigkeit der Forderung im Zeitpunkt des Verzichts maßgebend. Spätere Entwicklungen können nicht berücksichtigt werden.1 Die Obersten Finanzbehörden der Länder haben dieses Urteil mit einem Nichtanwendungserlass belegt.2 Dieser erstreckt sich jedoch nur auf das in dieser Entscheidung behandelte Verhältnis von verdeckter Gewinnausschüttung und Schenkungsteuer. Die Problematik des Besserungsscheins ist davon unberührt. Daher kann davon ausgegangen werden, dass die FinVerw. in diesem Punkt die Entscheidung des BFH anwendet.3 b) Zuwendung unter Widerrufsvorbehalt und Rückforderungsrecht Ein Widerrufsvorbehalt und ein Rückforderungsrecht verhindern grundsätzlich weder die Zuwen- 117 dung noch die Bereicherung, selbst wenn sie frei i.S.v. voraussetzungslos und bei Grundstücken durch eine Rückauflassungsvormerkung gesichert sind.4 Insbesondere die mit Blick auf § 29 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG so wichtigen „Steuerklauseln“ stehen deshalb der erbschaftsteuerlichen Ausführung einer freigebigen Zuwendung nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG nicht im Wege und lassen den Erwerb mithin ohne weiteres eintreten. Nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG erlischt die Steuer mit Wirkung für die Vergangenheit, wenn ein Ge- 118 schenk wegen eines Rückforderungsrechts herausgegeben werden musste. Erste Voraussetzung ist also, dass eine Schenkung erfolgt ist, die besteuert wurde. Unter derartige Schenkungen fallen alle steuerpflichtigen Erwerbe nach § 7 ErbStG sowie § 3 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG. Des Weiteren muss das Geschenk herausgegeben worden sein. Entscheidend ist erst die tatsächliche Herausgabe oder Erstattung.5 Auf die Unwirksamkeit einer Schenkung als solcher kommt es – trotz § 41 AO – nicht an.6 Schließlich muss die Herausgabe des Geschenks wegen eines dem Schenker zustehenden Rückforderungsrechts erfolgt sein. Eine freiwillige Rückübertragung berührt die Steuerpflicht des Geschenks nicht, auch wenn die Rückgabe unverzüglich erfolgt. Im Gegenteil: Die Rückübertragung stellt einen – weiteren – steuerpflichtigen Erwerb dar. Ob es sich um ein gesetzliches oder vertragliches Rückforderungsrecht handelt ist einerlei. An ge- 119 setzlichen Rückforderungsrechten kommen insbesondere in Betracht:7 – Rückerstattungsansprüche aus §§ 346 ff. BGB bei Rücktritt; – Bereicherungsansprüche bei nichtigem oder wirksam angefochtenem Rechtsgeschäft nach §§ 142, 812 ff. BGB, z.B. Rückforderung von staatlichen Subventionen, die gemeinschaftswidrig oder sonst nicht erlaubt sind; – Rückforderung wegen Nichterfüllung einer Auflage nach § 527 BGB; – Verarmung des Schenkers nach § 528 BGB; – Widerruf einer Schenkung wegen groben Undanks nach §§ 530, 531 Abs. 2 BGB; – Rückgabe von Geschenken wegen nicht erfolgter Eheschließung nach § 1301 BGB; – Rückerstattung eingebrachten Vermögens bei Auflösung einer Gütergemeinschaft nach § 1478 BGB; – Rückgabe von Geschenken durch den Vorerben wegen Beeinträchtigung von Rechten des Nacherben gem. § 2301 BGB; – Abwendung von Herausgabeansprüchen des Pflichtteilsberechtigten nach § 2325 BGB oder § 2329 BGB; 1 2 3 4
BFH v. 30.1.2013 – II R 6/12, BStBl. II 2013, 930 = FR 2013, 557 m. Anm. Keß = ErbStB 2013, 136. Erlass v. 5.6.2013, BStBl. I 2013, 1465. Geck in Kapp/Ebeling, § 7 ErbStG Rz. 6 (Stand: April 2014). BFH v. 13.9.1989 – II R 67/86, BStBl. II 1989, 1034; v. 28.6.2007 – II R 21/05, BStBl. II 2007, 669 = FR 2008, 149 = ErbStB 2007, 293; ausf., grundsätzlich zu Widerrufsklauseln in Schenkungsverträgen, nebst Formulierungsvorschlägen Götz, NWB 2015, 3097 ff.; zu insolvenzbedingten Rückforderungsrechten in der Gestaltungpraxis, vgl. Wälzholz, ZEV 2010 623 ff. 5 BFH v. 8.10.2003 – II R 46/01, BStBl. II 2004, 234 = FR 2004, 488 = ErbStB 2004, 105. 6 Vgl. FG Hamburg v. 9.2.2012 – 3 K 232/11, ErbStB 2012, 237 = EFG 2012, 1686. 7 Vgl. Högl in Gürsching/Stenger, § 29 ErbStG Rz. 18 (Stand: April 2014).
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§ 7 ErbStG Rz. 120 Schenkungen unter Lebenden – Anfechtungen nach dem Insolvenzrecht (§§ 129 ff. InsO) oder außerhalb des Insolvenzverfahrens. 120 Ein vertragliches Rückforderungsrecht muss im Zeitpunkt der Schenkung mit dieser vereinbart
sein. Klassischerweise kommen an vertraglichen Rückforderungsrechten in Betracht:1 – Veräußerung des geschenkten Gegenstands, – Vorversterben, – Ehescheidung, – Beendigung der Mitarbeit im Unternehmen, – Abbruch des Studiums, – Vermögensverfall, – Zwangsvollstreckung in den geschenkten Gegenstand, – Drogenabhängigkeit, – Sektenzugehörigkeit. 121 An eine solche Klausel ist auch in den Fällen zu denken, in denen hohe Schenkungsteuerbeträge
bezahlt werden müssen. Stellt sich nachträglich heraus, dass das Geschenk einen erheblichen Wertverlust erlitten hat, kann ein vorbehaltenes Widerrufsrecht verhindern, dass die Steuerbelastung endgültig wird. Zu denken ist etwa an den Fall, dass sich herausstellt, dass ein geschenktes Grundstück kontaminiert ist. Ferner an den Fall, dass das übertragene Unternehmen wenige Jahre nach der Übertragung der Anteile in Insolvenz fällt oder der Wert von Tochter-Beteiligungen erheblich gesunken ist.2 122 Es genügt nicht, wenn das Rückforderungsrecht erst zu einem späteren Zeitpunkt, also nachträg-
lich, vereinbart wird. In nicht wenigen Fällen in der Praxis wird leider schlicht übersehen, dass eine Übertragung Schenkungsteuer auslösen kann. Die Überraschung ist dann groß, wenn die Schenkungsteuerstelle einen Schenkungsteuerbescheid bekannt gibt. Für einen Wiederruf mit steuerlicher Wirkung oder der Vereinbarung eines Rückfürderungsrechts ist es dann jedoch zu spät. c) Wegfall der Geschäftsgrundlage 123 Haben die Beteiligten schon nicht an die Schenkungsteuer zuvor gedacht, dann haben sie es auch re-
gelmäßig unterlassen, vertraglich Vorsorge für diesen Fall zu treffen. Das Argument, mit dem dann die Rettung versucht wird ist dies: Wegfall der Geschäftsgrundlage. § 313 BGB kodifiziert dieses Rechtsinstitut. 124 Geschäftsgrundlage eines Vertrags sind die nicht zum eigentlichen Vertragsinhalt erhobenen, bei Ab-
schluss des Vertrags zutage getretenen, dem anderen Teil erkennbar gewordenen und von ihm nicht beanstandeten Vorstellungen der einen Partei, oder die gemeinsamen Vorstellungen beider Parteien vom Vorhandensein oder künftigen Eintritt bestimmter Umstände, sofern der Geschäftswille auf diesen Vorstellungen aufbaut. Haben sich diese Umstände schwerwiegend verändert und hätten die Parteien unter diesen Umständen den Vertrag nicht oder mit anderem Inhalt geschlossen, kann eine Anpassung des Vertrags verlangt werden (§ 313 Abs. 1 BGB) oder der benachteiligte Vertragspartner kann – was bei Schenkungen in der Regel allein in Betracht kommt – vom Vertrag zurücktreten (§ 313 Abs. 3 BGB). Einer Veränderung der Umstände steht es gleich, wenn wesentliche Vorstellungen, die zur Geschäftsgrundlage des Vertrags gehören, sich als falsch herausstellen (§ 313 Abs. 2 BGB). Eine solche Störung der Geschäftsgrundlage führt nach herrschender Auffassung zur Rückabwicklung der Schenkung und zur Anwendung des § 29 Abs. 1 Nr. 1.3 125 Eine Störung der Geschäftsgrundlage kommt vor allem in den Fällen in Betracht, die üblicherweise
(und sinnvollerweise) durch Widerrufsvorbehalte oder Rücktrittsklauseln abgesichert werden.
1 Götz, NWB 2015, 3097 (3100). 2 Götz, NWB 2015, 3097 (3102). 3 Vgl. Högl in Gürsching/Stenger, § 29 ErbStG Rz. 22 (Stand: April 2014) m.w.N.
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Esskandari
Freigebige Zuwendung (Abs. 1 Nr. 1)
Rz. 131 § 7 ErbStG
Zu einer Rückabwicklung von Schenkungen kann es auch dann kommen, wenn die Schenkung 126 ganz andere schenkungsteuerliche Folgen auslöst, als die Beteiligten erwartet hatten. Ein Irrtum über die Höhe der Schenkungsteuer ist früher überwiegend als unbeachtlicher Irrtum 127 im Beweggrund betrachtet worden.1 Mittlerweile ist aber anerkannt, dass die Grundlage eines Geschäfts grundsätzlich entfallen kann, wenn die Schenkungsteuer erheblich höher als erwartet ausfällt.2 Verlangt wird aber in jedem Fall, dass die Vorstellungen des Schenkers über die Höhe der Steuer „hinreichend konkret und gesichert“ erscheinen und dass sie dadurch zur Geschäftsgrundlage geworden sind, dass sie dem Bedachten als wesentliche Grundlage des Schenkungsversprechens zur Kenntnis gegeben worden sind; zum anderen wird eine „erhebliche Abweichung“ der tatsächlich entstandenen Schenkungsteuer von der erwarteten Steuer verlangt, weil die tatsächlich ausgelöste Steuer „weit außerhalb der Vorstellungen“ der Beteiligten gelegen hat.3 Das FG Berlin-Bdb. nahm deshalb mit folgender Begründung keinen Wegfall der Geschäftsgrundlage 128 an:4 „Abgesehen davon mag zwar die im Raume stehende Schenkungsteuer Anlass für die Vertragsaufhebung gewesen sein. Es ist jedoch nicht ersichtlich, dass die Beteiligten sich bei Abschluss des ersten Vertrages überhaupt Gedanken über den Anfall von Schenkungsteuer gemacht haben. Sich überhaupt keine Gedanken über schenkungsteuerliche Folgen gemacht zu haben, erhebt den Umstand, dass Schenkungsteuer nicht anfallen wird, jedoch nicht zur Geschäftsgrundlage im oben genannten Sinne.“ Um sich auf die Grundsätze zur Störung der Geschäftsgrundlage berufen zu können ist es also zwin- 129 gend erforderlich, dass die Vertragsparteien den Umstand, dass keine Schenkungsteuer anfällt, bei Abschluss des Vertrages als für den Vertragsabschluss übereinstimmend vorausgesetzt haben. Die Parteien müssen also nach eigener Prüfung oder fachlicher Auskunft davon ausgegangen sein, dass keine Schenkungsteuer anfällt. Sie müssen diesem Gesichtspunkt eindeutig erkennbar maßgebende Bedeutung zugemessen haben.5 Die Feststellungslast hierfür trifft den Steuerpflichtigen. d) Vertragliche Widerrufsklauseln Vor diesem Hintergrund dürfte es Sicherheit geben, zum einen in der Präambel der Übertragungsver- 130 einbarung bereits das Nichtentstehen von Schenkungsteuer bzw. das Entstehen von Schenkungsteuer von nicht mehr als einer bestimmten Größenordnung ausdrücklich als für die Beteiligten maßgebende Geschäftsgrundlage zu bezeichnen. Zum anderen könnte darüber hinaus ein ausdrückliches Rücktritts- oder ein Widerrufsrecht im Vertrag für solche Fälle vereinbart werden. Die Rückabwicklung des Vertrages i.S.v. § 29 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG könnte dann auf zwei Standbeine gestellt werden. Für den Mindestinhalt entsprechender Vertragsklauseln können folgende Empfehlungen gegeben 131 werden:6 – Die Vertragsteile müssen erkennbar bestimmte Vorstellungen über Anfall und Höhe der Schenkungsteuer gehabt haben. – Die Vorstellungen über die steuerlichen Folgen müssen auf einer gesicherten Grundlage beruhen, d.h. sie müssen das Ergebnis eigener sachlicher Information oder einer entsprechenden Beratung sein. – Die Vorstellungen der Vertragsparteien über die steuerlichen Folgen müssen hinreichend konkret sein (Steuerpflicht, Steuerbarkeit, Steuerhöhe). – Die Vorstellungen müssen von beiden Vertragsteilen gemeinsam getragen oder zumindest von beiden gebilligt werden. – Die von den Vertragsparteien angenommenen steuerlichen Auswirkungen müssen für die Ausführung der Schenkung maßgebend gewesen sein.
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Vgl. z.B. FG Münster v. 15.3.1978 – III 1954/77 Erb, EFG 1978, 602. Vgl. z.B. FG Rh.-Pf. v. 23.3.2001 – 4 K 2805/99, DStRE 2001, 765. Vgl. z.B. FG Rh.-Pf. v. 23.3.2001 – 4 K 2805/99, DStRE 2001, 765. Nach FG Berlin-Bdb. v. 22.4.2008 – 14 V 14016/08, DStRE 2008, 1339. Vgl. BFH v. 11.11.2009 – II R 54/08, BFH/NV 2010, 896 (897); Schumann, UVR 1993, 17 (18). Vgl. Wachter, ZEV 2002, 176 (178).
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§ 7 ErbStG Rz. 132 Schenkungen unter Lebenden 132 Wenn Vertragsparteien trotz des ausdrücklichen Ausschlusses einer steuerlichen Beratung durch den
Notar und des in den Raum gestellten Bestehens einer Schenkungsteuerpflicht dennoch einen Schenkungsvertrag schließen, so haben sie die Frage des Entstehens bzw. der Höhe der Steuer erkennbar nicht zur Grundlage des Vertrages gemacht.1 133 Auch ertragsteuerlich wird angenommen, dass Widerrufsklauseln grundsätzlich unschädlich sind.
Allerdings bleibt dort sozusagen alles beim Alten, wenn zwar das zivilrechtliche Eigentum übergegangen ist, das wirtschaftliche Eigentum (§ 39 AO) jedoch beim Schenker verbleibt. Der Schenkungsgegenstand wird dann einkommensteuerrechtlich weiterhin dem Schenker zugerechnet. 134 Der Beschenkte, z.B. bei einer Grundstücksschenkung, erzielt bereits mit Übergang von Nutzen
und Lasten in eigener Person Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung. Die Tatsache, dass der Schenker sich einen Widerruf ausbedungen hat, lässt die einkommensteuerliche Zurechnung also unberührt. Zivil- und Einkommensteuerrecht decken sich. 135 Wird der Widerruf der Schenkung erklärt, ist dies einkommensteuerlich nur dann von Bedeutung,
wenn das Geschenk vom Schenker bislang zur Einkünfteerzielung verwandt wurde. Mit der Herausgabe verliert der Beschenkte dann die Einkunftsquelle und seine Steuerpflicht endet insoweit. 136 Vorsicht ist indes geboten, wenn derartige Widerrufsklauseln mit weiteren vorbehaltenen Rechten,
z.B. einer Stimmrechtsvollmacht, kombiniert werden. So hat der BFH die Einräumung einer Stimmrechtsvollmacht zugunsten des Schenkers anlässlich der Übertragung eines Mitunternehmeranteils als ursächlich dafür angesehen, dass der Beschenkte nicht Mitunternehmer wurde.2 Der IX. Senat des BFH hat hinsichtlich der Zuwendung eines GmbH-Geschäftsanteils i.S.d. § 17 Abs. 2 Satz 5 EStG unter Vorbehaltsnießbrauch entschieden, dass in den Fällen, in denen Gesellschaftsanteile im Rahmen einer vorweggenommenen Erbfolge unter dem Vorbehalt des Nießbrauchs (zivilrechtlich wirksam) übertragen werden, der neue Gesellschafter die Geschäftsanteile gleichwohl nicht i.S.v. § 17 Abs. 2 Satz 5 EStG erwirbt, wenn diese weiterhin dem Nießbraucher nach § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO zuzurechnen sind.3 Dies ist – wie in dem vom BFH entschiedenen Fall – insbesondere dann möglich, wenn der Nießbraucher nach dem Inhalt der getroffenen Abrede alle mit der Beteiligung verbundenen wesentlichen Rechte (Vermögens- und Verwaltungsrechte) ausüben und im Konfliktfall aufgrund unwiderruflich übertragener Stimmrechte effektiv durchsetzen kann.4 137 Die ertragsteuerliche Problematik des verbliebenen wirtschaftlichen Eigentums führt in den Fällen
auch zu schenkungsteuerlich unerwünschten Folgen, wenn das Schenkungsteuerrecht an das Ertragsteuerrecht anknüpft. 138 Zivilrechtlich ist es möglich, einen jederzeitigen Widerruf der Schenkung vertraglich zu verein-
baren. Eine solche vertragliche Vereinbarung gibt dem Schenker das Recht, den geschenkten Vermögensgegenstand jederzeit ohne Angaben von Gründen vom Beschenkten zurückzufordern. Ertragsteuerlich führt das Recht des jederzeitigen Widerrufs dazu, dass das wirtschaftliche Eigentum beim Schenker verbleibt. Handelt es sich bei dem übertragenen Vermögensgegenstand um einen Mitunternehmeranteil, wird der Beschenkte nicht Mitunternehmer.5 Erzielt der Begünstigte Einkünfte aus der Schenkung, werden diese dem Schenker zugerechnet. Ist ertragsteuerlich der Schenker weiterhin als Unternehmer anzusehen, scheiden die Begünstigungen für Betriebsvermögen auf der Ebene des Beschenkten aus. 139 Wird zivilrechtlich statt eines freien Widerrufsrecht ein Widerruf unter Bedingungen gestellt, sieht
die Sache anders aus. Ertragsteuerlich mit Blick auf den Übergang des wirtschaftlichen Eigentums und damit schenkungsteuerlich hinsichtlich der Begünstigungen von Betriebsvermögen werden folgende Bedingungen angesehen:6 – Nichtvereinbarung der Gütertrennung oder modifizierten Zugewinngemeinschaft im Fall der Heirat; 1 2 3 4 5 6
Vgl. BFH v. 11.11.2009 – II R 54/08, BFH/NV 2010, 896 (897). Vgl. BFH v. 10.12.2008 – II R 32/07, BFH/NV 2009, 774; hierzu Götz, NWB 2015, 3097 (3104). BFH v. 24.1.2012 – IX R 51/10, BStBl. II 2012, 308 = FR 2012, 642 m. Anm. Bode = ErbStB 2012, 136. Götz, DStR 2013, 448. BFH v. 16.5.1989 – VIII R 196/84, BStBl. II 1989, 653. Vgl. Carlé, ErbStB 2006, 72 (76).
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Freigebige Zuwendung (Abs. 1 Nr. 1)
Rz. 144 § 7 ErbStG
– Ehescheidung; – Abbruch des Studiums; – Aufgabe der Tätigkeit für die Gesellschaft – ausgenommen in Fällen der Krankheit, Berufsunfähigkeit u.Ä.; – Zwangsvollstreckung in das geschenkte Unternehmen bzw. die geschenkte Beteiligung; – Veräußerung des geschenkten Unternehmens bzw. der Beteiligung vor Ablauf der Fünf-JahresFrist des § 13a ErbStG; – Veräußerung oder Entnahme innerhalb der Sperrfrist des § 6 Abs. 5 Satz 4 EStG; – Veräußerung oder Aufgabe der Beteiligung vor Ablauf der Fünf-Jahres-Frist des § 6 Abs. 3 Satz 2 EStG. Ähnlich wie beim Widerrufsvorbehalt hindert auch der Vorbehalt des Nießbrauchs nicht die Berei- 140 cherung des Erwerbers.1 Erlischt der Nießbrauch beim Tod des Nießbrauchers oder zu dem sonst vorgesehenen Ereignis oder Termin und geht damit nach dem rechtlichen nun auch das wirtschaftliche Eigentum auf den Bedachten über, so liegt darin keine erneute bereichernde Zuwendung unter Lebenden oder von Todes wegen. Denn mit dem Wegfall der dinglichen Belastung verwirklicht sich lediglich eine in der früheren Zuwendung bereits angelegte Vervollständigung der Rechtsposition des Beschenkten, die noch zum Inhalt der früheren Zuwendung gehört. Der vorzeitige unentgeltliche Verzicht auf ein vorbehaltenes Nießbrauchsrecht soll dagegen nach 141 Auffassung des BFH die Merkmale der unentgeltlichen Zuwendung erfüllen, weil er mit dem vorzeitigen Erlöschen des Nießbrauchs dem Eigentümer eine Bereicherung vermittelt, die in seiner Rechtsposition bisher so noch nicht angelegt war.2 Für die schenkungsrechtliche Bereicherung ist nicht allein die dingliche Rechtslage entscheidend, 142 sondern es kommt auch auf die schuldrechtlichen Vereinbarungen mit dem Leistenden an.3 Ergibt die Auslegung der konkreten Parteiabrede, dass dem Empfänger rechtsgeschäftlich kein Vorteil eingeräumt werden sollte, liegt weder eine Schenkung noch eine freigebige Zuwendung vor. An einer Bereicherung im schenkungsrechtlichen Sinn fehlt es deshalb bei einer fremdnützigen Treuhand in Bezug auf das erlangte Eigentum, weil keinerlei Vermögensvorteil auf Seiten des Empfängers festzustellen ist. Dies ergibt sich aus der schuldrechtlichen Beziehung der Beteiligten, weil den Empfänger eine uneingeschränkte Rückgabepflicht bezüglich des Treugutes trifft. Diese Rückgabepflicht schließt die Bereicherung aus.4 Wenn die Bereicherung eine substantielle Vermögensbewegung, also eine Erhöhung des Vermögens- 143 bestands beim Bedachten voraussetzt,5 so ist die Bereicherung i.S.v. § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG regelmäßig problemlos anzunehmen, wenn das Aktivvermögen des Bedachten vermehrt wird. Sachzuwendungen werden im Moment des Eigentumswechsels verwirklicht. Der Eintritt der Bereicherung lässt sich dabei exakt fixieren: Und zwar bei beweglichen Gegenständen auf den Moment der Übergabe bzw. der dinglichen Einigung nach § 929 BGB oder den Regeln der §§ 930, 931 BGB. Bei Grundstücken wird – den um einen für die Beteiligten kalkulierbaren Stichtag zu ermöglichen – nicht etwa auf den Tag der Eigentumsumschreibung im Grundbuch (§ 873 Abs. 1 BGB) abgestellt, sondern auf den Zeitpunkt, in dem sowohl die formgültige Auflassung (§ 925 BGB) als auch die Eintragungsbewilligung i.S.d. § 19 GBO vorliegen.6 Soweit die Gegenleistung in der Übernahme von Verbindlichkeiten des Zuwendenden bestehen soll, 144 ist es deshalb nicht maßgebend, ob der Bedachte die Verbindlichkeiten im Außenverhältnis zu den
1 BFH v. 22.9.1982 – II R 61/80, BStBl. II 1983, 179. 2 BFH v. 17.3.2004 – II R 3/01, BStBl. II 2004, 429 = FR 2004, 603 m. Anm. Viskorf = ErbStB 2004, 176; v. 23.6.2010 – II B 32/10, BFH/NV 2010, 2075; v. 20.5.2014 – II R 7/13, BStBl. II 2014, 896 = FR 2015, 96 = ErbStB 2014, 297. 3 Fischer in F/J/P/W, § 7 Rz. 201 (Stand: März 2014). 4 RFH v. 25.5.1921 – I A 43/21, RFHE 6, 62. 5 BFH v. 30.1.2013 – II R 38/11, FR 2013, 562 = ErbStB 2013, 204 = BFH/NV 2013, 1033; v. 22.10.2014 – II R 26/13, BStBl. II 2015, 239 = FR 2015, 188 = ErbStB 2015, 31. 6 R E 9.1 Abs. 1 Satz 2 ErbStR 2011.
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§ 7 ErbStG Rz. 145 Schenkungen unter Lebenden Gläubigern übernommen hat. Vielmehr ist darauf abzustellen, ob der Bedachte im Innenverhältnis zum Zuwendenden diesen von seinen Verbindlichkeiten zu befreien hat. e) Kettenschenkungen 145 An einer objektiven Bereicherung fehlt es nach der Rspr. des BFH, wenn der Empfänger lediglich
Durchgangs- oder Mittelsperson ist und das Erhaltene sogleich an einen Dritten weitergeben muss.1 Es liegen dann nicht zwei unabhängige Schenkungen, sondern ein einheitlicher Schenkungsvorgang an den Letzterwerber vor. Die Praxis kennt derartige Gestaltungen unter dem Schlagwort „Kettenschenkungen“. 146 Bei der sog. Kettenschenkung handelt es sich im Wesentlichen um eine Schenkung unter Auflage.
Dabei wird ein Vermögensgegenstand einer Person im Wege der Schenkung jedoch mit der Verpflichtung übertragen, den soeben erworbenen Vermögensgegenstand ganz oder teilweise freigebig an einen Dritten weiterzureichen. Derartige Schenkungsverträge und Übertragungen finden häufig im Familienverbund statt und dienen dem Zweck, die Schenkungsteuer zu minimieren, indem einer durch Freibeträge und Steuerklasse begünstigen Person Vermögensgegenstände übertragen werden, die dieser auftragsgemäß an andere, weniger begünstige Personen, weiterleiten muss. 147 Bei der schenkungsteuerlichen Einstufung einer Kettenschenkung ist die genaue Bestimmung der
an der Schenkung beteiligten Personen wichtig. Hier liegt der Schwerpunkt der Betrachtung auf der Frage, ob die weitergebende Person eine eigene Entscheidungsbefugnis bzgl. der Verwendung des geschenkten Gegenstandes hat.2 Fehlt der Durchgangsperson diese Dispositionsmöglichkeit, so besteht das Besteuerungsverhältnis zwischen dem Zuwendenden und dem Dritten. 148 Erhält jemand als Durchgangs- oder Mittelsperson eine Zuwendung, die er entsprechend einer beste-
henden Verpflichtung in vollem Umfang an einen Dritten weitergibt, liegt schenkungsteuerrechtlich nur eine Zuwendung aus dem Vermögen des Zuwendenden an den Dritten vor.3 Die Verpflichtung zur Weitergabe verhindert faktisch die Bereicherung der Mittelsperson aus dem Vermögen des Zuwendenden mit der Konsequenz, dass eine Schenkung der Mittelsperson an den Dritten nicht in Betracht kommt. Wendet der Bedachte den ihm zugewendeten Gegenstand hingegen ohne eine solche rechtliche Verpflichtung freigebig einem Dritten zu, scheidet die Annahme einer Schenkung des Zuwendenden an den Dritten aus. Vielmehr liegen eine Schenkung des Zuwendenden an den Bedachten und eine Schenkung des Bedachten an den Dritten vor. Dies gilt auch dann, wenn der Zuwendende weiß oder damit einverstanden ist, dass der Bedachte den zugewendeten Gegenstand unmittelbar im Anschluss an die Schenkung an einen Dritten weiterschenkt.4 149 Ob ein Bedachter über einen zugewendeten Gegenstand frei verfügen kann oder diesen einem Dritten
zuwenden muss, ist unter Berücksichtigung der abgeschlossenen Verträge, ihrer inhaltlichen Abstimmung untereinander sowie der mit der Vertragsgestaltung erkennbar angestrebten Ziele der Vertragsparteien zu entscheiden.5 Dabei kommt es nicht entscheidend darauf an, ob der Schenkungsvertrag zwischen dem Zuwendenden und der Durchgangs- oder Mittelsperson seinem Wortlaut nach Absprachen hinsichtlich der Verwendung des Gegenstands der Zuwendung enthält. Entscheidend ist vielmehr, ob der zunächst Bedachte nach dem Gesamtplan und den subjektiven Vorstellungen der Beteiligten eine eigene Entscheidungsmöglichkeit hinsichtlich dieser Verwendung hatte. 150 Die Verpflichtung zur Weitergabe kann sich aus einer ausdrücklichen Vereinbarung im Schenkungs-
vertrag oder aus den Umständen ergeben.6 Maßgebend für die Beurteilung ist die Gesamtheit der objektiven Gegebenheiten.
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BFH v. 22.12.2004 – II B 166/03, BFH/NV 2005, 705 (707); v. 13.10.1993 – II R 92/91, BStBl. II 1994, 128. BFH v. 10.3.2005 – II R 54/03, BStBl. II 2005, 262. BFH v. 13.10.1993 – II R 92/91, BStBl. II 1994, 128. BFH v. 14.3.1962 – II 218/59 U, BStBl. III 1962, 206; v. 30.11.2011 – II B 60/11, ErbStB 2012, 100 = DStR 2011, 1652 (1654). 5 BFH v. 10.3.2005 – II R 54/03, BStBl. II 2005, 412 = FR 2005, 852 m. Anm. Viskorf = ErbStB 2005, 145. 6 Vgl. Piltz, BFH v. 29.4.1993 – IV R 16/92, FR 1993, 742 = ZEV 1994, 55; BFH v. 30.11.2011 – II B 60/11, ErbStB 2012, 100 = DStR 2011, 1652 (1654).
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Esskandari
Freigebige Zuwendung (Abs. 1 Nr. 1)
Rz. 156 § 7 ErbStG
Überträgt ein Elternteil ein Grundstück schenkweise auf ein Kind und schenkt das bedachte Kind 151 unmittelbar im Anschluss an die ausgeführte Schenkung einen Miteigentumsanteil an dem erhaltenen Grundstück an seinen Ehegatten weiter, ohne zur Weiterschenkung verpflichtet zu sein und ohne dass der übertragende Elternteil die Weitergabe des Miteigentumsanteils am Grundstück veranlasst hat, liegt schenkungsteuerrechtlich keine Zuwendung des Elternteils an das Schwiegerkind vor.1 Das bloße Einverständnis des Elternteils mit der Weiterübertragung durch das Kind reicht nicht 152 aus, um eine Zuwendung des Elternteils an das Schwiegerkind zu begründen.2 Beispiel:3 Sohn (S) erhielt von seinem Vater (V) mit notariell beurkundetem Vertrag vom 30.6.2010 (UR-Nr. 1175/2010 B) einen Miteigentumsanteil an dem Grundstück A, verbunden mit dem Sondereigentum an der Wohnung Nr. 1 zum Alleineigentum. Die Vertragsteile waren sich über den Eigentumsübergang einig und beantragten entsprechend der Bewilligung des V die Umschreibung des Eigentums im Grundbuch. Eine Auflassungsvormerkung wurde nicht eingetragen. Mit notarieller Urkunde ebenfalls vom 30.6.2010 (UR-Nr. 1176/2010 B) übertrug S als ehebezogene Zuwendung ohne besonderes Entgelt die Hälfte seines mit dem Sondereigentum an der Wohnung Nr. 1 verbundenen Miteigentumsanteils an dem Grundstück auf seine Ehefrau. Die Vertragsteile erklärten die Auflassung und beantragten die Eintragung der Ehegatten als Miteigentümer im Grundbuch. Auf die Zwischeneintragung des S als Alleineigentümer wurde verzichtet. Dem S wurde das Recht eingeräumt, im Fall der Scheidung oder bei einem Vorversterben der Klägerin die Zuwendung zurückzuverlangen. Lösung: Eine Zuwendung des V an die Ehefrau des S ist nicht gegeben. V hat den gesamten Miteigentumsanteil am Grundstück und nicht anteilig seiner Schwiegertochter zugewendet. Die Schenkung des V an S war bereits ausgeführt, als S den zugewendeten Miteigentumsanteil am Grundstück zur Hälfte auf seine Ehefrau übertragen hatte. Der zwischen V und S geschlossene Überlassungsvertrag enthielt auch keine Verpflichtung des S zur Weiterübertragung eines hälftigen Miteigentumsanteils am Grundstück auf seine Ehefrau. Schließlich sind auch keine sonstigen Gründe ersichtlich, aus denen heraus S zu einer Weitertragung verpflichtet gewesen sein sollte.
Im Fall einer „verunglückten“ Kettenschenkung entsteht zwischen dem Zuwendenden und der 153 Durchgangsperson hinsichtlich des weitergegebenen Wirtschaftsguts kein schenkungsteuerliches Rechtsverhältnis, da die Durchgangsperson verpflichtet ist, die Zuwendung weiterzuleiten. Erwerb und Verpflichtung heben sich gegenseitig mit der Folge auf, dass keine Bereicherung der Durchgangsperson erfolgt. Die ursprüngliche Schenkung des Zuwendenden an die Durchgangsperson wird vollständig negiert mit der Konsequenz, dass sich die Schenkung zwischen dem Zuwendenden und der am Ende der Kette begünstigten Person abspielt.4 Maßgebend für die steuerliche Einstufung ist die Verpflichtung zur Weitergabe. Besteht diese nicht, 154 handelt es sich um zwei Schenkungen, nämlich die des Zuwendenden an den Bedachten und eine Schenkung des Bedachten an den Dritten. Die rechtliche Qualität der Weiterschenkungsklausel ist dabei den näheren Umständen der vertraglichen Vereinbarung zu entnehmen.5 Hieraus lässt sich ableiten, ob der Bedachte eine eigene Entscheidungsbefugnis hinsichtlich der Verwendung des geschenkten Gegenstands hat oder gegenüber dem Zuwendenden gebunden ist. Das Finanzamt trägt die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass eine Weitergabeverpflichtung be- 155 stand, da es sich dabei um einen steuerbegründenden Tatbestand handelt. Der Nachweis wird dem FA leicht gemacht, wenn die abgeschlossenen Verträge entsprechende Hinweise enthalten oder sogar die Weiterleitung des geschenkten Wirtschaftsgutes ausdrücklich schriftlich festgelegt wurde.6 Ohne eine schriftliche Erklärung oder vertragliche Festlegung, sind die Umstände des Einzelfalls zu 156 beurteilen. Dabei ist es von Bedeutung ob die Schenkungsverträge inhaltlich aufeinander abgestimmt sind und erkennbar darauf abzielen, die Weiterleitung des an den Bedachten übertragenen Ver-
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Vgl. BFH v. 30.11.2011 – II B 60/11, DStR 2012, 1652. Vgl. BFH v. 30.11.2011 – II B 60/11, DStR 2012, 1652. Vgl. BFH v. 30.11.2011 – II B 60/11, DStR 2012, 1652. Bruschke, ErbStB 2014, 261 (262). BFH v. 18.7.2013 – II R 37/11, FR 2014, 36 m. Anm. Podewils = ErbStB 2013, 335 = DStR 2013, 2103. Vgl. Bruschke, ErbStB 2014, 261 (263).
Esskandari
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§ 7 ErbStG Rz. 157 Schenkungen unter Lebenden mögensgegenstands auf den Dritten sicherzustellen. Maßgebend ist dabei die Gesamtwürdigung der objektiven Gegebenheiten.1 157 Die positive Kenntnis des Zuwendenden, dass der Bedachte den zugewendeten Gegenstand unmit-
telbar im Anschluss an die Schenkung an einen Dritten weitergibt, indiziert keinen Nachweis der Weitergabeverpflichtung.2 Vielmehr ist es erforderlich, dass der Zuwendende einen Rechtsanspruch darauf hat, dass der Bedachte genau diesen Plan umsetzt. 158 Wenn sich der Zuwendende die Rückforderung des Gegenstands vorbehält, falls der Bedachte nicht
in einer festgelegten Weise den Gegenstand an einen Dritten weitergibt, so spricht dies ziemlich eindeutig für eine entsprechende rechtliche Bindung.3 Das bloße Einverständnis des Zuwendenden zur Weiterleitung der Schenkung reicht hingegen nicht aus. 159 Zwar spricht eine nur kurze Verweildauer des Geschenks beim Bedachten für sich allein noch nicht
für eine Weitergabeverpflichtung, sie ist jedoch durchaus als Indiz zu werten und führt ggf. mit weiteren Erkenntnissen zur Annahme einer steuerschädlichen Kettenschenkung.4 Daher sind sog. Schamfristen zwischen den Schenkungen nicht zwingend zu beachten.5 Der Indizwirkung kann jedenfalls dann entgegengetreten werden, wenn es im Einzelfall belegbare Gründe für eine vielleicht sehr zeitnahe weitere Schenkung gab. Umgekehrt wird eine – vom Finanzamt – anzunehmende Indizwirkung immer weiter abgeschwächt, je länger eine weitere Schenkung nicht erfolgt. Praktisch sinnvoll sollte also solange zugewartet werden wie es möglich, ohne dass rechtliche oder wirtschaftliche Nachteile entstehen. 160 Erforderlich ist jedoch, dass die erste Schenkung vollzogen ist, bevor die zweite vereinbart wird, da
erst mit Vollzug der ersten Schenkung der Bedachte überhaupt eine Rechtsposition erwirbt, die er an den Dritten weitergeben kann. Erforderlich bei einer Grundstücksschenkung ist es deshalb, dass im Schenkungsvertrag zwischen dem Zuwendenden und dem Bedachten die Auflassung (§ 925 BGB) und die Eintragungsbewilligung (§ 873 BGB; § 19 GBO) erklärt werden, bevor in einem zweiten Vertrag der soeben geschenkte Gegenstand weitergegeben wird. Dadurch wird auch dokumentiert, dass der Beschenkte eine Rechtsposition hat, die ihm nicht mehr entzogen werden kann, wenn er sich nicht zu einer Weitergabe des soeben zugewendeten Gegenstands entschließt. Eine Kettenauflassung ist unschädlich.6 161 Ob von einer Weiterleitungsvereinbarung allein deshalb auszugehen ist, weil beide Schenkungen in ei-
ner Urkunde vereinbart werden, ist fraglich. Zum Teil wird hierbei gesagt, dass alle Erklärungen, die in einer Urkunde abgegeben werden, gleichzeitig, nämlich mit Unterzeichnung der Urkunde unter Einschluss des Notars wirksam werden, so dass die erste Schenkung der zweiten nicht vorausgehe; es fehle daher an einer gesicherten Rechtsposition, die Gegenstand der Zweitschenkung sein könne. Der BFH hat die Vereinbarung in einer Urkunde zuletzt aber lediglich als Indiz für eine fehlende Dispositionsmöglichkeit des zuerst Bedachten angesehen.7 Selbständige Schenkungen verschiedener Personen seien zwar nicht lediglich deshalb eine einheitliche Schenkung eines Zuwendenden, weil sie in einer Vertragsurkunde zusammengefasst würden.8 Die Zusammenfassung einer Schenkung und einer sich anschließenden Weiterschenkung eines Grundstücks in einer Urkunde führe aber zu einer zeitgleichen Vereinbarung von Schenkung und Weiterschenkung, so dass der zuerst Bedachte damit regelmäßig keine Entscheidungsfreiheit in Bezug auf das weitergeschenkte Grundstück erlangen würde.9 Etwas anderes gelte aber dann, wenn sich aus dem Vertrag oder den Umständen eindeutig solches ergebe. 1 BFH v. 10.3.2005 – II R 54/03, BStBl. II 2005, 262; v. 18.7.2013 – II R 37/11, BStBl. II 2013, 934 = FR 2014, 36 m. Anm. Podewils = ErbStB 2013, 335. 2 BFH v. 18.7.2013 – II R 37/11, BStBl. II 2013, 934 = FR 2014, 36 m. Anm. Podewils = ErbStB 2013, 335. 3 BFH v. 18.7.2013 – II R 37/11, BStBl. II 2013, 934 = FR 2014, 36 m. Anm. Podewils = ErbStB 2013, 335. 4 BFH v. 18.7.2013 – II R 37/11, BStBl. II 2013, 934 = FR 2014, 36 m. Anm. Podewils = ErbStB 2013, 335; krit. zur Annahme eines Indizes Taplan/Baumgartner/Baumgartner, DStR 2014, 2153 (2156). 5 Zur Länge derartiger Schamfristen werden ganz unterschiedliche Vorschläge gemacht: mehrere Monate (Piltz, ZEV 1994, 55; BFH v. 29.4.1993 – IV R 16/92, FR 1993, 742), ein Jahr (Viskorf, KFR 1994, 28; Schlünder/Geißler, FPR 2006, 158 (159), Scherer, NJW 2012, 204), mehrere Jahre (Offerhaus, FAZ v. 15.1.2014, S. 19). 6 Geck in Kapp/Ebeling, § 7 ErbStG Rz. 98 (Stand: November 2015). 7 BFH v. 18.7.2013 – II R 37/11, BStBl. II 2013, 934 = FR 2014, 36 m. Anm. Podewils = ErbStB 2013, 335. 8 BFH v. 14.3.1962 – II R 218/59 U, BStBl. III 1962, 206. 9 BFH v. 18.7.2013 – II R 37/11, BStBl. II 2013, 934 = FR 2014, 36 m. Anm. Podewils = ErbStB 2013, 335.
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Esskandari
Freigebige Zuwendung (Abs. 1 Nr. 1)
Rz. 169 § 7 ErbStG
Für die Praxis führt dies zu der Erkenntnis, dass grundsätzlich der Rat zur Beurkundung in getrenn- 162 ten Urkunden gegeben werden sollte. Ist dies nicht gewünscht oder möglich, so sollte die Urkunde ausdrücklich eine Klarstellung zur freien Disposition des Erstbeschenkten enthalten und – soweit gegeben – die tatsächlichen Gründe angeben, die eine Beurkundung in einer Urkunde erforderten. Nach den vorstehenden Grundsätzen ist auch zu entscheiden, wenn Eltern ein Grundstück schenk- 163 weise auf ein Kind übertragen und das Kind unmittelbar im Anschluss an die ausgeführte Schenkung einen Miteigentumsanteil an dem Grundstück an seinen Ehegatten weiterschenkt. In solchen Fällen kann, wenn das Kind seinen Eltern gegenüber nicht zur Weiterschenkung verpflichtet ist, schenkungsteuerrechtlich grundsätzlich nicht von einer Zuwendung der Eltern an das Schwiegerkind ausgegangen werden. Trotz der Nähe von Eltern und Kindern liegt auch bei diesem Sachverhalt kein Gestaltungsmissbrauch i.S.d. § 42 AO vor, da im Hinblick auf die zivilrechtlichen Rechtsfolgen regelmäßig beachtliche nichtsteuerliche Gründe für die Gestaltung vorhanden sind. Zum anderen steht es auch Angehörigen frei, ihre Rechtsverhältnisse untereinander so zu gestalten, dass sie für sie steuerlich möglichst günstig sind.1 Die Frage des Gestaltungsmissbrauchs war nach alter Rspr. immer latent vorhanden. Die Rspr. war 164 hier sehr restriktiv und ließ bereits eine nur sittliche Verpflichtung des Zwischenempfängers zur Weitergabe genügen, um von einem Gestaltungsmissbrauch auszugehen.2 Erst mit der Entscheidung des BFH vom 14.3.19623 hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass bloßes Wissen und selbst das Einverständnis des Schenkers an der Weiterleitung für die Annahme eines Gestaltungsmissbrauchs nicht genügen. Nichtsdestotrotz ist es immer der richtige, weil sicherste Weg, der Annahme eines Gestaltungsmissbrauchs dadurch vorzubeugen, dass schlicht und einfach die außensteuerlichen Gründe, die Motiv für die gewählte Gestaltung sind, offenzulegen und anzugeben. Die Praxis der Schenkungsteuerstellen – aber auch zum Teil der Finanzgerichte – zeigt, dass man 165 gerade mit der angeblich fehlenden Bereicherung beim Zwischenerwerber schnell bei der Hand ist. Um es dem Beamten der Schenkungsteuerstelle leichter mit der Anerkennung einer Kettenschenkung zu machen, sollte es daher – wenn es nicht unbedingt schnell gehen muss – vermieden werden, beide Elemente einer Kettenschenkung in einer Urkunde ohne zeitlichen Versatz vorzunehmen. Nicht zwingend aus dogmatischen Gründen. Rein aus praktischen Erwägungen heraus. Denn: Hat es der Beamte der Schenkungsteuerstelle leichter, vermeidet auch der Berater unnötige Arbeit. Räumen Kinder, denen ein Elternteil Vermögen übertragen hat, in derselben Urkunde beiden Eltern 166 als Gesamtgläubigern ein Rentenstammrecht ein, liegt dem nur insoweit eine freigebige Zuwendung des übertragenden Elternteils an den anderen zugrunde, als der andere Elternteil über die eingehenden Zahlungen im Innenverhältnis rechtlich und tatsächlich endgültig frei verfügen kann.4 f) Zuwendungen unter Eheleuten, Oder-Konten Bei Eheleuten und eingetragenen Lebenspartnern, allerdings auch bei nichtehelichen Lebensgemein- 167 schaften, wird nicht selten nach dem Motto verfahren „Alles unser“.5 Gerne werden deshalb – gerade bei Alleinverdiener-Partnerschaften – Gemeinschaftskonten oder -depots geführt. Grundsätzlich behandelt das Schenkungsteuerrecht Zuwendungen zwischen Eheleuten wie alle 168 sonstigen Schenkungen auch. Die aus dem Zivilrecht bekannten ehebedingten Zuwendungen sind dem Schenkungsteuerrecht fremd. Schenkungsteuerlich relevante Zuwendungen können daher auch vorliegen, wenn Zahlungseingänge auf gemeinschaftlichen Konten oder Depots zu verzeichnen sind. Bei einem Oder-Konto sind die Ehegatten grundsätzlich Gesamtgläubiger nach § 428 BGB, mit der 169 Folge, dass sie nach § 430 BGB im Verhältnis zueinander zu gleichen Anteilen berechtigt sind, soweit
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BFH v. 16.1.1992 – V R 1/91, BStBl. II 1992, 541. Vgl. z.B. BFH v. 30.11.1960 – II 154/59 U, BStBl. III 1960, 21. BFH v. 14.3.1962 – II 218/59 U, BStBl. III 1962, 206. BFH v. 22.8.2007 – II R 33/06, BStBl. II 2008, 28 = FR 2008, 242 = ErbStB 2008, 3. Aus Gründen der sprachlichen Einfachheit wird nachfolgend nur noch von Eheleuten die Rede sein. Gemeint sind aber alle der soeben genannten Partnerschaften.
Esskandari
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§ 7 ErbStG Rz. 170 Schenkungen unter Lebenden nicht ein anderes bestimmt ist. Während intakter Ehe der Kontoinhaber hat der BGH1 zwar die gesetzliche Regel des § 430 BGB, wonach Gesamtgläubiger im Verhältnis zueinander zu gleichen Anteilen berechtigt sind, bestätigt, aber diese gesetzliche Regel rechtstatsächlich zur Ausnahme erklärt. Während intakter Ehe der Kontoinhaber scheidet danach in der Regel eine Ausgleichspflicht aus, weil aus ausdrücklichen oder stillschweigenden Vereinbarungen, aus Zweck und Handhabung des Kontos oder aus Vorschriften über die eheliche Lebensgemeinschaft hervorgeht, dass „ein anderes bestimmt ist“. Der Beweis für die eine der Ausgleichspflicht entgegenstehende Gestaltung des Innenverhältnisses sie bei intakter Ehe im Allgemeinen einfach zu führen, da einer übereinstimmenden Darstellung des Innenverhältnisses durch die Eheleute regelmäßig gefolgt werden könne, wenn nicht objektive Anhaltspunkte vorliegen, die Zweifel an der Richtigkeit der Darstellung begründen. 170 Vor diesem Hintergrund ist fraglich, ob die Zahlung eines Ehegatten auf ein Gemeinschaftskonto
beider Ehegatten eine freigebige Zuwendung i.S.v. § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG an den anderen Ehegatten sein kann. 171 Einig war und ist man sich, dass jedenfalls bei Gehaltseingängen auf ein gemeinschaftliches Gehalts-
konto, von dem typischerweise die Lebenshaltung bestritten wird, keine freigebige Zuwendung an den Ehegatten insoweit vorliegt. Dies folgt aus der gesetzlichen Unterhaltsverpflichtung, § 1360 BGB. Anders sieht es aber schon dann aus, wenn sich ein Guthaben ansammelt, das das übliche Maß – gemessen am Lebenszuschnitt der Ehegatten – übersteigt.2 Denn für die Frage der Bereicherung i.S.d. § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG kommt es im Ergebnis entscheidend auf die Frage an, welche Abreden die Ehegatten insoweit im Innenverhältnis getroffen haben.3 Eine Bereicherung des anderen Ehegatten liegt danach nur vor, wenn und soweit dieser im Verhältnis zum einzahlenden Ehegatten tatsächlich und rechtlich frei über das eingezahlte Guthaben verfügen kann und die Zuwendung unentgeltlich ist. Fehlen entsprechende schriftliche oder mündliche Vereinbarungen, ist auf das tatsächliche Verhalten der Eheleute abzustellen. 172 Nach bisheriger Auffassung der FinVerw. zur Behandlung von Gemeinschaftskonten und -depots sind
diese grundsätzlich beiden Ehegatten zur Hälfte zuzurechnen.4 Gemeinschaftskonten und -depots seien unabhängig von der Herkunft des Geldes bzw. der Wertpapiere grundsätzlich beiden Ehegatten nach der Auslegungsregel des § 430 BGB jeweils zur Hälfte zuzurechnen. Insoweit läge dann eine Bereicherung des nicht einzahlenden Ehegatten vor. Etwas anderes solle nur dann gelten, wenn die Beteiligten eine abweichende Vereinbarung getroffen hätten und dies nachweisen könnten. 173 Ob die Einrichtung eines Oder-Kontos bzw. Einzahlungen auf dieses eine – möglicherweise stillschwei-
gende – schenkweise Übertragung eines Teils oder des gesamten darauf befindlichen Geldbetrags an den jeweils anderen Ehegatten darstellen, war in der finanzgerichtlichen Rspr. bislang umstritten. Keine grundsätzlich schenkungsteuerpflichtige Zuwendung haben beispielsweise das Hessische FG, das FG Münster sowie das FG Niedersachsen angenommen.5 Demgegenüber hatten die FG Rh.-Pf. und Düsseldorf angenommen, dass Oder-Konten von Ehegatten bei der Feststellung des erbschaftsteuerlichen Erwerbs unabhängig von der Herkunft des Geldes grundsätzlich beiden Ehegatten jeweils zur Hälfte zuzurechnen seien.6 174 Schon seit längerem entschieden hatte der BFH, dass in der Überweisung eines Geldbetrages auf das
Festgeldkonto eines anderen nur dann eine Bereicherung des Empfängers auf Kosten des Überweisenden vorliegt, wenn und soweit der Empfänger den Geldbetrag endgültig behalten und darüber im Innenverhältnis zum Überweisenden tatsächlich und rechtlich frei verfügen konnte.7 Es fehlt nach Auffassung des BFH an einer derartigen Verfügungsbefugnis, wenn die Überweisung nur erfolgte, um Anlagebeträge des Überweisenden und des Empfängers zur Erlangung besserer Zinskonditionen zu1 2 3 4 5
BGH v. 29.11.1989 – IVb ZR 4/89, NJW 1990, 705. FG Münster v. 3.12.1992 – 3 K 2366/89 Erb, EFG 1993, 589. BFH v. 22.8.2007 – II R 33/06, BStBl. II 2008, 28 = FR 2008, 242 = ErbStB 2008, 3. OFD Koblenz v. 19.2.2002 – S 3900 A-St 53 5, ZEV 2002, 189. FG Hess. v. 25.4.1991 – 10 K 10197/85, EFG 1992, 142; FG Münster v. 3.12.1992 – 3 K 2366/89 Erb, EFG 1993, 589; FG Nds. v. 14.5.1987 – III 70/83, n.v. 6 FG Rh.-Pf. v. 7.7.1994 – 4 K 2118/93, EFG 1995, 125; FG Düsseldorf v. 19.7.1995 – 4 K 7813/91 Erb, EFG 1996, 242. 7 BFH v. 7.10.1998 – II R 30/97, ZEV 1999, 118.
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Esskandari
Freigebige Zuwendung (Abs. 1 Nr. 1)
Rz. 178 § 7 ErbStG
sammenzulegen. Der Bereicherungswille konnte im entschiedenen Fall nicht ermittelt werden, so dass das Verfahren zur weiteren Sachverhaltsaufklärung zurück verwiesen wurde. Argumente für eine gemeinsame Geldanlage seien nach Auffassung des BFH die entsprechenden Erklärungen des Überweisenden im Einspruchsverfahren sowie die spätere Einräumung einer Bankvollmacht für den Überweisenden und dass das Konto später in einer „Oder-Konto“ umgewandelt worden sei.1 Vor diesem Hintergrund hatte sich zuletzt das FG Nürnberg mit den Auswirkungen von Zahlungen 175 auf ein Oder-Konto beschäftigt. Dem lag folgender Sachverhalt zugrunde: Beispiel: Eheleute M und F führten ein Oder-Konto und ein Oder-Depot. Auf das Konto nahm nur M erhebliche Einzahlungen vor. Von dem Guthaben auf dem Konto erwarb M zudem in verschiedenen Transaktionen Aktien für das OderDepot der Eheleute. Die Eheleute erwarben gemeinsam ein Grundstück, der Kaufvertrag wurde später aus baurechtlichen Gründen rückgängig gemacht. Später erwarb M alleine ein Grundstück, das die Familie bewohnte. In beiden Fällen waren die Zahlungen von dem Oder-Konto erfolgt. In der Einkommensteuererklärung rechneten sich die Eheleute die Spekulationsgewinne und Zinsen aus Konto und Depot je hälftig zu. Die Kosten des Lebensunterhalts wurden von einem anderen gemeinsamen Konto bestritten, auf welches Beträge aus dem Oder-Konto überwiesen wurden. Eine schriftliche Vereinbarung zwischen den Eheleuten, dass die auf das oder-Konto eingezahlten Beträge und die Zinsen daraus ausschließlich M zustehen sollten, war erst im Rahmen einer späteren Betriebsprüfung erstellt worden.
Bis zum Beweis des Gegenteils ist nach Auffassung des FG Nürnberg davon auszugehen, dass der 176 Ehemann bei Einzahlung auf das Oder-Konto seiner Ehefrau die Hälfte der Einzahlungsbeträge freigebig zugewendet hat.2 Der Beweis des Gegenteils war nicht erbracht worden. Entscheidend war die Vereinbarung im Innenverhältnis. Das FG ließ die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung zu.3 Der BFH erklärt der Auffassung des FG Nürnberg, sowie der Verwaltungsauffassung eine klare Ab- 177 sage. Der Gedankengang folgte diesen fünf Schritten: 1. Im Ergebnis beurteilt sich die Frage nach der Bereicherung i.S.d. des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG nach dem Innenverhältnis zum zuwendenden Ehegatten.4 2. Liegt eine von vornherein getroffene schriftliche Vereinbarung hierüber vor, so gilt diese. 3. Fehlt es an einer solchen, kann auf eine entsprechende mündliche Vereinbarung ggf. durch das tatsächliche Verhalten der Eheleute rückgeschlossen werden. 4. Kann der entscheidungserhebliche Sachverhalt trotz Ausschöpfung aller zugänglichen und zumutbaren Ermittlungsmöglichkeiten nicht oder nicht vollständig aufgeklärt werden, ist unter Anwendung der Regeln zu entscheiden, die für die Feststellungslast im Steuerrecht gelten. 5. Nach ständiger Rspr. liegt die Feststellungslast (objektive Beweislast) für steuerbegründende oder steuererhöhende Tatsachen beim Finanzamt und für steuermindernde Tatsachen beim Steuerpflichtigen.5 Demzufolge gilt: Das Finanzamt trägt die Feststellungslast für die Tatsachen, die zur Annahme ei- 178 ner freigebigen Zuwendung erforderlich sind. Also hat auch das Finanzamt darzulegen und zu beweisen, dass der nicht einzahlende Ehegatte über das auf den Einzahlungen des anderen Ehegatten beruhende Guthaben auf dem Oder-Konto zur Hälfte tatsächlich und rechtlich frei verfügen konnte und damit durch die Zuwendung des hälftigen Guthabens bereichert war. Gleiches gilt dafür, dass die Zuwendung objektiv unentgeltlich war. Die Feststellungslast des Finanzamts erstreckt sich deshalb grundsätzlich auch darauf, dass die Eheleute keine von der Auslegungsregel des § 430 BGB abweichende Vereinbarung getroffen hatten und deshalb ein Rückforderungsanspruch des einzahlenden Ehegatten gegenüber dem anderen Kontoinhaber nicht bestand. Gibt es allerdings hinreichend 1 Vgl. zur Unterscheidung zwischen Einzahlungen auf Konten mit Vollmacht und Oder-Konten auch Oertzen/ Straub, BB 2007, 1473. 2 FG Nürnberg v. 25.3.2010 – 4 K 654/2008, EFG 2011, 347; vgl. die Anmerkung von Esskandari/Bick, ErbStB 2010, 330 f. 3 Vgl. zu der Entscheidung und den Hintergründen auch Götz, ZEV 2011, 408. 4 BFH v. 22.8.2007 – II R 33/06, BStBl. II 2008, 28 = FR 2008, 242 = ErbStB 2008, 3. 5 Vgl. BFH v. 21.3.2002 – III R 42/00, BStBl. II 2002, 417.
Esskandari
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§ 7 ErbStG Rz. 179 Schenkungen unter Lebenden deutliche objektive Anhaltspunkte dafür, dass beide Ehegatten zu gleichen Anteilen am Kontoguthaben beteiligt waren, trägt der zur Schenkungsteuer herangezogene Ehegatte die Feststellungslast dafür, dass im Innenverhältnis nur der einzahlende Ehegatte berechtigt sein sollte. Allein eine Einzahlung auf dem Oder-Konto durch einen Ehegatten ist aber kein ausreichender Anhaltspunkt dafür, dass der nicht einzahlende Ehegatte zur Hälfte an dem eingezahlten Betrag beteiligt sein sollte.1 179 Als Indizien zur Beurteilung der Regelung im Innenverhältnis kommen in Betracht:2
– Häufigkeit der Zugriffe auf das Oder-Konto durch den nicht einzahlenden Ehegatten; – schriftliche (auch erst im Nachhinein verschriftlichte oder bestätigende) und mündliche Vereinbarungen zwischen den Ehegatten; – allgemeine Lebenserfahrung, die nicht generell dafür spricht, dass ein Ehegatte gerade bei großen Summen diese durch Einzahlung auf ein Oder-Konto der Eheleute zu einem erheblichen Teil dem anderen Ehegatten freigebig zuwenden wollte; – kein zwingendes Indiz für freie Verfügungsmacht ist Zahlung des Grundstückspreises für ein gemeinsam erworbenes Grundstück, da ggf. ein Ausgleichsanspruch gegen den Ehegatten besteht, gerade bei intakter Ehe kann es üblich sein, dass ein Ehegatte die Zahlungsverpflichtung des anderen Ehegatten erfülle und sich die Ehegatten stillschweigend einig seien, den Ausgleich im Innenverhältnis später vorzunehmen; – laufende Überweisungen zur allgemeinen Lebensführung auf ein Konto zur allgemeinen Lebensführung dienen nicht dem Aufbau eigenen Vermögens eines Ehepartners, sie sind daher kein Indiz für Mitberechtigung am Guthaben auf dem Konto, von dem das Geld Überwiesen wurde; – die Verwendung des Guthabens für Einkommensteuerzahlungen des nicht einzahlenden Ehegatten können grundsätzlich ein Anhaltspunkt für eine Mitberechtigung am Kontoguthaben sein. Entscheidend kommt es hier auf die Höhe der Einkommensteuerschuld an; – Angaben in Einkommensteuererklärungen können Indizien sein, da Kapitalerträge ertragsteuerrechtlich regelmäßig dem Kapitaleigner zuzurechnen sind. Das Indiz ist allerdings nur schwach ausgeprägt, weil es an der ertragsteuerrechtlichen Beurteilung ansetzte. 180 Um Streitigkeiten mit dem Finanzamt zu vermeiden kann weiter grundsätzlich empfohlen werden,
Gemeinschaftskonten zu vermeiden. Dies gilt für Eheleute. Noch mehr gilt es aber für nichteheliche Lebenspartner. Werden Konten oder Depots dennoch gemeinschaftlich geführt, sollte eine schriftliche Vereinbarung über die Aufteilung im Innenverhältnis nach der Herkunft der Mittel getroffen und die Veranlagung sollte nach dieser Aufteilungsvereinbarung durchgeführt werden.3 181 Beim Wertpapier-Gemeinschaftsdepot ist im Übrigen zu beachten, dass nach der auch schenkungs-
steuerrechtlich maßgeblichen Rspr. des BGH zwischen den Rechten aus dem mit der Bank geschlossenen Depotverwahrungsvertrag, bei dem § 430 BGB einschlägig sein kann, und der Eigentumslage an den im Depot verwahrten Papieren zu unterscheiden ist.4 § 430 BGB, der das Innenverhältnis von Gesamtgläubigern regelt, ist nur für die Rechte aus dem Verwahrungsvertrag von Bedeutung. Nur in Bezug auf sie, nicht aber in Bezug auf die verwahrten Wertpapiere sind die Inhaber eines Oder-Depots Gesamtgläubiger. Gesamtgläubigerschaft bei Inhaberpapieren, zumal wenn es sich um Beteiligungspapiere handelt, gibt es nicht.5 Bei diesen folgt das Recht aus dem Papier dem Recht am Papier. 182 Maßgebend ist somit die dingliche Berechtigung, also die Eigentumslage. Über diese gibt die Er-
richtung eines Depots als Oder-Depot in der Regel keinen Aufschluss.6 Das gilt schon deshalb, weil der Depotinhaber nicht Eigentümer der verwahrten Wertpapiere sein muss. Dass es sich, wie etwa bei Bundesobligationen und -schatzbriefen, zum Teil um unverbriefte Wertrechte handelt, ist insoweit ohne Belang. Diese sind rechtlich wie verbriefte Wertpapiere zu behandeln.7 1 2 3 4 5 6 7
Vgl. BFH v. 7.10.1998 – II R 30/97, BFH/NV 1999, 618. BFH v. 23.11.2011 – II R 33/10, BStBl. II 2012, 473 = FR 2012, 739 = ErbStB 2012, 168. So auch Steiner, ErbStB 2005, 76 (78). BGH v. 25.2.1997 – XI ZR 321/95, NJW 1997, 1434. BGH v. 25.2.1997 – XI ZR 321/95, NJW 1997, 1434. BGH v. 15.1.1952 – IV ZB 87/51, BGHZ 4, 295. BGH v. 25.2.1997 – XI ZR 321/95, NJW 1997, 1434.
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Freigebige Zuwendung (Abs. 1 Nr. 1)
Rz. 188 § 7 ErbStG
Für die Eigentumslage depotverwahrter Wertpapiere stellt § 1006 BGB eine Vermutung auf. Diese 183 streitet im Falle von mittelbarem Besitz für den mittelbaren Besitzer (§ 1006 Abs. 3 BGB) und im Falle von Mitbesitz für gemeinschaftliches Eigentum. Im Hinblick auf § 741 BGB ist in der Regel Miteigentum nach Bruchteilen anzunehmen,1 wobei den Teilhabern im Zweifel gleiche Anteile zustehen (§ 742 BGB). Grundsätzlich können auch Treuhandverträge helfen, Schenkungen vorzubeugen. Außerhalb der 184 Gütergemeinschaft bestehen während der Ehe streng getrennte Vermögensmassen der Eheleute. Potentiell kann in jedem Vermögenstransfer oder Zugriff auf das Konto des anderen Ehegatten eine Schenkung liegen, sofern über die bloße Übertragung hinaus der Empfänger über das Zugewendete im Verhältnis zum Leistenden tatsächlich und rechtlich verfügen kann. Entscheidend ist die zivilrechtliche – nicht die wirtschaftliche – Betrachtung. Sofern ein Treuhandverhältnis vorliegt, ist keine freigebige Zuwendung erfolgt. Treuhandverhältnisse sind dadurch gekennzeichnet, dass die dem Treuhänder nach außen eingeräumte Rechtsmacht im Innenverhältnis zum Treugeber durch eine schuldrechtliche Treuhandabrede beschränkt ist. § 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 Alt. 1 AO geht davon aus, dass bei Treuhandverhältnissen das Wirtschaftsgut dem Treugeber zuzurechnen ist. Die Finanzämter prüfen in jedem Einzelfall, ob ein echtes Treuhandverhältnis besteht und orientieren sich dabei an dem BMF-Schr. v. 1.9.1994.2 Es kommt aus Sicht der FinVerw. und nach der Rspr. im Wesentlichen auf die Vereinbarungen im Innenverhältnis an. Es muss sich eindeutig ergeben, dass die mit der rechtlichen Eigentümerstellung verbundene Verfügungsmacht im Innenverhältnis so eingeschränkt ist, dass das rechtliche Eigentum eine leere Hülse bleibt. Der Treugeber muss das Treuhandverhältnis beherrschen. Zur Treuhandabrede gehört daher zwingend die Möglichkeit des Treugebers, im Hinblick auf das Treugut Weisungen zu erteilen, Abrechnung und Rückübertragung zu verlangen. Außerdem muss der Treuhänder ausschließlich auf Rechnung und Gefahr des Treugebers handeln. Das Treuhandverhältnis darf nicht fingiert werden. Ein steuerlich anzuerkennendes Treuhandver- 185 hältnis setzt Abmachungen und tatsächliche Beziehungen voraus, aus denen sich das Handeln im fremden Interesse und die Abhängigkeit des Treuhänders von den erteilten Weisungen eindeutig ergeben. Es sollten daher ernst gemeinte, klare, zulässige Vereinbarungen auch dokumentiert und tatsächlich ausgeführt werden. Bei der Durchführung der Treuhandabrede muss die Trennung von Treugut und Eigenvermögen des Treuhänders erkennbar sein. Der Treuhänder hat ggf. den Nachweis zu führen, dass er Gegenstände/Rechte lediglich treuhände- 186 risch besitzt. Das Treuhandverhältnis muss vor Eintritt der regelmäßigen Festsetzungsverjährung beim Treugeber dem Finanzamt offengelegt werden. Ist der Treugeber, demgegenüber die Zurechnung zu erfolgen hat, nicht bekannt, treten die Rechtsfolgen des § 159 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 AO ein. Danach gilt: Wer behauptet, dass er Rechte, die auf seinen Namen lauten, oder Sachen, die er besitzt, nur als Treuhänder, Vertreter eines anderen oder Pfandgläubiger innehabe oder besitze, hat auf Verlangen nachzuweisen, wem die Rechte oder Sachen gehören; anderenfalls sind sie ihm regelmäßig zuzurechnen. Schon Treuhandverträge unter fremden Dritten werden gerne von Finanzämtern in Frage gestellt. 187 Die bloße Behauptung einer mündlichen Vereinbarung zwischen Treugeber und Treuhänder genügt den Anforderungen zum Nachweis eines vereinbarten Treuhandverhältnisses nicht.3 Bei Treuhandverhältnissen unter nahen Angehörigen stellt die Rspr. an den Nachweis der steuerlich relevanten Treuhandabrede – noch – strengere Anforderungen. Werden Treuhandverhältnisse zwischen nahen Angehörigen abgeschlossen, sind sie steuerrechtlich nur anzuerkennen, wenn sie bürgerlich-rechtlich wirksam vereinbart worden sind und sowohl die Gestaltung als auch die Durchführung des Vereinbarten dem zwischen Fremden Üblichen entsprechen.4 Ein Herausgabeanspruch kann jedenfalls nicht mit dem Hinweis verneint werden, der Empfänger et- 188 wa von Geldvermögen habe dieses nicht getrennt von seinem eigenen Vermögen verwaltet. Denn die Einzahlung auf ein Einzelkonto des Lebensgefährten/Ehegatten ist nicht zwingend als Schenkung bzw. 1 BGH v. 15.1.1952 – IV ZB 87/51, BGHZ 4, 295; v. 14.1.1993 – IX ZR 238/91, NJW 1993, 935. 2 BMF v. 1.9.1994 – IV B 3 - S 2253 a – 15/94; zu Grundvoraussetzungen für die steuerliche Anerkennung; s. auch BFH v. 24.11.2009 – I R 12/09 und v. 6.10.2009 – IX R 14/08. 3 FG Nürnberg v. 19.1.2006 – VII R 338/2001. 4 BFH v. 25.5.2011 – IX R 25/10, BFH/NV 2011, 1677.
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§ 7 ErbStG Rz. 189 Schenkungen unter Lebenden freigebige Zuwendung anzusehen.1 Wenn der Rechtsgrund der Zuwendung treuhänderischer Natur ist und deshalb eine Herausgabepflicht besteht (§ 667 BGB), fehlt es objektiv an einer endgültigen Bereicherung. In dem konkret entschiedenen Fall hielt der BFH den Vortrag des Klägers, die Einzahlung sei nur erfolgt, um den Partnern eine günstigere Geldanlage zu ermöglichen, für erheblich. Wird einem Ehegatten Geldvermögen vom anderen Ehegatten anvertraut, liegt keine freigebige Zuwendung vor, wenn es sich lediglich um ein Auftragsverhältnis handelt, aufgrund dessen der Empfänger den erhaltenen Geldbetrag später gem. § 667 BGB wieder herausgeben muss; unschädlich ist die Vermischung mit eigenem Geldvermögen.2 Auch wenn der Beauftragte nach den Weisungen des Auftraggebers (§§ 662, 665 BGB) verpflichtet sein sollte, das zur Verwaltung übernommene Geldvermögen getrennt von seinem eigenen Vermögen zu halten, änderte ein Verstoß gegen die Weisung des Auftraggebers nichts an der Verpflichtung des Beauftragten zur Rückgewähr.3 189 Ist in der Praxis das Kind bereits in den Brunnen gefallen kann die Beendigung der Zugewinn-
gemeinschaft weiter helfen.4 190 Leben die Ehepartner im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft, § 1363 ff. BGB, behält
während der Dauer der Ehe jeder Ehegatte sein eigenes Vermögen. Ein gemeinsames Vermögen existiert nicht, es sei denn, die Ehegatten erwerben gemeinsames Vermögen. Auszugleichen ist aber der während der Ehe erzielte Zugewinn, § 1378 BGB. Bei Beendigung der Zugewinngemeinschaft steht dem anderen Ehegatten die Hälfte der Differenz des während der Ehe erzielten Zugewinns zu. Dieser Anspruch auf Ausgleich des Zugewinns stellt weder eine freigebige Zuwendung dar, § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG, noch unterfällt er der Erbschaftsteuer – unabhängig von seiner Höhe, § 5 ErbStG. 191 Eine bereits angefallene Schenkungsteuer erlischt zudem mit Wirkung für die Vergangenheit, so-
weit in den Fällen des § 5 Abs. 2 ErbStG unentgeltliche Zuwendungen auf die Ausgleichsforderung angerechnet worden sind, § 29 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG. Wird also der Güterstand gewechselt, ist der Zugewinn auszugleichen. Sofern bereits ein Schenkungsteuerbescheid erlassen war, ist dieser zu ändern, § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO. Entsprechendes gilt, wenn Schenkungen bei der Berechnung der fiktiven Ausgleichsforderung nach § 5 Abs. 1 ErbStG berücksichtigt werden. 192 Vereinbaren Ehegatten einen vorzeitigen Ausgleich des Zugewinns, ohne den gesetzlichen Güterstand
zu beenden, ist die Ausgleichforderung zunächst als steuerbare unentgeltliche Zuwendung nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG zu erfassen. Sobald der Güterstand dann jedoch beendet wird und wenn die im Wege der vorweggenommenen Zugewinnausgleichs erhaltene Zuwendung auf die Ausgleichsforderung anzurechnen ist (§ 1380 Abs. 1 BGB), erlischt die Steuer mit Wirkung für die Vergangenheit, § 29 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG. 193 Eine weitere Gestaltungsmöglichkeit bei bereits eingetretener Schenkungsteuerpflicht besteht im
Widerruf der Schenkung auf der Grundlage der Störung der Geschäftsgrundlage, § 313 BGB. Die Steuer erlischt dann aber nur mit Wirkung für die Vergangenheit nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG, soweit ein Geschenk wegen eines Rückforderungsrechts herausgegeben werden muss. Beachtlich ist nur ein Rückforderungsrecht des Schenkers. Möglich ist dies, wenn sich der Zuwendende über die Steuerpflicht als solche irrt, die entsprechenden Umstände dem Bedachten mitgeteilt worden sind, und dem Bedachten daher klar ist, dass es sich für den Schenker um eine wesentliche Geschäftsgrundlage handelt.5 Die Einschätzung des Schenkers darf zudem nicht auf vagen, nicht durch eigene Sachkunde oder fachliche Informationen abgesicherten Vorstellungen beruhen. Es ist sachlicher Rat in Anspruch zu nehmen. Zudem müsste der Schenker sofort auf die Störung der Geschäftsgrundlage reagieren. Angesichts der Vielzahl der Einschränkungen dürfte diese Konstellation nur in absoluten Ausnahmefällen weiterhelfen. Umgekehrt ist ein Einzelkonto/-depot auch bei Eheleuten grundsätzlich allein dem Kontoinhaber zuzurechnen. Überträgt ein Ehegatte den Vermögensstand seines Einzelkontos/-depots unentgeltlich auf das Einzelkonto/-depot des anderen Ehegatten, trägt der zur Schenkungsteuer herangezogene Ehegatte 1 2 3 4 5
BFH v. 7.10.1998 – II R 30/97, BFH/NV 1999, 618; v. 25.1.2001 – II R 39/98, BFH/NV 2001, 249. BFH v. 25.1.2001 – II R 39/98, BFH/NV 2001, 249. BFH v. 7.10.1998 – II R 30/97, BFH/NV 1999, 618; v. 25.1.2001 – II R 39/98, BFH/NV 2001, 249. Dazu auch Brüggemann, ErbBstg 2011, 217, 220 und Milatz/Herbst, DStR 2011, 706 ff. Vgl. dazu im Einzelnen Milatz/Herbst, DStR 2011, 706 (708 ff.).
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Freigebige Zuwendung (Abs. 1 Nr. 1)
Rz. 197 § 7 ErbStG
die Feststellungslast für Tatsachen, die der Annahme einer freigebigen Zuwendung entgegenstehen.1 Zu diesen Tatsachen zählen auch solche, die belegen sollen, dass dem bedachten Ehegatten das erhaltene Guthaben bereits vor der Übertragung im Innenverhältnis vollständig oder teilweise zuzurechnen war.
III. Auf Kosten des Zuwendenden 1. Maßgeblichkeit des Zivilrechts Die Bereicherung beim Bedachten erfolgt auf Kosten des Zuwendenden, wenn der Vermögensmeh- 194 rung beim Bedachten die Entreicherung beim Zuwendenden gegenübersteht.2 Welche Personen als Zuwendender und als Bedachter an einer freigebigen Zuwendung i.S.v. § 7 195 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG beteiligt sind, richtet sich einzig und allein nach der Zivilrechtslage.3 Wer Zuwendender ist, bestimmt sich nach der Ausgestaltung der geschlossenen Verträge unter Einbeziehung ihrer inhaltlichen Abstimmung untereinander sowie den mit der Vertragsgestaltung erkennbar angestrebten Zielen der Parteien.4 Grundsätzlich ist Zuwendender derjenige, der Vermögen zugunsten eines anderen hingibt, also die steuerbare Zuwendung aus seinem Vermögen erbringt.5 Hat ein Erblasser einem Bedachten eine Leistung schenkweise versprochen, ohne die hierfür erfor- 196 derliche Form nach § 518 Abs. 1 Satz 1 BGB einzuhalten, und wird das formnichtige Schenkungsversprechen nach seinem Ableben durch Bewirkung der versprochenen Leistung aus seinem Vermögen vollzogen, ist der Erblasser Zuwendender i.S.v. § 7 Abs. 1 Nr. 1.6 2. Erlass mit Besserungsabrede Bereicherung des Bedachten und Entreicherung „auf Kosten des Zuwendenden“ sind sorgsam aus- 197 einanderzuhalten. Es handelt sich um zwei selbständige Tatbestandsmerkmale des § 7 ErbStG. Beispiel:7 K ist Präsident eines Fußballvereins. Weil sich der Verein in einer wirtschaftlichen Krise befindet gewährt K großzügig Kredit. Zur Sanierung des Vereins verzichtet K sodann auf seine gesamten Darlehensforderungen gegenüber dem Verein einschließlich der auf das Darlehen angefallenen bzw. noch anfallenden Zinsen. Gleichzeitig wird vereinbart, dass K seine Forderungen geltend machen kann, wenn die finanzielle Lage des Vereins eine Rückzahlung ohne dessen Existenzgefährdung ermöglicht. Lösung: Bereichert ist der Verein, wenn sich der Wert seines Vermögens erhöht. Davon ist vorliegend trotz Wertlosigkeit der Darlehensforderungen auszugehen, denn auch der Verzicht auf eine wertlose Forderung verbessert die Vermögenslage des Schuldners. Dass der Forderungsverzicht mit dem Recht verbunden wurde, die Forderungen geltend zu machen, wenn die finanzielle Lage des Vereins eine Rückzahlung ohne Existenzgefährdung des Vereins ermöglicht, steht der Annahme der Bereicherung nicht entgegen. Zwar muss die Bereicherung endgültig sein. Weil eine Nachzahlungsverpflichtung, die an das Vorliegen besserer Vermögensverhältnisse der Schuldners anknüpft (sog. Erlass mit Besserungsabrede), zivilrechtlich eine auflösende Bedingung i.S.d. § 158 Abs. 2 BGB darstellt, ist die aufschiebend bedingt erlassene Forderungen zunächst erloschen; sie lebt gem. § 159 BGB erst im Falle des Bedingungseintritts rückwirkend wieder auf und ist daher ab dem Verzichtsjahr bis zum Bedingungseintritt nicht mehr zu passivieren. Die Bereicherung des Fußballvereins im Sinne einer freigebigen Zuwendung nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG liegt damit vor. Es fehlt jedoch am Tatbestandsmerkmal der Bereicherung auf Kosten des Zuwendenden.
1 2 3 4
BFH v. 29.6.2016 – II R 41/14, DStR 2016, 2041. Gebel in T/G/J, § 7 ErbStG Rz. 21 (Stand: Juli 2015). BFH v. 23.6.2015 – II R 52/13, BStBl. II 2015, 960 = FR 2016, 94 = ErbStB 2015, 288. BFH v. 28.10.2008 – II R 32/08, ErbStB 2010, 163 = BFH/NV 2010, 893, 894; v. 7.11.2007 – II R 28/06, BStBl. II 2008, 258 = FR 2008, 585 = ErbStB 2008, 99. 5 BFH v. 28.10.2009 – II R 32/08, ErbStB 2010, 163 = BFH/NV 2010, 893 (894). 6 BFH v. 23.6.2015 – II R 52/13, BStBl. II 2015, 960 = FR 2016, 94 = ErbStB 2015, 288. 7 Nach FG Rh.-Pf. v. 15.9.2005 – 4 K 2436/02, ErbStB 2006, 9 = EFG 2005, 1890.
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§ 7 ErbStG Rz. 198 Schenkungen unter Lebenden 198 Auf Kosten des Zuwendenden ist der Bedachte dann bereichert, wenn sich die gegenwärtige Ver-
mögenssubstanz des Zuwendenden dauerhaft vermindert, der Zuwendende muss also ärmer werden. Von einer Entreicherung des Zuwendenden ist in der Regel auszugehen, falls auf eine Forderung verzichtet wird.1 Dies gilt grundsätzlich auch bei Hingabe (nahezu) wertloser Forderungen. Ein Gläubiger, der auf eine wertlose Forderung verzichtet, begibt sich nämlich seines Anspruchs und der Möglichkeit, bei einer späteren Besserung der Vermögensverhältnisse des Schuldners Befriedigung für seine Forderung zu erlangen.2 199 Anders verhält es sich allerdings dann, wenn auf eine wertlose Forderung nur zum Zwecke der Sa-
nierung eines notleidenden Unternehmens mit Besserungsabrede verzichtet wird. Eine Entreicherung des Zuwendenden, die sich aus einer eventuellen künftigen Werthaltigkeit der Forderung ergibt, wird nämlich durch eine zukunftsorientierte Ertragserwartung ausgeglichen.3 Der Gläubiger, der auf eine wertlose Forderung gegen Besserungsabrede zum Zwecke der Sanierung des Schuldners verzichtet, gibt nichts aus seinem Vermögen heraus, vielmehr schichtet er uneinbringbare Werte gegen Erwerbsaussichten lediglich um.4 200 Der Einbeziehung der Besserungsabrede in die Vermögensbetrachtung steht das Bewertungsrecht
nicht entgegen. Zwar dürfen gem. § 4 BewG i.V.m. § 12 Abs. 1 ErbStG aufschiebend bedingte Erwerbe erst berücksichtigt werden, wenn die Bedingung eingetreten ist. Obwohl die Besserungsabrede eine aufschiebende Bedingung darstellt, kommt § 4 BewG dennoch nicht zur Anwendung. Denn die Frage, ob eine Bereicherung bzw. eine Entreicherung i.S.d. § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG vorliegt, bestimmt sich ausschließlich nach – bürgerlich-rechtlichen – Bewertungsgrundsätzen. Erst nachdem anhand der im Zivilrecht geltenden allgemeinen Verkehrswerte feststeht, dass ein steuerbarer Erwerb gegeben ist, sind die Bewertungsvorschriften anwendbar. 201 Im konkreten Fall wies das FG ergänzend darauf hin, dass, selbst wenn die Sanierungszuwendungen
den objektiven und subjektiven Tatbestand der freigebigen Zuwendung erfüllten, sich in jedem Fall eine Schenkungsteuerfreiheit aus § 13 Abs. 1 Nr. 5 ErbStG ergebe.5 Hiernach bleiben u.a. solche Befreiungen von einer Schuld steuerfrei, die mit Rücksicht auf die Notlage des Schuldners vorgenommen wurden und diese auch durch die Zuwendung nicht beseitigt wird. Diese Vorschrift ist grundsätzlich auch auf Schulderlass zum Zwecke der Sanierung eines Unternehmens anwendbar.6 In einer Notlage befindet der Schuldner dann, wenn er sich bei seinen Einkommens- und Vermögensverhältnissen nur mit fremder Hilfe befreien kann.7 Hierfür genügt bloße Überschuldung nicht; völlige Vermögenslosigkeit ist andererseits auch nicht erforderlich.8 Außerdem muss der Schenker die Notlage des Schuldners gekannt und aus diesem Wissen heraus die Schuldbefreiung angeordnet haben.9 202 Die Schenkung einer Forderung, hinsichtlich der eine Besserungsabrede getroffen wurde, ist aus-
geführt, sobald der Besserungsfall eingetreten ist. Dies gilt unabhängig davon, wie die Besserungsabrede zivilrechtlich zu beurteilen ist.10 203 Die Eingehung einer Bürgschaftsverpflichtung als solche stellt keine freigebige Zuwendung i.S.d. § 7
Abs. 1 Nr. 1 ErbStG an den (Haupt-)Schuldner dar, weil durch sie lediglich die Forderung des Gläubigers gegen den Schuldner durch Übernahme der Hilfsschuld gesichert wird (§ 765 BGB); eine Bereicherung des Schuldners tritt damit nicht ein.11 Auch durch die Leistung des Bürgen an den Gläubiger aufgrund der Bürgschaftsverpflichtung wird der Schuldner nicht auf Kosten des Bürgen bereichert, 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11
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BFH v. 8.5.1985 – II R 119/82, BFH/NV 1985, 84. RFH v. 23.6.1938 – IIIe 81/37, RStBl. 1938, 749. Gebel in T/G/J, § 7 ErbStG Rz. 23 (Stand: Juli 2015). BFH v. 26.2.1942 – IIIe 15/41, RStBl. 1942, 803. BFG Rh.-Pf. v. 15.9.2005 – 4 K 2436/02, ErbStB 2006, 9 = EFG 2005, 1890, 1891, rkr. Vgl. z.B.: Viskorf in V/K/S/W4, § 13 ErbStG Rz. 46; Jülicher in T/G/J, § 13 ErbStG Rz. 82 (Stand: Oktober 2014); Kien-Hümbert in Moench/Weinmann, § 13 ErbStG Rz. 46 (Stand: April 2014). Viskorf in V/K/S/W4, § 13 ErbStG Rz. 45; Meincke16, § 13 ErbStG Rz. 35; Jülicher in T/G/J, § 13 ErbStG Rz. 81 (Stand: Oktober 2014). Viskorf in V/K/S/W4, § 13 ErbStG Rz. 45. Viskorf in V/K/SW4, § 13 ErbStG Rz. 46. BFH v. 21.4.2009 – II R 57/07, BStBl. II 2009, 606 = FR 2009, 973 = ErbStB 2009, 236. BFH v. 12.7.2000 – II R 26/98, BStBl. II 2000, 596 = FR 2000, 1287 m. Anm. Viskorf.
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Freigebige Zuwendung (Abs. 1 Nr. 1)
Rz. 208 § 7 ErbStG
denn soweit der Bürge den Gläubiger befriedigt, erlischt die Forderung gegen den (Haupt-)Schuldner nicht, vielmehr geht die Forderung des Gläubigers gegen den Schuldner auf den Bürgen über (§ 774 Abs. 1 BGB). Ausnahmsweise kann die Leistung des Bürgen aufgrund der Bürgschaftsverpflichtung allerdings 204 dann als freigebige Zuwendung des Bürgen an den Schuldner angesehen werden, wenn nach den objektiven Umständen der Schuldner von dem Bürgen endgültig von der gegen ihn (weiter-)bestehenden Forderung befreit werden sollte.1 Die bloße Möglichkeit, als Bürge aus der Bürgschaft zukünftig in Anspruch genommen zu werden und mit dem übergegangenen Anspruch gegen den Schuldner auszufallen, reicht für eine solche Annahme nicht aus, denn diese Unsicherheit wohnt jeder Bürgschaftsverpflichtung inne; ein endgültiger Verzicht auf den für diesen Fall vom Gesetz (§ 774 BGB) vorgesehenen Rückgriffsanspruch lässt sich daraus gerade nicht ableiten.2 Die Hingabe zinsgünstiger oder zinsfreier Darlehen wird von der Rspr. regelmäßig als freigebige Zu- 205 wendung behandelt und gem. § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG der Schenkungsteuer unterworfen.3 Der Empfänger eines zinslosen Darlehens erfährt durch die Gewährung des Rechts, das als Darlehen überlassene Kapital unentgeltlich zu nutzen, eine entsprechende Vermögensmehrung.4 Der Jahreswert des Nutzungsvorteils für ein zinsfreies Darlehen ist dabei regelmäßig mit 5,5 % anzusetzen. Bei einem zinsgünstigen Darlehen entspricht der Nutzungsvorteil der Differenz zwischen den tatsächlich vereinbarten Zinsen und dem Zinssatz von 5,5 %. Kann der Steuerpflichtige nachweisen, dass der marktübliche Zinssatz für eine gleichartige Kapitalanlage den gesetzlichen Zinssatz von 5,5 % unterschreitet, soll dieser Marktzins maßgebend sein.5 Sie nimmt jedoch keine freigebige Zuwendung an, falls der vereinbarte Zins nur unwesentlich unter dem marktüblichen Zins liegt.6 Der Steuerwert der Bereicherung ergibt sich durch Kapitalisierung des Jahreswerts des Nutzungs- 206 vorteils nach der vereinbarten Laufzeit des Darlehens in Anwendung der Tabelle nach Anlage 9a des BewG (§ 12 Abs. 1 ErbStG i.V.m. § 13 Abs. 1 BewG). Bei zeitlich unbefristeter Kreditgewährung wird der Kapitalwert mit dem 9,3-fachen des Jahreswerts angesetzt (§ 13 Abs. 2 BewG). Eine Kündigung des Darlehens kann hierbei als auflösendes, rückwirkendes Ereignis i.S.d. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO die Bewertung beeinflussen (§ 488 Abs. 3 BGB).7 Die Steuer entsteht mit der Überlassung der Darlehensmittel. 3. Gewährung einer Nutzungsmöglichkeit Der Begriff des Erwerbsgegenstandes einer Schenkung wird grundsätzlich weit ausgelegt. Gegenstand 207 einer freigebigen Zuwendung nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG kann deshalb nicht nur die Vermögenssubstanz, sondern auch die Gewährung eines Vermögensgebrauchs (einer Nutzungsmöglichkeit) sein.8 Dabei soll es ohne Belang sein, ob die Gebrauchs- bzw. Nutzungsüberlassung (z.B. durch einen Nießbrauch) „verdinglicht“ wird oder lediglich auf einem obligatorischen Rechtsverhältnis beruht.9 Nach der Rspr. des BGH liegt allerdings in der bloßen vorübergehenden Gebrauchsüberlassung ei- 208 ner Sache in Regel keine das Vermögen mindernde Zuwendung, die für eine Schenkung gem. § 516 Abs. 1 BGB erforderlich wäre, denn in diesem Fall verbleibt die Sache im Eigentum und mithin im Vermögen des Leistenden.10 Auch der Besitz als vermögenswertes Recht wird dann nicht endgültig, sondern nur vorübergehend aus der Hand gegeben. Allein das Merkmal der Unentgeltlichkeit macht die Zuwendung noch nicht zu einer Schenkung. Wer sich vertraglich verpflichtet, einem anderen 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10
BFH v. 12.7.2000 – II R 26/98, BStBl. II 2000, 596 = FR 2000, 1287 m. Anm. Viskorf. BFH v. 12.7.2000 – II R 26/98, BStBl. II 2000, 596 = FR 2000, 1287 m. Anm. Viskorf. BFH v. 14.1.2010 – II B 112/09, BFH/NV 2010, 901; FG München v. 25.2.2016 – 4 K 1987/14, EFG 2016, 728. BFH v. 4.3.2015 – II R 19/13, ErbStB 2015, 189 = BFH/NV 2015, 993; v. 29.6.2005 – II R 52/03, BStBl. II 2005, 800 = FR 2006, 45 = ErbStB 2005, 303; v. 11.4.2006 – II R 13/04, BFH/NV 2006, 1665. Ländererlasse, FinMin. BW v. 20.1.2000 – S 3104/6, DStR 2000, 204. Ländererlasse, FinMin. BW v. 20.1.2000 – S 3104/6, DStR 2000, 204. BFH v. 12.7.1979 – II R 26/78, BStBl. II 1979, 631. BFH v. 30.3.1994 – II R 105/93, BFH/NV 1995, 70. Fumi, EFG 2006, 1264. BGH v. 11.12.1981 – V ZR 247/80, BGHZ 82, 354.
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§ 7 ErbStG Rz. 209 Schenkungen unter Lebenden den Gebrauch der Sache unentgeltlich zu gestatten, begründet vielmehr nach der Auffassung des BGH einen formlos zulässigen Leihvertrag gem. § 598 BGB. Auf den Leihvertrag ist die Anwendung schenkungsrechtlicher Vorschriften grundsätzlich auch dann ausgeschlossen, wenn dem Eigentümer infolge der Gebrauchsüberlassung Vermögensvorteile entgehen, die er bei eigenem Gebrauch hätte erzielen können. Diese Grundsätze wendet der BGH auch auf ein Wohnrecht an. 209 Obwohl der Tatbestand der freigebigen Zuwendung i.S.d. § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG keinen Schen-
kungsvertrag i.S.d. § 516 BGB verlangt, hat sich der BFH der vorstehenden Betrachtungsweise angeschlossen.1 Die unentgeltliche Gebrauchsüberlassung einer Wohnung ist danach keine Schenkung, sondern Leihe. Auch der BFH argumentiert, dass in der bloßen Gebrauchsüberlassung einer Sache in der Regel keine das Vermögen mindernde Zuwendung liege, die für eine Schenkung gem. § 516 Abs. 1 BGB erforderlich ist, denn die Sache verbleibt im Eigentum und mithin im Vermögen des Leistenden. Wer sich vertraglich verpflichtet, einem anderen den Gebrauch einer Sache unentgeltlich zu gestatten, begründet einen Leihvertrag gem. § 598 BGB. Diese Grundsätze gelten auch für die unentgeltliche Überlassung einer Wohnung. Die Leihe hat die Gestattung des unentgeltlichen Gebrauchs zum Gegenstand, so dass in der mit einer Leihe verbundenen Zuwendung des Werts einer sonst möglich gewesenen Eigennutzung der Sache keine Schenkung gesehen werden kann.2 210 In der Regel wird bei der bloßen Überlassung von Wohnräumen und anderen Grundstücksteilen
zur Selbstnutzung eine entreichernde Vermögenshingabe fehlen. Dies gilt jedoch dann nicht, wenn nach der Verwendungsplanung des überlassenden Eigentümers anderenfalls eine erwerbswirtschaftliche Nutzung erfolgt wäre.3 Für selbst genutzte Wohnungen dürfte dies ausscheiden, bei „leicht vermietbaren Wohnungen“ jedoch nicht.4 211 Nach diesen Grundsätzen stellt auch die unentgeltliche Einräumung eines Mitbenutzungsrechts
an einem bisher schon gemeinsam bewohnten Zweifamilienhaus durch die Lebensgefährten keine freigebige Zuwendung dar.5 Beispiel: A lebt zusammen mit seiner Lebensgefährtin B in dem dieser gehörenden Zweifamilienhaus. Mit notariellem Vertrag räumt B dem A ein vertragliches, lebenslängliches und unentgeltliches Mitbenutzungsrecht an allen Räumen des Hauses ein, welches auch im Grundbuch eingetragen wird. Lösung: Bei der Einräumung des Mitbenutzungsrechts fehlt es an der entreichernden Vermögenshingabe, weil lediglich die Mitbenutzung einer Wohnung gestattet wird, die auch von der Eigentümerin B aufgrund ihrer Eigentümerstellung für eigene Wohnzwecke genutzt wird. Die Wohnräume und das Grundstück bildeten sowohl vor als auch nach dem Vertragsabschluss die gemeinsame Wohngrundlage der nichtehelichen Lebensgemeinschaft. Durch die notarielle Fixierung der Lebenssituation und deren Eintragung im Grundbuch ist weder das Vermögen des A gemehrt noch das der Lebensgefährtin B gemindert worden.6 Der Umstand, dass dieses Recht dinglich gesichert wurde, ändert daran nichts.7 Dinglich gesicherte Nutzungsrechte führen zwar in aller Regel zu einer Entreicherung des Eigentümers,8 weil seine Nutzungsbefugnis dadurch mit Wirkung für eventuelle Rechtsnachfolge auf Dauer beseitigt oder zumindest eingeschränkt wird. Andererseits ist die Verpflichtung, mit einer dritten Person alle Wohnräume teilen zu müssen bzw. das entsprechende Nutzungsrecht nicht bewertungsfähig, so dass insoweit § 9 Abs. 2 Satz 3 BewG nicht eingreift.9
212 Der Umstand, dass das Mitbenutzungsrecht nicht für den Fall der Auflösung der Lebensgemein-
schaft ausdrücklich auflösend bedingt ist, sondern auf die Lebenszeit des Berechtigten beschränkt, steht der fehlenden Bereicherung nicht entgegen.10 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10
200
BFH v. 29.11.1983 – VIII R 184/83, BStBl. II 1984, 371 = FR 1984, 231. Fumi, EFG 2006, 1264 (1265). Vgl. FG Rh.-Pf. v. 18.4.2002 – 4 K 1869/01, DStRE 2002, 1078, rkr. Vgl. FG Rh.-Pf. v. 18.4.2002 – 4 K 1869/01, DStRE 2002, 1078, rkr. FG München v. 22.3.2006 – 4 K 1631/04, ErbStB 2006, 275 = EFG 2006, 1263, rkr. FG München v. 22.3.2006 – 4 K 1631/04, ErbStB 2006, 275 = EFG 2006, 1263, rkr. FG München v. 22.3.2006 – 4 K 1631/04, ErbStB 2006, 275 = EFG 2006, 1263, rkr. BFH v. 29.11.1983 – VIII R 384/83, BStBl. II 1984, 73 (74). FG München v. 22.3.2006 – 4 K 1631/04, ErbStB 2006, 275 = EFG 2006, 1263, rkr. FG München v. 22.3.2006 – 4 K 1631/04, ErbStB 2006, 275 = EFG 2006, 1263, rkr.
Esskandari
Freigebige Zuwendung (Abs. 1 Nr. 1)
Rz. 217 § 7 ErbStG
Nach der Auffassung des FG München gilt dieser Grundsatz deshalb, weil das Mitbenutzungsrecht 213 nach den Grundlagen des Wegfalls der Geschäftsgrundlage keine vom Fortbestand der Lebensgemeinschaft unabhängige Nutzungsbefugnis erlangt.1 Das durch letztwillige Verfügung erlangte Recht, eine Wohnung – weiterhin – verbilligt mieten zu 214 können, ist selbstverständlich erbschaftsteuerpflichtig. 4. Unentgeltliche Arbeits- oder Dienstleistungen Mangels Entreicherung des Leistenden sind Arbeits- oder Dienstleistungen, die unentgeltlich aus- 215 geführt werden, zivilrechtlich keine Schenkungen, weil sie keine dauerhafte Vermögenseinbuße bewirken. Unter „Zuwendung“ versteht das Bürgerliche Gesetzbuch nämlich nur die Übertragung von Vermögenssubstanz,2 nicht das Zur-Verfügung-Stellen von Arbeitskraft.3 Anders kann dies allerdings sein, wenn der Zuwendende seine Arbeitskraft oder die zur Nutzung überlassene Sache anderweitig gegen Ertrag hätte einsetzen können.4 Ein solcher Zusammenhang dürfte sich allerdings nur schwer herstellen lassen, solange der Zuwendende argumentiert, dass er die Arbeits- oder Dienstleistung gegenüber dem Bedachten nicht statt einem zahlenden Kunden gegenüber, sondern auf Kosten seiner Freizeit erbracht hätte. 5. Mittelbare Schenkung Nicht erforderlich ist die Identität von Entreicherungsgegenstand auf der einen und Bereiche- 216 rungsgegenstand auf der anderen Seite.5 Dieser Umstand ermöglicht die Zulässigkeit der mittelbaren Schenkungen. Danach kann in der Hingabe von Vermögensgegenständen mittelbar die Schenkung eines anderen Vermögensgegenstands gesehen werden. Dies setzt voraus, dass der Beschenkte im Verhältnis zum Schenker nicht über das ihm unmittelbar Zugewendete, sondern (erst) über das Surrogat desselben, z.B. über den Verkaufserlös, verfügen kann; denn in diesem Fall ist der Beschenkte nicht um das unmittelbar Hingegebene, sondern erst um den Verkaufserlös bereichert.6 Dies gilt nicht nur für die Fälle der mittelbaren Grundstücksschenkung, sondern generell bei mittelbarer Schenkung aller als Zuwendungsobjekt in Betracht kommenden Gegenstände oder Rechte.7 Die mittelbare Schenkung ist danach also eine Rechtsfigur, die anerkennt, dass der Gegenstand einer 217 Zuwendung im Falle eines Schenkungsvertrags von den Vertragsparteien und bei sonstigen Zuwendungen ohne vertragliche Grundlage vom Willen des Schenkers bestimmt wird. Sie ist von der höchstrichterlichen Zivilrechtsprechung entwickelt8 und vom BFH in das Steuerrecht – und zwar zunächst in das Schenkungsteuerrecht9 und sodann auch in das Ertragsteuerrecht10 – übernommen worden. Schon der Reichsfinanzhof11 hat aber bereits entschieden, dass bei einer vorweggenommenen Erbauseinandersetzung bezüglich eines vom Vater einem Kind überlassenen Bauerngutes Gegenstand der Schenkung das Bauerngut selbst ist und nicht der Teil der Kaufpreisforderung, der dem
1 FG München v. 22.3.2006 – 4 K 1631/04, ErbStB 2006, 275 = EFG 2006, 1263, rkr.; das FG München stellt die Frage, was ein anteiliges Mitbenutzungsrecht denn solle, wenn die enge Beziehung zum anderen Nutzungsberechtigten nach Jahrzehnten plötzlich fehle. 2 BGH v. 8.7.1982 – IX ZR 99/80, NJW 1982, 2236. 3 BGH v. 13.7.1994 – XII ZR 1/93, NJW 1994, 2545. 4 BGH v. 1.7.1987 – IVb ZR 70/86, NJW 1987, 2816; grundsätzlich krit. hierzu Fischer in F/J/P/W5, § 7 ErbStG Rz. 161. 5 BFH v. 28.3.2012 – II R 39/10, BStBl. II 2012, 712 = FR 2013, 90 = ErbStB 2012, 264. 6 BFH v. 28.3.2012 – II R 39/10, BStBl. II 2012, 712 = FR 2013, 90 = ErbStB 2012, 264. 7 BFH v. 22.6.2010 – II R 40/08, BStBl. II 2010, 842 = ErbStB 2010, 298. 8 RG v. 19.6.1941 – V 129/40, RGZ 167, 199 (203); BGH v. 29.5.1952 – IV ZR 167/51, NJW 1952, 1171; v. 3.12.1971 – V ZR 134/69, NJW 1972, 247; v. 2.7.1990 – II ZR 243/89, NJW 1990, 2616. 9 Grundlegend BFH v. 19.8.1959 – I 259/57 S, BStBl. III 1959, 417; v. 7.4.1976 – II R 87-89/70, BStBl. II 1976, 632; v. 13.4.1977 – II R 162/71, BStBl. II 1977, 663. 10 BFH v. 15.5.1990 – IX R 21/86, BStBl. II 1992, 67 = FR 1991, 85 m. Anm. Drenseck; v. 8.6.1994 – X R 51/91, BStBl. II 1994, 779 (781) = FR 1994, 717; v. 29.7.1998 – X R 54/95, BStBl. II 1999, 128 = FR 1998, 1088. 11 RFH v. 24.2.1931, RStBl. 1931, 296.
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§ 7 ErbStG Rz. 218 Schenkungen unter Lebenden erwerbenden Kinde mit dem Ziele auf Anrechnung auf sein demnächst anfallendes Elternerbe belassen wird. 218 Die Besonderheit der mittelbaren Schenkung besteht darin, dass der Zuwendungsempfänger nach
den Vorstellungen der Vertragsparteien bzw. dem Willen des Schenkers un- oder teilentgeltlich einen Vermögensgegenstand erhalten soll, der nicht zum Vermögen des Schenkers gehört. Dieser Vermögensgegenstand muss deshalb zunächst hergestellt oder von einem Dritten erworben werden. Dabei liegt eine mittelbare Zuwendung nur vor, wenn der hergestellte oder angeschaffte Gegenstand nicht zunächst in das Vermögen des Schenkers gelangt und von diesem an den Bedachten weitergegeben wird, sondern unmittelbar im Vermögen des Bedachten entsteht oder in sein Vermögen erworben wird. Freigebige Zuwendung ist ein solcher Vorgang deshalb, weil die Herstellung bzw. der Erwerb aus dem Vermögen eines Dritten „auf Kosten“ des Schenkers – d.h. mit von ihm für diesen Zweck hingegebenen Vermögensmitteln – erfolgt. 219 Nach der Rspr. des BFH ist dabei für die Bestimmung des Zuwendungsgegenstandes entscheidend,
ob der Zuwendungsempfänger bereits über die hingegebenen Vermögensmittel – also den Entreicherungsgegenstand – oder erst über den hergestellten oder angeschafften Vermögensgegenstand „frei und endgültig“ verfügen kann.1 220 Der ständigen höchstrichterlichen Rspr. folgend geht deshalb auch die FinVerw. davon aus, dass die
Hingabe von Geld zum Erwerb eines Grundstücks oder zur Errichtung eines Gebäudes dann als Schenkung von Grundbesitz anzusehen ist (mittelbare Grundstücksschenkung), wenn dem Bedachten nach dem erkennbaren Willen des Zuwendenden im Zeitpunkt der Ausführung der Schenkung ein bestimmtes Grundstück oder Gebäude verschafft werden soll.2 In jedem Fall erforderlich ist, dass der Bedachte im Verhältnis zum Zuwendenden nicht über das ihm übereignete Geld, sondern erst über das Grundstück verfügen kann.3 An einer derartigen Zweckbindung fehlt es, wenn der Beschenkte das Zugewendete auch ohne grundstücksbezogene Verwendung behalten darf.4 221 Die Grundsätze der mittelbaren Grundstücksschenkung sind auch anwendbar auf grundstücksbezo-
gene Verwendungen (z.B. die Errichtung eines Anbaus), deren Kosten von dem Zuwendenden schenkweise getragen werden.5 222 Die für die mittelbare Grundstücksschenkung entwickelten Grundsätze gelten generell bei mittel-
baren Schenkungen aller als Zuwendungsobjekt in Betracht kommender Gegenstände.6 223 Die laufende Zahlung der Versicherungsprämien für eine vom Versicherungsnehmer abgeschlosse-
ne Lebensversicherung durch einen Dritten kann nicht als mittelbare Schenkung eines Lebens- bzw. Rentenversicherungsanspruchs beurteilt werden.7 Die aus der jeweiligen Zahlung der Versicherungsprämie folgende Werterhöhung des Versicherungsanspruchs ist kein Zuwendungsgegenstand i.S.d. § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG. 224 Jedenfalls vor dem 1.1.2009, also bis zum Inkrafttreten des ErbStRG 2009 mit seinen Änderungen im
BewG, gehörte die mittelbare Schenkung bei der Schenkung aller Wirtschaftsgüter, deren Steuerwert unter dem gemeinen Wert lag, zum Pflichtprogramm des Schenkungsteuersparens. Zu nennen sind hier vor allem Grundstücke und das Betriebsvermögen. 225 Nach der Reform zum 1.1.2009 sind die Steuersparmöglichkeiten, die durch die mittelbaren Schen-
kungen eröffnet werden, sicherlich kleiner geworden. Wiederum vor allem beim Grundvermögen und beim Betriebsvermögen bleibt es aber dabei, dass im Zweifel die mittelbare Schenkung immer der reinen Geldschenkung vorzuziehen ist.
1 2 3 4 5 6
BFH v. 21.5.2001 – II R 10/99, DStRE 2001, 986; v. 6.3.2002 – II R 85/99, BFH/NV 2002, 1030. R E 7.3 Abs. 1 Satz 1 ErbStR 2011. BFH v. 5.10.2005 – II R 48/03, BFH/NV 2006, 302 (303). BFH v. 5.10.2005 – II R 48/03, BFH/NV 2006, 302 (303). Meincke16, § 7 ErbStG Rz. 22. BFH v. 17.6.1998 – II R 51/96, BFH/NV 1998, 1378; v. 4.12.2002 – II R 75/00, BStBl. II 2003, 273 = FR 2003, 732 = ErbStB 2003, 113; v. 22.10.2014 – II R 26/13, BStBl. II 2015, 239 = FR 2015, 188 = ErbStB 2015, 31. 7 BFH v. 22.10.2014 – II R 26/13, BStBl. II 2015, 239 = FR 2015, 188 = ErbStB 2015, 31.
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Freigebige Zuwendung (Abs. 1 Nr. 1)
Rz. 233 § 7 ErbStG
Bei den Grundstücken werden die aktuell im BewG vorgesehenen Bewertungsverfahren dazu führen, 226 dass sicherlich in Einzelfällen der Steuerwert exakt den gemeinen Wert trifft. In aller Regel werden Steuerwert und gemeiner Wert jedoch auch weiterhin voneinander abweichen. Liegt der Steuerwertüber dem gemeinen Wert, dann hat der Steuerpflichtige durch die in § 198 BewG vorgesehene Öffnungsklausel die Möglichkeit, den unter dem Steuerwert liegenden gemeinen Wert nachzuweisen. Mit einer mittelbaren Grundstücksschenkung hätte man in diesem Fall schon einmal nichts falsch gemacht. Liegt der Steuerwert aber unter dem gemeinen Wert, dann bleibt es dabei. Es wird der im Verhältnis zum gemeinen Wert zu niedrige Steuerwert angesetzt. Das Finanzamt seinerseits hat keine Handhabe, von sich aus den Nachweis zu führen, dass der gemeine Wert über dem Steuerwert liegt. Mit einer mittelbaren Grundstücksschenkung hätte man in diesem Fall mit Sicherheit alles richtig gemacht und die bestehenden Sparmöglichkeiten genutzt. Bei der mittelbaren Schenkung von zu Wohnzwecken vermieteten Grundstücken kommt der Be- 227 dachte in den Genuss des Bewertungsabschlags von 10 % gem. § 13c ErbStG. Auch beim Betriebsvermögen ist man mit einer mittelbaren Schenkung immer auf der richtigen 228 Seite. Auch hier ist es grundsätzlich möglich, dass durch eine mittelbare Schenkung Bewertungsunterschiede ausgenutzt werden können. Entscheidend aber ist, dass bei der mittelbaren Schenkung der mit dem geschenkten Geld erworbene Vermögensgegenstand als zugewendet gilt, also das Betriebsvermögen als solches. Dann aber liegt der entscheidende Vorteil schon allein in der in den §§ 13a, 13b ErbStG vorgesehenen Begünstigung beim Erwerb von Betriebsvermögen. Nach Auffassung der FinVerw. wird der Erwerb von Betriebsvermögen bei einer mittelbaren Schen- 229 kung nur dann im Sinne der Begünstigungen von Betriebsvermögen verschont, wenn der Bedachte mit dem erhaltenen Geld in den Gewerbebetrieb oder einen Mitunternehmeranteil des Schenkers investiert.1 Der Erwerb von externem Betriebsvermögen soll hingegen nicht begünstigt sein. Stellt der Schenker dem Bedachten Geld zweckbestimmt zum Erwerb eines Grundstücks oder zur Er- 230 richtung eines Gebäudes zur Verfügung, können sie damit – solange das aktuelle Erbschaftsteuergesetz noch gültig ist – eine privilegierte Grundbesitzschenkung anstelle einer teureren Geldschenkung verwirklichen. Die mittelbare Grundstücksschenkung wird anerkannt, wenn der Wille der Beteiligten nach außen erkennbar ist und tatsächlich vollzogen wird.2
IV. Wille zur Freigebigkeit Zur Verwirklichung des subjektiven Tatbestands der freigebigen Zuwendung genügt das Bewusst- 231 sein des Zuwendenden der (Teil-)Unentgeltlichkeit seiner Leistung. Ein auf die Bereicherung des Empfängers gerichteter Wille im Sinne einer Bereicherungsabsicht („animus donandi“) ist nicht erforderlich.3 Der „Wille zur Unentgeltlichkeit“ liegt dabei dann vor, wenn sich der Zuwendende der Unentgelt- 232 lichkeit der Zuwendung derart bewusst ist, dass er seine Leistung ohne Verpflichtung (und sei es auch nur in Bezug auf eine Naturalobligation) und ohne rechtlichen Zusammenhang mit einer Gegenleistung (oder einem Gemeinschaftszweck) erbringt.4 Anders ausgedrückt ist der Wille zur Unentgeltlichkeit dann gegeben, wenn der Zuwendende in dem Bewusstsein handelt, zu der Vermögenshingabe weder rechtlich verpflichtet zu sein noch dafür eine mit seiner Leistung in einem synallagmatischen, konditionalen oder kausalen Zusammenhang stehende (gleichwertige) Gegenleistung zu erhalten.5 Für die zutreffende – ggf. irrtumsausschließende – Vorstellung des Zuwendenden von dem Begriff 233 der (Un-)Entgeltlichkeit genügt es, wenn er dessen rechtlich-sozialen Bedeutungsgehalt „nach Laien-
1 2 3 4 5
R E 13b.2 Abs. 2 Satz 2 ErbStR 2011. Messner, ZEV 2000, 223. BFH v. 29.10.1997 – II R 60/94, BStBl. II 1997, 832; R E 7.1 Abs. 3 Satz 2 ErbStR 2011. BFH v. 2.3.1994 – II R 59/92, BStBl. II 1994, 366. BFH v. 29.10.1997 – II R 60/94, BStBl. II 1997, 832.
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§ 7 ErbStG Rz. 234 Schenkungen unter Lebenden art“ zutreffend erfasst („Parallelwertung in der Laiensphäre“).1 Eine exakte juristische Subsumtion ist nicht erforderlich.2 234 In Kurzform: Wer im Vollbesitz seiner geistigen Kräfte einen anderen unentgeltlich bereichert, han-
delt prima facie stets freigebig.3 Der behauptete Irrtum, rechtlich zur Leistung verpflichtet zu sein oder eine mit der eigenen Leistung rechtlich verknüpfte Gegenleistung zu erhalten, ist nur dann von Bedeutung, wenn er Tatsachen betrifft, die die objektive Unentgeltlichkeit begründen und nicht auf fehlerhaften juristischen Wertungen beruht.4 235 Bei Unausgewogenheit gegenseitiger Verträge reicht deshalb regelmäßig das Bewusstsein des einseitig
benachteiligten Vertragspartners über den Mehrwert seiner Leistung aus; auf die Kenntnis des genauen Ausmaßes des Wertunterschieds kommt es hingegen nicht an.5 Die Kenntnis des Zuwendenden hinsichtlich der Umstände, aus denen sich die objektive Bereicherung des Zuwendungsempfängers ergibt, ist regelmäßig prima facie zu unterstellen. 236 Liegt ein auffallend grobes Missverhältnis zwischen den bei verständiger Beurteilung zugrunde zu
legenden Werten von Leistung und Gegenleistung vor, muss im Einklang mit der Lebenserfahrung zunächst davon ausgegangen werden, dass die Vertragsparteien dieses Missverhältnis erkannt haben.6 237 Bei Zuwendungen im Geschäftsleben kann jedoch bei einem objektiv (teil-)unentgeltlichen Vor-
gang das subjektive Merkmal der Freigebigkeit i.S.v. § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG trotz vorliegender Kenntnis des Zuwendenden hinsichtlich der Umstände, die seine Leistung zu einer objektiv (teil-)unentgeltlichen machen, entfallen, soweit der Steuerpflichtige in objektiv nachvollziehbarer Weise dartut, dass die Bereicherung des Zuwendungsempfängers der Förderung des Geschäfts des Zuwendenden diente, d.h. objektiv und nahezu ausschließlich auf die Erzielung geschäftlicher Vorteile des Zuwendenden gerichtet ist.7 Da im Geschäftsleben regelmäßig davon auszugehen ist, dass für eine Leistung eine mindestens gleichwertige (Gegen-)Leistung verlangt wird, kann auch bei objektiv unentgeltlichen, d.h. nicht auf einem Rechtsanspruch beruhenden Leistungen bzw. bei objektiver Unausgewogenheit von Leistung und Gegenleistung subjektiv eine Verfolgung geschäftlicher Interessen des Zuwendenden vorliegen, die sein Bewusstsein von der (Teil-)Unentgeltlichkeit seiner Leistung verdrängt. Insoweit ist bei der Beurteilung, ob eine objektiv unentgeltliche Leistung oder ein wertmäßig unausgewogener Leistungsaustausch objektiv der Förderung geschäftlicher Interessen dient, nicht nur auf das einzelne Vertragsverhältnis, sondern auf den Geschäftsbetrieb des Zuwendenden insgesamt abzustellen.
C. Erwerb durch Vollziehung einer Auflage/Erfüllung einer Bedingung (Abs. 1 Nr. 2) I. Grundaussagen der Vorschrift 1. Regelungsgegenstand 238 Nach § 7 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG gilt als Schenkung unter Lebenden, was infolge der Vollziehung einer
von dem Schenker angeordneten Auflage (Alternative 1) oder infolge Erfüllung einer einem Rechtsgeschäft unter Lebenden beigefügten Bedingung (Alternative 2) ohne entsprechende Gegenleistung erlangt wird.
1 BFH v. 10.9.1986 – II R 81/84, BStBl. II 1987, 80. 2 BFH v. 2.3.1994 – II R 59/92, BStBl. II 1994, 366. 3 BFH v. 25.10.1997 – II R 60/94, BStBl. II 1997, 832; v. 12.7.2005 – II R 8/04, BStBl. II 2005, 845 = FR 2006, 145 = ErbStB 2006, 4. 4 BFH v. 2.3.1994 – II R 59/92, BStBl. II 1994, 366; hierzu krit. Klein-Blenkers, ZEV 1994, 221. 5 BFH v. 29.10.1997 – II R 60/94, BStBl. II 1997, 832. 6 BFH v. 29.10.1997 – II R 60/94, BStBl. II 1997, 832; v. 7.11.2007 – II R II R 28/06, BStBl. II 2008, 258 = FR 2008, 585 = ErbStB 2008, 99; v. 12.7.2005 – II R 8/04, BStBl. II 2005, 845 = FR 2006, 145 = ErbStB 2006, 4; FG BerlinBdb. v. 22.4.2008 – 14 V 14016/08, DStRE 2008, 1339. 7 BFH v. 29.10.1997 – II R 60/94, BStBl. II 1997, 832.
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Vollziehung einer Auflage/Erfüllung einer Bedingung (Abs. 1 Nr. 2)
Rz. 248 § 7 ErbStG
2. Bedeutung und Telos Die Schenkung unter Auflage (§ 525 BGB), beinhaltet zwei Zuwendungen. Es erfolgt zunächst die 239 Schenkung, durch die der Begünstigte (= Auflagenbelastete) das Vermögen vom Schenker erhält (Erstschenkung). Die Besteuerung der Erstschenkung richtet sich nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG. Daneben tritt die Schenkung an denjenigen, der durch die Anordnung der Auflage einen Vorteil er- 240 hält (Zweitschenkung). § 7 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG betrifft dabei die Besteuerung des Zweiterwerbs. Bei diesem Zweiterwerb ist der Beschenkte des Ersterwerbs derjenige, der mit der Vollziehung einer Auflage oder der Erfüllung einer Bedingung belastet ist. Die Zuwendung des Erstbeschenkten an den Dritten ist als Zuwendung des ursprünglichen Schen- 241 kers an den Auflagenbegünstigten anzusehen.1 3. Geltungsbereich und Verhältnis zu anderen Vorschriften Die Abgrenzung des § 7 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG zu den Erwerben von Todes wegen gem. § 3 ErbStG 242 folgt den für § 7 ErbStG generell geltenden Regeln vgl. schon unter Rz. 1). Im Verhältnis zum Grundtatbestand des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG ist § 7 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG die speziellere Vorschrift. Liegen die Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG vor, ist ein Vorgang steuerbar. Die Steuer- 243 pflicht bestimmt sich dann nach den allgemeinen Regeln, die für § 7 ErbStG generell gelten (vgl. schon unter Rz. 1, 7 ff.). Unter § 7 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 1 ErbStG fallen die Leistungen, die Dritte von dem mit der Auflage Belas- 244 teten erhalten. Hat der Zweiterwerber allerdings einen Rechtsanspruch gegen den Ersterwerber, fällt der Erwerb unter § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG.2 Nach der Rspr. des BFH richtet sich die Frage, ob bei Schenkungen unter der Auflage, eine Leistung an einen Dritten zu erbringen, die Begünstigung des Dritten der Steuer nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 oder nach § 7 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG unterliegt, danach, ob der begünstigte Dritte aus der Anordnung des Schenkers (Versprechensempfängers) einen frei verfügbaren Anspruch auf die Leistung gegen den Versprechenden erlangt hat.3 Ist dies der Fall, ist der Tatbestand des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG erfüllt. Erwerbsgegenstand ist in ei- 245 nem solchen Fall die – als Folge des Abschlusses des Vertrages zugunsten Dritter entstandene – Forderung des Dritten gegen den Verpflichteten und nicht der später tatsächlich übertragene Gegenstand. Die Steuer entsteht in diesen Fällen nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG mit der Ausführung der Zuwendung, d.h. mit der Begründung des Forderungsrechts des Dritten. Erlangt der Dritte auf Grund des Vertrags zwischen dem Versprechensempfänger und dem Verspre- 246 chenden keinen frei verfügbaren, z.B. nur einen aufschiebend bedingten Anspruch auf eine bestimmte Leistung, kommt nur der Tatbestand des § 7 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG in Betracht. Erwerbsgegenstand ist in einem solchen Fall dasjenige, was „infolge Vollziehung einer von dem Schenker angeordneten Auflage oder infolge Erfüllung einer … beigefügten Bedingung“ von dem Dritten erworben wird. Die Steuerpflicht tritt hier erst mit dem Erwerb der versprochenen Leistung durch den Dritten, d.h. mit dem Vollzug der Auflage oder der Erfüllung der Bedingung ein.4 Beim Erwerb infolge der Erfüllung einer Bedingung, § 7 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 ErbStG, darf der Be- 247 schenkte des Ersterwerbs das vom Schenker Erlangte nur behalten, wenn er die vom Schenker gesetzte Bedingung erfüllt. Aus dieser Bedingung heraus erfolgt dann der Zweiterwerb. In dieser Alternative 2 gelten dieselben Regeln wie bei Alternative 1. Fehlt es an einem Dritten, weil die Auflage einem nicht abgrenzbaren Personenkreis zugute kommt, 248 liegt eine Zweckzuwendung nach § 8 ErbStG vor.
1 BFH v. 17.2.1993 – II R 72/90, BStBl. II 1993, 523. 2 BFH v. 17.2.1993 – II R 72/90, BStBl. II 1993, 523. 3 Vgl. BFH v. 20.1.2005 – II R 20/03, BStBl. II 2005, 408 = FR 2005, 811 m. Anm. Viskorf = ErbStB 2005, 144; v. 11.6.2008 – II R 60/06, ErbStB 2008, 324 = BFH/NV 2008, 2026. 4 Vgl. BFH v. 20.1.2005 – II R 20/03, BStBl. II 2005, 408 = FR 2005, 811 m. Anm. Viskorf = ErbStB 2005, 144; v. 11.6.2008 – II R 60/06, ErbStB 2008, 324 = BFH/NV 2008, 2026.
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§ 7 ErbStG Rz. 249 Schenkungen unter Lebenden 249 Kommt die Auflage dem Beschenkten selbst zugute, ist § 10 Abs. 9 ErbStG zu beachten, wonach
die Auflage nicht abzugsfähig ist. 4. Rechtsentwicklung 250 Als § 3 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG 1922 wurde die seit dem Erbschaftsteuerreformgesetz 1974 als § 7 Abs. 1
Nr. 2 ErbStG im Gesetz verankerte und seitdem in dieser Fassung geltenden Norm eingefügt (vgl. unter Rz. 10).
II. Inhalt der Vorschrift im Einzelnen 251 Eine Schenkung unter Auflage i.S.v. § 525 BGB (vgl. hierzu schon unter Rz. 56 ff.) liegt vor, wenn ne-
ben der grundsätzlich unentgeltlichen Vermögensübertragung eine zusätzliche Abrede zwischen den Beteiligten besteht, aufgrund derer der Beschenkte zu einer bestimmten Leistung verpflichtet sein soll, die aus dem Zuwendungsgegenstand zu entnehmen ist.1 Für eine Schenkung unter Auflage ist zwar nicht zwingend erforderlich, dass der materielle Wert der schenkungsweisen Zuwendung größer ist als der Wert der Auflage, zumindest nach der subjektiven Meinung der Beteiligten muss dem Beschenkten aber eine Bereicherung verbleiben.2 Sofern die Auflage nicht vollzogen wird, steht dem Schenker gem. § 527 BGB ein Anspruch auf Herausgabe des Geschenks zu. 252 Durch Vereinbarung einer Bedingung i.S.d. § 158 BGB können die Parteien die mit dem Rechts-
geschäft verbundenen Wirkungen vom Eintritt eines in der Zukunft liegenden ungewissen Ereignisses abhängig machen. Die Wirkungen können entweder bis zum Bedingungseintritt hinausgeschoben werden bzw. von diesem Zeitpunkt an wegfallen. Solche aufschiebenden bzw. auflösenden Bedingungen sind von anderen bedingungsähnlichen Wirksamkeitsvoraussetzungen und von artverwandten Rechtsinstituten zu unterscheiden.3 253 Der Zweiterwerber erwirbt in den Fällen des § 7 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG durch Vollziehung einer Auf-
lage von dem ursprünglichen Schenker nicht von dem Ersterwerber.4 Die Steuerklasse richtet sich daher nach dem Verhältnis zwischen Schenker und Zweiterwerber. Dasselbe gilt, wenn die sich aus der Auflage ergebende Verpflichtung des Beschenkten zunächst aufschiebend bedingt war und vom Beschenkten (dem mit der Auflage Beschwerten) nach Eintritt der Bedingung erfüllt wird.5 Auch in diesem Fall erhält der mit der Auflage Begünstigte zwar eine freigebige Zuwendung, der unmittelbar die Zuwendung Ausführende (der Auflagenbeschwerte) handelt jedoch selbst nicht freigebig mit der Folge, dass für die schenkungsteuerrechtliche Beurteilung nicht das Verhältnis des Auflagenbegünstigten zu ihm, sondern zum ursprünglichen Schenker maßgeblich ist. Dieses Verhältnis ist auch dann der Besteuerung zugrunde zu legen, wenn bei einer Schenkung unter Auflage die aufschiebend bedingte Verpflichtung zur Erfüllung der Auflage nicht nur gegenüber dem Schenker (§ 525 Abs. 1 BGB), sondern auch gegenüber dem von der Auflage begünstigten Dritten besteht (§ 330 Satz 2 BGB).6 In diesem Fall hat der Dritte nicht bereits aufgrund des ursprünglichen Schenkungsvertrags eine frei verfügbare Forderung gegenüber dem Zwischenbedachten, die bereits als ausgeführte Schenkung i.S. § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG anzusehen und den Tatbestand der Nr. 2 der Vorschrift ausschließen würde. Die Steuerpflicht tritt in einem derartigen Fall vielmehr erst mit der Ausführung der Zuwendung an den Dritten bzw. dem Eintritt der Bedingung ein mit der Folge, dass für die schenkungsteuerrechtliche Behandlung wiederum das Verhältnis zum ursprünglichen Schenker maßgeblich ist.7
1 2 3 4 5 6 7
Wimmer-Leonhardt in Staudinger, § 525 BGB Rz. 2. Wimmer-Leonhardt in Staudinger, § 525 BGB Rz. 2. Hierzu Rövekamp in Beck’scher Online-Kommentar BGB, § 158 BGB Rz. 1, 2 (Stand: November 2015). BFH v. 17.2.1993 – II R 72/90, BStBl. II 1993, 523. BFH v. 17.2.1993 – II R 72/90, BStBl. II 1993, 523. BFH v. 17.2.1993 – II R 72/90, BStBl. II 1993, 523. BFH v. 17.2.1993 – II R 72/90, BStBl. II 1993, 523.
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Esskandari
Erwerb aufgrund staatlicher Genehmigung (Abs. 1 Nr. 3)
Rz. 260 § 7 ErbStG
Die vorstehenden Grundsätze sind auch dann maßgeblich, wenn derart aufschiebend bedingte Auf- 254 lagen vor Eintritt der Bedingung vom Zwischenbedachten erfüllt werden.1 Zwar kann die Erfüllung in diesem Fall vom bedachten Dritten rechtlich (noch) nicht verlangt werden, insofern handelt der Zwischenbedachte freiwillig, jedoch nicht freigebig. Denn auch die (Vorweg-)Erfüllung eines noch aufschiebend bedingten Anspruchs erfolgt nicht freigebig. Da nur im Verhältnis zum ursprünglichen Schenker Freigebigkeit besteht, ist dieses Verhältnis der Besteuerung zugrunde zu legen.2 Wie ausgeführt (vgl. hierzu schon unter Rz. 244) greift § 7 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 1 ErbStG nur dann, wenn 255 der der Dritte auf Grund des Vertrags zwischen dem Versprechensempfänger und dem Versprechenden keinen frei verfügbaren Anspruch auf eine bestimmte Leistung erlangt. Erwerbsgegenstand ist dann und deshalb dasjenige, was „infolge Vollziehung einer von dem Schenker angeordneten Auflage oder infolge Erfüllung einer … beigefügten Bedingung“ von dem Dritten erworben wird. Die Steuerpflicht tritt hier erst mit dem Erwerb der versprochenen Leistung durch den Dritten, d.h. mit dem Vollzug der Auflage oder der Erfüllung der Bedingung ein.3 Hieraus folgt für die Praxis die Möglichkeit der Gestaltung, dass der Schenker dem Beschenkten beispielsweise einen bestimmten Geldbetrag mit der Auflage schenkt, die Hälfte dieses Betrags über einen Zeitraum von beispielsweise zehn Jahren an einen Zweiterwerber weiter zu geben, ohne dass dem Zweiterwerber einen eigener Anspruch darauf zustünde. Während der Beschenkte den Wert der Auflage sofort bei seiner Besteuerung abzieht, hat der Zweiterwerber gestreckt über zehn Jahre Teilerwerbe.
D. Erwerb aufgrund staatlicher Genehmigung (Abs. 1 Nr. 3) I. Grundaussagen der Vorschrift 1. Regelungsgegenstand Nach § 7 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG gilt als Schenkung unter Lebenden, was jemand dadurch erlangt, dass 256 bei Genehmigung einer Schenkung Leistungen an andere Personen angeordnet oder zur Erlangung der Genehmigung freiwillig übernommen werden. 2. Bedeutung und Telos Die Vorschrift will eine Besteuerungslücke vermeiden, wenn eine Schenkung einer staatlichen Ge- 257 nehmigungspflicht unterliegt.4 Hier könnte nämlich der Erwerb nicht auf dem Willen des Schenkers, sondern auf der staatlichen Anordnung beruhen.5 3. Geltungsbereich und Verhältnis zu anderen Vorschriften Die Abgrenzung des § 7 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG zu den Erwerben von Todes wegen gem. § 3 ErbStG 258 folgt den für § 7 ErbStG generell geltenden Regeln vgl. schon unter Rz. 1). Im Verhältnis zum Grundtatbestand des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG ist § 7 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG die spe- 259 ziellere Vorschrift. Liegen die Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG vor, ist ein Vorgang steuerbar. Die Steuer- 260 pflicht bestimmt sich dann nach den allgemeinen Regeln, die für § 7 ErbStG generell gelten (vgl. schon unter Rz. 1, 7 ff.).
1 BFH v. 17.2.1993 – II R 72/90, BStBl. II 1993, 523. 2 BFH v. 17.2.1993 – II R 72/90, BStBl. II 1993, 523. 3 Vgl. BFH v. 20.1.2005 – II R 20/03, BStBl. II 2005, 408 = FR 2005, 811 m. Anm. Viskorf = ErbStB 2005, 144; v. 11.6.2008 – II R 60/06, ErbStB 2008, 324 = BFH/NV 2008, 2026. 4 Fischer in F/J/P/W5, § 7 ErbStG Rz. 400 (Stand: März 2014). 5 Götz in Wilms/Jochum, § 7 ErbStG Rz. 225 (Stand: Dezember 2016).
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§ 7 ErbStG Rz. 261 Schenkungen unter Lebenden 4. Rechtsentwicklung 261 Als § 3 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG 1922 wurde die seit dem Erbschaftsteuerreformgesetz 1974 als § 7 Abs. 1
Nr. 3 ErbStG im Gesetz verankerte und seitdem in dieser Fassung geltenden Norm eingefügt (vgl. unter Rz. 10).
II. Inhalt der Vorschrift im Einzelnen 262 Die Vorschrift hat – wie die des § 3 Abs. 2 Nr. 3 ErbStG – bisher noch keine praktische Bedeutung
erlangt.1 263 Nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. e ErbStG entsteht die Steuer mit dem Zeitpunkt der Genehmigung.
E. Erwerb durch Vereinbarung der Gütergemeinschaft (Abs. 1 Nr. 4) I. Grundaussagen der Vorschrift 1. Regelungsgegenstand 264 § 7 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG zu Folge gilt die Bereicherung, die ein Ehegatte oder ein Lebenspartner bei
Vereinbarung der Gütergemeinschaft (§ 1415 BGB) erfährt, als Schenkung unter Lebenden. 2. Bedeutung und Telos 265 Zivilrechtlich können Ehegatten während des Bestehens der Ehe den von ihnen gewählten Güterstand
jederzeit aufheben oder ändern (§ 1408 Abs. 1 BGB). Hat bisher der gesetzliche Güterstand der Zugewinngemeinschaft bestanden, muss bei Vereinbarung der Gütergemeinschaft § 7 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG beachtet werden. Das Gesetz geht davon aus, dass die Bereicherung des weniger vermögenden Ehegatten stets subjektiv unentgeltlich erfolgt. Auf das Motiv der Vereinbarung kommt es nicht an. 266 Eine beim Wechsel entstehende Zugewinnausgleichsforderung stellt nach § 5 Abs. 2 ErbStG kei-
nen steuerpflichtigen Erwerb dar. 3. Geltungsbereich und Verhältnis zu anderen Vorschriften 267 Die Abgrenzung des § 7 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG zu den Erwerben von Todes wegen gem. § 3 ErbStG folgt
den für § 7 ErbStG generell geltenden Regeln vgl. schon unter Rz. 1). 268 Im Verhältnis zum Grundtatbestand des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG ist § 7 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG die spe-
ziellere Vorschrift. 269 Liegen die Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG vor, ist ein Vorgang steuerbar. Die Steuer-
pflicht bestimmt sich dann nach den allgemeinen Regeln, die für § 7 ErbStG generell gelten (vgl. schon unter Rz. 1, 7 ff.). 4. Rechtsentwicklung 270 Als § 7 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG wurde mit dem Erbschaftsteuerreformgesetz 1974 (vgl. unter Rz. 10) in
das ErbStG eingefügt.
II. Inhalt der Vorschrift im Einzelnen 271 Vereinbaren Ehegatten durch Ehevertrag gem. §§ 1408, 1415 BGB den ehelichen Güterstand der
Gütergemeinschaft, so trägt diese Vereinbarung, zivilrechtlich betrachtet, im wirtschaftlichen Er1 Meincke16, § 7 ErbStG Rz. 98.
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Erwerb durch Vereinbarung der Gütergemeinschaft (Abs. 1 Nr. 4)
Rz. 278 § 7 ErbStG
gebnis häufig die Züge einer Schenkung, weil der zuvor weniger vermögende Ehegatte von dem vermögenderen Ehegatten objektiv eine Bereicherung empfängt und beide darüber einig sind, dass diese Zuwendung unentgeltlich erfolgen soll. Dennoch liegt auch bei erheblichen Vermögensunterschieden der Ehepartner keine Schenkung vor, weil der Gütergemeinschaftsvertrag als der gesetzlich anerkannte speziellere Vertragstyp den allgemeineren Vertragstyp des Schenkungsvertrages verdrängt.1 Die objektive Bereicherung des begünstigten Ehepartners findet ihren Rechtsgrund nicht in der Eini- 272 gung über die Unentgeltlichkeit dieser Bereicherung, sondern in der Vereinbarung der besonderen Zwecksetzung des familienrechtlich anerkannten Gütergemeinschaftsvertrags, mit dem die eheliche Lebensgemeinschaft auf dem Gebiet der Vermögensbeziehungen verwirklicht werden soll, indem die Vermögensbeziehungen der Ehepartner umfassend und auf Dauer gestaltet werden.2 Im schenkungsteuerlichen Sinn gelten bei Zuwendungen zwischen Eheleuten keine Besonderheiten 273 (vgl. schon unter Rz. 36 ff., 168). Insbesondere die sog. unbenannten (ehebedingten) Zuwendungen sind nicht deswegen von der Schenkungsteuer ausgenommen, weil sie – wegen ihres spezifisch ehebezogenen Charakters – zivilrechtlich keine Schenkungen i.S.d. §§ 515 ff. BGB darstellen (vgl. schon unter Rz. 36 ff., 168). Auch die Schenkungsteuerpflicht unbenannter Zuwendungen beurteilt sich – nicht anders als bei sonstigen Zuwendungen – nach den allgemeinen Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG. Die danach u.a. erforderliche objektive Unentgeltlichkeit der Leistung kann nicht allein deswegen verneint werden, weil der unbenannten Zuwendung besondere ehebezogene Motive zugrunde liegen.3 Anders als bei sonstigen – ggf. unbenannten/ehebedingten – Zuwendungen tritt die Bereicherung des 274 weniger vermögenden Ehegatten nicht durch Rechtsgeschäft, sondern kraft Gesetzes ein. Denn die Teilhabe am neu gebildeten Gesamtgut ist gesetzliche Folge des durch Vertrag begründeten gesetzlichen Güterstands der Gütergemeinschaft. Durch den Grundtatbestand des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG wäre diese Bereicherung also nicht erfasst. Aus Sicht des Gesetzes schließt § 7 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG demgemäß eine Besteuerungslücke.4 § 7 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG erfasst lediglich die ursprüngliche Vereinbarung der Gütergemeinschaft ein- 275 schließlich eines späteren Wechsels etwa vom gesetzlichen Güterstand in den Güterstand der Gütergemeinschaft. Werden nachträglich Vermögensgegenstände aus dem Vorbehaltsgut in das Gesamtgut überführt, so kann darin eine freigebige Zuwendung nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG liegen.5 Das Gleiche gilt für Vermögensverschiebungen zwischen den Partnern einer eingetragenen Lebenspartnerschaft, die hinsichtlich ihrer Vermögensverhältnisse eine der Gütergemeinschaft entsprechende Regelung vereinbaren. Denn sie sind seit dem ErbStRG 2009 den Ehepartnern gleich gestellt.6 Es besteht keine Vermutung dafür, dass Zuwendungen an nur einen Ehegatten von Todes wegen 276 oder unter Lebenden gleichzeitig auch für den anderen Ehegatten mitbestimmt sind.7 Das gilt auch dann, wenn die Ehegatten in Gütergemeinschaft leben und die Zuwendung in das Gesamtgut fällt. Der andere Ehegatte erwirbt auf Grund einer gesetzlichen Vorschrift (§ 1416 BGB), so dass insoweit auch zwischen den Ehegatten keine Schenkung vorliegt.8 Steuerpflichtige Schenkungen beider Ehegatten aus dem Gesamtgut sind stets als anteilige freigebige 277 Zuwendungen beider Ehegatten zu behandeln.9 Bei einem Wechsel vom Güterstand der Zugewinngemeinschaft zum Güterstand der Gütergemein- 278 schaft ist grundsätzlich davon auszugehen, dass der ausgleichsberechtigte Ehegatte seine Ausgleichsforderung in das Gesamtgut einbringt.10 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10
Koch in Münchener Kommentar7, § 516 BGB Rz. 57. Gehrlein in Beck’scher Online-Kommentar BGB, § 516 BGB Rz. 9 (Stand: November 2015). BFH v. 2.3.1994 – II R 59/92, BStBl. II 1994, 366; v. 24.8.2005 – II R 28/02, ErbStB 2006, 6 = BFH/NV 2006, 63. Vgl. Fischer in F/J/P/W5, § 7 ErbStG Rz. 410. Gebel in T/G/J, § 7 Rz. 309 (Stand: Januar 2012). Vgl. R E 7.6 Abs. 4 ErbStR 2011. R E 7.6 Abs. 3 Satz 1 ErbStR 2011. R E 7.6 Abs. 3 Satz 4 ErbStR 2011. R E 7.6 Abs. 3 Satz 5 ErbStR 2011. R E 7.6 Abs. 2 ErbStR 2011.
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§ 7 ErbStG Rz. 279 Schenkungen unter Lebenden
F. Erwerb durch Abfindung für Erb- oder Pflichtteilsverzicht (Abs. 1 Nr. 5) I. Grundaussagen der Vorschrift 1. Regelungsgegenstand 279 Die gesetzlichen Erben können in einem Vertrag mit dem Erblasser auf ihr Erbrecht verzichten
(§§ 2346 bis 2352 BGB). Der Verzicht bewirkt, dass der Verzichtende von der gesetzlichen Erbfolge ausgeschlossen ist. § 7 Abs. 1 Nr. 5 ErbStG erfasst als Schenkung unter Lebenden, was als Abfindung für einen Erbverzicht (§§ 2346 und 2352 BGB) gewährt wird. 280 Nach § 2346 Abs. 2 BGB kann der Verzicht auf das Pflichtteilsrecht beschränkt werden. Die Wirkun-
gen des § 7 Abs. 1 Nr. 5 ErbStG gelten deshalb für den Pflichtteilsverzicht gleichermaßen.1 281 Durch den Verweis in § 7 Abs. 1 Nr. 5 ErbStG auf § 2352 BGB unterfällt auch der Verzicht auf ei-
ne Erbeinsetzung oder ein angeordnetes Vermächtnis dem Anwendungsbereich des § 7 Abs. 1 Nr. 5 ErbStG. 2. Bedeutung und Telos 282 Das Erbrecht des gesetzlichen Erben stellt zu Lebzeiten des Erblassers kein bestehendes Recht dar. Es
handelt sich lediglich um einen Berufungsgrund. Mit dem unentgeltlichen Erb- oder Pflichtteilsverzicht tritt daher ebenso wenig eine Vermögensminderung des Verzichtenden wie eine Bereicherung des durch den Verzicht Begünstigten ein. Eine freigebige Zuwendung nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG ist daher zu verneinen. 283 Erhält der Verzichtende eine Abfindung, so wird wirtschaftlich der spätere Erwerb von Todes wegen
vorweggenommen. Die Abfindung tritt als Surrogat an dessen Stelle. § 7 Abs. 1 Nr. 5 ErbStG unterwirft die Abfindung daher der Schenkungsteuer. Es handelt sich um einen Erwerb vom Erblasser. 3. Geltungsbereich und Verhältnis zu anderen Vorschriften 284 Die Abgrenzung des § 7 Abs. 1 Nr. 5 ErbStG zu den Erwerben von Todes wegen gem. § 3 ErbStG
folgt den für § 7 ErbStG generell geltenden Regeln vgl. schon unter Rz. 1). 285 Im Verhältnis zum Grundtatbestand des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG ist § 7 Abs. 1 Nr. 5 ErbStG die spe-
ziellere Vorschrift. 286 Liegen die Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 Nr. 5 ErbStG vor, ist ein Vorgang steuerbar. Die Steuer-
pflicht bestimmt sich dann nach den allgemeinen Regeln, die für § 7 ErbStG generell gelten (vgl. schon unter Rz. 1, 7 ff.). 287 Erhält der Verzichtende seine Abfindung zu Lebzeiten des Erblassers, handelt es sich um eine
Schenkung unter Lebenden nach § 7 Abs. 1 Nr. 5 ErbStG. Wird die Abfindung erst nach dem Tod des Erblassers geleistet, greift § 3 Abs. 2 Nr. 4 ErbStG ein.2 4. Rechtsentwicklung 288 Als § 3 Abs. 1 Nr. 5 ErbStG 1922 wurde die seit dem Erbschaftsteuerreformgesetz 1974 als § 7 Abs. 1
Nr. 5 ErbStG im Gesetz verankerte und seitdem in dieser Fassung geltenden Norm eingefügt (vgl. unter Rz. 10).
II. Inhalt der Vorschrift im Einzelnen 289 In der erbrechtlichen Beratung stellt sich immer wieder die Frage, in welcher Weise der Erblasser die
von ihm gewünschte Erbfolgeregelung auch durch begleitende Rechtsgeschäfte unter Lebenden si1 Vgl. Gebel in T/G/J, § 7 Rz. 316 (Stand: April 2014). 2 BFH v. 11.5.2005 – II R 40/02, ErbStB 2005, 238 = BFH/NV 2005 1968.
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Erwerb durch Abfindung für Erb- oder Pflichtteilsverzicht (Abs. 1 Nr. 5)
Rz. 298 § 7 ErbStG
cherstellen kann. Das Gesetz stellt hierfür in den §§ 2346 bis 2352 BGB den Erb- und Pflichtteilsverzicht sowie den Zuwendungsverzicht als Gestaltungsmittel zur Verfügung. In der Praxis tritt der Pflichtteilsverzicht am weitaus häufigsten in Erscheinung, vielfach im Zusammenhang mit Regelungen zur vorweggenommenen Erbfolge. Den genannten Verzichtsverträgen ist gemein, dass sie nach § 2347 BGB grundsätzlich vom Erblasser 290 persönlich zu schließen sind. Während sich also der Verzichtende (vollmachtlos) beim Vertragsabschluss vertreten lassen kann, muss der Erblasser zur Vermeidung der Nichtigkeitsfolge (§ 125 BGB) beim Vertragsabschluss persönlich mitwirken. Sämtliche Verzichtsverträge bedürfen der notariellen Beurkundung (§ 2348 BGB), wobei jedoch 291 auch ein Prozessvergleich gem. § 127a BGB die Form wahrt. Auch beim Prozessvergleich muss aber der Erblasser persönlich – bei Anwaltszwang neben seinem postulationsfähigen Anwalt – mitwirken.1 Erb-, Pflichtteils- und Zuwendungsverzicht können auch bedingt geschlossen werden. Sie können al- 292 so in ihrer Wirksamwerden aufschiebend von der vorherigen Erfüllung bzw. in ihrem Bestand auflösend von der Nichterfüllung bestimmter Gegenleistungen abhängig gemacht werden. In allen diesen Fällen ist jedoch zu beachten, dass der Verzicht zu Lebzeiten des Erblassers wirksam geworden sein muss.2 Nach § 2346 Abs. 1 BGB können Verwandte sowie der Ehegatte durch Vertrag dem Erblasser auf 293 ihr gesetzliches Erbrecht verzichten. Auch ein künftiger Ehegatte kann bereits auf sein erst durch die Eheschließung entstehendes Erb- oder Pflichtteilsrecht verzichten (vgl. § 2347 Abs. 1 Satz 1 BGB). Der Verzichtende wird so behandelt, als ob er zur Zeit des Erbfalls nicht mehr leben würden, so dass 294 auch sein Pflichtteilsrecht entfällt. Der Erbverzicht hat damit eine unmittelbare Änderung der gesetzlichen Erbfolge durch den Wegfall des Verzichtenden zur Folge. Dies führt u.a. dazu, dass sich die Pflichtteilsquoten der anderen Pflichtteilsberechtigten entsprechend erhöhen. Dies wird oftmals seitens des Erblassers nicht gewünscht sein. Aus diesem Grund wird in der Praxis ganz überwiegend mit Pflichtteilsverzichten gearbeitet. Ein gegenständlich beschränkter, also auf bestimmte Nachlassgegenstände beschränkter Erbverzicht 295 ist nicht möglich. Möglich ist allerdings ein Verzicht auf einen bestimmten Bruchteil des Erbrechts. Beim Pflichtteilsverzicht bleiben demgegenüber der Verzichtende und seine Abkömmlinge gesetzli- 296 che Erben, so dass sich die Pflichtteilsansprüche der anderen Pflichtteilsberechtigten nicht erhöhen. Der (vollständige) Pflichtteilsverzicht führt dazu, dass dem Verzichtenden beim Erbfall keine aus 297 dem Pflichtteilsrecht entstehenden Ansprüche zustehen. Dies bezieht sich sowohl auf den Pflichtteilsanspruch nach § 2303 BGB, den Pflichtteilsrestanspruch nach §§ 2305, 2307 BGB, den Pflichtteilsergänzungsanspruch nach §§ 2325 ff. BGB sowie auf die sich aus den §§ 2306, 2318 Abs. 2, 2319 und 2328 BGB ergebenden Rechte. Abweichend von dem das ganze Pflichtteilsrecht umfassenden Verzicht kann der Pflichtteilsverzicht 298 in mehrfacher Weise eingeschränkt werden. Besonders häufig findet sich der sog. gegenständlich beschränkte Pflichtteilsverzicht. Häufig finden sich auch Verpflichtungen des Übernehmers, Ausgleichszahlungen an die weichenden Geschwister zu erbringen. Insoweit besteht auch die Möglichkeit, den Bestand des Pflichtteilsverzichtsvertrages von der ordnungsgemäßen Erbringung der Ausgleichszahlung abhängig zu machen. Eine weitere, seltener anzutreffende Gestaltungsoptionen ist etwa nur ein teilweiser Verzicht auf die vorstehend aufgeführten, sich insgesamt aus dem Pflichtteilsrecht ergebenden Ansprüche, z.B. auf den Pflichtteilsrestanspruch nach §§ 2305, 2307 BGB. Weiterhin können beispielsweise auch die Bewertung bestimmter Vermögensgegenstände für die Berechnung des Pflichtteilsanspruchs, ein Höchstbetrag für den Pflichtteilsanspruch oder auch eine Stundung oder Verratung des künftigen Pflichtteilsanspruchs vereinbart werden.
1 J. Mayer in Beck’scher Online-Kommentar, § 2347 BGB Rz. 7 (Stand: November 2014). 2 BGH v. 13.11.1996 – IV ZR 62/96, NJW 1997, 521.
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§ 7 ErbStG Rz. 299 Schenkungen unter Lebenden 299 Gemäß § 2352 Satz 1 BGB kann derjenige, der durch Testament als Erbe eingesetzt oder mit einem
Vermächtnis bedacht ist, in einem Vertrag mit dem Erblasser auf diese Zuwendung verzichten. Gleiches gilt bei einem Erbvertrag für eine Zuwendung, die dort einem Dritten gemacht wurde (§ 2352 Satz 2 BGB), sofern es sich hierbei um eine vertragsmäßige Verfügung handelt.1 Für einseitige, in einem Erbvertrag lediglich mit enthaltene Verfügungen gilt § 2352 Satz 2 BGB nicht. 300 Voraussetzung für den Zuwendungsverzicht ist, dass die begünstigende Verfügung von Todes wegen
bereits besteht. Ein Verzicht auf künftige (zu erwartende) Verfügungen ist nicht möglich. Die persönlichen Anforderungen und Formvorschriften der §§ 2347, 2348 BGB gelten für den Zuwendungsverzicht entsprechend. 301 Der Zuwendungsverzicht kann lediglich die Erbeinsetzung oder ein Vermächtnis betreffen. Er kann
sich insoweit aber auch auf einen Bruchteil der Erbbeteiligung oder auf einzelne Gegenstände des Vermächtnisses beschränken. 302 Der Zuwendungsverzicht bewirkt nicht die Aufhebung der betroffenen Verfügung. Er verhindert le-
diglich den Anfall der Zuwendung beim Verzichten in gleicher Weise wie die Vorversterbensfiktion des § 2346 Abs. 1 Satz 2 BGB beim Erbverzicht. 303 Bedeutung kommt dem Zuwendungsverzicht praktisch nur dann zu, wenn der Widerruf oder die
Aufhebung der Verfügung von Todes wegen nicht mehr möglich ist. Dies betrifft vor allem die Fälle, in denen der Erblasser geschäftsunfähig oder durch Erbvertrag oder gemeinschaftliches Testament gebunden ist, so beim gemeinschaftliche Testament hinsichtlich wechselbezüglicher Verfügungen nach dem Tod eines Ehegatten und beim Erbvertrag nach dem Tod eines der Vertragsschließenden. 304 Erb-, Pflichtteils- und Zuwendungsverzichte sind abstrakte Rechtsgeschäfte.2 Sie sind von gleichzei-
tig geschlossenen Abfindungsverträgen oder sonstigen schuldrechtlichen Verträgen zu unterscheiden und in ihrer Wirksamkeit von diesen Geschäften unabhängig.3 In dem Kausalgeschäft wird häufig vereinbart, den Erbverzicht gegen Abfindung zu leisten. Dabei lässt sich der Verzichtende den Verzicht durch einen einmaligen oder verrenteten Geldbetrag oder eine Sachleistung gleichsam abkaufen. 305 Der fehlenden rechtlichen Verknüpfung zwischen Verzicht einerseits und Abfindung andererseits
kann dadurch begegnet werden, dass das zugrunde liegende Kausalgeschäft (Abfindungsvereinbarung) zum Gegenstand eines Vertrags i.S.d. §§ 320 ff. BGB gemacht wird, wonach sich der Erblasser zur Leistung der Abfindung, der Vertragspartner zum Abschluss des Verzichtsvertrags verpflichtet. Alternativ können beide Rechtsgeschäfte auch durch eine Bedingung (§ 158 BGB) miteinander verknüpft oder insgesamt als einheitliches Rechtsgeschäft ausgestaltet werden.4 Dies ändert jedoch nicht daran, dass der Verzichtende und gleichzeitig die Abfindung Erhaltende allein auf Erwerbschance verliert.5 Die Abfindung ist keine Gegenleistung für den Verzicht. Vereinfacht gesagt erhält der Empfänger die Abfindung für den Verzicht auf ein rechtliches Nichts, also etwas, das zum Zeitpunkt des Verzichts – weil vor dem Tod des künftigen Erblassers – keinen wirtschaftlichen Wert hat. Und wer auf ein Nichts verzichtet und dafür eine Abfindung bekommt, bei dem sieht § 7 Abs. 1 Nr. 5 ErbStG zu Recht einen steuerbaren Erwerb. 306 Zahlt der künftige Erblasser die Abfindung, wird der Erwerb nach dem Verhältnis zwischen ihm
und dem Verzichtenden besteuert. Nach der Rspr. des BFH gilt dies aber auch dann, wenn die Abfindung von einem Dritten bezahlt wurde.6 Auch, wenn nach Auffassung des BFH in diesem Fall kein Erwerb nach § 7 Abs. 1 Nr. 5 ErbStG, sondern nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG vorliegt.7 Es handelt sich dann um einen sog. Erbschaftskauf nach § 311b Abs. 4 und 5 BGB. Hier verzichtet – notariell – ein Geschwisterkind gegenüber einem anderen Geschwisterkind auf den Pflichtteil nach dem Tod der El1 2 3 4 5 6 7
J. Mayer in Beck’scher Online-Kommentar, § 2352 BGB Rz. 13 (Stand: November 2014). BGH v. 13.11.1996 – IV ZR 62/96, NJW 1997, 521. Schaub, ZEV 2011, 501 (505). Schlitt/Müller, Handbuch Pflichtteilsrecht, § 10 Rz. 11. Vgl. BGH v. 13.11.1996 – IV ZR 62/96, NJW 1997, 521. BFH v. 25.5.1977 – II R 136/73, BStBl. II 1977, 733; v. 25.1.2001 – II R 22/89, BStBl. II 2001, 456. So BFH v. 25.1.2001 – II R 22/89, BStBl. II 2001, 456.
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Esskandari
Erwerb durch Abfindung für Erb- oder Pflichtteilsverzicht (Abs. 1 Nr. 5)
Rz. 313 § 7 ErbStG
tern und erhält dafür von dem durch den Verzicht Begünstigten eine Abfindung. Die Eltern müssen an dieser Vereinbarung nicht beteiligt sein. Diese Rspr. des BFH erlaubt eine steuersparende Gestaltung: Zuwendungen zwischen Geschwistern 307 können dann, wenn sie im Rahmen eines notariellen Verzichtsvertrags vereinbart werden, nach dem Verhältnis zu den Eltern (Steuerklasse I) besteuert werden. Der durch den Verzicht begünstigte kann beim späteren Erwerb vom Erblasser die von ihm geleistete Abfindung als Kosten zur Erlangung des Erwerbs abziehen (§ 10 Abs. 5 Nr. 3 ErbStG). Der Verzicht auf den Erb- oder Pflichtteil könnte auch eine einkommensteuerliche Seite haben. Je- 308 doch gilt: Bei monatlichen Zahlungen, die auf Grund eines Verzichts auf Erb- oder Pflichtteilsrechte geleistet werden, handelt es sich um eine nach § 22 Nr. 1 Satz 2 EStG nicht steuerbare Unterhaltsrente.1 Es liegen weder eine Versorgungsrente noch Einnahmen aus Kapitalvermögen vor.2 Regelmäßig wiederkehrende Zahlungen aus einem zivilrechtlichen Rechtsverhältnis können Kapi- 309 talerträge enthalten. Zu den Einkünften aus Kapitalvermögen gehören u.a. nach § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG „Erträge aus sonstigen Kapitalforderungen jeder Art, wenn die Rückzahlung des Kapitalvermögens oder ein Entgelt für die Überlassung des Kapitalvermögens zur Nutzung zugesagt oder gewährt worden ist, auch wenn die Höhe des Entgelts von einem ungewissen Ereignis abhängt. Dies gilt unabhängig von der Bezeichnung und der zivilrechtlichen Ausgestaltung der Kapitalanlage“. Kapitalforderung in diesem Sinne ist jede auf Geldleistung gerichtete Forderung ohne Rücksicht auf 310 die Dauer der Kapitalüberlassung oder den Rechtsgrund des Anspruchs.3 Erforderlich ist aber in jedem Fall die Überlassung von privatem Geldvermögen an Dritte.4 Dabei kann die Kapitalüberlassung in unterschiedlicher Art und Weise erfolgen, etwa durch Hingabe als (endfälliges oder in Raten zu tilgendes) Darlehen, durch Novation eines bestehenden Zahlungsanspruchs in ein Darlehen oder durch zeitliche Streckung eines Zahlungsanspruchs mittels Verrentung.5 Verzichtet ein Kind gegenüber seinen Eltern auf künftige Pflichtteilsansprüche und erhält es dafür 311 im Gegenzug von den Eltern wiederkehrende Zahlungen, so liegt darin kein entgeltlicher Leistungsaustausch und keine Kapitalüberlassung des Kindes an die Eltern, so dass in den wiederkehrenden Zahlungen auch kein nach § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG zu erfassender Zinsanteil enthalten ist.6 Der vor Eintritt des Erbfalls erklärte Erb- und/oder Pflichtteilsverzicht ist ein erbrechtlicher Ver- 312 trag, der der Regulierung der Vermögensnachfolge und ihrer Modalitäten im Todesfall des potentiellen Erblassers dienen soll. Erhält das pflichtteilsberechtigte Kind für den Verzicht auf seinen künftigen Anspruch von seinen Eltern als den potentiellen Erblassern eine Abfindung, so handelt es sich nach der Rspr. des BGH schon bürgerlich-rechtlich um einen unentgeltlichen Vorgang.7 Dem entspricht die steuerrechtliche Sichtweise, dass es sich bei einem vor dem Erbfall erklärten Erb- oder Pflichtteilsverzicht um einen unentgeltlichen Vorgang handelt, der ggf. der Besteuerung nach dem Erbschaft- und Schenkungsteuergesetz unterliegt, nicht aber der Einkommensteuer.8 Sagen deshalb die Eltern dem potentiell pflichtteilsberechtigten Kind als Abfindung für den 313 Pflichtteilsverzicht wiederkehrende Zahlungen zu, so wird dadurch nicht ein in einer Summe bezifferter Anspruch des Kindes verrentet.9 Vielmehr ist der aufgrund des Pflichtteilsverzichts eingeräumte Anspruch von vornherein in Form wiederkehrender Zahlungen eingeräumt worden.10
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BFH v. 9.2.2010 – VIII R 43/06, BStBl. II 2010, 818 = ErbStB 2010, 263. BFH v. 9.2.2010 – VIII R 43/06, BStBl. II 2010, 818 = ErbStB 2010, 263. BFH v. 20.6.1996 – VIII R 67/95, BFH/NV 1997, 175. BFH v. 13.10.1987 – VIII R 156/84, BStBl. II 1988, 252 = FR 1988, 127. BFH v. 9.2.2010 – VIII R 43/06, BStBl. II 2010, 818 = ErbStB 2010, 263. BFH v. 9.2.2010 – VIII R 43/06, BStBl. II 2010, 818 = ErbStB 2010, 263. BGH v. 8.7.1985 – II ZR 150/84, NJW 1986, 127; v. 28.2.1991 – IX ZR 74/90, BGHZ 113, 393; v. 3.12.2008 – IV ZR 58/07, NJW 2009, 1143. 8 BFH v. 9.2.2010 – VIII R 43/06, BStBl. II 2010, 818 = ErbStB 2010, 263. 9 BFH v. 9.2.2010 – VIII R 43/06, BStBl. II 2010, 818 = ErbStB 2010, 263. 10 BFH v. 25.10.1994 – VIII R 79/91, BStBl. II 1995, 121 = FR 1995, 59.
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§ 7 ErbStG Rz. 314 Schenkungen unter Lebenden 314 Anders ist die Rechtslage natürlich zu beurteilen, wenn der Erbfall bereits eingetreten ist und ein
Pflichtteilsberechtigter vom Erben unter Anrechnung auf seinen Pflichtteil wiederkehrende Leistungen erhält. 315 In einem solchen Fall ist das Merkmal der Überlassung von Kapital zur Nutzung i.S.v. § 20 Abs. 1
Nr. 7 EStG jedenfalls dann erfüllt, wenn der Bedachte rechtlich befugt ist, den niedrigeren Barwert im Rahmen seines Pflichtteilsanspruchs geltend zu machen.1
G. Erwerb durch vorzeitige Herausgabe der Nacherbschaft (Abs. 1 Nr. 7) I. Grundaussagen der Vorschrift 1. Regelungsgegenstand 316 Als Schenkung unter Lebenden gilt nach § 7 Abs. 1 Nr. 7 ErbStG, was ein Vorerbe dem Nacherben
mit Rücksicht auf die angeordnete Nacherbschaft vor ihrem Eintritt herausgibt. 2. Bedeutung und Telos 317 Der Nacherbe erwirbt bereits mit dem Tod des Erblassers eine Anwartschaft auf die Nacherbschaft.2
Aus diesem Grund beurteilt das Zivilrecht die vorzeitige Herausgabe des Nachlasses oder eines Teils des Nachlasses als Schenkung der Nutzung für die Zwischenzeit. Die Substanz ist nicht Gegenstand der Schenkung, da der Nacherbe hierauf ohnehin ein unentziehbares Recht hat.3 318 § 7 Abs. 1 Nr. 7 ErbStG stellt die vorzeitige Übereignung des Nachlasses auf den Nacherben dem
Eintritt der Nacherbfolge gleich. Der Gegenstand der Schenkung unter Lebenden beschränkt sich im Gegensatz zum Zivilrecht nicht auf die Nutzungen für die Zwischenzeit. Er umfasst die Vermögenssubstanz. Es handelt sich um einen Erwerb vom Vorerben. 319 Ohne § 7 Abs. 1 Nr. 7 ErbStG wäre eine Übertragung des Nacherbschaftsvermögens auf den Nach-
erben in all den Fällen nicht möglich, in denen der Nacherbfall deshalb nicht eintritt, weil der Vorerbe dem Nacherben das Nacherbschaftsvermögen bereits vor Eintritt des Nacherbfalls überträgt. Wenn Vorerbe und Nacherbe den Übergang des Nacherbschaftsvermögens zeitlich vorziehen, also den Nacherbfall nicht abwarten, dann korrespondiert dazu die Besteuerung nach § 7 Abs. 1 Nr. 7 ErbStG, die in diesem Fall von einer Schenkung des Vorerben an den Nacherben ausgeht. 3. Geltungsbereich und Verhältnis zu anderen Vorschriften 320 Die Abgrenzung des § 7 Abs. 1 Nr. 7 ErbStG zu den Erwerben von Todes wegen gem. § 3 ErbStG
folgt den für § 7 ErbStG generell geltenden Regeln (vgl. schon unter Rz. 1). 321 Im Verhältnis zum Grundtatbestand des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG ist § 7 Abs. 1 Nr. 7 ErbStG die spe-
ziellere Vorschrift. 322 Liegen die Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 Nr. 7 ErbStG vor, ist ein Vorgang steuerbar. Die Steuer-
pflicht bestimmt sich dann nach den allgemeinen Regeln, die für § 7 ErbStG generell gelten (vgl. schon unter Rz. 1, 7 ff.). 323 In den Fällen des § 7 Abs. 1 Nr. 7 ErbStG ist der Versteuerung auf Antrag – für die Ermittlung der
Steuerklasse – das Verhältnis des Nacherben zum Erblasser zugrunde zu legen (§ 7 Abs. 2 ErbStG). Geht zusätzlich eigenes Vermögen des Vorerben auf den Nacherben über, so ist § 6 Abs. 2 Satz 3 bis 5 ErbStG entsprechend anzuwenden. Die Besteuerung gleicht damit derjenigen beim Eintritt der Nacherbfolge durch den Tod des Vorerben. Die in § 6 Abs. 3 Satz 2 ErbStG vorgesehene Steueranrechnung
1 BFH v. 26.11.1992 – X R 187/87, BStBl. II 1993, 298 = FR 1993, 198 m. Anm. Schmidt, m. weiterer Anm. Fischer, FR 1993, 334; v. 9.2.2010 – VIII R 43/06, BStBl. II 2010, 818 = ErbStB 2010, 263. 2 BGH v. 9.6.1983 – IX ZR 41/82, NJW 1983, 2244 (2245). 3 Vgl. Litzenburger in Beck’scher Online-Kommentar, § 2100 BGB Rz. 44 (Stand: November 2015).
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Erwerb durch vorzeitige Herausgabe der Nacherbschaft (Abs. 1 Nr. 7)
Rz. 329 § 7 ErbStG
beim Eintritt der Nacherbfolge vor dem Tod des Vorerben ist im Anwendungsbereich des § 7 Abs. 1 Nr. 7 ErbStG ausgeschlossen, denn auf diese Vorschrift wird bei § 7 Abs. 1 Nr. 7 ErbStG nicht verwiesen. 4. Rechtsentwicklung Als § 3 Abs. 1 Nr. 6 ErbStG 1922 wurde die seit dem Erbschaftsteuerreformgesetz 1974 als § 7 Abs. 1 324 Nr. 7 ErbStG im Gesetz verankerte und seitdem in dieser Fassung geltenden Norm eingefügt (vgl. unter Rz. 10).
II. Inhalt der Vorschrift im Einzelnen Vor- und Nacherbe sind bürgerlich-rechtlich Rechtsnachfolger des Erblassers (§ 2100 BGB). Der eine 325 löst den andern ab. Allein das zeitliche Nacheinander ergibt keine Vor- und Nacherbfolge. Auch bei einem Berliner Testament, in dem sich Eheleute zu alleinigen Erben einsetzen und die gemeinsamen Kinder zu Schlusserben (§ 2269 BGB), ist der letztversterbende Elternteil im landläufigen Sinne ein Vorerbe, weshalb er in Testamenten, die Laien verfassen, manchmal irrtümlich auch so genannt wird. Aber er ist kein Vorerbe im technischen Sinne. Deshalb tut man gut daran, zwischen einem vorhergehenden Erben und einem Vorerben zu unterscheiden. Bei der Vor- und Nacherbfolge gibt es im Normalfall zwei Erben.1 Aber zwingend ist das nicht, denn 326 die Vorerbfolge kann mehrfach eintreten, indem der Erblasser mehrere Vorerben oder mehrere Nacherben einsetzt (gestufte Vor- und Nacherbfolge).2 Bei einfacher Vor- und Nacherbfolge ist der erste Erbe, der Vorerbe, ein Erbe, dessen Erbenstellung 327 auflösend bedingt oder auflösend befristet (Endtermin) ist. Er ist Erbe auf Zeit. An seine Stelle tritt bei Eintritt der Bedingung oder des Endtermins ein anderer, nämlich der Nacherbe. Er ist zunächst Erbe im Wartestand, denn er ist unter einer aufschiebenden Bedingung oder Befristung (Anfangstermin) eingesetzt. Aber wenn der Nacherbfall eintritt, ist er der endgültige Erbe, also der Vollerbe – wenn er dann noch lebt; sonst kommen seine Erben zum Zug. Denn ab dem Erbfall, den der Nacherbe erleben muss (§§ 2108, 1923 BGB), hat er ein Anwartschaftsrecht, das vererblich ist (§ 2108 Abs. 2 BGB) und über das er unter Lebenden3 verfügen kann, wenn der Erblasser nichts anderes bestimmt hat. Wiederum: Dass ein Erbe wegfällt und an seine Stelle ein anderer tritt, macht für sich allein keine Vor- 328 und Nacherbfolge aus. Denn Vor- und Nacherbschaft kann nur eintreten, wenn der Vorerbe den Erbfall erlebt (§§ 2108 Abs. 1, 1923 Abs. 1 BGB) oder bereits gezeugt ist (§§ 2108 Abs. 1, 1923 Abs. 2 BGB). Fällt der Vorerbe vor dem Erbfall weg, z.B. weil er stirbt, tritt beim Tod des Erblassers keine Vorund Nacherbfolge ein, sondern der zum Nacherben Bestimmte wird sofort Erbe, allerdings nicht als Nacherbe, sondern als Ersatzerbe (§ 2096 BGB), was er im Zweifel ist (§ 2102 Abs. 2 BGB). Hat der Erblasser einen anderen Ersatzerben bestimmt, kommt es hingegen zur Vor- und Nacherbfolge, nur in anderer Besetzung, sozusagen. Es handelt sich auch nicht um Vor- und Nacherbschaft, wenn der Erbe die Erbschaft ausschlägt, da- 329 durch wegfällt (§ 1953 Abs. 1 BGB) und ein anderer an seine Stelle tritt, der entweder gesetzlicher Erbe des Erblassers oder vom Erblasser eingesetzter Ersatzerbe ist. Der Unterschied beruht darauf, dass eine auflösende Bedingung oder auflösende Befristung (Endtermin) nach den §§ 158 Abs. 2, 163 BGB keine dingliche Rückwirkung hat. Der Eintritt der Bedingung oder der Befristung ändert die Eigentumslage, aber nur für die Zukunft. Das ist bei einer Ausschlagung anders. Ihr misst das Gesetz Rückwirkung bei (§ 1953 Abs. 2 BGB). Der Erblasser wird nicht zunächst von dem ausschlagenden Erben beerbt und anschließend von demjenigen, der an die Stelle des Ausschlagenden getreten ist, sondern nur und unmittelbar von dem Ersatzmann. 1 Selbstverständlich können auch mehrere Vorerben und mehrere Nacherben eingesetzt werden, die dann jeweils Miterben sind. 2 Dadurch lassen sich in den Grenzen des § 2109 Abs. 1 BGB stiftungsähnliche Rechtswirkungen erreichen. 3 Edenhofer in Palandt75, § 2108 BGB Rz. 2 ff.
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§ 7 ErbStG Rz. 330 Schenkungen unter Lebenden 330 Vor- und Nacherbschaft gibt es nicht von Gesetzes wegen. Sie beruht immer auf einer Verfügung von
Todes wegen,1 die bei Bedarf vom Gesetz ergänzt wird. Der Erblasser kann die Vor- und Nacherbfolge vollständig anordnen, indem er den Vorerben und den Nacherben benennt. Er kann sie aber auch, zumeist aus Unkenntnis der Rechtslage, unvollständig anordnen, indem er sich darauf beschränkt, nur über den ersten Teilakt zu entscheiden. Das will heißen, er setzt seinen Erben ein, aber auflösend bedingt oder befristet und ohne zu sagen, wie es weitergeht, wenn die Bedingung oder Befristung eingetreten ist. 331 Konstruktive Vor- und Nacherbfolge tritt auch ein, wenn der Erblasser bestimmt, er wolle von sei-
nem Kind beerbt werden, aber erst wenn es das 18. Lebensjahr vollendet habe. Ist das Kind im Erbfall noch keine 18 Jahre alt, muss die Zeit bis dahin erbrechtlich überbrückt werden. Dieser Fall wird in § 2105 BGB in der Weise gelöst, dass die gesetzlichen Erben des Erblassers Vorerben sind und das eingesetzte Kind Nacherbe. 332 Der Vorerbe ist Erbe, aber eben kein voller Erbe, sondern ein Statthalter, dem der Nachlass bis zum
Erscheinen des endgültigen Erben als ein von seinem eigenen Vermögen, dem Eigenvermögen, getrenntes Sondervermögen gehört. Dieses Sondervermögen verwaltet er auf eigene Rechnung. Aber da er den Nachlass nicht behalten und an seine Erben weitergeben darf, sondern an den Erben herausgeben muss, den der Erblasser oder ersatzweise das Gesetz bestimmt, sind seine Eigentümerrechte beschränkt. 333 Hat der Erblasser nichts anderes angeordnet, darf der Vorerbe über Grundstücke und grundstücks-
gleiche Rechte nicht verfügen, und er darf auch keine Schenkungen mit Mitteln des Nachlasses machen (2113 BGB). Außerdem unterliegt er weiteren Beschränkungen, vor allem Zustimmungsvorbehalten und Kontrollrechten zugunsten des Nacherben. Geld, das nach den Regeln einer ordnungsgemäßen Wirtschaft dauernd anzulegen ist, muss der Vorerbe wie Mündelgeld anlegen (2119 BGB). Ihn treffen Auskunfts-, Sicherungs- und Rechnungslegungspflichten (§§ 2121 ff., 2127 ff. BGB). Der Erblasser kann ihn von fast allen dieser Beschränkungen befreien, nur von dem Schenkungsverbot nicht (befreiter Vorerbe). Aber auch davon kann ihn der Erblasser vollständig oder eingeschränkt befreien, allerdings nur in der Weise, dass er den Nacherben mit einem Vermächtnis oder einer Auflage beschwert, unentgeltliche Verfügungen des Vorerben über die Vorerbschaft zu dulden. 334 Aber ob befreiter oder nicht befreiter Vorerbe – die Nutzungen des Nachlasses stehen dem Vorerben
immer und vollständig zu, soweit sie Ergebnis einer ordnungsgemäßen Verwaltung sind (§ 2130 Abs. 1 Satz 1 BGB). Im Gegenzug ist er mit den gewöhnlichen Erhaltungskosten belastet (§ 2124 Abs. 1 BGB). 335 Die Rechtsstellung des Vorerben gleicht also der Rechtsstellung eines Nießbrauchers. allerdings sind
die Rechte eines Nießbrauchers eingeschränkter: Er muss die bisherige wirtschaftliche Bestimmung des nießbrauchsbelasteten Gegenstands aufrechterhalten, und er muss innerhalb dieser Grenze nach den Regeln einer ordnungsgemäßen Wirtschaft verfahren (§ 1036 Abs. 2 BGB). Der Vorerbe hingegen kann innerhalb der Grenzen einer ordnungsgemäßen Verwaltung und der ihn treffenden Verfügungsbeschränkungen die wirtschaftliche Bestimmung des Nachlasses ändern, indem er die Zusammensetzung des Nachlasses ändert. Der Nießbraucher hingegen kann nicht über den belasteten Gegenstand verfügen. Denn er gehört ihm nicht, und das Gesetz gibt ihm darüber auch keine Verfügungsbefugnis. Und ein befreiter Vorerbe ist deutlich besser gestellt als ein Nießbraucher. Auch er muss den Nachlass im Nacherbfall herausgeben, aber nur in den Grenzen des § 2338 BGB i.V.m. § 2111 BGB. Deshalb darf er nicht nur die Nutzungen für sich verwenden, sondern auch die Vorerbschaft unter Schonung seines eigenen Vermögens verbrauchen (§§ 2136, 2134 BGB).2 336 Nach § 6 Abs. 1 ErbStG gilt der Vorerbe als Erbe und erwirbt den Nachlass durch Erbanfall (§ 3
Abs. 1 Nr. 1 ErbStG). Demzufolge wird der Vorerbe als als Vollerbe besteuert. Erwirbt der Vorerbe als Erbe durch Erbanfall, ist er Steuerschuldner nach § 20 Abs. 1 ErbStG.
1 Edenhofer in Palandt75, § 2100 BGB Rz. 4. 2 BGH v. 16.3.1977 – IV ZR 182/75, NJW 1977, 1631; v. 25.5.1977 – IV ZR 15/76, BGHZ 69, 47. Selbstverständlich ist es auch dem befreiten Vorerben nicht gestattet, einen Erbschaftsgegenstand zum Bestandteil seines Eigenvermögens zu machen.
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Stiftungsgeschäft unter Lebenden, gleichgestellte Fälle (Abs. 1 Nr. 8)
Rz. 343 § 7 ErbStG
Mit dem Tod des Erblassers erwirbt der Nacherbe ein Anwartschaftsrecht, das er veräußern und 337 vererben kann, wenn nichts anderes bestimmt ist (§ 2108 BGB). Dieser Erwerb wird nicht besteuert. Veräußert der Nacherbe sein Anwartschaftsrecht entgeltlich, muss er das Entgelt versteuern (§ 3 338 Abs. 2 Nr. 6 ErbStG). Erwerber kann auch der Vorerbe sein.1 Stirbt der Nacherbe vor dem Nacherbfall und ist sein Anwartschaftsrecht vererblich, geht es auf seine 339 Erben über. Erbschaftsteuerrechtlich gehört es aber nicht zu seinem Nachlass (§ 10 Abs. 4 ErbStG). Erst im Nacherbfall ist der Erbe des Nacherben mit dem kraft Nacherbfolge auf ihn übergehenden Nachlass steuerpflichtig. Er erwirbt ihn vom Vorerben (§ 6 Abs. 2 ErbStG) oder vom Erblasser (§ 6 Abs. 3 ErbStG). Überträgt der Vorerbe vor Eintritt der Nacherbschaft das vom Erblasser erworbene Vermögen ohne 340 Entgelt auf den Nacherben, erwirbt dieser nicht vom Erblasser durch Erwerb von Todes wegen, sondern vom Vorerben durch Schenkung unter Lebenden (§ 7 Abs. 1 Nr. 7 ErbStG). Der Erwerb wird nach dem Verhältnis zum Vorerben besteuert. Wird von dem Nacherben eine Gegenleistung gewährt, liegt ein entgeltlicher bzw. ein teilentgeltli- 341 cher Vorgang in Form einer gemischten Schenkung vor. Nach § 7 Abs. 2 ErbStG kann der Nacherbe – wie auch bei dem gewöhnlichen Eintritt des Nacherb- 342 falls – beantragen, dass sein Erwerb nach dem Verhältnis zum Erblasser besteuert wird. Wird zusammen mit dem Nacherbschaftsvermögen auch nacherbschaftsfreies Vermögen schenkweise übertragen, ist die Steuer nach § 6 Abs. 2 Satz 3 bis 5 ErbStG zu berechnen.
H. Vermögensübergang durch Stiftungsgeschäft unter Lebenden oder gleichgestellte Fälle (Abs. 1 Nr. 8) Literatur: Eisele, SchenkSt bei Vermögensübertragungen auf Auslandstiftungen, NWB F.10, 1625; Grüter/Mitsch, Keine Steuerneutralität des Formwechsels eines eingetragenen Vereins in eine Kapitalgesellschaft?, DStR 2001, 1827; Halaczinsky, Änderungen des Erbschaftsteuergesetzes durch das StEntlG 1999/2000/2002, NWB, Fach 10, 905; Jülicher, Ausländische Familienstiftungen – Chancen und Risiken durch die neue BFH-Rechtsprechung, ZErb 2007, 361; von Oertzen, Vorbereitungen für den großen Ersatzerbschaftsteuertermin zum 1. Januar 2014, DStR 2012, Beihefter 11, 37; von Oertzen, Auflösung einer österreichischen Privatstiftung aus Sicht deutscher Begünstigter; SWI 2000, 324; von Oertzen/Lemmer, Der US-Estate im deutschen Steuerrecht, IStR 2015, 952; von Oertzen/ Reich/Stein, Anglo-Amerikanische Nachlasstrusts und inländische Grundstücke bzw. grundstücksbesitzende Erbengemeinschaften, ZEV 2013, 109; von Oertzen/Stein, Deutsch-US-Amerikanische Nachfolgeplanung: Steuervorteile im ErbStG durch Verwendung von Trusts, ZEV 2011, 500; van Randenborgh, Unterliegt eine nichtrechtsfähige Familienstiftung der Erbersatzsteuer?, BB 2013, 2780; Randt, Der Steuerfahndungsfall, 2004; Rennert/Blum, Der Durchgriff durch ausländische Stiftungen aufgrund des deutschen ordre public – Eine Anmerkung zum Urteil des OLG Düsseldorf vom 30.4.2010, I-22 U 126/06; Roderburg, Anmerkungen zum Urteil des BFH vom 19.6.2013, ErbStB 2013, 271; Schienke-Ohletz/Kühn, Die steuerlichen Folgen beim Ausscheiden aus Truststrukturen, ZEV 2015, 150; Theuffel-Werhahn, Unterliegen unselbständige Familienstiftungen der Erbersatzsteuerpflicht? Zugleich eine Betrachtung des Begriffs „Stiftung“ im Steuerrecht, ZEV 2014, 4; Wassermeyer, Die Besteuerung von Familienstiftungen und Trust aus deutscher Sicht, FR 2015, 153; Werder/Wystrcil, Steuerliches „Zuzugsverbot“ für Begünstigte eines Trusts in Deutschland, BB 2015, 412.
I. Grundaussagen des Abs. 1 Nr. 8 1. Regelungsgegenstand § 7 Abs. 1 Nr. 8 ErbStG ordnet die Steuerbarkeit eines Vermögenstransfers als Schenkung i.S.d. § 1 343 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG für drei Fälle an. Gemeinsamkeit zweier dieser Fälle ist, dass der empfangende Rechtsträger im Zusammenhang mit dem Vermögenstransfer entsteht. Als Schenkung gilt, was aufgrund eines Stiftungsgeschäfts unter Lebenden auf eine Stiftung übergeht. Dem steht gleich der Vermögenstransfer zur Bildung einer Vermögensmasse ausländischen Rechts gerichtet auf die Bindung 1 BFH v. 30.10.1979 – II R 4/76, BStBl. II 1980, 46.
von Oertzen
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§ 7 ErbStG Rz. 344 Schenkungen unter Lebenden von Vermögen. Schließlich erfasst der Tatbestand die Ausstattung einer Vermögensmasse ausländischen Rechts gerichtet auf die Bindung von Vermögen. 344 Verblüffend ist, dass die Errichtung eines Vereins, dessen Zweck auf die Bindung von Vermögen ge-
richtet ist, nicht erwähnt wird, obwohl ansonsten im Rahmen der Ersatzerbschaftsteuer und im Rahmen der Auflösungstatbestände des § 7 Abs. 1 Nr. 9 ErbStG dieser Rechtsträger ausdrücklich erwähnt und mit der Familienstiftung gleichgestellt wird. Daraus ist zu schließen, dass bei der Familienvereinsgründung, sofern eine freigiebige Zuwendung vorliegt, das Steuerklassenprivileg des § 15 Abs. 2 ErbStG nicht eingreifen kann.1 Entweder liegt ein Redaktionsversehen des Gesetzgebers vor oder der Gesetzgeber wollte Umwegsgestaltungen über Familienvereine von vornherein pönalisieren.2 Aufgrund des eindeutigen Wortlautes greift aber de lege lata mangels Privilegierung immer die Steuerklasse III bei einer freigebigen Zuwendung an einen Verein auch anlässlich der Gründung ein. Dies ist jedenfalls solange anzunehmen, wie die Vereinsmitgliedschaft – anders als bei einer Kapitalgesellschaft – kein Wertrecht am Vereinsvermögen begründet.3 2. Bedeutung und Telos 345 Aufgabe des Tatbestands ist es, Vermögenstransfers für steuerliche Zwecke als Schenkungen zu fingie-
ren, da es ansonsten Schwierigkeiten gibt, diese Vermögenstransfers von der Grundnorm des § 7 Abs. 1 Nr. 8 ErbStG zu erfassen. Diese Norm soll Besteuerungslücken schließen. Dies gilt insbesondere für § 7 Abs. 1 Nr. 8 Satz 2 ErbStG. Diese Vorschrift dient dazu, die alte BFH-Rspr. zur erbschaftsteuerlichen Behandlung des anglo-amerikanischen Trusts zu durchbrechen.4 Dementsprechend setzt der Steuertatbestand eine freigebige Zuwendung voraus. Deswegen muss der Stifter bzw. Trustsettlor auch subjektiv die Unentgeltlichkeit wollen (vgl. hierzu § 7 ErbStG Rz. 231 ff.). Es sind dabei die gleichen Grundsätze anzuwenden wie bei dem Tatbestand des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG.5 3. Geltungsbereich und Verhältnis zu anderen Vorschriften 346 Die Vorschrift ist grundsätzlich bei jeder Art persönlicher Steuerpflicht i.S.d. § 2 ErbStG anwendbar.
§ 7 Abs. 1 Nr. 8 ErbStG greift nur dann ein, sofern eine rechtsfähige Stiftung entsteht i.S.d. §§ 80 ff. ErbStG (vgl. zur Diskussion § 3 ErbStG Rz. 103 und § 1 ErbStG Rz. 31 f.). Das Erbschaftsteuergesetz meint mit Stiftung immer nur die rechtsfähige Stiftung.6 Nicht rechtsfähige Stiftungen sind ein Fall des § 8 ErbStG (s. § 8 ErbStG Rz. 9). 347 Erfasst werden auch ausländische Stiftungen als Stiftung i.S.d. § 7 Abs. 1 Nr. 8 Satz 1 ErbStG, sofern
sie nach dem deutsch-steuerlichen Typenvergleich mit der deutschen rechtsfähigen Stiftung vergleichbar sind.7 Ein Rückfall auf § 7 Abs. 1 Nr. 8 Satz 2 ErbStG erfolgt nicht.8 Anderer Ansicht ist das FG Stuttgart (nicht rechtskräftig), das die Auffassung vertritt, dass der Begriff der Vermögensmasse der Oberbegriff sei.9 348 Nicht die im Stiftungsgeschäft begründete Übertragungsverpflichtung, sondern erst deren Erfüllung
wird besteuert. Der Steuerentstehungszeitpunkt richtet sich damit nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG.10
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Vgl. Geck in Kapp/Ebeling, § 15 ErbStG Rz. 64 (Stand: April 2013); Knobel in V/K/S/W4, § 15 ErbStG Rz. 46. Im letzteren Sinne Meincke16, § 15 ErbStG Rz. 23. Vgl. Reuter in Münchener Kommentar7, § 38 BGB Rz. 30 ff. Vgl. zur alten Rechtslage z.B. Jülicher in T/G/J, § 2 ErbStG Rz. 124 ff. (Stand: September 2013). Vgl. BFH v. 9.12.2009 – II R 22/08, BStBl. II 2010, 484 = FR 2010, 675 = ErbStB 2010, 130, Rz. 15; Gleich lautender Ländererlass der Obersten Finanzbehörden der Länder v. 20.12.2013, DStR 2014, 103. Vgl. Theuffel-Werhahn, ZEV 2014, 14; van Randenborgh, BB 2013, 2780 ff. Vgl. FG Rh.-Pf. v. 19.3.1998 – 4 K 2887/97, EFG 1998, 1021; Meincke16, § 7 ErbStG Rz. 112. Str., vgl. Gebel in T/G/J, § 3 ErbStG Rz. 322 (Stand: März 2009); Hülsmann in Wilms/Jochum, § 3 ErbStG Rz. 251 (Stand: Oktober 2014). FG Stuttgart, 7 K 2471/12, ErbStG EFG 2015 1461 ff. H.M., vgl. nur Meincke16, § 7 ErbStG Rz. 112; Gebel in T/G/J, § 7 ErbStG Rz. 332 (Stand: April 2014).
von Oertzen
Stiftungsgeschäft unter Lebenden, gleichgestellte Fälle (Abs. 1 Nr. 8)
Rz. 354 § 7 ErbStG
Die Grundsätze der mittelbaren Schenkung sind dabei anwendbar.1 Heutzutage werden sich bei Anwendung der Grundsätze der mittelbaren Schenkung aber bis auf wenige Ausnahmen bewerterisch kaum noch größere Steuerentlastungseffekte erzielen lassen. Wird eine gemeinnützige Stiftung unter Lebenden errichtet, ist § 13 Abs. 1 Nr. 16 Buchst. b ErbStG 349 anwendbar. Sofern eine gemeinnützige Stiftung errichtet wird, kann der Spendenabzug des § 10b EStG in Betracht kommen. Satzungsmäßige Ausschüttungen der Stiftung sind nicht schenkungsteuerbar (vgl. hierzu Rz. 27). 350 Dies gilt auch für ausländische Stiftungen, denn ausländische Stiftungen sind, wenn sie den deutschsteuerlichen Typenvergleich bestehen, der deutschen Stiftung gleichzusetzen. Eng verknüpft mit § 7 Abs. 1 Nr. 8 ErbStG ist bei der Errichtung einer Familienstiftung i.S.d. § 1 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG das Steuerklassenprivileg des § 15 Abs. 2 ErbStG. Ertragsteuerlich ist anlässlich der Errichtung § 6 Abs. 3 EStG bei Mitunternehmeranteilen zu beach- 351 ten. Mitunternehmerteilanteile können nach h.M. nicht buchwertneutral auf Stiftungen übertragen werden. Dies gilt selbst bei gemeinnützigen Stiftungen.2 Bezüglich der Ausschüttungen an Destinatäre ist auf Ebene der Stiftung das Abzugsverbot des § 10 Nr. 1 KStG zu beachten. Für die Besteuerung der Destinatäre gilt § 20 Abs. 1 Nr. 9 EStG bzw. § 20 Abs. 2 Nr. 8 ErbStG. Einzelheiten sind umstritten (vgl. auch § 1 ErbStG Rz. 28).3 Bezüglich des Steuertatbestands der Bildung der Vermögensmasse ausländischen Rechts werden ver- 352 fassungs- und völkerrechtliche Bedenken an der Norm geltend gemacht.4 Der BFH teilt ersichtlich diese Auffassung nicht.5 4. Rechtsentwicklung § 7 Abs. 1 Nr. 8 ErbStG ist durch das StEntlG 1999/2000/20026 um den Tatbestand der Errichtung 353 sowie der Ausstattung der Vermögensmasse ausländischen Rechts gerichtet auf die Bindung von Vermögen ergänzt worden.
II. Übergang von Vermögen aufgrund eines Stiftungsgeschäfts unter Lebenden (Abs. 1 Nr. 8 Satz 1) Aufgrund des eindeutigen Wortlauts der Norm werden in § 7 Abs. 1 Nr. 8 ErbStG (mit dem Steuer- 354 klassenprivileg des § 15 Abs. 2 ErbStG) nur die Vermögenstransfers erfasst, die im Stiftungsgeschäft verankert sind. Dies sind die Erstausstattungen.7 Zustiftungen unterfallen § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG.8 Etwas anderes gilt aber dann, wenn die Zustiftung hinreichend konkret und bestimmt im Stiftungsgeschäft verankert wurde.9 Ist dies der Fall, kann auch die spätere Zuwendung in § 7 Abs. 1 Nr. 8 Satz 1 ErbStG fallen und dann auch an dem Steuerklassenprivileg des § 15 Abs. 2 ErbStG partizipieren.
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Vgl. FG Rh.-Pf. v. 19.3.1998 – 4 K 2887/97, EFG 1998, 1021 ff. BMF v. 3.3.2005 – IV b2-S2241-14/05, BStBl. I, 458, Tz. 3. Vgl. auch von Oertzen/Friz, BB 2014, 87 ff. Vgl. weiterführend Gebel in T/G/J, § 3 ErbStG Rz. 322 (Stand: März 2009); Holthausen/Burgmann in Tiedtke, § 7 ErbStG Rz. 118. Vgl. BFH v. 19.6.2013 – II R 10/12, FR 2014, 248 = IStR 2013, 302 m. Anm. Roderburg = ErbStB 2013, 271 = BFH/NV 2013, 1491. StEntlG 1999/2000/2002 v. 24.3.1999, BGBl. I 1999, 402. Gebel in T/G/J, § 7 ErbStG Rz. 332 (Stand: April 2014). Weinmann in Moench/Weinmann, § 7 ErbStG Rz. 221 (Stand: Februar 2015); Meincke16, § 7 ErbStG Rz. 112; Griesel in D/H/R2, § 7 ErbStG Rz. 140. Vgl. Meincke16, § 7 ErbStG Rz. 112; Griesel in D/H/R2, § 7 ErbStG Rz. 140.
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§ 7 ErbStG Rz. 355 Schenkungen unter Lebenden 355 § 7 Abs. 1 Nr. 8 ErbStG kann auch dadurch erfüllt werden, dass eine Stiftung eine andere Stiftung
gründet1 und auch dann, wenn einziger Destinatär der Stiftung der Stifter ist.2 Die Stiftung ist „abschottender“ Rechtsträger, durch den grundsätzlich nicht hindurchgesehen wird. 356 Etwas anderes gilt nur dann, wenn die Stiftung nicht rechtlich und wirtschaftlich frei über das über-
tragene Vermögen verfügen kann.3 In diesem Fall ist schon gar nicht der Schenkungsteuertatbestand des § 7 Abs. 1 Nr. 8 ErbStG erfüllt (vgl. auch noch unter Rz. 366). 357 Die Verpflichtung einer Stiftung, das übertragende Vermögen satzungsgemäß zu verwenden, mindert
nicht die zu besteuernde Bereicherung.4 Bei den satzungsmäßigen Verwendungsvorgaben handelt es sich nicht um auf der Zuwendung ruhenden Lasten oder Auflagen.5 Etwas anderes gilt nur dann, wenn unmittelbare Zahlungsansprüche bei den Destinatären begründet werden oder wenn Vermögen mit Nießbrauchsvorbehalten auf die Stiftung übergeht.
III. Bildung oder Ausstattung einer Vermögensmasse ausländischen Rechts, deren Zweck auf die Bindung von Vermögen gerichtet ist (Abs. 1 Nr. 8 Satz 2) 1. Systematische Aspekte 358 Es wird insoweit auf die Ausführungen in § 3 ErbStG Rz. 107 verwiesen. Die Vorschrift hat Lückenfül-
lungsfunktion. Daraus folgt aber auch, dass die Vorschrift restriktiv und subsidiär anzuwenden ist, also dann, wenn der ausländische Rechtsvorgang nicht unter einem anderen Steuertatbestand erfasst werden kann. Er ist eingebettet in das bisherige Erbschaftsteuersystem zu interpretieren. 2. Vermögensmasse ausländischen Rechts gerichtet auf die Bindung von Vermögen 359 Es wird auf die Kommentierung in § 3 ErbStG Rz. 111 verwiesen.
3. Errichtung und Ausstattung 360 Errichtung bedeutet die Vermögensdotation anlässlich der Entstehung dieses Rechtsträgers und
meint damit ähnlich wie bei der Stiftung die Erstausstattung dieser Vermögensmasse. 361 Die in der Trust Deed vorgesehene Weiterleitungsverpflichtung bei der Auflösung der Vermögens-
masse kann nicht entsprechend § 6 Abs. 3 Satz 2 ErbStG bereicherungsmindernd anlässlich der Errichtung abgezogen werden (vgl. auch § 3 ErbStG Rz. 114). 362 Erfasst wird durch § 7 Abs. 1 Nr. 8 Satz 2 ErbStG nicht nur die Erstausstattung dieser Vermögens-
masse, sondern auch spätere Vermögenszuführungen. Dies ergibt sich durch die Begriffsbildung „Bildung oder Ausstattung“ einer Vermögensmasse ausländischen Rechts. Da die beiden Begriffe durch das Wort „oder“ verbunden werden, wird deutlich, dass der Gesetzgeber anders als in § 7 Abs. 1 Nr. 8 Satz 1 ErbStG auch spätere Vermögenszuwendungen in diesem Besteuerungstatbestand erfassen wollte. Ansonsten macht das Wort „oder“ zwischen Bildung und Ausstattung keinen Sinn.6
1 Vgl. BFH v. 13.4.2011 – II R 45/09, BStBl. II 2011, 732 = FR 2011, 870 = ErbStB 2011, 213; Geck in Kapp/Ebeling, § 7 ErbStG Rz. 146.1 (Stand: Juli 2016). 2 Vgl. BFH v. 9.12.2009 – II R 22/08, BStBl. II 2010, 363 = FR 2010, 675 = ErbStB 2010, 130. 3 BFH v. 28.6.2007 – II R 21/05, BStBl. II 2007, 669 = FR 2008, 149 = ErbStB 2007, 293; Meincke16, § 7 ErbStG Rz. 112; Holthausen/Burgmann in D/H/R2, § 7 ErbStG Rz. 112. 4 H.M., vgl. RFH v. 12.5.1931, IRA 164/30, RStBl. 1931, 539; Geck in Kapp/Ebeling, § 7 ErbStG Rz. 149 (Stand: März 2016). 5 Vgl. BFH v. 16.1.2002 – II R 82/89, BStBl. II 2002, 303; Gebel in/T/G/J, § 7 ErbStG Rz. 332 (Stand: April 2014). 6 A.A. Schuck in V/K/S/W4, § 7 ErbStG Rz. 151; vgl. zu der h.M. z.B. Gebel in T/G/J, § 7 ErbStG Rz. 332 (Stand: April 2014) sowie Geck in Kapp/Ebeling, § 7 ErbStG Rz. 149.2 (Stand: März 2016); Weinmann in Moench/ Weinmann, § 7 ErbStG Rz. 221a (Stand: Februar 2015).
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Stiftungsgeschäft unter Lebenden, gleichgestellte Fälle (Abs. 1 Nr. 8)
Rz. 369 § 7 ErbStG
Auch dieser Tatbestand setzt eine Bereicherung voraus und greift nicht ein, wenn der Trustee nicht 363 rechtlich und wirtschaftlich frei über die übertragenen Vermögensgegenstände verfügen kann.1 Die Besteuerung erfolgt sowohl im Falle der Bildung der Vermögensmasse als auch bei der nachträg- 364 lichen Ausstattung immer in Steuerklasse III.2 Die Vermögensmasse ausländischen Rechts gerichtet auf die Bindung von Vermögen wird in § 20 365 Abs. 1 Satz 2 ErbStG als Erwerber und Steuerschuldner behandelt. Die völkerrechtliche Zulässigkeit eines Steuerbescheids gegen die ausländische Vermögensmasse und die praktische Vollstreckung eines solchen Steuerbescheids erscheinen allerdings sehr zweifelhaft.3 Es kann jedoch auf den Zuwendenden als Steuerschuldner zurückgegriffen werden, § 20 Abs. 1 Satz 2 ErbStG.4
IV. Umgang mit Steuerhinterziehungsstiftungen und Vermögensmassen Beginnend mit der Steueramnestie und dem nach der Steueramnestie beginnenden Ankauf von Bank- 366 daten in Offshore-Jurisdiktionen ist die FinVerw. im Rahmen von Selbstanzeigen vermehrt mit dem Thema des Umgangs mit Stiftungen oder Trusts, die der Verdeckung von Schwarzgeldkonten und Depots dienten, konfrontiert worden. Im Zusammenhang mit diesen Rechtsträgern stellt sich die Frage, wie die Vermögensdotation und deren Auflösung schenkungsteuerlich zu behandeln sind. Oftmals gab es auch Kettenstrukturen, d.h. zunächst wurden Stiftungen errichtet, dann wurde das Vermögen weiter transferiert an Trusts, um dann ggf. wieder liquidiert zu werden. Es stellte sich die Frage, ob dann ggf. mehrfach Schenkungsteuertatbestände erfüllt worden sein könnten. Für die praktische Handhabung sind maßgebend einerseits das Grundsatzurteil des BFH v. 28.6.20075 367 sowie andererseits das im Rahmen der Steueramnestie ergangene BMF-Schreiben vom 20.7.2004.6 Nach der Rspr. des BFH, aber auch nach Ansicht der FinVerw. setzt § 7 Abs. 1 Nr. 8 ErbStG für die Erfüllung eines Schenkungsteuertatbestandes im Zusammenhang mit der Errichtung (aber auch im Zusammenhang mit der Auflösung) einer Stiftung voraus, dass die Stiftung über das auf sie übergegangene Vermögen im Verhältnis zum Stifter tatsächlich und rechtlich frei verfügen kann.7 Dies ist immer dann nicht der Fall, wenn dem Übertragenden umfassende Herrschaftsbefugnisse über das Stiftungsvermögen zustehen.8 Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn ein Stiftungsrat aufgrund eines Mandatsvertrages nur treuhänderisch sein Mandat als Mitglied eines Verwaltungsrates in einer Stiftung ausüben soll. Entscheidend ist auch, wenn dem Stifter zu seinen Lebzeiten alle Rechte am gesamten Stiftungsvermögen und dessen Ertrag allein zustehen soll und ihm auch das Recht vorbehalten ist, dem Stiftungsrat Abänderungen der Stiftungssatzung aufzutragen. Für den BFH war insbesondere wichtig, dass die Vereinbarungen und Regelungen in ihrer Gesamt- 368 schau dazu führen, dass die Entscheidung über die Anlage und Verwendung des Vermögens allein dem Stifter vorbehalten werden, er durch entsprechende Anweisungen jederzeit die teilweise oder vollständige Rückübertragung des Vermögens auf ihn persönlich herbeiführen kann und die Stiftung daran gehindert ist, über das auf sie übertragene Vermögen gegenüber dem Stifter tatsächlich und rechtlich frei zu verfügen und der Stifter letztlich aufgrund der Weisungsunterworfenheit der Stiftung und ihrer Organe über das bei einer Bank angelegte Stiftungsvermögen wie über ein eigenes Bankguthaben verfügen kann. In dem BMF-Schreiben vom 20.7.2004 vertritt die FinVerw. die Auffassung, dass der Tatbestand des 369 § 7 Abs. 1 Nr. 8 ErbStG erfüllt sei,9 wenn Vermögen vom Stifter in das Eigentum einer von ihm erVgl. Fischer in F/J/P/W5, § 7 ErbStG Rz. 442. Vgl. Weinmann in Moench/Weinmann, § 7 Rz. ErbStG 221a (Stand: Februar 2015). Vgl. Weinmann in Moench/Weinmann, § 7 ErbStG Rz. 221a (Stand: Februar 2015). Vgl. auch Seltenreich in P/R/S2, § 7 ErbStG Rz. 644. Vgl. BFH v. 28.6.2007 – II R 21/05, BStBl. II 2007, 669 = FR 2008, 149 = ErbStB 2007, 293. BMF v. 20.7.2004 – IV A 4-S 1928-94/04, DStR 2004, 1387. Holthausen/Burgmann in D/H/R2, § 7 ErbStG Rz. 112; Meincke16, § 7 ErbStG Rz. 112; Seltenreich in, P/R/S2 § 7 ErbStG Rz. 641. 8 Vgl. BFH v. 28.6.2007 – II R 21/05, BStBl. II 2007, 669 = FR 2008, 149 = ErbStB 2007, 293. 9 Vgl. BMF v. 20.7.2004 – IV A 4-S 1928-94/04, Antwort zu Frage 19.
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§ 7 ErbStG Rz. 370 Schenkungen unter Lebenden richteten rechtsfähigen Stiftung übergegangen sei. Nur soweit die Stiftung von Anfang an im Verhältnis zum Stifter nicht tatsächlich und rechtlich frei über das zugewendete Vermögen verfügen könne, fehle es am Tatbestand des § 7 Abs. 1 Nr. 8 ErbStG. Nach Ansicht der FinVerw. fehlt es schon an der tatsächlichen und rechtlichen Verfügungsfreiheit bspw. dann, wenn die Stiftung von Anfang an zivilrechtlich zur Herausgabe des Überlassenen verpflichtet sei.1 In diesem Fall soll nach Auffassung der FinVerw. die Vermögensübertragung auf die Stiftung mangels Entreicherung des Stifters insoweit nicht schenkungsteuerpflichtig sein. 370 Insgesamt lassen sich aus diesen Äußerungen des BFH und der FinVerw. folgende Kontrollfragen er-
mitteln:2 – Ist der Verwalter der Stiftung an Weisungen des Stifters gebunden? – Wenn keine formal-rechtliche Bindung des Verwalters an Weisungen des Stifters vorliegt, liegt dann aber ein entsprechender „Letter of Wishes“ vor? Wurde diese „unverbindliche“ Vereinbarung von den Parteien gleichwohl uneingeschränkt beachtet? – Kann der Stifter dem Verwalter kündigen bzw. dessen Ablösung wirksam durchsetzen? – Ist der Verwalter bei seinen Anlageentscheidungen an Weisungen des Stifters gebunden bzw. muss der Stifter die Entscheidung des Verwalters nachträglich billigen? – Kann der Stifter jederzeit die Vermögensübertragung auf die Stiftung rückgängig machen? – Kann der Stifter nach dem Stiftungsreglement zu Lebzeiten jederzeit wie ein Kontoinhaber über das Vermögen verfügen? 371 Wichtiges Indiz in der Praxis ist auch das sog. Formular A (Feststellung des wirtschaftlichen Berech-
tigten) im Rahmen der Know-your-Clients-Prozeduren der ausländischen Bankinstitute. 372 Ein weiterer Gesichtspunkt kommt hinzu: Oftmals kann sich die Konstellation ergeben, dass der aus-
ländische Rechtsträger schon zivilrechtlich infolge Sittenwidrigkeit für den deutschen Rechtsverkehr als unwirksam zu behandeln ist. Die Erbschaftsteuer als Verkehrssteuer hat sich diesen Wertungen anzuschließen. In diesem Zusammenhang ist auf ein Urteil des Fürstlichen Liechtensteinischen Obersten Gerichtshofs vom 7.5.1998 hinzuweisen, wonach eine zum Zwecke der Steuerhinterziehung gegründete Stiftung nach liechtensteinischem Recht unbeachtlich sei.3 Unabhängig hiervon ist auch der deutsche Ordre Public zu beachten. Einer ausländischen juristischen Person kann im Inland die Anerkennung gem. Art. 6 EGBGB zu versagen sein, wenn einziger Zweck dieses Rechtsträgers die Steuerhinterziehung sein soll.4 Nach Ansicht des OLG Düsseldorf5 muss dabei die Steuerhinterziehung nicht der alleinige Zweck, sondern nur der Hauptzweck des Rechtsgeschäfts gewesen sein.6 373 Diese Grundsätze gelten entsprechend für ausländische Trusts. Hier wird es auch schon an einer Ver-
mögensbindung i.S.d. § 7 Abs. 1 Nr. 8 Satz 2 ErbStG fehlen, wenn der Rechtsträger jederzeit widerruflich ist.
I. Aufhebung einer Stiftung, Auflösung eines Vereins oder einer Vermögensmasse ausländischen Rechts (Abs. 1 Nr. 9) Literatur: Eisele, SchenkSt bei Vermögensübertragungen auf Auslandstiftungen, NWB F.10, 1625; Grüter/Mitsch, Keine Steuerneutralität des Formwechsels eines eingetragenen Vereins in eine Kapitalgesellschaft?, DStR 2001, 1827; Halaczinsky, Änderungen des Erbschaftsteuergesetzes durch das StEntlG 1999/2000/2002, NWB, Fach 10, 905; Jülicher, Ausländische Familienstiftungen – Chancen und Risiken durch die neue BFH-Rechtsprechung, ZErb 2007, 361; von Oertzen, Vorbereitungen für den großen Ersatzerbschaftsteuertermin zum 1. Januar 2014, DStR 1 2 3 4
Vgl. BMF v. 20.7.2004 – IV A 4-S 1928-94/04, Antwort zu Frage 19. Vgl. BMF v. 20.7.2004 – IV A 4-S1928-94/04, Antwort zu Frage 19. Zitiert bei Randt, in Der Steuerfahndungsfall, D Rz. 567. Vgl. BGH v. 23.3.1979 – IV ZR 81/77, WPM 1979, 692 ff. sowie OLG Düsseldorf v. 30.4.2010 – I-22-U 126/06, ZEV 2010, 528; in diesem Sinne auch BGH v. 9.6.1954 – II ZR 70/53, BGHZ 14, 25 (31); v. 17.12.1965 – V ZR 115/63, NJW 1966, 588 (589); Rennert/Blum, IStR 2011, 492. 5 OLG Düsseldorf v. 30.4.2010 – I-22 U 126/06, ZEV 2010, 528; BGH v. 21.4.2011 – III ZR 106/10. 6 Vgl. auch weiterführend Stein, BB 2012, 1449 ff.
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Aufhebung einer Stiftung, Auflösung eines Vereins etc. (Abs. 1 Nr. 9)
Rz. 377 § 7 ErbStG
2012, Beihefter 11, 37; von Oertzen, Auflösung einer österreichischen Privatstiftung aus Sicht deutscher Begünstigter; SWI 2000, 324; von Oertzen/Lemmer, Der US-Estate im deutschen Steuerrecht, IStR 2015, 952; von Oertzen/ Reich/Stein, Anglo-Amerikanische Nachlasstrusts und inländische Grundstücke bzw. grundstücksbesitzende Erbengemeinschaften, ZEV 2013, 109; von Oertzen/Stein, Deutsch-US-Amerikanische Nachfolgeplanung: Steuervorteile im ErbStG durch Verwendung von Trusts, ZEV 2011, 500; van Randenborgh, Unterliegt eine nichtrechtsfähige Familienstiftung der Erbersatzsteuer?, BB 2013, 2780; Randt, Der Steuerfahndungsfall, 2004; Rennert/Blum, Der Durchgriff durch ausländische Stiftungen aufgrund des deutschen ordre public – Eine Anmerkung zum Urteil des OLG Düsseldorf vom 30.4.2010, I-22 U 126/06; Roderburg, Anmerkungen zum Urteil des BFH vom 19.6.2013, ErbStB 2013, 271; Schienke-Ohletz/Kühn, Die steuerlichen Folgen beim Ausscheiden aus Truststrukturen, ZEV 2015, 150; Theuffel-Werhahn, Unterliegen unselbständige Familienstiftungen der Erbersatzsteuerpflicht? Zugleich eine Betrachtung des Begriffs „Stiftung“ im Steuerrecht, ZEV 2014, 4; Wassermeyer, Die Besteuerung von Familienstiftungen und Trust aus deutscher Sicht, FR 2015, 153; Werder/Wystrcil, Steuerliches „Zuzugsverbot“ für Begünstigte eines Trusts in Deutschland, BB 2015, 412.
I. Grundaussagen des Abs. 1 Nr. 9 1. Regelungsgegenstand § 7 Abs. 1 Nr. 9 ErbStG ordnet die Steuerbarkeit eines Vermögenstransfers als Schenkung i.S.d. § 1 374 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG für fünf Fälle an. Gemeinsamkeit vier dieser Fälle ist, dass der übertragende Rechtsträger im Zusammenhang mit dem Vermögenserwerb untergeht. Als Schenkung unter Lebenden gilt, was bei Aufhebung einer Stiftung erworben wird. Dasselbe gilt, was bei Auflösung eines Vereins, dessen Zweck auf die Bindung von Vermögen gerichtet ist, erworben wird. Dritte Fallgruppe ist der Erwerb bei Auflösung einer Vermögensmasse ausländischen Rechts, deren Zweck auf die Bindung von Vermögen gerichtet ist. Auch der Erwerb durch Zwischenberechtigte während des Bestehens der ausländischen Vermögensmasse wird als Steuertatbestand in dieser Vorschrift kodifiziert. Systematisch folgerichtiger wäre es gewesen, diesen Fall bei § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG zu regeln. Schließlich wird die Umwandlung eines rechtsfähigen Vereins, dessen Zweck im wesentlichen Interesse einer Familie oder bestimmten Familien auf die Bindung von Vermögen gerichtet ist, in eine Kapitalgesellschaft als Schenkung fingiert. 2. Bedeutung und Telos Aufgabe der Norm ist es, Vermögenstransfers für steuerliche Zwecke als Schenkungen zu fingieren, 375 da ansonsten diese Vermögenstransfers von der Grundnorm des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG nicht erfasst werden könnten, obwohl es zu einer Bereicherung bei den Vermögensempfängern kommt. Diese Norm ist auch davon geprägt, dass man mit ihr Besteuerungslücken schließen möchte. Dies gilt insbesondere für die Fallgruppe der Auflösung ausländischer Vermögensmassen, der Be- 376 steuerung des sog. „Zwischenberechtigten“ sowie der Formwechsel des rechtsfähigen Vereins in eine Kapitalgesellschaft. Für Stiftungen und ausländische Vermögensmassen gerichtet auf die Bindung von Vermögen ist sie auch die Kehrseite zu § 7 Abs. 1 Nr. 8 ErbStG. Dort wird deren Errichtung als Steuertatbestand erfasst. Wird der Vermögenstransfer in eine Stiftung oder Vermögensmasse ausländischen Rechts anlässlich deren Errichtung besteuert, ist es konsequent, auch den Vermögenstransfer anlässlich der Beendigung dieses Steuersubjekts zu besteuern. 3. Geltungsbereich und Verhältnis zu anderen Vorschriften (nationales Recht, internationale Bezüge) Die Vorschrift gilt bei jeder Art persönlicher Steuerpflicht i.S.d. § 2 ErbStG. Bei der Aufhebung ei- 377 ner Stiftung ist auch § 26 ErbStG bei ersatzerbschaftsteuerpflichtigen Stiftungen und Vereinen zu beachten. § 26 ErbStG ermöglicht den eingeschränkten Umfang der Anrechnung der Ersatzerbschaftsteuer auf eine Steuer nach § 7 Abs. 1 Nr. 9 ErbStG. § 7 Abs. 1 Nr. 9 ErbStG ist auch eng mit § 15 Abs. 2 Satz 2 ErbStG verknüpft. Nach dieser Vorschrift gilt als Schenker der Stifter oder derjenige, der das Vermögen auf die Vermögensmasse ausländischen Rechts übertragen hat.
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§ 7 ErbStG Rz. 378 Schenkungen unter Lebenden 378 Fraglich ist, ob diese Vorschrift für die Interpretation des § 7 Abs. 1 Nr. 9 ErbStG bedeutet, dass da-
durch diese Person für diesen Steuertatbestand damit auch Schenker ist und nicht der jeweilige Rechtsträger, z.B. die Stiftung. Bedeutung hat diese Diskussion z.B. für die persönliche Steuerpflicht, für die Freibeträge, für die Zusammenrechnung von Vorschenkungen oder für die Haftung nach § 20 ErbStG. Da § 15 Abs. 2 ErbStG nur Bedeutung für die Bestimmung der Steuerklasse und für die Berechnung der Steuer hat, ändert sich nichts an dem steuerrechtlich maßgebenden Zuwendungsverhältnis, so dass die Stiftung/Vermögensmasse etc. Zuwendende trotz § 15 Abs. 2 Satz 2 ErbStG sind.1 Bei mehreren Erwerbern richtet sich die Steuerklasse nach dem Verhältnis jeden Erwerbers zum Stifter. 379 Aufgrund der BFH-Entscheidung vom 25.11.19922 ist für die Bestimmung der Steuerklasse auf das
jeweilige Verhältnis der Anfallsberechtigten zu den Stiftern abzustellen. Bei mehreren Stiftern kann zwar eine unterschiedliche Steuerklasse anzuwenden sein.3 Der Freibetrag ist aber nur anteilig in dem Verhältnis, in dem der jeweilige Stifter der Stiftung Vermögen zugewendet hat, zu gewähren.4 Es bleibt dabei, dass nur eine Zuwendung vorliegt und die Stiftung nur einen einheitlichen Freibetrag hat, der aber durch eine Verhältnisrechnung zu ermitteln ist. Entsprechendes gilt für die Steuerberechnung.5 380 Dies bedeutet aber auch gleichzeitig, dass der Rückfall an einen Stifter steuerbar ist, wenn kein Fall
des § 29 ErbStG eintritt.6 Wegen der Schenkungsfiktion des § 7 Abs. 1 Nr. 9 ErbStG kann bei Übertragung inländischer Grundstücke § 3 Nr. 2 GrEStG eingreifen.7 Bei Auflösung der Stiftung bzw. der ausländischen Vermögensmasse ist ertragsteuerlich § 20 Abs. 1 Nr. 9 EStG und § 20 Abs. 2 Nr. 8 EStG zu beachten.8 Schließlich ist zu prüfen, ob es auf der Ebene des Rechtsträgers zu einer Liquidationsbesteuerung kommt, was aber regelmäßig zu verneinen ist.9 381 Sofern der Rechtsträger nicht tatsächlich und rechtlich frei über das Vermögen während seiner Exis-
tenz verfügen konnte, so dass er schenkungsteuerlich nicht bereichert war, kann auch die Auflösung und die Rückübertragung oder die Weiterübertragung auf andere nicht nach § 7 Abs. 1 Nr. 9 ErbStG steuerbar sein. Der Tatbestand des § 7 Abs. 1 Nr. 9 ErbStG setzt einen Rechtsträger voraus, der über das transferierte Vermögen in eigener Kompetenz entscheiden konnte (vgl. hierzu auch Rz. 366). 382 Sehr komplex ist das Verhältnis zwischen Einkommensteuer und Erbschaftsteuer bei Ausschüttungen
bei ausländischen Vermögenmassen. Hier wird eine Vielzahl von Meinungen vertreten. Nach einer stärker werdenden Meinung in der Literatur müssen Schenkungsteuer und Einkommensteuer sinnhaft voneinander abgegrenzt werden.10 Im Ergebnis wird man den schenkungsteuerlichen und den ertragsteuerlichen Tatbestand sinnhaft dadurch voneinander abgrenzen müssen, dass Substanzausschüttungen nicht ertragsteuerpflichtig, aber schenkungsteuerpflichtig sind und Ertragsausschüttungen einkommensteuerpflichtig, aber nicht schenkungsteuerpflichtig.11 4. Rechtsentwicklung 383 Die Steuerpflicht der Auflösung der Stiftung kannten schon die Vorgängergesetze des ErbStG. Die
Auflösungsbesteuerung des Vereins kam mit Einführung der Ersatzerbschaftsteuer in das Gesetz 1974. Die Besteuerungstatbestände zu Vermögensmasse ausländischen Rechts wurden mit dem 1 Vgl. wie hier Geck in Kapp/Ebeling, § 7 ErbStG Rz. 151 (Stand: Juni 2015); Moench in Moench/Weinmann, § 7 ErbStG Rz. 222 (Stand: Februar 2015); a.A. Jülicher, StuW 1999, 363; Meincke16, § 7 ErbStG Rz. 113; s. hier auch der BFH v. 25.11.1992 – II R 78/90. 2 BFH v. 25.11.1992 – II R 78/90, BFH/NV 1993, 438. 3 Vgl. Weinmann in Moench/Weinmann, § 7 ErbStG Rz. 222 (Stand: Februar 2015). 4 Vgl. Seltenreich in P/R/S2, § 7 ErbStG Rz. 650. 5 Vgl. hierzu auch BFH v. 30.11.2009 – II R 6/07, BStBl. II 2010, 237 = FR 2010, 488 = ErbStB 2010, 93. 6 Vgl. hierzu auch von Oertzen, SWI 2000, 324. 7 Vgl. Geck in Kapp/Ebeling, § 7 ErbStG Rz. 154 (Stand: Juli 2016). 8 Vgl. hierzu auch Schienke-Ohletz/Kühn, ZEV 2015, 150 ff.; Werder/Wystrcil, BB 2015, 412 ff. 9 Vgl. weiterführend von Oertzen, DStR 2012, Beihefter 11, 37. 10 Vgl. hierzu z.B. Wassermeyer, FR 2015, 153 ff.; von Oertzen/Lemmer, IStR 2015, 952, Werder/Wystrcil, BB 2015, 412 ff. 11 Vgl. ausführlich von Oertzen/Lemmer, IStR 2015, 952.
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Aufhebung einer Stiftung, Auflösung eines Vereins etc. (Abs. 1 Nr. 9)
Rz. 389 § 7 ErbStG
StEntlG 1999/2000/2002 eingefügt und der Besteuerungstatbestand zum Formwechsel von Vereinen in Kapitalgesellschaften mit der Reform des Jahres 2009.
II. Aufhebung einer Stiftung oder Auflösung eines Vereins, dessen Zweck auf die Bindung von Vermögen gerichtet ist (Abs. 1 Nr. 9 Satz 1) 1. Aufhebung einer Stiftung Stiftungszivilrechtlich ist der Fall der Aufhebung in § 87 Abs. 1 BGB geregelt. Aufhebung meint den 384 Fall der Aufhebung der Stiftung durch Verwaltungsakt der zuständigen Aufsichtsbehörde. Rechtsfolge ist, dass mit dem Erlöschen der Stiftung das Vermögen an die in der Stiftungsverfassung benannten Personen fällt (§ 88 BGB). Aufhebung i.S.d. § 7 Abs. 1 Nr. 9 ErbStG ist nach h.M. jedoch weiter zu fassen und erfasst alle Fälle des Erlöschens der Stiftung z.B. durch Zeitablauf, auflösende Bedingung oder Eröffnung des Insolvenzverfahrens sowie Zweckerreichung. Maßgebend für die steuerliche Qualifikation und Begriffsbildung ist nach h.M. das Erlöschen des Rechtsträgers, der formale Grund oder das Verfahren ist dabei nicht entscheidend.1 Der h.M. ist zuzustimmen. Aus dem Telos der Vorschrift ist abzuleiten, dass all die Fälle erfasst werden sollen, bei denen Vermögen an die Anfallsberechtigten unter kompletter Abwicklung des Rechtsträgers fallen. Ansonsten könnte diese Bereicherung auch gar nicht besteuert werden, weil die Anfallsberechtigten nicht freigiebig nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG, sondern auf satzungsrechtlicher Grundlage erwerben. Die Vorschrift ist aber nur einschlägig, wenn es zu einer Gesamtaufhebung kommt. Teilaufhebun- 385 gen qualifizieren nicht unter § 7 Abs. 1 Nr. 9 ErbStG, sondern können nur einen Fall des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG darstellen oder auf satzungsmäßiger Grundlage – dann nicht freigebig – erfolgen. Keine Aufhebung ist die schlichte Satzungsänderung. Die Auffassung der FinVerw. in R E 1.2. Abs. 4 386 ErbStR 2011, wonach eine Satzungsänderung eine Auflösungsbesteuerung nach § 7 Abs. 1 Nr. 9 ErbStG auslösen kann, verkennt, dass § 7 Abs. 1 Nr. 9 ErbStG einen Vermögenstransfer voraussetzt, der bei der schlichten Satzungsänderung aber nicht erfolgt.2 Es gibt Situationen, bei denen die Auffassung der FinVerw. zugunsten des Steuerpflichtigen wirken kann.3 Die Zulegung einer Stiftung auf eine andere ist eine Auflösung der zugelegten Stiftung. Entsprechen- 387 des gilt bei der Zusammenlegung zweier Stiftungen zu einer neuen i.S.d. § 7 Abs. 1 Nr. 9 ErbStG, wenn der aufnehmende Stiftungsrechtsträger Anfallsberechtigter der ursprünglichen zugelegten Stiftung war. Fraglich ist aber, ob wegen der gleichzeitigen tatbestandlichen Konkurrenz mit § 7 Abs. 1 Nr. 8 ErbStG bei Zulegung zu einer schon existierenden Stiftung dieser Vorgang nur einmal besteuert wird. Tatbestandlich lässt sich dieser Vorgang sowohl als Aufhebung einer schon vorhandenen Stiftung als auch als Ausstattung einer neuen Stiftung qualifizieren. Im Ergebnis darf dieser Vorgang aber nur einmal besteuert werden. Dieser Auffassung dürfte wohl auch die FinVerw. zuneigen, worauf R E 1.4 Satz 5 ErbStR 2011 hindeutet. Es findet eine Bereicherung statt, die einmal der Besteuerung zuzuführen ist, richtigerweise als ein Vorgang des § 7 Abs. 1 Nr. 8 ErbStG. § 7 Abs. 1 Nr. 9 ErbStG ist nur einschlägig, wenn Erwerber der Anfallsberechtigte ist. Erwerbe ande- 388 rer Personen werden nicht von § 7 Abs. 1 Nr. 9 ErbStG erfasst. Diese Erwerbe unterfallen stattdessen ggf. § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG.4 Dies ergibt sich auch aus der Auffangfunktion des Tatbestands. Die Anfallsberechtigten könnten nicht nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG besteuert werden, weil ihr Vermögenserwerb nicht freigebig erfolgt. Zur Schließung dieser Besteuerungslücke ist § 7 Abs. 1 Nr. 9 ErbStG erforderlich gewesen. Aus den zu § 7 Abs. 1 Nr. 8 ErbStG und § 1 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG genannten Gründen unterfällt die 389 unselbständige Stiftung nicht § 7 Abs. 1 Nr. 9 ErbStG, sondern allenfalls § 8 ErbStG. Steuerschuld1 H.M., vgl. Meincke16, § 7 ErbStG Rz. 113; Weinmann in Moench/Weinmann, § 7 ErbStG Rz. 222 (Stand: Februar 2015); Gebel in T/G/J, § 7 ErbStG Rz. 337 (Stand: Juli 2011); Geck in Kapp/Ebeling, § 7 ErbStG Rz. 150 (Stand: Juli 2016). 2 Vgl. Gebel in T/G/J, § 7 ErbStG Rz. 338 (Stand: Januar 2012); Seltenreich in P/R/S2, § 7 ErbStG Rz. 653. 3 Vgl. von Oertzen, DStR 2012, Beihefter 2, 37 (51). 4 Vgl. BFH v. 14.6.1995 – II R 92/92, BStBl. II 1995, 609.
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§ 7 ErbStG Rz. 390 Schenkungen unter Lebenden ner sind die Anfallsberechtigten. Der Steuerentstehungszeitpunkt ergibt sich aus § 9 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG. 2. Auflösung eines Vereins 390 Dieser Besteuerungstatbestand kam durch das ErbStG 1973 in das Gesetz und diente der Schließung
von Besteuerungslücken und der Durchsetzung von Steuergerechtigkeit. Es bestand beim Gesetzgeber die Sorge, dass es über Vereine zu Umwegsgestaltungen für Stiftungen kommen könnte. Der Besteuerungstatbestand ist notwendig, weil der satzungsmäßige Anfall bei anfallsberechtigten Mitgliedern nicht freigebig ist. 391 Der Besteuerungstatbestand fingiert nach h.M., dass alles, was bei Auflösung eines auf die Bindung
von Vermögen gerichteten Vereins erworben wird, als Schenkung gilt.1 Meincke2 möchte bereicherungsmindernd berücksichtigen, dass bei Auflösung des Vereins die Mitgliedschaft verloren geht. Wegen der Gleichstellung mit der Stiftung und dem Wortlaut der Vorschrift, wonach das besteuert wird, was bei Auflösung dieses Vereins erworben wird, ist der h.M. zu folgen. 392 Bei dem Verein kann es sich nur um einen rechtsfähigen und nicht um einen nichtrechtsfähigen
Verein handeln, letzteres ist aber streitig.3 Aus § 2 Abs. 1 Buchst. d ErbStG kann man entnehmen, dass das Erbschaftsteuergesetz zwischen Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen unterscheidet. Der nicht rechtsfähige Verein gehört zu den Vermögensmassen. Im Übrigen ist dies auch vor dem Hintergrund geboten, weil § 7 Abs. 1 Nr. 9 ErbStG auch nur die Aufhebung bei einer rechtsfähigen Stiftung als Tatbestand des § 7 Abs. 1 Nr. 9 ErbStG qualifiziert. Sofern § 7 Abs. 9 Satz 3 ErbStG den Begriff „rechtsfähigen Verein“ verwendet, § 7 Abs. 1 Nr. 9 Satz 1 ErbStG nur den Begriff „Verein“, kann nicht im Umkehrschluss daraus gefolgert werden, dass § 7 Abs. 1 Nr. 9 Satz 1 ErbStG auch den nichtrechtsfähigen Verein umfasst. § 7 Abs. 1 Nr. 9 Satz 3 ErbStG kam in das Gesetz durch das Erbschaftsteuerreformgesetz 2009 als Reaktion auf das BFH-Urteil v. 14.2.2007.4 An Umwandlungsvorgängen können nur rechtsfähige Rechtsträger teilnehmen. Historisch werden nur der rechtsfähige Verein und die rechtsfähige Stiftung in Satz 1 des § 7 Abs. 1 Nr. 9 ErbStG angesprochen. 393 Nicht jeder Verein ist von der Auflösungsschenkungsteuer des § 7 Abs. 1 Nr. 9 Satz 1 ErbStG betrof-
fen. Nur Vereine, die auf die Bindung von Vermögen gerichtet sind, werden erfasst. Das Merkmal Bindung von Vermögen verwendet das Gesetz auch bei Familienvereinen (§ 1 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG). § 1 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG verknüpft es dort aber mit dem Merkmal „dessen Zweck wesentlich im Interesse einer Familie oder bestimmter Familien auf die Bindung von Vermögen gerichtet ist“. Daraus ist der Umkehrschluss zu ziehen, dass der Familienverein unter die Vorschrift fällt, darüber hinaus aber auch andere Vereine existieren können, die auf die Bindung von Vermögen gerichtet sind. 394 Das Tatbestandsmerkmal wird auch bei ausländischen Vermögensmassen i.S.d. § 7 Abs. 1 Nr. 8
ErbStG verwendet. Die Bindung von Vermögen muss konsequenterweise identisch interpretiert werden. Bindung von Vermögen setzt daher voraus, dass der Zweck von einer dauerhaften Vermögensbewirtschaftung und der Vermögensverwaltung geprägt ist. 395 Nach h.M. soll dieses Kriterium nicht bei gemeinnützigen Vereinen erfüllt sein,5 weil dort zwar eine
satzungsmäßige Vermögensbindung vorliegen muss, aber gerichtet auf gemeinnützige Zwecke, nicht private Zwecke. Das Ergebnis lässt sich nur begründen, wenn man das Kriterium Bindung von Vermögen um das ungeschriebene Tatbestandsmerkmal „für nichtsteuerbegünstigte Zwecke“ ergänzt.
1 Vgl. Gebel in T/G/J, § 7 ErbStG Rz. 344 (Stand: Oktober 2014); BFH v. 14.6.1995 – II R 92/92, BStBl. II 1995, 609; Moench in Moench/Weinmann, § 7 ErbStG Rz. 223 (Stand: Februar 2015); a.A. Meincke16, § 7 ErbStG Rz. 114. 2 Vgl. Meincke16, § 7 ErbStG Rz. 114. 3 Vgl. z.B. Fischer in F/J/P/W5, § 7 ErbStG Rz. 465. 4 BFH v. 14.2.2007 – II R 66/05, BStBl. II 2007, 621 = FR 2007, 1032 = ErbStB 2007, 259. 5 Vgl. Griesel in D/H/R2, § 7 ErbStG Rz. 17.
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Aufhebung einer Stiftung, Auflösung eines Vereins etc. (Abs. 1 Nr. 9)
Rz. 401 § 7 ErbStG
Anhaltspunkte für eine Vermögensbindung sollen dann gegeben sein, wenn sich der Verein nach den 396 tatsächlichen Gegebenheiten auf eine mehr oder weniger kleinere Anzahl von Mitgliedern beschränkt und das Vermögen im Verhältnis zur Mitgliedszahl und dem Verhältnis zu dem Vermögen, das zur Erfüllung eventuell vorhandener weiterer ideeller Zwecke erforderlich ist, einen relativ großen Umfang einräumt.1 Diese Abgrenzung erscheint sehr vage. Aus Gründen der Einheitlichkeit der Interpretation des Tatbestandsmerkmals sollte man es aber auch im Sinne der ausländischen Vermögensmasse gerichtet auf die Bindung von Vermögen interpretieren und fragen, ob dem Verein dauertestamentsvollstreckungsähnliche Züge zukommt. Im Übrigen ist der Vereinsauflösungstatbestand genauso wie der Stiftungsauflösungstatbestand zu 397 interpretieren. Nur die Vollauflösung, nicht die Teilauflösung wird erfasst. Nur der Vermögensanfall an Mitglieder wird erfasst. Erwerbe anlässlich der Auflösung durch Nichtmitglieder werden hingegen durch § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG erfasst.2
III. Erwerb bei Auflösung einer Vermögensmasse ausländischen Rechts, dessen Zweck auf die Bindung von Vermögen gerichtet ist (Abs. 1 Nr. 9 Satz 2 Alt. 1) Als Schenkung gilt auch der Erwerb bei Aufhebung von Vermögensmassen ausländischen Rechts ge- 398 richtet auf die Bindung von Vermögen (zum Begriff vgl. ausführlich die Kommentierung in § 3 Abs. 2 Nr. 1 ErbStG sowie die Kommentierung in § 7 Abs. 1 Nr. 8 ErbStG). Es gelten im Übrigen die allgemeinen Auslegungsgrundsätze zu § 7 Abs. 1 Nr. 9 ErbStG: Teilliquida- 399 tionen unterfallen nicht diesem Tatbestand, können aber ein Erwerb eines Zwischenberechtigten i.S.d. § 7 Abs. 1 Nr. 9 Satz 2 Alt. 2 ErbStG sein. Die Vermögenszuwendung muss anlässlich der Auflösung erfolgen. Der Empfänger muss satzungsgemäß bei der Vermögensmasse ausländischen Rechts verankert sein. Zuwendungen anlässlich der Auflösung der ausländischen Vermögensmasse an Personen, die keine Rechtsstellung eines Anfallsberechtigten haben, unterfallen nicht § 7 Abs. 1 Nr. 9 ErbStG, sondern § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG. Die Vorschrift ist die Ergänzungsvorschrift zu § 3 Abs. 2 Nr. 1 ErbStG. § 7 Abs. 1 Nr. 9 ErbStG zielt 400 auf die Gleichbehandlung mit der Stiftung. Sie fingiert einen eigenständigen Erwerb anlässlich der Auflösung und durchbricht die alte These der Rspr., dass bei bestimmten Trustformen ein aufschiebend bedingter Erwerb vorliegt.3 Nach Meincke4 ist in diesem Zusammenhang zu prüfen, ob die anlässlich der Errichtung der ausländischen Vermögensmasse gezahlte Errichtungssteuer auf die Steuer nach § 7 Abs. 1 Nr. 9 ErbStG angerechnet werden kann. Eine Anwendung des § 26 ErbStG scheidet aus, weil diese Anrechnungsvorschrift nur die Anrechnung deutscher Ersatzerbschaftsteuer ermöglicht (s. hierzu die Kommentierung zu § 26 ErbStG). Eine Anwendung des § 6 Abs. 3 Satz 2 ErbStG scheidet aus, weil bei Vorliegen der Tatbestände des § 3 Abs. 2 Nr. 1 ErbStG, § 7 Abs. 1 Nr. 8 ErbStG und § 7 Abs. 1 Nr. 9 ErbStG der steuerliche Typenvergleich gerade ergeben hat, dass keine ausländische oder inländische Vor- oder Nacherbschaft vorliegt, sondern eine Vermögensmasse ausländischen Rechts als Auffangtatbestand. Eine Vermögensmasse ausländischen Rechts ist aber in eine deutsche Vor- und Nacherbschaft um- 401 zudeuten, sofern nach den Vorschriften des deutschen internationalen Erbrechts die erbrechtliche Verfügung dem deutschen Erbrecht unterlag. Dies ist auch erbschaftsteuerlich nachzuvollziehen, weil die Erbschaftsteuer eine Verkehrsteuer ist und in diesem Fall die ausländische Verfügung in deutsche Rechtsinstitutionen umzudeuten ist.5 Dies kann sich z.B. ereignen, wenn deutscher Grundbesitz bei
1 Vgl. Gebel in T/G/J, § 7 ErbStG Rz. 345 (Stand: Oktober 2014); Grüter/Mitsch, DStR 2001, 1827 (1831); Seltenreich in P/R/S2, § 7 ErbStG Rz. 655. 2 Vgl. BFH v. 14.6.1995 – II R 92/92, BStBl. II 1995, 609. 3 BFH v. 7.5.1986 – II R 137/79, BStBl. II 1986, 615. 4 Meincke16, § 7 Abs. 1 Nr. 9 ErbStG. 5 Vgl. ausführlich hierzu Notariat Freiburg v. 3.4.2013 – 3 NG 246/10, sowie von Oertzen/Stein/Reich, ZEV 2013, 109.
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§ 7 ErbStG Rz. 402 Schenkungen unter Lebenden einem US-Staatsangehörigen in seinen Nachlass fällt.1 Da die Vermögensmasse ausländischen Rechts regelmäßig ihren Sitz im Ausland haben muss, um überhaupt als solche qualifizieren zu können, wird der Steuertatbestand regelmäßig nur erfüllt sein, wenn der Erwerber Inländer ist oder Inlandsvermögen i.S.d. § 2 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG übertragen wird.2 Für diese Erwerbe gilt das Steuerklassenprivileg des § 15 Abs. 2 Satz 2 ErbStG.
IV. Erwerb durch Zwischenberechtigte während des Bestehens der Vermögensmasse ausländischen Rechts, deren Zweck auf die Bindung von Vermögen gerichtet ist (Abs. 1 Nr. 9 Satz 2 Alt. 2) 402 Einen besonderen Platz in den Steuertatbeständen des § 7 Abs. 1 Nr. 9 ErbStG nimmt der Steuertat-
bestand des § 7 Abs. 1 Nr. 9 Satz 2 Alt. 2 ErbStG ein. Er ist systematisch falsch verortet. Alle anderen Tatbestände des § 7 Abs. 1 Nr. 9 ErbStG knüpfen an die Beendigung eines Rechtsträgers an, während hier der Rechtsträger fortbesteht. Die Vorschrift ist auch systemfremd. Durch die Steuertatbestände des § 3 Abs. 2 Nr. 1 ErbStG, § 7 Abs. 1 Nr. 8 ErbStG und § 7 Abs. 1 Nr. 9 ErbStG für ausländische Vermögensmassen wollte der Gesetzgeber die Gleichstellung mit der Stiftung herbeiführen. Satzungsmäßige Ausschüttungen werden während der Existenz der Stiftung aber nicht besteuert.3 Anders ist dies bei ausländischen Vermögensmassen gerichtet auf die Bindung von Vermögen. Der Begriff des Zwischenberechtigten ist im Gesetz nicht definiert. Gemäß dem BFH-Urteil vom 27.9.20124 ist Zwischenberechtigter jeder, der während der Existenz der Vermögensmasse ausländischen Rechts Einkommen oder Vermögen, gleich welcher Art, erhält. 403 Es gelten aber auch hier die allgemeinen Auslegungsgrundsätze des Fiktionstatbestands: Der Zwi-
schenberechtigte muss satzungsgemäß verankert sein. Ausschüttungen ohne satzungsmäßige Verankerungen sind ein Fall des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG. Auch für den Erwerb des Zwischenberechtigten gilt das besondere Steuerklassenprivileg des § 15 Abs. 2 Satz 2 ErbStG. 404 Die Vorschrift greift auch für Vermögensmassen ausländischen Rechts, die vor Inkrafttreten der Re-
gelung ab dem 5.3.1999 schon existierten, wenn die Auszahlung an den Zwischenberechtigten nach diesem Stichtag erfolgt.5 Für diese Auffassung spricht, dass der Steuertatbestand auf alle Erwerbe nach dem Inkrafttreten der Norm eingreifen soll. Ein erbschaftsteuerbarer Erwerb liegt auch vor, wenn ein Anspruch besteht, aber erst nach dem 5.3.1999 erfüllt wird. Ein Anwartschaftsrecht oder eine Erwerbshoffnung, die vor diesem Zeitpunkt eingeräumt worden ist, genügt nicht, um diesen Steuertatbestand nach den neuen Regelungen, die seit dem 5.3.1999 gelten, zu vermeiden. 405 Der Wortlaut des Steuertatbestands unterscheidet nicht nach der Art des Erwerbs des Zwischen-
berechtigten. Der Tatbestand greift an sich sowohl bei Substanz- als auch Ertragsausschüttungen. Dadurch kann es zu Überschneidungen mit Einkommensteuertatbeständen kommen (§ 20 Abs. 1 Nr. 9 EStG nach h.M.). Die Einkommensteuer- und Schenkungsteuertatbestände sind sinnvoll voneinander abzugrenzen. Einzelheiten sind streitig.6 Die Vermögensmasse als solche muss nur fortbestehen.7 Nach Ansicht des BFH ist der Begriff des Zwischenberechtigten sowohl bei diskretionären Begünstigungen als auch bei einer Begünstigtenstellung mit festem Anspruch wie beim Strict Trust oder beim Qualified Domestic Trust (QDOT) gegeben.8 406 Auch für diese Erwerbe gilt das Steuerklassenprivileg des § 15 Abs. 2 Nr. 2 ErbStG, wonach für die
Berechnung der Steuer das Verhältnis zwischen Errichter und Zwischenberechtigtem maßgebend ist.
1 Vgl. zu diesem Fall ausdrücklich z.B. Notariat Freiburg v. 3.4.2013 – 3 NG 246/10; von Oertzen/Stein/Reich, ZEV 2013, 109. 2 Vgl. Seltenreich in P/R/S2, § 7 ErbStG Rz. 659. 3 Gebel in T/G/J, § 7 ErbStG Rz. 343 (Stand: Oktober 2014). 4 BFH v. 27.9.2012 – II R 45/10, BStBl. II 2013, 84 = FR 2013, 562 = ErbStB 2013, 5. 5 Vgl. BFH v. 27.9.2012 – II R 45/10, BStBl. II 2013, 84 = FR 2013, 562 = ErbStB 2013, 5. 6 Vgl. weiterführend von Oertzen/Lemmer, IStR 2015, 952, Wassermeyer, FR 2015, 153 ff. 7 Vgl. auch Halaczinsky, NWB, Fach 10, 905 (906); Gebel in T/G/J, § 7 ErbStG Rz. 346 (Stand: Oktober 2014). 8 Vgl. BFH v. 27.9.2012 – II R 45/10, BStBl. II 2013, 84 = FR 2013, 562 = ErbStG 2013, 5.
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Abfindung für aufschiebend bedingte Ansprüche etc. (Abs. 1 Nr. 10)
Rz. 411 § 7 ErbStG
Daraus folgt aber auch, dass Ausschüttungen an den Trusterrichter während des Bestehens der Ver- 407 mögensmasse nicht besteuert werden, denn aus dieser Fiktion ist abzuleiten, dass der Errichter nicht Zwischenberechtigter ist. Dies würde nämlich eine Personenverschiedenheit vom Errichter und Zwischenberechtigten voraussetzen, die aber durch die Wirkung des § 15 Abs. 2 Satz 2 ErbStG aufgehoben wird. Aus dieser Fiktion ist für die Berechnung der Steuer abzuleiten, dass die Ausschüttungen als eigenes Vermögen insoweit angesehen werden (aber nur für diese!). Insoweit ist der Begriff des Zwischenberechtigten tatbestandlich zu beschränken. Der Wortlaut des § 7 Abs. 1 Nr. 9 ErbStG unterscheidet nicht bei der Bestimmung des Zwischen- 408 berechtigten, ob ihm ein diskretionärer oder einen fester Anspruch eingeräumt wurde. Deswegen will der BFH beide Fallgruppen identisch besteuern, d.h. erst bei dem konkreten Erwerb des Zwischenberechtigten anlässlich der Ausschüttung.1 Dies ist eine zulässige Auslegung, bedeutet aber auch gleichzeitig, dass die schlichte Einräumung einer Zwischenberechtigung, gleich ob mit diskretionären oder mit feststehenden Anspruchsvoraussetzungen, für sich genommen noch kein steuerbarer Erwerb ist. Erst der konkrete Erwerb anlässlich der Ausschüttung wird besteuert.2 Hiervon ist aber die Frage zu unterscheiden, ob z.B. bei einem Qualified Domestic Trust (QDOT) der kapitalisierte Wert dieses Rechts anlässlich der Errichtung abzugsfähig ist. Dies ist m.E. zu bejahen, weil insoweit der Trustee das Vermögen vorbelastet, ähnlich einem Nießbrauchsrecht, erwirbt (vgl. auch § 3 ErbStG Rz. 129).
V. Formwechsel eines Familienvereins in eine Kapitalgesellschaft (Abs. 1 Nr. 9 Satz 3) Als Reaktion auf das BFH-Urteil vom 14.2.2007,3 wonach die Umwandlung des rechtsfähigen Fami- 409 lienvereins in eine GmbH nicht § 7 Abs. 1 Nr. 9 Satz 1 Alt. 2 ErbStG erfüllt, weil es sich bei dem Umwandlungsvorgang nicht um eine Auflösung handelt, so dass es auch nicht zu einem Vermögensanfall kommt, hat der Gesetzgeber mit dem ErbStRG 2009 diese Fallgruppe ausdrücklich in § 7 Abs. 1 Nr. 9 Satz 3 ErbStG geregelt. Von dieser Fiktion werden aber nur rechtsfähige Vereine und nicht unselbständige Vereine erfasst. Ferner muss der Verein als gerichtet auf die Bindung von Vermögen strukturiert sein. Auch wird nur die Umwandlung in Kapitalgesellschaften, nicht die Umwandlung in Personengesellschaften, sofern dies umwandlungsrechtlich möglich sein sollte, erfasst.
J. Erwerb Abfindung für aufschiebend bedingte, befristete und betagte Ansprüche (Abs. 1 Nr. 10) I. Grundaussagen der Vorschrift 1. Regelungsgegenstand § 7 Abs. 1 Nr. 10 ErbStG erfasst als Schenkung unter Lebenden, was als Abfindung für aufschiebend 410 bedingt, betagt oder befristet erworbene Ansprüche, soweit es sich nicht um einen Fall des § 3 Abs. 2 Nr. 5 ErbStG handelt, vor dem Zeitpunkt des Eintritts der Bedingung oder des Ereignisses gewährt wird. 2. Bedeutung und Telos Der unentgeltliche Erwerb eines aufschiebend bedingten, befristeten oder betagten Anspruchs wird 411 von der Erbschaft-/Schenkungsteuer zunächst nicht erfasst. Die Steuer entsteht erst mit dem Eintritt des Ereignisses (§ 9 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a ErbStG).
1 Vgl. BFH v. 27.9.2012 – II R 45/10, BStBl. II 2013, 84 = FR 2013, 562 = ErbStB 2013, 5. 2 Vgl. BFH v. 27.9.2012 – II R 45/10, BStBl. II 2013, 84 = FR 2013, 562 = ErbStB 2013, 5. 3 BFH v. 14.2.2007 – R 66/05, BStBl. II 2007, 621.
Esskandari
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§ 7 ErbStG Rz. 412 Schenkungen unter Lebenden 412 § 7 Abs. 1 Nr. 10 ErbStG greift ein, wenn auf den Anspruch vor dem Zeitpunkt des Eintritts der Be-
dingung oder des Ereignisses gem. § 397 BGB verzichtet und eine Abfindung gewährt wird. Anderenfalls ergäbe sich an dieser Stelle eine Besteuerungslücke. 3. Geltungsbereich und Verhältnis zu anderen Vorschriften 413 Die Abgrenzung des § 7 Abs. 1 Nr. 10 ErbStG zu den Erwerben von Todes wegen gem. § 3 ErbStG
folgt den für § 7 ErbStG generell geltenden Regeln vgl. schon unter Rz. 1). 414 Im Verhältnis zum Grundtatbestand des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG ist § 7 Abs. 1 Nr. 10 ErbStG die
speziellere Vorschrift. 415 Liegen die Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 Nr. 10 ErbStG vor, ist ein Vorgang steuerbar. Die Steuer-
pflicht bestimmt sich dann nach den allgemeinen Regeln, die für § 7 ErbStG generell gelten (vgl. schon unter Rz. 1, 7 ff.). 416 Nicht von § 7 Abs. 1 Nr. 10 ErbStG erfasst werden die Fälle des § 3 Abs. 2 Nr. 5 ErbStG. § 3 Abs. 2
Nr. 5 ErbStG greift bei Abfindungen für bedingte Vermächtnisse, die wegen Ablaufs der Ausschlagungsfrist nicht mehr ausgeschlagen werden können, die aber mangels Bedingungseintritts noch nicht wirksam geworden sind. Die Regelung betrifft Vermächtnisse, die nach § 2180 Abs. 1 BGB angenommen wurden und deshalb nicht mehr ausgeschlagen werden können. Verzichtet der Berechtigte vor Bedingungseintritt auf ein solches Vermächtnis und erhält er dafür eine Abfindung, so fällt diese Abfindung unter die Vorschrift des § 3 Abs. 2 Nr. 5 ErbStG. Die Vorschrift des § 3 Abs. 2 Nr. 5 ErbStG ist etwas verunglückt, weil sie den Ablauf einer Ausschlagungsfrist voraussetzt, die es bei Vermächtnissen nicht gibt (§ 2180 BGB).1 4. Rechtsentwicklung 417 § 7 Abs. 1 Nr. 10 ErbStG wurde mit dem Erbschaftsteuerreformgesetz 1974 (vgl. unter Rz. 10) neu
in das ErbStG eingefügt.
II. Inhalt der Vorschrift im Einzelnen 418 Das Gesetz unterscheidet in § 9 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a ErbStG zwischen dem aufschiebend bedingten
Erwerb, der unter einer aufschiebenden Bedingung steht, und dem unbedingten Erwerb eines aufschiebend bedingten Anspruchs. Für beide Varianten ordnet es eine übereinstimmende Rechtsfolge an: Die Steuer entsteht nicht schon mit dem Erbfall, sondern erst mit dem Eintritt der Bedingung. 419 Einen aufschiebend bedingten Erwerb gibt es bei der Erbfolge nur für den Nacherben. Ein Vollerbe
und ein Vorerbe können nicht aufschiebend bedingt eingesetzt werden. Eine Erbeinsetzung unter einer aufschiebenden Bedingung wird zivilrechtlich als konstruktive Vor- und Nacherbfolge behandelt. Vorerbe ist der gesetzliche Erbe, der aufschiebend bedingt eingesetzte Erbe ist Nacherbe. 420 Bei einem Vermächtnis (§ 2177 BGB) oder einem Schenkungsversprechen von Todes wegen
(§ 2301 BGB) ist eine aufschiebende Bedingung ohne weiteres zulässig. Hier können auch zwei aufschiebende Bedingungen zusammentreffen, indem der Erblasser einen zum Nachlass gehörenden Anspruch, den er aufschiebend bedingt erworben hat, dem Bedachten aufschiebend bedingt zuwendet. 421 Anspruch meint den Anspruch i.S.d. § 194 BGB, also das Recht, von einem anderen ein Tun oder
Unterlassen zu verlangen. Eine Forderung (§ 241 Abs. 1 BGB) ist ein Anspruch, der seinen Entstehungsgrund in einem Schuldverhältnis hat. 422 Der auflösend bedingte Erwerb eines Bedachten ist im ErbStG nicht geregelt, der auflösend beding-
te Erwerb eines Anspruchs oder eines anderen Wirtschaftsguts auch nicht.
1 Wälzholz in V/K/S/W4, § 3 ErbStG Rz. 239.
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Esskandari
Abfindung für aufschiebend bedingte Ansprüche etc. (Abs. 1 Nr. 10)
Rz. 430 § 7 ErbStG
Soweit es um den Erwerb eines Anspruchs oder eines Wirtschaftsguts geht, gilt § 5 BewG, auch wenn 423 das ErbStG für die Steuerentstehung – anders als in § 12 Abs. 1 ErbStG für die Bewertung – nicht ausdrücklich auf die allgemeinen Bewertungsvorschriften des BewG verweist. Demzufolge wird der Erwerb des Anspruchs oder des anderen Wirtschaftsguts zunächst als unbedingter Erwerb behandelt (§ 5 Abs. 1 BewG). Tritt die Bedingung ein, wird die Festsetzung der Erbschaftsteuer auf Antrag nach dem tatsächlichen Erwerb berichtigt (§ 5 Abs. 2 Satz 1 BewG). Der auflösend bedingte Erwerb des Bedachten wird in analoger Anwendung des § 5 BewG besteu- 424 ert, soweit nicht § 29 ErbStG eingreift. Eine auflösend bedingte und eine aufschiebend bedingte Erbeinsetzung treffen zusammen, wenn 425 Eheleute sich in einem gemeinschaftlichen Testament oder einem Erbvertrag gegenseitig zu Alleinerben einsetzen und außerdem bestimmen, dass jeder von den gemeinsamen Kindern beerbt wird, wenn sie gleichzeitig aufgrund desselben Ereignisses versterben, z.B. eines Unfalls.1 Bedingung meint eine solche i.S.d. BGB, also ein künftiges ungewisses Ereignis, von dem der Er- 426 werb abhängt. Es kann sich dabei auch um ein Ereignis handeln, dessen Eintritt in den Willen des Erwerbers oder eines anderen gestellt ist (Potestativbedingung). Anders als einer Ausschlagung (§ 1953 Abs. 1 und 2 BGB) oder einer Anfechtung (§ 142 BGB) kommt dem Eintritt der Bedingung keine Rückwirkung zu. Der Erwerb vollendet sich daher nicht rückwirkend auf den Erbfall, sondern erst in dem Zeitpunkt, in dem die Bedingung eintritt. Erst dann ist der Steuertatbestand erfüllt. Befristung ist die Zeitbestimmung gem. § 162 BGB, also die Bestimmung eines Anfangstermins 427 oder eines Endtermins. Sie unterscheidet sich von der Bedingung darin, dass der Eintritt des Termins sicher ist, ungewiss ist nur der Zeitpunkt, zu dem der Eintritt sich ereignet. Da auch in diesem Fall eine Ungewissheit besteht, gelten die Vorschriften über die Bedingung entsprechend. Der Anfangstermin wird daher gleich einer aufschiebenden Bedingung behandelt, der Endtermin gleich einer auflösenden Bedingung. Mit Betagung ist nicht die Betagung i.S.d. § 813 Abs. 2 BGB gemeint, also die hinausgeschobene Fäl- 428 ligkeit eines Anspruchs.2 Dieser Umstand kann bei Kapitalforderungen berücksichtigt werden, indem die Forderung abgezinst wird (§ 12 BewG). Auch bei Sachleistungsansprüchen, die mit dem gemeinen Wert des § 9 BewG bewertet werden, ist die hinausgeschobene Fälligkeit ein wertmindernder Faktor. Auf Sachleistungsansprüche, für die ein eigener steuerlicher Wert gilt, wirkt sich die hinausgeschobene Fälligkeit nicht aus, weshalb sie mit ihrem Steuerwert angesetzt werden müssen. Auf Grund des Zusammenhangs, in dem die Betagung steht, kann davon ausgegangen werden, dass 429 sie – gleich der Bedingung und der Befristung – Einfluss auf die Entstehung oder die volle Wirksamkeit eines Anspruchs nehmen soll. Der RFH3 hat deshalb gesagt, betagt sei ein Erwerb, der erst von einem in der Zukunft liegenden Zeitpunkt ab Rechtswirkungen äußere. Der BFH4 hat den Erwerb einer Kapitalforderung als betagt angesehen, wenn der Zeitpunkt der Fälligkeit so unbestimmt ist, dass die Forderung rechnerisch nicht abgezinst werden kann. Aber wenn man an die Fälligkeit anknüpft, ändert sich nichts daran, dass der Anspruch entstanden ist und die Bereicherung dem Grunde nach eingetreten ist. Kann der Wert des Anspruchs nicht berechnet werden, ist er nach § 162 AO zu schätzen, selbst wenn das nur sehr griffweise geschehen kann. Dass die Steuer nach Meinung des BFH erst später entstehen soll, hat also allein praktische Gründe. Die Steuer für den Erwerb aufschiebend bedingter, betagter oder befristeter Ansprüche entsteht nach 430 § 9 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a, Nr. 2 ErbStG erst mit Eintritt der Bedingung oder des Ereignisses. Ohne die Anordnung des § 7 Abs. 1 Nr. 10 ErbStG könnte nun ein Erwerber eines bedingten, betagten oder befristeten Anspruchs der Steuerbarkeit entgehen, wenn er vor dem Zeitpunkt der Entstehung der Steuer aus § 9 Abs. 1 Nr. 1 Buchst a, Nr. 2 ErbStG auf den Erwerb gegen Abfindung verzichtete. Erhält der Erwerber vor Eintritt der Bedingung oder des Ereignisses eine Abfindung für den Verzicht auf seine Forderung, unterliegt er mit dieser Abfindung der Steuer. Die Besteuerung wird damit lediglich auf den Zeitpunkt der Abfindungsleistung vorverlagert. 1 2 3 4
Dazu – unzutreffend – Feick, ZEV 2006, 16. Vgl. BFH v. 27.8.2003 – II R 58/01, BStBl. II 2003, 921 = FR 2004, 49 = ErbStB 2004, 4. RFH v. 8.9.1931 – Ie A 173/31, RStBl. 1931, 895. BFH v. 27.8.2003 – II R 58/01, BStBl. II 2003, 921 = FR 2004, 49 = ErbStB 2004, 4.
Esskandari
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§ 7 ErbStG Rz. 431 Schenkungen unter Lebenden
K. Versteuerungswahlrecht des Nacherben (Abs. 2) I. Grundaussagen der Vorschrift 1. Regelungsgegenstand 431 Als Schenkung unter Lebenden gilt nach § 7 Abs. 1 Nr. 7 ErbStG, was ein Vorerbe dem Nacherben
mit Rücksicht auf die angeordnete Nacherbschaft vor ihrem Eintritt herausgibt. § 7 Abs. 2 ErbStG gibt dem Nacherben das Recht, auf Antrag im Verhältnis zum Erblasser besteuert zu werden. § 6 Abs. 2 Satz 3 bis 5 wird für entsprechend anwendbar erklärt. 2. Bedeutung und Telos 432 Gibt der Vorerbe dem Nacherben das Nacherbschaftsvermögen vor dem eigentlichen Eintritt der
Nacherbschaft heraus, liegt eine Schenkung unter Lebenden nach § 7 Abs. 1 Nr. 7 ErbStG vor. Ohne § 7 Abs. 1 Nr. 7 ErbStG wäre eine Übertragung des Nacherbschaftsvermögens auf den Nacherben in all den Fällen nicht möglich, in denen der Nacherbfall deshalb nicht eintritt, weil der Vorerbe dem Nacherben das Nacherbschaftsvermögen bereits vor Eintritt des Nacherbfalls überträgt. Wenn Vorerbe und Nacherbe den Übergang des Nacherbschaftsvermögens zeitlich vorziehen, also den Nacherbfall nicht abwarten, dann korrespondiert dazu die Besteuerung nach § 7 Abs. 1 Nr. 7 ErbStG, die in diesem Fall von einer Schenkung des Vorerben an den Nacherben ausgeht. 433 Der Gesetzgeber will mit § 7 Abs. 1 Nr. 7 ErbStG also nur erreichen, dass der Übergang des Nacherb-
schaftsvermögens vom Vorerben auf den Nacherben einmal nach dem ErbStG erfass wird. Der Nacherbe soll also steuerlich genau so behandelt werden, als wenn er seinen Erwerb erst nach Eintritt des Nacherbfalls gehabt hätte. Konsequenterweise gibt der Gesetzgeber deshalb in § 7 Abs. 2 ErbStG dem Nacherben das Recht, in den Fällen des § 7 Abs. 1 Nr. 7 ErbStG im Verhältnis zum Erblasser besteuert zu werden. 3. Geltungsbereich und Verhältnis zu anderen Vorschriften 434 § 7 Abs. 2 ErbStG ausschließlich dem Nacherben bei Erwerben nach § 7 Abs. 1 Nr. 7 ErbStG das An-
tragsrecht, im Verhältnis zum Erblasser besteuert zu werden. 4. Rechtsentwicklung 435 Als Ergänzung zum damaligen § 3 Abs. 1 Nr. 6 ErbStG 1922 wurde seinerzeit § 3 Abs. 2 ErbStG 1922
in das Gesetz eingefügt, der seit dem Erbschaftsteuerreformgesetz 1974 (vgl. unter Rz. 10) als § 7 Abs. 2 ErbStG im Gesetz verankert ist und § 7 Abs. 1 Nr. 7 ErbStG ergänzt.
II. Inhalt der Vorschrift im Einzelnen 436 Bei Anordnung der Vor- und Nacherbschaft erlangt der Nacherbe mit dem Erbfall zunächst eine
Anwartschaft auf die Nacherbschaft. Die Nacherbschaft tritt in der Regel mit dem Tod des Vorerben ein. Überträgt der Vorerbe vor Eintritt der Nacherbschaft das vom Erblasser erworbene Vermögen ohne Entgelt auf den Nacherben, erwirbt dieser nicht vom Erblasser durch Erwerb von Todes wegen, sondern vom Vorerben durch Schenkung unter Lebenden (§ 7 Abs. 1 Nr. 7 ErbStG). Der Erwerb wird nach dem Verhältnis zum Vorerben besteuert. 437 Nach § 7 Abs. 2 ErbStG kann der Nacherbe – wie auch bei dem gewöhnlichen Eintritt des Nacherb-
falls – beantragen, dass sein Erwerb nach dem Verhältnis zum Erblasser besteuert wird. Wird zusammen mit dem Nacherbschaftsvermögen auch nacherbschaftsfreies Vermögen schenkweise übertragen, ist die Steuer nach § 6 Abs. 2 Satz 3 bis 5 ErbStG zu berechnen (vgl. hierzu unter § 6 Rz. 37 ff.). Auch bei dieser Konstellation, in der der Nacherbe mit dem Nacherbschaftsvermögen auch noch Eigenvermögen des Vorerben übertragen erhält, findet bei Erwerben nach § 7 Abs. 1 Nr. 7
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Esskandari
Gegenleistungen nicht vermögensrechtlicher Art (Abs. 3)
Rz. 445 § 7 ErbStG
ErbStG, durch die Antragstellung nach § 7 Abs. 2 ErbStG, ein Gleichlauf mit der Besteuerung im Nacherbfall nach § 6 Abs. 2 ErbStG statt.
L. Gegenleistungen nicht vermögensrechtlicher Art (Abs. 3) I. Grundaussagen der Vorschrift 1. Regelungsgegenstand Nach § 7 Abs. 3 ErbStG werden Gegenleistungen, die nicht in Geld veranschlagt werden können, 438 bei der Feststellung, ob eine Bereicherung vorliegt, nicht berücksichtigt. 2. Bedeutung und Telos Eine Zuwendung, für die der Beschenkte eine Gegenleistung zu erbringen hat, stellt eine gemischte 439 Schenkung dar, wenn Leistung und Gegenleistung nicht den gleichen Wert haben und die Parteien übereinstimmend davon ausgehen, dass der überschießende Wert der Leistung unentgeltlich übernommen wird (vgl. hierzu Rz. 41 ff.). Eine gemischte Schenkung setzt also objektiv voraus, dass bei einem gegenseitigen Vertrag die Werte der Leistungen in einem Missverhältnis zueinander stehen. Um diesen Sachverhalt zu erkennen, müssen die Werte der jeweiligen Leistungen nach bürgerlichrechtlichen Grundsätzen ermittelt werden. Dabei handelt es sich regelmäßig um den Verkehrswert der entsprechenden Leistung (vgl. hierzu Rz. 43). Im Ergebnis will § 7 Abs. 3 ErbStG erreichen, dass derartige Gegenleistungen, die nicht in Geld ver- 440 anschlagt werden können, sich nicht wie Gegenleistungen, denen ein objektiver Geldeswert zuerkannt werden kann, in Form einer gemischten Schenkung bereicherungsmindernd auswirken. 3. Geltungsbereich und Verhältnis zu anderen Vorschriften § 7 Abs. 3 ErbStG ist immer dann zu berücksichtigen, wenn sich der Beschenkte gegenüber dem 441 Schenker zu einer Gegenleistung verpflichtet hat. Ob sich die Gegenleistung über die Annahme einer gemischten Schenkung (vgl. unter Rz. 41 ff.) bereicherungsmindernd auswirkt oder nicht, ist mit Blick auf § 7 Abs. 3 ErbStG zu beurteilen. 4. Rechtsentwicklung Als Ergänzung zum damaligen § 3 Abs. 1 Nr. 6 ErbStG 1922 wurde seinerzeit § 3 Abs. 2 ErbStG 1922 442 in das Gesetz eingefügt, der seit dem Erbschaftsteuerreformgesetz 1974 (vgl. unter Rz. 10) als § 7 Abs. 2 ErbStG im Gesetz verankert ist und § 7 Abs. 1 Nr. 7 ErbStG ergänzt.
II. Inhalt der Vorschrift im Einzelnen Nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG gilt als Schenkung unter Lebenden jede freigebige Zuwendung unter 443 Lebenden, soweit der Bedachte durch sie auf Kosten des Zuwendenden bereichert wird. Die Vorschrift enthält damit zunächst einmal drei objektive Tatbestandsmerkmale: Freigebige Zuwendung unter Lebenden, objektive Bereicherung des Bedachten und auf Kosten des Zuwendenden. Darüber hinaus setzt der Tatbestand das subjektive Tatbestandsmerkmal des Willens zur Freigebigkeit voraus. Eine freigebige Zuwendung liegt vor, wenn die Zuwendung unentgeltlich erfolgt. Dies ist der Fall, 444 wenn die Zuwendung weder in rechtlichem Zusammenhang mit einer Gegenleistung noch zur Erfüllung einer Verbindlichkeit (vgl. unter Rz. 18). Die Bereicherung muss objektiv unentgeltlich sein (vgl. unter Rz. 19). Auch wenn unter einer Schenkung üblicherweise eine einseitige Leistung des Zuwendenden an den 445 Beschenkten verstanden wird, gibt es eine Vielzahl von Fällen, in denen zwischen Schenkern und Beschenkten zweiseitige Verträge geschlossen werden. Diese Verträge zeichnen sich dadurch aus, dass Esskandari
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§ 7 ErbStG Rz. 446 Schenkungen unter Lebenden auch der Beschenkte eine Leistung zu erbringen hat, die jedoch wertmäßig der Leistung des Schenkers nicht entspricht. Man spricht in diesem Fällen von einer gemischten Schenkung. Zivilrechtlich liegt eine gemischte Schenkung vor, wenn der Beschenkte durch einen Überschuss des Werts der Zuwendungen verglichen mit seinen Gegenleistungen objektiv bereichert wird, die Vertragsparteien sich dieses Überschusses bewusst und subjektiv darüber einig sind, jedenfalls den überschießenden Zuwendungsteil dem Beschenkten unentgeltlich zuzuwenden. 446 Über das objektive Missverhältnis hinaus muss der subjektive Tatbestand hinzutreten: Er fehlt,
wenn die Parteien trotz des erkannten Missverhältnisses den Vertrag als entgeltlich betrachten.1 Zur Verwirklichung des subjektiven Tatbestands der freigebigen Zuwendung genügt aber das Bewusstsein des Zuwendenden der (Teil-)Unentgeltlichkeit seiner Leistung (vgl. unter Rz. 13). 447 § 7 Abs. 3 ErbStG zielt ausschließlich auf das objektive Merkmal der Unentgeltlichkeit der Zu-
wendung. Bei der Feststellung dieser Frage sind Gegenleistungen, die nicht in Geld veranschlagt werden können nicht zu berücksichtigen. Auch dann also, wenn sich der Bedachte zur Erbringung einer Gegenleistung verpflichtet, die eben nicht in Geld veranschlagt werden kann, liegt eine reine Schenkung und nicht etwa eine gemischte Schenkung vor; die Gegenleistung, deren Wert nicht in Geld veranschlagt werden kann, führt nicht zu einer, die Bereicherung des Bedachten mindernden, gemischten Schenkung. 448 § 7 Abs. 3 ErbStG schließt es nicht aus, die nicht in Geld veranschlagbaren Gegenleistungen in die
Prüfung der Frage nach der subjektiven Unentgeltlichkeit einer Zuwendung einzubeziehen. Danach fehlt es an der Freigebigkeit, wenn der Zuwendung eine Gegenleistung gegenübersteht, die zwar nicht in Geld veranschlagt werden kann, von den Beteiligten jedoch als Gegenleistung angesehen wird.2 449 Der subjektive Tatbestand des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG ist nicht erfüllt, wenn der Zuwendende –
wenn auch irrtümlich – annimmt, zu seiner Leistung rechtlich verpflichtet zu sein oder dafür eine Gegenleistung zu erhalten, oder einen rechtlichen Zusammenhang seiner Leistung mit einem Gemeinschaftszweck als gegeben ansieht (vgl. unter Rz. 233). § 7 Abs. 3 ErbStG schließt es nicht aus, bei der Frage, ob der Wille des Schenkers zur Freigebigkeit vorgelegen hat, auch Gegenleistungen zu berücksichtigen, die nicht in Geldeswert veranschlagt werden können. 450 Faktisch dürfte die subjektive Annahme des Schenkers nicht freigebig zu handeln, weil seiner Leis-
tung eine nicht in Geldeswert veranschlagbare Gegenleistung gegenüber steht, nur selten dazu führen, dass eine freigebige Zuwendung unter Lebenden nicht anzunehmen ist. Denn nicht jeder Irrtum des Zuwendenden schließt den subjektiven Tatbestand der freigebigen Zuwendung aus (vgl. unter Rz. 235 ff.). Bei der „(Un-)Entgeltlichkeit“ handelt es sich um einen komplexen normativen („wertausfüllungsbedürftigen“) Begriff, dessen exakter Sinngehalt sich nur durch rechtliche Wertungen und Subsumtionen erschließt.3 Für die zutreffende – irrtumsausschließende – Vorstellung des Zuwendenden von dem Begriff der (Un-)Entgeltlichkeit genügt es, wenn er dessen rechtlich-sozialen Bedeutungsgehalt „nach Laienart“ zutreffend erfasst; eine exakte juristische Subsumtion ist nicht erforderlich.4 451 Ein Irrtum des Zuwendenden kann danach nur dann beachtlich sein, wenn er aufgrund eines realen
Bezugs nach den objektivierenden Maßstäben des Verkehrsüblichen im Zeitpunkt der Zuwendung beurteilt als vertretbar erscheint.5 452 Eine Leistung kann insbesondere dann nicht „in Geld veranschlagt“ werden, wenn sie aus Sicht des
ErbStG noch gar nicht entstanden ist. Bedeutung hat dies vor allem im Zusammenhang mit familienrechtlichen Ansprüchen (Eheschließung, elterliche Zustimmung zur Eheschließung, Einwilligung in die Ehescheidung, Scheidungsbereitschaft6). Auch das Versprechen, eine bestimmte Prüfung zu
1 BGH v. 18.5.1990 – V ZR 304/88, WM 1990, 1790 (1792). 2 Geck in Kapp/Ebeling, § 7 ErbStG Rz. 159 (Stand: Juni 2015). 3 BFH v. 17.10.2007 – II R 53/05, BStBl. II 2008, 256 = FR 2008, 528 m. Anm. Schlünder/Geißler = ErbStB 2008, 102. 4 BFH v. 10.9.1986 – II R 81/84, BStBl. II 1987, 80. 5 BFH v. 20.12.2000 – II R 42/99, BStBl. II 2001, 435. 6 BFH v. 31.10.1984 – II R 200/81, BStBl. II 1985, 59.
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Esskandari
Gegenleistungen nicht vermögensrechtlicher Art (Abs. 3)
Rz. 456 § 7 ErbStG
bestehen, einen bestimmten Beruf zu ergreifen und dergleichen fallen unter § 7 Abs. 2 ErbStG.1 Andere typische „Gegenleistungen“ i.S.v. § 7 Abs. 3 ErbStG sind Handlungen, die geeignet sind, das öffentliche Ansehen oder die gesellschaftliche Stellung des Zuwendenden zu fördern.2 Auch ein Verhalten, dass es dem Zuwendenden ermöglicht, Geschäftskontakte herzustellen, oder das ihm den Zugang zu Personen und Institutionen eröffnet, die für seine geschäftliche oder berufliche Tätigkeit nützlich sein können, kann unter § 7 Abs. 3 ErbStG fallen.3 Werden Wirtschaftsgüter zur Abgeltung eines rechtsgeschäftlich begründeten Anspruchs, mit dem 453 bei fortbestehender Zugewinngemeinschaft der sich bis dahin ergebende Zugewinn ausgeglichen werden soll, übertragen, handelt es sich um einen (objektiv) unentgeltlichen Vorgang und um eine freigebige Zuwendung i.S.d. § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG.4 Denn der Leistende ist mangels Beendigung des gesetzlichen Güterstandes in diesen Fällen gegenüber dem Leistungsempfänger rechtlich nicht zum Ausgleich des Zugewinns verpflichtet.5 Beispiel: F schloss mit ihrem Ehemann M einen Ehe- und Erbvertrag. Danach verpflichtete sich M zum Ausgleich des bisher erwirtschafteten Zugewinns der F einen Geldbetrag von 310 000 DM zu zahlen sowie ein Grundstück und Miteigentumsanteile an weiteren Grundstücken zu übertragen. Der Güterstand der Zugewinngemeinschaft wurde nicht beendet, sondern dahingehend modifiziert, dass im Falle der Scheidung kein weitere Ausgleich erfolgen und bei Beendigung des Güterstandes durch Tod eines Ehegatten bestimmte Vermögensteile unberücksichtigt bleiben sollten. Lösung: Der Schenkungsteuer unterliegt als Schenkung unter Lebenden (§ 1 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG) jede freigebige Zuwendung unter Lebenden, soweit der Bedachte durch sie auf Kosten des Zuwendenden bereichert wird (§ 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG). F wurde durch die Zuwendungen aufgrund des Ehe- und Erbvertrages dem Vermögen des M objektiv bereichert. Die Zuwendungen des M führten zu einer Vermögensmehrung bei F. Die Bereicherung erfolgte auch endgültig, da F die Zuwendungen unabhängig von einem erst künftig möglicherweise entstehenden (Zugewinnausgleichs-)Anspruch behalten durfte. Auch stand F am jeweils maßgeblichen Stichtag kein Anspruch auf Zugewinnausgleich gegen ihren M zu. Die Zugewinnausgleichsforderung konnte nämlich erst mit der Beendigung des gesetzlichen Güterstandes entstehen (§ 1378 Abs. 3 BGB). F und M haben durch den Ehe- und Erbvertrag den gesetzlichen Güterstand gerade nicht beendet, sondern – wenn auch stark modifiziert und eingeschränkt – weiter fortgeführt.
An dieser Beurteilung ändert auch nichts der Umstand, dass sich F und M schuldrechtlich so stellen 454 wollten, als hätten sie unter Beschränkung des Ausgleichsanspruchs auf die vereinbarten Leistungen den Güterstand beendet. Für eine Art „wirtschaftliche Betrachtungsweise“ ist kein Raum; der gesetzliche Güterstand kann nicht „faktisch“ beendet sein, wenn er gleichzeitig rechtlich fortgesetzt wird. Die Leistungen des M sind auch nicht rechtlich abhängig von einer den Erwerb ausgleichenden Ge- 455 genleistung der F und damit unentgeltlich.6 F kann sich nicht darauf berufen, M habe ihr die Leistungen in Erfüllung der im Ehe- und Erbvertrag vereinbarten Verpflichtungen erbracht. Denn die Leistungspflicht ist M ohne rechtliche Verpflichtung und damit freiwillig zuvor selbst gegenüber F als Zuwendungsempfängerin eingegangen.7 Auch der „Verzicht“ der F auf einen weitergehenden Zugewinnausgleich stellt keine Gegenleistung 456 für die Zuwendungen ihres Ehemannes dar. Denn der Verzicht auf eine im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses noch nicht entstandene, möglicherweise erst zukünftig entstehende Ausgleichsforderung stellt keinen in Geld bewertbaren Vermögenswert dar, sondern verkörpert allenfalls eine bloße Er1 2 3 4
Geck in Kapp/Ebeling, § 7 ErbStG Rz. 159 (Stand: Juni 2015). Vgl. Gebel in T/G/J, § 7 ErbStG Rz. 359 (Stand: Oktober 2014). Vgl. Gebel in T/G/J, § 7 ErbStG Rz. 359 (Stand: Oktober 2014). BFH v. 28.6.2007 – II R 12/06, BStBl. II 2007, 785 = FR 2008, 147 = ErbStB 2007, 328. Krit. zu der mit diesem Urteil bestätigten Vorentscheidung des FG Nürnberg Schlünder/Geißler, FamRZ 2006, 1655 (1657), rkr. 5 BFH v. 24.8.2005 – II R 28/02, ErbStB 2006, 6 = BFH/NV 2006, 63; v. 28.6.2007 – II R 12/06, BStBl. II 2007, 785 = FR 2008, 147 = ErbStB 2007, 328. 6 BFH v. 28.6.2007 – II R 12/06, BStBl. II 2007, 785 = FR 2008, 147 = ErbStB 2007, 328; vgl. grundlegend v. 2.3.1994 – II R 59/92, BStBl. II 1994, 366. 7 BFH v. 24.8.2005 – II R 28/02, ErbStB 2006, 6 = BFH/NV 2006, 63; v. 28.6.2007 – II R 12/06, BStBl. II 2007, 785 = FR 2008, 147 = ErbStB 2007, 328.
Esskandari
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§ 7 ErbStG Rz. 457 Schenkungen unter Lebenden werbschance, die nicht in Geld veranschlagt werden kann und deshalb nach § 7 Abs. 3 ErbStG bei der Feststellung, ob eine Bereicherung vorliegt, nicht zu berücksichtigen ist. Sie ist deshalb als solche nicht geeignet, Gegenstand einer die Freigebigkeit ausschließenden Gegenleistung zu sein.1 457 Der Verzicht auf eine im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses noch nicht entstandene, möglicherwei-
se erst zukünftig entstehende Ausgleichsforderung stellt keinen in Geld bewertbaren Vermögenswert dar, sondern verkörpert allenfalls eine bloße Erwerbschance, die nicht in Geld veranschlagt werden kann und deshalb nach § 7 Abs. 3 ErbStG bei der Feststellung, ob eine Bereicherung vorliegt, nicht zu berücksichtigen ist. 458 Problematisch stellt sich die Auffassung des BFH mit Blick auf die aktuelle Rspr. des BVerfG und der
Zivilgerichte zur Inhaltskontrolle von Eheverträgen dar.2 Denn regelmäßig ist es zivilrechtlich für die Wirksamkeit eines Ehevertrags erforderlich, bei umfänglichen Verzichten Kompensationen zu vereinbaren.3 459 Das Familienrecht sieht in der Vereinbarung einer Kompensation für den Verzicht nicht so sehr die
Leistung des Ausgleichs im Vordergrund stehen, sondern eine Minderung der Verzichtsfolgen. Die Ausgleichszahlung macht den Verzicht sozusagen zum Teilverzicht.4 460 Mit Blick auf die vorstehenden Grundsätze wäre es deshalb in folgendem Beispiel fast noch unglück-
licher ausgegangen: Beispiel: F schloss mit ihrem künftigen Ehemann M eine Vereinbarung, nach der ihr nachehelicher Unterhalt auf einen monatlichen Betrag von 10 000 DM begrenzt wurde und wonach sie im Fall der Scheidung nicht verpflichtet sein sollte, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen. M verpflichtete sich im Gegenzug zu einer Zahlung von 1 500 000 DM, aufschiebend bedingt durch die Eheschließung und auch erst danach fällig. Lösung: Entsprechend seiner Rspr. zum Verzicht auf nachehelichen Unterhalt gegen Abfindung kam der BFH auch in diesem Fall zur Schenkungsteuerpflicht.5 Der BFH wies noch einmal darauf hin, dass es der Unentgeltlichkeit nicht entgegensteht, wenn Zuwendungen unter Ehegatten der ehelichen Gemeinschaft dienen.6 Der Umstand, dass zivilrechtlich der Abschluss eines Ehevertrags in der Regel keine Schenkung darstellt und ehebedingte Zuwendungen im Verhältnis zwischen den Ehegatten nicht als unentgeltlich angesehen werden, führt nicht zu einer entsprechenden schenkungsteuerrechtlichen Beurteilung. Das Erbschaft- und Schenkungsteuerrecht folgt dieser zivilrechtlichen Qualifizierung nicht, sondern stellt auf die objektive Unentgeltlichkeit ab.7
461 Im Beispielsfall wurde F wurde durch die Zuwendung des Betrags von 1 500 000 DM aus dem Ver-
mögen des E unentgeltlich bereichert. Sie hatte weder einen gesetzlichen Anspruch auf die Zuwendung noch war diese synallagmatisch, konditional oder kausal mit einer Gegenleistung der F verknüpft. 462 F stand bei Zuwendung des Geldbetrags kein gesetzlicher Leistungsanspruch zu. Insbesondere löste
der Umstand, dass F auf einen etwaigen Anspruch auf nachehelichen Unterhalt teilweise verzichtet hatte, keinen gesetzlichen Zahlungsanspruch aus. Auch die auf § 138 Abs. 1 BGB beruhende Wirksamkeitskontrolle von vor der Eingehung der Ehe geschlossenen Eheverträgen führt nicht zu einem Zahlungsanspruch des potentiell Unterhaltsberechtigten bereits bei Beginn der Ehe, sondern nur zur Unwirksamkeit des Verzichts.8 1 Vgl. BFH v. 25.1.2001 – II R 22/98, BStBl. II 2001, 456 = FR 2001, 422 m. Anm. Viskorf und weiterer Anm. Kempermann, FR 2001, 553; v. 28.6.2007 – II R 12/06, BStBl. II 2007, 785 = FR 2008, 147 = ErbStB 2007, 328. 2 Vgl. im Einzelnen Münch, DStR 2008, 26. 3 Vgl. Münch, DStR 2008, 26 (27 m.w.N.). 4 Vgl. Münch, DStR 2008, 26 (28). 5 BFH v. 17.10.2007 – II R 53/05, BStBl. II 2008, 256 = FR 2008, 528 m. Anm. Schlünder/Geißler = ErbStB 2008, 102. 6 BFH v. 17.10.2007 – II R 53/05, BStBl. II 2008, 256 = FR 2008, 528 m. Anm. Schlünder/Geißler = ErbStB 2008, 102. 7 BFH v. 2.3.1994 – II R 59/92, BStBl. II 1994, 366; v. 17.10.2007 – II R 53/05, BStBl. II 2008, 256 = FR 2008, 528 m. Anm. Schlünder/Geißler = ErbStB 2008, 102. 8 BFH v. 2.3.1994 – II R 59/92, BStBl. II 1994, 366; v. 17.10.2007 – II R 53/05, BStBl. II 2008, 256 = FR 2008, 528 m. Anm. Schlünder/Geißler = ErbStB 2008, 102.
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Gegenleistungen nicht vermögensrechtlicher Art (Abs. 3)
Rz. 474 § 7 ErbStG
Der teilweise Verzicht der F auf nachehelichen Unterhalt stellt auch keine Gegenleistung im schen- 463 kungsteuerrechtlichen Sinn dar. Dies ergibt sich sowohl aus § 7 Abs. 3 ErbStG als auch aus § 4 BewG. § 7 Abs. 3 ErbStG ist auch anwendbar, wenn der Bedachte als „Gegenleistung“ für eine Zuwendung 464 auf Ansprüche verzichtet, die ihm möglicherweise in Zukunft gegen den Zuwendenden zustehen werden und die bei Vollzug der freigebigen Zuwendung nicht bewertet werden können. Dies gilt nicht nur, wenn der Erwerb nach seinem Eintreten selbst der Schenkung- oder Erbschaftsteu- 465 er unterliegen würde, sondern auch dann, wenn auf die Chance verzichtet wird, Vermögenswerte zu erlangen, die wie die Ausgleichsforderung bei Beendigung des Güterstands der Zugewinngemeinschaft (§ 1378 BGB) nicht zum Erwerb i.S.d. §§ 3 und 7 ErbStG gehören (§ 5 Abs. 2 ErbStG).1 Der teilweise Verzicht der F auf nachehelichen Unterhalt erfüllt die Voraussetzungen des § 7 Abs. 3 466 ErbStG. Bei der Zahlung des Betrags von 1 500 000 DM war ungewiss, ob und wann die Ehe später wieder geschieden wird und ob F nach einer etwaigen Scheidung ohne Berücksichtigung der ehevertraglichen Vereinbarungen nach den gesetzlichen Vorschriften der §§ 1569 ff. BGB nachehelichen Unterhalt in einer über den vereinbarten Höchstbetrag hinausgehenden Höhe beanspruchen könnte. Der Unterhaltsanspruch setzt Bedürftigkeit voraus (§ 1577 BGB); sein Maß hängt von zahlreichen 467 Umständen ab (§ 1578 BGB) und kann durch die Leistungsfähigkeit des Verpflichteten (§ 1581 BGB) und die Rangverhältnisse mehrerer Unterhaltsbedürftiger (§ 1582 BGB) begrenzt werden. Aufgrund dieser Umstände ist es nicht möglich, die Höhe eines etwaigen nachehelichen Unterhalts- 468 anspruchs bereits zu Ehebeginn hinreichend genau zu bestimmen und so den Wert des teilweisen Verzichts auf diesen Unterhaltsanspruch auf diesen Zeitpunkt zu ermitteln.2 Der Berücksichtigung des teilweisen Verzichts der F auf nachehelichen Unterhalt als Gegenleistung 469 für die Geldzuwendung des Ehemannes steht schenkungsteuerrechtlich auch § 4 BewG entgegen. Danach werden Wirtschaftsgüter, deren Erwerb vom Eintritt einer aufschiebenden Bedingung abhängt, erst berücksichtigt, wenn die Bedingung eingetreten ist. Die Vorschrift hat als Bewertungsregel nicht nur für die Feststellung des steuerpflichtigen Erwerbs 470 (§ 10 ErbStG) Bedeutung, sondern ist als allgemeiner steuerrechtlicher Grundsatz schon bei der Ermittlung der objektiven Bereicherung, d.h. schon im Rahmen des § 7 ErbStG zu beachten.3 Immerhin stand die Zahlung der Abfindung durch den künftigen Ehemann unter der Bedingung 471 der Eheschließung und war auch erst nach diesem Zeitpunkt fällig. Auf diese Weise erreichten es die Beteiligten zumindest, dass für die als freigebige Zuwendung gewertete Abfindung die Steuerklasse I und der Freibetrag für Ehegatten bei der Besteuerung angewendet wurden. Wäre die Abfindung schon vor der Eheschließung ganz oder teilweise fällig gewesen, wäre die Steuerklasse III mit zugehörigem Freibetrag einschlägig gewesen. Solange der BFH seine Auffassung nicht korrigiert, sind bei der Abfassung von Eheverträgen mit 472 Kompensation die schenkungsteuerlichen Konsequenzen zu berücksichtigen. Für die Praxis gilt daher: Sollten Ausgleichszahlungen, welche die Freibeträge überschreiten und 473 nicht in der steuerfreien Übertragung des Familienwohnheims gem. § 13 Abs. 1 Nr. 4a ErbStG bestehen, allenfalls aufschiebend bedingt für den Scheidungsfall versprochen und ausgeführt werden. Dies gilt besonders bei Verträgen von Verlobten, die noch nicht über die Freibeträge für Ehegatten 474 verfügen können.
1 BFH v. 17.10.2007 – II R 53/05, BStBl. II 2008, 256 = FR 2008, 528 m. Anm. Schlünder/Geißler = ErbStB 2008, 102. 2 BFH v. 17.10.2007 – II R 53/05, BStBl. II 2008, 256 = FR 2008, 528 m. Anm. Schlünder/Geißler = ErbStB 2008, 102. 3 BFH v. 17.10.2007 – II R 53/05, BStBl. II 2008, 256 = FR 2008, 528 m. Anm. Schlünder/Geißler = ErbStB 2008, 102.
Esskandari
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§ 7 ErbStG Rz. 475 Schenkungen unter Lebenden
M. Schenkung zur Belohnung, unter Auflage oder in Form eines lästigen Vertrags (Abs. 4) I. Grundaussagen der Vorschrift des § 7 Abs. 4 ErbStG 1. Regelungsgegenstand 475 Nach § 7 Abs. 4 ErbStG wird die Steuerpflicht einer Schenkung nicht dadurch ausgeschlossen, dass
sie zur Belohnung oder unter einer Auflage gemacht oder in die Form eines lästigen Vertrags gekleidet wird. 2. Bedeutung und Telos 476 Dass nur die tatbestandlichen Voraussetzungen der freigebigen Zuwendung für die Steuerbarkeit einer
Vermögensverschiebung maßgebend sind, die bereits zu Lebzeiten des Zuwendenden vollzogen wird, hat der Steuergesetzgeber in § 7 Abs. 4 ErbStG ausdrücklich klargestellt. Nicht die äußere Form, sondern allein der Inhalt des Rechtsgeschäfts entscheidet über die Steuerbarkeit eines vereinbarten Erwerbsvorgangs.1 Ohne Belang ist deshalb auch, ob die freigebige Zuwendung offen oder verdeckt erfolgt.2 3. Geltungsbereich und Verhältnis zu anderen Vorschriften 477 § 7 Abs. 4 ErbStG zielt in eine ähnliche Richtung wie § 7 Abs. 3 ErbStG. Bei § 7 Abs. 3 ErbStG erkennt
der Gesetzgeber an, dass sich der Bedachte zu einer „Gegenleistung“ verpflichten kann, die aus der subjektiven Sicht des Schenkers einen Wert hat und für den Schenker die Freigebigkeit ausschließt. Gleichzeitig bestimmt das Gesetz aber, dass bereicherungsmindernd eben nur solche „Gegenleistungen“ berücksichtigt und nach den Grundsätzen für gemischte Schenkungen behandelt werden, denen objektiv ein Verkehrswert zugemessen werden kann. Mit § 7 Abs. 4 ErbStG verfolgt der Gesetzgeber diesen Gedanken weiter. Bereicherungsmindernd kann sich Tun, Dulden oder Unterlassen des Beachten nur auswirken, wenn es objektiv nach seinem Inhalt betrachtet einen Verkehrswert hat und synallagmatisch mit der Leistung des Schenkers verknüpft ist. 4. Rechtsentwicklung 478 Als § 3 Abs. 4 in das ErbStG 1922 eingefügt ist § 7 Abs. 4 ErbStG seit dem Erbschaftsteuerreform-
gesetz 1974 (vgl. unter Rz. 10) im Gesetz verankert.
II. Inhalt der Vorschrift im Einzelnen 479 Eine Schenkung „zur Belohnung“ meint im Grunde genommen nur, dass der Bedachte eben keinen
Rechtsanspruch auf den Schenkungsgegenstand hat; anderenfalls läge ja auch keine Schenkung vor. In subjektiver Hinsicht genügt für eine freigebige Zuwendung der Wille zur Freigebigkeit. 480 Welche sonstigen Motive der Schenker verfolgt, ist dabei unbeachtlich. Dies stellt der Gesetzgeber
mit der Formulierung „zur Belohnung“ noch einmal klar. Er hätte aber gut und gerne auch auf diese „Klarstellung“ verzichten können. 481 Keine Belohnung liegt vor, wenn es sich um eine Gegenleistung handelt. Nicht mit der Belohnung zu
verwechseln ist die Entlohnung.3 Diese Abgrenzung stellt sich in Praxis häufig im Zusammenhang mit Pflege- und Betreuungsleistungen. Im klassischen Fall erbringt eine „gute Seele“ für einen anderen Menschen – unter Umständen auch über längere Zeiträume – Pflege- oder Betreuungsleistungen. Als Dank erhält die „gute Seele“ noch zu Lebzeiten der Pflegeperson Schenkungen und ihr wird ein Er1 RFH v. 9.7.1931 – I e A 886/28, RStBl. 1931, 971. 2 Gebel in T/G/J, § 7 ErbStG Rz. 16 (Stand: Juli 2015). 3 FG Hess. v. 25.10.2010 – 1 K 2123/08, ZEV 2011, 443.
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Esskandari
Belohnung, Auflage, lästiger Vertrag (Abs. 4)
Rz. 488 § 7 ErbStG
werb von Todes wegen eingeräumt (in diesen Fällen stellt sich das Abgrenzungsproblem gleichermaßen). Die Steuerklasse nach dem ErbStG ist III (§ 15 Steuerklasse III ErbStG), der Freibetrag beträgt 20 000 Euro (§ 16 Abs. 1 Nr. 7 ErbStG). Die noch in Betracht kommenden Steuerfreibeträge aus § 13 Abs. 1 Nr. 9 ErbStG (Entgelt für Pflegeleistungen), § 13 Abs. 1 Nr. 12 ErbStG (Zuwendungen zum angemessenen Unterhalt) und § 13 Abs. 1 Nr. 14 ErbStG (übliche Gelegenheitsgeschenke) reichen nicht aus, um einen steuerpflichtigen Erwerb zu vermeiden. Und nun kommt das Argument, die „gute Seele“ habe doch Pflege- und Betreuungsleistungen erbracht und sich den Erwerb sozusagen „verdient“. Dienstleistungen in Form von Pflege- und Betreuungsleistungen können grundsätzlich eine Gegen- 482 leistung für eine Zuwendung sein. Bereicherungsmindernd zu berücksichtigen sind sie immer, wenn sie vor ihrer Erbringung synallagmatisch zwischen Schenker (Leistung) und Bedachtem (Gegenleistung) vereinbart worden sind. Erfolgt die Zuwendung nachträglich, könnten die bereits erbrachten Dienstleistungen dennoch als 483 Gegenleistung zu werten sein, wenn sie sich als Vorausleistungen des Zuwendungsempfängers darstellen, die durch die Zuwendung entlohnt werden.1 Voraussetzung hierfür ist eine von vornherein getroffene Entgeltsabrede. Hingegen reicht es nicht aus, wenn für Vorausleistungen des Zuwendungsempfängers, für die zunächst kein Entgelt vorgesehen war, erst nachträglich ein Entgelt vereinbart oder tatsächlich geleistet wird.2 Eine die Vorausleistungen nachträglich ohne rechtliche Verpflichtung ausgleichende Zuwendung unterliegt als Belohnung i.S.d. § 7 Abs. 4 ErbStG der Schenkungsteuer.3 Soweit § 7 Abs. 4 ErbStG ausführt, dass es der Steuerpflicht einer Schenkung nicht entgegensteht, 484 wenn die Schenkung unter einer Auflage gemacht wird, so ist dies durchaus missverständlich formuliert. Denn die Bereicherung wird bei Schenkungen unter Auflagen ermittelt, indem von dem nach § 12 485 ErbStG zu ermittelnden Steuerwert der Leistung des Schenkers die Gegenleistungen des Beschenkten und die von ihm übernommenen Leistungs-, Nutzungs- und Duldungsauflagen mit ihrem nach § 12 ErbStG ermittelten Wert abgezogen werden.4 Demzufolge verringert also der Steuerwert einer Auflage den Gegenstand der freigebigen Zuwendung. Dies steht insofern also einer Steuerpflicht sehr wohl entgegen. Wenn das Gesetz anordnet, dass die Steuerpflicht einer Schenkung nicht dadurch ausgeschlossen 486 wird, dass sie unter einer Auflage gemacht wird, so hat dies im Prinzip nur deklaratorische Bedeutung. Denn – gleich ob Leistungs- oder Nutzungs-/Duldungsauflage – eine dem Bedachten gemachte Auflage, wie eine diesem erbrachte Gegenleistung stehen nicht der Steuerbarkeit oder Steuerpflicht als solcher entgegen, sondern sind allein für die Frage des Umfangs der Bereicherung von Bedeutung (vgl. unter Rz. 8, 56 ff.). Und dass Auflagen dann nicht abzugsfähig sind, wenn sie dem Beschwerten selbst zugute kommen, bestimmt bereits § 10 Abs. 9 ErbStG. Mit einem „lästigen“ Vertrag meint § 7 Abs. 4 ErbStG schlicht einen gegenseitigen Vertrag, bei dem 487 der Anschein der Entgeltlichkeit erweckt und somit die tatsächlich vorliegende Unentgeltlichkeit verschleiert werden soll. Auch auf diese „Klarstellung“ hätte der Gesetzgeber gut und gerne verzichten können. Denn zum ei- 488 nen stellt bereits § 117 BGB klar, welche Rechtsfolgen aus einem Scheingeschäft gezogen werden müssen. Zum anderen würde auch § 41 Abs. 2 AO eingreifen. Danach sind Scheingeschäfte und Scheinhandlungen für die Besteuerung unerheblich. Wird durch ein Scheingeschäft ein anderes Rechtsgeschäft verdeckt, so ist das verdeckte Rechtsgeschäft für die Besteuerung maßgebend.
1 2 3 4
Schuck in V/K/S/W4, § 7 ErbStG Rz. 168. Schuck in V/K/S/W4, § 7 ErbStG Rz. 168. Vgl. FG Rh.-Pf. v. 22.11.2002 – 4 K 2068/01, DStRE 2003, 551. R E 7.4 Abs. 1 Satz 2 ErbStR 2011. Beachte § 10 Abs. 6 Satz 5 ErbStG.
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§ 7 ErbStG Rz. 489 Schenkungen unter Lebenden
N. Schenkung eines Personengesellschaftsanteils bei Buchwertklausel (Abs. 5) I. Grundaussagen der Vorschrift 1. Regelungsgegenstand 489 Ist Gegenstand der Schenkung eine Beteiligung an einer Personengesellschaft, in deren Gesellschafts-
vertrag bestimmt ist, dass der neue Gesellschafter bei Auflösung der Gesellschaft oder im Fall eines vorherigen Ausscheidens nur den Buchwert seines Kapitalanteils erhält, werden nach § 7 Abs. 5 ErbStG diese Bestimmungen bei der Feststellung der Bereicherung nicht berücksichtigt. Soweit die Bereicherung den Buchwert des Kapitalanteils übersteigt, gilt sie als auflösend bedingt erworben. 2. Bedeutung und Telos 490 Ist in dem Gesellschaftsvertrag der Personengesellschaft bestimmt, dass der neue Gesellschafter bei
Auflösung der Gesellschaft oder bei seinem vorherigen Ausscheiden nur den Buchwert seines Kapitalanteils erhalten soll, mindert diese Bestimmung nicht die Bereicherung bei der Beteiligungsschenkung, § 7 Abs. 5 Satz 1 ErbStG. 491 Die Vorschrift geht von der Vorstellung aus, die Buchwertklausel stehe oft nur auf dem Papier und
der neue Gesellschafter werde über kurz oder lang über den Kapitalanteil hinaus an den stillen Reserven der Gesellschaft beteiligt.1 Stellt sich jedoch heraus, dass diese Annahme unrichtig ist, ist eine Steuererstattung vorgesehen, § 7 Abs. 5 Satz 2 ErbStG. 492 Die praktische Tragweite des § 7 Abs. 5 Satz 1 ErbStG war bislang ausgesprochen gering. Dies des-
halb, weil eine zum Bewertungsrecht ergangene und auch für das Schenkungsrecht bedeutsame Entscheidung des BFH2 die Nichtberücksichtigung der Buchwertklausel schon für das bisherige Recht vorgeschrieben hatte. 493 Nach dem bis zum 31.12.2008 geltenden § 109 BewG war der steuerliche Anteilswert so nah an den
Buchwert herangeführt worden, dass der von § 7 Abs. 5 Satz 1 ErbStG vorausgesetzte Fall eines den Buchwert übersteigenden Steuerwerts faktisch kaum eine größere Bedeutung zukam. Indiz hierfür ist, dass während der Geltungszeit der Vorschrift keine einschlägige Gerichtsentscheidung bekannt geworden ist. Auch die Erbschaftsteuerfinanzämter sind kaum mit Anträgen auf Berichtigungen nach § 7 Abs. 5 Satz 2 ErbStG i.V.m. § 5 Abs. 2 BewG befasst worden. 494 Nach den durch das ErbStRG eingeführten neuen Regelungen zur Bewertung des Betriebsvermögens
gewinnt § 7 Abs. 5 ErbStG in all den Fällen Bedeutung, in denen die Gesellschaftsverträge von Personengesellschaften weiterhin Buchwertklauseln vorsehen. Für den Berater ist das Antragsrecht aus § 7 Abs. 5 Satz 2 ErbStG im Blick zu behalten! 3. Geltungsbereich und Verhältnis zu anderen Vorschriften 495 § 7 Abs. 5 ErbStG befasst sich ausschließlich mit der Schenkung von Anteilen an Personengesell-
schaften. Die Schenkung von Kapitalgesellschaftsanteilen wird nicht erfasst. 496 § 7 Abs. 5 ErbStG ist kein eigener Erwerbstatbestand. Die Anwendung der Norm setzt vielmehr vo-
raus, dass die Schenkung des Anteils an einer Personengesellschaft mit Buchwertklausel überhaupt vorliegt. 4. Rechtsentwicklung 497 § 7 Abs. 5 ErbStG wurde mit dem Erbschaftsteuerreformgesetz 1974 (vgl. unter Rz. 10) neu in das
ErbStG eingefügt.
1 Weinmann in Moench/Weinmann, § 7 ErbStG Rz. 229 (Stand: Januar 2015). 2 BFH v. 2.7.1971 – III R 72/70, BStBl. II 1971, 678.
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Esskandari
Schenkung eines Personengesellschaftsanteils bei Buchwertklausel (Abs. 5)
Rz. 506 § 7 ErbStG
II. Inhalt der Vorschrift im Einzelnen Als Personengesellschaften i.S.v. § 7 Abs. 5 ErbStG kommen nur Mitunternehmerschaften nach § 12 498 Abs. 5 ErbStG i.V.m. §§ 151 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BewG, § 97 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5, Abs. 1a BewG in Betracht. Personengesellschaften i.S.d. § 7 Abs. 5 Satz 1 ErbStG sind somit nur mitunternehmerische Gesamthandsgemeinschaften, also GbR, OHG, KG, EWiV, Partenreederei oder Partnerschaftsgesellschaft. Darüber hinaus kann die Regelung auf die atypisch stille Beteiligung entsprechend angewandt werden, da diese zwar keine unmittelbare Teilhabe an einem Gesamthandsvermögen vermittelt, jedoch vertraglich eine Teilhabe an dem mitunternehmerischen Betriebsvermögen einräumt.1 Entsprechendes dürfte für die atypisch stille Unterbeteiligung an einem Gesellschaftsanteil gelten. Personengesellschaften in diesem Sinn können auch ausländische Personengesellschaften sein. Bei 499 ausländischen Personengesellschaften muss nach deutschem Steuerrecht geprüft werden, ob es sich um eine vergleichbare Rechtsform (Mitunternehmerschaft) anhand eines Rechtstypenvergleichs handelt. Auf die rechtliche Einordnung nach ausländischem Zivil- und Steuerrecht kommt es nicht an.2 Bei der typischen stillen Gesellschaft hat die Anwendung des § 7 Abs. 5 ErbStG allerdings keinen 500 Sinn, weil der Gesellschafter beim Ausscheiden nur seine Einlage zurückfordern kann. Nach § 738 Abs. 1 Satz 2 BGB steht einem aus einer BGB-Gesellschaft ausscheidenden Gesellschafter 501 grundsätzlich eine Abfindung in Geld nach Maßgabe des Verkehrswerts zu. Zulässig und in der Praxis sehr häufig anzutreffen sind gesellschaftsvertraglich vereinbarte Abfindungsklauseln, die zu einer unterhalb des Verkehrswertes liegenden Abfindung führen. Es handelt sich um sog. Buchwertklauseln, die eine Abfindung in Höhe des Kapitalkontos vorsehen oder auch modifizierte Abfindungsklauseln, wonach die Abfindung nur einen bestimmten Prozentsatz des Verkehrswertes ausmacht und/oder nur ratierlich (verzinslich oder unverzinslich) ausgezahlt wird.3 Eine hiernach bemessene Abfindung umfasst regelmäßig nicht den Geschäfts- oder Firmenwert des Unternehmens. Derartige Buchwert- oder Minderwertabfindungsklauseln bezwecken i.d.R. eine Vereinfachung der 502 Abrechnung sowie den Schutz der Gesellschaft und der verbleibenden Gesellschafter vor einem zu hohen Liquiditätsabfluss. Ihre Zulässigkeit wird von der Rspr. an § 138 BGB, insbesondere wegen Knebelung oder Gläubigerge- 503 fährdung sowie daran gemessen, ob hierdurch das gesetzlich garantierte Kündigungsrecht gem. § 723 Abs. 3 BGB (vgl. auch § 133 Abs. 3 HGB) nicht in unvertretbarer Weise eingeschränkt wird.4 Im Regelfall handelt es sich um Abfindungsregelungen im Zusammenhang mit der Kündigung des 504 Gesellschaftsverhältnisses oder mit sog. Fortsetzungsklauseln,5 die entweder unter bestimmten Umständen zum Ausschluss des Gesellschafters und zur Anwachsung seines Anteils gem. § 738 Abs. 1 Satz 1 BGB, §§ 131 Abs. 3 Satz 1, 161 Abs. 2, 177 HGB führen; aber auch Klauseln, wonach der Gesellschafter in bestimmten Fällen verpflichtet ist, seinen Anteil an die Gesellschaft und/oder an einen von den verbleibenden Gesellschaftern bestimmten Dritten zu veräußern, können hierunter fallen. § 7 Abs. 5 ErbStG setzt die Schenkung einer Beteiligung an einer Personengesellschaft voraus. Ent- 505 geltliche Zuwendungen unterfallen also nicht der Norm. Gleiches gilt für Erwerbe von Todes wegen, insbesondere die Schenkung auf den Todesfall. Denn § 1 Abs. 2 ErbStG bestimmt zwar, dass die Regelungen über Erwerbe von Todes wegen auch auf Schenkungen unter Lebenden anzuwenden sind, es sei denn, anderes ist bestimmt. Umgekehrt gilt dies aber gerade nicht. Für die Schenkung unter Lebenden kommen sämtliche Tatbestände gem. § 7 Abs. 1 Nr. 1 bis Nr. 10 506 ErbSt in Betracht. § 7 Abs. 5 ErbStG bestimmt dann – mit –, wie diese Schenkung zu bewerten ist.6
1 2 3 4 5 6
Geck in Kapp/Ebeling, § 7 ErbStG Rz. 176 (Stand: November 2015). BMF v. 16.4.2010 – IV B 2 – S 1300/09/10003, BStBl. I 2010, 354, Tz. 1.2. sowie die Anlage hierzu. Vgl. Piehler/Schulte in Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Band 14, § 76 Rz. 4. Vgl. BGH v. 13.3.2006 – II ZR 295/04, NJW-RR 2006, 1270. Vgl. hierzu Crezelius, Unternehmenserbrecht2, Rz. 253. Zu Recht weist deshalb Meincke16, § 7 ErbStG Rz. 12.1 darauf hin, dass § 7 Abs. 5 ErbStG falsch platziert sei, denn in tatsächlich handele es sich um eine Bewertungsvorschrift, die in die §§ 10 ff. ErbStG gehöre, wo sich die Wertermittlungsvorschriften befänden.
Esskandari
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§ 7 ErbStG Rz. 507 Schenkungen unter Lebenden 507 § 7 Abs. 5 ErbStG findet auf Erwerb nach § 7 Abs. 7 ErbStG keine Anwendung.1 Bei § 7 Abs. 7
ErbStG handelt es sich um eine gesetzliche Fiktion („Als Schenkung gilt auch (…)“). Die Vorschrift gilt für Personen- wie Kapitalgesellschaften. Sie verweist nicht, auch nicht hinsichtlich der Personengesellschaften, auf § 7 Abs. 5 ErbStG. Dieses Ergebnis folgt nicht auch aus dem Argument, dass § 7 Abs. 5 ErbStG den Übergang auf einen „neuen Gesellschafter“ voraussetze, während § 7 Abs. 7 ErbStG die Fälle betreffe, in denen Anteile auf verbleibende („alte“) Gesellschafter übergingen.2 Denn die Qualität als „neuer“ Gesellschafter bezieht sich auf die geschenkte Personengesellschaftsbeteiligung und nicht den Gesellschafterkreis.3 Eine unterschiedliche Behandlung von Neu- und Altgesellschafter lässt sich sachlich insoweit nicht rechtfertigen. Hierdurch kommt es in Bezug auf die Schenkung an „Altgesellschafter“ auch nicht zu einer Kollision mit der Regelung des § 7 Abs. 7 Satz 1 ErbStG.4 Während § 7 Abs. 7 Satz 1 ErbStG u.a. den Übergang des Personengesellschaftsanteils (auf Altgesellschafter) aufgrund des Ausscheidens eines Gesellschafters voraussetzt, der Personengesellschaftsanteil also infolge eines Anwachsungserwerbs über- und damit untergeht, verlangt § 7 Abs. 5 Satz 1 ErbStG als Schenkgegenstand eine Personengesellschaftsbeteiligung, die als solche bei dem Erwerber fortbesteht.5 Damit sind die Anwendungsbereiche beider Regelungen unterschiedlich.6 508 § 7 Abs. 5 ErbStG findet auch auf mittelbare Anteilsschenkungen Anwendung, wenn also der
Schenker dem Beschenkten einen Geldbetrag mit der Auflage zuwendet, einen bestimmten Personengesellschaftsanteil zu erwerben.7 509 Die steuerrechtliche Beurteilung der Mitarbeiterbeteiligungen für Arbeitnehmer und Arbeitgeber
hängt von der Form der Beteiligungen und der Rechtsform des Unternehmens des Arbeitgebers ab.8 Bei der Besteuerung des Arbeitnehmers stellen sich insbesondere Fragen nach dem Arbeitslohncharakter, dem Zuflusszeitpunkt, den steuerlichen Förderungsmöglichkeiten, der Besteuerung von Beteiligungen bei Erwerb, Veräußerung sowie von Einnahmen hieraus. Aus der Sicht des Arbeitgebers geht es vor allem um den Betriebsausgabenabzug und den Lohnsteuereinbehalt. 510 Die Behandlung nach lohn- bzw. einkommensteuerlichen Grundsätzen schließt es aus, einen
Schenkungsteuertatbestand anzunehmen, denn es fehlt jedenfalls das subjektive Merkmal des Willens zur Freigebigkeit auf Seiten des Arbeitgebers. 511 Fraglich ist, ob die Vorschrift auch bei einer sonstigen Abfindung über oder unter dem Buchwert
gilt, weil der Gesetzestext nur die übliche Buchwertklausel anspricht. Einig ist man sich wohl darin, dass § 7 Abs. 5 ErbStG jedenfalls auf solche modifizierte Buchwertklauseln anwendbar ist, bei denen der Buchwert die Ausgangsgrundlage der Abfindungsberechnung ist und der Buchwert lediglich um einen Zuschlag erhöht oder um einen Abschlag vermindert werden soll.9 Denn anderenfalls wäre es ein Leichtes, durch eine geringfügige Abweichung vom Buchwert (Abfindung zu „Buchwert zzgl. × Euro“ oder zu „Buchwert abzgl. y %“) die Anwendung des § 7 Abs. 5 ErbStG auszuschließen. Bereits dies dürfte aber durchaus fraglich sein. Denn der Gesetzeswortlaut („Buchwert“) ist eindeutig. Zuoder Abschläge lassen sich darunter nicht subsumieren. Deshalb können „geringfügige Abweichungen“ vom Buchwert nur dann unter § 7 Abs. 5 ErbStG fallen, wenn ein Gestaltungsmissbrauch nach § 42 AO vorliegt.10 Wenn die Beteiligten also eine rechtliche Gestaltung (Zu- oder Abschläge vom Buchwert) gewählt haben, um § 7 Abs. 5 ErbStG zu umgehen, und wenn es demzufolge keinen außersteuerlichen Grund für die Regelung gibt. Meincke16, § 7 ErbStG Rz. 123; Fischer in F/J/P/W, § 7 ErbStG Rz. 510 (Stand: März 2014). Meincke16, § 7 ErbStG Rz. 123; Fischer in F/J/P/W, § 7 ErbStG Rz. 510 (Stand: März 2014). Jesse, FR 2011, 201 (205). Jesse, FR 2011, 201 (205). Jesse, FR 2011, 201 (205). Gebel in T/G/J, § 7 ErbStG Rz. 378 (Stand: Januar 2012). Vgl. Weinmann in Moench/Weinmann, § 7 ErbStG Rz. 231 (Stand: Februar 2015). Vgl. ausf. Lüdicke/Sistermann/Fischer, Unternehmensteuerrecht, § 13 Rz. 140 ff. Meincke16, § 7 ErbStG Rz. 127; Gebel in T/G/J, § 7 ErbStG Rz. 379 (Stand: Januar 2012); Weinmann in Moench/Weinmann, § 7 ErbStG Rz. 232 (Stand: Februar 2015); Geck in Kapp/Ebeling, § 7 ErbStG Rz. 184.1 (Stand: November 2015). 10 So auch Fischer in F/J/P/W5, § 7 ErbStG Rz. 514 (Stand: März 2014). 1 2 3 4 5 6 7 8 9
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Esskandari
Schenkung eines Personengesellschaftsanteils bei Buchwertklausel (Abs. 5)
Rz. 516 § 7 ErbStG
Vor dem Hintergrund des sichersten Weges ist es zu empfehlen, auf Zu- oder Abschläge zum Buch- 512 wert zu verzichten. Jedenfalls alle übrigen Klauseln, die zur Berechnung des Abfindungsbetrags nicht auf den Buch- 513 wert abstellen bzw. von diesem ausgehen, können zweifelsfrei nicht unter § 7 Abs. 5 ErbStG subsumiert werden. Dies muss selbst dann gelten, wenn auf einem solchen anderen Rechenweg sich eine Abfindung ergibt die den Buchwert trifft oder ihn sogar unterschreitet. Durch die Buchwertregelung wird fingiert, dass der Anteil an der Personengesellschaft ohne Abfin- 514 dungsbeschränkung auf den neuen Gesellschafter übergegangen ist. Damit wird der Steuer unterworfen, was vom Beschenkten nicht oder wenigstens nicht sofort erworben wird. Aus diesem Grund hat der Gesetzgeber in § 7 Abs. 5 Satz 2 ErbStG ein Korrektiv eingebaut. Die Bereicherung, die den Buchwert übersteigt, gilt als auflösend bedingt erworben. Bestätigt sich bei einer späteren Abfindung des Neugesellschafters, dass er nicht mehr als den Buchwert seines Anteils erhalten hat, kann ihm auf Antrag nach § 7 Abs. 5 Satz 2 ErbStG i.V.m. § 5 Abs. 2 BewG ein Teil der Steuer erstattet werden. Anlass der Abfindung kann das Ausscheiden des Gesellschafters sein, sein Ausschluss oder die Auflösung der Gesellschaft.1 Bei der Berichtigung wird zunächst der Unterschied zwischen Steuerwert und Buchwert der Betei- 515 ligung zur Zeit der Schenkung ermittelt. Die auflösende Bedingung tritt ein, wenn im Zeitpunkt des Ausscheidens des Gesellschafters der Steuerwert seines Anteils über der Abfindung liegt. Ist die Differenz größer als bei der Schenkung, verändert das nicht den Ausgangsbetrag der Berichtigung; ist die Differenz kleiner, wird die Steuerfestsetzung nur um den geringeren Betrag berichtigt. Ist der Steuerwert zur Zeit des Ausscheidens geringer als der Buchwert zur Zeit der Schenkung, wird unterstellt, dass die Änderung auf der Realisierung und Ausschüttung von stillen Reserven beruht.2 Die Berichtigung geht demnach von dem Unterschiedsbetrag zur Zeit der Schenkung aus, der aber nicht höher als der Unterschiedsbetrag im Zeitpunkt des Ausscheidens sein darf. Beispiel a): Buchwert des Anteils z.Z. der Schenkung Steuerwert des Anteils z.Z. der Schenkung Unterschiedsbetrag
1 000 000 t 1 200 000 t 200 000 t
Beispiel b): Buchwert des Anteils z.Z. des Ausscheidens (Abfindung) Steuerwert des Anteils z.Z. des Ausscheidens Unterschiedsbetrag
1 500 000 t 2 000 000 t 500 000 t
Lösung: Es kann die Steuer erstattet werden, die auf 200 000 Euro entfällt. Würde der Unterschied nach Buchstabe b) nur 120 000 Euro betragen, könnte auch die Steuer nur für diesen Betrag erstattet werden. Zur Berechnung des zu erstattenden Betrags ist von der veranlagten Steuer die Steuer abzuziehen, die sich ergeben würde, wenn bei der Veranlagung der Erwerb (1 200 000 Euro) um den jeweils ermittelten Unterschiedsbetrag zwischen Buchwert und Steuerwert des Anteils (200 000 Euro bzw. 120 000 Euro) gekürzt worden wäre. Zu erstatten ist dann der Unterschied zwischen den beiden Steuerbeträgen.
Der Antrag gem. § 7 Abs. 5 Satz 2 ErbStG i.V.m. § 5 Abs. 2 BewG ist bis zum Ablauf des Jahres zu 516 stellen, das auf den Bedingungseintritt folgt.
1 Vgl. Weinmann in Moench/Weinmann, § 7 ErbStG Rz. 233 (Stand: Februar 2015). 2 Meincke16, § 7 ErbStG Rz. 131 f.
Esskandari
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§ 7 ErbStG Rz. 517 Schenkungen unter Lebenden
O. Schenkung eines Personengesellschaftsanteils mit überhöhter Gewinnbeteiligung (Abs. 6) I. Grundaussagen der Vorschrift 1. Regelungsgegenstand 517 Wird eine Beteiligung an einer Personengesellschaft mit einer Gewinnbeteiligung ausgestattet, die
insbesondere der Kapitaleinlage, der Arbeits- oder der sonstigen Leistung des Gesellschafters für die Gesellschaft nicht entspricht oder die einem fremden Dritten üblicherweise nicht eingeräumt würde, gilt gem. § 7 Abs. 6 ErbStG das Übermaß an Gewinnbeteiligung als selbständige Schenkung, die mit dem Kapitalwert anzusetzen ist. 2. Bedeutung und Telos 518 Wird der Anteil an einer Personengesellschaft geschenkt, wird das – anteilig – das Gesellschaftsver-
mögens zugewendet. In der damit einhergehenden Zuwendung einer Gewinnbeteiligung ist grundsätzlich keine eigenständige Bereicherung zu sehen. Denn das Eigentum an einem Wirtschaftsgut beinhaltet auch das Recht, die Nutzungen aus diesem Wirtschaftsgut zu ziehen. Anders aber, wenn das Recht zur Ziehung von Nutzung über den vermögensmäßigen Anteil an einem Wirtschaftsgut hinausgeht. § 7 Abs. 6 ErbStG unterwirft deshalb das Gewinnübermaß neben der Zuwendung der Beteiligung als selbständige Schenkung der Schenkungsteuer. 3. Geltungsbereich und Verhältnis zu anderen Vorschriften 519 § 7 Abs. 6 ErbStG befasst sich ausschließlich mit der Schenkung von Anteilen an Personengesellschaf-
ten. Die Schenkung von Kapitalgesellschaftsanteilen wird nicht erfasst. 520 Anders als § 7 Abs. 5 ErbStG ist § 7 Abs. 6 ErbStG ein eigener Erwerbstatbestand. Die Anwendung
der Norm setzt zunächst einmal voraus, dass ein Anteil an einer Personengesellschaft geschenkt wird, mithin insoweit der Tatbestand einer Schenkung unter Lebenden erfüllt ist. § 7 Abs. 6 ErbStG erfasst dann als weitere, eigenständig zu beurteilende Schenkung die des Gewinnübermaßes. 521 Der Gesetzgeber hätte das Gewinnübermaß auch als zusätzliche Bereicherung im Rahmen der Schen-
kung des Personengesellschaftsanteils als solchen erfassen können. Mit § 7 Abs. 6 ErbStG hat er dies jedoch gerade nicht getan, sondern insoweit einen eigenen Erwerbstatbestand geschaffen. 4. Rechtsentwicklung 522 § 7 Abs. 6 ErbStG wurde mit dem Erbschaftsteuerreformgesetz 1974 (vgl. unter Rz. 10) neu in das
ErbStG eingefügt.
II. Inhalt der Vorschrift im Einzelnen 523 Der Anwendungsbereich des § 7 Abs. 6 ErbStG beschränkt sich auf Personengesellschaften (vgl. un-
ter Rz. 519). 524 Der gesetzlichen Regelung zufolge wird die „Ausstattung“ mit einer überhöhten Gewinnbeteiligung
erfasst. Darunter fällt nicht nur der Fall, dass ein Anteil mit einer überhöhten Gewinnbeteiligung neu begründet wird, sondern auch der, dass ein schon bestehender Anteil, der bereits mit einer Gewinnbeteiligung ausgestattet ist, übertragen wird. Gleiches gilt auch dann, wenn ein Anteil, ohne übertragen zu werden, nachträglich mit einer überhöhten Gewinnbeteiligung ausgestattet wird oder eine an sich schon überhöhte Gewinnbeteiligung noch weiter erhöht wird.1
1 R E 7.8 Abs. ErbStR 2011.
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Ausscheiden zu Abfindung unter dem gemeinen Wert (Abs. 7)
Rz. 529 § 7 ErbStG
Ein Übermaß an Gewinnbeteiligung liegt insbesondere dann vor, wenn die dem Gesellschafter ein- 525 geräumte Gewinnbeteiligung nicht seiner Kapitaleinlage oder seiner Arbeitsleistung entspricht oder wenn sie einem fremden Dritten nicht eingeräumt worden wäre.1 Nach der ertragsteuerlichen Rspr. gilt eine Gewinnbeteiligung, die einem nicht mitarbeitenden Kind 526 eingeräumt wird, insoweit als übermäßig, als sie auf längere Sicht zu einer Verzinsung von mehr als 15 % des Anteils führt.2 Von diesem Grundsatz ist auch für die Zwecke des § 7 Abs. 6 ErbStG auszugehen. Deshalb gilt: Ist bei den Ertragsteuern eine Entscheidung über das Vorliegen und den Umfang eines überhöhten Gewinnanteils getroffen worden, ist diese Entscheidung in der Regel auch für die Schenkungsteuer zu übernehmen.3 In anderen Fällen ist der Jahreswert des überhöhten Gewinnanteils selbständig zu ermitteln.4 Soweit bei der Gesellschaft eine Änderung der Ertragsaussichten nicht zu erwarten ist, kann der Jahres- 527 wert von dem durchschnittlichen Gewinn der letzten drei Wirtschaftsjahre vor der Schenkung abgeleitet werden.5 Für die Berechnung des Kapitalwerts ist, soweit keine anderen Anhaltspunkte für die Laufzeit gege- 528 ben sind, davon auszugehen, dass der überhöhte Gewinnanteil dem Bedachten auf unbestimmte Zeit in gleich bleibender Höhe zufließen wird; der Kapitalwert ist das 9,3-fache des Jahreswerts (§ 13 Abs. 2 BewG).6
P. Schenkung bei Ausscheiden eines Gesellschafters zu unter dem gemeinen Wert liegenden Abfindungsentgelt (Abs. 7) Literatur: Hübner/Maurer, Erbschaft- und schenkungsteuerliche Folgen gesellschaftsvertraglicher Abfindungsbeschränkungen für die verbleibenden Gesellschafter, ZEV 2009, 361 und 428; Wangler, Einfluss des neuen Bewertungs- und Erbschaftsteuerrechts auf Abfindungsregelungen in Gesellschaftsverträgen, DStR 2009, 1501; Neumayer/Imschweiler, Schenkungsteuer beim Ausscheiden eines Gesellschafters auf Basis gesellschaftsvertraglicher Abfindungsklauseln, DStR 2010, 201; Jesse, Erbschaftsteuerreform 2009 und gesellschaftsvertragliche Abfindungsklauseln, FR 2011, 201 und 303; Kreutziger, Schenkungsteuerliche Auswirkungen beim Ausscheiden eines Gesellschafters aus einer Freiberuflerpraxis, ZEV 2013, 252.
I. Grundaussagen der Vorschrift 1. Regelungsgegenstand Als Schenkung gilt nach § 7 Abs. 7 ErbStG auch der auf dem Ausscheiden eines Gesellschafters beru- 529 hende Übergang des Anteils oder des Teils eines Anteils eines Gesellschafters einer Personengesellschaft oder Kapitalgesellschaft auf die anderen Gesellschafter oder die Gesellschaft, soweit der Wert, der sich für seinen Anteil zur Zeit seines Ausscheidens nach § 12 ErbStG ergibt, den Abfindungsanspruch übersteigt. Wird auf Grund einer Regelung im Gesellschaftsvertrag einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung der Geschäftsanteil eines Gesellschafters bei dessen Ausscheiden eingezogen und übersteigt der sich nach § 12 ErbStG ergebende Wert seines Anteils zur Zeit seines Ausscheidens den Abfindungsanspruch, gilt die insoweit bewirkte Werterhöhung der Anteile der verbleibenden Gesellschafter als Schenkung des ausgeschiedenen Gesellschafters. Nach § 7 Abs. 7 Satz 3 ErbStG gelten die Regelungen der § 7 Abs. 7 Satz 1 und 2 ErbStG bei Übertragungen i.S.d. § 10 Abs. 10 ErbStG gleichermaßen.
1 Meincke16, § 7 ErbStG Rz. 134. 2 St. Rspr. seit BFH v. 29.5.1972 – GrS 4/71, BStBl. II 1973, 5; vgl. BFH v. 19.2.2009 – IV R 83/06, BStBl. II 2009, 798 = FR 2009, 950 m. Anm. Kempermann = ErbStB 2009, 178. 3 R E 7.8 Abs. 1 Satz 1 ErbStR 2011. 4 R E 7.8 Abs. 1 Satz 2 ErbStR 2011. 5 R E 7.8 Abs. 1 Satz 3 ErbStR 2011. 6 R E 7.8 Abs. 1 Satz 4 ErbStR 2011.
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§ 7 ErbStG Rz. 530 Schenkungen unter Lebenden 2. Bedeutung und Telos 530 § 7 Abs. 7 ErbStG besteuert die verbleibenden Gesellschafter, wenn ein Mitgesellschafter zu Lebzeiten
aus der Gesellschaft ausscheidet und er eine Abfindung unter dem steuerlichen Anteilswert erhält. 531 Ist im Gesellschaftsvertrag einer Personengesellschaft die Fortsetzungsklausel vereinbart (§§ 736 BGB,
138 HGB), so ergibt sich in der Regel dadurch ein Ausgleichsanspruch nach § 738 Abs. 1 Satz 2 BGB, der in der Person des Ausscheidenden entsteht. Das Problem einer Bereicherung der Altgesellschafter ergibt sich in diesem Regelfall nicht. Haben allerdings die Altgesellschafter nach dem Gesellschaftsvertrag weniger zu bezahlen, als es dem Wert des Anteils des Verstorbenen entspricht, dann sind die Altgesellschafter bereichert. Gleiches gilt, wenn auf Grund einer Regelung im Gesellschaftsvertrag einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung der Geschäftsanteil eines Gesellschafters bei dessen Ausscheiden eingezogen wird, mit Blick auf das Verhältnis zwischen der einziehenden Gesellschaft und dem Abfindungsanspruch des Ausscheidenden. 532 Allerdings erfüllt diese Bereicherung nur dann den Tatbestand des § 7 Abs. 7 ErbStG, wenn die Ab-
findung unter dem Steuerwert des Anteils i.S.d. § 12 ErbStG liegt. Solche Abfindungsregelungen, die auch eine Abfindungsbeschränkung enthalten, finden sich grundsätzlich in Gesellschaftsverträgen personalistisch strukturierter Gesellschaften. Die Gründe hierfür sind, dass die Gesellschafter mit solchen Abfindungsbeschränkungen dafür Sorge tragen wollen, dass der Gesellschaft ausreichend Liquidität verbleibt und der Bestand der Gesellschaft unabhängig von einer Veränderung im Gesellschafterbestand gesichert bleibt.1 533 Aufgrund der Regelung des Bilanzrichtliniengesetzes hatte § 7 Abs. 7 ErbStG seit dem 1.1.1993 an
Bedeutung verloren. Die Wirtschaftsgüter des Betriebsvermögens wurden nach dem Bilanzrichtliniengesetz überwiegend nach den Werten der Steuerbilanz bewertet. Dadurch konnten sich Abweichungen zwischen Steuerwert und Abfindungsbetrag nur noch selten ergeben, insbesondere konnte dies der Fall sein, wenn sich Grundstücke im Betriebsvermögen befanden, darüber hinaus auch bei nicht notierten Anteilen an Kapitalgesellschaften. Faktisch musste der Abfindungsbetrag schon unterhalb der Buchwerte liegen, damit der Anwendungsbereich der Norm eröffnet war. Dieser Fall trat aber praktisch nicht auf. 534 Die Vorschrift ist nach Inkrafttreten des ErbStRG 20092 von überragender praktischer Bedeutung,
weil sich in den allermeisten Gesellschaftsverträgen mittelständischer Familienunternehmen Abfindungsklauseln finden, die eine Abfindung vom Verkehrswert beschränken bzw. in manchen Fällen sogar gänzlich ausschließen.3 Das ErbStRG hat die Steuerwerte jedoch nicht nur zweifelsfrei über die Buchwerte angehoben und den Verkehrswerten angenähert, sondern mitunter sogar noch über die Verkehrswerte hinaus gebracht. 3. Geltungsbereich und Verhältnis zu anderen Vorschriften 535 Da nach den Vorgaben des neuen Erbschaftsteuerrechts auch für Steuerzwecke der Verkehrswert als
maßgeblicher Anteilswert zu ermitteln ist, führt jede Abfindungsbeschränkung in den Anwendungsbereich des § 7 Abs. 7 ErbStG. Der Gesetzgeber hat die Verschärfung der Rechtslage bewusst in Kauf genommen. Nach seiner Ansicht sei es geboten, die Bereicherung der verbleibenden Gesellschafter der Erbschaft- bzw. Schenkungssteuer zu unterwerfen.4 536 Die Fallgestaltungen des § 7 Abs. 7 ErbStG finden sich insbesondere dann, wenn der Gesellschaftsver-
trag eine Abfindung zu Buchwerten vorsieht. Die Regelung ist jedoch auch auf alle anderen Fälle einer Abfindung unter den Steuerwerten anzuwenden. Sie gilt selbst dann, wenn eine Abfindung überhaupt ausgeschlossen ist. Gleichfalls gilt sie, wenn es nur noch einen verbliebenen Gesellschafter gibt, der die bisherige Gesellschaft nunmehr als Einzelunternehmer fortsetzt.5
1 2 3 4 5
Milatz/Kämper, GmbHR 2009, 471 (471 ff.). Gesetz zur Reform des Erbschaftsteuer- und Bewertungsrechts v. 24.12.2008, BGBl. I 2008, 3018. Schwind/Schwind, NWB 2009, 297. Bericht des Finanzausschusses v. 26.11.2008, BT-Drucks. 16/11107, 9, 10. R E 3.4 Abs. 2 ErbStR 2011.
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Ausscheiden zu Abfindung unter dem gemeinen Wert (Abs. 7)
Rz. 544 § 7 ErbStG
4. Rechtsentwicklung Die Sätze 1 und 2 des § 7 Abs. 7 ErbStG wurde mit der Parallelvorschrift bei den Erwerben von To- 537 des wegen (§ 3 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 ErbStG) mit dem Erbschaftsteuerreformgesetz 1974 (vgl. unter Rz. 10) neu in das ErbStG eingefügt. Korrespondierend zu § 10 Abs. 10 ErbStG ist § 7 Abs. 7 ErbStG durch das ErbStRG 2009 um einen Satz 3 mit Wirkung ab dem 1.1.2009 erweitert worden.
II. Inhalt der Vorschrift im Einzelnen Bei der Regelung des § 7 Abs. 7 ErbStG handelt es sich um eine gesetzliche Fiktion. Das Bewusstsein 538 der Unentgeltlichkeit ist daher nicht erforderlich.1 § 7 Abs. 7 ErbStG betrifft Anteile an einer Personengesellschaft oder an einer Kapitalgesellschaft.2
539
Ein Gesellschafter muss aus der Gesellschaft ausscheiden. Unter Ausscheiden ist das Verlassen der Ge- 540 sellschaft zu verstehen, die im Übrigen fortbesteht. Das Ausscheiden steht mithin im Gegensatz zur Auflösung der Gesellschaft, die die Liquidation des Gesellschaftsvermögens und die Beendigung des Gesellschaftsverbandes bewirkt.3 Nichtsdestotrotz wendet der BFH § 7 Abs. 7 ErbStG auch beim Ausscheiden eines Gesellschafters aus 541 einer zweigliedrigen Personengesellschaft an.4 Wortlaut und Sinn der gesetzlichen Regelung sprächen für dieses Ergebnis.5 Auch dann, wenn dies apodiktisch durch den BFH festgestellt worden ist, muss es nicht richtig sein. Der Wortlaut jedenfalls ist eindeutig. Ausscheiden bedeutet, dass ein Gesellschafter eine im Übrigen fortbestehende Gesellschaft verlässt. Scheidet ein Gesellschafter aus einer zweigliedrigen Personengesellschaft aus, dann gibt es diese aber nicht mehr. Selbst wenn der Sinn von § 7 Abs. 7 ErbStG so zu verstehen wäre, wie vom BFH behauptet, der Wortlaut der Vorschrift steht zweifelsfrei entgegen.6 Gleiches würde bei einer Ein-Personen-Kapitalgesellschaft gelten, denn auch hier kann der Gesellschafter nicht „ausscheiden“, ohne dass der Gesellschaftsverband aufgehoben wird.7 Der Rspr. des BFH insoweit folgend entschied das FG Rh.-Pf., dass in den Fällen, in denen ein Ge- 542 sellschafter einer zweigliedrigen Personengesellschaft beim Ausscheiden des Mitgesellschafters im Wege einer liquidationslosen Geschäftsübernahme neben dem Gesellschaftsvermögen (Gesamthandvermögen) auch das Sonderbetriebsvermögen des Ausscheidenden übernehme, hinsichtlich der Erwerbstatbestände zu differenzieren sei.8 Hinsichtlich des Gesamthandvermögens sei § 7 Abs. 7 Satz 1 ErbStG und bezüglich der Übernahme des Sonderbetriebsvermögens § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG einschlägig. Ob der Gesellschafter freiwillig oder unfreiwillig aus der Gesellschaft ausscheidet, spielt keine Rolle.9 543 Im Ergebnis beruht das Ausscheiden des Gesellschafters also auf einem gesellschaftsvertraglich oder gesetzlich vorgesehenen Ereignis, insbesondere der Kündigung des Gesellschaftsvertrags durch einen Gesellschafter oder dem gesellschaftsvertraglich vereinbarten Ausscheiden eines Gesellschafters wegen Erreichen einer Altersgrenze. Gleiches gilt bei Ausschließung des Gesellschafters aus der Gesellschaft. Mit dem Eintritt des Ereignisses verliert der Gesellschafter, in dessen Person das Ereignis eintritt, seine Gesellschafterstellung. Nach richtiger Auffassung setzt § 7 Abs. 7 Satz 1 ErbStG also voraus, dass bei einer Personengesell- 544 schaft der Übergang eines (Teil-)Gesellschaftsanteils auf die anderen Gesellschafter auf seinem Aus1 2 3 4 5 6 7 8 9
BFH v. 1.7.1992 – II R 12/90, BStBl. II 1992, 925, 927. H E 7.9 Satz 3 ErbStH 2011. Meincke16, § 7 ErbStG Rz. 143. BFH v. 1.7.1992 – II R 12/90, BStBl. II 1992, 925 (927); bestätigt durch BVerfG v. 9.7.1993 – 2 BvR 1527/92, HFR 1993, 595. BFH v. 1.7.1992 – II R 12/90, BStBl. II 1992, 925 (927); bestätigt durch BVerfG v. 9.7.1993 – 2 BvR 1527/92, HFR 1993, 595. So auch Meincke16, § 7 ErbStG Rz. 143. Fischer in F/J/P/W, § 7 ErbStG Rz. 546 (Stand: März 2014). FG Rh.-Pf. v. 11.3.1994 – 4 K 2109/93, EFG 1994, 893. H E 7.9 Satz 2 ErbStH 2011; Gebel in T/G/J, § 7 ErbStG Rz. 395 (Stand: Januar 2012).
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§ 7 ErbStG Rz. 545 Schenkungen unter Lebenden scheiden beruht. Im Personengesellschaftsrecht ist hiermit der sog. Anwachsungserwerb nach §§ 736 Abs. 1, 738 Abs. 1 Satz 1 BGB, §§ 131 Abs. 3 Sätze 1, 2, 161 Abs. 2 HGB gemeint, wonach der Anteil des ausgeschiedenen Gesellschafters den verbleibenden Gesellschaftern zuwächst und an seine Stelle der Auseinandersetzungsanspruch gem. § 738 Abs. 1 Satz 2 BGB tritt. Ein Übergang des Anteils auf die Personengesellschaft selbst erfolgt ebenfalls nicht, da ein Erwerb eigener Anteile im Personengesellschaftsrecht nicht möglich ist. Eine Personengesellschaft kann nicht ihr eigener Gesellschafter sein.1 545 Das Kapitalgesellschaftsrecht kennt nicht das Prinzip der Anwachsung. Hier kann ein Gesellschaf-
ter nach dem Gesellschaftsvertrag aus einer Kapitalgesellschaft ausscheiden, indem er entweder seinen Anteil – an die Mitgesellschafter – abtritt oder die Gesellschaft den Anteil des Gesellschafters einzieht. Im ersten Fall – sofern an Mitgesellschafter abgetreten wird – ist der Anwendungsbereich des § 7 Abs. 7 Satz 1 ErbStG eröffnet, also ähnlich wie bei der Personengesellschaft. Im zweiten Fall geht der Anteil jedoch mit der Einziehung unter.2 Aus diesem Grund greift nun nicht § 7 Abs. 7 Satz 1 ErbStG, sondern Satz 2. 546 Kommt es bei einer Kapitalgesellschaft zu einem Erwerb nach § 7 Abs. 7 Satz 1 ErbStG ist zu diffe-
renzieren, ob der Erwerb bei den Mitgesellschaftern oder bei der Kapitalgesellschaft selbst stattfindet. Denn nach der gesetzlichen Formulierung kann die Anwachsung sowohl bei den Mitgesellschaftern also auch bei der Gesellschaft selbst stattfinden. Und dass eine Kapitalgesellschaft eigene Anteile halten kann, ist unbestritten möglich. Bedeutung hat diese Differenzierung für die Frage nach Steuerklasse und daraus folgend Freibetrag. 547 In jedem Fall ist es erforderlich, dass der Anteil des ausscheidenden Gesellschafters entweder Mit-
gesellschafter anwächst oder – bei einer Kapitalgesellschaft – an Mitgesellschafter abgetreten bzw. von der Gesellschaft eingezogen wird. Wird der Anteil an einen Mitgesellschafter oder Dritten verschenkt oder verkauft, kann ein Erwerb nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG in Betracht kommen. Der Anwendungsbereich des § 7 Abs. 7 ErbStG ist bei einem derivativen Erwerb nie eröffnet.3 548 Die FinVerw. will § 7 Abs. 7 ErbStG auch dann anwenden, wenn ein Gesellschafter seine Beteiligung
nicht voll aufgibt und aus der Gesellschaft ausscheidet, sondern seine Beteiligung dadurch vermindert, dass er sukzessiv seine Beteiligung – gegen Zahlung einer Abfindung – aufgibt, so dass diese den Mitgesellschaftern anwächst.4 Zur Begründung stützt sich die FinVerw. auf die gesetzliche Formulierung, dass die Rechtsfolgen des § 7 Abs. 7 Satz 1 ErbStG auch dann eintreten sollen, wenn der „Teil eines Anteils“ des ausscheidenden Gesellschafters den verbleibenden Mitgesellschaftern anwächst. Durch diese Auslegung werde vermieden, dass die Steuerpflicht nach § 7 Abs. 7 ErbStG durch sukzessive Herabsetzung einer Beteiligung umgangen werde. 549 Auch die FinVerw. weist jedoch darauf hin, dass diese Rechtsfolge nur dann eintreten soll, sofern der
Teil, um den die Beteiligung gemindert wird, den verbleibenden Gesellschaftern oder der Gesellschaft zuwächst. Nicht unter § 7 Abs. 7 ErbStG falle hingegen die Anteilsreduzierung zugunsten eines bestimmten anderen Gesellschafters oder eines neu eintretenden Gesellschafters. Ob hier eine Schenkung oder, wenn der betreffende Gesellschafter eine Gegenleistung zu erbringen habe, eine gemischte Schenkung vorliege, bestimme sich dann nach der Vorschrift des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG. Richtigerweise müsste man aber dazu ergänzen, dass auch dann nur § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG in Betracht kommen kann, wenn nicht nur einem bestimmten anderen Gesellschaftern, sondern wenn überhaupt Mitgesellschaftern Anteile übertragen werden. Denn § 7 Abs. 7 Satz 1 ErbStG gilt nur beim Anwachsungserwerb. Im Ergebnis haben es die Beteiligten in einem solchen Fall also in der Hand, ob sie einen Erwerb nach § 7 Abs. 7 Satz 1 ErbStG oder nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG auslösen wollen. Im ersten Fall erwerben alle Mitgesellschafter kraft Gesetzes durch Anwachsung, im zweiten Fall kraft rechtsgeschäftlicher Übertragung.
1 2 3 4
Roth in Baumbach/Hopt37, § 105 HGB Rz. 30. Vgl. Fastrich in Baumbach/Hueck20, § 34 GmbHG Rz. 19. Vgl. BFH v. 20.1.2016 – II R 40/14, DStR 2016, 743. Vgl. FinMin. Saarl. v. 27.1.1987 – B/V-775/87-S 3806 A – koordinierter Ländererlass, DStR 1987, 205.
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Ausscheiden zu Abfindung unter dem gemeinen Wert (Abs. 7)
Rz. 554 § 7 ErbStG
Der Umfang der Bereicherung ergibt sich aus der Differenz zwischen dem Abfindungsanspruch des 550 Gesellschafters und dem Steuerwert des anteiligen Gesellschaftsanteils. Der Wert des Anteils ist zum Zeitpunkt des Ausscheidens zu ermitteln. Beispiel: G scheidet aus der Personengesellschaft mit A und B aus. Er erhält eine Abfindung in Höhe seines Kapitalkontos von 550 000 Euro. Der Steuerwert (= anteiliger Wert) der von ihm aufgegebenen Beteiligung beträgt 800 000 Euro. Lösung: Die Bereicherung von A und B beträgt 250 000 Euro (800 000 Euro ./. 550 000 Euro). Dieser Betrag entfällt je zur Hälfte auf A und B.
Soweit ein Erwerb nach § 7 Abs. 7 Satz 1 oder 2 ErbStG vorliegt, ist für den Schenker von Bedeutung, 551 dass er für die Steuer im Zeitpunkt der Ausführung der Zuwendung (§ 9 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG) entstehende Steuer neben dem Erwerber Gesamtschuldner ist (§ 20 Abs. 1 ErbStG).1 Mit Blick auf § 7 Abs. 7 Satz 1 und 2 ErbStG sollten Abfindungsregelungen in Gesellschaftsverträgen 552 gründlich überprüft werden. Vor allem sollten die in GmbH-Gesellschaftsverträgen oftmals zu findenden Zwangseinziehungsklauseln sachlich hinterfragt und ggf. durch Zwangsabtretungsklauseln ersetzt werden, denn im Falle der Einziehung von GmbH-Anteilen werden die Vergünstigungen für Betriebsvermögen nicht gewährt.2 Wird ein Gesellschafter nur zeitlich befristet aufgenommen und zahlt er hierfür eine Vergütung, die 553 unter dem Steuerwert des von ihm erworbenen Gesellschaftsanteils liegt, handelt es sich regelmäßig um eine gemischte Schenkung.3 Anderes kann jedoch dann gelten, wenn der erwerbende Gesellschafter verpflichtet ist, zu bestimmten, im Vorhinein festgelegten Bedingungen die Gesellschaft durch Übertragung seines Anteils oder Kündigung zu verlassen, sofern hierfür festgelegte Gründe vorliegen.4 Geck führt hierfür das sog. Managermodell an, bei dem ein leitender Mitarbeiter in das Unternehmer als Gesellschafter aufgenommen wird.5 Vergleichbar ist dies mit den sog. „nicht vollwertigen Beteiligungen“6. Eine solche liegt vor, wenn es beim Ausscheiden eines Gesellschafters nicht zu einer Vermögensumschichtung zwischen dem Ausscheidenden und den verbleibenden Gesellschaftern oder Gesellschaft kommt und wenn dies von vornherein gesellschaftsvertraglich so vereinbart war.7 Die Praxis verwendet hierfür häufig den neudeutschen Begriff der „Naked-in/naked-out-Abfindungsklausel“. Das FG Düsseldorf hatte zu einem solchen Fall ausgeführt, dass § 7 Abs. 7 Satz 1 ErbStG zwar eine gesetzliche Fiktion enthalte, dies aber nichts daran ändere, dass dennoch eine objektive Bereicherung der verbleibenden Gesellschafter oder der Gesellschaft erfolge müsse.8 Erforderlich für die Annahme einer Bereicherung sei eine Vermögensverschiebung, die sich auf die Vermögenssubstanz beziehen müsse.9 Hiervon könne jedenfalls dann nicht ausgegangen werden, wenn – wie im konkreten Streitfall – der Gesellschaftsvertrag vorsehe, dass der Anteil eines Gesellschafters bei seinem Ausscheiden – wegen Erreichens einer bestimmten Altersgrenze – zum Nennwert an einen Pooltreuhänder zu übertragen sei und diese die Aufgabe habe, die Geschäftsanteile bis zur Aufnahme neuer Poolmitglieder als fremdnütziger Treuhänder für die übrigen Poolmitglieder zu halten.10 Eine allgemeine Aussage zu „Naked-in/naked-out-Abfindungsklauseln“, also solchen, die ohne das 554 Treuhändermodell operieren, hat das FG Düsseldorf nicht getroffen.
1 Vgl. zuletzt BFH v. 4.3.2015 – II R 51/13, BStBl. II 2015, 1098 = FR 2015, 766 m. Anm. Richter/John = ErbStB 2015, 217. 2 Hübner/Maurer, ZEV 2009, 361 (366). 3 Geck in Kapp/Ebeling, § 7 ErbStG Rz. 199 (Stand: Juni 2015). 4 Geck in Kapp/Ebeling, § 7 ErbStG Rz. 199 (Stand: Juni 2015). 5 Geck in Kapp/Ebeling, § 7 ErbStG Rz. 199 (Stand: Juni 2015). 6 Meincke16, § 7 ErbStG Rz. 149. 7 Vgl. Meincke16, § 7 ErbStG Rz. 149. 8 FG Düsseldorf v. 13.11.2013 – 4 K 834/13 Erb, DStRE 2014, 548. 9 FG Düsseldorf v. 13.11.2013 – 4 K 834/13 Erb, DStRE 2014, 548. 10 FG Düsseldorf v. 13.11.2013 – 4 K 834/13 Erb, DStRE 2014, 548.
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§ 7 ErbStG Rz. 555 Schenkungen unter Lebenden 555 Die von der FinVerw. gegen die Entscheidung des FG Düsseldorf eingelegt Revision hatte beim
BFH keinen Erfolg.1 Zum Tatbestand des § 7 Abs. 7 Satz 1 ErbStG musste sich der BFH allerdings nicht äußern, weil das Finanzamt im konkreten Fall einen Schenkungsteuerbescheid gegen die Gesellschaft erlassen hatte. Diese war aber weder Erwerberin noch Schenkerin, so dass sie offensichtlich kein geeigneter Steuerschuldner nach § 20 Abs. 1 ErbStG gewesen sein konnte, was das Finanzamt wohl übersehen oder aber unzutreffend beurteilt hatte. 556 Zur Erinnerung: Mit dem ErbStRG 1974 (vgl. unter Rz. 497) wurde zeitgleich § 7 Abs. 5, 6 und 7
ErbStG neu in das Gesetz eingefügt. Zu § 7 Abs. 7 ErbStG heißt es in der Gesetzesbegründung: „Abs. 7 ist die Parallelvorschrift zu § 3 Abs. 1 Nr. 2. Sie ist erforderlich, weil solche gesellschaftsvertraglichen Regelungen außer für den Todesfall der Gesellschafter auch für den Fall ihres Ausscheidens zu Lebzeiten getroffen werden können. Vgl. wegen der sachlichen Berechtigung der Vorschrift die Ausführungen zu § 3 Abs. 1 Nr. 2“.2 557 In der Begründung zu § 3 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 ErbStG wird dann u.a. formuliert: „Es erscheint daher
aus Gründen der Steuergerechtigkeit geboten, die objektive Bereicherung, die ein Gesellschafter beim Tode eines Mitgesellschafters unmittelbar oder mittelbar aufgrund entsprechender gesellschaftsvertraglicher Vereinbarungen auf Kosten eines verstorbenen Gesellschafters erfährt, den Erwerben durch Schenkung auf den Todesfall zuzuordnen“.3 Was der Gesetzgeber also steuerlich erfassen wollte, das ist die „objektive Bereicherung“ der verbleibenden Gesellschafter. 558 Die Einführung des § 7 Abs. 5 ErbStG rechtfertigte der Gesetzgeber wie folgt: „Die neuen Vorschrif-
ten wollen lediglich ausschließen, dass die offenen und/oder stillen Reserven auf einem steuerlich nicht erfassbaren Umweg auf den Beschenkten übertragen werden. Dies kann zur Zeit dadurch erreicht werden, dass der Beschenkte zunächst nicht oder nur bedingt an den Reserven beteiligt wird, dass diese dann jedoch in den der Zuwendung folgenden Jahren nach und nach aufgelöst werden mit der Folge, dass sie dem Beschenkten über seine Gewinnbeteiligung anteilsmäßig zufließen“.4 „Abs. 5 bestimmt daher, dass in den Fällen des Buchstaben a die Reserven als auflösend bedingt erworben gelten. Dies bedeutet, dass sie nach § 12 Abs. 1 des Entwurfs i.V.m. § 5 BewG zunächst als Teil der geschenkten Geschäftsbeteiligung zur Schenkungsteuer herangezogen werden. Sofern beim späteren Eintritt der Bedingung die im Zeitpunkt der Ausführung der Schenkung vorhanden gewesenen offenen und/oder stillen Reserven noch vorhanden sein sollten und damit den anderen Gesellschaftern zufallen, können der Beschenkte oder seine Erben eine Berichtigung der Veranlagung nach § 5 Abs. 2 BewG beantragen. Die Schenkungsteuer ist in diesem Fall nach dem tatsächlichen Wert des Erwerbs neu festzusetzen. Ein überbezahlter Betrag wird dem Beschenkten bzw. seinen Erben erstattet.“ 559 Erhält also der „naked-in“ eintretende Gesellschafter seinen Anteil schenkweise mit der Maßgabe
übertragen, dass sein Ausscheiden auf dem gleichen Weg, also „naked-out“ (Buchwert seines Kapitalanteils) erfolgt, wird diese Maßgabe nach § 7 Abs. 5 ErbStG ignoriert und die Besteuerung wird so durchgeführt, als wenn es die Maßgabe nicht gäbe. Allerdings gilt die den Buchwert des Kapitalanteils übersteigende Bereicherung als auflösend bedingt erworben. Scheidet der Gesellschafter dann tatsächlich „naked-out“ aus der Gesellschafter aus, wird auf Antrag nach § 7 Abs. 5 Satz 2 ErbStG i.V.m. § 5 Abs. 2 BewG die ursprünglich vorgenommene Besteuerung geändert. Dies geschieht nach der gesetzgeberischen Intention deshalb, weil nun feststeht, dass der Ausscheidende eben über die Jahre seiner Beteiligung – entgegen dem ersten Anschein – doch noch an den stillen Reserven beteiligt wurde. Tatsächlich sind die stillen Reserven nämlich über die gesamte Dauer der Beteiligung des ausscheidenden Gesellschafters bei seinen Mitgesellschaftern oder der Gesellschaft verblieben. 560 Anknüpfend an den gesetzgeberischen Gedanken zu § 7 Abs. 5 ErbStG und dessen rechtlicher Um-
setzung kann für Zwecke des § 7 Abs. 7 ErbStG auch nur der Wert der Beteiligung des Ausscheidenden zugrunde gelegt werden, der durch ausscheidungsbedingtes Umschichten den verbleibenden Gesellschaftern oder der Gesellschaft auch tatsächlich zufließt.5 Und wenn dies der Buchwert des 1 2 3 4 5
BFH v. 4.3.2015 – II R 51/13, BStBl. II 2015, 672 = FR 2015, 766 m. Anm. Richter/John = ErbStB 2015, 217. BT-Drucks. VI/3418, 65. BT-Drucks. VI/3418, 62. BT-Drucks. VI/3418, 65. So auch Meincke16, § 7 Rz. 149.
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Schenkung durch Leistungen an Kapitalgesellschaften (Abs. 8)
Rz. 563 § 7 ErbStG
Kapitalanteils des ausscheidenden Gesellschafters ist, dann ist auch nur dieser als den Verbleibenden zufließende Bereicherung in Relation zur Abfindung zu setzen. Sollte sich dabei ein Saldo zugunsten der verbleibenden Gesellschafter ergeben, dann wäre dies insoweit nach § 7 Abs. 7 ErbStG zu erfassen. Durch das ErbStRG wurde mit Wirkung ab 1.1.2009 durch § 7 Abs. 7 Satz 3 ErbStG der Anwen- 561 dungsbereich auf die Fälle des § 10 Abs. 10 ErbStG erweitert. Danach gilt zunächst einmal: Überträgt ein Erbe ein auf ihn von Todes wegen übergegangenes Mitgliedschaftsrecht an einer Personengesellschaft oder Kapitalgesellschaft unverzüglich nach dessen Erwerb aufgrund einer im Zeitpunkt des Todes des Erblassers bestehenden Regelung im Gesellschaftsvertrag an die Mitgesellschafter und ist der Wert, der sich für seinen Anteil zur Zeit des Todes des Erblassers nach § 12 ErbStG ergibt, höher als der gesellschaftsvertraglich festgelegte Abfindungsanspruch, so gehört nur der Abfindungsanspruch zum Vermögensanfall. Gleiches gilt, wenn der Gesellschaftsvertrag einer Kapitalgesellschaft vorsieht, dass der Anteil des Erblassers eingezogen wird und der Steuerwert dieses Anteils höher ist als der gesellschaftsvertraglich festgelegte Abfindungsanspruch. § 7 Abs. 7 Satz 3 ErbStG blickt nun auf die Besteuerung der Mitgesellschafter und ordnet an, dass die Fiktion des § 7 Abs. 7 ErbStG auch in diesen Fällen hinsichtlich der Differenz zwischen Steuerwert des Anteils und zu zahlender Abfindung gilt.
Q. Schenkung durch Leistungen an Kapitalgesellschaften (Abs. 8) Literatur: Binnewies, Zuwendungen zwischen Gesellschafter und Gesellschaft – Ertrag- und schenkungsteuerliche Aspekte; GmbH-StB 2012, 343; Fischer, Die Neuregelung des § 7 Abs. 8 ErbStG durch das BeitrRLUmsG, ZEV 2012, 77; Förster/Walla, Disquotale Einlagen bei personenbezogenen Kapitalgesellschaften, FR 2015, 961; Friz/ Grünwald, Disquotale Gesellschafts- und Gesellschafterleistungen im Schenkungsteuerrecht – quo vadis? FR 2012, 911; Holthusen, Streitfragen im Rahmen der Neuregelung des § 7 Abs. 8 ErbStG, ZEV 2016, 311; Kahlert/Schmidt, Löst ein Forderungsverzicht zu Sanierungszwecken nach § 7 Abs. 8 ErbStG Schenkungsteuer aus?, DStR 2012, 1208; Korezkij, Schenkungen unter Beteiligung von Kapitalgesellschaften, DStR 2012, 163; Korezkij, Schenkungen unter Beteiligung von Kapitalgesellschaften nach den Ländererlassen vom 14.3.2012, ZEV 2012, 303; van Lishaut/ Ebber/Schmitz, Die schenkung- und ertragsteuerliche Behandlung disquotaler Einlagen und disquotaler Gewinnausschüttungen, Ubg 2012, 1; Loose, Schenkungen unter Beteiligung von Kapitalgesellschaften (§ 7 Abs. 8 ErbStG), GmbHR 2013, 561; Milatz/Bockhoff, Mögliche Gestaltungen zur Vermeidung der Schenkungsfiktion des § 7 Abs. 8 Satz 1 ErbStG, ErbStB 2013, 15; Milatz/Herbst, Disquotale Einlagen gemäß § 7 Abs. 8 ErbStG, ZEV 2012, 21; Riedel, GmbH und Schenkungsteuer: § 7 Abs. 8 ErbStG, ErbStB 2012, 302; Schulte/Petschulat, Die subjektive Seite der disquotalen Einlage im Schenkungstuerrecht – § 7 Abs. 8 S. 1 ErbStG, BB 2013, 471; H.-U. Viskorf, Schenkungsteuer bei Leistungen zwischen einer Kapitalgesellschaft und ihren Gesellschaftern oder Dritten, ZEV 2012, 442; St. Viskorf/Haag/Kerstan, Verdeckte Einlagen und verdeckte Gewinnausschüttungen im Schenkungsteuerrecht, NWB 2012, 927.
I. Grundaussagen der Vorschrift 1. Regelungsgegenstand Als Schenkung gilt nach § 7 Abs. 8 Satz 1 ErbStG die Werterhöhung von Anteilen an einer Kapitalge- 562 sellschaft, die eine an der Gesellschaft unmittelbar oder mittelbar beteiligte natürliche Person oder Stiftung (Bedachte) durch die Leistung einer anderen Person (Zuwendender) an die Gesellschaft erlangt. Nach § 7 Abs. 8 Satz 2 ErbStG gilt dies grundsätzlich auch bei Zuwendungen zwischen Kapitalgesellschaften. Diese sind jedoch nur freigebig, soweit sie in der Absicht getätigt werden, Gesellschafter zu bereichern und soweit an diesen Gesellschaften nicht unmittelbar oder mittelbar dieselben Gesellschafter zu gleichen Anteilen beteiligt sind. § 7 Abs. 8 Satz 4 ErbStG eröffnet den Regelungsgehalt der Sätze 1 und 2 für Genossenschaften. 2. Bedeutung und Telos § 7 Abs. 8 ErbStG besteuert die Werterhöhung der Anteile eines Gesellschafters als Reflex einer dis- 563 quotalen Einlage eines anderen Gesellschafters oder eines Dritten. Die Vorschrift soll den Missbrauch Loose
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§ 7 ErbStG Rz. 564 Schenkungen unter Lebenden von Gesellschaften als „Vehikel“ der Umgehung von Schenkungsteuer in einer bestimmten Konstellation beseitigen.1 Der Wortlaut des § 7 Abs. 8 ErbStG geht jedoch weit über seinen eigentlichen Zweck hinaus. Durch die Fiktion einer freigebigen Zuwendung erfasst er Werterhöhungen durch Leistungen an Kapitalgesellschaften, die nicht in der Absicht erbracht wurden, den Wert der Anteile zu erhöhen. 564 § 7 Abs. 8 ErbStG ist als Reaktion auf die Entscheidung des BFH vom 9.12.20092 in das Gesetz ein-
gefügt worden. Nach Ansicht des BFH sind Leistungen eines Gesellschafters an die Gesellschafter nicht zugleich als unentgeltliche Leistungen an seine Mitgesellschafter anzusehen.3 Das folgt aus dem Charakter der Erbschaft- und Schenkungsteuer als Verkehrsteuer, wonach allein auf die Zivilrechtslage abzustellen ist.4 Erhöht sich der Wert der GmbH-Beteiligung eines Gesellschafters dadurch, dass ein anderer Gesellschafter Vermögen in die GmbH einbringt, ohne eine dessen Wert entsprechende Gegenleistung zu erhalten, liegt nach Ansicht des BFH keine freigebige Zuwendung des einbringenden Gesellschafters an den anderen Gesellschafter vor. Wegen der rechtlichen Eigenständigkeit des Gesellschaftsvermögens der GmbH5 fehlt es in einem solchen Fall an einer zivilrechtlichen Vermögensverschiebung zwischen den Gesellschaftern. 565 Der BFH folgte ausdrücklich nicht der bis dahin geltenden, in R 18 Abs. 3 ErbStR 2003 zum Aus-
druck kommenden Auffassung der Finanzverwaltung. Nach § 18 Abs. 1 ErbStR 2003 lag in der Leistung eines Gesellschafters an eine Gesellschaft eine freigebige Zuwendung an einen oder mehrere andere Gesellschafter, wenn der Leistende mit seiner Zuwendung das Ziel verfolgte, diese durch die Werterhöhung der Gesellschaftsrechte unentgeltlich zu bereichern. Erforderlich war nach Ansicht der Finanzverwaltung, dass der Gesellschafter mit seiner Leistung nicht nur die Förderung des Gesellschaftszwecks, sondern zumindest auch eine freigebige Zuwendung an Mitgesellschafter beabsichtigte. Dabei ging die Finanzverwaltung von folgenden Grundsätzen aus: Standen sich die verschiedenen Gesellschafter als fremde Dritte gegenüber, war regelmäßig davon auszugehen, dass die Leistung an die Gesellschaft allein der Förderung des Gesellschaftszwecks dienen soll. Handelte es sich bei den Gesellschaftern hingegen um Angehörige i.S.d. § 15 AO, um Lebenspartner oder Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft oder bestanden sonst verwandtschaftliche Beziehungen, war regelmäßig davon auszugehen, dass eine Werterhöhung der Anteile der anderen Gesellschafter beabsichtigt war. 566 Die Entscheidung des BFH rief die Finanzverwaltung und den Gesetzgeber auf den Plan. Es galt Ge-
staltungen zu vermeiden, die es einem Schenker ermöglichten, einen an der GmbH beteiligten Angehörigen über die Werterhöhung seiner GmbH-Anteile zu bereichern, ohne dass die Werterhöhung der Schenkungsteuer unterworfen werden konnte. Die Finanzverwaltung folgte zwar zunächst der Rechtsauffassung des BFH,6 allerdings nur bis zum Inkrafttreten der zu diesem Zeitpunkt bereits geplanten Gesetzesänderung. Nach der Gesetzesbegründung7 soll die Neuregelung die Grundsätze der Rechtsprechung des BFH8 zur Behandlung von Schenkungen im Zusammenhang mit Beteiligungen an Kapitalgesellschaften aufgreifen und fortentwickeln. Tatsächlich handelt es sich bei der Regelung jedoch um ein klassisches Nichtanwendungsgesetz.9 Das ergibt sich aus der weiteren Gesetzesbegründung, wonach durch die Einführung des § 7 Abs. 8 ErbStG eine durch die Rechtsprechung des BFH eingetretene Besteuerungslücke geschlossen und „eine gleichheitsgerechte Besteuerung von Schenkungen“ sichergestellt werden sollte.10
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Loose, GmbHR 2013, 561. BFH v. 9.12.2009 – II R 28/08, BFHE 228, 169 = BStBl. II 2010, 566. BFH v. 9.12.2009 – II R 28/08, BFHE 228, 169 = BStBl. II 2010, 566. BFH v. 29.11.2006 – II R 42/05, BFHE 215, 529 = BStBl. II 2007, 319; v. 7.11.2007 – II R 28/06, BFHE 218, 414 = BStBl. II 2008, 258. Vgl. allgemein Hey in Tipke/Lang, Steuerrecht22 § 11 Rz. 1. Gleich lautende Erlasse v. 20.10.2010, BStBl. I 2010, 1207. BR-Drucks. 253/11, 34. BFH v. 9.12.2009 – II R 28/08, BFHE 228, 169 = BStBl. II 2010, 566; v. 7.11.2007 – II R 28/06, BFHE 218, 414 = BStBl. II 2008, 258. Viskorf, ZEV 2012, 442 (443); Korezkij, DStR 2012, 163 (164); Loose, GmbHR 2013, 561 (563). BR-Drucks. 253/11, 34; Viskorf, ZEV 2012, 442 (443); v. Lishaut/Ebber/Schmitz, Ubg. 2012, 1 (3).
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Schenkung durch Leistungen an Kapitalgesellschaften (Abs. 8)
Rz. 570 § 7 ErbStG
§ 7 Abs. 8 Satz 1 ErbStG enthält eine gesetzliche Fiktion. Auf eine Freigebigkeit kommt es – anders 567 als in R 18 Abs. 3 ErbStR 2003 – nicht mehr an. Die Vorschrift unterscheidet auch nicht zwischen nahen Angehörigen und Dritten, die mit den Gesellschaftern lediglich in geschäftlichen Beziehungen stehen. Damit geht der Wortlaut des § 7 Abs. 8 ErbStG selbst der Finanzverwaltung, die die Vorschrift initiiert hat, zu weit. In zeitnah ergangenen Ländererlassen1 engt sie selbst den Anwendungsbereich der Norm ein. Nur so ist zu erklären, dass bislang noch keine Verfahren bei den Finanzgerichten zur Präzisierung der Vorschrift anhängig sind. 3. Geltungsbereich und Verhältnis zu anderen Vorschriften § 7 Abs. 8 ErbStG begründet einen eigenen Tatbestand freigebiger Zuwendung, losgelöst von den Vo- 568 raussetzungen einer freigebigen Zuwendung nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG. Maßgeblich ist nach dem Wortlaut allein die durch die Leistung an die Gesellschaft objektiv eingetretene Werterhöhung. Ob die Vorschrift ihrem Zweck nach auf solche Leistungen einzuengen ist, die in Bereicherungsabsicht erfolgen und bei denen die Werterhöhung als unvermeidbarer „Kollateralschaden“2 einzuordnen ist, ist bislang noch nicht entschieden. Die ganz überwiegende Auffassung in der Literatur3 vertritt diese Auffassung, ohne im Einzelnen zu begründen, ob die Voraussetzungen für eine sog. teleologische Reduktion, also einer am Zweck der Norm orientierten, vom Wortlaut abweichenden Einengung des Anwendungsbereichs der Vorschrift4 überhaupt erfüllt sind, s. Rz. 583. Die Finanzverwaltung hat in den Ländererlassen5 eine pragmatische Lösung gefunden, indem sie bestimmte, nach dem Wortlaut der Vorschrift steuerbare Rechtsvorgänge nicht aufgreift und keiner Besteuerung zuführt. Dies mag den Praktiker freuen, ist jedoch unter rechtsstaatlichen Gesichtspunkten mehr als bedenklich. 4. Rechtsentwicklung § 7 Abs. 8 ErbStG wurde durch Art. 11 Nr. 2 des BeitrRLUmsG vom 7.12.20116 mit Wirkung ab 569 dem 14.12.2011 neu eingefügt.7
II. Tatbestandsvoraussetzungen 1. Fiktion einer freigebigen Zuwendung Bei der Regelung des § 7 Abs. 8 ErbStG handelt es sich um eine gesetzliche Fiktion („als freigebige 570 Schenkung gilt“). Es ist für die Erfüllung des Tatbestands nicht erforderlich, dass der Leistende in dem Bewusstsein der Unentgeltlichkeit handelt.8 Nach § 7 Abs. 8 Satz 2 ErbStG sind (werterhöhende) Zuwendungen unter Kapitalgesellschaften steuerbar, soweit sie in der Absicht getätigt werden, Gesellschafter zu bereichern, vorausgesetzt, an den beteiligten Gesellschaften sind nicht unmittelbar oder mittelbar dieselben Gesellschafter zu gleichen Anteilen beteiligt. Satz 2 verlangt somit im Gegensatz zu Satz 1 eine Bereicherungsabsicht. Dadurch soll ausgeschlossen werden, dass bloße konzerninterne Umschichtungen steuerbar werden.9
1 Vgl. gleich lautende Erlasse v. 14.3.2012, BStBl. I 2012, 331. 2 Loose in Kapp/Ebeling, § 7 ErbStG Rz. 233 (Stand: Juni 2015). 3 Vgl. Binnewies, GmbH-StB 2012, 343 ff.; Korezkij, DStR 2012, 163 ff.; Viskorf, ZEV 2012, 442 ff.; Milatz/Bockhoff, ErbStB 2013, 15 ff.; Schulte/Petschulat, BB 2013, 471; Holthusen, ZEV 2016, 311 ff. 4 Vgl. Drüen in Tipke/Kruse, § 4 AO Rz. 381 f. (Stand: Oktober 2011). 5 Gleich lautende Erlasse v. 14.3.2012, BStBl. I 2012, 331. 6 BGBl. I 2011, 2592. 7 Zur Rechtslage vor dem 14.12.2011 vgl. Geck in Kapp/Ebeling, § 7 ErbStG Rz. 221 ff. (Stand: Juni 2015). 8 Gleich lautende Erlasse v. 14.3.2012, BStBl. I 2012, 331; v. Lishaut/Ebber/Schmitz, Ubg 2012, 1 (7); Korezkij, ZEV 2012, 303 (307); Korezkij, DStR 2012, 163 (166). 9 BT-Drucks. 17/7524, 20 f.; Holthusen, ZEV 2016, 311.
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§ 7 ErbStG Rz. 571 Schenkungen unter Lebenden 2. Leistung (Abs. 8 Satz 1) 571 Der Begriff der Leistung ist in § 7 Abs. 8 Satz 1 ErbStG nicht näher eingegrenzt. Er umfasst daher
grundsätzlich jede zielgerichtete Handlung, die zu einer Mehrung des Vermögens der Kapitalgesellschaft oder Genossenschaft führt. Dazu gehören z.B. offene und verdeckte Einlagen, Umwandlungsvorgänge und der Verzicht auf Forderungen, insbesondere der Verzicht auf Gesellschafterdarlehen. In einem zweiten Schritt ist zu prüfen, ob die Leistung an die Kapitalgesellschaft oder Genossenschaft zu einer Werterhöhung der Anteile der anderen Gesellschafter geführt hat. Deshalb sind von vornherein vom Tatbestand solche Leistungen ausgeschlossen, die bereits ertragsteuerlich nicht das Vermögen der Gesellschaft mehren. Diese können auch nicht mittelbar zu einer Werterhöhung der Anteile der übrigen Gesellschafter führen. Deshalb sind z.B. Nutzungseinlagen oder die unentgeltliche Arbeits- oder Dienstleistung eines Gesellschafters nicht von § 7 Abs. 8 Satz 1 erfasst, denn sie führen zu keiner Erhöhung des Unternehmenswerts.1 572 Bei der Gründung einer Kapitalgesellschaft konnte bereits nach früherer Rechtsprechung eine frei-
gebige Zuwendung i.S. § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG angenommen werden, wenn ein Gesellschafter seine Stammeinlage erbringt, ohne dafür eine gleichwertige Kapitalbeteiligung zu erhalten.2 In diesem Fall bilden die Vereinbarungen ein einheitliches Rechtsgeschäft mit der Folge, dass die Mitgesellschafter ihren Geschäftsanteil an der Kapitalgesellschaft mit dem gemeinen Wert nach der Einbringung des Unternehmens in die Kapitalgesellschaft vom einbringenden Gesellschafter geschenkt erhalten.3 Dasselbe gilt, wenn im Zuge einer Kapitalerhöhung Dritte zur Übernahme neuer Geschäftsanteile zugelassen werden. Sie sind mit der Eintragung der Kapitalerhöhung in das Handelsregister auf Kosten der Altgesellschafter bereichert, wenn der gemeine Wert der neuen Geschäftsanteile die jeweils zu leistenden Einlagen übersteigt.4 Voraussetzung dafür war bis zur Einführung des § 7 Abs. 8 ErbStG eine entsprechende Bereicherungsabsicht. Diese ist nach dem Wortlaut des § 7 Abs. 8 ErbStG in vergleichbaren Fällen nicht mehr erforderlich. 573 Erwirbt ein Gesellschafter im Rahmen einer Kapitalerhöhung neue Anteile an einer Kapitalgesell-
schaft gegen eine Einlage, die den Wert der Anteile übersteigt, war nach früherer Rechtsprechung keine freigebige Zuwendung i.S.d. § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG an die übrigen Gesellschafter anzunehmen. Es fehlte insoweit an der erforderlichen Vermögensverschiebung, d.h. eine Vermögensminderung auf der Seite des Schenkers und eine Vermögensmehrung auf der Seite des Beschenkten.5 Da im Anwendungsbereich des § 7 Abs. 8 ErbStG nunmehr die Leistung an die Gesellschaft, die – mittelbar – zu einer Werterhöhung bei den Gesellschaftern führt als freigebige Zuwendung gilt (gesetzliche Fiktion), werden Leistungen im Rahmen einer Kapitalerhöhung vom Anwendungsbereich des § 7 Abs. 8 erfasst. Dasselbe soll nach Ansicht der Finanzverwaltung für den umgekehrten Fall gelten, bei dem ein Gesellschafter im Rahmen einer Kapitalerhöhung neue Anteile gegen eine nach Maßgabe der Wertverhältnisse zu geringe Einlage erwirbt. In einem solchen Fall soll der Gesellschafter mit der Eintragung im Handelsregister auf Kosten der anderen Gesellschafter bereichert sein.6 § 7 Abs. 8 ErbStG erfasst jedoch nicht jede Werterhöhung der Anteile anderer Gesellschafter. Erforderlich ist, dass diese auf einer Leistung der anderen Gesellschafter oder eines dritten beruht. In diesem Fall könnte die Leistung der anderen Gesellschafter in dem Verzicht auf eine entsprechende Ausgleichzahlung des Gesellschafters gesehen werden. Voraussetzung dafür ist jedoch ein gesellschaftsrechtlicher Anspruch auf eine solche Ausgleichszahlung.
1 Fischer, ZEV 2012, 77 (81 f.); Geck in Kapp/Ebeling, § 7 ErbStG Rz. 235 (Stand: Juni 2015); a.A. gleich lautende Erlasse v. 14.3.2012, BStBl. I 2012, 331 Tz. 3.3.1. 2 BFH v. 12.7.2005 – II R 8/04, BFHE 210, 474 = BStBl. II 2005, 845. 3 BFH v. 12.7.2005 – II R 8/04, BFHE 210, 474 = BStBl. II 2005, 845. 4 BFH v. 27.8.2014 – II R 43/12, BFHE 246, 506 = BStBl. II 2015, 241. 5 BFH v. 7.11.2007 – II R 28/06, BFHE 218, 414 = BStBl. II 2008, 258; v. 9.12.2009 – II R 28/08, BFHE 228, 169, BStBl. II 2010, 566. 6 Gleich lautende Erlasse v. 14.3.2012, BStBl. I 2012, 331 Tz. 3.3.4.
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Schenkung durch Leistungen an Kapitalgesellschaften (Abs. 8)
Rz. 576 § 7 ErbStG
3. Zuwendender § 7 Abs. 8 ErbStG ist nicht auf Zuwendungen von nahen Angehörigen oder der Gesellschafter an die 574 Kapitalgesellschaft beschränkt, sondern umfasst kraft Legaldefinition alle Leistungen anderer Personen als diejenigen, die durch die Leistung eine Werterhöhung ihrer Anteile erfahren. Damit geht der Wortlaut entschieden zu weit, denn er erfasst sogar Leistungen von Kunden der Gesellschaft im Rahmen normaler Geschäftsbeziehungen, denn es fehlt die Bereicherungsabsicht als korrigierendes Tatbestandsmerkmal.1 Den Begriff des Zuwendenden jedoch entgegen dem Wortlaut so auszulegen, dass er neben Gesellschaftern nur solche Personen erfasst, die wie nahe Angehörige i.S.d. § 15 AO zum Gesellschafter in einem persönlichen Näheverhältnis stehen,2 ist dogmatisch nicht vertretbar. Auch wenn eine solche an die frühere Auffassung der Finanzverwaltung3 anschließende Auslegung praxisnah wäre, ließe sie den im Wortlaut der Norm klar zum Ausdruck kommenden Willen des Gesetzgebers, den Personenkreis weiter zu fassen, außer Acht. Die Finanzverwaltung lässt derzeit nicht erkennen, welche Leistungen Dritter im Rahmen des § 7 Abs. 8 Satz 1 ErbStG zukünftig aufgegriffen werden. Das macht die Anwendung der Norm in der Praxis völlig unberechenbar.4 Möglicherweise werden bei Leistungen von Dritten oder Gesellschaftern, die nicht nahe Angehörige i.S.d. § 15 AO sind, einfach die in R 18 Abs. 3 ErbStR 2003 aufgestellten Regeln für die Annahme einer freigebigen Zuwendung herangezogen. Danach sollten Leistungen Dritter grundsätzlich durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst sein und daher nicht der Schenkungsteuer unterliegen, wenn nicht besondere Umstände eine andere Würdigung nahelegen. Dasselbe muss für geschäftliche Beziehungen mit Dritten gelten. 4. Werterhöhung Die Leistung des Gesellschafters oder eines Dritten muss zu einer Werterhöhung der Anteile der an- 575 deren Gesellschafter geführt haben. Danach sind quotalen Einlagen oder sonstigen Leistungen eines Gesellschafters, die entsprechend seinem und dem Anteil der anderen Gesellschafter allen gleichmäßig zugutekommen, nicht von § 7 Abs. 8 ErbStG erfasst. Etwas anderes gilt für Leistungen eines Dritten, der nicht zugleich Gesellschafter ist, sofern dieser für seine Leistung keine entsprechenden Anteile an der Gesellschaft erlangt. In diesem Fall erfasst § 7 Abs. 8 ErbStG auch quotale Einlagen. Verzichtet z.B. der Vater auf eine Darlehensforderung gegenüber einer Gesellschaft, an der seine Kinder als Gesellschafter beteiligt sind, gilt die entsprechende (quotale) Werterhöhung der Anteile der Gesellschafter nach § 7 Abs. 8 ErbStG als Schenkung. Da § 7 Abs. 8 ErbStG jedoch weder auf nahe Angehörige beschränkt ist noch auf eine Bereicherungsabsicht abstellt, erfasst § 7 Abs. 8 ErbStG auch die Werterhöhung z.B. durch den Forderungsverzicht einer Bank zur Sanierung der Gesellschaft. Die Finanzverwaltung versucht diesem weiten Anwendungsbereich der Norm mit einer einschränkenden Auslegung zu begegnen, s. Rz. 583 ff. 5. Anwendung der §§ 13a und 13b ErbStG Die Werterhöhung eines Gesellschaftsanteils wird vom Wortlaut des § 13b ErbStG nicht erfasst und 576 unterliegt folglich nicht der Begünstigung des Betriebsvermögens.5 Davon zu unterscheiden ist die Frage, ob es wünschenswert wäre, die Vorschriften über die Begünstigung des Betriebsvermögens auch auf Schenkungen i.S. § 7 Abs. 8 ErbStG anzuwenden.6 Etwas anderes kann gelten, wenn ein qualifizierter Gesellschaftsanteil an einer Kapitalgesellschaft im Wege einer disquotalen Gesellschaftereinlage zugewandt wird. Nach Auffassung des BFH steht der Anwendbarkeit der Steuervergünstigungen nach § 13a ErbStG nicht entgegen, dass der neue Gesellschafter in solchen Fällen den Anteil mit Eintragung der
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Loose, GmbHR 2013, 562 (563). Geck in Kapp/Ebeling, § 7 ErbStG Rz. 236 (Stand: Juni 2015). Vgl. R 18 Abs. 3 ErbStR 2003; s. Rz. 565. Loose, GmbHR 2013, 562 (563). Korezkij, DStR 2012, 163 (165); Geck in Kapp/Ebeling, § 7 ErbStG Rz. 236 (Stand: Juni 2015); gleich lautende Erlasse v. 14.3.2012, BStBl. I 2012, 331 Tz. 3.5. 6 Milatz/Herbst, ZEV 2012, 21 (23); Viskorf/Haag, DStR 2012, 1166 (1168); Holthusen, ZEV 2016, 311 (315).
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§ 7 ErbStG Rz. 577 Schenkungen unter Lebenden Kapitalerhöhung in das Handelsregister originär erwirbt.1 Gegenstand der Zuwendung der Altgesellschafter an den Neugesellschafter sei der neue Geschäftsanteil. Entscheidend sei, in welcher Höhe die Altgesellschafter vor der Kapitalerhöhung am Nennkapital der Kapitalgesellschaft unmittelbar beteiligt gewesen seien.2 577 Überträgt man diese Rechtsprechung auf den Anwendungsbereich des § 7 Abs. 8 ErbStG, stellt sich
die Frage, ob dieser den Anwendungsbereich des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG als lex specialis ausschließt.3 Es ist stets zu prüfen, was Gegenstand der Zuwendung ist. Ist der Gesellschaftsanteil selbst zugewandt, dürfte der Anwendung der Vorschriften über die Begünstigung des Betriebsvermögens auch im Anwendungsbereich des § 7 Abs. 8 ErbStG nichts im Wege stehen. Abschließend wird dies erst im Rahmen eines gerichtlichen Verfahrens geklärt werden können. Für die Beratung ist die gegenteilige Auffassung der Finanzverwaltung, die eine Anwendung der Vorschriften über die Begünstigung des Betriebsvermögens im Anwendungsbereich des § 7 Abs. 8 ErbStG generell ausschließt,4 zu beachten. 6. Zuwendungen zwischen Kapitalgesellschaften (Abs. 8 Satz 2) 578 Nach § 7 Abs. 8 Satz 2 ErbStG sind auch Zuwendungen zwischen Kapitalgesellschaften freigebig, so-
weit sie in der Absicht getätigt werden, Gesellschafter zu bereichern und soweit an diesen Gesellschaften nicht unmittelbar oder mittelbar dieselben Gesellschafter zu gleichen Anteilen beteiligt sind. Die Vorschrift ergänzt Satz 1 in den Fällen, in denen die Zuwendung zwischen Kapitalgesellschaften erfolgt. Daraus kann nicht geschlossen werden, dass § 7 Abs. 8 Satz 2 ErbStG die Steuerpflicht der verdeckten Gewinnausschüttung regelt.5 579 § 7 Abs. 8 Satz 2 ErbStG verlangt im Gegensatz zu Satz 1 der Vorschrift eine Bereicherungsabsicht.
Dadurch soll ausgeschlossen werden, dass bloße konzerninterne Umschichtungen steuerbar werden.6 Die Bereicherungsabsicht ist ein steuerbegründendes Tatbestandbestandsmerkmal. Es gelten die allgemeinen Grundsätze. Folglich trägt die Finanzverwaltung die objektive Feststellungslast, falls sich die Bereicherungsabsicht nicht feststellen lässt.7 580 § 7 Abs. 8 Satz 2 ErbStG greift nicht, soweit die Beteiligung an den Kapitalgesellschaften nicht identisch
ist. Im Umkehrschluss ist nach dieser Vorschrift eine Schenkung anzunehmen, wenn die Beteiligungsverhältnisse nicht genau übereinstimmen. Umstritten ist die Ermittlung der Bemessungsgrundlage in den Fällen, in denen die Beteiligungsverhältnisse in den Kapitalgesellschaften voneinander abweichen. Nach Auffassung der Finanzverwaltung ist die Werterhöhung der Anteile nur in der Höhe zu versteuern, in der die Anteile voneinander abweichen. 581 Beispiel:8 Vater V ist zu 100 % Gesellschafter der V-GmbH. Er ist zugleich zu 40 % Gesellschafter der VS-GmbH, an der sein Sohn S die anderen 60 % hält. V veranlasst die von ihm beherrschte V-GmbH dazu, der VS-GmbH ein Grundstück um 100 000 Euro günstiger zu verkaufen.
582 Nach Ansicht der Finanzverwaltung beträgt die Bemessungsgrundlage 60 % der Werterhöhung der
Anteile des S an der VS-GmbH, da in dieser Höhe die Beteiligungsverhältnisse an beiden Gesellschaften voneinander abweichen.9 Nach anderer Ansicht soll Werterhöhung der Anteile in voller Höhe zu berücksichtigen sein, denn der Wortlaut sieht eine Einschränkung, wie die Finanzverwaltung sie vornimmt, nicht vor.10 Vor einer entsprechenden Vereinbarung sollte eine verbindliche Auskunft eingeholt werden. Problematisch ist jedoch, dass die Werterhöhung aufgrund einer verdeckten Ge1 2 3 4 5 6 7 8 9 10
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BFH v. 27.8.2014 – II R 43/12, BFHE 246, 506 = BStBl. II 2015, 241; krit. dazu Wachter, ZEV 2015, 53. BFH v. 27.8.2014 – II R 43/12, BFHE 246, 506 = BStBl. II 2015, 241. Holthusen, ZEV 2016, 311 (315). Gleich lautende Erlasse v. 14.3.2012, BStBl. I 2012, 331 Tz. 3.5. Geck in Kapp/Ebeling, § 7 ErbStG Rz. 241 (Stand: März 2016). BT-Drucks. 17/7524, 20 f.; Holthusen, ZEV 2016, 311. Geck in Kapp/Ebeling, § 7 ErbStG Rz. 241 (Stand: März 2016). Nachgebildet: gleich lautende Erlasse v. 14.3.2012, BStBl. I 2012, 331 Tz. 4.1. Gleich lautende Erlasse v. 14.3.2012, BStBl. I 2012, 331, Tz. 4.1.; ebenso Holthusen, ZEV 2016, 311 (315). Vgl. Korezkij, DStR 2012, 163 (165), mit weiteren Beispielsfällen.
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Schenkung durch Leistungen an Kapitalgesellschaften (Abs. 8)
Rz. 586 § 7 ErbStG
winnausschüttung (im Beispielsfall: verbilligte Grundstücksüberlassung) häufig erst im Rahmen einer Betriebsprüfung aufgedeckt wird. Umso wichtiger ist es, die Wertveränderungen vor und nach dem den Tatbestand des § 7 Abs. 8 Satz 2 ErbStG auslösenden Vorgang zu dokumentieren.1
III. Teleologische Reduktion des Abs. 8 1. Voraussetzungen einer teleologischen Reduktion Sämtliche Literaturstimmen und selbst die Finanzverwaltung, die die Einführung des § 7 Abs. 8 583 ErbStG maßgeblich initiiert hat, gehen davon aus, dass der Gesetzgeber den Wortlaut des § 7 Abs. 8 S. 1 ErbStG viel zu weit gefasst hat. Die Finanzverwaltung hat daher in gleich lautenden Erlassen die Vorschrift selbstständig teleologisch reduziert und bestimmte Fallgruppen aus der Besteuerung herausgenommen.2 Ein bemerkenswerter Umstand, der seinesgleichen sucht und über den Einzelfall hinaus Fragen nach dem Zusammenspiel zwischen Legislative und Exekutive aufwirft.3 Nach vielfach vertretener Ansicht in der Literatur sollen diejenigen Fälle, bei denen aufgrund klarer 584 Absprachen der Beteiligten auszuschließen ist, dass die Zuwendung, die zu einer Werterhöhung führt, in der Absicht geschehen ist, den anderen Gesellschafter zu bereichern, nicht unter § 7 Abs. 8 Satz 1 ErbStG fallen.4 Die Finanzverwaltung ihrerseits lässt Ausnahmen von der Besteuerung zu, wenn eine Gesamtbetrachtung mehrerer Leistungen letztlich dazu führt, dass kein Gesellschafter auf Kosten eines anderen Gesellschafters (oder Dritten) bereichert ist, wenn Dritte, den Gesellschaftern fern stehende Personen die Einlage erbringen und wenn die Einlage nur der Sanierung der Kapitalgesellschaft dienen soll. Es wird im Ergebnis ein subjektiver Tatbestand in die Vorschrift eingelesen, ohne dass Wortlaut und Systematik dafür irgendeinen Anhaltspunkt böten.5 Tatsächlich spricht gerade der Umstand, dass Satz 2 des Abs. 8 an eine Bereicherungsabsicht anknüpft, während Satz 1 ein solches subjektives Element nicht enthält, dafür, den Gesetzgeber beim Wort zu nehmen. Gerichtliche Entscheidungen zu einer teleologischen Reduktion des § 7 Abs. 8 ErbStG liegen bislang 585 nicht vor. Die Gerichte werden sich erst dann mit der Problematik befassen können, wenn die von der Finanzverwaltung selbst aufgestellten Voraussetzungen für die Nichtanwendbarkeit des § 7 Abs. 8 ErbStG im Einzelfall nicht erfüllt sind. Soweit in einigen Literaturbeiträgen die Hoffnung besteht, die Gerichte würden diese Kriterien (z.B. Zeit- oder Sachnähe bei der Gesamtbetrachtung unterschiedlicher Leistungen; s. Rz. 586) näher konkretisieren, wird verkannt, dass die Gerichte erst dann dazu kommen, wenn sie § 7 Abs. 8 ErbStG gegen dessen Wortlaut eng auslegen. Dafür gilt es zunächst den Zweck der Vorschrift klar herauszuarbeiten.6 Nicht zulässig dürfte es sein, in die Vorschrift des § 7 Abs. 8 Satz 1 ErbStG generell eine Bereicherungsabsicht hineinzulesen, obwohl der Gesetzgeber dies offensichtlich und ausdrücklich nicht gewollt hat. Eine solche Sichtweise würde die Grenzen einer zulässigen, am Zweck der Norm orientierten Auslegung überschreiten. 2. Gesamtbetrachtung verschiedener Leistungen Im Grundfall, den der Gesetzgeber bei Einfügung des § 7 Abs. 8 Satz 1 ErbStG vor Augen hatte, sind 586 Vater und Sohn gemeinsam an einer VS-GmbH (Wert: 100 000 Euro) beteiligt. Der Vater hält 10 %, der Sohn 90 % der Anteile. Der Vater legt 100 000 Euro in die GmbH ein. Die Beteiligungshöhe der Gesellschafter an der GmbH wird hierdurch aber nicht berührt. Allerdings ist der Wert der Beteiligung verhältnismäßig gestiegen. Durch die Einbringung des Vaters ist der Wert der Beteiligung des Sohnes an der GmbH von 50 000 Euro um 90 000 Euro (90 % von 100 000 Euro) auf 140 000 Euro angewachsen, die Beteiligung des Vaters jedoch nur von 50 000 Euro um 10 000 Euro [10 % von 1 2 3 4
Viskorf/Haag, DStR 2012, 1166 (1167); Holthusen, ZEV 2016, 311 (316). Vgl. gleich lautende Erlasse v. 14.3.2012, BStBl. I 2012, 331. Loose, GmbHR 2013, 561 (563). Vgl. v. Lishaut/Ebber/Schmitz, Ubg 2012, 1 (7); Korezkij, ZEV 2012, 303 (307); Korezkij, DStR 2012, 163 (166); Holthusen, ZEV 2016, 311. 5 Loose, GmbHR 2013, 561 (563). 6 Vgl. Drüen in Tipke/Kruse, § 4 AO Rz. 382 (Stand: Oktober 2011) m.w.N.
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§ 7 ErbStG Rz. 587 Schenkungen unter Lebenden 100 000] auf 60 000 Euro). Nach § 7 Abs. 8 Satz 1 ErbStG wird unabhängig vom Willen des Vaters eine Schenkung von Gesetzes wegen fingiert. Die Bereicherung findet zwar zivilrechtlich auf der Ebene der Gesellschaft statt, entfaltet jedoch durch die Beteiligung des Sohns am Gesellschaftsvermögen wirtschaftlich seine Wirkung. Vater und Sohn werden schenkungsteuerrechtlich so behandelt, als ob der Vater dem Sohn 90 000 Euro unentgeltlich zugewandt hätte. 587 Im Abwandlungsfall sind die nicht verwandten A und B zu gleichen Teilen an der AB-GmbH betei-
ligt. Der A legt 2014 in die Gesellschaft 100 000 Euro ein, der B – wie zuvor vereinbart – erst 2015. Die Beteiligungsverhältnisse bleiben jeweils gleich. Auch in diesem Fall sind die Voraussetzungen des § 7 Abs. 8 Satz 1 ErbStG erfüllt. Das Gesetz fingiert auch hier eine Schenkung, obwohl A und B nicht miteinander verwandt sind, beide mit ihrer Einlage jeweils keine freigebige Zuwendung an den jeweils anderen beabsichtigten und – das verwundert etwas – die GmbH-Anteile zwar zeitweilig eine disquotale Werterhöhung erfahren haben, jedoch nicht zu Lasten des jeweils Zuwendenden. Tatsächlich ist der Tatbestand sogar zweimal erfüllt, nämlich zum einen im Jahre 2011 als fiktive Zuwendung i.H.v. 50 000 Euro von A an B und im Jahre 2012 als fiktive Zuwendung des B an A i.H.v. ebenfalls 50 000 Euro. In der Gesamtbetrachtung allerdings gleichen sich die Zuwendungen aus und beide Gesellschafter erfahren eine gleichmäßige Werterhöhung ihrer jeweiligen Anteile. 588 Die Beispiele zeigen mehr als deutlich, zu welchen unsinnigen Ergebnissen § 7 Abs. 8 Satz 1 ErbStG
führen kann.1 Es wird daher diskutiert, die Folgen durch eine schuldrechtliche Abrede über die Entgeltlichkeit der Einbringung zu vermeiden.2 Die Finanzverwaltung sieht dies ähnlich. Unter 3.3.3 und 3.3.4 der gleich lautenden Erlasse vom 14. März 20123 stellt sie bei Werterhöhung des Anteils auf eine Gesamtbetrachtung aller Leistungen der Gesellschafter an die Gesellschaft und unter den Gesellschaftern ab. Danach wäre § 7 Abs. 8 Satz 1 ErbStG nicht anzuwenden, wenn die Gesellschafter vereinbaren, dass die disquotale Einbringung zu keiner endgültigen Vermögensverschiebung führen soll. Das bedeutet, dass zugleich mit der Einlage eine Forderung des unterquotal bereicherten Gesellschafters gegenüber dem überquotal bereicherten Gesellschafter entsteht, die den Vermögensvorteil im Ergebnis ausgleicht. Teilweise wird vertreten, dass eine solche Vereinbarung bereits für künftige Einlagen unmittelbar im Gesellschaftsvertrag erfolgen kann, z.B. durch eine Regelung, wonach sog. disquotale Einlagen generell einen entsprechenden Ausgleichsanspruch des einlegenden Gesellschafters gegenüber die durch die Einlage begünstigten Gesellschafter begründen soll.4 589 Im Abwandlungsfall könnten A und B vor der ersten Zuwendung vereinbaren, dass jeder eine ent-
sprechende Einlage zu erbringen hat und – im Ergebnis – keine Werterhöhung zu Lasten des Einlegenden erfolgen soll. Voraussetzung für eine Gesamtbetrachtung der Leistungen ist nach Ansicht der Finanzverwaltung ein sachlicher und zeitlicher Zusammenhang. Wann dieser noch gegeben ist, ist derzeit unklar. Einer gerichtlichen Überprüfung werden nur solche Fälle unterzogen, bei denen nach Ansicht der Finanzverwaltung dieser Zusammenhang nicht besteht. Neben der Frage, wie ein solcher sachlicher und zeitlicher Zusammenhang nachgewiesen werden kann, stellen sich weitere verfahrensrechtliche Fragen. Die Schenkungsteuer folgt dem Stichtagsprinzip, eine „Gesamtbetrachtung“ mehrerer Schenkungen zu einer einzigen Schenkung liegt ihr fern. Problematisch ist also, wie sich eine spätere Leistung – im Beispielsfall die Leistung des B im Jahre 2015 – auf eine zeitlich frühere Leistung – im Beispielsfall die Leistung des A im Jahre 2014 – rechtlich auswirken kann und beim Eintritt des späteren Sachverhalts möglicherweise die bereits durchgeführte Steuerfestsetzung für den früheren Sachverhalt geändert werden kann. Das Stichtagsprinzip schließt eine Änderung wegen eines rückwirkenden Ereignisses i.S.v. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO aus. Der Steuerpflichtige ist gut beraten, die Steuerfestsetzung mittels §§ 164 oder 165 AO offen zu halten. Weiter ist fraglich, welcher Stichtag für die Werterhöhung der Anteile von Bedeutung ist, der erste oder der zweite? Welches Finanzamt ist zuständig, wenn zwei oder vielleicht auch viele Gesellschafter sich zu einer Einlage verpflichtet haben? Eine Fülle ungeklärter Rechtsfragen, die die Verlässlichkeit einer Gestaltung untergraben.5 1 2 3 4 5
Loose, GmbHR 2013, 561 (564). Crezelius, Ubg 2012, 190 (191); Viskorf, ZEV 2012, 442 ff.; Milatz/Bockhoff, ErbStB 2013, 15. Gleich lautende Erlasse v. 14.3.2012, BStBl. I 2012, 331. Milatz/Bockhoff, ErbStB 2013, 15 (16). Loose, GmbHR 2013, 561 (564).
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Schenkung durch Leistungen an Kapitalgesellschaften (Abs. 8)
Rz. 592 § 7 ErbStG
3. Sanierungsfälle Verzichtet ein Gesellschafter oder ein Dritter im Rahmen einer beabsichtigten Sanierung der Gesell- 590 schaft auf eine Forderung oder legt er zu diesem Zweck Geld in die Gesellschaft ein, ist der Tatbestand des § 7 Abs. 8 Satz 1 ErbStG ungeachtet einer nicht vorhandenen Bereicherungsabsicht erfüllt. Es bestehen jedoch Zweifel, ob derartige Leistungen als „missbräuchlich“ anzusehen sind und in der Zielrichtung des Gesetzes liegen.1 Auch hier gilt es, den viel zu weiten Gesetzesüberhang teleologisch zu reduzieren. Die Finanzverwaltung2 zeigt verschiedene Auswege auf. Zum einen würde eine Umwandlung der Verbindlichkeiten in Eigenkapital unter gleichzeitiger Erhöhung des Stammkapitals der Gesellschaft, die die Werterhöhung im Anteil der Mitgesellschafter ausschließt, die Rechtsfolgen des § 7 Abs. 8 Satz 1 ErbStG vermeiden. Dasselbe gilt bei einer Neujustierung der Beteiligungsquoten. Beides ist in diesen Sanierungsfällen aber oftmals nicht beabsichtigt. Denkbar wären auch eine Vorabveräußerung der Forderung, auf die verzichtet werden soll, an die Mitgesellschafter und ein anschließender gemeinsamer Verzicht entsprechend der Beteiligungsquoten. Die Praxis wird sich vielfach damit zu helfen wissen, von einer Wertlosigkeit der Forderung, auf die 591 verzichtet wird, auszugehen. Schwieriger wird es bei der Einlage zu Sanierungszwecken. Hier hilft möglicherweise wieder die von der Finanzverwaltung angestellte „Gesamtbetrachtung“ weiter, jedenfalls in den Fällen, in denen alle Gesellschafter – wenn auch zeitversetzt – einen Beitrag zur Sanierung erbringen. Möglicherweise reicht auch die schuldrechtliche Vereinbarung eines Wertausgleichs, wenn nur ein Gesellschafter die Einlage erbringen will oder kann. In allen Fällen ist der Wortlaut des § 7 Abs. 8 Satz 1 ErbStG erfüllt. Seinem Zweck nach ist eine Einschränkung jedoch dringend geboten. Die selbst gesteckten Regeln der Finanzverwaltung in den gleich lautenden Erlassen, mögen in ein- 592 fach gelagerten Fällen weiterhelfen. In schwierigen Sanierungsfällen, in denen eine Vielzahl von Gläubigern oder Gesellschaftern unterschiedliche Sanierungsbeiträge (Forderungsverzicht, Kapitalerhöhung, Einlage) leisten müssen, versagen sie. Ob die für die Gesellschafter zuständigen Schenkungsteuerfinanzämter diese Sanierungsfälle aufgreifen und dadurch erlangte Werterhöhungen der Anteile als Schenkungen der Besteuerung unterwerfen, bleibt abzuwarten.
1 Viskorf, ZEV, 2012, 442 (444). 2 Gleich lautende Erlasse v. 14.3.2012, BStBl. I 2012, 331 Tz. 3.3.6.
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§ 8 Zweckzuwendungen Zweckzuwendungen sind Zuwendungen von Todes wegen oder freigebige Zuwendungen unter Lebenden, die mit der Auflage verbunden sind, zugunsten eines bestimmten Zwecks verwendet zu werden, oder die von der Verwendung zugunsten eines bestimmten Zwecks abhängig sind, soweit hierdurch die Bereicherung des Erwerbers gemindert wird. A. I. II. III.
Grundaussagen der Vorschrift. . . . . . . . . . Regelungsgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . Bedeutung und Telos . . . . . . . . . . . . . . . . . Geltungsbereich und Verhältnis zu anderen Vorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Rechtsentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1 1 2 3 4
B. Tatbestandsmerkmale der Zweckzuwendung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Zuwendung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
5 5
II. III. C. I. II.
Zweckauflage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 Zweckzuwendungen und Stiftungen . . . . . . . 8 Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10 Besteuerung der Zuwendung . . . . . . . . . . . . 10 Besteuerung der Zweckzuwendung. . . . . . . . 12
A. Grundaussagen der Vorschrift I. Regelungsgegenstand § 8 ErbStG definiert den in § 1 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG genannten Begriff der Zweckzuwendung, die ne- 1 ben dem Erwerb von Todes wegen (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG) und der Schenkung unter Lebenden (§ 1 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG) als weiterer steuerpflichtiger Vorgang erfasst wird. Bei einer Zweckzuwendung gem. § 8 ErbStG handelt es sich nach der Legaldefinition um eine Zuwendung von Todes wegen oder freigiebige Zuwendung unter Lebenden, die mit der Auflage verbunden ist, zugunsten eines bestimmten Zwecks verwendet zu werden, oder die von der Verwendung zugunsten eines bestimmten Zwecks abhängig ist, soweit hierdurch die Bereicherung des Erwerbers gemindert wird. Eine Zweckzuwendung besteht aus einem Erwerb von Todes wegen oder einer Schenkung, die jeweils mit einer Zweckauflage zugunsten einer anderen Person bzw. eines anderen Personenkreises verbunden ist. Während die Zuwendung einen Erwerb von Todes wegen nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 3 ErbStG oder eine Schenkung nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 7 ErbStG darstellt, regelt § 1 Abs. 1 Nr. 3 i.V.m. § 8 ErbStG die Besteuerung der Zweckauflage bzw. Zweckzuwendung.1 Es liegen bei einer Zweckzuwendung daher i.d.R. zwei selbständige steuerbare Vorgänge i.S.d. Erbschaft- und Schenkungsteuergesetzes vor: ein Erwerb von Todes wegen bzw. eine Schenkung unter Lebenden und eine Zweckzuwendung.2 Daraus ergibt sich ein zweistufiger Tatbestand. Die Besonderheit ist, dass § 8 ErbStG mit dem zweistufigen Tatbestand nur einen Steuerpflichtigen erfasst, der sowohl die Schenkung unter Lebenden bzw. den Erwerb von Todes wegen als auch die Zweckzuwendung versteuern muss.
II. Bedeutung und Telos Die praktische Bedeutung der Zweckzuwendung ist gering, weil nur bestimmte Fallkonstellationen 2 von ihr erfasst werden. Regelmäßig ist der Erbe oder Beschenkte berechtigt, als Beschwerter einer Leistungs- oder Verwendungsauflage diese Belastung entweder als Nachlassverbindlichkeit nach § 10 Abs. 5 Nr. 2 ErbStG oder als Gegenleistung im Rahmen der Verhältnisrechnung bei einer Schenkung steuermindernd geltend zu machen.3 Korrespondierend dazu muss der Begünstigte der Auflage
1 Meincke16, § 8 ErbStG Rz. 1. 2 Seltenreich in P/R/S2, § 8 ErbStG Rz. 1. 3 R E 7.4 ErbStR 2011.
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§ 8 ErbStG Rz. 3 Zweckzuwendungen diesen Vorteil versteuern. Bei einer Zweckzuwendung an einen unbestimmten Personenkreis ist mangels eines konkreten Erwerbers keine Besteuerung der Zweckzuwendung bei einer anderen Person möglich, aber dennoch ein Abzug der bereicherungsmindernden Auflage. Diese Besteuerungslücke schließen § 1 Abs. 1 Nr. 3 bzw. § 8 ErbStG, indem sie die Zweckzuwendung zu einem eigenen Steuertatbestand i.S.d. Erbschaft- und Schenkungsteuergesetzes erklären und beim Erwerber erfassen. In der Praxis kommt die Zweckzuwendung selten vor. Entsprechend gibt es auch nur wenig Rechtsprechung zu § 8 ErbStG. Im Normalfall kann die durch Auflage begünstigte Person selbst zur Erbschaft- und Schenkungsteuer herangezogen werden. Darüber hinaus ist auch zu berücksichtigen, dass eine Besteuerung einer Zweckzuwendung nicht in Betracht kommt, wenn es sich um eine Zuwendung an eine steuerbegünstigte Organisation nach § 13 Abs. 1 Nr. 16 Buchst. b ErbStG oder etwa für steuerbegünstigte Zwecke i.S.d. § 13 Abs. 1 Nr. 17 ErbStG handelt.1 Zwar bleibt die Zuwendung dann ebenfalls steuerfrei, aber das ist nach Wertungsgesichtspunkten auch sachgerecht, weil die Zuwendung zu gemeinnützigen Zwecken erfolgt. Dies gilt auch, wenn die durch die Auflage begünstigte Person keinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat und auch nicht beschränkt steuerpflichtig ist. Beispiel: A ist in Deutschland ansässig, sein Bruder B hat keinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt. Er ist seit 6 Jahren im Ausland ansässig. A erhält von seinen Eltern ein Mietwohngrundstück unter der Auflage, seinem Bruder dafür einen Ausgleich von 250 000 Euro zu zahlen. A ist gem. § 2 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a ErbStG unbeschränkt steuerpflichtig und muss die Schenkung unter Lebenden versteuern. Die Leistungsauflage von 250 000 Euro kann steuermindernd abgezogen werden. B ist nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a oder b ErbStG nicht unbeschränkt steuerpflichtig. Es liegt auch keine beschränkte Steuerpflicht vor (§ 2 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG), weil eine Geldleistung kein Inlandsvermögen darstellt. Trotz des Abzugs von der Bemessungsgrundlage erfolgt keine inländische Besteuerung. § 8 ErbStG greift hier ebenfalls nicht ein. Die Steuerbefreiung des B ergibt sich daraus, dass dieser aufgrund seines Auslandswohnsitzes nicht in den Anwendungsbereich des ErbStG fällt. Der Besteuerungsanspruch hinsichtlich der Auflage steht dem jeweils anderen Staat zu.
III. Geltungsbereich und Verhältnis zu anderen Vorschriften 3 Grundsätzlich wird eine Auflage, die einem Dritten zugutekommt, nach § 3 Abs. 2 Nr. 2 ErbStG bei ei-
nem Erwerb von Todes wegen und nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 oder 2 ErbStG bei einer Schenkung unter Lebenden besteuert.2 Im letztgenannten Fall ist § 7 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG anwendbar, wenn der Begünstigte kein eigenes Forderungsrecht erworben hat. Sonst fällt dieser Vorgang unter § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG. Ebenso erfolgt eine Besteuerung des Drittbegünstigten, wenn eine letztwillige Verfügung oder Schenkung unter Lebenden mit einer Bedingung zugunsten eines Dritten verknüpft ist. Dieses Korrespondenzprinzip führt dazu, dass keine Besteuerungslücke entsteht. § 8 ErbStG ist daher nicht anwendbar, wenn die Auflage bereits als Erwerb oder Bedingung von Todes wegen nach § 3 ErbStG oder als Schenkung unter Lebenden nach § 7 ErbStG besteuert werden kann. Im Verhältnis zu den Erwerbsvorgängen nach den §§ 3, 7 ErbStG ist § 8 ErbStG subsidiär.3 Die Erbschaft- und Schenkungsteuertatbestände der §§ 3, 7 ErbStG greifen allerdings dann nicht ein, wenn durch die Auflage auch ein Zweck bzw. unbestimmter Personenkreis begünstigt wird.4 § 20 Abs. 1 ErbStG ordnet ergänzend dazu an, dass Steuerschuldner in den Fällen des § 8 ErbStG der mit der Auflage oder Bedingung belastete Erwerber ist, obwohl er – zumindest hinsichtlich der Auflage oder Bedingung – nicht bereichert ist.5 Dies entspricht nicht der Systematik des Erbschaft- und Schenkungssteuerrechts. Gerechtfertigt wird die Besteuerung damit, dass der Erwerber wirtschaftlich nicht belastet ist, weil er die Auflage aus dem ihm zugewendeten Vermögen erfüllen kann.6 Besteuerungsgegenstand ist im Rahmen des § 8 ErbStG das erworbene Zweckvermögen.
Schaub in Wilms/Jochum, § 8 ErbStG Rz. 1.2 (Stand: März 2016); Meincke16, § 1 ErbStG Rz. 12. BFH v. 25.10.1995 – II R 20/95, BStBl. II 1996, 99. BFH v. 30.9.1987 – II R 122/85, BStBl. II 1987, 861. BFH v. 20.12.1957 – III R 250/56 U, BStBl. III 1958, 79; Schaub in Wilms/Jochum, § 8 ErbStG Rz. 1.1 (Stand: März 2016); Mohr in Tiedtke, § 8 ErbStG Rz. 2. 5 Kobor in F/J/P/W5, § 8 ErbStG Rz. 2; Gebel in T/G/J, § 20 ErbStG Rz. 38 (Stand: Juli 2015). 6 Weinmann in Moench/Weinmann, § 8 ErbStG Rz. 10 (Stand: Februar 2016). 1 2 3 4
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Tatbestandsmerkmale der Zweckzuwendung
Rz. 6 § 8 ErbStG
IV. Rechtsentwicklung Ausgangspunkt für die Schaffung des § 8 ErbStG war eine Entscheidung des Reichsgerichtshofs.1 In 4 dem dieser Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt hatte eine märkische Gutsherrin ihren Sohn mit einem Geldvermächtnis bedacht, das allerdings mit der Auflage verbunden war, Zinsen zur Fortführung des Gutskindergartens zu zahlen. Der Sohn konnte gem. § 10 Abs. 5 Nr. 2 ErbStG die Verpflichtung der Zinszahlung von seinem Vermächtnis abziehen, so dass er am Ende nicht mehr bereichert war. Die Zuwendung an den Gutskindergarten blieb allerdings unversteuert. Ein solches Ergebnis wird nach § 8 ErbStG vermieden. Erstmals wurde die Zweckzuwendung mit dem Erbschaftsteuergesetz 1922 als steuerpflichtiger Vorgang einbezogen.2 Allerdings sei nach Meincke § 8 ErbStG entbehrlich, wenn die Abzugsfähigkeit einer solchen Zweckauflage eingeschränkt würde. Dies würde aber ggf. zu einer höheren Steuerbelastung führen (vgl. Rz. 10 ff.).
B. Tatbestandsmerkmale der Zweckzuwendung I. Zuwendung Eine Zweckzuwendung setzt grundsätzlich voraus, dass eine Schenkung unter Lebenden bzw. ein Er- 5 werb von Todes wegen gegeben ist.3 I.d.R. setzt § 8 ErbStG einen zweistufigen Tatbestand voraus. Es liegen aber nicht immer zwei Tatbestände vor. Die zur Durchführung der Auflage beschwerte Person muss häufig nur einen Teil des erworbenen Vermögens zur Erfüllung der Zweckauflage verwenden. Wird indes nur eine Mittelsperson bei Erfüllung der Zweckauflage tätig, wird das gesamte Vermögen für die Auflage verwendet. Eine gesonderte Zuwendung ist dann nicht gegeben.4 Eine Zweckzuwendung von Todes wegen wird nicht durch direkte Erbeinsetzung oder Vermächtnis angeordnet, sondern durch eine Auflage (§ 1940 BGB). Der Begünstigte einer Verfügung von Todes wegen wird durch eine Auflage zu einer Leistung verpflichtet, ohne dass einem anderen das Recht auf die Leistung zugewendet wird. Es ist ausreichend, dass der Erblasser testamentarisch lediglich einen bestimmten Zweck angibt, die Bestimmung der Personen aber einem Dritten überlässt (§ 2193 BGB). Bei einer Schenkung unter Lebenden ist erforderlich, dass der Schenker einer anderen Person Vermögen überträgt und diese Schenkung mit der Auflage verbindet, das Vermögen für einen bestimmten Zweck zu verwenden (§ 525 BGB).5 Die lebzeitige oder letztwillige Zuwendung muss unentgeltlich erfolgen. Nach dem BFH ist nicht aus- 6 reichend, wenn der Erblasser mit einer Person einen Geschäftsbesorgungsvertrag schließt und für diesen Zweck eine bestimmte Summe Geld vererbt.6 In dem der Entscheidung des BFH zugrunde liegenden Sachverhalt hatte eine Erblasserin Geld vererbt mit der Auflage, dass dieses zu Zwecken der Grabpflege für eine Dauer von 25 Jahren für sie verwendet werden sollte. Es war ebenso angeordnet worden, einen überschüssigen Betrag nach Ablauf des Vertrages der Stadt zur Verfügung zu stellen. Hier handelte es sich nach dem BFH lediglich um einen Geschäftsbesorgungsvertrag zwischen der Erblasserin und der bedachten Person. Es fehlte bereits an einer unentgeltlichen Zuwendung. Gleichwohl ging der BFH davon aus, dass nach Ablauf des Grabpflegevertrages eine Zweckzuwendung hinsichtlich des verbleibenden Geldbetrags vorliegen sollte. Die Steuerschuld entstehe aber erst mit Eintritt des Ereignisses (§ 9 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a ErbStG).
1 2 3 4
RGZ v. 17.2.1911 – VII. 239/10, RGZ 75, 378 (379 ff.). Meincke16, § 1 ErbStG Rz. 11. BFH v. 30.9.1987 – II R 122/85, BStBl. II 1987, 861; v. 13.3.1953 – III 29/52, BStBl. III 1953, 144. Schaub in Wilms/Jochum, § 8 ErbStG Rz. 5.1 (Stand: März 2016); Gebel in T/G/J, § 8 ErbStG Rz. 21 (Stand: Juli 2015). 5 FG Düsseldorf v. 29.5.1998 – 4 K 3167/94 Erb, EFG 1998, 1274. 6 BFH v. 30.9.1987 – II R 122/85, BStBl. II 1987, 861.
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§ 8 ErbStG Rz. 7 Zweckzuwendungen
II. Zweckauflage 7 Die Zweckwidmung oder Zweckauflage muss eine rechtliche Verpflichtung beinhalten. Eine rein fak-
tische Verpflichtung, z.B. für ein zugewendetes Tier zukünftige Pflegekosten zu tragen, führt nicht zu einer Rechtspflicht im Sinne einer Zweckauflage. Damit liegt auch keine Zweckzuwendung vor, sondern lediglich ein Erwerbsvorgang zwischen Erblasser bzw. Schenker und Erwerber.1 So hat der BFH Aufwendungen für ein Haustier, welches der Steuerpflichtige geerbt hat, nicht als Erblasserschulden nach § 10 Abs. 5 Nr. 2 ErbStG anerkannt, weil keine rechtliche Verpflichtung bestand.2 Leistungen des Erben, die dieser aufgrund einer moralischen Verpflichtung erbringt, sind nach dem BFH daher nicht als Nachlassverbindlichkeiten abziehbar. Eine bloße Erwartung des Erblassers/Schenkers, dass der Erbe/Beschenkte das erworbene Vermögen für bestimmte Zwecke einsetzt, reicht ebenfalls nicht aus.3 Es muss eine Vermögensminderung zu Lasten des Erwerbers vorhanden sein. Die Zweckerfüllung darf nicht im Interesse des Erwerbers sein, denn es wird vorausgesetzt, dass eine abzugsfähige Vermögensminderung des Erwerbers gegeben ist.4 Letzteres ist nicht der Fall, wenn er selbst durch die Auflage begünstigt wird (§ 10 Abs. 9 ErbStG). Die Auflage darf ebenso wenig allein im Interesse des Zuwendenden erfolgen.5 Allerdings steht das bloße Interesse des Zuwendenden an dem bestimmten Zweck und dessen Förderung der Qualifikation einer Zweckzuwendung nicht entgegen.6 Ferner muss die Zweckauflage unpersönlich sein (z.B. Pflege eines Haustiers), d.h. sich an einen unbestimmten Personenkreis richten.7 Zuwendungen an Organisationen, die gemeinnützige, mildtätige oder kirchliche Zwecke fördern, können ebenfalls Empfänger einer steuerpflichtigen Zweckzuwendung sein. Dies ist aber nur der Fall, wenn die Auflage beinhaltet, dass andere als die satzungsmäßigen Zwecke gefördert werden.8 Werden gemeinnützige Zwecke gefördert, würde die Steuerbefreiung des § 13 Abs. 1 Nr. 16 ErbStG eingreifen. Der vorgesehene Zweck muss objektiv bestimmt oder bestimmbar sein.9
III. Zweckzuwendungen und Stiftungen 8 Anwendungsbereich des § 8 ErbStG sind auch Zuwendungen an Stiftungen. Hier ist allerdings zu diffe-
renzieren zwischen einer rechtsfähigen und einer nicht rechtsfähigen Stiftung. Eine rechtsfähige Stiftung kann grundsätzlich Empfängerin einer Erbschaft bzw. einer Schenkung unter Lebenden sein. In diesem Falle erfolgt die Besteuerung gemäß den §§ 3, 7 ErbStG. Zuwendungen an eine rechtsfähige Stiftung unterliegen daher § 3 Abs. 1 Nr. 1, 2 ErbStG oder § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG. Sollte die Stiftung allerdings erst von Todes wegen errichtet werden, was zivilrechtlich möglich ist (§§ 80 ff. BGB), wird die Zuwendung nach § 3 Abs. 2 Nr. 1 ErbStG oder nach § 7 Abs. 1 Nr. 8 ErbStG besteuert. Es spielt insoweit keine Rolle, ob eine Zuwendung an eine rechtsfähige Stiftung anlässlich der Errichtung der Stiftung oder bereits während ihrer Existenz erfolgt. Auswirkungen hat dies höchstens auf den Zeitpunkt der Entstehung der Steuer. 9 Eigenständige Bedeutung indes hat eine Zweckzuwendung bei nicht rechtsfähigen Stiftungen. Bei ei-
ner nicht rechtsfähigen Stiftung besteht eine rechtlich selbständige Organisation, die aber in ihrer dauerhaften Existenz im Wesentlichen von einer ordnungsgemäßen Verwaltung durch den Stiftungs-
1 BFH v. 5.11.1992 – II R 62/89, BStBl. II 1993, 161; FG München v. 3.9.2003 – 4 K 5029/01, EFG 2004, 215 (rkr.); Schaub in Wilms/Jochum, § 8 ErbStG Rz. 6.1 (Stand: März 2016). 2 BFH v. 29.6.2009 – II B 149/08, ZEV 2010, 107. 3 Schaub in Wilms/Jochum, § 8 ErbStG Rz. 6 (Stand: März 2016). 4 Weinmann in Moench/Weinmann, § 8 ErbStG Rz. 10 (Stand: Februar 2016). 5 BFH v. 30.9.1987 – II R 122/85, BStBl. II 1987, 861; v. 20.12.1957 – III 250/56 U, NJW 1958, 766; FG Düsseldorf v. 29.5.1998 – 4 K 3167/94 Erb, EFG 1998, 1274 m. Anm. Ebeling; Kobor in F/J/P/W5, § 8 ErbStG Rz. 2. 6 BFH v. 5.11.1992 – II R 62/89, BStBl. II 1993, 161; FG Düsseldorf v. 29.5.1998 – 4 K 3167/94 Erb, EFG 1998, 1274 m. Anm. Ebeling. 7 BFH v. 25.10.1995 – II R 20/95, BStBl. II 1999, 59; v. 20.12.1957 – III 250/56 U, BStBl. III 1958, 79; FG Düsseldorf v. 29.5.1998 – 4 K 3167/94 Erb, EFG 1998, 1274 m. Anm. Ebeling. 8 BFH v. 16.1.2002 – II R 82/99, BStBl. II 2002, 303 = FR 2002, 797; FG Köln v. 30.9.2000 – 9 K 1766/91, EFG 2000, 1260 (rkr.). 9 Mohr in Tiedtke, § 8 ErbStG Rz. 6.
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Rechtsfolgen
Rz. 15 § 8 ErbStG
treuhänder abhängig ist.1 Die nicht rechtsfähige Stiftung braucht allerdings einen Rechtsträger, wobei es sich um eine juristische Person handelt. Sie ist Träger des Zweckvermögens, aber kann darüber hinaus noch über nicht dem Stiftungszweck dienendes Vermögen verfügen. Um zu gewährleisten, dass die Zweckzuwendung auch tatsächlich dem Zweck der unselbständigen Stiftung zu Gute kommt, wird bei einer Schenkung oder Zuwendung von Todes wegen durch eine Auflage oder Bedingung sichergestellt, dass die Zweckbindung eingehalten wird und tatsächlich der unselbständigen Stiftung bzw. ihren Zwecken zu Gute kommt. Richtet sich die Zweckzuwendung dann an einen unbestimmten Personenkreis, der durch die Stiftung begünstigt werden soll, so liegt ein Fall des § 8 ErbStG vor.2
C. Rechtsfolgen I. Besteuerung der Zuwendung Bei der Besteuerung der Zweckzuwendung sind zwei verschiedene Erwerbsvorgänge zu berücksichti- 10 gen. Zunächst muss der Erwerber des Vermögens die mit der Zweckzuwendung belastete Zuwendung ver- 11 steuern. Dabei ist der Erwerber berechtigt nach § 10 Abs. 5, Abs. 1 Satz 1 ErbStG die Zweckzuwendung vom Erwerb abzuziehen.3 Im Übrigen gelten die allgemeinen Regelungen für die Besteuerung, d.h. die Steuerklasse richtet sich nach dem persönlichen Verhältnis des Erwerbers zum Erblasser/Schenker.
II. Besteuerung der Zweckzuwendung Für die Besteuerung der Zweckzuwendung gilt Folgendes: Bemessungsgrundlage für die Erbschaft- 12 und Schenkungsteuer ist gem. § 10 Abs. 1 Satz 5 ErbStG der Wert der Verpflichtung des Beschwerten. Darüber hinaus gehören Zweckzuwendungen der Steuerklasse III (§ 15 Abs. 1 ErbStG) an, so dass lediglich der Freibetrag gem. § 16 Abs. 1 Nr. 7 i.H.v. 20 000 Euro in Betracht kommt. Zudem ist der höchste Steuersatz gem. § 19 Abs. 1 ErbStG anwendbar (30 % oder 50 %). Die Steuer entsteht gem. § 9 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG im Zeitpunkt des Eintritts der Verpflichtung des Beschwerten. Es kommt nicht auf den Zeitpunkt der Erfüllung der Zweckzuwendung an.4 Steuerschuldner für die Zweckzuwendung ist nach § 20 Abs. 1 Satz 1 ErbStG der mit der Ausführung der Zuwendung Beschwerte. Dies wird i.d.R. der Empfänger der Zuwendung sein, der mit der Auflage belastet ist. Beispiel: A ist Alleinerbe seiner Mutter geworden. Im Testament hatte sie verfügt, dass er für die Pflege ihres Pferdes aufkommen solle. Der Nachlasswert beträgt 1 000 000 Euro. Die Auflage zur Pflege des Pferdes hat einen Steuerwert von 150 000 Euro. Wie hoch ist die Erbschaftsteuer des A?
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Lösung: Hinsichtlich der Besteuerung des Nachlasses ist gem. § 10 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 ErbStG die Auflage vom Nachlasswert abzuziehen. Sind keine weiteren Nachlassverbindlichkeiten geltend zu machen, beträgt der steuerpflichtige Erwerb 850 000 Euro. Nach Abzug des Freibetrages gem. § 16 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG i.H.v. 400 000 Euro werden 450 000 Euro mit einem Steuersatz in Steuerklasse I von 15 % besteuert. Die Erbschaftsteuer bezüglich des Nachlasses beträgt 67 500 Euro.
14
Für die Besteuerung der Zweckzuwendung ist der Wert der Auflage zu bewerten. Im vorliegenden Fall 15 hat die Auflage einen Verkehrswert von 150 000 Euro. Bei der Zweckzuwendung handelt es sich stets um eine Zuwendung in Steuerklasse III, d.h. es ist nur ein Freibetrag von 20 000 Euro abzuziehen (§ 16 Abs. 1 Nr. 5 ErbStG). Der verbleibende Wert von 130 000 Euro wird mit einem Steuersatz von 30 % 1 Schlüter in Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, § 80 Rz. 16; Pöllath/Richter in v. Campenhausen/Richter, Stiftungsrechts-Handbuch, § 12 Rz. 118 ff. 2 Gebel in T/G/J, § 8 ErbStG Rz. 15 (Stand: Juli 2015); so auch Seltenreich in P/R/S2, § 8 ErbStG, S. 486. 3 Schuck in V/K/S/W4, § 8 ErbStG Rz. 12. 4 Gebel in T/G/J, § 9 ErbStG Rz. 114 (Stand: Juli 2015); Schaub in Wilms/Jochum, § 8 ErbStG Rz. 2 (Stand: März 2016).
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§ 8 ErbStG Rz. 16 Zweckzuwendungen besteuert (§ 19 Abs. 1 ErbStG), so dass sich eine Erbschaftsteuerbelastung von 39 000 Euro ergibt. Insgesamt muss A daher eine Erbschaftsteuer von 106 500 Euro entrichten. 16
Wäre die Auflage hingegen nicht abzugsfähig, weil diese ohne § 8 ErbStG für sich betrachtet nicht der Besteuerung unterläge, würde folgende Erbschaftsteuer geschuldet: Steuerpflichtiger Erwerb ./. Freibetrag Anwendung Steuersatz(§ 19 ErbStG) Steuerklasse I (19 %)
17
1 500 000 t 400 000 t 1 100 000 t 209 000 t
Auf den ersten Blick ergibt sich zwar der Nachteil, dass die Zweckzuwendung mit Steuerklasse III besteuert werden muss, auch wenn sie z.B. zwischen Familienangehörigen der Steuerklasse I vereinbart wird. Allerdings zeigt das Beispiel, dass es für den Erwerber günstiger ist, wenn die Zuwendung in zwei Tatbestände unterteilt wird. Zwar muss er dann beide Zuwendungen besteuern, auch wenn eine Zuwendung zu seinen Lasten erfolgt. Dafür hat er allerdings auch den Vorteil, dass er die Zuwendung bei der Schenkung/Erbschaft an seine Person abziehen kann. Außerdem ergibt sich daraus ein Progressionsvorteil, dass die Schenkung unter Auflage in zwei verschiedene Tatbestände aufgesplittet wird.
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§ 9 Entstehung der Steuer (1) Die Steuer entsteht 1. bei Erwerben von Todes wegen mit dem Tode des Erblassers, jedoch a) für den Erwerb des unter einer aufschiebenden Bedingung, unter einer Betagung oder Befristung Bedachten sowie für zu einem Erwerb gehörende aufschiebend bedingte, betagte oder befristete Ansprüche mit dem Zeitpunkt des Eintritts der Bedingung oder des Ereignisses, b) für den Erwerb eines geltend gemachten Pflichtteilsanspruchs mit dem Zeitpunkt der Geltendmachung, c) im Fall des § 3 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 mit dem Zeitpunkt der Anerkennung der Stiftung als rechtsfähig und im Fall des § 3 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 mit dem Zeitpunkt der Bildung oder Ausstattung der Vermögensmasse, d) in den Fällen des § 3 Abs. 2 Nr. 2 mit dem Zeitpunkt der Vollziehung der Auflage oder der Erfüllung der Bedingung, e) in den Fällen des § 3 Abs. 2 Nr. 3 mit dem Zeitpunkt der Genehmigung, f) in den Fällen des § 3 Abs. 2 Nr. 4 mit dem Zeitpunkt des Verzichts oder der Ausschlagung, g) im Falle des § 3 Abs. 2 Nr. 5 mit dem Zeitpunkt der Vereinbarung über die Abfindung, h) für den Erwerb des Nacherben mit dem Zeitpunkt des Eintritts der Nacherbfolge, i) im Falle des § 3 Abs. 2 Nr. 6 mit dem Zeitpunkt der Übertragung der Anwartschaft, j) im Falle des § 3 Abs. 2 Nr. 7 mit dem Zeitpunkt der Geltendmachung des Anspruchs; 2. bei Schenkungen unter Lebenden mit dem Zeitpunkt der Ausführung der Zuwendung; 3. bei Zweckzuwendungen mit dem Zeitpunkt des Eintritts der Verpflichtung des Beschwerten; 4. 1in den Fällen des § 1 Abs. 1 Nr. 4 in Zeitabständen von je 30 Jahren seit dem Zeitpunkt des ersten Übergangs von Vermögen auf die Stiftung oder auf den Verein. 2Fällt bei Stiftungen oder Vereinen der Zeitpunkt des ersten Übergangs von Vermögen auf den 1. Januar 1954 oder auf einen früheren Zeitpunkt, entsteht die Steuer erstmals am 1. Januar 1984. 3Bei Stiftungen und Vereinen, bei denen die Steuer erstmals am 1. Januar 1984 entsteht, richtet sich der Zeitraum von 30 Jahren nach diesem Zeitpunkt. (2)In den Fällen der Aussetzung der Versteuerung nach § 25 Abs. 1 Buchstabe a gilt die Steuer für den Erwerb des belasteten Vermögens als mit dem Zeitpunkt des Erlöschens der Belastung entstanden. A. I. II. III.
Grundaussagen der Vorschrift. . . . . . . . . . Regelungsgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . Bedeutung und Telos . . . . . . . . . . . . . . . . . Geltungsbereich und Verhältnis zu anderen Vorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Bedeutung des Entstehungszeitpunktes . . . . 1. Begriff der Entstehung . . . . . . . . . . . . . . 2. Stichtagsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Grundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Mehrzahl von Erwerben und Stichtagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Abweichung vom Stichtagsprinzip/ Billigkeitsmaßnahmen . . . . . . . . . . . . B. Erwerbe von Todes wegen (Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 3 ErbStG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Entstehung der Steuer (Abs. 1 Nr. 1 Halbs. 1) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Grundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Ausnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Formunwirksame Verfügungen . . . . . b) Erbvergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1 1 2 3 5 5 9 9 10 14 16 16 16 20 20 21
c) „Wohlverhaltensfristen“ . . . . . . . . . . . d) Anwartschaftsrecht . . . . . . . . . . . . . . . II. Bedingter Erwerb (Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a) . . 1. Grundsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Arten der Bedingungen . . . . . . . . . . . . b) Fallgruppen des Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a . aa) Bedingter Erwerbsgrund. . . . . . . . (1) Bedingte Erbeinsetzung/USamerikanisches Recht . . . . . . . . . . (2) Bedingtes Vermächtnis . . . . . . . . . bb) Bedingter Erwerbsgegenstand . . . . 2. Aufschiebende Bedingung/Befristung . . . . a) Bedingung und Befristung . . . . . . . . . b) Sonderfall „Genehmigung“ . . . . . . . . . 3. Betagung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Begriff der Betagung . . . . . . . . . . . . . . b) Teleologische Reduktion durch BFH . . c) Vermächtnisse, die mit dem Tod des Beschwerten fällig werden . . . . . . . . . . III. Erwerb aufgrund geltend gemachten Pflichtteilspruchs (Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b) . .
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23 25 27 27 27 32 32 32 36 38 39 39 41 43 43 44 48 53
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§ 9 ErbStG Entstehung der Steuer
IV.
V. VI. VII.
VIII.
IX. X.
XI.
C. I. II.
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1. Pflichtteilsanspruch . . . . . . . . . . . . . . . . 53 a) Grundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 b) Bezifferung, teilweise Geltendmachung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 c) Stundung, Verjährung . . . . . . . . . . . . 57 d) Verzicht auf Pflichtteil . . . . . . . . . . . . 59 2. Pflichtteilsergänzungsanspruch. . . . . . . . 63 3. Erbersatzanspruch . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 Erwerb bei Vermögensübergang auf Stiftung oder Trust (Abs. 1 Nr. 1 Buchst. c) . . . 65 1. Übergang von Vermögen auf eine vom Erblasser angeordnete Stiftung, § 3 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 ErbStG . . . . . . . . . . . 65 a) Grundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 b) Entstehung der Steuer mit Rechtsfähigkeit der Stiftung . . . . . . . . . . . . . 67 2. Bildung oder Ausstattung einer Vermögensmasse ausländischen Rechts, § 3 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 ErbStG . . . . . . . . . . . 71 Erwerb aufgrund Auflage oder Bedingung (Abs. 1 Nr. 1 Buchst. d) . . . . . . . . . . . . . . . 74 Erwerb bei staatlicher Genehmigung (Abs. 1 Nr. 1 Buchst. e). . . . . . . . . . . . . . . . 78 Erwerb bei Abfindung für Ausschlagung einer Erbschaft oder eines Vermächtnisses (Abs. 1 Nr. 1 Buchst. f) . . . . . . . . . . . . . . . . 80 1. Überblick. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 2. Verzicht und Ausschlagung. . . . . . . . . . . 81 a) Verzicht auf den entstandenen Pflichtteilsanspruch gegen Abfindung 81 b) Ausschlagung einer Erbschaft, eines Erbersatzanspruchs oder eines Vermächtnisses gegen Abfindung . . . . . . 82 3. Zurückweisung eines Rechtes; sonstige Abfindungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 4. Rechtsfolge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 Erwerb bei Abfindungen für den Verzicht auf aufschiebend bedingte, betagte oder befristete Vermächtnisse (Abs. 1 Nr. 1 Buchst. g). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 Erwerb durch Nacherbschaft (Abs. 1 Nr. 1 Buchst. h) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 Erwerb bei entgeltlicher Übertragung der Anwartschaft des Nacherben (Abs. 1 Nr. 1 Buchst. i) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 Erwerb des Vertragserben bei beeinträchtigender Schenkung, § 2287 BGB (Abs. 1 Nr. 1 Buchst. j) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 Steuerentstehung bei Schenkungen unter Lebenden (Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 7 ErbStG). 92 Verhältnis zu Abs. 1 Nr. 1 (Erwerb von Todes wegen) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 Freigebige Zuwendung (Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG) . . . . . . . . . . . . . . . 94 1. „Ausführung“ der Zuwendung . . . . . . . . 94 a) Maßgeblichkeit der Zivilrechtslage . . . 94 aa) Objektiv unentgeltliche Zuwendung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94
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bb) Verfügungsmöglichkeit über das Zugewendete . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Zuwendungsgegenstand . . . . . . . . (2) Verfügungsmöglichkeit. . . . . . . . . (a) Grundsatz: Dinglicher Vollrechtserwerb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Ausnahme: Schuldrechtliche Vereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . (c) Verpflichtung zur Weitergabe . . . . (d) „Oder“-Konten bei Ehegatten . . . . cc) Bedingte Zuwendungen, Schenkung bei Erteilung einer Genehmigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Übergang des wirtschaftlichen Eigentums. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Schenkung unter Widerrufsvorbehalt, auflösende Bedingung . . . . bb) Schenkung unter Nießbrauchsvorbehalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Wirtschaftliches Eigentum und Privilegierung nach §§ 13a ff. ErbStG. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Ausführung der Schenkung bei einem Grundstück . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Grundsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Sondersituation der Grundstücksschenkung . . . . . . . . . . . . . bb) Ausführung der freigebigen Zuwendung bei einem Grundstück . . (1) Grundsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Grundstück mit vollständig saniertem und renovierten Gebäude . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Mittelbare Grundstücksschenkung . . . aa) Begriff der mittelbaren Schenkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Entstehung der Steuer bei mittelbarer Grundstücksschenkung . . . . 3. Sonstige Einzelfälle . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Nachträglicher Wegfall des Steueranspruchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Herausgabe des Geschenkes, § 29 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG. . . . . . . . . . . . . . . b) Herausgabeansprüche . . . . . . . . . . . . . aa) Widerruf wegen groben Undanks . bb) Wegfall der Geschäftsgrundlage . . c) Grundstücksschenkung . . . . . . . . . . . . III. Erwerb bei Schenkungen unter Auflage (Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 7 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG). IV. Erwerb bei sonstigen Schenkungen (Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 7 Abs. 1 Nr. 3 bis 10 ErbStG) . 1. Genehmigungspflichtige Zuwendungen (§ 7 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG) . . . . . . . . . . . . . 2. Vereinbarung einer Gütergemeinschaft (§ 7 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG) . . . . . . . . . . . . . 3. Abfindung für einen Erbverzicht (§ 7 Abs. 1 Nr. 5 ErbStG) . . . . . . . . . . . . . 4. Vorzeitiger Erbausgleich (§ 7 Abs. 1 Nr. 6 ErbStG a.F.) . . . . . . . . . . . . . . . . . .
97 97 99 99 103 105 108 111 115 115 118 123 128 128 128 132 132 136 137 137 141 145 153 153 155 155 157 159 163 164 164 165 166 168
Grundaussagen der Vorschrift 5. Vorzeitige Herausgabe von Vorerbschaftsvermögen an den Nacherben (§ 7 Abs. 1 Nr. 7 ErbStG) . . . . . . . . . . . . 6. Stiftungsgeschäft unter Lebenden u.a. (§ 7 Abs. 1 Nr. 8 ErbStG) . . . . . . . . . . . . 7. Aufhebung einer Stiftung u.a. (§ 7 Abs. 1 Nr. 9 ErbStG) . . . . . . . . . . . . 8. Abfindung für bedingte Ansprüche u.a. (§ 7 Abs. 1 Nr. 10 ErbStG) . . . . . . . . . . . V. Übermaß an Gewinnbeteiligung (§ 7 Abs. 6 ErbStG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Abfindungsanspruch unter Wert (§ 7 Abs. 7 ErbStG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII. Leistung an eine Kapitalgesellschaft (§ 7 Abs. 8 ErbStG) . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Rz. 2 § 9 ErbStG
E. Steuerentstehung bei Erbersatzbesteuerung (Abs. 1 Nr. 4) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 169 170 172 175 177 180 182
D. Steuerentstehung bei Zweckzuwendungen (Abs. 1 Nr. 3 i.V.m. § 8 ErbStG) . . . . . . . . . 184
F. Steuerentstehung bei Aussetzung der Versteuerung (Abs. 2) . . . . . . . . . . . . . . . . . G. Verjährung des Steueranspruchs. . . . . . . . . I. Grundsatz – Steuerfestsetzung innerhalb der Festsetzungsfrist. . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Beginn der Festsetzungsfrist . . . . . . . . . . . . . 1. Anlaufhemmung durch Anzeige/ Steuererklärung, . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Erbschaft- und schenkungsteuerspezifische Anlaufhemmungen. . . . . . . . . III. Dauer der Festsetzungsfrist . . . . . . . . . . . . . IV. Dauer der Festsetzungsfrist, Ablaufhemmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
187 190 190 191 191 194 197 198
Literatur: Gebel, Zeitpunkt der Entstehung der Schenkungsteuer bei Grundstückszuwendungen, DStR 2004, 165; Halaczinsky, Wann entsteht die Erbschaftsteuer? ErbStB 2007, 384 (Teil I), ErbStB 2008, 20 (Teil II); Schuck, Vollzug der Grundstücksschenkung und Zwischeneintragung, DStR 2004, 1948 Verwaltungsanweisungen: R E 9.1–9.3 ErbStR 2011; H E 9.1–9.3 ErbStH 2011.
A. Grundaussagen der Vorschrift I. Regelungsgegenstand Die Vorschrift des § 9 ErbStG regelt die Entstehung der Steuer: § 9 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG befasst sich 1 mit den Erwerben von Todes wegen (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 3 ErbStG), wobei das Gesetz in den Buchst. a bis j zwischen verschiedenen Fällen des Erwerbs und damit verschiedenen Entstehungszeitpunkten differenziert. Den Schenkungen unter Lebenden (§ 1 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG i.V.m. § 7 ErbStG) ist § 9 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG gewidmet. Den Entstehungszeitpunkt für den Tatbestand der Zweckzuwendung (§ 1 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG i.V.m. § 8 ErbStG) bestimmt § 9 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG, jenen der Erbersatzbesteuerung (§ 1 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG) § 9 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG. In § 9 Abs. 2 ErbStG wird der bereits 1980 aufgehobenen Regelung über die „Aussetzung der Besteuerung“ nach § 25 Abs. 1 ErbStG a.F. Rechnung getragen.
II. Bedeutung und Telos Die Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuer soll erst dann entstehen, wenn der Steuerpflichtige eine ver- 2 mögenswerte Position erlangt hat:1 Nach Willen und Wortlaut des deutschen Erbschaftsteuerrechts kann die Erbschaftsteuerpflicht jedenfalls so lange nicht eintreten, als der Nachlassbegünstigte weder irgendeinen Anspruch auf die Substanz oder auf Nutzungen daran noch eine sonstige Verfügungsmacht darüber hat. Das deutsche Erbschaftsteuerrecht will im Grundsatz nicht schon bloße Anwartschaften, sondern erst den tatsächlichen Erwerb besteuern, d.h. die wirtschaftliche Bereicherung. Ein „Erberwartungsgeld“ ist erbschaftsteuerrechtlich irrelevant. Vom Grundsatz her gilt für die Schenkung nichts anderes. Beruht der Erwerb auf ausländischem Recht, so ist, sofern die deutsche Erbschaftsteuer überhaupt Platz greift (§ 2 ErbStG Rz. 5 ff.), die Besteuerung unproblematisch, soweit im Einzelfall die Institu-
1 Vgl. Meincke16, § 9 ErbStG Rz. 2 f. und BFH v. 15.5.1964 – II 177/61 U, BStBl. III 1964, 408.
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§ 9 ErbStG Rz. 3 Entstehung der Steuer tionen des ausländischen Erbrechts denen des deutschen Erbrechts entsprechen. Trifft das nicht zu, ist die wirtschaftliche Bedeutung dessen, was das ausländische Recht für den Einzelfall vorschreibt, maßgeblich. Nur soweit der Vermögensanfall in seiner wirtschaftlichen Bedeutung einem durch das Erbschaftsteuergesetz erfassten Erwerb gleichkommt, sind die Voraussetzungen eines Tatbestands erfüllt, an den das Erbschaftsteuergesetz die Leistungspflicht knüpft (§ 38 AO).1
III. Geltungsbereich und Verhältnis zu anderen Vorschriften 3 In persönlicher Hinsicht unterscheidet das ErbStG zwischen unbeschränkter (vgl. § 2 ErbstG
Rz. 5 ff.) und beschränkter (vgl. § 2 ErbStG Rz. 33 ff.) Steuerpflicht: Wenn weder Zuwendender noch Zuwendungsempfänger der unbeschränkten Steuerpflicht i.S.d. § 2 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG unterliegen, tritt die beschränkte Steuerpflicht gem. § 2 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 ErbStG für den Vermögensanfall ein, der in Inlandsvermögen i.S.d. § 121 BewG besteht. Die beschränkte Steuerpflicht hat im Übrigen nachteilige Konsequenzen z.B. hinsichtlich des Schuldenabzugs und der Freibeträge.2 Im Hinblick auf die Anwendung des § 9 ErbStG finden sich jedoch keine Differenzierungen im Gesetz. 4 In sachlicher Hinsicht zeigen sich Unterschiede zwischen den verschiedenen Steuerarten bei Eintritt
einer wirtschaftlichen Bereicherung. In ertragsteuerlicher Hinsicht greift bei unentgeltlich übertragenen betrieblichen Sachgesamtheiten die Buchwertverknüpfung des § 6 Abs. 3 EStG ein; d.h. stille Reserven werden nicht realisiert, und insoweit wird auch kein Gewinn besteuert.3 Bei den nicht zu einem Betriebsvermögen gehörenden Wirtschaftsgütern, die der Steuerpflichtige unentgeltlich erworben hat, bemessen sich die Absetzungen für Abnutzung nach den Anschaffungs- oder Herstellungskosten des Rechtsvorgängers, § 11d Abs. 1 Satz 1 EStDV. Der unentgeltliche Erwerb wird jedoch jedenfalls dem Grunde nach Schenkungsteuer auslösen. Beispiel: Mutter verschenkt ihr Mietshaus an die Tochter und ihr Einzelunternehmen an den Sohn; beide Zuwendungen sind wertgleich; Ausgleichszahlungen werden nicht vorgenommen Typischerweise handelt es sich um einen Fall der vorweggenommenen Erbfolge. Ertragsteuerlich tritt die Tochter hinsichtlich der AfA in die Rechtsposition ihrer Mutter ein, § 11d Abs. 1 Satz 1 EStDV, der Sohn übernimmt die Buchwerte aus dem Betrieb, § 6 Abs. 3 EStG. Anschaffungskosten und Veräußerungsgewinn entstehen nicht. Schenkungsteuerlich liegt in beiden Fällen eine freigebige Zuwendung nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG vor, bei der die Steuer grundsätzlich mit Ausführung der Zuwendung entsteht, § 9 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG. Zu prüfen wäre bei der Tochter eine Privilegierung nach § 13d ErbStG und bei dem Sohn nach § 13a ff. ErbStG.
IV. Bedeutung des Entstehungszeitpunktes 1. Begriff der Entstehung 5 Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis entstehen, sobald der Tatbestand verwirklicht ist, an
den das Gesetz die Leistungspflicht knüpft, § 38 AO. Dies gilt auch für Ansprüche nach dem Erbschaftund Schenkungsteuergesetz, deren Tatbestände in §§ 1 bis 8 ErbStG niedergelegt sind: Bereits durch Tatbestandsverwirklichung wird der Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis geschaffen. Der Anspruch entsteht unabhängig von einem Verwirklichungswillen des Steuerpflichtigen, sobald alle tatbestandsmäßigen Voraussetzungen erfüllt sind. Unwissen oder Irrtum über die steuerlichen Folgen der Tatbestandserfüllung sind grds. unbeachtlich.4 Die Regelungen in § 9 ErbStG konkretisieren die Entstehungsvoraussetzungen i.S.d. § 38 AO.
1 Vgl. BFH v. 4.7.2012 – II R 38/10, BStBl. II 2012, 782. 2 Vgl. etwa die Aufstellung bei Meßbacher-Hönsch in Wilms/Jochum, § 2 ErbStG Rz. 155 (Stand: Oktober 2015). 3 Bei unentgeltlich übertragenen Einzelwirtschaftsgütern des Betriebsvermögens liegen ertragsteuerpflichtige Entnahmen vor. 4 Vgl. Drüen in Tipke/Kruse, § 38 AO Rz. 4 (Stand: Januar 2014) m.w.N.
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Grundaussagen der Vorschrift
Rz. 9 § 9 ErbStG
Der später erlassene Steuerbescheid hat nach der „materiellen Rechtsgrundtheorie“ der h.M.1 nur 6 deklaratorische Bedeutung, da der Steueranspruch bereits kraft Gesetzes durch Verwirklichung des Tatbestands entstanden ist. Der Erlass des Steuerbescheides dient jedoch der Geltendmachung des entstandenen Anspruchs: Durch die Festsetzung nach § 155 Abs. 1 Satz 1 AO entsteht eine Leistungsverpflichtung des Adressaten. Trotz Geltung der materiellen Rechtsgrundtheorie ist zu beachten, dass eine Erstattung der Steuerzahlung nach § 37 Abs. 2 Satz 1 AO nur nach Beseitigung des Steuerbescheids durch Aufhebung oder erfolgreiche Anfechtung in Betracht kommt: Der Steuerbescheid ist zwar kein Rechtsgrund i.S. § 37 Abs. 2 AO. Der Erstattungsanspruch kann indessen nur dann mit Erfolg geltend gemacht werden, wenn der Steuerbescheid nach formellem Recht aufgehoben werden kann. Die formelle Bestandskraft (Unanfechtbarkeit) des Steuerbescheids überlagert dessen materielle Fehlerhaftigkeit.2 Die Festsetzung des Steueranspruchs im Steuerbescheid sagt jedoch noch nichts darüber aus, wann der 7 Fiskus die Leistung konkret verlangen kann. Dies ist eine Frage der Fälligkeit der Leistung: In der Praxis ergibt sich im Bereich des Erbschaft- und Schenkungsteuerrechts die Fälligkeit aus dem im Steuerbescheid ebenfalls enthaltenen Leistungsgebot i.S.d. § 254 Abs. 1 Satz 1 AO und der hiermit verbundenen Zahlungsfrist („Zahlen Sie bis zum …“), § 220 Abs. 2 Satz 1 AO. Jedenfalls tritt Fälligkeit nicht vor der Bekanntgabe des Steuerbescheids ein, § 220 Abs. 2 Satz 2 AO. Ansprüche aus dem Steuerverhältnis erlöschen nach § 47 AO u.a. durch Zahlung, §§ 224 ff. AO. Da- 8 neben spielt in der Praxis der Erlöschensgrund der Festsetzungsverjährung nach §§ 169 bis 171 AO eine große Rolle (vgl. 190 ff.). Die Festsetzungsfrist beginnt nach § 170 Abs. 1 AO grundsätzlich mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem der Steueranspruch entstanden ist, d.h. in welcher der entsprechend gesetzliche Besteuerungstatbestand erfüllt worden ist, § 38 AO i.V.m. § 9 ErbStG. Diese Grundregel hat aber wegen zweier Anlaufhemmungen zumeist keine Bedeutung. Nach Eintritt der Festsetzungsverjährung erlischt der entstandene Besteuerungsanspruch. Möglich ist auch ein Untergang des Steueranspruchs wegen Zahlungsverjährung, §§ 228 ff. AO. 2. Stichtagsprinzip a) Grundsatz Während z.B. die Einkommensteuer gem. § 2 Abs. 7 Satz 1 EStG eine Jahressteuer ist, die nach § 36 9 Abs. 1 EStG mit Ablauf des Veranlagungszeitraums entsteht, ist die Entstehung der Erbschaft- und Schenkungsteuer auf einen bestimmten unterjährigen Zeitpunkt, nämlich dem „Stichtag“ ausgerichtet. Der Stichtag als der Zeitpunkt der Steuerentstehung ist Anknüpfungspunt für zahlreiche Rechtsfolgen, vgl. u.a.:3 – Inkrafttreten bzw. Anwendung von Gesetzesänderungen (vgl. § 37 ErbStG); – persönliche Steuerpflicht (§ 2 Abs. 1 ErbStG); – Wertermittlung (§ 11 ErbStG); – Steuerklasse (§ 15 ErbStG); – Fristenbestimmung bei der Zusammenrechnung mehrerer Erwerbe innerhalb von zehn Jahren (§ 14 ErbStG); – Tatbestandsvoraussetzungen für steuerliche Privilegierungen nebst Einhaltung von „Wohlverhaltensfristen“ (§ 13 Abs. 1 Nr. 2, 3, 4b, 4c, 13, 16 Buchst. b und § 13b i.V.m. § 13a Abs. 7 ErbStG; § 13d ErbStG4); – Vergünstigung für den mehrfachen Erwerb desselben Vermögens (§ 27 Abs. 1 ErbStG),
1 Vgl. BFH v. 15.10.1996 – VII R 46/96, BStBl. II 1997, 171; Drüen in Tipke/Kruse, § 38 AO Rz. 10 (Stand: Januar 2014) m.w.N.: Ein Steuerbescheid ohne entstandenen materiell-rechtlichen Anspruch wirkt insofern konstitutiv, als er eine „formelle“ Zahlungsverpflichtung begründet. 2 Vgl. Drüen in Tipke/Kruse, § 37 AO Rz. 33 f. (Stand: Januar 2014). 3 Gebel in T/G/J, § 9 ErbStG Rz. 3 (Stand: März 2009). 4 Vgl. BFH v. 11.12.2014 – II R 24/14, BStBl. II 2015, 340.
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§ 9 ErbStG Rz. 10 Entstehung der Steuer – Erhebung der Ersatzerbschaftsteuer für Familienstiftungen innerhalb von 30 Jahren (§ 1 Abs. 1 Nr. 4 i.V.m. § 9 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG) sowie – Beginn der Festsetzungsfrist (§ 170 AO). b) Mehrzahl von Erwerben und Stichtagen 10
Ein zusammenhängender Lebenssachverhalt kann mehrere Erwerbstatbestände (Steuerfälle) mit unterschiedlichen Stichtagen auslösen:1 Beispiel: Erblasser E hat X als Erben eingesetzt und zugunsten des Y eine Auflage angeordnet. Z ist nicht bedachter Pflichtteilsberechtigter. X als Erbe tätigt im Zeitpunkt des Versterbens des E einen Erwerb nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 9 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG. Z erlangt einen Erwerb erst im Zeitpunkt der Geltendmachung des Pflichtteilsanspruchs, § 3 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 9 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b ErbStG. Die Steuer für den Erwerbstatbestand des Y nach § 3 Abs. 2 Nr. 2 ErbStG ist gem. § 9 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. d ErbStG von der Vollziehung der Auflage abhängig.
Insbesondere bei einer Mehrzahl von Schenkungen unter Lebenden nach § 7 ErbStG ist darauf zu achten, dass mehrere Steuerfälle entweder eine Festsetzung in getrennten Steuerbescheiden erfordern oder – bei körperlicher Zusammenfassung in einem Schriftstück – die genaue Angabe, welche Lebenssachverhalte und Erwerbstatbestände dem Steuerbescheid zugrunde liegen. Dies ist unabdingbare Voraussetzung u.a. für die Bestimmung der Grenzen der Bestandskraft. Die fehlende Angabe der besteuerten einzelnen Lebenssachverhalte oder die unzulässige unaufgegliederte Zusammenfassung mehrerer Steuerfälle in einem Bescheid führt zur Nichtigkeit eines solchen Bescheids nach § 125 Abs. 1 AO.2 11
Auch können mehrere Lebenssachverhalte zu einem Erwerbstatbestand zusammenzufassen sein, die einen gemeinsamen Stichtag aufweisen. Denkbar ist ein „Gesamterwerb“ von Todes wegen nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG, wenn sich der Vermögensanfall eines Erben durch ein Vorausvermächtnis erhöht.
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Praktisch interessant ist die Frage bei Schenkungen unter Lebenden nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG, unter welchen Voraussetzung mehrere Zuwendungen zu einem „Gesamterwerb“ zusammengezogen werden dürfen, denn mit Schulden und Lasten können ggf. höhere Werte anderer Vermögensgegenstände kompensiert werden. Bilden mehrere Vermögensgegenstände den Gegenstand einer freigebigen Zuwendung, sind auch nach Auffassung der Finanzverwaltung3 unabhängig davon, ob die Gegenstände zu einer oder zu mehreren Vermögensarten gehören, die steuerlichen Einzelwerte zu einem einheitlichen Steuerwert der Gesamtschenkung zusammenzufassen. Voraussetzung des Gesamterwerbs ist der Wille der Beteiligten, dass die Übertragung der Zuwendungsgegenstände zivilrechtlich zwingend ein einheitliches Geschäft bilden soll.4 Sogar nach Verwaltungsauffassung5 ist bei mehreren Übertragungen in mehreren Schenkungsverträgen bei Vorliegen eines einheitlichen Schenkungswillens von nur einer Schenkung auszugehen.
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Nach früherer Auffassung des BFH6 konnte eine einheitliche Schenkung sogar in „zwei Akten“ vollzogen werden. Dies wird freilich von der Literatur7 mit der Begründung abgelehnt, eine einheitliche Zuwendung liege nur dann vor, wenn der Übergang sämtlicher Teile auf denselben Zeitpunkt vorgesehen sei, woran es fehle, wenn die Entstehung der Steuerschuld für die einzelnen Teile des Er-
1 Vgl. Meincke16, § 9 ErbStG Rz. 6; Gebel in T/G/J, § 9 ErbStG Rz. 5 (Stand: Oktober 2014). 2 Vgl. BFH v. 15.3.2007 – II R 5/04, BStBl. II 2007, 472 = FR 2007, 851 = ErbStB 2007, 159; v. 6.6.2007 – II R 17/06, BStBl. II 2008, 46 = FR 2008, 193 = ErbStB 2007, 368. 3 R E 7.4 Abs. 3 Satz 1 ErbStR 2011. 4 Vgl. BFH v. 20.1.2010 – II R 54/07, BStBl. II 2010, 463 = FR 2010, 675 = ErbStB 2010, 128; Gebel, ZEV 2001, 213. 5 R E 13a.13 Abs. 1 Satz 2 ErbStR 2011. 6 Vgl. BFH v. 10.3.1970 – II 83/62, BStBl. II 1970, 562; v. 10.2.1982 – II R 3/80, BStBl. II 1982, 351. 7 Vgl. Geck in Kapp/Ebeling, § 14 ErbStG Rz. 35 (Stand: August 2012); Gebel in T/G/J, § 7 ErbStG Rz. 78 (Stand: Oktober 2014).
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Erwerbe von Todes wegen (Abs. 1 Nr. 1)
Rz. 16 § 9 ErbStG
werbs zeitlich auseinanderfällt. Jedoch ist der BFH1 inzwischen der Meinung, dass trotz der Zusammenfassung eines Schenkungsversprechens in einer notariellen Urkunde zwei getrennt zu besteuernde Erwerbsvorgänge vorliegen, wenn die Schenkungsteuer für die Übertragung der Geschäftsanteile zu unterschiedlichen Zeitpunkten entstanden ist, weil die Zuwendungen zu unterschiedlichen Zeitpunkten i.S.d. § 9 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG ausgeführt wurden. c) Abweichung vom Stichtagsprinzip/Billigkeitsmaßnahmen Die mit der Tatbestandsverwirklichung entstandene Steuer ist grundsätzlich unabänderlich.2 Ins- 14 besondere im Fall der Erbschaftsteuer hat sich der Gesetzgeber für ein striktes Stichtagsprinzip3 entschieden, das auch die maßgebliche Wertermittlung nach den Verhältnissen im Zeitpunkt der Steuerentstehung anordnet.4 Nach dem aus § 11 i.V.m. § 9 Abs. 1 ErbStG folgenden Stichtagsprinzip können spätere wertbeeinflussende Ereignisse die einmal entstandene Steuer grundsätzlich nicht verändern: Nach Meinung des BFH5 schließt das Stichtagsprinzip zwar nicht grundsätzlich jeden Blick auf nachfolgende Ereignisse aus, insb. können später eingetretene Umstände zur Beurteilung der am Stichtag gegebenen Verhältnisse herangezogen werden; eine Rückprojizierung nachträglich eingetretener Ereignisse ist dagegen nicht erlaubt. Die starre Durchführung des Stichtagsprinzips kann damit zu Härten insb. bei der Bewertung führen, 15 wenn z.B. durch Kursrückgänge der nach dem Stichtag eingetretene Wertverlust bei Aktien so erheblich ist, dass ein Erbe dieser Aktien nicht in der Lage ist, die Erbschaftsteuer aufzubringen.6 Es stellt sich dann die Frage, ob dieses unbillige Ergebnis durch eine abweichende Festsetzung aus Billigkeitsgründen nach § 163 AO beseitigt werden kann. Dabei ist aber zu berücksichtigen, dass die Erbschaftsteuer eine Verkehrssteuer ist, und dass die Anwendbarkeit des § 163 Satz 1 AO im Rahmen von Verkehrssteuern eingeschränkt ist.7 Voraussetzung der Billigkeitsmaßnahme ist, dass die Erhebung der Steuer nach Lage des einzelnen Falls unbillig wäre, wobei sich die Unbilligkeit aus sachlichen und aus persönlichen Gründen ergeben kann. Der BFH8 legt im vorliegenden Zusammenhang einen strengen Maßstab für die Gewährung von Billigkeitsmaßnahmen an: Aufgrund der klaren Entscheidung des Gesetzgebers, auf die Wertverhältnisse zum Todestag des Erblassers abzustellen, scheidet jedenfalls eine sachliche Unbilligkeit auch bei Kursverlusten von Aktien grundsätzlich aus. Die gesetzlichen Grenzen des bei der Billigkeitsmaßnahme bestehenden Ermessens seitens der Finanzverwaltung sind danach9 erst dann überschritten und eine Ablehnung in jedem Falle rechtswidrig, wenn ein Verstoß gegen Art. 14 GG vorliegt, weil die Steuer – über die sachliche Unbilligkeit hinaus – erdrosselnd wirkt (vgl. § 11 ErbStG Rz. 20 ff.).
B. Erwerbe von Todes wegen (Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 3 ErbStG) I. Entstehung der Steuer (Abs. 1 Nr. 1 Halbs. 1) 1. Grundsatz Bei Erwerben von Todes wegen gem. § 3 Abs. 1 ErbStG entsteht die Steuer mit dem Tode des Erblas- 16 sers, § 9 Abs. 1 Nr. 1 Halbs. 1 ErbStG. Damit ist der entscheidende Zeitpunkt der Tod des Erblassers und nicht der Zeitpunkt der erstmaligen Verfügungsmöglichkeit des Erwerbers; Schranken der
1 BFH v. 20.1.2010 – II R 54/07, BStBl. II 2010, 463 = FR 2010, 675 = ErbStB 2010, 128. 2 Gebel in T/G/J, § 9 ErbStG Rz. 12 (Stand: Februar 2010). 3 Ausnahmen können sich beispielsweise im Falle der Ausschlagung, der Anfechtung der Ausschlagung oder Annahme und der Testamentsanfechtung ergeben. 4 Vgl. BFH v. 28.10.2015 – II R 46/13, BStBl. II 2016, 477. 5 Vgl. BFH v. 13.5.1998 – II R 98/97, BFH/NV 1998, 1376. 6 Vgl. „Aktiencrash und Erbschaftsteuer“ – Kemmerling/Delp, BB 2002, 655. 7 Vgl. Geck in Kapp/Ebeling, § 9 ErbStG Rz. 10 zu § 227 AO (Stand: April 2015). 8 Vgl. BFH v. 2.2.1977 – II R 150/71, BStBl. II 1977, 425. 9 Vgl. BFH v. 13.5.1998 – II R 98/97, BFH/NV 1998, 1376.
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§ 9 ErbStG Rz. 17 Entstehung der Steuer Rechtsmacht oder tatsächliche Hindernisse spielen grundsätzlich keine Rolle.1 Für die Erfüllung des gesetzlichen Tatbestandes kommt es weder auf eine Kenntnis2 des Steuerpflichtigen noch auf dessen Willen3 zu einer Tatbestandsverwirklichung an („von selbst Erwerb“4 nach §§ 1922 Abs. 1, 1942 Abs. 1 BGB). Wenn die Anwendung der gesetzlichen Stichtagsregelung im konkreten Einzelfall zu einer unbilligen und „erdrosselnd“ wirkenden Härte führt, ist der Steuerpflichtige auch im vorliegenden Zusammenhang auf eine Korrektur durch eine Billigkeitsmaßnahme angewiesen5 (vgl. § 11 ErbStG Rz. 20). 17
Maßgeblich für den Besteuerungstatbestand ist bei Erben die Erbquote und nicht der Erwerb nach Verteilung seitens der Erben:6 Die nach dem Erbfall unter den Miterben stattfindende Erbauseinandersetzung (vgl. §§ 2042 ff., 752 ff. BGB) ist für die Erbschaftsbesteuerung in der Regel ohne Bedeutung. Dies gilt nicht nur dann, wenn die Erben den Nachlass „frei“ unter sich aufteilen, sondern auch für den Fall, dass die Miterben bei der Auseinandersetzung lediglich den verbindlichen Teilungsanordnungen7 des Erblassers Rechnung tragen. Ausnahmen von der Unbeachtlichkeit der Teilungsanordnung gelten freilich für bestimmte Privilegierungsvorschriften, die entfallen können, wenn ein Erbe im Rahmen der Teilung des Nachlasses Vermögensgegenstände überträgt.8
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Bei einer Verfügung, durch die der Erblasser unter Ausschluss einer Ausgleichspflicht einem von mehreren Miterben Gegenstände zuweist, die wertvoller sind, als dies dem Erbteil des Miterben entspricht, liegt eine reine Teilungsanordnung vor, soweit eine Anrechnung auf den Erbteil des Miterben möglich ist, in Höhe eines „Mehrwerts“ aber ein Vorausvermächtnis; dieses führt zum Entstehen eines eigenen – zusätzlichen – Erwerbstatbestandes nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG. Für die Abgrenzung der Teilungsanordnung vom Vorausvermächtnis ist im Regelfall darauf abzustellen, ob der Erblasser den betreffenden Miterben wertmäßig begünstigen wollte. Eine „erbquotenverschiebende Teilungsanordnung“ gibt es nach der Rechtsprechung des BFH,9 der sich dem BGH10 anschließt, grundsätzlich11 nicht.
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Nach § 2087 Abs. 1 BGB liegt allerdings eine Erbeinsetzung auch dann vor, wenn der Erblasser sein Vermögen oder einen Bruchteil seines Vermögens einem Bedachten zuwendet. 2. Ausnahmen a) Formunwirksame Verfügungen
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Eine Besonderheit gilt bei formunwirksamen Verfügungen (vgl. § 10 ErbStG Rz. 16): Wird eine Verfügung von Todes wegen ausgeführt, obwohl sie zivilrechtlich unwirksam ist, und beruht die Ausführung der Verfügung auf der Beachtung des erblasserischen Willens, den Begünstigter und Belasteter anerkennen, ist gem. § 41 Abs. 1 AO das wirtschaftliche Ergebnis dieses Vollzugs erbschaftsteuerrechtlich von Bedeutung. Die nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG festzusetzende Steuer für den vermächtnisweisen Erwerb eines formunwirksam Bedachten entsteht allerdings entgegen § 9 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG nicht – auch nicht rückwirkend – mit dem Tod des Erblassers, sondern erst mit der Erfüllung des formunwirksam geäußerten letzten Erblasserwillens. Erst zu diesem Zeitpunkt ist der um § 41 Abs. 1 Satz 1 AO zu ergänzende Erwerbstatbestand des § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG i.S.d. § 38 AO verwirklicht.12 1 Meincke16, § 9 ErbStG Rz. 9 ff. 2 Gebel in T/G/J, § 9 ErbStG Rz. 17 (Stand: Februar 2010). 3 Gebel in T/G/J, § 9 ErbStG Rz. 9 (Stand: Oktober 2014) – einer Erwerbshandlung des Erben bedarf es zwar nicht; schlägt der Erbe die Erbschaft jedoch später aus, so gilt der Anfall nach § 1953 Abs. 1 BGB als nicht erfolgt und die Steuerpflicht entfällt ebenfalls. 4 Meincke16, § 3 ErbStG Rz. 15. 5 Vgl. BVerfG v. 22.6.1995 – 2 BvR 552/91, BStBl. II 1995, 671. 6 Vgl. BFH v. 5.2.1992 – II R 7/89, BFH/NV 1993, 100 m.w.N. 7 BFH v. 10.11.1982 – II R 85/78, II R 86/78, BStBl. II 1983, 329, unter Aufgabe BFH v. 16.3.1977 – II R 11/69, BStBl. II 1977. 8 Vgl. §§ 13 Abs. 1 Nr. 4b, 4c, 13a Abs. 5, 13d Abs. 2, 19a Abs. 2 ErbStG und zusammenfassend Wälzholz, ZEV 2009, 113. 9 BFH v. 6.10.2010 – II R 29/09, BFH/NV 2011, 603. 10 BGH v. 27.6.1990 – IV ZR 104/89, DB 1990, 2164. 11 Ausnahme § 2049 BGB (Übernahme eines Landguts). 12 BFH v. 28.3.2007 – II R 25/05, BStBl. II 2007, 461 = FR 2007, 932 = ErbStB 2007, 196; Gebel, UVR 1995, 239 (243).
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Erwerbe von Todes wegen (Abs. 1 Nr. 1)
Rz. 25 § 9 ErbStG
b) Erbvergleich Ausnahmsweise können Vereinbarungen unter den Erben – faktisch auch mit Rückwirkung1 – Ein- 21 fluss auf die Entstehung der Steuer nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 Halbs. 1 ErbStG nehmen: Aufgrund des „Erbvergleichs“ ist erbschaftsteuerrechtlich so zu verfahren, als ob der Erblasser durch Verfügung von Todes wegen eine entsprechende Regelung getroffen hätte. Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung2 ist das Ergebnis eines ernsthaft gemeinten Vergleichs, 22 der die gütliche Regelung streitiger Erbverhältnisse zum Ziel hat, der Erbschaftsbesteuerung zugrunde zu legen. Ein Erbvergleich in diesem Sinne ist auch die einvernehmliche Beseitigung etwa bestehender Ungewissheiten über einzelne Erbteile oder über die den Erben zufallenden Beträge. Zwar sind die Bedachten grundsätzlich nicht berechtigt, nach dem Erbfall durch freie Vereinbarung die Bestimmung des Steuerpflichtigen zu beeinflussen. Dies gilt aber dann nicht, wenn bei Streit oder Ungewissheit darüber, ob und in welchem Umfang ein Erwerb oder ein Erbfall vorliegt, die Bedachten einen ernstgemeinten „Erbvergleich“ schließen.3 Die erbschaftsteuerrechtliche Anerkennung des Erbvergleichs stellt eine nicht weiter verallgemeinerungsfähige Ausnahme von dem Grundsatz dar, dass weder die Miterben noch sonst am Nachlass beteiligte Personen berechtigt sind, den Kreis der steuerpflichtigen Personen oder den Umfang der steuerpflichtigen Bereicherung nach dem Erbfall durch freie Vereinbarung eigenmächtig neu zu bestimmen. Ein solcher Vergleich kann auch nur insoweit Verbindlichkeit im Besteuerungsverfahren beanspruchen, als er seinen letzten Rechtsgrund noch im Erbrecht findet. Kann dieser Erwerb tatsächlich nicht auf einen erbrechtlichen Rechtsgrund (Erbanfall nach § 1922 BGB, Vermächtnis nach §§ 2147 ff. BGB, geltend gemachter Pflichtteilsanspruch nach §§ 2303 ff. BGB) zurückgeführt werden, so unterliegt er nicht nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG der Erbschaftsteuer und kann keine Steuer nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 Halbs. 1 ErbStG zum Entstehen bringen. c) „Wohlverhaltensfristen“ Die Gewährung von steuerlichen Vergünstigungen ist in verschiedenen Fällen davon abhängig, dass 23 Nachbehaltens- bzw. Nutzungsfristen („Wohlverhaltensfristen“) eingehalten werden. Die entsprechenden Steuerbefreiungen stehen damit unter einem Nachversteuerungsvorbehalt. Wohlverhaltensfristen für steuerliche Privilegierungen finden sich in § 13 Abs. 1 Nr. 2 (Kulturgüter), Nr. 3 (der Allgemeinheit zugänglicher Grundbesitz), Nr. 4b und Nr. 4c (Erwerb eines Familienheims von Todes wegen), Nr. 13 (Zuwendungen an Pensions- und Unterstützungskassen), Nr. 16 Buchst. b (Zuwendungen an gemeinnützige Einrichtungen u. dgl.) und § 13b i.V.m. § 13a Abs. 7 ErbStG (Betriebsvermögen). Bei einem Verstoß gegen die Wohlverhaltensfristen innerhalb des vorgeschriebenen Zeitraums entfällt die Befreiung entsprechend mit Wirkung für die Vergangenheit. Der Erwerber ist jedenfalls nach § 153 Abs. 2 AO verpflichtet, den Wegfall der Befreiungsvoraussetzungen anzuzeigen. Dogmatisch stellt der Verstoß ein rückwirkendes Ereignis i.S.d. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO dar, 24 das steuerliche Wirkung für die Vergangenheit hat. Der Steuerbescheid ist in diesem Fall zu ändern und eine Nachversteuerung ist durchzuführen. Der Eintritt der Festsetzungsverjährung kann dieser Änderung nicht entgegenstehen, da nach § 175 Abs. 1 Satz 2 AO die Festsetzungsfrist erst mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem das Ereignis eintritt, beginnt. Letztlich stehen die genannten steuerlichen Vergünstigungen damit unter einem „Nachversteuerungsvorbehalt.4 d) Anwartschaftsrecht Nach h.M.5 liegt ein dem Vollrecht vergleichbares Anwartschaftsrecht vor, wenn von einem mehrak- 25 tigen Entstehungstatbestand eines Rechts schon so viele Erfordernisse erfüllt sind, dass der Veräußerer den Rechtserwerb nicht mehr einseitig verhindern kann. Die Einräumung eines solchen Anwart-
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Über eine Bescheidänderung nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO wegen „rückwirkendem Ereignis“. Vgl. BFH v. 4.5.2011 – II R 34/09, BStBl. II 2011, 725 = FR 2011, 870 = ErbStB 2011, 214 m.w.N. BFH v. 25.8.1998 – II B 45/98, BFH/NV 1999, 313. Vgl. Gebel in T/G/J, Anh. AO Rz. 33 (Stand: September 2013). Vgl. Lorenz in Erman14, § 925 BGB Rz. 51 m.w.N. u.a. auf BGH v. 25.2.1966 – V ZR 129/63, NJW 1966, 1019.
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§ 9 ErbStG Rz. 26 Entstehung der Steuer schaftsrechts führt jedoch noch nicht zur Schenkungsteuerpflicht.1 Denn aus § 7 Abs. 1 Nr. 10 ErbStG ergibt sich, dass der Erwerb aufschiebend bedingt, betagt oder befristet erworbener Ansprüche vor dem Eintritt der Bedingung oder des Ereignisses nur dann der Schenkungsteuer unterliegt, wenn der Erwerber durch Verzicht auf den zukünftigen Anspruch gegen Abfindung den Wert seiner Anwartschaft realisiert. Die Vorschrift setzt voraus, dass der Erwerb eines aufschiebend bedingten Anspruchs vor Eintritt der Bedingung noch keine Steuer auslöst. Schenkungsteuerrechtlich relevant ist erst der nachfolgende Erwerb des Vollrechts, d.h. die Entstehung des unbedingten Anspruchs in der Person des Erwerbers, mit dem diesem die Rechtsposition zuwächst, die den Gegenstand einer solchen Schenkung bildet.2 26
Durch eine vom Erblasser angeordnete Nacherbschaft entsteht ebenfalls ein Anwartschaftsrecht, wie sich aus § 10 Abs. 4 ErbStG ergibt. Auch hier entsteht eine Steuer erst, wenn das Recht wirtschaftlich verwertet ist. Dies ist der Fall, wenn entweder die Nacherbfolge eingetreten (§ 6 Abs. 2 und 3 i.V.m. § 9 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. h ErbStG) oder die Anwartschaft durch entgeltliche Übertragung (§ 3 Abs. 2 Nr. 6 i.V.m. § 9 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. i ErbStG), durch Ausschlagung gegen Abfindung (§ 3 Abs. 2 Nr. 4 i.V.m. § 9 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. f ErbStG) oder vorzeitige Herausgabe (§ 7 Abs. 1 Nr. 7 i.V.m. § 9 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG) ausgenutzt worden ist.3
II. Bedingter Erwerb (Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a) 1. Grundsätze a) Arten der Bedingungen 27
Der im Steuerrecht verwendete Begriff „Bedingung“ knüpft hinsichtlich seines rechtlichen Gehalts an den entsprechenden Begriff im bürgerlichen Recht in § 158 BGB an.4 Von der aufschiebenden Bedingung ist der Eintritt, von der auflösenden Bedingung die Wiederaufhebung der gewollten Rechtswirkungen abhängig. Bis zum Eintritt der Bedingung ist das aufschiebend bedingte Rechtsgeschäft zwar tatbestandlich vollendet; sein Wirksamwerden liegt aber noch im Ungewissen: Es fehlt eine Wirksamkeitsvoraussetzung, die der Parteieinwirkung entzogen und allein von der Entwicklung der Dinge abhängig ist.
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Entsprechend entsteht nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a ErbStG die Erbschaftsteuer für den Erwerb aufschiebend bedingter, betagter oder befristeter Ansprüche mit dem Zeitpunkt des Eintritts der Bedingung oder des Ereignisses. Durch diese Vorschrift soll zum einen verhindert werden, dass der im Zeitpunkt des Todes des Erblassers begründete aber erst später entstehende Anspruch bei der Erbschaftsteuer unberücksichtigt bleibt.5 Zum anderen hilft die Regelung der Finanzverwaltung, die eine Besteuerung ohne Rücksicht auf „veraltete Gesetze“ nach den Verhältnissen bei Eintritt des Ereignisses vornehmen kann.6
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Die Vorschrift über die aufschiebende Bedingung muss – auch im Hinblick auf § 12 Abs. 1 ErbStG – im Zusammenhang mit §§ 4, 8 BewG gesehen werden:7 Danach wird in Fällen des aufschiebend bedingten Erwerbs der Vorgang erst mit dem Eintritt des Ereignisses erfasst, von dem die Bedingung oder Befristung abhängt. Nach der ständigen Rechtsprechung8 lassen die Vorschriften eine Auslegung nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten nicht zu. Es kann deshalb auch nicht auf das Maß der Aussichten, die am maßgebenden Stichtag für den Eintritt oder Nichteintritt einer Bedingung bestehen, ankommen. Es ist auch nicht zulässig, nach diesen Aussichten die Bedingungen wie eine aufschiebende oder
1 2 3 4 5 6 7 8
Vgl. auch Gebel, DStR 2004, 165 (170). BFH v. 30.6.1999 – II R 70/97, BStBl. II 1999, 742 = FR 1999, 1254 m. Anm. Viskorf. Gebel in T/G/J, § 9 ErbStG Rz. 28 (Stand: Februar 2010). Vgl. BFH v. 16.7.1975 – II R 154/66, BStBl. II 1976, 17. BFH v. 6.12.1989 – II R 103/86, BStBl. II 1990, 434. Vgl. Meincke16, § 9 ErbStG Rz. 16. Fischer in F/J/P/W5, § 9 ErbStG Rz. 30. Vgl. bereits BFH v. 5.3.1971 – III R 130/68, BStBl. II 1971, 481.
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Erwerbe von Todes wegen (Abs. 1 Nr. 1)
Rz. 34 § 9 ErbStG
eine auflösende zu behandeln. Auch im Falle einer Potestativbedingung1 handelt es sich um eine echte Bedingung, die einer Auslegung nach der wirtschaftlichen Betrachtungsweise nicht zugänglich ist.2 Dagegen ist der auflösend bedingte Erwerb nicht Gegenstand einer besonderen Regelung in § 9 30 ErbStG: Die auflösende Bedingung wirkt sich gem. § 12 Abs. 1 ErbStG i.V.m. § 5 Abs. 1 BewG zunächst nicht aus; nach § 5 Abs. 2 BewG bzw. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Satz 2 AO erfolgt erst bei Bedingungseintritt eine Korrektur. Damit entsteht die Steuer zunächst wie bei einem unbedingten Erwerb.3 § 9 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a ErbStG regelt den Zeitpunkt der Steuerentstehung für zwei Fallgruppen.4 31 Die erste Gruppe betrifft die Fälle eines aufschiebend bedingten, betagten oder befristeten Erwerbs („Erwerbsgrund“). Die zweite der beiden Fallgruppen in § 9 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a ErbStG5 betrifft die Fälle des (unbedingten) Erwerbs aufschiebend bedingter, betagter oder befristeter Ansprüche („Erwerbsgegenstand“). b) Fallgruppen des Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a aa) Bedingter Erwerbsgrund (1) Bedingte Erbeinsetzung/US-amerikanisches Recht Nach deutschem Recht kommt eine bedingte Erbeinsetzung nicht in Betracht. Ihrem Wortlaut nach 32 erfasst die Regelung in § 9 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a ErbStG zwar jeden aufschiebend bedingten, betagten oder befristeten von Erwerb von Todes wegen.6 Zum einen kann aber die durch Erbschaftserwerb unmittelbar ausgelöste Rechtsfolge nicht „betagt“ sein; zum anderen ist in einer aufschiebend bedingten oder befristeten Erbeneinsetzung nach § 2100 BGB die Anordnung einer Vor- und Nacherbfolge zu sehen. Vor- und Nacherbschaft regelt das Gesetz jedoch in § 9 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. h ErbStG gesondert. Nach Auffassung des BFH7 kommt auch bei einem gestuften Erwerb nach US-amerikanischen Recht 33 im Ergebnis keine bedingte Erbeinsetzung in Betracht. Das in den meisten Staaten der USA gültige Erbrecht kennt keine Universalsukzession wie das deutsche Recht in § 1922 BGB.8 Bei der Nachlassabwicklung für das Gesamtvermögen geht das Eigentum an unbeweglichem Vermögen zwar unmittelbar auf den Erben, das Eigentum am beweglichen Vermögen dagegen in der Mehrzahl der amerikanischen Staaten zunächst auf einen „executor“ (testamentarische Erbfolge) oder „administrator“ (gesetzliche Erbfolge) über.9 Dieser Verwalter wird Eigentümer des beweglichen Vermögens und überträgt nach Zahlung der Nachlassschulden einen verbleibenden Überschuss an die bedachten Personen. Nach Meinung des BFH10 ist die mit dem „formalen Rechtstitel“ verbundene Verfügungsmacht des Verwalters gleichwohl mit jener des Testamentsvollstreckers nach inländischem Recht vergleichbar. Die Erbeinsetzung unter Zwischenschaltung eines executors oder administrators nach amerikanischem Recht soll damit selbst dann nicht aufschiebend bedingt sein, wenn dem Verwalter für die Zeit der Nachlassabwicklung unbeschränkte Verfügungsmacht eingeräumt ist. Hiervon zu unterscheiden ist freilich die Einschaltung eines Nachlasstrusts. Bei einem Nachlasstrust 34 nach angloamerikanischem Recht ist dogmatisch ein aufschiebend bedingter Erwerb zu bejahen: Ist z.B. das Vermögen eines verstorbenen US-Bürgers durch eine nach dem Recht des Staates New York errichtete letztwillige Verfügung auf einen solchen Trust übergegangen mit der Maßgabe, dass das Trustvermögen zunächst einem Dritten zur Zwischennutzung zur Verfügung steht und erst später nach Be1 Bedingung, deren Erfüllung von dem Willen eines Erklärungsempfängers abhängt und deshalb für diesen mit keinen Unsicherheiten verbunden ist. 2 Vgl. bereits BFH v. 5.3.1971 – III R 130/68, BStBl. II 1971, 481. 3 Vgl. Fischer in F/J/P/W5, § 9 ErbStG Rz. 30 a.E. 4 Vgl. BFH v. 16.1.2008 – II R 30/06, BStBl. II 2008, 626 = FR 2008, 834 = ErbStB 2008, 132; Gebel in T/G/J, § 9 ErbStG Rz. 31 ff. (Stand: April 2014). 5 Vgl. Gebel in T/G/J, § 9 ErbStG Rz. 31 ff. (Stand: April 2014). 6 Vgl. Meincke16, § 9 ErbStG Rz. 24. 7 BFH v. 8.6.1988 – II R 243/82, BStBl. II 1988, 808. 8 Vgl. Gebel in T/G/J, § 9 ErbStG Rz. 46 ff. (Stand: April 2014). 9 Vgl. Geck in Kapp/Ebeling, § 9 ErbStG Rz. 30 (Stand: April 2015). 10 BFH v. 8.6.1988 – II R 243/82, BStBl. II 1988, 808.
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§ 9 ErbStG Rz. 35 Entstehung der Steuer dingungseintritt auf den eigentlich Berechtigten übergehen soll, so träte ein der deutschen Erbschaftsteuer unterliegender Erwerb erst mit dem Erlöschen der Zwischennutzungsrechte ein.1 35
Wegen der drohenden Missbrauchsgefahr („Steuerfreiheit“ der Erstübertragung, fehlende Ermittlungsmöglichkeiten zum eigentlich Berechtigten) hat der Gesetzgeber2 hier eine Sonderregelung geschaffen: Bei Erbfällen nach dem 4.3.19993 greift der Sondertatbestand des § 3 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 ErbStG ein, wonach auf Grund einer gesetzlichen Fiktion ein testamentarisch angeordneter Nachlasstrust wie eine letztwillig angeordnete Stiftung zu behandeln ist (vgl. hierzu § 3 ErbStG Rz. 111 ff.). Die Steuer entsteht dann bereits mit dem Übergang des Vermögens auf den „trustee“ (Verwalter des Nachlasstrusts, § 9 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. c ErbStG).4 (2) Bedingtes Vermächtnis
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Zwar entsteht die Forderung des Vermächtnisnehmers gem. § 2176 BGB grundsätzlich auch mit dem Erbfall. Entstehen und Fälligkeit des Vermächtnisanspruchs können jedoch auf einem späteren Zeitpunkt hinausgeschoben werden: Wenn der Anspruch des Vermächtnisnehmers erst nach dem Erbfall, insb. beim Eintritt einer aufschiebenden Bedingung, entsteht, dann erfolgt nach § 2177 BGB auch der Anfall des Vermächtnisses erst mit Eintritt der Bedingung.5
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Ist beispielsweise einem Steuerpflichtigen der Nießbrauch am Nachlass und für den Fall des Eintritts eines späteren ungewissen Ereignisses (Bedingung) die Auskehrung des Nachlasswerts (unter Wegfall des Nießbrauchs) vermacht, so ist beim Eintritt der Bedingung ein vom ersten Steuerfall unabhängiger zweiter Erbschaftsteuerfall gegeben.6 Auch ist Erwerbsgegenstand eines Kaufrechtsvermächtnisses (durch Erblasser eingeräumtes Recht, einen Nachlassgegenstand zu erwerben) nach heutiger höchstrichterlicher Finanzrechtsprechung7 die durch die Ausübung des Rechts aufschiebend bedingte Forderung des Vermächtnisnehmers gem. § 2174 BGB auf Übertragung des Nachlassgegenstands gegen den Beschwerten. bb) Bedingter Erwerbsgegenstand
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Die Regelung in § 9 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a ErbStG8 betrifft die Fälle des (unbedingten) Erwerbs aufschiebend bedingter, betagter oder befristeter Ansprüche und handelt damit vom Erwerbsgegenstand. Derartige Ansprüche sind zwar zunächst gem. § 12 Abs. 1 ErbStG i.V.m. den §§ 4 und 8 BewG steuerrechtlich nicht zu berücksichtigen; sie sind aber gleichwohl mit dem Übergang beispielsweise auf den Erben bereits erworben. Diese Differenzierung hat insb. Bedeutung für § 14 Abs. 1 ErbStG. Denn es liegt im Ergebnis nur ein Vorerwerb i.S.d. § 14 Abs. 1 ErbStG vor, wenn sich in dem (unbedingten usw.) Erwerb aufschiebend bedingte, betagte oder befristete Ansprüche befinden. Infolgedessen können auch nicht mehrere Zehn-Jahres-Zeiträume i.S.d. § 14 Abs. 1 ErbStG angesprochen sein. 2. Aufschiebende Bedingung/Befristung a) Bedingung und Befristung
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Die Erbschaftsteuer entsteht gem. § 9 Abs. 1 ErbStG im Regelfall mit dem Tod des Erblassers. Hiervon abweichend entsteht jedoch die Steuer u.a. für zu einem Erwerb gehörende aufschiebend bedingte oder befristete Ansprüche gem. § 9 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a Alt. 2 ErbStG erst mit dem Eintritt der Bedingung oder des Ereignisses. Begrifflich ist wie folgt zu differenzieren:9 1 2 3 4 5 6 7
Vgl. BFH v. 7.5.1986 – II R 137/79, BStBl. II 1986, 615. StEntlG 1999/2000/2002 v. 24.3.1999, BGBl. I 1999, 402. Vgl. § 37 Abs. 1 ErbStG i.d.F. des StEntlG, BGBl. I 1999, 402 (492). Vgl. Gottschalk in T/G/J, § 9 ErbStG Rz. 48 (Stand: Juli 2015). Fischer in F/J/P/W5, § 9 ErbStG Rz. 33; zum aufschiebend bedingten Vermächtnis vgl. Stein, ZEV 2011, 572. Vgl. BFH v. 18.5.1966 – II 167/62, BStBl. III 1966, 593. Alte Rspr.: durch den Erbfall begründetes Gestaltungsrecht vgl. BFH v. 1.8.2001 – II R 47/00, BFH/NV 2002, 788 m.w.N. 8 Vgl. Gebel in T/G/J, § 9 ErbStG Rz. 31 ff. (Stand: April 2014). 9 Vgl. Fischer in F/J/P/W5, § 9 ErbStG Rz. 28, 29.
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Erwerbe von Todes wegen (Abs. 1 Nr. 1)
Rz. 43 § 9 ErbStG
– Nach der Regelung in § 158 BGB, deren Begrifflichkeit auch im Erbschaftsteuerrecht Anwendung findet, liegt eine Bedingung vor, wenn ein Rechtsgeschäft von dem Eintritt eines bestimmten Ereignisses abhängig gemacht wird, dessen Eintritt ungewiss ist. Es ist zwischen aufschiebender und auflösender Bedingung zu unterscheiden, wobei die auflösende Bedingung (vgl. Rz. 115) in § 9 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a ErbStG nicht geregelt ist. – Eine Befristung liegt nach § 163 BGB vor, wenn für die Folgen eines Rechtsgeschäfts bei dessen Vornahme ein Anfangs- oder Endtermin bestimmt worden ist. Im Gegensatz zur Bedingung ist bei der Befristung der Eintritt des Ereignisses gewiss. Zur aufschiebenden Befristung verweist das Bürgerliche Gesetzbuch auf die Vorschriften der aufschiebenden Bedingung; für einen Endtermin verweist es auf die Vorschriften der auflösenden Bedingung. Die Vorschrift des § 9 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a ErbStG bezieht sich wiederum nur auf die aufschiebende Befristung. Möglich ist auch das Zusammentreffen von Bedingungen und Befristungen; hier gilt Folgendes:1 40 – Ist sowohl der Eintritt eines künftigen Ereignisses als auch der Zeitpunkt des Eintritts ungewiss (z.B. erfolgreiches Bestehen eines Examens, von dem eine letztwillige oder lebzeitige Zuwendung abhängig sein soll), so liegt eine Bedingung vor. – Ist der Eintritt eines Ereignisses gewiss, der Zeitpunkt des Eintritts (z.B. Versterben des zukünftigen Erblassers) aber ungewiss, so liegt eine aufschiebende Befristung vor. – Bedingungen und Befristungen können miteinander verbunden werden wie beispielsweise im Fall der „Überlebensbedingung“: Hier wird einerseits auf den Tod des Zuwendenden (gewisses Ereignis = Befristung) und andererseits auf das Erleben dieses Ereignisses durch den Bedachten (ungewisses Ereignis = Bedingung) abgestellt. b) Sonderfall „Genehmigung“ Die nachträgliche Zustimmung (Genehmigung) eines Rechtsgeschäftes wirkt zivilrechtlich gem. § 184 41 Abs. 1 BGB auf den Tag des Vertragsabschlusses zurück. Der BFH2 hatte diese Rechtsfolge zunächst auch auf das Erbschaftsteuerrecht übertragen: Die behördliche Genehmigung eines vom Erblasser abgeschlossenen und bis zur Erteilung der Genehmigung schwebend unwirksamen Kaufvertrags sollte entsprechend § 184 Abs. 1 BGB auf den Zeitpunkt der Vornahme des Kaufvertrags zurückwirken. Für die Entstehung der Steuer wäre damit auf den Zeitpunkt des Erbfalles abzustellen.3 Trotz des zunächst eingetretenen Schwebezustandes fehlte es an einem aufschiebend bedingten Rechtsgeschäft. Für den Fall der Schenkung eines Grundstücks mit privatrechtlicher Genehmigungsbedürftigkeit 42 ist der BFH4 jedoch von vorstehender Betrachtungsweise abgerückt, indem er meint, die zivilrechtliche Rückwirkung der Genehmigungen (§ 184 Abs. 1 BGB) habe keine Bedeutung, da sie am maßgebenden tatsächlichen Geschehensablauf nichts ändere (vgl. Rz. 112). 3. Betagung a) Begriff der Betagung Zivilrechtlich5 liegt eine „betagte“ Forderung bzw. Verbindlichkeit vor, wenn diese zwar bereits ent- 43 standen, jedoch ihre Fälligkeit noch nicht eingetreten, sondern aufgeschoben ist;6 klassisches Beispiel ist die Stundung. Damit unterscheidet sich ein betagter Anspruch von einem „befristeten“ oder „aufschiebend bedingten“ Anspruch, der als solcher erst zu einem späteren Zeitpunkt entsteht: Während betagte Ansprüche nur hinsichtlich der Fälligkeit vom Fristlauf abhängig sind, hängen befristete Ansprüche bereits in ihrem Bestand vom Fristlauf ab.
1 2 3 4 5 6
Vgl. Gottschalk in T/G/J, § 9 ErbStG Rz. 40, 41 (Stand: Juli 2015). BFH v. 25.7.1984 – II R 81/82, BStBl. II 1984, 771. Vgl. Schaub in Wilms/Jochum, § 9 ErbStG Rz. 6 (Stand: Dezember 2012). BFH v. 27.4.2005 – II R 52/02, BStBl. II 2005, 892 = FR 2006, 192 = ErbStB 2006, 65. Vgl. § 813 Abs. 1 Satz 1 BGB. BFH v. 7.10.2009 – II R 27/07, BFH/NV 2010, 891.
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§ 9 ErbStG Rz. 44 Entstehung der Steuer b) Teleologische Reduktion durch BFH 44
Entsprechend dem Wortlaut des § 9 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a ErbStG würde die Steuer im Falle der Betagung bei Erwerben von Todes wegen nicht schon mit dem Tode des Erblassers entstehen, sondern erst mit dem Zeitpunkt des Eintritts eines Ereignisses, d.h. der Fälligkeit. Nach der höchstrichterlichen Finanzrechtsprechung1 betrifft die Vorschrift allerdings nicht alle Ansprüche, die zivilrechtlich als betagt anzusehen sind. Aus der bewertungsrechtlichen Behandlung noch nicht fälliger Forderungen (§ 12 Abs. 1 ErbStG i.V.m. § 12 Abs. 3 BewG) folgt eine Differenzierung. Das für diese Rechtsprechung bestimmende, vom Zivilrecht abweichende Verständnis der Betagung rechtfertigt sich aus der § 9 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a ErbStG zugrunde liegenden Erwägung, dass in diesen Fällen eine wirtschaftliche Bereicherung um das von Todes wegen Erworbene noch nicht im Zeitpunkt des Todes des Erblassers eintritt. Ist hingegen der Zeitpunkt des Eintritts des zur Fälligkeit führenden Ereignisses bestimmt, tritt eine Bereicherung schon mit dem Tod des Erblassers ein.2 Danach gilt:
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Die Erbschaftsteuer für betagte Ansprüche, die zu einem bestimmten (feststehenden) Zeitpunkt fällig werden, entsteht dem Regelfall des § 9 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG entsprechend bereits im Zeitpunkt des Todes des Erblassers;3 solche Ansprüche sind ggf. mit ihrem nach § 12 Abs. 3 BewG abgezinsten Wert anzusetzen.
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Die Erbschaftsteuer für diejenigen betagten Ansprüche, bei denen der Zeitpunkt des Eintritts des zur Fälligkeit führenden Ereignisses unbestimmt ist, entsteht nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a ErbStG erst mit dem Eintritt der Fälligkeit. Hier kann § 12 Abs. 3 BewG nicht eingreifen, weil es an einem bestimmten Zeitpunkt für den Eintritt der Fälligkeit fehlt und somit die Berechnungs- oder Schätzungsgrundlagen für eine Abzinsung oder den Ansatz eines niedrigeren Werts als des Nennwerts (§ 12 Abs. 1 BewG) nicht gegeben sind. In diesen Fällen entsteht die Erbschaftsteuer wie bei einer aufschiebend bedingten oder befristeten Forderung erst mit dem Eintritt des Ereignisses, welches zur Fälligkeit der Ansprüche führt.4
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Hierher gehören auch Einkommensteuererstattungsansprüche des Erblassers. Die Fälligkeit der materiell-rechtlich entstandenen Ansprüche hängt vom erstmaligen Ergehen, der Aufhebung, Änderung oder Berichtigung eines Bescheids sowie der damit verbundenen Abrechnung ab, die die Überzahlung ausweist.5 Ob und wann ein derartiger Bescheid ergeht, ist zunächst ungewiss. Wird der Anspruch auf Erstattung daher erst später fällig, entsteht die Erbschaftsteuer insoweit auch erst mit Eintritt der Fälligkeit.6 c) Vermächtnisse, die mit dem Tod des Beschwerten fällig werden
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Für Vermächtnisse, die erst mit dem Tod des Beschwerten fällig werden, trifft § 6 Abs. 4 ErbStG gegenüber der Betagung eine Sonderregelung: Diese Vermächtnisse werden den Nacherbschaften gleichgestellt. Dies bedeutet im Hinblick auf die Regelung in § 6 Abs. 1 ErbStG, dass ein solches Vermächtnis abweichend vom Bürgerlichen Recht als Erwerb vom Beschwerten und nicht als Erwerb vom eigentlichen Erblasser zu behandeln ist. Nach Auffassung der Finanzverwaltung7 hat dies zur Konsequenz, dass insoweit weder beim Tod des Erstversterbenden (Erblassers) noch beim Tod des Beschwerten eine die jeweilige Bereicherung durch Erbanfall mindernde Vermächtnislast nach § 10 Abs. 5 Nr. 2 ErbStG vorliegt; beim Tod des Letztversterbenden (Beschwerten) soll jedoch eine Erblasserschuld nach § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG abzugsfähig sein.
1 BFH v. 16.1.2008 – II R 30/06, BStBl. II 2008, 626 = FR 2008, 834 = ErbStB 2008, 132; v. 7.10.2009 – II R 27/07, BFH/NV 2010, 891 – krit. Schuck in V/K/S/W4, § 9 ErbStG Rz. 24: „BFH sollte beim Wortlaut des Gesetzes verbleiben“. 2 BFH v. 7.10.2009 – II R 27/07, BFH/NV 2010, 891. 3 BFH v. 14.5.2014 – II B 82/13, juris. 4 Vgl. BFH v. 27.8.2003 – II R 58/01, BStBl. II 2003, 921 = FR 2004, 49 = ErbStB 2004, 4. 5 Vgl. BFH v. 26.4.1994 – VII R 109/93, BFH/NV 1994, 839. 6 BFH v. 16.1.2008 – II R 30/06, BStBl. II 2008, 626 = FR 2008, 834 = ErbStB 2008, 132. 7 Vgl. R E 6 ErbStR 2011.
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Erwerbe von Todes wegen (Abs. 1 Nr. 1)
Rz. 53 § 9 ErbStG
Beispiel: Erblasser A setzt B als Alleinerben ein; Schlusserbe soll der Abkömmling C sein. C erhält von A ein Vermächtnis i.H.v. 400 000 Euro, das mit dem Tod des B fällig werden soll. Nach A verstirbt B.
A
Vermächtnis A – C Fälligkeit bei Tod B
B
C
Vermächtnis A – C – Erwerb des C von B – Abzug einer Erblasserschuld B
Angesichts dieses Beispielsfalles wird in der Literatur1 die Frage gestellt, ob nicht zur abzugsfähigen 49 Erblasserschuld korrespondierend noch ein Vorausvermächtnis bei C gehört. In Anbetracht der von der Finanzverwaltung vertretenen Auffassung muss offenbar davon ausgegangen werden, dass das „Vermächtnis“ des A – das ja vorher nie zur Auszahlung gelangt ist – im Erwerb vom Letztversterbenden B bereits enthalten ist. Dafür spricht, dass die Finanzverwaltung2 meint, die Belastung sei bei dem Erwerb vom Letztversterbenden nicht als Erbfallschuld nach § 10 Abs. 5 Nr. 2 ErbStG – nämlich als Erfüllung eines Vermächtnisses – sondern als Erblasserschuld nach § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG abzuziehen. Das Vermächtnis ist damit letztlich als Erwerb vom Letztversterbenden zu versteuern. Ein solcher Fall 50 ist insb. gegeben, wenn Ehegatten in einem gemeinschaftlichen Testament mit gegenseitiger Erbeinsetzung bestimmen, dass ihren ansonsten zu Schlusserben eingesetzten Kindern beim Tod des erstversterbenden Elternteils Vermächtnisse zufallen sollen, die erst beim Tod des überlebenden Elternteils fällig werden. Das Gleiche gilt, wenn in einem Berliner Testament (§ 2269 BGB) – um nach dem Tod des erstverster- 51 benden Ehegatten die Geltendmachung von Pflichtteilsansprüchen durch die zu Schlusserben eingesetzten Abkömmlinge zu verhindern – bestimmt wird, dass den Kindern, die den Pflichtteil nicht fordern, als Erwerb vom erstversterbenden Elternteil ein Vermächtnis im Werte des Pflichtteils zufallen soll, das erst mit dem Tod des überlebenden Elternteils fällig wird, sog. „Jastrow’sche Klausel“ (vgl. § 6 ErbStG Rz. 61).3 Letztendlich wird die Anwendung des § 6 Abs. 4 ErbStG dazu führen, dass z.B. Abkömmlinge für 52 den ersten Erbfall keine Freibeträge geltend machen können.4 Um diese Rechtsfolge zu vermeiden, wird empfohlen,5 testamentarisch einen bestimmten Fälligkeitstermin für ein entsprechendes Vermächtnis festzulegen. Das Vermächtnis ist dann beim Tod des Erstversterbenden mit dem abgezinsten Betrag bei den Abkömmlingen zu erfassen und bleibt in Höhe des persönlichen Freibetrages steuerfrei; beim Beschwerten ist der Abzug der entsprechenden Vermächtnislast als Erbfallschuld nach § 10 Abs. 5 Nr. 2 ErbStG möglich.
III. Erwerb aufgrund geltend gemachten Pflichtteilspruchs (Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b) 1. Pflichtteilsanspruch a) Grundsatz Nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG gilt als Erwerb von Todes wegen auch der Erwerb aufgrund eines gel- 53 tend gemachten Pflichtteilsanspruchs (§§ 2303 ff. BGB). Die Erbschaftsteuer dafür entsteht nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b ErbStG mit dem Zeitpunkt der Geltendmachung des Anspruchs. Dem blo1 2 3 4 5
Geck in Kapp/Ebeling, § 9 ErbStG Rz. 27.1 (Stand: April 2015). R E 6 Satz 4 ErbStR 2011. Vgl. R E 6 Satz 5 ErbStR 2011 und zur „Jastrow’schen Klausel“ Adam, MDR 2007, 68. Zum Problem vgl. auch Everts, NJW 2008, 557. Vgl. Fischer in F/J/P/W5, § 9 ErbStG Rz. 36, § 3 ErbStG Rz. 307; Mayer, DStR 2004, 1409.
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§ 9 ErbStG Rz. 54 Entstehung der Steuer ßen zivilrechtlichen Entstehen des Anspruchs auf Gewährung des Pflichtteils mit dem Erbfall (§ 2317 Abs. 1 BGB) kommt erbschaftsteuerrechtlich noch keine Bedeutung zu. Dieses zeitliche Hinausschieben der erbschaftsteuerrechtlichen Folgen eines Pflichtteilsanspruchs geschieht im Interesse des Berechtigten und soll ausschließen, dass bei ihm auch dann Erbschaftsteuer anfällt, wenn er seinen Anspruch zunächst oder dauerhaft nicht erhebt.1 54
Hinsichtlich des Abzugs des Pflichtteils als Nachlassverbindlichkeit wirkt dessen Geltendmachung hingegen auf den Zeitpunkt der Entstehung der Steuer gegenüber dem Erben, also auf den Zeitpunkt des Todes des Erblassers (§ 9 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG) zurück, stellt also ein rückwirkendes Ereignis i.S.d. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO dar.2 b) Bezifferung, teilweise Geltendmachung
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Die „Geltendmachung“ des Pflichtteilsanspruchs besteht in dem ernstlichen Verlangen auf Erfüllung des Anspruchs gegenüber dem Erben. Der Berechtigte muss seinen Entschluss, die Erfüllung des Anspruchs zu verlangen, in geeigneter Weise bekunden.3
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Nach der höchstrichterlichen Finanzrechtsprechung4 ist allerdings eine Bezifferung der Höhe des Anspruchs grundsätzlich nicht erforderlich: Eine solche Bezifferung ist dem Pflichtteilsberechtigten, der nicht Erbe ist, regelmäßig erst nach Erteilung der in § 2314 Abs. 1 Satz 1 BGB vorgesehenen Auskunft durch den Erben möglich. Nach der kritischerer Auffassung in der Literatur soll dies nur dann gelten, wenn der Gläubiger den Anspruchsumfang anderweitig verdeutlich, indem er etwa den vollen Pflichtteil verlangt.5 In diesen Zusammenhang gehört auch die Frage der Geltendmachung eines Teilanspruchs: Nach Auffassung des BFH6 wird die Besteuerung nur begrenzt durch die Höhe ausgelöst, in welcher der Pflichtteilsanspruch „geltend gemacht“ worden ist. Letztendlich dürften die Umstände des Einzelfalles entscheidend sein. Durch Auslegung der Willenserklärung des Pflichtteilsberechtigten ist zu entscheiden, ob und in welcher Höhe der Pflichtteil geltend gemacht wird; nach dem Ergebnis dieser Auslegung richten sich die steuerlichen Folgen. c) Stundung, Verjährung
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Ob die Stundung eines Pflichtteilsanspruchs nach dessen Entstehen die Geltendmachung voraussetzt oder nicht, hat der BFH7 offen gelassen. Zivilrechtlich handelt es sich bei der Geltendmachung der Stundung um eine Einrede; eine entsprechende Vereinbarung zwischen Gläubiger und Schuldner des Anspruchs wird jedoch der Geltendmachung erst nachfolgen, so dass im Fall der Stundung grundsätzlich von einer Entstehung des Steueranspruchs ausgegangen werden muss. Wird allerdings die Stundung einseitig vom Schuldner (Erben) durch eine Entscheidung des Nachlassgerichts nach § 2331a BGB herbeigeführt, so erwirbt der Gläubiger (Pflichtteilsberechtigte) nur einen „betagten“ Anspruch (vgl. Rz. 43 f.). Hier liegt es nahe, die Entstehung der Steuerpflicht gem. § 9 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a ErbStG auf den Zeitpunkt des Ablaufs der Stundung anzunehmen.8
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Wenn der Pflichtteil nach Ablauf der dreijährigen Verjährungsfrist (§ 2332 Abs. 1 i.V.m. § 195 BGB) geltend gemacht und ungeachtet der eingetretenen Verjährung erfüllt wird, so ist die Rechtslage die gleiche wie bei einem nicht verjährten Pflichtteilsanspruch.9
1 2 3 4 5 6 7 8 9
BFH v. 31.3.2010 – II R 22/09, BStBl. II 2010, 806 = ErbStB 2010, 231. BFH v. 19.2.2013 – II R 47/11, BStBl. II 2013, 332. Vgl. BFH v. 30.4.2003 – II R 6/01, BFH/NV 2004, 341. BFH v. 19.7.2006 – II R 1/05, BStBl. II 2006, 718 = FR 2006, 986 m. Anm. Schlünder/Geißler = FR 2006, 1096 = ErbStB 2006, 273. Vgl. Meincke16, § 9 ErbStG Rz. 32. BFH v. 18.7.1973 – II R 34/69, BStBl. II 1973, 798. BFH v. 31.3.2010 – II R 22/09, BStBl. II 2010, 806 = ErbStB 2010, 231. Vgl. Meincke16, § 9 ErbStG Rz. 33; a.A. Schuck in V/K/S/W4, § 9 ErbStG Rz. 34: Die Stundung hat auf die Fälligkeit der Steuer im Zweifel keinen Einfluss. Geck in Kapp/Ebeling, § 3 ErbStG Rz. 213.3 (Stand: Oktober 2014); Meincke16, § 9 ErbStG Rz. 33.
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Erwerbe von Todes wegen (Abs. 1 Nr. 1)
Rz. 64 § 9 ErbStG
d) Verzicht auf Pflichtteil Ein einseitiger Verzicht auf einen schuldrechtlichen Anspruch mit rechtlicher Bindung des Gläubi- 59 gers gegenüber dem Schuldner ist dem Bürgerlichen Gesetzbuch fremd; erforderlich ist vielmehr der Abschluss eines Erlassvertrags (vgl. § 397 BGB).1 Ein Anspruchsverzicht nach Entstehung des Anspruchs gem. § 2317 Abs. 1 BGB aber vor Geltend- 60 machung ist steuerfrei, § 13 Abs. 1 Nr. 11 ErbStG.2 Verzichtet der Pflichtteilsberechtigte gegen eine Abfindung auf den entstandenen Pflichtteilsanspruch, so ist der Besteuerungstatbestand des § 3 Abs. 2 Nr. 4 ErbStG erfüllt3 (vgl. Rz. 80 ff.). Hat der Berechtigte den Pflichtteilsanspruch geltend gemacht und ist dadurch die Erbschaftsteuer 61 nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 3. Fall ErbStG entstanden, ist der Erwerb aus steuerrechtlicher Sicht vollendet. Nach der Entstehung des Steueranspruchs zwischen dem Erben und dem Pflichtteilsberechtigten getroffene Erfüllungsabreden können den einmal entstandenen Steueranspruch daher weder aufheben noch verändern. Auch ein nachträglicher(teilweiser) Verzicht des Berechtigten auf seinen geltend gemachten Anspruch wirkt sich grundsätzlich nicht mehr auf die entstandene Steuer aus.4 Eine Ausnahme hiervon gilt lediglich dann, wenn sich der Berechtigte nach ernstlichem Streit über die Höhe seines Pflichtteils vergleichsweise mit weniger zufrieden gibt als er beansprucht hat und ihm zusteht.5 Der Verzicht auf einen geltend gemachten Pflichtteilsanspruch kann jedoch eine weitere schenkung- 62 steuerpflichtige Zuwendung des Pflichtteilsberechtigten an den Erben darstellen (§ 1 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG).6 Erfolgt der Verzicht nach Geltendmachung gegen eine Abfindung, so verbleibt es ebenfalls bei der Steuerbarkeit nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 Fall 3 ErbStG. Die Abfindung ist erbschaftsteuerlich insoweit irrelevant, als sie den Wert des Pflichtteilsanspruchs nicht übersteigt.7 2. Pflichtteilsergänzungsanspruch Hat der Erblasser in den letzten zehn Jahren vor dem Erbfall einem Dritten eine Schenkung zukom- 63 men lassen, so kann der Pflichtteilsberechtigte als Ergänzung des Pflichtteils den Betrag verlangen, um den sich der Pflichtteil erhöht, wenn der verschenkte Gegenstand dem Nachlass hinzugerechnet wird, § 2325 BGB. Der Pflichtteilsergänzungsanspruch ist ein selbständiger Anspruch, der nach h.M. in der Literatur8 dogmatisch nicht in die Gruppe der geltend gemachten Pflichtteilsansprüche i.S.d. §§ 2303 ff. BGB, § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG einzubeziehen ist. Erwerbe in Erfüllung eines geltend gemachten Pflichtteilsergänzungsanspruchs erfolgen auch nicht durch Erbanfall gem. § 1922 BGB i.V.m. § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG und sind aufgrund dieser Gesetzeslücke erbschaftsteuerfrei. 3. Erbersatzanspruch Hatte ein Vater neben nichtehelichen Kindern andere gesetzliche Erben (Ehegatte, eheliche Kinder), 64 so stand dem nichtehelichen Kind in der Vergangenheit an Stelle des gesetzlichen Erbteils ein Erbersatzanspruch in Höhe seines Erbteils zu. In dem am 1.4.1998 in Kraft getretenen Erbrechtsgleichstellungsgesetz9 wurden die einschlägigen §§ 1934a bis 1934e BGB ersatzlos gestrichen. In Erbfällen 1 Vgl. BGH v. 4.12.1986 – III ZR 51/85, NJW 1987, 3203. 2 BFH v. 19.7.2006 – II R 1/05, BStBl. II 2006, 718 = FR 2006, 986 m. Anm. Schlünder/Geißler = FR 2006, 1096 = ErbStB 2006, 273; steuerfrei ist auch die schlichte Nichtgeltendmachung des Anspruchs, vgl. Viskorf in V/K/ S/W4, § 13 ErbStG Rz. 120. 3 Vgl. Meincke16, § 3 ErbStG Rz. 101. 4 BFH v. 19.7.2006 – II R 1/05, BStBl. II 2006, 718 = FR 2006, 986 m. Anm. Schlünder/Geißler = FR 2006, 1096 = ErbStB 2006, 273. 5 Vgl. BFH v. 18.7.1973 – II R 34/69, BStBl. II 1973, 798. 6 BFH v. 19.7.2006 – II R 1/05, BStBl. II 2006, 718 = FR 2006, 986 m. Anm. Schlünder/Geißler = FR 2006, 1096 = ErbStB 2006, 273. 7 Fischer in F/J/P/W5, § 9 ErbStG Rz. 42. 8 Vgl. Geck in Kapp/Ebeling, § 3 ErbStG Rz. 226 (Stand: Juni 2015) m.w.N.; Schuck in V/K/S/W4, § 9 ErbStG Rz. 36. 9 Gesetz v. 16.12.1997, BGBl. I 1997, 2968.
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§ 9 ErbStG Rz. 65 Entstehung der Steuer ab diesem Datum kann ein Erbersatzanspruch des nichtehelichen Kindes nicht mehr entstehen und der entsprechende Steuertatbestand nicht mehr erfüllt werden. Die Erwähnung des Erbersatzanspruchs ist daher durch das Erbschaftsteuerreformgesetz1 mit Wirkung ab 1.1.2009 in § 9 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b ErbStG gestrichen worden.
IV. Erwerb bei Vermögensübergang auf Stiftung oder Trust (Abs. 1 Nr. 1 Buchst. c) 1. Übergang von Vermögen auf eine vom Erblasser angeordnete Stiftung, § 3 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 ErbStG a) Grundsatz 65
Gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. c ErbStG entsteht die Steuer bei Erwerben von Todes wegen im Fall des Übergangs von Vermögen auf eine vom Erblasser angeordnete Stiftung (§ 3 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 ErbStG) mit dem Zeitpunkt der Anerkennung der Stiftung als rechtsfähig.
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Die Regelung in § 3 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 ErbStG, auf die § 9 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. c ErbStG verweist, erfasst alle Fälle, in denen Vermögen auf eine vom Erblasser angeordnete Stiftung übergeht (vgl. hierzu § 3 ErbStG Rz. 107 ff.). Darunter fallen nicht nur die Sachverhalte, in denen der Erblasser einen Erben oder Vermächtnisnehmer mit der Auflage beschwert, seinerseits eine Stiftung durch Rechtsgeschäft (unter Lebenden) zu errichten, sondern auch die Fälle, in denen der Erblasser eine von ihm angeordnete Stiftung zur Erbin (oder Vermächtnisnehmerin) einsetzt.2 b) Entstehung der Steuer mit Rechtsfähigkeit der Stiftung
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Für die Entstehung der Steuer muss die Stiftung als rechtsfähig anerkannt sein. Hierzu sind gem. § 80 Abs. 1 BGB das Stiftungsgeschäft und die Anerkennung durch die zuständige Behörde erforderlich. Um offenbar einem praktischen Bedürfnis nachzukommen, gilt gem. § 84 BGB eine Stiftung für die Zuwendungen des Stifters als schon vor dessen Tod entstanden, wenn diese erst nach dem Tode des Stifters als rechtsfähig anerkannt. Mit der zivilrechtlichen Rückwirkungsfiktion des Entstehens einer Stiftung wird bezweckt, dem Erblasser die Einsetzung einer im Zeitpunkt seines Todes noch nicht existierenden Stiftung als (Voll-)Erbin zu ermöglichen, was ohne § 84 BGB am Rechtsgedanken des § 1923 BGB scheitern müsste. Diese Fiktion wurde vom Steuergesetzgeber in § 3 Abs. 2 Nr. 1 ErbStG nicht übernommen und ist insoweit – jedenfalls nach Auffassung des BFH3 – für das Erbschaftsteuerrecht unbeachtlich.
68
Somit kann sich ein Steuerpflichtiger bei der Festsetzung der ErbSt. nicht mit Erfolg auf § 84 BGB berufen. Die in dieser Vorschrift enthaltene Fiktion ermöglicht zwar die Erbeinsetzung einer erst nach dem Erbfall zur Entstehung gelangten Stiftung als Vollerbe (vgl. § 2101 Abs. 2 Halbs. 2 BGB) mit der Folge des unmittelbaren Vermögensübergangs auf diese. Für den Bereich der Erbschaftsteuer hat der Gesetzgeber mit der Vorschrift des § 9 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. c ErbStG jedoch ausdrücklich auf den Eintritt der tatsächlichen bzw. wirtschaftlichen Bereicherung zum Zeitpunkt der Genehmigung der Stiftung abgestellt.
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Diese Abweichung vom Zivilrecht hat Konsequenzen: Setzt der Erblasser eine von ihm angeordnete Stiftung zur (Allein-)Erbin ein, so unterliegt gem. § 11 ErbStG i.V.m. § 9 Abs. 1 Nr. 1 Halbs. 2 Buchst. c und § 3 Abs. 2 Nr. 1 ErbStG der Erbschaftsteuer – jedenfalls nach Auffassung des BFH4 – auch der Vermögenszuwachs, der sich im Nachlass zwischen dem Tag des Todes des Erblassers und
1 ErbStRG v. 24.12.2008, BGBl. I 2008, 3018. 2 Vgl. BFH v. 25.10.1995 – II R 20/92, BStBl. II 1996, 99. 3 Vgl. BFH v. 25.10.1995 – II R 20/92, BStBl. II 1996, 99; a.A. Geck in Kapp/Ebeling, § 9 ErbStG Rz. 47 (Stand: April 2015). 4 Vgl. BFH v. 25.10.1995 – II R 20/92, BStBl. II 1996, 99; krit. Geck in Kapp/Ebeling, § 9 ErbStG Rz. 47 (Stand: April 2015).
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Erwerbe von Todes wegen (Abs. 1 Nr. 1)
Rz. 73 § 9 ErbStG
dem Tag der Genehmigung der Stiftung (Zeitpunkt der Bekanntgabe der Anerkennung1) vollzogen hat. Diese Rechtsfolge ist m.E. angesichts des Gesetzes zwingend, wenngleich zuzugeben ist, dass sich aus der unterschiedlichen Behandlung von juristischen und natürlichen Personen ein „Wertungswiderspruch“2 ergeben kann: Wird die Stiftung nach Jahren anerkannt, entsteht zu diesem Zeitpunkt die Steuer; andernfalls entsteht die Steuer z.B. für einen Ersatzerben über Jahre zurückbezogen auf den Erbfall. Dies ist jedoch die Folge der gesetzgeberischen Entscheidung. Die bezeichnete Rechtsfolge kann zum 70 einen sicherlich durch eine rechtzeitige Genehmigung der Stiftung und der damit einhergehenden Rechtsfähigkeit vermieden werden. Für die Begünstigung einer nichtrechtsfähigen Stiftung oder eines „unpersönlichen“ Zwecks schlechthin kommt eine Zweckzuwendung nach § 8 ErbStG in Betracht.3 2. Bildung oder Ausstattung einer Vermögensmasse ausländischen Rechts, § 3 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 ErbStG Im Fall der vom Erblasser angeordneten Bildung oder Ausstattung einer Vermögensmasse auslän- 71 dischen Rechts, deren Zweck auf die Bindung von Vermögen gerichtet ist (§ 3 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 ErbStG), entsteht die Erbschaftsteuer gem. § 9 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. c ErbStG mit dem Zeitpunkt der Bildung oder Ausstattung dieser Vermögensmasse (vgl. hierzu § 3 ErbStG Rz. 111 ff.). Die Regelung in § 9 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. c ErbStG wurde durch das StEntlG 1999/2000/20024 in das 72 ErbStG eingefügt. Nach der Entstehungsgeschichte5 sollten mit dem unbestimmten Begriff der „Vermögensmasse“ ausländischen Rechts, deren Zweck auf die Bindung von Vermögen gerichtet ist, vor allem typische und in den anglo-amerikanischen Staaten gebräuchliche Formen erfasst werden. Der Gesetzgeber hatte die ausdrückliche Absicht, die bis dahin bestehende Rechtslage,6 wonach die bloße Errichtung sog. Testamentstrusts, die nicht auf alsbaldige Verteilung des Trustvermögens gerichtet waren, grundsätzlich weder beim Trustverwalter noch beim Begünstigten zu einem steuerbaren Erwerb führten, zu ändern. Nach der Gesetzesbegründung7 sollte der Vermögensübergang auf den Trust bei seiner Errichtung und auf die Anfallsberechtigten bei seiner Auflösung als jeweils zusätzlicher Erwerbstatbestand in die §§ 3 und 7 ErbStG aufgenommen werden und künftig der Besteuerung unterliegen.8 Für die Besteuerung bzw. die Entstehung des Steueranspruchs sind damit eine Vermögensmasse und 73 die zugehörige Vermögensbindung erforderlich. Die notwendige Vermögensmasse stellt sich dar als rechtsfähige oder nicht rechtsfähige Gesamtheit von Vermögensgegenständen, die gesondert verwaltet wird. Ferner ist erforderlich, dass die Vermögensgegenstände vom Errichter oder Dritten bei der Errichtung (Bildung) oder später (Ausstattung) auf die Vermögensmasse übergehen:9 Die maßgebliche Vermögensbindung liegt bei einem Trust dann vor, wenn der Errichter bestimmt hat, dass der Verwalter des Trusts das Vermögen im Interesse der später Begünstigten verwalten und auf diese im Rahmen einer sich über einen längeren Zeitraum erstreckenden Vermögensnachfolge übertragen soll. Die Steuer entsteht dann bereits mit dem Übergang des Vermögens auf den Verwalter des Nachlasstrusts („trustee“).10
1 Vgl. BFH v. 23.4.1952 – II 241/51 U, BStBl. III 1952, 157 zur vergleichbaren Wirkung einer Genehmigung bei der GrESt. 2 So Meincke16, § 9 ErbStG Rz. 34. 3 Hierzu Gottschalk in T/G/J, § 9 ErbStG Rz. 57 (Stand: Juli 2015); Schuck in V/K/S/W4, § 9 ErbStG Rz. 38. 4 StEntlG 1999/2000/2002 v. 24.3.1999, BGBl. I 1999, 402 – die Änderungen gelten nach § 37 Abs. 1 ErbStG i.d.F. des StEntlG 1999/2000/2002 für Erwerbe, für die die Steuer nach dem 4.3.1999 entsteht. 5 Vgl. BFH v. 27.9.2012 – II R 45/10, BStBl. II 2013, 84 = FR 2013, 562 = ErbStB 2013, 5 m.w.N. 6 Vgl. BFH v. 21.4.1982 – II R 148/79, BStBl. II 1982, 597; v. 7.5.1986 – II R 137/79, BStBl. II 1986, 615. 7 BT-Drucks. 14/23 v. 9.11.1989, 200. 8 Krit. zur Neuregelung u.a. Schindhelm/Stein, FR 1999, 880 ff. (888), welche die einschlägigen Vorschriften mangels Bestimmtheit als verfassungswidrig ansehen. 9 Schindhelm/Stein, FR 1999, 880 (884). 10 Vgl. Gottschalk in T/G/J, § 9 ErbStG Rz. 48 (Stand: Juli 2015).
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§ 9 ErbStG Rz. 74 Entstehung der Steuer
V. Erwerb aufgrund Auflage oder Bedingung (Abs. 1 Nr. 1 Buchst. d) 74
Als vom Erblasser zugewendet gilt nach § 3 Abs. 2 Nr. 2 ErbStG auch, was jemand infolge Vollziehung einer vom Erblasser angeordneten Auflage oder infolge Erfüllung einer vom Erblasser gesetzten Bedingung erwirbt. Für diesen Erwerb entsteht die Steuer gem. § 9 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. d ErbStG mit dem Zeitpunkt der Vollziehung der Auflage oder der Erfüllung der Bedingung.
75
Der Erblasser kann den Erben oder einen Vermächtnisnehmer durch Testament zu einer Leistung verpflichten. Wenn dies geschieht, ohne dass einem anderen ein Recht auf diese Leistung zugewandt wird, so handelt es sich um eine Auflage, § 1940, §§ 2192 ff. BGB. Der Wert der Auflage ist als Nachlassverbindlichkeit i.S.d. § 10 Abs. 5 Nr. 2 ErbStG abzugsfähig.
76
Dem Begünstigten kommt im Gegensatz zum Vermächtnisnehmer kein Anspruch auf eine Leistung zu. Dementsprechend lässt das Gesetz den Steueranspruch auch erst mit „Vollziehung“ der Auflage entstehen. Die Auflage ist vollzogen, wenn die Leistung erbracht ist. Hier gelten die gleichen Grundsätze wie bei der der Ausführung einer Schenkung nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG:1 Eine Vollziehung liegt vor, wenn der Begünstigte einen frei verfügbaren Vermögensgegenstand – frei verfügbares Recht auf Leistung – erhalten hat2 (vgl. Rz. 97 ff.).
77
Letztwillige Verfügungen können gem. §§ 2074 ff. BGB auch unter eine Bedingung gestellt werden. Entsprechend entsteht nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a ErbStG die Erbschaftsteuer für den Erwerb aufschiebend bedingter, betagter oder befristeter Ansprüche mit dem Zeitpunkt des Eintritts der Bedingung oder des Ereignisses. Hiermit sind Erwerbe des Erben und Vermächtnisnehmers nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG angesprochen. Demgegenüber besteuert § 3 Abs. 2 Nr. 2 ErbStG den Erwerb durch den Dritten, der nicht Erbe oder Vermächtnisnehmer ist. Steuerbar ist eine vom Erblasser gesetzte Bedingung, welche die Begünstigung eines Dritten zur Folge hat. Die Steuer für diesen Erwerb entsteht nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. d ErbStG mit Eintritt der Bedingung.
VI. Erwerb bei staatlicher Genehmigung (Abs. 1 Nr. 1 Buchst. e) 78
Als vom Erblasser zugewendet gilt nach § 3 Abs. 2 Nr. 3 ErbStG auch was jemand dadurch erlangt, dass bei „Genehmigung einer Zuwendung“ des Erblassers Leistungen an andere Personen angeordnet oder zur Erlangung der Genehmigung freiwillig übernommen werden; nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. e ErbStG entsteht die Steuer in diesen Fällen mit dem Zeitpunkt der Genehmigung.
79
Der Erwerb bei Genehmigung einer Zuwendung knüpft an gesetzlich mögliche Genehmigungsvorbehalte einzelner Bundesländer3 an, die für juristische Personen mit Sitz im Ausland außerhalb des EG-Bereichs beim Erwerb über eine bestimmte Wertgrenze hinaus gelten. Eine praktische Bedeutung dieser Regelung ist nicht erkennbar.4 Damit büßt auch die Vorschrift des § 9 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. e ErbStG ihre Relevanz ein.5 Der Vollständigkeit halber ist darauf hinzuweisen, dass nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen der Zeitpunkt der Bekanntgabe der Genehmigung maßgeblich sein dürfte.6
1 Vgl. Gottschalk in T/G/J, § 9 ErbStG Rz. 60 (Stand: Juli 2015). 2 Vgl. BFH v. 22.10.1980 – II R 73/77, BStBl. II 1981, 78. 3 Vgl. Art. 86 EGBGB mit Einschränkungen durch die Gesetze v. 5.3.1953, BGBl. I 1953, 33 und v. 2.4.1964, BGBl. I 1964, 248. 4 Meincke16, § 3 ErbStG Rz. 97. 5 Vgl. Fischer in F/J/P/W5, § 9 ErbStG Rz. 53. 6 Vgl. BFH v. 23.4.1952 – II 241/51 U, BStBl. III 1952, 157 zur vergleichbaren Wirkung einer Genehmigung bei der GrESt.
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Erwerbe von Todes wegen (Abs. 1 Nr. 1)
Rz. 82 § 9 ErbStG
VII. Erwerb bei Abfindung für Ausschlagung einer Erbschaft oder eines Vermächtnisses (Abs. 1 Nr. 1 Buchst. f) 1. Überblick Als vom Erblasser zugewendet gilt nach § 3 Abs. 2 Nr. 4 ErbStG auch, was als Abfindung für einen Ver- 80 zicht auf den entstandenen Pflichtteilsanspruch oder für die Ausschlagung einer Erbschaft, eines Erbersatzanspruchs oder eines Vermächtnisses oder für die Zurückweisung eines Rechts aus einem Vertrag des Erblassers zugunsten Dritter auf den Todesfall oder anstelle eines anderen in Abs. 1 genannten Erwerbs gewährt wird. Die Vorschrift ist durch das ErbStRG 20091 durch die letzten beiden Tatbestandsvarianten erweitert worden. 2. Verzicht und Ausschlagung a) Verzicht auf den entstandenen Pflichtteilsanspruch gegen Abfindung Der angesprochene „Verzicht auf den Pflichtteilsanspruch“ gegen Abfindung meint den durch Erbfall 81 entstandenen Anspruch auf Gewährung des Pflichtteils vor Geltendmachung (vgl. Rz. 59 ff.). Verzichtet der Pflichtteilsberechtigte gegen eine Abfindung auf den entstandenen Pflichtteilsanspruch, so tritt eine Besteuerung nach § 3 Abs. 2 Nr. 4 ErbStG ein;2 die Steuer entsteht gem. § 9 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. f ErbStG im Zeitpunkt des Verzichts.3 Der Zeitpunkt der Entrichtung der Abfindungssumme ist ohne Bedeutung.4 Zur Abgrenzung sei auf folgende weitere Varianten hingewiesen: – Verzichtet der Steuerpflichtige vor Entstehung des Pflichtteilsanspruchs, d.h. vor dem Erbfall gegenüber dem Erblasser auf sein Erbrecht gegen Abfindung, so findet eine Besteuerung nach § 7 Abs. 1 Nr. 5 statt5 (vgl. Rz. 166 f.). – Verzichtet der Steuerpflichtige nach Entstehung und Geltendmachung auf den Pflichtteilsanspruch gegen Abfindung, so verbleibt es bei der Steuerbarkeit nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 Fall 3 ErbStG. Die Abfindung ist erbschaftsteuerlich ohne Bedeutung, wenn sie den Wert des Pflichtteilsanspruchs nicht übersteigt6 (vgl. Rz. 62 a.E.). b) Ausschlagung einer Erbschaft, eines Erbersatzanspruchs oder eines Vermächtnisses gegen Abfindung Nach §§ 1942 ff. steht dem Erben das Recht zu, die Erbschaft auszuschlagen. Auch der Vermächtnis- 82 nehmer kann den Anfall des Vermächtnisses durch Ausschlagung mit Rückwirkung auf den Erbfall tilgen, §§ 2180 Abs. 3, 1953 Abs. 1 BGB. Beides kann gegen Gewährung einer Abfindung erfolgen. Abfindungen im Zusammenhang mit einem Erbersatzanspruch können nach Auffassung des Gesetzgebers7 zum Erbschaftsteuerreformgesetz8 noch immer steuerrechtliche Wirkung entfalten. Deshalb wird hier – im Gegensatz z.B. zu § 9 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b ErbStG (vgl. Rz. 64) – das Tatbestandsmerkmal nicht gestrichen. Alle Abfindungen im vorgenannten Sinne unterfallen ebenfalls der Besteuerung nach § 3 Abs. 2 Nr. 4 i.V.m. § 9 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. f ErbStG.
1 Erbschaftsteuerreformgesetz v. 24.12.2008, BGBl. I 2008, 3018. 2 Vgl. Meincke16, § 3 ErbStG Rz. 101. 3 BFH v. 18.7.1973 – II R 34/69, BStBl. II 1973, 798; Geck in Kapp/Ebeling, § 9 ErbStG Rz. 40 (Stand: April 2015). 4 Schuck in V/K/S/W4, § 9 ErbStG Rz. 42. 5 Meincke16, § 3 ErbStG Rz. 101. 6 Fischer in F/J/P/W5, § 9 ErbStG Rz. 42. 7 Vgl. BT-Drucks. 16/7918 v. 28.1.2008, 31. 8 ErbStRG v. 24.12.2008, BGBl. I 2008, 3018.
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§ 9 ErbStG Rz. 83 Entstehung der Steuer 3. Zurückweisung eines Rechtes; sonstige Abfindungen 83
Wenn bei einem Vertrag zugunsten Dritter der Dritte das aus dem Vertrag erworbene Recht zurückweist, gilt das Recht rückwirkend als nicht erworben (§ 333 BGB). Erhält der Dritte dafür eine Abfindung, soll er dieses Vermögen als vom Erblasser kommend versteuern. Damit wird eine Besteuerungslücke geschlossen. Entsprechend sollen auch alle anderen Abfindungen als steuerbar behandelt werden, die einem Erwerber anstelle eines ausgeschlagenen oder zurückgewiesenen nach § 3 Abs. 1 Nr. 2 oder Nr. 3 ErbStG steuerbaren Erwerbs, z.B. einer Schenkung auf den Todesfall, gewährt werden.1 4. Rechtsfolge
84
Alle genannten Zurückweisungstatbestände (Verzicht auf den entstandenen Pflichtteilsanspruch, Ausschlagung einer Erbschaft u. dgl. sowie Zurückweisung eines Rechtes) sind, wenn sie gegen eine Abfindung erfolgen, steuerbar nach § 3 Abs. 2 Nr. 4 ErbStG. Die Steuer entsteht nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. f ErbStG nach dem ausdrücklichen Wortlaut der Vorschrift mit dem Zeitpunkt des Verzichts oder der Ausschlagung, also unabhängig davon, zu welchem Zeitpunkt tatsächlich die Abfindung bezahlt wird.2
85
Allerdings werden Abweichungen von diesem Grundsatz diskutiert: Wenn im Zusammenhang mit der Verabredung der Abfindung gleichfalls vereinbart wird, dass die Abfindung aufschiebend bedingt gewährt wird, so soll eine Besteuerung erst im Zeitpunkt des Eintritts der Bedingung nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a ErbStG vorzunehmen sein.3 Nach a.A.4 verstößt die Eröffnung dieser Möglichkeit gegen den Grundsatz, wonach es die Parteien bei eindeutigem und unstreitigem Sachverhalt nicht in der Hand haben, durch Ausschlagung der Erbschaft oder eines Vermächtnisses und daran anschließende Vereinbarung einer aufschiebend bedingten Abfindung den Entstehungszeitpunkt der Erbschaftsteuer hinauszuschieben. M.E. müsste im Einzelfall ein angemessenes Ergebnis vor dem Hintergrund eines Gestaltungsmissbrauchs (§ 42 AO) gefunden werden. Jedenfalls dürfte unstreitig sein, dass für die Bewertung des Abfindungsanspruchs die (u.U. später eintretende) Fälligkeit maßgebend ist.5
VIII. Erwerb bei Abfindungen für den Verzicht auf aufschiebend bedingte, betagte oder befristete Vermächtnisse (Abs. 1 Nr. 1 Buchst. g) 86
Nach § 3 Abs. 2 Nr. 5 ErbStG gilt auch als vom Erblasser zugewendet, was als Abfindung für ein aufschiebend bedingtes, betagtes oder befristetes Vermächtnis, für das die Ausschlagungsfrist abgelaufen ist, vor dem Zeitpunkt des Eintritts der Bedingung oder des Ereignisses gewährt wird. Nach dem ausdrücklichen Wortlaut des Gesetzes entsteht auch hier die Steuer bereits mit der Vereinbarung der Abfindung. Fraglich ist auch hier (vgl. bereits Rz. 85), ob sich die Entstehung der Steuer durch die Vereinbarung einer Bedingung hinausschieben lässt.6
IX. Erwerb durch Nacherbschaft (Abs. 1 Nr. 1 Buchst. h) 87
Im Gegensatz zur Regelung des Zivilrechts (§§ 2100, 2139 BGB) ist für das Erbschaftsteuerrecht ein Nacherbe der Rechtsnachfolger des Vorerben. Gemäß § 6 Abs. 2 Satz 1 ErbStG hat „bei Eintritt der Nacherbfolge“ der Nacherbe, auf den das Vermögen übergeht, den Erwerb als vom Vorerben stammend zu versteuern. Die Regelung in § 9 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. h ErbStG, wonach die Steuer für den Erwerb des Nacherben mit dem Zeitpunkt des Eintritts der Nacherbfolge entsteht, ist daher lediglich deklaratorischer Natur. 1 2 3 4 5 6
Vgl. BT-Drucks. 16/7918 v. 28.1.2008, 31. Schuck in V/K/S/W4, § 9 ErbStG Rz. 42; krit. Meincke16, § 9 ErbStG Rz. 37. Vgl. Fischer in F/J/P/W5, § 9 ErbStG Rz. 54. Geck in Kapp/Ebeling, § 3 ErbStG Rz. 161 (Stand: Juni 2015). Vgl. Geck in Kapp/Ebeling, § 9 ErbStG Rz. 50 (Stand: April 2015). So Schuck in V/K/S/W4, § 9 ErbStG Rz. 44.
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Steuerentstehung bei Schenkungen unter Lebenden (Abs. 1 Nr. 2)
Rz. 92 § 9 ErbStG
X. Erwerb bei entgeltlicher Übertragung der Anwartschaft des Nacherben (Abs. 1 Nr. 1 Buchst. i) Dem Nacherben kommt im Hinblick auf die Aussicht der Erbschaft ein Anwartschaftsrecht zu. Der Er- 88 werb dieses Anwartschaftsrechts durch den Nacherben selbst beim Tod des Erblassers löst keine Erbschaftsteuer aus. Nach § 3 Abs. 2 Nr. 6 ErbStG gilt jedoch als vom Erblasser zugewendet, was als Entgelt für die Übertragung der Anwartschaft eines Nacherben gewährt wird. denn in diesem Fall mehrt sich das Vermögen des übertragenden Anwartschaftsrechtsinhabers unmittelbar greifbar durch Verwertung der infolge Todes des Erblassers gewonnenen Position.1 Die entsprechende Steuer entsteht nach dem Wortlaut des Gesetzes mit der Übertragung der An- 89 wartschaft.
XI. Erwerb des Vertragserben bei beeinträchtigender Schenkung, § 2287 BGB (Abs. 1 Nr. 1 Buchst. j) Gemäß § 3 Abs. 2 Nr. 7 ErbStG gilt auch als vom Erblasser zugewendet, was der „Vertragserbe“2 oder 90 der Schlusserbe eines gemeinschaftlichen Testaments oder der Vermächtnisnehmer wegen beeinträchtigender Schenkungen des Erblassers (§§ 2287, 2288 Abs. 2 BGB) von dem Beschenkten nach den Vorschriften über die ungerechtfertigte Bereicherung erlangt. Die ursprüngliche Einfügung dieses Erwerbstatbestandes durch das StÄndG 19923 war eine Reaktion des Gesetzgebers4 auf die höchstrichterliche Finanzrechtsprechung,5 wonach vor Einführung des Tatbestandes der Erwerb eines „Vertragserben“ aufgrund eines Herausgabeanspruchs gem. § 2287 BGB keinen Erwerb von Todes wegen i.S.d. § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG darstellte. Durch die Änderung wurde eine „Besteuerungslücke“ geschlossen. § 9 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. j ErbStG bestimmt, wann in den Fällen des § 3 Abs. 2 Nr. 7 ErbStG die Erb- 91 schaftsteuer entsteht: Maßgeblich ist die „Geltendmachung des Anspruchs“. Hier greifen die Grundsätze über die Geltendmachung des Pflichtteils (vgl. Rz. 53 ff.) entsprechend ein.6
C. Steuerentstehung bei Schenkungen unter Lebenden (Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 7 ErbStG) I. Verhältnis zu Abs. 1 Nr. 1 (Erwerb von Todes wegen) Gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG entsteht die Steuer – in Ergänzung zu § 38 AO – bei Schenkungen unter 92 Lebenden mit der Ausführung der Zuwendung. Weitere ausdrückliche Regelungen enthält das Gesetz trotz der stark ausdifferenzierten Tatbestände in § 7 ErbStG nicht. Die rudimentäre Regelung in § 9 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG schadet jedoch – worauf der BFH7 zu Recht hinweist – insoweit nicht, als ergänzend die Vorschriften aus § 9 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG zum Erwerb von Todes wegen herangezogen werden dürfen: Die eigenständige Regelung der Steuerentstehung bei Schenkungen unter Lebenden in § 9 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG ist allein deshalb erforderlich, weil die Steuerentstehung anders als regelmäßig beim Erwerb von Todes wegen nicht an den Tod des bisherigen Vermögensinhabers anknüpfen kann. Daraus folgt aber nicht, dass ihr die Bedeutung einer lex specialis z.B. gegenüber § 9 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a ErbStG zukommt. Bei Schenkungen können sich dieselben Problemlagen ergeben, wie sie in § 9 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a ErbStG angesprochen sind. Für diese Problemlagen enthält § 9 Abs. 1 1 Vgl. BFH v. 28.10.1992 – II R 21/92, BStBl. II 1993, 158. 2 Vertragserbe gem. § 2287 BGB ist nicht nur der durch Erbvertrag, sondern auch der durch gemeinschaftliches Testament eingesetzte Erbe. 3 StÄndG 1992 v. 25.2.1992, BGBl. I 1992, 297. 4 Vgl. die Gesetzesbegründung in BT-Drucks. 12/1108 v. 3.9.1991, 77. 5 BFH v. 6.3.1991 – II R 69/87, BStBl. II 1991, 412. 6 So auch Fischer in F/J/P/W5, § 9 ErbStG Rz. 59. 7 Vgl. BFH v. 21.4.2009 – II R 57/07, BStBl. II 2009, 606 = FR 2009, 973 = ErbStB 2009, 236.
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§ 9 ErbStG Rz. 93 Entstehung der Steuer Nr. 1 Buchst. a ErbStG lediglich die speziellere Regelung gegenüber der Nr. 2 der Vorschrift, die i.V.m. § 1 Abs. 2 ErbStG dieser Nr. 2 vorgeht. Nach § 1 Abs. 2 ErbStG gelten die Vorschriften über die Erwerbe von Todes wegen, soweit nichts anderes bestimmt ist, auch für Schenkungen unter Lebenden. 93
Es gäbe auch keinen sachlichen Grund, Schenkung anders zu besteuern als den Übergang derselben Wirtschaftsgüter im Erbwege. Dieses Gesetzesverständnis liegt im Übrigen auch § 7 Abs. 1 Nr. 10 ErbStG zugrunde, indem er Abfindungen für aufschiebend bedingt, betagt oder befristet erworbene Ansprüche, die vor dem Zeitpunkt des Eintritts der Bedingung oder des Ereignisses gewährt werden, als Schenkungen unter Lebenden behandelt, soweit es sich nicht um einen Fall des § 3 Abs. 2 Nr. 5 ErbStG – Erwerb von Todes wegen – handelt.
II. Freigebige Zuwendung (Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG) 1. „Ausführung“ der Zuwendung a) Maßgeblichkeit der Zivilrechtslage aa) Objektiv unentgeltliche Zuwendung 94
Der Wille zur Freigebigkeit ist dann gegeben, wenn der Zuwendende in dem Bewusstsein handelt, zu der Vermögenshingabe weder rechtlich verpflichtet zu sein noch dafür eine mit seiner Leistung in einem synallagmatischen, konditionalen oder kausalen Zusammenhang stehende (gleichwertige) Gegenleistung zu erhalten.1
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Es muss für eine Besteuerung jedoch auch zur „Ausführung“ der Zuwendung kommen. Eine freigebige Zuwendung i.S.d. § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG setzt daher in objektiver Hinsicht voraus, dass die Leistung zu einer Bereicherung des Bedachten auf Kosten des Zuwendenden führt und die Zuwendung (objektiv) unentgeltlich (vgl. § 7 ErbStG Rz. 18 f.) ist. Dies erfordert, dass der Empfänger über das Zugewendete – über den Zuwendungsgegenstand – im Verhältnis zum Leistenden tatsächlich und rechtlich frei verfügen kann. Dafür, ob dies der Fall ist, kommt es ausschließlich auf die Zivilrechtslage an.2
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Welche Personen als Zuwendender an einer freigebigen Zuwendung beteiligt sind, bestimmt sich ebenfalls ausschließlich nach der Zivilrechtslage (vgl. § 7 ErbStG Rz. 195).3 Grundsätzlich ist Zuwendender derjenige, der die steuerbare Zuwendung aus seinem Vermögen erbringt. So ist eine Schenkung des verstorbenen Schenkers anzunehmen, wenn er vor seinem Tod ein Schenkungsversprechen formwirksam erteilt hat und die Schenkung erst nach seinem Tode ausgeführt wird; der Erbe als Gesamtrechtsnachfolger muss die Zuwendung aufgrund der auf ihn übergegangenen Verpflichtung erfüllen.4 bb) Verfügungsmöglichkeit über das Zugewendete (1) Zuwendungsgegenstand
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Gegenstand einer freigebigen Zuwendung i.S.d. § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG kann nicht nur die Vermögenssubstanz, sondern auch die Gewährung eines Vermögensgebrauchs (einer Nutzungsmöglichkeit) sein. Dabei ist ohne Belang, ob die Gebrauchs- bzw. Nutzungsüberlassung (z.B. durch einen Nießbrauch) „verdinglicht“ wird oder lediglich auf einem obligatorischen Rechtsverhältnis (z.B. einem Darlehensvertrag) beruht.5
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Auch der konkrete Gegenstand der Schenkung richtet sich nach bürgerlichem Recht.6 Die Schenkungsteuer entsteht gem. § 9 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG mit dem Zeitpunkt der Ausführung der Zuwen1 Vgl. BFH v. 9.12.2009 – II R 22/08, BStBl. II 2010, 363 = FR 2010, 675 = ErbStB 2010, 130. 2 Vgl. BFH v. 30.11.2009 – II R 70/06, BFH/NV 2010, 900; v. 22.8.2007 – II R 33/06, BStBl. II 2008, 28 = FR 2008, 242 = ErbStB 2008, 3; v. 16.1.2008 – II R 10/06, BStBl. II 2008, 631 = FR 2008, 981 = ErbStB 2008, 133. 3 Vgl. BFH v. 27.8.2014 – II R 43/12, BStBl. II 2015, 241. 4 Vgl. BFH v. 23.6.2015 – II R 52/13, BStBl. II 2015, 960. 5 BFH v. 30.3.1994 – II R 105/93, BFH/NV 1995, 70. 6 Vgl. BFH v. 5.2.1986 – II R 188/83, BStBl. II 1986, 460.
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Steuerentstehung bei Schenkungen unter Lebenden (Abs. 1 Nr. 2)
Rz. 101 § 9 ErbStG
dung. Die Zuwendung ist ausgeführt, wenn der Beschenkte erhalten hat, was ihm nach der Schenkungsabrede verschafft werden soll.1 Auszugehen ist zunächst vom Parteiwillen, im Falle der freigebigen Zuwendung vom Willen des Zuwendenden, d.h. davon, was dem Bedachten nach dem Willen des Schenkers geschenkt sein soll.2 Wenn der BFH3 in der Vergangenheit der Auffassung war, der Gegenstand der Schenkung richtet sich danach, was nach der Schenkungsabrede, d.h. nach dem übereinstimmenden Willen von Schenker und Bedachtem, geschenkt sein soll, so ist dies jedenfalls insoweit missverständlich, als für die Tatbestandsverwirklichung des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG nicht stets ein zweiseitiger Schenkungsvertrag i.S.d. § 516 BGB erforderlich ist.4 Wenn ein solcher Vertrag aber geschlossen wurde, sind selbstverständlich dessen Bedingungen für die Bestimmung des Leistungsgegenstands zugrunde zu legen. (2) Verfügungsmöglichkeit (a) Grundsatz: Dinglicher Vollrechtserwerb In § 9 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG ist im Tatbestandsmerkmal der Ausführung der Zuwendung das steuer- 99 rechtliche Pendant zur „Bewirkung der Leistung“ nach § 518 Abs. 2 BGB zu sehen. Nach dieser Vorschrift wird bei Erfüllung des Schenkungsversprechens ein Formmangel in Gestalt der unterbliebenen notariellen Beurkundung des schuldrechtlichen Geschäfts nach § 518 Abs. 1 Satz 1 BGB geheilt: Der Mangel der Form wird durch die „Bewirkung“ der versprochenen Leistung geheilt. Der dort angesprochene Zeitpunkt entscheidet letztlich auch über das Entstehen der Schenkungsteuer. Während der zivilrechtliche Begriff der „Bewirkung“ eher auf den Leistungserfolg abstellt und der Begriff der „Ausführung“ mehr die Leistungshandlung betont, sind praktisch beide Begriffe weitgehend identisch.5 Entscheidend ist, wie sich die Vermögensmehrung im Zeitpunkt der Ausführung der Schenkung 100 beim Bedachten darstellt, d.h. worüber der Bedachte im Verhältnis zum Schenker – endgültig – tatsächlich und rechtlich frei verfügen kann.6 Letztendlich wird für die Ausführung der Zuwendung der dingliche Vollzug, das Erfüllungsgeschäft im zivilrechtlichen Sinn zu fordern sein. Dies bedeutet grundsätzlich einen dinglichen Vollrechtserwerb für bewegliche Sachen nach §§ 929, 854 BGB und für Forderungen nach § 398 BGB (vgl. Rz. 145); für die Ausführung der Zuwendung bei Grundstücken gelten Sonderregeln (vgl. Rz. 128 ff.). Wegen der Maßgeblichkeit des Zivilrechts kann mit gewillkürter Rückdatierung der Schenkung kein früherer Ausführungszeitpunkt herbeigeführt werden.7 Bei der Schenkung eines Geschäftsanteils, der im Zuge einer Kapitalerhöhung einer GmbH neu ent- 101 steht, ist nach Auffassung des BFH8 die Zuwendung nicht vor der Eintragung der Kapitalerhöhung in das Handelsregister ausgeführt. Erst mit der Erlangung des Vollrechts wächst dem Bedachten die Rechtsposition zu, die den Gegenstand der Schenkung bildet. Auf den Zeitpunkt, zu dem die Handelsregistereintragung beantragt wurde, kommt es nicht an. Die Zuwendung eines erst künftig im Rahmen einer Kapitalerhöhung entstehenden Geschäftsanteils ist erst recht nicht bereits mit der wirksamen Beurkundung der Abtretung des Geschäftsanteils ausgeführt; denn der Leistungserfolg, nämlich der Erwerb des entstandenen Geschäftsanteils, ist noch nicht eingetreten.
1 BFH v. 6.3.1985 – II R 19/84, BStBl. II 1985, 382 – haben die Beteiligten den Schenkerwillen jedoch nicht vollzogen, kann er für die Erhebung der Schenkungsteuer auch nicht erheblich sein, BFH v. 6.3.1985 – II R 114/82, BStBl. II 1985, 380. 2 BFH v. 25.11.2008 – II R 38/06, BFH/NV 2009, 772. 3 BFH v. 21.5.2001 – II R 10/99, BFH/NV 2001, 1404. 4 Freigebige Zuwendungen können auch solche Vorteilsgewährungen sein, die keine Schenkungen i.S.d. § 516 Abs. 1 BGB sind, wie z.B. einseitige Vorteilsgewährungen ohne vertragliche Einigung der Beteiligten; vgl. Hartmann, ErbStB 2006, 176 m.w.N. 5 Vgl. Steiner, ZEV 2009, 68. 6 BFH v. 24.8.2005 – II R 16/02, BStBl. II 2006, 36 = FR 2006, 291 = ErbStB 2006, 41. 7 Vgl. Halaczinsky, ErbStB 2008, 20. 8 Vgl. BFH v. 20.1.2010 – II R 54/07, BStBl. II 2010, 463 = FR 2010, 675 = ErbStB 2010, 128.
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§ 9 ErbStG Rz. 102 Entstehung der Steuer 102 Aus alldem folgt, dass allein ein Schenkungsversprechen i.S.d. § 518 BGB bzw. der Schenkungsver-
trag grundsätzlich die „Ausführung der Zuwendung“ gem. § 9 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG nicht enthalten kann.1 Andererseits ist natürlich zu berücksichtigen, dass auch ein „unvollkommenes Recht“ Gegenstand einer Zuwendung sein kann:2 Wird beispielsweise ein Anwartschaftsrecht selbst verschenkt, so ist diese Zuwendung mit Übertragung des Anwartschaftsrechts ausgeführt i.S.d. § 9 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG, ohne dass es eines Vollrechtserwerbs bedarf. (b) Ausnahme: Schuldrechtliche Vereinbarung 103 Allerdings gibt es Zuwendungen, die aufgrund ihrer Rechtsnatur keines dinglichen Vollzugsaktes be-
dürfen; hier zählt z.B. die Zuwendung einer Unterbeteiligung am Kapitalanteil des Gesellschafters einer Personengesellschaft, die bereits im Zeitpunkt der vertraglichen Vereinbarung der Unterbeteiligung ausgeführt ist.3 104 Verpflichtet sich der Beschenkte, an einen Dritten ein sog. Gleichstellungsgeld zu zahlen, liegt eine ge-
mischte Schenkung zugunsten des Beschenkten und bezüglich des Gleichstellungsgeldes eine Forderungsschenkung zugunsten des Dritten vor (zur Forderungsschenkung Rz. 145 ff.). Der begünstigte Dritte erwirbt dabei gemäß der Auslegungsregel des § 330 Satz 2 BGB unmittelbar das Recht, das Gleichstellungsgeld vom Versprechenden zu fordern. Dieses Forderungsrecht – und nicht erst das zu seiner Erfüllung gezahlte Gleichstellungsgeld – ist nach der Rechtsprechung4 Gegenstand der weiteren mit dem Übertragungsvertrag zugunsten des Dritten bewirkten Schenkung gem. § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG, die bereits mit Abschluss der Verträge i.S.d. § 9 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG ausgeführt ist. Dass die Gleichstellungsgelder nach den Verträgen in Teilbeträgen erst zu späteren Zeitpunkten fällig geworden sind, steht der Ausführung der Forderungsschenkung mit Vertragsabschluss nicht entgegen. (c) Verpflichtung zur Weitergabe 105 Erhält jemand als Durchgangs- oder Mittelsperson eine Zuwendung, die er entsprechend einer beste-
henden Verpflichtung in vollem Umfang an einen Dritten weitergibt, liegt schenkungsteuerrechtlich nur eine Zuwendung aus dem Vermögen des Zuwendenden an den Dritten vor. Wegen der Verpflichtung zur Weitergabe kommt eine Schenkung der Mittelsperson an den Dritten nicht in Betracht. Ob diese Voraussetzungen erfüllt sind, richtet sich nach den konkreten Umständen. Nicht entscheidend kommt es darauf an, ob der Schenkungsvertrag zwischen dem Zuwendenden und der Durchgangs- oder Mittelsperson seinem Wortlaut nach Absprachen hinsichtlich der Verwendung des Gegenstands der Zuwendung enthält. Maßgebend ist vielmehr, ob der zunächst Bedachte eine eigene Entscheidungsmöglichkeit hinsichtlich dieser Verwendung hat.5 106 Die Wirksamkeit einer Schenkung soll aber nach BFH6 nicht notwendigerweise davon berührt wer-
den, dass der schenkweise zugewendete Betrag umgehend an den Zuwendenden wieder als Darlehen gewährt wird. Etwas anderes soll wiederum nur gelten, wenn der Empfänger lediglich Durchgangsperson ist und das Erhaltene sogleich weitergeben muss, ohne dass ihm eine Bereicherung verbleibt. Wird die unentgeltliche Zuwendung eines Geldbetrags an einen Angehörigen davon abhängig gemacht, dass der Empfänger den Betrag als Darlehen wieder zurückgeben muss, ist – jedenfalls nach Verwaltungsauffassung7 – ertragsteuerlich weder die vereinbarte Schenkung noch die Rückgabe als Darlehen anzuerkennen. 107 Die von der Finanzverwaltung genannten Kriterien, die letztlich auf die Ermittlung der inneren Tat-
sache „Entscheidungsmöglichkeit“ abzielen, können sinngemäß auch im Bereich der Schenkungsteuer angewendet werden. Das Vereinbarte muss in jedem Einzelfall und während der gesamten Ver1 Vgl. bereits BFH v. 23.6.1971 – II R 59/67, BStBl. II 1972, 43 und Schuck, DStR 2004, 1948 (1949) m.w.N. 2 Zum vergleichbaren Fall der Einräumung einer widerruflichen Rechtsposition als Gegenstand der Schenkung Meincke16, § 9 ErbStG Rz. 40. 3 Vgl. BFH v. 22.8.1962 – II 283/58 U, BStBl. III 1962, 502. 4 Vgl. BFH v. 23.10.2002 – II R 71/00, BStBl. II 2003, 162 = FR 2003, 420 = ErbStB 2003, 76. 5 BFH v. 22.12.2004 – II B 166/03, BFH/NV 2005, 705. 6 BFH v. 25.10.1995 – II R 45/92, BStBl. II 1996, 11. 7 Vgl. BMF v. 23.12.2010 – IV C 6 - S 2144/07/10004, 2010/0862046, BStBl. I 2011, 37.
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Steuerentstehung bei Schenkungen unter Lebenden (Abs. 1 Nr. 2)
Rz. 110 § 9 ErbStG
tragsdauer nach Inhalt und Durchführung dem entsprechen, was fremde Dritte bei der Gestaltung eines entsprechenden Darlehensverhältnisses üblicherweise vereinbaren würden. Das setzt insb. voraus, dass eine Vereinbarung über die Laufzeit und über Art und Zeit der Rückzahlung des Darlehens getroffen worden ist, die Zinsen zu den Fälligkeitszeitpunkten entrichtet werden und der Rückzahlungsanspruch ausreichend besichert ist. Allerdings begründet nach der einschlägigen Rechtsprechung1 die Kürze der zwischen Schenkung und Darlehensgewährung liegenden Zeit keine „unwiderlegliche“ Vermutung für die gegenseitige Abhängigkeit der beiden Verträge, was die Annahme einer Entscheidungsmöglichkeit ausschlösse. (d) „Oder“-Konten bei Ehegatten Eine Schenkung i.S.d. § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG kann auch bei einer Mitberechtigung an einem „Oder- 108 Konto“ (vgl. § 7 ErbStG Rz. 167 ff.) gegeben sein: Gemäß § 430 BGB sind die Inhaber eines OderKontos i.d.R. als Gesamtgläubiger im Verhältnis zueinander zu gleichen Anteilen berechtigt, soweit nicht ein anderes bestimmt ist. Nach der Rechtsprechung des BGH2 und des BFH3 gilt auch für Oder-Konten von Ehegatten während intakter Ehe die gesetzliche Zurechnungsregel des § 430 BGB. Daher ist in der Vergangenheit die Frage aufgetaucht, ob die Einräumung der Befugnisse aus einem solchen Konto für den Ehegatten, der nicht oder weniger auf das betreffende Konto eingezahlt hat, einen schenkungsteuerbaren Vorgang darstellt. Der BFH4 hat hier Klarheit geschaffen: Wird die Zahlung eines Ehegatten auf ein Gemeinschaftskonto (Oder-Konto) der Eheleute als freigebige Zuwendung an den anderen Ehegatten der Schenkungsteuer unterworfen, trägt das Finanzamt die Feststellungslast für die Tatsachen, die zur Annahme einer freigebigen Zuwendung i.S.d. § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG erforderlich sind, also auch dafür, dass der nicht einzahlende Ehegatte im Verhältnis zum einzahlenden Ehegatten tatsächlich und rechtlich frei zur Hälfte über das eingezahlte Guthaben verfügen kann. Fehlen schriftliche oder mündliche Vereinbarungen über ein von der Auslegungsregel des § 430 BGB abweichendes Innenverhältnis zwischen den Eheleuten in Bezug auf ein Gemeinschaftskonto, ist das Innenverhältnis vornehmlich aus dem Verhalten der Eheleute zu erschließen. Kann auch der nicht einzahlende Ehegatte auf die vom anderen Ehegatten geleisteten Mittel zur Bildung eigenen Vermögens zugreifen, kann dies dafür sprechen, dass es bei der Ausgleichsregel bleiben soll und jeder Ehegatte über den auf ihn entfallenden Teil des Kontoguthabens tatsächlich und rechtlich frei verfügen kann. Für die Gestaltungspraxis ist gleichwohl anzuraten,5 schriftliche Vereinbarungen zwischen den Ehe- 109 leuten zu treffen, aus denen sich ergibt, dass der nicht auf das Gemeinschaftskonto einzahlende Ehegatte keine Berechtigung am Guthaben hat. Für einen späteren Erbfall bleibt dann aber zu beachten, dass im Falle des Todes des vermögenden Ehegatten der Überlebende als Erbe das gesamte Konto erbt. Sollten die Ehegatten im Güterstand der Zugewinngemeinschaft gelebt haben, kommt mit Beendigung des Güterstands die Privilegierung nach § 5 ErbStG in Betracht. Bei einem Einzelkonto ist der Inhaber nicht nur alleiniger Gläubiger der Guthabensforderung gegen- 110 über der Bank, also Berechtigter im Außenverhältnis. Ihm steht vielmehr im Regelfall das Guthaben auch im Innenverhältnis allein zu. Dies gilt auch bei Ehegatten. Aus einer Vollmacht für den Ehegatten, der nicht Kontoinhaber ist, ergibt sich nichts anderes. Sie gibt dem bevollmächtigten Ehegatten lediglich im Außenverhältnis gegenüber der Bank eine Verfügungsbefugnis über das Konto. Die Ehegatten können aber im Inenverhältnis – auch stillschweigend – eine Bruchteilsberechtigung des Ehegatten, der nicht Kontoinhaber ist, an der Kontoforderung vereinbaren. Unter welchen Voraussetzungen eine solche konkludente Vereinbarung anzunehmen ist, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Leisten etwa beide Ehegatten Einzahlungen auf ein Sparkonto und besteht Einvernehmen, dass die Ersparnisse beiden zugutekommen sollen, so steht ihnen die Forderung gegen die Bank im innenverhältnis im Zweifel zu gleichen Anteilen zu.6 1 2 3 4 5 6
Vgl. BFH v. 18.1.2001 – IV R 58/99, BStBl. II 2001, 393 = FR 2001, 402 m. Anm. Fischer. BGH v. 29.11.1989 – IVb ZR 4/89, NJW 1990, 705. BFH v. 22.8.2007 – II R 33/06, BStBl. II 2008, 28 = FR 2008, 242 = ErbStB 2008, 3. BFH v. 23.11.2011 – II R 33/10, BStBl. II 2012, 473 = FR 2012, 739 = ErbStB 2012, 168. Vgl. Gluth/Rund, ErbStB 2013, S003 (S014). BFH v. 29.6.2016 – II R 41/14, BFH/NV 2016, 1516.
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§ 9 ErbStG Rz. 111 Entstehung der Steuer cc) Bedingte Zuwendungen, Schenkung bei Erteilung einer Genehmigung 111 Die Rechtsfolge des § 9 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a ErbSt für aufschiebende Bedingungen i.S.d. § 158 Abs. 1
BGB (vgl. Rz. 27 ff.) gilt nicht nur bei Erwerben von Todes wegen, sondern auch bei Schenkungen unter Lebenden im Rahmen des § 9 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG.1 Eine entsprechende Zuwendung ist deshalb schenkungsteuerlich gem. § 12 Abs. 1 ErbStG i.V.m. § 4 BewG bis zum Bedingungseintritt nicht zu berücksichtigen.2 Die Schenkung einer Forderung, hinsichtlich der eine Besserungsabrede getroffen wurde, ist deshalb erst ausgeführt, wenn der Besserungsfall eingetreten ist.3 112 Fraglich ist, ob bei Vorliegen einer Genehmigungsbedürftigkeit im Zusammenhang mit der Schenkung
ebenfalls die Rechtsfolgen eines aufschiebend bedingten Rechtserwerbs eintreten, m.a.W., ob die Schenkung bei Erteilung der Genehmigung ‚ex nunc‘, d.h. für die Zukunft als ausgeführt gilt oder ob die Genehmigung wie im Zivilrecht nach § 184 Abs. 1 BGB auf den Zeitpunkt der ursprünglichen Vornahme des Rechtsgeschäfts in der Vergangenheit ‚ex tunc‘ zurückwirkt. Der BFH4 hatte zunächst für den Erwerb von Todes wegen die Rückwirkung einer behördlichen Genehmigung bejaht (vgl. Rz. 41). Für den Fall der Schenkung eines Grundstückes, die von einer privatrechtlichen Genehmigung („vollmachtlose Vertreter“) abhängig war, ist der BFH5 von vorstehender Betrachtungsweise abgerückt, indem er meint, die zivilrechtliche Rückwirkung der Genehmigungen habe keine Bedeutung, da sie am maßgebenden tatsächlichen Geschehensablauf nichts ändere. 113 Die Finanzverwaltung ist dieser Differenzierung grundsätzlich gefolgt: Bei einer Grundstücksschen-
kung, die von einer Genehmigung abhängig ist, trete die zivilrechtliche Wirksamkeit erst mit der Erteilung der Genehmigung ein, welche auf den Tag des Vertragsabschlusses zurückwirke; diese zivilrechtliche Rückwirkung einer Genehmigung sei jedoch steuerrechtlich unbeachtlich.6 Aufgrund einer wohl den Besonderheiten der Steuerentstehung bei Grundstücken (vgl. Rz. 128 ff.) geschuldeten Erkenntnis meint die Finanzverwaltung jedoch zusammenfassend, bei einer Grundstücksschenkung wirke die Erteilung einer behördlichen Genehmigung zurück,7 jene einer privatrechtlichen jedoch nicht.8 Dogmatisch zu rechtfertigen ist m.E. angesichts der zivilrechtlichen Ausrichtung des Erbschaft- und Schenkungsteuerrechts9 nur die einheitliche Orientierung an der zivilrechtlichen Rückwirkung. 114 Eine auflösende Bedingung i.S.d. § 158 Abs. 2 BGB wirkt sich gem. § 12 Abs. 1 ErbStG i.V.m. § 5
Abs. 1 BewG bis zum Eintritt der Bedingung nicht aus (vgl. Rz. 27 ff. – zum Widerruf als auflösende Bedingung vgl. Rz. 115 ff.). Tritt die Bedingung ein, so erfolgt eine Änderung der Steuerfestsetzung nach § 5 Abs. 2 bzw. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Satz 2 AO. b) Übergang des wirtschaftlichen Eigentums aa) Schenkung unter Widerrufsvorbehalt, auflösende Bedingung 115 Der Widerruf einer Schenkung kommt gesetzlich nach § 530 Abs. 1 BGB in Betracht, wenn sich der
Beschenkte durch eine schwere Verfehlung gegen den Schenker oder gegen einen nahen Angehörigen als grob undankbar erweist. Darüber hinaus ist es zulässig, dass die Widerrufsmöglichkeit im Schenkungsvertrag ausdrücklich vorbehalten werden kann, ohne den Charakter eines Schenkungsvertrags zu verändern. Selbst bei der Vereinbarung eines freien Widerrufsvorbehalts gilt die Schen1 Vgl. BFH v. 21.4.2009 – II R 57/07, BStBl. II 2009, 606 = FR 2009, 973 = ErbStB 2009, 236. 2 BFH v. 16.1.2008 – II R 30/06, BStBl. II 2008, 626 = FR 2008, 834 = ErbStB 2008, 132; v. 30.11.2009 – II R 70/06, BFH/NV 2010. 3 BFH v. 21.4.2009 – II R 57/07, BStBl. II 2009, 606 = FR 2009, 973 = ErbStB 2009, 236 – tritt nach dem Verkauf einer Forderung mit Besserungsschein zum Verkehrswert der Besserungsfall ein, verwandelt sich der Verkauf aber nicht in eine freigebige Zuwendung, vgl. BFH v. 30.1.2013 – II R 6/12, BFH/NV 2013, 846 = FR 2013, 557 m. Anm. Keß = ErbStB 2013, 136. 4 BFH v. 25.7.1984 – II R 81/82, BStBl. II 1984, 771. 5 BFH v. 27.4.2005 – II R 52/02, BStBl. II 2005, 892 = FR 2006, 192 = ErbStB 2006, 65. 6 R E 9.1 Abs. 3 Satz 1 bis 3 ErbStR 2011. 7 R E 9.1 Abs. 3 Satz 4 ErbStR 2011. 8 R E 9.1 Abs. 3 Satz 4 ErbStR 2011. 9 Zum Erwerb von Todes wegen vgl. BFH v. 6.11.2006 – II B 37/06, BFH/NV 2007, 242 m.w.N.; zur Schenkung vgl. BFH v. 30.11.2009 – II R 70/06, BFH/NV 2010, 900.
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Steuerentstehung bei Schenkungen unter Lebenden (Abs. 1 Nr. 2)
Rz. 117 § 9 ErbStG
kung daher grundsätzlich zivilrechtlich als vollzogen.1 Es handelt es sich bei der Vereinbarung eines Widerrufsrechts um eine schlichte „auflösende Bedingung“ (§ 158 Abs. 2 BGB), bis zu deren Eintritt der zivilrechtliche Rechtserwerb andauert. Hinsichtlich der steuerlichen Folgen ist jedoch zu differenzieren: – Bei der Einkommensteuer wird bei einer Schenkung unter freiem oder jederzeitigem Widerrufsvorbehalt gefolgert, dass das wirtschaftliche Eigentum nach § 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 AO beim Schenker zurückbleibt und eine Einkunftsquelle nicht übertragen wird.2 Der Schenker erzielt demnach die steuerpflichtigen Einkünfte. Für diese einkommensteuerliche Zurechnung der Einkünfte beim Schenker ist unter den Kriterien der wirtschaftlichen Betrachtungsweise entscheidend, dass der Beschenkte über keine gesicherte Einkunftsquelle verfügt, wenn er jederzeit durch Ausübung des Widerrufsrechts dieselbe wieder verlieren kann. – Eine bürgerlich-rechtlich vollzogene Schenkung bringt – sofern sie ernstgemeint ist (§ 117 Abs. 1 BGB) – demgegenüber auch dann die Schenkungsteuer zur Entstehung, wenn sie unter freiem Widerrufsvorbehalt steht.3 Denn mit dem Vollzug einer Sachschenkung durch Übereignung des Schenkungsgegenstands ist dieser aus dem Vermögen des Zuwendenden ausgeschieden und in das Vermögen des Zuwendungsempfängers übergegangen, es hat folglich eine auf der „causa“ der unentgeltlichen Zuwendung beruhende Vermögensverschiebung stattgefunden. Die Frage, ob diese von sicherem Bestand ist, berührt den Umstand der Bereicherung des Zuwendungsempfängers auf Kosten des Zuwendenden nicht. Allein durch die Möglichkeit des Widerrufs wird die vermögensmäßig erworbene Position nicht zu einer lediglich „formalen“. Dies gilt auch für die Zuwendung eines Grundstücks.4 In dem Widerrufsvorbehalt ist im Übrigen auch kein die Vermögensmehrung kompensierender Gegenanspruch zu sehen.5 Die Ausübung des Widerrufsrechts löst im Ergebnis ähnliche Rechtsfolgen aus wie der Eintritt einer 116 auflösenden Bedingung, nämlich das Erlöschen des Besteuerungsanspruchs mit Wirkung für die Vergangenheit nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG (vgl. Rz. 153 ff.). Eine ausdrückliche gesetzliche Regelung zu der Frage, ob durch die Ausübung eines Widerrufsrechts die Schenkungsteuer erlischt, lässt § 29 Abs. 1 ErbStG nicht erkennen. Nach ganz h.M.6 erfasst die Vorschrift des § 29 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG aber neben den gesetzlichen Fällen – z.B. § 530 BGB – auch die Fälle, in denen der Schenker das Geschenk auf der Grundlage eines vertraglich vereinbarten Widerrufsvorbehalts zurückfordert (vgl. § 29 ErbStG Rz. 21 ff.). Eine Änderung der Steuerfestsetzung erfolgt über § 5 Abs. 2 BewG bzw. § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO: Nach dieser Vorschrift ist ein Steuerbescheid aufzuheben oder zu ändern, soweit ein Ereignis eintritt, das steuerliche Wirkung für die Vergangenheit hat (rückwirkendes Ereignis). Darunter fällt auch das Erlöschen der Schenkungsteuer, das nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG mit Wirkung für die Vergangenheit eintritt. § 29 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG erfasst alle Fälle eines Rückforderungsrechts.7 Zu beachten bleibt allerdings stets, dass nach § 29 Abs. 2 ErbStG der Erwerber für den Zeitraum, für 117 den ihm die Nutzungen des zugewendeten Vermögens zugestanden haben, wie ein Nießbraucher zu behandeln ist.
1 Vgl. Kirnberger/Werz, ErbStB 2003, 292; Götz, DStR 2013, 448 (449) unter Bezugnahme auf BGH v. 2.7.1990 – II ZR 243/89, NJW 1990, 2616. 2 Götz, DStR 2013, 448 (449) unter Bezugnahme auf BFH v. 16.5.1989 – VIII R 196/84, BStBl. II 1989, 877 = FR 1989, 653. 3 Vgl. BFH v. 13.9.1989 – II R 67/86, BStBl. II 1989, 1034 – zu einem Ausnahmefall bei fehlender Verfügungsmacht über den Zuwendungsgegenstand vgl. BFH v. 28.6.2007 – II R 21/05, BStBl. II 2007, 669 = FR 2008, 149 = ErbStB 2007, 293. 4 Vgl. BFH v. 22.9.1982 – II R 61/80, BStBl. II 1983, 179. 5 Gebel in T/G/J, § 7 ErbStG Rz. 54 (Stand: Juli 2015). 6 Jülicher in T/G/J, § 29 ErbStG Rz. 51 (Stand: Juli 2011); Carlé, ErbStB 2006, 72 (74) m.w.N. – a.A. Meincke16, § 29 ErbStG Rz. 1 für die auflösende Bedingung: Berichtigung bereits nach § 5 Abs. 2 BewG; ähnlich auch R B 4 Abs. 1 Satz 5 ErbStR 2011. 7 Vgl. BFH v. 24.5.2000 – II R 62/97, BFH/NV 2001, 39.
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§ 9 ErbStG Rz. 118 Entstehung der Steuer bb) Schenkung unter Nießbrauchsvorbehalt 118 Auch wenn sich der Schenker den Nießbrauch am Zuwendungsgegenstand vorbehält, kann das
wirtschaftliche Eigentum bei ihm zurückbleiben und damit nicht auf den Beschenkten übergehen. Allerdings führt nicht jeder Vorbehaltsnießbrauch zu einem Zurückbleiben des wirtschaftlichen Eigentums; vielmehr muss dem Nießbraucher eine eigentumsähnliche Rechtsposition eingeräumt werden. 119 Ist der Gesellschaftsanteil unter dem Vorbehalt des Nießbrauchs „unentgeltlich“ übertragen worden,
ist bereits gesellschaftsrechtlich der Nießbraucher einem Gesellschafter mit der Folge einer zivilrechtlich Zurechnung nach § 39 Abs. 1 AO gleichzustellen, wenn der Nießbrauch die gesamte Beteiligung umfasst und ihm eine Position vermittelt, die ihm (z.B. durch ihm eingeräumte Stimmrechtsvollmachten) entscheidenden Einfluss auf die Geschicke der Gesellschaft verschafft. Erst recht ist dem Nießbraucher unter diesen Voraussetzungen der Gesellschaftsanteil wirtschaftlich nach § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO zuzurechnen.1 120 Nach st. Rspr. ist der Vorbehaltsnießbraucher nur dann wirtschaftlicher Eigentümer eines Grundstü-
ckes, wenn sich seine rechtliche und tatsächliche Stellung gegenüber dem zivilrechtlichen Eigentümer des Grundstücks von der normalen – lediglich eine Nutzungsbefugnis vermittelnden – Position eines Nießbrauchers so deutlich unterscheidet, dass er die tatsächliche Herrschaft über das nießbrauchsbelastete Grundstück ausübt.2 Wirtschaftliches Eigentum des Vorbehaltsnießbrauchers wird angenommen, wenn die Veräußerung des geschenkten Gegenstandes der Zustimmung des Nießbrauchers bedarf und letzterer außerdem die unentgeltliche Rückübertragung z.B. für den Fall des Vorversterbens des Beschenkten verlangen kann.3 121 Bleibt das wirtschaftliche Eigentum beim Schenker, gelten die Grundsätze über den freien Wider-
rufsvorbehalt (vgl. Rz. 115) entsprechend, d.h. die bürgerlich-rechtlich vollzogene Schenkung bringt – sofern sie ernstgemeint ist (§ 117 Abs. 1 BGB) – auch dann die Schenkungsteuer zur Entstehung, wenn sich der Schenker den Nießbrauch vorbehalten hat. 122 Der Steuerwert des Nießbrauchs ist – seit dem Wegfall des § 25 ErbStG a.F. – uneingeschränkt von
der Bemessungsgrundlage der Steuer abzuziehen (vgl. § 7 ErbStG Rz. 102), sei es bei der Wertermittlung des Zuwendungsgegenstands oder bei der Berücksichtigung einer „Gegenleistung“. cc) Wirtschaftliches Eigentum und Privilegierung nach §§ 13a ff. ErbStG 123 Wenn auch das wirtschaftliche Eigentum für die Ausführung der Zuwendung nach § 9 Abs. 1 Nr. 2
ErbStG und damit für die Entstehung des Besteuerungsanspruchs nach § 38 AO keine Rolle spielt, so kann das Zurückbleiben des wirtschaftlichen Eigentums doch erhebliche Konsequenzen haben. 124 Schenkung eines GmbH-Anteils: Wenn der Zuwendungsempfänger, der z.B. Anteile an einer GmbH
im Privatvermögen erwirbt, nicht wirtschaftlicher Eigentümer dieser Anteile wird, könnte zweifelhaft sein, ob der Beschenkte für die zivil- und schenkungsteuerrechtlich wirksame Zuwendung nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG die Verschonung gem. § 13b Abs. 4 Nr. 2 ErbStG in Anspruch nehmen kann. Dies wäre zu verneinen, wenn § 13b Abs. 4 Nr. 2 ErbStG tatbestandlich an ertragsteuerliche Kriterien anknüpft. Nach dem Wortlaut des § 13b Abs. 4 Nr. 2 ErbStG sind aber keine ertragsteuerliche Kriterien maßgeblich. Denn das Gesetz stellt allein auf das Zuwendungsobjekt „Anteile an Kapitalgesellschaften“ ab; freilich muss der Schenker eine Mindestbeteiligungsquote von mehr als 25 %4 innehaben.5 125 Schenkung eines Anteils an einer Personengesellschaft: Wenn die Beteiligung an einer Personenge-
sellschaft unter freiem Widerrufsvorbehalt geschenkt wird, ist nach den Grundsätzen des Ertragsteuerrechts davon auszugehen, dass dem Beschenkten dieser Anteil wirtschaftlich nicht zuzurechnen ist (§ 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 AO) bzw. der Beschenkte wegen des Widerrufsvorbehalts nicht Mitunter1 2 3 4 5
BFH v. 24.1.2012 – IX R 51/10, BStBl. II 2012, 308 = FR 2012, 642 m. Anm. Bode = ErbStB 2012, 136. Vgl. BFH v. 28.7.1999 – X R 38/98, BStBl. II 2000, 653 = FR 1999, 1249. Vgl. BFH v. 26.11.1998 – IV R 39/98, BStBl. II 1999, 263 = FR 1999, 385. Zum „Anteilspool“ bei geringerer Beteiligung vgl. R E 13b.6 Abs. 3 ErbStR 2011. Götz, DStR 2013, 448 (450).
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Steuerentstehung bei Schenkungen unter Lebenden (Abs. 1 Nr. 2)
Rz. 130 § 9 ErbStG
nehmer der Personengesellschaft wird.1 Der Beschenkte erwirbt kein Betriebsvermögen, so dass § 13a ErbStG nicht anwendbar ist. Schenkungsteuerrechtlich ist trotz des Widerrufsvorbehalts eine freigebige Zuwendung als ausgeführt anzusehen.2 Gegenstand der Zuwendung ist ein Gesellschaftsanteil an einer vermögensverwaltenden Personengesellschaft (§ 10 Abs. 1 Satz 4 ErbStG). Entsprechendes gilt, wenn eine Beteiligung an einer Personengesellschaft geschenkt wird, an der sich 126 der Schenker den Nießbrauch vorbehält, sofern der Bedachte dabei nicht Mitunternehmer der Personengesellschaft wird.3 Die Entscheidung darüber, ob der Beschenkte in den Genuss der Vergünstigungen nach § 13a ErbStG 127 kommt, hängt im vorliegenden Zusammenhang somit allein von der einkommensteuerrechtlichen Beurteilung ab. Hierzu muss der Beschenkte – ggf. neben dem Schenker – Mitunternehmer werden. Nur wenn der Beschenkte Mitunternehmer wird, ist die Übertragung des Gesellschaftsanteils an einer Personengesellschaft nach § 13a ErbStG begünstigt. Ob der Schenker Mitunternehmer bleibt, ist hingegen unerheblich.4 2. Ausführung der Schenkung bei einem Grundstück a) Grundsätze aa) Sondersituation der Grundstücksschenkung Für die Ausführung der Schenkung bzw. Zuwendung i.S.d. § 9 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG bei einem Grund- 128 stück gelten nach der höchstrichterlichen Finanzrechtsprechung,5 welcher sich die Finanzverwaltung6 angeschlossen hat, besondere Grundsätze:7 Eine Grundstücksschenkung gilt als ausgeführt, wenn die Vertragsparteien die für die Eintragung der Rechtsänderung in das Grundbuch erforderlichen Erklärungen in gehöriger Form abgegeben haben und der Beschenkte auf Grund dieser Erklärungen in der Lage ist, beim Grundbuchamt die Eintragung der Rechtsänderung zu bewirken (die Grundstücksschenkung hat letztlich allerding nur Bestand, wenn die erforderliche Umschreibung im Grundbuch auch tatsächlich nachfolgt, vgl. Rz. 159 ff.). Mit dieser Rechtsprechung verfolgt der BFH ein bürgerfreundliches Ziel, nämlich die Planbarkeit 129 und zeitliche Vorhersehbarkeit des Zeitpunktes einer Grundstücksschenkung, ohne dass die Steuerpflichtigen von der aus ihrer Sicht nicht zu beeinflussenden Erledigungszeit Dritter abhängig sind.8 Zu diesen „Imponderabilien“ gehören z.B. die Arbeitsgeschwindigkeiten des Notars zur Einholung von Genehmigungen sowie zur Antragstellung beim Grundbuchamt und die Arbeitsgeschwindigkeit des Rechtspflegers beim Grundbuchamt. Während ein früher Steuerentstehungszeitpunkt grundsätzlich eher steuerungünstig ist, konnte sich 130 die Vorverlegung dieses Zeitpunkts im Fall der Grundstücksschenkung beim Übergang von der Einheitswertbesteuerung nach dem ErbStG 1974 auf die für das Erbschaft- und Schenkungsteuergesetz seit 1996 maßgebende Bedarfsbewertung günstig auswirken. Das Gleiche gilt für die Erhöhung der Wertansätze beim Grundvermögen im Jahr 2009 durch das Erbschaftsteuerreformgesetz.9 Überdies hängt die Frage der Steuerentstehung bei freigebigen Grundstückszuwendungen eng mit dem Problem zusammen, ab wann ein unentgeltlich erworbenes Grundstück dem Erwerber zuzurechnen ist und damit im Erbfall auch zu seinem Nachlass gehört.10
1 Vgl. BFH v. 16.5.1989 – VIII R 196/84, BStBl. II 1989, 877 = FR 1989, 653; Carlé, ErbStB 2006, 72 (73) und H E 13b.5 ErbStH 2011 „Schenkung von Betriebsvermögen unter freiem Widerrufsvorbehalt“. 2 Vgl. BFH v. 13.9.1989 – II R 67/86, BStBl. II 1989, 1034. 3 BFH v. 1.3.1994 – VIII R 35/92, BStBl. II 1995, 241 = FR 1994, 789 m.w.N. 4 Vgl. Götz/Jorde, FR 2003, 998 (1005) m.w.N. 5 Vgl. z.B. BFH v. 27.4.2005 – II R 52/02, BStBl. II 2005, 892 = FR 2006, 192 = ErbStB 2006, 65 m.w.N. 6 Vgl. R E 9.1 ErbStR 2011. 7 Vgl. zur Problematik Gebel, DStR 2004, 165; Schuck, DStR 2004, 1948; Halaczinsky, ErbStB 2008, 20 (23). 8 Schuck, DStR 2004, 1948 (1949). 9 ErbStRG v. 24.12.2008, BGBl. I 2008, 3018. 10 Gebel, DStR 2004, 165.
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§ 9 ErbStG Rz. 131 Entstehung der Steuer 131 Die Rechtsprechungsgrundsätze zum Zeitpunkt der Ausführung einer Grundstücksschenkung sind
auf den Erwerb durch Erbanfall nicht übertragbar. Beim Erwerb von Todes wegen entsteht die Steuer grundsätzlich mit dem Tod des Erblassers (§ 9 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG, s. Rz. 16); nur die in diesem Zeitpunkt in der Person des Erblassers bestehende Rechtsposition kann auf den Erben übergehen.1 bb) Ausführung der freigebigen Zuwendung bei einem Grundstück (1) Grundsätze 132 Abweichend vom Erfordernis des Vollrechtserwerbs entsteht nach Auffassung der höchstrichterlichen
Finanzrechtsprechung2 die Steuer bei der freigebigen Zuwendung (Schenkung) eines Grundstücks oder eines Miteigentumsanteils hieran nicht erst bei Eintritt des Leistungserfolges, also mit Übergang des zivilrechtlichen Eigentums durch Eintragung der Rechtsänderung in das Grundbuch § 873 Abs. 1 BGB. 133 Vielmehr ist die freigebige Zuwendung (Schenkung) in solchen Fällen bereits ausgeführt, wenn die
Vertragspartner die für die Eintragung der Rechtsänderung in das Grundbuch erforderlichen Erklärungen in gehöriger Form abgegeben haben und der Beschenkte aufgrund dieser Erklärungen in der Lage ist, beim Grundbuchamt die Eintragung der Rechtsänderung zu bewirken. Dies ist der Fall, wenn von den Vertragsparteien die Auflassung erklärt (§ 925 Abs. 1 Satz 1, § 873 Abs. 1 BGB) und die Eintragung der Rechtsänderung in das Grundbuch von dem Berechtigten, nämlich dem Schenker, bewilligt worden ist (§ 19 GBO), der Schenker also alles zur Bewirkung der Leistung Erforderliche getan hat, und wenn ferner der Beschenkte jederzeit seine Eintragung als Eigentümer in das Grundbuch beantragen kann und damit den Eintritt der – dinglichen – Rechtsänderung herbeiführen kann.3 134 Nicht erforderlich ist, dass der Beschenkte (Erwerber) den Eintragungsantrag beim Grundbuchamt
stellt:4 Mit Rücksicht auf den von § 9 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG vorausgesetzten Leistungserfolg setzt die Ausführung der Grundstücksschenkung voraus, dass der Schenker alles zur Bewirkung der Leistung Erforderliche getan hat und der Beschenkte in die Lage versetzt wird, jederzeit den Eintritt der dinglichen Rechtsänderung durch einen entsprechenden Antrag beim Grundbuchamt herbeizuführen.5 Demnach muss für die Ausführung der Zuwendung beim Empfänger noch kein Anwartschaftsrecht am Grundstück im zivilrechtlichen Sinn entstehen. Für dieses Anwartschaftsrecht wäre neben der Auflassung eine Eintragungsbewilligung und zusätzlich eine Auflassungsvormerkung oder ein Antrag des Erwerbers (Beschenkten) auf Eigentumsumschreibung beim Grundbuchamt erforderlich.6 135 Jedoch ist eine Grundstücksschenkung auch nach Auffassung des BFH7 noch nicht ausgeführt, wenn
aufgrund vertraglicher Abrede der Beschenkte von der Eintragungsbewilligung erst zu einem späteren Zeitpunkt Gebrauch machen darf. In diesem Fall tritt die Ausführung der Zuwendung auch erst zu diesem späteren Zeitpunkt ein. Soweit in einer früheren Entscheidung8 der Zeitpunkt der Ausführung der Grundstücksschenkung trotz Anweisung des Notars zur Stellung des Eintragungsantrags erst beim Tod der Veräußerin deshalb vorverlegt wurde, weil zugunsten der Erwerberin eine Auflassungsvormerkung im Grundbuch eingetragen worden war, hält der BFH daran nicht mehr fest.
1 BFH v. 16.5.2007 – II R 61/99, FR 2002, 1060 m. Anm. Birk. 2 Vgl. BFH v. 26.10.2005 – II R 53/02, ErbStB 2006, 42 = BFH/NV 2006, 551. 3 Vgl. BFH v. 8.2.2000 – II R 9/98, BFH/NV 2000, 1095; v. 2.2.2005 – II R 26/02, BStBl. II 2005, 312 = FR 2005, 767 = ErbStB 2005, 115. 4 BFH v. 26.9.1990 – II R 150/88, BStBl. II 1991, 320 – a.A. Gebel in T/G/J, § 9 ErbStG Rz. 96 (Stand: Januar 2012); Gebel, DStR 2004, 165 (170), der grundsätzlich eine Umschreibung im Grundbuch für erforderlich hält und ausnahmsweise den Eingang des Eintragungsantrags beim Grundbuchamt genügen lassen will. 5 Vgl. BFH v. 8.2.2000 – II R 9/98, BFH/NV 2000, 1095 m.w.N. 6 Vgl. BGH in st. Rspr., BGH v. 30.4.1982 – V ZR 104/81, NJW 1982, 1639; v. 17.2.1994 – IX ZR 158/93, NJW 1994, 1403; v. 15.10.2004 – V ZR 100/04, NJW-RR 2005, 241. 7 Vgl. BFH v. 2.2.2005 – II R 26/02, BStBl. II 2005, 312 = FR 2005, 767 = ErbStB 2005, 115. 8 BFH v. 20.2.1980 – II R 65/76, BStBl. II 1980, 307.
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Steuerentstehung bei Schenkungen unter Lebenden (Abs. 1 Nr. 2)
Rz. 140 § 9 ErbStG
(2) Grundstück mit vollständig saniertem und renovierten Gebäude Ist (einheitlicher) Gegenstand einer Zuwendung ein Grundstück mit vom Schenker noch zu renovie- 136 rendem Gebäude, erlangt der Beschenkte gegenüber dem Schenker erst mit dem Abschluss der Sanierungsarbeiten die freie Verfügung über den Zuwendungsgegenstand.1 Erst zu diesem Zeitpunkt tritt die endgültige Vermögensmehrung des Beschenkten auf Kosten des Schenkers ein und ist die Grundstücksschenkung ausgeführt. Der Bedachte erlangt – anders als bei einer bloßen Grundstücksschenkung – nicht bereits mit dem Abschluss des Schenkungsvertrages, der Erklärung der Auflassung sowie der Bewilligung der Eintragung der Rechtsänderung im Grundbuch, sondern erst im Zeitpunkt der Fertigstellung des Gebäudes oder der Beendigung der Sanierungs- und Renovierungsarbeiten endgültig dasjenige, was er nach der Schenkungsabrede oder dem Willen des Schenkers erhalten sollte. b) Mittelbare Grundstücksschenkung aa) Begriff der mittelbaren Schenkung Schon nach zivilrechtlicher Betrachtungsweise des BGH2 ist für eine Zuwendung nach § 516 Abs. 1 137 BGB nicht erforderlich, dass der geschenkte Gegenstand vor der Schenkung Eigentum des Schenkers gewesen ist. Die Bereicherung aus dem Vermögen des Schenkers kann vielmehr darin liegen, dass dieser einem anderen mit seinen Mitteln einen Gegenstand von einem Dritten verschafft, ohne dass der Schenker selbst zunächst Eigentümer geworden zu sein braucht. Das in § 516 Abs. 1 BGB enthaltene Tatbestandsmerkmal „aus seinem Vermögen“ erfordert deshalb nicht, dass der Gegenstand, um den der Beschenkte bereichert wird, sich vorher in derselben Gestalt in dem Vermögen des Schenkers befunden hat und wesensgleich übergeht. Auch wenn in einem solchen Falle der Schenker nur einen Teil der Kosten für die Anschaffung des Gegenstands trägt, kann es dem Willen des Schenkers und dem des Beschenkten entsprechen, dass nicht Geld, sondern der Gegenstand (zu dem entsprechenden Teil) unentgeltlich zugewendet sein soll.3 Es ist daher nicht erforderlich, dass der Gegenstand, um den der Beschenkte bereichert wird, sich vor- 138 her in derselben Gestalt im Vermögen des Schenkers befunden hat und wesensgleich übergeht. „Entreicherungsgegenstand“ und „Bereicherungsgegenstand“ brauchen nicht identisch zu sein.4 In der Hingabe von Vermögensgegenständen kann mittelbar die Schenkung eines anderen Vermögensgegenstandes gesehen werden. Dies setzt voraus, dass der Beschenkte im Verhältnis zum Schenker nicht über das ihm unmittelbar Zugewendete, sondern (erst) über das Surrogat desselben, z.B. über den Verkaufserlös, verfügen kann; denn in diesem Fall ist der Beschenkte nicht um das unmittelbar Hingegebene, sondern erst um den Verkaufserlös bereichert. Dies gilt generell bei mittelbarer Schenkung aller als Zuwendungsobjekt in Betracht kommenden Gegenstände oder Rechte.5 Liegt eine mittelbare Schenkung vor, ist auch diese Zuwendung erst dann i.S.d. § 9 Abs. 1 Nr. 2 139 ErbStG ausgeführt, wenn die Vermögensverschiebung endgültig ist, also der Beschenkte gegenüber dem Schenker die freie Verfügung über den Gegenstand der freigebigen Zuwendung erhält und insoweit die endgültige Vermögensmehrung des Beschenkten auf Kosten des Schenkers eintritt.6 Erst im Zeitpunkt der Ausführung der Zuwendung entsteht nach dieser Vorschrift die Schenkungsteuer. Zu beachten ist bei der mittelbaren Schenkung allerdings, dass der BFH7 wegen des zeitlichen Aus- 140 einanderfallens der Geldhingabe vom Zeitpunkt der Entstehung der Steuer in der Zuwendung der Nutzungsmöglichkeit des Geldes eine weitere selbständige Schenkung sieht: Stellt der Zuwendende einen Betrag in Höhe der später tatsächlich anfallenden Kosten im Voraus zinslos zur Verfügung, liegt darin eine freigebige Zuwendung durch Gewährung der Möglichkeit zur Kapitalnutzung, die gem. § 12 Abs. 1 ErbStG i.V.m. § 15 Abs. 1 BewG mit jährlich 5,5 % des Kapitals zu bewerten ist. 1 2 3 4 5
Vgl. BFH v. 22.9.2004 – II R 88/00, BFH/NV 2005, 213 m.w.N. Vgl. bereits BGH v. 29.5.1952 – IV ZR 167/51, NJW 1952, 1171. Vgl. BFH v. 12.12.1979 – II R 157/78, BStBl. II 1980, 260. BFH v. 28.3.2012 – II R 39/10, BStBl. II 2012, 712 = FR 2013, 90 = ErbStB 2012, 264. Vgl. BFH v. 30.1.2013 – II R 38/11, GmbHR 2013, 668 m. Anm. Binnewies = ErbStB 2013, 204 = BFH/NV 2013, 1033. 6 BFH v. 28.3.2012 – II R 39/10, BStBl. II 2012, 712 = FR 2013, 90 = ErbStB 2012, 264. 7 BFH v. 4.12.2002 – II R 75/00, BStBl. II 2003, 273 = FR 2003, 732 = ErbStB 2003, 113.
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§ 9 ErbStG Rz. 141 Entstehung der Steuer Welche Erträge der Beschenkte mit dem überlassenen Kapital tatsächlich erzielt, ist dabei unbeachtlich. bb) Entstehung der Steuer bei mittelbarer Grundstücksschenkung 141 Die Hingabe von Geld zum Erwerb eines Grundstücks kann in Gestalt der „mittelbaren Grundstück-
schenkung“ als Schenkung von Grundbesitz anzusehen sein, wenn dem Bedachten nach dem erkennbaren Willen des Zuwendenden im Zeitpunkt der Ausführung der Schenkung ein bestimmtes1 Grundstück verschafft werden soll. Das gilt auch dann, wenn nicht die gesamten Kosten der Anschaffung vom Schenker getragen werden. In diesen Fällen kann eine Schenkung des dem hingegebenen Geldbetrag entsprechenden Teils des Grundstücks vorliegen. Die Voraussetzungen einer mittelbaren Grundstücksschenkung sind erfüllt, wenn der Schenker dem Bedachten den für den Grundstückskauf bestimmten Geldbetrag bis zum Zeitpunkt des Grundstückserwerbs zusagt und bis zur Tilgung der Kaufpreisschuld zur Verfügung stellt. Die Zusage bedarf nicht der in § 518 Abs. 1 BGB bestimmten Form, muss aber nachweisbar sein.2 142 Die Grundsätze zur Ausführung von Grundstücksschenkungen gelten auch bei mittelbaren
Grundstücksschenkungen.3 Allerdings ist zu berücksichtigen, dass die mittelbare Grundstücksschenkung nicht nur auf die Zuwendung eines Grundstücks beschränken muss. So kann der Schenker die Kosten des Erwerbs eines bestimmten unbebauten Grundstücks und zusätzlich die Kosten der im Anschluss daran auf diesem Grundstück erfolgenden Errichtung des Gebäudes übernehmen.4 143 Ist Gegenstand einer mittelbaren Grundstücksschenkung ein Grundstück mit einem noch zu er-
richtenden Gebäude, ist nach der Rechtsprechung5 – jedenfalls in den Fällen, in denen der Schenker den zum Erwerb erforderlichen Geldbetrag bereits zur Verfügung gestellt hat – die Schenkung ausgeführt, wenn sowohl die Auflassung erklärt und die Eintragungsbewilligung erteilt als auch das Gebäude fertiggestellt ist. Dem folgt die Finanzverwaltung6 mit dem Hinweis, bei der Hingabe eines Geldbetrags zur Errichtung eines Gebäudes sei die mittelbare Grundstücksschenkung im Zeitpunkt der Bezugsfertigkeit des Gebäudes ausgeführt: Es muss den Benutzern nach objektiven Merkmalen zugemutet werden können, die Räume des gesamten Gebäudes zu benutzen. Geringfügige Restarbeiten schließen die Bezugsfertigkeit nicht aus; auf die Abnahme durch die Bauaufsichtsbehörde kommt es nicht an.7 144 Soll dem Bedachten nach dem Willen des Zuwendenden ein Grundstück mit vollständig saniertem
und renoviertem Gebäude verschafft werden, ist die Zuwendung erst mit dem Abschluss der Sanierungsarbeiten und Renovierungsarbeiten ausgeführt;8 hier gelten die gleichen Grundsätze wie bei der Grundstücksschenkung selbst. 3. Sonstige Einzelfälle 145 Forderungen: Für die Bestimmung des Gegenstandes der Zuwendung ist auch bei der Übertragung
eines Rechten bzw. einer Forderung vom Willen des Zuwendenden auszugehen. Soll Gegenstand der Zuwendung bereits die Forderung und nicht deren Erfüllung sein und erhält der Zuwendungsempfänger eine solche Forderung, dann besteht kein Grund, die Steuerpflicht hinauszuschieben, bis die Forderung erfüllt wird; denn mit dem frei verfügbaren Recht auf Leistung hat der Begünstigte 1 In der Hingabe von Geld zum Erwerb eines „beliebigen“ Grundstücks ist dagegen eine Geldschenkung unter einer Auflage zu sehen, vgl. R E 7.1 Abs. 2 Satz 1 ErbStR 2011. 2 Vgl. zu den Grundsätzen der mittelbaren Grundstücksschenkung BFH v. 10.11.2004 – II R 44/02, BStBl. II 2005, 188 = FR 2005, 269 = ErbStB 2005, 59; R E 7.1 Abs. 3 ErbStR 2011. 3 R E 9.1 Abs. 2 ErbStR 2011; vgl. zur Problematik insgesamt Halaczinsky, ErbStB 2008, 20 (24). 4 Zu den verschiedenen Möglichkeiten vgl. H E 7.3 „Mittelbare Grundstücksschenkung – Einzelfälle“ ErbStH 2011. 5 Vgl. BFH v. 23.8.2006 – II R 16/06, BStBl. II 2006, 786 = FR 2006, 1139 = ErbStB 2006, 303. 6 Vgl. R E 9.1 Abs. 2 Satz 3 ErbStR 2011. 7 Vgl. zu diesen Merkmalen BFH v. 18.4.2012 – II R 58/10, BStBl. II 2012, 874 = ErbStB 2012, 203; R B 178 Abs. 2 ErbStR 2011. 8 Vgl. BFH v. 22.9.2004 – II R 88/00, BFH/NV 2005, 213 m.w.N.; R E 9.1 Abs. 2 Satz 4 ErbStR 2011.
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Steuerentstehung bei Schenkungen unter Lebenden (Abs. 1 Nr. 2)
Rz. 150 § 9 ErbStG
bereits einen Vermögensgegenstand in den Händen.1 Die Abtretung der Forderung nach § 398 BGB – ggf. unter Beachtung von Formvorschriften – reicht daher zur Ausführung der Zuwendung aus2 (zum Gleichstellungsgeld vgl. Rz. 103; zur Auflagenschenkung Rz. 163). Schenkungsteuerrechtlich führt die (unentgeltliche) Abtretung erst künftig entstehender Forderun- 146 gen allerdings noch nicht zur Schenkungsteuerpflicht, auch wenn dem Erwerber dadurch geschützte (abtret-, vererb- und verpfändbare) Rechtspositionen (Anwartschaftsrechte) eingeräumt werden. Schenkungsteuerrechtlich relevant ist erst der nachfolgende Erwerb des Vollrechts, d.h. die Entstehung des unbedingten Anspruchs in der Person des Erwerbers, mit dem diesem die Rechtsposition zuwächst, die den Gegenstand einer solchen Schenkung bildet.3 Räumt ein Versicherungsnehmer einem Dritten unwiderruflich das Bezugsrecht aus einer Kapitallebensversicherung ein und erhält der Begünstigte bei Eintritt des Versicherungsfalls die Versicherungsleistungen, unterliegt die Einräumung des Bezugsrechts als solche nicht der Schenkungsteuer. Zuwendungsgegenstand ist in diesen Fällen vielmehr (erst) die zur Auszahlung gelangende Versicherungsleistung.4 Kapitalgesellschaft: Die Schenkung von Geschäftsanteilen an einer GmbH bedarf der Abtretung und 147 Annahme in notarieller Form, § 15 Abs. 3 GmbHG; dies gilt nach Abs. 4 auch für das Verpflichtungsgeschäft.5 Bloße schuldrechtliche Verpflichtungen genügen dagegen nicht.6 Bei der Schenkung eines Geschäftsanteils, der im Zuge einer Kapitalerhöhung einer GmbH neu entsteht, ist die Zuwendung nicht vor der Eintragung der Kapitalerhöhung in das Handelsregister ausgeführt7 (vgl. Rz. 101). Personengesellschaft, Gesellschaftsanteil: Die unentgeltliche Einräumung einer Beteiligung an einer 148 Personengesellschaft ist zwar zivilrechtlich grundsätzlich mit dem Abschluss des Gesellschaftsvertrages vollzogen.8 Gegenstand der Schenkung im steuerlichen Sinn kann freilich nicht die Übertragung des Personengesellschaftsanteils selbst sein, da die Aufnahme des Zuwendungsempfängers als Gesellschafter in die Personengesellschaft auf rein gesellschaftsrechtlichem Gebiet liegt und sich nur durch den Abschluss des Gesellschaftsvertrags selbst (Neu- oder Umgründung) vollzieht. Gegenstand der schenkungsteuerlich allein erheblichen Vermögensverschiebung ist also vielmehr die teilweise Übertragung des Kapitalanteils von dem Alt-Gesellschafter auf den Zuwendungsempfänger. Diese Abtretung eines Kapitalanteils ist handelsrechtlich zulässig, und zwar – wenn nichts Besonderes vereinbart ist – auch durch formlosen Vertrag zwischen dem Altgesellschafter und dem (eventuell) neuen Gesellschafter. Auch handelsrechtlich ist die unentgeltliche Abtretung mit dem rechtsgültigen Abtretungsvertrag vollzogen. Da diese Übertragung aber zugleich eine Änderung des Gesellschaftsverhältnisses bewirkt, bedarf sie zu ihrer Rechtswirksamkeit der Zustimmung aller Gesellschafter. Bei erst nachträglicher Zustimmung wird der schwebend unwirksame Übertragungsvertrag gem. §§ 182 ff., 184 BGB ex tunc wirksam.9 Der Grundsatz, wonach für die Ausführung der Schenkung einer Kapitalbeteiligung an einer Personen- 149 gesellschaft der Zeitpunkt des Abschlusses des Vertrags zwischen Schenker und Beschenktem maßgebend ist, gilt deshalb nur dann, wenn der Zuwendungsempfänger in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Vertragsabschluss oder rückwirkend in die Gesellschaft eintritt.10 Pflichtteilsanspruch: Die zinslose Stundung eines nicht geltend gemachten Pflichtteilsanspruchs stellt 150 keine der Schenkungsteuer unterliegende freigebige Zuwendung dar. Dies ergibt sich aus der Behandlung des (noch) nicht geltend gemachten Pflichtteilsanspruchs durch das ErbStG, nach dessen Regelungen dem nicht geltend gemachten Pflichtteilsanspruch keine erbschaftsteuerrechtliche und schenkungsteuerrechtliche Bedeutung zukommt.11 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11
BFH v. 22.10.1980 – II R 73/77, BStBl. II 1981, 78. Vgl. Halaczinsky, ErbStB 2008, 20 (22). BFH v. 21.5.2001 – II R 48/99, BFH/NV 2001, 1407. BFH v. 30.6.1999 – II R 70/97, BStBl. II 1999, 742 = FR 1999, 1254 m. Anm. Viskorf. Geck in Kapp/Ebeling, § 9 ErbStG Rz. 62.2 (Stand: April 2015). BFH v. 27.4.2009 – II B 167/08, II B 167/08. BFH v. 20.1.2010 – II R 54/07, BStBl. II 2010, 463 = FR 2010, 675 = ErbStB 2010, 128. Vgl. zum Zivilrecht BGH v. 29.11.2011 – II ZR 306/09, ErbStB 2012, 105 = DStR 2012, 471. BFH v. 24.7.1963 – II 207/61 U, BStBl. III 1963, 442. BFH v. 30.11.2009 – II R 70/06, BFH/NV 2010, 900. BFH v. 31.3.2010 – II R 22/09, BStBl. II 2010, 806 = ErbStB 2010, 231.
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§ 9 ErbStG Rz. 151 Entstehung der Steuer 151 Unterbeteiligung (an Gesellschaftsanteil):1 Der Abschluss eines Vertrags über die unentgeltliche Ein-
räumung einer typischen Unterbeteiligung bewirkt noch keinen Schenkungsvollzug. Wird schenkweise eine solche Unterbeteiligung eingeräumt, wird kein Vermögensgegenstand zugewendet, über den der Empfänger schon tatsächlich und rechtlich verfügen kann. Ihm werden vielmehr lediglich Rechtsansprüche in Gestalt eines Bündels schuldrechtlicher Ansprüche gegen den Zuwendenden eingeräumt; bereichert ist der Empfänger erst, wenn ihm aus der Unterbeteiligung tatsächlich Gewinnausschüttungen und Liquidationserlöse zufließen. Bei der Zuwendung einer atypischen Unterbeteiligung dagegen ist die Schenkung bereits mit Abschluss des Gesellschaftsvertrags vollzogen. Denn hier ist der Unterbeteiligte vermögensrechtlich über eine Teilhabe an den Betriebsergebnissen hinaus am Anteil des Hauptbeteiligten beteiligt und wirkt dergestalt an der Geschäftsführung der Innengesellschaft mit, dass er, ohne Inhaber oder Mitinhaber des Anteils zu werden, maßgeblichen Einfluss auf die Innengesellschaft nehmen kann. Diese begründet eine Rechtsposition, über die der Zuwendungsempfänger als Gesellschafter der Innengesellschaft vergleichbar einem Stammrecht bereits rechtlich und tatsächlich verfügen kann. 152 Zuwendender: Die Schenkung eines verstorbenen Schenkers ist auch dann anzunehmen, wenn er
vor seinem Tod ein Schenkungsversprechen erteilt hat und die Schenkung erst nach seinem Tode ausgeführt wird; der Erbe als Gesamtrechtsnachfolger muss die Zuwendung aufgrund der auf ihn übergegangenen Verpflichtung erfüllen. Der Vermögensübergang auf den Erben führt nicht zu einer Änderung der Person des Zuwendenden, obwohl zum Zeitpunkt der Ausführung der Schenkung, zu dem auch die Schenkungsteuer entsteht (§ 9 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG), das Vermögen dem Erben und nicht mehr dem verstorbenen Schenker gehört.2 4. Nachträglicher Wegfall des Steueranspruchs a) Herausgabe des Geschenkes, § 29 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG 153 Nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO ist ein Steuerbescheid aufzuheben oder zu ändern, soweit ein Ereig-
nis eintritt, das steuerliche Wirkung für die Vergangenheit hat. Darunter fällt auch das Erlöschen der Schenkungsteuer, das nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG mit Wirkung für die Vergangenheit eintritt, wenn ein Geschenk wegen eines Rückforderungsrechts herausgegeben werden musste3 (vgl. Rz. 116 und § 29 ErbStG Rz. 16 ff.). Der Eintritt der Festsetzungsverjährung (§§ 169 ff. AO) schadet nicht: Die Festsetzungsfrist für das rückwirkende Erlöschen beginnt gem. § 175 Abs. 1 Satz 2 AO erst mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem das Ereignis eintritt, d.h. das rückwirkende Erlöschen durch Geschenkrückgabe aufgrund eines Rückforderungsrechts. 154 Im Zusammenhang mit § 29 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG ist freilich der für das ErbStG geltende Grundsatz
zu beachten, dass die für die Schenkung entstandene Steuer nicht durch eine freiwillige Rückgängigmachung der Schenkung (Rückschenkung) oder Rückerwerb von Todes wegen entfällt:4 Sofern § 29 GrEStG keine Anwendung findet, bleibt es bei der Rückabwicklung einer Schenkung ggf. nicht nur bei der Steuerfestsetzung für die ursprüngliche Zuwendung; darüber hinaus kann auch eine etwaige Rückschenkung der Steuer zu unterwerfen sein. Dies hat seine Ursache nicht zuletzt in der zivilrechtlichen Orientierung des ErbStG; der „actus contrarius“ ist nicht notwendigerweise die Aufhebung der ursprünglichen Zuwendung. Eine dem § 16 GrEStG – „Nichtfestsetzung der Steuer, Aufhebung oder Änderung der Steuerfestsetzung“ – uneingeschränkt vergleichbare Regelung gibt es im Erbschaftsteuerrecht nicht.
1 BFH v. 16.1.2008 – II R 10/06, BStBl. II 2008, 631 = FR 2008, 981 = ErbStB 2008, 133; vgl. zum Zivilrecht auch BGH v. 29.11.2011 – II ZR 306/09, ErbStB 2012, 105 = DStR 2012, 471 – hierzu Blaurock, NZG 2012, 521. 2 BFH v. 23.6.2015 – II R 52/13, BStBl. II 2015, 960. 3 BFH v. 11.11.2009 – II R 54/08, BFH/NV 2010, 896. 4 Vgl. Pahlke in F/J/P/W5, § 29 ErbStG Rz. 2.
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Steuerentstehung bei Schenkungen unter Lebenden (Abs. 1 Nr. 2)
Rz. 161 § 9 ErbStG
b) Herausgabeansprüche aa) Widerruf wegen groben Undanks Gemäß § 530 Abs. 1 BGB kann eine Schenkung dann widerrufen werden, wenn dem Beschenkten ei- 155 ne schwere Verfehlung gegenüber dem Schenker oder einem nahen Angehörigen zur Last fällt (objektive Seite) und sich dadurch groben Undanks gegenüber dem Schenker schuldig gemacht hat (subjektive Seite). Die Verfehlung muss Ausdruck einer Gesinnung des Beschenkten sein, die in erheblichem Maße die Dankbarkeit vermissen lässt, die der Schenker erwarten kann.1 Ist die Schenkung widerrufen, so kann gem. § 531 BGB die Herausgabe des Geschenks gefordert 156 werden. bb) Wegfall der Geschäftsgrundlage Ein Rückforderungsanspruch kann sich auch auf dem Wegfall der Geschäftsgrundlage ergeben (vgl. 157 § 29 ErbStG Rz. 28 ff.): Nach § 313 BGB und den von der Rechtsprechung2 entwickelten und auch im Erbschaftsteuerrecht geltenden Grundsätzen kann in dem Fall, dass sich Umstände, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert haben und die Parteien den Vertrag nicht oder mit anderem Inhalt geschlossen hätten, wenn sie diese Veränderung vorausgesehen hätten, die Anpassung des Vertrags verlangt werden, soweit einem Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insb. der vertraglichen oder gesetzlichen Risikoverteilung, das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann. Dabei kann der benachteiligte Teil vom Vertrag zurücktreten, wenn eine solche Anpassung des Vertrags nicht möglich oder einem Teil nicht zumutbar ist. Voraussetzung für die Geltendmachung eines Rückforderungsanspruchs ist stets, dass der Umstand, 158 auf dessen schwerwiegende Veränderung sich eine Vertragspartei beruft, überhaupt zur Geschäftsgrundlage des Vertrags geworden ist. Grundlage eines Vertrags sind nur die bei Vertragsschluss zutage getretenen gemeinsamen Vorstellungen beider Vertragsparteien oder die der einen Partei erkennbaren und von ihr nicht beanstandeten Vorstellungen der anderen Partei von dem Vorhandensein oder dem Eintritt bestimmter Umstände, auf denen der Geschäftswille der Parteien aufbaut. c) Grundstücksschenkung Die nach der Rechtsprechung mit Beurkundung der Auflassung und Erteilung der Eintragungsbewil- 159 ligung entstandene Steuer für eine Grundstücksschenkung (vgl. Rz. 128 ff.) entfällt rückwirkend, sobald die Schenkungsabrede vor Umschreibung des Eigentums im Grundbuch aufgehoben wird oder die Eintragungsbewilligung aus anderen Gründen nicht mehr zur Umschreibung führen kann:3 Bei einem letztlich nicht zustande gekommenen Eigentumsübergang auf den Beschenkten, dessen Erben oder – durch diese veranlasst – auf einen Dritten und damit bei einem Verbleib des Grundstücks im Vermögen des ursprünglichen Eigentümers soll eine Grundstücksschenkung nicht durch Vorverlegung des Ausführungszeitpunkts fingiert werden. Die höchstrichterliche Finanzrechtsprechung hat zur Voraussetzung, dass die Umschreibung im 160 Grundbuch und damit der Eigentumswechsel auf den Beschenkten oder ggf. dessen Erben nachfolgt oder nur deshalb unterbleibt, weil der Beschenkte bzw. dessen Erbe die unmittelbare Umschreibung vom Schenker auf einen Dritten – etwa nach Abtretung des Verschaffungsanspruchs oder Übertragung des Anwartschaftsrechts – veranlasst hat. Die erforderliche Umschreibung im Grundbuch auf den Beschenkten, dessen Erben oder auf deren 161 Veranlassung auf einen Dritten, braucht allerdings nicht innerhalb eines bestimmten Zeitraums zu erfolgen. Die entstandene Schenkungsteuer fällt vielmehr rückwirkend erst dann weg, wenn die Schenkungsabrede vor der Eintragung des Eigentumsübergangs im Grundbuch wieder aufgehoben wird oder der Beschenkte aus anderen Gründen aufgrund der Eintragungsbewilligung die Eigentums1 Vgl. BGH v. 5.10.2004 – X ZR 25/02, ZEV 2005, 212. 2 Vgl. dazu z.B. BFH v. 27.10.1972 – II B 7/72, BStBl. II 1973, 14; v. 19.10.1977 – II R 89/71, BStBl. II 1978, 217. 3 BFH v. 26.10.2005 – II R 53/02, ErbStB 2006, 42 = BFH/NV 2006, 551.
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§ 9 ErbStG Rz. 162 Entstehung der Steuer umschreibung im Grundbuch auf ihn selbst oder einen Dritten nicht mehr herbeiführen kann, etwa weil der Schenker über das Grundstück gegenüber dem Beschenkten wirksam anderweit verfügt hat. 162 Treten solche Umstände ein, handelt es sich wiederum um ein Ereignis mit steuerlicher Wirkung für
die Vergangenheit (rückwirkendes Ereignis, § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO).
III. Erwerb bei Schenkungen unter Auflage (Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 7 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG) 163 Bei Schenkungen unter einer Auflage differenziert der BFH1 wie folgt:
– Erlangt ein Dritter auf Grund eines Vertrages zwischen dem Versprechensempfänger und dem Versprechenden keinen frei verfügbaren, z.B. nur einen aufschiebend bedingten Anspruch auf eine bestimmte Leistung, kommt der Erwerbstatbestand des § 7 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG in Betracht. Erwerbsgegenstand ist in einem solchen Fall dasjenige, was „infolge Vollziehung einer von dem Schenker angeordneten Auflage oder infolge Erfüllung einer … beigefügten Bedingung“ von dem Dritten erworben wird. Die Steuerpflicht tritt auch nach Auffassung des BFH folglich grundsätzlich erst mit dem Erwerb der versprochenen Leistung durch den Dritten, d.h. mit dem Vollzug der Auflage oder der Erfüllung der Bedingung ein. – Erlangt dagegen der begünstigte Dritte aus der Anordnung des Schenkers (Versprechensempfängers) einen frei verfügbaren Anspruch auf die Leistung gegen den Versprechenden,2 soll der Tatbestand des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG erfüllt sein. Erwerbsgegenstand ist in einem solchen Fall die – als Folge des Abschlusses des Vertrags zugunsten Dritter entstandene – Forderung des Dritten gegen den Verpflichteten und nicht der später tatsächlich übertragene Gegenstand. Die Steuer entsteht in diesen Fällen nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG mit der Ausführung der Zuwendung, d.h. unmittelbar mit der Begründung des Forderungsrechts des Dritten (zum Gleichstellungsgeld vgl. Rz. 104, 145). Diese Differenzierung ist m.E. richtig, wenngleich in der Praxis nicht einfach durchzuführen. Es muss durch Auslegung des Willens des Zuwendenden ermittelt werden, ob der Begünstigte bereits einen Anspruch auf die Leistung erwerben sollte oder erst durch den Erwerb der versprochenen Leistung bereichert sein sollte.
IV. Erwerb bei sonstigen Schenkungen (Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 7 Abs. 1 Nr. 3 bis 10 ErbStG) 1. Genehmigungspflichtige Zuwendungen (§ 7 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG) 164 Als Schenkung gem. § 7 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG gilt, was jemand dadurch erlangt, dass anlässlich der Ge-
nehmigung einer Schenkung Leistungen an andere Personen angeordnet oder freiwillig übernommen werden. Die Steuer entsteht allerdings nicht bereits mit Erteilung der Genehmigung, sondern erst mit Ausführung der Zuwendung;3 die Regelung in § 9 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. e ErbStG (vgl. Rz. 78 f.) kann nicht entsprechend angewendet werden.4 2. Vereinbarung einer Gütergemeinschaft (§ 7 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG) 165 Die Bereicherung, die ein Ehegatte oder ein Lebenspartner bei Vereinbarung der Gütergemeinschaft
nach § 1415 BGB erfährt, gilt nach § 7 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG als Schenkung.
1 BFH v. 20.1.2005 – II R 20/03, BStBl. II 2005, 408 = FR 2005, 811 m. Anm. Viskorf = ErbStB 2005, 144; krit. Meincke16, § 9 ErbStG Rz. 51. 2 Vgl. z.B. BFH v. 23.10.2002 – II R 71/00, BStBl. II 2003, 162 = FR 2003, 420 = ErbStB 2003, 76. 3 Meincke16, § 9 ErbStG Rz. 52. 4 Gebel in T/G/J, § 9 ErbStG Rz. 111 (Stand: Februar 2010).
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Steuerentstehung bei Schenkungen unter Lebenden (Abs. 1 Nr. 2)
Rz. 171 § 9 ErbStG
Maßgeblich für die Steuerentstehung nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG ist grundsätzlich der Abschluss des Ehevertrags nach den §§ 1408, 1415 ff. BGB:1 Die Bereicherung verwirklicht sich mit dem Entstehen des Gesamtguts im Wege der Universalsukzession.2 3. Abfindung für einen Erbverzicht (§ 7 Abs. 1 Nr. 5 ErbStG) Nach § 7 Abs. 1 Nr. 5 ErbStG gilt als Schenkung, was als Abfindung für einen Erbverzicht i.S.d. 166 §§ 2346 und 2352 BGB gewährt wird. Hier ist umstritten, ob bereits die Vereinbarung der Abfindung (Vertragsschluss)3 oder erst die Gewährung der Abfindung4 die Steuer nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG entstehen lässt. Wird der Erbverzicht gegen Abfindung gewährt, liegt diesem Verzicht ein gegenseitiger schuldrecht- 167 licher Vertrag zugrunde, der die Verpflichtung zum Verzicht und die Verpflichtung des Erblassers zur Leistung der Abfindung enthält.5 Gemessen am Kriterium einer Forderung, die bereits Gegenstand der Zuwendung sein kann (vgl. Rz. 145), muss im Zweifel davon ausgegangen werden, dass bereits der Vertragsschluss und die damit verbundene Begründung des Abfindungsanspruchs zur Steuerentstehung führt. 4. Vorzeitiger Erbausgleich (§ 7 Abs. 1 Nr. 6 ErbStG a.F.) Auch dasjenige, was in der Vergangenheit durch vorzeitigen Erbausgleich nach § 1934d BGB erwor- 168 ben wurde, unterlag gem. § 7 Abs. 1 Nr. 6 ErbStG a.F. der Steuer. In dem am 1.4.1998 in Kraft getretenen Erbrechtsgleichstellungsgesetz6 wurden die einschlägigen §§ 1934a–1934e BGB ersatzlos gestrichen. Die Erwähnung des Erbersatzanspruchs ist daher durch das Erbschaftsteuerreformgesetz7 mit Wirkung ab 1.1.2009 getilgt worden (vgl. auch Rz. 64). Maßgeblich für die Steuerentstehung ist auch hier der Abschluss des entsprechenden Vertrags gewesen.8 5. Vorzeitige Herausgabe von Vorerbschaftsvermögen an den Nacherben (§ 7 Abs. 1 Nr. 7 ErbStG) Auch was ein Vorerbe dem Nacherben mit Rücksicht auf die angeordnete Nacherbschaft vor ihrem 169 Eintritt herausgibt, unterliegt nach § 7 Abs. 1 Nr. 7 ErbStG der Besteuerung. Die Zuwendung ist erst ausgeführt, wenn der Vermögensübergang rechtswirksam vollzogen ist.9 6. Stiftungsgeschäft unter Lebenden u.a. (§ 7 Abs. 1 Nr. 8 ErbStG) Gemäß § 7 Abs. 1 Nr. 8 ErbStG ist der Übergang von Vermögen auf Grund eines Stiftungsgeschäfts 170 unter Lebenden als Schenkung steuerbar. Dem steht gleich die Bildung oder Ausstattung einer Vermögensmasse ausländischen Rechts, deren Zweck auf die Bindung von Vermögen gerichtet ist. Die Zuwendung ist nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG erst ausgeführt, wenn der jeweilige Vermögensüber- 171 gang wirksam vollzogen wurde;10 eine entsprechende Anwendung des § 9 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. c ErbStG ist nicht möglich,11 da diese Vorschrift bereits einen Rechtsgrund für den Übergang voraussetzt (vgl. Rz. 66). 1 2 3 4 5 6 7 8 9
Gebel in T/G/J, § 9 ErbStG Rz. 110 (Stand: Februar 2010); Halaczinsky, ErbStB 2008, 20 (28). Meincke16, § 9 ErbStG Rz. 52. Gebel in T/G/J, § 9 ErbStG Rz. 110 (Stand: Februar 2010); Fischer in F/J/P/W5, § 9 ErbStG Rz. 125. Meincke16, § 9 ErbStG Rz. 53. Vgl. BGH v. 29.11.1996 – BLw 16/96, ZEV 1997, 69. Gesetz v. 16.12.1997, BGBl. I 1997, 2968. ErbStRG v. 24.12.2008, BGBl. I 2008, 3018. Gebel in T/G/J, § 9 ErbStG Rz. 110 (Stand: Februar 2010). Gebel in T/G/J, § 9 ErbStG Rz. 111 (Stand: Februar 2010); Fischer in F/J/P/W5, § 9 ErbStG Rz. 126; Meincke16, § 9 ErbStG Rz. 53. 10 Meincke16, § 9 ErbStG Rz. 53. 11 Gebel in T/G/J, § 9 ErbStG Rz. 111 (Stand: Februar 2010).
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§ 9 ErbStG Rz. 172 Entstehung der Steuer 7. Aufhebung einer Stiftung u.a. (§ 7 Abs. 1 Nr. 9 ErbStG) 172 Dasjenige, was bei Aufhebung einer Stiftung oder bei Auflösung eines Vereins, dessen Zweck auf
die Bindung von Vermögen gerichtet ist, erworben wird, gilt nach § 7 Abs. 1 Nr. 9 Satz 1 ErbStG als Schenkung. Wie eine Auflösung wird auch der Formwechsel eines rechtsfähigen Vereins, dessen Zweck wesentlich im Interesse einer Familie oder bestimmter Familien auf die Bindung von Vermögen gerichtet ist, in eine Kapitalgesellschaft behandelt. 173 Dem steht nach Satz 2 der Vorschrift gleich der Erwerb bei Auflösung einer Vermögensmasse auslän-
dischen Rechts, deren Zweck auf die Bindung von Vermögen gerichtet ist, sowie der Erwerb durch Zwischenberechtigte während des Bestehens der Vermögensmasse. Die Vorschrift des § 7 Abs. 1 Nr. 9 Satz 2 ErbStG ist durch das Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/20021 in das ErbStG eingefügt. Nach der Entstehungsgeschichte sollten mit dem unbestimmten Begriff der Vermögensmasse ausländischen Rechts, deren Zweck auf die Bindung von Vermögen gerichtet ist, vor allem typische und in den angloamerikanischen Staaten gebräuchliche Formen von „Trusts“ erfasst werden.2 174 Die Steuer entsteht auch hier erst mit dem rechtlich wirksamen Übergang des Vermögens.3
8. Abfindung für bedingte Ansprüche u.a. (§ 7 Abs. 1 Nr. 10 ErbStG) 175 Nach der Regelung in § 7 Abs. 1 Nr. 10 ErbStG ist zu besteuern, was als Abfindung für aufschiebend
bedingt, betagt oder befristet erworbene Ansprüche, soweit es sich nicht um einen Fall des § 3 Abs. 2 Nr. 5 handelt, vor dem Zeitpunkt des Eintritts der Bedingung oder des Ereignisses gewährt wird. 176 Auch hier ist streitig, ob bereits der Vertrag über die Abfindung oder erst deren Gewährung zur Steu-
erentstehung nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG führt; m.E. ist – wie im Fall des Erbverzichts gegen Abfindung nach § 7 Abs. 1 Nr. 5 ErbStG (vgl. Rz. 166) – vom Zeitpunkt des Vertragsschlusses auszugehen.
V. Übermaß an Gewinnbeteiligung (§ 7 Abs. 6 ErbStG) 177 Die im Zuge der Schenkung eines Anteils an einer Personengesellschaft gewährte Einräumung eines
„Übermaßes an Gewinnbeteiligung“ gilt nach § 7 Abs. 6 ErbStG als zusätzliche selbständige Schenkung, die mit dem Kapitalwert anzusetzen ist. 178 M.E. ist richtigerweise davon auszugehen, dass Gegenstand der Schenkung die bevorzugte Stellung ist,
die dem Zuwendungsempfänger mit der Übertragung des Gesellschaftsanteils grundsätzlich verschafft wird und nicht die jährlich wiederkehrenden Gewährung der überhöhten Gewinnanteile.4 Auch die Finanzverwaltung5 geht bei der Kapitalisierung von einem einheitlichen Zuwendungsgegenstand aus. 179 Demgemäß entsteht die Steuer nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG schon mit dem Übergang des privile-
gierten Gesellschaftsanteils.6
VI. Abfindungsanspruch unter Wert (§ 7 Abs. 7 ErbStG) 180 Nach § 7 Abs. 7 ErbStG gilt auch der auf einem Gesellschaftsvertrag beruhende Übergang des Anteils
eines Gesellschafters einer Personengesellschaft oder Kapitalgesellschaft bei dessen Ausscheiden auf die anderen Gesellschafter als Schenkung, soweit der Steuerwert, der sich für den Anteil nach § 12 ErbStG ergibt, den Abfindungsanspruch übersteigt.
1 StEntlG 1999/2000/2002 v. 24.3.1999, BGBl. I 1999, 402. 2 Vgl. BFH v. 27.9.2012 – II R 45/10, BStBl. II 2013, 84 = FR 2013, 562 = ErbStB 2013, 5. 3 Gebel in T/G/J, § 9 ErbStG Rz. 111 (Stand: Februar 2010); Fischer in F/J/P/W5, § 9 ErbStG Rz. 126; Meincke16, § 9 ErbStG Rz. 53. 4 So Meincke16, § 7 ErbStG Rz. 136 m.w.N. zum Streitstand. 5 Vgl. R E 7.8 Abs. 1 Satz 4 ErbStR 2011. 6 Meincke16, § 9 ErbStG Rz. 54.
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Steuerentstehung bei Erbersatzbesteuerung (Abs. 1 Nr. 4)
Rz. 186 § 9 ErbStG
Maßgeblich für die Steuerentstehung ist die Anwachsung (Personengesellschaft) oder Übertragung 181 (Kapitalgesellschaft) des Anteils;1 dies folgt bereits aus dem Wortlaut des Besteuerungstatbestands („Übergang“).
VII. Leistung an eine Kapitalgesellschaft (§ 7 Abs. 8 ErbStG) Die Regelung in § 7 Abs. 8 ErbStG ist mit Wirkung ab dem 14.12.2011 durch das Beitreibungsricht- 182 linie-Umsetzungsgesetz2 in das Gesetz aufgenommen worden.3 Nach § 7 Abs. 8 Satz 1 ErbStG kann auch die bloße Werterhöhung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft schenkungsteuerbar sein (vgl. § 7 ErbStG Rz. 562 ff.): Die Vorschrift fingiert eine Schenkung zwischen dem an eine Kapitalgesellschaft Leistenden und der natürlichen Person (u.a.), die an der Kapitalgesellschaft beteiligt ist, und deren Anteile an der Gesellschaft durch die Leistung im gemeinen Wert steigen. Leistungen i.S.d. der Vorschrift sind insb. Sacheinlagen, so dass die Ausführung der Zuwendung gem. § 9 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG erst mit Leistung dieser Einlagen gegeben ist. Die Regelung in § 7 Abs. 8 Satz 2 ErbStG bestimmt, dass verdeckte Gewinnausschüttungen4 und ver- 183 deckte Einlagen zwischen verbundenen Körperschaften grundsätzlich keine freigebigen Zuwendungen sind. Freigebig sind nur Zuwendungen zwischen Kapitalgesellschaften, soweit sie in der Absicht getätigt werden, Gesellschafter zu bereichern und soweit an diesen Gesellschaften nicht dieselben Gesellschafter zu gleichen Anteilen beteiligt sind. Auch hier kommt es für die Entstehung der Steuer auf Erbringung der Leistungen an.
D. Steuerentstehung bei Zweckzuwendungen (Abs. 1 Nr. 3 i.V.m. § 8 ErbStG) Gemäß § 8 ErbStG sind Zweckzuwendungen Zuwendungen von Todes wegen oder freigebige Zuwen- 184 dungen unter Lebenden, die mit einer die Bereicherung des Erwerbers mindernden Auflage, nämlich zugunsten eines bestimmten Zwecks verwendet zu werden, verbunden sind (vgl. § 8 ErbStG Rz. 5 ff.). Nach § 9 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG entsteht die Steuer bei Zweckzuwendungen i.S.d. § 8 ErbStG mit dem Zeitpunkt des Eintritts der Verpflichtung des Beschwerten. Entsprechend dem Gesetzeswortlaut kommt es damit nicht auf die Ausführung der Zweckzuwendung 185 an. Allerdings ist zu beachten, dass der Beschwerte erst zur Ausführung der Zuwendung verpflichtet ist, wenn ihm die dafür notwendigen Mittel zur Verfügung stehen. Wenn die Zweckzuwendung die Ausführung in das Ermessen des Beschwerten stellt, soll es doch auf die konkrete Ausführung ankommen.5
E. Steuerentstehung bei Erbersatzbesteuerung (Abs. 1 Nr. 4) Die Erbersatzbesteuerung einer Familienstiftung fingiert in Abständen von je 30 Jahren einen „Erb- 186 fall“ bei der Familienstiftung: Nach § 1 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG unterliegt der Erbschaftsteuer das Vermögen einer Stiftung, sofern sie wesentlich im Interesse einer Familie oder bestimmter Familien errichtet ist, in Zeitabständen von je 30 Jahren. Maßgeblich ist der Zeitpunkt des ersten Übergangs von Vermögen auf die Stiftung, § 9 Abs. 1 Nr. 4 Satz 1 ErbStG. Fällt bei Stiftungen dieser Zeitpunkt auf den 1.1.1954 oder einen früheren Zeitpunkt, so entsteht die Steuer erstmals am 1.1.1984 (§ 9 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 ErbStG). Gemäß § 24 ErbStG kann der Steuerpflichtige verlangen, dass die Steuer in 30 gleichen jährlichen Teilbeträgen (Jahresbeträgen) zu entrichten ist.
Vgl. Meincke16, § 9 ErbStG Rz. 54. BeitrRLUmsG v. 7.12.2011, BGBl. I 2011, 2592. Vgl. z.B. die Erläuterung BayLfSt v. 18.4.2012 – S 3806.1.1-12/St 34, ErbSt-Kartei BY § 7 ErbStG Karte 14. Zur Nichtsteuerbarkeit verdeckter Gewinnausschüttungen vgl. auch BFH v. 30.1.2013 – II R 6/12, FR 2013, 557 m. Anm. Keß = ErbStB 2013, 136 = BFH/NV 2013, 846. 5 Vgl. zur Problematik Meincke16, § 9 ErbStG Rz. 55; Fischer in F/J/P/W5, § 9 ErbStG Rz. 127.
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§ 9 ErbStG Rz. 187 Entstehung der Steuer
F. Steuerentstehung bei Aussetzung der Versteuerung (Abs. 2) 187 In den Fällen der „Aussetzung der Versteuerung“ gilt die Steuer für den Erwerb des belasteten Ver-
mögens erst als mit dem Zeitpunkt des Erlöschens der Belastung entstanden. 188 Die Regelung betrifft altes Recht: Gemäß § 34 Abs. 1 Satz 1 ErbStG 1951 konnte der Steuerpflichtige
beim Erwerb von Vermögen, dessen Nutzung einem anderen als dem Steuerpflichtigen zustand, verlangen, dass die Versteuerung bis zum Erlöschen des Nutzungsrechts ausgesetzt blieb. Auch bei der Aussetzung der Versteuerung nach der Folgeregelung in § 25 Abs. 1 Buchst. a ErbStG bis 1980 war der Erwerb gem. § 9 Abs. 2 ErbStG mit dem Wert des belasteten Vermögens erst im Zeitpunkt des Endes der Aussetzung anzusetzen. In der Folge hatte sich jedoch ergeben, dass eine Aussetzung der Versteuerung wegen der u.U. jahrzehntelangen Überwachung von Einzelfällen zu einem kaum vertretbaren Arbeitsaufwand geführt hatte. Durch eine entsprechende Gesetzesänderung im Jahr 1980 war nur noch eine zinslose Stundung der Steuer nach § 25 Abs. 1 Buchst. b ErbStG a.F. zulässig; dies galt prinzipiell auch für die Nachfolgeregelung in § 25 ErbStG a.F. bis 31.12.2008. Das Erbschaftsteuerreformgesetz 20091 hat auch diese Vorschrift beseitigt. 189 Für Erwerbe vor dem 31.8.1980 bleibt jedoch nach § 37 Abs. 2 Satz 1 ErbStG die alte Rechtsfolge
der Aufschiebung des Entstehungszeitpunkts nach § 9 Abs. 2 ErbStG i.V.m. § 25 Abs. 1 Buchst. a ErbStG erhalten.
G. Verjährung des Steueranspruchs I. Grundsatz – Steuerfestsetzung innerhalb der Festsetzungsfrist 190 Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis entstehen, sobald der Tatbestand verwirklicht ist, an den
das Gesetz die Leistungspflicht knüpft, § 38 AO i.V.m. § 9 ErbStG. Der Steueranspruch kann jedoch nur durch den Erlass eines Steuerbescheids gegenüber dem Steuerpflichtigen geltend gemacht werden. Der Erlass dieses Steuerbescheids muss innerhalb der Festsetzungsfrist erfolgen; ist diese abgelaufen, darf grundsätzlich auch keine Änderung einer bereits vorgenommenen Festsetzung mehr erfolgen, § 169 Abs. 1 Satz 1 AO. Ist die Erbschaftsteuer mit Ablauf der Frist noch nicht festgesetzt, so erlischt der Steueranspruch durch Festsetzungsverjährung, § 47 AO (vgl. Rz. 8).
II. Beginn der Festsetzungsfrist 1. Anlaufhemmung durch Anzeige/Steuererklärung, 191 Die Festsetzungsfrist beginnt nach § 170 Abs. 1 AO grundsätzlich mit Ablauf des Kalenderjahrs, in
dem der Erbschaftsteueranspruch nach § 38 AO i.V.m. § 9 ErbStG entstanden ist, d.h. in welcher der entsprechend gesetzliche Besteuerungstatbestand erfüllt worden ist. Diese Grundregel hat aber wegen zweier Anlaufhemmungen keine praktische Bedeutung. 192 Zunächst gilt auch für die Erbschaft- und Schenkungsteuer die Anlaufhemmung des § 170 Abs. 2
Satz 1 Nr. 1 AO. Die Festsetzungsfrist beginnt mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem eine Anzeige nach § 30 Abs. 1 ErbStG2 oder eine – unterschriebene3 – Steuererklärung4 nach § 31 ErbStG eingereicht wird; spätestens jedoch mit Ablauf des dritten Kalenderjahrs, das auf das Kalenderjahr folgt, in dem die Steuer entstanden ist. 193 Hinsichtlich der Anzeigepflichten anderer Personen ist wie folgt zu differenzieren: Die nicht rechtzei-
tige Abgabe der Erbschaftsteuererklärung durch einen Testamentsvollstrecker führt zu Lasten des Erben zu der beschriebenen Anlaufhemmung;5 dagegen haben Anzeigepflichtverletzungen durch Ge1 2 3 4 5
ErbStRG v. 24.12.2008, BGBl. I 2008, 3018. Vgl. BFH v. 30.10.1996 – II R 70/94, BStBl. II 1997, 11. BFH v. 10.11.2004 – II R 1/03, BStBl. II 2005, 244 = ErbStB 2005, 177. BFH v. 17.2.1993 – II R 83/90, BStBl. II 1993, 580. BFH v. 7.12.1999 – II B 79/99, BStBl. II 2000, 233 = FR 2000, 402 m. Anm. Viskorf.
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Verjährung des Steueranspruchs
Rz. 198 § 9 ErbStG
richte, Behörden und Notare keinen Einfluss auf die Festsetzungsverjährung, d.h. die Nichtanzeigen führen zu keiner Anlaufhemmung.1 2. Erbschaft- und schenkungsteuerspezifische Anlaufhemmungen Besondere Bestimmungen für den Beginn der Festsetzungsfrist bei der Erbschaft- und Schenkung- 194 steuer enthält § 170 Abs. 5 AO. Danach beginnt die Festsetzungsfrist beim Erwerb von Todes wegen gem. § 170 Abs. 5 Nr. 1 AO erst mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem der Begünstigte Kenntnis von seinem Erwerb erlangt hat. Nach dem Sinn und Zweck der Vorschrift bedeutet Kenntnis von dem „Erwerb“ nicht nur die sichere Kenntnis von der Einsetzung als Erbe oder Vermächtnisnehmer, sondern auch die sichere Kenntnis davon, dass keine Umstände vorliegen, die geeignet sein können, ernstliche Zweifel an dem Bestand einer letztwilligen Verfügung oder an dem Bestand eines Erbanfalls aufkommen zu lassen.2 Bei einer Schenkung beginnt die Festsetzungsfrist nicht vor Ablauf des Kalenderjahrs, in dem der 195 Schenker gestorben ist3 oder die Finanzbehörde von der vollzogenen Schenkung Kenntnis erlangt hat, § 170 Abs. 5 Nr. 2 AO. Hinsichtlich der maßgeblichen Kenntnis für eine Anlaufhemmung ist auf die Kenntnis der organisatorisch zur Verwaltung der Erbschaftsteuer und Schenkungsteuer berufenen Dienststelle (Erbschaftsteuerstelle) des zuständigen Finanzamtes abzustellen.4 Bei einer Zweckzuwendung unter Lebenden beginnt die Festsetzungsverjährung nicht vor Ablauf 196 des Kalenderjahrs, in dem die Verpflichtung erfüllt worden ist, § 170 Abs. 5 Nr. 3 AO.
III. Dauer der Festsetzungsfrist Die Festsetzungsfrist für die Erbschaftsteuer beträgt grundsätzlich vier Jahre, § 169 Abs. 2 Satz 1 197 Nr. 2 AO. Die Festsetzungsfrist verlängert sich bei Vorliegen einer leichtfertigen Steuerverkürzung nach § 378 AO (fahrlässiges Delikt – Ordnungswidrigkeit) auf fünf Jahre und bei Vorliegen einer Steuerhinterziehung nach § 370 AO (vorsätzliches Delikt – Straftat) auf zehn Jahre.
IV. Dauer der Festsetzungsfrist, Ablaufhemmung Gemäß der weiteren Sondervorschrift in § 171 Abs. 12 AO endet die Festsetzungsfrist nicht vor dem 198 Ablauf von sechs Monaten nach dem Zeitpunkt, in dem die Erbschaft von den Erben angenommen, das Insolvenzverfahren über den Nachlass eröffnet wird oder die Erbschaftsteuer gegen einen Vertreter festgesetzt werden kann, wenn sich der Anspruch gegen den Nachlass selbst richtet (§ 20 Abs. 3 ErbStG – vgl. § 20 ErbStG Rz. 41 ff.).
1 Vgl. BFH v. 7.12.1999 – II B 79/99, BStBl. II 2000, 233 = FR 2000, 402 m. Anm. Viskorf; v. 16.2.1994 – II R 125/90, BStBl. II 1994, 866. 2 Vgl. BFH v. 27.4.1988 – II R 253/85, BStBl. II 1988, 818. 3 Es soll dem Finanzamt dann möglich sein, aufgrund der Erbschaftsteuererklärung Schenkungen an Dritte ermitteln zu können; vgl. Meincke16, § 9 ErbStG Rz. 59. 4 Vgl. BFH v. 29.1.2004 – II B 99/02, BFH/NV 2004, 609.
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Zweiter Abschnitt Wertermittlung
§ 10 Steuerpflichtiger Erwerb (1) 1Als steuerpflichtiger Erwerb gilt die Bereicherung des Erwerbers, soweit sie nicht steuerfrei ist (§§ 5, 13, 13a, 13c, 16, 17 und 18). 2In den Fällen des § 3 gilt unbeschadet Absatz 10 als Bereicherung der Betrag, der sich ergibt, wenn von dem nach § 12 zu ermittelnden Wert des gesamten Vermögensanfalls, soweit er der Besteuerung nach diesem Gesetz unterliegt, die nach den Absätzen 3 bis 9 abzugsfähigen Nachlassverbindlichkeiten mit ihrem nach § 12 zu ermittelnden Wert abgezogen werden. 3Steuererstattungsansprüche des Erblassers sind zu berücksichtigen, wenn sie rechtlich entstanden sind (§ 37 Abs. 2 der Abgabenordnung). 4Der unmittelbare oder mittelbare Erwerb einer Beteiligung an einer Personengesellschaft oder einer anderen Gesamthandsgemeinschaft, die nicht unter § 97 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 des Bewertungsgesetzes fällt, gilt als Erwerb der anteiligen Wirtschaftsgüter; die dabei übergehenden Schulden und Lasten der Gesellschaft sind bei der Ermittlung der Bereicherung des Erwerbers wie eine Gegenleistung zu behandeln. 5Bei der Zweckzuwendung tritt an die Stelle des Vermögensanfalls die Verpflichtung des Beschwerten. 6Der steuerpflichtige Erwerb wird auf volle 100 Euro nach unten abgerundet. 7In den Fällen des § 1 Abs. 1 Nr. 4 tritt an die Stelle des Vermögensanfalls das Vermögen der Stiftung oder des Vereins. (2) Hat der Erblasser die Entrichtung der von dem Erwerber geschuldeten Steuer einem anderen auferlegt oder hat der Schenker die Entrichtung der vom Beschenkten geschuldeten Steuer selbst übernommen oder einem anderen auferlegt, gilt als Erwerb der Betrag, der sich bei einer Zusammenrechnung des Erwerbs nach Absatz 1 mit der aus ihm errechneten Steuer ergibt. (3) Die infolge des Anfalls durch Vereinigung von Recht und Verbindlichkeit oder von Recht und Belastung erloschenen Rechtsverhältnisse gelten als nicht erloschen. (4) Die Anwartschaft eines Nacherben gehört nicht zu seinem Nachlaß. (5) Von dem Erwerb sind, soweit sich nicht aus den Absätzen 6 bis 9 etwas anderes ergibt, als Nachlaßverbindlichkeiten abzugsfähig 1. die vom Erblasser herrührenden Schulden, soweit sie nicht mit einem zum Erwerb gehörenden Gewerbebetrieb, Anteil an einem Gewerbebetrieb, Betrieb der Land- und Forstwirtschaft oder Anteil an einem Betrieb der Land- und Forstwirtschaft in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen und bereits bei der Bewertung der wirtschaftlichen Einheit berücksichtigt worden sind; 2. Verbindlichkeiten aus Vermächtnissen, Auflagen und geltend gemachten Pflichtteilen und Erbersatzansprüchen; 3. die Kosten der Bestattung des Erblassers, die Kosten für ein angemessenes Grabdenkmal, die Kosten für die übliche Grabpflege mit ihrem Kapitalwert für eine unbestimmte Dauer sowie die Kosten, die dem Erwerber unmittelbar im Zusammenhang mit der Abwicklung, Regelung oder Verteilung des Nachlasses oder mit der Erlangung des Erwerbs entstehen. Für diese Kosten wird insgesamt ein Betrag von 10 300 Euro ohne Nachweis abgezogen. Kosten für die Verwaltung des Nachlasses sind nicht abzugsfähig. (6) 1Nicht abzugsfähig sind Schulden und Lasten, soweit sie in wirtschaftlichem Zusammenhang mit Vermögensgegenständen stehen, die nicht der Besteuerung nach diesem Gesetz unterliegen. 2Beschränkt sich die Besteuerung auf einzelne Vermögensgegenstände (§ 2 Abs. 1 Nr. 3, § 19 Abs. 2), so sind nur die damit in wirtschaftlichem Zusammenhang stehenden Schulden und Lasten abzugsfähig. 3Schulden und Lasten, die mit teilweise befreiten Vermögensgegenständen in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen, sind nur mit dem Betrag abzugsfähig, der dem steuerpflichtigen Teil entspricht. 4Schulden und Lasten, die mit nach § 13a befreitem Vermögen in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen, sind nur mit dem Betrag abzugsfähig, der dem Verhältnis des nach Anwendung des § 13a anzusetzenden Werts dieses Vermögens zu dem Wert vor Anwendung des § 13a entspricht. 5Schulden und Lasten, die mit nach § 13c befreitem Vermögen in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen, sind nur mit dem Betrag abzugsfähig, der dem VerFumi
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§ 10 ErbStG Steuerpflichtiger Erwerb hältnis des nach Anwendung des § 13c anzusetzenden Werts dieses Vermögens zu dem Wert vor Anwendung des § 13c entspricht. 6Haben sich Nutzungsrechte als Grundstücksbelastungen bei der Ermittlung des gemeinen Werts einer wirtschaftlichen Einheit des Grundbesitzes ausgewirkt, ist deren Abzug bei der Erbschaftsteuer ausgeschlossen. (7) In den Fällen des § 1 Abs. 1 Nr. 4 sind Leistungen an die nach der Stiftungsurkunde oder nach der Vereinssatzung Berechtigten nicht abzugsfähig. (8) Die von dem Erwerber zu entrichtende eigene Erbschaftsteuer ist nicht abzugsfähig. (9) Auflagen, die dem Beschwerten selbst zugute kommen, sind nicht abzugsfähig. (10) 1Überträgt ein Erbe ein auf ihn von Todes wegen übergegangenes Mitgliedschaftsrecht an einer Personengesellschaft unverzüglich nach dessen Erwerb auf Grund einer im Zeitpunkt des Todes des Erblassers bestehenden Regelung im Gesellschaftsvertrag an die Mitgesellschafter und ist der Wert, der sich für seinen Anteil zur Zeit des Todes des Erblassers nach § 12 ergibt, höher als der gesellschaftsvertraglich festgelegte Abfindungsanspruch, so gehört nur der Abfindungsanspruch zum Vermögensanfall im Sinne des Absatzes 1 Satz 2. 2Überträgt ein Erbe einen auf ihn von Todes wegen übergegangenen Geschäftsanteil an einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung unverzüglich nach dessen Erwerb auf Grund einer im Zeitpunkt des Todes des Erblassers bestehenden Regelung im Gesellschaftsvertrag an die Mitgesellschafter oder wird der Geschäftsanteil auf Grund einer im Zeitpunkt des Todes des Erblassers bestehenden Regelung im Gesellschaftsvertrag von der Gesellschaft eingezogen und ist der Wert, der sich für seinen Anteil zur Zeit des Todes des Erblassers nach § 12 ergibt, höher als der gesellschaftsvertraglich festgelegte Abfindungsanspruch, so gehört nur der Abfindungsanspruch zum Vermögensanfall im Sinne des Absatzes 1 Satz 2. A. I. II. III.
Grundaussagen der Vorschrift. . . . . . . . . . Regelungsgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . Bedeutung und Telos . . . . . . . . . . . . . . . . . Geltungsbereich und Verhältnis zu anderen Vorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Rechtsentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Steuerpflichtiger Erwerb (Abs. 1) . . . . . . . I. Prinzip der Bereicherung (Abs. 1 Satz 1, 3, 4 und 6) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Allgemeine Regelung (Abs. 1 Satz 1) . . . . 2. Besondere Erwerbsgegenstände (Abs. 1 Satz 3, 4 und 6) . . . . . . . . . . . . . a) Steuererstattungsansprüche des Erblassers (Abs. 1 Satz 3). . . . . . . . . . . . . b) Erwerb einer Beteiligung an einer vermögensverwaltenden Personengesellschaft (Abs. 1 Satz 4) . . . . . . . . . aa) Regelungszweck . . . . . . . . . . . . . bb) Regelungsgegenstand „privates Gesamthandsvermögen“ . . . . . . . cc) Einzelfragen . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Rundungsvorschrift (Abs. 1 Satz 6) . . . . . a) Grundsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Weitere Vergünstigungen . . . . . . . . . . II. Bereicherungstatbestand beim Erwerb von Todes wegen (Abs. 1 Satz 2) . . . . . . . . . . . . 1. Vermögensanfall. . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Nettovermögenszuwachs . . . . . . . . . . b) Zivilrechtliche Betrachtungsweise . . . c) Erwerb durch Erbanfall . . . . . . . . . . . d) Erwerb durch Vermächtnis . . . . . . . .
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e) Erwerb aufgrund eines geltend gemachten Pflichtteils . . . . . . . . . . . . . . f) Sonstige Einzelfälle . . . . . . . . . . . . . . . 2. Abzug von Schulden und Lasten . . . . . . . 3. Wertermittlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Grundsätze (§ 12 ErbStG) . . . . . . . . . . b) Bewertungsproblematik bei Sachleistungsansprüchen . . . . . . . . . . . . . . . . III. Bereicherungstatbestand bei der Schenkung unter Lebenden (§ 7 ErbStG) . . . . . . . . . . . . 1. Begriff der Bereicherung bei der Schenkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Vermögensanfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Zivilrechtliche vs. wirtschaftliche Betrachtungsweise . . . . . . . . . . . . . . . b) Einzelfälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Gemischte Schenkung . . . . . . . . . . . . . . . 4. Wertermittlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Bereicherungstatbestand bei der Zweckzuwendung (Abs. 1 Satz 5) . . . . . . . . . . . . . . . V. Bereicherungstatbestand bei der Erbersatzbesteuerung – Stiftung, Verein (Abs. 1 Satz 7) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Zuwendung der Erbschaft- und Schenkungsteuer (Abs. 2). . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Grundsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Erwerb durch Schenkung unter Lebenden . . 1. Regelungsgehalt und Inanspruchnahme . . 2. Berechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Auswahl des Steuerschuldners . . . . . . . . . III. Erwerb von Todes wegen . . . . . . . . . . . . . . .
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Steuerpflichtiger Erwerb D. Vereinigung von Recht und Verbindlichkeit (Abs. 3) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 I. Grundsätze. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 1. Konfusion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 2. Konsolidation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 II. Erwerb durch Erbanfall . . . . . . . . . . . . . . . 46 III. Erwerb durch Zuwendung unter Lebenden . 47 E. Anwartschaft eines Nacherben (Abs. 4) . . . 48 F. Nachlassverbindlichkeiten (Abs. 5) . . . . . . I. Grundsätze. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Abzugsfähige Schulden und Lasten . . . . . 2. Zivilrechtliche Betrachtung . . . . . . . . . . 3. Abweichung von der zivilrechtlichen Betrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) „Wirtschaftliche Belastung“ . . . . . . . . b) „Sittliche“ Verpflichtung . . . . . . . . . . II. Erblasserschulden (Abs. 5 Nr. 1) . . . . . . . . . 1. Grundsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Abzugsfähige Erblasserschulden (Abs. 5 Nr. 1 Halbs. 1) . . . . . . . . . . . . . . a) Vom Erblasser herrührende Schulden. b) Steuerschulden . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) „Entstandene“ und „begründete“ Steuern. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) „Unbekannte“ Steuern – Steuerhinterziehung . . . . . . . . . . . . . . . cc) Latente Steuern – Doppelbelastung ErbSt/ESt . . . . . . . . . . . . . . c) Pflege- und sonstige Dienstleistungen d) Sonstige Einzelfälle . . . . . . . . . . . . . . 3. Nicht abzugsfähige Erblasserschulden (Abs. 5 Nr. 1 Halbs. 2) . . . . . . . . . . . . . . III. Erbfallschulden (Abs. 5 Nr. 2) . . . . . . . . . . . 1. Verbindlichkeiten aus Vermächtnissen . . 2. Verbindlichkeiten aus Auflagen. . . . . . . . a) Grundsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Grabpflege als Auflage . . . . . . . . . . . . 3. Verbindlichkeiten aus geltend gemachten Pflichtteilen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Verbindlichkeiten aus geltend gemachten Erbersatzansprüchen . . . . . . . . . . . . IV. Sonstige Nachlassverbindlichkeiten (Abs. 5 Nr. 3) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Abzugsfähige Kosten (Abs. 5 Nr. 3 Satz 1) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Kosten der Bestattung des Erblassers . b) Kosten für ein Grabdenkmal . . . . . . . c) Kosten für die übliche Grabpflege . . . d) Kosten für die Abwicklung/Regelung/ Verteilung des Nachlasses. . . . . . . . . . aa) Grundsatz. . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Einzelfälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Kosten für die Erlangung des Erwerbs. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Grundsatz. . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Einzelfälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Pauschbetrag (Abs. 5 Nr. 3 Satz 2) . . . . .
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3. Nichtabzugsfähige Verwaltungskosten (Abs. 5 Nr. 3 Satz 3) . . . . . . . . . . . . . . . . V. Verbindlichkeiten bei einer Schenkung . . . . . 1. Grundsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Erwerbsnebenkosten und Steuerberatungskosten sowie Rechtsberatungskosten im Zusammenhang mit einer Schenkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Pflichtteilsschuld . . . . . . . . . . . . . . . . . . G. Abzugsbeschränkungen und -verbote für Schulden und Lasten (Abs. 6 bis 9) . . . . . . . I. Übersicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Abzugsbeschränkung bei nichtbesteuerten Vermögensgegenständen (Abs. 6 Satz 1 bis 5) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Grundsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Nicht der Besteuerung unterliegende Vermögensgegenstände . . . . . . . . . . . . b) Wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen nicht besteuerten Gegenständen und abzugsbeschränkter Schuld . . . . . 2. Volle Steuerbefreiung einzelner Gegenstände (Abs. 6 Satz 1) . . . . . . . . . . . . . . . 3. Teilweise Steuerbefreiung einzelner Gegenstände (Abs. 6 Satz 3 bis 5) . . . . . . . a) Grundsatz. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Unterbewertung als teilweise Steuerbefreiung (Abs. 6 Satz 3) . . . . . . . . . . . c) Abzugsfähigkeit von Schulden und Lasten bei Steuerbefreiung nach § 13a ErbStG (Abs. 6 Satz 4) . . . . . . . . d) Abzugsfähigkeit von Schulden und Lasten bei Steuerbefreiung nach § 13c ErbStG (Abs. 6 Satz 5) . . . . . . . . e) Abzugsbeschränkung von Schulden bei einer Schenkung mit Gegenleistungen, Leistungs-, Nutzungs- oder Duldungsauflagen . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Beschränkte Steuerpflicht (Abs. 6 Satz 2) . a) Grundsatz. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Doppelbesteuerungsabkommen . . . . . III. Verbot der Doppelentlastung bei Grundstücken (Abs. 6 Satz 6) . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Abzugsverbot bei Familienstiftungen (Abs. 7) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Abzugsverbot für die eigene Erbschaftsteuer (Abs. 8) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Abzugsverbot für begünstigende Auflagen (Abs. 9) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . H. Abfindung für die Übertragung einer Beteiligung (Abs. 10) . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Grundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Mitgliedschaftsrecht an einer Personengesellschaft (Abs. 10 Satz 1) . . . . . . . . . . . . . 1. Vermögensanfall beim weichenden Erben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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§ 10 ErbStG Rz. 1 Steuerpflichtiger Erwerb 2. Schenkung an verbleibende Gesellschafter (§ 7 Abs. 7 Satz 1, 3 ErbStG) . . . . . . . 99 III. Geschäftsanteil an einer GmbH (Abs. 10 Satz 2) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 1. Vermögensanfall beim weichenden Erben. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100
2. Schenkung an verbleibende Gesellschafter oder Gesellschaft, § 7 Abs. 7 Satz 1 bis 3 ErbStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101
Literatur: Bruschke, Die beschränkte Abziehbarkeit von Schulden und Lasten nach § 10 Abs. 6 ErbStG, VVR 2016, 19; Halaczinsky, Erbschaftsteuerrichtlinien und Erbschaftsteuerhinweise 2011/Ausgewählte Neuregelungen zur Anwendung des ErbStG, ErbStB 2012, 44; Kobor, Einkommensteuerschulden des Erblassers als Nachlassverbindlichkeiten gem. § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG, FR 2012, 1075; Spiegelberger/Wartenburger, Die Erbschaftsteuerreform aus verfassungsrechtlicher Sicht – Eine kritische Analyse der Neuregelungen, ErbStB 2009, 98. Verwaltungsanweisungen: R E 10.1–10.13 ErbStR 2011; H E 10.1–10.13 ErbStH 2011; gleich lautende Erlasse vom 16.3.2012 – Behandlung von Erwerbsnebenkosten und Steuerberatungskosten sowie Rechtsberatungskosten im Zusammenhang mit einer Schenkung, BStBl. I 2012, 338; gleich lautende Erlasse vom 21.6.2012 – Allgemeine Verwaltungsanweisung für die Erbschaft- und Schenkungsteuer (ErbStVA), BStBl. I 2012.
A. Grundaussagen der Vorschrift I. Regelungsgegenstand 1 Der Gesetzgeber regelt in § 10 ErbStG die Ermittlung der Bemessungsgrundlage für die Erbschaft-
und Schenkungsteuer. Eine Bemessungsgrundlage existiert nur dann, wenn dem Steuerpflichtigen etwas zugekommen ist, von dem nach Abzug von Belastungen und Freibeträgen noch ein Wert verbleibt. Dieser Bereicherungsgedanke kann jedoch nicht ohne weiteres auf die Zweckzuwendung und die Ersatzerbschaftsteuer beispielsweises einer Stiftung übertragen werden; das Gesetz trifft hier besondere Regelungen. Damit gilt folgende Grundstruktur: Steuerbarer Vorgang („steuerpflichtige Vorgänge“)
Erwerb von Todes wegen, § 1 Abs. 1 Nr. 1, § 3 ErbStG
Schenkung unter Lebenden, § 1 Abs. 1 Nr. 2, § 7 ErbStG
Zweckzuwendung, § 1 Abs. 1 Nr. 3, § 8 ErbStG
Ersatzerbschaftsteuer (Stiftung, Verein), § 1 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG
„Brutto-Erwerb“
Vermögensanfall § 10 Abs. 1 Satz 1 § 10 Abs. 1 Satz 1 und 2 ErbStG ErbStG
Verpflichtung des Beschwerten, § 10 Abs. 1 Satz 5 ErbStG
Vermögen der Stiftung oder des Vereins, § 10 Abs. 1 Satz 7 ErbStG
„Erwerbsschmälerungen“1
abzgl. Belastungen § 10 Abs. 5 ErbStG „Netto-Erwerb“ abzgl. Steuerbefreiungen i.w.S., §§ 5, 13, 13a, 13c, 16, 17, 18 ErbStG.
Bereicherung steuerpflichtiger Erwerb Bemessungsgrundlage, § 10 Abs. 1 Satz 1 ErbStG
Dieses Systematik wird freilich nicht immer vollständig eingehalten, da beispielsweise bestimmte Steuerbefreiungen im Umfang ihrer Anwendung schon den Vermögensanfall verhindern (vgl. Rz. 7). 2 In Satz 1 des § 10 Abs. 1 ErbStG ist die Definition des „steuerpflichtigen Erwerbs“ als Bereicherung
des Erwerbers, soweit sie nicht steuerfrei ist, enthalten. Diese Definition wird in § 10 Abs. 1 Satz 2 ErbStG für den Fall eines Erwerb von Todes wegen ergänzt, indem die Bewertung sowohl des Ver1 Meincke16, § 10 ErbStG Rz. 2.
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Grundaussagen der Vorschrift
Rz. 3 § 10 ErbStG
mögensanfalls als auch der Belastungen angesprochen wird; für die Abzugsfähigkeit dieser Belastungen wird hier auf die speziellen Regelungen in § 10 Abs. 3 bis 9 ErbStG verwiesen. Regelungen für besondere Erwerbsgegenstände finden sich in § 10 Abs. 1 Satz 3 ErbStG (Steuererstattungsansprüche des Erblassers) und in § 10 Abs. 1 Satz 4 ErbStG (Beteiligung an einer vermögensverwaltenden Personengesellschaft). Die Tatbestände der Zweckzuwendung (§ 10 Abs. 1 Satz 5 ErbStG) und der Ersatzerbschaftsteuer (Stiftungen, Vereine, § 10 Abs. 1 Satz 7 ErbStG) erfahren im Hinblick auf den „Vermögensanfall“ mangels fassbarer Bereicherung ebenfalls Sonderregelungen. § 10 Abs. 1 ErbStG wird schließlich ergänzt durch eine Rundungsregelung (§ 10 Abs. 1 Satz 6 ErbStG). Die besteuerungsrechtlichen Folgen einer Übernahme der Steuer durch einen Dritten ist Gegenstand des § 10 Abs. 2 ErbStG; das Gesetz qualifiziert zwar die Übernahme als weiteren Vermögensanfall, beschränkt den Umfang des Erwerbs aber auf eine einmalige Zurechnung der übernommenen Steuer. § 10 Abs. 3 und 4 ErbStG regeln Sonderfragen von Erwerben, die sich aus der Vereinigung von Recht und Verbindlichkeit und dem Erwerb der Anwartschaftsposition des Nacherben ergeben. Das Gesetz regelt in § 10 Abs. 5 ErbStG die Abzugsfähigkeit von Nachlassverbindlichkeiten in Gestalt von Erblasserschulden (Nr. 1), Erbfallschulden (Nr. 2) und sonstigen Nachlassverbindlichkeiten (Nr. 3). Demgegenüber handelt § 10 Abs. 6 bis 9 ErbStG von nicht abzugsfähigen Belastungen. So sind nach § 10 Abs. 6 ErbStG Schulden und Lasten nicht abzugsfähig, soweit der entsprechende Erwerb nicht der Besteuerung unterliegt. Ebenso sind z.B. im Fall der Erbersatzbesteuerung Leistungen an die nach der Stiftungsurkunde Berechtigten nicht abzugsfähig, § 10 Abs. 7 ErbStG. Die eigene Erbschaftsteuer – § 10 Abs. 8 ErbStG – ist ebenso wenig abzugsfähig wie die Auflagen, die dem Beschwerten selbst zugutekommen, § 10 Abs. 9 ErbStG. § 10 Abs. 10 ErbStG schließlich befasst sich mit dem Vermögensfall in der Person eines aus der Gesellschafterstellung weichenden Erben, dem letztlich nur ein Abfindungsanspruch verbleibt.
II. Bedeutung und Telos Die Erbschaft- und Schenkungsteuer belastet gem. §§ 1, 3, 7 und 8 ErbStG Erwerbe von Todes we- 3 gen, Schenkungen unter Lebenden, Zweckzuwendungen und Familienstiftungen. Als steuerpflichtiger Erwerb gilt gem. § 10 Abs. 1 Satz 1 ErbStG die Bereicherung des Erwerbers, soweit sie nicht steuerfrei ist. Damit ist wesentliches Merkmal der Besteuerung nach dem Erbschaftsteuergesetz die „Bereicherung“ des Steuerpflichtigen: Die Erbschaftsteuer im Weiteren, die Schenkungen (§ 7 ErbStG) einschließenden Sinn (§ 1 Abs. 1 ErbStG) ist auf die für den Erwerber unentgeltliche Bereicherung gelegt.1 Für Schenkungen nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts folgt das Erfordernis der Bereicherung des Beschenkten aus der Definition des § 516 Abs. 1 BGB. Für andere freigebige Zuwendungen unter Lebenden stellt § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG ausdrücklich das Erfordernis auf, dass „der Bedachte durch sie auf Kosten des Zuwendenden bereichert wird“; nur „soweit“ dies zutrifft, gilt die Zuwendung als Schenkung. Wo das Bereicherungsprinzip nicht passt – nämlich im Fall der Zweckzuwendung und der Ersatzerbschaftsteuer – trifft das Gesetz Sonderregelungen (vgl. § 10 Abs. 1 Satz 5 und 7 ErbStG). Die Bedeutung der Bereicherung zeigt sich insbesondere beim Erwerb von Todes wegen:2 Die Erbschaftsteuer ist eine „Erbanfallsteuer“; sie besteuert damit nicht den Nachlass als solchen, sondern die beim jeweiligen Empfänger mit dem Erbfall eintretende Bereicherung. Der Gesetzgeber verfolgt mit der Erbschaftsteuer in ihrer derzeitigen Ausgestaltung das Ziel, den durch Erbfall oder Schenkung anfallenden Vermögenszuwachs jeweils gemäß seinem Wert zu erfassen und die daraus resultierende Steigerung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit (die durch Erbfall oder Schenkung vermittelte Bereicherung) des Erwerbers – wenn auch in unterschiedlichen Steuersätzen nach Maßgabe des Verwandtschaftsgrades und dem Wert des Erwerbs – zu besteuern (§ 10 Abs. 1 ErbStG). Nach der Belastungsentscheidung des Gesetzgebers wird mit der Erbschaftsteuer – vom Sonderfall der pe-
1 Vgl. bereits BFH v. 18.12.1972 – II R 87/70, II R 88/70, II R 89/70, II R 87-89/70, BStBl. II 1973, 329. 2 Vgl. BVerfG v. 7.11.2006 – 1 BvL 10/02, BStBl. II 2007, 192 = FR 2007, 338 = ErbStB 2007, 64.
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§ 10 ErbStG Rz. 4 Steuerpflichtiger Erwerb riodischen Besteuerung des Vermögens von Familienstiftungen und Familienvereinen (§ 1 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG) abgesehen – der Transfer von Vermögenssubstanz einmalig belastet. Die Erbschaftund Schenkungsteuer ist somit auch keine Nachlasssteuer („Tote-Hand-Steuer“), in Gestalt einer „letzten Vermögensteuer“, sondern eine Anfall- bzw. eine Bereicherungssteuer, die grundsätzlich den Erben oder den Beschenkten trifft.
III. Geltungsbereich und Verhältnis zu anderen Vorschriften 4 Die Regelung des steuerpflichtigen Erwerbs in § 10 ErbStG bildet den Einstieg in den II. Teil des Ge-
setzes, welcher der „Wertermittlung“ gewidmet ist. Zwar ist die Vorschrift des § 10 ErbStG – wie Abs. 1 Satz 2 und Abs. 5 zeigen – wesentlich auf den Erwerb von Todes wegen bezogen;1 aus § 10 Abs. 2, Abs. 1 Satz 5 und 7 ErbStG folgt jedoch, dass letztlich auch andere Erwerbsvorgänge angesprochen werden. Für die Schenkung ist dieses Ergebnis im Übrigen zwangsläufig, soll doch nur der Vermögenszuwachs der Besteuerung unterliegen.
IV. Rechtsentwicklung 5 Seit dem Erbschaftsteuergesetz 19222 wird unter dem Begriff „Erbschaftsteuer“ eine reine Bereiche-
rungssteuer verstanden; das Gesetz zur Reform des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuerrechts vom 17.4.19743 (ErbStRG 1974) hat an der Erhebungsform der Erbschaftsteuer als Erbanfallsteuer festgehalten. Grundziel der Erbschaftsteuer ist weiterhin die Erfassung der Bereicherung, die jemand von Todes wegen oder durch Schenkung unter Lebenden erfährt. Daher hat § 10 ErbStG zunächst keine durchgreifenden Änderungen erfahren. Die vorliegende Fassung auf der Grundlage des Gesetzes zur Reform des Erbschaftsteuer- und Bewertungsrechts vom 24.12.2008 (Erbschaftsteuerreformgesetz)4 gilt gem. § 37 Abs. 1 ErbStG für Erwerbe ab dem 1.1.2009. Wesentliche Änderungen sind hier in der Abzugsbeschränkung von Schulden im Zusammenhang mit nach § 13a ErbStG privilegiertem Vermögen (§ 10 Abs. 6 ErbStG) und in der im Zuge der Neuregelung des Bewertungsrechtes erforderlichen Schaffung des § 10 Abs. 10 ErbStG zu sehen.
B. Steuerpflichtiger Erwerb (Abs. 1) I. Prinzip der Bereicherung (Abs. 1 Satz 1, 3, 4 und 6) 1. Allgemeine Regelung (Abs. 1 Satz 1) 6 Die Vorschrift des § 10 ErbStG regelt das Verfahren für die Ermittlung des steuerpflichtigen Erwerbs.
Als solcher gilt nach § 10 Abs. 1 Satz 1 ErbStG die Bereicherung des Erwerbers. Maßstab für die Auslegung des § 10 ErbStG ist der Grundsatz, dass nur die als „Nettobetrag“ ermittelte Bereicherung der Erbschaftsteuer unterliegt.5 Eine Besteuerung des steuerpflichtigen Erwerbs kommt nur in Betracht, wenn sich nach dem Berechnungsverfahren als Saldo kein negativer Steuerwert ergibt, da es dann an der Bereicherung des Erwerbers fehlt.6 Dass ein „Verlust“ nicht geschenkt werden kann,
1 2 3 4 5
Vgl. Gebel in T/G/J, § 10 ErbStG Rz. 10 (Stand: Januar 2012). I.d.F. v. 7.8.1922, RGBl. I 1922, 695. BGBl. I 1974, 933. ErbStRG v. 24.12.2008, BGBl. I 2008, 3018. So schließt § 10 Abs. 1 Satz 1 ErbStG beim Nacherben die steuerliche Erfassung von Vermögenswerten aus, die er selbst durch Baumaßnahmen auf einem nachlasszugehörigen Grundstück zu Lebzeiten des Vorerben in Erwartung der Nacherbfolge geschaffen hat, vgl. BFH v. 1.7.2008 – II R 38/07, BStBl. II 2008, 876 = FR 2009, 97 = ErbStB 2008, 323 m.w.N. 6 Vgl. Jochum in Wilms/Jochum, § 10 ErbStG Rz. 21 f. (Stand: Mai 2015).
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Steuerpflichtiger Erwerb (Abs. 1)
Rz. 7 § 10 ErbStG
folgt ebenfalls aus § 14 Abs. 1 Satz 5 ErbStG, wonach Erwerbe, für die sich kein positiver Wert ergibt, unberücksichtigt bleiben. Sind jedoch mehrere Vermögensgegenstände Gegenstand einer freigebigen Zuwendung, sind die steuerlichen Einzelwerte zu einem einheitlichen Steuerwert der Gesamtschenkung zusammenzufassen, sog. „Gesamterwerb“. Derartige Schenkungen können steuerlich interessant sein, wenn dabei auch niedrig oder negativ bewertete Vermögensgegenstände sowie Schulden und Lasten übertragen werden. Mit den Schulden und Lasten können ggf. höhere Werte anderer Vermögensgegenstände kompensiert werden. In der Praxis sind die Nachweiserfordernisse für die einheitliche Schenkung zu beachten:1 Dem Schenkungsvertrag sollte sich entnehmen lassen, dass die Übertragung der Zuwendungsgegenstände zivilrechtlich zwingend ein einheitliches Geschäft bilden soll2 (vgl. § 9 ErbStG Rz. 12). Möglich ist ein Gesamterwerb auch von Todes wegen; so kann sich der Vermögensanfall eines Erben durch ein Vorausvermächtnis steigern. Bei der Berechnung des steuerpflichtigen Erwerbs wird vertreten, dass die Steuerbefreiungen nach 7 §§ 13, 13a und § 13c ErbStG schon bei der Ermittlung des Vermögensanfalls und nicht erst nach Abzug der Belastungen auf den Netto-Erwerb zu berücksichtigen sind.3 Am Ergebnis ändert diese Vorgehensweise nichts; sie hat sich wegen der übersichtlicheren Berechnung in der Praxis aber verbreitet. Auch die Finanzverwaltung4 folgt dieser Betrachtung und ermittelt daher den steuerpflichtigen Erwerb wie folgt: 1. Steuerwert des Wirtschaftsteils des land- und forstwirtschaftlichen Vermögens – Befreiungen nach § 13 Abs. 1 Nr. 2 und 3 ErbStG + Steuerwert des Betriebsvermögens – Befreiungen nach § 13 Abs. 1 Nr. 2 und 3 ErbStG + Steuerwert der Anteile an Kapitalgesellschaften Zwischensumme – Befreiung nach § 13a ErbStG + Steuerwert des Wohnteils und der Betriebswohnungen des land- und forstwirtschaftlichen Vermögens – Befreiungen nach § 13 Abs. 1 Nr. 2, 3 und 4b und 4c ErbStG – Befreiung nach § 13c ErbStG + Steuerwert des Grundvermögens – Befreiungen nach § 13 Abs. 1 Nr. 2, 3 und 4a bis 4c ErbStG – Befreiung nach § 13c ErbStG + Steuerwert des übrigen Vermögens – Befreiungen nach § 13 Abs. 1 Nr. 1 und 2 ErbStG =
Vermögensanfall nach Steuerwerten Steuerwert der Nachlassverbindlichkeiten, soweit nicht vom Abzug ausgeschlossen, mindestens Pauschbetrag für Erbfallkosten (einmal je Erbfall)
= – –
abzugsfähige Nachlassverbindlichkeiten Vermögensanfall nach Steuerwerten (1.) abzugsfähige Nachlassverbindlichkeiten (2.) weitere Befreiungen nach § 13 ErbStG
=
Bereicherung des Erwerbers
2.
3.
1 Halaczinsky, ErbStB 2012, 44 (47) und R E 7.4 Abs. 3 ErbStR 2011. 2 Vgl. BFH v. 20.1.2010 – II R 54/07, BStBl. II 2010, 463 = FR 2010, 675 = ErbStB 2010, 128 und Gebel, ZEV 2001, 213. 3 Meincke16, § 10 ErbStG Rz. 13 – a.A. z.B. Jochum in Wilms/Jochum, § 10 ErbStG Rz. 19 (Stand: Mai 2015). 4 Vgl. R E 10.1 ErbStR 2011.
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§ 10 ErbStG Rz. 8 Steuerpflichtiger Erwerb 4. – + – – 5. =
Bereicherung des Erwerbers (3.) ggf. steuerfreier Zugewinnausgleich § 5 Abs. 1 ErbStG ggf. hinzuzurechnende Vorerwerbe § 14 ErbStG persönlicher Freibetrag § 16 ErbStG besonderer Versorgungsfreibetrag § 17 ErbStG steuerpflichtiger Erwerb (abzurunden auf volle 100 Euro)
2. Besondere Erwerbsgegenstände (Abs. 1 Satz 3, 4 und 6) a) Steuererstattungsansprüche des Erblassers (Abs. 1 Satz 3) 8 Steuererstattungsansprüche des Erblassers sollen nach der gesetzlichen Anordnung berücksichtigt
werden, wenn sie „rechtlich“ entstanden sind; die Klammerverweisung auf § 37 Abs. 2 AO führt zur allgemeinen Umschreibung des Erstattungsanspruchs,1 während die Entstehung von Ansprüchen in § 38 AO geregelt ist. Bereits der BFH2 hatte entschieden, dass private Steuererstattungsansprüche des Erblassers mit dem beim Eintritt des Erbfalls materiell-rechtlich zutreffenden Wert der Erbschaftsteuer unterfallen, ohne dass es auf deren Durchsetzbarkeit zu diesem Zeitpunkt ankommt. Der Gesetzgeber hat dies im ErbStRG 20093 nachvollzogen: Private Steuererstattungsansprüche gehören danach zum Vermögensanfall. Nach der Gesetzesbegründung4 stellt die Regelung klar, dass ein Steuererstattungsanspruch ungeachtet seiner Festsetzung als Forderung bereits dann angesetzt werden kann, wenn er im Zeitpunkt der Entstehung der Erbschaftsteuer materiell-rechtlich entstanden war, d.h., wenn eine Leistung des Erblassers den Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis übersteigt. Unter Berücksichtigung der Tatsache, dass die Einkommensteuer mit Ablauf des Veranlagungszeitraums materiell-rechtlich entsteht (§ 2 Abs. 7, § 36 Abs. 1 i.V.m. § 25 Abs. 1 EStG), gilt nach überkommener Auffassung – auch der Finanzverwaltung5 – Folgendes: – Einkommensteuererstattungsansprüche aus Veranlagungszeiträumen, die vor dem Todeszeitpunkt des Erblassers enden, sind mit Ablauf des jeweiligen Kalenderjahrs entstanden. Sie gehören mit dem materiell-rechtlich zutreffenden Wert zum steuerpflichtigen Erwerb nach § 10 Abs. 1 ErbStG. Die Überzahlungen, die zu den Steuererstattungsansprüchen geführt haben, muss noch der Erblasser geleistet haben. – Einkommensteuererstattungsansprüche aus dem Veranlagungszeitraum, in den der Todeszeitpunkt des Erblassers fällt, entstehen erst mit Ablauf des Kalenderjahrs. Sie gehören daher nicht zum steuerpflichtigen Erwerb nach § 10 Abs. 1 ErbStG. Daran soll auch der Umstand nichts ändern, dass der BFH6 für den – spiegelbildlichen – Fall der Einkommensteuernachzahlung entschieden hat, diese könne bereits nach § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG abgezogen werden, wenn der Erblasser „unterjährig“ stirbt und die Steuerschuld daher materiell rechtlich noch nicht entstanden ist (vgl. Rz. 56). b) Erwerb einer Beteiligung an einer vermögensverwaltenden Personengesellschaft (Abs. 1 Satz 4) aa) Regelungszweck 9 Nach Verwaltungsauffassung7 können bei einem Erwerb eines Gesellschaftsanteils an einer vermö-
gensverwaltenden Personengesellschaft die Besitzposten und Gesellschaftsschulden der Gesamthandsgemeinschaft nicht zu einer wirtschaftlichen Einheit zusammengefasst werden. Diese Vorstel1 2 3 4 5 6 7
Vgl. Schmieszek in Beermann/Gosch, § 37 AO Rz. 19 (Stand: November 2011). BFH v. 16.1.2008 – II R 30/06, BStBl. II 2008, 626. Gesetz v. 24.12.2008, BGBl. I 1974, 933. Vgl. BR-Drucks. 4/08, 50. R E 10.3 ErbStR 2011. BFH v. 4.7.2012 – II R 15/11, BStBl. II 2012, 790 = FR 2012, 1086 = ErbStB 2012, 291. R E 10.4 Abs. 1 Satz 1 ErbStR 2011.
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Steuerpflichtiger Erwerb (Abs. 1)
Rz. 11 § 10 ErbStG
lung liegt auch der gesetzlichen Regelung zugrunde, wonach der Erwerb einer solchen Beteiligung als Erwerb der anteiligen Wirtschaftsgüter gilt und die dabei übergehenden Schulden wie eine Gegenleistung zu behandeln sind, § 10 Abs. 1 Satz 4 ErbStG. Zweck der Regelung ist letztlich die Verhinderung eines Missbrauchs: Nach der Dogmatik der „gemischten Schenkung“ (vgl. Rz. 32 ff.) sollte (und soll offenbar) verhindert werden, dass die Zuwendung eines steuerlich gering bewerteten Grundstücks durch die Vereinbarung einer ebenfalls nur geringen Gegenleistung in Geld letztlich der Besteuerung entzogen wurde. Zu diesem Zweck soll die Gegenleistung nicht mit dem Nennwert, sondern nur mit dem Prozentsatz des Steuerwerts zum Verkehrswert abzugsfähig ein. Demgegenüber hatte der BFH1 ursprünglich entschieden, dass der durch Übertragung des Anteils an einer Personengesellschaft bewirkte Eintritt des Erwerbers in die gesellschaftsrechtlichen Verpflichtungen, einschließlich der damit verbundenen gesellschaftsinternen Belastung mit den Gesellschaftsschulden, schenkungsteuerrechtlich kein Entgelt für die Übertragung der Gesellschaftsanteile sei; eine gemischte Schenkung liege insoweit nicht vor. Dies gelte auch für die Übertragung der Mitgliedschaftsrechte an einer lediglich grundstücksbesitzenden GbR. Die gesetzliche Regelung soll verhindern, dass das Rechtsinstitut der „gemischten Schenkung“ durch Einschaltung einer Gesamthand umgangen wird: Statt der unmittelbaren Zuwendung eines Grundstücks könnte dieselbe Immobilie in eine GbR eingebracht und darauf könnten die Gesellschaftsanteile geschenkt werden. Die Regelung in § 10 Abs. 1 Satz 4 ErbStG ist im Übrigen der einzige Beleg dafür, dass der Gesetzgeber das Rechtsinstitut der gemischten Schenkung anerkannt hat2 bzw. noch anerkennt. Beim Erwerb von Todes wegen (§ 3 ErbStG) soll der Erwerber die anteiligen Gesellschaftsschulden demgegenüber als Nachlassverbindlichkeiten abziehen können (§ 10 Abs. 5 ErbStG).3 bb) Regelungsgegenstand „privates Gesamthandsvermögen“ Möglich ist auch der unmittelbare oder mittelbare Erwerb von Beteiligungen an vermögensverwal- 10 tenden, insbesondere grundstücksverwaltenden Personengesellschaften und anderen Gesamthandsgemeinschaften, z.B. einer ungeteilten Erbengemeinschaft, durch freigebige Zuwendung unter Lebenden. In diesem Fall soll nach dem Willen des Gesetzgebers die Verpflichtung des Beschenkten, gesellschaftsintern die anteiligen Schulden der Gesellschaft gegen sich gelten zu lassen, als Gegenleistung des Beschenkten behandelt werden. Die Verpflichtung des Erwerbers, für die Gesellschaftsschulden einzustehen, soll damit nicht unmittelbar durch Abzug vom Wert der Besitzposten, sondern nur im Rahmen der Ermittlung der Bereicherung des Erwerbers (§ 10 Abs. 1 Satz 1 ErbStG) berücksichtigt werden. Bei einer Schenkung unter Lebenden (§ 7 ErbStG) können die anteiligen Gesellschaftsschulden die Bereicherung nur nach den Grundsätzen zur Behandlung von gemischten Schenkungen sowie Schenkungen unter Auflage mindern4 (zur gemischten Schenkung vgl. Rz. 32 ff.). cc) Einzelfragen Feststellungsverfahren:5 Gehört zum Erwerb eine Beteiligung an einer vermögensverwaltenden Ge- 11 sellschaft/Gemeinschaft i.S.d. § 10 Abs. 1 Satz 4 ErbStG von bis zu 1 % (gezeichneter Anteil bzw. Einlagewert maximal 100 000 Euro), kann auf die Feststellung der Bedarfswerte für das Vermögen der Gesellschaft/Gemeinschaft nach § 151 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis Nr. 4 BewG verzichtet werden. Der Wert ist im Wege der Schätzung zu ermitteln. Dabei können die Werte aus der Mitteilung der Gesellschaft/Gemeinschaft über das aufgegliederte Vermögen zum Bewertungsstichtag bzw. zum 1. Januar des Jahrs der Steuerentstehung grundsätzlich übernommen werden.
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BFH v. 14.12.1995 – II R 79/94, BStBl. II 1996, 546. Vgl. BR-Drucks. 4/08, 50. Vgl. R E 10.4 Abs. 2 Satz 4 ErbStR 2011. Vgl. R E 10.4 Abs. 2 Sätze 1 bis 3, 5 und 6 ErbStR 2011 und Verweis auf R E 7.4. ErbStR 2011. Vgl. gleich lautende Erlasse v. 21.6.2012 (ErbStVA), BStBl. I 2012, 712 – Tz. 1.7 b).
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§ 10 ErbStG Rz. 12 Steuerpflichtiger Erwerb Verwaltungsvermögen1: Befindet sich eine Beteiligung an einer vermögensverwaltenden, nicht gewerblich geprägten Personengesellschaft i.S.d. § 10 Abs. 1 Satz 4 ErbStG im Vermögen des übertragenen Betriebs/der Gesellschaft, sind die anteiligen Wirtschaftsgüter, sonstigen Besitzposten und Gesellschaftsschulden der vermögensverwaltenden Gesellschaft im Rahmen der Durchführung des Verwaltungsvermögenstests gem. § 13b Abs. 2 Satz 4 ErbStG beim übertragenden Betrieb/der Gesellschaft zu berücksichtigen. Vorgesellschaft2: In Fällen des § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG tritt erst zum Zeitpunkt der Eintragung der KG im Handelsregister die gewerbliche Prägung ein. Zuvor handelt es sich um eine vermögensverwaltende GbR i.S.d. § 10 Abs. 1 Satz 4 ErbStG unabhängig davon, dass ertragsteuerlich rückwirkend von einer gewerblichen Prägung ausgegangen wird. 3. Rundungsvorschrift (Abs. 1 Satz 6) a) Grundsätze 12
Der „steuerpflichtige Erwerb“ wird auf volle 100 Euro nach unten abgerundet. Während die h.M.3 und die Finanzverwaltung4 die Abrundung tatsächlich erst nach Abzug aller Steuerbefreiungen vornimmt, möchte eine a.A.5 dies schon vor der Gewährung der Freibeträge tun. Letztgenannte Sichtweise ist für den Steuerpflichtigen günstig, da keine Besteuerung eintritt, wenn die Bereicherung nach Abrundung unter dem Freibetrag bleibt; sie entspricht m.E. aber nicht dem Wortlaut des Gesetzes. b) Weitere Vergünstigungen
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In bestimmten Fällen wird die Abrundung zweimal gewährt. Bei der Erbersatzbesteuerung nach § 1 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG werden gem. § 15 Abs. 2 Satz 3 ErbStG zwei fiktive Erwerbe besteuert, so dass auch zweimal zu runden ist.6 Auch im Fall der Übernahme der Steuer durch eine Dritten (vgl. § 10 Abs. 2 ErbStG; s. Rz. 38 ff.) kommt es wegen der zweifachen Zuwendung zur zweimaligen Abrundung.7 Ergeben sich bei der Ermittlung des steuerpflichtigen Erwerbs oder der Steuer Euro-Beträge mit Nachkommastellen, sind diese nach Verwaltungsauffassung8 jeweils in der für den Steuerpflichtigen günstigen Weise auf volle Euro-Beträge auf- bzw. abzurunden. Nach der Kleinbetragsregelung in § 22 ErbStG ist von der Festsetzung der Steuer insgesamt abzusehen, wenn die Steuer, die für den einzelnen Steuerfall festzusetzen ist, den Betrag von 50 Euro nicht übersteigt.
II. Bereicherungstatbestand beim Erwerb von Todes wegen (Abs. 1 Satz 2) 1. Vermögensanfall a) Nettovermögenszuwachs 14
Nach § 10 Abs. 1 Satz 2 ErbStG gilt als Bereicherung der Betrag, der sich ergibt, wenn von dem nach § 12 ErbStG zu ermittelnden Wert des gesamten Vermögensanfalls die abzugsfähigen Nachlassverbindlichkeiten mit ihrem nach § 12 ErbStG zu ermittelnden Wert abgezogen werden. Der Besteuerung unterliegt danach der „Nettovermögenszuwachs“ des Erwerbers.
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Vgl. FinBeh. Hamburg v. 26.6.2012 – 53-S 3812b-006/09, juris. R E 10.4 Abs. 1 Satz 3, 4 ErbStR 2011. Vgl. Meincke16, § 10 ErbStG Rz. 23; Jüptner in F/J/P/W5, § 10 ErbStG Rz. 55. R H 10.1 ErbStH 2011. Schuck in V/K/S/W4, § 10 ErbStG Rz. 33. Vgl. Meincke16, § 10 ErbStG Rz. 23. H E 10.5 ErbStH 2011. H E 10.1 „Abrundung/Aufrundung“ ErbStH 2011.
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Steuerpflichtiger Erwerb (Abs. 1)
Rz. 16 § 10 ErbStG
b) Zivilrechtliche Betrachtungsweise Bürgerlich-rechtliche Prägung des Erbschaftsteuerrechts: Zum Vermögensanfall gehören alle mit 15 dem steuerpflichtigen Vorgang zusammenhängende Vermögensvorteile, die dem Erwerber als Teil des Erwerbs zufallen.1 Vermögensanfall bedeutet Erwerb und damit Zurechnung von Wirtschaftsgütern. Im Ertragsteuerrecht dominiert die wirtschaftliche Betrachtungsweise mit wirtschaftlichem Eigentum (vgl. § 39 Abs. 2 AO), während das Erbschaftsteuerrecht grundsätzlich an bürgerlich-rechtliche Vorgänge anknüpft. Der BFH spricht demzufolge auch von einem „bürgerlich-rechtlich geprägten Erbschaftsteuerrecht“:2 Die Vorschrift des § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG besteuert ausdrücklich den Erbanfall nach § 1922 BGB. Ein derartiger Erbanfall kann Gegenstände nicht deshalb ausklammern, weil sie „wirtschaftliches Eigentum“ eines anderen als des Erblassers waren.3 Durch die Verweisung auf § 1922 BGB in § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG enthält das ErbStG eine ausdrückliche Bezugnahme auf das Zivilrecht, die insoweit eine wirtschaftliche Betrachtungsweise ausschließt.4 Zurechnungsnorm ist damit § 39 Abs. 1 AO, der das zivilrechtliche Eigentum erfasst.5 Es gibt damit auch keine „Erbschaft im wirtschaftlichen Sinn“.6 Ist beispielsweise der Veräußerer eines Grundstücks bei seinem Tod noch zivilrechtlicher Eigentümer, so ist das Grundstück dem Erblasser zuzurechnen, unabhängig davon, ob beim Tode des Erblassers der Grundstückskäufer gem. § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO wirtschaftlicher Eigentümer des Grundstücks geworden ist. Das bürgerlich-rechtlich geprägte Erbschaftsteuerrecht lässt es nicht zu, dass ein Grundstück dem Käufer als wirtschaftlichem Eigentümer zugerechnet wird.7 Weder die Aufgabe des Besitzes noch die Auflassung und Eintragungsbewilligung bewirken bereits einen Wechsel des Eigentums. Zivilrechtlich geht das Eigentum an dem Grundstück gem. § 873 BGB erst mit der Grundbucheintragung auf den Erwerber über.8 Ausnahmen von der bürgerlich-rechtlichen Prägung: Letztwillige Verfügungen sind an strenge 16 Formvorschriften gebunden (vgl. z.B. §§ 2231, 2247 BGB: „eigenhändiges“ Testament); bei einem Verstoß gegen diese Formvorschriften ist die Verfügung nach § 125 Satz 1 BGB zivilrechtlich nichtig. Wird eine Verfügung von Todes wegen ausgeführt, obwohl sie formunwirksam ist, und beruht die Ausführung der Verfügung auf der Respektierung des erblasserischen Willens, den alle Beteiligten achten, ist das wirtschaftliche Ergebnis dieses Vollzugs erbschaftsteuerrechtlich nach Auffassung der höchstrichterlichen Finanzrechtsprechung aber gleichwohl zu beachten. Dies hat der BFH sowohl allgemein zu Verfügungen von Todes wegen9 als auch speziell zu Vermächtnissen10 entschieden. Dieses Ergebnis leitet der BFH aus § 41 Abs. 1 AO ab, wonach die zivilrechtliche Unwirksamkeit eines Rechtsgeschäfts bei Herbeiführung des wirtschaftlichen Erfolges der steuerlichen Berücksichtigung nicht schaden soll. Dies ist unter zwei Gesichtspunkten bemerkenswert: Zum einen ist die Erbschaft- und Schenkungsteuer bürgerlich-rechtlich geprägt,11 wogegen die Regelung in § 41 AO ebenso wie §§ 39 Abs. 2 Nr. 1 und 40 AO gerade Ausdruck der wirtschaftlichen Betrachtungsweise ist.12 Zum anderen soll § 41 AO im ebenfalls zivilrechtlich orientierten Grunderwerbsteuerrecht nicht anwendbar sein, wenn ein formbedürftiger Vertrag jeglicher Beurkundung ermangelt.13
Meincke16, § 10 ErbStG Rz. Vgl. BFH v. 6.11.2006 – II B 37/06, BFH/NV 2007, 242 m.w.N. BFH v. 10.11.1982 – II R 111/80, BStBl. II 1983, 116. BFH v. 15.10.1997 – II R 68/95, BStBl. II 1997, 820. Vgl. BFH v. 26.1.2011 – IX R 7/09, BStBl. II 2011, 540 = FR 2011, 529 m. Anm. Bode. Vgl. bereits BFH v. 30.6.1960 – II 254/57 U, BStBl. III 1960, 348; Stegmaier, DStZ 1998, 792 ff. BFH v. 15.10.1997 – II R 68/95, BStBl. II 1997, 820. So auch R E 12.2 Abs. 1, 2 ErbStR 2011. BFH v. 2.12.1969 – II 120/64, BStBl. II 1970, 119; v. 22.9.2010 – II R 46/09, BFH/NV 2011, 261. BFH v. 15.3.2000 – II R 15/98, BStBl. II 2000, 588 = FR 2000, 830 m. Anm. Viskorf; v. 28.3.2007 – II R 25/05, BStBl. II 2007, 461 = FR 2007, 932 = ErbStB 2007, 196. 11 Vgl. BFH v. 6.11.2006 – II B 37/06, BFH/NV 2007, 242 m.w.N. 12 Vgl. Drüen in Tipke/Kruse, § 41 AO Rz. 2 (Stand: Januar 2014) unter Bezugnahme u.a. auf BFH v. 17.2.2004 – VIII R 26/01, BStBl. II 2004, 651 = FR 2004, 846. 13 BFH v. 10.7.1996 – II B 139/95, BFH/NV 1997, 61 m.w.N.
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§ 10 ErbStG Rz. 17 Steuerpflichtiger Erwerb Lediglich „freiwillige“ Leistungen genügen allerdings auch nach der höchstrichterlichen Finanzrechtsprechung nicht:1 Es reicht nicht aus, dass der Erblassers mit seiner Erklärung nur einen Wunsch zum Ausdruck brachte, dessen Erfüllung oder Nichterfüllung er dem Ermessen des Adressaten überlässt. 17
Privilegierung von Betriebsvermögen – wirtschaftliche Betrachtungsweise: Das Erbschaftsteuerrecht selbst setzt freilich nicht durchgängig auf einen zivilrechtlichen Ansatz. Denn die Begünstigung von Betriebsvermögen nach §§ 13a, 13b ErbStG erfordert letztlich – auch – wirtschaftliches Eigentum am Erwerbsgegenstand: Durch die in § 12 Abs. 5 ErbStG letztlich enthaltene Verweisung auf § 95 Abs. 1 BewG2 – und damit auf § 15 Abs. 1 und 2 EStG – hat der Gesetzgeber bestimmt, dass sich der Umfang des Betriebsvermögens im Erbschaft- und Schenkungsteuerrecht grundlegend danach richtet, was ertragsteuerrechtlich dem Betriebsvermögen zugerechnet wird. Inzwischen ist der BFH3 mit Zustimmung der Finanzverwaltung4 noch einen Schritt weiter gegangen: Danach ist der Begriff der „Gesellschaft“ § 13a Abs. 4 Nr. 1 ErbStG a.F. nicht zivilrechtlich, sondern ertragsteuerrechtlich auszulegen. Dies folge, so das Gericht, aus dem ausdrücklichen Gesetzesverweis im ErbStG auf Vorschriften des EStG, darüber hinaus aber auch aus dem Zweck der Privilegierung. Danach sei nicht auf die zivilrechtliche Beteiligung an einer Personengesellschaft sondern auf die Stellung als Mitunternehmer abzustellen. Nach dieser Rechtsprechung ist bei Übergang eines Nießbrauchs an einem Personengesellschaftsanteil für die Gewährung der Steuervergünstigungen nach § 13a ErbStG a.F. der Erwerb der Mitunternehmerstellung ohne zivilrechtliche Beteiligung an der Personengesellschaft ausreichend. Die heute gültige Regelung in § 13b Abs. 1 Nr. 2 ErbStG hat den gleichen Wortlaut wie § 13a Abs. 4 Nr. 1 ErbStG a.F., so dass die zitierte Rechtsprechung auch Geltung für Erwerbsvorgänge ab 2009 beanspruchen kann.5 c) Erwerb durch Erbanfall
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Als der Erbschaftsteuer unterliegender Erwerb von Todes wegen (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG) gilt nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG u.a. der Erwerb durch Erbanfall. Unter Erbanfall ist der Übergang des Vermögens des Erblassers auf den oder die mehreren Erben i.S.v. § 1922 BGB zu verstehen.6 Dieser Anfall ist bei einer Mehrheit von Erben beim jeweiligen Miterben entsprechend seiner Erbquote (vgl. § 2047 Abs. 1 BGB) erbschaftsteuerrechtlich zu erfassen, mit der Folge, dass es für die Besteuerung auch bei einer Teilung in Natur durch Auseinandersetzungsvertrag unerheblich ist, welche Gegenstände oder Vermögensmassen dem einzelnen Miterben im Zuge der Auseinandersetzung übertragen werden. Ebenso wie das Ergebnis einer frei unter den Miterben vereinbarten Auseinandersetzung für die Besteuerung des Erwerbs durch Erbanfall ohne Bedeutung ist, ist auch die Teilung in Befolgung einer bloßen Teilungsanordnung des Erblassers (§ 2048 BGB) erbschaftsteuerrechtlich unbeachtlich.7 Allerdings kann die Befolgung der Teilungsanordnung zum Verlust von sachlichen Steuerbefreiungen führen.8 Die Teilungsanordnung muss ggf. zum Vorausvermächtnis abgegrenzt werden, das einen eigenen Erwerbstatbestand darstellt (vgl. Rz. 22).
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Eine durch den BFH9 anerkannte Ausnahme vom Grundsatz der Unbeachtlichkeit von Vereinbarungen der Miterben stellt der „Erbvergleich“ dar: Ein Erbvergleich in diesem Sinne ist die einvernehmliche Beseitigung etwa bestehender Ungewissheiten über einzelne Erbteile oder über die den Erben zufallenden Beträge. Zwar sind die Bedachten grundsätzlich nicht berechtigt, nach dem Erbfall durch freie Vereinbarung die Bestimmung des Steuerpflichtigen und des Umfangs der steuerpflichtigen Be1 Vgl. bereits BFH v. 2.12.1969 – II 120/64, BStBl. II 1970, 119. 2 Über § 151 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BewG. 3 BFH v. 1.9.2011 – II R 67/09, ErbStB 2011, 336 = BFH/NV 2011, 2066; hierzu Viskorf/Haag, ZEV 2012, 24; Heinrichshofen, ErbStB 2011, 336; Eisele, NWB 2012, 4151. 4 Gleich lautende Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder v. 2.11.2012 – S 3812a-6-V A 6, BStBl. I 2012, 1101. 5 Vgl. Viskorf/Haag, ZEV 2012, 24 (26). 6 Vgl. bereits BFH v. 10.11.1982 – II R 85/78, II R 86/78, BStBl. II 1983, 329. 7 Vgl. auch R E 3.1 ErbStR 2011. 8 Vgl. § 13 Nr. 4b Satz 3, Nr. 4c Satz 3 ErbStG; § 13a Abs. 3 Satz 2 ErbStG; § 13c Abs. 2 Satz 2 ErbStG. 9 Vgl. BFH v. 4.5.2011 – II R 34/09, BStBl. II 2011, 725 = FR 2011, 870 = ErbStB 2011, 214 m.w.N.
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Steuerpflichtiger Erwerb (Abs. 1)
Rz. 22 § 10 ErbStG
reicherung zu beeinflussen. Dies gilt aber dann nicht, wenn bei Streit oder Ungewissheit darüber, ob und in welchem Umfang ein Erwerb oder ein Erbfall vorliegt, die Bedachten einen ernstgemeinten Erbvergleich schließen. Die erbschaftsteuerrechtliche Anerkennung des Erbvergleichs stellt aber nur eine nicht weiter verallgemeinerungsfähige Ausnahme von dem Grundsatz dar, dass weder die Miterben noch sonst am Nachlass beteiligte Personen berechtigt sind, den Kreis der steuerpflichtigen Personen oder den Umfang der steuerpflichtigen Bereicherung nach dem Erbfall durch freie Vereinbarung eigenmächtig neu zu bestimmen. Nach Auffassung des BFH1 ist kennzeichnend für den Steuertatbestand des § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG 20 der Erwerb „durch Erbanfall“ und nicht der Erwerb „aufgrund“ eines Erbfalls. Nicht durch § 3 ErbStG erfasste mit einem Erbfall verbundene Vorteile (z.B. Anrechnung der vom Vorerben gezahlten Erbschaftsteuer auf diejenige des Nacherben) können danach die Erbschaftsteuer ebenso wenig erhöhen, wie diese umgekehrt durch mit dem Erbfall verknüpfte Nachteile (nachträglicher Anfall von Ertragsteuer) gemindert wird. Demzufolge gehören auch Rechte nicht zum Nachlass, die zwar aus Anlass des Todes des Erblassers, aber aus einem von der Gesamtrechtsnachfolge unabhängigen Rechtgrund unmittelbar in der Person des Erben oder eines Dritten entstehen.2 Hierzu gehören Bezugsrechte aus Lebensversicherungen und sonstige Rechte aus Verträgen zugunsten Dritter, die einem eigenen Erwerbstatbestand in § 3 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG unterliegen. Auch Ansprüche, die im Todesfall den Hinterbliebenen kraft Gesetzes zustehen, zählen zu diesen Rechten. Dementsprechend unterliegen die kraft Gesetzes entstehenden Versorgungsansprüche Hinterbliebener nicht der Erbschaftsteuer.3 Nach § 1922 Abs. 1 BGB, § 45 Abs. 1 Satz 1 AO gehen bei einer Gesamtrechtsnachfolge auch Forderungen und Schulden aus dem Steuerschuldverhältnis auf den Rechtsnachfolger über. Der BFH4 vertritt insoweit in st. Rspr. die Auffassung, der Gesamtrechtsnachfolger trete materiell- und verfahrensrechtlich in die abgabenrechtliche Stellung des Rechtsvorgängers ein. Damit gehen auch steuerrechtliche Gestaltungsrechte auf den bzw. die Erben über, soweit es sich nicht um höchstpersönliche Rechte handelt, die unlösbar mit der Person des Rechtsvorgängers verknüpft sind. Ob eine derartige Verknüpfung vorliegt, ist nach den jeweils maßgeblichen Steuervorschriften zu entscheiden; für die Inanspruchnahme des früheren Freibetrags für Betriebsvermögen5 ist Höchstpersönlichkeit jedenfalls verneint worden. Bei einem „Oder-Konto“6 sind die Ehegatten grundsätzlich Gesamtgläubiger nach § 428 BGB, mit 21 der Folge, dass sie nach § 430 BGB im Verhältnis zueinander zu gleichen Anteilen berechtigt sind, soweit nicht ein anderes bestimmt ist. Während intakter Ehe der Inhaber scheidet allerdings i.d.R. eine Ausgleichspflicht aus, weil sich aus ausdrücklichen oder stillschweigenden Vereinbarungen, Zweck und Handhabung des Kontos oder Vorschriften über die eheliche Lebensgemeinschaft ergibt, dass i.S.v. § 430 BGB „ein anderes bestimmt ist“ (vgl. zu den Einzelheiten § 9 ErbStG Rz. 108). In der Praxis bedeutet dies allerdings: Entweder liegt bereits zu Lebzeiten eine – hälftige – Schenkung nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG vor, wenn der „Nichteinzahler-Ehegatte“ zu eigenen Zwecken verfügt; dann fällt beim Erwerb von Todes wegen nur die verbleibende Hälfte des anderen Ehegatten in den Nachlass. Entfällt wegen einer entgegenstehenden Gestaltung im Innenverhältnis eine freigebige Zuwendung, so ist das gesamte Guthaben beim Erwerb von Todes wegen zu versteuern. d) Erwerb durch Vermächtnis Als nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG steuerpflichtiger Erwerb von Todes wegen gilt gem. § 3 Abs. 1 Nr. 1 22 ErbStG auch der Erwerb durch Vermächtnis (§§ 2147 ff. BGB). Bei einer Teilungsanordnung, durch die der Erblasser unter Ausschluss einer Ausgleichspflicht einem von mehreren Miterben Gegenstände zuweist, die wertvoller sind, als dies dem Erbteil des Miterben entspricht, liegt eine reine Tei1 2 3 4 5 6
BFH v. 6.3.1991 – II R 69/87, BStBl. II 1991, 412. Vgl. Gebel in T/G/J, § 10 ErbStG Rz. 18 (Stand: April 2016). Vgl. im Einzelnen R E 3.5 ErbStR 2011. BFH v. 20.3.2002 – II R 53/99, BStBl. II 2002, 441 = FR 2002, 729 m. Anm. Viskorf. § 13 Abs. 2a Satz 1 Nr. 2 ErbStG a.F. Vgl. BFH v. 23.11.2011 – II R 33/10, BStBl. II 2012, 473 = FR 2012, 739 = ErbStB 2012, 168.
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§ 10 ErbStG Rz. 23 Steuerpflichtiger Erwerb lungsanordnung vor, soweit eine Anrechnung auf den Erbteil des Miterben möglich ist, und in Höhe des Mehrwerts ein Vorausvermächtnis.1 Das Vorausvermächtnis erfüllt ebenso wie das schlichte Vermächtnis (§§ 2147 ff. BGB) einen eigenen Erwerbstatbestand nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG. Im Ergebnis führt das Vorausvermächtnis zu einer Entlastung der Erbengemeinschaft, die einen Abzug nach § 10 Abs. 5 Nr. 2 ErbStG vornehmen kann und zu einer Belastung des begünstigten Miterben in Gestalt des weiteren Erwerbs.2 e) Erwerb aufgrund eines geltend gemachten Pflichtteils 23
Nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG gilt als Erwerb von Todes wegen auch der Erwerb aufgrund eines geltend gemachten Pflichtteilsanspruchs (§§ 2303 ff. BGB). Die „Geltendmachung“ des Pflichtteilsanspruchs besteht in dem ernstlichen Verlangen auf Erfüllung des Anspruchs gegenüber dem Erben3 (vgl. § 9 ErbStG Rz. 53 ff.). Der Berechtigte muss seinen Entschluss, die Erfüllung des Anspruchs zu verlangen, in geeigneter Weise bekunden, die Höhe des Anspruchs braucht jedenfalls nach BFH4 nicht beziffert zu werden. Der Erbschaftsteueranspruch wegen eines Pflichtteils entsteht indessen nur dann hinsichtlich des vollen Pflichtteilsanspruchs, wenn der Berechtigte nicht von vornherein erkennbar macht, dass er den Pflichtteil nur zu einem Teil geltend machen will. Damit sind die Umstände des Einzelfalles letztlich entscheidend. f) Sonstige Einzelfälle
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Ausländisches Recht: Die Verweisungen in § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG auf das Bürgerliche Gesetzbuch sind nach BFH5 nicht so zu verstehen, dass die Vorschrift nur solche Erwerbe von Todes wegen der Erbschaftsteuer unterwerfe, die auf den in ihr genannten Vorschriften des deutschen Zivilrechts beruhen. Vielmehr kann auch ein nach ausländischem Recht erfolgter Erwerb von Todes wegen der Erbschaftsteuer nach dem ErbStG unterliegen. Beruht der Erwerb auf ausländischem Recht, so ist, sofern die deutsche Erbschaftsteuer überhaupt Platz greift (§ 2 ErbStG), die Besteuerung unproblematisch, soweit im Einzelfall die Institutionen des ausländischen Erbrechts denen des deutschen Erbrechts entsprechen. Andernfalls ist für die Erbschaftsbesteuerung nicht die formale Gestaltung des ausländischen Rechts maßgebend, sondern die wirtschaftliche Bedeutung. Sieht das deutsche bürgerliche Recht mehrere Strukturen vor, die dem verwirklichten Sachverhalt in ihrem wirtschaftlichen Ergebnis gleichkommen, kann höchstens die Steuer aus dem für den Steuerpflichtigen günstigeren Tatbestand des deutschen Rechts festgesetzt werden.6 So kann ein auf ausländischem Recht in Gestalt einer „Anwachsungsklausel nach französischem Ehegüterrecht“ beruhender Erwerb von Todes wegen der deutschen Erbschaftsteuer unterliegen.7 Gewinnansprüchen aus GmbH-Geschäftsanteilen: Ansprüche auf noch nicht ausgeschüttete Gewinne der GmbH sind beim Erwerb der Beteiligung von Todes wegen gesondert als Kapitalforderung des Erben zu erfassen, wenn der Gewinnverwendungsbeschluss bereits vor dem Zeitpunkt der Steuerentstehung gefasst worden ist. Wird der Beschluss erst später gefasst, kann der Anspruch nicht gesondert neben dem gemeinen Wert der Anteile erfasst werden, da der vor dem Stichtag erwirtschaftete Gewinn bereits bei der Bewertung der Anteile an der Kapitalgesellschaft berücksichtigt wurde.8 Nacherbschaft9: Die Anordnung einer Nacherbschaft gem. §§ 2100 BGB durch den Erblasser beinhaltet für den ersten Erbfall nach ihm die Einsetzung eines oder mehrerer Vorerben und in einem zweiten Schritt nach den eingesetzten Vorerben die Einsetzung eines oder mehrerer Nacherben. Zi1 2 3 4 5 6 7 8 9
Vgl. BFH v. 6.10.2010 – II R 29/09, BFH/NV 2011, 603. Vgl. das Berechnungsbeispiel in H E 3.1 Abs. 4 ErbStH 2011. Zur Geltendmachung von Pflichtteilsansprüchen Wälzholz, ZEV 2007, 162. BFH v. 19.7.2006 – II R 1/05, BStBl. II 2006, 718 = FR 2006, 1096 m. Anm. Schlünder/Geißler = FR 2006, 986 = ErbStB 2006, 273. BFH v. 4.7.2012 – II R 38/10, BStBl. II 2012, 782 = FR 2013, 45 = ErbStB 2012, 296 m.w.N. BFH v. 12.5.1970 – II 52/64, BStBl. II 1972, 462. BFH v. 4.7.2012 – II R 38/10, BStBl. II 2012, 782 = FR 2013, 45 = ErbStB 2012, 296 m.w.N. Vgl. R E 12.3 ErbStR 2011. Vgl. Gebel in T/G/J, § 10 ErbStG Rz. 43 (Stand: Januar 2012); Mohr, GmbH-StB 2004, 374 (377).
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Steuerpflichtiger Erwerb (Abs. 1)
Rz. 26 § 10 ErbStG
vilrechtlich wird der Vorerbe zwar Inhaber der ihm vom Erblasser vererbten Wirtschaftsgüter; es handelt sich insoweit jedoch um vom eigenen Vermögen des Vorerben abzugrenzendes „Sondervermögen“, welches er an den Nacherben weiterzugeben hat (vgl. § 2106 BGB). Das ErbStG nimmt auf diese zivilrechtliche Konstruktion keine Rücksicht: Erbschaftsteuerrechtlich gilt der Vorerbe nach § 6 Abs. 1 ErbStG als Erbe und hat der Nacherbe im Falle des Eintritts des Nacherbfalles das auf ihn übergehende Vermögen so zu versteuern, als stamme es vom Vorerben (§ 6 Abs. 2 Satz 1 ErbStG). Allerdings kann der Nacherbe beantragen, dass für die Besteuerung sein Verwandtschaftsverhältnis (Steuerklasse) zum Erblasser zugrunde gelegt wird (§ 6 Abs. 2 Satz 2 ErbStG). Schwebende Geschäfte: Bei schwebenden Rechtsgeschäften ist zu beachten, dass bei der Ermittlung des Gesamtwerts des Nachlasses ggf. eine zeitanteilige Abgrenzung der übergegangenen Vermögensrechte und Verbindlichkeiten erforderlich ist.1 So stehen Mieterträge als Früchte des Eigentums dem jeweiligen Eigentümer der Mietsache zu. § 101 Nr. 2 BGB ordnet in seinem zweiten Halbsatz ausdrücklich eine zeitanteilige Aufteilung entsprechend der Berechtigung am Nutzungsgegenstand auch für Mieterträge an, die vor einem Wechsel der Einkunftsquelle fällig geworden sind.2 Vermögensgesetz: Im Sonderfall eines Anspruches nach dem Vermögensgesetz – VermG –3 ist der Anspruch grundsätzlich im Nachlass zu erfassen, wenn der Berechtigte einen Antrag nach § 30 VermG gestellt hat.4 Steuererstattungsansprüche: Nach § 10 Abs. 1 Satz 3 ErbStG sind Steuererstattungsansprüche des Erblassers zu berücksichtigen, wenn sie rechtlich entstanden sind; eine Festsetzung ist nicht erforderlich (vgl. Rz. 8). 2. Abzug von Schulden und Lasten Als Bereicherung gilt in den Fällen des § 3 ErbStG der Betrag, der sich ergibt, wenn von dem Wert des 25 gesamten Vermögensanfalls die nach den Abs. 3 bis 9 des § 10 ErbStG abzugsfähigen Nachlassverbindlichkeiten abgezogen werden, § 10 Abs. 1 Satz 2 ErbStG. In § 10 Abs. 5 ErbStG ist die Abzugsfähigkeit dieser Nachlassverbindlichkeiten in Gestalt von Erblasserschulden (Nr. 1), Erbfallschulden (Nr. 2) und sonstigen Nachlassverbindlichkeiten (Nr. 3) zugelassen (vgl. Rz. 50 ff.), es sei denn, es handelt sich um nicht abzugsfähige Schulden und Lasten i.S.d. § 10 Abs. 6 ErbStG (vgl. Rz. 80 ff.). 3. Wertermittlung a) Grundsätze (§ 12 ErbStG) Für die festzusetzende Erbschaftsteuer ist der steuerpflichtige Erwerb in einer Zahl auszudrücken; 26 bei Ermittlung der Bereicherung müssen daher sowohl der Vermögensanfall als auch die – abzugsfähigen – Schulden und Lasten bewertet werden. Das ErbStG selbst enthält keine Bewertungsvorschriften; vielmehr verweist § 12 ErbStG, der die „Bewertung“ regelt, auf Vorschriften des Bewertungsgesetzes. Bei der Anwendung dieser Vorschriften ist die durch § 12 ErbStG vorgegebene gesetzliche Reihenfolge einzuhalten: – für ausländischen Grundbesitz und ausländisches Betriebsvermögen gilt der gemeine Wert nach §§ 31, 9 BewG i.V.m. § 12 Abs. 7 ErbStG; – für nicht notierte Anteile an Kapitalgesellschaften – i.d.R. GmbH-Anteile – ist der gemeine Wert nach § 11 Abs. 2 BewG anzusetzen, der sich primär aus zeitnahen Verkäufen und sekundär aus dem Unternehmenswert ableitet, § 12 Abs. 2 ErbStG; – für Grundbesitz (§ 19 Abs. 1 BewG: luf. Vermögen, Betriebsgrundstücke und Grundvermögen) gelten die §§ 158–175 BewG (luf. Grundbesitz) bzw. §§ 176–198 BewG (Grundvermögen), § 12 Abs. 3 ErbStG;
1 Jüptner in F/J/P/W5, § 10 ErbStG Rz. 14. 2 Vgl. bereits BFH v. 4.5.1977 – II R 118/69, BStBl. II 1977, 732. 3 Gesetz zur Regelung offener Vermögensfragen (i.d.F. der Bekanntmachung vom 9.2.2005, BGBl. I 2005, 205, mit späteren Änderungen). 4 Zu den Einzelheiten vgl. R E 10.2 ErbStR 2011.
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§ 10 ErbStG Rz. 27 Steuerpflichtiger Erwerb – für Bodenschätze außerhalb eines Betriebsvermögens1 als eigenständiges Wirtschaftsgut ist der Wert der Anschaffungs- oder Herstellungskosten abzgl. Absetzung2 anzusetzen, § 12 Abs. 4 ErbStG; – für inländisches Betriebsvermögen (§§ 95 ff. BewG) ist der gemeine Wert nach § 11 Abs. 2 BewG anzusetzen, der sich primär aus zeitnahen Verkäufen und sekundär aus dem Unternehmenswert ableitet, §§ 109, 157 Abs. 5 BewG, § 12 Abs. Abs. 5 ErbStG; – für alle übrigen Wirtschaftsgüter gilt der Wert des Ersten Teils des Bewertungsgesetzes, § 12 Abs. 1 ErbStG: nach dem bewertungsrechtlichen Spezialitätsprinzip sind Bewertungsmaßstab damit der Nennwert bzw. Kapitalwert für Forderungen, §§ 12 bis 16 BewG, der Kurswert etwa einer börsennotierten Aktie, § 11 Abs. 1 BewG, der Teilwert, 10 BewG sowie letztlich der gemeine Wert, § 9 BewG. b) Bewertungsproblematik bei Sachleistungsansprüchen 27
In der Vergangenheit hatte es erhebliche Differenzen zwischen dem Steuerwert nach § 12 Abs. 2 ff. ErbStG i.V.m. den Vorschriften über die besonderen Vermögensarten des BewG und dem Verkehrswert eines Wirtschaftsguts (gemeiner Wert, § 9 BewG) gegeben; insbesondere war eine deutliche „Unterbewertung“ von Grundstücken bei der Ermittlung des Steuerwertes zu konstatieren.3 Dieser Umstand führte zu erheblichen Irritationen bei der Bewertung von Sachleistungsansprüchen, die auf die Übertragung „unterbewerteten“ Vermögens etwa in Gestalt von Grundstücken gerichtet waren.4 Beispiel: Erblasser E war Eigentümer eines Grundstücks mit einem Verkehrswert von 200 und einem Steuerwert von 100 (§ 12 Abs. 3 ErbStG). Variante 1: E hatte das Grundstück noch zu Lebzeiten an D für einen Kaufpreis von 200 verkauft. Bevor der Kaufvertrag erfüllt werden konnte, verstarb E. Im Wege der Gesamtrechtsnachfolge ging auf X sowohl der Kaufpreisanspruch als auch die Übereignungsverpflichtung über. Unstreitig war der Kaufpreisanspruch gem. § 12 Abs. 1 ErbStG i.V.m. § 12 Abs. 1 Satz 1 BewG mit dem Nennwert i.H.v. 200 anzusetzen. Fraglich war demgegenüber, ob die Übereignungsverpflichtung nur mit dem geringeren Steuerwert des Grundstückes von 100 oder mit dem Verkehrswert von 200 zu bewerten war. Variante 2: X erbte das Grundstück, musste es aber im Wege einer Vermächtnisses an D herausgeben. Der Erwerb von Todes wegen des X war – unstreitig – mit einer Bemessungsgrundlage von 100 zu versteuern. Problematisch war die Bewertung der Erbfallschuld (Verpflichtung zur Erfüllung des Vermächtnisses) nach § 10 Abs. 5 Nr. 2 ErbStG.
Die Problematik wurde von der Rechtsprechung5 – und ihr folgend der Finanzverwaltung6 – wie folgt gelöst: Die auf die Übertragung von Grundbesitz gerichtete, vertraglich vereinbarte Sachleistungsverpflichtung (Variante 1) sollte bei der Ermittlung des der Erbschaftsteuer unterliegenden Erwerbs mit dem gemeinen Wert und nicht mit dem für den Grundbesitz maßgebenden Steuerwert anzusetzen sein. Im Gegensatz hierzu sollten einseitige Sachleistungsverpflichtungen, die – wie diejenigen aus einem einfachen7 Vermächtnis (Variante 2) – zu keiner Zeit Teil eines Gegenseitigkeits1 Vgl. Meincke16, § 12 ErbStG Rz. 70. 2 Vgl. Gebel in T/G/J, § 12 ErbStG Rz. 693 ff. (Stand: März 2012). 3 Diese Unterbewertung war bekanntermaßen Gegenstand der verfassungsgerichtlichen Verfahren BVerfG v. 22.6.1995 – 2 BvL 37/91, BStBl. II 1995, 655; v. 22.6.1995 – 2 BvR 552/91, BStBl. II 1995, 671; v. 7.11.2006 – 1 BvL 10/02, BStBl. II 2007, 192 = FR 2007, 338; vgl. zur Problematik Spiegelberger/Wartenburger, ErbStB 2009, 98 ff. 4 Vgl. auch Meincke16, § 12 ErbStG Rz. 23 f.; Gebel in T/G/J, § 10 ErbStG Rz. 49 (Stand: Januar 2012). 5 Vgl. BFH v. 15.10.1997 – II R 68/95, BStBl. II 1997, 820. 6 Vgl. H 36 ErbStH 2003 sowie R 92 ErbStR 2003, H 92 ErbStH 2003. 7 Die Forderung aus einem Kaufrechtsvermächtnis sollte demgegenüber wiederum nicht mit dem Steuerwert des vermachten Gegenstands zu bewerten sein, sondern mit dem gemeinen Wert, vgl. BFH v. 13.8.2008 – II R 7/07, BStBl. II 2008, 982 = FR 2009, 192 = ErbStB 2008, 319.
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Steuerpflichtiger Erwerb (Abs. 1)
Rz. 29 § 10 ErbStG
verhältnisses waren und bei denen eine Bewertung mit dem gemeinen Wert zu einer unzutreffenden Besteuerung führen sollte, mit dem Steuerwert des betroffenen Gegenstandes angesetzt werden. Das ErbStRG 20091 hat im Bereich des Bewertungsgesetzes zu einem Paradigmenwechsel geführt. 28 Auf Grund der Vorgaben des BVerfG2 wird Vermögen, das ihm Rahmen einer Schenkung oder von Todes wegen übertragen wird, seit dem 1.1.2009 grundsätzlich mit dem gemeinen Wert (Verkehrswert) bewertet. Damit soll regelmäßig der Verkehrswert auch der Steuerwert sein; ausdrücklich bestimmt dies § 109 Abs. 1 Satz 1 BewG für das Betriebsvermögen, § 177 BewG für das Grundvermögen und § 9 BewG für das sonstige Vermögen. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass es offenbar mehrere Verkehrswerte für dasselbe Wirtschaftsgut geben kann. So bestimmt die Finanzverwaltung in den geltenden Richtlinien zu § 12 ErbStG,3 dass Sachleistungsansprüche, soweit sie im Rahmen gegenseitiger Verträge begründet werden, nicht mit dem „Steuerwert“ des Gegenstands, auf den sie gerichtet sind, zu bewerten sind, sondern mit dem „gemeinen Wert“. Das soll auch für auf Grundstücke gerichtete vertragliche Sachleistungsansprüche gelten. Auch die Richtlinien zu § 9 BewG bestimmen weiterhin, dass Sachleistungsansprüche bei gegenseitigen Verträgen mit dem „gemeinen Wert des Gegenstandes“ zu bewerten sein sollen4 und nur Sachvermächtnisse mit dem „Steuerwert des Vermächtnisgegenstands“ anzusetzen sind.5 Beispiel Variante 1: Erblasser E hat vor seinem Tod ein Grundstück verkauft, aber noch nicht übereignet. Das Grundstück hat einen Steuerwert nach dem Regelverfahren6 von 600 000 Euro. Als Kaufpreis hat E 500 000 Euro vereinbart. Von dem Erben S soll offenbar eine Erblasserschuld i.S.d. § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG für den Kaufpreis i.H.v. 500 000 Euro („gemeiner Wert“) in Abzug gebracht werden können. Beispiel Variante 2: Erblasser E hat hinsichtlich des Grundstücks ein Vermächtnis angeordnet. Erbe S soll wegen dieses Vermächtnisses eine Erbfallschuld i.S.d. § 10 Abs. 5 Nr. 2 ErbStG i.H.v. 600 000 Euro (Steuerwert) abziehen.
In der Tat ist es nicht ausgeschlossen, dass verschiedene Verkehrswerte ermittelt werden könnten. Dies zeigt die vom Gesetzgeber eröffnete Möglichkeit verschiedener Bewertungsverfahren. Denn jedenfalls bei der Bewertung des Betriebsvermögens und bei der Bewertung des Grundvermögens ist neben dem jeweiligen gesetzlich normierten Regelverfahren die Vorlage eines Individualgutachtens zulässig.7 Zwischen den Ergebnissen dieser Verfahren wird es Unterschiede geben, so dass das Problem der Bewertungsdifferenzen nicht ausgestanden ist, wenn auch die wirtschaftliche Bedeutung stark abgenommen hat.
III. Bereicherungstatbestand bei der Schenkung unter Lebenden (§ 7 ErbStG) 1. Begriff der Bereicherung bei der Schenkung Im Bereich der Schenkung ist zum einen festzustellen, dass eine Definition der Bereicherung wie in 29 § 10 Abs. 1 Satz 2 ErbStG für den Erwerb von Todes wegen nach § 3 ErbStG fehlt. Zum anderen taucht das Tatbestandsmerkmal der Bereicherung zweimal auf, nämlich in § 7 Abs. 1 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG und in § 10 Abs. 1 Satz 1 ErbStG – letztgenannte Vorschrift gilt über § 1 Abs. 2 ErbStG auch für Schenkungen. Diese gesetzliche Konstruktion hat für Probleme gesorgt bei der Frage, ob und wie eine Bereicherung des Beschenkten zu prüfen sei. Letztlich klärt sich das Problem wie folgt.
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Gesetz v. 24.12.2008, BGBl. I 1974, 933. BVerfG v. 7.11.2006 – 1 BvL 10/02, BStBl. II 2007, 192 = FR 2007, 338 = ErbStB 2007, 64. R E 12.2 Abs. 2 Satz 4 f. ErbStR 2011. R B 9.1 Abs. 1 Satz 1 ErbStR 2011. R B 9.1 Abs. 2 Satz 1 ErbStR 2011. § 12 Abs. 3 ErbStG i.V.m. §§ 151 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 157 Abs. 3 Satz 1, 176 ff. BewG. Betriebsvermögen: Regelverfahren § 11 Abs. 2 Fall 2 i.V.m. Satz 4 und §§ 199 ff. BewG, Gutachten nach § 11 Abs. 2 Fall 2 und Fall 3/Grundvermögen: Regelverfahren nach §§ 176 ff. BewG, Gutachten nach § 198 BewG.
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§ 10 ErbStG Rz. 30 Steuerpflichtiger Erwerb Es besteht Einigkeit, dass der Bedachte einer Schenkung ebenso wie der Erwerber von Todes wegen nur einen „Nettobetrag“ versteuern soll. Wenn auch eine ausdrückliche Regelung wie in § 10 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. Abs. 5 bis 9 ErbStG fehlt, unterliegt es keinem Zweifel, dass ein „Verlust“ nicht geschenkt werden und andererseits der Abzug von Belastungen nur zulässig sein kann, wenn die dazugehörigen Vermögensgegenstände der Besteuerung unterlegen haben. Damit sind die Regelungen über den Erwerb von Todes wegen jedenfalls ihrem Rechtsgedanken nach ebenfalls auf die Schenkung anwendbar. Der doppelte Begriff der Bereicherung rechtfertigt sich aus dem Umstand, dass auch zwei gesetzliche Tatbestände vorliegen1 (zur Sonderfrage der gemischten Schenkung vgl. Rz. 32 ff.). In § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG geht es um die Frage, ob begrifflich eine „Schenkung“ vorliegt. Eine freigebige Zuwendung i.S.d. § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG setzt nämlich in objektiver Hinsicht voraus, dass die Leistung zu einem Vermögensvorteil des Bedachten auf Kosten des Zuwendenden führt und die Zuwendung (objektiv) unentgeltlich ist. Über eine Unentgeltlichkeit und die Frage einer Bereicherung ist dabei nach zivilrechtlichen Grundsätzen zu entscheiden; bei der Bewertung der zugewendeten Leistung ist deshalb auf die Verkehrswerte abzustellen.2 In § 10 Abs. 1 Satz 1 ErbStG geht es um die hiervon vom Gesetzgeber getrennt geregelte Frage, ob nach Saldierung des Vermögensanfalls mit ggf. übernommenen Schulden und Lasten nach Steuerwerten gem. § 12 ErbStG noch ein Bereicherung als Bemessungsrundlage verbleibt. 2. Vermögensanfall a) Zivilrechtliche vs. wirtschaftliche Betrachtungsweise 30
Wie im Falle eines Erwerbs von Todes wegen (vgl. Rz. 15) wird auch die Bestimmung des Vermögensanfalls bei der Schenkung grundsätzlich vom Zivilrecht dominiert. Eine Schenkung in Gestalt der freigebigen Zuwendung i.S.d. § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG erfordert z.B., dass der Empfänger über das Zugewendete im Verhältnis zum Leistenden tatsächlich und rechtlich frei verfügen kann. Hierfür kommt es grundsätzlich auf die Zivilrechtslage und nicht darauf an, wem nach wirtschaftlicher Betrachtungsweise das übertragene Vermögen nach § 39 Abs. 2 AO zuzurechnen ist.3 Deshalb scheidet bei der unentgeltlichen Einbringung eines Grundstücks in eine GbR „lediglich dem Werte nach“ eine freigebige Zuwendung des eingebrachten Wirtschaftsguts aus. Denn das Wirtschaftsgut ist erst dann freigebig zugewendet, wenn später auch das Eigentum unentgeltlich übertragen wird.4 Die Bindung an das Zivilrecht hat auch hier Grenzen. So verwendet das ErbStG z.T. eigenständige rechtliche Kategorien. Dies betrifft etwa bereits den Hauptfall der erwähnten freigebigen Zuwendung, die auch Bereicherungen umfasst, die zivilrechtlich nicht als Schenkungen gelten, wie z.B. die unbenannte ehebedingte Zuwendung.5 Eine wichtige Ausnahme gilt beim Erwerb von Betriebsvermögen durch Schenkung. Wie bei dem Erwerb von Todes wegen (vgl. Rz. 17) kommt es für die die Gewährung der Begünstigung nach §§ 13a, 13b ErbStG entscheidend auf die wirtschaftliche Zurechnung des Erwerbsgegenstands an. Fall:6 A möchte den B als Gesellschafter in seine KG aufnehmen und überträgt ihm deshalb einen Teil seines Kommanditanteils. Weil eine nachhaltige Mitwirkung des B aber nicht gewollt ist, behält sich der A den jederzeitigen freien Widerruf der Zuwendung vor. Lösung: 1. Die Zuwendung eines Mitunternehmeranteils mit Gewährung der Privilegierung nach §§ 13a, 13b ErbStG scheidet aus: Wird eine Beteiligung an einer Personengesellschaft unter freiem Widerrufsvorbehalt geschenkt, wird nach den Grundsätzen des Ertragsteuerrechts der Beschenkte wegen des Widerrufsvorbehalts nicht Mit1 2 3 4 5 6
Vgl. Meincke16, § 10 ErbStG Rz. 18; Jüptner in F/J/P/W5, § 10 ErbStG Rz. 26. Vgl. BFH v. 19.12.2007 – II R 22/06, BFH/NV 2008, 962. Vgl. BFH v. 25.1.2001 – II R 39/98, BFH/NV 2001, 908. Vgl. BFH v. 1.2.2001 – II B 15/00, BFH/NV 2001, 1265. Vgl. BFH v. 2.3.1994 – II R 59/92, BStBl. II 1994, 366. Vgl. H E 13b.5 ErbStH 2011 – „Einräumung obligatorischer Nutzungsrechte an begünstigtem Vermögen“ und „Schenkung von Betriebsvermögen unter freiem Widerrufsvorbehalt“ m.w.N. aus der Rspr.
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Steuerpflichtiger Erwerb (Abs. 1)
Rz. 32 § 10 ErbStG
unternehmer der Personengesellschaft.1 Der Beschenkte erwirbt kein Betriebsvermögen, so dass § 13a ErbStG nicht anwendbar ist. 2. Gleichwohl bleibt die Übertragung nicht ohne Konsequenzen: Schenkungsteuerrechtlich ist trotz des Widerrufsvorbehalts eine freigebige Zuwendung als ausgeführt anzusehen. Gegenstand der Zuwendung ist ein Gesellschaftsanteil an einer vermögensverwaltenden Personengesellschaft (§ 10 Abs. 1 Satz 4 ErbStG – vgl. Rz. 9 ff.). Entsprechendes gilt, wenn eine Beteiligung an einer Personengesellschaft geschenkt wird, an der sich der Schenker den Nießbrauch vorbehält, und sofern der Bedachte dabei nicht Mitunternehmer der Personengesellschaft wird.2
b) Einzelfälle Gewinnansprüchen aus GmbH-Geschäftsanteilen: Beim Erwerb von GmbH-Anteilen durch Schen- 31 kung unter Lebenden erfolgt eine gesonderte Erfassung des Gewinnanspruchs nur, wenn der Gewinnanspruch gesondert abgetreten wird, da er sonst weiterhin dem Schenker zusteht.3 Mangels anderer Absprachen sind die Gewinne des Wirtschaftsjahrs, in das die Schenkung fällt, nach § 101 BGB im Innenverhältnis zeitanteilig zwischen Schenker und Beschenktem aufzuteilen. Grundstücke: Auch beim Erwerb eines Grundstücks im Wege der Schenkung gilt grundsätzlich die zivilrechtliche Betrachtungsweise. Es ist jedoch zu beachten, dass eine Grundstücksschenkung schon dann als ausgeführt gilt, wenn die Vertragsparteien die für die Eintragung der Rechtsänderung in das Grundbuch erforderlichen Erklärungen in gehöriger Form abgegeben haben und der Beschenkte auf Grund dieser Erklärungen in der Lage ist, beim Grundbuchamt die Eintragung der Rechtsänderung zu bewirken4 (zu den Einzelheiten vgl. § 9 ErbStG Rz. 128 ff.). Oder-Konten5: Bei einem Gemeinschafts- bzw. „Oder-Konto“ sind die Ehegatten nach § 428 BGB grundsätzlich Gesamtgläubiger, mit der Folge, dass sie nach § 430 BGB im Verhältnis zueinander zu gleichen Anteilen berechtigt sind. Zahlt ein Ehegatte den gesamten Guthabenbetrag auf das Konto ein und berechtigt den „Nichtzahler-Ehegatten“ mit so kann hierin eine freigebige Zuwendung i.S.d. § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG liegen.6 Allerdings ist der Tatbestand einer Schenkung nur dann erfüllt, wenn der „Nichtzahler-Ehegatte“ tatsächlich und rechtlich frei über die in seinen Vermögensbereich übergegangenen Geldbeträge verfügen kann (vgl. § 9 ErbStG Rz. 108). 3. Gemischte Schenkung Zuwendungen, bei denen – ohne dass es sich um einen ausgewogenen Austauschvertrag handeln 32 würde – eine Gegenleistung vereinbar wird, die (auch) aus dem sonstigen Vermögen des Zuwendungsempfängers geleistet werden kann, werden als Schenkungen unter Leistungsauflage oder gemischte Schenkungen (im Weiterem „gemischte Schenkungen“) bezeichnet. Klassischer Fall der gemischten Schenkung war die schenkweise Übertragung eines Grundstückes gegen Zahlung einer gewissen Gegenleistung oder eines Gleichstellungsgeldes, möglicherweise auch gegen Übernahme einer (dinglich gesicherten) Darlehensverbindlichkeit. Der BFH7 und ihm folgend die Finanzverwaltung8 hatten für die Ermittlung der Bereicherung aus einer gemischten Schenkung und für die Ermittlung ihres Steuerwerts die Vorschrift des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG dahingehend ausgelegt, dass als Besteuerungstatbestand der freigebigen Zuwendung nur die bürgerlich-rechtliche Bereicherung des Bedachten anzusehen ist, d.h. dass bei einer derartigen Zuwendung der Wille zur freigebigen Bereicherung des Bedachten nicht den entgeltlichen Vertragsteil mit umfasst. Die schenkungsteuerliche Bemessungsgrundlage war bei der gemischten Schenkung dergestalt zu ermittelt, dass der Steuerwert der Leistung des Schenkers (z.B. bei der ge1 2 3 4 5
Vgl. BFH v. 16.5.1989 – VIII R 196/84, BStBl. II 1989, 877 = FR 1989, 653. Vgl. BFH v. 1.3.1994 – VIII R 35/92, BStBl. II 1995, 241 = FR 1994, 789 m.w.N. Vgl. R E 12.3 ErbStR 2011. Vgl. R E 9.1 Abs. 2 Satz 1 ErbStR 2011. Vgl. BFH v. 23.11.2011 – II R 33/10, BStBl. II 2012, 473 = FR 2012, 739 mit Anm. Esskandari/Bick, ErbStB 2012, 168. 6 Vgl. Götz, ZEV 2011, 408. 7 U.a. BFH v. 14.7.1982 – II R 125/79, BStBl. II 1982, 714. 8 R 17 Abs. 1 ErbStR 2003.
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§ 10 ErbStG Rz. 33 Steuerpflichtiger Erwerb mischten Grundstücksschenkung der Grundstückswert) in dem Verhältnis aufgeteilt wurde, in dem der Verkehrswert der Bereicherung des Beschenkten (Verkehrswert des Grundstücks nach Abzug des Verkehrswertes der Gegenleistungen des Beschenkten) zu dem Verkehrswert des geschenkten Vermögens (des Grundstücks) stand. Der BFH ging bei dieser Betrachtungsweise davon aus, dass der Empfänger der Zuwendung schließlich bereits über § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG nur einen „Netto-Erwerb“ unter teilweisem Abzug der Gegenleistung zu versteuern hatte.1 Der Steuerwert der freigebigen Zuwendung als schenkungsteuerliche Bemessungsgrundlage war nach einer besonderen Formel2 zu ermitteln. Die letztlich für die Bemessungsgrundlage erforderliche Bereicherung wurde bei der Subsumtion unter § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG errechnet, so dass es bei solchen Schenkungen eines Rückgriffs auf die Rechtsgrundlage des § 10 Abs. 1 Satz 2 ErbStG und die dort vorgesehene Berechnung nicht mehr bedurfte.3 Dies führte im Ergebnis auch zur Nichtanwendbarkeit der Abzugsbeschränkung nach § 10 Abs. 6 ErbStG auf diese Schenkungsarten (vgl. Rz. 88). Andere Formen der „Gegenleistungen“ wurden aus dieser Betrachtungsweise ausgeklammert:4 Soweit dem Bedachten bei Vereinbarung einer Nutzungs- oder Duldungsauflage die Nutzungen des Schenkungsgegenstandes zeitlich befristet nicht gebührten, weil ein Nutzungsrecht bestand oder im Zuge der Schenkung zu bestellen war, oblag dem Zuwendungsempfänger insoweit lediglich eine zeitlich beschränkte Duldungspflicht, die keinen entgeltlichen Vertragsteil begründete. Klassische Fälle waren der Nießbrauch oder das Wohnrecht an einem Grundstück. Als Bereicherung des Bedachten galt der gesamte Vermögensanfall. Die Belastung durch die Duldungsauflage war durch Abzug der Last in vollem Umfang zu berücksichtigen.5 33
Nach Auffassung des BFH6 und der Finanzverwaltung7 war darüber hinaus bei sog. Mischfällen, d.h. etwa einer Kombination von gemischter Schenkung und Nutzungsauflage, zunächst der Steuerwert der Zuwendung nach den Grundsätzen über die gemischte Schenkung zu ermitteln; von diesem Steuerwert sollte dann der Wert der Auflage nur anteilig – nämlich in Höhe des freigebigen Anteils der Zuwendung – abgezogen werden dürfen.
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Nach der Neuregelung auch des Bewertungsrechtes durch das ErbStRG8 (vgl. Rz. 28) soll regelmäßig der Verkehrswert auch der Steuerwert sein. Damit sollte die Problematik der gemischten Schenkung überholt sein. Gleichwohl hatte die Finanzverwaltung zunächst im Jahr 20099 weiterhin die Auffassung vertreten, auch nach der Neuregelung der Vermögensbewertung für erbschaftsteuerrechtliche Zwecke ab dem 1.1.2009 seien die Grundsätze der gemischten Schenkung weiterhin anzuwenden. Erst im Jahr 2011 erfolgte die Abkehr von der alten Sichtweise;10 heute vertritt die Finanzverwaltung11 die Auffassung, entsprechend § 10 Abs. 1 Satz 1 und 2 ErbStG gelte auch bei der gemischten Schenkung oder Schenkung unter einer Auflage als steuerpflichtiger Erwerb die Bereicherung des Bedachten. Diese wird schlicht ermittelt, indem von dem Steuerwert der Leistung des 1 2 3 4 5
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Vgl. zur Problematik Meincke16, § 7 ErbStG Rz. 27 ff.; Fumi, EFG 2003, 554; Fumi, EFG 2012, 532. Vgl. die Berechnung in R 17 Abs. 2 ErbStR 2003. So ausdrücklich BFH v. 21.10.1981 – II R 176/78, BStBl. II 1982, 83. Vgl. BFH v. 12.4.1989 – II R 37/87, BStBl. II 1989, 524 und R 17 Abs. 3 ErbStR 2003. Eine Einschränkung galt in Gestalt der Sonderregelung des § 25 ErbStG, der einen Abzug der Belastung ausschloss, soweit die genannten Rechte dem Schenker oder dem Ehegatten des Erblassers (Schenkers) eingeräumt wurden. Der Gesetzgeber hat die Vorschrift durch das ErbStRG 2009 mit Wirkung ab dem 1.1.2009 ersatzlos gestrichen. In § 37 Abs. 2 Satz 2 ErbStG ist allerdings die Weitergeltung von § 25 Abs. 1 Satz 3 und Abs. 2 ErbStG für Altfälle angeordnet. Zur Übertragung unter Nießbrauchsvorbehalt nach Aufhebung des § 25 ErbStG vgl. Geck, DStR 2009, 1005. Vgl. BFH v. 16.12.1992 – II R 114/89, BFH/NV 1993, 298. Vgl. R 17 Abs. 4 ErbStR 2003. Vom 24.12.2008, BGBl. I 2008, 3018. Vgl. zu § 10 ErbStG Abschn. 1. Beschränkung des Abzugs von Schulden und Lasten, Abs. 1 Satz 1 in gleich lautende Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder zur Umsetzung des Gesetzes zur Reform des Erbschaftsteuer- und Bewertungsrechts v. 25.6.2009 – Anwendung der geänderten Vorschriften des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes, BStBl. I 2009, 713. Gleich lautende Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder vom 20.5.2011 – Behandlung der gemischten Schenkungen sowie der Schenkungen unter Auflage, BStBl. I 2011, 562. R E 7.4 ErbStR 2011 und H E 7.4 ErbStH 2011; hierzu Gräfe, DStR 2012, 65.
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Steuerpflichtiger Erwerb (Abs. 1)
Rz. 36 § 10 ErbStG
Schenkers die Gegenleistungen des Beschenkten und die von ihm übernommenen Leistungs-, Nutzungs- und Duldungsauflagen abgezogen werden. Beispiel: Schenker S ist Eigentümer eines Grundstücks mit einem Verkehrswert von 200 und einem Steuerwert von 200 (§ 12 Abs. 3 ErbStG). S schenkte das Grundstück seiner Tochter T. T kann 100 von ihrem Vermögensanfall wenn sie ein hypothekarisch gesichertes Darlehen, das noch mit 100 valutierte, übernimmt. Auch ein Wohnrecht mit einem Steuerwert von 100 kann sie in voller Höhe bei der Ermittlung der Bereicherung abziehen.
M.E. ist der Rechtsstandpunkt zutreffend, der keine Besonderheiten bei einer gemischten Schenkung mehr vorsieht. Umso weniger verständlich ist es, wenn offenbar der Gesetzgeber weiterhin Bewertungsunterschiede voraussetzt.1 Denn die Freibetragsgrenze für den Zugewinnausgleich in § 5 Abs. 1 Satz 5 ErbStG, wonach „höchstens der dem Steuerwert des Endvermögens entsprechende Betrag“ nicht als Erwerb gelten soll, ist nur mit unterschiedlichen Bewertungsmaßstäben zu erklären: Die Ermittlung der Ausgleichsforderung basiert offenbar auf anderen Bewertungsregeln, als sie für die Ermittlung des steuerpflichtigen Erwerbs nach dem ErbStG vorgeschrieben sind.2 Auch die geltende Vorschrift des § 10 Abs. 1 Satz 4 ErbStG (vgl. Rz. 9) basiert auf dem überkommenen Rechtsinstitut der gemischten Schenkung. 4. Wertermittlung Die Wertermittlung des Vermögensanfalls und der Schulden bzw. Lasten ist in § 12 ErbStG geregelt; 35 insoweit gelten die Grundsätze des Erwerb von Todes wegen (vgl. Rz. 26 ff.).
IV. Bereicherungstatbestand bei der Zweckzuwendung (Abs. 1 Satz 5) Zweckzuwendungen sind nach § 8 ErbStG Zuwendungen von Todes wegen oder freigebige Zuwen- 36 dungen unter Lebenden, die mit der Auflage verbunden sind, zugunsten eines bestimmten Zwecks verwendet zu werden, soweit hierdurch die Bereicherung des Erwerbers gemindert wird. Voraussetzung ist danach zunächst das Vorliegen einer Zuwendung von Todes wegen oder eine freigebige Zuwendung unter Lebenden, die nur deshalb oder insoweit nicht der Erbschaftsteuer oder Schenkungsteuer unterliegt, weil die Bereicherung ganz oder zum Teil durch eine Zweckauflage gemindert wird.3 Die Bestimmung des § 8 ErbStG schließt eine Besteuerungslücke: Während bei anderen Erwerben im Wege eines Korrespondenzprinzips der Abzug der Auflage beim Erwerber als „Gegenleistung“ oder als Erbfallschuld (§ 10 Abs. 5 Nr. 2 ErbStG) durch die Erfüllung eines neuen Besteuerungstatbestand beim Begünstigten kompensiert wird (vgl. § 7 Abs. 1 Nr. 2, § 3 Abs. 2 Nr. 2 ErbStG), ist dies bei einer Auflage zugunsten eines bestimmten Zwecks nicht möglich. Das Vorliegen einer Zweckzuwendung hat nach den §§ 8, 10 Abs. 1 Satz 5 ErbStG zur Folge, dass die Verpflichtung des Beschwerten als Besteuerungsgegenstand an die Stelle des Vermögensanfalls tritt. Die Verpflichtung ist ebenso nach § 12 ErbStG zu bewerten wie ggf. die möglicherweise zu berücksichtigenden Vermögenseinbußen. Sachliche Steuerbefreiungen wie in § 13 Abs. 1 Nr. 17 ErbStG (mildtätige Zwecke) sind ebenso zu berücksichtigen4 wie die Kosten der Bestattung mit dem Pauschbetrag nach § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 2 ErbStG, wenn die Zweckzuwendung den gesamten Nachlass umfasst.5 Ob auch ein persönlicher Freibetrag geltend gemacht werden kann, ist angesichts der fehlenden Person eines Zuwendungsempfängers zweifelhaft.6 Schuldner der Zweckzuwendung ist der mit der Ausführung der Zuwendung Beschwerte, § 20 Abs. 1 Satz 1 ErbStG.
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Vgl. Meincke16, § 5 ErbStG Rz. 32. So ausdrücklich BFH v. 10.3.1993 – II R 87/91, BStBl. II 1993, 510. Vgl. BFH v. 30.9.1987 – II R 122/85, BStBl. II 1987, 861. Gebel in T/G/J, § 10 ErbStG Rz. 61 (Stand: April 2014). Meincke16, § 10 ErbStG Rz. 21b. Bejahend Jüptner in F/J/P/W5, § 10 ErbStG Rz. 53; Jochum in Wilms/Jochum, § 10 ErbStG Rz. 60 (Stand: Mai 2015).
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§ 10 ErbStG Rz. 37 Steuerpflichtiger Erwerb
V. Bereicherungstatbestand bei der Erbersatzbesteuerung – Stiftung, Verein (Abs. 1 Satz 7) 37
Nach § 1 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG unterliegt der Erbschaftsteuer in Zeitabständen von je 30 Jahren das Vermögen einer Stiftung, sofern sie wesentlich im Interesse einer Familie oder bestimmter Familien errichtet ist, sog. „Ersatzerbschaftsteuer für Familienstiftungen“ oder entsprechende Vereine.1 Die Ersatzerbschaftsteuer soll verhindern, dass in Familienstiftungen gebundenes Vermögen auf Generationen der Erbschaftsteuer entzogen wird.2 Zu diesem Zweck fingiert der Steuertatbestand in Abständen von je 30 Jahren einen Generationenwechsel, bei dem der Erblasser zwei Kinder hinterlässt. Die Besteuerung geht in § 10 Abs. 1 Satz 7 ErbStG vom „Vermögen“ der Stiftung oder des Vereins aus. Dieses (Netto-)Vermögen muss ebenfalls nach § 12 BewG bewertet werden (vgl. Rz. 26 ff.). Auch hier ist das übliche weitere Besteuerungsschema (vgl. Rz. 7) durchzuführen: Es kommen zunächst sachliche Steuerbefreiungen nach §§ 13, 13a ErbStG in Betracht.3 Darüber hinaus gewährt das Gesetz ausgehend vom Vermögen den doppelten Freibetrag für Kinder und wendet die Steuersätze der Steuerklasse I mit dem Vomhundertsatz an, der für die Hälfte des steuerpflichtigen Vermögens gelten würde, § 15 Abs. 2 Satz 3 ErbStG.
C. Zuwendung der Erbschaft- und Schenkungsteuer (Abs. 2) I. Grundsätze 38
Hat der Erblasser die Entrichtung der Erbschaftsteuer einem anderen auferlegt oder hat der Schenker die Entrichtung der vom Beschenkten geschuldeten Steuer selbst übernommen, so gilt gem. § 10 Abs. 2 ErbStG als Erwerb, was sich bei der Zusammenrechnung des Erwerbs nach § 10 Abs. 1 ErbStG mit der aus ihm (einmal) errechneten Steuer ergibt. Die Regelung in § 10 Abs. 2 ErbStG bestimmt, dass ein von der Zahlung der Erbschaftsteuer oder Schenkungsteuer befreiter Erwerber stets auch diesen Vermögensvorteil als zusätzliche Bereicherung zu versteuern hat; es kommt zu einer Zusammenrechnung des Werts des Erwerbs und der Steuer. Mit dieser – sachlich und rechnerisch vereinfachten – Methode behandelt das Gesetz die Übernahme der Steuer nicht als einen zusätzlichen Steuerfall, sondern als eine Werterhöhung der Schenkung.4 Zwingend ist dies freilich nicht, wie der umgekehrte Fall zeigt:5 Zahlt der Beschenkte die Steuer, darf sich dies auf die Bemessungsgrundlage nicht wertmindernd auswirken, § 10 Abs. 8 ErbStG. Kann die Steuer beim Schenker, der diese übernommen hat, nicht erhoben werden, bleibt der Rückgriff auf den Erwerber möglich – allerdings ohne die Hinzurechnung nach § 10 Abs. 2 ErbStG.6 In den Fällen beschränkter Steuerpflicht (§ 2 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG), in denen der Schenker zusätzlich die Steuer des Erwerbers übernimmt oder einem Anderen auferlegt oder im Erbfall die Steuer des Erwerbers einem Anderen auferlegt, kommt § 10 Abs. 2 ErbStG nicht zur Anwendung, da die zu übernehmende Steuerforderung nicht zum Inlandsvermögen i.S.d. § 121 BewG gehört.7 Ausländische Steuer unterliegt der Vorschrift des § 10 Abs. 2 ErbStG, wenn es sich um eine der deutschen Erbschaftsteuer entsprechenden Steuer handelt; Kriterium hierfür ist die Anrechenbarkeit nach § 21 ErbStG.8
1 Die Besteuerung ist verfassungsgemäß, vgl. BVerfG v. 8.3.1983 – 2 BvL 27/81, BStBl. II 1983, 779 = FR 1983, 283. 2 Vgl. die Gesetzesbegründung in BT-Drucks. 7/1333, 3. 3 Vgl. Gebel in T/G/J, § 10 ErbStG Rz. 62 (Stand: April 2014). 4 Vgl. BFH v. 17.11.1977 – II R 66/68, BStBl. II 1978, 220. 5 Vgl. Meincke16, § 10 ErbStG Rz. 24. 6 Vgl. Meincke16, § 10 ErbStG Rz. 25 a.E. 7 Vgl. FinSen. Bremen v. 3.5.2007 – S 3810-13-2, n.v. 8 Hierzu BFH v. 6.3.1990 – II R 32/86, BStBl. II 1990, 786 – nicht anrechenbar ist z.B. die kanadische capital gains tax, BFH v. 26.4.1995 – II R 13/92, BStBl. II 1995, 540.
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Zuwendung der Erbschaft- und Schenkungsteuer (Abs. 2)
Rz. 40 § 10 ErbStG
II. Erwerb durch Schenkung unter Lebenden 1. Regelungsgehalt und Inanspruchnahme Bei einer freigebigen Zuwendung sind gem. § 20 Abs. 1 Satz 1 ErbStG sowohl der Beschenkte als 39 auch der Schenker Steuerschuldner. Den Steuerschuldnern kommt gem. § 44 Abs. 1 Satz 1 AO die Stellung von Gesamtschuldnern zu. Dies besagt allerdings nichts darüber, wie sich die Steuerlast nach zivilrechtlichen Grundsätzen im Innenverhältnis verteilt; im Regelfall ist die Steuer im Innenverhältnis alleine vom Beschenkten zu tragen. Daher kommt der Vorschrift des § 10 Abs. 2 ErbStG, wonach die Übernahme der Steuer durch den Schenker als weiterer schenkweiser Erwerb gilt, regelmäßig nur deklaratorische Bedeutung zu. Von konstitutiver Bedeutung ist die Vorschrift dabei insoweit, als sie verhindert, fortlaufend die Steuer auf die übernommene Steuer als weitere freigebige Zuwendungen erfassen zu müssen.1 Fraglich ist, in welcher Form der Schenker die Übernahme der Steuer erklären muss. Es ist umstritten, ob eine „gehörige Form“ entsprechend dem eigentlichen Schenkungsversprechen nach § 516 BGB zu fordern ist2 oder ob eine besondere Form nicht verlangt werden kann.3 Da das Gesetz die Übernahme der Steuer nicht als einen zusätzlichen Steuerfall behandelt, sondern nur eine besondere Berechnungsform vorschreibt, ist m.E. keine besondere Form erforderlich; die Erklärung sollte lediglich „nachvollziehbar“ sein. „Nachvollziehbar“ ist die Erklärung dann, wenn sie spätestens im Zusammenhang mit der Abgabe der Schenkungsteuererklärung oder durch Entrichtung der Steuer durch den Schenker erfolgt, oder Bestandteil der Schenkungsurkunde über die Hauptschenkung ist, oder sich aus einer sonstigen glaubhaften Erklärung des Schenkers ergibt.4 Aus dem gleichen Grund ist der Auffassung zuzustimmen, welche die Verpflichtung des Schenkers zur Übernahme der Steuer bereits mit der Schenkung der Hauptsache nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG als ausgeführt ansieht.5 2. Berechnung Der Schenker, der die Schenkungsteuer übernehmen möchte, muss bei Einlösung dieser Zusage frei- 40 lich nicht nur die zunächst zu berechnende Steuer übernehmen, sondern auch jene Steuer, die durch die Erhöhung der Bemessungsgrundlage einmal zusätzlich entsteht. Gleichwohl kann die Übernahme der Steuerschuld zu einer Steuerersparnis führen. Beispiel:6 Alt. 1: A schenkt seiner Freundin B (Steuerklasse III) im Jahr 2011 einen Geldbetrag i.H.v. 290 000 Euro. A zahlt 290 000 v Persönlicher Freibetrag ./. 20 000 t Verbleiben 270 000 t Abgerundet 270 000 t Steuerzahlung durch B 81 000 t Steuer bei Steuersatz 30 % B verbleiben 189 000 v
1 BFH v. 16.1.2002 – II R 15/00, BStBl. II 2002, 314 = FR 2002, 530; Gebel in T/G/J, § 10 ErbStG Rz. 71 ff. (Stand: April 2014); Meincke16, § 10 ErbStG Rz. 24 ff. – Behielt sich der Zuwendende, der seinem Abkömmling ein Grundstück schenkte, einen lebenslänglichen Nießbrauch daran vor, und übernahm er die anfallende Schenkungsteuer, war die gem. § 10 Abs. 2 ErbStG dem Erwerb hinzuzurechnende Steuer nach dem gem. § 25 Abs. 1 Satz 1 und 2 ErbStG a.F. sofort zu zahlenden Steuerbetrag zzgl. eines Betrags i.H.d. Ablösungsbetrags nach Satz 3 der Vorschrift zu berechnen, vgl. BFH v. 16.1.2002 – II R 15/00, BStBl. II 2002, 314 = FR 2002, 530. 2 So Jüptner in F/J/P/W5, § 10 ErbStG Rz. 65. 3 So Meincke16, § 10 ErbStG Rz. 25. 4 Vgl. Ebeling in Kapp/Ebeling, § 10 ErbStG Rz. 56 (Stand: Juli 2016). 5 So Jüptner in F/J/P/W5, § 10 ErbStG Rz. 71 unter Bezugnahme auf Meincke16, § 10 ErbStG Rz. 25. 6 Vgl. H E 10.5 ErbStH 2011.
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§ 10 ErbStG Rz. 41 Steuerpflichtiger Erwerb Alt. 2: A schenkt seiner Freundin B (Steuerklasse III) im Jahr 2011 einen Geldbetrag i.H.v. 205 736 Euro und erklärt sich bereit, die Schenkungsteuer zu übernehmen. Wert der Zuwendung 205 736 v Daraus errechnete Steuer Zuwendung 205 736 t Persönlicher Freibetrag ./. 20 000 t Verbleiben 185 736 t Abgerundet 185 700 t Steuer bei Steuersatz 30 % 55 710 t + 55 710 t Erwerb einschließlich Steuer 261 446 t Persönlicher Freibetrag ./. 20 000 t Steuerpflichtiger Erwerb 241 446 t abgerundet 241 400 t Steuerzahlung durch A 72 420 v Steuer bei Steuersatz 30 %. B verbleiben 189 026 v In der zweiten Alternative verbleibt B nahezu der gleiche Betrag; A zahlt jedoch anstatt 290 000 Euro nur den Betrag von 278 156 Euro (Zuwendung 205 736 Euro zzgl. Steuer 72 420 Euro).
41
Nach § 23 Abs. 1 ErbStG können Steuern, die von dem Kapitalwert von wiederkehrenden Nutzungen oder Leistungen zu entrichten sind, nach Wahl des Erwerbers statt vom Kapitalwert jährlich im Voraus von dem Jahreswert entrichtet werden. Bei Übernehme der Schenkungsteuer steht sowohl dem Beschenkten als auch dem Schenker, der die Zahlung der Steuer auf den Erwerb übernommen hat, das Wahlrecht i.S.d. § 23 Abs. 1 ErbStG zu. Die vom Schenker übernommene Steuer i.S.d. § 10 Abs. 2 ErbStG erfüllt jedoch nach Verwaltungsauffassung1 nicht die Voraussetzungen des § 23 Abs. 1 ErbStG, auch soweit sie auf den Kapitalwert der Rente oder einer anderen wiederkehrenden Nutzung und Leistung entfällt. Denn die übernommene Steuer gilt als eigenständiger Erwerb, bei dem es sich nicht um einen Anspruch auf eine Rente oder andere wiederkehrende Nutzung und Leistung handelt. Insoweit kommt es folglich stets und in vollem Umfang zur Sofortversteuerung.
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Die Übernahme der Steuerschuld kann auch Einfluss auf die Auswahl des Steuerschuldners gewinnen: Der Schenker schuldet neben dem Beschenkten die Schenkungsteuer als Gesamtschuldner (§ 44 Abs. 1 AO). Aus dem Wortlaut des § 20 Abs. 1 Satz 1 ErbStG und dem Charakter der Schenkungsteuer als einer Bereicherungssteuer folgt zwar, dass sich das Finanzamt grundsätzlich zunächst an den Beschenkten halten muss:2 Im Unterschied zu § 421 BGB (Gesamtschuld) steht im Abgabenrecht die Entscheidung, welcher Schuldner in Anspruch genommen werden soll, nicht im freien Belieben des Gläubigers, sondern im pflichtgemäßen Auswahl-(Ermessen) der Behörde, für das die allgemeinen Grundsätze des § 5 AO gelten.3 Eine unmittelbare Inanspruchnahme des Schenkers ist aber regelmäßig dann geboten, wenn der Schenker die Schenkungsteuer nach § 10 Abs. 2 ErbStG übernommen hat.
3. Auswahl des Steuerschuldners
III. Erwerb von Todes wegen 43
Gemäß § 20 Abs. 1 Satz 1 ErbStG ist Steuerschuldner der Erbschaftsteuer der Erwerber. Erwerber ist derjenige, der beim Erwerb von Todes wegen mit dem Erbfall in die Position als Erbe, Vermächtnisnehmer oder Pflichtteilsgläubiger unmittelbar einrückt.4 Damit ist die Übernahme der Erbschaftsteuer durch den Erblasser ausgeschlossen. Denkbar und ein Anwendungsfall des § 10 Abs. 2 ErbStG 1 Vgl. FinSen. Bremen v. 24.8.2009 – S 3810-13-2, n.v. – krit. Gebel in T/G/J, § 10 ErbStG Rz. 83 (Stand: April 2014). 2 Vgl. BFH v. 29.11.1961 – II 282/58 U, BStBl. III 1962, 323. 3 Vgl. BFH v. 12.7.1999 – VII B 2/99, BFH/NV 2000, 99. 4 Meincke16, § 20 ErbStG Rz. 3.
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Vereinigung von Recht und Verbindlichkeit (Abs. 3)
Rz. 44 § 10 ErbStG
ist es aber, dass die Steuer „einem anderen auferlegt“ ist. Dies ist möglich, wenn dem Erben durch den Erblasser1 die Zahlung der Erbschaftsteuer für den Erwerb anderer begünstigter Personen wie z.B. eines Vermächtnisnehmer auferlegt ist.2 Bei dem Vermächtnisnehmer liegt in Höhe der vom Erben übernommenen Steuer eine zusätzliche Bereicherung vor, die unter § 10 Abs. 2 ErbStG zu subsumieren ist. Für die Steuerberechnung gelten die Grundsätze für die Übernahme der Schenkungsteuer entsprechend (vgl. Rz. 40). Der Erbe kann die übernommene Steuer nach § 10 Abs. 5 Nr. 2 ErbStG von seinem Erwerb von Todes wegen abziehen, denn insoweit handelt es sich bei ihm um eine Vermächtnislast. Das Abzugsverbot des § 10 Abs. 8 ErbStG gilt für den Erben nicht, da es sich bei der übernommenen Steuer nicht um seine eigene Erbschaftsteuer handelt. Letztlich kommt es damit im Fall der Übernahme der Steuer eines Vermächtnisnehmers zu einer doppelten Begünstigung: Die Besserstellung des Vermächtnisnehmers beschränkt sich auf die einmalige Hinzurechnung der Steuer nach § 10 Abs. 2 ErbStG und der beschwerte Erbe kann die übernommene Steuer nach § 10 Abs. 5 Nr. 2 ErbStG als Erbfallschuld absetzen.
D. Vereinigung von Recht und Verbindlichkeit (Abs. 3) I. Grundsätze 1. Konfusion Die Vereinigung von Forderung und Schuld in einer Person führt zwar zivilrechtlich i.d.R. zum 44 Erlöschen der Forderung,3 sog. „Konfusion“. Diese Rechtsfolge ist aber weder gesetzlich vorgeschrieben noch logisch zwingend; vielmehr ist vom Fortbestehen der Forderung auszugehen, wo dies nach der Interessenlage geboten erscheint.4 Erbschaft- und schenkungsteuerrechtlich sollen die regelmäßigen zivilrechtlichen Folgen einer Konfusion nicht eintreten; die infolge der Konfusion/Konsolidation zivilrechtlich erlöschenden Rechtsverhältnisse sollen für die erbschafts- und schenkungsteuerrechtliche Beurteilung fiktiv als noch bestehend angesehen werden, § 10 Abs. 3 ErbStG. Der Eintritt dieser Fiktionswirkung setzt aber voraus, dass durch eine Konfusion/Konsolidation Rechtsverhältnisse zivilrechtlich erlöschen. Dies ist nicht der Fall, wenn ein auflösend bedingter Anspruch nicht als Folge einer Vereinigung von Recht und Verbindlichkeit, sondern wegen Eintritts der auflösenden Bedingung untergeht.5 Durch § 10 Abs. 3 ErbStG wird nicht nur der Fortbestand der Gläubigerstellung, sondern auch der Fortbestand der Schuldnerstellung fingiert, so dass dem zivilrechtlich eintretenden Wegfall von Forderung und Schuld bei der Berechnung der Erbschaft- und Schenkungsteuer keine Bedeutung zukommt.6 Dies führt bei Gewährung eines zinslosen Darlehens und späterem Erwerb der Darlehenssumme dazu, dass das Nutzungsrecht (zinslose Überlassung) vom Erwerb abgezogen werden kann.7 Auch wenn der Pflichtteilsberechtigte der Alleinerbe des Verpflichteten ist, bleibt trotz des zivilrechtlichen Erlöschens des Pflichtteilsanspruchs erbschaftsteuerrechtlich das Recht zur Geltendmachung bestehen (vgl. Rz. 66). 1 Und nicht durch eine Vereinbarung des Erben mit der anderen Person – dies wäre ggf. ein weiterer Erwerbstatbestand nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG. 2 Vgl. Jüptner in F/J/P/W5, § 10 ErbStG Rz. 73. 3 Vgl. bereits BGH v. 1.6.1967 – II ZR 150/66, NJW 1967, 2399; v. 11.12.1981 – V ZR 220/80, NJW 1982, 2381; BFH v. 27.6.2007 – II R 30/05, BStBl. II 2007, 651 = FR 2007, 1080 = ErbStB 2007, 291. 4 Auch das BGB fingiert in einigen Fällen das Bestehen der Forderung vgl. §§ 1976, 1991 Abs. 2, 2143, 2175, 2377 BGB – hierzu BGH v. 14.6.1995 – IV ZR 212/94, NJW 1995, 2287. 5 BFH v. 21.5.2001 – II R 48/99, BFH/NV 2001, 1407. 6 BFH v. 7.10.1998 – II R 64/96, BStBl. II 1999, 25 = FR 1999, 712 m. Anm. Viskorf. 7 BFH v. 7.10.1998 – II R 64/96, BStBl. II 1999, 25 = FR 1999, 712 m. Anm. Viskorf – zu beachten ist jedoch, dass der BFH im Fall des § 14 ErbStG beide Zuwendungen (zinslose Überlassung und Darlehenssumme selbst) zusammenrechnet, ohne dass es eine Obergrenze in Gestalt des Werts der sofortigen direkten Zuwendung der Darlehenssumme gäbe; hierzu zu recht kritisch Jochum in Wilms/Jochum, § 10 ErbStG Rz. 92 (Stand: Mai 2015) m.w.N.
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§ 10 ErbStG Rz. 45 Steuerpflichtiger Erwerb 2. Konsolidation 45
Vergleichbares gilt für das Zusammenfallen von beschränktem Recht und Eigentümerposition, sog. „Konsolidation“: Konsolidation tritt beispielsweise ein, wenn dem Erben bereits ein Nießbrauch an beweglichen Sachen (vgl. § 1063 Abs. 1 BGB) oder Rechten (§ 1068 BGB) des Erblassers bestellt war und der Erbe die Sachen und Rechte im Wege der Gesamtrechtsnachfolge später erwirbt. In diesem Fall fingiert § 10 Abs. 3 ErbStG den Fortbestand der Belastung in Gestalt des Nießbrauchs. Ob § 10 Abs. 3 ErbStG (entsprechende) Anwendung findet, wenn ein beschränktes dingliches Recht in Gestalt eines Nießbrauches an einem Grundstück bestellt war und der Erbe das Grundstück erwirbt, ist angesichts der Regelung in § 889 BGB (Ausschluss der Konsolidation bei dinglichen Rechten) streitig;1 im Ergebnis herrscht jedoch insoweit Einigkeit, als der Erbe auch hier die Belastung durch den Nießbrauch vom Wert des erworbenen Grundstücks abziehen kann.
II. Erwerb durch Erbanfall 46
Zivilrechtlich geschieht das Erlöschen von Forderungen durch Konfusion bei einem Alleinerben mit dem Erbfall, bei Miterben jedoch erst mit der Auseinandersetzung nach § 2032 BGB, wobei die Forderung eines Miterben gegen den Erblasser gem. § 2046 Abs. 1 BGB vorweg zu tilgen ist, sofern sie fällig ist (§ 2046 Abs. 1 Satz 2 BGB). In diesem Zusammenhang ist jedoch zu beachten, dass nach § 10 Abs. 3 ErbStG die infolge des Erbanfalls durch Vereinigung von Recht und Verbindlichkeit oder von Recht und Belastung in zivilrechtlicher Hinsicht grundsätzlich erloschenen Rechtsverhältnisse für Zwecke der Erbschaftsbesteuerung als nicht erloschen gelten. Nach Ansicht des BFH2 gilt diese Vorschrift sowohl für Ansprüche als auch für Verbindlichkeiten des Erblassers gegenüber dem Erben. Beispiel Variante 1: Der Erbe S hatte vom Erblasser E ein Darlehen i.H.v. 100 000 Euro erhalten; d.h. E stand im Zeitpunkt seines Versterbens eine Darlehensrückzahlungsforderung gegen S in entsprechender Höhe zu. Im Nachlass ist ausschließlich ein Sparguthaben von 50 000 Euro enthalten. Bei Eintritt des Erbfalles ist der Erwerb des S nicht auf das Sparguthaben von 50 000 Euro beschränkt; S ist zusätzlich durch den Erwerb der Darlehensforderung und damit i.H.v. insgesamt 150 000 Euro bereichert. Dies ergibt sich zum einen ausdrücklich aus der gesetzlichen Regelung des § 10 Abs. 3 ErbStG; zum anderen ist aber auch ohne § 10 Abs. 3 ErbStG zu berücksichtigen, dass für S die Rückzahlungsverpflichtung entfallen ist.
Auch im Fall des § 10 Abs. 3 ErbStG muss eine Bewertung der erworbenen Rechte bzw. übergangenen Verbindlichkeiten erfolgen. Beispiel Variante 2: Wie Variante 1; jedoch sind E und S mittellos. Auch in diesem Fall erwirbt S die Darlehensforderung. Da diese Forderung jedoch uneinbringlich ist (S hat außer der Forderung nichts erlangt), bleibt sie gem. § 12 Abs. 1 ErbStG, § 12 Abs. 2 BewG außer Ansatz. Denn aufgrund der Regelung in § 10 Abs. 3 ErbStG ist S als Gläubiger einer wertlosen Forderung anzusehen und nicht als ein Schuldner, der von einer Verbindlichkeit i.H.v. 100 000 Euro „befreit“ wurde.3
III. Erwerb durch Zuwendung unter Lebenden 47
Entsprechend der Grundregel in § 1 Abs. 2 ErbStG gilt § 10 Abs. 3 ErbStG auch für Schenkungen i.S.d. § 7 ErbStG. Wird damit ein mit einem Nießbrauch belastetes Grundstück dem Nießbraucher im Wege der Schenkung zugewandt, so kann der Zuwendungsempfänger – im Ergebnis jedenfalls
1 Ausschluss der Konsolidation bei dinglichen Rechten an Grundstücken; nach Jochum in Wilms/Jochum, § 10 ErbStG Rz. 96 (Stand: Juli 2010) bedarf es der Anwendung des § 10 Abs. 3 ErbStG nicht; a.A. Jüptner in F/J/ P/W4, § 10 ErbStG Rz. 83 – „entsprechende“ Anwendung. 2 BFH v. 25.10.1995 – II R 45/92, BStBl. II 1996, 11. 3 Vgl. Meincke16, § 20 ErbStG Rz. 27 a.E.
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Nachlassverbindlichkeiten (Abs. 5)
Rz. 50 § 10 ErbStG
unstreitig (vgl. Rz. 45) – den Kapitalwert des Nießbrauches (§ 12 Abs. 1 ErbStG, §§ 13 ff. BewG) vom Wert des Grundstücks als Nutzungs- bzw. Duldungsauflage in voller Höhe abziehen.1
E. Anwartschaft eines Nacherben (Abs. 4) Gemäß § 2100 BGB kann der Erblasser einen Erben in der Weise einsetzen, dass dieser als Nacherbe 48 erst Erbe wird, nachdem zunächst ein anderer als Vorerbe Erbe geworden ist, (vgl. Rz. 24 „Nacherbschaft“). Bereits mit Eintritt des Vorerbfalles erlangt der Nacherbe nach den §§ 2113 ff. BGB eine Rechtsstellung, die ihm eine gesicherte Aussicht auf die Erbschaft gewährt. Die ganz herrschende Auffassung billigt ihm daher ein Anwartschaftsrecht zu, welches im Zweifel vererblich (vgl. § 2108 Abs. 2 BGB) und – obwohl im Bürgerlichen Gesetzbuch nicht ausdrücklich vorgesehen2 – übertragbar ist. Schon vor dem Nacherbfall stellt es mithin einen Vermögenswert in der Hand des Nacherben dar.3 Der Erwerb dieses Anwartschaftsrechts durch den Nacherben selbst beim Tod des Erblassers löst keine Erbschaftsteuer aus. Auch der (unentgeltliche) Erwerb des Nacherbenanwartschaftsrechts durch einen Dritten ist nicht steuerbar, sei es von Todes wegen oder durch freigebige Zuwendung unter Lebenden, § 10 Abs. 4 i.V.m. § 1 Abs. 2 ErbStG. Der Steuer unterliegt vielmehr erst der Vermögenserwerb durch Eintritt des Nacherbfalls.4 Dies entspricht im Übrigen der Regelung in § 6 ErbStG, die den Nacherben als Erben des Vorerben – und nicht wie das Zivilrecht als Erben des Erblassers – ansieht. Andererseits ist zu beachten, dass § 3 Abs. 2 Nr. 6 ErbStG das für die Übertragung der Anwartschaft 49 gewährte Entgelt als vom Erblasser stammend der Steuer unterwirft, denn in diesem Fall mehrt sich das Vermögen des übertragenden Anwartschaftsrechtsinhabers unmittelbar greifbar durch Verwertung der infolge Todes des Erblassers gewonnenen Position.5 Im Falle einer solchen entgeltlichen Übertragung kann der Anwartschaftserwerber das von ihm für den Erwerb aufgewendete und vom Veräußerer (Nacherben) gem. § 3 Abs. 2 Nr. 6 ErbStG versteuerte Entgelt nach § 10 Abs. 5 Nr. 3 ErbStG von seinem Erwerb absetzen. Dagegen mindern Zahlungen, die der Vorerbe an den Nacherben für die Übertragung des Nacherbenrechts leistet, den Erwerb als Erben nicht, § 10 Abs. 5 Nr. 3 ErbStG bleibt unanwendbar: Der Erwerb der Stellung als Vollerbe beruht nicht auf dem Erbfall, sondern auf einer Vermögensdisposition des Vorerben, um die ihm vom Erblasser eingeräumte vermögensrechtliche Stellung durch (entgeltliches) Rechtsgeschäft zu erweitern.6 In der Person des übertragenden Nacherben wird i.d.R. eine Steuerbarkeit nach § 3 Abs. 2 Nr. 4 ErbStG gegeben sein.
F. Nachlassverbindlichkeiten (Abs. 5) I. Grundsätze 1. Abzugsfähige Schulden und Lasten Gemäß § 10 Abs. 5 ErbStG sind vom Vermögensanfall – das Gesetz spricht vom „Erwerb“ – Nachlass- 50 verbindlichkeiten abzugsfähig. Nur der Nettovermögenszuwachs des Erwerbers soll der Besteuerung unterliegen (vgl. Rz. 14), so dass die Möglichkeit des Abzug von Erwerbsschmälerungen bzw. Belastungen gegeben sein muss. Die Nachlassverbindlichkeiten sind durch das Gesetz gegliedert in Erblasserschulden Nr. 1, Erbfallschulden Nr. 2 und sonstige Nachlassverbindlichkeiten Nr. 3. 1 Vgl. Jüptner in F/J/P/W5, § 10 ErbStG Rz. 83. 2 Vgl. aber § 3 Abs. 2 Nr. 6 ErbStG. 3 Vgl. BFH v. 23.8.1995 – II R 88/92, BStBl. II 1996, 137 unter Bezugnahme auf BGH v. 9.6.1983 – IX ZR 41/82, BGHZ 87, 367. 4 Vgl. BFH v. 28.10.1992 – II R 21/92, BStBl. II 1993, 158. 5 Vgl. BFH v. 28.10.1992 – II R 21/92, BStBl. II 1993, 158. 6 Vgl. BFH v. 23.8.1995 – II R 88/92, BStBl. II 1996, 137.
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§ 10 ErbStG Rz. 51 Steuerpflichtiger Erwerb Eine mehrfache Berücksichtigung von Erwerbsschmälerungen ist ausgeschlossen. Dies gilt zum einen beispielsweise bei Belastungen von Erwerbsgegenständen wie einem Nießbrauch an einem Grundstück, der sich bereits bei der Bewertung eines Grundstücks selbst ausgewirkt hat (vgl. § 10 Abs. 6 Satz 6 ErbStG – vgl. Rz. 93). Zum anderen dürfen Schulden, die bei der Bewertung des Betriebsvermögens bereits berücksichtigt wurden, nicht nochmals nach § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG abgezogen werden, vgl. Halbs. 2 der Vorschrift (vgl. Rz. 61). 2. Zivilrechtliche Betrachtung 51
Bereits begrifflich übernimmt das Gesetz die zivilrechtliche Definition der Nachlassverbindlichkeiten aus § 1967 BGB in § 10 Abs. 5 Nrn. 1 und 2 ErbStG. Auch materiell-rechtlich ist für die Frage, ob abzugsfähige Nachlassverbindlichkeiten bestehen, zu prüfen, ob die als Nachlassverbindlichkeiten geltend gemachten Schulden im Zeitpunkt des Erbfalls nach bürgerlich-rechtlichen Grundsätzen bestanden haben. Eine am Ertragsteuerrecht orientierte Betrachtungsweise ist nicht zulässig: Die beispielsweise zur Abziehbarkeit von Darlehenszinsen als Betriebsausgaben oder Werbungskosten ergangene Rechtsprechung des BFH ist das Ergebnis einer am Maßstab von § 4 Abs. 4 und § 12 Nr. 2 EStG vorgenommenen einkommensteuerrechtlichen Wertung. Eine vergleichbare Wertung gebietet das Erbschaftsteuerrecht nicht; auch der Grundsatz des Fremdvergleichs bei Verträgen zwischen nahen Angehörigen findet keine Anwendung.1 Eine Forderung ist i.d.R. durch Klage und Vollstreckungsmöglichkeit erzwingbar; fehlen diese Möglichkeiten, so liegt eine „unvollkommenen Verbindlichkeiten“ oder „Naturalobligationen“ vor. Auch in solchen Fällen bestehen nach der herrschenden zivilrechtlichen Meinung jedoch „echte“ Schulden.2 Zu diesen Schulden zählen (zivilrechtlich) verjährte Forderungen,3 durch Restschuldbefreiung erloschene Forderungen,4 Forderungen aus Heiratsvermittlung5 sowie Spiel und Wette.6 Im Hinblick auf die Rechtsverbindlichkeit können auch Naturalobligationen als Nachlassverbindlichkeiten abgezogen werden.7 3. Abweichung von der zivilrechtlichen Betrachtung a) „Wirtschaftliche Belastung“
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Die zivilrechtliche Betrachtung wird allerdings in einem wichtigen Punkt modifiziert. Denn zu einer Beschränkung von Abzügen hat der BFH wiederholt8 entschieden, dass der Abzug der vom Erblasser herrührenden persönlichen Verbindlichkeiten, die gem. § 1922 Abs. 1, § 1967 BGB, § 45 Abs. 1 AO auf die Erben übergegangen sind, als Nachlassverbindlichkeiten gem. § 10 Abs. 5 ErbStG nicht nur voraussetzt, dass die Verbindlichkeiten rechtlich bestehen, sondern auch, dass sie den Erblasser im Todeszeitpunkt „wirtschaftlich belastet“ haben. Eine solche wirtschaftliche Belastung durch entstandene, aber noch nicht festgesetzte Steuern verneint der BFH9 – gegen die Auffassung der Finanzverwaltung10 und Literatur11 – für den Fall, dass beim Eintritt des Erbfalls wegen fehlender Kenntnis des Finanzamts eine Steuerfestsetzung nicht ernstlich zu erwarten war und der Erbe das Finanzamt nicht zeitnah über die Steuerangelegenheit unterrichtet hat.
BFH v. 25.10.1995 – II R 45/92, BStBl. II 1996, 11 – zustimmend Jüptner in F/J/P/W5, § 10 ErbStG Rz. 114. Vgl. bereits BFH v. 17.8.1967 – IV 73/63, BStBl. II 1968, 79. Vgl. §§ 214, 216 BGB. Vgl. §§ 286, 301 Abs. 3 InsO. Vgl. § 656 Abs. 1 BGB. Vgl. § 762 Abs. 1 BGB. Vgl. Meincke16, § 10 ErbStG Rz. 31a. Vgl. BFH v. 4.7.2012 – II R 15/11, BStBl. II 2012, 790 = FR 2012, 1086 = ErbStB 2012, 291; v. 2.3.2011 – II R 5/09, ErbStB 2011, 216 = BFH/NV 2011, 1147 jeweils m.w.N. – krit. Schuck in V/K/S/W4, § 10 ErbStG Rz. 62. 9 Vgl. BFH v. 24.3.1999 – II R 34/97, BFH/NV 1999, 1339; v. 14.11.2007 – II R 3/06, BFH/NV 2008, 574. 10 Vgl. FinMin. NW v. 14.11.2002 – 2002-11-14 S 3810-13-V A 2, ErbSt-Kartei HE § 10 ErbStG Karte 12. 11 Vgl. Schuck in V/K/S/W4, § 10 ErbStG Rz. 67; Geck in Kapp/Ebeling, § 10 ErbStG Rz. 69 (Stand: Juli 2016). 1 2 3 4 5 6 7 8
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Nachlassverbindlichkeiten (Abs. 5)
Rz. 53 § 10 ErbStG
Haben Eheleute ihre Kinder im Wege eines Berliner Testaments zu Schlusserben eingesetzt und vereinbaren die Kinder mit dem überlebenden Ehegatten, gegen Zahlung einer erst mit dessen Tod fälligen Abfindung auf die Geltendmachung der Pflichtteile nach dem erstverstorbenen Ehegatten zu verzichten, sollen die Kinder beim Tod des überlebenden Ehegatten nach Auffassung des BFH1 keine Nachlassverbindlichkeiten i.S.d. § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG aus dieser Vereinbarung abziehen können. Auch soll es mangels wirtschaftlicher Belastung nicht möglich sein, dass der Pflichtteilsberechtigte, der den Pflichtteilsschuldner beerbt hat, den bereits verjährten Pflichtteilsanspruch gegen sich selber geltend macht und als Nachlassverbindlichkeit vom steuerpflichtigen Erwerb in Abzug bringt.2 Andererseits soll der Abzug einer vom Erben zu tilgenden Darlehensschuld des Erblassers als Nachlassverbindlichkeit nicht deshalb versagt werden, weil das Darlehen zu Lebzeiten des Erblassers unkündbar war: Die Darlehensschuld soll die Bereicherung des Erben unabhängig davon mindern, ob der Gläubiger die Rückzahlung des Darlehens bereits vom Erblasser hätte fordern können oder nicht.3 M.E. ist eine Auffassung, nach der es an der für den Abzug als Nachlassverbindlichkeit erforderlichen wirtschaftlichen Belastung des Erblassers fehlt, wenn der Erblasser „nicht damit rechnen musste“, zu seinen Lebzeiten die später auf den Erben übergegangene Verbindlichkeit erfüllen zu müssen, kritisch zu sehen: Eine wirtschaftliche Betrachtungsweise ist dem ErbStG grundsätzlich – bis auf Ausnahmen im Zusammenhang mit der Privilegierung von Betriebsvermögen (vgl. Rz. 17) – fremd (vgl. Rz. 15). Das Erfordernis der „wirtschaftlichen Belastung“ steht auch im Gegensatz zur Berücksichtigungsmöglichkeit von Naturalobligation (vgl. Rz. 51). Eine ausdrückliche gesetzliche Regelung zur wirtschaftlichen Belastung als Tatbestandsmerkmal der Abzugsfähigkeit fehlt in § 10 Abs. 5 ErbStG, so dass es sich bei der einschlägigen höchstrichterlichen Finanzrechtsprechung um Rechtsfortbildung handelt, allerdings zu Lasten des Steuerpflichtigen. Schließlich ist zu berücksichtigen, dass das Merkmal der „wirtschaftlichen Belastung“ einen unbestimmten Rechtsbegriff darstellt, der die Rechtsanwendung zusätzlich streitanfällig macht. b) „Sittliche“ Verpflichtung Nach einer älteren, gleichwohl oft zitierten Entscheidung des BFH4 können Leistungen des Erben 53 auch ohne rechtliche Verpflichtung in besonders gelagerten Ausnahmefällen als Nachlassverbindlichkeiten in Betracht kommen, wenn sie eine ernsthafte wirtschaftliche Belastung darstellen. Dies soll bejaht werden können, wenn der zuwendende Erbe sich zu der „rechtlich nicht erzwingbaren“ Leistung aus anderen zwingenden Gründen – z.B. „sittlicher Art“ – für verpflichtet hält und sie tatsächlich erfüllt. Eine rechtlich nicht erzwingbare – gleichwohl rechtlich bestehende – Verpflichtung ist als Naturalobligation abziehbar (vgl. Rz. 51). M.E. ist aber vor der allgemeinen Vorstellung, auch eine rechtlich nicht bestehende, vom Erben aber aus sittlichen Gründen angenommene Verpflichtung sei abziehbar, zu warnen. Denn der BFH hat wiederholt entschieden,5 dass Leistungen des Erben, die dieser aufgrund einer von ihm angenommenen „moralischen Verpflichtung“ erbringt, nicht gem. § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG als Nachlassverbindlichkeiten abziehbar sind. Zudem würde eine Abzugsfähigkeit sittlicher Verpflichtungen der zivilrechtlichen Ausrichtung des ErbStG (vgl. Rz. 15) widersprechen. Angesichts der Unbestimmtheit des Begriffs „sittlich“ wären erhebliche Abgrenzungsschwierigkeiten vorhersehbar.
1 BFH v. 27.6.2007 – II R 30/05, BStBl. II 2007, 651 = FR 2007, 1080 = ErbStB 2007, 291; hierzu Kesseler/Thouet, NJW 2008, 125 und krit. Everts, NJW 2008, 557. 2 BFH v. 15.5.2009 – II B 155/08, BFH/NV 2009, 1441. 3 Vgl. BFH v. 2.3.2011 – II R 5/09, ErbStB 2011, 216 = BFH/NV 2011, 1147. 4 BFH v. 18.11.1963 – II 166/61, HFR 1964, 83. 5 Vgl. z.B. BFH v. 15.6.1988 – II R 165/85, BStBl. II 1988, 1006; v. 29.6.2009 – II B 149/08, BFH/NV 2009, 1655.
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§ 10 ErbStG Rz. 54 Steuerpflichtiger Erwerb
II. Erblasserschulden (Abs. 5 Nr. 1) 1. Grundsätze 54
Gemäß § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG sind vom Erwerb des Erben die vom Erblasser herrührenden persönlichen Schulden, die gem. § 1922 Abs. 1 BGB, § 45 Abs. 1 AO auf den Erben übergegangen sind, als Nachlassverbindlichkeiten abzuziehen. Das Gesetz orientiert sich an der Terminologie des § 1967 Abs. 2 BGB. Auch der Abzug in Nr. 1 der Vorschrift setzt voraus, dass die Steuerschulden rechtlich bestehen und den Erben wirtschaftlich belasten. An einer wirtschaftlichen Belastung fehlt es nach Auffassung der BFH,1 wenn bei objektiver Würdigung der Verhältnisse angenommen werden kann, dass der Gläubiger seine Forderung nicht geltend machen wird (fraglich, vgl. Rz. 52). 2. Abzugsfähige Erblasserschulden (Abs. 5 Nr. 1 Halbs. 1) a) Vom Erblasser herrührende Schulden
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Gemäß § 10 Abs. 5 Nr. 1 Halbs. 1 ErbStG sind die vom Erblasser herrührenden Schulden als Nachlassverbindlichkeiten abzugsfähig. Dies sind die zu Lebzeiten des Erblassers entstandenen Schulden, die im Zeitpunkt des Todes des Erblassers noch bestanden. Dazu gehören alle gesetzlichen, vertraglichen und außervertraglichen Verpflichtungen des Erblassers, z.B. aus Kauf, Miete oder unerlaubten Handlungen.2 Fraglich ist, ob auch „unfertige Rechtsbeziehungen“ des Erblassers auf den Erben übergehen.3 Nach Auffassung des BGH4 sind Erblasserschulden i.S.d. § 1967 BGB auch die erst in der Person des Erben entstehenden Verbindlichkeiten, die als solche schon dem Erblasser entstanden wären, wenn er nicht vor Eintritt der zu ihrer Entstehung nötigen weiteren Voraussetzung verstorben wäre. Hierzu werden bedingte Ansprüche zu rechnen sein, die sich dadurch auszeichnen, dass ihr Inhalt durch ein bereits bestehendes Rechtsgeschäft bestimmbar ist. Ein bedingt abgeschlossenes Rechtsgeschäft liefert in aller Regel den erforderlichen „sicheren Rechtsboden“ für die künftige Entstehung des darin begründeten Anspruchs.5 M.E. kann dieser Betrachtungsweise für § 10 Abs. 5 Nr. 1 Halbs. 1 ErbStG gefolgt werden; auch der BFH hat seine Rechtsprechung diesbezüglich angeglichen (vgl. Rz. 56). An die Person des Erblassers gebundene höchstpersönliche Verbindlichkeiten, wie ein Rentenversprechen nach § 520 BGB oder Verpflichtungen zur Erbringung von Diensten gem. § 613 Satz 1 BGB sind nicht vererblich und können daher nicht auf den Erben übergehen. Unterhaltsansprüche zwischen Verwandten, Ehepartnern und Lebenspartnern enden ebenfalls mit dem Tod des Verpflichteten gemäß den §§ 1615 Abs. 1, 1360a Abs. 3, 1361 Abs. 4 Satz 4 BGB und §§ 5 Satz 2, 12 Satz 2 Satz 2 LPartG.6 b) Steuerschulden aa) „Entstandene“ und „begründete“ Steuern
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Der Abzug der vom Erblasser herrührenden persönlichen Steuerschulden als Nachlassverbindlichkeiten setzt grundsätzlich voraus, dass die Steuerschulden bei der Entstehung der Erbschaftsteuer rechtlich bestehen.7 Einkommensteuerschulden aus Veranlagungszeiträumen, die vor dem Todeszeitpunkt des Erblassers enden, sind mit Ablauf des jeweiligen Kalenderjahrs entstanden (§ 36 Abs. 1 i.V.m. § 25 Abs. 1 EStG). Nach geltender Rechtsprechung des BFH,8 welcher auch die Finanzverwal1 2 3 4 5 6
BFH v. 24.3.1999 – II R 34/97, BFH/NV 1999, 1339 m.w.N. Jüptner in F/J/P/W5, § 10 ErbStG Rz. 133. Vgl. zum Problem Geck in Kapp/Ebeling, § 10 ErbStG Rz. 70 (Stand: Juli 2016) m.w.N. BGH v. 13.11.1996 – IV ZR 62/96, NJW 1997, 521. BGH v. 5.12.1996 – V ZB 27/96, NJW 1997, 861. Eine Verpflichtung des Erben kann jedoch für nacheheliche oder nachpartnerschaftliche Unterhaltspflichten gem. § 1586b BGB und § 16 Satz 2 LPartG bestehen. 7 BFH v. 14.11.2007 – II R 3/06, BFH/NV 2008, 574. 8 BFH v. 4.7.2012 – II R 15/11, BStBl. II 2012, 790; hierzu Kobor, FR 2012, 1075; Kirschstein, ErbStB 2012, 291; Milatz/Knepel, DStR 2012, 2527 – anders noch BFH v. 14.11.2007 – II R 3/06, BFH/NV 2008, 574.
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Nachlassverbindlichkeiten (Abs. 5)
Rz. 58 § 10 ErbStG
tung1 folgt, gehören zu den Nachlassverbindlichkeiten jedoch nicht nur die Steuerschulden, die zum Zeitpunkt des Erbfalls bereits rechtlich entstanden sind. Abzugsfähig sind vielmehr auch die Steuerverbindlichkeiten, die der Erblasser als Steuerpflichtiger durch die Verwirklichung von Steuertatbeständen „begründet“ hat und die mit dem Ablauf des Todesjahres entstehen. Demgemäß sind die auf den Erben entfallenden Abschlusszahlungen für die vom Erblasser „herrührende“ Einkommensteuer des Todesjahres als Nachlassverbindlichkeiten gem. § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG abzugsfähig. Der BFH gewinnt dieses Ergebnis durch einen unmittelbaren Rückgriff auf die zivilrechtliche Wertung in § 1967 Abs. 2 BGB. Einen entscheidenden Widerspruch zur Regelung in § 10 Abs. 1 Satz 3 ErbStG, wonach nur rechtlich entstandene Steuererstattungsansprüche zum Erwerb zählen (vgl. Rz. 8), sieht der BFH nicht. bb) „Unbekannte“ Steuern – Steuerhinterziehung Ausgehend von der Überlegung, dass der Erbe Schulden des Erblassers nur dann gem. § 10 Abs. 5 57 Nr. 1 ErbStG abziehen kann, wenn sie im Todeszeitpunkt des Erblassers eine wirtschaftliche Belastung darstellten, hat der BFH2 entschieden, dass vom Erblasser hinterzogene Steuern nur berücksichtigt werden können, wenn die Steuern tatsächlich festgesetzt worden sind oder werden (vgl. Rz. 52). Dieser Linie bleibt der Senat3 treu: Unterrichtet der Erbe das zuständige Finanzamt nach dem Tod des Erblassers über die Steuerangelegenheit, handelt es sich um ein nach dem Bewertungsstichtag eingetretenes Ereignis, das nach dem Stichtagsprinzip (§ 11 ErbStG) bei der Festsetzung der Erbschaftsteuer nicht berücksichtigt werden kann. Das Bereicherungsprinzip des § 10 Abs. 1 Satz 1 ErbStG erfordert es nicht, dass Steuern des Erblassers, die beim Eintritt des Erbfalls keine wirtschaftliche Belastung dargestellt haben und auch später nicht festgesetzt werden und somit den/die Erben endgültig wirtschaftlich nicht belasten, als Nachlassverbindlichkeiten berücksichtigt werden. Das gilt auch dann, wenn der Erbe das zuständige Finanzamt zeitnah nach dem Eintritt des Erbfalls über die Steuerangelegenheit unterrichtet hat und er von diesem Zeitpunkt an mit der Steuerfestsetzung rechnen musste. Für eine Unterscheidung nach dem Zeitpunkt der Unterrichtung des zuständigen Finanzamts gibt es keine Rechtsgrundlage. Ob die Unterrichtung früher oder später erfolgt, wirkt sich auf die mit dem Tod des Erblassers eingetretene Bereicherung des Erben nicht aus, sondern nur, ob die Steuer auch tatsächlich festgesetzt wird und der Erbe durch die Steuerfestsetzung wirtschaftlich belastet ist. Soweit der BFH4 etwas anderes erwogen hat, hält er daran nicht fest. cc) Latente Steuern – Doppelbelastung ErbSt/ESt Der Erbe übernimmt nach dem im Erbschaftsteuerrecht geltenden Stichtagsprinzip (§ 11 ErbStG) 58 das Vermögen in dem Zustand, in dem es beim Tod des Erblassers vorhanden war. Dies schließt die Berücksichtigung sowohl von fiktiven Verbindlichkeiten des Erblassers als auch von zukünftigen Verbindlichkeiten des Erben aus. Der BFH5 schließt hieraus, dass die auf geerbten Forderungen ruhende latente Einkommensteuerlast des Erben bei der Festsetzung der Erbschaftsteuer nicht als Nachlassverbindlichkeit abgezogen werden kann: Gehören zu einem erbschaftsteuerlichen Erwerb festverzinsliche Wertpapiere, sind die bis zum Tod des Erblassers angefallenen, aber noch nicht fälligen Zinsansprüche (sog. Stückzinsen) mit ihrem Nennwert ohne Abzug der Kapitalertragsteuer anzusetzen. Fließen die Zinsen dem Erben zu, kann die dafür bei ihm entstehende Einkommensteuer nicht als Nachlassverbindlichkeit bei der Festsetzung der Erbschaftsteuer abgezogen werden.
1 Vgl. FinMin. BW v. 19.12.2012 – 3-S381.0/36, ErbSt-Kartei BW § 10 ErbStG Karte 28; an R E 10.8 Abs. 3 ErbStR 2011 a.F. wird nicht mehr festgehalten. 2 BFH v. 24.3.1999 – II R 34/97, BFH/NV 1999, 1339. 3 BFH v. 28.10.2015 – II R 46/13, BStBl. II 2016, 477. 4 BFH v. 24.3.1999 – II R 34/97, BFH/NV 1999, 1339. 5 BFH v. 17.2.2010 – II R 23/09, BStBl. II 2010, 641 = FR 2010, 952 m. Anm. Keß = ErbStB 2010, 198; vgl. auch bereits BFH v. 16.8.2006 – II B 144/05, ErbStB 2006, 340 = BFH/NV 2006, 2261.
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§ 10 ErbStG Rz. 59 Steuerpflichtiger Erwerb Der BFH,1 dessen Entscheidung selbst mit einer Verfassungsbeschwerde angefochten wurde,2 nimmt für seine Rechtsauffassung jedoch gerade das BVerfG3 in Anspruch, nach dessen Judikatur es einen Verfassungsrechtssatz des Inhalts, dass alle Steuern zur Vermeidung von Lücken oder von Mehrfachbelastung aufeinander abgestimmt werden müssten, nicht gibt. In einem Vielsteuersystem lassen sich danach Doppelbelastungen nicht vermeiden. So verfängt auch das Argument einer unbeabsichtigten „Doppelbesteuerung“ nicht. Auch der Gesetzgeber geht in § 35b EStG von der Zulässigkeit einer Doppelbelastung von Erwerben mit Einkommensteuer und Erbschaftsteuer aus. c) Pflege- und sonstige Dienstleistungen 59
Ein Abzug als Nachlassverbindlichkeit für dem Erblasser von einem Dritten erbrachte Pflege- und sonstige Dienstleistungen kommt nur in Betracht, wenn festgestellt werden kann, dass zwischen dem Erblasser und dem Dritten ein Schuldverhältnis bestanden hatte aufgrund dessen der Erblasser berechtigt war, vom Dritten die entsprechenden Leistungen zu fordern (§ 241 Satz 1 BGB) und der Dritte berechtigt war, die vereinbarte Vergütung geltend zu machen (vgl. § 611 BGB) oder wenn dem Dritten aus anderen Gründen (z.B. aus § 612 Abs. 1 BGB) ein Anspruch auf Vergütung gegen den Erblasser zustand. Dass sich der Erblassers „für berechtigt“ hielt, Ansprüche an den Dritten zu stellen, besagt nicht, dass der Erblasser von einer rechtlichen Verpflichtung des Dritten ausging; eine (bloß) moralische Verpflichtung, die durch diesen Befund ebenfalls gedeckt ist, reicht nicht aus4 (vgl. Rz. 53). Verspricht der Erblasser, jemanden als Entgelt für Dienstleistungen durch eine letztwillige Verfügung zu bedenken, so ist dieses Versprechen ist zwar nach § 2302 BGB (Einschränkung der Testierfreiheit) ungültig. Gleichwohl kann dieses Versprechen gem. § 612 Abs. 1, 2 BGB einen Anspruch des Dienstverpflichteten auf Vergütung (ggf. auf Ersatz der Aufwendungen, § 670, § 675 BGB) begründen. Ergibt sich aber aus den Umständen, dass die Dienstleistung nicht unentgeltlich erfolgen sollte, hat der Dienstverpflichtete nach § 612 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 BGB Anspruch auf die übliche Vergütung. Ein solches Versprechen kann demnach zu abzugsfähigen Erblasserschulden nach § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG führen;5 ein Abzug als Nachlassverbindlichkeiten im Rahmen des § 10 Abs. 5 Nr. 3 ErbStG scheidet aus. Neben dem Abzug als Erblasserschuld steht dem Steuerpflichtigen der Freibetrag nach § 13 Abs. 1 Nr. 9 ErbStG für Pflegeleistungen grundsätzlich nicht zu. Die Gewährung des Freibetrags ist nachrangig, denn im Fall eines entgeltlichen Leistungsaustauschs ist die Tatbestandsvoraussetzung des § 13 Abs. 1 Nr. 9 ErbStG, dass die Pflege „unentgeltlich“ erbracht worden ist, nicht erfüllt.6 d) Sonstige Einzelfälle
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Gesellschaftsanteil an einer vermögensverwaltenden Personengesellschaft: Nach § 10 Abs. 1 Satz 4 ErbStG gilt der Erwerb einer Beteiligung an einer Personengesellschaft, die kein Betriebsvermögen hat, als Erwerb der anteiligen Wirtschaftsgüter; die dabei übergehenden Schulden der Gesellschaft sind bei der Ermittlung der Bereicherung des Erwerbers wie eine Gegenleistung zu behandeln (vgl. Rz. 9 f.). Beim Erwerb eines solchen Gesellschaftsanteils von Todes wegen (§ 3 ErbStG) kann der Erwerber die anteiligen Gesellschaftsschulden als Nachlassverbindlichkeiten abziehen.7 Kaufverträge u. dgl.: Wenn der Erblasser ein Grundstück verkauft und verstirbt, bevor es zur Übereignung gekommen ist, kann der Erbe die Übereignungsverpflichtung nach § 433 Abs. 1 BGB als Erblasserschuld nach § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG zum Abzug bringen.8 Die in der Vergangenheit viel diskutierte Frage, ob der gegen den Erben gerichtete Übereignungsanspruch als Sachleistungsver1 2 3 4 5 6 7 8
BFH v. 17.2.2010 – II R 23/09, BStBl. II 2010, 641 = FR 2010, 952 m. Anm. Keß = ErbStB 2010, 198. BVerfG v. 7.9.2010 – 1 BvR 1432/10, WM 2015, 1121. BVerfG v. 8.1.1999 – 1 BvL 14/98, BStBl. II 1999, 152. Vgl. BFH v. 9.11.1994 – II R 111/91, BFH/NV 1995, 598. Vgl. BFH v. 9.11.1994 – II R 110/91, BStBl. II 1995, 62. BFH v. 28.6.1995 – II R 80/94, BStBl. II 1995, 784; R E 13.5 Abs. 2 Satz 1 ErbStR 2011. Vgl. R E 10.4 Abs. 2 Satz 4 ErbStR 2011. Vgl. zur Problematik BFH v. 15.10.1997 – II R 68/95, BStBl. II 1997, 820.
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Nachlassverbindlichkeiten (Abs. 5)
Rz. 61 § 10 ErbStG
pflichtung mit dem gemeinen Wert (Verkehrswert) oder mit dem Steuerwert des Grundstückes zu bewerten war, sollte sich mit der Erhebung des gemeinen Werts zum Steuerwert des Grundstückes nach § 177 BewG entschärft haben (hierzu Rz. 27 f.). War der Erblasser bei seinem Tod noch zivilrechtlicher Eigentümer des Grundstücks, so ist das Grundstück dem Erblasser zuzurechnen, unabhängig davon, ob beim Tode des Erblassers der Grundstückskäufer gem. § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO wirtschaftlicher Eigentümer des Grundstücks geworden ist.1 Die Finanzverwaltung2 hat ausführlich zur (bewertungsrechtlichen) Behandlung von Sachleistungsansprüchen aus gegenseitigen Verträgen Stellung genommen. „Überlast“: Bei dem Erwerb von denkmalgeschützten Schlössern, Burgen und Herrenhäusern geht auch die Finanzverwaltung3 davon aus, dass die zu erhaltende Bausubstanz in einem groben Missverhältnis zu dem durch sie vermittelten Nutzen steht. Bei der Ermittlung des steuerpflichtigen Erwerbs wird in Höhe der hierdurch verursachten zusätzlichen Instandhaltungskosten eine ernstliche wirtschaftliche Belastung (Überlast) als Nachlassverbindlichkeit anerkannt. Für die abzugsfähige Überlast werden als jährliche Pauschalsätze ausgewiesen. Zugewinnausgleich: Der Zugewinnausgleichsforderung, die dem überlebenden Ehegatten, der weder Erbe noch Vermächtnisnehmer geworden ist, zum Ausgleich des Zugewinns nach den Vorschriften der §§ 1371 bis 1383, 1390 BGB beim Tode des anderen Ehegatten zusteht (§ 1371 Abs. 2 BGB – „güterrechtliche Lösung“), entspricht beim Erben eine Nachlassverbindlichkeit in der Form einer Erblasserschuld. Zwar hat den Erblasser selbst nie eine Verpflichtung getroffen; die Ausgleichsforderung rührt jedoch aus einem Dauerrechtsverhältnis her, in dem der Erblasser zu Lebzeiten stand und das sich im Zeitpunkt seines Todes zur Ausgleichsforderung verengt hat. Die Erben können diese Nachlassverbindlichkeit nach § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG von ihrem Erwerb abziehen.4 Die Ausgleichsforderung ist eine Geldforderung. Der Abzug nach § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG hat zum Nennwert zu erfolgen (§ 12 Abs. 1 ErbStG, § 12 Abs. 1 BewG); dies gilt auch dann, wenn Erfüllungsabreden getroffen werden. 3. Nicht abzugsfähige Erblasserschulden (Abs. 5 Nr. 1 Halbs. 2) Nicht abzugsfähig sind Erblasserschulden, soweit sie mit einem zum Erwerb gehörenden Gewerbe- 61 betrieb oder land- und forstwirtschaftlichen Betrieb (oder jeweils einem Anteil hieran) in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen und bereits bei der Bewertung dieser wirtschaftlichen Einheit berücksichtigt worden sind. Es handelt sich hierbei um eine notwendige Bestimmung in Anpassung an das geltende Bewertungsverfahren,5 mit der verhindert werden soll, dass betriebliche Schulden doppelt berücksichtigt werden: Zwar erfolgt die Bewertung des Betriebsvermögen grundsätzlich nach Vergleichs- bzw. Ertragswertverfahren, § 12 Abs. 5 ErbStG, §§ 151 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, 95; §§ 109, 11 Abs. 2 Satz 2 BewG. Jedoch ist stets als Mindestwert der Substanzwert nach § 11 Abs. 2 Satz 3 BewG zu berücksichtigen; im Rahmen der hier zu fertigenden Vermögensaufstellung6 sind betriebliche Schulden anzusetzen, § 103 Abs. 1 BewG. Vergleichbares gilt für die Bewertung des land- und forstwirtschaften Vermögens, welches nach heutigem Recht ebenfalls einen unter Berücksichtigung von Verbindlichkeiten ermittelten Mindestwert kennt (vgl. § 164 Abs. 1 i.V.m. Abs. 6 BewG). Die Vorschrift weist Parallelen auf zum Verbot der Doppelberücksichtigung von Nutzungsrechten an Grundstücken nach § 10 Abs. 6 Satz 6 ErbStG (vgl. Rz. 93).
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Vgl. zur Problematik BFH v. 15.10.1997 – II R 68/95, BStBl. II 1997, 820. H E 12.2 ErbStH 2011 „Behandlung von Sachleistungsansprüchen aus gegenseitigen Verträgen“. Vgl. R E 10.6 ErbStR 2011. Vgl. BFH v. 1.7.2008 – II R 71/06, BStBl. II 2008, 874 = FR 2009, 245. Vgl. BR-Drucks. 4/08, 50. Vgl. R B 11.4 ErbStR 2011.
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§ 10 ErbStG Rz. 62 Steuerpflichtiger Erwerb
III. Erbfallschulden (Abs. 5 Nr. 2) 1. Verbindlichkeiten aus Vermächtnissen 62
Wendet der Erblasser durch Testament einem anderen, ohne ihn als Erben einzusetzen, einen Vermögensvorteil zu, so liegt nach der Legaldefinition des § 1939 BGB ein Vermächtnis vor. Die Forderung des Vermächtnisnehmers entsteht nach § 2176 BGB grundsätzlich mit dem Erbfall (Anfall des Vermächtnisses); eine „Annahme“ des Vermächtnisses ist nicht erforderlich. Mit einem Vermächtnis wird der Erbe – oder wiederum ein Vermächtnisnehmer (Untervermächtnis) – beschwert; grundsätzlich ist der Erbe beschwert:1 Durch das Vermächtnis wird nach § 2174 BGB für den Bedachten das Recht begründet, von dem Beschwerten die Leistung des Vermächtnisgegenstandes zu fordern. Ist der Beschwerte Erbe, so ist die Forderung des Vermächtnisnehmers Nachlassverbindlichkeit i.S.d. § 1967 BGB. Der mit einem Vermächtnis belastete Erbe hat nur den Wert seines Erwerbs abzgl. des Vermächtnisses zu versteuern, da die Vermächtnislast nach § 10 Abs. 5 Nr. 2 ErbStG bereicherungsmindernd vom Erbanfall abgezogen werden kann, während der Vermächtnisnehmer korrespondierend seinen Erwerb gem. § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG der Erbschaftsteuer zu unterwerfen hat. Eine Ausschlagung des Vermächtnisses nach § 2180 BGB bewirkt, dass der Anfall des Vermächtnisses als nicht erfolgt gilt (§ 2180 Abs. 3, § 1953 Abs. 1 BGB), die steuerlichen Folgen entfallen damit rückwirkend. Das testamentarische Vermächtnis bedarf der Form letztwilliger Verfügungen (vgl. z.B. §§ 2231, 2247 BGB: „eigenhändiges“ Testament); bei Nichtbeachtung der Formvorschriften ist die Verfügung nach § 125 Satz 1 BGB zivilrechtlich nichtig. Wird ein Vermächtnis ausgeführt, obwohl es formunwirksam ist, und beruht die Ausführung der Verfügung auf der Beachtung des erblasserischen Willens, den Begünstigter und Belasteter anerkennen, ist das wirtschaftliche Ergebnis dieses Vollzugs erbschaftsteuerrechtlich nach Auffassung des BFH2 aber gleichwohl nach § 41 Abs. 1 AO zu beachten (vgl. Rz. 16). Neben der entreichernden Wirkung des § 10 Abs. 5 Nr. 2 ErbStG verliert der Erwerber allerdings die Privilegierungen für Betriebsvermögen und zu Wohnzwecken vermieteten Grundstücken, wenn er das begünstigte Vermögen aufgrund eines Vermächtnisses auf einen Dritten übertragen muss, vgl. § 13a Abs. 3 Satz 1 ErbStG und § 13c Abs. 2 Satz 1 ErbStG. Zahlungen i.S.d. § 3 Abs. 2 Nr. 4 ErbStG, die ein Erbe als Abfindung für einen Verzicht auf ein Vermächtnisses gewährt, sind gleichfalls nach § 10 Abs. 5 Nr. 2 ErbStG abzugsfähig.3
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Kaufrechtsvermächtnis: Der Bedachte erwirbt mit dem Tod des Erblassers ein Recht, das es dem Bedachten ermöglicht, einen (schuldrechtlichen) Anspruch auf Übertragung des Gegenstands aus dem Nachlass gegen Zahlung des vom Erblasser festgelegten Preises zu begründen. Abzugsfähig für den mit dem Vermächtnis belasteten Erben ist der Wert des Vermächtnisgegenstands (beispielsweise eines Grundstückes) abzgl. der Gegenleistung.4 Sachvermächtnis: Sachvermächtnisse sind – im Gegensatz zu Wert- bzw. Geldvermächtnissen – auf die Übertragung eines bestimmten Gegenstands aus dem Nachlass gerichtet. Entsprechend der allgemeinen Problematik der Bewertung von Sachleistungsansprüchen (vgl. Rz. 27 f.) stellt sich auch hier die Frage der Bewertung. Bevor das ErbStRG 20095 den Verkehrswert zum Steuerwert bestimmt hatte, war der BFH der Auffassung, der dem Vermächtnisnehmer zustehende Leistungsanspruch (§ 2174 BGB) und die diesem Anspruch gegenüberstehende Verpflichtung z.B. des beschwerten Erben seien nicht mit dem gemeinen Wert des Anspruchs (§ 12 Abs. 1 ErbStG i.V.m. § 9 BewG) anzusetzen, sondern mit dem bei dem Erben und dessen Erwerb maßgebenden Steuerwert. Heute sollte sich diese Problematik im Hinblick auf die Regelungen in § 109 Abs. 1 Satz 1 BewG, § 177 BewG und § 9 BewG für erledigt haben. 1 Vgl. Ebeling in Kapp/Ebeling, § 3 ErbStG Rz. 154 ff. (Stand: Juni 2015). 2 Allgemein zu Verfügung von Todes wegen BFH v. 2.12.1969 – II 120/64, BStBl. II 1970, 119; v. 22.9.2010 – II R 46/09; zu Vermächtnissen vgl. BFH v. 15.3.2000 – II R 15/98, BStBl. II 2000, 588 = FR 2000, 830 m. Anm. Viskorf; v. 28.3.2007 – II R 25/05, BStBl. II 2007, 461 = FR 2007, 932 = ErbStB 2007, 196. 3 Vgl. auch Jüptner in F/J/P/W5, § 10 ErbStG Rz. 187. 4 Vgl. auch Meincke16, § 10 ErbStG Rz. 38. 5 Gesetz v. 24.12.2008, BGBl. I 1974, 933.
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Nachlassverbindlichkeiten (Abs. 5)
Rz. 65 § 10 ErbStG
Verschaffungsvermächtnis: Befindet sich der Gegenstand des Vermächtnisses nicht im Nachlass, hat der Beschwerte den Gegenstand dem Bedachten zu verschaffen, § 2170 BGB. Maßgeblich für den Abzug nach § 10 Abs. 5 Nr. 2 ErbStG ist der (Steuer-)Wert des entsprechenden Gegenstandes. Wird ein Verschaffungsvermächtnis in anderer Weise erfüllt, so tritt die tatsächliche Leistung nicht an die Stelle des vermachten Gegenstandes.1 Vorausvermächtnis: Bei dem einem der Erben zugewendete Vermächtnis handelt es sich um ein Vorausvermächtnis, § 2150 BGB. Dieses Vorausvermächtnis stellt bei dem Erben eine abziehbare Nachlassverbindlichkeit i.S.d. § 10 Abs. 5 Nr. 2 ErbStG dar und beim Vermächtnisnehmer – dem Miterben – einen weiteren Erwerb von Todes wegen, § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG. Maßgebliches Abgrenzungskriterium zur Teilungsanordnung ist ein Mehrbetrag, der zusätzlich zu dem Erbteil zugewendet sein soll2 (vgl. Rz. 22). Wertvermächtnis: Im Gegensatz zum Sachvermächtnis ist das Wertvermächtnis auf Leistungen eines Wertes, i.d.R. eines Geldbetrages gerichtet. Es handelt sich dann um eine Forderung, die gem. § 12 Abs. 1 Satz 1 BewG grundsätzlich mit dem Nennwert zu bewerten ist. 2. Verbindlichkeiten aus Auflagen a) Grundsätze Verpflichtet der Erblasser durch Testament den Erben oder einen Vermächtnisnehmer zu einer Leis- 64 tung, ohne einem anderen ein Recht auf diese Leistung zuzuwenden, so handelt es sich um eine Auflage, § 1940, §§ 2192 ff. BGB. Der Beschwerte ist freilich zur Vollziehung der Auflage verpflichtet; dies können der Erbe (falls ein Vermächtnisnehmer beschwert ist), der Miterbe und derjenige verlangen, welchem der Wegfall des mit der Auflage zunächst Beschwerten unmittelbar zustattenkommen würde. Der Wert der Auflage ist als Nachlassverbindlichkeit i.S.d. § 10 Abs. 5 Nr. 2 ErbStG abzugsfähig; einer „Geltendmachung“ der Auflage bedarf es nicht. Grundsätzlich korrespondiert diese Abzugsfähigkeit mit der Verpflichtung des Begünstigten, das infolge der Vollziehung der Auflage erlangte als Erwerb nach § 3 Abs. 2 Nr. 2 ErbStG zu versteuern. Die Auflage kann jedoch bereits als Nachlassverbindlichkeit abgezogen werden, bevor der Begünstigte die Auflage nach § 3 Abs. 2 Nr. 2 i.V.m. § 9 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. d ErbStG zu versteuern hat;3 für die Besteuerung ist die „Vollziehung“ notwendig (vgl. § 9 ErbStG Rz. 74). Fehlt es an der Person eines Begünstigten, weil die Auflage einem bestimmten Zweck zukommen soll, schadet dies der Abzugsfähigkeit der Auflage insoweit nicht, als eine eigenständige Besteuerung wegen „Zweckzuwendung“ eingreift: Zweckzuwendungen sind nach § 8 ErbStG Zuwendungen von Todes wegen oder freigebige Zuwendungen unter Lebenden, die mit der Auflage verbunden sind, zugunsten eines bestimmten Zwecks verwendet zu werden, soweit hierdurch die Bereicherung des Erwerbers gemindert wird.4 Eine nach § 10 Abs. 5 Nr. 2 ErbStG als Nachlassverbindlichkeit abziehbare Auflage i.S.d. § 8 ErbStG (Zweckzuwendung) liegt jedoch nur vor, wenn diese Auflage eine rechtliche Verpflichtung des Erben begründet; die mit einem übertragenen Gegenstand einhergehenden Folgelasten sind für sich kein Auflage.5 Auflagen, die dem Beschwerten selbst zugutekommen, dürfen nicht abgezogen werden, § 10 Abs. 9 ErbStG (vgl. Rz. 96). b) Grabpflege als Auflage Der Erbe hat nach § 1968 BGB die Kosten einer standesgemäßen Beerdigung zu tragen. Unbeschadet 65 dessen kann ihm der Erblasser durch Testament hinsichtlich der Beerdigung, des Grabes und der 1 BFH v. 25.10.1995 – II R 5/92, BStBl. II 1996, 97. 2 BFH v. 6.10.2010 – II R 29/09, BFH/NV 2011, 603 unter Bezugnahme u.a. auf BGH v. 15.10.1997 – IV ZR 327/96, NJW 1998, 682. 3 Vgl. Gebel in T/G/J, § 10 ErbStG Rz. 185 (Stand: April 2016). 4 BFH v. 30.9.1987 – II R 122/85, BStBl. II 1987, 861. 5 BFH v. 29.6.2009 – II B 149/08, BFH/NV 2009, 1655.
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§ 10 ErbStG Rz. 66 Steuerpflichtiger Erwerb Grabpflege Auflagen i.S.d. § 1940 BGB machen.1 Denn durch Auflage kann dem Erben ein Tun oder Unterlassen jeglicher Art auferlegt werden. Die Verpflichtung des Erben, das Grab des Erblassers zu pflegen, ist in diesem Fall eine Auflage, aber keine Zweckzuwendung, da die Auflage einer Person zugutekommt. Ein für die Grabpflege bestimmte Geldbetrag ist bei den Erben als Nachlassverbindlichkeit i.S.d. § 10 Abs. 5 Nr. 2 ErbStG abzugsfähig. Fraglich ist, ob der Pauschbetrag i.H.v. 10 300 Euro nach § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 2 ErbStG für die Kosten der übliche Grabpflege (vgl. Rz. 75) zusätzlich zum Abzug als Auflage zu gewähren ist. Während dies in Rechtsprechung und Literatur unterschiedlich gesehen wird,2 bleibt nach Auffassung der Finanzverwaltung3 § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 2 ErbStG unberührt, obwohl bei den Erben Grabpflegekosten i.S.d. § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 1 ErbStG nicht anfallen. 3. Verbindlichkeiten aus geltend gemachten Pflichtteilen 66
Nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG gilt als Erwerb von Todes wegen u.a. der Erwerb aufgrund eines geltend gemachten Pflichtteilsanspruchs nach den §§ 2303 ff. BGB. Die entsprechende Erbschaftsteuer entsteht nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b ErbStG mit dem Zeitpunkt der Geltendmachung des Anspruchs. Dem bloßen Entstehen des Anspruchs mit dem Erbfall (§ 2317 Abs. 1 BGB) kommt erbschaftsteuerrechtlich noch keine Bedeutung zu. Damit korrespondierend kann der Erbe gem. § 10 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. Abs. 5 Nr. 2 ErbStG vom Wert des gesamten Vermögensanfalls ebenfalls nur die Verbindlichkeiten aus geltend gemachten Pflichtteilen abziehen. Das bloße Bestehen von Pflichtteilsverbindlichkeiten ist auch insoweit ohne steuerrechtliche Bedeutung.4 Die „Geltendmachung“ des Pflichtteilsanspruchs besteht in dem ernstlichen Verlangen auf Erfüllung des Pflichtteilsanspruchs gegenüber dem Erben. Der Berechtigte muss seinen Entschluss, die Erfüllung des Pflichtteils zu verlangen, in geeigneter Weise bekunden (vgl. Rz. 23). Hat der Pflichtteilsberechtigte gegenüber den Erben nur einen Teil seines Pflichtteilsanspruchs geltend gemacht, entsteht nur in dieser Höhe die Erbschaftsteuer bzw. kann der Erbe nur in dieser Höhe Nachlassverbindlichkeiten geltend machen. Das Gleiche gilt, wenn sich der Pflichtteilsberechtigte nach ernstlichem Streit über die Höhe seines Pflichtteils vergleichsweise mit weniger zufrieden gibt, als er beansprucht hat und ihm zusteht.5 Ist der Pflichtteilsberechtigte der Alleinerbe des Verpflichteten, so bleibt nach der Rechtsprechung des BFH6 trotz des zivilrechtlichen Erlöschens des Pflichtteilsanspruchs erbschaftsteuerrechtlich sein Recht zur Geltendmachung des Pflichtteils als Folge der Regelung in § 10 Abs. 3 ErbStG bestehen. Beispiel: Vater V wird aufgrund eines Berliner Testaments von der Ehefrau und Mutter M alleine beerbt (Erbfall 1). Nach dem Tod der M (Erbfall 2) macht das alleine erbende Kind K seinen Pflichtteil auf das Ableben des Vaters (Erbfall 1) geltend. Der Pflichtteil kann grundsätzlich vom Erwerb nach M abgezogen werden.
Erklärt der Berechtigte in einem solchen Fall gegenüber dem Finanzamt, er mache den Anspruch geltend, ist dies erbschaftsteuerrechtlich unabhängig davon zu berücksichtigen, ob der Verpflichtete damit rechnen musste, den Anspruch zu Lebzeiten erfüllen zu müssen. Eine Berücksichtigung des geltend gemachten Pflichtteilsanspruches ist verfahrensrechtlich als „rückwirkendes Ereignis“ i.S.d. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO möglich. Die nachträgliche Geltendmachung des Pflichtteilsanspruchs muss freilich innerhalb der i.d.R. dreijährigen Verjährungsfrist nach §§ 195, 202 BGB erfolgen. Die Abzugsfähigkeit einer Pflichtteilsverbindlichkeit gem. § 10 Abs. 5 Nr. 2 ErbStG setzt allerdings lediglich diese Geltendmachung des Pflichtteils und nicht die Erfüllung dieser Geldschuld voraus.7 Bei Pflichtteilsverbindlichkeiten handelt es sich gem. § 2303 Abs. 1 Satz 2 BGB um Geld(sum1 Es kann um die Pflege des Grabs des Erblassers oder auch einer dritten Person gehen; vgl. Jüptner in F/J/P/W5, § 10 ErbStG Rz. 180. 2 Für die Gewährung des Pauschbetrags Gebel in T/G/J, § 10 ErbStG Rz. 200 (Stand: Januar 2012); a.A. Meincke16, § 10 ErbStG Rz. 42 und FG Nürnberg v. 18.3.1999 – IV 353/98, EFG 1999, 1040. 3 So die FinVerw. in H E 10.7 ErbStH 2011 „Behandlung von Grabpflegekosten“ Nr. 5. 4 BFH v. 31.3.2010 – II R 22/09, BStBl. II 2010, 806 = ErbStB 2010, 231. 5 BFH v. 21.8.2015 – II B 126/14, DStZ 2015, 817. 6 BFH v. 19.2.2013 – II R 47/11, BStBl. II 2013, 332 = ErbStB 2013, 138. 7 BFH v. 30.4.2003 – II R 6/01, BFH/NV 2004, 341.
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Nachlassverbindlichkeiten (Abs. 5)
Rz. 68 § 10 ErbStG
men)schulden, die nach Geltendmachung gem. § 12 Abs. 1 ErbStG i.V.m. § 12 Abs. 1 BewG mit dem Nennwert abzuziehen sind. Der Pflichtteilsberechtigte steht in keiner Rechtsbeziehung zu einzelnen Nachlassgegenständen, aufgrund derer er die Eigentumsübertragung einzelner Gegenstände verlangen könnte. Die geltend gemachte Pflichtteilsverbindlichkeit ist deshalb beim Erben auch dann mit dem Nennwert als Nachlassverbindlichkeit abzuziehen, wenn sie durch Übertragung eines Nachlassgrundstücks an Erfüllungs statt erfüllt wird.1 Zahlungen i.S.d. § 3 Abs. 2 Nr. 4 ErbStG, die ein Erbe als Abfindung für einen Verzicht auf einen entstandenen Pflichtteilsanspruch gewährt, sind gleichfalls nach § 10 Abs. 5 Nr. 2 ErbStG abzugsfähig.2 4. Verbindlichkeiten aus geltend gemachten Erbersatzansprüchen In der Vergangenheit wurde das Erbrecht des nichtehelichen Kindes nach seinem Vater (und umge- 67 kehrt) gem. § 1934a BGB a.F. durch einen Geldanspruch gegen die Erben in Höhe des Wertes des Erbteils ersetzt.3 Dieser Erbersatzanspruch trat an die Stelle der dinglichen Nachlassbeteiligung, u.a. wenn das nichteheliche Kind neben ehelichen Abkömmlingen oder neben den überlebenden Ehegatten des Vaters zur Erbfolge gelangte. Durch das Erbrechtsgleichstellungsgesetz4 wurde diese Regelung aufgehoben. Die seit dem 1.7.1949 geborenen nichtehelichen Kinder sind bei Erbfällen nach dem 31.3.1998 den ehelichen Kindern erbrechtlich gleichgestellt. Mit dem ErbStRG 20095 ist der Erbersatzanspruch als Erwerbstatbestand in § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG gestrichen; die Erwähnung in § 10 Abs. 5 Nr. 2 ErbStG dürfte ebenfalls keine praktische Bedeutung mehr haben.
IV. Sonstige Nachlassverbindlichkeiten (Abs. 5 Nr. 3) 1. Abzugsfähige Kosten (Abs. 5 Nr. 3 Satz 1) a) Kosten der Bestattung des Erblassers Nach § 1968 BGB trägt der Erbe die Kosten der Beerdigung des Erblassers; die Streichung des Tat- 68 bestandsmerkmals „standesgemäß“ hat keine Änderung in der Sache gebracht. Der zivilrechtliche Begriff der Beerdigungskosten entspricht weitgehend dem steuerrechtlichen Tatbestandsmerkmal der „Bestattung des Erblassers“,6 so dass für die Rechtsanwendung bürgerlich-rechtliche Grundsätze herangezogen werden dürfen. Der Erbe muss also über das unbedingt Notwendige hinaus die Kosten für alles das auf sich nehmen, was nach den in den Kreisen des Erblassers herrschenden Auffassungen und Gebräuchen zu einer würdigen und angemessenen Bestattung gehört. An dem hierzu Erforderlichen findet die Verpflichtung des Erben aber auch ihre Grenze. Ferner beschränkt sich die Kostentragung auf das, was für die „Beerdigung“ (Bestattung), d.h. für den Beerdigungsakt selbst erforderlich ist. Dieser Beerdigungsakt findet seinen Abschluss mit der Herrichtung einer zur Dauereinrichtung bestimmten und geeigneten Grabstätte. Die Kostentragungspflicht des Erben ist weiter beschränkt auf die Kosten der Beerdigung des Erblassers selbst.7 Neben eigentlichen Beerdigungskosten werden auch weitere Kosten wie für Todesanzeigen und Danksagungen geltend gemacht werden können;8 in der Literatur werden darüber hinaus weitere Positionen der Bestattungskosten als abzugsfähig aufgezählt (z.B. Trauerkleidung, Doppelgrab).9
1 BFH v. 7.10.1998 – II R 52/96, BStBl. II 1999, 23 = FR 1999, 663 m. Anm. Viskorf – a.A. noch BFH v. 17.2.1982 – II R 160/80, BStBl. II 1982, 350. 2 Vgl. auch Jüptner in F/J/P/W5, § 10 ErbStG Rz. 187. 3 Vgl. Meincke16, § 3 ErbStG Rz. 36 ff. 4 Gesetz v. 16.12.1997, BGBl. I 1997, 2968. 5 Gesetz v. 24.12.2008, BGBl. I 1974, 933. 6 Vgl. Jüptner in F/J/P/W5, § 10 ErbStG Rz. 201. 7 Vgl. etwa BGH v. 20.9.1973 – III ZR 148/71, VersR 1974, 140. 8 Vgl. Jüptner in F/J/P/W5, § 10 ErbStG Rz. 201. 9 Vgl. Jochum in Wilms/Jochum, § 10 ErbStG Rz. 148 (Stand: Mai 2015).
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§ 10 ErbStG Rz. 69 Steuerpflichtiger Erwerb Nach Auffassung der Finanzverwaltung1 besteht im Steuerrecht abweichend von § 1968 BGB, wonach die Kosten der standesgemäßen Beerdigung des Erblassers nur den Erben treffen, grundsätzlich für jeden Erwerber, also z.B. auch für den Vermächtnisnehmer oder Pflichtteilsberechtigten, die Möglichkeit, die genannten Kosten steuermindernd geltend zu machen. Voraussetzung für den Abzug beim einzelnen Erwerber soll allerdings sein, dass eine Verpflichtung zur Kostenübernahme besteht, wobei neben einer rechtlichen auch eine sittliche Verpflichtung ausreichend sein soll. Damit wird der Kreis der Abzugsberechtigten deutlich erweitert, da beispielsweise auch der die Erbschaft ausschlagende Ehegatte als weiterhin Pflichtteilsberechtigter (§ 2303 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 1371 Abs. 3 BGB) Kosten geltend machen kann. Dass die Finanzverwaltung ihre Rechtsaufassung im Hinblick auf den „Pauschbetrag für Nachlassverbindlichkeiten“ äußert, sollte einer Anwendung der Grundsätze auch bei Geltendmachung der tatsächlichen Kosten nicht entgegenstehen. b) Kosten für ein Grabdenkmal 69
Die Ausgaben sind nicht auf die eigentlichen Kosten einer Beerdigung beschränkt, wie z.B. die Aufwendungen für ein Nutzungsrecht an der Grabstätte und die Kosten des Bestatters, sondern erstrecken sich auch auf die weiteren sich aus der Beerdigung ergebenden Verbindlichkeiten. Dazu gehören die Kosten eines Grabsteins. Die Kosten für ein Grabdenkmal erstrecken sich aber auch auf die Errichtung des Grabsteins, der Grabeinfassung und dgl.2 Die Kosten für das Grabdenkmal müssen allerdings „angemessen“ sein, d.h. wie sie in den Kreisen des Verstorbenen üblich und Brauch sind und seinen Verhältnissen entsprechen. c) Kosten für die übliche Grabpflege
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Nach § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 1 ErbStG sind als Nachlassverbindlichkeiten u.a. die Kosten für die übliche Grabpflege mit ihrem Kapitalwert für eine unbestimmte Dauer abzugsfähig. Unter Grabpflegekosten sind die am Bestattungsort allgemein erforderlichen Aufwendungen für die Grabpflege zu verstehen. Die Kosten einer weiten Anreise zum Friedhof und damit zusammenhängender Übernachtungs- und Verpflegungsaufwand sind z.B. nicht abzugsfähig.3 Für den Abzug dieser Grabpflegekosten, die nicht zu den von der Kostentragungspflicht des Erben umfassten Beerdigungskosten i.S.d. § 1968 BGB gehören, bedarf es keiner rechtlichen Verpflichtung der Erben. Es genügt vielmehr, dass solche Kosten in der Person eines Erwerbers tatsächlich entstanden sind bzw. künftig noch entstehen werden und dass sie durch den Sterbefall veranlasst sind. Abzugsfähig sind aber nur die Kosten der „üblichen“ Grabpflege, d.h. die Aufwendungen, die bei der Inanspruchnahme von Fremdleistungen nach den üblichen Mittelpreisen des Liegeortes zu erwarten sind (vgl. § 15 Abs. 2 BewG).4 Diese fortlaufend anfallenden Kosten können überdies nur mit ihrem Kapitalwert i.S.d. § 13 Abs. 2 BewG – d.h., mit dem 9,3-fachen der jährlichen Kosten – abgezogen werden. Dass die tatsächliche „Liegezeit“ u.U. deutlich länger ist, kann den Abzug eines über diesen Kapitalwert hinausgehenden Betrages nicht rechtfertigen.5 d) Kosten für die Abwicklung/Regelung/Verteilung des Nachlasses aa) Grundsatz
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Der Begriff der Nachlassabwicklungskosten i.S.d. § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 1 ErbStG erfasst diejenigen Kosten, die dem Erwerber unmittelbar im Zusammenhang mit der Abwicklung, Regelung oder Verteilung des Nachlasses entstehen. Erforderlich ist damit ein unmittelbarer sachlicher sowie gegenständlicher Zusammenhang zwischen der Abwicklung, Regelung oder Verteilung des Nachlasses und den betreffenden Aufwendungen. Dieses Erfordernis des unmittelbaren Sachzusammenhangs schließt es aus, alle auch nur in einem mehr oder weniger entfernten Veranlassungszusammenhang 1 2 3 4 5
R E 10.9 Abs. 2 ErbStR 2011. Vgl. OLG Düsseldorf v. 23.6.1994 – 18 U 10/94, NJW-RR 1995, 1161. OFD Magdeburg v. 4.3.2010 – S 3810-11-St 271, ErbSt-Kartei ST § 10 ErbStG Karte 2. FG Thür. v. 17.3.2010 – 4 K 856/08, EFG 2010, 1332. BFH v. 7.10.1981 – II R 16/80, BStBl. II 1982, 28.
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Nachlassverbindlichkeiten (Abs. 5)
Rz. 72 § 10 ErbStG
stehenden Aufwendungen zu berücksichtigen.1 Gleichwohl soll der Begriff „Kosten der Regelung des Nachlasses“ weit auszulegen sein:2 Er umfasst danach nicht nur die Kosten der tatsächlichen und rechtlichen Feststellung des Nachlasses, sondern auch alle Kosten, die aufgewendet werden müssen, um die Erben in den Besitz der ihnen aus der Erbschaft zukommenden Güter zu setzen. Letztlich ist der Abzugstatbestand gegenüber den bloßen Kosten für die Verwaltung des Nachlasses abzugrenzen, welche nach § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 3 ErbStG ausdrücklich nicht abzugsfähig sind. Zu den Kosten für die „Verteilung des Nachlasses“ gehören insbesondere die Aufwendungen für die Auseinandersetzung einer Erbengemeinschaft gem. § 2042 BGB. Hierzu zählen insbesondere die Aufwendungen für die durch einen Sachverständigen vorgenommene Bewertung der Nachlassgegenstände, wenn diese auf der Grundlage der Bewertung in das Alleineigentum einzelner Miterben übertragen werden sollen, ferner die für die Übertragung der Nachlassgegenstände, insbesondere von Grundbesitz, auf die Miterben entstandenen Notariats- und Gerichtskosten, die Aufwendungen für die anwaltliche Beratung und außergerichtliche und gerichtliche Vertretung der Miterben bei der Erbauseinandersetzung sowie die bei einem etwaigen Rechtsstreit der Miterben über die Auseinandersetzung angefallenen Gerichtskosten.3 bb) Einzelfälle Rechtsverfolgung:4 Die dem Steuerpflichtigen entstehenden Kosten einer Rechtsvertretung im (erb- 72 schaftsteuerlichen) Steuerfestsetzungs- und Wertfeststellungsverfahren sind nicht als Nachlassverbindlichkeit abzuziehen. Dies ergibt sich aus § 10 Abs. 8 ErbStG, wonach die vom Erwerber zu entrichtende eigene Erbschaftsteuer nicht als Nachlassverbindlichkeit i.S.d. § 10 Abs. 5 ErbStG abzugsfähig ist. Das Abzugsverbot erstreckt sich auch auf die einem Erwerber entstehenden Rechtsverfolgungskosten, die er zur Abwehr der von ihm zu entrichtenden eigenen Erbschaftsteuer aufwendet,5 und gilt auch für die Rechtsverfolgungskosten, die mit gesonderten Feststellungen der Grundbesitzwerte des zum Nachlass gehörenden Grundvermögens zusammenhängen. Denn derartige Aufwendungen haben einen unmittelbaren Bezug zu der vom Erben zu entrichtenden Erbschaftsteuer.6 Steuererklärung, Steuerberatungskosten: Nach Auffassung der Finanzverwaltung7 sind Steuerberatungsgebühren für die von den Erben in Auftrag gegebene Erstellung der Erbschaftsteuererklärung oder der Erklärung zur gesonderten Feststellung nach § 157 i.V.m. § 151 BewG als Nachlassregelungskosten zum Abzug zugelassen. Kosten eines „Privatgutachtens“ für die Ermittlung des gemeinen Wertes sind nur abzugsfähig, wenn diese für die Auseinandersetzung einer Erbengemeinschaft oder im Rahmen der Verpflichtung zur Abgabe einer Feststellungserklärung anfallen und vom Erwerber getragen worden sind. Keine Nachlassregelungskosten sind Steuerberatungs- und Rechtsberatungskosten einschließlich Gutachterkosten, die in einem sich an die Steuerfestsetzung oder Wertfeststellung anschließenden Rechtsbehelfsverfahren oder einem finanzgerichtlichen Verfahren anfallen und vom Erwerber getragen worden sind; sie sind – wie auch die festgesetzte Erbschaftsteuer selbst – nicht zum Abzug zugelassen.8 Testamentsvollstreckung: Kosten für die „Abwicklungsvollstreckung“9 durch einen Testamentsvollstrecker nach § 2221 BGB sind abzugsfähig. Die Vergütung darf freilich eine „angemessene Höhe“ nicht überschreiten.10 Eine gesetzliche Regelung zur Berechnung der Testamentsvollstreckervergütung gibt es offenbar nicht; Kriterien ergeben sich aus der Zivilrechtsprechung und der einschlägigen Literatur.11 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11
FG Köln v. 5.2.2009 – 9 K 204/07, ErbStB 2009, 142 = ErbStB 2010, 8. Vgl. BFH v. 11.1.1961 – II 155/59 U, BStBl. III 1961, 102. Vgl. BFH v. 9.12.2009 – II R 37/08, BStBl. II 2010, 489 = FR 2010, 813 = ErbStB 2010, 161. Vgl. BFH v. 1.7.2008 – II R 71/06, BStBl. II 2008, 874 = FR 2009, 245. Vgl. BFH v. 20.6.2007 – II R 29/06, BStBl. II 2007, 722 = FR 2008, 98 = ErbStB 2007, 294. Gebel in T/G/J, § 10 ErbStG Rz. 220 (Stand: April 2016). H E 10.7 ErbStH 2011 „Steuerberatungskosten und Rechtsberatungskosten …“. BFH v. 20.6.2007 – II R 29/06, BStBl. II 2007, 722 = FR 2008, 98 = ErbStB 2007, 294. Jüptner in F/J/P/W5, § 10 ErbStG Rz. 215. Vgl. BFH v. 2.2.2005 – II R 18/03, BStBl. II 2005, 489 = FR 2005, 764 m. Anm. Viskorf. Vgl. Geck in Kapp/Ebeling, § 10 ErbStG Rz. 122 ff. (Stand: November 2015).
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§ 10 ErbStG Rz. 73 Steuerpflichtiger Erwerb Vermächtniskosten: Zivilrechtlich hat der mit einem Vermächtnis Beschwerte auch die Kosten der Erfüllung des Vermächtnisses zu tragen.1 Hierunter können Aufwendungen für die Umschreibung eines Grundstückes oder für die Auflösung von Konten bzw. Depots fallen. Entsprechend der zivilrechtlichen Beurteilung der Kosten, die den Beschwerten aufgrund eines vom Erblasser angeordneten Vermächtnisses – zusätzlich zur Erfüllung des Vermächtnisanspruches selbst – treffen, handelt es sich bei den Aufwendungen um abzugsfähige Nachlassverbindlichkeiten i.S.d. § 10 Abs. 5 Nr. 3 ErbStG, denn sie entstehen dem mit dem Vermächtnis belasteten Erwerber unmittelbar im Zusammenhang mit der durch den Erblasser angeordneten Regelung des Nachlasses. Nicht zu prüfen ist, ob der Erbe ein angeordnetes Vermächtnis auch auf andere, weniger Kosten verursachende Weise hätte erfüllen können, denn der Erbe ist im Rahmen der Anordnung des Erblassers grundsätzlich frei, wie er seiner Verpflichtung nachkommt.2 e) Kosten für die Erlangung des Erwerbs aa) Grundsatz 73
Nach § 10 Abs. 5 Satz 1 Nr. 3 Satz 1 ErbStG sind von dem Erwerb als Nachlassverbindlichkeiten ebenfalls abzugsfähig u.a. die Kosten, die dem Erwerber unmittelbar im Zusammenhang mit der Erlangung des Erwerbs (Erwerbskosten) entstehen. Es sind jedoch nur die Aufwendungen als Nachlassverbindlichkeiten zu berücksichtigen, die im Zusammenhang mit dem Erbfall stehen, der der Besteuerung unterliegt (vgl. auch § 10 Abs. 6 Satz 1 ErbStG). Die Nachlassverbindlichkeiten müssen den Erben als solchen treffen (vgl. § 1967 Abs. 2 BGB), d.h., sie müssen durch den konkreten Vermögensanfall des Erben ausgelöst sein.3 Nach Meinung der Finanzverwaltung4 können Aufwendungen, die sich allein auf die Erlangung seines Erwerbs beziehen und nicht den Nachlass belasten, auch neben dem Pauschbetrag nach § 10 Abs. 5 Satz 1 Nr. 3 Satz 2 ErbStG selbständig abgezogen werden, soweit sie nachgewiesen werden. bb) Einzelfälle
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Abfindungszahlungen: Zahlungen, die ein „Ersatzerwerber“ an den eigentlichen Erben oder Vermächtnisnehmer leistet, damit dieser die Erbschaft oder das Vermächtnis ausschlägt (vgl. § 3 Abs. 2 Nr. 4 und 5 ErbStG), sind abzugsfähig.5 Der Erwerber einer Nacherbschaftsanwartschaft kann das von ihm für den Erwerb aufgewendete und vom Veräußerer (vormaligen Nacherben) gem. § 3 Abs. 2 Nr. 6 ErbStG versteuerte Entgelt nach § 10 Abs. 5 Nr. 3 ErbStG von seinem Erwerb absetzen.6 Auch eine Abfindungszahlung, die der Erbe an den weichenden Erbprätenden zur Beendigung eines gerichtlichen Rechtsstreits wegen Klärung der Erbenstellung entrichtet, ist als Nachlassverbindlichkeit abzugsfähig.7 Der Umstand, dass die Abfindungszahlung, die der weichende Erbprätendent erhält, kein der Erbschaftsteuer unterliegender Erwerb von Todes wegen i.S. des § 3 ErbStG ist,8 ändert nichts an der Abzugsfähigkeit: Ein Grundsatz der korrespondierenden Steuerbarkeit findet sich in diesem Zusammenhang im Gesetz nicht. Ablösung des Nacherbenrechts: Keine Abzugsfähigkeit besteht bei Zahlungen des Vorerben zur Ablösung des Nacherbenrechts; diese betreffen nicht den Erwerb des Vorerben durch Erbanfall (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG, § 1922 Abs. 1 BGB).9 Die Zahlungen sind vielmehr ausgelöst durch einen Vermögensübergang, der nicht zwischen Erblasser und Vorerben, sondern zwischen dem Nacherben und dem Vorerben stattfindet. Sie beziehen sich auch auf den Erwerb eines anderen Vermögens-
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Vgl. bereits BGH v. 20.3.1963 – V ZR 89/62, BB 1963, 625. BFH v. 28.6.1995 – II R 89/92, BStBl. II 1995, 786. BFH v. 23.8.1995 – II R 88/92, BStBl. II 1996, 137. R E 10.9 Abs. 4 ErbStR 2011. Vgl. Gebel in T/G/J, § 10 ErbStG Rz. 231 (Stand: September 2013). BFH v. 28.10.1992 – II R 21/92, BStBl. II 1993, 158. BFH v. 15.6.2016 – II R 24/15, DStR 2016, 2095. BFH v. 4.5.2011 – II R 34/09, BStBl. II 2011, 725. BFH v. 23.8.1995 – II R 88/92, BStBl. II 1996, 137.
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Nachlassverbindlichkeiten (Abs. 5)
Rz. 75 § 10 ErbStG
gegenstandes als denjenigen, der als Erwerb von Todes wegen bei dem Vorerben der Erbschaftsteuer unterliegt, nämlich auf die Übertragung der Rechtsstellung des Nacherben. Gegenleistung für letztwillige Zuwendung: Zuwendungen, die der Erbe zu Lebzeiten des Erblassers an diesen als Gegenleistung für eine vertraglich vereinbarte Erbeinsetzung erbracht hat, sind Kosten, die unmittelbar im Zusammenhang mit der Erlangung des Erwerbs stehen. Sie sind als Nachlassverbindlichkeiten vom Erwerb nach § 10 Abs. 5 Nr. 3 ErbStG abziehbar.1 Allerdings erfordert eine wirksame Erbeinsetzung gegen Entgelt aufgrund eines materiell gegenseitigen Vertrages die Einhaltung der für einen Erbvertrag gem. § 1941 Abs. 1 BGB erforderlichen Form des § 2276 Abs. 1 BGB. Das – unwirksame – Versprechen des Erblassers, jemanden als Entgelt für Dienstleistungen durch eine letztwillige Verfügung zu bedenken, führt nicht zu Nachlassverbindlichkeiten i.S.d. § 10 Abs. 5 Nr. 3 ErbStG, sondern hat, falls der Erwerb bürgerlich-rechtlich als Dienstleistungsvergütung zu beurteilen ist, Erblasserschulden zur Folge, die nach § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG vom Erwerb des Erben abzuziehen sind2 (vgl. Rz. 59). 2. Pauschbetrag (Abs. 5 Nr. 3 Satz 2) Der Pauschbetrag nach § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 2 ErbStG wird für die Kosten der Bestattung des Erb- 75 lassers, die Kosten für ein angemessenes Grabdenkmal, die Kosten für die übliche Grabpflege und die Kosten, die mit der Abwicklung, Regelung und Verteilung des Nachlasses und Erlangung des Erwerbs im Zusammenhang stehen gewährt und vom Nachlass abgezogen. Für die bezeichneten Kosten wird ein Betrag von 10 300 Euro ohne Nachweis abgezogen. Nach der Rechtsprechung des BFH3 kann ein Pauschbetrag nur abgezogen werden, wenn dem Erwerber dem Grunde nach Kosten i.S.d. § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 1 ErbStG entstanden sind, ihre Höhe aber nicht nachgewiesen ist. Ein Abzug des Pauschbetrages scheidet daher aus, wenn Kosten i.S.d. Satzes 1 der Vorschrift nicht entstanden sind. Die Regelung wird dahin verstanden, dass der Betrag für jeden Erbfall nur einmal zu gewähren ist. Denn für diese Auslegung spricht der Umstand, dass der Betrag jedenfalls ursprünglich an den Bestattungskosten ausgerichtet war, und diese sich nicht mit der Zahl der Erben vervielfachen.4 Zum Teil wird vertreten, dass der Pauschbetrag auf neben dem tatsächlichen Abzug von Zahlungen geltend gemacht werden kann (vgl. Rz. 65 und 73). Die Vorschrift des § 10 ErbStG differenziert bei der Ermittlung des steuerpflichtigen Erwerbs nicht zwischen Erwerben durch Erbanfall und anderen Erwerben. Deshalb besteht grundsätzlich für jeden Erwerber, und somit auch für den Vermächtnisnehmer oder Pflichtteilsberechtigten5 die Möglichkeit, die genannten Kosten steuermindernd geltend zu machen. Voraussetzung für den Abzug beim einzelnen Erwerber ist allerdings, dass eine Verpflichtung zur Kostenübernahme besteht, wobei nach Auffassung der Finanzverwaltung6 neben einer rechtlichen auch eine sittliche Verpflichtung ausreichend ist. Nach weiterer Verwaltungsauffassung7 soll auch der nichteheliche Lebensgefährte des Erblassers als Begünstigter eines Vertrages zugunsten Dritter sittlich verpflichtet sein können, die genannten Kosten zu übernehmen. Da der Pauschbetrag pro Erbfall nur einmal gewährt wird, stellt sich bei Vorhandensein mehrerer Erwerber die Frage nach der Aufteilung. Pragmatisch will die Finanzverwaltung8 einem Antrag der Erwerber folgen; streitig könnte der Pauschbetrag nach dem Verhältnis der Erwerbe9 oder der übernommenen Kosten10 aufgeteilt werden, was m.E. näher liegt.
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BFH v. 13.7.1983 – II R 105/82, BStBl. II 1984, 37. BFH v. 9.11.1994 – II R 110/91, BStBl. II 1995, 62. BFH v. 21.1.2005 – II B 6/04, BFH/NV 2005, 1092. BFH v. 24.2.2010 – II R 31/08, BStBl. II 2010, 491 = FR 2010, 717. Der die Erbschaft ausschlagende Ehegatte ist weiterhin Pflichtteilsberechtigter, § 2303 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 1371 Abs. 3 BGB. R E 10.9 Abs. 2 Satz 2 ErbStR 2011. OFD Magdeburg v. 4.3.2010 – S 3810 - 11 - St 271, DStR 2010, 873. R E 10.9 Abs. 3 Satz 4 ErbStR 2011. Gebel in T/G/J, § 10 ErbStG Rz. 238 (Stand: September 2013). H E 10.9 ErbStH 2011 „Aufteilung des Pauschbetrages“.
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§ 10 ErbStG Rz. 76 Steuerpflichtiger Erwerb Nach Auffassung der Finanzverwaltung kann der Pauschbetrag auch dann geltend gemacht werden, wenn die Grabpflege zum Gegenstand einer eigenständig abziehbaren Auflage i.S.d. § 10 Abs. 5 Nr. 2 ErbStG gemacht worden ist (vgl. Rz. 65). 3. Nichtabzugsfähige Verwaltungskosten (Abs. 5 Nr. 3 Satz 3) 76
Kosten der reinen Nachlassverwaltung sind nicht abzugsfähig; dies sind solche Aufwendungen, die nicht dem Erwerb oder der Auseinandersetzung dienen.1 Insbesondere Testamentsvollstreckerkosten für die Nachlassverwaltung nach §§ 1981 ff. BGB sind nicht abzugsfähig.2 Grund für die Nichtabzugsfähigkeit ist der Umstand, dass die genannten Kosten nur noch der Perpetuierung eines Vermögenszustands bzw. der Verwertung dienen.
V. Verbindlichkeiten bei einer Schenkung 1. Grundsätze 77
Während für Erwerbe von Todes wegen die Abzugsfähigkeit der Kosten, die dem Erwerber im Zusammenhang mit der Erlangung des Erwerbs entstehen, in § 10 Abs. 5 Nr. 3 ErbStG gesetzlich geregelt ist, fehlt für Schenkungen eine entsprechende gesetzliche Regelung. Die Vorschriften über Erwerbe von Todes wegen gelten jedoch, soweit nichts anderes bestimmt ist, gem. § 1 Abs. 2 ErbStG auch für Schenkungen unter Lebenden. Die Regelung dient der sprachlichen Entlastung des ErbStG. § 10 Abs. 5 ErbStG behandelt zwar im Wesentlichen nur Fallgruppen von Nachlassverbindlichkeiten. Dies schließt aber nicht aus, dass auch im Fall der Schenkung entsprechende bereicherungsmindernde Umstände eintreten können. So hat der BFH3 anerkannt, dass bei einer Schenkung der Erwerbsaufwand des Beschenkten nach § 10 Abs. 5 Nr. 3 ErbStG (als „Kosten, die dem Erwerber unmittelbar im Zusammenhang mit der Erlangung des Erwerbs entstehen“) abzugsfähig ist. 2. Erwerbsnebenkosten und Steuerberatungskosten sowie Rechtsberatungskosten im Zusammenhang mit einer Schenkung
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Die allgemeinen Erwerbsnebenkosten, wie z.B. für Notar, Grundbuch oder Handelsregister, entstehen erst durch die Schenkung.4 Diese Kosten sind keine Gegenleistung, sondern Folgekosten der Schenkung. Im Falle einer gemischten Schenkung oder Schenkung unter Auflage sind sie in vollem Umfang als Minderung der Bereicherung zu berücksichtigen. Ebenso sind Steuerberatungskosten für die Schenkungsteuererklärung und die Feststellungserklärung in vollem Umfang bereicherungsmindernd zu berücksichtigen.5 Gehören zum Erwerb Vermögensgegenstände, für die eine Steuerbefreiung nach §§ 13, 13a oder 13c ErbStG zur Anwendung kommt, unterliegen die Erwerbsnebenkosten grundsätzlich nicht der Kürzung nach § 10 Abs. 6 ErbStG; die Kosten sind in vollem Umfang abzuziehen.6 3. Pflichtteilsschuld
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Zahlungen des Beschenkten gem. § 2329 Abs. 2 BGB zur Abwendung des Herausgabeanspruchs eines Pflichtteilsberechtigten nach § 2329 Abs. 1 BGB führen nicht zum Erlöschen der Erbschaftsteuer gem. § 29 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG; sie sind jedoch gem. § 10 Abs. 5 Nr. 2 i.V.m. § 1 Abs. 2 ErbStG bei der Besteuerung der Schenkung erwerbsmindernd zu berücksichtigen7 Schuck in V/K/S/W4, § 10 ErbStG Rz. 101. Jüptner in F/J/P/W5, § 10 ErbStG Rz. 216. Vgl. BFH v. 20.12.2000 – II R 42/99, BStBl. II 2001, 454 = FR 2001, 908 m. Anm. Viskorf. Vgl. R E 7.4 Abs. 4 ErbStR 2011 – anders die im Vorfeld einer Schenkung anfallenden Steuerberatungskosten und Rechtsberatungskosten. 5 Vgl. H E 7.4 Abs. 4 ErbStH 2011. 6 Gleich lautende Erlasse v. 16.3.2012 – 3-S 381.0/35, BStBl. I 2012, 338. 7 BFH v. 11.5.2005 – II R 12/02, BFH/NV 2005, 2011. 1 2 3 4
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Abzugsbeschränkungen und -verbote für Schulden und Lasten (Abs. 6 bis 9)
Rz. 81 § 10 ErbStG
G. Abzugsbeschränkungen und -verbote für Schulden und Lasten (Abs. 6 bis 9) I. Übersicht In § 10 Abs. 6 bis 9 ErbStG ordnet das Gesetz Abzugsbeschränkungen und -verbote für Schulden 79 und Lasten an. Die Gründe für die Einschränkungen sind unterschiedlich: Während § 10 Abs. 6 Satz 1 bis 5 ErbStG die Abzugsbeschränkungen auf den Umstand stützt, das bereits der Erwerb steuerliche unberücksichtigt bleibt, geht es in § 10 Abs. 6 Satz 6 ErbStG um den Ausschluss einer Doppelentlastung sowohl bei der Grundstücksbewertung als auch bei der Ermittlung der Bereicherung. Das Abzugsverbot in § 10 Abs. 7 ErbStG für Familienstiftungen soll erreichen, dass das zutreffende Reinvermögen der Stiftung besteuert wird. Nach § 10 Abs. 8 ErbStG darf die eigene Erbschaftsteuer nicht von der Bemessungsgrundlage abgezogen werden. Schließlich sind auch selbstbegünstigende Auflagen nicht abzugsfähig, § 10 Abs. 9 ErbStG.
II. Abzugsbeschränkung bei nichtbesteuerten Vermögensgegenständen (Abs. 6 Satz 1 bis 5) 1. Grundsätze a) Nicht der Besteuerung unterliegende Vermögensgegenstände Die Abzugsbeschränkung bei nichtbesteuerten Vermögensgegenständen nach § 10 Abs. 6 ErbStG ba- 80 sieren auf dem gleichen Rechtsgedanken wie § 3c Abs. 1 EStG:1 Danach dürfen Ausgaben, soweit sie mit steuerfreien Einnahmen in unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang stehen, nicht abgezogen werden. Dem gleichen Prinzip folgt das Gesetz im vorliegenden Fall. Soweit keine Bereicherung eintreten kann, soll auch keine Entreicherung stattfinden. Die Abzugsbeschränkung des § 10 Abs. 6 Satz 1 bis 5 ErbStG lassen sich nach dem Umfang der Steuerbefreiungen – und korrespondierend dem Umfang der Abzugsverbote – in Gruppen einteilen:2 volle Steuerbefreiung einzelner Gegenstände, § 10 Abs. 6 Satz 1 ErbStG
teilweise Steuerbefreiung einzelner Gegenstände, § 10 Abs. 6 Satz 3 ErbStG
beschränkte Steuerpflicht (auf einzelne Gegenstände), § 10 Abs. 6 Satz 2 ErbStG
Steuerbefreiungen nach § 13a, 13c ErbStG, § 10 Abs. 6 Satz 4 ErbStG
b) Wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen nicht besteuerten Gegenständen und abzugsbeschränkter Schuld Als Rechtfertigung für die Verknüpfung „Steuerbefreiung/Nichtabzugsfähigkeit“ muss ein wirt- 81 schaftlicher Zusammenhang zwischen dem privilegierten Vermögensgegenstand und der – dann nicht abzugsfähigen – Schuld bestehen.3 Nach der Rechtsprechung4 setzt der wirtschaftliche Zusammenhang zwischen einem Vermögensgegenstand und einer Schuld oder Last voraus, dass deren Entstehung ursächlich und unmittelbar auf Vorgängen beruht, die diesen Vermögensgegenstand selbst betreffen. Danach ist der wirtschaftliche Zusammenhang insbesondere zu bejahen, wenn eine Verbindlichkeit zum Erwerb, zur Sicherung oder zur Erhaltung eines Wirtschaftsguts eingegangen worden ist. Davon ist vor allem auszugehen, wenn die Schulden nach Entstehung und Zweckbestim1 Meincke16, § 10 ErbStG Rz. 53. 2 Vgl. Gebel in T/G/J, § 10 ErbStG Rz. 243 (Stand: September 2013). 3 BFH v. 22.7.2015 – II R 21/13, BStBl. II 2016, 228; vgl. auch H E 10.10 ErbStH 2011 „Wirtschaftlicher Zusammenhang von Schulden und Lasten mit Vermögensgegenständen“; Bruschke, UVR 2016, 19 (20). 4 Vgl. BFH v. 21.7.1972 – III R 44/70, BStBl. II 1973, 3.
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§ 10 ErbStG Rz. 82 Steuerpflichtiger Erwerb mung mit erworbenen Vermögensgegenständen verknüpft sind,1 d.h. ohne diese nicht angefallen wären,2 und sie den erworbenen Vermögensgegenstand wirtschaftlich belasten.3 Beispiel: Erblasser E hat an einem Grundstück, welches zum nach § 13a ErbStG privilegierten Betriebsvermögen gehört, eine Hypothek bestellt, die ein Darlehen sichert. Abzugsfähigkeit des Darlehens nach § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG? Variante 1: E hatte das Darlehen zum Erwerb des betroffenen Betriebsgrundstücks aufgenommen. In diesem Fall besteht ein wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen dem privilegierten Vermögen und der Darlehensschuld; eine Kürzung des Abzugs ist gem. § 10 Abs. 6 Satz 4 ErbStG vorzunehmen. Variante 2: E hatte das Darlehen aufgenommen, um sich und seiner Familie eine ausgedehnte Weltreise zu finanzieren. Hier besteht kein wirtschaftlicher Zusammenhang:4 Der vom Gesetz geforderte Zusammenhang der Schuld mit dem Vermögensgegenstand wird nicht schon durch die hypothekarische Sicherung der Schuld an einem Grundstück herbeigeführt, wenn nicht auch die Schuld selbst in einer wirtschaftlichen Beziehung zu dem belasteten Grundstück steht, wenn sie insbesondere nicht zum Erwerb, zur Sicherung oder zur Erhaltung des Vermögensgegenstandes gedient hat oder noch dient.
Von der Abzugsbeschränkung betroffen sein können Erblasserschulden i.S.d. § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG wie im vorstehenden Beispiel. Die Beschränkung kann sich aber auch auf Erbfallschulden gem. § 10 Abs. 5 Nr. 2 ErbStG beziehen; dies ist etwa der Fall, wenn ein Vermächtnis auf einen steuerfreien Nachlassgegenstand gerichtet ist.5 Bei Pflichtteilsansprüchen soll stets ein wirtschaftlicher Zusammenhang mit einzelnen steuerbefreiten Vermögensgegenständen des Nachlasses bestehen.6 Der über den rechtlichen Zusammenhang hinausgegebene wirtschaftliche Zusammenhang soll aus dem Charakter des Pflichtteilsrechts folgen; der Pflichtteil ist wirtschaftlich ein Ersatz für den Vermögensentgang, der dadurch eintritt, dass ein bestimmter gesetzlicher Erbe von der Erbfolge durch letztwillige Verfügung des Erblassers ausgeschlossen wird.7 Die Finanzverwaltung gibt ein umfangreiches Berechnungsbeispiel für die Pflichtteilskürzung.8 2. Volle Steuerbefreiung einzelner Gegenstände (Abs. 6 Satz 1) 82
Vollständige Steuerbefreiungen einzelner Gegenstände, die zur Konsequenz haben, dass mit ihnen wirtschaftlich zusammenhängende Schulden und Lasten überhaupt nicht abgezogen werden dürfen, können auf drei verschiedene Arten entstehen,9 nämlich durch – Erwerbe, die bereits an sich nicht der Erbschaft- und Schenkungsteuer unterliegen wie das Anwartschaftsrecht eines Nacherben nach § 10 Abs. 4 ErbStG; – gegenständlich steuerbefreite Erwerbe wie z.B. der Erwerb von Kulturgütern nach § 13 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b ErbStG oder von öffentlich zugänglich gemachtem Grundbesitz nach § 13 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG oder der Erwerb eines Familienheims gem. § 13 Abs. 1 Nr. 4a, 4b ErbStG und – Lasten, die mit einem aufschiebend bedingten Erwerb zusammenhängen, der seinerseits (noch) nicht der Besteuerung unterliegt, vgl. § 9 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a ErbStG. Zur „Wiedererlangung“ der uneingeschränkten Abzugsfähigkeit von Schulden und Lasten sieht das Gesetz in § 13 Abs. 3 Satz 2 ErbStG die Möglichkeit vor, auf die Steuerbefreiungen nach § 13 Abs. 1 Nr. 2 und 3 ErbStG zu verzichten.
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Vgl. z.B. BFH v. 25.10.1995 – II R 45/92, BStBl. II 1996, 11. Vgl. BFH v. 26.3.2002 – VI R 26/00, BStBl. II 2002, 823 = FR 2002, 1306. Vgl. z.B. BFH v. 30.7.1997 – II R 9/95, BStBl. II 1997, 635. Vgl. auch BFH v. 28.9.1962 – III 242/60 U, BStBl. III 1962, 535. Vgl. Gebel in T/G/J, § 10 ErbStG Rz. 249 (Stand: April 2016). Vgl. auch R E 10.10. Abs. 2 ErbStR 2011 – a.A. Meincke16, § 10 ErbStG Rz. 55; Meincke, ZEV 2006, 199. BFH v. 21.7.1972 – III R 44/70, BStBl. II 1973, 3. H E 10.10. ErbStH 2011 „Pflichtteilskürzung“. Vgl. Meincke16, § 10 ErbStG Rz. 54.
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Abzugsbeschränkungen und -verbote für Schulden und Lasten (Abs. 6 bis 9)
Rz. 86 § 10 ErbStG
Vermögensgegenstände, für die der Erwerber lediglich im Rahmen der Wertermittlung nach § 13 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG einen pauschalen Freibetrag erhält, unterliegen dagegen selbst uneingeschränkt der Besteuerung, so dass die Einschränkung des Schuldenabzugs nicht in Betracht kommt.1 3. Teilweise Steuerbefreiung einzelner Gegenstände (Abs. 6 Satz 3 bis 5) a) Grundsatz Bei Erwerb teilweise steuerbefreiter Gegenstände dürfen mit diesen wirtschaftlich zusammenhängen- 83 de Lasten gem. § 10 Abs. 6 Satz 3 ErbStG nur mit dem Betrag abzugsfähig ist, der dem steuerpflichtigen Teil entspricht. Die Regelung findet z.B. bei künstlerisch bedeutsamen Vermögensgegenständen Anwendung, die nach § 13 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a ErbStG zu 60 % bzw. zu 85 % von der Steuer befreit sind. Demnach wird nur 40 % bzw. 15 % des Werts des Vermögensgegenstands besteuert. Die Abzugsfähigkeit der mit diesen Gegenständen in wirtschaftlichem Zusammenhang stehenden Schulden richtet sich nach dem steuerpflichtigen Anteil und beträgt deshalb auch nur 40 % bzw. 15 %.2 Die Sätze 4 ff. der Vorschrift enthalten spezielle Bestimmungen z.B. für die Steuerbefreiung nach § 13a ErbStG. b) Unterbewertung als teilweise Steuerbefreiung (Abs. 6 Satz 3) Denkbar wäre, den Abzug von Belastungen auch dann nur eingeschränkt zuzulassen, wenn auch der 84 Erwerb aufgrund – unangemessen – niedriger Steuerwerter ebenfalls nur „eingeschränkt“ der Besteuerung unterliegen würde. Voraussetzung für die Anwendung des § 10 Abs. 6 Satz 3 ErbStG auf eine „Unterbewertung“ von Vermögensgegenständen wäre, dass es sich bei diesen Gegenständen wie etwa Grundstücken, deren Steuerwert das Verkehrswertniveau nicht erreicht, um „teilweise befreite Vermögensgegenstände“ i.S. dieser Vorschrift handelt. Dies hat der BFH in einer Entscheidung aus dem Jahr 20043 zu den Grundbesitzwerten 1996 der §§ 138, 145 ff. BewG grundsätzlich bejaht.4 Nach den geltenden Bewertungsregeln der §§ 157 ff. i.d.F. des ErbStRG 20095 soll dagegen regelmäßig 85 der Verkehrswert auch der Steuerwert sein (vgl. Rz. 28), so dass sich eine Unterbewertung von Vermögensgegenständen als teilweise Steuerbefreiung erledigt haben müsste. c) Abzugsfähigkeit von Schulden und Lasten bei Steuerbefreiung nach § 13a ErbStG (Abs. 6 Satz 4) §§ 13a, 13b ErbStG regeln die Privilegierungen beim Erwerb von begünstigtem Betriebsvermögen 86 (Produktivvermögen), land- und forstwirtschaftlichem Vermögen oder Anteilen an Kapitalgesellschaften. Die Regelverschonung nach § 13b Abs. 4 i.V.m. § 13a ErbStG beträgt 85 % des begünstigten Vermögens mit einem zusätzlichen gleitenden Abzugsbetrag von höchstens 150 000 Euro, § 13a Abs. 2 ErbStG. Auf Antrag und unter weiteren Voraussetzungen wird statt der Regelverschonung eine Optionsverschonung von 100 % gewährt, § 13a Abs. 8 ErbStG. Entsprechend der Grundregel des § 10 Abs. 6 Satz 3 ErbStG sind Schulden und Lasten, die mit dem nach § 13a ErbStG befreiten Vermögen in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen, nur mit dem Betrag abzugsfähig, der dem Verhältnis des nach Anwendung des § 13a ErbStG anzusetzenden Werts des gesamten begünstigten Vermögens zu dem Wert dieses Vermögens vor Anwendung des § 13a ErbStG entspricht, § 10 Abs. 6 Satz 4 ErbStG.6 Ist das begünstigte Vermögen in vollem Umfang von der Steuer befreit, ist kein Abzug vorzunehmen. 1 2 3 4
R E 10.10. Abs. 3 Satz 2 ErbStR 2011. Jochum in Wilms/Jochum, § 10 ErbStG Rz. 197 (Stand: Mai 2015). BFH v. 2.7.2004 – II R 9/02, BStBl. II 2004, 1039 = FR 2004, 1334 m. Anm. Viskorf. Nach den Vorstellungen des Gesetzgebers sollen z.T. nur „im Durchschnitt ca. 50 % des Kaufpreises erreicht werden“, vgl. BT-Drucks. 13/5952, 28. 5 Gesetz v. 24.12.2008, BGBl. I 1974, 933. 6 Vgl. R E 10.10 Abs. 4 ErbStR 2011.
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§ 10 ErbStG Rz. 87 Steuerpflichtiger Erwerb Zu diesen Schulden und Lasten können nur solche gehören, die nicht bereits bei der Ermittlung des Werts des begünstigten Vermögens berücksichtigt worden sind: Als Mindestwert des Betriebsvermögens ist stets der Substanzwert nach § 11 Abs. 2 Satz 3 BewG mit heranzuziehen; im Rahmen der hier zu fertigenden Vermögensaufstellung1 sind betriebliche Schulden anzusetzen, § 103 Abs. 1 BewG. Soweit die Privilegierung nach §§ 13a, 13b ErbStG wegen Verstoßes gegen die Behaltensvoraussetzungen (§ 13a Abs. 5 i.V.m. Abs. 8 Nr. 2 ErbStG) oder die Lohnsummenregelung (§ 13a Abs. 1 Satz 2 ff. i.V.m. Abs. 8 Nr. 1 ErbStG) nachträglich ganz oder teilweise entfällt, sind die bisher nicht abzugsfähigen Schulden und Lasten entsprechend zum Abzug zuzulassen. d) Abzugsfähigkeit von Schulden und Lasten bei Steuerbefreiung nach § 13c ErbStG (Abs. 6 Satz 5) 87
Der gemeine Wert von zu Wohnzwecken vermieteten bebauten Grundstücken oder Grundstücksteilen, die u.a. nicht zum begünstigten Betriebsvermögen oder begünstigten Vermögen eines Betriebs der Land- und Forstwirtschaft gehören (begünstigtes Vermögen) ist nach § 13c Abs. 1 ErbStG um einen Befreiungsabschlag von 10 % zu kürzen. Schulden und Lasten, die mit den nach § 13c ErbStG befreiten Grundstücken oder Grundstücksteilen in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen, können nach § 10 Abs. 6 Satz 5 ErbStG ebenfalls nur mit dem Betrag abgezogen werden, der dem Verhältnis des nach Anwendung des § 13c ErbStG anzusetzenden Werts dieses Vermögens zu dem Wert vor Anwendung des § 13c ErbStG entspricht.2 Somit ergibt sich im Regelfall ein Abzug i.H.v. 90 %; d.h. lediglich 10 % der in wirtschaftlichem Zusammenhang mit der Immobilie stehenden Schulden sind zum Abzug zugelassen. e) Abzugsbeschränkung von Schulden bei einer Schenkung mit Gegenleistungen, Leistungs-, Nutzungs- oder Duldungsauflagen
88
In der Vergangenheit hatte der BFH3 zur überkommenen Problematik der Schenkung mit Gegenleistung (gemischten Schenkung) u. dgl. entschieden, dass die letztlich für die Bemessungsgrundlage erforderliche Bereicherung bereits bei der Subsumtion unter § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG zu errechnen sei, so dass es bei solchen Schenkungen eines Rückgriffs auf die Rechtsgrundlage des § 10 Abs. 1 Satz 2 ErbStG und die dort vorgesehene Berechnung nicht mehr bedurfte4 (vgl. Rz. 32 ff.). Damit hatten aber auch Abzugsbeschränkungen nach § 10 Abs. 6 ErbStG ihre Berechtigung verloren, so dass die Finanzverwaltung5 zu dem Ergebnis kam, auf Schulden und Lasten, die im Rahmen der Ermittlung des Besteuerungswerts einer gemischten Schenkung als Gegenleistung oder Leistungsauflage berücksichtigt werden, sei § 10 Abs. 6 ErbStG nicht anwendbar. Obwohl das Erbschaftsteuerreformgesetz6 bereits die Angleichung von Verkehrswert und Steuerwert gebracht hat (vgl. Rz. 28), reagierte die Finanzverwaltung zunächst zurückhaltend (vgl. Rz. 34); erst im Jahr 2011 erfolgte die Abkehr von der alten Sichtweise.7 Heute vertritt die Finanzverwaltung8 die Auffassung, entsprechend § 10 Abs. 1 Satz 1 und 2 ErbStG gelte auch bei der gemischten Schenkung oder Schenkung unter einer Auflage als steuerpflichtiger Erwerb die Bereicherung des Bedachten. Damit ist heute § 10 Abs. 6 ErbStG unstreitig auch auf Schenkungen mit Gegenleistung und dgl. anwendbar.9 1 2 3 4 5 6 7
Vgl. R B 11.4 ErbStR 2011. Vgl. R E 10.10 Abs. 5 ErbStR 2011. BFH v. 21.10.1981 – II R 176/78, BStBl. II 1982, 83. Vgl. zum Problem Pach-Hanssenheimb, DStR 2009, 466. R 31 Abs. 1 ErbStR 2003. ErbStRG v. 24.12.2008, BGBl. I 1974, 933. Gleich lautende Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder v. 20.5.2011 – Behandlung der gemischten Schenkungen sowie der Schenkungen unter Auflage, BStBl. I 2011, 562. 8 R E 7.4 ErbStR 2011 und H E 7.4 ErbStH 2011. 9 Zur Frage der Gewährung von Vertrauensschutz in die alte Betrachtungsweise (Nichtanwendbarkeit von Schuldenkürzungen nach § 10 Abs. 6 Satz 4 ErbStG im Hinblick auf die Vergünstigung nach § 13a ErbStG) vgl. FG Saarl. v. 3.1.2012 – 1 V 1387/11, EFG 2012, 530 mit Anm. Halaczinsky, ErbStB 2012, 139; Fumi, EFG 2012, 532.
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Abzugsbeschränkungen und -verbote für Schulden und Lasten (Abs. 6 bis 9)
Rz. 89 § 10 ErbStG
Die Regelungen in § 10 Abs. 6 Satz 3 bis 5 ErbStG über die eingeschränkte Abzugsfähigkeit im Zu- 89 sammenhang mit teilweise steuerbefreiten lassen sich exemplarisch am Beispiel der Schenkung demonstrieren; insoweit kann auf die Berechnung der Finanzverwaltung verwiesen werden.1 Sind danach mehrere Vermögensgegenstände Gegenstand einer freigebigen Zuwendung, sind die steuerlichen Einzelwerte zu einem einheitlichen Steuerwert der Gesamtschenkung zusammenzufassen. Soweit ein Teil des zugewendeten Vermögens nach §§ 13, 13a oder 13c ErbStG begünstigt ist, sind die Befreiungen bei den einzelnen Vermögensgegenständen vorzunehmen. Gegenleistungen, Leistungs-, Nutzungs- oder Duldungsauflagen sind entsprechend ihrem wirtschaftlichen Zusammenhang den einzelnen geschenkten Vermögensgegenständen zuzurechnen.2 Steht eine Gegenleistung, Leistungs-, Nutzungs- oder Duldungsauflage im Zusammenhang mit allen Vermögensgegenständen, ohne dass sie wirtschaftlich einem einzelnen Vermögensgegenstand oder einzelnen Vermögensgegenständen zugeordnet werden kann, ist sie auf die einzelnen Vermögensgegenstände nach dem Verhältnis der Steuerwerte aufzuteilen. Beispiel:3 A überträgt im August 2011 B ein Mietwohngrundstück im Wert von 750 000 Euro und begünstigungsfähige GmbH-Anteile mit einem gemeinen Wert von 4 000 000 Euro. Aus der Anschaffung des Mietwohngrundstücks resultiert noch eine Verbindlichkeit i.H.v. 150 000 Euro, die B übernimmt. Aus der Anschaffung der GmbH-Anteile resultiert noch eine Verbindlichkeit i.H.v. 200 000 Euro, die B ebenfalls übernimmt. Zusätzlich hat sich A ausbedungen, dass B ihm eine lebenslange Rente zahlt, deren Kapitalwert 800 000 Euro beträgt. Wert der Bereicherung des B? Lösung: I. Erwerb Grundstück/Grundbesitzwert GmbH-Anteile Gesamtwert Befreiung § 13c ErbStG 10 % von 750 000 Befreiung § 13a ErbStG 85 % von 4 000 000 Verbleiben II. Abzug von Gegenleistungen 1. Gegenleistungen Grundstück a) Gegenleistung in wirtschaftlichem Zusammenhang mit Grundstück b) Teil der Leistungsauflage (Rente), die auf das Grundstück entfällt: 750 000: 4 750 000 × 800 000 Summe Kürzungsbetrag: 10 % (§ 13c Abs. 1 ErbStG) von 276 316 = Abzugsfähig 2. Gegenleistung GmbH-Anteile a) Gegenleistung in wirtschaftlichem Zusammenhang mit den GmbHAnteilen b) Teil der Leistungsauflage (Rente), die auf die GmbH-Anteile entfällt 4 000 000: 4 750 000 × 800 000 Summe Kürzungsbetrag: GmbH-Anteile vor Anwendung des § 13a ErbStG Verschonungsabschlag 85 % (§ 13a Abs. 1 i.V.m. § 13b Abs. 4 ErbStG) Vermögen nach Anwendung des § 13a ErbStG Abzugsfähiger Teilbetrag 600 000: 4 000 000 × 873 685 (entspricht 15 % von 873 685) = III. Bereicherung
750 000 + 4 000 000 4 750 000 ./. 75 000 ./. 3 400 000 1 275 000
150 000 + 126 316 276 316 ./. 27 631 248 685
./. 248 685
200 000 + 673 685 873 685 4 000 000 ./. 3 400 000 600 000 ./. 131 053
./. 131 053 895 262
1 Vgl. H E 7.4 Abs. 3 ErbStR 2011 „Bemessungsgrundlage bei der gemischten Schenkung und Schenkung unter Auflage in Mischfällen und Inanspruchnahme mehrerer Steuerbefreiungen“ Beispiel 1; vormals gleich lautende Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder v. 20.5.2011, BStBl. I 2011, 562. 2 Vgl. zur Problematik insgesamt Wälzholz, ZEV 2009, 435. 3 Vgl. H E 7.4 Abs. 3 ErbStR 2011 „Bemessungsgrundlage bei der gemischten Schenkung und Schenkung unter Auflage in Mischfällen und Inanspruchnahme mehrerer Steuerbefreiungen“ Beispiel 1.
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§ 10 ErbStG Rz. 90 Steuerpflichtiger Erwerb 4. Beschränkte Steuerpflicht (Abs. 6 Satz 2) a) Grundsatz 90
Der Abzug von Schulden und Lasten ist grundsätzlich eingeschränkt, wenn diese in wirtschaftlichem Zusammenhang mit Vermögensgegenständen stehen, die bei der Besteuerung nicht angesetzt werden; dies ist im Fall beschränkter Steuerpflicht gem. § 2 Abs. 1 Nr. 3 hinsichtlich der Gegenstände der Fall, die nicht zum Inlandsvermögen i.S.d. § 121 BewG gehören: Mit einer auf das Inlandsvermögen beschränkten Besteuerung müssen gleichzeitig für die Anrechnung von Nachlassverbindlichkeiten, die sich bei unbeschränkt Steuerpflichtigen auf den gesamten Vermögensanfall erstreckten, abweichende Vorschriften getroffen werden, bei denen die steuerliche Beschränkung der Steuerpflicht Berücksichtigung findet.1 Insoweit lässt der Gesetzgeber in § 10 Abs. 6 Satz 2 ErbStG nur den Abzug von Schulden und Lasten als Nachlassverbindlichkeiten zu, die mit dem Inlandsvermögen in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen. Das kann dazu führen, dass für gering belastetes Inlandsvermögen Erbschaft- und Schenkungsteuer zu zahlen ist, während bei Berücksichtigung des steuerlichen Erwerbs unbeschränkt Steuerpflichtiger keine Steuer anfällt. Dieser Nachteil kann nach geltender Rechtslage vermieden werden: Auf Antrag des Erwerbers wird ein Vermögensanfall i.S.d. § 2 Abs. 3 ErbStG, zu dem Inlandsvermögen gem. § 121 des Bewertungsgesetzes gehört, insgesamt als unbeschränkt steuerpflichtig behandelt (vgl. § 14 ErbStG Rz. 27 ff.). b) Doppelbesteuerungsabkommen
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Situationen der Doppelbesteuerung zwischen zwei Staaten im Bereich der Erbschaft- und Schenkungsteuer treten auf, wenn in beiden Ländern eine Erbanfall- und Schenkungsteuer erhoben und jeder Erwerber selbständig besteuert wird.2 Auslöser von Doppelbesteuerungskonflikten sind Anknüpfungsmerkmale für die unbeschränkte bzw. beschränkte Steuerpflicht des nationalen Steuerrechts.3 Denn steuerbar soll sowohl der im Wege der unbeschränkten Steuerpflicht weltweit erlangte Erwerb (Deutschland: § 2 Abs. 1 Nrn. 1 u. 2 ErbStG) als auch der auf das Inlandsvermögen bezogene Erwerb der beschränkten Steuerpflicht (Deutschland: § 2 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG) sein. Beispiel: Der Erblasser hatte seinen Wohnsitz und ständigen Aufenthalt im Staat X. Zu seinem Nachlass gehört ein im Staat Y belegenes Grundstück. Der Erbe E wird im Staat X zur Erbschaftsteuer unter Einbeziehung des Grundstückes in Y herangezogen (unbeschränkte Steuerpflicht); der Staat Y wird wegen der Belegenheit des Grundstücks im Inland ebenfalls eine Steuer festsetzen wollen (beschränkte Steuerpflicht).
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Die Regelung in § 10 Abs. 6 Satz 2 ErbStG greift ein, wenn eine Vermögensgegenstand aufgrund eines DBA der Besteuerung entzogen ist. Das ist der Fall, wenn ein Doppelbesteuerungsabkommen der Freistellungsmethode folgt.4 Die Freistellungsmethode war bzw. ist nur in den Abkommen mit Österreich und der Schweiz vorgesehen.5 Das DBA Österreich existiert allerdings nicht mehr.6 Nach Art. 10 Abs. 1 Buchst. a Satz 1 des DBA Schweiz vom 30.11.19787 wird die Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Nachlass- und Erbschaftsteuern für in der Schweiz belegenen Grundbesitz bei Erblassern, die schweizerische Staatsangehörige waren, nach der Freistellungsmethode beseitigt. Schul-
1 FG Düsseldorf v. 3.7.1996 – 4 K 5910/91 Erb, EFG 1996, 1166. 2 Vgl. von Oertzen/Schienke, ZEV 2007, 406. 3 Möglich ist eine Doppelbesteuerung nicht nur wegen des Zusammentreffens von unbeschränkter und beschränkter Steuerpflicht; auch eine „doppelte unbeschränkte Steuerpflicht“ ist im Hinblick auf die Anknüpfungspunkte „Aufenthalt“ und „Staatsangehörigkeit“ denkbar. 4 Jüptner in F/J/P/W5, § 10 ErbStG Rz. 261; Jochum in Wilms/Jochum, § 10 ErbStG Rz. 196 (Stand: Mai 2015). 5 Richter in V/K/S/W4, § 2 ErbStG Rz. 54 a.E. 6 Ab 1.8.2008 gibt es in Österreich keine Erbschaft- und Schenkungsteuer mehr (vgl. Steiner, ErbStB 2008, 60). Der deutsche Finanzminister hat dies zum Anlass genommen, um mit diplomatischer Note v. 25.9.2007 das DBA Erbschaftsteuer v. 4.10.1954 (BGBl. II 1955, 755) gem. dessen Art. 12 Abs. 2 mit Wirkung zum 31.12.2007 zu kündigen (bekannt gemacht in öBGBl. III Nr. 116/2007). 7 BGBl. II 1980, 594; BGBl. I 1980, 243.
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Abzugsbeschränkungen und -verbote für Schulden und Lasten (Abs. 6 bis 9)
Rz. 94 § 10 ErbStG
den, die in einem wirtschaftlichen Zusammenhang mit von der Besteuerung freigestellten Grundstücken stehen, können von der Bemessungsgrundlage für die deutsche Steuer nicht abgezogen werden. Beispiel (Fortführung): Der Erblasser, ein Schweizer Staatsangehöriger, hatte seinen Wohnsitz und ständigen Aufenthalt in Deutschland. Zu seinem Nachlass gehört ein in der Schweiz belegenes Grundstück. Der Erbe E wird in Deutschland zur Erbschaftsteuer herangezogen. Das in der Schweiz belegene Grundstück wird von der deutschen Besteuerung freigestellt. Schulden im Zusammenhang mit dem Grundstück in der Schweiz dürfen von der Bemessungsgrundlage der deutschen Steuer nicht abgezogen werden.
Völlig konsequent erscheint die Abzugsbeschränkung freilich deshalb nicht, weil der deutsche Fiskus indirekt doch ein Besteuerungsrecht an dem in der Schweiz belegenen Grundstück ausübt: Soweit das Grundstück nach der Freistellungsmethode von der deutschen Besteuerung ausgenommen wird, ist nach § 19 Abs. 2 ErbStG i.V.m. Art. 10 Abs. 1 Buchst. a Satz 2 DBA Schweiz, die Steuer nach dem Steuersatz zu erheben, der für den ganzen Erwerb einschließlich des in der Schweiz belegenen Grundstücks gelten würde.
III. Verbot der Doppelentlastung bei Grundstücken (Abs. 6 Satz 6) Die Regelung in § 10 Abs. 6 Satz 6 ErbStG soll verhindern, dass Nutzungsrechte an einem Grund- 93 stück, die bereits bei der Bewertung des Grundstücks berücksichtigt wurden, zusätzlich als Nachlassverbindlichkeit oder Duldungslast abgezogen werden können.1 Die Vorschrift weist Parallelen auf zum Verbot der Doppelberücksichtigung betrieblicher Schulden nach § 10 Abs. 5 Nr. 1 Halbs. 2 ErbStG auf (vgl. Rz. 61). Im Regelbewertungsverfahren für Grundvermögen nach § 179 und §§ 182 bis 197 BewG kommt es nicht zu einem wertmindernden Ansatz von Nutzungsrechten, da das Gesetz einen entsprechenden Abzug schlicht nicht vorsieht. Für wirtschaftliche Einheiten des Grundvermögens kann jedoch nach § 198 BewG der niedrigere gemeine Wert u.a. durch ein Gutachten nachgewiesen werden. Da für diese Gutachten grundsätzlich die auf Grund von § 199 Abs. 1 BauGB ergangenen Vorschriften und damit die Immobilienwertermittlungsverordnung – ImmoWertV2 – gelten, sind auf dem Objekt lastende Nutzungsrechte anders als bei der Regelbewertung des Grundvermögens schon bei der Ermittlung des Werts zu berücksichtigen, vgl. § 6 Abs. 2 ImmoWertV. Nach Verwaltungsauffassung3 haben sich auch beim Nachweis eines niedrigeren gemeinen Werts über einen Kaufpreis gem. § 198 BewG i.V.m. – vgl. § 15 Abs. 1 ImmoWertV – auf dem Objekt lastende Nutzungsrechte bereits auf diesen Preis ausgewirkt. Beim Nachweis des niedrigeren gemeinen Werts für Betriebswohnungen und den Wohnteil eines Betriebs der Land- und Forstwirtschaft nach § 167 Abs. 4 BewG gilt Entsprechendes: Da sich die Nutzungsrechte bereits über den festgestellten Grundbesitzwert bereicherungsmindernd ausgewirkt haben, können sie bei der Erbschaftsteuer nicht nochmals abgezogen werden.
IV. Abzugsverbot bei Familienstiftungen (Abs. 7) Nach § 1 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG unterliegt der Erbschaftsteuer in Zeitabständen von je 30 Jahren das 94 Vermögen einer Stiftung, sofern sie wesentlich im Interesse einer Familie oder bestimmter Familien errichtet ist, sog. „Ersatzerbschaftsteuer für Familienstiftungen“ oder entsprechende Vereine (vgl. § 9 ErbStG Rz. 186). Nach § 10 Abs. 7 ErbStG sind in den Fällen des § 1 Abs. 1 Nr. 4 Leistungen an die nach der Stiftungsurkunde oder nach der Vereinssatzung Berechtigten nicht abzugsfähig. Diese Abzugsbeschränkung hat zwei Gründe: Zum einen soll gem. § 10 Abs. 1 Satz 7 ErbStG zwar das „Netto-Vermögen“ besteuert werden; Leistungen nach der Stiftungsurkunde sind aber keine „Schulden“, sondern finden 1 Vgl. BR-Drucks. 4/08, 50. 2 ImmoWertV v. 19.5.2010, BGBl. I 2010, 639. 3 Vgl. R E 10.10. Abs. 6 ErbStR 2011.
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§ 10 ErbStG Rz. 95 Steuerpflichtiger Erwerb auf der Ebene der Vermögensverwendung statt.1 Zum anderen ist die Auskehrung keine steuerpflichtige freigiebige Zuwendung nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG, da sie auf Grund der sich aus der Satzung ergebenden Rechtspflicht vorgenommen wird und deshalb nicht freiwillig erfolgt.2 Die Korrespondenz gebietet es daher, die Leistungen an die nach der Stiftungsurkunde Berechtigten bei der Stiftung auch nicht zum Abzug zuzulassen.
V. Abzugsverbot für die eigene Erbschaftsteuer (Abs. 8) 95
Die vom Erben als Gesamtrechtsnachfolger aufgrund Erbanfalls nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG i.V.m. § 1922 BGB geschuldete Erbschaftsteuer erfüllt alle Voraussetzungen einer Erbfallschuld.3 Gemäß § 10 Abs. 8 ErbStG ist die von dem Erwerber zu entrichtende eigene Erbschaftsteuer nicht abzugsfähig. Dies entspricht der Wertung des Gesetzgebers in § 12 Nr. 3 EStG, wonach bei der Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer, d.h. bei den Einkünften, die Steuern vom Einkommen ebenfalls nicht abgezogen werden dürfen, wenngleich auch die Nichtberücksichtigung eigener Steuerbelastung „nicht selbstverständlich“ ist.4 Nicht abzugsfähige ist freilich nur die „eigene“ Steuer des Erwerbers:5 Bei einer Erbschaft- und Schenkungsteuerschuld, die in der Person des Erblassers bereits aus anderen Gründen entstanden war und die nun auf den Erwerber als Erben übergeht, handelt es sich um eine Nachlassverbindlichkeit i.S.d. § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG (vgl. BFH v. 22.11.2006 – II B 6/06, BFH/NV 2007, 395 und Rz. 56). Auch die Steuerschuld eines Vermächtnisnehmers, die der Erwerber als Auflage zu tragen hat, ist nach allgemeinen Grundsätzen gem. § 10 Abs. 5 Nr. 2 ErbStG als Erbfallschuld abziehbar. Schließlich ist die Belastung auch abziehbar, wenn bei einer gemischten Schenkung der Beschenkte eine Erbschaftsteuerschuld des Schenkers übernimmt.6 Nach wohl h.M.7 bezieht sich das Abzugsverbot auch auf ausländische Steuer, es sei denn, es handelt sich bei dieser Steuer nicht um eine „Erbschaftsteuer“ im deutschen Sinn – dann kommt ein Abzug als Nachlassverbindlichkeit in Betracht.8
VI. Abzugsverbot für begünstigende Auflagen (Abs. 9) 96
Die Verpflichtung, ein zum Nachlass gehörendes Gebäude in Höhe eines bestimmten Betrags aus Mitteln des Nachlasses zu renovieren, ist bei der Ermittlung des steuerpflichtigen Erwerbs nicht als Nachlassverbindlichkeit abzugsfähig.9 Der zugrunde liegende Gedanke des Verbots einer „Selbstbegünstigung“ ist gesetzlich niedergelegt: Nach § 10 Abs. 9 ErbStG sind Auflagen, die dem Beschwerten selbst zugutekommen, nicht abzugsfähig. Die Regelung des § 10 Abs. 9 ErbStG geht als Ausnahmevorschrift derjenigen des § 10 Abs. 1 Satz 1 ErbStG vor. Das Abzugsverbot gilt auch bei freigebigen Zuwendungen, soweit diese mit „Gegenleistungen“ verbunden sind.10 Die die Erfüllung
1 Vgl. Meincke16, § 10 ErbStG Rz. 58. 2 Vgl. Jochum in Wilms/Jochum, § 10 ErbStG Rz. 205 (Stand: Mai 2015). 3 BFH v. 20.1.2016 – II R 34/14, BStBl. II 2016, 482 – die vom Erben als Gesamtrechtsnachfolger aufgrund Erbanfalls nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG i.V.m. § 1922 BGB geschuldete Erbschaftsteuer ist damit eine Nachlassverbindlichkeit, die vom Finanzamt als Nachlassinsolvenzforderung im Nachlassinsolvenzverfahren geltend gemacht werden kann. 4 Meincke16, § 10 ErbStG Rz. 59. 5 Vgl. Jochum in Wilms/Jochum, § 10 ErbStG Rz. 207 (Stand: Mai 2015). 6 Schuck in V/K/S/W4, § 10 ErbStG Rz. 155. 7 Vgl. bejahend Gebel in T/G/J, § 10 ErbStG Rz. 268 (Stand: April 2016); Geck in Kapp/Ebeling, § 10 ErbStG Rz. 177 (Stand: Juli 2016); Jochum in Wilms/Jochum, § 10 ErbStG Rz. 208 (Stand: Mai 2015); H E 10.11 ErbStH 2011 – a.A. Meincke16, § 10 ErbStG Rz. 59; Schuck in V/K/S/W4, § 10 ErbStG Rz. 155. 8 So entschieden für die kanadische „capital gains tax“, BFH v. 26.4.1995 – II R 13/92, BStBl. II 1995, 540. 9 BFH v. 28.6.1995 – II R 89/92, BStBl. II 1995, 786. 10 Vgl. Geck in Kapp/Ebeling, § 10 ErbStG Rz. 179 (Stand: November 2015).
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Abfindung für die Übertragung einer Beteiligung (Abs. 10)
Rz. 97 § 10 ErbStG
der Auflage sollte für den Beschwerten allerdings auch tatsächlich vorteilhaft sein (ideell oder wirtschaftlich)1 und keine „Schikaneschenkung“2 darstellen. Die Auflage zugunsten einer Personengesellschaft kommt (anteilig) den an ihr beteiligten Gesamthändern zugute. Nach der Rechtsprechung sind bei freigebigen Zuwendungen in das Vermögen einer Gesamthandsgemeinschaft die Gesamthänder als vermögensmäßig bereichert anzusehen, unabhängig von der Frage, ob zivilrechtlich ggf. die Gesamthand Erbin oder Beschenkte ist.3 Die mit der Zuwendung an eine Stiftung verbundene Auflage, die Zuwendung für eigene satzungsmäßige Zwecke der Stiftung zu verwenden, kommt dieser selbst zugute und mindert deren Bereicherung nicht. Die entsprechende Auflage ist daher nicht abzugsfähig.4
H. Abfindung für die Übertragung einer Beteiligung (Abs. 10) I. Grundsatz In mittelständischen Familienunternehmen finden sich, um das Gesellschaftsvermögen in der Gesell- 97 schaft für Zwecke der Familie zu erhalten, gesellschaftsvertragliche Regelungen, die eine Übertragung von Mitgliedschaftsrechten bzw. Anteilen an einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung nach dem Erbfall mit einem der Höhe nach unter dem gemeinen Wert liegenden Abfindungsanspruch vorsehen sowie den Erwerberkreis auf bereits in der Familiengesellschaft befindliche Gesellschafter einschränken. Kraft Gesetzes sind die Mitgliedschaftsrechte an Personengesellschaften mit Ausnahme der Kommanditistenstellung (§ 177 HGB) nicht vererblich. Da es sich insoweit um dispositives Recht handelt, können die Mitgliedschaftsrechte aber gesellschaftsvertraglich vererblich gestellt werden. Zugleich kann der Gesellschaftsvertrag vorsehen, dass Erben aus bestimmten darin festgelegten Gründen (z.B. Nichtzugehörigkeit zum umschriebenen Familienzweig) ihren Anteil unverzüglich an Mitgesellschafter zu übertragen haben und dabei nur den Anspruch realisieren können, der ihnen bei ihrem Ausscheiden (Abfindungsanspruch) zustehen würde. Vergleichbare Regelungen finden sich auch in Gesellschaftsverträgen von Gesellschaften mit beschränkter Haftung Vor diesem Hintergrund soll der Erbe, der letztlich nur einen Abfindungsanspruch erhält, nach § 10 Abs. 10 ErbStG nur diesen Abfindungsanspruch versteuern, wenn dessen Wert hinter dem Wert des Gesellschaftsanteils zurückbleibt. Grund5 für die in das Gesetz aufgenommene Regelung ist die bewertungsrechtliche Abkehr von der Steuerbilanz als Ausgangspunkt der Unternehmensbewertung und die neue Maßgeblichkeit des gemeinen Werts (Verkehrswerts):6 In der Vergangenheit war der Unterschied zwischen dem bewertungsrechtlichen Steuerwert eines Gesellschaftsanteils und dessen Buchwert wegen der gemeinsamen Ausgangsbasis der Steuerbilanz marginal. Der Gesellschafter, der „zu Buchwerten“ abgefunden wurde, hatte gegenüber dem Erwerber des Gesellschaftsanteils kaum einen wirtschaftlichen Nachteil zu fürchten. Daher war die Verpflichtung, einen erworbenen Gesellschaftsanteil gegen „Buchwertabfindung“ weiterzugeben, wirtschaftlich weniger bedeutsam. Nach geltendem Recht dürfte i.d.R. eine erhebliche Bewertungsdifferenz zwischen dem Steuerwert des Gesellschaftsanteils und dem Abfindungsanspruch zu Buchwerten bestehen. Wenn das Ausscheiden aufgrund der Regelung im Gesellschaftsvertrag vom Grundsatz her feststeht, ist ein auflösend bedingter Erwerb des Gesellschaftsanteils nach § 5 BewG und ein aufschiebend be1 Vorteilhaftigkeit fordert Meincke16, § 10 ErbStG Rz. 60; folgend Schuck in V/K/S/W4, § 10 ErbStG Rz. 159 und Jüptner in F/J/P/W5, § 10 ErbStG Rz. 304 – a.A. Gebel in T/G/J, § 10 ErbStG Rz. 271 (Stand: April 2014). 2 Geck in Kapp/Ebeling, § 10 ErbStG Rz. 180 (Stand: September 2013). 3 BFH v. 11.11.2009 – II R 31/07, BStBl. II 2010, 504 = FR 2010, 673 = ErbStB 2010, 129. 4 BFH v. 16.1.2002 – II R 82/99, BStBl. II 2002, 303 = FR 2002, 797. 5 Vgl. Bericht des Finanzausschusses BT-Drucks. 16/11107, 7 f. 6 Bei Personengesellschaft ist an die Stelle des Steuerbilanzwerts nach § 97 Abs. 1 Nr. 5 BewG i.V.m. § 109 Abs. 1 BewG a.F. (R 115 ff. ErbStR 2003) der gemeine Wert nach § 109 Abs. 2 i.V.m. § 11 Abs. 2 BewG getreten; für GmbH-Anteile ist an die Stelle des „steuerbilanzbasierten“ Stuttgarter Verfahrens (vgl. R 96 ff. – „Vermögenswert“ R 98 Abs. 2 ErbStR 2003) ebenfalls der gemeine Wert nach § 109 Abs. 2 i.V.m. § 11 Abs. 2 BewG getreten.
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§ 10 ErbStG Rz. 98 Steuerpflichtiger Erwerb dingter Erwerb des Abfindungsanspruchs nach § 4 BewG anzunehmen:1 § 10 Abs. 10 ErbStG ordnet an, dass in diesem Fall Erwerbs- und Bewertungsgegenstand – wie bei der Fortsetzungsklausel – der Abfindungsanspruch ist. Die Anwendung des § 10 Abs. 10 ErbStG ist auf den Erwerb von Todes wegen durch Erbfall beschränkt.
II. Mitgliedschaftsrecht an einer Personengesellschaft (Abs. 10 Satz 1) 1. Vermögensanfall beim weichenden Erben 98
Dem ausscheidenden Erben, der sein Mitgliedschaftsrecht aufgrund gesellschaftsvertraglicher Verpflichtung auf die Mitgesellschafter überträgt, gebührt nach Maßgabe der §§ 738 Abs. 1 Satz 2, 740 BGB eine Abfindung.2 Ist der Wert, der sich für seinen Anteil zur Zeit des Todes des Erblassers nach § 12 ErbStG ergibt, höher als der gesellschaftsvertraglich festgelegte Abfindungsanspruch, so gehört nur der Abfindungsanspruch zum Vermögensanfall, § 10 Abs. 10 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 Satz 2 ErbStG. §§ 13a und 19a ErbStG sind auf den Abfindungsanspruch des Erben nicht anzuwenden.3 2. Schenkung an verbleibende Gesellschafter (§ 7 Abs. 7 Satz 1, 3 ErbStG)
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Der Anwachsungserwerb der verbleibenden Gesellschafter erfüllt unter den gegebenen Voraussetzung den Tatbestand einer Schenkung nach § 7 Abs. 7 ErbStG: Die vermögensrechtlichen Folgen des Ausscheidens aus einer Personengesellschaft sind in §§ 738 ff. BGB geregelt. Der Anteil des Ausscheidenden am Gesellschaftsvermögen wächst den übrigen Gesellschaftern zu, § 738 Abs. 1 Satz 1 BGB. Dies gilt über § 105 Abs. 2 und § 161 Abs. 2 HGB auch für die OHG und die KG. Der Übergang des Gesellschaftsanteils auf die anderen Gesellschafter in Form der Anwachsung beruht i.S.d. § 7 Abs. 7 ErbStG auf dem Gesellschaftsvertrag, denn er tritt nur dann ein, wenn im Gesellschaftsvertrag eine Fortsetzungsklausel (Übernahmeklausel) vereinbart ist. Übersteigt der Wert des Anteils des ausscheidenden Gesellschafters (nach Maßgabe des § 12 ErbStG) den Abfindungsanspruch, wie dies bei im Gesellschaftsvertrag vereinbarten „Buchwertabfindungsklauseln“ eintreten wird, so ist der Besteuerungstatbestand des § 7 Abs. 7 ErbStG in der Person der verbleibenden Gesellschafter erfüllt.4 Das subjektive Merkmal des Bewusstseins der Unentgeltlichkeit ist nicht erforderlich.5 Die Vergünstigungen nach §§ 13a, 19a ErbStG greifen für den Erwerb der verbleibenden Gesellschafter ein.6
III. Geschäftsanteil an einer GmbH (Abs. 10 Satz 2) 1. Vermögensanfall beim weichenden Erben 100 Die Grundsätze des § 10 Abs. 10 Satz 1 ErbStG sind gemäß Satz 2 der Vorschrift bei mit den in
Satz 1 genannten vergleichbaren Regelungen in Gesellschaftsverträgen von Gesellschaften mit beschränkter Haftung, sofern diese nicht schon die Einziehung des vererbten Geschäftsanteils gegen eine unter dem gemeinen Wert liegende Abfindung vorsehen, entsprechend anzuwenden.7 2. Schenkung an verbleibende Gesellschafter oder Gesellschaft, § 7 Abs. 7 Satz 1 bis 3 ErbStG 101 Der Schenkungstatbestand in § 7 Abs. 7 ErbStG betrifft neben den Anteilen an einer Personengesell-
schaft auch die Anteile an einer Kapitalgesellschaft; dies gilt zunächst für die Übertragung eines GeJüptner in F/J/P/W5, § 10 ErbStG Rz. 315. Vgl. BFH v. 1.7.1992 – II R 70/88, BStBl. II 1992, 921. R E 10.13 Abs. 1 Sätze 4 und 5 ErbStR 2011. Vgl. BFH v. 1.7.1992 – II R 70/88, BStBl. II 1992, 921 und ausf. Hübner, ZEV 2009, 361; Hübner, ZEV 2009, 428. 5 BFH v. 1.7.1992 – II R 12/90, BStBl. II 1992, 925. 6 Vgl. R E 10.13 Abs. 3 Satz 4 ErbStR 2011. 7 Vgl. R E 10.13 Abs. 2 ErbStR 2011. 1 2 3 4
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Abfindung für die Übertragung einer Beteiligung (Abs. 10)
Rz. 101 § 10 ErbStG
sellschaftsanteils an die Mitgesellschafter. Auch hier greifen die Vergünstigungen nach §§ 13a, 19a ErbStG ein.1 Aber auch bei der Einziehung gegen eine Abfindung unter dem gemeinen Wert erhöht sich der Wert der verbleibenden Gesellschaftsanteile der Mitgesellschafter und bildet daher einen Besteuerungstatbestand nach § 7 Abs. 7 Satz 2 ErbStG. Denn in diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass letztendlich der gemeine Wert der Mitberechtigung bzw. des Anteils an einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung insgesamt der Besteuerung unterworfen wird: Die Differenz zwischen dem Abfindungsanspruch und dem gemeinen Wert gilt als Bereicherung bei einer Einziehung eines Anteils einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung der übrigen Gesellschafter. §§ 13a, 19a ErbStG sollen nach Verwaltungsauffassung nicht anwendbar sein, wenn der Geschäftsanteil eines Gesellschafters einer GmbH eingezogen wird, weil die verbleibenden Gesellschafter selbst keine Anteile erwerben.2
1 Vgl. R E 10.13 Abs. 3 Satz 4 ErbStR 2011. 2 Vgl. R E 10.13 Abs. 3 Satz 4 ErbStR 2011.
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§ 11 Bewertungsstichtag Für die Wertermittlung ist, soweit in diesem Gesetz nichts anderes bestimmt ist, der Zeitpunkt der Entstehung der Steuer maßgebend. A. I. II. III. IV. B. I. II. C.
Grundaussagen der Vorschrift. . . . . . . . . . Regelungsgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . Bedeutung und Telos . . . . . . . . . . . . . . . . . Geltungsbereich und Verhältnis zu anderen Vorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rechtsentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bewertungsstichtag und Bewertungstag . . Bewertungsstichtag. . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bewertungstag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Stichtagsstringenz/Ausschluss rückwirkender Gestaltungen . . . . . . . . . . . . . . . . .
D. Sonderfälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Stichtagsdurchbrechende Sondervorschriften. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Berücksichtigung früherer Erwerbe . . . . . 2. Einsetzung einer Stiftung als Erbin . . . . . 3. Ereignis mit Wirkung für die Vergangenheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Nachträglich eingetretene Umstände . b) Rückwirkendes Ereignis (§ 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO) . . . . . . . . . . . . . . . .
1 1 2 3 4 5 5 6
II.
III. E. I.
9 10 10 10 11 12 12
II.
c) Auflösend bedingter Erwerb/bedingte Belastungen (§§ 4 ff. BewG) . . . . . . . . Erwerbe im Zusammenhang mit Betriebsvermögen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Betriebsvermögen, Anteile an nicht notierten Kapitalgesellschaften . . . . . . . . . 2. Ausscheiden, Abfindung . . . . . . . . . . . . . Auslandsvermögen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Unbilligkeit der Stichtagsregelung . . . . . . . Härten der Stichtagsregelung . . . . . . . . . . . . 1. Maßgeblichkeit des Stichtages im Festsetzungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Fehlende Verfügungsmöglichkeit . . . . . . . 3. Wertveränderung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abhilfe durch Billigkeitsmaßnahmen . . . . . . 1. Voraussetzungen einer Billigkeitsmaßnahme aus sachlichen Gründen . . . . . . . . 2. Wertverfall nach dem Stichttag . . . . . . . . 3. Forderungsausfall nach dem Stichtag . . . .
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13
Literatur: Geck, Das Stichtagsprinzip des Erbschaftsteuerrechts, FR 2007, 631; Koblenzer, Das Wertpapierdepot in der Nachfolgeplanung, ErbStB 2005, 158; Landsittel, Der Stichtag bei Erwerben durch Vermächtnis und Erbanfall, ZEV 2003, 221; Meincke, Erlass der Erbschaftsteuer aus Billigkeitsgründen, DStR 2004, 573; Naujok, Stichtagsbewertung und Billigkeitserlass im Erbschaftsteuerrecht, ZEV 2003, 94. Verwaltungsanweisungen: R E 11 ErbStR 2011; H E 11 ErbStH 2011.
A. Grundaussagen der Vorschrift I. Regelungsgegenstand Die Vorschrift des § 11 ErbStG regelt den „Bewertungsstichtag“: Danach ist für die Wertermittlung, 1 soweit im ErbStG nichts anderes bestimmt ist, der Zeitpunkt der Entstehung der Steuer maßgebend. Bei Erwerben von Todes wegen entsteht die Steuer mit dem Tode des Erblassers, § 9 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG. Der Gesetzgeber des ErbStG hat damit denselben Zeitpunkt bestimmt, der sich auch nach dem Zivilrecht gem. § 1922 Abs. 1 BGB für den Übergang des Vermögens auf die Erben ergibt. Bei Schenkungen unter Lebenden ist der Zeitpunkt der Ausführung der Zuwendung entscheidend, § 9 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG. Bei Zweckzuwendungen entsteht die Steuer nach § 9 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG mit dem Zeitpunkt des Eintritts der Verpflichtung des Beschwerten. Gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG entsteht der Abgabenanspruch in den Fällen des § 1 Abs. 1 Nr. 4 bei einer Familienstiftung in Zeitabständen von je 30 Jahren seit dem Zeitpunkt des ersten Übergangs von Vermögen auf die Stiftung. Diese Zeitpunkte sind gem. § 11 ErbStG auch für die Wertermittlung maßgebend. Kann der Bewer-
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§ 11 ErbStG Rz. 2 Bewertungsstichtag tungsstichtag nicht durch Sachverhaltsermittlung festgelegt werden, ist der Tag im Wege einer Schätzung nach § 162 AO festzulegen.1
II. Bedeutung und Telos 2 Die Erbschaft- und Schenkungsteuer ist – etwa im Gegensatz zur Einkommensteuer – keine Jahres-
steuer (vgl. dagegen § 2 Abs. 7 Satz 1 EStG) und kennt keinen Veranlagungszeitraum (vgl. dagegen § 36 Abs. 1 EStG). Ihr Entstehen kann also nicht an Sachverhalte während eines Zeitraumes geknüpft werden; vielmehr muss für die Besteuerung ein bestimmter Zeitpunkt maßgeblich sein. Die grundlegende Entscheidung des Gesetzgebers, die Steuer an die Bereicherung des Erwerbers zu einem bestimmten Stichtag zu knüpfen, ist daher nicht nur sachgerecht,2 sondern notwendig. Mögliche Härten, die dieses Prinzip mit sich bringt, sind im Wege einer Billigkeitsentscheidung zu korrigieren (vgl. § 11 ErbStG Rz. 20 ff.).
III. Geltungsbereich und Verhältnis zu anderen Vorschriften 3 Eine Steuerfestsetzung ohne Stichtag der für die Besteuerung maßgeblichen Verhältnisse ist nicht
möglich:3 Das Stichtagsprinzip, wonach die Verhältnisse am Tag der Entstehung der Steuer maßgebend sind, ist allen Steuerarten gemein. Für den Bereich der Erbschaft- und Schenkungsteuer trifft § 11 ErbStG die entsprechende Regelung. Der Stichtag hat Bedeutung u.a. für die Merkmale folgender Tatbestände:4 persönliche Steuerpflicht (§ 2 ErbStG), Wertermittlung (§ 11 ErbStG), Anwendung der Steuerklasse (§ 15 ErbStG), Anrechnung ausländischer Steuer (§ 21 ErbStG), Steuerermäßigung bei mehrfachem Erwerb desselben Vermögens (§ 27 ErbStG) und für Anwendung des Gesetzes bei Neuregelungen (§ 37 ErbStG). Zu beachten sind freilich stets auch „stichtagsdurchbrechende“ Sondervorschriften (vgl. § 11 ErbStG Rz. 10 ff.)
IV. Rechtsentwicklung 4 Der vorliegende Gesetzestext beruht auf der Fassung der Bekanntmachung vom 27.2.1997.5 Bedeut-
same Entwicklungen der Norm fehlen.
B. Bewertungsstichtag und Bewertungstag I. Bewertungsstichtag 5 Die Wertermittlung zum Bewertungsstichtag betrifft die Feststellung und Bewertung der Bereiche-
rung. Die tatsächlichen Umstände, die der Ermittlung des Besteuerungstatbestandes sowohl dem Umfang der Bemessungsgrundlage nach als auch zur Bewertung zugrunde gelegt werden, richten sich nach dem Stichtag des § 11 ErbStG. Ausdrücklich ist dies in § 157 BewG i.V.m. § 12 ErbStG geregelt: Gemäß § 157 Abs. 1 Satz 1 BewG i.V.m. § 12 Abs. 3 ErbStG werden Grundbesitzwerte unter Berücksichtigung der tatsächlichen Verhältnisse und der Wertverhältnisse zum Bewertungsstichtag festgestellt. Der Wert von Anteilen an Kapitalgesellschaften i.S.d. § 11 Abs. 2 Satz wird nach § 157 Abs. 4 Satz 1 BewG i.V.m. § 12 Abs. 2 ErbStG unter Berücksichtigung der tatsächlichen Verhältnisse und der Wertverhältnisse zum Bewertungsstichtag festgestellt. Schließlich wird gem. § 157 Abs. 5 Satz 1 BewG i.V.m. § 12 Abs. 5 ErbStG 1 Pahlke in F/J/P/W5, § 11 ErbStG Rz. 31 unter Bezugnahme auf BFH v. 6.6.2007 – II R 17/06, BStBl. II 2008, 46 = FR 2008, 193 = ErbStB 2007, 368. 2 Vgl. Jochum in Wilms/Jochum, § 11 ErbStG Rz. 7 (Stand: Dezember 2011) m.w.N. 3 Vgl. Geck, FR 2007, 631. 4 Vgl. Meincke16, § 11 ErbStG Rz. 5. 5 BGBl. I 1997, 378.
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Bewertungsstichtag und Bewertungstag
Rz. 8 § 11 ErbStG
der Wert von Betriebsvermögen i.S.d. §§ 95, 96 und 97 unter Berücksichtigung der tatsächlichen Verhältnisse und der Wertverhältnisse zum Bewertungsstichtag festgestellt. Zu der Bestimmung des maßgeblichen Zeitpunkts für die Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen kommt, wie sich aus den bereits zitierten Vorschriften ergibt, die Bewertung der Bemessungsgrundlagen.1 Gemäß § 12 ErbStG sind auch hier die Vorschriften des BewG maßgeblich. Dort finden sich zudem Regelungen, die einer möglichen Unsicherheit bei der Bewertung von Wirtschaftsgütern Rechnung tragen. Beispiel:2 Gemäß § 11 i.V.m. § 9 Abs. 1 Nr. 1, § 12 Abs. 1 ErbStG i.V.m. § 12 Abs. 1 Satz 1 BewG sind Kapitalforderungen mit dem Nennwert zum Bewertungsstichtag anzusetzen. Dies gilt aber nur, soweit nicht besondere Umstände einen höheren oder geringeren Wert begründen. Ist die Zivilrechtslage hinsichtlich der Forderung ungewiss, ist der am Stichtag vorhandenen rechtlichen Unsicherheit durch Ansatz eines niedrigeren Wertes Rechnung zu tragen. Der Wert ist dann nach dem Grad der Wahrscheinlichkeit anzusetzen, mit der sich die Forderung aus der Sicht vom Stichtag durchsetzen lassen wird.
Das Stichtagsprinzip ist jedoch nicht auf die Erfüllung des Besteuerungstatbestandes und die Wertermittlung beschränkt. Vielmehr kommt es für die Besteuerung insgesamt auf die Verhältnisse zum Zeitpunkt der Entstehung (§ 11 i.V.m. § 9 ErbStG) an.3 So ist der Bewertungsstichtag maßgebend für die Gesamtheit der Ermittlungen, die für die Bestimmung des steuerpflichtigen Erwerbs i.S.d. § 10 ErbStG erforderlich sind.4 Nach den Gegebenheiten des Bewertungsstichtags bestimmen sich darüber hinaus beispielsweise die persönlichen Verhältnisse (z.B. Steuerklassen, § 15 ErbStG und persönliche Steuerfreibeträge, §§ 16, 175 ErbStG) und sonstigen Steuerbefreiungen (§§ 13 ff. ErbStG). Zusammenfassend lässt sich sagen, dass sich die Voraussetzungen aller Rechenschritte, die nach § 10 Abs. 1 ErbStG zur Ermittlung der Bemessungsgrundlage notwendig sind (vgl. § 10 ErbStG Rz. 7), nach den Verhältnissen am Bewertungsstichtag richten.6
II. Bewertungstag Vom Bewertungsstichtag i.S.d. § 11 ErbStG als dem Tag der Entstehung des Steueranspruches nach 6 § 9 ErbStG ist der Tag der Vornahme der Bewertung („Bewertungstag“) zu unterscheiden, wobei sich die Frage stellt, ob für die Bewertung Erkenntnisse berücksichtigt werden dürfen, die am erst am Bewertungstag vorliegen. Letztlich können hier die Grundsätze berücksichtigt werden, die der BFH7 zur Handhabung des Bilanzstichtags aufgestellt hat.8 Danach ist die Berücksichtigung „wertaufhellender Umstände“ zulässig, nicht aber die Verwertung „wertbeeinflussender Umstände“. „Wertaufhellende“ Umstände: Das Stichtagsprinzip schließt nicht grundsätzlich jeden Blick auf vor- 7 hergehende oder nachfolgende Ereignisse aus. „Wertaufhellende“ Umstände oder Tatsachen berühren die Verhältnisse am Bewertungsstichtag insoweit, als sie diese so zeigen, wie sie sich am Stichtag tatsächlich (objektiv) darstellten und deshalb auch dann zu berücksichtigen sind, wenn sie am Stichtag noch nicht eingetreten oder noch nicht bekannt waren. Später eingetretene Umstände zur Beurteilung der am Stichtag gegebenen Verhältnisse dürfen unterstützend im Sinne einer retrospektiven Betrachtung herangezogen werden.9 „Wertbeeinflussende“ Umstände: Von diesen wertaufhellenden Tatsachen sind solche Ereignisse zu 8 unterscheiden, die erst nach dem Bewertungsstichtag eingetreten sind, ohne dass sie die Verhältnisse am Stichtag objektiv zu zeigen, sog. „wertbeeinflussende“ Umstände oder Tatsachen. Diese Tatsachen 1 2 3 4 5 6 7 8 9
Vgl. auch Schuck in V/K/S/W4, § 11 ErbStG Rz. 1. Vgl. BFH v. 26.2.2008 – II R 82/05, BStBl. II 2008, 629 = FR 2008, 886 = ErbStB 2008, 166. Vgl. BFH v. 27.10.2010 – II R 37/09, BStBl. II 2011, 134. Pahlke in F/J/P/W5, § 11 ErbStG Rz. 1; BFH v. 28.10.2015 – II R 46/13, BStBl. II 2016, 477. Vgl. § 17 Abs. 2 Satz 3 ErbStG, wo ausdrücklich auf § 11 ErbStG Bezug genommen wird. Meincke16, § 11 ErbStG Rz. 1. Vgl. bereits BFH v. 4.4.1973 – I R 130/71, BStBl. II 1973, 485. Vgl. Meincke16, § 11 ErbStG Rz. 3. BFH v. 13.5.1998 – II R 98/97, BFH/NV 1998, 1376.
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§ 11 ErbStG Rz. 9 Bewertungsstichtag dürfen nicht verwertet werden. Danach sind im Bereich des Erbschaft- und Schenkungsteuerrechts Veränderungen im Umfang oder Wert der Bemessungsgrundlage nach dem Stichtag des § 11 ErbStG nicht zu berücksichtigen;1 eine Rückprojizierung nachträglich eingetretener Ereignisse ist nicht erlaubt.2
C. Stichtagsstringenz/Ausschluss rückwirkender Gestaltungen 9 Die Stichtagsregelung in § 11 ErbStG schließt es grundsätzlich aus, Rechtsfolgen im Nachhinein zu
gestalten. Das Problem rückwirkender Regelungen stellt sich in erster Linie bei den Erwerben unter Lebenden. Steuerrechtlich unproblematisch ist es, den Ausführungszeitpunkt nach steuerlichen Günstigkeitsaspekten zu legen und damit den Stichtag in Grenzen selbst zu beeinflussen.3 Weitergehende Beeinflussungen des Stichtagszeitpunkts sind dagegen nicht möglich. Denn schon grundsätzlich kann mit steuerrechtlicher Wirkung ein Sachverhalt nicht rückwirkend gestaltet werden, weil der Steuerpflichtige auf einen entstandenen Steueranspruch nicht rückwirkend Einflüsse nehmen können soll. Dies wird von der Rechtsprechung4 damit begründet, dass eine solche Einflussnahme ein „unzulässiger Eingriff“ in öffentlich-rechtliche Verhältnisse wäre. Ausgenommen hiervon sind freilich die Fälle stichtagsdurchbrechender Sondervorschriften (vgl. § 11 ErbStG Rz. 10 ff.). Obwohl eine rückwirkende Gestaltung zivilrechtlich im Rahmen der Privatautonomie – in Grenzen – zulässig ist, kommt eine erbschaftsteuerrechtliche Rückwirkung in dem Sinne, dass durch die Rückdatierung auch der Zeitpunkt der Entstehung der Steuerschuld zurückverlegt worden wären, nicht in Betracht. Dies gilt insbesondere für rückwirkenden Gesellschaftsverträge:5 Zwar kann zivilrechtlich vereinbart werden, dass eine Personengesellschaft als zu einem früheren Zeitpunkt entstanden gelten soll, und ebenso, dass neue Gesellschafter rückwirkend an der Personengesellschaft beteiligt werden sollen. Diese Rückwirkung hat jedoch nur gesellschaftsrechtliche Bedeutung. Für die Erbschaftsteuer als Stichtagsteuer sind ausschließlich die Verhältnisse im tatsächlichen Zeitpunkt des Vertragsabschlusses maßgebend. Vorstehende Überlegungen gelten auch für gesellschaftsrechtliche Umwandlungsfälle:6 Wenn nach dem Tod eines Erblassers bzw. nach Ausführung einer Schenkung die Umwandlung einer Personengesellschaft in eine Kapitalgesellschaft mit steuerlicher Rückwirkung auf einen Übertragungszeitpunkt beschlossen wird, der vor dem Zeitpunkt der Steuerentstehung liegt, berührt die ertragsteuerliche Rückwirkung nach § 2 Abs. 1 UmwStG nicht die nach zivilrechtlichen Grundsätzen zu entscheidende Frage, welches Vermögen zum Nachlass eines Erblassers gehörte bzw. was Gegenstand einer unentgeltlichen Zuwendung war; diese Frage ist gem. §§ 9, 11 ErbStG ausschließlich nach den tatsächlichen Verhältnissen zum Zeitpunkt der Steuerentstehung zu beurteilen.
D. Sonderfälle I. Stichtagsdurchbrechende Sondervorschriften 1. Berücksichtigung früherer Erwerbe 10
Die Öffnungsklausel des § 11 ErbStG, wonach das Stichtagsprinzip nur Geltung hat, soweit im Erbschaft- und Schenkungsteuergesetz nichts anderes bestimmt ist, findet Anwendung im Fall des § 14 Abs. 1 Satz 1 ErbStG: Danach werden mehrere innerhalb von zehn Jahren von derselben Person anfallende Vermögensvorteile in der Weise zusammengerechnet, dass dem letzten Erwerb die früheren Erwerbe nach ihrem früheren Wert zugerechnet werden. 1 2 3 4
Vgl. BFH v. 22.9.1999 – II B 130/97, BFH/NV 2000, 320. BFH v. 13.5.1998 – II R 98/97, BFH/NV 1998, 1376. Vgl. Jochum in Wilms/Jochum, § 11 ErbStG Rz. 11 (Stand: Dezember 2011). Vgl. BFH v. 18.9.1984 – VIII R 119/81, BStBl. II 1985, 55 = FR 1985, 51 unter Bezugnahme auf RFH v. 9.5.1933 – VI A 434/30, RFHE 33, 277. 5 Vgl. BFH v. 24.7.1963 – II 207/61 U, BStBl. III 1963, 442. 6 Vgl. R E 11 ErbStR 2011.
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Sonderfälle
Rz. 14 § 11 ErbStG
2. Einsetzung einer Stiftung als Erbin Setzt der Erblasser eine von ihm angeordnete rechtsfähige Stiftung zur Erbin ein, so unterliegt gem. 11 § 11 ErbStG i.V.m. § 9 Abs. 1 Nr. 1 Halbs. 2 Buchst. c und § 3 Abs. 2 Nr. 1 ErbStG der Erbschaftsteuer nach Auffassung des BFH1 auch der Vermögenszuwachs, der sich im Nachlass zwischen dem Tag des Todes des Erblassers und dem Tag der Genehmigung der Stiftung vollzogen hat: Entsteht die Erbschaftsteuer erst im Zeitpunkt der Genehmigung, so ergibt sich aus den strikt an den Steuerentstehungszeitpunkt anknüpfenden Bestimmungen der §§ 11 und 12 Abs. 5 ErbStG, dass Bestand (Umfang) und Wert des angefallenen Vermögens auf diesen Zeitpunkt zu ermitteln sind. Daraus folgt, dass zwischen dem Erbfall und dem späteren Zeitpunkt der Steuerentstehung eingetretene Veränderungen im Bestand und Wert des Nachlasses, gleichviel ob diese Veränderungen zu einer Verminderung oder zu einer Erhöhung der Bemessungsgrundlage geführt haben, berücksichtigt werden müssen. 3. Ereignis mit Wirkung für die Vergangenheit a) Nachträglich eingetretene Umstände Die Erbschaftsteuer entsteht bei Vorliegen der Tatbestände des § 9 Abs. 1 ErbStG. Dieser Zeitpunkt 12 ist nach § 11 ErbStG zugleich für die Ermittlung des Umfangs und des Werts des Erwerbs maßgeblich. Der Zeitpunkt stellt eine Momentaufnahme dar und nicht das Ergebnis einer dynamischen Betrachtung, mit der sich auch die weitere Entwicklung des Erwerbs erfassen ließe. Dies schließt es freilich aus, nachträglich eingetretene, d.h. am Bewertungsstichtag noch nicht vorhandene Umstände auf diesen Zeitpunkt zurückzubeziehen,2 wenn die entsprechenden gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt sind. b) Rückwirkendes Ereignis (§ 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO) Nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO ist ein Steuerbescheid zu erlassen, aufzuheben oder zu ändern, so- 13 weit ein Ereignis eintritt, das steuerliche Wirkung für die Vergangenheit hat („rückwirkendes Ereignis“). Zu den rückwirkenden Ereignissen zählen alle rechtlich bedeutsamen Vorgänge, aber auch tatsächliche Lebensvorgänge, die steuerlich – ungeachtet der zivilrechtlichen Wirkungen – in der Weise Rückwirkung entfalten, dass nunmehr der veränderte anstelle des zuvor verwirklichten Sachverhalts der Besteuerung zugrunde zu legen ist. Ob einer nachträglichen Änderung des Sachverhalts rückwirkende steuerliche Bedeutung zukommt, bestimmt sich allein nach dem jeweils einschlägigen materiellen Recht. Die Vorschrift des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO ist im Bereich der Erbschaft- und Schenkungsteuer nach Auffassung des BFH3 nur dann anwendbar, wenn „der Gesetzgeber vorsieht“, dass einem nach der Entstehung der Steuer eintretenden Ereignis Wirkung für die Vergangenheit zukommt. Angesichts der unbestimmten Formulierung der Tatbestandsvoraussetzungen für eine Rückwirkung werden die Kriterien für das Vorliegen eines rückwirkenden Ereignisses stark von Einzelfallentscheidungen der höchstrichterlichen Finanzrechtsprechung beeinflusst. Rückwirkung u.a. bejaht: 14 – Unter den Begriff des rückwirkenden Ereignisses fällt jedenfalls das Erlöschen der Schenkungsteuer, das nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG mit Wirkung für die Vergangenheit eintritt, wenn ein Geschenk wegen eines Rückforderungsrechts herausgegeben werden musste.4 – Hinsichtlich des Abzugs des Pflichtteils als Nachlassverbindlichkeit hat die Geltendmachung des Pflichtteils Rückwirkung:5 Die Erbschaftsteuer für den Erwerb des Pflichtteilsanspruchs nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG entsteht nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b ErbStG mit dem Zeitpunkt der Geltendmachung. Hinsichtlich des Abzugs des Pflichtteils als Nachlassverbindlichkeit wirkt dessen 1 2 3 4 5
BFH v. 25.10.1995 – II R 20/92, BStBl. II 1996, 99. Vgl. BFH v. 18.10.2000 – II R 46/98, BFH/NV 2001, 420. BFH v. 22.9.2010 – II R 54/09, BStBl. II 2011, 247 = ErbStB 2011, 36. BFH v. 11.11.2009 – II R 54/08, BFH/NV 2010, 896. BFH v. 19.2.2013 – II R 47/11, BStBl. II 2013, 332 = ErbStB 2013, 138.
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§ 11 ErbStG Rz. 15 Bewertungsstichtag Geltendmachung jedoch auf den Zeitpunkt des Todes des Erblassers (§ 9 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG) zurück. – Eine entstandene Schenkungsteuer für ein Grundstück fällt rückwirkend weg, wenn die Schenkungsabrede vor der Eintragung des Eigentumsübergangs im Grundbuch wieder aufgehoben wird oder der Beschenkte aus anderen Gründen aufgrund der Eintragungsbewilligung die Eigentumsumschreibung im Grundbuch nicht mehr herbeiführen kann, etwa weil der Schenker über das Grundstück gegenüber dem Beschenkten wirksam anderweitig verfügt hat1 (vgl. § 9 ErbStG Rz. 159). – Nach § 21 Abs. 1 Satz 1 ErbStG ist bei Erwerbern, die mit ihrem Auslandsvermögen zu einer der deutschen Erbschaftsteuer entsprechenden Steuer herangezogen werden, unter weiteren Voraussetzung die festgesetzte, auf den Erwerber entfallende und gezahlte ausländische Steuer auf die deutsche Erbschaftsteuer anzurechnen. Wird festgesetzte ausländische Steuer erst gezahlt, nachdem das Finanzamt die Erbschaft- oder Schenkungsteuer festgesetzt hat, kommt diesem Ereignis „nach dem Willen des Gesetzgebers“ Wirkung für die Vergangenheit zu. Zwar ergibt sich dieser Wille des Gesetzgebers nicht unmittelbar aus dem Wortlaut des § 21 ErbStG, jedoch soll er aus dessen materiell-rechtlichem Regelungsgehalt folgen.2 15
Rückwirkung u.a. verneint: – Der Ausfall einer zum Nachlass gehörenden Forderung aufgrund von Umständen, die erst nach dem Todestag des Erblassers eingetreten sind, stellt erbschaftsteuerrechtlich – abweichend vom Ertragsteuerrecht3 – kein rückwirkendes Ereignis i.S.v. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO dar.4 – Einem Vergleich i.S.d. § 779 BGB kann, da er nicht den Lebenssachverhalt rückwirkend anders gestaltet, sondern nur dessen rechtliche Beurteilung betrifft, keine steuerliche Rückwirkung nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO zukommen:5 Ein solcher Vergleich ist dadurch gekennzeichnet, dass durch ihn lediglich der Streit oder die Ungewissheit der Vertragsparteien über ein Rechtsverhältnis im Wege gegenseitigen Nachgebens beseitigt wird. – Anerkennen und beachten der Belastete und der Begünstigte den Willen des Erblassers und führen sie dessen formunwirksam angeordnetes Vermächtnis aus, entsteht die Erbschaftsteuer nicht – auch nicht rückwirkend – mit dem Tod des Erblassers, sondern erst mit der Erfüllung des Vermächtnisses.6 c) Auflösend bedingter Erwerb/bedingte Belastungen (§§ 4 ff. BewG)
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Das Bewertungsrecht ist stichtagsbezogen und darf dementsprechend aufschiebend bedingte Forderungen und Verbindlichkeiten vor Eintritt der Bedingung nicht berücksichtigen. Die §§ 4 bis 8 BewG regeln die steuerliche Behandlung bedingter und befristeter Erwerbe und Lasten. Die Vorschriften folgen dem Grundsatz, dass die am Stichtag bestehende Lage entscheidend sein soll und später möglicherweise eintretende Umstände zunächst nicht berücksichtigt werden.7 Treten solche Umstände jedoch nachträglich ein, ist die Erbschaft- und Schenkungsteuer als nicht laufend veranlagte Steuer ggf. mit Rückwirkung für die Vergangenheit zu ändern. Kann der Eintritt einer aufschiebenden Bedingung nicht mehr bei der Steuerfestsetzung oder in einem Rechtsbehelfsverfahren berücksichtigt werden, ist die Steuerfestsetzung nach Maßgabe des § 6 Abs. 2 i.V.m. § 5 Abs. 2 BewG zu berichtigen.8
1 2 3 4 5 6 7 8
BFH v. 27.4.2005 – II R 52/02, BStBl. II 2005, 892 = FR 2006, 192 = ErbStB 2006, 65. BFH v. 22.9.2010 – II R 54/09, BStBl. II 2011, 247 = ErbStB 2011, 36. Vgl. BFH v. 19.7.1993 – GrS 2/92, BStBl. II 1993, 897 = FR 1993, 848 = FR 1993, 845. Vgl. BFH v. 18.10.2000 – II R 46/98, BFH/NV 2001, 420. BFH v. 26.2.2008 – II R 82/05, BStBl. II 2008, 629 = FR 2008, 886 = ErbStB 2008, 166. BFH v. 28.3.2007 – II R 25/05, BStBl. II 2007, 461 = FR 2007, 932 = ErbStB 2007, 196. Vgl. Horn in F/J/P/W5, § 12 ErbStG Rz. 25 m.w.N. BFH v. 8.2.2006 – II R 38/04, BStBl. II 2006, 475 = FR 2006, 656 = ErbStB 2006, 143.
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Sonderfälle
Rz. 19 § 11 ErbStG
II. Erwerbe im Zusammenhang mit Betriebsvermögen 1. Betriebsvermögen, Anteile an nicht notierten Kapitalgesellschaften Nach der geltenden Rechtslage in Gestalt des Gesetzes zur Reform des Erbschaftsteuer- und Bewer- 17 tungsrechts vom 24.12.2008 (Erbschaftsteuerreformgesetz – ErbStRG 2009)1 regelt sich die Bewertung von Betriebsvermögen, Anteilen an Betriebsvermögen (§ 12 Abs. 5 ErbStG, § 151 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, § 157 Abs. 5 BewG) und Anteilen an nicht notierten Kapitalgesellschaften (§ 12 Abs. 2 ErbStG, § 151 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, § 157 Abs. 4 BewG) letztlich nach § 11 Abs. 2 BewG. Danach ist zunächst ein Vergleichswertverfahren bezogen auf Verkäufe unter fremden Dritten vorrangig; lässt sich dies nicht durchführen, ist eine Ertragswertberechnung durchzuführen, § 11 Abs. 2 Satz 2 BewG. Die Summe des Verkehrswerts der Substanz des Betriebsvermögens (Substanzwert) darf jedoch nicht unterschritten werden, § 11 Abs. 2 Satz 3 BewG; dieser Wert ist als Auffangwert letztlich maßgeblich. Bei der Ermittlung des Substanzwerts ist das Betriebsvermögen mit dem gemeinen Wert zum Bewertungsstichtag zugrunde zu legen. Stimmt der Bewertungsstichtag nicht mit dem Schluss des Wirtschaftsjahrs überein, auf den der Betrieb einen regelmäßigen jährlichen Abschluss (Bilanz) macht, und erstellt der Betrieb keinen Zwischenabschluss, der den Grundsätzen der Bilanzkontinuität entspricht, kann nach Verwaltungsauffassung2 aus Vereinfachungsgründen der Wert des Vermögens des Betriebs zum Bewertungsstichtag aus der auf den Schluss des letzten vor dem Bewertungsstichtag endenden Wirtschaftsjahrs erstellten Vermögensaufstellung abgeleitet werden, sofern dies im Einzelfall nicht zu unangemessenen Ergebnissen führt und deshalb eine besondere Ermittlung des Substanzwerts auf den Bewertungsstichtag vorzunehmen ist. Wenn die erforderliche Aufstellung einer Bilanz bzw. Vermögensaufstellung unterbleibt und auch nicht nachgeholt werden kann, bedarf es einer Schätzung.3 2. Ausscheiden, Abfindung Der Wert des Betriebsvermögens im Zeitpunkt der Steuerentstehung ist jedoch dann nicht maßgeb- 18 lich, wenn der Begünstigte aus einer Gesellschaft ausscheiden muss und im Gesellschaftsvertrag eine besondere Bestimmung für die Höhe des Abfindungsanspruchs vorgesehen ist. In diesem Fall bedarf es der Aufstellung einer Bilanz (Vermögensaufstellung) auf den Stichtag nicht. Für die Besteuerung muss der Erwerb in der Höhe zugrunde gelegt werden, in der er dem Erwerber kraft zivilrechtlicher Regelung tatsächlich zufließt.4 Vergleichbares gilt für den Fall, dass der Gesellschaftsvertrag zwar zunächst eine Fortsetzung der Gesellschaft mit den Erben eines Gesellschafters vorsieht, den übrigen Gesellschaftern jedoch das Recht gibt, innerhalb bestimmter Zeit das Ausscheiden der Erben eines Gesellschafters aus der Gesellschaft zu verlangen; hier ist auch die Sonderregelung in § 10 Abs. 10 ErbStG zu beachten, wonach bei einer unverzüglichen Übertragung des Gesellschaftsanteils letztlich nur der Abfindungsanspruch zum Erwerb gehören kann.
III. Auslandsvermögen Die auf die deutsche Erbschaftsteuer nach § 21 Abs. 1 Satz 1 ErbStG anzurechnende ausländische 19 Steuer (vgl. § 11 ErbStG Rz. 14) ist – sofern sie nicht in Euro erfolgt – nach dem amtlichen Kurs für den Tag in Euro umzurechnen, an dem die deutsche Erbschaftsteuer für den Erwerb entstanden ist. Damit wird die anzurechnende Steuer nach demselben Devisenkurs umgerechnet, der auch für die Wertermittlung des steuerpflichtigen Erwerbs maßgebend ist.5
1 Gesetz v. 24.12.2008, BGBl. I 2008, 3018. 2 Vgl. R B 11.4 ErbStR 2011. 3 Vgl. Geck in Kapp/Ebeling, § 11 ErbStG Rz. 17 (Stand: Februar 2011); auch BFH v. 12.4.1989 – II R 46/86, BFH/ NV 1990, 373. 4 Vgl. Geck in Kapp/Ebeling, § 11 ErbStG Rz. 14, 15 (Stand: Februar 2011). 5 Vgl. BFH v. 19.3.1991 – II R 134/88, BStBl. II 1991, 521 (im Streitfall noch DM).
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§ 11 ErbStG Rz. 20 Bewertungsstichtag
E. Unbilligkeit der Stichtagsregelung I. Härten der Stichtagsregelung 1. Maßgeblichkeit des Stichtages im Festsetzungsverfahren 20
Aus der strengen gesetzlichen Maßgeblichkeit des Stichtags in § 11 ErbStG können sich Härten auf zweierlei Weisen ergeben,1 die sich allerdings auch gegenseitig bedingen können: Zum einen liegt insbesondere beim Erwerb von Todes wegen der Zeitpunkt der Steuerentstehung häufig weit vor dem Zeitpunkt, zu dem der Erwerber die Verfügungsmöglichkeit über den Erwerbsgegenstand erlangt. Zum anderen werden Wertveränderungen zwischen Stichtag und dem Zeitpunkt der erstmaligen Verfügungsmöglichkeit jedenfalls im Festsetzungsverfahren nicht berücksichtigt. 2. Fehlende Verfügungsmöglichkeit
21
In der Literatur wird insbesondere für den Fall des Erwerbs von Todes wegen diskutiert, ob in begründeten Fällen fehlender Verfügungsmacht des Erwerbers an die Stelle des Stichtags der „Tag der tatsächlichen Bereicherung“ treten kann.2 Jedoch hält der BFH3 selbst im Hinblick auf eine fehlende Verfügungsmöglichkeit an der strikten Beachtung des Stichtagsprinzips fest. So soll das Stichtagsprinzip auch für den Fall gelten, in dem das Verfügungsrecht des Erben z.B. infolge Anordnung der Testamentsvollstreckung beschränkt ist; denn auch in diesem Fall ist für die Wertermittlung beim Erwerb von Todes wegen der Zeitpunkt des Todes des Erblassers maßgeblich; auch für den Fall der Verfügungsbeschränkung durch Testamentsvollstreckung habe – so der BFH4 – der Gesetzgeber in Kenntnis dieser Möglichkeit keine abweichende Regelung vorgesehen. Im Fall der Schenkung definiert der BFH5 allerdings sogar den Gegenstand der Zuwendung – etwa im Fall der mittelbaren Grundstücksschenkung (vgl. § 9 ErbStG Rz. 141) – nach der Verfügungsmöglichkeit des Zuwendungsempfängers. In Fällen des Erwerbs von Todes wegen ermöglicht es die Erteilung einer Vollmacht über den Tod hinaus dem Erben, unverzüglich über den Nachlass zu verfügen.6 Zulässig ist auch die Erteilung einer „postmortalen Vollmacht“.7 Zwar ist die Erteilung der Vollmachten grundsätzlich formfrei möglich; aus praktischen Erwägungen empfiehlt sich aber die Erteilung auf eigenen Vollmachtformularen der Banken oder in notarieller Form. 3. Wertveränderung
22
Das in § 11 ErbStG geregelte Stichtagsprinzip steht zudem in einem Spannungsverhältnis zu dem Prinzip der Bereicherung.8 Dies ergibt sich daraus, dass sich die Wertverhältnisse nach dem Stichtag zu Ungunsten des Steuerpflichtigen verändern können wie dies etwa bei Kursverlusten von Aktien in einem Wertpapierdepot der Fall ist.9 Nach feststehender höchstrichterlicher Finanzrechtsprechung10 ist die Bewertung gleichwohl stets zum Stichtag nach § 11 ErbStG i.V.m. § 9 ErbStG vorzunehmen: Dem Gesetzgeber war – so die Argumentation – durchaus bekannt, dass sich die Wertverhältnisse im Anschluss an den Bewertungsstichtag mehr oder weniger gravierend verändern können, und zwar nach beiden Richtungen im Sinne eines Wertverlustes oder Wertzuwachses. Beides sollte bewusst außer Betracht bleiben. Es widerspräche damit den Wertungen des Gesetzgebers, eine „dauerhafte“ Bereicherung zu verlangen. 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10
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Vgl. Meincke16, § 11 ErbStG Rz. 5 f.; zum Problem insgesamt Koblenzer, ErbStB 2005, 158. Vgl. die Nachweise bei Schuck in V/K/S/W4, § 11 ErbStG Rz. 9 und Landsittel, ZEV 2003, 221 (224). Vgl. BFH v. 22.9.1999 – II B 130/97, BFH/NV 2000, 320 m.w.N. Vgl. BFH v. 28.6.1995 – II R 89/92, BStBl. II 1995, 786. Vgl. BFH v. 5.2.1986 – II R 188/83, BStBl. II 1986, 460. Vgl. Jochum in Wilms/Jochum, § 11 ErbStG Rz. 14 (Stand: Dezember 2011); Landsittel, ZEV 2003, 221 (225). Vgl. Koblenzer, ErbStB 2005, 158 (160). Jochum in Wilms/Jochum, § 11 ErbStG Rz. 5 (Stand: Dezember 2011). Vgl. Gebel in T/G/J, § 11 ErbStG Rz. 17 (Stand: Januar 2012). Vgl. BFH v. 13.5.1998 – II R 98/97, BFH/NV 1998, 1376.
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Unbilligkeit der Stichtagsregelung
Rz. 24 § 11 ErbStG
Gerade weil dem Gesetzgeber bewusst war, dass Vermögenswerte auch den Regeln des Marktes unterliegen können, kam es ihm darauf an, aus der Abfolge wechselnder Werte einen bestimmten als den maßgeblichen Wert herauszugreifen. Dafür bot sich als einzig sachgerecht nur der Wert im Zeitpunkt der Steuerentstehung an. Jeder andere Wert wäre willkürlich gegriffen. Beim Erwerb von Wertpapieren von Todes wegen bedeutet dies, dass ein zugewandtes Depot nach den Verhältnissen am Todestag des Erblassers zu bewerten ist. Das ErbStG ist nach Auffassung des BFH1 auch insoweit eindeutig: Gemäß § 11 ErbStG ist für die nach § 12 ErbStG vorzunehmende Wertermittlung der Zeitpunkt der Entstehung der Steuer maßgebend; bei Erwerben von Todes wegen entsteht die Steuer mit dem Tode des Erblassers (§ 9 Abs. 1 Nr. 1 Halbs. 1 ErbStG). Wertminderungen oder Wertsteigerungen nach diesem Stichtag sind damit auch beim Erwerb von Aktien bedeutungslos.
II. Abhilfe durch Billigkeitsmaßnahmen 1. Voraussetzungen einer Billigkeitsmaßnahme aus sachlichen Gründen Angesichts der festzustellenden Härten kommen Billigkeitsmaßnahmen aus sachlichen Gründen 23 in Gestalt einer abweichenden Steuerfestsetzung nach § 163 AO oder eines Erlasses nach § 227 AO in Betracht.2 Nach der Rechtsprechung des BVerfG3 muss freilich hierfür die Steuererhebung den Wertungen des Gesetzgebers massiv zuwiderlaufen: Dies ist anzunehmen, wenn nach dem erklärten oder mutmaßlichen Willen des Gesetzgebers davon ausgegangen werden kann, dass er die im Billigkeitswege zu entscheidende Frage – hätte er sie geregelt – im Sinne der beabsichtigten Billigkeitsmaßnahme entschieden hätte. Das BVerfG weist aber auch darauf hin, dass in dem Fall, in dem die Anwendung der gesetzlichen Regelung im konkreten Einzelfall zu einem „gesetzlich ungewollten Überhang“ und damit zu einer unbilligen und „erdrosselnd“ wirkenden Härte führt, eine Korrektur durch eine Billigkeitsmaßnahme in Betracht kommt.4 2. Wertverfall nach dem Stichtag Der BFH5 hat vor diesem Hintergrund grundsätzlich keine Veranlassung für Billigkeitsmaßnahmen 24 wegen einer Wertveränderung gesehen: Der Gesetzgeber habe aus der Abfolge wechselnder Werte einen bestimmten als den maßgeblichen Wert herausgreifen müssen; dafür habe sich als einzig sachgerecht nur der Wert im Zeitpunkt der Steuerentstehung angeboten. In der Literatur wird das Naheliegen einer sachlichen Billigkeitsmaßnahme u.a. dann bejaht, wenn die nach dem Stichtagsprinzip berechnete Steuer – bezogen auf das ausgekehrte Vermögen – eine Besteuerungsquote ergibt, die den Höchstsatz der anzuwendenden Steuerklasse oder den Steuersatz der nächsthöheren Steuerklasse übersteigt.6 Eine besondere Härte soll auch dann vorliegen, wenn der Erwerber nur gerade aus Gründen der Steuerzahlung gezwungen wird, Nachlassposten zu veräußern und damit beispielsweise Kursrückgänge realisiert.7 Dagegen wird als zwingender Billigkeitsgrund bei einem zunächst unvermeidbar fehlenden Vermögenszugriff wiederum nur eine Steuerlast angesehen, die „erdrosselnde Wirkung“ hat.8 M.E. kann eine erdrosselnde Wirkung jedenfalls dann nicht mehr in Frage gestellt werden, wenn der Erwerb nicht ausreicht, um die entstandene Steuer abzudecken.
1 2 3 4 5 6 7 8
Vgl. BFH v. 28.11.1990 – II S 10/90, BFH/NV 1991, 243 m.w.N. Vgl. Meincke, DStR 2004, 573; Naujok, ZEV 2003, 94 ff. Vgl. BVerfG v. 5.4.1978 – 1 BvR 117/73, BStBl. II 1978, 441. Vgl. BVerfG v. 22.6.1995 – 2 BvR 552/91, BStBl. II 1995, 671. Vgl. BFH v. 13.5.1998 – II R 98/97, BFH/NV 1998, 1376. Vgl. Meincke16, § 11 ErbStG Rz. 6 m.w.N. Vgl. Meincke16, § 11 ErbStG Rz. 6 m.w.N. Gottschalk in T/G/J, § 11 ErbStG Rz. 27 (Stand: Juli 2015).
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§ 11 ErbStG Rz. 25 Bewertungsstichtag 3. Forderungsausfall nach dem Stichtag 25
Das im Erbschaftsteuerrecht geltende Stichtagsprinzip schließt es jedoch auch nach Auffassung des BFH1 nicht generell aus, dass im Einzelfall nachträglich eintretende Umstände eine abweichende Steuerfestsetzung aus sachlichen Billigkeitsgründen nach § 163 Satz 1 AO rechtfertigen können. So kann im Zusammenhang mit der Besteuerung einer von Todes wegen erworbenen Leibrente nach § 23 Abs. 1 ErbStG eine sachliche Unbilligkeit dadurch eintreten, dass die Besteuerung an die lebenslängliche Leistung der Rente anknüpft und die Rentenzahlungen tatsächlich aufgrund von Umständen entfallen, die der Rentenberechtigte nicht zu vertreten hat. Insoweit kommt es zu einem ungewollten Überhang des Steuertatbestandes, weil der Rentenberechtigte zwar keine Zahlungen mehr erhält, aber weiterhin bis zu seinem Ableben nach § 23 Abs. 1 ErbStG die Jahressteuer für eine lebenslängliche Rente zu entrichten hat. In der Literatur2 wird für Fälle, in denen der Verpflichtete wegen Insolvenz keine Rentenzahlungen mehr an den Berechtigten leistet, ebenfalls ein Erlass der Erbschaftsteuer befürwortet.
1 BFH v. 22.10.2014 – II R 4/14, BStBl. II 2015, 237. 2 Vgl. Jüptner in F/J/P/W5, § 23 ErbStG Rz. 33; Eisele in Kapp/Ebeling, § 23 ErbStG Rz. 16 (Stand: März 2016); Meincke16, § 23 ErbStG Rz. 9.
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§ 12 Bewertung (1) Die Bewertung richtet sich, soweit nicht in den Absätzen 2 bis 7 etwas anderes bestimmt ist, nach den Vorschriften des Ersten Teils des Bewertungsgesetzes (Allgemeine Bewertungsvorschriften) in der Fassung der Bekanntmachung vom 1. Februar 1991 (BGBl. I S. 230), zuletzt geändert durch Artikel 2 des Gesetzes vom 24. Dezember 2008 (BGBl. I S. 3018), in der jeweils geltenden Fassung. (2) Anteile an Kapitalgesellschaften, für die ein Wert nach § 151 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 des Bewertungsgesetzes festzustellen ist, sind mit dem auf den Bewertungsstichtag (§ 11) festgestellten Wert anzusetzen. (3) Grundbesitz (§ 19 Abs. 1 des Bewertungsgesetzes) ist mit dem nach § 151 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des Bewertungsgesetzes auf den Bewertungsstichtag (§ 11) festgestellten Wert anzusetzen. (4) Bodenschätze, die nicht zum Betriebsvermögen gehören, werden angesetzt, wenn für sie Absetzungen für Substanzverringerung bei der Einkunftsermittlung vorzunehmen sind; sie werden mit ihren ertragsteuerlichen Werten angesetzt. (5) Inländisches Betriebsvermögen, für das ein Wert nach § 151 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 des Bewertungsgesetzes festzustellen ist, ist mit dem auf den Bewertungsstichtag (§ 11) festgestellten Wert anzusetzen. (6) Gehört zum Erwerb ein Anteil an Wirtschaftsgütern und Schulden, für die ein Wert nach § 151 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 des Bewertungsgesetzes festzustellen ist, ist der darauf entfallende Teilbetrag des auf den Bewertungsstichtag (§ 11) festgestellten Werts anzusetzen. (7) Ausländischer Grundbesitz und ausländisches Betriebsvermögen werden nach § 31 des Bewertungsgesetzes bewertet. A. I. II. III.
Grundaussagen der Vorschrift. . . . . . . . . . Regelungsgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . Bedeutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Geltungsbereich und Verhältnis zu anderen Vorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Rechtsentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
B. I. II. III. IV.
1 1 4 11 16
Bewertungsgrundsatz (Abs. 1). . . . . . . . . . Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verweisung auf das Bewertungsgesetz . . . . . Wirtschaftliche Einheit . . . . . . . . . . . . . . . . Maßgeblichkeit der Vermögensart . . . . . . . . 1. Zurechnung von Wirtschaftsgütern . . . . 2. Land- und Forstwirtschaft . . . . . . . . . . . 3. Grundvermögen und Betriebsvermögen . V. Verschiedene Eigentümer . . . . . . . . . . . . . .
20 20 24 26 31 31 33 35 42
C. Anteile an Kapitalgesellschaften (Abs. 2). .
50
D. Grundbesitz (Abs. 3). . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 E. Bodenschätze (Abs. 4). . . . . . . . . . . . . . . . . 64 F. Inländisches Betriebsvermögen (Abs. 5) . . . 66 G. Anteile an Wirtschaftsgütern und Schulden (Abs. 6) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 H. Ausländischer Grundbesitz und ausländisches Betriebsvermögen (Abs. 7) . . . . . . . I. Maßgeblichkeit des gemeinen Werts . . . . . . . II. Ausländischer Grundbesitz. . . . . . . . . . . . . . 1. Entscheidung des EuGH vom 17.1.2008 . . 2. Maßgeblichkeit der EuGH-Entscheidung seit 2009 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Verfügbarkeit von Daten im Ausland . . . . 4. Anhaltspunkte bei der Bewertung ausländischer Immobilien . . . . . . . . . . . . III. Ausländische betriebliche Vermögen. . . . . . .
76 76 78 78 81 84 86 94
Verwaltungsanweisungen: R E 12.1–12.3 ErbStR 2011; H E 12.1–12.3 ErbStH 2011.
A. Grundaussagen der Vorschrift I. Regelungsgegenstand Das Erbschaft- und Schenkungsteuergesetz enthält in § 12 ErbStG die Vorschriften zur Bewertung. Da- 1 mit regelt § 12 ErbStG, welche Werte bei der Ermittlung des steuerpflichtigen Erwerbs anzusetzen sind. Die Vorschrift des § 12 ErbStG verweist differenziert auf einzelne Vorschriften des Bewertungsgeset-
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§ 12 ErbStG Rz. 2 Bewertung zes. Dadurch wird das Erbschaft- und Schenkungsteuergesetz weitgehend von Bewertungsvorschriften freigehalten. 2 Das BewG enthält auch Regelungen, die für Zwecke der Erbschaft-/Schenkungsteuer ungeeignet sind.
Deshalb kann § 12 ErbStG nicht allgemein auf die Vorschriften des Bewertungsgesetzes verweisen, sondern lediglich partiell auf konkrete Einzelregelungen. So kann beispielsweise bezüglich der Bewertung von Grundstücken nicht auf die Einheitsbewertung verwiesen werden, die nur noch Bedeutung für Zwecke der Grundsteuer hat. Vielmehr gelten für Zwecke der Erbschaft-/Schenkungsteuer die Bewertungsvorschriften des Sechsten Abschnitts des Zweiten Teils des Bewertungsgesetzes. 3 Die Vorschriften des Bewertungsgesetzes – soweit sie für die Erbschaft-/Schenkungsteuer von Bedeu-
tung sind – in einem gesonderten Abschnitt (Seiten 899 ff.) kommentiert.
II. Bedeutung 4 § 12 ErbStG hat für das Erbschaftsteuerrecht eine zentrale Bedeutung, weil die Höhe der Steuerbelas-
tung unmittelbar von dem maßgebenden Wert der Bereicherung abhängt. Die Bereicherung eines Erwerbers ist, soweit sie der Besteuerung unterliegt, nach den in § 12 ErbStG genannten allgemeinen und besonderen Bewertungsvorschriften des Bewertungsgesetzes zu bewerten. Das gilt nicht nur hinsichtlich der Wertermittlung selbst, sondern auch für die Abgrenzung der zu bewertenden wirtschaftlichen Einheiten.1 5 Die Bewertung von Vermögensgegenständen erfordert die Zuordnung eines Geldbetrags. Die Bewer-
tung darf nicht willkürlich erfolgen, sondern sie muss sich an objektiven Kriterien orientieren. Subjektive Einschätzungen dürfen die Wertermittlung nicht beeinflussen. 6 Der allgemein angestrebte Grundsatz der Bewertung mit dem gemeinen Wert wird durch die Verwei-
se auf spezielle Bewertungsvorschriften konkretisiert. Damit kommt § 12 ErbStG insbesondere bei typischerweise werthaltigen Erwerbsgegenständen erhöhte Bedeutung zu. Davon ist die Bewertung des Grundbesitzes ebenso betroffen wie die Bewertung der betrieblichen Vermögen. 7 Die Vorschrift des § 12 ErbStG regelt die Wertermittlung der einzelnen Erwerbsgegenstände und so-
mit die Bewertung im eigentlichen Sinne. Dagegen betrifft die Berechnung des steuerpflichtigen Erwerbs die Ermittlung der steuerlichen Bemessungsgrundlage, die sich nach § 10 ErbStG richtet. Dabei werden vom Vermögensanfall nach Steuerwerten die Nachlassverbindlichkeiten abgezogen. Die hierbei anzusetzenden „Steuerwerte“ (vgl. R E 10.1 ErbStR 2011) sind nach Maßgabe des § 12 ErbStG zu ermitteln. 8 Verwendet das Erbschaftsteuergesetz die Formulierung „Wert“, ist davon auszugehen, dass der nach
§ 12 ErbStG maßgebende bewertungsrechtliche Wert gemeint ist, der nicht durch etwaige sachliche Befreiungen – wie beispielsweise Freibeträge – gemindert worden ist. Beispielhaft kann insoweit auf § 3 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 ErbStG, § 7 Abs. 7 Satz 1 ErbStG oder § 13b Abs. 2 Satz 4 ErbStG verwiesen werden. Sofern der Wert von Vermögensgegenständen nach Berücksichtigung einer sachlichen Befreiung gemeint ist, wird dies innerhalb des Erbschaftsteuergesetzes ausdrücklich genannt. Als Beispiel hierfür sei § 10 Abs. 6 Satz 4 ErbStG genannt. 9 Trotz der in § 12 ErbStG vorgesehenen Ermittlung von „Steuerwerten“ darf nicht übersehen werden,
dass die grundsätzliche Entscheidung, ob eine dem ErbStG unterliegende Bereicherung vorliegt, eine Bereicherung nach den bürgerlich-rechtlich maßgebenden Verkehrswerten voraussetzt. Nur unter dieser Voraussetzung kommt es anschließend auch zu einer bewertungsrechtlichen Ermittlung der „Steuerwerte“ nach § 12 ErbStG. Diese Überlegungen können von besonderer Bedeutung sein, wenn ein Vermögensgegenstand zwar entgeltlich übertragen wird, jedoch entschieden werden muss, ob die Übertragung nur teilentgeltlich erfolgte. 10
Eine Bereicherung kann nur angenommen werden, wenn die Differenz zwischen dem zivilrechtlich maßgebenden Verkehrswert des übertragenen Vermögensgegenstands und dem gezahlten Entgelt posi-
1 R E 12.1 Satz 2 ErbStR 2011.
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Grundaussagen der Vorschrift
Rz. 15 § 12 ErbStG
tiv ist. Dies schließt jedoch nicht zwingend ein, dass auch die Differenz zwischen dem Steuerwert des übertragenen Vermögensgegenstands und dem gezahlten Entgelt positiv ist. Beispiel: Ein Vater verkauft seinem Sohn ein Grundstück zu einem Preis von 400 000 Euro. Der Verkehrswert des Grundstücks beträgt nach einem Sachverständigengutachten 400 000 Euro. Der steuerlich maßgebende Grundbesitzwert nach § 12 Abs. 3 ErbStG beträgt 300 000 Euro. Zivilrechtlich handelt es sich um ein voll entgeltliches Rechtsgeschäft. Es liegt weder eine Bereicherung beim Vater noch beim Sohn vor. Unter Berücksichtigung des steuerlich maßgebenden Grundbesitzwerts von 300 000 Euro und einem Entgelt von 400 000 Euro könnte die Auffassung vertreten werden, dass eine Bereicherung des Vaters anzunehmen sei, weil dieser ein um 100 000 Euro überhöhtes Entgelt erhalten hat. Diese Auffassung ist jedoch unzutreffend, weil zivilrechtlich keine Bereicherung des Vaters vorliegt. Eine Schenkungsteuer ist nicht festzusetzen.
III. Geltungsbereich und Verhältnis zu anderen Vorschriften Die Erbschaft-/Schenkungsteuer ist grundsätzlich von der zivilrechtlichen Gestaltung abhängig. Die 11 wirtschaftliche Betrachtungsweise gilt bei der Erbschaft-/Schenkungsteuer im Allgemeinen nicht. Aufgrund der Verweistechnik des § 12 ErbStG auf Vorschriften des Bewertungsgesetzes können sich insoweit dennoch kaum lösbare Widersprüche ergeben. Ursächlich hierfür ist die Besonderheit, dass das Bewertungsgesetz zum Teil auf Regelungen verweist, die bei der Ertragsteuer maßgebend sind, bei denen jedoch nicht die zivilrechtliche, sondern die wirtschaftliche Betrachtungsweise gilt. Beispielsweise stellt sich die Frage, ob ein von einem Einzelgewerbetreibenden angeschafftes Grund- 12 stück, das aufgrund der wirtschaftlichen Betrachtungsweise ertragsteuerlich bereits zum notwendigen Betriebsvermögen gehört, obwohl der Eigentumswechsel noch nicht im Grundbuch eingetragen ist, bei der Ermittlung des steuerpflichtigen Erwerbs innerhalb des Betriebsvermögens des Gewerbetreibenden als Betriebsgrundstück oder lediglich als Sachleistungsanspruch zu erfassen ist. Diese Problematik stellt sich insbesondere bei der Bewertung der betrieblichen Vermögen, weil § 12 Abs. 5 ErbStG wegen des Verweises auf § 95 Abs. 1 BewG und des dortigen Verweises auf § 15 EStG auch innerhalb der Bewertung für Zwecke der Erbschaft-/Schenkungsteuer auf die Maßgeblichkeit der ertragsteuerlichen Behandlung abstellt. Damit ist eine Konkurrenz der zivilrechtlich geprägten Sichtweise des Erbschaft-/Schenkungsteuerrechts mit der wirtschaftlichen Betrachtungsweise des Ertragsteuerrechts unvermeidbar. M.E. muss eine eventuelle Konkurrenz zugunsten der wirtschaftlichen Betrachtungsweise gelöst 13 werden, weil der Gesetzgeber durch die Verweise auf andere – ertragsteuerrechtliche – Rechtsvorschriften in Kauf genommen hat, dass nicht nur der Wert, sondern auch der Umfang der zu bewertenden wirtschaftlichen Einheit abweichend von der ausschließlich zivilrechtlich geprägten Sichtweise definiert werden muss. Dies lässt sich m.E. zumindest mittelbar aus dem Urteil des BFH v. 1.9.20111 ableiten. Der BFH hat entschieden, dass die Übertragung eines Nießbrauchsrechts an einer Personengesellschaft, das ertragsteuerlich zum Sonderbetriebsvermögen gehört, begünstigungsfähiges Vermögen i.S.d. § 13b Abs. 1 ErbStG darstellt, weil das Erbschaftsteuergesetz insoweit auf die Übertragung der Mitunternehmerstellung – ertragsteuerliche Qualifikation – und nicht auf die Übertragung einer – zivilrechtlichen – Beteiligung an der Gesellschaft abhebt. Damit könnte die strenge vorrangige Betrachtungsweise des Zivilrechts durchbrochen worden sein. Es bleibt abzuwarten, wie sich die Rechtsprechung in vergleichbaren Konkurrenzfällen entwickeln wird. Diese Auffassung, dass bei entsprechenden gesetzlichen Verweisen die wirtschaftliche Betrachtungs- 14 weise Vorrang hat, wird auch durch den Verweis des § 12 Abs. 1 BewG auf den Ersten Teil der Allgemeinen Bewertungsvorschriften des Bewertungsgesetzes – und somit auf § 2 BewG – unterstützt. Die Vorschrift des § 2 BewG bestimmt den Umfang der wirtschaftlichen Einheit und gebietet die Zusammenfassung zu einer bewertungsrechtlich maßgebenden wirtschaftlichen Einheit auch in den Fällen, in denen verschiedene Wirtschaftsgüter zivilrechtlich selbständig sind. Als Beispiel hierfür sei eine im Sondereigentum stehende Tiefgarage genannt. Die Tiefgarage wird 15 bewertungsrechtlich auch dann mit der dazu gehörenden Eigentumswohnung zu einer einheitlich zu 1 BFH v. 1.9.2011 – II R 67/09, BStBl. II 2013, 210 = FR 2013, 871 = ErbStB 2011, 336.
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§ 12 ErbStG Rz. 16 Bewertung bewertenden wirtschaftlichen Einheit zusammengefasst, wenn der mit dem Sondereigentum an der Wohnung verbundene Miteigentumsanteil von dem mit dem Sondereigentum an der Tiefgarage verbundenen Miteigentumsanteil zivilrechtlich getrennt ist.
IV. Rechtsentwicklung 16
§ 12 ErbStG ist mit dem Erbschaftsteuerreformgesetz 20091 neu gefasst worden und für Erwerbe nach dem 31.12.2008 anzuwenden. Mit der Neufassung reagierte der Gesetzgeber auf den Beschluss des BVerfG vom 7.11.2006.2
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Die Regelungen des § 12 ErbStG sollen sicherstellen, dass das verfassungsrechtlich gebotene Bewertungsziel erreicht wird und alle Vermögensgegenstände mit dem gemeinen Wert angesetzt werden.
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Die Verweise des § 12 ErbStG beziehen sich größtenteils auf Bewertungsvorschriften des Bewertungsgesetzes, die ebenfalls für Bewertungsstichtage nach dem 31.12.2008 neu in das BewG eingefügt worden sind. Dies betrifft insbesondere die Bewertung des Grundbesitzes und der betrieblichen Vermögen.
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§ 12 ErbStG war in einer Übergangszeit unter engen Voraussetzungen bereits für Erwerbe nach dem 31.12.2006 maßgebend.3 Dazu konnte bei Erwerben von Todes wegen die Anwendung des § 12 ErbStG in der ab 2009 geltenden Fassung beantragt werden. Der Antrag musste jedoch vor dem 30.6.2009 gestellt werden und räumte den Erwerbern für die noch vor dem 1.1.2009 eingetretenen Erwerbsfälle von Todes wegen das Recht ein, zur Anwendung der Neuregelung zu optieren (Art. 3 ErbStRG). Eine entsprechende Antragstellung war sinnvoll, wenn sich aus dem ab 2009 anzuwendenden Recht für den Erwerber eine niedrigere Steuerbelastung ergab. Ein Erwerber konnte danach bis zur Unanfechtbarkeit der Steuerfestsetzung beantragen, dass die durch das Reformgesetz geänderten Vorschriften mit Ausnahme der Regelung der persönlichen Freibeträge nach § 16 ErbStG n.F. auf vor dem 1.1.2009 von Todes wegen eingetretene Erwerbstatbestände anzuwenden sind (Art. 3 Abs. 1 Satz 1 ErbStRG 2009).
B. Bewertungsgrundsatz (Abs. 1) I. Allgemeines 20
§ 12 Abs. 1 ErbStG enthält die bei der Erbschaft-/Schenkungsteuer maßgebenden Bewertungsgrundsätze. Danach richtet sich die Bewertung grundsätzlich nach den Vorschriften des Ersten Teils des Bewertungsgesetzes, soweit nicht in § 12 Abs. 2 bis 7 ErbStG etwas anderes bestimmt ist. Somit sind die §§ 2 bis 16 BewG grundsätzlich zur Wertermittlung der Bereicherung maßgebend. Diese Regelung entspricht im Wesentlichen bereits § 1 Abs. 1 BewG.
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Von diesem Bewertungsgrundsatz abweichende besondere Bewertungsregelungen gelten nach § 12 Abs. 2 bis 7 ErbStG insbesondere für die Bewertung von – Anteilen an Kapitalgesellschaften, – Grundbesitz, – Bodenschätzen und – von inländischem Betriebsvermögen.
22
Dennoch ist auch für diese Vermögensgegenstände das grundsätzliche Bewertungsziel – Ansatz des gemeinen Werts – maßgebend. Dabei gelten bei der Bewertung des Grundbesitzes und der betrieblichen Vermögen typisierende Bewertungsregelungen, mit denen sichergestellt werden soll, dass der gemeine Wert auch bei der Bewertung im Massenverfahren ermittelt werden kann.
1 ErbStRG 2009 v. 24.12.2008, BGBl. I 2008, 3018. 2 BVerfG v. 7.11.2006 – 1 BvL 10/02, BStBl. II 2007, 192 = FR 2007, 338 = ErbStB 2007, 64. 3 Art. 3 ErbStRG 2009.
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Mannek
Bewertungsgrundsatz (Abs. 1)
Rz. 29 § 12 ErbStG
Innerhalb eines Kalenderjahrs dürften allein zur Bewertung der betrieblichen Vermögen schätzungs- 23 weise bundesweit jährlich rund 25 000 Feststellungen durchgeführt werden.
II. Verweisung auf das Bewertungsgesetz Die Anwendbarkeit des § 12 Abs. 1 ErbStG erstreckt sich auf die folgenden Vorschriften des Bewer- 24 tungsgesetzes: § 2 BewG Definition der wirtschaftlichen Einheit § 3 BewG Wertermittlung bei mehreren Beteiligten § 4 BewG Aufschiebend bedingter Erwerb § 5 BewG Auflösend bedingter Erwerb § 6 BewG Aufschiebend bedingte Lasten § 7 BewG Auflösend bedingte Lasten § 8 BewG Befristung auf einen bestimmten Zeitpunkt § 9 BewG Bewertungsgrundsatz, gemeiner Wert § 10 BewG Teilwert § 11 BewG Wertpapiere und Anteile § 12 BewG Kapitalforderungen und Schulden § 13 BewG Kapitalwert von wiederkehrenden Nutzungen und Leistungen § 14 BewG Lebenslängliche Nutzungen und Leistungen § 15 BewG Jahreswert von Nutzungen und Leistungen § 16 BewG Begrenzung des Jahreswerts von Nutzungen Ein wesentlicher Kern der Bewertungsvorschriften ist die Definition des gemeinen Werts (§ 9 BewG). 25 Darüber hinaus regeln die allgemeinen Bewertungsvorschriften jedoch auch die Maßgeblichkeit des Kurswerts (§ 11 Abs. 1 BewG) und die Bewertung betrieblicher Vermögen, die sich in der Praxis ganz überwiegend1 nach dem vereinfachten Ertragswertverfahren richtet (§§ 11 Abs. 2, 199 ff. BewG). Auch die Bewertung von Kapitalforderungen und -schulden (§ 12 BewG) sowie von wiederkehrenden Nutzungen und Leistungen (§§ 13 bis 16 BewG) sind in der Praxis von Bedeutung. Dagegen ist die vom Wortlaut des § 10 BewG vorgesehene grundsätzliche Maßgeblichkeit des Teilwerts für Bewertungszeitpunkte nach dem 31.12.2008 durch den Vorrang des gemeinen Werts abgelöst worden.
III. Wirtschaftliche Einheit Bei jeder Bewertung ist zu entscheiden, auf welchen Bewertungsgegenstand sich die Bewertung be- 26 zieht. Nach § 2 Abs. 1 BewG ist jede wirtschaftliche Einheit für sich zu bewerten. Ihr Wert ist im Ganzen festzustellen. Dabei hängt die Entscheidung, was als wirtschaftliche Einheit zu gelten hat, von den Anschauungen des Verkehrs ab. Die örtliche Gewohnheit, die tatsächliche Übung, die Zweckbestimmung und die wirtschaftliche Zusammengehörigkeit der einzelnen Wirtschaftsgüter sind zu berücksichtigen. Hinsichtlich der Verkehrsauffassung vgl. Esskandari in Gürsching/Stenger, § 2 BewG Rz. 57 ff.
27
Nach § 2 Abs. 2 BewG kommen mehrere Wirtschaftsgüter als wirtschaftliche Einheit nur insoweit in 28 Betracht, als sie demselben Eigentümer gehören. Nach dem Wortlaut des § 2 BewG kann eine wirtschaftliche Einheit aus mehreren Wirtschaftsgütern bestehen. § 2 Abs. 3 BewG sieht eine Ausnahme von dem Grundsatz der Gesamtbewertung in den Fällen vor, in 29 denen eine Bewertung der einzelnen Wirtschaftsgüter gesetzlich vorgeschrieben ist. Die Bewertung der Gesamtheit aller Wirtschaftsgüter ist beispielsweise grundsätzlich bei der Bewertung des Betriebs1 In NRW wurden in den Jahren 2012 und 2013 jeweils rund 95 % aller Feststellungen im vereinfachten Ertragswertverfahren nach §§ 199 ff. BewG durchgeführt.
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§ 12 ErbStG Rz. 30 Bewertung vermögens vorgesehen. Hierbei werden nicht die einzelnen Wirtschaftsgüter für sich bewertet. Vielmehr wird der Wert der wirtschaftlichen Einheit des Gewerbebetriebs insgesamt ermittelt. Dies gilt jedenfalls, wenn der Wert des Betriebsvermögens im vereinfachten Ertragswertverfahren nach § 199 ff. BewG ermittelt wird. Erfolgt die Wertermittlung dagegen nach § 11 Abs. 2 Satz 3 BewG mit dem Substanzwert, wird jedes einzelne Wirtschaftsgut für sich mit dem gemeinen Wert bewertet. 30
Allerdings ist zu beachten, dass auch innerhalb der Gesamtbewertung des vereinfachten Ertragswertverfahrens nach § 199 ff. BewG einzelne Wirtschaftsgüter herausgelöst im Wege der Einzelbewertung zu erfassen sind. Dies gilt beispielsweise für Wirtschaftsgüter des nicht betriebsnotwendigen Vermögens, die nach § 200 Abs. 2 BewG neben dem Ertragswert des Betriebsvermögens mit dem eigenständig zu ermittelnden gemeinen Wert angesetzt werden müssen. Dies gilt ebenfalls für Beteiligungen an anderen Gesellschaften, die nach § 200 Abs. 3 BewG, und für Wirtschaftsgüter des sog. junges Betriebsvermögen, das nach § 200 Abs. 4 BewG mit dem eigenständig zu ermittelnden gemeinen Wert neben dem Ertragswert angesetzt werden müssen. Im Ergebnis gilt dies auch für Wirtschaftsgüter des Sonderbetriebsvermögens, die innerhalb der Gesamtbewertung des vereinfachten Ertragswertverfahrens mit dem gemeinen Wert erfasst werden müssen, der sich für das Einzelwirtschaftsgut im Wege der Einzelbewertung ergibt (§ 97 Abs. 1a BewG). Somit kann es im Ergebnis nicht ausgeschlossen werden, dass die Gesamtbewertung teilweise mit der Einzelbewertung vermischt wird.
IV. Maßgeblichkeit der Vermögensart 1. Zurechnung von Wirtschaftsgütern 31
Wirtschaftsgüter, die zu unterschiedlichen Vermögensarten gehören, können nicht zu einer wirtschaftlichen Einheit zusammengefasst werden.
32
Dieser Grundsatz hatte eine wichtige Bedeutung bei der Einheitsbewertung. Insoweit ist es nicht zulässig, beispielsweise einen Betrieb der Land- und Forstwirtschaft bewertungstechnisch mit Grundstücksteilen des Grundvermögens zu vermischen. Deshalb werden bei der Einheitsbewertung für Zwecke der Grundsteuer Gebäudeteile, die nicht dem Betrieb der Land- und Forstwirtschaft dauernd zu dienen bestimmt sind, sondern Grundvermögen bilden, als separate wirtschaftliche Einheit des Grundvermögens bewertet. So hat es der BFH beispielsweise abgelehnt, eine Wohnung, die dem Grundvermögen zuzuordnen ist, und den Wirtschaftsteil des Betriebs der Land- und Forstwirtschaft zu einer wirtschaftlichen Einheit zusammenzufassen, weil beide Gebäudeteile nicht derselben Vermögensart angehören.1 2. Land- und Forstwirtschaft
33
Die FinVerw. geht bei der Bedarfsbewertung für Zwecke der Erbschaft-/Schenkungsteuer ebenso vor. Auch hier werden Grundstücksteile, die dem Grundvermögen zuzuordnen sind, nicht gemeinsam mit dem Betrieb der Land- und Forstwirtschaft bewertet, sondern bilden von vornherein separate wirtschaftliche Einheiten. Dies weist die FinVerw. in den ErbStR 2011 in den Berechnungsbeispielen an.2
34
Dies entspricht auch der Rechtsprechung des BFH.3 Der BFH hat entschieden, dass nicht entscheidend darauf abstellt werden dürfe, ob ein Anbau aufgrund seiner baulichen Verbindung mit dem Altbau sowie mangels selbständiger Veräußerbarkeit eine nachträglich entstandene wirtschaftliche Einheit i.S.d. § 2 BewG bildet, weil eine wirtschaftliche Einheit nur aus Wirtschaftsgütern gebildet werden kann, die derselben Vermögensart angehören. In dem Urteilsfall ging es um die Abgrenzung der Vermögensarten land- und forstwirtschaftliches Vermögen vom Grundvermögen. Dabei darf die vorrangig zu prüfende Frage, ob der Anbau dauernd einem Betrieb der Land- und Forstwirtschaft zu dienen bestimmt ist, nicht dahingestellt bleiben.
1 BFH v. 28.3.2012 – II R 37/10, BFH/NV 2012, 1416-1418. 2 R B 167.1 Abs. 3 ErbStR 2011, H B 167.1 Abs. 3 ErbStH 2011. 3 BFH v. 9.11.1994 – II R 89/91, BFH/NV 1995, 495-496, Rz. 13.
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Bewertungsgrundsatz (Abs. 1)
Rz. 40 § 12 ErbStG
3. Grundvermögen und Betriebsvermögen Anders geht die FinVerw. allerdings bei der Bewertung von Grundstücken vor, die sowohl zum Be- 35 triebsvermögen als auch zum Grundvermögen gehören. Hier werden zunächst alle Grundstücksteile bewertungstechnisch zu einer wirtschaftlichen Einheit zusammengefasst und gemeinsam bewertet. Erst anschließend wird der insgesamt ermittelte Grundbesitzwert auf die unterschiedlichen Vermögensarten verteilt.1 Auch wenn die Lösung der FinVerw. m.E. praxisnah und sachgerecht ist, darf nicht verhehlt werden, 36 dass sich insoweit eine gewisse Widersprüchlichkeit ergibt. Im Ergebnis werden die einzelnen Wirtschaftsgüter (Grundstücksteile) der jeweils zutreffenden Vermögensart zugerechnet. Grundstücksteile, die ertragsteuerlich zum Privatvermögen gehören, zählen bewertungsrechtlich zum Grundvermögen. Grundstücksteile, die ertragsteuerlich zum Betriebsvermögen gehören, werden bewertungsrechtlich innerhalb der wirtschaftlichen Einheit Gewerbebetrieb erfasst und dieser Vermögensart zugerechnet. Dennoch wird der Wert des Grundstücks zunächst im Wege einer zusammengefassten Bewertung der einzelnen Wirtschaftsgüter (unterschiedlich genutzte Grundstücksteile) und für das Grundstück insgesamt als Grundbesitzwert förmlich festgestellt. Damit ist faktisch gleichzeitig entschieden worden, dass die unterschiedlich genutzten Wirtschaftsgüter (betrieblich und privat genutzte Grundstücksteile) bewertungstechnisch eine wirtschaftliche Einheit bilden. Dies dürfte aus der Sicht der Verkehrsanschauung durchaus zutreffend und unproblematisch sein. Dennoch widerspricht das dem Grundsatz, nach dem mehrere Wirtschaftsgüter nur dann zu einer wirtschaftlichen Einheit zusammengefasst werden dürfen, wenn sie derselben Vermögensart angehören. Die unterschiedliche Bewertungsmethodik (einerseits bei der Land- und Forstwirtschaft sofortiges 37 Separieren der Grundstücksteile, andererseits beim Grundvermögen/Betriebsvermögen zunächst zusammengefasste Bewertung und anschließende Aufteilung) dürfte wohl nicht ohne weiteres von der Regelung des § 99 Abs. 1 und 3 BewG gedeckt werden. Der früher verwendete Begriff der wirtschaftlichen Untereinheit dürfte nach dem Wegfall des § 99 Abs. 2 BewG für Bewertungsstichtage nach dem 31.12.2008 ebenfalls nicht mehr geeignet sein, die Problematik zu lösen. Dennoch dürfte die Lösung der FinVerw. dem Willen des Gesetzgebers entsprechen, weil andernfalls 38 die zur Bewertung des Grundbesitzes vorgesehenen Vorschriften kaum noch sinnvoll angewandt werden könnten. So würde eine andere Auslegung die tatsächliche Existenz der Grundstücksart gemischt genutztes Grundstück zum Teil ins Leere laufen lassen. Beispiel: Ein gemischt genutztes Grundstück wird zur Hälfte privat genutzt. Die andere Hälfte des Grundstücks hat der Eigentümer ertragsteuerlich zutreffend als Betriebsvermögen behandelt. Bei der Bewertung des Grundstücks ist von einem gemischt genutzten Grundstück auszugehen, weil es sowohl gewerblichen Zwecken als auch Wohnzwecken dient (vgl. § 181 Abs. 1 Nr. 5 und Abs. 7 BewG). Die Wertermittlung des gesamten Grundstücks erfolgt, sofern sich auf dem örtlichen Grundstücksmarkt eine übliche Miete ermitteln lässt, einheitlich im Ertragswertverfahren. Anschließend wird der insgesamt ermittelte Grundbesitzwert je zur Hälfte dem Betriebsvermögen und dem Grundvermögen zugeordnet.
Ursächlich für diese Behandlung ist der Wegfall des § 99 Abs. 2 BewG, wonach ein Grundstück für 39 Bewertungsstichtage vor dem 1.1.2009 entweder insgesamt als Betriebsgrundstück dem Betriebsvermögen oder insgesamt dem Grundvermögen zugerechnet werden musste. Mit dem Wegfall des § 99 Abs. 2 BewG richtet sich die Zugehörigkeit von Grundstücken zu einer Vermögensart nach der ertragssteuerlichen Behandlung. Insoweit ist die Bildung verschiedener Wirtschaftsgüter möglich. Die rechnerische Möglichkeit, mehrere Grundstücksteile bewertungstechnisch zunächst innerhalb ei- 40 ner wirtschaftlichen Einheit zu bewerten und anschließend nach einer sachgerechten Aufteilungsquote – beispielsweise nach Flächenanteilen – den verschiedenen Vermögensarten zuzuordnen, dürfte kaum bezweifelt werden. Denn ein gemischt genutztes Grundstück, das sowohl über betriebliche als auch über privat genutzte Gebäudeteile verfügt, dürfte nach der Verkehrsanschauung unzweifelhaft eine eigenständige wirtschaftliche Einheit sein, die zivilrechtlich und auch wirtschaftlich auf dem Grundstücksmarkt gehandelt wird. Die darüber hinausgehende und bei der Ertragsteuer anerkannte Bildung von separaten Wirtschaftsgütern, die zum Teil zum Betriebsvermögen und zum 1 R B 99 Abs. 2 Satz 2 und 3 ErbStR 2011 sowie dazu H B 99 ErbStH 2011.
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§ 12 ErbStG Rz. 41 Bewertung Teil zum Privatvermögen gehören, sollte m.E. den nach § 2 BewG maßgebenden Grundsatz der Gesamtbewertung nicht aushebeln. Vielmehr erscheint die rechnerisch nachgelagerte Zuordnung der Werte der einzelnen Gebäudeteile zu den unterschiedlichen Vermögensarten überzeugend, so dass auch eine wirtschaftliche Einheit zu mehreren Vermögensarten gehören kann. 41
Im Ergebnis scheint die Kritik an der Maßgeblichkeit der Vermögensart berechtigt.1
V. Verschiedene Eigentümer 42
Kritisch zu beurteilen dürfte die Vorschrift des § 2 Abs. 2 BewG sein, nach der mehrere Wirtschaftsgüter nur dann zu einer wirtschaftlichen Einheit zusammengefasst werden dürfen, wenn sie demselben Eigentümer gehören. Nach dem bisherigen Verständnis dieser Vorschrift konnte ein Grundstück, das ertragsteuerlich zum Betriebsvermögen gehört, nur dann als Betriebsgrundstück bei der Bewertung des Betriebsvermögens einbezogen werden, wenn das Grundstück ausschließlich dem Betriebsinhaber gehörte. Sofern mehrere Personen an dem Grundstück beteiligt waren, konnte es nur dann als Betriebsgrundstück behandelt werden, wenn an dem Gewerbebetrieb dieselben Personen beteiligt waren. Unerheblich war dabei, mit welcher Quote die einzelnen Personen am Grundstück und am Betriebsvermögen beteiligt waren.
43
Für Bewertungsstichtage vor dem 1.1.2009 war diese Regelungen nachvollziehbar, weil das bis dahin für Betriebsgrundstücke in § 99 Abs. 2 BewG verankerte Alles-oder-Nichts-Prinzip dieser schematischen Betrachtungsweise nahe kam. Nach dem bis zum 31.12.2008 geltenden § 99 Abs. 2 BewG konnte ein Grundstück entweder nur insgesamt dem Betriebsvermögen oder insgesamt dem Grundvermögen zugeordnet werden. Eine Aufteilung von Grundstücken war nicht möglich.
44
Nachdem § 99 Abs. 2 BewG für Bewertungsstichtage nach dem 31.12.2008 weggefallen ist, folgt die Zuordnung von Grundstücken der ertragssteuerlichen Behandlung. Für Zwecke der Ertragsteuer kann ein einheitliches Grundstück in verschiedene Wirtschaftsgüter aufgeteilt werden und dem Betriebsvermögen als notwendiges oder gewillkürtes Betriebsvermögen zuzuordnen sein. Hierbei kann es sich auch um Grundstücke handeln, die im Miteigentum mehrerer Personen stehen. Deshalb stellt sich die Frage, ob es für Bewertungsstichtage nach dem 31.12.2008 zulässig ist, ein Grundstück, das mehreren Personen gehört, jedoch lediglich dem Gewerbebetrieb eines der Miteigentümer dient, insoweit dem Betriebsvermögen entsprechend der ertragsteuerlichen Behandlung zugeordnet werden kann.
45
Die Frage ist von erheblicher Bedeutung, weil ein Grundstücksteil, der zum Betriebsvermögen gehört, im Allgemeinen innerhalb des vereinfachten Ertragswertverfahrens nach § 199 ff. BewG ohne besonderen Wertansatz abgegolten ist. Auch wenn das Betriebsvermögen mit dem Substanzwert als Mindestwert angesetzt und der Grundstücksteil explizit mit einem Wertansatz erfasst werden muss, kann das Grundstück von den Vorteilen des § 13a ErbStG profitieren. Ein zum Grundvermögen gehörendes Grundstück muss dagegen voll der Erbschaftsteuer unterworfen werden. Beispiel: Ein Grundstück gehört Ehegatten zu je 1/2. Das Grundstück dient zu 75 % dem Gewerbebetrieb, der dem Ehemann allein gehört. 25 % des bebauten Grundstücks werden privat zu Wohnzwecken der Eheleute genutzt. Der Ehemann hat den betrieblich genutzten Grundstücksteil entsprechend seinem hälftigen Miteigentumsanteil ertragssteuerlich als notwendiges Betriebsvermögen behandelt. Der Grundbesitzwert für das Grundstück beträgt insgesamt 2 000 000 Euro.
46
Sofern der Ehemann sein Vermögen von Todes wegen auf die Ehefrau überträgt, stellt sich die Frage, ob der hälftige Miteigentumsanteil an dem Grundstücksteil, der ertragsteuerlich als notwendiges Betriebsvermögen behandelt worden ist, mit dem Ansatz des gemeinen Werts für das Betriebsvermögen abgegolten ist. M.E. dürfte die Einbeziehung in den Gewerbebetrieb unproblematisch sein, so dass der Wertanteil des betrieblich genutzten Grundstücksteils (2 000 000 Euro × 1/2 × 75 % =
1 Vgl. Halaczinsky in Rössler/Troll, § 2 BewG Rz. 6 (Stand: März 2013) sowie Esskandari in Gürsching/Stenger, § 2 BewG Rz. 72 (Stand: Oktober 2015).
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Anteile an Kapitalgesellschaften (Abs. 2)
Rz. 54 § 12 ErbStG
750 000 Euro) nicht als Grundvermögen zu erfassen ist. Als Grundvermögen ist lediglich der Restbetrag von 250 000 Euro zu erfassen. Gegen diese Einbeziehung des betrieblich genutzten Grundstücksteils in den gemeinen Wert des Ge- 47 werbebetriebs spricht m.E. nicht § 2 Abs. 2 BewG, wonach mehrere Wirtschaftsgüter nur dann zu einer wirtschaftlichen Einheit zusammengefasst werden dürfen, wenn sie demselben Eigentümer gehören. Nachdem das Alles-oder-Nichts-Prinzip des § 99 Abs. 2 BewG aufgegeben worden ist, dürfte dem nichts mehr im Wege stehen. Das dürfte auch in den Fällen gelten, in denen mehrere Eigentümer an dem Grundstück beteiligt sind. Im Übrigen wird nicht gegen den Wortlaut des § 2 Abs. 2 BewG verstoßen, weil das Wirtschaftsgut 48 „betrieblich genutzter Grundstücksteil“ nur insoweit in das Betriebsvermögen einbezogen wird, wie es dem Betriebsinhaber gehört, also zu 1/2. Zur Zusammenfassung von Wirtschaftsgütern verschiedener Eigentümer zu einer wirtschaftlichen 49 Einheit vgl. auch Esskandari in Gürsching/Stenger, § 2 BewG Rz. 79.
C. Anteile an Kapitalgesellschaften (Abs. 2) Nach § 12 Abs. 2 ErbStG sind Anteile an Kapitalgesellschaften, für die ein Wert nach § 151 Abs. 1 50 Satz 1 Nr. 3 BewG festzustellen ist, mit dem festgestellten Wert anzusetzen. Der Bewertungsstichtag richtet sich nach § 11 ErbStG. Eine Feststellung des Werts von Anteilen an Kapitalgesellschaften erfolgt nach § 151 Abs. 1 Satz 1 51 Nr. 3 BewG nur bei Anteilen an Kapitalgesellschaften i.S.d. § 11 Abs. 2 BewG. Nach der Definition des § 11 Abs. 2 BewG handelt es sich dabei um Anteile an Kapitalgesellschaften, die nicht unter § 11 Abs. 1 BewG fallen, die also am Stichtag nicht an einer deutschen Börse zum Handel im regulierten Markt zugelassen sind bzw. für die innerhalb der letzten 30 Tage vor dem Stichtag kein im regulierten Markt notierter Kurs vorliegt. Der Hauptanwendungsfall für eine Bewertung nach § 12 Abs. 2 ErbStG ist in der Praxis die Bewertung von Anteilen an einer GmbH. Der Wert von Anteilen an Kapitalgesellschaften, die unter § 11 Abs. 1 BewG fallen, ist dagegen nicht 52 förmlich festzustellen. Dabei handelt es sich regelmäßig um Anteile an börsennotierten Kapitalgesellschaften. Die Bewertung richtet sich in diesen Fällen nach § 12 Abs. 1 ErbStG i.V.m. § 11 Abs. 1 BewG und erfolgt mit dem Kurswert. Anteile an Kapitalgesellschaften, die nicht unter § 11 Abs. 1 BewG fallen, sind mit dem gemeinen Wert 53 anzusetzen (§ 11 Abs. 2 Satz 1 BewG). Zur Ermittlung des gemeinen Werts hat der Gesetzgeber verschiedene Möglichkeiten vorgesehen. Vorrangig hat die Ermittlung des gemeinen Werts durch Ableitung aus Verkäufen unter fremden Dritten zu erfolgen, die weniger als ein Jahr vor dem Bewertungsstichtag liegen. Sofern eine Ableitung aus Verkäufen nicht möglich ist, erfolgt die Ermittlung des gemeinen Werts unter Berücksichtigung der Ertragsaussichten der Kapitalgesellschaft oder einer anderen anerkannten, auch im gewöhnlichen Geschäftsverkehr für nichtsteuerliche Zwecke üblichen Methode (§ 11 Abs. 2 Satz 2 BewG). Hierbei handelt es sich um allgemein anerkannte Methoden der Unternehmensbewertung. Ertragsabhängige Bewertungsverfahren richten sich beispielsweise nach den Grundsätzen des IDW S 11 oder bestimmen den Unternehmenswert durch Diskontierung von Cashflows, wobei die erwarteten Zahlungen an die Kapitalgeber den Cashflow darstellen (Discounted Cashflow-Verfahren, DCF-Verfahren). Als alternative Bewertungsmethode bietet § 11 Abs. 2 Satz 4 BewG eine steuerliche Unternehmensbewertung, das sog. vereinfachte Ertragswertverfahren der §§ 199 bis 203 BewG, an. Als untere Grenze muss – unabhängig von der Wahl des Bewertungsverfahrens – der sog. Substanz- 54 wert als Mindestwert angesetzt werden (§ 11 Abs. 2 Satz 3 BewG). Dieser als Mindestwert anzusetzende gemeine Wert ergibt sich aus der Summe der gemeinen Werte der zum Betriebsvermögen gehörenden Wirtschaftsgüter und sonstigen aktiven Ansätze abzgl. der zum Betriebsvermögen gehörenden Schulden und sonstigen Abzüge der Gesellschaft. 1 IDW S 1 i.d.F. 2008, WPg Supplement 3/2008, S. 68 ff.
Mannek
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§ 12 ErbStG Rz. 55 Bewertung 55
Zuständig für die Wertfeststellung ist das Finanzamt, in dessen Bezirks sich die Geschäftsleitung der Kapitalgesellschaft befindet; bei Kapitalgesellschaften ohne Geschäftsleitung im Inland oder, wenn sich der Ort der Geschäftsleitung nicht feststellen lässt, das Finanzamt, in dessen Bezirk die Kapitalgesellschaft ihren Sitz hat (§ 152 Nr. 3 BewG).
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Einwendungen gegen die Feststellung müssen gegen den Feststellungsbescheid und nicht erst gegen den Folgebescheid (Erbschaft-/Schenkungsteuerbescheid) vorgebracht werden, weil der Feststellungsbescheid ein Grundlagenbescheid ist.
57
Vgl. hierzu im Einzelnen die Kommentierung zu §§ 11, 99, 103, 199 bis 203 BewG.
D. Grundbesitz (Abs. 3) 58
Nach § 12 Abs. 3 ErbStG ist Grundbesitz mit dem nach § 151 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BewG festgestellten Wert anzusetzen. Der Bewertungsstichtag richtet sich nach § 11 ErbStG. Der Umfang des Grundbesitzes wird durch § 19 BewG bestimmt. Diese Vorschrift enthält zwar in erster Linie Regelungen zur Einheitsbewertung. Jedoch gilt die Bestimmung des Umfangs des Grundbesitzes auch bei der Erbschaft-/Schenkungsteuer, weil § 12 Abs. 3 ErbStG ausdrücklich auf § 19 BewG Bezug nimmt.
59
Zum Grundbesitz gehören die wirtschaftlichen Einheiten des land- und forstwirtschaftlichen Vermögens, also Betriebe der Land- und Forstwirtschaft. Ferner gehören zum Grundbesitz die wirtschaftlichen Einheiten des Grundvermögens, also die Grundstücke. Letztlich zählen auch die Betriebsgrundstücke zum Grundbesitz, so dass deren Wert innerhalb der Bewertung des Betriebsvermögens mit dem nach § 151 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BewG festgestellten Grundbesitzwert anzusetzen sind. In der Praxis erfolgt dies jedoch in erster Linie bei der Ermittlung des Substanzwerts nach § 11 Abs. 2 Satz 3 BewG oder in den Fällen, in denen Betriebsgrundstücke zum Sonderbetriebsvermögen einer Personengesellschaft gehören (§ 97 Abs. 1a BewG). Sofern Grundstücke nicht betriebsnotwendiges Vermögen i.S.d. § 200 Abs. 2 BewG darstellen oder zum jungen Betriebsvermögen i.S.d. § 200 Abs. 4 BewG gehören, erfolgt ebenfalls ein unmittelbarer Ansatz des festgestellten Grundbesitzwerts.
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Der Wertansatz der Grundbesitzwerte gilt nicht nur bei der Ermittlung des steuerpflichtigen Erwerbs. Auch im Übrigen sind innerhalb der Erbschaft-/Schenkungsteuer die Grundbesitzwerte maßgebend, wie beispielsweise beim Ansatz des gemeinen Werts der zum Verwaltungsvermögen gehörenden Dritten zur Nutzung überlassenen Grundstücke (§ 13b Abs. 2 Nr. 1 ErbStG).
61
Zuständig für die Wertfeststellung ist das jeweilige Lagefinanzamt (§ 152 Nr. 1 BewG).
62
Einwendungen gegen die Feststellung müssen gegen den Feststellungsbescheid und nicht erst gegen den Folgebescheid (Erbschaft-/Schenkungsteuerbescheid bzw. bei Zugehörigkeit zu einem Betriebsvermögen im Feststellungsbescheid) vorgebracht werden, weil der Feststellungsbescheid ein Grundlagenbescheid ist.
63
Vgl. hierzu im Einzelnen die Kommentierung zu §§ 157 bis 198 BewG.
E. Bodenschätze (Abs. 4) 64
Nach § 12 Abs. 4 ErbStG sind Bodenschätze anzusetzen, wenn diese nicht zum Betriebsvermögen gehören und wenn für sie Absetzungen für Substanzverringerung bei der Einkunftsermittlung vorzunehmen sind.
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Der Wertansatz richtet sich nach der Ertragsteuer.
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Mannek
Ausländischer Grundbesitz und ausländisches Betriebsvermögen (Abs. 7)
Rz. 76 § 12 ErbStG
F. Inländisches Betriebsvermögen (Abs. 5) Nach § 12 Abs. 5 ErbStG ist inländisches Betriebsvermögen, für das ein Wert nach § 151 Abs. 1 66 Satz 1 Nr. 2 BewG festzustellen ist, mit dem auf den Bewertungsstichtag festgestellten Wert anzusetzen. Der Bewertungsstichtag richtet sich nach § 11 ErbStG. Eine förmliche Wertfeststellung erfolgt nach § 151 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BewG sowohl für den Wert des 67 Betriebsvermögens als auch für den Wert eines Anteils am Betriebsvermögen. Durch den Bezug in § 151 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BewG auf die §§ 95, 96 und 97 BewG wird klargestellt, dass sowohl für Gewerbebetriebe, als auch für freiberuflich Tätige und für Beteiligungen an Personengesellschaften Wertfeststellungen erfolgen. Zuständig für die Wertfeststellung ist das jeweilige Betriebsfinanzamt (§ 152 Nr. 2 BewG).
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Einwendungen gegen die Feststellung müssen gegen den Feststellungsbescheid und nicht erst gegen 69 den Folgebescheid (Erbschaft-/Schenkungsteuerbescheid bzw. bei Zugehörigkeit zu einem Betriebsvermögen im Feststellungsbescheid) vorgebracht werden, weil der Feststellungsbescheid ein Grundlagenbescheid ist. Die Feststellung beschränkt sich auf inländisches Betriebsvermögen, so dass die Wertermittlung für 70 ausländisches Betriebsvermögen unmittelbar durch das für die Erbschaftsteuer zuständige Finanzamt zu erfolgen hat. Gehört zu einem inländischen Betriebsvermögen auch ausländisches Betriebsvermögen, hat das Betriebsfinanzamt den Wert des ausländischen Betriebsvermögens zu ermitteln. Vgl. hierzu im Einzelnen die Kommentierung zu §§ 11, 95 bis 97, 99, 103, 109, 199 bis 203 BewG.
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G. Anteile an Wirtschaftsgütern und Schulden (Abs. 6) Nach § 12 Abs. 6 ErbStG ist ein zum Erwerb gehörender Anteil an Wirtschaftsgütern und Schul- 72 den, für die ein Wert nach § 151 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 BewG festzustellen ist, mit dem darauf entfallenden Teilbetrag des festgestellten Werts anzusetzen. Der Bewertungsstichtag richtet sich nach § 11 ErbStG. Die förmliche Wertfeststellung für den Anteil an Wirtschaftsgütern und Schulden erstreckt sich nur 73 auf solche Vermögensgegenstände und Schulden, die mehreren Personen zustehen, und für die nicht bereits eine andere Feststellung nach § 151 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 3 BewG vorgesehen ist. Zuständig für die Wertfeststellung ist das Finanzamt, von dessen Bezirk die Verwaltung des Ver- 74 mögens ausgeht, oder, wenn diese im Inland nicht feststellbar ist, das Finanzamt, in dessen Bezirk sich der wertvollste Teil des Vermögens befindet (§ 152 Nr. 4 BewG). Einwendungen gegen die Feststellung müssen gegen den Feststellungsbescheid und nicht erst gegen 75 den Folgebescheid (Erbschaft-/Schenkungsteuerbescheid) vorgebracht werden, weil der Feststellungsbescheid ein Grundlagenbescheid ist.
H. Ausländischer Grundbesitz und ausländisches Betriebsvermögen (Abs. 7) I. Maßgeblichkeit des gemeinen Werts Der Wert von ausländischem Grundbesitz und ausländischem Betriebsvermögen richtet sich nach 76 § 31 BewG. Eine förmliche Feststellung unterbleibt insoweit. Für die Bewertung des ausländischen land- und forstwirtschaftlichen Vermögens, Grundvermögens und Betriebsvermögens gelten nach § 31 BewG die Vorschriften des Ersten Teils des Bewertungsgesetzes, also insbesondere der Ansatz des gemeinen Werts nach § 9 BewG. Auch ausländische Teile einer wirtschaftlichen Einheit sind mit dem gemeinen Wert anzusetzen, wenn sich die wirtschaftliche Einheit sowohl auf das Ausland als auch auf das Inland erstreckt.
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§ 12 ErbStG Rz. 77 Bewertung 77
Nach § 31 Abs. 2 BewG sind bei der Bewertung von ausländischem Grundbesitz die Bestandteile und das Zubehör zu berücksichtigen. Dagegen sind Zahlungsmittel, Geldforderungen, Wertpapiere und Geldschulden nicht einzubeziehen.
II. Ausländischer Grundbesitz 1. Entscheidung des EuGH vom 17.1.2008 78
Der EuGH hat mit Urteil vom 17.1.20081 (Jäger) über die Vorlage des BFH vom 11.4.20062 entschieden. Die Entscheidung hat unmittelbaren Einfluss auf § 12 Abs. 7 ErbStG. Das Gericht sieht in der Bewertung von in anderen EU-Staaten belegenem land- und forstwirtschaftlichen Vermögen mit dem gemeinen Wert nach § 31 BewG gegenüber der Bewertung von inländischem land- und forstwirtschaftlichem Vermögen nach §§ 140 ff. BewG eine nach Art. 73b Abs. 1 des EG-Vertrages verbotene Beschränkung des freien Kapitalverkehrs innerhalb der EU. Des Weiteren steht nach Ansicht des Gerichts auch die Begrenzung des Anwendungsbereichs des § 13a ErbStG auf inländisches Vermögen im Widerspruch zu Art. 73b Abs. 1 des EG-Vertrages.
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Gegenstand der Entscheidung des EuGH vom 17.1.2008 war zwar lediglich das land- und forstwirtschaftliche Vermögen. Dennoch dürfte nicht bezweifelt werden, dass die Grundsätze des Urteils auch auf in anderen EU-Staaten belegenes Betriebs- und Grundvermögen sowie auf Anteile an nicht börsennotierten Kapitalgesellschaften mit Sitz in anderen EU-Staaten anzuwenden sind.
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Darüber hinaus sind die Grundsätze auf Vermögen in den Staaten des Europäischen Wirtschaftsraums anzuwenden. Das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR), das die Mitgliedsstaaten der Europäischen Freihandelsassoziation (EFTA) und die Mitgliedsstaaten der Europäischen Union (EU) geschlossen haben, dehnt den Binnenmarkt der Europäischen Gemeinschaft auf Island, Liechtenstein und Norwegen aus. 2. Maßgeblichkeit der EuGH-Entscheidung seit 2009
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Nach § 12 Abs. 7 ErbStG ist ausländischer Grundbesitz nach § 31 BewG zu bewerten, d.h. mit dem gemeinen Wert. Zwar ist nach der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes vom 17.1.2008 eine Bewertung von Vermögen in den anderen EU-Staaten und den Staaten des Europäischen Wirtschaftsraums mit dem gemeinen Wert nicht mehr zulässig, wenn nach inländischen Bewertungsmethoden nicht der gemeine Wert angesetzt wird. Somit wäre Auslandsvermögen nicht mehr mit dem gemeinen Wert anzusetzen, sondern mit dem Wert, der sich bei Anwendung der Bewertungsvorschriften für Inlandsvermögen ergäbe.
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Allerdings ist das Urteil des EuGH vom 17.1.2008 nicht zur aktuellen Grundbesitzbewertung ergangen. Da der Gesetzgeber mit der Neuregelung der Grundbesitzbewertung für Bewertungsstichtage nach dem 31.12.2008 auch für inländische Grundstücke den Ansatz des gemeinen Werts vorsieht, dürfte die vom EuGH vom 17.1.2008 beanstandete Behandlung nicht mehr gegeben sein.
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Dennoch stellt die Rechtsprechung insoweit m.E. klar, dass die Anwendung inländischer Bewertungsvorschriften für Grundstücke in anderen EU-Staaten und den Staaten des Europäischen Wirtschaftsraums nicht grundsätzlich ausgeschlossen ist, weil sowohl für die Bewertung von Grundstücken im Inland als auch für die Bewertung von Grundstücken in anderen EU-Staaten und den Staaten des Europäischen Wirtschaftsraums der Ansatz des gemeinen Werts vorgesehen ist.3 3. Verfügbarkeit von Daten im Ausland
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Inländische Bewertungsverfahren können für Auslandsimmobilien nur dann übernommen werden, wenn die zugrunde gelegten Daten hinreichend plausibel und vergleichbar sind. Eine Übernahme 1 EuGH v. 17.1.2008 – Rs. C-256/06 – „Jäger“, HFR 2008, 405-407. 2 Vorlage des BFH v. 11.4.2006 – II R 35/05, BStBl. II 2006, 627 = FR 2006, 740 = ErbStB 2006, 211. 3 Vgl. auch Seitz, IStR 2008, 349.
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Ausländischer Grundbesitz und ausländisches Betriebsvermögen (Abs. 7)
Rz. 92 § 12 ErbStG
der für inländische Grundstücke vorgesehenen Bewertungsmethoden scheitert jedenfalls, wenn Boden(richt)werte oder Liegenschaftszinssätze nicht verfügbar sind. Falls Besonderheiten des zu bewertenden ausländischen Grundstücks Anlass zu der Annahme geben, dass der – seit 2009 – auch für inländische Grundstücke anzustrebende gemeine Wert mit den für inländische Grundstücke vorgesehenen pauschalierenden Bewertungsmethoden nicht erreicht werden kann, muss die Ermittlung des gemeinen Werts der Auslandsimmobilie im Wege der Schätzung erfolgen. Häufig wird eine Analyse von allgemein verfügbaren Internetdaten wesentliche Aussagen über die 85 zu bewertende Immobilie ermöglichen. Dies gilt einerseits für die Prüfung, ob die der Bewertung von Auslandsimmobilien zugrunde zu legenden Daten mit denen vergleichbar sind, die bei den Bewertungsmethoden des Bewertungsgesetzes vorgesehen sind. Andererseits wird die Analyse auch Hinweise geben, wenn eine anderweitige Schätzung des gemeinen Werts erforderlich ist. Hierbei kann beispielsweise bereits allein die Satellitenansicht eines Grundstücks erhebliche Einblicke in die Art der Bebauung (z.B. Größe der bebauten Fläche, freistehendes Gebäude) und die vorhandenen Außenlagen (z.B. Schwimmbad, Teich, Park) geben. Ebenso kann die räumliche Nähe zu einem Einzugsgebiet einer Großstadt den Wert des Grund und Bodens beeinflussen. 4. Anhaltspunkte bei der Bewertung ausländischer Immobilien Bei Grundstücken im Ausland dürfte es im Regelfall – auch unter Berücksichtigung einer dem Steu- 86 erzahler bei Auslandssachverhalten allgemein obliegenden erhöhten Mitwirkungspflicht – akzeptabel sein, wenn der gemeine Wert im Wege einer Schätzung ermittelt wird. Hierbei können in der Praxis einschlägige Veröffentlichungen im Internet Anhaltspunkte bieten. Eine erste Einschätzung über den Wert von Immobilien innerhalb einer Region wird über die örtli- 87 chen (Makler-)Angebote auf dem Immobilienmarkt möglich sein. Beispielsweise wird bei Grundstücken in den Niederlanden der für Gemeindesteuerzwecke jährlich 88 festgestellte WOZ-Wert1 für die Schätzung herangezogen werden können. Nach französischem Internationalen Privatrecht werden Grundstücke stets nach dem Recht des 89 Staates vererbt, in dem das jeweilige Nachlassgrundstück liegt. Hier findet also auf das französische Eigentum französisches Erbrecht Anwendung (Nachlassspaltung). Deshalb ist insoweit in der Praxis zunächst die Erbfolge in Frankreich bezüglich des Grundbesitzes zu klären. Danach sind die Auswirkungen der französischen Erbfolge auf die deutsche Erbschaftsbesteuerung zu prüfen. Bei Grundbesitz, der in Italien belegen ist, erscheint fraglich, ob der Katasterwert2 als gemeiner Wert 90 angesehen werden kann, weil es sich dabei um einen hypothetischen Wert handelt, der meist niedriger ist als der tatsächlich erzielbare Verkehrswert. Auch hier wird ein Vergleich mit Kaufangeboten für Wohnungen der jeweiligen Region eine Einschätzung des Wertniveaus helfen.3 Sofern ein in der Schweiz belegenes Grundstück mit dem Wert angesetzt werden soll, der einer 91 Schätzungsverfügung der Steuerverwaltung des Kantons Schwyz auf einer zeitlich zurück liegenden Wertbasis entspricht, dürfte dies unzulässig sein, wenn die Zeitspanne so groß ist, dass nicht ausgeschlossen werden kann, dass jegliche in der Zwischenzeit eingetretenen Wertsteigerungen außer Acht bleiben würden. Ferner ist von Bedeutung, welche rechnerischen Grundlagen bei der Schätzungsverfügung maßgebend sind. Setzt sich der endgültige Wert aus den Rechengrößen Ertragswert und Realwert zusammen und sind für die Ermittlung dieser Werte das Mietpreisniveau sowie der Landwert (Baulandpreis) für die betroffene Ortschaft maßgebend, kann eine Internetrecherche4 Erkenntnisse zur Richtigkeit und Schlüssigkeit des Werts fördern. Die Abteilung Liegenschaftenschätzung schätzt nach § 155 des Steuergesetzes (StG) des Kantons 92 Schwyz alle Liegenschaften im Kanton Schwyz. Bei den steueramtlichen Schätzungen werden der Ver-
1 2 3 4
Abkürzung für „Wet waardering onroerende zaken“; vgl. auch www.wozinformatie.nl/public. „valore castale“. Vgl. z.B. www.globocase.com. Vgl. z.B. www.geo.sz.ch.
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§ 12 ErbStG Rz. 93 Bewertung mögenssteuerwert von Grundstücken1 und je nach Wohnsituation der Eigentümer, der Eigenmietwert2 für selbstgenutzten Wohnraum zu 65 % in Form von selbständig anfechtbaren Verfügungen erstellt.3 93
Zu Grundstücken in Österreich vgl. z.B. www.wohnnet.at.
III. Ausländische betriebliche Vermögen 94
Vgl. hierzu im Einzelnen die Kommentierung zu § 199 ff. BewG.
1 StG § 42b Grundstücke. 2 StG § 22e Erträge aus unbeweglichem Vermögen. 3 Vgl. www.sz.ch/xml_1/internet/de/application/d4/d928/d2408/p587.cfm.
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§ 13 Steuerbefreiungen (1) Steuerfrei bleiben 1. 1a)Hausrat einschließlich Wäsche und Kleidungsstücke beim Erwerb durch Personen der Steuerklasse I, soweit der Wert insgesamt 41 000 Euro nicht übersteigt, b) andere bewegliche körperliche Gegenstände, die nicht nach Nummer 2 befreit sind, beim Erwerb durch Personen der Steuerklasse I, soweit der Wert insgesamt 12 000 Euro nicht übersteigt, c) Hausrat einschließlich Wäsche und Kleidungsstücke und andere bewegliche körperliche Gegenstände, die nicht nach Nummer 2 befreit sind, beim Erwerb durch Personen der Steuerklassen II und III, soweit der Wert insgesamt 12 000 Euro nicht übersteigt. 2Die Befreiung gilt nicht für Gegenstände, die zum land- und forstwirtschaftlichen Vermögen, zum Grundvermögen oder zum Betriebsvermögen gehören, für Zahlungsmittel, Wertpapiere, Münzen, Edelmetalle, Edelsteine und Perlen; 2. 1Grundbesitz oder Teile von Grundbesitz, Kunstgegenstände, Kunstsammlungen, wissenschaftliche Sammlungen, Bibliotheken und Archive a) mit 60 Prozent ihres Werts, jedoch Grundbesitz und Teile von Grundbesitz mit 85 Prozent ihres Werts, wenn die Erhaltung dieser Gegenstände wegen ihrer Bedeutung für Kunst, Geschichte oder Wissenschaft im öffentlichen Interesse liegt, die jährlichen Kosten in der Regel die erzielten Einnahmen übersteigen und die Gegenstände in einem den Verhältnissen entsprechenden Umfang den Zwecken der Forschung oder der Volksbildung nutzbar gemacht sind oder werden, b) in vollem Umfang, wenn die Voraussetzungen des Buchstabens a erfüllt sind und ferner aa) der Steuerpflichtige bereit ist, die Gegenstände den geltenden Bestimmungen der Denkmalspflege zu unterstellen, bb) die Gegenstände sich seit mindestens 20 Jahren im Besitz der Familie befinden oder in ein Verzeichnis national wertvollen Kulturgutes nach § 7 Absatz 1 des Kulturgutschutzgesetzes vom 31. Juli 2016 (BGBl. I S. 1914) in der jeweils geltenden Fassung eingetragen sind. 2Die Steuerbefreiung fällt mit Wirkung für die Vergangenheit weg, wenn die Gegenstände innerhalb von zehn Jahren nach dem Erwerb veräußert werden oder die Voraussetzungen für die Steuerbefreiung innerhalb dieses Zeitraums entfallen; 3. 1Grundbesitz oder Teile von Grundbesitz, der für Zwecke der Volkswohlfahrt der Allgemeinheit ohne gesetzliche Verpflichtung zur Benutzung zugänglich gemacht ist und dessen Erhaltung im öffentlichen Interesse liegt, wenn die jährlichen Kosten in der Regel die erzielten Einnahmen übersteigen. 2Die Steuerbefreiung fällt mit Wirkung für die Vergangenheit weg, wenn der Grundbesitz oder Teile des Grundbesitzes innerhalb von zehn Jahren nach dem Erwerb veräußert werden oder die Voraussetzungen für die Steuerbefreiung innerhalb dieses Zeitraums entfallen; 4. ein Erwerb nach § 1969 des Bürgerlichen Gesetzbuchs; 4a. 1Zuwendungen unter Lebenden, mit denen ein Ehegatte dem anderen Ehegatten Eigentum oder Miteigentum an einem im Inland oder in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem Staat des Europäischen Wirtschaftsraums belegenen bebauten Grundstück im Sinne des § 181 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 des Bewertungsgesetzes verschafft, soweit darin eine Wohnung zu eigenen Wohnzwecken genutzt wird (Familienheim), oder den anderen Ehegatten von eingegangenen Verpflichtungen im Zusammenhang mit der Anschaffung oder der Herstellung des Familienheims freistellt. 2Entsprechendes gilt, wenn ein Ehegatte nachträglichen Herstellungs- oder Erhaltungsaufwand für ein Familienheim trägt, das im gemeinsamen Eigentum der Ehegatten oder im Eigentum des anderen Ehegatten steht. 3Die Sätze 1 und 2 gelten für Zuwendungen zwischen Lebenspartnern entsprechend; 4b. 1der Erwerb von Todes wegen des Eigentums oder Miteigentums an einem im Inland oder in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem Staat des Europäischen Wirtschaftsraums belegenen bebauten Grundstück im Sinne des § 181 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 des Bewertungsgesetzes durch den überlebenden Ehegatten oder den überlebenden Lebenspartner, soweit der Erblasser darin bis zum Erbfall eine Wohnung zu eigenen Wohnzwecken genutzt Schienke-Ohletz
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§ 13 ErbStG Steuerbefreiungen
4c.
5.
6.
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hat oder bei der er aus zwingenden Gründen an einer Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken gehindert war und die beim Erwerber unverzüglich zur Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken bestimmt ist (Familienheim). 2Ein Erwerber kann die Steuerbefreiung nicht in Anspruch nehmen, soweit er das begünstigte Vermögen auf Grund einer letztwilligen Verfügung des Erblassers oder einer rechtsgeschäftlichen Verfügung des Erblassers auf einen Dritten übertragen muss. 3Gleiches gilt, wenn ein Erbe im Rahmen der Teilung des Nachlasses begünstigtes Vermögen auf einen Miterben überträgt. 4Überträgt ein Erbe erworbenes begünstigtes Vermögen im Rahmen der Teilung des Nachlasses auf einen Dritten und gibt der Dritte dabei diesem Erwerber nicht begünstigtes Vermögen hin, das er vom Erblasser erworben hat, erhöht sich insoweit der Wert des begünstigten Vermögens des Dritten um den Wert des hingegebenen Vermögens, höchstens jedoch um den Wert des übertragenen Vermögens. 5Die Steuerbefreiung fällt mit Wirkung für die Vergangenheit weg, wenn der Erwerber das Familienheim innerhalb von zehn Jahren nach dem Erwerb nicht mehr zu Wohnzwecken selbst nutzt, es sei denn, er ist aus zwingenden Gründen an einer Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken gehindert; 1der Erwerb von Todes wegen des Eigentums oder Miteigentums an einem im Inland oder in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem Staat des Europäischen Wirtschaftsraums belegenen bebauten Grundstück im Sinne des § 181 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 des Bewertungsgesetzes durch Kinder im Sinne der Steuerklasse I Nr. 2 und der Kinder verstorbener Kinder im Sinne der Steuerklasse I Nr. 2, soweit der Erblasser darin bis zum Erbfall eine Wohnung zu eigenen Wohnzwecken genutzt hat oder bei der er aus zwingenden Gründen an einer Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken gehindert war, die beim Erwerber unverzüglich zur Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken bestimmt ist (Familienheim) und soweit die Wohnfläche der Wohnung 200 Quadratmeter nicht übersteigt. 2Ein Erwerber kann die Steuerbefreiung nicht in Anspruch nehmen, soweit er das begünstigte Vermögen auf Grund einer letztwilligen Verfügung des Erblassers oder einer rechtsgeschäftlichen Verfügung des Erblassers auf einen Dritten übertragen muss. 3Gleiches gilt, wenn ein Erbe im Rahmen der Teilung des Nachlasses begünstigtes Vermögen auf einen Miterben überträgt. 4Überträgt ein Erbe erworbenes begünstigtes Vermögen im Rahmen der Teilung des Nachlasses auf einen Dritten und gibt der Dritte dabei diesem Erwerber nicht begünstigtes Vermögen hin, das er vom Erblasser erworben hat, erhöht sich insoweit der Wert des begünstigten Vermögens des Dritten um den Wert des hingegebenen Vermögens, höchstens jedoch um den Wert des übertragenen Vermögens. 5Die Steuerbefreiung fällt mit Wirkung für die Vergangenheit weg, wenn der Erwerber das Familienheim innerhalb von zehn Jahren nach dem Erwerb nicht mehr zu Wohnzwecken selbst nutzt, es sei denn, er ist aus zwingenden Gründen an einer Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken gehindert; 1die Befreiung von einer Schuld gegenüber dem Erblasser, sofern die Schuld durch Gewährung von Mitteln zum Zweck des angemessenen Unterhalts oder zur Ausbildung des Bedachten begründet worden ist oder der Erblasser die Befreiung mit Rücksicht auf die Notlage des Schuldners angeordnet hat und diese auch durch die Zuwendung nicht beseitigt wird. 2Die Steuerbefreiung entfällt, soweit die Steuer aus der Hälfte einer neben der erlassenen Schuld dem Bedachten anfallenden Zuwendung gedeckt werden kann; 1ein Erwerb, der Eltern, Adoptiveltern, Stiefeltern oder Großeltern des Erblassers anfällt, sofern der Erwerb zusammen mit dem übrigen Vermögen des Erwerbers 41 000 Euro nicht übersteigt und der Erwerber infolge körperlicher oder geistiger Gebrechen und unter Berücksichtigung seiner bisherigen Lebensstellung als erwerbsunfähig anzusehen ist oder durch die Führung eines gemeinsamen Hausstands mit erwerbsunfähigen oder in der Ausbildung befindlichen Abkömmlingen an der Ausübung einer Erwerbstätigkeit gehindert ist. 2Übersteigt der Wert des Erwerbs zusammen mit dem übrigen Vermögen des Erwerbers den Betrag von 41 000 Euro, wird die Steuer nur insoweit erhoben, als sie aus der Hälfte des die Wertgrenze übersteigenden Betrags gedeckt werden kann; Ansprüche nach den folgenden Gesetzen in der jeweils geltenden Fassung: a) Lastenausgleichsgesetz, b) Flüchtlingshilfegesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 15. Mai 1971 (BGBl. I S. 681), zuletzt geändert durch Artikel 6a des Gesetzes vom 21. Juli 2004 (BGBl. I S. 1742), Schienke-Ohletz
Steuerbefreiungen
8.
9. 9a.
10. 11. 12. 13.
14. 15. 16.
§ 13 ErbStG
c) Allgemeines Kriegsfolgengesetz in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 653-1, veröffentlichten bereinigten Fassung, zuletzt geändert durch Artikel 127 der Verordnung vom 31. Oktober 2006 (BGBl. I S. 2407), d) Gesetz zur Regelung der Verbindlichkeiten nationalsozialistischer Einrichtungen und der Rechtsverhältnisse an deren Vermögen vom 17. März 1965 (BGBl. I S. 79), zuletzt geändert durch Artikel 2 Abs. 17 des Gesetzes vom 12. August 2005 (BGBl. I S. 2354), e) Häftlingshilfegesetz, Strafrechtliches Rehabilitierungsgesetz sowie Bundesvertriebenengesetz, f) Vertriebenenzuwendungsgesetz vom 27. September 1994 (BGBl. I S. 2624, 2635), zuletzt geändert durch Artikel 4 Abs. 43 des Gesetzes vom 22. September 2005 (BGBl. I S. 2809), g) Verwaltungsrechtliches Rehabilitierungsgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 1. Juli 1997 (BGBl. I S. 1620), zuletzt geändert durch Artikel 2 des Gesetzes vom 21. August 2007 (BGBl. I S. 2118), und h) Berufliches Rehabilitierungsgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 1. Juli 1997 (BGBl. I S. 1625), zuletzt geändert durch Artikel 3 des Gesetzes vom 21. August 2007 (BGBl. I S. 2118); Ansprüche auf Entschädigungsleistungen nach den folgenden Gesetzen in der jeweils geltenden Fassung: a) Bundesentschädigungsgesetz in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 251-1, veröffentlichten bereinigten Fassung, zuletzt geändert durch Artikel 7 Abs. 4 des Gesetzes vom 26. März 2007 (BGBl. I S. 358), sowie b) Gesetz über Entschädigungen für Opfer des Nationalsozialismus im Beitrittsgebiet vom 22. April 1992 (BGBl. I S. 906); ein steuerpflichtiger Erwerb bis zu 20 000 Euro, der Personen anfällt, die dem Erblasser unentgeltlich oder gegen unzureichendes Entgelt Pflege oder Unterhalt gewährt haben, soweit das Zugewendete als angemessenes Entgelt anzusehen ist; Geldzuwendungen unter Lebenden, die eine Pflegeperson für Leistungen zur Grundpflege oder hauswirtschaftlichen Versorgung vom Pflegebedürftigen erhält, bis zur Höhe des nach § 37 des Elften Buches Sozialgesetzbuch gewährten Pflegegeldes oder eines entsprechenden Pflegegeldes aus privaten Versicherungsverträgen nach den Vorgaben des Elften Buches Sozialgesetzbuch (private Pflegepflichtversicherung) oder einer Pauschalbeihilfe nach den Beihilfevorschriften für häusliche Pflege; Vermögensgegenstände, die Eltern oder Voreltern ihren Abkömmlingen durch Schenkung oder Übergabevertrag zugewandt hatten und die an diese Personen von Todes wegen zurückfallen; der Verzicht auf die Geltendmachung des Pflichtteilsanspruchs oder des Erbersatzanspruchs; Zuwendungen unter Lebenden zum Zwecke des angemessenen Unterhalts oder zur Ausbildung des Bedachten; 1Zuwendungen an Pensions- und Unterstützungskassen im Sinne des § 5 Abs. 1 Nr. 3 des Körperschaftsteuergesetzes, wenn sie die für eine Befreiung von der Körperschaftsteuer erforderlichen Voraussetzungen erfüllen. 2Ist eine Kasse nach § 6 des Körperschaftsteuergesetzes teilweise steuerpflichtig, ist auch die Zuwendung im gleichen Verhältnis steuerpflichtig. 3Die Befreiung fällt mit Wirkung für die Vergangenheit weg, wenn die Voraussetzungen des § 5 Abs. 1 Nr. 3 des Körperschaftsteuergesetzes innerhalb von zehn Jahren nach der Zuwendung entfallen; die üblichen Gelegenheitsgeschenke; Anfälle an den Bund, ein Land oder eine inländische Gemeinde (Gemeindeverband) sowie solche Anfälle, die ausschließlich Zwecken des Bundes, eines Landes oder einer inländischen Gemeinde (Gemeindeverband) dienen; Zuwendungen a) an inländische Religionsgesellschaften des öffentlichen Rechts oder an inländische jüdische Kultusgemeinden, b) 1an inländische Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen, die nach der Satzung, dem Stiftungsgeschäft oder der sonstigen Verfassung und nach ihrer tatSchienke-Ohletz
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§ 13 ErbStG Steuerbefreiungen sächlichen Geschäftsführung ausschließlich und unmittelbar kirchlichen, gemeinnützigen oder mildtätigen Zwecken im Sinne der §§ 52 bis 54 der Abgabenordnung dienen. 2Die Befreiung fällt mit Wirkung für die Vergangenheit weg, wenn die Voraussetzungen für die Anerkennung der Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse als kirchliche, gemeinnützige oder mildtätige Institution innerhalb von zehn Jahren nach der Zuwendung entfallen und das Vermögen nicht begünstigten Zwecken zugeführt wird, c) 1an ausländische Religionsgesellschaften, Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen der in den Buchstaben a und b bezeichneten Art, die nach § 5 Absatz 1 Nummer 9 des Körperschaftsteuergesetzes in Verbindung mit § 5 Absatz 2 Nummer 2 zweiter Halbsatz des Körperschaftsteuergesetzes steuerbefreit wären, wenn sie inländische Einkünfte erzielen würden, und wenn durch die Staaten, in denen die Zuwendungsempfänger belegen sind, Amtshilfe und Unterstützung bei der Beitreibung geleistet werden. 2Amtshilfe ist der Auskunftsaustausch im Sinne oder entsprechend der Amtshilferichtlinie gemäß § 2 Absatz 2 des EU-Amtshilfegesetzes. 3Beitreibung ist die gegenseitige Unterstützung bei der Beitreibung von Forderungen im Sinne oder entsprechend der Beitreibungsrichtlinie einschließlich der in diesem Zusammenhang anzuwendenden Durchführungsbestimmungen in den für den jeweiligen Stichtag der Steuerentstehung geltenden Fassungen oder eines entsprechenden Nachfolgerechtsaktes. 4Werden die steuerbegünstigten Zwecke des Zuwendungsempfängers im Sinne des Satzes 1 nur im Ausland verwirklicht, ist für die Steuerbefreiung Voraussetzung, dass natürliche Personen, die ihren Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Geltungsbereich dieses Gesetzes haben, gefördert werden oder dass die Tätigkeit dieses Zuwendungsempfängers neben der Verwirklichung der steuerbegünstigten Zwecke auch zum Ansehen der Bundesrepublik Deutschland beitragen kann. 5Buchstabe b Satz 2 gilt entsprechend; 17. Zuwendungen, die ausschließlich kirchlichen, gemeinnützigen oder mildtätigen Zwecken gewidmet sind, sofern die Verwendung zu dem bestimmten Zweck gesichert ist; 18. Zuwendungen an a) politische Parteien im Sinne des § 2 des Parteiengesetzes, b) 1Vereine ohne Parteicharakter, wenn aa) der Zweck des Vereins ausschließlich darauf gerichtet ist, durch Teilnahme mit eigenen Wahlvorschlägen an Wahlen auf Bundes-, Landes- oder Kommunalebene bei der politischen Willensbildung mitzuwirken, und bb) der Verein auf Bundes-, Landes- oder Kommunalebene bei der jeweils letzten Wahl wenigstens ein Mandat errungen oder der zuständigen Wahlbehörde oder dem zuständigen Wahlorgan angezeigt hat, dass er mit eigenen Wahlvorschlägen auf Bundes-, Landes- oder Kommunalebene an der jeweils nächsten Wahl teilnehmen will. 2Die Steuerbefreiung fällt mit Wirkung für die Vergangenheit weg, wenn der Verein an der jeweils nächsten Wahl nach der Zuwendung nicht teilnimmt, es sei denn, dass der Verein sich ernsthaft um eine Teilnahme bemüht hat. (2) 1Angemessen im Sinne des Absatzes 1 Nr. 5 und 12 ist eine Zuwendung, die den Vermögensverhältnissen und der Lebensstellung des Bedachten entspricht. 2Eine dieses Maß übersteigende Zuwendung ist in vollem Umfang steuerpflichtig. (3) 1Jede Befreiungsvorschrift ist für sich anzuwenden. 2In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 und 3 kann der Erwerber der Finanzbehörde bis zur Unanfechtbarkeit der Steuerfestsetzung erklären, daß er auf die Steuerbefreiung verzichtet. A. Grundaussagen der Vorschrift . . . . . . . . I. Regelungsgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . II. Bedeutung und Telos . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Überblick über die einzelnen Steuerbefreiungs- bzw. Steuerbegünstigungstatbestände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Ergänzende Regelungen . . . . . . . . . . . . III. Geltungsbereich und Verhältnis zu anderen Vorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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IV. Rechtsentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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B. Steuerbefreiungstatbestände (Abs. 1) . . . . I. Hausrat und andere bewegliche körperliche Gegenstände (Abs. 1 Nr. 1) . . . . . . . . 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Hausrat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Andere bewegliche körperliche Gegenstände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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II.
III. IV. V.
4. Erwerber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Ausnahme des Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 . . . . . 6. Gestaltungshinweise. . . . . . . . . . . . . . . Gegenstände, deren Erhaltung im öffentlichen Interesse liegt (Abs. 1 Nr. 2) . . . . . . 1. Systematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Gemeinsame Voraussetzungen der Steuerbefreiungen des Abs. 1 Nr. 2 . . . . a) Begünstigungsfähiges Vermögen . . . aa) Qualifizierung . . . . . . . . . . . . . bb) Kunstgegenstände. . . . . . . . . . . cc) Kunstsammlungen und wissenschaftliche Sammlungen . . . . . . dd) Grundbesitz . . . . . . . . . . . . . . . ee) Belegenheit des Vermögens . . . . b) Öffentliches Interesse . . . . . . . . . . . c) Dauerhafte Unrentierlichkeit der Kulturgüter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Nutzbarmachung für Zwecke der Forschung oder der Volksbildung . . 3. Erhöhte Anforderungen an die 100%ige Steuerbefreiung des Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b. . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Bereitschaft, Kunst den Bestimmungen der Denkmalspflege zu unterstellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) 20-jähriger Familienbesitz oder Eintragung in ein Verzeichnis national wertvollen Kulturgutes. . . . . . . . 4. Nachversteuerungsvorbehalt (Abs. 1 Nr. 2 Satz 2) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Gestaltungshinweise. . . . . . . . . . . . . . . Grundbesitz für Zwecke der Volkswohlfahrt (Abs. 1 Nr. 3). . . . . . . . . . . . . . . . . . Der Dreißigste (Abs. 1 Nr. 4) . . . . . . . . . . Steuerfreie Zuwendungen eines Familienheims (Abs. 1 Nr. 4a bis 4c) . . . . . . . . . . . 1. Systematik der einzelnen Steuerbefreiungstatbestände im Zusammenhang mit dem Familienheim . . . . . . . . . . . . a) Übersicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Rechtsentwicklung . . . . . . . . . . . . . c) Zeitpunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Begriff des Familienheims i.S.d. Abs. 1 Nr. 4a bis 4c . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Definition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Nutzung als Familienwohnheim . . . c) Umfang der Anwendung . . . . . . . . . 3. Zuwendung des Familienheims unter Ehegatten (Abs. 1 Nr. 4a) . . . . . . . . . . . 4. Erwerb des Familienheims von Todes wegen durch den überlebenden Ehegatten oder Lebenspartner (Abs. 4b). . . a) Höhere Anforderungen als bei Schenkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Nachversteuerungsvorbehalt . . . . . . 5. Erwerb des Familienheims von Todes wegen durch die Kinder (Abs. 1 Nr. 4c). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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a) Umfang der Steuerbegünstigung . . . . b) Unverzügliche Nutzung durch Kinder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Rechtsfolgen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . Schuldbefreiung (Abs. 1 Nr. 5). . . . . . . . . . 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Anwendungsbereich der Vorschrift . . . . 3. Einschränkung der Steuerbefreiung (Abs. 1 Nr. 5 Satz 2) . . . . . . . . . . . . . . . Zuwendungen an erwerbsunfähige Eltern oder Voreltern (Abs. 1 Nr. 6) . . . . . . . . . . . 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Voraussetzungen und Rechtsfolgen . . . . Ansprüche aus dem Lastenausgleichsgesetz und anderen ähnlichen Gesetzen (Abs. 1 Nr. 7) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ansprüche auf Entschädigungsleistungen nach Bundesentschädigungsgesetz und Gesetz über Entschädigungen für Opfer des Nationalsozialismus (Abs. 1 Nr. 8) . . . . Angemessenes Entgelt für Pflege oder Unterhalt/Pflegegeld nach § 37 SGB XI und ähnliche Leistungen (Abs. 1 Nr. 9, 9a) . . . . 1. Systematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Rechtsentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Voraussetzungen im Einzelnen . . . . . . . a) Anwendbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Pflegeleistungen . . . . . . . . . . . . . . . . c) Unterhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Hilfsbedürftigkeit . . . . . . . . . . . . . . . Zuwendung von Pflegegeld nach § 37 SGB IX und ähnliche Leistungen (Abs. 1 Nr. 9a). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Rechtsentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vermögensrückfall von Todes wegen an Eltern oder Voreltern (Abs. 1 Nr. 10) . . . . . 1. Sinn und Zweck der Vorschrift . . . . . . . 2. Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Personenidentität . . . . . . . . . . . . . . . b) Das zurückfallende Vermögen. . . . . . 3. Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Gestaltungshinweise . . . . . . . . . . . . . . . Verzicht auf den Pflichtteil oder auf den Erbersatzanspruch (Abs. 1 Nr. 11) . . . . . . . 1. Anwendungsbereich der Vorschrift . . . . 2. Erbersatzanspruch. . . . . . . . . . . . . . . . . Zuwendungen unter Lebenden zum Zwecke des angemessenen Unterhalts oder zur Ausbildung (Abs. 1 Nr. 12) . . . . . . . . . 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Unterhaltszuwendungen . . . . . . . . . . . . 3. Ausbildungszuwendungen . . . . . . . . . . . 4. Gestaltungshinweise . . . . . . . . . . . . . . . Zuwendungen an Pensions- und Unterstützungskassen (Abs. 1 Nr. 13) . . . . . . . . . 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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XVII. XVIII.
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2. Erwerber sind Pensions- und Unterstützungskassen i.S.d. § 5 Abs. 1 Nr. 3 KStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Rückwirkender Wegfall der Steuerbefreiung (Abs. 1 Nr. 13) . . . . . . . . . . . Gelegenheitsgeschenke (Abs. 1 Nr. 14) . . . 1. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Gelegenheitsgeschenk . . . . . . . . . . . . . 3. Üblichkeit einer Zuwendung . . . . . . . . 4. Gestaltungshinweise. . . . . . . . . . . . . . . Anfälle an Gebietskörperschaften (Abs. 1 Nr. 15) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zuwendungen an inländische Religionsgemeinschaften (Abs. 1 Nr. 16 Buchst. a) . 1. Begünstigte Empfänger . . . . . . . . . . . . 2. Gleichstellung der jüdischen Kultusgemeinden. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zuwendungen an gemeinnützige, mildtätige oder kirchliche Organisationen (Abs. 1 Nr. 16 Buchst. b) . . . . . . . . . . . . . 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Empfängerkörperschaft . . . . . . . . . . . . a) Anknüpfungspunkt . . . . . . . . . . . . . b) Steuerbegünstige Zwecke i.S.d. §§ 51 ff. AO . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Begriffe der §§ 52 bis 54 AO . . . bb) Katalog des § 52 Abs. 2 AO . . . . cc) Abschließender Katalog mit Öffnungsklausel . . . . . . . . . . . . c) Selbstlosigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Ausschließlichkeit und Unmittelbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Anforderungen an die Satzung . . . . f) Tatsächliche Geschäftsführung. . . . . g) Wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb und Zweckbetrieb . . . . . . . . . . . . . . 3. Beschränkung auf inländische Empfängerkörperschaften . . . . . . . . . . . . . .
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4. Nachversteuerungsvorbehalt (Abs. 1 Nr. 16 Buchst. b Satz 2) . . . . . . . . . . . . . XX. Zuwendungen an ausländische gemeinnützige, mildtätige oder kirchliche Organisationen (Abs. 1 Nr. 16 Buchst. c) . . . . . . 1. Rechtsentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Vereinbarkeit mit EU-Recht. . . . . . . . . . 3. Voraussetzungen des § 13 Abs. 1 Nr. 16 Buchst. c . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Anforderungen an die begünstigten Zuwendungsempfänger . . . . . . . . . . b) Amtshilfe und Hilfe bei der Beitreibung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Struktureller Inlandsbezug nach § 51 Abs. 2 AO . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Zeitlicher Anwendungsbereich . . . . . e) Nachsteuertatbestand des § 13 Abs. 1 Nr. 16 Buchst. b Satz 2 ErbStG n.F. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Folgen in der Praxis . . . . . . . . . . . . . XXI. Zuwendungen zur Verwendung von gemeinnützigen Zwecken (Abs. 1 Nr. 17) . . . 1. Anwendungsbereich der Vorschrift . . . . 2. Zweckgerechte Verwendung . . . . . . . . . 3. Gestaltungshinweise . . . . . . . . . . . . . . . XXII. Zuwendungen an politische Parteien und Wählervereinigungen (Abs. 1 Nr. 18) . . . . . 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Zuwendungen an Parteien . . . . . . . . . . . 3. Zuwendungen an Vereine ohne Parteicharakter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Nachversteuerungsvorbehalt für Vereine ohne Parteicharakter . . . . . . . . .
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96 96 97 98 98 99 100 101 102 103 104 104 105 106 107 107 108 109 110
C. Angemessenheit (Abs. 2) . . . . . . . . . . . . . 111 D. Anwendung der Befreiungsvorschrift (Abs. 3). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112
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Literatur: Brüggemann, Unverzüglichkeit der Selbstnutzung eines Familienheims, ErbBstg 2013, 176; Brüggemann, Steuerbefreiung von Wohnimmobilien und die Einräumung von Nutzungsrechten, ErbBstg 2012, 75; Brüggemann, Zuwendung des Familienheims unter Lebenden, ErbBstg 2010, 210; Bruschke, Zweckzuwendungen im Erbschaft- und Schenkungsteuerrecht, ErbStB 2014, 73; Buchna/Leichinger/Seeger/Brox, Gemeinnützigkeit im Steuerrecht 11. Aufl. 2015; Christ, Zuwendungen in der Familie und Steuern, NZFam 2014, 322; Demuth, Auslandsvermögen im Erbschaftsteuerrecht, KÖSDI 2012, 18025; Ebeling/Geck, Handbuch der Erbengemeinschaft, Kommentar Loseblatt; Geck/Messner, ZEV-Report Steuerrecht, ZEV 2015, 628; Geck/Messner, ZEV-Report Steuerrecht, ZEV 2014, 89; Geck/Messner, ZEV-Report Steuerrecht, ZEV 2013, 76; Gerstenberg, Ausgewählte Fragestellungen zu Kunst und Künstlern im nationalen und internationalen Steuerrecht, FR 2015, 984; Gluth, Steuervorteile durch Weitergabe von Vermögen an gemeinnützige Stiftungen, ErbStB 2009, 225; Haar, Steuerbefreiungen bei Erwerb von Todes wegen bei bisher selbstgenutztem Wohnraum, SteuK 2010, 162; Halaczinsky, StÄndG 2015: Neuregelung der Zuwendungen an ausländische „steuerbegünstigte“ Körperschaften und weitere Änderungen des ErbStG, ErbStB 2016, 58; Halaczinsky, Pflege aus erbschaftsteuerlicher Sicht, UVR 2012, 206; Halaczinsky, Erbschaftsteuer und Spenden, UVR 2010, 85; Halaczinsky, Die Steuerbefreiung nach § 13 ErbStG – Aktuelle Entwicklungen, UVR 2013, 265 und 276; Halaczinsky, Der Erwerb von Urheberrechten – Erbschaftsteuerliche Behandlung nach der Reform 2008, ErbStB 2010, 309; Hardt, Ungelöste Probleme bei der Zuwendung des Familienwohnheims, ZEV 2004, 408; Hartmann, Grundstücksbezogene Zuwendungen zwischen Ehegatten, ErbStB 2003, 137; Hüttemann/Helios, Abzugsfähigkeit von Direktspenden an gemeinnützige Einrichtungen im EU-Ausland – Zugleich Anmerkung zum Beschluss des BFH vom 9.5.2017, IStR 2007, 599, IStR 2008, 39; Heuer, Der gemeine Wert
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Schienke-Ohletz
Grundaussagen der Vorschrift
Rz. 1 § 13 ErbStG
von Kunstgegenständen – Anmerkungen zum Urteil des BFH vom 6.6.2001, II R 7/98, DStR 2002, 845; Heuer/von Cube, Schenkungsteuerfreiheit einer Kunstsammlung – Zugleich Anmerkung zu FG Münster vom 24.9.2014 – 3 K 2906/12 Erb, DStR 2015, 682; Heuer/von Cube, Ordnung als Leitmotiv – Der erbschaftsteuerliche Sammlungsbegriff, ZEV 2013, 641; Hoheisel/Graf Nesselrode, Kunst im Betriebsvermögen und Erbschaftsteuer, DStR 2011, 441; Hubert, Erbschaftsteuerliche Behandlung von vermögensrechtlichen Ansprüchen NS-Verfolgter, VIZ 2001, 241; Hübner, Die Erbschaftsteuerreform, 1. Aufl. 2009; Hutmacher, Die Erbschaftsteuerbefreiung der Zuwendungen und Erwerb von selbstgenutztem Familienheimen, ZNotP 2013, 46; Hüttemann, Gesetz zur weiteren Stärkung des bürgerschaftlichen Engagements und seine Auswirkungen auf das Gemeinnützigkeits- und Spendenrecht, DB 2007, 2053; Ihle, Das Einfamilienhaus und § 13 ErbStG, FPR 2012, 315; Kirchhof, Einkommensteuergesetz, 15. Aufl. 2016; Korn, Einkommensteuergesetz, Kommentar Loseblatt; Kosner/Willmann, Kunstgegenstände als Steuersubjekt in der Substanzsteuer, BB 2013, 1309; Krumm, Der lebzeitige Pflichtteilsverzicht gegen Abfindung: Schenkungsteuer- und Einkommensteuerrecht, ErbR 2012, 139; Leisner, Die steuerfreie Übertragung von Kunstgegenständen nach § 13 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG, ZEV 2003, 436; Lindenau, Steuersparmodell Kunstsammlung, ZErb 2015, 245; Lohr/Görges, Die Behandlung des Pflichtteils in der Erbschaftsteuer, Überblick mit Gestaltungsempfehlungen, DStR 2011, 1939; Mayer/Süß/Tanck/Wälzholz, Handbuch Pflichtteilsrecht, 3. 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Söffing, Kunst und Steuern – Kunststeuer – künstliche Steuern – Steuern und Kunst – Steuerkunst – Steuerliche Kunst, Steueranwaltsmagazin 2012, 122; Söffing/Thoma, Kunstgegenstände in der Nachfolgeplanung, ErbStB 2006, 253; Stein/Tack, Die (mittelbare) Hausratsschenkung als Gestaltungsmittel, ZEV 2013, 180; Steiner, Zwischenruf – Steuerbefreiung des Eigenheims verstößt gegen Art. 3 Abs. 1 GG, ZRP 2010, 130; Steiner, Begünstigung des Familienheims, ErbStB 2009, 123; Stöckel, Steuerbegünstigungen für Baudenkmale, NWB 2009, 306; Stoklassa/Feldner, Kleine Geschenke erhalten die Freundschaft – Eine systematische Analyse der üblichen Gelegenheitsgeschenkte i.S.d. § 13 Abs. 1 Nr. 14 ErbStG, ErbStB 2014, 69; Tiedtke/Möllmann, Zu den Auswirkungen des EuGH-Urteils in der Rechtssache Stauffer auf den Spendenabzug nach § 10b EStG – Zugleich Besprechung des BFH Vorlagebeschlusses v. 9.5.2007, XII R 56/05, IStR 2007, 599 ff., IStR 2007, 837; Tiedtke/Schmitt, Die Zuwendung eines Familienheims nach der Erbschaftsteuerreform 2008/2009, NJW 2009, 2632; Tölle, Eingetragene Lebenspartnerschaft – Neue Entwicklungen der steuerlichen Behandlung, NWB 2013, 2078; Wachter, Steuerbefreiung des selbstgenutzten Familienheims, ZEV 2014, 191; Wefers/Carlé, Zuwendungen unter Ehegatten, ErbStB 2013, 48; Weimer, Schenkungsteuer bei der Immobilienfinanzierung durch nichteheliche Lebenspartner? – Replik zu Schlünder/Geißler, ZEV 2007, 64. Verwaltungsanweisungen: R E 13.1–13.11 ErbStR 2011; H E 13.2–13.10 ErbStH 2011.
A. Grundaussagen der Vorschrift I. Regelungsgegenstand § 13 ErbStG enthält einen Katalog sachlicher Steuerbefreiungstatbestände. Die Steuerbefreiung 1 knüpft an die Vermögensgegenstände an, die vererbt oder verschenkt werden, und regelmäßig nicht an die persönlichen Merkmale des Erblassers/Schenkers oder des Erwerbers. Eine Kombination von sachlichen und persönlichen Merkmalen enthält § 13 Abs. 1 Nr. 4a bis 4c ErbStG. Die SteuerbefreiSchienke-Ohletz
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§ 13 ErbStG Rz. 2 Steuerbefreiungen ungen sind in ihren Rechtsfolgen nicht gleichartig. Vielmehr lassen sich die Steuerbefreiungen je nach ihrer Rechtsfolge in verschiedene Gruppen einteilen. Einige Steuerbefreiungstatbestände führen zu einer vollständigen Steuerbefreiung (Nr. 2b, 3, 4, 4a, 4b, 5, 7, 8, 10, 11, 12, 13, 14, 15, 16, 17, 18). In anderen Fällen ist die Steuervergünstigung entweder durch einen Höchstbetrag beschränkt (Nr. 9, 9a) oder es gibt nur einen Freibetrag (Nr. 1, 6). Das bedeutet, dass bestimmte Vermögensgegenstände von der Erbschaftsteuer befreit sind, soweit ihr Wert einen bestimmten Betrag nicht übersteigt. Einige Steuerbefreiungen werden nur anteilig gewährt (Nr. 2a: 60 %) bzw. bis zu einer bestimmten Wohnfläche (Nr. 4c: Familienwohnheim beim Erwerb von Todes wegen durch Kinder bis 200 qm). Einige der Steuerbefreiungstatbestände unterliegen auch einem sog. Nachsteuervorbehalt. Das bedeutet, dass die Steuerbefreiung mit Wirkung für die Vergangenheit wegfällt, wenn bestimmte Voraussetzungen nicht eingehalten werden (Nr. 2, 3, 4b, 4c, 5, 13, 16b, 16c, 18). Die meisten Steuerbefreiungstatbestände sind mehrfach anwendbar, d.h. sie gelten bei jeder Vermögensübertragung, sofern die Voraussetzungen erfüllt sind (Nr. 2, 3, 4, 5, 7, 8, 10, 11, 12, 13, 14, 15, 16, 17, 18).
II. Bedeutung und Telos 1. Überblick über die einzelnen Steuerbefreiungs- bzw. Steuerbegünstigungstatbestände 2 Die Vorschrift des § 13 ErbStG soll die Übertragung bestimmter Vermögensgegenstände von der
Erbschaft- und Schenkungsteuer freistellen. Dies erfolgt aus verschiedenen Zweckrichtungen. Teilweise handelt es sich um Vermögensgegenstände, die für den alltäglichen Gebrauch von Bedeutung sind und deshalb bis zu einer bestimmten Wertgrenze nicht besteuert werden sollen, wie Hausrat, Wäsche, Kleidungsstücke und andere bewegliche Gegenstände (§ 13 Abs. 1 Nr. 1a bis c ErbStG). Darüber hinaus werden auch Gegenstände von der Erbschaftsteuer teilweise befreit, die eine wichtige Bedeutung für die Öffentlichkeit haben, wie z.B. Kunstgegenstände oder Grundbesitz (§ 13 Abs. 1 Nr. 2 sowie Nr. 3 ErbStG). Weitere Voraussetzung ist, dass die Erhaltung der Vermögensgegenstände wegen ihrer Bedeutung für Kunst, Geschichte oder Wissenschaft im öffentlichen Interesse liegt, die jährlichen Kosten i.d.R. die erzielten Einnahmen übersteigen und die Gegenstände in einem den Verhältnissen entsprechenden Umfang den Zwecken der Forschung oder der Volksbildung nutzbar gemacht sind oder werden. Eine volle Steuerbefreiung gilt sogar, wenn bei Kunstgegenständen oder Grundbesitz der Steuerpflichtige bereit ist, die Gegenstände den geltenden Bestimmungen der Denkmalspflege zu unterstellen und die Gegenstände sich seit mindestens zwanzig Jahren im Besitz der Familie befinden oder in einem Verzeichnis national wertvollen Kulturgutes nach § 7 Abs. 1 des Kulturgutschutzgesetzs1 (bis zum 31.7.2016: in dem Verzeichnis national wertvollen Kulturguts oder national wertvoller Archive nach dem Gesetz zum Schutze des deutschen Kulturgutes gegen Abwanderung2) eingetragen sind. Eine ähnliche Steuerbefreiung enthält § 13 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG. Diese betrifft auch Grundbesitz, wenn dieser der Allgemeinheit zur Benutzung zugänglich gemacht wird, ohne dass hierfür eine gesetzliche Verpflichtung besteht, die Erhaltung des Grundbesitzes im öffentlichen Interesse liegt und die jährlichen Kosten i.d.R. die erzielten Einnahmen übersteigen. Eine andere Zielrichtung verfolgt § 13 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG. Diese Vorschrift stellt den sog. Dreißigsten von der Steuer frei (§ 1969 BGB). Die Vorschrift des § 1969 BGB stellt im Erbrecht sicher, dass die Familienangehörigen des Erblassers für 30 Tage nach dem Erbfall von dem Erben die Sicherung ihres Lebensunterhaltes verlangen können. Normzweck ist, dass nach dem Erbfall die vorläufige Erhaltung des bisherigen Lebensstandards aufrechterhalten wird. Eine Besteuerung dieser Zuwendung mit Erbschaftsteuer wäre unangemessen. § 13 Abs. 1 Nr. 4 a bis c ErbStG stellt sowohl die Schenkung unter Lebenden als auch die Erbschaft des sog. Familienheims frei. Damit soll bezweckt werden, dass das Familienheim als Grundexistenz einer Familie nicht im Erbfall der Erbschaftsteuer unterworfen werden soll, wenn es auch weiterhin von dem überlebenden Ehegatten bzw. den Kindern genutzt wird. Auch die Schenkung ist steuerbefreit, aber nur unter Ehegatten. Bei einer Schenkung unter Ehegatten ist eine weitere Nutzung nicht erforderlich. Es ist nur die Schenkung unter Ehegatten steuerbefreit und nicht die Schenkung an Kinder. § 13 Abs. 1 Nr. 5 ErbStG stellt den Erwerb einer Schuldbefreiung gegenüber dem Erblasser steuerfrei. Dies gilt aber nur, wenn Grund der Schuld entweder in einem angemesse1 Gesetz vom 31.7.2016, BGBl. I 2016, 1914. 2 BGBl. I 1999, 1754, zuletzt geändert durch Art. 2 des Gesetzes v. 18.5.2007, BGBl. I 2007, 2547.
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Schienke-Ohletz
Grundaussagen der Vorschrift
Rz. 2 § 13 ErbStG
nen Unterhalt oder in der Ausbildung des Bedachten begründet worden ist oder der Erblasser die Befreiung mit Rücksicht auf die Notlage des Schuldners angeordnet hat und diese Notlage auch durch die Zuwendung nicht beseitigt wird. § 13 Abs. 1 Nr. 6 ErbStG stellt Erwerbe von Eltern, Adoptiveltern, Stiefeltern oder Großeltern des Erblassers frei, wenn der Erwerb mit dem übrigen Vermögen des Erblassers 41 000 Euro nicht übersteigt und der Erwerber infolge körperlicher oder geistiger Gebrechen und unter Berücksichtigung seiner Lebensstellung als erwerbsunfähig anzusehen ist oder durch die Führung eines gemeinsamen Hausstands mit erwerbsunfähigen oder in der Ausbildung befindlichen Abkömmlingen an der Ausübung einer Erwerbstätigkeit gehindert ist. § 13 Abs. 1 Nr. 7 und 8 ErbStG sehen bestimmte Steuerbefreiungen vor, wenn Ansprüche aus dem Lastenausgleichsgesetz, Flüchtlingshilfegesetz, Allgemeines Kriegsfolgengesetz, Gesetz zur Regelung der Verbindlichkeiten nationalsozialistischer Einrichtungen und der Rechtsverhältnisse an deren Vermögen, Häftlingshilfegesetz, Strafrechtliches Rehabilitierungsgesetz wie Bundesvertriebenengesetz, Vertriebenenzuwendungsgesetz, Verwaltungsrechtliches Rehabilitierungsgesetz, Berufliches Rehabilitierungsgesetz oder wenn Ansprüche auf Entschädigungsleistungen nach dem Bundesentschädigungsgesetz oder dem Gesetz über Entschädigung für Opfer des Nationalsozialismus gezahlt werden. Aufgrund der Zwecksetzung der aufgeführten Gesetze wird von einer Erbschaft- und Schenkungsbesteuerung abgesehen. Gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 9 ErbStG soll ein steuerpflichtiger Erwerb bis zu 20 000 Euro steuerfrei bleiben, wenn er einer Person anfällt, die dem Erblasser unentgeltlich oder gegen unzureichendes Entgelt Pflege oder Unterhalt gewährt hat, soweit das Zugewendete als angemessenes Entgelt anzusehen ist. Entsprechendes gilt gem. § 13 Abs. 1 Nr. 9a ErbStG bei Geldzuwendungen unter Lebenden, die eine Pflegeperson für Leistungen zur Grundpflege oder hauswirtschaftlichen Versorgung von Pflegebedürftigen erhält, bis zur Höhe des nach § 37 SGB XI gewährten Pflegegeldes oder eines entsprechenden Pflegegeldes aus privaten Versicherungsverträgen nach den Vorgaben des SGB XI oder einer Pauschalhilfe nach den Beihilfevorschriften für häusliche Pflege. Eine sachliche Steuerbefreiung besteht auch bei der Übertragung von Vermögensgegenständen, die Eltern oder Voreltern ihren Abkömmlingen bereits zugewendet hatten und die aufgrund des Todes des Erwerbers an diese zurückfallen würden (§ 13 Abs. 1 Nr. 10 ErbStG). Auch der Verzicht auf die Geltendmachung des Pflichtteilsanspruchs oder eines Erberwerbsanspruchs ist nicht schenkungspflichtig gem. § 13 Abs. 1 Nr. 11 ErbStG. Des Weiteren gehören Zuwendungen unter Lebenden zum Zweck des angemessenen Unterhalts oder zur Ausbildung des Bedachten nicht zu den schenkungsteuerpflichtigen Erwerben gem. § 13 Abs. 1 Nr. 12 ErbStG. Gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 13 ErbStG sind Zuwendungen an Pensions- und Unterstützungskassen i.S.d. § 5 Abs. 1 Nr. 3 KStG steuerbefreit, wenn sie die für eine Befreiung von der KStG erforderlichen Voraussetzungen erfüllen. Auch übliche Gelegenheitsgeschenke nach § 13 Abs. 1 Nr. 14 ErbStG sollen aus Praktikabilitätsgründen nicht der Schenkungsteuer unterliegen. Gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 15 sind Anfälle an den Bund, an ein Land oder an eine inländische Gemeinde sowie solche Anfälle, die ausschließlich Zwecken des Bundes, eines Landes oder einer inländischen Gemeinde dienen, nicht schenkungsteuerpflichtig. Anknüpfend an das Gemeinnützigkeitsrecht sollen gem. § 13 Abs. 1 Nr. 16 Buchst. a ErbStG Zuwendungen an inländische Religionsgesellschaften des öffentlichen Rechts oder an inländische jüdische Kultusgemeinden nicht steuerpflichtig sein. Dies gilt bei Zuwendungen an inländische Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen, die den kirchlichen, gemeinnütigen oder mildtätigen Zwecken i.S.d. §§ 52–54 AO dienen (§ 13 Abs. 1 Nr. 16 Buchst. b ErbStG). Entsprechendes gilt für Zuwendungen an ausländische Religionsgesellschaften, Körperschaften, Personenvereinigung und Vermögensmassen der in den Buchstaben a und b bezeichneten Art unter der Voraussetzung, dass die Empfängerorganisation auch nach deutschem Recht gemeinnützig ist, der Ansässigkeitsstaat Amtshilfe und Unterstützung bei der Beitreibung leistet und die Empfängerkörperschaft strukturellen Inlandsbezug gem. § 51 Abs. 2 AO aufweist. Dies gilt nicht nur für EU/EWR-Organisationen, sondern auch für Drittstaatenorganisationen. Nach § 13 Abs. 1 Nr. 17 ErbStG sind Zuwendungen, die ausschließlich kirchlichen, gemeinnützigen oder mildtätigen Zwecken gewidmet sind, sofern die Verwendung zu dem bestimmten Zweck gesichert ist, ebenfalls steuerfrei. Im Gegensatz zu § 13 Abs. 1 Nr. 16 ErbStG wird nicht auf die Organisation abgestellt, die die Zuwendung erhält, sondern auf die Verwendung für bestimmte Zwecke. Gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 18 ErbStG sind auch Zuwendungen an politische Parteien i.S.d. § 2 PartG steuerfrei sowie an Vereine ohne Parteicharakter, wenn der Zweck des Vereins ausschließlich darauf gerichtet ist, durch Teilnahme mit eigenen Wahlvorschlägen an Wahlen an Bundes-, Landes- oder Kommunalebene bei Schienke-Ohletz
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§ 13 ErbStG Rz. 3 Steuerbefreiungen der politischen Willensbildung mitzuwirken und der Verein auf Bundes-, Landes- oder Kommunalebene bei der jeweils letzten Wahl wenigstens ein Mandat errungen oder der zuständigen Wahlbehörde oder dem zuständigen Wahlorgan angezeigt hat, dass er mit eigenen Wahlvorschlägen auf Bundes-, Landes- oder Kommunalebene an der jeweils nächsten Wahl teilnehmen will. 2. Ergänzende Regelungen 3 Gemäß § 13 Abs. 2 ErbStG wird in Bezug auf die Steuerbefreiungen der Nr. 5 und 12 der Angemes-
senheitsbegriff definiert. Danach ist angemessen eine Zuwendung, die den Vermögensverhältnissen und der Lebensstellung des Bedachten entspricht. Eine dieses Maß übersteigende Zuwendung ist in vollem Umfang steuerpflichtig. Gemäß § 13 Abs. 3 ist jede Befreiungsvorschrift für sich anzuwenden.1 In den Fällen des Abs. 1 Nr. 2 und 3 (Befreiung von Kunstgegenständen bzw. Grundbesitz von öffentlicher Bedeutung) kann der Erwerber der Finanzbehörde bis zur Unanfechtbarkeit der Steuerfestsetzung erklären, dass er auf die Steuerbefreiung verzichtet. Ein Verzicht auf die Steuerbefreiung ist vor allem in Fällen des § 10 Abs. 6 ErbStG relevant. Gemäß § 10 Abs. 6 ErbStG ist der Abzug von Schulden und Lasten, die mit steuerfreiem Vermögen zusammenhängen, nicht möglich. Sollten die Schulden und Lasten den Wert des steuerfreien Vermögens übersteigen, ist es für den Steuerpflichtigen sinnvoller, auf die Steuerbefreiung zu verzichten. Diese Möglichkeit räumt § 13 Abs. 3 Satz 2 ErbStG ein.
III. Geltungsbereich und Verhältnis zu anderen Vorschriften 4 Die Steuerbefreiungsvorschriften stehen grundsätzlich neben den persönlichen Freibeträgen. Dies
ist vor allem dann relevant, wenn keine volle Steuerbefreiung anwendbar ist (z.B. § 13 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a ErbStG). Damit kann bei einer Erbschaft von verschiedenen Vermögensgegenständen eine weitrechende Steuerbefreiung erlangt werden, wenn neben einer partiellen oder vollen Steuerbefreiung eines bestimmten Vermögensgegenstandes für die weiteren Vermögensgegenstände zusätzlich der allgemeine Freibetrag eingreift. Die sachlichen Steuerbefreiungen sind auch anwendbar im Rahmen der beschränkten und erweitert beschränkten Steuerpflicht. Auch bei der unbeschränkten Steuerpflicht gem. § 2 Abs. 3 ErbStG ist § 13 ErbStG anwendbar. Ebenso gelten sie auch für das Halten von Vermögen durch Stiftungen und Vereine nach § 1 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG. Die Steuerbefreiungen müssen nicht beantragt werden, sondern sind von Amts wegen zu prüfen und zu gewähren. In der Praxis sollte der zur Steuerbefreiung führende Sachverhalt vorgetragen werden, sofern sich die Steuerbefreiung aus den Umständen nicht ergibt. Dies gilt insbesondere bei den etwas komplexeren Steuerbefreiungstatbeständen, die von mehreren Voraussetzungen abhängen (z.B. § 13 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG). Die Voraussetzungen für eine Steuerbefreiung müssen, soweit nichts anderes bestimmt ist, im Zeitpunkt der Steuerentstehung erfüllt sein.2
IV. Rechtsentwicklung 5 Die Rechtsentwicklung ist bei den einzelnen Steuerbefreiungstatbeständen unterschiedlich und wird
bei der Erläuterung des jeweiligen Tatbestandes dargestellt.
1 R E 13.1 Abs. 2 Satz 1 ErbStR 2011. 2 R E 13.1 Abs. 1 ErbStR 2011.
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Schienke-Ohletz
Steuerbefreiungstatbestände (Abs. 1)
Rz. 7 § 13 ErbStG
B. Steuerbefreiungstatbestände (Abs. 1) I. Hausrat und andere bewegliche körperliche Gegenstände (Abs. 1 Nr. 1) 1. Allgemeines Freibeträge für Hausrat und andere bewegliche körperliche Gegenstände sind mit dem Erbschaft- 6 steuerreformgesetz ab dem 1.1.2009 erhöht worden.1 Zuvor waren sie mit dem Jahressteuergesetz 19972 zum 1.1.1996 neu konzipiert und im Zuge dessen auch schon angehoben worden. Eine vollständige Befreiung hat sich nicht durchgesetzt. Zweck der Vorschrift ist, das wesentliche Gebrauchsvermögen des Erblassers oder des Schenkers nicht mit Erbschaft- und Schenkungsteuer zu belasten. Damit wird auch dem Beschluss des BVerfG vom 22.6.1995 Rechnung getragen, der eine Freistellung des Gebrauchsvermögens gefordert hat.3 Aufgrund der mittlerweile recht hohen Freibeträge dürfte in den meisten Erbschaftsteuerveranlagungen eine genaue Wertermittlung der einzelnen Hausratsgegenstände und sonstigen beweglichen Gegenstände nicht erforderlich sein, weil durch den Freibetrag eine Besteuerung nicht mehr in Betracht kommen wird. Insoweit beschränkt sich die Besteuerung des Hausrats und der beweglichen körperlichen Gegenstände auf wenige Fälle, in denen z.B. mehrere Häuser mit Einrichtung zur Selbstnutzung übertragen werden oder zahlreiche wertvolle Gegenstände. Die Steuerbefreiung gilt grundsätzlich für Erbschaften und Schenkungen. Dieser Freibetrag kann im jeweiligen Erwerbsverhältnis alle zehn Jahre genutzt werden. § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a bis c ErbStG sieht vor, dass Hausrat einschließlich Wäsche- und Kleidungsstücke sowie andere bewegliche körperliche Gegenstände bis zu einem bestimmten Wert steuerfrei bleiben sollen. Bei Hausrat einschließlich Wäsche- und Kleidungsstücke besteht eine Steuerbefreiung, soweit der Wert der Gegenstände insgesamt 41 000 Euro nicht übersteigt. Bei anderen beweglichen körperlichen Gegenständen, die nicht unter Nr. 2 (z.B. Kunstgegenstände) fallen, darf der Wert nicht 12 000 Euro übersteigen. Dabei gelten diese Freibeträge nur für Personen der Steuerklasse I als Erwerber. Für Personen der Steuerklasse II und III gelten andere Freibeträge. Nach § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. c ErbStG gilt einheitlich für Hausrat einschließlich Wäsche- und Kleidungsstücke und andere bewegliche körperliche Gegenstände ein Freibetrag von 12 000 Euro. Eine Ausnahme dieser Steuerbefreiung gilt für Gegenstände, die zum land- und forstwirtschaftlichen Vermögen, zum Grundoder zum Betriebsvermögen gehören, für Zahlungsmittel, Wertpapiere, Münzen, Edelmetalle, Edelsteine und Perlen. Letztere Vermögensgegenstände gehören auch nicht zum Gebrauchsvermögen. 2. Hausrat Hausrat sind alle Gegenstände, die nach der Verkehrsauffassung objektiv geeignet sind, der privaten 7 Haushalts- und Lebensführung zu dienen.4 Dabei wird ein objektivierter Maßstab angewandt, d.h. es kommt nicht darauf an, ob die Person diese Gegenstände tatsächlich für seine Haushalts- und Lebensführung verwendet hat, sondern ob diese objektiv für diese zu verwenden sind. Zum Hausrat gehört die komplette Wohnungseinrichtung. Zu der Wohnungseinrichtung gehören Möbel, Küchengeräte, Fernseher und sonstige Elektrogeräte, sofern sie im Haushalt genutzt werden können. Ebenso gehören dazu Bücher, Geschirr, Getränkevorräte, wie z.B. Wein, aber auch Musikinstrumente – unabhängig von ihrer Größe.5 Auch Haustiere gehören zum Hausrat. Nicht zum Hausrat gehören Gegenstände, die auch außerhalb der Wohnung genutzt werden können und die nicht für die Hauswirtschaft von Bedeutung sind (z.B. Geräte für Hobbies, Freizeitgeräte etc.). Bei einem Kfz ist dies allerdings streitig. Teilweise wird das Kfz als Hausrat angesehen.6 Nach einer anderen Auffassung in der Literatur hingegen wird der Hausrat den anderen beweglichen körperlichen Gegenständen zu1 Gesetz v. 24.12.2008, BGBl. I, 2008, 3018; vgl. Regierungsentwurf BT-Drucks. 16/97, 18; allgemein zum ErbStRG 2009 vgl. Hübner, Erbschaftsteuerreform 2009, 1. Aufl. 2009. 2 Gesetz v. 20.12.1996, BGBl. I 1996, 2049 (1523). 3 2 BvL 37/91, BStBl. II 1995, 655. 4 Jochum in Wilms/Jochum, § 13 ErbStG Rz. 37 (Stand: März 2016). 5 Viskorf in V/K/S/W4, § 13 ErbStG Rz. 12; Jülicher in T/G/J, § 13 ErbStG Rz. 8 (Stand: Juli 2015). 6 Jülicher in T/G/J, § 13 ErbStG Rz. 8 (Stand: Juli 2015); Meincke16, § 13 ErbStG Rz. 3; Kobar in F/J/P/W5, § 13 ErbStG Rz. 7.
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§ 13 ErbStG Rz. 8 Steuerbefreiungen geordnet.1 Weder die Finanzverwaltung noch die Rechtsprechung haben zu der Zuordnung ausdrücklich Stellung genommen. Nach der hier vertretenen Auffassung gehört ein Kfz nicht zum Hausrat. Dies würde nicht der Definition entsprechen, die bei dem Begriff des Hausrats auf die Zugehörigkeit zum Zusammenleben der Familie, der Hauswirtschaft und der Wohnung abstellt. Vielmehr handelt es sich um einen „anderen beweglichen körperlichen Gegenstand“ gem. § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b ErbStG. Auf die Unterscheidung kommt es für Personen der Steuerklasse I an, weil die Freibeträge abweichen. Fraglich ist die Behandlung von Luxusgegenständen wie z.B. wertvolle Instrumente. U.E. kommt es allerdings nicht darauf an, welchen Wert ein Gegenstand hat, um zum Hausrat zu gehören. Es ist nur auf die Definition des Hausrats abzustellen, d.h. es muss sich um einen Gegenstand handeln, der für die Haushaltsführung geeignet ist. Ist ein Luxusgegenstand per Definition als Hausrat anzusehen, so muss er auch im Rahmen des § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a ErbStG als solcher behandelt werden. Sollte es sich bei den jeweiligen zum Hausrat gehörenden Gegenständen oder Wäsche- oder Kleidungstücken um teure Luxusgegenstände handeln, so sorgt bereits der Freibetrag von 41 000 Euro dafür, dass ab einer gewissen Wertgrenze eine Besteuerung erfolgt. Insoweit kommt es nicht auf den Wert des einzelnen zum Hausrat gehörenden Gegenstandes an. Der BFH hat in einem Beschluss vom 14.3.19842 entschieden, dass auch Gegenstände von hohem Wert einschließlich kostbarer Kunstgegenstände zum Hausrat gehören, wenn sie ihrer Art nach als Hausratsgegenstände geeignet sind und dem Lebenszuschnitt der Ehegatten dienen. Teilweise wird die Anwendung der Freibeträge auf Luxusgegenstände damit begründet, dass es keinen Ausschlusstatbestand gibt, wie z.B. § 110 Abs. 11 BewG a.F.3 3. Andere bewegliche körperliche Gegenstände 8 Neben dem Hausrat gewährt § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b ErbStG den Erwerbern der Steuerklasse I ei-
nen weiteren Freibetrag von 12 000 Euro für andere bewegliche körperliche Gegenstände, soweit sie nicht bereits nach § 13 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG befreit sind (Kunstgegenstände und Grundbesitz). Dies sind üblicherweise auch außerhalb des Haushalts genutzte Gegenstände wie z.B. Kfz, Fahrräder und Motorräder. Die Steuerbefreiung gem. § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b ErbStG, kann insbesondere dann für Gegenstände eingreifen, bei denen die Voraussetzungen des § 13 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG nicht vorliegen. Die Gegenstände i.S.d. § 13 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG sind insgesamt nur befreit, wenn sie auch dem Erwerber verbleiben. Ist z.B. der Erbe mit einem Sachvermächtnis beschwert, das sich auf einen Gegenstand nach § 13 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG bezieht, ist der Wert des Gegenstandes vom Wert des Nachlasses abzuziehen. Auf die verbleibenden Vermögensgegenstände ist die Steuerbefreiung dann anzuwenden.4 Muss ein Gegenstand i.S.d. § 13 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG im Wege eines Sachvermächtnisses herausgegeben werden, so kommt die Steuerbefreiung beim Erben nicht in Betracht, dann aber beim Vermächtnisnehmer. 4. Erwerber 9 Die Freibeträge beziehen sich auf den jeweiligen Erwerb und nicht auf den Nachlass. Wird deshalb
der Hausrat auch im Erbfall auf mehrere Miterben verteilt, so hat jeder dieser Miterben einen vollen Freibetrag. Allerdings kommt eine Übertragung nicht verbrauchter Freibeträge nicht in Betracht. Im Rahmen des § 13 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG wird zwischen den Erwerbern der Steuerklasse I und den Erwerbern der Steuerklasse II und III differenziert. Erwerber der Steuerklasse I haben zwei verschiedene Freibeträge und zwar einen hinsichtlich des Hausrats einschließlich Wäsche und Kleidungsstücke i.H.v. 41 000 Euro sowie einen anderen für andere bewegliche körperliche Gegenstände bis zu 12 000 Euro. Die Erwerber der Steuerklasse II und III haben insgesamt einen Freibetrag für Hausrat einschließlich Wäsche und Kleidungsstücke sowie andere bewegliche körperliche Gegenstände von insgesamt 12 000 Euro.
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Kien-Hümbert in Moench/Weinmann, § 13 ErbStG Rz. 9a (Stand: Februar 2016). BGH v. 14.3.1984 – IVb ARZ 59/83, NJW 1984, 1758. Viskorf in V/K/S/W4, § 13 ErbStG Rz. 14. FG München v. 5.2.1987 – X 165/81Erb, EFG 1987, 410.
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Steuerbefreiungstatbestände (Abs. 1)
Rz. 12 § 13 ErbStG
5. Ausnahme des Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 Die Steuerbefreiung gilt gem. § 13 Abs. 1 Satz 2 ErbStG weder für Gegenstände, die zum land- und 10 forstwirtschaftlichen Vermögen, zum Grundvermögen oder zum Betriebsvermögen gehören, noch für Zahlungsmittel, Wertpapiere, Münzen, Edelmetalle, Edelsteine und Perlen. Damit werden solche Vermögensgegenstände ausgeschlossen, die für einen Haushalt nicht von Bedeutung sind, sich aber gleichwohl in einem Haushalt befinden können. 6. Gestaltungshinweise Ein Abzugsverbot von Schulden gibt es nicht, weil es sich um einen Freibetrag handelt. Schulden im 11 Zusammenhang mit Haushaltsgegenständen, z.B. bei Fremdfinanzierung, können daher geltend gemacht werden.1 Bei der Erbschaftsteuererklärung ist zu beachten, dass die Freibeträge von Amts wegen anzusetzen sind, so dass keine Kürzung erforderlich ist. Die Vermögensgegenstände müssen daher mit dem vollen Wert angesetzt werden. Im Zusammenhang mit der Steuerbefreiung für Hausrat ist zu beachten, dass es auch eine mittelbare Hausratsschenkung geben kann. Das bedeutet, dass anlehnend an die mittelbare Grundstücksschenkung2 die Steuerbefreiung des § 13 ErbStG auch dann anwendbar ist, wenn eine Person Geld geschenkt bekommt mit der Auflage, Hausrat dafür zu erwerben. Es kann keinen Unterschied machen, ob jemand Hausrat verschenkt oder einer anderen Person Geld schenkt, damit diese Hausrat erwirbt.3 Die mittelbare Grundstücksschenkung ist von der FinVerw. anerkannt worden. Eine gesetzliche Regelung hierzu gibt es nicht.4 Es kommt aber nur eine begünstigte Schenkung in Betracht, wenn die Anschaffung des Hausrats nicht freiwillig erfolgt. In der Praxis sollte eine entsprechende Vereinbarung getroffen werden. Zu beachten ist auch, dass die Hingabe des Geldes nach Abschluss des Schenkungsvertrags erfolgen sollte, weil der Erwerber sonst keine Verpflichtung eingeht.
II. Gegenstände, deren Erhaltung im öffentlichen Interesse liegt (Abs. 1 Nr. 2) 1. Systematik Gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a ErbStG bleiben steuerfrei mit 60 % ihres Wertes Kunstgegen- 12 stände, Kunstsammlungen, wissenschaftliche Sammlungen, Bibliotheken und Archive, wenn die Erhaltung dieser Gegenstände wegen ihrer Bedeutung für die Kunst, Geschichte oder Wissenschaft im öffentlichen Interesse liegt, die jährlichen Kosten i.d.R. die erzielten Einnahmen übersteigen und die Gegenstände in einem den Verhältnissen entsprechenden Umfang den Zwecken der Forschung oder der Volksbildung nutzbar gemacht sind oder werden. Für Grundbesitz und Teile von Grundbesitz gilt sogar eine Befreiung von 85 % ihres Wertes. Darüber hinaus gilt eine volle Steuerbefreiung, wenn die Voraussetzungen des § 13 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a ErbStG gegeben sind und darüber hinaus noch die folgenden Voraussetzungen vorliegen: Der Steuerpflichtige ist bereit, die Gegenstände den geltenden Bestimmungen der Denkmalspflege zu unterstellen (§ 13 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b Doppelbuchst. aa ErbStG) und die Gegenstände befinden sich seit mindestens 20 Jahren im Besitz der Familie oder sind in dem Verzeichnis national wertvollen Kulturguts gegen Abwanderung eingetragen. Die Steuerbefreiung entfällt in beiden Fällen mit Wirkung für die Vergangenheit, wenn die Gegenstände innerhalb von zehn Jahren nach dem Erwerb veräußert werden oder die Voraussetzungen für die Steuerbefreiung innerhalb dieses Zeitraums entfallen (§ 13 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 ErbStG). Diese Vorschrift gilt für Erbschaften und Schenkungen und hat in der Praxis eine weitreichende Bedeutung.5
1 R E 10.10 Abs. 3 Satz 2 ErbStR 2011. 2 R E 7.3 Abs. 1 ErbStR 2011. 3 Kien-Hümbert in Moench/Weinmann, § 13 ErbStG Rz. 4 (Stand: Februar 2016); Halaczinsky, UVR 2013, 265 (267). 4 Vgl. Stein/Tack, ZEV 2013, 180 mit Gestaltungshinweisen. 5 Zu Baudenkmalen, vgl. Paus, EStB 2009, 239; zur Kunstförderung durch das Steuerrecht, vgl. Heuer, NJW 1985, 232.
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§ 13 ErbStG Rz. 13 Steuerbefreiungen 2. Gemeinsame Voraussetzungen der Steuerbefreiungen des Abs. 1 Nr. 2 a) Begünstigungsfähiges Vermögen aa) Qualifizierung 13
In § 13 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a ErbStG wird differenziert zwischen Kunstgegenständen, Kunstsammlungen, wissenschaftlichen Sammlungen, Bibliotheken, Archiven und Grundbesitz sowie Teile von Grundbesitz. Unerheblich ist, ob die begünstigten Wirtschaftsgüter sich im Betriebs- oder im Privatvermögen des Schenkers befinden.1 Eine wertmäßige Begrenzung findet nicht statt. Fraglich ist, ob die Steuerbefreiung des § 13 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG auch anwendbar sein kann, wenn die steuerbegünstigten Gegenstände über eine vermögensverwaltende Personengesellschaft gehalten werden. Dies ist m.E. der Fall und ergibt sich bereits aus § 10 Abs. 1 Satz 4 ErbStG, wonach der unmittelbare oder mittelbare Erwerb einer Beteiligung an einer Personengesellschaft oder anderen Gesamthandsgemeinschaft, die keine gewerblichen oder freiberuflichen Einkünfte vermittelt, als Erwerb der anteiligen Wirtschaftsgüter gilt. Wenn auf die Wirtschaftsgüter selbst abzustellen ist, muss die Steuerbefreiung auch bei Erwerb eines Anteils an einer vermögensverwaltenden GbR anwendbar sein, die begünstigte Gegenstände i.S.d. § 13 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG hält.2 Kien-Hümbert3 führt an, dass Kunst im Betriebsvermögen einer gewerblichen Personengesellschaft oder Kapitalgesellschaft nicht begünstigungsfähig sein kann, weil Gegenstand des Erwerbs der Anteil an der Gesellschaft sei. Dem ist zu widersprechen. Der Wortlaut des § 13 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG geht – anders als der des § 13 Abs. 1 Nr. 4a–c ErbStG – nicht davon aus, dass die begünstigten Gegenstände unmittelbar gehalten werden. Die Rechtsprechung, die davon ausgeht, dass nur eine unmittelbare Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft für die Begünstigung des § 13a Abs. 4 Nr. 3 ErbStG a.F. qualifiziert,4 ist nicht auf § 13 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG übertragbar. In § 13 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG fehlt das Wort „unmittelbar“. Es muss nach § 13 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG kein Allein- oder Miteigentum übertragen werden – anders bei § 13a Abs. 4 Nr. 3 ErbStG in der im Jahr 2005 geltenden Fassung. Da § 13 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG von seiner Zweckrichtung her auch die Zerschlagung von Sammlungen verhindern möchte, muss auch ein Anteil an einer vermögensverwaltenden Personengesellschaft, die Kunst bzw. Sammlungen hält, begünstigt sein. bb) Kunstgegenstände
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In der Praxis stellt sich die Frage, was Kunstgegenstände sind und welche Gegenstände keine „Kunst“ darstellen. Kunstgegenstände sind Werke der bildenden Kunst. Dies sind Gemälde, Stiche, Plastiken sowie vergleichbare Gegenstände, die geeignet sind, in eine nach wissenschaftlichen Gesichtspunkten aufgebaute Sammlung aufgenommen zu werden. Keine Kunstgegenstände sind Gegenstände des Kunstgewerbes. Selbst wenn das Original ein Kunstwerk ist, liegt bei dessen mechanischer Vervielfältigung kein Kunstwerk mehr vor. Vervielfältigungen sind nur dann als Kunstgegenstände zu werten, wenn ihre Herstellung selbst als ein künstlerisches Schaffen anzusehen ist. Keine Kunstwerke stellen Werke der Dichtung oder Tonkunst oder gedruckte Werke oder Manuskripte zu solchen dar, wie literarische Werke oder Musikstücke.5 Allerdings gehört wiederum Videokunst oder Rauminstallationen zu den begünstigten Kunstgegenständen, weil es sich im Unterschied zur Dichtung oder Tonkunst ebenfalls um einen materiellen Kunstgegenstand handelt, der neben einer bildlichen auch eine akustische Darstellung enthält.6 Auch Urheberrechte und urheberrechtlich geschützte Werke können begünstigt sein.7 Oldtimer sind als einzelne Gegenstände i.d.R. nicht als Kunstgegenstände anzusehen, können aber eine wissenschaftliche Sammlung begründen (vgl. Rz. 15).
1 Zu Kunst im Betriebsvermögen, vgl. Hoheisel/Graf Nesselrode, DStR 2011, 441. 2 Hoheisel/Graf Nesselrode, DStR 2011, 441; Ebeling/Geck, Handbuch der Erbengemeinschaft, Teil II, Rz. 46 (Stand: April 2016); M. Söffing, Steueranwaltsmagazin 2012, S. 122 ff. 3 Kien-Hümbert in Moench/Weinmann, § 13 ErbStG Rz. 14 (Stand: Februar 2016). 4 BFH v. 11.3.2013 – II R 4/12, ZEV 2013, 464. 5 Geck in: Kapp/Ebeling, § 13 ErbStG Rz. 28. (Stand: Februar 2016). 6 Jochum in Wilms/Jochum, § 17 ErbStG Rz. 48 (Stand: März 2016). 7 Halaczinsky, ErbStB 2010, 309 (315); zum Kunstbegriff im Steuerrecht Radtke-Bonk, ZUM 1999, 564.
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Steuerbefreiungstatbestände (Abs. 1)
Rz. 18 § 13 ErbStG
cc) Kunstsammlungen und wissenschaftliche Sammlungen Eine Sammlung erhält ihren besonderen Wert durch die Zusammenfassung vieler Einzelgegenstän- 15 de, die als Gegenstände gleicher Art aus künstlerischen oder wissenschaftlichen Interessen oder aus Liebhaberei zusammengestellt und nach bestimmten Kriterien angeordnet wurden. Kunstgegenstände und Kunstsammlungen unterscheiden sich dadurch, dass Kunstsammlungen Sachgesamtheiten darstellen, während der Begriff der Kunstgegenstände einzelne oder mehrere Kunstwerke erfasst, die aber keine Sachgesamtheit bilden.1 Allerdings ist die Steuerbefreiung auf Gegenstände reduziert, die sich im Inland oder in einem Mitgliedsstaat der EU/EWR befinden und für mindestens zehn Jahre dort verbleiben. Dies gilt auch für Grundbesitz und Teile von Grundbesitz. Der Begriff der Wissenschaft wird i.R.d. § 13 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG weit gefasst. Es werden nicht nur naturwissenschaftliche, sondern auch geistes- oder sozialwissenschaftliche Sammlungen erfasst.2 Der Begriff der wissenschaftlichen Sammlung kann daher auch Oldtimer erfassen, wenn diese aufgrund ihrer technischen Bauart, ihrer technischen Gestaltung und ihres Designs eine ingenieurwissenschaftliche oder historische Bedeutung haben. Das ist z.B. der Fall, wenn die Oldtimersammlung Automobilgeschichte nachzeichnet. dd) Grundbesitz Zum Grundbesitz gehören alle wirtschaftlichen Einheiten des land- und forstwirtschaftlichen Ver- 16 mögens, des Grundvermögens sowie Betriebsgrundstücke. Als Teile von Grundbesitz sind z.B. auch Schlösser oder Burgen anzusehen, die zu einem landwirtschaftlichen Betrieb gehören.3 Fraglich ist im Zusammenhang mit der Begünstigung von Grundbesitz und Teilen von Grundbesitz, ob auch eine steuerliche Begünstigung von einzelnen Bauteilen möglich sein kann. Dies dürfte unproblematisch der Fall sein, aber es kann nicht im Einzelfall festgestellt werden, ob die jährlichen Kosten die Einnahmen übersteigen und ob daher die Voraussetzung der dauerhaften Unrentierlichkeit der Kulturgüter gegeben ist. Dem einzelnen Bauteil können i.d.R. keine Einnahmen zugeordnet werden.4 Deswegen sind nur Gebäude oder Gebäudeteile begünstigt, die räumlich abgrenzbar sind.5 ee) Belegenheit des Vermögens Die Steuerbegünstigung des § 13 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG gilt nach Auffassung der Finanzverwaltung nur 17 für Kunstgegenstände im Inland oder innerhalb der EU/EWR. Kunstgegenstände etc., die sich zum Stichtag in einem Drittstaat befinden, fallen nicht unter die Begünstigung.6 Werden sie zeitlich nach dem Stichtag in das Inland oder die EU/EWR verbracht, sind sie aber begünstigt, weil die Voraussetzung des § 13 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG auch noch nach dem Stichtag erfüllt werden kann. Dies ergibt sich aus dem Wortlaut der Vorschrift („… nutzbar gemacht sind oder werden“).7 Die Steuerbefreiung muss auch eingreifen, wenn sich ein tatbestandlicher Gegenstand in einem Drittstaat befindet.8 Ein Kunstgegestand liegt vor – unabhängig davon, ob er sich im Inland oder im Ausland befindet. b) Öffentliches Interesse Nach § 13 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG muss die Erhaltung der Kunstgegenstände wegen ihrer Bedeutung für 18 Kunst, Geschichte oder Wissenschaft im öffentlichen Interesse liegen. Allgemein wird eine Erhaltung dieser Gegenstände als im öffentlichen Interesse liegend angesehen, wenn der Gegenstand recht1 Zur Bewertung insbesondere: Kosner/Willmann, BB 2013, 1309; zum Sammlungsbegriff: Heuer/von Cube, ZEV 2013, 641. 2 Jochum in Wilms/Jochum, § 13 ErbStG Rz. 48 (Stand: März 2016). 3 R E 13.2 Abs. 1 ErbStR 2011. 4 Jülicher in T/G/J, § 13 ErbStG Rz. 26 (Stand: Juli 2015). 5 Kien-Hümbert in Moench/Weinmann, § 13 ErbStG Rz. 13 (Stand: Februar 2016); BFH v. 27.9.2012 – II R 8/12, DStRE 2013, 153. 6 R E 13.2 Abs. 1 Satz 1 ErbStR 2011. 7 Von Oertzen/Reich, DB 2015, 2353 (2354). 8 Von Oertzen/Reich, DB 2015, 2353 (2354).
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§ 13 ErbStG Rz. 19 Steuerbefreiungen lichen Bindungen unterliegt, die über das hinausgehen, was dem Eigentümer des Gegenstandes von der Rechtsordnung allgemein zugemutet wird.1 Ein Gegenstand hat insbesondere Bedeutung für die Kunst, wenn dieser das ästhetische Empfinden im besonderen Maße anspricht oder zumindest den Eindruck vermittelt, dass es sich um etwas nicht Alltägliches handelt. Dies gilt auch für Gegenwartskunst. Eine Bedeutung für die Geschichte ist gegeben, wenn der Gegenstand für die historische oder kunsthistorische, also vergangenheitsbezogene Forschung von Interesse ist. Für die Wissenschaft ist ein Gegenstand bedeutsam, wenn dieser für die naturwissenschaftliche, prähistorische archäologische oder historische Forschung von Bedeutung ist. Nach der FinVerw. ist der Nachweis darüber, dass die Erhaltung bestimmter Grundstücke und beweglicher Gegenstände wegen ihrer Bedeutung für Kunst, Geschichte oder Wissenschaft im öffentlichen Interesse liegt, in Zweifelsfällen durch ein Gutachten der landesrechtlich zuständigen Behörden zu erbringen.2 Da die Richtlinien nur von Zweifelsfällen sprechen, dürfte auch ein Gutachten eines privat beauftragten Kunstsachverständigen ausreichen, um das öffentliche Interesse darzulegen. Es kann auch zum anderen durch die Eintragung in der Denkmalliste erbracht werden.3 Für die erste Alternative (Gutachten der landesrechtlich zuständigen Behörde) ist besonders für das Bundesland Baden-Württemberg zu beachten, dass nur die Finanzbehörden über das öffentliche Interesse entscheiden. In Zweifelsfällen holen diese ein Gutachten einer Denkmalschutzbehörde ein.4 Es liegt dann grds. im Ermessen der Finanzbehörde, welche Behörde sie mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragt. Bei einer Oldtimersammlung lässt sich das öffentliche Interesse auch mit § 9 Abs. 4 KraftStG i.V.m. § 1 Abs. 1 Nr. 4 Satz 1 KraftStG begründen. c) Dauerhafte Unrentierlichkeit der Kulturgüter 19
Die Kulturgüter müssen dauerhaft unrentierlich sein, d.h. die jährlichen Kosten müssen i.d.R. die erzielten Einnahmen übersteigen. I.d.R. ist eine Erzielung von einmaligen Überschüssen unschädlich. Insbesondere soll diese Voraussetzung dann erfüllt sein, wenn keinerlei Einnahmen erzielt werden.5 Zu den Einnahmen rechnet die FinVerw. neben Miet- und Pachteinnahmen u.a. auch den Mietwert der eigenen Wohnung. Es kommt auf die erzielten Einnahmen an, nicht auf die erzielbaren. Zu den jährlichen Kosten des Grundbesitzes gehören auch die Absetzungen für Abnutzung. Bei den Kosten kann die Verzinsung des Eigenkapitals nicht berücksichtigt werden, ebenso nicht die Fremdkapitalzinsen sowie Instandhaltungskosten.6 Die Gewinn- und Verlustrechnung ist nach wirtschaftlichen Vorschriften durchzuführen.7 d) Nutzbarmachung für Zwecke der Forschung oder der Volksbildung
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Der begünstigte Gegenstand muss in einem den Verhältnissen entsprechenden Umfang den Zwecken der Forschung oder Volksbildung nutzbar gemacht werden. Bei der Nutzbarmachung ist allerdings zu berücksichtigen, dass nur ein den Verhältnissen entsprechender Umfang erforderlich ist. Es ist daher bei der Nutzbarmachung abzuwägen, um welchen Vermögensgegenstand es sich im Einzelfall handelt. In Betracht kommt bei Kunstgegenständen/Kunstsammlungen sowohl die Ausstellung in einem öffentlichen Museum als auch in privaten Räumlichkeiten. Erforderlich ist in diesem Zusammenhang jedoch, dass die Gegenstände der Allgemeinheit, zumindest aber dem interessierten Kreis ohne weiteres zugänglich sein müssen und dass diese Zugänglichkeit allgemein erkennbar sein muss.8 Ausreichend ist, dass die Gegenstände zumindest teilweise der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden, eine dauerhafte öffentliche Ausstellung ist nicht zwingend Voraussetzung. Öffentliche Museen zeigen den Großteil ihrer Bestände auch nicht ständig. Von einem privaten Eigentümer 1 BVerwG v. 21.9.1984 – 8 C 62/82, BStBl. II 1984, 870; v. 8.7.1998 – 8 C 23/97, BStBl. II 1998, 590, jeweils zu § 32 GrEStG. 2 R E 13.2 Abs. 3 ErbStR 2011. 3 Söffing/Thoma, ErbStB 2006, 253 (254). 4 Wirtschaftsministerium BW, Erlass v. 7.5.2003 – 6-2555.1-3, ZEV 2003, 460. 5 Steiner, ErbStB 2004, 17 (19). 6 R E 13.2 Abs. 5 ErbStR 2011. 7 Halaczinsky, UVR 2013, 265 (269). 8 R E 13.2 Abs. 4 ErbStR 2011.
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Steuerbefreiungstatbestände (Abs. 1)
Rz. 21 § 13 ErbStG
kann insoweit auch keine ständige Ausstellung verlangt werden. Es reicht daher aus, wenn Teile einer Sammlung im Wechsel immer wieder innerhalb des Zehnjahreszeitraums ausgestellt werden. Einer ununterbrochenen Ausstellung bedarf es nicht.1 Ebenfalls können auch persönliche Sicherheitsinteressen oder Maßnahmen zur Gewährleistung des Schutzes der Gegenstände gegen Beschädigung oder Entwendung berücksichtigt werden.2 Es reicht auch aus, dass der Erwerber der Schenkung die Kulturgüter der Öffentlichkeit nutzbar macht, nicht zwingend bereits der Erblasser/Schenker.3 Es reicht, wenn der Erwerber die Voraussetzung erstmalig erfüllt. In jedem Fall sollte es für eine Zugänglichmachung der Öffentlichkeit ausreichen, wenn ein Dauerleihvertrag von mindestens zehn Jahren vereinbart wird und dadurch ein Museum z.B. die entsprechenden Kunstgegenstände ausstellen kann. 3. Erhöhte Anforderungen an die 100%ige Steuerbefreiung des Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b a) Bereitschaft, Kunst den Bestimmungen der Denkmalspflege zu unterstellen Gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b Doppelbuchst. aa ErbStG muss der Steuerpflichtige bereit sein, 21 die Gegenstände zusätzlich zu den unter § 13 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a ErbStG genannten Voraussetzungen den geltenden Bestimmungen der Denkmalspflege zu unterstellen.4 Die Finanzverwaltung ist der Auffassung, dass für ein Tatbestandsmerkmal daran anzuknüpfen ist, ob der Kunstgegenstand nach den Denkmalschutzbestimmungen des jeweiligen Bundeslandes als Denkmal qualifiziert.5 In einigen Bundesländern hat eine Eintragung in ein entsprechendes Verzeichnis eine rechtsbegründende Wirkung, so dass bei diesen Gegenständen ohne weitere Prüfung die Denkmalseigenschaft gegeben ist. Hat die Eintragung in ein solches Verzeichnis nur deklaratorische Wirkung,6 so können die Schutzbestimmungen des jeweiligen Denkmalschutzgesetzes ohne Eintragung für alle Objekte gelten, die den Denkmalbegriff überhaupt erfüllen.7 Ist die Eintragung in Denkmalsbücher nicht möglich, genügt nach der Finanzverwaltung auch die Eintragung in das Verzeichnis national wertvollen Kulturguts oder national wertvoller Archive nach dem Gesetz zum Schutz deutschen Kulturguts gegen Abwanderung.8 Eine kumulative Erfüllung der Voraussetzungen der Denkmalpflege, des langzeitigen Familienbesitzes und der Eintragung in die nationale Kulturgüterliste würde die Befreiungsvorschrift ins Leere laufen lassen.9 Nach der Auffassung der Literatur10 muss lediglich die Bereitschaft des Steuerpflichtigen, d.h. des Erwerbers, vorhanden sein, den Gegenstand der Denkmalspflege zu unterstellen. Diese Ansicht wurde nunmehr vom BFH mit Entscheidung vom 12.5.201611 bestätigt.12 Die Bereitschaft sei ein subjektives Tatbestandsmerkmal, damit komme es nicht auf eine tatsächliche Unterschutzstellung an. Dies habe der Gesetzgeber – so das FG Münster – gerade nicht zum Ausdruck gebracht. In dem genannten Fall hatte der Erwerber eine Mitteilung an die Denkmalbehörde gemacht, und damit habe sich seine Bereitschaft zur Anwendung der Vorschriften der Denkmalspflege nach außen objektiviert. Die Bereitschaft des Steuerpflichtigen kann sich auch durch andere Maßnahmen ergeben, wie z.B. Darlegung der konservatorisch einwandfreien, sicheren Aufbewahrung und Pflege der Gegenstände, Einleitung von Maßnahmen der Instandhaltung, Instandsetzung, Sanierung, Restaurierung und Ergänzung oder auch der Abschluss eines Leih- und Kooperationsvertrages mit einem fachlich einschlägigen Museum.13
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Von Oertzen/Reich, DB 2015, 2353 (2356). Heuer/von Cube, ZEV 2008, 565 (567). Geck in Kapp/Ebeling, § 13 ErbStG Rz. 22.1 (Stand: Juli 2016). Von und zu Franckenstein/von Oertzen, ZEV 1997, 321 (322). Bayerisches Staatsministerium für Finanzen v. 7.4.2004 – 34-S3812-038 – 9172/04, ZEV 2004, 328. Vgl. Wirtschaftsministerium BW v. 7.5.2003, ZEV 2003, 460. Von und zu Franckenstein/von Oertzen, ZEV 1997, 321 (322). I.d. Fassung v. 8.7.1999, BGBl. I 1999, 1754 (mittlerweile außer Kraft, Nachfolgeregelung: Kulturgutschutzgesetz v. 31.7.2016, BGBl. I 2016, 1914); FinMin. Bay. v. 7.4.2004, ZEV 2004, 328; Leisner, ZEV 2003, 436 (438). Leisner, ZEV 2003, 436 (437); Heuer, DStR 2002, 845 (847). Heuer/von Cube, DStR 2015, 682 (684). II R 56/14, DStR 2016, 1804; Vorinstanz FG Münster v. 24.9.2014 – 3 K 2906/12 Erb, EFG 2015, 61. Vgl. dazu Heuer/von Cube, DStR 2015, 682 (684). BFH v. 12.5.2016 – II R 56/14, DStR 2016, 1804.
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§ 13 ErbStG Rz. 22 Steuerbefreiungen 22
In den einzelnen Bundesländern liegt folgende Rechtslage zum Denkmalschutz vor: – Baden-Württemberg (Denkmalschutzgesetz BW – DSchGBW)1: Gemäß § 8 Abs. 2 DSchGBW sind allgemein sichtbare und zugängliche bewegliche Kulturgüter geschützt. Zusätzlichen Schutz haben eingetragene bewegliche Kulturdenkmäler, die auf Antrag des Eigentümers oder bei besonderer Bedeutung von Amts wegen einzutragen sind (§ 12 Abs. 2 DSchGBW). – Bayern (Denkmalschutzgesetz Bayern – DSchGBY)2: Das DSchG BY sieht den Schutz von beweglichen Denkmälern vor, soweit sie auf Antrag des Berechtigten oder in besonders wichtigen Fällen von Amts wegen in die Denkmalliste eingetragen sind (Art. 1, Art. 2 Abs. 2, Art. 10 DSchG BY). – Berlin (Denkmalschutzgesetz Berlin – DSchGBln):3 Bewegliche Denkmale sind nur Bodendenkmale. Ein Bodendenkmal ist eine bewegliche oder unbewegliche Sache, die sich im Boden oder in Gewässern befindet oder befunden hat und deren Erhaltung aus in Abs. 2 genannten Gründen im Interesse der Allgemeinheit liegt (§ 2 Abs. 5 DSchGBln). Die Eintragung in die Denkmalliste erfolgt nachrichtlich (§ 4 Abs. 1 DSchGBln). – Brandenburg (Brandenburgisches Denkmalschutzgesetz – BbgDSchG)4: Bewegliche Sachen können Denkmale sein (§ 2 Abs. 1 Nr. 3 BbgDSchG). Denkmale sind in Brandenburg gem. den §§ 3 Abs. 1 BbGDSchG in ein Verzeichnis einzutragen. Der Schutz ist allerdings nicht von der Eintragung abhängig (deklaratorische Eintragung). – Bremen (Denkmalschutzgesetz Bremen – BremDSchG)5: Bewegliche Denkmäler, deren Erhaltung aus wissenschaftlichen, künstlerischen, technik- oder heimatgeschichtlichen Gründen im öffentlichen Interesse liegt, fallen auch unter den Denkmalschutz (§ 2 Abs. 1 Nr. 3, 3 Abs. 1 BremDSchG). Die Denkmalliste ist konstitutiv (§ 7 BremDSchG). – Hamburg (Denkmalschutzgesetz Hamburg – DSchG)6: Ein Schutz von beweglichen Denkmalen soll es nur geben, wenn sie eine besondere Bedeutung haben (§§ 4 Abs. 6, 5 DSchG). Die Denkmalliste ist grundsätzlich nachrichtlich, bei beweglichen Denkmalen konstitutiv (§ 6 Abs. 4 DSchG). – Hessen (Denkmalschutzgesetz Hessen – DSchG HE)7: Bewegliche Kulturdenkmäler sind nur einzutragen, wenn es sich bei ihnen entweder um Zubehör eines Baudenkmals handelt oder es sich um Gegenstände der bildenden Kunst handelt, deren Zugehörigkeit zu einem bestimmten Ort historisch begründet ist und deren Verbleib an Ort und Stelle im öffentlichen Interesse liegt (§ 9 DSchG HE). Die Eintragung ist konstitutiv (§ 10 DSchG HE). – Mecklenburg-Vorpommern (Denkmalschutzgesetz Mecklenburg-Vorpommern – DSchGM-V)8: Bewegliche Sachen können Denkmale sein. Gemäß § 5 DSchGM-V ist es möglich, Denkmäler von besonderer Bedeutung in eine Denkmalliste einzutragen. Allerdings ist der Schutz des Gesetzes nicht davon abhängig, dass Denkmäler in die Denkmallisten eingetragen wurden. Für die in den Denkmallisten eingetragenen Denkmäler ergibt sich allerdings ein erhöhter Schutz. – Niedersachsen (Niedersächsisches Denkmalschutzgesetz – DSchGND)9: Nach dem § 4 DSchGND sind Kulturdenkmäler in ein Verzeichnis einzutragen, das durch das Landesamt für Denkmalpflege aufzustellen und fortzuführen ist. Bewegliche Denkmäler werden in das Verzeichnis nur eingetragen, wenn ihre besondere Bedeutung es erfordert, sie dem Schutz dieses Gesetzes zu unterstellen. Die Anwendbarkeit von Schutzvorschriften gem. § 5 DSchGND nicht davon abhängig, dass Kulturdenkmale in das Verzeichnis eingetragen werden. Die erhöhten Schutzvorschriften gelten allerdings nur für solche, die im Verzeichnis eingetragen sind.
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Gesetz v. 6.12.1983, GBl. 1983, 797. Gesetz v. 1.1.1983, BayRS IV, 354. Gesetz v. 24.4.2004, GVBl. 1995, 274. Gesetz v. 24.5.2004, GVBl. I/04, 215. Gesetz v. 27.5.1975, Brem. GBl. 1975, 265. Gesetz v. 5.4.2013, HmbGVBl. 2013, 142. Gesetz v. 5.9.1986, GVBl. 1986, 270. Gesetz v. 6.1.1998, GVOBl. MV 1998, 12. Gesetz v. 30.5.1978, GVBl. 1978, 517.
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Steuerbefreiungstatbestände (Abs. 1)
Rz. 22 § 13 ErbStG
– Nordrhein-Westfalen (Denkmalschutzgesetz Nordrhein-Westfalen – DSchG NW)1: Bewegliche Denkmäler sind nur einzutragen, wenn dies wegen ihrer besonderen Bedeutung, die auch in einem historisch begründeten Ortsbezug liegen kann, angebracht erscheint (§ 3 DSchG NW). Die Eintragung wirkt konstitutiv. – Rheinland-Pfalz (Denkmalschutzgesetz Rheinland-Pfalz – DSchG)2: Nach § 8 Abs. 2 DSchG Rheinland-Pfalz sind bewegliche Kulturdenkmäler unter Schutz gestellt, wenn sie von besonderer Bedeutung sind oder die Eigentümer diese anregen. Bewegliche Sachen können auch Denkmale sein. Die Denkmalliste gem. § 10 DSchG Rheinland-Pfalz ist ein nachrichtlich geführtes Verzeichnis, mit dem Rechtswirkungen nicht verbunden sind. – Saarland (Saarländisches Denkmalschutzgesetz – SDSchG)3: Kulturdenkmäler sind von Menschen geschaffene Sachen oder Teile davon aus zurückliegenden und abgeschlossenen Epochen, an deren Erhaltung aus geschichtlichen, künstlerischen, wissenschaftlichen oder städtebaulichen Gründen ein öffentliches Interesse besteht. Kulturdenkmäler im Sinne dieses Gesetzes sind Baudenkmäler, Bodendenkmäler, bewegliche Kulturdenkmäler und Denkmalbereiche (§ 2 Abs. 1 SDSchG). Nach § 6 SDSchG wird eine Denkmalliste geführt, in die die geschützten Kulturdenkmäler getrennt nach Baudenkmälern, Bodendenkmälern, beweglichen Kulturdenkmälern und Denkmalbereichen nachrichtlich eingetragen werden. Danach ist die Eintragung nicht konstitutiv. – Sachsen (Sächsisches Denkmalschutzgesetz – SächsDSchG)4: Kulturdenkmale im Sinne dieses Gesetzes sind von Menschen geschaffene Sachen, Sachgesamtheiten, Teile und Spuren von Sachen einschließlich ihrer natürlichen Grundlagen, deren Erhaltung wegen ihrer geschichtlichen, künstlerischen, wissenschaftlichen. städtebaulichen oder landschaftsgestaltenden Bedeutung im öffentlichen Interesse liegt (§ 2 Abs. 1 SächsDSchG). Nach § 10 Abs. 2 SächsDSch sollen Kulturdenkmale in öffentliche Verzeichnisse aufgenommen werden. Der Denkmalschutz nach diesem Gesetz ist nicht von der Aufnahme eines Kulturdenkmals in ein Verzeichnis abhängig. – Sachsen-Anhalt (Denkmalschutzgesetz des Landes Sachsen-Anhalt – DSchGST)5: Nach § 2 DSchG Sachsen-Anhalt sind Kulturdenkmale gegenständliche Zeugnisse menschlichen Lebens aus vergangener Zeit, die im öffentlichen Interesse zu erhalten sind. Eine Eintragung ist nur nachrichtlich und hat keine konstitutive Bedeutung. – Schleswig-Holstein (Denkmalschutzgesetz Schleswig-Holstein – DSchG SH)6: Nach § 5 Abs. 2 DSchG SH sind Kulturdenkmale, die wegen ihres geschichtlichen, wissenschaftlichen, künstlerischen, städtebaulichen, technischen oder die Kulturlandschaft prägenden Wertes von besonderer Bedeutung sind (besondere Kulturdenkmale), in das Denkmalbuch einzutragen. Die Eintragung von Gebäuden, deren Fertigstellung nicht länger als 65 Jahre zurückliegt, bedarf des Einvernehmens mit der obersten Denkmalschutzbehörde. – Thüringen (Thüringer Denkmalschutzgesetz – ThürDSchG)7: Kulturdenkmale im Sinne dieses Gesetzes sind Sachen, Sachgesamtheiten oder Sachteile, an deren Erhaltung aus geschichtlichen, künstlerischen, wissenschaftlichen, technischen, volkskundlichen oder städtebaulichen Gründen sowie aus Gründen der historischen Dorfbildpflege ein öffentliches Interesse besteht (§ 2 Abs. 1 ThürDSchG). Nach § 5 ThürDSchG wird ein Denkmalbuch geführt. Nach § 4 ThürDSchG ist der Schutz aber auch nicht davon abhängig, ob eine Eintragung erfolgt ist oder nicht.
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Gesetz v. 11.3.1980, GVBl. NRW 1980, 226. Gesetz v. 23.3.1978, GVBl. 1978, 159. Gesetz v. 19.5.2004, Amtsblatt 2004, 1498. Gesetz v. 30.11.2002, SächsGVBl. 1993, 229. Gesetz v. 21.10.1991, GVBl. LSA 1991, 368. Gesetz v. 12.1.2012, GVOBl. I 2012, 83. Gesetz v. 14.4.2004, GVBl. 2004, 465.
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§ 13 ErbStG Rz. 23 Steuerbefreiungen b) 20-jähriger Familienbesitz oder Eintragung in ein Verzeichnis national wertvollen Kulturgutes 23
Des Weiteren müssen sich die Gegenstände seit mindestens 20 Jahren im Besitz der Familie befinden oder in ein Verzeichnis national wertvollen Kulturgutes nach § 7 Abs. 1 des Kulturgutschutzgesetzes1 (früher: in dem Verzeichnis national wertvollen Kulturguts oder national wertvoller Archive nach dem Gesetz zum Schutz deutschen Kulturguts gegen Abwanderung2) in der jeweils geltenden Fassung eingetragen sein. Ist eine Eintragung erfolgt, besteht kein Ermessen der Behörde im Hinblick auf die Steuerbefreiung.3 Grundbesitz kann nicht in ein Kulturgüterverzeichnis eingetragen sein, so dass die Eintragung in das landesrechtlich geführte Denkmalbuch ausreicht. Bei dem Tatbestandsmerkmal des 20-jährigen Familienbesitzes ist insbesondere zu fragen, wie diese Voraussetzungen auf Sammlungen anzuwenden ist. Allerdings sollte hier entsprechend dem Sinn der Vorschrift auf die Existenz der Sammlung für die Fristsetzung abgestellt werden.4 Lässt sich der Beginn einer Sammlung nicht eindeutig feststellen, sollte es auf den wertmäßig überwiegenden Teil ankommen.5 Ist Schenkungsgegenstand nur ein zu einer Sammlung gehörender Kunstgegenstand, kommt es bei dem Einzelstück darauf an, dass eine mehr als 20-jährige Zugehörigkeit zum Familienbesitz vorliegt.6 Die Voraussetzung des 20-jährigen Familienbesitzes wird kritisiert, weil darin eine Privilegierung von Adelshäusern gesehen wird. Es sei nicht einzusehen, warum nicht auch in jüngerer Zeit aufgebaute Sammlungen bereits begünstigt sein sollten. Das Privileg des langjährigen Familienbesitzes würden damit nur Adelshäuser erfüllen können, die dann in den seltenen Genuss der vollen Steuerbefreiung kommen.7 Leisner begegnet dieser Kritik mit dem Argument, dass die Streichung dieser Voraussetzung keineswegs zu einer wesentlichen Ausweitung der Steuerbefreiung führen würde. Es müsste dann immer noch die weitere Voraussetzung der Eintragung in das Kulturgüterverzeichnis erfüllt werden.8 Handelt es sich bei der letztgenannten Voraussetzung bereits um eine große Hürde, stellt sich allerdings in der Tat die Frage, ob aus Gleichheitsgründen das Tatbestandsmerkmal des 20-jährigen Familienbesitzes nicht gestrichen werden sollte. Aufgrund der erhöhten Anforderungen an die volle Steuerbefreiung kommt in der Praxis bei Kunstgegenständen als Befreiungsvorschrift § 13 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a ErbStG in Betracht. Die erhöhten Anforderungen der vollen Steuerbefreiung hingegen dürften nur in wenigen Fällen in der Praxis erfüllt sein. 4. Nachversteuerungsvorbehalt (Abs. 1 Nr. 2 Satz 2)
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Gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 ErbStG fällt die Steuerbefreiung rückwirkend weg, wenn die Gegenstände innerhalb von zehn Jahren nach dem Erwerb veräußert werden oder die Voraussetzungen für die Steuerbefreiung innerhalb dieses Zeitraums entfallen. Als Rechtsgrundlage für die Nacherhebung der Erbschaftsteuer bzw. Schenkungsteuer wird § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO herangezogen. Dies gilt nicht, wenn es sich um ein unentgeltliches Rechtsgeschäft wie eine Erbschaft, eine Schenkung oder eine Erbauseinandersetzung handelt. Auch eine Übereignung an Zahlungs statt nach der gesetzlichen Regelung des § 224a Abs. 1 Satz 2 AO (Hingabe von Kunst für Steuern) stellt keine schädliche Veräußerung dar.9 Nach § 224a AO kann zugelassen werden, dass ein Steuerpflichtiger für geschuldete Erbschaft- oder Vermögensteuer an Zahlungs statt das Eigentum an Kunstgegenständen, Kunstsammlungen, wissenschaftlichen Sammlungen, Bibliotheken, Handschriften und Archiven dem Land überträgt, dem das Steueraufkommen zusteht, wenn an deren Erwerb wegen ihrer Bedeutung für Kunst, Geschichte oder Wissenschaft ein öffentliches Interesse besteht. Die Empfän1 Gesetz v. 31.7.2016, BGBl. I 2016, 1914. 2 Gesetz i.d.F. der Bekanntmachung v. 8.7.1999, BGBl. I 1999, 1774, zuletzt geändert durch Art. 2 des Gesetzes v. 18.5.2007, BGBl. I 2007, 757 (2547). 3 Von und zu Franckenstein/von Oertzen, ZEV 1997, 321 (324). 4 Kien-Hümbert in Moench/Weinmann, § 13 ErbStG Rz. 20 (Stand: Februar 2016); Jülicher in Troll/Gebel/Jülicher, § 13 ErbStG Rz. 38 (Stand: Juli 2015). 5 Jülicher in T/G/J, § 13 ErbStG Rz. 38 (Stand: Juli 2015). 6 BFH v. 6.6.2001 – II R 7/98, FR 2002, 96 = ZEV 2002, 331. 7 Vgl. dazu Leisner, ZEV 2003, 436 (438). 8 Leisner, ZEV 2003, 436 (438). 9 Dazu näher Söffing/Thoma, ErbStB 2006, 253 (255).
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Steuerbefreiungstatbestände (Abs. 1)
Rz. 26 § 13 ErbStG
gerkörperschaft muss aber dann die Zehnjahresfrist weiterführen.1 Dies sollte durch eine entsprechende Vereinbarung sichergestellt werden. Die Übertragung eines Kunstgegenstands an eine andere Person im Tausch gegen einen anderen wird ebenfalls als unschädlich angesehen. Die Voraussetzungen der Steuerbefreiung können neben einer schädlichen Veräußerung auch entfallen, wenn z.B. eine dauerhafte Überschusserzielung vorliegt oder der Gegenstand nicht mehr weiterhin der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wird. Der Wegfall der Steuerbefreiung des § 13 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG muss angezeigt werden (§ 153 Abs. 2 AO). Im Falle einer Nachversteuerung muss dann auch eine Bewertung des der Steuerbefreiung unterliegenden Gegenstandes erfolgen. Kunstgegenstände werden nach § 9 BewG bewertet. Diese Bewertung muss im Falle der Nachbesteuerung zum Zeitpunkt der ursprünglichen Erbschaft/Schenkung erfolgen.2 Nach R B 9.3 Satz 2 ErbStR 2011 ist der Wert von Kunstgegenständen und Sammlungen unter Berücksichtigung der schwierigen Verwertungsaussichten vorsichtig zu ermitteln. Nach dem BFH ist gem. § 9 Abs. 2 BewG ein auf einen bestimmten Stichtag fingierter Verkauf maßgeblich. Beim Fehlen aussagekräftiger vergleichbarer Verkaufsfälle ist der gemeine Wert zu schätzen und ggf. ein Sachverständigengutachten einzuholen.3 Bei der Nachsteuerfrist ist zu beachten, dass diese mit dem Erwerb beginnt.4 Allerdings dürfen die Voraussetzungen des § 13 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG während des Zehnjahreszeitraums nicht entfallen. Das bedeutet im Umkehrschluss, dass sie nicht während des gesamten Zeitraums bestehen müssen, sondern erst nach ihrer Erfüllung. Des Weiteren müssen sie auch nur in einem den Verhältnissen entsprechenden Umfang den Zwecken der Forschung oder Volksbildung nutzbar gemacht werden. Eine permanente Dauerausstellung wird nicht verlangt.5 Die Zehnjahresfrist verlängert sich nicht aufgrund des eindeutigen Wortlauts des § 13 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG a.E., wenn erst nach dem Stichtag der Schenkung oder des Erbfalls die Voraussetzungen der Steuerbefreiung erfüllt wurden. Der Wortlaut stellt zwingend auf den Beginn der Frist mit dem Erwerb ab. Einen Tatbestand der Anlaufhemmung der Zehnjahresfrist kennt das Gesetz nicht. 5. Gestaltungshinweise Wie im Rahmen des § 13 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG kann auch hinsichtlich der Befreiung für Kunstgegen- 25 stände etc. eine sog. mittelbare Schenkung möglich sein. Eine solche liegt vor, wenn der Schenker dem Beschenkten Geld zur Verfügung stellt mit der Auflage, ein bestimmtes Kunstwerk damit zu erwerben. Insoweit sind auch hier die Grundsätze der mittelbaren Grundstücksschenkung, die von der FinVerw. entwickelt wurden, anzuwenden. In der Praxis ist darauf zu achten, dass in einem Schenkungsvertrag eine tatsächliche Verpflichtung enthalten ist, dass der Beschenkte ein entsprechendes Kunstwerk erwerben muss. Zudem muss geklärt sein, dass hinsichtlich des Kunstwerks die Voraussetzungen des § 13 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG gegeben sind. Vor dem Erwerb des Kunstgegenstandes muss der Schenkungsvertrag abgeschlossen sein.
III. Grundbesitz für Zwecke der Volkswohlfahrt (Abs. 1 Nr. 3) Nach § 13 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG wird auch Grundbesitz, der für Zwecke der Volkswohlfahrt der All- 26 gemeinheit ohne gesetzliche Verpflichtung zur Benutzung zugänglich gemacht ist und dessen Erhaltung im öffentlichen Interesse liegt, von der Erbschaftsteuer befreit, wenn die jährlichen Kosten die erzielten Einnahmen i.d.R. übersteigen. Diese Vorschrift hat im Gegensatz zu § 13 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG in der Praxis eine recht geringe Bedeutung. Die Steuerbefreiung betrifft in erster Linie Garten- oder Parkanlagen. Entsprechend ist auf § 32 Abs. 1 GrStG hinzuweisen. Sollten die Voraussetzungen für einen Grundsteuererlass vorliegen, entfällt auch die Schenkungsteuer. Im Rahmen des 1 Kien-Hümbert in Moench/Weinmann, § 13 ErbStG Rz. 19 (Stand: Februar 2016). 2 Söffing/Thoma, ErbStB 2006, 253; Leitlinien zur Bewertung, vgl. Steiner, ErbStB 2004, 17 (18); Gerstenberg, FR 2015, 984 ff. 3 BFH v. 6.6.2001 – II R 7/98, FR 2002, 96 = ZEV 2002, 331; Heuer, DStR 2002, 842. 4 Kien-Hümbert in Moench/Weinmann, § 13 ErbStG Rz. 18 (Stand: Februar 2016); von Oertzen/Reich, DB 2015, 2353 (2355). 5 FG Münster v. 24.9.2014 – 3 K 2906/12 Erb, ZEV 2015, 175; Heuer/von Cube, DStR 2015, 682; von Oertzen/ Reich, DB 2015, 2353 (2355).
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§ 13 ErbStG Rz. 27 Steuerbefreiungen § 13 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG gilt auch ein Nachbesteuerungsvorbehalt (§ 13 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG). Die Steuerbefreiung fällt mit Wirkung für die Vergangenheit weg, wenn der Grundbesitz oder Teile des Grundbesitzes innerhalb von zehn Jahren nach dem Erwerb veräußert werden oder die Voraussetzungen für die Steuerbefreiung wegfallen. Es gelten die Grundsätze wie bei § 13 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG. Ebenso ist nach § 13 Abs. 3 Satz 2 ErbStG auch ein Verzicht auf die Steuerbefreiung möglich. Liegt eine gesetzliche Verpflichtung vor, den Grundbesitz der Allgemeinheit zugänglich zu machen wie z.B. nach § 14 BWaldG, dann ist keine Steuerbefreiung gegeben. Im Gegensatz zu § 13 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG setzt Nr. 3 voraus, dass eine Nutzung ohne weitere Einschränkungen möglich gemacht werden muss. Im Gegensatz dazu reicht es für § 13 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG aus, dass die Gegenstände in einem den Verhältnissen entsprechenden Umfang nutzbar gemacht werden. Aufgrund der Besonderheit des Gegenstandes kann daher eine Nutzbarmachung auch nur eingeschränkt möglich sein und die Anforderungen daran sind geringer. Insoweit sind an die Nutzbarmachung bei § 13 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG höhere Anforderungen zu stellen.
IV. Der Dreißigste (Abs. 1 Nr. 4) 27
§ 13 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG stellt Erwerbe gem. § 1969 BGB frei. Nach § 1969 BGB ist der Erbe verpflichtet, Familienangehörigen des Erblassers, die zur Zeit seines Todes zu dessen Hausstand gehörten und von ihm Unterhalt bezogen haben, in den ersten 30 Tagen nach dem Eintritt des Erbfalls in demselben Umfang wie der Erblasser es getan hat, Unterhalt zu gewähren und die Benutzung der Wohnung und der Haushaltsgegenstände zu gestatten. Allerdings kann der Erblasser gem. § 1969 Abs. 1 Satz 2 BGB durch letztwillige Verfügung eine abweichende Anordnung treffen. Die Vorschriften über Vermächtnisse finden entsprechende Anwendung (§ 1969 Abs. 2 BGB). Die Vorschrift hat in der Praxis keine allzu weitreichende Bedeutung.1 Es ist zu berücksichtigen, dass lediglich der Unterhalt der ersten 30 Tage nach dem Erbfall steuerfrei bleibt und auch nur in dem Maße, wie ihn der Erblasser gewährt hätte. Da es sich um eine dispositive Regelung handelt, die der Erblasser auch ausschließen kann, wird die Steuerbefreiung des § 13 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG nicht anwendbar sein, wenn der Erblasser den Anspruch zulässigerweise ausschließt.2 Sollte der Unterhalt über das hinausgehen, was der Erblasser in der Vergangenheit gewährt hat, handelt es sich ebenfalls um einen erbschaftsteuerrechtlich relevanten Tatbestand. Hier ist allerdings zu bedenken, dass dann noch die Freibeträge eingreifen. Begünstigt werden Familienangehörige. Neben Angehörigen im engeren Sinne sind dies auch Pflegekinder, Freunde und Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft, wenn sie zuvor wie ein normaler Familienangehöriger vom Erblasser behandelt wurden.3 Auch Lebenspartner gelten nach § 11 Abs. 1 LPartG als Familienangehörige. Sonstige im Haushalt wohnende Personen oder Haushaltsangehörige sind nicht begünstigt.
V. Steuerfreie Zuwendungen eines Familienheims (Abs. 1 Nr. 4a bis 4c) 1. Systematik der einzelnen Steuerbefreiungstatbestände im Zusammenhang mit dem Familienheim a) Übersicht 28
§ 13 Abs. 1 Nr. 4a bis 4c ErbStG enthält verschiedene Steuerbefreiungstatbestände im Zusammenhang mit der Übertragung des sog. Familienheims. Es handelt sich um drei verschiedene Steuerbefreiungstatbestände, wobei zwischen der Schenkung unter Lebenden und dem Erwerb von Todes wegen zu differenzieren ist. Darüber hinaus wird unterschieden zwischen der Übertragung auf den Ehegatten oder auf Kinder bzw. Kinder verstorbener Kinder.4 Nr. 4 a betrifft nur den Erwerb unter 1 Vgl. Halaczinsky, UVR 2013, 265 (269). 2 Jochum in Wilms/Jochum, § 13 ErbStG Rz. 64 (Stand: März 2016). 3 Jülicher in T/G/J, § 13 ErbStG Rz. 55 (Stand: Juli 2015); Geck in Kapp/Ebeling, § 13 ErbStG Rz. 36 (Stand: Juli 2016). 4 Vgl. zu den Gestaltungen Siegmund/Ungemach, DStZ 2009, 602; Hutmacher, ZNotP 2013, 46; Christ, NZ Fam 2014, 322; Wachter, ZEV 2014, 191.
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Steuerbefreiungstatbestände (Abs. 1)
Rz. 29 § 13 ErbStG
Lebenden, d.h. eine Schenkung unter Ehegatten, während die Nr. 4b und Nr. 4c den Erwerb des Familienheims von Todes wegen regeln. Die Nr. 4b und Nr. 4c (Erwerb von Todes wegen) enthalten des Weiteren auch noch einen Nachversteuerungsvorbehalt für den Fall, dass das Familienheim innerhalb von zehn Jahren nach dem Erwerb nicht mehr zu Wohnzwecken selbst genutzt wird (§ 13 Abs. 1 Nr. 4b Satz 5, Nr. 4c Satz 5 ErbStG). b) Rechtsentwicklung Die Steuerbefreiung einer lebzeitigen Zuwendung eines im Inland belegenen Familienwohnheims 29 unter Ehegatten gibt es seit 1.1.1996.1 Sie war eine Reaktion des Gesetzgebers auf die BFH-Rspr. zu unbenannten Zuwendungen zwischen Ehegatten, die auch als steuerpflichtige Tatbestände anzusehen waren.2 Mit dem Erbschaftsteuerreformgesetz 20093 ist neben der Vorschrift des Nr. 4a eine Ausdehnung der sachlichen Befreiungsvorschrift erfolgt.4 Dabei wurde der Begriff des „Familienheims“ geprägt; vor dem Erbschaftsteuerreformgesetz wurde der Begriff des „Familienwohnheims“ verwendet. In persönlicher Hinsicht wurde die Vorschrift des Nr. 4a auf Lebenspartner ausgedehnt.5 In geographischer Hinsicht werden seit dem Erbschaftsteuerreformgesetz 2009 auch Familienheime innerhalb des EU/EWR-Raums begünstigt. Des Weiteren bleibt ein Erwerb von Todes wegen steuerfrei. Dies sollte auch für den Erwerb von Todes wegen durch Kinder gelten. Allerdings gelten hierfür abweichende Voraussetzungen. Systematisch handelt es sich sowohl um eine sachliche als auch personenbezogene Befreiungsvorschrift, die neben dem persönlichen Freibetrag anwendbar ist, d.h. es erfolgt keine Anrechnung und keine Zusammenrechnung mit weiteren Erwerben nach § 14 ErbStG. Sie ist auch nicht nur bei bestimmten Güterständen anwendbar und es gibt keine wertmäßige Begrenzung. Allerdings sieht § 13 Abs. 1 Nr. 4c ErbStG eine Begrenzung vor, soweit die Wohnfläche des Familienheims 200 qm überschreitet. Dann soll für den Anteil, der größer ist als 200 qm, keine Steuerbefreiung eingreifen. Vor der Einführung des Erbschaftsteuerreformgesetzes 2009 war eine Steuerbefreiung nur möglich, wenn das Familienwohnheim zu eigenen Wohnzwecken genutzt wurde oder nur „unschädliche“ Nebennutzungen“ hinzukamen. Dies galt auch bei der Schenkung eines Mehrfamilienhauses, wenn nur eine Wohnung fremdvermietet war.6 Diese Auffassung der FinVerw. wurde vom BFH als nicht vertretbar angesehen.7 Nutzen danach Eheleute nur einen Teil des Hauses zu eigenen Wohnzwecken, während der andere Teil von Dritten bewohnt wird oder anderen als Wohnzwecken dient und wendet der eine Ehegatte dem anderen freigiebig das Eigentum oder Miteigentum an dem Haus zu, ist die Zuwendung hinsichtlich der von den Ehegatten selbst bewohnten Flächen steuerfrei. Sachgerecht ist eine Aufteilung des zivilrechtlich einheitlichen Eigentums nach dem Nutzungs- und Funktionszusammenhang. Eine solche Aufteilung ist problemlos möglich, wenn es sich bei den zu eigenen Wohnzwecken genutzten Räumen um eine abgeschlossene Wohnung handelt.8 Vor dem Erbschaftsteuerreformgesetz 2009 kam bei einer nicht nur nebensächlichen Nutzung die Steuerbefreiung gar nicht in Betracht.9 Eine teilweise Nutzung zu anderen Zwecken ist seit Einführung des Erbschaftsteuerreformgesetzes 2009 unschädlich. Allerdings ist die Begünstigung auf den Anteil beschränkt, der zu eigenen Wohnzwecken genutzt wird.10 Bei der Nutzung zu eigenen Wohnzwecken ist es unschädlich, wenn eine Mitbenutzung der Wohnung durch Kinder, Eltern oder eine Haushaltshilfe gegeben ist.11 Die Befreiung ist auf die selbstgenutzte Wohnung begrenzt. Sie schließt auch Garagen, Nebenräume und Nebengebäude ein, die sich auf dem Grundstück befinden und mit der Wohnung gemeinsam genutzt werden, z.B. Personalwohnungen. Dies gilt auch für selb1 Art. 2 JStG 1997 v. 20.12.1996, BGBl. I 1996, 2049. 2 BFH v. 17.10.2007 – II R 53/05, BStBl. II 2008, 256 = FR 2008, 528 m. Anm. Schlünder/Geißler = ErbStB 2008, 102; v. 2.3.1994 – II R 59/92, BStBl. II 1994, 366. 3 Gesetz v. 24.12.2008, BGBl. I 2008, 3018. 4 Zu den einzelnen Regelungen des ErbStRG vgl. Schumann, DStR 2009, 197. 5 Zur eingetragenen Lebenspartnerschaft: Tölle, NWB 2013, 2078; Ramb, NWB 2013, 384. 6 FG München v. 11.4.2005 – 4 V 4452/04, EFG 2005, 1727. 7 BFH v. 26.2.2009 – II R 69/06, BStBl. II 2009, 480 = FR 2009, 775 = ErbStB 2009, 139. 8 So auch Tiedtke/Wälzholz, ZEV 2000, 19; Hardt, ZEV 2004, 408. 9 FG Rh.-Pf. v. 18.2.1999 – 4 K 2180/98, EFG 1999, 619. 10 Ihle, FPR 2012, 315. 11 R E 13.3 Abs. 2 Satz 6 ErbStR 2011.
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§ 13 ErbStG Rz. 30 Steuerbefreiungen ständige Grundstücke, die in unmittelbarer Nähe des Hauptgrundstücks liegen, z.B. Stell-, Garagen-, Müllplatz- oder Gartengrundstücke. Die Nutzung auch zu anderen als zu Wohnzwecken ist unschädlich, wenn sie von untergeordneter Bedeutung ist (z.B. durch Nutzung eines Arbeitszimmers). Eine Mischnutzung ist grundsätzlich unschädlich, wenn die Wohnnutzung überwiegt. Eine gewerbliche oder freiberufliche Nutzung außerhalb der eigenen Wohnung, eine Fremdvermietung oder die unentgeltliche Überlassung weiterer auf dem Grundstück vorhandener Wohnungen an Kinder oder Eltern ist nicht begünstigt. Dann ist eine Aufteilung des Werts des Gebäudes erforderlich (Wohnfläche, Garage, Nebenräume und Nebengebäude sind hier nicht einzubeziehen).1 c) Zeitpunkt 30
Für die Steuerbefreiung kommt es auf die Verhältnisse während der Schenkung bzw. während des Erwerbs von Todes wegen an. Eine Änderung der Verhältnisse nach dem Stichtag hat keinen Einfluss auf das Vorliegen oder Nichtvorliegen der Steuerbefreiung.2 Dies ergibt sich auch aus dem BFH-Urteil vom 27.10.2010.3 Dem lag der vorliegende Sachverhalt zugrunde: Eine Steuerpflichtige hatte von ihrem Partner vor der Eheschließung bereits ein niedrig verzinstes Darlehen erhalten, um eine Immobilie zu erwerben. Nach der Eheschließung vereinbarten die Eheleute, dass das Darlehen zinslos gestellt werden sollte. Des Weiteren sollte auf einen Teil des Darlehens verzichtet werden. Die Steuerbefreiung sei nach dem BFH bereits anzuerkennen, wenn die Ehe bei der Anschaffung oder Herstellung des Objekts noch nicht bestanden hat. Es komme allein auf die Verhältnisse zum Zeitpunkt der Ausführung der Schenkung an.4 Daher bejahte der BFH nach der Eheschließung eine Steuerbefreiung nach § 13 Abs. 1 Nr. 4a ErbStG bezüglich der Immobilie. Danach sollte der Darlehensverzicht eine steuerbefreite Schenkung darstellen. Die vor der Ehe gewährte Schenkung in Form der vergünstigten Darlehensüberlassung falle allerdings nicht unter den § 13 Abs. 1 Nr. 4a ErbStG, weil die Eheleute nicht verheiratet waren.5 2. Begriff des Familienheims i.S.d. Abs. 1 Nr. 4a bis 4c a) Definition
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Für sämtliche Befreiungstatbestände des § 13 Abs. 1 Nr. 4a bis 4c ErbStG ist von zentraler Bedeutung, wann ein sog. Familienheim vorliegt und welche Gebäude unter diesem Begriff fallen. Nach der FinVerw. gilt als Familienheim ein bebautes Grundstück, soweit darin eine Wohnung gemeinsam zu eigenen Wohnzwecken genutzt wird. Hinsichtlich des Begriffs des bebauten Grundstücks verweist der Gesetzgeber auf § 181 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 BewG. Ein bloßes Wohnrecht hingegen soll nicht nach § 13 Abs. 1 Nr. 4 a bis c ErbStG begünstigt sein.6 Es sind daher folgende Grundstücksarten Gegenstand der Steuerbefreiung: Ein- und Zweifamilienhäuser, Mietwohngrundstücke, Wohnungs- und Teileigentum, Geschäftsgrundstücke und gemischt genutzte Grundstücke. Auch der Wohnteil des Betriebsinhabers eines Betriebs der Land- und Forstwirtschaft soll nach der FinVerw. als Familienheim in Betracht kommen.7 b) Nutzung als Familienwohnheim
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Ob es sich um das Familienheim handelt, bestimmt sich nach der tatsächlichen Nutzung. In der Wohnung muss sich der Mittelpunkt des familiären Lebens befinden. Diese Definition galt auch bereits vor dem Erbschaftsteuerreformgesetz 2009. Die Befreiung eines Erwerbs ist nicht möglich,
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R E 13.3 Abs. 2 Satz 14 ErbStR 2011. BFH v. 27.10.2010 – II R 37/09, BStBl. II 2011, 134. BFH v. 27.10.2010 – II R 37/09, BStBl. II 2011, 134. So auch BFH v. 26.2.2009 – II R 69/06, FR 2009, 775 = ErbStB 2009, 139. Vgl. Anm. Tölle, SteuK 2011, 65. FG Köln v. 8.8.2012 – 9 K 3615/11, ErbStB 2012, 270 = EFG 2012, 220 – Az. BFH: II R 45/12, vgl. dazu Geck/ Messner, ZEV 2013, 76; Brüggemann, ErbBstg 2012, 75. 7 R E 13.3 Abs. 2 Satz 2 ErbStR 2011.
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Steuerbefreiungstatbestände (Abs. 1)
Rz. 33 § 13 ErbStG
wenn die Wohnung nur als Ferien- oder Wochenendwohnung1 genutzt wird oder für einen Berufspendler nur die Zweitwohnung darstellt. Dies wurde durch Urteil des BFH2 höchstrichterlich geklärt. Der Ehemann hatte seiner Ehefrau eine Immobilie auf Sylt geschenkt. Der BFH qualifizierte das Haus allerdings nicht als Familienwohnheim i.S.d. § 13 Abs. 1 Nr. 4a ErbStG, sondern nur als nicht begünstigtes Feriendomizil, weil sich die Eheleute nur für eine beschränkte Dauer in dem Haus auf Sylt aufhielten. Die Vorschrift ist dahingehend auszulegen, dass nach seinem Sinn und Zweck sowie zur Einschränkung der bestehenden Überbegünstigung nur solche zu eigenen Wohnzwecken genutzte Häuser oder Eigentumswohnungen begünstigt werden, in denen sich am maßgeblichen Übertragungsstichtag der Mittelpunkt des familiären Lebens der Eheleute befindet.3 Die Begünstigung des Familienheims wird damit gerechtfertigt, dass mit der Steuerbefreiung die eheliche Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft privilegiert werden soll. Der grundgesetzlich gebotene Schutz der Familie schließt hingegen nicht aus, Vermögensübertragungen zwischen Ehegatten zu besteuern. Zudem betonte der BFH, dass die Steuerbefreiung nicht auf die Zuwendung nur eines Familienheims begrenzt sei. Soweit die Voraussetzungen am jeweiligen Übertragungsstichtag vorliegen, kann die Steuerbefreiung zeitlich nacheinander für mehrere Objekte in Anspruch genommen werden. Die Zuwendung eines Wohnrechts an dem Familienwohnheim reicht indes nicht für die Begünstigung aus.4 c) Umfang der Anwendung Das begünstigte Familienwohnheim kann im Inland oder in einem Staat der EU/EWR belegen sein. 33 Insbesondere im letzten Fall ist allerdings dann zu prüfen, ob es sich um ein Familienheim handelt oder um eine Ferienwohnung bzw. ein Feriendomizil.5 Fraglich ist, ob § 13 Abs. 1 Nr. 4a bis 4c ErbStG auch dann noch gegeben ist, wenn die Eheleute im Zeitpunkt der Schenkung bzw. im Zeitpunkt des Erwerbs von Todes wegen bereits getrennt sind. In einer Entscheidung des FG Berlin6 wurde die Immobilie auch als ein Familienwohnheim i.S.d. § 13 Abs. 1 Nr. 4a ErbStG a.F. qualifiziert. Das FG begründete seine Entscheidung damit, dass auch im Falle des Getrenntlebens von Ehegatten die Übertragung eines von Familienmitgliedern bewohnten Hauses dem Ausgleich des während der Ehezeit gemeinsamen Erarbeiteten dient. Es handelt sich dann immer noch um ein Familienheim, auch wenn die Eheleute dort nicht mehr gemeinsam leben.7 Früher ist die FinVerw. davon ausgegangen, dass eine Begünstigung nicht mehr in Betracht kommen sollte, wenn einer der Eheleute allein in dem Objekt wohnt.8 Dagegen lässt sich aber einwenden, dass der Zweck der Steuerbefreiung auch dann noch erfüllt wird, wenn die Eheleute getrennt sind. Denn die Grundexistenz der Familie soll verschont werden. Dazu gehört das Familienwohnheim auch bei Getrenntleben. Im Falle der Scheidung soll die Steuerbefreiung des Familienheims unter Ehegatten nicht mehr anwendbar sein, so dass eine Zuwendung vor Rechtskraft des Scheidungsurteils ratsam ist.9 Weiterhin stellt sich die Frage, ob die Beteiligung von Ehegatten an einer GbR, in der das Familienheim eingebracht wurde, ebenfalls begünstigt ist. Es gilt im Erbschaftsteuerrecht das Transparenzprinzip für Personengesellschaften mit der Folge, dass Zuwendungen nicht an eine GbR gemacht werden, sondern an die Gesellschafter. Dann muss die Steuerbefreiung des § 13 Abs. 1 Nr. 4 a–c ErbStG in solchen Fällen anwendbar sein.10 Es handelt sich bei der Übertragung eines Anteils, der im Erbfall eintritt, dann um einen Erwerb von Todes wegen (§ 3 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 ErbStG). Ferner fehlt es bei § 13 Abs. 1 Nr. 4a bis 4c ErbStG an dem Tatbestandsmerkmal der „Unmittelbarkeit“ wie bei § 13b Abs. 1 Nr. 3 ErbStG, 1 FG Münster v. 18.5.2011 – 3 K 375/09 Erb, ErbStB 2011, 246. 2 BFH v. 18.7.2013 – II R 35/11, BStBl. II 2013, 1051 = ErbStB 2013, 368, vgl. Meßbacher-Hönsch, Juris PR-SteuerR 5/2014, Anm. 3. 3 Reich, NZM 2014, 67. 4 BFH v. 3.6.2014 – II R 45/12, BStBl. II 2014, 806. 5 Demuth, KÖSDI 2012, 18025. 6 FG Berlin v. 28.1.2003 – 5 K 5267/01 rkr, DStRE 2014, 217. 7 So auch Meincke16, § 13 ErbStG Rz. 20a; Schlünder/Geissler, DStR 2006, 260 (261); Schumann, DStR 2009, 197 (199). 8 R 43 Abs. 1 Satz 3 ErbStR 2003, allerdings streitig. 9 Meincke16, § 13 ErbStG Rz. 20a. 10 Reimann, ZEV 2010, 174 (176).
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§ 13 ErbStG Rz. 34 Steuerbefreiungen so dass bei § 13b Abs. 1 Nr. 3 ErbStG die mittelbare Beteiligung für eine Steuerbegünstigung nicht qualifiziert.1 Schließlich spricht § 10 Abs. 1 Satz 4 ErbStG für die hier vertretene Auffassung. 3. Zuwendung des Familienheims unter Ehegatten (Abs. 1 Nr. 4a) 34
Soweit ein Familienheim vorliegt, ist eine Zuwendung unter Lebenden steuerfrei. Zuwendungen unter Lebenden sind nicht nur die klassische Schenkung in Form der Übertragung des Alleineigentums oder Miteigentums an einen Ehegatten oder Lebenspartner i.S.d. LPartG. Es kommen auch andere Tatbestände in Betracht. Gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 4a Satz 1 ErbStG kann neben der Schenkung auch die Freistellung des anderen Ehegatten von eingegangenen Verpflichtungen im Zusammenhang mit der Anschaffung oder der Herstellung eines Familienheims steuerfrei bleiben. Die FinVerw. sieht eine steuerfreie Zuwendung in folgenden Fällen vor: – Übertragung des Alleineigentums oder Miteigentums; – Kauf oder Herstellung aus den Mitteln eines Ehegatten oder Lebenspartners unter Einräumung einer Miteigentümerstellung des anderen Ehegatten oder Lebenspartners; – Anschaffung oder Herstellung durch einen Ehegatten oder Lebenspartner aus Mitteln, die allen oder überwiegend vom anderen zuwendenden Ehegatten oder Lebenspartner stammen (mittelbare Grundstückszuwendung);2 – Tilgung eines im Zusammenhang mit dem Kauf oder der Herstellung des Familienheims von einem oder beiden Ehegatten oder Lebenspartner aufgenommenen Darlehens aus Mitteln des zuwendenden Ehegatten oder Lebenspartners; – Befreiung von einer Schuld des einen Ehegatten oder Lebenspartners gegenüber dem anderen Ehegatten oder Lebenspartner, Befreiung von einer Schuld des einen Ehegatten oder Lebenspartners gegenüber dem anderen Ehegatten oder Lebenspartner, die im Zusammenhang mit dem Kauf oder der Herstellung des Familienheims gegenüber dem anderen Ehegatten oder Lebenspartner eingegangen wurde sowie die Begleichung nachträglicher Herstellungs- und Erhaltungsaufwendungen am Familienheim aus Mitteln eines Ehegatten oder Lebenspartners, wenn der andere Ehegatte oder Lebenspartner Eigentümer oder Miteigentümer ist.
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Auch nachträglicher Herstellungs- und Erhaltungsaufwand fällt unter die Steuerbefreiung, wenn ein Zusammenhang mit dem Familienheim besteht.3 Im Rahmen des § 13 Abs. 1 Nr. 4a ErbStG ist eine wertmäßige Begrenzung nicht gegeben, es findet auch keine Prüfung der Angemessenheit statt. Es besteht insbesondere kein Nachbesteuerungsvorbehalt wie in dem § 13 Abs. 1 Nr. 4b und 4c ErbStG bei der Schenkung unter Lebenden. Eine spätere Veräußerung oder Nutzungsänderung ist daher unbeachtlich, sofern nicht evident ein Fall des § 42 AO (Gestaltungsmissbrauch) gegeben ist.4 Unschädlich ist auch, wenn sich der zuwendende Ehegatte im Schenkungsvertrag ein Nießbrauchsoder lebzeitiges Wohnrecht vorbehält5 oder Widerrufsklauseln vereinbart werden. In der Praxis ist es daher empfehlenswert, das Familienwohnheim an den länger lebenden Ehegatten zu übertragen.6 Die Wechselwirkung zu § 5 ErbStG ist zu beachten (§ 1380 BGB). 4. Erwerb des Familienheims von Todes wegen durch den überlebenden Ehegatten oder Lebenspartner (Abs. 4b) a) Höhere Anforderungen als bei Schenkungen
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Die Steuerbefreiung des Erwerbs von Todes wegen ist im Rahmen des Erbschaftsteuerreformgesetzes 2009 eingeführt worden. Allerdings ist der Erwerb von Todes wegen unter Ehegatten an strengere Voraussetzungen geknüpft. Zunächst muss es sich ebenfalls um die Übertragung des Familienheims von Todes wegen handeln. Dabei gilt der Begriff des § 13 Abs. 1 Nr. 4a ErbStG. Es ist zunächst auf 1 2 3 4 5 6
BFH v. 11.6.2013 – II R 4/12, ZEV 2013, 464. Vgl. dazu Reimann, ZEV 2010, 174 (175). Reimann, ZEV 2010, 174 (175). R E 13.3 Abs. 5 Satz 6 ErbStR 2011. Ihle, FPR 2012, 315 (316). Reimann, ZEV 2010, 174 (175).
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Steuerbefreiungstatbestände (Abs. 1)
Rz. 38 § 13 ErbStG
ein bebautes Grundstück i.S.d. § 181 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 BewG abzustellen. Darüber hinaus gilt die Steuerbefreiung aber nur, soweit der Erblasser in dem Familienheim bis zum Erbfall eine Wohnung zu eigenen Wohnzwecken genutzt hat oder bei der er aus zwingenden Gründen an einer Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken gehindert war. Darüber hinaus ist erforderlich, dass der Erwerber unverzüglich nach Eintritt des Erbfalls die Wohnung zu eigenen Wohnzwecken nutzt (§ 13 Abs. 1 Nr. 4b Satz 1 ErbStG).1 Die Formulierung „soweit“ erfordert, dass der Erblasser in einem bebauten Grundstück eine Wohnung zu eigenen Wohnzwecken genutzt hat. Objektiv zwingende Gründe, die ihn an einer Selbstnutzung gehindert haben, liegen dann vor, wenn z.B. eine Pflegebedürftigkeit gegeben war, die die Führung eines eigenen Haushalts nicht mehr zulässt. Objektiv zwingende Gründe sind daher solche Gründe, die der Erblasser nicht beeinflussen kann. Unabhängig von einer bestehenden Pflegebedürftigkeit muss es aber ein objektiv zwingender Grund sein, dass z.B. der Erblasser aufgrund körperlicher Gebrechen nicht mehr in der Lage ist, in dieser Wohnung zu wohnen, weil diese z.B. für seine Verhältnisse unpraktisch ist (Treppen etc.). Das Kriterium dient dazu, dass auch nur solche bebauten Grundstücke steuerfrei weiter vererbt werden können, die auch tatsächlich den Lebensmittelpunkt des Erblassers darstellen.2 Des Weiteren ist erforderlich, dass das Familienheim beim Erwerber unverzüglich zur Selbstnut- 37 zung, d.h. zu eigenen Wohnzwecken, bestimmt ist. Bei Ehegatten lebt der überlebende Ehegatte oder Lebenspartner bereits mit dem Erblasser zusammen und infolge dessen wird er die Wohnung ohnehin zu eigenen Wohnzwecken nutzen. Erforderlich ist, dass der überlebende Ehegatte nach dem Gesetz unverzüglich das geerbte Familienheim für sich selbst nutzen muss. Unverzüglich bedeutet ohne schuldhaftes Zögern.3 Ein schuldhaftes Zögern ist sicherlich in diesem Zusammenhang restriktiv auszulegen. Eine Nutzung zu Wohnzwecken muss im zeitlichen Zusammenhang mit dem Erwerb von Todes wegen erfolgen; innerhalb dieser Frist muss der Erwerber den Entschluss fassen, die in den Nachlass gefallene Wohnung zu nutzen, und den Entschluss auch umsetzen.4 Eine starre Frist kann es nicht geben, sondern es ist im Einzelfall zu entscheiden, wann eine Selbstnutzung unverzüglich erfolgt. Gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 4b Satz 2 ErbStG kann ein Erwerber die Steuerbefreiung nicht in Anspruch nehmen, soweit er das begünstigte Vermögen aufgrund einer letztwilligen Verfügung des Erblassers oder einer rechtsgeschäftlichen Verfügung des Erblassers auf einen Dritten übertragen muss (Weiterübertragungsverpflichtung). Letztwillige Verfügungen sind z.B. ein Testament. Eine rechtsgeschäftliche Verfügung ist z.B. ein Erbvertrag. Als Anwendungsfälle nennen die Richtlinien folgende Fälle: 1. Sachvermächtnisse, die auf begünstigtes Vermögen gerichtet sind; 2. Vorausvermächtnisse, die auf begünstigtes Vermögen gerichtet sind; 3. ein Schenkungsversprechen auf den Todesfall; 4. Auflagen des Erblassers, die auf die Weitergabe des begünstigten Vermögens gerichtet sind. Gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 4b Satz 3 ErbStG gilt dies entsprechend, wenn ein Erbe im Rahmen der Tei- 38 lung des Nachlasses begünstigtes Vermögen auf einen Miterben überträgt. Der überlebende Ehegatte muss nicht nur in der Wohnung leben, sondern er muss auch endgültig Eigentümer bzw. Miteigentümer bleiben. Auch im Rahmen einer Teilungsanordnung kann die Begünstigung nur in Anspruch genommen werden, wenn der überlebende Ehegatte oder der überlebende Lebenspartner tatsächlich das Familienheim erhält. Wenn er dies im Rahmen einer Teilungsanordnung an Miterben weitergibt, so besteht keine Steuerbegünstigung mehr. Die Miterben, die das Familienheim ggf. im Rahmen der Teilungsanordnung erhalten, haben ebenfalls keinen Anspruch auf die Begünstigung.5 Allerdings soll es nach § 13 Abs. 1 Nr. 4b Satz 4 ErbStG auch möglich sein, dass der überlebende Ehegatte/Lebenspartner die Steuervergünstigung auch dann in Anspruch nehmen kann, wenn er nicht das begünstigte Vermögen direkt erbt, sondern erst im Wege einer Erbauseinandersetzung. Die Formulierung des § 13 Abs. 1 Nr. 4b Satz 4 ErbStG ist sehr kompliziert: Überträgt ein Erbe erworbenes begünstigtes 1 2 3 4 5
R E 13.4 Abs. 2 Satz 1 ErbStR 2011. OFD Rheinland v. 4.12.2012 Kurzinformation 001/2012, DStR 2012, 2082. OFD Rheinland v. 4.12.2012 Kurzinformation 001/2012, DStR 2012, 2082. OFD Rheinland v. 4.12.2012 Kurzinformation 001/2012, DStR 2012, 2082. R E 13.4 Abs. 5 Satz 4 ff. ErbStR 2011; vgl. zu § 13 Abs. 1 Nr. 4c ErbStG BFH v. 23.6.2015 – II R 39/13, DStR 2015, 2066.
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§ 13 ErbStG Rz. 39 Steuerbefreiungen Vermögen im Rahmen der Teilung des Nachlasses auf einen Dritten und gibt der Dritte dabei diesem Erwerber nichtbegünstigtes Vermögen, das er vom Erblasser erworben hat, erhöht sich insoweit der Wert des begünstigten Vermögens des Dritten um den Wert des hingegebenen Vermögens, höchstens jedoch um den Wert des übertragenen Vermögens. Wenn z.B. ein Erblasser eine Ehegattin und ein Kind hinterlässt und beiden sowohl Barvermögen als auch ein Familienwohnheim überträgt, so kann z.B. die Ehegattin das Familienwohnheim steuerfrei erwerben, wenn ihr das Kind dessen Hälfte überträgt. Dies allerdings nur in der Höhe, in der sie auch nicht begünstigtes Vermögen erhalten hat. Trotz der zuvor erfolgten Erbauseinandersetzung wird die Ehegattin so behandelt, als hätte sie von Vornherein nur das Familienheim vom Ehegatten geerbt. b) Nachversteuerungsvorbehalt 39
Gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 4b ErbStG entfällt die Steuerbefreiung mit Wirkung für die Vergangenheit, wenn der Erwerber das Familienheim innerhalb von zehn Jahren nach dem Erwerb nicht mehr selbst zu Wohnzwecken nutzt, es sei denn, er ist aus zwingenden Gründen an einer Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken gehindert. Dieser Nachsteuervorbehalt knüpft an die Voraussetzungen des § 13 Abs. 1 Nr. 4b ErbStG an, dass der Erblasser das Familienwohnheim für eigene Wohnzwecke nutzen muss bzw. nur dann eine Steuerbefreiung möglich ist, wenn er aus zwingenden Gründen an einer Selbstnutzung gehindert ist. So soll auch die Steuerbefreiung nur dann vorliegen, wenn der Erwerber aus zwingenden Gründen an einer Selbstnutzung gehindert ist. Zieht er freiwillig aus, so entfällt die Steuerbefreiung. Auch eine Weiterübertragung unter Nutzungsvorbehalt ist ein Verstoß gegen den Nachversteuerungsvorbehalt.1 Dies gilt nicht bei einer unentgeltlichen Weitergabe, wenn eine Eigennutzung fortgeführt wird (Schenkung unter Nießbrauchsvorbehalt).2 Bei einer Aufgabe der Selbstnutzung durch Verkauf, Vermietung, längeren Leerstand oder unentgeltlicher Überlassung entfällt die Befreiung mit Wirkung für die Vergangenheit. Der Steuerbescheid ist in diesem Fall nach § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO zu ändern (rückwirkendes Ereignis). Der Erwerber ist in einem solchen Fall verpflichtet, den Wegfall der Befreiungsvoraussetzungen anzuzeigen.3 In dem Steuerbescheid ist allerdings darauf hinzuweisen, dass ein Verstoß gegen die Selbstnutzungsverpflichtung anzeigepflichtig ist. Bei den objektiv zwingenden Gründen kommt beim Erwerber natürlich auch der Fall des Todes hinzu. Es wird ausdrücklich von der FinVerw. darauf hingewiesen, dass z.B. eine berufliche Versetzung nicht ausreicht.4 Sollten die objektiv zwingenden Gründe innerhalb der Zehnjahres-Frist wegfallen, wird wieder eine Selbstnutzungspflicht entstehen, d.h. der Erwerber müsste in einem solchen Fall ohne schuldhaftes Zögern die Nutzung des Familienheims zu eigenen Wohnzwecken wieder aufnehmen und bis zum Ablauf des Zehnjahres-Zeitraums ausüben. Er kann auch darlegen, dass zu einem späteren Zeitpunkt objektiv zwingende Gründe ihn wieder an einer Selbstnutzung des Familienheims hindern. Eine Vermietung, ein Verkauf des Familienheims oder eine unentgeltliche Überlassung sind im Falle einer Verhinderung der Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken unschädlich.
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In der Praxis ist daher insbesondere bei Ehegatten empfohlen, § 13 Abs. 1 Nr. 4a ErbStG zu Lebzeiten zu nutzen. Die Pflicht zur Selbstnutzung bei Erwerb von Todes wegen kann grundsätzlich dazu führen, dass eine Steuerbefreiung rückwirkend entfällt. Dabei entfällt die Steuerbefreiung nicht prorata-temporis, sondern die Steuerbefreiung fällt vollständig weg, d.h. es gibt keine Abschmelzung, sondern es gilt das Alles-oder-Nichts-Prinzip. 5. Erwerb des Familienheims von Todes wegen durch die Kinder (Abs. 1 Nr. 4c) a) Umfang der Steuerbegünstigung
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Gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 4c ErbStG ist auch der Erwerb von Todes wegen des Familienheims durch die Kinder i.S.d. § 15 Steuerklasse Abs. 1 Nr. 2 ErbStG (Kinder und Stiefkinder) sowie der Kinder vorverstorbener Kinder i.S.d. § 15 Steuerklasse Abs. 1 Nr. 2 ErbStG. Die Voraussetzungen entsprechend bis 1 2 3 4
R E 13.4 Abs. 6 Satz 2 letzter Halbs. ErbStR 2011. Jülicher in T/G/J, § 13 ErbStG Rz. 72 (Stand: Juli 2015). R E 13.4 Abs. 6 Satz 6 ErbStR 2011. R E 13.6 Abs. 6 Satz 9 ErbStR 2011.
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Rz. 42 § 13 ErbStG
Steuerbefreiungstatbestände (Abs. 1)
auf eine Ausnahme exakt den Voraussetzungen, die § 13 Abs. 1 Nr. 4b ErbStG vorsieht. Allerdings wird die Steuerbefreiung insoweit eingeschränkt, als sie nur dann gilt, soweit die Wohnfläche der Wohnung 200 m2 nicht übersteigt. Diese Einschränkung wurde im Rahmen des Erbschaftsteuerreformgesetzes 2009 innerhalb der Regierung verhandelt. Es sollten keine luxuriösen Familienheime von den Kindern steuerfrei geerbt werden können. Daher sollte die Steuerbefreiung ab einer gewissen Größe nicht mehr eingreifen. Die Formulierung „soweit“ bedeutet, dass bis zu einer Wohnung mit 200 m2 eine Steuerbefreiung eingreift. Für die Wohnfläche, die darüber hinausgeht, wird die Steuerbefreiung anteilig nicht gewährt.1 Wie in § 13 Abs. 1 Nr. 4b ErbStG gilt die Steuerbefreiung dann nicht, sofern es eine Weitergabeverpflichtung gibt (§ 13 Abs. 1 Nr. 4c Satz 2 bis 4 ErbStG). Entsprechend gilt auch gem. § 13 Abs. 1 Nr. 4c Satz 5 ErbStG der Nachversteuerungsvorbehalt. b) Unverzügliche Nutzung durch Kinder Auch für die Erwerber i.S.d. § 13 Abs. 1 Nr. 4c ErbStG ist Voraussetzung für die Steuerbefreiung, 42 dass sie unverzüglich nach dem Tod des Erblassers die Nutzung zu eigenen Wohnzwecken aufnehmen. Es ist auch dann unschädlich, wenn sie an einer Selbstnutzung gehindert sind. Objektiv zwingende Gründe, die an einer Selbstnutzung hindern können, liegen im Falle einer Pflegebedürftigkeit vor, die die Führung eines Haushaltes nicht mehr zulässt, oder solange das Kind wegen Minderjährigkeit rechtlich gehindert ist, einen Haushalt selbständig zu führen. Eine berufliche Versetzung oder eine berufsbedingte Unmöglichkeit der Nutzung hingegen reichen nach Auffassung der FinVerw. und der Rechtsprechung des BFH allerdings nicht aus.2 Dies widerspreche dem Sinn und Zweck der Steuerbefreiung, weil sie das „Familiengebrauchsvermögen“ von der Erbschaftsteuer freistellen möchte. Der Charakter als Familienheim müsse dann auch in der Hand des Erwerbers begründet sein. Daher gebe es keine Ausnahmetatbestände der Selbstnutzung.3 Fraglich ist, was unter unverzüglich zu verstehen ist. Unverzüglich bedeutet regelmäßig ohne schuldhaftes Zögern. Es ist dabei allerdings auch auf den Einzelfall abzustellen. Anders als bei der Übertragung unter Ehegatten wird es regelmäßig so sein, dass die Kinder im Zeitpunkt des Erbfalls nicht bereits in dem Familienheim wohnen, sondern eine Selbstnutzung zunächst beabsichtigen müssen. Daher kommt es auf die sog. Eigennutzungsabsicht an.4 Wenn z.B. der Erblasser aufgrund der Pflegebedürftigkeit nicht in dem Familienwohnheim gelebt hat, sondern dieses fremdvermietet war, sollte auch der Erbe eine angemessene Frist erhalten, um das Familienheim zu kündigen und eine Selbstnutzung geltend zu machen. Dies gilt entsprechend, sollten Renovierungsarbeiten notwendig sein. Teilweise wird vertreten, dass ein Zeitraum von einem halben Jahr zwischen dem Erbfall und der Selbstnutzung angemessen ist.5 Eine längere Frist nahm der BFH in einer Entscheidung vom 23.6.2015 an.6 Dort ging es um die Selbstnutzung nach einer erfolgten Erbauseinandersetzung der Miterben. Angesichts der anwendbaren Frist von sechs Monaten bei der rückwirkenden Zurechnung von laufenden Einkünften wurde in dem Fall ebenfalls entschieden, dass bei einer Erbauseinandersetzung eine Frist von sechs Monaten angemessen sei, bis eine Selbstnutzung des Miterben hinsichtlich des Familienheims möglich sein wird. Dies lehnte der BFH allerdings mit dem Argument ab, dass § 13 Abs. 1 Nr. 4c Satz 4 ErbStG gar keine zeitliche Beschränkung enthalte. Es wird lediglich verlangt, dass für die Übertragung von dem Erwerber nicht vom Erblasser erworbenes, nicht begünstigtes Vermögen hingegeben wird. Bei der Bestimmung zu eigenen Wohnzwecken handelt es sich um eine innere Tatsache, die nur aufgrund objektiver äußerer Merkmale beurteilt werden kann. Daher müssen Umstände vorliegen, die auf eine Eigennutzungsabsicht abzielen.7 So ist eine weite Auslegung und Anwendung des Begriffs der Unverzüglichkeit vorgesehen. Dem Erwerber muss insbesondere bei einem Erwerb von Todes wegen ein ausreichender Zeitraum zugestanden werden, nach dem Tod des Erblassers eine Entscheidung bezüglich der Weiternutzung der geerbten Im1 2 3 4 5 6 7
R E 13.4 Abs. 7 Satz 3 ErbStR 2011. R E 13.4 Abs. 2 Satz 3 ErbStR 2011; vgl. BFH v. 23.6.2015 – II R 13/13, BFHE 250, 203. Vgl. auch Brüggemann, ErbBstg 2013, 176. Kien-Hümbert in Moench/Weinmann, § 13 ErbStG Rz. 38 (Stand: Februar 2016). Kien-Hümbert in Moench/Weinmann, § 13 ErbStG Rz. 38 (Stand: Februar 2016). BFH v. 23.6.2015 – II R 39/13, DStR 2015, 2066. BFH v. 23.6.2015 – II R 39/13, DStR 2015, 2066.
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§ 13 ErbStG Rz. 43 Steuerbefreiungen mobilie zu treffen. Dabei kommt es auch darauf an, ob die Immobilie mehreren Erben zufällt und dem Erwerber erst nach einer längeren Erbauseinandersetzung für eine Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken zur Verfügung steht. Dann benötigt der Erwerber Zeit für die Erbauseinandersetzung und dann noch einen weiteren Zeitraum, um zu überlegen, ob er in das Familienheim umziehen kann. Es kommt insoweit auf eine Betrachtung des Einzelfalls an, um den Begriff der unverzüglichen Selbstnutzung auszulegen. Im Rahmen dieser Entscheidung hat der BFH auch seine Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des § 13 Abs. 1 Nr. 4a bis 4c ErbStG zum Ausdruck gebracht, von einer Vorlage aber abgesehen, weil er davon ausging, dass ggf. eine Änderung der Vorschriften i.R.d. geplanten Entwurfs eines Gesetzes zur Anpassung des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes an die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts erfolgt.1 Das Gesetz enthält dazu keine Neuregelung. Die Schuldenkürzung entspricht dem Teil der Verbindlichkeiten, der auf den begünstigten Teil des Familienwohnheims (200 qm Wohnfläche) entfällt. c) Rechtsfolgen 43
Die Vorschrift des § 13 Abs. 1 Nr. 4c ErbStG ist bei der Planung der Nachfolge für eine Familie grds. problematisch. Sie setzt voraus, dass es für Kinder heutzutage ohne weiteres möglich ist, das Familienheim der Eltern zu übernehmen. In vielen Fällen können die Kinder, die bereits woanders wohnen und dort ihr Familienleben eingerichtet haben, das Familienheim der Eltern nicht weiternutzen. Des Weiteren muss auch berücksichtigt werden, dass bei mehreren Kindern die Weitergabe des Familienheims an ein Kind oft nur möglich ist, wenn die anderen Kindern einen Ausgleich erhalten. Wenn es sich dabei nicht um begünstigtes Vermögen handelt, kann dieses bei Überschreitung der Freibeträge wiederum mit Erbschaftsteuer belastet sein. Fraglich ist, ob es sich bei dieser Grenze um eine objektbezogene handelt oder ob sie sich auf den maximalen Erwerb pro Erwerber bezieht. Sowohl die FinVerw.2 als auch Teile der Literatur3 vertreten die Auffassung, dass es sich um eine objektbezogene Grenze handelt. Eine andere Auffassung in der Literatur hingegen geht davon aus, dass pro Erwerber die Wohnfläche von bis zu 200 qm nicht überschritten werden darf. Etwas anderes gebe der Wortlaut nicht her. Letzterer Auffassung ist nicht zuzustimmen, weil sonst die Steuerbefreiung bei mehreren Erwerbern ausgeweitet werden könnte. Es ist daher in der Nachfolgeplanung zu berücksichtigen, dass bei der Weitergabe des Familienheims an nur ein Kind, eine gerechte Lösung dafür gefunden werden muss, was die anderen Kinder dann stattdessen erhalten. In Anbetracht der hohen Freibeträge ist zu berücksichtigen, dass bei einem Nachlass, in dem sich eben auch ein Familienheim befindet, die Steuerbefreiung teilweise gar nicht notwendig ist, weil jedem Kind ein Freibetrag von 400 000 Euro zusteht. Hinsichtlich der 200 qm-Grenze ist eine anteilige Aufteilung der Wohnfläche vorzunehmen. Der Wert der auf die Wohnfläche von 200 qm entfällt, ist dann Gegenstand der Steuerbefreiung. Die Grenze ist willkürlich und nur Ergebnis von Verhandlungen um den Geltungsbereich der Steuerbefreiung.
VI. Schuldbefreiung (Abs. 1 Nr. 5) 1. Allgemeines 44
Gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 5 ErbStG ist die Befreiung von einer Schuld des Erwerbers gegenüber dem Erblasser steuerfrei, sofern die Schuld durch Gewährung von Mitteln zum Zweck des angemessenen Unterhalts oder zur Ausbildung des Bedachten begründet worden ist oder der Erblasser die Befreiung mit Rücksicht auf die Notlage des Schuldners angeordnet hat und diese auch durch die Zuwendung nicht beseitigt wird. Die Steuerbefreiung entfällt, soweit die Steuer aus der Hälfte einer neben der erlassenen Schuld dem Bedachten anfallenden Zuwendung gedeckt werden kann.
1 BT-Drucks. 18/5923. 2 H E 13.4 Beispiel 2 ErbStH 2011. 3 Jülicher in T/G/J, § 13 ErbStG Rz. 75 (Stand: Juli 2015); Kobor in F/J/P/W5, § 13 ErbStG Rz. 41.
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Steuerbefreiungstatbestände (Abs. 1)
Rz. 47 § 13 ErbStG
2. Anwendungsbereich der Vorschrift Die Steuerbefreiungsvorschrift hat vor allem deswegen Bedeutung, weil gem. § 10 Abs. 3 ErbStG 45 Rechtsverhältnisse zwischen dem Erwerber und dem Erblasser im Erbfall nicht durch Konfusion erlöschen. Schuldet der Erwerber dem Erblasser aus einem Schuldverhältnis Geld und ist er auch alleiniger Erbe dieses Anspruchs, wäre er im Zeitpunkt des Erbfalls Schuldner und Gläubiger zugleich (z.B. Darlehensgläubiger verstirbt und Darlehensschuldner ist sein Alleinerbe).1 Zivilrechtlich würde eine solche Schuld erlöschen. Dieses Ergebnis wird von der Fiktion des § 10 Abs. 3 ErbStG für steuerliche Zwecke verhindert. Grundsätzlich ist für den Fall, dass der Darlehensschuldner auch gleichzeitig Alleinerbe des Erblassers wird, diese Darlehensschuld auch Teil des Nachlasses. Der Alleinerbe wird von einer Verbindlichkeit befreit. Dies gilt als steuerpflichtiger Erwerb. Allerdings soll dies wiederum nach § 13 Abs. 1 Nr. 5 ErbStG nicht eingreifen, wenn aus bestimmten Gründen das Schuldverhältnis zwischen dem Erblasser und dem Erwerber begründet wurde. Ein Erwerb ist steuerbefreit, wenn die Schuld des Erwerbers dadurch entstanden ist, dass er Mittel zum Zweck des angemessenen Unterhalts von dem Erblasser erhalten hat. Wird vor der Gewährung von Unterhalt oder Mitteln zur Ausbildung keine Schuld begründet, sondern handelt es sich direkt um eine Schenkung, greift indes § 13 Abs. 1 Nr. 12 ErbStG ein. Der Unterhalt ist angemessen, wenn die Zuwendung den Vermögensverhältnissen unter Lebensstellung des Bedachten entspricht.2 Des Weiteren ist eine solcher Erwerb steuerbefreit, wenn die Schuld zur Ausbildung des Bedachten begründet worden ist. Hier ist keine Angemessenheit zu prüfen. Es wird nur auf die Ausbildung des Bedachten abgestellt. In einem weiteren Fall liegt eine Steuerbefreiung vor, wenn der Erblasser die Befreiung von der Schuld mit Rücksicht auf die Notlage des Schuldners angeordnet hat und diese auch nicht durch Zuwendung beseitigt wird. In diesem Fall ist Voraussetzung, dass eine Notlage besteht, die nicht nur vorübergehend ist. Eine Notlage ist eine nicht nur vorübergehende finanzielle Zwangslage, von der sich der Steuerpflichtige bei seinen Einkommens- und Vermögensverhältnissen nur mit fremder Hilfe befreien kann.3 Eine Vermögenslosigkeit ist nicht erforderlich, eine bloße Überschuldung hingegen reicht nicht aus. Des Weiteren ist aber erforderlich, dass die Schuldbefreiung durch den Erblasser zur Beseitigung der Notlage des Erwerbers nicht ausreicht. Der Erblasser/Schenker als Gläubiger würde daher ohnehin nur auf eine wertlose Forderung verzichten.4 Grundsätzlich gilt § 13 Abs. 1 Nr. 5 ErbStG auch gegenüber einer juristischen Person, wenn ein Forderungsverzicht zum Zwecke der Sanierung ausgesprochen wird.5 Zuwendungen zur Sanierung eines Unternehmens nach § 13 Abs. 1 Nr. 5 ErbStG fallen allerdings nicht unter diese Vorschrift.6 3. Einschränkung der Steuerbefreiung (Abs. 1 Nr. 5 Satz 2) Darüber hinaus entfällt die Steuerbefreiung gem. § 13 Abs. 1 Nr. 5 Satz 2 ErbStG, wenn der Erwerber 46 neben dem Schulderlass noch weitere Vermögensgegenstände erwirbt, insoweit, als die Steuer aus der Hälfte dieser zusätzlichen Zuwendungen gezahlt werden kann. Zu beachten ist, dass die Vorschrift des § 13 Abs. 1 Nr. 12 ErbStG (Zuwendungen unter Lebenden zum Zwecke des angemessenen Unterhalts oder zur Ausbildung des Bedachten) keinen Ausschlusstatbestand enthält. Insofern wird eine direkte Schenkung von angemessenen Mitteln zum Zwecke des Unterhalts besser behandelt als die Begründung einer Schuld und dem anschließenden Erlass derselben. Beispiel: Der Erblasser hat seinem mit ihm nicht verwandten Patenkind 150 000 Euro zum Zwecke der Finanzierung seines Studiums gewährt. Als er verstirbt, wird das Patenkind noch mit einem Vermächtnis i.H.v. 50 000 Euro begünstigt. Inwieweit wird die Steuerbefreiung gem. § 13 Abs. 1 Nr. 5 ErbStG anwendbar sein?
1 Jochum in Wilms/Jochum, § 10 ErbStG Rz. 90 (Stand: März 2016); Kien-Hümbert in Moench/Weinmann, § 13 ErbStG Rz. 41 (Stand: Februar 2016). 2 Vgl. zur Angemessenheit § 13 Abs. 2 ErbStG und unten Rz. 108. 3 RFH v. 23.6.1938, III e 81/37, RStBl. 1938, 749. 4 Meincke16, § 13 ErbStG Rz. 27. 5 FG Rh.-Pf. v. 15.9.2005 – 4 K 2436/02, ErbStB 2006, 9 = EFG 2005, 1890. 6 Jülicher in T/G/J, § 13 ErbStG Rz. 82 (Stand: Juli 2015); Meincke16, § 13 ErbStG Rz. 35; Kien-Hümbert in Moench/Weinmann, § 13 ErbStG Rz. 44 (Stand: Februar 2016).
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§ 13 ErbStG Rz. 48 Steuerbefreiungen Lösung: Befreiung von einer Schuld als Erwerb + sonstiger Erwerb (Vermächtnis) Steuerpflichtiger Erwerb abzgl. Freibetrag gem. § 16 Abs. 1 Nr. 7 ErbStG Steuerpflichtiger Erwerb 30 % Erbschaftsteuer Hälfte der weiteren Zuwendung Erbschaftsteuer für Erwerb
150 000 t 50 000 t 200 000 t 20 000 t 180 000 t 54 000 t 25 000 t 25 000 t
VII. Zuwendungen an erwerbsunfähige Eltern oder Voreltern (Abs. 1 Nr. 6) 1. Allgemeines 48
Gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 6 ErbStG bleibt ein Erwerb steuerfrei, der an Eltern, Adoptiveltern, Stiefeltern oder Großeltern des Erblassers anfällt, sofern der Erwerb zusammen mit den übrigen Vermögen des Erwerbers 41 000 Euro nicht übersteigt und der Erwerber infolge körperlicher oder geistiger Gebrechen und unter Berücksichtigung seiner bisherigen Lebensstellung als erwerbsunfähig anzusehen ist oder durch die Führung eines gemeinsamen Hausstands mit erwerbsunfähigen oder in der Ausbildung befindlichen Abkömmlingen an der Ausübung einer Erwerbstätigkeit gehindert ist. § 13 Abs. 1 Nr. 6 Satz 2 ErbStG enthält auch eine Einschränkung der Steuerbefreiung: Übersteigt der Wert des Erwerbs zusammen mit dem übrigen Vermögen des Erwerbers den Betrag von 41 000 Euro, wird die Steuer nur insoweit erhoben, als sie aus der Hälfte des die Wertgrenze übersteigenden Betrags gedeckt werden kann. Die Steuerbefreiung soll Zuwendungen vor einem Zugriff des Fiskus schützen, die an erwerbsunfähige Eltern etc. gezahlt werden. Dabei ist zwischen Erwerben von Todes wegen und Schenkungen zu unterscheiden. Zwar gilt die Vorschrift für beide Formen des Erwerbs. Allerdings ist die praktische Bedeutung bei Erwerben von Todes wegen gering, weil bereits ein Freibetrag von 100 000 Euro bei Erwerben zugunsten der Eltern, Adoptiveltern und Großeltern anwendbar ist (§§ 15 Abs. 1 Steuerklasse I Nr. 4, 16 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG). Bei Erwerben von Todes wegen durch Stiefeltern und bei Schenkungen an den Erwerberkreis des § 13 Abs. 1 Nr. 6 ErbStG ist nur ein Freibetrag von 20 000 Euro anwendbar, so dass in diesen Fällen die Steuerbefreiung eingreift. Alternativ können dann Zuwendungen nach § 13 Abs. 1 Nr. 12 ErbStG vorgenommen werden, um die Erwerber zu unterstützen, weil diese unter bestimmten Voraussetzungen steuerfrei sind.1 2. Voraussetzungen und Rechtsfolgen
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Voraussetzung ist zunächst, dass der Erwerb zusammen mit dem übrigen Vermögen des Erwerbers 41 000 Euro nicht übersteigt. Das übrige Vermögen des Erwerbers ist das Vermögen des jeweiligen Erwerbers vor der Zuwendung. Weitere Voraussetzung ist, dass die genannten Erwerber aufgrund eines Gebrechens erwerbsunfähig sind. Gebrechen ist eine dauernde Störung der körperlichen oder geistigen Gesundheit. Gründe hierfür spielen keine Rolle. Es kann sich um körperliche Gebrechen wie auch um geistige Gebrechen handeln. Es ist dabei auf jeden Erwerber einzeln abzustellen.2 Alternative Voraussetzung ist, dass der jeweilige Erwerber durch die Führung eines gemeinsamen Hausstands mit erwerbsunfähigen oder in der Ausbildung befindlichen Abkömmlingen an der Ausübung einer Erwerbstätigkeit gehindert ist. Rechtsfolge ist, dass der Erwerb nach Satz 1 der Vorschrift grundsätzlich von der Steuer befreit wird, sofern der Erwerb zusammen mit dem übrigen Vermögen des Erwerbers 41 000 Euro nicht übersteigt. Dabei handelt es sich um eine Freigrenze, die jedem einzelnen Erwerber, der in § 13 Abs. 1 Nr. 6 ErbStG genannt ist, zusteht. Der Erwerb wird zunächst ohne Freibeträge berechnet. Sollte die Freigrenze von 41 000 Euro überschritten sein, so wird die Steuerbefreiung eingeschränkt. Die Steuer wird dann nur insoweit erhoben, als sie aus der Hälfte des die Wertgrenze übersteigenden Betrags gedeckt werden kann. 1 Kien-Hümbert in Moench/Weinmann, § 13 ErbStG Rz. 45 (Stand: Februar 2016); Meincke16, § 13 ErbStG Anm. 28 (Stand: Februar 2016). 2 Kien-Hümbert in Moench/Weinmann, § 13 ErbStG Rz. 48 (Stand: Februar 2016).
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Steuerbefreiungstatbestände (Abs. 1)
Rz. 51 § 13 ErbStG
Beispiel: Ein Sohn schenkt seinem erwerbsunfähigen Vater 100 000 Euro. Sein eigenes Vermögen beträgt 50 000 Euro. Es ist folgendermaßen zu berechnen: Lösung: Erwerb vom Sohn Eigenes Vermögen Gesamtvermögen Freigrenze von 41 000 Euro überschreitender Betrag Davon hälftig Besteuerung des Erwerbs: Erwerb vom Sohn abzgl. Freibetrag gem. § 16 Abs. 1 Nr. 5 ErbStG ErbSt in Steuerklasse II (20 % von 80 000 Euro)
50
100 000 t 50 000 t 150 000 t 109 000 t 54 500 t 100 000 t – 20 000 t 80 000 t 16 000 t
Die Erbschaftsteuer beträgt 16 000 Euro. Da der Vater ein eigenes Vermögen von 50 000 Euro hat, ist die Steuer i.H.v. 16 000 Euro in voller Höhe zu erheben, weil sie aus der Hälfte des die Freigrenze von 41 000 Euro übersteigenden Vermögens nach der Zuwendung (= 54 500 Euro) gedeckt werden kann. Sollte es zu einer Besteuerung kommen, ist auf die Vorschrift des § 13 Abs. 1 Nr. 12 ErbStG zurückzugreifen, die Unterhaltszahlungen im Rahmen der Angemessenheit als steuerfrei behandelt (s. Rz. 70 ff.)
VIII. Ansprüche aus dem Lastenausgleichsgesetz und anderen ähnlichen Gesetzen (Abs. 1 Nr. 7) Die Vorschrift des § 13 Abs. 1 Nr. 7 ErbStG stellt Ansprüche, die auf dem Lastenausgleichsgesetz 51 und ähnlichen Gesetzen beruhen, steuerfrei. Allerdings ist nur die Geltendmachung des jeweiligen Anspruchs und die Erfüllung für den Anspruchsteller steuerfrei.1 Bereits festgesetzte konkrete Zahlungsansprüche oder bereits ausgezahlte Ansprüche unterliegen hingegen bei einer Zuwendung von Todes wegen oder bei einer Schenkung der Erbschaft- bzw. Schenkungsteuer.2 Wenn ein Erblasser zu Lebzeiten aufgrund eines Entschädigungsanspruchs eine Spareinlage in Form einer Schuldverschreibung erhält und zum Todeszeitpunkt diese Schuldverschreibung noch im Nachlass vorhanden ist, handelt es sich gerade nicht um einen Erwerb nach § 13 Abs. 1 Nr. 7 Buchst. a ErbStG, weil der Erwerber den Anspruch auf die Einlagenrückforderung erbt.3 In erster Linie stellt § 13 Abs. 1 Nr. 7a ErbStG Ansprüche von der Erbschaft- und Schenkungsteuer frei, die aufgrund der Folgen des Zweiten Weltkriegs ausgezahlt werden. Das Lastenausgleichsgesetz z.B. hat zum Ziel, Deutschen, die infolge des Zweiten Weltkrieges und seiner Nachwirkungen Vermögensschäden oder besondere Nachteile erlitten haben, eine finanzielle Entschädigung zu gewähren (§ 13 Abs. 1 Nr. 7 Buchst. a ErbStG). Es handelt sich um Leistungen aus dem Flüchtlingshilfegesetz, dem allgemeinen Kriegsfolgengesetz, dem Gesetz zur Regelung der Verbindlichkeiten nationalsozialistischer Einrichtungen und der Rechtsverhältnisse an deren Vermögen, Ansprüche aus dem Häftlingshilfegesetz, aus dem strafrechtlichen Rehabilitierungsgesetz sowie Bundesvertriebenengesetz, aus dem Vertriebenenzuwendungsgesetz, aus dem verwaltungsrechtlichen Rehabilitierungsgesetz sowie aus dem beruflichen Rehabilitierungsgesetz. Die Ansprüche aus den in Buchst. a bis d aufgezählten Gesetzen haben heutzutage kaum mehr Bedeutung.
1 Jülicher in T/G/J, § 13 ErbStG Rz. 90 (Stand: Juli 2015); Jochum in Wilms/Jochum, § 13 ErbStG Rz. 103 (Stand: März 2016). 2 BFH v. 1.2.1982 – II R 58/78, BStBl. II 1982, 226. 3 BFH v. 1.12.1982 – II R 139/78, BStBl. II 1983, 118.
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§ 13 ErbStG Rz. 52 Steuerbefreiungen
IX. Ansprüche auf Entschädigungsleistungen nach Bundesentschädigungsgesetz und Gesetz über Entschädigungen für Opfer des Nationalsozialismus (Abs. 1 Nr. 8) 52
Gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 8 ErbStG sind Ansprüche nach dem Bundesentschädigungsgesetz steuerfrei. Dieses Gesetz betrifft Entschädigungsansprüche von Opfern nationalsozialistischer Verfolgung. Früher galt, dass die Auszahlungsansprüche und darüber hinaus die ausgezahlten Beträge ebenfalls steuerfrei waren, solange diese noch unterscheidbar im Nachlass vorhanden waren.1 Dann erfolgte allerdings eine Gleichstellung der Auslegung des § 13 Abs. 1 Nr. 8 mit Nr. 7, so dass sowohl entstandene Ansprüche als auch ausgezahlte Ansprüche bei Übertragung nicht mehr der Steuerbefreiung unterliegen.2
X. Angemessenes Entgelt für Pflege oder Unterhalt/Pflegegeld nach § 37 SGB XI und ähnliche Leistungen (Abs. 1 Nr. 9, 9a) 1. Systematik 53
Gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 9 ErbStG ist der Erwerb einer Person bis zu 20 000 Euro steuerbefreit, wenn diese Person dem Erblasser unentgeltlich oder gegen unzureichendes Entgelt Pflege oder Unterhalt gewährt hat, soweit das Zugewendete als angemessenes Entgelt anzusehen ist. Diese Steuerbefreiung betrifft Personen, die zu Lebzeiten dem Erblasser Pflege oder Unterhalt geleistet haben, diese allerdings dafür aber nicht entlohnt worden sind oder zu wenig Entgelt dafür erhalten haben und vom Erblasser angemessen bedacht werden. Entgegen dem Wortlaut gilt die Vorschrift nicht nur für Erwerbe von Todes wegen, sondern auch für Schenkungen.3 Allerdings dürfte der Anwendungsbereich in erster Linie Erbfälle betreffen, weil dann keine Beziehung mehr zwischen der eigentlichen Unterhaltsleistung oder Pflegeleistung des Empfängers und der Zuwendung des Erblassers hergestellt werden kann. Bei Zuwendungen unter Lebenden kann von einem entgeltlichen Rechtsgeschäft ausgegangen werden, so dass eine Schenkung ausscheidet. Dann würden die empfangenen Leistungen beim Erwerber der Einkommensteuer unterliegen. 2. Rechtsentwicklung
54
Vor 1974 war es weitere Voraussetzung der Steuerbefreiung, dass der Erwerber die Pflege- und Unterhaltsleistungen „in Erwartung einer letztwilligen Zuwendung“ erbrachte. Dieses Merkmal wurde dann mit dem ErbStG 19744 abgeschafft. Bis 2009 wurde die Befreiung nur i.H.v. DM 2 000 gewährt. Diese wurde dann am 1.10.2006 auf 5 200 Euro und mit dem Erbschaftsteuerreformgesetz 2009 vom 24.12.20085 sogar auf 20 000 Euro erhöht. Es handelt sich um einen Freibetrag, das bedeutet, dass grundsätzlich 20 000 Euro steuerfrei bleiben, unabhängig davon, wie hoch der Erwerb ist. Es bedarf dieser Steuerbefreiung, weil eine Zuwendung grundsätzlich einen steuerbaren Erwerb darstellen würde. Dies ergibt sich auch aus der Vorschrift des § 7 Abs. 4 ErbStG, wonach die Steuerpflicht einer Schenkung nicht dadurch ausgeschlossen wird, dass sie zur Belohnung oder unter einer Auflage gemacht oder in die Form eines lästigen Vertrags gekleidet wird. 3. Voraussetzungen im Einzelnen a) Anwendbarkeit
55
Die Steuerbefreiung kann von natürlichen und juristischen Personen in Anspruch genommen werden. Im Falle einer Unterhalts- oder Pflegeverpflichtung, wie z.B. unter Ehegatten nach § 1353 BGB, 1 2 3 4 5
BFH v. 4.3.1964 – II 41/60, BStBl. III 1964, 246; v. 12.3.1968 – II R 110/66, BStBl. II 1968, 495. BFH v. 17.4.1996 – II R 31/94, BStBl. II 1996, 456; vgl. hierzu auch Meincke, ZEV 1996, 316. R E 13.5 Abs. 1 Satz 1 ErbStR 2011. Gesetz v. 17.4.1974, BGBl. I 1974, 933. BGBl. I 2008, 3018.
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Steuerbefreiungstatbestände (Abs. 1)
Rz. 57 § 13 ErbStG
soll die Vorschrift nicht eingreifen. Dies gilt auch für Lebenspartner gem. § 5 LPartG und bei Verwandten in gerader Linie nach § 1601 BGB. Eine Unterhaltsverpflichtung ist aber nur dann anzunehmen, wenn der gesetzliche Unterhaltsberechtigte auch bedürftig ist (§ 1602 Abs. 2 BGB).1 b) Pflegeleistungen Es müssen Pflege- oder Unterhaltsleistungen unentgeltlich oder gegen ein unzureichendes Entgelt er- 56 bracht werden.2 Dabei kommt es auf das gezahlte und nicht das vereinbarte Geld an. Der Wert der Pflegeleistungen ist im konkreten Fall am Maßstab der objektiven Verhältnisse im Zeitpunkt der Pflegeleistung zu ermitteln.3 Für die Bewertung von Pflegeleistungen können die monatlichen Pauschalvergütungen bei der Inanspruchnahme von Pflegesachleistungen nach dem SGB herangezogen werden.4 Hinsichtlich des Begriffs der Pflege wird eine weite Auslegung zu bevorzugen sein. Allerdings muss eine gewisse Regelmäßigkeit vorhanden sein, d.h. es darf nicht nur gelegentlich eine solche Leistung erbracht werden.5 Pflege ist die regelmäßige und dauerhafte Fürsorge für das körperliche, geistige oder seelische Wohlbefinden einer wegen Krankheit, Behinderung, Alters oder eines sonstigen Grundes hilfsbedürftigen Person. Nach dem BFH ist hingegen nicht erforderlich, dass der Erblasser pflegebedürftig i.S.d. § 14 Abs. 1 SGB IX ist oder einer Pflegestufe nach § 15 Abs. 1 Satz 1 SGB IX zugeordnet war.6 Die Gewährung eines Pflegefreibetrags setzt voraus, dass Pflegeleistungen regelmäßig und über eine längere Dauer erbracht worden sind, über ein übliches Maß der zwischenmenschlichen Hilfe hinausgehen und im allgemeinen Verkehr einen Geldwert haben.7 Der Pflegebegriff erfasst auch Leistungen bei der Hausarbeit, die Erledigung von Botengängen, Schriftverkehr und Einkäufen, die persönliche Begleitung bei Arztbesuchen oder bei Vorsprachen bei Behörden sowie den zwischenmenschlichen Austausch in Gesprächen, soweit die Leistungen nachhaltig und mit einer gewissen Regelmäßigkeit erbracht werden und über ein übliches Maß hinausgehen. Der Freibetrag des § 13 Abs. 1 Nr. 9 ErbStG ist insbesondere dann nicht anwendbar, wenn dem Erben vom Erblasser zu Lebzeiten versprochen worden ist, ihm zum Erben einzusetzen unter der Voraussetzung, dass er ihn pflegt und der Erbe deswegen schon einen Anspruch auf angemessene Vergütung gegen den Erblasser hat, die dann als Nachlassverbindlichkeit i.S.d. § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG abziehbar ist.8 Die Berücksichtigung als Nachlassverbindlichkeit geht insoweit vor.9 Ob der Pflegefreibetrag nach § 13 Abs. 1 Nr. 9 ErbStG von Verwandten in gerader Linie (Eltern pflegen ihr volljähriges Kind) zu berücksichtigen ist, ist gerade Frage eines anhängigen Verfahrens beim BFH.10 c) Unterhalt Eine Unterhaltsgewährung liegt vor, wenn der Erwerber dem Erblasser Lohn, Verpflegung oder 57 Kleidung gewährt oder dessen Lebenshaltung, z.B. durch Unterbringung in einem Altenheim durch Hingabe von Geld, finanziert hat. Insgesamt muss der Erwerb i.S.d. § 13 Abs. 1 Nr. 9 ErbStG als angemessenes Entgelt anzusehen sein, das bedeutet, er muss etwa dem Betrag entsprechen, den der Erblasser durch die Inanspruchnahme der Pflege und Unterhaltsleistungen des späteren Erwerber erspart hat.11
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FG Niedersachsen v. 21.3.2015 – 3 K 35/15, ErbStB 2015, 350; Az. BFH: II R 37/15. Halaczinsky, UVR 2012, 206 (207). BFH v. 10.12.1980 – II R 101/78, BStBl. II 1981, 270. OFD Erfurt v. 9.7.2002, DStR 2002, 1305. Jülicher in T/G/J, § 13 ErbStG Rz. 104 (Stand: Juli 2015); Jochum in Wilms/Jochum, § 13 ErbStG Rz. 108 (Stand: März 2016). BFH v. 11.9.2013 – II R 37/12, FR 2014, 245 = ErbStB 2014, 4 = ZEV 2013, 690, vgl. dazu Pilz-Hönig, ZErb 2014, 70. FG BW v. 6.7.2012, 11K 4190/11, FG BW v. 6.7.2012 – 11 K 4190/11, EFG 2012, 2217. BFH v. 28.6.1995 – II R 80/94, BStBl. II 1995, 784. BFH v. 9.11.1994 – II R 110/91, BStBl. II 1995, 62. II R 23/12; vorgelegt vom FG Nds. v. 20.4.2012 – 3 K 230/11. BFH v. 11.9.2013 – II R 37/12, FR 2014, 245 = ErbStB 2014, 4 = ZEV 2013, 690.
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§ 13 ErbStG Rz. 58 Steuerbefreiungen d) Hilfsbedürftigkeit 58
Die Steuerbefreiung setzt weiter voraus, dass der Erwerber die Hilfsbedürftigkeit des Erblassers sowie Art, Dauer, Umfang und Wert der tatsächlich erbrachten Pflegeleistungen schlüssig darlegt und glaubhaft macht. Der Steuerpflichtige, der sich auf die Steuerbefreiung beruft, trägt insoweit die Feststellungslast. Aufgrund der Bedeutung für die Vorschrift sollten allerdings nach dem BFH keine übersteigerten Anforderungen an die Darlegung der Glaubhaftmachung gestellt werden. Es ist daher ein großzügiger Maßstab anzulegen.1 Handelt es sich um die Pflege eines über 80 Jahre alten Menschen, ist regelmäßig von einer Hilfsbedürftigkeit auszugehen. Es können auch Pflegeleistungen gegenüber einer Person erbracht werden, die bereits in einem Pflegeheim lebt. Die Angemessenheit bestimmt sich nach den gesamten Umständen des Einzelfalls. Zur Ermittlung des Werts der vom Erwerber erbrachten Pflegeleistungen können die jeweils für vergleichbare Leistungen zu zahlenden üblichen Vergütungssätze entsprechender Berufsgruppen oder gemeinnütziger Vereine herangezogen werden. Es kann auch ein höherer Wert nachgewiesen werden. Bei einer intensiven und umfassenden Pflegeleistung kann der Freibetrag auch in voller Höhe zu gewähren sein, ohne dass ein Einzelnachweis tatsächlich erforderlich ist.2
XI. Zuwendung von Pflegegeld nach § 37 SGB IX und ähnliche Leistungen (Abs. 1 Nr. 9a) 1. Rechtsentwicklung 59
§ 13 Abs. 1 Nr. 9a ErbStG befreit Geldzuwendungen unter Lebenden von der Erbschaftsteuerpflicht, die eine Pflegeperson für Leistungen zur Grundpflege oder hauswirtschaftlichen Versorgung von Pflegebedürftigen erhält bis zur Höhe des sozialversicherungsrechtlichen Pflegegelds gem. § 37 SGB IX. Die Vorschrift gilt seit dem 1.4.1995,3 weil seitdem Leistungen aus der Pflegeversicherung bezahlt werden. Zu den Leistungen der Pflegeversicherung gehören Pflegesachleistungen nach §§ 28 Abs. 1 Nr. 1, 36 SGB XI. Pflegebedürftige können gem. § 37 Abs. 1 SGB XI anstelle der häuslichen Pflegehilfe ein Pflegegeld beantragen, wenn sie sich selbst um eine Pflegeperson bemühen. Handelt es sich bei der Weitergabe des Pflegegeldes um eine Entlohnung der Pflegeperson, würde ohnehin kein schenkungsteuerpflichtiger Vorgang vorliegen.4 Handelt es sich allerdings um eine Anerkennung oder Belohnung, so wäre der Vorgang grds. schenkungsteuerpflichtig nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG. Dieses Ergebnis soll durch § 13 Abs. 1 Nr. 9a ErbStG korrigiert werden.
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Voraussetzung für die Steuerbefreiung ist zunächst, dass der Erwerber, also die Pflegeperson, die eine Zuwendung unter Lebenden von einem Pflegebedürftigen für Leistungen der Grundpflege oder zur hauswirtschaftlichen Versorgung erhält. Der Erwerber muss eine Pflegeperson i.S.d. § 19 SGB IX sein, d.h. eine Person, die nicht erwerbsmäßig einen Pflegebedürftigen i.S.d. § 14 SGB IX wenigstens vierzehn Stunden wöchentlich in seiner häuslichen Umgebung pflegt. Pflegebedürftig i.S.d. § 14 Abs. 1 SGB IX ist eine Person, die wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung für die gewöhnlichen oder regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens auf Dauer voraussichtlich für mindestens sechs Monate in erheblichem oder höherem Maße der Hilfe bedarf. Die Steuerbefreiung setzt weiterhin voraus, dass eine pflegebedürftige Person das durch die gesetzliche oder private Pflegeversicherung oder durch beamtenrechtliche Beihilfe erhaltene Pflegegeld an eine Pflegeperson laufend weitergibt, ohne dass ein Vertrag besteht. Dabei kommt es nicht darauf an, dass das monatliche Pflegegeld weitergegeben wird, sondern die Steuerbefreiung greift auch ein, wenn Zahlungen weitergegeben werden, die aus
2. Voraussetzungen
1 BFH v. 11.9.2013 – II R 37/12, FR 2014, 245 = ErbStB 2014, 4 = ZEV 2013, 690. 2 BFH v. 11.9.2013 – II R 37/12, FR 2014, 245 = ErbStB 2014, 4 = ZEV 2013, 690, vgl. Meßbacher-Hönsch, juris PR-SteuerR 4/2014, Anm. 4. 3 JStG v. 11.10.1995, BGBl. I 1995, 1250. 4 Zur einkommensteuerlichen Behandlung der Zahlungen vgl. § 3 Nr. 26 EStG.
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Steuerbefreiungstatbestände (Abs. 1)
Rz. 62 § 13 ErbStG
mehreren Monatsbeiträgen bestehen. Die Begünstigung gilt auch für die Weitergabe des Pflegegeldes aus der entsprechenden privaten Pflegeversicherung oder einer Pauschalbeihilfe nach den beihilferechtlichen Vorschriften. Im Unterschied zu § 13 Abs. 1 Nr. 9 ErbStG bezieht sich die Steuerbefreiung des § 13 Abs. 1 Nr. 9a ErbStG nur auf das gesetzliche Pflegegeld und ist damit der Höhe nach begrenzt. Nur in dieser Höhe ist keine Schenkung anzunehmen. Sollten die Voraussetzungen des § 13 Abs. 1 Nr. 9a ErbStG im Einzelfall nicht gegeben sein, ist § 13 Abs. 1 Nr. 9 ErbStG zu prüfen. Der Freibetrag von 20 000 Euro bleibt unberührt.1
XII. Vermögensrückfall von Todes wegen an Eltern oder Voreltern (Abs. 1 Nr. 10) 1. Sinn und Zweck der Vorschrift Gemäß 13 Abs. 1 Nr. 10 ErbStG bleibt der Rückfall von Vermögensgegenständen von Todes wegen, 61 die die Eltern oder Voreltern ihren Abkömmlingen durch Schenkung oder Übergabevertrag zu Lebenden zugewandt hatten, steuerfrei. Damit ist der Fall gemeint, dass z.B. Eltern ihren Abkömmlingen zu Lebzeiten eine Schenkung machen und aufgrund des vorzeitigen Todes des Abkömmlings der Vermögensgegenstand von Todes wegen wieder an die Eltern zurückfällt. In einem solchen Fall würde grundsätzlich zweimal eine Erbschaft- oder Schenkungsteuer anfallen. Zunächst wäre die Schenkung an die Kinder ein steuerbarer Vorgang. Auch der Rückfall von Todes wegen wäre ebenfalls ein steuerbarer Vorgang (§ 1 Abs. 1 ErbStG). Würden dann die Eltern z.B. den Gegenstand wieder an die nächste Generation verschenken, käme es sogar zu einer Dreifachversteuerung. Die Vorschrift des § 13 Abs. 1 Nr. 10 ErbStG sorgt dafür, dass zumindest der Rückfall des Vermögens, das verschenkt wurde, an die Schenker nicht nochmals besteuert wird. Würde man dann allerdings eine weitere Schenkung an andere Personen vornehmen, würde dieser Vorgang des Schenkers wiederum der Schenkungsteuer unterliegen. Häufig ist in Schenkungsverträgen vorgesehen, dass ein Rücktrittsrecht oder ein Widerrufsrecht besteht, wenn der Beschenkte vor dem Schenker verstirbt. In einem solchen Fall kommt es zu einer Rückabwicklung des Schenkungsvertrags mit dem Erlöschen der Steuer für die Vergangenheit gem. § 29 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG. Insoweit ist der Anwendungsbereich der Vorschrift recht gering, weil in den meisten Fällen in der Praxis eine solche Vorschrift bereits in dem Schenkungsvertrag zwischen Eltern und Kindern vorhanden sein dürfte. Eine Anwendung auf Rückschenkungen ist nicht gegeben. Die Nichtanwendung auf Schenkungen wird auch vom BVerfG gerechtfertigt. Da es sich um eine Steuerbefreiung handelt, ist der Gesetzgeber auch berechtigt, diese auf bestimmte Tatbestände zu reduzieren. 2. Voraussetzungen a) Personenidentität Voraussetzung ist zunächst, dass es sich um einen Vermögensgegenstand handelt, der von den Eltern 62 oder Voreltern den Abkömmlingen durch Schenkung oder Übergabevertrag zugewandt wurde. Des Weiteren muss die Person, die den Gegenstand schenkt und übergibt, diejenige sein, die den Gegenstand auch von Todes wegen vom Empfänger zurückerhält. Es ist nur der Vermögensrückfall steuerbefreit, wenn tatsächlich die Person den Gegenstand zuvor übertragen hat2 (Identität der beteiligten Personen). Beispiel: Die in Gütergemeinschaft lebenden Eltern verschenken ihrer Tochter ein bebautes Grundstück. Die Mutter verstirbt nach der Schenkung, ebenso die Tochter. Nach erfolgreicher Anfechtung der Annahme der Erbschaft durch die Schwester wurde der Vater der verstorbenen Tochter Alleinerbe. Lösung: Gesetzliche Erben wären die Schwester und der Vater zu je 1/2 gewesen. Durch den Tod der Tochter ist der Grundbesitz auf den Vater zurückgefallen, allerdings nur seine Hälfte im Rahmen der Gütergemeinschaft. Die andere
1 Kien-Hümbert in Moench/Weinmann, § 13 ErbStG Rz. 65 (Stand: Februar 2016). 2 FG München v. 21.6.2006 – 4 K 2156/05, EFG 2007, 54.
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§ 13 ErbStG Rz. 63 Steuerbefreiungen Hälfte, die die vorverstorbene Mutter der Erblasserin übertragen hatte, ist dann nicht nach § 13 Abs. 1 Nr. 10 ErbStG von der Erbschaftsteuer befreit, sondern nur der hälftige Anteil an den Vater. Im Falle der Mutter ist kein Vermögensrückfall an diese erfolgt, weil diese nicht mehr lebte.
b) Das zurückfallende Vermögen 63
Des Weiteren muss auch eine Identität zwischen dem zuvor geschenkten und zurückfallenden Vermögensgegenstand bestehen. Eine gegenständliche Identität muss nicht gegeben sein, allerdings reicht nicht das wertmäßige Vorhandensein aus.1 Mittlerweile wird eine wirtschaftliche Identität gefordert. Es reicht aus, dass bei objektiver Betrachtung Artgleichheit und Funktionsgleichheit besteht.2 Im Falle eines Surrogats liegt eine Identität nur vor, wenn sie bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise als mit den zugewendeten Vermögensgegenständen noch identisch betrachtet werden kann. Nach der finanzgerichtlichen Rechtsprechung3 sind auch Prämien, die Eltern für eine Lebensversicherung auf den Erlebens- und Todesfall ihres Kindes entrichten, identisch mit dem korrespondierenden Anspruch des Versicherungsnehmers (in dem Falle dem Kind) auf den Rückkaufswert der Versicherung. Der Rückfall von im Austausch der zugewendeten Gegenstände in das Vermögen des Beschenkten gelangten Vermögensgegenstände ist nicht begünstigt.4 Eine vom Erblasser von Todes wegen erworbene Entschädigung für die Enteignung eines Grundstücks ist auch im wirtschaftlichen Sinne kein Surrogat, das noch als identisch mit dem dem Erblasser geschenkten Grundstück angesehen werden kann.5 So wurde vom BFH ausdrücklich verneint, dass eine Identität gegeben sei, wenn eine atypisch stille Beteiligung an einer KG als Vermögensgegenstand geschenkt worden ist und die auf dem Darlehenskonto der KG gebuchten nicht entnommenen Gewinnanteile sowie eine mit den entnommenen Gewinnanteilen erworbene weitere Beteiligung als Surrogat dann an den ursprünglichen Schenker zurückfallen. Hier ist eine Identität der Vermögensgegenstände nicht mehr gegeben.6 In der Praxis dürfte es schwierig sein, abzugrenzen, wann eine Art- und Funktionsgleichheit noch bejaht werden kann und wann nicht. Es soll aber z.B. der Tausch einer unmittelbaren Beteiligung gegen eine mittelbare Beteiligung an derselben Gesellschaft, der Formwechsel innerhalb des Bereichs der Kapitalgesellschaften, der Erhalt neuer Anteile nach einer Verschmelzung und die Zuweisung eines anderen Grundstücks im Rahmen eines Umlegungsverfahrens nach §§ 45 ff. BauG identisch sein.7 3. Rechtsfolgen
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Sind die Voraussetzungen des § 13 Abs. 1 Nr. 10 ErbStG gegeben, so ist die Steuerbefreiung grundsätzlich anwendbar. Es sind keine Freigrenzen, Freibeträge oder Beschränkungen anwendbar. Auch Wertsteigerungen des entsprechenden Vermögensgegenstands, der zurückfällt, werden nicht berücksichtigt. Etwaige Erlöse, Früchte oder Nutzungen, die aus dem Gegenstand gezogen worden sind, bleiben allerdings auch von der Steuerbefreiung ausgenommen. Nur der Vermögensgegenstand als solcher ist befreit.8 Eine Trennung zwischen dem zurückfallenden Vermögensgegenstand und den Erträgen ist nicht bei allen Vermögensgegenständen unproblematisch durchzuführen. Wertsteigerungen der Vermögensgegenstände werden steuerfrei übertragen, Früchte/Erträge hingegen steuerpflichtig.9
1 2 3 4 5 6 7 8 9
BFH v. 25.3.1974 – II R 40/68, BStBl. II 1974, 658. BFH v. 22.6.1994 – II R 1/92, DB 1994, 1603. FG Hess. v. 11.4.1989 – X 182-183/82, EFG 1989, 518. R E 13.6 ErbStR 2011. FG München v. 13.3.1991 – 4 K 10228/85, Juris, bestätigt durch BFH v. 22.6.1994 – II R 1/92, BStBl. II 1994, 656. BFH v. 22.6.1994 – II R 13/90, BStBl. II 1994, 759. Vgl. z.B. Jülicher in T/G/J, § 13 ErbStG Rz. 125 (Stand: Juli 2015); Jochum in Wilms/Jochum, § 13 ErbStG Rz. 114 (Stand: März 2016). BFH v. 22.6.1994 – II R 13/90, BStBl. II 1994, 759. R E 13.6 Abs. 2 Satz 4 bis 6 ErbStR, BFH v. 22.6.1994 – II R 13/90, BStBl. II 1994, 759.
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Steuerbefreiungstatbestände (Abs. 1)
Rz. 66 § 13 ErbStG
4. Gestaltungshinweise In der Praxis ist grundsätzlich zu empfehlen, in jedem Schenkungsvertrag eine Rückfallklausel für 65 den Fall zu vereinbaren, dass der Beschenkte vor dem Schenker verstirbt. Dann wird die Erbschaftsteuer rückwirkend beseitigt (§ 29 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG). Bei einer erfolgten Ausübung des Rücktrittsrechts ist zu beachten, dass nach § 29 Abs. 2 ErbStG der Beschenkte eine Nutzungswertbesteuerung vorzunehmen hat, sofern ihm nach Herausgabe des geschenkten Vermögensgegenstands die Früchte und Nutzungen auch verbleiben. Dies ist nicht der Fall, wenn sie nach den Bereicherungsgrundsätzen der §§ 812 ff., 818 Abs. 1 BGB ohnehin herauszugeben sind.1 Dies führt in der Praxis dazu, dass es z.B. bei Schenkung einer Personengesellschaft darauf ankommt, welche Kapitalkonten geschenkt wurden.2
XIII. Verzicht auf den Pflichtteil oder auf den Erbersatzanspruch (Abs. 1 Nr. 11) 1. Anwendungsbereich der Vorschrift Die Steuerbefreiung des § 13 Abs. 1 Nr. 11 ErbStG stellt klar, dass der Verzicht auf die Geltendma- 66 chung des Pflichtteilsanspruchs oder des Erbersatzanspruchs steuerfrei bleibt.3 Dabei ist im Bereich des Pflichtteilsanspruchs in erbschaftsteuerrechtlicher Hinsicht folgendes zu berücksichtigen: Der Pflichtteilsanspruch wird erbschaftsteuerrechtlich nur bei Geltendmachung steuerpflichtig (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 9 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b ErbStG). Damit wird keine Steuerbefreiung notwendig. Der ausdrückliche Verzicht soll dem Fall der stillschweigenden Unterlassung der Geltendmachung gleichgestellt werden. Dies wird über § 13 Abs. 1 Nr. 11 ErbStG klargestellt. Insbesondere ist im Anwendungsbereich des § 13 Abs. 1 Nr. 11 ErbStG zu differenzieren, in welcher Situation ein Pflichtteilsverzicht erfolgt. Wird bereits vor dem Erbfall ein Pflichtteilsverzicht ohne weitere Gegenleistung ausgesprochen, liegt kein erbschaftsteuerbarer Vorgang vor, so dass keine Befreiung notwendig ist. Ein Verzicht gegen Abfindung fiele hingegen unter § 7 Abs. 1 Nr. 5 ErbStG. Wird hingegen ein mit dem Erbfall entstandener Pflichtteilsanspruch nicht geltend gemacht, so fällt dies unter § 13 Abs. 1 Nr. 11 ErbStG. Eine Abfindung wäre schenkungsteuerpflichtig. Es gibt auch den Fall des Verzichts, nachdem der Pflichtteil geltend gemacht wurde. Bei einem Verzicht nach Geltendmachung des Pflichtteilsanspruchs entsteht zunächst Erbschaftsteuer, die aber nach Auffassung in der Literatur4 nicht durch den Verzicht nachträglich wegfällt. Der Verzicht auf einen bereits geltend gemachten Pflichtteilsanspruch ist daher nicht steuerbefreit.5 Dabei handelt es sich um eine steuerpflichtige Zuwendung i.S.d. § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG unter Lebenden.6 Geltendmachung bedeutet das ernstliche Verlangen des Berechtigten auf Erfüllung des Pflichtanspruchs.7 Eine Geltendmachung liegt auch vor, wenn der Pflichtteilsberechtigte den Pflichtteil nicht ausdrücklich verlangt, aber ein entsprechendes Angebot des Verpflichtenden angenommen hat.8 Dies gilt nicht, wenn er z.B. ein Auskunftsbegehren gegenüber Erben geltend macht z.B. durch anwaltliches Schreiben.9 Vergleichsvereinbarungen begründen auch eine Geltendmachung und führen bei ausschließendem Verzicht zu einer Schenkung. Insbesondere ist zu berücksichtigen, dass keine Bezifferung des Pflichtteilsanspruchs für eine Geltendmachung erforderlich ist.10 Der Pflichtteil sollte daher nicht vorschnell geltend gemacht 1 Geck in Kapp/Ebeling, § 13 ErbStG Rz. 85 (Stand: Juli 2016); Meincke16, § 29 ErbStG Rz. 18. 2 Vgl. Jülicher in T/G/J, § 13 ErbStG Rz. 129 (Stand: Juli 2015); Kien-Hümbert in Moench/Weinmann, § 13 ErbStG Rz. 70 (Stand: Februar 2016). 3 Roth, RNotZ 2013, 193; Krumm, ErbR 2012, 139. 4 Geck in Kapp/Ebeling, § 13 ErbStG Rz. 103 (Stand: Juli 2016) 5 FG München v. 24.8.2005 – 4 K 4361/03, ErbStB 2006, 8 = EFG 2005, 1887 mit Anm. Loose. 6 Griesel/Wälzholz in Mayer/Süß/Tanck/Wälzholz3, Handbuch Pflichtteilsrecht, § 17 Rz. 35; A.A. Geck in Kapp/ Ebeling, § 13 ErbStG Rz. 103 (Stand: September 2016). 7 Geck in Kapp/Ebeling, § 3 ErbStG Rz. 212. 8 Griesel/Wälzholz in Mayer/Süß/Tanck/Wälzholz3, Handbuch Pflichtteilsrecht, § 17 Rz. 47. 9 BFH v. 19.7.2006 – II R 1/05, FR 2006, 1096 m. Anm. Schlünder/Geißler = FR 2006, 986 = ErbStB 2006, 273 = BFH/NV 2006, 1989; von Oertzen/Cornelius, ErbStB 2006, 49 (50). 10 BFH v. 19.7.2006 – II R 1/05, BStBl. II 2006, 718 = FR 2006, 1096 m. Anm. Schlünder/Geißler = FR 2006, 986 = ErbStB 2006, 273.
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§ 13 ErbStG Rz. 67 Steuerbefreiungen werden. Im Rahmen der Geltendmachung eines Pflichtteils ist auch zu berücksichtigen, dass nach der Geltendmachung und einer dann konkludent vereinbarten Stundung wiederum eine zusätzliche Schenkung liegen kann. Dies ist der Fall bei einer zinslos erfolgten Stundung, was i.d.R. unter Familienangehörigen der Fall sein dürfte. Ggf. wird bei schenkungsteuerlicher Erfassung einer zinslosen Stundung die Einkommensteuer durch die Schenkungsteuer zur Vermeidung einer Doppelbesteuerung verdrängt. 2. Erbersatzanspruch 67
§ 13 Abs. 1 Nr. 11 ErbStG enthält auch den sog. Erbersatzanspruch, der früher von nichtehelichen Kindern und ihren Vätern geltend gemacht werden konnte. Er wurde durch das Gesetz zur erbrechtlichen Gleichstellung nichtehelicher Kinder vom 16.12.1997 abgeschafft.1 Daher hat diese Variante des § 13 Abs. 1 Nr. 11 ErbStG keine Relevanz mehr, ist aber im Gesetzestext erwähnt.
XIV. Zuwendungen unter Lebenden zum Zwecke des angemessenen Unterhalts oder zur Ausbildung (Abs. 1 Nr. 12) 1. Allgemeines 68
Steuerfrei sollen auch Zuwendungen unter Lebenden zum Zwecke des angemessenen Unterhalts einer Person oder zur Ausbildung des Bedachten sein. Der Wortlaut der Vorschrift legt eindeutig fest, dass nur eine Anwendung auf Schenkungen unter Lebenden in Betracht kommt. Dies wird teilweise damit begründet, dass der RFH Schenkungen stets privilegierte, weil dies eine größere Opferbereitschaft darstellt. Daher sei der Ausschluss für Erwerbe von Todes wegen gerechtfertigt.2 Die Vorschrift wurde erst 1906 in das Erbschaftsteuergesetz eingefügt. Zu dieser Zeit war der Erwerb von Todes wegen durch Abkömmlinge ohnehin steuerfrei, so dass ggf. eine Anpassung der Vorschrift auf Erwerbe von Todes wegen deswegen unterblieben ist. M.E. erscheint es naheliegend, auch Erwerbe von Todes wegen, die die entsprechende Zielrichtung des § 13 Abs. 1 Nr. 12 ErbStG verfolgen (Unterhalts- und Ausbildungszuwendungen), zu privilegieren. Dies ist allerdings nach der heutigen Fassung der Vorschrift nicht der Fall. Eine weitere Einschränkung ergibt sich daraus, dass nur laufende Zuwendungen privilegiert sind, nicht aber Einmalzahlungen. Dies hatte der BFH in einer Entscheidung damit begründet, dass die Zwecksetzungen der Zuwendungen „zur Ausbildung des Bedachten oder zum Zwecke des angemessenen Unterhalts“ nicht weiter durch die Vorschrift gesichert würden.3 Insbesondere werde die Zwecksicherung nicht durch einen Nachversteuerungsvorbehalt abgesichert. Dann können aber auch nach der Schlussfolgerung des BFH nur laufende Zuwendungen steuerbefreit sein, da solche über einen kurzen Zeitraum gegeben werden und innerhalb dieses Zeitraums nicht mit einer Änderung der Verhältnisse zu rechnen ist. Bei einer anderen Verwendung könnte z.B. der Schenker bei laufenden Zuwendungen diese irgendwann einstellen, wenn sie für andere Zwecksetzungen verwendet werden. Dies ist bei einer Einmalzahlung nicht der Fall. Nach dem BFH seien Zuwendungen, die jeweils für einen größeren Zeitraum gegeben werden, nicht speziell für die Ausbildung oder für den Unterhalt gegeben, sondern nähmen in Wirklichkeit den Erbgang vorweg.4 Eine Ausnahme ist bei Unterhaltszuwendungen gegeben, wenn der Unterhaltsempfänger bereits ein bestimmtes Alter erreicht hat und absehbar ist, dass er zukünftig kein Vermögen erwirtschaften wird. Allerdings sollen nach einem Urteil des FG Rh.-Pf. v. 3.7.19975 auch Einmalzahlungen zu Ausbildungszwecken steuerbefreit sein, wenn Rückzahlungsverpflichtungen im Falle der zweckfremden Verwendung in der Vereinbarung enthalten sind. Nicht begünstigt sind Einmalzahlungen, die im Zuge der Ausbildung bereits entstandene Aufwendungen nachträglich abdecken sollen.
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BGBl. I 1997, 2968. RFH v. 28.4.1938 – III e 21/38, RStBl. 1938, 571. BFH v. 13.2.1985 – II R 227/81, BStBl. II 1985, 333. RFH v. 11.4.1935 – III e A 1/34, RStBl. 1935, 904; BFH v. 13.2.1985 – II R 227/81, BStBl. II 1985, 333 zu § 18 Abs. 1 Nr. 15 ErbStG 1959. 5 FG Rh.-Pf. v. 3.7.1997 – 4 K 1966/96, DStRE 1997, 769.
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Steuerbefreiungstatbestände (Abs. 1)
Rz. 70 § 13 ErbStG
2. Unterhaltszuwendungen Voraussetzungen für eine steuerfreie Unterhaltszuwendung ist zunächst, dass Unterhaltszuwendun- 69 gen nicht aufgrund einer gesetzlichen Unterhaltspflicht geleistet werden (z.B. unter Ehegatten gem. § 1353 BGB, unter Verwandten in gerade Linie gem. § 1601 ff. BGB).1 Eine Bereicherung liegt dann nicht vor, wenn der Empfänger bereits einen Anspruch gegen den Zuwendenden hat.2 Bei einer nicht-ehelichen Lebensgemeinschaft würde z.B. kein gesetzlicher Unterhaltsanspruch bestehen, hingegen aber bei einer eingetragenen Lebenspartnerschaft nach § 5 LPartG. Da der Unterhalt nur laufende Unterhaltszahlungen betrifft und nicht den Erwerb bestimmter Gegenstände, ist nach § 13 Abs. 1 Nr. 12 ErbStG z.B. die Finanzierung von Einrichtungsgegenständen oder Mittel zum Erwerb bestimmter anderer Gegenstände nicht steuerfrei. Nutzungsrechte können allerdings begünstigt werden. Gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 12 ErbStG muss der Unterhalt angemessen sein. Dabei kommt es nicht auf die Angemessenheit nach den §§ 1601 ff. BGB an. Dabei handelt es sich um Untergrenzen für eine zivilrechtliche Verpflichtung. § 13 Abs. 1 Nr. 12 ErbStG stellt auf eine Obergrenze ab.3 Die Angemessenheit ist in § 13 Abs. 2 ErbStG näher erläutert (s. unten Rz. 111). Dabei ist eine Zuwendung angemessen, die den Vermögensverhältnissen und der Lebensstellung des Bedachten entspricht. Übersteigt die Zuwendung dieses Maß, ist sie in vollem Umfang steuerpflichtig. Es gibt im Rahmen der Angemessenheit keine absolute Ober- oder Untergrenze, sondern das, was angemessen ist, bestimmt sich relativ nach den Vermögensverhältnissen und der Lebensstellung des Bedachten. Die Untergrenze dürfte das sozialrechtliche Existenzminimum sein. Hingegen ist bei Obergrenzen kein allgemeines Maß möglich. Hier kommt es auf den Einzelfall an.4 Übermäßig kann eine Unterhaltszahlung auch dann schon sein, wenn sie in den Kreisen des Bedachten noch üblich ist.5 Die Obergrenze liegt dort, wo die Zuwendung vom Standpunkt des allgemeinen Rechtsempfindens als übermäßig angesehen werden muss.6 Dann ist die gesamte Zuwendung steuerpflichtig. Allerdings ist hier fraglich, wann ein solches Übermaß gegeben ist. Eine allgemeine Höchstgrenze wäre daher bei dieser Vorschrift sinnvoll, um Diskussionen in der Praxis zu vermeiden. 3. Ausbildungszuwendungen Steuerfrei bleiben neben den Unterhaltszuwendungen auch Zuwendungen zum Zweck der Ausbil- 70 dung des Bedachten. Es gibt keinen speziellen erbschaftsteuerrechtlichen Begriff der Ausbildung, so dass auch auf § 10 Abs. 1 Nr. 7 EStG zurückgegriffen werden kann.7 Darunter versteht das Gesetz alle Maßnahmen, durch die das für den Beruf typische Können und schließlich eine selbständige gesicherte Lebensstellung erworben werden sollen.8 Berufsausbildung ist das Erlernen einer ersten oder weiteren, später gegen Entgelt auszuübenden Tätigkeit, wobei die Absicht der späteren Berufsausübung erkennbar sein muss.9 Dabei kommt es auf keine bestimmte Ausbildung an. Kosten der Ausbildung sind nicht nur die Lehrmittel, sondern auch die durch die Ausbildung bedingten zusätzlichen Lebenshaltungskosten, auch eines auswärtigen Aufenthalts. Wird das grundsätzliche Existenzminimum eines in der Ausbildung Befindlichen unterstützt, würde es bereits unter die Unterhaltszuwendungen fallen. Der Empfänger muss allerdings auch bedürftig sein und die Ausbildungskosten nicht aus eigenen Mitteln bestreiten können. Aus dem Wortlaut ergibt sich allerdings dieses Erfordernis nicht. Im Gegensatz zu den Unterhaltszuwendungen ist allerdings bei den Ausbildungszuwendungen keine Angemessenheitsgrenze zu beachten. Es sind daher jegliche Ausbildungskosten steuerbefreit, unabhängig von deren Höhe. Es darf damit auch gar keine Obergrenze gelten. Demnach dürften z.B. auch nicht Kosten für ein aufwendiges Auslandsstudium als steuerpflichtig anzusehen 1 BFH v. 22.8.2007 – II R 33/06, BStBl. II 2008, 28 = FR 2008, 242 = ErbStB 2008, 3; FG München v. 29.3.2006 – 4 K 4445/04, EFG 2006, 1082. 2 Wefers/Carlé, ErbStB 2013, 48. 3 Jülicher in T/G/J, § 13 ErbStG Rz. 140 (Stand: Juli 2015). 4 Jochum in Wilms/Jochum, § 13 ErbStG Rz. 182 (Stand: März 2016). 5 Jochum in Wilms/Jochum, § 13 ErbStG Rz. 122 (Stand: März 2016). 6 Kien-Hümbert in Moench/Weinmann, § 13 ErbStG Rz. 76 (Stand: Februar 2016). 7 Jülicher in T/G/J, § 13 ErbStG Rz. 144 (Stand: Juli 2015). 8 Heinicke in Schmidt35, § 10 EStG Rz. 120. 9 Heinicke in Schmidt35, § 10 EStG Rz. 120.
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§ 13 ErbStG Rz. 71 Steuerbefreiungen sein. Zahlungen zur nachträglichen Abdeckung bereits entstandener Ausbildungskosten fallen aber nicht unter § 13 Abs. 1 Nr. 12 ErbStG (Rückzahlung eines aufgenommenen Kredits des Auszubildenden).1 4. Gestaltungshinweise 71
Zu beachten ist, dass die Steuerfreiheit der Zuwendung i.S.d. § 13 Abs. 1 Nr. 12 ErbStG eindeutig nachgewiesen sein muss. Dies kann zwar auch durch außerhalb des Schenkungsvertrags liegende Umstände erfolgen.2 Aufgrund der erforderlichen Angemessenheit bei Unterhaltszuwendungen kann im Einzelfall die Steuerbefreiung streitig sein. Um nicht das Risiko zu haben, dass ggf. eine steuerpflichtige Schenkung vorliegt, sollte man entweder auf eine andere Gestaltung ausweichen oder ggf. eine vorsorgliche Schenkungsanzeige gem. § 30 ErbStG beim Finanzamt machen. Dies ist insbesondere empfehlenswert, wenn z.B. die Angemessenheit des Unterhalts nicht eindeutig festgestellt werden kann und die Gefahr besteht, dass die FinVerw. bei großzügigen Unterhaltsleistungen die Angemessenheit verneinen könnte.
XV. Zuwendungen an Pensions- und Unterstützungskassen (Abs. 1 Nr. 13) 1. Allgemeines 72
Gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 13 ErbStG sind Zuwendungen an Pensions- und Unterstützungskassen gem. § 5 Abs. 1 Nr. 3 KStG in dem Maße befreit, wie die Kassen die Voraussetzungen für eine Befreiung von der Körperschaftsteuer erfüllen. Zuwendungen des Trägerunternehmens an die Pensions- oder Unterstützungskasse, die als Betriebsausgaben abzugsfähig sind, fallen nicht unter § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG und sind ohnehin nicht schenkungsteuerpflichtig.3 Die Steuerbefreiung ist anwendbar auf Zuwendungen in eine Pensions- oder Unterstützungskasse, wenn sie von einem Unternehmer von Todes wegen oder von Dritten unter Lebenden oder von Todes gemacht werden.4 2. Erwerber sind Pensions- und Unterstützungskassen i.S.d. § 5 Abs. 1 Nr. 3 KStG
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Voraussetzung des § 13 Abs. 1 Nr. 13 ErbStG ist, dass es sich bei dem Empfänger um eine Pensionsund Unterstützungskasse i.S.d. § 5 Abs. 1 Nr. 3 KStG handelt. Es muss sich um rechtsfähige Pensionskassen handeln, die Leistungsempfängern, d.h. Personen, denen die Leistungen der Kasse zu Gute kommen oder zu Gute kommen sollen, einen Rechtsanspruch auf diese Leistungen gewähren. Dies gilt auch für Unterstützungskassen mit dem Unterschied, dass sie den Leistungsempfängern keinen Rechtsanspruch gewähren. Darüber hinaus sind die folgenden Voraussetzungen zu erfüllen: – Die Kasse muss sich auf Zugehörige oder früher Zugehörige einzelner oder mehrerer wirtschaftlicher Geschäftsbetriebe oder auf Zugehörige oder frühere Zugehörige der Spitzenverbände der freien Wohlfahrtspflege einschließlich ihrer Untergliederungen, Einrichtungen und Anstalten und sonstiger gemeinnütziger Wohlfahrtsverbände oder auf Arbeitnehmer sonstiger Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen i.S.d. §§ 1 und 2 beschränken. Den Arbeitnehmern stehen Personen, die sich in einem arbeitnehmerähnlichen Verhältnis befinden, gleich. Zu den Zugehörigen oder Arbeitnehmern zählen jeweils auch deren Angehörige (§ 5 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a KStG). – Es muss des Weiteren sichergestellt sein, dass der Betrieb der Kasse nach dem Geschäftsplan und nach der Art und Höhe der Leistungen eine soziale Einrichtung darstellt. Diese Voraussetzungen ist bei Unterstützungskassen, die Leistungen von Fall zu Fall gewähren, nur gegeben, wenn sich
1 2 3 4
FG Rh.-Pf. v. 3.7.1997 – 4 K 1966/96, DStRE 1997, 769. FG BW v. 22.1.1988 – IX K 534/83, EFG 1988, 240. R E 13.7 ErbStR 2011. R E 13.7 Abs. 1 Satz 2 ErbStR 2011.
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Steuerbefreiungstatbestände (Abs. 1)
Rz. 75 § 13 ErbStG
diese Leistungen mit Ausnahme des Sterbegelds auf Fälle der Not oder Arbeitslosigkeit beschränken (§ 5 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b KStG). – Es muss vorbehaltlich § 6 KStG die ausschließliche und unmittelbare Verwendung des Vermögens und der Einkünfte der Kasse nach der Satzung aufgrund der tatsächlichen Geschäftsführung und für die Zwecke der Kasse dauernd gesichert sein (§ 5 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. c KStG). – Darüber hinaus darf es nicht zu einer Überdotierung kommen, d.h. das Vermögen der Kasse darf eine bestimmte Grenze nicht überschreiten. Am Schluss des Wirtschaftsjahrs, zu dem der Wert der Deckungsrückstellung versicherungsmathematisch zu berechnen ist, darf das nach den handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsgemäßer Buchführung unter Berücksichtigung des Geschäftsplans sowie der allgemeinen Versicherungsbedingungen und der fachlichen Geschäftsunterlagen i.S.d. § 5 Abs. 1 Nr. 2 Halbs. 2 VAG auszuweisende Vermögen nicht höher sein als bei einem Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit die Verlustrücklage und bei einer Kasse anderer Rechtsform der dieser Rücklage entsprechende Teil des Vermögens (§ 5 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. d KStG). Bei der Ermittlung des Vermögens ist eine Rückstellung bei Beitragsrückerstattung nur insoweit abziehbar, als den Leistungsempfängern ein Anspruch auf die Überschussbeteiligung zusteht. – Bei Unterstützungskassen gilt Folgendes hinsichtlich der Überdotierung: Wenn bei Unterstützungskassen am Schluss des Wirtschaftsjahres das Vermögen ohne Berücksichtigung künftiger Versorgungsleistungen nicht höher ist als das um 25 % erhöhte zulässige Kassenvermögen, liegt keine Überdotierung vor. Für die Ermittlung des tatsächlichen und des zulässigen Kassenvermögens gilt § 4d EStG. Im Falle einer sog. Überdotierung (gem. § 5 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. d KStG bei Pensionskassen und gem. § 5 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. e KStG bei Unterstützungskassen) kommt es zu einer partiellen Steuerpflicht nach dem Körperschaftsteuergesetz. Zuwendungen an Pensions- und Unterstützungskassen sind dann im gleichen Verhältnis partiell steuerpflichtig.1 Dabei kommt es nicht darauf an, ob die Überdotierung gerade durch die Zuwendung oder aus anderen Gründen eingetreten ist. Dabei kommt es für die Feststellung, ob eine Überdotierung vorliegt oder nicht, nicht auf das Veranlagungsjahr an, sondern auf den Erwerbszeitpunkt, d.h. es ist auf den Entstehungszeitpunkt der Erbschaftsteuer abzustellen. Der Erwerb der Pensions- oder Unterstützungskasse von Todes wegen ist also nur von der Erbschaftsteuer befreit, wenn am Todestag des Erblassers keine Überdotierung vorliegt.2 3. Rückwirkender Wegfall der Steuerbefreiung (Abs. 1 Nr. 13) Gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 13 Satz 3 ErbStG fällt die Befreiung mit Wirkung für die Vergangenheit weg, 74 wenn die Voraussetzungen des § 5 Abs. 1 Nr. 3 KStG innerhalb von zehn Jahren nach der Zuwendung entfallen. Dabei handelt es sich um die Voraussetzungen des § 5 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a bis c KStG. Das bedeutet, dass es hinsichtlich der Überdotierung bei einer partiellen Steuerpflicht bleibt. Verliert allerdings die Pensions- oder Unterstützungskasse ihre Eigenschaft als solche, soll die Steuerbefreiung wegfallen. Dies soll vor Missbrauch schützen, dass nach dem steuerfreien Übergang von Vermögen eine Umqualifikation der Empfängerkörperschaft erfolgt.
XVI. Gelegenheitsgeschenke (Abs. 1 Nr. 14) 1. Einführung Gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 14 ErbStG unterliegen sog. übliche Gelegenheitsgeschenke ebenfalls einer 75 sachlichen Steuerbefreiung. Diese Vorschrift knüpft an das allgemeine Rechtsempfinden an, dass Geschenke, die sich Personen innerhalb der Familie oder innerhalb der Ehe oder zu Geburtstag oder zu Weihnachten machen, grundsätzlich nicht der Besteuerung unterliegen.3 Häufig wird auch vermutet, 1 R E 13.7 Abs. 2 ErbStR 2011. 2 BFH v. 11.9.1996 – II R 15/93, BStBl. II 1997, 70. 3 Schumann, ErbR 2013, 270 zu Geschenken innerhalb der Familie.
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§ 13 ErbStG Rz. 76 Steuerbefreiungen dass solche Geschenke auch dann nicht steuerbar sein können, wenn sie einen sehr hohen Wert haben (z.B. Porsche, teurer Schmuck). Daher dürfte es sich bei § 13 Abs. 1 Nr. 14 ErbStG auch um eine der wichtigsten Vorschriften für sachliche Steuerbefreiungen bei der Erbschaft- und Schenkungsteuer handeln. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass diese auch nur bei üblichen Gelegenheitsgeschenken anwendbar ist. Daraus resultiert auch, dass alle anderen Geschenke, die nicht unter diesen Rechtsbegriff fallen, steuerbar und ggf. auch steuerpflichtig sind, wenn keine entsprechenden Freibeträge eingreifen. 2. Gelegenheitsgeschenk 76
Dabei muss es sich um ein sog. Gelegenheitsgeschenk handeln. Daraus ergeben sich schon Einschränkungen hinsichtlich der Art und des Anlasses des Geschenks. Dabei wird ein Anlass gefordert, der sich zumindest auch auf die Person des Beschenkten bezieht1. Das kann z.B. ein Geburtstag des Beschenkten sein, Weihnachten, aber auch Abschlussfeiern, Hochzeit etc. Es muss allerdings ein Ereignis im Leben des Beschenkten sein. Als Gelegenheitsgeschenk wurde vom FG Hamburg eine Schenkung von Wertpapieren an die Ehefrau zur Goldenen Hochzeit qualifiziert.2 Die Frage ist, ob diese Art von Geschenk auch bei anderen Anlässen üblich wäre. Dies ist zu bezweifeln. Ebenso kann die Entscheidung des FG Hamburg auch als Einzelfallentscheidung angesehen werden. Grundbesitz, Sparbücher, Wertpapierdepots fallen i.d.R. nicht unter den Begriff der Gelegenheitsgeschenke, weil dies keine typischen Geschenke sind.3 3. Üblichkeit einer Zuwendung
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Üblich ist eine Zuwendung i.S.d. § 13 Abs. 1 Nr. 14 ErbStG aus Sicht der Allgemeinheit unter Berücksichtigung insbesondere der Vermögensverhältnisse des Schenkers, der Beziehung des Schenkers zum Beschenkten, der Wiederholbarkeit der Schenkung sowie der Lebensgewohnheiten der beteiligten Bevölkerungskreise. Eine Begrenzung auf einen absoluten Betrag ist nicht vorgesehen.4 Zweifelhaft ist allerdings, ob eine solche Betrachtung mit dem Gleichheitssatz zu vereinbaren ist.5
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Beispiel: Die Mutter der Steuerpflichtigen hatte dieser einen Geldbetrag i.H.v. 73 000 Euro für den Kauf eines Pkw und einen weiteren Betrag von 80 000 Euro für die Instandsetzung von Haus und Garten unentgeltlich zugewandt. Es wurde Schenkungsteuer festgesetzt. Die Empfängerin der Schenkung berief sich auf die Steuerbefreiung des § 13 Abs. 1 Nr. 14 ErbStG. Lösung: In diesem Fall kam das FG Köln6 zu dem Ergebnis, dass zwar ausgehend von den Lebensgewohnheiten der Bevölkerungsschicht, der die Steuerpflichtige und ihre Mutter angehörten, im Rahmen der Gesamtwürdigung aller im konkreten Fall entscheidungserheblichen Umstände die Zuwendung von Geldbeträgen der hier vorliegenden Größenordnung auch nicht dann üblich sei, wenn die Zuwendung an sich nur einen minimalen Anteil des Gesamtvermögens der Schenkerin ausgemacht haben (in dem Fall nur 0,22 bis 0,24 %). Allerdings gibt es keine maximale Obergrenze wie z.B. in § 13 Abs. 1 Nr. 1 oder Nr. 9 ErbStG. Daher werden in der Literatur vielfach feste Betragsgrenzen gefordert, die noch als üblich anzusehen sind. Insbesondere bei Vorliegen eines großen Wohlstandes, ist die Frage, wann die Üblichkeit des Gelegenheitsgeschenks nicht mehr gegeben ist. Allerdings ist genau wie bei der Angemessenheit i.S.d. § 13 Abs. 2 ErbStG damit eine Rechtsunsicherheit verbunden. Zu berücksichtigen ist auch, dass im Falle der nicht gegebenen Üblichkeit, das Geschenk voll steuerpflichtig ist, was dann zu einer hohen Schenkungsteuer führen kann.7
1 Jülicher in T/G/J, § 13 ErbStG Rz. 166 (Stand: Juli 2015). 2 FG Hamburg v. 31.10.1966 – II 121/65, EFG 1967, 132. 3 So Jochum in Wilms/Jochum, § 13 ErbStG Rz. 131 (Stand: September 2015); Jülicher in T/G/J, § 13 ErbStG Rz. 167 (Stand: Juli 2015). 4 FG Hess. v. 24.2.2005 – 1 K 3480/03, EFG 2005, 1146. 5 Kien-Hümbert in Moench/Weinmann, § 13 ErbStG Rz. 85 (Stand: Februar 2016). 6 FG Köln v. 8.5.2001 – 9 K 4175/99, EFG 2001, 1154. 7 Vgl. zu den Begrifflichkeiten Stoklassa/Feldner, ErbStB 2014, 69.
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Steuerbefreiungstatbestände (Abs. 1)
Rz. 81 § 13 ErbStG
4. Gestaltungshinweise Bei Schenkungen von Wertpapieren, hohen Geldbeträgen oder Grundbesitz sollte grundsätzlich in 79 der Praxis davon ausgegangen werden, dass hier insbesondere bei höheren Beträgen keine Steuerbefreiung der Schenkung nach § 13 Abs. 1 Nr. 14 ErbStG vorliegt. Daher ist auch diese Vorschrift für eine Steuerplanung äußerst ungeeignet. „Gelegenheitsgeschenk“ ist ein unbestimmter Rechtsbegriff. Auch das Tatbestandsmerkmal der Üblichkeit macht es schwer einschätzbar, ob die Voraussetzungen gegeben sind. Insbesondere gibt es keine Obergrenze, die beachtet werden muss. Im Hinblick auf eine notwendige Schenkungsanzeige gem. § 30 ErbStG kann diese Vorschrift allerdings auch problematisch sein, wenn eine solche unterbleibt, weil die Betroffenen davon ausgehen, dass die Voraussetzungen für ein übliches Gelegenheitsgeschenk erfüllt sind. I.d.R. dürfte eine Pflicht zur Anzeige eines Geschenks nur dann entfallen, wenn klar und eindeutig feststeht, dass keine Steuerpflicht entstanden ist1. Eine klare und eindeutige Qualifikation lässt sich allerdings in der Praxis in vielen Fällen nicht herleiten, so dass empfehlenswert ist, in Zweifelsfällen eine vorsorgliche Schenkungsanzeige abzugeben.
XVII. Anfälle an Gebietskörperschaften (Abs. 1 Nr. 15) Steuerfrei sind des Weiteren gem. § 13 Abs. 1 Nr. 15 ErbStG Anfälle an Gebietskörperschaften. Da- 80 bei wird der Tatbestand in zwei verschiedene Varianten unterteilt: Steuerfrei sind sowohl Anfälle an den Bund, ein Land oder eine inländische Gemeinde (Gemeindeverband) sowie Anfälle, die ausschließlich Zwecken des Bundes, eines Landes oder einer inländischen Gemeinde (Gemeindeverband) dienen. Dabei sind nur die in der Vorschrift genannten Gebietskörperschaften begünstigt. Es reicht nicht aus, dass es sich um eine Körperschaft des öffentlichen Rechts handelt (wie z.B. eine Handwerkskammer). Auch ein in die mittelbare Staatsverwaltung eingegliedertes Gebilde reicht nicht aus.2 Dabei ging es in dem Urteil des FG Sachsen-Anhalt um die Frage, ob eine Zuwendung einer Handwerkskammer an eine Kreishandwerkerschaft steuerfrei nach § 13 Abs. 1 Nr. 15 ErbStG sein kann, weil es sich bei beiden um Körperschaften des öffentlichen Rechts handelt (§ 90 Abs. 1 Halbs. 2 und § 89 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 53 Satz 1 HwO). Der BFH kam in diesem Fall allerdings bereits zu dem Ergebnis, dass es sich gar nicht um eine Schenkung unter Lebenden handelt.3 Dabei betont er, dass unentgeltliche Vermögensübertragungen zwischen Trägern öffentlicher Verwaltungen grundsätzlich nicht unter § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG als Schenkungen zu qualifizieren seien, weil sie regelmäßig nicht freigiebig erfolgen. Nur wenn die übertragende juristische Person des öffentlichen Rechts den Rahmen ihrer Aufgaben eindeutig überschreitet, kommt eine freigiebige Zuwendung i.S.v. § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG in Betracht. Dabei ist kein Anspruch des begünstigten Verwaltungsträgers auf die unentgeltliche Vermögensübertragung notwendig, um eine Schenkung auszuschließen. Relevant ist die Verknüpfung der Vermögensübertragung mit einer Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben. Dabei kann auch ein Ermessen des Zuwendenden vorliegen. Insoweit ist die Entscheidung des FG aufgehoben worden. Es soll auch an einer freigiebigen Zuwendung bereits fehlen, wenn der Staat Grundstücke Stiftungen des öffentlichen Rechts zuwendet.4 Daher ist zunächst zu prüfen, ob überhaupt eine Schenkung i.S.d. § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG bei einer 81 Beteiligung von Trägern des öffentlichen Rechts vorliegen kann. § 13 Abs. 1 Nr. 15 ErbStG führt allerdings dazu, dass der Fiskus z.B. steuerfrei erben kann, sollte er letzter Erbe gem. § 1936 BGB werden.5 Es muss keine konkrete Leistungspflicht vorliegen, um eine Schenkung zu verneinen.6 Die 1 BFH v. 11.6.1958 – II 56/57 BStBl. III 1958, 339; Kien-Hümbert in Moench/Weinmann, § 13 ErbStG Rz. 84 (Stand: Februar 2016). 2 FG Sa.-Anh. v. 5.6.2002 – 2 K 627/00, EFG 2002, 1539. 3 BFH v. 1.12.2004 – II R 46/02, BStBl. II 2005, 311 = ErbStB 2005, 120, vgl. hierzu Viskorf, FR 2005, 606. 4 Jülicher in T/G/J, § 13 ErbStG Rz. 178 (Stand: Juli 2015); Jochum in Wilms/Jochum, § 13 ErbStG Rz. 134 (Stand: September 2015). 5 Jochum in Wilms/Jochum, § 13 ErbStG Rz. 134 (Stand: September 2015). 6 So aber BFH v. 2.3.1994 – II R 59/92, BStBl. II 1994, 366; v. 25.1.2001 – II R 22/98, BStBl. II 2001, 456 = FR 2001, 422 m. Anm. Kempermann = FR 2001, 553 m. Anm. Kempermann, vgl. hierzu auch Hartmann, ErbStB 2005, 120.
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§ 13 ErbStG Rz. 82 Steuerbefreiungen Steuerbefreiung betrifft auch Zweckzuwendungen an den Bund, Länder oder eine Gemeinde.1 Neben der ersten Variante (Anfälle an den Bund, ein Land oder eine inländische Gemeinde) sollen auch solche Erwerbe steuerfrei sein, die den Zwecken der Körperschaft dienen. Dabei muss nicht die jeweilige Gebietskörperschaft selber Erwerberin sein. Häufig handelt es sich dann um Schenkungen, die mit einer Auflage versehen sind und der Schenkungsgegenstand dann zugunsten einer Gebietskörperschaft i.S.d. § 13 Abs. 1 Nr. 15 ErbStG verwendet werden muss. Nicht begünstigt sind Zuwendungen, wenn sie mit einer Auflage zugunsten einer privaten Person belastet sind. Ein Anwendungsfall in der Vergangenheit waren z.B. Spenden, die an die Deutsche Botschaft in Washington gezahlt und von dieser an die Opfer des 11.9.2001 oder entsprechende Organisationen weitergeleitet wurde. Hier resultierte die Steuerbefreiung auch aus § 13 Abs. 1 Nr. 15 ErbStG. Eine Steuerbefreiung ergibt sich auch ggf. aus § 13 Abs. 1 Nr. 16 ErbStG.2
XVIII. Zuwendungen an inländische Religionsgemeinschaften (Abs. 1 Nr. 16 Buchst. a) 1. Begünstigte Empfänger 82
Gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 16 Buchst. a ErbStG sind Zuwendungen an inländische Religionsgesellschaften des öffentlichen Rechts oder an inländische jüdische Kultusgemeinden steuerbefreit. Die Steuerbefreiung betrifft sowohl den Erwerb von Todes wegen als auch Schenkungen unter Lebenden. Es gibt keine Beschränkung der Steuerbefreiung der Höhe nach. Auch die Verwendung der Zuwendung durch den Empfänger spielt keine Rolle. Die inländischen Religionsgesellschaften des öffentlichen Rechts sind folgende Religionsgemeinschaften: – die evangelische Kirche in Deutschland, die Vereinigte Evangelisch-Lutherische Kirche Deutschlands, die evangelische Kirche der Union, die evangelischen Landeskirchen mit ihren Gemeinden, Gemeindeverbänden und Kirchenkreisen sowie einzelne evangelische Gemeinden mit besonderer bekenntnismäßiger Ausprägung, soweit sie der evangelischen Kirche in Deutschland angeschlossen sind, – die römisch-katholischen Kirchengemeinden, Kirchengemeindeverbände und Diözesanverbände, die bischöflichen Stühle, Bistümer und Kapitel.3 Die Eigenschaft einer Körperschaft des öffentlichen Rechts haben auch die Religionsgemeinschaften der Zeugen Jehovas Deutschland e.V.4 Die Befreiung gilt auch für die Organe und Einrichtungen der Religionsgesellschaften des öffentlichen Rechts, wenn sie notwendige Bestandteile der Religionsgemeinschaft sind, und Träger des den religiösen Zwecken gewidmeten Vermögens. Klosterstifte, Bruderschaften, Orden, Kirchenchorvereine fallen nicht unter die Befreiung. Ggf. kann allerdings hier die Befreiung des § 13 Abs. 1 Nr. 16 Buchst. b ErbStG vorliegen, sofern es sich um eine inländische Körperschaft handelt, die nach der Satzung, dem Stiftungsgeschäft oder der sonstigen Verfassung und nach ihrer tatsächlichen Geschäftsführung ausschließlich und unmittelbar kirchlichen Zwecken dient. Zuwendungen an Organmitglieder oder Personen im Dienst der Kirche sind nicht steuerbefreit. Religionsgesellschaften des privaten Rechts fallen ebenfalls nicht unter die Steuerbefreiung.5 Eine Zuwendung an eine Person, selbst wenn sie im Dienst der Kirche ist, kann nicht nach § 13 Abs. 1 Nr. 16 Buchst. a ErbStG steuerbefreit sein. Dies gilt entsprechend für Buchst. b. Eine solche Befreiung kommt nur dann in Betracht, wenn die Zuwendung ausdrücklich mit einer Auflage verbunden ist, diese für kirchliche Zwecke an eine geeignete Empfängerkörperschaft weiterzuleiten.6
1 Bruschke, ErbStB 2014, 73 (76). 2 FinMin. BW v. 26.11.2001, BB 2002, 33. 3 Jochum in Wilms/Jochum, § 13 ErbStG Rz. 137 (Stand: September 2015); Jülicher in T/G/J, § 13 ErbStG Rz. 184 (Stand: Juli 2015). 4 Bay. Landesamt für Steuern v. 27.2.2007, DB 2007, 603. 5 Geck in Kapp/Ebeling, § 13 ErbStG Rz. 150 (Stand: Juli 2016). 6 FG München v. 25.9.1968 – IV 88/67, EFG 1968, 525.
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Steuerbefreiungstatbestände (Abs. 1)
Rz. 86 § 13 ErbStG
2. Gleichstellung der jüdischen Kultusgemeinden Neben den inländischen Religionsgemeinschaften des öffentlichen Rechts sind auch inländische jü- 83 dische Kultusgemeinden von der Steuer befreit. Dies gilt nicht für alle anderen Religionsgesellschaften des Privatrechts. Grundsätzlich liegt darin eine Bevorzugung der jüdischen Kultusgemeinden als Religionsgesellschaften des privaten Rechts. Dies ist allerdings mit der Entstehungsgeschichte des Gesetzes zu erklären. Verfassungsrechtlich waren Kirchen nach Art. 140 GG i.V.m. Art. 136 ff. WRV (Weimarer Reichsverfassung) als Körperschaften des öffentlichen Rechts anzusehen. Dies gilt auch für die Kultusgemeinden gem. Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 5 Satz 1 WRV. Diese Kultusgemeinden sollten als Religionsgemeinschaften Körperschaften des öffentlichen Rechts bleiben, soweit sie bisher solche waren. Nach Entzug der Körperschaftsrechte in der NS-Zeit sollten 1945 jüdische Kultusgemeinden den Status durch Verwaltungsakt wieder erhalten. Daher handelt es sich nach wie vor um Körperschaften des öffentlichen Rechts. Damit erklärt sich die Gleichstellung zwischen inländischen Religionsgesellschaften und jüdischen Kultusgemeinden, auch wenn letztere dem privaten Recht angehören. § 13 Abs. 1 Nr. 16 Buchst. a ErbStG ist im Übrigen auf inländische Religionsgesellschaften des öffentlichen Rechts beschränkt.
XIX. Zuwendungen an gemeinnützige, mildtätige oder kirchliche Organisationen (Abs. 1 Nr. 16 Buchst. b) 1. Allgemeines Gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 16 Buchst. b ErbStG sind Zuwendungen an inländische Körperschaften, Per- 84 sonenvereinigungen oder Vermögensmassen, die nach Satzung, Verfassung und tatsächlicher Geschäftsführung ausschließlich und unmittelbar gemeinnützigen, mildtätigen oder kirchlichen Zwecken dienen, steuerfrei.1 Mit dem Gesetz zur Umsetzung der Protokollerklärung zum Gesetz zur Anpassung der Abgabenordnung an den Zollkodex der Union und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften wurde in § 13 Abs. 1 Nr. 16 Buchst. b ErbStG klargestellt, dass die inländischen Zuwendungsempfänger steuerbegünstigte Zwecke nach den §§ 52 bis 54 AO fördern müssen2. Die Vorschrift gilt für freigiebige Zuwendungen. § 13 Abs. 1 Nr. 16 Buchst. b ErbStG gilt allerdings auch für den Erwerb von Todes wegen. 2. Empfängerkörperschaft a) Anknüpfungspunkt § 13 Abs. 1 Nr. 16 Buchst. b ErbStG knüpft an die Steuerbefreiung der §§ 51 ff. AO an und betrifft 85 die nach den §§ 51 ff. AO steuerbegünstigte Körperschaften. Gemäß § 51 Abs. 1 Satz 2 AO sind steuerbegünstigte Körperschaften nur Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen i.S.d. KStG. Die Steuerbefreiung des § 13 Abs. 1 Nr. 16b ErbStG ist in Bezug auf die Gesamtkonzeption des Gemeinnützigkeits- und Spendenrechts von Bedeutung, weil sichergestellt wird, dass Zuwendungen (Spenden und Zustiftungen) an gemeinnützige Körperschaften auch von der Erbschaft- und Schenkungsteuer befreit sind. Grundsätzlich würde eine Schenkung oder ein Erwerb von Todes wegen durch eine gemeinnützige Körperschaft als juristische Person eine steuerbare Schenkung oder Erbschaft darstellen und in Steuerklasse III besteuert. Daher bedarf es der Steuerbefreiung des § 13 Abs. 1 Nr. 16b ErbStG. b) Steuerbegünstige Zwecke i.S.d. §§ 51 ff. AO aa) Begriffe der §§ 52 bis 54 AO Steuerbegünstigte Zwecke sind gemeinnützige, mildtätige oder kirchliche Zwecke. Gemeinnützige 86 Zwecke werden verfolgt, wenn die Körperschaft die Allgemeinheit auf materiellem, geistigem oder 1 Brüggemann, UVR 2010, 85; Gluth, ErbStB 2009, 225. 2 BGBl. 2015, 1830; BT-Drucks. 18/66094, S. 87.
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§ 13 ErbStG Rz. 87 Steuerbefreiungen sittlichem Gebiet selbstlos fördern möchte.1 Eine Förderung der Allgemeinheit ist nach § 52 Abs. 1 Satz 2 AO nicht gegeben, wenn der Kreis der Personen, dem die Förderung zugutekommt, fest abgeschlossen ist, z.B. Zugehörigkeit zur Belegschaft eines Unternehmens, oder infolge seiner Abgrenzung, insbesondere nach räumlichen oder beruflichen Merkmalen, dauernd nur klein sein kann. § 52 Abs. 1 Satz 2 AO will ausschließen, dass nur exklusive Kreise oder Sonderinteressen gefördert werden, z.B. bei der Errichtung und Unterhaltung eines Betriebskindergartens oder der Durchführung von Mitarbeiterschulungen liegt daher eine Förderung der Allgemeinheit nicht vor.2 Etwas anderes kann u.U. dann gelten, wenn der Betriebskindergarten oder die Mitarbeiterschulungen auch Dritten zur Verfügung stehen. Mildtätige Zwecke werden verfolgt, wenn Personen selbstlos unterstützt werden, die infolge ihres körperlichen, geistigen oder seelischen Zustandes auf die Hilfe angewiesen sind oder deren Bezüge nicht höher sind als das Vierfache des Regelsatzes der Sozialhilfe i.S.d. § 28 SGB XII (§ 53 Nr. 1 und 2 AO). Kirchliche Zwecke werden verfolgt, wenn die Tätigkeit einer Körperschaft darauf gerichtet ist, eine Religionsgemeinschaft, die Körperschaft des öffentlichen Rechts ist, selbstlos zu fördern (§ 54 Abs. 1 AO). Zu diesen Zwecken gehören gem. § 54 Abs. 2 AO insbesondere die Errichtung, Ausschmückung und Unterhaltung von Gotteshäusern und kirchlichen Gemeindehäusern, die Abhaltung von Gottesdiensten, die Ausbildung von Geistlichen, die Erteilung von Religionsunterricht, die Beerdigung und die Pflege des Andenkens der Toten, ferner die Verwaltung des Kirchenvermögens, die Besoldung der Geistlichen, Kirchenbeamten und Kirchendiener, die Alters- und Behindertenversorgung für diese Personen und die Versorgung ihrer Witwen und Waisen. bb) Katalog des § 52 Abs. 2 AO 87
Unter den Voraussetzungen des § 52 Abs. 1 AO sind die Zwecke des § 52 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1–25 AO als Förderung der Allgemeinheit anzuerkennen. Die Katalogzwecke sind also nicht zwingend als gemeinnützig anzuerkennen, sondern nur, wenn auch die Voraussetzungen des § 52 Abs. 1 AO erfüllt sind.3 – Förderung von Wissenschaft und Forschung (§ 52 Abs. 2 Nr. 1 AO); – Förderung der Religion (§ 52 Abs. 2 Nr. 2 AO); – des öffentlichen Gesundheitswesens und der öffentlichen Gesundheitspflege, insbesondere die Verhütung und die Bekämpfung von übertragbaren Krankheiten, auch durch Krankenhäuser i.S.d. § 67, und von Tierseuchen (§ 52 Abs. 2 Nr. 3 AO); – der Jugend- und der Altenhilfe (§ 52 Abs. 2 Nr. 4 AO); – von Kunst und Kultur (§ 52 Abs. 2 Nr. 5 AO); – des Denkmalschutzes und der Denkmalpflege (§ 52 Abs. 2 Nr. 6 AO); – der Erziehung, Volks- und Berufsbildung einschließlich der Studentenhilfe (§ 52 Abs. 2 Nr. 7 AO); – des Naturschutzes und der Landschaftspflege i.S.d. Bundesnaturschutzgesetzes und der Naturschutzgesetze der Länder, des Umweltschutzes, des Küstenschutzes und des Hochwasserschutzes (§ 52 Abs. 2 Nr. 8 AO); – des Wohlfahrtswesens, insbesondere der Zwecke der amtlich anerkannten Verbände der freien Wohlfahrtspflege (§ 23 Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung), ihrer Unterverbände und ihrer angeschlossenen Einrichtungen und Anstalten (§ 52 Abs. 2 Nr. 9 AO); – der Hilfe für politisch, rassisch oder religiös Verfolgte, für Flüchtlinge, Vertriebene, Aussiedler, Spätaussiedler, Kriegsopfer, Kriegshinterbliebene, Kriegesbeschädigte und Kriegsgefangene, Zivilbeschädigte und Behinderte sowie Hilfe für Opfer von Straftaten; Förderung des Andenkens an Verfolgte, Kriegs- und Katastrophenopfer; Förderung des Suchdienstes für Vermisste (§ 52 Abs. 2 Nr. 10 AO); – der Rettung aus Lebensgefahr (§ 52 Abs. 2 Nr. 11 AO);
1 Vgl. Überblick zum Gemeinnützigkeitsrecht: Bott/Woitschell, in Ernst & Young, § 5 KStG Rz. 369 ff.; (Stand: Mai 2016); Leisner-Egensperger in HHSp, §§ 51 ff. AO (Stand: Mai 2016). 2 Seer in Tipke/Kruse, § 52 AO Rz. 10 (Stand: Juli 2016). 3 Leisner-Egensperger in HHSp, § 52 AO Rz. 100 (Stand: Mai 2016).
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Steuerbefreiungstatbestände (Abs. 1)
Rz. 89 § 13 ErbStG
– des Feuer-, Arbeits-, Katastrophen- und Zivilschutzes sowie der Unfallverhütung (§ 52 Abs. 2 Nr. 12 AO); – internationaler Gesinnung, der Toleranz auf allen Gebieten der Kultur und des Völkerverständigungsgedankens (§ 52 Abs. 2 Nr. 13 AO); – des Tierschutzes (§ 52 Abs. 2 Nr. 14 AO); – der Entwicklungszusammenarbeit (§ 52 Abs. 2 Nr. 15 AO); – von Verbraucherberatung und Verbraucherschutz (§ 52 Abs. 2 Nr. 16 AO); – der Fürsorge für Strafgefangene und ehemalige Strafgefangene (§ 52 Abs. 2 Nr. 17 AO); – der Gleichberechtigung von Frauen und Männern (§ 52 Abs. 2 Nr. 18 AO); – des Schutzes von Ehe und Familie (§ 52 Abs. 2 Nr. 19 AO); – der Kriminalprävention (§ 52 Abs. 2 Nr. 20 AO); – des Sports (§ 52 Abs. 2 Nr. 21 AO); – der Heimatpflege und Heimatkunde (§ 52 Abs. 2 Nr. 22 AO); – die Förderung der Tierzucht, der Pflanzenzucht, der Kleingärtnerei, des traditionellen Brauchtums einschließlich des Karnevals, der Fastnacht und des Faschings, der Soldaten- und Reservistenbetreuung, des Amateurfunkens, des Modellflugs und des Hundesports (§ 52 Abs. 2 Nr. 23 AO); – die allgemeine Förderung des demokratischen Staatswesen im Geltungsbereich des Gesetzes zur weiteren Stärkung des bürgerschaftlichen Engagements; hierzu gehören nicht Bestrebungen, die nur bestimmte Einzelinteressen staatsbürgerlicher Art verfolgen oder die auf den kommunalpolitischen Bereich beschränkt sind (§ 52 Abs. 2 Nr. 24 AO); – die Förderung des bürgerschaftlichen Engagements, wenn es sich auf gemeinnützige, mildtätige oder kirchliche Zwecke beschränkt (§ 52 Abs. 2 Nr. 25 AO). cc) Abschließender Katalog mit Öffnungsklausel Bei § 52 Abs. 2 AO handelt es sich grds. um eine abschließende Aufzählung gemeinnütziger Zwe- 88 cke1. Gemäß § 52 Abs. 2 Satz 2 AO ist es allerdings möglich, dass ein Zweck, der nicht unter den Katalog des § 52 Abs. 2 Satz 1 AO fällt, die Körperschaft aber dennoch die -Allgemeinheit auf materiellem, geistigem oder sittlichem Gebiet selbstlos fördert, außerhalb des § 52 AO dennoch als gemeinnützig angesehen werden kann. Die obersten Finanzbehörden der Länder haben jeweils eine Finanzbehörde zu bestimmen, die für die Entscheidung über die Gemeinnützigkeit nach § 52 Abs. 2 Satz 2 zuständig ist (§ 52 Abs. 2 Satz 3 AO). Es handelt es sich nicht um eine Ermessensvorschrift, d.h. es hängt davon ab, ob der Gemeinnützigkeitsbegriff erfüllt ist oder nicht.2 Mit der Öffnungsklausel sollte auf veränderte gesellschaftliche Verhältnisse reagiert werden können.3 c) Selbstlosigkeit Der Rechtsträger muss die steuerbegünstigten Zwecke selbstlos verfolgen. Nach § 55 AO ist Selbst- 89 losigkeit gegeben, wenn: – nicht in erster Linie eigenwirtschaftliche Zwecke verfolgt werden, z.B. gewerbliche oder sonstige Erwerbszwecke (Ausnahmen in den §§ 64 und 65 AO; vgl. § 53 Abs. 1 AO); – die Mittel des Rechtsträgers ausschließlich für satzungsgemäße Zwecke verwendet werden (§ 89 Abs. 1 Nr. 1 AO); – die Mitglieder des Rechtsträgers bei ihrem Ausscheiden nicht mehr als die eingezahlten Kapitalanteile und den gemeinen Wert der Sacheinlage zurückerhalten (§ 55 Abs. 1 Nr. 2 AO);
1 AEAO zu § 52 Ziff. 2 Satz 1. 2 Seer in Tipke/Kruse, § 52 AO Rz. 72 (Stand: Juli 2016); Hüttemann, DB 2007, 2053; Schauhoff/Kirchhain, DStR 2007, 1985. 3 Seer in Tipke/Kruse, § 52 AO Rz. 67 (Stand Juli 2016); Leisner-Egensperger in HHSp, § 52 AO Rz. 258 (Stand: Mai 2016).
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§ 13 ErbStG Rz. 90 Steuerbefreiungen – der Rechtsträger keine Person durch zweckfremde Ausgaben oder unverhältnismäßig hohe Vergütungen begünstigt (§ 55 Abs. 1 Nr. 3 AO); – bei Auflösung des Rechtsträgers das Vermögen nur für steuerbegünstigte Zwecke verwendet werden darf (Grundsatz der Vermögensbindung, §§ 55 Abs. 1 Nr. 4, 61 AO1). Das Gebot der zeitnahen Mittelverwendung ist vorbehaltlich des § 62 AO (Rücklagen und Vermögensbildung) einzuhalten. Das Gebot der zeitnahen Mittelverwendung bedeutet, dass die Erträge des Vermögens im Jahr des Zuflusses bzw. in den nächsten beiden Folgejahren verbraucht sein müssen (§ 55 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 AO). d) Ausschließlichkeit und Unmittelbarkeit 90
Daneben muss der Rechtsträger die steuerbegünstigten Zwecke ausschließlich und unmittelbar verfolgen. Ausschließlichkeit liegt vor, wenn der Rechtsträger neben seiner steuerbegünstigten Zielsetzung weitere Zwecke verfolgt und diese Zwecke nicht steuerbegünstigt sind. Im Zusammenhang mit der Vermögensverwaltung und den wirtschaftlichen Geschäftsbetrieben folgt daraus, dass deren Unterhaltung der Steuerbegünstigung einer Körperschaft entgegensteht, wenn sie in der Gesamtschau zum Selbstzweck wird und in diesem Sinne neben die Verfolgung des steuerbegünstigten Zwecks der Körperschaft tritt. Sie sind nur dann unschädlich, wenn sie um des steuerbegünstigten Zwecks willen erfolgen und der Beschaffung von Mitteln für die Erfüllung der steuerbegünstigten Aufgaben dienen.2 Auch das Unterhalten eines wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs ist unschädlich, solange die Erträge aus dem wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb für die gemeinnützigen Zwecke verwendet werden. Unmittelbarkeit ist gegeben, wenn der Rechtsträger seine steuerbegünstigten satzungsmäßigen Zwecke selbst verwirklicht (§ 57 AO). Unter bestimmten Voraussetzungen kann der Rechtsträger seine Zwecke auch durch Hilfspersonen verwirklichen lassen. Nach den Umständen des Einzelfalles, insbesondere nach den rechtlichen und tatsächlichen Beziehungen zwischen dem Rechtsträger und der Hilfsperson, muss deren Wirken wie eigenes Wirken des Rechtsträgers anzusehen sein. Gewisse Ausnahmen vom Grundsatz der Ausschließlichkeit und der Unmittelbarkeit sind in § 58 AO und § 62 AO zusammengefasst. Die Vorschrift des § 58 AO enthält eine abschließende Aufstellung von bestimmten Betätigungen, die steuerunschädlich sind. Durch diese im Einzelnen genau bezeichneten Betätigungen wird eine Steuervergünstigung nicht ausgeschlossen, auch wenn in diesen Fällen das Merkmal der Ausschließlichkeit oder der Unmittelbarkeit in Frage gestellt ist, z.B. bei Bildung zweckgebundener und freier Rücklagen. Diese sind im Rahmen des § 62 AO gemeinnützigkeitsunschädlich. e) Anforderungen an die Satzung
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Darüber hinaus muss die Satzung des Rechtsträgers gewissen Anforderungen genügen, damit die Steuerbefreiung erreicht wird. Aus ihr muss sich ergeben: – welche steuerbegünstigten Zwecke der Rechtsträger verfolgt; – dass dieser Zweck den Anforderungen entspricht, die in § 52 AO für gemeinnützige Zwecke, in § 53 AO für mildtätige Zwecke sowie in § 55 AO hinsichtlich der allgemeinen Erfordernisse für die Selbstlosigkeit festgelegt sind; – dass dieser Zweck ausschließlich und unmittelbar verfolgt wird. Der Satzung muss so präzise gefasst sein, dass aus ihr unmittelbar entnommen werden kann, ob die Voraussetzungen für eine Steuervergünstigung vorliegen (formelle Satzungsmäßigkeit3). Eine allgemein gehaltene Bestimmung in der Satzung, dass gemeinnützige Zwecke ausschließlich und unmittelbar verfolgt werden oder die Bezugnahme auf Satzungen anderer Organisationen ist nicht ausreichend. Sowohl die Satzungszwecke als auch die Art, auf die sie verwirklicht werden, müssen so genau bestimmt sein, dass allein auf Grund der Satzung eine Prüfung der satzungsgemäßen Voraus-
1 Vgl. AEAO zu § 61 sowie Mustersatzung (Anlage 3 des AEAO, § 5). 2 AEAO zu § 56 Ziff. 1. 3 AEAO zu § 60 Ziff. 1.
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Steuerbefreiungstatbestände (Abs. 1)
Rz. 94 § 13 ErbStG
setzungen für die Steuervergünstigung möglich ist. Es sind die Anforderungen an die Mustersatzung nach Anlage 1 zu § 60 AO verbindlich zu beachten (§ 60 Abs. 1 Satz 2 AO1). f) Tatsächliche Geschäftsführung Auch muss die tatsächliche Geschäftsführung diesen Satzungsbestimmungen entsprechen (§ 63 92 AO). Die in der Satzung genannten Zwecke müssen tatsächlich verfolgt werden. Die Nachprüfung der tatsächlichen Geschäftsführung wird dadurch ermöglicht und sichergestellt, dass die Körperschaft zwingend zur ordnungsgemäßen Aufzeichnung der Einnahmen und Ausgaben verpflichtet ist. g) Wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb und Zweckbetrieb Eine steuerbegünstigte Körperschaft darf auch einen Zweckbetrieb bzw. einen wirtschaftlichen Ge- 93 schäftsbetrieb halten. Im Hinblick auf die Steuerbefreiung ist fraglich, ob diese erhalten bleibt, wenn die Empfängerkörperschaft einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb oder einen Zweckbetrieb unterhält. Ein Zweckbetrieb ist ein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb, der aufgrund der Besonderheiten des § 65 AO steuerlich als steuerbegünstigt eingeordnet wird. Die Steuerbefreiung des § 13 Abs. 1 Nr. 16b ErbStG wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass die Körperschaft einen Zweckbetrieb unterhält. Es ist ebenfalls zulässig, wenn eine gemeinnützige Körperschaft einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb hält, auch wenn sie dann partiell steuerpflichtig wird. So ist es auch zulässig, dass Zuwendungen in den Zweckbetrieb gezahlt werden.2 Auch wenn das Unterhalten eines steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs unschädlich sein soll, dürfen die Zuwendungen nicht dem steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb zukommen.3 Ist dies teilweise der Fall, wäre die Zuwendung gem. § 13 Abs. 1 Nr. 16 Buchst. b ErbStG partiell steuerbefreit. Etwas anderes gilt aber, wenn einer begünstigten Körperschaft ein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb als solches zugewendet wird. Dann bleibt die Steuerbefreiung für diese und weitere Zuwendungen an die Körperschaft erhalten. Allerdings gilt auch hier, dass der wirtschaftliche Geschäftsbetrieb stets verpflichtet ist, seine Überschüsse an den ideellen Bereich abzugeben und diese Verpflichtung auch tatsächlich erfüllt.4 Fraglich ist, ob diese Verpflichtung erfüllt werden kann, wenn eine gemeinnützige Körperschaft an einer Personengesellschaft beteiligt ist und der Gesellschaftsvertrag eine Thesaurierungsklausel vorsieht. Ist eine Thesaurierung unter bestimmten Voraussetzungen im Gesellschaftsvertrag vorgesehen, ist zu berücksichtigen, dass der jeweilige Mitunternehmer auch kein Recht hat, die entsprechenden Gewinne zu entnehmen. In einem solchen Fall stehen diese Gewinne dem Mitunternehmer nicht zur Verfügung. Die Gewinne gehören dann m. E. auch nicht zu den sog. Mitteln der Körperschaft. Mittel sind gem. § 55 Abs. 1 Nr. 1 AO sämtliche Vermögenswerte der Körperschaft, die im Eigentum und der Verfügungsmacht der Körperschaft stehen und zur Erfüllung des Leistungszwecks geeignet sind5. Dies können nicht solche Gewinne sein, die aufgrund einer Thesaurierungsklausel nicht entnommen werden dürfen. Diese gehören erst nach der Entnahme zu den Mitteln einer Körperschaft. Insgesamt ist daher im Rahmen des § 13 Abs. 1 Nr. 16 Buchst. b ErbStG auf die Steuerbefreiung der §§ 51 ff. AO abzustellen. Alles, was im Rahmen der §§ 51 ff. AO zulässig ist, kann nicht auf der Ebene des § 13 Abs. 1 Nr. 16 Buchst. b ErbStG schädlich sein. 3. Beschränkung auf inländische Empfängerkörperschaften Seit der Entscheidung des EuGH in Sachen Walter Stauffer v. 14.9.20066 hat der deutsche Gesetz- 94 geber das bisher nur inländisch geprägte Gemeinnützigkeits- und Spendenrecht zumindest für EU/ EWR-Körperschaften öffnen müssen. Dies gilt für inländische Körperschaften, die im Ausland tätig sind, wobei eine Auslandstätigkeit auch vor den Änderungen des Gemeinnützigkeits- und Spendenrechts stets unproblematisch war. Vielmehr werden aber seit der Entscheidung des EuGH auch aus1 2 3 4 5 6
AEAO zu § 60 Ziff. 3. R E 13.8 ErbStR 2011. R E 13.8 Abs. 2 Satz 4 ErbStR 2011; Jochum in Wilms/Jochum, § 13 ErbStG Rz. 155 (Stand: März 2016). R E 13.8 Abs. 2 Satz 5, 6 ErbStR 2011. Buchna/Leichinger/Seeger/Brox, Gemeinnützigkeit im Steuerrecht, Tz. 2.5.5, S. 125. EuGH v. 14.9.2006 – Rs. C-386/04, IStR 2006, 675.
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§ 13 ErbStG Rz. 95 Steuerbefreiungen ländische Organisationen nach den Grundsätzen des Gemeinnützigkeitsrechts begünstigt werden können. Allerdings hat auch der Gesetzgeber die Anforderungen für diese Steuerbefreiungen hoch angesetzt, so dass fraglich ist, ob sich in der Praxis diese Steuerbefreiungen tatsächlich erreichen lassen. So können seit 1.1.2009 auch beschränkt steuerpflichtige Körperschaften gem. § 5 Abs. 2 Nr. 2 KStG die Steuerbefreiungen für gemeinnützige Körperschaften für sich in Anspruch nehmen, wenn sie die Voraussetzungen des § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG i.V.m. den §§ 51 ff. AO erfüllen und in der EU bzw. EWR ansässig sind. Voraussetzung ist, dass die ausländische Organisation, die sich auf die Gemeinnützigkeitsvoraussetzungen berufen möchte, qualifizierten Inlandsbezug aufweist (§ 51 Abs. 2 AO). Dies erfordert entweder, dass natürliche Personen, die ihren Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland haben, gefördert werden oder die Tätigkeit der ausländischen Körperschaft neben der Verwirklichung der steuerbegünstigten Zwecke auch zum Ansehen Deutschlands im Ausland beitragen kann. Es ist äußerst zweifelhaft, ob ausländische Körperschaften eine der beiden Voraussetzungen tatsächlich erfüllen.1 Anknüpfend an die Stauffer-Entscheidung des EuGH wurden einige Jahre später auch die Voraussetzungen für den Spendenabzug gem. § 10b EStG an das EuGH Urteil in Sachen Persche angepasst.2 In dem Urteil des EuGH wurde es als Verstoß gegen die Kapitalverkehrsfreiheit angesehen, dass Spenden an ausländische gemeinnützige Organisationen nicht abzugsfähig sind, weil es sich um in Ausland ansässige Körperschaften handelt. Allerdings sollte jedem Mitgliedstaat der EU weiterhin zustehen, die Voraussetzung für die Gemeinnützigkeit innerstaatlich zu definieren (Souveränität des nationalen Steuerrechts) und ggf. Vorschriften zu erlassen, wie bestimmte Nachweise über die Gemeinnützigkeit zu führen sind. Der deutsche Gesetzgeber hat daraufhin auch 10b EStG auf EU/EWR Körperschaften erweitert und in einem BMF-Schreiben v. 16.5.20113 festgelegt, welche Nachweispflichten bei Spenden an ausländische Körperschaften eingehalten werden müssen. Insgesamt sind auch hier die Anforderungen sehr hoch. In einigen finanzgerichtlichen Urteilen der jüngsten Zeit und einem BFH-Urteil4 wurden auch entsprechende Spenden an ausländische Organisationen als nicht abzugsfähig qualifiziert, weil die besonderen Voraussetzungen der Gemeinnützigkeit bei der ausländischen Körperschaft fehlten.5 Sollte eine ausländische Körperschaft allerdings in den Genuss der deutschen Gemeinnützigkeitsvorschriften gelangen, müsste sie konsequenterweise auch im ErbStG als begünstige Empfängerkörperschaft qualifizieren. Dies ist nach dem Wortlaut des § 13 Abs. 1 Nr. 16 Buchst. b ErbStG nicht der Fall. Eine steuerfreie Zuwendung auf gemeinnützige EU/EWR-Körperschaften sowie Drittstaatenkörperschaften wird seit dem 6.11.2015 auf der Grundlage des geänderten § 13 Abs. 1 Nr. 16 Buchst. c ErbStG unter bestimmten Voraussetzungen zulässig sein (vgl. Rz. 96 ff. zu § 13 Abs. 1 Nr. 16 Buchst. c ErbStG). 4. Nachversteuerungsvorbehalt (Abs. 1 Nr. 16 Buchst. b Satz 2) 95
Gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 16 Buchst. b entfällt die Befreiung mit Wirkung für die Vergangenheit, wenn die Voraussetzungen für die Anerkennung der Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse als kirchliche, gemeinnützige oder mildtätige Institution innerhalb von zehn Jahren nach der Zuwendung entfallen und das Vermögen nicht begünstigten Zwecken zugeführt wird. Rechtsgrundlage für die Nachversteuerung ist § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO. Ein solches Nachversteuerungsereignis tritt ein, wenn z.B. nach einigen Jahren festgestellt wird, dass die Einrichtung keine begünstigten Zwecke erfüllt oder ihre gemeinnützige Tätigkeit tatsächlich aufgibt. Unproblematisch dürfte die Auflösung der Körperschaft sein, wenn das Vermögen entsprechend der Anfallsberechtigung gem. § 61 Abs. 1 AO gemeinnützig gebunden bleibt (z.B. durch Anfall an eine andere gemeinnützige Körperschaft). Dann kann hier kein Nachversteuerungstatbestand gegeben sein. Zu beachten ist, dass nicht nur der Verlust der Gemeinnützigkeit zu einer Nachversteuerung führt, sondern es muss zusätzlich die Voraussetzung erfüllt sein, dass das Vermögen nicht begünstigten Zwecken zugeführt wird.
1 2 3 4 5
Vgl. Freiherr von Proff, IStR 2007, 269; Tiedtke/Möllmann, IStR 2007, 837; Helios/Hüttemann, IStR 2008, 39. EuGH v. 27.1.2009 – Rs. C-318/07, FR 2009, 230 = DStR 2009, 207. BMF v. 16.5.2011 – IV C 4 – S 2223/07/0005 008, BStBl. I 2011, 559. BFH v. 17.9.2013 – I R 16/12, DStR 2014, 517. FG Bremen v. 8.6.2011 – 1 K 63/10, DStRE 2012, 1321 – nrkr.; BFH: I R 16/12; FG Düsseldorf v. 14.1.2013 – 11 K 2439/10 E; FG Münster v. 8.3.2013 – 2 K 608/09 E – Endurteil Persche.
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Schienke-Ohletz
Steuerbefreiungstatbestände (Abs. 1)
Rz. 97 § 13 ErbStG
XX. Zuwendungen an ausländische gemeinnützige, mildtätige oder kirchliche Organisationen (Abs. 1 Nr. 16 Buchst. c) 1. Rechtsentwicklung Die Norm des § 13 Abs. 1 Nr. 16c ErbStG ist mit StÄndG 1992 in das ErbStG eingefügt worden.1 Vo- 96 raussetzung für die Steuerbefreiung von Zuwendungen war, dass der ausländische Staat Gegenseitigkeit gewährte. Zuvor bestehende Gegenseitigkeitsvereinbarungen mit bestimmten Staaten wurden weiterhin als zulässig angesehen und beruhten auf dieser gesetzlichen Grundlage.2 Mit dem Beschluss v. 29.11.1995 stellte der BFH fest, dass die Gegenseitigkeitsfeststellungen des BMF nur die Finanzverwaltung, nicht aber Gerichte binden könnten.3 Die Wahrung der Gegenseitigkeit könne durch ein Gericht geprüft und damit auch in Zweifel gestellt werden. Bis zum 31.12.1995 genügte es allerdings nach wie vor, wenn nach der Gesetzeslage im ausländischen Staat eine entsprechende Steuervergünstigung für den Gemeinnützigkeitsstatus gewährt wurde. Gegenseitigkeit bedeutete allerdings, dass nicht nur keine Erbschaftsteuer erhoben wurde, sondern auch keine der Erbschaftsteuer entsprechende Steuer. Nach dem BFH-Beschluss v. 29.11.1995 wurde § 13 Abs. 1 Nr. 16c ErbStG wiederum geändert. Das BMF musste für die Steuerbefreiung die Gegenseitigkeit durch förmlichen Austausch entsprechender Erklärungen mit dem ausländischen Staat feststellen. Dies führte dazu, dass der Anwendungsbereich des § 13 Abs. 1 Nr. 16c ErbStG nicht sehr breit war, weil grundsätzlich Gegenseitigkeitserklärungen nur selten zustande gekommen sind. Solche offiziellen Gegenseitigkeitserklärungen bestehen mit den folgenden Staaten: Dänemark, Niederlande, Italien sowie den Schweizer Kantonen Appenzell-Ausserrhoden, Appenzoll-Innerrhoden, Basel-Stadt, Graubünden, Luzern, St. Gallen, Solothurn, Thurgau, Uri, Waad und Zug.4 Die Doppelbesteuerungsabkommen mit den USA, Frankreich und Schweden enthalten ebenfalls Steuerbefreiungen für solche Zuwendungen. Für diese Staaten liegt eine Erklärung des BMF vor. Dies bedeutete in der bisherigen Praxis, dass selbst innerhalb der EU/EWR Zuwendungen an eine ausländische Religionsgemeinschaft oder gemeinnützige Institution nur unter der speziellen Voraussetzung der Gegenseitigkeitserklärung steuerfrei sein konnten. Waren die Voraussetzungen des § 13 Abs. 1 Nr. 16 Buchst. c im Hinblick auf die Gegenseitigkeit gegeben oder gab es eine begünstigende DBA-Vorschrift, musste der ausländische Rechtsträger, der die Zuwendung empfängt, nach den Vorschriften der §§ 52 bis 54 AO auch als steuerbegünstigte Körperschaft anerkennungsfähig sein, als hätte der betreffende Rechtsträger einen Sitz in Deutschland. Etwas anderes gilt allerdings, wenn die Gegenseitigkeit aufgrund eines Doppelbesteuerungsabkommens gegeben ist, weil dann eine hypothetische Vergleichbarkeit der Körperschaften gegeben ist. Zu Zuwendungen an gemeinnützige Organisationen in den USA (vgl. Art. 10 DBA-USA Rz. 27 ff.). 2. Vereinbarkeit mit EU-Recht In der Vergangenheit hatte der EuGH bereits in einem ähnlichen Fall entschieden, dass eine Schlech- 97 terstellung von gemeinnützigen Körperschaften im Rahmen des Erbschaftsteuerrechts gegenüber inländischen Körperschaften ein Verstoß gegen die Kapitalverkehrsfreiheit darstellt.5 Dem EuGH Urteil in der Sache Missionswerk Werner Heukelbach lag folgender Sachverhalt zugrunde: Eine Erblasserin mit dänischer Staatsangehörigkeit ordnete in ihrem Testament an, dass der in Deutschland ansässige Verein ein Vermächtnis von ihr erhalten sollte. Sie lebte zur Zeit ihres Todes in Belgien. Es fiel daraufhin eine belgische Erbschaftsteuer für diesen Erwerb an. Der Verein Missionswerk Werner Heukelbach berief sich auf die in Belgien geltende Steuerbefreiung für gemeinnützige Organisationen. Dies wurde allerdings mit der Begründung abgelehnt, dass die Organisation als Empfängerin einer begünstigten Zuwendung entweder ihren Geschäftssitz in Belgien haben müsste oder aber in einem 1 2 3 4
Gesetz v. 25.2.1992, BStBl. I 1992, 146. R E 13.9 Satz 1 ErbStR 2011. BFH v. 29.11.1995 – II B 103/95, BStBl. II 1996, 102. BMF v. 25.4.2000 – IV B 3 – S 1301 Schz-16/00, BStBl. I 2000, 464 (485). Vgl. zu den einzelnen Gegenseitigkeitserklärungen Deutschlands mit Dänemark, Italien, den Niederlanden und einigen Schweizer Kantonen i.R.d. § 15 Abs. 1 Nr. 16 Buchst. c ErbStG a.F. von Oertzen, IStR 2016, 443. 5 EuGH v. 10.2.2011 – Rs. C-25/10 – Missionswerk Werner Heukelbach, ErbStB 2011, 92 = DStRE 2012, 175.
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§ 13 ErbStG Rz. 98 Steuerbefreiungen Mitgliedstaat der Europäischen Union, in dem aber auch der Erblasser zum Zeitpunkt seines Todes tatsächlich gewohnt oder gearbeitet haben müsse. Diese Voraussetzungen waren vorliegend nicht erfüllt, weil die Erblasserin in Belgien ansässig gewesen war und der gemeinnützige Verein in Deutschland. Es wurde hier ein Verstoß gegen die Kapitalverkehrsfreiheit bejaht, weil die Versagung der Begünstigung zu einer Minderung des Nachlasses führt und dies Gebietsansässige in Belgien davon abhalten könnte, Personen mit Sitz in anderen Mitgliedstaaten zu Vermächtnisnehmern zu bestimmen. Dies macht grenzüberschreitende Erbfälle und Schenkungen weniger attraktiv. Auch ein Rechtfertigungsgrund für eine Beeinträchtigung der Kapitalverkehrsfreiheit wurde hier nicht anerkannt. Daher müssen auch die erbschaftsteuerrechtlichen Vorschriften insoweit auf ausländische Körperschaften unter bestimmten Voraussetzungen anwendbar sein. Das oben zitierte EuGH-Urteil wurde aber lange Zeit nicht umgesetzt. Aufgrund der speziellen Voraussetzung der Gegenseitigkeitserklärung waren Zuwendungen an gemeinnützige EU/EWR-Körperschaften oder Religionsgesellschaften grundsätzlich erbschaft- und schenkungsteuerpflichtig und damit gegenüber Zuwendungen an inländische gemeinnützige Organisationen und Religionsgesellschaften benachteiligt. Die Europäische Kommission hatte daher die Bundesrepublik Deutschland im Rahmen eines Vertragsverletzungsverfahrens1 aufgefordert, aufgrund eines möglichen Verstoßes gegen die Kapitalverkehrsfreiheit die Vorschrift dahingehend zu ändern, dass sie grundfreiheitskonform ist. Die Europäische Kommission hielt die Gegenseitigkeitsbedingung für die Inanspruchnahme der Steuerbefreiung für europarechtswidrig. Mit Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Protokollerklärung zum Gesetz zur Anpassung der Abgabenordnung an den Zollkodex der Union und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften ist § 13 Abs. 1 Nr. 16 Buchst. c ErbStG geändert worden.2 Seit dem 6.11.2015 (§ 37 Abs. 10 ErbStG) gilt die Steuerbefreiung unter bestimmten zusätzlichen Voraussetzungen für Zuwendungen an ausländische Religionsgesellschaften, Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen gem. Buchst. a und b auch, wenn es sich um beschränkt steuerpflichtige Körperschaften handelt. Dies gilt auch für Drittstaatenorganisationen. Die Vorschrift zu den Gegenseitigkeitserklärungen ist ersatzlos weggefallen. Es muss daher bei Zuwendungen unterschieden werden zwischen der Rechtslage vor dem 6.11.2015 und nach dem 6.11.2015.3 3. Voraussetzungen des § 13 Abs. 1 Nr. 16 Buchst. c a) Anforderungen an die begünstigten Zuwendungsempfänger 98
Begünstigte Zuwendungsempfänger sind ausländische Religionsgesellschaften, Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen der in den Buchst. a und b bezeichenten Art, die nach § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG i. V. m. § 5 Abs. 2 Nr. 2 KStG 2. HS. KStG steuerbefreit wären, würden sie inländische Einkünfte erzielten. Das bedeutet, dass der ausländische Zuwendungsempfänger ungeachtet seiner steuerlichen Situation in seinem Ansässigkeitsstaat nach seiner Satzung, dem Stiftungsgeschäft oder der sonstigen Verfassung und nach seiner tatsächlichen Geschäftsführung ausschließlich und unmittelbar gemeinnützigen, mildtätigen oder kirchlichen Zwecken (§§ 51 bis 68 AO) dienen. Damit knüpft der Gesetzgeber an die deutschen gemeinnützigkeitsrechtlichen Vorschriften an, indem er die Steuerbegünstigung bei Zuwendungen an einen ausländischen Zuwendungsempfänger davon abhängig macht, ob dieser auch nach deutschem Gemeinnützigkeitsrecht die Voraussetzungen für die Steuerbegünstigung erfüllt. Damit fügt sich § 13 Abs. 1 Nr. 16 Buchst. c ErbStG in die Systematik der gemeinnützigkeitsrechtlichen Vorschriften ein. Es wird für die Steuerbegünstigung von beschränkt steuerpflichtigen gemeinnützigen Organisationen gefordert, dass diese nach § 5 Abs. 2 Nr. 2 KStG aus deutscher Sicht den Anforderungen an die §§ 51 bis 68 AO erfüllen. Dies gilt auch nach § 10b Abs. 1 Nr. 3 EStG für Spenden an beschränkt steuerpflichtige gemeinnützige Organisationen. Empfängerkörperschaften sind im Rahmen der §§ 5 Abs. 2 Nr. 2 KStG und 10b Abs. 1 Nr. 3 EStG lediglich Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen, während § 13 Abs. 1 Nr. 16 Buchst. c ErbStG auch noch Religionsgesellschaften einschließt. Bei der Prüfung, ob die Gemeinnützigkeitsvoraussetzungen bei der ausländischen Organisation gegeben sind, legt der BFH hohe Maßstäbe an. Erforderlich ist auch, dass z. B. im Einzelnen die Vorschriften 1 Vgl. BT-Drucks 18/66094 S. 88. 2 BGBl. 2015, 1830; BT-Drucks. 18/6094, S. 87. 3 Von Oertzen, IStR 2016, 443.
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Steuerbefreiungstatbestände (Abs. 1)
Rz. 100 § 13 ErbStG
über die Vermögensbindung und Mittelverwendung in der jeweiligen Satzung der betroffenen Organisation vorhanden sind.1 Die Satzung muss den Anforderungen der Mustersatzung in Anlage 1 zu § 60 AO genügen.2 In der Praxis muss bei Zuwendungen eine genaue Prüfung der Satzung und der tatsächlichen Geschäftsführung erfolgen, um die Steuerbefreiung in Anspruch zu nehmen. Dies dürfte in vielen Fällen dazu führen, dass die Steuerbegünstigung nur mit einigem Verwaltungsaufwand erreicht werden kann. Zudem werden erfahrungsgemäß in den jeweiligen Satzungen andere Regelungen vorzufinden sein, so dass eine Entsprechung mit dem deutschen Gemeinnützigkeitsrecht nicht häufig vorkommen dürfte. b) Amtshilfe und Hilfe bei der Beitreibung Weitere Voraussetzung ist, dass durch den jeweiligen Ansässigkeitsstaat der Empfängerorganisation 99 Amtshilfe und Unterstützung bei der Beitreibung geleistet wird. Amtshilfe wird im Gesetz definiert als Auskunftsaustausch im Sinne der entsprechenden Amtshilferichtlinie gem. § 2 Abs. 2 des EU-Amtshilfegesetzes. Beitreibung ist die gegenseitige Unterstützung bei der Beitreibung von Forderungen entsprechend der Beitreibungsrichtlinie einschließlich der in diesem Zusammenhang anzuwendenden Durchführungsbestimmungen in den für den jeweiligen Stichtag der Steuerentstehung geltenden Fassungen oder eines entsprechenden Nachfolgerechts. In Bezug auf Drittstaaten sind spezielle Abkommen zur Amtshilfe und Beitreibung erforderlich. Im Einzelfall stellt sich die Frage, ob solche Abkommen mit den Anforderungen an die Amtshilfe und Beitreibung innerhalb der EU/EWR3 vergleichbar sind. Damit sind regelmäßig Zuwendungen an steuerbegünstigte Organisationen in Drittstatten aus der Begünstigung herausfallen. Dies würde z.B. auch für die Schweiz gelten, mit der keine Amtshilfe besteht. Fraglich ist, welche Folgen sich dann daraus ergeben, dass noch Gegenseitigkeitserklärungen mit den Kantonen der Schweiz bestehen. Da § 13 Abs. 1 Nr. 16 Buchst. c ErbStG a. F. als Rechtsgrundlage für die Gegenseitigkeitserklärungen weggefallen ist, ist wohl davon auszugehen, dass diese auch keine Rechtswirkungen mehr entfalten. Das bedeutet, dass in Bezug auf Zuwendungen an eine schweizerische gemeinnützige Organisation eine Steuerbefreiung zumindest nach den Vorgaben des § 13 Abs. 1 Nr. 16 Buchst. c ErbStG nicht mehr in Betracht kommt.4 c) Struktureller Inlandsbezug nach § 51 Abs. 2 AO Weitere Voraussetzung für die Steuerbegünstigung des § 13 Abs. 1 Nr. 16 Buchst. c ErbStG ist, dass – 100 sofern die Körperschaft ihre Zwecke nur im Ausland verwirklicht – auch ein struktureller Inlandsbezug gem. § 51 Abs. 2 AO vorhanden sein muss. Das bedeutet, dass die Empfängerkörperschaft natürliche Personen fördern muss, die ihren Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (§ 51 Abs. 2 Alt. 1 AO), oder dass die Tätigkeit dieses Zuwendungsempfängers neben der Verwirklichung seiner Zwecke auch zum Ansehen der Bundesrepublik Deutschland beitragen kann (§ 51 Abs. 2 Alt. 2 AO). Damit wird die Voraussetzung des § 51 Abs. 2 AO ausdrücklich im ErbStG erwähnt. Der strukturelle Inlandsbezug muss daher bei der Empfängerkörperschaft positiv festgestellt werden. Das Kriterium des Inlandsbezugs kann in der Praxis dazu führen, dass einige Empfängerkörperschaften aus der Begünstigung herausfallen. Wenn z.B. eine ausländische gemeinnützige Körperschaft Kunst fördert, ist schon zweifelhaft, ob ein struktureller Inlandsbezug tatsächlich gegeben sein kann, wenn durch die Zweckverwirklichung weder Personen, die in Deutschland ansässig sind, gefördert werden, noch die Tätigkeit der steuerbegünstigten Körperschaft zum Ansehen der Bundesrepublik Deutschland positiv beitragen kann.
1 BFH v. 17.9.2013 – I R 16/12, IStR 2014, 266; weniger strenge Auffassung: FG Berlin-Brandenburg v. 24.7.2014 – 4 K 12276/9, DStRE 2015, 877 (Az. BFH: I R 54/14). 2 BFH v. 21.1.2015 – X R 7/13, BStBl. II 2015, 588. 3 EG-Amtshilfe-Richtlinie 77/799/EWG gem. § 2 EU-AHiG; EG Beitreibungs-Richtlinie 2008/55/EG. 4 Von Oertzen, IStR 2016, 443.
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§ 13 ErbStG Rz. 101 Steuerbefreiungen d) Zeitlicher Anwendungsbereich 101 Hinsichtlich des zeitlichen Anwendungsbereichs ist § 37 Abs. 10 ErbStG zu berücksichtigen. Nach
§ 37 Abs. 10 ErbStG gilt § 13 Abs. 1 Nr. 16 Buchst. c ErbStG in der am 6.11.2015 geltenden Fassung für Erwerbe, für die die Steuer nach dem 5.11.2015 entstanden ist. § 13 Abs. 1 Nr. 16 Buchst. c ErbStG in der am 6.11.2015 geltenden Fassung ist auch auf Erwerbe anzuwenden, für die die Steuer vor dem 6.11.2015 entsteht, soweit Steuerbescheide noch nicht bestandskräftig sind. Letzteres bedeutet, dass die Vorschrift auch auf bereits erfolgte Zuwendungen anzuwenden ist. Dies kann aber m. E. nur der Fall sein, wenn § 13 Abs. 1 Nr. 16 Buchst. c ErbStG eine Besserstellung für den Steuerpflichtigen bedeutet. Dies ist der Fall, wenn z.B. eine Zuwendung an eine gemeinnützige Organisation erfolgt, die nach § 13 Abs. 1 Nr. 16 Buchst. c ErbStG a.F. nicht begünstigt war, weil eine Gegenseitigkeitserklärung mit dem Ansässigkeitsstaat nicht vorlag (z.B. Zuwendung an eine in Frankreich ansässige gemeinnützige Körperschaft). Wurde aber bereits in der Vergangenheit eine schweizerische Stiftung auf der Grundlage einer Gegenseitigkeitserklärung begünstigt, so kann nicht für den Zeitraum vor dem 6.11.2015 die neue Fassung des § 13 Abs. 1 Nr. 16 Buchst. c ErbStG gelten. Es wäre dann zweifelhaft, ob die Begünstigungsvoraussetzungen erfüllt sind. Die Vorschrift kann daher nur für bereits erfolgte Schenkungen bzw. Zuwendungen eingreifen, wenn dies zu einer Privilegierung des Steuerpflichtigen führt. Sonst würde ein Fall der echten Rückwirkung vorliegen. § 37 Abs. 10 ErbStG, nach dem für alle offenen Fälle § 13 Abs. 1 Nr. 16 c ErbStG n.F. gelten soll, muss daher so ausgelegt werden, dass die neue Fassung lediglich für solche Fälle gilt, die den Steuerpflichtigen begünstigen.1 e) Nachsteuertatbestand des § 13 Abs. 1 Nr. 16 Buchst. b Satz 2 ErbStG n.F. 102 Im Gegensatz zu § 13 Abs. 1 Nr. 16 Buchst. b Satz 2 ErbStG n.F. enthielt § 16 Abs. 1 Nr. 16 Buchst. c
ErbStG a.F. keinen Nachsteuervorbehalt. Teilweise wurde in der Literatur vertreten, dass ein Nachsteuervorbehalt dennoch anwendbar sei und Nachweise darüber zu führen sind, dass die Empfängerkörperschaft nach zehn Jahren noch gemeinnützig ist.2 Dies wird damit begründet, dass es für die Steuerbefreiung auf den Gemeinnützigkeitsstatus ankomme und damit auch eine zehnjährige Vermögensbindung erforderlich sei. Ausländische Körperschaften würden ansonsten besser stehen als inländische Körperschaften.3 Ein Nachsteuervorbehalt war nach dem bisherigen Wortlaut der Vorschrift nicht vorgesehen, sodass eine Anwendung ausscheidet. Nur bei einer Steuerbefreiung aufgrund eines Doppelbesteuerungsabkommens soll ein Nachsteuervorbehalt nicht in Betracht kommen. Eine Klarstellung erfolgt in der neuen Fassung der Vorschrift durch den Verweis auf § 13 Abs. 1 Nr. 16 Buchst. b Satz 2 ErbStG n.F. Dadurch wird klargestellt, dass eine zehnjährige Nachsteuerperiode anwendbar ist, sodass die Steuerbefreiung rückwirkend entfallen kann, wenn die Voraussetzung für die Anerkennung des ausländischen Zuwendungsempfängers, steuerbegünstigte Zwecke zu verfolgen, innerhalb von zehn Jahren nach der Zuwendung entfällt und das Vermögen nicht steuerbegünstigten Zwecken zugeführt wird. Aus der Gesetzesänderung ergibt sich eindeutig, dass § 13 Abs. 1 Nr. 16 Buchst. c ErbStG a.F. gerade keinen Nachsteuervorbehalt beinhaltete. Sonst hätte es einer derartigen Klarstellung in der neuen Fassung nicht bedurft. Der Wortlaut des § 13 Abs. 1 Nr. 16 Buchst. c ErbStG a.F. nimmt nur Bezug auf die in a und b genannten Organisationen. Daher unterliegt es m.E. dem Analogieverbot, weil es sich um eine für den Steuerpflichtigen ungünstige Regelung handeln würde. Ein Nachsteuervorbehalt wird in verschiedenen Vorschriften des § 13 ErbStG vorgesehen. Daher ergibt sich aus der Systematik des gesamten § 13 ErbStG, dass ein Nachsteuervorbehalt nicht gewollt sein kann, wenn er nicht ausdrücklich in der Vorschrift erwähnt wird. Somit kann ein Nachsteuervorbehalt nur für solche Fälle gelten, die unter § 13 Abs. 1 Nr. 16 Buchst. c ErbStG n.F. fallen.
1 Von Oertzen, IStR 2016, 443. 2 Jülicher in T/G/J, § 13 ErbStG Rz. 215 (Stand: Juli 2015); Kien-Hümbert in Moench/Weinmann, § 13 ErbStG Rz. 106 (Stand: Februar 2016); Kobor in F/J/P/W5, § 13 ErbStG Rz. 88. 3 Kien-Hümbert in Moench/Weinmann, § 13 ErbStG Rz. 106 (Stand: Februar 2016).
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Steuerbefreiungstatbestände (Abs. 1)
Rz. 105 § 13 ErbStG
f) Folgen in der Praxis Für Fallgestaltungen innerhalb der EU/EWR ist § 13 Abs. 1 Nr. 16 Buchst. c ErbStG auf den ersten 103 Blick eine Erweiterung des bisherigen Steuerbefreiungstatbestands, weil das Erfordernis der Gegenseitigkeitserklärung weggefallen ist. Allerdings ist in der Praxis darauf zu achten, dass nicht jede Zuwendung an eine gemeinnützige Körperschaft innerhalb der EU/EWR automatisch begünstigt wird. Vor allem kommt es nicht darauf an, ob die Empfängerorganisation nach dem Recht ihres Sitzstaates gemeinnützig ist. Vielmehr sind an die Empfängerkörperschaft hohe Anforderungen geknüpft. Insbesondere über das Kriterium des strukturellen Inlandsbezugs nach § 51 Abs. 2 AO werden in der Praxis viele Zuwendungen an Empfängerkörperschaften nicht steuerbegünstigt sein. Insbesondere bei Drittstaatenkörperschaften ist zu berücksichtigen, dass es bereits an dem Tatbestandsmerkmal der Amtshilfe und der Unterstützung bei der Beitreibung scheitert. Es ist daher bei Zuwendungen an ausländische Organisationen empfehlenswert, die Steuerbegünstigung des § 13 Abs. 1 Nr. 17 ErbStG heranzuziehen (vgl. dazu Rz. 104 ff.) oder die Zuwendung über einen gemeinnützigen inländischen Spendensammelverein zu leisten.1
XXI. Zuwendungen zur Verwendung von gemeinnützigen Zwecken (Abs. 1 Nr. 17) 1. Anwendungsbereich der Vorschrift Die Steuerbefreiungsvorschrift des § 13 Abs. 1 Nr. 17 ErbStG ist eine Ergänzungsvorschrift zu § 13 104 Abs. 1 Nr. 16 ErbStG. Letztere stellt auf die Eigenschaft der Empfängerkörperschaft ab und rechtfertigt dadurch die Steuerbefreiung. Gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 17 sind Zuwendungen, die ausschließlich kirchlichen gemeinnützigen oder mildtätigen Zwecken gewidmet sind, sofern die Verwendung zu dem bestimmten Zweck gesichert ist, steuerfrei. Damit wird nicht an die Empfängerkörperschaft angeknüpft, sondern an die Verwendung der Zuwendungen. Der Erblasser/Schenker muss den Zweck festlegen. Die tatsächliche Verwendung wird bei Empfängerkörperschaften nach Buchst. b oder c der Empfängerorganisation selbst überlassen. Dabei richten sich die Begriffe „kirchliche“, „gemeinnützige“ oder „mildtätige Zwecke“ nach den §§ 52 bis 54 AO. Daher dürfte die Vorschrift in erster Linie auf Zuwendungen ins Ausland anwendbar sein, wenn die jeweilige ausländische Empfängerorganisation nicht unter § 13 Abs. 1 Nr. 16 ErbStG fällt. 2. Zweckgerechte Verwendung Allerdings verlangt die FinVerw. grundsätzlich, dass ein selbständiges Zweckvermögen gebildet wird, 105 das der Empfänger im Wege einer Zweckzuwendung i.S.d. § 8 ErbStG erhalten hat. Der Anwendungsbereich des § 13 Abs. 1 Nr. 17 ErbStG geht mittlerweile über solche Tatbestände hinaus. Es genügt nach der Rspr. des BFH,2 dass bei einer steuerbegünstigten ausländischen Körperschaft die Zuwendung zu satzungseigenen Zwecken verwendet werden soll. Es ist daher bei einer Stiftung, die im Ausland tätig ist, nicht notwendig, dass diese ein selbständiges Zweckvermögen bildet. Es muss allerdings anderweitig sichergestellt sein, dass sie die Zuwendung nur zu satzungseigenen Zwecken verwenden kann. Dies wird sich i.d.R. durch aus der ausländischen Satzung der Körperschaft ergeben. Nicht ausreichend ist nach der FinVerw. dagegen, wenn das zugewendete Vermögen zweckfreies Eigenvermögen wird, weil sich sonst die zweckgerechte Verwendung der zugewendeten Mittel nicht überprüfen lässt. Insoweit sollte bei der Nutzung der Steuerbefreiung des § 13 Abs. 1 Nr. 17 ErbStG im Wege einer Vereinbarung mit der Empfängerkörperschaft sichergestellt sein, dass diese auch verpflichtet ist, die Zuwendung für ihre Satzungszwecke zu verwenden. Nach einem Urteil des FG München3 ist durch die Zuwendung an den Staat Israel sichergestellt, dass die Zuwendung auch zu den begünstigten Zwecken verwendet wird. In dem Fall vermachte ein Steuerpflichtiger u.a. sein Vermögen dem Staat Israel. Es ließ sich allerdings auch durch entsprechende Nachweise vortragen, 1 Von Oertzen, IStR 2016, 443. 2 BFH v. 4.9.1996 – II R 21/95, BFH/NV 1997, 231. 3 FG München v. 13.3.2002 – 4 K 2570/99, EFG 2002, 852.
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§ 13 ErbStG Rz. 106 Steuerbefreiungen dass nach dem Beschluss der Regierung jeder Nachlass, der zugunsten des Staates Israels zugewendet wird, ausschließlich für im Einzelnen näher ausgeführte Wohltätigkeitszwecke verwendet werden soll. Daher ergab sich zwar die Widmung nicht aus dem Testament des Erblassers oder durch eine gesonderte Erklärung, sondern dadurch, dass der Staat Israel sich selber in dieser Hinsicht gebunden hatte. Der BFH bejahte damit eine Widmung für wohltätige, d.h. gemeinnützige oder mildtätige Zwecke.1 Es soll für eine zweckgerechte Verwendung zudem schon ausreichen, wenn die Erträgnisse aus dem zugwendeten Vermögensstamm nicht in vollem Umfang zu den begünstigten Zwecken verwendet werden, sondern i.H.v. 20 % der Verstärkung des Kapitalstamms dienen sollen2. In dem diesem Urteil zugrunde liegenden Sachverhalt hatte ein schwedischer Erblasser, der im Zeitpunkt des Todes in Deutschland ansässig war, sein Vermögen an eine schwedische Stiftung vererbt. Diese sollte das Vermögen als gesondertes Vermögen verwalten, 80 % des jährlichen Ertrags zur Förderung ihrer Zwecke verwenden und die verbleibenden 20 % des jährlichen Ertrags dem Kapital hinzufügen. Aus deutscher Sicht waren die Zwecke, die die schwedische Stiftung erfüllte, allesamt gemeinnützig. Auf der Grundlage des § 13 Abs. 1 Nr. 17 ErbStG wurde diese Zuwendung des Erblassers als steuerfrei angesehen. Eine Widmung zu gemeinnützigen Zwecke liege nach dem BFH auch dann vor, wenn nicht die Verwendung des Vermögensstamms selbst zu den begünstigten Zwecken angeordnet ist, sondern nur eine Verwendung der Erträgnisse aus dem Vermögensstamm. Widmung heißt nicht, dass der zugewendete Gegenstand selbst in seiner körperlichen Substanz oder durch Verwertung den begünstigten Zwecken oder Empfängern zukommen muss. Insbesondere war die vorhergesehene Thesaurierung der Erträgnisse i.H.v. 20 % im Hinblick auf die Regelung des § 58 Nr. 7a AO mit dem Gemeinnützigkeitsrecht im Einklang (heute: § 62 Abs. 1 Nr. 3 AO). 3. Gestaltungshinweise 106 § 13 Abs. 1 Nr. 17 ErbStG ist grundsätzlich Auffangtatbestand, wenn die speziellen Regelungen des
§ 13 Abs. 1 Nr. 16 Buchst. c ErbStG bzw. eine spezielle DBA-Vorschrift im konkreten Fall nicht anwendbar sind.3 Möchte ein Steuerpflichtiger eine Zuwendung an eine ausländische steuerbegünstigte Körperschaft machen, ist bei Nichtvorliegen der Voraussetzungen des § 13 Abs. 1 Nr. 16 Buchst. c ErbStG oder in Ermangelung einer DBA-Vorschrift auf § 13 Abs. 1 Nr. 17 ErbStG abzustellen. Es ist in der Praxis allerdings zu berücksichtigen, dass Nachweise für eine zweckgerechte Verwendung gegenüber der FinVerw. erbracht werden müssen. Daher sollte in solchen Fällen eine Beweisvorsorge getroffen werden. Nicht empfehlenswert ist, größere Zuwendungen an ausländische gemeinnützige Körperschaften vorzunehmen, die allerdings ohne jegliche vertragliche Grundlage gemacht werden. In einem Zuwendungsvertrag sollte z.B. noch vereinbart werden, dass eine zweckgerechte Verwendung der Zuwendung vorgenommen wird und sich die ausländische Körperschaft entsprechend verpflichtet. Es reicht nicht aus, dass die Empfängerkörperschaft lediglich gemeinnützig nach den Regeln ihres Ansässigkeitsstaats ist.
XXII. Zuwendungen an politische Parteien und Wählervereinigungen (Abs. 1 Nr. 18) 1. Allgemeines 107 Gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 18 sind Zuwendungen an politische Parteien i.S.d. § 2 PartG steuerfrei so-
wie Zuwendungen an Vereine ohne Parteicharakter, wenn a) der Zweck des Vereins ausschließlich darauf gerichtet ist, durch Teilnahme mit eigenen Wahlvorschlägen an Wahl auf Bundes-, Landesoder Kommunalebene bei der politischen Willensbildung mitzuwirken und b) der Verein auf Bundes-, Landes- oder Kommunalebene bei der jeweils letzten Wahl wenigstens ein Mandat errungen oder der zuständigen Wahlbehörde oder dem zuständigen Wahlorgan angezeigt hat, dass er mit eigenen Wahlvorschlägen auf Bundes-, Landes- oder Kommunalebene an der jeweils nächsten Wahl teilnehmen will. 1 Anders entschieden: FG München v. 5.11.1997 – 4 K 527/94, EFG 1998, 492. 2 BFH v. 16.1.2002 – II R 82/99, BStBl. II 2002, 303 = FR 2002, 797. 3 R E 13.10 Abs. 3 ErbStR 2011.
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Steuerbefreiungstatbestände (Abs. 1)
Rz. 109 § 13 ErbStG
2. Zuwendungen an Parteien § 13 Abs. 1 Nr. 18 Buchst. a ErbStG knüpft an Zuwendungen an politische Parteien i.S.d. § 2 PartG 108 an, so dass die Definition heranzuziehen ist. Parteien i.S.d. § 2 PartG1 sind Vereinigungen von Bürgern, die dauernd oder für längere Zeit für den Bereich des Bundes oder eines Landes auf die politische Willensbildung Einfluss nehmen und an der Vertretung des Volkes im deutschen Bundestag oder einem Landtag mitwirken wollen, wenn sie nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse, insbesondere nach Umfang und Festigkeit ihrer Organisation, nach der Zahl ihrer Mitglieder und nach ihrem Hervortreten in der Öffentlichkeit eine ausreichende Gewähr für die Ernsthaftigkeit dieser Zielsetzung bieten. Mitglieder einer Partei können nur natürliche Personen sein. Eine Vereinigung verliert ihre Rechtsstellung als Partei, wenn sie sechs Jahre lang weder an einer Bundestagswahl noch an einer Landtagswahl mit eigenen Wahlvorschlägen teilgenommen hat. Eine politische Vereinigung ist nicht Partei gem. § 2 Abs. 3 PartG, wenn ihre Mitglieder oder die Mitglieder ihres Vorstands in der Mehrheit Ausländer sind oder ihr Sitz oder ihre Geschäftsleitung sich außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes befindet. Diese Voraussetzungen sind von der Vereinigung im Zeitpunkt der Zuwendung zu erfüllen und ggf. auch nachzuweisen. Dabei muss nicht die gesamte Partei Empfänger einer Zuwendung sein, sondern es kann auch eine einzelne Untergliederung sein. Die Befreiungsvorschrift gilt für den Erwerb von Todes wegen sowie für Schenkungen unter Lebenden. 3. Zuwendungen an Vereine ohne Parteicharakter Gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 18 Buchst. b ErbStG sind seit dem Erbschaftsteuerreformgesetz 2009 Zuwen- 109 dungen an Vereine ohne Parteicharakter (sog. Wählervereinigungen) steuerbefreit. Der Grund für die Erweiterung der Steuerbefreiung ist ein Urteil des BVerfG.2 Das BVerfG hat die Vorschrift des § 13 Abs. 1 Nr. 18 ErbStG wegen Verstoßes gegen die Chancengleichheit für verfassungswidrig erklärt. Es können nicht Zuwendungen an politische Parteien für steuerfrei erklärt werden, aber Zuwendungen an kommunale Wählervereinigungen weiterhin steuerpflichtig bleiben.3 Das BVerfG ordnete seinerzeit an, dass § 13 Abs. 1 Nr. 18 ErbStG längstens bis zum 30.6.2009 weiter anzuwenden sei. Die Regelung des § 13 Abs. 1 Nr. 18 ErbStG wurde dann bereits zum 1.1.2009 geändert. Nach der Entscheidung des BVerfG zu der Verfassungswidrigkeit des § 13 Abs. 1 Nr. 18 ErbStG hatte das Finanzministerium Baden-Württemberg in einem Erlass vom 26.2.2009 vorgesehen, dass die Steuerbefreiung des § 13 Abs. 1 Nr. 18 ErbStG in allen noch offenen Fällen mit einem Entstehungszeitpunkt der Steuer bis Ende 2008 noch zu berücksichtigen ist.4 Dabei stellte das BVerfG fest, dass § 13 Abs. 1 Nr. 18 ErbStG das Recht auf Chancengleichheit nach Art. 3 Abs. 1 i.V.m. Art. 9 Abs. 1, Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG verletze. Grundsätzlich sei der Gesetzgeber zwar nicht gehindert, bestimmte Personengruppen oder Sachverhalte aus Gründen des Gemeinwohls steuerlich zu begünstigen. Solche Begünstigungsnormen müssen allerdings auch verfassungsrechtlichen Anforderungen genügen. Eine Begünstigung kann vor dem Gleichheitssatz gerechtfertigt sein, wenn der Gesetzgeber das Verhalten des Steuerpflichtigen aus Gründen des Gemeinwohls lenken will. Für steuerrechtliche Regelungen, die die Teilnahme an der politischen Willensbildung betreffen, ergeben sich noch strengere Voraussetzungen aus der verfassungsrechtlich geforderten Chancengleichheit im politischen Wettbewerb. Das Recht auf Chancengleichheit gilt also nicht nur für den Wahlvorgang selbst nach Art. 38 Abs. 1 Satz 1 GG und den Status sowie die Betätigung politischer Parteien nach Art. 21 GG, sondern auch für die Wahlvorbereitung. So müssen auch Wählervereinigungen in die Begünstigung miteinbezogen werden. Hier gilt ebenfalls, dass die Zuwendung unmittelbar an die Vereinigung erfolgen muss und keine Spenden an einzelne Mitglieder begünstigt sind. Letzteres ist höchstens dann zulässig, wenn sie mit der Auflage verbunden sind, diese an die Wählervereinigung oder an die Partei weiterzugeben. Allerdings gibt es trotz der versuchten Gleichstellung des Gesetzgebers weiterhin Unterschiede zwischen den Parteien und den Vereinigungen ohne Parteicharakter. Von den Wählervereinigungen wird gefordert, dass sie bei der jeweils letzten Wahl wenigstens ein Mandat errungen oder 1 Gesetz v. 31.1.1994, BGBl. I 1994, 149, zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes v. 23.8.2011, BGBl. I 2011, 1748. 2 BVerfG v. 17.4.2008 – 2 BvL 4/05, HFR 2008, 854. 3 FG Hess. v. 6.12.2004 – 1 K 140/02, ErbStB 2005, 179 = EFG 2005, 797. 4 FinMin. BW v. 26.2.2009 – 3 S 3812/24, DStR 2009, 1537.
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§ 13 ErbStG Rz. 110 Steuerbefreiungen der zuständigen Wahlbehörde oder dem zuständigen Wahlorgan angezeigt hat, dass sie mit eigenen Wahlvorschlägen auf Bundes-, Landes- oder Kommunalebene an der jeweils nächsten Wahl teilnehmen will. Bei politischen Parteien hingegen geht die Parteiqualität erst nach sechs Jahren verloren, wenn Inaktivität gegeben ist. Insoweit wäre auch bei einer Inaktivität einer Partei von sechs Jahren die Steuerbefreiung nicht gefährdet. 4. Nachversteuerungsvorbehalt für Vereine ohne Parteicharakter 110 Auch § 13 Abs. 1 Nr. 18 ErbStG enthält in Satz 2 einen Nachversteuerungsvorbehalt. Die Steuer-
befreiung fällt mit Wirkung für die Vergangenheit weg, wenn der Verein an der jeweils nächsten Wahl nach der Zuwendung nicht teilnimmt, es sei denn, dass der Verein sich ernsthaft um eine Teilnahme bemüht hat. Darin liegt auch eine Schlechterstellung der Wählervereinigungen im Gegensatz zu den politischen Parteien, bei denen ein solcher Nachsteuerungsvorbehalt nicht eingreift. Problematisch dürfte hier das Tatbestandsmerkmal des sich ernsthaften Bemühens sein. Eine allgemeine Definition existiert nicht, auch nicht von der Finanzverwaltung. Der Wortlaut der Vorschrift knüpft an § 34g EStG an. Danach vermindert sich die tarifliche Einkommensteuer bei Zuwendungen an die entsprechenden Parteien bzw. Wählervereinigungen für den steuerpflichtigen Spender. Bei Vereinen ohne Parteicharakter handelt es sich um unabhängige Wählervereinigungen in der Rechtsform eines rechtsfähigen und nicht rechtsfähigen Vereins i.S.d. §§ 21, 54 BGB. Der Vereinszweck muss gem. § 34g Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG ausschließlich darauf gerichtet sein, durch Teilnahme mit eigenen Wahlvorschlägen auf Bundes-, Landes- oder Kommunalebene bei der politischen Willensbildung mitzuwirken. Dies müsste auch für solche Parteien gelten, die nur an den Wahlen zum europäischen Parlament beteiligt sein wollen.1 Unter § 34g Nr. 2 EStG fallen auch Nichtvereine, deren Zweck nicht auf die Teilnahme an Wahlen gerichtet ist, sondern die nur zu einzelnen Fragen über Abstimmungen an der politischen Willensbildung mitwirken wollen.2
C. Angemessenheit (Abs. 2) 111 In § 13 Abs. 2 ErbStG wird Bezug nehmend auf die Steuerbefreiungen gem. Abs. 1 Nr. 5 und 12 de-
finiert, was unter einer angemessenen Zuwendung zu verstehen ist. § 13 Abs. 1 Nr. 5 ErbStG regelt die Befreiung von einer Schuld gegenüber dem Erblasser und § 13 Abs. 1 Nr. 12 ErbStG Zuwendungen unter Lebenden zum Zwecke des angemessenen Unterhalts und stellt diese von der Erbschaftsteuerpflicht frei. Angemessen ist danach eine Zuwendung, die den Vermögensverhältnissen und der Lebensstellung des Bedachten entspricht. Sollte die Angemessenheit nicht gegeben sein, ist die Zuwendung in vollem Umfang steuerpflichtig. Es wird anders als z.B. in § 13 Abs. 1 Nr. 4c nicht nur der überschießende, die Angemessenheit übersteigende Teil, besteuert, sondern die gesamte Zuwendung (§ 13 Abs. 2 Satz 2 ErbStG). Angemessenheit bestimmt sich nach den Vermögensverhältnissen und der Lebensstellung des Bedachten. Untergrenze ist nach sozialrechtlichen Grundsätzen das Existenzminimum. Insbesondere bei den Obergrenzen ist auch die Definition des § 13 Abs. 2 ErbStG problematisch. Handelt es sich um ein großes Vermögen und ist die Lebensstellung des Bedachten an größere Vermögenszuwendungen angepasst, ist es schwierig, bei einer überdurchschnittlichen Zuwendung noch von Angemessenheit zu sprechen. Den Maßstab hierfür bildet das, was im Lebenskreis des Bedachten „üblich“ ist, sofern es den Rahmen der allgemeinen Sitte nicht überschreitet.3 Ist diese Grenze eingehalten, ist eine weitere Prüfung, ob das Übliche angemessen ist, nicht zulässig. Auch bei einer solchen Definition stellt sich die Frage, wann der Rahmen der allgemeinen Sitte noch nicht überschritten wird. In der Praxis führen die Definitionen regelmäßig zu Schwierigkeiten, weil nicht im Vorhinein absehbar ist, wann die Angemessenheitsgrenze überschritten ist. Dies gilt insbesondere bei wohlhabenden Personen, die eine solche Zuwendung erhalten. Selbst wenn eine hohe Geldsumme als Zuwendung üblich zu sein scheint, ist es immer eine Frage des Einzelfalls, ob dies auch in dem konkreten Einzelfall so ausgelegt wird. Daher ist im Rahmen der Steuergestaltung mit der Steuerbefreiung des § 13 Abs. 1 Nr. 12 ErbStG vorsichtig umzugehen. 1 Vgl. zum Begriff Kirchhof, § 34g EStG Rz. 7 ff.; Strahl/Demuth in Korn, § 34g EStG Rz. 8 ff. (Stand: Juni 2016). 2 BFH v. 14.5.1998 – X B 164/97, BFH/NV 1999, 29. 3 Meincke16, § 13 ErbStG Rz. 69.
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Anwendung der Befreiungsvorschrift (Abs. 3)
Rz. 112 § 13 ErbStG
D. Anwendung der Befreiungsvorschrift (Abs. 3) Nach § 13 Abs. 3 ErbStG ist jede Befreiungsvorschrift für sich anzuwenden, d.h. es kann auch zu ei- 112 ner kumulativen Anwendung mehrerer Vorschriften kommen. In den Fällen des Abs. 1 Nr. 2 und 3 (Schenkungen von Kunstgegenständen/Grundbesitz) kann der Erwerber bei der Finanzbehörde bis zur Unanfechtbarkeit der Steuerfestsetzung erklären, dass er auf die Steuerbefreiung verzichtet (§ 13 Abs. 3 Satz 2 ErbStG). Ein solcher Verzicht kann dann Sinn machen, wenn Schulden abgezogen werden sollen. Die Verzichtsmöglichkeit beruht auf dem beschränkten Schuldenabzug nach § 10 Abs. 6 ErbStG. Werden im Rahmen eines einheitlichen Erwerbs mehrere befreite Gegenstände erworben und besteht nur bei einem oder einigen ein Schuldenüberhang, kann der Verzicht auf die Steuerbefreiung auch gegenstandsbezogen erklärt werden.1
1 R E 13.11 Satz 2 ErbStR 2011.
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§ 13a Steuerbefreiung für Betriebsvermögen, Betriebe der Land- und Forstwirtschaft und Anteile an Kapitalgesellschaften (1) 1Begünstigtes Vermögen im Sinne des § 13b Absatz 2 bleibt vorbehaltlich der folgenden Absätze zu 85 Prozent steuerfrei (Verschonungsabschlag), wenn der Erwerb begünstigten Vermögens im Sinne des § 13b Absatz 2 zuzüglich der Erwerbe im Sinne des Satzes 2 insgesamt 26 Millionen Euro nicht übersteigt. 2Bei mehreren Erwerben begünstigten Vermögens im Sinne des § 13b Absatz 2 von derselben Person innerhalb von zehn Jahren werden bei der Anwendung des Satzes 1 die früheren Erwerbe nach ihrem früheren Wert dem letzten Erwerb hinzugerechnet. 3Wird die Grenze von 26 Millionen Euro durch mehrere innerhalb von zehn Jahren von derselben Person anfallende Erwerbe überschritten, entfällt die Steuerbefreiung für die bis dahin nach Satz 1 oder Absatz 10 als steuerfrei behandelten früheren Erwerbe mit Wirkung für die Vergangenheit. 4Die Festsetzungsfrist für die Steuer der früheren Erwerbe endet nicht vor dem Ablauf des vierten Jahres, nachdem das für die Erbschaftsteuer zuständige Finanzamt von dem letzten Erwerb Kenntnis erlangt. (2) 1Der nach Anwendung des Absatzes 1 verbleibende Teil des begünstigten Vermögens bleibt außer Ansatz, soweit der Wert dieses Vermögens insgesamt 150 000 Euro nicht übersteigt (Abzugsbetrag). 2Der Abzugsbetrag von 150 000 Euro verringert sich, soweit der Wert dieses Vermögens insgesamt die Wertgrenze von 150 000 Euro übersteigt, um 50 Prozent des diese Wertgrenze übersteigenden Betrags. 3Der Abzugsbetrag kann innerhalb von zehn Jahren für von derselben Person anfallende Erwerbe begünstigten Vermögens nur einmal berücksichtigt werden. (3) 1Voraussetzung für die Gewährung des Verschonungsabschlags nach Absatz 1 ist, dass die Summe der maßgebenden jährlichen Lohnsummen (Sätze 6 bis 13) des Betriebs, bei Beteiligungen an einer Personengesellschaft oder Anteilen an einer Kapitalgesellschaft des Betriebs der jeweiligen Gesellschaft innerhalb von fünf Jahren nach dem Erwerb (Lohnsummenfrist) insgesamt 400 Prozent der Ausgangslohnsumme nicht unterschreitet (Mindestlohnsumme). 2Ausgangslohnsumme ist die durchschnittliche Lohnsumme der letzten fünf vor dem Zeitpunkt der Entstehung der Steuer (§ 9) endenden Wirtschaftsjahre. 3Satz 1 ist nicht anzuwenden, wenn 1. die Ausgangslohnsumme 0 Euro beträgt oder 2. der Betrieb unter Einbeziehung der in den Sätzen 11 bis 13 genannten Beteiligungen und Gesellschaften sowie der nach Maßgabe dieser Bestimmung anteilig einzubeziehenden Beschäftigten nicht mehr als fünf Beschäftigte hat. 4An die Stelle der Mindestlohnsumme von 400 Prozent tritt bei 1. mehr als fünf, aber nicht mehr als zehn Beschäftigten eine Mindestlohnsumme von 250 Prozent, 2. mehr als zehn, aber nicht mehr als 15 Beschäftigten eine Mindestlohnsumme von 300 Prozent. 5Unterschreitet die Summe der maßgebenden jährlichen Lohnsummen die Mindestlohnsumme, vermindert sich der nach Absatz 1 zu gewährende Verschonungsabschlag mit Wirkung für die Vergangenheit in demselben prozentualen Umfang, wie die Mindestlohnsumme unterschritten wird. 6Die Lohnsumme umfasst alle Vergütungen (Löhne und Gehälter und andere Bezüge und Vorteile), die im maßgebenden Wirtschaftsjahr an die auf den Lohn- und Gehaltslisten erfassten Beschäftigten gezahlt werden. 7Außer Ansatz bleiben Vergütungen an solche Beschäftigte, 1. die sich im Mutterschutz im Sinne des Mutterschutzgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 20. Juni 2002 (BGBl. I S. 2318), das zuletzt durch Artikel 6 des Gesetzes vom 23. Oktober 2012 (BGBl. I S. 2246) geändert worden ist, befinden oder 2. die sich in einem Ausbildungsverhältnis befinden oder 3. die Krankengeld im Sinne des § 44 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Krankenversicherung – (Artikel 1 des Gesetzes vom 20. Dezember 1988, BGBl. I S. 2477, 2482), das zuletzt durch Artikel 3 des Gesetzes vom 30. Mai 2016 (BGBl. I S. 1254) geändert worden ist, beziehen oder
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§ 13a ErbStG Steuerbefreiung für Betriebsvermögen, LuF, Anteile 4. die Elterngeld im Sinne des Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 27. Januar 2015 (BGBl. I S. 33) beziehen oder 5. die nicht ausschließlich oder überwiegend in dem Betrieb tätig sind (Saisonarbeiter); diese im Zeitpunkt der Entstehung der Steuer (§ 9) einem Betrieb zuzurechnenden Beschäftigten bleiben bei der Anzahl der Beschäftigten des Betriebs im Sinne der Sätze 3 und 4 unberücksichtigt. 8Zu den Vergütungen zählen alle Geld- oder Sachleistungen für die von den Beschäftigten erbrachte Arbeit, unabhängig davon, wie diese Leistungen bezeichnet werden und ob es sich um regelmäßige oder unregelmäßige Zahlungen handelt. 9Zu den Löhnen und Gehältern gehören alle von den Beschäftigten zu entrichtenden Sozialbeiträge, Einkommensteuern und Zuschlagsteuern auch dann, wenn sie vom Arbeitgeber einbehalten und von ihm im Namen des Beschäftigten direkt an den Sozialversicherungsträger und die Steuerbehörde abgeführt werden. 10Zu den Löhnen und Gehältern zählen alle von den Beschäftigten empfangenen Sondervergütungen, Prämien, Gratifikationen, Abfindungen, Zuschüsse zu Lebenshaltungskosten, Familienzulagen, Provisionen, Teilnehmergebühren und vergleichbare Vergütungen. 11Gehören zum Betriebsvermögen des Betriebs, bei Beteiligungen an einer Personengesellschaft und Anteilen an einer Kapitalgesellschaft des Betriebs der jeweiligen Gesellschaft, unmittelbar oder mittelbar Beteiligungen an Personengesellschaften, die ihren Sitz oder ihre Geschäftsleitung im Inland, in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder in einem Staat des Europäischen Wirtschaftsraums haben, sind die Lohnsummen und die Anzahl der Beschäftigten dieser Gesellschaften einzubeziehen zu dem Anteil, zu dem die unmittelbare oder mittelbare Beteiligung besteht. 12Satz 11 gilt für Anteile an Kapitalgesellschaften entsprechend, wenn die unmittelbare oder mittelbare Beteiligung mehr als 25 Prozent beträgt. 13Im Fall einer Betriebsaufspaltung sind die Lohnsummen und die Anzahl der Beschäftigten der Besitzgesellschaft und der Betriebsgesellschaft zusammenzuzählen. (4) 1Das für die Bewertung der wirtschaftlichen Einheit örtlich zuständige Finanzamt im Sinne des § 152 Nummer 1 bis 3 des Bewertungsgesetzes stellt die Ausgangslohnsumme, die Anzahl der Beschäftigten und die Summe der maßgebenden jährlichen Lohnsummen gesondert fest, wenn diese Angaben für die Erbschaftsteuer oder eine andere Feststellung im Sinne dieser Vorschrift von Bedeutung sind. 2Bei Anteilen an Kapitalgesellschaften, die nach § 11 Absatz 1 des Bewertungsgesetzes zu bewerten sind, trifft die Feststellungen des Satzes 1 das örtlich zuständige Finanzamt entsprechend § 152 Nummer 3 des Bewertungsgesetzes. 3Die Entscheidung über die Bedeutung trifft das Finanzamt, das für die Festsetzung der Erbschaftsteuer oder die Feststellung nach § 151 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 bis 3 des Bewertungsgesetzes zuständig ist. 4§ 151 Absatz 3 und die §§ 152 bis 156 des Bewertungsgesetzes sind auf die Sätze 1 bis 3 entsprechend anzuwenden. (5) 1Ein Erwerber kann den Verschonungsabschlag (Absatz 1) und den Abzugsbetrag (Absatz 2) nicht in Anspruch nehmen, soweit er begünstigtes Vermögen im Sinne des § 13b Absatz 2 auf Grund einer letztwilligen Verfügung des Erblassers oder einer rechtsgeschäftlichen Verfügung des Erblassers oder Schenkers auf einen Dritten übertragen muss. 2Gleiches gilt, wenn ein Erbe im Rahmen der Teilung des Nachlasses begünstigtes Vermögen im Sinne des § 13b Absatz 2 auf einen Miterben überträgt. 3Überträgt ein Erbe erworbenes begünstigtes Vermögen im Sinne des § 13b Absatz 2 im Rahmen der Teilung des Nachlasses auf einen Dritten und gibt der Dritte dabei diesem Erwerber nicht begünstigtes Vermögen hin, das er vom Erblasser erworben hat, erhöht sich insoweit der Wert des begünstigten Vermögens des Dritten um den Wert des hingegebenen Vermögens, höchstens jedoch um den Wert des übertragenen Vermögens. (6) 1Der Verschonungsabschlag (Absatz 1) und der Abzugsbetrag (Absatz 2) fallen nach Maßgabe des Satzes 2 mit Wirkung für die Vergangenheit weg, soweit der Erwerber innerhalb von fünf Jahren (Behaltensfrist) 1. einen Gewerbebetrieb oder einen Teilbetrieb, eine Beteiligung an einer Gesellschaft im Sinne des § 15 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und Absatz 3 oder § 18 Absatz 4 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes, einen Anteil eines persönlich haftenden Gesellschafters einer Kommanditgesellschaft auf Aktien oder einen Anteil daran veräußert; als Veräußerung gilt auch die Aufgabe des Gewerbebetriebs. 2Gleiches gilt, wenn wesentliche Betriebsgrundlagen eines Gewerbebetriebs veräußert oder in das Privatvermögen überführt oder anderen betriebsfremden Zwecken zugeführt werden oder wenn Anteile an einer Kapitalgesellschaft veräußert werden, die der Veräußerer durch eine Sacheinlage (§ 20 Absatz 1 des Umwandlungssteuergesetzes vom 452
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Steuerbefreiung für Betriebsvermögen, LuF, Anteile
§ 13a ErbStG
7. Dezember 2006 (BGBl. I S. 2782, 2791), zuletzt geändert durch Artikel 6 des Gesetzes vom 2. November 2015 (BGBl. I S. 1834), in der jeweils geltenden Fassung) aus dem Betriebsvermögen im Sinne des § 13b erworben hat oder wenn eine Beteiligung an einer Gesellschaft im Sinne des § 15 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und Absatz 3 oder § 18 Absatz 4 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes oder ein Anteil daran veräußert wird, den der Veräußerer durch eine Einbringung des Betriebsvermögens im Sinne des § 13b in eine Personengesellschaft (§ 24 Absatz 1 des Umwandlungssteuergesetzes) erworben hat; 2. das land- und forstwirtschaftliche Vermögen im Sinne des § 168 Absatz 1 Nummer 1 des Bewertungsgesetzes und selbst bewirtschaftete Grundstücke im Sinne des § 159 des Bewertungsgesetzes veräußert. 2Gleiches gilt, wenn das land- und forstwirtschaftliche Vermögen einem Betrieb der Land- und Forstwirtschaft nicht mehr dauernd zu dienen bestimmt ist oder wenn der bisherige Betrieb innerhalb der Behaltensfrist als Stückländerei zu qualifizieren wäre oder Grundstücke im Sinne des § 159 des Bewertungsgesetzes nicht mehr selbst bewirtschaftet werden; 3. als Inhaber eines Gewerbebetriebs, als Gesellschafter einer Gesellschaft im Sinne des § 15 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und Absatz 3 oder § 18 Absatz 4 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes oder als persönlich haftender Gesellschafter einer Kommanditgesellschaft auf Aktien bis zum Ende des letzten in die Fünfjahresfrist fallenden Wirtschaftsjahres Entnahmen tätigt, die die Summe seiner Einlagen und der ihm zuzurechnenden Gewinne oder Gewinnanteile seit dem Erwerb um mehr als 150 000 Euro übersteigen; Verluste bleiben unberücksichtigt. 2Gleiches gilt für Inhaber eines begünstigten Betriebs der Land- und Forstwirtschaft oder eines Teilbetriebs oder eines Anteils an einem Betrieb der Land- und Forstwirtschaft. 3Bei Ausschüttungen an Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft ist sinngemäß zu verfahren; 4. Anteile an Kapitalgesellschaften im Sinne des § 13b Absatz 1 Nummer 3 ganz oder teilweise veräußert; eine verdeckte Einlage der Anteile in eine Kapitalgesellschaft steht der Veräußerung der Anteile gleich. 2Gleiches gilt, wenn die Kapitalgesellschaft innerhalb der Frist aufgelöst oder ihr Nennkapital herabgesetzt wird, wenn diese wesentliche Betriebsgrundlagen veräußert und das Vermögen an die Gesellschafter verteilt wird; Satz 1 Nummer 1 Satz 2 gilt entsprechend; 5. im Fall des § 13b Absatz 1 Nummer 3 Satz 2 die Verfügungsbeschränkung oder die Stimmrechtsbündelung aufgehoben wird. 2Der rückwirkende Wegfall des Verschonungsabschlags beschränkt sich in den Fällen des Satzes 1 Nummer 1, 2, 4 und 5 auf den Teil, der dem Verhältnis der im Zeitpunkt der schädlichen Verfügung verbleibenden Behaltensfrist einschließlich des Jahres, in dem die Verfügung erfolgt, zur gesamten Behaltensfrist entspricht. 3In den Fällen des Satzes 1 Nummer 1, 2 und 4 ist von einer rückwirkenden Besteuerung abzusehen, wenn der Veräußerungserlös innerhalb der jeweils nach § 13b Absatz 1 begünstigungsfähigen Vermögensart verbleibt. 4Hiervon ist auszugehen, wenn der Veräußerungserlös innerhalb von sechs Monaten in entsprechendes Vermögen investiert wird, das zum begünstigten Vermögen im Sinne des § 13b Absatz 2 gehört. (7) 1Der Erwerber ist verpflichtet, dem für die Erbschaftsteuer zuständigen Finanzamt innerhalb einer Frist von sechs Monaten nach Ablauf der Lohnsummenfrist das Unterschreiten der Mindestlohnsumme (Absatz 3 Satz 1) anzuzeigen. 2In den Fällen des Absatzes 6 ist der Erwerber verpflichtet, dem für die Erbschaftsteuer zuständigen Finanzamt den entsprechenden Sachverhalt innerhalb einer Frist von einem Monat, nachdem der jeweilige Tatbestand verwirklicht wurde, anzuzeigen. 3Die Festsetzungsfrist für die Steuer endet nicht vor dem Ablauf des vierten Jahres, nachdem das für die Erbschaftsteuer zuständige Finanzamt von dem Unterschreiten der Mindestlohnsumme (Absatz 3 Satz 1) oder dem Verstoß gegen die Behaltensregelungen (Absatz 6) Kenntnis erlangt. 4Die Anzeige ist eine Steuererklärung im Sinne der Abgabenordnung. 5Sie ist schriftlich abzugeben. 6Die Anzeige hat auch dann zu erfolgen, wenn der Vorgang zu keiner Besteuerung führt. (8) Soweit nicht inländisches Vermögen zum begünstigten Vermögen im Sinne des § 13b Absatz 2 gehört, hat der Steuerpflichtige nachzuweisen, dass die Voraussetzungen für eine Steuerbefreiung im Zeitpunkt der Entstehung der Steuer (§ 9) und während der gesamten in den Absätzen 3 und 6 genannten Zeiträume bestehen.
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§ 13a ErbStG Steuerbefreiung für Betriebsvermögen, LuF, Anteile (9) 1Für begünstigtes Vermögen im Sinne des § 13b Absatz 2 wird vor Anwendung des Absatzes 1 ein Abschlag gewährt, wenn der Gesellschaftsvertrag oder die Satzung Bestimmungen enthält, die 1. die Entnahme oder Ausschüttung auf höchstens 37,5 Prozent des um die auf den Gewinnanteil oder die Ausschüttungen aus der Gesellschaft entfallenden Steuern vom Einkommen gekürzten Betrages des steuerrechtlichen Gewinns beschränken; Entnahmen zur Begleichung der auf den Gewinnanteil oder die Ausschüttungen aus der Gesellschaft entfallenden Steuern vom Einkommen bleiben von der Beschränkung der Entnahme oder Ausschüttung unberücksichtigt und 2. die Verfügung über die Beteiligung an der Personengesellschaft oder den Anteil an der Kapitalgesellschaft auf Mitgesellschafter, auf Angehörige im Sinne des § 15 der Abgabenordnung oder auf eine Familienstiftung (§ 1 Absatz 1 Nummer 4) beschränken und 3. für den Fall des Ausscheidens aus der Gesellschaft eine Abfindung vorsehen, die unter dem gemeinen Wert der Beteiligung an der Personengesellschaft oder des Anteils an der Kapitalgesellschaft liegt, und die Bestimmungen den tatsächlichen Verhältnissen entsprechen. 2Gelten die in Satz 1 genannten Bestimmungen nur für einen Teil des begünstigten Vermögens im Sinne des § 13b Absatz 2, ist der Abschlag nur für diesen Teil des begünstigten Vermögens zu gewähren. 3Die Höhe des Abschlags entspricht der im Gesellschaftsvertrag oder in der Satzung vorgesehenen prozentualen Minderung der Abfindung gegenüber dem gemeinen Wert (Satz 1 Nummer 3) und darf 30 Prozent nicht übersteigen. 4Die Voraussetzungen des Satzes 1 müssen zwei Jahre vor dem Zeitpunkt der Entstehung der Steuer (§ 9) vorliegen. 5Die Steuerbefreiung entfällt mit Wirkung für die Vergangenheit, wenn die Voraussetzungen des Satzes 1 nicht über einen Zeitraum von 20 Jahren nach dem Zeitpunkt der Entstehung der Steuer (§ 9) eingehalten werden; die §§ 13c und 28a bleiben unberührt. 6In den Fällen des Satzes 1 1. ist der Erwerber verpflichtet, dem für die Erbschaftsteuer zuständigen Finanzamt die Änderungen der genannten Bestimmungen oder der tatsächlichen Verhältnisse innerhalb einer Frist von einem Monat anzuzeigen, 2. endet die Festsetzungsfrist für die Steuer nicht vor dem Ablauf des vierten Jahres, nachdem das für die Erbschaftsteuer zuständige Finanzamt von der Änderung einer der in Satz 1 genannten Bestimmungen oder der tatsächlichen Verhältnisse Kenntnis erlangt. (10) 1Der Erwerber kann unwiderruflich erklären, dass die Steuerbefreiung nach den Absätzen 1 bis 9 in Verbindung mit § 13b nach folgender Maßgabe gewährt wird: 1. In Absatz 1 Satz 1 tritt an die Stelle des Verschonungsabschlags von 85 Prozent ein Verschonungsabschlag von 100 Prozent; 2. in Absatz 3 Satz 1 tritt an die Stelle der Lohnsummenfrist von fünf Jahren eine Lohnsummenfrist von sieben Jahren; 3. in Absatz 3 Satz 1 und 4 tritt an die Stelle der Mindestlohnsumme von 400 Prozent eine Mindestlohnsumme von 700 Prozent; 4. in Absatz 3 Satz 4 Nummer 1 tritt an die Stelle der Mindestlohnsumme von 250 Prozent eine Mindestlohnsumme von 500 Prozent; 5. in Absatz 3 Satz 4 Nummer 2 tritt an die Stelle der Mindestlohnsumme von 300 Prozent eine Mindestlohnsumme von 565 Prozent; 6. in Absatz 6 tritt an die Stelle der Behaltensfrist von fünf Jahren eine Behaltensfrist von sieben Jahren. 2Voraussetzung für die Gewährung der Steuerbefreiung nach Satz 1 ist, dass das begünstigungsfähige Vermögen nach § 13b Absatz 1 nicht zu mehr als 20 Prozent aus Verwaltungsvermögen nach § 13b Absatz 3 und 4 besteht. 3Der Anteil des Verwaltungsvermögens am gemeinen Wert des Betriebs bestimmt sich nach dem Verhältnis der Summe der gemeinen Werte der Einzelwirtschaftsgüter des Verwaltungsvermögens nach § 13b Absatz 3 und 4 zum gemeinen Wert des Betriebs. (11) Die Absätze 1 bis 10 gelten in den Fällen des § 1 Absatz 1 Nummer 4 entsprechend.
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Steuerbefreiung für Betriebsvermögen, LuF, Anteile A. Grundaussagen der Vorschrift. . . . . . . . . . I. Regelungsgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Systematische Stellung des § 13a ErbStG und Grundsystematik der Verschonungsregelungen für begünstigtes Vermögen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Normaufbau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Bedeutung und Telos . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Wirtschaftliche Bedeutung . . . . . . . . . . . 2. Telos . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Geltungsbereich und Verhältnis zu anderen Vorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Rechtsentwicklung und zeitlicher Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. § 13a ErbStG 1994 i.d.F. bis 31.12.2008 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Gesetzesänderungen nach Inkrafttreten des ErbStRG 2009. . . . . . . . . . . . . . . a) Wachstumsbeschleunigungsgesetz . . . b) Jahressteuergesetz 2010 . . . . . . . . . . . c) Steuervereinfachungsgesetz 2011 . . . . d) Amtshilferichtlinie-Umsetzungsgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Verfassungsrechtliche Diskussion 2009 bis 2014 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Urteil des BVerfG v. 17.12.2014. . . . . . . . 5. ErbStAnpG 2016 . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Zeitlicher Anwendungsbereich . . . . . . . .
1 1
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B. Steuerbefreiung für begünstigtes Vermögen in Abhängigkeit vom Wert des Erwerbs (Abs. 1) . . . . . . . . . . . . . . . . .
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C. Gleitender Abzugsbetrag (Abs. 2) . . . . . . .
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D. Lohnsummenkontrolle (Abs. 3). . . . . . . . . 43 I. Technik des Lohnsummenvergleichs (Abs. 3 Satz 1 bis 4) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 2. Bildung einer „Gesamtlohnsumme“ bei Erwerb mehrerer betrieblicher Einheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 3. Ausgangslohnsumme (Abs. 3 Satz 2). . . . 50 4. Mindestlohnsumme (Abs. 3 Satz 1) . . . . 59 5. Ausnahmen von der Lohnsummenkontrolle (Abs. 3 Satz 3) . . . . . . . . . . . . . 64 a) Ausgangslohnsumme 0 Euro . . . . . . . 64 b) Betrieb mit nicht mehr als fünf Beschäftigten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 II. Rechtsfolgen bei Unterschreiten der Mindestlohnsumme (Abs. 3 Satz 5). . . . . . . 75 III. Lohnsummendefinition (Abs. 3 Satz 8 bis 10) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 IV. Lohnsummenermittlung in mehrstufigen Beteiligungsstrukturen (Abs. 3 Sätze 11 und 12) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 1. Einbeziehung der von nachgeordneten Gesellschaften gezahlten Löhne und Gehälter. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 a) Allgemeines. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84
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b) Ausschluss von Drittlandsbeteiligungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) 25 %-Grenze. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Veränderungen im Beteiligungsbestand während des Lohnsummenzeitraums . . . . a) Veränderungen vor dem Übertragungsstichtag (Ausgangslohnsumme) . b) Veränderungen im Beteiligungsbestand während des Mindestlohnsummenermittlungszeitraums . . . . . . . c) Umstrukturierungen . . . . . . . . . . . . . . 3. Zusammenrechnung von Betriebs- und Besitzgesellschaft bei Betriebsaufspaltungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verfahrensrechtliche Regelungen (Abs. 4) . Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Beteiligung an weiteren Gesellschaften . . . . . Begünstigungstransfer (Abs. 5). . . . . . . . . .
G. Behaltensfrist (Abs. 6) . . . . . . . . . . . . . . . . I. Allgemeine Grundsätze . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die Nachsteuertatbestände im Einzelnen (Abs. 6 Satz 1 Nr. 1 bis 5) . . . . . . . . . . . . . . . 1. Betriebsvermögen (Abs. 6 Satz 1 Nr. 1) . . 2. Land- und forstwirtschaftliches Vermögen (Abs. 6 Satz 1 Nr. 2) . . . . . . . . . . . 3. Überentnahmen (Abs. 6 Satz 1 Nr. 3) . . . . a) Grundsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Anwendung auch auf Kapitalgesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Kapitalgesellschaftsanteile (Abs. 6 Satz 1 Nr. 4) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Verstoß gegen eine Poolvereinbarung (Abs. 6 Satz 1 Nr. 5) . . . . . . . . . . . . . . . . III. Berechnung der Nachsteuer (Abs. 6 Satz 2 ) . 1. Behaltensfristverstöße . . . . . . . . . . . . . . . 2. Überentnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. „Mehrfachverstöße“. . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Reinvestition (Abs. 6 Satz 3 und 4) . . . . . . . . H. Mitwirkungspflichten des Steuerpflichtigen (Abs. 7 und 8) . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Wertabschlag für Familienunternehmen (Abs. 9) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Entnahme- oder Ausschüttungsbeschränkung (Abs. 9 Nr. 1) . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Verfügungsbeschränkungen (Abs. 9 Nr. 2) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Abfindungsbeschränkungen (Abs. 9 Nr. 3) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Rechtsfolge Wertabschlag als Steuerbefreiung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Vor- und Nachlauffrist, Rechtsfolgen bei Verstoß . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Mitwirkungspflichten und Ablaufhemmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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86 88 94 94 99 100
110 112 112 119 121 133 133 140 140 153 156 156 168 172 180 188 188 194 195 199 211 220 220 224 224 230 235 238 240 247
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§ 13a ErbStG Steuerbefreiung für Betriebsvermögen, LuF, Anteile J. Optionsverschonung (Abs. 10) . . . . . . . . . 249 K. Erbersatzsteuer für Familienstiftungen (Abs. 11) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259 L. Wesentliche Unterschiede zu § 13a ErbStG a.F. (bis zum 30.6.2016). . . . . . . . . 260 I. Normaufbau § 13a ErbStG a.F. . . . . . . . . . . 260
II. Lohnsumme (§ 13a Abs. 1 Satz 2 bis 5 und Abs. 4 ErbStG a.F.). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 270 III. Lohnsummenermittlung in mehrstufigen Beteiligungsstrukturen vor dem 30.6.2016 (§ 13a Abs. 4 Satz 5 ErbStG a.F.) . . . . . . . . . 274 IV. Optionsverschonung (§ 13a Abs. 8 ErbStG a.F.) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 275
Literatur zu §§ 13a, 13b, 13c, 28a ErbStG i.d.F. des ErbStAnpG 2016: Bockhoff/Eick, Analyse des RegE zur Anpassung des ErbStG und SchenkStG für ausgesuchte Familienunternehmen, DB 2015, 1685; Brüggemann, Entwurf eines Gesetzes zur Anpassung des ErbStG – auf Referentenentwurf folgt Gesetzentwurf, ErbBstg 2015, 206; Brüggemann, ErbStG-E: KG-Anteil wird auf Tochter vererbt, ErbSt muss nach neuem Recht ermittelt werden, ErbBstg 2015, 196; Brüggemann, Gesetz zur Anpassung des ErbStG: Verwaltungsvermögenstest in Holdingstrukturen, ErbBstg 2017, 13; Crezelius, Erbschaftsteuerreform 2016: Ein rechtssystematischer Überblick, ZEV 2016, 541; Eisele, Erbschaftsteuer: Der Referentenentwurf des BMF im Detail – Lohnsummenklausel und Neudefinition des begünstigten Vermögens, NWB 2015, 1824; Eisele, Erbschaftsteuer: Der Referentenentwurf des BMF im Detail – Vermögenskonsolidierung, Finanzmitteltest und Verschonungsbedarfsprüfung bei Großerwerben unter Einbeziehung von Privatvermögen, NWB 2015, 1905; Eisele, Reform der Erbschaftsteuer: Alternativ- und Ergänzungsvorschläge der Länder im Bundesrat, NWB 2015, 3001; Eisele, Reform der Erbschaftsteuer: Gesetzgebungsverfahren geht in die Verlängerung – Bundesrat ruft Vermittlungsausschuss an, NWB 2016, 2173; Erkis, Der Entwurf – zur Anpassung des ErbStG an das BVerfG-Urteil v. 17.12.2014 – „minimalinvasiv“ oder „maximaladministrativ“?, DStR 2015, 1409; Erkis, Die Neuregelung des Verschonungssystems für Betriebsvermögen im ErbStG – Vorgaben des BVerfG-Urteils v. 17.12.2014 umgesetzt?, DStR 2016, 1441; Geck, Erbschaftsteuerreform 2016: Die neuen Voraussetzungen der Verschonung von Unternehmensvermögen unter Einschluss der Nachsteuertatbestände, ZEV 2016, 546; Hannes, Der Regierungsentwurf zur Reform der Unternehmenserbschaftsteuer, ZEV 2015, 371; Hannes, Erbschaftsteuerreform 2016: Neuregelungen zur Bewertung und zum Umfang der Verschonung, ZEV 2016, 554; Herbst, Das neue Erbschaftsteuerrecht – Erste Praxisbeispiele und erste Zweifelsfragen zur Ermittlung des begünstigten Vermögens, ErbStB 2016, 347; Herbst, Der neue Regierungsentwurf zum ErbStG – Praktische Auswirkungen für die Betriebsvermögensbegünstigungen anhand von Beispielen, ErbStB 2015, 263; Holtz, Erbschaftsteuerreform 2016 – Das neue Verschonungssystem für Unternehmensvermögen, NJW 2016, 3750; Höne, „Große Aufgabe – sehr große Lösung“ – Die Anpassung des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes an die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, NWB-EV 2015, 223; Höreth/Stelzer, Erbschaftsteuerreform – wie wird Betriebsvermögen künftig begünstigt?, DStZ 2016, 559; Kischisch/Maiterth, Einladung zur Steuergestaltung durch den Gesetzentwurf zum ErbStG vom 6.7.2015, DB 2015, 2033; Königer, Entwurf des ErbStAnpG: Die geplanten Begünstigungen für Unternehmensvermögen aus steuerplanerischer Sicht Analyse und Gestaltungsüberlegungen, ErbStB 2015, 256; Korezkij, Erbschaftsteuerreform: Änderungen durch den Regierungsentwurf vom 8.7.2015, DStR 2015, 1649; Korezkij, Erbschaftsteuerreform: Erste Überlegungen zum Referentenentwurf, DStR 2015, 1337; Korezkij, Erbschaftsteuerreform: Finger weg vom Abschmelzungsmodell bei Erwerben begünstigten Vermögens ab 51 Mio. 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Grundaussagen der Vorschrift
Rz. 4 § 13a ErbStG
NWB 2015, 2717; Viskorf/Löcherbach/Jehle: Die Erbschaftsteuerreform 2016 – Ein erster Überblick, DStR 2016, 2425; Wachter, Erste Konturen des neuen Erbschaftsteuerrechts, FR 2016, 690; Wachter, Neuer Vorab-Abschlag beim Erwerb von Anteilen an qualifizierten Familienunternehmen, NZG 2016, 1168; Wachter, Referentenentwurf zum Erbschaft- und Schenkungsteuerrecht, GmbHR 2015, 193; Wachter, Referentenentwurf zur Reform des ErbStG, DB 2015, 1368; Wachter, Stiftungen im neuen Erbschaft- und Schenkungsteuerrecht (Teil 2), FR 2017, 130; Wachter, Unternehmensnachfolge 2017: Anwendungsfragen des neuen ErbStG, GmbHR 2017, 1; Zipfel/Lahme, Anwendungsregelungen des neuen Erbschafsteuergesetzes und Einbeziehung vor dem 1.7.2016 erfolgter Übertragungen in die Großunternehmensregelungen, DStZ 2016, 566.
A. Grundaussagen der Vorschrift I. Regelungsgegenstand 1. Systematische Stellung des § 13a ErbStG und Grundsystematik der Verschonungsregelungen für begünstigtes Vermögen Nach der grundlegenden Neufassung der Begünstigungsvorschriften für Unternehmensvermögen 1 durch das Gesetz vom 4.11.2016 zur Anpassung des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes an die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts („ErbStAnpG 2016“)1 bestehen die Normen, die die Verschonung für unternehmerisches Vermögen regeln, nunmehr aus den §§ 13a, 13b, 13c und § 28a ErbStG. Die §§ 13a, 13b ErbStG regeln die vier Voraussetzungen für die Inanspruchnahme etwaiger Begünstigungen, namentlich die Prüfung, ob es sich bei der übertragenen betrieblichen Einheit um dem Grunde nach begünstigungsfähiges Vermögen handelt (§ 13b Abs. 1 ErbStG), inwieweit begünstigtes Vermögen vorliegt (§ 13b Abs. 2 und 4 ErbStG) und inwieweit die beiden nachgelagerten Voraussetzungen der Lohnsummenkontrolle (§ 13a Abs. 3 ErbStG) und der Einhaltung der Behaltensfrist (§ 13a Abs. 6 ErbStG) vorliegen. Bei den Rechtsfolgen ist hingegen zu unterscheiden. Für Erwerbe bis zu einer Grenze von 26 Mio. Euro ist das Verschonungsregime einschließlich der Regelungen über die Behaltensfrist und Lohnsummenkontrolle weiterhin in § 13a ErbStG geregelt. Übersteigt der Erwerb begünstigten Vermögens (ggf. unter Zusammenrechnung mit Erwerben der letzten zehn Jahre) die Grenze von 26 Mio. Euro, ergeben sich die Rechtsfolgen der Verschonung aus den §§ 13c und 28a ErbStG. Allerdings sind auch in diesem Fall die Behaltensfrist und die Lohnsummenkontrolle, geregelt in § 13a ErbStG, zu beachten. 2. Normaufbau Abs. 1 regelt den Grundsatz der Verschonung für betriebliches Vermögen, nämlich dass begünstigtes 2 Vermögen i.S.d. § 13b Abs. 2 ErbStG zu 85 % verschont wird, wenn der Erwerber mit dem Erwerb nicht die Grenze von 26 Mio. Euro übersteigt. Die 26-Mio.-Euro-Grenze bestimmt sich durch Zusammenrechnung aller Erwerbe von derselben Person innerhalb der letzten zehn Jahre. Falls durch einen späteren Erwerb auch für frühere Erwerbe die 26-Mio.-Euro-Grenze überschritten wird, wird klargestellt, dass auch für diese früheren Erwerbe ein Wechsel des Verschonungssystems hin zum Abschmelzungs- oder Erlassmodell (§§ 13c, 28a ErbStG) eintritt. Abs. 2 enthält – wie früher – einen gleitenden Abzugsbetrag für Erwerbe kleinerer und mittlerer be- 3 trieblicher Vermögen. Es handelt sich nicht um einen generellen Freibetrag i.H.v. 150 000 Euro, da dieser in Abhängigkeit vom Wert des Erwerbs abschmilzt. Durch die Stellung hinter Abs. 1 ist ebenfalls klargestellt, dass der gleitende Abzugsbetrag nachrangig zur Anwendung des Verschonungsabschlags erfolgt. Abs. 3 enthält mit Modifikationen die bereits früher geltende Lohnsummenkontrolle. Der Absatz 4 vereint die zuvor in § 13a Abs. 1 und 4 ErbStG a.F. geregelte Technik des Lohnsummenvergleichs, namentlich die Ermittlung der Ausgangslohnsumme sowie den Vergleich mit der Mindestlohnsumme (Lohnsumme, welche in den auf den Erwerb folgenden fünf oder sieben Jahren erbracht werden
1 Gesetz zur Anpassung des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes an die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts v. 4.11.2016, BGBl. I 2016, 2464.
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§ 13a ErbStG Rz. 5 Steuerbefreiung für Betriebsvermögen, LuF, Anteile muss), und deren Behandlung in mehrstufigen Beteiligungsstrukturen (früher § 13a Abs. 4 ErbStG a.F.). 5 Abs. 4 enthält die zuvor in § 13a Abs. 1a ErbStG a.F. enthaltenen verfahrensrechtlichen Regelungen,
nämlich die gesonderte und die einheitliche Feststellung der Lohnsummen durch das Betriebsfinanzamt. 6 Abs. 5 beinhaltet die zuvor in §§ 13a Abs. 3 und 13b Abs. 3 ErbStG a.F. enthaltenen Regelungen des
sog. „Begünstigungstransfers“. Geregelt werden nunmehr die Rechtsfolgen für beide Beteiligte am Begünstigungstransfer, d.h. sowohl für den Abgebenden als auch für den Erwerber des begünstigten Vermögens. 7 Abs. 6 übernimmt unverändert die Behaltensfristregelungen des früheren § 13a Abs. 5 ErbStG a.F. 8 Abs. 7 enthält die zuvor in § 13a Abs. 6 ErbStG a.F. enthaltenen Beteiligungspflichten des Erwerbers
zur Anzeige von Behaltensfristverstößen und dem Unterschreiten der Mindestlohnsumme. 9 Abs. 8 enthält die zuvor in § 13a Abs. 7 ErbStG a.F. geregelte besondere Nachweispflicht bei Erwer-
ben von nicht-inländischem begünstigtem Vermögen. 10
Abs. 9 enthält eine Neuerung im ErbStG, nämlich die Gewährung einer zusätzlichen Steuerbefreiung für qualifizierte Familienunternehmen. Hierin ist geregelt, dass bei Einhaltung bestimmter gesellschaftsvertraglicher Voraussetzungen ein bis zu 30 %iger zusätzlicher Steuerbefreiungsabschlag auf den gemeinen Wert des erworbenen Unternehmens oder des erworbenen Anteils (vor Anwendung der 26 Mio.-Euro-Grenze) zur Anwendung gelangt. Die Vorschrift regelt ferner eine eigenständige zweijährige Vor- und zwanzigjährige Nachlauffrist für die Einhaltung dieser besonderen gesellschaftsvertraglichen Bestimmungen sowie die hierzu erforderlichen verfahrensrechtlichen Regelungen (Anzeigepflichten und Ablaufhemmung der Festsetzungsverjährung).
11
Abs. 10 enthält die zuvor in § 13a Abs. 8 ErbStG a.F. enthaltene Option zur Vollverschonung. Die Regelung wurde modifiziert und an die neuen Lohnsummenregelungen angepasst. Des Weiteren enthält die Regelung als eigenständige Voraussetzung für die Inanspruchnahme der Vollverschonung eine Verwaltungsvermögens-Obergrenze von 20 %.
12
Abs. 11 stellt klar, dass sich die Verschonungsvoraussetzungen auch auf die sog. Erbersatzsteuer von Familienstiftungen beziehen.
II. Bedeutung und Telos 1. Wirtschaftliche Bedeutung 13
Die Erlangung der Verschonungsregelungen hatte nach dem Urteil des BVerfG aus dem Jahre 2006 und nach Umsetzung des Urteils durch das Erbschaftsteuerreformgesetz zum 1.1.2009 außerordentliche Bedeutung erlangt. Da mit der Neuregelung des Bewertungsrechts die erheblichen Bewertungsvorteile von Unternehmensvermögen beseitigt wurden (sowohl das alte „Stuttgarter Verfahren“ bei Kapitalgesellschaften als auch die buchwertbezogene additive Einzelbewertung von Betriebsvermögen und Personengesellschaften führten i.d.R. zu erheblichen Unterbewertungen), wurde dieses Hochbewertungskonzept1 des Gesetzgebers nur noch durch eine ebenso hohe Verschonung für unternehmerisches Vermögen wieder kompensiert. Dies insbesondere, da das Gesetz zwar in § 28 ErbStG eine grundsätzliche Stundungsmöglichkeit vorsieht, die allerdings von so hohen Voraussetzungen abhängig ist, dass sie in der Praxis äußerst selten zur Anwendung gelangt (hierzu § 28 ErbStG Rz. 3). Auch der im Zusammenhang mit der Bewertung des unternehmerischen Vermögens und Prüfung und ggf. Herstellung der Verschonungsvoraussetzungen in Zusammenhang stehende Aufwand (und die Kosten!) dürfte im Zuge der Neuregelung durch das Erbschaftsteuerreformgesetz und erst recht durch das ErbStAnpG 2016 erheblich angestiegen sein bzw. weiter ansteigen.
1 Hübner, Erbschaftsteuerreform 2009, 384 f.
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Grundaussagen der Vorschrift
Rz. 17 § 13a ErbStG
2. Telos Bereits mit der Steuerbefreiung nach § 13a ErbStG a.F. verfolgte der Gesetzgeber den Zweck, qualifi- 14 ziertes unternehmerisches Vermögen weitgehend von der Besteuerung auszunehmen. So war die Erleichterung der Unternehmensnachfolge von Anfang an zentrales Anliegen des Gesetzgebers.1 Begleitet von verfassungsrechtlichen Vorgaben suchte der Gesetzgeber einerseits, die verfassungsrechtlich angeordnete Hochbewertung durch die Gewährung von ebenfalls hohen Verschonungsabschlägen – zumindest in Teilen – wieder zu kompensieren. Andererseits stand der Gesetzgeber vor der Aufgabe, die weitreichenden Vergünstigungen durch sozial adäquate Gemeinwohlzwecke zu rechtfertigen. Als solche hatte der Gesetzgeber bereits mit der Erbschaftsteuerreform 2009 die Sozialbindung unternehmerischen Vermögens im Allgemeinen sowie die Schaffung und Erhaltung von Arbeitsplätzen im Besonderen bestimmt. Zudem sollte der Erwerb von „unproduktivem“ Vermögen (nach dem gesetzgeberischen Leitbild: typisches Privatvermögen zur risikolosen Renditeerzielung)2 von der Begünstigung ausgenommen werden. Insgesamt sah der Gesetzgeber eine geringe Erbschaft- und Schenkungsteuerbelastung unternehmerischen Vermögens offenbar auch als Beseitigung negativer Standortfaktoren an, indem die den Betrieb fortführenden Erwerber weitgehend von einer Liquiditätsbelastung durch Erbschaft- und Schenkungsteuer freigestellt wurden. Richtig hieran ist, dass unter Wettbewerbsgesichtspunkten große Kapitalgesellschaften sowie börsennotierte Gesellschaften ohne die Belastung einer Übertragungsbesteuerung ihrer Anteilseigner wirtschaften können, während insbesondere mittelständische Unternehmen den Betriebsübergang für ihre Erwerber wohl aus betrieblichen Mitteln finanzieren müssten, da in der ohne Verschonungsabschläge bestehenden Größenordnung eine Finanzierung der Erbschaft- und Schenkungsteuer aus dem Privatvermögen des Erwerbers in aller Regel ausscheiden dürfte.
III. Geltungsbereich und Verhältnis zu anderen Vorschriften § 13a ErbStG steht in unmittelbarem Zusammenhang mit §§ 13b, 13c und § 28a ErbStG. Die Vor- 15 schriften regeln – in sich wiederum geschlossen – die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme der Steuerbegünstigungen für unternehmerisches Vermögen. § 13a ErbStG ist Teil des zweiten Abschnitts des ErbStG, mithin Teil der Wertermittlungsvorschriften. Dort regelt die Norm eine sachliche Steuerbefreiung für qualifiziertes betriebliches Vermögen. Die gesetzessystematische Stellung hinter den §§ 10 und 12 ErbStG ergab sich aus der Vorgabe des 16 BVerfG vom 7.11.2006,3 bei der Steuerbegünstigung von unternehmerischem Vermögen strikt zwischen der Ebene der Wertermittlung und der Ebene der Steuerverschonung zu unterscheiden. Während § 12 ErbStG i.V.m. den Vorschriften des BewG einheitlich für alle Vermögensgegenstände (also auch für betriebliches Vermögen gleich welcher Rechtsform) eine einheitliche Bewertung mit dem gemeinen Wert als Verkehrswert vorschreibt (dazu § 12 ErbStG Rz. 9, 22), regelt § 13a Abs. 1 i.V.m. §§ 13c und 28a ErbStG die Gewährung eines Verschonungsabschlags auf den gemeinen Wert unter den in den Normen genannten Voraussetzungen. Die Vorschrift gilt für alle Fälle der persönlichen Steuerpflicht i.S.d. § 2 ErbStG.
IV. Rechtsentwicklung und zeitlicher Anwendungsbereich 1. § 13a ErbStG 1994 i.d.F. bis 31.12.2008 Vor seiner Neufassung durch das Erbschaftsteuerreformgesetz 20094 wies die Begünstigung für be- 17 triebliches Vermögen in § 13a ErbStG 1994 bis 31.12.2008 – obgleich mit gleicher Ordnungsziffer versehen – nur wenige Gemeinsamkeiten mit der Nachfolgeregelung auf. Die durch das Standortsi-
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Vgl. Entwurf eines Gesetzes zur Erleichterung der Unternehmensnachfolge v. 3.11.2006, BR-Drucks. 778/06. Gesetzesbegründung zum Entwurf eines ErbStRG v. 28.1.2008, BT-Drucks. 16/7918, 35. BVerfG v. 7.11.2006 – 1 BvL 10/02, BStBl. II 2007, 192. BGBl. I 2008, 3018.
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§ 13a ErbStG Rz. 18 Steuerbefreiung für Betriebsvermögen, LuF, Anteile cherungsgesetz vom 13.9.19931 zum 1.1.1994 eingefügte Vorschrift begünstigte in ihrer Form vor der Änderung des ErbStRG 2009 den Erwerb von inländischem Betriebsvermögen, inländischem land- und forstwirtschaftlichem Vermögen sowie Anteilen an Kapitalgesellschaften, wenn der Erblasser oder Schenker an dem Kapital dieser Gesellschaften zu mehr als 1/4 unmittelbar beteiligt war. Die vorgesehene Verschonung betrieblichen Vermögens beschränkte sich jedoch auf einen Freibetrag i.H.v. bis zu 225 000 Euro sowie einen verminderten Wertansatz i.H.v. 65 v.H. des erbschaftsteuerlichen Wertes des betrieblichen Vermögens (steuerfrei also 35 %). Weitere Voraussetzungen für die Inanspruchnahme von Freibetrag und vermindertem Wertansatz bestanden nicht. Die gleichwohl erhebliche Privilegierung von betrieblichem Vermögen bis zum 31.12.2008 resultierte also vornehmlich aus den besonderen Bewertungsvorschriften für die in § 13a Abs. 4 ErbStG 1994 bis 31.12.2008 genannten Vermögensgegenstände. Insbesondere bei land- und forstwirtschaftlichem Vermögen und Betriebsvermögen in der Form von Einzelunternehmen und Mitunternehmerschaften kam es nach den Vorgaben des alten Bewertungsgesetzes zu einer deutlich unter dem Verkehrswert liegenden Bewertung. Diese resultierte insbesondere im Bereich der Personengesellschaften und Einzelunternehmen aus einer additiven Buchwertbetrachtung (Anknüpfung der Bewertung an die steuerbilanziellen Buchwerte mit Ausnahme von Grundstücken, Gebäuden und Anteilen an Kapitalgesellschaften).2 Der sich hieraus ergebende Wert lag zumeist deutlich unter dem Verkehrswert3 und war zudem von steuerlichen „Zufälligkeiten“ wie Abschreibungsvolumen, Sonder-AfA u.Ä. abhängig. Das für nichtbörsliche Kapitalgesellschaften angewandte „Stuttgarter Verfahren“4 gelangte ebenfalls i.d.R. zu deutlich unter dem Verkehrswert der Anteile liegenden Erbschaftsteuerwerten. Die durchaus erhebliche Verschonung unternehmerischen Vermögens bis zum 31.12.2008 ergab sich also insbesondere aus dem Zusammenspiel zwischen einer stark begünstigenden Bewertung und den (im Vergleich zu der heutigen Regelung geringeren) Steuerbefreiungen. Genau dieses System der verdeckten Präferenzierung von Unternehmensvermögen über die Bewertung hatte das BVerfG mit seiner Entscheidung vom 7.11.20065 für verfassungswidrig erkannt und angemahnt, auf der „ersten Stufe“ die Bewertung rechtsformneutral auszugestalten und jedwede Steuerbefreiungen auf einer nachgelagerten „zweiten Stufe“ zu regeln. 18
Auch § 13a ErbStG 1994 wies Regelungen zum Begünstigungstransfer (Abs. 3) und Regelungen zu einer Nachversteuerung (Abs. 5) auf. Als Unterschied bei den Behaltensfristverstößen ist insbesondere herauszuheben, dass unter Geltung des § 13a Abs. 5 ErbStG 1994 bis 31.12.2008 ein Behaltensfristverstoß innerhalb des maßgeblichen Fünf-Jahreszeitraums nach dem Übertragungsstichtag zu einem vollständigen Entfallen der Steuerbefreiungen führte („Fallbeilregelung“),6 während die seit dem 1.1.2009 geltende Regelung, abhängig von dem Zeitpunkt des Behaltensfristverstoßes, ein „Abschmelzungsmodell“ bei der Nachversteuerung vorsieht (dazu Rz. 188). 2. Gesetzesänderungen nach Inkrafttreten des ErbStRG 2009 a) Wachstumsbeschleunigungsgesetz
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Mit Inkrafttreten des Wachstumsbeschleunigungsgesetzes7 zum 1.1.2010 wurde neben der Reduzierung der Steuersätze in der Steuerklasse II (dazu § 19 ErbStG Rz. 9) sowie der allgemeinen Reduzierung der Behaltensfristen von sieben auf fünf Jahre (Regelverschonung) und von zehn auf sieben Jahre (Vollverschonung) die einzuhaltende Mindestlohnsumme von 650 % in den auf den Erwerb folgenden sieben Jahren auf 400 % in den auf den Erwerb folgenden fünf Jahren reduziert. Es war also durchschnittlich nur noch ein Lohnsummenniveau von 80 % zu erreichen, wobei die Abrechnung der insgesamt erbrachten Lohnsumme stets zum Ende des Lohnsummenbetrachtungszeitraums erfolgte. Der Gesetzgeber beabsichtigte mit dieser Entschärfung der Lohnsummenklausel insbesondere, die Bedin-
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BGBl. I 1993, 1569. Darstellung bei Hübner, DStR 2000, 1205. Bauer/Wartenburger, MittBayNot 2009, 85 (92). R 96 bis R 108 ErbStR 2003. BVerfG v. 7.11.2006 – 1 BvL 10/02, BStBl. II 2007, 192. Bauer/Wartenburger, MittBayNot 2009, 85 (99). Gesetz v. 22.12.2009, BGBl. I 2009, 3950 = BStBl. I 2010, 2.
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Grundaussagen der Vorschrift
Rz. 23 § 13a ErbStG
gungen für die Unternehmensnachfolge „mittelstandsfreundlicher“ auszugestalten.1 Aus demselben Grund wurde die Grenze für die Anwendbarkeit der Lohnsummenregelungen in Abs. 1 Satz 4 von zehn Beschäftigten auf 20 Beschäftigte erhöht. Die Behaltensfrist wurde parallel zum Lohnsummenermittlungszeitraum im Fall der Regelverschonung von sieben auf fünf Jahre gesenkt und entsprach somit wieder dem Zeitrahmen des bis zum 31.12.2008 geltenden § 13a Abs. 5 ErbStG 1994. Bei der Optionsverschonung wurde die Behaltensfrist von zehn Jahren auf sieben Jahre gesenkt, wodurch ebenfalls ein Gleichlauf zum Lohnsummenermittlungszeitraum bei der Vollverschonung hergestellt wurde. Die durch das Wachstumsbeschleunigungsgesetz entschärften Verschonungsregelungen galten rückwirkend für alle Erwerbsvorgänge, bei denen die Steuer nach dem 31.12.2008 entstanden war (§ 37 Abs. 3 Satz 3 ErbStG a.F.). Hiervon ausgenommen waren allerdings Übertragungen vor dem 1.1.2011, die lediglich die erneute Schenkung eines bereits vor dem 1.1.2007 zugewandten Schenkungsgegenstandes, der nur wegen eines vertraglichen Rückforderungsrechts wieder auf den Schenker übergegangen ist, hatten. b) Jahressteuergesetz 2010 Zu den durch das Jahressteuergesetz 20102 eingeführten Änderungen vgl. § 13b ErbStG Rz. 16 f. Zu 20 einer im Vorfeld des Gesetzgebungsverfahrens diskutierten Verschärfung der Optionsverschonung gem. § 13a Abs. 8 Nr. 3 ErbStG a.F., wonach die verringerte Verwaltungsvermögensquote von 10 % auch auf unteren Ebenen einzuhalten ist, ist es letztlich nicht gekommen.3 c) Steuervereinfachungsgesetz 2011 Durch das Steuervereinfachungsgesetz 20114 wurde im Wesentlichen in die verfahrensrechtliche 21 Durchführung des gesonderten Feststellungsverfahrens im Zusammenhang mit der Erbschaft- und Schenkungsteuerveranlagung eingegriffen. Gegenstand eines formellen gesonderten und einheitlichen Feststellungsverfahrens war vor der Neuregelung durch das Jahressteuergesetz 2011 nur der gemeine Wert der betrieblichen Einheit, während insbesondere die Feststellung der maßgeblichen Lohnsumme, der Anzahl der Beschäftigten sowie der gemeinen Werte der Wirtschaftsgüter des Verwaltungsvermögens lediglich als (nicht gesondert anfechtbare) nachrichtliche Angaben in den Feststellungsbescheid aufzunehmen waren. Gemäß § 13a Abs. 1a ErbStG a.F. (heute § 13a Abs. 4 ErbStG) nehmen die Feststellung der Ausgangslohnsumme, der Anzahl der Beschäftigten sowie der Summe der maßgebenden jährlichen Lohnsummen seither an der gesonderten (und damit justiziablen) Feststellung teil. Die Vorschriften über die gesonderte Feststellung gelten insoweit entsprechend (§ 13a Abs. 4 Satz 5 ErbStG i.V.m. § 151 Abs. 3 und §§ 152 bis 156 BewG). Die neuen Verfahrensregelungen galten für alle Erwerbe, für die die Steuer nach dem 30.6.2011 ent- 22 standen ist (§ 37 Abs. 6 ErbStG a.F.). d) Amtshilferichtlinie-Umsetzungsgesetz Durch das Gesetz zur Umsetzung der Amtshilferichtlinie sowie zur Änderung steuerlicher Vorschrif- 23 ten5 wurde § 13a Abs. 1 Satz 4 ErbStG a.F. so gefasst, dass nunmehr bei der Berechnung der 20-Arbeitnehmer-Grenze, die Voraussetzung für die Anwendung der Lohnsummenkontrolle war, die Arbeitnehmer von nachgeordneten Gesellschaften i.S.d. § 13b Abs. 4 Satz 5 ErbStG einzubeziehen waren. Die Gesetzesbegründung bezeichnete die Neuregelung zwar als „Klarstellung“, gleichwohl ist aber festzuhalten, dass durch das vorherige Fehlen dieses Zusatzes die Arbeitnehmer nachgeordneter Gesellschaften – auch nicht im Wege erweiternder Gesetzesauslegung – bei der Berechnung der 20-Arbeitnehmer-Grenze außer Betracht blieben und es ausschließlich auf die Arbeitnehmer der je-
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Nachweise bei Wachter in F/J/P/W5, § 13a ErbStG Rz. 20. Gesetz v. 8.12.2010, BGBl. I 2010, 1768. Hierzu Hannes/Steger/Stalleiken, BB 2010, 1439. Gesetz v. 1.11.2011, BGBl. I 2011, 2131. Amtshilferichtlinie-Umsetzungsgesetz (AmtshilfeRLUmsG) v. 26.7.2013, BGBl. I 2013, 1809.
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§ 13a ErbStG Rz. 24 Steuerbefreiung für Betriebsvermögen, LuF, Anteile weils übertragenen betrieblichen Einheit ankam. Eine steuerverschärfende Analogie1 war angesichts des eindeutigen Gesetzeswortlauts nicht möglich.2 Soweit es in bestimmten Holdingkonstellationen vor dem 6.6.2013 dazu kam, dass auf Ebene der übertragenen Holdinggesellschaft keine oder weniger als 20 Arbeitnehmer beschäftigt waren, war die Lohnsummenkontrolle de lege unanwendbar. 3. Verfassungsrechtliche Diskussion 2009 bis 2014 24
Die Frage, ob insbesondere die Verschonungsregelungen der §§ 13a, 13b ErbStG a.F. einer verfassungsrechtlichen Überprüfung standhalten, ist praktisch seit Inkrafttreten des Erbschaftsteuerreformgesetzes 2009 Gegenstand lebhafter Diskussion in der Literatur gewesen. Hierbei bezogen sich die geäußerten Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit jedoch nur in untergeordnetem Umfang auf das Regelungsgefüge des § 13a ErbStG a.F. Deutlich im Fokus stand die – zugegebenermaßen nicht in allen Teilbereichen widerspruchsfreie – Regelung zum Verwaltungsvermögenstest, sowohl hinsichtlich der technischen Umsetzung zur Durchführung des Verwaltungsvermögenstests in mehrstufigen Beteiligungsstrukturen (Stichworte: „Kaskadeneffekt“ und „junges Verwaltungsvermögen“) sowie die Katalogtatbestände des § 13b Abs. 2 ErbStG a.F. zur Bestimmung des Verwaltungsvermögens, dort insbesondere der Begriff „Wertpapiere und vergleichbare Forderungen“ (§ 13b Abs. 2 Nr. 4 ErbStG a.F.). Die verfassungsrechtliche Diskussion mündete 2012 in der erneuten Vorlage des Erbschaftsteuergesetzes zum Bundesverfassungsgericht durch den BFH.3 Der BFH bediente sich, wie bereits in seinem Vorlagebeschluss vom 22.5.2002,4 der Tarifnorm des § 19 ErbStG als „Klammernorm“, um die Anwendung gleicher Steuersätze auf diesmal nicht unterschiedlich bewertetes, sondern unterschiedlich verschontes Vermögen anzuwenden. Die durch den BFH behauptete Verfassungswidrigkeit stützte sich in erster Linie auf zwei Befunde: Zunächst entdeckte der BFH in der derzeitigen Gesetzeskonstellation eine verfassungswidrige Überprivilegierung von Unternehmen. Hierzu argumentierte er insbesondere, dass die erhöhte Sozialbindung des betrieblichen Vermögens bereits bei dessen Marktpreisfindung berücksichtigt werde, es also weiterer Verschonungsabschläge nicht (mehr) bedürfe bzw. diese Unternehmen in einer verfassungswidrigen Weise „doppelt“ privilegieren würden. Übriges Vermögen des Erwerbers sei bei der Leistungsfähigkeit zu berücksichtigen. Bei Beteiligungen an Kapitalgesellschaften sei in Wirklichkeit die private Vermögenssphäre betroffen, so dass die Verschonungen für betriebliches Vermögen hier fehlgerichtet seien. Im Übrigen sei der Fünf- bzw. Sieben-Jahreszeitraum für die Bemessung der Behaltensfrist zu kurz. Schließlich sei die vom Gesetzgeber expressis verbis benannte Gemeinwohlbindung durch Schaffung und Erhalt von Arbeitsplätzen kein tauglicher Rechtfertigungsgrund, um eine Steuerbefreiung für Unternehmen zu rechtfertigen. Die Tatsache, dass nach der Darstellung des BFH die weitaus überwiegende Zahl von Erb- und Schenkungsfällen unter die 20-Arbeitnehmer-Grennze falle (so dass keine Lohnsummenbetrachtung anwendbar sei), führe diesen Rechtfertigungsgrund weiter aus.
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Des Weiteren bestand nach Auffassung des BFH ein verfassungswidriger Begünstigungsüberhang. Dieser äußere sich insbesondere darin, dass die Regelungen über das Verwaltungsvermögen nach wie vor die Einkleidung typischer Wirtschaftsgüter des Privatvermögens in ein steuerliches Betriebsvermögen oder eine GmbH zur Gewährung der hohen Verschonungsabschläge führen könnten. Der BFH führte als Beispiel hier insbesondere die in der Literatur bereits ausgiebig diskutierten Fälle der „Cash-GmbH“, des „Schwestergesellschaftenmodells“ sowie des „Lohnsummenmodells“ an.
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Die inhaltliche Kritik des BFH trug m.E. nur teilweise. Über die Frage der Zielgenauigkeit der Verschonungsregelungen des ErbStRG 2009 konnte in der Tat gestritten werden. Es war augenfällig, dass nach bis zum 7.6.2013 geltender Gesetzesfassung, Auffassung der Finanzverwaltung5 und Rechtsprechung6 die Zuführung von Wirtschaftsgütern wie Tagesgeldern, Festgeldern, Forderungen etc. nicht zur Entstehung von schädlichem Verwaltungsvermögen führen und in einer solchen Einlage in ein Unterneh1 So noch R E 13a.4 Abs. 2 Satz 9 ErbStR 2011. 2 Korezkij, Ubg 2009, 638 (642); Hannes/Steger/Stalleiken, BB 2011, 2455 (2456). 3 BFH v. 27.9.2012 – 2 R 9/11, BStBl. II 2012, 899, vgl. zuvor bereits Beitrittsbeschluss v. 5.10.2011, BStBl. II 2012, 29. 4 BFH v. 22.5.2002 – II R 61/99, BStBl. II 2002, 598. 5 H E 13b.17 „Wertpapiere und vergleichbare Forderungen“ ErbStH 2011. 6 BFH v. 27.9.2012 – 2 R 9/11, BStBl. II 2012, 899 Rz. 38.
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Grundaussagen der Vorschrift
Rz. 28 § 13a ErbStG
men zum Zwecke der Erlangung der Begünstigungen auch kein Gestaltungsmissbrauch liegen sollte.1 Hierbei handelte es sich möglicherweise in der Tat um ein gesetzgeberisches Versehen, welches allerdings der Gesetzgeber relativ einfach beseitigen konnte und dies auch getan hat (§ 13b Abs. 2 Satz 2 Nr. 4a ErbStG i.d.F. des AmtshilfeRLUmsG).2 Ob hieraus also eine Verfassungswidrigkeit des Begünstigungskonzepts insgesamt abgeleitet werden konnte, durfte bezweifelt werden. Soweit der BFH im Übrigen von einem verfassungswidrigen Begünstigungsüberhang ausgeht, überzeugten seine Ausführungen überwiegend nicht. Die These, dass sich eine erhöhte Sozialbindung von Unternehmensvermögen, welche ja gerade Rechtfertigungsgrund für die steuerliche Privilegierung durch Verschonungsabschläge war, bereits vollständig in der Marktpreisfindung niedergeschlagen habe, so dass es keiner weiteren Verschonungsabschläge bedürfe, ist bewertungstheoretisch kaum bestreitbar. Allerdings hatte das BVerfG bereits in seinem Urteil vom 2.11.2006 keineswegs geäußert, dass es nicht auch unter (nochmaliger) Heranziehung solcher Gemeinwohlgründe, die sich ggf. bereits in einer Wertermittlung des Gegenstandes niedergeschlagen haben, dem Gesetzgeber freisteht, auch weitgehende Verschonungen für einzelne Vermögensgegenstände zu regeln. Dies wird man dem Gesetzgeber vielmehr in seiner Dispositionsfreiheit zubilligen müssen. Auch die Anmerkung des BFH, dass der Fünf- bzw. Sieben-Jahreszeitraum einer Nachsteuerperiode für eine verfassungsrechtliche Rechtfertigung der Begünstigungen zu kurz bemessen sei, muss letztlich dem gesetzgeberischen Spielraum anheimgestellt werden. Im oftmals volatilen unternehmerischen Bereich kann eine Zeitperiode von fünf bis sieben Jahren als durchaus angemessen angesehen werden. 4. Urteil des BVerfG v. 17.12.2014 Das BVerfG stellte mit Urteil vom 17.12.20143 – entgegen vielfach geäußerter Bedenken4 – klar, dass 27 die gesetzgeberischen Erwägungen zur Steuervergünstigung der Unternehmensnachfolge sowohl in ihrem tragenden Kern als auch in ihrer Ausgestaltung grundsätzlich verfassungsgemäß sind. Der vom Gesetzgeber zur Allokation der Steuerbefreiungen herangezogene „Überprüfungsmechanismus“, nämlich die Qualifizierung und Quantifizierung des „unproduktiven Vermögens“ (Verwaltungsvermögenstest, § 13b Abs. 2 ErbStG a.F.), die Koppelung der Verschonung an eine Behaltensfrist (§ 13a Abs. 5 ErbStG a.F.) und Vorgaben zum Erhalt von Arbeitsplätzen innerhalb des begünstigt erworbenen Unternehmens (Lohnsummenkontrolle, § 13a Abs. 1 Satz 2 ff. ErbStG a.F.), ist geeignet, erforderlich und im Grundsatz auch angemessen zur Erreichung des gesetzgeberischen Ziels der Privilegierung von Erwerben unternehmerischen Vermögens. Dies gilt im Grundsatz auch für eine Unternehmensverschonung, die eine vollständige Steuerbefreiung vorsieht (in Gestalt des 100 %-Abschlags vom gemeinen Wert, § 13a Abs. 8 ErbStG a.F.).5 Das BVerfG unterschied allerdings hinsichtlich der Schutzwürdigkeit erstmalig nach der Größe des 28 zu beurteilenden Unternehmens: Während die Ausgestaltung der Verschonung nach den Ausführungen des Gerichts für kleinere und mittlere Unternehmen gerechtfertigt war, genügte diese für große Unternehmen nicht ohne weiteres verfassungsrechtlichen Vorgaben.6 Grund hierfür war die ansteigende absolute Ungleichbehandlung durch die Steuerverschonung/-befreiung in Abhängigkeit von der Größe des verschonten Unternehmens. Diese anwachsende Diskrepanz bedingte erhöhte Rechtfertigungsanforderungen an eine Steuerverschonung. Während also bei kleineren und mittleren Unternehmen diese Anforderungen durch die gesetzgeberischen Erwägungen gedeckt waren, sollte dies bei großen Unternehmen nicht der Fall sein. Eine verfassungsrechtlich tragfähige Rechtfertigung für die absolut größere Ungleichbehandlung, die bei der Verschonung großer Unterhemen auftritt, soll vielmehr eine zusätzliche Prüfung der „Verschonungsbedürftigkeit des erworbenen Unternehmens“ erfordern.7 Das BVerfG bezweifelte also, dass die vom Gesetzgeber bei kleinen und mittleren Unter-
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BFH v. 27.9.2012 – II R 9/11, BStBl. II 2012, 899 Rz. 120. Amtshilferichtlinie-Umsetzungsgesetz v. 26.7.2013, BGBl. I 2013, 1809. BVerfG v. 17.12.2014 – 1 BvL 21/12 , BStBl. II 2015, 50 m. Anm. Stalleiken, DB 2015, 18. Z.B. Eisele, NWB 2012, 3453; Bareis, FR 2013, 13. BVerfG v. 17.12.2014 – 1 BvL 21/12, BStBl. II 2015, 50 Rz. 168. BVerfG v. 17.12.2014 – 1 BvL 21/12, BStBl. II 2015, 50 Rz. 170 ff. BVerfG v. 17.12.2014 – 1 BvL 21/12, BStBl. II 2015, 50 Rz. 172.
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§ 13a ErbStG Rz. 29 Steuerbefreiung für Betriebsvermögen, LuF, Anteile nehmen zulässigerweise unterstellte abstrakte „Gefährdungswirkung“ der Erbschaftsteuer auch bei großen Unternehmen ohne weiteres einträte. 29
Für verfassungswidrig hielt das BVerfG auch die Begrenzung der Lohnsummenkontrolle auf Betriebe mit mehr als 20 Arbeitnehmern (§ 13a Abs. 1 Satz 4 ErbStG a.F.). Nicht zu rechtfertigen war zudem das in § 13b Abs. 2 Satz 1 ErbStG angelegte „Alles-oder-Nichts“-Prinzip, wonach ein Unternehmen mit einer Verwaltungsvermögensquote von genau 50 % (vollständig) in den Genuss der Regelverschonung kommt, während ein Unternehmen mit einer Verwaltungsvermögensquote von 50,1 % keinerlei Verschonung erhält.1 Nach dem BVerfG führte die aus dem angesprochenen „Alles-oder-Nichts“ Prinzip entstammende Ungleichbehandlung von Unternehmen insbesondere bei Anwendung der sog. „Holdingklausel“ (§ 13b Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 ErbStG a.F.) zu verfassungswidrigen Ergebnissen, da dadurch Beteiligungen an Tochtergesellschaften insgesamt nicht als Verwaltungsvermögen zu zählen sind, wenn deren Verwaltungsvermögensquote weniger als 50 % beträgt. Der daraus resultierende sog. „Kaskadeneffekt“ verstieß nach Auffassung der BVerfG gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz. Die grundsätzliche Einordnung des Gesetzgebers von Wirtschaftsgütern in Verwaltungsvermögen und Nicht-Verwaltungsvermögen durch Schaffung eines Verwaltungsvermögenskatalogs hat das BVerfG hingegen nicht beanstandet. 5. ErbStAnpG 2016
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Das BVerfG hatte zunächst die Fortgeltung des – verfassungswidrigen – Rechts bis zum 30.6.2016 angeordnet. Daraufhin hatte am 6.7.2015 die Bundesregierung den „Entwurf eines Gesetzes zur Anpassung des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes an die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts“ (im Folgenden: ErbStAnpG 2016)vorgelegt.2 Diesem Gesetzesentwurf wurde jedoch schon bald ein Anpassungsbedarf seitens der Bundesländer (sog. Länderentwurf)3 gegenübergestellt, da sich abzeichnete, dass zwischen Bund und (mehrheitlich SPD-geführten) Bundesländern erhebliche unterschiedliche Vorstellungen über die Ausgestaltung der Begünstigungen für Unternehmensvermögen bestanden. Diese beiden Gesetzesentwürfe wurden sodann im Februar 2016 in einem sog. „Einigungspapier“ zwischen den Koalitionsspitzen zu einem – wie man dachte – konsensfähigen Modell zusammengeführt. Dieses wurde jedoch bereits wenige Tage später von der bayerischen Landesregierung wieder in Frage gestellt, die weitere Anpassungen forderte. Nach langem Ringen legte der Finanzausschuss des Bundestages am 22.6.2016 eine Beschlussempfehlung zur Neuregelung des ErbStG vor,4 die am 24.6.2016 vom Bundestag verabschiedet wurde.5 Nachdem jedoch der Bundesrat diesem Gesetzesbeschluss am 8.7.2016 die Zustimmung verweigert hatte, wurde der Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat angerufen. Der Vermittlungsausschuss stand unter einem gewissen Druck, da zwischenzeitlich das BVerfG, verärgert über das Verstreichenlassen seiner bis zum 30.6.2016 gesetzten Frist, damit gedroht hatte, sich Ende September 2016 nochmals mit direkten Eingriffsmöglichkeiten in das verfassungswidrige Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz zu beschäftigen. Der Vermittlungsausschuss präsentierte schließlich am 22.9.2016 einen zwischen allen Beteiligten konsensfähigen Einigungsvorschlag,6 welcher am 29.9.2016 vom Bundestag beschlossen7 und am 14.10.2016 im Bundesrat verabschiedet wurde.8 Die Neuregelungen des Gesetzes zur Anpassung des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes an die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts vom 4.11.20169 traten rückwirkend für alle Erwerbe ab dem 1.7.2016 in Kraft.
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BVerfG v. 17.12.2014 – 1 BvL 21/12, BStBl. II 2015, 50 Rz. 268. BT-Drucks. 18/5923. BR-Drucks. 353/15 v. 25.9.2015. BT-Drucks. 18/891111. BR-Drucks. 344/16. Beschlussempfehlung v. 22.9.2016, BT-Drucks. 18/9690. BGBl. I 2016, 2464. BR-Drucks. 555/16. BStBl. I 2016, 2464.
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Steuerbefreiung für begünstigtes Vermögen
Rz. 34 § 13a ErbStG
6. Zeitlicher Anwendungsbereich Die Norm wurde durch das ErbStAnpG 20161 mit Wirkung zum 1.7.2016 in das ErbStG eingeführt. 31 Zur verfassungsrechtlichen Diskussion um §§ 13a, 13b ErbStG a.F. und zur Entscheidung des BVerfG v. 17.12.2014 vgl. Rz. 24 ff. Gemäß Art. 3 des ErbStAnpG 2016 vom 4.11.20162 gelten die Neuregelungen der §§ 13a, 13b, 13c 32 und 28a ErbStG rückwirkend für alle Erwerbe, für die die Steuer nach dem 30.6.2016 entsteht. Dies wirft die Frage nach der Zulässigkeit einer solchen Rückwirkung sowie die Frage auf, ob bzw. welches Erbschaftsteuerrecht in der Interimszeit vom 1.7.2016 bis zum 4.11.2016 galt. Von namhaften Teilen der Literatur wird hierzu die Auffassung vertreten, dass mangels Neuregelung des ErbStG zur vom BVerfG3 gesetzten Frist bis zum 30.6.2016 das bis dahin geltende Recht nicht mehr anwendbar war mit der Folge, dass keine Erbschaft- und Schenkungsteuerregelungen bis zur Verabschiedung der Neuregelungen bestanden.4 Nach dieser Auffassung gab es für Erbfälle und Schenkungen nach dem 30.6.2016 bis zur Verabschiedung der Neuregelungen im Oktober bzw. November 2016 keine gültige Erhebungsgrundlage für die Erbschaftsteuer; Erwerbe konnten in dieser Zeit daher mangels Rechtsgrundlage nicht besteuert werden. Demgegenüber geht der wissenschaftliche Dienst des Bundestages5 davon aus, dass das alte Recht über den 30.6.2016 hinaus bis zu einer Neuregelung weiter galt. Ähnlich äußerte sich das Bundesverfassungsgericht in einer Pressemitteilung vom 14.7.2016. Davon zu unterscheiden ist die Frage, ob der Gesetzgeber die Neuregelungen im Oktober 2016 mit 33 Rückwirkung auf den 1.7.2016 verabschieden konnte.6 Da es sich bei der Erbschaft- und Schenkungsteuer um eine Stichtagssteuer handelt, dürfte es sich hierbei um einen Fall der „echten“ Rückwirkung handeln, der nur ausnahmsweise verfassungsrechtlich zulässig ist.7 Ausdrücklich hat das BVerfG selbst in seinem Urteil vom 17.12.2014 eine Rückwirkung einer Neuregelung nur unter engen Grenzen zur Vermeidung einer „exzessiven Ausnutzung gerade der als gleichheitswidrig beanstandeten Ausgestaltungen der §§ 13a und 13b ErbStG“ zugelassen. Nach hier vertretener Auffassung bestehen begründete Zweifel daran, dass der Rechtsanwender in dieser Interimszeit mit dem rückwirkenden Inkrafttreten der Neuregelung in ihrer konkreten Gestalt rechnen konnte und musste.8 Insbesondere da das Gesetzgebungsverfahren im Vermittlungsausschuss in den Monaten August und September noch gravierende und tiefgreifende Änderungen erfahren hat, ist nach hier vertretener Ansicht das schutzwürdige Interesse auf die Fortgeltung der vor dem 30.6.2016 geltenden Regelungen nicht zerstört worden.9 Insbesondere Erben von in der Zwischenzeit verstorbenen Erblassern werden also zu prüfen haben, ob sie sich unter dem bis zum 30.6.2016 unstreitig geltenden Recht besser gestellt hätten. Sollte dies der Fall sein und die rückwirkende Neuregelung zu einer Schlechterstellung führen, wäre wohl der Rechtsweg zu beschreiten.10
B. Steuerbefreiung für begünstigtes Vermögen in Abhängigkeit vom Wert des Erwerbs (Abs. 1) Satz 1 regelt das neue Grundmodell der Verschonung für Unternehmensvermögen, nämlich dass der 34 gemeine Wert des begünstigten Vermögens, definiert in § 13b Abs. 2 ErbStG, zu 85 % außer Ansatz bleibt (Verschonungsabschlag, „Regelverschonung“). Im Gegensatz zum § 13a Abs. 1 ErbStG a.F. bezieht sich der Verschonungsabschlag bei Einhaltung der sog. Verwaltungsvermögensquote von bis zu 50 % nicht mehr auf das dem Grunde nach begünstigungsfähige Vermögen, sondern nur noch auf 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10
BGBl. I 2016, 2464. BGBl. I 2016, 2464. BVerfG v. 17.12.2014 – 1 BvL 21/12, BStBl. II 2015, 50. Crezelius, ZEV 2016, 367 ff.; Seer, GmbHR 2016, 673; Drüen, DStR 2016, 643. Gutachten WD 4-3000-103-15. Reich, DStR 2016, 1459; dagegen Wachter, GmbHR 2016, R193; Wachter, GmbHR 2017, 1 (10). Gl.A. Wachter, GmbHR 2017, 1 (4): „verfassungswidrig“. BVerfG v. 17.12.2014 – 1 BvL 21/12, BStBl. II 2015, 50, Rz. 292. A.A. Wälzholz, DNotZ 2016, 779 (782). Gl.A. Bäuml, NWB 2016, 3516 (3517).
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§ 13a ErbStG Rz. 35 Steuerbefreiung für Betriebsvermögen, LuF, Anteile das begünstigte Vermögen als Teilmenge des begünstigungsfähigen Vermögens.1 Damit ist der Gesetzgeber der Kritik des BVerfG nachgekommen, wonach die starre 50 %-Grenze wegen ihrer insbesondere in Grenzfällen auftretenden Willkürlichkeit verfassungswidrig war (§ 13a ErbStG Rz. 29). Im Grundsatz unterliegt somit das nicht begünstigte Vermögen (der verminderte Nettowert des Verwaltungsvermögens sowie das junge Verwaltungsvermögen und die jungen Finanzmittel) der vollen Versteuerung, während nur noch der Nettowert des begünstigten Vermögens von der Steuerbefreiung erfasst ist. Hierbei stellt die sog. „Regelverschonung“ weiterhin das gesetzgeberische Grundmodell dar. Dieses wird flankiert durch die optional zu erklärende „Vollverschonung“ (§ 13a Abs. 10 ErbStG). Dieses duale System von Regel- und Vollverschonung gilt uneingeschränkt nur dann, wenn der Wert des begünstigten Vermögens 26 Mio. Euro nicht übersteigt. Auch dies geht zurück auf die Forderung des Bundesverfassungsgerichts nach einer erhöhten verfassungsrechtlichen Rechtfertigung für sog. „Großerwerbe“ (§ 13a ErbStG Rz. 28). Im Gesetzgebungsverfahren hatten sich die Beteiligten hierbei schlussendlich auf einen Grenzwert von 26 Mio. Euro pro erworbenem begünstigten Vermögen geeinigt. Wird diese Grenze überschritten (Freibetrag), findet das in § 13a ErbStG niedergelegte duale System von Regel- und Vollverschonung keine Anwendung mehr. Vielmehr kommt es zu einem modifizierten Verschonungsmodell der §§ 13c und 28a ErbStG. 35
Maßgeblich für den Wechsel des Verschonungssystems ist, ob der Erwerber mit dem erworbenen begünstigten Vermögen (nicht mit dem Gesamterwerb) die Grenze von 26 Mio. Euro überschreitet. Hierbei handelt es sich um eine Freigrenze, d.h. das Überschreiten führt „ab dem ersten Euro“ und vollständig zu einem Wechsel der Verschonungsform.2 Satz 2 bestimmt hierbei, dass diese Grenze auch durch mehrere Erwerbe innerhalb von zehn Jahren von derselben Person überschritten werden kann. Die Norm bestimmt eine Zusammenrechnung aller Erwerbe von derselben Person innerhalb von zehn Jahren zur Bestimmung der maßgeblichen Größe des erworbenen begünstigten Vermögens. Die Verschonungsfolgen für den letzten Erwerb bestimmen sich dann nach dem Gesamtwert der zusammenzurechnenden Erwerbe. Nach dem Wortlaut der Anwendungsvorschrift des § 37 Abs. 12 ErbStG werden hierbei auch Erwerbe hinzugerechnet, die innerhalb des Zehn-Jahreszeitraums, jedoch vor dem 1.7.2016 stattgefunden haben.3 § 37 Abs. 12 Satz 1 ErbStG bestimmt, dass § 13a Abs. 1 Satz 2 ErbStG grundsätzlich auf alle Erwerbe anzuwenden ist, für die die Steuer nach dem 30.6.2016 entsteht. Da Satz 2 die Rechtsfolgen für den letzten Erwerb regelt, ist die Zusammenrechnung m.E. gesetzlich vorgeschrieben. Satz 3, der die Rechtsfolgen für die früheren Erwerbe regelt, ist gem. § 37 Abs. 11 Satz 3 ErbStG ausdrücklich ebenfalls nur auf Erwerbe anwendbar, die nach dem 30.6.2016 anfallen. Dies bedeutet, dass frühere Erwerbe vor dem 1.7.2016 unberührt bleiben, was m.E. auch verfassungsrechtlich zwingend ist (Verbot der Rückwirkung).4 Dem Vernehmen nach vertritt auch die Finanzverwaltung die Auffassung, dass für das Verschonungsregime des letzten Erwerbes frühere Erwerbe vor dem 1.7.2016 in die 26 Mio.-Euro-Grenze einzubeziehen sind. Dies wirft im Detail freilich Fragen auf. Der Anwendungsbefehl der Norm lautet, dass das begünstigte Vermögen (i.S.d. § 13b Abs. 2 ErbStG) zusammenzurechnen ist. Für Erwerbe vor dem 1.7.2016 wurde eine solche Größe mangels gesetzlicher Anordnung nicht gebildet. Unklar ist also, was bei einem früheren Erwerb einzubeziehen sein soll. Da früher das begünstigungsfähige Vermögen bei Einhaltung der Verwaltungsvermögensgrenzen der 85 %igen oder 100 %igen Steuerbefreiung unterlag, wird vertreten, dass der Wert des verschonten Vermögens zur Berechnung der 26 Mio.-Euro-Grenze heranzuziehen ist.5 Dies ist freilich contra legem, da das Gesetz gerade nicht von verschontem Vermögen, sondern von begünstigtem Vermögen, zu ermitteln nach § 13b Abs. 2 ErbStG, spricht. Eine rechtlich zutreffende Zusammenrechnung kann daher wohl nur erfolgen, indem für den Alterwerb eine fiktive Berechnung des begünstigten Vermögens nach § 13b Abs. 2 ErbStG n.F. erfolgt, was allerdings einen kaum vertretbaren Prüfungsaufwand darstellt. Wollte man das ehemals verschonte Vermögen als Grundlage für die Zusammenrechnung einbeziehen (was dem Vernehmen nach auch von Vertretern der Finanzverwaltung präferiert wird), ergäben sich 1 Erkis, DStR 2016, 1441 (1444). 2 Jülicher in T/G/J, § 13a ErbStG Rz. 38 (Stand: September 2013). 3 Gl.A. Hannes, ZEV 2016, 554 (559); Zipfel/Lahme, DStZ 2016, 556 (569); Weinmann in Moench/Weinmann, ErbStG – Erstkommentierung zum ErbStAnpG, § 13a ErbStG Rz. 12; a.A. Reich, DStR 2016, 2447 (2449); Reich, BB 2016, 1879; Viskorf/Löcherbach/Jehle, DStR 2016, 2425 (2431); Wachter, GmbHR 2017, 1 (14). 4 Gl.A. Wachter, GmbHR 2017, 1 (13). 5 Weinmann in Moench/Weinmann, ErbStG – Erstkommentierung zum ErbStAnpG, § 13a ErbStG Rz. 13.
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Gleitender Abzugsbetrag (Abs. 2)
Rz. 40 § 13a ErbStG
zahlreiche Friktionen. So wäre bspw. eine vor dem 1.7.2013 geschenkte „Cash-GmbH“, für deren Erwerb die Vollverschonung in Anspruch genommen wurde, mit ihrem vollen Wert in die 26 Mio.-EuroGrenze einzubeziehen. Bei fiktiver Prüfung auf begünstigtes Vermögen i.S.d. § 13b Abs. 2 Satz 1 ErbStG n.F. läge hingegen kein begünstigtes Vermögen vor. Zudem zählte diese „Cash-GmbH“ unstreitig nach neuem Recht gleichzeitig zum verfügbaren Vermögen i.S.d. § 28a ErbStG. Ihr käme also eine – m.E. nicht vertretbare – „Zwitterstellung“ zu: Einerseits brächte sie potentiell einen Erwerb des begünstigten Vermögens über die Grenze von 26 Mio. Euro, andererseits stellt sie heute verfügbares Vermögen dar, so dass sie im Erlassmodell die Verschonung schmälern würde – ein Befund, der bei verständiger Auslegung des Gesetzes widersinnig erscheint. Satz 3 regelt die Rechtsfolgen des Überschreitens der 26 Mio.-Euro-Grenze für den ersten (den frühe- 36 ren) Erwerb. Für diesen entfällt die Steuerbefreiung nach der Regel- oder Vollverschonung rückwirkend, und stattdessen ist gleichsam rückwirkend das modifizierte Verschonungssystem der §§ 13c, 28a ErbStG anwendbar. Die Norm regelt also eine auflösende Bedingung für die Steuerbefreiung des früheren Erwerbes, wenn in einer zehnjährigen Nachlaufperiode noch weitere Erwerbe des begünstigten Vermögens erfolgen, welche sich zu einem Gesamtwert von mehr als 26 Mio. Euro addieren. Diese früheren Erwerbe müssen freilich gem. § 37 Abs. 11 Satz 2 ErbStG nach dem 30.6.2016 erfolgt sein; „die Verschonung für Alterwerbe“ bleibt unberührt. Der rückwirkende Entfall der Steuerbefreiungen gem. § 13a Abs. 1 ErbStG für den früheren Erwerb führt dazu, dass der Erwerber erneut bei Hinzutritt eines späteren Erwerbs und daraus resultierendem Überschreiten der 26 Mio.-Euro-Grenze für den früheren Erwerb erstmalig die dann geltenden Verschonungsoptionen des § 13c ErbStG (Abschmelzungsmodell) oder § 28a ErbStG (Erlassmodell) wählen kann bzw. muss.1 Satz 4 regelt eine besondere Ablaufhemmung für die Festsetzungsfrist dieser früheren Erwerbe. Diese 37 endet nicht vor dem Ablauf des vierten Jahres, nach dem das für die Erbschaftsteuer zuständige Finanzamt von dem letzten Erwerb (und damit vom Überschreiten der 26 Mio.-Euro-Grenze) Kenntnis erlangt hat.
C. Gleitender Abzugsbetrag (Abs. 2) Die Vorschrift entspricht dem früheren § 13a Abs. 2 ErbStG a.F. § 13a Abs. 2 ErbStG gewährt zusätz- 38 lich zu dem Verschonungsabschlag i.H.v. 85 % des gemeinen Wertes bei Vorliegen von begünstigtem Betriebsvermögen i.S.d. § 13b Abs. 1 ErbStG einen gleitenden Abzugsbetrag i.H.v. 150 000 Euro. Der Abzugsbetrag verringert sich allerdings, wenn der nach Abzug des Verschonungsabschlags verbleibende Wert des Betriebsvermögens 150 000 Euro übersteigt, jeweils um die Hälfte des über die Grenze von 150 000 Euro hinausgehenden Betrags (gleitender Abzugsbetrag). Hieraus folgt also, dass ab einem nach Abzug des 85 % Verschonungsabschlags verbleibenden gemeinen Wert von mehr als 450 000 Euro (entspricht einem gemeinen Wert der betrieblichen Einheit i.H.v. 3 Mio. Euro) der gleitende Abzugsbetrag vollständig abgeschmolzen ist. Umgekehrt folgt daraus, dass auch bei Wahl der Regelverschonung keine Erbschaft- und Schenkungsteuer anfällt, wenn der gemeine Wert des betrieblichen Vermögens nicht mehr als 1 Mio. Euro beträgt (85 % Abschlag zzgl. 150 000 Euro gleitender Freibetrag = 0 Euro Bemessungsgrundlage). Eine Anwendung in Verbindung mit § 13c und 28a ErbStG ist ausgeschlossen, da diese erst bei Überschreiten einer Erwerbsschwelle von 26 Mio. Euro „angeschaltet“ werden, während der gleitende Abzugsbetrag in diesem Bereich bereits vollständig abgeschmolzen ist. Der Abzugsbetrag kann von demselben Erwerber alle zehn Jahre in Anspruch genommen werden. 39 Er ist unabhängig von den persönlichen Freibeträgen. Der gleitende Abzugsbetrag vervielfältigt sich nicht, wenn von der Schenkung oder dem Erbfall mehrere betriebliche Einheiten umfasst sind (z.B. der Erblasser einem land- und forstwirtschaftlichen Betrieb sowie eine Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft vererbt). Nach Aussage des Gesetzgebers der Erbschaftsteuerreform 2009 dient der gleitende Abzugsbetrag 40 gleichsam als eine Art „Bagatellgrenze“, durch die die für die Finanzverwaltung durchaus aufwendige Überwachung der Voraussetzungen für die Erlangung der Begünstigung abgefedert werden soll.2 1 Erkis, DStR 2016, 1441 (1445). 2 Gesetzesbegründung zum Entwurf des ErbStRG v. 28.1.2009, BT-Drucks. 16/7918, 33 f.
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§ 13a ErbStG Rz. 41 Steuerbefreiung für Betriebsvermögen, LuF, Anteile Dies ist freilich nur teilweise gelungen, da sich der gleitende Abzugsbetrag nur auf das begünstigte Vermögen i.S.d. § 13b Abs. 2 Satz 1 ErbStG bezieht, nicht für Verwaltungsvermögen zu gewähren ist und im Falle eines Behaltensfristverstoßes rückwirkend auch wieder entfällt. Eine echte Erleichterung ergibt sich daher nur im Bereich der Lohnsummenkontrolle. Denn hier führt ein Unterschreiten der Mindestlohnsumme und die sich daran anschließende Nachsteuerfestsetzung nicht dazu, dass der gleitende Abzugsbetrag (anteilig) wieder entfällt. Der Steuerpflichtige kann daher den gleitenden Abzugsbetrag als echte Steuervergünstigung in Anspruch nehmen; eine Verfahrenserleichterung ergibt sich hieraus für ihn kaum. 41
Bei Wahl der Optionsverschonung (§ 13a Abs. 10 ErbStG, dazu Rz. 249 ff.) verliert der gleitende Abzugsbetrag seine Bedeutung, da nach Abzug des 100 %-Verschonungsabschlags vom begünstigten Vermögen kein begünstigtes Besteuerungssubstrat verbleibt, auf das der gleitende Abzugsbetrag anwendbar wäre. Dies gilt insbesondere in den Fällen, in denen trotz der Vollverschonung eine Steuerfestsetzung aufgrund des Vorliegens von (jungem) Verwaltungsvermögen oder (jungen) Finanzmitteln erfolgt. Dieses ist nicht nur von der Verschonung, sondern vom gleitenden Abzugsbetrag ausgenommen.
42
Gemäß § 13a Abs. 2 Satz 3 ErbStG a.F. kann der gleitende Abzugsbetrag innerhalb von zehn Jahren für von derselben Person anfallende Erwerbe begünstigten Vermögens nur einmal berücksichtigt werden. Die Finanzverwaltung geht davon aus, dass dies selbst dann gilt, wenn bei der Inanspruchnahme der Abzugsbetrag nicht in voller Höhe von 150 000 Euro genutzt worden ist.1 Dies ist aus dem Gesetzeswortlaut freilich nicht erkennbar. Der gesetzgeberischen Intention, eine Erleichterungsregel für kleinere Unternehmen zu schaffen, dürfte es nicht widersprechen, wenn bei einem späteren Erwerb ein nicht verbrauchter Freibetrag angerechnet wird. Da der Erwerber jedoch nicht wählen kann, ob und in welcher Höhe er den gleitenden Abzugsbetrag in Anspruch nimmt, kann er den Freibetrag auch für mehrere (zu erwartende) Erwerbe nicht stückeln oder nur teilweise beantragen.2 Gerade dies spricht jedoch dafür, dass ein nicht verbrauchter Freibetrag für spätere Erwerbe auch innerhalb des Zehnjahreszeitraums genutzt werden kann. Der gleitende Abzugsbetrag ist von der Gewährung der persönlichen Freibeträge (§ 16 ErbStG) unabhängig. Ebenso ist es unerheblich, ob der Erwerber der unbeschränkten oder nur der beschränkten Steuerpflicht unterliegt.
D. Lohnsummenkontrolle (Abs. 3) I. Technik des Lohnsummenvergleichs (Abs. 3 Satz 1 bis 4) 1. Allgemeines 43
§ 13a Abs. 3 ErbStG regelt nunmehr abschließend die sog. Lohnsummenkontrolle. Die Regelung umfasst die früher auf zwei Absätze verteilten Regelungen des § 13a Abs. 1 Satz 2 ff. und Abs. 4 ErbStG a.F. Die Grundsystematik der Lohnsummenkontrolle hat sich nicht geändert. Nach wie vor ist eine Ausgangslohnsumme aus dem Durchschnitt der letzten fünf abgelaufenen Wirtschaftsjahre zu bilden und mit der Mindestlohnsumme in den auf die Schenkung folgenden fünf bzw. sieben Jahren zu vergleichen. In dem Maße, in dem die Mindestlohnsumme ein bestimmtes Vielfaches der Ausgangslohnsumme unterschreitet, kommt es zu einer Nachversteuerung.
44
Ob der Erbe oder Beschenkte die Arbeitsplätze erhalten hat, die mit dem übergegangenen unternehmerischen Vermögen verbunden sind, wird im Rahmen der Lohnsummenkontrolle überprüft, indem für die Jahre vor dem Übergang des unternehmerischen Vermögens eine Ausgangslohnsumme ermittelt wird. Diese entspricht der durchschnittlichen Lohnsumme der letzten fünf vor dem Zeitpunkt der Entstehung der Steuer endenden Wirtschaftsjahre (§ 13a Abs. 3 Satz 2 ErbStG). Die Lohnsummenkontrolle findet jedoch dann keine Anwendung, wenn die Ausgangslohnsumme null beträgt oder es sich um einen Betrieb mit nicht mehr als 20 Beschäftigten handelt (§ 13a Abs. 3 Satz 3 ErbStG).
1 R E 13a.2 Abs. 2 Satz 2 ErbStR 2011; gl. A. wohl Wachter in F/J/P/W5, § 13a ErbStG Rz. 138; Meincke16, § 13a ErbStG Rz. 14. 2 Jülicher in T/G/J, § 13a ErbStG Rz. 41 (Stand: April 2016).
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Lohnsummenkontrolle (Abs. 3)
Rz. 49 § 13a ErbStG
Auf Grundlage der Ausgangslohnsumme wird eine Mindestlohnsumme festgelegt. Diese beträgt im 45 Fall der Regelverschonung (85 %-Abschlag, §§ 13a Abs. 1 Satz 1 ErbStG) im Grundsatz 400 % der Ausgangslohnsumme (§ 13a Abs. 3 Satz 1 ErbStG). Anders ausgedrückt muss also der Erwerber in den fünf Jahren nach dem Erwerb (Lohnsummenfrist) das Vierfache an Löhnen erbringen, wie sie in den fünf Wirtschaftsjahren vor dem Erwerb durchschnittlich erbracht wurden (also durchschnittlich 80 % pro Jahr). Durch das ErbStAnpG 2016 wurde zudem eine „Gleitzone“ für Betriebe mit mehr als fünf und weniger als 15 Arbeitnehmern eingeführt (§ 13a Abs. 3 Satz 4 ErbStG, hierzu Rz. 63). Zu beachten ist, dass für die Bestimmung der Mindestlohnsumme keine Indexierung der Ausgangslohnsumme vorgenommen wird.1 Lohnsteigerungen innerhalb der Lohnsummenfrist wirken also zugunsten des Erwerbers von unternehmerischem Vermögen. Unterschreitet die tatsächlich erbrachte Lohnsumme die Mindestlohnsumme, so ist im prozentualen Umfang dieser Unterschreitung der Verschonungsabschlag von 85 % zu kürzen. Folge ist eine Nachversteuerung. Ob eine solche Nachversteuerung aufgrund eines Lohnsummenverstoßes vorzunehmen ist, kann jedoch erst nach Ablauf des Kontrollzeitraums (= Lohnsummenfrist) festgestellt werden. Bei einem Verstoß liegt ein rückwirkendes Ereignis i.S.v. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO vor.2 Der ursprüngliche Erbschaftsteuerbescheid ist rückwirkend zu ändern. Die entstehende Nachsteuer ist jedoch nicht zu verzinsen.3 Im Fall der Vollverschonung (100 %-Abschlag, § 13a Abs. 10 ErbStG) gilt Entsprechendes. Jedoch 46 beträgt hier die Mindestlohnsumme, die in den sieben Jahren nach dem Erwerb zu erbringen ist, im Grundsatz 700 % der Ausgangslohnsumme (§ 13a Abs. 8 Nr. 1 ErbStG a.F.), durchschnittlich also 100 % pro Jahr. Auch hier gilt eine modifizierte „Gleitzone“ für Betriebe mit mehr als fünf und weniger als 15 Arbeitnehmern (§ 13a Abs. 10 Nr. 3 bis 5 ErbStG, hierzu Rz. 63). Gehören zum Betriebsvermögen der übertragenen betrieblichen Einheit unmittelbar oder mittelbar 47 weitere Beteiligungen, sind deren Löhne und Gehälter (ggf. anteilig) in die Lohnsummenberechnung einzubeziehen, wenn die Beteiligungsgesellschaft ihren Sitz oder ihre Geschäftsleitung im Inland, der EU oder dem EWR hat und – nur im Falle der Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft – die unmittelbare oder mittelbare Beteiligung 25 % übersteigt (§ 13a Abs. 3 Satz 11 f. ErbStG). 2. Bildung einer „Gesamtlohnsumme“ bei Erwerb mehrerer betrieblicher Einheiten Werden mehrere betriebliche Einheiten zeitgleich vererbt oder verschenkt, zählt die Finanzverwaltung 48 die (zunächst separat zu ermittelnden) Lohnsummen aller ererbten oder geschenkten betrieblichen Einheiten zusammen.4 Für alle ererbten oder geschenkten Einheiten wird also eine „Gesamtlohnsumme“ gebildet. Diese muss sodann eingehalten werden. Dies bedeutet, dass ein Lohnsummenverstoß in nur einer Einheit die Nachversteuerung auch bei anderen Einheiten hervorrufen kann. Umgekehrt ist es natürlich auch möglich, dass durch einen Arbeitsplatzaufbau in einer ererbten oder geschenkten Einheit ein Arbeitsplatzabbau in einer anderen Einheit kompensiert werden kann.5 Dieser Sichtweise wird in der Literatur6 entgegengehalten, dass sie insbesondere in den Fällen, in denen die werthaltigen Einheiten vergleichsweise wenige Arbeitnehmer aufweisen und die wenig werthaltigen Einheiten eine erhebliche Anzahl an Arbeitnehmern besitzen, es für den Steuerpflichtigen zu sehr nachteiligen Konsequenzen kommen kann. Die Gesamtlohnsummenbildung der Finanzverwaltung lässt sich aus dem Gesetz nicht herleiten.7 49 § 13a Abs. 3 Satz 1 ErbStG spricht von der Lohnsumme des Betriebs bzw. von Beteiligungen an einer Personen- oder Anteilen an einer Kapitalgesellschaft und den dem Betrieb der jeweiligen Gesellschaft zuzuordnenden Lohnsummen. Der Wortlaut gibt jedoch keinen Anhaltspunkt dafür her, dass mehrere betriebliche Einheiten, die beispielsweise auch gesondert bewertet oder dem Verwaltungsver1 2 3 4 5
Jülicher in T/G/J, § 13a ErbStG Rz. 25 (Stand: April 2016). R E 13a.4 Abs. 1 Satz 3 ErbStR 2011. Jülicher in T/G/J, § 13a ErbStG Rz. 30 (Stand: April 2016); Wachter in F/J/P/W5, § 13a ErbStG Rz. 97. R E 13a.4 Abs. 3 Satz 3 ErbStR 2011. Hierauf weist die Finanzverwaltung in H E 13a.4 Abs. 5 ErbStH 2011 unter dem Beispiel „Mehrere wirtschaftliche Einheiten“ ausdrücklich hin. 6 Scholten/Korezkij, DStR 2009, 253 (254); Söffing/Thonemann, ErbStB 2009, 325 (330); Philipp in V/K/S/W4/, § 13a ErbStG Rz. 49. 7 Ablehnend daher auch Hannes/Steger/Stalleiken, BB 2011, 2245 (2460) m.w.N.
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§ 13a ErbStG Rz. 50 Steuerbefreiung für Betriebsvermögen, LuF, Anteile mögenstest unterworfen werden, für Fragen der Lohnsumme zusammen betrachtet werden müssen. Im Ergebnis ist also die Sichtweise der Finanzverwaltung nicht vom Wortlaut des Gesetzes gedeckt. Da sich die Gesamtlohnsummenbetrachtung bei „umgekehrten Vorzeichen“ jedoch auch zugunsten des Steuerpflichtigen auswirken kann, sollten deren Auswirkungen im Einzelfall geprüft werden. Sofern eine Konstellation vorliegt, in der die Gesamtlohnsumme der Finanzverwaltung zu Problemen führen könnte, sollte vorsorglich – sofern möglich – der werthaltige Teil des unternehmerischen Vermögens getrennt von dem lohnsummenrelevanten Teil des unternehmerischen Vermögens geschenkt oder vererbt werden. Dies kann geschehen, indem entweder in deutlichen Zeitabständen übertragen wird oder aber Übertragungen auf verschiedene Erwerber vorgenommen werden. 3. Ausgangslohnsumme (Abs. 3 Satz 2) 50
51
Die gesondert festzustellende Ausgangslohnsumme stellt die Ausgangsgröße für den Vergleich mit der später zu erbringenden Mindestlohnsumme dar. Sie errechnet sich aus dem Durchschnitt der Summe der von der Gesellschaft gezahlten Löhne und Gehälter der letzten fünf vor dem Zeitpunkt der Steuerentstehung endenden Wirtschaftsjahre. Die Lohnsummen der in die Durchschnittsbetrachtung einzubeziehenden Wirtschaftsjahre sind weder zu indexieren noch zu gewichten.1
Û
Gestaltungshinweis: Aufgrund des fünfjährigen, nicht gewichteten Ermittlungszeitraums für die Ausgangslohnsumme weisen kurzfristige Maßnahmen zur Absenkung der Lohnsumme vor der Übertragung in aller Regel nur geringe Effekte auf. Falls also mit Blick auf eine geplante Übertragung Gestaltungsmöglichkeiten im Rahmen der Lohnsummenkontrolle (hierzu Rz. 58) ausgeschöpft werden sollen, sollte hiermit i.d.R. möglichst frühzeitig begonnen werden. Einzig die Veräußerung von Beteiligung kann aufgrund der „statischen“ Stichtagsbetrachtung der Finanzverwaltung (hierzu Rz. 95) auch noch kurzfristig vor dem Übertragungsstichtag erfolgen.
52
Die Lohnsumme ist für jede übertragene wirtschaftliche Einheit gesondert zu berechnen,2 obwohl die Finanzverwaltung bei Übertragung mehrerer wirtschaftlicher Einheiten in einem zweiten Schritt eine Gesamtlohnsumme für alle auf den Erwerber übergehenden Einheiten bilden will (vgl. oben Rz. 48). Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 13a Abs. 3 Satz 2 ErbStG ist bei Übertragungen während des laufenden Wirtschaftsjahres dieses nicht in den Ermittlungszeitraum für die Ausgangslohnsumme einzubeziehen; dies gilt auch, wenn die Übertragung kurz vor Ende des Wirtschaftsjahres erfolgt (Beispiel Wirtschaftsjahr = Kalenderjahr, Übertragung im Laufe des, nicht aber mit Ablauf des 31.12.).3 Erfolgt vor dem Besteuerungszeitpunkt eine Umstellung auf ein abweichendes Wirtschaftsjahr, so soll nach Auffassung der Finanzverwaltung die Lohnsumme des Rumpfwirtschaftsjahres in die Lohnsumme eines vollen Wirtschaftsjahres mit zwölf Monaten umzurechnen sein.4 Bestand die übertragende wirtschaftliche Einheit noch keine fünf abgeschlossenen Wirtschaftsjahre, ist dementsprechend der Jahresdurchschnitt aus dem verkürzten Ermittlungszeitraum zugrunde zu legen.5 Bei der Bildung der durchschnittlichen Lohnsumme erfolgt keine Gewichtung der Wirtschaftsjahre; der Gesetzgeber ging also bei Einführung der Norm durch das ErbStRG 2009 augenscheinlich nicht davon aus, dass mit größerer Stichtagsnähe auch eine höhere Lohnsummenrelevanz gegeben ist.
53
Nach R E 13a.4 Abs. 5 Satz 5 ErbStR 2011 kann in Fällen einer Neugründung die durchschnittliche Ausgangslohnsumme auch aus einem kürzeren Zeitraum berechnet und in einen entsprechenden Jahresbetrag umgerechnet werden, wenn keine vollen fünf (abgelaufenen) Wirtschaftsjahre bestehen. Nach R E 13a.4 Abs. 6 Satz 2 ErbStR 2011 sollen Lohnsummen von Beteiligungen, die nicht innerhalb des gesamten Zeitraums der Ermittlung der Ausgangslohnsumme zum Betrieb gehören, nur für den Zeitraum der Zugehörigkeit zu diesem Betrieb einzubeziehen sein. Bei Kapitalgesellschaften im Betriebsvermögen einer Personengesellschaft geht die Finanzverwaltung hierbei von einer taggenauen Einbeziehung aus.6 Daraus folgt, dass bei Umstrukturierungen (kurz) vor dem Stichtag die Lohn1 2 3 4 5 6
Hübner, Ubg 2009, 1 (9). R E 13a.4 Abs. 3 Satz 2 ErbStR 2011. A.A. Wachter in F/J/P/W5, § 13a ErbStG Rz. 84. R E 13a.4 Abs. 5 Satz 4 ErbStR 2011. R E 13a.4 Abs. 5 Satz 5 ErbStR 2011. R E 13a.4 Abs. 7 Satz 5 ErbStR 2011.
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Lohnsummenkontrolle (Abs. 3)
Rz. 61 § 13a ErbStG
summe von eingebrachten Gesellschaften der Holding-Gesellschaft nur für die Dauer der Zugehörigkeit der eingebrachten Beteiligung zu berücksichtigen ist, was in aller Regel einen Berechnungsvorteil darstellt. Beispiel: Die M-GmbH (keine Lohnsumme) wurde am 1.10.01 als Vorratsgesellschaft gegründet und blieb bis zum 15.12.01 inaktiv. Das Wirtschaftsjahr entspricht dem Kalenderjahr, so dass die M-GmbH im Jahr ihrer Gründung ein Rumpfwirtschaftsjahr vom 1.10.01 bis 31.12.01 aufweist. Mit Einbringungsvertrag vom 15.12.01 wurden sämtliche Geschäftsanteile der T-GmbH in die M-GmbH (jährliche Lohnsumme gleichbleibend 100 000 Euro) eingebracht. Im Anschluss an die Einbringung wurden alle Anteile an der A-GmbH geschenkt.
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Lösung: Die Beteiligung an der T-GmbH gehörte 17 von 92 Tagen zum Betriebsvermögen der M-GmbH. Nach Auffassung der Finanzverwaltung sind die durchschnittlichen Löhne und Gehälter der letzten fünf Jahre (100 000 Euro) zu 18,48 % (entspricht 18 480 Euro) in die Ausgangslohnsumme der M-GmbH einzubeziehen.
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Da die Berechnung der in die Mindestlohnsumme eingehenden Löhne und Gehälter erst stichtags- 56 genau mit dem Übertragungsstichtag erfolgt (dazu Rz. 59), kommt es bei Übertragungen im Laufe eines Wirtschaftsjahres zu einem mehr oder weniger großen „lohnsummenfreien“ Zeitraum (bis maximal 364 Tage). Dies ist offenkundig vom Gesetzgeber der Erbschaftsteuerreform 2009 beabsichtigt bzw. in Kauf genommen. Ebenso hat sich der Gesetzgeber der Erbschaftsteuerreform 2009 gegen eine Indexierung der Aus- 57 gangslohnsumme entschieden.1 Mit anderen Worten wird also die durchschnittliche Lohnsumme der letzten fünf Jahre nicht „lohninflationsbereinigt“. Dies ist für den Steuerpflichtigen bei normalen Lohnentwicklungsverlauf günstig, da i.d.R. im Zeitpunkt der Steuerentstehung bei gleichbleibender Arbeitnehmerzahl das Lohnniveau im Vergleich zu den fünf vorangegangenen Jahren gestiegen sein dürfte.
Û
Gestaltungshinweis: Als Maßnahmen zur Absenkung der Ausgangslohnsumme kommen in 58 Betracht (die betriebswirtschaftliche Sinnhaftigkeit solcher Maßnahmen einmal unterstellt) die Absenkung von lohnintensiven Kapitalgesellschaftsbeteiligungen auf 25 % und weniger in EU/ EWR, der Austausch von Arbeitnehmern durch Leiharbeitnehmer, die Verlagerung von Arbeitsverhältnissen auf Drittlandsgesellschaften sowie die „Umwandlung“ von Drittlandsbetriebstätten (bei Kapitalgesellschaften einzubeziehen) in Drittlandsgesellschaften (nicht einzubeziehen). Aber auch Einbringungen können auf der Basis der Erbschaftsteuer-Richtlinien 2011 zu einer Verringerung der Lohnsumme führen (vgl. Rz. 97).
4. Mindestlohnsumme (Abs. 3 Satz 1) Die Grundsätze zur Ermittlung der Ausgangslohnsumme gelten bei der Berechnung der Mindest- 59 lohnsumme entsprechend.2 Im Gegensatz zur Ermittlung der durchschnittlichen Ausgangslohnsumme erfolgt die Berechnung der Mindestlohnsumme nach einem Erbfall oder einer Schenkung streng stichtagsbezogen. Beispiel: Tod des Erblassers am 13.11.16, Wirtschaftsjahr = Kalenderjahr. Die Ausgangslohnsumme ermittelt sich aus dem Zeitraum 1.1.11 bis 31.12.15. Die Mindestlohnsumme ermittelt sich aus dem Zeitraum 12.11.16 bis 11.11.21 bzw. 23.
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Im Falle der Regelverschonung (85 %-Abschlag) müssen im Grundfall des Satz 1 im geschenkten oder 61 ererbten Betrieb „innerhalb von fünf Jahren nach dem Erwerb (Lohnsummenfrist) insgesamt 400 % der Ausgangslohnsumme“ erbracht werden (§ 13a Abs. 3 Satz 1 ErbStG). Es ist also keineswegs erforderlich, dass das Lohnniveau der letzten fünf abgelaufenen Wirtschaftsjahre vor dem Übertragungsstichtag unverändert eingehalten wird. Es ist vielmehr rechnerisch ausreichend, dass jährlich mindestens 80 % (400/500) des bisherigen Lohnniveaus gezahlt werden. Erst bei Option zur Vollverschonung (100 %-Abschlag) beträgt die zu erbringende Mindestlohnsumme das Siebenfache der Ausgangslohn-
1 Jülicher in T/G/J, § 13a ErbStG Rz. 25 (Stand: April 2016). 2 Söffing in Wilms/Jochum, § 13a ErbStG Rz. 95 (Stand: Oktober 2016).
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§ 13a ErbStG Rz. 62 Steuerbefreiung für Betriebsvermögen, LuF, Anteile summe innerhalb einer Lohnsummenfrist von sieben Jahren. Rechnerisch ist also bei Wahl der Vollverschonung das jährliche Lohnniveau zu 100 % (700/700) einzuhalten. 62
Es ist allerdings darauf hinzuweisen, dass vorgenannte Durchschnittsbetrachtung allenfalls prognostische Bedeutung hat, z.B. bei der sich im Vorfeld einer Optionsausübung zu stellenden Frage, mit welchem durchschnittlichen Lohnniveau in den Folgejahren nach der Übertragung gerechnet werden kann, denn die Mindestlohnsumme muss keineswegs jährlich eingehalten werden. Vielmehr kommt es allein darauf an, dass bei Ablauf der Lohnsummenfrist (also stichtagsgenau fünf bzw. sieben Jahre nach dem Übertragungsstichtag) das fünf- bzw. siebenfache der Ausgangslohnsumme erbracht worden ist. Unterschreitungen in einzelnen Jahren sind hierbei völlig bedeutungslos und können durch Überschreitungen in anderen Jahren ausgeglichen werden. Dies ist ein wesentlicher Unterschied zu den Behaltensfristverstößen des § 13a Abs. 6 Nr. 1, 2, 4 und 5 ErbStG, bei denen die Nachsteuer sofort mit Verwirklichung des Tatbestandes entsteht (Rz. 135). Auch in Fällen, in denen die Lohnsumme von Anfang an und kontinuierlich unterschritten wird, kommt es nur darauf an, wie die „Lohnsummenbilanz“ bei Ablauf der Lohnsummenfrist aussieht. Dies bedeutet, dass auch die Nachsteuer wegen eines Lohnsummenverstoßes erst mit Ablauf der Lohnsummenfrist entsteht (sogleich Rz. 77). Da die hieraus resultierende Steuerfestsetzung keiner Verzinsung unterliegt, ergibt sich ein u.U. nicht unerheblicher Zinsvorteil zugunsten des Steuerpflichtigen, da die Zahlung der Nachsteuer (im Gegensatz bei Behaltensfristverstößen des Abs. 6) um bis zu fünf bzw. sieben Jahre „zinslos gestundet“ wird.
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Wohl, um die sich bei geringerer Arbeitnehmerzahl ergebenden höheren prozentualen Schwankungen bei der Lohnsumme zu entschärfen, hat der Gesetzgeber nunmehr gestufte Mindestlohnsummen in das Gesetz eingeführt, um den Bereich zwischen fünf und 15 Arbeitnehmern zu gestalten. Gemäß § 13a Abs. 3 Satz 3 ErbStG beträgt die einzuhaltende Mindestlohnsumme bei mehr als fünf bis maximal zehn Beschäftigten 250 % in fünf Jahren (Regelverschonung) bzw. 500 % in sieben Jahren (Vollverschonung) und bei mehr als zehn bis maximal 15 Beschäftigten 300 % in fünf Jahren (Regelverschonung) bzw. 565 % in sieben Jahren (Vollverschonung). Erst ab mehr als 15 Beschäftigten ist die früher geltende Mindestlohnsumme von 400 % in fünf Jahren Regelverschonung bzw. 700 % in sieben Jahren (Vollverschonung) zu erbringen. 5. Ausnahmen von der Lohnsummenkontrolle (Abs. 3 Satz 3) a) Ausgangslohnsumme 0 Euro
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Eine Lohnsummenkontrolle für die übertragende betriebliche Einheit ist nach Abs. 3 Satz 3 nicht durchzuführen, „wenn die Ausgangslohnsumme 0 Euro beträgt oder der Betrieb (…) nicht mehr als 20 Beschäftigte hat“. Von diesen beiden wichtigen Ausnahmen von der Lohnsummenkontrolle ist die erstere, nämlich der Fall, dass die Ausgangslohnsumme (genau) 0 Euro beträgt, wohl eher theoretisch. Da es keine „negativen Lohnsummenbestandteile“ gibt (zu den einzubeziehenden Lohnsummenbestandteilen Rz. 81 f.), träte der Fall einer Ausgangslohnsumme von 0 Euro bei wörtlicher Auslegung des Gesetzes nur ein, wenn tatsächlich in den der Übertragung unmittelbar vorangegangenen fünf Wirtschaftsjahren keinerlei Löhne, Gehälter oder sonstige Lohnbestandteile an die Arbeitnehmer des Betriebes gezahlt worden sind. Ein solcher Fall dürfte praktisch nicht denkbar sein, setzt er doch voraus, dass alle Arbeitnehmer des Unternehmens (und dies müssen mehr als fünf sein, da ansonsten ohnehin die unter Rz. 65 ff. zu besprechende Ausnahme von der Lohnsummenkontrolle eingreift) „pro bono“ tätig gewesen sind. Dies ist selbst bei gemeinnützigen Organisationen in aller Regel nicht der Fall. b) Betrieb mit nicht mehr als fünf Beschäftigten
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Neu ist aufgrund der Vorgaben des BVerfG, dass die Lohnsummenkontrolle bereits zur Anwendung kommt, wenn der Betrieb mehr als fünf Beschäftigte hat.
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Zu den „Beschäftigten“ i.S.d. § 13a Abs. 3 Satz 6 ErbStG zählen grundsätzlich alle Arbeitnehmer des Betriebes, also solche Personen, deren arbeits- und sozialversicherungsrechtlicher Status demjenigen eines Angestellten entspricht. Darüber hinaus spezifiziert § 13a Abs. 3 Satz 7 ErbStG den Kreis der in die Arbeitnehmergrenze und die Lohnsummenkontrolle einzubeziehenden Beschäftigten. Außer Ansatz bleiben demnach Beschäftigte im Mutterschutz, Auszubildende, Empfänger von Krankengeld 472
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Lohnsummenkontrolle (Abs. 3)
Rz. 71 § 13a ErbStG
i.S.d. § 44 SGB V, Elterngeldbezieher sowie Beschäftigte, die nicht ausschließlich oder überwiegend in dem Betrieb tätig sind (Saisonarbeiter). Die bisherige Verwaltungsauffassung, wonach auch geringfügig Beschäftigte i.S.d. § 8 SGB VI, Beschäftigte in Mutterschutz und Elternzeit, Langzeitkranke und Auszubildende in die Lohnsummenkontrolle einzubeziehen sind,1 ist damit jedenfalls teilweise überholt. Nicht einzubeziehen sind insbesondere Vergütungen an Arbeitnehmer, die nicht ausschließlich oder 67 nicht überwiegend in dem Betrieb tätig sind (§ 13a Abs. 3 Satz 7 Nr. 5 ErbStG). Die beiden Tatbestandsmerkmale „ausschließlich“ und „überwiegend“ machen eine Abgrenzung insbesondere deswegen schwierig, weil sie sich teilweise widersprechen. Offen ist z.B., ob geringfügig Beschäftigte („Mini-Jobber“) hierüber von der Lohnsummendefinition ausgenommen werden. Eine Einbeziehung müsste jedenfalls dann unterbleiben, wenn der maßgebliche geringfügig Beschäftigte noch eine andere Tätigkeit ausübt (dann nicht „ausschließlich“ oder nicht). Wollte man dann noch festlegen, ob bei Bestehen einer weiteren beruflichen Tätigkeit die Tätigkeit im Betrieb „überwiegend“ ist, müsste man wohl auf eine Gewichtung der wöchentlichen Arbeitszeiten zwischen den beiden beruflichen Tätigkeiten abstellen; ein Aufwand, der unvertretbar erscheint. Nunmehr gesetzlich klargestellt ist, dass Saisonarbeiter bei der Zahl der Arbeitnehmer Lohnsum- 68 menberechnung nicht zu berücksichtigen sind.2 Dies ist gerechtfertigt,3 da es gerade im Bereich der saisonabhängigen Land- und Forstwirtschaft ansonsten vom Zufall abhängig wäre, ob und welche Lohnsummenkontrolle der Erwerber zu beachten hat, je nachdem, ob der Landwirt „innerhalb oder außerhalb der Saison“ verstirbt. Leiharbeitnehmer sind Arbeitnehmer des „Verleihers“, nicht des „Entleihers“. Dies ergibt sich bereits 69 daraus, dass die vom „Entleiher“ an den „Verleiher“ gezahlte Vergütung kein Lohnsummenbestandteil i.S.d. Lohnsummendefinition ist, sondern sonstiger betrieblicher Aufwand. Hieraus ergibt sich ein gewisses Gestaltungspotenzial, in dem vor einer Übertragung Arbeitnehmer auf eine betriebliche Einheit übertragen werden, die nicht Gegenstand einer späteren Schenkung oder eines Erbfalls ist. Wenn dann diese Arbeitnehmer weiterhin ihre Tätigkeit in den verschenkten oder vererbten betrieblichen Einheiten in der Form von Leiharbeitnehmern ausführen, führt dies gleichwohl zu keiner Lohnsummenberücksichtigung im übertragenden Betrieb. Diese Gestaltung hat der BFH4 aufgegriffen und gemessen am Gesetz für zutreffend erachtet. Nach Auffassung des BFH handelt es sich auch nicht um einen Gestaltungsmissbrauch i.S.d. § 42 AO, wenn ein einheitliches Unternehmen vor der Übertragung mit Blick auf die Lohnsummenkontrolle in eine „Betriebsgesellschaft“, die die Arbeitnehmer hält, und eine „Besitzgesellschaft“ aufgespalten wird. Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH zählen als Beschäftigter i.S.d. Fünf-Arbeitnehmer-Gren- 70 ze, auch wenn sie sozialversicherungsrechtlich keine Arbeitnehmer sind.5 Demgegenüber zählt der angestellte Gesellschafter-Geschäftsführer einer Personengesellschaft nicht als Beschäftigter, auch wenn er im Einzelfall sozialversicherungsrechtlich als Arbeitnehmer gilt.6 Maßgeblich ist vielmehr, dass der Gesellschafter-Geschäftsführer einer Personengesellschaft steuerrechtlich Mitunternehmer der Gesellschaft ist, wodurch seine Einkünfte als Geschäftsführer zu den Sonderbetriebseinnahmen im Rahmen seines Mitunternehmeranteils rechnen. Es erfolgt keine Umrechnung oder Quotelung der Arbeitnehmer nach deren wöchentlicher Arbeits- 71 zeit. Jeder Beschäftigte entfaltet also eine „pro Kopf“-Zählwirkung, ohne dass es zu einer anteiligen Berücksichtigung käme. Vor allem erfolgt nach Auffassung der Finanzverwaltung auch dann keine Quotelung, wenn ein Arbeitnehmer allgemein (z.B. ein Geschäftsführer) bei mehreren Gesellschaften beschäftigt ist. In diesem Fall ist keine Gewichtung vorzunehmen und keine „Bruchteilsbetrachtung“ des Arbeitnehmers bei der Zählwirkung zulässig. Insbesondere im Zusammenhang mit der Regelung des Satz 11, wonach die Arbeitnehmer nachgeordneter Gesellschaften in die Berechnung der Fünf-Arbeitnehmer-Grenze einzubeziehen sind (vgl. Rz. 84), kann dies also dazu führen, dass ein Arbeitneh1 2 3 4 5 6
H E 13a.4 Abs. 2 „Beschäftigte Arbeitnehmer“ ErbStH 2011. BR-Drucks. 4/08, 54; BT-Drucks. 16/7918, 34; so bereits R E 13 a.4 Abs. 2 Satz 2 ErbStR 2011. Thonemann-Micker, DB 2016, 2312 (2313). BFH v. 27.9.2012 – II R 9/11, BStBl. II 2012, 899 Rz. 145. Hannes/Steger/Stalleiken, BB 2011, 2455 (2459). Söffing in Wilms/Jochum, § 13a ErbStG Rz. 98 (Stand: Oktober 2016).
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§ 13a ErbStG Rz. 72 Steuerbefreiung für Betriebsvermögen, LuF, Anteile mer mehrmals in die Berechnung der Fünf-Arbeitnehmer-Grenze ein und desselben Betriebes einbezogen wird – ein nicht sachgerechtes und gemessen an der gesetzlichen Intention nicht folgerichtiges Ergebnis. 72
Bei Übertragungen vor dem 7.6.2013 war noch umstritten, was der Begriff des „Betriebes“ i.S.d. § 13a Abs. 1 Satz 4 ErbStG a.F. umfasst, namentlich die Einbeziehung der Arbeitnehmer von Tochtergesellschaften in die Zwanzig-Arbeitnehmer-Grenze in mehrstöckigen Strukturen. Diesbezüglich wird auf Rz. 272 verwiesen.
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Für die maßgebliche Mindestanzahl der Beschäftigten i.S.d. § 13a Abs. 1 Satz 4 ErbStG a.F. kommt es auf den Steuerentstehungszeitpunkt an. Weist der Betrieb am Übertragungsstichtag genau fünf Beschäftigte oder weniger auf, findet die Lohnsummenkontrolle keine Anwendung, auch wenn vor oder nach dem Stichtag die Beschäftigtenzahl auf sechs oder mehr steigt. Um missliebige Gestaltungen der Beschäftigtenzahl zu vermeiden, will die Finanzverwaltung Fälle, in denen „kurzfristig im Hinblick auf die Übertragung vor der Übertragung eine Minderung der Anzahl der Beschäftigten erfolgt“, nach § 42 AO als Gestaltungsmissbrauch behandeln.1 Abgesehen davon, dass hierbei natürlich Streit darüber bestehen kann, ob und wann ein Abbau von Arbeitsplätzen im Hinblick auf die geplante Übertragung vorgenommen worden ist, ist auch festzuhalten, dass eine Beurteilung als Gestaltungsmissbrauch m.E. zudem voraussetzt, dass nach dem Übertragungsstichtag die (nämlichen) Arbeitnehmer wieder eingestellt werden. Scheiden hingegen Arbeitnehmer, auch kurzfristig vor einer Übertragung der betrieblichen Einheit, endgültig aus dem Unternehmen aus, kann m.E. die Annahme eines Gestaltungsmissbrauchs nicht gerechtfertigt sein. Gleichwohl kommt es nach der Finanzverwaltung auf eine Wiedereinstellung nach der Übertragung nicht an.
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Im Übrigen entspricht die Einbeziehung von Arbeitnehmern bei Berechnung der Fünf-ArbeitnehmerGrenze i.S.d. § 13a Abs. 3 Satz 3 ErbStG der Einbeziehung der Löhne und Gehälter bei der Berechnung der Ausgangs- und Mindestlohnsumme. Anders ausgedrückt sind dieselben Arbeitnehmer bei der Berechnung der Fünf-Arbeitnehmer-Grenze i.S.d. § 13a Abs. 3 Satz 3 ErbStG zu berücksichtigen, deren Löhne und Gehälter nach den Grundsätzen § 13a Abs. 3 Satz 6 und 7 als Lohnbestandteile der Lohnsumme zu berücksichtigen sind. Auf die Ausführungen hinsichtlich der Einbeziehung der Arbeitnehmer von (Drittlands-)Betriebstätten bei Personen- und Kapitalgesellschaften, ausländischen Unternehmensteilen und Tochtergesellschaften, die als „junges Verwaltungsvermögen“ zu qualifizieren sind, wird daher verwiesen (Rz. 85 ff.).
II. Rechtsfolgen bei Unterschreiten der Mindestlohnsumme (Abs. 3 Satz 5) 75
Wird die je nach Wahl der Verschonungsform (Regel- oder Vollverschonung) erforderliche Mindestlohnsumme von 400 % bzw. 700 % (oder die zwischen fünf und 15 Arbeitnehmern entsprechend verminderte Mindestlohnsumme) nach Ablauf der Lohnsummenfrist nicht erreicht, so kommt es gem. § 13a Abs. 1 Satz 5 ErbStG im Umfang des Unterschreitens zu einer Nachsteuerfestsetzung. Das Nichterreichen der Mindestlohnsumme lässt mit anderen Worten den Verschonungsabschlag nicht vollständig entfallen, sondern der Nachsteuer unterliegt nur derjenige prozentuale Umfang des Unterschreitens der Mindestlohnsumme, der die Differenz zwischen der tatsächlichen Lohnsumme und der erforderlichen Mindestlohnsumme darstellt.
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Beispiel: Der Erwerber E hat den elterlichen Betrieb (mehr als 15 Arbeitnehmer) unter Anwendung der Regelverschonung geerbt. In den auf den Erwerbszeitpunkt folgenden fünf Jahren erbringt der Betrieb eine Lohnsumme i.H.v. 266 % der Ausgangslohnsumme. Da die erbrachte Lohnsumme somit 134 % unter der Mindestlohnsumme von 400 % zurückbleibt, ergibt sich ein prozentuales Unterschreiten der geforderten Mindestlohnsumme i.H.v. (134/400) 33,5 %. In der Folge sind 33,5 % des seinerzeit gewährten Verschonungsabschlags von 85 % nachzuversteuern. Dies entspricht 28,475 % des gemeinen Wertes der ererbten betrieblichen Einheit.
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Das Unterschreiten der Mindestlohnsumme resultiert in einer rückwirkenden Änderung des Erbschaftsteuerbescheids nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO. Das Nichterreichen der Mindestlohnsum-
1 R E 13a.4 Abs. 2 Satz 3 ErbStR 2011.
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Lohnsummenkontrolle (Abs. 3)
Rz. 81 § 13a ErbStG
me stellt somit ein rückwirkendes Ereignis dar. Allerdings erfolgt keine Verzinsung der nachzuerhebenden Erbschaft- und Schenkungsteuer.
Û
Gestaltungshinweis: In der Beratungspraxis ist erfahrungsgemäß für den Mandanten die Lohn- 78 summenkontrolle das am schwersten einzuschätzende Begünstigungshindernis, da diese oftmals seiner persönlichen Gestaltungsmöglichkeit entzogen ist. Anders als die Mehrzahl der Nachsteuertatbestände i.S.d. § 13a Abs. 6 ErbStG, die der Erwerber vielfach selbst in der Hand hat, ist das Erreichen der geforderten Mindestlohnsumme für den Erwerber mit zahlreichen, insbesondere konjunkturellen Unsicherheiten behaftet. Nicht selten spielen daher Überlegungen, ob der begünstigt erworbene Betrieb tatsächlich in den kommenden sieben Jahren das Siebenfache der Ausgangslohnsumme erbringen kann, eine entscheidende Überlegung bei der Frage, ob der Erwerber zur Vollverschonung optiert oder es bei der Regelverschonung belässt, da deren einzuhaltende Lohnsummenvoraussetzungen deutlich günstiger sind. Es ist allerdings zu bedenken, dass die Bedeutung der Lohnsumme einen nicht so gravierenden Einfluss auf die Verschonung hat, wie die Mandanten vielfach meinen. Insbesondere ist hervorzuheben, dass im Falle der Regelverschonung der Mandant durch die Inanspruchnahme des „nur“ 85 %-Verschonungsabschlags bereits 15 % des gemeinen Wertes vorab versteuert hat. Selbst bei einem eventuellen späteren Unterschreiten der Mindestlohnsumme ist also diese Vorabversteuerung erst einmal aufzuholen. Dies gilt umso mehr, als dass 15 % des gemeinen Wertes im Falle der Regelverschonung sofort zu versteuern, also „vorzufinanzieren“ sind, während bei einem Lohnsummenverstoß nach Ablauf der Lohnsummenfrist im Fall der Vollverschonung frühestens nach sieben Jahren der Nachsteuerfall eintritt. Da die Nachsteuerfestsetzung unverzinslich erfolgt, ist der sich hieraus ergebende Zinsvorteil in die Überlegungen durchaus einzubeziehen. Und schließlich kommt dem Steuerpflichtigen zu Gute, dass die Ausgangslohnsumme nicht indexiert wird. Bei einem „natürlichen Lohnniveauverlauf“ mit kontinuierlichen Lohnsteigerungen besteht daher auch im Fall der Vollverschonung durchaus ein gewisses Lohnsummenabbaupotential. All diese Mechanismen wirken letztlich zugunsten des Steuerpflichtigen, so dass auf diese Punkte bei etwaigen Zweifeln, ob um der Vollverschonung Willen eine „verschärfte“ Lohnsummenkontrolle in Kauf genommen werden kann, gegeneinander abzuwägen sind.1
Bei Erwerbern der Steuerklasse II und III entfällt der Entlastungsbetrag nach § 19a ErbStG aufgrund 79 einer Nachversteuerung wegen Lohnsummenverstoßes nicht. Diesen Erwerbern der „ferneren“ Steuerklassen bleibt also gleichwohl der Vorteil der Versteuerung in der günstigsten Steuerklasse I (hierzu auch § 19a ErbStG Rz. 16). Ebenso hat ein Unterschreiten der geforderten Mindestlohnsumme keinen Einfluss auf den gleitenden Abzugsbetrag § 13a Abs. 2 ErbStG a.F. Dies führt faktisch dazu, dass die Lohnsummenkontrolle bei betrieblichen Einheiten mit einem gemeinen Wert von weniger als 1 Mio. Euro keine Bedeutung hat. Jede Veräußerung der erworbenen betrieblichen Einheit während der Behaltensfrist führt automatisch 80 auch zu einem Lohnsummenverstoß, da bei Veräußerung nicht etwa der Lohnsummenzeitraum endet, sondern vielmehr ab dem Zeitpunkt der Veräußerung die Lohnsumme der (dann nicht mehr dem Erwerber zuzurechnenden) betrieblichen Einheit null Euro beträgt. Zu den Folgen eines solchen „Doppelverstoßes“ vgl. Rz. 195.
III. Lohnsummendefinition (Abs. 3 Satz 8 bis 10) Die gesetzliche Definition der Lohnsumme in § 13a Abs. 3 Satz 8 bis 10 ErbStG ist erkennbar von dem 81 Bemühen getragen, möglichst sämtliche Lohnbestandteile in den Anwendungsbereich der Lohnsummenkontrolle hineinzudefinieren. Anders ist es nicht erklärbar, dass der Gesetzgeber sich einer derart ausführlichen, allumfassenden und teilweise redundanten Aufzählung2 verschiedener möglicher Lohnformen bedient. Im Kern umfasst die Lohnsumme alle Vergütungen, die im maßgeblichen Wirtschaftsjahr an die Beschäftigten bezahlt werden, dies sind insbesondere Löhne, Gehälter, Sonderzahlungen, 1 Eingehende Gegenüberstellung von Regel- und Vollverschonung bei Lohnsummenverstößen mit Steuerberechnungsvergleich bei Scholten/Korezkij, DStR 2009, 991 (993 f.). 2 Scholten/Korezkij, DStR 2009, 253 (255).
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§ 13a ErbStG Rz. 82 Steuerbefreiung für Betriebsvermögen, LuF, Anteile Tantiemen, Gratifikationen und geldwerte Vorteile, Sozialversicherung und Steuern, jedoch ohne den Arbeitgeberanteil zur Sozialversicherung. Der Gesetzgeber bemüht sich zu betonen, dass es gleichgültig ist, in welcher Erscheinungsform, mit welcher Bezeichnung oder aus welchem Grund der Lohnbestandteil gezahlt wird. 82
Die Beschreibung der Lohnsumme orientiert sich1 an der Definition in Anhang 1 der Verordnung (EG) Nr. 1503/2006 der Kommission vom 28.9.2006.2 Dort findet sich unter der Gliederungsebene „Variable: 230 Löhne und Gehälter“ eine eingehende Liste sämtlicher Lohnbestandteile, die in die Lohnsummendefinition einzubeziehen sind.
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Die Finanzverwaltung erlaubt es aus Vereinfachungsgründen, den Lohnaufwand aus der Gewinnund Verlustrechnung gem. § 275 Abs. 2 Nr. 6 HGB zugrunde zu legen,3 stellt allerdings zugleich klar, dass Altersvorsorge, die durch Entgeltumwandlung vom Arbeitnehmer getragen wird, einzubeziehen ist. Demgegenüber ist der Arbeitgeberanteil zu den gesetzlichen Sozialabgaben sowie tariflich vereinbarte, vertraglich festgelegte oder freiwillige Sozialbeiträge durch den Arbeitnehmer nicht einzubeziehen.4 Diese gut gemeinte Vereinfachungsregelung durch die Finanzverwaltung wird in ihrer Handhabung also daher schwierig, da ausweislich der Bilanzgliederung der Aufwandsposten Löhne und Gehälter sich gem. § 275 Abs. 2 Nr. 6 HGB in die Buchst. a und b aufgliedert. Während in Buchst. a die Löhne und Gehälter auszuweisen sind, sind in Buchst. b Sozialabgaben und Aufwendungen für die Altersversorgung und für Unterstützung, davon für Altersversorgung, auszuweisen. Während also nach Auffassung der Finanzverwaltung der Bilanzposten Buchst. a uneingeschränkt in die Lohnsummenkontrolle einzubeziehen ist, ist der Bilanzposten Buchst. b ggf. aufzuteilen, da in diesem sowohl die Arbeitgeberanteile zu den gesetzlichen Sozialversicherungen (kein Lohnsummenbestandteil) enthalten sind als auch typischerweise Entgeltumwandlungen, z.B. in der Form von Arbeitnehmerdirektversicherungen (einzubeziehende Lohnsummenbestandteile). In der Praxis ist eine Aufschlüsselung des Bilanzpostens nach § 275 Abs. 2 Nr. 6 Buchst. b HGB jedoch i.d.R. schwierig. Um die Vereinfachungsregel der Finanzverwaltung nicht ad absurdum zu führen, dürfte dem Rechtsanwender i.d.R. nichts anderes übrigbleiben, als zu unterstellen, dass die abziehbaren Bestandteile (Entgeltumwandlungen, z.B. in Form von Arbeitnehmerdirektversicherung) nicht weiter ins Gewicht fallen. Es dürfte regelmäßig so sein, dass die nicht abziehbaren Teile in Buchst. b die abziehbaren Teile weit überwiegen, so dass i.d.R. nur der Lohnaufwand aus der Gewinn- und Verlustrechnung i.S.d. § 275 Abs. 2 Nr. 6 Buchst. a HGB anzusetzen ist. Aus dieser weiteren Vereinfachung (der Vereinfachungsregel) ergibt sich dann keine verfälschende Wirkung, wenn dies sowohl bei der Ermittlung der Ausgangslohnsumme als auch bei der Ermittlung der Mindestlohnsumme nach der Übertragung identisch gehandhabt wird.
IV. Lohnsummenermittlung in mehrstufigen Beteiligungsstrukturen (Abs. 3 Sätze 11 und 12) 1. Einbeziehung der von nachgeordneten Gesellschaften gezahlten Löhne und Gehälter a) Allgemeines 84
§ 13a Abs. 3 Satz 11 ErbStG regelt die Einbeziehung der nach der von nachgeordneten Gesellschaften gezahlten Löhne und Gehälter in die Lohnsumme des Betriebes. Nach dem Gesetzeswortlaut sind die Lohnsummen nachgeordneter Gesellschaften zu dem Prozentsatz, zu dem die Beteiligung besteht, anteilig in die Lohnsumme des Betriebes einzubeziehen, wenn die nachgeordnete Gesellschaft ihren Sitz oder ihre Geschäftsleitung im Inland, der EU oder dem EWR hat und wenn die unmittelbare oder mittelbare Beteiligung mehr als 25 % beträgt. Die Regelung warf zahlreiche Zweifelsfragen auf, zu denen sich allerdings die Finanzverwaltung bereits eingehend 2009 im Anwendungserlass zu den geänderten Vorschriften des ErbStG5 sowie 2010 in einem Erlass des Bayerischen Finanzministeriums,6 den Erb1 2 3 4 5 6
R E 13 a.4 Abs. 4 Satz 1 ErbStR 2011. VO (EG) Nr. 1503/2006 der Kommission v. 28.9.2006, ABl. 2006 L 281/15. R E 13 a.4 Abs. 4 Satz 2 ErbStR 2011. R E 13 a.4 Abs. 4 Satz 3 ErbStR 2011. AEErbSt v. 25.6.2009, BStBl. I 2009, 713. FinMin. Bayern v. 12.7.2010, DB 2010, 2079.
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Lohnsummenkontrolle (Abs. 3)
Rz. 87 § 13a ErbStG
schaftsteuerrichtlinien 20111 und 2012 nochmals in koordinierten Ländererlassen2 geäußert hat. Trotz dieser eingehenden Befassung der Finanzverwaltung mit der Lohnsummenermittlung in mehrstufigen Beteiligungsstrukturen sind noch nicht alle Zweifelsfragen diesbezüglich geklärt. Fraglich ist etwa, ob auch Beteiligungen im Sonderbetriebsvermögen in die Lohnsummenprüfung 85 mit einzubeziehen sind. § 13a Abs. 3 Satz 11 ErbStG bestimmt die Einbeziehung bei Zugehörigkeit der Beteiligung „zum Betriebsvermögen (…) des Betriebes der jeweiligen Gesellschaft“. Da das Erbschaftsteuerrecht hinsichtlich des Umfangs der Begünstigung an den ertragsteuerlichen Betriebsvermögensbegriff (welcher das Sonderbetriebsvermögen einschließt, § 13b ErbStG Rz. 39) anknüpft, wird dieser auch hier zu gelten haben. Anderenfalls käme es zu einem Auseinanderlaufen von Begünstigung und Lohnsummenprüfung, was nicht der gesetzgeberischen Intention des ErbStG 2009 entsprechen dürfte.3 Ob die 25 %-Grenze bei Sonderbetriebsvermögen allerdings erwerberbezogen ist und damit durch Mitschenkung oder Nicht-Mitschenkung beeinflussbar ist, ist nach wie vor offen. Vorsorglich sollte m.E. davon ausgegangen werden, dass es für eine Einbeziehung ausreicht, wenn der Schenker insgesamt (also an alle Erwerber) mehr als 25 % der Beteiligung im Sonderbetriebsvermögen überträgt. b) Ausschluss von Drittlandsbeteiligungen Nach dem eindeutigen Gesetzesbefehl des § 13a Abs. 3 Satz 11 ErbStG sind Beteiligungen an Personen- 86 und Kapitalgesellschaften, die weder Sitz noch Ort der Geschäftsleitung im Inland, der EU oder dem Europäischen Wirtschaftsraum haben, von der Lohnsummenermittlung abgeschnitten. Die Lohnsumme von Gesellschaften in Drittstaaten wird mit anderen Worten weder bei der Ermittlung der Ausgangslohnsumme noch bei der nach der Übertragung zu erbringenden Mindestlohnsumme berücksichtigt. Obwohl die gesetzliche Formulierung in § 13a Abs. 3 Satz 11 ErbStG a.F. insoweit rechtsformneutral 87 ausgestaltet ist, wirft dies die Frage auf, ob sich Besonderheiten aufgrund der allgemeinen erbschaftund schenkungsteuerlich angeordneten Transparenz der Personengesellschaft ergeben, wonach bei der Begünstigung von Personengesellschaften auf das Betriebsvermögen der jeweiligen Gesellschaft „durchzuschauen“ ist, während es bei Kapitalgesellschaften aufgrund der gesetzlich angeordneten Anteilsbetrachtung nicht auf die Belegenheit des Betriebsvermögens ankommt (vgl. § 13b ErbStG Rz. 60). Nach Auffassung der Finanzverwaltung4 und vertretener Auffassung in der Literatur5 zu § 13a Abs. 4 Satz 5 ErbStG a.F., die im Kern unverändert relevant ist, ist § 13a Abs. 3 Satz 11 teleologisch zu reduzieren, so dass nur die Arbeitnehmer desjenigen Vermögens in die Lohnsummenkontrolle einzubeziehen sind, welches tatsächlich auch im Rahmen des § 13b Abs. 1 ErbStG der Verschonung unterliegt. Bezogen auf die übertragene betriebliche Einheit bedeutet dies Folgendes: Handelt es sich um eine Kapitalgesellschaft, so sind die Löhne und Gehälter der einer Drittlandsbetriebsstätte zuzurechnenden Arbeitnehmer in die Lohnsummenkontrolle mit einzubeziehen, da das Vermögen der Drittlandsbetriebsstätte aufgrund der Anteilsbetrachtung der Kapitalgesellschaft in § 13b Abs. 1 Nr. 3 ErbStG Teil des begünstigten Vermögens ist. Handelt es sich hingegen bei der übertragenen betrieblichen Einheit um eine Personengesellschaft, so müssen die den Arbeitnehmern einer Drittlandsbetriebsstätte gezahlten Löhne und Gehälter aus der Lohnsummenkontrolle ausgenommen werden, da das Vermögen der Drittlandsbetriebsstätte gem. § 13b Abs. 1 Nr. 2 ErbStG nicht Teil des begünstigten Vermögens ist („Transparenz“ der Personengesellschaft versus „Abschirmwirkung“ der Kapitalgesellschaft).6 Bezogen auf die übertragene betriebliche Einheit ist also von einem Gleichlauf von Verschonungsumfang und Lohnsummenkontrolle auszugehen (teleologische Reduktion). Auf der Ebene nachgeordneter Beteiligungsgesellschaften weicht das Gesetz freilich selbst von diesem Gleichlauf wieder ab. Denn die Anordnung, dass die Löhne und Gehälter von Beteiligungsgesellschaften, die ihren Sitz und Ort der Ge1 R E 13a.4 Abs. 6 u. 7 ErbStR 2011. 2 Gleich lautende Ländererlasse v. 5.12.2012, BStBl. I 2012, 1250. 3 Indem der Gesetzgeber nur die Lohnsummen von EU/EWR-Beteiligungen und auch nur bei einer Beteiligungshöhe von mehr als 25 % einbezieht, besteht allerdings in gewissen Fällen durchaus eine Diskrepanz zwischen Begünstigung und Verschonung. 4 FinMin. Bayern v. 12.7.2010, DB 2010, 2079. 5 Hannes/Stalleiken, Ubg 2010, 572 (577). 6 Hannes/Stalleiken, Ubg 2010, 572 (577).
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§ 13a ErbStG Rz. 88 Steuerbefreiung für Betriebsvermögen, LuF, Anteile schäftsleitung im Drittland haben, nicht in die Lohnsummenkontrolle einzubeziehen sind, findet keine Entsprechung im Umfang des begünstigten Vermögens gem. § 13b Abs. 1 ErbStG. Denn sowohl Drittlandsbeteiligungen in Betriebsvermögen von Kapitalgesellschaften als auch Drittlandsbeteiligungen in Betriebsvermögen inländischer Einzelunternehmen und Personengesellschaften gehören gleichwohl zum begünstigten Vermögen. Dennoch erstreckt sich die Lohnsummenkontrolle ausweislich Abs. 3 Satz 11 nicht auf diese Gesellschaften. Vereinfachend kann man also sagen, dass der Umfang des begünstigten Vermögens größer sein kann als diejenigen Gesellschaften, deren Löhne und Gehälter in die Lohnsummenkontrolle einzubeziehen sind. Umgekehrt ist jedoch Abs. 3 Satz 11 dahingehend teleologisch zu reduzieren, dass es zu keiner Einbeziehung von Löhnen und Gehältern in die Lohnsummen kommt von Gesellschaften oder Gesellschaftsteilen, die ihrerseits nicht der Begünstigung unterliegen. Dies sind in erster Linie Beteiligungen an Gesellschaften, die als junges Verwaltungsvermögen zu qualifizieren sind und deshalb aus der Verschonung gänzlich ausscheiden. c) 25 %-Grenze 88
In die Lohnsummenkontrolle sind die Beschäftigten von Tochtergesellschaften einzubeziehen, wenn es sich um Gesellschaften im Inland, der EU oder dem EWR handelt und – im Falle von Kapitalgesellschaftsbeteiligungen – die mittelbar durchgerechnete Beteiligung mehr als 25 % beträgt. Während zu § 13a Abs. 4 Satz 5 ErbStG a.F. umstritten war, ob die 25 %-Grenze nur für Kapitalgesellschaften oder auch für Personengesellschaften gilt (vgl. Rz. 274), hat der Gesetzgeber die Neuregelung durch das ErbStAnpG 2016 zu einer diesbezüglichen Klarstellung genutzt. Die beiden Sätze sind nunmehr auseinandergezogen, und es wird in einem eigenen Satz 12 klargestellt, dass die Grenze von 25 % nur bei Kapitalgesellschaftsbeteiligungen, nicht aber Personengesellschaftsbeteiligungen übersprungen werden muss. Ein sachlicher Grund für die Differenzierung ist nach wie vor nicht erkennbar, da es sich damit weder um eine echte Vereinfachungsregelung handelt (Personengesellschaft sind gleichwohl auch bei geringsten Beteiligungsverhältnissen einzubeziehen) noch eine sachliche Differenzierung bei der Kapitalgesellschaft ersichtlich ist, da über die Begünstigung der Minderheitsbeteiligung (angesichts von Schuldenverrechnung und Kulanzgrenze, dazu § 13b ErbStG Rz. 221 f.) noch nichts gesagt ist. Zudem besteht nach wie vor die Möglichkeit, auch Kapitalgesellschaftsbeteiligungen von 25 % und weniger im Betriebsvermögen durch Abschluss eines Poolvertrages aus dem Verwaltungsvermögen auszunehmen, was jedoch nicht zu einer Einbeziehung in die Lohnsummenkontrolle führt.
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Fraglich ist, ob es für eine Einbeziehung in die Lohnsummenkontrolle ausreichend ist, wenn die 25 %ige Beteiligungsgrenze für Kapitalgesellschaften auf jeder einzelnen Stufe überschritten ist, oder ob es darauf ankommt, dass insgesamt (durchgerechnet) eine mittelbar mehr als 25 %ige Beteiligung an der Zielkapitalgesellschaft besteht. Die Finanzverwaltung vertritt im koordinierten Ländererlass vom 5.12.20121 die Auffassung, dass unmittelbare Beteiligungen von 25 % in jedem Fall zu berücksichtigen sind. Dies gelte in einem mehrstufigen Feststellungsverfahren auf jeder Stufe. Ausgehend vom Gesetzeswortlaut ist diese Auffassung durchaus zu kritisieren. Die Finanzverwaltung würde z.B. in einer Kette von Personengesellschaften, an denen jeweils eine 50 %ige Beteiligung besteht, jede einzelne Beteiligung berücksichtigen, obwohl bereits auf der zweiten Ebene nur noch eine (mittelbare) Beteiligung i.H.v. 25 %, auf der dritten Ebene von 12,5 % usw. besteht. Ausgehend vom Gesetzeswortlaut ist die Lösung der Finanzverwaltung zu kritisieren. Das Gesetz verlangt, dass zur Einbeziehung aus Sicht „des Betriebes“, also derjenigen Gesellschaft, deren Anteile übertragen werden, eine „unmittelbare oder mittelbare Beteiligung von mehr als 25 %“ besteht. Prüft man diese Voraussetzungen nacheinander ab, ist festzustellen, dass aus Sicht der obersten Einheit an den Gesellschaften ab der zweiten Beteiligungsebene weder eine unmittelbare Beteiligung von mehr als 25 % besteht (es besteht nämlich keine unmittelbare Beteiligung) noch eine mittelbare Beteiligung von mehr als 25 % (die mittelbare Beteiligung beträgt nämlich 25 %, 15 % usw.). Beide gesetzlichen Tatbestandsmerkmale für eine Einbeziehung sind also zu verneinen. Die Finanzverwaltung setzt sich damit auch z.T. zu sich selbst in Widerspruch, wenn sie an anderer Stelle in den koordinierten Ländererlassen (zutreffend) fordert, dass „die Prüfung der mittelbaren Beteiligungshöhe (…) auf jeder Stufe ausgehend von der übertragenen wirtschaftlichen
1 BStBl. I 2012, 1250.
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Lohnsummenkontrolle (Abs. 3)
Rz. 95 § 13a ErbStG
Einheit des begünstigungsfähigen Vermögens“ zu erfolgen hat.1 In Zusammenspiel von Voraussetzung und Rechtsfolge (nämlich der nur bruchteilsanteilig einzubeziehenden Lohnsummen der Beteiligungsgesellschaften in dem Verhältnis, in dem ausgehend von der übertragenen betrieblichen Einheit eine unmittelbare oder mittelbare Beteiligung besteht) erscheint es daher sachgerecht und konsequent, den gesetzlichen Anwendungsbefehl der Einbeziehung „unmittelbarer oder mittelbarer“ Beteiligungen so auszulegen, dass für Beteiligungen auf der ersten Beteiligungsebene (Tochtergesellschaften der übertragenen betrieblichen Einheit) darauf abzustellen ist, ob die unmittelbare Beteiligung mehr als 25 % beträgt. Auf nachgeordneten Beteiligungsebenen (Enkelgesellschaften der übertragenden betrieblichen Einheit) kommt es hingegen darauf an, ob die durchgerechnet mittelbare Beteiligung noch mehr als 25 % beträgt. Hierbei sind freilich mehrere Beteiligungsstränge i.S. einer „horizontalen Zusammenrechnung“ zu 90 addieren. Insoweit konsequent hat die Finanzverwaltung in den Erlassen vom 5.12.20122 klargestellt, dass eine solche „horizontale Zusammenrechnung“ zwingend nur bei nachgeordneten Gesellschaften auf der zweiten Beteiligungsebene (Enkelgesellschaften der übertragenden betrieblichen Einheit) zu erfolgen hat.3 Demgegenüber hat eine Zusammenrechnung auszuscheiden, wenn der Erblasser und Schenker selbst 91 über mehrere Kapitalgesellschaftsbeteiligungen an einer Gesellschaft beteiligt ist und keine dieser Gesellschaften eine Beteiligung von mehr als 25 % an der gemeinsamen Tochtergesellschaft hält.4 Dies ist auch m.E. bereits deshalb zwingend, weil es sich bei den „vermittelnden Gesellschaften“, an denen der Erblasser oder Schenker beteiligt ist, im Übertragungsfalle um verschiedene „betriebliche Einheiten“ i.S.d. Lohnsummenregelung handelt. Unbestritten ist, dass der Abschluss eines Poolvertrages zur Erlangung der Begünstigung (§ 13b 92 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 ErbStG) oder zur Vermeidung von Verwaltungsvermögen (§ 13b Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Satz 2 ErbStG) nicht dazu führt, dass die Beteiligung durch Zusammenrechnung auch für Lohnsummenzwecke mehr als 25 % beträgt.5 Dem ist zuzustimmen, da es insoweit an einem Gesetzesbefehl im Rahmen der Lohnsummenermittlungsvorschrift fehlt. Die vorgenannten Regelungen gelten nur in vertikal mehrstufigen Beteiligungsverhältnissen. Bei 93 mehreren horizontalen Beteiligungen (Beteiligung des Erblassers oder Schenkers an mehreren Gesellschaften) ist § 13a Abs. 3 Satz 11 ErbStG nicht anwendbar6 (zur Bildung einer „Gesamtlohnsumme“ nach Auffassung der Finanzverwaltung vgl. oben Rz. 48). 2. Veränderungen im Beteiligungsbestand während des Lohnsummenzeitraums a) Veränderungen vor dem Übertragungsstichtag (Ausgangslohnsumme) Die Lohnsummenkontrolle kann sich auf eine Zeitspanne von mehr als zwölf Jahren erstrecken (von 94 der Einbeziehung der letzten fünf abgelaufenen Wirtschaftsjahre zur Ermittlung der Ausgangslohnsumme bis zum stichtagsgenauen Ablauf des fünf- oder siebenjährigen Lohnsummenzeitraums nach der Übertragung). Während dieser Zeit können sich weitgehende Veränderungen des Beteiligungsbestands, z.B. durch Zukauf oder Verkauf von Beteiligungen, Umstrukturierungen der erworbenen betrieblichen Einheit selbst oder Umstrukturierungen von Beteiligungen, ergeben. Fraglich und z.T. nicht gesetzlich geregelt ist, wie im Rahmen der Lohnsummenkontrolle hiermit umzugehen ist. Nach zutreffender Auffassung der Finanzverwaltung sind bei der Berechnung der Ausgangslohnsum- 95 me nur solche Beteiligungsgesellschaften einzubeziehen, die auch am Übertragungsstichtag zum begünstigten Vermögen gehören. Wird also eine Beteiligung vor dem Übertragungsstichtag veräußert (und sei es nur einen Tag zuvor), so gehen die in dieser Beteiligungsgesellschaft gezahlten Löhne 1 2 3 4 5
Gleich lautende Ländererlasse v. 5.12.2012, BStBl. I 2012, 1250 Tz. 1.1. Gleich lautende Ländererlasse v. 5.12.2012, BStBl. I 2012, 1250 Tz. 1.1. Vgl. Beispiel 1 nach Tz. 1.1 Ländererlass v. 5.12.2012, BStBl. I 2012, 1250. Vgl. Korezkij, DStR 2013, 346 (348). Gleich lautende Ländererlasse v. 5.12.2012, BStBl. I 2012, 1250 Tz. 1.1; Scholten/Korezkij, DStR 2009, 253 (255) m.w.N. 6 Ebenso Wachter in F/J/P/W5, § 13a ErbStG Rz. 73.
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§ 13a ErbStG Rz. 96 Steuerbefreiung für Betriebsvermögen, LuF, Anteile und Gehälter nicht, auch nicht anteilig, in die Ausgangslohnsumme der übertragenden betrieblichen Einheit ein.1 Obwohl dies aus § 13a Abs. 3 Satz 11 ErbStG nicht eindeutig ersichtlich ist, ergibt sich der Ausschluss veräußerter Beteiligungen aus der Ausgangslohnsumme aus dem strengen Stichtagsprinzip als Grundprinzip der Begünstigungsregelungen der §§ 13a, 13b ErbStG Aus diesen ist abzuleiten, dass ein Erwerber nicht mit einem von ihm nicht zu vertretenden Lohnsummenrisiko belastet werden darf, wenn die in Ermittlung der Ausgangslohnsumme einbezogene Beteiligung vom Erwerber nicht miterworben wird. Dasselbe gilt für Beteiligungen, die als „junges Verwaltungsvermögen“ zu qualifizieren sind und aus diesem Grund aus der Begünstigung ausscheiden. Nach wie vor verbleibt allerdings ein Problem für den Erwerber, wenn die Beteiligungssumme während des Berechnungszeitraums für die Ausgangslohnsumme absinkt. Beteiligungen an Personengesellschaften gleich welcher Beteiligungshöhe, die am Stichtag noch vorhanden sind, und Beteiligungen an Kapitalgesellschaften, die am Stichtag mehr als 25 % betragen, sind in die Berechnung der Ausgangslohnsumme mit den für das jeweilige Jahr bestehenden Beteiligungsquoten einzubeziehen. Trotzdem geht auf den Erwerber nur eine (ggf.) wesentlich geringere Beteiligung über. M.E. ließe sich genauso gut vertreten, dass die strenge Stichtagsbetrachtung bei der erbschaft- und schenkungsteuerlichen Verschonung eine durchgängige Einbeziehung der Gesellschaft nur mit dem am Übertragungsstichtag bestehenden Prozentsatz in die Ermittlung der Ausgangslohnsumme zu erfolgen hat. Dem hat sich die Finanzverwaltung bislang bedauerlicherweise nicht angeschlossen. 96
Im umgekehrten Fall des Zukaufes von Beteiligungen während des Ermittlungszeitraums für die Ausgangslohnsumme bzw. der Aufstockung von Beteiligungen während des Ermittlungszeitraums der Ausgangslohnsumme ergeben sich i.d.R. keine Probleme. Während des Ausgangslohnsummenzeitraums hinzuerworbene Beteiligungen sind anteilig für die Dauer ihrer Zugehörigkeit zum Betrieb in die Berechnung der Ausgangslohnsumme einzubeziehen.2 Wird die Beteiligungsquote während des Zeitraums für die Ermittlung der Ausgangslohnsumme erhöht oder vermindert, ist die Lohnsumme der Gesellschaft für den jeweiligen Zeitraum in der jeweils bestehenden Beteiligungshöhe (ggf. taggenau) einzubeziehen.3 Voraussetzung ist freilich, dass bei Beteiligungen an einer Kapitalgesellschaft am Übertragungsstichtag noch mehr als 25 % auf den Erwerber übergegangen sind.
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Aufgrund der von der Finanzverwaltung vertretenen strengen stufenbezogenen Betrachtung bei der Ermittlung der 25 %-Grenze stellt sich die Frage, ob insbesondere Kapitalgesellschaftsbeteiligungen genutzt werden können, um nachgeordnete Gesellschaften von der Lohnsummenberechnung „abzuschirmen“. Die Finanzverwaltung geht in den koordinierten Ländererlassen4 davon aus, dass eine Kapitalgesellschaftsbeteiligung von 25 % und weniger nachgeordnete Personengesellschaften „abschirmt“. Dort heißt es allgemein: „Soweit Anteile an KapGes. nach Tz. 1.1 nicht berücksichtigt werden, bleiben die durch diese Anteile vermittelnden Beteiligungen an PersGes. unberücksichtigt.“ Aufgrund des weitgefassten Wortlauts dürfte davon auszugehen sein, dass jedwede Kapitalgesellschaft, die nach Auffassung der Finanzverwaltung für Lohnsummenzwecke nicht beachtet wird (dies sind sowohl Kapitalgesellschaften, an denen eine Beteiligung von 25 % und weniger besteht, als auch Drittlandskapitalgesellschaften), nachgeschaltete Personengesellschaften von der Lohnsummenermittlung ausschließt.5 Folgt man hingegen der hier vertretenen Auffassung, wonach es ab der zweiten Beteiligungsebene (Enkelgesellschaften der übertragenen betrieblichen Einheit) ausschließlich auf die „mittelbare Betrachtung“ ankommt, so wären nachgeordnete Personen- und Kapitalgesellschaften nach einer Drittlandskapitalgesellschaft wieder in die Lohnsummenberechnung einzubeziehen, wenn diese, für sich alleine betrachtet und aus „mittelbarer“ Sicht, die Voraussetzung für eine Einbeziehung erfüllen (keine Drittlandsgesellschaft und Beteiligungsquote mittelbar mehr als 25 %). Gleichwohl ist die Auffassung der Finanzverwaltung als Gestaltungschance zu verstehen, da es hierdurch möglich ist, vor einzelne Personengesellschaften vor dem Übertragungsstichtag eine BlockerDrittlandskapitalgesellschaft zu schalten. Die Auffassung der Finanzverwaltung erstreckt sich nach ihrem Wortlaut nur auf nachgeordnete Personengesellschaften. Es ist freilich nicht ersichtlich, wa1 R E 13a.4 Abs. 6 Satz 1 und Abs. 7 Satz 1 ErbStR 2011; koordinierte Ländererlasse v. 5.12.2012, BStBl. I 2012, 1250, Tz. 2. 2 R E 13a.4 Abs. 6 Satz 2 ErbStR 2011. 3 R E 13a.4 Abs. 6 Satz 3 ErbStR 2011; Beispiel bei H E 13a.4 Abs. 7 Beispiel 1 ErbStH 2011. 4 Gleich lautende Ländererlasse. 5.12.2012, BStBl. I 2012, 1250, Tz. 1.2. 5 Ebenso Korezkij, DStR 2013, 346 (347 f.); Hannes/Stalleiken, DB 2013, 364 (367).
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Lohnsummenkontrolle (Abs. 3)
Rz. 100 § 13a ErbStG
rum für nachgeschaltete Kapitalgesellschaften etwas anderes gelten sollte. Insofern ist davon auszugehen, dass die Finanzverwaltung auch eine hinter der Drittlandskapitalgesellschaft belegene inländische Kapitalgesellschaft nicht in die Lohnsummenbetrachtung einzubeziehen. Ein Einbeziehen würde, selbst wenn die unmittelbare und mittelbare Beteiligung mehr als 25 % beträgt. Dies ist freilich nicht rechtssicher, da die koordinierten Ländererlasse vom 5.12.2012 eine insofern wünschenswerte Klarstellung vermissen lassen. Die Umsetzung von Arbeitnehmern während des Lohnsummenermittlungszeitraums ist hingegen 98 unbeachtlich. Die Arbeitnehmer sind für die jeweilige Dauer ihrer Zugehörigkeit zu einer Gesellschaft bei dieser Lohnsumme erhöhend zu berücksichtigen.1 b) Veränderungen im Beteiligungsbestand während des Mindestlohnsummenermittlungszeitraums Klar ist, dass die Veräußerung von lohnsummenrelevanten Beteiligungen nach dem Übertragungs- 99 stichtag, genauso wie die Entlassung von Arbeitnehmern, sich schädlich auf die Einhaltung der Mindestlohnsumme auswirkt. Zudem vertrat die Finanzverwaltung bislang in den Erbschaftsteuerrichtlinien 2011 die Auffassung, dass bei der Berechnung der Mindestlohnsumme nach dem Erbfall oder der Schenkung, analog zur Ermittlung der Ausgangslohnsumme, eine „strenge Stichtagsbetrachtung“ anzuwenden ist.2 Dies hätte zur Folge gehabt, dass Zukäufe von Beteiligungen nach dem Übertragungsstichtag keine lohnsummenerhöhende Wirkung hätten, wenn und weil die Beteiligung am Stichtag noch nicht bestanden hat. Gleiches galt nach Auffassung der Finanzverwaltung in den Erbschaftsteuerrichtlinien 2011 für Fälle, in denen die Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft am Übertragungsstichtag weniger als 25 % betrug. Diese Auffassung ist von der Literatur überwiegend kritisiert worden.3 Von dieser strengen Auffassung ist die Finanzverwaltung später in koordinierten Ländererlassen zugunsten des Steuerpflichtigen wieder abgerückt. Ungeachtet der Bekräftigung der Geltung der Regelungen in R E 13a.4 Abs. 8 ErbStR 2011 wird in den koordinierten Ländererlassen klargestellt, dass auch Löhne und Gehälter von Kapitalgesellschaften einzubeziehen sind, die zwar im Übertragungszeitpunkt noch nicht zum Betrieb gehörten, jedoch innerhalb der Mindestlohnsummenfrist (durch Erwerb oder auf andere Weise) hinzugekommen sind.4 Die Klarstellung durch die Finanzverwaltung ist uneingeschränkt zu begrüßen, denn es ist nicht ersichtlich, warum ein Erwerber seine Lohnsummensituation nach der Übertragung nicht durch Zukauf von Beteiligungen oder durch Erhöhung der Beteiligungsquote im Betriebsvermögen seiner übertragenden betrieblichen Einheit verbessern kann. Der Gesetzgeber der Erbschaftsteuerreform 2009 bezweckte mit der Lohnsummenregelung die Überprüfung der verfassungsrechtlich gebotenen Gemeinwohlbindung der unternehmerischen Verschonungen für die Schaffung und den Erhalt von Arbeitsplätzen. Diese Gemeinwohlbindung besteht allerdings unabhängig davon, ob der Erwerber begünstigten Vermögens originär Arbeitnehmer einstellt oder Beteiligungen, in denen Arbeitnehmer enthalten sind, in das begünstigt erworbene Betriebsvermögen hinzuerwirbt. Obgleich sich das von der Finanzverwaltung in den koordinierten Ländererlassen gebildete Beispiel nur auf den Erwerb einer Kapitalgesellschaftsbeteiligung bezieht, ist davon auszugehen, dass für den Erwerb von lohnsummenstarken Beteiligungen an Personengesellschaften nichts anderes gelten kann. c) Umstrukturierungen Zu der Frage, welchen Einfluss Umstrukturierungen (Einbringungen, Verschmelzungen, Anteils- 100 tausch) innerhalb des Lohnsummenermittlungszeitraums auf die Mindestlohnsumme haben, hat sich die Finanzverwaltung in gleich lautenden Erlassen vom 21.11.20135 geäußert. Die Erlasse unter-
1 R E 13a.4 Abs. 5 Satz 6 ErbStR 2011. 2 R E 13a.4 Abs. 8 ErbStR 2011. 3 Hannes/Steger/Stalleiken, BB 2011, 2455 (2458); Immes, Ubg 2011, 855 (860); Korezkij, DStR 2011, 1733 (1739); Mannek, ZEV 2012, 6 (8); Eisele in BB 2012, 97 (103); Hannes/Stalleiken, DB 2013, 364 (367). 4 Gleich lautende Ländererlasse v. 5.12.2012, BStBl. I 2012, 1250 Tz. 2.2. 5 BStBl. I 2013, 1510.
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§ 13a ErbStG Rz. 101 Steuerbefreiung für Betriebsvermögen, LuF, Anteile scheiden zwei Fallgruppen, (1) das Vorschalten einer Gesellschaft und (2) Umstrukturierungen auf nachgeordneten Beteiligungsebenen. 101 Bei dem Vorschalten einer Gesellschaft (die vererbte oder geschenkte betriebliche Einheit ist also
selbst Gegenstand einer Umstrukturierungsmaßnahme, z.B. Einbringung, Verschmelzung, Anteilstausch) sind die Lohnsummen dieser vorgeschalteten Gesellschaft einschließlich der nachgeordneten Gesellschaft in die Lohnsummenermittlung einzubeziehen. Auf der Ebene der Obergesellschaft setzt dies jedoch eine Begrenzung der Lohnsumme auf den Umfang der Beteiligungsquote – gemeint ist wohl diejenige des Erwerbers an der Obergesellschaft – voraus. Es kommt also nach Auffassung der Finanzverwaltung zu einem „Wechsel des Betrachtungsobjektes“ der Lohnsummenermittlung. Bereits diese Auffassung ist gemessen am Gesetzeswortlaut keineswegs zwingend. Anders als die Verlängerungstatbestände des § 13a Abs. 6 Satz 1 Nr. 1 Satz 2 ErbStG, die einen „Wechsel des Betrachtungsobjektes“ für die Behaltensfristverstöße anordnen, enthalten die Regelungen über die Lohnsummenkontrolle selbst (§ 13a Abs. 3 ErbStG) keine Anhaltspunkte für einen Wechsel des Betrachtungsobjektes. Im Gegenteil knüpft die gesetzliche Regelung die Lohnsummenkontrolle stets nur an den „Betrieb“, in der Diktion des Gesetzes diejenige betriebliche Einheit, die Gegenstand der Übertragung (Erbfall oder Schenkung) war.1 Ausgehend vom Gesetzeswortlaut würde es also vielmehr folgerichtig erscheinen, wenn die Lohnsummenermittlung auch bei Vorschalten einer Gesellschaft an der ursprünglich geschenkten betrieblichen Einheit (dem Betrieb im Sinne des Gesetzes) „hängen“ bliebe. Zusätzlich soll eine Begrenzung der Lohnsumme auf den Anteil des übernehmenden Gesellschafters an der aufnehmenden Gesellschaft eintreten. Es kommt mit anderen Worten zu einem „Wechsel von der betriebs- oder gesellschaftsbezogenen Berechnung zu einer anteilsbezogenen Berechnung“. 102 Die vorgenannte Verwaltungsauffassung führt insbesondere dann zu ungerechtfertigten Ergebnissen,
wenn sich der begünstigt erworbene Anteil auf einen Anteil von weniger als 100 % des Stammkapitals oder Festkapitals der Gesellschaft bezieht und kein Dritter eine weitere Einheit einbringt, die Lohnsummenpotential enthält. 103 Beispiel: Erbe E hat eine 60 %ige Beteiligung an der A-GmbH (Ausgangslohnsumme = Jahreslohnsumme 100) begünstigt erworben. Kurz nach dem Erbfall bringt E die Geschäftsanteile in die von ihm allein gegründete A-HoldingGmbH (Lohnsumme 0) ein (Anteilstausch, § 21 Abs. 1 Satz 2 UmwStG).
104 Lösung der Finanzverwaltung: Durch die Einbringung wird die A-Holding-GmbH Subjekt der Lohnsummenermittlung. Aus Sicht der A-Holding-GmbH findet auf die Beteiligung an der A-GmbH nun § 13a Abs. 3 Satz 11 ErbStG Anwendung. Der A-Holding-GmbH wird die Lohnsumme der A-GmbH nur noch in Höhe des Anteils von 60 % (bei Jahreslohnsumme von 100 = 60) zugerechnet. In einer Gesamtschau sinkt das zurechenbare Lohnniveau des E von 100 auf 60.
105 Dieses Ergebnis ist nicht gerechtfertigt, da sich die von der erworbenen betrieblichen Einheit gezahl-
ten Löhne und Gehälter tatsächlich nicht verringern. Nach hier vertretener Auffassung gebieten Wortlaut des Gesetzes sowie die Systematik der Verschonungsregelungen vielmehr, dass die erworbene betriebliche Einheit (im Beispiel die A-GmbH) trotz Vorschaltens einer weiteren Gesellschaft Objekt der Lohnsummenermittlung bleibt. In diesem Fall kann es auch nicht zu dem (von der Finanzverwaltung augenscheinlich als korrekturbedürftig anzusehenden) Fall kommen, dass sich die Lohnsumme des Erwerbers durch die „mitgebrachten“ Arbeitnehmer der aufnehmenden Gesellschaft künstlich erhöht. 106 Bei Umstrukturierungen auf nachgeordneten Beteiligungsebenen (Tochtergesellschaften der über-
tragenden betrieblichen Einheit) kommt es maßgeblich darauf an, ob durch die Umstrukturierung die Beteiligung des Erwerbers an der Gesellschaft mittelbar verringert wird. 107 Beispiel: Erbe E erbt einen Anteil an der M-GmbH & Co. KG. Die M-GmbH & Co. KG ist alleinige Gesellschafterin der T-GmbH. Sechs Monate nach dem Übertragungsstichtag bringt die M-GmbH & Co. KG ihre Beteiligung an der T-GmbH in die Z-GmbH ein (§ 21 UmwStG). Hierfür erhält sie eine Beteiligung an der aufnehmenden Z-GmbH i.H.v. 30 %. 1 Hannes/Steger/Stalleiken, BB 2011, 2455 (2456).
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Verfahrensrechtliche Regelungen (Abs. 4)
Rz. 112 § 13a ErbStG
Nach der Einbringung werden der M-GmbH & Co. KG nur noch 30 % der Lohnsumme der 108 Z-GmbH zugerechnet. Falls die Z-GmbH keine eigenen Arbeitnehmer hat und deren Lohnsumme ausschließlich aus den Löhne und Gehältern der Beteiligung an der T-GmbH resultiert, ergibt sich durch die Einbringung ein rechnerisches Lohnsummen-“Minus“ aus Sicht der M-GmbH & Co. KG i.H.v. 70 % der bisherigen Löhne und Gehälter. Im Gegensatz zur Umstrukturierung der begünstigt erworbenen betrieblichen Einheit selbst kommt 109 es also bei Umstrukturierungen auf unteren Ebenen zu einem Absinken der Lohnsumme, wenn hierdurch die mittelbare Beteiligung der übertragenen betrieblichen Einheit an der umstrukturierten Gesellschaft „verwässert“ wird. Unter Lohnsummengesichtspunkten sind diese Besonderheiten daher bei Umstrukturierungen nach dem Übertragungsstichtag sowie insbesondere bei der Hereinnahme von Investoren auf unteren Ebenen zu berücksichtigen. 3. Zusammenrechnung von Betriebs- und Besitzgesellschaft bei Betriebsaufspaltungen Gemäß § 13a Abs. 3 Satz 13 ErbStG sollen „im Fall einer Betriebsaufspaltung (…) die Lohnsum- 110 men und die Anzahl der Beschäftigten der Besitzgesellschaft und der Betriebsgesellschaft zusammenzuzählen“ sein. Hiermit versucht der Gesetzgeber – in der Praxis freilich wenig auftretende – Umgehungsgestaltungen zu beseitigen, in denen die Arbeitnehmer im Rahmen einer Betriebsaufspaltung auf eine (geringwertige) Betriebsgesellschaft übertragen werden, so dass die (wertvolle) Besitzgesellschaft keine Lohnsummenkontrolle zu beachten hat. Regelungsbedarf besteht diesbezüglich nur in den Varianten der kapitalistischen Betriebsaufspaltung (GmbH an GmbH), da bei der „klassischen“ Betriebsaufspaltung (in der die Anteile an der Betriebsgesellschaft im Sonderbetriebsvermögen der Besitzgesellschaft oder im Betriebsvermögen des Besitz-Einzelunternehmens sind) eine Einbeziehung der Arbeitnehmer ohnehin bereits über den Mechanismus des § 13b Abs. 4 Satz 5 ErbStG a.F. erfolgte. Überdies vertrat die Finanzverwaltung auch bereits zur bis zum 30.6.2016 geltenden Rechtslage die Auffassung, dass bei Übertragung mehrerer betrieblicher Einheiten nach Ermittlung der Einzellohnsummen eine „Gesamtlohnsumme“ zu bilden war (Rz. 48).1 Offen bleibt vorerst, wie der Begriff der Betriebsaufspaltung nach der Neuregelung verstanden wer- 111 den soll und ob sich der Gesetzgeber auch hierbei an den von der Rechtsprechung des BFH herausgearbeiteten ertragsteuerlichen Grundsätzen der Betriebsaufspaltung orientiert hat. Im Zweifel ist davon auszugehen, dass der Begriff weit gefasst ist und alle denkbaren Varianten der Betriebsaufspaltung umfasst.2 Voraussetzung muss allerdings sein, dass sowohl das Besitzunternehmen als auch das Betriebsunternehmen Gegenstand des unentgeltlichen Erwerbs sind. Keinesfalls kann es zu einer Zusammenrechnung von Arbeitnehmern und Löhnen und Gehältern in Besitz- und Betriebsgesellschaft kommen, wenn nicht beide Gesellschaften auf denselben Erwerber übergehen. Ein hiervon abweichendes Verständnis liefe darauf hinaus, dass die einzuhaltende Mindestlohnsumme des Erwerbers insoweit fremdbestimmt ist, als Lohnsummenbestandteile noch beim Schenker oder bei einem anderen Erwerber sind, auf die der Erwerber keinerlei Einfluss hat.
E. Verfahrensrechtliche Regelungen (Abs. 4) I. Allgemeines § 13a Abs. 4 ErbStG behält die zuvor in § 13a Abs. 1a ErbStG a.F. enthaltenen verfahrensrechtlichen 112 Regelungen über die Zuständigkeit zur Feststellung der Ausgangslohnsumme, der Mindestlohnsumme sowie der Anzahl der Beschäftigten bei. Die Regelung bezweckt einen verfahrensrechtlichen Gleichlauf mit der Feststellung des gemeinen Wertes der betrieblichen Einheit sowie der Feststellung der gemeinen Werte der Wirtschaftsgüter des Verwaltungsvermögens gem. § 13b Abs. 10 ErbStG (vgl. § 13b ErbStG Rz. 254). Vor Inkrafttreten des § 13a Abs. 1a ErbStG a.F. konnten Angaben über die zur Durchführung der Lohnsummenkontrolle erforderlichen Parameter nur nachrichtlich vom
1 R E 13a. 4 Abs. 3 Satz 3 ErbStR 2011. 2 Erkis, DStR 2015, 1409 (1410); Söffing, ErbStB 2016, 235 (249).
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§ 13a ErbStG Rz. 113 Steuerbefreiung für Betriebsvermögen, LuF, Anteile örtlich zuständigen Finanzamt (i.d.R. Betriebsfinanzamt) an das Erbschaftsteuerfinanzamt übermittelt werden. Ein wesentlicher Unterschied zur Rechtslage vor in Kraft treten des Steuervereinfachungsgesetzes 2011 war somit, dass diesen nachrichtlichen Angaben keine Bindungswirkung zukam und diese nicht gesondert durch Rechtsbehelf angefochten werden konnten. 113 Nach § 13a Abs. 4 Satz 1 ErbStG unterliegen die Ausgangslohnsumme, die Anzahl der Beschäftigten
und die Summe der maßgebenden jährlichen Lohnsummen der gesonderten (und ggf. einheitlichen) Feststellung. Feststellungsfinanzamt ist das für die Feststellung des gemeinen Wertes des Betriebsvermögens oder der Gesellschaft zuständige Betriebsfinanzamt (§ 13a Abs. 4 ErbStG i.V.m. § 152 Nr. 2, 3 BewG). Allerdings hat eine gesonderte Feststellung nur zu erfolgen, wenn in ihr enthaltenen Angaben zur Ausgangslohnsumme, Anzahl der Beschäftigten und der Summe der maßgebenden jährlichen Lohnsummen „für die Erbschaftsteuer oder eine andere Feststellung im Sinne dieser Vorschrift von Bedeutung sind“ (§ 13a Abs. 4 Satz 1 a.E. ErbStG). Die Entscheidung darüber, ob eine solche Bedeutung vorliegt, trifft das Erbschaft- und Schenkungsteuerfinanzamt (§ 13a Abs. 4 Satz 3 ErbStG). 114 Im Rahmen des ErbStRAnpG 2016 wurde die Regelung um einen eingeschobenen Satz 2 ergänzt,
wonach die o.a. Angaben bei börsennotierten Kapitalgesellschaften durch das Feststellungsfinanzamt am Ort der Geschäftsleitung der Kapitalgesellschaft vorgenommen werden. Die Regelung schließt eine – bislang von der Praxis unbemerkte – Gesetzeslücke, da bereits die § 152 Nr. 1 bis 3 BewG nur auf Anteile an Kapitalgesellschaften i.S.d. § 11 Abs. 2 BewG Bezug nahmen und der gemeine Wert börsennotierter Kapitalgesellschaftsanteile in aller Regel durch das Finanzamt des Gesellschafters festgestellt wurde. 115 Im Umfang der Feststellung tritt eine Bindungswirkung des Erbschaftsteuerfinanzamtes an die fest-
gestellten Grundlagen ein. Der Feststellungbescheid ist insoweit Grundlagenbescheid für die Festsetzung der Erbschaft- und Schenkungsteuer (§ 175 Abs. 1 Nr. 1 AO). Ein hinsichtlich der Ausgangslohnsumme, der Zahl der Beschäftigten oder der Summe der maßgeblichen jährlichen Lohnsummen unzutreffender Feststellungsbescheid ist daher separat anzufechten, auch wenn dieser (noch) keine unmittelbare Auswirkung auf die Verschonungsabschläge hat. Sollte es später aufgrund eines Unterschreitens der Mindestlohnsumme zu einer Nachsteuerfestsetzung kommen, können die ursprünglich festgestellte Ausgangslohnsumme oder die Anzahl der Beschäftigten nicht mehr korrigiert werden, falls diese nach den Vorschriften der Abgabenordnung bestandskräftig sind und keine Änderungsvorschriften eingreifen. 116 Bei mehrmaligen Erwerben einer wirtschaftlichen Einheit (Betriebsvermögen, Anteilen an einer Per-
sonengesellschaft und Kapitalgesellschaftsanteile) sind die im Rahmen des Abs. 1 festgestellten Angaben für alle Übertragungen innerhalb eines Jahres zugrunde legen (sog. Basiswertregelung, § 13a Abs. 4 ErbStG i.V.m. § 151 Abs. 3 Satz 1 BewG). Wahlweise ist dem Steuerpflichtigen eine vom Basiswert abweichende aktuelle Wertermittlung möglich. Nach dem insoweit eindeutigen Gesetzeswortlaut gelten die vorstehend dargestellten Grundsätze nicht nur für den mehrmaligen Erwerb desselben Anteils, sondern auch für den Erwerb weiterer Anteile desselben Betriebsvermögens oder derselben Kapitalgesellschaft. Voraussetzung ist stets, dass sich die Verhältnisse zwischen den beiden Bewertungsstichtagen nicht wesentlich geändert haben. 117 Bei Beteiligung an einer Personengesellschaft entscheidet das Feststellungsfinanzamt nach pflicht-
gemäßem Ermessen, ob es den steuerpflichtigen Gesellschafter oder die Gesellschaft zur Abgabe einer Feststellungserklärung auffordert (§ 13a Abs. 4 ErbStG i.V.m. § 153 Abs. 2 Satz 2 BewG). Ist Gegenstand der Übertragung ein Anteil an einer Kapitalgesellschaft, hat das zuständige Betriebsfinanzamt die Abgabe einer Feststellungserklärung nur von der Kapitalgesellschaft, nicht aber vom Anteilseigner zu verlangen (§ 13a Abs. 4 ErbStG i.V.m. § 153 Abs. 1 Nr. 3 BewG). Die Kapitalgesellschaft erlangt hierdurch den Status eines Verfahrensbeteiligten (vgl. auch § 154 Abs. 2 BewG). 118 Die Regelung des § 13a Abs. 4 ErbStG hat auch Auswirkungen auf die Zuständigkeiten bei der Er-
teilung von verbindlichen Auskünften. Während vor in Kraft treten Steuervereinfachungsgesetzes 2011 das Schenkungsteuerfinanzamt i.S.d. § 35 ErbStG einheitlich für alle materiell-rechtlichen Fragen (mit Ausnahme der Bewertung) formell zuständig war, ist nunmehr für Auskunftsersuchen über Lohnsummenfragen die Zuständigkeit zum Betriebsfinanzamt der jeweiligen Gesellschaft, die die
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Begünstigungstransfer (Abs. 5)
Rz. 121 § 13a ErbStG
Frage betrifft, gewandert.1 Dies ist gesetzestechnisch folgerichtig, jedoch steht dem der Nachteil gegenüber, in mehrstufigen Unternehmensgruppen u.U. eine Vielzahl von Auskunftsersuchen an verschiedene Betriebsfinanzämter richten zu müssen und diese zwecks Herbeiführung einer einheitlichen Entscheidung ggf. mittels Zuständigkeitsvereinbarung gem. § 27 AO zu bündeln.
II. Beteiligung an weiteren Gesellschaften In mehrstufigen Strukturen ist eine gesonderte und einheitliche Feststellung grundsätzlich für jede 119 weitere (Tochter-)Gesellschaft erforderlich (§ 13a Abs. 4 ErbStG i.V.m. § 151 Abs. 1 Nr. 2, 3 BewG). Hierbei steht die Anforderung weiterer Feststellungserklärungen jedoch insoweit im Ermessen desjenigen Betriebsfinanzamtes der jeweils nächsthöheren Gesellschaft, als auch diese nur erfolgt, „wenn die Werte für die Erbschaftsteuer (…) von Bedeutung sind“ (§ 13a Abs. 4 Satz 1 a.E. ErbStG i.V.m. § 151 Abs. 1 Satz 1 BewG). Dies kann zu einer Vielzahl von Feststellungserklärungen führen.2 Zumeist wird das für die Festsetzung der Erbschaftsteuer zuständige Erbschaftsteuerfinanzamt das nach § 152 Nr. 2 oder 3 BewG zuständige Betriebsfinanzamt zur gesonderten Feststellung Lohnsummenparameter an der jeweils übertragenen betrieblichen Einheit (Obergesellschaft) auffordern. Das Betriebsfinanzamt wiederum fordert den Feststellungsbeteiligten (bei Personengesellschaften den Gesellschafter oder die Gesellschaft, bei Kapitalgesellschaften nur die Gesellschaft selbst) zur Abgabe einer Feststellungserklärung auf. Zur Feststellung Lohnsummenparameter von Tochtergesellschaften wird das Betriebsfinanzamt die jeweils zuständigen weiteren Tochterbetriebsfinanzämter auffordern, ein Feststellungsverfahren durchzuführen. Diese fordern dann den jeweiligen Feststellungsbeteiligten zur Abgabe einer Feststellungserklärung auf usw. Daraus ergibt sich zweierlei: Erstens wird das jeweilige Betriebsfinanzamt nur auf Anforderung durch 120 das Erbschaftsteuerfinanzamt oder das „nächsthöhere“ Betriebsfinanzamt tätig und zweitens kann das jeweils mit der Ermessenausübung betraute Finanzamt von der Durchführung eines (weiteren) gesonderten Feststellungsverfahrens absehen, wenn dieses nach seiner Auffassung nicht „von Bedeutung“ für die Besteuerung ist. Da ein solches Feststellungsverfahren insbesondere bei Beteiligung an mehreren Gesellschaften, sowohl für den Steuerpflichtigen als auch für die Finanzverwaltung zeitaufwändig und arbeitsintensiv ist, kann auf der Basis dieses Ermessensspielraums versucht werden, dem Erbschaftsteuerfinanzamt bzw. dem Betriebsfinanzamt derjenigen Gesellschaft, deren Anteile übertragen worden sind, bereits eine umfassende Beurteilungsgrundlage zu den Lohnsummenparametern zu verschaffen, so dass dieses von der Durchführung eines (weiteren) förmlichen Feststellungsverfahrens absehen kann. In der Praxis ist freilich zu beachten, dass sich das Feststellungsverfahren neben den Lohnsummenparametern auch auf die gemeinen Werte der betrieblichen Einheiten sowie die gemeinen Werte der Wirtschaftsgüter des Verwaltungsvermögens (dazu § 13b ErbStG Rz. 254, 262) erstreckt. Sobald eine dieser Feststellungen nach Auffassung des jeweils zuständigen Finanzamtes für die Besteuerung „von Bedeutung“ ist (was praktisch immer der Fall sein dürfte), wird es auch eine umfassende Feststellung veranlassen. Gesetzlich ist das die Entscheidung treffende Finanzamt zwar nicht gehindert, nur hinsichtlich eines dieser Punkte ein Feststellungsverfahren durchzuführen, in der Praxis dürfte dies allerdings kaum vorkommen.
F. Begünstigungstransfer (Abs. 5) § 13a Abs. 5 ErbStG beinhaltet wortgleich die aus den vormaligen §§ 13a Abs. 3 und 13b Abs. 3 121 ErbStG a.F. zusammengeführten Regelungen über den sog. „Begünstigungstransfer“, also Fälle, in denen begünstigtes betriebliches Vermögen zwischen den Erben untereinander oder zwischen den Erben und nachlassfremden Dritten verschoben wird. Ziel des Gesetzgebers war es hierbei, dass die Steuerentlastungen nach §§ 13a, 13b, 13c und 28a ErbStG nur von demjenigen in Anspruch genommen werden können, bei dem das begünstigte Vermögen letzten Endes verbleibt.3 Ein bloßer „Zwi1 Gleich lautende Erlasse v. 21.6.2012, BStBl. I 2012, 712 Tz. 1.3.2.5 f. 2 Überblick bei Liebernickel/Haug, ZErb 2007, 331 (334 ff.). 3 Gesetzesbegründung zum Entwurf des ErbStRG v. 28.1.2009, BT-Drucks. 16/7918, 34.
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§ 13a ErbStG Rz. 122 Steuerbefreiung für Betriebsvermögen, LuF, Anteile schenerwerber“ soll nicht in den Genuss der vorstehend genannten Begünstigungen kommen, wenn er, sei es aufgrund letztwilliger oder rechtsgeschäftlicher Verfügung des Erblassers oder Schenkers oder allgemein im Rahmen der Teilung des Nachlasses begünstigtes Vermögen auf einen Dritten überträgt. Die Regelungen des sog. Begünstigungstransfers bestehen aus einer negativen Komponente (§ 13a Abs. 5 Satz 1 und 2 ErbStG) wonach der das begünstigte Vermögen übertragende Erbe oder Beschenkte, die Begünstigung verliert und einer positiven Komponente (§ 13a Abs. 5 Satz 3 ErbStG), wonach der Übernehmer des begünstigten Vermögens auch die hierauf anwendbaren Verschonungsabschläge „übernimmt“. Verlust und Erhalt der Begünstigungen decken sich jedoch nicht in jedem Fall, da § 13a Abs. 5 Satz 3 ErbStG voraussetzt, dass ein Ausgleich für den Erhalt des begünstigten Vermögens aus dem Nachlass erfolgen muss. Wird dagegen ein Ausgleich gewährt, der nicht aus dem Nachlass stammt (z.B. eine Ausgleichszahlung aus dem Privatvermögen des übernehmenden Miterben), geht die Begünstigung insoweit verloren. 122 Die negative Komponente (§ 13a Abs. 5 Satz 1 und 2 ErbStG), wonach der Übertragende die Begüns-
tigung verliert, greift immer dann ein, wenn die Weitergabe des begünstigten Vermögens auf einer Anordnung des Erblassers oder Schenkers (§ 13a Abs. 5 Satz 1 ErbStG) oder einer Erbauseinandersetzung (§ 13a Abs. 5 Satz 2 ErbStG) beruht. Sie findet keine Anwendung auf Vermächtnisse,1 da der Vermächtnisnehmer als Erwerber i.S.d. § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG von begünstigtem Vermögen die Begünstigungen nach §§ 13a, 13b ErbStG „aus eigenem Recht“ in Anspruch nehmen kann, ohne dass es der Anwendung des § 13a Abs. 5 Satz 3 ErbStG bedarf. Umgekehrt „verliert“ der zur Ausfolgung des Vermächtnisses verpflichtete Erbe die Begünstigung nicht „wegen“ § 13a Abs. 5 Satz 1 ErbStG, sondern weil der begünstigte Vermächtnisgegenstand als Nachlassverbindlichkeit aus seiner Bemessungsgrundlage gem. § 10 ErbStG ausgeschieden ist. 123 Die Regelung des § 13a Abs. 5 Satz 1, 2 ErbStG ist lex specialis zu den Nachsteuertatbeständen gem.
§ 13a Abs. 6 ErbStG, weil durch sie die Begünstigung von vorn herein wieder entzogen wird. Nach seinem Wortlaut greift § 13a Abs. 5 ErbStG zeitlich unbegrenzt ein. Als Folge wären auch nach z.B. zehn Jahren noch die Erbschaft- oder Schenkungsteuerbescheide zu ändern und die Begünstigung zu versagen, wenn sich z.B. eine Erbengemeinschaft erst nach solch langer Zeit über den Nachlass auseinandersetzt. In der Literatur2 wird daher vorgeschlagen, im Wege der teleologischen Reduktion auch hier das Abschmelzungsmodell der Nachsteuertatbestände des § 13a Abs. 6 Satz 2 ErbStG anzuwenden. Dies ist folgerichtig, da ein Erwerber nach Ablauf der fünf- oder siebenjährigen Nachsteuerfrist ohne erbschaftsteuerliche Folge sogar an einen Dritten veräußern könnte. 124 § 13a Abs. 5 Satz 3 ErbStG regelt, dass sich das „Begünstigungsvolumen“ desjenigen Miterben (hier et-
was missverständlich als „Dritter“ bezeichnet) erhöht, der im Rahmen der Auseinandersetzung über den Nachlass begünstigtes Vermögen aus dem Nachlass übernimmt. Voraussetzung ist also, dass das begünstigte Vermögen aus dem Nachlass stammt. Die Erbauseinandersetzung mit Spitzenausgleich aus dem Privatvermögen eines oder mehrerer Miterben kann also nicht zu einer Erhöhung des Begünstigungsvolumens führen, selbst wenn es sich bei dem im Zuge des Spitzenausgleichs hingegebenen Vermögen um begünstigungsfähiges Vermögen handeln sollte. Die Norm ist zudem nicht anwendbar auf Vermächtnisse,3 da der Vermächtnisnehmer als Erwerber i.S.d. § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG von begünstigtem Vermögen die Begünstigungen nach §§ 13a, 13b ErbStG „aus eigenem Recht“ in Anspruch nehmen kann, ohne dass es der Anwendung des § 13a Abs. 5 Satz 3 ErbStG bedarf. Umgekehrt „verliert“ der zur Ausfolgung des Vermächtnisses verpflichtete Erbe die Begünstigung nicht „wegen“ § 13a Abs. 5 Satz 1 ErbStG, sondern weil der begünstigte Vermächtnisgegenstand als Nachlassverbindlichkeit aus seinem begünstigten Vermögen ausgeschieden ist. 125 § 13a Abs. 5 Satz 3 ErbStG regelt nur das „Begünstigungsvolumen“ i.S.d. §§ 13a, 13b ErbStG, hat aber
bei richtiger Auslegung keinen Einfluss auf die Höhe der Bemessungsgrundlage i.S.d. § 10 ErbStG. Die Erhöhung des „Begünstigungsvolumens“ bemisst sich an der „Gegenleistung“ des Empfängers, ist jedoch zugleich gedeckelt auf den Wert des übertragenen begünstigten Vermögens (§ 13b Abs. 2 Satz 1 ErbStG). Hierdurch wird einerseits sichergestellt, dass beim Letztempfänger das „Begünstigungsvolu-
1 A.A. wohl Weinmann in Moench/Weinmann, § 13a ErbStG Rz. 50 (Stand: September 2016). 2 Wälzholz, ZEV 2009, 113 (116). 3 A.A. wohl Weinmann in Moench/Weinmann, § 13a ErbStG Rz. 50 (Stand: September 2016).
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Begünstigungstransfer (Abs. 5)
Rz. 132 § 13a ErbStG
men“ nicht höher ist, als die hierauf entfallende Bemessungsgrundlage nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG. Andererseits wird verhindert, dass die Erhöhung des „Begünstigungsvolumens“ den gemeinen Wert des begünstigten Vermögens übersteigt. Für das Verständnis der Norm ist von Bedeutung, dass Teilungsanordnungen oder Erbauseinanderset- 126 zungen am Umfang und der Zusammensetzung des erbschaftsteuerlichen Erwerbs nichts ändern. Durch den „Begünstigungstransfer“ wird nur der Umfang der Verschonung auf diesen Erwerb beeinflusst. Anders ist dies hingegen bei Vermächtnissen und Auflagen. Diese verringern beim Belasteten als Nachlassverbindlichkeit den Umfang des Erwerbs und stellen beim Begünstigten eigene Erwerbstatbestände dar. Der „Begünstigungstransfer“ folgt der Verringerung oder Vermehrung des erbschaftsteuerlichen oder schenkungsteuerlichen Erwerbs. Muss also bspw. ein Erbe begünstigtes Vermögen aufgrund Vermächtnisses herausgeben, verliert er hierfür die Begünstigung (§ 13a Abs. 5 Satz 1 ErbStG). Zugleich vermindert sich jedoch sein Erwerb um den Wert des Vermächtnisses gem. § 10 Abs. 5 Nr. 2 ErbStG, so dass sich für ihn der Verlust der Begünstigung nicht auswirkt. Er wird letztlich ohne Berücksichtigung des Vermächtnisses besteuert. Der Vermächtnisnehmer kann für seinen Erwerb begünstigten Vermögens originär die Begünstigung der §§ 13a, 13b ErbStG beanspruchen, wenn die Voraussetzungen hierfür vorliegen. Dabei kommt es auf § 13a Abs. 5 Satz 3 ErbStG, und damit auf die Frage, ob Vermächtnisse, Ausgleichszahlungen o.Ä. aus dem Nachlass oder aus dem Privatvermögen stammen, nicht an. Demgemäß ist es mittlerweile unerheblich bzw. führt zum selben Ergebnis, ob die Verteilung des begünstigten Vermögens durch Teilungsanordnung des Erblassers oder auf der Basis freier Einigung zwischen den Miterben erfolgt. Soweit allerdings bei der Auseinandersetzung der Miterben ein Ausgleich erfolgt, der nicht aus dem Nachlass stammt (z.B. Spitzenausgleich aus dem Privatvermögen des übernehmenden Miterben), geht die Begünstigung insoweit verloren. Folgende Beispiele sollen die Wirkungsweise des Begünstigungstransfers verdeutlichen: Beispiel 1: A, B und C sind Erben zu je ein Drittel. Zum Nachlass gehört begünstigtes Betriebsver- 127 mögen im Wert von3 Mio. Euro und Barvermögen im Wert von 6 Mio. Euro. Per Teilungsanordnung oder per Erbauseinandersetzung erhält A das Betriebsvermögen, B und C die Barmittel. A, B und C erhalten je ein Drittel des Nachlassvermögens i.H.v. 9 Mio. Euro, jeder mithin 3 Mio Euro. 128 (1 Mio. Euro Betriebsvermögen und 2 Mio. Euro Barvermögen, § 10 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG). Hinsichtlich des Umfanges der Begünstigung ist wie folgt zu differenzieren: A kann die Begünstigung beanspruchen i.H.v. 1 Mio. Euro für das Betriebsvermögen gem. § 13a Abs. 1 i.V.m. § 13b Abs. 1, 2 ErbStG und i.H.v. weiteren 2 Mio. Euro aus § 13a Abs. 5 Satz 3 ErbStG, insgesamt also für 3 Mio. Euro B und C können zunächst jeweils Begünstigungen gem. § 13a Abs. 1 i.V.m. § 13b Abs. 1, 2 ErbStG im Umfang von 1 Mio. Euro für das Betriebsvermögen beanspruchen, verlieren dies jedoch gem. § 13a Abs. 5 Satz 1 oder 2 ErbStG wieder, so dass sie keine Begünstigung in Anspruch nehmen können. Abwandlung: Zum Nachlass gehört nur begünstigtes Betriebsvermögen im Wert von 3 Mio. Euro. A 129 übernimmt das Betriebsvermögen gegen Ausgleich aus seinem Privatvermögen von je 1 Mio. Euro an B und C. Der Umfang des Erwerbs beträgt für alle Miterben zunächst ein Drittel des Nachlasses i.H.v. 3 Mio. 130 Euro = 1 Mio. Euro Betriebsvermögen. Hinsichtlich der Begünstigung ist wie folgt zu differenzieren: A erhält die Begünstigungen i.H.v. 1 Mio. Euro aus § 13a Abs. 1 i.V.m. § 13b Abs. 1, 2 ErbStG. Für das zusätzlich übernommene Betriebsvermögen in weiteren 2 Mio. Euro erhält er keine Begünstigung. Dies ist freilich auch nicht erforderlich, da er insoweit das weitere Betriebsvermögen nicht ererbt, sondern entgeltlich erworben hat. B und C erben zunächst begünstigtes Vermögen i.H.v. 1 Mio. Euro gem. § 13a Abs. 1 i.V.m. § 13b 131 Abs. 1, 2 ErbStG, verlieren diese Begünstigung jedoch wegen § 13a Abs. 5 Satz 1 oder 2 ErbStG wieder. Sie erhalten keine Begünstigung nach § 13a Abs. 5 Satz 3 ErbStG, da es sich bei dem hingegebenen Privatvermögen nicht um Nachlassvermögen handelt. Hinweis: Da B und C jeweils 1 Mio. Euro ohne Begünstigung versteuern müssen, ist in der Gesamt- 132 heit A minus B minus C insgesamt 2 Mio. Euro an Begünstigungsvolumen „verloren“ gegangen.
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§ 13a ErbStG Rz. 133 Steuerbefreiung für Betriebsvermögen, LuF, Anteile
G. Behaltensfrist (Abs. 6) I. Allgemeine Grundsätze 133 § 13a Abs. 6 ErbStG entspricht bis auf wenige, rein redaktionelle Anpassungen § 13a Abs. 5 ErbStG
a.F. 134 Die Gewährung der hohen Verschonungsabschläge für unternehmerisches Vermögen erfordert es, dass
die Gemeinwohlbindung des begünstigt erworbenen Vermögens nicht nur im Zeitpunkt der Übertragung besteht sondern darüber hinaus auch auf den Erwerber – jedenfalls für eine bestimmte Zeit – übergeht. Das gesetzliche Regelungsmodell geht daher davon aus, dass der Erwerber während der Behaltensfrist das begünstigt erworbene Vermögen „in seiner Hand“ und im Wesentlichen unverändert für eine bestimmte Dauer nach dem begünstigten Erwerb fortführt. Um dies sicherzustellen, hält § 13a Abs. 6 ErbStG einen Katalog von Nachsteuertatbeständen bereit, aufgrund derer es bei Verstoß zu einem rückwirkenden Entfallen der Verschonungsabschläge und damit zu einer rückwirkenden (ggf. anteiligen) Besteuerung des vormals begünstigten Erwerbs kommt. 135 Die bei Erfüllung der Voraussetzungen im Steuerentstehungszeitpunkt gewährten Verschonungs-
abschläge sind also auflösend bedingt.1 Ein Verstoß gegen die Behaltensregelungen führt verfahrensrechtlich zu einer rückwirkenden Änderung der ursprünglich festgesetzten Steuer, da es sich bei dem die Nachsteuer auslösenden Sachverhalt um ein rückwirkendes Ereignis i.S.d. § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO handelt. 136 Die Behaltensregelungen des § 13a Abs. 6 ErbStG lassen sich in zwei Gruppen unterteilen: In der ersten
Gruppe fallen der Verschonungsabschlag (Abs. 1) und der Abzugsbetrag (Abs. 2) mit Wirkung für die Vergangenheit weg, soweit der Erwerber innerhalb der Behaltensfrist über das begünstigt erworbene Vermögen oder Teile hiervon schädlich verfügt (Nr. 1, 2, 4, 5). In der zweiten Gruppe verliert der Erwerber die o.g. Begünstigungen in dem Umfang, in dem er aus dem begünstigt erworbenen unternehmerischen Vermögen Entnahmen bzw. Ausschüttungen in sein Privatvermögen überführt, ohne dass dies durch Gewinne gedeckt ist, die unter seiner Rechtsinhaberschaft des begünstigten Vermögens entstanden sind (Nr. 3, bei Entnahmen oder Überausschüttungen). In den Fällen der schädlichen Verwendung entfallen die Betriebsvermögensbegünstigungen, nicht wie bis zum 31.12.2008, vollständig (sog. Fallbeillösung, § 13a Abs. 5 ErbStG i.d.F. bis zum 31.12.2008), sondern nur zeitanteilig (sog. „Abschmelzungsmodell“, dazu Rz. 188). Dies bedeutet im Umkehrschluss, dass das „Behaltendürfen“ der Begünstigungen mit dem Ablauf jedes vollen Jahres der Behaltensfrist zu 1/5 (Regelverschonung) bzw. 1/7 (Vollverschonung) endgültig wird. Erfolgt bspw. ein nachsteuerschädlicher Behaltensfristverstoß im vierten Jahr, so ist im Falle der Regelverschonung der 85 %ige Verschonungsabschlag zu 2/5 (drei vollendete Jahre) und im Fall der Vollverschonung zu 4/7 rückwirkend zu berichtigen. Bei einer Überentnahme bzw. Überausschüttung erfolgt die Nachversteuerung i.H.v. des Entnahme- bzw. Ausschüttungsüberhangs, d.h. der Betrag der Überentnahme bzw. Überausschüttung wird rückwirkend als von vornherein nicht begünstigt besteuert.2 137 Die Nachsteuertatbestände § 13a Abs. 6 ErbStG und § 13a Abs. 5 ErbStG a.F. gleichen in weiten Teilen
denen des bis zum 31.12.2008 geltenden Rechts. Im Zuge der Erbschaftsteuerreform 2009 hinzugekommen ist insbesondere die Erweiterung der Überentnahmeregelungen auch auf Kapitalgesellschaften („Überausschüttungen“) sowie ein mit der Erlangung der Begünstigung mittels Poolvertrag (§ 13b Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 ErbStG) für Kapitalgesellschaften korrespondierende Nachsteuertatbestand, wonach eine Verfügungsbeschränkung oder Stimmrechtsbündelung während der Behaltensfrist aufgehoben oder gegen sie verstoßen wird. 138 Die einzuhaltende Nachsteuerperiode berechnet sich stichtagsgenau. Dementsprechend beginnt sie
nach allgemeinen Grundsätzen an dem Tag, der auf den Übertragungsstichtag folgt (§ 187 BGB) und endet mit Ablauf desjenigen Tages, der dem Kalendertag des Übertragungsstichtages zuzüglich fünf oder sieben Jahre entspricht, 24:00 Uhr (§ 188 BGB). Die Behaltensfrist verlängert sich nicht, wenn der letzte Tag der Frist auf einen Sonnabend, Sonntag oder Feiertag fällt.3 1 Weinmann in Moench/Weinmann, § 13a ErbStG Rz. 79. 2 Scholten/Korezkij, DStR 2009, 304 (305). 3 Jülicher in T/G/J, § 13a ErbStG Rz. 186 (Stand: April 2016).
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Behaltensfrist (Abs. 6)
Rz. 141 § 13a ErbStG
Umstritten ist, ob es für die Verwirklichung des Nachsteuertatbestandes auf den Abschluss des obliga- 139 torischen Rechtsgeschäfts1 oder die dingliche Übertragung bzw. den Übergang des wirtschaftlichen Eigentums2 ankommt. Letzterer Auffassung ist zuzustimmen. Die Behaltensregelungen sanktionieren nämlich nicht die (auch rechtsverbindliche) Erklärung des Erwerbers, den begünstigt erworbenen Gegenstand irgendwann einmal zu veräußern, sondern knüpfen, ebenso wie der Besteuerungstatbestand nach § 9 ErbStG selbst, an den Übergang der faktischen Rechtsinhaberschaft auf den Empfänger an. Ein Erbe oder Beschenkter, welcher lediglich am Tag nach dem Erbanfall oder der Schenkung einen aufschiebend auf den Ablauf der Nachsteuerperiode bedingten Kaufvertrag schließt, hat sowohl nach den Wortlaut des Gesetzes wie auch nach der Zweckrichtung des Gesetzgebers den Betrieb für die erforderlichen fünf bzw. sieben Jahre fortgeführt, wenn die Übertragung erst nach Ablauf der Behaltensfrist erfolgt.
II. Die Nachsteuertatbestände im Einzelnen (Abs. 6 Satz 1 Nr. 1 bis 5) 1. Betriebsvermögen (Abs. 6 Satz 1 Nr. 1) Der Nachsteuertatbestand des § 13a Abs. 6 Satz 1 Nr. 1 ErbStG erfasst begünstigt erworbenes Betriebs- 140 vermögen i.S.d. § 13b Abs. 1 Nr. 2 ErbStG (Einzelunternehmen und Anteile an mitunternehmerischen Personengesellschaften). Nachsteuerschädlich ist – wie bereits zuvor – zunächst die Veräußerung des Gewerbebetriebs, eines Teilbetriebes oder eines Anteils an einer Personengesellschaft (§ 13a Abs. 6 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 Halbs. 1 ErbStG). Der Veräußerung steht die Aufgabe des Gewerbebetriebs oder des Personengesellschaftsanteils gleich (§ 13a Abs. 6 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 Halbs. 2 ErbStG). Die Gründe für die Veräußerung oder Aufgabe sind, wie im Übrigen insgesamt bei den Nachsteuertatbeständen, unbeachtlich; dies hat insbesondere zu Kritik geführt, da die Rechtsprechung3 und Finanzverwaltung4 auch in Fällen einer Insolvenz, an der den Erwerber des begünstigt erworbenen Betriebes kein Verschulden trifft, Nachsteuer festsetzen will und von dieser höchstens im Wege einer Billigkeitsregelung absehen will.5 Wiewohl die inhaltlich hieran geäußerte Kritik6 verständlich ist, ist der Rechtsprechung und Finanzverwaltung zuzugeben, dass sie sich mit dieser Auffassung auf der Grundlage des Gesetzes befinden. Das Gesetz selbst differenziert nicht nach den externen oder intrinsischen Motiven für eine Veräußerung oder Betriebsaufgabe. Vorbehaltlich einer gesetzgeberischen Klarstellung ist daher festzuhalten, als dass bei einer erzwungenen Aufgabe des begünstigt erworbenen Betriebsvermögens neben den ohnehin schon durch die Insolvenz bedingten Belastungen die Festsetzung von Nachsteuer hinzutritt. Zu beachten ist hierbei, dass der Nachsteuertatbestand regelmäßig bereits mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens eintreten wird.7 Zwar bleiben die Erwerber bis zum Abschluss der Abwicklung und Löschung der Gesellschaft Gesellschafter, jedoch tritt die Betriebsaufgabe i.d.R. mit Bestellung des Insolvenzverwalters als Partei kraft Amtes ein, da den Gesellschaftern fortan keine Mitunternehmerstellung i.S.d. § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG mehr zukommt.8 Gleichfalls nachsteuerschädlich ist die Veräußerung oder Entnahme wesentlicher Betriebsgrund- 141 lagen des Gewerbebetriebes oder der Personengesellschaft (§ 13a Abs. 6 Satz 1 Nr. 1 Satz 2 Halbs. 1 ErbStG). Anders als bei Kapitalgesellschaften (dazu Rz. 175) ist der Nachsteuertatbestand mit der Veräußerung der wesentliche Betriebsgrundlage aus dem Gewerbebetrieb oder dem Betriebsvermögen der Personengesellschaft bereits erfüllt, ohne dass es des Hinzutretens weiterer Voraussetzungen bedarf; insbesondere kommt es nicht darauf an, ob Veräußerungsgewinn im Rahmen der Gewinnverteilung den Gesellschaftern als entnahmefähiger Gewinn zugeschrieben wird oder gar tatsächlich entnommen wird (zur die Nachversteuerung ausschließenden Reinvestition jedoch sogleich Rz. 199 ff.). 1 So Weinmann in Moench/Weinmann, § 13a ErbStG Rz. 79, 89 (Stand: September 2016); FG Düsseldorf v. 5.4.2006 – 4 K 3585/02 Erb, EFG 2006, 991. 2 So Jülicher in T/G/J, § 13a ErbStG Rz. 186 m.w.N. (Stand: April 2016). 3 BFH v. 4.2.2010 – II R 25/08, BStBl. II 2010, 663 m.w.N. 4 R E 13a.6 Abs. 1 Satz 2 ErbStR 2011. 5 FG Münster v. 19.7.2001 – 3 K 2387/98 Erb, EFG 2001, 1511. 6 Zipfel/Mühlhaus, ErbStB 2011, 313. 7 R E 13a.6 Abs. 1 Satz 2 ErbStR 2011. 8 Jülicher in T/G/J, § 13a ErbStG Rz. 190 (Stand: April 2016).
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§ 13a ErbStG Rz. 142 Steuerbefreiung für Betriebsvermögen, LuF, Anteile 142 Die Frage, ob es sich bei dem veräußerten oder entnommenen Wirtschaftsgut um eine wesentliche
Betriebsgrundlage handelt, richtet sich nach den Grundsätzen des Ertragsteuerrechts. Maßgeblich ist also, ob es sich um eine funktional wesentliche Betriebsgrundlage handelt. Unerheblich ist hingegen, ob es sich bei dem veräußerten oder entnommenen Wirtschaftsgut des Betriebsvermögens um Verwaltungsvermögen handelt. Anders ist dies freilich, wenn das entnommene Wirtschaftsgut als Wirtschaftsgut des jungen Verwaltungsvermögens von vornherein von der Begünstigung ausgeschlossen war. Dies ist folgerichtig, da dieses Wirtschaftsgut ohnehin schon der ungemilderten Besteuerung unterlag und dessen Entnahme, selbst wenn es sich hierbei um eine wesentliche Betriebsgrundlage handelt, nicht noch einmal im Rahmen der Steuerfestsetzung von Bedeutung sein kann. 143 Im Umkehrschluss folgt daraus, dass die Veräußerung oder Entnahme von Wirtschaftsgütern, die
keine (funktional-)wesentlichen Betriebsgrundlagen darstellen, nicht zu einer Nachversteuerung nach den Grundsätzen des § 13a Abs. 6 Satz 1 Nr. 1 Satz 2 Halbs. 1 ErbStG führt. In besonders gelagerten Fällen kann allerdings die Veräußerung oder Entnahme solcher nicht-wesentlichen Betriebsgrundlagen zu der Entstehung einer Überentnahme (Nr. 3) oder Überausschüttung (Nr. 4 Satz 2) führen, wenn und soweit nämlich das veräußerte bzw. entnommene Wirtschaftsgut noch nicht abgeschrieben war und deshalb insoweit dem Veräußerungserlös oder Entnahmegewinn kein steuerlicher Gewinn i.S.d. § 4 Abs. 1 Satz 1 EStG gegenübersteht. Es kann daher nicht der Grundsatz aufgestellt werden, dass die Veräußerung oder Entnahme von Wirtschaftsgütern, die keine (funktional-)wesentlichen Betriebsgrundlagen darstellen, in jedem Fall nachsteuerunschädlich ist. 144 Umstritten ist, ob aufgrund der Anknüpfung der Begriffe „Entnahme“ und „Einlage“ an das Ertrag-
steuerrecht durch ertragsteuerliche Entnahmefiktionen Nachsteuer ausgelöst wird, z.B. aufgrund einer Sitzverlegung der Gesellschaft ins Ausland oder der Verlagerung von Betriebsteilen in eine ausländische Betriebstätte (fiktive Entnahme nach § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG bzw. fiktive Veräußerung nach § 12 Abs. 1 KStG). Weite Teile der Literatur verneinen dies.1 Nach der Gegenauffassung sind ertragsteuerliche Entnahmefiktionen stets,2 bei Aufdeckung der stillen Reserven3 oder bei Verlagerung von wesentlichen Betriebsgrundlagen ins Drittland4 gleichsam nachsteuerschädlich. Dies ist jedoch abzulehnen. Solche Entstrickungstatbestände führen erbschaftsteuerlich nicht dazu, dass bezogen auf die begünstigt erworbene betriebliche Einheit oder wesentliche Betriebsgrundlagen eine schädliche Verfügung vorliegt. Es ist mit anderen Worten nicht erforderlich, dass das deutsche Besteuerungsrecht am begünstigt erworbenen Vermögen oder Teilen hiervon für die Dauer der Nachsteuerperiode aufrechterhalten bleibt. 145 Für bestimmte Fälle der Umstrukturierung der erworbenen betrieblichen Einheit sieht § 13a Abs. 6
Satz 1 Nr. 1 Satz 2 Halbs. 2 ErbStG a.F. einen besonderen „Verlängerungstatbestand“ vor. Nach der – etwas verklausulierten – Formulierung des Gesetzes kommt es erst dann zu einer Nachversteuerung, wenn die Anteile, die der Veräußerer durch einen Vorgang i.S.d. § 20 oder § 24 UmwStG erhalten hat, veräußert werden. Im Umkehrschluss bedeutet das nichts anderes, als dass der erste Vorgang, der unter die genannten Vorschriften fällt, jedenfalls steuerfrei ist.5 Die Vorschrift erfasst also in erster Linie Einbringungen und Verschmelzungen der erworbenen begünstigten Einheit, wobei es gleichgültig ist, ob die Umstrukturierung zu Buchwerten, Zwischenwerten oder Teilwerten erfolgt.6 Es kommt allein darauf an, dass der Vorgang für sich genommen in den Anwendungsbereich des Umwandlungsteuergesetzes fällt. Ungeachtet des missverständlichen Wortlauts sind sog. Ketteneinbringungen7 des begünstigt erworbenen betrieblichen Vermögens unschädlich. Zwar ist nach dem Wortlaut des 13a Abs. 6 Satz 1 Nr. 1 Satz 2 Halbs. 2 ErbStG die Veräußerung des im Rahmen einer Sacheinlage i.S.d. § 20 UmwStG oder einer Einbringung i.S.d. § 24 UmwStG erworbenen Anteils
1 Riedel in D/H/R2, § 13a ErbStG Rz. 139; Philipp in V/K/S3, § 13a ErbStG Rz. 75; Reich, IStR 2011, 913. 2 So wohl Weinmann in Moench/Weinmann, § 13a ErbStG Rz. 94 (Stand: September 2016). 3 Geck in Kapp/Ebeling, § 13a ErbStG Rz. 83 a.E. (Stand: November 2016); Jülicher in T/G/J, § 13a ErbStG Rz. 178 f. (Stand: April 2016). 4 Schmidt/Leyh, NWB 2009, 2557 (2564). 5 So R E 13a.6 Abs. 3 ErbStR; Zipfel/Lahme, DStZ 2009, 663 (649); FG Münster v. 8.7.2009 – 3 K 754/07 Erb, EFG 2010, 338 (339). 6 Jülicher in T/G/J, § 13a ErbStG Rz. 251 (Stand: April 2016). 7 BFH v. 26.2.2011 – II R 60/09, DStR 2011, 620; Stalleiken/Steger, DStR 2011, 1353 (1354).
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Behaltensfrist (Abs. 6)
Rz. 148 § 13a ErbStG
nachsteuerschädlich. Hierunter würde bei enger Auslegung des Gesetzes auch die Weitereinbringung der Anteile an der aufnehmenden Gesellschaft führen, da diese für sich genommen eine Veräußerung der Anteile durch Tausch darstellen.1 Nach richtiger teleologischer Auslegung ist jedoch eine Veräußerung der Anteile an der übernehmenden Gesellschaft nur danach steuerschädlich, wenn der zweite Vorgang nicht seinerseits unter die §§ 20, 21 oder 24 UmwStG fällt. Nachsteuerschädliche „Veräußerungen“ i.S.d. 13a Abs. 6 Satz 1 Nr. 1 Satz 2 Halbs. 2 ErbStG ist daher nur der „echte“ Verkauf, der durch Umstrukturierung erhaltenen Beteiligung, nicht aber die ertragsteuerneutrale erneute Einbringung oder andere unter das Umwandlungsteuergesetz fallende Vorgänge.2 Auch Ketteneinbringungen sind daher unschädlich, so dass sich der Verlängerungstatbestand an der jeweils aufnehmenden Gesellschaft – auch mehrfach – fortsetzt.3 Von den Verlängerungstatbeständen erfasst sind alle Vorgänge nach den §§ 3 bis 16, 20, 214 und 24 146 UmwStG. Ausweislich der Gesetzesbegründung zum Erbschaftsteuerreformgesetz 20095 sollen somit sämtliche Umwandlungsvorgänge i.S.d. UmwStG privilegiert sein.6 Ob z.B. eine Einbringung nach § 24 UmwStG dabei zu Buchwerten, Teil- oder Zwischenwerten erfolgt, ist für das Schenkungsteuerrecht ohne Belang.7 Zwar erlaubt das Umwandlungssteuerrecht für bestimmte Vorgänge (z.B. Einbringung eines Mitunternehmeranteils in eine Kapitalgesellschaft) auch die Gewährung einer sonstigen Gegenleistung bis zur Höhe der Buchwerte. Gleichwohl erblickt die Finanzverwaltung im Umfang der sonstigen Gegenleistung einen Nachsteuerverstoß.8 Diese Auffassung dürfte im Ergebnis dem Sinn und Zweck des Gesetzes entsprechen, da als gesetzgeberisches Leitbild gelten kann, dass kein Unternehmenssubstrat auf die private Ebene des Gesellschafters gelangen darf. M.E. wäre der Fall der sonstigen Gegenleistung allerdings zutreffender über die Entnahmebegrenzung nach § 13a Abs. 6 Satz 1 Nr. 3 ErbStG zu lösen. Voraussetzung für das Eingreifen des Verlängerungstatbestandes ist, dass die übernehmende Gesell- 147 schaft ihren Sitz oder ihre Geschäftsleitung im Inland, der EU oder dem EWR hat.9 Zwar begründet die Sitzverlegung einer begünstigt erworbenen Gesellschaft, auch in ein Drittland, nach Gesetzeslage und wohl h.M.10 keinen Behaltensfristverstoß, da das Gesetz nicht verlangt, dass das deutsche Besteuerungsrecht an den geschenkten Anteilen über die Dauer der Nachsteuerperiode erhalten bleibt. Jedoch sind gem. § 13a Abs. 6 Satz 1 Nr. 1 Satz 2 ErbStG (nur) solche Vorgänge privilegiert, die den Vorschriften des UmwStG unterfallen, s.o. Die §§ 3 bis 16, 20, 21 und 24 UmwStG sind aber nur anwendbar, wenn der aufnehmende Rechtsträger eine nach den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaates der EU oder des EWR gegründete Gesellschaft ist, deren Sitz und Ort der Geschäftsleitung sich in einem solchen Staat befindet (§ 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UmwStG). Nach – abzulehnender11 – Auffassung der Finanzverwaltung12 greift der Verlängerungstatbestand nicht 148 ein (es liegt also ein schädlicher Behaltensfristverstoß vor), soweit „in den Fällen einer Sacheinlage oder eines Anteilstauschs in diesem Zeitpunkt der gemeine Wert der Anteile, die der Einbringende erhält, geringer als der gemeine Wert des eingebrachten Vermögens oder der Anteile“ ist, also eine nicht wertäquivalente Umstrukturierung erfolgt. In dem hierzu gebildeten Beispiel13 bringt der Erwerber E begünstigt erworbene GmbH-Geschäftsanteile im gemeinen Wert von 2 Mio. Euro innerhalb der Behaltensfrist in eine Kapitalgesellschaft ein; die gewährten Anteile haben nur einen Wert von 1,6 Mio. Euro. In Höhe 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13
So FG Münster v. 8.7.2009 – 3 K 754/07 Erb, EFG 2010, 338. Stalleiken/Steger, Ubg 2011, 189 (192). BFH v. 26.2.2011 – II R 60/09, DStR 2011, 620; Stalleiken/Steger, DStR 2011, 1353 (1354). Klargestellt durch gleich lautende Erlasse v. 20.11.2013, BStBl. I 2013, 1508, Tz. 1.1. BT-Drucks. 16/11107, 12 (13). R E 13a.6 Abs. 3 Satz 2 ErbStR 2011; eingehend hierzu Jülicher in T/G/J, § 13a ErbStG Rz. 257 (Stand: April 2016). Jülicher in T/G/J, § 13a ErbStG Rz. 251 (Stand: April 2016). BayLfSt v. 11.5.2012, DStR 2012, 1033. Gleich lautende Erlasse v. 20.11.2013, BStBl. I 2013, 1508, Tz. 1.1., 2. Vgl. Riedel in D/H/R 2, § 13a ErbStG Rz. 139; Philipp in V/K/S/W4, § 13a ErbStG Rz. 75; Reich, DStR 2011, 913; a.A. aber Weinmann in Moench/Weinmann, § 13a ErbStG Rz. 94 (Stand: September 2016). Eingehend Hannes/Stalleiken, DB 2014, 259. Gleich lautende Erlasse v. 20.11.2013, BStBl. I 2013, 1508, Tz. 1.2 und 1.3. Gleich lautende Erlasse v. 20.11.2013, BStBl. I 2013, 1508, Tz. 1.2.
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§ 13a ErbStG Rz. 149 Steuerbefreiung für Betriebsvermögen, LuF, Anteile von 400 000 Euro soll also ein Behaltensfristverstoß vorliegen. Dies soll auch gelten, „wenn hinsichtlich der Gesellschafter an beiden Gesellschaften Personenidentität besteht“. Die Finanzverwaltung will damit erkennbar Einbringungen sanktionieren, die nicht wertkongruent erfolgen, regelt dies aber weit überschießend. Betroffen sind nämlich auf diejenigen Fällen, in denen Gesellschafter- und Beteiligungsidentität bei einbringender und aufnehmender Gesellschaft besteht (insbesondere bei nur einem einzigen Gesellschafter) und es umwandlungsrechtlich üblich ist, nur einen geringen Geschäfts- oder Festkapitalanteil zu gewähren, was auch anerkanntermaßen ertragsteuerrechtlich ausreichend für die Buchwertfortführung ist.1 Fälle „echter“ disquotaler Einbringungen, bei denen also eine Wertverschiebung zwischen den Einbringenden erfolgt, werden bereits von § 7 Abs. 8 ErbStG erfasst, in allen übrigen Fällen von § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG, falls die Voraussetzungen hierfür vorliegen. Zumindest bei Eingreifen der vorgenannten Tatbestände ist aber für eine zusätzliche Besteuerung durch Behaltensfristverstoß kein Raum, da die Weiterschenkung begünstigt erworbenen Vermögens mangels Veräußerungstatbestand keinen Behaltensfristverstoß darstellt.2 149 Die Finanzverwaltung will dem Sinn und Zweck der Vorschrift nach auch die Realteilung von Per-
sonengesellschaften privilegieren, jedenfalls solange der Realteiler keine einzelnen Wirtschaftsgüter erhält.3 150 Die Rechtsfolge der Verlängerungstatbestände ist nicht abschließend geklärt. Als gesichert gilt, dass
sich die Behaltensfrist des § 13a Abs. 6 ErbStG (einschl. der Überentnahmeregelungen) an dem aufnehmenden Surrogat fortsetzt. Bei richtiger Auslegung des Gesetzes bezieht sich die Verlängerungswirkung jedoch nur auf die Tatbestandsvoraussetzungen der Nachsteuerverstöße des Abs. 6. Nicht von einer etwaigen Verlängerung umfasst ist daher die Lohnsummenkontrolle. In den Fällen der Einbringung oder des Anteilstausches bleibt, solange die erworbene betriebliche Einheit nicht durch Verschmelzung untergegangen ist, stets die Lohnsumme der ursprünglich übertragenden betrieblichen Einheit maßgeblich (a.A. jedoch die Finanzverwaltung,4 hierzu Rz. 148). Insbesondere ist sicherzustellen, dass es durch eine Einbringung nicht zu einer „Verwässerung“ der Lohnsumme beim Erwerber aufgrund einer geringeren Beteiligung an der aufnehmenden Gesellschaft (Surrogat) kommt. 151 Von der Umstrukturierung der erworbenen betrieblichen Einheit selbst, die von dem Verlängerungs-
tatbestand der § 13a Abs. 6 Satz 1 Nr. 1 Satz 2 Halbs. 2 ErbStG erfasst ist, ist die Umstrukturierung auf unteren Ebenen (Beteiligungsgesellschaften der begünstigt erworbenen betrieblichen Einheit) zu unterscheiden. Hier stellt sich insbesondere die Frage, ob solche Vorgänge Veräußerungen wesentlicher Betriebsgrundlagen darstellen können und auf diese Weise Nachsteuerrelevanz gewinnen können. 152 Ist nicht die durch Schenkung selbst erworbene betriebliche Einheit Gegenstand einer Umstrukturie-
rung, sondern finden Umstrukturierungen auf unteren Ebenen statt, stellt sich die Frage, ob hierdurch eine Veräußerung einer wesentlichen Betriebsgrundlage vorliegt oder gleichfalls die Verlängerungstatbestände eingreifen. Stellt eine Beteiligung bereits keine funktional wesentliche5 Betriebsgrundlage dar, kann dies dahinstehen, da eine Veräußerung oder Umstrukturierung dieser Beteiligung nicht nach § 13a Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 Satz 2 ErbStG a.F. oder § 13a Abs. 5 Satz 1 Nr. 4 Satz 2 ErbStG a.F. zu Nachsteuer führen kann. Ist Gegenstand der Umstrukturierung eine Beteiligung als wesentliche Betriebsgrundlage, greifen bei richtiger Auslegung des Gesetzeswortlauts die Verlängerungstatbestände des § 13a Abs. 6 Satz 1 Nr. 1 Satz 2 Halbs. 2 ErbStG (oben Rz. 145) ebenfalls ein.6 2. Land- und forstwirtschaftliches Vermögen (Abs. 6 Satz 1 Nr. 2) 153 § 13a Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 ErbStG regelt die Behaltensfristverstöße in den Fällen, in denen Gegenstand
des Erwerbs ein land- und forstwirtschaftlicher Betrieb i.S.d. § 13b Abs. 1 Nr. 1 ErbStG war. Korres1 Vgl. nur BMF v. 11.11.2011, BStBl. I 2011, 1314, Rz. E 20.09; Herlinghaus in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut2, § 20 UmwStG Rz. 130a m.w.N. 2 Vgl. auch R E 13a.5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ErbStR 2011. 3 R E 13a.6 Abs. 3 Satz 2 ErbStR 2011. 4 Gleich lautende Erlasse v. 21.11.2013, BStBl. I 2013, 1510. 5 R E 13a.6 Abs. 2 Satz 3 ErbStR 2011. 6 Anders noch Stalleiken/Steger, Ubg 2011, 189 (194): Veräußerung wesentlicher Betriebsgrundlage und Reinvestition i.S.d. § 13a Abs. 5 Satz 3, 4 ErbStG a.F.
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Behaltensfrist (Abs. 6)
Rz. 156 § 13a ErbStG
pondierend zu den Regelungen über Betriebsvermögen tritt ein Behaltensfristverstoß ein, wenn Vermögen aus dem die Erbschaft- und Schenkungsteuer begünstigungsfähigen Wirtschaftsteil des L&FBetriebes (§ 162 BewG i.V.m. § 160 Abs. 1 Nr. 1 BewG) veräußert wird. Parallel zum Nachsteuertatbestand der Aufgabe des Gewerbebetriebes sieht § 13a Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 Satz 2 ErbStG zudem einen Behaltensfristverstoß vor, wenn das land- und forstwirtschaftliche Vermögen „entwidmet“ wird, dem land- und forstwirtschaftlichen Betrieb folglich nicht mehr dauernd zu dienen bestimmt ist. Dieser Nachsteuertatbestand erfasst die ertragsteuerlich zulässigen Fälle der Umwidmung land- und forstwirtschaftlichen Vermögens in Privatvermögen. Die Norm trägt den Besonderheiten bei der Verschonung land- und forstwirtschaftlichen Vermögens Rechnung. Insbesondere unterfällt dem begünstigt erworbenen Vermögen nur der eigentliche Wirtschaftsteil, ggf. einschließlich der Stückländereien (vgl. § 13b ErbStG Rz. 24). Konsequenterweise ist auch nur dieses Vermögen, welches der Begünstigung unterlag, von den Nachsteuertatbeständen erfasst. Ob es sich bei dem veräußerten Vermögen um einen Teilbetrieb oder um wesentliche Betriebsgrundlagen oder schlicht Einzelwirtschaftsgüter aus dem Wirtschaftsteil handelt, ist unerheblich, da die gesetzliche Regelung („Vermögen […] veräußert“) weit gefasst ist;1 der Behaltensfristverstoß tritt im Umfang der Veräußerung ein („soweit“).2 Nachsteuerschädlich ist auch die „Umwidmung“ der zum land- und forstwirtschaftlichen Vermögen 154 gehörenden Grundstücke als Stückländereien (§ 13a Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 Satz 2 Halbs. 2 ErbStG), da diese gem. § 13b Abs. 1 Nr. 1 ErbStG von der Begünstigung ausgenommen worden sind. Das Gleiche gilt, wenn zunächst begünstigt übertragene selbstbewirtschaftete Grundstücke nicht mehr selbst bewirtschaftet werden (§ 159 BewG). Es ist darauf hinzuweisen, dass auch nach der Neuregelung des BewG durch das ErbStRG 2009 das 155 land- und forstwirtschaftliche Vermögen immer noch mit einem deutlich unter dem Verkehrswert liegenden erbschaft- und schenkungsteuerlichen Wert bewertet wird. Diese Niedrigbewertung führt jedoch i.d.R. nicht dazu, dass auch auf eine eventuell anfallende nachsteuerliche Bemessungsgrundlage die niedrigen Bewertungen anzuwenden sind. Vielmehr sieht § 162 Abs. 3 Satz 1 BewG i.V.m. § 166 BewG vor, dass bei einer Veräußerung innerhalb 15 Jahren nach dem Bewertungsstichtag das landund forstwirtschaftliche Vermögen rückwirkend auf den ursprünglichen Bewertungsstichtag3 mit dem Liquidationswert anzusetzen ist (sog. Nachbewertungsvorbehalt). Dieser Liquidationswert, der i.d.R. über dem land- und forstwirtschaftlichen Wert liegt, liegt dann konsequenterweise auch der Nachsteuer gem. § 13a Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 ErbStG zugrunde. Die Nachbewertung kann vermieden werden, wenn ein etwaiger Veräußerungserlös innerhalb von sechs Monaten zum Erwerb eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebes oder „ausschließlich im betrieblichen Interesse“ verwendet wird (Reinvestition, § 162 Abs. 3 Satz 2 und Abs. 4 Satz 2 BewG). Eine Verwendung im betrieblichen Interesse liegt neben der Anschaffung von landwirtschaftlichen Maschinen oder Flächen auch vor, wenn von dem Veräußerungserlös betriebliche Verbindlichkeiten getilgt werden.4 Nach Bruschke5 soll auch eine Reinvestition in einer anderen begünstigten Vermögensart, z.B. einem gewerblichen Betriebsvermögen, einer Nachbewertung entgegenstehen. Die erbschaft- und schenkungsteuersteuerlichen Voraussetzung einer Reinvestition land- und forstwirtschaftlichen Vermögens gem. § 13a Abs. 6 Satz 3, 4 ErbStG sind freilich enger (dazu Rz. 202). 3. Überentnahmen (Abs. 6 Satz 1 Nr. 3) a) Grundsätze Gemäß § 13a Abs. 6 Satz 1 Nr. 3 ErbStG wird Nachsteuer ausgelöst, wenn der Erwerber Entnahmen 156 tätigt (bei Kapitalgesellschaften: Ausschüttungen vorgenommen werden), die die Summe der ihnen zuzurechnenden Gewinnanteile seit dem Erwerb um mehr als 150 000 Euro übersteigen („Überentnahmen“). Die Regelung entspricht in der Sache der bis zum 31.12.2008 geltenden Rechtslage, Zutr. Riedel in D/H/R2, § 13a ErbStG Rz. 200. Jülicher in T/G/J, § 13a ErbStG Rz. 261 (Stand: April 2016). Bruschke in Gürsching/Stenger, § 162 BewG Rz. 30. Stephany in Leingärtner, Besteuerung der Landwirte, Abschn. 99 Rz. 413; Bruschke in Gürsching/Stenger, § 162 BewG Rz. 65. 5 Bruschke in Gürsching/Stenger, § 162 BewG Rz. 66.
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§ 13a ErbStG Rz. 157 Steuerbefreiung für Betriebsvermögen, LuF, Anteile wobei allerdings der seinerzeit geltende Freibetrag i.H.v. 50 000 Euro bereits mit der Erbschaftsteuerreform 2009 deutlich auf 150 000 Euro angehoben wurde. Der Freibetrag ist erwerberbezogen und wird zudem für jede übertragene betriebliche Einheit des begünstigten Vermögens gesondert gewährt. Die Regelung soll insbesondere sicherstellen, dass stehengelassene Altgewinne des übertragenden Gesellschafters (die ja vom Umfang der Begünstigung umfasst waren) nicht vom Übernehmer entnommen werden können, ohne dass dieser insoweit die Begünstigung darauf verliert. 157 Der Zeitraum der Entnahmebegrenzung weicht vom Nachsteuerzeitraum ab; er endet bereits mit
Ablauf des letzten Wirtschaftsjahres, das innerhalb der Nachsteuerperiode endet.1 Diese Verkürzung des Entnahmezeitraums kann bei richtiger Gestaltung des Übertragungsstichtages dazu führen, dass sich der Entnahmebegrenzungszeitraum im Fall der Regelverschonung auf vier Jahre und einen Tag (statt fünf Jahren) bzw. im Falle der Vollverschonung auf sechs Jahre und einen Tag (statt sieben Jahren) verkürzt. 158 War ein Erwerber bereits vorher an der Gesellschaft beteiligt, beziehen sich die Überentnahmeregelun-
gen nur auf den erworbenen Teilanteil. Bis zum Verbrauch seines steuerlichen „Alt-Kapitalkontos“ im Zeitpunkt der Schenkung/des Erbfalls liegt also keine relevante Entnahme vor; danach werden Entnahmen nur quotenentsprechend auf den unentgeltlich erworbenen Anteil gezählt.2 Zugunsten des Steuerpflichtigen ist also eine fiktive Entnahmereihenfolge zu bilden, wonach das Kapitalkonto des Steuerpflichtigen, soweit es auf den ihm bereits vor Schenkung gehörenden Anteils entfällt, zunächst bis auf null gemindert wird und erst danach die Gewinne quotal im Verhältnis des alten zum neuerworbenen Anteils aufgeteilt werden. Nur der neuerworbene Anteil geht in die Berechnung der Überentnahmen mit ein. 159 Beim Erwerb mehrerer Betriebe oder begünstigt erworbener Einheiten sind die Überentnahmen für
jede betriebliche Einheit getrennt zu berechnen;3 die 150 000 Euro Freibetrag gelten dabei für jede erworbene betriebliche Einheit, so dass sich das unschädliche Entnahmevolumen entsprechend vervielfältigt.4 Ein nicht ausgeschöpfter Freibetrag in einer betrieblichen Einheit kann jedoch nicht mit Überentnahmen einer anderen betrieblichen Einheit verrechnet werden. 160 Die Begriffe „Entnahme“, „Einlage“, „Gewinn“ und „Verlust“ sind nach den Grundsätzen des Ertrag-
steuerrechts zu beurteilen.5 Diese an sich klare und gesetzlich nachvollziehbare Bestimmung wirft indes eine Reihe von Einzelfragen der Berechnung der Überentnahmequote auf. Insbesondere ist festzustellen, dass die Entnahme von Wirtschaftsgütern aus dem Betriebsvermögen dann zu einer Überentnahme führt, wenn und insoweit in diesem entnommenen Wirtschaftsgut keine stillen Reserven belegen sind. Denn in dem Maße, in dem bei der Entnahme aufgrund der Realisierung stiller Reserven ein Entnahmegewinn entsteht, tritt aufgrund der ertragsteuerlichen Verrechnungswirkung des Gewinns mit der Entnahme keine Überentnahme auf. Daraus folgt jedoch, dass insbesondere auch die Entnahme von Forderungen überentnahmerelevant ist. Dies gilt in besonderem Maße für Gesellschafterforderungen des Sonderbetriebsvermögens, die der Erblasser oder Schenker zusammen mit seinem Anteil am Gesamthandsvermögen auf den Erwerber übertragen hat. Diese unterfallen zwar zunächst der Begünstigung, können jedoch vom Erwerber nicht ohne Überentnahmerisiko während der Behaltensfrist in das Privatvermögen überführt (d.h. auch: abgelöst) werden. Unter diese Kategorie ist auch die Veräußerung oder Entnahme nichtwesentlicher Betriebsgrundlagen zu fassen. Obwohl diese keinen Behaltensfristverstoß i.S.d. § 13a Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 ErbStG darstellen, sind diese jedoch potentiell überentnahmerelevant, soweit durch die Entnahme der nichtwesentlichen Betriebsgrundlagen keine stillen Reserven gehoben werden. 161 Die Berechnung des Überentnahmevolumens erfolgt stichtagsgenau mit Ablauf der fünf- bzw. sieben-
jährigen Behaltensfrist. Nach Ablauf dieser Behaltensfrist kann eine einmal verwirklichte Überentnahme nicht mehr „geheilt“ werden. Eine „Reinvestitionsmöglichkeit“, wie nach Verwirklichung eines Be1 2 3 4
FG Münster v. 4.6.2009 – 3 K 4490/06 Erb, EFG 2009, 1661, rk. R E 13a.8 Abs. 3 Satz 2 ff. ErbStR 2011. R E 13a.8 Abs. 1 Satz 7 ErbStR 2011. Wie hier Söffing in Wilms/Jochum, § 13a ErbStG Rz. 112 (Stand: September 2016); a.A. wohl Jülicher in T/G/J, § 13a ErbStG Rz. 272 (Stand: April 2016) m.w.N.: einmal für jede Vermögensart i.S.d. § 13b Abs. 1 Nr. 1 bis 3 ErbStG a.F. 5 R E 13a.8 Abs. 1 Satz 4 ErbStR 2011.
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Behaltensfrist (Abs. 6)
Rz. 166 § 13a ErbStG
haltensfristverstoßes i.S.d. Nr. 1, 2, 4 gibt es daher nicht. Allerdings kann einem Überentnahmevolumen rechtzeitig vor dem Übertragungsstichtag durch ertragsteuerliche Einlage von Wirtschaftsgütern (Sacheinlagen) oder Geldern (auch „ein Tag vor Ablauf der Frist“) begegnet werden.1 Diese Einlagen dürfen allerdings insbesondere bei Erwerb eines Anteils an einer Mitunternehmerschaft nicht fremdfinanziert sein, da ansonsten die Fremdfinanzierungsverbindlichkeit ebenfalls zu einer betrieblichen Schuld des (Sonder-)Betriebsvermögens wird, die die Einlage konterkariert.2 Zudem können (anders als bei der Reinvestition, vgl. hierzu Rz. 209) Überentnahmen in einer betrieblichen Einheit nicht mit Einlagen in einen anderen Betriebsvermögen des Steuerpflichtigen „querverrechnet“ werden, selbst wenn es sich dabei um ein vom gleichen Erblasser/Schenker erworbenes Betriebsvermögen handelt.
Û
Gestaltungshinweis: Falls eine solche „Querverrechnung“ gewünscht oder erforderlich ist (z.B. 162 wegen Überschuldung einzelner erworbener betrieblicher Einheiten und eines Liquiditätsüberschusses in anderen erworbenen betrieblichen Einheiten), sollte zuvor das begünstigt erworbene Vermögen unter einer gemeinsamen Holding zusammengeführt werden. Solange danach Liquidität zwischen den einzelnen Betrieben unterhalb der gemeinsamen Holding verschoben wird, ohne auf die private Vermögensebene des Erwerbers zu gelangen, ist davon auszugehen, dass sich mangels Entnahme keine Überentnahmerelevanz ergibt.
Hierbei ist zudem zu beachten, dass das tatsächliche Überentnahmevolumen regelmäßig erst viel 163 später, nämlich mit Aufstellung des letzten in den Nachsteuerzeitraum fallenden Jahresabschlusses feststeht. Es bietet sich daher stets an, rechtzeitig vor Ablauf des Behaltensfristzeitraums einen Überblick über die bisher getätigten Entnahmen und potentiellen Überentnahmen zu gewinnen. Aufgrund der strengen Anknüpfung des Wortlauts an das Ertragsteuerrecht sollte es auch zulässig sein, 164 wenn ein erhöhter Liquiditätsbedarf der Gesellschafter als fremdüblich verzinsliches Darlehen von der Gesellschaft an die Gesellschafter gewährt wird.3 Sofern die Gewährung zu fremdüblichen Konditionen erfolgt, stellt diese weder eine Entnahme4 noch eine verdeckte Gewinnausschüttung dar. Nach Ablauf der Nachsteuerperiode könnte dann (ggf. nach Abwarten einer gewissen Schamfrist) das Darlehen erlassen werden. Die dadurch eintretende Entnahme oder verdeckte Gewinnausschüttung sollte nicht mehr überentnahmerelevant sein, da sie erst nach Ablauf des Entnahmesperrezeitraums eintritt. Wurde bereits Nachsteuer wegen der Entnahme wesentlicher Betriebsgrundlagen verwirklicht, zäh- 165 len diese nicht mehr bei der Berechnung der „Überentnahme“ mit.5 Dasselbe müsste konsequenterweise weiterhin gelten, falls Wirtschaftsgüter des „jungen Verwaltungsvermögens“ (§ 13b Abs. 7 Satz 2 ErbStG) entnommen werden, da diese von vornherein nicht von der Begünstigung erfasst waren. Wird hingegen ein Wirtschaftsgut des „normalen“ Verwaltungsvermögens i.S.d. § 13b Abs. 4 ErbStG entnommen, dürfte diese Sachentnahme gleichwohl in die Überentnahmeregelung eingehen, da „normales“ Verwaltungsvermögen nach Änderung des ErbStG durch das ErbStAnpG 2016 nur summarisch (nach Abzug von Schulden und „Kulanzpuffer“, § 13b ErbStG Rz. 221), nicht aber gegenständlich der Besteuerung unterliegt. Im Übrigen greift der Nachsteuertatbestand der Überentnahme unabhängig davon ein, aus welchem Grund die Entnahmen erfolgt sind. Daher sind auch Entnahmen/Ausschüttungen von Liquidität zur Begleichung der Erbschaftsteuer6 oder zur Befriedigung von Abfindungsforderungen weichender Erben Pflichtteilsberechtigter7 nachsteuerschädlich. Die Anknüpfung der Überentnahmedefinition an das Ertragsteuerrecht weist zudem Ungereimthei- 166 ten in Fällen von Betriebsaufspaltungen und Umstrukturierungen auf. Befinden sich z.B. im begünstigt erworbenen Betriebsvermögen oder Sonderbetriebsvermögen Anteile an Kapitalgesellschaften, kann die Kapitalgesellschaft nach dem Wortlaut des Gesetzes ungeachtet der Tatsache, dass die Überentnahmeregelung für Kapitalgesellschaften entsprechend gelten soll (§ 13a Abs. 6 Satz 1 Nr. 3 Satz 3 ErbStG), „leergeschüttet“ werden, da die Ausschüttungen auch von Substanz auf Ebene der erworbenen betrieblichen Einheit (Sonder-)Betriebseinnahmen sind, die eine etwaige Entnahme aus1 2 3 4 5 6 7
Balmes/Felten, FR 2009, 258 (268). R E 13a.8 Abs. 4 Satz 2 f. ErbStR 2011. Felix, KÖSDI 1997, 10961 (10970). Geck in Kapp/Ebeling, § 13a ErbStG Rz. 156 (Stand: November 2016). R E 13a.8 Abs. 1 Satz 6 ErbStR 2011. Wachter in F/J/P/W5, § 13a ErbStG Rz. 219 m.w.N. Philipp in V/K/S/W 4, § 13 ErbStG Rz. 97.
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§ 13a ErbStG Rz. 167 Steuerbefreiung für Betriebsvermögen, LuF, Anteile gleichen. Durch die Einnahme-Entnahme-Schaukel kann es nicht zu einer Überentnahme im erbschaftsteuerlichen Sinne kommen. 167
Û
Gestaltungshinweis: Dasselbe Ergebnis kann nach dem Wortlaut der Überentnahmeregelung durch die (nachsteuerunschädliche) Einbringung der begünstigt erworbenen Kapitalgesellschaft in eine GmbH & Co. KG erreicht werden. Ob dieses Ergebnis allerdings von der Finanzverwaltung und Rechtsprechung gebilligt würde, muss als offen angesehen werden.
b) Anwendung auch auf Kapitalgesellschaften 168 Der Nachsteuertatbestand gilt seit dem 1.1.2009 auch für „Überausschüttungen“ von Kapitalgesell-
schaften (§ 13a Abs. 6 Satz 1 Nr. 3 Satz 3 ErbStG). Damit hatte der Gesetzgeber der Erbschaftsteuerreform 2009 die bis zum 31.12.2008 geltende Privilegierung von Kapitalgesellschaften effektiv beseitigt. Schädliche Ausschüttungen sind danach insbesondere die (offene oder verdeckte)1 Ausschüttung von Altgewinnen, die unter der Rechtsinhaberschaft des Schenkers/Erblassers entstanden sind. Allerdings können verdeckte Gewinnausschüttungen wiederum den zulässigen Entnahmesaldo erhöhen, da sie auf Ebene der Kapitalgesellschaft zu einer Gewinnerhöhung führen.2 Obgleich mit Satz 3 ein „Gleichlauf“ zwischen Betriebsvermögen und Kapitalgesellschaftsbeteiligungen erreicht werden soll, weisen die Regelungen durchaus Abweichungen voneinander auf, die allerdings z.T. systembedingt sind: 169 Zum einen verschiebt sich die Berechnung des Überausschüttungssaldos aufgrund der gesellschafts-
rechtlichen Besonderheit, dass i.d.R. über die Ausschüttung von Gewinnen erst im Folgejahr beschlossen wird und die Ausschüttung zeitverschoben zufließt. Die Ausschüttung ist also notwendigerweise nachgelagert zu berücksichtigen, da es auf den Zufluss beim Gesellschafter ankommt. Anders als bei Personengesellschaften laufen Gewinnerzielung durch die Gesellschaft und Ausschüttung beim Gesellschafter zwingend auseinander. Soweit die Parteien bei der Übertragung der begünstigten Geschäftsanteile nichts anderes vereinbart haben, würde folglich z.B. dem Erwerber-Gesellschafter im Jahr 05 die Ausschüttung des Gewinns aus 04 (als ggf. noch des Erblassers/Schenkers) zufließen. Da in die Berechnung zu seinen Gunsten nur der unter seiner Rechtsinhaberschaft angefallene Gewinn einfließt, wäre dies prinzipiell überausschüttungsrelevant. Über die Gesamtbetrachtung relativiert sich dieser Nachteil allerdings rechnerisch wieder, da der Gewinn des letzten Jahres des Nachsteuerzeitraums zu Gunsten des Erwerbers zu berücksichtigen ist, die dazugehörige Ausschüttung jedoch i.d.R. erst nach Ablauf des Überausschüttungszeitraums (welcher bei unterjähriger Übertragung ohnehin verkürzt ist) beschlossen wird und zufließt. 170 Zum anderen ist festzustellen, dass der Erwerber eines Kapitalgesellschaftsanteils hinsichtlich der ihm
zuzurechnenden Ausschüttungen, anders als ein Personengesellschafter, durchaus fremdbestimmt sein kann. Falls z.B. die Mehrheitsgesellschafter „über dem Kopf“ eines Minderheitsgesellschafters als begünstigtem Erwerber eine Dividendenausschüttung aus thesaurierten Altgewinnen beschließen, kann sich der Minderheitsgesellschafter i.d.R. gegen den Zufluss nicht „wehren“. Eine „Einlage“ vor Ablauf der Nachsteuerperiode zur Heilung einer Überausschüttung, die wie bei Personengesellschaften grundsätzlich möglich ist, kann in diesen Fällen ebenfalls an gesellschaftsvertraglichen Hindernissen scheitern. 171 Fraglich ist zudem in diesem Zusammenhang, wie es sich mit Kapitalgesellschaftsbeteiligungen im
(Sonder-)Betriebsvermögen verhält. Ist Gegenstand der Übertragung ein Kapitalgesellschaftsanteil, so können Altgewinne des scheidenden Gesellschafters nicht ohne Überentnahmerisiko nach der Übertragung an den Erwerber ausgeschüttet werden. Handelt es sich hingegen um eine Kapitalgesellschaftsbeteiligung im Betriebsvermögen (z.B. im Rahmen einer Betriebsaufspaltung), so löst die Ausschüttung, auch von Altgewinnen, auf der Ebene des relevanten Betriebsvermögens, welches Gegenstand der Betrachtung bei der Überentnahmeregelung ist, zunächst einen steuerlichen Ertrag aus. Werden sodann diese ausgeschütteten Altgewinne auf den Gesellschafter durchgeleitet, kommt es bei wortlautgetreuer Berechnung nach ertragsteuerlichen Grundsätzen nicht zu einer „Überentnahme“, da sich Gewinn im Betriebsvermögen (Ausschüttung) und Entnahme entsprechen. Das Gleiche muss gelten, wenn begünstigt erworbene Anteile an einer Kapitalgesellschaft nach der Übertragung nachsteuer1 Gräfe, ZEV 2011, 601 (606). 2 Jülicher in T/G/J, § 13a ErbStG Rz. 275 (Stand: April 2016).
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Behaltensfrist (Abs. 6)
Rz. 176 § 13a ErbStG
unschädlich in ein Betriebsvermögen eingebracht werden. In diesem Fall setzt sich aufgrund des angeordneten Verlängerungstatbestandes diese Entnahmeregelung an der aufnehmenden Gesellschaft fort. Erfolgen sodann allerdings Ausschüttungen aus der eingebrachten Kapitalgesellschaft, stellen diese auf Ebene der übernehmenden Gesellschaft ertragsteuerlichen Ertrag dar, so dass die Entnahme dieser Ausschüttung nicht zu einer Überentnahme führen kann. Ob ein solches Vorgehen der gesetzgeberischen Intention der Regelung des § 13a Abs. 6 Satz 1 Nr. 3 ErbStG entspricht, dürfte fraglich sein. Gleichwohl ist es vom Gesetzeswortlaut gedeckt. 4. Kapitalgesellschaftsanteile (Abs. 6 Satz 1 Nr. 4) Wie bereits in der bis zum 31.12.2008 und 30.6.2016 geltenden Fassung stellt auch § 13a Abs. 6 Satz 1 172 Nr. 4 ErbStG klar, dass auch in denjenigen Fällen, in denen der Gegenstand des begünstigten Erwerbes ein Kapitalgesellschaftsanteil gem. § 13b Abs. 1 Nr. 3 ErbStG war, die Begünstigungen mit Wirkung für die Vergangenheit verloren gehen, wenn der Erwerber die begünstigt erworbenen Anteile ganz oder teilweise veräußert. Nach dem Wortlaut des Gesetzes steht der Veräußerung der Anteile die verdeckte Einlage der Anteile in eine Kapitalgesellschaft gleich (§ 13a Abs. 6 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 Halbs. 2 ErbStG). Ferner fällt Nachsteuer an, wenn die Kapitalgesellschaft aufgelöst wird oder das Nennkapital der Gesellschaft herabgesetzt wird (Einlagenrückgewähr). War der Erwerber bereits vor der Schenkung oder dem Erbfall an der Kapitalgesellschaft beteiligt, fin- 173 giert die Finanzverwaltung zugunsten des Steuerpflichtigen eine Veräußerungsreihenfolge nach Art einer „Fifo-Methode“, wonach die dem Erwerber bereits vorher gehörenden Geschäftsanteile (ungeachtet der tatsächlichen Anteilsnummer) als zuerst veräußert gelten.1
Û
Gestaltungshinweis: Ungeachtet dieser Verwaltungsfiktion sollten die übertragenen Anteile im 174 Kaufvertrag durch Nennung der Geschäftsanteilsnummern identifizierbar sein, so dass notfalls nachgewiesen werden kann, dass es sich bei den verkaufen Anteiles um „Alt-Anteile“ handelt.
Die Veräußerung wesentlicher Betriebsgrundlagen durch die Kapitalgesellschaft führt ebenso zu ei- 175 nem Behaltensfristverstoß, wobei allerdings aufgrund des Wortlauts des § 13a Abs. 6 Satz 1 Nr. 4 Satz 2 ErbStG („wesentliche Betriebsgrundlagen veräußert und das Vermögen an die Gesellschafter verteilt wird“) fraglich ist, ob die Verteilung des Vermögens an die Gesellschafter zusätzliches Tatbestandsmerkmal im Zusammenhang mit der Veräußerung wesentlicher Betriebsgrundlagen ist oder ob es sich um ein eigenständiges, alleinstehendes Tatbestandsmerkmal handelt. Die systematisch besseren Gründe sprechen dafür, dass der Zusatz als ein weiteres Tatbestandsmerkmal zu verstehen ist, welches zusätzlich zu der Veräußerung der wesentlichen Betriebsgrundlage vorliegen muss. Dies trägt dem auch ansonsten im Ertragsteuerrecht wie Erbschaft- und Schenkungsteuerrecht geltenden Intransparenzprinzips der Kapitalgesellschaft Rechnung, wonach die Kapitalgesellschaft aufgrund der Eigenständigkeit ihrer Rechtsform ihr Betriebsvermögen gleichsam vor dem Gesellschafter steuerlich abschirmt. Auch würde die Verteilung des Vermögens an die Gesellschafter als eigenständiges Tatbestandsmerkmal im geltenden Erbschaft- und Schenkungsteuerrecht keinen (eigenen) Anwendungsbereich haben, da die entsprechenden Fälle bereits über die Ausweitung der Überentnahmeregelungen auf Kapitalgesellschaften (§ 13a Abs. 6 Satz 1 Nr. 3 Satz 2 ErbStG) abgedeckt sind. Die Verteilung des Vermögens an die Gesellschafter setzt mit anderen Worten zusätzlich zu der Veräußerung der wesentlichen Betriebsgrundlage eine Ausschüttung des Veräußerungserlöses voraus.2 Richtigerweise ist daher davon auszugehen, dass aufgrund des Intransparenzprinzips der Kapitalge- 176 sellschaft diese hinsichtlich der Nachsteuer wegen Veräußerung wesentlicher Betriebsgrundlagen insoweit gegenüber Betriebsvermögen und Personengesellschaften privilegiert ist, als dass zusätzlich zu der Veräußerung der wesentlichen Betriebsgrundlage aus dem Betriebsvermögen noch die Ausschüttung des Veräußerungsgewinns auf die Ebene der Gesellschafter der Kapitalgesellschaft hinzukommen muss.3 Der auf den ersten Blick zulasten der Personengesellschaft bestehende Nachteil, wonach es auf eine Entnahme des Veräußerungsgewinns nicht ankommt, wird jedoch teilweise durch die An1 R E 13a.9 Abs. 1 Satz 2 ErbStR 2011. 2 GlA. Weinmann in Moench/Weinmann, § 13a ErbStG Rz. 131 (Stand: September 2016). 3 Stalleiken/Steger, DStR 2011, 1353; Weinmann in Moench/Weinmann, § 13a ErbStG Rz. 131 (Stand: September 2016).
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§ 13a ErbStG Rz. 177 Steuerbefreiung für Betriebsvermögen, LuF, Anteile wendung der Reinvestitionsklausel (§ 13a Abs. 6 Sätze 3 und 4 ErbStG) wieder kompensiert (Einzelheiten s. Rz. 199 ff.). 177 Damit stellte sich bis zur Einführung des § 13b Abs. 2 Satz 2 Nr. 4a ErbStG i.d.F. des AmtshilfeRL-
UmsG insbesondere die Frage, ob in einer sog. „Cash-GmbH“ die Umschichtung von Geld oder Forderungen in Wertpapiere (Verwaltungsvermögen i.S.d. § 13b Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 ErbStG a.F.) nachsteuerschädlich war. Hiergegen sprach zum einen, dass die Umschichtung von Geld bei verständiger Würdigung des Gesetzes kaum als „Veräußerung wesentlicher Betriebsgrundlagen“ aufgefasst werden kann.1 Dem steht begrifflich bereits entgegen, dass man Geld nicht in diesem Sinne „veräußern“ kann. Selbst wenn man jedoch Geld als wesentliche Betriebsgrundlage ansehen wollte und beim Kauf von Wertpapieren dieses als „veräußert“ begreift, wäre ein Nachsteuertatbestand nicht erfüllt, solange nicht das Vermögen an die Gesellschafter verteilt wird (s. Rz. 175). In extrem gelagerten Fällen, in denen nur kurz über dem Übertragungsstichtag Wertpapiere in Geldmittel und anschließend wieder zurückgetauscht werden, dürfte allerdings die Annahme eines Gesamtplans naheliegen.2 178 Für Umstrukturierungen innerhalb der Nachsteuerperiode gilt: Sofern der Erbe oder Beschenkte ei-
nen Kapitalgesellschaftsanteil erhalten hat, ist auf diesen Nr. 4 anwendbar. Hier verweist § 13a Abs. 6 Satz 1 Nr. 4 Satz 2 Halbs. 2 ErbStG auf § 13a Abs. 6 Satz 1 Nr. 1 Satz 2 ErbStG. Dieser soll entsprechend gelten. Die Gesetzesformulierung ist in diesem Punkt nicht geglückt, da der Umfang der „entsprechenden Anwendung“ offenbleibt. Richtigerweise muss gelten, dass alle Umstrukturierungen von Kapitalgesellschaften, die unter das UmwStG fallen, erfasst sind, gleichgültig, ob im konkreten Fall stille Reserven aufgedeckt werden oder zu Buch-, Teil- oder Zwischenwerten umgewandelt wird. Damit sind die Fälle der §§ 3, 9 UmwStG (Vermögensübergang bei Verschmelzung einer Kapitalgesellschaft auf eine Personengesellschaft und Formwechsel einer Kapitalgesellschaft in eine Personengesellschaft) ebenso nachsteuerneutral wie die Verschmelzung einer Körperschaft auf eine andere Körperschaft (§ 11 UmwStG). Entsprechendes muss gelten, wenn eine Körperschaft im Wege der Aufspaltung oder der Abspaltung (§ 15 UmwStG) gleichsam „geteilt“ wird.3 Auch der Anteilstausch i.S.v. § 21 UmwStG löst keinen Behaltensfristverstoß aus.4 Die Behaltensfrist setzt sich in allen genannten Fällen an den neuen Gesellschaftsanteilen fort. 179 Keine Nachsteuer wird durch ertragsteuerliche Veräußerungsfiktionen ausgelöst, da der Erwerber
nach wie vor an den begünstigt erworbenen Geschäftsanteilen beteiligt bleibt. Die durch Wegzug des Erwerbers ausgelöste Wegzugssteuer nach § 6 AStG (fiktive Versteuerung nach § 17 EStG) etwa führt nicht zu einem Behaltensfristverstoß (vgl. bereits Rz. 144).5 5. Verstoß gegen eine Poolvereinbarung (Abs. 6 Satz 1 Nr. 5) 180 Der Gesetzgeber hatte im Rahmen des ErbStRG 2009 erstmals zugelassen, dass die vormals „starre“ Be-
teiligungsgrenze von 25 % zur Erlangung der Begünstigungen bei Kapitalgesellschaften durch Zusammenrechnung der Geschäftsanteile mehrerer Gesellschafter mittels Abschlusses eines Anteils- und Stimmrechtspoolvertrages (Poolvertrag) übersprungen wird (§ 13b Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 ErbStG a.F., hierzu § 13b ErbStG Rz. 61 ff.). Das Gesetz selbst fordert für die Begünstigungsfähigkeit von Kapitalgesellschaftsanteilen gem. § 13b Abs. 1 Nr. 3 ErbStG lediglich, dass „der Erblasser oder Schenker am Nennkapital dieser Gesellschaft zu mehr als 25 % unmittelbar beteiligt war“, ggf. durch Zusammenrechnung mit anderen Poolmitgliedern, § 13b Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 ErbStG (vgl. § 13b ErbStG Rz. 49). In beiden Fällen stellt das Gesetz ausschließlich auf den Schenker oder Erblasser ab; ebenso wenig wie das Gesetz verlangt, dass der Erwerber mehr als 25 % erhält, verlangt § 13b Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 ErbStG den Übergang der Poolmitgliedschaft auf den Erwerber (§ 13b ErbStG Rz. 62). Dieses Erfordernis ergibt sich jedoch mittelbar aus § 13a Abs. 6 Satz 1 Nr. 4 ErbStG. Da die Neuregelung dem Erwerber erst er1 Nachweise bei von Oertzen/Reich, BB 2013, 1559 (1561). 2 So Maack/Römer, DStR 2013, 80, bei Umschichtungen innerhalb von zwei Jahren nach der Übertragung; dagegen von Oertzen/Reich, BB 2013, 1559 (1561). 3 Siehe hierzu R E 13a.9 Abs. 3 ErbStR 2011, wonach Umstrukturierungen, die unter die §§ 3 bis 16 UmwStG fallen, keine Nachsteuer auslösen. So bereits Billig, UVR 2006, 23 ff.; zust. Geck in Kapp/Ebeling, § 13a ErbStG Rz. 138 (Stand: November 2016). 4 So Gräfe, ZEV 2010, 601 (605), jedenfalls für den Fall des § 21 Abs. 1 Satz 2 UmwStG. 5 Vgl. auch Reich, IStR 2011, 913 (916).
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Behaltensfrist (Abs. 6)
Rz. 183 § 13a ErbStG
möglicht, von den erbschaft- und schenkungsteuerlichen Verschonungsabschlägen zu profitieren, ist es konsequent, dass das Gesetz die Aufrechterhaltung des Poolvertrages für die Dauer der Nachsteuerperiode vorsieht. Dementsprechend stellt es einen Behaltensfristverstoß dar, wenn im Fall des § 13b Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 ErbStG die Verfügungsbeschränkung oder Stimmrechtsbündelung aufgehoben wird. Insofern steht der Nichtbeitritt des Erwerbers zum Pool der sofortigen Aufhebung der Poolbindung gleich. Poolgebundene Anteile sind neben § 13a Abs. 6 Satz 1 Nr. 5 ErbStG auch allgemein nach Nr. 4 nach- 181 steuerverstrickt. Bereits daraus folgt, dass die Veräußerung poolgebunder Anteile Nachsteuer auslöst, und zwar egal, ob „poolentsprechend“ an ein Poolmitglied oder „poolwidrig“ an einen fremden Dritten. Die Darstellung der Finanzverwaltung in R E 13a.10 Abs. 2 Nr. 1 ErbStR 2011 stellt nur klar, dass auch Veräußerungen an Poolmitglieder einen Behaltensfristverstoß (nach Nr. 4) darstellen und darf nicht dahingehend verstanden werden, dass insoweit (zusätzlich) ein der Aufhebung der Poolvereinbarung vergleichbarer Sachverhalt vorliegt, der auch die übrigen Anteile betrifft.1 Die Veräußerung von z.B. nur 5 % von insgesamt 20 % gepoolten Anteilen führt nicht dazu, dass der Erwerber auch hinsichtlich der im Pool verbleibenden 15 % einen Behaltensfristverstoß nach Nr. 5 bewirkt. Hinsichtlich dieser verbleibenden 15 % besteht der nämliche Poolvertrag fort, wird also nicht aufgehoben. Sofern freilich fortgesetzt poolvertragswidrige Veräußerungen an Dritte stattfinden, die von den übrigen Poolmitglieder „durchgewunken“ werden, besteht das Risiko, dass die Finanzverwaltung den Poolvertrag insgesamt nicht anerkennt, da dieser nicht tatsächlich gelebt wird (s. auch § 13b ErbStG Rz. 77). Der Wortlaut des Nachsteuertatbestandes enthielt von vorneherein einen grammatikalischen Feh- 182 ler, da Satzanfang und -ende nicht zusammenpassen („soweit der Erwerber innerhalb von fünf Jahren (…) die Verfügungsbeschränkung oder die Stimmrechtsbündelung aufgehoben wird“) und ist ohne Korrektur durch das ErbStAnpG 2016 übernommen worden. Legt man den Wortlaut erwerberbezogen aus („soweit der Erwerber (…) aufhebt“), käme es nur auf die Aufhebung durch den Erwerber an; Aufhebungen der Vereinbarung durch andere Poolmitglieder wären demnach unschädlich. Die wohl besseren verschonungssystematischen Gründe sprechen dafür, dass der Wortlaut personenneutral auszulegen ist („soweit (…) die Verfügungsbeschränkung oder Stimmrechtsbündelung aufgehoben wird“), so dass die Aufhebung des Poolvertrags auch gegenüber nicht-veranlassenden Erwerbern begünstigten Vermögens wirkt. In beiden Auslegungsvarianten bleibt es allerdings dabei, dass ein Behaltensfristverstoß nur vorliegt, „soweit“ die Poolbindung aufgehoben wird. Auch hieraus folgt, dass z.B. die Teilkündigung des Poolvertrages oder die Herausnahmen einzelner gebundener Anteile eines Gesellschafters die Bindung im Übrigen unberührt lässt (vgl. bereits Rz. 181). Das Gesetz sanktioniert seinem Wortlaut nach nur die Aufhebung der Verfügungsbeschränkung oder 183 Stimmbindungsvereinbarung, was nach verständiger Auslegung auch die Kündigung durch begünstigte Erwerber erfasst, jedoch auch nur diese („soweit“) betrifft. Gleichwohl will die Finanzverwaltung hierunter auch Fälle unterhalb der Aufhebung der Poolvereinbarung subsumieren, so z.B. das Absinken der Beteiligungsquote des Pools (durch Austritt einzelner Gesellschafter oder Veräußerung poolgebundener Anteile) unter die maßgebliche Beteiligungsschwelle von 25 %.2 Dies ist grundsätzlich abzulehnen, soweit bei Fortgeltung des Poolvertrages das Absinken nicht auf einer Veräußerung poolgebundener Anteile durch den Erwerber oder dessen Ausscheiden verursacht ist. Anderenfalls wäre der Erwerber ohne sein Verschulden durch reine Fremdbestimmung zur Nachversteuerung gezwungen. Erst recht gilt dies, soweit die Finanzverwaltung der Auffassung ist, dass ein nachsteuerschädliches Absinken der Beteiligungsschwelle auch durch eine Kapitalerhöhung verursacht wird. Gerade in diesen Fällen ändert sich an der ursprünglich erworbenen Beteiligung und am Poolvertrag nichts; die Beteiligung der Poolgemeinschaft wird lediglich (wie alle Gesellschafter, die an der Kapitalerhöhung nicht teilnehmen) „verwässert“. Faktisch wäre also der Pool zur Teilnahme an Kapitalerhöhungen gezwungen. Eine Nachversteuerung in diesen Fällen liefe daher der gesetzgeberischen Intention zuwider. Verfügungen unterhalb der Schwelle der Veräußerung, wie z.B. die Einräumung eines Nießbrauchs, lösen keinen Behaltensfristverstoß i.S.d. § 13a Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 ErbStG aus.3 1 A.A. wohl Kreklau, BB 2009, 748 (751). 2 R E 13a.10 Abs. 2 Nr. 3 ErbStR 2011. 3 R E 13a.10 Abs. 1 Nr. 1 ErbStR 2011.
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§ 13a ErbStG Rz. 184 Steuerbefreiung für Betriebsvermögen, LuF, Anteile 184 Andererseits erkennt die Finanzverwaltung an, dass die Aufhebung der Poolvereinbarung durch
„Konfusion“, nämlich im Fall der Vereinigung aller poolgebundenen Anteile beim letzten Poolmitglied, nicht zu einem Nachsteuerverstoß führt.1 185 Nachträgliche Änderungen und Modifizierungen der Poolabrede sind unschädlich, soweit hier-
durch nicht die Stimmrechtsbündelung oder Verfügungsbeschränkung aufgehoben wird. Nach dem Wortlaut des Gesetzes löst es auch keine Nachsteuerfolgen aus, wenn sich die Poolmitglieder (auch fortgesetzt, ggf. unter Hinnahme von vertraglich vereinbarten Vertragstrafen) über die Poolvereinbarung hinwegsetzen.2 Gleichwohl dürfte davon auszugehen sein, dass in denjenigen Fällen, in denen eine solche Poolvereinbarung von den Beteiligten bei verständiger Würdigung nicht ernstlich „gelebt“ wird, von einer konkludenten Aufhebung oder zumindest von einem vergleichbare Sachverhalt auszugehen sein wird. 186 Nach ihrem eindeutigen Wortlaut bezieht sich die Regelung des § 13a Abs. 6 Satz 1 Nr. 4 ErbStG nur
auf Poolverträge i.S.d. § 13b Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 ErbStG, also auf solche Poolverträge, an denen der Erblasser oder Schenker selbst beteiligt ist und die zu einer Zusammenrechnung der Anteile der Poolmitglieder zwecks Erlangung der Begünstigung dem Grunde nach i.S.d. § 13b Abs. 1 ErbStG geschlossen werden. Nicht anwendbar ist die Regelung daher auf Poolverträge i.S.d. § 13b Abs. 4 Nr. 2 Satz 2 ErbStG, die „auf unteren Ebenen“ über Kapitalgesellschaftsbeteiligungen im Betriebsvermögen geschlossen werden, und bei denen die Zusammenrechnung der Vermeidung von Verwaltungsvermögen i.S.d. § 13b Abs. 4 Nr. 2 ErbStG erfolgt. Daraus folgt, dass Poolverträge „auf unteren Ebenen“ nicht über die gesamte Dauer der Nachsteuerperiode durchgehalten werden müssen und (ggf. nach Abwarten einer gewissen „Schamfrist“) die Aufhebung dieser Poolvereinbarung nicht dazu führt, dass die gepoolten Anteile rückwirkend als Verwaltungsvermögen zu qualifizieren sind.3 187 Der Nachsteuertatbestand betreffend die Aufhebung der Poolvereinbarung ist nicht von der Reinves-
titionsklausel des § 13a Abs. 6 Satz 3, 4 ErbStG erfasst. Dementsprechend kann die Aufhebung einer Poolvereinbarung nicht durch Abschluss eines „neuen“ Poolvertrages innerhalb von sechs Monaten „geheilt“ werden.
III. Berechnung der Nachsteuer (Abs. 6 Satz 2 ) 1. Behaltensfristverstöße 188 § 13a Abs. 6 Satz 2 ErbStG enthält Regelungen zur Berechnung der Nachsteuer (im Gesetzt i.d.F. des
ErbStAnpG 2016 als „rückwirkende Besteuerung“ bezeichnet). Jede Nachsteuer ist (wie die Schenkungsteuer auch) erwerberbezogen, d.h. jeder Erwerber steht nur hinsichtlich der von ihm verwirklichten Nachsteuertatbestände ein. Dies gilt sowohl für Behaltensfristverstöße als auch für Überentnahmen. § 13a Abs. 6 Satz 2 ErbStG stellt zunächst klar, dass für sämtliche Behaltensfristverstöße, mit Ausnahme der Überentnahmen, seit dem 1.1.2009 das sog. „Abschmelzungsmodell“ gilt (bis zum 31.12.2008 galt eine sog. Fallbeilregelung). Hierbei bleibt dem Erwerber für jedes volle Jahr, währenddessen er das geschenkte oder ererbte Vermögen ohne Behaltensfristverstoß erhalten hat, 1/5 (Regelverschonung) bzw. 1/7 (Vollverschonung) des ursprünglich gewährten Verschonungsabschlags. Der Regelung liegt die Vorstellung zugrunde, dass der Erwerber bei Verwirklichung eines Behaltensfristverstoßes zwar so besteuert wird, als sei das dem Behaltensfristverstoß unterliegende Vermögen ohne Gewährung der Verschonungsabschläge auf ihn übergegangen, allerdings nur, soweit die Behaltensfrist im Zeitpunkt der Verwirklichung des Nachsteuertatbestandes noch nicht abgelaufen ist. 189 Angesichts des klaren Wortlauts gilt das Abschmelzungsmodell nur für den Verschonungsabschlag,
nicht aber für den Abzugsbetrag nach § 13a Abs. 2 ErbStG Dies bedeutet, dass der Abzugsbetrag stets (im Umfang des dem Behaltensfristverstoß unterliegenden Teils des Gesamterwerbs) wegfällt, ohne dass hierfür eine weitere zeitanteilige Quotelung durchzuführen ist.4 1 2 3 4
R E 13b.10 Abs. 1 Nr. 3 ErbStR 2011. Ebenso Wachter in F/J/P/W5, § 13a ErbStG Rz. 234. R E 13b.15 Abs. 1 Satz 3 ErbStR 2011. Weinmann in Moench/Weinmann, § 13a ErbStG Rz. 153 (Stand: September 2016).
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Behaltensfrist (Abs. 6)
Rz. 193 § 13a ErbStG
Hinsichtlich der einzelnen Nachsteuertatbestände gilt Folgendes: 190 – Veräußert der Erwerber innerhalb der Behaltensfrist die begünstigt erworbene betriebliche Einheit, so entfällt der Abzugsbetrag grundsätzlich ganz und der Verschonungsabschlag in dem zeitlichen Umfang, in dem die Behaltensfrist in vollen Jahren noch nicht abgelaufen ist. Veräußert der Erwerber nur einen Teil des begünstigt erworbenen betrieblichen Vermögens (z.B. Teilmitunternehmeranteil oder Teil-Anteil an einer Kapitalgesellschaft), so entfallen der Abzugsbetrag und der Verschonungsbetrag nur im Umfang der Teilveräußerung im Verhältnis zum ursprünglichen Gesamterwerb („soweit“). Auf den Verschonungsabschlag ist dann noch die zeitanteilige Quotelung anzuwenden. In beiden Fällen ist maßgeblicher gemeiner Wert für die Festsetzung der Nachsteuer der gemeine Wert im Zeitpunkt der ursprünglichen Übertragung.1 Dies folgt schon verfahrensrechtlich daraus, dass gem. § 175 Abs. 1 Nr. 1 AO durch das nachsteuerauslösende Ereignis (nur) der ursprüngliche Erbschaft- und Schenkungsteuerbescheid dergestalt geändert wird, dass bei (ursprünglicher) Bemessungsgrundlage der Abzugsbetrag und Verschonungsabschlag insoweit nicht gewährt werden. Beispiel: Erwerber E erwirbt einen GmbH-Anteil im gemeinen Wert von 100. Zwei Jahre später veräußert er den Anteil für 120 (Abwandlung: 80). Der Nachsteuer wegen Behaltensfristverstoß unterliegt nur der ursprüngliche Erwerb im gemeinen Wert von 100.
– Auch bei der Veräußerung wesentlicher Betriebsgrundlagen erfolgt ein nur anteilig im Verhältnis 191 zum Gesamtwert zu ermittelnder Wegfall des Abzugsbetrags und des Verschonungsabschlags, wobei der Verschonungsabschlag nochmals in Abhängigkeit davon, zu welchem Zeitpunkt die Veräußerung der wesentlichen Betriebsgrundlage erfolgt ist, zu quoteln ist. Auch hier kommt es insbesondere auf den gemeinen Wert der wesentlichen Betriebsgrundlage im Zeitpunkt der Übertragung des begünstigten Vermögens an, was im Einzelfall zu erheblichen Schwierigkeiten bei der Wertermittlung führen kann. Beispiel: Der Steuerpflichtige erwirbt einen begünstigten KG-Anteil im Wert von 100. Im Jahr 02 veräußert er eine wesentliche Betriebsgrundlage für 30 (Abwandlung: 10), deren Wert im Zeitpunkt des Erwerbs des begünstigten Vermögens 20 betrug. Der Nachsteuer unterliegt nur der anteilig auf die 20 zu 100 entfallende Abzugsbetrag und Verschonungsabschlag.
Zugunsten des Steuerpflichtigen kann zu berücksichtigen sein, dass ein ursprünglich nicht oder in 192 geringerem Maße zu gewährender Abzugsbetrag (wegen Überschreitens der Grenze i.H.v. 3 Mio. Euro) gewissermaßen „wiederauflebt“, weil durch den Nachsteuerverstoß das begünstigt erworbene Vermögen unter die maßgebliche Grenze von 3 Mio. Euro gesunken ist.2 Die unentgeltliche Übertragung des begünstigt erworbenen Vermögens (Weiterschenkung) innerhalb 193 der Behaltensfrist stellt keinen Behaltensfristverstoß dar.3 Allerdings endet auch die Nachsteuerperiode des Ersterwerbers durch die Weiterschenkung nicht. Dies führt dazu, dass sich bei einer Weiterschenkung des begünstigt erworbenen Vermögens innerhalb der Behaltensfrist ggf. zwei parallel bestehende Nachsteuerperioden „überlagern“; zum einen die des Ersterwerbers und zum anderen die des Letzterwerbers. In diesem Fall kann es dazu kommen, dass eine schädliche Verfügung des Letzterwerbers (z.B. Veräußerung des begünstigt erworbenen Vermögens) bei diesem und beim Ersterwerber zu einem separat zu berechnenden Behaltensfristverstoß führt, wenn die Veräußerung sowohl innerhalb der Behaltensfrist des Letzterwerbers als auch noch in der Behaltensfrist des Ersterwerbers stattgefunden hat.4 Dieses Risikos muss sich jedenfalls der Ersterwerber bewusst sein, wenn er das begünstigt erworbene Vermögen innerhalb der Behaltensfrist weitergibt. Ggf. ist dann die Festsetzung einer Nachsteuer gegen ihn außerhalb seines persönlichen Einflussbereichs. Diese „Doppelung“ der Nachsteuerperiode gilt freilich nur im Falle der Weiterschenkung des begünstigt erworbenen Vermögens. Stirbt der Ersterwer-
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Weinmann in Moench/Weinmann, § 13a ErbStG Rz. 154 (Stand: September 2016). R E 13a.12 Abs. 1 Satz 7 ErbStR 2011; Scholten/Korezki, DStR 2009, 991 (995). R E 13a.5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ErbStR 2011. R E 13a.12 Abs. 5 Satz 2 ErbStR 2011.
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§ 13a ErbStG Rz. 194 Steuerbefreiung für Betriebsvermögen, LuF, Anteile ber und wird durch den Letzterwerber innerhalb der Behaltensfrist des Ersterwerbers beerbt, so endet die Nachsteuerperiode des Ersterwerbers ohne Weiteres.1 2. Überentnahmen 194 Entsteht aufgrund einer Überentnahme des Erwerbers eine Nachsteuer, so unterliegt der Nachsteuer
nur der Überentnahmebetrag selbst, wobei die Höchstgrenze naturgemäß der gemeine Wert des ursprünglich erworbenen begünstigten Vermögens bzw. die nach Abzug persönlicher Freibeträge insgesamt festgesetzte Steuer ist. Insbesondere kommt es bei Überentnahmen zu keiner zeitanteiligen Quotelung, da eine Abrechnung der endgültigen Überentnahmesumme ohnehin erst nach Ablauf des Überentnahmezeitraums erfolgt (vgl. hierzu Rz. 157). Im Falle von Überentnahmen ist davon auszugehen, dass der Abzugsbetrag ebenfalls anteilig im Verhältnis der Überentnahme zum gemeinen Wert des ursprünglich erworbenen Betriebsvermögens entfällt.2 3. „Mehrfachverstöße“ 195 Grundsätzlich gilt für Behaltensfristverstöße im Verhältnis untereinander das Prioritätsprinzip, d.h.,
dass Behaltensfristverstöße grundsätzlich in der Reihenfolge ihrer Verwirklichung Nachsteuer auslösen. Anders kann dies jedoch sein beim Zusammentreffen von Behaltensfristverstößen i.S.d. § 13a Abs. 6 ErbStG mit einem Lohnsummenverstoß. Dies insbesondere deswegen, weil die Lohnsummenkontrolle durch den Verkauf des begünstigt erworbenen Vermögens nicht etwa entfällt. Vielmehr gehen in diesem Falle ab dem Zeitpunkt der Veräußerung lediglich die Löhne und Gehälter der Arbeitnehmer des ehemals begünstigt erworbenen Betriebes mit 0 Euro in die Mindestlohnsumme ein (bei nur anteiliger Veräußerung des begünstigt erworbenen Anteils ergäbe sich hingegen keine Lohnsummenauswirkung, da die Lohnsummenkontrolle bezogen auf die übertragene betriebliche Einheit, nicht den Anteil daran, zu ermitteln ist). Dies führt dazu, dass jede vollständige Veräußerung innerhalb der Behaltensfrist auch potenziell einen Lohnsummenverstoß nach sich zieht. Im Falle eines solchen „Doppelverstoßes“ wäre jedoch die zweifache Festsetzung von Nachsteuer aus zwei Tatbeständen unbillig. Vielmehr ist sowohl die (zeitanteilig zu quotelnde) Nachsteuer wegen des Behaltensfristverstoßes als auch die (am prozentualen Unterschreiten der Mindestlohnsumme gemessene) Nachsteuer wegen Unterschreitens der Mindestlohnsumme zu berechnen. Der endgültigen Nachversteuerung unterliegt der jeweils höhere Betrag.3 196 Treffen Behaltensfristverstöße und Überentnahmen zusammen, wird der Überentnahmeverstoß
verdrängt, wenn beide Verstöße durch dieselbe Handlung verwirklicht werden (z.B. Entnahme einer wesentlichen Betriebsgrundlage).4 Werden durch verschiedene Handlungen ohne inhaltlichen Zusammenhang Behaltensfristverstöße und Überentnahme verwirklicht, ist davon auszugehen, dass kumulativ Nachsteuer festzusetzen ist.5 197 Beispiel: Erwerber E veräußert den ererbten KG-Anteil (gemeiner Wert 5 Mio. Euro) im Jahr 03 nach dem begünstigten Erwerb. Bis dahin hat er allerdings schon Überentnahmen i.H.v. 4 Mio. Euro getätigt.
198 Beide Verstöße führen demgemäß zur Festsetzung von Nachsteuer, wobei freilich die Höchstgrenze der
Wert des ursprünglich begünstigt erworbenen Vermögens selbst ist. Es ist allerdings zu beachten, dass auf diese Weise eine Nachsteuerfestsetzung wegen der Verwirklichung von Überentnahmen den Vorteil, den der Steuerpflichtige bei Veräußerung des gesamten begünstigt erworbenen Vermögens aufgrund des Abschmelzungsmodelles genießt, z.T. wieder konterkariert wird.
1 R E 13a.12 Abs. 6 ErbStR 2011; a.A. zwar FG Münster v. 12.6.2013 – 3 K 204/11 Erb, EFG 2013, 1782, rk., von der Finanzverwaltung jedoch nicht angewendet. 2 A.A. wohl Wachter in F/J/P/W5, § 13a ErbStG Rz. 250. 3 R E 13a.12 Abs. 3 Satz 2 ErbStR 2011; vgl. auch das Beispiel in H E 13a.12 „Nachversteuerung“, Beispiel 2 ErbStH 2011. 4 R E 13a.8 Abs. 1 Satz 6 ErbStR 2011. 5 Jülicher in T/G/J, § 13a ErbStG Rz. 287 (Stand: April 2016) m.w.N. zum Meinungsstand.
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Behaltensfrist (Abs. 6)
Rz. 204 § 13a ErbStG
IV. Reinvestition (Abs. 6 Satz 3 und 4) Nach § 13a Abs. 6 Satz 3 und 4 ErbStG ist von einer Nachversteuerung abzusehen, „wenn der Veräuße- 199 rungserlös innerhalb der jeweils nach § 13 Abs. 1 begünstigten Vermögensart verbleibt. Hiervon ist auszugehen, wenn der Veräußerungserlös innerhalb von sechs Monaten in entsprechendes Vermögen investiert wird, das zum begünstigten Vermögen im Sinne des § 13b Absatz 2 gehört.“ Das Gesetz gibt also dem Erwerber die Möglichkeit, trotz einer (teilweisen) Veräußerung des begünstigt erworbenen Vermögens oder trotz der Veräußerung/Entnahme wesentlicher Betriebsgrundlagen aus dem begünstigt erworbenen Vermögen den hier durch tatbestandlich verwirklichten Behaltensfristverstoß zu „heilen“, in dem der Veräußerungserlös reinvestiert wird. Daraus folgt für die Frage, ob und in welcher Höhe Nachsteuer festzusetzen ist, eine zweistufige Prüfung. In einem ersten Schritt ist zu prüfen, ob die Tatbestandsvoraussetzungen eines Behaltensfristverstoßes i.S.d. § 13a Abs. 6 Satz 1 Nr. 1, 2, 4 ErbStG verwirklicht worden sind. In einem zweiten Schritt ist danach festzustellen, ob ggf. eine wirksame Reinvestition erfolgt ist. Diese gesetzliche Regelung fußt auf einer vormaligen Verwaltungsauffassung (R 63 Abs. 2 Satz 3 200 ErbStR 2003), geht jedoch deutlich über deren Regelungsbereich hinaus. Die gesetzliche Regelung umfasst nicht nur die Reinvestition des Veräußerungserlöses aus der Veräußerung wesentlicher Betriebsgrundlagen, sondern auch den Erlös aus der Veräußerung des begünstigt erworbenen Betriebsvermögens, des Kapitalgesellschaftsanteils oder Anteils an einer Personengesellschaft selbst. Andererseits gilt es, die gesetzlichen Voraussetzungen für eine wirksame Reinvestition zu erfüllen, um tatsächlich in den Genuss der Ausnahme von der Nachversteuerung zu kommen. Satz 3 setzt zunächst voraus, dass der Veräußerungserlös „innerhalb der jeweils nach § 13b Abs. 1 201 begünstigten Vermögensart verbleibt“. Bis zum 30.6.2016 fehlte im Gesetzeswortlaut das Wort „jeweils“. Daher war umstritten, ob eine Reinvestition nur innerhalb derselben Begünstigungsnummer des § 13b Abs. 1 ErbStG1 oder auch „übergreifend“ in sämtliche begünstigten betrieblichen Einheiten i.S.d. § 13b Abs. 1 Nr. 1 bis 3 ErbStG zulässig war.2 Durch die gesetzliche Klarstellung im Rahmen des ErbStAnpG 2016 wurde die bisherige Verwaltungsauffassung bestätigt und klargestellt, dass z.B. nach der Veräußerung eines ererbten oder geschenkten KG-Anteils (§ 13b Nr. 2 ErbStG) die Reinvestition des Veräußerungserlöses wiederum in den Erwerb eines neuen KG-Anteils (§ 13b Nr. 2 ErbStG) zu erfolgen hat. Keine wirksame Reinvestition liegt dementsprechend vor, wenn nach der Veräußerung eines ererbten oder verschenkten KG-Anteils (§ 13b Nr. 2 ErbStG) eine Reinvestition des Veräußerungserlöses in einen GmbH-Anteil (§ 13b Abs. 1 Nr. 3 ErbStG) oder land- und forstwirtschaftliches Vermögen (§ 13b Abs. 1 Nr. 1 ErbStG) erfolgt. Konsequenterweise wollte bereits vor Anpassung des Wortlauts des § 13b Abs. 6 Satz 3 ErbStG durch 202 das ErbStAnpG 2016 die Finanzverwaltung die Reinvestition eines Veräußerungserlöses aus landund forstwirtschaftlichem Vermögen nur in land- und forstwirtschaftliches Vermögen des Wirtschaftsteils i.S.d. § 160 Abs. 2 BewG zulassen.3 War Gegenstand der Veräußerung eine wesentliche Betriebsgrundlage aus dem Betriebsvermögen, 203 so ist es für das Erfordernis eines „Verbleibens innerhalb der jeweils nach § 13 Abs. 1 ErbStG begünstigten Vermögensart“ ausreichend, wenn hieraus ein Wirtschaftsgut in demselben oder in einem anderen (begünstigungsfähigen) Betriebsvermögen gleicher Art des Steuerpflichtigen angeschafft wird, ohne dass es sich um vom selben Erblasser oder Schenker erworbenes Vermögen handeln muss.4 Eine nachsteuerausschließende Reinvestition gem. § 13a Abs. 6 Satz 3 und 4 ErbStG als Gesamtvor- 204 gang kann nach hier vertretener Auffassung auch erfüllt sein kann, indem der Erwerb eines Ersatzwirtschaftsgutes vor der Veräußerung der wesentlichen Betriebsgrundlage erfolgt, die ersetzt werden soll. Zwar spricht § 13a Abs. 6 Satz 4 ErbStG von einer Investition des Veräußerungserlöses, was 1 So die Finanzverwaltung, R E 13a.11 Satz 1 ErbStR 2011; zust. Korezkij, DStR 2009, 2412 (2413); Geck in Kapp/ Ebeling, § 13a ErbStG Rz. 119 (Stand: April 2015); Weinmann in Moench/Weinmann, § 13a ErbStG Rz. 146 (Stand: September 2016). 2 Schmidt/Leyh, NWB 2009, 2557 (2575); Wachter in F/J/P/W5, § 13a ErbStG Rz. 241a m.w.N. 3 BayLfSt v. 13.11.2015, DStR 2016, 414, Tz. 2 a.E. 4 Wachter in F/J/P/W5, § 13a ErbStG Rz. 241a.
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§ 13a ErbStG Rz. 205 Steuerbefreiung für Betriebsvermögen, LuF, Anteile impliziert, dass ein solcher bereits vorhanden ist. Dies ist grundsätzlich erst nach dem Verkauf der wesentlichen Betriebsgrundlage der Fall. Im Einzelfall kann es jedoch geboten sein, den Gesetzeswortlaut zweckkonform auszulegen, um dem wirtschaftlichen Gesamtzusammenhang unter Berücksichtigung der Umstände im Einzelfall angemessen Rechnung zu tragen. So kann es im Einzelfall erforderlich sein, eine Ersatzmaschine mit längerer Lieferzeit bereits vor der Veräußerung der alten Maschine zu bestellen und auch zu bezahlen, damit die Produktion nicht stillsteht. Auch dies stellt wirtschaftlich einen Verbleib innerhalb der begünstigten Vermögensart i.S.d. § 13a Abs. 6 Satz 3 ErbStG dar. Den wirtschaftlichen Zusammenhang („Maschine wird veräußert, dafür wird neue Maschine angeschafft“), auf den es für die Frage einer nachsteuerausschließenden Reinvestition allein ankommt, vermag auch eine – den Umständen geschuldete – Umkehr der Reihenfolge nicht zu beseitigen. 205 Die sechsmonatige Karenzfrist zur Durchführung der Reinvestition ist nicht als starre Frist zu verste-
hen, sondern hinreichend offen, um den Besonderheiten des Einzelfalles Rechnung zu tragen.1 Soweit die Reinvestition aufgrund der Komplexität des Wirtschaftsgutes längere Zeit in Anspruch nimmt, können trotzdem die Voraussetzungen einer wirksamen Reinvestition vorliegen, auch wenn der Vorgang wesentlich länger dauert.2 Ferner stellt sich die Frage, ob auch eine zwischenzeitliche Anschaffung von nicht begünstigtem Vermögen längstens für sechs Monate vor der „eigentlichen Reinvestition“ in wiederum begünstigtes Vermögen unschädlich ist. Nach dem Wortlaut des Gesetzes ist dies der Fall, da erst nach einem Zeitraum von sechs Monaten der „Erfolg“ der Reinvestition eingetreten sein muss. Gleichwohl ist in der Praxis davon abzuraten, einen etwaigen Veräußerungserlös zwischenzeitlich in nicht begünstigtes Vermögen zu „parken“, da dann eine Diskussion mit der Finanzverwaltung vorprogrammiert ist, ob dies bereits die endgültige Reinvestition darstellt oder ob noch die Weiterinvestition in ein wiederum begünstigtes Vermögen beabsichtigt ist. Der Nachweis einer solchen subjektiven Tatbestandsmäßigkeit ist naturgemäß in der Praxis schwierig. 206 § 13a Abs. 6 Satz 4 ErbStG erfordert, dass die Reinvestition in begünstigtes Vermögen i.S.d. § 13b
Abs. 2 ErbStG erfolgt. Diese Formulierung ist weniger streng als die bis zum 30.6.2016 geltende Fassung, wonach das Reinvestitionswirtschaftsgut „nicht zum Verwaltungsvermögen“ gehören dürfte, da das begünstigtes Vermögen iSd § 13b Abs. 2 ErbStG auch Verwaltungsvermögen umfasst, welches nach Schuldenabzug und Kulanzgrenze gleichwohl begünstigtes Vermögen sein kann (dazu § 13b ErbStG Rz. 221). Während also bis zum 30.6.2016 z.B. die Anschaffung von Wertpapieren i.S.d. § 13b Abs. 2 Nr. 4 ErbStG a.F. bereits „ab dem 1. Euro“ schädlich war, ist heute danach zu differenzieren, ob und in welcher Höhe begünstigtes Vermögen vorliegt. Nach der heutigen Formulierung ist also eine Reinvestition erst insoweit misslungen, als durch die Anschaffung des Ersatzwirtschaftsgutes oder die Vereinnahmung des Veräußerungserlöses nicht begünstigtes Vermögen entsteht. 207 In Abweichung vom sonst geltenden strengen Stichtagsprinzip ist für die Prüfung, ob die Reinvestition
in begünstigtes Vermögen i.S.d. § 13b Abs. 2 ErbStG erfolgt, der Zeitpunkt der Ausführung der Reinvestition maßgeblich.3 Bei der Anschaffung eines nicht zum Verwaltungsvermögen i.S.d. § 13b Abs. 4 ErbStG gehörenden Wirtschaftsgutes ist diese Prüfung obsolet; bei der Anschaffung eines Wirtschaftsgutes des Verwaltungsvermögens i.S.d. § 13b Abs. 4 ErbStG ist nach dem Wortlaut die volle Durchführung einer Berechnung des begünstigten Vermögens erforderlich. Eine Reinvestition ist hierbei nicht etwa ausgeschlossen, weil das angeschaffte Wirtschaftsgut „junges“ Verwaltungsvermögen darstellen würde, welches stets nicht begünstigtes Vermögen wäre. § 13b Abs. 7 Satz 2 ErbStG kann auf das Reinvestitionsgut keine Anwendung finden, da sich die Regelung nicht auf den Reinvestitionszeitpunkt sondern auf den Übertragungsstichtag bezieht, so dass kein relevanter Zweijahreszeitraum bestimmt werden könnte. 208 Die Finanzverwaltung gestand bereits vor dem 1.7.2016 dem Steuerpflichtigen im Kulanzwege zu,
dass es bei der Veräußerung wesentlicher Betriebsgrundlagen für eine gelungenere Investition ausreichend ist, wenn der Reinvestitionserlös zur Tilgung betrieblicher Schulden4 (zu denen nicht etwa 1 Zutr. Schmidt/Leyh, NWB 33/2009, 2557 (2574); Geck in Kapp/Ebeling, § 13a ErbStG Rz. 120 (Stand: November 2016): nur „Regelbeispiel“. 2 Geck in Kapp/Ebeling, § 13a ErbStG Rz. 120 (Stand: November 2016). 3 Jülicher in T/G/J, § 13a ErbStG Rz. 423 (Stand: November 2016). 4 R E 13a.11 Satz 3 ErbStR 2011.
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Mitwirkungspflichten des Steuerpflichtigen (Abs. 7 und 8)
Rz. 212 § 13a ErbStG
die private Erbschaftsteuer oder etwaige Abfindungszahlungen an Miterben etc. gehören) oder zur Erhöhung betrieblicher Liquiditätsreserven, die nicht zum Verwaltungsvermögen gehören, verwendet wird.1 Diese Verwaltungsauffassung ist gemessen am Gesetzeswortlaut folgerichtig, da auch in diesen Fällen der Veräußerungserlös letztlich innerhalb der nach § 13b Abs. 1 ErbStG begünstigten Vermögensart verbleibt. Allerdings hatte das AmtshilfeRLUmsG (hierzu § 13b ErbStG Rz. 19) diesbezüglich eine wesentliche Änderung zur Folge. Vor dem Inkrafttreten des AmtshilfeRLUmsG konnte der Steuerpflichtige in der Praxis mit Deckung durch die Finanzverwaltung neben der Tilgung betrieblicher Schulden auch Veräußerungsgewinne auf Tages- oder Festgeldkonten schlicht „stehenlassen“, dies in beliebiger Höhe und auch über die Sechsmonatsfrist hinaus. Seit in Kraft treten des AmtshilfeRLUmsG bis zum 30.6.2016 war danach zu differenzieren, ob durch die Zuführung des Veräußerungserlöses Verwaltungsvermögen i.S.d. § 13b Abs. 2 Satz 2 Nr. 4a ErbStG a.F. entstand bzw. sich solches erhöhte. Soweit dies der Fall war (aber auch erst dann und insoweit)2 lag eine nachsteuerschädliche Reinvestition in Verwaltungsvermögen vor. Bis zur Höhe der Verbindlichkeiten zuzüglich eines Freibetrags von 20 % des gemeinen Wertes des Unternehmens war das „Stehenlassen“ von Veräußerungserlösen unschädlich.3 Mit Änderung des Wortlauts des § 13a Abs. 6 Satz 4 ErbStG durch das ErbStAnpG 2016 gelten dieselben Grundsätze für die Reinvestition in begünstigtes Vermögen i.S.d. § 13b Abs. 2 Satz 1 ErbStG. Da das Gesetz lediglich eine Reinvestition „innerhalb der jeweils nach § 13b Abs. 1 ErbStG begünstig- 209 ten Vermögensart“ verlangt, kann eine Reinvestition des Veräußerungserlöses auch in einem anderen Betriebsvermögen des Erwerbers erfolgen. Dieses muss nicht etwa vom gleichen Erblasser oder Schenker herrühren. Klar wird dies, wenn man sich vor Augen führt, dass der Erwerber im Rahmen der Reinvestition die begünstigt erworbene betriebliche Einheit vollständig veräußern kann und eine gänzlich andere begünstigungsfähige betriebliche Einheit anschaffen kann. Eine Nämlichkeit des erworbenen Vermögens und des Reinvestitionsvermögens wird also nicht verlangt. Dann muss dasselbe aber auch gelten, wenn nach der Veräußerung wesentlicher Betriebsgrundlagen aus dem begünstigt erworbenen Betrieb der Veräußerungserlös in einem anderen Betrieb des Steuerpflichtigen reinvestiert wird. Der Diskussion über den „Verbleib“ innerhalb der begünstigten Vermögensart (dazu oben Rz. 201) kann man freilich entgehen, wenn der Veräußerungserlös in der nämlichen Einheit reinvestiert wird, die Gegenstand des begünstigten Erwerbs war; gleichwohl ist eine Reinvestition in einem anderen Betriebsvermögen, anders als die Einlage zur „Heilung“ von Überentnahmen (vgl. Rz. 161), zulässig. Ein Verbleib in der jeweils begünstigten Vermögensart bedeutet nicht per se, dass das Reinvestitionsgut 210 bis zum Ablauf der Behaltensfrist nicht veräußert werden darf. Da nicht erforderlich ist, dass das angeschaffte Reinvestitionsgut seinerseits eine wesentliche Betriebsgrundlage darstellen muss, sind auch verbrauchbare Wirtschaftsgüter, z.B. des Umlaufvermögens, taugliche Reinvestitionsgüter. Diese können innerhalb der Behaltensfrist veräußert oder verarbeitet werden; ein Behalten des Reinvestitionsgutes bis zum Ablauf der Behaltensfrist ist nicht erforderlich. Stellt das Reinvestitionsgut allerdings eine wesentliche Betriebsgrundlage dar, erscheint es naheliegend, dass sich die Behaltensfristverhaftung daran fortsetzt mit der Folge, dass eine Veräußerung innerhalb der Behaltensfrist wiederum einen (reinvestitionsfähigen) Behaltensfristverstoß darstellt.
H. Mitwirkungspflichten des Steuerpflichtigen (Abs. 7 und 8) § 13a Abs. 7 und 8 ErbStG entsprechen, bis auf wenige rein redaktionelle Änderungen, den vormali- 211 gen § 13a Abs. 6 und 7 ErbStG a.F. § 13a Abs. 7 und Abs. 8 ErbStG regeln umfassende Mitwirkungspflichten des Steuerpflichtigen (Er- 212 werbers), die die allgemeinen steuerlichen Pflichten (z.B. Nacherklärungspflicht i.S.d. § 153 AO) ergänzen, z.T. jedoch weit über diese hinausgehen. Zwar ist die Finanzverwaltung grundsätzlich gehalten, 1 R E 13a.11 Satz 5 ErbStR 2011. 2 Stalleiken, DB 2013, 2586 (2587). 3 Korezkij, DStR 2013, 1764 (1779); Mannek/Erkis, StB-Jahrbuch 2013/2014, 492 (513 f.); missverständlich gleich lautende Erlasse v. 10.10.2013, BStBl. I 2013, 1272, Tz. 6.
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§ 13a ErbStG Rz. 213 Steuerbefreiung für Betriebsvermögen, LuF, Anteile jedweden Sachverhalt, der zu einer (Nach-)Steuer des Steuerpflichtigen führen kann, selbstständig zu ermitteln (Amtsermittlungsgrundsatz). Andererseits steht die Finanzverwaltung hinsichtlich der Überwachung der Behaltensfristen und evtl. Lohnsummenverstöße einem erheblichen Vollzugsdefizit gegenüber. Ohne entsprechende Mitwirkungspflichten des Steuerpflichtigen ist es der Finanzverwaltung von sich aus i.d.R. kaum erkennbar, ob der Steuerpflichtige die Behaltensfristverstöße i.S.d. § 13a Abs. 6 ErbStG oder einen Lohnsummenverstoß i.S.d. § 13a Abs. 3 ErbStG verwirklicht hat. 213 Diesem Dualismus folgt auch der Aufbau des § 13a Abs. 7 ErbStG. Dessen Satz 1 regelt zunächst,
dass der Erwerber dem Erbschaftsteuerfinanzamt ein Unterschreiten der Mindestlohnsumme innerhalb einer Frist von sechs Monaten nach Ablauf des Lohnsummenzeitraums selbstständig mitzuteilen hat. 214 § 13a Abs. 7 Satz 2 ErbStG regelt korrespondierend für die Behaltensfristverstöße eine Mitteilungs-
pflicht des Steuerpflichtigen über das Vorliegen eines Behaltensfristverstoßes i.S.d. Abs. 6 binnen einer Frist von einem Monat nach Verwirklichung des Tatbestandes. Letztere, ohnehin kurz bemessene Frist kann für den Steuerpflichtigen zu nicht unerheblichen strafrechtlichen Problemen führen, wenn er ihr z.B. mangels Kenntnis über den Behaltensfristverstoß nicht binnen der vorgegebenen Zeit nachkommt. Insbesondere der Tatbestand der Veräußerung wesentlicher Betriebsgrundlagen (§ 13a Abs. 6 Satz 1 Nr. 1 Satz 2 Var. 2 ErbStG) ist weit gefasst und kann vom Steuerpflichtigen ggf. auch unbeabsichtigt verwirklicht werden. Kenntnis des Steuerpflichtigen vom Vorliegen eines Behaltensfristverstoßes spielt jedoch ausweislich des Wortlauts bei der Fristbemessung keine Rolle. Anzumerken ist, dass Überentnahmen (Nr. 3) zwar in den Anwendungsbereich des § 13a Abs. 7 Satz 2 ErbStG fallen, gleichwohl hat auch hier eine Anzeige jedoch erst binnen eines Monats nach Ablauf der Behaltensfrist zu erfolgen, weil das Unterschreiten der Mindestlohnsumme während des Lohnsummenermittlungszeitraums nicht nachzuhalten ist, sondern erst am Ende ermittelt werden muss (vgl. hierzu Rz. 62). 215 Die Anzeige hat auch zu erfolgen, wenn der Vorgang zu keiner Besteuerung führt (§ 13a Abs. 7 Satz 6
ErbStG), so z.B., wenn eine wirksame Reinvestition i.S.d. § 13a Abs. 6 Satz 3 und 4 ErbStG erfolgt ist.1 Damit soll sichergestellt werden, dass die Finanzverwaltung über sämtliche nachsteuerrelevanten Tatsachen in Kenntnis gesetzt wird und dergestalt in die Lage versetzt wird, selbstständig über die Festsetzung von Nachsteuer (ggf. auch bei Kumulation von Behaltensfristverstößen und Lohnsummenverstößen, vgl. hierzu Rz. 195) zu entscheiden. 216 § 13a Abs. 7 Satz 3 ErbStG enthält eine spezielle Ablaufhemmung der Erbschaft- und Schenkungsteu-
erfestsetzung, wonach die Festsetzungsfrist nicht vor dem Ablauf des vierten Jahres, nachdem die Finanzbehörde von dem Unterschreiten der Lohnsummengrenze oder den Verstoß gegen die Behaltensregelungen Kenntnis erlangt hat. Die Vorschrift trägt der Auslastung der mit der Erbschaft- und Schenkungsteuererhebung beauftragten Finanzämter Rechnung, ist jedoch gleichwohl zu lang bemessen und kann zu einer im Einzelfall sehr langen Hinderung der Festsetzungsverjährung bei der Erbschaft- und Schenkungsteuer führen. 217 Die – schriftlich abzugebende (§ 13a Abs. 7 Satz 5 ErbStG) – Anzeige nach § 13a Abs. 7 Satz 1 und 2
ErbStG steht einer Steuererklärung i.S.d. Abgabenordnung gleich (§ 13a Abs. 7 Satz 4 ErbStG). Damit ist klargestellt, dass für die Nichtabgabe der Anzeige die gleichen steuer(-straf-)rechtlichen Folgen geknüpft werden wie an die Nichtabgabe oder unrichtige Abgabe der Erbschaft- und Schenkungsteuererklärung selbst. Dies bedeutet freilich nicht, dass durch die Abgabe der Anzeige die Nachsteuer bereits entstanden ist; hierzu bedarf es insoweit noch der Festsetzung durch die Finanzbehörde mittels Änderung des ursprünglichen Erbschaft- und Schenkungsteuerbescheides. 218 § 13a Abs. 8 ErbStG legt dem Steuerpflichtigen nochmals erhöhte Mitwirkungspflichten auf, wenn
und soweit ausländisches Vermögen zum begünstigten Vermögen i.S.d. § 13b Abs. 1, 2 ErbStG gehört hat (zum Umfang des begünstigten Vermögens bei Beteiligungen an Personen- und Kapitalgesellschaften vgl. § 13b ErbStG Rz. 45, 60). Bei Begünstigungssachverhalten mit Auslandsbezug hat der Steuerpflichtige nicht nur „positiv“ anzuzeigen, wenn die Mindestlohnsumme unterschritten worden ist oder ein Behaltensfristverstoß tatbestandlich verwirklicht worden ist. Vielmehr hat er auch – und gerade –
1 R E 13a.5 Abs. 1 Satz 5 ErbStR 2011; Weinmann in Moench/Weinmann, § 13a ErbStG Rz. 162 (Stand: September 2016).
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Wertabschlag für Familienunternehmen (Abs. 9)
Rz. 222 § 13a ErbStG
anzuzeigen, dass ein solcher nachsteuerrelevanter Tatbestand nicht verwirklicht worden ist. Ungeachtet des überschießenden Wortlauts des Gesetzes dürfte es ausreichend sein, wenn der Steuerpflichtige bei Nichtvorliegen eines Lohnsummenverstoßes oder eines Behaltensfristverstoßes dem zuständigen Erbschaft- und Schenkungsteuerfinanzamt einmalig nach Ablauf der Behaltensfrist anzeigt, dass während der Behaltensfrist keine nachsteuerrelevanten Tatbestände verwirklicht worden sind. § 13a Abs. 8 ErbStG trägt dem Umstand Rechnung, dass das Sachverhaltsermittlungsdefizit bei Aus- 219 landssachverhalten der Finanzverwaltung deutlich größer ist. Insbesondere hat die Finanzverwaltung in Auslandssachverhalten i.d.R. keinen Zugriff auf das mittlerweile recht umfassende innerbehördliche Kontrollsystem, mittels welchem die Finanzämter, Registergerichte, Notare und andere Beteiligte untereinander nachsteuerrelevante Tatbestände kommunizieren.
I. Wertabschlag für Familienunternehmen (Abs. 9) I. Allgemeines § 13a Abs. 9 ErbStG regelt erstmalig einen besonderen Wertabschlag für qualifizierte Familienunter- 220 nehmen. Die Regelung ist nach intensiven Beratungen in das Gesetz aufgenommen worden, da auf vielfache Forderung hin die besonderen Umstände von Familienunternehmen bei der Erbschaft- und Schenkungsteuer Berücksichtigung finden müssen. Typischerweise unterliegen Gesellschafter von Familienunternehmen weitreichenden gesellschaftsvertraglichen Beschränkungen, die in erster Linie den Erhalt des Unternehmens und die Beschränkung des Gesellschafterkreises auf die Unternehmerfamilie zum Ziel haben. Typischerweise anzutreffen sind daher Regelungen zur Definition nachfolgeberechtigter Gesellschafter (Verfügungsbeschränkungen), zum Eigenkapitalerhalt der Gesellschaften (Entnahmen bzw. Ausschüttungsbeschränkungen) sowie zur Liquiditätsschonung bei Ausscheiden von Gesellschaftern (Abfindungsbeschränkungen). Gerade die (mittelständischen) Familienunternehmen in Deutschland sind auf langfristigen Unternehmenserhalt ausgerichtet.1 Dies bringt es mit sich, dass Renditeziele für die Gesellschafter in aller Regel nicht im Vordergrund stehen, die Unternehmen auf eine langfristige Beteiligung der Gesellschafterfamilie angelegt sind und daher die Anteile an Familienunternehmen typischerweise weniger fungibel, und wenn, dann nur mit Abschlägen veräußerbar sind. All diese Beschränkungen werden bislang im Rahmen der Anteilsbewertung, nicht zuletzt aufgrund der Vorgaben des § 9 Abs. 2, 3 BewG, nicht angemessen berücksichtigt.2 Gleichwohl besteht Einigkeit darüber, dass diese besonderen Eigenschaften eine Auswirkung auf den „am Markt“ erzielbaren Preis haben, und sei es schon deshalb, weil „der Markt“ begrenzt oder nicht vorhanden ist und die Preisfindung vorgegeben ist. Die Bewertungsvorschriften, insbesondere § 9 Abs. 3 BewG, wurden diesbezüglich im Zuge des 221 ErbStAnpG 2016 bedauerlicherweise nicht geändert. Gewissermaßen als Ausgleich hierfür wird der nachfolgende Wertabschlag für Familienunternehmen gewährt. Es handelt sich bei der Regelung ihrer Rechtsnatur nach nicht um eine Bewertungsvorschrift, sondern um eine Steuerbefreiung. Dieser Wertabschlag wird nur auf das begünstigte Vermögen i.S.d. § 13b Abs. 2 ErbStG angewendet, d.h. der gemeine Wert des zu versteuernden Netto-Verwaltungsvermögens mindert sich durch den Wertabschlag nicht.3 § 13a Abs. 9 Satz 1 ErbStG regelt die Voraussetzungen der Gewährung des Wertabschlags, nament- 222 lich muss der Gesellschaftsvertrag oder die Satzung vorsehen, dass im Gesellschaftsvertrag des übertragenen Unternehmens – die Entnahmen oder Ausschüttungen nach Abzug der auf die Gewinnanteile oder Ausschüttungen entfallenden Steuern auf höchstens 37,5 % beschränkt sind und – die Verfügung über die Beteiligung ausschließlich auf Mitgesellschafter, Angehörige i.S.d. § 15 AO oder Familienstiftungen beschränkt ist und – für den Fall des Ausscheidens aus der Gesellschaft eine Abfindungsbeschränkung vorgesehen ist. 1 Vgl. auch BT-Drucks. 18/5923, 24. 2 Wachter, NZG 2016, 1168 (1170) m.w.N. 3 Jülicher in T/G/J, § 13a ErbStG Rz. 472 (Stand: November 2016).
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§ 13a ErbStG Rz. 223 Steuerbefreiung für Betriebsvermögen, LuF, Anteile Der Wertabschlag bemisst sich nach der Höhe der gesellschaftsvertraglich oder satzungsmäßig vereinbarten Abfindungsbeschränkung, beträgt jedoch höchstens 30 %. 223 Adressat der Regelung sind Personen- und Kapitalgesellschaften (insbesondere OHG, KG, GmbH
und AG, aber auch GbR, PartG, KGaA, SE etc.), auch wenn diese nur einen einzigen Gesellschafter haben (z.B. Ein-Mann GmbH oder GmbH & Co. KG). Auf den Gesellschafterkreis kommt es zunächst einmal nicht an, so dass nicht nur Familiengesellschaften i.e.S. präferenziert sind, sondern auch Gesellschaften, deren Gesellschafter untereinander fremde Dritte sind. Da sich die Regelung ihrem Wortlaut nach ausdrücklich auf den Gesellschaftsvertrag oder die Satzung bezieht, können Einzelunternehmen am Wertabschlag nicht teilnehmen. Der Wertabschlag ist für jede übertragende betriebliche Einheit gesondert zu prüfen (vgl. auch Abs. 9 Satz 2). Maßgeblich ist der Gesellschaftsvertrag derjenigen Gesellschaft, deren Anteile Gegenstand der Übertragung sind. Auf die Gesellschaftsverträge von nachgelagerten Tochter- und Enkelgesellschaften kommt es nicht an. Bei der Erbersatzsteuer gem. § 1 Abs. 4 ErbStG sind dementsprechend die Gesellschaftsverträge der von der Stiftung gehaltenen Beteiligungen als begünstigungsfähiges Vermögen i.S.d. § 13b Abs. 1 ErbStG zu prüfen. Der Stiftungssatzung selbst kommt hierbei keine Bedeutung zu. Insbesondere ergibt sich aus der Norm keine Notwendigkeit, die Auskehrungen einer Familienstiftung an die Destinatäre satzungsmäßig zu beschränken.1
II. Voraussetzungen 1. Entnahme- oder Ausschüttungsbeschränkung (Abs. 9 Nr. 1) 224 Der Gesellschaftsvertrag oder die Satzung der Gesellschaft, deren Anteile Gegenstand der Übertra-
gung sind, muss die drei in Rz. 225 bis 237 genannten qualifizierten Voraussetzungen erfüllen. 225 Die Entnahmen aus der Gesellschaft oder Ausschüttungen der Gesellschaft müssen gesellschaftsver-
traglich auf höchstens 37,5 % des um die persönlichen Steuern verminderten steuerrechtlichen Gewinns beschränkt sein. Die Regelung knüpft ausweislich des Wortlauts an den steuerrechtlichen Gewinn an; in der Praxis stellen jedoch die Gesellschaftsverträge vielfach auf den handelsrechtlichen Gewinn als relevante Größe ab. Da dieser vom steuerrechtlichen Gewinn variieren kann, dürfte eine solche Bestimmung den geforderten Voraussetzungen nicht genügen, und der Gesellschaftsvertrag ist diesbezüglich ggf. anzupassen. 226 Entnahmen zur Begleichung der persönlichen „Steuern vom Einkommen“ sind unschädlich. Da-
mit sind die auf den Anteil des Gesellschafters entfallenden Einkommensteuer zzgl. Kirchensteuer und SolZ sowie Gewerbesteuern entnahmefähig, nicht aber z.B. Erbschaft- und Schenkungsteuer.2 227 Ferner darf der Entnahme- bzw. ausschüttungsfähige Anteil am steuerrechtlichen Gewinn nur max.
37,5 % nach persönlichen Steuern (also netto) betragen. Insbesondere bei Personengesellschaften ist damit festzustellen, dass die persönlich zulässige Entnahmequote eines jeden Gesellschafters in Abhängigkeit zu seinem persönlichen Steuersatz steht. Ein dem Höchststeuersatz unterliegender Gesellschafter wird also weniger „netto“ entnehmen dürfen als ein einem niedrigeren persönlichen Steuersatz unterliegender Gesellschafter. Da hier jedoch auch die zur Begleichung der persönlichen Steuern erforderlichen Beträge entnommen werden dürfen, fällt die Entnahme bei einem Hochsteuer-Gesellschafter absolut größer aus. Aus diesem Grund dürfte die Finanzverwaltung auch gesellschaftsvertraglichen Regelungen skeptisch gegenüberstehen, wonach die Steuerentnahme pauschal immer mit dem Höchststeuersatz gestattet wird, um komplizierte Berechnungen für jeden einzelnen Gesellschafter zu vermeiden. Bei Kapitalgesellschaften ergeben sich demgegenüber nur leichte Unterschiede, je nachdem, ob der oder die Gesellschafter der Abgeltungsteuer unterliegen oder die Ausschüttung im Rahmen des Teileinkünfteverfahrens zu versteuern haben. 228 Wie dieses Nettoverständnis tatsächlich zu berechnen ist, ist unklar. Unterschiede ergeben sich be-
reits je nach Einbeziehung der Gewerbesteuer.
1 A.A. wohl Wachter, NZG 2016, 1168 (1171). 2 Wachter, NZG 2016, 1168 (1171).
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Wertabschlag für Familienunternehmen (Abs. 9)
Rz. 231 § 13a ErbStG
Beispiel: Welche Beträge können die OHG-Gesellschafter A und B entnehmen, wenn der individuelle Einkommensteuersatz von A 30 %, der von B 42 % beträgt? 1. Variante1 A B Gewinnanteil 100 100 ./. Steuern vom Einkommen auf GA 31,65 44,31 (ESt + SolZ) BMG f. Entnahmehöchstbetrag 68,35 55,69 Entnahmehöchstbetrag (37,5 %) 25,63 20,88 + Steuern vom Einkommen auf GA 31,65 44,31 = Entnahmebetrag 57,28 65,19 2. Variante2 A B Gewinnanteil 100 100 ./. anteilige GewSt Ebene OHG 15 15 BMG f. Entnahmehöchstbetrag 85 85 Entnahmehöchstbetrag (37,5 %) 31,88 31,88 + Steuern vom Einkommen auf GA 31,65 44,31 (ESt + SolZ) = Entnahmebetrag 63,53 76,19
Verwerfungen ergeben sich zudem in Konzernfällen. Dem Wortlaut nach ist die zulässige Entnahme 229 bzw. Ausschüttung allein abhängig vom steuerlichen Gewinn der Gesellschaft, deren Anteile Gegenstand des Erwerbs waren (Muttergesellschaft). Thesaurierungen oder periodenfremde Ausschüttungen von Tochter(-kapital-)gesellschaften können also dieses Ergebnis verfälschen,3 was sowohl Risiken als auch Gestaltungschancen beinhaltet. Es bleibt abzuwarten, ob die Finanzverwaltung zur Vermeidung solcher Verschiebungen in den Richtlinien eine Konzernbetrachtung einführen wird. 2. Verfügungsbeschränkungen (Abs. 9 Nr. 2) Weitere kumulative Voraussetzung ist, dass der Gesellschaftsvertrag oder die Satzung eine Verfügungs- 230 beschränkung dergestalt vorsieht, dass Verfügungen über Beteiligungen nur zugunsten von Mitgesellschaften, Angehörigen i.S.d. § 15 AO oder Familienstiftungen i.S.d. § 1 Abs. 1 Nr. 4 zulässig sind. Mitgesellschafter kann jeder sein, der (im Steuerentstehungszeitpunkt seit mehr als zwei Jahren) an der 231 Gesellschaft beteiligt ist; Angehörige i.S.d. § 15 AO sind neben dem erweiterten Familienkreis auch Verlobte, Verschwägerte sowie geschiedene Ehegatten oder Lebenspartner. Diese Aufzählung ist als abschließend zu verstehen und lässt einige praktisch bedeutsame Empfänger vermissen: – Auffällig ist zunächst, dass somit Verfügungen nur auf inländische Familienstiftungen zulässig sind, während ausländische Familienstiftungen4 und gemeinnützige Stiftungen sowie Unternehmensstiftungen nicht Gesellschafter werden dürfen, es sei denn, sie sind bereits (seit mehr als zwei Jahren) an der Gesellschaft beteiligt und fallen deshalb unter die Variante Mitgesellschafter. Während der Kreis der Angehörigen recht weit ist, sind Übertragungen auf Stiftungen also sehr beschränkt. – Dasselbe gilt für Mitarbeiter, so dass die Regelung auch den in der Praxis gebräuchlichen Mitarbeiterbeteiligungsmodellen entgegensteht.5 – Bedauerlicherweise sind Gesellschaften selbst nicht als präferenzierte Empfänger genannt, so dass die Beteiligung einer weiteren Familiengesellschaft als Verstoß gegen die Verfügungsbeschränkung zu werten ist, selbst wenn an dieser Familiengesellschaft nur „qualifizierte“ Gesellschafter beteiligt sind. 1 2 3 4 5
Vgl. Söffing, ErbStB 2016, 339. Vgl. Thonemann-Micker, DB 2016, 2312. Viskorf/Löcherbach/Jehle, DStR 2016, 2425 (2430). Jülicher in T/G/J § 13a ErbStG Rz. 483 (Stand: November 2016): Ausschluss wohl EU-rechtswidrig. Wachter, NZG 2016, 1172.
Stalleiken
509
§ 13a ErbStG Rz. 232 Steuerbefreiung für Betriebsvermögen, LuF, Anteile 232
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Gestaltungsempfehlung: Falls die Beteiligung einer in § 13a Abs. 9 Nr. 2 ErbStG nicht genannten Einheit angestrebt wird (z.B. ausländische Familienstiftung), kann diese mit einer Vorlaufzeit von zwei Jahren als Gesellschafter aufgenommen werden. Der Wortlaut kann keinesfalls dahingehend ausgelegt werden, dass die in § 13a Abs. 9 Nr. 2 Var. 2 (Angehörige) und 3 (inländische Familienstiftungen) ErbStG nicht genannten Empfänger nicht zugleich Mitgesellschafter i.S.d. Var. 1 sein können.
233 Der Begriff der Verfügung ist, wie auch bei § 13b Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 ErbStG (Poolvertrag),1 erbschaft-
steuerspezifisch auszulegen. Während zivilrechtlich auch die Einräumung eines Nießbrauchs an einer Sache oder die Verpfändung einer Sache als Verfügung über die Sache anzusehen ist, erfasst die Verfügungsbeschränkung nach § 13a Abs. 9 Nr. 2 ErbStG nur die dingliche Übertragung der Gesellschaftsanteile.2 Ein solches Verständnis fügt sich denn auch schlüssig in den Gesamtkontext der Verschonungsregelungen ein, da Verfügungen unterhalb der Schwelle der Übertragung, wie z.B. die Einräumung eines Nießbrauchs, auch keinen Behaltensfristverstoß i.S.d. § 13a Abs. 6 Satz 1 Nr. 5 ErbStG auslösen.3 234 Dennoch stellt die Verfügungsbeschränkung auch nach dieser einschränkenden Auffassung ein veritab-
les Umstrukturierungshindernis in Familiengesellschaften für die Dauer der 22-jährigen Bindung (Rz. 240) dar. Sämtliche „Bewegungen“ der Gesellschaft nach den Vorschriften des UmwG/UmwStG (insb. Einbringungen, Verschmelzungen, Anwachsungen, Realteilungen) stellen letztlich Verfügungen über die Beteiligungen dar und erfolgen zugunsten nicht präferenzierter Empfänger, wenn dem Einbringenden Anteile an der aufnehmenden Gesellschaft gewährt werden. Möglich erscheint jedoch, durch Abspaltung des Vermögens der Gesellschaft gem. § 123 Abs. 2 Nr. 2 UmwG und anschließende Veräußerung des gewährten Anteils an der aufnehmenden Gesellschaft die Verfügungsbeschränkung zu umgehen. Der Gesellschaftsvertrag der abspaltenden Gesellschaft bleibt unberührt, und außerhalb der Behaltensfristen stellt dies auch keinen nachsteuerschädlichen Vorgang dar. 3. Abfindungsbeschränkungen (Abs. 9 Nr. 3) 235 Dritte Voraussetzung ist, dass der Gesellschaftsvertrag oder die Satzung für den Fall des Ausscheidens
aus der Gesellschaft eine Abfindung unter dem gemeinen Wert der Beteiligung vorsieht. Solche Abfindungsbeschränkungen, die in Familiengesellschaften durchaus regelmäßig anzutreffen sind, können gesellschaftsvertraglich auf sehr verschiedene Weise geregelt werden. Einerseits kann der Gesellschaftsvertrag vorsehen, dass der Abfindungsbetrag ausgehend vom Verkehrswert, zu ermitteln nach Sachverständigengutachten, mittels eines bestimmten prozentualen Abschlags zu berechnen ist. Der Gesellschaftsvertrag kann aber auch besondere Berechnungsmodalitäten für die Festlegung der Abfindungssumme vorlegen, die mit dem Verkehrswert nicht oder nur eingeschränkt in Zusammenhang stehen (z.B. Buchwertklauseln, Vorabauskehr der Kapitalkonten, vorgegebene Wertermittlungsmethoden nach bestimmten gesellschaftstypischen oder tradierten Kriterien). Maßgeblich i.S.d. Norm ist, dass der durch den Gesellschaftsvertrag gewährte Abfindungsbetrag bei Vergleich mit dem objektiven Verkehrswert der Beteiligung hinter diesem zurückbleibt. Der Verkehrswert der Beteiligung i.S.d. Vorschrift als Vergleichsgröße bestimmt sich hierbei nach den Vorschriften des Bewertungsgesetzes. Die dortigen Bewertungshierarchien des § 11 BewG (Börsenkurs, Ableitung aus Vergangenheitsverkäufen, Ermittlung nach dem Ertragsaussichten oder branchenüblicher Bewertungsmethode, Substanzwert als Mindestwert) sind daher zu beachten.4 Da sich auf Rechtsfolgenseite der Wertabschlag aus der Differenz zwischen Abfindungsbetrag und Verkehrswert berechnet, haben all diese Umstände Einfluss auf die Höhe des prozentualen Wertabschlags (dazu sogleich Rz. 239). 236 Zu beachten ist, dass eine Abfindungsbeschränkung unter dem gemeinen Wert bei gesellschaftsver-
traglichem Ausscheiden zugleich auch den Steuertatbestand des § 7 Abs. 7 ErbStG verwirklicht (§ 7 ErbStG Rz. 538). 1 Von Oertzen, UbG 2008, 57 (62); Scholten/Korezkij, DStR 2009, 304 (307); Wachter in F/J/P/W5, § 13b ErbStG Rz. 63 m.w.N. 2 A.A. wohl Schmitz, RNotZ 2016, 502 (507). 3 R E 13a.10 Abs. 1 Nr. 1 ErbStR 2011. 4 Kotzenberg/Jülicher, GmbHR 2016, 1135 (1140); Hannes, ZEV 2016, 554 (557).
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Stalleiken
Wertabschlag für Familienunternehmen (Abs. 9)
Rz. 239 § 13a ErbStG
Die vorstehend genannten Voraussetzungen müssen einerseits satzungsmäßig verankert sein, ande- 237 rerseits aber auch „den tatsächlichen Verhältnissen entsprechen“. Dies bedeutet nichts weniger, als dass diese Voraussetzungen von den Gesellschaftern tatsächlich auch zwingend eingehalten werden müssen. Durchbrechungen sind ausweislich des Wortlauts nicht zulässig (zur zweijährigen Vorlaufzeit und 20-jährigen Nachlaufzeit s. Rz. 243).
III. Rechtsfolge Wertabschlag als Steuerbefreiung Der Wertabschlag bezieht sich auf das begünstigte Vermögen i.S.d. § 13b Abs. 2 ErbStG. Damit wird 238 der Wertabschlag für Familienunternehmen folglich als unmittelbare Steuerbefreiung auf das begünstigte Vermögen i.S.d. § 13b Abs. 2 Satz 1 ErbStG vor Anwendung der Regel- oder Optionsverschonung des § 13a Abs. 1 ErbStG oder des § 13c ErbStG oder § 28a ErbStG gewährt.1 Auf einen etwaigen zu versteuernden Teil des verminderten Netto-(Finanzmittel-)Verwaltungsvermögens oder des jungen (Finanzmittel-)Verwaltungsvermögens hat die Vorschrift keinen Einfluss; dieses wird daher nicht um den Wertabschlag für Familienunternehmen vermindert.2 Ebenfalls keine Auswirkung hat der Wertabschlag auf den gemeinen Wert des Unternehmens bei der Bestimmung des 15 %igen Freibetrages i.S.d. § 13b Abs. 4 Nr. 5 ErbStG sowie den 10 %igen „Kulanzpuffer“ des § 13b Abs. 7 ErbStG. Als Rechtsfolge sieht § 13a Abs. 9 Satz 3 ErbStG vor, dass der Wertabschlag i.H.d. prozentualen Diffe- 239 renz zwischen satzungsmäßigem Abfindungsvertrag und gemeinem Wert der Beteiligung gewährt wird, höchstens jedoch 30 %. Der Wertabschlag ist also (nur) in all jenen Fällen vergleichsweise einfach zu ermitteln, in denen der Gesellschaftsvertrag eine Ermittlung des Abfindungsbetrages anhand des Verkehrswertes vorsieht und diesen Verkehrswert mit einem prozentualen Abschlag belegt. Gleichwohl ist hierbei zu prüfen, ob und welche Differenz sich bei einem Vergleich des Abfindungsbetrages mit dem nach § 11 Abs. 2 BewG zu ermittelnden Wert ergibt. Haben beispielsweise verkehrsübliche Anteilsverkäufe innerhalb des letzten Jahres vor dem Übertragungsstichtag stattgefunden, ist der aus dem Verkaufspreis abzuleitende Wert als Referenzwert maßgeblich (vgl. § 11 Abs. 2 Satz 1 BewG).3 In den meisten Fällen dürfte also der tatsächliche Prozentsatz des Wertabschlags in der Praxis schwer zu bestimmen sein. Insbesondere dann, wenn die gesellschaftsvertraglichen Vorgaben sich nicht auf den Verkehrswert, sondern eine andere Ermittlung zur Bestimmung des Abfindungsbetrages beziehen (Buchwertanknüpfung, Vorabvergütung der Kapitalkonten, eigene Bewertungsmethode etc.), muss, soweit keine Ableitung des Wertes aus Vergangenheitsverkäufen innerhalb des letzten Jahres zu erfolgen hat, letztlich als Referenzwert zum Abfindungsbetrag eine Vollbewertung der Gesellschaft nach § 11 Abs. 2 BewG durchgeführt werden und sodann der Differenzbetrag als prozentuales Unterschreiten dieses Verkehrswertes i.S.d. § 11 Abs. 2 BewG bestimmt werden. Erschwerend kann hinzutreten, dass in denjenigen Fällen, in denen der Abfindungsbetrag im Zusammenhang mit dem steuerbilanziellen Gewinn steht, sich Änderungen durch spätere Betriebsprüfungen ergeben können, die rückwirkend Einfluss auf den Abfindungsbetrag nehmen, so dass der Wertabschlag im Nachhinein zu korrigieren sein kann. Denkbar ist zudem, dass der Gesellschaftsvertrag für verschiedene Ausscheidensszenarien verschiedene Abfindungsbeschränkungen vorsieht (sog. „Good-Leaver“- oder „Bad-Leaver“-Klauseln). In diesen Fällen stellt sich die Frage, auf welchen Abfindungsbetrag letztlich bei der Bemessung des Wertabschlags abzustellen ist. M.E. erscheint es sachgerecht, hierbei auf die Fälle der Kündigung des Gesellschafters abzustellen und nicht auf die Fälle des Gesellschafterausschlusses oder der Einziehung der Geschäftsanteile, da der Gesetzgeber bei der Konzeption des Wertabschlags für Familienunternehmen die Situation im Blick hatte, dass gerade Familienunternehmer typischerweise bei freiwilligem Ausscheiden aus der Gesellschaft (Kündigung) nicht den vollen Wert ihrer Beteiligung realisieren können, sondern nur einen verminderten Abfindungsbetrag zur Liquiditätsschonung der Gesellschaft erhalten sollen.
1 Hannes, ZEV 2016, 554 (557); Thonemann-Micker, DB 2016, 2312 (2315); Weinmann in Moench/Weinmann, ErbStG – Erstkommentierung zum ErbStAnpG, § 13a ErbStG Rz. 10, 50. 2 A.A. aber Bäuml, NWB 2016, 3516 (3518). 3 Hannes, ZEV 2016, 554 (557).
Stalleiken
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§ 13a ErbStG Rz. 240 Steuerbefreiung für Betriebsvermögen, LuF, Anteile
IV. Vor- und Nachlauffrist, Rechtsfolgen bei Verstoß 240 Die Voraussetzungen für die Gewährung des Wertabschlags (also sowohl die gesellschaftsvertragliche
Verankerung der oben genannten Beschränkungen als auch deren tatsächliche Einhaltung) müssen für eine Dauer von zwei Jahren vor dem Steuerentstehungszeitpunkt und 20 Jahren nach dem Steuerentstehungszeitpunkt eingehalten werden. 241 Die zweijährige Vorlaufzeit erfordert einerseits eine gewisse Planung, eröffnet andererseits aber
auch Chancen, z.B. bei der pro-forma-Aufnahme bestimmter in Nr. 2 nicht genannter Gesellschafter, auf die dann zu einem späteren Zeitpunkt Anteile als Mitgesellschafter übertragen werden können (z.B. ausländische Familienstiftung, vgl. Rz. 231). 242
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Praxishinweis: Fraglich ist, ob die zweijährige Vorlaufzeit durch Kauf einer Mantelgesellschaft umgangen werden kann, die bereits seit mehr als zwei Jahren als Vorratsgesellschaft besteht und die oben genannten gesellschaftsvertraglichen Beschränkungen einhält. Hier dürfte sich das Problem stellen, dass der Erwerb der Anteile vom Vorratsverkäufer bereits einen ersten Verstoß gegen die Verfügungsbeschränkung des § 13a Abs. 9 Nr. 2 ErbStG darstellt, so dass die Finanzverwaltung sich auf den Standpunkt stellen könnte, dass während der zweijährigen Vorlaufzeit die Voraussetzungen nicht tatsächlich eingehalten wurden und die zweijährige Vorlaufzeit ab dem Mantelkauf erneut zu laufen beginnt.
243 Vollends an der gesellschaftsrechtlichen Realität vorbei geht die 20-jährige Nachlaufperiode. Nicht
nur ist dieser Zeitraum unverhältnismäßig lang, auch ist er von der Behaltensfrist des § 13a Abs. 6 ErbStG entkoppelt. Der oder die Gesellschafter können also nach Ablauf der Behaltensfrist, spätestens nach sieben Jahren, die Anteile sanktionslos veräußern; gleichwohl ist der Wertabschlag rückwirkend zu versagen, wenn der Erwerber (und sei dies ein reiner Investor) die gesellschaftsvertraglichen Beschränkungen während der folgenden 13 Jahre ändert oder durchbricht. Insbesondere aber führt diese lange Nachlaufzeit zu geradezu absurden Konsequenzen in zeitlicher Hinsicht.1 So würde ein gedachter Verstoß, der im Jahre 19 nach dem begünstigten Erwerb begangen wird und vom Erwerber im Jahr 23 dem Finanzamt angezeigt wird, zu einer rückwirkenden Veranlagung des Jahres null führen, da mangels Kenntnis der Finanzverwaltung insoweit keine Festsetzungsverjährung ein tritt (§ 13a Abs. 9 Satz 6 Nr. 2 ErbStG). Aus diesem Grund wird in der Literatur eine einschränkende Auslegung vertreten, wonach nicht jeder Verstoß zum unbedingten Wegfall des Wertabschlags führen soll. Betrieblich begründete Verstöße wie die Abfindung über Wert eines lästigen Gesellschafters sollen zulässig sein und nur hinreichend schwerwiegende oder fortgesetzte Verstöße sollen zu sanktionieren sein.2 Dies ist zwar sicherlich sachgerecht und auch wünschenswert, der Wortlaut der Norm ist freilich eindeutig gefasst und differenziert gerade nicht nach der Qualität der Verstöße, so dass bis zu einer Klarstellung der Verwaltungsauffassung in den Richtlinien vorsichtshalber davon ausgegangen werden muss, dass jeder Verstoß unabhängig von seiner „Schwere“ den Wegfall des Wertabschlags nach sich zieht. Einen Sonderfall dürfte es jedoch darstellen, wenn innerhalb der 20-jährigen Nachlauffrist der Gesellschaftsvertrag dahingehend geändert wird, dass die Abfindung statt 70 % nunmehr 80 % beträgt. Hier wäre ein vollständiger Wegfall des Wertabschlags nicht gerechtfertigt, da über den gesamten Zeitraum mindestens eine Abfindungsbeschränkung von 20 % geregelt war, so dass der Wertabschlag in diesem Fall lediglich rückwirkend von 30 % auf 20 % zu korrigieren ist.3 244 Aus Sicht der Praxis ist anzumerken, dass nur bei höchster Disziplinierung der Gesellschafter über-
haupt Chancen bestehen, diese Voraussetzungen über einen Zeitraum von 20 Jahren tatsächlich durchzuhalten. Dies gilt insbesondere, aber nicht ausschließlich, bei der Kapitalgesellschaft, wo auch verdeckte Gewinnausschüttungen dazu führen können, dass die Ausschüttungen in einem Jahr mehr als 37,5 % des Nettogewinns betragen können. Falls eine solche Selbstbindung der Gesellschafter gewollt ist, erfordert dies sowohl höchste Disziplin als auch Überwachung. M.E. wird der Wertabschlag für Familienunternehmen allein aus diesem Grund in der Praxis keine herausgehobene Rolle spielen.
1 Treffendes Beispiel bei Hannes, ZEV 2016, 554 (559). 2 Vgl. etwa Viskorf/Löcherbach/Jehle, DStR 2016, 2425 (2430 f.). 3 Gl.A Thonemann-Micker, DB 2016, 2312 (2316).
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Stalleiken
Optionsverschonung (Abs. 10)
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Rz. 250 § 13a ErbStG
Praxishinweis: Die Steuerpflichtigen sollten den Wertabschlag für Familienunternehmen nur 245 als zusätzliches Element begreifen, sich jedoch nicht allein auf dessen Eingreifen verlassen. Größeres Augenmerk sollte auf die Optimierung der Verwaltungsvermögensquote zur Verminderung der Steuerlast gerichtet werden.
Im Falle eines Verstoßes gegen die o.g. Voraussetzungen innerhalb der 20-jährigen Nachlaufzeit entfällt 246 der Wertabschlag rückwirkend. Die ursprüngliche Festsetzung wird also um bis zu 30 % nach oben korrigiert. Dies kann insbesondere auch dazu führen, dass durch diese Korrektur (allein oder zusammen mit anderen Erwerben innerhalb von zehn Jahren) die 26 Mio.-Euro-Grenze überschritten wird. In diesem Fall verliert der Erwerber rückwirkend die von ihm beantragte Regel- oder Vollverschonung, und es ist ebenfalls rückwirkend zu entscheiden, ob und inwieweit ein Antrag auf Abschmelzung (§ 13c ErbStG) oder Erlass der Steuer (§ 28a ErbStG) gestellt werden soll.1 Insbesondere erhöht sich auch rückwirkend die Bemessungsgrundlage bei Zusammenrechnung mehrerer Erwerbe innerhalb des Zehn-Jahres-Zeitraums des § 13a Abs. 1 Satz 2 bis 4 ErbStG; die sich hieraus ergebenden „Kollateralschäden“ können somit auch für andere, bereits versteuerte Erwerbe enorm sein.
V. Mitwirkungspflichten und Ablaufhemmung § 13a Abs. 9 Satz 6 Nr. 1 ErbStG enthält schließlich zum einen die Verpflichtung des Erwerbers, dem 247 für die Erbschaftsteuer zuständigen Finanzamt sämtliche Änderungen der Bestimmungen oder der tatsächlichen Verhältnisse innerhalb der zweijährigen Vor- und 20-jährigen Nachlauffrist binnen eines Monats anzuzeigen. Hierdurch sollen naturgemäß Vollzugsdefizite beseitigt werden, da die Finanzverwaltung kaum anderweitige Möglichkeit hat, von solchen Umständen Kenntnis zu erlangen. § 13a Abs. 9 Satz 6 Nr. 2 ErbStG regelt flankierend eine entsprechende Ablaufhemmung, wonach die 248 Festsetzungsfrist für die Steuer nicht vor Ablauf des vierten Jahres endet, nachdem das Erbschaftsteuerfinanzamt Kenntnis von einer Änderung der gesellschaftsrechtlichen Bestimmung oder tatsächlichen Verhältnisse erlangt hat.
J. Optionsverschonung (Abs. 10) § 13a Abs. 10 ErbStG regelt die bereits im alten Recht bestehende sog. „Optionsverschonung“, bei der 249 auf Antrag des Steuerpflichtigen und unter erweiterten Voraussetzungen der Steuerbefreiungsabschlag von 85 % auf 100 % steigt. Die Regelung findet Anwendung bei Erwerben unterhalb der 26 Mio.-EuroGrenze, aber auch im sog. Abschmelzungsmodell (§ 13c ErbStG), wo sie die Basis für die Abschmelzung bei Übersteigen der 26 Mio.-Euro-Grenze bildet. Wie bereits bei Einführung durch die Erbschaftsteuer-Reform 2009 ist die Optionsverschonung weiter- 250 hin als Wahlverschonung ausgestaltet. Der Antrag ist schriftlich an das zuständige Erbschaftsteuerfinanzamt zu richten und ist, wenn er einmal beim Finanzamt eingegangen ist, unwiderruflich. Dies führt zu der Frage, wie lange mit der Antragstellung längstens zugewartet werden kann. Das Gesetz enthält keine Regelungen darüber, bis zu welchem Zeitpunkt der Antrag auf Vollverschonung gestellt werden muss. Es ist daher davon auszugehen, dass der Antrag de lege bis zum Ablauf der Festsetzungsverjährung gestellt werden kann.2 Dies eröffnet dem Steuerpflichtigen weitreichende Gestaltungsmöglichkeiten. Insbesondere besteht zu seinen Gunsten die Möglichkeit, den Antrag auf Vollverschonung zunächst nicht zu stellen (somit Vorfinanzierung der auf die 15 %ige Bemessungsgrundlage entfallenden Erbschaft- oder Schenkungsteuer) und es bei der Regelverschonung zu belassen, um den Ablauf der fünfjährigen Behaltensfrist abzuwarten. Nach Ablauf der fünfjährigen Behaltensfrist kann der Steuerpflichtige i.d.R. besser abschätzen, ob er noch weitere zwei Jahre das begünstigt erworbene Vermögen behalten wird und insbesondere, ob er auch während weiterer zwei Jahre die verschärften Lohnsummenkriterien nach § 13a Abs. 10 Nr. 3 bis 5 ErbStG erfüllen kann. Erkennbar von dem Wunsch geleitet, ein so langes Zuwarten des Steuerpflichtigen bis zur Erklärung der Optionsverschonung zu unterbin1 Hannes, ZEV 2016, 554 (559). 2 Stalleiken, Ubg 2011, 935 (940).
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§ 13a ErbStG Rz. 251 Steuerbefreiung für Betriebsvermögen, LuF, Anteile den, hatte die Finanzverwaltung noch in den Anwendungserlassen 20091 die Auffassung vertreten, dass der Antrag auf Optionsverschonung längstens bis zum Eintritt der formellen Bestandskraft des Erbschaft- und Schenkungsteuerbescheides gestellt werden könne. Formelle Bestandskraft tritt regelmäßig mit Ablauf der Einspruchsfrist, also einen Monat nach Bekanntgabe des Erbschaft- und Schenkungsteuerbescheides ein. Diese rigide Auffassung hat die Finanzverwaltung später in den Erbschaftsteuerrichtlinien dahingehend präzisiert, dass der Antrag so lange gestellt werden kann, wie der Bescheid noch nicht in materielle Bestandskraft erwachsen ist.2 251 Zwar ist die Bestimmung des Eintritts der materiellen Bestandskraft im Einzelfall schwierig, hängt sie
doch davon ab, dass der Bescheid nicht mehr mit den Änderungsvorschriften der AO angefochten werden kann. Ob solche Änderungsmöglichkeiten (z.B. aufgrund neuer Tatsachen, § 173 AO) bestehen, lässt sich jedoch vielfach erst im Nachhinein feststellen, so dass, wie früher auch, ab dem Eintritt der formellen Bestandskraft grundsätzlich auch von einer materiellen Bestandskraft ausgegangen werden sollte. Vor allem aber ist damit klargestellt, dass insbesondere Bescheide, die unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ergehen (§ 164 AO), noch nicht materiell bestandskräftig sind, da sie, solange der Vorbehalt besteht, nach § 164 Abs. 2 AO geändert werden können. 252 Mit der Entscheidung des BVerfG vom 17.12.2014 ist ein weiterer verfahrensrechtlicher Hinderungs-
grund hinzugekommen, der verhindert, dass Bescheide in materielle Bestandskraft erwachsen sind: Seit 2012 wurden aufgrund der Vorlage durch den BFH sämtliche Erbschaftsteuerbescheide vorläufig gem. § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AO erlassen,3 seit 2015 dann mit dem Hinweis auf die Verpflichtung des Gesetzgebers zur Neuregelung des ErbStG durch das Urteil des BVerfG vom 17.12.2014 vorläufig gem. § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AO.4 Auch diese generelle Vorläufigkeit hindert zutreffend die materielle Bestandskraft des Erbschaftsteuerbescheides, da sie im Falle einer rückwirkenden Änderung des ErbStG nicht nur punktuell, sondern insgesamt zu einer Änderung der Steuerfestsetzung geführt hätte. Die Vorläufigkeit war daher ebenfalls nicht nur punktuell, sondern bezog sich auf die Erbschaftsteuerfestsetzung als Ganze. Dies reicht nach hier vertretener Auffassung aus, um die materielle Bestandskraft dieser vorläufig ergangenen Erbschaftsteuerbescheide zu durchbrechen, so dass auch diesbezüglich eine Ausübung des Wahlrechts möglich wäre, solange die Vorläufigkeit besteht.5 Beantragt der Steuerpflichtige keine Endgültigkeitserklärung gem. § 165 Abs. 2 Satz 4 AO, endet die Vorläufigkeit gem. § 171 Abs. 8 Satz 2 AO frühestens zwei Jahre, nachdem die Unsicherheit beseitigt worden ist, d.h. in den Fällen der Vorläufigkeit aufgrund Urteils des BVerfG mit Ablauf des 17.12.2016 sowie der Vorläufigkeit aufgrund rückwirkender Änderung des ErbStG durch das ErbStAnpG 2016 zwei Jahre nach Inkrafttreten des Erbschaftsteuerreformgesetzes zum 4.11.2016 (Verkündung im BGBl.), mithin mit Ablauf des 4.11.2018. 253 Aus verfahrensrechtlicher Sicht ist daher festzuhalten, dass seit 2012 bis zum 17.12.2016 bzw. 4.11.2018
Erbschaftsteuerbescheide nicht in materielle Bestandskraft erwachsen sind, so dass nach hier vertretener Ansicht bei diesen Bescheiden die Ausübung des Wahlrechts auf Basis der Verwaltungsauffassung in den ErbStR 2011 bis zum 17.12.2016 bzw. 4.11.2018 möglich ist. In der Praxis vertreten allerdings die Finanzämter zunehmend die Auffassung, dass in den Fällen „standardisierter“ Vorläufigkeitsvermerke keine Durchbrechung der materiellen Bestandskraft vorliegt, mit der Folge, dass keine Wahlrechtsausübung zulässig sein soll. 254 Ein besonderes Interesse des Steuerpflichtigen, den Antrag auf Optionsverschonung möglichst spät
zu stellen, ergibt sich aus der Auffassung zur Finanzverwaltung, wonach die Optionsverschonung bei Erwerb mehrerer betrieblicher Einheiten (dies meint den Erwerb mehrerer Betriebsvermögen, landund forstwirtschaftlichen Vermögen oder Anteilen an Kapitalgesellschaften und nicht den Erwerb eines Betriebsvermögens mit mehreren Beteiligungsgesellschaften) den Antrag auf Vollverschonung insgesamt nur einheitlich für alle übertragenen betrieblichen Einheiten stellen kann.6 Dies setzt jedoch zugleich voraus, dass die Verwaltungsvermögensquote in allen betrieblichen Einheiten nicht 1 2 3 4 5 6
A 17 Abs. 2 Satz 2 AEErbSt 2009. R E 13a.13 Abs. 2 Satz 2 ErbStR 2011. Gleich lautende Erlasse v. 4.11.2012, BStBl. I 2012, 1082. Gleich lautende Erlasse v. 5.11.2015, BStBl. I 2015, 788. GlA OFD Karlsruhe v. 7.8.2014, DStR 2014, 1721. R E 13a.13 Abs. 1 Satz 1 ErbStR 2011.
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Optionsverschonung (Abs. 10)
Rz. 258 § 13a ErbStG
mehr als 10 % beträgt. Ergibt die Prüfung der Verwaltungsvermögensquote, dass im Zeitpunkt der Übertragung der betrieblichen Einheiten nur eine dieser betrieblichen Einheiten eine Verwaltungsvermögensquote von mehr als 10 % aufweist, kann nach Auffassung der Finanzverwaltung der Antrag auf Vollverschonung nicht mehr gestellt werden. Die Finanzverwaltung geht sogar noch darüber hinaus, indem sie die Auffassung vertritt, dass in denjenigen Fällen, in denen sich nachträglich herausstellt, dass die Vollverschonung wegen Überschreitens der maßgeblichen Verwaltungsvermögensquote von 10 % nicht in allen betrieblichen Einheiten in Anspruch genommen werden konnte, diejenigen Einheiten, die eine Verwaltungsvermögensquote von mehr als 10 % aber weniger als 50 % aufweisen, nicht auf die sog. Regelverschonung „zurückfallen“.1 Die Finanzverwaltung will also diejenigen Einheiten, die die Verwaltungsvermögensquote von 10 % übersteigen, ungemildert der Besteuerung unterwerfen, ungeachtet der Tatsache, dass diese bei isolierter Betrachtung die Voraussetzung der Regelverschonung erfüllen (sog. „Optionsfalle“). Stellt sich demgegenüber im Nachhinein heraus, dass trotz Ausübung der Vollverschonungsoption alle betrieblichen Einheiten die Voraussetzungen für die Vollverschonung verfehlen (Verwaltungsvermögensquote in allen betrieblichen Einheiten L 10 %), geht auch die Finanzverwaltung zutreffend davon aus, dass der Antrag auf Optionsverschonung „ins Leere“ gegangen ist und für die nicht vollverschonungsfähigen Einheiten unter der Voraussetzung der Erfüllung der Regelverschonung diese auch zu gewähren ist.2 Oben genannte Auffassung der Finanzverwaltung zur nur einheitlichen Ausübung der Optionsver- 255 schonung wird vom herrschenden Schrifttum abgelehnt.3 Das Gesetz sieht eine solche weder vor noch lässt sich aus der Systematik des Gesetzes eine solche „Gesamtbetrachtung“ herleiten. Näher liegt daher, dass jeder Erwerber für jede erworbene Einheit des begünstigten Vermögens gesondert entscheiden kann, ob er hier für die Regel- oder Vollverschonung in Anspruch nimmt. Korrespondierend dazu fällt ein Erwerber mit jeder betrieblichen Einheit separat auf die Regelverschonung zurück, wenn trotz Ausübung der Vollverschonungsoption sich nachträglich herausstellt, dass die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme der Vollverschonung nicht gegeben waren. Das FG Münster4 hat allerdings die o.g. Verwaltungsauffassung zur einheitlichen Optionsausübung bestätigt. Die Ausübung der Vollverschonungsoption führt zu folgenden Modifikationen im Hinblick auf die 256 Besteuerung des begünstigten Vermögens gem. § 13b Abs. 2 ErbStG: – Statt des Verschonungsabschlags von 85 % wird ein Verschonungsabschlag von 100 % gewährt (§ 13a Abs. 1 Satz 1 ErbStG). – Bei der Lohnsummenkontrolle wird die Lohnsummenstaffelung wie folgt modifiziert: – bei mehr als fünf bis maximal zehn Beschäftigten beträgt die in sieben Jahren zu erreichende Mindestlohnsumme 500 % (statt 250 % in fünf Jahren bei der Regelverschonung); – bei mehr als zehn bis maximal 15 Beschäftigten beträgt die nunmehr in sieben Jahren zu erreichende Lohnsumme 565 % statt 300 % in fünf Jahren (Regelverschonung); – ab mehr als 15 Beschäftigten beträgt die in nunmehr sieben Jahren zu erreichende Lohnsumme 700 % (statt 400 % in fünf Jahren bei der Regelverschonung). – Die Behaltensfrist steigt von fünf Jahren auf sieben Jahre (§ 13a Abs. 6 ErbStG). Keinen weiteren Einfluss hat die Wahl zur Vollverschonungsoption auf die Überentnahmeregelungen 257 des § 13a Abs. 6 Nr. 3 ErbStG. In diesem Zusammenhang verbleibt es bei einem maximalen unschädlichen Überentnahmefreibetrag i.H.v. 150 000 Euro pro Erwerber, eine anteilige Aufstockung des Freibetrages erfolgt nicht. Es verlängert sich lediglich die Überentnahmeperiode (die an die Behaltensfrist gekoppelt ist, s.o.) bis zum Ende des letzten in die Siebenjahresfrist fallenden Wirtschaftsjahres. Die Ausübung der Vollverschonungsoption setzt zusätzlich voraus, dass der konsolidierte Anteil des 258 Verwaltungsvermögens am begünstigungsfähigen Vermögen i.S.d. § 13b Abs. 1 ErbStG nicht mehr als 20 % beträgt (Satz 2). Zum einen ist dies eine Verschärfung gegenüber den bis zum 30.6.2016 1 R E 13a.13 Abs. 3 Sätze 1, 2 ErbStR 2011. 2 R E 13a.13 Abs. 3 Satz 3 ErbStR 2011. 3 Vgl. nur Hannes/Onderka, ZEV 2009, 421 (425); Scholten/Korezkij, DStR 2009, 73 (78); Wachter in F/J/P/W5, § 13a ErbStG Rz. 342; Stalleiken, Ubg 2011, 935 (940). 4 FG Münster v. 9.12.2013 – 3 K 3969/11 Erb, EFG 2014, 660, rk.
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§ 13a ErbStG Rz. 259 Steuerbefreiung für Betriebsvermögen, LuF, Anteile geltenden Recht, da es dort ausreichend war, dass nur auf Ebene der jeweils übertragenen betrieblichen Einheit eine Verwaltungsvermögensquote von 10 % eingehalten wurde; auf unteren Ebenen war, wie auch bei der Regelverschonung, die Einhaltung der 50 %-Grenze ausreichend (vgl. § 13b ErbStG Rz. 275). Zum anderen lässt sich grundsätzlich fragen, warum die Einhaltung einer qualifizierten Verwaltungsvermögensquote für die Ausübung der Vollverschonungsoption erforderlich sein soll, da sich diese Vollverschonung ohnehin nur (noch) auf das begünstigte Vermögen i.S.d. § 13b Abs. 2 ErbStG bezieht, während das Verwaltungsvermögen, jedenfalls der Konzeption nach, unverschont zu versteuern ist. M.E. hätte daher die Vollverschonungsoption um den Preis der erweiterten Behaltensfristen und Lohnsummenkontrolle auch ohne weitere Voraussetzungen gewährt werden können, da sie sich ohnehin nur noch auf das begünstigte Vermögen bezieht. Man muss wohl diese zusätzliche Voraussetzung als steuerpolitische Entscheidung werten. Und drittens ist zu bemängeln, dass der Gesetzgeber bei der Berechnung dieser 20 %-Grenze eine wiederum von den übrigen Berechnungen der Verwaltungsvermögensquote abweichende Berechnung geregelt hat. § 13a Abs. 10 Satz 3 ErbStG bestimmt nämlich, dass das Verwaltungsvermögen ohne Schuldenverrechnung gem. § 13b Abs. 5, 6 ErbStG zu berechnen ist und dessen gemeiner Wert (sozusagen „brutto“) ins Verhältnis zum gemeinen Wert der übertragenen betrieblichen Einheit zu setzen ist. Damit entspricht die Berechnung exakt der alten „Bruttoberechnung“ des Verwaltungsvermögens gem. § 13b Abs. 2 Satz 4 ErbStG a.F. (§ 13b ErbStG Rz. 286), die im neuen Recht jedoch von dem ansonsten im § 13b Abs. 2 bis 6 ErbStG geltenden Prinzip der Versteuerung des verminderten Nettoverwaltungsvermögens abweicht. Gründe für diese Abweichung sind nicht ersichtlich.
K. Erbersatzsteuer für Familienstiftungen (Abs. 11) 259 § 13a Abs. 11 ErbStG stellt klar, dass die vorstehenden Verschonungsregelungen entsprechend auf
die für Familienstiftungen turnusmäßig anfallende Erbersatzsteuer i.S.v. § 1 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG anzuwenden sind.1 Hierbei werden alle Vermögensgegenstände der Stiftung (zu denen eben auch begünstigtes Betriebsvermögen, land- und forstwirtschaftliches Vermögen und Anteile an Kapitalgesellschaften i.S.d. § 13b Abs. 1 Nr. 1 bis 3 ErbStG gehören können) der Besteuerung aus einem fiktiven Erwerb zweier Kinder unterworfen. Entsprechend wird zweimal der Freibetrag für Kinder (400 000 Euro) gewährt; dem Steuerklassenprivileg, § 19a ErbStG, kommt hingegen im Rahmen der Erbersatzsteuer i.d.R. keine Bedeutung zu.
L. Wesentliche Unterschiede zu § 13a ErbStG a.F. (bis zum 30.6.2016) I. Normaufbau § 13a ErbStG a.F. 260 § 13a Abs. 1 ErbStG a.F. regelte den grundsätzlichen Normbefehl, wonach der Wert von Betriebsver-
mögen, land- und forstwirtschaftlichem Vermögen und Anteilen an Kapitalgesellschaften unter bestimmten Voraussetzungen „insgesamt außer Ansatz“ blieb (Verschonungsabschlag). Als einzige direkte Voraussetzung normierte er die Einhaltung der sog. Lohnsummenkontrolle. Erst aus dem Zusammenhang mit § 13b Abs. 1, 2 und 4 ErbStG a.F. ergab sich die geschlossene Regelungssystematik der Verschonungssystematik. Ferner regelte § 13a Abs. 1 ErbStG a.F. die Technik des Lohnsummenvergleichs, nämlich die Ermittlung der Ausgangslohnsumme (Durchschnitt der letzten fünf abgeschlossenen Wirtschaftsjahre vor dem Besteuerungszeitpunkt) sowie den Vergleich mit der Mindestlohnsumme (Lohnsumme, welche in den auf den Erwerb folgenden fünf oder sieben Jahren erbracht werden muss). 261 § 13a Abs. 1a ErbStG a.F. enthielt verfahrensrechtliche Regelungen. Hierin war klargestellt, dass für
die Ermittlung der Anzahl der Beschäftigten, der maßgeblichen Ausgangslohnsumme sowie der Mindestlohnsumme dasjenige Finanzamt zuständig ist, welches sich am Sitz der betreffenden Gesellschaft befindet (das zuständige Betriebsfinanzamt i.S.d. § 152 Nr. 1 bis 3 BewG). Diese Feststellung ist als Teil einer gesonderten und einheitlichen Feststellung an das Erbschaft- und Schenkungsteuer1 Zur Erbersatzsteuer eingehend von Oertzen, DStR 2012, Beihefter zu Heft 11, 37 ff.
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Wesentliche Unterschiede zu § 13a ErbStG a.F. (bis zum 30.6.2016)
Rz. 269 § 13a ErbStG
finanzamt zu melden und entfaltet für das Erbschaft- und Schenkungsteuerfinanzamt ergehenden Bescheide Bindungswirkung. In mehrstufigen Beteiligungsstrukturen kommt es demgemäß zu einer „Feststellungskette“, in der die Anzahl der Arbeitnehmer und maßgeblichen Lohnsummendaten „von unten nach oben“ bis an das Erbschaft- und Schenkungsteuerfinanzamt im Wege der gesonderten und einheitlichen Feststellung durchgemeldet werden. § 13a Abs. 2 ErbStG a.F. regelte die Gewährung des gleitenden Abzugsbetrages für Erwerbe kleine- 262 rer und mittlerer betrieblicher Vermögen. Es handelte sich nicht um einen generellen Freibetrag i.H.v. 150 000 Euro, da dieser in Abhängigkeit vom Wert des Erwerbs abschmilzt. Durch die Stellung hinter Abs. 1 war zudem klargestellt, dass der gleitende Abzugsbetrag nachrangig zur Anwendung des Verschonungsabschlags erfolgt. § 13a Abs. 3 ErbStG a.F. enthielt die Regelungen des sog. „Begünstigungstransfers“, bei dem ein Er- 263 werber aufgrund letztwilliger Verfügung des Erblassers oder einer rechtsgeschäftlichen Verfügung des Erblassers oder Schenkers oder aufgrund Einigung der Erben im Rahmen der Teilung des Nachlasses begünstigtes Vermögen auf einen Dritten übertragen muss. Die Regelung stand in Zusammenhang mit § 13b Abs. 3 ErbStG a.F. und sollte sicherstellen, dass nur derjenige Letzterwerber, bei dem letztlich begünstigtes Vermögen verbleibt, auch die Steuerbefreiung hierfür in Anspruch nehmen kann. Ein bloßer Zwischenerwerber, der zur Weitergabe des Vermögens entweder verpflichtet ist oder dies freiwillig veranlasst, sollte von den Begünstigungen hingegen nicht profitieren können. § 13a Abs. 4 ErbStG a.F. definierte die Lohnsumme i.S.d. Lohnsummenkontrollregelungen. Die 264 Sätze 1 bis 4 enthielten eine umfassende Definition derjenigen Lohnsummenbestandteile, die in die Ermittlung der Ausgangs- und Mindestlohnsumme einzubeziehen sind. Satz 5 enthielt den Gesetzesbefehl, bei Beteiligung der übertragenen betrieblichen Einheit an weiteren Personen- oder Kapitalgesellschaften die Lohnsummen dieser nachgeordneten Einheiten zur Ermittlung einer Gesamtlohnsumme in die jeweils übertragene betriebliche Einheit einzubeziehen. § 13a Abs. 5 ErbStG a.F. regelte abschließend die Handlungen des Erwerbers oder der erworbenen Ge- 265 sellschaft, die zu einem (ggf. anteiligen) Verlust der Verschonungsabschläge während der Nachsteuerperiode führen (Behaltensfristverstöße). Der Absatz enthielt eine abschließende Aufzählung dieser Behaltensfristverstöße für sämtliche Arten des dem Grunde nach begünstigten Vermögens. Sätze 3 und 4 enthielten zugunsten des Steuerpflichtigen eine Heilungsmöglichkeit, indem dieser bei Ausführung eines zunächst nachsteuerschädlichen Behaltensfristverstoßes den Veräußerungserlös wiederum in begünstigtes Vermögen reinvestiert (Reinvestitionsklausel). § 13a Abs. 6 ErbStG a.F. enthielt qualifizierte Verpflichtungen des Erwerbers sowie Mitteilungspflich- 266 ten gegenüber dem für die Erhebung der Erbschaft- und Schenkungsteuer zuständigen Finanzamt, wonach der Erwerber sowohl die Entwicklung der Mindestlohnsumme als auch Behaltensfristverstöße mit einer Frist von sechs Monaten nach Tatbestandsverwirklichung anzuzeigen hatte. Satz 3 enthielt eine gesonderte Ablaufhemmung der Festsetzungsverjährung für Fälle, in denen eine solche Meldung nicht erfolgte. § 13a Abs. 7 ErbStG a.F. enthielt eine gesonderte Nachweispflicht bei Erwerb von nichtinländischem 267 begünstigtem Vermögen. Die Vorschrift trug den Schwierigkeiten Rechnung, die die Finanzverwaltung aufgrund ihres begrenzten Wirkungskreises bei der Ermittlung von Auslandssachverhalten hat. § 13a Abs. 8 ErbStG a.F. regelte die Voraussetzungen und Modalitäten der Optionsverschonung 268 (Absenkung der maßgeblichen Verwaltungsvermögensquote der übertragenen betrieblichen Einheit von maximal 50 % auf maximal 10 %, Verschärfung der zu erbringenden Mindestlohnsumme auf 700 % in den auf den Erwerb folgenden sieben Jahren; Verlängerung der Behaltensfrist von fünf auf sieben Jahre) sowie die Erhöhung des Verschonungsabschlags auf 100 %. § 13a Abs. 9 ErbStG a.F. stellte klar, dass die Verschonungsvoraussetzungen a.F. insgesamt auch für 269 die Erbersatzsteuer von Familienstiftungen galten.
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§ 13a ErbStG Rz. 270 Steuerbefreiung für Betriebsvermögen, LuF, Anteile
II. Lohnsumme (§ 13a Abs. 1 Satz 2 bis 5 und Abs. 4 ErbStG a.F.) 270 Erörterungsbedürftig war bei Übertragungen vor dem 7.6.2013, was der Begriff des „Betriebes“
i.S.d. § 13a Abs. 1 Satz 4 ErbStG a.F. Gesetzes umfasste, namentlich die Einbeziehung der Arbeitnehmer von Tochtergesellschaften in die 20-Arbeitnehmer-Grenze in mehrstöckigen Strukturen. Insbesondere war zwischen der Finanzverwaltung und der Literatur umstritten, wie sich diese Regelung im Falle einer Holding-Gesellschaft auswirkte, die für sich genommen die Grenze von 20 Arbeitnehmern nicht überschritt. 271 Beispiel: Auf Ebene der M-Holding sind nur fünf Arbeitnehmer beschäftigt. Die M-Holding ihrerseits hält 100 %ige Beteiligungen an drei Tochtergesellschaften. Jede Tochtergesellschaft verfügt über ca. 300 Arbeitnehmer.
272 Die Finanzverwaltung stellte nicht nur auf die Arbeitnehmer der Holding-Gesellschaft selbst ab,
sondern erfasst auch die Arbeitnehmer nachgeordneter Gesellschaften. Die Grundsätze des § 13a Abs. 4 Satz 5 ErbStG a.F., wonach Löhne und Gehälter von Arbeitnehmern von Tochtergesellschaften unter bestimmten Voraussetzungen in die Lohnsummenberechnung eingehen, sollten sinngemäß gelten.1 Die wohl h.M. in der Literatur2 sowie die Rechtsprechung3 stellten angesichts des eindeutigen Gesetzeswortlautes hingegen allein auf die Arbeitnehmer der Holding-Gesellschaft ab. 273 Die somit im Ergebnis vorliegende Gesetzeslücke4 hatte der Gesetzgeber erst durch das AmtshilfeRL-
UmsG (ungeachtet der Bezeichnung als „klarstellend“ in der Gesetzesbegründung5) geschlossen und die Einbeziehung der Arbeitnehmer von Tochtergesellschaften i.S.d. § 13a Abs. 4 Satz 5 ErbStG a.F. mit Wirkung vom 7.6.2013 auch für die 20-Arbeitnehmer-Grenze angeordnet (§ 13b Abs. 1 Satz 4 ErbStG a.F.).
III. Lohnsummenermittlung in mehrstufigen Beteiligungsstrukturen vor dem 30.6.2016 (§ 13a Abs. 4 Satz 5 ErbStG a.F.) 274 Nach § 13a Abs. 4 Satz 5 ErbStG a.F. erfolgte eine Einbeziehung der Lohnsummen von nachgeordneten
Gesellschaften nur, wenn zum Betrieb „unmittelbar oder mittelbar Beteiligungen an Personengesellschaften … oder Anteile an Kapitalgesellschaften“ gehören, „wenn die unmittelbare oder mittelbare Beteiligung mehr als 25 % beträgt“. Nach Auffassung der Finanzverwaltung bezog sich diese Einschränkung nur auf die Einbeziehung nachgeordneter Kapitalgesellschaften in die Lohnsummenberechnung, während die Lohnsumme nachgeordneter Personengesellschaften unabhängig von der Beteiligungshöhe stets in die Lohnsummenermittlung der übertragenen Gesellschaft einzubeziehen sein sollte.6 Demgegenüber gingen Teile der Literatur davon aus, dass die 25 %-Grenze für alle Beteiligungen gilt.7 Der Gesetzeswortlaut ließ beide Auslegungen zu. Nach verständiger Auslegung des Gesetzes stellte jedoch m.E. die 25 %-Grenze eine „echte“ Vereinfachungsregelung dar, die es dem Steueranwender ersparen sollte, bei Klein- und Kleinstbeteiligungen die erforderlichen Daten für die Lohnsummenermittlung zu erheben. Dies betraf allerdings gleichermaßen Kapitalgesellschaften wie Personengesellschaften. Begreift man die Regelung als echte Vereinfachungsregelung, wäre es vielmehr widersinnig, diese nur auf Beteiligungen an Kapitalgesellschaften anzuwenden, da sich die tatsächlichen Schwierigkeiten hinsichtlich der Lohnsummenermittlung auch bei Kleinbeteiligungen an Personengesellschaften ergeben können. M.E. 1 R E 13a.4 Abs. 2 Satz 9 ErbStR 2011. Ebenso Weinmann in Moench/Weinmann, § 13 ErbStG Rz. 59. 2 Riedel in D/H/R2, § 13a ErbStG Rz. 84; Zipfel/Lahme, DStZ 2009, 633 (635); Wachter in F/J/P/W4, § 13a ErbStG Rz. 53; Geck in Kapp/Ebeling, § 13a ErbStG Rz. 41; Esskandari, ErbStB 2011, 194 (197). 3 FG Köln v. 10.6.2015 – 9 K 2384/09, EFG 2015, 1618; FG Düsseldorf v. 28.10.2015 – 4 K 269/15 F, EFG 2016, 125, beide Rev. eingelegt, Az. BFH: II R 34/15 u. II R 57/15. 4 So auch Korezkij, Ubg 2009, 638 (642). 5 Entwurf eines JStG 2013 v. 22.2.2013, BR-Drucks. 139/13, 222. 6 R E 13.4 Abs. 6 ErbStR 2011; koordinierte Ländererlasse v. 5.12.2012, BStBl. I 2012, 1250 Tz. 1.2 Satz 1; gl.A. Wachter in F/J/P/W5, § 13a ErbStG Rz. 74; Geck in Kapp/Ebeling, § 13a ErbStG Rz. 28 (Stand: Juli 2016); Jülicher in T/G/J, § 13a ErbStG Rz. 115 (Stand: April 2014). 7 Söffing in Wilms/Jochum, § 13a ErbStG Rz. 118 (Stand: Oktober 2016); Weber/Schwind, NWB 2009, 2410 (2418).
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Wesentliche Unterschiede zu § 13a ErbStG a.F. (bis zum 30.6.2016)
Rz. 277 § 13a ErbStG
ließ sich eine Beschränkung der 25 %-Grenze nur für Kapitalgesellschaftsbeteiligungen auch nicht mit Verweis darauf begründen, dass das Gesetz auch an anderer Stelle eine 25 %ige Grenze nur für Kapitalgesellschaften vorsah, so z.B. in § 13b Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 ErbStG a.F.1 und § 13b Abs. 1 Nr. 3 ErbStG a.F.2 Insbesondere mit der Einziehung einer 25 %-Grenze für Kapitalgesellschaften in § 13b Abs. 1 Nr. 3 ErbStG a.F. verdeutlichte der Gesetzgeber, dass er für die erbschaftsteuerliche Begünstigung von Kapitalgesellschaften ein unternehmerisches Engagement voraussetzt. Um den „bloßen Kapitalanleger“ von der Begünstigung auszuscheiden, sieht er eine Mindestbeteiligungshöhe von 25 % als geeigneten Indikator an.3 Diese Unterscheidung hat bei der Frage, ob nachgeordnete Kapitalgesellschaftsbeteiligungen in die Lohnsummenkontrolle einzubeziehen sind, jedoch keine Bedeutung. Richtig ist, dass solche Beteiligungen zwar (vorbehaltlich einer Poolung, dazu § 13b ErbStG Rz. 148) als Verwaltungsvermögen zählen können, gleichwohl sind sie doch zunächst Teil des dem Grunde nach begünstigten Vermögens. Hier ist kein Argument ersichtlich, warum bei Beteiligungen an Personengesellschaften anders verfahren werden sollte.
IV. Optionsverschonung (§ 13a Abs. 8 ErbStG a.F.) § 13a Abs. 8 ErbStG a.F. regelte die erweiterten Voraussetzungen, unter denen der Erwerber von 275 dem Grunde nach begünstigten Vermögen i.S.d. § 13b Abs. 1 ErbStG a.F. die sog. Vollverschonung (100 %iger Abschlag auf den gemeinen Wert) in Anspruch nehmen kann. Folge der Ausübung der Vollverschonungsoption ist, dass das begünstigte betriebliche Vermögen (vorbehaltlich etwaiger Nachsteuerfestsetzung) steuerfrei auf den Erwerber übergehen kann. Hierdurch an Relevanz verlor insbesondere der gleitende Abzugsbetrag (§ 13a Abs. 2 ErbStG a.F.) sowie in besonders gelagerten Fallkonstellationen, wie z.B. der Übertragung von betrieblichen Vermögen auf eine ausländische Familienstiftung, auch die z.T. restriktive Anwendung des Steuerklassenprivilegs gem. § 19a ErbStG (hierzu § 19a ErbStG Rz. 7). Zu den verfassungsrechtlichen Implikationen der Vollverschonungsregelung vgl. oben Rz. 27. Die Vollverschonung wurde gem. § 13a Abs. 8 ErbStG a.F. nur auf Antrag gewährt und war von der 276 Erfüllung folgender verschärfter Voraussetzungen abhängig: – Die im Rahmen der Lohnsummenkontrolle einzuhaltenden Parameter verschärften sich dahingehend, dass der Erwerber innerhalb der auf den Übertragungsstichtag folgenden sieben Jahre (Regelverschonung: fünf Jahre) insgesamt 700 % (Regelverschonung: 400 %) der Ausgangslohnsumme erbringen muss (§ 13a Abs. 8 Nr. 1 ErbStG). – Die Behaltensfrist nach § 13a Abs. 5 ErbStG verlängerte sich allgemein von fünf (Regelverschonung) auf sieben Jahre (§ 13a Abs. 8 Nr. 2 ErbStG). – Der Anteil des Verwaltungsvermögens am gemeinen Wert der übertragenden betrieblichen Einheit durfte nicht mehr als 10 % (Regelverschonung: 50 %) betragen. Junges Verwaltungsvermögen war gleichwohl von der Verschonung ausgenommen (§ 13a Abs. 8 Nr. 3 ErbStG a.F.). Die Ausübung der Vollverschonungsoption berührte die maßgebliche 50 %-Grenze für Verwaltungsvermögen in nachgeordneten Gesellschaften (§ 13b Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 ErbStG a.F.) nicht. Zu den Einzelheiten der Regelung wird auf Rz. 249 bis 258 verwiesen.
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1 So Jülicher in T/G/J, § 13a ErbStG Rz. 115 (Stand: November 2014). 2 So Wachter in F/J/P/W5, § 13a ErbStG Rz. 74. 3 Vgl. statt vieler Hübner, Erbschaftsteuerreform 2009, 419 f.
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§ 13b Begünstigtes Vermögen (1) Zum begünstigungsfähigen Vermögen gehören 1. der inländische Wirtschaftsteil des land- und forstwirtschaftlichen Vermögens (§ 168 Absatz 1 Nummer 1 des Bewertungsgesetzes) mit Ausnahme der Stückländereien (§ 160 Absatz 7 des Bewertungsgesetzes) und selbst bewirtschaftete Grundstücke im Sinne des § 159 des Bewertungsgesetzes sowie entsprechendes land- und forstwirtschaftliches Vermögen, das einer Betriebsstätte in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder in einem Staat des Europäischen Wirtschaftsraums dient; 2. inländisches Betriebsvermögen (§§ 95 bis 97 Absatz 1 Satz 1 des Bewertungsgesetzes) beim Erwerb eines ganzen Gewerbebetriebs oder Teilbetriebs, einer Beteiligung an einer Gesellschaft im Sinne des § 15 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und Absatz 3 oder § 18 Absatz 4 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes, eines Anteils eines persönlich haftenden Gesellschafters einer Kommanditgesellschaft auf Aktien oder Anteils daran und entsprechendes Betriebsvermögen, das einer Betriebsstätte in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder in einem Staat des Europäischen Wirtschaftsraums dient; 3. 1Anteile an einer Kapitalgesellschaft, wenn die Kapitalgesellschaft im Zeitpunkt der Entstehung der Steuer (§ 9) Sitz oder Geschäftsleitung im Inland oder in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder in einem Staat des Europäischen Wirtschaftsraums hat und der Erblasser oder Schenker am Nennkapital dieser Gesellschaft unmittelbar zu mehr als 25 Prozent beteiligt war (Mindestbeteiligung). 2Ob der Erblasser oder Schenker die Mindestbeteiligung erfüllt, ist nach der Summe der dem Erblasser oder Schenker unmittelbar zuzurechnenden Anteile und der Anteile weiterer Gesellschafter zu bestimmen, wenn der Erblasser oder Schenker und die weiteren Gesellschafter untereinander verpflichtet sind, über die Anteile nur einheitlich zu verfügen oder ausschließlich auf andere derselben Verpflichtung unterliegende Anteilseigner zu übertragen und das Stimmrecht gegenüber nichtgebundenen Gesellschaftern einheitlich auszuüben. (2) 1Das begünstigungsfähige Vermögen ist begünstigt, soweit sein gemeiner Wert den um das unschädliche Verwaltungsvermögen im Sinne des Absatzes 7 gekürzten Nettowert des Verwaltungsvermögens im Sinne des Absatzes 6 übersteigt (begünstigtes Vermögen). 2Abweichend von Satz 1 ist der Wert des begünstigungsfähigen Vermögens vollständig nicht begünstigt, wenn das Verwaltungsvermögen nach Absatz 4 vor der Anwendung des Absatzes 3 Satz 1, soweit das Verwaltungsvermögen nicht ausschließlich und dauerhaft der Erfüllung von Schulden aus durch Treuhandverhältnisse abgesicherten Altersversorgungsverpflichtungen dient und dem Zugriff aller übrigen nicht aus diesen Altersversorgungsverpflichtungen unmittelbar berechtigten Gläubiger entzogen ist, sowie der Schuldenverrechnung und des Freibetrags nach Absatz 4 Nummer 5 sowie der Absätze 6 und 7 mindestens 90 Prozent des gemeinen Werts des begünstigungsfähigen Vermögens beträgt. (3) 1Teile des begünstigungsfähigen Vermögens, die ausschließlich und dauerhaft der Erfüllung von Schulden aus Altersversorgungsverpflichtungen dienen und dem Zugriff aller übrigen nicht aus den Altersversorgungsverpflichtungen unmittelbar berechtigten Gläubiger entzogen sind, gehören bis zur Höhe des gemeinen Werts der Schulden aus Altersversorgungsverpflichtungen nicht zum Verwaltungsvermögen im Sinne des Absatzes 4 Nummer 1 bis 5. 2Soweit Finanzmittel und Schulden bei Anwendung von Satz 1 berücksichtigt wurden, bleiben sie bei der Anwendung des Absatzes 4 Nummer 5 und des Absatzes 6 außer Betracht. (4) Zum Verwaltungsvermögen gehören 1. 1Dritten zur Nutzung überlassene Grundstücke, Grundstücksteile, grundstücksgleiche Rechte und Bauten. 2Eine Nutzungsüberlassung an Dritte ist nicht anzunehmen, wenn a) der Erblasser oder Schenker sowohl im überlassenden Betrieb als auch im nutzenden Betrieb allein oder zusammen mit anderen Gesellschaftern einen einheitlichen geschäftlichen Betätigungswillen durchsetzen konnte oder als Gesellschafter einer Gesellschaft im Sinne des § 15 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und Absatz 3 oder § 18 Absatz 4 des Einkommensteuergesetzes den Vermögensgegenstand der Gesellschaft zur Nutzung überlassen hatte, und
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§ 13b ErbStG Begünstigtes Vermögen diese Rechtsstellung auf den Erwerber übergegangen ist, soweit keine Nutzungsüberlassung an einen weiteren Dritten erfolgt; b) 1die Nutzungsüberlassung im Rahmen der Verpachtung eines ganzen Betriebs erfolgt, welche beim Verpächter zu Einkünften nach § 2 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und 3 des Einkommensteuergesetzes führt und aa) der Verpächter des Betriebs im Zusammenhang mit einer unbefristeten Verpachtung den Pächter durch eine letztwillige Verfügung oder eine rechtsgeschäftliche Verfügung als Erben eingesetzt hat oder bb) die Verpachtung an einen Dritten erfolgt, weil der Beschenkte im Zeitpunkt der Entstehung der Steuer (§ 9) den Betrieb noch nicht führen kann, und die Verpachtung auf höchstens zehn Jahre befristet ist; hat der Beschenkte das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet, beginnt die Frist mit der Vollendung des 18. Lebensjahres. 2Dies gilt nicht für verpachtete Betriebe, soweit sie vor ihrer Verpachtung die Voraussetzungen als begünstigtes Vermögen nach Absatz 2 nicht erfüllt haben und für verpachtete Betriebe, deren Hauptzweck in der Überlassung von Grundstücken, Grundstücksteilen, grundstücksgleichen Rechten und Bauten an Dritte zur Nutzung besteht, die nicht unter Buchstabe d fallen; c) sowohl der überlassende Betrieb als auch der nutzende Betrieb zu einem Konzern im Sinne des § 4h des Einkommensteuergesetzes gehören, soweit keine Nutzungsüberlassung an einen weiteren Dritten erfolgt; d) die überlassenen Grundstücke, Grundstücksteile, grundstücksgleichen Rechte und Bauten zum Betriebsvermögen, zum gesamthänderisch gebundenen Betriebsvermögen einer Personengesellschaft oder zum Vermögen einer Kapitalgesellschaft gehören und der Hauptzweck des Betriebs in der Vermietung von Wohnungen im Sinne des § 181 Absatz 9 des Bewertungsgesetzes besteht, dessen Erfüllung einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb (§ 14 der Abgabenordnung) erfordert; e) die Grundstücke, Grundstücksteile, grundstücksgleichen Rechte und Bauten vorrangig überlassen werden, um im Rahmen von Lieferungsverträgen dem Absatz von eigenen Erzeugnissen und Produkten zu dienen; f) die Grundstücke, Grundstücksteile, grundstücksgleichen Rechte und Bauten an Dritte zur land- und forstwirtschaftlichen Nutzung überlassen werden; 2. 1Anteile an Kapitalgesellschaften, wenn die unmittelbare Beteiligung am Nennkapital dieser Gesellschaften 25 Prozent oder weniger beträgt und sie nicht dem Hauptzweck des Gewerbebetriebs eines Kreditinstitutes oder eines Finanzdienstleistungsinstitutes im Sinne des § 1 Absatz 1 und 1a des Kreditwesengesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 9. September 1998 (BGBl. I S. 2776), das zuletzt durch Artikel 14 des Gesetzes vom 10. Mai 2016 (BGBl. I S. 1142) geändert worden ist, oder eines Versicherungsunternehmens, das der Aufsicht nach § 1 Absatz 1 Nummer 1 des Versicherungsaufsichtsgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 1. April 2015 (BGBl. I S. 434), das zuletzt durch Artikel 13 des Gesetzes vom 10. Mai 2016 (BGBl. I S. 1142) geändert worden ist, unterliegt, zuzurechnen sind. 2Ob diese Grenze unterschritten wird, ist nach der Summe der dem Betrieb unmittelbar zuzurechnenden Anteile und der Anteile weiterer Gesellschafter zu bestimmen, wenn die Gesellschafter untereinander verpflichtet sind, über die Anteile nur einheitlich zu verfügen oder sie ausschließlich auf andere derselben Verpflichtung unterliegende Anteilseigner zu übertragen und das Stimmrecht gegenüber nichtgebundenen Gesellschaftern nur einheitlich auszuüben; 3. Kunstgegenstände, Kunstsammlungen, wissenschaftliche Sammlungen, Bibliotheken und Archive, Münzen, Edelmetalle und Edelsteine, Briefmarkensammlungen, Oldtimer, Yachten, Segelflugzeuge sowie sonstige typischerweise der privaten Lebensführung dienende Gegenstände, wenn der Handel mit diesen Gegenständen, deren Herstellung oder Verarbeitung oder die entgeltliche Nutzungsüberlassung an Dritte nicht der Hauptzweck des Betriebs ist; 4. Wertpapiere sowie vergleichbare Forderungen, wenn sie nicht dem Hauptzweck des Gewerbebetriebs eines Kreditinstitutes oder eines Finanzdienstleistungsinstitutes im Sinne des § 1 Absatz 1 und 1a des Kreditwesengesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 9. September 1998 (BGBl. I S. 2776), das zuletzt durch Artikel 14 des Gesetzes vom 10. Mai 2016 (BGBl. I S. 1142) geändert worden ist, oder eines Versicherungsunternehmens, das der Aufsicht nach 522
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Begünstigtes Vermögen
§ 13b ErbStG
§ 1 Absatz 1 Nummer 1 des Versicherungsaufsichtsgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 1. April 2015 (BGBl. I S. 434), das zuletzt durch Artikel 13 des Gesetzes vom 10. Mai 2016 (BGBl. I S. 1142) geändert worden ist, unterliegt, zuzurechnen sind; 5. 1der gemeine Wert des nach Abzug des gemeinen Werts der Schulden verbleibenden Bestands an Zahlungsmitteln, Geschäftsguthaben, Geldforderungen und anderen Forderungen (Finanzmittel), soweit er 15 Prozent des anzusetzenden Werts des Betriebsvermögens des Betriebs oder der Gesellschaft übersteigt. 2Der gemeine Wert der Finanzmittel ist um den positiven Saldo der eingelegten und der entnommenen Finanzmittel zu verringern, welche dem Betrieb im Zeitpunkt der Entstehung der Steuer (§ 9) weniger als zwei Jahre zuzurechnen waren (junge Finanzmittel); junge Finanzmittel sind Verwaltungsvermögen. 3Satz 1 gilt nicht, wenn die genannten Wirtschaftsgüter dem Hauptzweck des Gewerbebetriebs eines Kreditinstitutes oder eines Finanzdienstleistungsinstitutes im Sinne des § 1 Absatz 1 und 1a des Kreditwesengesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 9. September 1998 (BGBl. I S. 2776), das zuletzt durch Artikel 14 des Gesetzes vom 10. Mai 2016 (BGBl. I S. 1142) geändert worden ist, oder eines Versicherungsunternehmens, das der Aufsicht nach § 1 Absatz 1 Nummer 1 des Versicherungsaufsichtsgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 1. April 2015 (BGBl. I S. 434), das zuletzt durch Artikel 13 des Gesetzes vom 10. Mai 2016 (BGBl. I S. 1142) geändert worden ist, unterliegt, zuzurechnen sind. 4Voraussetzung für die Anwendung des Prozentsatzes von 15 Prozent des Satzes 1 ist, dass das nach Absatz 1 begünstigungsfähige Vermögen des Betriebs oder der nachgeordneten Gesellschaften nach seinem Hauptzweck einer Tätigkeit im Sinne des § 13 Absatz 1, des § 15 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1, des § 18 Absatz 1 Nummer 1 und 2 des Einkommensteuergesetzes dient. 5Die Voraussetzungen des Satzes 4 sind auch erfüllt, wenn die Tätigkeit durch Gesellschaften im Sinne des § 13 Absatz 7, des § 15 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 oder des § 18 Absatz 4 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes ausgeübt wird. (5) 1Beim Erwerb von Todes wegen entfällt die Zurechnung von Vermögensgegenständen zum Verwaltungsvermögen im Sinne des Absatzes 4 Nummer 1 bis 5 rückwirkend zum Zeitpunkt der Entstehung der Steuer (§ 9), wenn der Erwerber innerhalb von zwei Jahren ab dem Zeitpunkt der Entstehung der Steuer (§ 9) diese Vermögensgegenstände in Vermögensgegenstände innerhalb des vom Erblasser erworbenen, begünstigungsfähigen Vermögens im Sinne des Absatzes 1 investiert hat, die unmittelbar einer Tätigkeit im Sinne von § 13 Absatz 1, § 15 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 oder § 18 Absatz 1 Nummer 1 und 2 des Einkommensteuergesetzes dienen und kein Verwaltungsvermögen sind. 2Voraussetzung hierfür ist, dass die Investition auf Grund eines im Zeitpunkt der Entstehung der Steuer (§ 9) vorgefassten Plans des Erblassers erfolgt und keine anderweitige Ersatzbeschaffung von Verwaltungsvermögen vorgenommen wird oder wurde. 3Beim Erwerb von Todes wegen entfällt die Zurechnung von Finanzmitteln zum Verwaltungsvermögen im Sinne des Absatzes 4 Nummer 5 Satz 1 rückwirkend zum Zeitpunkt der Entstehung der Steuer (§ 9), soweit der Erwerber diese Finanzmittel innerhalb von zwei Jahren ab dem Zeitpunkt der Entstehung der Steuer (§ 9) verwendet, um bei auf Grund wiederkehrender saisonaler Schwankungen fehlenden Einnahmen die Vergütungen im Sinne des § 13a Absatz 3 Satz 6 bis 10 zu zahlen. 4Satz 2 gilt entsprechend. 5Der Erwerber hat das Vorliegen der Voraussetzungen der Sätze 1 bis 4 nachzuweisen. (6) 1Der Nettowert des Verwaltungsvermögens ergibt sich durch Kürzung des gemeinen Werts des Verwaltungsvermögens um den nach Anwendung der Absätze 3 und 4 verbleibenden anteiligen gemeinen Wert der Schulden. 2Die anteiligen Schulden nach Satz 1 bestimmen sich nach dem Verhältnis des gemeinen Werts des Verwaltungsvermögens zum gemeinen Wert des Betriebsvermögens des Betriebs oder der Gesellschaft zuzüglich der nach Anwendung der Absätze 3 und 4 verbleibenden Schulden. (7) 1Der Nettowert des Verwaltungsvermögens wird vorbehaltlich des Satzes 2 wie begünstigtes Vermögen behandelt, soweit er 10 Prozent des um den Nettowert des Verwaltungsvermögens gekürzten gemeinen Werts des Betriebsvermögens nicht übersteigt (unschädliches Verwaltungsvermögen). 2Verwaltungsvermögen, das dem Betrieb im Zeitpunkt der Entstehung der Steuer (§ 9) weniger als zwei Jahre zuzurechnen war (junges Verwaltungsvermögen), und junge Finanzmittel im Sinne des Absatzes 4 Nummer 5 Satz 2 sind kein unschädliches Verwaltungsvermögen. (8) 1Eine Saldierung mit Schulden nach Absatz 6 findet für junge Finanzmittel im Sinne des Absatzes 4 Nummer 5 Satz 2 und junges Verwaltungsvermögen im Sinne des Absatzes 7 Satz 2 nicht statt. 2Eine Verrechnung von Schulden mit Verwaltungsvermögen ist bei wirtschaftlich nicht beStalleiken
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§ 13b ErbStG Begünstigtes Vermögen lastenden Schulden und darüber hinaus ausgeschlossen, soweit die Summe der Schulden den durchschnittlichen Schuldenstand der letzten drei Jahre vor dem Zeitpunkt der Entstehung der Steuer (§ 9) übersteigt; dies gilt nicht, soweit die Erhöhung des Schuldenstands durch die Betriebstätigkeit veranlasst ist. 3Als Nettowert des Verwaltungsvermögens ist mindestens der gemeine Wert des jungen Verwaltungsvermögens und der jungen Finanzmittel anzusetzen. (9) 1Gehören zum begünstigungsfähigen Vermögen im Sinne des Absatzes 1 Nummer 2 und 3 unmittelbar oder mittelbar Beteiligungen an Personengesellschaften oder Beteiligungen an entsprechenden Gesellschaften mit Sitz oder Geschäftsleitung im Ausland oder unmittelbar oder mittelbar Anteile an Kapitalgesellschaften oder Anteile an entsprechenden Kapitalgesellschaften mit Sitz oder Geschäftsleitung im Ausland, sind bei der Anwendung der Absätze 2 bis 8 anstelle der Beteiligungen oder Anteile die gemeinen Werte der diesen Gesellschaften zuzurechnenden Vermögensgegenstände nach Maßgabe der Sätze 2 bis 5 mit dem Anteil einzubeziehen, zu dem die unmittelbare oder mittelbare Beteiligung besteht. 2Die unmittelbar oder mittelbar gehaltenen Finanzmittel, die Vermögensgegenstände des Verwaltungsvermögens im Sinne des Absatzes 4 Nummer 1 bis 4 sowie die Schulden sind jeweils zusammenzufassen (Verbundvermögensaufstellung); junge Finanzmittel und junges Verwaltungsvermögen sind gesondert aufzuführen. 3Soweit sich in der Verbundvermögensaufstellung Forderungen und Verbindlichkeiten zwischen den Gesellschaften untereinander oder im Verhältnis zu dem übertragenen Betrieb oder der übertragenen Gesellschaft gegenüberstehen, sind diese nicht anzusetzen. 4Absatz 4 Nummer 5 und die Absätze 6 bis 8 sind auf die Werte in der Verbundvermögensaufstellung anzuwenden. 5Die Sätze 1 bis 4 sind auf Anteile im Sinne von Absatz 4 Nummer 2 sowie auf wirtschaftlich nicht belastende Schulden nicht anzuwenden; diese Anteile sind als Verwaltungsvermögen anzusetzen. (10) 1Das für die Bewertung der wirtschaftlichen Einheit örtlich zuständige Finanzamt im Sinne des § 152 Nummer 1 bis 3 des Bewertungsgesetzes stellt die Summen der gemeinen Werte der Finanzmittel im Sinne des Absatzes 4 Nummer 5 Satz 1, der jungen Finanzmittel im Sinne des Absatzes 4 Nummer 5 Satz 2, der Vermögensgegenstände des Verwaltungsvermögens im Sinne des Absatzes 4 Nummer 1 bis 4, der Schulden und des jungen Verwaltungsvermögens im Sinne des Absatzes 7 Satz 2 gesondert fest, wenn und soweit diese Werte für die Erbschaftsteuer oder eine andere Feststellung im Sinne dieser Vorschrift von Bedeutung sind. 2Dies gilt entsprechend, wenn nur ein Anteil am Betriebsvermögen im Sinne des Absatzes 1 Nummer 2 übertragen wird. 3Die Entscheidung, ob die Werte von Bedeutung sind, trifft das für die Festsetzung der Erbschaftsteuer oder für die Feststellung nach § 151 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 bis 3 des Bewertungsgesetzes zuständige Finanzamt. 4Bei Anteilen an Kapitalgesellschaften, die nach § 11 Absatz 1 des Bewertungsgesetzes zu bewerten sind, trifft die Feststellungen des Satzes 1 das örtlich zuständige Finanzamt entsprechend § 152 Nummer 3 des Bewertungsgesetzes. 5§ 151 Absatz 3 und die §§ 152 bis 156 des Bewertungsgesetzes sind auf die Sätze 1 bis 4 entsprechend anzuwenden. A. Grundaussagen der Vorschrift. . . . . . . . . . I. Regelungsgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Systematische Stellung des § 13b ErbStG und Grundsystematik der Verschonungsregelungen für begünstigtes Vermögen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Normaufbau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Bedeutung und Telos . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Geltungsbereich und Verhältnis zu anderen Vorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Rechtsentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Keine Vorgängernorm vor dem 1.1.2009 . 2. JStG 2010. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Steuervereinfachungsgesetz 2011 . . . . . . 4. Amtshilferichtlinie-Umsetzungsgesetz. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. ErbStAnpG 2016 . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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1 1
1 3 13 14 15 15 16 18 19 20
B. Begünstigungsfähiges Vermögen (Abs. 1) . . I. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Land- und forstwirtschaftliches Vermögen (Abs. 1 Nr. 1). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Betriebsvermögen (Abs. 1 Nr. 2). . . . . . . . . . 1. Maßgeblichkeit der Mitunternehmerstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Erstreckung der Begünstigung auf inländisches und europäisches Betriebsvermögen; Transparenzprinzip . . . . . . . . . IV. Anteile an Kapitalgesellschaften (Abs. 1 Nr. 3). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Grundsätze (Abs. 1 Nr. 3 Satz 1) . . . . . . . a) Unmittelbare Beteiligung an Nennkapital von mehr als 25 %. . . . . . b) Besondere Beteiligungsformen (Nießbrauch, Treuhand) . . . . . . . . . . .
21 21 24 31 31
45 49 49 49 55
Begünstigtes Vermögen
C. I. II. III.
c) Inland – EU/EWR – Drittland . . . . . . 60 2. Überspringen der 25 %-Grenze durch Poolvertrag (Abs. 1 Nr. 3 Satz 2) . . . . . . . 61 a) Allgemeines. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 b) Tatbestandsmerkmal Verfügungsbeschränkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 c) Tatbestandsmerkmal Stimmbindung . 74 Begünstigtes Vermögen (Abs. 2) . . . . . . . . 78 Das begünstigte Vermögen als Grundlage für die Steuerbefreiungen . . . . . . . . . . . . . . 78 Berechnung des begünstigten Vermögens (Überblick) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 Vollständiger Ausschluss der Begünstigung bei „Brutto-Verwaltungsvermögen“ von mindestens 90 % (Satz 2) . . . . . . . . . . . . . . 87
D. Privilegierung für Vermögensgegenstände zur Altersvorsorgeabsicherung (Abs. 3). . . E. Verwaltungsvermögen (Abs. 4) . . . . . . . . . I. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Dritten zur Nutzung überlassener Grundbesitz (Abs. 4 Nr. 1) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Grundsatz (Abs. 4 Nr. 1 Satz 1) . . . . . . . 2. Ausnahmen (Abs. 4 Nr. 1 Satz 2 Buchst. a bis f) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Betriebsaufspaltungskonstellationen und Sonderbetriebsvermögen (Buchst. a) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Betriebsverpachtungen (Buchst. b). . . c) Konzerninterne Nutzungsüberlassungen (Buchst. c) . . . . . . . . . . . . . . . d) Wohnungsunternehmen (Buchst. d) . e) Ausnahme Grundstücksüberlassung zum Absatz eigener Produkte (Buchst. e) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Land- und forstwirtschaftlich genutzte Grundstücke (Buchst. f) . . . . . III. Anteile an Kapitalgesellschaften von 25 % und weniger (Nr. 2) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Grundsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Ausnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Poolvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Konzern unter einheitlicher Leitung . . c) Kreditinstitute oder Finanzdienstleister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Kreditinstitut i.S.d. § 1 Abs. 1 KWG oder Finanzdienstleistungsinstitut i.S.d. § 1 Abs. 1a KWG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Zurechnung zum Hauptzweck des Gewerbebetriebes eines Kreditinstitutes oder Finanzdienstleistungsinstitutes . . . . . . . IV. Kunstgegenstände, Sammlungen und Luxusgegenstände privater Lebensführung (Nr. 3) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
93 99 99 106 106 113
§ 13b ErbStG
V. Wertpapiere und vergleichbare Forderungen (Nr. 4) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Begriffsbestimmung. . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Zivilrechtlicher Ansatz . . . . . . . . . . . . . . . 3. Bilanzieller Ansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Kapitalmarktrechtliches Verständnis (Auffassung der Finanzverwaltung) . . . . . 5. Ausnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Finanzmittel (Nr. 5). . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Allgemeines. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Begriffsbestimmung. . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Betriebsbezogene Saldierung mit Verbindlichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Abzug eines Freibetrags . . . . . . . . . . . . . . 5. Finanzmittelberechnung bei Beteiligungen an Personengesellschaften . . . . . . 6. Junge Finanzmittel (Satz 2) . . . . . . . . . . . 7. Ausnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . F. Investitionsklausel (Abs. 5). . . . . . . . . . . . . I. Ausnahme vom Stichtagsprinzip . . . . . . . . . II. Investition von Verwaltungsvermögen und Finanzmittel-Verwaltungsvermögen . . . III. Abbau von Finanzmitteln durch Gehaltszahlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
166 166 168 170 172 179 180 180 181 185 186 191 194 201 202 202 203 213
G. Schuldenverrechnung (Abs. 6) . . . . . . . . . . 216 113 117 120 123 137 139 141 141 148 148 151 153
153
157
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H. Unschädliches Verwaltungsvermögen (Abs. 7) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Grundsatz (Abs. 7 Satz 1). . . . . . . . . . . . . . . II. Ausnahmen für junges Verwaltungsvermögen und junge Finanzmittel (Abs. 7 Satz 2) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Legaldefinition des jungen Verwaltungsvermögens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Sonderregelung für junges (Finanzmittel-)Verwaltungsvermögen und wirtschaftlich nicht belastende sowie überdurchschnittliche Schulden (Abs. 8) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . J. Verbundvermögensaufstellung (Abs. 9) . . . I. Konsolidierte Erfassung des Verwaltungsvermögens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Voraussetzungen im Umfang des Verbundes . III. Junges Verwaltungsvermögen im Verbund . . IV. Junge Finanzmittel im Verbund . . . . . . . . . . V. Besonderheiten bei der Einbeziehung von Sonderbetriebsvermögen . . . . . . . . . . . . . . . 1. Erstreckung des Verbundes auf den übertragenen Mitunternehmeranteil . . . . 2. Berücksichtigung des § 97 Abs. 1a BewG auch im mitunternehmerbezogenen Verbund . . . . . . . . . . . . . . . . . . K. Feststellungsverfahren (Abs. 10) . . . . . . . . .
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221 221
223 223 227
228 237 237 238 243 248 249 249
251 253
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§ 13b ErbStG Begünstigtes Vermögen L. Wesentliche Unterschiede zu § 13b ErbStG a.F. (bis zum 30.6.2016). . . . . . . . . I. Normaufbau § 13b ErbStG a.F. . . . . . . . . . . II. Der „alte“ Verwaltungsvermögenstest . . . . . 1. Allgemeines (§ 13b Abs. 2 Satz 1 ErbStG a.F) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Sog. „Holdingklausel“ (Anteile an Gesellschaften, die ihrerseits zu mehr als 50 % aus Verwaltungsvermögen bestanden, § 13b Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 ErbStG a.F.). . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Junges Verwaltungsvermögen auf unteren Ebenen . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
263 263 269 269
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III. Berechnung der Verwaltungsvermögensquote (§ 13b Abs. 2 Satz 4 bis 6 ErbStG a.F.) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Allgemeines. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Grundsatz der betriebsbezogenen Berechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Besonderheiten bei der Einbeziehung von Sonderbetriebsvermögen. . . . . . . . . . a) Gesellschafterbezogene Betrachtung . . b) Berücksichtigung des § 97 Abs. 1a BewG auch bei der Ermittlung der Verwaltungsvermögensquote . . . . . . . .
285 285 288 289 289 294
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Literatur zu §§ 13a, 13b, 13c, 28a ErbStG i.d.F. des ErbStAnpG 2016: Bockhoff/Eick, Analyse des RegE zur Anpassung des ErbStG und SchenkStG für ausgesuchte Familienunternehmen, DB 2015, 1685; Brüggemann, Entwurf eines Gesetzes zur Anpassung des ErbStG – auf Referentenentwurf folgt Gesetzentwurf, ErbBstg 2015, 206; Brüggemann, ErbStG-E: KG-Anteil wird auf Tochter vererbt, ErbSt muss nach neuem Recht ermittelt werden, ErbBstg 2015, 196; Brüggemann, Gesetz zur Anpassung des ErbStG: Verwaltungsvermögenstest in Holdingstrukturen, ErbBstg 2017, 13; Crezelius, Erbschaftsteuerreform 2016: Ein rechtssystematischer Überblick, ZEV 2016, 541; Eisele, Erbschaftsteuer: Der Referentenentwurf des BMF im Detail – Lohnsummenklausel und Neudefinition des begünstigten Vermögens, NWB 2015, 1824; Eisele, Erbschaftsteuer: Der Referentenentwurf des BMF im Detail – Vermögenskonsolidierung, Finanzmitteltest und Verschonungsbedarfsprüfung bei Großerwerben unter Einbeziehung von Privatvermögen, NWB 2015, 1905; Eisele, Reform der Erbschaftsteuer: Alternativ- und Ergänzungsvorschläge der Länder im Bundesrat, NWB 2015, 3001; Eisele, Reform der Erbschaftsteuer: Gesetzgebungsverfahren geht in die Verlängerung – Bundesrat ruft Vermittlungsausschuss an, NWB 2016, 2173; Erkis, Der Entwurf – zur Anpassung des ErbStG an das BVerfG-Urteil v. 17.12.2014 – „minimalinvasiv“ oder „maximaladministrativ“?, DStR 2015, 1409; Erkis, Die Neuregelung des Verschonungssystems für Betriebsvermögen im ErbStG – Vorgaben des BVerfG-Urteils v. 17.12.2014 umgesetzt?, DStR 2016, 1441; Geck, Erbschaftsteuerreform 2016: Die neuen Voraussetzungen der Verschonung von Unternehmensvermögen unter Einschluss der Nachsteuertatbestände, ZEV 2016, 546; Hannes, Der Regierungsentwurf zur Reform der Unternehmenserbschaftsteuer, ZEV 2015, 371; Hannes, Erbschaftsteuerreform 2016: Neuregelungen zur Bewertung und zum Umfang der Verschonung, ZEV 2016, 554; Herbst, Das neue Erbschaftsteuerrecht – Erste Praxisbeispiele und erste Zweifelsfragen zur Ermittlung des begünstigten Vermögens, ErbStB 2016, 347; Herbst, Der neue Regierungsentwurf zum ErbStG – Praktische Auswirkungen für die Betriebsvermögensbegünstigungen anhand von Beispielen, ErbStB 2015, 263; Holtz, Erbschaftsteuerreform 2016 – Das neue Verschonungssystem für Unternehmensvermögen, NJW 2016, 3750; Höne, „Große Aufgabe – sehr große Lösung“ – Die Anpassung des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes an die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, NWB-EV 2015, 223; Höreth/Stelzer, Erbschaftsteuerreform – wie wird Betriebsvermögen künftig begünstigt?, DStZ 2016, 559; Kischisch/Maiterth, Einladung zur Steuergestaltung durch den Gesetzentwurf zum ErbStG vom 6.7.2015, DB 2015, 2033; Königer, Entwurf des ErbStAnpG: Die geplanten Begünstigungen für Unternehmensvermögen aus steuerplanerischer Sicht Analyse und Gestaltungsüberlegungen, ErbStB 2015, 256; Korezkij, Erbschaftsteuerreform: Änderungen durch den Regierungsentwurf vom 8.7.2015, DStR 2015, 1649; Korezkij, Erbschaftsteuerreform: Erste Überlegungen zum Referentenentwurf, DStR 2015, 1337; Korezkij, Erbschaftsteuerreform: Finger weg vom Abschmelzungsmodell bei Erwerben begünstigten Vermögens ab 51 Mio. t!, DStR 2017, 189; Korezkij, Neuer Verwaltungsvermögenstest im Konzern aus der Sicht eines Rechtsanwenders – der Weg vom begünstigungsfähigen zum begünstigten Vermögen nach § 13b Abs. 2–10 ErbStG, DStR 2016, 2434; Maier, Die Verschonungsbedarfsprüfung gemäß § 28a ErbStG bei Großerwerben: Tatbestand, Rechtsfolgen und Entscheidungskriterien für Gestaltungsmaßnahmen, ZEV 2017, 10; Ortheil, Gesetzentwurf zur Anpassung des ErbStG: Zu erwartende Schwierigkeiten in der steuerlichen Praxis bei der stichtagsbezogenen Ermittlung des Betriebsvermögens, BB 2015, 2263; von Oertzen/Reich, Reform der Unternehmenserbschaftsteuer – Referentenentwurf des BMF v. 1.6.2015, BB 2015, 1559; von Oertzen/Reich, Erbschaftsteueroptimierung bei Plan- bzw. Deckungsvermögen für Altersversorgungsverpflichtungen, Ubg 2017, 1; von Oertzen/Reich, Die unternehmensverbundene Familienstiftung – „Gewinnerin“ der Erbschaftsteuerreform?, Ubg 2015, 629; Pahlke, Reform der Erbschaftsteuer durch Abbau von Verschonungsregelungen?, ZEV 2015, 377; Reich, Gestaltungen im neuen Unternehmenserbschaftsteuerrecht, DStR 2016, 2447; Reich, Reform der Unternehmenserbschaftsteuer – Verfassungsmäßigkeit der Basisverschonung, DStR 2015, 2750; Reich, Das neue Unternehmenserbschaftsteuerrecht, BB 2016, 2647; Söffing, Das Erbschaftsteuerreformgesetz 2016, ErbStB 2016, 235; Stalleiken, Die Unternehmensbesteuerung, Ubg 2016, 569; Stalleiken, Große Koalition verschiedet RegE zum ErbStG, DB 2015, 1628; Stalleiken, Unternehmenserbschaftsteuerreform 2016 – Neues Begünstigungsregime für Konzerne und Familienunternehmen –, Der Konzern 2016, 439; Stalleiken/Holtz, Regierungsentwurf zur Reform des ErbStG, ErbR 2015, 423; Stalleiken/Kotzenberg, Der Referentenentwurf zur Änderung des
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Grundaussagen der Vorschrift
Rz. 5 § 13b ErbStG
ErbStG – Inhalt und kritische Analyse, GmbHR 2016, 51; Steger/Königer, Erbschaftsteuer 3.0 – Wird mit dem Referentenentwurf des Bundesministeriums der Finanzen vom 1.6.2015 nun alles gut? – Eine kritische Analyse, BB 2015, 1623; Thonemann-Micker, ErbSt-Reform: Das Ergebnis des Vermittlungsausschusses – Überblick und erste Analyse aus Sicht der Praxis – DB 2016, 2312; Thonemann-Micker/Krogoll, Der Hauptzweck gem. § 13b Abs. 3 ErbStG i.d.F. des RegE vom 8.7.2015, ErbStB 2015, 273; Viebrock/van Lück, Neuregelungen der Erbschaftsteuer: Wesentliche Kritikpunkte am Beschluss der Bundesregierung Verschonungsregelungen für Unternehmensvermögen, NWB 2015, 2717; Viskorf/Löcherbach/Jehle: Die Erbschaftsteuerreform 2016 – Ein erster Überblick, DStR 2016, 2425; Wachter, Erste Konturen des neuen Erbschaftsteuerrechts, FR 2016, 690; Wachter, Neuer Vorab-Abschlag beim Erwerb von Anteilen an qualifizierten Familienunternehmen, NZG 2016, 1168; Wachter, Referentenentwurf zum Erbschaft- und Schenkungsteuerrecht, GmbHR 2015, 193; Wachter, Referentenentwurf zur Reform des ErbStG, DB 2015, 1368; Wachter, Stiftungen im neuen Erbschaft- und Schenkungsteuerrecht (Teil 2), FR 2017, 130; Wachter, Unternehmensnachfolge 2017: Anwendungsfragen des neuen ErbStG, GmbHR 2017, 1; Zipfel/Lahme, Anwendungsregelungen des neuen Erbschafsteuergesetzes und Einbeziehung vor dem 1.7.2016 erfolgter Übertragungen in die Großunternehmensregelungen, DStZ 2016, 566.
A. Grundaussagen der Vorschrift I. Regelungsgegenstand 1. Systematische Stellung des § 13b ErbStG und Grundsystematik der Verschonungsregelungen für begünstigtes Vermögen §§ 13a, b ErbStG regeln zusammen mit §§ 13c und 28a ErbStG in sich geschlossen das neue Verscho- 1 nungssystem für unternehmerisches Vermögen. Kernelement sind die beiden Eingangsvoraussetzungen für die Inanspruchnahme der Steuerbefrei- 2 ungen, nämlich die Bestimmung des dem Grunde nach begünstigungsfähigen Vermögens (§ 13b Abs. 1 ErbStG) sowie die Berechnung des Wertes des begünstigten Vermögens als Grundlage für die Steuerbefreiungen (§ 13b Abs. 2 ErbStG). Für die Berechnung des Wertes des begünstigten Vermögens folgt die Gesetzesreihenfolge allerdings leider keinem stringenten Prüfungsaufbau, sondern es finden sich Rechenschritte über § 13b Abs. 2 bis 9 ErbStG verstreut. 2. Normaufbau Abs. 1 regelt – wie zuvor – den Umfang des dem Grunde nach begünstigungsfähigen Vermögens. Die 3 Norm wurde unverändert durch das ErbStÄndG 2016 übernommen. Zum begünstigungsfähigen Vermögen gehören dementsprechend inländisches land- und forstwirtschaftliches Vermögen sowie entsprechendes Vermögen in der EU/dem EWR, inländisches Betriebsvermögen sowie entsprechendes Betriebsvermögen in der EU/dem EWR und Anteile an Kapitalgesellschaften, deren Sitz oder Ort der Geschäftsleitung im Inland oder der EU/dem EWR belegen ist, wenn der Erblasser oder Schenker am Grundkapital dieser Gesellschaft zu mehr als 25 % beteiligt ist oder diese Mindestbeteiligung durch Abschluss eines Anteils- und Stimmrechtspoolvertrags mit anderen Gesellschaftern übersprungen hat. Abs. 2 regelt die grundsätzliche Berechnung des begünstigungsfähigen Vermögens, welches nach der 4 Neukonzeption der Verschonungsvorschriften Grundlage für die Steuerbefreiung ist. Durch die Abkehr vom bisherigen Alles-oder-Nichts-Prinzip ist eine differenzierte Berechnung des Wertes des begünstigten Vermögens in Abgrenzung zum Wert des (verminderten) Netto-Verwaltungsvermögens erforderlich geworden. Bedauerlicherweise ist diese Berechnung nicht abschließend in Abs. 2 geregelt, sondern deren einzelne Rechenschritte finden sich über die gesamten Abs. 2 bis 9 verstreut. Abs. 2 Satz 2 regelt eine zusätzliche Eingangsvoraussetzung für die Inanspruchnahme der Steuerbefreiung, nämlich eine schädliche Ausschlussgrenze, wonach ab einem Anteil des Wertes des Verwaltungsvermögens von 90 % und mehr keinerlei Begünstigung mehr gewährt wird. Abs. 3 regelt als Spezialvorschrift im Rahmen der Zuordnung von Wirtschaftsgütern zum Verwaltungs- 5 vermögen die Unschädlichkeit von Absicherungswirtschaftsgütern zur Erfüllung betrieblicher Altersvorsorgeverpflichtungen unter bestimmten Voraussetzungen. Die Norm gehört thematisch zum Verwaltungsvermögenstest in Abs. 4.
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§ 13b ErbStG Rz. 6 Begünstigtes Vermögen 6 Abs. 4 enthält den zuvor in § 13b Abs. 2 Satz 2 ErbStG a.F. normierten Katalog des schädlichen Verwal-
tungsvermögens. Der Katalog hat im Vergleich zur Vorgängernorm geringfügige Änderungen erfahren und eine neue Nummerierung. Aufgrund der nunmehr konsolidierten Prüfung des Verwaltungsvermögens in mehrstufigen Beteiligungsstrukturen ist die frühere Nr. 3 (sog. Holdingklausel) obsolet geworden. Die frühere Nr. 5 (Kunstgegenstände etc.) ist an die Stelle der Nr. 3 gerückt. Die frühere Nr. 4a (Finanzmittel) wurde zu Nr. 5. 7 Abs. 5 enthält ein Novum durch das ErbStAnpG 2016,1 nämlich die Einführung einer Investitions-
klausel. Hiernach erhält der Erwerber in Erbfällen (nicht bei Schenkungen) die Möglichkeit, binnen zwei Jahren Wirtschaftsgüter des schädlichen Verwaltungsvermögens zu veräußern und in Nicht-Verwaltungsvermögen zu investieren. Ferner kann er überschüssiges Finanzmittel-Verwaltungsvermögen durch Erwerb von betrieblichen Wirtschaftsgütern, die kein Verwaltungsvermögen darstellen, abbauen. Nach Durchführung dieser Investitionsmaßnahmen kann der Erwerber eine Neuberechnung der Verwaltungsvermögensquote unter Berücksichtigung der getätigten Investitionen beantragen, die sodann der Erbschaftsteuerveranlagung zugrunde zu legen ist. 8 Abs. 6 steht in Zusammenhang mit Abs. 2 und regelt, dass grundsätzlich ein nach Abzug von Finanz-
mitteln (und dem CTA-Deckungsvermögen nach Abs. 3) verbleibender Schuldenüberhang anteilig auf das Verwaltungsvermögen und das begünstigte Vermögen zu verteilen ist. Ziel ist es, dass nur noch das Netto-Verwaltungsvermögen der ungemilderten Besteuerung unterliegt. 9 Abs. 7 enthält eine 10 %ige Unschädlichkeitsgrenze, innerhalb derer Netto-Verwaltungsvermögen in
begünstigtes Vermögen umqualifiziert wird. Der Gesetzgeber beabsichtigte mit Einfügung der Unschädlichkeitsgrenze, dem Betrieb ein gewisses (geringes) Maß an schädlichem Verwaltungsvermögen zuzugestehen, ohne dass es zu einer Versteuerung im Übertragungsfall kommen muss. Satz 2 regelt allerdings, dass junges Verwaltungsvermögen und junges Finanzmittel-Verwaltungsvermögen an der 10 %igen Unschädlichkeitsgrenze nicht teilnehmen. 10
Abs. 8 enthält weitere Sonderregelungen für junge Finanzmittel und junges Verwaltungsvermögen. Diese nehmen nicht an der allgemeinen Schuldenverrechnung nach Abs. 6 teil, sind also stets „brutto“ als schädliches Verwaltungsvermögen zu erfassen (Satz 4). Darüber hinaus enthält Satz 2 eine Sonderregelung, wonach die Schuldenverrechnung mit solchen Schulden ausgeschlossen ist, die wirtschaftlich nicht belastend sind oder den durchschnittlichen Schuldenstand der letzten drei Jahre übersteigen. Satz 2 Halbs. 2. enthält wiederum hiervon eine Rückausnahme, wonach solche überdurchschnittlichen Schulden trotzdem abzugsfähig sind, soweit die Erhöhung des Schuldenstands durch die Betriebstätigkeit veranlasst ist.
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Abs. 9 regelt die Durchführung des Verwaltungsvermögenstests nach Abs. 3, 4 in mehrstufigen Beteiligungsstrukturen. Anders als zuvor ist der Verwaltungsvermögenstest nicht mehr für jede Gesellschaft einzeln durchzuführen (sog. Holdingklausel, § 13b Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 a.F. ErbStG), sondern erfolgt im Rahmen einer konsolidierten Verbundvermögensaufstellung. Hierbei sind die gemeinen Werte der Wirtschaftsgüter des Verwaltungsvermögens jeweils beteiligungsanteilig nach Art einer „Konzernbilanz“ auf Ebene der jeweils übertragenen betrieblichen Einheit zu erfassen (Satz 2). Gemäß Satz 3 werden konzerninterne Forderungen und Verbindlichkeiten jeweils vor Erfassung in der Verbundvermögensaufstellung durch Saldierung beseitigt. Satz 5 stellt klar, dass durch Kapitalgesellschaften, an denen eine Beteiligung von 25 % und weniger besteht, kein weiterer Durchgriff im Rahmen der Verbundvermögensaufstellung erfolgt, da diese Anteile bereits selbst als Verwaltungsvermögen zu erfassen sind.
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Abs. 10 enthält die zuvor in § 13b Abs. 2a a.F. ErbStG enthaltenen verfahrensrechtlichen Regelungen, wonach der gemeine Wert des Verwaltungsvermögens, des jungen Verwaltungsvermögens, der Finanzmittel sowie der jungen Finanzmittel und Schulden durch das Feststellungsfinanzamt im Rahmen einer gesonderten und einheitlichen Feststellung zu erfassen sind.
1 Gesetz zur Anpassung des Erbschaft- und Schenkungsteuerrechts an die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts v. 4.11.2016, BGBl. I 2016, 2464.
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Grundaussagen der Vorschrift
Rz. 15 § 13b ErbStG
II. Bedeutung und Telos § 13b Abs. 1 und 2 ErbStG regeln die beiden Kernvoraussetzungen, die im Zeitpunkt der Steuerent- 13 stehung (Übertragungsstichtag) für die Inanspruchnahme der Betriebsvermögensbegünstigungen vorliegen müssen. Dies ist zum einen die abschließende Qualifikation derjenigen Unternehmensvermögensgegenstände, die zum dem Grunde nach begünstigten Vermögen zählen (§ 13b Abs. 1 ErbStG). Zum anderen ist dies die Berechnung des begünstigten Vermögens als Grundlage der Verschonungsregelungen (§ 13b Abs. 2 ErbStG) durch Identifikation und Bewertung des Verwaltungsvermögens i.S.d. § 13b Abs. 4 ErbStG) (Verwaltungsvermögenstest). Während diese beiden Voraussetzungen am Übertragungsstichtag (und nur dann) erfüllt sein müssen, sind die dem Übertragungsstichtag nachgelagerten Voraussetzungen (Lohnsummenkontrolle und Behaltensfrist) in § 13a Abs. 3 und 6 ErbStG geregelt. Der Aufbau der Vorschrift gibt Aufschluss über den Umfang der Begünstigungen sowie den Umfang des sog. Verwaltungsvermögenstests: Diejenigen Wirtschaftsgüter, die nach der Prüfung des § 13b Abs. 1 ErbStG zu dem dem Grunde nach begünstigungsfähigen Vermögen zählen, sind sodann bei der Prüfung des § 13b Abs. 4 ErbStG in den Verwaltungsvermögenstest miteinzubeziehen. Dies äußert sich auf besondere Weise bei den begünstigungsfähigen Kategorien des land- und forstwirtschaftlichen Vermögens (§ 13b Abs. 1 Nr. 1 ErbStG) und des Betriebsvermögens (§ 13b Abs. 1 Nr. 2 ErbStG). Nur dasjenige Vermögen, welches nach § 13b Abs. 1 ErbStG zum begünstigungsfähigen Vermögen zählt, ist auch in den Verwaltungsvermögenstest gem. § 13b Abs. 2 ErbStG einzubeziehen. Im Falle des land- und forstwirtschaftlichen Vermögens bedeutet dies, dass insbesondere diejenigen Wirtschaftsgüter, die bereits nicht von dem dem Grunde nach begünstigten Vermögen erfasst sind, keinen Einfluss auf die Verwaltungsvermögensquote nehmen können (so z.B. Geldbestände und Wertpapiere im Betriebsvermögen eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs, vgl. Rz. 24). In umgekehrter Form äußert sich dies insbesondere bei der Prüfung von Mitunternehmerschaften unter Einschluss des Sonderbetriebsvermögens. Da das Sonderbetriebsvermögen des Gesellschafters zum begünstigungsfähigen Vermögen i.S.d. § 13b Abs. 1 Nr. 2 ErbStG zählt, ist es auch in den Verwaltungsvermögenstest des Gesellschafters i.S.d. § 13b Abs. 4 ErbStG einzubeziehen. Wird beispielsweise das Sonderbetriebsvermögen im Falle der Schenkung nicht mitübertragen, so ist es auch umgekehrt nicht in die Prüfung des Verwaltungsvermögens einzubeziehen. Insoweit kann festgehalten werden, dass der Normaufbau einen Gleichlauf zwischen dem begünstigungsfähigen Vermögen und demjenigen Vermögen, welches in den Verwaltungsvermögenstest einzubeziehen ist, vorschreibt.
III. Geltungsbereich und Verhältnis zu anderen Vorschriften § 13b Abs. 2 ErbStG definiert den Kernbegriff des begünstigten Vermögens, welcher Grundlage für die 14 Zusammenrechnung mehrerer Erwerbe im Rahmen der 26 Mio. Euro-Grenze nach § 13a Abs. 1 ErbStG ist; des Weiteren ist allein das begünstigte Vermögen verschonungsfähig i.S.d. § 13a Abs. 1 ErbStG (Regelverschonung), § 13a Abs. 10 ErbStG (Vollverschonung), § 13c ErbStG (Abschmelzungsmodell) oder § 28a ErbStG (Erlassmodell). Die Vorschrift gilt für alle Fälle der persönlichen Steuerpflicht i.S.d. § 2 ErbStG.
IV. Rechtsentwicklung 1. Keine Vorgängernorm vor dem 1.1.2009 § 13b ErbStG a.F. wurde durch das Erbschaftsteuerreformgesetz 20091 neu in das Gesetz eingefügt. 15 Die bis dahin geltenden Begünstigungen für unternehmerisches Vermögen waren bis zum 31.12.2008 ausschließlich in § 13a ErbStG 1994 angesiedelt.
1 Erbschaftsteuerreformgesetz (ErbStRG) 2009 v. 24.12.2008, BGBl. I 2008, 3018.
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§ 13b ErbStG Rz. 16 Begünstigtes Vermögen 2. JStG 2010 16
Durch das JStG 20101 wurden insbesondere die Regelungen über das junge Verwaltungsvermögen (§ 13b Abs. 2 Satz 3 ErbStG a.F.) um einen Satz 7 ergänzt, wonach bei Kapitalgesellschaften der auf das Verhältnis des jungen Verwaltungsvermögens zum gemeinen Wert der Gesellschaft entfallende Teil des Anteilswertes als Verwaltungsvermögen galt. Die Regelung war als missglückt zu bezeichnen und sorgte für Diskussionen in der Literatur, da die Finanzverwaltung die Regelung zum Anlass genommen hatte, in mehrstufigen Beteiligungsstrukturen das junge Verwaltungsvermögen auf der Ebene von Tochtergesellschaften als „normales“ Verwaltungsvermögen auf die Ebene der Muttergesellschaft zu transportieren.2 Bei richtiger Gesetzesauslegung ließ sich diese Rechtsfolge jedoch nicht aus dem durch das JStG 2010 geschaffenen § 13b Abs. 2 Satz 7 ErbStG a.F. herleiten. Während die Finanzverwaltung (in sich systematisch zutreffend) in den Erbschaftsteuerrichtlinien 2011 die These vertrat, dass gleichwohl der Wert des „hochgeschleusten“ jungen Verwaltungsvermögens auf den Wert der Beteiligung begrenzt ist, führte der Gesetzgeber im Rahmen der Anpassungen des § 13b ErbStG a.F. durch das Amtshilferichtlinie-Umsetzungsgesetz wiederum eine Neuerung ein, die dazu führen sollte, dass junges Verwaltungsvermögen auf der Ebene von Tochtergesellschaften im Ergebnis wertmäßig auch dann auf Ebene der Muttergesellschaft als „normales“ Verwaltungsvermögen zu berücksichtigen sein sollte, wenn es den Wert der Beteiligung an sich überstieg (vgl. hierzu Rz. 281).
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Ursprünglich sollte durch das JStG 2010 bei der Ausübung der Vollverschonungsoption die verschärfte 10 %-Grenze für Verwaltungsvermögen auch auf Tochtergesellschaften ausgedehnt werden. Dieser Regelungsentwurf wurde letztlich nicht Gesetz, was uneingeschränkt zu begrüßen war. Denn eine durchgängige 10 %-Grenze in allen Beteiligungen in einer mehrstufigen Beteiligungsstruktur zur Erlangung der Vollverschonungsoption hätte zu einem unverhältnismäßig großen Kaskadeneffekt geführt, der die Möglichkeit zur Inanspruchnahme des 100 %-Abschlags für die meisten mehrstufigen Beteiligungsstrukturen unverhältnismäßig erschwert hätte. 3. Steuervereinfachungsgesetz 2011
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Durch das Steuervereinfachungsgesetz 20113 wurde § 13b Abs. 2 ErbStG a.F. ein weiterer Abs. 2a angefügt, der nach Änderung durch das ErbStAnpG 2016 zu Abs. 10 wurde. Hierin ist geregelt, dass die bisher nur nachrichtlich mitzuteilenden gemeinen Werte der Wirtschaftsgüter des Verwaltungsvermögens nunmehr im Wege der gesonderten und einheitlichen Feststellung vom Betriebsfinanzamt der maßgeblichen Gesellschaft an das Erbschaftsteuerfinanzamt weiterzuleiten sind. Hierbei ist umstritten, ob sich die Bindungswirkung der Feststellung nur auf die Summe der gemeinen Werte der Wirtschaftsgüter des Verwaltungsvermögens bezieht, während die Qualifikation, also die Frage, „ob“ Verwaltungsvermögen vorliegt, nach wie vor Gegenstand der Beurteilung durch das Erbschaft- und Schenkungsteuerfinanzamt ist. Die Finanzverwaltung vertritt die Auffassung, dass – in Erweiterung des Wortlautes – nicht nur die Wertfeststellung, sondern auch die Qualifikation durch das Betriebsfinanzamt im Rahmen der gesonderten und einheitlichen Feststellung festgelegt wird. Umgekehrt bedeutet dies, dass dem Betriebsfinanzamt kein Entscheidungsspielraum zusteht, um die Eigenschaft als Verwaltungsvermögen für Wirtschaftsgüter im Betriebsvermögen der Gesellschaften zu bejahen oder zu verneinen. 4. Amtshilferichtlinie-Umsetzungsgesetz
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Wichtigste Neuerung des Amtshilferichtlinie-Umsetzungsgesetzes4 bezogen auf § 13b ErbStG a.F. war die Erweiterung des abschließenden Kataloges der Wirtschaftsgüter des Verwaltungsvermögens in § 13b Abs. 2 Satz 2 ErbStG a.F. um eine neue Nr. 4a (heute § 13b Abs. 4 Nr. 5 ErbStG). Nach langen Verhandlungen über das JStG 2013 und die darin vorgeschlagene Änderung des Verwaltungsvermögenstests zur Vermeidung missliebiger Gestaltungen (insbesondere sog. „Cash-GmbH“) war die 1 2 3 4
Jahressteuergesetz (JStG) 2010 v. 8.12.2010, BGBl. I 2010, 1768. Baßler/Stalleiken, Ubg 2012, 530 m.w.N. Steuervereinfachungsgesetz (StVereinfG) 2011 v. 1.11.2011, BGBl. I 2011, 2131. Gesetz zur Umsetzung der Amtshilferichtlinie sowie zur Änderung steuerlicher Vorschriften (Amtshilferichtlinie-Umsetzungsgesetz – AmtshilfeRLUmsG) v. 26.7.2013, BGBl. I 2013, 1809.
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Begünstigungsfähiges Vermögen (Abs. 1)
Rz. 23 § 13b ErbStG
vom Bundesrat vorgeschlagene Neuregelung mit leichter Abwandlung im Rahmen des Amtshilferichtlinie-Umsetzungsgesetzes umgesetzt worden. Danach zählen insbesondere Geldmittel und Forderungen unter erweiterten Voraussetzungen ebenfalls zum Verwaltungsvermögen, was jedoch nicht nur die Gestaltungen wie die sog. Cash-GmbH vermeidet, sondern aufgrund der unterschiedslos angeordneten Geltung für operative Gesellschaften auch diese beeinträchtigt (dazu Rz. 184). 5. ErbStAnpG 2016 Die Norm in ihrer heutigen Fassung wurde schließlich durch das ErbStAnpG 20161 mit Wirkung 20 zum 1.7.2016 eingeführt.
B. Begünstigungsfähiges Vermögen (Abs. 1) I. Allgemeines Als erster Prüfungsschritt ist zu ermitteln, ob es sich bei der übertragenen betrieblichen Einheit um 21 dem Grunde nach begünstigungsfähiges Vermögen handelt. Dies sind – wie früher – – der inländische oder in der EU/dem EWR belegene Wirtschaftsteil eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebes (§ 13b Abs. 1 Nr. 1 ErbStG), – inländisches Betriebsvermögen und Mitunternehmeranteile (§ 13b Abs. 1 Nr. 2 ErbStG) sowie – Anteile an Kapitalgesellschaften, an deren Nennkapital der Erblasser oder Schenker zu mehr als 25 % beteiligt war oder diese Beteiligungsschwelle durch Anteilspoolung erreicht (§ 13b Abs. 1 Nr. 3 ErbStG). Abs. 1 blieb nach längerer Diskussion im Gesetzgebungsverfahren bis auf redaktionelle Änderungen 22 unverändert. Bereits durch das ErbStRG 2009 eingefügt wurde die Erweiterung des Kreises des begünstigungsfähigen Vermögens auf solches, welches innerhalb der EU oder des Europäischen Wirtschaftsraumes (EWR) belegen ist (§ 13a Abs. 1 ErbStG 1994: nur Inlandsvermögen), sowie die Möglichkeit, die 25 %-Grenze bei der Beteiligung an Kapitalgesellschaften durch Zusammenrechnung mit den Geschäftsanteilen anderer Gesellschafter mittels eines Anteils- und Stimmrechtspoolvertrages (Poolvertrag) zu erreichen. Erstere Erweiterung war europarechtlichen Vorgaben geschuldet, während die zweite Erweiterung insbesondere Familienunternehmen privilegieren soll, bei denen sich durch die Generationenfolge der Anteil des einzelnen Familienmitgliedes am Unternehmen auf 25 % und weniger verringert hat. Umgekehrt hatte der Gesetzgeber nach wie vor an dem Grundsatz festgehalten, dass eine unternehmerische Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft erst dann vorliegen soll, wenn dem Schenker oder Erblasser mehr als 25 % der Gesellschaft gehören, was wohl nach der Vorstellung des Gesetzgebers in entsprechenden satzungsmäßig ausgestalteten Minderheitsrechten Ausdruck finden sollte. Als Ausgleich dafür hatte das ErbStRG 2009 die Möglichkeit eingeführt, die 25 %-Grenze durch Abschluss eines Poolvertrages zusammen mit anderen Gesellschaftern zu überspringen. Im Regierungsentwurf vom 6.7.20152 war noch eine Beschränkung der Begünstigungsfähigkeit für 23 vermögensverwaltende Gesellschaften (gewerblich geprägte GmbH & Co. KGen sowie „vermögensverwaltende“ Kapitalgesellschaften) enthalten.3 Diese sollten nur insoweit begünstigungsfähig sein, als sie wiederum Beteiligungen an ihrerseits begünstigungsfähigen Gesellschaften halten. Die Regelung war sowohl inhaltlich verfehlt als auch technisch misslungen und wies zahlreiche Ungereimtheiten auf.4 Insbesondere wäre durch sie die bisherige Verwaltungspraxis5 fraglich geworden, wonach Drittlandsbeteiligungen unterhalb einer Inlands- oder EU/EWR-Holdinggesellschaft von der Begünstigung 1 Gesetz zur Anpassung des Erbschaft- und Schenkungsteuerrechts an die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts v. 4.11.2016, BGBl. I 2016, 2464. 2 Gesetzesentwurf v. 6.7.2015, BT-Drucks. 18/5923. 3 Dazu Korezkij, DStR 2015, 1649 (1650). 4 Eingehend Stalleiken/Holtz, ErbR 2015, 423 (424); Stalleiken/Kotzenberg, GmbHR 2015, 673 (675); Korzezkij, DStR 2015, 1337. 5 R E 13b.5 Abs. 4 Satz 4 ErbStR 2011.
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§ 13b ErbStG Rz. 24 Begünstigtes Vermögen dem Grunde nach umfasst sind. Diese Tatbestandserweiterung wurde im Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens aufgegeben und hat letztlich keinen Eingang in das ErbStAnpG 2016 gefunden. Dies ist uneingeschränkt zu begrüßen, da die hiermit seinerzeit einhergegangenen Fragen und Auslegungsschwierigkeiten obsolet geworden sind und, insbesondere bei der Inanspruchnahme der Begünstigung für sog. „Wohnungsunternehmen“ i.S.d. § 13b Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 Buchst. d ErbStG, – wie früher – keine originär gewerbliche Tätigkeit erforderlich ist.1
II. Land- und forstwirtschaftliches Vermögen (Abs. 1 Nr. 1) 24
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Begünstigungsfähiges land- und forstwirtschaftliches Vermögen i.S.d. § 13b Abs. 1 Nr. 1 ErbStG ist nicht etwa der gesamte Betrieb der Land- und Forstwirtschaft. Das ErbStG macht hier bedeutsame Einschränkungen, indem nur der inländische Wirtschaftsteil des Betriebes der Land- und Forstwirtschaft i.S.d. § 168 Abs. 1 Nr. 1 BewG dem Grunde nach begünstigt ist. Weiter eingeschränkt wird dieser Umfang des begünstigungsfähigen land- und forstwirtschaftlichen Vermögens, indem die Stückländereien i.S.d. § 168 Abs. 2 BewG, obwohl zum Wirtschaftsteil gehörig, wiederum von der Begünstigung ausgenommen werden. Die weiteren bewertungsrechtlichen Bestandteile des land- und forstwirtschaftlichen Betriebes, nämlich die Betriebswohnungen (§ 168 Abs. 1 Nr. 2 BewG) sowie der Wohnteil (§ 168 Abs. 1 Nr. 3 BewG), sind ausdrücklich von der Begünstigung ausgenommen und stellen erbschaft- und schenkungsteuerliches Privatvermögen des Übertragenden dar. Der Wirtschaftsteil besteht also in der Regel nur noch aus den eigentlichen land- und forstwirtschaftlichen Kernbetrieben, nämlich den klassischen land- und forstwirtschaftlichen Zwecken, der Tierhaltung, dem Wein- und Gartenbau, dem Bodenschatzabbau usw. Nicht Teil des begünstigungsfähigen Vermögens sind daher alle zu Wohnzwecken genutzten Anlagen des Betriebsvermögens, seien es der Wohnteil des Hofes oder die Betriebswohnungen für die Angestellten, sowie etwaige im Betriebsvermögen befindliche Wirtschaftsgüter des Finanzanlagevermögens (z.B. Wertpapiere, Geldmittel und Forderungen). Diese stellen – jedenfalls erbschaftsteuerlich – Privatvermögen des Erblassers oder Schenkers dar und sind folglich schon auf der „ersten Stufe“ der Prüfung, nämlich beim dem Grunde nach begünstigungsfähigen Vermögen, ausgeschieden. Daraus folgt zwangsläufig, dass solche Wirtschaftsgüter später auch im Rahmen des Verwaltungsvermögenstests (§ 13b Abs. 4 ErbStG) nicht einzubeziehen sind. Dies führt insgesamt dazu, dass das Verwaltungsvermögen land- und forstwirtschaftlicher Betriebe in der Regel äußerst gering ist, da bei den Dritten zur Nutzung überlassenen Grundstücken die Nutzungsüberlassung zu land- und forstwirtschaftlichen Zwecken wiederum privilegiert ist (vgl. hierzu Rz. 140).
Û
Gestaltungsempfehlung: Falls es im Einzelfall gewünscht oder vorteilhaft ist, die nach § 13b Abs. 1 Nr. 1 ErbStG nicht begünstigungsfähigen Wirtschaftsgüter unter das verschonungsfähige Vermögen zu subsumieren, ist zu überlegen, ob der land- und forstwirtschaftliche Betrieb in eine gewerblich geprägte GmbH & Co. KG oder Kapitalgesellschaft eingebracht wird. Folge ist, dass sich der Umfang des begünstigungsfähigen Vermögens nicht mehr nach § 13b Abs. 1 Nr. 1, sondern nach Nr. 2 oder 3 ErbStG richtet, so dass grundsätzlich das gesamte steuerliche Betriebsvermögen von der Begünstigung dem Grunde nach (mit Ausnahme des Verwaltungsvermögens) umfasst ist.
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Als weitere Voraussetzung muss das Betriebsvermögen des Wirtschaftsteils einer Betriebsstätte innerhalb der EU oder des EWR dienen. Diese Voraussetzung ist erfüllt, wenn die Grundstücke und Betriebsmittel zu einem land- und forstwirtschaftlichen Betrieb innerhalb der EU bzw. dem EWR gehören.2
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Obwohl § 160 Abs. 7 BewG bewertungsrechtlich auch sog. Stückländereien als land- und forstwirtschaftlichen Betrieb erfasst, sind diese gem. § 13a Abs. 1 Nr. 1 ErbStG nicht begünstigungsfähig. Stückländereien liegen immer dann vor, wenn einzelne land- und forstwirtschaftliche Flächen nicht vom Eigentümer, sondern von Dritten land- und forstwirtschaftlich bewirtschaftet werden und die Flächen am Bewertungsstichtag für mindestens 15 Jahre an einen anderen land- und forstwirtschaftlichen Betrieb verpachtet sind („zu dienen bestimmt sind“). Umgekehrt ist damit klargestellt, dass zu land- und 1 GlA Reich, BB 2015, 1879 (1880). 2 Vgl. Jülicher in T/G/J, § 13b ErbStG Rz. 15 (Stand: Oktober 2014).
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Begünstigungsfähiges Vermögen (Abs. 1)
Rz. 30 § 13b ErbStG
forstwirtschaftlichen Zwecken verpachtete Flächen immer dann Teil des dem Grunde nach begünstigungsfähigen Vermögens sind, wenn sie am Stichtag nicht länger als 15 Jahre an Dritte verpachtet sind. Auch landwirtschaftliche Flächen, die nicht fest für mindestens 15 Jahre verpachtet sind, sondern für die beispielsweise jährlich der Pachtvertrag verlängert wird, sind grundsätzlich keine Stückländereien.1 Der Pachtvertrag muss also am Bewertungsstichtag noch eine „feste“ Laufzeit von mindestens 15 Jahren haben, damit die Flächen als Stückländereien zu qualifizieren sind.2 Auch automatische Pachtverlängerungsklauseln sind unschädlich, wenn zum Bewertungsstichtag die „feste“ Restpachtzeit weniger als 15 Jahre beträgt.3 Bereits in diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass Dritten zur land- und forstwirtschaftlichen Nutzung überlassene Flächen, die Teil des begünstigungsfähigen Vermögens sind, kein Verwaltungsvermögen darstellen, da insoweit die Rückausnahme des § 13b Abs. 4 Nr. 1 Satz 2 Buchst. f ErbStG eingreift. Bauerwartungsland i.S.d. § 159 BewG, welches zwar bewertungsrechtlich ausdrücklich kein land- und 28 forstwirtschaftliches Vermögen darstellt, ist gleichwohl von der Begünstigung dem Grunde nach erfasst, wenn dieses am Übertragungsstichtag noch selbst bewirtschaftet wird (§ 13b Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 Alt. 2 ErbStG); demgegenüber gehört ein verpachtetes Grundstück, das als Bauland ausgewiesen ist, gem. § 159 BewG zum nicht nach §§ 13a, 13b ErbStG begünstigten Grundvermögen.4 Zu beachten ist, dass die Begünstigung bei Bauerwartungsland zeitanteilig wieder entfällt, wenn der Erwerber das Bauerwartungsland innerhalb der Behaltensfrist veräußert (§ 13a Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 ErbStG). In diesem Nachsteuerfall profitiert der Erwerber freilich auch nicht mehr von der – immer noch sehr niedrigen – land- und forstwirtschaftlichen Bewertung, da gem. § 162 Abs. 4 BewG bei einer Veräußerung innerhalb von 15 Jahren die Wirtschaftsgüter mit dem Liquidationswert nach § 166 BewG (entspricht dem Verkehrswert) anzusetzen sind. Anders als noch nach § 13a Abs. 4 Nr. 2 ErbStG 1994 kommt es seit dem ErbStRG 2009 auf die er- 29 tragsteuerliche Qualifikation als land- und forstwirtschaftliches Vermögen i.S.d. § 13 EStG für die erbschaft- und schenkungsteuerliche Begünstigung nicht mehr an. Daher unterfallen auch solche Betriebe der Begünstigung, die ertragsteuerlich als „Liebhaberei“ zu qualifizieren sind. Insbesondere unschädlich ist aber auch, wenn das dem Grunde nach begünstigungsfähige land- und forstwirtschaftliche Vermögen ertragsteuerlich im Privatvermögen gehalten wird.5 Dies hat beispielsweise Konsequenzen für die Erlangung der erbschaft- und schenkungsteuerlichen Begünstigung bei einzelnen land- und forstwirtschaftlichen Flächen im Privatvermögen (Einkunftsart § 21 EStG), die jedoch aufgrund einer Nutzungsüberlassung an einen anderen Land- und Forstwirt von weniger als 15 Jahren nicht als Stückländereien zu qualifizieren sind. Für erbschaft- und schenkungsteuerliche Zwecke ist in diesen Fällen davon auszugehen, dass das einzelne Grundstück den „Betrieb“ im Sinne der land- und forstwirtschaftlichen Verschonungsregelungen des § 13b Abs. 1 Nr. 1 ErbStG darstellt und somit begünstigungsfähig ist. Eine Verwaltungsvermögenseigenschaft scheidet aufgrund der Rückausnahme des § 13b Abs. 4 Nr. 1 Satz 2 Buchst. f ErbStG gleichsam aus. Diese Grundstücke können folglich privilegiert übertragen werden, ohne dass es einer ertragsteuerlichen Verstrickung, z.B. durch Einlage in eine gewerblich geprägte GmbH & Co. KG bedarf. § 13b Abs. 1 Nr. 1 ErbStG sieht seit dem 1.1.2009 vor, dass auch land- und forstwirtschaftliches Ver- 30 mögen, welches in einem Mitgliedstaat der EU oder des EWR belegen ist, für die Begünstigung in Frage kommt. Das Gesetz setzt seinem Wortlaut nach voraus, dass das land- und forstwirtschaftliche Vermögen einer Betriebsstätte „dient“, dahinter verbirgt sich jedoch letztlich nichts anderes als die Belegenheit, da solche land- und forstwirtschaftlichen Betriebe abkommensrechtlich in der Regel Betriebsstätten darstellen.
1 Krause, NWB 2014, 110; Eisele in Rössler/Troll, § 160 BewG Rz. 8 (Stand: August 2012). 2 OFD Karlsruhe v. 24.1.2013 – S 3210 - St 344/St 431, DStR 2013, 1087. 3 Stephany in K/S/S3, § 160 BewG Rz. 13; Grootens in Lippross/Seibel, § 160 BewG Rz. 82 (Stand: Dezember 2015). 4 Jäckel, FR 2009, Beil. 11, 33 (36); Jülicher in T/G/J, § 13b ErbStG Rz. 14 (Stand: Oktober 2014). 5 OFD Frankfurt v. 2.11.2012 – S 3812b A-10-St 119, DStR 2013, 470.
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§ 13b ErbStG Rz. 31 Begünstigtes Vermögen
III. Betriebsvermögen (Abs. 1 Nr. 2) 1. Maßgeblichkeit der Mitunternehmerstellung 31
Wie bereits vor Inkrafttreten des ErbStRG 2009 war Betriebsvermögen i.S.d. §§ 95 bis 97 BewG Teil des dem Grunde nach begünstigungsfähigen Vermögens. Maßgeblich für die Qualifikation als begünstigtes Vermögen ist somit die ertragsteuerliche Einordnung als Betriebsvermögen i.S.d. § 15 EStG. Dementsprechend zählen zum dem Grunde nach begünstigungsfähigen Vermögen Einzelunternehmen sowie Anteile an gewerblich tätigen, gewerblich geprägten oder gewerblich infizierten Personengesellschaften, ggf. einschließlich Sonderbetriebsvermögen. Auch eine Änderung der ertragsteuerlichen Qualifikation steht der Begünstigung dann nicht entgegen, wenn es sich sowohl beim Übertragenden als auch beim Empfänger des Vermögens um Betriebsvermögen im ertragsteuerlichen Sinne handelt (z.B. die unentgeltliche Aufnahme einer weiteren Person in ein Einzelunternehmen).
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Maßgeblich und Voraussetzung ist allerdings, dass das Betriebsvermögen sowohl in der Hand des Abgebenden als auch in der Hand des Empfängers ertragsteuerliches Betriebsvermögen ist bzw. bleibt und diese Qualifikation auch nicht für eine juristische Sekunde verliert. Dementsprechend ist bei der Übertragung von Anteilen an Personengesellschaften Voraussetzung, dass ein Mitunternehmeranteil übergeht, kraft dessen der Beschenkte Mitunternehmer an der Gesellschaft wird.
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Aus diesem Grund ist die „mittelbare Schenkung von Betriebsvermögen“, also die Schenkung eines Geldbetrages zum Erwerb eines bestimmten Betriebsvermögens, grundsätzlich1 nicht begünstigungsfähig.
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Die Frage, ob eine Mitunternehmerstellung i.S.d. § 13b Abs. 1 Nr. 2 ErbStG vorliegt, bestimmt sich nach den Grundsätzen des Ertragsteuerrechts.2 Nach der Rechtsprechung ist Mitunternehmer i.S.d. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG, wer aufgrund eines Gesellschaftsvertrages oder eines damit wirtschaftlich vergleichbaren Gemeinschaftsverhältnisses Mitunternehmerrisiko trägt und Mitunternehmerinitiative entfalten kann. Ob diese Merkmale vorliegen, ist unter Berücksichtigung aller die rechtliche oder wirtschaftliche Stellung einer Person insgesamt bestimmenden Umstände zu würdigen. Beide Hauptmerkmale der Mitunternehmerschaft (Mitunternehmerinitiative und Mitunternehmerrisiko) müssen vorliegen, können aber im Einzelfall unterschiedlich stark ausgeprägt sein.3 Mitunternehmerrisiko bedeutet nach der Rechtsprechung gesellschaftsrechtliche oder eine dieser wirtschaftlich vergleichbare Teilnahme am Erfolg oder Misserfolg eines gewerblichen Unternehmens. Das Risiko wird regelmäßig durch Beteiligung am Gewinn und Verlust sowie an den stillen Reserven des Anlagevermögens einschließlich eines Geschäftswerts vermittelt. Ein Kommanditist trägt ein solches Risiko, indem er einerseits am laufenden Gewinn, im Fall seines Ausscheidens und der Liquidation auch an den stillen Reserven (§§ 168, 161 Abs. 2, 138, 155 HGB, §§ 738 f. BGB), andererseits nach Maßgabe des § 167 Abs. 3 HGB am Verlust beteiligt ist.4 Das Mitunternehmerrisiko umfasst somit die Beteiligung am Gewinn, am Verlust und am Vermögen. Mitunternehmerinitiative bedeutet vor allem Teilhabe an unternehmerischen Entscheidungen. Ausreichend ist aber schon die Möglichkeit zur Ausübung von Gesellschafterrechten, die den Stimm-, Kontroll- oder Widerspruchsrechten, die einem Kommanditisten nach dem HGB zustehen, zumindest angenähert sind oder die den Kontrollrechten nach § 716 Abs. 1 BGB entsprechen.
35
Die Mitunternehmerschaft des Empfängers kann z.B. in Frage stehen, wenn durch gesellschaftsvertragliche Sonderregelungen oder schenkungsvertragliche Modalitäten wie Widerrufsrechte, Nießbrauchsvorbehalte u.Ä. die Rechtstellung des Beschenkten beschnitten wird. Zum einen ist der Fall zu nennen, dass der Schenker die Personengesellschaftsbeteiligung unter freiem Widerrufsvorbehalt
1 Anders die FinVerw. lediglich für den freilich kaum praxisrelevanten Fall, dass der Erwerber mit vom Schenker geschenktem Geld dessen Betriebsvermögen erwirbt oder sich daran beteiligt, R E 13b.2 Abs. 2 ErbStR 2011. 2 R E 13b.5 Abs. 3 Satz 2 ErbStR 2011; aus der Lit. statt vieler: Jülicher in T/G/J, § 13b ErbStG Rz. 109 m.w.N. (Stand: Juli 2015). 3 BFH v. 25.4.2006 – VIII R 74/03, BStBl. II 2006, 595; GrS v. 25.6.1984 – GrS 4/82, BStBl. II 1984, 751. 4 BFH GrS v. 25.6.1984 – GrS 4/82, BStBl. II 1984, 751 (769); BFH v. 25.4.2006 – VIII R 74/03, BStBl. II 2006, 595 m.w.N.; Wacker in Schmidt35, § 15 EStG Rz. 264.
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Begünstigungsfähiges Vermögen (Abs. 1)
Rz. 39 § 13b ErbStG
geschenkt hat. In diesem Fall wird der Beschenkte nicht Mitunternehmer.1 Dem liegt die Überlegung zugrunde, dass ein Gesellschafter, der sich einem jederzeitigen Widerrufsrecht ausgesetzt sieht, seine Mitunternehmerinitiative nicht frei entfalten kann. Der zweite Fall der Schädlichkeit von Rückfallklauseln ist dann gegeben, wenn der Schenker sich 36 zwar nicht ausdrücklich einen freien, also grundlosen Widerruf vorbehält, er aber unter normalen Lebensumständen die Möglichkeit hat, die Voraussetzungen einer Rückfallklausel jederzeit selbst herbeizuführen. Das bedeutet umgekehrt: Wenn nach überwiegender Wahrscheinlichkeit die Voraussetzungen der Rückfallklausel nicht eintreten werden und der Schenker den Eintritt dieser Voraussetzungen auch realistischerweise nicht in der Hand hat, ist die Mitunternehmerstellung zu bejahen.2 Die gesetzlichen Rückfallklauseln des Notbedarfs und des groben Undanks, die in § 527 BGB und § 530 BGB geregelt sind, hält der BFH in diesem Zusammenhang für unproblematisch.3 Besondere Sorgfalt ist bei der Schenkung unter Nießbrauchsvorbehalt angezeigt. Nach ständiger 37 Rechtsprechung4 führt (nur) die gesetzliche Verteilung der Ertragsziehungs- und Mitwirkungsrechte dazu, dass sowohl der Schenker/Nießbraucher als auch der Beschenkte/Nießbrauchsverpflichtete als Mitunternehmer der Gesellschaft anzusehen sind. Diesem Leitbild sollte somit auch die Verteilung der Rechte zwischen Gesellschafter und Nießbraucher in der Nießbrauchsvereinbarung folgen. Der Schenker als Nießbraucher sollte sich den Nießbrauch ausschließlich an den laufenden entnahmefähigen Erträgen aus den geschenkten Kommanditanteilen vorbehalten. In diesem Fall trägt der Beschenkte als Nießbrauchbesteller ein ausreichendes Mitunternehmerrisiko, da er zum einen im Außenverhältnis an Verlusten der KG teilnimmt und zum anderen an Wertsteigerungen des Gesellschaftsanteils selbst partizipiert. Maßgeblich ist, dass der Schenker auf die Substanz des Gesellschaftsanteils nicht einwirken und den Gegenstand an sich nicht verwerten kann. Ferner sollte sich der Schenker als Nießbraucher das Stimmrecht zulasten des Beschenkten nur bezüglich der laufenden Geschäfte vorbehalten, während dem Beschenkten das Stimmrecht bei Beschlüssen über außerordentliche Geschäfte und grundlegende Entscheidungen zusteht, bei denen im Kern seine Gesellschaftsrechte betroffen sind (z.B. bestimmte Änderungen des Gesellschaftsvertrages, Auflösung der Gesellschaft, Änderung der Gewinnverteilung, Schaffung bzw. Erhöhung der Beitragspflicht, etc). Trotz ertragsteuerlicher Einheitlichkeit der Mitunternehmerstellung des Gesellschafters fordert der 38 BFH, dass die Voraussetzungen einer Mitunternehmerschaft bezogen auf den übertragenen Kapitalanteil erfüllt sein müssen,5 also insbesondere auch dann, wenn der Beschenkte bereits Mitunternehmer der Gesellschaft ist. Dieselben Grundsätze gelten auch beim Quotennießbrauch, wenn der Beschenkte hinsichtlich des vom Quotennießbrauch umfassten Teil der Kapitalbeteiligung nicht Mitunternehmer wird. In diesem Fall können für diesen Teil die Begünstigungen nach §§ 13a, 13b ErbStG nicht in Anspruch genommen werden.6 Begünstigt ist sowohl die Übertragung eines ganzen Mitunternehmeranteils wie auch die Übertragung 39 von Teil-Mitunternehmeranteilen. Der Umfang der Begünstigung richtet sich in diesen Fällen wie auch bei der Übertragung von Einzelunternehmen nach der Reichweite des ertragsteuerlichen Betriebsvermögens. Dementsprechend ist alles begünstigt, was zum Betriebsvermögen (Gesamthandsvermögen und Sonderbetriebsvermögen) der Gesellschaft oder des Einzelunternehmens gehört. Unerheblich ist etwa, ob es sich bei dem Sonderbetriebsvermögen um notwendiges oder gewillkürtes Sonderbetriebsvermögen handelt. Es besteht also diesbezüglich die Möglichkeit, durch Hereinnahme in das Betriebsvermögen Vermögensgegenstände in den Kreis des begünstigten Vermögens einzubeziehen (vorbehaltlich der Qualifikation als Verwaltungsvermögen, dazu sogleich Rz. 99 ff.).
1 BFH v. 18.7.1974 – IV B 34/74, BStBl. II 1974, 740 (742); v. 16.5.1989 – VIII R 196/84, BStBl. II 1989, 877 (878); H E 13b.5 ErbStH 2011 „Schenkung von Betriebsvermögen unter freiem Widerrufsvorbehalt“; so auch die h.A. im Schrifttum, vgl. statt vieler Wacker in Schmidt35, § 15 EStG Rz. 757; Jülicher, DStR 1998, 1977 (1978). 2 BFH v. 27.1.1994 – IV R 114/91, BStBl. II 1994, 635 (637); so auch das Schrifttum, vgl. Wacker in Schmidt35, § 15 EStG Rz. 757; Jülicher, DStR 1998, 1977 (1978). 3 BFH v. 27.1.1994 – IV R 114/91, BStBl. II 1994, 635 (637). 4 BFH v. 1.3.1994 – VIII R 35/92, BStBl. II 1995, 241. 5 BFH v. 23.2.2010, BStBl. II 2010, 555. 6 BFH v. 16.5.2013, BFH/NV 2013, 1323; eingehend hierzu Götz, ZEV 2013, 430.
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§ 13b ErbStG Rz. 40 Begünstigtes Vermögen 40
Aus der gesetzlichen Anordnung bezüglich des Umfangs des begünstigten Vermögens ergibt sich jedoch ebenso, dass nur dasjenige (Sonder-)Betriebsvermögen von der Begünstigungsfähigkeit dem Grunde nach erfasst ist, welches tatsächlich auf den Erwerber übergeht. Hier bieten sich insbesondere durch den Zurückbehalt oder die über- bzw. unterquotale Mitschenkung von Sonderbetriebsvermögen Möglichkeiten, den Umfang des begünstigten Vermögens und daraus folgend die Verwaltungsvermögensquote (zur Einbeziehung von Sonderbetriebsvermögen in den Verwaltungsvermögenstest vgl. Rz. 104, 239) zu gestalten.
41
Nach wie vor nicht begünstigt ist die isolierte Übertragung von Sonderbetriebsvermögen, auch nicht zwischen Gesellschaftern derselben Gesellschaft.1 Ungeachtet dessen, ob ertragsteuerlich die Buchwertfortführung greift, stellt das Wirtschaftsgut des Sonderbetriebsvermögens allein als Schenkungsgegenstand keinen Mitunternehmeranteil i.S.d. § 13b Abs. 1 Nr. 2 ErbStG dar, so dass eine Begünstigung nach der Vorschrift ausscheidet. Handelt es sich allerdings bei dem Wirtschaftsgut des Sonderbetriebsvermögens um einen Kapitalgesellschaftsanteil, kann die isolierte Übertragung bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen zwar nicht nach § 13b Abs. 1 Nr. 2 ErbStG, aber nach § 13b Abs. 1 Nr. 3 ErbStG begünstigt sein.2
42
Anders als bei der Beteiligung an Kapitalgesellschaften (Rz. 51) ist bei der Begünstigung des Betriebsvermögens nicht erforderlich, dass dieses unmittelbar vom Schenker auf den Beschenkten übertragen wird. Die Finanzverwaltung hat mittlerweile durchgängig klargestellt, dass auch die Übertragung der Treugeberstellung (durch Übertragung des Herausgabeanspruchs des Treugebers nach § 389 BGB) gem. §§ 13a, 13b ErbStG begünstigungsfähig ist, wenn das Treugut die übrigen Voraussetzungen für eine Begünstigung erfüllt.3 Gleichsam, wenn auch aus anderem rechtstechnischen Grund, sind auch die Einräumung von Unterbeteiligungen bzw. die Übertragung von Unterbeteiligungen sowie die Einräumung eines Zuwendungsnießbrauchs an betrieblichem Vermögen begünstigt.4 Hier folgt die Begünstigung (ungeachtet der wirtschaftlichen Mittelbarkeit) aus der direkten Übertragung einer mitunternehmerischen Beteiligung am geschenkten Vermögen, da auch die Unterbeteiligung bei richtiger Ausgestaltung (atypische Unterbeteiligung) dem Beschenkten Mitunternehmerinitiative und Mitunternehmerrisiko, mithin also die Stellung eines Mitunternehmers vermittelt. Die Finanzverwaltung hat folgerichtig anerkannt, dass § 13b Abs. 1 Nr. 2 ErbStG auf den Übergang der Mitunternehmerstellung abstellt und dabei eine gesellschaftsrechtliche Beteiligung und die damit verbundene zivilrechtliche Übertragung von Gesellschaftsanteilen nicht erforderlich sind. Die gleichen Grundsätze gelten entsprechend für die Übertragung und Einräumung einer atypisch stillen Beteiligung und die atypische Unterbeteiligung.5
43
Die begünstigte Einräumung eines Zuwendungsnießbrauchs setzt voraus, dass der Nießbraucher Mitunternehmer der Gesellschaft wird. Der Nießbrauch selbst stellt hierbei Sonderbetriebsvermögen des Nießbrauchers bei der Gesellschaft dar.6 Dem steht es nicht entgegen, dass, wenn der Nießbraucher ansonsten nicht (mehr) Gesellschafter ist, dieser als Mitunternehmer zwar Sonderbetriebsvermögen (in Gestalt des Nießbrauchs), aber kein Gesamthandsvermögen an der Gesellschaft hält. Wird der Nießbraucher durch die Einräumung allerdings Mitunternehmer, ist es möglich, ihm zugleich weiteres Sonderbetriebsvermögen begünstigt zu übertragen, da es sich insoweit nicht um eine isolierte Übertragung von Sonderbetriebsvermögen handelt.7
44
Nach zutreffender Auffassung der Finanzverwaltung kann auch der Verzicht auf ein Nießbrauchsrecht nach § 13b Abs. 1 Nr. 2 ErbStG begünstigt sein, wenn dadurch die Mitunternehmerstellung des verzichtenden Nießbrauchers den bereicherten Gesellschafter übergeht.8 Dies dürfte nicht beschränkt sein auf Fälle, in denen der Zuwendungsempfänger bislang nicht als Mitunternehmer der Gesellschaft zu qualifizieren war. Auch in denjenigen Fällen, in denen der durch den Verzicht begünstigte Emp1 2 3 4 5 6 7 8
Wachter in F/J/P/W5, § 13b ErbStG Rz. 37. R E 13b.5 Abs. 3 Satz 9 ErbStR 2011. Zuletzt BayLfSt, DB 2013, 206. Gleich lautender Ländererlass („Nießbrauchserlass“) v. 2.11.2012, BStBl. I 2012, 1101. BayLfSt v. 7.3.2013 – S 2811.1.1-2/6 St 34, nv. Nießbrauchserlass v. 2.11.2012, BStBl. I 2012, 1101, Ziff. 1. Stein, DStR 2013, 567 (570 f.). Nießbrauchserlass v. 2.11.2012, BStBl. I 2012, 1101, vor Ziff. 1.; Reich/Stein, DStR 2013, 1272 (1273).
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Begünstigungsfähiges Vermögen (Abs. 1)
Rz. 47 § 13b ErbStG
fänger bereits Mitunternehmer der Gesellschaft war (z.B. bei Verzicht auf einen „richtig“ ausgestalteten Zuwendungsnießbrauch zugunsten des vormalig beschenkten Gesellschafters/Nießbrauchsverpflichteten), dürfte von einer Übertragung der Mitunternehmerstellung des Nießbrauchers auszugehen sein, obwohl sich ertragsteuerlich an der Mitunternehmerstellung des Gesellschafters durch den Nießbrauchsverzicht nichts ändert. Denn dem begünstigten Gesellschafter/Nießbrauchsverpflichteten wächst gleichwohl durch den Nießbrauchsverzicht eine Rechtsposition zu (Ertragsziehungsrechte und Stimmrechte in laufenden Angelegenheiten), die für sich betrachtet eine Mitunternehmerstellung ausmacht, was ausreichend für die Begünstigungsfähigkeit des Verzichts sein dürfte. 2. Erstreckung der Begünstigung auf inländisches und europäisches Betriebsvermögen; Transparenzprinzip Wie auch § 13b Abs. 1 Nr. 1 ErbStG begünstigt Nr. 2 seit dem 1.1.2009 „entsprechendes Betriebsver- 45 mögen, das einer Betriebsstätte in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder in einem Staat des Europäischen Wirtschaftsraums dient“. Anders als bei dem Erwerb von Anteilen an Kapitalgesellschaften i.S.d. § 13b Abs. 1 Nr. 3 ErbStG, wo es ausschließlich darauf ankommt, dass die Kapitalgesellschaft ihren Sitz oder ihre Geschäftsleitung im Inland oder in einem EU/EWR-Staat hat (vgl. Rz. 60), verfolgt der Gesetzgeber bei Betriebsvermögen einen anderen gesetzgeberischen Ansatz. Beim Erwerb von Betriebsvermögen (und land- und forstwirtschaftlichem Vermögen) kommt es für die Begünstigungsfähigkeit auf die Belegenheit des Vermögens im Inland oder dem EU/EWR-Ausland an, nicht aber darauf, wo die Personengesellschaft oder das Einzelunternehmen seinen Sitz oder Ort der Geschäftsleitung hat. Anknüpfungspunkt ist bei Personengesellschaften mit anderen Worten nicht die Gesellschaft selbst, sondern deren Vermögen. Gegenstand des steuerpflichtigen Erwerbs ist nicht der Gesellschaftsanteil, sondern das in Höhe der Beteiligungsquote anteilig erworbene gesamthänderisch gebundene Vermögen.1 Die Personengesellschaft ist also – im Einklang mit der ertragsteuerlichen Systematik – auch erbschaftsteuerlich transparent; die Kapitalgesellschaft hingegen entfaltet eine erbschaftsteuerliche Abschirmwirkung (dazu Rz. 60).2 Nach der gesetzlichen Anordnung ist also für jedes einzelne Wirtschaftsgut des Betriebsvermögens 46 (Gesamthandsvermögen und Sonderbetriebsvermögen) der Personengesellschaft zu prüfen, ob es dem inländischen oder europäischen Betriebsvermögen der Gesellschaft zuzurechnen ist. Die Zurechnung vollzieht sich nach deutschen nationalen sowie abkommensrechtlichen Vorschriften. Insbesondere Betriebsvermögen, welches einer Betriebsstätte im Drittland zuzurechnen ist, ist demnach nicht begünstigt. Bei nachgeordneten Personengesellschaften ist diese Prüfung der Belegenheit des Betriebsvermögens grundsätzlich „bis auf die unterste Ebene“ durchzuführen. Vorstehend dargestellte „Durchgriffsbetrachtung“ gilt grundsätzlich auch für Beteiligungen im Be- 47 triebsvermögen einer Personengesellschaft oder eines Einzelunternehmens. Nach dem Gesetzeswortlaut kommt es also auch hier darauf an, ob die Beteiligung dem deutschen/europäischen Betriebsvermögen oder nach abkommensrechtlichen Qualifikationsaspekten einer Drittlandbetriebsstätte zuzurechnen ist. Hier strebte jedoch bislang die Finanzverwaltung eine Gleichbehandlung mit Kapitalgesellschaften an, indem sie in den Erbschaftsteuerrichtlinien 2011 klargestellt hat, dass (entgegen dem Wortlaut des Gesetzes) Anteile an Personengesellschaften und Kapitalgesellschaften jedenfalls dann auch vom begünstigten Vermögen erfasst sind, wenn sie „als Beteiligung an einer Personengesellschaft oder Anteile an einer Kapitalgesellschaft Teil einer wirtschaftlichen Einheit des Betriebsvermögens im Inland oder in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder in einem Staat des Europäischen Wirtschaftsraumes“ sind.3 Hieran dürfte sich auch durch das ErbStAnpG 2016 nichts geändert haben. Zusammenfassend lässt sich also sagen, dass nach dem Wortlaut der Richtlinienfassung Drittlandsbetriebsvermögen in der Form einer Betriebsstätte nicht begünstigt ist, während Drittlandsbetriebsvermögen in der Form einer Beteiligung begünstigungsfähig ist. Offen und ungeklärt ist jedoch die Handhabung dieser Verwaltungsauffassung in mehr als zweistöckigen Beteiligungsstrukturen.
1 Hannes in W/R/S2, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht, Rz. 25.1, 25.38. 2 Hannes/Stalleiken, Ubg 2010, 572 (753 f.) mit zahlreichen Beispielen. 3 R E 13b.5 Abs. 4 Satz 4 ErbStR 2011.
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§ 13b ErbStG Rz. 48 Begünstigtes Vermögen 48
Beispiel: Die deutsche Mutter-KG ist an der deutschen (Abwandlung: schweizerischen) Tochter-KG beteiligt. Die TochterKG unterhält eine Betriebsstätte in den USA. Je nach Perspektive stellt das in den USA belegene Betriebsvermögen aus Sicht der Tochter-KG eine Betriebsstätte dar (dann nicht begünstigt), während es aus der Perspektive der Mutter-KG in Form einer Beteiligung (nämlich an der Tochter-KG) gehalten wird (dann begünstigt). Bei verständiger Auslegung der Verwaltungsauffassung sprechen m.E. die besseren Gründe dafür, auch im Fall der „Enkelbetriebsstätte“ eine generelle Einbeziehung in die Begünstigungsfähigkeit anzunehmen. Hierfür sprechen auch die Regelungen der Verbundvermögensaufstellung gem. Abs. 9, in die alle ausländischen Beteiligungen (auch solche aus Drittstaaten) aufgenommen werden. Will man jedoch diesbezüglich sichergehen, empfiehlt sich nach wie vor die Zwischenschaltung einer inländischen bzw. EU/ EWR-Kapitalgesellschaft (vgl. hierzu Rz. 60).1
IV. Anteile an Kapitalgesellschaften (Abs. 1 Nr. 3) 1. Grundsätze (Abs. 1 Nr. 3 Satz 1) a) Unmittelbare Beteiligung an Nennkapital von mehr als 25 % 49
§ 13b Abs. 1 Nr. 3 ErbStG regelt wie bisher die Begünstigungsfähigkeit beim Erwerb von Anteilen an Kapitalgesellschaften. Gemäß Satz 1 ist nach wie vor erforderlich, dass der Erblasser oder Schenker zu mehr als 25 % am Nennkapital der Gesellschaft beteiligt war. Trotz Kritik in der Literatur2 hat der Gesetzgeber sowohl bei der Novellierung des ErbStG durch das ErbStRG 2009 als auch durch das ErbStAnpG 2016 daran festgehalten, dass er – anders als bei Personengesellschaften – ein privilegierungswürdiges Engagement an einer Kapitalgesellschaft erst annehmen will, wenn eine Mindestbeteiligungsquote von 25 % (wohl typisierend anhand einer gesellschaftsvertraglichen Sperrminorität) überschritten ist.3 Das BVerfG hat diese Differenzierung wiederholt gebilligt.4 Maßgeblich ist allein die kapitalmäßige Anteilsquote des Erblassers, nicht aber die weitere Ausstattung des Anteils, z.B. durch Stimmrechte. Ein Kapitalanteil von z.B. 20 %, der nach der Satzung 51 % der Stimmrechte vermittelt, ist daher nicht begünstigt.5 Umgekehrt ist ein Kapitalanteil von 25,1 % begünstigt, auch wenn er nur 1 % oder auch gar keine Stimmen vermittelt (stimmrechtslose Anteile). Die Mindestbeteiligung am Nennkapital muss ausschließlich beim Erblasser oder Schenker vorliegen; es ist nicht erforderlich, dass der Beschenkte mehr als 25 % durch die Schenkung erhält.6
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Nach Auffassung der Finanzverwaltung zählen eigene Anteile der Kapitalgesellschaft bei der Berechnung des Nennkapitals i.S.d. § 13b Abs. 1 Nr. 3 ErbStG nicht mit.7 Eigene Anteile führen also dazu, dass sich die Beteiligung am Nennkapital des einzelnen Gesellschafters erhöht. Beispiel: Der Erblasser E hält 24,5 % der Anteile am Nennkapital der X-GmbH. Die X-GmbH selbst hält 5 % eigene Anteile. Für Zwecke des § 13b Abs. 1 Nr. 3 ErbStG beträgt der Anteil des E am Nennkapital (24,5/95 =) 25,79 %.
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Nach Auffassung der Finanzverwaltung8 und Rechtsprechung9 weiterhin nicht begünstigt ist die mittelbare Übertragung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft über eine vermögensverwaltende GbR. Die Finanzverwaltung leitet dies aus dem Wortlaut des § 13b Abs. 1 Nr. 3 ErbStG her („unmittelbar“), wobei der Finanzverwaltung zuzugeben ist, dass der Gesetzgeber in Kenntnis der Kontroverse den Wortlaut im Rahmen des ErbStRG 2009 oder ErbStAnpG 2016 nicht angepasst hat. Zwar hatte zwischenzeitlich das FG Köln10 überzeugend herausgestellt, dass aufgrund der in § 10 Abs. 1 Satz 4 ErbStG 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10
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Stalleiken, Ubg 2011, 935 (936). Hübner, Erbschaftsteuerreform 2009, S. 419 f. Nachweise bei Wachter in F/J/P/W5 § 13b ErbStG Rz. 45. Zuletzt BVerfG v. 17.12.2014 – 1 BvL 21/12 , BStBl. II 2015, 50 mit Anm. Stalleiken, DB 2015, 18. FG Münster v. 9.6.2016, EFG 2016, 1530, Rev. eingelegt. Vgl. nur Wachter in F/J/P/W5, § 13b ErbStG Rz. 47 m.w.N. R E13b.6 Abs. 2 Satz 2 ErbStR 2011. R E 13b.6 Abs. 2 Satz 3 ErbStR 2011. BFH v. 11.6.2013 – II R 4/12, DStR 2013, 1536. FG Köln v. 16.11.2011 – 9 K 3087/10, EFG 2012, 1079.
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Begünstigungsfähiges Vermögen (Abs. 1)
Rz. 55 § 13b ErbStG
angeordneten Bruchteilsbetrachtung eine Zurechnung der im Gesamthandsvermögen bzw. zu Bruchteilen gehaltenen Wirtschaftsgüter für Erbschaft- und Schenkungsteuerzwecke erfolgt, die dem Unmittelbarkeitserfordernis des § 13b Abs. 1 Nr. 2 ErbStG vorgeht. Der BFH hat sich dieser Auffassung jedoch nicht angeschlossen, sondern klargestellt, dass für die Unmittelbarkeit der Beteiligung am Nennkapital die zivilrechtliche Gesellschafterstellung des Erblassers oder Schenkers erforderlich ist.1 Eine Mitunternehmerstellung existiert bei der Kapitalgesellschaft nicht. Aus diesem Grund können 52 Kapitalgesellschaftsanteile unter wesentlich restriktiveren Bedingungen begünstigt übertragen werden als Personengesellschaftsanteile. Ein schenkungsvertraglich vereinbarter Widerrufsvorbehalt – selbst ein freier Widerruf – verhindert weder die Schenkungsteuerbarkeit gem. § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG (vgl. hierzu § 7 ErbStG Rz. 117) noch die Gewährung der Begünstigungen nach §§ 13a, 13b ErbStG bei Vorliegen der Voraussetzungen im Übrigen. Anders als bei der Personengesellschaft ist es nicht erforderlich, dass der Erwerber ein bestimmtes Maß an Mitunternehmerinitiative oder -risiko entfalten kann, welches durch den Vorbehalt von Widerrufsrechten im Einzelfall ausgeschlossen sein kann (vgl. Rz. 37). Denselben Erwägungen folgend ist der Vorbehalt eines (Quoten-)Nießbrauchs an den Erträgen aus den geschenkten GmbH-Anteilen grundsätzlich unschädlich.2 Richtigerweise ist für die Inanspruchnahme der Begünstigungen auch unerheblich, ob der Erwerber 53 das wirtschaftliche Eigentum gem. § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO an den übertragenen Geschäftsanteilen erlangt. Zwar ist in der Literatur vereinzelt vertreten worden, dass eine wirtschaftliche Betrachtungsweise auch dazu führen kann, dass der Beschenkte nicht im Sinne des Schenkungsteuerrechts bereichert ist.3 Allerdings hat der BFH4 klargestellt, dass es der Ausführung der Zuwendung nicht entgegensteht, wenn der Schenker (im Urteilsfall: eines Grundstücks) wirtschaftlicher Eigentümer der Sacher bleibt. Dementsprechend geht die heute ganz h.M. davon aus, dass Fragen des wirtschaftlichen Eigentums die Schenkung nicht berühren, da das ErbStG insoweit streng zivilrechtlichen Grundsätzen folgt (vgl. § 10 ErbStG Rz. 15) und Fragen der nur wirtschaftlichen Zuordnung von Wirtschaftsgütern, insbesondere die ertragsteuerliche „wirtschaftliche Betrachtungsweise“, im Erbschaft- und Schenkungsteuerrecht außer Betracht bleiben.5 Auch wird die Gewährung der Begünstigungen nach §§ 13a, 13b ErbStG durch die Zurechnung des wirtschaftlichen Eigentums nicht berührt, da nach dem insoweit unmissverständlichen Wortlaut des Gesetzes nur eine zivilrechtliche Beteiligung am Nennkapital von – ggf. zusammengerechnet – mehr als 25 % erforderlich ist.6
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Gestaltungsempfehlung: Von der Frage des wirtschaftlichen Eigentums zu unterscheiden ist 54 die Frage nach der tatsächlichen Verfügungsmacht über den Schenkungsgegenstand. Es entspricht der mittlerweile gefestigten Rechtsprechung des BFH, dass eine wirksame Schenkung nicht gegeben ist, wenn der Beschenkte „nach den getroffenen Vereinbarungen und Regelungen über das Vermögen im Verhältnis zum Beschenkten nicht tatsächlich und rechtlich frei verfügen kann“ (§ 10 ErbStG Rz. 30).7 Wann diese Grenze erreicht ist bzw. welche Überschneidungen zur Rechtsfigur des wirtschaftlichen Eigentums bestehen, kann fraglich sein. Zur vorherigen Absicherung geplanter Gestaltungen kann es sich daher empfehlen, bei Zusammenfallen von Widerrufsvorbehalten, Sonderstimmrechten und Nießbrauch die Frage der Wirksamkeit der Schenkung durch Einholung einer verbindlichen Auskunft abzusichern.
b) Besondere Beteiligungsformen (Nießbrauch, Treuhand) Entgegen der Rechtslage bei Personengesellschaften (vgl. Rz. 42) ist der Zuwendungsnießbrauch an 55 einen Kapitalgesellschaftsanteil nicht begünstigungsfähig, da es insoweit, anders als bei dem Zuwendungsnießbrauch an einen Personengesellschaftsanteil, an der Übertragung einer Mitunternehmer-
1 2 3 4 5
BFH v. 11.6.2013 – II R 4/12, DStR 2013, 1536. BFH v. 22.9.1982 – II R 61/80, BStBl. II 1983, 179. Vgl. die Nachweise bei Schuck in V/K/S/W4 § 7 ErbStG Rz. 102. BFH v. 22.9.1982 – II R 61/80, BStBl. II 1983, 179. BFH v. 5.10.1997 – II R 68/95, BStBl. II 1997, 820; v. 25.1.2001 – II R 39/98, BFH/NV 2001, 908; Fischer in F/J/ P/W5, § 7 ErbStG Rz. 216; Gebel in T/G/J, § 7 ErbStG Rz. 54, jeweils m.w.N. (Stand: Juli 2015). 6 Götz, DStR 2013, 448 (450). 7 BFH v. 28.6.2007 – II R 21/05, BStBl. II 2007, 669.
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§ 13b ErbStG Rz. 56 Begünstigtes Vermögen stellung fehlt. Diese Ungleichbehandlung von Kapital- und Personengesellschaften ist zwar wertungsmäßig kaum verständlich, gleichwohl aber systematisch zwingend. 56
Der Erörterung bedarf auch die Frage, ob die Übertragung der Treugeberstellung an einen Kapitalgesellschaftsanteil als begünstigungsfähig anzusehen ist. Grund hierfür ist, dass Übertragungsgegenstand aus Sicht des Treugebers lediglich dessen Herausgabeanspruch gegen den Treuhänder aus dem Treuhandverhältnis ist, nicht aber der Gesellschaftsanteil selbst. Hierzu war in der Vergangenheit umstritten, ob dieser Herausgabeanspruch des Treuhänders steuerlich mit dem der Treuhandschaft zugrunde liegenden Wirtschaftsgut „identisch“ ist, so dass die diesbezüglichen Begünstigungen auch Anwendung finden können.1 Die Finanzverwaltung hat inzwischen in Erlassen vom 16.9.20102 und 14.1.20133 klargestellt, dass Gegenstand der Zuwendung im Falle eines treuhänderisch gehaltenen Wirtschaftsgutes zwar der Herausgabeanspruch des Treugebers nach § 667 BGB gegen den Treuhänder auf Rückübereignung des Treugutes ist. Die weitere steuerliche Behandlung soll sich jedoch an der Art des treuhänderisch gehaltenen Vermögensgegenstandes orientieren. Aus diesem Grund will die Finanzverwaltung die Begünstigungen gem. §§ 13a, 13b ErbStG „bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen“ gewähren.4
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Einigkeit besteht darüber, dass hierdurch jedenfalls für Personengesellschaften eine hinreichende Rechtssicherheit geschaffen ist, wonach die Übertragung treuhänderisch gehaltener Mitunternehmeranteile begünstigungsfähig ist. Nicht ganz zweifelsfrei ist allerdings, wie diese Verwaltungsauffassung in Bezug auf treuhänderisch gehaltene Kapitalgesellschaftsanteile zu verstehen ist.5 Grund hierfür ist das o.g. gesetzliche Erfordernis, dass der Erblasser oder Schenker am Nennkapital der Gesellschaft zu mehr als 25 % „unmittelbar“ beteiligt ist. Finanzverwaltung und Rechtsprechung halten an diesem Unmittelbarkeitserfordernis dahingehend fest, dass sie die Begünstigung bei Übertragung nur mittelbar (z.B. über eine vermögensverwaltende GbR) gehaltener Anteile an einer Kapitalgesellschaft ablehnen (oben Rz. 51). Es erscheint aus diesem Grund denkbar, dass die Finanzverwaltung das Unmittelbarkeitserfordernis auch bei der Übertragung treuhänderisch gehaltener Anteile an Kapitalgesellschaften als nicht erfüllt ansieht, da der Treugeber eben nicht „unmittelbar“, sondern nur mittelbar über den Treuhänder an der Gesellschaft beteiligt ist. Die Rechtsprechung und Verwaltungsauffassung zu den mittelbar über eine vermögensverwaltende GbR gehaltenen Kapitalgesellschaftsanteilen ist jedoch m.E. auf Treuhandverhältnisse nicht übertragbar. Die Gleichstellung des Treuguts mit dem Herausgabeanspruch für Zwecke der Begünstigungsnormen beruht ja gerade auf wirtschaftlichen Erwägungen, da (auch für Personengesellschaften) unbestritten ist, dass der Herausgabeanspruch des Treugebers selbst nicht begünstigungsfähig ist, sondern das begünstigungsfähige Vermögen lediglich repräsentiert. Das begrüßenswerte Ergebnis der Finanzverwaltung würde jedoch in weiten Teilen wieder ad absurdum geführt, wenn man für Kapitalgesellschaften eine unmittelbare Beteiligung des Treuhänders am Treugut im Ergebnis verneinen würde.
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Die Begünstigung gem. § 13b Abs. 1 Nr. 3 ErbStG erlangt seit dem 1.1.2009 auch erhöhte Bedeutung für das Ausscheiden von Gesellschaftern, wenn die im Zusammenhang mit dem Ausscheiden gewährte Abfindung hinter dem Verkehrswert des Anteils zurückbleibt. In diesen Fällen soll die reflexive Wertsteigerung der übrigen Gesellschafter gem. § 7 Abs. 7 ErbStG der Schenkungsteuer zu unterwerfen sein (vgl. § 7 ErbStG Rz. 529 ff.). Für Zwecke der Begünstigung dem Grunde nach ist allerdings danach zu differenzieren, ob der Anteil bei Ausscheiden des Gesellschafters eingezogen oder abgetreten wird. Rechtsfolge der Einziehung ist, dass der Anteil des von der Einziehung betroffenen Gesellschafters untergeht. Nach Ansicht der Finanzverwaltung kommt bei der Einziehung keine Begünstigung nach §§ 13a, 19a ErbStG in Betracht, da die „Gesellschafter selbst keine Anteile erwerben“.6 Zwar ist gesellschaftsrechtlich eine Neubildung des Anteils ohne Kapitalerhöhung möglich.7 Dies dürfte jedoch gleichwohl nichts an der Verwaltungsauffassung ändern. Diese Gesetzesauslegung durch die Verwal1 2 3 4 5 6 7
Jülicher in T/G/J, § 13b ErbStG Rz. 73 ff. (Stand: September 2013) m.w.N. zum Streitstand. FinMin Bayern, DStR 2010, 2084. LfSt Bayern, DB 2013, 206. LfSt Bayern, DB 2013, 206. Geck in Kapp/Ebeling, § 13b ErbStG Rz. 36 (Stand: April 2015). R E 3.4 Abs. 3 Satz 9 ErbStR 2011. Sog. „Revalorisierung“, Hueck/Fastrich in Baumbach/Hueck20, § 34 GmbHG Rz. 20.
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Begünstigungsfähiges Vermögen (Abs. 1)
Rz. 63 § 13b ErbStG
tung erscheint hinreichend gefestigt, da der Gesetzgeber entgegen dem Vorschlag des Bundesrates im Rahmen des ErbStRG 2009 eine Klarstellung in § 7 Abs. 7 ErbStG abgelehnt hat, wonach sich die Anwendung der §§ 13a, 19a ErbStG auf sämtliche Fälle des § 7 Abs. 7 ErbStG erstreckt.1 Falls die GmbH selbst bei Ausscheiden des Gesellschafters im Wege der Abtretung eigene Anteile erwirbt, ist die GmbH schenkungsteuerlich Bereicherte/Beschenkte.2 Diese kann dann für den Erwerb die Begünstigungen nach §§ 13a, 13b ErbStG, nicht jedoch nach § 19a ErbStG in Anspruch nehmen.3 Ungeklärt ist allerdings, ob jetzt beim Erwerb eigener Anteile unter dem Verkehrswert § 7 Abs. 8 ErbStG vorrangig anzuwenden ist mit der Folge, dass nach Auffassung der Finanzverwaltung die Begünstigungen nach §§ 13a, 13b ErbStG nicht gewährt werden können.4
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Gestaltungshinweis: Bei Ausscheiden eines Gesellschafters und Abfindung unter dem Verkehrs- 59 wert ist die Abtretung schenkungsteuerlich deutlich günstiger als die Einziehung, da für letztere die Begünstigungen nach §§ 13a, 13b ErbStG nicht gewährt werden. Bei der Neukonzeption von Gesellschaftsverträgen oder der Kontrolle von „Altverträgen“ im Rahmen der Nachfolgeplanung sollten daher die Ausscheidensklauseln auf den vorgesehenen Mechanismus überprüft und ggf. umgestaltet werden.
c) Inland – EU/EWR – Drittland Auch bei der Personengesellschaft hat der Gesetzgeber mit Novellierung durch das ErbStRG 2009 60 den Begünstigungsrahmen auf die Europäische Union und den europäischen Wirtschaftsraum ausgedehnt. Anders als bei der Übertragung von Betriebsvermögen kommt es hier nicht darauf an, wo das Vermögen der jeweiligen Kapitalgesellschaft belegen ist. Allein maßgeblich ist, ob die Gesellschaft selbst ihren Sitz oder ihren Ort der Geschäftsleitung im Innenland, der EU oder dem EWR hat. Entsprechend der ertragsteuerlichen Intransparenz der Kapitalgesellschaft stellt auch das Erbschaft- und Schenkungsteuerrecht (ausschließlich) auf den übertragenen Anteil ab. Daraus folgt, dass Kapitalgesellschaften auch erbschaft- und schenkungsteuerlich „Abschirmwirkung“ entfalten.5 Es kann sich also unter erbschaft- und schenkungsteuerlichen Gesichtspunkten empfehlen, in einer Personengesellschaftsstruktur eine Kapitalgesellschaftsebene vor eventuell nicht begünstigtes Drittlands(betriebsstätten)vermögen zu schalten. 2. Überspringen der 25 %-Grenze durch Poolvertrag (Abs. 1 Nr. 3 Satz 2) a) Allgemeines Erstmals mit Einführung des ErbStRG 2009 hatte der Gesetzgeber die Möglichkeit geschaffen, die 61 25 %-Grenze durch Zusammenrechnung der Geschäftsanteile mehrerer Gesellschafter, die sich zu einem Anteils- und Stimmrechtspoolvertrag (Poolvertrag) zusammengeschlossen haben, zu überspringen. Aus dem Wortlaut des § 13b Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 ErbStG ergibt sich nicht unmittelbar, dass der Erwerber 62 der gepoolten Anteile in den Poolvertrag eintreten muss. § 13b Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 ErbStG verlangt nur, dass der Erblasser oder Schenker am Nennkapital der Gesellschaft zu mehr als 25 % beteiligt war, nicht aber, dass diese Rechtsstellung auf den Erwerber übergeht. Dies ergibt sich jedoch letztlich aus dem Zusammenspiel mit dem Nachsteuertatbestand des § 13a Abs. 5 Satz 2 Nr. 5 ErbStG (vgl. § 13a ErbStG Rz. 180), wonach die Aufhebung der Poolvereinbarung während der Behaltensfrist (denknotwendigerweise nach Eintritt des Erwerbers in den Poolvertrag) aufgehoben wird. Ausweislich der Gesetzesbegründung des ErbStRG 2009 wollte der Gesetzgeber damit die typischen 63 Strukturen von Familiengesellschaften begünstigen, bei denen sich in Folge von bereits erfolgten Übertragungen auf die nachfolgenden Generationen der Anteile des einzelnen Familiengesellschafters an der GmbH auf weniger als 25 % reduziert hat. Gleichwohl beschränkt sich die gesetzliche Ausnahme1 2 3 4 5
Hierzu Wälzholz, DStZ 2009, 591 (597). Riedel, ZErb 2009, 113 (117) m.w.N. R E 3.4 Abs. 3 Satz 6 ErbStR 2011. Vgl. gleich lautender Erlass v. 14.3.2012, BStBl. I 2012, 331, Tz. 3.5. Hannes/Stalleiken, Ubg 2010, 572 (573).
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§ 13b ErbStG Rz. 64 Begünstigtes Vermögen regelung nicht auf Familiengesellschaften, sondern lässt es auch unterschiedslos zu, dass sich fremde Dritte mittels eines Poolvertrages zur Überspringung der 25 %-Grenze zusammenschließen.1 64
Da die mittelbare Übertragung von Kapitalgesellschaftsanteilen nicht begünstigt ist (vgl. hierzu Rz. 51), ist darauf zu achten, dass der Poolvertrag als rein schuldrechtliche Bindung zwischen den Gesellschaftern (Innengesellschaft) vereinbart wird und kein Eigentum des Pools an den Geschäftsanteilen zur gesamten Hand begründet wird. Ansonsten wären die beiden Voraussetzungen einer wirksamen Poolung (dazu sogleich) genauso gut durch gesellschaftsvertragliche Regelungen einer anteilsbesitzenden GbR zu verwirklichen.
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Das Gesetz sieht kein bestimmtes Formerfordernis für den Abschluss der Poolvereinbarung vor.2 Eine wirksame Poolung kann formfrei, d.h. auch in privatschriftlicher Form3 oder mündlich oder sogar konkludent durch langjährige Übung4 erfolgen, wobei freilich von der wohl herrschenden Literatur eine Schriftform zu Beweiserleichterungszwecken empfohlen wird.5 Das von Teilen in der Literatur6 vertretene Erfordernis einer notariellen Beurkundung lässt sich jedenfalls nicht aus § 15 Abs. 4 GmbHG herleiten, denn mittels des Poolvertrages verpflichten sich die Poolmitglieder gerade nicht zur Verfügung ihrer Anteile, sondern sie verpflichten sich, über ihre Anteile nicht, im Verfügungsfall jedoch allenfalls einheitlich zu verfügen (dazu sogleich Rz. 70 ff.).
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Gestaltungshinweis: Durch „richtige“ Ausgestaltung der Vinkulierungsklauseln in der Satzung einer GmbH kann bereits das Erfordernis einer einheitlichen Verfügung erfüllt werden. Zur Zusammenrechnung der Anteile nach § 13b Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 ErbstG ist dann nur noch erforderlich, aber auch ausreichend, dass sich die Gesellschafter mit gesonderter Vereinbarung einer Stimmbindung unterwerfen.
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Bislang nicht abschließend geklärt ist auch, ob der Abschluss eines Poolvertrages negative Auswirkungen auf körperschaft- und gewerbesteuerliche Verlustvorträge haben kann. Gemäß § 8c KStG fallen die festgestellten körperschaftsteuerlichen Verlustvorträge weg, wenn ein schädlicher Beteiligungserwerb vorliegt. Ein schädlicher Beteiligungserwerb ist gegeben, wenn innerhalb von fünf Jahren mehr als 25 % der Anteile übertragen werden oder ein vergleichbarer Sachverhalt vorliegt (dann anteiliger Wegfall der Verlustvorträge, § 8c Abs. 1 Satz 1 KStG) oder wenn innerhalb von fünf Jahren mehr als 50 % der Anteile übertragen werden oder ein vergleichbarer Sachverhalt vorliegt (dann vollständiger Wegfall der Verlustvorträge, § 8c Abs. 1 Satz 2 KStG). Für die Anwendung der Vorschrift reicht es nach ihrem Wortlaut aus, wenn Anteile übertragen werden oder ein vergleichbarer Sachverhalt vorliegt. Gemäß § 10a Satz 2 GewStG gelten die vorstehend dargestellten Grundsätze für gewerbesteuerliche Fehlbeträge (Verlustvorträge) einer der Kapitalgesellschaft nachgeordneten Mitunternehmerschaft entsprechend.
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Es stellt sich also die Frage, ob der Abschluss eines Poolvertrages ein „vergleichbarer Sachverhalt“ sein kann. Nach h.M. im Schrifttum stellt der Abschluss eines Poolvertrages bei richtiger Ausgestaltung weder eine Anteilsübertragung oder Stimmrechtsübertragung noch einen „vergleichbaren Sachverhalt“ i.S.d. § 8c Satz 1, 2 KStG dar.7 Durch den Abschluss eines Poolvertrages in schuldrechtlicher Form werden die Stimmrechte an der Gesellschaft gerade nicht übertragen. Die Poolmitglieder verpflichten sich lediglich schuldrechtlich, in der Gesellschafterversammlung ihr Stimmrecht einheitlich gemäß des vorher gefassten Beschlusses in der Poolversammlung auszuüben. Selbst wenn man im Abschluss des Poolvertrages grundsätzlich einen „vergleichbaren Sachverhalt“ i.S.d. § 8c KStG sehen wollte,8 könnte dieser nur potentiell schädlich sein, wenn ein Gesellschafter dadurch Einflussmöglichkeiten 1 Lahme/Zikesch, DB 2009, 527 (528); Wachter in F/J/P/W5, § 13b ErbStG Rz. 56. 2 Felten, ZEV 2010, 627; Balmes/Felten, FR 2009, 1077 (1080); Viskorf in V/K/S/W4, § 13b ErbStG Rz. 128; Lasa in Hannes, Formularbuch Unternehmens- und Vermögensnachfolge, C.2. Rz. 8; Onderka/Lasa, Ubg 2009, 309 (310) m.w.N. 3 Vgl. R E 13b.6 Abs. 6 ErbStR 2011: „Gesellschaftsvertrag oder aus anderen schriftlichen Vereinbarungen“. 4 Lasa in Hannes, Formularbuch Unternehmens- und Vermögensnachfolge, C.2. Rz. 8. 5 Balmes/Felten, FR 2009, 1077 (1080); Viskorf in V/K/S/W4, § 13b ErbStG Rz. 128. 6 Wehage, ErbStB 2009, 148; Kamps, FR 2009, 353 (357); Wachter in F/J/P/W5, § 13b ErbStG Rz. 96. 7 Vgl. nur Hannes/von Freeden, Ubg 2008, 625 (628 f.); Bron, FR 2010, 208 (212) m.w.N.; Richter/Escher, FR 2011, 760 (761 f.); Felten, DStR 2010, 1261 (1265 f.). 8 So wohl Meiisel/Bokeloh, BB 2008, 808 (810).
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Begünstigungsfähiges Vermögen (Abs. 1)
Rz. 72 § 13b ErbStG
von mehr als 25 % (oder 50 %) erhalten würden, die er vorher nicht hatte. Aus Vorsichtsgründen (aber auch tatsächlichen und gesellschaftsrechtlichen Erwägungen folgend) sollte eine so weitreichende Verschiebung der Machtverhältnisse in der Gesellschaft durch den Abschluss eines Poolvertrages aber ohnehin vermieden werden. Eine wirksame Poolung setzt in erbschaft- und schenkungsteuerlicher Hinsicht zweierlei voraus: Ei- 69 nerseits müssen sich die Gesellschafter untereinander verpflichten, über die Anteile nur einheitlich zu verfügen oder diese ausschließlich auf derselben Verpflichtung unterliegende Anteilseigner zu übertragen („Verfügungsbeschränkung“ und das Stimmrecht gegenüber nicht gebundenen Gesellschaftern einheitlich auszuüben) („Stimmbindung“). b) Tatbestandsmerkmal Verfügungsbeschränkung Das erste Tatbestandsmerkmal einer wirksamen Poolung, die Verfügungsbeschränkung über die An- 70 teile, kann durch zwei alternative Voraussetzungen erfüllt werden: Zum einen können sich die Gesellschafter untereinander verpflichten, über die Anteile „nur einheitlich zu verfügen“, oder aber sie können sich verpflichten, die Anteile „ausschließlich auf andere derselben Verpflichtung unterliegende Anteilseigner“ zu übertragen. Der von § 13b Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 ErbStG verwendete Begriff des „Verfügens“ deckt sich nach h.M. 71 nicht mit dem zivilrechtlichen Verfügungsbegriff.1 Während das bürgerliche Recht auch die Einräumung eines Nießbrauchs an einer Sache oder die Verpfändung einer Sache als Verfügung über die Sache ansieht, ergibt die Gesetzesauslegung des § 13b Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 ErbStG, dass nur die dingliche Übertragung der Geschäftsanteile gemeint ist.2 Diese Auslegung ist auch gemessen am Gesamtkontext der Verschonungsregelungen schlüssig, da Verfügungen unterhalb der Schwelle der Übertragung, wie z.B. die Einräumung eines Nießbrauchs, auch keinen Behaltensfristverstoß i.S.d. § 13a Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 ErbStG auslösen.3 Hinsichtlich der Verpflichtung der einheitlichen Verfügung war lange umstritten, wie dieses unbe- 72 stimmte Tatbestandsmerkmal auszulegen ist. Schon der Gesetzesbegründung zufolge, die maßgeblich auf die typischen Konstellationen und Interessenlagen bei Familiengesellschaften abstellt, kann hierzu nicht erforderlich sein, dass die Gesellschafter sich verpflichten, zeitgleich, in gleicher Höhe oder auf denselben bestimmten Erwerber zu übertragen.4 Gemeint ist vielmehr eine Übertragung nach einheitlichen Grundsätzen, wie sie denjenigen entsprechen, die in Familiengesellschaften typischerweise anzutreffen sind. Dies ist in erster Linie die Beschränkung des Kreises der potenziellen Erwerber auf Familienmitglieder, Abkömmlinge und Ehegatten von Familienmitgliedern sowie auf Gesellschaften, an denen ausschließlich die vorgenannten Personen beteiligt sind und ggf. Familienstiftungen. Die Finanzverwaltung hat ihre Auffassung zu den Voraussetzungen einer einheitlichen Verfügung in mehreren Erlassen5 sowie zusammenfassend in den Erbschaftsteuerrichtlinien 2011 dargelegt. Danach kann eine einheitliche Verfügung sowohl dadurch herbeigeführt werden, dass sich die Poolmitglieder verpflichten, die Anteile nur auf einen bestimmten Personenkreis, z.B. Familienmitglieder, einen Familienstamm oder „Abkömmlinge des Firmengründers X“, zu übertragen.6 Eine solche Beschränkung des Erwerberkreises dürfte dem gesetzgeberischen Leitbild der privilegierungswürdigen Familien-Kapitalgesellschaft, deren einzelne Gesellschafter über mehrere Generationen die Mindestbeteiligungsquote nicht mehr erreichen,7 am ehesten entsprechen. Darüber hinaus lässt es die Finanzverwaltung jedoch
1 Von Oertzen, UbG 2008, 57 (62); Scholten/Korezkij, DStR 2009, 304 (307); Wachter in F/J/P/W5, § 13b ErbStG Rz. 63 m.w.N. 2 LfSt Bayern v. 11.8.2010, DStR 2010, 2134; Wachter in F/J/P/W5, § 13b ErbStG Rz. 63 m.w.N.; a.A. für die Einräumung von Unterbeteiligungen allerdings Geck in Kapp/Ebeling, § 13b ErbStG Rz. 64 a.E. (Stand: September 2013). 3 R E 13a.10 Abs. 1 Nr. 1 ErbStR 2011. 4 R E 13b.6 Abs. 4 Satz 4 ErbStR 2011. 5 Gleich lautende Erlasse v. 29.10.2010, BStBl. I 2010, 1210; LfSt Bayern v. 11.8.2010, DStR 2010, 2134; LfSt Bayern v. 10.1.2011, DStR 2011, 413. 6 R E 13b.6 Abs. 4 Satz 3, 1. Var. ErbStR 2011. 7 Vgl. BT-Drucks. 16/7018 v. 28.1.2008, .
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§ 13b ErbStG Rz. 73 Begünstigtes Vermögen auch genügen, wenn die Übertragung der Zustimmung der Mehrheit der Poolmitglieder bedarf.1 Diese – durchaus großzügige – Auslegung überrascht, kann hiernach an jeden (auch familienfremde) Dritten übertragen werden, solange nur die Mehrheit der Poolmitglieder zustimmt. 73
Neben der Verpflichtung zur einheitlichen Verfügung kann der Poolvertrag auch dergestalt ausgestaltet werden, dass sich die Poolmitglieder verpflichten, „ausschließlich auf andere derselben Verpflichtung unterliegende Anteilseigner zu übertragen“. Damit ist zunächst klargestellt, dass jedenfalls als engstmögliche Auslegungsform die Verpflichtung der Übertragung ausschließlich innerhalb des bestehenden Kreises der Poolmitglieder diesen Anforderungen genügt. Darüber hinaus ist es aber auch ausreichend, wenn ein Erwerber der Anteile, und dies kann ebenfalls, da es sich um eine echte Alternativvariante zu der einheitlichen Verfügung handelt, grundsätzlich jeder (auch familienfremde) Erwerber sein, der Poolvereinbarung zeitgleich mit dem Erwerb der Anteile beitritt.2 c) Tatbestandsmerkmal Stimmbindung
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Weiteres, kumulativ zu erfüllendes Merkmal ist die Verpflichtung der Anteilseigner, ihr Stimmrecht gegenüber nicht gebundenen Gesellschaftern nur einheitlich auszuüben. Entgegen dem Gesetzeswortlaut ist es allerdings nicht erforderlich, dass nicht gepoolte Gesellschafter existieren, denen gegenüber ein Stimmrecht der Poolmitglieder einheitlich ausgeübt werden könnte. Nach dem Sinn und Zweck der Poolregelung bei Familiengesellschaften muss auch die Poolung aller Gesellschafter (100 %-Pool) möglich sein.3 Prägendes Merkmal der einheitlichen Stimmrechtsausübung ist die Durchführung einer Vorabstimmung vor den Gesellschafterversammlungen der jeweiligen Gesellschaft im Rahmen einer Poolversammlung. Diese kann auch in unmittelbarem zeitlichem Zusammenhang mit der Gesellschafterversammlung stattfinden, wenn die vorherige Willensbildung in der Poolversammlung ordnungsgemäß dokumentiert wird.4
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Gestaltungshinweis: Bei der Konzeption von Poolverträgen ist idealerweise darauf zu achten, dass sich hierdurch keine Verschiebung der tatsächlichen Machtverhältnisse in der Gesellschaft ergibt. Zu einer solchen kann es insbesondere kommen, wenn ein Poolmitglied kraft seiner Stimmmacht im Pool durch Majorisierung des Pools eine Position in der Gesellschafterversammlung erreicht, die ihm kraft seiner Gesellschaftsverhältnisse in der Gesellschafterversammlung nicht zustehen würde. Auch hier offenbart sich ein Vorteil des 100 %-Pools, bei dem ein solches Risiko jedenfalls dann nicht besteht, wenn die Abstimmungsregelungen des Poolvertrages lediglich die Mehrheitserfordernisse des Gesellschaftsvertrags abbilden.
76
Eine einheitliche Stimmrechtsausübung kann jedoch auch auf andere Weise herbeigeführt werden. Dies ist insbesondere möglich dadurch, dass bestimmte Gesellschafter schuldrechtlich im Rahmen einer Poolvereinbarung auf ihr Stimmrecht zugunsten der Poolgemeinschaft verzichten oder die Poolmitglieder einen gemeinschaftlichen Vertreter (Poolsprecher) zur Stimmrechtsausübung in der Gesellschafterversammlung bestimmen.
77
Nicht erforderlich ist Vereinbarung einer Vertragsstrafe.5 Ebenso wenig regelt das Gesetz, ob oder wie Verstöße sich gegen die Stimmbindung oder Verfügungsbeschränkung auswirken. Wachter6 weist allerdings zutreffend darauf hin, dass die Finanzverwaltung bei wiederholten Verstößen oder dem wiederholten Sich-Hinwegsetzen einzelner Poolmitglieder über die Poolvereinbarung den Vorwurf erheben kann, dass der Poolvertrag nicht tatsächlich gelebt wird und diesen auf dieser Grundlage nicht anerkennen wird (vgl. hierzu auch § 13a ErbStG Rz. 181).
1 2 3 4 5 6
R E 13b.6 Abs. 4 Satz 3, 2. Var. ErbStR 2011. R E 13b.6 Abs. 4 Satz 5 ErbStR 2011. R E 13b.6 Abs. 5 Satz 8 ErbStR 2011. R E 13b.6 Abs. 5 Satz 10 ErbStR 2011. Von Oertzen, Ubg 2008, 57 (61). Wachter in F/J/P/W5, § 13b ErbStG Rz. 86.
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Stalleiken
Begünstigtes Vermögen (Abs. 2)
Rz. 81 § 13b ErbStG
C. Begünstigtes Vermögen (Abs. 2) I. Das begünstigte Vermögen als Grundlage für die Steuerbefreiungen Abs. 2 Satz 1 regelt den sicherlich bedeutendsten Paradigmenwechsel des neuen Unternehmens-Erb- 78 schaftsteuerrechts, nämlich den Wegfall der zuvor geltenden 50 %-Grenze als entscheidendes Kriterium für die Gewährung der Regelverschonung. Nach bis zum 30.6.2016 geltenden Recht war es für die Inanspruchnahme der Regelverschonung ausreichend, wenn der Anteil des schädlichen Verwaltungsvermögens im Betriebsvermögen nicht mehr als 50 % betrug (vgl. Rz. 269). War dies der Fall, waren auch die rechnerisch bis zu 50 % betragenden Gegenstände des Verwaltungsvermögens von der Begünstigung umfasst. Umgekehrt war bei Überschreiten der 50 %-Grenze die Verschonung vollständig zu versagen, so dass auch für die rechnerisch bis zu 49,99 % betragenden Werte des unschädlichen Betriebsvermögens keine Steuerbefreiungen beansprucht werden konnten. Betrug auf Ebene der jeweils übertragenen Gesellschaft (TopCo) der Wert des Verwaltungsvermögens nicht mehr als 10 %, konnte der Erwerber die sog. „Vollverschonung“ (100 %ige Steuerbefreiung) wählen. In Tochter- und Enkelgesellschaften musste auch bei Wahl zur Vollverschonung nur eine Grenze von 50 % eingehalten werden (sog. Kaskadeneffekt, vgl. Rz. 275). Dieses „Alles-oder-Nichts“-Prinzip hatte das BVerfG in seinem Urteil vom 17.12.2014 als verfassungs- 79 widrig kritisiert und diesbezügliche Änderungen gefordert. Abs. 2 Satz 1 sieht dementsprechend vor, dass begünstigungsfähige Vermögen i.S.d. § 13b Abs. 1 ErbStG nur begünstigt ist, „soweit sein gemeiner Wert den um das unschädliche Verwaltungsvermögen im Sinne des Absatzes 7 gekürzten Nettowert des Verwaltungsvermögens im Sinne des Absatzes 6 übersteigt (begünstigtes Vermögen)“. Die Regelung bewirkt im Grundsatz, dass Verwaltungsvermögen aus der Begünstigung ausscheidet. Sie wirkt absolut und trifft Unternehmen unabhängig von der Größenordnung. In der Praxis führt diese Regelung zu den sicherlich gravierendsten praktischen Konsequenzen. Denn während bislang mit Blick auf die 50 %-Grenze gerade in mehrstufigen Unternehmensstrukturen die Identifikation und Bewertung des Verwaltungsvermögens im Einzelfall durchaus kursorisch und nicht selten durch Rückrechnung („bei einem gemeinen Wert von 1 000 kann vorliegend ausgeschlossen werden, dass der Wert des Verwaltungsvermögens 500 übersteigt“) erfolgen konnte, ist nunmehr eine genaue Identifikation und Bewertung des Verwaltungsvermögens zwingend. Der hiermit verbundene erhöhte Prüfungsaufwand ist hinzunehmen, anderenfalls kann keine verlässliche Aussage über die drohende Steuerlast im Übertragungsfall, die auf das nicht begünstigte Verwaltungsvermögen entfällt, getroffen werden.
II. Berechnung des begünstigten Vermögens (Überblick) § 13b Abs. 2 Satz 1 ErbStG regelt die Berechnung des begünstigten Vermögens als Grundlage für die 80 Steuerbefreiungen nach §§ 13a Abs. 1, 13c oder 28a ErbStG. Das hierin definierte „begünstigte Vermögen“ stellt einen Zentralbegriff der neuen Unternehmensverschonungsregelungen dar: Es ist maßgebliche Größe für die 26-Mio.-Euro-Grenze i.S.d. § 13a Abs. 1 ErbStG; es ist Anknüpfungspunkt für die Verschonungsabschläge in Form der Regel- oder Vollverschonung; es ist Grundlage für das Abschmelzungsmodell nach § 13c ErbStG; es ist Ausgangsgröße für die Steuerfestsetzung im Erlassmodell gem. § 28a ErbStG sowie Rechengröße für die Stundung der Steuer nach § 28 Abs. 1 ErbStG. Die Berechnung des begünstigten Vermögens ist kompliziert, und Einzelbestandteile dieser vielstufigen Berechnung finden sich durch Verweis in den Abs. 2 und 9. Die Prüfungs- und Rechenschritte bis hin zur Berechnung des begünstigten Vermögens lassen sich wie folgt skizzieren: Zunächst sind das Verwaltungsvermögen (Rz. 99 ff.), das junge Verwaltungsvermögen (Rz. 223), die 81 Finanzmittel (Rz. 181), die jungen Finanzmittel (Rz. 194) sowie die Schulden (Rz. 185) des Unternehmens zu identifizieren und zu bewerten. Bei dieser Identifikation sind Absicherungswirtschaftsgüter für betriebliche Altersvorsorge (§ 13b Abs. 3 ErbStG) vorrangig auszuscheiden und die mit ihnen in Zusammenhang stehenden Pensionsverpflichtungen zu kürzen (Rz. 93). In mehrstufigen Strukturen erfolgt dies im Rahmen einer konsolidierten Verbundvermögensaufstellung (§ 13b Abs. 9 ErbStG, vgl. Rz. 237 ff.). Falls der Erwerber in Erbfällen von der Investitionsklausel des § 13b Abs. 5 ErbStG Gebrauch macht, ist die Berechnung nachträglich um das investierte Verwaltungsvermögen zu korrigieren (Rz. 202). Stalleiken
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§ 13b ErbStG Rz. 82 Begünstigtes Vermögen 82
Sodann ist als Ausschlusskriterium die 90 %-Grenze des § 13b Abs. 2 Satz 2 ErbStG zu prüfen. Beträgt der gemeine Wert des Verwaltungsvermögens („brutto“) mindestens 90 % des gemeinen Wertes der betrieblichen Einheit, wird keine Begünstigung gewährt (Rz. 87).
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Im nächsten Schritt sind die nicht durch CTA-Deckungsvermögen (Abs. 3) und Finanzmittel (Abs. 4 Nr. 5) verbrauchten Schulden („Schuldenüberhang“) anteilig auf das Verwaltungsvermögen und das begünstigte Vermögen aufzuteilen (Abs. 6, vgl. Rz. 217). Zuvor ist dieser Schuldenüberhang jedoch um die wirtschaftlich nicht belastenden Schulden sowie um diejenigen Schulden zu kürzen, die den durchschnittlichen Schuldenstand der letzten drei Jahre übersteigen (Abs. 6 Sätze 2, 3). Die Zuordnung der Schulden erfolgt in der Weise, dass der abzugsfähige Schuldenüberhang zunächst zum gemeinen Wert des Betriebes hinzuzurechnen ist und davon der Anteil des Verwaltungsvermögens am gemeinen Wert zuzüglich Schuldenüberhang zu berechnen ist (Abs. 6, vgl. Rz. 218). Die solcherart ermittelte Rechengröße stellt das „Netto-Verwaltungsvermögen“ dar.
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Sodann ist dieses „Netto-Verwaltungsvermögen“ um einen 10 %igen Kulanzpuffer zu vermindern (Abs. 7). Hierzu wird ein Anteil vom „Netto“-Verwaltungsvermögen“ i.H.v. 10 % des gemeinen Wertes des Nicht-Verwaltungsvermögens (nicht des gemeinen Wertes des Betriebes) dem begünstigten Vermögen zugeschlagen. Die solcherart ermittelte Größe stellt das „verminderte Netto-Verwaltungsvermögen“ dar. Dieser rechnerische Teil des Verwaltungsvermögens i.S.d. Abs. 4 unterliegt stets der unverschonten Versteuerung.
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In einem letzten Rechenschritt wird der Wert des „verminderten Netto-Verwaltungsvermögens“ vom gemeinen Wert der übertragenden betrieblichen Einheit subtrahiert. Die Differenz stellt das begünstigte Vermögen i.S.d. § 13b Abs. 2 Satz 1 ErbStG dar, welches Grundlage und Anknüpfung für die Steuerbefreiungsvorschriften ist.
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Fächert man die vorstehenden Berechnung in sämtliche vorzunehmen Einzelschritte auf, ergeben sich 22 Prüfungs- bzw. Rechenschritte bis zur Berechnung der Erbschaft- oder Schenkungsteuer.1 Die Berechnung hat also in überbordendem Maße an Komplexität gewonnen.
III. Vollständiger Ausschluss der Begünstigung bei „Brutto-Verwaltungsvermögen“ von mindestens 90 % (Satz 2) 87
Gewissermaßen als „Gegenpart“ zum 10 %igen Kulanzpuffer (Rz. 221) hat der Gesetzgeber geregelt, dass das begünstigungsfähige Vermögen insgesamt nicht begünstigt sein soll, wenn der Anteil des Verwaltungsvermögens am gemeinen Wert des Betriebes 90 % oder mehr beträgt (§ 13b Abs. 2 Satz 2 ErbStG). Obwohl dies auf den ersten Blick als gerechtfertigte gesetzgeberische Entscheidung erscheinen mag, verbirgt sich hinter der sperrigen Formulierung der Tatbestandsvoraussetzungen für die Berechnung der 90 %-Grenze eine schwerwiegende Verschärfung. Gemäß § 13b Abs. 2 Satz 2 ErbStG „ist der Wert des begünstigungsfähigen Vermögens vollständig nicht begünstigt, wenn das Verwaltungsvermögen nach Absatz 4 vor Anwendung des Absatzes 3 Satz 1, soweit das Verwaltungsvermögen nicht ausschließlich und dauerhaft der Erfüllung von Schulden aus Treuhandverhältnissen abgesicherten Altersvorsorgeverpflichtungen dient und dem Zugriff aller übrigen nicht aus diesen Altersvorsorgeverpflichtungen unmittelbar berechtigten Gläubiger entzogen ist, sowie der Schuldenverrechnung und des Freibetrags nach Absatz 4 Nr. 5 sowie der Absatz 6 und 7 mindestens 90 % des gemeinen Wertes des begünstigungsfähigen Vermögens beträgt“. Der schwer verständliche Satz besagt bei wortlautgetreuer Auslegung, dass Verwaltungsvermögen ohne Berücksichtigung der anteiligen Schulden, also „brutto“ mit dem gemeinen Wert des Unternehmens zu vergleichen ist. Versteht man den Begriff der Finanzmittel „brutto“, also Aktivvermögen vor Saldierung mit Schulden (hierzu Rz. 182), scheidet sogar der Abzug von Schulden sowie der Abzug des 15 %igen Freibetrages aus. Dies führt dazu, dass die Finanzmittel ungekürzt in die Berechnung der 90 %-Grenze eingehen.
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Lediglich solches Deckungsvermögen i.S.d. Abs. 3, welches „der Erfüllung von Schulden aus durch Treuhandverhältnisse abgesicherte Altersvorsorgeverpflichtungen dient“, soll bei dieser Berechnung nicht zum Verwaltungsvermögen zählen. Hierbei handelt es sich um ein spezielles Deckungsver1 Eingehende Darstellung bei Koretzkij, DStR 2016, 2434 (2445 f.).
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Vermögensgegenstände zur Altersvorsorge (Abs. 3)
Rz. 93 § 13b ErbStG
mögen, welches in Treuhandkonstruktionen eingebunden ist (sog. CTA-Strukturen, Contractual Trust Arrangements). Es ist schlicht unverständlich, warum der Gesetzgeber mit der Einbringung in Treuhandverhältnisse ein zusätzliches, in Abs. 3 nicht enthaltenes Tatbestandsmerkmal einführt, welches wirtschaftlich an der Qualifikation als Absicherungswirtschaftsgut nichts zu ändern vermag. Dass die Berechnung nach vorstehenden Modalitäten zu wirtschaftlich völlig ungerechtfertigten Er- 89 gebnissen gelangt, verdeutlicht das folgende Beispiel: Ein umschlagstarkes Handelsunternehmen (Wert 10 Mio. Euro) hat in seinem Betriebsvermögen Forderungen aus Lieferungen und Leistungen i.H.v. 9,5 Mio. Euro und Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen i.H.v. 9 Mio. Euro. Lösung: Das Verwaltungsvermögen nach der Berechnung des § 13b Abs. 2 Satz 2 ErbStG beträgt mithin (9,5 Mio. Euro / 10 Mio. Euro =) 95 % des Wertes. Damit ist das Unternehmen vollständig von der Begünstigung ausgeschlossen. Nach der „normalen“ Berechnung des § 13b Abs. 4 Nr. 5 ErbStG liegt jedoch kein Finanzmittel-Verwaltungsvermögen vor (9,5 Mio. Euro abzügl. Schulden von 9 Mio. Euro = 500 000 Euro, zu vermindern um einen Kulanzpuffer von bis zu 15 % von 10 Mio. Euro, also 1,5 Mio. Euro).
Es bleibt unklar, welche Missbrauchsfälle der Gesetzgeber bei der Regelung dieser Voraussetzung im 90 Blick hatte. Fest steht, dass diese Regelung nicht primär gegen die sog. „Cash-GmbH“ gerichtet sein kann. Denn erstens spielt bei der „Cash-GmbH“ die Versagung des Schuldenabzugs keine wesentliche Rolle, da „Cash-GmbHs“ in der Regel keine Schulden aufweisen (dies war ja geradezu der Sinn der Gestaltung). Und zweitens findet bei „Cash-GmbHs“ kein Abzug der 15 %igen Freigrenze statt (Abs. 4 Nr. 5 Satz 2), da diese typischerweise keine gewerblichen Tätigkeiten ausüben (dazu Rz. 189).
Û
Praxishinweis: Die Prüfung der 90 %-Grenze als Nebenrechnung ist für jedes Unternehmen 91 durchzuführen, da sie auch bei absolut produktiven Unternehmen ohne Verwaltungsvermögen i.S.d. § 13b Abs. 3, 4 ErbStG den Ausschluss der Begünstigung allein aufgrund der ungünstigen Berechnungsmodalitäten zur Folge haben kann. Diejenigen Unternehmen, bei denen ein solches Risiko identifiziert wird, werden versuchen müssen, durch „künstliche“ Saldierung der Forderungen und Verbindlichkeiten aus Lieferung und Leistungen, z.B. durch vorgezogenes Factoring und Zahlung der Verbindlichkeiten, diese Finanzmittel vor einem Übertragungsstichtag tatsächlich abzubauen.
Die Rückausnahmen für Kreditinstitute und Finanzdienstleistungsinstitute (Abs. 4 Nr. 2, 4 und 5) 92 bleiben allerdings zu berücksichtigen, so dass Wertpapiere, Finanzmittel etc. solcher Unternehmen auch nicht in die 90 %-Grenze einzubeziehen sind.1 Dasselbe gilt nach hier vertretener Auffassung zudem für konzerninterne Forderungen. Da auch die 90 %-Grenze anhand der Verbundvermögensaufstellung i.S.d. § 13b Abs. 9 ErbStG zu prüfen ist und im Rahmen dieser Verbundvermögensaufstellung konzerninterne Forderungen und Verbindlichkeiten vor der Aufnahme in die Verbundvermögensaufstellung zu saldieren sind, ist festzuhalten, dass zumindest konzerninterne Forderungen nicht in die Berechnung der 90 %-Grenze eingehen, soweit diese vorher durch Saldierung im Konzernverbund zu eliminieren waren.
D. Privilegierung für Vermögensgegenstände zur Altersvorsorgeabsicherung (Abs. 3) § 13b Abs. 3 ErbStG gehört systematisch zum Verwaltungsvermögenkatalog des Abs. 4. Die Vorschrift 93 bestimmt, dass solche Wirtschaftsgüter, die ausschließlich und dauerhaft der Erfüllung von Schulden aus Altersvorsorgeverpflichtungen dienen und dem Zugriff aller übrigen nicht aus den Altersversorgungsverpflichtungen unmittelbar berechtigten Gläubigern entzogen sind, nicht zum Verwaltungsvermögen zählen, soweit sie die damit abgesicherten Pensionsverpflichtungen nicht übersteigen.2 Intention des Gesetzgebers war es, das sog. „Deckungsvermögen“ für betriebliche Altersvorsorge von 1 Erkis, DStR 2016, 1441 (1444). 2 Von Oertzen/Reich, Ubg 2017, 1.
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§ 13b ErbStG Rz. 94 Begünstigtes Vermögen vornherein aus dem Verwaltungsvermögen auszunehmen, da es eben nicht typischerweise der privaten Lebensführung, sondern der Absicherung von betrieblichen Pensionsverpflichtungen dient. Es handelt sich hierbei insoweit im ein Novum, als dass nach dem bis zum 30.6.2016 geltenden Recht etwaige betriebliche Veranlassungen für das Halten von Verwaltungsvermögen vollständig außer Betracht blieben. Dieser neue gesetzgeberische Ansatz ist also uneingeschränkt zu begrüßen. 94
Taugliche Wirtschaftsgüter sind sämtliche Wirtschaftsgüter des begünstigungsfähigen Vermögens i.S.d. § 13b Abs. 1 ErbStG. In der Praxis besonders häufig werden Gesellschaftsanteile, Grundbesitz, Wertpapiere und vergleichbare Forderungen u.Ä. als Deckungsvermögen verwendet.1 Nur soweit diese Wirtschaftsgüter nach den Kategorien des Abs. 4 als Verwaltungsvermögen oder Finanzmittel qualifizieren, kommt Abs. 3 und die dort angeordnete Schuldensaldierung zur Anwendung. Wirtschaftsgüter des Nicht-Verwaltungsvermögens (z.B. ungenutzter oder eigengenutzter Grundbesitz) lösen die Rechtsfolge des Abs. 3 nicht aus.
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Die Tatbestandsvoraussetzungen des Abs. 3 geben die typische Konstellation von Absicherungswirtschaftsgütern, die in betriebliche Altersvorsorge eingebunden sind, wieder. Der Begriff der Altersvorsorgeverpflichtungen im Sinne der Vorschrift ist ausweislich der Gesetzesbegründung an § 246 Abs. 2 Satz 2 HGB angelehnt. Begünstigt sind demnach sowohl „klassische“ Altersvorsorgeformen wie Betriebsrenten etc., aber auch Invaliditäts- und Hinterbliebenenversorgungen oder Altersteilzeitverpflichtungen.2 Begünstigte können sowohl Angestellte als auch freie Mitarbeiter, Gesellschafter-Geschäftsführer oder Organmitglieder sein.3 Voraussetzung ist, dass diese Vermögensgegenstände ausschließlich und dauerhaft der Erfüllung von Schulden aus Altersvorsorgeverpflichtung dienen. Dies wird in der Regel dadurch erreicht, dass diese Wirtschaftsgüter einer vertraglichen Zweckbindung unterliegen, wonach deren Einsatz für andere Zwecke als Begleichung von Altersvorsorgeverpflichtungen unzulässig ist.
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Ferner müssen die Wirtschaftsgüter dem Zugriff aller nicht aus Altersvorsorgeverpflichtungen unmittelbar berechtigten Gläubiger entzogen sein. Insbesondere, aber nicht ausschließlich bei CTAStrukturen wird dieses Vermögen typischerweise ausgelagert auf eine andere Gesellschaft, deren Haftungsmasse nicht auf die operativen Verbindlichkeiten des Unternehmens haftet.
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Rechtsfolge der Norm ist die Umqualifikation des Deckungsvermögens in Nicht-Verwaltungsvermögen, also begünstigtes Vermögen. Dies bedeutet zugleich, dass diese Wirtschaftsgüter kein junges Verwaltungsvermögen i.S.d. § 13b Abs. 7 ErbStG darstellen können, auch wenn sie im Übertragungszeitpunkt weniger als zwei Jahre zum Betriebsvermögen gehören.4 Ferner sind diejenigen Schulden (Pensionsverpflichtungen), die dem Deckungsvermögen gegenüberstehen, in Höhe des gemeinen Wertes des Deckungsvermögens zu kürzen und stehen folglich nicht mehr für die Verrechnung mit Finanzmitteln i.S.d. § 13b Abs. 4 Nr. 5 ErbStG oder die allgemeine Schuldenverrechnung gem. § 13b Abs. 6 ErbStG zur Verfügung. Voraussetzung für die Schuldensaldierung ist jedoch, dass das Deckungsvermögen seiner Art nach Verwaltungsvermögen i.S.d. § 13b Abs. 4 Nr. 1 bis 5 ErbStG darstellt.
98
Die Schulden (Pensionsverpflichtungen) dürften hierbei mit dem Verkehrswert und nicht dem i.d.R. niedrigeren Steuerbilanzwert gem. § 6a EStG zu berücksichtigen sein,5 da das Gesetz nunmehr allgemein von einer um Schulden geminderten Verkehrswertbetrachtung des Verwaltungsvermögens ausgeht. Soweit die gemeinen Werte des Deckungsvermögens die abgesicherten Schulden übersteigen (Überdeckung), verbleibt ein Rest von Verwaltungsvermögen. Liegen die gemeinen Werte des Deckungsvermögens unter der abgesicherten Schuld (Unterdeckung), verbleibt eine Restschuld, die für die Verrechnung mit Finanzmitteln nach § 13b Abs. 4 Nr. 5 ErbStG oder anteilig nach § 13b Abs. 6 ErbStG zur Verfügung steht.
1 Kotzenberg/Jülicher, GmbHR 2016, 1135 (1138). 2 Korezkij, DStR 2016, 2434 (2441); Eisele, NWB 2015, 2173 (2175); weitere Beispiele bei von Oertzen/Reich, Ubg 2017, 1 (2 f.). 3 Erkis, DStR 2016, 1441 (1443); Wachter, FR 2016, 690 (694). 4 Von Oertzen/Reich, Ubg 2017, 1 (2). 5 Gl.A. von Oertzen/Reich, Ubg 2017, 1 (5).
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Verwaltungsvermögen (Abs. 4)
Rz. 104 § 13b ErbStG
E. Verwaltungsvermögen (Abs. 4) I. Allgemeines Der Begriff des Verwaltungsvermögens wurde erstmals durch das ErbStRG 2009 eingeführt. Erklärtes 99 Ziel des Gesetzgebers war es, die unter Geltung des bis zum 31.12.2008 geltenden Erbschaft- und Schenkungsteuerrechts gängige Einkleidung von typischen Privatvermögen in einen Gesellschaftsmantel zur Erlangung der Begünstigungen für unternehmerisches Vermögen zu verhindern. Zu diesem Zweck hat der Gesetzgeber der Idee nach Vorkehrungen getroffen, um Gegenstände, die „typischerweise der risikolosen Renditeerzielung dienen“, von der Begünstigung auszunehmen.1 Diesem Zweck dient der Mechanismus des sog. Verwaltungsvermögenstests, bei dem die Aktiva des übertragenden betrieblichen Vermögens auf ihre Qualifikation hin zu untersuchen und in zwei verschiedene Gruppen einzuteilen sind: Verwaltungsvermögen und Nicht-Verwaltungsvermögen. Das BVerfG hat die grundsätzliche Eignung der Unterscheidung des begünstigten von nichtbegünstigten Vermögen mittels des Verwaltungsvermögenstest anerkannt.2 Was Verwaltungsvermögen ist, definiert das Gesetz abschließend in § 13b Abs. 4 ErbStG. Die dort 100 genannten Wirtschaftsgüter sind als abschließende Aufzählung zu verstehen,3 das Verbot eines Analogieschlusses zulasten des Steuerpflichtigen lässt eine Erweiterung des Verwaltungsvermögenskatalogs über den Wortlaut des Satzes 1 hinaus oder die Schaffung von nicht im Gesetz genanntem Verwaltungsvermögen im Wege teleologischer Erweiterung nicht zu. Notwendig zu klärende Vorfrage bei der Durchführung des Verwaltungsvermögenstests ist, bei wel- 101 chem Rechtsträger ein Wirtschaftsgut als Verwaltungsvermögen zu erfassen ist. Wirtschaftsgüter sind für Zwecke des Verwaltungsvermögenstests bei derjenigen wirtschaftlichen Einheit zu prüfen, in deren Steuerbilanz sie nach ertragsteuerlichen Zuordnungskriterien zu erfassen sind.4 Die Zuordnung der Wirtschaftsgüter für Zwecke des Verwaltungsvermögenstests folgt demnach der Zuordnung zum ertragsteuerlichen Betriebsvermögen (§§ 95, 97 BewG), da das erbschaftsteuerliche Begünstigungssystem seinem Umfang nach an das ertragsteuerliche Betriebsvermögen anknüpft.5 Anders ausgedrückt ist ein Wirtschaftsgut bei derjenigen wirtschaftlichen Einheit als Verwaltungsver- 102 mögen zu berücksichtigen, wo es als Teil des dem Grunde nach begünstigten (Betriebs-)Vermögens i.S.d. § 13b Abs. 1 ErbStG zu erfassen ist. Zuordnungsfragen dieser Art können sich insbesondere stellen bei Anteilen an Kapitalgesellschaften von 25 % und weniger sowie bei Dritten zur Nutzung überlassenem Grundbesitz, wenn bei diesen Wirtschaftsgütern zivilrechtliches und wirtschaftliches Eigentum auseinanderfallen (vgl. sog. „Leasing-Erlasse“6). Hier gilt, dass das Wirtschaftsgut beim wirtschaftlichen Eigentümer i.S.d. § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO zu berücksichtigen ist. Innerhalb eines Konzernverbundes kann die Zuordnung seit der Einführung der konsolidierten Verbundvermögensaufstellung (§ 13b Abs. 9, vgl. Rz. 237 ff.) durch das ErbStAnpG 2016 in der Regel dahinstehen. Abweichungen von der Steuerbilanz können sich zudem dann ergeben, wenn Wirtschaftsgüter auf- 103 grund zulässiger Bilanzverkürzung in der Steuerbilanz nicht abgebildet werden. Dies kann bspw. der Fall sein bei Wirtschaftsgütern des Verwaltungsvermögens, die als Absicherung des Wirtschaftsguts (Plan Asset) und Pensionsverpflichtungen zulässigerweise mit der Pensionsrückstellung saldiert werden können (Wertpapiere, Aktien etc.). Ein Aufschluss über diese Wirtschaftsgüter findet sich in der Regel im Anhang zur Bilanz. Da ein Mitunternehmeranteil einschließlich des Sonderbetriebsvermögens der Begünstigung unter- 104 liegt (oben Rz. 39), ist auch der Verwaltungsvermögenstest unter Einbeziehung des Sonderbetriebs-
1 2 3 4
Gesetzesbegründung zum Entwurf eines ErbStRG v. 28.1.2008, BT-Drucks. 16/7918, 35. BVerfG v. 17.12.2014 – 1 BvL 21/12 , BStBl. II 2015, 50 mit Anm. Stalleiken, DB 2015, 18. Wachter in F/J/P/W5, § 13b ErbStG Rz. 202 m.w.N. Jülicher in T/G/J, § 13b ErbStG Rz. 233 (Stand: Juli 2015); ebenso von Oertzen, Ubg 2008, 5963; Scholten/Korezkij, DStR 2009, 147 (149). 5 Von Oertzen, Ubg 2008, 57 (63). 6 BMF v. 19.4.1971, BStBl. I 1971, 264; v. 21.3.1972, BStBl. I 1972, 188; v. 22.12.1975, DB 1976, 172; v. 23.12.1991, BStBl. I 1992, 13.
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§ 13b ErbStG Rz. 105 Begünstigtes Vermögen vermögens durchzuführen, und zwar gesellschafterbezogen.1 Sonderbetriebsvermögen ist also beim Verwaltungsvermögenstest derjenigen Einheit zu berücksichtigen, bei der es ertragsteuerlich als Sonderbetriebsvermögen zu erfassen ist. 105 Ist Schenkungsgegenstand die begünstigte Einräumung eines Nießbrauchs (Zuwendungsnieß-
brauchs), ist für die Ermittlung der Verwaltungsvermögensquote auf den nießbrauchsbelasteten Anteil abzustellen.2 Erstreckt sich der Nießbrauch auch auf Sonderbetriebsvermögen des Gesellschafters, ist auch dieses in die Verwaltungsvermögensprüfung einzubeziehen. Erstreckt sich der Nießbrauch nicht auf etwaiges Sonderbetriebsvermögen des Verpflichteten, bleibt dieses unberücksichtigt.
II. Dritten zur Nutzung überlassener Grundbesitz (Abs. 4 Nr. 1) 1. Grundsatz (Abs. 4 Nr. 1 Satz 1) 106 Der Grundtatbestand sowie die Ausnahmen in den Buchst. a bis d, f wurden unverändert übernom-
men. Zum Verwaltungsvermögen gehören – wie zuvor – „Dritten zur Nutzung überlassene Grundstücke, Grundstücksteile, grundstücksgleiche Rechte und Bauten“. Die Aufzählung im Gesetz dürfte sich an der bilanzsteuerrechtlichen Definition gem. § 266 Abs. 2 A. II. 1 HGB orientieren. Die Regelung erstreckt sich insbesondere auf Grundstücke und grundstücksgleiche Rechte im Sinne des Zivilrechts (Miteigentumsanteile, Erbbaurechte, Wohnungs- und Teileigentum). 107 Die Qualifikation des Grundbesitzes als Verwaltungsvermögen setzt hierbei voraus, dass dieser „Drit-
ten zur Nutzung“ überlassen wird. Dritter im Sinne des Gesetzes ist hierbei zunächst einmal jedes von der grundbesitzenden Gesellschaft zu unterscheidende Rechtssubjekt, z.B. auch der Gesellschafter im Verhältnis zu „seiner Gesellschaft“, oder verschiedene Gesellschaften derselben Unternehmensgruppe.3 Auf den Rechtsgrund der Überlassung (entgeltlich oder unentgeltlich, lang- oder kurzfristig) kommt es nicht an.4 108 Am Stichtag ungenutzte Grundstücke stellen dementsprechend kein schädliches Verwaltungsver-
mögen dar, da keine Nutzungsüberlassung an einen Dritten erfolgt.5 Dies ergibt sich aus der normspezifischen Auslegung des § 13b Abs. 4 ErbStG, der die Wirtschaftsgüter des schädlichen Verwaltungsvermögens abschließend aufzählt.6 Eine Erweiterung des Verwaltungsvermögenskatalogs durch einen Analogieschluss ist unzulässig. Ungenutzte oder brach liegende Flächen werden dementsprechend vom abschließenden Katalog des Verwaltungsvermögens nicht erfasst.7 Dies gilt auch, wenn eine Nutzungsüberlassung zwar generell beabsichtigt ist, am Stichtag jedoch – aus welchen Gründen auch immer – nicht vorliegt (z.B. vorübergehender Leerstand wegen Mieterwechsels). 109 Nach Auffassung der Finanzverwaltung soll in einer für den Steuerpflichtigen günstigen Erweiterung
des Gesetzeswortlautes eine Drittüberlassung jedenfalls dann unschädlich sein, wenn diese Überlassung im Rahmen einer Vermietungstätigkeit stattfindet, welche nach ertragsteuerlichen Gesichtspunkten insgesamt als originär gewerbliche Tätigkeit einzustufen ist (z.B. bei Beherbergungsbetrieben wie Hotels, Pensionen oder Campingplätzen).8 Auch bei einer formal in Form eines Mietvertrags vereinbarten Überlassung von Grundstücks- und Gebäudeflächen in der Logistikbranche sind diese dann nicht als Verwaltungsvermögen anzusehen, wenn sie in einem Geflecht von gewerblichen Leistungen stehen, bei denen die Flächenüberlassung nur einen Teil der vereinbarten und vom Vertragspartner erwarteten Leistungen darstellt.9 Hiervon dürften z.B. aber auch die Vermietungen gewerblicher Teil-
1 Vgl. vgl. Scholten/Korezkij, DStR 2009, 147; Stahl/Fuhrmann, KÖSDI 2008, 16056; St. Viskorf/Philipp, ZEV 2009, 230; H E 13b.20 ErbStH 2011. 2 Nießbrauchserlass v. 2.11.2012, BStBl. I 2012, 1101, Ziff. 1 Buchst. b. 3 Piltz, ZEV 2008, 229 (230); Jülicher in T/G/J, § 13b ErbStG Rz. 246 (Stand: Juli 2015). 4 Scholten/Korezkij, DStR 2009, 147 (149). 5 GlA Theilacker, BWNotZ 2010, 226 (262); Wachter in F/J/P/W5, § 13b ErbStG Rz. 213 a.E. 6 Kirnberger in Wilms/Jochum, § 13b ErbStG Rz. 44 (Stand: Dezember 2013). 7 Weinmann in Moench/Weinmann, § 13b ErbStG Rz. 98 (Stand: Juni 2014). 8 R E 13b. 9 Satz 3 ErbStG 2011. 9 BayLfSt v. 11.8.2010 – S 3812a.2.1-3 St 34, DStR 2010, 2084.
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Verwaltungsvermögen (Abs. 4)
Rz. 113 § 13b ErbStG
flächen in Supermärkten und ähnlichen Großbetrieben erfasst sein.1 Ob diese Rückausnahme auch die Vermietung von Gaststätten an Lizenznehmer der Brauereien umfasst, war bis zur Einführung der Ausnahme in Buchst. e durch das ErbStAnpG 2016 umstritten (vgl. dazu Rz. 137).
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Gestaltungshinweis: Die o.g. Verwaltungsauffassung ermöglicht dem Steuerpflichtigen, eine 110 originäre Gewerblichkeit der Vermietungstätigkeit durch Erbringung von als gewerblich zu qualifizierenden Zusatzleistungen (Hausmeister- und Reinigungstätigkeiten, Objektschutz und Bewachung, Maklertätigkeiten, Service- und Managementdienstleistungen etc.) herbeizuführen.2 Gelingt dies, scheidet nach Auffassung der Finanzverwaltung eine Verwaltungsvermögenseigenschaft des vermieteten Grundbesitzes aus.
Da die Definition des Dritten in § 13b Abs. 4 Nr. 1 ErbStG denkbar weit gefasst ist und zunächst 111 einmal jede Nutzung von einem von der eigentlichen grundbesitzenden Gesellschaft verschiedenen Rechtsträger erfasst, sieht das Gesetz zahlreiche Ausnahmen vor, nach denen bei Vorliegen qualifizierter Voraussetzungen doch kein schädliches Verwaltungsvermögen durch eine Drittüberlassung von Grundstücken und Grundstücksteilen begründet wird. Dieser Katalog der Ausnahmen ist allerdings bei näherer Untersuchung insoweit „lückenhaft“, als dass er bei näherer Betrachtung nicht geeignet ist, jeden Fall zu erfassen, bei dem eine eigentlich nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten operative und damit unschädliche Überlassung von Grundbesitz stattfindet. Die Unzulänglichkeit der Ausnahmen gebietet m.E. insgesamt eine teleologische Auslegung dahin- 112 gehend, dass nur „unproduktives Vermögen“ als Verwaltungsvermögen gewertet werden soll.3 Dies dürfte bei Auslegung insbesondere der Rückausnahmen zu beachten sein, so dass die Unzulänglichkeit der Ausnahmen im Wege teleologischer Auslegung ggf. korrigiert werden muss. 2. Ausnahmen (Abs. 4 Nr. 1 Satz 2 Buchst. a bis f) a) Betriebsaufspaltungskonstellationen und Sonderbetriebsvermögen (Buchst. a) Eine zu Verwaltungsvermögen führende Drittüberlassung liegt gem. § 13b Abs. 4 Nr. 1 Satz 2 113 Buchst. a ErbStG nicht vor, wenn „der Erblasser oder Schenker sowohl im überlassenen Betrieb als auch im nutzenden Betrieb allein oder zusammen mit anderen Gesellschaftern einen einheitlichen geschäftlichen Betätigungswillen durchsetzen konnte“. Der Ausnahme liegt die gesetzgeberische Erwägung zugrunde, dass in typischen Betriebsaufspaltungskonstellationen die Nutzungsüberlassung kein Verwaltungsvermögen begründen darf, weil die nutzende Gesellschaft das Grundstück letztlich zu gesamtbetrieblichen Zwecken des Unternehmens nutzt. Die Ausnahme ist in der Literatur gelegentlich als „erbschaftsteuerliche Betriebsaufspaltung“ bezeichnet worden;4 dies ist jedoch irreführend, da die erbschaftsteuerliche Regelung nur auf eine Teilkomponente der ertragsteuerlichen Betriebsaufspaltungsmerkmale Bezug nimmt, nämlich den einheitlichen geschäftlichen Betätigungswillen als subjektive Komponente (auch) der ertragsteuerlichen Betriebsaufspaltung. Eine sachliche Verflechtung ist vom Gesetz nicht gefordert und aus diesem Grunde auch nicht zu prüfen.5 Allein gefordert ist die Durchsetzung eines einheitlichen geschäftlichen Betätigungswillens, den der Erblasser oder Schenker entweder allein oder zusammen mit anderen Gesellschaftern in sowohl der nutzenden als auch der überlassenen Gesellschaft durchsetzen können muss.6 Zu beachten ist, dass diese Durchsetzungsmöglichkeit (wiederum allein oder zusammen mit anderen Gesellschaftern) auf den Erwerber übergehen muss. Schädlich sind daher die Fälle, in denen der einheitliche geschäftliche Betätigungswille mit der Übertragung auf den Erwerber beendet wird (z.B. schädliche Übertragung nur der Besitzgesellschaft).
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Von Oertzen/Reich, DStR 2011, 391 m.w.N. Weinmann in Moench/Weinmann, § 13b ErbStG Rz. 109 (Stand: Juni 2014). So auch Kramer, DStR 2011, 1113. Etwa von Oertzen, Ubg 2008, 57 (64); Piltz, ZEV 2008, 229 (230); Balmes/Felten, FR 2009, 258 (264); Fechner/ Bäuml, FR 2009, Beilage zu FR 11/2009, 22 (27). 5 Jülicher in T/G/J, § 13b ErbStG Rz. 250 (Stand: Januar 2012); Wachter in F/J/P/W5 § 13b ErbStG Rz. 218, 219; a.A. aber Geck, ZEV 2008, 557 (561): „Redaktionsversehen“. 6 S. Viskorf in V/K/S/W4, § 13b ErbStG Rz. 202.
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§ 13b ErbStG Rz. 114 Begünstigtes Vermögen 114 Ausreichend hierfür ist, dass der Erblasser einen einheitlichen Betätigungswillen gemeinsam mit ande-
ren Gesellschaftern durchsetzen kann. Dies trägt der bei der Betriebsaufspaltung entwickelten sog. „Personengruppentheorie“ Rechnung, nach der die an beiden Unternehmen beteiligten Personen sich zur Verwirklichung eines einheitlichen wirtschaftlichen Zwecks zusammengefunden haben, weshalb ihr Handeln durch gleichgerichtete Interessen bestimmt wird.1 Insofern sind die vom BFH hierzu entwickelten Grundsätze heranzuziehen. Im Rahmen der Personengruppentheorie ist es für eine Beherrschung erforderlich, dass die gleichen Personen – auch bei unterschiedlicher Beteiligungshöhe – jeweils mehr als die Hälfte der Betriebs- und Besitzgesellschaft beherrschen. Maßgeblich sind die Stimmrechtsverhältnisse.2 115 Anders als im Ertragsteuerrecht sieht es jedoch aus bei der Frage der unmittelbaren oder mittelbaren
Durchsetzung des einheitlichen geschäftlichen Betätigungswillens aus. Das ErbStG differenziert nicht zwischen der mittelbaren und der unmittelbaren Durchsetzung des Betätigungswillens. Ausreichend ist also, wenn in mehrstufigen Beteiligungsverhältnissen der Erblasser und Schenker (ggf. zusammen mit anderen) kraft der durchgerechneten Mehrheitsverhältnisse seinen Willen auch „in der letzten Besitzgesellschaft“ auf unteren Ebenen durchsetzen kann.3 Diese Durchsetzung des einheitlichen geschäftlichen Betätigungswillens wird nicht etwa durchbrochen durch eine Kapitalgesellschaft.4 Insofern geht auch die Richtlinienauffassung5 fehl, wonach bei einer Nutzungsüberlassung von einer Kapitalgesellschaft an eine Kapitalgesellschaft nicht die Ausnahme des Buchst. a eingreifen soll, sondern solche Fälle ausschließlich über Buchst. c (Konzernklausel) zu lösen sein sollen.6 116 Ebenfalls liegt keine zu Verwaltungsvermögen führende Nutzungsüberlassung vor, wenn der „Erblas-
ser oder Schenker (…) als Gesellschafter einer Gesellschaft i.S.d. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Abs. 3 oder § 18 Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes den Vermögensgegenstand der Gesellschaft zur Nutzung überlassen hatte“. Der Fall regelt explizit die Nutzungsüberlassungen im Sonderbetriebsvermögen. Nach Sinn und Zweck erfasst ist auch die Nutzungsüberlassung des Gesellschafters einer Oberpersonengesellschaft an eine Tochterpersonengesellschaft der übertragenen betrieblichen Einheit, da der Erblasser gem. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 2 EStG mittelbar dort ebenfalls Mitunternehmer ist und dementsprechend Sonderbetriebsvermögen bilden kann.7 Vom Wortlaut nicht erfasst ist der Fall, in dem die Oberpersonengesellschaft ein Grundstück an eine Tochterpersonengesellschaft überlässt, da das Grundstück Sonderbetriebsvermögen der Oberpersonengesellschaft (und nicht, wie der Wortlaut es verlangt, des Erblassers oder Schenkers) bei der Unterpersonengesellschaft ist. Dass dies jedoch zu schädlichem Verwaltungsvermögen führen soll (in denjenigen Fällen, in denen die Konzernklausel des Buchst. c ausnahmsweise einmal nicht eingreift), ist unverständlich. Aus diesem Grunde ist der Wortlaut der Ausnahmeregelung dahingehend und zugunsten des Steuerpflichtigen teleologisch so auszulegen, dass auch Nutzungsüberlassungen „als Sonderbetriebsvermögen auf unteren Ebenen“ von der Rückausnahme umfasst sind. b) Betriebsverpachtungen (Buchst. b) 117 Privilegieren wollte der Gesetzgeber mit der Ausnahmeregelung des § 13b Abs. 4 Nr. 1 Satz 2 Buchst. b
ErbStG auch die Drittüberlassung von Grundstücken und Grundstücksteilen im Rahmen einer Betriebsverpachtung im Ganzen. Hierbei hat der Gesetzgeber für das Erbschaftsteuerrecht allerdings einige gegenüber dem ertragsteuerlichen Institut der Betriebsverpachtung bedeutende Einschränkungen 1 Gesetzesbegründung v. 26.11.2008, BT-Drucks. 16/11107, 13, unter Hinweis auf BFH v. 28.5.1991 – IV B 28/90, BStBl. II 1991, 801. 2 Vgl. nur Gluth in HHR, § 15 EStG Rz. 796 m.w.N. zur Rspr. (Stand: März 2013). 3 Gl.A. wohl Scholten/Korezkij, DStR 2009, 147 (149); ausdrücklich offen aber Jülicher in T/G/J, § 13b ErbStG Rz. 249 (Stand: Januar 2012). 4 Anders – verfehlt – für das Ertragsteuerrecht BFH v. 27.8.1992 – IV R 13/92, BStBl. II 1993, 134; v. 15.4.1999 – IV R 11/98, BStBl. II 1999, 532; krit. hierzu Wacker in Schmidt35, § 15 EStG Rz. 835; Bitz in Littmann/Bitz/Pust, § 15 EStG Rz. 320; Gluth in HHR, § 15 EStG Rz. 801, jeweils m.w.N. (Stand: März 2013). 5 R E 13b.10 Abs. 1 Satz 7 i.V.m. R E 13b.12 ErbStR 2011. 6 So auch Kramer, DStR 2011, 1113. 7 A.A. Geck in Kapp/Ebeling, § 13b ErbStG Rz. 98, (Stand: April 2015) unter Verweis darauf, dass der Erblasser zwar Gesellschafter der Obergesellschaft, nicht aber Gesellschafter der Untergesellschaft ist.
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Verwaltungsvermögen (Abs. 4)
Rz. 121 § 13b ErbStG
vorgenommen.1 Dabei stand dem Gesetzgeber des ErbStRG 2009 offensichtlich das Leitbild vor Augen, dass es sich bei der Betriebsverpachtung gewissermaßen um eine „Zwischenlösung“ auf dem Weg zur Vollübertragung des Betriebes auf den Betriebsnachfolger handelt. Andere Verpachtungsfälle als diese sollen nicht begünstigt sein. Die Ausnahme kann also gedanklich als Sonderfall der Übertragung des Betriebes nach § 13b Abs. 1 Nr. 2 ErbStG aufgefasst werden. Dementsprechend greift die erbschaftsteuerliche Ausnahmeregelung nur ein, wenn es sich um eine Be- 118 triebsverpachtung im Ganzen handelt. Die – ertragsteuerlich mögliche – Verpachtung von Teilbetrieben dürfte daher nicht privilegiert sein. Ferner muss die Betriebsverpachtung beim Verpächter zu Einkünften aus § 2 Abs. 1 Nr. 2 oder 3 EStG (also zu gewerblichen Einkünften oder Einkünften aus selbständiger Tätigkeit) führen. Erforderlich ist mit anderen Worten, dass der Verpächter das ihm zustehende ertragsteuerliche Wahlrecht2 zugunsten eine Fortführung des Betriebes ausgeübt hat. Schließlich nennt das Gesetz noch qualifizierte erbschaftsteuerliche Voraussetzungen: Entweder 119 muss der Verpächter den Pächter als Erben eingesetzt haben. Maßgeblich ist, dass sich die Betriebsverpachtung als „Vorstufe“ zur Betriebsnachfolge darstellt. Hierzu lässt es die Finanzverwaltung – folgerichtig – auch genügen, wenn die Übertragung schenkweise, also nicht durch Erbeinsetzung, erfolgt.3 Ist der Pächter nicht zugleich als Gesamtrechtsnachfolger eingesetzt, tritt die Rechtsfolge der Privilegierung nur ein, wenn die Verpachtung an einen Dritten erfolgt, weil der Beschenkte (nach der Vorstellung des Gesetzgebers aufgrund seines Alters oder seiner beruflichen Reife) den Betrieb noch nicht führen kann und die Verpachtung auf höchstens zehn Jahre befristet ist. c) Konzerninterne Nutzungsüberlassungen (Buchst. c) Ebenfalls nicht zu Verwaltungsvermögen führt die Überlassung von Grundstücken, wenn „sowohl 120 der überlassende Betrieb als auch der nutzende Betrieb zu einem Konzern im Sinne des § 4h des Einkommensteuergesetzes gehören, soweit keine Nutzungsüberlassung an einen weiteren Dritten erfolgt“. Auch diese Rückausnahme bezieht sich, wie die Rückausnahme des Buchst. a (Betriebsaufspaltung und Sonderbetriebsvermögen), auf Fälle der Nutzungsüberlassung innerhalb einer Unternehmensgruppe. Erkennbar von den Bemühen getragen, einen im Steuerrecht bereits etablierten Konzernbegriff in 121 das Erbschaftsteuergesetz einzuführen, hatte der Gesetzgeber des ErbStRG 2009 drauf rekurriert, dass sowohl nutzende als auch überlassende Gesellschaft Teil eines Zinsschrankenkonzerns i.S.d. § 4h EStG sein müssen. Dies war zunächst zu begrüßen, da dann die hierzu ergangene Rechtsprechung und Auslegung insoweit herangezogen werden konnte. Die Finanzverwaltung vertrat allerdings bislang zum Konzernbegriff des § 4h EStG die Auffassung, dass nur vollkonsolidierungsfähige Gesellschaften in einen Zinsschrankenkreis einbezogen werden konnten.4 Dies setzte voraus, dass eine Beteiligung von mehr als 50 % an der jeweiligen Gesellschaft bestand; nicht einbezogen werden konnten demgemäß Gesellschaften, die nur quotenkonsolidiert oder „at equity“ konsolidiert werden können. Dies sollte auch für das Erbschaftsteuerrecht gelten.5 Die Anwendung der Ausnahme stieß also immer dann auf Schwierigkeiten, wenn eine Nutzungsüberlassung an eine Gesellschaft erfolgte, an der die oberste Konzernholding nur zu 50 % oder weniger beteiligt war, und die daher nicht im Wege der Vollkonsolidierung im Konzernkreis einbezogen werden konnte. Diese Verwaltungsauffassung dürfte zu überdenken sein. Mit Einführung der Verwaltungsvermögensprüfung mittels einer konsolidierten Verbundvermögensaufstellung erscheint es sachgerechter, die Ausnahme dahingehend auszulegen, dass sämtliche Nutzungsüberlassungen zwischen Gesellschaften im Verbund gem. § 13b Abs. 9 ErbStG unschädlich sind, insbesondere also auch die Nutzungsüberlassungen zwischen (nur) quoten- oder equitykonsolidierten Konzerngesellschaften. Bei verbundinternen Nutzungsüberlassungen wird das Grundstück eben auch wirtschaftlich zu betrieblichen Zwecken und nicht zu Zwecken der privaten Einkünfteerzielung genutzt, was letztlich der Gesetzesbegründung entspricht. 1 2 3 4 5
Ausführliche Erläuterung bei Jülicher in T/G/J, § 13b ErbStG Rz. 259 ff. (Stand: Januar 2012) . Hierzu Wacker in Schmidt35, § 16 EStG Rz. 695 ff. R E 13b.11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ErbStR 2011. BMF v. 4.7.2008 (zu § 4h EStG „Zinsschranke“), BStBl. I 2008, 718 Rz. 61. H E 13b.12 „Konzernbegriff“ ErbStH 2011.
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§ 13b ErbStG Rz. 122 Begünstigtes Vermögen 122 Das Gesetz stellt klar, dass die Weiterüberlassung an einen Dritten wiederum schädlich ist. Dies gilt
allerdings nur, soweit nicht auch auf die weitere Überlassung an den Dritten eine der im Gesetz genannten Ausnahmen (Betriebsaufspaltungsausnahme, Konzernklausel oä) anwendbar ist. Für die weitere Überlassung an den „Dritten“ sind die Ausnahmen separat zu prüfen. Maßgeblich ist also bei der Prüfung der unschädlichen Weiterüberlassung grundsätzlich das Verhältnis vom Zwischennutzer zum Endnutzer, nicht etwa das Verhältnis vom Überlassenden zum Endnutzer. d) Wohnungsunternehmen (Buchst. d) 123 Ebenfalls wird durch die Nutzungsüberlassung kein Verwaltungsvermögen begründet, wenn die
überlassenen Grundstücke und Grundstücksteile etc. „zum Betriebsvermögen, zum gesamthänderisch gebundenen Betriebsvermögen einer Personengesellschaft oder zum Vermögen einer Kapitalgesellschaft gehören und der Hauptzweck des Betriebes in der Vermietung von Wohnungen im Sinne des § 181 Absatz 9 des Bewertungsgesetzes besteht, dessen Erfüllung einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb (§ 14 der Abgabenordnung) erfordert“. 124 Die Ausnahme von der schädlichen Nutzungsüberlassung beschreibt das sog. „Wohnungsunterneh-
men“ und ist auf Betreiben der Wohnungswirtschaft im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens 2009 in das Gesetz aufgenommen worden. Das Eingreifen der Ausnahme ist von drei Voraussetzungen abhängig, und zwar – müssen die überlassenen Grundstücke zu einem steuerlichen Betriebsvermögen gehören (Einzelunternehmen, gewerbliche, gewerblich geprägte oder infizierte Personengesellschaft oder Kapitalgesellschaft), – muss der Hauptzweck des Betriebes in der Vermietung von Wohnungen i.S.d. § 181 Abs. 9 BewG bestehen, – muss die Erfüllung dieses Hauptzwecks einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb (§ 14 AO) erfordern. 125 Die erste Voraussetzung ist im Grunde genommen redundant, da die Zugehörigkeit zu einem steu-
erlich anerkannten Betriebsvermögen bereits Voraussetzung für die Begünstigungsfähigkeit dem Grunde nach gem. § 13b Abs. 1 Nr. 1 und 3 ErbStG ist und bei Zugehörigkeit der überlassenen Immobilie zu einem LuF-Betrieb i.d.R. keine Begünstigungsfähigkeit mangels Zugehörigkeit zum Wirtschaftsteil gegeben ist (vgl. oben Rz. 24). 126 Zweite Voraussetzung ist, dass der Hauptzweck des Betriebes in der Vermietung von Wohnungen be-
steht. Der Begriff des „Betriebes“ wird in § 13b Abs. 4 Nr. 1 Satz 2 Buchst. d ErbStG nicht definiert; bei verständiger Auslegung des Gesetzes1 und der Erbschaftsteuerrichtlinien2 ist jedoch davon auszugehen, dass sich der „Betrieb“ auf das jeweilige Betriebsvermögen, gesamthänderisch gebundene Betriebsvermögen oder Vermögen der Kapitalgesellschaft bezieht, zu der die Grundstücke steuerlich gehören (zur Zurechnung bei Leasing-Konstellationen vgl. oben Rz. 102). Daraus folgt, dass bei der Eingliederung des „Wohnungsunternehmens“ als eigenständige Gesellschaft in einen Konzernverbund nur auf der Ebene derjenigen Gesellschaft, die das Wohnungsunternehmen darstellt, die o.g. Voraussetzungen vorliegen müssen.3 Die übrigen Konzerngesellschaften oder die oberste Holding müssen nicht etwa auch die Voraussetzungen für ein „Wohnungsunternehmen“ erfüllen; eine Gesamtbetrachtung erfolgt bei verständiger Auslegung nicht. Hieran hat sich auch durch die Einführung der konsolidierten Verbundvermögensaufstellung des § 13b Abs. 9 im Rahmen des ErbStAnpG 2016 nichts geändert. 127 Bezogen auf das zu prüfende Betriebsvermögen ist festzustellen, dass der Hauptzweck in der Vermie-
tung von Wohnungen i.S.d. § 181 Abs. 9 BewG bestehen muss. Dieser qualifizierte Wohnungsbegriff setzt voraus, dass die vermieteten Wohnungen eine Mindestgröße von 23m2 haben und die Führung eines eigenständigen Haushalts durch entsprechende Ausgestaltung der Räumlichkeiten einschließlich notwendiger Nebenräume (Küche, Bad) ermöglichen.4 1 2 3 4
Vgl. auch § 13a Abs. 3 Satz 1 ErbStG „des Betriebs der jeweiligen Gesellschaft“. R E 13b.13 Abs. 1 und 2 ErbStR 2011. Vgl. auch R E 13b.13 Abs. 2 Satz 5 ErbStR 2011. Hierzu Ivens, DStR 2010, 2168; von Coelln, ZEV 2012, 133 (134).
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Verwaltungsvermögen (Abs. 4)
Rz. 132 § 13b ErbStG
Für den Fall, dass die in einem Betriebsvermögen vermieteten Grundstücke teils der Überlassung 128 von Wohnungen dienen und teils nicht (z.B. gewerbliche Grundstücksnutzung), stellt sich die Frage, wie für die Zwecke der Ermittlung des Hauptzwecks die Nutzung zu gewichten ist. Die Finanzverwaltung führt hierzu in R E 13b.13 Abs. 2 Sätze 1 bis 3 ErbStR 2011 aus: „Der Hauptzweck des Betriebes besteht in der Vermietung von eigenen Wohnungen, wenn diese den überwiegenden Teil der betrieblichen Tätigkeit ausmacht. Das gilt auch dann, wenn Grundstücke oder Grundstücksteile vermietet werden, die nicht zu Wohnzwecken, sondern z.B. auch zu gewerblichen, freiberuflichen oder öffentlichen Zwecken genutzt werden. Maßstab ist die Summe der Grundbesitzwerte der zu Wohnzwecken vermieteten Grundstücke oder Grundstücksteile im Verhältnis zur Summe der Grundbesitzwerte aller vermieteten Grundstücke.“ Die wohl herrschende Literatur leitet hieraus zutreffend ab, dass die Grundstücke zunächst nach erb- 129 schaftsteuerlichen Gesichtspunkten zu bewerten sind.1 Danach ist die Summe der gemeinen Werte der zu Wohnzwecken vermieteten Grundstücke mit der Summe der gemeinen Werte der nicht zu Wohnzwecken vermieteten Grundstücke zu vergleichen. Ist die Summe der gemeinen Werte der zu Wohnzwecken vermieteten Grundstücke größer als die Summe der nicht zu Wohnzwecken vermieteten Grundstücke (oder anders ausgedrückt, beträgt die Summe der gemeinen Werte der zu Wohnzwecken vermieteten Grundstücke $ 50 % der Summe der gemeinen Werte aller Grundstücke), liegt ein „Überwiegen“ der zu Wohnzwecken vermieteten Grundstücke im Sinne der Erbschaftsteuerrichtlinien 2011 und somit ein Hauptzweck in der Vermietung von Wohnungen vor.2 Dies deckt sich insoweit mit den Aussagen der Gesetzesbegründung zum Erbschaftsteuerreformgesetz.3 Für Wachter4 ist die Verwendung des Begriffs des „Überwiegens“ in den Erbschaftsteuerrichtlinien 2011 allerdings nicht eindeutig; er hält es auch für möglich, dass die Finanzverwaltung eine höhere Grenze als 50 % fordern kann.5 Nach dem Wortlaut der Richtlinienstelle bleiben Verbindlichkeiten, die auf den zu Wohnzwecken 130 bzw. nicht zu Wohnzwecken vermieteten Grundstücken lasten, bei dieser Berechnung außer Betracht, da diese auch nicht in den erbschaftsteuerlichen Wert der jeweiligen Grundstücke mit eingehen. Solche Verbindlichkeiten mindern zwar den Wert der Gesellschaft, dieser ist jedoch nicht Bezugsgröße für die Vergleichsrechnung, wonach die zu Wohnzwecken vermieteten Grundstücke in ihrem Wert überwiegen müssen. Hieraus folgt, dass es sich bei der vorgenannten Vergleichsrechnung um eine reine „Bruttobetrachtung“ handelt und daher die auf den zu Wohnzwecken vermieteten Grundstücken liegenden Darlehensbelastungen hierbei außer Betracht bleiben. Nicht erforderlich ist, dass das Wohnungsunternehmen zivilrechtlicher Eigentümer der Grundstücke 131 ist, auf denen das Wohnungsunternehmen betrieben wird. Eine Gesellschaft oder ein Betriebsvermögen kann die Voraussetzungen eines Wohnungsunternehmens also auch dann erfüllen, wenn es sich dazu der Einräumung von Erbbaurechten bedient, auf denen die Wohnungen erbaut werden. Umgekehrt wird der Erbbauverpflichtete wohl nicht als Wohnungsunternehmen qualifiziert werden können, da nicht er (sondern der Berechtigte) zu Wohnzwecken vermietet und damit den entsprechenden Hauptzweck erfüllt. Die dritte Voraussetzung, nämlich das Erfordernis eines wirtschaftlichen Geschäftsbetriebes (§ 14 132 AO) ist hingegen umstritten. Zunächst ist festzustellen, dass damit keine gewerbliche Tätigkeit i.S.d. § 15 Abs. 1 EStG gemeint ist, da sich die Tätigkeit eines Wohnungsunternehmens typischerweise in der Vermietung erschöpft.6 Insgesamt muss der Verweis auf § 14 AO als missglückt bezeichnet werden. Denn § 14 AO regelt gerade die Abgrenzung von der Ebene der privaten Vermögensverwaltung,
1 Ostermeyer/Riedel, BB 2009, 1395 (1396). 2 Gl.A. Kamps, FR 2009, 353 (361); Pauli, DB 2009, 641 (643); Warlich/Kühne, DB 2009, 2062 (2063); Ivens, DStR 2010, 2168; von Coelln, ZEV 2012, 133 (134); Jülicher in T/G/J, § 13b ErbStG Rz. 278 (Stand: Juli 2015); Wachter in F/J/P/W4, § 13b ErbStG Rz. 263. 3 So bereits die Gesetzesbegründung zum ErbStRG 2009, BT-Drucks. 16/11107 v. 26.11.2008, 14. 4 Wachter in F/J/P/W5, § 13b ErbStG Rz. 263. 5 Hiergegen allerdings Pauli, DB 2009, 641 (463). 6 Vgl. FG Düsseldorf v. 24.6.2015, EFG 2015, 1621; FG München v. 8.7.2015, EFG 2015, 1952; Weinmann in Moench/Weinmann, § 13b ErbStG Rz. 146 a.E., 151 (Stand: Juni 2013).
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§ 13b ErbStG Rz. 133 Begünstigtes Vermögen die immer dann vorliegen soll, wenn „unbewegliches Vermögen vermietet oder verpachtet wird“. Hieraus folgt, dass insbesondere unklar ist, – ob der Begriff quantitativ auszulegen ist, d.h. ob die Vermietung einer großen Anzahl von Wohnungen einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb im Sinne dieser Vorschrift begründet, oder – ob der Begriff qualitativ auszulegen ist, d.h. ob gewerbliche Zusatzleistungen (z.B. Reinigung, Bewachung, Makler und Hausverwaltertätigkeiten) erforderlich sind. Insbesondere bei einer qualitativen Auslegung hätte dies zur Folge, dass gewerbliche Zusatzleistungen das gewerbesteuerliche Privileg der erweiterten Kürzung der Immobilienerträge gefährden können. 133 Die Finanzverwaltung1 sieht als Indizien2 für einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb an: Umfang
der Geschäfte, Unterhalten eines Büros, Buchführung zur Gewinnermittlung, umfangreiche Organisationsstruktur zur Durchführung der Geschäfte, Bewerbung der Tätigkeit und Anbieten der Dienstleistung/der Produkte einer breiten Öffentlichkeit gegenüber. Die Finanzverwaltung steht dementsprechend einer qualitativen Betrachtung nahe. Sie hat jedoch auch klargestellt, dass das Vorliegen eines wirtschaftlichen Geschäftsbetriebes „regelmäßig anzunehmen ist, wenn das Unternehmen mehr als 300 eigene Wohnungen hält“.3 Diese Nennung einer Wohnungszahl ist jedoch keinesfalls als Mindestgrenze für ein Wohnungsunternehmen zu verstehen. Sie verdeutlicht lediglich, ab wann die Finanzverwaltung von einer vertieften Prüfung des Vorliegens eines wirtschaftlichen Geschäftsbetriebes zugunsten einer Regelvermutung absieht. Es bleibt jedoch festzuhalten, dass bei Erfüllung der entsprechenden Voraussetzungen eines wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs ein Wohnungsunternehmen auch schon bei deutlich weniger Wohnungen gegeben sein kann. Eine Mindestgrenze dürfte schwer zu benennen sein, jedoch muss die Anzahl der Wohnungen dafür sprechen, dass der Rahmen einer „normalen Vermietertätigkeit“, die mit geringem Aufwand und nebenbei erledigt werden kann, überschritten ist. Die Instanzgerichte haben bisher das Erfordernis eines wirtschaftlichen Geschäftsbetriebes bei 374 Wohnungen bzw. 455 Wohnungen verneint. 134 Der von Gesetz geforderte wirtschaftliche Geschäftsbetrieb muss nicht zwangsläufig bei dem Betrieb
angesiedelt sein, der das Wohnungsunternehmen betreibt. Vielmehr ist es unschädlich, wenn das Wohnungsunternehmen die hierzu erforderlichen Tätigkeiten durch einen Dritten (z.B. eine gewerbliche Immobilienverwaltung, ein Maklerbüro, aber auch durch eine verbundenes Unternehmen als Servicegesellschaft) ausführen lässt.6 135 Wenn die o.g. Voraussetzungen eines Wohnungsunternehmens erfüllt sind, hat dies zur Rechtsfolge,
dass sämtlicher Dritten zur Nutzung überlassener Grundbesitz kein Verwaltungsvermögen darstellt. Dies bedeutet, dass neben den eigentlichen Wohnimmobilien auch Gewerbeimmobilien und gemischt genutzte Immobilien (die im Hauptzweck des Betriebes zur Vermietung von Wohnungen aufgehen, vgl. Rz. 129) kein Verwaltungsvermögen darstellen. 136
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Gestaltungshinweis: Dies eröffnete bis zum 30.6.2016 umfangreiche Gestaltungsmöglichkeiten, z.B. die Beimischung von sonstigem Verwaltungsvermögen in der Form von Wertpapieren, Geldmitteln und Forderungen (ggf. bis zum Erreichen der 50 %-Grenze), wobei allerdings darauf zu achten war, dass sich der Hauptzweck des Betriebes dadurch nicht verschiebt. Nach der Änderung des Verwaltungsvermögenstests durch das ErbStAnpG 2016 und der grundsätzlichen Versteuerung des Verwaltungsvermögens (s. Rz. 84) ist dies allerdings nunmehr deutlich eingeschränkt.
e) Ausnahme Grundstücksüberlassung zum Absatz eigener Produkte (Buchst. e) 137 Zusätzlich zu den bereits zuvor im Gesetz enthaltenen Ausnahmen für Sonderbetriebsvermögen, Be-
triebsaufspaltungen, konzerninterne Nutzungsüberlassungen, „Wohnungsunternehmen“ und landund forstwirtschaftlich genutzte Grundstücke hat der Gesetzgeber mit dem ErbStAnpG 2016 den 1 2 3 4 5 6
R E 13b.13 Abs. 3 Satz 1 ErbStR 2011. Ausführlich hierzu von Cölln, ZEV 2012, 133 (135). R E 13b.13 Abs. 3 Satz 2 ErbStR 2011. FG Düsseldorf v. 24.6.2015, EFG 2015, 1621. FG München v. 8.7.2015, EFG 2015, 1952. R E 13b.13 Abs. 4 Satz 1 ErbStR 2011; Sauerland, DStR 2011, 845.
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Verwaltungsvermögen (Abs. 4)
Rz. 141 § 13b ErbStG
Ausnahmenkatalog um eine weitere Variante erweitert. Gemäß § 13b Abs. 4 Nr. 1 Satz 2 Buchst. e ErbStG stellt Dritten zur Nutzung überlassener Grundbesitz kein Verwaltungsvermögen dar, wenn die Grundstücke, Grundstücksteile, grundstücksgleichen Rechte und Bauten „vorrangig überlassen werden, um im Rahmen von Lieferungsverträgen dem Absatz von Eigenerzeugnissen zu dienen“. Die Ausnahme zielt ausweislich der Gesetzesbegründung1 insbesondere auf Brauereigrundstücke, bei denen typischerweise die Gaststättenverpachtung mit einem Bierlieferungsvertrag einhergeht.2 Die Begünstigung solcher Brauereigrundstücke war bis zum 30.6.2016 umstritten. Die OFD Koblenz hatte sich dafür ausgesprochen, dass diese Grundstücke zum Verwaltungsvermögen gehören.3 Demgegenüber ging zuvor das Bayerische Landesamt für Steuern4 davon aus, dass „auch die mit Getränkelieferungsverträgen verbundene Verpachtung von brauereieigenen Gaststätten“ nicht als Verwaltungsvermögen zu qualifizieren ist. Aber auch auf Tankstellenverpachtungen durch Mineralölkonzerne findet die Vorschrift Anwendung;5 bei vermieteten Gewerbeflächen in Supermärkten6 erscheint dies eher fraglich. Voraussetzung ist ausweislich des Gesetzeswortlautes, dass sich die Lieferungsverträge auf den Absatz 138 von Eigenerzeugnissen, mithin also selbsthergestellten Produkten, beziehen. Handels- und Vertriebsunternehmen dürften diese Voraussetzung nicht erfüllen. Erforderlich dürfte vielmehr sein, dass zumindest noch ein eigenständiger Veredelungsschritt durch den grundstücksüberlassenden Betrieb erfolgt; die vollständige Eigenherstellung des gesamten Produktes ist hingegen nicht erforderlich. Ebenso dürfte unschädlich sein, wenn überlassende Gesellschaft eine separate Grundstücksgesellschaft innerhalb des Konzerns des Produzenten oder Veredelers ist, die selbst keine weitere Tätigkeit außer der Überlassung/Vermietung erbringt, oder die überlassende Gesellschaft im Rahmen einer Betriebsaufspaltung mit der produzierenden Gesellschaft verbunden ist. Die Tätigkeit der verbundenen produzierenden Gesellschaft dürfte dann der überlassenden Gesellschaft zuzurechnen sein. Der Mietvertrag kann in diesen Fällen also durchaus mit einer anderen Gesellschaft geschlossen worden sein, als der Lieferungsvertrag. f) Land- und forstwirtschaftlich genutzte Grundstücke (Buchst. f) Ebenfalls nicht zum Verwaltungsvermögen zählt Grundbesitz, der Dritten zu land- und forstwirt- 139 schaftlichen Nutzung überlassen wird. Die Ausnahmeregelung ist weit gefasst.7 So kommt es beispielsweise nicht darauf an, dass der überlassende Betrieb selbst ein Betrieb der Land- und Forstwirtschaft ist. Ausreichend ist es vielmehr, wenn der nutzende Dritte dort Land- und Forstwirtschaft betreibt.8 Die Ausnahmeregelung führt praktisch dazu, dass bei land- und forstwirtschaftlichen Betrieben 140 i.d.R. kein Verwaltungsvermögen besteht, da verpachtete LuF-Flächen (die allerdings keine Stückländereien darstellen dürften, vgl. Rz. 27) ebenfalls unschädlich sind und das übrige Verwaltungsvermögen (Wertpapiere, Geldbestände, Kunstgegenstände) nicht zum dem Grunde nach begünstigten Vermögen gehört (vgl. Rz. 24). Die Ausnahme ist jedoch nicht auf land- und forstwirtschaftliches Vermögen beschränkt, sondern greift auch bei Gewerbebetrieben und Kapitalgesellschaften.
III. Anteile an Kapitalgesellschaften von 25 % und weniger (Nr. 2) 1. Grundsätze Die Regelung entspricht bis auf redaktionelle Anpassungen § 13b Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ErbStG a.F.
141
1 BT-Drucks. 18/8911 v. 22.6.2016, S. 44. 2 So bereits die bisher vorwiegend in Süddeutschland vertretene Verwaltungsauffassung, vgl. BayLfSt v. 11.8.2010 – S 3812a.2.1-3 St 34, DB 2010, 2420. 3 OFD Koblenz v. 9.5.2012 – S 381 2 G A-St 354; gl.A. Mannek, ZEV 2012, 612. 4 Bayr. Landesamt für Steuern v. 11.8.2010, DB 2010, 2420. 5 Zutr. Erkis, DStR 2016, 1441 (1444). 6 Dafür Bäuml, NWB 2016, 3516 (3520). 7 Wachter in F/J/P/W5, § 13b ErbStG Rz. 278. 8 R E 13b.14 Abs. 2 ErbStR 2911.
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§ 13b ErbStG Rz. 142 Begünstigtes Vermögen 142 Beteiligungen an Kapitalgesellschaften zählen nach § 13b Abs. 2 Nr. 2 ErbStG dann zum schädlichen
Verwaltungsvermögen, wenn der Anteil am Nennkapital der Gesellschaft 25 % oder weniger beträgt. Die Regelung ist notwendige Konsequenz aus der gesetzgeberischen Entscheidung, Kapitalgesellschaftsbeteiligungen von 25 % und weniger gem. § 13b Abs. 1 Nr. 3 ErbStG aus der Begünstigung auszunehmen (dazu Rz. 49). Ohne eine entsprechende Regelung im Verwaltungsvermögenstest könnten ansonsten nach § 13b Abs. 1 Nr. 3 ErbStG nicht begünstigungsfähige Kapitalgesellschaftsanteile zur Erlangung der Begünstigung schlicht in eine Personengesellschaftsholding (§ 13b Abs. 1 Nr. 2 ErbStG) eingebracht werden. 143 Für die Berechnung der 25 %-Grenze auf unteren Ebenen sind Anteile im Gesamthandsvermögen
und Anteile im Sonderbetriebsvermögen eines oder mehrerer Gesellschafter getrennt zu betrachten; eine Zusammenrechnung kommt nach Auffassung der Finanzverwaltung – in Einklang mit dem Gesetzeswortlaut – grundsätzlich nicht in Betracht.1 Um eine Zusammenrechnung zu erreichen, müssten also ggf. die betroffenen Gesellschafter untereinander und mit der Gesellschaft selbst einen Poolvertrag schließen (zu der Entbehrlichkeit einer Poolung innerhalb eines Konzerns unter einheitlicher Leitung vgl. Rz. 151 f.). 144 Auf die Verwaltungsvermögensquote innerhalb dieser „Minderheitsbeteiligung“ kommt es nicht
mehr an. Die Beteiligung zählt auch dann zum Verwaltungsvermögen, wenn die Kapitalgesellschaft im Extremfall zu 100 % aus Nicht-Verwaltungsvermögen besteht. 145 Auch § 13b Abs. 4 Nr. 2 Satz 1 ErbStG ordnet an, dass Kapitalgesellschaftsanteile zum Verwaltungsver-
mögen zählen, wenn die unmittelbare Beteiligung am Nennkapital mehr als 25 % beträgt. Fraglich ist, wie das Unmittelbarkeitserfordernis in diesem Zusammenhang zu verstehen ist. Vereinzelt wird hierzu in der Literatur vertreten, dass mittelbar gehaltene Anteile an Kapitalgesellschaften (z.B. über eine vermögensverwaltende GbR oder eine Erbengemeinschaft) ungeachtet einer Poolung schon kein Verwaltungsvermögen darstellen können, da sich die Gesamtregelung des § 13b Abs. 4 Nr. 2 ErbStG nur auf unmittelbar gehaltene Anteile bezieht.2 Dies erscheint folgerichtig, da bei der Begünstigung dem Grunde nach gem. § 13b Abs. 1 Nr. 3 ErbStG mittlerweile höchstrichterlich geklärt ist, dass das Tatbestandsmerkmal der unmittelbaren Beteiligung an Nennkapital voraussetzt, dass der Schenker/ Erblasser zivilrechtlicher Gesellschafter der Kapitalgesellschaft ist.3 Dann ist aber nicht einsehbar, warum das wortgleiche Tatbestandsmerkmal der unmittelbaren Beteiligung in § 13b Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 ErbStG anders auszulegen sein sollte. Auch hier dürfte also Verwaltungsvermögen nur vorliegen, wenn die Obergesellschaft, deren Verwaltungsvermögen zu prüfen ist, selbst Gesellschafter der Kapitalgesellschaft ist. Werden die Anteile hingegen über eine steuerlich nicht anerkannte (vermögensverwaltende) Gesellschaft gehalten, liegen keine Anteile als Verwaltungsvermögen vor. Die Formulierung der Verwaltungsvermögensregelung „unter umgekehrten Vorzeichen“ wirkt sich also hier zugunsten des Steuerpflichtigen aus; eine teleologische Ausdehnung der Verwaltungsvermögensqualifikation auf Anteile, an denen die Obergesellschaft nur mittelbar beteiligt ist, verbietet sich. 146 Eigene Anteile einer Kapitalgesellschaft werden nicht als Verwaltungsvermögen qualifiziert, auch
wenn diese nicht mehr als 25 % des Nennkapitals betragen. Davon scheint auch die Finanzverwaltung auszugehen. Nach ihrer Auffassung bleiben eigene Anteile bei der Berechnung der 25 %-Grenze des § 13b Abs. 1 Nr. 3 ErbStG unberücksichtigt.4 Dann aber kann für § 13b Abs. 4 Nr. 2 ErbStG nichts anderes gelten. Selbst wenn man eigene Anteile jedoch als Verwaltungsvermögen qualifizieren wollte, ergäbe sich hieraus keine Auswirkung auf den Verwaltungsvermögenstest, da in den Erbschaftsteuerrichtlinien ebenso geregelt ist, dass sich der gemeine Wert eines nicht notierten Anteils an einer Kapitalgesellschaft nach dem Verhältnis des Anteils am Stammkapital der Gesellschaft zum gemeinen Wert des Betriebsvermögens bestimmt. Hierbei bleiben freilich eigene Anteile wiederum außer Betracht,5 woraus folgt, dass den eigenen Anteilen erbschaftsteuerlich zwingend ein gemeiner Wert von „0“ zuzuweisen ist. Anderenfalls käme die Bewertung der Summe aller Anteile zu einem höheren Wert als der gemeine Wert der Kapitalgesellschaft. Insgesamt ist daher davon auszugehen, 1 2 3 4 5
R E 13b.15 Abs. 2 Sätze 1 u. 2 ErbStR 2011. Wachter in F/J/P/W5, § 13b ErbStG Rz. 324. BFH v. 18.9.2013 – II R 63/11, BFH/NV 14/349. R E 13b.6 Abs. 2 Satz 2 ErbStR 2011. R B 11.5 Satz 1, Halbs. 2 ErbStR 2011.
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Verwaltungsvermögen (Abs. 4)
Rz. 151 § 13b ErbStG
dass eigene Anteile keine Auswirkung auf den Verwaltungsvermögenstest haben. Eine Qualifikation eigener Anteile als Verwaltungsvermögen i.S.d. Nr. 4 (Wertpapiere und vergleichbare Forderungen) scheidet ebenfalls aus, da Nr. 2 in Bezug auf Kapitalgesellschaftsbeteiligungen vorrangig und abschließend ist.1 Handelt es sich um eine Beteiligung an einer ausländischen Gesellschaft, so ist nach den Grundsät- 147 zen des „Typenvergleichs“2 zu entscheiden, ob es sich bei der ausländischen Gesellschaft um eine Kapitalgesellschaft (dann gilt § 13b Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 ErbStG) oder um eine Personengesellschaft (dann gilt § 13b Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 ErbStG) handelt. 2. Ausnahmen a) Poolvertrag Wie auch bei der Begünstigung dem Grunde nach, kann die 25 %-Grenze durch Abschluss eines Pool- 148 vertrages und Zusammenrechnung der Anteile der Poolmitglieder übersprungen werden („Poolvertrag auf unteren Ebenen“, § 13b Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 Satz 2 ErbStG). Die Tatbestandsmerkmale entsprechen denen des § 13b Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 ErbStG, so dass hinsichtlich der Voraussetzung auf die Ausführungen unter Rz. 61 bis 77 verwiesen werden kann. Rechtsfolge einer wirksamen Poolung (oder der Entbehrlichkeit derselben nach Auffassung der Fi- 149 nanzverwaltung) ist das Nichteingreifen des § 13b Abs. 4 Nr. 2 ErbStG. Im Rahmen der konsolidierten Verbundvermögensaufstellung ist dann auf die Wirtschaftsgüter in der Kapitalgesellschaft „durchzuschauen“ und deren Verwaltungsvermögenseigenschaft zu prüfen (hierzu Rz. 241). Der Poolvertrag „auf unteren Ebenen“ gem. § 13b Abs. 4 Nr. 2 Satz 2 ErbStG muss nicht für die Dauer 150 der Nachsteuerperiode aufrechterhalten werden, da sich der Wortlaut des § 13a Abs. 3 Nr. 4 ErbStG nur auf Poolverträge i.S.d. § 13b Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 ErbStG (Poolverträge zur Erlangung der erbschaftund schenkungsteuerlichen Begünstigung dem Grunde nach) bezieht (vgl. hierzu § 13a ErbStG Rz. 186).3 b) Konzern unter einheitlicher Leitung Die Finanzverwaltung erachtet aus Vereinfachungsgründen eine Poolung als entbehrlich, wenn die 151 Poolmitglieder „in einem Konzern unter einheitlicher Leitung stehen“.4 Umstritten ist, ob sich der der Verwaltungsauffassung zugrundeliegende Konzernbegriff zivilrechtlich oder steuerlich bestimmt. Bei der Frage, wann eine Gesellschaft in einem Konzern unter einheitlicher Leitung steht, wird zum Teil auf den zivilrechtlichen Konzernbegriff abgestellt (geregelt in §§ 17, 18 AktG).5 Nach a.A. ist der Konzernbegriff der Zinsschrankenregelung in § 4h Abs. 3 Sätze 5 und 6 ErbStG maßgeblich.6 Zivilrechtlich liegt ein sog. Gleichordnungskonzern zwischen zwei rechtlich selbständigen Unternehmen vor, wenn diese unter einheitlicher Leitung stehen, vgl. § 18 Abs. 2 AktG. Das ist insbesondere auch bei einer Verflechtung der Leitungsorgane der Fall (sog. faktischer Gleichordnungskonzern).7 Hierfür ist regelmäßig eine koordinierte Gesellschaftergruppe vorausgesetzt.8 Gemäß § 4h Abs. 3 Satz 6 EStG gehört ein Betrieb unter anderem zu einem Konzern, wenn seine Finanz- und Geschäftspolitik mit einem oder mehreren anderen Betrieben einheitlich bestimmt werden kann (Gleichordnungskonzern i.S.d. § 4h EStG).9 Erforderlich, aber auch ausreichend hierfür ist, dass die an der Spitze stehenden Personen ihre Interessen hinsichtlich beider Gesellschaften gleichgerichtet ausüben. 1 2 3 4 5 6 7
R E 13b.15 Abs. 3 ErbStR 2011. Vgl. BMF v. 19.3.2004, BStBl. I 2004, 411; Jülicher in T/G/J, 13b Rz. 177 (Stand: Juli 2015). R E 13b.15 Abs. 1 Satz 3 ErbStR 2011. R E 13b.15 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 ErbStR 2011; zust. Hannes/Onderka, ZEV 2009, 421 (425). Vgl. z.B. Geck in Kapp/Ebeling, § 13b ErbStG Rz. 115 (Stand: April 2015). Z.B. Zipfel/Lahme, DStZ 2009, 559 (568 f.). Vgl. dazu BGH v. 19.1.1993 – KVR 32/91, BGHZ 121, 137, juris Rz. 40; Hüffer/Koch, AktG, 12. Aufl. 2016, § 18 AktG Rz. 21. 8 Vgl. Bayer in Münchener Kommentar zum AktG, 4. Aufl. 2016, § 18 AktG Rz. 54. 9 Vgl. dazu BMF v. 4.7.2008, BStBl. I 2008, 718, Rz. 60.
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§ 13b ErbStG Rz. 152 Begünstigtes Vermögen 152 Von einem Konzern unter einheitlicher Leitung ist also jedenfalls dann auszugehen, wenn eine Ge-
sellschaft oder aber auch ein Gesellschafter, ggf. zusammen mit anderen Gesellschaften oder Gesellschaftern, in sämtlichen durch den Poolvertag betroffenen Gesellschaften eine Beherrschung kraft Mehrheitsverhältnissen durchsetzen kann. Nach Auffassung der Finanzverwaltung sind zur Bestimmung der einheitlichen Leitung mittelbar und unmittelbar gehaltene Anteile jedenfalls in dem Fall zusammenzurechnen, in dem die Muttergesellschaft auch in der Zwischengesellschaft die Beherrschung ausüben kann. Im Ergebnis läuft dies auf eine Zusammenrechnung der mittelbar und unmittelbar gehaltenen Anteile jedenfalls dann hinaus, wenn die Muttergesellschaft die zwischengeschaltete Gesellschaft (mittelbar) beherrscht. Dies ist m.E. sachgerecht. Intention der Verwaltung ist es, den unnötigen Abschluss von Poolverträgen in den Fällen für entbehrlich zu erklären, wo dies auf einen reinen Formalismus hinauslaufen würde. Dies sind jedoch nur die Fälle, in denen die Beteiligten des Poolvertrages ohnehin unter einheitlicher Leitung stehen, so dass eine einheitliche Stimmrechtsausübung und Verfügung über die Anteile schon aus diesem Grund gewährleistet ist. Gleichwohl ist darauf hinzuweisen, dass diese Handhabung durch das Gesetz nicht gedeckt ist.1 c) Kreditinstitute oder Finanzdienstleister aa) Kreditinstitut i.S.d. § 1 Abs. 1 KWG oder Finanzdienstleistungsinstitut i.S.d. § 1 Abs. 1a KWG 153 Eine Ausnahme von der Qualifikation nichtgepoolter Kapitalgesellschaftsanteile von 25 % und weni-
ger als Verwaltungsvermögen sieht ferner § 13b Abs. 4 Nr. 2 Satz 1 ErbStG vor, wenn diese Vermögensgegenstände „dem Hauptzweck des Gewerbebetriebes eines Kreditinstitutes oder eines Finanzdienstleistungsinstitutes im Sinne des § 1 Abs. 1 und 1a des Kreditwesengesetzes (…) zuzurechnen sind“. In diesem Fall stellen Kapitalgesellschaftsanteile kein Verwaltungsvermögen, dementsprechend auch kein „junges“ Verwaltungsvermögen i.S.d. § 13b Abs. 7 Satz 2 ErbStG dar.2 Eine entsprechende Ausnahme existiert für Wertpapiere und vergleichbare Forderungen i.S.d. § 13b Abs. 4 Nr. 4 ErbStG sowie Geldmittel und andere Forderungen i.S.d. § 13b Abs. 4 Nr. 5 ErbStG. 154 Es muss sich bei der Gesellschaft, in deren Betriebsvermögen die Kapitalgesellschaftsanteile liegen, um
ein Kreditinstitut i.S.d. § 1 Abs. 1 KWG oder um ein Finanzdienstleistungsinstitut i.S.d. § 1 Abs. 1a KWG handeln. Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 KWG sind Kreditinstitute Unternehmen, die Bankgeschäfte gewerbsmäßig oder in einem Umfang betreiben, der einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordert. Die gesetzlichen Merkmale eines Kreditinstituts sind: – Es muss sich um ein Unternehmen handeln, – das Unternehmen muss Bankgeschäfte im eigenen Namen betreiben, – der Betrieb dieser Bankgeschäfte muss gewerbsmäßig sein oder – in einem Umfang erfolgen, der einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordert.3 155 Zentrales Tatbestandsmerkmal ist der Betrieb von Bankgeschäften. Bankgeschäfte sind gem. § 1
Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 bis 12 KWG z.B. die Annahme fremder Gelder als Einlagen (Einlagengeschäft), Gewährung von Darlehen (Kreditgeschäft), Ankauf von Wechseln und Schecks (Diskontgeschäft), Anschaffung und Veräußerung von Finanzinstrumenten im eigenen Namen für fremde Rechnung (Finanzkommissionsgeschäft), Verwahrung und Verwaltung von Wertpapieren für andere (Depotgeschäft), etc. Ausreichend dürfte es sein, wenn die Gesellschaft „materiell“ KWG-pflichtig ist, auch wenn (noch) keine „formelle“ Genehmigung vorliegt, denn es ist für den Status als Kreditinstitut nicht relevant, ob das Unternehmen, das die Merkmale eines solchen Kreditinstitutes erfüllt, bereits eine Erlaubnis hat.4 Ausreichend für die Einordnung als Kreditinstitut ist es, wenn das Unternehmen
1 Koretzkij, Ubg 2009, 638. 2 Fechner/Bäuml, Beilage zu FR 11/2009, 22 (26). 3 Hierzu eingehend Schwennicke in Schwennicke/Auerbach, § 1 KWG Rz. 7 f. m.w.N.; Brogl in Reischauer/Kleinhans, § 1 KWG Rz. 6. 4 Brogl in Reischauer/Kleinhans, § 1 KWG Rz. 6.
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Verwaltungsvermögen (Abs. 4)
Rz. 159 § 13b ErbStG
nur eines der in § 1 Abs. 1 Satz 2 KWG katalogisierten Bankgeschäfte betreibt.1 Andererseits ist bei formeller Genehmigung durch die BaFin ein Kreditinstitut stets erbschaftsteuerlich gegeben.2 Finanzdienstleistungsinstitute i.S.d. KWG sind Unternehmen, die Finanzdienstleistungen für ande- 156 re gewerbsmäßig oder in einem Umfang erbringen, der einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordert, und die keine Kreditinstitute sind. Finanzdienstleistungen sind gem. § 1 Abs. 1a Satz 2 Nr. 1 bis 11 KWG z.B. die Vermittlung von Geschäften über die Anschaffung und Veräußerung von Finanzinstrumenten (Anlagenvermittlung), die Anschaffung und Veräußerung von Finanzinstrumenten für fremde Rechnung (Abschlussvermittlung) sowie die Anschaffung und Veräußerung von Finanzinstrumenten für eigene Rechnung im Auftrag Dritter (Eigenhandel). bb) Zurechnung zum Hauptzweck des Gewerbebetriebes eines Kreditinstitutes oder Finanzdienstleistungsinstitutes Voraussetzung für das Eingreifen der Privilegierung (Einordnung als Nicht-Verwaltungsvermögen) ist 157 ferner, dass die Anteile an Kapitalgesellschaften und die (sonstigen) Wertpapiere „dem Hauptzweck des Gewerbebetriebes eines Kreditinstitutes oder Finanzdienstleistungsinstitutes (…) zuzurechnen sind“, § 13b Abs. 4 Nr. 2 ErbStG. Daraus folgt, dass diejenigen Wertpapiere und Aktien, die eine Bank im Rahmen ihres bankmäßigen Geschäfts für Kunden anschafft und veräußert (Finanzkommissionsgeschäft i.S.d. § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 KWG) oder verwaltet (Depotgeschäft i.S.d. § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 KWG), auch steuerlich nicht dem Betriebsvermögen der Bank zuzurechnen sind. Auf sie kann sich die Ausnahmeregelung also nicht erstrecken. Nur diejenigen Wertpapiere und Anteile an Kapitalgesellschaften, die eine Bank im eigenen Namen und für eigene Rechnung hält und handelt („Eigen- oder Nostrogeschäft“), sind daher von der Ausnahmeregelung erfasst. Die Zurechnung zum Hauptzweck folgt allerdings hier keinem „quantitativen“ Verständnis wie bei 158 den „Wohnungsunternehmen“ oder Kunstgegenständen.3 Soweit ersichtlich, wird in der erbschaftsteuerlichen Literatur mehrheitlich die Auffassung vertreten, dass eine Zurechnung der Vermögensgegenstände zum Hauptzweck des Gewerbebetriebes in aller Regel unterstellt werden kann, wenn ein qualifiziertes Institut nach § 1 Abs. 1, 1a KWG vorliegt. Dies soll unabhängig davon gelten, ob es sich um ein auf ein bestimmtes Spartengeschäft spezialisiertes Kreditinstitut handelt.4 Nach Ansicht von S. Viskorf5 sind Anteile an Kapitalgesellschaften, Wertpapiere und vergleichbare Forderungen dann dem Hauptzweck des Gewerbebetriebes zuzurechnen, wenn sie zumindest in einem mittelbaren rechtlichen oder wirtschaftlichen Zusammenhang mit Bank-, Versicherungsgeschäften oder Finanzdienstleistungen stehen. Die Begrenzung der Geschäftstätigkeit des Instituts auf einen bestimmten Kundenkreis („Familienbank“) hindert die Zurechnung zum Hauptzweck jedenfalls nicht.
IV. Kunstgegenstände, Sammlungen und Luxusgegenstände privater Lebensführung (Nr. 3) Gleichfalls zum Verwaltungsvermögen zählen gem. § 13b Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 ErbStG Kunstgegenstän- 159 de, Kunstsammlungen, wissenschaftliche Sammlungen, Bibliotheken und Archive, Münzen, Edelmetalle und Edelsteine, Briefmarkensammlungen, Oldtimer, Yachten, Segelflugzeuge sowie sonstige typischerweise der privaten Lebensführung dienende Gegenstände. Die Norm zielt darauf ab, den sprichwörtlichen „Picasso in der Vorstandsetage“6 zu erfassen; ihr kam jedenfalls bis zur Erweiterung 1 Brogl in Reischauer/Kleinhans, § 1 KWG Rz. 12. 2 Jülicher in T/G/J, § 13b ErbStG Rz. 327 (Stand: November 2016); S. Viskorf in V/K/S/W4, § 13b ErbStG Rz. 241; Kirnberger in Wilms/Jochum, § 13b ErbStG Rz. 61 (Stand: Dezember 2013); von Oertzen/Schienke-Ohletz, Ubg 2009, 406 (412 f.). 3 Jülicher in T/G/J, § 13b ErbStG Rz. 327 (Stand: November 2016). 4 So Jülicher in T/G/J, § 13b ErbStG Rz. 327 (Stand: November 2016); Riedel in D/H/R2, § 13b ErbStG Rz. 202; a.A. evtl. Kirnberger in Wilms/Jochum, § 13b ErbStG Rz. 61 (Stand: Dezember 2013), der dem Steuerpflichtigen diesbezüglich die Darlegungslast zuweist. 5 S. Viskorf in V/K/S/W4, § 13b ErbStG Rz. 243. 6 Jülicher in T/G/J, § 13b ErbStG Rz. 311 (Stand: November 2016).
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§ 13b ErbStG Rz. 160 Begünstigtes Vermögen durch das ErbStAnpG 2016 in der praktischen Anwendung nur geringe Bedeutung zu. Zu ungerechtfertigten Ergebnissen kann insbesondere die Erfassung von wissenschaftlichen Sammlungen, Bibliotheken und Archiven führen, wenn diese im Betriebsvermögen z.B. von Rechtsanwalts- und Steuerberatungskanzleien, Unternehmensberatungen oder wissenschaftlich orientierten Unternehmungen enthalten sind. 160 Der zuvor in § 13b Abs. 2 Satz 2 Nr. 5 ErbStG a.F. geregelte Verwaltungsvermögensbegriff der Kunst-
gegenstände, Sammlungen, Münzen, Edelmetalle u.Ä. wurde durch das ErbStAnpG 2016 um weitere Vermögensgegenstände erweitert, deren Anschaffung der Gesetzgeber keine betriebliche, sondern eine typischerweise private Veranlassung zumisst. Die Erweiterung bezieht sich auf „Briefmarkensammlungen, Oldtimer, Yachten, Segelflugzeuge sowie sonstige typischerweise der privaten Lebensführung dienende Gegenstände“. Neben der Aufzählung der einzelnen Gegenstände hat also der Gesetzgeber zusätzlich eine Auffangklausel („sonstige typischerweise der privaten Lebensführung dienende Gegenstände“) normiert, bei der man davon ausgehen kann, dass sie auch die im vorstehenden Katalog nicht genannten Gegenstände (Motorflugzeuge statt Segelflugzeuge, Segelboote statt Yachten, Luxussportwagen statt Oldtimer,1 etc.) erfassen soll. Die Regelung dürfte dahingehend auszulegen sein, dass damit sämtliche typischerweise der privaten Lebensführung dienenden Luxusgegenstände erfasst werden sollen. Die „Kleinteiligkeit“2 des Gesetzgebers zeigt sich allerdings bis in den Bereich der Briefmarkensammlungen, die nun auch schädliches Verwaltungsvermögen darstellen. 161 Im Detail ergeben sich freilich Abgrenzungsschwierigkeiten. Die Unterscheidung zwischen Motor-
flugzeug und Segelflugzeug bzw. Motoryacht und Segelboot dürfte durch den Auffangtatbestand an Relevanz verlieren. Schon im Bereich der Oldtimer ist jedoch unklar, ob sich der Gesetzgeber hierbei auf einen formellen Oldtimerbegriff (Fähigkeit zum Erwerb eines H-Kennzeichens nach § 22 Nr. 2 Fahrzeug-Zulassungsverordnung – FZV) oder alternativ/kumulativ auch auf den Fahrzeugwert o.Ä. beziehen will. Warum ein Golf II des Baujahres 1984 im Fuhrpark eines Sanitärunternehmens zum schädlichen Verwaltungsvermögen zählen soll, ist jedenfalls nicht ersichtlich, so dass hier eine gewisse teleologische Auslegung erforderlich erscheint. Schließlich dürfte der Auffangtatbestand insgesamt streitanfällig sein, da die Auffassungen darüber, was „typischerweise der privaten Lebensführung“ dient, naturgemäß auseinandergehen. 162 Die Vorschrift sah bereits seit dem ErbStRG 2009 eine Ausnahme dahingehend vor, dass die Verwal-
tungsvermögeneigenschaft nicht eingreift, wenn der Handel mit diesen Gegenständen oder deren Verarbeitung der Hauptzweck des Gewerbebetriebes ist. Auch hier birgt die Abgrenzung des Hauptzwecks (von ggf. vorhandenen weiteren Haupt- und/oder Nebenzwecken) Unsicherheiten. Zu den eindeutigen Fällen dürften zählen: Kunsthändler und Juweliere.3 Nach Auffassung der Finanzverwaltung4 soll die Zuordnung dieser Wirtschaftsgüter zum Umlaufvermögen ein Indiz dafür sein, dass der Handel mit diesen Gegenständen oder deren Verarbeitung den Hauptzweck des Gewerbebetriebes darstellt. 163 Im Zuge des ErbStAnpG 2016 hat der Gesetzgeber den Katalog der Rückausnahmen erweitert, in-
dem nun auch eine Unschädlichkeit gegeben ist, wenn statt dem Handel oder der Verarbeitung die Herstellung oder die entgeltliche Nutzungsüberlassung der vorgenannten Gegenstände Hauptzweck des Gewerbebetriebes ist. 164
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Praxishinweis: Dies bietet weitergehende Gestaltungsmöglichkeiten als im bisherigen Recht. Z.B. könnte hiernach eine Oldtimersammlung in eine GmbH & Co. KG eingelegt werden und nachfolgend durch die KG eine gewerbliche Vermietung betrieben werden. Hierzu sieht das Gesetz weder eine Vorlaufzeit vor noch muss – jedenfalls nach dem Buchstaben des Gesetzes – der Erwerber die gewerbliche Vermietung nach dem Erwerb fortführen, da die Verwaltungsvermögenseigenschaft nach wie vor einer strengen Stichtagsbetrachtung unterliegt. Die Grenze dürfte hier allenfalls § 42 AO sein. Auch macht das Gesetz keinerlei Vorgaben dazu, wer Mieter der Gegenstände sein muss; insbesondere ist – anders als bei den Kulturgüterbefreiungen nach § 13 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG (vgl.
Kaminski, Stbg 2016, 441 (447). Viskorf/Löcherbach/Jehle, DStR 2016, 2425 (2427). S. Viskorf in V/K/S/W4, § 13b ErbStG Rz. 245. R E 13b.18 ErbStR 2011.
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Verwaltungsvermögen (Abs. 4)
Rz. 169 § 13b ErbStG
§ 13 ErbStG Rz. 20) – nicht erforderlich, dass die Gegenstände einer breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Nach hier vertretener Auffassung ist es daher auch ausreichend, wenn die Gegenstände von der diese haltenden Gesellschaft an den künftigen Erwerber, nahestehende Personen, Gesellschaften oder Stiftungen (gewerblich) vermietet werden. Zusammenfassend ist also festzuhalten, dass sich durch die Neuregelung durchaus eine Privilegierung 165 vermieteter „privater“ Vermögensgegenstände ergibt. Nähere Vorgaben, z.B. hinsichtlich der Art, des Umfangs und der Öffnung gegenüber einer breiten Öffentlichkeit, macht das Gesetz nicht. Die Erfüllung der Voraussetzungen der gesetzlichen Rückausnahme bei Oldtimern und Luxusgegenständen dürfte also letztlich leichter herbeizuführen sein, als bei Kunstgegenständen i.S.d. § 13 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG oder Mietwohngrundstücken, wo die qualifizierten Voraussetzungen eines Wohnungsunternehmens gem. § 13b Abs. 4 Nr. 1 Satz 2 Buchst. d ErbStG zu erfüllen sind.1
V. Wertpapiere und vergleichbare Forderungen (Nr. 4) 1. Begriffsbestimmung Die Regelung entspricht bis auf redaktionelle Anpassungen § 13b Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 ErbStG a.F.
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Die Bestimmung der beiden Begriffe „Wertpapiere“ und „vergleichbare Forderungen“ war seit Inkraft- 167 treten des ErbStRG 2009 umstritten. Die Gesetzesbegründung konkretisierte die beiden im Gesetz verwandten Rechtsbegriffe nicht. Zur Einordnung und Abgrenzung der Begriffe werden – soweit ersichtlich – drei verschiedene Ansätze vertreten, ein zivilrechtlicher Abgrenzungsansatz (dazu Rz. 168 f.), ein bilanzieller Ansatz (dazu Rz. 170 f.) und ein kapitalmarktrechtliches Verständnis (derzeitige Sichtweise der Finanzverwaltung, dazu Rz. 172 ff.). Die Abgrenzung wurde auch nach Einführung des § 13b Abs. 2 Satz 2 Nr. 4a ErbStG a.F. durch das AmtshilfeRLUmsG nicht obsolet, da § 13b Abs. 4 Nr. 4 ErbStG vorrangig zu prüfen ist und nur bei Nr. 5 eine Saldierung der Geldmittel und Forderungen sowie der Abzug eines Freibetrages in Höhe von 15 % des gemeinen Wertes der betrieblichen Einheit vorgesehen ist, während Wertpapiere und vergleichbare Forderungen „vom ersten Euro an“ als Verwaltungsvermögen zählen.2 2. Zivilrechtlicher Ansatz Nach einer im Schrifttum vertretenen Ansicht knüpft § 13b Abs. 4 Nr. 4 ErbStG an den zivilrecht- 168 lichen Wertpapierbegriff an.3 Das Zivilrecht versteht herkömmlich unter einem Wertpapier eine Urkunde, die ein subjektives Recht derart verbrieft, dass es nur von dem Inhaber der Urkunde ausgeübt werden kann.4 Unter diesen herrschenden „weiten“ Wertpapierbegriff fallen sowohl die sog. Inhaber- und Orderpapiere als auch Rektapapiere. Kennzeichnendes Merkmal dieser Papiere ist, dass die Innehabung der Urkunde materiell-rechtlich erforderlich ist, um das verbriefte Recht geltend zu machen, weil der Schuldner nur gegen Vorlage bzw. Aushändigung der Urkunde zur Leistung verpflichtet ist.5 Geht man vom zivilrechtlichen Begriff des Wertpapiers aus, so stellt sich die Frage, was eine ver- 169 gleichbare Forderung ist, genauer, worauf sich die „Vergleichbarkeit“ beziehen muss. Nach Teilen der Literatur liegt der maßgebliche Vergleichsmaßstab in der schriftlichen Verbriefung der Forderung.6 Ein Forderungsrecht muss hinsichtlich seiner Ausübung also gleichsam daran gebunden werden, dass es nur vom Inhaber der Urkunde ausgeübt werden kann. Damit fallen weder Festgeld noch 1 Gl.A. Korezkij, DStR 2016, 2434 (2437). 2 Stalleiken, DB 2013, 1382 (1383) m.w.N. 3 Söffing/Thonemann, DB 2009, 1836 (1842); Söffing/Thonemann, ErbStB 2009, 325 (333); Kamps, FR 2009, 353 (363); Söffing, ErbStB 2009, 48 (55); Piltz, ZEV 2008, 229 (231). 4 Statt vieler: Habersack in Münchener Kommentar5, Vor § 793 BGB Rz. 7. 5 Casper in Baumbach/Hefermehl/Casper, WG, ScheckG, Kartengestützte Zahlungen, WPR Rz. 16; ähnlich Söffing/Thonemann, DB 2009, 1836 (1842); Söffing/Thonemann, ErbStB 2009, 325 (333). 6 In diese Richtung etwa Kamps, FR 2009, 353 (363), und Söffing, ErbStB 2009, 48 (55); abl. Piltz, ZEV 2008, 229 (231).
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§ 13b ErbStG Rz. 170 Begünstigtes Vermögen Kontokorrentforderungen oder Kundenforderungen unter den Begriff der vergleichbaren Forderung. Nach a.A. bezieht sich die „Vergleichbarkeit“ auf den Charakter des Wertpapiers als Forderung gegen Entgelt.1 Solange eine Forderung – verbrieft oder unverbrieft – gegen Entgelt eingeräumt wird und der Gedanke der dauerhaften Fruchtziehung durch Dividenden und Zinsen aus einer (auch kurzfristig) verfügbaren Kapitalanlage im Vordergrund steht,2 wäre die erforderliche Vergleichbarkeit mit einem Wertpapier gegeben. 3. Bilanzieller Ansatz 170 Eine andere Ansicht stellt bei der Frage, ob Wertpapiere vorliegen, auf den Wertpapierbegriff i.S.d.
Bilanzrechts ab.3 Ansatzpunkt ist § 266 Abs. 2 A. III. Nr. 5 HGB sowie § 266 Abs. 2 B. III. HGB, wo sich der Begriff des Wertpapiers wiederfindet. Dieser handelsbilanzielle Begriff gilt über den Maßgeblichkeitsgrundsatz4 auch für die Steuerbilanz. Unter den bilanzrechtlichen Begriff des Wertpapiers fallen abstrakt gesprochen Inhaber- und Orderpapiere, welche nach Art und Ausstattung übertragbar und im Bedarfsfall verwertbar sind. Gesetzliche oder vertragliche Einschränkungen der Übertragbarkeit sind ohne Belang.5 Der Begriff des Wertpapiers erfasst danach u.a. Kapitalmarktpapiere wie z.B. Aktien, Pfandbriefe, Kommunalobligationen, Industrie- und Bankobligationen, Asset-Backed-Securities, Investmentanteile, Anteile an offenen Immobilienfonds, Genussscheine, Wandelschuldverschreibungen, Optionsscheine, Gewinnschuldverschreibungen und Certificates of Deposit.6 Diesen Kapitalmarktpapieren gleichgestellt sind die sammelverwahrungspflichtigen Wertrechte, namentlich Bundesschatzbriefe, Finanzierungsschätze, Bundesobligationen und -anleihen.7 Dagegen fallen nicht unter den bilanziellen Begriff des Wertpapiers die sog. qualifizierten Legitimationspapiere (z.B. Schuldscheine, Sparbücher) oder Rektapapiere.8 Nicht unter den Begriff des Wertpapiers fallen zudem die in § 266 Abs. 2 B. IV. HGB erwähnten Positionen wie der Kassenbestand, Bundesbankguthaben, Guthaben bei Kreditinstituten und Schecks. Jedoch kann es sich bei Wechseln – je nach Sachverhalt – um Wertpapiere handeln (z.B. Schatzwechsel des Bundes oder der Länder).9 Zumindest die Bestimmung des Vorliegens eines Wertpapiers im Sinne des Bilanzrechts wäre vergleichsweise einfach möglich; die Abbildung in der Handelsbilanz unter dem Bilanzposten „Wertpapiere“ würde die erbschaftsteuerliche Einordnung präjudizieren. 171 In welchen Fällen bei der bilanziellen Sichtweise eine den Wertpapieren vergleichbare Forderung
vorliegt, ist dagegen wenig geklärt. Nach Balmes/Felten10 soll die Zeitdauer der Anlage als Indiz herangezogen werden. Je kurzfristiger die Forderung sei, desto weniger sei sie mit einem Wertpapier, das der langfristigen Kapitalanlage diene, vergleichbar. Damit seien z.B. Guthaben bei Banken und Darlehensforderungen gegen fremde Dritte keine vergleichbaren Forderungen. Balmes/Felten argumentieren zudem mit dem Zweck des Gesetzes: Sofern ein Vermögensgegenstand nicht üblicherweise der privaten Lebensführung diene, sei er keine vergleichbare Forderung. Mit diesem Argument wird sodann z.B. auch die Kundenforderung aus dem Anwendungsbereich der vergleichbaren Forderung herausgenommen. Es sei an dieser Stelle aber darauf hingewiesen, dass die Zeitigkeit m.E. kein geeignetes Abgrenzungskriterium ist. Nach dem Gesetzeszweck erscheint es vielmehr wahrscheinlich, dass der Gesetzgeber (auch kurzfristige) Finanzprodukte, wie z.B. Optionsscheine und Futures, als klassisches Instrument auch der privaten Anlagetätigkeit, als Wertpapiere und vergleichbare Forderungen ansehen wollte, ohne dass es auf die Fristigkeit ankäme. 1 Piltz, ZEV 2008, 229 (231). 2 Geck in Kapp/Ebeling, § 13b ErbStG Rz. 129 (Stand: April 2015). 3 Von Oertzen, Ubg 2008, 57 (63 f.); Balmes/Felten, FR 2009, 258 (265). In diese Richtung auch Scholten/Korezkij, DStR 2009, 147 (150); Hannes/Onderka, ZEV 2008, 16 (21). 4 Vgl. § 5 Abs. 1 EStG. Zum Begriff der Maßgeblichkeit s. im Einzelnen Weber-Grellet, in Schmidt29, § 5 EStG Rz. 26 ff. mwN. 5 Grottel/Krehler in Beck’scher Bilanz-Kommentar10, § 266 HGB Rz. 80. 6 Grottel/Krehler in Beck’scher Bilanz-Kommentar10, § 266 HGB Rz. 80. 7 Grottel/Krehler in Beck’scher Bilanz-Kommentar10, § 266 HGB Rz. 80. 8 Grottel/Krehler in Beck’scher Bilanz-Kommentar10, § 266 HGB Rz. 81. 9 Siehe hierzu Schubert/Waubke in Beck’scher Bilanz-Kommentar10, § 266 HGB Rz. 143 sowie Ellrot/Roscher in Beck’scher Bilanz-Kommentar10, § 247 HGB Rz. 126; Winnefeld, Bilanzhandbuch5, Kap. F Rz. 535. 10 Balmes/Felten, FR 2009, 258 (266).
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Stalleiken
Verwaltungsvermögen (Abs. 4)
Rz. 176 § 13b ErbStG
4. Kapitalmarktrechtliches Verständnis (Auffassung der Finanzverwaltung) Die Finanzverwaltung (der sich die neuere Literatur z.T. ohne inhaltlich Auseinandersetzung1 an- 172 geschlossen hat)2 bestimmt den Begriff des Wertpapiers in Anlehnung an § 2 Abs. 1 WpHG.3 Dabei erscheint diese Anknüpfung der an den Wertpapierbegriff des WpHG für Erbschaftsteuerzwecke mit Blick auf die gesetzgeberische Intention des Erbschaftsteuerreformgesetzes durchaus nachvollziehbar. Denn das Ziel des WpHG ist der Anlegerschutz, insbesondere der Schutz der privaten Kleinanleger, die nach der Vorstellung des Erbschaftsteuergesetzgebers somit über typisches Verwaltungsvermögen i.S.d. § 13b Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 ErbStG verfügen, während Unternehmen mit ihren zu betrieblichen Zwecken gehaltenen Finanzinstrumenten typischerweise nicht dem Anwendungsbereich des WpHG unterfallen sollen (vgl. Rz. 153). Das Wertpapier wird hiernach als ein Vermögensgegenstand gesehen, der in einer Urkunde verbrieft 173 ist. Die vergleichbare Forderung ist dagegen in keiner Urkunde verbrieft, muss jedoch trotzdem unter den Anwendungsbereich von § 2 Abs. 1 WpHG fallen.4 § 2 Abs. 1 WpHG i.d.F. des FinanzmarktRichtlinie-Umsetzungsgesetz vom 16. Juli 20075 lautet: „Wertpapiere im Sinne dieses Gesetzes sind, auch wenn keine Urkunden über sie ausgestellt sind, alle Gattungen von übertragbaren Wertpapieren mit Ausnahme von Zahlungsinstrumenten, die ihrer Art nach auf den Finanzmärkten handelbar sind, insbesondere 1. Aktien, 2. andere Anteile an in- oder ausländischen juristischen Personen, Personengesellschaften und sonstigen Unternehmen, soweit sie Aktien vergleichbar sind, sowie Zertifikate, die Aktien vertreten, 3. Schuldtitel, a) insbesondere Genussscheine und Inhaberschuldverschreibungen und Orderschuldverschreibungen sowie Zertifikate, die Schuldtitel vertreten, b) sonstige Wertpapiere, die zum Erwerb oder zur Veräußerung von Wertpapieren nach den Nr. 1 und 2 berechtigen oder zu einer Barzahlung führen, die in Abhängigkeit von Wertpapieren, Währungen, Zinssätzen oder anderen Erträgen, von Waren, Indizes oder Messgrößen bestimmt wird.
§ 2 Abs. 1 WpHG nennt damit eine Vielzahl von Beispielen für Wertpapiere. Vorab werden aber ge- 174 nerelle Merkmale genannt, nach denen der Begriff des Wertpapiers zu bestimmen ist,6 nämlich: – Alle Gattungen von (verbrieften oder unverbrieften) Papieren, – die ihrer Art nach auf den Finanzmärkten „handelbar“ sind, – die übertragbar sind und – die keine Zahlungsinstrumente sind. Die herrschende Literatur ergänzt in Anlehnung an die Gesetzesbegründung zum Finanzmarkt- 175 Richtlinie-Umsetzungsgesetz7 die vorgenannten Tatbestandsmerkmale um ein weiteres ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal der standardisierten Ausgestaltung und leitet dieses Erfordernis aus dem Begriff der „Gattung“ ab.8 Soweit bei einem Produkt individuelle Kundenwünsche (z.B. betreffend Laufzeit, Volumen, Basispreis) berücksichtigt werden, handele es sich nicht um ein Wertpapier i.S.d. § 2 Abs. 1 WpHG. Damit wird der Wertpapierbegriff des § 2 Abs. 1 WpHG wesentlich durch die drei sich bedingenden Kriterien „Standardisierung“, „Handelbarkeit“ und „Übertragbarkeit“ geprägt. Die Finanzverwaltung bestimmt in R E 13b.17 Abs. 1 Satz 2 ErbStR 2011, dass „Wertpapiere im Sinne 176 der erschaftsteuerlichen Verschonungsvorschriften (…) ausschließlich auf dem Markt gehandelte WertSo z.B. Riedel in D/H/R2, § 13b ErbStG Rz. 208 f. Zust. auch Geck in Kapp/Ebeling, § 13b ErbStG Rz. 130 (Stand: April 2015). R E 13b.17 Abs. 1 Satz 2 ErbStR 2011. R E 13b.17 Abs. 1 Satz 3 ErbStR 2011. BGBl. I 2007, 1330. Anzumerken ist hierbei, dass der Wertpapierbegriff des WpHG nach herrschender Ansicht in der Literatur identisch ist mit dem Wertpapierbegriff des § 1 Abs. 11 Satz 2 KWG, s. Assmann in Assmann/Schneider6, § 2 WpHG Rz. 5; Schäfer in Schäfer/Hamann, § 2 WpHG Rz. 6; Fuchs in Fuchs2, § 2 WpHG Rz. 8. 7 RegE FRUG, BT-Drucks. 16/4028, 54. 8 Assmann in Assmann/Schneider6, § 2 WpHG Rz. 6; Müller in Heidel, Aktienrecht4, § 2 WpHG Rz. 3. 1 2 3 4 5 6
Stalleiken
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§ 13b ErbStG Rz. 177 Begünstigtes Vermögen papiere im Sinne des § 2 Abs. 1 WpHG“ sind. Daraus lässt sich schließen, dass die Wertpapiere im konkret zu prüfenden Fall auch tatsächlich gehandelt werden müssen. Findet ein solcher Handel nicht statt (z.B. bei Fondsanteile oder Aktien an nicht börsennotierten Gesellschaften), dürfte jedoch das Tatbestandsmerkmal der vergleichbaren Forderungen eingreifen. 177 Folgende Einordnungsbeispiele benennt die Finanzverwaltung in den ErbStR 2011:1 Wertpapiere oder vergleichbare Forderung
Weder Wertpapiere noch vergleichbare Forderung (vgl. jetzt aber § 13b Abs. 4 Nr. 5 ErbStG)
Pfandbriefe Schuldbuchforderungen Geldmarktfonds Festgeldfonds
Geld Sichteinlagen Sparanlagen Festgeldkonten Forderungen aus Lieferungen und Leistung Forderungen an verbundene Unternehmen Ansprüche aus Rückdeckungsversicherungen
178 Für Anteile an Kapitalgesellschaften verdrängt § 13b Abs. 4 Nr. 2 ErbStG die Anwendung des § 13b
Abs. 4 Nr. 4 ErbStG.2 Dies bedeutet, dass insbesondere Aktien, die umgangssprachlich geradezu dem Sinnbild eines „Wertpapiers“ entsprechen, nicht unter § 13b Abs. 4 Nr. 2 ErbStG subsumiert werden. Dies ist jedoch folgerichtig, bedeutet es doch, dass bei Überschreiten der 25 %-Grenze oder durch Abschluss eines Poolvertrages die Verwaltungsvermögenseigenschaft entfällt (hierzu Rz. 149), was nach § 13b Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 ErbStG nicht möglich wäre. 5. Ausnahme 179 Auch Wertpapiere und vergleichbare Forderungen stellen ausnahmsweise kein Verwaltungsvermögen
dar, wenn sie dem Hauptzweck des Gewerbebetriebes eines Kreditinstitutes oder eines Finanzdienstleistungsinstitutes i.S.d. § 1 Abs. 1 und 1a KWG zuzurechnen sind. Zu den Tatbestandsmerkmalen der Ausnahme vgl. bereits Rz. 153 ff.
VI. Finanzmittel (Nr. 5) 1. Allgemeines 180 Der Gesetzgeber hat das ErbStAnpG 2016 genutzt, um die bereits 2013 durch das Amtshilferichtlinie-
Umsetzungsgesetz3 eingeführte Bestimmung zur Verwaltungsvermögenseigenschaft von Geldmitteln und Forderungen (§ 13b Abs. 2 Satz 2 Nr. 4a ErbStG a.F.) nochmals zu verschärfen. Die Regelung bestimmt – wie früher – dass Zahlungsmittel, Geschäftsguthaben, Geldforderungen und andere Forderungen ab Überschreiten einer gewissen Grenze schädliches Verwaltungsvermögen i.S.d. § 13b Abs. 4 Nr. 5 ErbStG darstellen. Erfasst werden umfassend Liquidität und Forderungen auf der Aktivseite, insbesondere also auch Forderungen aus Lieferungen und Leistungen, Forderungen gegen verbundene Unternehmen, Gesellschafterforderungen usw. 2. Begriffsbestimmung 181 Geld, Sichteinlagen, Sparanlagen, Festgeldkonten, Forderungen aus Lieferung und Leistung sowie
Forderungen gegen verbundene Unternehmen zählen nach zutreffender Auffassung der Finanzverwaltung nicht zum schädlichen Verwaltungsvermögen i.S.d. § 13b Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 ErbStG (oben Rz. 177). Um die damit verbundene Besteuerungslücke (Stichwort „Cash-GmbH“) zu schließen, hatte der Gesetzgeber bereits mit Neuregelung durch das Amtshilferichtlinie-Umsetzungsgesetz4 den 1 2 3 4
H R 13b.17 „Wertpapiere und vergleichbare Forderungen“. R E 13b.17 Abs. 1 Satz 5 ErbStR 2011. AmtshilfeRLUmsG v. 26.7.2013, BGBl. I 2013, 1809. AmtshilfeRLUmsG v. 26.7.2013, BGBl. I 2013, 1809.
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Stalleiken
Verwaltungsvermögen (Abs. 4)
Rz. 184 § 13b ErbStG
Gesetzeskatalog des schädlichen Verwaltungsvermögens um eine weitere Nr. 4a erweitert. Erklärtes Ziel war die Beseitigung der bislang bestehenden Möglichkeit, Geldvermögen und ähnliches liquides Vermögen unter Nutzung der erbschaft- und schenkungsteuerlichen Begünstigungen für betriebliches Vermögen (85 %iger oder 100 %iger Abschlag auf den gemeinen Wert, §§ 13a, 13b ErbStG) zu vererben oder zu verschenken (sog. „Cash-GmbH“).1 Die Regelung geht jedoch weit darüber hinaus. Erstmals in das Gesetz eingefügt hat der Gesetzgeber eine Legaldefinition dieser Geldmittel und For- 182 derungen als „Finanzmittel“. Von ganz wesentlicher Bedeutung ist, auf welche Tatbestandsvoraussetzungen sich diese Legaldefinition bezieht. Im Gesetz heißt es: „Zum Verwaltungsvermögen gehören (…) der gemeine Wert des nach Abzug des gemeinen Wertes der Schulden verbleibenden Bestandes an Zahlungsmitteln, Geschäftsguthaben, Geldforderungen und anderen Forderungen (Finanzmittel)“. Falls sich die Legaldefinition der „Finanzmittel“ nur auf die vier vorausgehenden Gattungsbegriffe Zahlungsmittel, Geschäftsguthaben, Geldforderungen und andere Forderungen bezieht, ist der Begriff der Finanzmittel vor Abzug der Schulden und damit sozusagen „brutto“ definiert.2 Sollte sich die Legaldefinition auf den gesamten Satz beziehen, wären die Finanzmittel als Saldo der Zahlungsmittel etc. nach Abzug des gemeinen Wertes der Schulden, also sozusagen „netto“ definiert.3 Die Gesetzesexegese lässt beide Auslegungsvarianten zu. Auch aus der Gesetzeshistorie ergibt sich kein Aufschluss über die Reichweite der Definition, Korezkij4 weist allerdings zutreffend darauf hin, dass § 13b Abs. 9 Satz 2 und Abs. 10 Satz 1 ErbStG sowohl Finanzmittel als auch Schulden gesondert nennen, was bei einer Nettobetrachtung wohl redundant wäre. Wichtig wird diese Unterscheidung u.a. bei der Frage, in welchem Umfang durch Einlagenüberhang junge Finanzmittel entstehen (dazu sogleich Rz. 198), sowie bei § 13b Abs. 2 Satz 2 ErbStG (90 %-Grenze), wenn es um die Frage geht, ob die dort genannten „Finanzmittel“ vor oder nach Berücksichtigung der Schulden des Betriebes zu berechnen sind (dazu Rz. 87). Die denkbar weite Fassung des Gesetzeswortlautes umfasst sämtliche Geldbestände und liquiden 183 Mittel im Betriebsvermögen der Gesellschaft sowie sämtliche Forderungen (dazu zählen bei wortlautgetreuer Auslegung neben Gesellschafterforderungen5 auch Forderungen gegen verbundene Unternehmen, Forderungen gegen fremde Dritte sowie Forderungen aus Lieferungen und Leistungen6), die somit potenzielle Relevanz für den Verwaltungsvermögenstest haben. Die Finanzverwaltung konkretisierte in gleich lautenden Erlassen vom 10.10.20137 die Gesetzesformulierung durch eine beispielhafte, nicht abschließende Aufzählung. Diese beinhaltet neben Geld, Sichteinlagen, Spareinlagen und Feldgeldkonten auch Forderungen aus Lieferungen und Leistungen, Forderungen an verbundene Unternehmen, Forderungen eines Gesellschafters gegen seine Personengesellschaft sowie Forderungen der Personen- oder Kapitalgesellschaft gegen ihre Gesellschafter. Weit überschießend ist der Wortlaut daher insbesondere, soweit er typische „produktive“ Forderun- 184 gen, wie Forderungen aus Lieferung und Leistung, erfasst. Von Teilen der Literatur und der Finanzverwaltung wird deshalb der Gesetzeswortlaut dahingehend eingeschränkt, dass nur auf Geld gerichtete Forderungen als „andere Forderungen“ anzusehen sind. Soweit sich die Forderung auf einen Sachleistungsanspruch (z.B. die Lieferung eines Gegenstandes) oder die Erbringung einer Dienstleistung bezieht, soll § 13b Abs. 4 Nr. 5 ErbStG nicht anwendbar sein.8 Nach dieser Ansicht wären z.B. geleistete Anzahlungen unschädlich, da diese letztlich immer auf eine Sachlieferung oder Dienstleistung geleistet werden.
1 Vgl. Gesetzesbegründung zum JStG 2013 i.d.F. des Gesetzesantrages der Länder Rheinland-Pfalz, Hamburg und Nordrhein-Westfalen, BR-Drucks. 139/13, 222 f. 2 So die wohl h.M., vgl. Viskorf/Löcherbach/Jehle, DStR 2016, 2425 (2427); Söffing, ErbStB 2016, 235 (244); Koretzkij, DStR 2016, 2434 (2437) m.w.N. 3 So Reich, BB 2016, 1879 (1881). 4 Koretzkij, DStR 2016, 2434 (2437). 5 Korezkij, DStR 2013, 1764 (1765). 6 Stalleiken, DB 2013, 1382 (1383). 7 BStBl. I 2013, 1272. 8 Eisele, NWB 2013, 2292 (2294); Erkis/Mannek/van Lishaut, FR 2013, 245 (246); gleich lautende Erlasse v. 10.10.2013, BStBl. I 2013, 1272, Tz. 2.1, letzter Aufzählungspunkt.
Stalleiken
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§ 13b ErbStG Rz. 185 Begünstigtes Vermögen 3. Betriebsbezogene Saldierung mit Verbindlichkeiten 185 Während bei allen anderen Verwaltungsvermögenskategorien des § 13b Abs. 4 ErbStG die mit den
Wirtschaftsgütern des Verwaltungsvermögens in Zusammenhang stehenden Verbindlichkeiten unberücksichtigt bleiben, ist im Rahmen des § 13b Abs. 4 Nr. 5 ErbStG der Netto-Gesamtbestand der Geldmittel und Forderungen nach Abzug der Verbindlichkeiten (das Gesetz spricht von „Schulden“) der Gesellschaft zu ermitteln („Netto-Finanzmittel“). Ausweislich der Gesetzesbegründung zum Amtshilferichtlinie-Umsetzungsgesetz soll der Begriff der „Schulden“ ausdrücklich auch die Rückstellungen für Pensionsverpflichtungen erfassen.1 Da der Wortlaut keine Anhaltspunkte für eine weitere Differenzierung zwischen verschiedenen Arten von Rückstellungen hergibt, ist davon auszugehen, dass der Begriff der „Schulden“ i.S.d. § 13b Abs. 4 Nr. 5 ErbStG sämtliche Verbindlichkeiten und Rückstellungen des Betriebs erfasst.2 Ein wirtschaftlicher Zusammenhang der Schulden mit den Geldmitteln und Forderungen ist nicht erforderlich. 4. Abzug eines Freibetrags 186 Nach Ermittlung des Netto-Cash-Vermögens ist ein Freibetrag in Höhe von 15 % des gemeinen
Wertes der Gesellschaft abzuziehen. Im Rahmen des ErbStAnpG 2016 hat der Gesetzgeber – wohl unter weitergehenden Missbrauchsgedanken – den Freibetrag von vormals 20 % des gemeinen Wertes des Betriebsvermögens auf nunmehr 15 % abgesenkt. Der nach Abzug des Freibetrages verbleibende Betrag zählt als Verwaltungsvermögen. Diese Kopplung des Verwaltungsvermögens an den Wert des Unternehmens (15 %-Grenze) birgt in der Praxis erhebliche Unsicherheit. Die erbschaftsteuerliche Unternehmensbewertung ist bekanntlich streitanfällig und von Spielräumen und Bandbreiten geprägt.3 Aus diesem Grund ist die Berechnung der Verwaltungsvermögensquote (als Divisor aus der Summe der gemeinen Werte des Verwaltungsvermögens und dem gemeinen Wert der betrieblichen Einheit) ohnehin unscharf. Nun kommt erschwerend hinzu, dass der Wert des Unternehmens zusätzlich direkten Einfluss auf die absolute Höhe des Verwaltungsvermögens hat, indem erst nach der Feststellung des Unternehmenswertes entschieden werden kann, wie hoch der Freibetrag ist, und ob überhaupt Verwaltungsvermögen i.S.d. Nr. 5 vorliegt. Dies führt letztlich zu einer „doppelt relativen“ Berechnung der Verwaltungsvermögensquote, die die Planungssicherheit des Steuerpflichtigen nochmal verringert. 187 Der Freibetrag i.H.v. 15 % des gemeinen Wertes des Betriebes gilt nur für die in Nr. 4a genannten
Wirtschaftsgüter des Verwaltungsvermögens. Auf die übrigen Katalognummern des § 13b Abs. 4 ErbStG ist er nicht anwendbar.4 Insbesondere Wertpapiere und vergleichbare Forderungen i.S.d. Nr. 4 zählen daher weiterhin „ab dem ersten Euro“ als Verwaltungsvermögen. 188
Û
Gestaltungshinweis: Daher kann nach wie vor „klassisches“ Verwaltungsvermögen durch Veräußerung beseitigt werden, wenn unter Einbeziehung des Veräußerungserlöses lediglich ein vorhandener Schuldenstand abgesenkt oder der Freibetrag ausgeschöpft wird. Diese „Umschichtung“ von Verwaltungsvermögen in Geldmittel führt auch nicht zur Bildung von jungen Finanzmitteln, da zum einen im Rahmen des § 13b Abs. 4 Nr. 5 ErbStG explizit nur die Einlage von Geldmitteln und Forderungen, nicht aber der Aktivtausch zur jungen Finanzmitteln führt (dazu Rz. 195).
189 Gemäß § 13b Abs. 4 Nr. 5 Satz 4 ErbStG setzt die Anwendung des 15 %igen Freibetrages voraus, dass
das Vermögen des Betriebes oder der nachgeordneten Gesellschaften nach seinem Hauptzweck einer originär land- und forstwirtschaftlichen, gewerblichen oder freiberuflichen Tätigkeit dient. Die Regelung ist als weitere Missbrauchs-Vermeidungsvorschrift gegen die sog. „Cash-GmbH“ zu verstehen. Da diese in aller Regel keine gewerbliche Tätigkeit ausübt, soll hierfür auch keine Begünstigung i.H.v. rechnerisch 16,5 % (unter Einbeziehung des 10 %igen Kulanzabschlags gem. § 13b Abs. 7 ErbStG) gewährt werden. Technisch versucht der Gesetzgeber, dies durch das Erfordernis einer origi1 BT-Drucks. 139/13, 222. 2 Gl.A. gleich lautende Erlasse v. 10.10.2103, BStBl. I 2013, 1272, Tz. 2.2.1; Hannes, DStR 2013, 1417 (1418); Korezkij, DStR 2013, 1764 (1765). 3 Vgl. nur Viskorf, ZEV 2009, 591; Piltz, DStR 2008, 745. 4 Vgl. bereits Erkis/Mannek/van Lishaut, FR 2013, 245 (247).
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Verwaltungsvermögen (Abs. 4)
Rz. 192 § 13b ErbStG
när land- und forstwirtschaftlichen, gewerblichen oder freiberuflichen Tätigkeit zu erreichen. Die hierfür verwendete Gesetzesformulierung wählt wiederum den „Umweg“ über eine Variante des sog. „Hauptzweckkriteriums“, das bereits der allgemeinen Verwaltungsvermögensabgrenzung nach dem Regierungsentwurf vom 6.7.20151 zugrunde liegen sollte. Bereits damals wurde die Verwendung des Hauptzweckkriteriums als nicht trennscharf kritisiert.2 So bleibt auch hier klärungsbedürftig, wie genau im Einzelnen „das nach Absatz 1 begünstigungsfähige Vermögen“ dem Hauptzweck einer Tätigkeit dienen kann.3 Jedenfalls aber ist es ausweislich des insoweit eindeutigen Gesetzeswortlautes („Vermögen des Betriebes oder der nachgeordneten Gesellschaften“) ausreichend, wenn in einem mehrstufigen Konzernverbund nur eine der Gesellschaften eine solche qualifizierte land- und forstwirtschaftliche, gewerbliche oder freiberufliche Tätigkeit ausübt, die ihrerseits nicht der Hauptzweck der Gesellschaft sondern nur des Vermögens sein muss.4 Keinesfalls muss jede Gesellschaft im Verbund oder zwingend die übertragende betriebliche Einheit als Holdinggesellschaft eine solche qualifizierte Tätigkeit ausüben. Dementsprechend dürfte auch eine gewerbliche Infektion der Personengesellschaft, abgesehen vom Fall der doppelstöckigen GmbH & Co. KG, ausreichen.5 Dies unterstreicht auch Abs. 4 Nr. 5 Satz 4, wonach solche Tätigkeiten auch durch land- und forst- 190 wirtschaftliche Gesellschaften, Mitunternehmerschaften oder Freiberufler-Gesellschaften erbracht werden können. Die Regelung steht im Zusammenhang mit Satz 3 und unterstreicht das Erfordernis einer qualifizierten Tätigkeit nur einer Gesellschaft, auch in mehrstufigen Strukturen. 5. Finanzmittelberechnung bei Beteiligungen an Personengesellschaften Die (noch) herrschende Auffassung in der Literatur6 und auch die Finanzverwaltung7 vertreten hin- 191 sichtlich der Berechnung der Verwaltungsvermögensquote bei Beteiligungen an Personengesellschaften unter Einbeziehung des Sonderbetriebsvermögens eine „gesellschafterbezogene Betrachtungsweise“. Danach ist für jeden Gesellschafter eine gesonderte Verwaltungsvermögensquote zu ermitteln, bei der der Wert des Verwaltungsvermögens im (übertragenen) Sonderbetriebsvermögen des Gesellschafters und der Anteil des Gesellschafters am Verwaltungsvermögen im Gesamthandsvermögen ins Verhältnis zu setzen sind zum gemeinen Wert des (übertragenen) Sonderbetriebsvermögens und dem Anteils des Gesellschafters am Wert des Gesamthandsvermögens. Eine solche gesellschafterbezogene Berechnung muss auch für die Berechnung des Verwaltungsver- 192 mögens i.S.d. § 13b Abs. 2 Satz 2 Nr. 5 ErbStG gelten.8 Dementsprechend ist der Betrag des Verwaltungsvermögens i.S.d. Nr. 5 für jeden Gesellschafter zu errechnen, indem zunächst die Geldmittel und Forderungen des Gesamthandsvermögens anteilig dem Gesellschafter zuzurechnen sind. Bei der Verteilung des Wertes des Verwaltungsvermögens im Gesamthandsvermögen auf die Gesellschafter stellt die Finanzverwaltung auf eine Verteilung anhand des maßgeblichen Gewinnverteilungsschlüssels ab.9 Dazu zu addieren sind Geldmittel und Forderungen aus dem (übertragenen) Sonderbetriebsvermögen. In gleicher Weise sind Schulden des Gesamthandsvermögens (anteilig) und des Sonderbetriebsvermögens (soweit Übertragungsgegenstand) abzuziehen. Der Freibetrag bezieht sich dann folgerichtig auf 15 % des gemeinen Wertes der übertragenen Beteiligung, also den gemeinen Wert des Anteils am Gesamthandsvermögen sowie den gemeinen Wert des Sonderbetriebsvermögens.
1 2 3 4 5 6
BT-Drucks. 353/15 (B), 18 ff. ZB. Erkis, DStR 2015, 1409; Stalleiken/Holtz, ErbR 2015, 423 (424) m.w.N. Krit. zu dieser Formulierung im RegE bereits Hannes, ZEV 2015, 371 (372); Korezkij, DStR 2015, 1337 (1338). Korezkij, DStR 2016, 2434. Gl.A. Geck, ZEV 2016, 546 (549); Kotzenberg/Jülicher, GmbHR 2016, 1135 (1138). Vgl. nur Scholten/Korezkij, DStR 2009, 147; Stahl/Fuhrmann, KÖSDI 2008, 16056; St. Viskorf/Philipp, ZEV 2009, 230; Wachter in F/J/P/W5, § 13b ErbStG Rz. 369 m.w.N.; a.A. (gesellschaftsbezogene Betrachtung) Schulze zur Wiesche, DStR 2009, 732; Brüggemann, ErbBstg 2013, 20 (23 f.). 7 H E 13b.15 und H E 13b.20 ErbStH 2011. 8 Hannes, DStR 2013, 1417 (1419); Korezkij, DStR 2013, 1764 (1765 f.), jeweils mit Beispiel. 9 Gleich lautende Erlasse v. 10.10.2013, BStBl. I 2013, 1272, Tz. 3. unter Verweis auf R E 13b.19 Abs. 3 Satz 3 ErbStR 2011.
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§ 13b ErbStG Rz. 193 Begünstigtes Vermögen 193 Die Finanzverwaltung will den Anteil des Gesellschafters an den Geldmitteln, Forderungen und
Schulden des Gesamthandsvermögens anhand des Gewinnverteilungsschlüssels zuweisen. Die Verteilung des Verwaltungsvermögens auf die Gesellschafter weicht somit von der Verteilung des Wertes der Personengesellschaft auf die Gesellschafter gem. § 97 Abs. 1a BewG ab. Denn dort werden vor der Anwendung des maßgebenden Gewinnverteilungsschlüssels zunächst die Kapitalkonten verteilt, was zu einer Verschiebung führen kann,1 weil dem hinsichtlich der Verwaltungsvermögensquote von der Finanzverwaltung nicht gefolgt wird. 6. Junge Finanzmittel (Satz 2) 194 § 13b Abs. 4 Nr. 5 Satz 2 ErbStG enthält eine weitere Legaldefinition, und zwar die der jungen Fi-
nanzmittel. Diese berechnen sich aus dem positiven Saldo der eingelegten und der entnommenen Finanzmittel, welche dem Betrieb im Zeitpunkt der Entstehung der Steuer weniger als zwei Jahre zuzurechnen waren. 195 Die Regelung stellt ausdrücklich klar, dass, anders als bei den übrigen Verwaltungsvermögenstat-
beständen, hinsichtlich der Geldbestände und Forderungen junges Verwaltungsvermögen nur entsteht, soweit ein positiver Saldo aus eingelegten und entnommenen Geldern und Forderungen, mithin ein Einlageüberhang, besteht. Dies bedeutet im Umkehrschluss, dass Geldmittel und Forderungen als Erlös aus der Veräußerung von Nicht-Verwaltungsvermögen oder Verwaltungsvermögen nicht zum jungen Verwaltungsvermögen zählen.2 Die in § 13b Abs. 4 Nr. 5 ErbStG genannten Wirtschaftsgüter sind also auch diesbezüglich gegenüber dem übrigen Verwaltungsvermögen privilegiert. 196 Wie bereits im früheren Recht wird die Ausgangsgröße der jungen Finanzmittel also vom Finanzmit-
tel-Verwaltungsvermögen i.S.d. § 13b Abs. 4 Nr. 5 Satz 1 ErbStG entkoppelt. Es besteht zunächst einmal kein direkter Bezug zwischen den beiden Rechengrößen Finanzmittel und junge Finanzmittel; während die einen auf einer Saldierung von Aktivseite und Schulden zzgl. Freibetrag basieren, rechnen sich die anderen aus einem Überhang der Einlagen über die Entnahmen/Ausschüttungen. Die Regelung übernimmt unverändert die missglückte Formulierung, wonach der Einlage-/Entnahmezeitraum dem Wortlaut nach scheinbar nicht begrenzt ist.3 Einzig sinnhafte Auslegung ist es jedoch, den Beobachtungszeitraum der Einlagen und Entnahmen auf den Zeitraum von zwei Jahren vor dem Übertragungsstichtag zu beschränken. 197 Weitere, kumulativ hinzutretende Voraussetzung ist, dass die Finanzmittel dem Betrieb im Besteue-
rungszeitpunkt weniger als zwei Jahre zuzurechnen waren (Satz 2 Halbs. 1). Dies setzt nach hier vertretener Ansicht sowohl begriffsnotwendig als auch gesetzessystematisch voraus, dass diese Finanzmittel dem Betrieb im Besteuerungszeitpunkt auch noch zuzurechnen sind in dem Sinne, dass sie am Stichtag – zumindest als Summe – noch vorhanden sind. Erste Erkenntnis ist damit, dass durch Einlage nicht mehr junge Finanzmittel produziert werden können, als Finanzmittel (brutto) am Besteuerungsstichtag vorhanden sind. 198 Als Rechtsfolge ordnet § 13b Abs. 4 Nr. 5 Satz 2 Halbs. 2 ErbStG an, dass junge Finanzmittel stets
auch Verwaltungsvermögen sind. Damit richtet sich der Gesetzgeber in erster Linie gegen die Systematik des bis zum 30.6.2016 geltenden Rechts, wonach ohne das zuvor zu prüfende Vorhandensein von (Finanzmittel-)Verwaltungsvermögen auch kein „junges“ (Finanzmittel-)Verwaltungsvermögen entstehen konnte.4 Obwohl nunmehr Finanzmittel-Verwaltungsvermögen zwar erst nach Abzug eines 15 %igen Freibetrages vom gemeinen Wert entsteht, können junge Finanzmittel jedoch als Verwaltungsvermögen selbständig und unterhalb dieser Schwelle durch Einlage-Überhang entstehen, da die 15 %-Grenze hierbei nicht zu berücksichtigen ist. Damit stellt sich die weitergehende Frage, ob junge Finanzmittel als Verwaltungsvermögen auch durch Einlage-Überhang entstehen können, soweit durch die Einlage nur ein Schuldenüberhang des Betriebes aufgefüllt wird. Bezieht man die Definition der Finanzmittel in Satz 1 auf die „Brutto“-Finanzmittel (vgl. Rz. 182), können durch Einlage-Überhang dementsprechend Finanzmittel als Verwaltungsvermögen entstehen, wenn auf der 1 2 3 4
Anders daher Brüggemann, ErbBstg 2013, 20 (23 f.). Korezkij, DStR 2013, 1764 (1765) m.w.N. Korezkij, DStR 2016, 2434 (2438). Stalleiken, DB 2013, 1382 (1384).
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Investitionsklausel (Abs. 5)
Rz. 202 § 13b ErbStG
Aktivseite noch Finanzmittel am Besteuerungsstichtag vorhanden sind, ungeachtet einer etwaigen Schuldensaldierung im Rahmen der „normalen“ Verwaltungsvermögensprüfung des Satzes 1. Dies mag das folgende Beispiel verdeutlichen: Beispiel: Im Betriebsvermögen des Betriebes bestehen Finanzmittel i.H.v. 100 und Schulden von 120. Kurz vor dem Übertragungsstichtag legt der Erblasser weitere Geldmittel i.H.v. 50 ein. Da auf der Aktivseite am Übertragungsstichtag Finanzmittel von nunmehr 150 stehen, sind die eingelegten 50 zur Gänze „jung“. Versteht man den Finanzmittelbegriff „netto“, könnten höchstens 30 der eingelegten 50 (nämlich der Saldo aus Finanzmitteln 150 abzgl. Schulden 120) „jung“ sein.
199
Abwandlung: Nach der Einlage werden von den 150 Finanzmitteln 140 für den Erwerb einer Produktionsmaschine verbraucht. Da am Übertragungsstichtag nur noch „brutto“-Finanzmittel von 10 vorhanden sind („dem Betrieb zuzurechnen sind“), können von den eingelegten 50 nur 10 „jung“ sein.
Die Finanzverwaltung will bei der Berechnung der jungen Finanzmittel ausweislich der gleich lau- 200 tenden Erlasse vom 10.10.20131 die Einlagen und Entnahmen für jeden Gesellschafter im Grundsatz gesondert berechnen. Anstatt allerdings nur die Einlagen des jeweils betroffenen Gesellschafters, diese dann aber vollständig, zu erfassen, sollen zunächst sämtliche Einlagen und Entnahmen aller Gesellschafter in das Gesamthandsvermögen addiert werden und danach mit dem maßgeblichen Gewinnverteilungsschlüssel auf die Gesellschafter aufgeteilt werden. An dieser Stelle ist nicht einsichtig, warum die Finanzverwaltung eine Aufteilung aller Einlagen nach dem Gewinnverteilungsschlüssel vornehmen will. M.E. wäre es geboten, nur die Einlagen des jeweiligen Gesellschafters zu berücksichtigen,2 um mögliche Fremdeinwirkungen durch überschießende Einlagen anderer Gesellschafter auszuschließen. Anderes soll denn auch für Einlagen in das Sonderbetriebsvermögen gelten (nur Zurechnung zum einlegenden Gesellschafter). 7. Ausnahmen Auch Finanzmittel stellen ausnahmsweise kein Verwaltungsvermögen dar, wenn sie dem Hauptzweck 201 des Gewerbebetriebes eines Kreditinstitutes oder eines Finanzdienstleistungsinstitutes i.S.d. § 1 Abs. 1 und 1a KWG zuzurechnen sind. Zu den Tatbestandsmerkmalen der Ausnahme vgl. bereits Rz. 153 ff. Obwohl die Berechnung der jungen Finanzmittel von deren Verwaltungsvermögenseigenschaft entkoppelt ist, können systemimmanent bei Kreditinstituten und Finanzdienstleistungsinstituten, die unter die Bereichsausnahme fallen, durch Einlagen keine jungen Finanzmittel entstehen.
F. Investitionsklausel (Abs. 5) I. Ausnahme vom Stichtagsprinzip Nach Beratung der Koalitionsspitzen ist während des Gesetzgebungsverfahrens zum ErbStAnpG 202 2016 mit § 13b Abs. 5 ErbStG eine für den Steuerpflichtigen günstige Neuerung in das Gesetz aufgenommen worden. Grundsätzlich sieht das Begünstigungsregime der Erbschaft- und Schenkungsteuer ein strenges Stichtagsprinzip vor (Rz. 13). Dies beinhaltet insbesondere die Vorgabe, dass die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme der Begünstigungen im Steuerentstehungszeitpunkt (Erbfall oder Ausführung der Schenkung) vorliegen müssen. Dementsprechend muss auch das Verwaltungsvermögen streng stichtagsbezogen identifiziert und bewertet werden. Frühere oder spätere Veränderungen der Verwaltungsvermögensquote haben grundsätzlich keine Auswirkungen auf die Inanspruchnahme der Begünstigung im Zeitpunkt der Steuerentstehung. Von diesem strengen Stichtagsprinzip sieht Abs. 5 nunmehr eine Ausnahme vor.3 Die Vorschrift gestattet es dem Steuerpflichtigen, in Erbfällen unter bestimmten Voraussetzungen auch im Nachhinein Verwaltungsvermögen in 1 BStBl. I 2013, 1272, Tz. 4. 2 So auch Korezkij, DStR 2013, 1764 (1768). 3 Koretzkij, DStR 2016, 2434 (2440).
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§ 13b ErbStG Rz. 203 Begünstigtes Vermögen Nicht-Verwaltungsvermögen „umzuwandeln“ und so seine Verwaltungsvermögensquote zu verbessern, um daraus folgend seine Steuerbelastung rückwirkend zu reduzieren.
II. Investition von Verwaltungsvermögen und Finanzmittel-Verwaltungsvermögen 203 Gemäß § 13b Abs. 5 Satz 1 ErbStG entfällt bei Erwerb von Todes wegen die Zurechnung von Ver-
mögensgegenständen zu Verwaltungsvermögen rückwirkend auf den Zeitpunkt der Steuerentstehung, wenn der Erwerber innerhalb von zwei Jahren ab diesem Zeitpunkt diese Vermögensgegenstände in andere Vermögensgegenstände investiert, die kein Verwaltungsvermögen darstellen. Der rückwirkende Entfall der Zurechnung eines investierten Wirtschaftsgutes zum Verwaltungsvermögen i.S.d. § 13b Abs. 4 ErbStG ändert die rechtliche Qualifikation des Wirtschaftsgutes für die Begünstigungsprüfung umfassend; er bewirkt somit insbesondere auch den rückwirkenden Entfall der Qualifikation als junges Verwaltungsvermögen i.S.d. § 13b Abs. 7 Satz 1 ErbStG, wenn nachträglich ein Wirtschaftsgut umgeschichtet wird, welches im Erbfall als junges Verwaltungsvermögen zu qualifizieren war, da es dem Betrieb noch keine zwei Jahre angehörte. 204 Die Investitionsklausel gilt nur beim Erwerb von Todes wegen, nicht jedoch bei Schenkungen. Bei
Schenkungen unterstellt der Gesetzgeber einen hinreichenden Planungshorizont des Steuerpflichtigen, so dass er eine spätere „Heilungsmöglichkeit“ für Verwaltungsvermögen nicht für erforderlich hält. 205 Die Investition hat in Vermögen zu erfolgen, dass „unmittelbar einer Tätigkeit im Sinne des § 13
Abs. 1, § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 oder § 18 Abs. 1 Nr. 1 und 2“ EStG dient – sie hat somit innerhalb eines originär land- und forstwirtschaftlichen, originär gewerblichen oder originär freiberuflichen Betriebes oder einer solchen Gesellschaft zu erfolgen; eine Investition in eine (nur) gewerblich geprägte Personengesellschaft ist nicht begünstigt.1 206 Die rückwirkende Änderung tritt ein, wenn der Erwerber Vermögensgegenstände i.S.d. § 13b Abs. 4
Nr. 1 bis 5 ErbStG in Gegenstände des Nicht-Verwaltungsvermögens „investiert hat“. Der Gesetzgeber hat hier bewusst nicht den Begriff der „Veräußerung“ gewählt, da man insbesondere Finanzmittel i.S.d. § 13b Abs. 4 Nr. 5 ErbStG nicht veräußern kann. Bei den sonstigen materiellen Verwaltungsvermögenswirtschaftsgütern der Nr. 1 bis 4 ist also erforderlich, dass diese veräußert werden und der Veräußerungserlös in Nicht-Verwaltungsvermögen investiert wird. Bei Finanzmitteln i.S.d. Nr. 5 ist demgegenüber der schlichte Erwerb von Gegenständen des Nicht-Verwaltungsvermögens ausreichend. Die Umschichtung, also die Veräußerung und der Erwerb, müssen innerhalb von zwei Jahren nach dem Steuerentstehungszeitpunkt vollzogen sein. Ausreichend für diesen Vollzug dürfte freilich sein, wenn der Steuerpflichtige das Wirtschaftsgut des Nicht-Verwaltungsvermögens bereits bestellt hat und die aus der Veräußerung generierte Liquidität hieraus als Anzahlung geleistet hat. Eine spätere Lieferung des Investitionswirtschaftsguts dürfte demgegenüber unschädlich sein. Vom Wortlaut nicht gedeckt ist – ähnlich wie bei der Reinvestitionsklausel des § 13a Abs. 6 Sätze 3, 4 ErbStG – eine Umkehrung des Vorgangs dergestalt, dass zunächst das Investitionswirtschaftsgut (aus vorhandenen Mitteln) angeschafft wird und später, innerhalb der zwei Jahre, das Verwaltungsvermögenswirtschaftsgut veräußert wird. Ausweislich des Wortlautes liegt nämlich insoweit keine „Investition dieser Vermögensgegenstände in Vermögensgegenstände“ des Nicht-Verwaltungsvermögens vor. Ob die Finanzverwaltung in den kommenden Erbschaftsteuer-Richtlinien auch die Investition durch Ablösung betrieblicher Verbindlichkeiten zulassen wird, ist derzeit offen. Insgesamt wäre es wünschenswert, wenn man sich an den Vorgaben orientiert, die auch für die Reinvestitionsklausel gem. § 13a Abs. 6 Sätze 3, 4 ErbStG gelten (gelungene Investition durch Ablösung betrieblicher Verbindlichkeiten und durch Stehenlassen des Veräußerungsgewinns, wenn hierdurch kein Finanzmittel-Verwaltungsvermögen entsteht oder sich solches erhöht, vgl. § 13a ErbStG Rz. 208). Gegen eine solche großzügige Anwendung könnte freilich Satz 3 sprechen, der einen Sonderfall der Zahlung auf betriebliche Verbindlichkeiten regelt (Rz. 213 f.), der ansonsten redundant wäre. 207 Voraussetzung ist ferner, dass die Investition innerhalb des vom Erblasser erworbenen begüns-
tigungsfähigen Vermögens i.S.d. Abs. 1 erfolgt. Der Wortlaut spricht also eher dafür, dass eine In1 Jülicher in T/G/J, § 13b ErbStG Rz. 362 (Stand: November 2016).
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Investitionsklausel (Abs. 5)
Rz. 212 § 13b ErbStG
vestition in demselben Betriebsvermögen zu erfolgen hat, das auch Gegenstand des unentgeltlichen Erwerbs war. Voraussetzung ist m.a.W., dass die Investition innerhalb desselben Betriebes oder innerhalb desselben Verbundes i.S.d. § 13b Abs. 9 ErbStG erfolgt. Sind mehrere Beteiligungen Gegenstand des Erwerbs, dürfte eine Investition folglich nur innerhalb derselben betrieblichen Einheit erfolgen, bei der die Verwaltungsvermögensquote verbessert werden soll. Eine „Quer“-Investition über verschiedene betriebliche Einheiten oder Verbünde dürfte demgegenüber unzulässig sein. Weitere qualifizierende Voraussetzung ist, dass die Investitions-Wirtschaftsgüter „unmittelbar“ einer 208 originär land- und forstwirtschaftlichen, gewerblichen oder freiberuflichen Tätigkeit dienen. Hiermit will der Gesetzgeber sicherstellen, dass keine „passiven“ Wirtschaftsgüter angeschafft werden, die zwar kein Verwaltungsvermögen darstellen, aber auch keine unmittelbaren betrieblichen Zwecke erfüllen. Die Frage, wie ein „unmittelbares Dienen“ nachgewiesen werden kann, ist unklar und dürfte in Grenzfällen zu Konfliktpotential mit der Finanzverwaltung oder Betriebsprüfung führen. In diesem Zusammenhang erscheint es sinnvoll, auf die ertragsteuerlichen Grundsätze zum notwendigen und/oder gewillkürten Betriebsvermögen abzustellen. Nach hier vertretener Auffassung reicht eine potentielle Eignung als gewillkürtes (Sonder-)Betriebsvermögen aus, da hierbei ein immer noch hinreichender Nutzungszusammenhang mit dem Gesellschaftszweck besteht. Keine Voraussetzung ist, dass die angeschafften Ersatzwirtschaftsgüter während der (restlichen) Be- 209 haltensfrist im Betrieb verbleiben. Insbesondere kann also auch eine Investition in verbrauchbares Umlaufvermögen erfolgen.1 Schließlich ist Voraussetzung einer gelungenen Investition, dass diese auf einem im Zeitpunkt der 210 Steuerentstehung vorgefassten Plan des Erblassers basiert und keine anderweitige Ersatzbeschaffung von Verwaltungsvermögen vorgenommen wird oder wurde (§ 13b Abs. 5 Satz 3 ErbStG). Erstere Voraussetzung wirft zum einen inhaltliche Fragen auf, zum anderen stellt sie den Erwerber nicht selten vor erhebliche Nachweisprobleme. Aus Sicht der Praxis ist anzumerken, dass kaum ein Erblasser mit einem vorgefassten Plan verstirbt.2 Daher dürfen hieran m.E. keine zu hohen Anforderungen gestellt werden. Ausreichend ist es, wenn der Erblasser jedenfalls mittelfristig-generell beabsichtigte, sich von Gegenständen des Verwaltungsvermögens zu lösen und stattdessen andere betriebliche Gegenstände anzuschaffen. Eine weitergehende Konkretisierung (welcher Gegenstand des Verwaltungsvermögens soll veräußert werden? Welcher Gegenstand des Nicht-Verwaltungsvermögens soll angeschafft werden?) kann m.E. nicht verlangt werden. Die abstrakte und mittelfristige Absicht des Erblassers reicht hierzu aus. Hinsichtlich des Nachweises ergibt sich ein ähnliches Problem wie bei den Poolvertragsregelungen. Der vorgefasste Plan bedarf keineswegs einer bestimmten Form. Weder ist er schriftlich abzufassen noch muss der Erblasser diesen auch nur geäußert haben. Es handelt sich um ein rein subjektives Tatbestandsmerkmal, das grundsätzlich keiner Vergegenständlichung bedarf. Dies kann beim Erwerber durchaus zu erheblichen Nachweisproblemen führen. Hilfreich und ausreichend ist in diesem Zusammenhang also jedenfalls, wenn sich noch handschriftliche Notizen,3 aber auch Zeugen für ein mündliches Gespräch4 finden lassen, in dem der Erblasser seinen entsprechenden Willen zum Ausdruck gebracht hat.
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Praxishinweis: Es empfiehlt sich bei entsprechender Investitionsabsicht, diesen vorgefassten 211 Plan des Erblassers turnusmäßig zu dokumentieren.5 Hierzu könnte bspw. dem Jahresabschluss ein informeller Anhang angefügt werden, der die Verwendung bestimmter Wirtschaftsgüter des Betriebsvermögens skizziert. Da dem Unternehmen ohnehin zu empfehlen ist, für die Wirtschaftsgüter des Verwaltungsvermögens ein Monitoring einzuführen, bietet sich dies an.
Eine andere Frage ist, ob der Erblasser kraft seiner Gesellschafterstellung die Umsetzung des vor- 212 gefassten Planes überhaupt bewirken konnte. Hierauf kommt es m.E. jedoch nicht an. Auch ein Erblasser als Kommanditist ohne Befugnis zur Geschäftsführung oder Minderheitsgesellschafter ohne faktischen Einfluss auf die Gesellschaft kann einen vorgefassten Plan haben, der von der Geschäfts1 Gl.A. Wachter, FR 2016, 690 (694). 2 Zutr. Wachter, FR 2016, 690 (694). 3 Söffing, ErbStB 2016, 235 (245): ausreichend ist z.B. Einholung von Informationsmaterial über die anzuschaffende Maschine. 4 Wachter, FR 2016, 690 (694). 5 Reich, BB 2016, 2647 (2648).
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§ 13b ErbStG Rz. 213 Begünstigtes Vermögen führung oder Gesellschafterversammlung tatsächlich umgesetzt wird. Auf die „Kausalität“ des Erblassers für die Investition kommt es hierbei nicht an.
III. Abbau von Finanzmitteln durch Gehaltszahlungen 213 Für den Abbau von zu hohen Finanzmitteln i.S.d. Abs. 4 Nr. 5 enthält Satz 3 noch eine Sonderinvesti-
tionsregelung. Danach kann Finanzmittel-Verwaltungsvermögen binnen zwei Jahren nach dem Erbfall dadurch abgebaut werden, dass hiermit lohnsummenrelevante Löhne und Gehälter i.S.d. § 13a Abs. 3 Satz 6 bis 10 ErbStG gezahlt werden. Zum einen sind die Finanzmittel also zur Zahlung von Löhnen und Gehältern aufzuwenden. Ausweislich des Wortlauts (Vergütungen i.S.d. § 13a Abs. 3 Satz 6 bis 10 ErbStG) darf jedoch auf solche Löhne und Gehälter geleistet werden, die in die Lohnsummenberechnung i.S.d. vorgenannten Vorschriften einzubeziehen sind (zur Einbeziehung von Löhnen und Gehältern vgl. § 13a ErbStG). Dies betrifft also nur Löhne und Gehälter von Mitarbeitern, die im Inland, der EU und dem EWR beschäftigt sind. Mitarbeiter in Drittlands-Gesellschaften und in Kapitalgesellschaften, an denen die mittelbare oder unmittelbare Beteiligung nicht mehr als 25 % beträgt, sind in diese Berechnung nicht mit einzubeziehen. Folglich kann auf deren Löhne und Gehälter nicht mit Investitionswirkung geleistet werden. 214 Ferner ist Voraussetzung, dass die Zahlung auf die Löhne und Gehälter erfolgt, da „aufgrund wieder-
kehrender saisonaler Schwankungen“ Einnahmen fehlen. Unklar ist, wie dieses „Fehlen“ ermittelt werden soll. Denkbar ist, dass die Zahlung der Löhne und Gehälter aus der Kapitalreserve erfolgt, weil diesen Löhnen und Gehältern im Zahlungsmonat keine ausreichenden Einnahmen, d.h. Betriebsvermögensmehrungen aus der saisonal schwankenden operativen Tätigkeit, gegenüberstehen (dürfen). 215 Insgesamt ist zu bemängeln, dass die Voraussetzungen der Investitionsklausel sehr restriktiv gehalten
sind, und im Einzelfall daher vielfach aufgrund der hohen Voraussetzungen eine erfolgreiche Reinvestition scheitern dürfte. Wünschenswert wäre es, wenn die Finanzverwaltung in den ErbschaftsteuerRichtlinien klarstellende Hinweise zur Handhabung der Investitionsklausel gibt und den Anwendungsbereich auf die wirtschaftlich und praktisch sinnvollen Fälle erstreckt.
G. Schuldenverrechnung (Abs. 6) 216 Durch die Ermahnung des BVerfG zur Beseitigung der starren 50 %-Grenze beim Verwaltungsver-
mögenstest und dem Wechsel zur konsolidierten Verbundvermögensaufstellung (s.o.) ist ein neuer Umgang mit betrieblichen Schulden erforderlich geworden. Bis zum 30.6.2016 wurde das Verwaltungsvermögen „brutto“, also ohne Berücksichtigung etwaiger darauf lastender Verbindlichkeiten, erfasst und mit dem Unternehmenswert „netto“, also vermindert um die Schulden des Unternehmens, verglichen (vgl. hierzu Rz. 286). Diese für den Steuerpflichtigen grundsätzlich nachteilige Berechnungsweise war nur durch die großzügige 50 %-Grenze gerechtfertigt. 217 Da das System nunmehr davon abkehrt und das Verwaltungsvermögen grundsätzlich von der Privi-
legierung ausnehmen will, ist es erforderlich, auch Schulden bei der Ermittlung der gemeinen Werte des nicht begünstigten Verwaltungsvermögens zu berücksichtigen. Dementsprechend sieht das Gesetz vor, dass nach Identifikation und Bewertung des (jungen) Verwaltungsvermögens, des (jungen) Finanzmittel-Verwaltungsvermögens sowie der Schulden (ggf. im Verbund) ein etwaiger Schuldenüberhang, also solche Schulden, die weder mit Deckungsvermögen aus Altersvorsorgeverpflichtungen saldiert wurden noch bei der Berechnung des Finanzmittel-Verwaltungsvermögens abgezogen wurden, im Grundsatz anteilig auf das Verwaltungsvermögen und das begünstigte Vermögen verteilt wird. Auf diese Weise wird das Netto-Verwaltungsvermögen berechnet. 218 Die anteilige Zuordnung des Schuldenüberhangs zum Verwaltungsvermögen erfolgt in der Weise,
dass zunächst der Schuldenüberhang zum gemeinen Wert des Betriebes addiert wird. Auf diese Weise wird als Vergleichsrechengröße der „Bruttowert des Aktivvermögens“ abgebildet. Der Rechenschritt ist erforderlich, um das richtige Verhältnis zwischen Verwaltungsvermögen und Nicht-Verwaltungsvermögen zu ermitteln. 574
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Unschädliches Verwaltungsvermögen (Abs. 7)
Rz. 224 § 13b ErbStG
Beispiel: In einem Unternehmen (Wert 1 000) liegen Verwaltungsvermögen i.H.v. 600 und Produktivvermögen von 600 sowie Schulden von 200 vor (Buchwerte = Verkehrswerte, Eigenkapital dementsprechend 1 000). Dies ergibt folgendes Bilanzbild:
219
Wert: 1 000 Verwaltungsverm.
600 Eigenkapital
Produktivverm.
600 Schulden
1 200
1 000 200
1 200
Um das richtige Verhältnis von Verwaltungsvermögen zu Produktivvermögen (nämlich 50 %/50 %) zu ermitteln, ist es zunächst erforderlich, den gemeinen Wert von 1 000 um den Schuldenüberhang von 200 zu erhöhen. Setzt man sodann das Verwaltungsvermögen (600) zum erhöhten gemeinen Wert (1 200) ins Verhältnis, ergibt sich der rechnerisch „richtige“ Prozentsatz des Verwaltungsvermögens von 50 %. Setzte man das Verwaltungsvermögen (600) schlicht zum gemeinen Wert (1 000) ins Verhältnis, wäre der Prozentsatz verfälscht (60 %).
Bei der Schuldenverrechnung nach § 13b Abs. 6 ErbStG ist ggf. eine Kürzung des Schuldenüberhangs 220 um wirtschaftlich nicht belastende Schulden und um Schulden, die den Durchschnitt der letzten drei Jahre übersteigen, vorzunehmen (vgl. hierzu Rz. 229 ff.).
H. Unschädliches Verwaltungsvermögen (Abs. 7) I. Grundsatz (Abs. 7 Satz 1) § 13b Abs. 7 Satz 1 ErbStG regelt einen Rechenschritt auf dem Weg zur Ermittlung des begünstigten 221 Vermögens, bei dem ein gewisser Anteil des schädlichen „Netto-Verwaltungsvermögens“ i.S.d. Abs. 6 noch dem begünstigten Vermögen zugeschlagen wird („Kulanzpuffer“). Rechnerisch erfolgt dies, indem vom gemeinen Wert des „Netto-Verwaltungsvermögens“ ein Betrag i.H.v. 10 % des gemeinen Wertes des begünstigten Vermögens (nicht des begünstigungsfähigen Vermögens!) abgezogen wird. Der Rechenschritt kann durch das folgende vereinfachte Beispiel verdeutlicht werden: Beispiel: In einem Unternehmen (Verkehrswert 1 000) befindet sich Verwaltungsvermögen (Verkehrswert 300) und Produktivvermögen (Verkehrswert 700). Vom Wert des Verwaltungsvermögens i.H.v. 300 werden nunmehr 10 % von 700 = 70 dem begünstigten Vermögen zugeschlagen. Das verminderte Netto-Verwaltungsvermögen beträgt demnach 230 und das begünstigte Vermögen 770.
222
II. Ausnahmen für junges Verwaltungsvermögen und junge Finanzmittel (Abs. 7 Satz 2) 1. Legaldefinition des jungen Verwaltungsvermögens § 13b Abs. 7 Satz 2 Halbs. 1 ErbStG enthält die Legaldefinition des jungen Verwaltungsvermögens. 223 Danach stellt „Verwaltungsvermögen, das dem Betrieb im Zeitpunkt der Entstehung der Steuer (§ 9) noch keine zwei Jahre zuzurechnen war“, junges Verwaltungsvermögen dar. Die Norm dient der Vermeidung von Missbräuchen, die der Verwaltungsvermögenstest dadurch er- 224 möglicht, dass er nach wie vor ein gewisses Maß an unschädlichem Verwaltungsvermögen erlaubt (Kulanzpuffer), welches der Steuerpflichtige nutzen könnte, um noch weiteres Vermögen aus seinem Privatvermögen in das Betriebsvermögen zu überführen und es anschließend durch den Verschonungsabschlag begünstigt zu übertragen. Junges Verwaltungsvermögen kann nur vorliegen, wenn das in Rede stehende Wirtschaftsgut überhaupt Verwaltungsvermögen darstellt.1 Soweit also durch Ausnahmen von der Verwaltungsvermögensqualifikation kein Verwaltungsvermögen i.S.d. § 13b Abs. 4 1 Wachter in F/J/P/W5, § 13b ErbStG Rz. 357; Jülicher in T/G/J, § 13b ErbStG Rz. 325 (Stand: Juli 2015); Stalleiken, DB 2013, 1382 (1384).
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§ 13b ErbStG Rz. 225 Begünstigtes Vermögen Nr. 1 bis 5 ErbStG vorliegt (z.B. Dritten zur Nutzung überlassener Grundbesitz eines „Wohnungsunternehmens“, dazu Rz. 135), kann denknotwendig insoweit auch kein junges Verwaltungsvermögen vorliegen. 225 Der Wortlaut der gesetzlichen Regelung („zuzurechnen ist“) legt eine überschießende Tendenz nahe,
da er nicht auf Einlagefälle beschränkt ist. Erfasst sein soll nach Auffassung der Finanzverwaltung1 insbesondere auch die Anschaffung von Verwaltungsvermögen aus betrieblichen Mitteln (Aktivtausch) sowie möglicherweise sogar das Umschichten von Verwaltungsvermögen innerhalb eines Unternehmensverbundes.2 Einschränkend wird lediglich zugestanden, dass Vermögensgegenstände kein junges Verwaltungsvermögen sind, wenn sie seit zwei Jahren und mehr zum Betriebsvermögen gehörten und die Kriterien für Verwaltungsvermögen erst innerhalb der letzten zwei Jahre eingetreten sind.3 Die wohl überwiegende Auffassung in der Literatur4 vertritt hingegen eine teleologische Restriktion, wonach zumindest die Veräußerung von Verwaltungsvermögen und subsequente Anschaffung von (ggf. gleichartigem) Verwaltungsvermögen (Aktivtausch Verwaltungsvermögen in Verwaltungsvermögen, z.B. bei der Umschichtung von Wertpapierdepots) nicht dazu führen soll, dass das neu erworbene Verwaltungsvermögen wieder für zwei Jahre „jung“ ist. Allerdings hat der Gesetzgeber bereits in mehreren Gesetzgebungsverfahren die Möglichkeit zur Klarstellung ungenutzt gelassen,5 so dass davon auszugehen ist, dass das Verwaltungsverständnis von der Vorstellung des Gesetzgebers gedeckt ist. 226 Bis zum 30.6.2017 bedingten die erschaftsteuerliche Transparenz der Personengesellschaft (Rz. 45)
und die erbschaftsteuerliche Instransparenz der Kapitalgesellschaft (Rz. 60) eine gesetzestechnische Unterscheidung: Bei Personengesellschaften war das einzelne Wirtschaftsgut des Verwaltungsvermögens „jung“, soweit es, ggf. anteilig, dem Gesellschafter vermittelt über seine gesamthänderische Berechtigung am Gesellschaftsvermögen zuzurechnen war (§ 13b Abs. 2 Satz 3 ErbStG a.F.). Bei der Kapitalgesellschaft bedurfte es einer anderen Berechnungsweise, da aufgrund der Intransparenz dem Gesellschafter keine Einzelwirtschaftsgüter anteilig zugerechnet werden konnten. Aus diesem Grunde wurde § 13b Abs. 2 Satz 7 ErbStG a.F. durch das JStG 20106 eingefügt und übernahm bis zur Änderung des ErbStG durch das ErbStGAnpG 2016 den Regelungsgehalt des Satzes 3 auch für Kapitalgesellschaften.7 Damit enthielt Satz 7 jedoch keine wirkliche „Neuerung“, sondern regelt nur, wovon Verwaltung und Literatur auch zuvor einhellig ausgingen, nämlich, dass die Regelungen über junges Verwaltungsvermögen nicht auf Personengesellschaften beschränkt waren.8 Mit Änderung der Systematik des Verwaltungsvermögenstests und Einführung der Verbundvermögensaufstellung (Abs. 9) durch das ErbStAnpG 2016 ist die Unterscheidung bedeutungslos geworden. 2. Rechtsfolgen 227 § 13b Abs. 7 Satz 2 ErbStG bestimmt, dass junges Verwaltungsvermögen und junges Finanzmittel-Ver-
waltungsvermögen nicht an der 10 %igen Kulanzgrenze teilnehmen. Die Regelung flankiert Abs. 8 Satz 3, wonach mindestens der gemeine Wert der jungen Finanzmittel und des jungen Verwaltungsvermögens der Besteuerung unterliegt.9 1 R E 13b.19 Abs. 1 Satz 2 und 3 ErbStR 2011. Der noch in Abschn. 34 Abs. 1 Satz 2 AEErbSt enthaltene Zusatz „in der Regel“ wurde sogar gestrichen, krit. hierzu Söffing/Thonemann-Micker, DB 2012, 593 (600); Stalleiken, Ubg 2011, 935 (938). 2 Scholten/Korezkij, DStR 2009, 147 (148 f.); Korezkij, Ubg 2009, 638 (641); Wachter in F/J/P/W5, § 13b ErbStG Rz. 359 m.w.N. 3 Als Beispiel kommt das Grundstück in Betracht, das über Jahre hinweg eigenbetrieblich genutzt war, aber während der letzten Monate vor der Übertragung an Dritte zur Nutzung überlassen wurde. 4 Z.B. Hannes/Steger, ErbStB 2009, 113 (117); Stalleiken, Ubg 2011, 935 (938); Hannes, NZG 2011, 1245 (1248 f.); Söffing/Thonemann-Micker, DB 2012, 593 (600); Felten, ZEV 2012, 84 (87); Mannek, ZEV 2012, 6 (13). 5 Zuletzt AmtshilfeRLUmsG v. 26.7.2013, BGBl. I 2013, 1809. 6 Gesetz v. 8.12.2010, BGBl. I 2010, 1768. 7 Eingehend Hannes/Steger/Stalleiken, BB 2010, 1439 (1442). 8 Von Oertzen, Ubg 2008, 57 (63); Schiffers, DStZ 2009, 610 (611); Scholten/Korezkij, DStR 2009, 147; Wachter in F/J/P/W5, § 13b ErbStG Rz. 364; Jülicher in T/G/J, § 13b Rz. 336 (Stand: November 2014); Abschn. 35 Abs. 4 i.V.m. Abs. 2 des Erlasses v. 25.6.2009, BStBl. I 2009, 713. 9 Viskorf/Löcherbach/Jehle, DStR 2016, 2425 (2427).
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Stalleiken
Sonderregelung für junges (Finanzmittel-)Verwaltungsvermögen
Rz. 233 § 13b ErbStG
I. Sonderregelung für junges (Finanzmittel-)Verwaltungsvermögen und wirtschaftlich nicht belastende sowie überdurchschnittliche Schulden (Abs. 8) § 13b Abs. 8 Satz 1 ErbStG bestimmt zunächst, dass junges Verwaltungsvermögen und junge Finanz- 228 mittel an der Schuldensaldierung nicht teilnehmen. Folge ist, dass junges Verwaltungsvermögen und junge Finanzmittel stets mit ihrem „Brutto“-Wert der verschonten Versteuerung unterliegen (vgl. hierzu auch Rz. 235). Hierfür wird also keine Nettogröße gebildet, indem von diesem weder die Schulden nach § 13b Abs. 4 Nr. 5 ErbStG abgezogen werden noch eine allgemeine Schuldenverrechnung nach § 13b Abs. 6 ErbStG durchgeführt wird. § 13b Abs. 8 Satz 2 ErbStG regelt allgemein, dass keine Schuldenverrechnung nach § 13b Abs. 6 229 ErbStG des Verwaltungsvermögens mit wirtschaftlich nicht belastenden Schulden und Schulden, die den durchschnittlichen Schuldenstand der letzten drei Jahre vor dem Steuerentstehungszeitpunkt übersteigen, zulässig ist. Der Begriff der wirtschaftlich nicht belastenden Schulden ist unscharf gefasst. Nach der Gesetzes- 230 begründung soll von einer fehlenden wirtschaftlichen Belastung dann ausgegangen werden, wenn eine bilanzielle überschuldete Gesellschaft nur deshalb nicht Insolvenz beantragen muss, weil der Gläubiger den Rangrücktritt erklärt hat.1 Unklar erscheint, warum der Gesetzgeber dies – augenscheinlich vor dem Hintergrund von Gestaltungsmissbrauch – regeln wollte. Letztlich dürfte damit gemeint sein, dass insbesondere bei Rangrücktritten, die Gesellschafter (aus welchen Gründen auch immer) erklärt haben, von einer wirtschaftlich nicht belastenden Schuld auf Gesellschaftsebene auszugehen ist. An der Realität geht dies freilich vorbei, jedenfalls in denjenigen Fällen, in denen es für den Rangrücktritt – wie praktisch regelmäßig – tragfähige betriebswirtschaftliche Gründe gibt. In mehrstufigen Konzernstrukturen im Rahmen der Verbundvermögensaufstellung verliert die Re- 231 gelung allerdings an Anwendungsbereich. Denn dort sind gruppeninterne Forderungen und Verbindlichkeiten bereits vor Aufnahme in die Verbundvermögensaufstellung zu saldieren (§ 13b Abs. 9 Satz 3 ErbStG, sogleich Rz. 242). Bei dieser Saldierungsanordnung ist es unbeachtlich, ob im Verhältnis Gläubiger zu Schuldner eine wirtschaftliche Belastung vorliegt.2 Eine Rangrücktrittserklärung z.B. einer Mutter-Konzerngesellschaft gegenüber ihren Tochtergesellschaften ist folglich für die Saldierung ohne Bedeutung; die Forderung und Verbindlichkeit wird bereits vor Aufnahme in die Verbundvermögensaufstellung beseitigt, so dass es bei der nachgelagerten Prüfung des Abs. 8 nicht mehr darauf ankommt, ob und inwieweit eine wirtschaftlich belastende Schuld vorlag. Die zweite Ausnahme von der Schuldenverrechnung betrifft den Fall, dass der Schuldenstand am 232 Übertragungsstichtag den durchschnittlichen Schuldenstand der letzten drei Jahre übersteigt, es sei denn, die Erhöhung des Schuldenstandes ist durch die Betriebstätigkeit veranlasst. Diesbezüglich ist also zunächst der durchschnittliche Schuldenstand der letzten drei Jahre vor dem Übertragungsstichtag zu ermitteln. Unklar ist, wie diese Ermittlung zu erfolgen hat, wenn – wie in der Regel – der Übertragungsstichtag nicht mit dem Bilanzstichtag zusammenfällt. Will man diesen durchschnittlichen Schuldenstand rollierend taggenau ermitteln – wovon mangels abweichender Anordnung im Gesetz ausgegangen werden muss –, sind also umfangreiche Ableitungsrechnungen aus den Bilanzen oder aber tagesgenaue Daten erforderlich. Dieser durchschnittliche Schuldenstand ist sodann mit dem Schuldenstand am Übertragungsstichtag zu vergleichen. Kann eine Erhöhung am Stichtag festgestellt werden, ist dieser Differenzbetrag vom verrechenbaren Schuldenüberhang abzuziehen.3 Völlig offen ist zudem, wie ein Steuerpflichtiger nachweisen kann, dass eine etwaige Erhöhung des 233 Schuldenstandes „durch die Betriebstätigkeit veranlasst“ ist. Eine solche Veranlassung durch die Betriebstätigkeit sollte insbesondere dann gegeben sein, wenn Differenzen im Schuldenstand nur aufgrund der Anschaffung von Wirtschaftsgütern des Nicht-Verwaltungsvermögens, ähnlicher betrieblicher Investitionen, aber auch aufgrund von Währungsdifferenzen o.ä. vorliegen. Angesichts der Tatsa-
1 BT-Drucks. 18/8911, 47; zust. Kotzenberg/Jülicher, GmbHR 2016, 1135 (1139). 2 Vgl. Korezkij, DStR 2016, 2434 (2442). 3 Korezkij, DStR 2016, 2434 (2443).
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§ 13b ErbStG Rz. 234 Begünstigtes Vermögen che, dass jedoch in vielen Fällen konkrete Betriebsvorfälle identifiziert werden müssen, die eine Auswirkung auf den Schuldenstand gehabt haben, darf diese Voraussetzung nicht unterschätzt werden. 234 In mehrstufigen Strukturen kann sich die Prüfung des durchschnittlichen Schuldenstandes nur auf
den durchschnittlichen Schuldenstand des Verbundes i.S.d. § 13b Abs. 9 ErbStG beziehen. Auch hierbei ist zu beachten, dass konzerninterne Verbindlichkeiten und Forderungen zu bereinigen sind. 235 § 13b Abs. 8 Satz 3 ErbStG regelt, dass als Nettowert des Verwaltungsvermögens mindestens der ge-
meine Wert des jungen Verwaltungsvermögens und der jungen Finanzmittel anzusetzen ist. Die Norm hat klarstellende Funktion. Nachdem bereits in Satz 1 klargestellt wurde, dass eine Verrechnung des Schuldenüberhangs mit jungem (Finanzmittel-)Verwaltungsvermögen nicht stattfindet und in § 13b Abs. 7 Satz 2 ErbStG klargestellt ist, dass der sog. „Kulanzpuffer“ für junges (Finanzmittel-)Verwaltungsvermögen nicht abgezogen wird, bestätigt § 13b Abs. 8 Satz 3 ErbStG nur den Charakter des jungen Verwaltungsvermögens und der jungen Finanzmittel als stets voll zu versteuerndes Vermögen.1 236 Dies führt zu einer insbesondere in größeren Unternehmensgruppen nicht zu unterschätzenden
Schwierigkeit. Selbst wenn der Wert des „normalen“ Verwaltungsvermögens i.S.d. Abs. 3 und 4 durch den „Kulanzpuffer“ des § 13b Abs. 7 Satz 1 ErbStG vollständig beseitigt wird, bleibt es Aufgabe und Herausforderung für das Unternehmen, ein geeignetes Überwachungssystem für junges Verwaltungsvermögen und junge Finanzmittel einzurichten. Da diese stets und ungemildert der Besteuerung unterliegen, kommt es im Übertragungsfall „ab dem ersten Euro“ zu einer Steuerlast beim Erwerber. Aus diesem Grunde muss die Entstehung von jungem Verwaltungsvermögen und jungen Finanzmitteln vom Unternehmen in jedem Fall nachgehalten werden.
J. Verbundvermögensaufstellung (Abs. 9) I. Konsolidierte Erfassung des Verwaltungsvermögens 237 Gemäß § 13b Abs. 9 ErbStG erfolgt seit dem 1.7.2016 in mehrstufigen Strukturen eine konsolidierte
Ermittlung des Verwaltungsvermögens und des Finanzmittel-Verwaltungsvermögens mittels einer sog. „Verbundvermögensaufstellung“. Gesetzgeberisches Ziel war es, die vom BVerfG beanstandete bisherige Stufenprüfung zu beseitigen, bei der in mehrstufigen Strukturen auf jeder Ebene gesondert zu prüfen war, ob das Verwaltungsvermögen die Grenze von 50 % jeweils über- oder unterschritt (§ 13b Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 ErbStG a.F., sog. „Holdingklausel“, vgl. Rz. 270). Um die hiermit verbundenen (positiven oder negativen) Kaskadeneffekte (vgl. Rz. 275) auszuschließen, sieht das Gesetz nunmehr eine konsolidierte Berechnung der Summe der gemeinen Werte des Verwaltungsvermögens vor.
II. Voraussetzungen im Umfang des Verbundes 238 Die Anwendung der Verbundvermögensaufstellung setzt voraus, dass zum begünstigungsfähigen
Vermögen i.S.d. § 13b Abs. 1 Nr. 2 und 3 ErbStG „unmittelbar oder mittelbar Beteiligungen an Personengesellschaften (…) oder unmittelbar oder mittelbar Anteile an Kapitalgesellschaften“ gehören. Fraglich und ausweislich des Wortlautes offen ist, ob damit eine Verbundvermögensaufstellung auch als „horizontaler Verbund“ zu erstellen ist, wenn der Erblasser bspw. drei GmbH-Beteiligungen unmittelbar hält. Auch in diesem Fall erscheint der Wortlaut insoweit erfüllt, als zu seinem begünstigungsfähigen Vermögen i.S.d. § 13b Abs. 1 ErbStG unmittelbar drei Beteiligungen gehören. Der Vorteil einer solchen Verbundvermögensaufstellung als Querverbund wäre, dass insbesondere auch Forderungen und Verbindlichkeiten zwischen diesen drei Gesellschaften uneingeschränkt zu saldieren wären und Verwaltungsvermögen jeder Gesellschaft durch den Gesamt-Kulanzpuffer aller Gesellschaften in begünstigtes Vermögen umgewandelt werden könnte. Die besseren systematischen Argu-
1 Viskorf/Löcherbach/Jehle, DStR 2016, 2425 (2427).
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Verbundvermögensaufstellung (Abs. 9)
Rz. 243 § 13b ErbStG
mente sprechen m.E. jedoch dafür, dass ein Gesellschafter mit jeder betrieblichen Einheit, an der er beteiligt ist, einen Verbund begründet und in diesen Verbund nur die jeweils unmittelbar und mittelbar nachgelagerten Gesellschaften (sowie ggf. Beteiligungen im Sonderbetriebsvermögen) einzubeziehen sind („vertikaler Verbund“). Demensprechend kann nach hier vertretender Auffassung eine natürliche Person auch mehrere Verbünde i.S.d. § 13b Abs. 9 ErbStG halten, bei denen jeweils eine Verbundvermögensaufstellung zu erstellen ist. Für diese Auffassung spricht eine gewisse Kontinuität zum zuvor geltenden Recht, nach dem die Verwaltungsvermögensprüfung auch auf Ebene jeder betrieblichen Einheit (ggf. unter Einbeziehung nachgelagerter Gesellschaften) durchzuführen und dementsprechend für jede betriebliche Einheit eine Verwaltungsvermögensquote zu ermitteln war. Die Finanzverwaltung hatte dies lediglich dahingehend konkretisiert, dass bspw. die Vollverschonungsoption nur einheitlich für alle betrieblichen Einheiten ausgeübt werden kann. Unterstellt man diesbezüglich eine gesetzgeberische Kontinuität, können nun auch verschiedene Verwaltungsvermögensquoten in den verschiedenen Verbünden einer natürlichen Person bestehen. Ob die Finanzverwaltung eine Abkehr vom bisherigen System erwägt, wird sich erst bei Veröffentlichung der Erbschaftsteuer-Richtlinien zweifelsfrei sagen lassen. Ebenso offen ist, ob der Verbund i.S.d. § 13b Abs. 9 ErbStG nun mitunternehmerbezogen zu erstel- 239 len ist,1 so dass die bisherige „gesellschafterbezogene Betrachtung“ der Finanzverwaltung bei der Ermittlung der Verwaltungsvermögensquote des jeweiligen Mitunternehmers bereits aus dem Gesetz folgt. Die besseren systematischen Gründe sowie der Wortlaut der Norm sprechen m.E. dafür, den Mitunternehmeranteil des übertragenden Gesellschafters als dessen Verbund anzusehen und das Sonderbetriebsvermögens innerhalb dieses Verbundes mit zu berücksichtigen. Bei Kapitalgesellschaften sprechen korrespondierend die besseren Gründe dafür, den Anteils des 240 Erblassers oder Schenkers an der Kapitalgesellschaft als dessen Verbund anzusehen, da das begünstigungsfähige Vermögen i.S.d. § 13b Abs. 1 ErbStG der Anteil an der Kapitalgesellschaft, und nicht die Kapitalgesellschaft ist. Verwerfungen in Gegensatz zu einer gesellschaftsbezogenen Berechnung durch Sonderbetriebsvermögen können sich bei Kapitalgesellschaften naturgemäß nicht ergeben. Wohl aber können bei einer anteilsbezogenen Berechnung Unterschiede hinsichtlich der „Kulanzgrenze“ sowie des Freibetrages nach § 13b Abs. 4 Nr. 5 ErbStG entstehen, wenn der Anteil des Gesellschafters aufgrund wertbeeinflussender Umstände mehr oder weniger wert ist, als der seinem Anteil am Nennkapital entsprechende Wert (vgl. auch § 97 Abs. 1b Satz 4 BewG). Dies erscheint allerdings auch sachgerecht. In die Verbundvermögensaufstellung aufzunehmen sind eigenes Vermögen und Schulden der jeweils 241 übertragenen betrieblichen Einheit (Holding-Gesellschaft) sowie das Vermögen und die Schulden nachgeordneter Gesellschaften, und zwar jeweils durchgerechnet beteiligungsanteilig. Kapitalgesellschaftsbeteiligungen von 25 % und weniger zählen vorbehaltlich einer Poolung zum Verwaltungsvermögen, so dass diesbezüglich kein weiterer Durchgriff auf die Einzelwirtschaftsgüter dieser Gesellschaften erfolgt.2 Als eine Besonderheit im Rahmen der Verbundvermögensaufstellung sieht das Gesetz vor, dass grup- 242 peninterne Forderungen und Verbindlichkeiten aus der Verbundvermögensaufstellung herausgekürzt werden, jedenfalls soweit sich die Beteiligungsquoten von Schuldnergesellschaft und Gläubigergesellschaft im Konzern decken (§ 13b Abs. 9 Satz 3 ErbStG).
III. Junges Verwaltungsvermögen im Verbund Offen ist, ob Umschichtungen von Verwaltungsvermögen innerhalb des Verbundes dazu führen, 243 dass insoweit junges Verwaltungsvermögen entsteht.3 An dem Wortlaut hat sich gegenüber § 13b Abs. 2 Satz 3 und 7 ErbStG a.F. nichts geändert; freilich ist in dem neuen System der Verbundver-
1 Dafür Korezkij, DStR 2016, 2434 (2435). 2 Stalleiken, Der Konzern 2016, 439 (441); Korezkij, DStR 2016, 2434 (2435). 3 Zur Interpretation des bisherigen Gesetzeswortlautes, § 13b Abs. 2 Satz 3 und 7 ErbStG a.F., vgl. Scholten/Korezkij, DStR 2009, 147 (148 f.); Söffing/Thonemann-Micker, DB 2012, 593 (600); Mannek, ZEV 2012, 6 (13).
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§ 13b ErbStG Rz. 244 Begünstigtes Vermögen mögensaufstellung eine solche Betrachtung fehl am Platz. Die normsystematische Auslegung des § 13b Abs. 7 Satz 2 i.V.m. Abs. 9 ErbStG gebietet es, hinsichtlich der Zugehörigkeit zum „Betrieb“ auf eine mehr als zweijährige Zugehörigkeit zum Verbund abzustellen.1 Friktionen können sich allenfalls insoweit ergeben, als das Verwaltungsvermögen von einer Gesellschaft, die nicht zu 100 % zum Verbund gehört, auf eine Gesellschaft verlagert wird, die zu 100 % zum Verbund gehört. 244 Beispiel: Die Holding-GmbH hält mittelbar durchgerechnet 90 % an der E1-GmbH und 100 % an der E2-GmbH. In der E1-GmbH ist (altes) Verwaltungsvermögen im Wert von 100 vorhanden. Dieses Verwaltungsvermögen wird von der E1-GmbH an die E2-GmbH verkauft. Da bereits mittelbar durchgerechnet 90 Punkte des Verwaltungsvermögens seit mehr als zwei Jahren zum Konzernverbund gehören, entsteht junges Verwaltungsvermögen nur i.H.v. 10.
245 Junges Verwaltungsvermögen im Verbund kann jedoch nach hier vertretener Auffassung durch Um-
strukturierung jedenfalls dann entstehen, wenn dadurch Verwaltungsvermögen erstmalig in den Verbund eintritt. 246 Beispiel: Der Erblasser hält 100 % der Geschäftsanteile an der E1 GmbH und E2 GmbH. In der E2 GmbH befindet sich Verwaltungsvermögen (nicht jung). Bringt nun E die Beteiligung an der E2 GmbH in die E1 GmbH ein (§ 21 UmwStG), so ist festzustellen, dass im Verbund der E1 GmbH nun Verwaltungsvermögen (im Betriebsvermögen der E2 GmbH) enthalten ist, welches diesen Verbund im Übertragungsstichtag noch keine zwei Jahre zugehörig war. Das Verwaltungsvermögen der E2 GmbH ist also nun im Verbund der E1 GmbH als junges Verwaltungsvermögen i.S.d. § 13b Abs. 7 Satz 2 ErbStG zu qualifizieren. Hätte E die Umstrukturierung umgekehrt vorgenommen und die E1 GmbH in die E2 GmbH eingebracht, wäre das Verwaltungsvermögen der E2 GmbH bereits länger als zwei Jahre in diesem Verbund gewesen.
247 Da nach dem Gesetzesbefehl des § 13b Abs. 9 Satz 2 Halbs. 2 ErbStG junges Verwaltungsvermögen
und junge Finanzmittel gesondert aufzuführen sind, bleibt freilich unklar, wie dies im Feststellungsverfahren tatsächlich zu handhaben ist. Die Feststellungsfinanzämter von nachgelagerten Gesellschaften können ohne Kenntnis des gesamten Konzerns kaum beurteilen, ob und zu welchem Anteil in „ihrer“ Gesellschaft Verwaltungsvermögen enthalten ist, welches dem Verbund noch keine zwei Jahre zuzurechnen war.
IV. Junge Finanzmittel im Verbund 248 Bei der Frage, ob und inwieweit junge Finanzmittel im Verbund entstehen können, besteht dieselbe
problematische Divergenz zwischen Gesetzestext und Gesetzessystematik, wie beim jungen Verwaltungsvermögen. Ausweislich der Definition in § 13b Abs. 4 Nr. 5 Satz 2 ErbStG entstehen junge Finanzmittel, soweit ein positiver Saldo der eingelegten und entnommenen Finanzmittel vorhanden ist, welche dem Betrieb im Zeitpunkt der Steuerentstehung weniger als zwei Jahre zuzurechnen waren (hierzu bereits Rz. 197). Auch hier wird in Übernahme des alten Gesetzestextes auf den Betrieb rekurriert, der im Rahmen der angeordneten Verbundbetrachtung des § 13b Abs. 9 ErbStG zu Abgrenzungsschwierigkeiten führt. Sollte also unter dem „Betrieb“ die jeweilige Gesellschaft, auch innerhalb eines Verbundes, zu verstehen sein, könnten junge Finanzmittel auch durch Einlage einer Muttergesellschaft in die Tochtergesellschaft dort entstehen.2 Gesetzessystematisch macht dies freilich im neuen System keinerlei Sinn. Daher ist nach hier vertretener Auffassung im Zusammenspiel von § 13b Abs. 4 Nr. 5 und Abs. 9 ErbStG der Verbund als Betrieb zu verstehen, so dass junge Finanzmittel im Verbund nur durch Einlage „von außen“ in den Verbund entstehen können.
1 Stalleiken, Der Konzern 2016, 439 (442). 2 Korezkij, DStR 2016, 2434 (2439).
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Verbundvermögensaufstellung (Abs. 9)
Rz. 252 § 13b ErbStG
V. Besonderheiten bei der Einbeziehung von Sonderbetriebsvermögen 1. Erstreckung des Verbundes auf den übertragenen Mitunternehmeranteil Bei Vorliegen von Sonderbetriebsvermögen eines Mitunternehmes an einer Mitunternehmerschaft 249 stellt sich die Frage, ob „der Verbund“ des Mitunternehmers sein Anteil einschließlich Sonderbetriebsvermögen ist oder ob „der Verbund“ die Mitunternehmerschaft ist und das Sonderbetriebsvermögen des Mitunternehmers in einem zweiten Schritt in die Berechnung einzubeziehen ist, wie des vor dem Inkrafttreten des ErbStAnpG 2016 war. Der Gesetzeswortlaut ist diesbezüglich m.E. offen und lässt beide Auslegungen zu. Die besseren systematischen Gründe sowie der Wortlaut der Norm sprechen m.E. allerdings dafür, den Mitunternehmeranteil des übertragenden Gesellschafters als dessen Verbund anzusehen und das Sonderbetriebsvermögens innerhalb dieses Verbundes mit zu berücksichtigen. Diese Wertung des Mitunternehmeranteils (einschl. Sonderbetriebsvermögen) als „Verbund“ entspräche der sog. gesellschafterbezogenen Betrachtung bis zum 30.6.2016 (dazu Rz. 288 ff.).
Û
Gestaltungshinweis: Da nur das tatsächlich auf den Erwerber übergehende Sonderbetriebsver- 250 mögen in die Verwaltungsvermögensprüfung einzubeziehen ist (zurückbehaltenes Sonderbetriebsvermögen ist schon nicht Gegenstand des Erwerbs und damit nicht Teil des dem Grunde nach begünstigungsfähigen Vermögens), kann die individuelle gesellschafterbezogene Verwaltungsvermögensquote des Einzelnen durch Mitübertragung oder Zurückbehalten von Sonderbetriebsvermögen maßgeblich beeinflusst werden. Z.B. kann zur Verringerung der gesellschafterbezogenen Verwaltungsvermögensquote „unschädliches“ Sonderbetriebsvermögen mitgeschenkt werden, während „schädliches“ Sonderbetriebsvermögen zurückbehalten werden kann. In gleicher Weise kann der gemeine Wert der übertragenen betrieblichen Einheit (als Vergleichswert für die Berechnung des Kulanzpuffers) durch Mitschenkung von positivem Sonderbetriebsvermögen oder Zurückbehalt von negativem Sonderbetriebsvermögen (insbes. Verbindlichkeiten im Sonderbetriebsvermögen) erhöht werden.
2. Berücksichtigung des § 97 Abs. 1a BewG auch im mitunternehmerbezogenen Verbund Im Rahmen der mitunternehmerbezogenen Verbundvermögensaufstellung stellt sich die Frage, ob 251 bei der Berechnung auch die Wertaufteilungsvorgaben des § 97 Abs. 1a BewG zu berücksichtigen sind. Nach der Vorschrift sind bei der Aufteilung des gemeinen Wertes einer Mitunternehmerschaft auf deren Gesellschafter die Kapitalkonten den jeweiligen Gesellschaftern vorab zuzurechnen und der nach Abzug der Kapitalkonten verbleibende Restwert nach dem Gewinnverteilungsschlüssel zu verteilen. Da bei mitunternehmerbezogener Prüfung des Verbundes jedem Gesellschafter ein Wertanteil am Ge- 252 samthandsvermögen zugewiesen wird, spricht m.E. viel dafür, auch für diese Wertaufteilung die Grundsätze des § 97 Abs. 1a BewG (zumindest entsprechend) heranzuziehen.1 Hierbei können dann unterschiedlich hohe Kapitalkonten zu einer Mehr- oder Minderzuweisung beim einzelnen Gesellschafter führen. Bei näherer Betrachtung ergibt sich jedoch durch diese Mehr- oder Minderzuweisung aufgrund der Einbeziehung der Kapitalkonten in die Wertverteilung, jedenfalls bezogen auf das Gesamthandsvermögen, keine Auswirkung auf die Berechnung des begünstigten Vermögens, und zwar aus folgendem Grund: Die mitunternehmerbezogenen Finanzmittel sowie die Verwaltungsvermögensquote berechnen sich durch einen Vergleich der auf den Gesellschafter entfallenden Finanzmittel und Schulden sowie des Anteils der gemeinen Werte der Wirtschaftsgüter des Verwaltungsvermögens im Gesamthandsvermögen (Zähler) zum Wert des Anteils des Gesellschafters am gemeinen Wert des Betriebes (Nenner). Vertritt man nun die Auffassung, dass bei einer unterschiedlich hohen Beteiligung am Eigenkapital dieser Umstand bei der Berechnung berücksichtigt werden muss (wofür gute Gründe sprechen), dann wäre dies konsequenterweise sowohl beim Anteil am Wert des Gesamthandsvermögens (Nenner) als auch beim Anteil an den Finanzmitteln, Schulden und am Wert des Verwaltungsvermögens (Zähler) maßgeblich. Es ist weder ein wirtschaftlicher noch ein rechtlicher Grund ersichtlich, warum die Aufteilungsregelung des § 97 Abs. 1a BewG nur auf einer Seite der Gleichung
1 Gl.A. Brüggemann, ErbBstg 2012, 20 (23 f.); vgl. auch das Beispiel bei Klümpen-Neusel, ErbBstg 2009, 95 (96).
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§ 13b ErbStG Rz. 253 Begünstigtes Vermögen entsprechend zu berücksichtigen sein soll. Im Gegenteil ergäbe sich eine „Schieflage“, wenn bei der Berechnung der „Kulanzgrenze“, des Freibetrages nach § 13b Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 ErbStG oder der Verwaltungsvermögensquote der Anteil am Gesellschaftswert unter Berücksichtigung der Kapitalkonten, der Anteil an den Finanzmitteln, Schulden sowie am Verwaltungsvermögen aber nur nach dem Gewinnverteilungsschlüssel erfasst würde.1
K. Feststellungsverfahren (Abs. 10) 253 § 13b Abs. 10 ErbStG regelt bis auf wenige redaktionelle Anpassungen das früher in § 13b Abs. 2a
ErbStG a.F. geregelte Feststellungsverfahren für die Summe der gemeinen Werte der Finanzmittel, der jungen Finanzmittel, des Verwaltungsvermögens und der Schulden. 254 Der heutige § 13b Abs. 10 ErbStG wurde seinerzeit als Abs. 2a durch das Steuervereinfachungsgesetz
20112 in § 13b ErbStG eingeführt und regelt die verfahrensrechtliche Durchführung des Verwaltungsvermögenstests. Die Norm bestimmt, dass das für die Bewertung der wirtschaftlichen Einheit örtlich zuständige Finanzamt (Betriebsfinanzamt der jeweiligen Gesellschaft) formell für die Feststellung der Summe der gemeinen Werte der Finanzmittel, jungen Finanzmitte und Schulden sowie der Wirtschaftsgüter des Verwaltungsvermögens und des jungen Verwaltungsvermögens zuständig ist. 255 Umstritten ist, ob in die Zuständigkeit der Betriebsfinanzämter auch die Entscheidung über die Qua-
lifikation einzelner Wirtschaftsgüter als Verwaltungsvermögen fällt. Hiergegen spricht zunächst der Wortlaut des § 13b Abs. 10 ErbStG, der nur die Feststellung der gemeinen Werte der Wirtschaftsgüter des Verwaltungsvermögens regelt. Dementsprechend lässt sich mit guten Gründen vertreten, dass die Qualifikationsentscheidung nach wie vor dem Erbschaft- und Schenkungsteuerfinanzamt obliegt, welches sodann im Wege eines Feststellungsauftrages an das Betriebsfinanzamt herantritt mit der Maßgabe, den vom Erbschaft- und Schenkungsteuerfinanzamt spezifizierten Wirtschaftsgütern im Wege der gesonderten Feststellung einen gemeinen Wert zuzuweisen. Nach Auffassung der Finanzverwaltung umfasst die Kompetenz der Betriebsfinanzämter hingegen auch die Qualifikationsentscheidung für oder gegen ein Verwaltungsvermögenswirtschaftsgut.3 Der Finanzverwaltung ist insoweit zuzugeben, dass dies im Sinne der Verfahrensökonomie liegen dürfte. Denn wenn die Qualifikationsentscheidung in der Hand der Erbschaft- und Schenkungsteuerfinanzämter läge, würde das zu einem „Hin und Her“ von Feststellungsbefehlen zwischen den einzelnen Finanzämtern führen. Im Wege normteleologischer Auslegung ließe sich auch argumentieren, dass die Feststellung der Summe der gemeinen Werte der Wirtschaftsgüter des Verwaltungsvermögens (Gesetzesbefehl) notwendigerweise auch die Qualifikationsentscheidung „a majore ad minus“ beinhaltet. Spiegelbildlich ist aber dann festzustellen, dass die Erbschaft- und Schenkungsteuerfinanzämter an die einmal festgestellten gemeinen Werte der Wirtschaftsgüter des Verwaltungsvermögens (und auch an die Qualifikationsentscheidung des Betriebsfinanzamts) gebunden sind, so dass den Erbschaft- und Schenkungsteuerfinanzämtern keine abweichende Entscheidung zu einzelnen Wirtschaftsgütern des Verwaltungsvermögens im betrieblichen Vermögen mehr möglich ist. 256 Ebenso wie bei der gesonderten Feststellung der gemeinen Werte der betrieblichen Einheiten
(§§ 151 ff. BewG) führt die Anordnung in § 13b Abs. 10 ErbStG in mehrstufigen Strukturen zu einer Vielzahl von Feststellungsverfahren. Befinden sich im Betriebsvermögen der betrieblichen Einheit Beteiligungen an weiteren Gesellschaften, die gem. § 13b Abs. 9 ErbStG in die Verbundvermögensaufstellung einzubeziehen sind, erfolgt die gesonderte Feststellung der gemeinen Werte des Verwaltungsvermögens durch das jeweils zuständige Betriebsfinanzamt. Dieses wird in der Regel vom Steuerpflichtigen die Abgabe einer Feststellungserklärung anfordern, um auf dieser Informationsbasis eine Feststellungsbescheid erlassen zu können. 257 Da dies in mehrgliedrigen Strukturen grundsätzlich dazu führen würde, dass für alle Gesellschaften
ein gesondertes Feststellungsverfahren durchgeführt werden müsste, sieht § 13b Abs. 10 Satz 1 a.E. 1 So aber Klümpen-Neusel, ErbBstg 2009, 95 (97), m.E. unzutreffend. 2 BGBl. I 2011, 2131. 3 Vgl. gleich lautender Erlass v. 21.6.2012, BStBl. I 2012, 712, Tz. 1.3.2.6 Buchst. c.
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Feststellungsverfahren (Abs. 10)
Rz. 262 § 13b ErbStG
ErbStG einschränkend vor, dass eine Feststellung der gemeinen Werte des Verwaltungsvermögens nur zu erfolgen hat, wenn diese Feststellung für die Erbschaftsteuer „von Bedeutung“ ist. Die Entscheidung, ob eine solche Bedeutsamkeit vorliegt, trifft das Erbschaftsteuerfinanzamt oder das Betriebsfinanzamt der jeweiligen Muttergesellschaft. Die Entscheidung hat die Behörde nach pflichtgemäßem Ermessen zu treffen.
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Gestaltungshinweis: Da die vollständige Durchführung eines Feststellungsverfahrens für alle Ge- 258 sellschaften i.d.R. mit einem enormen Zeit- und Kostenaufwand für den Steuerpflichtigen verbunden ist, sollte der Steuerpflichtige versuchen, mit dem Erbschaftsteuerfinanzamt einvernehmlich eine Prüfung der Verbundvermögensaufstellung bereits durch das Erbschaftsteuerfinanzamt oder Betriebsfinanzamt der obersten Holding vorzunehmen. Kann beispielsweise dargelegt werden, dass ein Überschreiten der sog. „Schmutzgrenze“ des § 13b Abs. 7 ErbStG bei verständiger Betrachtung ausgeschlossen ist, sollte die Behörde im Rahmen ihres pflichtgemäßen Ermessens von einer gesonderten Feststellung absehen.
Vor Einführung des § 13b Abs. 10 ErbStG (als § 13b Abs. 2a ErbStG a.F.) wurden die entsprechenden 259 Angaben nur nachrichtlich vom Betriebsfinanzamt an das Erbschaftsteuerfinanzamt übermittelt.1 Fehlerhafte Angaben konnten dementsprechend nur durch Einspruch gegen den daraufhin erlassenen Erbschaft- und Schenkungsteuerbescheide geltend gemacht werden.2 Nach Einführung des § 13b Abs. 10 ErbStG (als § 13b Abs. 2a ErbStG a.F.) sind Rechtsmittel zwingend gegen den (dem Steuerpflichtigen als Beteiligtem, § 154 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 BewG, bekanntzugebenden) Feststellungsbescheid einzulegen.3 Diese Kompetenzverteilung zwischen den Erbschaft- und Schenkungsteuerfinanzämtern und den 260 Betriebsfinanzämtern spiegelt sich auch bei der Zuständigkeit für die Erteilung verbindlicher Auskünfte wider. Gemäß gleich lautender Erlasse vom 21.6.20124 ist für die rechtsverbindliche Auskunft über Fragen betreffend das Verwaltungsvermögen das Betriebsfinanzamt zuständig. Auch hier ergibt sich die ggf. unliebsame Konsequenz, dass man in mehrstufigen Strukturen gezwungen ist, eine Vielzahl von Auskunftsersuchen an verschiedene Betriebsfinanzämter zu stellen und sodann im Interesse einer einheitlichen Erteilung der verbindlichen Auskunft eine Zuständigkeitsvereinbarung gem. § 27 AO zu vereinbaren. Im Rahmen des ErbStRAnpG 2016 wurde lediglich klarstellend ein Satz 4 eingefügt, wonach die 261 Feststellung über die gemeinen Werte des Verwaltungsvermögens, der Finanzmittel sowie der Schulden und des jungen Verwaltungsvermögens und der jungen Finanzmittel bei börsennotierten Kapitalgesellschaften durch das Feststellungsfinanzamt am Sitz der börsennotierten Kapitalgesellschaft erfolgt. Diese Regelung fehlte zuvor im Gesetz, war freilich von der Praxis auch ohne Rechtsgrundlage in dieser Weise gehandhabt worden. § 13b Abs. 10 Satz 5 ErbStG verweist auch auf die sog. „Basiswertregelung“ des § 151 Abs. 3 BewG. 262 Danach sind gesondert festgestellte Werte (hier: der Wirtschaftsgüter des Verwaltungsvermögen) für weitere Feststellungen betreffend dieselbe wirtschaftliche Einheit innerhalb eines Jahres unverändert zugrunde zu legen, wenn sich die für die erste Bewertung maßgeblichen Verhältnisse nicht wesentlich geändert haben. Hieraus wird in der Praxis kaum folgen, dass eine einmal festgestellte Verwaltungsvermögensquote für die Dauer eines Jahres auch bei weiteren Übertragungen unverändert zugrunde zu legen ist. Dem steht schon das strenge Stichtagsprinzip des Verwaltungsvermögenstests (vgl. Rz. 13) entgegen. Es hat also schon deswegen für jeden Übertragungsfall erneut eine Identifikation und Bewertung der Wirtschaftsgüter des Verwaltungsvermögens zu erfolgen. Soweit allerdings bereits bewertetes Verwaltungsvermögen innerhalb eines Jahres Gegenstand einer erneuten Übertragung ist, bietet die Basiswertregelung die Möglichkeit, den gemeinen Wert aus der früheren Feststellung zu entnehmen. Dies dürfte freilich eher die Verwaltungsvermögensklassen des § 13b Abs. 4 Nr. 1 bis 3 und 5 ErbStG (Grundstücke, Beteiligungen, Kunstgegenstände) betreffen. Für Verwaltungsvermögen i.S.d. § 13b Abs. 4 Nr. 4 und 5 (Wertpapiere, vergleichbare Forderungen, Geldmittel und andere Forderun1 2 3 4
Abschn. 2 Abs. 12 und Abschn. 7 Abs. 1 AEBewFestV v. 30.3.2009, BStBl. I 2009, 546. Halaczinsky/Volquardsen, ErbStB 2010, 274 (278). Halaczinsky, UVR 2011, 342 (344). BStBl. I 2012, 712, Tz. 1.3.2.6.
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§ 13b ErbStG Rz. 263 Begünstigtes Vermögen gen) werden sich in der Regel die für die erste Bewertung maßgeblichen Stichtagsverhältnisse wesentlich geändert haben, so dass ein Rückgriff auf die erste Bewertung ausgeschlossen ist.
L. Wesentliche Unterschiede zu § 13b ErbStG a.F. (bis zum 30.6.2016) I. Normaufbau § 13b ErbStG a.F. 263 § 13b Abs. 1 ErbStG a.F. regelte wie heute abschließend den Katalog des dem Grunde nach begüns-
tigungsfähigen Vermögens („begünstigtes Vermögen“). Dies waren, wie bereits vor Änderung durch das ErbStRG 2009, land- und forstwirtschaftliches Vermögen (Abs. 1 Nr. 1), inländisches Betriebsvermögen in der Form von Einzelunternehmen und Anteilen an Personengesellschaften (Abs. 1 Nr. 2) sowie Anteile an Kapitalgesellschaften, wenn die Beteiligung des Erblassers oder Schenkers im Übertragungszeitpunkt mehr als 25 % des Nennkapitals umfasst (Abs. 1 Nr. 3). Neu durch das ErbStRG 2009 in das Gesetz gelangt war die Verschonungsfähigkeit auch von ausländischem Vermögen, soweit dieses in der EU oder in dem Europäischen Wirtschaftsraum belegen ist. Ferner neu war die Möglichkeit, die maßgebliche Beteiligungsgrenze von 25 % am Nennkapital bei Kapitalgesellschaften durch Abschluss eines Anteils- und Stimmrechtspoolvertrages zusammen mit anderen Gesellschaftern zu überspringen. 264 § 13b Abs. 2 ErbStG a.F. regelte das schädliche Verwaltungsvermögen und den sog. Verwaltungsver-
mögenstest. Die erbschaft- und schenkungsteuerliche Qualifikation von Wirtschaftsgütern als Verwaltungsvermögen wurde erstmalig durch das ErbStRG 2009 in das Gesetz eingeführt und entsprach keiner zuvor gesetzlich geregelten Klasse von Wirtschaftsgütern. Der Gesetzgeber bezweckte mit der Unterteilung in Verwaltungsvermögen und Nicht-Verwaltungsvermögen, „unproduktives“ Vermögen bzw. solches Vermögen, welches typischerweise der risikolosen Renditeerzielung dient, von der erbschaft- und schenkungsteuerlichen Begünstigung auszuschließen. Dies war nur teilweise gelungen (vgl. die maßgebliche 50 %-Grenze, hierzu Rz. 269, die Nutzung von Kaskadeneffekten, vgl. hierzu Rz. 275, missliebige, aber gesetzlich gleichwohl mögliche Gestaltungen wie z.B. die „Cash-GmbH“, sowie die hierdurch ausgelöste verfassungsrechtliche Diskussion und Verwerfung durch BVerfG v. 17.12.2014,1 hierzu § 13a ErbStG Rz. 24 f.). Der in Abs. 2 enthaltene Katalog der Wirtschaftsgüter, die der Gesetzgeber zum schädlichen Verwaltungsvermögen zählte, war (und ist) vergleichsweise willkürlich und pauschaliert. Zum Verwaltungsvermögen gehörten, verkürzt und vereinfacht gesagt, Dritten zur Nutzung überlassener Grundbesitz (Nr. 1), Anteile an Kapitalgesellschaften von 25 % und weniger am Nennkapital (Nr. 2), Beteiligungen an Gesellschaften, die ihrerseits mehr als 50 % Verwaltungsvermögen aufweisen (Nr. 3), Wertpapiere und vergleichbare Forderungen (Nr. 4), Finanzmittel ab einer bestimmten Größenordnung (Nr. 4a) sowie Kunstgegenstände, Kunstsammlungen, Münzen, Edelmetalle u.Ä. (Nr. 5). 265 § 13b Abs. 2 ErbStG a.F. enthielt ferner Regelungen über das „junge Verwaltungsvermögen“, welches
ungeachtet des Bestehens des Verwaltungsvermögenstest aus der erbschaft- und schenkungsteuerlichen Begünstigung auszuscheiden war, sowie Regelungen zur Ermittlung der Verwaltungsvermögensquote. 266 § 13b Abs. 2a ErbStG a.F. enthielt Verfahrensvorschriften zur Zuständigkeit der jeweiligen Betriebs-
finanzämter der Gesellschaften für die Feststellung der gemeinen Werte der Wirtschaftsgüter des Verwaltungsvermögens und des jungen Verwaltungsvermögens mittels eines förmlichen Feststellungsverfahrens. 267 § 13b Abs. 3 ErbStG a.F. enthielt Regelungen des sog. „Begünstigungstransfers“. Die Regelung stand in
engem Zusammenhang mit § 13a Abs. 3 ErbStG a.F. Die Regelungen sollten sicherstellen, dass ungeachtet einer Verteilung des Nachlasses die erbschaft- und schenkungsteuerlichen Begünstigungen letztlich bei dem Letzterwerber verbleiben, bei dem das begünstigte Vermögen anfällt. Korrespondierend hierzu regelte § 13a Abs. 3 ErbStG a.F., dass der abgebende Miterbe oder Verpflichtete die Begünstigung verliert, während § 13b Abs. 3 ErbStG a.F. einen (nicht notwendigerweise korrespondierenden) Zuwachs der Begünstigung beim Letzterwerber des begünstigten Vermögens regelte.
1 BVerfG v. 17.12.2014 – 1 BvL 21/12 , BStBl. II 2015, 50 mit Anm. Stalleiken, DB 2015, 18.
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Stalleiken
Wesentliche Unterschiede zu § 13b ErbStG a.F.
Rz. 271 § 13b ErbStG
§ 13b Abs. 4 ErbStG a.F. bestimmte, dass ungeachtet der missverständlichen Formulierung in § 13 268 Abs. 1 Satz 1 ErbStG „nur“ 85 % des begünstigten Vermögens von der Besteuerung ausgenommen werden (Regelverschonung). In Verbindung mit § 13a Abs. 8 Nr. 4 ErbStG a.F. konnte unter erweiterten Voraussetzungen eine vollständige Steuerbefreiung (100 %-Abschlag) beansprucht werden (vgl. § 13a ErbStG Rz. 249 ff.).
II. Der „alte“ Verwaltungsvermögenstest 1. Allgemeines (§ 13b Abs. 2 Satz 1 ErbStG a.F) Bis zum 30.6.2016 konnte die Begünstigung insgesamt nicht beansprucht werden, wenn nach Identifi- 269 kation und Bewertung der Wirtschaftsgüter des schädlichen Verwaltungsvermögens der Anteil dieser Wirtschaftsgüter am Gesamtwert des übertragenden betrieblichen Unternehmens mehr als 50 % betrug (Alles- oder-Nichts-Entscheidung). Umgekehrt konnte, wenn der Anteil des schädlichen Verwaltungsvermögens 50 % oder weniger des gemeinen Werts der übertragenden betrieblichen Einheit betrug, die Begünstigung (dann in Form des 85 %igen Verschonungsabschlages) auf das gesamte unternehmerische Vermögen, mithin auch den darin enthaltenen Anteil an schädlichem Verwaltungsvermögen, in Anspruch genommen werden. Die Regelungen über den Verwaltungsvermögenstest waren im Laufe der Gesetzgebungshistorie und auch nach Inkrafttreten des ErbStRG 2009 mehrfach angepasst worden. Sie waren bereits seinerzeit komplex, und der Verwaltungsvermögenstest stellte eine für den Rechtsanwender schwierige Herausforderung dar, sowohl was die Auslegung der rechtlichen Tatbestandsmerkmale als auch insbesondere was die praktische Handhabung anging. Daran hat sich freilich durch das ErbStAnpG 2016 nichts geändert. 2. Sog. „Holdingklausel“ (Anteile an Gesellschaften, die ihrerseits zu mehr als 50 % aus Verwaltungsvermögen bestanden, § 13b Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 ErbStG a.F.) Zum Verwaltungsvermögen zählten bis 30.6.2016 ebenfalls „Beteiligungen an Gesellschaften i.S.d. § 15 270 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Abs. 3 oder § 18 Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes und an entsprechenden Gesellschaften im Ausland sowie Anteile an Kapitalgesellschaften, die nicht unter Nr. 2 fallen, wenn bei diesen Gesellschaften das Verwaltungsvermögen mehr als 50 % beträgt“ (§ 13b Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 ErbStG a.F.). Die Regelung stellte vor Einführung der Verbundvermögensaufstellung sicher, dass die Verwaltungsvermögensprüfung in mehrstufigen Strukturen auch auf die nachgeordneten Beteiligungsebenen transportiert wurde (sog. „Holdingklausel“). Handelte es sich bei der jeweiligen Beteiligung im Betriebsvermögen des dem Grunde nach begünstigten betrieblichen Vermögens um einen Mitunternehmeranteil an einer Personengesellschaft, fand die Holdingklausel unabhängig von der Beteiligungshöhe Anwendung. De lege waren daher mehrstufige Personengesellschaftsstrukturen „bis ins letzte Glied“ von unten nach oben auf Verwaltungsvermögen zu prüfen, selbst wenn nur eine Beteiligung in Höhe von z.B. 1 % bestand. Bei mehrstufigen Kapitalgesellschaftsanteilen hingegen war zudem § 13b Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 ErbStG 271 a.F zu beachten. Der Holdingklausel unterlagen nämlich nur Beteiligungen, wenn die jeweilige übertragene betriebliche Einheit mehr als 25 % am Nennkapital dieser Beteiligungsgesellschaften hielt. Anderenfalls (Beteiligungshöhe von 25 % und weniger) fand auf die Kapitalgesellschaft § 13b Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 ErbStG a.F. Anwendung, mit der Folge, dass die Beteiligungen ohne weitere Prüfung als Verwaltungsvermögen zu qualifizieren war. In den Anwendungsbereich der Nr. 3 gelangte man jedoch sodann wieder, wenn über diejenige Beteiligung ein „Poolvertrag auf unteren Ebenen“ geschlossen worden war (§ 13b Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 Satz 2 ErbStG a.F.). Mit anderen Worten hatte bei mehrstufigen Kapitalgesellschaftsstrukturen zunächst eine „Top-Down“-Betrachtung zu erfolgen, bei der alle Kapitalgesellschaftsbeteiligungen von oben nach unten auf ihre Beteiligungsquote zu untersuchen waren. Betrug bei Kapitalgesellschaftsbeteiligungen die Beteiligung am Nennkapital 25 % oder weniger, zählte die Beteiligung (vorbehaltlich etwaiger Anteilspoolung) als Wirtschaftsgut des Verwaltungsvermögens. Für alle Kapitalgesellschaftsbeteiligungen von mehr als 25 % des Nennkapitals und Anteile an Personengesellschaften erfolgte in einem zweiten Schritt eine „Bottom-Up“-Betrachtung im Sinne einer genauen Ermittlung der jeweiligen Verwaltungsvermögensquote der Gesellschaften. Stalleiken
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§ 13b ErbStG Rz. 272 Begünstigtes Vermögen 272 Hielt die übertragene betriebliche Einheit Beteiligungen an Personengesellschaften, die die Voraus-
setzungen einer Mitunternehmerschaft nicht erfüllten (z.B. Beteiligungen an vermögensverwaltenden Personengesellschaften, Treuhandmodelle), fand die Holdingklausel keine Anwendung. In diesen Fällen wurde, entsprechend dem ertragsteuerlichen Transparenzprinzip der vermögensverwaltenden Einheit,1 das Verwaltungsvermögen in der Tochtergesellschaft direkt auf die Betriebsvermögensebene der Holdinggesellschaft transportiert und zählte dort (ggf. bruchteilsanteilig) als Verwaltungsvermögen,2 ohne dass es der Anwendung der Holdingklausel bedurfte. Die Grundsätze galten auch für das junge Verwaltungsvermögen der transparenten Einheit, welche folglich junges Verwaltungsvermögen bei der Holdinggesellschaft darstellten.3 273 § 13b Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 ErbStG a.F. fand nach seinem eindeutigen Wortlaut auch keine Anwendung
auf den Anteil des persönlich haftenden Gesellschafters einer KGaA. Die Norm erfasste nur Beteiligungen an Gesellschaften i.S.d. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG (Mitunternehmeranteile). Bei dem Anteil eines persönlich haftenden Gesellschafters einer KGaA handelt es sich jedoch um einen Anteil an einer Gesellschaft i.S.d. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EStG. Nach ertragsteuerlicher Teleologie und gefestigter höchstrichterlicher Rechtsprechung ist der Komplementär einer KGaA kein Mitunternehmer der KGaA nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG, sondern einem solchen nur nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EStG gleichgestellt (sog. Gleichstellungsthese).4 Dem Wortlaut nach zählten damit Beteiligungen als persönlich haftender Gesellschafter einer KGaA im Betriebsvermögen nicht zum Verwaltungsvermögen, ohne dass es dabei auf die Verwaltungsvermögensquote der KGaA ankam.5 Eine Subsumtion unter die anderen Alternativen des § 13b Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 ErbStG a.F. misslang ebenfalls. Weder stellte der Anteil des persönlich haftenden Gesellschafters eine „entsprechende Gesellschaft im Ausland“ dar noch konnte er als „Anteil an einer Kapitalgesellschaft, der nicht unter Nr. 2 fällt,“ aufgefasst werden.6 Dass es sich hierbei um ein gesetzgeberisches Versäumnis handelte, ist m.E. offenkundig, da es keinen sachlichen Grund gibt, den Anteil des persönlich haftenden Gesellschafters (nur) im Rahmen der Holdingklausel vom Verwaltungsvermögenstest auszunehmen; gleichwohl konnte die Gesetzeslücke nicht ohne Weiteres durch Analogieschluss zulasten des Steuerpflichtigen geschlossen werden.7 274 Auf Kapitalgesellschaftsbeteiligungen im Sonderbetriebsvermögen war ebenfalls die Holdingklausel
anzuwenden. Zivilrechtlich wurden in diesem Fall zwar die Beschenkten Gesellschafter der Kapitalgesellschaft. Aufgrund der ertragsteuerlichen Zuordnung als Sonderbetriebsvermögen zum Mitunternehmeranteil waren diese jedoch nicht Übertragungsgegenstand i.S.d. § 13b Abs. 1 Nr. 3 ErbStG a.F., sondern gingen im Übertragungsgegenstand „Mitunternehmeranteil“ gem. § 13b Abs. 1 Nr. 2 ErbStG a.F. auf. Im Fall der Vollverschonung galt gem. § 13a Abs. 8 Nr. 3 ErbStG a.F. die verschärfte Verwaltungsvermögensgrenze von 10 % nur für die übertragene betriebliche Einheit (§ 13a ErbStG Rz. 276). Für nachgeordnete Beteiligungen i.S.d. § 13b Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 ErbStG a.F. (auch solche im Sonderbetriebsvermögen) blieb es für Zwecke des Verwaltungsvermögenstests bei der Grenze von 50 % auch bei Wahl der Vollverschonung. 275 Es handelte sich bei der 50 %-Grenze auch im Rahmen der Holdingklausel um eine „Alles-oder-
Nichts“-Regelung. Dies bedeutete, dass bei einem Überschreiten der 50 %-Grenze die gesamte Beteiligung mit ihrem gemeinen Wert auf der nächsthöheren Ebene als Verwaltungsvermögens zählte. Umgekehrt bedeutete dies, dass bei Einhaltung oder Unterschreiten der 50 %-Grenze die gesamte Beteiligung auf der nächsthöheren Ebene als Nicht-Verwaltungsvermögen zählte. Dieser Umstand wurde üblicherweise auch als Kaskadeneffekt beschrieben und konnte, je nach Verteilung des Verwaltungsvermögens in mehrstufigen Beteiligungsstrukturen, positive oder negative Effekte haben. Theoretisch konnte jede Gesellschaft innerhalb eines Unternehmensverbundes bis zu 50 % Verwaltungsvermögen enthalten. Wurde diese Grenze eingehalten, betrug die Verwaltungsvermögensquote auf Ebene
1 2 3 4 5 6 7
Vgl. von Oertzen, Ubg 2008, 57, 63. Vfg. des BayLfSt v. 24.11.2011 – S 3812b.1.1-3 St 34, ErbSt-Kartei BY § 13b ErbStG Karte 4. Vfg. des BayLfSt v. 24.11.2011 – S 3812b.1.1-3 St 34, ErbSt-Kartei BY § 13b ErbStG Karte 4. Grundlegend BFH v. 21.6.1989 – X R 14/88, BStBl. II 1989, 881; Wacker in Schmidt35, § 15 EStG Rz. 891. Gl.A. Kamps, ErbStB 2009, 248 (252); Kamps, AG 2009, 692 (693 f.). Kamps, AG 2009, 692 (693 f.). Vgl. Kirnberger in Wilms/Jochum, § 13b ErbStG Rz. 44 (Stand: Dezember 2013).
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Stalleiken
Wesentliche Unterschiede zu § 13b ErbStG a.F.
Rz. 279 § 13b ErbStG
der obersten Holdinggesellschaft (kein eigenes Verwaltungsvermögen unterstellt) null. Umgekehrt führte eine Verwaltungsvermögensquote von 50,1 % dazu, dass der gesamte Wert der Beteiligung einschließlich des unschädlichen Vermögens auf der nächsthöheren Ebene als Verwaltungsvermögen i.S.d. § 13b Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 ErbStG a.F. zu qualifizieren war. Bereits an anderer Stelle (§ 13a ErbStG Rz. 276) wurde darauf hingewiesen, dass die Verschärfung der Verwaltungsvermögensquote zur Erlangung der Vollverschonung (10 %-Grenze) gem. § 13a Abs. 8 Nr. 2 ErbStG a.F. die Holdingklausel nicht berührte. Es blieb also bei Ausübung der Option zur Vollverschonung dabei, dass auf nachgeordneten Ebenen lediglich eine Verwaltungsvermögensquote von 50 % eingehalten werden musste.
Û
Gestaltungshinweis: Dies eröffnete die Möglichkeit, durch Zwischen- oder Darüberschaltung 276 einer weiteren Holdingebene die Voraussetzungen für die Vollverschonung herzustellen. Wenn z.B. die übertragene betriebliche Einheit eine Verwaltungsvermögensquote von 20 % aufwies, konnte hierfür die Vollverschonung nicht in Anspruch genommen werden. Wurde hingegen die zu übertragende betriebliche Einheit vor der Übertragung gem. §§ 20, 24 UmwStG in eine weitere Holdinggesellschaft eingebracht, musste in der vormals obersten Gesellschaft, nun Beteiligungsgesellschaft, nur eine Verwaltungsvermögensquote von 50 % eingehalten werden (diese Voraussetzung war mit 20 % erfüllt). Da dann die Beteiligung an der ehemals obersten Gesellschaft nicht als schädliches Verwaltungsvermögen zählte, wies (kein weiteres Vermögen unterstellt) die neugegründete Holding eine Verwaltungsvermögensquote von 0 % auf, so dass für eine Übertragung dieser Gesellschaft die Vollverschonung in Anspruch genommen werden konnte. Die Zwischenschaltung einer weiteren Holdingebene zur Verbesserung der Verwaltungsvermögensquote war bis zum 30.6.2016 als Nutzung der von Gesetz eingeräumten Möglichkeiten zulässig und stellte keinen Gestaltungsmissbrauch dar.1
Das Gesetz traf keine Aussage darüber, wie die Verwaltungsvermögensquote im Rahmen der Hol- 277 dingklausel auf nachgeordneten Ebenen zu berechnen war. Zutreffenderweise war jedoch davon auszugehen, dass die Holdingklausel als vollständige Rechtsgrundverweisung auf die Regelungen des § 13b Abs. 2 Satz 4 und 5 ErbStG a.F. zu verstehen war, so dass die Wertermittlungsvorschriften auf das Verwaltungsvermögen in nachgeordneten Gesellschaften entsprechend anzuwenden war und auch die Quotenberechnung entsprechend erfolgte. Auch auf nachgeordneten Ebenen stellte sich die Frage nach der Einbeziehung von Sonderbetriebs- 278 vermögen in den Verwaltungsvermögenstest. Auch hier war davon auszugehen, dass Sonderbetriebsvermögen der Muttergesellschaft bei der Tochtergesellschaft im Rahmen des Verwaltungsvermögenstests auf Ebene der Tochtergesellschaft (unter Einbeziehung des Sonderbetriebsvermögens) zu prüfen war und das Sonderbetriebsvermögen kein eigenes Verwaltungsvermögen der Muttergesellschaft darstellte. Dies entspricht auch der steuerbilanziellen Spiegelbildtheorie, wonach im Beteiligungsbuchwert der Tochtergesellschaft sämtliches ihr zugeordnetes Sonderbetriebsvermögen (z.B. Gesellschafterforderungen) mit abgebildet ist. 3. Junges Verwaltungsvermögen auf unteren Ebenen Nach dem Wortlaut des § 13b Abs. 2 Satz 3 und 7 ErbStG a.F. bezogen sich bis zum 30.6.2016 die 279 Regelungen über junges Verwaltungsvermögen nur auf die jeweils direkt übertragene betriebliche Einheit, also die jeweilige Obergesellschaft.2 Dies ergab sich unmittelbar aus der gesetzlich angeordneten Rechtsfolge, wonach junges Verwaltungsvermögen in einer Personengesellschaft „nicht zum begünstigten Vermögen im Sinne des Absatzes 1“ gehörte (Satz 3) bzw. bei Kapitalgesellschaften der entsprechende „Teil des Anteilswertes nicht begünstigt“ war (Satz 7). Dies konnte nur die oberste Beteiligungsebene betreffen, da bezogen auf Untergesellschaften die Begünstigung an sich durch das Hochschleusen gerade nicht tangiert wurde, sondern lediglich das junge Verwaltungsvermögen in die Quotenberechnung einbezogen werden sollte, wodurch freilich über das Bestehen oder Nicht-
1 BFH v. 27.9.2012 – II R 9/11, BStBl. 2012, 899; von Oertzen, Ubg 2012, 724 (725). 2 Von Oertzen/Schienke-Ohletz, Ubg 2009, 406 (411); Scholten/Korezkij, DStR 2009, 147 (152); Korezkij, Ubg 2009, 638 (642); Hannes, NZG 2011, 1245 (1249); Stalleiken, Ubg 2011, 935 (938).
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§ 13b ErbStG Rz. 280 Begünstigtes Vermögen bestehen des Verwaltungsvermögenstest insgesamt noch nichts gesagt war.1 Auf Untergesellschaften war § 13b Abs. 2 Satz 7 ErbStG a.F. also seinem Wortlaut nach nicht anwendbar. Es fehlte schlicht an einer Transformation der Regelungen über das junge Verwaltungsvermögen auf nachgelagerte Ebenen, etwa durch einen entsprechenden erweiternden Zusatz im Rahmen der sog. „Holdingklausel“ (§ 13b Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 ErbStG a.F.). 280 Nach dem Wortlaut des Gesetzes war also die Einlage von jungem Verwaltungsvermögen in eine
Tochtergesellschaft nicht sanktioniert. Aus diesem Grund vertrat die Finanzverwaltung bereits in den Anwendungserlassen aus 20092 die Auffassung, dass junges Verwaltungsermögen in einer Tochtergesellschaft „bei dem Betrieb oder der Gesellschaft, die die Beteiligung oder die Anteile hält, nur bei der Prüfung des 50 %-Anteils zu berücksichtigen“ ist und „hier kein junges Verwaltungsvermögen darstellt“.3 Hinter der schwer verständlichen Formulierung verbarg sich die Auffassung, dass junges Verwaltungsvermögen auf unteren Ebenen auf der nächsthöheren Ebene nochmal, diesmal als „normales“ Verwaltungsvermögen, zu berücksichtigen sein sollte. Diese Verwaltungsauffassung entbehrte freilich einer Grundlage im Gesetz. Der Gesetzgeber wollte diese gesetzliche Grundlage „nachliefern“ und durch Einführung des § 13b Abs. 2 Satz 7 ErbStG a.F. durch das JStG 20104 in das ErbStG erreichen, dass junges Verwaltungsvermögen auf Ebene von Tochtergesellschaften bei dem Verwaltungsvermögenstest der jeweils darüberliegenden Muttergesellschaft als Verwaltungsvermögen zu berücksichtigen war.5 Aber auch hiernach war das „Hochschleusen“ von jungem Verwaltungsvermögen auf unteren Ebenen mit dem erbschaft- und schenkungsteuerlichen Verschonungssystem unvereinbar und fand im Gesetzeswortlaut auch keine Stütze. Hätte der Gesetzgeber ein solches „Hochschleusen“ anordnen wollen, so hätte er als Rechtsfolge etwa formulieren müssen, dass junges Verwaltungsvermögen auf einer unteren Ebene „als Verwaltungsvermögen bei der Gesellschaft, die die Beteiligung hält, zu berücksichtigen ist“.6 281 Durch das AmtshilfeRLUmsG hatte der Gesetzgeber dieses „Hochschleusen“ nochmals verschärft.
§ 13b Abs. 2 Satz 7 Halbs. 2 ErbStG a.F. sah danach vor, dass “bei der rechnerischen Ermittlung der Quote des Verwaltungsvermögens (…) keine Beschränkung auf den Wert des Anteils“ erfolgte. Der Zusatz erschien zunächst folgerichtig, da der Gesetzgeber zutreffend davon ausging, dass die Verwaltungsvermögensquote einer Tochtergesellschaft auch mehr als 100 % betragen konnte, z.B. da der Wert der Gesellschaft durch Verbindlichkeiten (u.U. auch bis auf 0 oder negativ) gemindert sein konnte. Allerdings wollte in diesem Fall der Gesetzgeber das junge Verwaltungsvermögen mit seinem gemeinen Wert auf der Ebene der Muttergesellschaft als Verwaltungsvermögen berücksichtigen, auch wenn es den Wert der Beteiligung überstieg.7 Die Regelung war bereits im Entwurf des JStG 2013 enthalten und bereits seinerzeit von der Literatur überwiegend kritisiert worden.8 282 Beispiel: Die M-GmbH (kein Verwaltungsvermögen, gemeiner Wert 1 Mio. Euro) ist Alleingesellschafterin der T-GmbH. Das Betriebsvermögen der T-GmbH besteht aus Wertpapieren (junges Verwaltungsvermögen) im gemeinen Wert von 120 000 Euro und Verbindlichkeiten von 20 000 Euro (gemeiner Wert vereinfacht 100 000 Euro). Ausweislich der Gesetzesbegründung sollte nach § 13b Abs. 2 Satz 7 Halbs. 2 ErbStG a.F. die Beteiligung an der T-GmbH bei der M-GmbH als Verwaltungsvermögen in Höhe von 120 000 Euro, anstatt wie zuvor 100 000 Euro, berücksichtigt werden.
283 Diese Interpretation der Gesetzesbegründung war wiederum vom Wortlaut des Gesetzes nicht gedeckt.
Für die Untergesellschaft blieb festzustellen, dass in all den Fällen, in denen der Wert des jungen Verwaltungsvermögens den Wert der Beteiligung überstieg, denknotwendig eine Verwaltungsvermögens-
1 2 3 4 5 6 7 8
Beispiel bei Baßler/Stalleiken, Ubg 2012, 530 (533). A 34 Abs. 3 AEErbSt, BStBl. I 2009, 718. Jetzt R E 13b.19 Abs. 4 Satz 1 ErbStR 2011. JStG 2010 v. 8.12.2010, BGBl. I 2010, 1768. Vgl. das Beispiel in der Gesetzesbegründung, BT-Drucks. 17/2249, 159. Hannes/Steger/Stalleiken, BB 2010, 1439 (1443). Gesetzesbegründung BR-Drucks. 139/13, 223. Eingehend Baßler/Stalleiken, Ubg 2012, 530 (532 f.).
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Wesentliche Unterschiede zu § 13b ErbStG a.F.
Rz. 285 § 13b ErbStG
quote von mehr als 50 % vorlag. Dann aber trat allgemein die Rechtsfolge des § 13b Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 ErbStG a.F. ein, wonach die Beteiligung (mit ihrem gemeinen Wert) als Verwaltungsvermögen zählte.1 Der „Sprung“ in Satz 7 Halbs. 2, wonach sich der Wert der Beteiligung auf den Wert des jungen Verwaltungsvermögens erhöhte, erschloss sich gesetzestechnisch nicht.2 Erkannte man zudem mit der hier vertretenen Auffassung an, dass § 13b Abs. 2 Satz 3 und 7 ErbStG a.F. nur auf die jeweils übertragene Obergesellschaft anwendbar waren (Rz. 280), machte die Regelung insgesamt keinen Sinn. Denn bezogen auf die oberste Gesellschaft konnte es nie dazu kommen, dass das junge Verwaltungsvermögen mit einem höheren Wert der ungemilderten Besteuerung unterlag, als die Beteiligung selbst. Dies ergab sich schon aus § 10 Abs. 1 Satz 1 ErbStG a.F., wonach nur die tatsächlich dem Erwerber anfallende Bereicherung der Besteuerung (verschont oder unverschont) unterliegen konnte.3 Abzulehnen war demzufolge auch die Auffassung der Finanzverwaltung,4 dass bei Überschreiten der 284 50 %-Grenze in Tochterkapitalgesellschaften neben der Beteiligung an der Tochtergesellschaft gem. § 13b Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 ErbStG a.F. das junge Verwaltungsvermögen der Tochtergesellschaft bei der Muttergesellschaft nach § 13b Abs. 2 Satz 7 ErbStG a.F. zusätzlich zu berücksichtigen sein sollte.5 Dies konnte im Extremfall bei voll eigenkapitalisierten Tochtergesellschaften, deren Vermögen ausschließlich aus jungem Verwaltungsvermögen besteht, zu einer Verdoppelung des Wertes des Verwaltungsvermögens auf der nächsthöheren Ebene (sowohl Wert der Beteiligung als auch des jungen Verwaltungsvermögens) führen. Die Gesetzessystematik trug denn auch die Ansicht der Finanzverwaltung nicht. Nach der gesetzlichen Prüfungsreihenfolge war die Prüfung des jungen Verwaltungsvermögens „abgeschnitten“, wenn die Verwaltungsvermögensquote mehr als 50 % betrug (Wortlaut des § 13b Abs. 2 Satz 3 ErbStG a.F.: „Kommt Satz 1 nicht zur Anwendung“). Auf Ebene der obersten betrieblichen Einheit war die Begünstigung zu versagen (§ 13b Abs. 2 Satz 2 ErbStG a.F.). Auf der Ebene von Tochtergesellschaften zählte die Beteiligung selbst als Verwaltungsvermögen (§ 13b Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 ErbStG a.F.). In beiden Fällen aber hatte die nachrangige Prüfung des jungen Verwaltungsvermögens zu unterbleiben.6 Abgesehen davon, dass das Gesetz eine solche Mehrfachberücksichtigung des wirtschaftlich gleichen Vermögens zulasten des Steuerpflichtigen nicht hergab, hätte diese auch zu wirtschaftlich völlig ungerechtfertigten Ergebnissen geführt, die durch „Missbrauchsvermeidungserwägungen“ nicht mehr zu rechtfertigen waren.
III. Berechnung der Verwaltungsvermögensquote (§ 13b Abs. 2 Satz 4 bis 6 ErbStG a.F.) 1. Allgemeines Voraussetzung für die Inanspruchnahme der Verschonung für betriebliches Vermögen war, dass die 285 Verwaltungsvermögensquote der übertragenen betrieblichen Einheit am Stichtag nicht mehr als 50 % betrug. § 13b Abs. 2 Satz 1 ErbStG a.F. bestimmte, dass die Begünstigung nicht beansprucht werden kann, „wenn das (…) Betriebsvermögen der Betriebe oder Gesellschaften zu mehr als 50 % aus Verwaltungsvermögen besteht“. Die Verwaltungsvermögensquote berechnete sich aus dem Wertverhältnis des Verwaltungsvermögens zur betrieblichen Einheit, vgl. § 13b Abs. 2 Satz 4 ErbStG a.F. Dort hieß es: „Der Anteil des Verwaltungsvermögens am gemeinen Wert des Betriebs bestimmt sich nach dem Verhältnis der Summe der gemeinen Werte der Einzelwirtschaftsgüter des Verwaltungsvermögens zum gemeinen Wert des Betriebs“. Die Verwaltungsvermögensquote bestimmt sich also nach folgender Formel:7
1 2 3 4 5
So zutr. auch die jetzige Verwaltungsauffassung, R E 13b.19 Abs. 4 Satz 3 ErbStR 2011. Gl.A. Korezkij, DStR 2013, 1764 (1770). Stalleiken, DB 2013, 1382 (1387). Gleich lautende Erlasse v. 10.10.2013, BStBl. I 2013, 1272, Beispiel zu Tz. 5. Gl.A. wohl Erkis/Mannek/van Lishaut, FR 2013, 245 (252); krit. hierzu Korezkij, DStR 2013, 1764 (1771); Stalleiken, DB 2013, 2586 (2588). 6 Gl.A. Korezkij, DStR 2013, 1764 (1770); Baßler/Stalleiken, Ubg 2012, 530 (533); a.A. aber Erkis/Mannek/van Lishaut, FR 2013, 245 (251). 7 Nach von Oertzen, Ubg 2008, 57 (63).
Stalleiken
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§ 13b ErbStG Rz. 286 Begünstigtes Vermögen P Verwaltungsverm¨ogensquote ¼ gW EWG VV BE
= = = =
gW aller EWG des VV gW der BE
gemeiner Wert Einzelwirtschaftsgüter Verwaltungsvermögen Bewertungseinheit i.S.d. § 13 Abs. 1 ErbStG a.F.
286 Wurde sodann der Verwaltungsvermögenstest bestanden, war die gesamte betriebliche Einheit be-
günstigt; wurde der Verwaltungsvermögenstest nicht bestanden, wurde die Begünstigung insgesamt versagt („Alles-oder-Nichts-Prinzip“). 287 Nach der gesetzlichen Systematik des Verwaltungsvermögenstests wurde das maßgebliche Verwal-
tungsvermögen als Summe der Aktivposten in die Gleichung eingestellt, ohne dass damit zusammenhängende Schulden berücksichtigt wurden. Demgegenüber wurde die Vergleichsgröße „Bewertungseinheit i.S.d. § 13 Abs. 1 ErbStG a.F.“ mit dem gemeinen Wert, also unter Berücksichtigung der ggf. durch Fremdfinanzierung belasteten Ertragslage gestellt. Dieser „Brutto-Netto-Vergleich“ konnte zu Verwaltungsvermögensquoten von weit über 100 % führen. Diese gesetzliche Konzeption ist wiederholt auf Kritik gestoßen.1 Sachgerechter erschien es, bereits bei der Ermittlung der gemeinen Werte des schädlichen Verwaltungsvermögens damit in Zusammenhang stehende Verbindlichkeiten abzuziehen. Gleichwohl war die Gesetzeslage eindeutig. Der Gesetzgeber hielt die Einräumung einer Unschädlichkeitsgrenze von 50 % im Fall der Regelverschonung für ausreichend. Es ist allerdings darauf hinzuweisen, dass sich dieser „Brutto-Netto-Vergleich“ bei der Ermittlung der Verwaltungsvermögensquote erheblich zulasten des Steuerpflichtigen auswirkte. 2. Grundsatz der betriebsbezogenen Berechnung 288 Bei verständiger Auslegung des Gesetzeswortlautes war zunächst davon auszugehen, dass mit dem
„Betrieb“ i.S.d. § 13b Abs. 2 ErbStG a.F. diejenige wirtschaftliche Einheit, die Gegenstand der Übertragung ist, als Ganzes gemeint ist. Demzufolge bezog sich gem. § 13b Abs. 2 Satz 6 ErbStG a.F. nach – soweit ersichtlich – einhelliger Auffassung die Verwaltungsvermögensquote bei Beteiligungen an Kapitalgesellschaften auf die Kapitalgesellschaft und nicht auf den Anteil des Gesellschafters an der Kapitalgesellschaft.2 Für Beteiligungen an einer Mitunternehmerschaft ohne Sonderbetriebsvermögen (zu den Besonderheiten bei Vorhandensein von Sonderbetriebsvermögen Rz. 288 ff.) schrieb das Gesetz dieselbe Berechnungsweise vor (§ 13b Abs. 2 Satz 4 ErbStG a.F.). Auch hiernach war also das Gesamthandsvermögen der Gesellschaft maßgeblicher Anknüpfungspunkt für die Ermittlung der Verwaltungsvermögensquote.3 Dies führte dazu, dass anhand der Wertrelation des Verwaltungsvermögens im Gesamthandsvermögen zum Wert des Gesamthandsvermögens eine (einheitliche) Verwaltungsvermögensquote für alle Gesellschafter zu berechnen war. Als Stütze für eine solche Auslegung konnten auch die entsprechenden Vorschriften für die Lohnsummenkontrolle herangezogen werden. Dort war anerkannt, dass die Lohnsumme „des Betriebes“ i.S.d. § 13a Abs. 1 Satz 2 ErbStG a.F. die Summe der Löhne und Gehälter der jeweiligen Gesellschaft als Ganzes war.4 Es war also grundsätzlich keine Lohnsumme bezogen auf den Anteil des jeweiligen Gesellschafters an einer Kapital- oder Personengesellschaft zu ermitteln (vgl. jedoch zur Bildung einer „Gesamtlohnsumme“ nach Auffassung der Finanzverwaltung § 13a ErbStG Rz. 48). Wollte man dies anders sehen, wäre zu begründen gewesen, warum der Betriebsbegriff des § 13a Abs. 1 ErbStG a.F. von dem des § 13b Abs. 2 ErbStG a.F. abweichen sollte. 1 Vgl. Hübner, Ubg 2009, 1 (8); Hübner, Erbschaftsteuerreform 2009, 432. 2 Weinmann in Moench/Weinmann, § 13b ErbStG Rz. 85 (Stand: Oktober 2014); R E 13b.20 Abs. 1 Satz 1 ErbStR 2011. 3 So Kirnberger in Wilms/Jochum, § 13b ErbStG Rz. 68 ff. (Stand: Dezember 2013); R E 13b.20 Abs. 1 Satz 1 ErbStR 2011; Geck in Kapp/Ebeling, § 13b ErbStG Rz. 73 (Stand: April 2015); Tiedtke/Wälzholz in Tiedtke, § 13b ErbStG Rz. 71; Schiffers, DStZ 2009, 610 (611); a.A. evtl. Weinmann in Moench/Weinmann, § 13b ErbStG Rz. 85. 4 Geck in Kapp/Ebeling, § 13a ErbStG Rz. 21 (Stand: April 2015); Jülicher in T/G/J, § 13a ErbStG Rz. 22 (Stand: Juli 2015); vgl. auch R E 13a.4 Abs. 3 sowie Abs. 2 Satz 7 ErbStR 2011 zur Berechnung der 20-ArbeitnehmerGrenze.
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Wesentliche Unterschiede zu § 13b ErbStG a.F.
Rz. 293 § 13b ErbStG
3. Besonderheiten bei der Einbeziehung von Sonderbetriebsvermögen a) Gesellschafterbezogene Betrachtung Nach herrschender Auffassung in der Literatur erfuhr die vorgenannte Gesamtberechnung bei 289 Mitunternehmerschaften eine Durchbrechung, wenn Sonderbetriebsvermögen eines oder mehrerer Gesellschafter vorhanden war. Der Grund hierfür war, dass der Umfang des begünstigten Betriebsvermögens gem. § 13b Abs. 1 Nr. 2 ErbStG a.F. i.V.m. § 97 Abs. 1 BewG nach ertragsteuerlichen Gesichtspunkten zu bestimmen ist1 und dementsprechend das Sonderbetriebsvermögen Teil des dem Grunde nach begünstigten Vermögens ist.2 Über die Einbeziehung des Sonderbetriebsvermögens in den Verwaltungsvermögenstest gab das Gesetz, wie gesagt, keinen Aufschluss. Es erschien jedoch naheliegend, dass das Sonderbetriebsvermögen Bestandteil der Verwaltungsvermögensprüfung sein musste, wenn es Teil des begünstigten Vermögen ist.3 Die Technik der Einbeziehung des Sonderbetriebsvermögens war in der Literatur umstritten. Im 290 Wesentlichen haben sich zwei Ansätze herausgebildet. Eine (im Vordringen befindliche) Mindermeinung wollte eine „gesellschaftsbezogene Betrachtungsweise“ anwenden.4 Danach war die Verwaltungsvermögensquote unter Einbeziehung aller Wirtschaftsgüter des Verwaltungsvermögens im Gesamthandsvermögen sowie im Sonderbetriebsvermögen aller Gesellschafter im Verhältnis zum gemeinen Wert der Gesellschaft, wiederum unter Einbeziehung des gemeinen Wertes des Sonderbetriebsvermögens aller Gesellschaft, zu ermitteln. Es war also eine einheitliche Verwaltungsvermögensquote für alle Gesellschafter zu bilden. Eine Folge hiervon war, dass jeder Gesellschafter durch das Sonderbetriebsvermögen der übrigen Gesellschafter positiv oder negativ beeinflusst werden konnte. Demgegenüber vertraten die herrschende Auffassung in der Literatur5 und auch die Finanzverwal- 291 tung6 eine „gesellschafterbezogene Betrachtungsweise“. Danach war für jeden Gesellschafter eine gesonderte Verwaltungsvermögensquote zu ermitteln, bei der der Wert des Verwaltungsvermögens im (übertragenen) Sonderbetriebsvermögen des Gesellschafters und der Anteil des Gesellschafters am Verwaltungsvermögen im Gesamthandsvermögen ins Verhältnis zu setzen war zum gemeinen Wert des (übertragenen) Sonderbetriebsvermögens und dem Anteil des Gesellschafters am Wert des Gesamthandsvermögens. Die Praxis der h.M. war sachgerecht, da sie zu wirtschaftlich richtigen Ergebnissen führte. Allerdings 292 ließen sich im Gesetz kein Anhaltspunkte finden, warum bei der Berechnung der Verwaltungsvermögensquote von Personengesellschaften i.S.d. § 13b Abs. 1 Nr. 2 ErbStG a.F. der „Berechnungsmodus“ gleichsam wechseln soll, sobald Sonderbetriebsvermögen vorhanden ist. Es erschien daher auch vertretbar, stets eine gesellschaftsbezogene Berechnung bei Mitunternehmerschaften durchzuführen,7 insbesondere, da bei richtiger Berechnung kein von der Gesamtquote abweichendes Ergebnis eintrat.
Û
Gestaltungshinweis: Da nur das tatsächlich auf den Erwerber übergehende Sonderbetriebsver- 293 mögen in die Verwaltungsvermögensprüfung einzubeziehen war (zurückbehaltenes Sonderbetriebsvermögen war schon nicht Gegenstand des Erwerbs und damit nicht Teil des dem Grunde nach begünstigungsfähigen Vermögens), konnte die individuelle gesellschafterbezogene Verwaltungsvermögensquote des Einzelnen durch Mitübertragung oder Zurückbehalten von Sonderbetriebsvermögen maßgeblich beeinflusst werden. Zum Beispiel konnte zur Verringerung der gesellschafterbezogenen Verwaltungsvermögensquote „unschädliches“ Sonderbetriebs-
1 R E 13b.5 Abs. 3 Satz 2 ErbStR 2001. 2 Jülicher in T/G/J, § 13b ErbStG Rz. 61, 132; Wachter in F/J/P/W5, § 13b ErbStG Rz. 37; St. Viskorf/Philipp, ZEV 2009, 230 (231); R E 13b.5 Abs. 3 Satz 9 ErbStR 2011. 3 Schulze zur Wiesche, DStR 2009, 732 (733); Klümpen-Neusel, ErbBstg 2009, 95; vgl. auch § 13b Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 Satz 2 Buchst. a ErbStG a.F., wonach die Überlassung von Grundstücken eines Gesellschafters an „seine“ Gesellschaft keine Nutzungsüberlassung an Dritte darstellt. 4 Vgl. nur Schulze zur Wiesche, DStR 2009, 732; Brüggemann, ErbBstg 2013, 20 (23 f.); Viskorf in V/K/S/W4, § 13b ErbStG Rz. 178 f. 5 Vgl. nur Scholten/Korezkij, DStR 2009, 147; Stahl/Fuhrmann, KÖSDI 2008, 16056; St. Viskorf/Philipp, ZEV 2009, 230; Wachter in F/J/P/W5, § 13b ErbStG Rz. 369 m.w.N. 6 H E 13b.15 und H E 13b.20 ErbStH 2011. 7 So wohl Weinmann in Moench/Weinmann, § 13b ErbStG Rn. 85.
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§ 13b ErbStG Rz. 294 Begünstigtes Vermögen vermögen mitgeschenkt werden, während „schädliches“ Sonderbetriebsvermögen zurückbehalten werden konnte. In gleicher Weise konnte der gemeine Wert der übertragenen betrieblichen Einheit (als Vergleichswert für die Berechnung der Verwaltungsvermögensquote) durch Mitschenkung von positivem Sonderbetriebsvermögen oder Zurückbehalt von negativem Sonderbetriebsvermögen (insbesondere Verbindlichkeiten im Sonderbetriebsvermögen) erhöht werden. b) Berücksichtigung des § 97 Abs. 1a BewG auch bei der Ermittlung der Verwaltungsvermögensquote 294 Im Rahmen der gesellschafterbezogenen Betrachtung stellte sich die Frage, ob bei der Berechnung
der Verwaltungsvermögensquote auch die Wertaufteilungsvorgaben des § 97 Abs. 1a BewG zu berücksichtigen waren. Nach der Vorschrift sind bei der Aufteilung des gemeinen Wertes einer Mitunternehmerschaft auf deren Gesellschafter die Kapitalkonten den jeweiligen Gesellschaftern vorab zuzurechnen und der nach Abzug der Kapitalkonten verbleibende Restwert nach dem Gewinnverteilungsschlüssel zu verteilen. 295 Da bei gesellschafterbezogener Berechnung der Verwaltungsvermögensquote ebenfalls jedem Gesell-
schafter ein Wertanteil am Gesamthandsvermögen zugewiesen wurde, sprach m.E. viel dafür, auch für diese Wertaufteilung die Grundsätze des § 97 Abs. 1a BewG (zumindest entsprechend) heranzuziehen.1 Hierbei konnten dann unterschiedlich hohe Kapitalkonten zu einer Mehr- oder Minderzuweisung beim einzelnen Gesellschafter führen. Bei näherer Betrachtung ergab sich jedoch durch diese Mehr- oder Minderzuweisung aufgrund der Einbeziehung der Kapitalkonten in die Wertverteilung, jedenfalls bezogen auf das Gesamthandsvermögen, keine Auswirkung auf die Quotenberechnung, und zwar aus folgendem Grund: Die gesellschafterbezogene Verwaltungsvermögensquote berechnete sich durch einen Vergleich des auf den Gesellschafter entfallenden Anteils der gemeinen Werte der Wirtschaftsgüter des Verwaltungsvermögens im Gesamthandsvermögen (Zähler) zum Anteil des Gesellschafters am gemeinen Wert des Betriebes (Nenner). Vertrat man nun die Auffassung, dass bei einer unterschiedlich hohen Beteiligung am Eigenkapital dieser Umstand bei der Ermittlung der Verwaltungsvermögensquote berücksichtigt werden muss (wofür gute Gründe sprechen), dann war dies konsequenterweise sowohl beim Anteil am Wert des Gesamthandsvermögens (Nenner) als auch beim Anteil am Wert des Verwaltungsvermögens (Zähler) maßgeblich. Demgegenüber ergäbe sich eine „Schieflage“, wenn bei der Berechnung der Verwaltungsvermögensquote z.B. der Anteil am Gesellschaftswert unter Berücksichtigung der Kapitalkonten, der Anteil am Verwaltungsvermögen aber nur nach dem Gewinnverteilungsschlüssel erfasst würde.2 Es ist weder ein wirtschaftlicher noch ein rechtlicher Grund ersichtlich, warum die Aufteilungsregelung des § 97 Abs. 1a BewG nur auf einer Seite der Gleichung entsprechend zu berücksichtigen sein soll. Anders ausgedrückt konnte es zu einer Quotenverschiebung durch die unterschiedliche Eigenkapitalisierung der Gesellschafter nur bei „einseitiger“ Berücksichtigung der Kapitalkonten kommen. Bei „beidseitiger“ Berücksichtigung verändert sich die Quote, zumindest bezogen auf das Gesamthandsvermögen, nicht. Dies erlaubte es, in der Praxis aus Vereinfachungsgründen auch bei Mitunternehmerschaften immer eine Gesamtquote zu bilden, wenn kein Sonderbetriebsvermögen eines oder mehrerer Gesellschafter vorhanden war.
1 GlA. Brüggemann, ErbBstg 2012, 20 (23 f.); vgl. auch das Beispiel bei Klümpen-Neusel, ErbBstg 2009, 95 (96). 2 So aber Klümpen-Neusel, ErbBstg 2009, 95 (97), m.E. unzutreffend.
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§ 13c Verschonungsabschlag bei Großerwerben von begünstigtem Vermögen (1) 1Überschreitet der Erwerb von begünstigtem Vermögen im Sinne des § 13b Absatz 2 die Grenze des § 13a Absatz 1 Satz 1 von 26 Millionen Euro, verringert sich auf Antrag des Erwerbers der Verschonungsabschlag nach § 13a Absatz 1 oder Absatz 10 um jeweils einen Prozentpunkt für jede vollen 750 000 Euro, die der Wert des begünstigten Vermögens im Sinne des § 13b Absatz 2 den Betrag von 26 Millionen Euro übersteigt. 2Im Fall des § 13a Absatz 10 wird ab einem Erwerb von begünstigtem Vermögen im Sinne des § 13b Absatz 2 in Höhe von 90 Millionen Euro ein Verschonungsabschlag nicht mehr gewährt. (2) 1§ 13a Absatz 3 bis 9 findet auf Absatz 1 entsprechende Anwendung. 2Bei mehreren Erwerben begünstigten Vermögens im Sinne des § 13b Absatz 2 von derselben Person innerhalb von zehn Jahren werden für die Bestimmung des Verschonungsabschlags für den letzten Erwerb nach Absatz 1 die früheren Erwerbe nach ihrem früheren Wert dem letzten Erwerb hinzugerechnet. 3Der nach Satz 2 ermittelte Verschonungsabschlag für den letzten Erwerb findet auf die früheren Erwerbe Anwendung, wenn die Steuerbefreiung für den früheren Erwerb nach § 13a Absatz 1 Satz 3 wegfällt oder dies bei dem jeweiligen Erwerb zu einem geringeren Verschonungsabschlag führt, es sei denn, für den früheren Erwerb wurde ein Antrag nach § 28a Absatz 1 gestellt. 4Die bis dahin für frühere Erwerbe gewährte Steuerbefreiung entfällt insoweit mit Wirkung für die Vergangenheit. 5§ 13a Absatz 1 Satz 4 findet Anwendung. 6Der Antrag nach Absatz 1 ist unwiderruflich und schließt einen Antrag nach § 28a Absatz 1 für denselben Erwerb aus. (3) Die Absätze 1 und 2 gelten in den Fällen des § 1 Absatz 1 Nummer 4 entsprechend. A. I. II. III.
Grundaussagen der Vorschrift. . . . . . . . . . Regelungsgegenstand und Normaufbau . . . Bedeutung und Telos . . . . . . . . . . . . . . . . . Geltungsbereich und Verhältnis zu anderen Vorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Rechtsentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1 1 2
B. Mechanismus der Abschmelzung (Abs. 1) . 6 C. Zusammenrechnung der Erwerbe begünstigten Vermögens innerhalb von zehn Jahren (Abs. 2). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12
4 5
D. Geltung auch für Familienstiftungen (Abs. 3) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18
A. Grundaussagen der Vorschrift I. Regelungsgegenstand und Normaufbau Die §§ 13c und 28a ErbStG regeln die verschiedenen Formen der Begünstigungen für sog. „Groß- 1 erwerber“, also für diejenigen Fälle, in denen der Erwerb (ggf. unter Einschluss des erwerberbegünstigten Vermögens der letzten zehn Jahre) die Grenze von 26 Mio. Euro übersteigt. Sowohl für die Verschonung nach § 13c ErbStG als auch § 28a ErbStG ist ein Antrag des Steuerpflichtigen erforderlich. Abs. 1 regelt die Technik des sog. Abschmelzungsmodells, nämlich dass bei Überschreiten der Grenze von 26 Mio. Euro sich der Verschonungsabschlag für jede 750 000 Euro, die die Wertgrenze von 26 Mio. Euro überschreiten, um 1 % verringert. Abs. 2 stellt klar, dass sich die Abschmelzung sowohl auf die Voll- als auch auf die Regelverschonung bezieht und dass Erwerbe innerhalb der letzten zehn Jahre von begünstigtem Vermögen von derselben Person zusammenzurechnen sind. Abs. 3 regelt die Anwendung des Abschmelzungsmodells auch für den Fall der Erbersatzsteuer.
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§ 13c ErbStG Rz. 2 Verschonungsabschlag bei Großerwerben
II. Bedeutung und Telos 2 28a ErbStG regelt eine der beiden Verschonungsalternativen für „Großerwerbe“, zurückgehend auf
die Entscheidung des BVerfG vom 14.12.2014.1 Danach bedarf es bei überschreiten gewisser Erwerbsgrenzen einer erhöhten Verschonungsbedarfsprüfung zusätzlich zu den allgemeinen Voraussetzungen nach §§ 13a, 13b ErbStG, um dem erhöhten verfassungsrechtlichen Rechtfertigungsdruck für die Inanspruchnahme der Unternehmensbegünstigungen ab einer gewissen Größenordnung zu genügen. 3 Der Vorgabe des BVerfG folgend geht der Gesetzgeber bei Erwerben bis zu einem Wert von 26 Mio.
Euro typisierend von einer unwiderleglichen Gefährdungsvermutung für die in den Betrieben angelegte Beschäftigung aus. Der Prüfschwellenwert ist von der Steuertarifnorm abgeleitet. Der Gesetzgeber hat im Rahmen des Steuertarifs die größeren Erwerbe, auf die der höchste Steuersatz angewendet wird, mit einem Wert von über 26 Mio. Euro bestimmt (vgl. § 19 Abs. 1 ErbStG). Darüber hinaus soll gem. § 13c ErbStG eine lineare Abschmelzung der Steuerbefreiungssätze der Regel- und Vollverschonung eintreten.
III. Geltungsbereich und Verhältnis zu anderen Vorschriften 4 Die Abschmelzung der Steuerbefreiungsabschläge gem. § 13c ErbStG tritt erst ein bei Überschreiten
der 26 Mio.-Euro-Grenze des § 13a Abs. 1 ErbStG (§ 13a ErbStG Rz. 35). Die Abschmelzung der Steuerbefreiung betrifft das begünstigte Vermögen i.S.d. § 13b Abs. 2 Satz 1 ErbStG. Der Antrag nach § 13c ErbStG auf Gewährung der (abschmelzenden) Steuerbefreiung kann nur alternativ und nicht zusätzlich zu einem Erlassantrag nach § 28a ErbStG gestellt werden (§ 13c Abs. 2 Satz 6 ErbStG). Hierdurch soll klarstellend verhindert werden, dass ein Erwerber nicht einerseits das Abschmelzungsmodell in Anspruch nehmen und andererseits zusätzlich den Erlass nach § 28a ErbStG auf den nicht der Abschmelzung unterliegenden Steuerbetrag beanspruchen kann. Die allgemeine Stundung der nach Abschmelzung festgesetzten Steuer auf das begünstigte Vermögen gem. § 28 Abs. 2 ErbStG bleibt unberührt. Die Vorschrift gilt bei allen Arten der persönlichen Steuerpflicht, z.B. auch bei beschränkter oder erweitert beschränkter Steuerpflicht.
IV. Rechtsentwicklung 5 Die Norm wurde durch das Gesetz zur Anpassung des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes
an die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts2 mit Wirkung zum 1.7.2016 in das ErbStG eingeführt. Zum verfassungsrechtlichen Hintergrund und dem Gang des Gesetzgebungsverfahrens s. § 13a ErbStG Rz. 24 ff.
B. Mechanismus der Abschmelzung (Abs. 1) 6 Während sich die Begünstigungsfolgen für Erwerbe von begünstigtem Vermögen bis zu 26 Mio. Eu-
ro (ausschließlich) nach § 13a Abs. 1 i.V.m. Abs. 10 ErbStG (§ 13a ErbStG Rz. 34) regeln (85 %iger oder 100 %iger Verschonungsabschlag auf den Gemeinwert des begünstigten Vermögens i.S.d. § 13b Abs. 2 Satz 1 ErbStG), findet bei Überschreiten der Erwerbsgrenze von 26 Mio. Euro ein Wechsel des Verschonungsregimes statt. Dieser Wechsel geht zurück auf die Anordnung des BVerfG, wonach aufgrund des steigenden Maßes absoluter Ungleichbehandlung bei der Steuerbefreiung von Großerwerben eine zusätzliche verfassungsrechtliche Rechtfertigung geboten ist. Das BVerfG selbst hatte seinerzeit vorgedacht, dass hierbei entweder eine Abschmelzung der Verschonungsabschläge zu erfolgen hat oder aber die Gewährung der Steuerbefreiungen von zusätzlichen Voraussetzungen in Gestalt ei-
1 BVerfG v. 14.12.2014 – 1 BvL 21/12, DB 2015, 42. 2 BGBl. I 2016, 2464.
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Mechanismus der Abschmelzung (Abs. 1)
Rz. 10 § 13c ErbStG
ner individuellen Bedürfnisprüfung abhängig zu machen ist. Der Gesetzgeber hat sich für beide Varianten, nun geregelt in § 13c ErbStG und § 28a ErbStG, entschieden. § 13c Abs. 1 Satz 1 ErbStG bestimmt, dass sich für jede (vollendeten) 750 000 Euro, die die Wert- 7 grenze übersteigen, die Verschonungsabschläge der Regel- oder Vollverschonung (85 % oder 100 %) um 1 % verringern. Beträgt der Wert des Erwerbs also 26 750 001 Euro, beträgt der Verschonungsabschlag der Regelverschonung nur noch 84 %, der Verschonungsabschlag der Vollverschonung nur noch 99 % usw. Die Abschmelzung erfolgt nicht gleitend, sondern „treppenförmig“, d.h. es kommt im Rahmen der Abschmelzungszone bei einem Überschreiten der 750 000 Euro-Grenze um 1 Euro zu einer gravierenden Steuermehrbelastung. Härteausgleichsregelungen sind nicht vorgesehen. Dies ist verfassungsrechtlich bedenklich.1 Der Anstieg in der Progression und das damit verbundene Absinken der Steuerbefreiung in der Mi- 8 nus- und Vollverschonung kann zudem zu dem Effekt führen, dass es durch Umwandlung von Verwaltungsvermögen in begünstigtes Vermögen vor der Schenkung letztlich zu einer Steuermehrbelastung kommt.2 Zwar unterliegt das verminderte Netto-Verwaltungsvermögen stets der ungemilderten Besteuerung (vgl. § 13b ErbStG Rz. 79); die darauf entfallende Steuerbelastung kann jedoch zum Teil geringer ausfallen, als die Mehrbelastung auf Grund des Absinkens der Steuerbefreiungsabschläge bei Anstieg des begünstigten Vermögens. Das folgende Beispiel mag dies verdeutlichen. Beispiel: V beabsichtigt, seiner Tochter T einen Anteil (100 %) an der V-GmbH im Wert von 70 Mio. Euro zu übertragen. Das Verwaltungsvermögen der Gesellschaft beträgt 10 Mio. Euro (netto = brutto). T möchte für den Erwerb die Vollverschonung in Anspruch nehmen. Steuerbelastung Begünstigtes Vermögen vor „Schmutzgrenze“ 60 Mio. Begünstigtes Vermögen nach „Schmutzgrenze“ 66 Mio. Verschonungsabschlag 47 % BMG: 0,53 × 66 Mio. + 4 Mio. 38,98 Mio. Steuer (30 %) 11,694 Mio. Abwandlung: Vor der Schenkung veräußert V Verwaltungsvermögen der Gesellschaft i.H.v. 4 Mio. Euro und erwirbt davon Produktivvermögen (Maschinen). Steuerbelastung nach Umschichtung Begünstigtes Vermögen vor „Schmutzgrenze“ 64 Mio. Begünstigtes Vermögen nach „Schmutzgrenze“ 70 Mio. Verschonungsabschlag 42 % BMG: 0,58 × 70 Mio. 40,6 Mio. Steuer (30 %) 12,18 Mio. Nach Umschichtung von Verwaltungsvermögen i.H.v. 4 Mio. Euro in begünstigtes Vermögen ergibt sich also eine höhere Steuerbelastung. Auch die Umschichtung in begünstigtes Vermögen ist im Abschmelzungmodell also sorgfältig zu prüfen, da sich hierdurch keineswegs immer ein Steuerentlastungseffekt ergibt.
Überhaupt ergibt sich im Abschmelzungsmodell durch das Absinken der Verschonungsabschläge ein 9 rechnerischer Grenznutzen, der entsteht, weil mit Erreichen jeder Tarifstufe von 750 000 Euro der Verschonungsabschlag um 1 % absinkt, während die Bemessungsgrundlage um 750 000 Euro steigt. Korezkij3 weist zutreffend darauf hin, dass die maximale Höhe der Steuerbefreiung im Fall der Vollverschonung bei einem gemeinen Wert des begünstigten Vermögens i.H.v. 51 Mio. Euro erreicht ist (nämlich 34 Mio. Euro), und danach kontinuierlich abnimmt. Im Fall der Regelverschonung ist dieser Grenznutzen bereits bei einen gemeinen Wert des begünstigten Vermögens von 45 Mio. Euro erreicht. Im Fall der Regelverschonung ist der Steuerbefreiungsabschlag i.H.v. 85 % bei Überschreiten einer 10 Erwerbsgrenze von 90 Mio. Euro vollständig auf null abgeschmolzen. Eine „Sockelverschonung“, 1 Korezkij, DStR 2015, 1337. 2 Korezkij, DStR 2017, 189 (190). 3 Korezkij, DStR 2017, 189 (190 f.).
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§ 13c ErbStG Rz. 11 Verschonungsabschlag bei Großerwerben wie noch im Regierungsentwurf vom 15.9.2015 enthalten, ist nicht vorgesehen. Dies ist zu kritisieren, da nach hier vertretener Auffassung eine Sockelverschonung verfassungsrechtlich unbedenklich, wenn nicht gar geboten wäre.1 11
Gemäß § 13c Abs. 1 Satz 2 ErbStG wird auch bei Wahl der Vollverschonung (§ 13a Abs. 10 ErbStG) ab einem Erwerb von begünstigtem Vermögen i.H.v. 90 Mio. Euro kein Verschonungsabschlag mehr gewährt. Während in der Variante der Regelverschonung der 85 %ige Verschonungsabschlag bei 89,75 Mio. Euro vollends abgeschmolzen ist, wären rechnerisch bei einem Wert des begünstigten Vermögens i.H.v. 90 Mio. Euro noch 15 % Verschonungsabschlag in der Vollverschonungsvariante erhalten. Dies bedeutet, dass bei Überschreiten der 90 Mio.-Euro-Grenze (sei es auch nur um 1 Euro) die Steuerbefreiung schlagartig von 15 % auf 0 % sinkt.2 Dieser „letzte Euro“ führt in der Vollverschonungsvariante zu einer Steuerbelastung von 4 050 000 Euro – ein Ergebnis, das verfassungsrechtlich schwerlich haltbar sein kann.3
C. Zusammenrechnung der Erwerbe begünstigten Vermögens innerhalb von zehn Jahren (Abs. 2) 12
Die Regelung wiederholt zum Teil den Regelungsgehalt des § 13a Abs. 1 Satz 2 bis 4 ErbStG (§ 13a ErbStG Rz. 35).
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Satz 2 bestimmt hierbei, dass diese Grenze auch durch mehrere Erwerbe innerhalb von zehn Jahren von derselben Person überschritten werden kann. Die Norm bestimmt eine Zusammenrechnung aller Erwerbe von derselben Person innerhalb von zehn Jahren zur Bestimmung der maßgeblichen Größe des erworbenen begünstigten Vermögens. Die Verschonungsfolgen für den letzten Erwerb bestimmen sich dann nach dem Gesamtwert der zusammenzurechnenden Erwerbe (§ 13a ErbStG Rz. 35).
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Die Anwendungsregelung des § 37 ErbStG ist auch auf die teilweise Wiederholung der Zusammenrechnungsvoraussetzungen in § 13c Abs. 2 Satz 2 bis 4 abgestimmt. Aufgrund dieser Tatsache ist davon auszugehen, dass auch Erwerbe begünstigten Vermögens vor dem 1.7.2016 in die Zusammenrechnung einzubeziehen sind und für den späteren (d.h. nach dem 30.6.2016 erfolgenden) Erwerb die Höhe des Verschonungsabschlages nach § 13c ErbStG beeinflussen (hierzu bereits § 13a ErbStG Rz. 34).
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§ 13c Abs. 2 Satz 5 ErbStG bestimmt, dass eine Besteuerung nach dem Abschmelzungsmodell nur auf Antrag erfolgt. Dies wirft zunächst einmal die Frage auf, wie lange der Antrag gestellt werden kann. Auch hier schweigt sich das Gesetz aus; nach der gesetzlichen Konzeption wäre daher der Antrag bis zum Ablauf der Festsetzungsverjährung zulässig. Es dürfte allerdings davon auszugehen sein, dass nach Auffassung der Finanzverwaltung – entsprechend der Diskussion um die Ausübung der Optionsverschonungen i.S.d. § 13a Abs. 10 ErbStG (vgl. § 13a ErbStG Rz. 250 ff.) – der Antrag jedenfalls bis zum Eintritt der materiellen Bestandskraft der Steuerfestsetzung ausgeübt werden kann.4
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Der Antrag ist unwiderruflich. Dies bedeutet, dass ein einmal gestellter Antrag auf Anwendung des Abschmelzungsmodells – anders als der Antrag nach § 28a ErbStG (vgl. hierzu § 28a ErbStG Rz. 16) – nicht mehr zurückgenommen werden kann. Ähnlich der Optionsverschonung führt dies auch bei mehreren Erwerben aufgrund der Zusammenrechnungsanordnung zu einer „Abschmelzungsfalle“. Denn während der Erwerber bei mehreren Erwerben begünstigten Vermögens innerhalb von zehn Jahren für den letzten Erwerb eine andere Verschonungsform wählen kann, ist jedoch zugleich der Wert des letzten Erwerbes dem des ersten Erwerbes hinzuzurechnen, sofern dieser erste Erwerb nach dem 30.6.2016 erfolgte. Der letzte Erwerb führt also dazu, dass für den ersten Erwerb, falls der Er-
1 2 3 4
Dazu Reich, DStR 2015, 2750; Reich, DStR 2016, 2447. Hannes, ZEV 2016, 554 (560). Gl.A. Wachter, FR 2016, 690 (705). R E 13a.13 Abs. 2 Satz 2 ErbStR 2011.
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Geltung auch für Familienstiftungen (Abs. 3)
Rz. 18 § 13c ErbStG
werber das Abschmelzungsmodell (unwiderruflich) gewählt hat, eine ungünstigere Progression und damit ein verringerter Verschonungsabschlag anzuwenden ist.1 Beispiel: Im Jahr 01 schenkt V seinem Sohn S begünstigtes Vermögen im gemeinen Wert von 28 Mio. Euro. Da S bereits über 5 Mio. Euro Privatvermögen verfügt, wählt er das Abschmelzungsmodell (Vollverschonung) mit der Folge, dass der Verschonungsabschlag noch 98 % beträgt. Im Jahr 08 verstirbt V und vererbt S weiteres begünstigtes Vermögen im gemeinen Wert von 50 Mio. Euro. Im Jahr 08 beträgt das Privatvermögen des S nur noch 1 Mio. Euro. Während S für den Erwerb im Jahr 08 das Erlassmodell (sofortige Steuerbelastung 500 000 Euro) wählen kann, bleibt der Antrag auf Anwendung des Abschmelzungsmodells für den Erwerb aus 01 bestehen. Aufgrund der Zusammenrechnung der Erwerbe des begünstigten Vermögens zu insgesamt 78 Mio. Euro sinkt der Verschonungsabschlag der Vollverschonung um 69 % auf 31 %. Die Steuerfestsetzung des S aus 01 wird rückwirkend um 18,76 Mio. Euro erhöht, ohne dass S die Verschonungsform wechseln könnte. Im Erlassmodell hätte S im Jahr 01 nur 2,5 Mio. Euro zu versteuern gehabt.
Û
Praxisempfehlung: § 13c ErbStG greift unmittelbar in die weitere Nachfolgeplanung des Er- 17 werbers von begünstigtem Vermögen ein. Bei dieser ist, ggf. testamentarisch, sicherzustellen, dass der Erwerber innerhalb von zehn Jahren kein weiteres begünstigtes Vermögen von demselben Schenker oder von anderen Personen erhält (Erbfallvorsorge). Etwaige unerwartete Folgen müssen daher durch Widerrufsklauseln im Schenkungsvertrag aufgefangen werden.
D. Geltung auch für Familienstiftungen (Abs. 3) Die vorstehenden Regelungen des Abschmelzungsmodells gelten ebenso für die Erbersatzsteuer bei 18 Familienstiftungen (§ 1 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG).
1 Stalleiken, Ubg 2016, 569 (574).
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§ 13d Steuerbefreiung für zu Wohnzwecken vermietete Grundstücke (1) Grundstücke im Sinne des Absatzes 3 sind mit 90 Prozent ihres Werts anzusetzen. (2) 1Ein Erwerber kann den verminderten Wertansatz nicht in Anspruch nehmen, soweit er erworbene Grundstücke auf Grund einer letztwilligen Verfügung des Erblassers oder einer rechtsgeschäftlichen Verfügung des Erblassers oder Schenkers auf einen Dritten übertragen muss. 2Gleiches gilt, wenn ein Erbe im Rahmen der Teilung des Nachlasses Vermögen im Sinne des Absatzes 3 auf einen Miterben überträgt. 3Überträgt ein Erbe erworbenes begünstigtes Vermögen im Rahmen der Teilung des Nachlasses auf einen Dritten und gibt der Dritte dabei diesem Erwerber nicht begünstigtes Vermögen hin, das er vom Erblasser erworben hat, erhöht sich insoweit der Wert des begünstigten Vermögens des Dritten um den Wert des hingegebenen Vermögens, höchstens jedoch um den Wert des übertragenen Vermögens. (3) Der verminderte Wertansatz gilt für bebaute Grundstücke oder Grundstücksteile, die 1. zu Wohnzwecken vermietet werden, 2. im Inland, in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder in einem Staat des Europäischen Wirtschaftsraums belegen sind, 3. nicht zum begünstigten Betriebsvermögen oder begünstigten Vermögen eines Betriebs der Land- und Forstwirtschaft im Sinne des § 13a gehören. (4) Die Absätze 1 bis 3 gelten in den Fällen des § 1 Abs. 1 Nr. 4 entsprechend. A. I. II. III.
Grundaussagen der Vorschrift. . . . . . . . . . Regelungsgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . Bedeutung und Telos . . . . . . . . . . . . . . . . . Geltungsbereich und Verhältnis zu anderen Vorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Rechtsentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Allgemeines und Wirkungsweise des Befreiungsabschlags für Wohngrundstücke (Abs. 1). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1 1 2 3 4
5
C. D. I. II. III. IV.
Weiterübertragung auf Dritte (Abs. 2) . . . . Begünstigte Objekte (Abs. 3) . . . . . . . . . . . Voraussetzungen für die Steuerbefreiung . . . Zu Wohnzwecken vermietet . . . . . . . . . . . . . Belegenheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kein begünstigtes Betriebsvermögen. . . . . . .
11 12 12 13 18 20
E. Erbersatzsteuer für Familienstiftungen (Abs. 4) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22
A. Grundaussagen der Vorschrift I. Regelungsgegenstand § 13d ErbStG regelt einen 10 %igen Steuerbefreiungsabschlag für zu Wohnzwecken vermietete Im- 1 mobilien im steuerlichen Privatvermögen. Grundstücke in einem steuerlichen Betriebsvermögen werden nicht nach § 13d ErbStG begünstigt.
II. Bedeutung und Telos Der Gesetzgeber des ErbStRG 2009 erblickte seinerzeit die Rechtfertigung für diesen – freilich sehr ge- 2 ringen1 – Befreiungsabschlag i.H.v. 10 % in der gemeinwohlförderlichen Zweckbindung von zu Wohnzwecken vermieteten Immobilien.2 Nach seiner Ansicht erbringen private Vermieter eine volkswirtschaftlich bedeutsame Leistung, die die angemessene Wohnraumversorgung der Bevölkerung sichert. Zudem hob die Gesetzesbegründung zum ErbStRG 2009 hervor, dass hierdurch Wettbewerbsnachteile privater Wohnungsvermieter durch eine Steuerbelastung vermieden werden sollen, denen institutionelle Wohnraumanbieter (insbesondere Wohnungsbaugenossenschaften) aufgrund anderer gesell1 Wachter in F/J/P/W5, § 13c ErbStG Rz. 3. 2 Gesetzesbegründung BT-Drucks. 16/7918, 36.
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§ 13d ErbStG Rz. 3 Steuerbefreiung für zu Wohnzwecken vermietete Grundstücke schaftsrechtlicher Organisationsformen nicht unterliegen. Es ist allerdings fraglich, ob der Gesetzgeber mit dem seinerzeit eingeführten geringfügigen Abschlag i.H.v. 10 % eine solche Wettbewerbsneutralität tatsächlich hat herstellen können. Zweifelhaft erscheint dies insbesondere unter dem Gesichtspunkt, dass auch vermögende Privatpersonen mit einem Wohnungsbestand von mehr als 300 zu Wohnzwecken vermieteten Einheiten in den Genuss sehr viel weitgehender Erbschaft- und Schenkungsteuerbefreiungen kommen können („Wohnungsunternehmen“ i.S.d. § 13b Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 Buchst. d ErbStG, s. hierzu § 13b ErbStG Rz. 123 ff.).
III. Geltungsbereich und Verhältnis zu anderen Vorschriften 3 § 13d ErbStG begünstigt ausschließlich steuerliches Privatvermögen und steht daher in einem Exklu-
sivitätsverhältnis zu §§ 13a bis 13c und § 28a ErbStG. Grundstücke in einem steuerlichen Betriebsvermögen können (nur) nach §§ 13a, 13b ErbStG begünstigt sein, vorausgesetzt, es handelt sich nicht um Verwaltungsvermögen i.S.d. § 13b Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 ErbStG. § 10 Abs. 6 Satz 5 ErbStG ordnet eine entsprechend anteilige Kürzung der mit den steuerbefreiten Immobilien in Zusammenhang stehenden Schulden an.
IV. Rechtsentwicklung 4 Die Vorschrift ist ursprünglich als § 13c ErbStG a.F. durch das Erbschaftsteuerreformgesetz vom
24.12.20081 mit Wirkung zum 1.1.2009 eingeführt worden. Mit Einführung des § 13c ErbStG n.F. durch das ErbStAnpG 20162 wurde die Vorschrift unverändert zu § 13d ErbStG.
B. Allgemeines und Wirkungsweise des Befreiungsabschlags für Wohngrundstücke (Abs. 1) 5 Grundstücke, welche zu Wohnzwecken vermietet werden, werden für Zwecke der Erbschaft- und
Schenkungsteuer mit 90 % ihres Wertes angesetzt (§ 13d Abs. 1 ErbStG). 6 Der 10 %ige Abschlag auf den gemeinen Wert („Befreiungsabschlag“)3 stellt keine Bewertungsrege-
lung dar, sondern einen „zulässigen“ Verschonungsabschlag auf den zuvor ermittelten gemeinen Wert.4 Es handelt sich also auch hier – wie bei den Verschonungsabschlägen für betriebliches Vermögen – um eine vom BVerfG für zulässig befundene Steuerbefreiung auf der „zweiten Stufe“ (vgl. hierzu § 13a ErbStG Rz. 17). Die Vorschrift begünstigt ausschließlich und erstmals steuerliches Privatvermögen. Grundstücke in einem steuerlich anerkannten Betriebsvermögen werden grundsätzlich nicht nach § 13d ErbStG begünstigt (dazu sogleich Rz. 20). 7 Der Rechtsgrund für den Erwerb (Erbfall oder Schenkung) ist ohne Belang. Insbesondere ist der
10 %ige Abschlag auch bei der „mittelbaren Grundstücksschenkung“5 zu gewähren,6 bei der der Schenker dem Beschenkten einen Geldbetrag zuwendet mit der Maßgabe, ein näher bezeichnetes, zu Wohnzwecken vermietetes Grundstück zu erwerben. Nachdem die Grundstücksbewertung durch das ErbStRG 2009 an den Verkehrswert angenähert wurde, ist der Befreiungsabschlag der letzte verbleibende Vorteil der mittelbaren Grundstückschenkung. 8 Anders als bei den Verschonungsabschlägen für Betriebsvermögen gibt es keine Nachsteuer- oder Be-
haltensfrist. Maßgeblich sind ausschließlich die Verhältnisse im Steuerentstehungszeitpunkt; eine (u.U. auch sofort nach dem Erbfall oder der Schenkung erfolgende) Veräußerung des Grundstücks 1 2 3 4 5 6
BStBl. I 2008, 3018. BGBl. I 2016, 2464. R E 13c Abs. 1 ErbStR 2011. Zutr. Meincke16, § 13c ErbStG Rz. 1. Zu den Voraussetzungen R E 7.3 ErbStR 2011. Gl.A. Kien-Hümbert in Moench/Weinmann, § 13c ErbStG Rz. 3 m.w.N. (Stand: September 2016).
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Begünstigte Objekte (Abs. 3)
Rz. 13 § 13d ErbStG
oder „Umwidmung“ durch Vermietung zu gewerblichen Zwecken ist daher unschädlich. Unschädlich ist insbesondere auch die Schenkung oder Vererbung an den bisherigen Mieter (z.B. an das Kind, welches in der Wohnung wohnt). Das Gesetz setzt, anders als bei der Übertragung z.B. von Mitunternehmeranteilen, nicht voraus, dass beim Erwerber gleichsam begünstigtes Vermögen „ankommt“. Wird der Befreiungsabschlag in Anspruch genommen, sind die mit der erworbenen Immobilie in 9 Zusammenhang stehenden Schulden und Lasten ebenfalls um 10 % zu kürzen (§ 10 Abs. 6 Satz 5 ErbStG). Hinzuweisen ist in diesem Zusammenhang auch auf § 28 Abs. 3 ErbStG, wonach für die Steuer auf 10 den nicht der Verschonung unterliegenden Anteil von 90 % eine Stundung gewährt werden kann (vgl. § 28 ErbStG Rz. 22 ff.). Zwar kann durch die bis zu zehnjährige zinslose Stundung der Steuer ein beträchtlicher Entlastungseffekt erzielt werden, wenn man davon ausgeht, dass der abgezinste Kapitalwert der zu stundenden Steuer über einen Zeitraum von zehn Jahren etwa dem hälftigen Wert der Steuerschuld entspricht.1 Andererseits hängt die Stundung von hohen Voraussetzungen ab („Steuer nur durch Veräußerung dieses Vermögens aufbringen kann“). Sobald der Erwerber also, insbesondere im Erbfall, noch anderes Vermögen erwirbt, welches zur Begleichung der Steuer herangezogen werden kann, greift die Stundungsmöglichkeit bereits nicht ein.2 Wachter geht daher Recht in der Annahme, dass die Stundungsregelung in der Praxis kaum zur Anwendung gelangt.
C. Weiterübertragung auf Dritte (Abs. 2) Der Erwerber kann den Befreiungsabschlag nicht in Anspruch nehmen, wenn er aufgrund letztwil- 11 liger Verfügung des Erblassers oder durch rechtsgeschäftliche Verfügung des Erblassers oder Schenkers zur Weiterübertragung des Grundbesitzes verpflichtet ist. Gleiches gilt, wenn sich die Erben im Rahmen der Teilung des Nachlasses auseinandersetzen und das Grundstück auf einen oder mehrere Miterben übergeht. Die Regelung entspricht in ihrer gesetzgeberischen Zielrichtung und Gesetzestechnik weitgehend der Parallelregelung für betriebliches Vermögen in § 13a Abs. 5 ErbStG (s. § 13a ErbStG Rz. 121 ff.). Die Sätze 1 und 2 regeln die Behandlung beim „abgebenden“ Erwerber (Verlust des Befreiungsabschlages). Die Regelung greift erst ein, wenn das abzugebende Grundstück nicht bereits als Nachlassverbindlichkeit aus dem Erwerb des „abgebenden“ Erwerbers ausscheidet (z.B. bei Vermächtnis). Die Sätze 2 und 3 regeln die Behandlung beim Letzterwerber. Hier wird sichergestellt, dass der Befreiungsabschlag nur in Höhe der Gegenleistung aus dem Nachlass gewährt wird, um per Saldo eine Mehrfachberücksichtigung der Begünstigung auszuschließen (eingehend § 13a ErbStG Rz. 124).
D. Begünstigte Objekte (Abs. 3) I. Voraussetzungen für die Steuerbefreiung Begünstigt sind bebaute Grundstücke und Grundstücksteile, die 12 1. zu Wohnzwecken vermietet werden, 2. im Inland, einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem Staat des Europäischen Wirtschaftsraumes belegen sind, 3. nicht zum nach §§ 13a, 13b ErbStG begünstigten Betriebsvermögen gehören.
II. Zu Wohnzwecken vermietet Die Immobilie muss zu Wohnzwecken vermietet sein. Ausreichend ist, falls kein Mietvertrag im Zeit- 13 punkt des Übertragungsstichtages besteht, auch die „Widmung“ des Grundstücks zu Vermietungs1 Meincke16, § 13c ErbStG Rz. 1. 2 Wachter in F/J/P/W5, § 13c ErbStG Rz. 54.
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§ 13d ErbStG Rz. 14 Steuerbefreiung für zu Wohnzwecken vermietete Grundstücke zwecken. Erfasst sind daher auch Grundstücke, die zwar grundsätzlich zur Vermietung vorgesehen sind, jedoch im Zeitpunkt des Übertragungsstichtages leer stehen.1 Ausreichend dürfte es sein, wenn der Erwerber die ernsthafte Vermietungsabsicht dokumentiert (z.B. durch Beauftragung eines Maklers, Zeitungsannoncen, Renovierung etc.). Die Finanzverwaltung legt den Tatbestand der Norm also großzügig aus (vgl. auch Tatbestand der „Dritten zur Nutzung überlassenen Grundstücke und Gebäude“ i.S.d. § 13b Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 ErbStG, wo der Leerstand den Tatbestand des Verwaltungsvermögens gerade nicht erfüllt, vgl. § 13b ErbStG Rz. 108). 14
Anders als bei Wohnungsunternehmen i.S.d. § 13b Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 Buchst. d ErbStG muss die vermietete Wohnung für den Befreiungsabschlag nach § 13d ErbStG keine qualifizierten Voraussetzungen erfüllen (kein Verweis auf § 181 Abs. 9 BewG). Begünstigt sind also auch insbesondere Wohnungen mit einer Quadratmeterzahl von weniger als 23 m2 und solche, die jeweils keine in sich geschlossene bauliche Wohneinheit bilden oder keinen selbständigen Zugang haben (insbes. vermietete Zimmer in Studentenwohnheimen und Seniorenwohnheimen, betreutes Wohnen u.a.). Auf die Dauer der Vermietung kommt es ebenfalls nicht an. Auch nur zum kurzfristigen Gebrauch vermietete Objekte wie Ferienwohnungen und -häuser sind begünstigt.2
15
Eine andere Nutzung als zu Wohnzwecken ist dann unschädlich, wenn sie von untergeordneter Bedeutung ist (z.B. häusliches Arbeitszimmer). Aber auch eine teilweise oder zeitweise gewerbliche (Mitbe-)Nutzung der vermieteten Wohnung ist dann unschädlich, wenn die Wohnzwecknutzung insgesamt überwiegt.3 Das „Überwiegen“ dürfte, wie auch bei der Aufteilung von Dritten zur Nutzung überlassenen Flächen, nach dem Verhältnis der Nutzflächen aufzuteilen sein (vgl. § 13b ErbStG Rz. 128). Der untergeordnete Nutzen zu anderen Zwecken hindert dann die Begünstigung insgesamt nicht. Anders ist dies, wenn in einem Objekt mehrere getrennt zu betrachtende Einheiten vermietet werden (z.B. teils zu Wohnzwecken, teils zu Gewerbezwecken). In diesem Fall ist nur der anteilige Wert der zu Wohnzwecken vermieteten Gebäudeteile begünstigt. Der übrige Teil ist nicht begünstigt. Maßgeblich ist auch hier die Aufteilung des Gesamtwertes des vermieteten Objektes anhand des Verhältnisses der Nutzflächen.4
16
Auch die teilentgeltliche Vermietung ist begünstigt (auf die steuerliche Anerkennung des Mietverhältnisses kommt es nicht an, kein Fremdvergleich5), nicht aber die unentgeltliche Überlassung.6 Zivilrechtlich liegt im Falle unentgeltlicher Überlassung eine „Leihe“ (§ 589 ff. BGB) vor, die vom Wortlaut des § 13d ErbStG nicht erfasst ist.
17
Von der Begünstigung ebenfalls erfasst sind Erbbaurechte,7 nicht hingegen die erbbaurechtsbelasteten Grundstücke, da letztere als unbebaute Grundstücke gelten. Gebäude auf fremdem Grund und Boden können begünstigt sein, wenn sie dem Erblasser/Schenker als wirtschaftlichem Eigentümer zugerechnet werden können8 (zur Zurechnung von Wirtschaftsgütern für Zwecke des Verwaltungsvermögenstests vgl. § 13b ErbStG Rz. 102).
III. Belegenheit 18
Weitere Voraussetzung ist, dass die Immobilie im Inland, in einem Staat der EU oder des EWR belegen sein muss. Der Gesetzgeber hat also vor dem Hintergrund europarechtlicher Vorgaben die Begünstigung, wie auch bei der Begünstigung von Betriebsvermögen, auf inländische und „europäische“ Immobilien ausgeweitet. Nicht begünstigt sind damit (nur) Drittlandsimmobilien. 1 R E 13c Abs. 2, Abs. 3 Satz 4 ErbStR 2011; Kien-Hümbert in Moench/Weinmann, § 13c ErbStG Rz. 4 (Stand: September 2016). 2 A.A. Jochum in Wilms/Jochum, § 13c ErbStG Rz. 24 (Stand: Oktober 2016), der eine Begünstigung von Ferienimmobilien gemessen am Gesetzeszweck (Gestellung von Wohnraum) für problematisch hält. 3 R E 13c Abs. 4 Satz 2 ErbStR 2011. 4 R E 13c Abs. 3 Satz 6 u. 7 ErbStR 2011. 5 Wachter in F/J/P/W5, § 13c ErbStG Rz. 11 m.w.N. 6 R E 13c Abs. 3 Satz 2 ErbStR 2011. 7 Wachter in F/J/P/W5, § 13c ErbStG Rz. 6; Jülicher in T/G/J, § 13c ErbStG Rz. 7 (Stand: April 2016). 8 Eingehend Jülicher in T/G/J, § 13c ErbStG Rz. 7 (Stand: April 2016).
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Erbersatzsteuer für Familienstiftungen (Abs. 4)
Rz. 22 § 13d ErbStG
Während es sich unter sonstigen steuerlichen Gesichtspunkten durchaus anbieten kann, Drittlandsim- 19 mobilien über eine deutsche Gesellschaft, z.B. eine Kapitalgesellschaft, zu halten, führt dies im Anwendungsbereich des § 13d ErbStG nicht dazu, dass der Befreiungsabschlag gewährt werden kann. Denn durch das nur mittelbare Halten einer Immobilie über eine steuerlich anerkannte Gesellschaftsform sind die Gesellschaftsanteile erbschaft- und schenkungsteuerlicher Zuwendungsgegenstand (vgl. sogleich Rz. 20). Anders ist dies beim Halten über eine vermögensverwaltende Personengesellschaft; in diesem Fall gilt entsprechend der Bruchteilsbetrachtung die Immobilie als Zuwendungsgegenstand (§ 10 Abs. 1 Satz 4 ErbStG), freilich dann auch mit der Folge, dass die Drittlandsbelegenheit die Begünstigung ausschließt.
IV. Kein begünstigtes Betriebsvermögen Ebenso bestimmt § 13d Abs. 3 Nr. 3 ErbStG, dass die Begünstigung ausscheidet, wenn das Grundstück 20 zum begünstigten Betriebsvermögen oder begünstigten Vermögen eines Betriebes der Land- und Forstwirtschaft i.S.d. § 13a ErbStG gehört. Der Gesetzgeber will hiermit wohl vermeiden, dass es zu einer „Doppelbegünstigung“ kommt, indem innerhalb der Verschonungsabschläge für begünstigtes Vermögen (§§ 13a, 13b ErbStG) zusätzlich noch ein weiterer 10 %iger Befreiungsabschlag auf den Wert des im Betriebsvermögen gehaltenen fremdvermieteten Grundbesitzes angewandt wird. Anderes gilt freilich, wenn das dem Grunde nach begünstigte Betriebsvermögen i.S.d. § 13b Abs. 1 ErbStG die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme der Verschonungsabschläge letztlich nicht erfüllt, weil das in Rede stehende Grundstück des Betriebsvermögens zum (jungen) Verwaltungsvermögen gehört).1 Hier dürfte freilich zu differenzieren sein zwischen Personen- und Kapitalgesellschaften: Soweit bei einem Grundstück im Betriebsvermögen einer Personengesellschaft dieses als (junges) Verwaltungsvermögen bruchteilsanteilig vom begünstigten Vermögen i.S.d. § 13b Abs. 2 Satz 1 ErbStG ausgenommen wird und vom Erwerber, wiederum bruchteilsanteilig, unmittelbar zu versteuern ist, bleibt Raum für die Begünstigung nach § 13d ErbStG.), Bei Kapitalgesellschaften bleibt es dagegen dabei, dass es sich bei dem Schenkungsgegenstand um einen Kapitalgesellschaftsanteil handelt, der insoweit nicht begünstigt ist.2 Die Begünstigung nach § 13d ErbStG kann daher nach hier vertretener Ansicht für den Teil des Anteilswertes, der das (junge) Verwaltungsvermögen, gleich welcher Art, lediglich wertmäßig repräsentiert, nicht beansprucht werden; bezogen auf diesen Fall ist vielmehr von einer „Abschirmwirkung“ der Kapitalgesellschaft auszugehen.3 Hinsichtlich des land- und forstwirtschaftlichen Vermögens ist danach zu unterscheiden, ob die in Re- 21 de stehende Immobilie dem Wirtschaftsteil des LuF-Betriebes zuzuordnen ist. Nur dieser ist nämlich von § 13b Abs. 1 Nr. 1 ErbStG erfasst. Demgemäß unterliegen insbesondere Betriebswohnungen (§ 160 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 8 BewG) von vornherein nicht den Begünstigungen für LuF-Vermögen, da sie nicht dem Wirtschaftsteil zuzuordnen sind. Insofern ist also ohne weiteres der Befreiungsabschlag nach § 13d ErbStG als „Auffangbegünstigung“ zu gewähren.
E. Erbersatzsteuer für Familienstiftungen (Abs. 4) Der Befreiungsabschlag gilt auch im Rahmen der Ersatzerbschaftsteuer für Familienstiftungen. Soweit 22 sich im Vermögen der Familienstiftung Grundstücke i.S.d. § 13d Abs. 3 ErbStG befinden, wird – unabhängig davon, ob es sich um eine in- oder ausländische Familienstiftung handelt – der 10 %ige Abschlag gewährt.
1 Kien-Hümbert in Moench/Weinmann, § 13c ErbStG Rz. 7 (Stand: September 2016). 2 So auch R E 13c Abs. 2 Satz 8 ErbStR 2011. 3 A.A. wohl Wachter in F/J/P/W5, § 13c ErbStG Rz. 18.
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Dritter Abschnitt Berechnung der Steuer
§ 14 Berücksichtigung früherer Erwerbe (1) 1Mehrere innerhalb von zehn Jahren von derselben Person anfallende Vermögensvorteile werden in der Weise zusammengerechnet, daß dem letzten Erwerb die früheren Erwerbe nach ihrem früheren Wert zugerechnet werden. 2Von der Steuer für den Gesamtbetrag wird die Steuer abgezogen, die für die früheren Erwerbe nach den persönlichen Verhältnissen des Erwerbers und auf der Grundlage der geltenden Vorschriften zur Zeit des letzten Erwerbs zu erheben gewesen wäre. 3Anstelle der Steuer nach Satz 2 ist die tatsächlich für die in die Zusammenrechnung einbezogenen früheren Erwerbe zu entrichtende Steuer abzuziehen, wenn diese höher ist. 4Die Steuer, die sich für den letzten Erwerb ohne Zusammenrechnung mit früheren Erwerben ergibt, darf durch den Abzug der Steuer nach Satz 2 oder Satz 3 nicht unterschritten werden. 5Erwerbe, für die sich nach den steuerlichen Bewertungsgrundsätzen kein positiver Wert ergeben hat, bleiben unberücksichtigt. (2) 1Führt der Eintritt eines Ereignisses mit Wirkung für die Vergangenheit zu einer Veränderung des Werts eines früheren, in die Zusammenrechnung einzubeziehenden Erwerbs, endet die Festsetzungsfrist für die Änderung des Bescheids über die Steuerfestsetzung für den späteren Erwerb nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 der Abgabenordnung nicht vor dem Ende der für eine Änderung des Bescheids für den früheren Erwerb maßgebenden Festsetzungsfrist. 2Dasselbe gilt für den Eintritt eines Ereignisses mit Wirkung für die Vergangenheit, soweit es lediglich zu einer Änderung der anrechenbaren Steuer führt. (3) Die durch jeden weiteren Erwerb veranlaßte Steuer darf nicht mehr betragen als 50 Prozent dieses Erwerbs. A. I. II. III. IV. B. I. II.
III.
Grundaussagen der Vorschrift. . . . . . . . . . 1 Regelungsgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 Bedeutung und Telos . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 Geltungsbereich und Verhältnis zu anderen Vorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 Rechtsentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 Anwendung der Vorschrift . . . . . . . . . . . . 5 Grundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 Tatbestandsvoraussetzungen der Zusammenrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 1. Von derselben Person anfallende Vermögensvorteile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 2. Anfall „innerhalb von zehn Jahren“ – Berechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 a) Grundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 b) Schenkungskette über einen Zeitraum von mehr als zehn Jahren . . . . . 10 3. Ausschluss der Zusammenrechnung . . . . 12 a) Fehlende Steuerbarkeit . . . . . . . . . . . 12 b) Negativer Steuerwert (Abs. 1 Satz 5) . 14 Durchführung der Zusammenrechnung . . . 15 1. Zusammenrechnung der Erwerbe (Abs. 1 Satz 1) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 a) Vorerwerb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 aa) Früherer Wert . . . . . . . . . . . . . . . 15
IV. V. C. I.
bb) Bewertungsrechtlich fehlerhafte Steuerfestsetzung; unterbliebene Festsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Nacherwerb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Steuerberechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Steuer für den Gesamterwerb . . . . . . . b) Steuerabzug für früheren Erwerb. . . . . aa) „Fiktive“ Abzugsteuer (Abs. 1 Satz 2) . . . . . . . . . . . . . . . bb) Tatsächliche Abzugsteuer (Abs. 1 Satz 3) . . . . . . . . . . . . . . . c) Begrenzung des Steuerabzugs . . . . . . . aa) Keine Steuererstattung . . . . . . . . . bb) Mindeststeuer (Abs. 1 Satz 4) . . . . Verlängerung der Festsetzungsfrist bei rückwirkendem Ereignis (Abs. 2) . . . . . . . . . . . . Steuerhöchstbetrag für den Nacherwerb (Abs. 3) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sonderfälle der Anwendung . . . . . . . . . . . . Auslandssachverhalte . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Option zur unbeschränkten Steuerpflicht (§ 2 Abs. 3 ErbStG) . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Grundsätze des Optionsrechts . . . . . . . b) Auswirkung auf die Berücksichtigung früherer Erwerbe . . . . . . . . . . . . . . . . aa) „Fernwirkung“ der Antragstellung (§ 2 Abs. 3 Satz 2 ErbStG). . .
Fumi
16 18 19 19 20 20 21 23 23 24 25 26 27 27 27 27 28 28
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§ 14 ErbStG Rz. 1 Berücksichtigung früherer Erwerbe
II. III. IV.
V. VI.
bb) Zusammenrechnung der Erwerbe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 2. Doppelbesteuerung . . . . . . . . . . . . . . . . 30 a) Unilaterale Anrechnung (§ 21 Abs. 1 bis 3 ErbStG). . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 b) Anrechnung auf Grundlage eines DBA (§ 21 Abs. 4 ErbStG) . . . . . . . . . 32 Substanzerwerb nach Nutzungserwerb . . . . 33 Nacherbfall (§ 6 ErbStG) . . . . . . . . . . . . . . 34 Gemischte Schenkung, Schenkung unter Nutzungs- oder Duldungsauflage (§ 7 Abs. 1, § 10 Abs. 1 ErbStG) . . . . . . . . . 35 Übernahme der Schenkungsteuer (§ 10 Abs. 2 ErbStG). . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 Begünstigtes Betriebsvermögen . . . . . . . . . . 37 1. Freibetrag und Bewertungsabschlag bis 31.12.2008 (§ 13a ErbStG a.F.) . . . . . . . . 37
2. Regelverschonung und Optionsmodell ab 1.1.2009 bis 30.6.2016 (§§ 13a, 13b ErbStG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Tarifbegünstigung nach § 19a ErbStG. . . . VII. Wiederkehrende Nutzungen und Leistungen (§ 23 ErbStG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VIII. Nutzungs- und Rentenlast (§ 25 ErbStG a.F.) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Regelungsinhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Zurechnung eines Vorerwerbs unter Nießbrauchsvorbehalt u. dgl. . . . . . . . . . . 3. Wegfall der Stundung durch entgeltliche Ablösung oder Verzicht . . . . . . . . . . . . . . IX. Mehrfacher Erwerb desselben Vermögens (§ 27 ErbStG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
38 39 40 41 41 42 44 46
Literatur: Gebel, Zusammenfassung mehrerer Zuwendungen bei der Steuerberechnung und der Steuerfestsetzung, ZEV 2001, 213; Götz, Praxisfragen zur Behandlung von Vorerwerben bei § 14 ErbStG, ZEV 2008, 29; Berücksichtigung früherer Erwerbe gem. § 14 ErbStG, ErbStB 2006, 187; Halaczinsky/Meincke, Zur Berechnung der Abzugsteuer nach § 14 Abs. 1 Sätze 2 bis 4 ErbStG, ZEV 2009, 604; Meincke, Zusammenrechnung mehrerer Erwerbe im Erbschaft- und Schenkungsteuerrecht, DStR 2007, 273. Verwaltungsanweisungen: R E 14.1–14.3 ErbStR 2011; H E 14.1–14.3 ErbStH 2011.
A. Grundaussagen der Vorschrift I. Regelungsgegenstand 1 Die Vorschrift des § 14 ErbStG bestimmt, dass mehrere Erwerbe, die innerhalb von zehn Jahren von
derselben Person anfallen, zusammenzurechnen und somit im rechnerischen Ergebnis wie ein Erwerb zu behandeln sind. Dabei sollen gem. § 14 Abs. 1 Satz 1 ErbStG die Vermögensvorteile dergestalt zusammengerechnet werden, dass dem letzten Erwerb nach aktuellen Steuerwerten die früheren Erwerbe nach ihrem – ggf. „alten“ – Steuerwert zugerechnet werden. Nach § 14 Abs. 1 Satz 2 ErbStG wird von der kumulierten Steuer für den Gesamtbetrag eine „fiktive“ Steuer abgezogen, nämlich jene Steuer, die für die früheren Erwerbe (ggf. alte Steuerwerte) nach den persönlichen Verhältnissen des Erwerbers und auf der Grundlage der geltenden Vorschriften zur Zeit des letzten Erwerbs (z.B. aktuelle persönliche Freibeträge – vgl. jedoch die „teleologische“ Reduktion § 14 ErbStG Rz. 20) zu erheben gewesen wäre. In § 14 Abs. 1 Satz 3 ErbStG sieht das Gesetz eine Alternative zugunsten des Steuerpflichtigen vor: Anstelle der „fiktiven“ Steuer ist die tatsächlich für die früheren Erwerbe zu entrichtende Steuer abzuziehen, wenn diese höher ist. § 14 Abs. 1 Satz 4 ErbStG fordert jedoch im Zusammenhang mit dem Abzug eine „Mindeststeuer“: Die Steuer, die sich für den letzten Erwerb alleine ergibt, darf durch den Abzug von früheren Steuern nicht unterschritten werden. Auch bleiben nach § 14 Abs. 1 Satz 5 ErbStG Erwerbe, für die sich nach den steuerlichen Bewertungsgrundsätzen kein positiver Wert ergeben hat, unberücksichtigt. Führt der Eintritt eines rückwirkenden Ereignisses zu einer Veränderung des Werts eines früheren, in die Zusammenrechnung einzubeziehenden Erwerbs, so gewährt § 14 Abs. 2 Satz 1 ErbStG eine Verlängerung der Festsetzungsfrist. Dasselbe gilt nach § 14 Abs. 1 Satz 2 ErbStG für den Eintritt eines Ereignisses mit Wirkung für die Vergangenheit, soweit es lediglich zu einer Änderung der anrechenbaren Steuer führt. Schließlich begrenzt § 14 Abs. 3 ErbStG die festzusetzende Steuer der Höhe nach: Die durch den letzten Erwerb veranlasste (Gesamt-)Steuer darf nicht mehr betragen als 50 % dieses letzten Erwerbs. 606
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Grundaussagen der Vorschrift
Rz. 3 § 14 ErbStG
Schema der Zusammenrechnung nach § 14 ErbStG
Vorerwerb Bemessungsgrundlage (alter Steuerwert)
Vorerwerb Bemessungsgrundlage (alter Steuerwert) + Letzter Erwerb Bemessungsgrundlage (neuer Steuerwert)
Vorerwerb Bemessungsgrundlage (alter Steuerwert)
Mindeststeuer
./. Freibetrag (alt)
./. Freibetrag (neu)
./. Freibetrag (neu und „verbraucht“)
steuerpflichtiger früherer Erwerb
steuerpflichtiger früherer Erwerb
steuerpflichtiger Erwerb
Steuer (alt)
(vorläufige) Steuer neu ./. Abzugsteuer
tatsächliche Steuer (alt)
fiktive Steuer (alt)
festzusetzende Steuer
II. Bedeutung und Telos Die Vorschrift des § 14 ErbStG hat rein fiskalische Bedeutung: Durch die Zusammenrechnung wird 2 nach dem Willen des Gesetzgebers1 gewährleistet, dass die Freibeträge innerhalb des zehnjährigen Zusammenrechnungszeitraums nur einmal zur Anwendung gelangen und sich für die mehreren Erwerbe gegenüber einer einheitlichen Zuwendung in gleicher Höhe kein Progressionsvorteil ergibt. Durch diese Regelung soll somit verhindert werden, dass mehrere Teilerwerbe gegenüber einem einheitlichen Erwerb steuerlich begünstigt werden. Aus § 14 Abs. 1 Satz 1 ErbStG ergibt sich jedoch nicht, dass die verschiedenen Erwerbsvorgänge „wie ein Erwerb zu behandeln“ sind. Die Vorschrift ändert nichts daran, dass die einzelnen Erwerbe als selbständige steuerpflichtige Vorgänge jeweils für sich der Steuer unterliegen. Weder werden die früheren Steuerfestsetzungen mit der Steuerfestsetzung für den letzten Erwerb zusammengefasst noch werden die einzelnen Erwerbe innerhalb eines Zehnjahreszeitraums zu einem einheitlichen Erwerb verbunden. Die Vorschrift trifft lediglich eine besondere Anordnung für die Berechnung der Steuer, die für den jeweils letzten Erwerb innerhalb des Zehnjahreszeitraums festzusetzen ist.2
III. Geltungsbereich und Verhältnis zu anderen Vorschriften Die Zusammenrechnung nach § 14 ErbStG gilt gleichermaßen für Erwerb von Todes wegen, für 3 Schenkungen und für ein Zusammentreffen beider steuerpflichtiger Vorgänge.3 Um in Erb- und Schenkungsfällen nachprüfen zu können, ob ein Erwerber frühere Zuwendungen, die zu berücksichtigen sind, richtig und vollzählig angegeben hat, haben die Finanzämter die Zuwendungen solcher Personen festzuhalten, die nicht sogleich ihr gesamtes Vermögen übertragen, so dass noch weitere
1 Vgl. BT-Drucks. VI/3418, 68 f. 2 Vgl. BFH v. 7.10.1998 – II R 64/96, BStBl. II 1999, 25 m.w.N. 3 Vgl. die Problematik in BFH v. 24.8.2005 – II R 16/02, BStBl. II 2006, 36.
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§ 14 ErbStG Rz. 4 Berücksichtigung früherer Erwerbe unentgeltliche Zuwendungen oder eine Vererbung von weiterem Vermögen zu erwarten sind.1 In die Zusammenrechnung sind, sofern die Voraussetzungen dafür erfüllt sind, auch Erwerbe aus der Zeit vor dem 1.1.2009 einzubeziehen.2 Das Zusammentreffen der Zusammenrechnung nach § 14 ErbStG mit anderen Sonderregelungen des Erbschaft- und Schenkungsteuerrecht wirft zahlreiche Einzelfragen auf (vgl. § 14 ErbStG Rz. 27 ff.).
IV. Rechtsentwicklung 4 Die Regelung in § 14 ErbStG (vormals § 13 ErbStG 1959) ist wiederholt geändert worden. Die Vor-
schrift hat ihre heutige Gestalt im Wesentlichen durch das Gesetz zur Reform- des Erbschaft- und Schenkungsteuerrechts 19743 erhalten: § 14 Abs. 1 Abs. 1 ErbStG wurde zur Klarstellung dahingehend ergänzt, dass bei der Zusammenrechnung Erwerbe, für die sich kein positiver Steuerwert ergibt, unberücksichtigt bleiben.4 Durch das Jahressteuergesetz 19975 wurde § 14 Abs. 1 ErbStG der Satz 3 neu hinzugefügt, wonach die früher für die Vorerwerbe tatsächlich zu erhebende Steuer anzurechnen ist, wenn diese höher ist, als die fiktiv zu ermittelnde Steuer zur Zeit des Letzterwerbs.6 Schließlich ist die Vorschrift durch das Erbschaftsteuerreformgesetz7 – in verschiedener Hinsicht geändert worden. So wurde die Mindestbesteuerung in § 14 Abs. 1 Satz 4 ErbStG eingeführt: Nach der Gesetzesbegründung8 verhindert die Ergänzung „nicht gerechtfertigte Steuervorteile“. Demgemäß soll nach Auffassung des Gesetzgebers für den Letzterwerb jedenfalls die Steuer festzusetzen sein, die angefallen wäre, wenn es den Vorerwerb nicht gegeben hätte.9 Ebenfalls durch das Erbschaftsteuerreformgesetz wurde § 14 Abs. 2 ErbStG geltende Fassung eingefügt, wonach unter bestimmten Voraussetzungen eine Verlängerung der Festsetzungsfrist eintritt. Aus der Systematik des § 14 ErbStG, der auf in der Vergangenheit angefallene Vermögensvorteile rekurriert, ergibt sich, dass für die Durchführung der Zusammenrechnung selbst auf unterschiedliche Fassungen des ErbStG zurückzugreifen ist.10
B. Anwendung der Vorschrift I. Grundsatz 5 Die Zusammenrechnung ist vom Grundsatz her wie folgt vorzunehmen:11 Die Steuer für den „Ge-
samtbetrag“ ist auf der Grundlage der geltenden Tarifvorschriften im Zeitpunkt des Letzterwerbs zu berechnen. Die Steuerklasse, die persönlichen Freibeträge und der Steuertarif richten sich deshalb nach dem aktuell geltenden Recht. Von der Steuer für den Gesamtbetrag wird die Steuer abgezogen, welche für die früheren Erwerbe nach den persönlichen Verhältnissen und auf der Grundlage der Tarifvorschriften (§§ 14 bis 19 ErbStG) zur Zeit des letzten Erwerbs zu erheben gewesen wäre, sog. „fiktive“ Abzugssteuer. Die Steuer ist so zu berechnen, dass sich der dem Steuerpflichtigen zustehende persönliche Freibetrag tatsächlich auswirkt, soweit er nicht innerhalb von zehn Jahren vor die-
1 Vgl. gleich lautende Ländererlasse v. 21.6.2012 – 34-S 3715-001-23 025/12, FMNR32b100012, BStBl. I 2012, 712 Tz. 1.2.2. 2 Vgl. auch R E 14.1 Abs. 1 Satz 4 ErbStR 2011. 3 Gesetz v. 17.4.1974, BGBl. I 1974, 933. 4 Vgl. die Gesetzesbegründung noch zum Zweiten Steuerreformgesetz in BT-Drucks. v. 4.5.1972 – VI/3418, 68 f. 5 JStG v. 20.12.1996, BGBl. I 1996, 2049. 6 Vgl. auch die Gesetzesbegründung in BR-Drucks. v. 24.5.1996 – 390/96, 69. 7 ErbStRG v. 24.12.2008, BGBl. I 2008, 3018 – gültig für Erwerbe ab dem 1.1.2009, § 37 Abs. 1 ErbStG. 8 Vgl. BR-Drucks. v. 4.1.2008 – 4/08, 58. 9 Vgl. Geck in Kapp/Ebeling, § 14 ErbStG Rz. 1.1 (Stand: August 2012) unter Hinweis auf die Kritik von Meincke, ZEV 2009, 604, der bereits die Grundkonzeption des Sätze 3 und 4 in § 14 Abs. 1 in Frage stellt. 10 Vgl. Hülsmann in Wilms/Jochum, § 14 ErbStG Rz. 9 (Stand: Februar 2014). 11 R E 14.1 Abs. 3 ErbStR 2011.
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Anwendung der Vorschrift
Rz. 6 § 14 ErbStG
sem Erwerb verbraucht worden ist (vgl. § 14 ErbStG Rz. 20). Statt der fiktiven Steuer ist die in der Vergangenheit für die Vorerwerbe tatsächlich zu entrichtende Steuer abzuziehen („tatsächliche Abzugssteuer“), wenn sie höher ist. Als „Mindeststeuer“ darf die Steuer, die auf den letzten Erwerb entfällt, nicht unterschritten werden; andererseits darf als „Höchststeuer“ die durch den weiteren Erwerb veranlasste Steuer nicht mehr als 50 % dieses Erwerbs betragen. Beispiel 1:1 Steuerpflichtiger S hatte 2005 seiner damaligen Lebensgefährtin 150 000 Euro geschenkt. Nach der Heirat 2011 schenkt er ihr weitere 800 000 Euro. 1. Erwerb 2005 2. Barvermögen 150 000 t 3. Persönlicher Freibetrag Steuerklasse III ./. 5 200 t 4. Steuerpflichtiger Erwerb 144 800 t 5. Steuersatz 23 % 6. Steuer 2005 33 304 t 7. Erwerb 2011 8. Barvermögen 2011 (Sachverhalt) 800 000 t 9. Barvermögen 2005 (Nr. 2) + 150 000 t 10. Gesamterwerb 950 000 t 11. Persönlicher Freibetrag Steuerklasse I Nummer 1 ./. 500 000 t 12. Steuerpflichtiger Erwerb 450 000 t 13. Steuersatz 15 % 14. Steuer auf Gesamterwerb, § 14 Abs. 1 Satz 1 ErbStG 67 500 t 15. Abzugsteuer 16. Fiktive Abzugssteuer 2011 auf Vorerwerb 2005 § 14 Abs. 1 Satz 2 ErbStG 17. Barvermögen 2005 150 000 t 18. Persönlicher Freibetrag 2011 (500 000 Euro), höchstens beim Erwerb 2005 verbrauchter Freibetrag der Steuerklasse III ./. 5 200 t 19. Steuerpflichtiger Erwerb 144 800 t 20. Steuersatz 2011 11 % 21. Fiktive Steuer 2011 15 928 t 22. tatsächliche Steuer 2005 (Nr. 6) abzuziehen, da höher, § 14 Abs. 1 Satz 3 ErbStG ./. 33 304 t 23. Festzusetzende Steuer 2011 34 196 t 24. Mindeststeuer 2011, § 14 Abs. 1 Satz 4 ErbStG 25. Erwerb 2011 800 000 t 26. Persönlicher Freibetrag ./. 500 000 t 27. Steuerpflichtiger Erwerb 300 000 t 28. Steuersatz 11 % 29. Mindeststeuer 33 000 t 30. Höchststeuer, § 14 Abs. 3 ErbStG (greift nicht ein) 800 000 (Nr. 7) × 50 % 400 000 t 31. Festzusetzende Steuer 2011 34 196 t
II. Tatbestandsvoraussetzungen der Zusammenrechnung 1. Von derselben Person anfallende Vermögensvorteile Die am Erwerbs- oder Zuwendungsvorgang beteiligten Personen müssen für die Zusammenrech- 6 nung nach § 14 ErbStG identisch sein, wenn für den Übergang von mehreren Vermögensgegenständen eine einheitliche Steuer entstehen soll. Denn ein einheitlicher Steueranspruch setzt die Identität des Steuerschuldners voraus, die aber ihrerseits nur bei Identität der Zuwendungsbeteiligten vorliegen kann.2 Einzel- oder Gesamtrechtsnachfolge führt zur Änderung der Personenidentität. Deshalb
1 H E 14.1 Abs. 3 ErbStH 2011. 2 Gebel, ZEV 2001, 213 (214).
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§ 14 ErbStG Rz. 7 Berücksichtigung früherer Erwerbe ist der Erwerb von einem Gesamtrechtsnachfolger (Erben) grundsätzlich kein Erwerb vom Rechtsvorgänger (Erblasser).1 7 Von welcher Person Vermögensvorteile anfallen, richtet sich nach den einschlägigen steuerpflichtigen
Vorgängen. Grundsätzlich ist es möglich, verschiedene Erwerbsvorgänge nacheinander oder auch Zuwendungen parallel erfolgen zu lassen. So können beide Elternteile getrennt ihrem Kind Vermögensvorteile zukommen lassen. Beispiel 2: Vater V schenkt der Tochter den einen Betrag von 400 000 Euro und seiner Ehefrau M ebenfalls 400 000 Euro. M lässt der T 400 000 Euro zukommen.
Allerdings ist im vorstehenden Beispiel zu beachten, dass die F dann nicht als „zuwendende Person“ in Frage kommt, wenn sie aufgrund einer Weitergabeverpflichtung handelt und daher nur „zwischengeschaltet“ wird: Erhält jemand als Durchgangs- oder Mittelsperson eine Zuwendung, die er entsprechend einer bestehenden Verpflichtung in vollem Umfang an einen Dritten weitergibt, liegt nach BFH2 schenkungsteuerrechtlich nur eine Zuwendung aus dem Vermögen des Zuwendenden an den Dritten vor. Wegen der Verpflichtung zur Weitergabe besteht keine Bereicherung der Mittelsperson aus dem Vermögen des Zuwendenden; eine Schenkung der Mittelsperson an den Dritten kommt nicht in Betracht. Ob eine solche Verpflichtung besteht, muss – sofern es an ausdrücklichen Vereinbarungen fehlt – anhand von Indizien bestimmt werden; hierbei kann die Form der Zuwendungen (M – F und F – T in einer Urkunde) und die zwischen den Zuwendungen liegende Zeit eine Rolle spielen.3 Die Problematik der „Zwischenschaltung“ ist nicht auf das Verhältnis Eltern/Kind beschränkt, sondern taucht in allen steuergünstigen Konstellationen auf. Überträgt z.B. ein Elternteil den Zuwendungsgegenstand schenkweise auf das Kind und schenkt das bedachte Kind unmittelbar im Anschluss an die ausgeführte Schenkung den Gegenstand an seinen Ehegatten (Schwiegerkind) weiter, ohne zur Weiterschenkung verpflichtet zu sein und ohne dass der übertragende Elternteil die Weitergabe des Miteigentumsanteils am Grundstück veranlasst hat, liegt schenkungsteuerrechtlich eine Zuwendung des Kindes an seinen Ehegatten und keine Zuwendung des Elternteils an das Schwiegerkind vor4 Eine Personengesellschaft kann insoweit nicht „zwischengeschaltet“ werden, als die Zuwendungsempfänger – jedenfalls nach Meinung des BFH5 – stets die Gesellschafter sind: Ist eine Gesamthandsgemeinschaft (OHG, KG oder GbR) zivilrechtlich als Beschenkte am Schenkungsvorgang beteiligt, ergibt die eigenständige schenkungsteuerrechtliche Prüfung, dass nicht die Gesamthand, sondern die Gesamthänder durch die freigebige Zuwendung schenkungsteuerrechtlich als bereichert anzusehen sind. Gegen die Zwischenschaltung einer Kapitalgesellschaft spricht die Anwendung der ungünstigen Steuerklasse III, § 15 Abs. 1 ErbStG. 8 Führt nach einer Schenkung unter Auflage (§ 525 BGB, § 7 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG 1974) der Be-
schenkte (Auflagenbeschwerte) die Leistung durch Zuwendung an den Dritten (Auflagenbegünstigten) aus, so ist für die Besteuerung der Zuwendung an den Dritten dessen Verhältnis zum ursprünglichen Schenker, der die Auflage angeordnet hat, maßgeblich. Schenker ist nicht der mit der Auflage Beschwerte, sondern derjenige, der dem mit der Auflage Beschwerten die Zuwendung macht. Dies gilt sogar auch dann, wenn eine Schenkung mit der aufschiebend bedingten Verpflichtung verbunden ist, die Zuwendung auf einen Dritten zu übertragen und der Zwischenbedachte die Verpflichtung vor Eintritt der Bedingung erfüllt.6
1 Halaczinsky, ErbStB 2006, 187 (188). 2 BFH v. 13.10.1993 – II R 92/91, BStBl. II 1994, 128. 3 Vgl. BFH v. 18.1.2001 – IV R 58/99, BStBl. II 2001, 393 zum ertragsteuerlichen Problem einer Verknüpfung von Schenkung und Darlehen; vgl. hierzu auch BMF v. 23.12.2010 – IV C 6-S 2144/07/10004, 2010/0862046, BStBl. I 2011, 37, Rz. 10. 4 BFH v. 30.11.2011 – II B 60/11, BFH/NV 2012, 580. 5 Vgl. BFH v. 14.9.1994 – II R 95/92, BStBl. II 1995, 81 – krit. hierzu Meincke16, § 20 ErbStG Rz. 4 a.E. unter Verweis auf BGH v. 29.1.2001 – II ZR 331/00, DStR 2001, 310. 6 Vgl. BFH v. 17.2.1993 – II R 72/90, BStBl. II 1993, 523.
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Anwendung der Vorschrift
Rz. 10 § 14 ErbStG
Zuwendender im Hinblick auf den Nacherben (§ 6 ErbStG) ist der Vorerbe. Die Zusammenrechnung ist ebenso auf den Erwerb von In- und Auslandsvermögen anzuwenden. Damit sind auch im Ausland verwirklichte Erwerbe mit dem Letzterwerb in den Grenzen des § 14 ErbStG zu erfassen, jedoch nur, wenn jedenfalls beschränkte Steuerpflicht bestand.1 2. Anfall „innerhalb von zehn Jahren“ – Berechnung a) Grundsatz Der Zehnjahreszeitraum des § 14 Abs. 1 Satz 1 ErbStG berechnet sich nach § 108 Abs. 1 AO i.V.m. 9 § 187 Abs. 2, § 188 Abs. 2 Alt. 2 BGB.2 Der Zehnjahreszeitraum ist ausgehend vom letzten Erwerb rückwärts zu berechnen. § 187 BGB unterscheidet für den Fristbeginn grundsätzlich zwei Fallgruppen: In § 187 Abs. 1 BGB („Ereignisfrist“) sind die Fälle geregelt, in denen der Fristbeginn an einen im Verlauf eines Tages liegenden Anfangspunkt anknüpft, d.h. die Fälle, in denen für den Anfang einer Frist ein Ereignis oder ein in den Lauf eines Tages fallender Zeitpunkt entscheidend ist. § 187 Abs. 2 BGB betrifft die übrigen Fälle, d.h. die Fälle, in denen der Beginn des Tages für den Anfang einer Frist maßgebend ist. § 14 ErbStG regelt die Besteuerung des Letzterwerbs, wenn der Erwerber mehrere Vermögensvorteile „innerhalb von zehn Jahren“ erlangt hat. Dieser Zeitraum ist entsprechend § 187 Abs. 2 und § 188 Abs. 2 Alt. 2 BGB zu berechnen. Denn der Letzterwerb ist nach dem Sinn und Zweck des § 14 Abs. 1 Satz 1 ErbStG kein Ereignis i.S.d. § 187 Abs. 1 BGB. Die Einstufung als Ereignis würde dazu führen, den Tag des Letzterwerbs bei der Fristberechnung außer Betracht zu lassen. Dem würde aber widersprechen, dass die Anwendung des § 14 Abs. 1 Satz 1 ErbStG voraussetzt, dass Letzterwerb und Vorerwerb „innerhalb“ des Zehnjahreszeitraums liegen. Deshalb umfasst die Frist des § 14 Abs. 1 Satz 1 ErbStG den Tag der Steuerentstehung des letzten Erwerbs. Bei der Berechnung des Zehnjahreszeitraums kommt es nicht auf die genaue Uhrzeit der Erwerbe an; abzustellen ist vielmehr auf volle Kalendertage. – Der Zehnjahreszeitraum beginnt demnach – wegen der Rückwärtsberechnung – mit dem Ende des Tages, an dem der letzte Erwerb erfolgt ist. Der Tag des Letzterwerbs ist als ersten Tag des Zehnjahreszeitraums anzusehen. – Das Ende des Zehnjahreszeitraums bestimmt sich analog § 188 Abs. 2 Alt. 2 BGB. Danach endet die Frist in den Fällen des § 187 Abs. 2 BGB mit dem Beginn desjenigen Tages des letzten Monats der Frist, welcher dem Tage nachfolgt, der durch seine Benennung oder seine Zahl dem Anfangstag der Frist entspricht. Fällt bei dieser Berechnung das Ende des Zehnjahreszeitraums auf einen Sonntag, einen gesetzlichen Feiertag (z.B. den 1. Januar) oder einen Sonnabend, findet § 108 Abs. 3 AO keine Anwendung. Dies folgt aus Sinn und Zweck des § 14 ErbStG: Danach sollen alle Vermögensvorteile innerhalb von zehn Jahren für Zwecke der Berechnung der Schenkungsteuer für den Letzterwerb zusammengerechnet werden. Dem widerspräche es, einen früheren Erwerb außerhalb des Zehnjahreszeitraums nur deshalb zu berücksichtigen, weil die Frist des § 14 Abs. 1 Satz 1 ErbStG an einem Sonntag, einem gesetzlichen Feiertag oder einem Sonnabend endet und daher bei entsprechender Anwendung der Regelung des § 108 Abs. 3 AO – wegen der Rückwärtsberechnung – auf den Beginn des vorangegangenen Werktages zu verlängern wäre. b) Schenkungskette über einen Zeitraum von mehr als zehn Jahren Bei einer Schenkungskette über einen Zeitraum von mehr als zehn Jahren kann es zu einer sog. 10 „Überprogression“ kommen:3 Dem Regelungsziel des § 14 ErbStG lässt sich entnehmen, dass Erwerbe außerhalb des zu beurteilenden Zehnjahreszeitraums keinen Einfluss auf die Höhe der Steuer für den Letzterwerb haben, d.h. den Steuersatz nicht mehr erhöhen und nicht zum Ausschluss der (einmaligen) Gewährung des Freibetrags für den zu beurteilenden Zehnjahreszeitraum
1 Vgl. Geck in Kapp/Ebeling, § 11 ErbStG Rz. 8.1 (Stand: August 2012). 2 Vgl. BFH v. 28.3.2012 – II R 43/11, BStBl. II 2012, 599. 3 Vgl. BFH v. 14.1.2009 – II R 48/07, BStBl. II 2009, 538; Meincke, DStR 2007, 273 (278).
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§ 14 ErbStG Rz. 11 Berücksichtigung früherer Erwerbe führen dürfen. Hierzu kann es bei der Besteuerung von mehreren, über einen Zeitraum von zehn Jahren hinausreichenden Zuwendungen von derselben Person u.a. indessen dann kommen, wenn ein Vorerwerb außerhalb des zu beurteilenden Zehnjahreszeitraums durch das damalige Zusammenrechnen mit der ersten Schenkung innerhalb des nunmehr zu beurteilenden Zehnjahreszeitraums einen höheren Steuersatz auslöst als bei einer isolierten Besteuerung der ersten Schenkung innerhalb des nunmehr zu beurteilenden Zehnjahreszeitraums anzuwenden gewesen wäre. Beispiel 3:
Schenkung 1991
Schenkung 2001
Schenkung 2011
Letztlich ist die „Überprogression“ darin zu sehen, dass im o.a. Beispiel die Schenkung 2001 zum einen einer Progressionssteigerung zusammen mit der Schenkung 1991 unterworfen war und zum anderen zur Progressionssteigerung bei der Schenkung 2011 herangezogen wird.
11
Der BFH1 hat vor der Einfügung des § 14 Abs. 1 Satz 3 ErbStG bei einer als Folge eines Progressionssprungs durch einen Vorerwerb außerhalb des Zehnjahreszeitraums herbeigeführten Mehrsteuer neben der fiktiven anrechenbaren Steuer diese Mehrsteuer als weiteren Abzugsbetrag zugelassen, weil die Mehrsteuer durch den Abzug der fiktiven anrechenbaren Steuer nach § 14 Abs. 1 Satz 2 ErbStG nicht beseitigt wurde. Hieran hält der BFH2 unter der Geltung des § 14 Abs. 1 Satz 3 ErbStG, d.h. für (Letzt-)Erwerbe ab 1997 nicht mehr fest. Denn durch die von der Vorschrift eröffnete Möglichkeit des Abzugs der (höheren) tatsächlich zu entrichtenden Steuer für die Vorschenkung erübrigt sich die Berücksichtigung eines weiteren Abzugsbetrages zum Ausgleich einer Überprogression, weil die tatsächlich zu entrichtende Steuer für den Vorerwerb die Mehrsteuer enthält. Die Berechnung folgt nachstehendem Schema. 1. Zehnjahreszeitraum 2. Zehnjahreszeitraum Schenkung 1991
Bemessungsgrundlage 1991
Steuer 1991
Schenkung 2001 Bemessungsgrundlage 2001 + Bemessungsgrundlage 1991 vorläufige Steuer 2001 ./. anzurechnende Steuer aus Schenkung 1991: (fiktive / tatsächliche) Steuer 1991
Steuer 2001
Schenkung 2011 Bemessungsgrundlage 2011 + Bemessungsgrundlage 2001 vorläufige Steuer 2011
./. anzurechnende Steuer aus Schenkung 2001: fiktive / tatsächliche Steuer 2001 Steuer 2011
Der Abzug der tatsächlich zu entrichtenden Steuer überwindet die Unzulänglichkeit des § 14 Abs. 1 Satz 2 ErbStG und führt nach BFH3 zum exakten Abzug der sich aufgrund eines Progressionssprungs beim Vorerwerb ergebenden Mehrsteuer. § 14 Abs. 1 Satz 3 ErbStG bewirkt den Abzug der Steuer, die nach der bisherigen Rechtsprechung insgesamt – fiktive anrechenbare Steuer plus Mehrsteuer – abzuziehen wäre.
1 BFH v. 30.1.2002 – II R 78/99, BStBl. II 2002, 316. 2 BFH v. 14.1.2009 – II R 48/07, BStBl. II 2009, 538. 3 BFH v. 14.1.2009 – II R 48/07, BStBl. II 2009, 538 – krit. allerdings Hülsmann in Wilms/Jochum, § 14 ErbStG Rz. 69.1 (Stand: Februar 2014).
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Anwendung der Vorschrift
Rz. 11 § 14 ErbStG
Um den dem Steuerpflichtigen zustehenden Freibetrag tatsächlich wirksam werden zu lassen, ist bei der Berechnung der nach § 14 Abs. 1 Satz 2 ErbStG abziehbaren fiktiven Steuer ein Freibetrag vom Wert der Vorschenkungen nur in der Höhe abzuziehen, in der ihn der Steuerpflichtige innerhalb von zehn Jahren vor dem letzten Erwerb tatsächlich für Erwerbe von derselben Person verbraucht hat (vgl. § 14 ErbStG Rz. 20). Die Hinzurechnung eines „wieder auflebenden Freibetrags“ bei Schenkungsketten über zehn Jahre hinaus entfällt.1 Beispiel 4:2 Vater V schenkt seiner Tochter am 3.1.1991 einen Geldbetrag von 600 000 DM. Am 2.1.2001 erhält sie weitere 600 000 DM (das entspricht 306 775 Euro) und am 1.1.2011 schließlich 500 000 Euro. 1. Zehnjahreszeitraum 2. Zehnjahreszeitraum 1. Besteuerungszeitpunkt 2. Zuwendung 3. Vorschenkung innerhalb des Zehnjahreszeitraums 4. 5. 6. 7. 8.
Gesamtbetrag Persönlicher Freibetrag Steuerpflichtiger Erwerb (abgerundet) Steuersatz Steuer
3.1.1991 600 000 DM
2.1.2001 600 000 DM + 600 000 DM (aus 1991)
600 000 DM ./. 90 000 DM 510 000 DM 8% 40 800 DM
1 200 000 DM ./. 400 000 DM 800 000 DM 15 % 120 000 DM
9. 2001: Anzurechnende Steuer aus Schenkung 1991 10. Wert der Vorschenkung 1991 (Nr. 2) 11. Persönlicher Freibetrag 2001 (400 000 DM) höchstens beim Erwerb 1991 verbrauchter Freibetrag (Nr. 5) 12. Nettobetrag des Vorerwerbs 1991 13. Steuersatz 2001 (Härteausgleich, § 19 Abs. 3 a) ErbStG: 500 000 DM × 11 % = 55 000 zzgl. 5 000 DM) fiktive Abzugssteuer 14. Tatsächlich zu entrichtende Steuer 1991 15. Abzuziehen ist die höhere fiktive Steuer 16. Steuer 2001 (120 000 DM 2001 – 60 000 DM 1991 =) 17. 2011: anzurechnende Steuer aus Schenkung 2001 18. Wert der Vorschenkung 2001 600 000 DM (Nr. 2) ~ 306 775 Euro 19. Persönlicher Freibetrag 2011 (400 000 Euro), höchstens 2001 verbrauchter Freibetrag 400 000 DM – 90 000 DM verbrauchter Freibetrag 1991 = 310 000 DM, ~ 158 500 Euro 20. Steuerpflichtiger Erwerb 21. abgerundet 22. Fiktive Steuer 2001 11 % 23. Abzuziehen ist die höhere „tatsächliche“ Steuer 2001 60 000 DM (Nr. 18), ~ 30 678 Euro 24. vorläufige Steuer 2011 (Nr. 8) 25. Abzuziehen sind für 2001 (Nr. 23) 26. Steuer 2011
1.1.2011 500 000 t + 306 775 t (~ 600 000 DM aus 2001) 806 775 t ./. 400 000 t 406 700 t 15 % 61 005 v
600 000 DM ./. 90 000 DM 510 000 DM
60 000 DM = 40 800 DM = 60 000 DM 60 000 DM 306 775 t
./. 158 500 t 148 275 t 148 200 t 16 302 t 61 005 v ./. 30 678 t 30 327 v
1 Vgl. BFH v. 2.3.2005 – II R 43/03, BStBl. II 2005, 728; R E 14.1 Abs. 4 ErbStR 2011. 2 H E 14.1 Abs. 4 ErbStH 2011 „Berücksichtigung früherer Erwerbe; Grundsatz“ / „Schenkungskette über einen Zeitraum von mehr als zehn Jahren“.
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§ 14 ErbStG Rz. 12 Berücksichtigung früherer Erwerbe 27. 28. 29. 30. 31. 32.
Mindeststeuer nach § 14 Abs. 1 Satz 4 ErbStG Barvermögen 2011 (Nr. 2) 500 000 t Persönlicher Freibetrag ./. 400 000 t Steuerpflichtiger Erwerb 100 000 t Mindeststeuer 11 % 11 000 t Festzusetzende Steuer 2011
30 327 v
3. Ausschluss der Zusammenrechnung a) Fehlende Steuerbarkeit 12
Schon begrifflich setzt die Anwendung des § 14 Abs. 1 Satz 1 ErbStG voraus, dass ein steuerbarer Erwerb in der Vergangenheit vorgelegt hat und diesem mindestens ein weiterer steuerbarer Erwerb nachgefolgt ist. So entfällt eine Zusammenrechnung, wenn ein Geschenk vom Erwerber nach § 29 Abs. 1 Satz 1 ErbStG wieder herausgegeben werden musste, dasselbe „Geschenk“ danach aber wieder von Todes wegen erworben wird: Wegen der Herausgabe gilt die Schenkung im Umfang der das Rückforderungsrecht erfüllenden Rückgewähr rückwirkend als nicht erfolgt,1 so dass es an einem Vorerwerb fehlt. Sollten freilich Nutzungen des Geschenkes nach § 29 Abs. 2 ErbStG zu besteuern gewesen sein, kommt dieser Besteuerungstatbestand als früherer Erwerb in Betracht.2
13
Die Zusammenrechnung entfällt auch, soweit „qualitative“ Steuerbefreiungen eingreifen: Ob gem. § 14 ErbStG steuerfreie mit steuerpflichtigen Erwerben zusammenzurechnen sind, wird nach der Natur der Vorschrift beantwortet, aufgrund deren der frühere Erwerb erbschaftsteuerfrei geblieben ist, d.h. dass die Zusammenrechnung nach Auffassung des BFH3 Platz greift, wenn es sich bei dem früheren Erwerb um eine Zuwendung handelt, die nur wegen ihrer Höhe, also quantitativ steuerfrei gewesen ist, dagegen die Zusammenrechnung entfällt, wenn es sich um eine ohne Rücksicht auf ihren Wert wegen ihres besonderen Charakters, also qualitativ steuerfreie Zuwendung handelt: Soweit Erwerbe durch qualitative Befreiungen freigestellt sind, werden sie nicht in der Zusammenrechnung berücksichtigt.4 Qualitative Steuerbefreiungen sind z.B. im Fall der Schenkungen unter Lebenden aus dem Regelungsbereich des § 13 Abs. 1 ErbStG die Nr. 2 und 3 (Kulturgüter), Nr. 4a (Zuwendungen bei Ehegatten im Zusammenhang mit einem eigengenutzten Familienheim), Nr. 12 (Zuwendungen zum Zwecke des angemessenen Unterhalts oder zur Ausbildung), Nr. 14 (übliche Gelegenheitsgeschenke). Nach h.M. stellt auch die Entlastung von „Produktivvermögen“ nach §§ 13a, 13b ErbStG (vgl. § 14 ErbStG Rz. 38) eine qualitative Befreiung dar.5 Beispiel 5:6 V schenkt seinem Sohn S 400 000 Euro und macht ihm ein Jahr später eine Zuwendung zum Zweck der Ausbildung in gleicher Höhe, die nach § 13 Abs. 1 Nr. 12 ErbStG steuerfrei ist. Eine Zusammenrechnung kommt in diesem Fall nicht in Betracht, weil die qualitative Steuerbefreiung nach § 13 Abs. 1 Nr. 12 ErbStG auch im Hinblick auf § 14 ErbStG erhalten bleiben soll.
Quantitative Steuerbefreiungen sind demgegenüber z.B. die persönlichen Freibeträge des § 16 ErbStG und die sachlichen Freibeträge und Besteuerungsgrenzen des § 13 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG;7 diese haben auf die Zulässigkeit der Zusammenrechnung keinen Einfluss. Auch in anderen Fällen, in denen ein Steueranspruch nach § 38 AO i.V.m. § 9 ErbStG für den Vorerwerb entstanden ist und lediglich nicht festgesetzt bzw. erhoben wurde, erfolgt eine Zusammenrechnung; dies gilt sowohl für die Kleinbetragsgrenze nach § 22 ErbStG als auch für einen Erlass der Steuerschuld für den Vorerwerb nach § 227 AO.8 1 2 3 4 5 6 7 8
BFH v. 19.10.1977 – II R 89-92, BStBl. II 1978, 217. Vgl. auch Knobel in V/K/S/W4, § 14 ErbStG Rz. 15. Vgl. bereits BFH v. 19.12.1952 – III 151/50 S, BStBl. III 1953, 145. Hülsmann in Wilms/Jochum, § 14 ErbStG Rz. 77 (Stand: Februar 2014). Vgl. Knobel in V/K/S/W4, § 14 ErbStG Rz. 14 m.w.N. Vgl. Geck in Kapp/Ebeling, § 14 ErbStG Rz. 20 (Stand: August 2012). Vgl. Geck in Kapp/Ebeling, § 14 ErbStG Rz. 18 (Stand: August 2012). Vgl. Hülsmann in Wilms/Jochum, § 14 ErbStG Rz. 12 (Stand: Februar 2014).
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Anwendung der Vorschrift
Rz. 15 § 14 ErbStG
b) Negativer Steuerwert (Abs. 1 Satz 5) In der Vergangenheit waren Zuwendungen wie beispielsweise eine Schenkung mit negativen Steuer- 14 werten wegen des teilweise weit unter dem Verkehrswert liegenden Steuerwerts des Zuwendungsgegenstandes möglich: Maßgeblich für das tatbestandliche Vorliegen einer freigebigen Zuwendung i.S.d. § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG war die Bereicherung nach Verkehrswerten.1 Für die Bereicherung zur Ermittlung der Bemessungsgrundlage zur Festsetzung der Steuer nach § 10 Abs. 1 Satz 1 ErbStG waren dagegen die niedrigeren Steuerwerte maßgeblich.2 So konnte im Fall eines Grundstückes eine – nicht der abzugsbeschränkenden Wirkung der gemischten Schenkung (vgl. § 10 ErbStG Rz. 32 ff.) unterliegende – Nutzungsauflage3 dazu führen, dass tatbestandlich zwar eine Schenkung vorlag, die ohnehin schon geringe Bemessungsgrundlage aber nach Abzug der Auflage einen negativen Wert aufwies. Das dergestalt verwirklichte „Schenken von Schulden“ war zudem möglich bei der Zuwendung von nach Bilanzpositionen bewertetem4 Betriebsvermögen mit entsprechendem Abzug von Belastungen. Der BFH5 hatte ursprünglich – noch zur Vorgängervorschrift § 13 ErbStG – entschieden, ein i.S.d. Erbschaft- und Schenkungsteuergesetz tatbestandlicher – also bereichernder – Erwerb könne nicht deshalb von der Zusammenrechnung der Erwerbe ausgenommen werden, weil ihm ein negativer Wert zuzurechnen ist. Die Zusammenrechnungsvorschrift bezwecke zwar nicht, den Steuerpflichtigen zu entlasten. Vielmehr erstrebe die Regelung, durch Hebung der Steuerprogression für den jeweils letzten Erwerb ein nahezu gleiches Ergebnis herbeizuführen, wie wenn an Stelle der mehreren Schenkungen (oder einer Schenkung und eines Erwerbs von Todes wegen) nur ein einziger Anfall vorläge. Dies schließe die Berücksichtigung von tatbestandlich bereichernden, bewertungsrechtlich aber „negativen“ Vorschenkungen nicht von der Zusammenrechnung aus. Nach der ausdrücklichen Regelung in § 14 Abs. 1 Satz 5 ErbStG bleiben Erwerbe, für die sich nach den steuerlichen Bewertungsgrundsätzen kein positiver Wert ergeben hat, unberücksichtigt. Damit scheidet eine Saldierung von positiven und negativen Werte mehrere Erwerbe aus. Nicht von der Vorschrift erfasst wird freilich eine Gestaltung, nach der verschiedene Wirtschaftsgüter im Wege einer einheitlichen Zuwendung als „Gesamterwerb“ übergehen (vgl. § 9 ErbStG Rz. 7); hier ist eine „Binnensaldierung“ der Werte grundsätzlich möglich.6
III. Durchführung der Zusammenrechnung 1. Zusammenrechnung der Erwerbe (Abs. 1 Satz 1) a) Vorerwerb aa) Früherer Wert Nach § 14 Abs. 1 Satz 1 ErbStG werden mehrere innerhalb von zehn Jahren von derselben Person 15 anfallende Vermögensvorteile in der Weise zusammengerechnet, dass dem letzten Erwerb die früheren Erwerbe nach ihrem früheren Wert zugerechnet werden. Der Wert des früheren Erwerbs und das Ausmaß der durch ihn bewirkten Bereicherung des Erwerbers richten sich dabei gem. § 11 ErbStG grundsätzlich nach den Verhältnissen im Zeitpunkt der Steuerentstehung, § 9 ErbStG; es gilt das „Stichtagsprinzip“7 (vgl. § 11 ErbStG Rz. 2). Änderungen der bewertungsrechtlichen Vorschriften nach diesem Stichtag sind ohne Bedeutung. Deshalb ist darauf zu achten, dass auf die Bewertung des früheren Erwerbs die zutreffende Fassung des Bewertungsgesetzes angewendet wird:8 1 2 3 4 5 6 7 8
Vgl. R 14 Abs. 2 Satz 2 ErbStR 2003. Vgl. R 24a Abs. 1 Nr. 1 ErbStR 2003. Außerhalb des Anwendungsbereichs des § 25 ErbStG a.F. Vgl. § 109 Abs. 1 BewG a.F. Vgl. BFH v. 28.7.1976 – II R 71/69, BStBl. II 1976, 785. Vgl. hierzu Gebel, ZEV 2001, 213. Vgl. Knobel in V/K/S/W4, § 14 ErbStG Rz. 20. Vgl. Götz in F/J/P/W5, § 14 ErbStG Rz. 24; Jochum in Wilms/Jochum, „Einführung zum Bewertungsgesetz“ Rz. 43 ff. (Stand: Mai 2009).
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§ 14 ErbStG Rz. 16 Berücksichtigung früherer Erwerbe – Aufgrund der Einheitswertbeschlüsse des BVerfG von 19951 erfolgte durch das Jahressteuergesetz 19972 eine grundlegende Änderung des Bewertungsrechts. So wurde für die Erbschaftsteuer die Bewertung insbesondere von Grundstücken ab 1.1.1996 abweichend von der bisherigen Einheitsbewertung neu geregelt. Waren zuvor die Einheitswerte maßgeblich, so waren im Zusammenrechnungsfall für Letzterwerbe bis 31.12.2005 diese niedrigen Werte in die Zusammenrechnung dergestalt einzubeziehen, dass ein früherer Grundstücksvorerwerb mit dem Einheitswert hinzuzurechnen war. Der Umstand, dass wirtschaftliche Einheiten nach dem 31.12.1995 nicht mehr mit dem Einheitswert, sondern mit dem „Bedarfswert 1996“ zu bewerten waren, ist ohne Bedeutung. – Mit der Entscheidung des BVerfG vom 7.11.20063 und der dort festgestellten unzulässigen Ungleichbehandlung verschiedener Vermögensarten wurde eine weitere Reform des Bewertungsgesetzes erforderlich, da das Gericht eine Ausrichtung der Bewertung für die Erbschaftsteuer am gemeinen Wert (Verkehrswert) i.S.d. § 9 Abs. 2 BewG gefordert hatte. Der Gesetzgeber hat diese Forderung ab 1.1.2009 durch das Erbschaftsteuerreformgesetz4 umgesetzt. Das Gesetz regelt die Bewertung des Betriebsvermögens, des land- und forstwirtschaftlichen Vermögens, der Anteile an Kapitalgesellschaften und der Grundstücke in Gestalt eines „Bedarfswerts 2009“ neu. Für Erwerbe von Grundvermögen waren damit noch bis 31.12.2008 die im Verhältnis zum Verkehrswert regelmäßig niedrigen Werte des „Bedarfswerts 1996“ anzusetzen. Diese Werte sind in Zusammenrechnungsfällen mit Erwerben nach dem 1.1.2009 weiterhin bis 31.12.2018 maßgebend. bb) Bewertungsrechtlich fehlerhafte Steuerfestsetzung; unterbliebene Festsetzung 16
Die Erfassung von Erwerben „mit ihre früheren Wert“ ermöglich zudem – zuungunsten wie zugunsten des Steuerpflichtigen5 – eine Korrektur des bewertungsrechtlichen Ansatzes: Die Vorschrift des § 14 Abs. 1 Satz 1 ErbStG wird dahingehend ausgelegt, dass bei der Zusammenrechnung mehrerer innerhalb von zehn Jahren von derselben Person anfallende Vermögensvorteile mit dem letzten Erwerb die früheren Erwerbe mit den ihnen (damals) zukommenden richtigen Werten anzusetzen sind und nicht mit den (falschen) Werten, die den vorangegangenen Steuerfestsetzungen für diese Erwerbe möglicherweise zugrunde gelegt worden waren. Dieses Verständnis soll sowohl der Systematik des Erbschaftsteuergesetz als auch dem Zweck der genannten Vorschrift, für den letzten Erwerb unter Berücksichtigung der sich nach dem Gesamtbetrag der Erwerbe innerhalb der letzten zehn Jahre ergebenden Progression des Steuersatzes die richtige Steuer festzusetzen, entsprechen.6 Diese Korrekturmöglichkeit besteht allerdings nur im Zusammenhang mit der Bewertung des Erwerbs; andere Richtigstellungen sind nicht möglich. Das bereits erloschene Recht, für eine (frühere) Übertragung einen Freibetrag – wie nach § 13 Abs. 2a Satz 1 Nr. 2 ErbStG a.F. für die Übertragung von Betriebsvermögen – in Anspruch zu nehmen, lebt wegen der Selbständigkeit der einzelnen Erwerbsvorgänge auch im Rahmen der Zurechnung nach § 14 Abs. 1 Satz 1 ErbStG nicht wieder auf, und zwar unabhängig davon, aus welchen Gründen der Freibetrag für den Vorerwerb nicht beansprucht worden war.7 Das Gleiche muss auch für die Ausübung des Wahlrechts zur Optionsverschonung (vollständige Steuerbefreiung) nach § 13a Abs. 8 ErbStG gelten.8
17
Der Berücksichtigung bei der Zusammenrechnung nach § 14 Abs. 1 Satz 1 ErbStG steht – nach Auffassung des BFH9 und der Literatur10 – sogar der Eintritt der Verjährung für den „früheren Erwerb“ nicht entgegen. Ist eine Steuerfestsetzung für den Vorerwerb unterblieben und verhindert der Eintritt der Festsetzungsverjährung den Erlass eines Steuerbescheides, so bleibt die Berücksichtigung des
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10
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Vgl. BVerfG v. 22.6.1995 – 2 BvL 37/91, 2 BvR 552/91, BStBl. II 1995, 655 (671). Gesetz v. 20.12.1996, BGBl. I 1996, 2049. BVerfG v. 7.11.2006 – 1 BvL 10/02, BStBl. II 2007, 192. ErbStRG v. 24.12.2008, BGBl. I 2008, 3018 – gültig für Erwerbe ab dem 1.1.2009, § 37 Abs. 1 ErbStG. Vgl. Hülsmann in Wilms/Jochum, § 14 ErbStG Rz. 35 (Stand: Februar 2014). BFH v 17.4.1991 – II R 121/88, BStBl. II 1991, 522. BFH v. 20.1.2005 – II R 56/02, BFH/NV 2005, 1308. Vgl. Hülsmann in Wilms/Jochum, § 14 ErbStG Rz. 35 (Stand: Februar 2014). Vgl. BFH v. 21.5.2001 – II R 48/99, BFH/NV 2001, 1407. Vgl. Götz, ZEV 2008, 29; Götz in F/J/P/W5, § 14 ErbStG Rz. 19 m.w.N.
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Anwendung der Vorschrift
Rz. 20 § 14 ErbStG
Vorerwerbes bei § 14 ErbStG gleichwohl möglich.1 Denn bei der Zusammenrechnung mehrerer innerhalb von zehn Jahren von derselben Person anfallender Vermögensvorteile mit dem letzten Erwerb sind die früheren Erwerbe unabhängig davon, ob für diese die Steuer richtig festgesetzt worden ist, mit den ihnen (damals) zukommenden richtigen Werten anzusetzen. Dem soll weder die Bestandskraft vorangegangener Steuerbescheide noch ein Eintritt der Festsetzungsverjährung entgegenstehen, denn der steuerlichen Behandlung der früheren Erwerbe kommt nach dem Gesetz keine Bindungswirkung für die Steuerfestsetzung nach § 14 ErbStG für den letzten Erwerb zu. § 14 Abs. 1 Satz 1 ErbStG trifft lediglich eine besondere Anordnung für die Berechnung der Steuer, die für den (jeweils) letzten Erwerb innerhalb des Zehnjahreszeitraums festzusetzen ist. M.E. ist allerdings zu bedenken, dass der Eintritt der Festsetzungsverjährung nicht nur verfahrensrechtliche Konsequenzen hat, sondern gem. § 47 AO den materiellen Steueranspruch erlöschen lässt. Die o.a. Auffassung lässt also den materiellen Steueranspruch faktisch wieder aufleben, was eine weite Auslegung des § 14 ErbStG erfordert. Damit müsste umgekehrt auch dem Steuerpflichtigen das Recht eingeräumt werden, anlässlich der Zusammenrechnung gegen den formell und materiell bestandskräftig festgesetzten Vorerwerb einzuwenden, der „frühere Wert“ sei deshalb falsch, weil gar kein Besteuerungstatbestand vorgelegen habe. b) Nacherwerb Für die Wertermittlung des Nacherwerbs gelten die allgemeinen Regeln, d.h. es sind die aktuellen 18 Sachverhalte und Rechtsgrundlagen (Erwerb nebst Belastungen mit Bewertung, persönliche und sachliche Steuerbefreiungen) im Zeitpunkt der Zusammenrechnung anzuwenden. Den vorangegangenen Steuerbescheiden kommt keine Bindungswirkung (etwa im Sinn von Grundlagenbescheiden) für die Steuerfestsetzung nach § 14 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG für den letzten Erwerb zu. Die einzelnen Erwerbe unterliegen vielmehr als selbständige steuerpflichtige Vorgänge (§ 1 Abs. 1 ErbStG) jeweils für sich der Steuer, denn die Steuer entsteht für jeden einheitlichen Rechtsübergang jeweils mit der Verwirklichung des gesetzlichen Tatbestandes (§§ 3, 7, 9 ErbStG, § 38 AO).2 2. Steuerberechnung a) Steuer für den Gesamterwerb Gemäß § 14 Abs. 1 Satz 1 ErbStG werden Vor- und Nacherwerbe in der Weise zusammengerechnet, 19 dass alle Erwerbe unter Berücksichtigung der gesetzlichen und persönlichen Verhältnisse im Zeitpunkt des Letzterwerbs zusammengefasst werden, sog. „Letzterwerbsbetrachtung“.3 Die Steuer auf den Gesamtbetrag wird dann unter Anwendung der zu diesem Stichtag gültigen Freibeträge und Steuersätze ermittelt. b) Steuerabzug für früheren Erwerb aa) „Fiktive“ Abzugsteuer (Abs. 1 Satz 2) Von der Steuer für den Gesamtbetrag der Erwerbe wird die Steuer abgezogen, die für die früheren 20 Erwerbe nach den persönlichen Verhältnissen des Erwerbers und auf der Grundlage der geltenden Vorschriften zur Zeit des letzten Erwerbs zu erheben gewesen wäre, sog. „fiktive Steuer“.4 Nach der Gesetzesbegründung5 verhindert diese Vorgehensweise eine doppelte Besteuerung der früheren Erwerbe im Zuge der Zusammenrechnung. § 14 Abs. 1 Satz 2 ErbStG stellt hierzu klar, dass die anrechenbare Steuer auf die Vorerwerbe nach den Verhältnissen zur Zeit des Letzterwerbs zu ermitteln
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Götz in F/J/P/W5, § 14 ErbStG Rz. 19. BFH v. 17.4.1991 – II R 121/88, BStBl. II 1991, 522. Götz in F/J/P/W5, § 14 ErbStG Rz. 22. Vgl. BR-Drucks. 390/96 v. 5.7.1996, 44. Zum JStG 1997, BT-Drucks. 13/4839 v. 11.5.1996, 69.
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§ 14 ErbStG Rz. 21 Berücksichtigung früherer Erwerbe ist, d.h., dass die zu diesem Zeitpunkt gültige Steuerklassenzugehörigkeit, die Freibeträge und der Steuertarif maßgebend sind. Die Steuer, die für die früheren Erwerbe zur Zeit des Letzterwerbs zu erheben gewesen wäre, stimmt bei unveränderter Gesetzeslage mit der Steuer überein, die für die früheren Erwerbe tatsächlich erhoben wurde. Wurde zwischen dem früheren Erwerb und dem zu besteuernden letzten Erwerb der dem Erwerber zustehende persönliche Freibetrag erhöht, ist bei der Berechnung der nach § 14 Abs. 1 Satz 2 ErbStG abziehbaren fiktiven Steuer freilich nicht der zur Zeit des letzten Erwerbs geltende persönliche Freibetrag abzuziehen, sondern – im Wege einer „teleologischen Reduktion“ – nur der persönliche Freibetrag, den der Steuerpflichtige innerhalb von zehn Jahren vor dem letzten Erwerb tatsächlich für Erwerbe von derselben Person verbraucht hat.1 Diese Erkenntnis ist notwendige Folge der „umgekehrten Auswirkung“ eines höheren Freibetrags im vorliegenden Zusammenhang: Der Abzug der fiktiven Steuer soll sich für den Steuerpflichtigen günstig auswirken. Ein höherer Freibetrag – der letztlich auch dem Steuerpflichtigen zugutekommen soll – würde aber die Abzugssteuer senken und den gewünschten Effekt beeinträchtigen (vgl. § 14 ErbStG Rz. 1 und die Berechnungen in Beispiel 1 Nr. 18 – § 14 ErbStG Rz. 5 und Beispiel 4 Nr. 11, 19 – § 14 ErbStG Rz. 11 a.E.). bb) Tatsächliche Abzugsteuer (Abs. 1 Satz 3) 21
Gemäß § 14 Abs. 1 Satz 3 ErbStG ist anstelle der „fiktiven“ Steuer nach Satz 2 die tatsächlich für die in die Zusammenrechnung einbezogenen früheren Erwerbe zu entrichtende Steuer abzuziehen, wenn diese höher ist. Die soll zu einer Besserstellung des Steuerpflichtigen führen: Wird das Gesetz in bedeutsamen Punkten geändert, stimmen die seinerzeit erhobene und die jetzt anzurechnende Steuer nicht mehr überein. Dabei können Rechtsänderungen, die den Steuerpflichtigen nach neuem Recht günstiger stellen, z.B. höhere Freibeträge (oder niedrigere Steuersätze), dazu führen, dass die anzurechnende „fiktive“ Steuer geringer ausfällt, als die seinerzeit erhobene Steuer. Der Steuerpflichtige wird im Rahmen des Anrechnungsverfahrens benachteiligt, wenn, bezogen auf den Letzterwerb, dadurch eine höhere Steuer zu zahlen verbleibt. Durch die Regelung in § 14 Abs. 1 Satz 3 ErbStG sollen das Anrechnungsverfahren vereinfacht und gleichzeitig die als unbillig erachteten nachteiligen Folgen für die Steuerpflichtigen vermieden werden.
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Es ist streitig, ob unter den Begriff der „tatsächlich entrichten Steuer“ die Abgabenlast zu subsumieren ist, die der Steuerpflichtige real für den früheren Erwerb bezahlt hat oder ob die rechtmäßig zu begleichende Abgabenlast maßgeblich ist. Naheliegender Weise wird die Frage bedeutsam, wenn der Steuerpflichtige aufgrund einer fehlerhaften Steuerfestsetzung in der Vergangenheit zu viel bezahlt hat. Nach Auffassung des BFH2 sind aufgrund der Selbständigkeit der Besteuerung der einzelnen Erwerbe die in die Zusammenrechnung nach § 14 Abs. 1 Satz 1 ErbStG einzubeziehenden Vorerwerbe dem letzten Erwerb nicht mit materiell-rechtlich unzutreffenden Werten hinzuzurechnen, selbst wenn sie den vorangegangenen Steuerfestsetzungen für diese Erwerbe zu Grunde gelegt worden sind, sondern mit den ihnen (damals) zukommenden materiell-rechtlich zutreffenden Werten. Dieser richtige Wertansatz ist auch für die Berechnung der nach § 14 Abs. 1 Satz 2 ErbStG abziehbaren Steuer maßgebend (vgl. § 14 ErbStG Rz. 16). Nichts anderes gilt danach auch für die Berechnung der nach § 14 Abs. 1 Satz 3 ErbStG abziehbaren Steuer. Zwar deutet der Wortlaut „tatsächlich … zu entrichtende Steuer“ darauf hin, dass es auf die durch die Steuerbescheide für die Vorerwerbe begründeten, bereits erfüllten oder noch offenen Zahlungspflichten ankomme. Diese Auslegung ist aber nach Auffassung des BFH mit der Selbständigkeit der Besteuerung der einzelnen Erwerbsvorgänge nicht vereinbar. Das in § 14 Abs. 1 Satz 3 ErbStG verwendete Wort „tatsächlich“ ist demnach lediglich im Sinn einer Abgrenzung gegenüber § 14 Abs. 1 Satz 2 ErbStG zu verstehen.
1 BFH v. 2.3.2005 – II R 43/03, BStBl. II 2005, 728; v. 31.5.2006 – II R 20/05, BFH/NV 2006, 2260; v. 18.5.2011 – II R 10/10, BFH/NV 2011, 2063; Meincke16, § 11 ErbStG Rz. 13. 2 BFH v. 9.7.2009 – II R 55/08, BStBl. II 2009, 969 – zur vereinzelten Kritik in der Literatur vgl. Hülsmann in Wilms/Jochum, § 14 ErbStG Rz. 41 (Stand: Februar 2014).
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Anwendung der Vorschrift
Rz. 24 § 14 ErbStG
Auch nach Auffassung der FinVerw1 ist als tatsächlich zu entrichtende Abzugssteuer die Steuer zu berücksichtigen, die sich nach den tatsächlichen Verhältnissen zur Zeit der Steuerentstehung für den Vorerwerb ergeben hätte. c) Begrenzung des Steuerabzugs aa) Keine Steuererstattung Sowohl bei der Anrechnung der „fiktiven“ Abzugsteuer nach § 14 Abs. 1 Satz 2 ErbStG als auch bei 23 der tatsächlich zu entrichtenden Steuer nach § 14 Abs. 1 Satz 3 ErbStG auf die Steuer für den Gesamtbetrag kann sich ein Überhang der Abzugsteuer ergeben. Ursache hierfür können etwa Rechtsänderungen sein, die den Steuerpflichtigen nach neuem Recht günstiger stellen wie z.B. höhere Freibeträge oder niedrigere Steuersätze. Dieser Überhang müsste rechnerisch zu einer Erstattung führen.2 § 14 ErbStG erlaubt jedoch vom Grundsatz her keine Festsetzung einer negativen Steuer und damit keine Erstattung:3 Die Vorschrift trifft lediglich eine besondere Anordnung für die Berechnung der Steuer, die für den jeweils letzten Erwerb innerhalb des Zehnjahreszeitraums festzusetzen ist. Ein Wille des Gesetzgebers, dem Steuerpflichtigen durch Festsetzung einer negativen Steuer einen Erstattungsanspruch zuzubilligen, wenn die für den Vorerwerb zu entrichtende Steuer die Steuer für den Gesamterwerb übersteigt, lässt sich nicht feststellen.4 Hätte der Gesetzgeber dies zulassen wollen, hätte es einer eindeutigen Anordnung dieses Inhalts bedurft. bb) Mindeststeuer (Abs. 1 Satz 4) Die Nichtgewährung einer Steuererstattung (vgl. § 14 ErbStG Rz. 23) schloss es jedoch in der Ver- 24 gangenheit nicht aus, dass es durch die Berücksichtigung der Abzugsteuer zu einer Steuerfestsetzung für den Gesamterwerb von „0“ kam: Nachschenkungen waren „steuerfrei“ möglich, bis die durch die Nachschenkung veranlasste „neue“ Steuer die bereits in der Vergangenheit bezahlte höhere Steuer erreichte; die bereits geleistete Abgabe konnte auf dieses Weise noch „verwertet“ werden.5 Nachschenkungen in dieser Form sind seit der Einführung des Satz 4 in § 14 Abs. 1 ErbStG durch das Erbschaftsteuerreformgesetz6 (§ 14 ErbStG Rz. 4) nicht mehr möglich: Nach § 14 Abs. 1 Satz 4 ErbStG darf durch den Abzug der fiktiven Steuer auf den Vorerwerb (§ 14 Abs. 1 Satz 2 ErbStG) oder den Abzug der tatsächlich zu entrichtenden Steuer (§ 14 Abs. 1 Satz 3 ErbStG) die Steuer, die sich für den letzten Erwerb allein ergeben würde, nicht unterschritten werden, sog. „Mindeststeuer“.7 Nach dem 31.12.2008 gibt es somit grundsätzlich keine Erwerbe mehr, die nur wegen der Steuerbelastung der Vorerwerbe im Ergebnis steuerfrei bleiben.8 Nach der Gesetzesbegründung9 verhindert die Ergänzung nicht gerechtfertigte Steuervorteile, die sich im Zusammenhang mit der Berücksichtigung früherer Erwerbe bei der Steuerfestsetzung für einen späteren Erwerb ergeben: Wenn die früher für einen Vorerwerb tatsächlich zu entrichtende Steuer höher war als die fiktiv dafür zu ermittelnde Steuer zur Zeit des Letzterwerbs, konnte es dazu kommen, dass die für den Letzterwerb festzusetzende Steuer nur 0 Euro betrug, obwohl bei diesem Letzterwerb selbst erhebliche Vermögenswerte übertragen wurden. Die Steuer, die sich nach den geltenden Vorschriften für den Letzterwerb ohne Zusammenrechnung ergibt, bildet die Untergrenze der für diesen Erwerb festzusetzenden Steuer. Damit soll der eigentliche Zweck der Vorschrift erreicht werden, dass durch die Zusammenrechnung der persönliche Frei-
1 Vgl. R E 14.1 Abs. 3 Satz 7 ErbStR 2011 – allerdings zusätzlich unter Berücksichtigung der geltenden Rechtsprechung und Verwaltungsauffassung zur Zeit der Steuerentstehung für den Letzterwerb. 2 Vgl. das Berechnungsbeispiel in H E 14.1 Abs. 3 ErbStH 2011 „Keine Erstattung der Mehrsteuer“. 3 Vgl. Knobel in V/K/S/W4, § 14 ErbStG Rz. 30; BFH v. 17.10.2001 – II R 17/00, BStBl. II 2002, 52. 4 Vgl. z.B. zum Entwurf eines JStG 1997 BT-Drucks. 13/4839, 69. 5 Vgl. Götz, ZEV 2001, 9 (10) mit Berechnungsbeispiel. 6 ErbStRG v. 24.12.2008, BGBl. I 2008, 3018 – gültig für Erwerbe ab dem 1.1.2009, § 37 Abs. 1 ErbStG. 7 R E 14.3 Abs. 1 ErbStR 2011. 8 Knobel in V/K/S/W4, § 14 ErbStG Rz. 33. 9 Vgl. BR-Drucks. 4/08, 58.
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§ 14 ErbStG Rz. 25 Berücksichtigung früherer Erwerbe betrag nur einmal im Zehnjahreszeitraum berücksichtigt wird und Progressionsvorteile durch Aufteilen einer Zuwendung in mehrere kleinere vermieden werden sollen.
IV. Verlängerung der Festsetzungsfrist bei rückwirkendem Ereignis (Abs. 2) 25
Die Regelung in § 14 Abs. 2 ErbStG ist durch das Erbschaftsteuerreformgesetz1 eingeführt worden (vgl. § 14 ErbStG Rz. 4). Regelungsgegenstand ist der Lauf der Festsetzungsfrist für den Nacherwerb:2 Bei Letzterwerben, für die die Steuer nach dem 31.12.2008 entstanden ist oder entsteht, regelt § 14 Abs. 2 ErbStG den Ablauf der Festsetzungsfrist für die Steuerfestsetzung für einen Erwerb, wenn diesem Erwerb im Rahmen des § 14 Abs. 1 ErbStG ein früherer Erwerb hinzuzurechnen ist und der Wert des früheren Erwerbs durch Eintritt eines Ereignisses sich mit steuerlicher Rückwirkung später ändert: Die Festsetzungsfrist endet nicht vor Ablauf der Festsetzungsfrist für den früheren Erwerb. Die Einführung des § 14 Abs. 2 ErbStG ist im Zusammenhang mit den ebenfalls mit Wirkung ab dem 1.1.2009 neu gefassten Missbrauchsvorschriften in § 13a Abs. 5 und 6 sowie § 19a Abs. 5 ErbStG zu sehen, die zu einer rückwirkenden Anpassung der Steuerfestsetzung für den Vorerwerb führen können:3 Die gesetzliche Regelung war erforderlich, weil es nach der Rechtsfolge des § 13a Abs. 5 und 6 ErbStG sowie § 19a Abs. 5 ErbStG zu einer rückwirkenden Korrektur eines Vorerwerbs kommen kann, wenn bestimmte Voraussetzungen (z.B. Verstoß gegen Lohnsummenregelung) eingetreten sind. Grundsätzlich beginnt die Festsetzungsfrist bei einem rückwirkenden Ereignis gem. § 175 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 AO mit dem Eintritt des Ereignisses. Der Beginn wird jedoch in Fällen des Unterschreitens der Lohnsummengrenze und des Verstoßes gegen die Behaltensregelungen gem. § 13a Abs. 6 Satz 3 und § 19a Abs. 5 Satz 3 ErbStG auf den Zeitpunkt der Kenntnis der Finanzbehörde hinausgeschoben. Für diese Fälle wird analog in § 14 Abs. 2 ErbStG auch die Festsetzungsfrist für den Nacherwerb hinausgeschoben. Beispiel 6:4 Ein Unternehmer verschenkt im Jahr 2009 einen nach §§ 13a, 13b ErbStG begünstigten Betrieb. Im Jahr 2011 überträgt er weiteres nicht begünstigtes Vermögen an denselben Erwerber. Der Erwerber veräußert 2013 (während der Behaltensfrist) den 2009 erworbenen Betrieb und verstößt damit gegen die Behaltensregelung des § 13a Abs. 5 ErbStG. Die Steuerfestsetzung für den Erwerb 2009 ist zu ändern. Auch die Steuerfestsetzung für den Erwerb 2011 ist zu ändern, soweit sich die Verminderung der Verschonung für den Erwerb 2009 auf den Wert des Vorerwerbs auswirkt. Die Festsetzungsfrist für eine Änderung der Steuerfestsetzung zum Erwerb 2011 endet nicht vor Ablauf der Festsetzungsfrist für eine Änderung der Steuerfestsetzung zum Vorerwerb 2009.
V. Steuerhöchstbetrag für den Nacherwerb (Abs. 3) 26
Nach § 14 Abs. 1 Satz 4 darf als Mindeststeuer die Steuer, dies sich für den letzten Erwerb isoliert ergibt, durch die Steuer für den Gesamterwerb nicht unterschritten werden (vgl. § 14 ErbStG Rz. 24). Demgegenüber normiert § 14 Abs. 3 ErbStG eine „Höchststeuer“: Die durch jeden weiteren Erwerb veranlasste Steuer darf nicht mehr betragen als 50 % dieses Erwerbs. Wenn damit der Letzterwerb für sich bereits mit einer Steuerlast von 50 % belegt ist, kann die Zusammenrechnung nach § 14 ErbStG entfallen.5
1 2 3 4 5
ErbStRG v. 24.12.2008, BGBl. I 2008, 3018 – gültig für Erwerbe ab dem 1.1.2009, § 37 Abs. 1 ErbStG. Vgl. Meincke16, § 11 ErbStG Rz. 26. Vgl. Götz in F/J/P/W5, § 14 ErbStG Rz. 21. H E 14.3 ErbStH 2011 „Festsetzungsfrist“. Meincke16, § 11 ErbStG Rz. 27.
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Sonderfälle der Anwendung
Rz. 28 § 14 ErbStG
C. Sonderfälle der Anwendung I. Auslandssachverhalte 1. Option zur unbeschränkten Steuerpflicht (§ 2 Abs. 3 ErbStG) a) Grundsätze des Optionsrechts Der Gesetzgeber hat Anforderungen des Europarechts1 im Zusammenhang mit der Gewährung der 27 persönlichen Freibeträge nach § 16 ErbStG für unbeschränkt (Abs. 1) und beschränkt (Abs. 2) Steuerpflichtige dadurch Rechnung getragen, dass der Steuerpflichtige in den in § 2 Abs. 3 ErbStG genannten Fällen bei beschränkter Steuerpflicht beantragen kann, dass der Vermögensanfall insgesamt als unbeschränkt steuerpflichtig behandelt wird.2 Voraussetzung für die Berechtigung zur Antragstellung ist, dass der Erblasser zur Zeit seines Todes, der Schenker zur Zeit der Ausführung der Schenkung oder der Erwerber zur Zeit der Entstehung der Steuer (§ 9 ErbStG) seinen Wohnsitz (§ 8 AO) in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem Staat hat, auf den das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum anwendbar ist. Als Folge des gestellten Antrags gem. § 2 Abs. 3 Satz 1 ErbStG umfasst die unbeschränkte Steuerpflicht den gesamten Vermögensanfall, und zwar unabhängig davon, worin das Vermögen besteht und ob es in Deutschland oder einem anderen Staat belegen ist (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG). § 2 Abs. 3 ErbStG wurde durch das Beitreibungsrichtlinie-Umsetzungsgesetz3 in das Erbschaftsteuergesetz eingefügt. Ein Antrag nach § 2 Abs. 3 ErbStG kann für Erwerbe gestellt werden, für die die Steuer nach dem 13.12.2011 entsteht (§ 37 Abs. 7 Satz 1 ErbStG). Für Erwerbe, für die die Steuer vor dem 14.12.2011 entstanden ist, ist ein Antrag nur zulässig, soweit der Steuerbescheid materiell rechtlich noch nicht bestandskräftig ist (§ 37 Abs. 7 Satz 2 ErbStG). b) Auswirkung auf die Berücksichtigung früherer Erwerbe aa) „Fernwirkung“ der Antragstellung (§ 2 Abs. 3 Satz 2 ErbStG) Die Inanspruchnahme des Rechts auf Antragstellung sollte wegen der steuerlichen Folgen – ins- 28 besondere im Hinblick auf die Berücksichtigung früherer Erwerbe – gut überlegt sein.4 Denn die Wirkung des Antrags erstreckt sich gem. § 2 Abs. 3 Satz 2 ErbStG auf alle Erwerbe, für die die Steuer nach § 9 ErbStG innerhalb von zehn Jahren vor und innerhalb von zehn Jahren nach dem gegenwärtigen Vermögensanfall entstanden ist. Der Antragsteller kann durch eine einzige Option die unbeschränkte Steuerpflicht für einen Zeitraum von 20 Jahren auslösen.5 Mit der Regelung in § 2 Abs. 3 Satz 2 ErbStG soll sichergestellt werden, dass die für unbeschränkt steuerpflichtige Erwerbe geltenden Steuervorschriften nicht durch in mehrere Teile aufgespaltete Schenkungen zwischen denselben Personen umgangen werden können. Auch bei diesen vorangegangenen oder nachfolgenden Erwerben richtet sich der Umfang des Vermögensanfalls, unabhängig davon, worin das Vermögen besteht und ob es in Deutschland oder einem anderen Staat belegen ist, nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG. Für diese Erwerbe ist es unerheblich, wo der Erblasser oder Schenker oder der Erwerber zur Zeit der Entstehung der Steuer (§ 9 ErbStG) ihren Wohnsitz hatten oder haben werden. Für die Besteuerung dieser vorangegangenen oder nachfolgenden Erwerbe gilt: – Frühere Erwerbe innerhalb des Zehnjahreszeitraums sind als unbeschränkt steuerpflichtig zu behandeln. Wurde eine Steuer aufgrund beschränkter Steuerpflicht festgesetzt, ist die Festsetzung wegen Vorliegens eines rückwirkenden Ereignisses nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO zu ändern. Es gilt insoweit eine Ablaufhemmung: Die Festsetzungsfrist für die Steuer endet in diesem Fall nicht vor Ablauf des vierten Jahres, nachdem die Finanzbehörde von dem Antrag Kenntnis erlangt. 1 2 3 4 5
EuGH v. 22.4.2010 – Rs. C-510/08, BFH/NV 2010, 1212. Vgl. hier und im Folgenden gleich lautende Erlasse v. 15.3.2012 – S 3801-8-V A 6, BStBl. I 2012, 328. BeitrRLUmsG v. 7.12.2011, BGBl. I 2011, 2592. Knobel in V/K/S/W4, § 14 ErbStG Rz. 82. Jülicher in T/G/J, § 2 ErbStG Rz. 76 (Stand: Oktober 2014).
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§ 14 ErbStG Rz. 29 Berücksichtigung früherer Erwerbe – Zukünftige Erwerbe innerhalb des Zehnjahreszeitraums sind als unbeschränkt steuerpflichtig zu behandeln, unabhängig davon, worin das Vermögen besteht und ob es in Deutschland oder einem anderen Staat belegen ist. Allerdings ist das Optionsmodell des § 2 Abs. 3 ErbStG offenbar nicht europatauglich: Nach Auffassung des EuGH1 steht die Kapitalverkehrsfreiheit (Art. 63, 65 AEUV) einer nationalen Regelung entgegen, wonach bei Schenkungen unter Gebietsfremden die Steuer unter Anwendung eines niedrigeren Steuerfreibetrags berechnet wird, wenn der Erwerber keinen spezifischen Antrag stellt. Diese Artikel stehen auch und auf jeden Fall einer nationalen Regelung entgegen, wonach die Steuer auf Antrag eines solchen Erwerbers unter Anwendung des höheren – „inländischen“ – Freibetrags berechnet wird und die Wahrnehmung dieser Option bewirkt, dass für die Berechnung der Steuer auf die betreffende Schenkung alle Schenkungen, die dieser Schenkungsempfänger in den zehn Jahren vor und den zehn Jahren nach der Schenkung von derselben Person erhalten hat, zusammengerechnet werden. Der Gesetzgeber wird hier nachbessern müssen. bb) Zusammenrechnung der Erwerbe 29
Frühere Erwerbe innerhalb des Zehnjahreszeitraums sind mit dem gegenwärtigen Erwerb nach Maßgabe des § 14 ErbStG zusammenzurechnen. Beispiel 7: Ein Erwerber hat für einen Erwerb im Jahr 2012 einen Antrag nach § 2 Abs. 3 ErbStG gestellt. Im Jahr 2005 hat er bereits von demselben Schenker eine Schenkung erhalten. Die beiden Erwerbe sind als unbeschränkt steuerpflichtig zu behandeln und bei der Besteuerung des Erwerbs 2012 nach § 14 ErbStG zusammenzurechnen.
Zukünftige Erwerbe innerhalb der Zehnjahresfrist nach dem gegenwärtigen Erwerb unterliegen ebenfalls der unbeschränkten Steuerpflicht. Diese sind mit dem gegenwärtigen und früheren Erwerben nach Maßgabe des § 14 ErbStG zusammenzurechnen, sofern sie innerhalb der Frist von zehn Jahren angefallen sind. Beispiel 8: Ein Erwerber hat für einen Erwerb im Jahr 2012 einen Antrag nach § 2 Abs. 3 ErbStG gestellt. Im Jahr 2005 hat er bereits von demselben Schenker eine Schenkung erhalten. Im Jahr 2014 erhält er von demselben Schenker eine weitere Schenkung, zu der auch Inlandsvermögen i.S.d. § 121 BewG gehört.
Schenkung 2005
Schenkung 2012
Schenkung 2014
Bei der Besteuerung des Erwerbs im Jahr 2012 sind die Erwerbe der Jahre 2005 und 2012 als unbeschränkt steuerpflichtig zu behandeln und nach § 14 ErbStG zusammenzurechnen. Auch der Erwerb im Jahr 2014 ist als unbeschränkt steuerpflichtig zu behandeln. Er ist mit den Erwerben 2005 und 2012 zusammenzurechnen.
2. Doppelbesteuerung a) Unilaterale Anrechnung (§ 21 Abs. 1 bis 3 ErbStG) 30
Nach § 21 Abs. 1 Satz 1 ErbStG ist bei Erwerbern, die in einem ausländischen Staat mit ihrem Auslandsvermögen zu einer der deutschen Erbschaftsteuer entsprechenden ausländische Steuer herangezogen werden, in den Fällen des § 2 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG, sofern nicht die Vorschriften eines Abkommens zur Vermeidung der Doppelbesteuerung anzuwenden sind, auf Antrag die festgesetzte, auf den Erwerber entfallende, gezahlte und keinem Ermäßigungsanspruch unterliegende ausländische Steuer insoweit auf die deutsche Erbschaftsteuer anzurechnen, als das Auslandsvermögen auch der deutschen Erbschaftsteuer unterliegt. Durch die Anrechnung der ausländischen Steuer soll eine doppelte steuerliche Belastung von Erwerbern vermieden werden.2 1 EuGH v. 8.6.2016 – C-479/14, DStR 2016, 1360. 2 Vgl. BFH v. 22.9.2010 – II R 54/09, BStBl. II 2011, 241 m.w.N.
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Sonderfälle der Anwendung
Rz. 30 § 14 ErbStG
§ 21 ErbStG gilt sowohl für Erwerb von Todes wegen als auch für Schenkungen unter Lebenden, § 1 Abs. 2 ErbStG. Besteht der Erwerb nur teilweise aus Auslandsvermögen, wird die Anrechnung der ausländischen Steuern auf den Teilbetrag der deutschen Steuer beschränkt, der auf das Auslandsvermögen entfällt, § 21 Abs. 1 Satz 2 ErbStG.1 Die Regelung des § 14 ErbStG ist gleichermaßen auf den Erwerb von In- und Auslandsvermögen anzuwenden. Eine unterschiedliche Ermittlung der für die früheren Erwerbe abzuziehenden (fiktiven) Steuer ist insoweit in § 14 Abs. 1 ErbStG nicht vorgesehen. Zur Berechnung kann auf nachstehendes Beispiel verwiesen werden.2 Beispiel 9:3 Die in den Niederlanden lebende A hat ihrem Neffen B mit Wohnsitz in Deutschland im Jahr 2005 den Betrag von 100 000 Euro geschenkt. B zahlte dafür in den Niederlanden eine Schenkungsteuer von 20 000 Euro. Im Jahr 2011 schenkt A dem B weitere 200 000 Euro. B zahlte in den Niederlanden eine Schenkungsteuer von 35 000 Euro. 1. Erwerb 2005 2. Barvermögen (Sachverhalt) 100 000 t 3. Persönlicher Freibetrag 2005 ./. 10 300 t 4. Steuerpflichtiger Erwerb 89 700 t 5. Steuersatz 17 % / Steuer 2005 15 249 t 6. Ausländische Steuer (Sachverhalt) 20 000 t 7. Abzugsfähige ausländische Steuer ./. 15 249 t 8. Da der Erwerb ausschließlich in Auslandsvermögen besteht, entfällt eine Aufteilung nach § 21 Abs. 1 Satz 2 ErbStG. 9. Steuer für den Erwerb 2005 10. Die in den Niederlanden gezahlte Mehrsteuer von 4 751 Euro wird nicht erstattet. 11. Erwerb 2011 12. Barvermögen (Sachverhalt) 13. Barvermögen 2005 (Nr. 2) 14. Gesamterwerb 15. Persönlicher Freibetrag 2011 16. Steuerpflichtiger Gesamterwerb Steuersatz 20 %, vorläufige Steuer auf Gesamterwerb 17. Fiktive Abzugssteuer auf Vorerwerb 2005 18. Barvermögen 2005 (Nr. 2) 19. Persönlicher Freibetrag 2011 (20 000 Euro), höchstens beim Erwerb 2005 verbrauchter Freibetrag (Nr. 3) 20. Steuerpflichtiger Erwerb 21. Steuersatz 20 % / Fiktive Abzugssteuer 2011 (ohne Anrechnung nach § 21 ErbStG) 22. Tatsächliche Steuer 2005 (Nr. 5) (ohne Anrechnung nach § 21 ErbStG) 23. Abzuziehen ist die höhere fiktive Abzugssteuer 2011 (Nr. 21) 24. Steuer für den Erwerb 2011 25. Abzugsfähige ausländische Steuer (Sachverhalt) 26. Da der Erwerb ausschließlich in Auslandsvermögen besteht, entfällt eine Aufteilung nach § 21 Abs. 1 Satz 2 ErbStG. Es ist jedoch nur die für die Schenkung 2011 erhobene niederländische Steuer anzurechnen. 27. Steuer für den Erwerb 2011
0t
200 000 t + 100 000 t 300 000 t ./. 20 000 t 280 000 t
56 000 t
100 000 t ./. 10 300 t 89 700 t 17 940 t 15 249 t
./. 17 940 t 38 060 t ./. 35 000 t
3 060 t
1 Vgl. Knobel in V/K/S/W4, § 14 ErbStG Rz. 77 mit Angabe der anzuwendenden Formel. 2 Dargestellt wird die h.M.; die Berechnungen im Einzelnen sind mitunter str., vgl. Knobel in V/K/S/W4, § 14 ErbStG Rz. 77 ff.; Jülicher in T/G/J, § 14 ErbStG Rz. 56 ff. (Stand: April 2016), jeweils m.w.N. 3 Vgl. H E 21 ErbStH 2011 „Anrechnung ausländischer Erbschaftsteuer bei der Zusammenrechnung nach § 14 ErbStG“ Beispiel 2 und BFH v. 7.9.2011 – II R 58/09, BStBl. II 2012, 40.
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§ 14 ErbStG Rz. 31 Berücksichtigung früherer Erwerbe Mindeststeuer nach § 14 Abs. 1 Satz 4 ErbStG Erwerb 2011 (Nr. 12) Persönlicher Freibetrag Steuerpflichtiger Erwerb Steuersatz 20 % / Steuer Abzugsfähige ausländische Steuer (Sachverhalt) Mindeststeuer Festzusetzende Steuer 2011
200 000 t ./. 20 000 t 180 000 t 36 000 t ./. 35 000 t 1 000 t 3 060 v
Höchststeuer: Die durch den Nacherwerb ausgelöste Steuer beträgt weniger als 50 % des Erwerbs i.H.v. 200 000 Euro, sodass § 14 Abs. 3 ErbStG nicht eingreift.
31
Problematisch ist die Anrechnung ausländischer Steuer bei der Zusammenrechnung nach § 14 ErbStG, wenn in der Vergangenheit mehrere Zuwendungen aus dem Ausland erfolgt sind, die dort steuerpflichtig waren, und es zu einer Anrechnung der ausländischen Steuer in Deutschland nur deshalb nicht gekommen ist, weil nach deutschem Schenkungsteuerrecht wegen der Freibeträge keine Besteuerung durchgeführt wurde. Nach Auffassung des BFH1 führt bei der Festsetzung der inländischen Schenkungsteuer für einen Erwerb, der auch im Ausland der Schenkungsteuer unterliegt, die Berücksichtigung von ebenfalls im Ausland besteuerten Vorerwerben nach § 14 ErbStG nicht zu einer Anrechnung der für die gesamten Vorerwerbe gezahlten ausländischen Steuer. Die im Ausland gezahlte Schenkungsteuer ist nur insoweit nach § 21 ErbStG anzurechnen, als sie auf die besteuerte Zuwendung (Letzterwerb) entfällt. Dies gilt auch dann, wenn die ausländische Schenkungsteuer für die Vorerwerbe bei der Festsetzung der inländischen Schenkungsteuer für die Vorerwerbe nicht oder nur zum Teil angerechnet werden konnte, weil für den jeweiligen Vorerwerb entweder keine deutsche Schenkungsteuer festzusetzen oder die deutsche Schenkungsteuer niedriger als die ausländische Schenkungsteuer war. Eine Anrechnung nicht ausgenutzter ausländischer Schenkungsteuer kann insoweit nicht bei der Besteuerung von Nacherwerben nachgeholt werden. b) Anrechnung auf Grundlage eines DBA (§ 21 Abs. 4 ErbStG)
32
Die vorstehenden Grundsätze gelten auch dann, wenn nach einem Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA) die in einem ausländischen Staat erhobene Steuer auf die Erbschaftsteuer anzurechnen ist, § 21 Abs. 4 ErbStG (vgl. zu den DBA auch § 10 ErbStG Rz. 91 f.).
II. Substanzerwerb nach Nutzungserwerb 33
In der Vergangenheit hatte der BFH2 die Auffassung vertreten, nach Sinn und Zweck des § 14 Abs. 1 Satz 1 ErbStG sei beim Erwerb eines Gegenstands, dessen unentgeltliche Nutzung dem Zuwendungsempfänger bereits vorher zugewendet wurde, die Besteuerungsgrundlage für die Berechnung des zeitlich nachfolgenden Erwerbs des Gegenstands in der Weise zu kappen, dass die Zusammenrechnung beider Erwerbe zu keinem höheren Betrag führe als demjenigen, der für die Zuwendung des Gegenstands selbst der Steuerberechnung zugrunde zu legen wäre. Von dieser Betrachtungsweise ist der BFH allerdings abgerückt:3 Nach heutiger Ansicht sind bei der Berechnung der Erbschaftsteuer gem. § 14 ErbStG mehrere Vermögensvorteile, die innerhalb von zehn Jahren von derselben Person dadurch anfallen, dass jemand zunächst das Recht auf unentgeltliche Nutzung eines Gegenstands und danach den der Nutzung unterliegenden Gegenstand selbst erwirbt, bei der Zusammenrechnung der Erwerbe mit den ihnen jeweils zukommenden Werten auch dann anzusetzen, wenn die Summe der Werte höher ist als der Wert des Gegenstands. Beispiel 10: V gewährt dem E ein zinsloses Darlehen. E erwirbt hierdurch das Recht auf unentgeltliche Nutzung des Kapitals; dieser Vorgang erfüllt den Tatbestand einer freigebigen Zuwendung. Danach verstirbt V und wird vom Erben E beerbt. Die mit dem Todesfall auf den Erben E übergegangene Darlehensforderung ist als Erwerb von Todes wegen 1 Vgl. BFH v. 7.9.2011 – II R 58/09, BStBl. II 2012, 40. 2 BFH v. 12.7.1979 – II R 41/77, BStBl. II 1979, 740. 3 BFH v. 7.10.1998 – II R 64/96, BStBl. II 1999, 25.
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Sonderfälle der Anwendung
Rz. 35 § 14 ErbStG
mit dem auf den Zeitpunkt des Erbfalls abgezinsten Wert anzusetzen. Dem Erwerb von Todes wegen wird – innerhalb des maßgeblichen Zehn-Jahres-Zeitraums – als Vorerwerb gem. § 14 ErbStG das dem E aufgrund des zinslosen Darlehens eingeräumte Recht auf Nutzung des Kapitals hinzugerechnet.
An der aktuellen Auffassung des BFH führt m.E. wohl bereits deshalb kein Weg vorbei, weil der Gesetzgeber im ErbStG auf ein dem § 1 Abs. 6 GrEStG vergleichbare Vorschrift verzichtet hat. Nach Sinn und Zweck dieser Vorschrift1 wird bei der Aufeinanderfolge von zwei Erwerbstatbeständen der Steuertatbestand zwar formell auch zweimal erfüllt, dem materiellen Grund nach jedoch nur einmal. Dementsprechend erklärt § 1 Abs. 6 GrEStG zwar beide Tatbestände für steuerpflichtig, begnügt sich aber im Ergebnis mit der Festsetzung der einmaligen Steuer von der Gegenleistung oder dem höheren Wert. Die Vorschrift dient im Bereich der Grunderwerbsteuer damit der Vermeidung einer Doppelbesteuerung. Das Fehlen einer vergleichbaren Regelung unterstreicht im Übrigen den fiskalischen Charakter2 des § 14 ErbStG.
III. Nacherbfall (§ 6 ErbStG) Nach § 6 Abs. 1 ErbStG gilt der Vorerbe als Erbe. Sein Erwerb unterliegt in vollem Umfang und oh- 34 ne Berücksichtigung der Beschränkungen durch das Nacherbenrecht der Erbschaftsteuer. Entgegen der Regelung im Zivilrecht (§ 2100 BGB) nimmt § 6 ErbStG damit im Fall der Vor- und Nacherbschaft zwei Erbfälle an: Der Vorerbe gilt als Erbe des Erblassers und der Nacherbe gilt als Erbe des Vorerben. Auf Antrag darf der Vorerbe für die Versteuerung sein Verhältnis zum Erblasser zugrunde legen, § 6 Abs. 2 Satz 2 ErbStG (vgl. auch § 7 Abs. 2 ErbStG). Für die Bestimmung der Person, von welcher ein Vermögensvorteil anfällt, bedeutet dies: Zuwendender im Hinblick auf den Nacherben ist der Vorerbe; nur Erwerbe von dieser Person dürfen im Fall der Nacherbschaft nach § 14 ErbStG zusammengerechnet werden. Dies gilt auch dann, wenn der Nacherbe von seinem Recht nach § 6 Abs. 2 Satz 2 ErbStG Gebrauch macht und beantragt, der Versteuerung des der Nacherbfolge unterliegenden Vermögens abweichend von § 6 Abs. 2 Satz 1 ErbStG nicht sein Verhältnis zum Vorerben, sondern sein Verhältnis zum ursprünglichen Erblasser zugrunde zu legen. Denn auch in diesem Fall liegen erbschaftsteuerrechtlich nicht ein Erwerb vom ursprünglichen Erblasser und ein weiterer Erwerb vom Vorerben vor, sondern nur ein einheitlichen Erwerb vom Vorerben. Lediglich für die Berechnung der Steuer für diesen Erwerb sind die in § 6 Abs. 2 Satz 3 bis 5 ErbStG vorgesehenen Modifikationen zu berücksichtigen.3
IV. Gemischte Schenkung, Schenkung unter Nutzungs- oder Duldungsauflage (§ 7 Abs. 1, § 10 Abs. 1 ErbStG) Während der Geltung unterschiedlicher Maßstäbe für den Verkehrswert und den Steuerwert („Be- 35 wertungsungleichheit“) galten für die Abzugsfähigkeit von Gegenleistungen bei einer gemischten Schenkung Besonderheiten. So durften diese Gegenleistungen – im Ergebnis – nur im Verhältnis des Verkehrswertes zum Steuerwert abgezogen werden4 (vgl. § 10 ErbStG Rz. 32 ff.), was zu einer höheren Bemessungsgrundlage und einer höheren Steuer führte. Mit Abschaffung der Bewertungsungleichheit durch das Erbschaftsteuerreformgesetz5 mit Wirkung zum 1.1.2009 hat die vorstehende Problematik ihre Bedeutung verloren. Nach heutigem Recht6 gilt entsprechend § 10 Abs. 1 Satz 1 und 2 ErbStG auch bei der gemischten Schenkung (oder Schenkung unter einer Auflage) als steuerpflichtiger Erwerb die Bereicherung des Bedachten, soweit sie der Besteuerung nach diesem Gesetz unterliegt. Die Bereicherung wird ermittelt, indem von dem nach § 12 1 Vgl. BFH v. 31.8.1994 – II R 108/91, BFH/NV 1995, 431. 2 Vgl. auch die Argumentation bei Meincke16, § 14 ErbStG Rz. 4. 3 Vgl. BFH v. 3.11.2010 – II R 65/09, BStBl. II 2011, 123 – zum vormals bestehenden Streit über die Frage in der Literatur vgl. Knobel in V/K/S/W4, § 14 ErbStG Rz. 44 ff. m.w.N. 4 Vgl. R 17 ErbStR 2003. 5 ErbStRG v. 24.12.2008, BGBl. I 2008, 3018. 6 Vgl. die Darstellung in R E 7.4 Abs. 1 ErbStR 2011.
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§ 14 ErbStG Rz. 36 Berücksichtigung früherer Erwerbe ErbStG zu ermittelnden Steuerwert der Leistung des Schenkers die Gegenleistungen des Beschenkten und die von ihm übernommenen Leistungs-, Nutzungs- und Duldungsauflagen mit ihrem nach § 12 ErbStG ermittelten Wert abgezogen werden. Der vollständige Abzug von Gegenleistungen führt – potentiell – zu einer niedrigeren Bemessungsgrundlage. Die unterschiedliche Behandlung von Gegenleistungen vor und nach dem genannten Datum kann auch Einfluss auf eine Zusammenrechnung von Erwerben über dieses Datum haben.1 – Sind Vorerwerbe, für die die Steuer nach dem 31.12.2008 entstanden ist und die noch nicht bestandskräftig veranlagt worden sind, mit späteren Erwerben zusammenzurechnen, erfolgt die Steuerfestsetzung für den Vorerwerb und den nachfolgenden Erwerb ohne Weiteres nach der neuen Rechtslage. – Sind Vorerwerbe, die nach früherer Rechtslage bestandskräftig veranlagt worden sind, mit späteren Erwerben zusammenzurechnen, so kommt eine Änderung der Steuerfestsetzung für den Vorerwerb nicht in Betracht. Bei der Ermittlung der Steuer für den nachfolgenden Erwerb soll jedoch im Rahmen des § 14 ErbStG der materiell zutreffende Wert des Vorerwerbs nach neuer Rechtslage und als tatsächlich zu entrichtende Steuer i.S.d. § 14 Abs. 1 Satz 3 ErbStG die für diesen Wert sich ergebende zutreffende Steuer zu berücksichtigen sein. Die neue Rechtslage bringt eine potentiell niedrigere Bemessungsgrundlage und damit auch eine niedrigere Steuer. Dieser für den Steuerpflichtigen an sich positive Effekt wird freilich im Verfahren der Anrechnung dieser niedrigeren Steuer nach § 14 Abs. 1 Satz 3 ErbStG umgekehrt, so dass die Anwendung der neuen Rechtslage zum Nachteil des Steuerpflichtigen gereicht. An diesem Ergebnis führt jedoch kein Weg vorbei, folgt man der Prämisse, dass die Erfassung von Erwerben „mit ihre früheren Wert“ eine Korrektur des bewertungsrechtlichen Ansatzes zuungunsten wie zugunsten des Steuerpflichtigen ermöglicht (vgl. § 14 ErbStG Rz. 16).
V. Übernahme der Schenkungsteuer (§ 10 Abs. 2 ErbStG) 36
Hat der Erblasser die Entrichtung der von dem Erwerber geschuldeten Steuer einem anderen auferlegt oder hat der Schenker die Entrichtung der vom Beschenkten geschuldeten Steuer selbst übernommen oder einem anderen auferlegt, gilt gem. § 10 Abs. 2 ErbStG als Erwerb der Betrag, der sich bei einer Zusammenrechnung des sonstigen Erwerbs mit der aus ihm errechneten Steuer ergibt; die übernommene Steuer wird also der Bemessungsgrundlage einmal hinzugerechnet (vgl. § 10 ErbStG Rz. 38 ff.). Mit dieser – sachlich und rechnerisch vereinfachten – Methode behandelt das Gesetz die Übernahme der Steuer nicht als einen zusätzlichen Steuerfall, sondern als eine einmalige Werterhöhung der Zuwendung. Für die Berechnung der Steuer auf die jeweils letzte Zuwendung gem. § 14 Abs. 1 ErbStG ist nach BFH2 bei Übernahme der Schenkungsteuer auf eine frühere Schenkung für diese deren Wert zuzüglich der daraus errechneten Steuer einzusetzen. Die durch die einmalige Addition der Besteuerungsgrundlage bewirkte Erhöhung der entstandenen Steuer soll aber unberücksichtigt gelassen werden. Denn andernfalls würde die gem. § 10 Abs. 2 ErbStG unterlassene Versteuerung dieses Mehrbetrags bei der Zusammenrechnung gem. § 14 Abs. 1 ErbStG nachgeholt. Die frühere Zuwendung ist gem. § 14 Abs. 1 ErbStG „nach ihrem früheren Wert“ zuzurechnen.
VI. Begünstigtes Betriebsvermögen 1. Freibetrag und Bewertungsabschlag bis 31.12.2008 (§ 13a ErbStG a.F.) 37
Nach der Rechtslage nach dem 31.12.1995 und bis zum 31.12.2008 wurde beim Erwerb von begünstigtem Vermögen gem. § 13a Abs. 1 ErbStG a.F. ein Freibetrag und gem. Abs. 2 der Vorschrift a.F. ein weiterer Bewertungsabschlag gewährt. Die §§ 13a, 19a ErbStG a.F. waren – nach zutreffender
1 Vgl. H E 14.1 Abs. 3 ErbStH 2011 „Zusammenrechnung in Fällen der gemischten Schenkung“. 2 Vgl. BFH v. 17.11.1977 – II R 66/68, BStBl. II 1978, 220 zu §§ 12, 13 ErbStG 1959.
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Sonderfälle der Anwendung
Rz. 40 § 14 ErbStG
Auffassung der Finanzverwaltung1 – bei der Ermittlung der Steuer auf den Gesamterwerb nur auf das in die Zusammenrechnung einbezogene begünstigte Vermögen anzuwenden, das nach dem 31.12.1995 zugewendet worden war. Ein bei einem Vorerwerb in Anspruch genommener Freibetrag nach § 13a Abs. 1 Nr. 2 ErbStG a.F. (vor 1996: § 13 Abs. 2a Satz 1 Nr. 2 ErbStG a.F.) war verbraucht. Dies galt auch, wenn der Freibetrag nicht vollständig ausgeschöpft werden konnte. Vorerwerbe, für die keine Vergünstigungen nach § 13a ErbStG a.F. zu gewähren waren, konnten auch bei der Berechnung der Steuer für den Gesamtbetrag nicht als begünstigtes Vermögen behandelt werden. Die Entlastung nach § 13a ErbStG hatte zur Folge, dass begünstigtes Vermögen nur in Höhe des die Befreiung übersteigenden Betrags in die Zusammenrechnung einbezogen werden konnte. 2. Regelverschonung und Optionsmodell ab 1.1.2009 bis 30.6.2016 (§§ 13a, 13b ErbStG) Nach der Rechtslage unter Geltung des Erbschaftsteuerreformgesetzes 20092 gewährte § 13b Abs. 4 38 ErbStG zwischen dem 1.1.2009 und dem 30.6.2016 eine Regelverschonung von 85 % auf begünstigtes Betriebsvermögen (Regelverschonung). Gemäß § 13a Abs. 2 ErbStG kommt ein (abschmelzender) Abzugsbetrag von anfänglich 150 000 Euro hinzu. Nach § 13a Abs. 8 ErbStG kann der Erwerber zudem unwiderruflich erklären, dass er eine vollständige Steuerbefreiung – unter weiteren Voraussetzungen – in Anspruch nehmen möchte (Optionsmodell). Die §§ 13a, 13b ErbStG sind bei der Ermittlung der Steuer auf den Gesamterwerb nur auf das in die Zusammenrechnung einbezogene begünstigte Vermögen anzuwenden, das nach dem 31.12.2008 zugewendet wurde. Die für die alten Regelungen vor 2009 dargestellten Grundsätze gelten entsprechend auch für die heutige Rechtslage.3 Bei der Zusammenrechnung sind die qualitativen Befreiungen (hierzu § 14 ErbStG Rz. 13) nach §§ 13a, 13b ErbStG entsprechend zu berücksichtigen; nur der die Begünstigung übersteigende Betrag wird zur Zusammenrechnung herangezogen.4 Ein bei einem Vorerwerb in Anspruch genommener Abzugsbetrag nach § 13a Abs. 2 ErbStG ist verbraucht. Deshalb kann ein bei dem Vorerwerb nicht vollständig ausgeschöpfter Abzugsbetrag auch im Fall der Zusammenrechnung nicht bei einem späteren Erwerb begünstigten Vermögens abgezogen werden. Vorerwerbe, für die keine Befreiung nach § 13a ErbStG zu gewähren war, können auch bei der Berechnung der Steuer für den Gesamtbetrag nicht als begünstigtes Vermögen behandelt werden. Zu den neuen Regelungen zur Begünstigung von Betriebsvermögen durch das ErbStAnpG 20165 vgl. die Kommentierungen in diesem Werk zu §§ 13a bis 13d und § 28a ErbStG. 3. Tarifbegünstigung nach § 19a ErbStG Die Tarifbegrenzung nach § 19a ErbStG wirkt sich nur aus, soweit zum Letzterwerb tarifbegünstigtes 39 Vermögen gehört.
VII. Wiederkehrende Nutzungen und Leistungen (§ 23 ErbStG) Nach § 23 Abs. 1 Satz 1 ErbStG können Steuern, die von dem Kapitalwert von Renten u. dergl. zu 40 entrichten sind, nach Wahl des Erwerbers statt vom Kapitalwert jährlich im Voraus von dem Jahreswert entrichtet werden. Die Steuer wird nach Satz 2 in diesem Fall nach dem Steuersatz erhoben, der sich nach § 19 ErbStG für den gesamten Erwerb einschließlich des Kapitalwerts der Renten ergibt.
1 Vgl. FinMin. NW v. 16.4.1997 – 1997-04-16 S 3820-1-V A 2, BStBl. I 1997, 406 mit Berechnungsbeispielen. 2 ErbStRG v. 24.12.2008, BGBl. I 2008, 3018. 3 Vgl. R E 14.2 ErbStR 2011 und die Berechnungsbeispiele in E 14.2 Abs. 3 ErbStH 2011 – „Berücksichtigung früherer Erwerbe“; „Zusammentreffen mit Begünstigungen nach §§ 13a, 19a ErbStG“. 4 Vgl. Meincke16, § 14 ErbStG Rz. 23. 5 Gesetz v. 4.11.2016, BGBl. I 2016, 2464.
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§ 14 ErbStG Rz. 41 Berücksichtigung früherer Erwerbe Wird ein Rentenerwerb mit einem Vorerwerb nach § 14 ErbStG zusammengerechnet, wirkt sich der Vorerwerb auch auf die Höhe des Steuersatzes für die Berechnung der Jahressteuer nach § 23 Abs. 1 Satz 2 ErbStG aus:1 Der anzuwendende Steuersatz kann nicht unmittelbar für den Gesamterwerb aus der Steuertabelle in § 19 ErbStG entnommen werden, sondern ergibt sich aus dem Verhältnis der auf den Rentenerwerb entfallenden Steuer zum Kapitalwert des Rentenerwerbs. Eine Steuerfestsetzung erfolgt nur auf den Rentenerwerb als Nacherwerb. Das gilt auch für den Fall, dass der Erwerber die Jahresversteuerung wählt. Dabei ist es nicht möglich, die Steuer auf den Rentenerwerb aufzuteilen in einen Teil, der tatsächlich als Jahressteuer zu erheben ist, und einen Teil, der rechnerisch als „Nachforderung“ für den Vorerwerb zu erheben und sofort zu entrichten ist. Aus diesem Grund ist es auch nicht zulässig, dem Erwerber eine entsprechende zusätzliche Wahlmöglichkeit zur Entrichtung der Steuer auf den Nacherwerb einzuräumen.
VIII. Nutzungs- und Rentenlast (§ 25 ErbStG a.F.) 1. Regelungsinhalt 41
Nach § 25 Abs. 1 ErbStG a.F. wurde der Erwerb von Vermögen, dessen Nutzungen dem Schenker oder dem Ehegatten des Erblassers (Schenkers) zustanden, ohne Berücksichtigung dieser Belastungen besteuert. Die Steuer, die auf den Kapitalwert dieser Belastungen entfiel, war jedoch bis zu deren Erlöschen zinslos zu stunden. Die zu stundende Steuer wurde in der Weise berechnet, dass von der Steuer ohne Berücksichtigung der Belastung die – potenzielle – Steuer mit Berücksichtigung der Belastung abgezogen wurde. Die gestundete Steuer konnte auf Antrag des Erwerbers jederzeit mit ihrem Barwert nach § 12 Abs. 3 BewG abgelöst werden. Die Regelung in § 25 Abs. 1 ErbStG a.F. war ausschließlich fiskalisch motiviert: Durch die Übertragung von Vermögen, das mit einem Nutzungsrecht belastet ist, lassen sich erhebliche Erbschaftsteuervorteile bis zur Steuerfreiheit erreichen. Der Gesetzgeber sah diese erbschaftsteuerlichen Vorteile, die sich durch Nutzungsrechte erzielen ließen, als ungerechtfertigt an und hatte sie durch die Sonderregelung des § 25 ErbStG erheblich beschränkt. Die Vorschrift des § 25 ErbStG ist durch das Erbschaftsteuerreformgesetz2 zum 1.1.2009 aufgehoben worden; § 37 Abs. 2 ErbStG i.d.F. des ErbStRG 2009 sieht eine Weitergeltung für bestimmte Altfälle vor. 2. Zurechnung eines Vorerwerbs unter Nießbrauchsvorbehalt u. dgl.
42
Wenn ein Vorerwerb, auf den § 25 ErbStG a.F. angewendet worden war, mit einem späteren Erwerb zusammengerechnet wird, so gilt nach Auffassung der höchstrichterlichen Finanzrechtsprechung3 und der Finanzverwaltung4 das Nachfolgende. – Gesamterwerb: Ist ein Erwerb nach § 14 Abs. 1 Satz 1 ErbStG mit einem früheren Erwerb zusammenzurechnen, der mit einer nach § 25 Abs. 1 Satz 1 ErbStG nicht abziehbaren Belastung beschwert ist, ist der Vorerwerb mit dem Bruttowert, d.h. ohne Berücksichtigung der Belastung, anzusetzen. – Steuerabzug: Dieser Bruttowert ist auch der Berechnung sowohl der nach § 14 Abs. 1 Satz 2 ErbStG abziehbaren fiktiven Steuer als auch der nach § 14 Abs. 1 Satz 3 ErbStG statt der fiktiven Steuer abzuziehenden tatsächlich für den Vorerwerb zu entrichtenden Steuer zugrunde zu legen. Die früher von der Finanzverwaltung5 vertretenen Auffassung, wonach die für den Vorerwerb tatsächlich zu entrichtende Steuer i.S.d. § 14 Abs. 1 Satz 3 ErbStG lediglich die für den Vorerwerb nach § 25 Abs. 1 Sätze 1 und 2 ErbStG sofort zu entrichtende Steuer zuzüglich des Ab1 Vgl. H E 23 ErbStH 2011 „Besteuerung von Renten, Nutzungen und Leistungen“; „Jahressteuer und Zusammenrechnung mit Vorerwerben“. 2 ErbStRG v. 24.12.2008, BGBl. I 2008, 3018. 3 BFH v. 8.3.2006 – II R 10/05, BStBl. II 2006, 785. 4 H E 14.1 Abs. 3 ErbStH 2011 „Einbeziehung von Vorerwerben mit Anwendung des § 25 ErbStG a.F.“ 5 H 85 Abs. 3 ErbStR 2003 i.d.F. der Gleich lautenden Erlasse v. 23.9.2004 – 36-S 3715-2/02, BStBl. I 2004, 939.
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Sonderfälle der Anwendung
Rz. 45 § 14 ErbStG
lösebetrags nach § 25 Abs. 1 Satz 3 ErbStG ist, ist nach Auffassung des BFH1 mit § 14 Abs. 1 Satz 3 und § 25 Abs. 1 ErbStG nicht vereinbar. Denn eine solche Berechnungsweise führt dazu, dass dem Erwerber der Vorteil aus einer Steuerstundung für den Vorerwerb nach § 25 Abs. 1 Satz 2 ErbStG oder aus einer Ablösung der zu stundenden Steuer mit dem Barwert nach § 25 Abs. 1 Satz 3 ErbStG bei einer Zusammenrechnung dieses Erwerbs mit einem späteren Erwerb wieder entzogen wird, ohne dass es dafür einen sachlichen Grund gibt: Die Regelungen in § 25 Abs. 1 Satz 2 und 3 ErbStG über die Stundung der Mehrsteuer, die sich aufgrund des Abzugsverbots des § 25 Abs. 1 Satz 1 ErbStG ergibt, und die Ablösung des zu stundenden Betrags sind ein (teilweiser) Ausgleich für die Wirkungen des Abzugsverbots. Diese Milderung der Folgen des Abzugsverbots für die Besteuerung des früheren Erwerbs darf dem Erwerber auch nicht im Rahmen der Besteuerung eines späteren Erwerbs nach § 14 Abs. 1 ErbStG wieder entzogen werden. War nicht nur ein Vorerwerb, sondern auch der Letzterwerb mit einer nach § 25 Abs. 1 Satz 1 43 ErbStG nicht abziehbaren Belastung beschwert, war die Steuer für den Letzterwerb nach § 25 Abs. 1 Satz 2 ErbStG nur zu stunden, soweit die Mehrsteuer auf der nicht berücksichtigten Belastung des Letzterwerbs beruhte. Die Belastung des Vorerwerbs blieb auch in diesem Fall für die Stundung außer Betracht.2 3. Wegfall der Stundung durch entgeltliche Ablösung oder Verzicht Behielt sich der Schenker bei einer freigebigen Zuwendung eines Grundstücks den Nießbrauch vor 44 und löste der Erwerber später den Nießbrauch gegen Entgelt ab, hatte dies nach Auffassung des BFH3 – abgesehen vom Wegfall der Stundung nach § 25 Abs. 1 Satz 2 ErbStG – keinen Einfluss auf die Schenkungsteuer, die für die Grundstücksübertragung festzusetzen war. Der vorzeitige unentgeltliche Verzicht auf ein vorbehaltenes Nießbrauchsrecht erfüllte und erfüllt 45 – im Fall der Fortgeltung der alten Rechtslage, § 37 Abs. 2 ErbStG i.d.F. des ErbStRG – allerdings als Rechtsverzicht den Tatbestand einer weiteren freigebigen Zuwendung i.S.d. § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG, da dabei eine Bereicherung des Erwerbers eintritt, die bisher noch nicht der Steuer unterlag. Freilich ist zu berücksichtigen, dass der Erwerber den Wert des Nutzungsrechts bei der erstmaligen Steuerfestsetzung nicht als Belastung abziehen durfte, § 25 Abs. 1 Satz 1 ErbStG a.F. Eine steuerliche Doppelbelastung des Nutzungsrechts als Folge der Nichtberücksichtigung als Abzugsposten einerseits und seiner Erfassung beim späteren Verzicht des Berechtigten andererseits ist bei der Besteuerung des Verzichts durch den Abzug des bei der Besteuerung des nutzungsrechtsbelasteten Gegenstandes tatsächlich unberücksichtigt gebliebenen Steuerwert des Nutzungsrechts vom Steuerwert des Nutzungsrechts im Zeitpunkt des Rechtsverzichts zu beseitigen,4 m.a.W. wird vom Wert des Nießbrauchs im Zeitpunkt des Verzichts der Wert des Nießbrauchs bei der ursprünglichen Bestellung abgezogen. – Ist der (unberücksichtigt gebliebene) Wert zum Zeitpunkt der Bestellung höher als der Wert im Zeitpunkt des Verzichts, ist von einer Bereicherung aus dem Verzicht von 0 Euro auszugehen, weil der Erwerber hinsichtlich des übersteigenden Werts des Nutzungsrechts nicht doppelt belastet werden soll. – Ist der Wert zum Zeitpunkt des Verzichts höher, weil etwa der Jahreswert der Nutzung inzwischen gestiegen ist („Mieterhöhung“), so liegt in Höhe der Differenz eine weitere freigebige Zuwendung vor, die ggf. im Wege der Zusammenrechnung nach § 14 ErbStG der Besteuerung zu unterwerfen ist. Es ist darauf zu achten, dass die vorstehende Dogmatik nur für altes Recht gilt. Ab dem 1.1.2009 ist jedes Nutzungsrecht grundsätzlich mit seinem Steuerwert bei der erstmaligen Steuerfestsetzung abzuziehen und jeder spätere unentgeltliche Verzicht auf das Nutzungsrecht löst – in Höhe des jeweiligen Kapitalwerts (§§ 13 ff. BewG) – eine weitere Steuer aus.
1 2 3 4
BFH v. 8.3.2006 – II R 10/05, BStBl. II 2006, 785. BFH v. 8.3.2006 – II R 10/05, BStBl. II 2006, 785; a.A. Gebel, ZEV 2004, 98 (102). BFH v. 8.3.2006 – II R 10/05, BStBl. II 2006, 785; v. 19.12.2007 – II R 34/06, BStBl. II 2008, 260. Vgl. BFH v. 17.3.2004 – II R 3/01, BStBl. II 2004, 429.
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§ 14 ErbStG Rz. 46 Berücksichtigung früherer Erwerbe
IX. Mehrfacher Erwerb desselben Vermögens (§ 27 ErbStG) 46
§ 27 Abs. 1 ErbStG gewährt unter näheren Voraussetzungen eine Ermäßigung der Erbschaftsteuer bei einem mehrfachen Erwerb desselben Vermögens. Die Vorschrift ist nur anwendbar, wenn Personen der Steuerklasse I von Todes wegen Vermögen anfällt, das in den letzten zehn Jahren vor dem Erwerb bereits von Personen dieser Steuerklasse erworben ist. Der Grundgedanke des § 27 ErbStG besteht darin, bei mehrmaligem Übergang desselben Vermögens innerhalb von zehn Jahren auf den begünstigten Erwerberkreis die auf dieses Vermögen entfallende Steuer, soweit das Vermögen beim Vorerwerber der Besteuerung unterlag, bis höchstens 50 v.H. zu ermäßigen. Diesen Grundgedanken hat der Gesetzgeber nach dem Wortlaut des § 27 Abs. 1 ErbStG dahin beschränkt, dass der Letzterwerb im Verhältnis zum Erblasser in die Steuerklasse I fallen muss.1 Für die Abgrenzung der Regelung in § 27 ErbStG zur Regelung in § 14 ErbStG gilt: – § 27 ErbStG betrifft Erwerbe desselben Vermögens und bezüglich des begünstigten Zweiterwerbs nur Erwerbe von Todes wegen; – § 14 ErbStG betrifft nur Erwerbe von derselben Person, dafür jedoch neben Schenkungen unter Lebenden auch Erwerbe von Todes wegen. Treffen in einem Steuerfall § 14 Abs. 3 und § 27 ErbStG zusammen, ist die sich für den steuerpflichtigen Erwerb ergebende Steuer zunächst nach § 27 ErbStG zu ermäßigen und auf die danach festzusetzende Steuer die Begrenzung des § 14 Abs. 3 ErbStG anzuwenden2 (vgl. auch die Übersicht § 10 ErbStG Rz. 7).
1 Vgl. BFH v. 14.7.2011 – II B 27/11, BFH/NV 2011, 1881. 2 Vgl. R E 14.1 Abs. 5, R E 10.1 Abs. 2 ErbStR 2011.
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§ 15 Steuerklassen (1) Nach dem persönlichen Verhältnis des Erwerbers zum Erblasser oder Schenker werden die folgenden drei Steuerklassen unterschieden: Steuerklasse I: 1. der Ehegatte und der Lebenspartner, 2. die Kinder und Stiefkinder, 3. die Abkömmlinge der in Nummer 2 genannten Kinder und Stiefkinder, 4. die Eltern und Voreltern bei Erwerben von Todes wegen; Steuerklasse II: 1. die Eltern und Voreltern, soweit sie nicht zur Steuerklasse I gehören, 2. die Geschwister, 3. die Abkömmlinge ersten Grades von Geschwistern, 4. die Stiefeltern, 5. die Schwiegerkinder, 6. die Schwiegereltern, 7. der geschiedene Ehegatte und der Lebenspartner einer aufgehobenen Lebenspartnerschaft; Steuerklasse III: alle übrigen Erwerber und die Zweckzuwendungen. (1a) Die Steuerklassen I und II Nr. 1 bis 3 gelten auch dann, wenn die Verwandtschaft durch Annahme als Kind bürgerlich-rechtlich erloschen ist. (2) 1In den Fällen des § 3 Abs. 2 Nr. 1 und § 7 Abs. 1 Nr. 8 ist der Besteuerung das Verwandtschaftsverhältnis des nach der Stiftungsurkunde entferntest Berechtigten zu dem Erblasser oder Schenker zugrunde zu legen, sofern die Stiftung wesentlich im Interesse einer Familie oder bestimmter Familien im Inland errichtet ist. 2In den Fällen des § 7 Abs. 1 Nr. 9 Satz 1 gilt als Schenker der Stifter oder derjenige, der das Vermögen auf den Verein übertragen hat, und in den Fällen des § 7 Abs. 1 Nr. 9 Satz 2 derjenige, der die Vermögensmasse im Sinne des § 3 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 oder § 7 Abs. 1 Nr. 8 Satz 2 gebildet oder ausgestattet hat. 3In den Fällen des § 1 Abs. 1 Nr. 4 wird der doppelte Freibetrag nach § 16 Abs. 1 Nr. 2 gewährt; die Steuer ist nach dem Prozentsatz der Steuerklasse I zu berechnen, der für die Hälfte des steuerpflichtigen Vermögens gelten würde. (3) 1Im Falle des § 2269 des Bürgerlichen Gesetzbuchs und soweit der überlebende Ehegatte oder der überlebende Lebenspartner an die Verfügung gebunden ist, ist auf Antrag der Versteuerung das Verhältnis des Schlusserben oder Vermächtnisnehmers zum zuerst verstorbenen Ehegatten oder dem zuerst verstorbenen Lebenspartner zugrunde zu legen, soweit sein Vermögen beim Tod des überlebenden Ehegatten oder des überlebenden Lebenspartners noch vorhanden ist. 2§ 6 Abs. 2 Satz 3 bis 5 gilt entsprechend. (4) 1Bei einer Schenkung durch eine Kapitalgesellschaft oder Genossenschaft ist der Besteuerung das persönliche Verhältnis des Erwerbers zu derjenigen unmittelbar oder mittelbar beteiligten natürlichen Person oder Stiftung zugrunde zu legen, durch die sie veranlasst ist. 2In diesem Fall gilt die Schenkung bei der Zusammenrechnung früherer Erwerbe (§ 14) als Vermögensvorteil, der dem Bedachten von dieser Person anfällt. A. I. II. III.
Grundaussagen der Vorschrift. . . . . . . . . . Regelungsgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . Bedeutung und Telos . . . . . . . . . . . . . . . . . Geltungsbereich und Verhältnis zu anderen Vorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Rechtsentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1 1 3 5 6
B. Einteilung der Erwerbe in Steuerklassen (Abs. 1) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Leitlinien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
7 7
II. Die rechtlichen Voraussetzungen der Steuerklasse I . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Umfang. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Ehegatten und Lebenspartner (Nr. 1) . . . . a) Ehegatten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Eingetragene Lebenspartner . . . . . . . . c) Ehen nach ausländischem Recht . . . . . d) Vertrauen auf das Bestehen der Ehe . . . e) Dauer der Ehe . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Kinder, Adoptiv- und Stiefkinder (Nr. 2) .
Stein
8 8 9 9 10 11 13 14 16
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§ 15 ErbStG Steuerklassen
III.
IV. V. C.
I. II.
III.
a) Leibliche Kinder . . . . . . . . . . . . . . . . b) Adoptivkinder . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Stiefkinder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Abkömmlinge von Kindern und Stiefkindern (Nr. 3) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Eltern beim Tod von Kindern (Nr. 4) . . . Erwerber der Steuerklasse II . . . . . . . . . . . . 1. Eltern und Voreltern bei Erwerben unter Lebenden (Nr. 1) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Geschwister und Abkömmlinge ersten Grades von Geschwistern (Nr. 2 und Nr. 3). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Stiefeltern/Verschwägerte Erwerber (Nr. 4 bis 6) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Geschiedene Ehegatten (Nr. 7) . . . . . . . . Erwerber der Steuerklasse III . . . . . . . . . . . Erlöschen von Verwandtschaftsverhältnissen bei Adoption (Abs. 1a) . . . . . . . . . . . . . Steuerklasse bei Erwerben von und durch Stiftungen und ausländische Vermögensmassen (Abs. 2) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Leitlinien der Steuerklassenbestimmung in Sonderfällen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zuwendungen an Stiftungen bei Errichtung (Abs. 2 Satz 1) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Überblick. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Privilegierung nur für Errichtungsvorgänge, Umfang des Errichtungsvorgangs, Zustiftungen . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Bestehen einer Stiftung im wesentlichen Familieninteresse (Familienstiftung) . . . . 4. Inlandsanknüpfung . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Alternativen zur Errichtung der Familienstiftung aus steuerlicher Sicht . . . . . . . 6. Zuwendungen von Stiftungen an Stiftungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Stiftungsspaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8. Familienverein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zuwendungen aus einer Stiftung bei Auflösung und aus Vermögensmassen ausländischen Rechts (Abs. 2 Satz 2). . . . . . . . . . . 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Auflösung eines Rechtsträgers i.S.d. § 7 Abs. 1 Nr. 9 ErbStG . . . . . . . . . . . . . 3. Anwendung auch für ausländische Familienstiftungen und ausländische Vermögensmassen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
16 20 27 32 34 35 35
38 44 47 48 51
52 52 53 53
58 64 74 81 83 86 87
88 88 90
IV. D. I. II. III.
4. Rechtsnatur der Privilegierung/Reine Steuerklassenbestimmung? . . . . . . . . . . . 5. Erwerb von Zwischenberechtigten bei ausländischen Vermögensmassen . . . . . . . 6. Änderung des Stiftungscharakters . . . . . . 7. Bestimmung des Stifters . . . . . . . . . . . . . 8. Vermögensübertragung von einem Verein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9. Hinweise zum Einkommensteuerrecht/ Doppelbesteuerungen . . . . . . . . . . . . . . . Ersatzerbschaftsteuer (Abs. 2 Satz 3). . . . . . . Gegenseitige Einsetzung (Abs. 3) . . . . . . . . Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zivilrechtliche Grundlage. . . . . . . . . . . . . . . Die Funktion des § 15 Abs. 3 ErbStG . . . . . . 1. Zweck des § 15 Abs. 3 ErbStG . . . . . . . . . 2. Erben (§ 2269 Abs. 1 BGB) . . . . . . . . . . . 3. Vermächtnisnehmer (§ 2269 Abs. 2 BGB). 4. Ermittlung des begünstigten Vermögens. . 5. Wertsteigerungen und Nutzungen des begünstigten Vermögens . . . . . . . . . . . . . 6. Auswahl und Zuordnung des erworbenen Vermögens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
E. Steuerklasse bei Schenkungen durch Kapitalgesellschaften oder Genossenschaften (Abs. 4) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Steuerbarkeit von Zuwendungen als vGA . . . 1. Allgemeines. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Verdeckte Gewinnausschüttungen an Gesellschafter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Schenkungen bei vGA an eine dem Gesellschafter nahestehende Person . . . . . III. Zuwendungsverhältnis im Anwendungsbereich des Abs. 4 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Besteuerung nach dem persönlichen Verhältnis zum Veranlasser. . . . . . . . . . . . . . 1. Verbesserung der Steuerklasse . . . . . . . . . 2. Veranlasser . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Besteuerung der Zuwendung an den Gesellschafter selbst . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Veranlasser bei Fremdgeschäftsführung . . V. Zusammenrechnung von Erwerben . . . . . . . VI. Genossenschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
95 105 110 114 118 119 123 126 126 127 131 131 133 138 139 144 147
151 151 152 152 154 156 159 160 160 161 166 167 170 171
94
Literatur: Adams, 21st Century Estate Planning, New York 2006; Bamberger/Roth, BGB, 3. Aufl. 2012; Becker, Die Erwachsenenadoption als Instrument der Nachlassplanung, ZEV 2009, 25; Berndt/Götz, Stiftung und Unternehmen, 8. Aufl. 2009; Binz/Sorg, Aktuelle Erbschaftsteuerprobleme der Familienstiftung, DStR 1994, 229; Binz/Sorg, Erbschaftsteuerprobleme der Familienstiftung, BB 1988, 1822; Birnbaum/Lohbeck/Pöllath, Die Verselbständigung von Nachlassvermögen: Stiftung, Trust und andere Gestaltungen im Vergleich, FR 2007, 376; Blumers, Die Familienstiftung als Instrument der Nachfolgeregelung, DStR 2012, 1; v. Campenhausen/Richter, Stiftungsrechts-Handbuch, 4. Aufl. 2014; Christensen, Internationale Estate Planning, 2011; Deininger/Götzenberger, Internationale Vermögensnachfolgeplanungen mit Stiftungen und Trusts, 2006; Ebeling, Stiftungsvermögen im Zeitraum zwischen Todestag des Stifters und Genehmigung der Stiftung, ZEV 1998, 93; Flick/Piltz, Der internationale Erbfall, 2. Aufl.
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Grundaussagen der Vorschrift
Rz. 2 § 15 ErbStG
2008; Götz, Anmerkung zu BFH v. 10.12.2008 – II R 34/07, ZEV 2009, 149; Grabitz/Hilf, EGV, 6. Aufl. 2003; Habammer, Der ausländische Trust im deutschen Ertrag- und Erbschaft-/Schenkungsteuerrecht, DStR 2002, 425; Halaczinsky, Die Stieffamilie im Erbschaftsteuerrecht, ZErb 2004, 149; Halaczinsky, Unentgeltliche Zuwendungen von Vereinen, ErbStB 2004, 94; Heidenhein/Meister, Münchener Vertragshandbuch, Gesellschaftsrecht, 7. Aufl. 2011; Hergeth, Auskehrung von Vermögen durch Auslandsstiftung oder Trust nach Ende der Steueramnestie, ZErb 2005, 270; Hübner/Currle/Schenk, Die nichtrechtsfähige Stiftung als Familienstiftung, DStR 2013, 1966; Hülsmann, Berliner Testament – Steuerreduzierung, NWB Fach 10, 1585; Jülicher, Brennpunkte der Besteuerung der inländischen Familienstiftung im ErbStG, StuW 1999, 363; Jülicher, Neues von der erweiterten unbeschränkten Steuerpflicht im ErbStG, PiSTB 2001, 50; S. Jülicher, Vertragliche Rückforderungsrechte und Weiterleitungsklausel in Schenkungsverträgen – Steuerliche Auswirkungen ihrer Vereinbarung und ihrer Durchführung, DStR 1998, 1977; Keidel, FamFG-Kommentar, 2010; Kohler, Vorschläge für eine testamentarische Sicherung der Abkömmlinge für den Fall der Not, NJW 1957, 1173; Korezkij, Schenkungen unter Beteiligung von Kapitalgesellschaften, DStR 2012, 163; Laule/Heuer, Familienstiftungen als Objekt der Erbschaftsteuer, DStZ 1987, 495; Linn/Schmitz, Offene Fragen bei der steuerlichen Behandlung liechtensteinischer Familienstiftungen, DStR 2014, 2541; Lishaut/Ebber/Schmitz, Schenkung und ertragsteuerliche Behandlung disquotaler Einlagen und disquotaler Gewinnausschüttungen, Ubg 2012, 1; Mayer, Berliner Testament ade?, ZEV 1998, 15; Mutter, Steueramnestie für hinterzogene Schenkungsteuer bei Trusts und Stiftungen im Ausland, DStR 2004, 893; Nieder/Kössinger, Handbuch der Testamentsgestaltung, 5. Aufl. 2015; von Oertzen, Personengesellschaftsanteile im internationalen Erbrecht, IPRax1994, 73; von Oertzen, Trust – Option oder Risiko für die internationale Nachfolgeplanung?, IStR 1995, 149; von Oertzen, Vorbereitungen für den Ersatzerbschaftsteuertermin zum 1.1.2014, DStR 2012, Beihefter zu Nr. 11, 37; von Oertzen/Stein, Deutsch-, US-/amerikanische Nachfolgeplanung: Steuervorteile im ErbStG durch Verwendung von Trusts, ZEV 2010, 500; Orth, Umstrukturierung unternehmerisch tätiger Stiftungen, FR 2010, 637; Palandt, BGB, 75. Aufl. 2016; van Potsch/Urban, Leistungen zwischen Kapitalgesellschaften und ihren Gesellschaftern aus schenkungsteuerlicher Sicht, KÖSDI 2012, 17747; Ramb, Lebenspartnerschaft im Steuerrecht, NWB 2009, 552; Richter/Wachter, Handbuch des internationalen Stiftungsrechts, 2007; Scherer, Münchener Anwaltshandbuch Erbrecht, 4. Aufl. 2014; Schindhelm/Stein, Der Trust im deutschen Erbschaft- und Schenkungsteuerrecht nach dem StEntlG 1999/2000/2002, FR 1999, 880; Schlünder/Geißler, Schenkungsteuer bei der Immobilienfinanzierung durch nichteheliche Lebenspartner?, ZEV 2007, 64; Schmidt-Wottrich/Harms, Schenkungsteuerpflicht bei Spaltungen von Stiftungen, ZSt 2004, 291; Schulte/Sedemund, Geplante Änderungen des Erbschaftsteuergesetzes im Zuge des Beitreibungsrichtlinie-Umsetzungsgesetzes, BB 2011, 2080; Schütz, Die Besteuerung ausländischer, insbesondere liechtensteinischer Familienstiftungen und ihre Begünstigten in Deutschland, DB 2008, 603; Spilker/Peschke, Erfordernis der Steuerneutralität der Einlagenrückgewähr aus ausländischen Gesellschaften, DStR 2011, 385; Steiner, Die Erwachsenenadoption im Lichte der Erbschaftsteuerreform, ErbStB 2008, 83; Theuffel-Werhahn, Unterliegen unselbständige Familienstiftungen der Ersatzerbschaftsteuerpflicht? – Zugleich eine Betrachtung des Begriffs „Stiftung“ im Steuerrecht, ZEV 2014, 14; Thömmes, Jahresband der Fachanwälte für Steuerrecht 2009/2010, 107; Thömmes/Stockmann, Familienstiftung und Gemeinschaftsrecht, IStR 1999, 261; Viskorf/Haag/Kerstan, Verdeckte Einlagen und verdeckte Gewinnausschüttungen im Schenkungsteuerrecht, NWB 2012, 927; Wachter, FS Sebastian Spiegelberger zum 70. Geburtstag, Vertragsgestaltung im Zivil- und Steuerrecht, 2009; Werkmüller, Steuerliche Aspekte der ausländischen Familienstiftung, ZEV 1999, 138. Verwaltungsanweisungen: R E 15.2–15.3 ErbStR 2011; H E 15.1–15.3 ErbStH 2011.
A. Grundaussagen der Vorschrift I. Regelungsgegenstand § 15 ErbStG dient der Klassifizierung eines Erwerbs durch Schenkung oder von Todes wegen zur 1 Berechnung der Steuer. Ein Vermögensanfall bzw. eine Bereicherung des Erwerbers soll abhängig vom Näheverhältnis zwischen Erblasser und Schenker zum Erwerber besteuert werden. Daher orientiert sich die Steuerklasseneinordnung primär am Verwandtschaftsgrad und dem Familienstand. Sonderregelungen finden sich für Erwerbe unter Beteiligung anderer als natürlicher Personen. Die Vorschrift trägt aber auch dem Umstand Rechnung, dass im Rahmen eines Berliner Testamen- 2 tes nach dem Tod des zweitversterbenden Ehegatten bei unterschiedlichen Näheverhältnissen des Schlusserben zum erst- und zum zweitversterbenden Ehegatten Differenzen auftreten können. Für diesen Fall wird ein Steuerklassenwahlrecht vorgesehen.
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§ 15 ErbStG Rz. 3 Steuerklassen
II. Bedeutung und Telos 3 Die Vorschrift hat die Stellung einer zentralen Einordnungs- und Verknüpfungsvorschrift im
ErbStG. Von der Steuerklasse, die auf einen Erwerb Anwendung findet, hängen verschiedene steuerliche Konsequenzen und auch die Gewährung von Steuervorteilen, insb. von Freibeträgen, ab. Die unmittelbare systematische Anknüpfung erfolgt durch § 16 ErbStG, der den auf einen Erwerb anwendbaren Freibetrag bestimmt. § 19 ErbStG knüpft den anwendbaren Steuersatz an die Steuerklasse. Aber auch sachliche Freibeträge, wie die Steuerbefreiung von Hausrat gem. § 13 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG oder die Vergünstigung bei der Steuerfestsetzung bei mehrfachem Erwerb desselben Vermögens gem. § 27 ErbStG, nehmen Bezug auf die Steuerklasse. 4 Ausgehend von einer Normalbesteuerung in Steuerklasse III erstreckt sich der Zweck der Vorschrift
auf eine steuerliche Privilegierung des Erwerbs mit zunehmendem Näheverhältnis zwischen Zuwendendem und Erwerber. Entscheidend hierfür ist primär das verwandtschaftliche Verhältnis oder die Stellung als Ehegatte oder Lebenspartner. Das BVerfG bezeichnet dies als Familienprinzip oder Verwandtschaftsprinzip, das die Schutzwürdigkeit von Erwerben des Ehegatten und der Kinder klarstellt.1 So muss der erbschaftsteuerliche Zugriff bei Familienangehörigen i.S.d. Steuerklasse I derart gemäßigt werden, dass diesem Steuerpflichtigen der jeweils auf ihn überkommende Nachlass – je nach dessen Größe – zumindest zum deutlich überwiegenden Teil oder – bei kleineren Vermögen – völlig steuerfrei zugutekommt.2
III. Geltungsbereich und Verhältnis zu anderen Vorschriften 5 Internationale Bezüge: Die Vorschrift vollzieht eine grundsätzliche systematische Einordnung, die
sich im internationalen Vergleich zeigt. Durch die Differenzierung nach einzelnen Erwerben und dem Näheverhältnis zwischen Zuwendendem und Erwerber tritt eine Unterscheidung zwischen der Erbschaftsteuer zum System der Nachlasssteuer ein, wie sie bspw. in den USA3 oder in Großbritannien4 für Erwerbe von Todes wegen üblich ist. Bei der Nachlasssteuer ist nicht der einzelne Erwerb Gegenstand der Besteuerung, sondern der Nachlass als solcher wird besteuert. Systeme der Nachlasssteuer kennen daher grds. keine Differenzierungen nach den Beziehungen zwischen Erblasser und Erwerber.
IV. Rechtsentwicklung 6 Das deutsche Erbschaftsteuergesetz basiert zwar auf diesem System der Erbanfallsteuer. Die Anzahl
der Steuerklassen wurde in der Nachkriegszeit verringert, da der gesetzgeberische Wunsch zur weitgehenden Differenzierung geringer wurde. Schrittweise wurde die Anzahl der Steuerklassen auf fünf,5 auf vier,6 auf drei,7 auf zwischenzeitlich faktisch zwei Steuerklassen8 reduziert. Durch Gesetz vom 22.12.2009 wurde für Erwerbe ab dem 1.1.2010 auch wieder eine tatsächliche Differenzierung zwischen den Steuerklassen eingeführt, so dass heute effektiv wieder drei Steuerklassen bestehen.9
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BVerfG v. 22.6.1995 – 2 BvR 552/91, BStBl. II 1995, 671 (673). BVerfG v. 22.6.1995 – 2 BvR 552/91, BStBl. II 1995, 671 (673). Sec. 2001 (a) Internal Revenue Code. Siehe hierzu Jülicher in Flick/Piltz, Der internationale Erbfall2, Rz. 1704 f. § 10 ErbStG 1959. ErbStG 1974 v. 17.4.1974, BGBl. I 1974, 949. JStG 1997 v. 20.12.1996, BGBl. I 1996, 2049. Vgl. Erbschaftsteuerreformgesetz 2009 v. 24.12.2008, BGBl. I 2008, 3018. Gesetz v. 22.12.2009, BGBl. I 2009, 3950.
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Einteilung der Erwerbe in Steuerklassen (Abs. 1)
Rz. 9 § 15 ErbStG
B. Einteilung der Erwerbe in Steuerklassen (Abs. 1) I. Leitlinien § 15 Abs. 1 ErbStG gibt die Grundeinordnung der Steuerklassen vor, indem drei Steuerklassen de- 7 finiert werden. Daran knüpfen die folgenden Absätze lediglich an und stellen für besondere Einzelfälle die Einordnung in eine bestimmte Steuerklasse fest. Die Bestimmung der Steuerklasse erfolgt nach der Beziehung, in der Zuwendender und Empfänger zueinander stehen. Dies erfordert einerseits, die Person des Zuwendenden genau zu bestimmen, also desjenigen, der eine freigiebige Zuwendung ausführt und eine Entreicherung erfährt. Dabei sind sowohl die Freigiebigkeit,1 die tatsächliche Entreicherung durch die Übertragung wie auch die Herrschaft über das Geschehen2 zu beachten. Andererseits ist auch für den Erwerber zu prüfen, an wen die Zuwendung gerichtet ist und wer letztendlich frei über den Zuwendungsgegenstand verfügen kann.3 Die Steuerklasseneinordnung nach § 15 ErbStG verlangt stets die vorrangige Prüfung des Erwerbvorgangs und der Bestimmung der Beteiligten einer Zuwendung. Diese richtet sich nach den §§ 3 bis 8 ErbStG. Auch müssen die Beteiligten erwerbsfähig sein. Dies trifft für natürliche und juristische Personen zu, nicht aber für eine Gesamthand als solche.4 Bei einer Gesamthand werden die einzelnen Gesellschafter als Erwerber angesehen.
II. Die rechtlichen Voraussetzungen der Steuerklasse I 1. Umfang In die Steuerklasse I fällt der engste Familienkreis, der den Ehegatten und Lebenspartner, Kinder 8 und Stiefkinder, Enkel und weitere Abkömmlinge in der Blutslinie und im Stiefverhältnis sowie die Eltern und Voreltern bei Erwerben von Todes wegen umfasst. 2. Ehegatten und Lebenspartner (Nr. 1) a) Ehegatten Die Privilegierung eines Erwerbes durch den Ehegatten setzt voraus, dass im Zeitpunkt der Zuwen- 9 dung nach §§ 9, 11 ErbStG eine wirksame Ehe bestanden hatte. Dazu wird das Bestehen einer Ehe verlangt. Nicht privilegiert sind nichtige Ehen oder Vorstadien der Ehe, wie die nichteheliche Lebensgemeinschaft oder das Verlöbnis. Eine Gleichstellung mit Ehegatten ist in diesen Fällen nicht angezeigt.5 In der Schlechterstellung der Verlobten liegt auch keine unbillige sachliche Härte.6 Nach einer Entscheidung des FG BW kann im Einzelfall in Analogie der Besteuerung von Zuwendungen an den Verlobten zu Zuwendungen an den geschiedenen Ehegatten wegen persönlicher Unbilligkeit eine vorteilhaftere Steuerklasse Anwendung finden,7 etwa bei Zuwendungen ab Bestellung des Aufgebots. Da die Bestellung des Aufgebots aber seit 1998 nicht mehr erforderlich ist und an dessen Stelle die Anmeldung zur Eheschließung getreten ist, wäre diese Billigkeitserwägung nunmehr in konsequenter Weiterführung dessen ab dem Zeitpunkt der Anmeldung der Eheschließung anzuwenden.
1 Siehe bspw. zur fehlenden freigiebigen Zuwendung des Zwischenempfängers bei Kettenschenkungen: BFH v. 13.10.1993 – II R 92/91, BStBl. II 1994, 128. 2 Zur nachträglichen Änderung eines bindenden Vertragsangebots des Erblassers durch die Erben: BFH v. 28.10.2009 – II R 32/08, ErbStB 2010, 163 = BFH/NV 2010, 893. 3 Weinmann in Moench/Weinmann, § 7 ErbStG Rz. 12 (Stand: Oktober 2015); zu Durchgangserwerben: BFH v. 13.10.1993 – II R 92/91, BStBl. II 1994, 128. 4 BFH v. 14.9.1994 – II R 95/92, BStBl. II 1995, 81; a.A. Hartmann in Gürsching/Stenger, § 7 ErbStG Rz. 103 ff. (Stand: Januar 2016). 5 BVerfG v. 15.11.1989 – 1 BvR 1717/89, BStBl. II 1990, 103 (Leitsatz). 6 BFH v. 23.3.1998 – II R 41/96, BStBl. II 1998, 396; v. 23.3.1998 – II R 26/96, BFH/NV 1998, 1098. 7 FG BW v. 4.10.1984 – IX 345/82, EFG 1985, 249 (250).
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§ 15 ErbStG Rz. 10 Steuerklassen b) Eingetragene Lebenspartner 10
Entsprechendes gilt für eingetragene Lebenspartner, nicht jedoch für Lebenspartner im umgangssprachlichen Sinn.1 Seit dem 14.12.2010 ist die Gleichstellung zwischen Ehegatten und (gleichgeschlechtlichen) Lebenspartnern gesetzlich normiert. Für Zeiträume davor wurde vom BVerfG eine Ungleichbehandlung festgestellt und die Nichtprivilegierung von eingetragenen Lebenspartnern als mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar angesehen, da eine Differenzierung nach personenbezogenen Merkmalen einen hinreichenden Differenzierungsgrund verlangt.2 Das das Erbschaftsteuerrecht prägende Familienprinzip findet demnach auch auf eingetragene Lebenspartner Anwendung. Für Erwerbsfälle vor dem 31.12.2008 verpflichtete das BVerfG den Gesetzgeber zu einer Neuregelung für Altfälle ab dem Inkrafttreten des Gesetzes zu Lebenspartnerschaften.3 Erbschaftsteuerlich wurden Lebenspartner durch das Erbschaftsteuerreformgesetz zum 1.1.2009 zwar gleichgestellt, nicht aber hinsichtlich der Steuerklasse. Dies hatte insb. Auswirkungen beim Steuersatz.4 Insoweit war eine Schlechterbehandlung für Erwerbe zwischen dem 1.1.2009 und dem 14.12.2010 zwar ebenfalls angelegt. Die Steuerklasse I ist auf solche Erwerbe von eingetragenen Lebenspartner dennoch anzuwenden, soweit keine bestandskräftige Steuerfestsetzung vorliegt. Dies sichert § 37 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG ab. c) Ehen nach ausländischem Recht
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Bei Ehen mit Auslandsbezug ist in einem ersten Schritt anhand des deutschen internationalen Privatrechts zu bestimmen, ob deutsches oder ausländisches Eherecht anzuwenden ist. Sofern das deutsche internationale Privatrecht zur Bestimmung der Rechtsverhältnisse der Ehe auf ausländisches Recht verweist, kann sich in einem zweiten Schritt die Frage nach der Wirksamkeit der Ehe nach ausländischem Recht stellen. Der deutsche Rechtsanwender hat dies unter Zugrundelegung des ausländischen Rechts zu ermitteln. Die Anwendung ausländischen internationalen Privatrechts kommt insb. Bereits bei ausländischer Staatsangehörigkeit zumindest eines Ehegatten in Betracht.
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Selbst bei einer formgültig und rechtwirksam abgeschlossenen Ehe ausländischen Rechts ist diese in Deutschland auf die Vereinbarkeit mit dem Ordre Public nach Art. 6 EGBGB zu überprüfen. Ein Verstoß gegen den Ordre Public wird zivilrechtlich teils für Mehrehen angenommen, die nach ausländischem Recht zulässig sein können.5 Unter Vertrauensschutzgesichtspunkten sollte dann aber eine Ehe angenommen werden können,6 wenn die Frage der Steuerklassenzuordnung nach dem ErbStG im Raum steht. Dies entspricht auch der einkommensteuerlichen Behandlung, die die zweite Ehe nicht von vornherein negiert, sondern steuerliche Vorteile gewährt.7 d) Vertrauen auf das Bestehen der Ehe
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Die Nachholung einer wirksamen Eheschließung wirkt nicht auf den Zeitpunkt der ursprünglichen und unwirksamen Eheschließung zurück. Auf Zuwendungen bei einer Nichtehe soll unter Aspekten des Vertrauensschutzes aber Steuerklasse II in Analogie zum geschiedenen Ehegatten angewandt werden.8 In der Literatur wird dem Vertrauensschutz bei Zuwendungen unter „Ehegatten“ ein höherer Stellenwert eingeräumt. Es soll auch die Anwendung von Steuerklasse I in Betracht kommen, insb. wenn eine wirksame Eheschließung später nachgeholt wird.9
1 BFH v. 1.10.2015 – II B 23/15, BFH/NV 2016, 47. 2 BVerfG v. 21.7.2010 – 1 BvR 611/07, 1 BvR 2464/07, FR 2010, 851 = ErbStB 2010, 295 = DStR 2010, 1721 (1723). 3 BGBl. I 2001, 266. 4 Darstellung der Gesamtauswirkung: Ramb, NWB 2009, 552. 5 AG Hanau v. 7.6.2002 – 60 F 1451/01 E1, FamRZ 2004, 949; verneinend: VG Gelsenkirchen, FamRZ 1975, 338. 6 Jülicher in T/G/J, § 15 ErbStG Rz. 82 (Stand: September 2013). 7 BFH v. 6.12.1985 – VI R 56/82, FR 1986, 278 = BStBl. II 1986, 390. 8 BFH v. 22.10.1986 – II R 113/84, BStBl. II 1987, 174 (175). 9 Jülicher in T/G/J, § 15 ErbStG Rz. 28 (Stand: April 2016).
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Einteilung der Erwerbe in Steuerklassen (Abs. 1)
Rz. 17 § 15 ErbStG
e) Dauer der Ehe Die Ehe besteht bis zur Rechtskraft des Scheidungsurteils, § 1564 Satz 2 BGB. Damit endet die Pri- 14 vilegierung i.S.d. § 15 ErbStG nicht bereits mit dem Getrenntleben oder mit dem erstinstanzlichen Urteil in der Scheidungssache, falls ein Berufungs- oder Revisionsverfahren gegen die Scheidung anhängig ist. Die Anknüpfung ist eine andere als bei § 26 EStG. Die Sonderregelungen des Erbrechts, die nach §§ 1933, 2077 BGB die Scheidungswirkungen zeitlich nach vorne verlagern, greifen hier nicht ein.1 Bei Ehescheidungen im Ausland stellt sich die Frage, ob die Rechtskraft des ausländischen Schei- 15 dungsurteils oder die Anerkennung nach § 107 FamFG ausschlaggebend ist für das Ende der Ehe zur Steuerklassenbestimmung. Eine Anerkennung ist für Scheidungen im EU-Ausland,2 in Tunesien oder der Schweiz wegen bestehender Staatsverträge und bei Heimatscheidungen nicht erforderlich. Für ein Abstellen auf die Anerkennungsentscheidung nach § 107 FamFG in den übrigen Fällen spricht, dass erst dann die Beendigung der Ehe fest steht. Dies entspricht dem Sinn der Norm, gerade auch dem Finanzamt eigenständige Prüfungen der ausländischen Ehescheidungen abzunehmen.3 Für die Maßgeblichkeit des Zeitpunkts der Rechtskraft des ausländischen Scheidungsurteils spräche hingegen, dass § 107 FamFG lediglich ein Anerkennungsverfahren normiert, die Ehe dadurch aber nicht selbst geschieden wird. Nahe liegt, dass erst mit der formalen Anerkennungsentscheidung ein Ende der Ehe anzunehmen ist, wobei die Anerkennungsentscheidung dann ein rückwirkendes Ereignis nach § 175 AO auf den Zeitpunkt der Rechtskraft des ausländischen Scheidungsurteils wäre. Bei unbilligen Verzögerungen bei der Anerkennung ausländischer Scheidungen kann die Erfüllung der Mitwirkungspflicht nach § 90 Abs. 2 AO in Frage stehen. 3. Kinder, Adoptiv- und Stiefkinder (Nr. 2) a) Leibliche Kinder Kinder sind zunächst die leiblichen Kinder, wie sie durch die Abstammungsregeln des BGB in 16 § 1589 ff. definiert sind. Eine Kindesbeziehung zur Mutter besteht, wenn diese das Kind geboren hat. Eine Vaterschaft ist zu dem Mann anzunehmen, der zum Zeitpunkt der Geburt mit der Mutter des Kindes verheiratet ist, die Vaterschaft anerkannt hat oder dessen Vaterschaft gerichtlich festgestellt worden ist. Ein Kindschaftsverhältnis i.S.d. ErbStG besteht bereits, wenn das Kind im Zeitpunkt des Erbfalls gezeugt aber noch nicht geboren wurde. Erbrechtlich wird der Nasciturus nach § 1923 Abs. 2 BGB bereits als geboren behandelt. Da der Nasciturus im Übrigen nicht nach § 1 BGB rechtsfähig ist, kann er vor der Geburt hingegen nicht Beschenkter sein. Im Einzelnen können sich Fragen bei künstlicher Befruchtung stellen.4 Schwierig sind auch die Fäl- 17 le der Leihmutterschaft, da die biologische Mutter (genannt „Wunschmutter“) dann das Kind nicht geboren hat (§ 1589 Satz 1 BGB).5 Da auch der biologische Vater nicht mit der Leihmutter verheiratet ist, gilt u.U. auch eine andere Person als Vater nach § 1592 Nr. 1 BGB. Da eine Anfechtung der Mutterschaft nicht vorgesehen ist, kann eine Zuwendung der Wunschmutter als Mutter an das Kind nach deutschem Recht wohl nur dann erfolgen, wenn diese das Kind adoptiert. Hinzuweisen ist darauf, dass in Deutschland Leihmutterschaften unzulässig sind, im Ausland, etwa in den USA, aber zulässig vorgenommen werden können. Nach jüngerer BGH-Rechtsprechung verstoßen Leihmutterschaften aber nicht (mehr) gegen den Ordre Public,6 so dass ausländische Gerichtsurteile anzuerkennen sind, die die rechtliche Feststellung der Verwandtschaft der Wunschmutter in Leihmutterschaftsfällen enthalten, solange ein Elternteil mit dem Kind auch genetisch verwandt ist. Sobald eine entsprechende ausländische Gerichtsentscheidung vorliegt, müssen Zuwendungen der Wunscheltern
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Weinmann in Moench/Weinmann, § 15 ErbStG Rz. 10 (Stand: September 2016). Brüssel IIa – VO Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 des Rates v. 27.11.2003; Ausnahme aber für Dänemark. Zimmermann in Keidel, § 107 FamFG Rz. 1. Jülicher in T/G/J, § 15 ErbStG Rz. 61 (Stand: September 2013). Siehe hierzu Gaul, FamRZ 1997, 1461 ff. BGH v. 10.12.2014 – XII ZB 463/13, MDR 2015, 93 (USA); a.A. VG Berlin v. 5.9.2012 – VG 23 L 283.12, FamRZ 2013, 738 (Ukraine).
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§ 15 ErbStG Rz. 18 Steuerklassen an das Kind gem. Steuerklasse I erfolgen können, da dann ein anerkennungsfähiges Verwandtschaftsverhältnis besteht. Vor Ergehen der ausländischen Gerichtsentscheidung kann das Bestehen eines solchen Verwandtschaftsverhältnisses weiterhin kritisch gesehen werden. Da die Rechtsprechung im Bereich der Steuerklassenbestimmung großzügig verfährt und auch Billigkeitsmaßnahmen zuerkennt, sollte auch für den Zeitraum bis zum Ergehen der entsprechenden ausländischen Gerichtsentscheidung Steuerklasse I angewendet werden. Begründen ließe sich dies mit einem rückwirkenden Ereignis, das im Ergehen der ausländischen Gerichtsentscheidung zu sehen wäre, sofern die ausländische Gerichtsentscheidung das Kindschaftsverhältnis ab Geburt feststellt. Mitzubeachten ist auch, dass sobald die rechtliche Vaterschaft des biologischen Vaters feststeht, die Wunschmutter als Ehefrau des Vaters selbst ohne Anerkennung ihrer Mutterschaft als rechtliche Stiefmutter in Steuerklasse I zuwenden würde. 18
Für nicht-eheliche Kinder gibt es keine Vaterschaftsvermutung im BGB, so dass es auf die Vaterschaftsfeststellung bzw. die Anerkennung nach § 1592 BGB ankommt. Die Vaterschaft kann auch noch im Testament anerkannt werden,1 solange keine Ehelichkeit des Kindes zu einem anderen Vater über § 1593 BGB vermutet wird, da diese Sperrwirkung auch im Erbschaftsteuerrecht gilt.2 Ohne Anerkenntnis der Vaterschaft oder Feststellung der Vaterschaft kann bei nichtehelichen Kindern wohl nicht unter Bezugnahme auf die genetische Abstammung auf Steuerklasse I zurückgegriffen werden.3 Ebenso kann die Vaterschaft enden, wenn das Nichtbestehen der Vaterschaft rechtskräftig festgestellt wird. Zivilrechtlich entfaltet das Nichtbestehen der Vaterschaft Rückwirkung.4
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Im Vertrauen auf das Bestehen der Vaterschaft erfolgte Zuwendungen an das Kind sollten ungeachtet einer zivilrechtlichen Rückwirkung einer abweichenden Vaterschaftsfeststellung nach Steuerklasse I behandelt werden. Für Väter nichtehelicher Kinder, deren Vaterschaft nicht festgestellt oder nicht anerkannt wurde und die daher nicht die rechtlichen Väter sind, gilt mangels bestehender Vaterschaft nicht Steuerklasse I. Die tatsächlichen bürgerlich-rechtlichen Abstammungsverhältnisse sind erbschaftsteuerlich maßgebend. Insoweit kann es auch keinen Vertrauensschutz geben. b) Adoptivkinder
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Ebenso wie leibliche Kinder, sind Adoptivkinder in Steuerklasse I aufgeführt. Mit der Annahme als Kind werden zu den annehmenden Personen nach § 1754 Abs. 1 BGB Verwandtschaftsverhältnisse begründet. Im Falle der Minderjährigen-Adoption erlischt mit der Adoption das Verwandtschaftsverhältnis des Kindes zu den bisherigen Verwandten gem. § 1755 BGB, während dies im Falle der Volljährigenadoption gem. § 1770 Abs. 2 BGB nicht der Fall ist. Erbschaftsteuerlich wird das Erlöschen der verwandtschaftlichen Beziehungen im Falle der Minderjährigen-Adoption durch die Regelung des § 15 Abs. 1a ErbStG vermieden. Der Status als Adoptivkind wird erst durch die Aufhebung der Adoption verloren. Vertrauensschutzfragen für bislang erfolgte Zuwendungen stellen sich nicht, da die Aufhebung der Adoption nur in die Zukunft wirkt gem. § 1764 Abs. 1 Satz 1 BGB. Lediglich zukünftige Erwerbe erfolgen daher nicht mehr in Steuerklasse I.
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Für die Besteuerung eines Adoptivkindes in Steuerklasse I kommt es darauf an, dass die Adoption wirksam vollzogen wurde. Stirbt der Annehmende vor der Durchführung der Adoption oder schlägt die Adoption fehl, soll keine Gleichbehandlung mit einer vollendeten Adoption angenommen werden können. Eine Gleichstellung im Billigkeitswege wird verworfen.5 Für die nicht durchgeführte Adoption ist dies zutreffend. Überlegenswert erscheint, in Fällen einer fehlgeschlagenen Adoption, sofern Adoptiveltern und Adoptivkind von einer wirksamen Adoption ausgingen, aus Vertrauensschutzgesichtspunkten Steuerklasse I anzuwenden.6
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Weinmann in Moench/Weinmann, § 15 ErbStG Rz. 14 (Stand: September 2016). FG München v. 9.10.1986 – X 79/85 Erb, EFG 1987, 255. Vgl. Längle in F/J/P/W5, § 15 ErbStG Rz. 16. OLG Düsseldorf v. 30.6.2009 – II-6 WF 114/09, FamRZ 2009, 1844. FG Düsseldorf v. 5.7.2000 – 4 K 5245/96 AO, UVR 2000, 395 (396) (rkr.). Vgl. zum Schutz auf das Vertrauen des Bestehens familienrechtlicher Beziehungen: BFH v. 22.10.1986 – II R 113/84, BStBl. II 1987, 174 (175).
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Einteilung der Erwerbe in Steuerklassen (Abs. 1)
Rz. 28 § 15 ErbStG
Erfolgt die Annahme als Kind nur durch einen Ehegatten, so ist dieses Kind im Verhältnis zum an- 22 deren Ehegatten Stiefkind. Allerdings sind Erwerbe von Adoptiv- wie von Stiefkindern in Steuerklasse I abzuhandeln. Die Adoptionswirkungen treten auch ein, wenn der Annehmende in den Fällen des § 1753 Abs. 2 23 BGB – etwa bei Versterben nach Einreichung des Antrags beim Familiengericht oder der notariellen Beurkundung und Betrauen des Notars mit der Antragseinreichung – verstirbt.1 Dies gründet auf der zivilrechtlichen Rückwirkung nach § 1753 Abs. 3 BGB. Durch die Adoption tritt das adoptierte Kind umfänglich in die Verwandtschaftsbeziehungen ein, die ihm durch die adoptierende Person vermittelt werden. So gilt Steuerklasse I auch für Erwerbe von den Adoptiv-Großeltern und Steuerklasse II im Verhältnis zu den Adoptivgeschwistern.2 Ob eine Adoption bei Auslandssachverhalten rechtlich wirksam ist, beurteilt sich nach den interna- 24 tional privatrechtlichen Regelungen. Art. 22 Abs. 1 Satz 1 EGBGB stellt aus deutscher Sicht auf die Staatsangehörigkeit der annehmenden Personen, also der neuen Eltern, ab. Das Personalstatut sowie der Aufenthalt des Angenommenen sind ohne Bedeutung.3 Ist eine Annahme als Kind rechtlich wirksam, kann das Finanzamt selbst im Falle der Volljährigenadoption eine Anerkennung nicht mit dem Argument des Missbrauchs von Gestaltungsmöglichkeiten verweigern.4 Teils wird dennoch weiterhin von einer Überprüfungsmöglichkeit ausgegangen.5 Zumal die Annahme als Kind durch Ausspruch des Familiengerichts erfolgt und dabei die Erfordernisse des § 1741 BGB überprüft werden, wird stets ein zivilrechtlich wirksamer und zweckmäßiger Vorgang vorliegen, der steuerlich nachzuvollziehen ist. Es sollte kein Raum mehr für eine eigenständige Beurteilung der Adoption durch die Finanzverwaltung bestehen. Insb. Erwachsenenadoptionen bleiben erbschaftsteuerlich ein Weg in der Erbschaftsteuerplanung, 25 da hierdurch insb. bei Immobilien und anderen nicht privilegierten Vermögen Vorteile in Anspruch genommen werden können.6 Schließen Geschwister einen Erbschaftsvertrag, wonach ein Geschwisterteil auf die Geltendmachung 26 von Pflichtteilsansprüchen bezogen auf eine künftige Erbschaft gegen Entschädigungszahlung durch seine Geschwister verzichtet, soll dies als Zuwendung des künftigen Erblassers – der Eltern – anzusehen sein, so dass für diese Zuwendung Steuerklasse I gilt. Eine Zusammenrechnung nach § 14 ErbStG mit Vorerwerben von den Eltern soll im Übrigen nicht erfolgen.7 c) Stiefkinder In Steuerklasse I erfolgen auch Erwerbe durch Stiefkinder. Stiefkinder haben nur zu einem Ehepart- 27 ner ein Kindschaftsverhältnis als leibliches oder gleichgestelltes (§ 1754 BGB) Kind.8 Ein Kind bleibt Stiefkind i.S.d. ErbStG, auch wenn die Ehe seines Elternteils mit dem Stiefelternteil durch Tod oder Scheidung aufgelöst wird.9 Die Privilegierung der Stiefkinder gründet auf den besonderen Beziehungen zum Stiefelternteil,10 so dass das Stiefelternverhältnis lediglich während der Ehe begründet werden musste. Nach der Scheidung kann kein Stiefelternverhältnis mehr begründet werden. Zum neuen Ehegatten des leiblichen Elternteils besteht das Stief-Verhältnis erst ab der Heirat, die 28 das Stiefverhältnis begründet. Zuvor, etwa während eines Verlöbnisses, besteht kein Stiefverhältnis. 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10
FG München v. 3.5.2006 – 4 K 1808/04, EFG 2006, 1337. BFH v. 14.5.1986 – II R 37/84, BStBl. II, 1986, 613. Rausch in Weinreich/Klein, Fachanwaltskommentar Familienrecht3, Art. 22 EGBGB Rz. 4. Jülicher in T/G/J, § 15 ErbStG Rz. 44 (Stand: April 2016); Götz/Ohletz in Wilms/Jochum, § 15 ErbStG Rz. 46 (Stand: August 2013). Weinmann in Moench/Weinmann, § 15 ErbStG Rz. 21 (Stand: September 2016) mit Verweis auf BGH v. 5.4.1961 – VII ZR 212/60, NJW 1961, 1461, wobei die BGH-Entscheidung noch zum alten Recht der Annahme durch notariellen Vertrag ergangen ist. Steiner, ErbStB 2008, 83; Becker, ZEV 2009, 25; s. auch BGH v. 5.4.1961 – VII ZR 212/60, NJW 1961, 1461. FG Münster v. 26.2.2015 – 3 K 3065/14 Erb, ZEV 2015, 666 (Az. BFH: II R 25/15). BFH v. 31.1.1973 – II R 30/65, BStBl. II, 1973, 453. BFH v. 19.4.1989 – II R 27/86, BStBl. II, 1989, 627; v. 31.1.1973 – II R 10/68, BStBl. II 1973, 545. BFH v. 19.4.1989 – II R 27/86, BStBl. II, 1989, 627.
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§ 15 ErbStG Rz. 29 Steuerklassen Dies wird auch nicht durch die Heirat mit Rückwirkung geändert. Das Stief-Verhältnis bleibt auch bestehen, falls der Stiefelternteil erneut heiratet. Erbschaftsteuerlich kann ein Kind daher mehrere Stiefeltern haben. 29
Nach umstrittener Auffassung ist anzunehmen, dass im Fall der erneuten Heirat des Stiefelternteils auch zum neuen Ehepartner des Stiefelternteils ein Stiefkindschaftsverhältnis entsteht.1 Dies wird damit begründet, dass das Stiefkindschaftsverhältnis keine Abstammung vom anderen Ehegatten voraussetzt. Zudem sollen wegen der erbschaftsteuerlichen Stellung leibliche Kinder und Stiefkinder gleichgestellt sein.2 Aufgrund der möglichen Nähestellung ist dies zutreffend.
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Kinder des eingetragenen Lebenspartners einer eingetragenen Lebenspartnerschaft sind ebenfalls Stiefkinder, so dass Erwerbe der Steuerklasse I unterfallen.
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Nach dem Gesetzeswortlaut sind Pflegekinder aber nicht als Kinder des Erbschaftsteuergesetzes aufzufassen.3 Eine Besserstellung bei Erbschaften und Schenkungen lässt sich lediglich durch eine Adoption erreichen. 4. Abkömmlinge von Kindern und Stiefkindern (Nr. 3)
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Erwerbe durch Enkel und Urenkel erfolgen ebenfalls im Rahmen des prägenden Näheverhältnisses. Für sie gilt Steuerklasse I. Unerheblich ist, ob der die Verwandtschaft vermittelnde Eltern- oder Großelternteil des Enkels bzw. Urenkels noch lebt. Eine Unterscheidung im Rahmen der Steuerklasse I wurde mit dem ErbStG 1996 aufgegeben. Unterschiede bestehen lediglich im Bereich der Freibeträge. Dabei kann die vermittelnde Person leibliches Kind, Stiefkind oder Adoptivkind sein. Ebenfalls ist es für die Abkömmlinge der Kinder bzw. Stiefkinder selbst unerheblich, ob diese leibliche Kinder, Stiefkinder oder Adoptivkinder sind.
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Gestaltungsansatz: Zur erweiterten Freibetragsnutzung, um mehrfache Erwerbsreihen zu vermeiden und zur Steuersatzminderung, empfiehlt sich eine Aufsplittung von Erwerben, die unter das Erbschaftsteuergesetz fallen (Generationensprung). Hierin liegt eine wesentliche Begünstigung des deutschen ErbStG. Andere Staaten, bspw. die USA, sehen bei Übertragungen im Generationensprung mit der Generation Skipping Transfer Tax eine Steuer mit höheren Steuersätzen vor.4 5. Eltern beim Tod von Kindern (Nr. 4)
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Die Besteuerung von Erwerben der Eltern von Kindern im Todesfall schien dem Gesetzgeber unter Billigkeitserwägungen geboten.5 Als Eltern sind Adoptiv- und leibliche Eltern gleichgestellt. Lediglich der Erwerb der Stiefeltern von einem Stiefkind geschieht nicht in Steuerklasse I, da diese in Steuerklasse II Nr. 4 gesondert aufgeführt sind und darin die Einschränkung von Steuerklasse II Nr. 1 nicht enthalten ist.6 In diesem Zusammenhang ist auch die Steuerbefreiung des § 13 Abs. 1 Nr. 10 ErbStG zu beachten. Der Rückfall von Vermögensgegenständen, die Eltern ihren Kindern geschenkt haben, ist steuerbefreit.
III. Erwerber der Steuerklasse II 1. Eltern und Voreltern bei Erwerben unter Lebenden (Nr. 1) 35
Die Erwerbe der Eltern und Voreltern unter Lebenden in Steuerklasse II stellt das Spiegelbild der Erwerbe von Todes wegen in Steuerklasse I Nr. 4 dar. Demnach sind lebzeitige Erwerbe durch Eltern
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Jülicher in T/G/J, § 15 ErbStG Rz. 57 (Stand: September 2013). Geck in Kapp/Ebeling, § 15 ErbStG Rz. 36 (Stand: April 2013). BFH v. 24.11.2005 – II B 27/05, BFH/NV 2006, 743. Jülicher in Flick/Piltz, Der internationale Erbfall2, Rz. 1851; Adams, 21st Century Estate Planning, 49. Jülicher in T/G/J, § 15 ErbStG Rz. 66 (Stand: September 2013). Ohletz in Wilms/Jochum, § 15 ErbStG Rz. 56 (Stand: August 2013).
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Einteilung der Erwerbe in Steuerklassen (Abs. 1)
Rz. 41 § 15 ErbStG
wegen der Erfassung in Steuerklasse II weniger privilegiert. Da derartige Erwerbe durch Eltern und Voreltern teils im Zusammenhang mit Unterhaltsgewährungen stehen, sind die Steuerbefreiungen nach § 13 Abs. 1 Nr. 6 und Nr. 12 ErbStG im Blick zu behalten. Der Grund für die gesetzliche Unterscheidung wird darin gesehen, Umgehungsmöglichkeiten für 36 Geschwisterschenkungen einzudämmen. Sonst könnte via der Eltern ein solcher Schenkungsvorgang bei entsprechender Gestaltung unter Steuerklasse I fallen.1 Leibliche Eltern wie auch Adoptiveltern sind hierunter zu fassen. Dies gilt auch für „Adoptionsket- 37 ten“. Diese werden bei Erwerben durch Großeltern relevant, wenn sowohl zwischen dem das Verwandtschaftsverhältnis vermittelnden Elternteil und dem Kind als auch zwischen dem das Verhältnis vermittelnden Elternteil und dessen Elternteil (Großeltern) ein Adoptivverhältnis besteht. Nicht hierunter fällt allerdings der Erwerb durch Stiefeltern. Dieser Erwerb unterfällt Steuerklasse II gem. § 15 Abs. 1 Steuerklasse II Nr. 4 ErbStG. 2. Geschwister und Abkömmlinge ersten Grades von Geschwistern (Nr. 2 und Nr. 3) Die Erwerbe von Geschwistern werden ebenfalls steuerlich im Rahmen der Steuerklasse II privile- 38 giert und zwar Erwerbe von vollbürtigen und halbbürtigen Geschwistern. Eine erbschaftsteuerliche Gleichbehandlung von Geschwistern mit Ehegatten kann unabhängig von den konkreten Lebensverhältnissen nicht beansprucht werden.2 Adoptivkinder stehen leiblichen Kindern gleich, so dass auch insoweit ein Geschwisterverhältnis im Sinne des ErbStG besteht.3 Umstritten ist, ob ein Geschwisterverhältnis i.S.d. ErbStG auch dann bestehen kann, wenn keine 39 Halbbürtigkeit vorliegt, also die Geschwister keinen gemeinsamen Elternteil haben. Dies ist stets der Fall, wenn jeder Ehegatte ein Kind in die Ehe einbringt. Ausgehend vom Verwandtschaftsverhältnis liegt eine Privilegierung in der Steuerklasse II nicht nahe,4 da ein solches nicht besteht.5 Die Finanzverwaltung führt allerdings aus, dass der Kindesbegriff im ErbStG ein eigenständiger sei. Stiefkinder von Geschwistern sind demnach Abkömmlinge i.S.v. Steuerklasse II Nr. 3.6 Ein solches eigenständiges Verständnis vermag auch Rückschlüsse auf den Geschwisterbegriff zulassen, da auch im Stiefverhältnis beide als Abkömmlinge desselben Elternteils im erbschaftsteuerlichen Sinne gelten. Auch das Näheverhältnis, das die Erwerbe im Stief-Verhältnis grds. beeinflusst,7 liegt vor.8 Eine privilegierte Besteuerung der Zuwendung zwischen nicht halbbürtigen Geschwistern in Steuerklasse II liegt nahe.9 Die Erwerber als Abkömmlinge ersten Grades von Geschwistern im Sinne der Norm sind sowohl 40 leibliche wie Adoptivkinder.10 Betroffen sind Zuwendungen an Neffen und Nichten. Hierzu gehören auch Stiefkinder.11 Dabei sind sowohl der Erwerb des Kindes des Stiefgeschwisters wie auch der Erwerb des Stiefkindes eines Stiefgeschwisterteils hierunter zu fassen.12 In der erbschaftsteuerlichen Planung ist dem allgemeinen Begriffsverständnis des Neffen und der 41 Nichten in der Umgangssprache Rechnung zu tragen. Verschiedentlich waren Falschangaben in Steuererklärungen wegen des nicht präzisen Sprachgebrauchs des Verwandtschaftsverhältnisses Neffe/Nichte auch Gegenstand von Gerichtsentscheidungen. Hierbei ging es insb. um die Verlängerung
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Jülicher in T/G/J, § 15 ErbStG Rz. 68 (Stand: September 2013). BFH v. 24.4.2013 – II R 65/11, BStBl. II 2013, 404. BFH v. 14.5.1986 – II R 37/84, BStBl. II 1986, 613. So Weinmann in Moench/Weinmann, § 15 ErbStG Rz. 26 (Stand: September 2015). Vgl. auch Halaczinsky, ZErb 2004, 149 (152). E 15.1 ErbStH 2011. Vgl. BFH v. 19.4.1989 – II R 27/86, BStBl. II, 1989, 627. So auch Jülicher in T/G/J, § 15 ErbStG Rz. 25 (Stand: Juli 2015). Vgl. auch Götz/Ohletz in Wilms/Jochum, § 15 ErbStG Rz. 63 (Stand: März 2015). BFH v. 14.5.1986 – II R 37/84, BStBl. II, 1986, 613. E 15.1 ErbStH 2011. Jülicher in T/G/J, § 15 ErbStG Rz. 71 (Stand: September 2013); Weinmann in Moench/Weinmann, § 15 ErbStG Rz. 36 (Stand: April 2016).
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§ 15 ErbStG Rz. 42 Steuerklassen der Festsetzungsfrist1 wegen des Vorliegens einer neuen Tatsache2 oder einer Unrichtigkeit. Eine Verlängerung wurde abgelehnt. 42
Die Zuwendung eines Neffen/einer Nichte an Onkel/Tante ist aber nach dem Gesetz stets unter Steuerklasse III zu fassen. Dies gilt auch für Erwerbe zwischen Cousins/Cousinen. Wegen des beschränkten Anwendungsbereichs der Steuerklasse II fallen unter diese Privilegierung insb. nicht mehr die Geschwister der Großeltern – also Großtante und Großonkel –, deren Abkömmlinge oder auch der Schwager/die Schwägerin als Ehegatte eines Geschwisterteils.
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Gestaltungsansatz: Bei Übertragungen von Todes wegen auf den Schwager/die Schwägerin des Erblassers kann es sich anbieten, dass der Schwager/die Schwägerin ihren Erwerb ausschlägt und dessen Kinder dann die Zuwendung erhalten. Diese erfolgt dann nicht mehr in Steuerklasse III, sondern in Steuerklasse II Nr. 3. Zudem können dadurch mehrere Freibeträge in Anspruch genommen werden, sofern der Erwerb dann bei mehreren Neffen und Nichten anfällt. Selbstverständlich muss im Hinblick auf die nachrückenden Ersatzerben Sicherheit bestehen, dass tatsächlich die Kinder des Ausschlagenden die Ersatzerwerbenden sind. 3. Stiefeltern/Verschwägerte Erwerber (Nr. 4 bis 6)
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Als Erwerb in Steuerklasse II ist auch der Erwerb der Stiefeltern privilegiert. Unter Steuerklasse II fallen dabei sowohl Erwerbe von Todes wegen als auch unter Lebenden. Erwerbe durch Stiefeltern erfahren aber nicht dieselbe Privilegierung wie Erwerbe im Verwandtschaftsverhältnis.3 So sieht Steuerklasse II Nr. 4 anders als Steuerklasse II Nr. 1 keine Privilegierung des Erwerbs der Voreltern vor. Die Eltern der Stiefeltern erwerben folglich stets in Steuerklasse III. Ebenso können Stiefeltern nicht von Todes wegen in Steuerklasse I erwerben. Diese begriffliche Unterscheidung hat auch Auswirkungen im übrigen Erbschaftsteuerrecht. So soll der Rückerwerb der Stiefeltern von zugewandten Gegenständen im Todesfall des Erwerbers nicht nach § 13 Abs. 1 Nr. 10 ErbStG privilegiert sein.4
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Schwiegerkinder erwerben privilegiert in Steuerklasse II Nr. 5. Da die Schwägerschaft zivilrechtlich das Ende der Ehe durch Scheidung oder Tod überdauert (§ 1590 Abs. 2 BGB), wird dies auch erbschaftsteuerlich nachvollzogen. Erwerbe bleiben daher dauerhaft begünstigt möglich. Auch Ehegatten von Stiefkindern sind Schwiegerkinder i.S.d. ErbStG.5
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Ebenfalls in Steuerklasse II werden Zuwendungen an Schwiegereltern erfasst. Das Schwiegerverhältnis besteht auch fort, wenn die Ehe geschieden wird, die das Schwiegerverhältnis begründet.6 Soweit im Übrigen nicht Steuerklasse II für Verschwägerte gilt, greift mangels erbschaftsteuerlich zu berücksichtigendem Näheverhältnis im Schwiegerverhältnis Steuerklasse III. 4. Geschiedene Ehegatten (Nr. 7)
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Das ErbStG unterstellt ein fortbestehendes Näheverhältnis auch für Erwerbe durch den geschiedenen Ehegatten. Der Sinn dieser Regelung wird teilweise angezweifelt.7 Für diese Regelung sprechen allerdings das im Einzelfall fortbestehende Pflichtverhältnis sowie die Qualität der Vermögensverschiebungen, die sich bei der Entflechtung der Vermögensmassen der vorherigen Ehegatten ergeben können. Gleiches gilt für den Lebenspartner nach Aufhebung der Lebenspartnerschaft. Steuerklasse II und nicht Steuerklasse I ist auch anzuwenden, wenn der geschiedene Ehegatte in demselben Haushalt wie der Schenker/Erblasser lebt.8
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FG München v. 4.4.2002 – 4 V 5485/01, EFG 2002, 1423. FG München v. 29.3.2006 – 4 K 2477/05, EFG 2006, 1083. Halaczinsky, ZErb 2004, 149. Halaczinsky, ZErb 2004, 149 (152). BFH v. 6.9.1989 – II R 87/87, BStBl. II, 1989, 898. RFH v. 23.10.1925 – Ve A 202/26, BStBl. 1926, 115. Weinmann in Moench/Weinmann, § 15 ErbStG Rz. 37 (Stand: September 2016). FG Münster v. 30.8.1990 – III 264/87 Erb, EFG 1991, 199.
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Einteilung der Erwerbe in Steuerklassen (Abs. 1)
Rz. 51 § 15 ErbStG
IV. Erwerber der Steuerklasse III Die übrigen Erwerbe, die nicht unter Steuerklasse I oder II fallen, sind in Steuerklasse III zu ver- 48 steuern. Ebenfalls in Steuerklasse III sind Zweckzuwendungen i.S.d. § 8 ErbStG zu fassen. Seit der Aufnahme der Lebenspartner in die Steuerklasse I, sind als kritischere Fälle mit regelmäßigen Zuwendungen Erwerbe zwischen Verlobten, Erwerbe im Rahmen von nichtehelichen Lebensgemeinschaften sowie Erwerbe von juristischen Personen verblieben.1 Nichteheliche Lebensgemeinschaft: Die nichteheliche Lebensgemeinschaft lässt bereits ein ge- 49 meinsames Wirtschaften erkennen, so dass Schenkungen zwischen den beteiligten Personen häufig vorkommen können. Allerdings sind nichteheliche Lebensgemeinschaften in § 15 ErbStG nicht gesondert aufgeführt. Diese Zuwendungen erfolgen somit in Steuerklasse III.2 Zwar sind Unterhaltszahlungen durch § 13 Abs. 1 Nr. 12 ErbStG steuerfrei gestellt, im Übrigen können sich aber steuerpflichtige Zuwendungen einstellen. Eine besondere Bedeutung hat hierbei die Immobilienfinanzierung.3 Im Einzelfall ist eine stillschweigend abgeschlossene Innengesellschaft4 zu prüfen, die eine Zuwendung ausschließen würde. Die konkludent abgeschlossene Innengesellschaft hat die Rechtsprechung für Ehegatten entwickelt, sie gilt aber auch für nichteheliche Lebensgemeinschaften. Die Annahme einer solchen Gesellschaft setzt aber immer einen über die Lebensgemeinschaft hinausgehenden Zweck voraus, auch wenn diese konkludent abgeschlossen wird. Das Familienheim kann daher nicht Gegenstand einer solchen Innengesellschaft sein;5 für andere Immobilien ist die Geltung dieser gesellschaftsrechtlichen Lösung nicht ausgeschlossen, sofern ein über die Lebensgemeinschaft hinausgehender Zweck tatsächlich verfolgt wird. Im Übrigen ist zu berücksichtigen, dass langjährige Leistungserbringungen nicht grds. einen Ausgleichsanspruch begründen können, den der Alleinerbe und Lebensgefährte vom erbschaftsteuerpflichtigen Erwerb abziehen kann.6 Verlobte: Verlobte sind nicht gesondert in § 15 ErbStG aufgeführt, so dass Zuwendungen zwischen 50 ihnen in Steuerklasse III besteuert werden (vgl. Rz. 9). Im Einzelfall kommen Billigkeitsregelungen in Betracht (s. Rz. 9). Die Vermeidung der Steuerklasse III kann durch eine aufschiebend bedingte Zuwendung auf den Zeitpunkt der Eheschließung umgangen werden. Bei aufschiebend bedingten Erwerben erfolgt die Zuwendung aber erst mit Bedingungseintritt. Da es allerdings keine allgemeine Vermutung7 für die Zuwendung unter einer solchen Bedingung gibt,8 ist dies ausdrücklich zu dokumentieren.9
V. Erlöschen von Verwandtschaftsverhältnissen bei Adoption (Abs. 1a) Während zivilrechtlich durch die wirksame Minderjährigenadoption das Verwandtschaftsverhältnis 51 zu den leiblichen Verwandten erlischt, ordnet die Sonderregelung des § 15 Abs. 1a ErbStG die fortbestehende Besteuerung von Zuwendungen der leiblichen Eltern in Steuerklasse I an. Ungeachtet des erloschenen Verwandtschaftsverhältnisses wird damit eine Steuerklassenprivilegierung erreicht. Dies ist auch vor dem Hintergrund der Steuerklassenprivilegierung des ErbStG nach den persönlichen Verhältnissen zu sehen, die zu den leiblichen Eltern stets fortbestehen können. Nicht in den Anwendungsbereich des § 15 Abs. 1a ErbStG fällt aber ein ehemaliges Adoptionsverhältnis.10
1 FG München v. 18.1.2006 – 4 K 3072/03, EFG 2006, 688. 2 Nichteheliche Lebensgefährten sind keine Lebenspartner i.S.d. StKl. I: BFH v. 1.10.2015 – II B 23/15, BFH/NV 2016, 47. 3 Schlünder/Geißler, ZEV 2007, 64. 4 BFH v. 15.1.1986 – II R 14/84, BFH/NV 1987, 302. 5 BGH v. 9.7.2008 – XII ZR 179/05, BGHZ 177, 193. 6 BFH v. 15.6.1988 – II R 165/85, BStBl. II 1988, 1006. 7 Siehe aber FG BW v. 4.10.1984 – IX 345/82, EFG 1985, 249 (250) zur Vermutung bei Zuwendungen kurz vor der Eheschließung. 8 Jülicher in T/G/J, § 15 ErbStG Rz. 32 (Stand: April 2016). 9 RFH v. 25.4.1940 – III e 3/40, RStBl. I 1940, 615; FG Nds. v. 5.1.1989 – III 472/86, DStZ 1990, 230. 10 BFH v. 17.3.2010 – II R 46/08, BStBl. II 2010, 554 = FR 2010, 813 = ErbStB 2010, 200.
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§ 15 ErbStG Rz. 52 Steuerklassen
C. Steuerklasse bei Erwerben von und durch Stiftungen und ausländische Vermögensmassen (Abs. 2) I. Leitlinien der Steuerklassenbestimmung in Sonderfällen 52
Während § 15 Abs. 1 ErbStG ausschließlich die Steuerklassen für Zuwendungen unter natürlichen Personen bestimmt, betrifft Abs. 2 die Steuerklassenbestimmung für Zuwendungen an und durch Stiftungen, Vereine und Vermögensmassen ausländischen Rechts, deren Zweck auf Bindung von Vermögen gerichtet ist, sowie die Erbersatzsteuer. Diese Steuerklassenbestimmung für stiftungsbezogene und ähnliche Zuwendungen knüpft an drei verschiedene Besteuerungsvorgänge an. Satz 1 behandelt die Steuerklassenbestimmung bei der Errichtung einer Stiftung. Satz 2 adressiert die Steuerklassenbestimmung bei der Auflösung einer Stiftung oder Vermögensmasse bzw. der Zuwendung an Zwischenberechtigte bei Vermögensmassen i.S.d. § 7 Abs. 1 Nr. 9 Satz 2 ErbStG. Schließlich bestimmt Satz 3 die Steuerklasse für die Erbersatzsteuer und trifft Sonderregelungen zur Freibetragshöhe und zum anwendbaren Steuersatz.
II. Zuwendungen an Stiftungen bei Errichtung (Abs. 2 Satz 1) 1. Überblick 53
Diese Regelung ist eine Privilegierung der Besteuerung von Zuwendungen bei Errichtung einer Stiftung. Gäbe es § 15 Abs. 2 ErbStG nicht, wäre in allen Fällen eines Erwerbs nach §§ 3 Abs. 2 Nr. 1 ErbStG und 7 Abs. 1 Nr. 8 ErbStG Steuerklasse III anzuwenden. Diese Privilegierung greift nach dem Wortlaut der Vorschrift nur, sofern eine rechtsfähige Stiftung wesentlich im Interesse einer Familie oder bestimmter Familien errichtet wurde. Die bloße Begünstigung der Familienstiftungen ist als Ausgleich des Nachteils der Ersatzerbschaftsteuerpflicht anzusehen.1
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Wesentlich ist, dass § 15 Abs. 2 Satz 1 ErbStG nur auf Zuwendungen an Stiftungen Bezug nimmt, nicht aber auf sämtliche nach § 7 Abs. 1 Nr. 8 ErbStG steuerbaren Vorgänge. Damit sind nach dem Wortlaut Zuwendungen an Vereine und ausländische Vermögensmassen, die auf Vermögensbindung angelegt sind, vom Privilegierungsumfang ausgenommen. Dies gilt auch für die in der anglo-amerikanischen Nachfolgeplanung üblichen Trusts. Weitere Voraussetzung der Besteuerung in einer anderen Steuerklasse als Steuerklasse III ist, dass die begünstigte Stiftung im Inland errichtet wurde.
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Die Privilegierung der Zuwendungen nach §§ 3 Abs. 2 Nr. 1, 7 Abs. 1 Nr. 8 ErbStG stellt auf das Verwandtschaftsverhältnis des nach der Stiftungsurkunde entferntest Berechtigten zu dem Erblasser oder Schenker als Ausstattendem zur Steuerklassenermittlung ab.
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Das Bestehen einer Stiftung und das tatsächliche Bewirken einer Zuwendung an die Stiftung bleibt aber die Grundvoraussetzung. Durch ein BFH-Urteil aus dem Jahr 2007,2 wie auch durch die Ausführungen der Finanzverwaltung,3 ist bei Zuwendungen an Stiftungen auch als Stiftungsausstattung sorgfältig zu prüfen, ob überhaupt Zuwendungen i.S.d. ErbStG vorliegen. Dies kann etwa im Falle einer verdeckten Treuhand abzulehnen sein, die neben den Stiftungsstatuten auch aus der tatsächlichen Handhabung folgen kann (vgl. § 7 ErbStG Rz. 356, 366 und § 3 ErbStG Rz. 110).4 Diese Prüfung ist wegen des zivilrechtlichen Ordre-Public-Vorbehalts auch bei sog. „Steuerhinterziehungsstiftungen“5 erforderlich, sofern einschlägig. Für Ausstattungen von Steuerhinterziehungsstiftungen soll es nach einem Urteil des OLG Düsseldorf6 zivilrechtlich bereits an einer anerkennenswerten Stiftung
1 Vgl. BFH v. 6.12.1989 – II R 18/87, BStBl. II 1990, 221. 2 BFH v. 28.6.2007 – II R 21/05, BStBl. II 2007, 669 = FR 2008, 149 = ErbStB 2007, 293. 3 BMF v. 16.9.2004 – IV A 4 1928 - 120/04, Frage 19 (ergänzende Information zum Strafbefreiungserklärungsgesetz). 4 BMF v. 16.9.2004 – IV A 4 1928 - 120/04, Frage 19; Schütz, DB 2008, 603 (605); Stein, BB 2012, 1449. 5 OLG Düsseldorf v. 30.4.2010 – 22 U 126/06, ZEV 2010, 528. 6 OLG Düsseldorf v. 30.4.2010 – 22 U 126/06, ZEV 2010, 528.
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Stiftungen und ausländische Vermögensmassen
Rz. 61 § 15 ErbStG
und damit an einer Vermögensübertragung fehlen.1 Die Entscheidung des OLG Düsseldorf wird aber in der Literatur teils kritisch gewürdigt. Für sämtliche Zuwendungen an Stiftungen ist ergänzend auch die Steuerbefreiung für Zuwendun- 57 gen an steuerbegünstigte Körperschaften nach § 13 Abs. 1 Nr. 17 ErbStG zu beachten. Schließlich kann auch die Regelung des § 29 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG bei Zuwendungen an Stiftungen Bedeutung erlangen, falls die zunächst bedachte Stiftung die ihr zugewandten Vermögensgegenstände an eine steuerbegünstigte inländische Stiftung, einer inländischen Gemeinde, dem Bund oder einem Land binnen 24 Monaten nach dem Zeitpunkt der Entstehung der Steuer zuwendet. 2. Privilegierung nur für Errichtungsvorgänge, Umfang des Errichtungsvorgangs, Zustiftungen In den Privilegierungskreis des § 15 Abs. 2 Satz 1 ErbStG fallen nur Zuwendungen bei Errichtung 58 der Stiftung, die aufgrund des Stiftungsgeschäfts oder aufgrund des vom Erblasser angeordneten Vermögensübergangs erfolgen. Damit ist ein sachlich-zeitlicher Zusammenhang zwischen Errichtung und der Zuwendung erforderlich.2 Die Errichtung der Stiftung ist nach § 80 f. BGB ein zweiaktiger Vorgang, der einerseits ein wirk- 59 sames Stiftungsgeschäft und andererseits eine staatliche Anerkennung voraussetzt. Erst nach dem Vollzug beider Akte besteht eine rechtsfähige Stiftung nach deutschem Recht. Eine „Vorstiftung“ kennt das deutsche Recht nach h.M. hingegen nicht,3 so dass diese auch kein begünstigter Zuwendungsempfänger sein kann.4 Zu prüfen bleibt aber, ob die Zuwendung an die Vorstiftung als aufschiebend bedingte Zuwendung an die später entstehende Stiftung angesehen werden kann. Die Vermögensausstattung einer Stiftung ist sowohl bei Errichtung von Todes wegen als auch bei Errichtung unter Lebenden i.S.v. § 15 Abs. 2 Satz 1 ErbStG begünstigt. Zustiftungen: Zustiftungen, also Zuwendungen an die Stiftung zur Erhöhung des Grundstocks au- 60 ßerhalb der Stiftungsausstattung, sind Zuwendungen nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG. Diese sind nicht privilegiert.5 § 15 Abs. 2 Satz 2 ErbStG verweist nur auf § 7 Abs. 1 Nr. 8 ErbStG und nicht auf § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG. Dabei regeln § 7 Abs. 1 Nr. 8 und § 3 Abs. 2 Nr. 1 ErbStG nur die Zuwendungen bei Errichtung einer Stiftung.6 Andere Zuwendungen an eine Familienstiftung außerhalb der Errichtung, sind daher allgemeine Zuwendungen gem. § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG. Diese wiederum sind unter Steuerklasse III zu fassen. Die Besteuerung gilt unabhängig davon, ob diese vom ursprünglichen Stifter, von dritten Personen oder vom einzigen Begünstigten7 geleistet werden. Zustiftungen im Anwendungsbereich der Übertragungen von Todes wegen sind ebenfalls vom 61 Privilegierungskreis des § 15 Abs. 2 Satz 1 ErbStG ausgenommen.8 Wenngleich der Wortlaut des § 3 Abs. 2 Nr. 1 ErbStG weiter als der des § 7 Abs. 1 Nr. 8 ErbStG ist, fällt die Zuwendung an eine bereits errichtete Stiftung nicht unter diese Norm. Der Wortlaut geht von der Anordnung einer Stiftung oder der Anordnung einer Bildung einer Vermögensmasse aus. Die Anordnung einer Stiftung und der Errichtung einer Stiftung einschließlich deren Anerkennung ist qualitativ etwas anderes als eine Zustiftung.9
1 Hierzu: Linn/Schmitz, DStR 2014, 2541 (2545); Stein, BB 2012, 1449; Büch, ZErb 2010, 312 (315). 2 Richter in v. Campenhausen/Richter, Stiftungsrechts-Handbuch4, § 13 Rz. 67. 3 BFH v. 11.2.2015 – X R 36/11, BStBl. II 2015, 545 mit Darstellungen der zivilrechtlichen Sichtweise und Ablehnung der steuerlichen Anerkennung bei § 10b EStG. 4 FG Schleswig-Holstein v. 4.6.2009 – 1 K 156/04, EFG 2009, 1486 (zu § 1 Abs. 1 Nr. 4 KStG). 5 BFH v. 9.12.2009 – II R 22/08, BStBl. II 2010, 363 = FR 2010, 675 = ErbStB 2010, 130; Jülicher in T/G/J, § 15 ErbStG Rz. 112 (Stand: April 2016); Schiffer in F/J/P/W5, § 15 ErbStG Rz. 55; Knobel in V/K/S/W4, § 15 ErbStG Rz. 50. 6 BFH v. 9.12.2009 – II R 22/08, BStBl. II 2010, 363 = FR 2010, 675 = ErbStB 2010, 130. 7 BFH v. 9.12.2009 – II R 22/08, BStBl. II 2010, 363 = FR 2010, 675 = ErbStB 2010, 130. 8 Keine Privilegierung: Jülicher in T/G/J, § 15 ErbStG Rz. 112 (Stand: April 2016); Binz/Sorg, DB 1988, 1822 (1825); evtl. anders: Ebeling, ZEV 1998, 93. 9 Vgl. BFH v. 9.12.2009 – II R 22/09, BStBl. II 2010, 363.
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§ 15 ErbStG Rz. 62 Steuerklassen 62
Als Ausweg aus dieser negativen Besteuerungssituation der Zustiftung wird vorgeschlagen, dass sich der Stifter bereits im Stiftungsgeschäft zu der fraglichen späteren Zuwendung verbindlich verpflichtet.1 Dieses Vorgehen wird als Erwerb bei Errichtung aufgefasst. Möglich ist dabei, dass weiteres Vermögen erst im Zeitpunkt des Todes2 oder auch aufschiebend befristet auf die Stiftung übergeht. Verbindliche Verpflichtungen sind m. E. auch dann anzunehmen, wenn die Zuwendung im Stiftungsgeschäft unter eine aufschiebende Bedingung gestellt wurde, etwa dass eine spätere Zuwendung dann erfolgen soll, wenn das Gesamtvermögen des Stifters/Zustifters im feststehenden späteren Zeitpunkt der weiteren Zuwendung einem bestimmten Betrag nicht unterschreitet.3 Die ErbStR 2011 bestätigen dieses Vorgehen allerdings nicht ausdrücklich.4 Jedoch sind die Ausführungen in den ErbStR 2011 nicht als Ablehnung eines solchen Vorgehens zu verstehen; es handelt sich immerhin noch um eine bei der Stiftungserrichtung begründete Verpflichtung.5
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Werden verbindliche Regelungen über spätere Zuwendungen an die Stiftung im Rahmen des Stiftungsgeschäfts versäumt, kann entweder die Zustiftung von nach §§ 13a, b ErbStG (voll-)begünstigtem Vermögen oder anstatt einer Zustiftung die Errichtung einer separaten Stiftung erwogen werden. Dann gelangt der Stifter für die neue Stiftung abermals in den Anwendungsbereich des § 15 Abs. 2 Satz 1 ErbStG. 3. Bestehen einer Stiftung im wesentlichen Familieninteresse (Familienstiftung)
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Die privilegierte Steuerklassenbestimmung bei Zuwendungen im Rahmen der Stiftungserrichtung greift nur für Stiftungen, die im wesentlichen Interesse einer Familie oder bestimmten Familien im Inland errichtet wurden.6
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Erste Voraussetzung ist daher das Bestehen einer Stiftung und keiner anderen Körperschaft oder Vermögensmasse i.S.d. § 7 Abs. 1 Nr. 8 ErbStG. Nach § 80 BGB setzt dies das Vorliegen eines Stiftungsgeschäfts und die staatliche Anerkennung der Stiftung voraus. Nach überwiegender Ansicht umfasst die Norm nur rechtsfähige7 Stiftungen, also rechtlich verselbständigte und einem bestimmten Zweck gewidmete Vermögensmassen (Einzelheiten: § 1 ErbStG Rz. 8).8 Es wird aber im Hinblick auf die zivilrechtliche Gleichstellung von rechtsfähigen mit nichtrechtsfähigen Stiftungen neuerdings dafür plädiert, auch nichtrechtsfähige Stiftungen in den Anwendungsbereich des § 15 Abs. 2 ErbStG einzuschließen.9 Die Einbeziehung von unselbständigen Stiftungen wird auch damit begründet, dass der Wortlaut des § 15 Abs. 2 ErbStG unselbständige Stiftungen nicht ausschließe. Das von den Autoren verfolgte Ziel ist durchaus berechtigt.
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§ 15 Abs. 2 Satz 1 ErbStG verlangt daneben ein wesentliches Familieninteresse. Nähere Quantifizierungskriterien zum wesentlichen Familieninteresse gibt das Gesetz nicht vor. Nach R E 1.2 ErbStR 2011 sind Stiftungen im wesentlichen Familieninteresse bzw. Familienstiftungen solche i.S.d. § 15 Abs. 2 AStG. Die Finanzverwaltung stellt vornehmlich auf quantitative Kriterien ab. Der Stifter, seine Angehörigen und deren Abkömmlinge müssen zu mehr als der Hälfte bezugs- oder anfallberechtigt sein bzw. zu 1/4, falls weitere Merkmale ein wesentliches Familieninteresse belegen. Die Rechtsprechung definiert das Familieninteresse abstrakt10 und stellt auf die Möglichkeit ab, das Vermögen zu nutzen und Erträge an sich zu ziehen (vgl. § 1 ErbStG Rz. 36 ff.).
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Schiffer in F/J/P/W5, § 15 ErbStG Rz. 55; Jülicher in T/G/J, § 15 ErbStG Rz. 112 (Stand: April 2016). Binz/Sorg, DB 1988, 1822 (1825). So auch Tiedtke/Wälzholz in Tiedtke, § 15 ErbStG Rz. 24. R E 15.2 Abs. 3 ErbStR 2011; dies bejahend, da nicht von den Richtlinien nicht in Frage gestellt: Geck in Kapp/ Ebeling, § 15 ErbStG Rz. 63 (Stand: Juli 2016). Vgl. auch Blumers, DStR 2012, 1 (2). Zu sinnvollen Einsatzgebieten: Blumers, DStR 2012, 1 ff. Meincke16, § 1 ErbStG Rz. 16; Theuffel-Werhahn, ZEV 2014, 14 (17); FG Rh.-Pf. v. 19.3.1998 – 4 K 2887/97, EFG 1998, 1021. V. Campenhausen/Stumpf in v. Campenhausen/Richter, Stiftungsrechts-Handbuch4, § 1 Rz. 6. Hübner/Currle/Schenk, DStR 2013, 1966 (1970); so nun auch FG Köln v. 25.5.2016 – FK 291/16, DStRE 2016, 1304 (Az. BFH: II R 26/16). BFH v. 10.12.1997 – II R 25/94, BStBl. II 1998, 114.
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Stiftungen und ausländische Vermögensmassen
Rz. 72 § 15 ErbStG
Das Steuerklassenprivileg gilt nach umstrittener Meinung1 auch, wenn diese Stiftung nur einen und 67 nicht mehrere Berechtigte hat, obwohl § 1 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG anderes nahe legen könnte. Weshalb das Steuerklassenprivileg zumindest im Billigkeitswege nicht gelten soll, wenn Eltern für ihr einziges Kind, bei dem noch nicht absehbar ist, ob es Abkömmlinge haben wird, ist nicht recht einzusehen. Hierfür spricht auch der Leitsatz eines BFH-Urteils,2 der eine Stiftung mit nur einem Berechtigten in den Kontext der (Familien-)Stiftung einordnet.3 Bestimmung des entferntesten Berechtigten: Bei der Bestimmung der Steuerklasse ist auf das Ver- 68 hältnis des ausstattenden Erblassers oder Schenkers zu dem Berechtigten abzustellen, der das entfernteste persönliche Verhältnis i.S.v. § 15 Abs. 1 ErbStG zu diesem hat. Entferntester ist stets derjenige Berechtigte, für den die schlechteste Steuerklasse Anwendung fände, wäre die Zuwendung direkt vom Stifter an diesen erfolgt. Das im Gesetz erwähnte „Verwandtschaftsverhältnis“ ist dabei über § 1589 BGB hinaus als „persönliches Verhältnis i.S.d. § 15 Abs. 1 ErbStG“ zu verstehen, so dass auch nichtverwandte Personen wie Ehegatten umfasst sind.4 Berechtigter ist wiederum jede durch die Satzung begünstigte Person, auch wenn diese Person keine 69 klagbaren Ansprüche hat,5 solange die begünstigte Peron nicht reiner Zufallsdestinatär ist.6 Nicht erforderlich ist eine namentliche Benennung, vielmehr genügt, dass sich die Berechtigung durch Auslegung der Satzung ermitteln lässt. Ausstattender im Sinne eines Stifters ist grundsätzlich die in dem Stiftungsgeschäft benannte Person. Um den tatsächlichen Stifter zu ermitteln, kann aber eine wirtschaftliche Würdigung des Sachverhalts anzustellen sein.7 Dies hat vor allem dann eine Bedeutung, wenn eine Stiftung durch einen Treuhänder errichtet wird. Dem entferntesten Berechtigten müssen Vermögensvorteile aus der Stiftung zukommen können, da- 70 mit dieser als Begünstigter qualifiziert. Es gilt ein weites Begriffsverständnis der „Vermögensvorteile“8 wie auch der „Bezugsberechtigung“.9 Daher kann im Einzelfall selbst durch Darlehen für entfernt verwandte Personen ein Vermögensvorteil zugewandt werden, der für Zwecke des § 15 Abs. 2 Satz 1 ErbStG eine ungünstigere Steuerklasse eröffnet. In diesen Fällen kann die Gewährung eines Vermögensvorteils an einen entfernten Berechtigten aber nur dann angenommen werden, wenn dies ausdrücklich aus der Satzung hervorgeht, um nicht die gesetzliche Privilegierungswirkung des § 15 Abs. 2 Satz 1 ErbStG auszuhebeln. Bei der Formulierung der Stiftungssatzung ist dies zu beachten. Erfolgt die Errichtung der Familien- 71 stiftung allgemein zugunsten der Familie des Stifters und der Angehörigen, soll für die Besteuerung der Zuwendung bei Errichtung der Stiftung die Steuerklasse III Anwendung finden.10 Wegen der Weite des Angehörigenbegriffs in § 15 AO, insb. § 15 Abs. 1 Nr. 1, Nr. 6, Nr. 7 und Nr. 8 AO, ist dies im Rahmen einer weiten Auffassung zutreffend. Es werden dann schließlich auch Schwager/ Schwägerin einbezogen. Solange ausschließlich Abkömmlinge des Stifters Destinatäre sind, ist der weite Bezugsrahmen der Finanzverwaltung unerheblich. Abkömmlinge des Stifters werden stets in Steuerklasse I besteuert. Problematisch ist hingegen die Berechtigung anderer Stiftungen oder Trusts. Unerheblich ist, ob dieser entfernteste Berechtigte im Zeitpunkt der Errichtung der Stiftung bereits 72 unmittelbar bezugs- oder anfallberechtigt ist. Es genügt, wenn dieser Berechtigte erst in der Generationennachfolge eine entsprechende Rechtsstellung erlangt. Dieser muss bei Errichtung der Stiftung 1 Dafür: Jülicher in T/G/J, § 15 ErbStG Rz. 101 (Stand: September 2013); Knobel in V/K/S/W4, § 15 ErbStG Rz. 45 (dies ableitend aus RFH v. 30.11.1933 – V e 17/33, RStBl. 1934, 75); krit. Längle/Schiffer in F/J/P/W5, § 15 ErbStG Rz. 52. 2 BFH v. 9.12.2009 – II R 2208, BStBl. II 2010, 363. 3 „Die Zustiftung an eine (Familien-)Stiftung ist auch dann gem. § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG nach der Steuerklasse III steuerpflichtig, wenn der Zuwendende zugleich der einzige Begünstigte der Stiftung ist“. 4 Vgl. RFH v. 30.11.1933 – RStBl. 1934, 75; Geck in Kapp/Ebeling, § 15 ErbStG Rz. 59 (Stand: Juli 2016); a.A. Halaczinsky, ZErb 2004, 149 (153): nur Verwandtschaftsverhältnis. 5 R E 15.2 ErbStR 2011. 6 Kellersmann/Schnitger in Richter/Wachter, Handbuch des internationalen Stiftungsrechts, § 23 Rz. 33. 7 BMF v. 14.5.2004 – BStBl. I 2004, Sonder-Nr. 1/2004, 3, Rz. 15.2.1. 8 RFH v. 13.12.1926 – V A 141/25, RStBl. 1927, 101 (Erlangung von Darlehen ist Vermögensvorteil). 9 RFH v. 3.12.1932 – StuW 1933, Nr. 43 (Bestimmung durch in der Satzung ermächtigte Personen). 10 H E 15.2 ErbStH 2011.
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§ 15 ErbStG Rz. 73 Steuerklassen auch noch nicht existieren.1 Maßgeblich für die Ermittlung des entferntesten Berechtigten ist die Satzung. Die Einbeziehung zukünftiger Ereignisse wird teils kritisch gesehen. Vor dem Hintergrund der generellen Nichtberücksichtigung aufschiebend bedingter Ereignisse bis zum Bedingungseintritt im BewG und ErbStG, soll nach dieser Ansicht im Falle des Eintritts statistisch seltener Ereignisse erst mit dem Eintritt des Ereignisses eine Korrektur nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO mit Rückwirkung für die Vergangenheit erfolgen nicht aber bereits bei der (ursprünglichen) Besteuerung der Ausstattung.2 In diesen Fällen wäre die Errichtungsbesteuerung der Stiftung dann in Steuerklasse I oder II möglich. Diese Erwägung lässt sich an folgendem Beispiel verdeutlichen: Wird die Stiftung aufgelöst und ist kein Vermögen auf Personen abseits der Steuerklasse I übertragen worden, wurde de facto eine unrichtige Besteuerung wegen des Abstellens auf ein ungewisses Ereignis durchgeführt.3 73
Trotz der Berechtigung der Kritik an der Anwendung der negativen Steuerklasse, sofern diese erst durch zukünftige Ereignisse ausgelöst würde, ist den restriktiven Vorgaben der Finanzverwaltung und Rechtsprechung (s. Rz. 68 f.) Rechnung zu tragen. Als Absicherungsklausel kann ggf. angedacht werden, eine Einschränkung des Begünstigtenkreises unmittelbar in der Satzung aufzunehmen. Demnach könnten nur Personen im Anwendungsbereich der Steuerklasse I nach Maßgabe des im Zeitpunkt der Stiftungserrichtung geltenden ErbStG Bezugsberechtigte sein. 4. Inlandsanknüpfung
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Durch Anknüpfung „im Inland“ wird deutlich, dass eine Besteuerung der Stiftungsausstattung nach § 3 Abs. 2 Nr. 1, § 7 Abs. 1 Nr. 8 ErbStG abseits der Steuerklasse III nur für inländische Stiftungen möglich ist. Einerseits klammert dies andere Rechtsformen als Stiftungen4 von der privilegierten Besteuerung aus, andererseits kommen auch ausländische rechtsfähige5 Stiftungen nicht in den Kreis der Privilegierung. Eine inländische Stiftung ist eine solche, die ihren Sitz oder ihren Ort der Geschäftsleitung im Inland hat. Während sich der Sitz aus der Stiftungssatzung ergibt, folgt der Ort der Geschäftsleitung aus tatsächlichen Umständen. Die Geschäftsleitung befindet sich dort, wo der für die Geschäftsführung maßgebliche Wille gebildet wird.6 Unerheblich ist, wo die Destinatäre ansässig sind.
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Europarechtliche Angriffspunkte: Lediglich für inländische Stiftungen eine Steuersatzprivilegierung bei der Errichtung vorzusehen, wirft die Frage eines Verstoßes gegen Grundfreiheiten des Gemeinschaftsrechts und gegen EWR-Recht auf.7 Die Europarechtskonformität des § 15 Abs. 2 Satz 1 ErbStG ist am Maßstab der Kapitalverkehrsfreiheit und der Niederlassungsfreiheit zu prüfen. Allerdings ist im Hinblick auf die Niederlassungsfreiheit entscheidend, inwieweit der Stifter selbst von seiner eigenen Niederlassungsfreiheit Gebrauch macht.8 Bei einer Schenkung oder einem Erwerb von Todes wegen handelt es sich um einen für den Kapitalverkehr i.S.d. gemeinschaftsrechtlichen Grundfreiheiten relevanten Vorgang, sofern der jeweilige Erwerb mit den wesentlichen Elementen über die Grenzen eines Mitgliedsstaats hinaus reichen.9 Die unterschiedliche Behandlung inländischer und ausländischer Stiftungen i.S.d. § 15 Abs. 2 Satz 1 ErbStG führt zu einer Ungleichbehandlung. Die deutsche Rechtsprechung lehnt einen Verstoß gegen die Kapitalverkehrsfreiheit ab, da in-
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Jülicher, StuW 1999, 363 (367). Jülicher in T/G/J, § 15 ErbStG Rz. 106 (Stand: April 2016). Schiffer in F/J/P/W5, § 15 ErbStG Rz. 53. Habammer, DStR 2002, 431; Schindhelm/K. Stein, FR 1999, 887. Zum Erfordernis der Rechtsfähigkeit: FG Rh.-Pf. v. 19.3.1998 – 4 K 2887/97, EFG 1998, 1021 (rkr.). BFH v. 23.1.1991 – I R 22/90, BStBl. II 1991, 554; zu Einzelheiten Koenig3, § 10 AO Rz. 4. Zu Fragen bzgl. Meistbegünstigungsklauseln vgl. Stein, Doppelansässige Kapitalgesellschaften, 245; im Ergebnis ablehnend. 8 Kellersmann/Schnitger in Richter/Wachter, Handbuch des internationalen Stiftungsrechts, § 23 Rz. 75; Thömmes/Stockmann, IStR 1999, 261 (264); vgl. auch Schlussanträge des GA Trstenjak v. 20.3.2012 – Rs. C-31/11 – Scheunemann, ABl. EU 2012 Nr. L 178, 5, Ziff. 31 ff. 9 EuGH v. 23.2.2006 – Rs. C-513/03, ZEV 2006, 460 – van Hilten-van der Heijden; vgl. auch BFH v. 15.12.2010 – II R 63/09, FR 2011, 394 = ErbStB 2011, 64 = ZEV 2011, 146; im Einzelfall kommt auch die Niederlassungsfreiheit in Betracht: Thömmes, JbFStR 2009/2010, 107.
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Stiftungen und ausländische Vermögensmassen
Rz. 79 § 15 ErbStG
ländische Stiftungen der Erbersatzsteuer nach § 1 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG unterliegen und vor diesem Hintergrund im Rahmen des § 15 Abs. 2 Satz 1 ErbStG eine Privilegierung erfahren sollen.1 Die Besteuerung nach § 1 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG gilt für ausländische Stiftungen gerade nicht. Offen ist, ob der EuGH ebenfalls einer Rechtfertigungsmöglichkeit vor dem Hintergrund dieser Ko- 76 härenzerwägungen des FG Baden-Württemberg und des BFH folgen würde.2 Ersatzerbschaftsteuer und die Besteuerung nach § 7 Abs. 1 Nr. 8 ErbStG knüpfen an unterschiedlichen Vorgängen an. Vor diesem Hintergrund lehnen Thömmes/Stockmann3 mit ausführlicher Begründung insoweit ein auf einer Unmittelbarkeit beruhendes, kohärentes System ab.4 Zudem ist mitzubeachten, dass die Nachteile aus der Nichtprivilegierung der Ausstattung ausländischer Stiftungen in jedem Fall auftreten, die gegenläufigen Nachteile der inländischen Stiftung aus der Ersatzerbschaftsteuer aber erst nach 30 Jahren, sofern die Stiftung dann noch besteht. In der bisherigen Rechtsprechung des EuGH wurde dem Rechtfertigungsgrund der Kohärenz im Bereich des Steuerrechts eine geringere Bedeutung beigemessen.5 Zwingende Gründe des Allgemeininteresses zur weiteren Rechtfertigung sind ebenfalls nicht ersichtlich, so dass die von § 15 Abs. 2 Satz 1 ErbStG vorgenommene Ungleichbehandlung von in- und ausländischen Stiftungen schwierig erscheint.6 Für Zuwendungen an Stiftungen in einem Drittstaat7 gilt die Kapitalverkehrsfreiheit ebenfalls, wo- 77 bei eine Abgrenzung gegenüber den Fällen der Niederlassungsfreiheit erforderlich ist.8 Die Niederlassungsfreiheit findet auf Drittstaatsfälle keine Anwendung.9 Zunächst stellt sich auch hier die Frage, ob mit den Erwägungen des FG Baden-Württemberg und des BFH10 eine generelle Rechtfertigungsmöglichkeit besteht, so dass Familienstiftungen aus Drittstaaten nicht in den Anwendungsbereich des § 15 Abs. 2 Satz 1 ErbStG fielen. Überdies muss in Drittstaatenfällen Art. 64 Abs. 1 Satz 1 AEUV berücksichtigt werden. Im Hinblick auf die Erwägungen des BFH11 kann dieser Rechtfertigungsgrund bei Vorgängen nach dem ErbStG eingreifen, da § 15 Abs. 2 Satz 1 ErbStG auch schon vor dem 31.12.1993 in Kraft war. Art. 64 Abs. 1 Satz 1 AEUV gilt nur für Direktinvestitionen, die Niederlassung, Erbringung von Finanzdienstleistungen oder der Wertpapierzulassung und hat damit einen engen Anwendungsbereich. Ob der wirtschaftlich geprägte Begriff der Direktinvestition12 auf die Errichtung und Ausstattung einer Stiftung zu Zwecken der Begrenzung der Kapitalverkehrsfreiheit Anwendung findet, erscheint zweifelhaft. Mit Blick auf die bisherige Sichtweise der deutschen Rechtsprechung dürfte dies eine Frage sein, die allenfalls durch den EuGH zugunsten des Steuerpflichtigen entschieden werden könnte. Eine Übertragung dieser Argumentation auf ausländische Vermögensmassen, die auf Vermögens- 78 bindung angelegt sind, scheidet aus. Zwar werden solche Vermögensmassen ähnlich wie Stiftungen behandelt, diese sind aber unterschiedlich.13 Daher gründet der Ausschluss nicht auf der fehlenden Inlandsansässigkeit, sondern auf der Unterscheidung der Steuersubjekte. Ausländische Stiftungen mit doppelter Ansässigkeit: Stiftungen können Sitz und Geschäftsleitung 79 auch in verschiedenen Staaten unterhalten und damit doppelt ansässig sein,14 was gerade auch in 1 FG BW v. 22.4.2015 – 7 K 2471/12, EFG 2015, 1461 (Revision anhängig: II B 41/15); vgl. BFH v. 6.12.1989 – II R 18/87, BStBl. II, 1990, 221. 2 Vgl. BFH v. 6.12.1989 – II R 18/87, BStBl. II, 1990, 221. Zu weiteren Rechtfertigungsgründen, die fernliegend sind: Thömmes/Stockmann, IStR 1999, 261 (266); Kellersmann/Schnitger in Richter/Wachter, Handbuch des internationalen Stiftungsrechts, § 23 Rz. 105 ff. 3 Thömmes/Stockmann, IStR 1999, 261 (268). 4 Vgl. allgemein EuGH v. 6.10.2011 – Rs. C-493/09 – Kommission/Portugal, IStR 2011, 920 m.w.N. 5 Randelzhofer/Forsthoff in Grabitz/Hilf, EGV6, Vorb. Art. 39–55 Rz. 235. 6 So im Ergebnis auch: Jülicher in T/G/J, § 15 ErbStG Rz. 110 (Stand: April 2016). 7 BFH v. 15.12.2010 – II R 63/09, FR 2011, 394 = ErbStB 2011, 64 = ZEV 2011, 146. 8 GA Trstenjak v. 20.3.2012 – Rs. C-31/11 – Scheunemann, ABl. EU 2012 Nr. L 178, 5, Ziff. 64. 9 Schümann in Lenz/Borchardt, EU-Verträge, Art. 63, Rz. 3. 10 FG BW v. 22.4.2015 – 7 K 2471/12, EFG 2015, 1461 (Revision anhängig: II B 41/15); vgl. BFH v. 6.12.1989 – II R 18/87, BStBl. II, 1990, 221. 11 BFH v. 15.12.2010 – II R 63/09, FR 2011, 394 = ErbStB 2011, 64 = ZEV 2011, 146. 12 Randelzhofer/Forsthoff in Grabitz/Hilf, EGV6, Art. 57 Rz. 4. 13 BFH v. 21.7.2014 – II B 40/14, ZEV 2014, 504 (505). 14 Jülicher in T/G/J, § 1 ErbStG Rz. 22 (Stand: April 2016).
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§ 15 ErbStG Rz. 80 Steuerklassen Ausübung der Niederlassungsfreiheit1 nach dem AEUV geschehen kann. Eine Stiftung mit Sitz im Ausland und Geschäftsleitung im Inland kann somit wegen der Anknüpfung des § 10 AO eine inländische Stiftung sein. Sofern diese zivilrechtlich wirksam besteht, wäre eine Zuwendung nach § 7 Abs. 1 Nr. 8 ErbStG an diese von § 15 Abs. 2 Satz 1 ErbStG umfasst.2 80
Für Ausstattungen von Stiftungen mit Sitz in einem Drittstaat und Geschäftsleitung in einem EU-/ EWR-Staat kann eine Besteuerung des Ausstattungsvorgangs in Deutschland ebenfalls eintreten; derartige Stiftungen sind aufgrund der Geschäftsleitung im EU-/EWR-Gebiet als EU-/EWR-Stiftungen zu behandeln. Diese Annahme setzt aber zugleich voraus, dass diese Stiftung mit Sitz im Drittstaat dann im EU-/EWR-Geschäftsleitungsstaat als solche Stiftung überhaupt anerkannt wird. Die Zuwendung kann der unbeschränkten Steuerpflicht aufgrund der Ansässigkeit des Zuwendenden oder im Falle der Übertragung von Wirtschaftsgütern i.S.d. § 121 BewG der beschränkten Steuerpflicht unterliegen. § 15 ErbStG gilt unabhängig von der Art der persönlichen Steuerpflicht. Haben diese Stiftungen keinen Sitz in Deutschland – der dann auch die volle Privilegierung eröffnen würde –, stellen sich aber dieselben Fragen zur Gemeinschafts- und EWR-Rechtskonformität wie bei Stiftungen mit Sitz und Geschäftsleitung in einem EU-/EWR-Staat (vgl. Rz. 7; zum Streitstand § 1 ErbStG Rz. 8). 5. Alternativen zur Errichtung der Familienstiftung aus steuerlicher Sicht
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Unselbständige Stiftungen können im KStG Steuersubjekt sein.3 Im ErbStG ist die Behandlung der unselbständigen Stiftung nicht abschließend geklärt.4 Nach wohl h.M. stellt die Errichtung und Ausstattung einer unselbständigen Stiftung keinen Übergang von Vermögen aufgrund eines Stiftungsgeschäfts unter Lebenden dar; das ErbStG knüpft bei der Bezugnahme auf Stiftungen daher nur an rechtlich selbständige Stiftungen an.5 Eine unselbständige Stiftung kann daher nicht unter die Privilegierung gem. § 15 Abs. 2 Satz 1 ErbStG fallen (§ 8 ErbStG Rz. 8).
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Bei der Ausstattung unselbständiger Stiftungen erfolgt eine Besteuerung nach § 8 ErbStG oder als Zuwendung an die Begünstigten.6 Unselbständige Familienstiftungen sollen dabei grds. Zweckzuwendungen nach § 8 ErbStG erhalten,7 allerdings wird dabei wohl der Fall einer längeren Verwaltungstätigkeit vorausgesetzt.8 Eine Besteuerung in Steuerklasse III kann durch die Verwendung unselbständiger Stiftungen nicht vermieden werden, eine Steuer entsteht jedoch nach § 9 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG nur mit dem Eintritt der Verpflichtung, aber nicht zweimal. Als weitere Alternative ist das testamentarische Familiengut anzudenken, bei dem eine Vermögenssicherung zugunsten der Familie zeitlich gestreckt bis zum Tod des längstlebenden Erben möglich ist, und keine negative Besteuerungsfolge wegen eines Abstellens auf den entferntesten Berechtigten eintritt.9 6. Zuwendungen von Stiftungen an Stiftungen
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Überträgt eine Stiftung Vermögen auf eine andere Stiftung, so ist dieser Vorgang zu besteuern,10 da die übertragende Stiftung als Schenker und die übernehmende Stiftung als Erwerber gilt.11 Die Besteuerung erfolgt in Steuerklasse III. Schließlich steht die übertragende Stiftung als Stifterin in keinem Verwandtschaftsverhältnis zu den Destinatären der empfangenden Stiftung, weshalb § 15 Abs. 2
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EuGH v. 14.9.2006 – Rs. C-386/04, FR 2007, 242 – Centro Musicologica Walter Stauffer, EuZW 2006, 625. Vgl. Werkmüller, ZEV 1999, 138; von Oertzen, DStR 2012, Beihefter zu Heft 11/2012, 37 (38). Götz in Berndt/Götz, Stiftung und Unternehmen8, Rz. 559. Theuffel-Werhahn, ZEV 2014, 14; Hübner/Currle/Schenk, DStR 2013, 1966. Wachter in Richter/Wachter, Handbuch des internationalen Stiftungsrechts, § 22 Rz. 185; Gebel in T/G/J, § 7 ErbStG Rz. 332 (Stand: April 2016). Wachter in Richter/Wachter, Handbuch des internationalen Stiftungsrechts, § 22 Rz. 186; FG Rh.-Pf. v. 19.3.1998 – 4 K 2887/97, EFG 1998, 1021. Wachter in Richter/Wachter, Handbuch des internationalen Stiftungsrechts, § 22 Rz. 188. RFH v. 7.2.1923 – VI A 236/22, RStBl. 1923, 212. Kössinger in Nieder/Kössinger, Handbuch der Testamentsgestaltung5, § 15 Rz. 315; Kohler, NJW 1957, 1173. BFH v. 13.4.2011 – II R 45/09, BStBl. II 2011, 732. BFH v. 13.4.2011 – II R 45/09, BStBl. II 2011, 732; Hartmann, ErbStB 2011, 213.
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Stiftungen und ausländische Vermögensmassen
Rz. 87 § 15 ErbStG
Satz 1 ErbStG nicht eingreift. Mit der genannten BFH-Rechtsprechung ist dies auch zu bejahen, wenn die übertragende Stiftung dabei aufgelöst wird. Zwar vereint ein solcher Erwerb den Ausstattungstatbestand nach § 7 Abs. 1 Nr. 8 ErbStG und den Ausschüttungstatbestand § 7 Abs. 1 Nr. 9 ErbStG. Es handelt sich aber nur um eine Zuwendung. Eine zweifache Besteuerung scheidet aus, da dieser Erwerb nur nach § 7 Abs. 1 Nr. 8 ErbStG zu besteuern ist.1 Im Übrigen ist die Anwendung einer billigkeitshalber abweichenden Steuerklasse für die Zuwendung 84 einer Stiftung auf eine andere Stiftung auch dann abzulehnen, wenn Stifter der übertragenden Stiftung und Destinatär der übernehmenden Stiftung dieselbe Familie ist und eine Direktausstattung der neuerrichten Stiftung durch den Stifter privilegiert gewesen wäre. Eine hiervon abweichende (Billigkeits-)Überlegung basiert auf einer Ausdehnung des Begriffs des „Schenkers oder Erblassers“ bei § 15 Abs. 2 Satz 1 ErbStG auf den (ursprünglichen) Stifter/Ausstatter der übertragenden Stiftung; damit würde eine Steuerklassenverbesserung eintreten. Der BFH betrachtet Stiftungen aber strikt als eigene Steuersubjekte.2 Hieran ändert auch der Umstand nichts, dass § 15 Abs. 2 ErbStG das Zuwendungsverhältnis nicht berührt, sondern nur eine Fiktion3 für die Steuerklassenbestimmung darstellt. § 15 Abs. 2 ErbStG selbst knüpft an den Begriff „Schenker“ an. Auch dieses fingierte Zuwendungsverhältnis stellt auf die übertragende Stiftung als Schenker und eigenes Steuersubjekt ab. Weitere Transparenzbetrachtungen sind verständlich, aber wohl nicht von der BFH-Rechtsprechung gedeckt.4 Häufiger als bei Stiftungen ist der Vorgang der Auflösung eines Rechtsträgers und die Errichtung ei- 85 nes neuen unter Übertragung des gesamten Vermögens bei Trusts. Stirbt daher ein Begünstigter eines Trusts, ist in anglo-amerikanischen Testamenten bzw. den Trust-Deeds oft vorgesehen, dass das Vermögen, das bislang für den Verstorbenen „in Trust“ gehalten wurde, nunmehr für den nachfolgenden Begünstigten „in Trust“ gehalten wird. Die Bestimmung der Steuerklasse wird dadurch nicht verändert. Eine Besteuerung erfolgt in Steuerklasse III, solange eine Steuerpflicht nach § 2 ErbStG überhaupt besteht und ein Erwerbsvorgang aufgrund der Auflösung und Ausstattung durch den Trust zu bejahen ist. 7. Stiftungsspaltung Stiftungen können zivilrechtlich Spaltungen durch Ausgliederung vollziehen.5 Abweichend von der 86 Rechtslage bei Kapitalgesellschaften ist – ungeachtet der zivilrechtlichen Spaltungsmöglichkeit von Stiftungen – führen Umwandlungen nach dem Umwandlungsgesetz (UmwG) zu schenkungsteuerbaren Vorgängen.6 Der BFH legt den Anwendungsbereich des § 7 Abs. 1 Nr. 8 ErbStG weit aus. Ausgliederungen auf andere Stiftungen sind bereits von der Anwendung des Umwandlungsrechts ausgeschlossen und führen ohnehin zur Schenkungsteuerpflicht. Mit den Erwägungen des BFH7 zum Zuwendungsverhältnis bei Übertragungen zwischen Stiftungen gelten die Steuerklassenvorteile des § 15 Abs. 2 ErbStG nicht für Übertragungen zwischen Stiftungen – auch nicht im Falle von Spaltungen durch Ausgliederung. Steuerklasse III findet daher auf Umwandlungsvorgänge Anwendung. 8. Familienverein Umstritten ist auch, ob Zuwendungen zur Ausstattung eines Familienvereins8 unter die Privilegie- 87 rungsvorschrift des § 15 Abs. 2 Satz 2 ErbStG gefasst werden. Nach dem Wortlaut der Vorschrift ist der Familienverein nicht von der Privilegierung umfasst. Teils wird ein Redaktionsversehen des Gesetzgebers angenommen, da zwar die Auflösung des Familienvereins nach § 15 Abs. 2 Satz 2 ErbStG 1 2 3 4 5 6 7 8
BFH v. 13.4.2011 – II R 45/09, BStBl. II 2011, 732. BFH v. 13.4.2011 – II R 45/09, BStBl. II 2011, 732; v. 9.12.2009 – II R 2208, BStBl. II 2010, 363. BFH v. 30.11.2009 – II R 6/07, BStBl. II 2010, 237; zu § 15 Abs. 2 Satz 2 ErbStG. Vgl. BFH v. 9.12.2009 – II R 2208, BStBl. II 2010, 363; vgl. auch FG BW v. 22.4.2015 – 7 K 2471/12, EFG 2015, 1461. Orth, FR 2010, 637. BFH v. 13.4.2011 – II R 45/09, BStBl. II 2011, 732; anders noch die Erwägungen der Vorinstanz: FG Münster v. 4.6.2009 – 3 K 5275/06 Erb, EFG 2010, 65. BFH v. 13.4.2011 – II R 45/09, BStBl. II 2011, 732. Zum Familienverein und seinen Einsatzmöglichkeiten: JbFStR 1993/1994, 409 ff.
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§ 15 ErbStG Rz. 88 Steuerklassen privilegiert sein soll, nicht aber die Vermögensausstattung.1 Zwar mag dies auf den ersten Blick systeminkonform erscheinen, allerdings ist ein unterschiedlicher Privilegierungsumfang für Zuwendungen gem. § 15 Abs. 2 Satz 1 und 2 ErbStG auch in anderen Fällen gegeben, wie bspw. für ausländische Stiftungen. In der Zusammenschau des Gesetzeswortlauts von § 1 Abs. 1 Nr. 4 und § 15 Abs. 2 Satz 1 und Satz 2 ErbStG ist die Vermögensausstattung des Familienvereins nicht als privilegiert anzusehen und unterfällt Steuerklasse III.2 Entsprechendes gilt auch für ausländische Vermögensmassen, die auf Vermögensbindung ausgerichtet sind, da diese Stiftungen zwar nahe stehen aber dennoch von diesen verschieden sind (s. oben Rz. 78).
III. Zuwendungen aus einer Stiftung bei Auflösung und aus Vermögensmassen ausländischen Rechts (Abs. 2 Satz 2) 1. Allgemeines 88
Während Satz 1 an die Stiftungserrichtung anknüpft und damit einen einzigen Sachverhalt betrifft, knüpft Satz 2 wegen des Verweises auf § 7 Abs. 1 Nr. 9 ErbStG sowohl an Fälle der Aufhebung bzw. Auflösung wie auch den Erwerb durch Zwischenberechtigte i.S.d. § 7 Abs. 1 Nr. 9 Satz 2 ErbStG an. Letzteres gilt, sofern eine ausländische Vermögensmasse im Sinne dieser Norm betroffen ist (zum Begriff der Vermögensmasse ausländischen Rechts vgl. ausführlich die Kommentierung zu § 3 ErbStG Rz. 115 ff.). Durch § 15 Abs. 2 Satz 2 ErbStG ist es trotz fehlenden Verwandtschaftsverhältnisses zur aufgelösten oder ausschüttenden Stiftung oder Vermögensmasse möglich, andere Steuerklassen als Steuerklasse III anwenden zu können. Ein Unterschied zwischen Satz 1 und Satz 2 besteht auch darin, dass nach dem Wortlaut die Privilegien für die Steuerklassenbestimmung bei § 15 Abs. 2 Satz 2 ErbStG für alle Stiftungen, Vermögensmassen und Vereine unabhängig vom Familienbezug gelten. Hieraus werden sich aber keine Unterschiede ergeben, da ohne Familienbezug keine andere als Steuerklasse III auch unter Berücksichtigung des § 15 Abs. 2 Satz 2 ErbStG zum Tragen kommt.
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§ 15 Abs. 2 Satz 2 ErbStG sieht eine Fiktion vor. Demnach gilt bei Erwerben nach § 7 Abs. 1 Nr. 9 ErbStG der Stifter als Schenker. Bei Vereinen gilt derjenige als Schenker, der das Vermögen übertragen hatte. Schließlich gilt bei der Auflösung einer Vermögensmasse ausländischen Rechts, deren Zweck auf die Bindung von Vermögen gerichtet ist, bzw. der Erwerb durch Zwischenberechtigte derjenige als Schenker, der die Vermögensmasse gebildet oder ausgestattet hat. 2. Die Auflösung eines Rechtsträgers i.S.d. § 7 Abs. 1 Nr. 9 ErbStG
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Erforderlich ist die Vorschrift im Falle der Stiftungsauflösung i.S.d. § 7 Abs. 1 Nr. 9 ErbStG, da ansonsten die Besteuerung des Anfallberechtigten nach § 88 BGB mangels Näheverhältnisses gegenüber der Stiftung selbst stets in Steuerklasse III erfolgen würde. Entsprechendes gilt für Vereine. Die Auflösung setzt die Auflösung des Rechtsträgers voraus.3 Zutreffender Weise sind Teilauflösungen von Stiftungen nicht unter § 7 Abs. 1 Nr. 9 ErbStG zu fassen und damit auch nicht unter § 15 Abs. 2 Satz 2 ErbStG.4 Eine Teilauflösung ist allenfalls in einem wirtschaftlichen Sinne vorstellbar und von Ausschüttungen im Allgemeinen abzugrenzen.5 Begünstigt ist damit nur die vollständige Auflösung der Stiftung, eines Vereins oder einer Vermögensmasse i.S.d. § 7 Abs. 1 Nr. 9 ErbStG. Wegen der ausdrücklichen Bezugnahme auf Zuwendungen an Zwischenberechtigte, gilt die Herausnahme der Teilauflösung nicht für ausländische Vermögensmassen i.S.d. § 7 Abs. 1 Nr. 9 ErbStG.
1 Jülicher in T/G/J, § 15 ErbStG Rz. 111 (Stand: April 2016). 2 Tiedtke/Wälzholz in Tiedtke, § 15 ErbStG Rz. 19; Weinmann in Moench/Weinmann, § 15 ErbStG Rz. 43 (Stand: September 2016). 3 Siehe zur Auflösung: Blumers, DStR 2012, 1 (6). 4 Vgl. Weinmann in Moench/Weinmann, § 15 ErbStG Rz. 156 (Stand: September 2016); zur fehlenden Schenkungsteuerbarkeit satzungsmäßiger Zuwendungen Richter in v. Campenhausen/Richter, Stiftungsrechts-Handbuch4, § 42 Rz. 6. 5 RFH v. 11.5.1938 – III e 17/38, RStBl. 1939, 789; Richter in v. Campenhausen/Richter, Stiftungsrechts-Handbuch4, § 42 Rz. 6.
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Stiftungen und ausländische Vermögensmassen
Rz. 94 § 15 ErbStG
Gestaltungsansatz: Sofern zwingend eine Teilauflösung einer Stiftung gewünscht ist, soll die Aus- 91 schüttung eines wesentlichen Vermögensteils unter gleichzeitiger Änderung der satzungsmäßigen Zwecke und damit des Stiftungscharakters unter Anwendung des § 15 Abs. 2 Satz 2 ErbStG zu einer Besteuerung als Aufhebung der bisherigen Stiftung führen können.1 Soweit tatsächlich ein einheitlicher Akt vorliegt, ist dies zutreffend. Rückerwerb des Stifters: Umstritten ist, welche Steuerklasse für den Rückerwerb des Stifters bei 92 Auflösung „seiner“ Stiftung anzuwenden ist. Entsprechendes gilt beim Rückerwerb einer Person, die das Vermögen auf eine Stiftung übertragen hat, ohne selbst Stifter zu sein. Der Zweite Senat des BFH2 betont, dass beim Vermögensrückfall an den Stifter durch Auflösung ein eigener Erwerb zwischen Stiftung und Stifter erfolgt. Die frühere Rspr. des BFH, die eine gesamte Steuerfreiheit eines solchen Erwerbs annahm,3 wurde damit aufgehoben. Nach der aktuellen Rspr. des BFH liegt eine Erfassung des Rückerwerbs des Stifters in Steuerklasse III nahe.4 Manche Stimmen streben danach, beim Vermögensrückfall eine Anwendung § 29 ErbStG zu prüfen5 bzw. im Einzelfall genau zu betrachten, ob die Stiftung nicht bereits von Anfang an wegen eines Herausgabeanspruchs nach § 667 BGB nicht bereichert war.6 Andere Stimmen plädieren dafür, einen Steuersatz von 0 anzuwenden.7 Für einen Steuersatz von 0 % spricht die Logik, dass in Folge der Fiktion zur Steuerklassenbestim- 93 mung eine Schenkung an sich selbst besteuert werden sollte. Wegen der bloß technischen Anknüpfung der Fiktion8 ist dieser Steuersatz von 0 % aber schwer begründbar. Der qualitative Unterschied zeigt sich gerade im Vergleich zur weiterreichenden Fiktion des § 15 Abs. 4 ErbStG zur Bestimmung des Zuwendungsverhältnisses. Wenngleich beträchtliche Argumente gegen eine Schenkungsbesteuerung sprechen, ist aufgrund der Ausführungen des BFH in der Gestaltungspraxis eine Steuerbarkeit zu unterstellen. Zumindest eine Anwendung der Steuerklasse I für den Rückerwerb des Stifters sollte entgegen der Andeutung des BFH möglich sein. Eine Familienstiftung kann auch durch die Gewährung einer Bezugsberechtigung für den Stifter begründet werden.9 Dieser Berechtigung des Stifters kommt eine wesensprägende Eigenschaft zu. Dann muss Steuerklasse I hierauf analog angewandt werden. Dass § 15 Abs. 1 ErbStG zur Bestimmung der Steuerklasse I den Schenker selbst nicht aufführt, ist konsequent. Schenkungen einer Person an sich selbst sind mangels Be- und Entreicherung nicht schenkungsteuerbar. Der Umstand, dass der Vermögensrückfall an den Stifter im Anwendungsbereich des § 7 Abs. 1 Nr. 9 ErbStG nicht gesondert in § 15 Abs. 1 ErbStG geregelt ist, legt eine planwidrige Regelungslücke nahe. 3. Anwendung auch für ausländische Familienstiftungen und ausländische Vermögensmassen Der BFH hatte einst eine privilegierte Besteuerung der Auflösung einer ausländischen Familienstif- 94 tung bei der Vorgängervorschrift abgelehnt. Dies wurde damit begründet, dass ausländische Familienstiftungen nicht der Erbersatzsteuer unterliegen. Die Auflösung der ausländischen Stiftung soll daher keiner Privilegierung bedürfen.10 Der Gesetzeswortlaut der aktuellen Fassung der Vorschrift lässt eine solche Eingrenzung aber nicht mehr zu. § 15 Abs. 2 Satz 2 ErbStG verweist allgemein auf
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Jülicher, StuW 1999, 363 (369). BFH v. 25.11.1992 – II R 77/90, BStBl. II 1993, 238. BFH v. 23.4.1954 – III 211-214/52 S, BStBl. III 1954 178. Geck in Kapp/Ebeling, § 15 ErbStG Rz. 66 (Stand: April 2013); von Oertzen in Christensen, International Estate Planning, Germany, 18/42. Binz/Sorg, DStR 1994, 229 (232); Jülicher in T/G/J, § 15 ErbStG Rz. 120 (Stand: April 2016). BMF v. 20.7.2004, DStR 2004, 1387 – Rz. 19 zum StraBEG; BFH v. 28.6.2007 – II R 21/05, BStBl. II 2007, 669 = FR 2008, 149 = ErbStB 2007, 293. Hergeth, ZErb 2005, 270 (277). BFH v. 30.11.2009 – II R 6/07, BStBl. II 2010, 237 = FR 2010, 488 = ErbStB 2010, 93. § 15 Abs. 2 AStG; s. R E 1.2. Abs. 2 Satz 1 ErbStR 2011 zur Anwendung im ErbStG. BFH v. 6.12.1989 – II R 18/87, BStBl. II, 1990, 221; dem folgend: Geck in Kapp/Ebeling, § 15 ErbStG Rz. 69.1 (Stand: September 2013); Högl in Gürsching/Stenger, § 15 ErbStG Rz. 50 (Stand: Juni 2016).
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§ 15 ErbStG Rz. 95 Steuerklassen § 7 Abs. 1 Nr. 9 ErbStG und bezieht damit in- und ausländische Stiftungen mit ein.1 Auch folgt die jüngere Rspr. der Einschränkung des BFH aus dem Jahr 1989 nicht.2 Selbst die ErbStR 2011 sehen keine Einschränkung der Norm für ausländische Stiftungen vor. 4. Rechtsnatur der Privilegierung/Reine Steuerklassenbestimmung? 95
Umstritten ist in der Rspr. und der Literatur, welche Folgen die Bezugnahme des § 15 Abs. 2 Satz 2 ErbStG auf den Stifter als Schenker bzw. die Ausstatter für Vereine und Vermögensmassen ausländischen Rechts hat. Vertreten wurde eine weite Ansicht, die die Fiktion des § 15 Abs. 2 Satz 2 ErbStG als Bestimmung des jeweiligen Stifters als Zuwendenden bei der Auflösung ansah.3 Dem steht die engere Betrachtung des BFH entgegen, der eine bloße Auswirkung der Fiktion „gilt als Schenker“ auf die Steuerklasse annimmt.4 Zuwendender für Schenkungsteuerzwecke bleibt nach dem BFH die aufgelöste Stiftung bzw. die ausländische Vermögensmasse.
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Die Richtigkeit dieser engen Auslegung des BFH wird in der Literatur weiterhin bestritten,5 was auch darauf zurückzuführen ist, dass der 2. Senat des BFH selbst einräumt, dass sein enges Verständnis im Widerspruch zum Wortlaut stehe.6 Entscheidend für die Ausführungen des BFH ist die systematische Stellung des § 15 ErbStG im III. Abschnitt der Steuerberechnungsvorschriften des ErbStG.7 Nach dem BFH könnte die Fiktion des § 15 Abs. 2 Satz 2 ErbStG nur dann das Zuwendungsverhältnis insgesamt betreffen, wenn die Fiktion im I. Abschnitt des ErbStG geregelt worden wäre. Infolge der bestätigten BFH-Rspr. darf in der Praxis der Rechtsanwendung nur eine Auswirkung der Fiktion auf die Steuerklassenbestimmung nicht aber auf das Zuwendungsverhältnis an sich angenommen werden.
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Der Unterschied zwischen der engen und der weiten Sichtweise liegt darin, dass nach der weiten Sichtweise die Zuwendung insgesamt steuerlich so erfasst wird, als habe sie der Stifter geleistet. Demnach können nach der weiten Auffassung mehrere Zuwendungen vorliegen und zugleich mehrere Freibeträge beansprucht werden, wenn mehrere Stifter vorhanden sind.8 Nach der engen Auslegung des BFH ist dies nicht der Fall, da zur Bestimmung des Erwerbs die Stiftung weiterhin der Zuwendende bleibt.9
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Sind mehrere Stifter vorhanden, können nach der engeren Sichtweise des BFH entsprechend den persönlichen Verhältnissen des Anfallsberechtigten zu dem jeweiligen Stifter, unterschiedliche Steuerklassen auf die Zuwendung anzuwenden sein.10 Der Erwerb des Anfallsberechtigten wird dann nach dem Umfang der Leistungen aufgeteilt, die der jeweilige Stifter bei Stiftungserrichtungen zugesagt hat. Auf diese einzelnen „Teilerwerbe“ wird die entsprechende Steuerklasse angewandt.
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Beispielsfall zur Steuerklassenaufteilung: A erhält bei der Auflösung der Familienstiftung einen Betrag von 400 000 Euro. Die Familienstiftung wurde vom Vater V und der Lebensgefährtin des Vaters, L, errichtet. Alleiniger Begünstigter ist A. V hat einen Beitrag i.H.v. 200 000 Euro bei der Errichtung geleistet, L einen Beitrag von 100 000 Euro, die restlichen 100 000 Euro stammen aus Erträgen der Stiftung.
100 Ergebnis: Der Erwerb des A erfolgt zu zwei Dritteln in Steuerklasse I und zu einem Drittel in Steuerklasse III entsprechend seinem persönlichen Verhältnis zu den Stiftern. Der Freibetrag nach dem Verhältnis zu V i.H.v. 400 000 Euro ist 1 von Oertzen in Scherer, Münchener Anwaltshandbuch Erbrecht4, § 34 Rz. 39; Jülicher in T/G/J, § 15 ErbStG Rz. 117 ff. (Stand: April 2016); Meincke16, § 15 ErbStG Rz. 25; als Stimme der Finanzverwaltung: Habammer, DStR 2002, 425 (431). 2 FG BW v. 15.7.2010 – VI I K 37/07, DStRE 2011, 1139; vgl. auch von Oertzen/Stein, ZEV 2010, 500 (501). 3 Jülicher, StuW 1999, 363 (369 ff.); Schiffer in F/J/P/W5, § 15 ErbStG Rz. 61; Binz/Sorg, DStR 1994, 229. 4 BFH v. 25.11.1992 – II R 77/90, BStBl. II, 1993, 238; v. 30.11.2009 – II R 6/07, FR 2010, 488 = ErbStB 2010, 93 = BStBl. II, 2010, 237. 5 Schiffer in F/J/P/W5, § 15 ErbStG Rz. 61. 6 BFH v. 25.11.1992 – II R 77/90, BStBl. II, 1993, 238. 7 Vgl. insgesamt von Oertzen/Stein, ZEV 2010, 500 (502). 8 Jülicher, StuW 1999, 363 (370). 9 BFH v. 30.11.2009 – II R 6/07, BStBl. II 2010, 237 = FR 2010, 488 = ErbStB 2010, 93. 10 BFH v. 25.11.1992 – II R 77/90, BStBl. II 1993, 238.
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Stiftungen und ausländische Vermögensmassen
Rz. 104 § 15 ErbStG
zu zwei Dritteln zu gewähren, der Freibetrag nach der Lebensgefährtin L i.H.v. 20 000 Euro ist nur zu einem Drittel zu gewähren. Im Verhältnis zum Vater liegt ein Erwerb von 266 666 Euro vor, für den ein Freibetrag von 266 666 Euro gewährt wird, für den Restzuwendungsbetrag von 133 333 Euro wird ein Freibetrag von 6 666 Euro gewährt, so dass ein Erwerb von 126 600 Euro1 mit einem Steuersatz von 30 % in Steuerklasse III zu versteuern ist.
Bei der engen Auslegung der Rspr. ist nur ein Freibetrag für diese Ausschüttungen zu gewähren; 101 richtiger Weise kann aber keine Zusammenrechnung nach § 14 ErbStG der Zuwendung der Stiftung mit einer unmittelbaren Zuwendung des Stifters an den Destinatär erfolgen. Der Freibetrag nach § 16 ErbStG wird folglich voll für die Zuwendung der Stiftung gewährt und nicht aufgrund einer früheren Zuwendung des Stifters verbraucht, die durch Schenkung, Erbschaft oder Vermächtnis erfolgte.2 Es besteht ein anderes Zuwendungsverhältnis. Nach § 14 ErbStG zusammen zu rechnen sind aber verschiedene Zuwendungen derselben Stiftung oder desselben Trusts an denselben Erwerber innerhalb der 10-Jahresfrist. Zuwendender – als Anknüpfungskriterium des § 14 ErbStG – wird nicht der Stifter, sondern bleibt die Stiftung.3 Auch fehlt in § 15 Abs. 2 Satz 2 ErbStG die gesetzliche Erstreckung der Fiktion auch für Zwecke des § 14 ErbStG, die § 15 Abs. 4 ErbStG etwa vorsieht.
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Gestaltungshinweis: Vor dem Hintergrund der Beschränkung der Fiktion des § 15 Abs. 2 Satz 2 102 ErbStG auf die Steuerklassenbestimmung4 nach dem BFH gilt folgendes. Da eine Zusammenrechnung nach § 14 ErbStG nur mit anderen Zuwendungen derselben Stiftung erfolgt, nicht aber mit Vorerwerben des Stifters an den Destinatär,5 kann dies planerisch zur Erlangung mehrerer Freibeträge genutzt werden bzw. zur Besteuerung mit niedrigeren Steuersätzen. Insb. bei der Verwendung von Trusts bei Vermögensnachfolge mit Auslandsbezug6 kann sich dies anbieten. Günstig ist, wenn mehrere Trusts ausschütten, die zunächst außerhalb des deutschen Erbschaftsteuerzugriffs ausgestattet werden konnten.7 Deshalb steht dem Sohn A ein Freibetrag von 400 000 Euro für eine Schenkung unmittelbar vom Vater zu und nochmals ein Freibetrag über 400 000 Euro, wenn die von seinem Vater errichtete Stiftung aufgelöst wird oder ein Trust des Vaters an A als Zwischenberechtigten ausschüttet.
Freibetragsgewährung: Da nach dem BFH8 die Fiktion des § 15 Abs. 2 Satz 2 ErbStG jedenfalls die 103 Steuerklasse betrifft, hat die günstigere Steuerklasse zugleich eine Auswirkung auf den zu gewährenden Freibetrag.9 Der persönliche Freibetrag nach § 16 ErbStG knüpft unmittelbar an die Steuerklasse an. Nicht zu gewähren ist ein Freibetrag nach § 17 ErbStG, da dieser für Schenkungen nicht anwendbar ist.10 Die Aufteilungsfrage wird auch dann relevant, wenn neben dem Stifter eine Drittperson Vermögen 104 auf die Stiftung übertragen hat. Da die Auskehr des Stiftungsvermögens betroffen ist und auch Zustiftungen in den Grundstock der Stiftung geleistet werden, sind die auch Zustiftungen leistenden Personen nach dem Sinn und Zweck der Norm als Stifter gem. § 15 Abs. 2 Satz 2 ErbStG anzusehen. Schließlich ist auch der Zustifter ein Stifter, der lediglich nach deren Errichtung hinzutritt.11
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Nach § 10 Abs. 1 Satz 6 ErbStG. von Oertzen/Stein, ZEV 2010, 500 (503). BFH v. 25.11.1992 – II R 77/90, BStBl. II 1993, 238. BFH v. 25.11.1992 – II R 77/90, BStBl. II 1993, 238; anderes folgt auch nicht aus dem gleich lautenden Erlass v. 14.3.2012, BStBl. I 2012, 331, Rz. 6.3, da § 15 ErbStG Abs. 4 ErbStG eine entsprechende gesetzliche Regelung vorsieht. von Oertzen/Stein, ZEV 2010, 500 (503). Zu den Vorgaben und Beschränkungen des Einsatzes s. BGH v. 13.6.1984 – IVa ZR 196/82, RIW 1985, 154 (156); LG München v. 6.5.1999 – 6HK O 10773/97, IPRax 2001, 459; Göckeler in Flick/Piltz, Der internationale Erbfall2, Rz. 1084; von Oertzen, IStR 1995, 149; von Oertzen, IPRax 1994, 73 ff.; von Oertzen/Stein, ZEV 2010, 500 (504). Siehe im Einzelnen auch zu Grenzen von Oertzen/Stein, ZEV 2010, 500 (502). BFH v. 30.11.2009 – II R 6/07, BStBl. II 2010, 237 = FR 2010, 488 = ErbStB 2010, 93. von Oertzen/Stein, ZEV 2010, 500 (502). R E 1.1 Satz 3 Nr. 6 ErbStR 2011. Allgemein Hof in v. Campenhausen/Richter, Stiftungsrechts-Handbuch4, § 9 Rz. 15, 17.
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§ 15 ErbStG Rz. 105 Steuerklassen 5. Erwerb von Zwischenberechtigten bei ausländischen Vermögensmassen 105 Ein entscheidender Unterschied zwischen der Aufhebung von Stiftungen und Vereinen und des Ver-
mögenserwerbs von ausländischen Vermögensmassen i.S.d. § 7 Abs. 1 Nr. 9 Satz 2 ErbStG ist die Steuerpflicht von Erwerben durch Zwischenberechtigte1 während des Bestehens der Vermögensmasse. Demnach reicht die Schenkungsteuerbarkeit nach § 7 Abs. 1 Nr. 9 ErbStG unterschiedlich weit.2 Satzungsmäßige Ausschüttungen aus inländischen Familienstiftungen und Familienvereinen unterfallen nicht der Schenkungsteuer. Vermögenserwerbe aus fortbestehenden Vermögensmassen ausländischen Rechts unterfallen hingegen stets der Besteuerung nach § 7 Abs. 1 Nr. 9 ErbStG, was im Gegenzug die Anwendbarkeit des Privilegs des § 15 Abs. 2 Satz 2 ErbStG nach sich zieht. Mit dem BFH sind ausländische Stiftungen nicht als Vermögensmassen ausländischen Rechts als Auffangtatbestand zu fassen, so dass es keine generelle Steuerpflicht nach dem ErbStG bei Erwerben durch Berechtigte von ausländischen Stiftungen gibt.3 Dem steht aber eine aktuelle Rechtsprechung des FG BadenWürttemberg entgegen, das gerade eine solche Überbegrifflichkeit bejaht.4 Der BFH wird hierzu in nächster Zeit nochmals Stellung nehmen können.5 Dieser Besteuerungsunterschied wird im Hinblick auf die Systemkonformität kritisiert.6 106 Wenngleich Trusts grundsätzlich als Vermögensmassen i.S.d. § 7 Abs. 1 Nr. 9 ErbStG angesehen wer-
den, ist dies allerdings nicht immer der Fall. Der jeweilige Trust muss das Kriterium der Vermögensbindung erfüllen (§ 3 ErbStG Rz. 121 f.).7 Zudem kann es bei der ursprünglichen Ausstattung des Trusts an einer Zuwendung gefehlt haben, so dass auch die „Auskehrung“ von Vermögen eine originäre Zuwendung des Settlors als Trust-Gründer und nicht des Trusts zur Folge hat.8 107 Nicht satzungsgemäße Ausschüttung: Satzungswidrige Zuwendungen von Stiftungen unterfallen
nach Ansicht des FG Baden-Württemberg9 und der überwiegenden Auffassung in der Literatur10 der Schenkungsteuer, allerdings nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG,11 so dass der Erwerb stets in Steuerklasse III zu versteuern ist. Es fehlt in diesen Fällen an der Aufhebung der Stiftung; eine die Schenkungsteuerbarkeit ausschließende Satzungsgrundlage für diese Zahlungen besteht überdies nicht. Erwerbe bei fortbestehender ausländischer Vermögensmasse unterfallen hingegen § 7 Abs. 1 Nr. 9 ErbStG und damit nach der hier vertretenen Ansicht der Steuerklassenprivilegierung des § 15 ErbStG. 108 Früher war der Begriff des Erwerbs durch Zwischenberechtigte umstritten. Es war auch unklar, ob
auch der ursprüngliche Schenker darunter zu fassen ist.12 Mittlerweile ist durch den BFH geklärt, dass alle Personen Zwischenberechtigte sind, die während des Bestehens eines Trusts Auszahlungen aus dem Trustvermögen erhalten.13 Dies kann auch den Erwerb des Ausstattenden der Vermögensmasse betreffen, solange der Vermögensmasse nicht die Fremdnützigkeit der Errichtung fehlt.14 Errichtet eine Person einen Trust und bestimmt sie sich nach einer bestimmten Laufzeit selbst als Berechtigten, ist sie kein Zwischenberechtigter.15
1 Zum Begriff: BFH v. 7.5.1986 – II R 137/79, BStBl. II 1986, 615 (weder Anfalls- noch Endberechtigter); Fischer in F/J/P/W5, § 7 ErbStG Rz. 463. 2 Zu europarechtlichen Bedenken: Götzenberger in Deininger/Götzenberger, Internationale Vermögensnachfolgeplanung mit Stiftungen und Trusts, Rz. 166. 3 BFH v. 21.7.2014 – II B 40/14, BFH/NV 2014, 1554. 4 FG BW v. 22.4.2015 – 7 K 2471/12, EFG 2015, 1461. 5 Anh. Verfahren beim BFH, Az. BFH: II R 6/16. 6 Jülicher in Flick/Piltz, Der internationale Erbfall2, Rz. 1929. 7 FG BW v. 15.7.2010 – 7 K 38/07, EFG 2011, 164; Schindhelm/Stein, FR 1999, 880 (885). 8 Götzenberger in Deininger/Götzenberger, Internationale Vermögensnachfolgeplanung mit Stiftungen und Trusts, Rz. 155; Mutter, DStR 2004, 893. 9 FG Baden-Württemberg v. 22.4.2015 – 7 K 2471/12, EFG 2015, 1461 (Az. BFH: II B 41/15). 10 RFH v. 11.5.1939 – III e 17/38, RStBl. 1939, 789; Weinmann in Moench/Weinmann, § 15 ErbStG Rz. 46 (Stand: September 2016); Schuck in V/K/S/W4, § 7 ErbStG Rz. 155. 11 FG Baden-Württemberg v. 22.4.2015 – 7 K 2471/12, EFG 2015, 1461 (Az. BFH: II B 41/15). 12 Fischer in F/J/P/W5, § 7 ErbStG Rz. 471; Schuck in V/K/S/W4, § 7 ErbStG Rz. 160. 13 BFH v. 27.9.2012 – II R 45/10, BStBl. II 2013, 84. 14 BFH v. 27.9.2012 – II R 45/10, BStBl. II 2013, 84. 15 BFH v. 27.9.2012 – II R 45/10, BStBl II 2013, 84; Orientierungssatz.
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Stiftungen und ausländische Vermögensmassen
Rz. 116 § 15 ErbStG
Es stellt sich entsprechend Rz. 92 f. im Rahmen der Anwendung des § 15 Abs. 2 Satz 2 ErbStG auf 109 die Ausschüttung an den zwischenberechtigten Ausstatter die Frage, ob stets eine Versteuerung in Steuerklasse III, stets in Steuerklasse I oder mit einem Steuersatz von 0 % erfolgt bzw. ob dies als Rückgängigmachung eines Erwerbs nach § 29 ErbStG anzusehen ist. 6. Änderung des Stiftungscharakters Nach Ansicht der Finanzverwaltung stellt die Änderung des Stiftungscharakters einer Familienstif- 110 tung durch Satzungsänderung die Errichtung einer neuen Familienstiftung dar.1 Unklar bleibt für die Ansicht der Finanzverwaltung, wann im Einzelfall eine Änderung des Stiftungscharakters eintritt. In Anlehnung an die Ausführungen des BFH sollte die Neuerrichtung einer Stiftung aufgrund der Änderung des Stiftungscharakters nur dann gegeben sein, wenn das Wesen der Stiftung als solcher verändert wird.2 Das Wesen einer Familienstiftung ist es, den Familien zu ermöglichen, das Stiftungsvermögen, soweit es einer Nutzung zu privaten Zwecken zugänglich ist, zu nutzen und die Stiftungserträge aus dem gebundenen Vermögen an sich zu ziehen. Besteuert wird der Finanzverwaltung zufolge die Errichtung der neuen Familienstiftung, nicht aber 111 zugleich die Auflösung der alten Stiftung.3 Die Richtigkeit dieser Besteuerung wird in der Literatur bestritten und teils wird auch die Verfassungsmäßigkeit in Frage gestellt.4 Die anzuwendende Steuerklasse bestimmt sich im Falle der Änderung des Stiftungscharakters nach 112 § 15 Abs. 2 Satz 1 ErbStG.5 Andere Steuerklassen als Steuerklasse III finden aber kaum Anwendung. Da Tatbestandsvoraussetzung die Änderung des Stiftungscharakters ist, dürfte der entfernteste Berechtigte dann in keinem Verhältnis nach Steuerklasse I oder II stehen. Ändert sich der Familienbezug der Stiftung ohne Satzungsänderung, greift keine Neuerrichtungs- 113 besteuerung ein.6 Dies steht auch im Einklang mit der Ansicht der Finanzverwaltung, die ebenfalls an die Satzungsänderung selbst anknüpft.7 7. Bestimmung des Stifters Wer Stifter ist, folgt zunächst aus dem Stiftungsgeschäft, § 81 BGB. In Ausnahmefällen kann der 114 Stifter nicht mehr zu ermitteln sein, was insb. bei Auslandsstiftungen denkbar ist. In diesen Fällen steht es einem Gericht offen, einen Sachverhalt zugrunde zu legen, für den eine gewisse Wahrscheinlichkeit spricht.8 Vor dem Hintergrund des § 90 Abs. 2 AO ist dem zuzustimmen. Nach hier vertretener Auffassung (vgl. Rz. 104) ist der Zustifter ebenfalls Stifter i.S.d. § 15 Abs. 2 Satz 2 ErbStG. Auch in Fällen treuhänderischer Stiftungserrichtungen ist der wirtschaftliche Stifter als derjenige 115 i.S.d. § 15 Abs. 2 Satz 2 ErbStG anzusehen, nicht der formale Stifter, der Treuhänder. Zwar ist der Treuhänder zivilrechtlicher Eigentümer, was die Stifterstellung nahe legen würde, da das Schenkungsteuerrecht stark an das Zivilrecht anknüpft. Mit der durch den Treugeber in Auftrag gegebenen und vom Treuhänder ausgeführten Stiftungserrichtung tritt aber erst die Entreicherung beim Treugeber ein. Maßgebend ist daher für die Stiftereigenschaft, wem bei wirtschaftlicher Betrachtung das Stiftungsgeschäft zuzurechnen ist bzw. für wessen Rechnung das Stiftungsgeschäft abgeschlossen wurde.9 Weicht bei ausländischen Stiftungen und Vermögensmassen die Bestimmung des Stifters vom 116 deutschen Stiftungszivilrecht ab, ist entscheidend, wer eine dem deutschen Stifter entsprechende 1 2 3 4 5 6 7 8 9
R E 1.2 Abs. 4 Satz 1 ErbStR 2011. BFH v. 10.12.1997 – II R 25/94, BStBl. II 1998, 114 (116). R E 1.2 Abs. 4 Satz 4 ErbStR 2011. Schiffer in F/J/P/W5, § 15 ErbStG Rz. 57; Binz/Sorg, DB 1988, 1822 (1824); Jülicher, StuW 1999, 363 (371); Jülicher in in T/G/J, § 2 ErbStG Rz. 135 (Stand: Oktober 2014). Richter in v. Campenhausen/Richter, Stiftungsrechts-Handbuch4, § 13 Rz. 119. Richter in v. Campenhausen/Richter, Stiftungsrechts-Handbuch4, § 13 Rz. 117. R E 1.2 Abs. 4 Satz 1 ErbStR 2011. FG Münster v. 27.11.2001 – 12 K 3051/01, EFG 2002, 568. BMF v. 14.5.2004, BStBl. I 2004, Sonder-Nr. 1/2004, 3, Rz. 15.2.1; BFH v. 5.11.1992 – I R 39/92, BStBl. II 1993, 388 = FR 1993, 275 (zu § 15 AStG).
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§ 15 ErbStG Rz. 117 Steuerklassen Stellung innehat. Charakteristisch für die Stellung des deutschen Stifters ist, dass dieser an einem Rechtsgeschäft mitwirkt, das Vermögen einem bestimmten Zweck widmet sowie dass dieser den Namen der Stiftung, deren Sitz, deren Zweck und deren Satzung im Übrigen bestimmt.1 117 Ungeklärt ist bislang, auf welchen Zeitpunkt zur Bestimmung des Verhältnisses zum Stifter abzustel-
len ist. Bedeutung kommt dem bei geändertem Näheverhältnis nach der Stiftungsausstattung zu, etwa wenn die Lebensgefährtin des Vaters, die nach der Stiftungsausstattung durch Heirat zur Stiefmutter wird. Da gerade keine Zuwendung des Stifters an den Destinatär durch § 15 Abs. 2 Satz 2 ErbStG fingiert wird, ist konsequenter Weise auf das im Zeitpunkt der Ausschüttung der Stiftung an den Erwerber bestehende Näheverhältnis zum Stifter abzustellen. Unter Vertrauensschutzaspekten spricht daneben bei einer Verschlechterung des Näheverhältnisses überwiegendes dafür, weiterhin das ursprüngliche Näheverhältnis des Erwerbers zum Stifter zugrunde zu legen, da dieses ehemalige Näheverhältnis die Grundlage der Einräumung der Begünstigtenstellung war, was etwa im Falle des Erwerbs des mittlerweile geschiedenen Ehegatten auftreten kann. Mitunter kann die Änderung des Begünstigtenkreises für den Stifter nur eingeschränkt möglich sein, etwa auch weil ihm entsprechende Mehrheiten oder Befugnisse fehlen. 8. Vermögensübertragung von einem Verein 118 Vereine sind in § 7 Abs. 1 Nr. 9 ErbStG ausdrücklich aufgeführt. Dies unterscheidet § 7 Abs. 1 Nr. 8
und Nr. 9 ErbStG. Die Verweistechnik des § 15 Abs. 2 Satz 2 ErbStG führt dazu, dass auch Übertragungen von einem Verein bei dessen Auflösung schenkungsteuerbar sind und die Steuersatzprivilegierung nach § 15 Abs. 2 Satz 2 ErbStG erfahren. Wie auch bei Stiftungen bleibt es dabei, dass lediglich Auflösungen begünstigt werden. Zuwendungen eines fortbestehenden Vereins unterfallen nicht der Steuerklassenprivilegierung, sofern diese Zuwendungen nicht satzungsmäßig erfolgen und daher schenkungsteuerbar sind. 9. Hinweise zum Einkommensteuerrecht/Doppelbesteuerungen 119 Die Einschaltung einer Familienstiftung kann zu Steuerfolgen auch im Bereich der Einkommensteu-
er führen. Für inländische Familienstiftungen ist hierbei zunächst an die Besteuerung als Einkünfte aus Kapitalvermögen zu denken. Soweit es sich um satzungsmäßige Ausschüttungen handelt, fällt keine Schenkungsteuer an, so dass die Ausschüttung aus der Stiftung nur mit Einkommensteuer belastet wird. Umstritten ist, ob sich diese Besteuerung nach § 22 EStG oder § 20 Abs. 1 Nr. 9 EStG richtet. Teils wird eine Differenzierung nach der unmittelbaren oder mittelbaren Einflussnahme des Empfängers auf die Auszahlung gefordert;2 besteht eine solche Möglichkeit, soll § 20 Abs. 1 Nr. 9 EStG eingreifen, im Übrigen § 22 EStG. Andere fassen Auszahlungen stets unter § 20 Abs. 1 Nr. 9 EStG.3 Die besseren Argumente sprechen für eine umfassende Abhandlung nach § 20 Abs. 1 Nr. 9 EStG, da das BFH-Urteil, aus dem das Differenzierungserfordernis abgeleitet wird, die Anwendung des § 22 EStG gerade offen gelassen hatte.4 Zugleich ist von einem weiten Verständnis des § 20 Abs. 1 Nr. 9 EStG auszugehen, dass alle Leistungen an den satzungsmäßig Begünstigten umfasst.5 120 Sofern Ausschüttungen inländischer Stiftungen überhaupt schenkungsteuerbar sind – was nur im
Falle der Auflösung oder bei satzungswidrigen Ausschüttungen denkbar ist – ist die BFH-Rechtsprechung6 zur Doppelbelastung mit Einkommen- und Schenkungsteuer zu beachten. Die Zulässigkeit einer solchen Doppelbelastung stellt der BFH in einem Aussetzungsbeschluss zu Ausschüttungen ausländischer Stiftungen in Frage.7
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Kellersmann/Schnitger in Richter/Wachter, Handbuch des internationalen Stiftungsrechts, § 23 Rz. 30. Werder/Wystrcil, BB 2015, 418; Bauschatz in Gosch3, § 27 KStG Rz. 131. BMF v. 27.6.2006, BStBl. I 2006, 417; Schienke-Ohletz/Kühn, ZEV 2015, 151; Wassermeyer, FR 2015, 154. BFH v. 3.11.2010 – I R 98/09, BStBl. II 2011, 417. BFH v. 21.7.2014 – II B 40/14, BFH/NV 2014, 1554. BFH v. 21.7.2014 – II B 40/14, BFH/NV 2014, 1554. BFH v. 21.7.2014 – II B 40/14, BFH/NV 2014, 1554; anders wohl früher: BFH v. 14.3.2006 – VIII R 60/03, BStBl. II 2006, 650.
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Stiftungen und ausländische Vermögensmassen
Rz. 125 § 15 ErbStG
Für ausländische Familienstiftungen tritt bei Vermögensübertragungen auf im Inland unbeschränkt 121 steuerpflichtige Destinatäre eine entsprechende Folge ein. Dies folgt seit 20091 aus § 20 Abs. 1 Nr. 9 Satz 2 EStG. Daneben ist auch der Besteuerung der laufenden Einkünfte der Stiftung nach § 15 AStG Rechnung zu tragen. Demnach sind Einkünfte einer Familienstiftung vom Stifter oder dem Anfallbzw. Bezugsberechtigten zu versteuern, sofern nicht das Privileg des § 15 Abs. 6 AStG für EU/EWRStiftungen eingreift. Bei Doppelbelastungen eines Rechtsvorganges mit Einkommen- und Schenkungsteuer ist wiederum auf die insoweit kritische Rechtsprechung des 2. BFH-Senats2 zu verweisen. Für Vermögensmassen i.S.d. § 7 Abs. 1 Nr. 9 ErbStG tritt auch bei laufenden Auskehrungen eine 122 Doppelbelastung mit Einkommens- und Schenkungsteuer ein. Ob die ernstlichen Zweifel des 2. Senats zur Zulässigkeit der Doppelbesteuerung desselben Ausschüttungsvorgangs mit Einkommenund Schenkungsteuer durchgreifen, hat der BFH für Trusts ausdrücklich offengelassen, da diese keine Rechtspersönlichkeit haben.3 Daneben ist auch hier die Besteuerung der Einkünfte der Vermögensmasse nach § 15 AStG beim Stifter bzw. beim Bezugs- oder Anfallberechtigten zu beachten.4
IV. Ersatzerbschaftsteuer (Abs. 2 Satz 3) § 15 Abs. 2 Satz 3 ErbStG adressiert zunächst die Steuerklassenbestimmung für die Ersatzerbschaft- 123 steuer von Familienstiftungen und Familienvereinen. Nach § 1 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG i.V.m. § 9 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG wird das Vermögen einer inländischen Familienstiftung alle 30 Jahre der Ersatzerbschaftsteuer unterworfen. Die Ersatzerbschaftsteuer soll verhindern, dass in Familienstiftungen gebundenes Vermögen auf Dauer der Erbschaftsteuer entzogen wird.5 Satz 3 regelt aber nicht nur die Steuerklassenbestimmung, was systematisch aufgrund der Verortung in § 15 ErbStG zu vermuten wäre. Vielmehr wird auch eine Sonderregelung für die Freibetragsgewährung getroffen sowie eine Sonderregelung zum Steuersatz. Demnach findet für die Fälle der Ersatzerbschaftsteuer ein Freibetrag von derzeit 800 000 Euro als doppelter „Kinderfreibetrag“ Anwendung. Daneben ist der Steuersatz nach § 19 ErbStG anzuwenden, der für die Hälfte des steuerpflichtigen Vermögens gelten würde. Die Ersatzerbschaftsteuer bildet einen Erbfall in einer Zwei-Kind-Familie nach. Deshalb wird für die Erhebung der Ersatzerbschaftsteuer auch Steuerklasse I angewandt. Steuerschuldner der Ersatzerbschaftsteuer ist die Stiftung. Umstritten ist, ob der Vorstand für die 124 Ersatzerbschaftsteuer anzeigepflichtig nach § 30 ErbStG ist.6 Die Steuerzahlung kann gem. § 24 ErbStG in dreißig Jahresbeträgen erbracht werden. Zudem ist die Ermäßigungsmöglichkeit nach § 26 ErbStG zu beachten, falls Stiftung oder der Verein kurze Zeit nach dem Ersatzerbschaftsteuertermin aufgelöst wird. Gestalterisch kann im Bereich der Ersatzerbschaftsteuer überlegt werden, durch Gründung mehrerer 125 Stiftungen eine Optimierung der Freibeträge und der Steuersätze zu erreichen. Schließlich gelten auch für die Ersatzerbschaftsteuer die allgemeinen Gestaltungsansätze wie Strukturierung des Vermögens in erbschaftsteuerlich begünstigtes Vermögen oder die Übertragung von Vermögensgegenständen auf gemeinnützige Körperschaften, um diese aus dem Besteuerungszugriff der Ersatzerbschaftsteuer herauszunehmen.7 Zudem kann durch Veränderungen der Stiftungssatzung die Aufgabe des Charakters einer Familienstiftung erreicht werden, wobei die Besteuerungssequenzen nach R E 1.2. Abs. 4 ErbStR 2011 zu beachten sind.
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§ 52 Abs. 37 Satz 4 EStG. BFH v. 21.7.2014 – II-B-40/14, BFH/NV 2014, 1554. BFH v. 21.7.2014 – II-B-40/14, BFH/NV 2014, 1554. BFH v. 2.2.1994 – I R 66/92, BStBl. II 1994, 727 = FR 1994, 369. BT-Drucks. 7/13333, 3. von Oertzen, DStR-Beihefter 11/2012, 37 (41); bejahend: Kien-Hümbert in Moench/Weinmann, § 30 ErbStG Rz. 3 (Stand: September 2015); verneinend: Jülicher in T/G/J, § 30 ErbStG Rz. 10 (Stand: April 2016). 7 von Oertzen, DStR-Beihefter 11/2012, 37 (42 ff.); auch zu weiteren Gestaltungsansätzen.
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§ 15 ErbStG Rz. 126 Steuerklassen
D. Gegenseitige Einsetzung (Abs. 3) I. Überblick 126 § 15 Abs. 3 ErbStG regelt ein Antragsrecht für die Anwendung einer bestimmten Steuerklasse insb.
für gemeinschaftliche Testamente. Dieses wird gewährt, wenn sich die Ehegatten gegenseitig als Erben einsetzen und ein Dritter als Erbe des zuletzt versterbenden Ehegatten bestimmt wird. Dies geschieht typischerweise durch die Regelungen des sog. „Berliner Testaments“.
II. Zivilrechtliche Grundlage 127 In Deutschland haben Ehegatten und gleichgeschlechtliche Lebenspartner1 die Möglichkeit, ein ge-
meinschaftliches Testament zu errichten. Damit steht es diesen Personen offen, eine letztwillige Verfügung mit Bindungswirkung abzuschließen, die nicht die Formerfordernisse eines Erbvertrags erfüllen muss. Bindungswirkungen können im Rahmen eines gemeinschaftlichen Testaments solche Verfügungen entfalten, die i.S.v. § 2270 BGB wechselbezüglich sind. 128 Die Bindungswirkung tritt mit dem Tod eines Ehegatten ein, wenn gem. § 2271 Abs. 2 Satz 1 BGB
das Recht zum Widerruf der wechselbezüglichen Verfügung erlischt, es sei denn, der überlebende Ehegatte schlägt das ihm Zugewendete aus. Bis zum Tod eines Ehegatten kann eine solche in einem gemeinschaftlichen Testament enthaltene wechselbezügliche Verfügung gem. § 2271 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 2296 Abs. 2 BGB durch Erklärung gegenüber dem anderen Partner widerrufen werden, wobei diese Erklärung der notariellen Beurkundung bedarf. Eine solche wechselbezügliche Verfügung, die Bindungswirkung in den vorstehend dargestellten Fällen entfalten kann, kennzeichnet sich nach § 2270 Abs. 1 BGB dadurch, dass sie nicht ohne die Verfügung des anderen getroffen sein würde. 129 An diese erbrechtliche Besonderheit knüpft § 2269 BGB an. Die Norm bestimmt eine Auslegungs-
regel.2 Setzen sich Ehegatten in einem gemeinschaftlichen Testament gegenseitig zu Erben ein und bestimmen sie, dass nach dem Tod des Überlebenden der beiderseitige Nachlass an einen Dritten fallen soll, so wird nach § 2269 Abs. 1 BGB im Zweifel angenommen, dass der Dritte nach dem Tod des längerlebenden Ehegatten Erbe des gesamten Nachlasses wird. Zudem ordnet § 2269 BGB in Abs. 2 an, dass Vermächtnisse bei gegenseitiger Erbeinsetzung im Zweifelsfall als Anordnung eines Vermächtnis auf den Tod des Längerlebenden anzusehen sind. 130 In den Fällen der gegenseitigen Erbeinsetzung nach § 2269 Abs. 1 BGB sind zivilrechtlich zwei Situa-
tionen zu unterscheiden. Der Übergang des Vermögens des erstversterbenden Ehegatten auf den Längerlebenden und schließlich der Übergang auf den gemeinschaftlich bestimmten Dritten nach dem Tod des längerlebenden Ehegatten. Die Übergänge können sich zunächst im Wege der sog. „Trennungslösung“ vollziehen. Diese zeichnet sich dadurch aus, dass der überlebende Ehegatte lediglich Vorerbe wird und der Dritte Nacherbe nach dem Tod des Längerlebenden. Dann liegen beim längerlebenden Ehegatten zwei getrennte Vermögensmassen vor, das Eigenvermögen und das der Vorerbschaft unterliegende Vermögen. Daneben kommt die sog. „Einheitslösung“ in Betracht. Bei der Einheitslösung ist der längerlebende Ehegatte nicht nur Vorerbe, sondern Vollerbe und der im Testament benannte Dritte ist Schlusserbe. In diesem Fall liegt ein einheitliches Vermögen des längerlebenden Ehegatten vor. Sofern es in Testamenten an einer ausdrücklichen Regelung der Voll-/oder Vorerbschaft des überlebenden Ehegatten fehlt, ist das Gewollte durch Auslegung der letztwilligen Verfügungen zu ermitteln. Die Auslegungsregel des § 2269 Abs. 1 BGB bewirkt, dass die Einheitslösung als gewünscht anzunehmen ist.3 Ursprünglich kennzeichnete der Begriff des Berliner Testaments lediglich die Trennungslösung. Mittlerweile dürfte sich die Begriffsverwendung allerdings auf beide Alternativen erstreckt haben.4
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§ 10 Abs. 4 LPartG. Litzenburger in Bamberger/Roth3, § 2269 BGB Rz. 19. Weidlich in Palandt75, § 2269 BGB Rz. 1. Weidlich in Palandt75, § 2269 BGB Rz. 1.
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Gegenseitige Einsetzung (Abs. 3)
Rz. 134 § 15 ErbStG
III. Die Funktion des § 15 Abs. 3 ErbStG 1. Zweck des § 15 Abs. 3 ErbStG An die Zivilrechtslage bei der gegenseitigen Erbeinsetzung knüpft § 15 Abs. 3 ErbStG für steuerliche 131 Zwecke an. § 15 Abs. 3 ErbStG hat den Charakter einer privilegierenden Vorschrift. Steuerlich stellt sich nach dem Tod des Letztversterbenden die Übertragung auf den Dritten als eine Übertragung vom Längerlebenden dar. Schließlich war der Längerlebende steuerlicher Vermögensinhaber. Für die Steuerklasse ist das Verhältnis des Schlusserben zum letztversterbenden Ehegatten entscheidend. Hat der jeweilige Schlusserbe oder Vermächtnisnehmer zu dem erstversterbenden Ehegatten ein näheres Verhältnis i.S.d. § 15 ErbStG als zum Letztversterbenden, eröffnet § 15 Abs. 3 ErbStG das Antragsrecht zur Option. Allerdings gilt § 15 Abs. 3 ErbStG wegen des Verweises auf § 2269 BGB nur für Übertragungen von Todes wegen, so dass lebzeitige Zuwendungen nicht von dem Antragsrecht des § 15 Abs. 3 ErbStG erfasst sind, auch wenn der längerlebende Ehegatte diese an den vorgesehenen Schlusserben ausführt.1 Seit 2009 wird die Steuerklassenprivilegierung auf Antrag und nicht zwingend gewährt. Nähere Verwandtschaft zum Erstversterbenden: Sofern § 15 Abs. 3 ErbStG auf die nähere Ver- 132 wandtschaft zum Erstversterbenden als Privilegierungsvoraussetzung abstellt, ist dieser Begriff weit zu verstehen. Nicht lediglich Verwandte i.S.d. § 1589 BGB sind hiervon umfasst. Eine Ausdehnung erfolgt, wenn der Erwerb vom Erstverstorbenen in einer günstigeren Steuerklasse versteuert wird, als der Erwerb vom Letztversterbenden. Für das Schwiegerverhältnis nach § 1590 BGB wurde dies durch den BFH klargestellt.2 Da der BFH wegen des Sinn und Zwecks des § 15 Abs. 3 auf das persönliche Verhältnisse abstellt, ist dies auf sämtliche der Verhältnisse gem. § 15 Abs. 1 ErbStG zu erstrecken. 2. Erben (§ 2269 Abs. 1 BGB) Das Erbschaftsteuerrecht erblickt in den beiden Übertragungen mit dem Tod des Erstversterbenden 133 und des längerlebenden Ehegatten zwei Erwerbe von Todes wegen. Diese Wertung wird dann in den entsprechenden Steuerklassen nachvollzogen. Für den Fall der Trennungslösung, also des Bestehens einer Vor- und Nacherbschaft, eröffnet bereits § 6 ErbStG ein entsprechendes Antragsrecht auf Versteuerung nach dem Verhältnis des Nacherben zum erstversterbenden Ehegatten (§ 6 Abs. 2 Satz 2 ErbStG). Der Antrag auf die Steuerklasse hinsichtlich nach dem Verhältnis zum Erstversterbenden gem. § 15 Abs. 3 ErbStG bringt daher keinen weiteren Vorteil im Falle der Trennungslösung. § 15 Abs. 3 ErbStG knüpft daher konkret an die Einheitslösung an.3 Dies ist auch im Hinblick auf den Charakter des § 2269 Abs. 1 BGB als Auslegungsregel zugunsten der Einheitstheorie konsequent, auf den § 15 Abs. 3 ErbStG Bezug nimmt. Die Zielrichtung des § 15 Abs. 3 ErbStG ist primär eine Privilegierung des Letzterwerbs im Rahmen 134 der Einheitslösung zur Vermeidung von Härten, soweit der noch vorhandene Nachlass des Erstverstorbenen übertragen wird. Insb. bei gleichaltrigen Ehegatten können die Todesfälle in zeitlicher Nähe zueinander auftreten und starke Steuerbelastungen mit sich bringen.4 Für den „originären“ Nachlass des längerlebenden Ehegatten, der vom erstversterbenden Ehegatten geerbte Vermögenswerte nicht umfasst, gilt kein Wahlrecht nach § 15 Abs. 3 ErbStG.5 Die Norm soll nur die Härten der Besteuerung durch zwei Erbgänge mildern, wenn Bindungswirkungen für den längerlebenden Ehegatten eingetreten sind. Der Anwendungsbereich des § 15 Abs. 3 ErbStG beschränkt sich nicht auf gemeinschaftliche Testamente. Die Norm gilt auch für Erbverträge, sofern diese § 2269 Abs. 1 BGB entsprechende Regelungen vorsehen.6
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Weinmann in Moench/Weinmann, § 15 ErbStG Rz. 52 (Stand: September 2016). BFH v. 27.8.2008 – II R 23/06, FR 2009, 493 = ErbStB 2009, 35 = ZEV 2009, 47 (48). Längle in F/J/P/W5, § 15 ErbStG Rz. 72. Siehe hierzu § 27 ErbStG für Ermäßigungsmöglichkeiten bei mehrfachem Erwerb in StKl. I in kurzem Zeitraum. 5 FinMin. BW, DStR 2008, 2067; Weinmann in Moench/Weinmann, § 15 ErbStG Rz. 50 (Stand: September 2016). 6 BFH v. 27.8.2008 – II R 23/06, FR 2009, 493 = ErbStB 2009, 35 = ZEV 2009, 47.
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§ 15 ErbStG Rz. 135 Steuerklassen 135 Die Fiktion, die ein Antrag nach § 15 Abs. 3 ErbStG ermöglicht, wirkt sich lediglich auf die Steuer-
klassenbestimmung aus.1 Es lässt sich durch einen solchen Antrag keine zusätzliche Gewährung von Freibeträgen erreichen.2 Wegen des Verweises auf § 6 Abs. 2 Satz 3 – 5 ErbStG kann ein Freibetrag für den Erwerb vom längerlebenden Ehegatten nur insoweit gewährt werden, als dieser nicht bereits durch das vom Erstversterbenden – auf Antrag – fiktiv erworbene Vermögen verbraucht wird. Zur effektiven Freibetragsnutzung empfiehlt es sich, bereits nach dem Tod des Erstversterbenden Vermächtnisse zugunsten des Letztbedachten auszusetzen, um tatsächlich zwei volle Freibeträge nutzen zu können. Eine Zusammenrechnung nach § 14 ErbStG mit früheren Erwerben vom Erstversterbenden im Anwendungsbereich des § 15 Abs. 3 ErbStG erfolgt nicht.3 Dies gilt umso mehr, als keine Zusammenrechnungsmöglichkeit nach § 14 ErbStG durch die bloße Steuerklassenfiktion infolge des Antrags eröffnet wird.4 Der Erwerb erfolgt vom Letztversterbenden. 136 Ungeachtet der Maßgeblichkeit der Bindungswirkung für die Eröffnung des Wahlrechts nach § 15
Abs. 3 ErbStG, gilt die Norm auch, wenn ein gemeinschaftliches Testament oder ein Erbvertrag Änderungsbefugnisse vorsieht. Entgegen zwischenzeitlich abweichender BFH-Rechtsprechung,5 deckt sich die aktuelle Rechtsprechung des BFH6 wieder mit der ursprünglichen.7 Unschädlich ist auch die Befugnis beider Ehegatten, weitere Vermächtnisse auszusetzen.8 Die Unschädlichkeit des Vorbehalts der Aussetzung weiterer Vermächtnisse lässt sich auf die Rspr. des 2. Senats des BFH stützen, der offensichtlich nur Änderungsbefugnisse hinsichtlich der Erbquote des Schlusserben für schädlich erachtet.9 Allerdings ist auch ein Änderungsvorbehalt in einem Erbvertrag oder einem gemeinschaftlichen Testament bzgl. der Erbquoten nicht bereits abstrakt schädlich. Wird von einem solchen Änderungsvorbehaltes bzgl. der Erbquote kein Gebrauch gemacht, findet § 15 Abs. 3 ErbStG Anwendung.10 137 Im Hinblick auf die nach der Norm geforderte Bindungswirkung sind Fälle problematisch, in denen
ein deutsches gemeinschaftliches Testament besteht, sich die Rechtsnachfolge von Todes wegen aber nach einem ausländischen Erbrecht richtet. Viele ausländische Rechtsordnungen kennen das gemeinschaftliche Testament nicht und negieren daher entweder die Bindungswirkung wechselbezüglicher Verfügungen oder sogar die materiellen Wirkungen gemeinschaftlicher Testamente. Fehlt es an der Bindungswirkung, ist eine Tatbestandsvoraussetzung des § 15 Abs. 3 ErbStG nicht erfüllt. Diese Fälle dürften sich im Hinblick auf die Anpassungen durch die EuErbVO häufen, sofern letztwillig keine Rechtswahl zugunsten des deutschen Erbrechts für deutsche Staatsangehörige getroffen wurde. Zu denken ist etwa an das gemeinschaftliche Testament eines nach Mallorca verzogenen deutschen Ehepaars, das in Deutschland noch eine Wohnung unterhält und diese noch so nutzt, dass ein deutscher (Neben-)Wohnsitz begründet wird; eine unbeschränkte Steuerpflicht besteht dann in Deutschland. Wenngleich in diesem Fall die Bindungswirkung dem Grunde nach fehlt, ist zu erwägen, diese Fälle analog denjenigen des eingeräumten Änderungsvorbehaltes zu behandeln. Schließlich beabsichtigten die Eheleute bei der Testamentserrichtung eine Bindungswirkung, die lediglich durch die Anwendung ausländischen Erbrechts nicht eintritt. 3. Vermächtnisnehmer (§ 2269 Abs. 2 BGB) 138 Eine umfänglichere Privilegierungswirkung kann § 15 Abs. 3 ErbStG wegen des Gesamtverweises auf
§ 2269 BGB auch bei der Aussetzung von Vermächtnissen haben. Nach § 2269 Abs. 2 BGB gilt ein Vermächtnis im Zweifel als auf den Tod des Letztversterbenden ausgesetzt. Anders als bei der ge1 2 3 4 5 6 7 8 9 10
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BFH v. 30.11.2009 – II R 6/07, BStBl. II 2010, 237 = FR 2010, 488 = ErbStB 2010, 93. Götz/Ohletz in Wilms/Jochum, § 15 ErbStG Rz. 159 (Stand: August 2013). Weinmann in Moench/Weinmann, § 15 ErbStG Rz. 54 (Stand: September 2016). Jülicher in T/G/J, § 15 ErbStG Rz. 65 (Stand: September 2013); von Oertzen/Stein, ZEV 2010, 500 (503). BFH v. 26.9.1990 – II R 117/86, BStBl. 1990, 1067 (Änderungsmöglichkeit, allerdings wurde weder Erbin noch Erbquote gegenüber dem gemeinschaftlichen Testament abgeändert). BFH v. 16.6.1999 – II R 57/96, BStBl II 1999, 789; OFD München v. 27.12.1999, FR 2000, 283. BFH v. 16.9.1982 – II R 20/81, BStBl II 1983, 44 (Recht eingeräumt, aber keinen Gebrauch gemacht). Weinmann in Moench/Weinmann, § 15 ErbStG Rz. 52 (Stand: September 2016). BFH v. 27.8.2008 – II R 23/06, FR 2009, 493 = ErbStB 2009, 35 = ZEV 2009, 47 (48). BFH v. 27.8.2008 – II R 23/06, FR 2009, 493 = ErbStB 2009, 35 = ZEV 2009, 47 (48).
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Gegenseitige Einsetzung (Abs. 3)
Rz. 144 § 15 ErbStG
meinschaftlichen Erbeinsetzung gilt für Vermächtnisse das Antragsrecht des § 15 Abs. 3 ErbStG umfassend. Es ist keine Aufteilung der Vermögensmassen vorzunehmen.1 Dies ist auch darauf zurückzuführen, dass § 15 Abs. 3 ErbStG ausdrücklich Vermächtnisnehmer erwähnt, die sich aber nur in § 2269 Abs. 2 BGB wiederfinden. 4. Ermittlung des begünstigten Vermögens Bei der Einheitslösung ist der zivilrechtlich als Einheit zu beurteilende Nachlass des zuletzt verstor- 139 benen Ehegatten für Erbschaftsteuerzwecke aufzuteilen. Die Aufteilung erfolgt in das vom zuerst verstorbenen Ehegatten vererbte Vermögen, das beim Tod des Letztversterbenden noch vorhanden ist, und den übrigen Nachlass, der vom längerlebenden Ehegatten stammt.2 Im Einzelnen stellen sich Fragen der Zurechnung zu jenem Vermögen des Erstversterbenden, das 140 dem Werte nach noch vorhanden ist. Für diese Frage kommt es nicht darauf an, ob die einzelnen Vermögensgegenstände noch sachlich vorhanden sind, vielmehr ist der weiter vorhandene Gesamtwert des Vermögens entscheidend.3 Dabei umschreibt der Begriff des Vermögens regelmäßig eine Gesamtheit geldwerter Gegenstände.4 Solange noch ausreichendes Vermögen vorhanden ist, wird zu Zwecken des Antragsrechts nach § 15 141 Abs. 3 ErbStG angenommen, dass eine günstigere Steuerklasse auf das volle dem Werte nach noch vorhandenen Vermögen des Erstversterbenden möglich ist.5 Daher ist das noch vorhandene Vermögen des zuerst verstorbenen Ehegatten erbschaftsteuerlich vorrangig und ohne weitere Quotelung den mit dem Erstverstorbenen näher verwandten Schlusserben zuzuordnen.6 Vorrangige Vermögenszuordnung ohne Quotelung: Die Rechtsprechung und die Finanzverwal- 142 tung7 sprechen von einer vorrangigen Vermögenszuordnung. Nach dem BFH bedeutet die Vorrangigkeit ohne Quotelung, dass ein Vollerwerb vom Erstversterbenden anzunehmen ist, soweit ein Schlusserbe mit diesem näher verwandt ist und das vom Erstversterbenden stammende Vermögen den hälftigen Nachlass ausmacht. Ein weiterer Schlusserbe, der ebenfalls zu 1/2 erbt und dem längerlebenden Ehegatten näher steht, erbt dann die andere Hälfte ausschließlich vom längerlebenden Ehegatten. Wegen der vorrangigen Zuordnung ist im Fall des § 15 Abs. 3 ErbStG ein Vermögensverbrauch im 143 Zeitraum zwischen den beiden Erbfällen als Verbrauch des Vermögens des Ehegatten, zu dem der Erwerb in der schlechteren Steuerklasse erfolgt, anzusehen. Beispiel: Im Todeszeitpunkt des erstversterbenden Ehegatten haben beide Ehegatten ein Vermögen von 100. Nach dem Tod des Erstversterbenden hat der längerlebende Ehegatte ein Vermögen von 200. Verbraucht der längerlebende Ehegatte das Vermögen insoweit, dass bei seinem Tod noch ein Vermögen von 100 auf den Schlusserben übergeht, so kann der Schlusserbe für seinen gesamten Erwerb über 100 die Besteuerung nach dem Verhältnis zum erstversterbenden Ehegatten wählen. Schließlich behandelt der BFH den Erwerb des Schlusserben so, als ob der Schlusserbe im Zeitpunkt des Todes des längerlebenden Ehegatten unmittelbare Erben des Erstverstorbenen geworden wäre. Bei unterstellter Erbschaft wäre das gesamte Vermögen des Erstversterbenden übergegangen.
5. Wertsteigerungen und Nutzungen des begünstigten Vermögens Wertsteigerungen des noch vorhandenen Vermögens des Erstversterbenden, die zwischen dem To- 144 destag des Erstversterbenden und dem des Letztversterbenden eintreten, sind bei § 15 Abs. 3 ErbStG begünstigt. Sofern Vermögenswerte umgeschichtet werden, sind die neu erworbenen Vermögenswer1 2 3 4
So wohl Weinmann in Moench/Weinmann, § 15 ErbStG Rz. 49 (Stand: September 2016). BFH v. 27.8.2008 – II R 23/06, FR 2009, 493 = ErbStB 2009, 35 = ZEV 2009, 47 (48). BFH v. 27.8.2008 – II R 23/06, FR 2009, 493 = ErbStB 2009, 35 = ZEV 2009, 47 (48). BFH v. 22.6.1994 – II R 1/92, BStBl. II 1994, 656; v. 27.8.2008 – II R 23/06, FR 2009, 493 = ErbStB 2009, 35 = ZEV 2009, 47 (48). 5 Weinmann in Moench/Weinmann, § 15 ErbStG Rz. 50 (Stand: September 2016). 6 R E 15.3 Satz 2 ErbStR 2011. 7 R E 15.3 Satz 2 ErbStR 2011.
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§ 15 ErbStG Rz. 145 Steuerklassen te wegen des Surrogationsgedankens ebenfalls der bevorzugten Steuerklasse nach § 15 Abs. 3 ErbStG zu unterwerfen. Da nicht auf die einzelnen Gegenstände abgestellt wird, bleibt der Wert des vom Erstversterbenden übertragenen Vermögens entscheidend.1 Anderes gilt jedoch für Erträge aus dem Vermögen, das der Erstversterbende vererbt. Derartige Erträge, die der längerlebende Ehegatte bezieht, gehören nicht zum begünstigten Vermögen i.S.d. § 15 Abs. 3 ErbStG, sondern zum Vermögen des längerlebenden Ehegatten.2 Es wird folglich zwischen Wertsteigerungen und Erträgen unterschieden. 145 Beispiel: Ein Grundstück als einziger Nachlassgegenstand des Erstversterbenden ist voll begünstigungsfähig i.S.d. § 15 Abs. 3 ErbStG beim Tod des letztversterbenden Ehegatten, auch wenn sich dessen Wert bis zum Erbfall verdoppelt hat, sofern dieses beim Tod des Letztversterbenden noch vorhanden ist. Zugleich sollte auch der Gesamtkaufpreis aus dem Grundstücksverkauf des längerlebenden Ehegatten als Surrogat des Grundstücks einschließlich der Wertsteigerung voll als Erwerb vom Erstversterbenden begünstigt sein, wenn dieser vom Längerlebenden von Todes wegen übertragen wird. Nicht hingegen von § 15 Abs. 3 ErbStG umfasst sind die vom längerlebenden Ehegatten empfangenen Mieten als Nutzungen.3 Daher bereitet in der Praxis die Ermittlung des jeweiligen Vermögens teils größere Schwierigkeiten.4 Zumindest kann aufgrund der Bezugnahme des BFH5 auf die Norm des § 2111 BGB auf eine erweiterte Rechtsprechungslinie bei der Abgrenzung im Einzelnen zurückgegriffen werden.6 Die Gleichbehandlung zu der unmittelbaren Ersetzung von Gegenständen, die der Vorerbschaft unterliegen, mit Vermögenswerten, die in die Fiktion des § 15 Abs. 3 ErbStG eingebunden sind, ist vor dem Hintergrund der Nähe von Einheits- und Trennungslösung auch sinn- und zweckgerecht.
146 Als weitere Besonderheit hat die Finanzverwaltung klargestellt, dass die Erbfallkostenpauschale
nach § 10 Abs. 5 Nr. 3 ErbStG dem begünstigten Vermögen anteilig zugeordnet werden muss, so dass sich diese nicht vollumfänglich in der schlechteren Steuerklasse auswirken kann.7 6. Auswahl und Zuordnung des erworbenen Vermögens 147 Die vorrangige Vermögenszuordnung ohne weitere Quotelung im Rahmen des § 15 Abs. 3 ErbStG
kann auch Auswirkungen auf sachliche Steuerbefreiungen haben, insb. wenn eine sachliche Steuerbefreiung an die Steuerklasse anknüpft. Dies ist etwa beim Steuerfreibetrag nach § 13 Abs. 1 Buchst. a und b ErbStG der Fall. Dies ist aber praktisch sehr selten, da insb. Stiefkinder auch in Steuerklasse I geführt sind. Denkbar ist dies wohl nur, wenn beide Ehegatten die Eltern eines Ehegatten als Schlusserben einsetzen. 148 Soweit andere Steuerbefreiungsvorschriften nach §§ 13 bis 13d ErbStG auf den Erwerb Anwen-
dung finden, ist davon auszugehen, dass sich die Steuerbefreiungen in dem jeweiligen „Teilerwerb“ auswirken. Stammen die begünstigten Vermögensgegenstände vom Erstversterbenden, wirken sich die Begünstigungen dort aus.8 Aufgrund des Surrogationsgedankens9 gilt dies auch dann, wenn anstelle der ursprünglich vom erstversterbenden Ehegatten vererbten Gegenstände privilegierte Gegenstände angeschafft wurden. Im Übrigen wirken sich diese Befreiungsvorschriften im „Teilerwerb“ von dem längerlebenden Ehegatten aus. Diese Betrachtungsweise stellt keinen Widerspruch zur Relevanz des „Vorhandenseins dem Werte nach“ dar. Zunächst ist immer zu prüfen, ob der jeweilige Gegenstand noch vorhanden ist. Erst wenn dies nicht der Fall ist, greift wegen des Surrogationsgedankens die Wertbetrachtung ein. 149 Wegen der Versteuerung von betrieblichem Vermögen in Steuerklasse I nach § 19a ErbStG, sollten
zu Lebzeiten beider Ehegatten planerische Maßnahmen erwogen werden. So sollte auf den im entfernteren Verhältnis zum Schlusserben stehenden Ehegatten begünstigtes betriebliches Vermögen 1 2 3 4 5 6 7 8 9
R E 15.3 Satz 3 Nr. 1 ErbStR 2011. R E 15.3 Satz 3 Nr. 2 ErbStR 2011. Götz, ZEV 2009, 49. Vgl. Hülsmann, NWB, Fach 10, 1585. BFH v. 27.8.2008 – II R 23/06, FR 2009, 493 = ErbStB 2009, 35 = ZEV 2009, 47 (48). Siehe zu Einzelfällen Götz, ZEV 2009, 49. R E 15.3 Satz 3 Nr. 3 ErbStR 2011. Götz/Ohletz in Wilms/Jochum, § 15 ErbStG Rz. 158 (Stand: August 2013). BFH v. 27.8.2008 – II R 23/06, FR 2009, 493 = ErbStB 2009, 35 = ZEV 2009, 47 (48).
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Kapitalgesellschaften oder Genossenschaften
Rz. 153 § 15 ErbStG
umgeschichtet werden und anderes Vermögen beim näher verwandten Ehegatten verbleiben. Die Steuersatzprivilegierung für begünstigtes betriebliches Vermögen nach § 19a ErbStG wird dann vollumfänglich für den Erwerb vom entfernter verwandten Ehegatten gewährt. Der Härteausgleich nach § 19 Abs. 3 ErbStG ist im Anwendungsbereich des § 15 Abs. 3 ErbStG nur 150 in Bezug auf den Gesamterwerb anzuwenden. Hierzu ist der Wert des gesamten Erwerbs in der nach § 19 Abs. 1 ErbStG vorgesehenen Wertstufe einzuordnen. Nur wenn der Gesamterwerb innerhalb des Anwendungsbereichs der Härtefallregelung bei Übersteigen einer Wertgrenze nach § 19 Abs. 1 ErbStG liegt, kann § 19 Abs. 3 ErbStG Anwendung finden. Ansonsten addiert sich die Gesamtsteuerlast aus dem fiktiven Erwerb des Erben vom Erstverstorbenen und dem Erwerb vom zweitverstorbenen Ehegatten. Unerheblich ist für die Besteuerung, welche Wertstufen den Einzelerwerben isoliert zuzuordnen wären.1
E. Steuerklasse bei Schenkungen durch Kapitalgesellschaften oder Genossenschaften (Abs. 4) I. Überblick Durch das BeitrRLUmsG vom 7.12.20112 wurde mit § 15 Abs. 4 ErbStG eine Steuersatzprivilegie- 151 rung bei Schenkungen durch Kapitalgesellschaften eingefügt. Diese Privilegierung soll Härten ausräumen, die sich aus der zivilrechtlichen Betrachtung der Maßgeblichkeit des Zuwendungsverhältnisses zur Kapitalgesellschaft ergeben können.3
II. Steuerbarkeit von Zuwendungen als vGA 1. Allgemeines Im Nachgang zu einem obiter dictum des Zweiten Senats des BFH aus dem Jahr 2007 wurde be- 152 fürchtet, es käme zu Zuwendungen einer Kapitalgesellschaft an deren Gesellschafter in den Fällen verdeckter Gewinnausschüttungen. Diese wären in Steuerklasse III zu besteuern.4 Eine ausdrückliche Entscheidung über die Steuerbarkeit blieb aufgrund der bloßen Andeutungen durch diese BFH-Rechtsprechung aus.5 Ausgangspunkt der Entscheidung war, dass der BFH in überhöhten Vergütungen einer GmbH an die Ehefrau des Gesellschafters keine freigiebige Zuwendung des veranlassenden Gesellschafters an die nahestehende Person erblickte. In den Urteilsgründen erwähnte der BFH jedoch, dass allenfalls eine Vermögensverschiebung zwischen Gesellschaft und empfangendem Angehörigen in Betracht komme. Offensichtlich als Reaktion auf diese Rechtsprechung wurde § 15 Abs. 4 ErbStG eingeführt, ins- 153 besondere mit dem Ziel, im Falle der Zuwendung durch eine Kapitalgesellschaft abhängig vom Näheverhältnis des Erwerbers zum veranlassenden Zuwendenden die Steuerklassen I und II anwenden zu können.6 Nach Ansicht der Finanzverwaltung7 greift die Privilegierungswirkung der Vorschrift nicht nur im Rahmen verdeckter Gewinnausschüttungen, sondern auch für Schenkungen i.S.d. § 7 Abs. 8 ErbStG, soweit eine Zuwendung durch eine Kapitalgesellschaft auftritt.8
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BFH v. 9.7.2009 – II R 42/07, BFH/NV 2009, 1994 ff. BeitrRLUmsG v. 7.12.2011, BGBl. I 2011, 2592. BT-Drucks. 17/7524, 21. BFH v. 7.11.2007 – II R 28/06, BStBl. II 2008, 258 = FR 2008, 585 = ErbStB 2008, 99; insoweit aber zweifelnd: S. Viskorf/Haag/Kerstan, NWB 2012, 927 (939). Vgl. die Verneinung der Schenkungsteuerbarkeit bei 100 % Gesellschaftern, RFH v. 21.1.1943 – III e 38/41, RFHE 1941, 325 (326). BT-Drucks. 17/7524, 21. Gleich lautender Erlass v. 14.3.2012, BStBl. I 2012, 331, Rz. 6.6. So auch die Gesetzesbegründung: BT-Drucks. 17/7524, 21.
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§ 15 ErbStG Rz. 154 Steuerklassen 2. Verdeckte Gewinnausschüttungen an Gesellschafter 154 Die Finanzverwaltung1 und einige Autoren2 erblicken in der gesetzlichen Einfügung des § 15 Abs. 4
ErbStG zugleich eine mittelbare Klarstellung der Schenkungsteuerbarkeit3 entsprechender Übertragungen, so dass eine verdeckte Gewinnausschüttung neben ertragsteuerlichen Folgen auch schenkungsteuerliche Folgen nach sich ziehen würde.4 155 Die jüngere BFH-Rechtsprechung will zumindest die Gewährung eines unangemessenen Vermö-
gensvorteils durch eine Kapitalgesellschaft an einen ihrer Gesellschafter nur unter den ertragsteuerrechtlichen Gesichtspunkten einer vGA würdigen, nicht aber zusätzlich als freigebige Zuwendung i.S.d. § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG einstufen.5 Der dem Urteil zugrunde liegende Streitfall betraf allerdings die Streitjahre 2007 und 2008 und die Rechtslage vor Einführung des § 15 Abs. 4 ErbStG und damit Jahre vor der evtl. Klarstellung des Gesetzgebers zum Anwendungsbereich des § 7 Abs. 1 ErbStG in Fällen der vGA. Allerdings erscheint es zweifelhaft sowohl aufgrund der Äußerungen der BFHRichter des zuständigen Senats6 als auch aufgrund der Urteilsgründe, dass dieser zeitliche Unterschied für den BFH tatsächlich einen Unterschied machen wird. 3. Schenkungen bei vGA an eine dem Gesellschafter nahestehende Person 156 Stimmen aus der Finanzverwaltung7 erblicken – auch unter Berücksichtigung der BFH-rechtspre-
chung – ebenso wie finanzgerichtliche Urteile8 einen verbleibenden Anwendungsbereich des § 15 Abs. 4 ErbStG in vGA an nahestehende Personen eines Gesellschafters. Schließlich habe der BFH9 keineswegs entschieden, dass Zuwendungen an nahestehende Personen der Gesellschafter allein ertragsteuerlich relevant seien, da der Urteilsfall eine vGA an den Gesellschafter betraf. Dies ist getragen von der Überlegung, dass die Schenkung des Gesellschafters an die nahestehende Person schenkungsteuerbar ist, was nicht durch Zuwendungen durch verdeckte Gewinnausschüttungen durch Zwischenschaltung einer GmbH umgangen werden soll.10 Andere11 hingegen verstehen die Urteilsgründe des BFH allgemeiner, so dass in allen Fällen einer vGA nur ertragsteuerliche und keine schenkungsteuerlichen Folgen gezogen werden können, auch wenn diese an eine dem Gesellschafter nahestehende Person erfolgt.12 Diese Ansicht wird nun vom BFH13 und dem FG Münster14 vertreten, allerdings wiederum für verdeckte Gewinnausschüttungen in Jahren vor der Einfügung des § 15 Abs. 4 ErbStG. 157 In Gestaltungsfällen ist der gegenteilige Erlass der Finanzverwaltung aber zu beachten, der sowohl
die vGA an den Gesellschafter wie auch an eine diesem nahestehende Person aufgrund eines schenkungsteuerpflichtigen Vorgangs unter § 15 Abs. 4 ErbStG fasst.15 Dieser Erlass gilt ungeachtet der Rechtsprechung des BFH fort, die über den entschiedenen Einzelfall hinaus16 von der Verwaltung nicht angewandt wird.17 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17
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Gleich lautender Erlass v. 14.3.2012, BStBl. I 2012, 331. Kiebele, LEXinform aktuell 2013, 37. Korezkij, DStR 2012, 163 (166); Schulte/Sedemund, BB 2011, 2080 (2083); Kiebele, LEXinform-aktuell 2013 37. Zu den Voraussetzungen insb. beim Abschluss unausgewogener Verträge gleich lautender Erlass v. 14.3.2012, BStBl. I 2012, 331, Rz. 2.6.1. BFH v. 30.1.2013 – II R 6/12, BFH/NV 2013, 846. Loose, DB 2013, 1080 (1083). Van Lishaut, ZEV 2016, 19; Erkis, DStR 2016, 350. FG Düsseldorf v. 19.8.2009 – 4 K 1477/09 Erb, EFG 2011, 1994 (rkr). BFH v. 30.1.2013 – II R 6/12, BFH/NV 2013, 846. BT-Drucks. 17/7524, 21. Götz, ZEV 2015, 624 (627); Binnewies, GmbHR 2013, 449 (451). Zu fortbestehenden Zweifeln an der Schenkungsteuerbarkeit nach der Einfügung des § 15 Abs. 4 ErbStG Potsch/Urbach, KÖSDI 2012, 17747 (17743 ff.); S. Viskorf/Haag/Kerstan, NWB 2012, 927 (939); Crezelius, ZEV 2011, 393 (396); Fuhrmann/Pötsch, NZG 2012, 681. BFV v. 2.9.2015 – II B 146/14, BFH/NV 2015, 1586. FG Münster v. 22.10.2015 – 3 K 986/13 Erb, DStR 2016, 400. Gleich lautender Erlass v. 14.3.2012, BStBl. I 2012, 331. Gleich lautender Erlass v. 5.6.2013, BStBl I 2013, 1465. Erkis, DStR 2016, 350 (352).
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Kapitalgesellschaften oder Genossenschaften
Rz. 163 § 15 ErbStG
Allgemein sieht der BFH in seiner jüngeren Rechtsprechung die gleichzeitige Erhebung von Ein- 158 kommen- und Schenkungsteuer durch eine Maßnahme kritisch.1 Hätte tatsächlich eine Steuerbarkeit der verdeckten Gewinnausschüttung geregelt werden sollen, hätte es einer ausdrücklichen Regelung der Steuerbarkeit bedurft (vgl. eingehend § 7 ErbStG Rz. 27 ff.). Durch die Klarstellung des BFH, dass § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG verdeckte Gewinnausschüttungen gerade nicht umfasst, dürfte dies auch nach der Einführung des § 15 Abs. 4 ErbStG nicht möglich sein, da die gesetzliche Ausgangslage bei den Erwerbstatbeständen unverändert geblieben ist. Folgt man dem, verbleibt § 15 Abs. 4 ErbStG in der Anwendungspraxis kein wesentlicher Anwendungsbereich.
III. Zuwendungsverhältnis im Anwendungsbereich des Abs. 4 Zuwendender bleibt stets die Kapitalgesellschaft ungeachtet der Fiktion des § 15 Abs. 4 ErbStG.2 Ne- 159 ben der schenkungsteuerlichen Zuwendung besteht aber auch eine Ertragsteuerpflicht nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG, die bei Vorteilsgewährung an nahestehende Personen dem jeweiligen Gesellschafter zugerechnet wird.3
IV. Besteuerung nach dem persönlichen Verhältnis zum Veranlasser 1. Verbesserung der Steuerklasse Mit der Einführung des § 15 Abs. 4 ErbStG können schenkungsteuerbare Erwerbe von einer Kapital- 160 gesellschaft in einer günstigeren Steuerklasse besteuert werden, nicht aber zwingend in Steuerklasse III. Die Besteuerung richtet sich daher an dem Näheverhältnis aus, das im Verhältnis des Erwerbers zu der unmittelbar oder mittelbar beteiligten natürlichen Person oder Stiftung zugrunde liegt, die die Zuwendung veranlasste. Abzustellen ist daher nicht auf die zuwendende Person, sondern auf den Urheber der Ausführung der Zuwendung. Vorgelagert bleibt stets die Frage, ob überhaupt eine steuerpflichtige Zuwendung anzunehmen ist. 2. Veranlasser Für die Bestimmung der maßgebenden Steuerklasse stellt § 15 Abs. 4 ErbStG auf den „Veranlasser“ 161 ab. Der Begriff des „Veranlassens“ ist im ErbStG in dieser Verwendung neu. Bislang wurde dieser Begriff in § 14 Abs. 3 und § 20 Abs. 4 ErbStG zwar verwendet, allerdings in einem anderen Zusammenhang, da es dort um die Steuer geht, die durch einen Erwerb veranlasst wird.4 Im Einzelfall kann aufgrund der Neuartigkeit des Rechtsbegriffs eine Abgrenzungsschwierigkeit aufkommen. Dabei sollte als Veranlasser derjenige verstanden werden, der durch sein Handeln oder Unterlassen 162 kausal die Vermögensmehrung durch die Kapitalgesellschaft verursacht hat. Wird die zuwendende Kapitalgesellschaft über eine andere Personen- oder Kapitalgesellschaft gehal- 163 ten (mittelbare Beteiligung), so ist die hinter der vermittelnden Gesellschaft stehende natürliche Person, die die Zuwendung angewiesen hat, nach dem Wortlaut als Veranlasser heranzuziehen.5 Ist die veranlassende Person eine Stiftung, so ist aber nicht auf die für diese Stiftung handelnden Organe abzustellen; in diesem Fall bleibt es mangels Näheverhältnis zur Stiftung bei der Anwendung der Steuerklasse III für die Zuwendung der Kapitalgesellschaft.
1 Zu Zweifeln an der Doppelbelastung mit Einkommen- und Schenkungsteuer allg.: BFH v. 12.9.2001 – VIII B 70/09, ErbStB 2012, 32 = BFH/NV 2012, 229; BFH v. 21.7.2014 – II B 40/14, BFH/NV 2014, 1554. 2 Gleich lautender Ländererlass v. 14.3.2012, BStBl. I 2012, 331, Rz. 6.2. 3 Crezelius, ZEV 2011, 393 (396), der daraus eine mögliche Besteuerung nur im Verhältnis zum Gesellschafter annimmt, dem die Person nahe steht. 4 Korezkij, DStR 2012, 163 (166). 5 Geck in Kapp/Ebeling, § 15 ErbStG Rz. 97 (Stand: April 2013).
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§ 15 ErbStG Rz. 164 Steuerklassen 164 Kommen mehrere Personen als Veranlassende in Betracht, kann zunächst eine quotale Mitveranlas-
sung aller Beteiligten nach Ansicht der Finanzverwaltung angenommen werden.1 Es besteht aber auch die Möglichkeit, konkret darzulegen, welche Person die Zuwendung veranlasst hat.2 Vor dem Hintergrund der konkreten Darlegung der Veranlassung wird angedacht, bei einer GmbH, an der hälftig die Ehemänner A und B beteiligt sind, eine gleich hohe vGA an die beiden Ehefrauen durch überhöhte Gehaltszahlung voll dem jeweiligen Ehemann als Veranlassendem zuzurechnen.3 165 Insgesamt wird die Finanzverwaltung entsprechend dem Erlass grds. mehrere Gesellschafter als Ver-
anlassende i.S.d. § 15 Abs. 4 ErbStG heranziehen wollen, da das „in Betracht kommen können“ genügen soll. Vor dem Hintergrund des Untersuchungsgrundsatzes nach § 88 Abs. 1 Satz 1 AO kann aus diesen Ausführungen der Finanzverwaltung aber keine Darlegungslast des Steuerpflichtigen folgen. 3. Besteuerung der Zuwendung an den Gesellschafter selbst 166 Der Veranlasser gilt zwar als Zuwendender für die Steuerklassenbestimmung, das Zuwendungsver-
hältnis bleibt aber unberührt. Die Regelung wirft aber bei Zuwendungen an Gesellschafter weitere Fragen auf, soweit mit der Finanzverwaltung entgegen der BFH-Rechtsprechung von der Erfüllung eines Zuwendungstatbestands ausgegangen wird. Bei Zuwendungen an einen Gesellschafter scheidet aber auch nach Ansicht der Finanzverwaltung der Zuwendungstatbestand in Höhe der Quote aus, zu der der erwerbende Gesellschafter am Nennkapital der Gesellschaft beteiligt ist; die in Rz. 93 f. für Zuwendungen von Stiftungen an den Stifter gestellte Steuerklassenproblematik für fiktive Zuwendungen an sich selbst stellt sich daher im Rahmen des § 15 Abs. 4 ErbStG nicht.4 Dies sollte unabhängig davon gelten, ob der empfangende Gesellschafter auch (Mit-)Veranlasser ist, da dies eine bloße Ausschüttung des anteilig auf ihn entfallenden Gesellschaftsvermögens darstellt.5 4. Veranlasser bei Fremdgeschäftsführung 167 Gemäß dem Erlass der Finanzverwaltung ist für die Frage der Veranlassung zur Bestimmung der
Steuerklassenprivilegierung nach § 15 Abs. 4 ErbStG nur auf den Gesellschafter abzustellen.6 Eine Veranlassung durch den Fremdgeschäftsführer wird nicht thematisiert, wenngleich Kapitalgesellschaften durch den Geschäftsführer als Organ handeln gem. § 35 GmbHG. 168 Teils7 wird erwogen, auch Zuwendungen des Fremdgeschäftsführers als Veranlassendem zu prüfen,
da dieser handelt. Nach dieser Ansicht soll die Privilegierung des § 15 Abs. 4 ErbStG für nichtvertretungsberechtigte Gesellschafter auch nicht eingreifen können, da diese nicht nach außen hin handeln und damit nicht Veranlassende sein sollen. Dies ist als zu eng abzulehnen.8 169 Die Gesetzesbegründung unterstreicht, dass als Veranlassender nur der Gesellschafter, nicht aber der
Fremdgeschäftsführer in Betracht kommt.9 Nur diesem sind die evtl. Zuwendungen zuzuordnen.10 Regelmäßig wird der Fremdgeschäftsführer bereits wegen seiner Verantwortlichkeit in Abstimmung mit zumindest einem (Mehrheits-)Gesellschafter eine vGA vornehmen, dem diese dann als Veranlassendem zuzurechnen ist; eines Abstellens auf den Geschäftsführer bedarf es dann nicht. Ein unmittelbares Handeln nach außen im Rechtsverkehr durch den Veranlassenden ist ebenfalls weder nach dem Wortlaut noch nach der Gesetzesbegründung erforderlich, so dass auch nichtvertretungsberechtigte Gesellschafter Veranlassende sein können, solange ihnen das Handeln zurechenbar ist. Auch offene Gewinnausschüttungen werden von den Gesellschaftern veranlasst, ohne dass deren Vertre-
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10
668
Gleich lautender Erlass v. 14.3.2012, BStBl. I 2012, 331, Rz. 6.4. Gleich lautender Ländererlass v. 14.3.2012, BStBl. I 2012, 331. Geck in Kapp/Ebeling, § 15 ErbStG Rz. 98 (Stand: April 2013). Gleich lautender Ländererlass v. 14.3.2012, BStBl. I 2012, 331, 2.6.2. Höne, UVR 2012, 10 (19). Gleich lautender Erlass v. 14.3.2012, BStBl. I 2012, 331, Rz. 2.6.1. Hartmann, ErbStB 2012, 84 (88). Jülicher in T/G/J, § 15 ErbStG Rz. 182 (Stand: Juli 2015). BT-Drucks. 17/7524, 21. Weinmann in Moench/Weinmann, § 15 ErbStG Rz. 56, 59 (Stand: September 2016).
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Kapitalgesellschaften oder Genossenschaften
Rz. 173 § 15 ErbStG
tungsberechtigung erforderlich ist. Die Umsetzung der Beschlüsse wird nach außen vom Geschäftsführer vollzogen.
V. Zusammenrechnung von Erwerben § 15 Abs. 4 ErbStG ordnet separat eine Zusammenrechnung mit früheren Erwerben nach § 14 170 ErbStG an, die von dem veranlassenden Gesellschafter geleistet wurden. Die Zusammenrechnung der Zuwendung von der Kapitalgesellschaft mit Zuwendungen des veranlassenden Gesellschafters führt daher zu einer Gesamtbetrachtung,1 obwohl zwei unterschiedliche Zuwendende vorliegen (Gesellschafter und Gesellschaft). Der BFH2 begrenzt an anderer Stelle die Fiktion des § 15 Abs. 2 Satz 2 ErbStG auf die Steuerermittlung und dabei konkret auf die Steuerklassenbestimmung. Wegen der eindeutigen gesetzlichen Regelung ist der Regelungsbereich des § 15 Abs. 4 ErbStG weiter als der des § 15 Abs. 2 Satz 2 ErbStG.3
VI. Genossenschaften Die Privilegierung gilt neben Zuwendungen von Kapitalgesellschaften auch für Zuwendungen von 171 Genossenschaften. Soweit vereinzelt in der Literatur4 angenommen wird, dass entgegen der Rspr. des BFH5 die GbR, OHG und KG als mögliche Zuwendende oder Empfänger in Betracht kommen, dürfte durch die Einfügung des § 15 Abs. 4 ErbStG nach dem gesetzgeberischen Willen anderes gelten. Schließlich verzichtet § 15 Abs. 4 ErbStG ausschließlich auf die Bezugnahme von Personengesellschaften. Nicht einzusehen ist, andererseits, weshalb die Zuwendung von einer Kapitalgesellschaft als juristische Person schenkungsteuerliche Privilegierungen erfahren soll, nicht aber die Zuwendung von einer Personengesellschaft. Mit dem BFH stellt sich diese Frage aber bereits nicht, da die Personengesellschaft nicht Zuwendender sein kann.6 In der Verwaltungspraxis ist zu beachten, dass sich das für die Besteuerung der Zuwendung einer 172 Kapitalgesellschaft zuständige Erbschaftsteuerfinanzamt mit dem Erbschaftsteuerfinanzamt in Verbindung zu setzen hat, das für eine Besteuerung einer Direktzuwendung des veranlassenden Gesellschafters nach § 35 ErbStG zuständig wäre. Auf diese Weise soll das erstgenannte Finanzamt Vorschenkungen und die erforderlichen Informationen von dem anderen Erbschaftsteuerfinanzamt erhalten.7 Anwendungszeitraum: Die Steuersatzprivilegierung des § 15 Abs. 4 gilt nur für Erwerbe, für die die 173 Steuer nach dem 13.12.2011 entsteht. Dies folgt aus der Übergangsvorschrift des § 37 Abs. 7 ErbStG.
1 2 3 4 5 6 7
Gleich lautender Ländererlass v. 14.3.2012, BStBl. I 2012, 331, 6.3. BFH v. 30.11.2009 – II R 6/07, BStBl. II 2010, 237 = FR 2010, 488 = ErbStB 2010, 93. Siehe hierzu von Oertzen/Stein, ZEV 2010, 500. Hartmann in Gürsching/Stenger, § 7 ErbStG Rz. 205 ff. (Stand: Januar 2016). BFH v. 14.9.1994 – II R 95/92, BStBl. II 1995, 81. BFH v. 14.9.1994 – II R 95/92, BStBl. II 1995, 81. Gleich lautender Ländererlass v. 14.3.2012, BStBl. I 2012, 331, 6.5.
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669
§ 16 Freibeträge (1) Steuerfrei bleibt in den Fällen der unbeschränkten Steuerpflicht (§ 2 Absatz 1 Nummer 1 und Absatz 3)1 der Erwerb 1. des Ehegatten und des Lebenspartners in Höhe von 500 000 Euro; 2. der Kinder im Sinne der Steuerklasse I Nr. 2 und der Kinder verstorbener Kinder im Sinne der Steuerklasse I Nr. 2 in Höhe von 400 000 Euro; 3. der Kinder der Kinder im Sinne der Steuerklasse I Nr. 2 in Höhe von 200 000 Euro; 4. der übrigen Personen der Steuerklasse I in Höhe von 100 000 Euro; 5. der Personen der Steuerklasse II in Höhe von 20 000 Euro; 6. (aufgehoben) 7. der übrigen Personen der Steuerklasse III in Höhe von 20 000 Euro. (2)2 An die Stelle des Freibetrags nach Absatz 1 tritt in den Fällen der beschränkten Steuerpflicht (§ 2 Absatz 1 Nummer 3) ein Freibetrag von 2 000 Euro. A. I. II. III.
Grundaussagen der Vorschrift. . . . . . . . . . Regelungsgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . Bedeutung und Telos . . . . . . . . . . . . . . . . . Geltungsbereich und Verhältnis zu anderen Vorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Rechtsentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3 4
B. Der Erwerb als Anknüpfungsgegenstand des § 16 ErbStG und Zusammenrechnungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
5
C. Freibeträge bei unbeschränkter Steuerpflicht (Abs. 1) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Unbeschränkte Steuerpflicht – Anknüpfung an das persönliche Verhältnis . . . . . . . . . . .
1 1 2
13
II. Ehegatten, Lebenspartner (Abs. 1 Nr. 1) . . . . III. Kinder und Kinder vorverstorbener Kinder (Abs. 1 Nr. 2). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Weitere Freibeträge für Personen der Steuerklasse I (Abs. 1 Nr. 3 und Nr. 4) . . . . . . . . . . V. Personen der Steuerklasse II und III (Abs. 1 Nr. 5 und Nr. 7) . . . . . . . . . . . . . . . . D. Freibeträge bei beschränkter Steuerpflicht (Abs. 2) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
15 18 23 25 26
E. Gestaltungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 F. Geplante Neuregelungen . . . . . . . . . . . . . . 39
13
Literatur: Fiedler, Entwurf eines StÄndG 2001: Wegfall des 2/3-Wertes und verbleibende erbschaftsteuerliche Besonderheiten bei der Bewertung von Lebensversicherungen, DStR 2001, 1648; Jeremias, Erbschaftsteuerliche Aspekte des Zugewinnausgleichs in internationalen Erbfällen, ZEV 2005, 414; Münch, Ehebezogene Rechtsgeschäfte, 4. Aufl. 2015; Reich, Die ertragsteuerliche Behandlung der Ausschlagung einer Erbschaft durch den Alleinerben gegen wiederkehrende Leistungen, DStR 2011, 2030; Schamburg, Erbschaftsteuerliche Berechnung des Zugewinns bei beschränkter Erbschaftsteuerpflicht, DB 1986, 1948; Siebert, Die taktische Ausschlagung, ZEV 2010, 454; Stein, Vermeidung von Veräußerungsgewinnen bei Beendigung der Zugewinngemeinschaft – Vorteile eines gegenstandsbezogenen Zugewinnausgleichs durch Ehevertrag, DStR 2012, 1063; Stein, Das aufschiebend bedingte Vermächtnis: Eine Möglichkeit zur mehrfachen Nutzung der Steuerfreibeträge zur Steueroptimierung, ZEV 2011, 572; Stein, § 5 ErbStG: Steuerfreistellung aufgrund rückwirkender Vereinbarung der Zugewinngemeinschaft, ErbBStg 2012, 215; Vogt, Der „maximale Erbschaftsteuerfreibetrag“ nach der Umstellung auf Euro, DStR 2001, 1148; von Oertzen/Stein, Erbschaftsteuerplanung bei beschränkt Steuerpflichtigen, in Grotherr, Handbuch der internationalen Steuerplanung, 3. Aufl. 2011; von Oertzen, Fiktiver Zugewinnausgleich gem. § 5 Abs. 1 ErbStG bei grenzüberschreitendem Sachverhalt, ZEV 1994, 93. 1 Gemäß Art. 4 Nr. 2 Buchst. a des Gesetzentwurfs der Bundesregierung v. 21.12.2016 zum Steuerumgehungsbekämpfungsgesetz (StUmgBG) sollen in dem Satzteil vor Nr. 1 die Wörter „und Absatz 3 “ gestrichen werden. 2 Gemäß Art. 4 Nr. 2 Buchst. a des Gesetzentwurfs der Bundesregierung v. 21.12.2016 zum Steuerumgehungsbekämpfungsgesetz (StUmgBG) soll Absatz 2 wie folgt gefasst werden: „(2) In den Fällen der beschränkten Steuerpflicht (§ 2 Absatz 1 Nummer 3) wird der Freibetrag nach Absatz 1 um einen Teilbetrag gemindert. Dieser Teilbetrag entspricht dem Verhältnis der Summe der Werte des in demselben Zeitpunkt erworbenen, nicht der beschränkten Steuerpflicht unterliegenden Vermögens und derjenigen, nicht der beschränkten Steuerpflicht unterliegenden Vermögensvorteile, die innerhalb von zehn Jahren von derselben Person angefallen sind, zum Wert des Vermögens, das insgesamt innerhalb von zehn Jahren von derselben Person angefallen ist. Die früheren Erwerbe sind mit ihrem früheren Wert anzusetzen.“
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§ 16 ErbStG Rz. 1 Freibeträge
A. Grundaussagen der Vorschrift I. Regelungsgegenstand 1 § 16 ErbStG gewährt für einen Erwerb nach dem ErbStG einen persönlichen Freibetrag. Der per-
sönliche Freibetrag verändert sich mit dem Näheverhältnis zwischen Zuwendendem und Erwerber. Das maßgebende Nähekriterium für die Anwendung der Freibeträge ergibt sich aus § 15 ErbStG als Grundnorm der Steuerberechnungsvorschriften. Insofern knüpft § 16 ErbStG an eine Einordnung nach § 15 ErbStG an.1 Der persönliche Freibetrag unterscheidet sich dabei vom sachlichen Freibetrag, der regelmäßig unabhängig vom Näheverhältnis gewährt wird.
II. Bedeutung und Telos 2 Die Bedeutung und der Zweck der Norm liegen darin, kleinere Erwerbe steuerfrei zu stellen. Zu-
gleich ist die Norm Ausdruck einer Vorgabe des BVerfG.2 Das Gericht fordert die Möglichkeit steuerfreier Übertragung kleinerer Vermögen im Familienkreis. Die Freistellung basiert auf dem Familiengebrauchsvermögen. Die der Steuerfreistellung zugrunde liegende Typisierung soll so bemessen sein, dass ein übliches Einfamilienhaus auch in teuren Ballungsgebieten ohne Steuerbelastung im Familienkreis übergehen kann.3
III. Geltungsbereich und Verhältnis zu anderen Vorschriften 3 Im Unterschied zu den in anderen Ländern, beispielsweise in den USA, vorzufindenden Nachlass-
steuersystemen wird ein Freibetrag im Verhältnis eines jeden Erwerbers zum Zuwendenden gewährt.4 In Nachlasssteuersystemen wird hingegen ein Freibetrag nur einmal und für den gesamten Nachlass gewährt. Diese persönlichen Freibeträge treten neben die sachlichen Freibeträge.
IV. Rechtsentwicklung 4 Persönliche Freibeträge, die mit zunehmendem Näheverhältnis ansteigen, sind bereits seit dem
ErbStG 1922 bekannt. Die Höhe der Freibeträge variiert erheblich. Während im ErbStG 1974 für die damals geltenden vier Steuerklassen Freibeträge in Höhe von DM 3 000 bis DM 250 000 gewährt wurden, ist diese Spanne zuletzt durch das ErbStRefG v. 24.12.2008 auf Euro 20 000 bis Euro 500 000 angestiegen. Einen Überblick über die Entwicklungen und die Freibetragshöhe über die Jahre gibt die Tabelle unter Rz. 25.
B. Der Erwerb als Anknüpfungsgegenstand des § 16 ErbStG und Zusammenrechnungen 5 Angeknüpft wird für die Freibetragsgewährung an den jeweiligen Erwerb. Was ein Erwerb ist, folgt
aus §§ 3 und 7 ErbStG. Bei der Freibetragsgewährung nach § 16 ErbStG werden Erwerbe von Todes wegen und Erwerbe unter Lebenden gleichbehandelt. Die Normen ordnen ein, welche Tatbestände zur jeweiligen Erwerbsart gehören.5 Für Schenkungen unter Lebenden nach § 7 ErbStG zeigt sich diese Differenzierung bereits an der Verschiedenartigkeit der als Erwerbsvorgang aufgeführten Tatbestände. Mehrere zugewandte Vermögensgegenstände einer freigebigen Zuwendung sind nach RE 7.4 Abs. 3 Satz 1 ErbStR 2011 zu einem einheitlichen Steuerwert der Gesamtschenkung zusam1 2 3 4 5
Zu Differenzierungen bei sachlichen Freibeträgen § 13 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG. BVerfG v. 22.6.1995 – 2 BvR 552/91, BStBl. II 1995, 671 (673). BT-Drucks. 16/7918, 37. BT-Drucks. 16/7918, 37. Gebel in T/G/J, § 3 ErbStG Rz. 1 (Stand: Oktovber 2014).
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Erwerb und Zusammenrechnungen
Rz. 10 § 16 ErbStG
menzufassen. Allerdings ist § 14 ErbStG zu beachten, wonach Erwerbe im Zehnjahreszeitraum zusammenzurechnen sind. Daneben ist für die Bestimmung eines Erwerbes auch entscheidend, dass ein einheitlicher Zuwendungszeitpunkt bei der Übertragung mehrerer Vermögensgegenstände besteht. Bei Erwerben von Todes wegen ist bedeutsam, dass verschiedene Erwerbe auch vorliegen, wenn es sich zwar um dieselbe Erwerbsmodalität handelt, diese aber nach § 9 ErbStG zu unterschiedlichen Zeitpunkten entstehen.1 Dies gilt etwa, wenn zwei Vermächtnisse ausgesetzt sind, die allerdings zu unterschiedlichen Zeitpunkten entstehen2 oder wenn Auszahlungen aus der Brandschutzversicherung des Erblassers erst etliche Zeit nach dem Tod ausbezahlt werden und bei diesen Ansprüchen aufgrund der Prüfungspflicht der Versicherung die Höhe und auch die Frage nach dem Ob im Todeszeitpunkt unsicher waren.3 Der Freibetrag nach § 16 ErbStG wird für jeden einzelnen Erwerb gewährt. Durch die bloße Ausset- 6 zung mehrerer Vermächtnisse oder durch Ausführung verschiedener Erwerbstatbestände im gleichen Erwerbsverhältnis ist es trotz des Vorliegens verschiedener Erwerbe nicht möglich, mehrere Freibeträge nach § 16 ErbStG in Anspruch zu nehmen. Dies sichert die Zusammenrechnungsvorschrift des § 14 ErbStG.4 Erfolgen im Zehnjahreszeitraum gem. § 14 ErbStG mehrere Erwerbe in demselben Zuwendungsver- 7 hältnis, in dem einzelne Erwerbe zusammengerechnet werden, gilt der Freibetrag nicht bereits mit dem ersten Erwerb als vollständig verbraucht. Vielmehr kann er bei weiteren Erwerben in dem Umfang in Anspruch genommen werden, der durch die vorangegangenen Erwerbe im Zehnjahreszeitraum nicht in Anspruch genommen wurde. Die Anknüpfung an den „Erwerb“ stellt auf das konkrete Zuwendungsverhältnis ab. Dabei eröffnet 8 jeder Zuwendende ein eigenständiges Erwerbsverhältnis zum Empfänger. Wenden mehrere Personen gemeinschaftlich einer Person einen Vermögensvorteil zu – etwa beide Eltern schenken an das Kind – so liegen zwei Erwerbe vor. Dies ist je ein Erwerb von jedem Elternteil. Entsprechend können auch verschiedene Freibeträge nach § 16 ErbStG in Anspruch genommen werden. Abzugrenzen sind sog. Kettenschenkungen. Eine Kettenschenkung zeichnet sich dadurch aus, dass 9 ein Zwischenerwerber keinen eigenen Entscheidungsspielraum hinsichtlich einer eigenen Zuwendung hat, so dass die charakteristischen Eigenschaften eines Erwerbs nicht vorliegen. Bei Weiterübertragungen des Schenkungsgegenstands durch das Kind des Schenkers an dessen Ehegatten (das Schwiegerkind) wurde eine Kettenschenkung aber selbst dann verneint, wenn die Weiterschenkung mit notariellem Vertrag erfolgt, der die auf die ursprüngliche Schenkung folgende Urkundennummer trägt, solange in der Ursprungsschenkung keine ausdrückliche Verpflichtung hierzu vereinbart wurde. Die Bestimmung der Kettenschenkung erfolgt unter Berücksichtigung der abgeschlossenen Verträge, ihrer inhaltlichen Abstimmung untereinander sowie der mit der Vertragsgestaltung erkennbar angestrebten Ziele der Vertragsparteien. Bei Kettenschenkungen mit dem Schwiegerkind als Endbegünstigtem soll nach dem BFH davon auszugehen sein, dass die Eltern gerade nicht die Endbegünstigung des Schwiegerkindes sondern die Begünstigung ihres Kindes anstrebten.5 Steuerlich wird dies als Schenkung der Zuwendenden behandelt.6 Bei Erwerbsfolgen über einen Zehn-Jahreszeitraum hinaus, lebt der „verbrauchte“ Freibetrag wie- 10 der auf. Die erste Schenkung nach Ablauf eines Zehn-Jahreszeitraums nach § 14 ErbStG kann einen Freibetrag in der Höhe beanspruchen, in der er durch die nunmehr nicht mehr innerhalb des ZehnJahreszeitraums liegende Schenkung bislang verbraucht war.7 Sind in der Vergangenheit mehrere Schenkungen erfolgt und ist nur für einen Teil der Schenkungen der zehnjährige Zusammenrechnungszeitraum abgelaufen, kann es zu einem teilweisen Aufleben des Freibetrages kommen. Sind Freibeträge aufgrund eines erhöhten Freibetrages durch Gesetzesänderung oder Änderung des per-
1 2 3 4 5 6 7
BFH v. 2.3.2006 – II R 57/04, ErbStB 2006, 213 = ZEV 2006, 373. BFH v. 18.5.1966 – II 167/62, BStBl. III 1966, 593. BFH v. 2.3.2006 – II R 57/04, ErbStB 2006, 213 = ZEV 2006, 373. Siehe hierzu Stein, ZEV 2011, 572; BFH v. 18.5.1966 – II 167/62, BStBl. III 1966, 593. BFH v. 18.7.2013 – II R 37/11, BStBl. II 2013, 934. BFH v. 30.11.2011 – II B 60/11, ErbStB 2012, 100 = MittBayNot 2012, 250. BFH v. 17.11.1977 – II R 66/78, BStBl. II 1978, 220.
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§ 16 ErbStG Rz. 11 Freibeträge sönlichen Verhältnisses anwendbar, so kann die Differenz aus dem bislang in Anspruch genommenen Freibetrag zum nunmehr höheren Freibetrag genutzt werden. 11
Aufgrund der Stellung der persönlichen Freibeträge im dritten Abschnitt des ErbStG sind diese systematisch nach den sachlichen Freibeträgen, etwa § 13 Abs. 1 Nr. 1a ErbStG, oder den Verschonungsabschlägen nach § 13b Abs. 4 ErbStG und dem Abzugsbetrag nach § 13a Abs. 2 ErbStG zu berücksichtigen. Hingegen findet der persönliche Freibetrag vor dem Versorgungsfreibetrag nach § 17 ErbStG Berücksichtigung.
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In Unterscheidung zu einer Freigrenze, beispielsweise § 22 ErbStG, wird der Freibetrag in jedem Fall gewährt. Ein Erwerb bleibt in Höhe des Freibetrages auch im Falle des Übersteigens des Freibetrages insoweit steuerfrei. Durch den Abzug der Steuerfreibeträge wird die Bemessungsgrundlage ermittelt, auf die die Steuersätze nach § 19 ErbStG im nächsten Schritt anzuwenden sind.
C. Freibeträge bei unbeschränkter Steuerpflicht (Abs. 1) I. Unbeschränkte Steuerpflicht – Anknüpfung an das persönliche Verhältnis 13
§ 16 ErbStG unterscheidet dem Grunde nach zwischen unbeschränkt und beschränkt steuerpflichtigen Erwerben, was sich an der Einordnung der §§ 2 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 3 ErbStG ergibt. Eine unbeschränkte Steuerpflicht kann auch aus der Ausübung des Optionsrechts nach § 2 Abs. 3 ErbStG folgen, die für beschränkt steuerpflichtige Erwerbe von oder durch Personen mit Wohnsitz in der EU/EWR eröffnet wird. Während bei unbeschränkter Steuerpflicht Freibeträge in unterschiedlicher Höhe gewährt werden, ist für Erwerbe beschränkt Steuerpflichtiger nach § 16 Abs. 2 ErbStG nur ein einheitlicher Freibetrag von 2 000 Euro zu gewähren (s. hierzu aber Rz. 28 f.).
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Die Freibetragshöhe ist aus dem persönlichen Verhältnis zwischen Zuwendendem und Erwerber im Zuwendungszeitpunkt zu ermitteln. Die Freibeträge im ErbStG sind allerdings nicht inflationsangepasst. Die Freibeträge werden aus diesem Grund laufend entwertet. Die Gruppierungen des § 16 ErbStG weisen Besonderheiten auf. So nimmt § 15 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG in Steuerklasse III auf die Abkömmlinge der Kinder insgesamt Bezug, während für die Freibeträge zwischen Zuwendungen an Enkel und Urenkel weiter differenziert wird. Letztere erhalten einen geringeren Freibetrag. Die Steuerfreibeträge der Enkelkinder sind allerdings auch nicht einheitlich, sondern werden dadurch beeinflusst, ob der die Verwandtschaft vermittelnde Elternteil noch lebt oder vorverstorben ist.
II. Ehegatten, Lebenspartner (Abs. 1 Nr. 1) 15
Ehegatten und eingetragene Lebenspartner erhalten einen Freibetrag nach § 16 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG i.H.v. 500 000 Euro. Entscheidend für die Gewährung dieses Freibetrags ist, dass eine Zuwendung zwischen Ehegatten bzw. eingetragenen Lebenspartnern entsprechend den Vorgaben von § 15 Abs. 1 Steuerklasse I Nr. 1 ErbStG vorliegt. Dies bedeutet insb., dass eine wirksame Ehe oder eingetragene Lebenspartnerschaft bestehen muss und die Ehe nicht geschieden bzw. die Lebenspartnerschaft nicht aufgehoben sein darf. Ohne weitere Wertungen anzustellen, knüpft § 16 ErbStG damit an die Grundanordnungen des § 15 ErbStG an.
16
Diesen Freibetrag erhalten Lebenspartner seit dem 1.1.2009. Durch das Wachstumsbeschleunigungsgesetz wurden Ehegattenzuwendungen und Zuwendungen unter eingetragenen Lebenspartner vollumfänglich gleichgestellt. Durch die Erbschaftsteuerreform 2009 war die Gleichstellung nur hinsichtlich der Freibeträge erfolgt. Vor der Erbschaftsteuerreform 2009 waren dies Erwerbe in Steuerklasse III mit einem Freibetrag von 5 200 Euro. Für nicht bestandskräftige Erwerbe seit dem 1.8.2001 sind Lebenspartnern aber rückwirkend ebenfalls die gleichen Freibeträge wie Ehegatten zu gewähren.1
17
Neben dem persönlichen Freibetrag wird bei Zuwendungen von Todes wegen unter Ehegatten oder Lebenspartnern noch ein besonderer Versorgungsfreibetrag nach § 17 ErbStG gewährt. Dieser be1 § 37 Abs. 5 Nr. 2 und 3 ErbStG.
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Freibeträge bei unbeschränkter Steuerpflicht (Abs. 1)
Rz. 22 § 16 ErbStG
trägt 256 000 Euro. Der Versorgungsfreibetrag kürzt sich allerdings um den Kapitalwert nicht steuerbarer Versorgungsbezüge, die der überlebende Ehegatte erwirbt. Für Zuwendungen unter Ehegatten ist zugleich § 5 ErbStG mit zu beachten. § 5 ErbStG regelt die Steuerfreistellung des Zugewinnausgleichs, die die tatsächliche Beendigung der Zugewinngemeinschaft voraussetzt.1 Anstelle einer Schenkung unter Aufzehr des Ehegattenfreibetrags ist daher im Einzelfall die Durchführung des Zugewinnausgleichs zu erwägen, wobei der BFH auch das unmittelbare Hin- und Herwechseln im Rahmen einer sog. Güterstandsschaukel billigt.2 Die Steuerfreistellung nach § 5 ErbStG kann in den Fällen einer Gütertrennung durch die rückwirkende Vereinbarung der Zugewinngemeinschaft außerhalb des Anwendungsbereichs des § 5 Abs. 1 Satz 4 ErbStG optimiert werden,3 wobei bei Güterstandsbeendigung von Todes wegen dann angepasste Verfügungen von Todes wegen zu errichten sind (s. § 5 ErbStG Rz. 66).4
III. Kinder und Kinder vorverstorbener Kinder (Abs. 1 Nr. 2) Kinder und Kinder vorverstorbener Kinder erhalten einen Freibetrag i.H.v. 400 000 Euro für Erwer- 18 be ab dem 1.1.2009. Wann ein Kind als Kind i.S.d. § 16 ErbStG anzusehen ist, bestimmt sich aufgrund des Verweises auf § 15 Abs. 1 Steuerklasse I Nr. 2 ErbStG nach den dort vorgegebenen Kriterien. Adoptivkinder sind als Kinder i.S.d. ErbStG eingeschlossen.5 Hingegen werden Stiefkinder in § 15 Abs. 1 Steuerklasse I Nr. 2 ErbStG gesondert aufgeführt, während § 16 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG nur auf „Kinder im Sinne der Steuerklasse I Nr. 2“ verweist. Der Verweis in § 16 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG wird allerdings auf sämtliche Fälle des § 15 Abs. 1 Steuerklasse I Nr. 2 ErbStG erstreckt. Er erfasst damit auch Stiefkinder.6 Als Stiefkinder sind infolge der Gleichbehandlung von Ehe und eingetragener Lebenspartnerschaft 19 auch Kinder des Lebenspartners zu verstehen.7 Die früher zum EStG vertretene Auffassung des BFH8 ist überholt. Grundlage der anderen Beurteilung war, dass die Zurechnung als Stiefkind entfalle, weil Partner einer gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaft nicht als Ehegatten anzusehen seien. Ungleichbehandlungen von Ehe und eingetragener Lebenspartnerschaft im ErbStG sind allerdings mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar,9 was zugleich eine Schlechterbehandlung deren Kinder ausschließt. Kindern vorverstorbener Kinder wird ebenfalls ein Freibetrag i.H.v. 400 000 Euro gewährt. Der Fall 20 des „Vorversterbens“ ist auch zu bejahen, wenn Großelternteil und Elternteil gleichzeitig versterben. Nach dem Gesetzeswortlaut fällt eine Übertragung an Urenkel, auch wenn sowohl die Kinder wie auch die Enkelkinder des Zuwendenden vorverstorben sind, nicht in den Anwendungsbereich des Freibetrags von 400 000 Euro. Bei Kindern kann neben dem Freibetrag nach § 16 ErbStG bei Erwerben von Todes wegen auch ein 21 Freibetrag nach § 17 Abs. 2 ErbStG zur Anwendung kommen. Relevant ist der besondere Versorgungsfreibetrag für Kinder, sofern dieses Kind beim Erwerb von Todes wegen das 27. Lebensjahr noch nicht vollendet hat. Auch in diesen Fällen vermindert sich der Freibetrag nach § 17 Abs. 2 ErbStG um den Kapitalwert von nicht erbschaftsteuerbaren Versorgungsbezügen, die diesem Kind anlässlich des Todes zustehen. Deutschland kennt für Behinderte – anders als etwa Spanien gem. Art. 20 Abs. 2 Buchst. a SpErbStG 22 – keine besonderen Freibetragsregelungen bei der Erbschaftsteuer. 1 2 3 4 5 6
BFH v. 24.8.2005 – II R 28/02, ErbStB 2006, 6 = DStR 2006, 178. BFH v. 12.7.2005 – II R 29/02, BStBl. II 2005, 843. R E 5.2 Abs. 2 Satz 4 ErbStR. Stein, ErbBStG 2012, 215 (217). BFH v. 17.3.2010 – II R 46/08, BStBl. II 2010, 554 = FR 2010, 813 = ErbStB 2010, 200. BFH v. 17.3.2010 – II R 46/08, BStBl. II 2010, 554 = FR 2010, 813 = ErbStB 2010, 200; a.A. wohl noch BFH v. 5.10.1977 – II R 88/68, BStBl. II 1978, 39. 7 Geck in Kapp/Ebeling, § 15 ErbStG Rz. 7 (Stand: März 2016). 8 BFH v. 20.4.2004 – VIII R 88/00, BFH/NV 2004, 1103. 9 BVerfG v. 21.7.2010 –1 BvR 611/07, 1 BvR 2464/07, DStR 2010, 1721.
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§ 16 ErbStG Rz. 23 Freibeträge
IV. Weitere Freibeträge für Personen der Steuerklasse I (Abs. 1 Nr. 3 und Nr. 4) 23
Ein Freibetrag i.H.v. 200 000 Euro wird für Zuwendungen an Enkelkinder gewährt. Insofern regelt § 16 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG eine weitere Besserstellung gegenüber dem generellen Freibetrag für Erwerbe in Steuerklasse I von 100 000 Euro. Die übrigen Personen der Steuerklasse I, etwa bei Zuwendungen an Urenkel oder bei Erwerben der Eltern von ihren Kindern von Todes wegen, können einen Freibetrag i.H.v. 100 000 Euro beanspruchen.
24
Eine Sonderregelung für einen fiktiven Erwerb in Steuerklasse I ist für die Ersatzerbschaftsteuer von inländischen Familienstiftungen vorgesehen. Dieser ist systematisch außerhalb der Freibetragsvorschriften in § 16 ErbStG bei den Vorschriften zur Steuerklasse in § 15 Abs. 2 Satz 3 ErbStG geregelt. Demnach wird der doppelte Freibetrag nach § 16 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG für Familienstiftungen und -vereine i.S.d. § 1 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG gewährt, mithin ein Freibetrag i.H.v. derzeit 800 000 Euro.
V. Personen der Steuerklasse II und III (Abs. 1 Nr. 5 und Nr. 7) 25
Für Erwerbe ab dem 1.1.2009 wird für sämtliche Erwerbe, die der Steuerklasse II oder III unterfallen, ein Freibetrag i.H.v. 20 000 Euro gewährt. Zuvor waren die Freibeträge für Erwerbe in Steuerklasse II und III unterschiedlich. Die fehlende Differenzierung bei den Freibeträgen für Erwerbe in Steuerklasse II und III ist verfassungsgemäß.1 Auch hier ist die Zusammenrechnung nach § 14 ErbStG zu beachten. Unbeschränkte Steuerpflicht Personen der Steuerklasse I
ErbStG 1974
ErbStG 1996
Erwerbe ab 2002
ErbStG 2009/2016
Ehegatte/Lebenspartner*
250 000 DM
600 000 DM
307 000 Euro
500 000 Euro
Kinder und Stiefkinder
90 000 DM
400 000 DM
205 000 Euro
400 000 Euro
Kinder vorverstorbener Kinder
90 000 DM
400 000 DM
205 000 Euro
400 000 Euro
Kinder und Stiefkinder der Kinder (sonstige Enkel)
50 000 DM
100 000 DM
51 200 Euro
200 000 Euro
Übrige Personen der Steuerklasse I, Urenkel, Eltern und Voreltern von Todes wegen
50 000 DM
100 000 DM
51 200 Euro
100 000 Euro
Personen der Steuerklasse II Eltern und Voreltern, Geschwister etc.
10 000 DM
20 000 DM
10 300 Euro
20 000 Euro
Personen der Steuerklasse III
3 000 DM
10 000 DM
5 200 Euro
20 000 Euro
* Lebenspartner für Erwerbe ab 1.8.2001 (§ 37 Abs. 5 Nr. 2 ErbStG)
D. Freibeträge bei beschränkter Steuerpflicht (Abs. 2) 26
Bei beschränkt Steuerpflichtigen nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG unterliegt nicht jeder Erwerb bzw. nicht der gesamte Erwerb der Besteuerung nach dem deutschen ErbStG. Steuerbar ist nur ein Vermögensanfall, der in Inlandsvermögen i.S.d. § 121 BewG besteht. Eine Sonderregelung sieht § 2 Abs. 1 Nr. 3 Satz 3 ErbStG für die Übertragung von inländischen Kapitalgesellschaftsanteilen vor, die durch verschiedene Übertragungen unterhalb der 10 %-Grenze des § 121 Nr. 4 BewG innerhalb des 10-Jahreszeitraums des § 14 ErbStG übertragen werden. Durch diese Zusammenrechnung können nicht steuerbare Einzelerwerbe zu einem steuerpflichtigen Gesamterwerb werden.
1 FG Düsseldorf v. 12.1.2011 – 4 K 2574/10 Erb, ErbStB 2011, 125 = EFG 2011, 1079.
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Freibeträge bei beschränkter Steuerpflicht (Abs. 2)
Rz. 30 § 16 ErbStG
Für diese Erwerbe wird nach dem Gesetzeswortlaut ein Freibetrag von 2 000 Euro gewährt. Dabei 27 findet keine weitere Differenzierung nach dem persönlichen Näheverhältnis statt. Dies gilt auch für die Fälle der erweitert beschränkten Steuerpflicht nach §§ 4, 2 AStG. Die unterschiedliche Freibetragshöhe für Erwerbe unbeschränkter und beschränkter Steuerpflicht 28 wurde vor dem EuGH auf den Prüfstand gestellt. Der EuGH entschied zunächst, dass die Gewährung eines einheitlichen Freibetrags von 2 000 Euro unabhängig vom Verwandtschaftsverhältnis im EUFall europarechtswidrig sei.1 Der Gesetzgeber hat auf die EuGH-Entscheidung dergestalt reagiert, dass beschränkt Steuerpflichtigen mit Wohnsitz in der EU/EWR durch § 2 Abs. 3 ErbStG ein Optionsrecht eingeräumt wird. Damit steht es Steuerpflichtigen nun frei, einen Vermögensanfall, zu dem Inlandsvermögen gem. § 121 BewG gehört, insgesamt als im Inland unbeschränkt steuerpflichtig zu behandeln. Der Zweite Senat des BFH geht bislang davon aus, dass mit Einführung des § 2 Abs. 3 ErbStG die Europarechtskonformität der Freibetragsregelungen auch insoweit hergestellt wurde.2 Der EuGH ist ausweislich des Tenors des Urteils vom 8.6.2016 der Ansicht, die Freibetragsgewährung dürfe nicht von einer Antragstellung abhängig sein.3 Soweit die Finanzverwaltung bei beschränkter Steuerpflicht einen proportionalen Freibetrag gewährt, um eine ungerechtfertigte – auch verfassungsrechtlich problematische – Besserstellung eines beschränkt steuerpflichtigen Erwerbers gegenüber einem unbeschränkt steuerpflichtigen Erwerber zu vermeiden,4 ist dies nach dem Urteil des EuGH vom 8.6.2016 wohl nicht mehr tragfähig.5 Vor dem Hintergrund der weltweiteten Geltung der Kapitalverkehrsfreiheit hatte der EuGH zudem 29 entschieden, ein Freibetrag, der niedriger sei, wenn der Erblasser und der Erwerber zum Zeitpunkt des Erbfalls ihren Wohnsitz in einem EU-Drittland wie der Schweiz haben, als im Falle des Wohnsitzes zumindest einer dieser beiden Personen in einem EU-Staat, verstoße gegen die Kapitalverkehrsfreiheit.6 Vor diesem Hintergrund sollte entweder das Optionsrecht nach § 2 Abs. 3 ErbStG auch in Drittstaatsfällen gewährt werden,7 was im Anschluss an das Urteil des EuGH in Rs. C-479/14 wohl nicht mehr genügt, oder die Freibetragsregelungen nach § 16 Abs. 1 ErbStG auch auf Drittstaatenfälle angewendet werden.8 Das FG Düsseldorf9 hat sich jüngst der dritten Meinungsgruppe angeschlossen; da § 2 Abs. 3 ErbStG nicht auf Drittstaatenfälle anwendbar sei, müssten die Freibeträge umfänglich gewährt werden. Das FG Düsseldorf stellt sich damit auch der jüngeren Finanzverwaltungspraxis der quotalen Aufteilung entgegen. Die Steuerfreistellung der Zugewinnausgleichsforderung nach § 5 Abs. 1 ErbStG soll auch bei be- 30 schränkter Steuerpflicht Berücksichtigung finden.10 Da ein dem § 5 ErbStG unterfallender Zugewinnausgleich nicht als Erwerb gilt, muss § 5 ErbStG auch auf beschränkt steuerpflichtige Erwerbe Anwendung finden.11 Umstritten ist, ob eine volle Zurechnung des Ausgleichsanspruchs nach § 5 Abs. 1 ErbStG auf das Inlandsvermögen erfolgen kann.12 Verneint man eine volle Zurechnung der Steuerfreistellung nach § 5 ErbStG auf das Inlandsvermögen, kann nur der Teil des Inlandsvermögens profitieren, der prozentual dem Verhältnis (siehe § 5 ErbStG Rz. 8 mit sehr guten Argumenten gegen eine Kürzung insb. im Hinblick auf die aktuelle Rechtsprechung) des fiktiven Zugewinnausgleichsan1 EuGH v. 22.4.2010 – Rs. C-510/08 – Vera Mattner, FR 2010, 528 m. Anm. Billig = ErbStB 2010, 159 = ZEV 2010, 270; s. auch BFH v. 21.9.2005 – II R 56/03, BStBl. II 2005, 875 = FR 2006, 238 = ErbStB 2006, 7. 2 BFH v. 4.7.2012 – II R 38/10, BStBl. II 2012, 782 (789 a.E.). 3 EuGH v. 8.6.2016 – C-479/14 (Hünnebeck / FA Krefeld), DStR 2016, 1360. 4 OFD NRW, Kurzinformation Sonstige Besitz- und Verkehrsteuern v. 29.7.2014 – Nr. 003/2014, ZEV 2014, 508. 5 EuGH v. 8.6.2016 – Rs. C-974/14 – Feldner, ErbStB 2016, 261; FG Düsseldorf v. 18.12.2015 – 4 K 3636/14, BB 2016, 360 (Rev. II R 2/16). 6 EuGH v. 17.10.2013 – Rs. C-181/12 - Welte/FA Velbert, DStR 2013, 2269. 7 Geck, DNotZ 2015, 803 (809). 8 Eule, ZEV 2015, 88. 9 FG Düsseldorf v. 18.12.2015 – 4 K 3636/14, BB 2016, 360 (Az. Revision: II R 2/16); ebenso FG BW v. 28.7.2014 – 11 K 3629/13, ZEV 2015, 122 (Az. Revision: II R 53/14), s. auch Stalleiken/Holtz, ErbR 2015, 17 f. 10 Von Oertzen, ZEV 1994, 93 (94); Geck in Kapp/Ebeling, § 16 ErbStG Rz. 13.1 (Stand: November 2016). 11 BFH v. 10.3.1993 – II R 87/91, BStBl. II 1993, 510. 12 Verneinend: Gebel in T/G/J, § 5 ErbStG Rz. 54 (Stand: Juli 2015); Schamburg, DB 1986, 1948 ff.; bejahend: von Oertzen, ZEV 1994, 93 (95).
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§ 16 ErbStG Rz. 31 Freibeträge spruch1 zum gesamten übertragenen Vermögen entspricht.2 Seit der Erbschaftsteuerreform 2009 und der Orientierung an Verkehrswerten hat sich die weitere Frage des Umgangs mit abweichenden Steuerwerten weitgehend erübrigt. Damit wird erreicht, dass die Steuerfreistellung des Zugewinnausgleichs anteilig auch für das Inlandsvermögen gewährt wird. Inwiefern die Steuerfreistellung nach § 5 ErbStG auch für ausländische Güterstände gilt, bedarf einer vergleichenden Betrachtung im Einzelfall.3 31
Bei Vermögensübertragungen außerhalb des erbrechtlichen Zugewinnausgleichs nach § 5 Abs. 1 ErbStG i.V.m. § 1371 Abs. 1 BGB fehlt es i.d.R. an der Übertragung von Inlandsvermögen. Schließlich ist die Zugewinnausgleichsforderung nach § 1378 Abs. 1 BGB eine Forderung in Geld. Inlandsvermögen gem. § 121 BewG kann damit allenfalls im Rahmen einer Leistung an Erfüllungs statt übertragen werden. Bei Leistungen an Erfüllungs statt ist der Zuwendungsgegenstand i.S.d. ErbStG allerdings der ursprünglich geschuldete, nicht der an Erfüllungs statt hingegebene Gegenstand.4 Anderes kann sich in den Fällen des § 5 Abs. 2 ErbStG dann ergeben, wenn durch ehevertragliche Vereinbarung ein konkreter Gegenstand als Zugewinnausgleich geschuldet wird.5
32
Eine Sonderregelung für Freibeträge beschränkt steuerpflichtiger Erwerbe enthält das Doppelbesteuerungsabkommen mit den USA auf dem Gebiet der Erbschaft- und Schenkungsteuer in Art. 10 Abs. 4. Die Hälfte dieses Vermögens, höchstens aber der Freibetrag nach § 16 Abs. 1 ErbStG, wird dabei von der Besteuerung ausgenommen.6 Dieser besondere Freibetrag nach dem DBA bei beschränkter Steuerpflicht wird nur für Erwerbe von Ehegatten gewährt, sofern das übertragene Vermögen kein Gesamtgut bzw. Community Property ist (s. noch Kommentierung Art. 10 DBA USA Rz. 5).
E. Gestaltungen 33
Die Freibetragsregelungen sind für Gestaltungsüberlegungen in der Beratungspraxis besonders interessant. Durch eine effektive Nutzung der Freibeträge lassen sich konkrete Steuervorteile schaffen. Üblich ist es daher einerseits, frühzeitig Schenkungen an die nächste Generation vorzunehmen, um nach Ablauf des Zusammenrechnungszeitraums des § 14 ErbStG weitere steuerfreie Schenkungen vornehmen zu können. Um doppelte Schenkungsteuern zu vermeiden und Freibeträge durch weite Schenkungen auf viele Erwerber effektiv ausnutzen zu können, bieten sich auch sog. Enkelschenkungen an; bei diesen übertragen Großeltern direkt auf die Enkel, um den Generationensprung zu nutzen.
34
Gestalterisch interessant sind auch aufschiebend bedingte Zuwendungen. Dies gilt im Besonderen für aufschiebend bedingte Vermächtnisse. Schließlich entsteht für aufschiebend bedingte Erwerbe gem. § 9 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a ErbStG die Steuer erst mit dem Bedingungseintritt. Hierdurch lassen sich postmortal Freibeträge generieren.7 Neben aufschiebend bedingten Vermächtnissen wird auch angedacht, über Lebensversicherungen eine zeitliche Streckung zu erreichen, die erst nach dem Tod zu einem eigenen Steuerfall führen.8 Bei diesen Ansätzen ist stets zu beachten, dass diese tatsächlich zu einem späteren Erwerbsanfall und nicht lediglich einer aufgeschobenen Fälligkeit führen. Entscheidend bleibt, ob ein zukünftiges ungewisses Ereignis eintreten muss.
1 Gebel in T/G/J, § 5 ErbStG Rz. 54 (Stand: Juli 2015); a.A. Jeremias, ZEV 2005, 414 (418 f.). 2 Schamburg, DB 1986, 1948 f. 3 Jülicher in T/G/J, § 2 ErbStG Rz. 112 (Stand: Januar 2013); Jeremias, ZEV 2005, 414 (415 ff.); von Oertzen, ZEV 1994, 93 (96 ff.). 4 BFH v. 6.6.2001 – II R 14/00, FR 2001, 1117 m. Anm. Viskorf = DStR 2001, 1750, 1751 (zur Unterscheidung von vermachten Gegenständen von Übernahmerechten, bei denen sich der Erwerb gerade nicht auf den vom Recht betroffenen Gegenstand bezieht; BFH v. 10.7.2002 – II R 11/01, MittBayNot 2003, 73 zur Leistung nach Erfüllungs statt bei der Grunderwerbsteuer). 5 Zu diesen Fällen Münch, Ehebezogene Rechtsgeschäfte2, 244 f.; Stein, DStR 2012, 1063 (1065 f.). 6 Jülicher in Debatin/Wassermeyer, Art. 10 DBA USA E Rz. 75. 7 Stein, ZEV 2011, 572 f.; allgemein: Weinmann in Moench/Weinmann, § 16 ErbStG Rz. 19 (Stand: September 2016). 8 Fiedler, DStR 2001, 1648 (1651).
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Gestaltungen
Rz. 38 § 16 ErbStG
Zu vermeiden gilt es hingegen das Berliner Testament in seiner Reinform, wenn es um die Ausnut- 35 zung von Steuerfreibeträgen geht. Beim Tod des letztversterbenden Ehegatten steht dem Schlusserben bzw. dem Nacherben nur ein einziger persönlicher Freibetrag zu.1 Von geringerer Auswirkung, aber zur Maximierung des steuerfreien Erwerbs, kann bei der Zuwen- 36 dungsplanung auch die Abrundungsregel des § 10 Abs. 1 Satz 6 ErbStG auf volle 100 Euro in Kombination mit der Kleinbetragsgrenze von 50 Euro berücksichtigt werden.2 Dadurch bleiben Erwerbe steuerfrei, wenn der Freibetrag bei Erwerben in Steuerklasse I um bis zu 799 Euro überschritten wird. § 10 Abs. 1 Satz 6 ErbStG rundet auf 700 Euro ab, worauf eine Steuerschuld bei einem Satz von 7 % i.H.v. 49 Euro entstehen würde. Interessant kann auch die Variante der Ausschlagung gegen Abfindung sein. Durch eine Ausschla- 37 gung des Kindes des Erblassers und dem dadurch bewirkten Erb- oder Vermächtnisanfall bei den Enkelkindern können mehrere Freibeträge nutzbar gemacht werden, allerdings gilt dann für die Enkel weiter nicht der Freibetrag von 400 000 Euro, sondern nur derjenige i.H.v. 200 000 Euro, da eine ausschlagende Person nicht vorverstorben i.S.d. § 16 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG ist.3 Erbt etwa das alleinige Kind aufgrund gesetzlicher Erbfolge nach seiner Mutter ein Vermögen von 800 000 Euro, so kann unter erbschaftsteuerlichen Gesichtspunkten angedacht werden, dass das Kind gegen eine Abfindung von 400 000 Euro die Erbschaft ausschlägt. Dann fällt bei seinen beiden Kindern, den Enkelkindern der Verstorbenen, das Erbe an. Der Ausschlagende tätigt sodann einen Erwerb nach § 3 Abs. 2 Nr. 4 ErbStG, der allerdings aufgrund des Freibetrages von 400 000 Euro steuerfrei bleibt.4 Die beiden Kinder als Ersatzerben werden dann gem. § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG – nach Abzug der Abfindung – je 200 000 Euro erwerben, was gem. § 16 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG ebenfalls steuerfrei bleibt.5 Zivilrechtlich ist aber stets abzusichern, dass Ersatzerben bzw. Ersatzvermächtnisnehmer tatsächlich die beabsichtigten Personen werden. Die ertragsteuerlichen Folgen der Ausschlagung gegen Abfindung sind mitzubeachten.6 In den Fällen der beschränkten Steuerpflicht ist zusammen mit der Optimierung von Steuerfrei- 38 beträgen zu prüfen, ob eine Strukturierung aus der beschränkten Erbschaftsteuerpflicht heraus möglich ist. Dies kann etwa dadurch geschehen, dass der im Ausland ansässig Schenker dem im Ausland ansässigen Beschenkten ohne jede Auflage Geldvermögen zuwendet. Kauft der Beschenkte dann ohne im Anwendungsbereich der mittelbaren Grundstücksschenkung zu sein, den inländischen Grundbesitz dem Schenker ab, so hat Deutschland für diesen Vorgang kein Steuerrecht nach dem ErbStG.7 Dies kann auch dadurch geschehen, dass der Erblasser ein Kind als Erben einsetzt und dieses mittels Vermächtnis belastet, das inländische Grundstück zu veräußern und den Verkaufserlös seinem anderen Kind auszukehren. Der Erbe kann hierbei die Vermächtnislast von seinem Inlandsvermögen gem. § 10 Abs. 6 ErbStG abziehen, während das Geldvermächtnis kein steuerbares Inlandsvermögen des anderen Kindes darstellt.8 Voraussetzung der zweiten Gestaltung ist, dass weder Erblasser noch Erbe oder Vermächtnisnehmer unbeschränkt steuerpflichtig sind.
1 2 3 4 5 6 7 8
Moench, ZEV 1999, 308 (309). Vogt, DStR 2001, 1148. Weinmann in Moench/Weinmann, § 16 ErbStG Rz. 10 (Stand: September 2016). Von Sothen in Scherer, Münchener Anwaltshandbuch Erbrecht3, § 36 Rz. 286, 291; Stein/Stein, ErbBStG 2013, 41. Zur Gestaltung und auch zu den einkommensteuerlichen Themen: Siebert, ZEV 2010, 454; Reich, DStR 2011, 2030. Stern/Stern, ErbBStG 2013, 41 (44). Von Oertzen/Stein in Grotherr, Handbuch der internationalen Steuerplanung3, 2003, 2006. Von Oertzen/Stein in Grotherr, Handbuch der internationalen Steuerplanung3, 2003, 2008; Daragan, DStR 1998, 357.
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§ 16 ErbStG Rz. 39 Freibeträge
F. Geplante Neuregelungen 39
Nach Art. 4 Nr. 2 des Regierungsentwurfs zum Steuerumgehungsbekämpfungsgesetz1 soll § 16 ErbStG europarechtskonform ausgestaltet werden. Da die unbeschränkte Steuerpflicht auf Antrag gem. § 2 Abs. 3 ErbStG gestrichen werden soll, sind redaktionelle Anpassungen in § 16 Abs. 1 ErbStG zur Herstellung richtiger Verweise erforderlich.
40
Weiterhin soll zur Herstellung der Europarechtskonformität der Freibetrag für beschränkt Steuerpflichtige angepasst werden. Die Anpassung ist erforderlich, da im Hinblick auf die Vorgaben der Kapitalverkehrsfreiheit2 ein Freibetrag von 2 000 Euro für Erwerbe beschränkt Steuerpflichtiger grundfreiheitswidrig ist und die bisherige Regelung des § 2 Abs. 3 ErbStG nicht ausreicht, um die Besteuerung europarechtskonform auszugestalten.
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Mit der geplanten Neufassung des § 16 Abs. 2 ErbStG wird auch für beschränkt Steuerpflichtige steuerklassenabhängig derselbe persönliche Freibetrag gewährt, wie für unbeschränkt Steuerpflichtige. Dies gilt für EU-/EWR-Fälle wie auch für Drittstaatenfälle. Allerdings soll dieser Freibetrag nur verhältnismäßig angesetzt werden. Entsprechend dem Wortlaut des Entwurfs ist eine Kürzung vorzunehmen. Die Kürzungsquote bestimmt sich bei beschränkt steuerpflichtigen Erwerben nach den Werten des nicht beschränkt steuerpflichtigen Vermögens (Zähler) zum Gesamterwerb – beschränkt und nicht beschränkt steuerpflichtiges Vermögen – (Nenner). Sowohl das nicht beschränkt steuerpflichtige Vermögen, der Zählerwert, als auch der Gesamterwerb als Nennerwert sind um Erwerbe zu ergänzen, die von derselben Person innerhalb der letzten zehn Jahre erfolgten. Fraglich ist aber, ob diese Kürzung überhaupt unionsrechtskonform ist.3
42
Bei Anwendung der Kürzung dürfen die Begriffe „inländisches Vermögen“ und „beschränkt steuerpflichtiges Vermögen“ nicht gleichgesetzt werden. Guthaben bei inländischen Banken etwa unterliegen nicht der beschränkten Steuerpflicht und sind daher in das „nicht beschränkt steuerpflichtige Vermögen“ einzubeziehen. Diese erhöhen somit den Kürzungsbetrag, so dass der zu gewährende persönliche Freibetrag abnimmt.
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Die innerhalb des Zehnjahreszeitraums erfolgten Schenkungen sind dabei mit ihren früheren Werten in die Berechnung einzubeziehen. Dies kann einen erheblichen Bewertungsaufwand zur Folge haben. Ggf. werden ausländische Vermögenswerte nach inländischen Bewertungsvorschriften mit früheren Werten erforderlich (etwa nach § 31 BewG); häufig wurden diese zuvor nicht erhoben, da deren Erhebung damals mangels beschränkt steuerpflichtigem Erwerb nicht erforderlich war. Entsprechendes gilt auch für Bewertungen des ausländischen Vermögens, das zusammen mit dem beschränkt steuerpflichtigen Vermögen erworben wird.
44
Bei entsprechend niedrigem Anteil des beschränkt steuerpflichtigen Vermögens im Verhältnis zum Gesamterwerb kann der zu gewährende Freibetrag auch unter 2 000 Euro sinken und damit unter den Freibetrag in der aktuellen Fassung des § 16 Abs. 2 ErbStG. Dies ist bei Erwerben in Steuerklasse II und III zu erwarten, wenn der Anteil des beschränkt steuerpflichtigen Vermögens am Gesamterwerb geringer als 10 % ist.
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Die Änderungen sollen mit Gesetzesverkündung in Kraft treten. Zwar ist diese Anwendungsregelung zunächst konsequent, da ein innerer Zusammenhang zur Abschaffung des § 2 Abs. 3 ErbStG besteht. Im Hinblick auf den festgestellten Unionsrechtsverstoß der aktuellen Gesetzeslage4 dürfte es zweckmäßig sein, diese Regelung der Art nach entsprechend aber für alle noch offenen Fälle anzuwenden.5
1 Art. 4 Nr. 2 des Regierungsentwurfs eines Gesetzes zur Bekämpfung der Steuerumgehung und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften (Steuerumgehungsbekämpfungsgesetz – StUmgBG) v. 21.12.2016. 2 Siehe Rz. 28 f. 3 Einen Verstoß annehmend: FG Düsseldorf v. 18.12.2015 – 4 K 3636/14, BB 2016, 360 (Az. BFH: II R 2/16); s. auch oben Rz. 29. 4 EuGH v. 4.9.2014 – C-211/13 (Kommission/Deutschland), DStR 2014, 1818; EuGH v. 8.6.2016 – C-479/14 (Hünnebeck), BB 2016, 1632. 5 Vgl. auch OFD NRW, Kurzinformationen Sonstige Besitz- und Verkehrssteuern v. 29.7.2014 – Nr. 003/2014, ZEV 2014, 508.
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§ 17 Besonderer Versorgungsfreibetrag (1) 1Neben dem Freibetrag nach § 16 Abs. 1 Nr. 11 wird dem überlebenden Ehegatten und dem überlebenden Lebenspartner ein besonderer Versorgungsfreibetrag von 256 000 Euro gewährt. 2Der Freibetrag wird bei Ehegatten oder bei Lebenspartnern, denen aus Anlass des Todes des Erblassers nicht der Erbschaftsteuer unterliegende Versorgungsbezüge zustehen, um den nach § 14 des Bewertungsgesetzes zu ermittelnden Kapitalwert dieser Versorgungsbezüge gekürzt. (2) 1Neben dem Freibetrag nach § 16 Abs. 1 Nr. 22 wird Kindern im Sinne der Steuerklasse I Nr. 2 (§ 15 Abs. 1) für Erwerbe von Todes wegen ein besonderer Versorgungsfreibetrag in folgender Höhe gewährt: 1. bei einem Alter bis zu 5 Jahren in Höhe von 52 000 Euro; 2. bei einem Alter von mehr als 5 bis zu 10 Jahren in Höhe von 41 000 Euro; 3. bei einem Alter von mehr als 10 bis zu 15 Jahren in Höhe von 30 700 Euro; 4. bei einem Alter von mehr als 15 bis zu 20 Jahren in Höhe von 20 500 Euro; 5. bei einem Alter von mehr als 20 Jahren bis zur Vollendung des 27. Lebensjahres in Höhe von 10 300 Euro. 2Stehen dem Kind aus Anlaß des Todes des Erblassers nicht der Erbschaftsteuer unterliegende Versorgungsbezüge zu, wird der Freibetrag um den nach § 13 Abs. 1 des Bewertungsgesetzes zu ermittelnden Kapitalwert dieser Versorgungsbezüge gekürzt. 3Bei der Berechnung des Kapitalwerts ist von der nach den Verhältnissen am Stichtag (§ 11) voraussichtlichen Dauer der Bezüge auszugehen.3 A. I. II. III. IV. B.
I. II. III.
Grundaussagen der Vorschrift. . . . . . . . . . Regelungsgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . Bedeutung und Telos . . . . . . . . . . . . . . . . . Geltungsbereich und Verhältnis zu anderen Vorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rechtsentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Besonderer Versorgungsfreibetrag der Ehegatten und Lebenspartner (Abs. 1) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Begünstigter Personenkreis . . . . . . . . . . . . . Die Freibetragsgewährung (Abs. 1 Satz 1) . . Die Anrechnungsverpflichtung nicht steuerbarer Versorgungsbezüge (Abs. 1 Satz 2) .
1 1 2 3 5
6 6 7
1. Anrechnungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Nicht der Erbschaftsteuer unterliegende Versorgungsbezüge . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Berechnung des Abzugsbetrages . . . . . . . . 4. Besondere Abgrenzungsfälle der Anrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Auswirkung auf den steuerfreien Zugewinn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
11 12 14 18 21
C. Besonderer Versorgungsfreibetrag für Kinder (Abs. 2) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 D. Geplante Änderungen. . . . . . . . . . . . . . . . . 24
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Literatur: Kühn, Erbschaftsteuerpflicht „durch die Hintertür“ – mindert die über Kreuz abgeschlossene Lebensversicherung den Versorgungsfreibetrag?, ZErb 2012, 177; Stein, Das aufschiebend bedingte Vermächtnis: Eine Möglichkeit zur mehrfachen Nutzung der Steuerfreibeträge und zur Steueroptimierung, ZEV 2011, 572.
1 Gemäß Art. 2 Nr. 3 Buchst. a des Gesetzentwurfs der Bundesregierung v. 21.12.2016 zum Steuerumgehungsbekämpfungsgesetz (StUmgBG) soll in Absatz 1 Satz 1 die Angabe „§ 16 Abs. 1 Nr. 1“ durch die Angabe „§ 16“ ersetzt werden. 2 Gemäß Art. 2 Nr. 3 Buchst. b des Gesetzentwurfs der Bundesregierung v. 21.12.2016 zum Steuerumgehungsbekämpfungsgesetz (StUmgBG) soll in Absatz 2 Satz 1 die Angabe „§ 16 Abs. 1 Nr. 2“ durch die Angabe „§ 16“ ersetzt werden. 3 Gemäß Art. 2 Nr. 3 Buchst. c des Gesetzentwurfs der Bundesregierung v. 21.12.2016 zum Steuerumgehungsbekämpfungsgesetz (StUmgBG) soll folgender Absatz 3 angefügt werden: „(3) In den Fällen der beschränkten Steuerpflicht (§ 2 Absatz 1 Nummer 3) wird der besondere Versorgungsfreibetrag nach Absatz 1 oder 2 gewährt, wenn durch die Staaten, in denen der Erblasser ansässig war oder der Erwerber ansässig ist, Amtshilfe geleistet wird. Amtshilfe ist der Auskunftsaustausch nach der Amtshilferichtlinie gemäß § 2 Absatz 2 des EUAmtshilfegesetzes in den für den jeweiligen Stichtag der Steuerentstehung geltenden Fassungen oder eines entsprechenden Nachfolgerechtsaktes.“
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§ 17 ErbStG Rz. 1 Besonderer Versorgungsfreibetrag Verwaltungsanweisungen: R E 17 ErbStR 2011; H E 17 ErbStH 2011.
A. Grundaussagen der Vorschrift I. Regelungsgegenstand 1 § 17 ErbStG gewährt dem überlebenden Ehegatten, dem überlebenden Lebenspartner bzw. Kindern
bis zur Vollendung des 27. Lebensjahres einen besonderen Versorgungsfreibetrag für Erwerbe von Todes wegen. Dieser beträgt für Ehegatten und Lebenspartner zunächst 256 000 Euro. Für Kinder schmilzt dieser Freibetrag mit zunehmendem Lebensalter von 52 000 Euro auf bis zu 10 300 Euro ab.
II. Bedeutung und Telos 2 Die Norm bezweckt, die notwendige Versorgung des hinterbliebenen Ehegatten bzw. Lebenspartners
oder junger Kinder steuerfrei zu stellen. Sie dient dem Schutz der Kernfamilie. Versorgungsansprüche Hinterbliebener unterliegen teils nicht der Erbschaftsteuer,1 andere Versorgungsbezüge sind hingegen erbschaftsteuerpflichtig. Um dieser unterschiedlichen Behandlung Rechnung zu tragen, sieht § 17 ErbStG den ungekürzten Freibetrag nur vor, wenn keine derartigen nicht erbschaftsteuerbaren Versorgungsbezüge aus Anlass des Todes gewährt werden. Die Norm verlangt daher nach einer zweistufigen Prüfung. Zunächst ist zu bestimmen, ob der Freibetrag überhaupt für einen bestimmten Erwerb gewährt wird (§ 17 Abs. 1 Satz 1, § 17 Abs. 2 Satz 1 ErbStG), anschließend ist zu prüfen, ob der Freibetrag im vollen Umfang dem Erwerber zusteht (§ 17 Abs. 1 Satz 2, § 17 Abs. 2 Satz 2 ErbStG).
III. Geltungsbereich und Verhältnis zu anderen Vorschriften 3 Die Norm ist nach bisheriger Rspr. als zulässige Typisierung verfassungsgemäß,2 auch wenn dieser
besondere Freibetrag unabhängig vom Lebensalter des überlebenden Ehegatten/Lebenspartner gewährt wird. Unbeanstandet blieb auch, dass der Kapitalwert der abzuziehenden nicht steuerbaren Versorgungsbezüge den Freibetrag übersteigen kann, so dass sich dieser allenfalls auf 0 Euro verringert, nicht aber zu negativen Effekten führt.3 4 § 17 ErbStG rundet die Freibetragsvorschriften des ErbStG ab. Der Freibetrag nach § 17 ErbStG ist
ein eigenständiger, der neben den Freibeträgen nach § 16 ErbStG und der Steuerfreistellung des Zugewinnausgleichsanspruches (§ 5 ErbStG) zur Anwendung kommt.
IV. Rechtsentwicklung 5 Der besondere Versorgungsfreibetrag wurde 1974 in das ErbStG aufgenommen. Bis zum Jahr 1996
belief sich der Freibetrag auf 250 000 DM für Ehegatten und betrug für Kinder bis zur Vollendung des 5., des 10., des 15., des 20. bzw. des 27. Lebensjahres abnehmend 50 000 DM, 40 000 DM, 30 000 DM, 20 000 DM und zuletzt 10 000 DM. Ab dem 1.1.1996 wurden diese Freibeträge verdoppelt. Zugleich wurde bis zum 31.12.1995 der steuerpflichtige Erwerb gem. § 10 ErbStG, soweit dieser 150 000 DM überstieg, auf den Versorgungsfreibetrag angerechnet. Seit dem 1.1.2009 sind auch eingetragene Lebenspartner freibetragsberechtigt. Rückwirkend zum 1.8.2001 wurde dem überlebenden Lebenspartner zudem der besondere Versorgungsfreibetrag in allen noch offenen Fällen zugestanden 1 R E 3.5 ErbStR 2011. 2 BFH v. 14.7.1982 – II R 16/81, BStBl. II 1983, 19; v. 16.1.2008 – II R 30/06, BStBl. II 2008, 626 = FR 2008, 834 = ErbStB 2008, 132. 3 Krit. Meincke16, § 17 ErbStG Rz. 13.
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Besonderer Versorgungsfreibetrag der Ehegatten und Lebenspartner (Abs. 1)
Rz. 10 § 17 ErbStG
(§ 37 Abs. 5 Nr. 4 und 5 ErbStG). Die aktuelle ErbSt-Reform im Jahr 2016 ließ diese Norm unberührt. Am 19.11.2015 wurde von der Kommission ein Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet. Die geltenden Freibeträge gelten seit der Euro-Anpassung zum 1.1.2002.
B. Besonderer Versorgungsfreibetrag der Ehegatten und Lebenspartner (Abs. 1) I. Begünstigter Personenkreis Gemäß der Ausrichtung der Norm auf den Schutz der Kernfamilie sind persönlich anspruchsberech- 6 tigt nur die ausdrücklich im Wortlaut genannten Personenkreise, nicht aber nichteheliche Lebensgefährten.1 Für die Frage, ob eine Ehe bzw. Lebenspartnerschaft für erbschaftsteuerliche Zwecke zum Erwerbszeitpunkt Bestand hatte, gilt entsprechendes wie für § 15 Abs. 1 Steuerklasse I Nr. 1 ErbStG (vgl. § 15 ErbStG Rz. 9 ff.). Der besondere Versorgungsfreibetrag kann im Hinblick auf diese formale Anknüpfung nicht gewährt werden, wenn Ehegatten geschieden sind, nach der Aussöhnung aber wieder einen gemeinsamen Haushalt führen.2
II. Die Freibetragsgewährung (Abs. 1 Satz 1) Der Freibetrag nach § 17 ErbStG wird ausschließlich für Erwerbe von Todes wegen gewährt. Diese 7 Einschränkung folgt bereits aus dem Wortlaut der Vorschrift, die das Wort „überleben“ enthält. Eine Ausnahme hiervon wird nach allgemeiner Meinung3 im Nachgang zum Urteil des FG Nürnberg für Erwerbe nach § 7 Abs. 1 Nr. 5 ErbStG gewährt.4 Damit ist auf ein aufschiebend auf den Tod zugewandtes Leibrentenstammrecht als Abfindung für einen Erbverzicht/Pflichtteilsverzicht der Freibetrag nach § 17 ErbStG anzuwenden. Der besondere Freibetrag wird im Falle der Zusammenrechnung mit Vorschenkungen nach § 14 ErbStG nur bis zum Betrag des Erwerbs von Todes wegen gewährt.5 Ausgeschlossen ist der Freibetrag damit für alle anderen lebzeitigen Zuwendungen. Die Schenkung 8 auf den Todesfall nach § 3 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG stellt allerdings keine lebzeitige Zuwendung dar, so dass der Freibetrag für diese Zuwendung gewährt wird. Die Auflösung einer Stiftung nach § 7 Abs. 1 Nr. 9 ErbStG berechtigt nicht zu einem besonderen Versorgungsfreibetrag mangels Erwerbs von Todes wegen.6 Dies ist konsequent, da § 7 Abs. 1 Nr. 9 ErbStG keinen Erwerb von Todes wegen darstellt. Zudem handelt es sich um keinen Erwerb vom Ehegatten/Lebenspartner, da § 15 Abs. 2 Satz 2 ErbStG lediglich die anwendbare Steuerklasse nicht aber das entsprechende Erwerbsverhältnis fingiert.7 Der besondere Versorgungsfreibetrag wird anlassbezogen gewährt. Daher ist keine Verdopplung 9 des Freibetrages durch Streckung der Erwerbszeitpunkte möglich, die hingegen bei den Freibeträgen nach § 16 ErbStG durch aufschiebend bedingte Vermächtnisse angedacht werden kann.8 Durch die Anknüpfung „aus Anlass des Todes“ in § 17 Abs. 1 Satz 2 ErbStG besteht neben dem Bezug zum Erwerb nach § 3, 9 Nr. 1 ErbStG9 auch ein Bezug zum Anlass des Todes. Die Norm setzt aber die unbeschränkte Steuerpflicht im Inland voraus, wobei die unbeschränkte 10 Steuerpflicht auf Antrag gem. § 2 Abs. 3 ErbStG genügt.10 Dies folgt aus der Anknüpfung des § 17 1 2 3 4 5 6 7 8 9
BFH v. 27.10.1982 – II B 77/81, BStBl. II 1983, 114. FG Münster v. 30.8.1990 – III 3832/90 Erb, EFG 1991, 200. Vgl. Längle in F/J/P/W5, § 17 ErbStG Rz. 3. FG Nürnberg v. 12.9.1989 – VI 408/84, EFG 1990, 65. OFD München v. 6.9.1983 – S 3930-3/St 34 II, ErbSt-Kartei BY § 14, ErbSt Karte 2. BFH v. 25.11.1992 – II R 77/90, BStBl. II 1993, 238. BFH v. 30.11.2009 – II R 6/07, BStBl. II 2010, 237 = FR 2010, 488 = ErbStB 2010, 93. Stein, ZEV 2011, 572. Zu mehreren Erwerben von Todes wegen als Ausgangspunkt der Freibetragsverdopplung bei § 16 ErbStG: BFH v. 16.1.2008 – II R 30/06, BStBl. II 2008, 626 = FR 2008, 834 = ErbStB 2008, 132. 10 Koordinierter Ländererlass 15.3.2012, BStBl. I 2012, 328.
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§ 17 ErbStG Rz. 11 Besonderer Versorgungsfreibetrag ErbStG an § 16 Abs. 1 ErbStG. Bei beschränkt steuerpflichtigen Erwerben wird der Freibetrag nicht gewährt, da sich der Freibetrag in diesen Fällen nach § 16 Abs. 2 ErbStG richten würde.1 Gegen die Nichtanwendung des Versorgungsfreibetrages auf Fälle beschränkter Steuerpflicht ist mittlerweile ein Vertragsverletzungsverfahren mit Datum vom 19.11.2015 gegen Deutschland eingeleitet worden. Die Differenzierung zwischen Inlands- und Auslandsansässigen soll die Kapitalverkehrsfreiheit verletzen. Im Hinblick auf die bisherige Rechtsprechungslinie des EuGH zu den Freibeträgen bei beschränkter Steuerpflicht2 liegt es nahe, dass auch die Versagung des Versorgungsfreibetrages einen Verstoß gegen Gemeinschaftsrecht darstellt.3
III. Die Anrechnungsverpflichtung nicht steuerbarer Versorgungsbezüge (Abs. 1 Satz 2) 1. Anrechnungspflicht 11
Der besondere Versorgungsfreibetrag wird nur vollumfänglich i.H.v. 256 000 Euro gewährt, wenn dem Ehegatten oder Lebenspartner keine nicht erbschaftsteuerbaren Versorgungsbezüge zustehen. Anrechnungspflichtige Versorgungsbezüge mindern den Freibetrag. Unbeachtlich ist, ob diese anrechnungspflichtigen Bezüge lebenslänglich oder auf bestimmte Zeit bzw. als Einmalleistung gewährt werden,4 obwohl der Wortlaut der Vorschrift wegen der Bezugnahme auf § 14 BewG eine andere Auslegung nahe legen kann.5 Leistungen aus gekreuzten Lebensversicherungen sollen aber dem Grunde nach nicht anrechnungspflichtig sein.6 Bezüge, die zwar steuerbar sind, aber einer eigenen Befreiungsvorschrift unterfallen, sollen nicht auf den besonderen Versorgungsfreibetrag angerechnet werden,7 um den Zweck der Steuerbefreiung nicht rückgängig zu machen.8 Dies deckt sich auch mit dem Wortlaut der Vorschrift, da derartige Bezüge dem Grunde nach auch der Erbschaftsteuer unterliegen, allerdings steuerfrei gestellt sind. 2. Nicht der Erbschaftsteuer unterliegende Versorgungsbezüge
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Zu diesen anrechnungspflichtigen nicht der Erbschaftsteuer unterliegenden Versorgungsbezügen9 zählen nach der Finanzverwaltung insb.:10 – Versorgungsbezüge der Hinterbliebenen von Beamten aufgrund der Beamtengesetze des Bundes und der Länder (Beamtenpensionen); – Versorgungsbezüge, die die Hinterbliebenen von Angestellten und Arbeitern aus der gesetzlichen Rentenversicherung zustehen; dies gilt auch in den Fällen freiwilliger Weiter- und Höherversicherung (Renten der Deutschen Rentenversicherung); – Versorgungsbezüge, die die Hinterbliebenen von Angehörigen der freien Berufe aus einer berufsständischen Pflichtversicherung zustehen; dies gilt auch in den Fällen freiwilliger Weiter- und Höherversicherung11 (Renten der Versorgungswerke); – Versorgungsbezüge, die die Hinterbliebenen der Abgeordneten aufgrund der Diätengesetze des Bundes und der Länder zustehen (Abgeordnetenpensionen);
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FG BW v. 6.6.2006 – 9 V 14/06, juris. EuGH v. 17.10.2013 – Rs. C-181/12 – Welte/FA Velbert, DStR 2013, 2269 m.w.N. Esskandari/Bick, nwb 2016, 404 (406). BFH v. 2.7.1997 – II R 43/94, BStBl. II 1997, 623; R E 17 Abs. 2 ErbStR 2011. Meincke16, § 17 ErbStG Rz. 6. Kühn, ZErb 2012, 177. Vgl. auch BFH v. 20.5.1981 – II R 33/78, BStBl. II 1982, 27 (zu § 5 ErbStG). Meincke16, § 17 ErbStG Rz. 6. Zu Hinterbliebenenbezügen gleichgeschlechtlicher Lebenspartner: FG Hamburg v. 31.10.2012 – 3 K 24/12, ErbStB 2013, 75 = juris (Az. BFH: II R 55/12). 10 R E 17 Abs. 1 Satz 2 ErbStR 2011. 11 Hierzu auch: OFD München v. 27.12.1999 – S 3715 - 13 St 353, FR 2000, 282.
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Besonderer Versorgungsfreibetrag der Ehegatten und Lebenspartner (Abs. 1)
Rz. 16 § 17 ErbStG
– Hinterbliebenenbezüge, die auf Tarifvertrag, Betriebsordnung, Betriebsvereinbarung, betrieblicher Übung oder dem Gleichheitsgrundsatz beruhen (angemessene betriebliche Altersvorsorge aufgrund eines Dienstverhältnisses1) und – Hinterbliebenenbezüge aufgrund eines zwischen dem Erblasser und seinem Arbeitgeber geschlossenen Einzelvertrages, soweit diese angemessen2 sind (angemessene betriebliche Altersvorsorge aufgrund eines Dienstverhältnisses).3 Nach Ansicht der Finanzverwaltung sind auch Sterbegelder4 oder die Summe der Zahlungen für das 13 Sterbevierteljahr5 ebenso wie der Abfindungsbetrag für eine Witwenrente im Falle der Wiederverheiratung (§ 107 SGB VI) oder Erstattungsansprüche, da eine Rente wegen nicht erfüllter allgemeiner Wartezeit nicht zugestanden wird (§ 210 Abs. 1 Nr. 3 SGB VI),6 auf den besonderen Versorgungsfreibetrag als nicht steuerbare Bezüge anzurechnen. Versorgungsbezüge von Versicherern mit Sitz im EU/EWR Raum sind wegen der europarechtlichen Grundfreiheiten wie solche eines inländischen Versicherers zu beurteilen.7 3. Berechnung des Abzugsbetrages Wiederkehrende laufende Bezüge vermindern um deren Barwert den besonderen Versorgungsfrei- 14 betrag, wenn diese Bezüge nicht der Erbschaftsteuer unterliegen. Der Barwert berechnet sich nach der allgemeinen Regelung des § 14 BewG. Dabei wird der Jahreswert des Bezugs mit einem Vervielfältiger multipliziert, der nach der allgemeinen Sterbetafel zu berechnen ist.8 Der Jahreswert bemisst sich nach dem Bruttorentenbetrag, der an den überlebenden Ehegatten jährlich ausbezahlt wird. Krankenversicherungsbeiträge und etwaig auf die Rente zu zahlende Lohn-/oder Einkommensteuern mindern somit nicht den Jahreswert. Dies kann zu einer Doppelberücksichtigung bei der Einkommen- und der Erbschaftsteuer führen.9 Zusätzliche Leistungen wie 13. Monatsgehälter und m.E. auch Sachbezüge, die an den überlebenden Ehegatten fortgeleistet werden, erhöhen den Jahreswert. Bei Witwenrenten ist der unmittelbar nach dem Tod an den überlebenden Ehegatten auszuzahlen- 15 de Betrag für die Berechnung maßgebend.10 Abweichend ist für Zahlungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung der Betrag maßgebend, der nach Ablauf des Sterbevierteljahres dem Berechtigten zusteht.11 Spätere Rentenanpassungen sind nicht zu berücksichtigen. Wird die Rente bereits innerhalb des ersten Jahres der Hinterbliebenenversorgung erhöht, kann dies m.E. wegen des Abstellens der Finanzverwaltung auf den Wert unmittelbar nach dem Tod keine Berücksichtigung mehr finden. Eine Ausnahme von der Unbeachtlichkeit späterer Rentenanpassungen gilt nur dann, wenn diese schon zur Zeit des Todes des Erblassers mit Sicherheit vorhersehbar sind.12 Spätere Änderungen bleiben aber per se unberücksichtigt. Anders verhält es sich wegen der Anknüp- 16 fung des § 17 ErbStG an den nach § 14 BewG zu ermittelnden Kapitalwert, wenn der Rentenberechtigte innerhalb der Fristen nach § 14 Abs. 2 BewG verstirbt. Die h.L.13 nimmt dann eine Verminderung des Kapitalwertes vor (§ 5 Abs. 2 Satz 2 BewG, § 14 Abs. 2 Satz 2 BewG). Die Finanz1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13
R E 3.5 Abs. 2 ErbStR 2011. Zur Angemessenheit: BFH v. 20.5.1981 – II R 11/81, BStBl. II 1981, 715; R E 3.5 Abs. 3 Satz 2 ErbStR 2011. Siehe hierzu auch FG Hamburg v. 31.10.2012 – 3 K 24/12, ErbStB 2013, 75 = juris. Vgl. auch die mittlerweile ausgesonderte Verfügung: FinMin. Nds. v. 21.9.1983 – S 3800 83-34, ErbSt Kartei ND § 10 ErbStG Karte 7. R E 17 Abs. 3 Satz 5 ErbStR 2011. R E 17 Abs. 3 Satz 5 ErbStR 2011. Vgl. BFH v. 22.7.2008 – VI R 56/05, BStBl. II 2008, 894 = FR 2009, 181 m. Anm. Bergkemper; Jülicher in T/G/J, § 17 ErbStG Rz. 7 (Stand: April 2016). Barwertfaktoren für Bewertungsstichtage ab dem 1.1.2016: BMF v. 2.12.2015 – IV D 4 - S 3104/09/10001. Zur Rechtmäßigkeit FG Hamburg v. 14.2.2006 – III 214/05, ErbStB 2006, 214 = EFG 2006, 1076; Revisionsentscheidung BFH v. 16.1.2008 – II R 30/06, BStBl. II 2008, 626 = FR 2008, 834 = ErbStB 2008, 132. R E 17 Abs. 3 Satz 2 ErbStR 2011. R E 17 Abs. 3 Satz 2 ErbStR 2011. R E 17 Abs. 3 Satz 2 ErbStR 2011; Halaczinsky in D/H/R2, § 17 ErbStG Rz. 9. Meincke16, § 17 ErbStG Rz. 9; Jülicher in T/G/J, § 17 ErbStG Rz. 28 (Stand: Januar 2013).
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§ 17 ErbStG Rz. 17 Besonderer Versorgungsfreibetrag verwaltung hat sich hierzu in den Richtlinien aber nicht geäußert. Die Anpassung ist auch im Rahmen des § 17 ErbStG konsequent, da der nach § 14 BewG zu ermittelnde Kapitalwert dann dem Grunde nach niedriger ausfällt. Die Anpassung ist allerdings nur auf Antrag zu gewähren. Der Antrag kann nur bis zum Ende des auf das auslösende Ereignis folgenden Jahres gestellt werden. 17
Eine weitere Ausnahme sind aufschiebend oder auflösend bedingte Renten bzw. wiederauflebende Bezüge. Dies folgt aus § 4 bzw. 5 Abs. 2 BewG, die zu einer Bescheidkorrektur nach § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO Anlass geben. Bei auflösenden Bedingungen erfolgt die Anpassung aber wiederum nur bei fristgerechter Antragstellung nach § 5 Abs. 2 Satz 2 BewG. Der Kapitalwert dieser Bezüge ist erst ab Eintritt des jeweiligen Ereignisses bzw. bis zu diesem Zeitpunkt zu berechnen.1 Die Bewertung erfolgt dann als zeitlich begrenzter und nicht auf Lebenszeit gewährter Bezug. Hiervon ist etwa die Bedingung der Rentenbeendigung bei Wiederheirat betroffen. 4. Besondere Abgrenzungsfälle der Anrechnung
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Hinterbliebenenbezüge im Rahmen einer betrieblichen Altersversorgung sind erbschaftsteuerbar und somit nicht vom besonderen Versorgungsfreibetrag abzuziehen, wenn diese nicht auf ein Arbeitnehmer-Verhältnis des Erblassers zurückgehen. Die Finanzverwaltung erachtet die Hinterbliebenenbezüge eines Gesellschafter-Geschäftsführers nur dann als nicht steuerbar, wenn dieser wie ein Nichtgesellschafter als abhängig Beschäftigter anzusehen war.2 Entgegen seiner früheren3 Rechtsprechung vertritt nun auch der BFH, dass die Versorgungsbezüge des hinterbliebenen Ehegatten nicht von Verfassungs wegen erbschaftsteuerfrei bleiben müssen.4 Eisele bezeichnet dies zutreffend als Abgrenzung der Eigen- von der Fremdvorsorge.5 Zu weitere Einzelheiten der Begründung steuerpflichter Versorgungsbezüge, s. § 3 ErbStG Rz. 94 ff.
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Die Hinterbliebenenbezüge, die eine Personengesellschaft den Hinterbliebenen eines persönlich haftenden Gesellschafters gewährt, sind in der Regel6 steuerbar und vermindern daher nicht den besonderen Versorgungsfreibetrag.7 Eine Ausnahme ist möglich, wenn die Stellung derjenigen eines Angestellten oder Bediensteten angenähert ist.
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International sieht das DBA mit den USA auf dem Gebiet der Nachlass-, Erbschaft- und Schenkungsteuer in Art. 10 Abs. 3 ErbSt-DBA-USA eine besondere Steuerbefreiung für Hinterbliebenenbezüge vor. Deutschland hat sich allerdings durch das DBA in Art. 10 Abs. 3 Satz 2 ErbSt-DBA-USA eine Anrechnung nach § 17 ErbStG vorbehalten, so dass der Kapitalwert dieser Bezüge den besonderen Versorgungsfreibetrag mindern kann. Der Begriff der „nicht der Erbschaftsteuer unterliegenden Versorgungsbezüge“ in § 17 ErbStG umfasst auch ein aufgrund von DBA-Vorschriften nicht bestehendes deutsches Besteuerungsrecht.8 Daher erfolgt eine Anrechnung des Barwerts eines solchen Bezugs (vgl. Art. 10 DBA USA Rz. 49 ff.). 5. Auswirkung auf den steuerfreien Zugewinn
21
Nicht erbschaftsteuerbare Versorgungsbezüge, die den besonderen Freibetrag nach § 17 ErbStG mindern, und steuerpflichtige Versorgungsbezüge wirken sich unterschiedlich auf den nach § 5 ErbStG steuerfreien Zugewinn aus. (S. hierzu § 5 ErbStG Rz. 52.) Der Kapitalwert nicht steuerbarer Bezüge erhöht das Endvermögen bei der fiktiven Zugewinnausgleichsberechnung nicht, so dass der steuerfreie fiktive Zugewinn unverändert bleibt.9 Anders bei steuerpflichtigen Hinterbliebenenbezügen, die das Endvermögen erhöhen können und damit einen erhöhten fiktiven steuerfreien Zugewinn zur
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Jülicher in T/G/J, § 17 ErbStG Rz. 20 (Stand: Januar 2013). R E 3.5 Abs. 3 ErbStR 2011. BFH v. 20.5.1981 – II R 11/81, BStBl. II 1981, 715. BFH v. 13.12.1989 – II R 23/85, BStBl. II 1990, 322. Eisele in Kapp/Ebeling, § 17 ErbStG Rz. 26.2 (Stand: November 2015). So auch die Finanzverwaltung: H E 3.5. „Hinterbliebenenbezüge bei Gesellschaftern“ ErbStH 2011. BVerfG v. 5.5.1994 – 2 BvR 397/90, BStBl. II 1994, 547. So auch Jülicher in T/G/J, § 17 ErbStG Rz. 17 (Stand: Oktober 2014). BFH v. 20.5.1981 – II R 33/78, BStBl. II 1982, 27.
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Geplante Änderungen
Rz. 26 § 17 ErbStG
Folge haben.1 Steuerpflichtige Hinterbliebenenbezüge können sich somit im Ergebnis im Rahmen der Gesamtbetrachtung günstiger auswirken als nicht steuerbare: Sie vermindern einerseits den besonderen Versorgungsfreibetrag nicht und erhöhen andererseits den steuerfreien Zugewinnausgleich. Die Finanzverwaltung stellt hierzu klar, dass die Steuerfreistellung nach § 5 ErbStG keine Anrechnung auf den besonderen Versorgungsfreibetrag zur Folge hat.2
C. Besonderer Versorgungsfreibetrag für Kinder (Abs. 2) Der Begriff der Kinder deckt sich mit demjenigen des § 15 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG. Damit können auch 22 Stiefkinder und Adoptivkinder den besonderen Versorgungsfreibetrag beanspruchen.3 Wie auch bei Ehegatten/Lebenspartnern steht dieser besondere Freibetrag zunächst jedem Kind in der abgestuften Höhe zu, die der Gesetzeswortlaut benennt. Der besondere Versorgungsfreibetrag wird Kindern nur bis zur Vollendung des 27. Lebensjahres gewährt. Anders als beim Kindergeld verlängert sich diese Freibetragsgewährung bei schwerbehinderten Kindern nicht über die Vollendung des 27. Lebensjahres hinaus.4 Darüber hinaus ist § 17 Abs. 2 ErbStG auch nicht im Hinblick auf die Höhe des besonderen Versorgungsfreibetrages im Falle schwerer Behinderungen unter Berücksichtigung des gesetzgeberischen Ermessenspielraums verfassungswidrig.5 Der besondere Versorgungsfreibetrag steht Kindern nur dann vollumfänglich zu, wenn diese keine 23 nicht der Erbschaftsteuer unterliegenden Versorgungsbezüge erhalten. Der Kapitalwert dieser Bezüge ist dann vom besonderen Versorgungsfreibetrag abzuziehen. Der Kapitalwert bestimmt sich nach § 13 BewG, wobei die voraussichtliche Dauer für die Kapitalwertberechnung maßgebend ist, für die diese Bezüge gewährt werden. Umstritten ist, ob eine Änderung des anzurechnenden Barwertes möglich ist, wenn eine anzurechnende Rente kürzer als anfänglich prognostiziert gewährt wird.6 Nach dem Gesetzeswortlaut wird eine Anpassung ausgeschlossen sein.
D. Geplante Änderungen § 17 ErbStG soll durch das Steuerumgehungsbekämpfungsgesetz (StUmgBG)7 angepasst werden, ins- 24 besondere um Abhilfe aufgrund des eingeleiteten Vertragsverletzungsverfahrens der Kommission Nr. 2012/2158 zu schaffen. Bei der Erhebung von Steuern, die nach der Verkündung des StUmgBG entstehen, soll der Versor- 25 gungsfreibetrag auch in Fällen der beschränkten Steuerpflicht gewährt werden. Hierzu soll der Verweis in § 17 Abs. 1 und 2 ErbStG, der bislang nur die unbeschränkte Steuerpflicht durch den Verweis auf § 16 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG umfasste, auf § 16 ErbStG insgesamt ausgedehnt werden. Zudem soll die Änderung des § 17 ErbStG auch für Erwerbe anzuwenden sein, für die die Steuer bei Inkrafttreten des StUmgBG bereits entstanden war, die Steuerbescheide aber noch nicht bestandskräftig sind (§ 37 Abs. 13 ErbStG). Während der Versorgungsfreibetrag im Falle der unbeschränkten Steuerpflicht ohne weitere Voraus- 26 setzungen gewährt wird, verlangt § 17 Abs. 3 ErbStG in der Entwurfsfassung, dass durch den Ansässigkeitsstaat des Erblassers oder des Erwerbers Amtshilfe geleistet wird. Die zu leistende Amtshilfe 1 R E 5.1 Abs. 4 Satz 2 ErbStR 2011; Ausnahme, sofern Anspruch dem Versorgungsausgleich unterliegt, R E 5.1 Abs. 4 Satz 3 ErbStR 2011. 2 H E 17 „Zugewinnausgleich“ ErbStH 2011. 3 Halaczinsky, ZErb 2004, 149 (153). 4 FG Nds. v. 1.10.2003 – 3 K 338/02, ErbStB 2004, 207 = EFG 2004, 1136; BFH v. 1.9.2004 – II B 156/03, BFH/NV 2005, 71; anderes deutete der BFH in einem einstweiligen Rechtsschutzverfahren an: BFH v. 31.1.1979 – II B 30/76, BStBl. II 1979, 244. 5 FG Nds. v. 1.10.2003 – 3 K 338/02, ErbStB 2004, 207 = EFG 2004, 1136. 6 Bejahend: Jülicher in T/G/J, § 17 ErbStG Rz. 18 (Stand: Oktober 2014); ablehnend: Weinmann in Moench/ Weinmann, § 17 ErbStG Rz. 17 (Stand: Juni 2016); Längle in F/J/P/W5, § 17 ErbStG Rz. 16. 7 Art. 4 Nr. 3 des Regierungsentwurfs eines Gesetzes zur Bekämpfung der Steuerumgehung und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften (Steuerumgehungsbekämpfungsgesetz – StUmgBG) v. 21.12.2016.
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§ 17 ErbStG Rz. 27 Besonderer Versorgungsfreibetrag muss sich aus der Amtshilferichtlinie1 ergeben oder dem dadurch gewährten Auskunftsaustausch entsprechen. 27
Die Voraussetzung der Erteilung von Auskünften entsprechend der Amtshilferichtlinie wird ausweislich der Gesetzesbegründung2 für erforderlich gehalten, um nicht der Erbschaftsteuer unterliegende Versorgungsbezüge im Ausland abfragen und verifizieren zu können; diese Versorgungsbezüge wirken freibetragsmindernd. Vorrangig angabe- und beibringungsverpflichtet bleibt aber der Erwerber im Hinblick auf § 90 Abs. 2 AO. Unerheblich ist, ob der Wohnsitzstaat § 17 ErbStG entsprechende Steuerbefreiungen gewährt. Eine Inanspruchnahme ähnlicher Freibeträge im Inland und im Wohnsitzstaat wird an der Freibetragsgewährung in Deutschland nichts ändern.
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Der Wortlaut des Entwurfs legt wegen der Anknüpfung an „die Staaten“ nahe, dass eine Amtshilfe durch beide Staaten geleistet werden muss, falls Erwerber und Erblasser in unterschiedlichen Staaten ansässig sind, um die Voraussetzungen des § 17 Abs. 3 ErbStG zu erfüllen. Allerdings würde es dem Kontrollzweck genügen, wenn nur einer der beiden Staaten die Amtshilfe leistet und umfassende Auskunft zu den Versorgungsbezügen gibt.
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Die Regelung weist mit diesem Verweis gewisse Parallelen zu § 15 Abs. 6 AStG auf, der Einkünftezurechnungen bei Stiftungen dann ausschließt, wenn Amtshilfe geleistet wird. Durch den Ausdruck „geleistet wird“ dürfte an das Bestehen entsprechender Regelungen und deren tatsächliche Umsetzung anzuknüpfen sein.3
1 § 2 Abs. 2 des EU-Amtshilfegesetzes; maßgebend ist die am Steuerentstehungsstichtag gültige Fassung. 2 Regierungsentwurf zum StUmgBG v. 21.12.2016, 39 f. 3 Vgl. Kirchhain in Mössner/Fuhrmann, § 15 AStG Rz. 92; a.A. Wenz/Linn in Haase, § 15 AStG Rz. 146.
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§ 18 Mitgliederbeiträge 1Beiträge
an Personenvereinigungen, die nicht lediglich die Förderung ihrer Mitglieder zum Zweck haben, sind steuerfrei, soweit die von einem Mitglied im Kalenderjahr der Vereinigung geleisteten Beiträge 300 Euro nicht übersteigen. 2§ 13 Abs. 1 Nr. 16 und 18 bleibt unberührt. A. I. II. III.
Grundaussagen der Vorschrift. . . . . . . . . . Regelungsgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . Bedeutung und Telos . . . . . . . . . . . . . . . . . Geltungsbereich und Verhältnis zu anderen Vorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1 1 2 3
IV. Rechtsentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Begünstigter der Zuwendung (Satz 1). . . . .
4 5
C. Verhältnis zu § 13 Abs. 1 Nr. 16 ErbStG (Satz 2) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13
Literatur: Steiner, Der Sponsor in der Schenkungsteuerfalle, ErbStB 2007, 204.
A. Grundaussagen der Vorschrift I. Regelungsgegenstand § 18 ist eine besondere Befreiungsvorschrift. Sie betrifft Personenvereinigungen, die nicht lediglich 1 die Förderung ihrer Mitglieder zum Zweck haben.
II. Bedeutung und Telos Im Gesamtsystem des Erbschaftsteuerrechts ist die Vorschrift von untergeordneter Bedeutung, da sie 2 lediglich einen sehr eng begrenzten Anwendungsbereich hat. Mit dem Freibetrag wird bezweckt, regelmäßige Kleinzuwendungen an diese Personenvereinigungen nicht der Schenkungsteuer zu unterwerfen. Der Hauptanwendungsbereich der Norm liegt – mit der Finanzverwaltung – in der Steuerbefreiung von Zuwendungen für den wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb gemeinnütziger Körperschaften und dem Sponsoring nicht gemeinnütziger Körperschaften.
III. Geltungsbereich und Verhältnis zu anderen Vorschriften Zuwendungen an Religionsgesellschaften, gemeinnützige und mildtätige Körperschaften sowie an 3 Parteien gem. § 13 Abs. 1 Nr. 16 und 18 ErbStG sind steuerfrei, so dass zumindest Zuwendungen für den ideellen Bereich oder den Zweckbetrieb nicht schenkungsteuerbar sind. § 18 Satz 2 ErbStG stellt klar, dass die Steuerbefreiungen nach § 13 Abs. 1 Nr. 16 und 18 ErbStG ungeachtet von § 18 ErbStG anwendbar sind, so dass diese Befreiungen vorrangig zu prüfen sind. Die Vorschrift schränkt im Übrigen die Anwendung der persönlichen Freibeträge nach § 16 ErbStG nicht ein.
IV. Rechtsentwicklung Die Freibetragsgewährung für derartige Zuwendungen ist seit Einführung des ErbStG geregelt. Mit 4 Ausnahme der Freibetragshöhe ist § 18 ErbStG sogar wortlautidentisch mit § 22 Nr. 17 ErbStG 1922. Im Rahmen der Euro-Anpassungen wurde der Freibetrag 2002 von DM 500 auf Euro 300 erhöht.
B. Begünstigter der Zuwendung (Satz 1) Begünstigter der Zuwendung muss eine Personenvereinigung sein. Personenvereinigungen sind der 5 rechtsfähige und nicht rechtsfähige Verein. Erwirbt ein nicht rechtsfähiger Verein i.S.v. § 54 BGB Stein
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§ 18 ErbStG Rz. 6 Mitgliederbeiträge Vermögen, ist im ersten Schritt die Frage zu stellen, wer Empfänger der Zuwendung ist. Die finanzgerichtliche Rspr.1 verweist auf die körperschaftsteuerliche Struktur auch des nicht rechtsfähigen Vereins sowie die Rechtspersönlichkeit der BGB-Gesellschaft. In der Literatur wird überwiegend unter Verweis auf den BFH2 Abweichendes vertreten und von einer Zuwendung an die einzelnen Mitglieder des nicht rechtsfähigen Vereins ausgegangen.3 Die bereits gesetzlich angelegte Nähe des nicht rechtsfähigen Vereins zur BGB-Gesellschaft und deren Behandlung im ErbStG, legt eine Zuwendung an die einzelnen Mitglieder näher. 6 Der Freibetrag wird nur solchen Personenvereinigungen gewährt und ist nur für Zuwendungen an
solche Personenvereinigungen erforderlich, die nicht lediglich die Förderung ihrer Mitglieder bezwecken, also auch weitere Zwecke verfolgen. Beiträge an Vereine, die lediglich ihre Mitglieder fördern, sind aufgrund des Gegenleistungscharakters bereits nicht schenkungsteuerbar.4 Hierbei kommen etwa die Mitgliedsbeiträge eines nicht gemeinnützigen Golfclubs in Betracht. 7 Schenkungsteuerbar und damit freibetragsrelevant können daher nur außerordentliche und freiwil-
lige Beiträge für derartige Personenvereinigungen sein. In Abgrenzung zur Steuerfreiheit nach § 13 Nr. 16b ErbStG greift die Norm insbesondere für Zuwendungen für den wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb gemeinnütziger Vereine, da die Finanzverwaltung5 und die Rechtsprechung6 entgegen anderer Literaturansichten7 diese Zuwendungen als steuerbar ansehen. Davon kann etwa die Kuchenspende für den Kuchenverkauf der Jugendabteilung des Fußballvereins bei einem Fußballturnier betroffen sein.8 8 Im Praxisfall des Sponsorings nicht gemeinnütziger Vereine, etwa einem nicht gemeinnützigen Golf-
club, kommt der Freibetrag ebenfalls zum Tragen.9 In Abgrenzung zum oben in Rz. 5 genannten Mitgliedsbeitrag ist beim Sponsoring eine Zuwendung anzunehmen. Dies kann mit dem BFH10 und der Vorinstanz11 auch für das Sponsoring einer Profifußballmannschaft gelten, auch wenn diese Teil eines ansonsten gemeinnützigen Vereins ist. 9 Für Berufsverbände stellte das FG Köln klar, dass in der Mittelüberlassung auch durch Sonderumla-
gen durch die Mitglieder weder Zuwendungen noch Zweckzuwendungen vorliegen, wenn der Berufsverband auch politische Parteien fördern kann. Der Berufsverband halte sich damit im Rahmen seiner satzungsmäßigen Aufgaben und fördere die Interessen der Mitglieder in ihrer Gesamtheit. 10
Der Freibetrag, den § 18 ErbStG gewährt, beträgt 300 Euro. Da es sich ausdrücklich um einen Freibetrag handelt, ist dieser auch dann zu gewähren, wenn höhere Beträge zugewendet werden. Daneben sind auch die Freibeträge nach § 16 ErbStG anwendbar, so dass die einmalige Zuwendung an einen rechtsfähigen Verein erst steuerbar sein kann, wenn der Erwerb über 20 300 Euro liegt.
11
Die Steuerfreistellung nach § 18 ErbStG in Höhe eines Betrags von 300 Euro ist wegen der ausdrücklichen Bezugnahme auf das Kalenderjahr nicht in die Zusammenrechnung nach § 14 ErbStG einzubeziehen. Dieser Freibetrag wird ausweislich des Wortlauts jährlich gewährt.
12
Der Freibetrag kann für „Beiträge“ in Anspruch genommen werden. In Abweichung von der vereinsrechtlichen Literatur nimmt der BFH an, dass der Beitragsbegriff i.S.d. § 18 ErbStG weit zu verstehen
1 FG Münster v. 18.1.2007 – 3 K 259/05 Erb, StEb 2007, 218. 2 BFH v. 14.9.1994 – II R 95/92, BStBl. II 1995, 81. 3 Götz/Ohletz in Wilms/Jochum, § 18 ErbStG Rz. 11 (Stand: Februar 2014); Kapp/Ebeling, § 18 ErbStG Rz. 1 (Stand: September 2013); Längle in F/J/P/W5, § 18 ErbStG Rz. 2. 4 RFH v. 14.2.1923, RStBl. 1923, 400. 5 R E 13.8 Abs. 2 Satz 4 ErbStR 2011. 6 FG Düsseldorf v. 5.2.1997 – 13 K 2126/93 E, EFG 1997, 473. 7 Schauhoff, DStR 2004, 1465 (1469); § 13 Nr. 16b ErbStG stellt einen abstrakten Bezug her, der auch den wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb umfasst. 8 Kritisch hierzu in Abgrenzung zu einer Geldspende an den Verein Brinkmeier, Vereinsbesteuerung, S. 168. 9 Instruktiv mit weiteren Abgrenzungen: Steiner, ErbStB 2007, 204 (206). 10 BFH v. 15.3.2007 – II R 5/04, BStBl. II 2007, 472 = FR 2007, 851 = ErbStB 2007, 159. 11 FG Düsseldorf v. 27.11.2003 – 9 K 3304/02, 9 K 6334/02, EFG 2004, 664.
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Verhältnis zu § 13 Abs. 1 Nr. 16 ErbStG (Satz 2)
Rz. 13 § 18 ErbStG
ist. Dieser umfasst auch außerordentliche und freiwillige Zuwendungen, so dass § 18 vor allem bei der „Einkleidung einer Schenkung in das Gewand eines Beitrags“ Bedeutung gewinnt.
C. Verhältnis zu § 13 Abs. 1 Nr. 16 ErbStG (Satz 2) § 18 Satz 2 ErbStG stellt klar, dass die Steuerbefreiungen nach § 13 Abs. 1 Nr. 16 und 18 ErbStG un- 13 geachtet von § 18 ErbStG anwendbar sind (s. Rz. 3).
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§ 19 Steuersätze (1) Die Erbschaftsteuer wird nach folgenden Prozentsätzen erhoben: Wert des steuerpflichtigen Erwerbs (§ 10) Prozentsatz in der Steuerklasse bis einschließlich … Euro I II III 75 000 7 15 30 300 000 11 20 30 600 000 15 25 30 6 000 000 19 30 30 13 000 000 23 35 50 26 000 000 27 40 50 über 26 000 000 30 43 50 (2) Ist im Falle des § 2 Absatz 1 Nummer 1 und Absatz 3 ein Teil des Vermögens der inländischen Besteuerung auf Grund eines Abkommens zur Vermeidung der Doppelbesteuerung entzogen, ist die Steuer nach dem Steuersatz zu erheben, der für den ganzen Erwerb gelten würde. (3) Der Unterschied zwischen der Steuer, die sich bei Anwendung des Absatzes 1 ergibt, und der Steuer, die sich berechnen würde, wenn der Erwerb die letztvorhergehende Wertgrenze nicht überstiegen hätte, wird nur insoweit erhoben, als er a) bei einem Steuersatz bis zu 30 Prozent aus der Hälfte, b) bei einem Steuersatz über 30 Prozent aus drei Vierteln, des die Wertgrenze übersteigenden Betrags gedeckt werden kann. A. I. II. III.
Grundaussagen der Vorschrift. . . . . . . . . . Regelungsgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . Bedeutung und Telos . . . . . . . . . . . . . . . . . Geltungsbereich und Verhältnis zu anderen Vorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Rechtsentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1 1 2 5 6
V. Verfassungsrechtliche Implikationen . . . . . . 10 B. Steuersätze (Abs. 1) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 C. Progressionsvorbehalt des ErbStG (Abs. 2) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 D. Härteausgleich (Abs. 3) . . . . . . . . . . . . . . . 33
Verwaltungsanweisungen: H E § 19 ErbStH 2011.
A. Grundaussagen der Vorschrift I. Regelungsgegenstand § 19 ErbStG schließt das dritte Kapital des ErbStG zur Berechnung der Steuer ab. Auf die Ermittlung 1 des steuerpflichtigen Erwerbs gemäß dem Schema der ErbStR1 wird auf diesen steuerpflichtigen Erwerb der Steuersatz angewendet. Der maßgebende Steuersatz wird der Steuersatztabelle entnommen, die in § 19 Abs. 1 ErbStG niedergelegt ist. Durch § 19 ErbStG wird lediglich ein Steuersatz auf den zuvor nach anderen Vorschriften des ErbStG unter Berücksichtigung früherer Erwerbe und Freibeträgen ermittelten steuerpflichtigen Erwerb angewandt. Die Handhabung der Vorschrift ist einfach. Schließlich wird durch bloße Multiplikation des steuerpflichtigen Erwerbs mit einem Prozentsatz die Steuerschuld ermittelt. Besonderheiten ergeben sich durch § 19 Abs. 2 ErbStG für den Progressionsvorbehalt bei der Anwendung von Doppelbesteuerungsabkommen sowie durch den Härteausgleich in § 19 Abs. 3 ErbStG, der die Härten des progressiven Stufentarifs mildert.
1 R E 10.1 ErbStR 2011.
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§ 19 ErbStG Rz. 2 Steuersätze
II. Bedeutung und Telos 2 Über den Steuersatz wird die letztlich für den Steuerpflichtigen entscheidende Steuerschuld ermit-
telt. Nach dem BFH soll § 19 ErbStG sogar der Aufhänger für die Prüfung der Verfassungskonformität der Erbschaftsteuer im Hinblick auf die Betriebsvermögensvergünstigungen sein.1 Diesem Ansatz stand das BVerfG kritisch gegenüber, insbesondere da es die Überzeugung des BFH von der Verfassungswidrigkeit des § 19 ErbStG nicht gegeben sah.2 Im Ergebnis ließ das BVerfG diesen Aspekt dahingestellt und überprüfte §§ 13a, b ErbStG unmittelbar auf deren Verfassungskonformität.3 3 Die Steuersatzbestimmung ist geprägt vom Näheverhältnis zwischen Zuwendendem und Erwerber.
Durch die Anknüpfung an die Steuerklasse nach § 15 Abs. 1 ErbStG wird das Familien- und Näheprinzip, das verfassungsrechtlich angelegt ist,4 auch bei der Steuersatzbestimmung umgesetzt. 4 In der Rspr. zeigt sich deutlich,5 dass die Vorschrift zu den Steuersätzen im ErbStG nicht isoliert,
sondern stets im Zusammenwirken mit der Bemessungsgrundlage zu sehen ist. Dieses Zusammenwirken beeinflusst maßgeblich die Steuereinnahmen, da sowohl eine Verbreiterung der Bemessungsgrundlage wie auch eine Erhöhung des Steuersatzes zu Steuermehreinnahmen führen.
III. Geltungsbereich und Verhältnis zu anderen Vorschriften 5 Internationale Bezüge: Sofern eine Erbschaftsteuer oder Nachlasssteuer erhoben wird, ist die An-
wendung eines Steuersatzes auf die Bemessungsgrundlage international üblich. Insofern unterscheiden sich Systeme der Nachlasssteuer nicht von solchen der Erbschaftsteuer. Entsprechendes gilt für die Schenkungsteuer. Unterschiedliche Systeme zeigen sich nur insofern, als teils einheitliche Steuersätze erhoben werden, sog. Flat-Tax-Systeme, wie sie etwa Großbritannien kennt.6 Andere Steuersysteme stufen zwar nach der Höhe des Erwerbs ab, unterscheiden aber nicht weiter zwischen den Näheverhältnissen. Dies ist etwa beim progressiven US-amerikanischen Nachlasssteuersystem vorzufinden.7 Ebenso ist die Höhe des minimalen und maximalen Steuersatzes stark national geprägt. Einen besonderen Fall insofern stellt Spanien dar, wo aufgrund der Anwendung eines Multiplikatorverfahrens bei entsprechend hohem Erwerb, großem Vermögen und entsprechend ungünstiger Steuerklasse ein maximaler Steuersatz von 81,6 % erreichbar ist,8 wobei für Spanien zugleich zu beachten ist, dass einzelne Provinzen sehr große Abschläge gewähren.9 Zum Verhältnis zu anderen Vorschriften nationalen Rechts s. Rz. 1.
IV. Rechtsentwicklung 6 Das deutsche ErbStG bestimmt den anzuwendenden Steuersatz mittels eines Stufentarifs, der dop-
pelt progressiv aufgebaut ist.10 Diese doppelte Progression folgt aus der Erhöhung der Steuersätze mit der Erhöhung des steuerpflichtigen Erwerbs – bei Überschreiten einer Wertgrenze – sowie andererseits durch die Erhöhung der Steuersätze mit Verschlechterung der Steuerklasse. 7 Das Steuersatzsystem war bis zur Reform 1996 weiter ausdifferenziert. Zuvor waren mehrere Wert-
grenzen vorgesehen und auch die Zahl der Steuerklassen war größer. So sah das ErbStG 1974 noch 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10
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BFH v. 27.9.2012 – II R 9/11, BStBl. II 2012, 899. BVerfG v. 17.12.2014 – 1 BvL 21/12, BStBl II 2015, 50, unter B. I. 3. BVerfG v. 17.12.2014 – 1 BvL 21/12, BStBl II 2015, 50, unter B. I. 2 b) bb). BVerfG v. 22.6.1995 – 2 BvR 552/91, BStBl. II 1995, 671. BVerfG v. 22.6.1995 – 2 BvR 552/91, BStBl. II 1995, 671, unter II. Nr. 2; BFH v. 5.10.2011 – II R 9/11, BStBl. II 2012, 29 (Leitsatz). Inheritance Act 1984, Schedule 1 (für die Erbschaftsteuer). IRC 2001 (c). Art. 20–22 Ley del Impuesto Sobre las Successiones y Donaciones. Hellwege, ErbStB 2006, 282: Abschlag 99 % auf den Balearen in Steuerklasse I bei unbeschränkt steuerpflichtigen Erwerbern. Knobel in V/K/S/W4, ErbStG/BewG3, § 19 ErbStG Rz. 2.
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Grundaussagen der Vorschrift
Rz. 13 § 19 ErbStG
25 Wertgrenzen und vier Steuerklassen in § 19 Abs. 1 ErbStG zur Bestimmung des Steuersatzes vor. Die Spannweite der Steuersätze reichte von 3 % bei einem Erwerb in Steuerklasse I von bis zu 50 000 DM und konnte bis zu 70 % bei einem Erwerb von über 100 Mio. DM in Steuerklasse IV erreichen. Durch das ErbStG 1996 wurde die Anzahl der Wertstufen auf sieben verringert und zudem waren 8 nur drei Steuerklassen vorgesehen. Dies entspricht dem aktuellen geltenden ErbStG. Diese Anpassung geschah auch vor dem Hintergrund der Aussetzung der Vermögensteuer. Die Steuersätze im ErbStG 1996 reichten von 7 % bei einem Erwerb von bis zu 100 000 DM/52 000 Euro und einem maximalen Steuersatz von 50 % bei einem Erwerb von 50 Mio. DM/25 565 000 Euro für Erwerbe in Steuerklasse III; lediglich die Wertgrenzen waren gegenüber dem aktuellen ErbStG etwas niedriger. Für Erwerbe im Jahr 2009 war zu beachten, dass für diese de facto nur zwei Steuerklassen existier- 9 ten. Steuerklasse II und III sahen identische Steuersätze vor. Für Erwerbe seit dem 1.1.2010 wurden durch das Wachstumsbeschleunigungsgesetz wieder drei echte Steuerklassen eingeführt. Während die Prozentsätze in Steuerklasse I bei leicht angehobenen Erwerbsschwellen mit denen des ErbStG 1996 identisch sind, wurden diejenigen in Steuerklasse II leicht angehoben mit einer Spanne von 15 % bis 43 % gegenüber der Spanne von 12 % bis 40 % im ErbStG 1996. In Steuerklasse III hingegen gibt es nur noch zwei Steuersätze, denjenigen von 30 % für Erwerbe bis einschließlich 6 Mio. Euro und den Steuersatz von 50 % für Erwerbe über 6 Mio. Euro. Das Differenzierungssystem des ErbStG 1996 ist seit 2009 für Erwerbe in Steuerklasse III weitgehend aufgegeben worden.
V. Verfassungsrechtliche Implikationen Das BVerfG erkannte für das ErbStG 1996 die durch § 19 Abs. 1 ErbStG angeordnete Erhebung der 10 Erbschaftsteuer mit einheitlichen Steuersätzen auf den Wert des Erwerbs als mit dem Grundgesetz unvereinbar. Schließlich knüpfe die Erhebung an Steuerwerte an, deren Ermittlung bei wesentlichen Gruppen von Vermögensgegenständen den Anforderungen des Gleichheitssatzes nicht genüge. Wenngleich der BFH1 seine Begründung der Verfassungswidrigkeit des ErbStG 2009 ebenfalls auf diese Norm gestützt hatte, stand das BVerfG2 dem kritisch gegenüber und überprüfte die Verfassungskonformität von § 13a, b ErbStG ohne Einbeziehung von § 19 ErbStG als Klammernorm. Für das ErbStG 1996 stellte die Rechtsprechung zudem klar, dass ein vor dem 31.12.2008 erfolgter 11 Erwerb auch besteuert werden kann, wenn die Neuregelung in Form des ErbStG 2009 selbst verfassungswidrig sei. Die Weitergeltung des ErbStG 1996 sei nicht mit der Verfassungskonformität der Neuregelung verknüpft Kritisiert wird auch die Härte, die sich aus dem Stufentarif des ErbStG ergibt. Aufgrund der Redu- 12 zierung der Wertgrenzen auf nunmehr sieben bzw. nur zwei in Steuerklasse III, gibt es erhebliche Sprünge im Steuersatz, die durch den Härteausgleich gem. § 19 Abs. 3 ErbStG nur gemildert, aber nicht beseitigt werden. Mit einer Erhöhung der Anzahl der Wertgrenzen, wie sie bspw. im ErbStG 1974 vorgesehen war, fiele eine Belastung geringer aus.3 Diese Härten könnten durch einen sog. Formeltarif vermieden werden, der durch viele kleine Tarifschritte diese Härten unterbindet. Ein solcher Vorschlag des Bundesrates zum JStG 19974 wurde aus praktischen Gründen verworfen. Ursprünglich wurde keine Aussetzung der Vollziehung von ErbSt-Bescheiden wegen geltend ge- 13 machter Verfassungswidrigkeit des ErbStG gewährt.5 Hiervon ist der BFH für das ErbStG 2009 später teilweise abgewichen und gestattete eine Aussetzung der Vollziehung bei Bestehen eines berechtigten Interesses. Dies sei jedenfalls zu bejahen, wenn ein Normenkontrollverfahren beim BVerfG anhängig sei und der Steuerpflichtige mangels Erwerbs liquider Mittel zur Entrichtung der festgesetzten Erbschaftsteuer eigenes Vermögen einsetzen oder die erworbenen Vermögensgegenstände
1 2 3 4 5
BFH v. 27.9.2012 – II R 9/11, BStBl. II 2012, 899. BVerfG v. 17.12.2014 – 1 BvL 21/12, BStBl. II 2015, 50, unter B. I. 2 b) bb). Weinmann in Moench/Weinmann, § 19 ErbStG Rz. 3 (Stand: September 2014). BT-Drucks. 13/5359, 37 ff. BFH v. 17.7.2003 – II B 20/03, BStBl. II 2003, 807.
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§ 19 ErbStG Rz. 14 Steuersätze veräußern oder belasten muss. Die Aussetzung soll auch dann gewährt werden, wenn zu erwarten sei, dass das BVerfG nur die Unvereinbarkeit feststellt und dem Gesetzgeber Nachbesserungsmöglichkeiten einräumt.1 14
Zur Beseitigung der Verfassungswidrigkeit des ErbStG 2009 wurden sachverständigenseits auch FlatTax-Modelle vorgeschlagen.2 Ziel dieser Modelle ist eine Senkung und Vereinheitlichung der Steuersätze und eine Verbreiterung der Bemessungsgrundlage.3 Zwar erfolgten Planrechnungen des BMF4 für eine Erbschaftsteuer unter Anwendung eines Flat-Tax-Systems ab Herbst 2015. Im Ergebnis konnte sich ein Flat-Tax-System bei der aktuellen Neufassung des ErbStG nicht durchsetzen.
B. Steuersätze (Abs. 1) 15
Der auf einen Erwerb anzuwendende Steuersatz ist aus der zu § 19 Abs. 1 ErbStG abgedruckten Steuersatztabelle zu entnehmen, der aus den Parametern der anzuwendenden Steuerklasse und der Höhe des zu versteuernden Erwerbs abzulesen ist. Aus welchem Erwerbstatbestand nach §§ 3, 4 und 6 bis 8 ErbStG der Erwerb erfolgt, ist unbeachtlich.
16
Durch das ErbStG 2009 wurden die Wertgrenzen einerseits großzügig aufgerundet und andererseits die Steuersätze angepasst. Diese blieben in Steuerklassen I gleich, erhöhten sich aber in Steuerklasse II um 3 % pro Wertgrenze gegenüber dem ErbStG 1996. Die Änderungen des ErbStG 2009 gipfelten in der Einführung lediglich zweier Wertgrenzen zur Steuersatzbestimmung in Steuerklasse III. Für Erwerbe zwischen dem 1.1.2009 und dem 31.12.2009 fanden abweichend von der aktuellen Regelung in Steuerklasse II in Steuerklasse III ebenfalls nur zwei Steuersätze von 30 % bis 50 % Anwendung, so dass Steuerklasse II und III für Erwerbe im Jahr 2009 gleichgestellt waren.
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Im Hinblick auf die Verfassungswidrigkeit des ErbStG 1996 konnten für Erwerbsfälle zwischen dem 1.1.2007 und dem 1.1.2009 einzelne Vorschriften des ErbStG 2009 gewählt werden. Zu diesen gehörten auch die Steuersätze nach § 19 ErbStG. Ein solcher Antrag konnte aber letztmalig zum 30.6.2009 gestellt werden.5
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§ 19 Abs. 1 ErbStG sieht zur Steuersatzbestimmung eine Auffächerung nach Steuerklassen vor. Diese Auffächerung ist vom Näheverhältnis zwischen Zuwendendem und Erwerber gekennzeichnet. Durch die Unterscheidung zwischen Steuerklassen knüpft § 19 ErbStG unmittelbar an die zuvor durch § 15 ErbStG getroffenen Wertungen an. Zugleich ist § 19 Abs. 1 ErbStG eine Vorschrift, die die verfassungsrechtlichen Vorgaben im ErbStG umsetzt. So folgt aus der Erbrechtsgarantie, dass der Spielraum für den steuerlichen Zugriff auf den Erwerb seine Grenze dort findet, wo die Steuerpflicht den Erwerb übermäßig belastet und die ihm zugewachsenen Vermögenswerte grundlegend beeinträchtigt.6 Zudem ist durch Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG gewährleistet, dass das Rechtsinstitut der Privaterbfolge besteht. Dessen Schutzumfang erstreckt sich sowohl auf den Erblasser, dessen Testierfreiheit geschützt ist, wie auch den Erben, der kraft Erbfolge erwerben können muss. Allerdings gesteht das BVerfG dem Gesetzgeber bei den Einschränkungen des Erbrechts durch Besteuerungen eine Gestaltungsbefugnis zu, weil sie an der Vermögensübertragung anknüpfen und nicht das Eigentum selbst betreffen.7 Das Recht zur Erbschaftsbesteuerung steht dem Grunde nach nicht in Frage.
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Ungeachtet der weitreichenden Gestaltungsbefugnis des Gesetzgebers sind die weiteren Schranken zu beachten, die durch den Schutz von Ehe und Familie gem. Art. 6 Abs. 1 GG gezogen werden. Neben der Notwendigkeit von Freibeträgen für Erwerbe im Familienkreis sieht es das BVerfG auch für erforderlich an, dass der erbschaftsteuerliche Zugriff so beschränkt wird, dass die Erbschaft für den
1 BFH v. 21.11.2013 – II B 46/13, BStBl. II 2014, 263. 2 Vgl. Pahlke, ZEV 2015, 377. 3 Gutachten des wissenschaftlichen Beirats des BMF: Die Begünstigung des Unternehmensvermögens in der Erbschaftsteuer, 37 f.; www.bundesfinanzministerium.de. 4 Hannes/Reich, ZEV 2015, 694 (697). 5 Art. 3 ErbStRG. 6 BVerfG v. 22.6.1995 – 2 BvR 552/91, BStBl. II 1995, 671 (Leitsatz). 7 BVerfG v. 22.6.1995 – 2 BvR 552/91, BStBl. II 1995, 671, unter II. a. cc.
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Steuersätze (Abs. 1)
Rz. 23 § 19 ErbStG
Ehegatten noch Ergebnis der ehelichen Erwerbsgemeinschaft bleibt und für Kinder noch die angelegte Mitberechtigung am Familiengut erhalten bleibt. Die durch Art. 6 Abs. 1 GG gebotene Abstufung in der Steuerbelastung setzt das ErbStG durch die Differenzierung bei der Ermittlung des maßgebenden Steuersatzes nach Steuerklassen um. Damit ist sichergestellt, dass Erwerbe durch nahestehende Personen i.S.d. Steuerklasse I im Vergleich zur Regelbesteuerung in Steuerklasse III privilegiert besteuert werden. Da sich der Steuersatz durch bloßes Ablesen aus der Tabelle ergibt, stellen sich bei fehlerhaften Ver- 20 anlagungen die Fragen der Korrekturmöglichkeit nach § 129 AO. Liest der Sachbearbeiter des Finanzamtes den Steuersatz aus der Tabelle falsch ab, ist eine offenbare Unrichtigkeit i.S.d. § 129 Satz 1 AO gegeben, wenn sowohl bei der Bestimmung der Steuerklasse als auch bei der Ermittlung des Wertes des steuerpflichtigen Erwerbs mehr als nur theoretische Möglichkeiten eines Rechtsirrtums oder einer fehlerhaften Tatsachenwürdigung nicht gegeben ist.1 Dies gilt insb. dann, wenn für den nicht verwandten Erben der Steuersatz nach Steuerklasse II anstatt nach Steuerklasse III angewandt wird. Hingegen liegt eine offenbare Unrichtigkeit i.S.v. § 129 Satz 1 AO dann nicht mehr vor, wenn auch nur die ernsthafte Möglichkeit besteht, dass die Nichtbeachtung der feststehenden Tatsache in einer fehlerhaften Tatsachenwürdigung oder einem sonstigen im sachverhaltsbezogenen Denk- und Überlegungsfehler begründet ist oder aber auf mangelnder Sachaufklärung beruht.2 Eine offenbare Unrichtigkeit scheitert auch, wenn in der Erbschaftsteuererklärung lediglich „Nichte“ eingetragen ist und das Finanzamt ohne weitere Überprüfung der Verwandtschaft Steuerklasse II und nicht Steuerklasse III anwendet.3 Unter Anwendung der Regelung des § 14 ErbStG kann es zur Bestimmung der einschlägigen Wert- 21 grenze und damit des anzuwendenden Steuersatzes erforderlich sein, in den letzten zehn Jahren getätigte Vorschenkungen mit einzubeziehen und die Erwerbe zusammenzurechnen. Für die Berechnungsschritte im Einzelnen können die Ländererlasse zum ErbStG 19744 sinngemäß angewandt werden mit den Modifikationen, dass § 14 Abs. 1 ErbStG den Abzug der fiktiven oder der tatsächlichen Steuer für die Vorschenkung erlaubt und letztlich der höhere Wert abgezogen wird sowie dass der Grenzsteuersatz bei § 14 Abs. 2 ErbStG nur noch 50 % und nicht wie damals 70 % beträgt.5 Besondere Steuersätze: Für Erwerbe von betrieblichem Vermögen i.S.d. §§ 13a, 13b ErbStG ist bei 22 Erwerben in Steuerklasse II und III durch § 19a ErbStG eine Sonderregelung vorgesehen, die diese Erwerbe nach Steuerklasse I und damit mit niedrigeren Steuersätzen besteuert. Bei der Ersatzerbschaftsteuer sieht § 15 Abs. 2 Satz 3 ErbStG eine Sonderregelung vor. Demnach wird auf die Erbersatzsteuer der Steuersatz angewendet, der für die Hälfte des erbersatzsteuerpflichtigen Erwerbs in Steuerklasse I Anwendung fände. Der Steuertarif kann sich nach folgendem Schema berechnen lassen,6 sobald der Steuersatz auf den 23 zu versteuernden Erwerb angewandt wurde: 1. Tarifliche Erbschaftsteuer nach § 19 ErbStG – Abzugsfähige Steuer nach § 14 Abs. 1 ErbStG Entlastungsbetrag nach § 19a ErbStG = Summe 1 2. Ermäßigung nach § 27 ErbStG (Aufteilung nach § 27 Abs. 2 ErbStG und Kappungsgrenze nach § 27 Abs. 3 ErbStG beachten!) Anrechenbare Steuer nach § 6 Abs. 3 ErbStG = Summe 2
1 FG Nürnberg v. 22.5.2003 – IV 331/2000, ZErb 2003, 387. 2 BFH v. 9.12.1998 – II R 9/96, NVWZ 1999, 1378; anders hingegen die Vorinstanz: FG BW v. 29.11.1995 – 13 K 2/94, EFG 1996, 304. 3 FG München v. 29.3.2006 – IV K 2477/05, EFG 2006, 1083. 4 DB 1975, 235. 5 Weinmann in Moench/Weinmann, § 19 ErbStG Rz. 11 (Stand: September 2014). 6 Knobel in V/K/S/W4, § 19 ErbStG Rz. 10; diese in Anlehnung an R 24a Abs. 2 ErbStR 2003.
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§ 19 ErbStG Rz. 24 Steuersätze 3. Anrechenbare Steuer nach § 21 ErbStG (Steuer lt. Summe 2 § 21 Abs. 1 Satz 2 ErbStG aufzuteilen) = Summe 3 höchstens nach § 14 Abs. 2 ErbStG begrenzte Steuer (Hälfte des Werts des weiteren Erwerbs) = Festzusetzende Erbschaftsteuer.
C. Progressionsvorbehalt des ErbStG (Abs. 2) 24
§ 19 Abs. 2 ErbStG regelt die innerstaatliche Umsetzung des Progressionsvorbehalts. Die Norm hat daher eine vergleichbare Stellung zu § 32b im EStG. Allerdings ist ein Progressionsvorbehalt für die Erbschaft- und Schenkungsteuer nur vorgesehen, falls ein Teil des Erwerbs aufgrund eines DBA auf dem Gebiet der Erbschaft- und ggf. auch der Schenkungsteuer der inländischen Besteuerung entzogen ist.
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Der Anwendungsbereich des Progressionsvorbehalts im ErbStG ist daher gering. Es bestehen derzeit sechs Doppelbesteuerungsabkommen auf dem Gebiet der Erbschaftsteuer, da Doppelbesteuerungsabkommen mit Österreich und Israel mangels Erhebung einer Erbschaftsteuer aufgekündigt wurden. Erforderlich ist zudem, dass die Doppelbesteuerung durch die Freistellungsmethode vermieden wird. Anders als ertragsteuerliche Doppelbesteuerungsabkommen, die oftmals die Freistellungsmethode zur Vermeidung der Doppelbesteuerung im Rahmen des Methodenartikels1 vorsehen, gilt für die Erbschaft- und Schenkungsteuer anderes. Der Grundsatz der Vermeidung der Doppelbesteuerung ist die Anrechnungsmethode. Bei der Anrechnungsmethode ist die Beachtung eines Progressionsvorbehalts hinfällig.2
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Die von Deutschland abgeschlossenen DBA kennen lediglich zwei Ausnahmen. So sieht das ErbStDBA mit Griechenland für bewegliches Nachlassvermögen3 (DBA Griechenland Rz. 23, 35) die Freistellungsmethode vor, indem der Belegenheitsstaat sein Besteuerungsrecht nicht ausübt. Für einen Sonderfall regelt auch das ErbSt-DBA Schweiz,4 dass in der Schweiz belegenes unbewegliches Vermögen i.S.d. Art. 5 Abs. 2 des DBA Schweiz von der Besteuerung in Deutschland auszunehmen ist, wenn der Erblasser im Zeitpunkt seines Todes schweizerischer Staatsangehöriger war. Im Falle des ErbSt-DBA mit Griechenland läuft der Progressionsvorbehalt des § 19 Abs. 2 ErbStG allerdings weitgehend leer. Da nach dem DBA der Belegenheitsstaat auf das Besteuerungsrecht verzichtet, steht dem Ansässigkeitsstaat stets das volle Besteuerungsrecht zu. Fälle der beschränkten Steuerpflicht unterfallen nicht dem Anwendungsbereich des § 19 Abs. 2 ErbStG. In Betracht käme eine Anwendung des Progressionsvorbehalts nur dann, wenn das Optionsrecht hin zur unbeschränkten Erbschaftsteuerpflicht nach § 2 Abs. 3 ErbStG ausgeübt wird, etwa weil neben beweglichem auch noch unbewegliches inländisches Nachlassvermögen vorhanden ist. Zumal § 19 Abs. 2 ErbStG den Progressionsvorbehalt im Fall des § 2 Abs. 3 ErbStG ausdrücklich vorsieht, ist zugleich klargestellt, dass dieses Vermögen, das durch ein DBA im Inland steuerfrei gestellt ist, bei Ausübung der Option nach § 2 Abs. 3 ErbStG nicht steuerpflichtig, sondern nur über den Progressionsvorbehalt berücksichtigt wird.5
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Umstritten ist beim Progressionsvorbehalt, ob dieser nur bei ausdrücklicher Zulassung im jeweiligen Doppelbesteuerungsabkommen möglich ist oder ob dieser nach innerstaatlichem Recht nur dann nicht anzuwenden ist, wenn eine ausdrückliche Einschränkung des Progressionsvorbehalts im jeweiligen Doppelbesteuerungsabkommen vorgesehen ist. Während der BFH auf eine ausdrückliche Einschränkung im jeweiligen Doppelbesteuerungsabkommen abstellt, ist nach der Ansicht der Finanzverwaltung und nach der Ansicht des BVerfG eine ausdrückliche Regelung des Progressionsvorbehalts im Doppelbesteuerungsabkommen Voraussetzung für die Anwendung der innerstaatlichen Norm. 1 2 3 4 5
Art. 23 DBA-Musterabkommen. H E 19 ErbStH 2011. DBA vom 18.11./1.12.1910, RGBl. 1912, 173. DBA vom 30.11.1978, BGBl. II 1980, 595. Eisele in Kapp/Ebeling, § 2 ErbStG Rz. 68 (Stand: November 2016).
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Härteausgleich (Abs. 3)
Rz. 35 § 19 ErbStG
Nach der Vorgabe des BVerfG1 gibt der Staat, der unter Vereinbarung der Freistellungsmethode ein 28 Doppelbesteuerungsabkommen abschließt, sein Besteuerungsrecht vollständig auf. Daher kann auch eine Einbeziehung im Rahmen des Progressionsvorbehalts nur dann erfolgen, wenn der Progressionsvorbehalt ausdrücklich im jeweiligen DBA vorbehalten ist. Fehlt es hingegen im DBA an einem Progressionsvorbehalt, so kann weder durch die Norm des § 19 Abs. 2 ErbStG noch auf einkommensteuerlicher Seite durch § 32b EStG eine Einbeziehung von freigestelltem Steuersubstrat in die Bestimmung der Wertgrenze im Rahmen eines Progressionsvorbehalts erfolgen. Das DBA Schweiz auf dem Gebiet der Nachlass- und Erbschaftsteuer regelt ausdrücklich einen Progressionsvorbehalt. Ein solcher ist im DBA Griechenland für bewegliches Nachlassvermögen nicht vorgesehen. Für die Steuerfreistellung von beweglichem Nachlassvermögen, das unter das DBA Griechenland fällt, läuft der erbschaftsteuerliche Progressionsvorbehalt nach dem BVerfG damit leer. Sinn und Zweck des Progressionsvorbehalts bei Anwendung der Freistellungsmethode ist, über die 29 Freistellung des (Teil-)Erwerbs keine weiteren mittelbaren Vorteile zu gewöhnen. Andere Vorteile könnten durch die völlige Ausschließung auftreten, da der Gesamterwerb niedriger ausfällt und damit ggf. der Steuersatz einer niedrigeren Wertgrenze anzuwenden wäre. Der Progressionsvorbehalt als solcher ist verfassungsrechtlich gerechtfertigt.2 Der Progressionsvorbehalt ist nur von Bedeutung, sofern der jeweilige Erwerb der unbeschränkten 30 Steuerpflicht unterliegt. Dies folgt aus dem ausdrücklichen gesetzlichen Verweis auf § 2 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 3 ErbStG. Umfasst sind einerseits die Fälle der originären inländischen unbeschränkten Steuerpflicht und zwar unabhängig davon, ob der Erben- oder Erblasserwohnsitz zur unbeschränkten Steuerpflicht führt. Andererseits gilt dies auch für die Optionsfälle zur unbeschränkten inländischen Steuerpflicht gem. § 2 Abs. 3 ErbStG. Da die derzeit geltenden Doppelbesteuerungsabkommen keine Subject-to-Tax-Clause enthalten, 31 wird durch § 19 Abs. 2 auch eine virtuelle Doppelbesteuerung vermieden. Der Wortlaut des § 19 Abs. 2 ist eindeutig und lässt kein anderes Ergebnis zu. Durch die Anwendung des Progressionsvorbehalts und Erhöhung der Wertstufe zur Ermittlung des 32 anzuwendenden Steuersatzes kann es auch zu Folgen im Anwendungsbereich des Härteausgleichs gem. § 19 Abs. 3 ErbStG kommen. In diesem Fall ist der Steuersatz unter Anwendung des Härteausgleichs für den Gesamterwerb zu bestimmen und dann auf den Teilerwerb anzuwenden, der der inländischen Besteuerung unterliegt.3
D. Härteausgleich (Abs. 3) Der Stufentarif führt zunächst dazu, dass es bei Überschreiten einer Wertgrenze zu deutlichen Här- 33 ten kommt. Schließlich wird der gesamte Erwerb bei Eintritt in die nächst höhere Wertstufe mit dem Steuersatz besteuert, der für diese Wertstufe gilt. Dies hat etwa zur Folge, dass ein Erwerb von 600 000 Euro bei einem Steuersatz in Steuerklasse I von 15 % mit einer Steuer von 90 000 Euro belegt wird, während ein Erwerb von 600 100 Euro in Steuerklasse I mit einem Steuersatz von 19 % belegt würde, was eine Steuer von 114 019 Euro zur Folge hätte. Um derartige überproportionale Mehrsteuern zu vermeiden, wurde der Härteausgleich in die Steuersatzregelungen eingeführt. Ziel des Härteausgleichs ist es nicht, Härten insgesamt zu vermeiden, sondern diese abzumildern. Der Härteausgleich findet sowohl auf Fälle beschränkter wie unbeschränkter Steuerpflicht Anwen- 34 dung. Soweit anderes angenommen wird,4 lässt sich dies nicht auf den Gesetzeswortlaut stützen.5 Beim Härteausgleich wird zweistufig vorgegangen. In der ersten Stufe wird fiktiv der Grenzerwerb, 35 der noch in der nächst niedrigeren Wertgrenze erfolgte, mit dem für diese geltenden niedrigeren Prozentsatz angesetzt. Der Teil des steuerpflichtigen Erwerbs, der diese Grenze übersteigt, wird im 1 2 3 4 5
BVerfG v. 10.3.1971 – 2 BvL 3/68, BStBl. II 1973, 431 (434). BFH v. 4.8.1976 – I R 152/74, BStBl. II 1976, 662. Fey in Beck’sches Steuer- und Bilanzlexikon, Doppelbesteuerung, Rz. 3. Götz in Wilms/Jochum, § 19 ErbStG Rz. 38 (Stand: Februar 2014). Vgl. Jülicher in T/G/J, § 19 ErbStG Rz. 26 (Stand: Januar 2013).
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§ 19 ErbStG Rz. 36 Steuersätze zweiten Prüfungsschritt mit einem Mehrsteuersatz angesetzt. Dieser Mehrsteuersatz beträgt 50 %, sofern der Steuersatz bis zu 30 % beträgt, während der Mehrsteuersatz 75 % beträgt, wenn nach der Tabelle des § 19 Abs. 1 ErbStG ein Steuersatz von über 30 % Anwendung findet. 36
Der Mehrsteuersatz von 50 % bis 75 % bezieht sich also nur auf den Teil des Erwerbs, der die vorangegangene Wertgrenze übersteigt. Bei der Bestimmung des Steuersatzes zur Ermittlung des einschlägigen Mehrsteuersatzes ist die Wertgrenze „bis zu 30 %“ einschließlich eines Steuersatzes von 30 %1 zu verstehen. Für die Anwendung des Mehrsteuersatzes von 50 % bzw. 75 % ist entscheidend, mit welchem Steuersatz der der Erwerb ohne Härteausgleich besteuert würde.2
37
Rechnerisch ist zur Anwendung des § 19 Abs. 3 ErbStG dann eine Vergleichsrechnung durchzuführen. Zunächst ist auf den Erwerb der Steuersatz anzuwenden, der sich unmittelbar aus der Tabelle nach § 19 Abs. 1 ErbStG ergibt. Zur Kontrolle wird dann die vorstehende Berechnung des Härteausgleichs angestellt.
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Beispiel: Bei einem Erwerb von 650 000 Euro durch Schenkung des Vaters an den Sohn sind folglich die ersten 600 000 Euro mit einem Steuersatz von 15 % zu besteuern, während die übersteigenden 50 000 Euro mit dem Mehrsteuersatz von 50 % versteuert werden, da der regulär anzuwendende Steuersatz für den Erwerb von 650 000 Euro 30 % oder weniger beträgt. Die Gesamtsteuer beträgt daher 90 000 Euro + 25 000 Euro = 115 000 Euro. Demgegenüber steht eine Steuerlast von 123 500 Euro, wenn der Steuersatz von 19 % gemäß der Tabelle nach § 19 Abs. 1 ErbStG auf den Erwerb i.H.v. 650 000 Euro angewendet würde.
39
Aus diesen Überlegungen ergibt sich folgende Tabelle für die maßgebenden Grenzwerte zur Anwendung des Härteausgleichs.3 Härteausgleich gem. § 19 Abs. 3 ErbStG bei Überschreiten der letztvorhergehenden Wertgrenze bis einschließlich … Euro in Steuerklasse Wertgrenze gemäß § 19 Abs. 1 ErbStG Euro 75 000 300 000 600 000 6 000 000 13 000 000 26 000 000 über 26 000 000
I
II 82 600 334 200 677 400 6 888 880 15 260 800 29 899 900
III 87 400 359 900 749 900 6 749 900 14 857 100 28 437 400
10 799 900 -
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Für Erwerbe in Steuerklasse II zwischen dem 1.1.2009 und dem 31.12.2009 galt auch dort nur der Grenzwert von 10 799 900 Euro wegen der Ausgleichung der Steuersätze der Steuerklassen II und III.
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Schwierigkeiten bereitet die Anwendung der Härtefallregelung in den Fällen der Vor- und Nacherbschaft4 und in den Antragsfällen des § 15 Abs. 3 ErbStG bei Berliner Testamenten. Dies resultiert daraus, dass beim Tod eines Vorerben der Nacherbschaftserwerb und der unmittelbare Erwerb vom Vorerben gem. § 6 Abs. 2 Satz 5 ErbStG zu einem Gesamterwerb zusammengefasst werden, um die maßgebende Wertstufe zu ermitteln. Der zu ermittelnde Prozentsatz für die jeweilige Wertstufe ist dann auf die verschiedenen Teilerwerbe aufzuteilen, sofern durch die Option des § 6 Abs. 2 Satz 5 bzw. § 15 Abs. 3 ErbStG für die Steuerklassenanwendung Teilerwerbe entstehen. Durch die Rspr.5 geklärt ist, dass der Härteausgleich auf einen Gesamterwerb gem. §§ 15 Abs. 3 bzw. 6 Abs. 2 Satz 5 ErbStG anzuwenden ist. Es genügt deshalb nicht, wenn nur durch einen Teilerwerb – entweder unmittelbar der Erblasser/erstverstorbene Ehegatte bzw. unmittelbar der Vorerbe/der zweitverstorbene Ehegatte – die Härteausgleichszone erreicht wird. Nicht geklärt ist aber, ob dann der die Wertgrenze übersteigende Teil quotal oder strikt hälftig bei den beiden Teilerwerben einerseits vom Erblasser 1 2 3 4 5
Götz in Wilms/Jochum, § 19 ErbStG Rz. 55 (Stand: Februar 2014). Tabelle in H E 19 ErbStR 2011. H E 19 ErbStR 2011. Kirschstein, ZEV 2001, 347. BFH v. 9.7.2009 – II R 42/07, BFH/NV 2009, 1994.
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Härteausgleich (Abs. 3)
Rz. 43 § 19 ErbStG
und andererseits vom Vorerben/längerlebenden Ehegatten berücksichtigt wird.1 Dabei erscheint eine quotale Zurechnung vorzugswürdig, die den übersteigenden Betrag danach aufteilt, von welcher Person wie viel Vermögen im Optionsfall des § 15 Abs. 3 bzw. § 6 Abs. 2 Satz 5 ErbStG fiktiv erworben wird. Die Ausgleichszonen des Härteausgleichs bis zum Eingreifen der Grenzwerte sind groß. Es ist daher 42 bei jedem Einzelfall zu prüfen, ob eine Steuersatzmilderung durch Eingreifen des Härteausgleichs eintritt. Bei planerischen Überlegungen ist auch mit einzubeziehen, dass Vorschenkungen durch die Berücksichtigung über § 14 ErbStG zu Verschiebungen des steuerpflichtigen Erwerbs und damit auch der Grenzwerte des Härteausgleichs führen können. Auch in den seltenen Fällen der Anwendung des Progressionsvorbehaltes des ErbStG ist die Wer- 43 tung des Härteausgleichs mitzubeachten.2 Da der Progressionsvorbehalt fiktiv den Steuersatz beeinflusst, ist die Tarifvorschrift des § 19 Abs. 3 ErbStG hierauf anzuwenden. Folgende Rechenschritte sind erforderlich. – In einem ersten Schritt wird die Steuerbelastung ausgerechnet, die für einen Erwerb in Höhe des steuerpflichtigen Erwerbs zzgl. des unter Progressionsvorbehalt stehenden steuerfreien Erwerbs gilt (unter Anwendung des Härteausgleichs). – Diese Steuerbelastung ist ins Verhältnis zur fiktiven Bemessungsgrundlage (im Inland steuerpflichtiger Erwerb zzgl. des unter Progressionsvorbehalt stehenden steuerfreien Erwerbs) zu setzen, um den effektiven Steuersatz auszurechnen. – Dieser effektive Steuersatz ist dann auf den im Inland steuerpflichtigen Erwerb anzuwenden.
1 Zu Vergleichsrechnungen Kirchstein, ZEV 2001, 347 (348 f.). 2 Götz in Wilms/Jochum, § 19 ErbStG Rz. 57 (Stand: Februar 2014).
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§ 19a Tarifbegrenzung beim Erwerb von Betriebsvermögen, von Betrieben der Land- und Forstwirtschaft und von Anteilen an Kapitalgesellschaften (1) Sind in dem steuerpflichtigen Erwerb einer natürlichen Person der Steuerklasse II oder III Betriebsvermögen, land- und forstwirtschaftliches Vermögen oder Anteile an Kapitalgesellschaften im Sinne des Absatzes 2 enthalten, ist von der tariflichen Erbschaftsteuer ein Entlastungsbetrag nach Absatz 4 abzuziehen. (2) 1Der Entlastungsbetrag gilt für den nicht unter § 13a Absatz 1 oder § 13c fallenden Teil des Vermögens im Sinne des § 13b Absatz 2. 2Ein Erwerber kann den Entlastungsbetrag nicht in Anspruch nehmen, soweit er Vermögen im Sinne des Satzes 1 auf Grund einer letztwilligen Verfügung des Erblassers oder einer rechtsgeschäftlichen Verfügung des Erblassers oder Schenkers auf einen Dritten übertragen muss. 3Gleiches gilt, wenn ein Erbe im Rahmen der Teilung des Nachlasses Vermögen im Sinne des Satzes 1 auf einen Miterben überträgt. (3) Der auf das Vermögen im Sinne des Absatzes 2 entfallende Anteil an der tariflichen Erbschaftsteuer bemisst sich nach dem Verhältnis des Werts dieses Vermögens nach Anwendung des § 13a oder § 13c und nach Abzug der mit diesem Vermögen in wirtschaftlichem Zusammenhang stehenden abzugsfähigen Schulden und Lasten (§ 10 Absatz 5 und 6) zum Wert des gesamten Vermögensanfalls im Sinne des § 10 Absatz 1 Satz 1 und 2 nach Abzug der mit diesem Vermögen in wirtschaftlichem Zusammenhang stehenden abzugsfähigen Schulden und Lasten (§ 10 Absatz 5 und 6). (4) 1Zur Ermittlung des Entlastungsbetrags ist für den steuerpflichtigen Erwerb zunächst die Steuer nach der tatsächlichen Steuerklasse des Erwerbers zu berechnen und nach Maßgabe des Absatzes 3 aufzuteilen. 2Für den steuerpflichtigen Erwerb ist dann die Steuer nach Steuerklasse I zu berechnen und nach Maßgabe des Absatzes 3 aufzuteilen. 3Der Entlastungsbetrag ergibt sich als Unterschiedsbetrag zwischen der auf Vermögen im Sinne des Absatzes 2 entfallenden Steuer nach den Sätzen 1 und 2. (5) 1Der Entlastungsbetrag fällt mit Wirkung für die Vergangenheit weg, soweit der Erwerber innerhalb von fünf Jahren gegen die Behaltensregelungen des § 13a verstößt. 2In den Fällen des § 13a Absatz 10 tritt an die Stelle der Frist nach Satz 1 eine Frist von sieben Jahren. 3Die Festsetzungsfrist für die Steuer endet nicht vor dem Ablauf des vierten Jahres, nachdem die Finanzbehörde von dem Verstoß gegen die Behaltensregelungen Kenntnis erlangt. 4§ 13a Absatz 7 Satz 4 bis 6 gilt entsprechend. A. I. II. III.
Grundaussagen der Vorschrift. . . . . . . . . . Regelungsgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . Bedeutung und Telos . . . . . . . . . . . . . . . . . Geltungsbereich und Verhältnis zu anderen Vorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Rechtsentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Wirkungsweise der Tarifbegrenzung (Abs. 1) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Privilegierter Erwerb (Abs. 2) . . . . . . . . . .
1 1 2
I. Sachliche Voraussetzungen (Abs. 2 Satz 1) . . 9 II. Weiterübertragung des begünstigten Vermögens (Abs. 2 Satz 2) . . . . . . . . . . . . . . 12
3 4
D. Technik des Entlastungsbetrages (Abs. 3, Abs. 4) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 E. Entfallen der Tarifbegrenzung bei Nachversteuerung (Abs. 5) . . . . . . . . . . . . . 15
5 9
A. Grundaussagen der Vorschrift I. Regelungsgegenstand § 19a regelt eine Belastungsbegrenzung für den Erwerb von begünstigtem Betriebsvermögen durch 1 Erwerber, die nicht der Stkl. I unterfallen.
Stalleiken
703
§ 19a ErbStG Rz. 2 Tarifbegrenzung beim Erwerb von Betriebsvermögen u.a.
II. Bedeutung und Telos 2 Ziel der Regelung ist es, jedenfalls für den Anteil des begünstigten Vermögens am Gesamterwerb „ent-
ferntere“ Empfänger so zu stellen, wie Empfänger aus dem engsten Familienkreis der Stkl. I. Die Regelung geht zurück auf den Beschluss des BVerfG vom 22.6.1995.1 Als dahinterstehenden Gedanken formuliert das BVerfG die Prämisse, dass die aus dem Erwerb betrieblichen Vermögens aufgrund seiner verminderten Fungibilität resultierende Leistungsfähigkeit unabhängig von der verwandtschaftlichen Nähe zwischen Erblasser und Erben bei der Besteuerung Berücksichtigung finden muss.2
III. Geltungsbereich und Verhältnis zu anderen Vorschriften 3 § 19a ErbStG setzt begünstigtes Vermögen i.S.d. § 13b Abs. 2 Satz 1 ErbStG voraus. Die Belastungs-
begrenzung kann nicht für Verwaltungsvermögen gewährt werden. Die Vorschrift regelt nur die Begrenzung des Steuertarifs, soweit dieser auf begünstigtes Vermögen i.S.d. § 19a Abs. 2 ErbStG entfällt. Weiterhin anwendbar bleiben die verminderten Freibeträge der StKl. II und III gem. § 16 Abs. 1 und 2 ErbStG. Die Vorschrift greift für alle Arten der persönlichen Steuerpflicht i.S.d. § 2 ErbStG ein.
IV. Rechtsentwicklung 4 Die Regelung wurde durch das Jahressteuergesetz 19973 eingeführt. Nach zwischenzeitlicher Absen-
kung des Entlastungsbetrages auf 88 % des Differenzbetrages gem. § 19a Abs. 3 ErbStG wurde sie im Zuge der Anpassungen durch das ErbStRG 2009 einerseits an die Systematik des geltenden Verschonungssystems angepasst (Maßgeblichkeit des gemeinen Wertes als Verkehrswert, Behaltensfristen gem. § 13a Abs. 6 ErbStG, vgl. hierzu Rz. 15 ff.) und andererseits der Entlastungsbetrag wieder auf den vollen Differenzbetrag angehoben. Im Rahmen des ErbStAnpG 2016 erfolgten lediglich redaktionelle Anpassungen.
B. Wirkungsweise der Tarifbegrenzung (Abs. 1) 5 Gesetzessystematisch wird für die Entlastung entfernterer Erwerber zunächst die Steuerbelastung auf
den Gesamterwerb (begünstigtes und nichtbegünstigtes Vermögen) nach der tatsächlichen Stkl. des Erwerbers (Stkl. II oder III) berechnet und in einem zweiten Schritt die Steuerbelastung auf den Gesamterwerb (begünstigtes und nichtbegünstigtes Vermögen) unter Zugrundelegung der Stkl. I auf den Anteil des begünstigten Vermögens. Entlastungsbetrag ist der Differenzbetrag zwischen beiden Berechnungen. Bereits hieraus wird erkennbar, dass das Regelungsgefüge auf die Berechnung von „Mischerwerben“ angelegt ist; bei dem Erwerb ausschließlich begünstigten Betriebsvermögens könnte ansonsten schlicht der gesamte steuerpflichtige Erwerb nach Stkl. I besteuert werden. Die im Gesetz geregelte Vergleichsberechnung trägt demgegenüber dem Umstand Rechnung, dass der Erwerber entfernterer Steuerklassen für den Anteil des nicht begünstigten Vermögens am Gesamterwerb einerseits vollbesteuert bleibt, andererseits aber auch sichergestellt wird, dass die damit verbundene Progressionswirkung erhalten bleibt. 6 § 19a ErbStG regelt nur die Begrenzung des Steuertarifs, soweit dieser auf begünstigtes Vermögen
i.S.d. § 19a Abs. 2 ErbStG entfällt. Weiterhin anwendbar bleiben die verminderten Freibeträge der StKl. II und III. 7 In den Genuss der Tarifbegrenzung kommen nur natürliche Personen der Stkl. II und III als Erwerber
begünstigten Vermögens. Juristische Personen oder Vermögensmassen als Erwerber sind nicht privilegiert.4 Wichtigster Fall, in dem die Tarifbegrenzung nicht beansprucht werden kann, ist die Übertra1 2 3 4
BVerfG v. 22.6.1995 – 2 BvR 552/91, BStBl. II 1995, 671. Plastisch Weinmann in Moench/Weinmann, § 19a ErbStG Rz. 5: „Fiktive Adoption“ (Stand: September 2016). Jahressteuergesetz (JStG) 1997 v. 20.12.1996, BGBl. I 1996, 2049. R E 19a.1 Abs. 1 Satz 2 ErbStR 2011.
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Privilegierter Erwerb (Abs. 2)
Rz. 10 § 19a ErbStG
gung von begünstigtem Vermögen auf eine Privatstiftung, insbesondere in der Form einer Familienstiftung, von der nicht nur Destinatäre der StKl. I begünstigt werden. Bei der Übertragung von Vermögen auf eine gemeinnützige Stiftung spielt der Entlastungsbetrag in der Regel keine Rolle, weil ohnehin die Steuerbefreiung des § 13 Nr. 16 Buchst. b ErbStG eingreift. Schenkungen an Kapitalgesellschaften, z.B. eine GmbH, sind nach Einführung des § 7 Abs. 8 ErbStG als Schenkung an die dahinterstehenden natürlichen Personen oder Stiftungen zu verstehen. Sofern hierbei eine entferntere Stkl. als die Stkl. I zur Anwendung kommt, kann die die Tarifbegünstigung nach § 19a ErbStG gleichwohl nicht gewährt werden, weil nach Auffassung der Finanzverwaltung die Begünstigungen gem. §§ 13a, 13b ErbStG für Erwerbe nach § 7 Abs. 8 ErbStG nicht eingreift1 (§ 7 ErbStG Rz. 576). Obwohl der Ausschluss juristischer Personen von der Tarifbegünstigung gemessen an der Intention 8 des Gesetzes nicht zwangsläufig nachvollziehbar ist,2 halten sich die Nachteile insbesondere für Übertragungen auf Familienstiftungen in Grenzen. Bereits mit Inkrafttreten des Erbschaftsteuerreformgesetzes 2009 war die Bedeutung der Tarifbegrenzung insgesamt gesunken, da bei Erfüllen der Voraussetzungen für die Verschonung auch der Erwerb nichtnatürlicher Personen den Verschonungsabschlägen (85 % bei Regelverschonung und 100 % bei Vollverschonung) unterlag, so dass letztlich bei Schaffung geeigneter Voraussetzungen auch ohne Inanspruchnahme der Tarifbegrenzung eine vollständig steuerfreie Übertragung möglich war. Dadurch war auch die Übertragung auf nichtnatürliche Personen wie Familienstiftungen wieder attraktiver geworden, ohne dass es der Tarifbegrenzung gem. § 19a ErbStG bedurfte; das Steuerklassenrisiko bestand somit nur für den Fall einer Nachversteuerung (dazu auch Rz. 15 ff.). Im Zuge des ErbStAnpG 2016 können sich wieder vermehrt Auswirkungen durch § 19a ErbStG oberhalb der Grenze von 26 Mio. Euro ergeben, da insoweit auch begünstigtes Vermögen i.S.d. § 13b Abs. 2 Satz 1 ErbStG nicht mehr verschont wird (§§ 13c, 28a ErbStG).
C. Privilegierter Erwerb (Abs. 2) I. Sachliche Voraussetzungen (Abs. 2 Satz 1) Auf welchem Erwerbstatbestand des ErbStG (Erwerb von Todes wegen oder Schenkung unter Leben- 9 den) der Erwerb beruht, ist unbeachtlich.3 Die Tarifbegrenzung greift jedoch nur ein, soweit im Gesamterwerb begünstigtes Vermögen i.S.d. § 13b Abs. 2 ErbStG enthalten ist. Aufgrund der Verweisungstechnik des Gesetzes folgt daraus nicht nur, dass es sich um dem Grunde nach begünstigtes Vermögen i.S.d. § 13b Abs. 1 Nr. 1 bis 3 ErbStG (also land- und forstwirtschaftliches Vermögen, Betriebsvermögen und Beteiligungen an Mitunternehmerschaften, Anteile an Kapitalgesellschaften von mehr als 25 %, dazu § 13b ErbStG Rz. 21 ff.) handeln muss, sondern auch, dass die Tarifbegrenzung weder für das verminderte Netto-Verwaltungsvermögen (dazu § 13b ErbStG Rz. 84) noch das junge Verwaltungsvermögen (§ 13b Abs. 7 Satz 2 ErbStG, dazu § 13b ErbStG Rz. 227) oder junge Finanzmittel (§ 13b Abs. 4 Nr. 5 Satz 2 ErbStG, dazu § 13b ErbStG Rz. 229) eingreift. Ebenso ist die reflexive Bereicherung von Gesellschaftern einer Kapitalgesellschaft nach § 7 Abs. 8 ErbStG (dazu § 7 ErbStG Rz. 576) nicht privilegiert, da die Finanzverwaltung hierfür die Betriebsvermögensbegünstigungen generell nicht gewähren will, da kein begünstigtes Vermögen auf den mittelbar hinter der Kapitalgesellschaft stehenden Erwerber übergeht.4 Nach §§ 13a, 13b ErbStG sind „mittelbare Schenkungen von Betriebsvermögen“ (also die Hingabe 10 von Geld zum Erwerb von Vermögen i.S.d. § 13b Abs. 1 ErbStG nicht begünstigt.5 Dementsprechend kann auch die Tarifbegünstigung für solche mittelbaren Erwerbe nicht gewährt werden.6 1 2 3 4 5
Gleich lautende Erlasse vom 14.3.2012, BStBl. I 2012, 331, Tz. 3.5. Weinmann in Moench/Weinmann, § 19a ErbStG Rz. 8 (Stand: September 2016). Geck in Kapp/Ebeling, § 19a ErbStG Rz. 2 (Stand: November 2016). Gleich lautende Erlasse v. 14.3.2012, BStBl. I 2012, 331, Tz. 3.5. Anders die Finanzverwaltung lediglich für den freilich kaum praxisrelevanten Fall, dass der Erwerber mit vom Schenker geschenktem Geld dessen Betriebsvermögen erwirbt oder sich daran beteiligt, R E 13b.2 Abs. 2 ErbStR 2011. 6 Geck in Kapp/Ebeling, § 19a ErbStG Rz. 2 (Stand: November 2016).
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§ 19a ErbStG Rz. 11 Tarifbegrenzung beim Erwerb von Betriebsvermögen u.a. 11
Die Entlastung gilt nur „für den nicht unter § 13b Absatz 1 oder § 13c fallenden Teil“ des begünstigten Vermögens i.S.d. § 13b Abs. 2 ErbStG. Das Gesetz greift hier die Gesetzestechnik der §§ 13a, 13b ErbStG (dazu § 13a ErbStG Rz. 34) auf, wonach der Erwerb im Fall der Regelverschonung zu 15 % der Besteuerung unterliegt bzw. im Abschmelzungsmodell zu einem dort geltenden Tarif. Der Entlastungsbetrag gilt also naturgemäß nur für den der Besteuerung unterliegenden Teil des begünstigten Vermögens. Im Fall der Vollverschonung ist die Steuerklassenbegrenzung zunächst bedeutungslos, da der steuerpflichtige Erwerb hinsichtlich des begünstigten Vermögens auf null gemindert wird. Relevanz erhält die Norm dann allerdings noch in bestimmten Nachversteuerungsfällen (dazu sogleich Rz. 15 ff.).
II. Weiterübertragung des begünstigten Vermögens (Abs. 2 Satz 2) 12
Der Erwerber kann die Tarifbegrenzung nicht beanspruchen, soweit er begünstigtes Vermögen durch letztwillige Verfügung des Erblassers oder im Rahmen der Teilung des Nachlasses auf einen Dritten übertragen muss. § 19a Abs. 2 Satz 2 und 3 ErbStG stellen insoweit den erforderlichen Gleichlauf zum System der Verschonungsregelungen her (dort § 13a Abs. 5 ErbStG, vgl. hierzu § 13a ErbStG Rz. 121 ff.). Auch hier gilt, dass soweit die Weiterübertragung aufgrund eines Vermächtnisses erfolgt, der Anwendungsbereich der Norm nicht eröffnet ist, da das Vermächtnis als Nachlassverbindlichkeit direkt von der Bemessungsgrundlage abgezogen wird, ohne dass es einer Korrektur über § 13a Abs. 5 ErbStG bedarf. Hauptanwendungsfälle sind damit, wie auch bei dem Regime des Begünstigungstransfers, die Teilungsanordnung und die einvernehmliche Nachlassteilung der Erben. Nicht ausdrücklich im Gesetz geregelt ist, dass korrespondierend zum Verlust der Tarifbegrenzung beim „abgebenden“ Erben der jeweilige Weiterleitungsempfänger (Dritter oder Miterbe) seinerseits die Tarifbegrenzung in Anspruch nehmen kann. Dies folgt richtigerweise jedoch aus dem Gesamtzusammenhang der Norm; diese ist insofern teleologisch dahingehend auszulegen, dass der Erwerber i.S.d. § 13b Abs. 5 ErbStG gleichsam den Entlastungsbetrag nach § 19a ErbStG beanspruchen kann.1
D. Technik des Entlastungsbetrages (Abs. 3, Abs. 4) 13
Zur Berechnung des tariflichen Entlastungsbetrages ist eine zweistufige Berechnung vorzunehmen. Im ersten Schritt ist die tatsächliche Steuerlast des Erwerbers zu berechnen, wie sie sich nach dem Gesamterwerb und unter Zugrundelegung der Stkl. des Erwerbers (Stkl. II oder III) ergibt. Anschließend ist diese Steuerlast anhand des Anteils des begünstigten Vermögens im Verhältnis zum Gesamtvermögen aufzuteilen. Hierbei ist der Gesamterwerb in zwei verschiedene Asset-Klassen, begünstigtes und nichtbegünstigtes Vermögen, zu unterteilen. Die Finanzverwaltung geht – in diesem Zusammenhang folgerichtig – davon aus, dass bei der Berechnung der Aufteilung der Gesamtsteuerschuld zur Ermittlung des Entlastungsbetrages die Werte aller begünstigten Vermögensarten zusammenzurechnen sind.2 Im Gegensatz zu den anderen Zusammenrechnungsfällen der Finanzverwaltung (Lohnsumme,3 dazu § 13a ErbStG Rz. 48, und Optionsverschonung,4 dazu § 13a ErbStG Rz. 254) ist dies hier folgerichtig und gerechtfertigt. Schulden und sonstige Nachlassverbindlichkeiten sind jeweils bei der Vermögensart zu berücksichtigen, zu der sie in einem wirtschaftlichen Zusammenhang stehen (soweit dies insbesondere bei begünstigtem Vermögen nicht bereits im Rahmen der Bewertung geschehen ist).5 Hierbei wirkt es sich nun wiederum aus, dass gem. der geltenden Bewertungsvorschriften sämtlichen Wirtschaftsgüter mit dem gemeinen Wert als Verkehrswert zu bewerten sind. Auf diese Weise wird letzten Endes der prozentuale Anteil des begünstigten Vermögens am Gesamterwerb ermittelt und die folglich auf das begünstigte Vermögen entfallende Steuerlast separiert.
1 2 3 4 5
Gl.A. Meincke16, § 19a ErbStG Rz. 6; Wachter in F/J/P/W5, § 19a ErbStG Rz. 31. R E 19a.1 Abs. 2 Satz 4 ErbStR 2011. R E 13a.4 Abs. 3 Satz 3 ErbStR 2011. R E 13a.13 Abs. 1 Satz 1 ErbStR 2011. Weinmann in Moench/Weinmann, § 19a ErbStG Rz. 17 (Stand: September 2016).
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Entfallen der Tarifbegrenzung bei Nachversteuerung (Abs. 5)
Rz. 18 § 19a ErbStG
Im zweiten Schritt ist sodann nach vorgenanntem Schema eine fiktive Berechnung durchzuführen, 14 nach der die Steuerlast anhand der Stkl. I (allerdings mit dem tatsächlichen persönlichen Freibetrag des Erwerbers1) berechnet wird. Auch diese fiktive Gesamtsteuerlast nach Stkl. I ist dann nach dem zuvor ermittelten Aufteilungsschlüssel auf begünstigtes und nichtbegünstigtes Vermögen aufzuteilen. Die Realsteuerlast des Erwerbers ist sodann um den Differenzbetrag zu vermindern, der folglich auf das begünstigte Vermögen entfällt (§ 19a Abs. 4 Satz 3 ErbStG). Bei beiden Berechnungsschritten ist die Härteausgleichsregelung des § 19 Abs. 3 ErbStG zu beachten.
E. Entfallen der Tarifbegrenzung bei Nachversteuerung (Abs. 5) Korrespondierend zu den Nachversteuerungsregelungen des § 13a Abs. 6 ErbStG stellt auch § 19a 15 Abs. 5 ErbStG sicher, dass die Tarifbegrenzung nur insoweit erhalten bleibt, wie der Erwerber die Verschonungsabschläge insgesamt behalten kann. M.a.W. verliert ein Erwerber, der aufgrund eines Behaltensfristverstoßes Nachsteuer entrichten muss, hinsichtlich dieser Nachsteuer auch den Steuervorteil durch die Tarifbegrenzung. Gemäß des eindeutigen Wortlautes des § 19a Abs. 5 ErbStG bezieht sich der Wegfall des Entlastungs- 16 betrages jedoch nur auf die Nachsteuerfestsetzung wegen Verstoßes gegen die Behaltensfrist i.S.d. § 13a Abs. 6 ErbStG (dazu § 13a ErbStG Rz. 188), nicht jedoch auf die Festsetzung von Nachsteuer wegen eines Lohnsummenverstoßes (§ 13a Abs. 3 ErbStG, dazu § 13a ErbStG Rz. 75 ff.).2 Soweit Nachsteuer wegen Unterschreitens der Mindestlohnsumme festgesetzt wird, erfolgt diese Nachversteuerung also faktisch nach der günstigeren Stkl. I. An dieser Stelle zeigt sich nun der Nachteil des Ausschlusses juristischer Personen von der Steuertarifbegrenzung: natürliche Personen der StKl. II oder III unterliegen nur hinsichtlich der „echten“ Behaltensfristverstöße der eigentlichen, ungünstigeren Steuerklasse, Familienstiftungen und Familienvereine auch wegen eines Unterschreitens der Mindestlohnsumme. Wie auch bei § 13a Abs. 6 ErbStG stellt die Weiterschenkung von begünstigtem Vermögen keinen Be- 17 haltensfristverstoß dar, insofern kommt es auch zu keinem Wegfall des Entlastungsbetrages (§ 13a ErbStG Rz. 148). Allerdings ist hier wie bei § 13a Abs. 6 ErbStG darauf hinzuweisen, dass die Weiterschenkung von begünstigtem Vermögen während der laufenden Behaltensfrist zu einem „Überlappen“ von Nachsteuerzeiträumen (des ersten und zweiten Beschenkten) führt, so dass bei einer nachsteuerschädlichen Verfügung des Weiterschenkungsempfängers ggf. ein doppelter Behaltensfristverstoß vorliegt (§ 13a ErbStG Rz. 193), welcher in beiden Fällen auch zu einem Wegfall der Tarifbegrenzung führt. Z.T. wird in der Literatur vertreten, dass bei Verwirklichung eines Behaltensfristverstoßes die Tarif- 18 begrenzung vollständig entfällt.3 M.E. ist diese Ansicht vom Wortlaut des § 19a Abs. 5 ErbStG nicht gedeckt.4 Wenn die Norm ein Entfallen der Tarifbegrenzung anordnet, „soweit“ der Erwerber gegen die Behaltensfrist verstößt, ist damit der Fall gemeint, dass der Erwerber nicht das gesamte begünstigt erworbene Vermögen, sondern nur einen Teil davon veräußert oder sonstwie nachsteuerschädlich verfügt. Im Übrigen führt jedoch zugunsten des Erwerbers bereits der Behaltensfristverstoß nach Ablauf des ersten vollen Jahres selbst „nur“ zu einer zeitanteiligen Nachsteuerfestsetzung (§ 13a ErbStG Rz. 188). Auf diese anteilig festzusetzende Nachsteuer ist zwar die Tarifentlastung vollständig zu versagen. Damit kommt es jedoch rechnerisch insgesamt auch nur zu einem zeitanteiligen Entfallen der Tarifbegrenzung, da hinsichtlich des (durch „Abschmelzung“) verschont bleibenden Anteils die Tarifbegrenzung nicht tangiert wird.
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R E 19a.1 Abs. 2 Satz 3 ErbStR 2011. So auch die Finanzverwaltung RE 19a.3 Abs. 1 Satz 2 ErbStR 2011. Weinmann in Moench/Weinmann, § 19a ErbStG Rz. 23 (Stand: September 2016). Gl.A. Geck in Kapp/Ebeling, § 19a ErbStG Rz. 14 (Stand: November 2016); zust. Jülicher in T/G/J, § 19 ErbStG Rz. 16 (Stand: April 2016).
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Vierter Abschnitt Steuerfestsetzung und Erhebung
§ 20 Steuerschuldner (1) 1Steuerschuldner ist der Erwerber, bei einer Schenkung auch der Schenker, bei einer Zweckzuwendung der mit der Ausführung der Zuwendung Beschwerte und in den Fällen des § 1 Abs. 1 Nr. 4 die Stiftung oder der Verein. 2In den Fällen des § 3 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 und § 7 Abs. 1 Nr. 8 Satz 2 ist die Vermögensmasse Erwerber und Steuerschuldner, in den Fällen des § 7 Abs. 1 Nr. 8 Satz 2 ist Steuerschuldner auch derjenige, der die Vermögensmasse gebildet oder ausgestattet hat. (2) Im Falle des § 4 sind die Abkömmlinge im Verhältnis der auf sie entfallenden Anteile, der überlebende Ehegatte oder der überlebende Lebenspartner für den gesamten Steuerbetrag Steuerschuldner. (3) Der Nachlaß haftet bis zur Auseinandersetzung (§ 2042 des Bürgerlichen Gesetzbuchs) für die Steuer der am Erbfall Beteiligten. (4) Der Vorerbe hat die durch die Vorerbschaft veranlaßte Steuer aus den Mitteln der Vorerbschaft zu entrichten. (5) Hat der Steuerschuldner den Erwerb oder Teile desselben vor Entrichtung der Erbschaftsteuer einem anderen unentgeltlich zugewendet, haftet der andere in Höhe des Werts der Zuwendung persönlich für die Steuer. (6) 1Versicherungsunternehmen, die vor Entrichtung oder Sicherstellung der Steuer die von ihnen zu zahlende Versicherungssumme oder Leibrente in ein Gebiet außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes zahlen oder außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes wohnhaften Berechtigten zur Verfügung stellen, haften in Höhe des ausgezahlten Betrags für die Steuer. 2Das gleiche gilt für Personen, in deren Gewahrsam sich Vermögen des Erblassers befindet, soweit sie das Vermögen vorsätzlich oder fahrlässig vor Entrichtung oder Sicherstellung der Steuer in ein Gebiet außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes bringen oder außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes wohnhaften Berechtigten zur Verfügung stellen. (7) Die Haftung nach Absatz 6 ist nicht geltend zu machen, wenn der in einem Steuerfall in ein Gebiet außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes gezahlte oder außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes wohnhaften Berechtigten zur Verfügung gestellte Betrag 600 Euro nicht übersteigt. A. I. II. III. IV. B. I. II. III.
Grundaussage der Vorschrift . . . . . . . . . . . 1 Regelungsgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 Bedeutung und Telos . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 Geltungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 Rechtsentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 Steuerschuldner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 Erwerber (Abs. 1 Satz 1 Fall 1) . . . . . . . . . . 7 Schenker (Abs. 1 Satz 1 Fall 2) . . . . . . . . . . 11 Beschwerte einer Zweckzuwendung (Abs. 1 Satz 1 Fall 3) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 IV. Stiftungen und Vereine (Abs. 1 Satz 1 Fall 4) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 V. Trusts (Abs. 1 Satz 2) . . . . . . . . . . . . . . . . . 19
VI. Fortgesetzte Gütergemeinschaft (Abs. 2). . . . 22 VII. Vorerbe (Abs. 4) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 C. Steuerhaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Haftung des unentgeltlichen Zweiterwerbers (Abs. 5) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Haftung der Versicherungsunternehmen (Abs. 6 Satz 1) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Haftung anderer Vermögensverwahrer (Abs. 6 Satz 2) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Haftungsfreigrenze (Abs. 7) . . . . . . . . . . . . . D. Nachlasshaftung (Abs. 3) . . . . . . . . . . . . . .
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Literatur: Bruschke, Die fortgesetzte Gütergemeinschaft, ErbStB 2014, 22; Bruschke, Die Haftung des Gewahrsamsinhabers für die Erbschaftsteuer, ErbStB 2012, 22; Bruschke, Die Realisierung der Erbschaft- und Schenkungsteuer über § 20 ErbStG, UVR 2012, 365; Halaczinsky, Haftung in Erbschaftsteuerangelegenheiten, ErbStB 2007, 208; Krumm, Die Gesamtschuld für öffentlich-rechtliche Geldleistungsverpflichtungen, Verw 2013, 59; Peter, Einbezie-
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§ 20 ErbStG Rz. 1 Steuerschuldner hung ausländischer Kapitalgesellschaftsanteile in die beschränkte deutsche Erbschaftsteuerpflicht unter besonderer Berücksichtigung des US-Nachlasssteuerrechts, ZEV 2014, 475; Richter/John, Steuerschuldner in den Fällen des § 7 Abs. 7 Satz 1 ErbStG, FR 2015, 768; Schuhmann. Erbschaft- und Schenkungsteuer: Wer zahlt, wer haftet? ErbR 2014, 156; Siebert, Die Erbschaftbesteuerung bei Vor- und Nacherbschaft, ErbR 2011, 45; Tolksdorf/Simon, Erbschaftsteuerliche Rechte und Pflichten des Testamentsvollstrecker, ErbStB 2008, 336, 360.
A. Grundaussage der Vorschrift I. Regelungsgegenstand 1 § 20 ErbStG regelt im Einzelnen für die unterschiedlichen Erwerbstatbestände, wen das Finanzamt als
Steuerschuldner oder als Haftungsschuldner in Anspruch nehmen kann und muss. Die Vorschrift ist etwas unsystematisch aufgebaut. Sie bestimmt zwar Steuerschuldner und Haftungsschuldner, differenziert jedoch nicht zwischen Steuerpflicht auf der einen und Haftungsschuld auf der anderen Seite.1 § 20 Abs. 1, 2 und 4 ErbStG regeln die Inanspruchnahme als Steuerschuldner, die Abs. 3, 5 und 6 die Inanspruchnahme als Haftungsschuldner. Eine Besonderheit stellt die Haftung des Nachlasses selbst dar, der als Vermögensmasse bis zur Auseinandersetzung zwischen mehreren Erben ebenfalls für den Steueranspruch haftet (§ 20 Abs. 3 ErbStG).
II. Bedeutung und Telos 2 § 20 ErbStG führt zu einer Überwälzung des Steueranspruchs auf eine Vielzahl von Steuer- und
Haftungsschuldnern. Der Gesetzgeber wollte sicher zu gehen, dass der Steueranspruch auch tatsächlich erfüllt wird und ist in der Ansicht, jeden Einzelfall gesondert zu regeln, vielleicht etwas über das Ziel hinausgeschossen.2 In Einzelfällen kann sich das Finanzamt unter mehreren Steuer- und Haftungsschuldnern einen heraussuchen oder gleich mehrere in Anspruch nehmen. Trifft sie eine besondere Auswahl, muss sie ihr Ermessen besonders begründen. § 20 ErbStG begründet lediglich ein Auswahlermessen. Entschließungsermessen hat das Finanzamt nicht, denn die Inanspruchnahme ist eine gebundene Entscheidung. 3 Soweit § 20 ErbStG Haftungstatbestände regelt, stehen diese neben den allgemeinen Haftungsvor-
schriften der Abgabenordnung, insbesondere neben §§ 69, 35 AO, der auch für Testamentsvollstrecker gilt (s. Rz. 39).
III. Geltungsbereich 4 § 20 ErbStG gilt für alle Erwerbsvorgänge von Todes wegen oder unter Lebenden. Die persönliche
Steuerpflicht bestimmt § 2 ErbStG. Nur wer persönlich steuerpflichtig ist, kann auch Steuerpflichtiger i.S.d. § 20 ErbStG sein. Etwas anderes gilt für Haftungsschuldner. Zur Inanspruchnahme als Haftungsschuldner bedarf es keiner persönlichen Steuerpflicht.
IV. Rechtsentwicklung 5 § 20 ErbStG ist mit dem ErbStG 19743 eingeführt worden und ist in wesentlichen Teilen seitdem unver-
ändert geblieben. In vorherigen Fassungen des ErbStG4 war jeweils in § 15 ErbStG geregelt, wer als Steuerschuldner in Anspruch genommen werden kann und muss. Im Gegensatz zu § 15 Abs. 3 ErbStG haftet nach § 20 Abs. 3 ErbStG nur der ungeteilte Nachlass für die Erbschaftsteuer (s. Rz. 41). 1 Vgl. Jochum in Wilms/Jochum, § 20 ErbStG Rz. 11, 24.2 (Stand: August 2012). 2 Ähnlich Jochum in Wilms/Jochum, § 20 ErbStG Rz. 12 (Stand: August 2012); vgl. auch Schuhmann, ErbR 2014, 156. 3 ErbStG 1974 v. 17.4.1974, BGBl. I 1974, 933. 4 ErbStG 1919 (RGBl. 1919, 1543); ErbStG 1925 (RGBl. I 1925, 320).
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Loose
Steuerschuldner
Rz. 10 § 20 ErbStG
Mit der Änderung der §§ 3 und 7 ErbStG im Hinblick auf die lückenlose Erfassung von Erwerbsvor- 6 gängen im Zusammenhang mit ausländischen Vermögensmassen wurde § 20 Abs. 1 ErbStG durch das StEntlG 1999/2000/20021 durch Satz 2, der die Steuerschuldnerschaft in diesen Fällen regelt, ergänzt. Die Wertgrenzen in § 20 Abs. 6 ErbStG sind durch das StEuglG2 von DM auf Euro umgestellt und entsprechend angepasst worden. Durch das ErbStRG 20093 wurden auch in § 20 ErbStG Eheleute und Lebenspartner gleichgestellt. Weitere Änderungen hat § 20 ErbStG nicht erfahren.
B. Steuerschuldner I. Erwerber (Abs. 1 Satz 1 Fall 1) In den Fällen des Erwerbs von Todes wegen i.S.d. § 3 ErbStG ist der Erwerber der Steuerschuldner 7 (§ 20 Abs. 1 Satz 1 Fall 1 ErbStG). Als Erwerber kommen alle nach § 3 Abs. 1 ErbStG Bedachten in Betracht, sowie diejenigen Personen, die nach den erbschaftsteuerlichen Ersatztatbeständen des § 3 Abs. 2 ErbStG als Rechtsnachfolger des Erblassers gelten.4 Steuerschuldner sind also der Alleinerbe, die Miterben im Umfang ihrer jeweiligen Erbquote, der Vermächtnisnehmer, der Pflichtteilsberechtigte und der Auflagenbegünstigte oder der durch die Erfüllung eine vom Erblasser gesetzten Bedingung Begünstigte. Steuerschuldner können nur natürliche oder juristische Personen sein (s. § 3 ErbStG Rz. 6). Perso- 8 nengesellschaften und sonstige Gesamthandsgemeinschaften sind keine Erwerber i.S.d. § 3 ErbStG.5 Der ihnen – zivilrechtlich – zufallende Erwerb wird erbschaftsteuerlich den Gesellschaftern bzw. den Gesamthändern zugerechnet. Diese sind Steuerschuldner i.S.d. § 20 Abs. 1 Satz 1 Fall 1 ErbStG.6 Die zivilrechtlich weitgehende Selbständigkeit von Personengesellschaften steht dem nicht entgegen.7 Kapitalgesellschaften können als juristische Personen Erwerber i.S.d. § 3 ErbStG und folglich auch 9 Steuerschuldner i.S.d. § 20 Abs. 1 Satz 1 Fall 1 ErbStG.8 Die Anteilseigner sind keine Steuerschuldner. Die Geschäftsführer können aber z.B. nach § 69 AO Haftungsschuldner sein.9 Die speziellen Erwerbe ausländischer Vermögensmassen oder von Stiftungen und Vereinen sind in § 20 Abs. 1 Satz 1 Fall 4 und Satz 2 ErbStG geregelt. Das Gesetz erweitert in diesen Fällen die Zahl der Steuerschuldner über die juristische Person hinaus auf die hinter der juristischen Person stehenden natürlichen Personen.10 Gebietskörperschaften, Religionsgemeinschaften und politische Parteien können ebenfalls Erwerber i.S.d. § 3 ErbStG und Steuerschuldner i.S.d. § 20 Abs. 1 Satz 1 Fall 1 ErbStG sein. Allerdings sind diese Körperschaften nach § 13 Nr. 15, Nr. 16 und Nr. 18 steuerbefreit (s. § 13 ErbStG Rz. 96, 107).11 Der Erwerber von Todes wegen ist auch dann Steuerschuldner der Erbschaftsteuer, wenn Testa- 10 mentsvollstreckung angeordnet und der der Erbschaftsteuerescheid nach § 32 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. 1 2 3 4 5 6
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StEntlG 1999/2000/2002 v. 24.3.1999, BGBl. I 1999, 402. Steuer-Euroglättungsgesetz v. 19.12.2000, BGBl. I 2000, 1790. ErbStRG 2009 v. 24.12.2008, BGBl. I 2008, 3018. Geck in Kapp/Ebeling, § 20 ErbStG Rz. 2 (Stand: April 2015); Gebel in T/G/J, § 20 ErbStG Rz. 16 (Stand: Oktober 2014); Richter in V/K/S/W4, § 20 ErbStG Rz. 2 ff. Seer in Tipke/Lang, Steuerrecht22, § 15 Rz. 38. BFH v. 22.6.1960 – II 256/57 U, BStBl. III 1960, 358; v. 14.9.1994 – II R 95/92, BStBl. II 1995, 81; v. 15.7.1998 – II R 82/96, BStBl. II 1998, 630; FG München v. 18.1.2007 – 3 K 2592/05 Erb, EFG 2007, 1037; Geck in Kapp/ Ebeling, § 20 ErbStG Rz. 9 (Stand: April 2015); Meincke16, § 20 ErbStG, Rz. 4; Gebel in T/G/J, § 20 ErbStG Rz. 30 ff. (Stand: Oktober 2014). FG Nieders. v. 18.3.2015 – 3 K 174/14, EFG 2016, 1096, Rev. II R 46/15. Szczesny in Tiedtke, § 20 ErbStG Rz. 8; Jochum in Wilms/Jochum, § 20 ErbStG Rz. 31 (Stand: August 2012) Rz. 31 ff.; zur Steuerschuldnerschaft einer Kapitalgesellschaft beim Ausscheiden eines Gesellschafters aus dieser vgl. BFH v. 4.3.2015 – II R 51/13, BStBl. II 2015, 672 = ErbStB 2015, 217; Richter/John, FR 2015, 768. Zur Haftung der Geschäftsführer und Vereinsvorstände für die von der Stiftung oder dem Verein geschuldete Steuer vgl. Gebel in T/G/J, § 20 ErbStG Rz. 40 (Stand: Oktober 2014). Zur Einbeziehung ausländischer Kapitalgesellschaftsanteile in die beschränkte deutsche Erbschaftsteuerpflicht unter besonderer Berücksichtigung des US-Nachlasssteuerrechts vgl. Peter, ZEV 2014, 475. Jochum in Wilms/Jochum, § 20 ErbStG Rz. 31 (Stand: August 2012).
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§ 20 ErbStG Rz. 11 Steuerschuldner § 31 Abs. 5 ErbStG dem Testamentsvollstrecker bekanntzugeben wurde. Der Testamentsvollstrecker haftet jedoch nach § 20 Abs. 6 Satz 2 ErbStG und nach § 69 AO für die Zahlung der Erbschaftsteuer, denn er ist Vermögensverwalter i.S.d. § 35 AO (s. Rz. 39).1 Steuerschuldner und Haftungsschuldner sind jedoch Gesamtschuldner der Erbschaftsteuer (§ 44 AO) und können beide nach pflichtgemäßem Ermessen auf den gesamten Betrag in Anspruch genommen werden.
II. Schenker (Abs. 1 Satz 1 Fall 2) 11
Bei Schenkungen unter Lebenden i.S.d. § 7 ErbStG ist der Beschenkte als Erwerber Steuerschuldner. Daneben erweitert § 20 Abs. 1 Satz 1 Fall 2 ErbStG den Kreis der Steuerschuldner auf den Schenker. Schenker ist derjenige, der als Zuwendender eine steuerbare Zuwendung aus seinem Vermögen erbringt und der durch die Vermögenshingabe unmittelbar zugunsten des Erwerbers entreichert ist (s. § 7 ErbStG Rz. 111, 194).2
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Beschenkter und Schenker sind als Steuerschuldner Gesamtschuldner i.S.d. § 44 AO.3 Das Finanzamt kann jeden von beiden nach pflichtgemäßem Ermessen nach § 44 Abs. 1 Satz 2 AO für die gesamte Leistung in Anspruch nehmen. Die Schenkungsteuer beruht jedoch auf der Bereicherung des Beschenkten. Das Finanzamt muss daher zunächst den Beschenkten als bereicherten Erwerber in Anspruch nehmen.4 Erst wenn die Realisierung des Steueranspruchs beim Erwerber keinen Erfolg hat, kann das Finanzamt den Schenker durch Steuerbescheid in Anspruch nehmen.5 Fordert das Finanzamt die Steuer beim Schenker ohne vorherigen Versuch, den Beschenkten zur Steuerzahlung heranzuziehen, liegt ein Ermessensfehlgebrauch.6 Dass eine zusätzliche Inanspruchnahme des Schenkers überhaupt möglich ist, ist dadurch gerechtfertigt, dass der Schenker die freigebige Zuwendung veranlasst hat, die Grund für die Besteuerung ist.7 Er ist zwar durch die freigebige Zuwendung entreichert und daher weniger leistungsfähig.8 Andererseits könnte sich der Schenker durch die freigebige Zuwendung an einen schwer in Anspruch zu nehmenden Beschenkten entreichern. Eine Ausnahme von dem Grundsatz der primären Inanspruchnahme des Beschenkten besteht folglich dann, wenn der Beschenkte als Steuerpflichtiger und der Schenker kollusiv zur Steuerumgehung zusammenwirken.9 In jedem Fall ist die Inanspruchnahme des Schenkers als Steuerschuldner jedoch die Ausnahme, die ihm Rahmen des Auswahlermessens begründet werden muss.
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Das Finanzamt kann den Schenker als Gesamtschuldner selbst dann noch in Anspruch nehmen, wenn gegenüber dem Beschenkten bereits ein bestandskräftiger Schenkungsteuerbescheid ergangen ist, dieser aber eine materiell zu geringe Steuer ausweist.10 Dasselbe gilt, wenn die Schenkungsteuer gegen den Beschenkten rechtskräftig festgesetzt worden ist, dieser die Steuer aber nicht entrichtet hat. In diesem Fall kann der Schenker alle Einwendungen geltend machen, die auch der Beschenkte 1 Loose in Tipke/Kruse, § 69 AO Rz. 43a, § 35 AO Rz. 85 ff.; Geck in Kapp/Ebeling, § 20 ErbStG Rz. 3 (Stand: April 2015); Einzelheiten zur Haftung des Testamentsvollstreckers vgl. Halaczinsky, ErbStB 2007, 208; Tolksdorf/Simon, ErbStB 2008, 360; Steiner, ErbStB 2011, 201. 2 Gebel in T/G/J, § 20 ErbStG Rz. 24 f. (Stand: Oktober 2014); Richter in V/K/S/W4, § 20 ErbStG Rz. 3; Jochum in Wilms/Jochum, § 20 ErbStG Rz. 30 (Stand: August 2012); zur Schenkung an und von Personengesellschaften vgl. Hartmann in Gürsching/Stenger, § 20 ErbStG Rz. 25 ff. (Stand: März 2011); Szczesny in Tiedtke, § 20 ErbStG Rz. 25 ff. 3 FG Münster v. 26.2.2015 – 3 K 823/13 Erb, ErbStB 2015, 220 = EFG 2015, 1287; Einzelheiten zur Gesamtschuld für öffentlich-rechtliche Geldleistungsverpflichtungen vgl. Krumm, Verw 2013, 59. 4 Hartmann in Gürsching/Stenger, § 20 ErbStG Rz. 16. ff. (Stand: März 2011); Jüptner in F/J/P/W5, § 20 ErbStG Rz. 4 ff.; Esskandari/Winter in Lippross/Seibel, § 20 ErbStG Rz. 17 f. (Stand: Juni 2013). 5 BFH v. 29.11.1961 – II 282/58 U, BStBl. II 1962, 323; FG Köln v. 10.3.2010 – 9 K 1550/09, EFG 2010, 1434; FG Münster v. 26.2.2015 – 3 K 823/13 Erb, ErbStB 2015, 220 = EFG 2015, 1287. 6 BFH v. 1.7.2008 – II R 2/07, BStBl. II 2008, 897 = FR 2009, 246 = ErbStB 2008, 320. 7 Geck in Kapp/Ebeling, § 20 ErbStG Rz. 4 (Stand: April 2015). 8 Kritisch zur Inanspruchnahme des entreicherten Schenkers Seer in Tipke/Lang, Steuerrecht22, § 15 Rz. 37, m.w.N.; Meincke16, § 20 ErbStG Rz. 6; Jochum in Wilms/Jochum, § 20 ErbStG Rz. 25 f. (Stand: August 2012). 9 BVerfG v. 18.12.2012 – 1 BvR 1509/10, NJW 2013, 1375. 10 BFH v. 13.5.1987 – II R 189/83, BStBl. II 1988, 188; Gebel in T/G/J, § 20 ErbStG Rz. 26 (Stand: Oktober 2014); Seer in Tipke/Lang, Steuerrecht22, § 15 Rz. 36.
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Steuerschuldner
Rz. 18 § 20 ErbStG
gegen den Steuerbescheid hätte einwenden können, die dieser aber nicht erhoben hat.1 § 166 AO, wonach eine rechtskräftige Steuerfestsetzung gegenüber einem Dritten wirkt, greift nicht. Hat der Schenker die gegen ihn festgesetzte Steuer bezahlt, steht ihm gegen den Beschenkten – soweit 14 nichts anderes vereinbart ist – ein Ausgleichsanspruch nach § 426 BGB zu, denn im Innenverhältnis der beiden Gesamtschuldner hat ohne besondere Absprache der Beschenkte die Schenkungsteuer zu tragen. Der Wert der Schenkung wird durch die Steuerzahlung nicht erhöht. Verzichtet der Schenker jedoch auf den Ausgleichsanspruch gegen den Beschenkten, kann dieser Verzicht eine gesondert zu versteuernde freigebige Zuwendung i.S.d. § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG sein.2 Neben dem schuldrechtlichen Ausgleichanspruch zwischen Gesamtschuldnern hat der Schenker gegen den Beschenkten einen Bereicherungsanspruch nach § 812 BGB wenn er dessen Schenkungsteuer nach Inanspruchnahme seitens des Finanzamtes gezahlt hat. Verzichtet er auf diesen Anspruch, kann ebenfalls eine freigebige Zuwendung vorliegen.3 Voraussetzung ist jedoch, dass der Schenker den Beschenkten auch bereichern will. Scheitert die Inanspruchnahme des Beschenkten faktisch ohne Bereicherungswillen des Schenkers, liegt keine freigebige Zuwendung vor. Die direkte Inanspruchnahme des Schenkers ist dann möglich, wenn der Schenker die Steuer nach 15 § 10 Abs. 2 ErbStG selbst übernommen hat.4 Sofern das Finanzamt bei Erlass des Schenkungsteuerbescheids von dieser Übernahme der Schenkungsteuer Kenntnis hatte, kann es den Schenker direkt in Anspruch nehmen. Auch in diesem Fall ist die Inanspruchnahme gesondert zu begründen.5 Einer solchen Begründung bedarf es nur dann nicht, wenn die Gründe dem Beschenkten bekannt sind oder für ihn ohne weiteres erkennbar waren.
III. Beschwerte einer Zweckzuwendung (Abs. 1 Satz 1 Fall 3) Zweckzuwendungen i.S.d. § 8 ErbStG sind Zuwendungen von Todes wegen oder freigebige Zuwen- 16 dungen unter Lebenden, welche mit der Auflage verbunden sind, zugunsten eines bestimmten Zwecks verwendet zu werden, oder die von der Verwendung zugunsten eines bestimmten Zwecks abhängig sind, soweit hierdurch die Bereicherung des Erwerbers gemindert wird (s. § 8 ErbStG Rz. 1, 5). Die Besonderheit der Zweckzuwendung liegt darin, dass das Zugewandte keiner bestimmten Person, sondern einem objektiv bestimmten Zweck zugutekommen soll.6 Steuerschuldner einer Zweckzuwendung ist nach § 20 Abs. 1 Satz 1 Fall 3 ErbStG derjenige, der mit 17 der Ausführung der Zuwendung beschwert ist und zwar ungeachtet dessen, dass er bereits wegen seines eigenen Erwerbs Steuerschuldner ist.7 Der Beschwerte kann die erforderlichen Steuerzahlungen aus den für die Zuwendung erhaltenen Mitteln leisten, so dass nicht sein privates Vermögen, sondern der Umfang der zur Ausführung der Zweckzuwendung zur Verfügung stehenden Mittel gemindert wird.8
IV. Stiftungen und Vereine (Abs. 1 Satz 1 Fall 4) Durch die Einbringung von Vermögenswerten in Familienstiftungen und Familienvereine könnte die 18 Erbschaftsteuer umgangen werden. Um diese zu verhindern, werden die in solchen Stiftungen und 1 BFH v. 29.2.2012 – II R 19/10, BStBl. II 2012, 489 = FR 2012, 1090; Geck in Kapp/Ebeling, § 20 ErbStG Rz. 5 (Stand: April 2015); Meincke16, § 20 ErbStG Rz. 6b; Jochum in Wilms/Jochum, § 20 ErbStG Rz. 48 ff. (Stand: August 2012). 2 Esskandari/Winter in Lippross/Seibel, § 20 ErbStG Rz. 19 (Stand: Juni 2013). 3 Geck in Kapp/Ebeling, § 20 ErbStG Rz. 10 (Stand: April 2015). 4 BVerfG v. 18.12.2012 – 1 BvR 1509/10, NJW 2013, 1375; Esskandari/Winter in Lippross/Seibel, § 20 ErbStG Rz. 17 (Stand: Juni 2013); krit. Seer in Tipke/Lang, Steuerrecht22, § 15 Rz. 37. 5 BFH v. 1.7.2008 – II R 2/07, BStBl. II 2008, 897 = FR 2009, 246 = ErbStB 2008, 320. 6 Seer in Tipke/Lang, Steuerrecht22, § 15 Rz. 32. 7 Gebel in T/G/J, § 20 ErbStG Rz. 38 (Stand: Oktober 2014); Jochum in Wilms/Jochum, § 20 ErbStG Rz. 56 (Stand: August 2012). 8 Esskandari/Winter in Lippross/Seibel, § 20 ErbStG Rz. 21 (Stand: Juni 2013); Meincke16, § 20 ErbStG, Rz. 8.
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§ 20 ErbStG Rz. 19 Steuerschuldner Vereinen gebundenen Vermögenswerte nach § 1 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG einer Erbersatzsteuer unterworfen. Diese fingiert eine Vermögensübertragung durch Erbfolge in einem regelmäßigen Turnus von 30 Jahren (Einzelheiten s. § 1 ErbStG Rz. 24, 57).1 Steuerschuldner der Erbersatzsteuer ist nach § 20 Abs. 1 Satz 2 ErbStG die Familienstiftung bzw. der Familienverein selbst und nicht die Destinatäre der Stiftung bzw. die Mitglieder des Vereins. Letztere können jedoch Haftungsschuldner nach § 20 Abs. 5 ErbStG sein (s. Rz. 29).2 Daneben haften die Geschäftsführer oder Vereinsvorstände nach §§ 69, 34 AO für die Erfüllung der Steuerschuld durch die von ihnen vertretene Körperschaft.3
V. Trusts (Abs. 1 Satz 2) 19
Nach § 20 Abs. 1 Satz 2 ErbStG ist in den Fällen des § 3 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 ErbStG und § 7 Abs. 1 Nr. 8 Satz 2 ErbStG die Vermögensmasse Erwerber und Steuerschuldner.4 Die Vorschrift wurde durch das StEntlG 1999/2000/20025 eingeführt. Hauptanwendungsfall dieser Norm, die sich auf die Vermögensmassen ausländischen Rechts bezieht, ist der Trust nach angloamerikanischem Recht und zwar unabhängig von seiner Rechtsfähigkeit.6
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Im Fall einer Schenkung nach § 7 Abs. 1 Nr. 8 Satz 2 ErbStG ist daneben auch derjenige Steuerschuldner, der die Vermögensmasse gebildet oder ausgestattet hat. Durch diesen Zusatz wird der die Vermögensmasse Bildende bzw. Ausstattende folgerichtig wie der Schenker in § 20 Abs. 1 Satz 1 Fall 2 ErbStG behandelt. Er kann also zusätzlich als Gesamtschuldner i.S.d. § 44 AO neben der Vermögensmasse in Anspruch genommen werden. Gerechtfertigt wird dies damit, dass derjenige, der die Vermögensmasse gebildet oder ausgestattet hat, ähnlich dem Schenker einer freigebigen Zuwendung, durch die Bildung oder Ausstattung der Vermögensmasse einen Grund für die Entstehung der Steuer gesetzt hat.7 Die bereits unter § 20 Abs. 1 Satz 1 Fall 2 ErbStG erläuterten Grundsätze zur subsidiären Inanspruchnahme des Schenkers und zum pflichtgemäßen Ermessen des Finanzamts bei der Inanspruchnahme des Schenkers gelten bei der Inanspruchnahme desjenigen, der die Vermögensmasse gebildet oder ausgestattet hat, entsprechend. Auch in diesem Fall ist die Inanspruchnahme desjenigen, der die Vermögensmasse gebildet oder ausgestattet hat, die Ausnahme und muss ihm Rahmen des Auswahlermessens gesondert begründet werden.
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Durch § 3 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 ErbStG und § 7 Abs. 1 Nr. 8 Satz 2 ErbStG, die bereits die vom Erblasser bzw. Schenker angeordnete Bildung oder Ausstattung der Vermögensmasse der Erbschaftsteuer unterwerfen, wird der Erwerb zeitlich vorgezogen, um eine lückenlose Erfassung der Bereicherung zu erreichen. Dem folgt § 20 Abs. 1 Satz 2 ErbStG, indem er die Vermögensmasse selbst als Steuerschuldner normiert. Der personenbezogene Zusammenhang zwischen Bereicherung und Steuerschuld wird dadurch zwar durchbrochen.8 Die Regelung ist jedoch folgerichtig, wenn das Gesetz bereits die Bildung und Ausstattung der Vermögensmasse der Besteuerung unterwirft und nicht darauf abstellt, ob und wenn ja wer durch Ausschüttungen der Vermögensmasse bereichert wird.
1 Geck in Kapp/Ebeling, § 1 ErbStG Rz. 44 ff. (Stand: November 2015). 2 Esskandari/Winter in Lippross/Seibel, § 20 ErbStG Rz. 22 (Stand: Juni 2013). 3 Zur Haftung der Geschäftsführer und Vereinsvorstände für die von der Stiftung oder dem Verein geschuldete Steuer vgl. Gebel in T/G/J, § 20 ErbStG Rz. 40 (Stand: Oktober 2014). 4 Zur Einbeziehung ausländischer Kapitalgesellschaftsanteile in die beschränkte deutsche Erbschaftsteuerpflicht unter besonderer Berücksichtigung des US-Nachlasssteuerrechts vgl. Peter, ZEV 2014, 475. 5 StEntlG 1999/2000/2002 v. 24.3.1999, BGBl. I 1999, 402. 6 Esskandari/Winter in Lippross/Seibel, § 20 ErbStG Rz. 24 (Stand: Juni 2013); zur Rechtsinhaberschaft, zur Vermögenszuständigkeit und zur Steuerrechtsfähigkeit von Trusts vgl. Gebel in T/G/J, § 20 ErbStG Rz. 42 f. (Stand: Oktober 2014); Gebel, ZEV 1999, 249; vgl. auch § 3 ErbStG Rz. 115. 7 Vgl. Gebel in T/G/J, § 20 ErbStG Rz. 44 (Stand: Oktober 2014). 8 Hierzu krit. Geck in Kapp/Ebeling, § 20 ErbStG Rz. 13 (Stand: April 2015); Gebel in T/G/J, § 20 ErbStG Rz. 43 (Stand: Oktober 2014); Jüptner in F/J/P/W5, § 20 ErbStG Rz. 17; Jochum in Wilms/Jochum, § 20 ErbStG Rz. 62 ff. (Stand: August 2012).
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Steuerschuldner
Rz. 26 § 20 ErbStG
VI. Fortgesetzte Gütergemeinschaft (Abs. 2) Ehegatten, die im Güterstand der Gütergemeinschaft (§§ 1415 ff. BGB) leben, können durch Ehe- 22 vertrag vereinbaren, dass die Gütergemeinschaft nach dem Tod eines Ehegatten zwischen dem überlebenden Ehegatten und den gemeinschaftlichen Abkömmlingen fortgesetzt wird (§ 1483 BGB); dasselbe gilt für Lebenspartner i.S.d. LPartG. Bei Ableben eines Ehepartners oder Lebenspartners wird dessen Anteil am Gesamtgut nach § 4 Abs. 1 ErbStG so behandelt, als wäre er ausschließlich den anteilsberechtigten Abkömmlingen angefallen (s. § 4 ErbStG Rz. 8). Bei den Abkömmlingen des verstorbenen Ehepartners tritt ein steuerpflichtiger Erwerb von Todes wegen durch Erbanfall nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 Fall 1 ErbStG ein. § 20 Abs. 2 ErbStG bestimmt, dass die Abkömmlinge im Fall der fortgesetzten Gütergemeinschaft im Verhältnis der auf sie entfallenden Anteile Steuerschuldner sind. Neben den Abkömmlingen nach § 20 Abs. 2 ErbStG schuldet auch der überlebende Ehegatte oder Le- 23 benspartner die Erbschaftsteuer als Steuerschuldner. Während die Steuerschuldnerschaft der Abkömmlinge jedoch anteilig auf die Höhe der auf sie entfallenden Anteile beschränkt ist, schuldet der überlebende Ehegatte oder Lebenspartner den gesamten Steuerbetrag und das obwohl er kein Anteilserwerber ist. Auf diese Weise wird der Zugriff des Fiskus auf die Erbschaftsteuer sichergestellt. Nach § 31 Abs. 3 ErbStG kann das Finanzamt die Steuererklärung auch allein von dem überlebenden Ehegatten oder Lebenspartner verlangen. Dieser ist nach § 1487 BGB allein für die Verwaltung des Gesamtguts verantwortlich.1 Das Finanzamt wird daher regelmäßig den überlebenden Ehegatten oder Lebenspartner in Anspruch nehmen, denn dies ist zweckmäßig.2 Er muss jedoch nicht sein sonstiges privates Vermögen zur Begleichung der Erbschaftsteuer verwenden, denn der überlebende Ehegatten oder Lebenspartners schuldet die Erbschaftsteuer beschränkt auf das Gesamtgut.3 Der überlebende Ehegatte oder Lebenspartner ist materiell Haftungsschuldner, auch wenn das Ge- 24 setz von Steuerschuldnerschaft spricht. Es handelt sich um eine persönliche Haftung des überlebenden Ehegatten oder Lebenspartners, die sachlich auf das Gesamtgut beschränkt ist. Diese Haftung des überlebenden Ehegatten oder Lebenspartners besteht während der fortgesetzten Gütergemeinschaft fort.4
VII. Vorerbe (Abs. 4) Bei der Anordnung der Vor- und Nacherbschaft (§ 2100 ff. BGB), wird der Nacherbe erst mit dem 25 Nacherbfall Erbe. Der Erblasser hat in diesen Fällen zwei Erben zu bestimmen, die zeitlich nacheinander Erbe werden sollen, indem das Erbe zunächst auf den Vorerben übergeht und mit dessen Tod oder durch Zeitablauf auf den Nacherben. Ungeachtet der zivilrechtlichen Folgen gilt der Vorerbe nach § 6 ErbStG erbschaftsteuerrechtlich als Erbe. Folgerichtig bestimmt § 20 Abs. 4 ErbStG, dass der Vorerbe als Erwerber Steuerschuldner ist (s. § 6 Rz. 12, 14).5 Dieselben Grundsätze gelten bei der Anordnung eines Vor- und Nachvermächtnisses.6 Der Vorerbe kann nach § 20 Abs. 4 ErbStG die durch die Vorerbschaft veranlasste Steuer aus den 26 Mitteln der Vorerbschaft entrichten. Durch die Steuerzahlung wird der an den Nacherben heraus-
1 Hierzu krit. Geck in Kapp/Ebeling, § 20 ErbStG Rz. 14 (Stand: April 2015) Rz. 14; Richter in V/K/S/W4, § 20 ErbStG Rz. 16; Hartmann in Gürsching/Stenger, § 20 ErbStG Rz. 6 (Stand: März 2011). 2 Esskandari/Winter in Lippross/Seibel, § 20 ErbStG Rz. 23 (Stand: Juni 2013); Jochum in Wilms/Jochum, § 20 ErbStG Rz. 70 (Stand: August 2012). 3 Meincke16, § 20 ErbStG Rz. 10; Richter in V/K/S/W4, § 20 ErbStG Rz. 16; Bruschke, ErbStB 2014, 22. 4 Jochum in Wilms/Jochum, § 20 ErbStG Rz. 70 (Stand: August 2012). Zum Versterben eines der anteilsberechtigten Abkömmlinge während des Bestehens der fortgesetzten Gütergemeinschaft vgl. Gebel in T/G/J, § 20 ErbStG Rz. 48 (Stand: Oktober 2014); Meincke16, § 20 ErbStG Rz. 10. 5 BFH v. 13.4.2016 – II R 55/14, BStBl. II 2016, 746. Einzelheiten vgl. Siebert, ErbR 2011, 45. 6 FG Hamburg v. 11.1.2012 – 3 V 236/11, EFG 2012, 1174; Geck in Kapp/Ebeling, § 20 ErbStG Rz. 17 (Stand: April 2015).
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§ 20 ErbStG Rz. 27 Steuerschuldner zugebende Nachlasses entsprechend gemindert.1 Allerdings kann der Vorerbe die Steuer auch aus eigenen Mitteln bezahlen. § 20 Abs. 4 ErbStG steht dem nicht entgegen. Aus der Norm folgt jedoch, dass der Vorerbe den Steuerzugriff auf sein Privatvermögen abwehren kann, wenn der Wert der Vorerbschaft ausnahmsweise einmal unter den Steuerbetrag sinken sollte.2 27
In der Zahlung der Erbschaftsteuer aus dem Privatvermögen des Vorerben allein liegt keine freigebige Zuwendung an den Nacherben, denn der Vorerbe zahlt auf seine eigene Steuerschuld. Der Nacherbe wird allenfalls mittelbar dadurch bereichert, dass der Vorerwerb durch die Steuerzahlung nicht belastet wird. Allerdings ist § 20 Abs. 4 ErbStG so zu verstehen, dass der Nacherbe dem Vorerben im Falle des Eintritts der Nacherbfolge nach § 2124 Abs. 2 Satz 2 BGB zum Ersatz verpflichtet ist, wenn der Vorerbe die Steuerzahlung aus seinem eigenen Vermögen entrichtet.3 Der Verzicht auf die Geltendmachung dieses Anspruchs kann eine freigebige Zuwendung darstellen, wenn der Vorerbe durch den Verzicht auf diese Ausgleichsforderung den Nacherben bereichern möchte.
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Nach dem Tod des Vorerben ist die Erbschaftsteuer für den Vorerbfall regelmäßig gegen den Nacherben und nur ausnahmsweise gegen den Erben des Vorerben festzusetzen.4 Mit dem Eintritt des Nacherbfalls fällt die Erbschaft dem Nacherben an. Der Nacherbe ist Erbe des ursprünglichen Erblassers.5 Er haftet folglich nach § 1967 Abs. 1 und 2 BGB für die Nachlassverbindlichkeiten, und zwar auch für die Verbindlichkeiten, die nicht vom Erblasser herrühren, sondern als Erbfallschulden den Erben als solchen treffen.6 Der Vorerbe haftet nach Maßgabe des § 2145 BGB ebenfalls für die Nachlassverbindlichkeiten.7 Die Erbschaftsteuer für den Vorerbfall ist eine allgemeine Nachlassverbindlichkeit i.S.d. § 1967 BGB.8 Sowohl der Vorerbe als auch der Nacherbe haften für sie gleichermaßen als Gesamtschuldner.9 Sie schulden jeweils die gesamte Leistung (§ 44 Abs. 1 Satz 2 AO). Das zuständige Finanzamt kann gegen beide nach pflichtgemäßem Ermessen die Erbschaftsteuer festsetzen. Da der Nacherbe im Verhältnis zum Vorerben oder dessen Erben nach § 20 Abs. 4 ErbStG ohnehin die Erbschaftsteuerschuld des Vorerben zu tragen hat, entspricht es regelmäßig pflichtgemäßem Ermessen, die Steuer gegen den Nacherben festzusetzen.10 Die Inanspruchnahme des Erben des Vorerben als Gesamtschuldner braucht nur dann nicht begründet zu werden, wenn sie einer Vereinbarung zwischen diesem und dem Nacherben entspricht oder der Erbe des Vorerben bei der Herausgabe der Vorerbschaft an den Nacherben (§ 2130 Abs. 1 BGB) die zur Entrichtung der Erbschaftsteuer erforderlichen Mittel zurückbehalten hat.11 Ferner ist eine Begründung der Ermessensentscheidung ausnahmsweise entbehrlich, wenn die Steuerfestsetzung gegen den Nacherben aus Rechtsgründen, z.B. wegen Eintritts der Festsetzungsverjährung, nicht mehr möglich ist.12 Fehlt die erforderliche Begründung und wird sie auch nicht im Einspruchs- oder Klageverfahren nachgeholt, ist der gegen den Erben des Vorerben ergangene Steuerbescheid rechtswidrig und aufzuheben.13
1 Zur Benachteiligung des Nacherben vgl. Gebel in T/G/J, § 20 ErbStG Rz. 55 f. (Stand: Oktober 2014); Jochum in Wilms/Jochum, § 20 ErbStG Rz. 73 f. (Stand: August 2012). 2 Meincke16, § 20 ErbStG Rz. 14. 3 BFH v. 12.5.1970 – II 52/64, BStBl. II 1972, 462; FG Hess. v. 24.7.2014 – 1 K 1735/13, EFG 2014, 2059; Esskandari/Winter in Lippross/Seibel, § 20 ErbStG Rz. 27 (Stand: Juni 2013); a.A. Meincke16, § 20 ErbStG Rz. 15. 4 BFH v. 13.4.2016 – II R 55/14, BStBl. II 2016, 746 Rz. 11. 5 BGH v. 30.10.1951 – V BLw 61/50, BGHZ 3, 254; BFH v. 13.4.2016 – II R 55/14, BStBl. II 2016, 746 Rz. 8; OLG Hamm v. 25.6.2015 – I-15 W 212/15, 274/15; Weidlich in Palandt75, Einf. v. § 2100 Rz. 1, § 2100 Rz. 1, § 2139 Rz. 1, 3 f. 6 BFH v. 13.4.2016 – II R 55/14, BStBl. II 2016, 746 Rz. 8; Weidlich in Palandt75, § 2144 BGB Rz. 1. 7 Weidlich in Palandt75, § 2145 BGB Rz. 1. 8 BFH v. 13.4.2016 – II R 55/14, BStBl. II 2016, 746 Rz. 11 u.a. unter Bezugnahme auf BFH v. 20.1.2016 – II R 34/14, FR 2016, 633 = ErbStB 2016, 136 = BFH/NV 2016, 851. 9 BFH v. 13.4.2016 – II R 55/14, BStBl. II 2016, 746 Rz. 11; Weidlich in Palandt75, § 2144 BGB Rz. 2. 10 BFH v. 13.4.2016 – II R 55/14, BStBl. II 2016, 746 Rz. 14. 11 BFH v. 13.4.2016 – II R 55/14, BStBl. II 2016, 746 Rz. 16. 12 BFH v. 13.4.2016 – II R 55/14, BStBl. II 2016, 746 Rz. 16. 13 BFH v. 13.4.2016 – II R 55/14, BStBl. II 2016, 746 Rz. 17.
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Steuerhaftung
Rz. 32 § 20 ErbStG
C. Steuerhaftung I. Haftung des unentgeltlichen Zweiterwerbers (Abs. 5) Hat der Steuerschuldner den Erwerb oder Teile desselben vor Entrichtung der Erbschaftsteuer einem 29 anderen unentgeltlich zugewendet, haftet dieser sog. Zweiterwerber nach § 20 Abs. 5 ErbStG in Höhe des Werts der Zuwendung persönlich für die für den ursprünglichen Erwerb festzusetzende Erbschaft- oder Schenkungsteuer. Der Zweiterwerber haftet also persönlich für die bis zum Zeitpunkt des Vermögensübergangs noch nicht gezahlte Steuer. Allerdings ist seine Haftung auf den Wert der Zuwendung beschränkt. Folglich haftet er nicht mit seinem Privatvermögen für die Steuerschulden des ursprünglichen Erwerbers. Bei teilentgeltlichen Zuwendungen ist die Haftung auf den unentgeltlichen Teil beschränkt.1 Neben der Haftung für die (fremde) Steuerschuld des Zuwendenden kann gegen den Zweiterwerber 30 die eigene Steuerschuld nach § 20 Abs. 1 Satz 1 Fall 2 ErbStG für den eigenen Erwerb bedingt durch die freigebige Zuwendung an ihn treten; der Zweiterwerber trägt im Ergebnis also die Steuer für seinen eigenen Erwerb und für den des Zuwendenden.2 Die übernommene Steuer ist für ihn jedoch als Erwerbsaufwendungen nach § 10 Abs. 5 Nr. 3 ErbStG bei seinem eigenen Erwerb abzuziehen.3
II. Haftung der Versicherungsunternehmen (Abs. 6 Satz 1) Versicherungsunternehmen haften nach § 20 Abs. 6 Satz 1 ErbStG für die Steuer, wenn sie vor Errich- 31 tung oder Sicherstellung der Steuer die von ihnen zu zahlende Versicherungssumme oder Leibrente in das Ausland auszahlen oder einem im Ausland wohnenden Berechtigten zur Verfügung stellen. Die Haftung soll den Zugriff des deutschen Fiskus sicherstellen und eine Vollstreckung der Steuerschuld im Ausland mittels Amtshilfe vermeiden.4 Die Haftung ist auf die Höhe des ausgezahlten Betrages beschränkt, jedoch haftet der Versicherer in Erbfällen für die gesamte Steuer des Erbfalls und nicht nur für den Teil der Steuer, der auf die ausgezahlte Versicherungssumme entfällt.5 Auf Säumniszuschläge oder sonstige steuerliche Nebenleistungen erstreckt sich die Haftung hingegen nicht.6 Unerheblich für die Haftung ist, ob es sich um einen Erwerb von Todes wegen i.S.d. § 3 ErbStG oder um einen Schenkung unter Lebenden i.S.d. § 7 ErbStG handelt. Die Entstehung des Haftungsanspruchs ist weder vom Verschulden des Versicherungsunternehmens 32 noch von dessen Kenntnis darüber abhängig, dass es sich um einen ausländischen Berechtigten handelt.7 Ausländischer Berechtigter i.S.d. § 20 Abs. 6 Satz 1 ErbStG ist jeder, an den nach dem Versicherungsvertrag die Auszahlung erfolgen kann und der weder seinen Wohnsitz (§ 8 AO) noch seinen gewöhnlichen Aufenthalt (§ 9 AO) im Inland hat. Für die Beurteilung, ob ein Berechtigter im Ausland wohnhaft ist, sind die Verhältnisse im Zeitpunkt der Auszahlung der Versicherungssumme oder Leibrente maßgeblich und nicht etwa der Zeitpunkt der Entstehung der Steuer.8 Bestehen Unsicherheiten über den Wohnsitz des Berechtigten ist es für das Versicherungsunternehmen ratsam, sich beim zuständen Finanzamt eine Bescheinigung einzuholen, dass die Auszahlung steuerlich unbedenklich ist.9 1 Geck in Kapp/Ebeling, § 20 ErbStG Rz. 59 (Stand: April 2015). 2 Esskandari/Winter in Lippross/Seibel, § 20 ErbStG Rz. 36 (Stand: Juni 2013). 3 Meincke16, § 20 ErbStG Rz. 18; Hartmann in Gürsching/Stenger, § 20 ErbStG Rz. 32 (Stand: März 2011); weitergehend Geck in Kapp/Ebeling, § 20 ErbStG Rz. 19 (Stand: April 2015): Zweiterwerber ist Bürge. 4 Geck in Kapp/Ebeling, § 20 ErbStG Rz. 22 f. (Stand: April 2015). 5 FG Köln v. 8.11.2007 – 9 K 2200/06, EFG 2008, 475; Jüptner in F/J/P/W5, § 20 ErbStG Rz. 76; Esskandari/Winter in Lippross/Seibel, § 20 ErbStG Rz. 40 (Stand: Juni 2013). 6 FG Münster v. 13.12.1990 – 3 K 2585/88 Erb, EFG 1991, 547; Meincke16, § 20 ErbStG Rz. 19; Szczesny in Tiedtke, § 20 ErbStG Rz. 29. 7 BFH v. 5.3.1981 – II R 80/77, BStBl. II 1981, 471; krit. Geck in Kapp/Ebeling, § 20 ErbStG Rz. 30, 40 ff. (Stand: April 2015). 8 Gebel in T/G/J, § 20 ErbStG Rz. 61 (Stand: Oktober 2014); Richter in V/K/S/W4, § 20 ErbStG Rz. 24. 9 BFH v. 18.7.2007 – II R 18/06, BStBl. II 2007, 788 = FR 2008, 149 = ErbStB 2007, 329; Jüptner in F/J/P/W5, § 20 ErbStG Rz. 78; Geck in Kapp/Ebeling, § 20 ErbStG Rz. 26 (Stand: April 2015); Werkmüller, ZEV 2008, 97.
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§ 20 ErbStG Rz. 33 Steuerschuldner
III. Haftung anderer Vermögensverwahrer (Abs. 6 Satz 2) 33
Ebenso wie die Versicherungsunternehmen haften nach § 20 Abs. 6 Satz 2 ErbStG auch andere Personen, in deren Gewahrsam sich Vermögen des Erblassers befindet, für die Steuer. Die Vorschrift soll verhindern, dass der Steueranspruch vereitelt wird. Zu diesem Zweck mutet das Gesetz dem (inländischen) Gewahrsamsinhaber eine Art Garantenstellung zu, die bei vorsätzlicher oder fahrlässiger Verletzung zur Haftungsfolge führt.1 Zur Vermeidung der Haftungsfolge ist der Gewahrsamsinhaber daher gehalten, vor einer Aushändigung der Vermögensgegenstände an den Erben zu prüfen, ob die Voraussetzungen des § 20 Abs. 6 Satz 2 ErbStG vorliegen, und ggf. die Herausgabe an diesen zu verweigern.2
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Anders als bei der Haftung der Versicherungsunternehmen nach § 20 Abs. 6 Satz 1 ErbStG ist die Haftung nach § 20 Abs. 6 Satz 2 ErbStG abhängig vom Verschulden der Gewahrsamsinhaber.3 Deshalb haften sie nur dann, wenn sie das Vermögen vorsätzlich oder fahrlässig vor Entrichtung oder Sicherstellung der Steuer in das Ausland bringen oder einem im Ausland wohnenden Berechtigten zur Verfügung stellen. Gewahrsam bedeutet die tatsächliche Möglichkeit der Einwirkung auf das Vermögen des Erblassers ohne dass es einer besonderen Verwertungsbefugnis bedarf.4 Gewahrsamsinhaber i.S.d. § 20 Abs. 6 Satz 2 ErbStG können z.B. Kreditinstitute, Testamentsvollstrecker, Nachlasspfleger, Nachlassverwalter, Rechtsanwälte, Notare, Steuerberater, Erbschaftsbesitzer und sonstige Treuhänder sein.
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Wie in § 20 Abs. 6 Satz 1 ErbStG erstreckt sich die Haftung des Gewahrsamsinhabers auf die gesamte Steuer des Erbfalls und nicht nur auf den Teil der Steuer, der auf das im Gewahrsam befindliche Vermögen entfällt. § 20 Abs. 6 Satz 2 ErbStG stellt seinem Wortlaut nach auf das Vermögen des Erblassers ab. Folglich ist § 20 Abs. 6 Satz 2 ErbStG im Gegensatz zu § 20 Abs. 6 Satz 1 ErbStG nur auf Erwerbe von Todes wegen i.S.d. § 3 ErbStG, nicht aber bei Schenkungen unter Lebenden i.S.d. § 7 ErbStG anwendbar.
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Die Haftung inländischer Kreditinstitute für die Erbschaftsteuer eines nicht im Geltungsbereich des ErbStG wohnhaften Erben erstreckt sich nach § 20 Abs. 6 Satz 2 ErbStG bis zur Höhe des ausgezahlten Betrags auf die Erbschaftsteuer für den gesamten dem Erben angefallenen Erwerb von Todes wegen einschließlich eines Erwerbs aufgrund eines Vertrags zugunsten Dritter auf den Todesfall.5 Zur Vermeidung der Haftungsfolge ist das Kreditinstitut gehalten, vor einer Aushändigung der Vermögensgegenstände an den Erben zu prüfen, ob die Voraussetzungen des § 20 Abs. 6 Satz 2 ErbStG vorliegen, und ggf. die Herausgabe an diesen zu verweigern.6 Fahrlässig handelt das Kreditinstitut als Gewahrsamsinhaber, wenn es die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht lässt (§ 276 Abs. 2 BGB).7 Das ist i.d.R. gegeben, wenn das Kreditinstitut Guthaben auf einem bei ihm bestehenden Konto des Erblassers einem nicht im Geltungsbereich des ErbStG wohnhaften Berechtigten zur Verfügung stellt. Der Gewahrsam des Kreditinstituts endet, wenn der oder die Erben allein über das Konto usw. verfügen können. Ist z.B. das Konto nach Vorlage eines Erbscheins auf einen Erben umgeschrieben und überweist dieser dann einen Betrag ins Ausland, scheidet eine Haftung des Kreditinstituts aus.8
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Bei Schließfächern verlangt die FinVerw. bei Kenntnis der Bank über den Erbfall und Öffnung durch einen ausländischen Berechtigten, dass der Inhalt des Schließfachs nicht herausgegeben wird, der Inhalt aufgezeichnet und die Aufstellung von dem Kreditinstitut bestätigt wird oder der Berechtigte einen Finanzbeamten oder einen Notar bei der ersten Öffnung des Schließfachs hinzuzuzieht.9 Ande1 BFH v. 12.3.2009 – II R 51/07, BStBl. II 2009, 783 = FR 2009, 1117 = ErbStB 2009, 266. 2 BFH v. 11.8.1993 – II R 14/90, BStBl. II 1994, 116; v. 18.7.2007 – II R 18/06, BStBl. II 2007, 788 = FR 2008, 149; v. 12 32009 – II R 51/07, BStBl. II 2009, 783 = FR 2009, 1117; Bruschke, ErbStB 2012, 22. 3 BFH v. 18.7.2007 – II R 18/06, BStBl. II 2007, 788 = ErbStB 2007, 329; FG Nds. v. 20.1.2006 – 11 K 250/05, EFG 2006, 1265; FG RH.-Pf. v. 7.10.2010 – 4 K 1663/07, EFG 2011, 814; Geck in Kapp/Ebeling, § 20 ErbStG Rz. 40 ff. (Stand: April 2015); Szczesny in Tiedtke, § 20 ErbStG Rz. 31. 4 BFH v. 11.8.1993 – II R 14/90, BStBl. II 1994, 116; v. 12.8.1964 – II 125/62 U, BStBl. III 1964, 647; Geck in Kapp/Ebeling, § 20 ErbStG Rz. 33 f. (Stand: April 2015). 5 BFH v. 12.3.2009 – II R 51/07, BStBl. II 2009, 783 = FR 2009, 1117 = ErbStB 2009, 266. 6 BFH v. 11.8.1993 – II R 14/90, BStBl. II 1994, 116; v. 18.7.2007 – II R 18/06, BStBl. II 2007, 788 = ErbStB 2007, 329; v. 12.3.2009 – II R 51/07, BStBl. II 2009, 783 = FR 2009, 1117 = ErbStB 2009, 266. 7 Beispiele zum Verschulden vgl. Halaczinsky, ErbStB 2007, 208, 211. 8 Halaczinsky, ErbStB 2007, 208, 211. 9 Bay. FinMin.v. 20.8.1990 – 34 – S 3830 – 1/37 – 80 550, DB 1990, 1843.
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Nachlasshaftung (Abs. 3)
Rz. 41 § 20 ErbStG
renfalls bestünde eine Haftung des Kreditinstituts nach § 20 Abs. 6 Satz 2 ErbStG. Diese Ansicht verkennt, dass das Kreditinstitut im Hinblick auf den Inhalt des Schließfaches keinen Gewahrsam haben dürfte. Das gilt jedenfalls dann, wenn – wie im Regelfall – das Schließfach von jedem, der einen entsprechende Schlüssel hat oder über das Passwort verfügt, ohne weitere Legitimation geöffnet werden kann.1 Die Haftung beschränkt sich nicht auf die Steuer, die auf das Guthaben oder den Nachlass entfällt. 38 Vielmehr haftet das Kreditinstitut bis zur Höhe des ausgezahlten Betrags für die Steuer auf den gesamten an den Erben gefallenen Erwerb von Todes wegen einschließlich der Vermögensvorteile, die der Erbe aufgrund eines vom Erblasser geschlossenen Vertrags bei dessen Tod unmittelbar erworben hat und die nach § 3 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG als Erwerb von Todes wegen gelten.2 Dies entspricht dem Zweck der Vorschrift, eine Vereitelung des zunächst durchsetzbaren Steueranspruchs zu vermeiden. Unerheblich ist, dass Verträge zugunsten Dritter auf den Todesfall zivilrechtlich nicht dem Erbrecht, sondern dem Schuldrecht zugeordnet werden.3 Der Testamentsvollstrecker hat nach §§ 2205 ff. BGB den Nachlass in Besitz zu nehmen, zu verwal- 39 ten und über einzelne Nachlassgegenstände zu verfügen. Die rechtliche Stellung des Erben als Steuerschuldner bleibt durch die Testamentsvollstreckung unberührt. Als Vermögensverwalter i.S.d. § 34 Abs. 3 AO haftet der Testamentsvollstrecker nach § 69 AO soweit er seine steuerlichen Pflichten vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht erfüllt.4 Der Testamentsvollstrecker muss nur insoweit Steuererklärungen abgeben, als es sich um ErbSt.-Schulden oder um solche Steuerschulden handelt, die noch in der Person des Erblassers entstanden sind (§ 31 Abs. 5 ErbStG; § 2213 Abs. 3 BGB).5 Neben § 69 AO haftet der Testamentsvollstrecker als Gewahrsamsinhaber nach § 20 Abs. 6 Satz 2 ErbStG, wenn er das Nachlassvermögen vorsätzlich oder fahrlässig vor Entrichtung an einen im Ausland ansässigen Berechtigten auszahlt. Insoweit reicht also einfache Fahrlässigkeit aus.
IV. Haftungsfreigrenze (Abs. 7) § 20 Abs. 7 ErbStG normiert eine Haftungsfreigrenze i.H.v. 600 Euro. Sie gilt nur für die Haftung nach 40 § 20 Abs. 6 ErbStG. Die Haftung nach § 20 Abs. 6 ErbStG kann nicht geltend gemacht werden, wenn der ins Ausland gezahlte oder der einem im Ausland wohnhaften Berechtigten zur Verfügung gestellte Betrag die Freigrenze nicht übersteigt. Da es sich um eine Freigrenze und nicht um einen Freibetrag handelt, findet keine Kürzung des Haftungsbetrages um 600 Euro statt, sondern die Haftung greift in vollem Umfang ein, sobald ein höherer Betrag als 600 Euro ausgezahlt oder zur Verfügung gestellt wird. Die Haftungsgrenze ist für jeden die Steuer auslösenden Steuertatbestand einzeln zu prüfen, bei Auszahlung an mehrere im Ausland wohnende Berechtigte also gesondert für jeden Berechtigten.6
D. Nachlasshaftung (Abs. 3) Die Erbschaftsteuer trifft als Erbanfallsteuer den jeweiligen Erwerber, nicht die Gesamtheit der Er- 41 werber.7 Mehrere Erwerber haften daher grundsätzlich nicht persönlich als Gesamtschuldner für die gesamte gegen jeden einzelnen Erben festzusetzende Erbschaftsteuer.8 Die Haftung nach § 20 Abs. 3 1 Halaczinsky ErbStB 2007, 208 (212). 2 BFH v. 12.3.2009 – II R 51/07, BStBl. II 2009, 783 = FR 2009, 1117 = ErbStB 2009, 266; Gebel in T/G/J, § 20 ErbStG Rz. 67 (Stand: Oktober 2014). 3 BFH v. 12.3.2009 – II R 51/07, BFHE 225, 89 = BStBl. II 2009, 783 unter Hinweis auf BGH v. 26.11.2003 – IV ZR 438/02, BGHZ 157, 79 = FR 2009, 1117 = ErbStB 2009, 266. 4 Loose in Tipke/Kruse, § 69 AO Rz. 43a; Tolksdorf/Simon, ErbStB 2008, 360 (363). 5 Loose in Tipke/Kruse, § 34 AO Rz. 29; Steiner, ErbStB 2011, 201; zu den Anzeige- und Berichtigungspflichten im Erbfall vgl. Müller, AO-StB 2004, 95; Halaczinsky/Füllsack, BB 2011, 2839. 6 Geck in Kapp/Ebeling, § 20 ErbStG Rz. 51 (Stand: April 2015); Meincke16, § 20 ErbStG Rz. 22; Gebel in T/G/J, § 20 ErbStG Rz. 82 (Stand: Oktober 2014). 7 Geck in Kapp/Ebeling, § 20 ErbStG Rz. 15 (Stand: April 2015). 8 BFH v. 11.8.1998 – VII R 118/95, BStBl. II 1998, 705.
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§ 20 ErbStG Rz. 42 Steuerschuldner ErbStG begründet allerdings eine Sachhaftung des Nachlasses bis zu dessen Teilung. Jeder Miterbe kann jederzeit die Auseinandersetzung über den Nachlass verlangen und danach frei über das ihm angefallene Vermögen verfügen.1 42
Bis zur Neuregelung durch § 20 Abs. 3 ErbStG durch das ErbStG 19742 hafteten die Erben persönlich bis zur Höhe des Werts des aus dem Nachlass Empfangenen (vgl. § 15 Abs. 3 ErbStG 1959). Diese auch nach der Auseinandersetzung bestehende Haftung ging nach Ansicht des Gesetzgebers zu weit und sollte durch § 20 Abs. 3 ErbStG 19743 auf die Zeit vor der Auseinandersetzung beschränkt werden.4 Hintergrund dieser Überlegung war, dass die Erben die gegenseitige Haftung bei der Auseinandersetzung berücksichtigen könnten, nach der Auseinandersetzung jedoch nicht mehr.5
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Das Finanzamt kann nach § 20 Abs. 3 ErbStG die Erbschaftsteuer durch Verwertung des Nachlasses beitreiben. Dazu bedarf es eines Duldungsbescheids gegen den Nachlassverwalter oder gegen die Erben (vgl. §§ 77, 191 AO). Der Erlass ist setzt eine Ermessensentscheidung voraus. Im Rahmen des Auswahlermessens muss das Finanzamt begründen, warum es die Durchsetzung des jeweiligen Steueranspruchs nicht gegen den oder die Erben persönlich, sondern gegen den Nachlass als Gesamtheit beitreibt. Die Nachlasshaftung gilt nicht nur für Steuerschulden der Erben, sondern auch die der am Nachlassvermögen Berechtigten, z.B. Vermächtnisnehmer oder Pflichtteilsberechtigte.6
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Im Nachlassinsolvenzverfahren ist die vom Erben als Gesamtrechtsnachfolger aufgrund Erbanfalls nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG i.V.m. § 1922 BGB geschuldete Erbschaftsteuer vom Finanzamt als Nachlassinsolvenzforderung im Nachlassinsolvenzverfahren geltend zu machen.7 Die Erbschaftsteuer wird zwar gegen den Erben persönlich und nicht gegen den Nachlass als solchen festgesetzt, sie unterscheidet sich jedoch nicht von anderen Erbfallschulden wie z.B. Beerdigungskosten, die ebenfalls in der Person des Erben entstehen und gegen diesen auch zivilrechtlich durchgesetzt werden können; solche Erbfallschulden sind im Falle der Nachlassinsolvenz ebenfalls als Nachlassinsolvenzforderungen geltend zu machen.8 Etwas anderes gilt für die aufgrund eines Vermächtnisses, eines geltend gemachten Pflichtteilsanspruchs oder die aufgrund sonstiger Erwerbstatbestände des § 3 Abs. 1 und 2 ErbStG geschuldete Erbschaftsteuer. Diese beruht nicht auf der Gesamtrechtsnachfolge und ist keine Nachlassverbindlichkeit i.S.d. § 325 InsO, § 1967 BGB.9
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Aus § 20 Abs. 3 ErbStG folgt, dass bis zur Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft die Erbschaftsteuer im Nachlassinsolvenzverfahren grundsätzlich eine Insolvenzforderung i.S.d. § 38 Abs. 1 InsO ist.10 Aus § 20 Abs. 3 ErbStG folgt jedoch nicht im Umkehrschluss, dass nach der Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft die Erbschaftsteuer nicht mehr als Insolvenzforderung im Nachlassinsolvenzverfahren geltend gemacht werden.11 Denn die Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft entfaltet im Zeitpunkt der Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens keine Wirkung, weil mit Eröffnung des
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Geck in Kapp/Ebeling, § 20 ErbStG Rz. 16 (Stand: April 2015). ErbStG 1974 v. 17.4.1974, BGBl. I 1974, 933. ErbStG 1974 v. 17.4.1974, BGBl. I 1974, 933. BR-Drucks 140/72, 73. BR-Drucks 140/72, 73. Geck in Kapp/Ebeling, § 20 ErbStG Rz. 15 (Stand: April 2015). BFH v. 20.1.2016 – II R 34/14, BStBl. II 2016, 482 = FR 2016, 633 = ErbStB 2016, 136. BFH v. 28.4.1992 – VII R 33/91, BStBl. II 1992, 781; v. 11.8.1998 – VII R 118/95, BStBl. II 1998, 705; v. 20.1.2016 – II R 34/14, BStBl. II 2016, 482 = ErbStB 2016, 136; OLG Köln v. 7.5.2001 – 2 Wx 6/01, ZEV 2001, 406; OLG Naumburg v. 20.10.2006 – 10 U 33/06, ErbStB 2007, 302 = ZEV 2007, 381; Geck in Kapp/Ebeling, § 10 ErbStG Rz. 173 (Stand: April 2015); Gebel in T/G/J, § 20 ErbStG Rz. 50 (Stand: Oktober 2014); Drüen in Tipke/Kruse, § 45 AO Rz. 27; Loose in Tipke/Kruse, § 251 AO Rz. 137; Weidlich in Palandt75, § 1967 BGB Rz. 7; K. Schmidt in K. Schmidt19, § 325 InsO Rz. 5; Busch in Graf-Schlicker4, § 325 InsO Rz. 2; Roth/Pfeuffer, Praxishandbuch für Nachlassinsolvenzverfahren, 166 ff. 9 BFH v. 20.1.2016 – II R 34/14, BFHE 252, 389 = BStBl. II 2016, 482 = FR 2016, 633 = ErbStB 2016, 136. 10 BGH v. 10.10.2013 – IX ZR 30/12, NJW 2014, 391. 11 BFH v. 20.1.2016 – II R 34/14, BStBl. II 2016, 482 = FR 2016, 633 = ErbStB 2016, 136; a.A. OLG Frankfurt v. 13.2.2003 – 20 W 35/02; v. 27.1.2012 – 24 U 38/11; Meincke16, § 20 ErbStG Rz. 12; Boeker in HHSp., § 45 AO Rz. 64; Marotzke in Staudinger, BGB, § 1967 Rz. 33; Lüer in Uhlenbruck14, § 325 InsO Rz. 8; Schallenberg/Rafiqpoor in Frankfurter Kommentar zur InsO8, § 325 InsO Rz. 8.
720
Loose
Nachlasshaftung (Abs. 3)
Rz. 46 § 20 ErbStG
Nachlassinsolvenzverfahrens das Vermögen der Erben und der Nachlass wieder mit Rückwirkung getrennt werden (§ 1976 BGB).1 Das Finanzamt muss die Erbschaftsteuer als Nachlassinsolvenzforderung im Nachlassinsolvenzver- 46 fahren zur Tabelle anmelden und ggf. gegen den Nachlassinsolvenzverwalter nach § 251 Abs. 3 AO mittels Insolvenzfeststellungsbescheid feststellen. Ist die Erbschaftsteuer bereits durch einen bestandskräftigen Steuerbescheid gegen den Erben festgesetzt, erschöpft sich die Feststellung darin, dass der Bescheid nicht mehr mit Rechtsmitteln angefochten oder durch Änderungsvorschriften geändert werden kann.2
1 Weidlich in Palandt75, § 1976 BGB Rz. 1; Schallenberg/Rafiqpoor in Frankfurter Kommentar zur InsO8, § 316 InsO Rz. 5. 2 Vgl. Loose in Tipke/Kruse, § 251 AO Rz. 66 (Stand: Juli 2015).
Loose
721
§ 21 Anrechnung ausländischer Erbschaftsteuer (1) 1Bei Erwerbern, die in einem ausländischen Staat mit ihrem Auslandsvermögen zu einer der deutschen Erbschaftsteuer entsprechenden Steuer – ausländische Steuer – herangezogen werden, ist in den Fällen des § 2 Absatz 1 Nummer 1 und Absatz 3, sofern nicht die Vorschriften eines Abkommens zur Vermeidung der Doppelbesteuerung anzuwenden sind, auf Antrag die festgesetzte, auf den Erwerber entfallende, gezahlte und keinem Ermäßigungsanspruch unterliegende ausländische Steuer insoweit auf die deutsche Erbschaftsteuer anzurechnen, als das Auslandsvermögen auch der deutschen Erbschaftsteuer unterliegt. 2Besteht der Erwerb nur zum Teil aus Auslandsvermögen, ist der darauf entfallende Teilbetrag der deutschen Erbschaftsteuer in der Weise zu ermitteln, daß die für das steuerpflichtige Gesamtvermögen einschließlich des steuerpflichtigen Auslandsvermögens sich ergebende Erbschaftsteuer im Verhältnis des steuerpflichtigen Auslandsvermögens zum steuerpflichtigen Gesamtvermögen aufgeteilt wird. 3Ist das Auslandsvermögen in verschiedenen ausländischen Staaten belegen, ist dieser Teil für jeden einzelnen ausländischen Staat gesondert zu berechnen. 4Die ausländische Steuer ist nur anrechenbar, wenn die deutsche Erbschaftsteuer für das Auslandsvermögen innerhalb von fünf Jahren seit dem Zeitpunkt der Entstehung der ausländischen Erbschaftsteuer entstanden ist. (2) Als Auslandsvermögen im Sinne des Absatzes 1 gelten, 1. wenn der Erblasser zur Zeit seines Todes Inländer war: alle Vermögensgegenstände der in § 121 des Bewertungsgesetzes genannten Art, die auf einen ausländischen Staat entfallen, sowie alle Nutzungsrechte an diesen Vermögensgegenständen; 2. wenn der Erblasser zur Zeit seines Todes kein Inländer war: alle Vermögensgegenstände mit Ausnahme des Inlandsvermögens im Sinne des § 121 des Bewertungsgesetzes sowie alle Nutzungsrechte an diesen Vermögensgegenständen. (3) 1Der Erwerber hat den Nachweis über die Höhe des Auslandsvermögens und über die Festsetzung und Zahlung der ausländischen Steuer durch Vorlage entsprechender Urkunden zu führen. 2Sind diese Urkunden in einer fremden Sprache abgefaßt, kann eine beglaubigte Übersetzung in die deutsche Sprache verlangt werden. (4) Ist nach einem Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung die in einem ausländischen Staat erhobene Steuer auf die Erbschaftsteuer anzurechnen, sind die Absätze 1 bis 3 entsprechend anzuwenden. A. Grundaussagen der Vorschrift. . . . . . . . . . I. Regelungsgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Stand der Doppelbesteuerungsabkommen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Doppelbesteuerung im Völkerrecht . . . . 3. Struktur des § 21 ErbStG . . . . . . . . . . . . II. Bedeutung und Telos . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Geltungsbereich und Verhältnis zu anderen Vorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Bedeutung der Vorschrift im internationalen Kontext . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Verhältnis zu den europäischen Grundfreiheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Verhältnis zu anderen nationalen Vorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Systematik der Anrechnung (Abs. 1) . . . . . I. Grundlegende Voraussetzungen der Anrechnung (Abs. 1 Satz 1) . . . . . . . . . . . . 1. Unbeschränkte Steuerpflicht. . . . . . . . . .
1 1 1 3 4 5 6 6 7 8 9 9 9
2. Kein Doppelbesteuerungsabkommen . . . . 3. Entsprechende ausländische Steuer (Entsprechensklausel) . . . . . . . . . . . . . . . a) Grundsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Veräußerungsgewinnsteuer . . . . . . . . . c) Mit der Vermögensübertragung verbundene Abgaben und Gebühren . . . . 4. Antrag. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Ausländische Steuer ist gezahlt, nicht ermäßigt und unterliegt keinem Ermäßigungsanspruch . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Berechnung der anzurechnenden Steuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Mischerwerbe (Abs. 1 Satz 2) . . . . . . . . . . . . 1. Anrechnungshöchstbetrag . . . . . . . . . . . . 2. Verhältnis von § 21 und § 14 ErbStG . . . . III. Per Country-Limitation (Abs. 1 Satz 3) . . . . IV. Zeitraum der Anrechnung (Abs. 1 Satz 4) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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10 11 11 12 13 14
15 16 18 18 20 23 25
723
§ 21 ErbStG Anrechnung ausländischer Erbschaftsteuer C. Auslandsvermögen (Abs. 2) . . . . . . . . . . . . 26 I. Enger Auslandsvermögensbegriff (Abs. 2 Nr. 1) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 II. Weiter Auslandsvermögensbegriff (Abs. 2 Nr. 2) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29
III. Gestaltungshinweise. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 D. Nachweise über die im Ausland gezahlte Steuer (Abs. 3) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 E. Doppelbesteuerungsabkommen (Abs. 4) . . 34
Literatur: Bachmann, Besteuerung der Vererbung von Anteilen an einer ausländischen Kapitalgesellschaft, ZEV 2007, 198; Billig, Anrechnung ausländischer Erbschaftsteuer gem. § 21 ErbStG trotz eines bestandskräftigen inländischen Steuerbescheids?, UVR 2010, 48; Brüggemann, Der entscheidende Fehler: Wenn die Übertragung einer Auslandsimmobilie zu teuer wird, ErbBStG 2011, 161; Demuth, Auslandsvermögen im Erbschaftsteuerrecht – Ein Überblick, KÖSDI 2012, 18025; Esskandari/Bick, Doppelte Erbschaft- und Schenkungsteuerpflicht in Europa, ErbStB 2012, 142; Dehmer, Einmal erben, mehrfach zahlen – Gestaltungsansätze zur Vermeidung doppelter Erbschaftsteuerbelastung, IStR 2009, 454; Felten, Anrechnung ausländischer Schenkungsteuer, BB 2011, 2920; Haase/Dorn, Beschränkte Steuerpflicht bei inländischer Besicherung ohne Inlandsbeteiligte – Zweifelsfragen und Auslegungsgrundsätze, IStR 2012, 180; Hamdan/Hamdan, Spanien, Ist die Doppelbelastung eines ausländischen Guthabens mit ausländischer und deutscher Erbschaftsteuer europarechtswidrig?, ZEV 2008, 450; Hamdan, Verfassungs- und europarechtliche Probleme der Anrechnungsmethode des § 21 ErbStG, ZEV 2007, 401; Hannes/Onderka/von Oertzen, ZEV-Report Gesellschaftsrecht/Unternehmensnachfolge, ZEV 2008, 456; Hellwege, Auswirkungen der Reform der deutschen Erbschaftsteuer auf deutsch-spanische Nachlässe, ZEV 2009, 499; Hellwege, Nichtanrechnung spanischer Erbschaftsteuer auf Kapitalforderungen, ErbStB 2009, 252; Holler, Anmerkung zur Entscheidung des BFH, Urt. v. 19.6.2013 – II R 10/12 – Die Bedeutung der ausländischen Erbschaftsteuer auf Kapitalvermögen eines inländischen Erblassers für die deutsche Erbschaftsteuer, ErbR 2013, 392; Ihle, Die Vorschläge der EU-Kommission zur Beseitigung von Problemen bei der Besteuerung grenzüberschreitender Erbfälle, ZEV 2012, 173; Jülicher, Anrechnung ausländischer Erbschaftsteuer nach § 21 ErbStG – Eine Vorschrift im Wandel?, in Das Steuerrecht der Unternehmen, FS Gerrit Frotscher 2013, 273; Jülicher, Zahlung einer ausländischen Schenkungsteuer als rückwirkendes Ereignis im abgabenrechtlichen Sinne, ZEV 2011, 151; Jülicher, Die einseitige Anrechnung ausländischer Erbschaftsteuer nach § 21 ErbStG, PIStB 2000, 168; Kaminski, Methoden zur Vermeidung der Doppelbesteuerung bei internationalen Erbschaftsteuerfällen, Stbg 2013, 10; Kaminski, Ausgewählte Gestaltungsüberlegungen zur Begrenzung der Belastung mit ausländischer Erbschaftsteuer, Stbg 2013, 214; Kaminski, Aktuelle Rspr. zum internationalen Steuerrecht, StBG 2012, 256; Killian/Borschel, Seminar A: Erbschaft- und vermögensteuerliche Aspekte der Wohnsitzverlegung von Personen, IStR 2002, 844; Kowallik, Erbschaft- und Schenkungsteuerplanung für Auslandsimmobilien, DStR 1999, 1129; Krawitz/Dornhöfer, Möglichkeiten zur Vermeidung einer internationalen Mehrfachbelastung mit Erbschaft- und Schenkungsteuer bei der unentgeltlichen Übertragung von ausländischem Unternehmensvermögen, FS Norbert Herzig 2010, 381; Kreft, Anrechnung von ausländischer Erbschaft- und Schenkungsteuer, ErbBStG 2010, 53; Kuhn, Übersicht zum Erbrecht, Pflichtteilsrecht und Erbschaftsteuerrecht der EU-Mitgliedstaaten (ohne BRD), BWNotZ 2006, 139; Milatz/Bockhoff, Steuerliche Vorteile bei der Übertragung kreditfinanzierter Immobilien in deutsch-französischen Erb- bzw. Schenkungsfällen, ZEV 2012, 187; Riedel, Zur doppelten Belastung von Bankguthaben im Ausland mit deutscher und ausländischer Erbschaftsteuer, ZErb 2009, 101; Roderburg, Anm. zu einem Urteil des BFH v. 19.6.2013 (II R 10/12) – Zur Doppelbelastung von Erbschaften mit französischer und deutscher Erbschaftsteuer und zur Steuerreduktion bei Kapitalvermögen nur auf dem Billigkeitswege, ISR 2013, 303; Rosner, Erbschaft und Schenkung von Grundvermögen in Frankreich nach dem DBA Frankreich, IStR 2012, 252; Rödel/Rödel, Ausgewählte Aspekte der internationalen Unternehmens- und Vermögensnachfolge, FS Michael Streck 2011, 171; Scheller/Bader, Wie weit reichen die europarechtlichen Grundfreiheiten in der Erbschaftsteuer bei Drittlandsfällen, insbesondere gegenüber der Schweiz?, ZEV 2011, 112; Stein, Völkerrecht und nationales Steuerrecht im Widerstreit?, IStR 2006, 505; Strunk/Meyer-Sandberg, Vermeidung der Doppelbesteuerung bei internationalen Erbfällen, IWB 2009, 1235; Thonemann, Grenzüberschreitende Nachfolgeplanung, ErbStB 2011, 139; Viskorf, Neue BFH-Rechtsprechung zu internationalen Erbfällen, JBfFSt 2011/12, 747; von Oertzen/Cornelius, Behandlung von Anteilen an einer englischen Limited im Nachlassvermögen eines deutschen Erblassers, ZEV 2006, 106; Urbach, Anrechnung ausländischer Schenkungsteuer nach § 21 ErbStG, DStZ 2011, 63; Watrin/Kappenberg, Generalthema II: Internationale Besteuerung von Erbfällen, IStR 2010, 546; Werz/Sager, Die Zusammenrechnung nach § 14 ErbStG bei Auslandssachverhalten, ErbStB 2010, 304. Verwaltungsanweisungen: R E 21 ErbStR 2011; H E 21 ErbStH 2011.
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Grundaussagen der Vorschrift
Rz. 3 § 21 ErbStG
A. Grundaussagen der Vorschrift I. Regelungsgegenstand 1. Stand der Doppelbesteuerungsabkommen § 21 ErbStG fällt unter den Abschnitt 4 des ErbStG mit dem Titel „Steuerfestsetzung und Erhebung“ 1 und regelt die Anrechnung von ausländischer Erbschaftsteuer auf die deutsche Erbschaftsteuer. Die Vorschrift steht in engem Zusammenhang mit § 2 ErbStG, der die persönliche Steuerpflicht normiert. Durch den weitreichenden Besteuerungszugriff auf das Weltvermögen durch die Bundesrepublik Deutschland kann es zu einer Doppelbesteuerung bei Erbfällen und Schenkungen kommen, die nur in wenigen Fällen durch Abschluss eines Doppelbesteuerungsabkommens vermieden wird. Die Bundesrepublik Deutschland hat nur mit wenigen Staaten Doppelbesteuerungsabkommen abgeschlossen. Eine Liste mit den bestehenden Doppelbesteuerungsabkommen wird regelmäßig zu Beginn des Jahres vom BMF veröffentlicht.1 Zum 1.1.2016 bestanden Doppelbesteuerungsabkommen mit den folgenden Staaten: Abkommen
mit
Fundstelle
vom
Inkrafttreten
BGBl. II
BStBl. I
Anwendung
BGBl. II
BStBl. I
2
ab
Jg.
Seite
Jg.
Seite
Jg.
Seite
Jg.
Seite
Dänemark** 22.11.1995
96
2565
96
1219
97
728
97
624
1.1.1997
Frankreich
12.10.2006
07
1402
09
1258
09
596
09
1266
3.4.2009
Griechenland
18.11.1910/ 1.12.1910
12
173
–
–
53
525
53
377
1.1.1953
Österreich*
4.10.1954
55
755
55
375
55
891
55
557
8.8.1955
Schweden**
14.7.1992
94
686
94
422
95
29
95
88
1.1.1995
Schweiz
30.11.1978
80
594
80
243
80
1341
80
786
28.9.1980
USA
3.12.1980/ 14.12.1998
82 00
847 1170
82 01
765 110
86 01
860 62
86 01
478 114
1.1.1979 15.12.2000
* wurde gekündigt zum 31.12.2007 (Weiteranwendung bis 31.7.2008 gemäß Abkommen vom 6.11.2008) ** Regelungen zur Erbschaftsteuer sind integriert in das Abkommen zu Ertragsteuern.
2. Doppelbesteuerung im Völkerrecht In allen anderen Fällen der Doppelbesteuerung greift § 21 ErbStG ein, der bei unbeschränkter Steuer- 3 pflicht in Deutschland eine Anrechnung der im Ausland gezahlten Erbschaft- und Schenkungsteuer auf bestimmte ausländische Vermögensgegenstände vorsieht. Grundsätzlich ist es eine souveräne Entscheidung eines Staates, in welchem Umfang er Steuern erhebt. In völkerrechtlicher Hinsicht besteht aber eine Einschränkung dieser Souveränität durch das Prinzip, dass für ein Besteuerungsrecht ein sog. „genuine link“ zum steuererhebenden Staat bestehen muss.2 Das BVerfG hat in einer grundlegenden Entscheidung vom 22.3.19833 ausgeführt, dass Ausländer nur unter bestimmten Voraussetzungen zu inländischen Steuern herangezogen werden dürfen. Anknüpfungspunkte sind etwa die Staatsangehörigkeit, Niederlassung, Wohnsitz oder Aufenthalt in Inland, die Verwirklichung eines Abgabentatbestandes im Inland oder Herbeiführung eines abgabenrechtlich erheblichen Erfolges. Eine Be-
1 BMF v. 19.1.2016 IV B 2 – S1301/07/10017-07. 2 Haase/Dorn, IStR 2012, 180; Haase, Internationales und Europäisches Steuerrecht, Rz. 11. 3 BVerfG v. 22.3.1983 – 2 BvR 475/78, NJW 1983, 2757.
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§ 21 ErbStG Rz. 4 Anrechnung ausländischer Erbschaftsteuer steuerung ohne Anknüpfung an eines der genannten Merkmale wäre damit verfassungs- und völkerrechtswidrig. Nach Art. 25 GG sind die allgemeinen Regeln des Völkerrechts unmittelbar anwendbar und gehen Bundesrecht, auch dem zeitlich nachfolgenden Bundesrecht, vor.1 In diese Grundsätze fügt sich auch § 2 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG i.V.m. § 121 BewG ein, der die beschränkte Steuerpflicht aufgrund des fehlenden Wohnsitzes oder Aufenthaltes des Steuerpflichtigen im Inland nur auf solche Vermögenswerte beschränkt, die als im Inland belegen gelten.2 Wenn es zu einer Mehrfachbesteuerung kommt, wird diese entweder durch Doppelbesteuerungsabkommen oder aber durch nationale Anrechnungsvorschriften abgemildert. 3. Struktur des § 21 ErbStG 4 § 21 Abs. 1 Satz 1 ErbStG normiert die Voraussetzungen und Rechtsfolgen, unter denen ein Antrag auf
Anrechnung der ausländischen Erbschaftsteuer zulässig ist. Dabei regelt § 21 Abs. 1 Satz 1 ErbStG die allgemeinen Voraussetzungen der Anrechnung. Satz 2 regelt den Fall von Mischerwerben, d.h. die Anrechnung, wenn nur ein Teil des Vermögenserwerbs Auslandsvermögen darstellt. § 21 Abs. 1 Satz 3 ErbStG beinhaltet die sog. „Per Country Limitation“, d.h. es ist bei einem Erwerb, der aus Vermögen aus mehreren Ländern besteht, für jedes Land der jeweilige Anrechnungsbetrag aus deutscher Sicht separat zu berechnen. § 21 Abs. 1 Satz 4 enthält eine zeitliche Begrenzung der Anrechenbarkeit. § 21 Abs. 2 ErbStG begrenzt die Anrechnungsmöglichkeit auf das sog. „Auslandsvermögen“, d.h. nur die Steuern auf bestimmte Vermögensgegenstände, die unter diesen Begriff fallen, sind anrechenbar. Ausländische Steuern auf Vermögensgegenstände, die nicht als Auslandsvermögen qualifizieren, können nicht angerechnet werden. § 21 Abs. 3 ErbStG regelt, dass der Steuerpflichtige den Nachweis über die Voraussetzungen der Anrechnung führt. § 21 Abs. 4 ErbStG legt fest, dass in den Fällen, in denen ein Doppelbesteuerungsabkommen die Anrechnungsmethode vorsieht, ebenfalls § 21 ErbStG auf Rechtsfolgenseite anwendbar sein soll. Letzteres kann nur gelten, wenn das Doppelbesteuerungsabkommen nichts anderes vorsieht.
II. Bedeutung und Telos 5 Ziel des § 21 ErbStG ist die Verhinderung der Doppelbesteuerung. Diese erfolgt durch Zulassung der
Anrechnung.3 Allerdings handelt es sich im Gegensatz zu einem Doppelbesteuerungsabkommen nur um eine unilaterale Maßnahme.4 Diese geht gewöhnlich nicht so weit wie ein Doppelbesteuerungsabkommen, weil Deutschland ein eigenes Erbschaft- und Schenkungsteuersystem hat, das mit Erbschaft- und Schenkungsteuersystemen anderer Staaten nicht abgestimmt ist. Daher kann es trotz einer möglichen Anrechnung zu einer Doppelbesteuerung kommen, die durch § 21 ErbStG nicht beseitigt wird. Die Doppelbelastung des Steuerpflichtigen durch eine Besteuerung in Deutschland und in einem weiteren Staat wird durch die Anrechnung zu einer einfachen Belastung. § 21 ErbStG ist daher auch eine Vorschrift zur Verhinderung einer übermäßigen Besteuerung und dient damit der Erhaltung des Leistungsfähigkeitsprinzips.5 Bei der Anwendung des § 21 ErbStG ist auch zu berücksichtigen, dass es international kein allgemeines Verbot der Doppelbesteuerung gibt. Es soll lediglich eine übermäßige Steuerbelastung mit Erbschaft- und Schenkungsteuer im Einzelfall vermieden werden. In der Praxis ist daher zu beachten, dass die Anrechnung nach § 21 ErbStG keinen vollwertigen Ersatz für den Abschluss von Doppelbesteuerungsabkommen darstellt.6 So ist daher im Rahmen einer Nachfolgeplanung bei Staaten, bei denen kein Doppelbesteuerungsabkommen zur Erbschaft- oder Schenkungsteuer besteht, darauf zu achten, dass auch eine Doppelbesteuerung trotz Anrechnung möglich sein kann. Dies sollte vor Entstehung der Erbschaft- und Schenkungsteuer durch Umstrukturierung des Vermögens vermieden werden.
1 2 3 4 5 6
Stein, IStR 2006, 505 (508). Lehmann/Hahn, ZEV 2012, 191. Meincke16, § 21 ErbStG Rz. 4. Jülicher, PIStB 2000, 168. Jochum in Wilms/Jochum, § 21 ErbStG Rz. 10 (Stand: März 2016). Jüptner in F/J/P/W5, § 21 ErbStG Rz. 2.
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Grundaussagen der Vorschrift
Rz. 7 § 21 ErbStG
III. Geltungsbereich und Verhältnis zu anderen Vorschriften 1. Bedeutung der Vorschrift im internationalen Kontext § 21 ErbStG setzt grundsätzlich einen grenzüberschreitenden Sachverhalt voraus, bei dem es auf- 6 grund der Kollision der verschiedenen Erbschaft- und Schenkungsteuersysteme zu einer Doppelbesteuerung kommt. Eine Doppelbesteuerung ergibt sich hauptsächlich dadurch, dass ein Erblasser in einem Staat aufgrund seines Wohnsitzes oder gewöhnlichen Aufenthaltes unbeschränkt steuerpflichtig ist und dieser Staat die Besteuerung des Weltvermögens beansprucht, während aufgrund der Belegenheit bestimmter Vermögenswerte ein anderer oder mehrere andere Staaten diese im Rahmen der beschränkten Steuerpflicht besteuert.1 Insbesondere durch die Anknüpfung des § 2 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 Buchst. b ErbStG für die unbeschränkte Steuerpflicht an die Staatsangehörigkeit des Erblassers/ Schenkers oder Erwerbers kann sich eine Doppelbesteuerung ergeben, wenn trotz Wegzugs in einen anderen Staat, der aufgrund des Wohnsitzes die Besteuerung des Weltvermögens vornimmt, auch Deutschland aufgrund der Staatsangehörigkeit diese ebenfalls zumindest für eine fünfjährige Wegzugsperiode beansprucht. Ein Erblasser/Schenker kann aber auch in mehreren Staaten die Voraussetzungen für eine unbeschränkte Steuerpflicht erfüllen. Denn aus Sicht des inländischen Steuerrechts kann auch ein Nebenwohnsitz in Deutschland bereits einen Wohnsitz darstellen. Aus einer Doppelansässigkeit des Erblassers/Schenkers resultiert auch eine Doppelbesteuerung. Dies gilt auch, wenn der Erblasser/ Schenker im Inland unbeschränkt steuerpflichtig ist und der Erwerber in einem anderen Staat als unbeschränkt steuerpflichtig gilt. Eine Doppelbesteuerung kann sich auch daraus ergeben, dass ein Vermögensgegenstand in mehreren Staaten der beschränkten Steuerpflicht unterliegt, weil mehrere Staaten einen Vermögensgegenstand als in ihrem Staat belegen ansehen und der beschränkten Steuerpflicht unterwerfen (z.B. die englische „private Company limited by shares“ mit deutscher Geschäftsleitung).2 Ein Vorgang wird mit Erbschaftsteuer belastet und in einem anderen Staat entsteht durch den Erbfall z.B. eine Veräußerungsgewinnsteuer. Dies ist in Kanada der Fall, wo es keine Erbschaftsteuer gibt, aber eine sog. capital gains tax.3 In wirtschaftlicher Hinsicht kann es ebenfalls zu einer Doppelbesteuerung kommen, wenn Schulden, die mit einem Vermögensgegenstand zusammenhängen, nicht uneingeschränkt zum Abzug zugelassen werden. Zu berücksichtigen ist allerdings, dass § 21 ErbStG nur dann eingreift, wenn im Inland eine unbeschränkte Steuerpflicht gegeben ist und daraus eine Doppelbesteuerung resultiert. § 21 ErbStG ist so konzipiert, dass die im Inland anfallende Steuer bei unbeschränkter Steuerpflicht auf den Erbfall oder die Schenkung voll erhoben wird, aber die im Ausland gezahlte Steuer auf bestimmte Vermögenswerte angerechnet wird.4 In Fällen der beschränkten Steuerpflicht und der erweitert beschränkten Steuerpflicht kommt eine Anrechnung der im Ausland gezahlten Steuer nicht in Betracht. Entsprechendes gilt für den Fall, dass Schulden nicht zum Abzug zugelassen werden. 2. Verhältnis zu den europäischen Grundfreiheiten § 21 ErbStG hat auch im Hinblick auf die europäischen Grundfreiheiten an Bedeutung erlangt. Nach 7 der Regelungssystematik des § 21 Abs. 2 ErbStG ist eine Anrechnung der ausländischen Steuer nur für die Steuer, die auf bestimmte Vermögenswerte gezahlt wird, zulässig. Dabei verweist § 21 Abs. 2 ErbStG auf den Begriff des Inlandsvermögens nach § 121 BewG. So kann es Fälle geben, bei denen es trotz § 21 ErbStG zu einer Doppelbesteuerung kommt. Diese Problematik war auch bereits Gegenstand des EuGH-Urteils in der Rechtssache Block,5 dem folgender Sachverhalt zugrunde lag: Margarethe Block ist in Deutschland ansässig und wird Alleinerbin ihrer Mutter, die ihren letzten Wohnsitz in Deutschland hatte. Neben Inlandsvermögen erbt sie von ihrer Mutter auch ein Konto bei einer in Spanien befindlichen Bank. In Spanien unterliegt Frau Block mit dem Konto der beschränkten Steuerpflicht und möchte diese Steuer nach § 21 ErbStG bei der Erbschaftsteuererklärung in Deutschland an1 Dehmer, IStR 2009, 454 (455); vgl. zu Auslandsimmobilien Kowallik, DStR 1999, 1129. 2 Dehmer, IStR 2009, 454 (455), zur erbschaftsteuerlichen Behandlung, vgl. von Oertzen/Cornelius, ZEV 2006, 106. 3 Von Oertzen, Anwaltshandbuch Erbrecht, § 34 Rz. 2. 4 BGH v. 16.1.2008 – II R 45/05, ZEV 2008, 448 (450) Anm. Hamdan/Hamdan. 5 EuGH v. 12.2.2009 – C-67/08 Margarethe Block, DStR 2009, 373.
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§ 21 ErbStG Rz. 7 Anrechnung ausländischer Erbschaftsteuer rechnen.1 Nach § 21 Abs. 2 Nr. 1 ErbStG ist eine Anrechnung nur möglich für die ausländische Steuer, die auf solche Vermögensgegenstände gezahlt wird, die in § 121 BewG genannt sind. Da Kontoguthaben nicht unter § 121 BewG fallen, kann auch eine Anrechnung der in Spanien gezahlten Steuer auf das dort befindliche Kontoguthaben nicht stattfinden. Eine Anrechnung wurde ihr daher verweigert. Eine Beschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit wurde vom EuGH im vorliegenden Fall verneint.2 Es gebe keine allgemeinen Kriterien für die Kompetenzverteilung zwischen den Mitgliedstaaten in Bezug auf die Beseitigung der Doppelbesteuerung und im Rahmen des Gemeinschaftsrechts keine Maßnahme der Vereinheitlichung oder Harmonisierung zum Zweck der Beseitigung von Doppelbesteuerungstatbeständen. Daher verfügen die Mitgliedstaaten über eine gewisse Autonomie und seien nicht verpflichtet, ihr eigenes Steuersystem den verschiedenen Steuersystemen der anderen Mitgliedstaaten anzupassen. Die Thematik der fehlenden Anrechnung und daraus resultierenden Doppelbesteuerung als Verstoß gegen die europäischen Grundfreiheiten, insbesondere die Kapitalverkehrsfreiheit, war auch Gegenstand eines BFH-Urteils.3 Eine ausschließlich in Deutschland ansässige Erbin erwarb von der ebenfalls ausschließlich in Deutschland ansässigen Erblasserin, ihrer Großtante, Kapitalvermögen, das sich in Deutschland und in Frankreich befand. In Frankreich unterlag sie der beschränkten Steuerpflicht mit der Folge, dass das dort belegene Kapitalvermögen mit einem Steuersatz von 55 % besteuert wurde. Das Doppelbesteuerungsabkommen zur Erbschaft- und Schenkungsteuer zwischen Deutschland und Frankreich war zur Zeit des Erbfalls noch nicht in Kraft getreten. Eine rückwirkende Anwendung lehnte das FG ab.4 Aufgrund des erheblich höheren französischen Steuersatzes von 55 % kam es dann zu einer Gesamtbelastung des französischen Vermögens von über 70 %. Die Klägerin war der Auffassung, dass die nicht erfolgte Anrechnungsmöglichkeit einen Verstoß gegen die Kapitalverkehrsfreiheit nach Art. 63 AEUV darstelle. Darüber hinaus würde eine Doppelbesteuerung, die zu einer Belastung von mehr als 50 % in beiden Staaten führe, gleichzeitig einen Verstoß gegen die Eigentumsgarantie des Art. 6 EUV darstellen (Übermaßverbot). Nach dem BFH lag hier kein Verstoß gegen die Kapitalverkehrsfreiheit vor.5 Der BFH berief sich in den Urteilsgründen auf die EuGH-Entscheidung vom 12.2.2009 in Sachen Margarethe Block. Sollte es im Bereich der Erbschaftsteuer aufgrund des Fehlens eines Doppelbesteuerungsabkommens zu einer Doppelbesteuerung kommen, so sei Deutschland nicht verpflichtet, die Doppelbesteuerung durch Anrechnung der ausländischen Steuer auf die inländische Steuer zu vermeiden.6 Eine solche Pflicht Deutschlands wäre mit der ihm zukommenden Autonomie auf dem Gebiete der Erbschaftsbesteuerung nicht vereinbar, auch nicht im Rahmen der EU.7 Es gebe keinen Rechtsgrundsatz, dass eine Doppelbesteuerung unzulässig sei.8 Ist die Höhe der Steuerbelastung, die sich aus der Doppelbesteuerung des von Todes wegen erfolgenden Erwerbs bezogen auf den Wert nicht hinnehmbar, hat dies nicht zur Folge, dass die ausländische Steuer auf die inländische zwingend anzurechnen ist, wenn nationale Vorschriften dies nicht vorsehen. In einem solchen Fall – so der BFH – kommen höchstens Billigkeitsmaßnahmen nach den §§ 163, 227 AO in Betracht.9 Es könne sogar eine Verfassungspflicht zum Billigkeitserlass bestehen.10 Der Fall des BFH v. 19.6.2013 ist allerdings nach der geltenden Rechtslage anders zu beurteilen, weil mittlerweile auf einen solchen Sachverhalt das Doppelbesteuerungsabkommen zwischen Frankreich und Deutschland zur Vermeidung der Doppelbesteuerung der Nachlässe, Erbschaften und Schenkungen anwendbar ist. Allerdings ist darauf hinzuweisen, dass eine Doppelbesteuerung in Bezug auf andere Staaten be1 Zur spanischen Erbschaftsteuer und deutsch-spanischen Nachlässen, vgl. Hellwege, ZEV 2009, 499; ErbStB 2009, 252; vgl. zu Drittstaatensachverhalten: Scheller, Bader, ZEV 2011, 112 (113). 2 Vgl. zur Kapitalverkehrsfreiheit und Erbschaftsteuer: EuGH v. 11.12.2003 C-364/01, von Barbier, DStRE 2004, 93; v. 23.2.2006 C-513/03 Van-Hilten-van der Heijden, IStR 2006, 309; vgl. dazu Bron, IStR 2006, 296; EuGH v. 17.1.2008 C-256/06 Jäger, IStR 2008, 144; v. 11.9.2008 C-43/07 Arens-Sikken, IStR 2008, 700. 3 BFH v. 19.6.2013 – II R 10/12, BStBl. II 2013, 746 = ErbStB 2013, 271 (Vorinstanz vgl. FG BW v. 21.11.2011 – 7 K 1935/10, EFG 2012, 1290. 4 FG BW v. 21.11.2011 – 7 K 1935/10, ErbStB 2012, 170 = EFG 2012, 1290. 5 Holler, ErbR 2013, 392; Roderburg, ISR 2013, 303. 6 Vgl. Übersicht über Erbschaftsteuer in der EU, Kuhn, BWNotZ 2006, 139. 7 Vgl. zum Verfassungsrecht, Hamdan, ZEV 2007,401. 8 BFH v. 14.2.1975 – VI R 210/72, BStBl. II 1975, 497. 9 So auch Jülicher in T/G/J, § 21 ErbStG Rz. 6 (Stand: Juli 2015); Jochum in Wilms/Jochum, § 21 ErbStG Rz. 20, 110 (Stand: März 2016). 10 BVerfG v. 10.11.1998 – 2 BvL 42/93, BStBl. II 1999, 174 = FR 1999, 139.
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Systematik der Anrechnung (Abs. 1)
Rz. 9 § 21 ErbStG
achtlich sein kann, weil in vielen Staaten im Rahmen der beschränkten Steuerpflicht auch Barvermögen und Wertpapierdepots der Steuerpflicht unterliegen. In einem solchen Fall ist eine Anrechnung im deutschen Steuerrecht nicht möglich, so dass eine Doppelbesteuerung droht. Dies ist z.B. bei Spanien der Fall, aber auch bei Großbritannien. Es ist daher im Rahmen einer Nachlassgestaltung stets zu überlegen, ob der Steuerpflichtige auch Vermögenswerte in dem anderen Land hält, die im Falle einer Doppelbesteuerung nicht unter die Anrechnungsvorschriften fallen. 3. Verhältnis zu anderen nationalen Vorschriften Parallelen ergeben sich zu der ertragsteuerlichen Anrechnungsvorschrift des § 34c EStG. § 21 Abs. 1 8 ErbStG und § 34c Abs. 1 EStG sind grundsätzlich von der Systematik ähnlich aufgebaut. Allerdings bleibt § 21 ErbStG in seinem Anwendungsbereich weit hinter § 34c EStG zurück. § 34c Abs. 2 EStG sieht alternativ zu der Anrechnung auch einen Steuerabzug vor. Dies ist in § 21 ErbStG nicht vorgesehen.1 § 34c Abs. 5 EStG eröffnet darüber hinaus auch noch die Möglichkeit des Erlasses oder der Pauschalisierung der auf die ausländischen Einkünfte entfallenden Einkommensteuer als Billigkeitsmaßnahmen.2 Im Rahmen des § 21 ErbStG ergeben sich Billigkeitsmaßnahmen höchstens nach den allgemeinen Regeln.3 Relevant für § 21 ErbStG ist auch § 10 Abs. 8 ErbStG. Nach § 10 Abs. 8 ErbStG ist die vom Erwerber zu entrichtende eigene Erbschaftsteuer nicht abzugsfähig. Damit ist auch der Fall einer ausländischen Erbschaftsteuer gemeint. Ein Abzug kommt auch nicht in Betracht, wenn eine Anrechnung nach § 21 ErbStG scheitert. Fraglich ist, ob ein Abzug dann ggfs. nach § 10 Abs. 5 Nr. 1 oder Nr. 3 ErbStG in Betracht kommt. Dies wird vom BFH allerdings auch abgelehnt,4 sodass § 21 ErbStG zunächst als abschließende Regelung zu verstehen ist.
B. Systematik der Anrechnung (Abs. 1) I. Grundlegende Voraussetzungen der Anrechnung (Abs. 1 Satz 1) 1. Unbeschränkte Steuerpflicht Grundsätzlich ist § 21 ErbStG konzipiert für Nachfolgegestaltungen, in denen nach dem deutschen 9 Recht eine unbeschränkte Steuerpflicht besteht und im ausländischen Staat lediglich eine beschränkte Steuerpflicht. Voraussetzung ist jedoch nur, dass der Erwerber, der die Anrechnung geltend macht, unbeschränkt steuerpflichtig ist. Dabei bezieht sich der Wortlaut des Gesetzes ausdrücklich auf § 2 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG und seit 14.11.2011 auch auf die Option zur unbeschränkten Steuerpflicht nach § 2 Abs. 3 (§ 37 Abs. 7 ErbStG). Liegt in Deutschland nur eine beschränkte Steuerpflicht vor, ist eine Anrechnung nach § 21 ErbStG ausgeschlossen. Hier wäre dann in der Praxis allerdings zu prüfen, ob ggf. eine Anrechnung der deutschen Erbschaftsteuer in dem jeweiligen anderen Staat, in dem eine unbeschränkte Steuerpflicht besteht, nach dem dort geltenden Erbschaft- und Schenkungsteuergesetz möglich wäre. § 21 ErbStG ist ebenfalls nicht anwendbar, wenn die erweitert beschränkte Steuerpflicht gegeben ist.5 Im Übrigen gilt die Anrechnung bei der erweitert unbeschränkten Steuerpflicht. Auch wenn die Grundkonzeption des § 21 ErbStG solche Fälle abdeckt, in denen nur in Deutschland eine unbeschränkte Steuerpflicht und im Ausland eine beschränkte Steuerpflicht besteht, so wird § 21 ErbStG auch in solchen Fällen anwendbar sein, in denen in beiden Staaten eine unbeschränkte Steuerpflicht besteht (z.B. aufgrund Doppelansässigkeit).
1 Kuhn in HHR, § 34c EStG Rz. 106 ff. (Stand: April 2016). 2 Kuhn in HHR, § 34c EStG Rz. 171 (Stand: April 2016). 3 Vgl. BFH v. 19.6.2013 – II R 10/12, BStBl. II 2013, 746 = ErbStB 2013, 271; vgl. auch FG Rh.-Pf. v. 13.11.2013 2 K 14/12, EFG 2014, 2057 – Az. BFH II R 51/14; vgl. dazu Günther, ErbStB 2014, 334. 4 vgl. BFH v. 19.6.2013 – II R 10/12, BStBl. II 2013, 746 = ErbStB 2013, 271; vgl. aber zur Anwendung des § 10 Abs. 5 Nr. 3 ErbStG FG München v. 16.6.2005 4 V 4779/04, EFG 2005, 1551; offen: FG München v. 6.7.2005 4 K 3290/03, EFG 2006, 59. 5 Vgl. § 4 AStG i.V.m. AEAStG vom 14.5.2004, BStBl. I 2004, Sondernummer, Tz. 32 ff.
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§ 21 ErbStG Rz. 10 Anrechnung ausländischer Erbschaftsteuer 2. Kein Doppelbesteuerungsabkommen 10
Darüber hinaus ist gem. § 21 Abs. 1 Satz 1 ErbStG erforderlich, dass kein Doppelbesteuerungsabkommen Anwendung findet. Dies ist allerdings vor dem Hintergrund des § 21 Abs. 4 ErbStG zu sehen: Dies gilt nur in solchen Fällen, in denen ein Doppelbesteuerungsabkommen die Freistellungsmethode vorsieht. Nur dann kann eine Anrechnung darüber hinaus nach nationalem Recht nicht mehr in Betracht kommen. In den meisten Doppelbesteuerungsabkommen zur Erbschaft- und Schenkungsteuer wird indes die Anrechnungsmethode angewandt. In § 21 Abs. 4 ErbStG wird daher geregelt, dass sich in solchen Fällen die Anrechnung nach § 21 ErbStG richten soll, es sei denn, das DBA regelt erschöpfend die Art und Weise der Anrechnung. 3. Entsprechende ausländische Steuer (Entsprechensklausel) a) Grundsätze
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Weitere Voraussetzung ist, dass die im Ausland gezahlte Steuer der deutschen Erbschaftsteuer entspricht (sog. Entsprechensklausel).1 Es kann nur eine ausländische Steuer angerechnet werden, die mit der deutschen Erbschaft- und Schenkungsteuer vergleichbar ist. Dabei ist insbesondere zwischen der Erbschaftsteuer als Erbanfallsteuer und der Erbschaftsteuer als Nachlasssteuer zu unterscheiden. In kontinentaleuropäischen Ländern ist i.d.R. eine sog. „Erbanfallsteuer“ üblich, d.h. es wird der individuelle Erbanfall einer Person unter Berücksichtigung der persönlichen Umstände besteuert. Ebenso ist die deutsche Erbschaftsteuer als Erbanfallsteuer konzipiert. Hingegen ist im anglo-amerikanischen Rechtskreis vorwiegend die sog. „Nachlasssteuer“ üblich, das bedeutet, dass der Nachlass des Erblassers als Ganzes besteuert wird. § 21 ErbStG erfasst beide Formen der Erbschaftsteuer.2 Bei der Anrechnung der Nachlasssteuer ist nach Auffassung der FinVerw. die Steuer anzurechnen, die anteilig auf den Steuerpflichtigen als Nachlassbegünstigten entfällt.3 Dabei ist es ausreichend, dass die Nachlasssteuer den Nachlass als solchen belastet, eine unmittelbare Belastung des Steuerpflichtigen ist nicht erforderlich.4 Diese Grundsätze gelten auch, wenn ein Pflichtteil von dem um die ausländische Nachlasssteuer verminderten Nachlasswert berechnet worden ist oder ein Vermächtnis nach dem Testament des Erblassers nicht um die anteilige ausländische Nachlasssteuer gekürzt werden darf. Die anteilige ausländische Nachlasssteuer ist dann allerdings nach § 10 Abs. 2 ErbStG dem Erwerb des Pflichtteilsberechtigten oder des Vermächtnisnehmers hinzuzurechnen.5 Besonderheiten können sich ergeben, wenn in einem Staat eine Erbschaftsteuer auf Bundesebene und auf Landesebene (oder in Kantonen) erhoben wird, wie es etwa in den USA oder in der Schweiz der Fall ist. Es berechtigen sowohl Bundeserbschaftsteuern als auch Landeserbschaftsteuern zu einer Anrechnung.6 b) Veräußerungsgewinnsteuer
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Schwieriger ist die Abgrenzung, wenn es sich bei der anrechenbaren Steuer nicht um eine Erbschaftsteuer handelt, sondern z.B. um eine Veräußerungsgewinnsteuer, die allerdings an die Stelle der Erbschaftsteuer tritt. So hat der BFH die Anrechnung einer kanadischen „capital gains tax“, die anlässlich eines Erbfalls von den Erben anstelle einer Erbschaftsteuer anfällt, nach § 21 ErbStG verneint.7 Mit der capital gains tax werde nach dem Tod der Erblasser für seinen erworbenen Wertzuwachs besteuert und zwar im Wege der Einkommensteuer. Dabei wird fingiert, dass dieser unmittelbar vor seinem Tod Vermögenswerte veräußert hat. Bei einer Ablehnung der Anrechnung kommt dann nur noch
1 Thonemann, ErbStB 2011, 175 (176). 2 Zur US-Nachlasssteuer vgl. BFH v. 6.3.1990 – II R 32/86, BStBl. II 1990, 786; vgl. Übersicht über die Erbschaftund die Nachlasssteuer Watrin/Kappenberg, IStR 2010, 546. 3 R E 21 Abs. 1 Satz 1 ErbStR 2011. 4 R E 21 Abs. 1 Satz 2 ErbStR 2011. 5 R E 21 Abs. 1 Satz 3 bis 5 ErbStR 2011. 6 BFH v. 15.5.1964 – II 177/61 U, BStBl. III 1964, 408. 7 BFH v. 26.4.1995 – II R 13/92, BStBl. II 1995, 540; krit. Jülicher, ZEV 1996, 295 (296); die Vorinstanz FG Münster v. 9.1.1992, – 3 K 1870/89 Erb, FG Münster v. 9.1.1992 – 3 K 1870/89 Erb, EFG 1992, 540 hatte eine Anrechnung befürwortet, vgl. Killian/Borschel, IStR 2002, 544 (546); Watrin/Kappenberg, IStR 2010, 546.
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Systematik der Anrechnung (Abs. 1)
Rz. 14 § 21 ErbStG
ein Abzug der Steuer als Nachlassverbindlichkeit in Betracht (§ 10 Abs. 5 Nr. 1 oder Nr. 3 ErbStG).1 Die Anrechnung ist insoweit effektiver und führt zu einer deutlicheren wirtschaftlichen Entlastung. Anders entschied das FG München unter Berücksichtigung der BFH-Entscheidung zur kanadischen capital gains tax bezüglich einer italienischen Wertzuwachssteuer, die bei Tod des Erblassers vom Erben erhoben wurde.2 Das FG München führte deutlich den Unterschied zwischen der kanadischen capital gains tax und der italienischen Wertzuwachssteuer aus. Während die kanadische capital gains tax den Erblasser und seinen Wertzuwachs besteuert, wird bei der italienischen Wertzuwachsteuer bei einem Erwerb von Todes wegen beim Erben der bereits beim Erblasser eingetretene Wertzuwachs besteuert. Der Unterschied besteht nur darin, dass bei der kanadischen capital gains tax fiktiv der Erblasser besteuert wird, aber die Erbschaftsteuer vom Erben zu tragen ist. Damit liegt die steuerliche Belastung nicht nur beim Erben. Dies ist bei der italienischen Wertzuwachsteuer systematisch anders, so dass eine Anrechnung daher zugelassen wird. Die Vergleichbarkeit zu einer Erbschaftsteuer wurde auch damit begründet, dass diese Steuer auf die damalige italienische Erbschaftsteuer angerechnet werden konnte. Ob eine solche Ungleichbehandlung bei der Anrechnung aus diesen Gründen gerechtfertigt ist, erscheint m.E. zweifelhaft. Allerdings dürfte die Rechtslage durch die Rspr. für Wertzuwachssteuern im Erbfall weitestgehend geklärt sein. Damit ist auch die in Spanien erhobene Wertzuwachsteuer im Erbfall („Plus-Valia“) anrechenbar.3 In Österreich wurde die Erbschaftsteuer zum 1.1.2008 abgeschafft. Die österreichische Kapitalertragsteuer mit Abgeltungscharakter für die Erbschaftsteuer wird aufgrund ihrer Erhebungsform von der FinVerw. als eine Steuer auf das Einkommen und nicht auf den Erwerb von Todes wegen angesehen.4 Wenn keine Erbschaftsteuer in dem jeweiligen anderen Staat existiert, ist stets zu prüfen, ob eine andere Steuer den Erbfall besteuert. Bezüglich der Anrechnung nach § 21 ErbStG kann dieser Fall mangels Anrechnungsmöglichkeit zu einer Doppelbelastung führen, während eine in einem anderen Staat erhobene Erbschaft- und Schenkungsteuer dem Grunde nach wenigstens zur Anrechnung berechtigt. c) Mit der Vermögensübertragung verbundene Abgaben und Gebühren Ein ähnliches Problem wie bei der kanadischen capital gains tax stellte sich mit Abschaffung der Erb- 13 schaftsteuer in Italien für alle Erbfälle seit dem 25.10.2001. Stattdessen wurden bei der unentgeltlichen Übertragung von Nachlasswerten dieselben Gebühren und Abgaben erhoben wie bei entgeltlichen Übertragungen (z.B. Hypothekarsteuer, Katastersteuer, etc.). Es handelt sich um Registergebühren, die je nach persönlichem Näheverhältnis zwischen dem Zuwendenden und dem Empfänger 3–17 % betragen. Diese Abgaben sind aber nach Auffassung der FinVerw. nicht mit der deutschen Erbschaftsteuer vergleichbar, so dass hier keine der Erbschaftsteuer entsprechende Steuer nach § 21 Abs. 1 Satz 1 ErbStG gegeben ist.5 Wie in Italien ist in Portugal mit Wirkung zum 1.1.2004 das Erbschaft- und Schenkungsteuergesetz weggefallen. Gleichwohl unterliegen seitdem bestimmte Vermögensübertragungen einer besonderen Übertragungsteuer (còdigo do Imposto do Selo). Die Steuer erfasst unentgeltliche Vermögensübertragungen und Erwerbe von Todes wegen unbeweglicher Vermögenswerte, die in Portugal belegen sind. Sie ist an die Stelle der portugiesischen Erbschaft- und Schenkungsteuer getreten. Die herrschende Auffassung in der Literatur geht von einer Anrechnungsmöglichkeit aus.6 Eine Aussage der FinVerw fehlt dazu bisher. 4. Antrag Eine Anrechnung erfolgt nur auf Antrag nach § 21 Abs. 1 Satz 1 ErbStG. Dieser kann grundsätzlich 14 bis zur Bestandskraft des Erbschaft- oder Schenkungsteuerbescheides gestellt werden. Ergibt sich die 1 FG München v. 16.6.2005 – 4 V 4779/04, EFG 2005, 1551; aber FG Rh.-Pf. v. 13.11.2013 – 2 K 1477/12, EFG 2014, 2057. 2 FG München v. 14.11.2001 – 4 K 2407/98, EFG 2002, 482. 3 Noll, DStR 2005, 54 (56), str. 4 H E 21 „Österreichische Kapitalertragsteuer“. 5 FinMin. Bay. v. 8.1.2004 – 34 - S 3812 - 040 - 46918/03, IStR 2004, 174; FinMin. BW v. 1.6.2007, 3 – S 3812/27, ZEV 2007, 449; vgl. Hannes/Onderka/von Oertzen, ZEV 2008, 456. 6 Noll, DStR 2005, 54 (57); Wachter, ErbStB 2004, 89 (90); Jülicher in T/G/J, § 21 ErbStG Rz. 24 (Stand: Juli 2015).
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§ 21 ErbStG Rz. 15 Anrechnung ausländischer Erbschaftsteuer Anrechnung der ausländischen Erbschaftsteuer erst nach Erlass des deutschen Steuerbescheids (z.B. durch eine spätere Festsetzung), kann der Antrag mit einem Einspruch verbunden werden. Danach ist eine Änderung der Besteuerung nur noch nach den Korrekturvorschriften der §§ 172 ff. AO möglich. Es ist ein Rechtsanspruch auf Anrechnung gegeben, wenn die Voraussetzungen des § 21 ErbStG vorliegen.1 Der BFH hat entschieden, dass nach Eintritt der Bestandskraft die Zahlung einer nach § 21 Abs. 1 ErbStG anrechenbaren Steuer ein rückwirkendes Ereignis nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO darstellt.2 Gemäß § 31 Abs. 5 ErbStG muss nicht der Steuerpflichtige den Antrag stellen, sondern er kann auch von den in § 31 Abs. 5 ErbStG genannten Personen gestellt werden (Testamentsvollstrecker, Nachlassverwalter). 5. Ausländische Steuer ist gezahlt, nicht ermäßigt und unterliegt keinem Ermäßigungsanspruch 15
Weitere Voraussetzung ist, dass die im Ausland gezahlte Steuer festgesetzt und gezahlt worden ist. Sie darf des Weiteren keinem Ermäßigungsanspruch unterliegen. Diese Voraussetzung soll Missbräuche verhindern in der Weise, dass ein Steuerpflichtiger aus irgendwelchen Gründen die im Ausland anfallende Erbschaft- und Schenkungsteuer nicht zahlen muss oder nicht zahlt und dennoch eine Anrechnung begehrt. Es ist daher eine tatsächliche Belastung erforderlich. Die auf die deutsche Steuer anzurechnende gezahlte ausländische Steuer ist – ebenso wie der Wert des steuerpflichtigen Erwerbs – nach dem auf den Zeitpunkt der Entstehung der deutschen Steuer ermittelten Devisenkurs umzurechnen.3 Nur dann wird die durch die ausländische Steuer resultierende Belastung angemessen berücksichtigt. 6. Berechnung der anzurechnenden Steuer
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Die Berechnung der anzurechnenden Steuer ist unproblematisch, wenn der Steuerpflichtige nur Auslandsvermögen erhält. Dann wird die gesamte ausländische Steuer auf die deutsche Steuer angerechnet. Sollte die ausländische Steuer höher sein, beträgt die deutsche Steuer Null und es ergibt sich keine weitere Steuerbelastung. Ist sie niedriger, wird der Differenzbetrag der deutschen Erbschaft- und Schenkungsteuer geschuldet.
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Beispiel: Der Erblasser E ist in Deutschland ansässig und vererbt seiner Tochter eine Immobilie in Spanien mit einem Wert von 600 000 Euro. In Spanien zahlt er im Rahmen der dort anwendbaren beschränkten Steuerpflicht eine Erbschaftsteuer von 120 000 Euro. Ein Doppelbesteuerungsabkommen existiert nicht. Lösung: Unter Berücksichtigung des Freibetrags von 400 000 Euro und der Erbanfallkosten nach § 10 Abs. 5 Nr. 3 ErbStG von 10 300 Euro ergibt sich ein steuerpflichtiger Erwerb in Deutschland von 189 700 Euro und eine Erbschaftsteuer von 20 867 Euro (Steuerklasse I: 11 %). Da nur Auslandsvermögen gegeben ist, würde die in Spanien gezahlte Erbschaftsteuer von 120 000 Euro voll auf die deutsche Erbschaft- und Schenkungsteuer angerechnet werden können. Insgesamt würde es bei der Erbschaftsteuerbelastung von 120 000 Euro bleiben.
II. Mischerwerbe (Abs. 1 Satz 2) 1. Anrechnungshöchstbetrag 18
Eine Berechnung der anrechenbaren Steuer gestaltet sich schwieriger, wenn ein sog. Mischerwerb gegeben ist. Dies dürfte aber regelmäßig in der Praxis der Fall sein. Besteht nach § 21 Abs. 1 Satz 2 ErbStG der Erwerb nur zum Teil aus Auslandsvermögen, ist der darauf entfallende Teilbetrag der 1 BFH v. 26.6.1963 – II 196/61 U, BStBl. II 1963, 402. 2 BFH v. 22.9.2010 – II R 54/09, BStBl. II 2011, 247 = ErbStB 2011, 36; FG Köln v. 29.6.2011 – 9 K 2690/09, ErbStB 2011, 211 = DStRE 2011, 1392 Rev. eingelegt: BFH II R 48/11; BFH v. 11.6.1996 – I R 8/96, BStBl. II 1997, 117 = FR 1996, 835; vgl. R E 21 Abs. 3 ErbStR; anders noch FG Düsseldorf v. 21.8.1998 – 4 K 5740/94, DStRE 1999, 26; vgl. Urbach, DStZ 2011, 63. 3 BFH v. 6.3.1990 – II R 32/86, BStBl. II 1990, 786; R E 21 Abs. 2 ErbStR.
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Systematik der Anrechnung (Abs. 1)
Rz. 20 § 21 ErbStG
deutschen Erbschaftsteuer in der Weise zu ermitteln, dass die für das steuerpflichtige Gesamtvermögen einschließlich des steuerpflichtigen Auslandsvermögens sich ergebende Erbschaftsteuer im Verhältnis des steuerpflichtigen Auslandsvermögens zum steuerpflichtigen Gesamtvermögen aufgeteilt wird. Die ausländische Erbschaft- und Schenkungsteuer ist nur auf den Teil der deutschen Steuer anrechenbar, der auf die ausländischen Vermögensgegenstände entfällt. Daher ist für die Anrechnung zunächst das Auslandsvermögen ins Verhältnis zum Gesamtvermögen zu setzen. Damit wird die Höhe der anrechenbaren ausländischen Steuer bis zur Höhe der deutschen Steuer begrenzt. Es ergibt sich dann ein Höchstbetrag der Anrechnung, der wie folgt ermittelt wird: Höchstbetrag =
deutsche Erbschaftsteuer × steuerpflichtiges Auslandsvermögen steuerpflichtiges Gesamtvermögen
Durch die Ermittlung des Höchstbetrags kann es zu Anrechnungsüberhängen kommen, d.h. ist die ausländische Steuer höher als die deutsche, bleibt es bei dieser Belastung. Damit setzt sich im Ergebnis immer der höhere Steuersatz bei der Gesamtsteuerbelastung durch.1 Beispiel: A erbt von dem im Inland ansässigen Erblasser E ein Nachlassvermögen i.H.v. 1,5 Mio. Euro. Zu dem Nachlass gehört eine Ferienimmobilie im Land Y im Wert von 400 000 Euro. Sie wird in Y mit einem Steuersatz von 20 % der Erbschaftsteuer unterworfen (20 % v. 400 000 Euro = 80 000 Euro).
19
Lösung: Berechnung des Anrechnungshöchstbetrags: Deutsche Erbschaftsteuerbelastung: Steuerpflichtiger Erwerb 1 500 000 ./. persönlicher Freibetrag 400 000 1 100 000 209 000 Steuerklasse I (19 %) Berechnung des Anrechnungshöchstbetrages: 209 000 × 400 000 = 56 000 1 500 000 Die Erbschaftsteuer des Landes Y ist nur i.H.v. 56 000 Euro anrechenbar, so dass ein Anrechnungsüberhang von 24 000 Euro verbleibt (80 000 ./. 56 000 = 24 000). Die festgesetzte ausländische Steuer muss in Euro umgerechnet werden. Der Umrechnungskurs richtet sich nach dem Tag der Entstehung der Erbschaftsteuer. Dies ist insoweit konsequent, als dass dieser Zeitpunkt für alle Beteiligten objektiv ermittelt werden kann.2
2. Verhältnis von § 21 und § 14 ErbStG § 14 ErbStG regelt im deutschen ErbStG, dass innerhalb einer 10-Jahresfrist mehrere Erwerbe zwi- 20 schen demselben Erblasser/Schenker und Erwerber zusammenzurechnen sind und somit eine mehrfache Nutzung der Freibeträge nur außerhalb eines 10-Jahreszeitraums möglich ist. Dies soll verhindern, dass Erwerbe in höherem Wert in verschiedene kleinere Erwerbe aufgesplittet werden, um damit einen höheren Steuersatz zu vermeiden. Insbesondere im Zusammenhang mit § 21 ErbStG, der Anrechnung ausländischer Erbschaftsteuern, kann es zu Anrechnungsüberhängen kommen. Im Ergebnis kann die für frühere Erwerbe gezahlte ausländische Schenkungsteuer oder Erbschaftsteuer im Rahmen der Anrechnung nach § 14 ErbStG unberücksichtigt bleiben, so dass im Endeffekt eine Doppelbesteuerung entsteht.3 Das Zusammenspiel zwischen § 21 ErbStG und § 14 ErbStG verdeutlicht das folgende Beispiel.
1 Kritisch zur Berechnung des Anrechnungshöchstbetrages nach § 34c EStG: EuGH v. 28.2.2013 C -168/11 Beker, IStR 2013, 275. 2 R E 21 Abs. 2 ErbStR 2011; BFH v. 19.3.1991 – II R 134/88, BStBl. II 1991, 521; krit. Jochum in Wilms/Jochum, § 21 ErbStG Rz. 76 (Stand: März 2016), der den Tag der Zahlung der Erbschaftsteuer befürwortet. 3 Z.B. BFH v. 7.9.2011 – II R 58/09, BStBl. II 2012, 40, vgl. Wefers, ErbStB 2011, 304.
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§ 21 ErbStG Rz. 21 Anrechnung ausländischer Erbschaftsteuer 21
Beispiel: Ein in Deutschland ansässiger Steuerpflichtiger erhält von seiner Großtante, die in einem anderen Mitgliedstaat ansässig ist, alle zwei Jahre eine Schenkung i.H.v. 200 000 Euro (anstelle einer Schenkung von 1 Mio. Euro). Die Steuerbelastung in dem anderen Mitgliedstaat beträgt 40 %. Eine Zusammenrechnung mehrerer Erwerbe ist in diesem Mitgliedstaat nicht vorgesehen. Inwiefern ist eine Anrechnung der im Ausland gezahlten Steuer möglich? Lösung: Schenkung ./. Freibetrag Steuerpflichtiger Erwerb Steuersatz 30 % Erbschaftsteuer Ausland Anrechnung in voller Höhe Erbschaftsteuer in Deutschland
22
Jahr 01 200 000 20 000 180 000 54 000 80 000 0
Schenkung 02 Schenkung 01 ./. Freibetrag Steuerpflichtiger Erwerb Steuersatz 30 % Bereits gezahlt 01 Deutsche Erbschaftsteuer Erbschaftsteuer Ausland Anrechnungsbetrag: Verbleibt deutsche Erbschaftsteuer
Jahr 02 200 000 200 000 20 000 380 000 114 000 54 000 60 000 80 000 54 000 6 000
Schenkung 03 Schenkung 02 Schenkung 01 ./. Freibetrag Steuerpflichtiger Erwerb Steuersatz 30 % Bereits gezahlt Deutsche Erbschaftsteuer Ausländische Erbschaftsteuer Anrechnungsbetrag Verbleibt
Jahr 03 200 000 200 000 200 000 20 000 580 000 174 000 114 000 60 000 80 000 54 000 6 000
Zu einem Anrechnungsüberhang und damit einer effektiven Doppelbesteuerung kommt es in diesem Beispiel, weil bei der Anrechnung der Erbschaftsteuer immer nur die Schenkungsteuer auf den letzten Erwerb zugrunde gelegt wird. Es ist bei der Berechnung der Erbschaftsteuer jeweils der Anrechnungsbetrag nach § 14 Abs. 1 ErbStG angesetzt worden, der sich ohne Berücksichtigung der für die Vorerwerbe gezahlten ausländischen Schenkungsteuer ergeben hat. § 14 ErbStG regelt auch nur die Steuerberechnung für den Letzterwerb. Dies wurde auch in einem Urteil des BFH vom 7.9.2011 bestätigt.1 Der BFH sah in einem ähnlich gelagerten Fall diese Berechnungsmethode als gerechtfertigt an. Darin wurde auch kein Verstoß gegen die Kapitalverkehrsfreiheit gesehen. Der BFH kommt zum gleichen Ergebnis wie in der Rechtssache Margarethe Block. Das Gemeinschaftsrecht schreibe seinem gegenwärtigen Entwicklungsstand und in einer Situation, in der es um die Entrichtung von Schenkungsteuern geht, in Bezug auf die Beseitigung der Doppelbesteuerung innerhalb der EU keine allgemeinen Kriterien für die Kompetenzverteilung zwischen den Mitgliedstaaten vor. Daher habe jedes Land sein eigenes Steuersystem. Es ist damit kein Verstoß gegen die Kapitalverkehrsfreiheit gegeben, wenn die Anrechnung der ausländischen Steuer zwar nach inländischem Recht zugelassen ist, aber wie auch im Streitfall nicht zu einer vollständigen Entlastung führe. § 21 ErbStG werde dann nicht extensiv ausgelegt.2 1 BFH v. 7.9.2011 – II R 58/09, BStBl. II 2012, 40. 2 Vgl. zu der Problematik Werz/Sager, ErbStB 2010, 304.
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Systematik der Anrechnung (Abs. 1)
Rz. 24 § 21 ErbStG
III. Per Country-Limitation (Abs. 1 Satz 3) Neben der Berechnung des Anrechnungshöchstbetrages nach § 21 Abs. 1 Satz 2 ErbStG ist in Satz 3 23 festgelegt, dass dieser Anrechnungshöchstbetrag auch in Bezug auf jeden Staat anwendbar ist, in dem der Steuerpflichtige Vermögen hat. Dadurch wird verhindert, dass der Steuerpflichtige eine besonders hohe Belastung in einem Staat durch eine niedrige in einem anderen Staat kompensieren kann. Es muss daher für jeden Staat, in dem er Vermögen hat, im Rahmen einer Verhältnismäßigkeitsrechnung ermittelt werden, wie hoch der jeweilige Anrechnungshöchstbetrag ist. Dazu kommt es zu Anrechnungsüberhängen, die nicht kompensiert werden. Die sog. Per-Country-Limitation des § 34c Abs. 1 EStG war Gegenstand eines Urteils des FG Schleswig-Holstein.1 In dem Urteilsfall erzielte ein Kläger in mehreren Staaten Einkünfte aus Kapitalvermögen, teilweise aus EU/EWR-Ländern, teilweise aus Drittstaaten. Das Finanzamt berechnete gem. § 34c Abs. 1 EStG für jede einzelne darauf entfallende ausländische Steuer den Anrechnungshöchstbetrag aus. Es kam insgesamt zu mehrfachen Anrechnungsüberhängen, die aber nicht kompensiert werden konnten. Dagegen wendete sich der Kläger mit dem Argument, dass die sog. Per-Country-Limitation bei der Anrechnung gegen die Kapitalverkehrsfreiheit verstoße. Die Anwendung führe zu einer Doppelbelastung, die durch die Anrechnung eigentlich vermieden werden sollte. Ein Ausgleich von hoch und niedrig besteuerten Ländern sei nicht möglich. Zwar sei die Anwendung des Höchstbetrages bei der Anrechnung für sich betrachtet kein Verstoß gegen die Kapitalverkehrsfreiheit. Allerdings werden durch die Per-Country-Limitation Kapitalanleger gezwungen, ihre Kapitalanlagen möglichst in einem Staat zu konzentrieren, um keine steuerlichen Nachteile zu haben. Dadurch könne im Einzelfall schon ein Verstoß gegen die Kapitalverkehrsfreiheit resultieren. Das FG Schleswig-Holstein kam indes zu dem Ergebnis, dass kein Verstoß gegen die Kapitalverkehrsfreiheit vorliege. Es sei nicht Aufgabe der europäischen Grundfreiheiten, einer höheren Besteuerung in einem bestimmten Standort entgegenzuwirken. Vielmehr werde eine grenzüberschreitende Wertschöpfung zu Lasten des inländischen Fiskus ermöglicht, wenn ein durch die hohe Besteuerung in einem Staat entstehender Anrechnungsüberhang durch eine niedrige Besteuerung in einem anderen Staat ausgeglichen werden kann. Eine Vorlage an den EuGH erfolgte daher nicht. Im Folgenden wird aufgezeigt, wie sich der Anrechnungshöchstbetrag und die Per-Country-Limitation auswirken, wenn in mehreren Staaten eine Erbschaftsteuer erhoben wird.2 Beispiel: Der Erblasser A mit Wohnsitz im Inland wird von seinem Sohn B beerbt. Das steuerpflichtige Gesamtvermögen beträgt 2 750 000 Euro, das Auslandsvermögen (Grundvermögen) beträgt 1 200 000 Euro und teilt sich auf die Staaten A und B jeweils zur Hälfte auf. Die im Staat A entrichtete Steuer beträgt 60 000 Euro (10 %) und die im Staat B entrichtete Steuer 150 000 Euro (25 %). Die deutsche Erbschaftsteuer beträgt 522 500 Euro. Lösung: Es ergibt sich damit ein steuerpflichtiges Gesamtvermögen von 2 750 000 Euro. Der Höchstbetrag pro Staat errechnet sich wie folgt: 522 500 × 600 000½.750.000 = 114 000
Die im Staat A gezahlte Steuer i.H.v. 60 000 Euro ist damit voll anrechnungsfähig, die im Staat B gezahlte Erbschaftsteuer i.H.v. 150 000 Euro nur bis zu dem Höchstbetrag von 114 000 Euro. Durch die Per-Country Limitation sind damit nicht anrechnungsfähig 36 000 Euro (150 000 Euro ./. 114 000 Euro). Es ergibt sich damit eine Steuerbelastung in Deutschland i.H.v. 348 500 Euro (522 500 Euro ./. 60 000 Euro ./. 114 000 Euro). Die Gesamtbelastung beträgt mithin 558 500 Euro (348 500 Euro + 60 000 Euro + 150 000 Euro = 20 %). Bei der Nachfolgeplanung ist daher zu berücksichtigen, dass ggf. in allen beteiligten Ländern bei einem internationalen Vermögen eine Erbschaftsteuer anfällt, die – je nach Belastung im betreffenden Staat – nicht immer vollständig anrechenbar ist. Bei einer drohenden Doppelbesteuerung oder Anrechnungsüberhängen sollte eine Umstrukturierung des Vermögens in Erwägung gezogen werden.
1 FG Schl.-Holst. v. 9.3.2011 – 2 K 221/08, EFG 2011, 1528; FG BW v. 21.7.2010 1 K 332/09, EFG 2010, 1689. 2 Vgl. dazu auch Thonemann, ErbStB 2011, 175 (177).
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§ 21 ErbStG Rz. 25 Anrechnung ausländischer Erbschaftsteuer
IV. Zeitraum der Anrechnung (Abs. 1 Satz 4) 25
Gemäß § 21 Abs. 1 S. 4 ErbStG ist die ausländische Steuer nur anrechenbar, wenn die deutsche Erbschaftsteuer für das Auslandsvermögen innerhalb von fünf Jahren seit dem Zeitpunkt der Entstehung der ausländischen Erbschaftsteuer entstanden ist. Hintergrund der Vorschrift war die Regelung der Anrechnung bei der Besteuerung von Nachlasstrusts.1 Die ausländische Steuer wird grundsätzlich bei Übergang des Vermögens auf den Trust erhoben. Vor dem 1.1.1999 entstand die deutsche Steuer bei Nachlasstrusts immer erst bei Beendigung der Trustverwaltung.2 Eine Anrechnung der ausländischen Steuer sollte daher zeitlich nicht unbegrenzt möglich sein. Seit 1.1.1999 unterliegt allerdings der Übergang von Vermögen auf einen Trust ebenfalls der Erbschaft- und Schenkungsteuer. Darüber hinaus ist bei der Vorschrift von Bedeutung, dass sie vom Sinn und Zweck her auch auf solche Fälle anwendbar sein muss, in denen zunächst die ausländische Steuer entsteht und dann erst die deutsche Erbschaft- oder Schenkungsteuer. Der Wortlaut könnte den Eindruck vermitteln, dass § 21 ErbStG nur dann anwendbar sei, wenn zuerst die ausländische Erbschaftsteuer entstanden ist und infolge dessen erst die deutsche Erbschaft- oder Schenkungsteuer. In einem Urteil des FG Köln3 wurde bestätigt, dass es nicht auf die zeitliche Reihenfolge der Entstehung der Erbschaftsteuer ankommen könne.4 In der Entscheidung des FG Köln ging es um eine Schenkung einer in Deutschland ansässigen Steuerpflichtigen durch ihren Vater in Belgien. Die Schenkung in Belgien war zu dieser Zeit steuerfrei, weil Schenkungen zu Lebzeiten an Kinder nicht der Besteuerung unterliegen. Verstirbt der Schenker innerhalb von drei Jahren, wird die Schenkung nachträglich in die Erbschaftsteuer mit einbezogen. So war es auch in dem vorliegenden Fall des FG Köln, so dass nach Erlass des Schenkungsteuerbescheids in Deutschland und nach dem Tod des Vaters die Steuerpflichtige nachträglich in Belgien zu einer Erbschaftsteuer für diese entsprechende Schenkung herangezogen wurde. Daher begehrte sie die Anwendung des § 21 ErbStG und berief sich darauf, dass es sich bei der nachträglichen Besteuerung der Schenkung durch Belgien um ein rückwirkendes Ereignis i.S.d. § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AO handelt.5 Das FG Köln sah keinen Verstoß gegen § 21 Abs. 1 S. 4 ErbStG, weil im vorliegenden Fall ein zeitlicher Zusammenhang zwischen der erfolgten Schenkung in Deutschland und der nachträglichen Besteuerung derselben Schenkung in Belgien erkennbar war.
C. Auslandsvermögen (Abs. 2) I. Enger Auslandsvermögensbegriff (Abs. 2 Nr. 1) 26
Wie bereits ausgeführt, ist die Anrechnung nicht unbegrenzt möglich. Das heißt, es wird nicht jede Steuer in voller Höhe auf im Ausland belegenes Vermögen auf die deutsche Erbschaft- und Schenkungsteuer angerechnet. Vielmehr findet die Anrechnung ihre Grenzen durch § 21 Abs. 2 ErbStG und die Definition des Auslandsvermögens. Dabei differenziert § 21 Abs. 2 ErbStG bei dem Umfang der Anrechnung zwischen solchen Erblassern, die zur Zeit ihres Todes Inländer sind (§ 21 Abs. 2 Nr. 1 ErbStG) und solchen Erblassern, die zur Zeit ihres Todes keine Inländer sind (§ 21 Abs. 2 Nr. 1 ErbStG).
27
Wenn der Erblasser zur Zeit seines Todes Inländer war, unterliegt er der unbeschränkten Steuerpflicht in Deutschland. Damit hat Deutschland auch einen Anspruch auf Besteuerung seines Weltvermögens. In einem solchen Fall gehören zum Auslandsvermögen nur die Vermögensgegenstände der in § 121 BewG genannten Art, die auf den ausländischen Staat entfallen. Im Rahmen einer unbeschränkten Steuerpflicht des Erblassers ist damit – unabhängig vom Wohnsitz und der Steuerpflicht des Erben – der Katalog des § 121 BewG heranzuziehen. Nur solche Steuern auf dort genann1 BFH v. 15.5.1964 – III 177/61 U, BStBl. III 1964, 408; Jochum in Wilms/Jochum, § 21 ErbStG Rz. 105 (Stand: März 2016); Meincke in Meincke16, § 21 ErbStG Rz. 25. 2 BFH v. 7.5.1986 II R 13/79, BStBl. II 1986, 615. 3 FG Köln v. 29.6.2011, – 9 K 2690/09, ErbStB 2011, 211 = EFG 2012, 152. 4 Vgl. hierzu auch OFD Karlsruhe v. 22.12.2011 – 3 - S 383.1/5, DB 2012, 87. 5 BFH v. 22.9.2010 – II R 54/09, BStBl. II 2011, 24 mit Anm. Jülicher; FG Nds. v. 26.8.2009 – 3 K 62/07, EFG 2010, 196.
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Rz. 29 § 21 ErbStG
Auslandsvermögen (Abs. 2)
te Vermögensgegenstände, die im Ausland belegen sind, sind damit anrechenbar. Dies gilt daher beispielhaft für Grundbesitz, Gewerbebetriebe, Anteile an Kapitalgesellschaften von mehr als 10 %, etc. Insbesondere ist zu berücksichtigen, dass eine Anrechnung z.B. nicht bei Forderungen, Geld, Wertpapieren, Kontoguthaben etc. möglich ist (vgl. § 121 BewG: Ratio dieser Vorschrift ist, dass der Erblasser als Steuerinländer in dem anderen Land der beschränkten Steuerpflicht unterliegt und auch nur für dort belegene Vermögenswerte der Erbschaftsteuer (enger Auslandsvermögensbegriff).1 Beispiel: E hat sowohl einen Wohnsitz im Inland als auch im Land S. Er schenkt seinem in Deutschland ansässigen Neffen eine 5 %-Beteiligung an einer ausländischen Kapitalgesellschaft (Wert = 10 Mio. Euro). Das Land S erhebt eine Erbschaftsteuer i.H.v. 30 %. Lösung:
28
E ist unbeschränkt steuerpflichtig und damit Inländer i.S.d. § 21 Abs. 2 Nr. 1 ErbStG. Erbschaftsteuer in Deutschland: Steuerpflichtiger Erwerb 1 000 000 ./. Freibetrag 20 000 9 980 000 t Erbschaftsteuer (Steuersatz 35 % Steuerklasse II)
3 493 000 t
Anrechnung gem. § 21 Abs. 2 Nr. 1 ErbStG: Anrechenbar sind Steuern auf alle Vermögensgegenstände des § 121 BewG, die auf diesen Staat entfallen. Gemäß § 21 Abs. 2 Nr. 1 ErbStG i.V.m. § 121 Nr. 4 BewG gehören Anteile an Kapitalgesellschaften l 10 % nicht zum Auslandsvermögen. Eine Anrechnung ist nicht möglich. Die Gesamtsteuerbelastung beträgt 6 493 000 Euro (= 65 %). Diese Systematik der unilateralen Anrechnung des § 21 ErbStG wurde in dem EuGH-Urteil v. 12.2.20092 bereits vom EuGH als konform mit den Europäischen Grundfreiheiten angesehen. Die Mitgliedsstaaten sind nicht verpflichtet, ihre Erbschaft- und Schenkungsteuersysteme untereinander zu harmonisieren. Daher ist auch nicht damit zu rechnen, dass § 21 ErbStG vom deutschen Gesetzgeber aufgrund europarechtlicher Erwägungen geändert wird. Im Rahmen einer Nachfolgeplanung ist daher grundsätzlich bei Fehlen eines Doppelbesteuerungsabkommens zu prüfen, ob eine Anrechnung nach § 21 ErbStG für alle Steuern auf sämtliche Vermögenswerte möglich ist oder nicht. Sollte letzteres nicht der Fall sein, muss eine Umstrukturierung der Vermögenswerte erfolgen. Seit der Entscheidung des BFH v. 19.6.20133 sind zumindest Billigkeitserwägungen anzustellen, so dass eine Reduktion der Steuer in Betracht kommt (§§ 163, 227 AO). Eine Anrechnung wird damit nicht ersetzt. Fraglich ist, ob auch bei einem Wegzügler, der wegen der deutschen Staatsangehörigkeit noch innerhalb von fünf Jahren als Inländer gilt (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 Buchst. b ErbStG), der enge Auslandsvermögensbegriff des § 21 Abs. 2 Nr. 1 ErbStG anwendbar ist.4 Dies ist nicht der Fall, weil § 21 Abs. 2 Nr. 1 ErbStG vom Wortlaut her verlangt, dass der Erblasser Inländer war. Hingegen geht § 2 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b ErbStG davon aus, dass deutsche Staatsangehörige, die wegziehen, als Inländer gelten.5
II. Weiter Auslandsvermögensbegriff (Abs. 2 Nr. 2) Ein anderer Auslandsvermögensbegriff gilt, wenn der Erblasser zurzeit seines Todes kein Inländer 29 war. Dann gilt der sog. weite Auslandsvermögensbegriff. Dieser ist in solchen Fällen maßgeblich, wenn der Erwerber unbeschränkt steuerpflichtig ist. Ist der Erblasser zurzeit seines Todes kein Inländer, ist die Steuer auf alle Vermögensgegenstände anrechenbar mit Ausnahme des Inlandsvermögens i.S.d. § 121 BewG sowie alle Nutzungsrechte an diesen Vermögensgegenständen. Das bedeutet, dass z.B. auch Festgeld bei einer deutschen Bank, in Deutschland befindliche Kunstgegenstände, Wertpapierdepots unter den Begriff des Auslandsvermögens i.S.d. § 21 Abs. 2 Nr. 2 ErbStG fallen und damit auch die ausländische Erbschaftsteuer auf diese Vermögensgegenstände anrechenbar ist. Der 1 2 3 4 5
Vgl. zur Anrechnung bei Kapitalgesellschaftsanteilen, Bachmann, ZEV 2007, 198 (202). EuGH v. 12.2.2009 – C-67/08, Margarethe Block, DStR 2008, 373. BFH v. 19.6.2013 II R 10/12, BStBl. II 2013, 764. So Weinmann in Moench/Weinmann, § 21 ErbStG Rz, 12, 75 (Stand: November 2015). Von Oertzen in Anwaltshandbuch Erbrecht, § 34 Rz. 51.
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§ 21 ErbStG Rz. 30 Anrechnung ausländischer Erbschaftsteuer Zweck der Regelung ist im Gegensatz zu § 21 Abs. 2 Nr. 1 ErbStG, dass nur der Erwerber im konkreten Fall unbeschränkt steuerpflichtig ist. Der Erblasser hingegen ist in diesen Fällen Steuerausländer. Demzufolge hatte er im Ausland einen Wohnsitz und unterliegt dort in jedem Falle der unbeschränkten Steuerpflicht auf sein Weltvermögen. Dann wird eine großzügige Anrechnung der deutschen Erbschaftsteuer gewährt mit Ausnahme der Vermögensgegenstände, die aufgrund ihrer Belegenheit zum deutschen Inlandsvermögen nach § 121 BewG gehören. 30
Beispiel: B ist in Deutschland ansässig und erbt von seiner Großtante, die in Spanien ihren letzten Wohnsitz hatte und nur dort unbeschränkt steuerpflichtig ist. Er erbt u.a. spanisches Vermögen und eine in Deutschland belegene Immobilie, ein Kfz und ein Wertpapierdepot bei einer deutsche Bank. Lösung: Die Anrechnung richtet sich nach § 21 Abs. 2 Nr. 2 ErbStG, weil die Erblasserin in diesem Falle zurzeit ihres Todes in Spanien unbeschränkt steuerpflichtig war und somit keine Inländerin war. Die spanische Erbschaftsteuer kann daher auf alle Vermögensgegenstände angerechnet werden, die nicht Inlandsvermögen nach § 121 BewG sind. Das bedeutet, dass eine Anrechnung auf eine in Spanien gezahlte Erbschaftsteuer auf das Kfz bzw. auf das in Deutschland belegene Wertpapierdepot möglich ist. Hinsichtlich der in Deutschland belegenen Immobilie hingegen kommt eine Anrechnung aus deutscher Sicht nicht in Betracht, weil es sich bei der Immobilie um Inlandsvermögen handelt (§§ 21 Abs. 2 Nr. 2 ErbStG i.V.m. 121 BewG).
31
Die nachfolgende Übersicht zeigt, welche Anrechnungsmöglichkeiten es in den verschiedenen Fallkonstellationen geben kann: Vermögensgegenstand
Erblasser/Schenker ist Inländer Erblasser/Schenker ist nicht Ini.S.d. § 2 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG länder i.S.d. § 2 Abs. 1 Nr. 1 (unabhängig vom Erwerber) ErbStG und Erwerber ist Inländer
Inländischer Gewerbebetrieb
nein
nein
Wesentliche (mind. 10 %) Beteiligung an einer inländischen Kapitalgesellschaft
nein
nein
Darlehensforderung gesichert durch in- nein ländisches Grundstück
nein
Ungesicherte Darlehensforderung gegen Inländer
nein
ja
Inländisches Kontoguthaben
nein
ja
Ausländische Wertpapiere
nein
ja
Keine wesentliche Beteiligung
nein
ja
Kontenguthaben im Ausland
nein
ja
Ausländischer Betrieb der Land- und Forstwirtschaft
ja
ja
Anteile an ausländischem geschlossenem Immobilienfonds
ja
ja
III. Gestaltungshinweise 32
Die Vorschrift des § 21 ErbStG ist durch den Verweis auf § 121 BewG in der Systematik des deutschen Erbschaft- und Schenkungsteuergesetzes genau mit den anderen Vorschriften abgestimmt. In ausländischen Rechtsordnungen liegt zum Teil auch eine beschränkte Steuerpflicht vor, wenn es sich bei dem Vermögensgegenstand um ein Konto bzw. Wertpapierdepot handelt.1 In der Systematik des 1 Dies ist z.B. in Spanien oder Großbritannien der Fall.
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Doppelbesteuerungsabkommen (Abs. 4)
Rz. 34 § 21 ErbStG
ErbStG ist davon auszugehen, dass eine Forderung gegen eine Bank oder ein Wertpapierdepot keine Belegenheit im steuerrechtlichen Sinne haben können, so dass solche Vermögensgegenstände grundsätzlich nicht in den Begriff des Inlandsvermögens i.S.d. § 121 BewG bzw. in den Begriff des Auslandsvermögens i.S.d. § 21 Abs. 2 ErbStG fallen. In solchen Fällen kommt es bei Abweichung zum ausländischen Recht zu einer Doppelbesteuerung. Derzeit sieht es auch aufgrund der bestehenden Rspr. des EuGH und des BFH nicht so aus, als würde diese Doppelbesteuerung zukünftig beseitigt, auch nicht durch übergreifende Regelungen. Die einzige Möglichkeit, solche Doppelbesteuerungen zu vermeiden, ist der Abschluss eines Doppelbesteuerungsabkommens auf völkerrechtlicher Ebene oder eine Umstrukturierung des entsprechenden Vermögens.
D. Nachweise über die im Ausland gezahlte Steuer (Abs. 3) Gemäß § 21 Abs. 3 ErbStG hat der Erwerber den Nachweis über die Höhe des Auslandsvermögens und 33 über die Festsetzung und Zahlung der ausländischen Steuer durch Vorlage entsprechender Urkunden zu führen. Sind diese Urkunden in einer fremden Sprache abgefasst, kann eine beglaubigte Übersetzung in die deutsche Sprache verlangt werden. Es ergibt sich bereits aus § 90 Abs. 2 AO, dass in Auslandssachverhalten der Steuerpflichtige eine erhöhte Mitwirkungspflicht hat.1 Daher ist er auch verpflichtet, die durch ihn geleistete Zahlung der ausländischen Steuer hinreichend nachzuweisen. Allerdings dürfen keine erhöhten Anforderungen an einen solchen Nachweis gestellt werden. Es dürfen keine bestimmten Urkunden verlangt werden, wenn sich aus den vorgelegten Urkunden des Steuerpflichtigen bereits plausibel ergibt, dass eine ausländische Steuer festgesetzt und auch entsprechend gezahlt wurde. Dabei ist der FinVerw. zuzugestehen, dass sie für die Beurteilung des Sachverhalts alle notwendigen Beweise verlangen kann. Sie muss prüfen können, ob die Voraussetzungen für einen Steuervorteil nach den einschlägigen Rechtsvorschriften erfüllt sind und ob demnach dieser Vorteil auch tatsächlich gewährt werden kann.2 Allerdings darf die Beurteilung nicht zu formalistisch erfolgen. Es muss z.B. ausreichen, dass eine Person den Nachweis über die gezahlte Steuer bescheinigt, die bei der Festsetzung/Erbschaftsteuerveranlagung maßgeblich beteiligt war. Es kann auch von der FinVerw. eine beglaubigte Übersetzung in die deutsche Sprache verlangt werden. Verzichtet die FinVerw. auf eine beglaubigte Übersetzung, können Übersetzungsfehler auch zu ihren Lasten gehen.3 Grundsätzlich sind diese Kosten als Nachlassverbindlichkeiten absetzbar.4
E. Doppelbesteuerungsabkommen (Abs. 4) § 21 Abs. 1 Satz 1 ErbStG bestimmt, dass im Fall eines Doppelbesteuerungsabkommens § 21 ErbStG 34 nur subsidiär anzuwenden ist. § 21 Abs. 4 ErbStG sieht vor, dass im Fall eines Doppelbesteuerungsabkommens eine Anrechnung vorgesehen ist, die Abs. 1 bis 3 entsprechend anzuwenden sind. Dadurch wird der Vorrang des Doppelbesteuerungsabkommens im Gegensatz zu § 21 ErbStG nicht durchbrochen. Vielmehr soll die Vorschrift bedeuten, dass im Fall eines Verweises auf die Anrechnungsmethode § 21 ErbStG dann eingreift, wenn keine weiteren Regelungen zur Anrechnung im Doppelbesteuerungsabkommen enthalten sind. Sollte das Doppelbesteuerungsabkommen weitere Regelungen hinsichtlich der Anrechnung treffen, steht § 21 ErbStG dahinter zurück. Beim DBA Frankreich sind die Modalitäten der Anrechnung nicht geregelt, so dass § 21 ErbStG anwendbar ist mit Ausnahme des Auslandsvermögensbegriffs. Das DBA Dänemark beinhaltet ebenfalls keine eigenen Regeln, ebenso das DBA Griechenland. Das DBA Schweiz verweist teilweise auf die Anrechnung (Art. 10 Abs. 1 Buchst. b) DBA Schweiz), hingegen soll bei der Schenkungsteuer ein Verständigungsverfahren durchgeführt werden (Art. 12 Abs. 3 DBA Schweiz). Dies wird im Einzelnen wohl auch zu einer Anrechnung führen. Zum Teil wird die Anrechnung in den jeweiligen DBA für Zwecke der Erbschaft- und Schenkungsteuer ausführlich geregelt. 1 Seer in Tipke/Kruse, § 90 AO Rz. 1 (Stand: Juli 2016). 2 EuGH v. 10.2.2011 – C-436/08, C-437/08 Haribo Lakritzen Hans Riegel und Österreichische Salinen, IStR 2011, 299. 3 BFH v. 5.10.1966 – IV 238/65, BStBl. III 1967, 231. 4 Jochum in Wilms/Jochum, § 21 ErbStG Rz. 117 (Stand: März 2016).
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§ 22 Kleinbetragsgrenze Von der Festsetzung der Erbschaftsteuer ist abzusehen, wenn die Steuer, die für den einzelnen Steuerfall festzusetzen ist, den Betrag von 50 Euro nicht übersteigt. A. I. II. III.
Grundaussagen der Vorschrift. . . . . . . . . . Regelungsgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . Bedeutung und Telos . . . . . . . . . . . . . . . . . Geltungsbereich und Verhältnis zu anderen Vorschriften, internationale Aspekte . . . . . .
1 1 2
IV. Rechtsentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
5
B. Anwendung der Vorschrift . . . . . . . . . . . . . C. Kleinbetragsverordnung . . . . . . . . . . . . . . .
6 9
3
Verwaltungsanweisungen: H E 22 ErbStH 2011.
A. Grundaussagen der Vorschrift I. Regelungsgegenstand Beläuft sich die festzusetzende Steuer (nicht der Erwerb) auf nicht mehr als 50 Euro, so unterbleibt 1 zwingend von Amts wegen (keine Ermessens- oder Billigkeitsentscheidung) eine Steuerfestsetzung. Darauf hat der Steuerpflichtige einen Rechtsanspruch, den er im Rahmen des Einspruchs geltend machen kann. Beträgt die Steuer mehr als 50 Euro, ist sie in voller Höhe festzusetzen, d.h. der Betrag i.H.v. 50 Euro kann nicht abgezogen werden, da die Vorschrift eine Freigrenze und keinen Freibetrag enthält.
II. Bedeutung und Telos Die Vorschrift hat den Zweck der Verwaltungsvereinfachung.1 Jedoch wird dieser Gesetzeszweck 2 nur begrenzt erreicht, da in jedem Fall der Erwerb und die Steuer ermittelt werden müssen. Die Vorschrift erspart daher der FinVerw. lediglich die Steuerfestsetzung, Erhebung und Vollstreckung. Die Kleinbetragsgrenze gilt gem. § 1 Abs. 2 ErbStG sowohl für Erwerbe von Todes wegen als auch bei Erwerben unter Lebenden,2 wobei nur bei Geldschenkungen eine gestalterische Nutzung3 der Vorschrift in Betracht kommt.
III. Geltungsbereich und Verhältnis zu anderen Vorschriften, internationale Aspekte Für die Anwendung der Vorschrift kommt es nicht darauf an, ob ein Fall der unbeschränkten oder 3 beschränkten Erbschaftsteuerpflicht vorliegt. Hinsichtlich des persönlichen Freibetrags bei beschränkter Steuerpflicht gem. § 16 Abs. 2 ErbStG (2 000 Euro) ist das Urteil des EuGH in der Rs. Mattner4 und die infolgedessen durch das Beitreibungsrichtlinie-Umsetzungsgesetz5 vorgenommene Änderung des Erbschaftsteuergesetzes (insb. Wahlrecht gem. § 2 Abs. 3 ErbStG nebst Folgeänderungen) zu berücksichtigen, die ebenfalls als europarechtswidrig seitens des EuGH eingestuft und nicht angewendet werden.6
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BR-Drucks. 140/72, 73. H E 22 ErbStH 2011. Vogt, Der „maximale Erbschaftsteuerfreibetrag“ nach der Umstellung auf Euro, DStR 2001, 1148. EuGH v. 22.4.2010 – Rs. C-510/08, FR 2010, 528 m. Anm. Billig = ErbStB 2010, 159 = DStR 2010, 861. BGBl. I 2011, 2592 Nr. 64, Art. 11. EuGH v. 8.6.2016 – C-479/14, DStR 2016, 1360; FG Düsseldorf v. 13.7.2016 – 4 K 488/14 Erb, juris.
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§ 22 ErbStG Rz. 4 Kleinbetragsgrenze 4 Wird die Kleinbetragsgrenze durch die Anrechnung ausländischer Erbschaftsteuer nach § 21 ErbStG
nicht überschritten, so unterbleibt1 ebenfalls eine Steuerfestsetzung gem. § 22 ErbStG. Dies gilt bei Vorliegen der Anrechnungsvoraussetzungen unabhängig davon, ob Deutschland mit dem ausländischen Staat ein DBA geschlossen hat (§ 21 Abs. 4, Abs. 1 bis 3 ErbStG) bzw. ein solches nicht existiert (§ 21 Abs. 1 bis 3 ErbStG). Dies lässt sich damit erklären, dass auf Antrag die Anrechnung der ausländischen Steuer im Rahmen des Festsetzungsverfahrens und nicht erst im Erhebungs- und Abrechnungsverfahren erfolgt.2 Wird der Antrag auf Anrechnung erst nach der Steuerfestsetzung, aber vor Bestandskraft – ggf. letztmalig im erstinstanzlichen finanzgerichtlichen Verfahren3 – gestellt, ist der Steuerbescheid aufzuheben, wenn nach Anrechnung die Steuer die Kleinbetragsgrenze nicht überschreitet.
IV. Rechtsentwicklung 5 Die Kleinbetragsgrenze beträgt ab 1.1.2002 50 Euro (bis 31.12.2001: DM 50). Die Vorschrift blieb
durch die Erbschaftsteuerreform 2009 unverändert.
B. Anwendung der Vorschrift 6 Der Steuerfall i.S.d. § 22 ErbStG ist der einzelne Vermögensanfall. Bei mehreren Beteiligten ist das
nicht die Gesamtzahl der Erwerbe, sondern der einzelne Vermögenserwerb bei jedem einzelnen Erwerber.4 7 Praktische Bedeutung erlangt die Kleinbetragsgrenze – ohne Berücksichtigung der Freibeträge nach
§ 16 ErbStG, jedoch unter Anwendung des § 10 Abs. 1 Satz 6 ErbStG – bei einem Erwerb in Steuerklasse I (einschließlich Lebenspartner5) i.H.v. 799,99 Euro (Abrundung auf 700 Euro, Steuersatz 7 % = 49 Euro), in Steuerklasse II bis zu einem Erwerb i.H.v. 399,99 Euro (Abrundung auf 300 Euro, Steuersatz 15 % = 45 Euro) und in Steuerklasse III bei einem Erwerb i.H.v. 199,99 Euro (Abrundung auf 100 Euro, Steuersatz 30 % = 30 Euro). Bei der gestalterischen Nutzung der Vorschrift im Rahmen von Geldschenkungen sind diesen Beträgen die persönlichen Freibeträge hinzuzurechnen. Bei der Besteuerung gem. § 23 ErbStG nach Ausübung des Wahlrechts des Erwerbers zugunsten der jährlich im Voraus vom Jahreswert zu entrichtenden Steuer ist der Gesamtbetrag der Jahressteuerbeträge und nicht der einzelne Jahressteuerbetrag maßgeblich, d.h. nur wenn der Gesamtbetrag 50 Euro nicht überschreitet, unterbleibt eine Steuerfestsetzung. 8 Sind frühere Erwerbe gem. § 14 ErbStG zu berücksichtigen, so unterbleibt eine Steuerfestsetzung
nur dann, wenn die Steuer nach Zusammenrechnung der Erwerbe den Betrag i.H.v. 50 Euro nicht übersteigt. Wurde eine Steuer für frühere Erwerbe nicht festgesetzt, scheidet der Abzug nach § 14 Abs. 1 Satz 3 ErbStG aus. Dasselbe gilt, wenn die nach § 14 Abs. 1 Satz 2 ErbStG zu ermittelnde fiktive Steuer den Betrag von 50 Euro nicht übersteigt. Wurde für einen früheren Erwerb (z.B. wegen eines geringeren persönlichen Freibetrags) eine Steuer festgesetzt, aber würde ohne den Abzug nach § 14 Abs. 1 Satz 3 ErbStG eine Steuerfestsetzung wegen Überschreitens der Kleinbetragsgrenze für den Letzterwerb erfolgen, unterbleibt der Abzug wegen § 14 Abs. 1 Satz 4 ErbStG,6 so dass auch die Kleinbetragsgrenze nicht anzuwenden ist.
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Jülicher in T/G/J, § 22 ErbStG Rz. 3 (Stand: Juli 2015). Eisele in Kapp/Ebeling, § 21 ErbStG Rz. 4 (Stand: Mai 2016). Jülicher in T/G/J, § 21 ErbStG Rz. 59 (Stand: Juli 2015). H E 22 ErbStH 2011. BVerfG v. 21.7.2010 – 1 BvR 611/07 u.a., NJW 2010, 2783; JStG 2010, BGBl. I 2010, 1768, Art. 14; zur zeitlichen Anwendung § 37 Abs. 4 und Abs. 5 Nr. 1 ErbStG. 6 R 14.3 Abs. 1 ErbStR 2011.
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Kleinbetragsverordnung
Rz. 9 § 22 ErbStG
C. Kleinbetragsverordnung Auch bei Änderungen oder Berichtigungen von Steuerfestsetzungen ist die Vorschrift bedeutsam. 9 Nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 Kleinbetragsverordnung (KBV) vom 19.12.20001 werden bei der Erbschaftund Schenkungsteuer Steuerfestsetzungen nur geändert oder berichtigt, wenn die Abweichung mindestens 10 Euro beträgt. Die Verordnung beruht auf der Ermächtigung gem. § 156 Abs. 1 AO. Die Kleinbetragsgrenze des § 1 Abs. 1 Nr. 3 KBV n.F. gilt bei Änderungen oder Berichtigungen von Steuerfestsetzungen für Steuern, die nach dem 31.12.2001 entstanden sind, zugunsten und zulasten des Steuerpflichtigen.2 Ob eine Änderung oder Berichtigung eines Erbschaft- oder Schenkungsteuerbescheids gem. § 1 Abs. 1 Nr. 3 KBV erfolgt, ist davon abhängig, ob der Differenzbetrag zwischen der ursprünglich festzusetzenden Steuer und der Steuer in berichtigter Höhe (ohne Einbeziehung des § 22 ErbStG) den Betrag von 10 Euro sowie zusätzlich die Kleinbetragsgrenze nach § 22 ErbStG überschreitet. Wurde ursprünglich eine Steuer von 52 Euro festgesetzt, beträgt allerdings die berichtigte Steuer 49 Euro, so wäre zwar aufgrund von § 22 ErbStG wegen Unterschreitens der Kleinbetragsgrenze die Steuerfestsetzung aufzuheben, aber dies scheitert an § 1 Abs. 1 Nr. 3 KBV n.F.3 Die Kleinbetragsverordnung gilt nur für das Steuerfestsetzungsverfahren. Für das Erhebungsverfahren ist das BMF-Schreiben vom 22.3.2001 zu beachten.4
1 BGBl. I 2000, 1790, anwendbar auf Steuern, die nach dem 31.12.2001 entstehen, davor die Kleinbetragsverordnung v. 10.12.1980, BGBl. I 1980, 2255, zuletzt geändert durch Gesetz v. 20.12.1996, BGBl. I 1996, 2049; zur zeitlichen Anwendung § 9a EGAO. 2 Frotscher in Schwarz/Pahlke, § 156 AO Rz. 11 (Stand: Mai 2016), wonach bei der bis zum 31.12.2001 gültigen KBV diese nur für Änderungen zum Nachteil des Steuerpflichtigen galt. 3 A.A. Jochum in Wilms/Jochum, § 22 ErbStG Rz. 6, 3. Beispiel (Stand: Dezember 2012), dessen Rechtsauffassung für § 1 Abs. 1 Nr. 3 KBV a.F. zutr. ist, bei der diese Vorschrift nur bei Änderungen oder Berichtigungen zu Lasten des Steuerpflichtigen galt. 4 BMF v. 22.3.2001, BStBl. I 2001, 242; Frotscher in Schwarz/Pahlke, § 156 AO Rz. 26 (Stand: Mai 2016).
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§ 23 Besteuerung von Renten, Nutzungen und Leistungen (1) 1Steuern, die von dem Kapitalwert von Renten oder anderen wiederkehrenden Nutzungen oder Leistungen zu entrichten sind, können nach Wahl des Erwerbers statt vom Kapitalwert jährlich im voraus von dem Jahreswert entrichtet werden. 2Die Steuer wird in diesem Fall nach dem Steuersatz erhoben, der sich nach § 19 für den gesamten Erwerb einschließlich des Kapitalwerts der Renten oder anderen wiederkehrenden Nutzungen oder Leistungen ergibt. (2) 1Der Erwerber hat das Recht, die Jahressteuer zum jeweils nächsten Fälligkeitstermin mit ihrem Kapitalwert abzulösen. 2Für die Ermittlung des Kapitalwerts im Ablösungszeitpunkt sind die Vorschriften der §§ 13 und 14 des Bewertungsgesetzes anzuwenden. 3Der Antrag auf Ablösung der Jahressteuer ist spätestens bis zum Beginn des Monats zu stellen, der dem Monat vorausgeht, in dem die nächste Jahressteuer fällig wird. A. I. II. III.
Grundaussagen der Vorschrift. . . . . . . . . . Regelungsgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . Bedeutung und Telos . . . . . . . . . . . . . . . . . Geltungsbereich und Verhältnis zu anderen Vorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Rechtsentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
B. Wahlrecht der Jahresversteuerung (Abs. 1) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Renten und andere wiederkehrende Nutzungen und Leistungen. . . . . . . . . . . . . III. Wahlrechtsausübung – Antrag . . . . . . . . . . 1. Antrag und Antragsberechtigung . . . . . . 2. Antragsfrist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Widerruf eines Antrags auf Jahresbesteuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Berechnung der Jahressteuer . . . . . . . . . . . . 1. Ermittlung des Jahreswerts . . . . . . . . . . . 2. Steuersatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Berücksichtigung von Freibeträgen . . . . . a) Allgemeines. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Aufzehrmethode . . . . . . . . . . . . . . . . c) Kürzungsmethode . . . . . . . . . . . . . . . d) Belastungsvergleich Sofortsteuer mit der Jahressteuer nach der Aufzehrund Kürzungsmethode . . . . . . . . . . . aa) Laufzeitende exakt nach der statistischen Lebenserwartung . . . bb) Laufzeitende 10 Jahre vor der statistischen Lebenserwartung . . . cc) Laufzeitende 10 Jahre nach der statistischen Lebenserwartung . . . dd) Ergebnis Belastungsvergleich . . . . 4. Besonderheiten bei der Berechnung der Jahressteuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Berücksichtigung von Vorerwerben nach § 14 ErbStG . . . . . . . . . . . . . . .
1 1 2 4 9 10 10 11 15 15 18 22 23 23 25 26 26 27 29
V.
C. I. II. III.
b) Übernahme der Steuer durch den Schenker. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Anrechnung ausländischer Steuer nach § 21 ErbStG . . . . . . . . . . . . . . . . d) Härteausleich nach § 19 Abs. 3 ErbStG und Tarifbegrenzung nach § 19a ErbStG . . . . . . . . . . . . . . . Steuerfestsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Steuerentstehung und Fälligkeit . . . . . . . . 3. Steuerschuldner. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Dauer der Steuerentrichtung . . . . . . . . . . Ablösung der Jahressteuer (Abs. 2) . . . . . . . Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Antrag, Antragsfrist und Steuerfestsetzung . . Berechnung des Ablösungsbetrags . . . . . . . .
35 36 37 38 38 40 41 42 43 43 46 47
34
D. Berichtigung der Jahressteuer bei Schwankungen in der Höhe der Leistungen oder bei vorzeitigem Wegfall der Leistungen . . . I. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Stichtagsprinzip vs. Billigkeitsmaßnahmen nach §§ 163, 227 AO . . . . . . . . . . . . 2. Schwankungen in der Höhe der wiederkehrenden Leistung . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Verzicht des Erwerbers auf die wiederkehrende Leistung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Frühzeitiger Tod des Berechtigten . . . . . . 5. Insolvenz des Verpflichteten. . . . . . . . . . . II. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . E. Abziehbarkeit der Jahressteuerbeträge im Rahmen der Einkommensteuer . . . . . . . . . I. Sonderausgabenabzug nach § 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Steuerermäßigung nach § 35b EStG . . . . . . .
34
F. Jahressteuer vs. Sofortsteuer – Vor- und Nachteile, Entscheidungskriterien . . . . . . . 61
30 30 31 32 33
51 51 51 52 53 54 55 56 58 58 59
Literatur: Bruschke, Nachträgliche „Korrektur“ des Wahlrechts nach § 23 ErbStG über eine Billigkeitsmaßnahme, ErbStB 2015, 80; Esskandari, Die Besteuerung von Renten, Nutzungen und Leistungen nach dem ErbStG, ZEV 2008, 324; Fuhrmann, Doppelbelastung mit ESt und ErbSt, ErbStB 2008, 244; Geck, Die Jahreserbschaftsteuer gem.
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§ 23 ErbStG Rz. 1 Besteuerung von Renten, Nutzungen und Leistungen § 23 ErbStG als Sonderausgabe?, DStR 2010, 1977; Götz, Die Ermittlung der Jahressteuer nach § 23 ErbStG bei Zusammenrechnung mit Vorerwerben, ZEV 2006, 260; Herzig/Joisten/Vossel, Die Vermeidung der Doppelbelastung mit ESt und ErbSt nach Einführung des § 35b EStG, DB 2009, 584; Kirnberger/Werz, Wahlrechte beim Erwerb von Renten, Nutzungen und Leistungen, ErbStB 2004, 307; Korezkij, Jahreserbschaftsteuer – ein Glücksspiel mit gezinkten Karten?, ZEV 2001, 305; Moench, Die Jahreserbschaftsteuer beim Erwerb von Renten- und Nießbrauchsrechten, DStR 1985, 259; Moench, Vorsicht bei der Wahl und Abwahl der Jahreserbschaftsteuer, ZEV 2001, 303; Seifried, Steuerermäßigung bei Zusammentreffen von Erbschaftsteuer und Einkommensteuer nach § 35b EStG, ZEV 2009, 285. Verwaltungsanweisungen: R E 23 ErbStR 2011; H E 23 ErbStH 2011.
A. Grundaussagen der Vorschrift I. Regelungsgegenstand 1 Die Vorschrift gewährt dem Erwerber von Renten, Nutzungen und anderen wiederkehrenden Leis-
tungen ein Wahlrecht hinsichtlich der Steuerentrichtung. Der Erwerber kann wählen, ob er die Steuer auf die wiederkehrenden Leistungen entweder einmalig auf deren kapitalisierten Wert (Jahreswert × Vervielfältiger = Sofortsteuer) oder stattdessen jährlich auf deren Jahreswert entrichtet (Jahressteuer). Die Regelung gibt dem Begünstigten damit die Möglichkeit, die Steuer in Raten, entsprechend dem Ertrag der wiederkehrenden Leistungen, zu zahlen (sukzessive Besteuerung). Hat sich der Erwerber der wiederkehrenden Leistungen zunächst für die Jahressteuer entschieden, kann er diese zu einem späteren Zeitpunkt nach § 23 Abs. 2 ErbStG durch eine Einmalzahlung ablösen, die sich nach dem Kapitalwert der Jahressteuer zum Ablösungszeitpunkt bemisst.
II. Bedeutung und Telos 2 Die Vorschrift hat Bedeutung für solche Erwerbe, deren wirtschaftlicher Wert sich nicht in einer
einmaligen Vermögensübertragung (z.B. Schenkung eines Geldbetrages) erschöpft, sondern deren Vorteile dem Begünstigten über einen längeren Zeitraum zukommen. Hauptanwendungsfälle der Regelung sind in der Praxis der lebenslängliche Nießbrauch (Zuwendungsnießbrauch, Vorbehaltsnießbrauch oder Vermächtnisnießbrauch) und das Rentenvermächtnis. 3 Zweck des Wahlrechts nach § 23 Abs. 1 Satz 1 ErbStG ist es, Eingriffe in die Vermögenssubstanz
des Erwerbers zu verhindern, da der Erwerber eines Rechts auf wiederkehrende Leistungen den kapitalisierten Wert dieses Rechts nicht sofort zur freien Verfügung hat.1 Die Regelung gibt dem Erwerber damit die Möglichkeit, die Steuerlast auf die Laufzeit des Rechts bzw. den Zufluss der wiederkehrenden Leistungen zu verteilen. Ohne die Regelung des § 23 ErbStG würde es bei den allgemeinen Grundsätzen verbleiben (§ 10 Abs. 1 ErbStG i.V.m. § 12 Abs. 1 ErbStG, §§ 13 bis 16 BewG), wonach eine wiederkehrende Leistung mit ihrem Kapitalwert der Besteuerung unterliegt. Beispiel: Der 20-jährige N erhält im Jahr 2015 als Vermächtnis von seiner Tante eine Leibrente von mtl. 2 500 Euro. Er verfügt über kein eigenes Vermögen. Der Kapitalwert der Rente beträgt 535 680 Euro.2 Die darauf entfallende Steuer beträgt 128 900 Euro.3 Da die Steuerlast auch nicht Ansatzweise aus den monatlichen Rentenzahlungen bestritten werden kann, müsste N mangels eigenen Vermögens Verbindlichkeiten aufnehmen, um die Steuerschuld zu begleichen. Um dies zu vermeiden, kann N nach § 23 Abs. 1 ErbStG die Jahressteuer wählen, um die Steuer aus den laufenden Rentenzahlungen zu bestreiten.
1 Vgl. Eisele in Kapp/Ebeling, § 23 ErbStG Rz. 1 (Stand: März 2016); Jochum in Wilms/Jochum, § 23 ErbStG Rz. 3 (Stand: Oktober 2014). 2 Jahreswert 30 000 Euro × Vervielfältiger von 17,856 (s. Sterbetafel für das Jahr 2015 in BStBl. I 2012, 950 i.V.m. BMF v. 21.11.2014 – IV D 4 - S 31/09/10001, BStBl. I 2014, 1576; zu den ab 1.1.2016 geltenden Werten vgl. BMF v. 2.12.2015 – IV C 7 - S 31/09/10001, DStR 2015, 2778). 3 535 680 Euro abzgl. 20 000 Euro Freibetrag, abgerundet auf 515 600 Euro × 25 % Steuersatz.
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Grundaussagen der Vorschrift
Rz. 9 § 23 ErbStG
III. Geltungsbereich und Verhältnis zu anderen Vorschriften Die Vorschrift findet sowohl auf Erwerbe von Todes wegen (§ 3 ErbStG) als auch auf Schenkungen 4 unter Lebenden (§ 7 ErbStG) Anwendung und setzt stets einen steuerpflichtigen Erwerb i.S.v. § 10 Abs. 1 ErbStG voraus. Eine ähnliche Regelung enthält § 24 ErbStG bezüglich der Erbersatzsteuer für Familienstiftungen 5 und -vereine (s. § 24 ErbStG). Abweichend von der Vorschrift des § 1 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG, die bestimmt, dass das Vermögen einer Familienstiftung bzw. eines Familienvereins in Zeitabständen von 30 Jahren der Besteuerung unterliegt, gewährt § 24 ErbStG ein Wahlrecht, die Steuerschuld zu verrenten und in 30 gleichen Jahresbeträgen zu entrichten. Anders als § 23 ErbStG geht § 24 ErbStG jedoch nicht von einem sukzessiven Erwerb des zu besteuernden Vermögens aus, sondern verteilt einen auf einmal entstandenen Steuerbetrag über einen mehrjährigen Zeitraum.1 § 25 ErbStG a.F. hatte die steuerliche Behandlung beim Nutzungsbelasteten zum Gegenstand, wenn 6 ein Erwerb mit einer Verpflichtung zu wiederkehrenden Leistungen an einen Dritten (insbesondere Nießbrauchs- oder Rentenvermächtnis) belastet ist.2 Die Vorschrift bestimmte, dass die Steuer, die auf den Kapitalwert dieser Belastung entfällt, bis zu deren Erlöschen zinslos zu stunden ist. § 25 ErbStG a.F. wurde durch das ErbStRG 2009 m.W.v. 1.1.2009 aufgehoben.3 Das Wahlrecht nach § 23 ErbStG zur Jahresversteuerung wirkt ähnlich wie eine Stundung, indem es 7 die Modalitäten der Steuerentrichtung regelt.4 Statt der Wahl der Jahresversteuerung kann der Erwerber auch einen Antrag auf Stundung der Steuer auf den Kapitalwert einer wiederkehrenden Leistung gem. § 222 AO stellen.5 Hierbei ist jedoch zu beachten, dass die Gewährung einer Stundung nach § 222 AO im Ermessen der Finanzbehörde steht (§ 5 AO). Bei dieser Ermessensentscheidung dürfte die Finanzbehörde jedoch zum Nachteil des Erwerbers berücksichtigen, dass er es durch Wahl der Jahresversteuerung nach § 23 ErbStG selbst in der Hand hat, eine „erhebliche Härte“ der Steuereinziehung zu vermeiden. Entsprechende Anträge auf Stundung der Steuer auf den Kapitalwert einer wiederkehrenden Leistung dürften daher kaum erfolgreich sein. Wählt der Erwerber nach § 23 Abs. 1 ErbStG die Jahressteuer, hat die FinVerw. hingegen keinerlei Ermessensspielraum; vielmehr hat sie einem entsprechenden Antrag stattzugeben, wenn die tatbestandlichen Voraussetzungen der Norm vorliegen (gebundene Entscheidung). Bei Wahl der Jahresbesteuerung kann der Erwerber für die zu entrichtende Jahressteuer einen Antrag auf Stundung nach § 222 AO stellen. Die allgemeine Regelung des § 222 AO ist auch nicht durch einen Anwendungsvorrang der spezialgesetzlichen Stundungsregelung des § 28 ErbStG ausgeschlossen, da der Anwendungsbereich des § 23 ErbStG vom Regelungsbereich des § 28 ErbStG nicht erfasst ist (s. § 28 ErbStG). Zur Berücksichtigung der Jahressteuerbeträge im Rahmen der Einkommensteuer des Erwerbers s. 8 Rz. 58 ff.
IV. Rechtsentwicklung Die Vorschrift ist auf Erwerbe ab dem 1.1.1974 anzuwenden. Durch das Steuerreformgesetz 1974 9 wurde die Vorschrift um das in Abs. 2 geregelte Ablösungsrecht erweitert.6 Seitdem hat die Vorschrift keine Änderung erfahren. Zuvor bestand die Regelung – ohne das Ablösungsrecht – als § 30 ErbStG 1959.7 1 Vgl. Jülicher in T/G/J, § 24 ErbStG Rz. 1 (Stand: März 2002); s. auch die Kommentierung zu § 24 ErbStG Rz. 1. 2 Vgl. Eisele in Kapp/Ebeling, § 23 ErbStG Rz. 41 (Stand: Oktober 2016); Jochum in Wilms/Jochum, § 23 ErbStG Rz. 5 (Stand: Oktober 2010) und Jülicher in T/G/J, § 23 ErbStG Rz. 19 ff. (Stand: April 2014). 3 Vgl. zu § 25 ErbStG a.F. Meincke14, § 25 ErbStG Rz. 1 ff. sowie R 85 EStR 2003 und H 85 EStH 2003. 4 Vgl. Eisele in Kapp/Ebeling, § 23 ErbStG Rz. 26 (Stand: Oktober 2014). 5 Jochum in Wilms/Jochum, § 23 ErbStG Rz. 5 (Stand: Oktober 2010). 6 BR-Drucks. 140/72, 74. 7 Vgl. Jochum in Wilms/Jochum, § 23 ErbStG Rz. 6.5 (Stand: Oktober 2010).
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§ 23 ErbStG Rz. 10 Besteuerung von Renten, Nutzungen und Leistungen
B. Wahlrecht der Jahresversteuerung (Abs. 1) I. Allgemeines 10
Die Besteuerungsgrundlagen werden durch die Ausübung des Wahlrechts nach § 23 ErbStG nicht verändert. Vielmehr geht es um die Besteuerung desselben Rechts, das entweder einmalig mit dem Kapitalwert oder jährlich fortlaufend mit dem Jahreswert der Besteuerung unterliegt.1 Nach der Rspr. soll die Vorschrift keinen Einfluss auf die Entstehung der Steuer haben, sondern lediglich die Zahlungsweise der bereits zum Stichtag (§ 11 ErbStG) entstandenen Steuer regeln.2 Allerdings zeigen sich in der Praxis teils erhebliche Unterschiede in der Höhe der auf die wiederkehrenden Leistungen zu zahlenden Steuer, je nachdem, ob der Erwerber die Jahresversteuerung oder die Versteuerung nach dem Kapitalwert (Sofortsteuer) wählt.3 Das Wahlrecht der Jahresversteuerung hat somit auch maßgebliche Bedeutung für die Steuerberechnung und die auf die wiederkehrende Leistung entfallende Steuerbelastung, auch wenn nach der Grundkonzeption des Gesetzes ein Gleichlauf der Steuerbelastung bei der Sofortsteuer und der Jahressteuer bestehen sollte.4 Zu den Vor- und Nachteilen der Jahressteuer s. Rz. 61 ff.
II. Renten und andere wiederkehrende Nutzungen und Leistungen 11
Das Wahlrecht nach § 23 ErbStG setzt voraus, dass es sich um den Erwerb von Renten, Nutzungen oder Leistungen handelt. Die Begriffe Rente und Nutzungen sind hierbei mangels eigenständiger steuerrechtlicher Definitionen nach dem BGB (§§ 759, 100, 99 BGB) zu bestimmen.5 Eine Rente ist danach ein auf einem Grund- oder Stammrecht beruhendes nutzbares Recht, dessen Erträge aus gleichmäßigen, wiederkehrenden Leistungen von Geld oder vertretbaren Sachen bestehen.6 Hierunter fallen insbesondere Leibrenten und Zeitrenten, die im Anwendungsbereich von § 23 ErbStG als Rentenvermächtnis an den Erwerber ausgesetzt werden.
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Nutzungen i.S.v. § 100 BGB sind die Früchte (§ 99 BGB) und die Gebrauchsvorteile (z.B. Wohnrecht) einer Sache. Als Früchte kommen in Betracht z.B. Mieterträge eines Mietshauses, Gewinne eines GmbH-Anteils oder Lizenzgebühren eines Patents. Von besonderer praktischer Bedeutung sind im Rahmen von § 23 ErbStG die Erträge („Früchte“), die ein Erwerber aufgrund eines Nießbrauchsrechts an Sachen oder Rechten erhält (§§ 1030 ff. BGB). Der Nießbrauch kommt als Zuwendungsnießbrauch, Vermächtnisnießbrauch oder als Vorbehaltsnießbrauch in Betracht.7
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Andere wiederkehrende Leistungen sind insbesondere rentenähnliche Geldschulden, die jedoch nicht in gleichmäßiger, sondern in veränderlicher Höhe anfallen und sich insoweit von einer Rente unterscheiden.8
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Voraussetzung für die Anwendbarkeit des § 23 ErbStG ist, dass die Leistungen auf einem einheitlichen Recht (Stammrecht) zum Bezug der wiederkehrenden Leistungen beruhen. Insoweit ist es unerheblich, ob es sich um ein dingliches Recht (insbesondere Nießbrauch) oder um ein schuldrechtliches Recht handelt.9 Hierbei ist umstritten, ob § 23 ErbStG entsprechend auf den Erwerb einer unverzinslichen Kapitalforderung anzuwenden ist, wenn diese über einen längeren Zeitraum
1 Vgl. Esskandari in Gürsching/Stenger, § 23 ErbStG Rz. 18 (Stand: April 2013). 2 So BFH v. 18.1.2011 – X R 63/08, BStBl. II 2011, 680 = FR 2011, 573 m. Anm. Keß = ErbStB 2011, 157 – Rz. 19. 3 Vgl. Moench, ZEV 2001, 303 und Korezkij, ZEV 2001, 305. 4 Vgl. hierzu auch Weinmann in Moench/Weinmann, § 23 ErbStG Rz. 1 (Stand: März 2014); Meincke16, § 23 ErbStG Rz. 2. 5 Vgl. Meincke16, § 23 ErbStG Rz. 4; Jochum in Wilms/Jochum, § 23 ErbStG Rz. 14 ff. (Stand: Oktober 2010); Szczesny in Tiedtke, ErbStG 2009, § 23 ErbStG Rz. 5 ff. 6 BGH v. 16.12.1965 – II ZR 274/63, WM 1966, 248 – Rz. 22. 7 Vgl. Eisele in Kapp/Ebeling, § 23 ErbStG Rz. 4 (Stand: Oktober 2014). 8 Vgl. Meincke16, § 23 ErbStG Rz. 4; Jochum in Wilms/Jochum, § 23 ErbStG Rz. 14 (Stand: Oktober 2010). 9 Vgl. Jülicher in T/G/J, § 23 ErbStG Rz. 3 (Stand: März 2012); Meincke16, § 23 ErbStG Rz. 4.
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Wahlrecht der Jahresversteuerung (Abs. 1)
Rz. 17 § 23 ErbStG
(im Urteilsfall sieben Jahre) zu tilgen ist.1 Unter Berücksichtigung des Gesetzeszwecks von § 23 ErbStG, Eingriffe in die Vermögenssubstanz des Erwerbers bei sukzessivem Vermögenserwerb bzw. Zufluss zu vermeiden, erscheint eine analoge Anwendung der Vorschrift für solche Konstellationen vertretbar.2 Keine Anwendung findet § 23 ErbStG hingegen auf den Erwerb erbbaurechtsbelasteter Grundstücke. Zwar stellt der Anspruch des Eigentümers des erbbaurechtsbelasteten Grundstücks auf den Erbbauzins ein Recht auf wiederkehrende Leistungen dar, jedoch ist dieses Recht kein selbständiger Erwerbsgegenstand, sondern ist vielmehr Ausfluss des erbbaurechtsbelasteten Grundstücks selbst.3 Ebenfalls findet § 23 ErbStG keine Anwendung auf den Verzicht eines Nießbrauchsrechts, auch wenn es sich insoweit um eine freigiebige Zuwendung i.S.v. § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG handelt.4
III. Wahlrechtsausübung – Antrag 1. Antrag und Antragsberechtigung Die Anwendung der Jahressteuer setzt voraus, dass der Erwerber das ihm eingeräumte Wahlrecht 15 durch einen entsprechenden Antrag beim zuständigen Finanzamt ausübt. Diesem Antrag hat das Finanzamt bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen des § 23 ErbStG zu entsprechen; der Behörde steht insoweit kein Ermessen zu.5 Stellt der Erwerber keinen Antrag, bleibt es bei der Sofortsteuer nach dem Kapitalwert der wiederkehrenden Leistung.
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Praxishinweis: Wählt der Erwerber die Jahressteuer, sollte er dem Finanzamt im Rahmen der Antragstellung auch sogleich mitteilen, ob die Freibetragsregelungen der §§ 5, 16 und 17 ErbStG nach der Aufzehrmethode oder der Kürzungsmethode berücksichtigt werden sollen (vgl. hierzu s. Rz. 26 ff.)
Antragsberechtigt ist in erster Linie der Erwerber. Die FinVerw. erkennt auch dem Schenker das An- 16 tragsrecht zu, wenn dieser die Steuer auf die wiederkehrende Leistung übernommen hat. Die übernommene Steuer stellt nach § 10 Abs. 2 ErbStG einen eigenständigen Erwerb dar, auf den die Anwendung des § 23 ErbStG ausscheidet, so dass es insoweit stets und in vollem Umfang zur Sofortversteuerung kommt.6 Darüber hinaus sollte der Schenker auch in den Fällen antragsberechtigt sein, in denen er nach § 20 Abs. 1 Satz 1 ErbStG als (subsidiärer) Steuerschuldner herangezogen wird. Zwar stellt der Wortlaut der Norm bzgl. der Antragsberechtigung auf den „Erwerber“ ab, jedoch dürfte vom Gesetzeszweck her eher der „erwerbende Steuerschuldner“ gemeint sein, da typischerweise der Erwerber einer wiederkehrende Leistung die entsprechende Steuerschuld trägt. Nach hier vertretener Ansicht sollte stets ein Gleichlauf zwischen Antragsberechtigung nach § 23 Abs. 1 Satz 1 ErbStG und Steuerschuldnerschaft nach § 20 Abs. 1 Satz 1 ErbStG bestehen.7 Steht die wiederkehrende Leistung mehreren Personen zu, kann das Wahlrecht von jedem Berech- 17 tigten für den auf ihn entfallenden Teil gesondert ausgeübt werden, so dass z.B. ein Erwerber die Jahressteuer, ein anderer Erwerber die Sofortsteuer wählen kann.8 Haben zwei Berechtigte eine Rente in der Weise erworben, dass jedem zunächst die Hälfte der Rente zustehen soll und beim Tod des Erstversterbenden der Gesamtbetrag der Rente dem Überlebenden zufällt, dann ist beim Tod des Erstversterbenden der bis dahin aufschiebend bedingt zugewandte Teil der Rente entsprechend der Vor1 Bejahend FG Hamburg v. 27.9.1977 – V 18/77, EFG 1978, 25; im Ergebnis bestätigt durch BFH v. 9.12.1981 – II R 143/77, juris; zweifelnd BFH v. 23.2.1994 – X R 123/92, BStBl. II 1994, 690 = FR 1994, 468 – Rz. 35; offengelassen BFH v. 11.2.2010 – II B 123/09, BFH/NV 2010, 92, da im konkreten Fall nicht entscheidungserheblich. 2 Bejahend Jochum in Wilms/Jochum, § 23 ErbStG Rz. 19 m.w.N. (Stand: Oktober 2010); abl. Jüptner in F/J/ P/W5, § 23 ErbStG Rz. 21. 3 Vgl. BFH v. 29.8.2003 – II B 70/03, BStBl. II 2003, 944 = FR 2004, 50 = ErbStB 2003, 379 – Rz. 10. 4 Vgl. Eisele in Kapp/Ebeling, § 23 ErbStG Rz. 34 (Stand: Oktober 2014); Jüptner in F/J/P/W5, § 23 ErbStG Rz. 24; Kirnberger/Werz, ErbStB 2004, 307; a.A. Troll, BB 1985, 2103. 5 Vgl. Eisele in Kapp/Ebeling, § 23 Rz. 10 (Stand: Oktober 2014); Griesel in D/H/R2, § 23 ErbStG Rz. 12. 6 Vgl. H E 23 ErbStH 2011 („Jahressteuer und Übernahme der Schenkungsteuer durch Schenker“). 7 Im Ergebnis ebenso Meincke16, § 23 ErbStG Rz. 6; a.A. Jüptner in F/J/P/W5, § 23 ErbStG Rz. 49 und Esskandari in Gürsching/Stenger, § 23 ErbStG Rz. 45 (Stand: April 2013). 8 Vgl. Esskandari in Gürsching/Stenger, § 23 ErbStG Rz. 41 (Stand: April 2013).
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§ 23 ErbStG Rz. 18 Besteuerung von Renten, Nutzungen und Leistungen schrift des § 9 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a ErbStG als selbständiger Erwerb zu behandeln. Für diesen Erwerb kann der Berechtigte dann erneut zwischen der Jahressteuer und der Sofortsteuer wählen. Sofern dieser Erwerb dem ersten Erwerb in einem zeitlichen Abstand von weniger als zehn Jahren folgt, erfolgt eine Zusammenrechnung der Erwerbe nach § 14 ErbStG.1 2. Antragsfrist 18
Die Vorschrift selbst trifft keine Aussage darüber, bis zu welchem Zeitpunkt ein Antrag zur Wahl der Jahressteuer nachgeholt werden kann, wenn dieser nicht sogleich mit der Einreichung der Steuererklärung gestellt worden ist. Die überwiegende Kommentarliteratur verweist hierzu zumeist unter Hinweis auf die Entscheidung des BFH v. 30.1.19682 – II 113/65, BStBl. II 1968, 210 terminologisch ungenau auf die „Rechtskraft des Steuerbescheides“3 oder zu allgemein auf die „Bestandskraft des Steuerbescheides“.4 Hierbei ist darauf hinzuweisen, dass der Begriff der „Rechtskraft eines Steuerbescheides“ dem geltenden Steuerrecht fremd ist. Ein Steuerbescheid erwächst in formelle oder materielle Bestandskraft; lediglich gerichtliche Entscheidungen werden (formell und materiell) rechtskräftig.5
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Unstreitig dürfte jedoch sein, dass ein Antrag auf Jahressteuer in jedem Falle noch bis zum Eintritt der formellen Bestandskraft des Steuerbescheides nachgeholt werden kann. Formelle Bestandskraft eines Steuerbescheides tritt ein, wenn der Bescheid nicht mehr mit ordentlichen Rechtsbehelfen angefochten werden kann, insbesondere also dann, wenn die einmonatige Einspruchsfrist nach § 355 Abs. 1 AO abgelaufen ist. Auch ein unter Vorbehalt der Nachprüfung stehender Steuerbescheid wird somit grundsätzlich mit Ablauf der Einspruchsfrist formell bestandskräftig.6 Damit kann der Antrag nach § 23 Abs. 1 Satz 1 ErbStG bis zum Ablauf der Einspruchsfrist oder bis zum Abschluss eines Klageverfahrens nachgeholt werden.7
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Ob hingegen ein Antrag nach Ablauf der Einspruchsfrist noch bis zum Eintritt der materiellen Bestandskraft erfolgen kann, erscheint fraglich.8 Dies betrifft insbesondere Fälle, in denen der Steuerbescheid unter dem Vorbehalt der Nachprüfung steht. Im Bereich der Ausübung von Wahlrechten bei der Umsatzsteuer hat der BFH mit Urteil v. 10.12.20089 entschieden, dass ein rückwirkender Wechsel von der Besteuerung nach vereinnahmten Entgelten (§ 20 UStG) zur Besteuerung nach vereinbarten Entgelten (§ 16 UStG) nur noch bis zur formellen Bestandskraft der jeweiligen Jahressteuerfestsetzung zulässig ist und folglich nach Ablauf der Einspruchsfrist nicht mehr nachgeholt werden kann, auch wenn der Bescheid unter dem Vorbehalt der Nachprüfung steht. Nach hier vertretener Ansicht ist diese Aussage des BFH verallgemeinerungsfähig, da sie eine langjährige Ungewissheit darüber vermeiden will, ob ein Wahlrecht ausgeübt wird oder nicht. Dieser allgemeine Grundsatz lässt sich folglich auch auf die Ausübung des Wahlrechts nach § 23 ErbStG übertragen, so dass ein Antrag auf Jahressteuer nur innerhalb der einmonatigen Einspruchsfrist des Steuerbescheides nachgeholt werden kann.
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Praxishinweis: Solange diese Rechtsfrage noch nicht höchstrichterlich für den Antrag nach § 23 Abs. 1 Satz 1 ErbStG entschieden worden ist, sollte im Rahmen der Abwehrberatung bei unter Vorbehalt der Nachprüfung stehenden Steuerbescheiden ein Antrag unter Hinweis auf die Entscheidung des FG Nürnberg10 auch noch nach Ablauf der Einspruchsfrist gestellt werden.
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Vgl. Weinmann in Moench/Weinmann, § 23 ErbStG Rz. 14 (Stand: März 2014). BFH v. 30.1.1968 – II 113/65, BStBl. II 1968, 210. So Griesel in D/H/R2, § 23 ErbStG Rz. 14; Jülicher in T/G/J, § 23 ErbStG Rz. 6 (Stand: Oktober 2010). So Meincke16, § 23 ErbStG Rz. 6; Schuck in V/K/S/W4, § 23 ErbStG Rz. 22. Vgl. Seer in Tipke/Lang22, § 21 AO Rz. 80 ff. Vgl. zur Unterscheidung zwischen formeller und materieller Bestandskraft Schley, BB 2013, 1368. Vgl. FG Hamburg v. 27.9.1977 – V 18/77, EFG 1978, 25. Bejahend für den Fall des Widerrufs der Wahl der Jahressteuer FG Nürnberg v. 6.2.2003 – IV 397/2001, ErbStB 2003, 212 = EFG 2003, 873. 9 BFH v. 10.12.2008 – XI R 1/08, BStBl. II 2009, 1026. 10 FG Nürnberg v. 6.2.2003 – IV 397/2001, ErbStB 2003, 212 = EFG 2003, 873.
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Wahlrecht der Jahresversteuerung (Abs. 1)
Rz. 24 § 23 ErbStG
3. Widerruf eines Antrags auf Jahresbesteuerung Der Widerruf eines Antrags auf Jahresbesteuerung ist zulässig, da der Antrag nach § 23 ErbStG nicht 22 unwiderruflich ausgestaltet ist (anders z.B. bei § 13a Abs. 8 ErbStG).1 Zur Widerrufsfrist gelten die vorstehenden Ausführungen zur Antragsfrist entsprechend. Danach kann die Wahl der Jahressteuer nur noch bis zum Eintritt der formellen Bestandskraft des Steuerbescheides widerrufen werden.2 Vgl. jedoch Rz. 19.
IV. Berechnung der Jahressteuer 1. Ermittlung des Jahreswerts Der Jahreswert ist nach der Konzeption des Gesetzes der auf das Einzeljahr bezogene Teilbetrag der 23 wiederkehrenden Leistung, der dem Erwerber innerhalb eines Kalenderjahres zukommt.3 Hierbei wird der Jahreswert vom Zeitpunkt des Stichtags (§ 11 ErbStG) aus für die gesamte Laufzeit der wiederkehrenden Leistung ermittelt; ob dieser Jahreswert in der Zukunft tatsächlich erreicht wird, ob er höher oder niedriger ist oder ob er ganz wegfällt, spielt für die Bestimmung des auf den Stichtag ermittelten Jahreswerts grds. keine Rolle.4 Ebenso unbeachtlich sind aufgrund des Stichtagsprinzips nachträgliche Rechtsänderungen. Die genaue Bestimmung des Jahreswerts ist daher aufgrund der zumeist langen (lebenslänglichen) Laufzeit der wiederkehrenden Leistungen von entscheidender Bedeutung für die zukünftige Steuerbelastung des Erwerbers. Vgl. zur Berichtigung der Jahressteuer bei Schwankungen in der Höhe der Leistungen oder bei vorzeitigem Wegfall der Leistungen Rz. 52 ff. Die Ermittlung des Jahreswerts richtet sich nach § 12 Abs. 1 ErbStG i.V.m. §§ 13 bis 16 BewG. Bei 24 Geldleistungen (insbesondere bei Leibrenten oder Zeitrenten) bestimmt sich der Jahreswert nach dem vereinbarten jährlich zufließenden Geldbetrag. Bei Nutzungen (z.B. Wohnrecht oder Nießbrauchsrecht) wird der Jahreswert nach § 12 Abs. 1 ErbStG i.V.m. §§ 15, 16 BewG ermittelt. Hierbei ist die Begrenzung des Jahreswerts von Nutzungen nach § 16 BewG zu beachten, nach der der Jahreswert max. den 18,6-sten Teil des Steuerwerts des Wirtschaftsgutes betragen darf. Beispiel: Der Erwerber A erhält den Nießbrauch an einem Mietwohngrundstück. Ihm fließen jährlich durchschnittliche Mieterträge i.H.v. 50 000 Euro zu. Der Steuerwert des Grundstücks nach §§ 176 ff. BewG beträgt 800 000 Euro. Damit ist der nach § 23 ErbStG anzusetzende Jahreswert auf 43 010 Euro begrenzt (800 000 Euro/18,6).
Werden der Höhe nach schwankende wiederkehrende Leistungen gewährt (z.B. bei Nießbrauch an Grundstücken oder Gesellschaftsanteilen), ist der voraussichtliche zukünftige Durchschnittswert zu ermitteln (§ 15 Abs. 3 BewG). Da sich die Bewertung des Jahreswerts gem. § 12 Abs. 1 ErbStG nach den allgemeinen Vorschriften des Bewertungsgesetzes richtet, kann eine künftige Einkommensteuerlast, die auf die wiederkehrende Leistung entfällt, bei der Berechnung ihres Wertes nicht berücksichtigt werden, auch wenn es hierdurch zu Doppelbelastungen mit Erbschaftsteuer und Einkommensteuer kommen kann.5
1 Vgl. FG Nürnberg v. 6.2.2003 – IV 397/2001, ErbStB 2003, 212 = EFG 2003, 873; Jochum in Wilms/Jochum, § 23 ErbStG Rz. 74 (Stand: Oktober 2010); Jülicher in T/G/J, § 23 ErbStG Rz. 6 (Stand: Oktober 2010); a.A. wohl FG Münster v. 15.6.1966 – IIIb 67/65, EFG 1967, 74. 2 A.A. FG Nürnberg v. 6.2.2003 – IV 397/2001, ErbStB 2003, 212 = EFG 2003, 873; Esskandari in Gürsching/Stenger, § 23 ErbStG Rz. 40 (Stand: April 2013), die einen Widerruf bis zum Eintritt der materiellen Bestandskraft für zulässig erachten. 3 Vgl. Jüptner in F/J/P/W5, § 23 ErbStG Rz. 25. 4 Vgl. Jochum in Wilms/Jochum, § 23 ErbStG Rz. 23 (Stand: Oktober 2010). 5 Vgl. BFH v. 8.6.1977 – II R 58/67, BStBl. II 1979, 562.
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§ 23 ErbStG Rz. 25 Besteuerung von Renten, Nutzungen und Leistungen 2. Steuersatz 25
Maßgebend für die auf den Jahreswert zu erhebende Jahressteuer ist gem. § 23 Abs. 1 Satz 2 ErbStG der Steuersatz, der sich für den gesamten Erwerb – d.h. unter Berücksichtigung des Kapitalwerts der wiederkehrenden Leistung zzgl. des sonstigen Erwerbs – ergibt. Durch die Einbeziehung des Kapitalwerts der wiederkehrenden Leistung bei der Berechnung des auf den Jahreswert entfallenden Steuersatzes soll die Ausnutzung ungerechtfertigter Progressionsvorteile verhindert werden. Zu Besonderheiten bei der Höhe des Steuersatzes und der Steuerberechnung s. Rz. 27 ff. 3. Berücksichtigung von Freibeträgen a) Allgemeines
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Hierbei geht es um die Frage, wie die Freibeträge des Erwerbers (der persönliche Freibetrag nach § 16 ErbStG, der Versorgungsfreibetrag nach § 17 ErbStG und der steuerfreie Zugewinnausgleichsanspruch nach § 5 Abs. 1 ErbStG) bei der Wahl der Jahresbesteuerung zur Anwendung kommen. In der Praxis werden die Aufzehrmethode und die Kürzungsmethode angewendet. Nach Ansicht der FinVerw. ist der Abzug der Freibeträge vorrangig bei dem Erwerb vorzunehmen, der der Sofortversteuerung unterliegt.1 Dies dürfte in aller Regel für den Erwerber vorteilhaft sein, da sich die Freibeträge auf diese Weise sofort auswirken. Die Frage nach der Wahl der Aufzehr- oder der Kürzungsmethode auf die Jahressteuer stellt sich folglich nur dann, wenn die Freibeträge nicht bereits vollständig durch das sonstige, nicht der Jahressteuer unterliegende Vermögen aufgebracht worden sind. b) Aufzehrmethode
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Nach der Aufzehrmethode2 wird auf den nach § 23 ErbStG zu berücksichtigenden Jahreswert solange keine Steuer erhoben, bis die Freibeträge aufgezehrt sind. Die Jahressteuer muss daher vom Erwerber erstmalig in dem Jahr geleistet werden, in dem die Freibeträge nach §§ 5 Abs. 1, 16, 17 ErbStG durch den Erwerb von sonstigen Vermögenswerten (von denen die Freibeträge vorrangig abzuziehen sind) und die wiederkehrenden Leistungen vollständig ausgeschöpft worden sind. Beantragt der Erwerber nicht ausdrücklich die Kürzungsmethode, berücksichtigt das Finanzamt die Freibeträge nach der Aufzehrmethode.3 Beispiel:4 Nach dem Tod des Ehemannes am 1.1.2015 erhält die 70-jährige Witwe (W) ab Januar 2015 eine steuerpflichtige Leibrente mit einem Jahreswert von 72 000 Euro sowie Barvermögen i.H.v. 800 000 Euro. Der steuerfreie Zugewinnausgleichsanspruch nach § 5 Abs. 1 ErbStG beträgt 244 000. W beantragt hinsichtlich der Leibrente die Jahresversteuerung unter Berücksichtigung der Aufzehrmethode. 789 984 t Kapitalwert der Rente (72 000 × 10,9725) zzgl. Barvermögen + 800 000 t Wert des Erwerbs 1 589 984 t abzgl. Zugewinnausgleichsanspruch nach § 5 Abs. 1 ErbStG ./. 244 000 t abzgl. Freibetrag nach § 16 ErbStG ./. 500 000 t abzgl. Freibetrag nach § 17 ErbStG ./. 256 000 t Steuerpflichtiger Erwerb, gerundet 589 900 t Abzuwendender Steuersatz auf Gesamterwerb und damit auch auf die Jahressteuer: 15 %
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Vgl. H E 23 ErbStH 2011 („Abzug persönlicher Freibeträge“). Vgl. hierzu grundlegend RFH v. 13.10.1933 – V e A 1061/31, RStBl. 1934, 149. Vgl. H E 23 ErbStH 2011 („Abzug persönlicher Freibeträge“). Ähnlich dem Beispiel in H E 23 ErbStH 2011 („Abzug persönlicher Freibeträge“). BStBl. I 2012, 950 i.V.m. BMF v. 21.11.2014 – IV D 4 - S 3104/09/10001, BStBl. I 2014, 1576; zu den ab 1.1.2016 geltenden Werten vgl. BMF v. 2.12.2015 – IV C 7 - S 3104/09/10001, DStR 2015, 2778.
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Wahlrecht der Jahresversteuerung (Abs. 1)
Rz. 29 § 23 ErbStG
Sofortsteuer (ohne Kapitalwert der Leibrente, da diese der Jahressteuer unterliegt): Barvermögen 800 000 t abzgl. Freibeträge ./. 1 000 000 t verbleibende, nicht aufgezehrte Freibeträge ./. 200 000 t Sofortsteuer 0t Jahressteuer: 15 % v. 72 000 Euro 10 800 t In den Jahren 2015 und 2016 ist mit Rücksicht auf den Restfreibetrag i.H.v. 200 000 Euro keine Jahressteuer zu entrichten. Im Jahr 2017 beträgt die anteilige Jahressteuer 2 400 Euro.1 Ab dem Jahr 2018 ist bis zum Tode der W die volle Jahressteuer i.H.v. 10 800 Euro zu entrichten.
Vergleich zwischen der Sofortsteuer nach dem Kapitalwert und der Jahressteuer: Hätte W die So- 28 fortsteuer nach dem Kapitalwert der Leibrente gewählt, hätte sie im Jahr 2015 auf den gesamten Erwerb 88 485 Euro Steuern zahlen müssen (589 900 Euro × 15 %). Weitere Steuerzahlungen wären in der Folge nicht mehr angefallen. Legt man die Sterbetafel für das Jahr 2015 zugrunde, so beträgt die statistische Lebenserwartung der 70-jährigen W zum Besteuerungszeitpunkt noch ca. 16,5 Jahre.2 Würde W exakt dieses Durchschnittsalter erreichen und mit 86 Jahren zum 30.6.2031 versterben, hätte sie bis zum Jahr 2031 insgesamt 153 600 Euro Steuern auf den Erwerb gezahlt (2 400 Euro + 14 × 10 800 Euro). Es zeigt sich also unter Zugrundelegung der durchschnittlichen Lebenserwartung eine deutliche Diskrepanz zwischen der Steuerbelastung nach der Sofortsteuer i.H.v. 88 485 Euro und der Jahressteuer i.H.v. 153 600 Euro. Diese nominale Diskrepanz vermindert sich zwar durch die gebotene Abzinsung der Jahressteuer; sie ist jedoch dennoch vorhanden. Dieses Ergebnis verwundert, denn nach der Grundidee des § 23 ErbStG sollte man eigentlich mit Moench davon ausgehen dürfen, dass folgende Aussage richtig ist: „Entspricht die konkrete Lebensdauer des Steuerpflichtigen der Lebenserwartung nach Statistik, ist die Steuerbelastung bei der Sofortversteuerung und der Jahresversteuerung vom Prinzip her die Gleiche.“3 Diese Belastungsgleichheit ist jedoch nicht gegeben, wie vorstehendes Beispiel zeigt und wie bereits von Korezkij anschaulich dargelegt worden ist.4 Die Jahressteuer fällt somit unter Anwendung der Aufzehrmethode selbst dann gegenüber der Sofortsteuer wesentlich höher aus, wenn der Erwerber lediglich die statistische Lebenserwartung erreicht hat. c) Kürzungsmethode Die Kürzungsmethode sieht vor, dass der Jahreswert in dem Maß zu kürzen ist, in dem der Kapital- 29 wert der wiederkehrenden Leistung durch die Freibeträge gemindert wird. Hierzu wird der entsprechende Prozentsatz ermittelt, in dem der (nach vorrangigem Abzug beim nicht der Jahressteuer unterliegendem Erwerb verbleibende) Freibetrag zum Kapitalwert der wiederkehrenden Leistung steht. Der Jahreswert der wiederkehrenden Leistung wird dann um den entsprechenden Prozentsatz gekürzt.5 Hierdurch wird eine fortlaufende Herabsetzung der Jahressteuer bis an das Ende der Laufzeit der wiederkehrenden Leistung erreicht. Die Kürzungsmethode bewirkt hierbei, dass die Freibeträge bei Leibrenten an die individuelle Lebenszeit des Erwerbers geknüpft sind und damit höher oder niedriger ausfallen können als die gesetzlich bestimmten Beträge.6 Der BFH hat die Kürzungsmethode mit Urteil vom 17.9.1997 anerkannt.7 Die Anwendung setzt jedoch voraus, dass der Erwerber einen entsprechenden Antrag stellt. 1 200 000 Euro ./. 144 000 Euro = 56 000 Euro verbleibender Freibetrag; 72 000 Euro ./. 56 000 Euro = 16 000 Euro × 15 %. 2 Vgl. BStBl. I 2012, 950 i.V.m. BMF v. 21.11.2014 – IV D 4 - S 3104/09/10001, BStBl. I 2014, 1576; zu den ab 1.1.2016 geltenden Werten vgl. BMF v. 2.12.2015 – IV C 7 - S 3104/09/10001, DStR 2015, 2778. 3 So Moench, ZEV 2011, 303. 4 Vgl. Korezkij, ZEV 2001, 305. 5 Vgl. Jochum in Wilms/Jochum, § 23 ErbStG Rz. 44 ff. mit Beispielen (Stand: Oktober 2014). 6 Vgl. FG Hamburg v. 12.8.1986 – II 261/84, EFG 1987, 100 – Rz. 11; Weinmann in Moench/Weinmann, § 23 ErbStG Rz. 15 ff. (Stand: März 2014). 7 Vgl. BFH v. 17.9.1997 – II R 8/96, BFH/NV 1998, 587 – Rz. 13; H E 23 ErbStH 2011 („Abzug persönlicher Freibeträge“).
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§ 23 ErbStG Rz. 30 Besteuerung von Renten, Nutzungen und Leistungen Beispiel (Sachverhalt wie zuvor unter Rz. 27): Der verbleibende Freibetrag beträgt 200 000 Euro. Die Kürzungsquote berechnet sich wie folgt: 200 000 t 100 ¼ 25,32 % 789 984 t Der Jahreswert beträgt folglich 53 769 Euro (72 000 Euro ./. 25,32 %) und die ab dem Jahr 2015 zu entrichtende Jahressteuer 8 065 Euro (53 769 Euro × 15 %). Unter Zugrundelegung der statistischen Lebenserwartung von W beträgt die Steuerbelastung 137 105 Euro (2015 bis 2031 = 17 Jahre × 8 065 Euro).
d) Belastungsvergleich Sofortsteuer mit der Jahressteuer nach der Aufzehr- und Kürzungsmethode aa) Laufzeitende exakt nach der statistischen Lebenserwartung 30
Würde W mit 86 Jahren im Laufe des Jahres 2031 versterben (dies entspricht der durchschnittlichen Lebenserwartung einer 70-jährigen Frau), würden sich die Steuerbelastungen wie folgt darstellen: Sofortsteuer nach dem Kapitalwert 88 485 t Jahressteuer bei Anwendung der Aufzehrmethode (2 400 Euro + 14 × 10 800 Euro) 153 600 t Jahressteuer bei Anwendung der Kürzungsmethode (17 × 8 065 Euro) 137 105 t bb) Laufzeitende 10 Jahre vor der statistischen Lebenserwartung
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Würde W bereits mit 76 Jahren im Laufe des Jahres 2021 versterben (mithin 10 Jahre vor der durchschnittlichen Lebenserwartung einer 70-jährigen Frau), würden sich die Steuerbelastungen wie folgt darstellen: Sofortsteuer nach dem Kapitalwert (§ 14 Abs. 2 BewG findet keine Anwendung) 88 485 t Jahressteuer bei Anwendung der Aufzehrmethode (2 400 Euro + 4 × 10 800 Euro) 45 600 t Jahressteuer bei Anwendung der Kürzungsmethode (7 × 8 065 Euro) 56 455 t cc) Laufzeitende 10 Jahre nach der statistischen Lebenserwartung
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Würde W erst mit 96 Jahren im Laufe des Jahres 2041 versterben (mithin 10 Jahre über die durchschnittliche Lebenserwartung einer 70-jährigen Frau hinaus), würden sich die Steuerbelastungen wie folgt darstellen: Sofortsteuer nach dem Kapitalwert 88 485 t Jahressteuer bei Anwendung der Aufzehrmethode (2 400 Euro + 24 × 10 800 Euro) 261 600 t Jahressteuer bei Anwendung der Kürzungsmethode (27 × 8 065 Euro) 217 755 t dd) Ergebnis Belastungsvergleich
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Bei den vorgenannten Zahlen handelt es sich nicht um absolute Zahlen, die 1:1 miteinander verglichen werden können. Hierzu hätte es einer Barwertbetrachtung durch Abzinsung der Jahressteuerbeträge bedurft. Darüber hinaus sind die vorstehenden Beispiele nicht für alle Fälle verallgemeinerungsfähig, zumal die tatsächliche (Gesamt-)Steuerbelastung neben der Bereinigung um Zinseffekte von weiteren Faktoren abhängig ist (insbesondere Inflationseffekte, aktueller Marktzins und Abzugsfähigkeit der Jahressteuerbeträge bei der Einkommensteuer). Nichtsdestotrotz lassen sich aus den vorstehenden Beispielen folgende Grundtendenzen entnehmen:1 – Je länger der Erwerber lebt, desto nachteiliger ist die Wahl der Jahressteuer gegenüber der Sofortsteuer nach dem Kapitalwert. – Je länger der Erwerber lebt, desto vorteilhafter ist die Kürzungsmethode gegenüber der Aufzehrmethode bei Wahl der Jahressteuer.
1 Vgl. hierzu auch Kirnberger/Werz, ErbStB 2004, 307; Moench, ZEV 2001, 303; Korezkij, ZEV 2001, 305.
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Wahlrecht der Jahresversteuerung (Abs. 1)
Rz. 38 § 23 ErbStG
– Je kürzer der Erwerber lebt, desto vorteilhafter ist die Wahl der Jahressteuer gegenüber der Sofortsteuer nach dem Kapitalwert (vorbehaltlich etwaiger Korrekturen der Sofortsteuer nach § 14 Abs. 2 BewG). – Selbst bei Erreichen lediglich der statistischen Lebenserwartung des Erwerbers ist die Jahressteuer unter Anwendung der Aufzehrmethode gegenüber der Sofortsteuer nachteilig (s. Rz. 30). 4. Besonderheiten bei der Berechnung der Jahressteuer a) Berücksichtigung von Vorerwerben nach § 14 ErbStG Wird der Erwerb einer wiederkehrenden Leistung mit einem Vorerwerb nach § 14 ErbStG zusammen- 34 gerechnet, wirkt sich der Vorerwerb auch auf die Höhe des Steuersatzes der Jahressteuer aus. Der insoweit zur Anwendung kommende Steuersatz kann allerdings nicht unmittelbar für den Gesamterwerb aus der Tabelle in § 19 ErbStG entnommen werden, sondern ergibt sich aus dem Verhältnis der auf den Erwerb der wiederkehrenden Leistung entfallenden Steuer zu deren Kapitalwert. Eine Steuerfestsetzung erfolgt hierbei nur auf den Erwerb der wiederkehrenden Leistung als Nacherwerb.1 b) Übernahme der Steuer durch den Schenker Übernimmt der Schenker einer wiederkehrenden Leistung die darauf entfallende Steuer, so gilt dies 35 gem. § 10 Abs. 2 ErbStG als eigenständiger Erwerb. Hierauf findet das Wahlrecht nach § 23 Abs. 1 ErbStG jedoch keine Anwendung, so dass es insoweit stets und in vollem Umfang zur Sofortversteuerung kommt. Hinsichtlich der wiederkehrenden Leistung selbst erkennt die FinVerw. sowohl dem Schenker als auch dem Beschenkten das Wahlrecht zur Ausübung der Jahressteuer zu.2 c) Anrechnung ausländischer Steuer nach § 21 ErbStG Nach Ansicht der FinVerw. soll sich die Jahressteuer in den Fällen der Anrechnung ausländischer Steu- 36 er in analoger Anwendung des § 19 Abs. 2 ErbStG nach dem Gesamterwerb einschließlich des Auslandsvermögens bestimmen. Wenn der Gesamterwerb zu einer Sofortsteuer und zu einer Jahressteuer führt, soll die Anrechnung bei der Steuer erfolgen, die auf das Vermögen i.S.v. § 21 ErbStG entfällt.3 d) Härteausleich nach § 19 Abs. 3 ErbStG und Tarifbegrenzung nach § 19a ErbStG Bei der Berechnung der Jahressteuer ist die Vorschrift über den Härteausgleich von Tarifsprüngen 37 nach § 19 Abs. 3 ErbStG zu berücksichtigen.4 Die Tarifbegrenzung nach § 19a ErbStG findet auf die Jahressteuer hingegen keine Anwendung.5
V. Steuerfestsetzung 1. Verfahren Bei der Festsetzung der Jahressteuer ergeht ebenso wie bei der Festsetzung der Sofortsteuer nach 38 dem Kapitalwert nur ein Steuerbescheid, lediglich das Leistungsgebot ist anders. Bei der Jahresver-
1 Vgl. H E 23 ErbStH 2011 („Jahressteuer und Zusammenrechnung mit Vorerwerben“) sowie Weinmann in Moench/Weinmann, § 23 ErbStG Rz. 31 (Stand: März 2014); Griesel in D/H/R2, § 23 ErbStG Rz. 10 und Jochum in Wilms/Jochum, § 23 ErbStG Rz. 56 (Stand: Oktober 2014), jeweils mit Berechnungsbeispielen. 2 Vgl. H E 23 ErbStH 2011 („Jahressteuer und Übernahme der Schenkungsteuer durch Schenker“); Eisele in Kapp/Ebeling, § 23 ErbStG Rz. 10.1 (Stand: Oktober 2014) jeweils mit Berechnungsbeispielen. 3 Vgl. H E 23 ErbStH 2011 („Jahressteuer und Anrechnung ausländischer Erbschaftsteuer nach § 21 ErbStG“); Weinmann in Moench/Weinmann, § 23 ErbStG Rz. 33 (Stand: März 2014), jeweils mit Berechnungsbeispielen. 4 Vgl. hierzu Jochum in Wilms/Jochum, § 23 ErbStG Rz. 59, 60 (Stand: Oktober 2010) sowie Jülicher in T/G/J, § 23 ErbStG Rz. 18 (Stand: September 2013) jeweils mit Berechnungsbeispielen. 5 Vgl. Jüptner in F/J/P/W5, § 23 ErbStG Rz. 34 m.w.N.
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§ 23 ErbStG Rz. 39 Besteuerung von Renten, Nutzungen und Leistungen steuerung legt dieses sogleich die künftig zu zahlenden Jahressteuerbeträge für die gesamte Laufzeit fest. Bei Zusammentreffen von sonstigen, der regulären Besteuerung unterliegenden Erwerben und dem Erwerb einer wiederkehrenden Leistung, für das die Jahresversteuerung gewählt worden ist, setzt das Finanzamt in einem Steuerbescheid neben der Jahressteuer auch die auf das sonstige Vermögen entfallende Sofortsteuer fest.1 39
Der Jahreswert ist nicht nach § 10 Abs. 1 Satz 6 ErbStG auf volle 100 Euro abzurunden, da diese Vorschrift für den gesamten steuerpflichtigen Erwerb gilt und die Jahressteuer nur einen Teil dieses Erwerbs darstellt.2 2. Steuerentstehung und Fälligkeit
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Die Jahressteuer entsteht – ebenso wie die Steuer nach dem Kapitalwert der wiederkehrenden Leistungen – zum Bewertungsstichtag (§§ 9, 11 ErbStG).3 Die Jahresteuer ist jährlich im Voraus zu entrichten. Die Fälligkeit bestimmt sich nach dem jeweiligen Entstehungszeitpunkt der Jahressteuer, d.h. nach dem Todestag des Erblassers oder nach dem Tag der Ausführung der Schenkung. Die tatsächlichen unterjährigen Zahlungszuflüsse der wiederkehrenden Leistungen sind demgegenüber unbeachtlich.4 3. Steuerschuldner
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Bei der Jahressteuer gelten die allgemeinen Regelungen des § 20 Abs. 1 Satz 1 ErbStG. Danach ist Steuerschuldner stets der Erwerber, bei Schenkungen auch (subsidiär) der Schenker. Vgl. zur Antragsberechtigung des Schenkers im Rahmen von § 23 Abs. 1 ErbStG Rz. 16. 4. Dauer der Steuerentrichtung
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Die Dauer der Entrichtung der Jahressteuer richtet sich nach der Laufzeit der wiederkehrenden Leistungen. Die Verpflichtung zur Steuerentrichtung entfällt somit bei lebenslänglichen wiederkehrenden Leistungen mit dem Tode des Berechtigten, ansonsten mit Ablauf der Laufzeit der Leistungen. Die auf den Bewertungsstichtag (§ 11 ErbStG) ermittelte Jahressteuer bleibt bis zu ihrem Erlöschen in der Höhe unverändert.5 Nachträgliche Änderungen des Erbschaftsteuertarifs sind aufgrund des Stichtagsprinzips ebenso unbeachtlich wie Rechtsprechungsänderungen.6 Vgl. zur Berichtigung der Jahressteuer bei Schwankungen in der Höhe der Leistungen oder bei vorzeitigem Wegfall der Leistungen Rz. 52 ff.
C. Ablösung der Jahressteuer (Abs. 2) I. Allgemeines 43
Hat sich der Erwerber zunächst nach § 23 Abs. 1 Satz 1 ErbStG für die Wahl der Jahressteuer entschieden, kann er zu einem späteren Zeitpunkt – etwa, wenn er nunmehr über entsprechende finanzielle Mittel verfügt – diese Steuer zum nächsten Fälligkeitstermin durch eine Einmalzahlung nach dem Kapitalwert der Jahressteuer ablösen. Für den umgekehrten Fall, bei dem sich der Erwerber für die Sofortbesteuerung nach dem Kapitalwert der wiederkehrenden Leistung entschieden hat, besteht keine Wahlmöglichkeit zum späteren Wechsel zur Jahresversteuerung. Die Wahl der Sofortsteuer hat damit endgültigen Charakter.
1 2 3 4 5 6
Vgl. Jüptner in F/J/P/W5, § 23 ErbStG Rz. 30. Zutreffend Bay. Landesamt für Steuern v. 14.1.2013 – S 3810.1.1 - 6/St 34, DB 2013, 593. Vgl. BFH v. 6.6.1951 – III 140/50 S, BStBl. III 1951, 142. Vgl. Szczesny in Tiedtke, § 23 ErbStG Rz. 12. Vgl. BFH v. 8.6.1977 – II R 79/69, BStBl. II 1979, 562. Vgl. Eisele in Kapp/Ebeling, § 23 ErbStG Rz. 24 (Stand: Oktober 2014).
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Ablösung der Jahressteuer (Abs. 2)
Rz. 48 § 23 ErbStG
Allerdings kann es dazu kommen, dass der Erwerber bei späterer Ablösung der Jahressteuer – ins- 44 besondere bei Ansatz der Aufzehrmethode – ein Vielfaches des Steuerbetrages zu leisten hat, den er bei der Sofortversteuerung hätte entrichten müssen.1 Die Ablösung nach § 23 Abs. 2 ErbStG sollte daher wohl überlegt bzw. berechnet sein. Vgl. hierzu Rz. 48. Zum Teil wird vertreten, dass nach § 23 Abs. 2 ErbStG auch eine Teilablösung der Jahressteuer mög- 45 lich sein soll, „da eine widersprechende gesetzliche Grundlage fehle“.2 Diese Ansicht ist abzulehnen, da vorliegend nicht danach zu fragen ist, was das Gesetz nicht untersagt, sondern danach, was das Gesetz positiv gestattet. Dies ist ausschließlich die Ablösung der gesamten Jahressteuer und nicht nur eines Teilbetrages. Hätte der Gesetzgeber eine Teilablösung gewollt, hätte er dies durch eine entsprechende Formulierung wie „ganz oder zum Teil“ – so z.B. bei § 227 AO, § 34c Abs. 5 EStG oder bei § 50 Abs. 4 EStG – zum Ausdruck gebracht.3
II. Antrag, Antragsfrist und Steuerfestsetzung Die Ablösung der Jahressteuer erfolgt auf Antrag des Erwerbers, der nach § 23 Abs. 2 Satz 3 ErbStG 46 spätestens bis zum Beginn des Monats zu stellen ist, der dem Monat vorangeht, in dem die nächste Jahressteuer fällig wird. Beispiel: Wird die Jahressteuer jeweils zum 15.8. eines jeden Jahres fällig, dann muss der Antrag bis spätestens zum 1.7. dem zuständigen Finanzamt zugegangen sein.
Die Festsetzung des Ablösungsbetrages erfolgt in einem gesonderten Steuerbescheid, der den allgemeinen Regelungen unterliegt. Eine Abrundung des Ablösungsbetrages nach § 10 Abs. 1 Satz 6 ErbStG erfolgt nicht, da eine solche bereits bei der erstmaligen Steuerfestsetzung auf den gesamten steuerpflichtigen Erwerb erfolgt ist.
III. Berechnung des Ablösungsbetrags Die Jahressteuer kann nicht dadurch abgelöst werden, dass sich der Erwerber nachträglich doch 47 noch für die Besteuerung nach dem Kapitalwert des Rechts entscheidet.4 Vielmehr berechnet sich der Ablösungsbetrag nach dem Kapitalwert der Jahressteuer zum Ablösungszeitpunkt. Der Kapitalwert bestimmt sich hierbei nach §§ 13, 14 BewG. Bei lebenslänglichen wiederkehrenden Leistungen bemisst sich der Kapitalwert folglich nach der statistischen Lebenserwartung des Berechtigten im Zeitpunkt der Ablösung (§ 14 Abs. 1 BewG i.V.m. dem Vervielfältiger der jeweils zum 1.1. eines jeden Jahres herausgegebenen Sterbetafel5). Bei zeitlich begrenzten wiederkehrenden Leistungen berechnet sich der Kapitalwert nach der Restlaufzeit im Zeitpunkt der Ablösung (§ 13 Abs. 1 BewG i.V.m. dem Vervielfältiger nach Tabelle 6 zu § 13 Abs. 1 BewG6). Steuerfalle Ablösung der Jahressteuer: Problematisch ist, dass sich bei Ablösung der Jahressteuer 48 unter Berücksichtigung der bis dahin gezahlten Jahressteuerbeträge eine Gesamtsteuerbelastung ergeben kann, die um ein Vielfaches höher ist als die Sofortsteuer nach dem Kapitalwert der wiederkehrenden Leistungen.
1 Vgl. Eisele in Kapp/Ebeling, § 23 ErbStG Rz. 3.1 (Stand: Oktober 2014); Kirnberger/Werz, ErbStB 2004, 307. 2 So Eisele in Kapp/Ebeling, § 23 ErbStG Rz. 36 (Stand: Oktober 2014). 3 Im Ergebnis wohl ebenso Schuck in V/K/S/W4, § 23 ErbStG Rz. 22; nach früher vertretener a.A. nunmehr auch Jülicher in T/G/J, § 23 ErbStG Rz. 32 (Stand: April 2014). 4 Vgl. Meincke16, § 23 ErbStG Rz. 14. 5 Vgl. für das Jahr 2015 BStBl. I 2012, 950 i.V.m. BMF v. 21.11.2014 – IV D 4 - S 3104/09/10001, BStBl. I 2014, 1576; zu den ab 1.1.2016 geltenden Werten vgl. BMF v. 2.12.2015 – IV C 7 - S 3104/09/10001, DStR 2015, 2778. 6 Vgl. gleich lautende Ländererlasse v. 10.10.2010, BStBl. I 2010, 810.
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§ 23 ErbStG Rz. 49 Besteuerung von Renten, Nutzungen und Leistungen Fortsetzung des Beispiels unter Rz. 27: Alternative a Aufzehrmethode: W hatte sich im Jahr 2015 für die Jahressteuer unter Anwendung der Aufzehrmethode entschieden. Nunmehr möchte die 80-jährige W mit Wirkung zum 1.1.2025 die „lästige Jahressteuer“ durch eine Einmalzahlung nach § 23 Abs. 2 ErbStG ablösen. 78 008 t Ablösungsbetrag: Jahressteuer 10 800 Euro × 7,2231 = zzgl. bisher von W entrichteter Jahressteuer (2017: 2 400 Euro zzgl. 2018 bis 2024 je 10 800 Euro) + 78 000 t Gesamtsteuer 156 008 t Zum Vergleich: Sofortsteuer nach dem Kapitalwert 88 485 t Alternative b Kürzungsmethode: Hatte sich W im Jahr 2015 für die Jahressteuer unter Anwendung der Kürzungsmethode (Kürzungsquote: 25,32 %) entschieden, berechnet sich der Ablösungsbetrag zum 1.1.2015 wie folgt: Ablösungsbetrag: Jahressteuer 8 065 Euro × 7,223 = 58 253 t zzgl. bisher von W entrichteter Jahressteuer (2015 bis 2024 je 8 065 Euro) + 80 650 t Gesamtsteuer 138 903 t Zum Vergleich: Sofortsteuer nach dem Kapitalwert 88 485 t
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Analyse: In vorstehendem Beispiel (ohne Abzinsung) besteht nur ein leichter Vorteil der Kürzungsmethode gegenüber der Aufzehrmethode. Grund hierfür ist, dass die Kürzungsquote im vorliegenden Beispiel mit 25,32 % eher gering ausfällt. Liegt die Kürzungsquote deutlich höher, ist die Kürzungsmethode bei der Berechnung des Ablösungsbetrages nach § 23 Abs. 2 ErbStG gegenüber der Aufzehrmethode wesentlich vorteilhafter und daher i.d.R. vorzuziehen.2 Insgesamt entsteht vorliegend bei der Ablösung der Jahressteuer jedoch nach beiden Methoden (auch nach Abzinsung) eine deutlich höhere Steuerlast als bei der Sofortversteuerung. Die Gründe hierfür liegen u.a. darin, dass die statistische Lebenserwartung mit zunehmendem Alter steigt. So beträgt z.B. die durchschnittliche Lebenserwartung einer 50-jährigen Frau noch ca. 34 Jahre.3 Eine 84-jährige Frau hat hingegen noch eine durchschnittliche Lebenserwartung von knapp 7 Jahren. Dieser Effekt wirkt sich nachteilig auf den bei der Berechnung des Ablösungsbetrages anwendbaren Vervielfältiger aus.4
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Der Ablösungsbetrag nach § 23 Abs. 2 ErbStG kann einkommensteuerlich weder als Sonderausgabe nach § 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG noch im Rahmen von § 35b EStG berücksichtigt werden.5
D. Berichtigung der Jahressteuer bei Schwankungen in der Höhe der Leistungen oder bei vorzeitigem Wegfall der Leistungen I. Allgemeines 1. Stichtagsprinzip vs. Billigkeitsmaßnahmen nach §§ 163, 227 AO 51
Die Jahressteuer entsteht – ebenso wie die Sofortsteuer – zum Bewertungsstichtag, mithin zum Zeitpunkt des Todes des Erblassers oder zum Zeitpunkt der Ausführung der Schenkung (§ 11 i.V.m. § 9 Abs. 1 und 2 ErbStG). Dieses Stichtagsprinzip hat zur Folge, dass ausschließlich die Verhältnisse zum Stichtag maßgeblich sind und zukünftige Ereignisse grds. keinen Einfluss auf die Höhe der festgesetzten Jahressteuer haben. In Rspr. und Literatur werden jedoch einige Fallkonstellationen diskutiert, die nachträgliche Änderungen der festgesetzten Jahressteuer oder einen Billigkeitserlass nach § 227 AO zur Folge haben könnten. Diese Diskussion muss jedoch stets mit Blick auf die Besteuerungsfolgen bei der Sofortversteuerung der wiederkehrenden Leistungen nach dem Kapitalwert 1 Vgl. BStBl. I 2012, 950 i.V.m. BMF v. 21.11.2014 – IV D 4 - S 3104/09/10001, BStBl. I 2014, 1576; zu den ab 1.1.2016 geltenden Werten vgl. BMF v. 2.12.2015 – IV C 7 - S 3104/09/10001, DStR 2015, 2778. 2 Vgl. Berechnungsbeispiele bei Korezkij, ZEV 2001, 305. 3 Vgl. BStBl. I 2012, 950 i.V.m. BMF v. 21.11.2014 – IV D 4 - S 3104/09/10001, BStBl. I 2014, 1576; zu den ab 1.1.2016 geltenden Werten vgl. BMF v. 2.12.2015 – IV C 7 - S 3104/09/10001, DStR 2015, 2778. 4 Grundlegend Moench, ZEV 2001, 303; vgl. Korezkij, ZEV 2001, 305 mit Belastungsbeispielen und weiteren Untersuchungen. 5 Vgl. Jülicher in T/G/J, § 23 ErbStG Rz. 34 (Stand: Oktober 2010).
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Berichtigung der Jahressteuer
Rz. 55 § 23 ErbStG
geführt werden, da der Erwerber durch die Wahl der Jahressteuer weder bevorteilt noch – über die mit der Wahl der Jahressteuer einhergehenden immanenten Risiken hinausgehend – benachteiligt werden darf. 2. Schwankungen in der Höhe der wiederkehrenden Leistung Veränderungen in der Höhe der wiederkehrenden Leistungen sind grds. unbeachtlich. Solche Er- 52 tragsschwankungen stellen insbesondere kein rückwirkendes Ereignis i.S.v. § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO dar, das zu einer Neuberechnung der Jahressteuer führen könnte.1 Je nach Art der wiederkehrenden Leistung werden Ertragsschwankungen und Ungewissheiten zudem bereits über die Bewertungsvorschrift des § 15 Abs. 3 BewG berücksichtigt. In besonders gelagerten Ausnahmefällen kommt jedoch ein Billigkeitserlass nach § 227 AO in Betracht, wenn die wiederkehrenden Leistungen nahezu während der gesamten Laufzeit nicht oder nur in bedeutungslosem Umfang gewährt worden sind und die darauf entrichteten Jahressteuerbeträge hierzu in einem krassen Missverhältnis stehen (s. Rz. 56 f.). 3. Verzicht des Erwerbers auf die wiederkehrende Leistung Ein Verzicht des Berechtigten auf die wiederkehrenden Leistungen hat keine Auswirkung auf die zu 53 entrichtende Jahressteuer. Vielmehr muss der Berechtigte trotz der fehlenden Zuflüsse die Jahressteuer weiter bis zum Ende der Laufzeit zahlen.2 Dies ist gerechtfertigt, da der Begünstigte durch den Verzicht (freiwillig) über die wiederkehrenden Leistungen verfügt hat. § 14 Abs. 2 BewG ist auf einen freiwilligen Verzicht weder unmittelbar noch analog anwendbar. 4. Frühzeitiger Tod des Berechtigten Stirbt der Berechtigte frühzeitig innerhalb der zeitlichen Grenzen des § 14 Abs. 2 BewG, erkennt die 54 h.M. den Erben auf Antrag das Recht zu, die Jahressteuer in analoger Anwendung des § 14 Abs. 2 BewG nach der tatsächlichen Laufzeit der wiederkehrenden Leistungen zu bemessen.3 Diese Ansicht ist abzulehnen, da es im Fall der Jahressteuer offenkundig an einer vergleichbaren Interessenlage fehlt, die eine analoge Anwendung rechtfertigen könnte: Indem die Gewährung der wiederkehrenden Leistung mit dem Tod des Berechtigten endet, hätte eine analoge Anwendung des § 14 Abs. 2 BewG lediglich zur Folge, dass bei Ansatz eines geringeren Kapitalwerts der Leistung ggf. ein niedrigerer Steuersatz auf die vor dem Tode erzielten Jahreswerte der wiederkehrenden Leistung zur Anwendung käme (vorausgesetzt, der geringere Ansatz des Kapitalwerts führt im Rahmen des § 19 ErbStG überhaupt zu einem Tarifsprung). Die dem Verstorbenen in den letzten max. 10 Jahren (vgl. Zeitrahmen des § 14 Abs. 2 BewG) zugeflossenen Leistungen könnten danach also statt wie bisher mit z.B. 15 % nunmehr rückwirkend mit z.B. 11 % besteuert werden. Eine nicht hinnehmbare Steuerfolge, die eine analoge Anwendung des § 14 Abs. 2 BewG rechtfertigen könnte, ist bei einem Festhalten der bisherigen Steuerfolgen nicht erkennbar.4 5. Insolvenz des Verpflichteten Im Falle der Insolvenz des Verpflichteten und des damit einhergehenden Ausfalls einer lebenslangen 55 wiederkehrenden Leistung kann ein Billigkeitserlass nach § 227 AO in Betracht kommen, wenn die 1 Vgl. FG München v. 11.5.2005 – 4 K 4590/03, ErbStB 2005, 306 = EFG 2005, 1363; Weinmann in Moench/ Weinmann, § 23 ErbStG Rz. 25 (Stand: März 2014). 2 Ganz h.M., vgl. BFH v. 28.6.1989 – II R 14/86, BStBl. II 1989, 896; Eisele in Kapp/Ebeling, § 23 ErbStG Rz. 32 (Stand: Oktober 2014); Jüptner in F/J/P/W5, § 23 ErbStG Rz. 46. 3 Vgl. Esskandari in Gürsching/Stenger, § 23 ErbStG Rz. 22 (Stand: April 2013); Jüptner in F/J/P/W5, § 23 ErbStG Rz. 44; Meincke16, § 23 ErbStG Rz. 9; Jülicher in T/G/J, § 23 ErbStG Rz. 22 (Stand: April 2014); a.A. Eisele in Kapp/Ebeling, § 23 ErbStG Rz. 31 (Stand: Oktober 2014) unter Hinweis auf RFH v. 9.12.1930 – I e A 375/30, RStBl. 1931, 141. 4 So im Ergebnis bereits RFH v. 9.12.1930 – I e A 375/30, RStBl. 1931, 141.
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§ 23 ErbStG Rz. 56 Besteuerung von Renten, Nutzungen und Leistungen Insolvenz bereits kurze Zeit nach Laufzeitbeginn erfolgt.1 Hierbei sollten die in § 14 Abs. 2 BewG bestimmten Fristen herangezogen werden, so dass ein Erlass nach § 227 AO von vornherein ausscheidet, wenn die in § 14 Abs. 2 BewG bestimmten Fristen überschritten sind. Das Stichtagsprinzip sollte hierbei nicht überspannt werden, wenn die Besteuerungsfolgen für den Berechtigten andernfalls mit dem gesunden Rechtsempfinden schlechterdings unvereinbar wären. Die Rspr. legt die Messlatte allerdings sehr hoch.2 In einer jüngst ergangenen Entscheidung hat sich der BFH im Falle einer von Todes wegen erworbenen Leibrente für eine Billigkeitsmaßnahme ausgesprochen, nachdem der Verpflichtete zahlungsunfähig geworden war und die Berechtigte über einen Zeitraum von mehr als fünf Jahren keinerlei Zahlungen mehr erhalten hatte.3 Der BFH hat in diesem Fall im Rahmen der Ermessensentscheidung nach § 163 Satz 1 AO sogar eine Ermessensreduzierung auf null angenommen und das Finanzamt verpflichtet, die Erbschaftsteuer für die Ablösung der Jahressteuer auf 0 Euro festzusetzen.
Û
Praxishinweis: Um bei vergleichbaren Fallgestaltungen weitere Steuerzahlungen zu vermeiden, sollte ein Antrag auf Ablösung der Jahressteuer nach § 23 Abs. 2 ErbStG gestellt werden, verbunden mit dem Antrag, die entsprechende Steuer wegen sachlicher Unbilligkeit (= Zahlungsunfähigkeit des Verpflichteten) nach § 163 Satz 1 AO niedriger bzw. mit null Euro festzusetzen.
II. Zusammenfassung 56
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Das Stichtagsprinzip (§§ 9, 11 ErbStG) kann und darf auch im Rahmen der Jahressteuer nur in besonders gelagerten Ausnahmefällen durchbrochen werden. Hierbei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass der Erwerber einer lebenslänglichen wiederkehrenden Leistung mit der Wahl der Jahressteuer stets das Risiko eingeht, dass die Leistungen aufgrund des u.U. Jahrzehnte währenden Leistungszeitraums ihre Höhe verändern oder ganz ausbleiben. Dieses Risiko ist der Jahressteuer immanent. Nachträgliche Korrekturen der Besteuerungsfolgen der Jahressteuer bleiben daher auf solche Fälle beschränkt, die mit dem gesunden Rechtsempfinden schlechterdings unvereinbar sind.
Û
Gestaltungshinweis: Der BFH weist im Urteil vom 28.6.19894 darauf hin, dass eine Berichtigung der Festsetzung von Erbschaft- und Schenkungsteuer nach dem Willen des Gesetzgebers nur in ausdrücklich geregelten Ausnahmefällen möglich sein soll, insbesondere bei Eintritt einer auflösenden Bedingung (§ 5 Abs. 2 BewG). Um bei Insolvenz des Verpflichteten einer wiederkehrenden Leistung die Entrichtung von weiteren Jahressteuerbeträgen durch den Berechtigen zu vermeiden, kann es empfehlenswert sein, die Insolvenz des Verpflichteten zur auflösenden Bedingung zu machen, die dann gem. § 12 Abs. 1 ErbStG i.V.m. § 5 Abs. 2 BewG im Zeitpunkt des Bedingungseintritts zu berücksichtigen ist.5
E. Abziehbarkeit der Jahressteuerbeträge im Rahmen der Einkommensteuer I. Sonderausgabenabzug nach § 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG 58
Nach der bis zum 31.12.2007 geltenden Fassung des § 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG war ein Abzug der Erbschaftsteuer als Sonderausgabe (dauernde Last) möglich. Dies wurde vom BFH (zunächst) auch ausdrücklich anerkannt.6 Mit Wirkung zum 1.1.2008 wurde der Anwendungsbereich des § 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG grundlegend geändert, indem seit diesem Zeitpunkt nur noch die Übertragung von be1 So die wohl h.M., vgl. Eisele in Kapp/Ebeling, § 23 ErbStG Rz. 16 (Stand: Oktober 2014); Jüptner in F/J/P/W5, § 23 ErbStG Rz. 33; Meincke16, § 23 ErbStG Rz. 9. 2 Vgl. FG München v. 25.10.1999 – 4 K 2834/96, UVR 200, 67; FG Münster v. 29.5.2008 – 3 K 1892/07 Erb, EFG 2008, 1813; FG München v. 11.5.2005 – 4 K 4590/03, ErbStB 2005, 306 = EFG 2005, 1363. Krit. hierzu Meincke16, § 23 ErbStG Rz. 9. 3 BFH v. 22.10.2014 – II R 4/14, BStBl. II 2015, 237 = FR 2015, 189; vgl. hierzu Bruschke, ErbStB 2015, 80. 4 BFH v. 28.6.1989 – II R 14/86, BStBl. II 1989, 896 – Rz. 13. 5 So Jülicher in T/G/J, § 23 ErbStG Rz. 23 (Stand: April 2014). 6 Vgl. BFH v. 23.2.1994 – X R 123/92, BStBl. II 1994, 690 = FR 1994, 468.
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Jahressteuer vs. Sofortsteuer – Vor- und Nachteile, Entscheidungskriterien
Rz. 62 § 23 ErbStG
stimmten betrieblichen Einheiten (Einzelunternehmen, Mitunternehmeranteile und mindestens 50 %ige Anteile an Kapitalgesellschaften) gegen Versorgungsleistungen begünstigt ist. Daher kommt ab dem 1.1.2008 eine Berücksichtigung der Jahressteuer als Sonderausgabe nach § 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG von vornherein nicht mehr in Betracht. Darüber hinaus hat der BFH mit Urteil vom 18.1.20111 auch für die bis zum 31.12.2007 geltende Rechtslage einen Abzug der Jahressteuer im Rahmen von § 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG a.F. verneint.
II. Steuerermäßigung nach § 35b EStG Nach § 35b EStG kann die gezahlte Erbschaftsteuer über einen Zeitraum von max. 5 Jahren2 die 59 Einkommensteuer des Erwerbers mindern, vorausgesetzt, a) die wiederkehrenden Leistungen beruhen auf einem Erwerb von Todes wegen (Schenkungen sind folglich nicht begünstigt) und b) die wiederkehrenden Leistungen sind bei der Ermittlung der Einkünfte des Erwerbers im Rahmen der Einkommensteuer berücksichtigt worden.3 Von § 35b EStG sollen insbesondere Doppelbelastungen mit Einkommen- und Erbschaftsteuer an- 60 lässlich der Realisierung von beim Erblasser entstandenen stillen Reserven oder der Einziehung von betrieblichen Forderungen des Erblassers vermindert werden.4 Der Gesetzgeber geht typisierend davon aus, dass innerhalb des 5-jährigen Begünstigungszeitraums die stillen Reserven realisiert und die Forderungen eingezogen worden sind. Es fällt schwer, die zumeist langfristig wirkende Jahressteuer in dieses kurzzeitige Begünstigungssystem einzuordnen. § 35b EStG ist daher nicht geeignet, eine spürbare und vor allem dauerhafte Verminderung der doppelten Besteuerung einer wiederkehrenden Leistung durch die Jahressteuer und die Einkommensteuer zu erreichen. Bei der Entscheidungsfindung, ob der Jahressteuer oder der Sofortsteuer nach dem Kapitalwert der Vorzug zu geben ist, dürfte die Abzugsfähigkeit der Jahressteuer bei der Einkommensteuer allenfalls noch eine untergeordnete Rolle spielen.
F. Jahressteuer vs. Sofortsteuer – Vor- und Nachteile, Entscheidungskriterien Wie üblich gilt es bei der Ausübung von Wahlrechten eine Reihe von Entscheidungskriterien zu be- 61 rücksichtigen und sorgfältig gegeneinander abzuwägen. Ein allgemeingültiges Patentrezept gibt es nicht, vielmehr sind stets die Verhältnisse des Einzelfalls entscheidend. Allerdings zeigt der Blick auf Steuerbelastungsvergleiche zwischen Sofort- und Jahressteuer (s. Rz. 30 ff.), dass die Wahl der Jahressteuer für den Begünstigten zum steuerlichen Roulette geraten kann, da es keine Obergrenze für die Summe der Jahressteuerbeträge gibt; vielmehr spielt der Erwerber bei Wahl der Jahressteuer ohne Limit. Sowohl die Wahl der Jahressteuer als auch eine evtl. später anschließende Ablösung der Jahressteuer nach § 23 Abs. 2 ErbStG wollen daher wohl kalkuliert sein. Nachfolgende Aspekte sollen helfen, die „richtige“ Entscheidung zu treffen. Vorteile der Jahressteuer 62 – Höhere Liquidität: Eine Steuerbelastung entsteht unter Anwendung der Aufzehrmethode erst nach Aufzehrung der persönlichen Freibeträge nach §§ 5, 16, 17 ErbStG, mitunter somit erst einige Jahre nach dem Erwerb.
1 BFH v. 18.1.2011 – X R 63/08, BStBl. II 2011, 680 = FR 2011, 573 m. Anm. Keß = ErbStB 2011, 157. 2 Z.T. wird vertreten, dass die Jahressteuer nach § 23 ErbStG dauerhaft abzugsfähig sein soll, vgl. Jülicher in T/G/J, § 23 ErbStG Rz. 42 (Stand: Oktober 2010) und ihm folgend Weinmann in Moench/Weinmann, § 23 ErbStG Rz. 21 (Stand: März 2014). In Anbetracht des explizit auf 5 Jahre beschränkten Begünstigungszeitraums erscheint diese Auffassung nicht haltbar. 3 Vgl. zum Anwendungsbereich des § 35b EStG im Rahmen von § 23 ErbStG Jülicher in T/G/J, § 23 ErbStG Rz. 42 ff. (Stand: Oktober 2010) und Jochum in Wilms/Jochum, § 23 ErbStG Rz. 6.3 (Stand: Oktober 2014). 4 Vgl. Kulosa in Schmidt35, § 35b EStG Rz. 18,19.
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§ 23 ErbStG Rz. 63 Besteuerung von Renten, Nutzungen und Leistungen – Vermeidung von Eingriffen in die Vermögenssubstanz: Die Jahressteuer kann zumeist aus den laufenden Erträgen der wiederkehrenden Leistung bestritten werden; stehen keine Mittel zur Begleichung der Sofortsteuer zur Verfügung, ist die Jahressteuer ohnehin das Mittel der Wahl. – Inflationseffekte: Bei inflationären Entwicklungen ist die über einen längeren Zeitraum zu zahlende Jahressteuer weniger belastend. – Zu erwartende unterdurchschnittliche Lebenserwartung: Bei Krankheit bzw. schlechtem Gesundheitszustand und absehbarem Ableben des Begünstigten kann die Jahressteuer zu einer sehr geringen Steuerbelastung führen. Bei der Sofortversteuerung könnte hier allerdings § 14 Abs. 2 BewG eingreifen. – Keine endgültige Entscheidung: Der Erwerber hat die Möglichkeit, die Jahressteuer zu einem späteren Zeitpunkt nach § 23 Abs. 2 ErbStG abzulösen. Die Wahl der Sofortsteuer ist hingegen eine endgültige Entscheidung. – Berücksichtigung bei der Einkommensteuer: Bei Erwerb von Todes wegen kann die Jahreserbschaftsteuer unter den Voraussetzungen des § 35b EStG zum Teil auf die Einkommensteuer angerechnet werden. Der Steuereffekt ist zwar nicht allzu groß, jedoch scheidet eine solche Anrechnung bei der Sofortsteuer von vornherein aus. 63
Nachteile der Jahressteuer – Hohes Steuerrisiko: Der ganz entscheidende Nachteil der Jahressteuer liegt in der potentiellen Höhe der Steuerlast, die schlimmstenfalls die Sofortsteuer – insbesondere bei Erreichen eines hohen, überdurchschnittlichen Lebensalters des Erwerbers einer lebenslangen wiederkehrenden Leistung – um ein Vielfaches übersteigen kann. Mit der Wahl der Kürzungsmethode und der Möglichkeit der Ablösung nach § 23 Abs. 2 ErbStG lässt sich dieses Risiko zwar begrenzen, aber nicht ausschließen. – Systemwidrigkeit: Die Grundidee des Gesetzes, dass bei lebenslangen Leistungen eine annähernde Belastungsgleichheit zwischen Sofortsteuer und Jahressteuer besteht, wenn die konkrete Lebensdauer des Berechtigten der Lebenserwartung nach Statistik entspricht, ist in der Praxis nicht gegeben. Vielmehr ist die Jahressteuer bereits dann substantiell von Nachteil, wenn der Berechtigte lediglich das statistische Durchschnittsalter erreicht (s. Rz. 30).
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§ 24 Verrentung der Steuerschuld in den Fällen des § 1 Abs. 1 Nr. 4 1In
den Fällen des § 1 Abs. 1 Nr. 4 kann der Steuerpflichtige verlangen, daß die Steuer in 30 gleichen jährlichen Teilbeträgen (Jahresbeträgen) zu entrichten ist. 2Die Summe der Jahresbeträge umfasst die Tilgung und die Verzinsung der Steuer; dabei ist von einem Zinssatz von 5,5 Prozent auszugehen. A. I. II. III.
Grundaussagen der Vorschrift. . . . . . . . . . Regelungsgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . Bedeutung und Telos . . . . . . . . . . . . . . . . . Geltungsbereich und Verhältnis zu anderen Vorschriften (nationales Recht, internationale Bezüge). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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IV. Rechtsentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10 B. Wahlrecht (Satz 1) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 C. Berechnung des Jahresbeitrags (Satz 2) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16
5
A. Grundaussagen der Vorschrift I. Regelungsgegenstand Die Vorschrift regelt die ratierliche Begleichung der Ersatzerbschaftsteuerschuld für die nach § 1 1 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG Steuerpflichtigen. Sie regelt die Voraussetzungen für diese Zahlweise, den Zinsund Tilgungsanteil sowie den Zins, der bei der Berechnung der Teilleistungen zugrunde zu legen ist.
II. Bedeutung und Telos Die Vorschrift räumt einem ersatzerbschaftsteuerpflichtigen Rechtsträger ein Wahlrecht ein, die alle 2 30 Jahre geschuldete Ersatzerbschaftsteuer in einem Einmalbetrag oder ratierlich gestreckt über 30 Jahre bis zum nächsten Ersatzerbschaftsteuertermin zu erbringen. Der gesetzgeberische Zweck soll die Verteilung einer hohen Steuerlast über einen langen Zeitraum ermöglichen.1 Für einen ersatzerbschaftsteuerpflichtigen Rechtsträger kommt diesem Wahlrecht eine hohe steuerplanerische Bedeutung zu. Steuersystematisch wird die Vorschrift als systemfremd und verdeckte Vermögensteuer kritisiert.2 3 Vereinzelt wird sie als Steuerprivileg bezeichnet, da ein „normaler Erwerber“ diese Zahlungsmöglichkeit bei dem Erwerb von Vermögenssubstanz nicht hätte.3 Sie unterscheidet sich von § 23 ErbStG, weil § 23 ErbStG eine Zuflussbesteuerung bei sukzessivem 4 Erwerb erlaubt. Bei der Ersatzerbschaftsteuer liegt kein sukzessiver Erwerb vor. Es wird ein Einmalerwerb in der Zwei-Kind-Familie simuliert.
III. Geltungsbereich und Verhältnis zu anderen Vorschriften (nationales Recht, internationale Bezüge) Die Vorschrift ist nur für ersatzerbschaftsteuerpflichtige Rechtsträger für die Steuerstichtage anwend- 5 bar, die eine Ersatzerbschaftsteuerpflicht auslösen, also frühestens nach Ablauf der ersten 30 Jahre der Existenz einer inländischen Familienstiftung oder eines Familienvereins.
1 Vgl. BT-Drucks. 7/1333, 5. 2 Vgl. Meincke16, § 24 ErbStG Rz. 1; Weinmann in Moench/Weinmann, § 24 ErbStG Rz. 1 (Stand: Februar 2016); Jülicher in T/G/J, § 24 ErbStG Rz. 1 und 2 (Stand: Juli 2015). 3 Vgl. Binge/Binz, StbJb. 1984/85, 113.
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§ 24 ErbStG Rz. 6 Verrentung der Steuerschuld in den Fällen des § 1 Abs. 1 Nr. 4 6 Da das deutsche Recht keine beschränkte Ersatzerbschaftsteuerpflicht kennt, spielt sie für auslän-
dische Familienstiftungen mit Inlandsvermögen keine Rolle. Sie dürfte EU-rechtskonform sein, da eine Inländerdiskriminierung zulässig ist.1 Da die Ersatzerbschaftsteuer in mittlerweile st. Rspr. des BVerfG als verfassungsgemäß angesehen wird,2 wird die Vorschrift, die eine Zahlungserleichterung für die Stiftung mit sich bringt, auch ihrerseits verfassungsgemäß sein. 7 Die einzelnen Jahresbeiträge können bei der jährlichen Körperschaftsteuerveranlagung jedoch als
Belastung nicht geltend gemacht werden. § 10 Nr. 2 KStG verbietet dies. Die Vorschrift untersagt den Abzug von Personensteuern. Die Ersatzerbschaftsteuer ist eine Personensteuer im Sinne der Vorschrift als eine der Erbschaftsteuer äquivalente Steuer. Dies gilt auch für den im Jahressteuerbetrag enthaltenen Zinsanteil als auf die Steuer entfallende Nebenleistung. Folge ist, dass es letztlich zu einer Doppelbelastung des Stiftungsvermögens und der Erträge mit Ersatzerbschaftsteuern und Körperschaftsteuern kommen kann. Hieraus werden in der Literatur verfassungsrechtliche Zweifel hergeleitet,3 die aber letztlich nicht durchgreifen dürften, weil es nicht zwangsläufig ein Strukturgrundsatz im Steuerrecht gibt, wonach ein Ereignis oder ein Sachverhalt nur bei einer Steuer zu berücksichtigen ist. Allenfalls wenn man die These vertritt, dass ein Ereignis nur exklusiv dem Erbschaftsteuerrecht unterliegen kann,4 könnte man etwas anderes vertreten. 8 Die Besonderheit im Falle des § 24 ErbStG besteht darin, dass sie eine Zahlungserleichterung dar-
stellt. Es ist nicht erkennbar, warum diese Zahlungserleichterung auch auf andere Steuerarten durchschlagen muss und der Ersatzerbschaftsteueraufwand in der Körperschaftsteuer deswegen als Abzugsposten zuzulassen ist. 9 Die Wahlmöglichkeit des § 24 ErbStG steht innerhalb des Ersatzerbschaftsteuersystems neben den
Stundungsmöglichkeiten des § 28 ErbStG.5 Unterstellt man, dass die Stundung nach § 28 ErbStG mit 6 % p.a. erfolgt, ist die Regelung des § 24 ErbStG günstiger.6
IV. Rechtsentwicklung 10
Die Vorschrift kam mit der Einführung der Ersatzerbschaftsteuerpflicht 1974 in das Gesetz. Inspiriert wurde die Vorschrift wohl von § 23 ErbStG,7 der aber einen anderen Fall regelt, nämlich den sukzessiven Erwerb von Vermögen. Die Vorschrift insbesondere des § 23 Abs. 2 ErbStG wird zur Schließung von Regelungslücken herangezogen.8 Sie ähnelt auch § 38 ErbStG 1925. Diese Vorschrift ermöglichte Tilgungsraten in den Fällen, in denen die sofortige Einziehung der Erbschaftsteuer für den Erwerb von inländischem landwirtschaftlichem, forstwirtschaftlichem oder gärtnerischem Vermögen, inländischen Grundvermögen oder dem inländischen Betriebsvermögen gehörende Grundstücke mit erheblichen Härten verbunden war. Auf Antrag wurde es gestattet, während eines Zeitraums von bis zu 20 Jahren jährlich einen gleichen Geldbetrag mit 8 % zur Tilgung der Steuerschuld zu leisten.9
1 Vgl. von Oertzen, DStR 2012, Beihefter 2, 37 (39); vgl. auch Jochum in Wilms/Jochum, § 24 ErbStG Rz. 7.1 (Stand: Juni 2016). 2 Vgl. zuletzt BVerfG v. 22.8.2011 – BvR 2570/10, ZEV 2012, 51. 3 Vgl. Jochum in Wilms/Jochum, § 24 ErbStG Rz. 7 (Stand: Juni 2016); Ebeling in Kapp/Ebeling, § 24 ErbStG Rz. 8 ff. (Stand: März 2016). 4 Vgl. hierzu auch die Rspr. des BFH zum Verhältnis der Schenkungsteuer zu § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG (verdeckte Gewinnausschüttungen), BFH v. 30.1.2013 – II R 6/12, BFHE 240, 178 = FR 2013, 557 m. Anm. Keß = ErbStB 2013, 136 . 5 Vgl. nur Jülicher in T/G/J, § 24 ErbStG Rz. 2 (Stand: Juli 2015). 6 Siehe hierzu aber auch krit. von Oertzen, DStR 2012, Beihefter 2, 37 (51). 7 Vgl. Jochum in Wilms/Jochum, § 24 ErbStG Rz. 2 (Stand: Juni 2016). 8 Vgl. Jülicher in T/G/J, § 24 ErbStG Rz. 4 f. (Stand: Juli 2015). 9 Vgl. weiterführend Ebeling in Kapp/Ebeling, § 24 ErbStG Rz. 3 (Stand: März 2016).
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Berechnung des Jahresbeitrags (Satz 2)
Rz. 16 § 24 ErbStG
B. Wahlrecht (Satz 1) Bei Vorliegen eines Ersatzerbschaftsteuerfalls kann der Steuerpflichtige mit formlosen Antrag ver- 11 langen, dass er die Ersatzerbschaftsteuerschuld in 30 gleichen Jahresbeträgen erbringen darf. Der Antrag ist an keine Fristen und Formen gebunden. Der Antrag benötigt auch keine weiteren materiellen Gründe, anders als z.B. die Stundungsvorschrift des § 28 ErbStG. Der Wortlaut erfasst den gesamten Ersatzerbschaftsteuerbetrag, der in einer Gesamtlaufzeit von 12 30 Jahren getilgt wird. Aufgrund eines argumentum a maiore ad minus ist nach Ansicht der Finanzverwaltung,1 der uneingeschränkt zuzustimmen ist, auch eine Verrentung von Teilbeträgen oder eine Verrentung über kürzere Zeiträume möglich.2 Die bei der Verrentung festgesetzten Jahresbeträge können dabei ganz oder teilweise abgelöst werden. § 23 Abs. 2 ErbStG ist entsprechend anzuwenden.3 Die Fälligkeit der Teilleistung ist in § 24 ErbStG nicht ausdrücklich geregelt. Es ist deswegen auf die 13 allgemeinen Vorschriften zurückzugreifen, hier also § 220 Abs. 2 AO. Danach würde die erste Jahresleistung an sich mit der Entstehung der Steuerschuld fällig werden (§ 220 Abs. 2 Satz 1 AO). Wegen der Notwendigkeit der Festsetzung des Anspruchs tritt die Fälligkeit jedoch nicht vor Bekanntgabe der Festsetzung ein.4 Die Folgejahresleistungen sind dann jeweils im nächsten Jahr zum selben Tag fällig. Wird eine ersatzerbschaftsteuerpflichtige Familienstiftung, die für die Verrentung optiert hat, inner- 14 halb von 30 Jahren nach dem Ersatzerbschaftsteuertermin aufgelöst, so beseitigt dies nicht die Zahlungsverpflichtungen der Stiftung. War die Auflösung bei Veranlagung zur Verrentung nicht erkennbar, müssen die vereinbarten Steuerzahlungen in einem Einmalbetrag erbracht werden. Es gilt für die Berechnung der Rechtsgedanke des § 23 Abs. 2 ErbStG entsprechend,5 d.h. der Ablösebetrag entspricht dem im Zeitpunkt der Ablösung noch nicht getilgten Teil der Steuerschuld, d.h. der Kapitalwert der noch offenen Restzahlungen. Ist bei der Festsetzung der Jahresraten die Auflösung der Stiftung absehbar, so ist der Jahresbetrag 15 bei der Verrentung nach der verkürzten Laufzeit zu ermitteln und fällt entsprechend höher aus.6
C. Berechnung des Jahresbeitrags (Satz 2) § 24 Satz 2 ErbStG regelt die Berechnung des Jahresbeitrags und stellt klar, dass jeder Jahresbeitrag 16 einen Tilgungs- und einen Verzinsungsanteil umfasst. Der kalkulatorische Zinssatz beträgt die üblichen aus dem Bewertungsgesetz stammenden 5,5 %. Bei vorschüssiger Zahlung beträgt der Verzinsungsanteil damit 6,52 % (100/15,33) und bei nachschüssiger Zahlung 6,88 % der Steuerschuld. Bzgl. der genauen Wertfestsetzung vgl. § 12 BewG Rz. 23 ff. Der jeweils maßgebende Prozentsatz ergibt sich, wenn die Zahl 100 durch den entsprechend der Laufzeit für einen Zinssatz von 5,5 % angegebenen Kapitalisierungszinssatz geteilt wird.7
§ 25
(aufgehoben)
1 Vgl. FinMin. Nds. v. 14.3.1984 – S 3836 - 1 - 34, DB 1984, 751. 2 Vgl. Weinmann in Moench/Weinmann, § 24 ErbStG Rz. 3 (Stand: Februar 2016). 3 Vgl. Weinmann in Moench/Weinmann, § 24 ErbStG Rz. 3 (Stand: Februar 2016); Ebeling in Kapp/Ebeling, § 24 Rz. 7 (Stand: März 2016); Griesel in D/H/R2, § 24 ErbStG Rz. 3 (Stand: 2012). 4 Vgl. Jülicher in T/G/J, § 24 ErbStG Rz. 3 (Stand: Juli 2015); a.A. Weinmann in Moench/Weinmann, § 24 ErbStG Rz. 2 (Stand: Februar 2016) (bei der Ersatzerbschaftsteuer für Altfamilienstiftungen: Jeweils der 1.1. ab 2014, bei anderen Familienstiftungen der jeweils auch unterjährige Entstehungszeitpunkt). 5 Vgl. Jülicher in T/G/J, § 24 ErbStG Rz. 5 (Stand: Juli 2015). 6 Vgl. Jülicher in T/G/J, § 24 ErbStG Rz. 5 (Stand: Juli 2015). 7 Vgl. Jülicher in T/G/J, § 24 ErbStG Rz. 3 (Stand: Juli 2015).
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§ 26 Ermäßigung der Steuer bei Aufhebung einer Familienstiftung oder Auflösung eines Vereins In den Fällen des § 7 Abs. 1 Nr. 9 ist auf die nach § 15 Abs. 2 Satz 2 zu ermittelnde Steuer die nach § 15 Abs. 2 Satz 3 festgesetzte Steuer anteilsmäßig anzurechnen a) mit 50 Prozent, wenn seit der Entstehung der anrechenbaren Steuer nicht mehr als zwei Jahre, b) mit 25 Prozent, wenn seit der Entstehung der anrechenbaren Steuer mehr als zwei Jahre, aber nicht mehr als vier Jahre vergangen sind. A. I. II. III.
Grundaussage der Vorschrift . . . . . . . . . . . Regelungsgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . Bedeutung und Telos . . . . . . . . . . . . . . . . . Geltungsbereich und Verhältnis zu anderen Vorschriften (nationales Recht, internationale Bezüge). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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IV. Rechtsentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 B. Ermäßigung der Steuer. . . . . . . . . . . . . . . . 13
5
A. Grundaussage der Vorschrift I. Regelungsgegenstand § 26 ErbStG enthält eine Steuerermäßigungsvorschrift für die gem. § 7 Abs. 1 Nr. 9 ErbStG entste- 1 hende Auflösungssteuer für die Anfallsberechtigten inländischer Familienstiftungen und inländischer Familienvereine, die Ersatzerbschaftsteuer bezahlt haben. Sie ermöglicht die Anrechnung der Ersatzerbschaftsteuer der Steuersubjekte des § 1 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG auf die Schenkungsteuer des § 7 Abs. 1 Nr. 9 ErbStG bei den bereicherten Empfängern des Vermögens dieser Steuersubjekte anlässlich der Auflösung. Die Anrechnung ist dabei zeitlich und umfangsmäßig eng begrenzt.1
2
II. Bedeutung und Telos Es handelt sich um eine gesetzliche Billigkeitsmaßnahme, um die Substanzbesteuerung des Ver- 3 mögens von ersatzerbschaftsteuerpflichtigen Steuersubjekten zu reduzieren. Die Bedeutung der Vorschrift ist aber gering, weil sie zeitlich und volumenmäßig unzureichend ist. Ferner wird man versuchen, ein ersatzerbschaftsteuerpflichtiges Steuersubjekt vor dem Ersatzerbschaftsteuertermin aufzulösen, statt zunächst die Ersatzerbschaftsteuer zu zahlen und dann nach dem Ersatzerbschaftsteuertermin das Steuersubjekt aufzulösen, um dann nur in sehr engen Grenzen die Ersatzerbschaftsteuer auf die weiter entstehende Steuer für die Auflösung gem. § 7 Abs. 1 Nr. 9 ErbStG anzurechnen.2 Die Gesetzliche Billigkeitsmaßnahmewird in der Praxis nur vorkommen, wenn unvorhergesehene 4 Umstände zur Aufhebung bzw. Auflösung der Familienstiftung führen oder wenn sich z.B. durch Destinatärsstreitigkeiten vor dem Ersatzerbschaftsteuerstichtag die Auflösung planwidrig verzögert.3
1 Vgl. nur Jülicher in T/G/J, § 26 ErbStG Rz. 1 (Stand: Juli 2015); Meincke16, § 26 ErbStG Rz. 1. 2 Vgl. von Oertzen, DStR 2012, Beihefter 2, 37 (41); Weinmann in Moench/Weinmann, § 26 ErbStG Rz. 3 (Stand: Februar 2016). 3 Vgl. LG Mainz v. 23.5.2002 – 12 HK.O 70/01, NZG 2002, 738.
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§ 26 ErbStG Rz. 5 Aufhebung einer Familienstiftung/Auflösung eines Vereins
III. Geltungsbereich und Verhältnis zu anderen Vorschriften (nationales Recht, internationale Bezüge) 5 Die Vorschrift erfasst nur die Anrechnung der Ersatzerbschaftsteuer auf die Schenkungsteuer nach
§ 7 Abs. 1 Nr. 9 ErbStG, aber keine anderen Schenkungs- oder Erbschaftsteuern. Dies ergibt sich aus der Formulierung des § 26 ErbStG, wonach die nach § 15 Abs. 2 Satz 3 ErbStG festgesetzte Steuer anzurechnen ist. In § 15 Abs. 2 Satz 3 ErbStG wird die Berechnung der Ersatzerbschaftsteuer geregelt. 6 Dadurch sind Steuern im Zusammenhang mit der Auflösung ausländischer Vermögensmassen ge-
richtet auf die Bindung von Vermögen oder mit dem Erwerb von Zwischenberechtigten während des Bestehens dieser Vermögensmassen ausgeschlossen.1 7 Sie ermöglicht auch nicht die Anrechnung auf die Einkommensteuern, die gem. § 20 Abs. 1 Nr. 9
EStG bei der Auflösung entstehen können.2 Entsprechendes gilt für die Einkommensteuer nach § 20 Abs. 2 Nr. 8 EStG. 8 Eine Anrechnung der Ersatzerbschaftsteuer auf ersatzerbschaftsteuerpflichtige Körperschaften in der
Körperschaftsteuer ist ebenfalls nicht möglich. Damit kann es anlässlich der Auflösung eines Erbschaftsteuersubjekts zu einer Mehrfachbesteuerung desselben Vermögens in relevanter Höhe kommen. 9 Dennoch wird man davon ausgehen müssen, dass diese Vorschrift verfassungsgemäß ist, da sie noch
in der Entscheidungsprärogative des Gesetzgebers liegt.3 10
Die Vorschrift als reine Inländervorschrift bezüglich der Ersatzerbschaftsteuer begegnet keinen EUrechtlichen Bedenken.4
11
Begünstigte der Vorschrift können darüber hinaus im Rahmen der persönlichen Steuerpflicht auch Ausländer sein, sofern sie von § 7 Abs. 1 Nr. 9 ErbStG betroffen sind, was immer der Fall sein wird, weil ein inländischer Rechtsträger aufgelöst und Vermögen ausgeschüttet wird, so dass die Steuer des § 7 Abs. 1 Nr. 9 ErbStG zwingend im Rahmen einer unbeschränkten Steuerpflicht i.S.d. § 2 ErbStG ausgelöst wird.
IV. Rechtsentwicklung 12
Die Vorschrift kam 1974 mit Einführung der Ersatzerbschaftsteuer in das Gesetz. Im Jahre 20095 sind die Worte „vom Hundert“ durch das Wort „Prozent“ ausgetauscht worden.
B. Ermäßigung der Steuer 13
Zunächst definiert das Gesetz die Voraussetzungen, unter denen eine Anrechnung in Betracht kommt. Es muss ein Fall des § 7 Abs. 1 Nr. 9 ErbStG vorliegen: § 7 Abs. 1 Nr. 9 ErbStG regelt die Besteuerung der Auflösung einer inländischer Familienstiftung und eines inländischen Familienvereins, aber auch die Auflösung einer ausländischen Vermögensmasse sowie den Erwerb eines Zwischenberechtigten einer ausländischen Vermögensmasse. Durch den Verweis auf die nach § 15 Abs. 2 Satz 3 festgesetzte Steuer werden aber die letztgenannten Fälle des § 7 Abs. 1 Nr. 9 ErbStG von der Anrechnung ausgeschlossen. Nur eine festgesetzte Ersatzerbschaftsteuer kann auf die Steuer nach § 7 Abs. 1 Nr. 9 ErbStG angerechnet werden. Aufgrund des Wortlauts ist es gleichgültig, ob die Festsetzung zutreffend erfolgte oder fehlerhaft ist. 1 Vgl. Meincke16, § 26 ErbStG Rz. 5; Jüptner in F/J/P/W5, § 26 ErbStG Rz. 6. 2 Vgl. hierzu BMF v. 27.6.2006 – IV B 7 - S 2252 – 4/06, BStBl. I 2006, 417 = DStR 2006, 1227. 3 So Jüptner in F/J/P/W5, § 26 ErbStG Rz. 3; a.A. Jochum in Wilms/Jochum, § 26 ErbStG Rz. 9 (Stand: Juni 2016). 4 Vgl. von Oertzen, DStR 2012, Beihefter 2, 37 (39). 5 Siehe Jochum in Wilms/Jochum, § 26 ErbStG Rz. 6 (Stand: Juni 2016).
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Ermäßigung der Steuer
Rz. 18 § 26 ErbStG
Durch die Formulierung „ist anzurechnen“, hat die Anrechnung von Amts wegen und nicht nur 14 auf Antrag zu erfolgen. Anders als in § 27 ErbStG ist es für § 26 ErbStG gleichgültig, ob das Vermögen, welches der Ersatz- 15 erbschaftsteuer unterliegt und Vermögen, welches nach § 7 Abs. 1 Nr. 9 ErbStG der Besteuerung unterliegt, identisch ist.1 Das Anrechnungsvolumen ergibt sich aus Buchst. a und Buchst. b der Norm. Es beträgt 50 %, wenn 16 seit der Entstehung der Ersatzerbschaftsteuer nicht mehr als zwei Jahre und 25 %, wenn seit der Entstehung der Ersatzerbschaftsteuer nicht mehr als vier Jahre vergangen sind. Die Fristen werden taggenau berechnet. Es sind die durch § 9 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG und § 9 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG definierten Steuerentstehungszeitpunkte maßgebend. Es gelten im Übrigen die Grundsätze der Fristberechnung, die der BFH zu § 14 ErbStG entwickelt hat.2 Geht das Vermögen auf mehrere Erwerber über, so ordnet das Gesetz an, dass die Anrechnung der Er- 17 satzerbschaftsteuer „anteilsmäßig“ zu erfolgen hat. Anteilsmäßig bedeutet nicht nach Köpfen, sondern im Verhältnis der Beteiligung am übergehenden Vermögen. Die h.M. meint dabei das Bruttovermögen vor Abzug der persönlichen Freibeträge.3 Dem ist zuzustimmen, weil ansonsten die vom Gesetzgeber gewollte Wirkung der persönlichen Freibeträge aufgehoben würde.4 Ist einer der Anfallsberechtigten nach § 13 Abs. 1 Nr. 16 Buchst. b ErbStG steuerbefreit z.B. bei 18 Überführung von Vermögen auf eine steuerbegünstigte Stiftung, geht deren Anrechnungsvolumen nicht verloren. Vielmehr wird das Anrechnungsvolumen auf die steuerpflichtigen Erwerber verteilt.5 Dies lässt sich mit dem Wortlaut des § 26 ErbStG begründen, wonach auf die nach § 15 Abs. 2 Satz 2 ErbStG zu ermittelnde Steuer die festgesetzte Ersatzerbschaftsteuer anzurechnen ist. Bei einem nach § 13 Abs. 1 Nr. 16 Buchst. b ErbStG steuerbefreiten Erwerber gibt es aber keine zu ermittelnde Steuer i.S.d. § 15 Abs. 2 Satz 3 ErbStG.
1 Vgl. Jülicher in T/G/J, § 26 ErbStG Rz. 2 (Stand: Juli 2015). 2 Vgl. BFH v. 28.3.2012 – II R 43/11, BStBl. II 2012, 599 = FR 2013, 45. 3 Vgl. Jülicher in T/G/J, § 26 ErbStG Rz. 3 (Stand: Juli 2015); Jüptner in F/J/P/W5, § 26 ErbStG Rz. 5; Weinmann in Moench/Weinmann, § 26 ErbStG Rz. 4 (Stand: Februar 2016). 4 Vgl. Jülicher in T/G/J, § 26 ErbStG Rz. 3 (Stand: Juli 2015). 5 H.M., vgl. Jülicher in T/G/J, § 26 ErbStG Rz. 4 (Stand: Juli 2015); Eisele in Kapp/Ebeling, § 26 ErbStG Rz. 6 (Stand: März 2016).
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§ 27 Mehrfacher Erwerb desselben Vermögens (1) Fällt Personen der Steuerklasse I von Todes wegen Vermögen an, das in den letzten zehn Jahren vor dem Erwerb bereits von Personen dieser Steuerklasse erworben worden ist und für das nach diesem Gesetz eine Steuer zu erheben war, ermäßigt sich der auf dieses Vermögen entfallende Steuerbetrag vorbehaltlich des Absatzes 3 wie folgt: um … Prozent wenn zwischen den beiden Zeitpunkten der Entstehung der Steuer liegen 50 nicht mehr als 1 Jahr 45 mehr als 1 Jahr, aber nicht mehr als 2 Jahre 40 mehr als 2 Jahre, aber nicht mehr als 3 Jahre 35 mehr als 3 Jahre, aber nicht mehr als 4 Jahre 30 mehr als 4 Jahre, aber nicht mehr als 5 Jahre 25 mehr als 5 Jahre, aber nicht mehr als 6 Jahre 20 mehr als 6 Jahre, aber nicht mehr als 8 Jahre 10 mehr als 8 Jahre, aber nicht mehr als 10 Jahre (2) Zur Ermittlung des Steuerbetrags, der auf das begünstigte Vermögen entfällt, ist die Steuer für den Gesamterwerb in dem Verhältnis aufzuteilen, in dem der Wert des begünstigten Vermögens zu dem Wert des steuerpflichtigen Gesamterwerbs ohne Abzug des dem Erwerber zustehenden Freibetrags steht. (3) Die Ermäßigung nach Absatz 1 darf den Betrag nicht überschreiten, der sich bei Anwendung der in Absatz 1 genannten Prozentsätze auf die Steuer ergibt, die der Vorerwerber für den Erwerb desselben Vermögens entrichtet hat. A. I. II. III.
Grundaussagen der Vorschrift. . . . . . . . . . Regelungsgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . Bedeutung und Telos . . . . . . . . . . . . . . . . . Geltungsbereich und Verhältnis zu anderen Vorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Nationales Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Internationale Aspekte . . . . . . . . . . . . . . IV. Rechtsentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1 1 2 3 3 4 7
B. Steuerermäßigung (Abs. 1) . . . . . . . . . . . . . 8 C. Aufteilung der Steuer für den Zweiterwerb (Abs. 2) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 D. Ermäßigungshöchstgrenze (Abs. 3) . . . . . . 27 E. Berechnung der Ermäßigung in Sonderfällen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29
Verwaltungsanweisungen: R E 27 ErbStR 2011; H E 27 ErbStH 2011.
A. Grundaussagen der Vorschrift I. Regelungsgegenstand Nach § 27 ErbStG ermäßigt sich der Steuerbetrag um maximal 50 %, wenn Personen der Steuerklas- 1 se I von Todes wegen Vermögen anfällt, das in den letzten zehn Jahren vor dem Erwerb bereits von Personen dieser Steuerklasse erworben worden ist. Die Vorschrift regelt den umgekehrten Fall des § 14 ErbStG, d.h. bei § 27 ErbStG geht derselbe Erwerb innerhalb von zehn Jahren durch verschiedene Hände, wohingegen bei § 14 ErbStG ein Erwerber innerhalb von zehn Jahren mehrfach Vermögen erwirbt. § 27 ErbStG wird von Amts wegen angewendet; ein Antrag ist entbehrlich.
II. Bedeutung und Telos Die Norm hat den Zweck, bei mehrmaligem Übergang desselben Vermögens innerhalb von zehn 2 Jahren auf den begünstigten Erwerberkreis die auf dieses Vermögen entfallende Steuer zu ermäßi-
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§ 27 ErbStG Rz. 3 Mehrfacher Erwerb desselben Vermögens gen.1 Dies beruht auf der Überlegung, dass das Erbschaftsteuergesetz das Vermögen im Abstand von einer Generation besteuern soll. Auch die Erbersatzsteuer nach § 1 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG beruht auf diesem Gedanken, da diese Vorschrift einen Inhaberwechsel alle 30 Jahre hinsichtlich des in der Stiftung gebundenen Vermögens unterstellt. Da bei Erwerben innerhalb von kurzer Zeit das Vermögen sich von dem Steuerzugriff nicht regenerieren kann, also in diesen Fällen die Gefahr besteht, dass der Steuerzugriff das Vermögen aufzehrt, schafft die Vorschrift – teilweise – Abhilfe.
III. Geltungsbereich und Verhältnis zu anderen Vorschriften 1. Nationales Recht 3 Die Vorschrift erlangt dann praktische Bedeutung, wenn weder die Regelung des § 29 ErbStG zu ei-
nem Erlöschen der Steuer führt noch § 13 Abs. 1 Nr. 10 ErbStG einschlägig ist. Die sog. Katastrophenklauseln, d.h. Anordnungen in Erbverträgen oder gemeinschaftlichen Testamenten zum gemeinsamen Versterben führen erbschaftsteuerlich nicht dazu, dass die Steuer nach dem Tod des Erstversterbenden nicht entsteht. Denn die Vollerbeinsetzung ist in diesen Fällen auflösend bedingt unter gleichzeitiger Anordnung einer aufschiebend bedingten Vor- und Nacherbschaft, für die § 6 Abs. 1 und 2 ErbStG und nicht § 6 Abs. 3 ErbStG gilt.2 Versterben die Ehegatten dann kurz hintereinander, ist nur § 27 ErbStG anwendbar, es sei denn, die aus dem Ersterwerb resultierende Erbschaftsteuer wird über eine Ausschlagung nach § 1952 BGB (Vererblichkeit des Ausschlagungsrechts) zum Erlöschen gebracht. Versterben aber z.B. die Ehegatten bei Existenz eines Berliner Testaments wirklich zeitgleich oder lässt sich nicht mehr klären, wer zuerst gestorben ist (§ 11 VerschG – Vermutung gleichzeitigen Versterbens), so liegt kein Fall des § 27 ErbStG vor, da der eingesetzte Schlusserbe dann gleichzeitig Erbe von beiden Ehegatten wird, also kein mehrfach hintereinander gestaffelter Erwerb existiert. Zum Zusammentreffen von § 27 ErbStG und § 14 ErbStG s. Rz. 29 ff. 2. Internationale Bezüge 4 Der Wortlaut des § 27 ErbStG setzt voraus, dass „nach diesem Gesetz“, d.h. nach der jeweiligen Fas-
sung des ErbStG, eine Steuer für den Ersterwerb erhoben worden ist. Existierte im Zeitpunkt des Ersterwerbs keine Schenkung- oder Erbschaftsteuerpflicht in Deutschland, so ist die Vorschrift nach ihrem Wortlaut nicht anwendbar. Jedoch legte der BFH mit Beschluss vom 20.1.20153 dem EuGH zur Vorabentscheidung die Frage vor, ob die Kapitalverkehrsfreiheit nach Art. 63 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 65 AEUV der Regelung eines Mitgliedstaats entgegensteht, die bei einem Erwerb von Todes wegen durch Personen einer bestimmten Steuerklasse eine Ermäßigung der Erbschaftsteuer vorsieht, wenn der Nachlass Vermögen enthält, das in den letzten zehn Jahren vor dem Erwerb bereits von Personen dieser Steuerklasse erworben worden ist, und für diesen Vorerwerb Erbschaftsteuer in dem Mitgliedstaat festgesetzt wurde, während eine Steuerermäßigung ausscheidet, wenn für den Vorerwerb Erbschaftsteuer in einem anderen Mitgliedstaat erhoben wurde. Der EuGH4 verneinte jedoch die Europarechtswidrigkeit. Wurde der Ersterwerb in Deutschland beschränkt besteuert, so ist die Vorschrift insoweit anwendbar, reduziert also insoweit die Mehrfachbelastung, wobei § 16 Abs. 2 ErbStG nicht anwendbar ist.5 Wurde das Optionsrecht nach § 2 Abs. 3 ErbStG für den Ersterwerb ausgeübt, ist § 27 ErbStG vollumfänglich anwendbar. Erfolgt hingegen die Ausübung des Optionsrechts nur für den Zweiterwerb,
1 BFH v. 14.7.2011 – II B 27/11, BFH/NV 2011, 1881. 2 Bestelmeyer, Nochmals: Klauseln zum „gemeinsamen Versterben“ in Ehegattentestamenten: Ende eines Mythos? – Zivilrechtliche und erbschaftsteuerliche Folgen, ZEV 2006, 146; Feick, Klauseln zum „gemeinsamen Versterben“ in Ehegattentestamenten: Ende eines Mythos? – Zivilrechtliche und erbschaftsteuerliche Folgen, ZEV 2006, 16. 3 BFH v. 20.1.2015 – II R 37/13, BStBl II. 2015, 497. 4 EuGH v. 30.6.2016 – C-123/15, BB 2016, 1702. 5 EuGH v. 8.6.2016 – C-479/14, DStR 2016, 1360; FG Düsseldorf v. 13.7.2016 – 4 K 488/14 Erb, juris.
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Steuerermäßigung (Abs. 1)
Rz. 8 § 27 ErbStG
ist die Steuer nur insoweit zu ermäßigen, als das Vermögen im Zeitpunkt des Ersterwerbs einer beschränkten Steuerpflicht unterlag. Zweifelhaft ist, ob die Steuer für den Zweiterwerb nach § 27 ErbStG zu ermäßigen ist, wenn die aus- 5 ländische Steuer nach § 21 Abs. 1 ErbStG auf die deutsche Steuer für den Ersterwerb angerechnet worden ist. In diesem Fall ist zwar für das frühere Vermögen eine deutsche Erbschaftsteuer festgesetzt worden, nach dem Wortlaut des § 27 Abs. 1 ErbStG muss eine solche jedoch „zu erheben“ gewesen sein.1 Für dieses Ergebnis spricht auch das EuGH-Urteil vom 8.6.2016.2 Ist die Anrechnung erst beim Zweiterwerb vorzunehmen, so ergibt sich aus der Höchstbetragsbegrenzung des § 21 ErbStG, dass die ausländische Steuer nur noch bis zur Höhe der ermäßigten deutschen Steuer anzurechnen ist.3 Definitiv kann § 27 ErbStG nach seinem Wortlaut dann wiederum nicht angewendet werden, wenn Auslandsvermögen aufgrund Freistellung in einem DBA ausschließlich einer ausländischen Erbschaftsteuer unterlag.4 Treffen die §§ 27, 21 und 14 ErbStG aufeinander, so ist die sich für den steuerpflichtigen Erwerb er- 6 gebende Steuer zunächst nach § 27 ErbStG zu ermäßigen, auf die ermäßigte Steuer die ausländische Steuer nach Maßgabe des § 21 ErbStG anzurechnen und auf die danach festzusetzende Steuer die Begrenzung des § 14 Abs. 3 ErbStG anzuwenden.5
IV. Rechtsentwicklung Die Vorschrift beruht auf der Vorgängerregelung des § 21 ErbStG a.F., die auch noch den Letzt- 7 erwerb unter Lebenden begünstigte. Im Jahr 1996 wurde die Vorschrift durch das JStG 1997 neu gefasst, d.h. der Letzterwerb unter Lebenden wurde aus dem Anwendungsbereich der Vorschrift ausgeklammert und die begünstigten Personen auf die Steuerklasse I begrenzt, wobei gleichzeitig Personen, die früher der Steuerklasse II (Enkelkinder bei lebendem Elternteil und Eltern bei Erwerben von Todes wegen) angehörten, in die Steuerklasse I überführt wurden. Durch das ErbStRG wurde die Vorschrift nur noch redaktionell geändert. Seit dem JStG 2010 gilt aufgrund der Gleichstellung mit Ehegatten § 27 ErbStG auch für eingetragene Lebenspartner.6
B. Steuerermäßigung (Abs. 1) Die Vorschrift setzt voraus, dass das Vermögen mehrfach innerhalb von zehn Jahren erworben 8 wird. Nicht erforderlich ist, dass das Vermögen beim Zweiterwerb noch dieselbe Form aufweist wie beim Ersterwerb. Eine Identität der Vermögensgegenstände ist nicht erforderlich. Es gelten folglich die Grundsätze der Surrogation,7 d.h. an die Stelle eines vom Ersterwerber verkauften Gegenstands tritt z.B. der Verkaufserlös.8 Es gilt keine strenge bürgerlich-rechtliche, sondern eine wirtschaftliche Betrachtungsweise.9 Dies gilt auch, wenn der Ersterwerber die Nacherbenanwartschaft veräußert.10 Auch die FinVerw. folgt der wirtschaftlichen Betrachtungsweise und geht z.B. von demselben Vermögen aus, wenn die Rechtsform eines gewerblichen Betriebs geändert wird.11 Es genügt für den Übergang von Vermögen i.S.d. § 27 ErbStG eine nachweisbare Kontinuität des Wertsaldos.12 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12
Jülicher in T/G/J, § 27 ErbStG Rz. 18 (Stand: Juli 2015); a.A. Pahlke in F/J/P/W5, § 27 ErbStG Rz. 20. EuGH v. 8.6.2016 – C-479/14, DStR 2016, 1360. Jülicher in T/G/J, § 27 ErbStG Rz. 29 (Stand: Juli 2015). Jülicher in T/G/J, § 27 ErbStG Rz. 29 (Stand: Juli 2015). R E 14.1 Abs. 5 ErbStR 2011. BVerfG v. 21.7.2010 – 1 BvR 611/07 u.a., NJW 2010, 2783; JStG 2010, BGBl. I 2010, 1768; zur zeitlichen Anwendung § 37; Abs. 4 und Abs. 5 Nr. 1 ErbStG. FG Berlin v. 10.3.1992 – V 11/90, EFG 1992, 470. FG Berlin v. 10.3.1992 – V 11/90, EFG 1992, 470 m.w.N. BFH v. 25.3.1974 – II R 40/68, BStBl. II 1974, 658. BFH v. 30.10.1979 – II R 4/76, BStBl. II 1980, 46. OFD München v. 27.8.2003 – S 3839 – 2 St 353, DStZ 2003, 817. BFH v. 25.3.1974 – II R 40/68, BStBl. II 1974, 658.
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§ 27 ErbStG Rz. 9 Mehrfacher Erwerb desselben Vermögens 9 § 27 ErbStG ist auch dann anwendbar, wenn beim Letzterwerb nur noch ein Teil des zum Ersterwerb
gehörenden Vermögens, ein Nutzungsrecht oder ein einzelnes Wirtschaftsgut vorhanden ist. Nur bei einem vollständigen Verbrauch des beim Ersterwerb besteuerten Vermögens scheidet die Begünstigung nach § 27 ErbStG aus.1 Lässt sich der Übergang desselben Vermögens nicht mehr exakt nachweisen, so kann dieses nach § 162 AO geschätzt werden.2 10
Bewertungshöchstgrenze ist der Wert, mit dem das Vermögen beim Vorerwerber tatsächlich der Besteuerung unterlag.3 Wertsteigerungen, die sich zwischen dem Erst- und Zweiterwerb eingestellt haben, sind folglich von der Ermäßigung ausgenommen, da insoweit auch eine mehrfache Besteuerung nicht stattfindet.4 Unter Wertsteigerungen sind auch höhere Steuerwerte aufgrund neuer Bewertungsvorschriften zu verstehen.5 Treten Wertminderungen ein, darf nur der geminderte Wert im Zeitpunkt des Nacherwerbs in die Ermäßigung einbezogen werden.6
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Sowohl der Erst- als auch der Zweiterwerb muss in der Steuerklasse I anfallen. Zu den Personen der Steuerklasse I gehören nach § 15 Abs. 1 Steuerklasse I ErbStG der Ehegatte, die Kinder und Stiefkinder, die Abkömmlinge der Kinder und Stiefkinder, die Eltern und Voreltern bei Erwerben von Todes wegen sowie auch der Lebenspartner.7 Maßgeblich für die Zugehörigkeit zur Steuerklasse I ist der Zeitpunkt des jeweiligen Erwerbs.8 Das Verhältnis gemäß Steuerklasse I muss zum unmittelbaren Rechtsvorgänger bestehen, d.h. es ist nicht ausreichend, wenn der Letzterwerber nur zum ursprünglichen Vermögensinhaber die Merkmale der Steuerklasse I erfüllt.9 Es ist folglich aber auch nicht schädlich, wenn zwischen dem Letzterwerber und dem ursprünglichen Vermögensinhaber nicht die Steuerklasse I gilt. Die Anwendbarkeit der Tarifbegrenzung des § 19a ErbStG zugunsten von Erwerbern der Steuerklasse II oder III führt nicht zur Ermäßigung nach § 27 ErbStG, da für diese Vorschrift allein die Steuerklasse entscheidend ist; § 19a ErbStG enthält nur eine Steuersatzermäßigung, aber keine Steuerklassenumgruppierung. Wirkt eine Gesetzesänderung auf den Zeitpunkt des Erwerbs zurück (z.B. eingetragene Lebenspartner, § 37 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG), gilt § 27 ErbStG, wenn die Voraussetzungen im Tatsächlichen (Lebenspartnerschaft) im Erwerbszeitpunkt bereits vorlagen.
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Der Ersterwerb kann ein solcher unter Lebenden (§ 7 ErbStG), aber auch von Todes wegen (§§ 3, 4 ErbStG) sein, jedoch muss der Zweiterwerb von Todes wegen erfolgen.10 § 1 Abs. 2 ErbStG ist nicht anwendbar, da § 27 ErbStG eine abweichende Bestimmung enthält. Im Vergleich zu § 21 ErbStG a.F. wurde der Zweiterwerb seitens des Gesetzgebers auf Erwerbe von Todes wegen beschränkt, um zu vermeiden, dass die Ermäßigung durch Schenkung bewusst herbeigeführt wird. Diese grammatikalische und historische Auslegung entspricht auch der Gesetzessystematik, d.h. der Vorschrift des § 13 Abs. 1 Nr. 10 ErbStG.
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Als Letzterwerb kommt z.B. auch die Abfindung für die Ausschlagung eines Vermächtnisses i.S.d. § 3 Abs. 2 Nr. 4 ErbStG11 oder die Übertragung des Anwartschaftsrechts des Nacherben gegen Entgelt auf den Vorerben in Betracht, weil die Verwirklichung des Steuertatbestands des § 3 Abs. 2 Nr. 6 ErbStG ein Erwerb von Todes wegen ist,12 obwohl diese Absprachen unter Lebenden getroffen werden. Denn § 3 ErbStG weist diese Vorgänge den Erwerben von Todes wegen zu.
1 Jülicher in T/G/J, § 27 ErbStG Rz. 16 (Stand: Juli 2015). 2 OFD München v. 27.8.2003 – S 3839 – 2 St 353, DStZ 2003, 817; FG Berlin v. 10.3.1992 – V 11/90, EFG 1992, 470. 3 R E 27 Abs. 1 Satz 1 ErbStR 2011. 4 R E 27 Abs. 1 Satz 2 ErbStR 2011. 5 Halaczinsky in D/H/R2, § 27 ErbStG Rz. 6; wohl auch R E 27 Abs. 1 Satz 1 ErbStR 2011. 6 R E 27 Abs. 1 Satz 3 ErbStR 2011. 7 BVerfG v. 21.7.2010 – 1 BvR 611/07 u.a., NJW 2010, 2783; JStG 2010, BGBl. I 2010, 1768; zur zeitlichen Anwendung § 37 Abs. 4 und Abs. 5 Nr. 1 ErbStG. 8 BFH v. 14.7.2011 – II B 27/11, BFH/NV 2011, 1881. 9 BFH v. 14.7.2011 – II B 27/11, BFH/NV 2011, 1881. 10 BFH v. 16.7.1997 – II B 99/96, DStR 1997, 1572. 11 Halaczinsky in D/H/R2, § 27 ErbStG Rz. 3. 12 BFH v. 30.10.1979 – II R 4/76, BStBl. II 1980, 46.
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Steuerermäßigung (Abs. 1)
Rz. 18 § 27 ErbStG
Erwogen wird auch, die Abfindung für einen Erb- oder Pflichtteilsverzicht i.S.d. § 7 Abs. 1 Nr. 5 14 ErbStG als Erwerb von Todes wegen i.S.d. § 27 ErbStG zu qualifizieren, da das FG Nürnberg1 den Versorgungsfreibetrag nach § 17 ErbStG auch auf den Tatbestand des § 7 Abs. 1 Nr. 5 ErbStG anwendet.2 Dagegen könne nicht eingewandt werden, dass die Beteiligten den Zeitpunkt des Vermögensübergangs frei in der Hand hätten, weil dies auch bei § 3 Abs. 2 Nr. 6 ErbStG der Fall sei. Folgt man jedoch der grammatikalischen und gesetzessystematischen Auslegung, so ist der Erwerb nach § 3 Abs. 2 Nr. 6 ErbStG ein solcher von Todes wegen und derjenige nach § 7 Abs. 1 Nr. 5 ErbStG ein solcher unter Lebenden, so dass Letzterer als Letzterwerb i.S.d. § 27 ErbStG ausscheidet. Die Vorschrift hat zwar den Fall im Auge, dass zwei aufeinanderfolgende Erwerbe existieren. Aller- 15 dings greift sie auch dann ein, wenn mehr als zwei aufeinanderfolgende Erwerbe stattfinden. Ist § 27 ErbStG mehrfach hintereinander anzuwenden, ist bei der Berechnung des Ermäßigungshöchstbetrags für den letzten Steuerfall nur die gekürzte Steuer des Vorerwerbs zugrunde zu legen, wenn schon die Steuer für den Zwischenerwerb nach § 27 ErbStG zu ermäßigen war.3 Teilweise wird die Vorschrift auch dann angewendet, wenn ein Inhaber- oder Eigentumswechsel aus anderen Gründen vorliegt, so z.B. wenn zunächst ein Betrieb von A auf B vererbt, dann von B an C veräußert und schließlich von C an D im Wege der Erbfolge weitergegeben wird, sollten die sonstigen Voraussetzungen der Vorschrift vorliegen.4 Allerdings liegt in diesem Fall nur hinsichtlich des Surrogats (Verkaufserlös) bei B noch dasselbe Vermögen vor, so dass nur dessen Weitergabe von Todes wegen, aber nicht der Erwerb von D nach § 27 ErbStG begünstigt sein kann. Anderenfalls könnte es in diesem Fall zur doppelten Anwendung des § 27 ErbStG kommen, einerseits zugunsten des Erwerbs nach B und andererseits zugunsten von D. § 27 ErbStG erfasst auch den Fall, dass mehr als zwei steuerpflichtige Erwerbe existieren und ein 16 Zwischenerwerb nicht in Steuerklasse I stattgefunden hat; ausreichend ist nach dem Wortlaut, wenn der Erst- und der begünstigte Letzterwerb in dieser Steuerklasse angefallen ist.5 Schließlich fällt auch der Erwerb und anschließende Rückerwerb, sollten die §§ 29, 13 Abs. 1 Nr. 10 ErbStG nicht anwendbar sein, in den Anwendungsbereich des § 27 ErbStG (z.B. Schenkung an einen Ehepartner und Rückerwerb infolge dessen Versterbens ohne Rückforderungsrecht für den Fall des Vorversterbens).6 Die Tatbestände der §§ 3 und 7 ErbStG bestimmen die am Erwerb beteiligten Personen. Bei einer 17 Kettenschenkung (möglicher Ersterwerb) ist stets exakt auf die Ausgestaltung zu achten, d.h. es ist zu bestimmen, ob der Zwischenerwerber überhaupt bereichert ist.7 Beim Erbverzicht gem. § 7 Abs. 1 Nr. 5 ErbStG erwirbt der Verzichtende vom Erblasser, auch wenn die Abfindung von einem Dritten geleistet wird.8 Bei der Vor- und Nacherbschaft beerbt der Nacherbe grundsätzlich den Vorerben (§ 6 Abs. 2 Satz 1 18 ErbStG), jedoch kann der Nacherbe den Antrag nach § 6 Abs. 2 Satz 2 ErbStG stellen. Dies hilft dann weiter, wenn der Erblasser der Ersterwerber ist und der Nacherbe zu diesem in einem Verhältnis steht, das zur Anwendung der Steuerklasse I führt. Ist hingegen der Vorerbe der Ersterwerber, besteht aber nur zum Erblasser die Steuerklasse I, hilft die Antragstellung nicht weiter.9 Tritt die Nacherbfolge nicht mit dem Tod des Vorerben ein (§ 6 Abs. 3 ErbStG), ist § 27 ErbStG nach Ansicht der FinVerw. wegen der Anrechnungsmöglichkeit nicht anwendbar.10 Es wird vertreten, dass dies nur insoweit gilt, als eine Anrechnung in Betracht kommt.11 Die Ausführungen zur Vor- und Nacherbschaft gelten gem. § 6 Abs. 4 ErbStG für das Vor- und Nachvermächtnis entsprechend. Leitet der Vorerbe 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11
FG Nürnberg v. 12.9.1989 – VI 408/84, EFG 1990, 65. Jülicher in T/G/J, § 27 ErbStG Rz. 11 (Stand: Juli 2015). Jülicher in T/G/J, § 27 ErbStG Rz. 31 (Stand: Juli 2015). Meincke in Meincke16, § 27 ErbStG Rz. 8. Jülicher in T/G/J, § 27 ErbStG Rz. 5 (Stand: Juli 2015); a.A. OFD Köln v. 28.5.1973 – S 3804 – 3 – St 222, DB 1973, 1280. Jülicher in T/G/J, § 27 ErbStG Rz. 5 (Stand: Juli 2015). BFH v. 30.11.2011 – II B 60/11, ErbStB 2012, 100 = BFH/NV 2012, 580. Jülicher in T/G/J, § 7 ErbStG Rz. 317 f. (Stand: Juli 2015). BFH v. 14.7.2011 – II B 27/11, BFH/NV 2011, 1881. R E 27 Abs. 3 ErbStR 2011. Jülicher in T/G/J, § 27 ErbStG Rz. 19 f. (Stand: Juli 2015); a.A. Pahlke in F/J/P/W5, § 27 ErbStG Rz. 13.
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§ 27 ErbStG Rz. 19 Mehrfacher Erwerb desselben Vermögens an den Nacherben die Nacherbschaft vorzeitig weiter, handelt es sich um einen Erwerb unter Lebenden i.S.d. § 7 Abs. 1 Nr. 7 ErbStG, der nicht als Letzterwerb nach § 27 ErbStG in Betracht kommt. 19
Beim Erwerb des Schlusserben im Falle eines Berliner Testaments i.S.d. § 2269 BGB ist § 15 Abs. 3 ErbStG zu beachten, wobei diese Vorschrift im Rahmen des § 27 ErbStG jedoch keine Bedeutung erlangt. Die Stiefkinder gehören zur Steuerklasse I (§ 15 Abs. 1 Steuerklasse I Nr. 2, 3 ErbStG), so dass § 15 Abs. 3 ErbStG nur im Rahmen der Steuerklasse II und III eine Wirkung entfaltet. Der Erwerb in diesen Steuerklassen ist jedoch gerade nicht von § 27 ErbStG privilegiert.
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Die Weiterleitung des Schenkgegenstands für den Fall des Todes des Beschenkten an einen Dritten aufgrund eines entsprechenden Vorbehalts im Schenkungsvertrag stellt einen Letzterwerb i.S.d. § 27 ErbStG dar, wenn die Weiterleitung aufgrund des Todes des Beschenkten geschieht. Anderenfalls liegt ein nicht begünstigungsfähiger Letzterwerb unter Lebenden vor.
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Die Vorschrift setzt den doppelten Steuerzugriff beim Erst- und Zweiterwerb voraus, der abgemildert werden soll. Die Steuerermäßigung führt zu einer Kürzung der auf den Zweiterwerb entfallenden Steuer, verlangt also, dass für den Zweiterwerb tatsächlich eine Steuer entsteht. Ist der Zweiterwerb durch eine sachliche Steuerbefreiung (§ 13 ff. ErbStG) oder persönlichen Freibeträge (§§ 5, 16, 17 ErbStG) steuerfrei gestellt, ist die Vorschrift nicht anwendbar. Führt umgekehrt der Zweiterwerb zu einer Steuerentstehung und wurde der Ersterwerb steuerfrei vereinnahmt, so greift die Vorschrift ebenfalls nicht ein.1 Letzteres ergibt sich ohne weiteres aus § 27 Abs. 3 ErbStG, nach dem die Ermäßigung nach Abs. 1 den Betrag nicht überschreiten darf, der sich bei Anwendung der in Abs. 1 genannten Prozentsätze auf die Steuer ergibt, die der Vorerwerber für den Erwerb desselben Vermögens entrichtet hat. Weitere Voraussetzung ist, dass die Steuer tatsächlich entrichtet worden ist, also nicht nur erhoben wurde. Wurde die Steuer für den Ersterwerb aus Billigkeitsgründen (§§ 163, 227 AO) erlassen oder ist die Steuer gem. § 29 ErbStG nachträglich erloschen, so ist die Steuerermäßigung unanwendbar. Die Steuer wird jedoch gem. § 27 ErbStG gekürzt, wenn sie für den Ersterwerb festgesetzt, aber gestundet worden ist. Auch hinsichtlich des Zweiterwerbs ist die Stundung der Steuer unschädlich.
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Der mehrfache Erwerb des Vermögens muss innerhalb von zehn Jahren stattfinden. Anderenfalls entfällt eine Steuerermäßigung. Der Vomhundertsatz ist innerhalb des Zehnjahreszeitraums gestaffelt. Er ist mit der zu erhebenden Steuer und im Rahmen des § 27 Abs. 3 ErbStG mit der Steuer für den Vorerwerb zu multiplizieren. Fristauslösendes Ereignis ist die Steuerentstehung nach § 9 ErbStG. Die Frist ist rückwärts zu berechnen, wobei das BFH, Urt. v. 28.3.2012 zu beachten ist.2
C. Aufteilung der Steuer für den Zweiterwerb (Abs. 2) 23
Geht ausschließlich dasselbe Vermögen auf den Erwerber über, ist der Prozentsatz aus Abs. 1 mit dem zu erhebenden Steuerbetrag zu multiplizieren; dieses Produkt bildet dann – vorbehaltlich Abs. 3 – den Ermäßigungsbetrag. Bei identischem Erst- und Zweitererb, insbesondere relevant bei zeitlich kurz aufeinanderfolgenden Todesfällen, erfolgt folglich keine Aufteilung der Steuer, d.h. eine Verhältnisrechnung nach § 27 Abs. 2 ErbStG ist nicht durchzuführen.3
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Wird dagegen beim Zweiterwerb neben dem begünstigten Vermögen weiteres Vermögen erworben, muss zunächst die auf das begünstigte Vermögen entfallende Steuer ermittelt werden, d.h. es bedarf der Aufteilung der Steuer für den Gesamterwerb auf das begünstigte und das sonstige Vermögen. Es ist zunächst die für den Gesamterwerb entstehende Steuer insb. unter Berücksichtigung sachlicher (§§ 13 ff. ErbStG) und persönlicher (§§ 5, 16, 17 ErbStG) Steuerbefreiungen zu ermitteln. Danach ist dieser Steuerbetrag aufzuteilen, wobei das Verhältnis des steuerlichen Werts des begünstigten Vermögens zum Zeitpunkt des Ersterwerbs, d.h. ohne Berücksichtigung von Wertsteigerungen, zum steuerlichen Wert des Gesamterwerbs im Zeitpunkt des Letzterwerbs maßgeblich ist; Wert-
1 BFH v. 8.2.1961 – II 288/58 U, BStBl. III 1961, 135. 2 BFH v. 28.3.2012 – II R 43/11, FR 2013, 45 = BFH/NV 2012, 1253. 3 Meincke in Meincke16, § 27 ErbStG Rz. 13; Jülicher in T/G/J, § 27 ErbStG Rz. 24 (Stand: Juli 2015).
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Berechnung der Ermäßigung in Sonderfällen
Rz. 29 § 27 ErbStG
minderungen sind hingegen zu berücksichtigen.1 Anschließend ist die auf das begünstigte Vermögen entfallende Steuer mit dem Prozentsatz aus § 27 Abs. 1 ErbStG zu multiplizieren. Sind an dem Letzterwerb mehrere Erwerber beteiligt, so ist das begünstigte Vermögen entsprechend 25 der Erbquote für jeden Erwerber zu ermitteln. Für jeden Erwerber bleibt das persönliche Verhältnis zum Erblasser maßgeblich. Stehen Schulden und Lasten im unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhang mit mehrfach er- 26 worbenem Vermögen und anderem Vermögen, ist die Steuer für den Gesamterwerb gem. § 27 Abs. 2 ErbStG in dem Verhältnis aufzuteilen, in dem der Wert des begünstigten Vermögens zu dem Wert des steuerpflichtigen Gesamterwerbs steht, aber jeweils nach Abzug aller im unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhang stehenden Schulden und Lasten, ggf. gekürzt nach § 10 Abs. 6 ErbStG. Dies gilt auch für sachliche Steuerbefreiungen i.S.d. §§ 13 bis 13c ErbStG, jedoch nicht für persönliche Freibeträge.2 Diese sind folglich nur bei der Steuerberechnung, aber nicht bei der Aufteilung der Steuer auf das begünstigte und nicht begünstigte Vermögen zu berücksichtigen. Die nicht unmittelbar zuzuordnenden Schulden und Lasten bleiben bei der Ermittlung des Aufteilungsverhältnisses unberücksichtigt.3 Die Frage, welche Schulden und Lasten im unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhang stehen, richtet sich nach den Kriterien des § 10 Abs. 6 ErbStG.
D. Ermäßigungshöchstgrenze (Abs. 3) Nach § 27 Abs. 3 ErbStG darf die Ermäßigung nach Abs. 1 den Betrag nicht überschreiten, der sich 27 bei Anwendung der in Abs. 1 genannten Prozentsätze auf die Steuer ergibt, die der Vorerwerber für den Erwerb desselben Vermögens entrichtet hat. Hieraus ergibt sich, dass stets der niedrigere Betrag, der sich aus der Multiplikation des in § 27 Abs. 1 ErbStG genannten Prozentsatzes entweder mit der Steuer des Vorerwerbers oder derjenigen des Letzterwerbers ergibt, maßgeblich ist. Eine nach dem StraBEG erhobene Steuer ist eine Steuer i.S.d. § 27 Abs. 3 ErbStG, da die Qualifikation als Einkommensteuer i.S.d. § 10 Abs. 1 StraBEG nur für die Verteilung des Steueraufkommens nach Art. 106 Abs. 3 GG, aber nicht für die Zuordnung zu der Steuerart relevant ist.4 Musste für den Ersterwerb keine Steuer entrichtet werden, weil der Erwerb über sachliche Steuerbefreiungen bzw. die persönlichen Freibeträge vollumfänglich steuerfrei gestellt war, scheidet eine Ermäßigung nach § 27 ErbStG aus. Existieren mehrere Letzterwerber, darf die Summe sämtlicher Ermäßigungsbeträge nach § 27 Abs. 1 28 ErbStG die durch den Vorerwerber entrichtete Steuer multipliziert mit dem Prozentsatz nach Abs. 1 nicht übersteigen, d.h. die Letzterwerber erhalten maximal den Höchstbetrag entsprechend ihrem jeweiligen Anteil am begünstigten Vermögen.5 Geht das Vermögen, das aus dem Ersterwerb resultiert, beim Zweiterwerb nicht vollständig über (z.B. wegen Verbrauchs), so muss auch die Steuer für den Ersterwerb entsprechend angepasst werden.6
E. Berechnung der Ermäßigung in Sonderfällen § 27 ErbStG und § 14 ErbStG können zusammentreffen. Der Ersterwerb kann sich aus zusammen- 29 zurechnenden Erwerben zusammensetzen.7 Für die Erbschaftsteuermäßigung des Zweiterwerbs sind dann trotz der Zusammenrechnung die einzelnen Steuerentstehungsdaten der Erwerbe bei der Er1 H E 27 Berechnung des Ermäßigungsbetrags – Beispiel 2 und 3 ErbStR 2011. 2 R E 27 Abs. 2 Satz 1 ErbStR 2011; H E 27 Berechnung des Ermäßigungsbetrags – Beispiel 1 ErbStR 2011; Jülicher in T/G/J, § 27 ErbStG Rz. 24 (Stand: Juli 2011). 3 R E 27 Abs. 2 Satz 3 ErbStR 2011. 4 FG Düsseldorf v. 13.5.2009 – 4 K 155/08 Erb, ErbStB 2009, 241 = EFG 2009, 1310. 5 H E 27 ErbStR 2011 Begrenzung des Ermäßigungsbetrags bei mehreren Erwerbern. 6 H E 27 ErbStR 2011 Berechnung des Ermäßigungsbetrags – Beispiel 1. 7 R E 14.1 Abs. 5 ErbStR 2011.
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§ 27 ErbStG Rz. 30 Mehrfacher Erwerb desselben Vermögens mittlung des Prozentsatzes zu beachten.1 Es ist entsprechend dem betraglichen Verhältnis der Erwerbe die zu erhebende Steuer aufzuteilen, danach sind die Teilbeträge mit den in § 27 Abs. 1 ErbStG genannten Prozentsätzen zu multiplizieren und schließlich sind die so ermittelten Produkte zum Ermäßigungsbetrag zusammenzurechnen. Für § 27 Abs. 3 ErbStG ist die letzte, zu Lasten des Vorerwerbers festgesetzte Steuer maßgeblich.2 30
Denkbar ist aber auch der umgekehrte Fall, dass der Ersterwerber einheitlich Vermögen erworben hat, anschließend das Vermögen aber sukzessiv auf den Letzterwerber übergeht. Wird z.B. der Ersterwerber Alleinerbe, existiert aber hinsichtlich des Grundbesitzes eine gegenständlich beschränkte Vor- und Nacherbfolge, so findet bei Anwendung des § 3 Abs. 2 Nr. 6 ErbStG kombiniert mit der späteren Alleinerbenstellung des Letzterwerbers für das Restvermögen ein sukzessiver Erwerb von Todes wegen statt. Hingegen ist beim Erwerb von verschiedenen Erblassern von einer Selbständigkeit der Erwerbe auszugehen.
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Vorstellbar ist auch, dass der Erst- und Zweiterwerb i.S.d. § 14 ErbStG zusammenzurechnen ist, wenn z.B. A an B Vermögen verschenkt, dann B an A das Vermögen schenkweise zurückgibt und schließlich innerhalb des Zehnjahreszeitraums das Vermögen von A an B vererbt wird. In diesem Fall ist jedoch § 14 ErbStG nicht anwendbar.3
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Hat ein Dritter die Erbschaftsteuer zu übernehmen, so ist für den Letzterwerb zunächst die Steuer unter Anwendung von § 27 ErbStG zu ermitteln, so als würde sie der Erwerber selbst tragen; anschließend ist der Steuerbetrag dem Gesamterwerb hinzuzurechnen und die Steuer vom Gesamtbetrag erneut unter Anwendung des § 27 ErbStG zu errechnen.4
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BFH v. 20.2.1980 – II R 90/77, BStBl. II 1980, 414; Meincke16, § 27 ErbStG Rz. 16. Knobel in V/K/S/W4, § 27 ErbStG Rz. 19. Meincke16, § 27 ErbStG Rz. 16. BFH v. 14.12.1966 – II 48/64, HFR 1967, 179.
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§ 28 Stundung (1) 1Gehört zum Erwerb von Todes wegen begünstigtes Vermögen im Sinne des § 13b Absatz 2, ist dem Erwerber die darauf entfallende Erbschaftsteuer auf Antrag bis zu sieben Jahre zu stunden. 2Der erste Jahresbetrag ist ein Jahr nach der Festsetzung der Steuer fällig und bis dahin zinslos zu stunden. 3Für die weiteren zu entrichtenden Jahresbeträge sind die §§ 234 und 238 der Abgabenordnung ab dem zweiten Jahr nach der Festsetzung der Steuer anzuwenden. 4§ 222 der Abgabenordnung bleibt unberührt. 5Die Stundung endet, sobald der Erwerber, ausgehend vom Zeitpunkt der Entstehung der Steuer (§ 9), den Tatbestand nach § 13a Absatz 3 nicht einhält oder einen der Tatbestände nach § 13a Absatz 6 erfüllt. 6Wurde ein Antrag nach § 13a Absatz 10 oder nach § 28a Absatz 1 gestellt, ist bei der Anwendung des Satzes 3 § 13a Absatz 10 entsprechend anzuwenden. 7Satz 1 ist nicht auf die Erbschaftsteuer anzuwenden, die der Erwerber zu entrichten hat, weil er den Tatbestand nach § 13a Absatz 3 nicht eingehalten oder einen der Tatbestände nach § 13a Absatz 6 erfüllt hat. 8Die Stundung endet, sobald der Erwerber den Betrieb oder den Anteil daran überträgt oder aufgibt. (2) Absatz 1 findet in den Fällen des § 1 Absatz 1 Nr. 4 entsprechende Anwendung. (3) 1Gehört zum Erwerb begünstigtes Vermögen im Sinne des § 13d Absatz 3, ist dem Erwerber die darauf entfallende Erbschaftsteuer auf Antrag bis zu zehn Jahren zu stunden, soweit er die Steuer nur durch Veräußerung dieses Vermögens aufbringen kann. 2Satz 1 gilt entsprechend, wenn zum Erwerb ein Ein- oder Zweifamilienhaus oder Wohneigentum gehört, das der Erwerber nach dem Erwerb zu eigenen Wohnzwecken nutzt, längstens für die Dauer der Selbstnutzung. 3Nach Aufgabe der Selbstnutzung ist die Stundung unter den Voraussetzungen des Satzes 1 weiter zu gewähren. 4Die Stundung endet in den Fällen der Sätze 1 bis 3, soweit das erworbene Vermögen Gegenstand einer Schenkung im Sinne des § 7 ist. 5Absatz 1 Satz 2 und 3 gilt entsprechend. A. I. II. III.
Grundaussagen der Vorschrift. . . . . . . . . . Regelungsgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . Bedeutung und Telos . . . . . . . . . . . . . . . . . Geltungsbereich und Verhältnis zu anderen Vorschriften, internationale Aspekte . . . . . . IV. Rechtsentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Alte Rechtslage: Voraussetzungen der Stundung für Betriebsvermögen oder land- und forstwirtschaftliches Vermögen (Abs. 1 a.F.) . . . . . . . . . . . . . . .
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C. Neue Rechtslage: Voraussetzungen der Stundung für begünstigtes unternehmerisches Vermögen sowie begünstigtes land- und forstwirtschaftliches Vermögen (Abs. 1 n.F.) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 D. Voraussetzungen der Stundung der Ersatzerbschaftsteuer (Abs. 2) . . . . . . . . . . . . . . . 26 E. Voraussetzungen der Stundung für Immobilien (Abs. 3) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 F. Rechtsfolge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37
Literatur: Eisele, Reform der Erbschaftsteuer – Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat einigt sich auf Neuregelung, NWB 2016, 3002; Geck, die Erbschaftsteuerreform kurz vor dem Ziel, ZEV 2008, 557; Hannes, Erbschaftsteuerreform 2016: Neuregelung zur Bewertung und zum Umfang der Verschonung, ZEV 2016, 554; Höne, Die Stundung nach § 28 ErbStG: Neuregelungen für den Erwerb von Immobilien, ZEV 2010, 565; von Oertzen, Vorbereitung für den großen Erbersatzsteuertermin zum 1.1.2014, Beihefter DStR, Heft 11/2012, 49; Thonemann-Micker, ErbSt-Reform: Das Ergebnis des Vermittlungsausschusses, DB 2016, 2312. Verwaltungsanweisungen: R E 28 ErbStR 2011; H E 28 ErbStH 2011.
A. Grundaussagen der Vorschrift I. Regelungsgegenstand § 28 ErbStG – neugefasst durch das Gesetz zur Anpassung des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteu- 1 ergesetzes an die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts („ErbStAnpG 2016“)1 – enthält in 1 Gesetz v. 4.11.2016, BGBl. I 2016, 2464.
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§ 28 ErbStG Rz. 2 Stundung Abs. 1 eine Stundungsregelung für das begünstigte unternehmerische das begünstigte sowie landund forstwirtschaftliche Vermögen i.S.d. § 13b Abs. 2 ErbStG sowie in Abs. 3 ErbStG eine Stundung für die auf zu Wohnzwecken vermietete Grundstücke und durch den Erwerber eigengenutzte Einoder Zweifamilienhäuser oder Wohneigentum entfallende Steuer. Auch für den Fall, dass eine Ersatzerbschaftsteuer nach § 1 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG entsteht, gilt Abs. 1 nach § 28 Abs. 2 ErbStG entsprechend. § 28 ErbStG verlangt einen Antrag, d.h. die Stundung wird nicht von Amts wegen gewährt.
II. Bedeutung und Telos 2 Die Norm hat den Zweck, eine Gefährdung des Betriebserhalts, die durch Abzug der erforderlichen
Mittel für die Begleichung der auf das erworbene Betriebsvermögen entfallenden Steuer eintreten könnte, zu vermeiden.1 Diese Intention des Gesetzgebers gilt auch für die zu Wohnzwecken vermieteten Grundstücke und für eigengenutzte Ein- oder Zweifamilienhäuser oder Wohneigentum.2 Durch Abs. 1 n.F. soll die Belastung durch die im Erbfall ungeplant entstandene Erbschaftsteuer abgemildert werden.3 3 Die Vorschrift kann im Rahmen des Erwerbs von Betriebsvermögen oder land- und forstwirtschaftli-
chem Vermögen (Abs. 1 a.F.) sowie auch im neuen Unternehmenserbschaftsteuerrecht hinsichtlich des begünstigten Vermögens i.S.d. § 13b Abs. 2 ErbStG n.F. (Abs. 1 n.F.) eine Bedeutung erlangen. Des Weiteren kann die Vorschrift bei zu Wohnzwecken vermieteten Grundstücken oder eigengenutzten Wohnimmobilien anwendbar sein, da der Bewertungsabschlag nach § 13d ErbStG vom maßgeblichen Wert nur 10 % beträgt und bei eigengenutzten Immobilien, die nicht der Steuerbefreiung des § 13 Abs. 1 Nr. 4a/b/c ErbStG unterliegen, überhaupt keine Begünstigung gewährt wird. Jedoch sind die Voraussetzungen für eine Stundung nach Abs. 1 a.F. und den nahezu unverändert gebliebenen Abs. 3 sehr hoch, weshalb im Ergebnis die Vorschrift in der Vergangenheit nahezu keine praktische Bedeutung hatte, also bislang nur in wenigen Ausnahmefällen angewendet worden ist.4 Es ist zu erwarten, dass Abs. 1 n.F. für das erste Jahr genutzt werden wird, weil die Stundung zinslos ist. Für die Zeit danach ist im Niedrigzinsumfeld der Zinssatz von 6 % zu hoch und eine Bankfinanzierung regelmäßig günstiger.
III. Geltungsbereich und Verhältnis zu anderen Vorschriften, internationale Aspekte 4 § 28 ErbStG tritt nach Abs. 1 Satz 4 n.F. (Abs. 1 Satz 3 a.F.), Abs. 3 ErbStG selbständig neben die Stun-
dungsvorschrift des § 222 AO, wobei § 28 ErbStG die speziellere Regelung enthält.5 Die Bedeutung des § 28 ErbStG liegt darin, die FinVerw. stärker als bei § 222 AO zu einer Stundung der Steuer zu verpflichten, insbesondere dadurch, dass die Stundung im Gegensatz zu § 222 AO nicht im Ermessen der FinVerw. steht, sondern dem Steuerpflichtigen ein Stundungsanspruch bei Vorliegen der Voraussetzungen gewährt wird, weshalb § 28 ErbStG stets vorrangig zu prüfen ist. Ist diese Vorschrift jedoch nicht einschlägig, kann eine Stundung nur nach § 222 AO gewährt werden. In Ausnahmefällen ist auch der Erlass der Steuer nach den §§ 163, 227 AO zu prüfen.6 Des Weiteren kann z.B. die Hingabe von Kunstgegenständen an Erfüllungs statt gem. § 224a AO helfen, die Liquiditätssituation zu entspannen. Unerheblich war nach Abs. 1 a.F., wo das Betriebsvermögen oder land- und forstwirtschaftliche Vermögen belegen war, d.h. die Stundung kam auch für Vermögen außerhalb der EU/EWR in Betracht. § 31 BewG regelt nur die Bewertung, jedoch nicht die Qualifikation des Vermögens an sich. Abs. 1 n.F. gilt nur noch für das begünstigte Vermögen i.S.d. § 13b Abs. 2 ErbStG n.F., d.h. setzt eine begünstigungsfähige Einheit i.S.d. § 13b Abs. 1 ErbStG n.F. mit Inlands-/EU-/EWR-Bezug voraus. Die Stundung gilt auch für fremdvermietete Wohnimmobilien in der EU/EWR (§ 13d Abs. 3 ErbStG) bzw. für 1 2 3 4 5 6
BFH v. 11.5.1988 – II B 28/88, BStBl. II 1988, 730. BT-Drucks. 16/11107, S. 12. BT-Drucks. 18/8911, S. 48. Geck, ZEV 2008, 557. BFH v. 11.5.1988 – II B 28/88, BStBl. II 1988, 730. Knobel in V/K/S/W4, § 28 ErbStG Rz. 42 ff.
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Alte Rechtslage: Voraussetzungen der Stundung
Rz. 8 § 28 ErbStG
die anderen in § 28 Abs. 3 ErbStG genannten Immobilien in und außerhalb der EU/EWR, weil insoweit keine Einschränkung im Wortlaut vorgesehen ist.
IV. Rechtsentwicklung Die Vorschrift wurde 1974 in das ErbStG eingeführt. Durch das StÄndG vom 25.2.1992 wurde für Er- 5 werbe von Todes wegen die Zinslosigkeit der Stundung eingeführt. Durch das Jahressteuergesetz 19961 wurde die Stundungshöchstfrist von sieben auf zehn Jahre verlängert. Durch das Erbschaftsteuerreformgesetz vom 24.12.20082 wurde die Stundungsmöglichkeit auf zu Wohnzwecken vermietete Grundstücke und eigengenutzte Wohnimmobilien erweitert, um die höheren Werte, die aus den modifizierten Bewertungsvorschriften resultieren, abzumildern. Durch das ErbStAnpG 2016 wurde die Stundungsmöglichkeit des § 28 Abs. 1 ErbStG für Betriebsvermögen und land- und forstwirtschaftliches Vermögen neu gefasst,3 d.h. die Altregelung des § 28 Abs. 1 ErbStG a.F. wurde vollumfänglich ersetzt.4 Die ursprünglich geplante Ergänzung des Abs. 1 a.F. um eine großzügige Stundung für das begünstigte Vermögen i.S.d. § 13 Abs. 2 ErbStG n.F. in einem weiteren Absatz wurde nicht ins ErbStG implementiert.5
B. Alte Rechtslage: Voraussetzungen der Stundung für Betriebsvermögen oder land- und forstwirtschaftliches Vermögen (Abs. 1 a.F.) Nach § 28 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 ErbStG a.F. erfolgt die Stundung bei Erwerben von Todes wegen zins- 6 los, woraus sich ergibt, dass der Erwerb sowohl unter Lebenden als auch von Todes wegen stattfinden kann.6 Lediglich in der Rechtsfolge (Zinslosigkeit oder Verzinslichkeit der Stundung) ist zwischen Erwerben von Todes wegen und unter Lebenden zu differenzieren. Zu beachten ist, dass die Regelung des § 28 Abs. 1 Satz 1 ErbStG a.F. nur zugunsten des Erwerbers 7 wirkt, jedoch nach § 20 Abs. 1 Satz 1 ErbStG bei Erwerben unter Lebenden auch der Schenker für die Schenkungsteuer in Anspruch genommen werden kann. § 20 Abs. 1 Satz 1 ErbStG enthält keinen Haftungstatbestand, sondern eine originäre Steuerschuld des Schenkers. Jedoch scheidet grds. bei pflichtgemäßer Ermessensausübung eine Inanspruchnahme des Schenkers aus.7 Es wäre ermessensfehlerhaft, wenn die FinVerw. die Inanspruchnahme des Schenkers ausschließlich damit begründen würde, dass die Steuer zulasten des Erwerbers nach § 28 ErbStG gestundet werden müsste (anders, wenn der Schenker die Steuer übernommen hat). Kann der ursprüngliche Schenker in Anspruch genommen werden, besteht diese Möglichkeit nach dem BFH, bis es zu einer Entrichtung der Steuer durch den Erwerber gekommen ist.8 Kann der Schenker zur Zahlung der Schenkungsteuer in Anspruch genommen werden, sei es weil er die Steuer übernommen hat (§ 10 Abs. 2 ErbStG), sei es weil er als Gesamtschuldner in Anspruch genommen werden kann, scheidet eine Stundung nach § 28 ErbStG aus.9 Teilweise wird in der Literatur darüber hinaus die Auffassung vertreten, dass die Stundung nach § 28 Abs. 1 ErbStG a.F. auch dem Schenker zu gewähren ist.10 Jedoch ist in Anbetracht des Wortlauts des § 28 Abs. 1 Satz 1 ErbStG a.F. eine Stundung zugunsten des Schenkers nur nach § 222 AO möglich. Voraussetzung des § 28 Abs. 1 Satz 1 ErbStG a.F. ist der Erwerb von Betriebsvermögen oder land- 8 und forstwirtschaftlichem Vermögen. Soweit darüber hinaus weiteres Vermögen erworben wird,
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BGBl. I 1995, 1250 (1404). BGBl. I 2008, 3018 (3027 f.). BT-Drucks. 18/9690. Eisele, NWB 2016, 3002. BT-Drucks. 18/8911. R E 28 Abs. 2 Satz 2 ErbStR 2011. BFH v. 1.7.2008 – II R 2/07, BStBl. II 2008, 897. BFH v. 29.2.2012 – II R 19/10, FR 2012, 1090 = ZEV 2012, 341. R E 28 Abs. 4 Satz 4 ErbStR 2011; BT-Drucks. 16/11107, 13 für § 28 Abs. 3 ErbStG. Meincke16, § 28 ErbStG Rz. 3.
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§ 28 ErbStG Rz. 9 Stundung scheidet insoweit nach dem Wortlaut eine Stundung nach § 28 Abs. 1 Satz 1 ErbStG a.F. aus. Auch ist dieser zusätzliche Vermögenserwerb bei der Prüfung zu berücksichtigen, ob die Stundung zur Erhaltung des Betriebs notwendig ist. Maßgeblich ist die Kategorisierung der Vermögensarten nach §§ 95 ff. BewG1 (Betriebsvermögen) bzw. §§ 33 ff. BewG (land- und forstwirtschaftliche Vermögen).2 Nach Ansicht der FinVerw. gehören zum Betriebsvermögen auch Anteile an einer Personengesellschaft i.S.d. § 15 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 3 oder § 18 Abs. 4 EStG, nicht jedoch Anteile an einer Kapitalgesellschaft (Aktien oder GmbH-Anteile).3 Dies gilt auch dann, wenn es sich bei dem Erwerb um die Anteile an einer Ein-Mann-GmbH handelt.4 Um eine Stundung für Aktien und GmbH-Anteile zu erlangen, müssen diese folglich zum Betriebsvermögen eines Einzelunternehmens, einer Personengesellschaft oder zum Sonderbetriebsvermögen gehören. Zu beachten ist auch das Urteil des BFH v. 20.10.2010, in dem dieser ausgeführt hat, dass GmbH-Geschäftsführer selbständig sein können, wenn sie zugleich Gesellschafter sind und mindestens 50 % des Stammkapitals innehaben.5 In diesem Fall gehört die Kapitalgesellschaftsbeteiligung zum Betriebsvermögen desjenigen, der Einkünfte aus selbständiger Arbeit erzielt, was für § 28 Abs. 1 ErbStG a.F. genügt,6 sich jedoch im Übrigen regelmäßig als sog. Steuerfalle erweist. Eine Stundung für die auf nicht zum Betriebsvermögen gehörende Kapitalgesellschaftsanteile entfallende Steuer kann nur dann gewährt werden, wenn die Voraussetzungen des § 222 AO vorliegen.7 9 Fraglich ist, ob auch für die Steuer auf den Erwerb eines Nießbrauchsrechts, das dem Nießbraucher
eine Mitunternehmerstellung vermittelt,8 die Stundung nach § 28 Abs. 1 ErbStG a.F. beantragt werden kann. Es ist jedoch zu beachten, dass § 28 Abs. 1 Satz 1 ErbStG n.F. – anders als § 13b Abs. 1 Nr. 2 ErbStG – nicht unmittelbar auf das Ertragsteuerrecht verweist, weshalb eine Rechtsunsicherheit besteht.9 10
Die Stundung ist nach § 28 Abs. 1 Satz 1 ErbStG a.F. nur zu gewähren, soweit dies zur Erhaltung des Betriebs notwendig ist. Voraussetzung ist, dass bei Begleichung der Steuer der Erhalt des Betriebs nicht gesichert ist.10 Dies ist aufgrund teleologischer Interpretation des § 28 Abs. 1 ErbStG a.F. dann nicht der Fall, wenn der Erwerber die Steuer für den Erwerb entweder aus erworbenem weiterem Vermögen oder aus eigenem sonstigem Vermögen aufbringen kann.11 Diese Auslegung ist nach Ansicht eines Teils der Literatur nur dann zutreffend, wenn das sonstige Vermögen des Erwerbers kein Betriebsvermögen ist, so dass nicht nur der Fortbestand des erworbenen Betriebs, sondern auch die Fortführung eines bereits existenten Betriebs in der Hand des Erwerbers schützenswert sei.12 Jedoch lässt sich dieses Ergebnis nicht aus dem Wortlaut des § 28 Abs. 1 Satz 1 ErbStG a.F. ableiten („des Betriebs“), da nach diesem allein entscheidend ist, ob der Betrieb, so wie er Gegenstand des Erwerbs war, in seinem Erhalt gefährdet ist.13 Eine Stundung kommt daher in einem solchen Fall nur über § 222 AO in Betracht.
11
Offengelassen hat der BFH bislang die Frage, was zu gelten hat, wenn dem Betrieb die Mittel beispielsweise unter Realisierung im Betriebsvermögen vorhandener stiller Reserven entzogen werden könnten.14 Hierzu wird in der Literatur vertreten, dass auch dies dem Erwerber zumutbar ist, solange einzelne nicht wesentliche Betriebsgrundlagen veräußert werden können, ohne eine Nachver-
Jülicher in T/G/J, § 28 ErbStG Rz. 4 (Stand: Juli 2015); Kobor in F/J/P/W5, § 28 ErbStG Rz. 5. Kobor in F/J/P/W5, § 28 ErbStG Rz. 5. R E 28 Abs. 1 Satz 2 ErbStR 2011; Jülicher in T/G/J, § 28 ErbStG Rz. 4 (Stand: Juli 2015). R E 28 Abs. 1 Satz 3 ErbStR 2011; Jülicher in T/G/J, § 28 ErbStG Rz. 4 (Stand: Juli 2015). BFH v. 20.10.2010 – VIII R 34/08, DStR 2011, 911. Szczesny in Tiedtke1, § 28 ErbStG Rz. 6. R E 28 Abs. 4 Satz 8 ErbStR 2011. BFH v. 1.9.2011 – II R 67/09, FR 2013, 871 = ErbStB 2011, 336 = BFH/NV 2011, 2066. Jülicher in T/G/J, § 28 ErbStG Rz. 4 (Stand: Juli 2015); abl. Kobor in F/J/P/W5, § 28 ErbStG Rz. 5. BFH v. 11.5.1988 – II B 28/88, BStBl. II 1988, 730. BFH v. 11.5.1988 – II B 28/88, BStBl. II 1988, 730; BT-Drucks. 16/11107, 13 für § 28 Abs. 3 ErbStG; R E 28 Abs. 4 Satz 1 ErbStR 2011; H E 28 ErbStR 2011. 12 Meincke 16, § 28 ErbStG Rz. 5. 13 BFH v. 11.5.1988 – II B 28/88, BStBl. II 1988, 730. 14 Offengelassen von BFH v. 11.5.1988 – II B 28/88, BStBl. II 1988, 730. 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11
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Alte Rechtslage: Voraussetzungen der Stundung
Rz. 18 § 28 ErbStG
steuerung nach § 13a Abs. 5 ErbStG a.F. auszulösen.1 Darüber hinaus muss der Erwerber die Möglichkeit der Kreditaufnahme ausschöpfen.2 Entnahmebeschränkungen in Gesellschaftsverträgen sind zu berücksichtigen, es sei denn, es existiert ein außerordentliches Entnahmerecht,3 was teils in Gesellschaftsverträgen für die Erbschaft- und Schenkungsteuer vorgesehen ist. Notwendig ist die Stundung dann, wenn die Zahlung der Steuer bei Fälligkeit zu einer wesentlichen 12 Betriebseinschränkung, zu einer das künftige Gesicht des Betriebs prägenden Umstrukturierung oder zu einer Liquidation des Betriebs führen würde.4 Genannt werden z.B. auch die Insolvenz oder ein umfangreicher Arbeitsplatzabbau, sollte die Stundung nicht gewährt werden.5 Auch die Notwendigkeit der kurzfristigen Aufnahme eines Teilhabers unter Inkaufnahme der aus ihr folgenden Risiken kann z.B. die Stundung erforderlich machen.6 Bei der Prüfung, ob durch die sofortige Entrichtung der Erbschaftsteuer der Betrieb gefährdet wird, 13 sind z.B. Grundschulden, Pflichtteile oder Vermächtnisse nach Ansicht der FinVerw. außer Betracht zu lassen.7 In der Literatur wird dies kritisiert, da diese Einschränkung sich nicht aus dem Wortlaut entnehmen lasse und in der Praxis meist gerade häufig die Liquidität durch Vermächtnisse oder Pflichtteilsrechte, denen sich der Erwerber meist nicht entziehen könne, belastet sei.8 Die FinVerw. weist darauf hin, dass in diesen Fällen, d.h. wenn neben der Erbschaftsteuer in erheblichem Umfang Nachlassverbindlichkeiten zu übernehmen sind, die Stundung nach § 222 AO in Betracht kommt.9 Da die Stundung nach § 28 Abs. 1 Satz 1 ErbStG a.F. nur insoweit zu erfolgen hat, als dies zur Erhal- 14 tung des Betriebs notwendig ist, ist es zutreffend, wenn die FinVerw. darauf verweist, dass der Erwerber betriebliche Erträge zur kontinuierlichen Tilgung der gestundeten Steuer verwenden muss.10 Die Beweislast dafür, dass die Stundung zur Erhaltung des Betriebs notwendig ist, obliegt dem Er- 15 werber.11 Maßgeblicher Zeitpunkt ist nach teilweise vertretener Ansicht12 die Stellung des Stundungsantrags, 16 d.h. in diesem Zeitpunkt seien die Voraussetzungen des § 28 Abs. 1 ErbStG a.F. zu prüfen. Jedoch ist diese Rechtsauffassung nicht zutreffend, da nach dem Urteil des BFH vom 11.5.1988 jedenfalls auch Liquiditätszuflüsse nach dem Erwerb bis zur Fälligkeit der Erbschaftsteuer der Stundung entgegenstehen können.13 Die Stundung entfällt nach Ansicht der FinVerw. stets, wenn das Betriebsvermögen oder land- und 17 forstwirtschaftliche Vermögen veräußert oder verschenkt wird.14 Der Antrag auf Stundung ist ein persönliches Gestaltungsrecht des Erwerbers, soll also z.B. nicht von 18 einem Testamentsvollstrecker ausgeübt werden können.15 Der Antrag ist nicht fristgebunden.16 Die vollständige oder teilweise Ablehnung des Antrags kann mit einem Einspruch angefochten werden.17
1 Jülicher in T/G/J, § 28 ErbStG Rz. 5 (Stand: Juli 2015); noch weitergehender Kien-Hümbert in Moench/Weinmann, § 28 ErbStG Rz. 9 (Stand: Juli 2015). 2 R E 28 Abs. 4 Satz 2 ErbStR 2011. 3 Jülicher in T/G/J, § 28 ErbStG Rz. 5 (Stand: Juli 2015). 4 Meincke 16, § 28 ErbStG Rz. 6; Jülicher in T/G/J, § 28 ErbStG Rz. 5 (Stand: Juli 2015) . 5 Kobor in F/J/P/W5, § 28 ErbStG Rz. 6. 6 Meincke 16, § 28 ErbStG Rz. 6. 7 R E 28 Abs. 4 Satz 6 ErbStR 2011. 8 Jülicher in T/G/J, § 28 ErbStG Rz. 6 (Stand: Juli 2015); Szczesny in Tiedtke 1, § 28 ErbStG Rz. 12. 9 R E 28 Abs. 4 Satz 7 ErbStR 2011. 10 R E 28 Abs. 4 Satz 5 ErbStR 2011; BT-Drucks. 16/11107, S. 13 für § 28 Abs. 3 ErbStG. 11 R E 28 Abs. 4 Satz 3 ErbStR 2011. 12 Meincke16, § 28 ErbStG Rz. 8. 13 BFH v. 11.5.1988 – II B 28/88, BStBl. II 1988, 730; a.A. Kien-Hümbert in Moench/Weinmann, § 28 ErbStG Rz. 10a (Stand: Juni 2016). 14 R E 28 Abs. 5 ErbStR 2011. 15 Jülicher in T/G/J, § 28 ErbStG Rz. 18 (Stand: Juli 2015). 16 Kobor in F/J/P/W5, § 28 ErbStG Rz. 7. 17 Kobor in F/J/P/W5, § 28 ErbStG Rz. 7.
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§ 28 ErbStG Rz. 19 Stundung
C. Neue Rechtslage: Voraussetzungen der Stundung für begünstigtes unternehmerisches Vermögen sowie begünstigtes land- und forstwirtschaftliches Vermögen (Abs. 1 n.F.) 19
§ 28 Abs. 1 Satz 1 ErbStG n.F. enthält die Voraussetzung, dass die Stundung nur für die Erbschaftsteuer bei einem Erwerb von Todes wegen, d.h. in den Fällen des § 3 ErbStG, gewährt wird. Es ist etwas anderes i.S.d. § 1 Abs. 2 ErbStG bestimmt, so dass die neue Stundungsregelung nicht für Schenkungen unter Lebenden (§ 7 ErbStG) gilt.
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Die Stundung bezieht sich nach § 28 Abs. 1 Satz 1 ErbStG n.F. nur auf das begünstigte Vermögen i.S.d. § 13b Abs. 2 ErbStG n.F. (vgl. § 13b ErbStG Rz. 78 ff.).
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Eine weitere Voraussetzung für die Gewährung der Stundung existiert nicht, insbesondere muss sie nicht i.S.d. § 28 Abs. 1 Satz 1 ErbStG a.F. für die Erhaltung des Betriebs notwendig sein.
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Die Stundungsregelung nach Maßgabe des § 222 AO bleibt unberührt (§ 28 Abs. 1 Satz 4 ErbStG n.F.). Daraus ergibt sich, dass eine Stundung nach § 222 AO in den Fällen möglich bleibt, in denen die Voraussetzungen des § 28 Abs. 1 ErbStG nicht erfüllt sind,1 z.B. weil ein Erwerb unter Lebenden verwirklicht wurde und/oder die Steuer auf nicht begünstigtes Vermögen entfällt.
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Es muss ein Stundungsantrag vom Erwerber gestellt werden. Dem Erwerber ist dann die Steuer zu stunden (Rz. 7). Ein gesonderter Antrag für das erste Jahr nach Festsetzung der Steuer und für die folgenden sechs Jahre ist nicht ausdrücklich im Wortlaut vorgesehen. Jedoch kann der Antrag zeitlich beschränkt gestellt werden, z.B. nur für das erste Jahr („bis zu sieben Jahren“).
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Die Stundung endet nach § 28 Abs. 1 Satz 5 ErbStG n.F., sobald der Erwerber, ausgehend vom Zeitpunkt der Steuerentstehung (§ 9 ErbStG), den Tatbestand nach § 13a Abs. 3 ErbStG n.F. nicht einhält oder einen der Tatbestände nach § 13a Abs. 6 ErbStG n.F. erfüllt. Mit Blick auf den Lohnsummentest könnte man die Vorschrift „sobald“ dahingehend verstehen, dass die Stundung entfällt, sobald die Ausgangslohnsumme nicht erfüllt wird. Dieses Verständnis wäre jedoch nicht zutreffend, da der Tatbestand des § 13a Abs. 3 Satz 1 ErbStG n.F. nur dann nicht erfüllt wird, wenn die nach der Beschäftigtenanzahl gestaffelte Mindestlohnsumme nicht eingehalten wird. § 13a Abs. 3 ErbStG n.F. geht im Übrigen von einer Gesamtbetrachtung innerhalb der Lohnsummenfrist aus. Dieses Ergebnis lässt sich auch mit der Entstehungsgeschichte stützen, nach der für die Stundung maßgeblich ist, dass die Lohnsummenregelung entsprechend § 13a ErbStG n.F. eingehalten wird und erst bei einem Verstoß gegen die Lohnsummenregelung die Stundung endet und die Steuer fällig wird.2 Die gleiche Frage stellt sich mit Blick auf die Behaltensregelung, da nach dem Wortlaut der Vorschrift die Stundung endet, sobald einer der Tatbestände nach § 13a Abs. 6 ErbStG n.F. erfüllt wird. Nach der Entstehungsgeschichte der Vorschrift ist aber ein Verstoß gegen die Behaltensreglung erforderlich,3 d.h. wird z.B. die Reinvestitionsklausel genutzt, liegt kein Verstoß gegen die Behaltensregelung vor, so dass auch die Stundung nicht entfällt. Liegt allerdings ein Verstoß gegen die Mindestlohnsumme bzw. die Behaltensregelung vor, endet die Stundung (§ 28 Abs. 1 Satz 5 ErbStG n.F.). Die Nachsteuer kann nicht gestundet werden (§ 28 Abs. 1 Satz 7 ErbStG n.F.) In § 28 Abs. 1 Satz 6 steht, dass dann, wenn ein Antrag nach § 13a Abs. 10 ErbStG n.F. oder nach § 28a Abs. 1 ErbStG n.F. gestellt wurde, bei Anwendung des „Satzes 3“ § 13a Abs. 10 ErbStG entsprechend anzuwenden ist. Hierbei handelt es sich offensichtlich um eine Fehlverweisung, gemeint sein kann nur Satz 5, was sich auch aus der Entstehungsgeschichte ergibt.4 Im Falle des Optionsantrags bzw. bei Antragstellung nach § 28a Abs. 1 ErbStG n.F. sind folglich die längere Behaltensfrist von sieben Jahren und die vorgesehenen erhöhten Mindestlohnsummen zu beachten.
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Nach § 28 Abs. 1 Satz 8 ErbStG n.F. endet die Stundung, sobald der Erwerber den Betrieb oder den Anteil daran „überträgt oder aufgibt“. Unklar ist, welche Fälle unter die Übertragung bzw. Aufgabe fallen,
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Eisele, NWB 2016, 3002; Thonemann-Micker, DB 2016, 2312. BT-Drucks. 18/8911, 48. BT-Drucks. 18/8911, 48. BT-Drucks. 18/8911, 29.
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Voraussetzungen der Stundung für Immobilien (Abs. 3)
Rz. 30 § 28 ErbStG
weil ohnehin gegen die Behaltensregelung des § 13a Abs. 6 ErbStG n.F. nicht verstoßen werden darf. Unter die Übertragung dürfte z.B. auch die unentgeltliche Übertragung an einen weiteren Erwerber fallen.1
D. Voraussetzungen der Stundung der Ersatzerbschaftsteuer (Abs. 2) § 28 Abs. 2, der durch das ErbStAnpG 2016 unverändert geblieben ist, enthält für die Ersatzerbschaft- 26 steuer i.S.d. § 1 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG die Regelung, dass Abs. 1 entsprechende Anwendung findet. Dies hat zur Konsequenz, dass dann, wenn Betriebsvermögen oder land- und forstwirtschaftliches Vermögen der Ersatzerbschaftsteuer unterliegt, diese unter den Voraussetzungen des Abs. 1 a.F. und Abs. 1 n.F. zu stunden ist. Jedoch gilt nicht das gesamte Vermögen einer Familienstiftung oder eines Familienvereins als Betriebsvermögen i.S.d. § 28 Abs. 1 ErbStG a.F.2 In § 28 Abs. 1 Satz 1 ErbStG n.F. wird dies auch deutlich durch den Verweis auf das begünstigte Vermögen i.S.d. § 13b Abs. 2 ErbStG n.F. Zu beachten ist in diesem Zusammenhang jedoch die Möglichkeit der Verrentung der Steuer zu 5,5 % gem. § 24 ErbStG, die gegenüber der Stundung zu einem Zinssatz i.H.v. 6 % (§ 238 Abs. 1 Satz 1 AO) günstiger ist. Hierzu wird allerdings in der Literatur auch vertreten, dass die Stundung zinslos zu erfolgen habe, weil § 28 Abs. 2 ErbStG auf den gesamten § 28 Abs. 1 ErbStG verweise.3 Hinzu kommt, dass die Verrentung nicht nur für Betriebsvermögen oder land- und forstwirtschaftliches Vermögen gilt, sondern auch sonstiges Vermögen erfasst. Entsteht hingegen zulasten der Familienstiftung infolge eines Erwerbs von Todes wegen eine Erbschaftsteuer, so ist die Stundung jedenfalls zinslos nach Abs. 1 a.F. bzw. Abs. 1 Satz 2 n. F. zu gewähren. Fraglich ist, in welchem Verhältnis § 24 ErbStG zu § 28 ErbStG steht. Hierzu wird in der Literatur 27 vertreten, dass sie sich gegenseitig ausschließen, also ein Antragswahlrecht besteht, an das die Familienstiftung bzw. der Familienverein nach Ausübung gebunden ist.4 Dies ist zutreffend. Würde man die kumulative Anwendung der Vorschriften zulassen, so würde zunächst nach § 28 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 a.F. ErbStG die Ersatzerbschaftsteuer für zehn Jahre gestundet, und anschließend wäre die Steuer in 20 gleichen jährlichen Teilbeträgen zu entrichten. Jedoch ordnet § 24 ErbStG an, dass die Erbersatzsteuer in 30 gleichen jährlichen Teilbeträgen zu tilgen ist. Durch § 28 Abs. 1 Satz 2 und 3 ErbStG n.F. (sieben Jahresbeträge) wird dies noch deutlicher. Zu beachten ist, dass Abs. 2 nur auf Abs. 1 verweist, d.h. eine Stundung der Ersatzerbschaftsteuer 28 kommt insoweit nicht in Betracht, als zu Wohnzwecken vermietete Grundstücke i.S.d. § 13d Abs. 3 ErbStG der Erbersatzsteuer unterliegen bzw. eine Selbstnutzung vorliegt. In Anbetracht des Wortlauts des § 28 Abs. 2 ErbStG ist insofern nur eine Stundung nach § 222 AO möglich.5
E. Voraussetzungen der Stundung für Immobilien (Abs. 3) § 28 Abs. 3 Satz 1 ErbStG enthält die Möglichkeit der Stundung für die auf zu Wohnzwecken ver- 29 mieteten Grundstücke i.S.d. § 13d Abs. 3 ErbStG entfallende Steuer, jedoch längstens für zehn Jahre. Eine entsprechende Steuerstundungsmöglichkeit für die Steuer auf durch den Erwerber zu eigenen 30 Wohnzwecken genutzte Ein- oder Zweifamilienhäuser oder Wohneigentum lässt sich § 28 Abs. 3 Satz 2 ErbStG entnehmen, wobei für die Definition der Nutzung zu eigenen Wohnzwecken an die §§ 13 Abs. 1 Nr. 4a, 4b, 4c ErbStG angeknüpft werden kann.6
1 Thonemann-Micker, DB 2016, 2312. 2 Knobel in V/K/S/W4, § 28 ErbStG Rz. 28; a.A. Eisele in Kapp/Ebeling, § 28 ErbStG Rz. 20 (Stand: Mai 2016). 3 Von Oertzen, Vorbereitung für den großen Erbersatzsteuertermin zum 1. Januar 2014, Beihefter zu DStR Heft 11/2012, 49. 4 Jülicher in T/G/J, § 28 ErbStG Rz. 12 (Stand: Juli 2015); Kobor in F/J/P/W5, § 28 ErbStG Rz. 11. 5 A.A. Kobor in F/J/P/W5, § 28 ErbStG Rz. 12. 6 Kobor in F/J/P/W5, § 28 ErbStG Rz. 14.
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§ 28 ErbStG Rz. 31 Stundung 31
Hinsichtlich der Voraussetzungen ist zu beachten, dass die Stundungsmöglichkeit für eigengenutzte Immobilien nur für ein Grundstück gilt,1 hingegen § 28 Abs. 3 Satz 1 ErbStG keine Objektgrenze enthält. Das Verwandtschaftsverhältnis zwischen dem Erblasser bzw. Schenker und dem Erwerber hat keine Bedeutung.2 Die Stundungsregelung des § 28 Abs. 3 Satz 2 ErbStG erlangt nur dann Bedeutung, wenn die Steuerbefreiung nach § 13 Abs. 1 Nr. 4a und b ErbStG nicht einschlägig ist oder soweit § 13 Abs. 1 Nr. 4c ErbStG wegen der Beschränkung auf eine Wohnfläche von 200 qm oder der Beschränkung auf Erwerber der Steuerklasse I Nr. 2 nicht zur Steuerfreistellung führt. Werden die Nachsteuertatbestände in diesen Regelungen ausgelöst, so kann dies auch zu einer Anschlussstundung nach § 28 Abs. 3 Satz 3 i.V.m. Satz 1 ErbStG führen.3 Unerheblich ist, ob die Immobilien unmittelbar oder mittels einer vermögensverwaltenden Gesellschaft gehalten werden.4 Das entspricht zumindest im Rahmen des § 13d Abs. 3 ErbStG auch der bisherigen Ansicht der Finanzverwaltung.5 Nicht erforderlich ist, dass die Selbstnutzung der Immobilie vor dem Erwerb durch den Erblasser oder Schenker erfolgt ist.6 Die Stundungsmöglichkeit erstreckt sich ausdrücklich nur auf ein Grundstück, das zu den genannten Grundstücksarten gehört, d.h. eine Wohnung in einem Miet-, Wohn-, Geschäfts- oder gemischt genutzten Grundstück oder in einem sonstigen bebauten Grundstück ist nicht begünstigt.7 Die Steuer ist zu stunden, soweit sie nur durch Veräußerung dieses Vermögens aufgebracht werden kann. Entscheidend ist, dass die Veräußerung allein durch die Erbschaftsteuer ausgelöst sein muss. Die FinVerw. interpretiert dieses Merkmal wie dasjenige in § 28 Abs. 1 Satz 1 ErbStG (Notwendigkeit zur Erhaltung des Betriebs), so dass auf die dargestellten Anforderungen für die Stundung verwiesen werden kann. So scheidet z.B. eine Stundung aus, wenn der Erwerber die Steuer aus weiterem erworbenem Vermögen, aus einem sonstigen Eigenvermögen oder durch Kreditaufnahme aufbringen kann. Letzteres wird insbesondere bei unbelasteten, zu Wohnzwecken vermieteten Objekten dazu führen, dass die Stundung regelmäßig zu versagen ist. Zudem dürften im Einzelfall die Anforderungen für die Stundung nach § 28 Abs. 3 Satz 1 ErbStG tendenziell höher sein als diejenigen nach § 28 Abs. 1 Satz 1 ErbStG, da die Stundung nach Abs. 3 nur dann zu gewähren ist, wenn die Steuer nur aus der Veräußerung des Vermögens aufgebracht werden kann, wohingegen nach Abs. 1 Satz 1 die Stundung bereits dann zu gewähren ist, wenn eine wesentliche Betriebseinschränkung oder -veränderung bei sofortiger Tilgung der Steuer zu erwarten wäre.
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Nach Aufgabe der Selbstnutzung ist gem. § 28 Abs. 3 Satz 3 ErbStG die Stundung unter den Voraussetzungen des Satzes 1 weiter zu gewähren. Dies bedeutet, dass dann, wenn nach der Selbstnutzung durch eine Fremdvermietung Vermögen i.S.d. § 13d Abs. 3 ErbStG entsteht, anstatt der Stundung nach Abs. 3 Satz 2 die Stundung gem. Abs. 3 Satz 1 zu gewähren ist, soweit die Steuer nur durch Veräußerung dieses Vermögens aufgebracht werden kann.8 Hierbei ist jedoch zu beachten, dass die Steuer aus den Mieteinnahmen zu tilgen ist.9 Die Regelung in Abs. 3 Satz 3 ist deswegen erforderlich, weil dann, wenn im Besteuerungszeitpunkt die Immobilie nicht zur Vermietung zu Wohnzwecken bestimmt ist, eine Begünstigung nach § 13d ErbStG ausscheidet, also Abs. 3 Satz 1 nach seinem Wortlaut an sich nicht einschlägig wäre. Nach Ansicht der FinVerw. ist für § 13d ErbStG der Besteuerungszeitpunkt maßgeblich.10 Wird jedoch die ursprünglich selbstgenutzte Immobilie zu gewerblichen Zwecken vermietet, entfällt die Stundung ersatzlos.
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Der umgekehrte Fall, dass sich an eine Fremdvermietung i.S.d. § 13d Abs. 3 ErbStG die Stundung wegen Selbstnutzung anschließt, ist nicht ausdrücklich geregelt. Allerdings ist Abs. 3 Satz 3 analog anzuwenden, d.h. nach Aufgabe der Fremdvermietung ist die Stundung unter den Voraussetzungen des Satzes 2 weiter zu gewähren. Teilweise wird auch vertreten, dass die Stundung nach Abs. 3 Satz 1
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BT-Drucks. 16/11107, 13. R E 28 Abs. 2 Satz 3 ErbStR 2011. Höne, Die Stundung nach § 28 ErbStG: Neuregelungen für den Erwerb von Immobilien, ZEV 2010, 565. Jülicher in T/G/J, § 28 ErbStG Rz. 8 (Stand: Juli 2015). RE 13c Abs. 2 Satz 5 ErbStR 2011. R E 28 Abs. 3 Satz 4 ErbStR 2011. R E 28 Abs. 3 Satz 2, 3 ErbStR 2011. R E 28 Abs. 3 Satz 5 ErbStR. BT-Drucks. 16/11107, 13. R E 13c Abs. 2 Satz 1 ErbStR 2011.
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Rechtsfolge
Rz. 38 § 28 ErbStG
deswegen fortzugewähren ist, weil die Fremdvermietung zu Wohnzwecken im Besteuerungszeitpunkt genügt.1 Die Stundung endet nach § 28 Abs. 3 Satz 4 ErbStG automatisch, soweit das erworbene Vermögen 34 Gegenstand einer Schenkung i.S.d. § 7 ErbStG ist. Der weitere Beschenkte kann dann unter den Voraussetzungen des § 28 Abs. 3 ErbStG für eine zu seinen Lasten entstandene Schenkungsteuer die Stundung ebenfalls beantragen. Da der Schenker für die Steuer nach § 20 Abs. 1 Satz 1 ErbStG u.U. bei pflichtgemäßer Ermessensausübung in Anspruch genommen werden kann, kann dadurch die Situation eintreten, dass der Schenker im Zeitpunkt der Weiterschenkung doppelt in Anspruch genommen wird, d.h. einerseits als erster Beschenkter und andererseits als zweiter Schenker. Wird die Immobilie veräußert, ist die zum Erwerb gehörende Immobilie i.S.d. Wortlauts des § 28 35 Abs. 3 Satz 1 und 2 ErbStG nicht mehr existent, so dass ebenfalls eine gewährte Stundung entweder aufgrund eines Widerrufsvorbehalts (§ 131 Abs. 2 Nr. 1 AO) oder wegen nachträglichen Eintritts einer den Nichterlass rechtfertigenden Tatsache (§ 131 Abs. 2 Nr. 3 AO) widerrufen werden kann. Dies ergibt sich auch daraus, dass nach der Veräußerung Liquidität existiert.2 Daher kann die sogar für die Schenkung ausdrücklich in § 28 Abs. 3 Satz 4 ErbStG angeordnete Rechtsfolge erst recht herbeigeführt werden. Nach § 28 Abs. 3 Satz 5 ErbStG gilt Abs. 1 Satz 2 und 3 für die Rechtsfolge entsprechend. Gemeint 36 sind Abs. 1 Satz 2 und 3 a.F. und Abs. 1 Satz 3 und 4 n.F., zudem ist die Stundung bei einem Erwerb von Todes wegen nach wie vor zinslos und nicht nur im ersten Jahr. In der Sitzung des Vermittlungsausschusses wurde bei der Neufassung des Abs. 1 n.F. der Verweis in Abs. 3 Satz 5 übersehen. Eine inhaltliche Änderung des Abs. 3 war nicht beabsichtigt.
F. Rechtsfolge § 28 Abs. 1 Satz 2 ErbStG a.F. und § 28 Abs. 1 Satz 3 ErbStG n.F. verweisen auf §§ 234 und 238 AO, 37 nach denen grundsätzlich Stundungszinsen i.H.v. 0,5 % pro Monat oder 6 % pro Jahr zu erheben sind, die weder als Werbungskosten noch als Sonderausgaben abzugsfähig sind. Stundungszinsen fielen nach § 28 Abs. 1 Satz 2 ErbStG a.F. nur dann nicht an, wenn ein Erwerb von Todes wegen vorlag, nach § 28 Abs. 1 Satz 2 ErbStG n.F. gilt dies ab dem 1.7.2016 ebenfalls und nur noch für den ersten Jahresbetrag.3 Die Zinslosigkeit kann ein erheblicher wirtschaftlicher Vorteil sein, derzeit ist dies jedoch wegen der Niedrigzinsphase nur beschränkt der Fall. Auf die Zinsen kann bei einem Erwerb unter Lebenden nach § 234 Abs. 2 AO ganz oder teilweise verzichtet werden, wenn ihre Erhebung nach Lage des einzelnen Falls unbillig wäre. Ist die Steuer in Raten zu zahlen, so sind die Zinsen mit der letzten Rate in einer Summe zur Zahlung fällig.4 Das gilt nun auch für die Neuregelung in § 28 Abs. 1 ErbStG n.F. Unklar ist, ob die FinVerw. eine Sicherheitsleistung für die Stundung verlangen kann. Dem Wortlaut 38 des § 28 ErbStG lässt sich kein Hinweis hierzu entnehmen. Früher vertrat die FinVerw. die Auffassung, dass i.d.R. keine Sicherheitsleistung verlangt werden kann.5 Diese Aussage lässt sich den Erbschaftsteuerrichtlinien 2011 nicht mehr entnehmen. Versteht man § 28 ErbStG als speziellere und gegenüber § 222 AO privilegierende Regelung, so kann die FinVerw. keine Sicherheitsleistung verlangen.6 Hierzu scheint auch der BFH in seinem Urteil vom 11.5.1988 zu tendieren,7 da der BFH zunächst ausführt, dass eine Stundung nach § 222 AO regelmäßig nur auf Antrag und gegen Sicherheitsleistung erfolgen soll und anschließend darauf hinweist, dass sich aus der Zusammenschau mit § 222 AO ergibt, dass § 28 ErbStG die speziellere Norm ist. Für Abs. 1 n.F. gilt das Gleiche, d.h. Stundung ohne Sicherheitsleistung.
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Höne, ZEV 2010, 565. BT-Drucks. 16/11107, 13. R E 28 Abs. 5 ErbStR 2011; BT-Drucks. 16/11107, 13 für § 28 Abs. 3 ErbStG. Meincke16, § 28 ErbStG Rz. 9. R 86 Abs. 3 Satz 1, 2 ErbStR 2003; Kien-Hümbert in Moench/Weinmann, § 28 ErbStG Rz. 12 (Stand: Juni 2016). A.A. Eisele in Kapp/Ebeling, § 28 ErbStG Rz. 10 (Stand: Mai 2016). BFH v. 11.5.1988 – II B 28/88, BStBl. II 1988, 730.
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§ 28 ErbStG Rz. 39 Stundung 39
Die Steuer war nach der bisherigen Gesetzesfassung (§ 28 Abs. 1 ErbStG a.F.) bis zu zehn Jahre zu stunden. Ab dem 1.7.2016 gilt dies nur noch für die Immobilienstundung. An der Rechtsfolge des Abs. 3 hat sich durch die Neufassung des Abs. 1 nichts geändert (Stundung bis zu zehn Jahre, bei Erwerb von Todes wegen zinslos, vgl. Rz. 36).
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§ 28 Abs. 1 Satz 1 ErbStG n.F. enthält die Regelung, dass bei einem Erwerb von Todes wegen die auf das begünstigte Vermögen i.S.d. § 13b Abs. 2 ErbStG n.F. entfallende Erbschaftsteuer auf Antrag bis zu sieben Jahre zu stunden ist. Der erste Jahresbetrag ist ein Jahr nach der Festsetzung der Steuer fällig und bis dahin zinslos zu stunden (§ 28 Abs. 1 Satz 2 ErbStG n.F.). Es stellt sich die Frage, ob mit dieser Formulierung gemeint ist, dass die Erbschaftsteuer im ersten Jahr nach der Festsetzung der Steuer insgesamt zinslos zu stunden ist oder nur der erste Jahresbetrag und im Übrigen der zweite bis siebte Jahresbetrag bereits zu verzinsen ist. Dass die Stundung im ersten Jahr insgesamt zinslos erfolgt, ergibt sich aus § 28 Abs. 1 Satz 3 ErbStG n.F., nach dem die §§ 234 und 238 AO für die weiteren zu entrichtenden Jahresbeträge ab dem zweiten Jahr nach der Festsetzung der Steuer anzuwenden sind. Das entspricht auch dem Sinn und Zweck, die unerwartet anfallende Erbschaftsteuer im Todesfall zu stunden. Der erste Jahresbetrag wird ein Jahr nach der Festsetzung der Steuer zur Zahlung fällig, die folgenden Jahresbeträge dann jeweils zeitversetzt ein Jahr später. Auch wenn dies nicht ausdrücklich im Gesetz geregelt ist, dürfte dies die zutreffende Auslegung der Vorschrift sein.1 Es handelt sich um sieben Jahresbeträge.2
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Nicht geregelt war früher, wann der Stundungszeitraum beginnt. In der Literatur wurde befürwortet, dass die Frist mit der im Steuerbescheid bestimmten Fälligkeit der Erbschaftsteuer beginnt und zulasten des Steuerpflichtigen Zeiträume zwischen Entstehung und Fälligkeit der Steuer nicht auf die zehnjährige Höchstfrist angerechnet werden können.3 Ab dem 1.7.2016 ist für Abs. 1 n.F. die Festsetzung der Steuer maßgeblich.4
42
Unstreitig steht der FinVerw. kein Entschließungsermessen zu, d.h. sie muss die Stundung gewähren, wenn die Voraussetzungen hierfür vorliegen. Es stellt sich allerdings die Frage, ob die FinVerw. ein Auswahlermessen dahingehend hat, wie lange sie die Stundung gewährt. Nach dem Wortlaut des Abs. 1 a.F. war die Stundung zu gewähren, allerdings nur, „soweit dies zur Erhaltung des Betriebs notwendig ist“. In der Literatur wurde teilweise die Auffassung vertreten, dass das Finanzamt hinsichtlich der Stundungsdauer ein Auswahlermessen habe.5 Jedoch wurde auch teilweise eine gebundene Entscheidung befürwortet, so dass die Dauer allein von der Situation des Betriebs und des Erwerbers abhängig sei.6 Im Ergebnis dürfte letztere Auffassung zutreffend gewesen sein, da nach dem Wortlaut allein das Notwendigkeitskriterium für die Dauer der Stundung maßgebend war. Ab 1.7.2016 besteht kein Auswahlermessen mehr, da die bisherige Stundungsvoraussetzung, dass die Stundung für die Erhaltung des Betriebs notwendig sein müsse, in § 28 Abs. 1 ErbStG n.F. nicht mehr enthalten ist.
43
Laufende Einkünfte, wie z.B. laufende betriebliche Erträge, können dazu führen, dass eine kontinuierliche Tilgung der gestundeten Steuer seitens der Finanzbehörden verlangt wird und u.U. diese Tilgungsleistungen dazu führen, dass die zeitliche Höchstgrenze von zehn Jahren nicht auszuschöpfen ist.7 Ab dem 1.7.2016 kann das bei Abs. 1 n.F. nicht mehr verlangt werden. Die bisherige Stundungsvoraussetzung, dass die Stundung für die Erhaltung des Betriebs notwendig sein müsse, ist dort nicht mehr enthalten.
1 Thonemann-Micker, DB 2016, 2312; a.A. Hannes, ZEV 2016, 554. 2 Thonemann-Micker, DB 2016, 2312; etwas unklar Eisele, NWB 2016, 3002. 3 Jülicher in T/G/J, § 28 ErbStG Rz. 8 (Stand: Juli 2015); a.A. Kien-Hümbert in Moench/Weinmann, § 28 ErbStG Rz. 11 (Stand: Juni 2016). 4 Eisele, NWB 2016, 3002. 5 Kobor in F/J/P/W5, § 28 ErbStG Rz. 8; Knobel in V/K/S/W4, § 28 ErbStG Rz. 9; Kien-Hümbert in Moench/Weinmann, § 28 ErbStG Rz. 2 (Stand: Juni 2016). 6 Jülicher in T/G/J, § 28 ErbStG Rz. 8 (Stand: Juli 2015). 7 R E 28 Abs. 4 Satz 5 ErbStR 2011.
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§ 28a Verschonungsbedarfsprüfung (1) 1Überschreitet der Erwerb von begünstigtem Vermögen im Sinne des § 13b Absatz 2 die Grenze des § 13a Absatz 1 Satz 1 von 26 Millionen Euro, ist die auf das begünstigte Vermögen entfallende Steuer auf Antrag des Erwerbers zu erlassen, soweit er nachweist, dass er persönlich nicht in der Lage ist, die Steuer aus seinem verfügbaren Vermögen im Sinne des Absatzes 2 zu begleichen. 2Ein Erwerber kann den Erlass nicht in Anspruch nehmen, soweit er begünstigtes Vermögen im Sinne des § 13b Absatz 2 auf Grund einer letztwilligen Verfügung des Erblassers oder einer rechtsgeschäftlichen Verfügung des Erblassers oder Schenkers auf einen Dritten übertragen muss. 3Satz 2 gilt entsprechend, wenn ein Erbe im Rahmen der Teilung des Nachlasses begünstigtes Vermögen auf einen Miterben überträgt. 4Überträgt ein Erbe erworbenes begünstigtes Vermögen im Sinne des § 13b Absatz 2 im Rahmen der Teilung des Nachlasses auf einen Dritten und gibt der Dritte dabei diesem Erwerber nicht begünstigtes Vermögen hin, das er vom Erblasser erworben hat, erhöht sich insoweit der Wert des begünstigten Vermögens des Dritten um den Wert des hingegebenen Vermögens, höchstens jedoch um den Wert des übertragenen Vermögens. (2) Zu dem verfügbaren Vermögen gehören 50 Prozent der Summe der gemeinen Werte des 1. mit der Erbschaft oder Schenkung zugleich übergegangenen Vermögens, das nicht zum begünstigten Vermögen im Sinne des § 13b Absatz 2 gehört, und 2. dem Erwerber im Zeitpunkt der Entstehung der Steuer (§ 9) gehörenden Vermögens, das nicht zum begünstigten Vermögen im Sinne des § 13b Absatz 2 gehören würde. (3) 1Die nach Anwendung des Absatzes 1 Satz 1 verbleibende Steuer kann ganz oder teilweise bis zu sechs Monate gestundet werden, wenn die Einziehung bei Fälligkeit eine erhebliche Härte für den Erwerber bedeuten würde und der Anspruch nicht gefährdet erscheint. 2Eine erhebliche Härte liegt insbesondere vor, wenn der Erwerber einen Kredit aufnehmen oder verfügbares Vermögen im Sinne des Absatzes 2 veräußern muss, um die Steuer entrichten zu können. 3Die §§ 234 und 238 der Abgabenordnung sind anzuwenden. 4§ 222 der Abgabenordnung und § 28 bleiben unberührt. (4) 1Der Erlass der Steuer nach Absatz 1 Satz 1 steht unter der auflösenden Bedingung, dass 1. 1die Summe der maßgebenden jährlichen Lohnsummen des Betriebs, bei Beteiligungen an einer Personengesellschaft oder Anteilen an einer Kapitalgesellschaft des Betriebs der jeweiligen Gesellschaft, innerhalb von sieben Jahren nach dem Erwerb (Lohnsummenfrist) insgesamt die Mindestlohnsumme nach § 13a Absatz 10 Nummer 3 bis 5 unterschreitet. 2§ 13a Absatz 3 Satz 2 und 6 bis 13 gilt entsprechend. 3Unterschreitet die Summe der maßgebenden jährlichen Lohnsummen die Mindestlohnsumme, vermindert sich der nach Absatz 1 Satz 1 zu gewährende Erlass der Steuer mit Wirkung für die Vergangenheit in demselben prozentualen Umfang, wie die Mindestlohnsumme unterschritten wird; 2. 1der Erwerber innerhalb von sieben Jahren (Behaltensfrist) gegen die Behaltensbedingungen entsprechend § 13a Absatz 6 Satz 1 verstößt. 2§ 13a Absatz 6 Satz 2 bis 4 gilt entsprechend; 1 3. der Erwerber innerhalb von zehn Jahren nach dem Zeitpunkt der Entstehung der Steuer (§ 9) weiteres Vermögen durch Schenkung oder von Todes wegen erhält, das verfügbares Vermögen im Sinne des Absatzes 2 darstellt. 2Der Erwerber kann erneut einen Antrag nach Absatz 1 stellen. 3Das verfügbare Vermögen nach Absatz 2 ist um 50 Prozent des gemeinen Werts des weiteren erworbenen Vermögens zu erhöhen. 2Der Verwaltungsakt nach Absatz 1 Satz 1 steht unter dem Vorbehalt des Widerrufs (§ 120 Absatz 2 Nummer 3 der Abgabenordnung). 3Der Verwaltungsakt über den Erlass nach Absatz 1 Satz 1 ist bei Eintritt der auflösenden Bedingung nach Satz 1 mit Wirkung für die Vergangenheit ganz oder teilweise zu widerrufen; § 131 Absatz 4 der Abgabenordnung gilt entsprechend. (5) 1Der Erwerber ist verpflichtet, dem für die Erbschaftsteuer zuständigen Finanzamt innerhalb einer Frist von sechs Monaten nach Ablauf der Lohnsummenfrist das Unterschreiten der Mindestlohnsumme (Absatz 4 Satz 1 Nummer 1) anzuzeigen. 2In den Fällen des Absatzes 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 ist der Erwerber verpflichtet, dem für die Erbschaftsteuer zuständigen Finanzamt den entsprechenden Sachverhalt innerhalb einer Frist von einem Monat, nachdem der jeweilige Tatbestand verwirklicht wurde, anzuzeigen. 3Die Anzeige ist eine Steuererklärung im Sinne der AbgaStalleiken
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§ 28a ErbStG Rz. 1 Verschonungsbedarfsprüfung benordnung. 4Sie ist schriftlich abzugeben. 5Die Anzeige hat auch dann zu erfolgen, wenn der Vorgang nur teilweise zum Widerruf des Verwaltungsaktes nach Absatz 4 führt. (6) Die Zahlungsverjährungsfrist für die nach Anwendung des Absatzes 1 Satz 1 verbleibende Steuer endet nicht vor dem Ablauf des fünften Jahres, nachdem das für die Erbschaftsteuer zuständige Finanzamt von dem Unterschreiten der Mindestlohnsumme (Absatz 4 Satz 1 Nummer 1) oder dem Verwirklichen eines Tatbestands nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 Kenntnis erlangt. (7) Die Absätze 1 bis 6 gelten in den Fällen des § 1 Absatz 1 Nummer 4 entsprechend. (8) Die Absätze 1 bis 7 gelten nicht, wenn ein Antrag nach § 13c gestellt wurde. A. I. II. III.
Grundaussagen der Vorschrift. . . . . . . . . . Regelungsgegenstand und Normaufbau . . . Bedeutung und Telos . . . . . . . . . . . . . . . . . Geltungsbereich und Verhältnis zu anderen Vorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Rechtsentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Grundmechanismus der Verschonungsbedarfsprüfung (Abs. 1) . . . . . . . . . . . . . . C. Verfügbares Vermögen (Abs. 2) . . . . . . . . . D. Besondere Stundung in Härtefällen (Abs. 3) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . E. Wegfall des Erlasses (Abs. 4) . . . . . . . . . . . I. Erlass qua Gesetzes unter auflösender Bedingung (Abs. 4 Satz 1). . . . . . . . . . . . . .
1 1 10 12 13 14 21 30 32
1. Allgemeines. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Nichteinhaltung der für die Vollverschonung geltenden Behaltensfrist und Lohnsummenregelungen (Nr. 1 und 2) . . 3. Nacherwerbe von nicht begünstigtem Vermögen (Nr. 3) . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Verfahrensrechtliche Umsetzung (Abs. 4 Satz 2 und 3) . . . . . . . . . . . . . . . . . .
32
33 36 42
F. Mitwirkungspflichten des Erwerbers (Abs. 5) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 G. Ablaufhemmung (Abs. 6) . . . . . . . . . . . . . . 45 H. Erbersatzsteuer (Abs. 7) . . . . . . . . . . . . . . . 46 I. Verhältnis zu § 13c ErbStG (Abs. 8) . . . . . . 47
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A. Grundaussagen der Vorschrift I. Regelungsgegenstand und Normaufbau 1 § 28a ErbStG regelt neben § 13c ErbStG den zweiten Baustein der Verschonung des begünstigten Ver-
mögens in denjenigen Fällen, in denen der Wert des begünstigten Vermögen i.S.d. § 13b Abs. 2 Satz 1 ErbStG, ggf. unter Zusammenrechnung von Vorerwerben innerhalb der letzten zehn Jahre, dem Wert von 26 Mio. Euro übersteigt. Die Norm geht zurück auf das Urteil des BVerfG vom 17.12.2014,1 in dem das Gericht bei der Steuerbefreiung für sog. „Großerwerbe“ weitere Voraussetzungen im Sinne einer zusätzlichen verfassungsrechtlichen Rechtfertigung gefordert hat. Hiermit soll das absolut steigende Maß an Ungleichbehandlung durch eine Steuerbefreiung von Großerwerben verfassungsfest ausgestaltet werden. Das BVerfG selbst hatte als Rechtfertigungsmechanismus die Variante benannt, dass eine weitergehende Steuerverschonung nur unter Voraussetzung des Nachweises persönlicher Bedürftigkeit des Erwerbers gewährt wird. Dem ist der Gesetzgeber mit der sog. „Verschonungsbedarfsprüfung“ gefolgt. Diese sieht im Kern vor, dass der Erwerber die Hälfte des Wertes seines nicht begünstigten Vermögens zur Steuerzahlung aufwenden muss. Soweit dies zur Begleichung der Steuer auf den Erwerb des begünstigten Vermögens nicht ausreicht, kann ihm auf Antrag ein Erlass der verbleibenden Erbschaft- oder Schenkunsgteuer unter der Voraussetzung der Einhaltung der für die Vollverschonung geltenden siebenjährigen Behaltensfrist und verschärften Lohnsummenkontrolle gewährt werden. 2 Abs. 1 regelt den grundsätzlichen Mechanismus der Verschonungsbedarfsprüfung, nämlich den an-
tragsgebundenen Erlass der Steuer auf den Erwerb des begünstigten Vermögens, soweit der Erwerber seine persönliche Verschonungsbedürftigkeit nachweist. Der Erlass wird gewährt, soweit der Erwerber nicht über verfügbares Vermögen i.S.d. Abs. 2 verfügt. 3 Abs. 2 definiert das verfügbare Vermögen als 50 % des gemeinen Wertes des nicht begünstigten Ver-
mögens des Erwerbers. Dies beinhaltet sowohl dasjenige nicht begünstigte Vermögen (Netto-Verwal1 BVerfG v. 17.12.2014 – 1 BvL 21/12, BVerfGE 138, 136.
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Stalleiken
Grundaussagen der Vorschrift
Rz. 12 § 28a ErbStG
tungsvermögen), welches der Erwerber zugleich mit demjenigen Vermögensübergang, der Anlass des Erlasses nach § 28a Abs. 1 ErbStG ist, erwirbt (Nr. 1). Dies beinhaltet jedoch auch dasjenige nicht begünstigte Vermögen, welches dem Erwerber bereits im Zeitpunkt der Steuerentstehung gehört (Nr. 2). Zur Steuerzahlung ist also auch das „Privatvermögen“ des Erwerbers heranzuziehen. Abs. 3 regelt eine sechsmonatige zinslose Stundungsmöglichkeit für den Fall, dass der Erwerber ver- 4 fügbares Vermögen i.S.d. Abs. 2 liquidieren muss, um seiner Steuerzahlungsverpflichtung auf das erworbene begünstigte Vermögen nachzukommen. Abs. 4 stellt den Erlass nach Absatz 1 unter die auflösende Bedingung, dass der Erwerber in den auf 5 den Erwerb folgenden sieben Jahren die für die Vollverschonung maßgebliche Lohnsumme einhält (Nr. 1), der die siebenjährige Behaltensfrist einhält (Nr. 2) und ferner, dass der Erwerber innerhalb von zehn Jahren nach dem Erwerb des begünstigten Vermögens weiteres verfügbares Vermögen unentgeltlich erwirbt. Hierbei ist unbeachtlich, ob dieses weitere verfügbare Vermögen von demselben Erblasser oder Schenker erworben wird oder von Dritten. Mit anderen Worten sind Schenkungen oder Erbfälle, gleich von welcher Person sie erfolgen, erlassschädlich. Abs. 5 regelt besondere Mitteilungspflichten des Steuerpflichtigen über Verstöße gegen die Lohnsum- 6 me, die Behaltensfrist oder den Erwerb weiteren Vermögens. Die Norm soll den Vollzug der Besteuerung in denjenigen Fällen, in denen der Erlass nachträglich wegfällt, sicherstellen. Abs. 6 regelt besondere Zahlungsverjährungsfristen für den Fall des nachträglichen Wegfalls des Er- 7 lasses. Gemäß Abs. 7 gelten die vorstehenden Bestimmungen im Rahmen der Erbersatzsteuer gem. § 1 8 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG entsprechend. Abs. 8 regelt, dass sich ein Antrag auf Anwendung des Abschmelzungsmodells gem. § 13c ErbStG 9 und ein Antrag auf Erlass der Steuer nach § 28a ErbStG wechselseitig ausschließen.
II. Bedeutung und Telos § 28a ErbStG regelt eine der beiden Verschonungsalternativen für „Großerwerbe“, zurückgehend auf 10 die Entscheidung des BVerfG vom 14.12.2014. Danach bedarf es bei Überschreiten gewisser Erwerbsgrenzen einer erhöhten Verschonungsbedarfsprüfung zusätzlich zu den allgemeinen Voraussetzungen nach §§ 13a, 13b ErbStG, um dem erhöhten verfassungsrechtlichen Rechtfertigungsdruck für die Inanspruchnahme der Unternehmensbegünstigungen ab einer gewissen Größenordnung zu genügen. Der Vorgabe des BVerfG folgend geht der Gesetzgeber bei Erwerben bis zu einem Wert von 26 Mio. Eu- 11 ro typisierend von einer unwiderleglichen Gefährdungsvermutung für die in den Betrieben angelegte Beschäftigung aus. Der Prüfschwellenwert ist von der Steuertarifnorm abgeleitet. Der Gesetzgeber hat im Rahmen des Steuertarifs die größeren Erwerbe, auf die der höchste Steuersatz angewendet wird, mit einem Wert von über 26 Mio. Euro bestimmt (vgl. § 19 Absatz 1 ErbStG). Darüberhinaus soll der Erwerber gem. § 28a ErbStG die Begünstigung nur noch in Anspruch nehmen können, soweit er nachweist, dass er zur Begleichung der Erbschaftsteuer aus seinem verfügbaren Vermögen nicht in der Lage ist (Verschonungsbedarfsprüfung).
III. Geltungsbereich und Verhältnis zu anderen Vorschriften Der Erlass nach § 28a ErbStG bedingt das Überschreiten der 26 Mio.-Euro-Grenze des § 13a Abs. 1 12 ErbStG (§ 13a ErbStG Rz. 35). Er bezieht sich nur auf das begünstigte Vermögen i.S.d. § 13b Abs. 2 Satz 1 ErbStG. Der Erlassantrag kann nicht zusätzlich, sondern nur alternativ zu einem Antrag nach § 13c ErbStG gestellt werden (s. Rz. 16). Hierdurch soll klarstellend verhindert werden, dass ein Erwerber nicht einerseits das Abschmelzungsmodell in Anspruch nehmen und andererseits zusätzlich den Erlass nach § 28a ErbStG auf den nicht der Abschmelzung unterliegenden Steuerbetrag beanspruchen kann. Die allgemeine Stundung der nicht unter den Erlass fallenden Steuer auf das begünstigte Vermögen gem. § 28 Abs. 2 ErbStG bleibt unberührt. Die Vorschrift greift für alle Arten der persönlichen Steuerpflicht i.S.d. § 2 ErbStG ein. Stalleiken
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§ 28a ErbStG Rz. 13 Verschonungsbedarfsprüfung
IV. Rechtsentwicklung 13
Die Norm wurde durch das Gesetz zur Anpassung der Erbschaft- und Schenkungsteuerrechts an die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts („ErbStAnpG 2016“)1 mit Wirkung zum 1.7.2016 in das ErbStG eingefügt. Zum verfassungsrechtlichen Hintergrund und zum Gang des Gesetzgebungsverfahrens s. § 13a ErbStG Rz. 24 ff.
B. Grundmechanismus der Verschonungsbedarfsprüfung (Abs. 1) 14
Gemäß Abs. 1 Satz 1 ist im Fall des Überschreitens der 26 Mio.-Euro-Grenze des § 13a Abs. 1 Satz 1 ErbStG auf Antrag des Erwerbers die Steuer auf das begünstigte Vermögen i.S.d. § 13b Abs. 2 Satz 1 ErbStG zu erlassen, soweit der Erwerber nachweist, dass er zur Zahlung der Steuer aus seinem verfügbaren Vermögen nicht in der Lage ist. Mit anderen Worten wird die Steuer zunächst auf den vollen Erwerb festgesetzt, was bedeutet, dass wegen Überschreitens der 26 Mio.-Euro-Grenze stets der Höchststeuersatz zur Anwendung gelangt (Steuerklasse I: 30 %, Steuerklasse II: 43 %, Steuerklasse III: 50 %).2 Hier zeigt sich ein erster Nachteil des Erlassmodells gegenüber den anderen Verschonungsformen, da somit auch die Steuer auf evtl. miterworbenes nichtbegünstigtes Vermögen (z.B. Privatvermögen im Erbfall, aber auch nichtverschontes Verwaltungsvermögen innerhalb des begünstigungsfähigen Vermögens) auf das höchste Steuerniveau „heraufgeschleust“ wird. Demgegenüber kann bei Inanspruchnahme der Regel- oder Vollverschonung sowie im Abschmelzungsmodell der Steuersatz für das miterworbene nicht begünstigte Vermögen auch (deutlich) unter dem Höchststeuersatz liegen, da in den vorgenannten Varianten der gemeine Wert des begünstigten Vermögens nicht in die Steuerbemessungsgrundlage miteinfließt.
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Bei dem Erlass nach vorheriger Festsetzung der Steuer handelt es sich verfahrensrechtlich um eine Maßnahme des Steuererhebungsverfahrens (§ 227 AO).3
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Die Anwendung des Erlassmodells setzt einen Antrag des Steuerpflichtigen voraus. Ein solcher Antrag kann jedoch nur gestellt werden, wenn für dieses Vermögen (entweder im Rahmen eines Ersterwerbs oder bei Überschreiten der 26 Mio.-Euro-Grenze durch einen weiteren Erwerb) nicht bereits das Abschmelzungsmodell beantragt worden ist (§ 13c Abs. 2 letzter Satz ErbStG). Da das Gesetz in § 28a ErbStG, anders als beim Antrag im Abschmelzungsmodell gem. § 13c Abs. 4 letzter Satz ErbStG (§ 13c ErbStG Rz. 16), nicht ausdrücklich bestimmt, dass der Antrag unwiderruflich ist, ist davon auszugehen, dass der Antrag zurückgenommen werden kann und nach Rücknahme stattdessen das Abschmelzungsmodell gewählt werden kann.4 Ein Wechsel vom Erlass- in das Abschmelzungsmodell ist also möglich, umgekehrt jedoch nicht.
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Mangels gesetzlicher Regelung ist davon auszugehen, dass der Antrag auf Anwendung des Erlassmodells bis zum Eintritt der Festsetzungsverjährung gestellt und auch wieder zurückgenommen werden kann. Ähnlich wie bei dem Antrag auf Ausübung der Vollverschonungsoption ist jedoch davon auszugehen, dass die Finanzverwaltung in den Erbschaftsteuerrichtlinien eine zeitliche Begrenzung für die Antragsbefugnis nennen wird.
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Die Antragsbefugnis des Erwerbers ist nicht dadurch ausgeschlossen, dass sich der Schenker vertraglich zur Übernahme der Schenkungsteuer verpflichtet hat oder der Erblasser die Zahlung der Erbschaftsteuer einem Dritten auferlegt hat. Der Wortlaut des Abs. 1 kann nicht dahingehend missverstanden werden, dass dem Erwerber der Nachweise verwehrt ist, dass er persönlich nicht in der Lage ist, die Steuer aus seinem verfügbaren Vermögen zu begleichen, wenn er im Innenverhältnis einen Anspruch auf Übernahme der Schenkungsteuer durch den Schenker oder einen Dritten hat. Auch kommt es bei verständiger Auslegung des Gesetzes nicht dazu, dass die Steuer auf den Erwerb zunächst ohne jegliche Verschonung festgesetzt wird und hierbei die Schenkungsteuerübernahme durch den Schenker gem. 1 2 3 4
Gesetz v. 4.11.2016, BGBl. I 2016, 2464. Hannes, ZEV 2016, 554 (560). Söffing, ErbStB 2016, 235 (241). Hannes, ZEV 2016, 554 (561); Weinmann in Moench/Weinmann, ErbStG – Erstkommentierung zum ErbStAnpG, § 13a ErbStG Rz. 14.
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Verfügbares Vermögen (Abs. 2)
Rz. 24 § 28a ErbStG
§ 10 Abs. 2 ErbStG mit dem auf das volle Vermögen (über 26 Mio. Euro) entfallenden Wert hinzugerechnet wird. Bei verständiger Auslegung dürfte der Schenkerwille stets so auszulegen sein, dass er nur auf Übernahme der Steuer nach Gewährung des Erlasses gerichtet ist, so dass bei z.B. vollständigem Erlass zunächst einmal keine Schenkungsteuer anfällt. Ein etwaiger Anspruch des Beschenkten auf Erstattung der Schenkungsteuer oder Freistellung von der Schenkungsteuer dürfte allerdings zum verfügbaren Vermögen i.S.d. § 28a Abs. 2 ErbStG (Rz. 25) zu zählen sein. Im Rahmen des § 28a ErbStG ist also die Steuerübernahme nachteilig. Gemäß der Sätze 3 und 4 kann der Erwerber den Erlass nicht in Anspruch nehmen, soweit er das be- 19 günstigte Vermögen auf einen Dritten weiterüberträgt oder übertragen muss. Die beiden Sätze transportieren das System des „Begünstigungstransfers“ des § 13a Abs. 5 ErbStG auch in das Erlassmodell. Dies ist folgerichtig. Auf die Kommentierung zu § 13a ErbStG Rz. 121 ff. kann insoweit verwiesen werden. Rechtsfolge des Abs. 1 ist, dass zunächst die festgesetzte Steuer auf den gemeinen Wert des begüns- 20 tigten Vermögens i.S.d. § 13b Abs. 2 Satz 1 ErbStG erlassen wird. (Junges) Verwaltungsvermögen und (junge) Finanzmittel, die nach § 13b ErbStG der Versteuerung unterliegen, werden vom Erlass nicht umfasst. Dies ist zunächst einmal mehr als eine Stundung, da der Erlassgrund grundsätzlich den ersatzlosen Wegfall der Steuerschuld bewirkt. Gleichwohl regelt der Gesetzgeber weitergehende Voraussetzungen, die zu einem späteren Wegfall des Erlasses im Rahmen einer auflösenden Bedingung nach Abs. 4 führen können (Rz. 32 ff.). Allerdings kommt bei Inanspruchnahme des Erlasses – gleich, in welcher Höhe dieser letztlich gewährt wird – die für die Vollverschonung geltenden Behaltensfrist und Lohnsummenkontrolle zur Anwendung.
C. Verfügbares Vermögen (Abs. 2) Der Erlass greift auf Antrag nur ein, soweit der Erwerber die Steuern nicht aus seinem verfügbaren 21 Vermögen begleichen kann. Abs. 2 definiert das verfügbare Vermögen durch einen Umkehrschluss. Verfügbares Vermögen sind 50 % der Summe der gemeinen Werte des zum nicht gem. § 13b Abs. 2 ErbStG begünstigten Vermögen gehörenden Vermögens. Hierunter fällt sowohl dasjenige nicht begünstigte Vermögen, welches Gegenstand des nämlichen Erwerbs war, der den Erlass auf das begünstigte Vermögen ausgelöst hat (Nr. 1). Zum verfügbaren Vermögen gehört jedoch auch solches Vermögen, welches der Erwerber bereits unabhängig von dem konkreten Begünstigungsanlass in seinem (Privat-)Vermögen zum Steuerentstehungszeitpunkt hat (Nr. 2). Insbesondere über die Einbeziehung des gesamten in- und ausländischen (Privat-)Vermögens des 22 Erwerbers ist während des Gesetzgebungsverfahrens intensiv gestritten worden; letztlich haben sich die Bundesländer mit ihrem Wunsch nach Einbeziehung des (Privat-)Vermögens des Erwerbers als verfügbares Vermögen durchgesetzt. Die Folgen hiervon sind durchaus weitreichend: Zunächst einmal ist festzustellen, dass das zugleich mit dem begünstigten Erwerb übergehende nicht 23 begünstigte Vermögen als verfügbares Vermögen somit im Ergebnis einer „zweifachen“ Besteuerung unterliegt,1 wobei es sich freilich nicht um eine Doppelbesteuerung im rechtstechnischen Sinne handelt. Da im Rahmen des Erlassmodells durch Überschreiten der 26 Mio.-Euro-Grenze stets die Spitzensteuersätze anzuwenden sind (vgl. oben Rz. 14), wird auf dieses Vermögen als vermindertes Nettoverwaltungsvermögen ohnehin eine Steuer von mind. 30 % (Steuerklasse I), ggf. aber auch 43 % (Steuerklasse II) oder 50 % (Steuerklasse III) festgesetzt und zu zahlen sein. Ferner unterliegt dieses verfügbare Vermögen „zur Hälfte“ seines gemeinen Wertes „der Zahlung auf den Erwerb des begünstigten Vermögens“. Hierbei stellt sich die Frage, ob der Erwerber die latente Erbschaft- oder Schenkungsteuer auf das 24 miterworbene nicht begünstigte Vermögen von dessen Wert als verfügbares Vermögen abziehen kann.2 Der Wortlaut der Norm spricht zunächst gegen einen solchen Abzug latenter Steuern;3 gleichwohl ist 1 Wachter, FR 2016, 690 (706): verfassungsrechtlich bedenklich. 2 So Kischisch/Maiterth, DB 2015, 2033 (2036) Fn. 25. 3 Hannes, ZEV 2016, 554 (560).
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§ 28a ErbStG Rz. 25 Verschonungsbedarfsprüfung dieser geboten, da ansonsten eine nicht zu rechtfertigende Ungleichbehandlung mit einzubeziehenden Vorerwerben von (Privat-)Vermögen bestünde, bei denen eine Steuerbelastung tatsächlich zum Tragen gekommen ist und das verfügbare Vermögen vermindert hat. 25
Bei vertraglicher Übernahme der Schenkungsteuer durch den Schenker oder vom Erblasser angeordneter Erbschaftsteuerübernahme durch einen Dritten liegt insoweit verfügbares Vermögen vor, als ein Freistellungsanspruch im Innenverhältnis tatsächlich besteht. Dies ist im Ergebnis gerechtfertigt, da dieselbe Folge einträte, wenn der Schenker schlicht einen Geldbetrag zur Zahlung der Schenkungsteuer mitgeschenkt hätte.
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Das verfügbare Vermögen muss nicht liquide sein. Zum verfügbaren Vermögen zählen potentiell alle Wirtschaftsgüter, die kein begünstigtes Vermögen i.S.d. § 13b Abs. 2 Satz 1 ErbStG darstellen. Insbesondere wenn es sich hierbei um Grundbesitz, Anteile an Personen oder Kapitalgesellschaften, die nicht dem Grunde nach begünstigungsfähig sind oder Kunstgegenstände etc. handelt, so ist festzustellen, dass dieses Vermögen jedenfalls für den Erwerber (noch) nicht liquide ist. Das Gesetz sieht in diesen Fällen lediglich eine Stundungsmöglichkeit vor, die dem Erwerber Gelegenheit zur Veräußerung dieses Vermögens geben soll (s. Rz. 30).
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Sachliche oder persönliche Steuerbefreiungen finden keine Anwendung.1 Dies bedeutet einerseits, dass auch Vermögensgegenstände, deren Erwerb eigentlich steuerfrei wäre (Familienheim, Kunstgegenstände, Hausrat, denkmalgeschützte Immobilien), mit der Hälfte ihres Wertes zum verfügbaren Vermögen gerechnet werden und Steuerfolgen auslösen. Dasselbe gilt für in der Vergangenheit unter Ausnutzung der §§ 13a, 13b ErbStG a.F. übertragene sog. „Cash-GmbHs“. Und andererseits bedeutet dies, dass der Erwerber bei Miterwerb nicht begünstigten Vermögens zwar grundsätzlich die persönlichen Freibeträge des § 16 ErbStG in Anspruch nehmen kann, dies jedoch für die Frage, ob in dieser Höhe auch verfügbares Vermögen vorliegt, keinerlei Rolle spielt. Die daraus folgende vollständige und lückenlose Erfassung, Offenlegung und Bewertung des Weltvermögens des Erwerbes, selbst in Fällen der nur erweitert beschränkten oder beschränkten Steuerpflicht, stellt diesen vor immense Herausforderungen.2 Beispiel: Die Ehefrau erbt vom Ehemann eine Unternehmensbeteiligung im Wert von 30 Mio. Euro und Privatvermögen (Barvermögen, Wertpapiere, Familienheim) i.H.v. 10 Mio. Euro. Da das Anfangsvermögen der Eheleute 0 und das Endvermögen der Ehefrau gleichsam 0 betrug, hat die Ehefrau einen Zugewinnausgleichsanspruch i.H.v. 20 Mio. Euro. Aus diesem Grund fällt keine Erbschaftsteuer auf das miterworbene Privatvermögen an. Trotzdem ist die Hälfte dieses miterworbenen Privatvermögens (5 Mio. Euro) als verfügbares Vermögen zur Steuerzahlung im Rahmen des Erlassmodells heranzuziehen.
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Dasselbe verfügbare Vermögen ist bei mehreren Erwerben auch mehrfach zur Steuerzahlung heranzuziehen.3 Beispiel: Erbe E erbt in 01 von seinem Vater einen Betrieb im Wert von 40 Mio. Euro (ausschl. begünstigtes Vermögen). E hat im Laufe seines Lebens Ersparnisse von 20 Mio. Euro erwirtschaftet (= verfügbares Vermögen). Lösung: Die Steuer auf den begünstigten Erwerb beträgt 12 Mio. Euro (30 %). Im Erlassmodell muss E die Hälfte des verfügbaren Vermögens (10 Mio. Euro) sofort zahlen, 2 Mio. Euro werden ihm erlassen. Abwandlung: In 02 erbt E von seiner Mutter einen weiteren Betrieb im Wert von 30 Mio. Euro (ausschl. begünstigtes Vermögen). Seine Ersparnisse betragen jetzt noch 10 Mio. Euro. Lösung: Die Steuer auf den begünstigten Erwerb beträgt 9 Mio. Euro (30 %). Im Erlassmodell muss E die Hälfte seines verfügbaren Vermögens (5 Mio. Euro) sofort zahlen, 4 Mio. Euro werden ihm erlassen. Die ursprünglichen 20 Mio. Euro sind also letztlich zu 75 % zur Steuerzahlung herangezogen worden.
1 Viskorf/Löcherbach/Jehle, DStR 2016, 2425 (2432). 2 Wachter, FR 2016, 690 (706); Korezkij, DStR 2015, 1337 (1342). 3 Hannes, ZEV 2016, 554 (560).
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Wegfall des Erlasses (Abs. 4)
Rz. 34 § 28a ErbStG
Gestaltungshinweis: Wenn das Erlassmodell effektiv genutzt werden soll, muss verfügbares Vermögen 29 des Erwerbers vermieden werden. Insofern können Übertragungen auf privatnützige Stiftungen, insbesondere Familienstiftungen1 wieder an Attraktivität gewinnen, da die Begünstigungen gem. §§ 13a, 13b i.V.m. 28a ErbStG auch bei Übertragungen auf Stiftungen Anwendung finden und da (neu errichtete) Stiftungen über kein verfügbares Vermögen verfügen. Zudem stellt die Destinatärsstellung an einer Familienstiftung kein verfügbares Vermögen dar.2 Bei ausländischen Familienstiftungen entfällt zudem die Erbersatzsteuer nach § 1 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG.3
D. Besondere Stundung in Härtefällen (Abs. 3) Da zum verfügbaren Vermögen auch die Hälfte der gemeinen Werte des nicht-liquiden Vermögens 30 (z.B. Grundbesitz) zählen, sieht das Gesetz in Abs. 3 eine besondere Stundungsmöglichkeit vor. Hiernach kann dem Erwerber die Zahlung der nicht erlassenen Steuer auf den Wert des verfügbaren Vermögens für einen Zeitraum von sechs Monaten verzinslich gestundet werden, wenn in der sofortigen Zahlung eine „erhebliche Härte für den Erwerber“ liegen würde und der Steueranspruch durch die Stundung nicht gefährdet wird. Eine solche Härte soll insbesondere vorliegen, wenn der Erwerber verfügbares Vermögen veräußern oder hierauf einen Kredit aufnehmen muss (Satz 2). Die Regelung zielt auf eine gewisse Kulanzfrist, die dem Erwerber ermöglichen soll, entweder Grundbesitz oder nicht verschonte Unternehmensanteile zu besichern oder aber zu veräußern. Die Verzinsung richtet sich allgemein nach §§ 224, 228 AO (§ 28a Abs. 3 Satz 2 ErbStG). In besonde- 31 ren Härtefällen kann eine Stundung nach § 222 AO oder § 28 ErbStG erfolgen.
E. Wegfall des Erlasses (Abs. 4) I. Erlass qua Gesetzes unter auflösender Bedingung (Abs. 4 Satz 1) 1. Allgemeines Abs. 4 regelt die verschiedenen Varianten, in denen der Erlass nachträglich wieder entfallen kann 32 oder zurückgenommen werden kann. Gesetzestechnisch stellt Satz 1 den Erlass unter drei auflösende Bedingungen. Der Eintritt einer oder mehrerer dieser auflösenden Bedingungen führt dazu, dass der Erlass ganz oder teilweise entfällt. 2. Nichteinhaltung der für die Vollverschonung geltenden Behaltensfrist und Lohnsummenregelungen (Nr. 1 und 2) Bei Wahl des Erlassmodells sind stets die für die Vollverschonung geltende verlängerte Behaltensfrist 33 von sieben Jahren und die verschärften Mindestlohnsummen gem. § 13a Abs. 3 i.V.m. Abs. 10 ErbStG einzuhalten (vgl. Rz. 20). Dies erscheint insbesondere dann unbillig, wenn sich der Erlass wegen der Höhe des verfügbaren Vermögens nur auf einen Teil der gesamten Steuerschuld bezieht. Selbst wenn nur z.B. 10 % der Steuerschuld erlassen werden können, ist gleichwohl für die Aufrechterhaltung dieses Erlasses die Einhaltung der für die Vollverschonung maßgeblichen verlängerten Behaltensfrist und verschärften Mindestlohnsummen erforderlich. Diese Regelung ist also sehr pauschaliert; ggf. sich hierdurch ergebende Ungleichbehandlungen müssen daher hingenommen werden. Der Erlass entfällt in dem Umfang des Unterschreitens der erforderlichen Mindestlohnsumme. Dies- 34 bezüglich kann auf die Ausführungen zu § 13a Abs. 3 Satz 5 ErbStG (§ 13a ErbStG Rz. 75 ff.) verwiesen werden.
1 Vgl. nur Schauer/Uhl-Ludäscher, Stiftung&Sponsoring 2016, 26; von Oertzen/Reich, Ubg 2015, 629. 2 Vgl. von Oertzen/Reich, Ubg 2015, 629, 632. 3 Zum Einsatz der österreichischen Privatstiftung (öPS) in der Nachfolgeplanung Gahleitner/Stalleiken, IWB 2016, 914.
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§ 28a ErbStG Rz. 35 Verschonungsbedarfsprüfung 35
Im Fall des Behaltensfristverstoßes entfällt der Erlass nach der sog. 1/5- oder 1/7-Regelung, wenn der Erwerber also bereits zwei von fünf oder sieben vollen Jahren ohne Behaltensfristverstoß verbracht hat, entfällt der Erlass durch auflösende Bedingung nur zu 3/5 bzw. 5/7. Auf die Ausführungen zu § 13a ErbStG Rz. 188 ff. kann daher verwiesen werden. 3. Nacherwerbe von nicht begünstigtem Vermögen (Nr. 3)
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Ferner steht der Erlass unter der auflösenden Bedingung, dass der Erwerber nicht binnen zehn Jahren nach dem Steuerentstehungszeitpunkt weiteres verfügbares Vermögen durch Schenkung oder von Todes wegen, also unentgeltlich erwirbt. In diesem Fall kann jedoch der Erwerber den Erlass erneut beantragen, wobei allerdings das neu hinzuerworbene verfügbare Vermögen einzubeziehen ist. Die Regelung hat äußerst weitreichende Konsequenzen und bedarf der dringenden teleologischen Reduktion.
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Das Gesetz enthält keine Einschränkung dahingehend, dass dieses Vermögen von demselben Erblasser oder Schenker stammen muss. Ausweislich des Gesetzeswortlautes ist vielmehr davon auszugehen, dass jeder Erwerb verfügbaren Vermögens von jedem Dritten ausreichend ist.1 Auch hier gilt, dass keine sachlichen oder persönlichen Steuerbefreiungen sowie „Bagatellgrenzen“ gelten. Will man an dieser Stelle das Gesetz also beim Wort nehmen, führt dies zu absurden Konsequenzen. Beispiel: Die Annahme von Weihnachtsgeschenken am Heiligabend binnen zehn Jahren nach dem Erwerb begünstigten Vermögens und der Ausübung des Erlassmodells führt dazu, dass der Erwerber jeweils bis zum 24. Januar des Folgejahres den Wert dieser Weihnachtsgeschenke an den Fiskus melden und die Hälfte des Wertes der Geschenke als Steuer auf das begünstigte Vermögen nachzahlen muss.
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Erforderlich ist allerdings, dass der Nacherwerb verfügbaren Vermögens „durch Schenkung oder von Todes wegen“ erfolgt. Damit stellen insbesondere Lottogewinne keine relevanten Nacherwerbe dar, da Rechtsgrundlage für die Auszahlung des Lottogewinns weder eine zivilrechtliche Schenkung i.S.d. § 516 BGB ist noch der Lottogewinn eine freigiebige Zuwendung i.S.d. § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG darstellt. Relevante Nacherwerbe stellen allerdings auch teilentgeltliche Erwerbe in Höhe des unentgeltlichen Teils dar.
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Insbesondere gilt aber auch hier, dass solch später erworbenes verfügbares Vermögen ggf. einer „zweifachen“ Besteuerung unterliegt. Beispiel: Erbe E hat im Jahr 01 einen Geschäftsanteil von seinem Vater im Wert von 40 Mio. Euro geerbt (nur begünstigtes Vermögen) und den Antrag auf Erlass der Steuer nach § 28a gestellt. Im Jahr 08 erbt er von einer Nenntante aus den USA weitere 10 Mio. Euro in bar. Der Erwerb der Tante (Steuerklasse III) unterliegt einer 50 %igen Besteuerung. Ferner zählen die von der Tante ererbten Barmittel zum nachträglich erworbenen verfügbaren Vermögen i.S.d. Abs. 4 Nr. 3, so dass der Erlass durch auflösende Bedingung entfällt. Die Hälfte des Erwerbs ist dem verfügbaren Vermögen des Erwerbers zuzurechnen.
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Fraglich und umstritten ist, ob hierbei die latente Erbschaftsteuerschuld auf den Erwerb nach der Nenntante das verfügbare Vermögen mindert (hierzu bereits Rz. 24). Ausweislich des Gesetzeswortlautes ist dies zweifelhaft. Gemessen an einer koherenten Gesetzesauslegung ist dies jedoch das einzig richtige Ergebnis. Denn hätte der Erwerb der Tante vor dem eigentlichen Erwerb des begünstigten Vermögens stattgefunden, wären von den 10 Mio. Euro auch nur noch 5 Mio. Euro im verfügbaren Vermögen des Erwerbers im Steuerentstehungszeitpunkt. Daher ist aber nicht ersichtlich, warum bei umgekehrter Reihenfolge 10 Mio. Euro statt 5 Mio. Euro zum verfügbaren Vermögen zählen sollen.
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Auch im Rahmen von Nacherwerben verfügbaren Vermögens kann es zu einem Mehrfachverbrauch desselben verfügbaren Vermögens kommen: Beispiel: S erbt im Jahr 01 von seinem Vater einen Anteil (100 %) an der V-GmbH im Wert von 50 Mio. Euro. Da die Gesellschaft über kein Verwaltungsvermögen verfügt, beläuft sich das von S erworbene begünstigte Vermögen auf 50 Mio. Euro. S hat (auch ansonsten) kein verfügbares Vermögen i.S.d. § 28a Abs. 2 ErbStG, so dass ihm die Steuer auf den Erwerb i.H.v. 15 Mio. Euro nach § 28a Abs. 1 ErbStG erlassen wird. Im Jahr 02 erbt S sodann von seiner 1 Wachter, FR 2016, 690 (706); Hannes, ZEV 2016, 554 (561).
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Stalleiken
Ablaufhemmung (Abs. 6)
Rz. 45 § 28a ErbStG
Mutter einen Anteil (100 %) an der M-GmbH im Wert von 30 Mio. Euro sowie nicht begünstigungsfähiges Vermögen im Wert von 20 Mio. Euro. Die M-GmbH verfügt ebenfalls über kein Verwaltungsvermögen. S beantragt für beide Erwerbe einen Erlass nach § 28a ErbStG. Folgen für den Erwerb in 01: Der Erlass der Steuer entfällt mit Erwerb des verfügbaren Vermögens in 02, § 28a Abs. 4 Nr. 3 ErbStG. Gemäß § 28a Abs. 4 Nr. 3 ErbStG konnte S einen erneuten Erlass beantragen, jedoch sind dann 50 % des von der Mutter erworbenen nicht begünstigungsfähigen Vermögens, also 10 Mio. Euro, als verfügbares Vermögen zu berücksichtigen. Die über 10 Mio. Euro hinausgehende Steuer auf den Erwerb in 01 (5 Mio. Euro) wird S erlassen, 10 Mio. Euro muss er bezahlen. Besteuerung des Erwerbs in 02: Der Erwerb löst Steuer (30 %) von 15 Mio. Euro aus, davon 9 Mio. Euro auf begünstigtes Vermögen und 6 Mio. Euro auf nicht begünstigungsfähiges Vermögen. Ein Erlass der auf das begünstigte Vermögen entfallenden Steuer nach § 28a Abs. 1 ist nicht möglich, da 50 % des miterworbenen nicht begünstigungsfähigen Vermögens, also erneut 10 Mio. Euro, als verfügbares Vermögen zu berücksichtigen sind, § 28a Abs. 2 Nr. 1. Zusammenfassende Feststellungen: Die Steuer auf den Erwerb in 01 beträgt 10 Mio. Euro, die Steuer auf den Erwerb in 02 weitere 15 Mio. Euro. S zahlt insgesamt also 25 Mio. Euro, obwohl das verfügbare Vermögen nur 20 Mio. Euro betrug. Das miterworbene nicht begünstigungsfähiges Vermögen unterliegt damit rechnerisch zu 125 % der Erbschaftsteuer (aber keine Doppelbesteuerung). Bei umgekehrter Reihenfolge der Erwerbe wäre es zu einer erheblich geringeren Steuerbelastung gekommen. Erwerb v. Mutter in 01: Steuer 15 Mio. Euro, aber auch „Verbrauch“ an verfügbarem Vermögen i.H.v. 15 Mio. Euro Erwerb v. Vater in 02: 50 % des verbleibenden verfügbaren Vermögens, also 2,5 Mio. Euro, sind zur Begleichung der Steuer auf den Erwerb (15 Mio. Euro) einzusetzen, die darüber hinausgehende Steuer (12,5 Mio. Euro) wird erlassen.
II. Verfahrensrechtliche Umsetzung (Abs. 4 Satz 2 und 3) Materiell-rechtlich bewirkt der Eintritt einer der auflösenden Bedingungen des Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 bis 3 42 im Umfang der auflösenden Bedingung den rückwirkenden Wegfall des Erlasses. Abs. 4 Satz 2 und 3 regeln den damit verbundenen Widerruf zur Beseitigung des Erlass-Verwaltungsaktes. Auch ein ursprünglich rechtmäßiger Erlass, der durch rückwirkende Bedingung rechtswidrig geworden ist, bedarf zur Rücknahme einer verfahrensrechtlichen Regelung. Satz 2 bestimmt, dass der Erlass-Verwaltungsakt qua Gesetz unter dem Vorbehalt des Widerrufs gem. § 120 Abs. 2 Nr. 3 AO steht; ein dort eigentlich angeordnetes behördliches Ermessen wird somit ausgeschaltet. Gemäß Satz 3 hat der Widerruf – wiederum ohne behördliches Ermessen – zu erfolgen, soweit die auflösenden Bedingungen eingetreten sind. Die Entscheidung über den Widerruf obliegt dem Erbschaftsteuerfinanzamt (§ 131 Abs. 4 AO). Die Rücknahme des Erlass-Verwaltungsaktes eines ursprünglich rechtswidrigen Erlasses (z.B. durch 43 Täuschung) erfolgt auch ohne Anordnung im ErbStG allgemein nach § 130 Abs. 2 AO.
F. Mitwirkungspflichten des Erwerbers (Abs. 5) Der Erwerber ist verpflichtet, binnen einer Frist von sechs Monaten nach Ablauf der Lohnsummen- 44 frist das Unterschreiten der Mindestlohnsumme anzuzeigen. Ferner ist der Erwerber (Satz 1) verpflichtet, binnen Monatsfrist anzuzeigen, dass ein Behaltensfristverstoß oder ein Nacherwerb verfügbaren Vermögens stattgefunden hat (Satz 2). Die verfahrensrechtlichen Vorschriften und Mitwirkungspflichten entsprechen denen der Behaltensfrist gem. § 13a Abs. 6, 7 ErbStG und der Lohnsummenkontrolle des § 13a Abs. 3 ErbStG, so dass auf § 13a ErbStG Rz. 75 und 211 verwiesen werden kann.
G. Ablaufhemmung (Abs. 6) Abs. 6 regelt eine besondere Ablaufhemmung für die Zahlungsverjährungsfrist in denjenigen Fäl- 45 len, in denen ein Eintritt einer auflösenden Bedingung verwirklicht wird. In diesen Fällen endet die Zahlungsverjährungsfrist für die festgesetzte und nach auflösender Bedingung nicht mehr dem Erlass Stalleiken
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§ 28a ErbStG Rz. 46 Verschonungsbedarfsprüfung unterliegende Erbschaft- oder Schenkungsteuer nicht vor Ablauf des fünften Jahres, nachdem das Finanzamt von den Gründen für den Eintritt der auflösenden Bedingung Kenntnis erlangt hat.
H. Erbersatzsteuer (Abs. 7) 46
Die Vorschriften über das Erlassmodell gelten auch im Rahmen der Erbersatzsteuer § 1 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG für Familienstiftungen.
I. Verhältnis zu § 13c ErbStG (Abs. 8) 47
Das Erlassmodell kann nicht zusätzlich zu einem Antrag nach § 13c ErbStG gestellt werden. Hierdurch soll klarstellend verhindert werden, dass ein Erwerber nicht einerseits das Abschmelzungsmodell in Anspruch nehmen und andererseits zusätzlich den Erlass nach § 28a ErbStG auf den nicht der Abschmelzung unterliegenden Steuerbetrag beanspruchen kann.
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Stalleiken
§ 29 Erlöschen der Steuer in besonderen Fällen (1) Die Steuer erlischt mit Wirkung für die Vergangenheit, 1. soweit ein Geschenk wegen eines Rückforderungsrechts herausgegeben werden mußte; 2. soweit die Herausgabe gemäß § 528 Abs. 1 Satz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs abgewendet worden ist; 3. 1soweit in den Fällen des § 5 Abs. 2 unentgeltliche Zuwendungen auf die Ausgleichsforderung angerechnet worden sind (§ 1380 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs). 2Entsprechendes gilt, wenn unentgeltliche Zuwendungen bei der Berechnung des nach § 5 Abs. 1 steuerfreien Betrags berücksichtigt werden; 4. 1soweit Vermögensgegenstände, die von Todes wegen (§ 3) oder durch Schenkung unter Lebenden (§ 7) erworben worden sind, innerhalb von 24 Monaten nach dem Zeitpunkt der Entstehung der Steuer (§ 9) dem Bund, einem Land, einer inländischen Gemeinde (Gemeindeverband) oder einer inländischen Stiftung zugewendet werden, die nach der Satzung, dem Stiftungsgeschäft oder der sonstigen Verfassung und nach ihrer tatsächlichen Geschäftsführung ausschließlich und unmittelbar als gemeinnützig anzuerkennenden steuerbegünstigten Zwecken im Sinne der §§ 52 bis 54 der Abgabenordnung mit Ausnahme der Zwecke, die nach § 52 Abs. 2 Nr. 23 der Abgabenordnung gemeinnützig sind, dient. 2Dies gilt nicht, wenn die Stiftung Leistungen im Sinne des § 58 Nr. 5 der Abgabenordnung an den Erwerber oder seine nächsten Angehörigen zu erbringen hat oder soweit für die Zuwendung die Vergünstigung nach § 10b des Einkommensteuergesetzes, § 9 Abs. 1 Nr. 2 des Körperschaftsteuergesetzes oder § 9 Nr. 5 des Gewerbesteuergesetzes in Anspruch genommen wird. 3Für das Jahr der Zuwendung ist bei der Einkommensteuer oder Körperschaftsteuer und bei der Gewerbesteuer unwiderruflich zu erklären, in welcher Höhe die Zuwendung als Spende zu berücksichtigen ist. 4Die Erklärung ist für die Festsetzung der Erbschaftsteuer oder Schenkungsteuer bindend. (2) Der Erwerber ist für den Zeitraum, für den ihm die Nutzungen des zugewendeten Vermögens zugestanden haben, wie ein Nießbraucher zu behandeln. A. I. II. III.
Grundaussagen der Vorschrift. . . . . . . . . . Regelungsgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . Bedeutung und Telos . . . . . . . . . . . . . . . . . Geltungsbereich und Verhältnis zu anderen Vorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Nationales Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Internationale Aspekte . . . . . . . . . . . . . . IV. Rechtsentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1 1 2 4 4 5 10
B. Voraussetzungen für das Erlöschen der Steuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 C. Herausgabe von Geschenken aufgrund eines Rückforderungsrechts (Abs. 1 Nr. 1) . . 12 I. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 II. Gesetzliche Rückforderungsrechte. . . . . . . . 16 III. Vertragliche Rückforderungsrechte . . . . . . . 21 IV. Sonderfall: Rückforderung wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage. . . . . . . . . . . . . . . . 28
D. Abwendung der Herausgabe des Rückforderungsverlangens wegen Verarmung (Abs. 1 Nr. 2) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 E. Anrechnung von Vorschenkungen an Ehegatten auf die Zugewinnausgleichsforderung (Abs. 1 Nr. 3) . . . . . . . . . . . . . . . 33 F. Weitergabe an inländische Gebietskörperschaften und gemeinnützige Stiftungen (Abs. 1 Nr. 4) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Grundaussage der Vorschrift . . . . . . . . . . . . II. Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Ausschlusstatbestände . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Verhältnis zu § 224a AO. . . . . . . . . . . . . . . .
38 38 41 53 61
G. Erlöschen der Steuer nach § 29 Abs. 1 ErbStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 H. Besteuerung des Erwerbers als Nießbraucher nach § 29 Abs. 2 ErbStG . . . . . . . . . . . 68
Literatur: Gluth, Steuervorteile durch Weitergabe von Vermögen an gemeinnützige Stiftungen, ErbStB 2009, 225; Götz, Lebzeitige Beendigung der Zugewinngemeinschaft als Gestaltungsmittel zur Erlangung rückwirkender Steuer- und Straffreiheit bei unbenannten Zuwendungen, DStR 2001, 417; Götz, Schenkungsteuerliche Risiken beim Vorbehaltsnießbrauch an GmbH-Anteilen?, DStR 2013, 448; Kirchhain, Das Rückabwicklungsverbot des § 29 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 ErbStG bei Stiftungsleistungen i.S.d. § 58 Nr. 5 AO, ZErb 2006, 413; von Oertzen, Kunst im Nachlass – Erbschaftsteuerliche Bemerkungen, ZEV 1999, 422; von Oertzen, Besonderes Unternehmenserbschaftsteuerrecht am Scheideweg?!, StbJb2012/2013, S. 613 ff.; von Oertzen/Blusz, Kautelarjuristischer Ausweg aus § 50i EStG – Unsicherheit bei der Unternehmensnachfolge?!, BB 2015, 283; von Oertzen/Cornelius, Zivil- und steuer-
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§ 29 ErbStG Rz. 1 Erlöschen der Steuer in besonderen Fällen liche Bausteine der Vermögensnachfolgeplanung, ErbStB 2005, 349; von Oertzen/Reich, Neues Risiko für die Kunstsammlung des Unternehmers durch die Unternehmenserbschaftsteuerreform, BB 2016, 356; von Oertzen/Reich, Die Rückabwicklung einer Schenkung aufgrund vertraglich vorbehaltenen Rückforderungsrechts und deren Auswirkung auf die Wegzugsteuer nach § 6 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AStG, IStR 2013, 463; von Oertzen/Schienke, Verbrauchsstiftungen als begünstigte Empfänger i.S.d. § 29 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG, ZEV 2015, 609; Piltz, Die verunglückte Rückabwicklung einer Schenkung: der größte anzunehmende Unfall, ZEV 2009, 70; Reich, Die einkommensteuerliche Behandlung der einer gemeinnützigen Stiftung auferlegten Rentenverpflichtung beim Empfänger, DStR 2011, 1742; Reich, Die rückwirkende Begründung der Zugewinngemeinschaft und ihre Auswirkungen auf § 29 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG und § 1380 BGB, ZEV 2011, 59; Schienke-Ohletz, Begründung eines Oder-Kontos als Schenkung unter Ehegatten: Entwarnung durch den BFH?, DStR 2012, 1265; Troll, Zur erbschaftsteuerlichen Vorschrift in dem neuen Kultur- und Stiftungsförderungsgesetz, DB 1991, 672; Schiffer, Aktuelles Beratungs-Knowhow – Gemeinnützigkeits- und Stiftungsrecht, DStR 2004, 1031; Stein, Einkommensteuerliches Veräußerungsgeschäft durch gesetzliche Anrechnung von Ehegatten – Schenkungen auf den Zugewinnausgleich?, DStR 2012, 1734; Thiel/Eversberg, Gesetz zur steuerlichen Förderung von Kunst, Kultur und Stiftung sowie zur Änderung der steuerlichen Vorschriften, DB 1991, 118; Troll, Zur Wertermittlung bei Erstattung der Schenkungsteuer wegen Rückgabe der Schenkung, DB 1990, 498; Troll, Zur erbschaftsteuerlichen Vorschrift in dem neuen Kultur- und Stiftungsförderungsgesetz, DB 1991, 672; Wachter, Störung der Geschäftsgrundlage im Schenkungsteuerrecht, ZEV 2002, 176.
A. Grundaussagen der Vorschrift I. Regelungsgegenstand 1 Nach § 29 Abs. 1 ErbStG erlischt die Steuer mit Wirkung für die Vergangenheit, soweit ein Geschenk
wegen eines Rückforderungsrechts herausgegeben werden musste, das Herausgabeverlangen des Schenkers wegen seiner Verarmung nach § 528 Abs. 1 Satz 2 BGB abgewendet worden ist, die Vorschenkung eines Ehegatten an den zugewinnausgleichsberechtigten Ehegatten auf dessen Zugewinnausgleichsforderung nach § 1380 BGB angerechnet worden ist oder Vermögensgegenstände innerhalb von 24 Monaten nach der Steuerentstehung einem öffentlichen Träger bzw. einer gemeinnützigen Stiftung zugewandt werden. Der Erwerber wird für den Zeitraum, in dem die Nutzungen ihm verblieben sind, nach § 29 Abs. 2 ErbStG als Nießbraucher behandelt.
II. Bedeutung und Telos 2 Sinn und Zweck der Vorschrift ist, dass in enumerativ aufgezählten Fällen eine entstandene Steuer
mit Wirkung für die Vergangenheit erlischt. 3 In der Praxis hat § 29 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG eine große Bedeutung, da mit ihr insbesondere missglückte
freigebige Zuwendungen mit steuerlicher Wirkung rückabgewickelt werden können, z.B. wenn die Begünstigungen für Betriebsvermögen nicht wie gewünscht genutzt werden konnten. Des Weiteren ermöglicht § 29 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG das Erlöschen einer zwischen Ehegatten entstandenen Schenkungsteuer. Oft verkennen Eheleute den Charakter der Zugewinngemeinschaft (Gütertrennung mit Zugewinnausgleich) und interpretieren den gesetzlichen Güterstand als Gütergemeinschaft. Ihnen ist häufig nicht bewusst, dass Zuwendungen unter ihnen freigebige Zuwendungen i.S.d. § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG darstellen.1 Auch wenn z.B. der BFH2 inzwischen bei Oder-Konten für eine gewisse Entspannung gesorgt hat, verbleiben genügend praktische Anwendungsmöglichkeiten für § 29 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG. § 29 Abs. 1 Nr. 2 und 4 ErbStG haben hingegen eine eher geringe praktische Bedeutung.
1 BFH v. 2.3.1994 – II R 59/92, BStBl. II 1994, 366; zum sog. „fliegenden Zugewinnausgleich“ BFH v. 24.8.2005 – II R 28/02, ErbStB 2006, 6 = DStR 2006, 178; R E 5.2 (3) ErbStR 2011; H E 5.2 ErbStR 2011. 2 BFH v. 23.11.2011 – II R 33/10, BStBl. II 2012, 473 = FR 2012, 739 = ErbStB 2012, 168; Schienke-Ohletz, DStR 2012, 1265.
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Grundaussagen der Vorschrift
Rz. 9 § 29 ErbStG
III. Geltungsbereich und Verhältnis zu anderen Vorschriften 1. Nationales Recht § 13 Abs. 1 Nr. 10 ErbStG unterscheidet sich von § 29 Abs. 1 ErbStG hinsichtlich der Voraussetzun- 4 gen, z.B. ist bei dieser Vorschrift die Identität des Vermögensgegenstands nicht erforderlich, aber auch in der Rechtsfolge. Nach § 13 Abs. 1 Nr. 10 ErbStG ist der Erwerb von Vermögensgegenständen, die die Eltern oder Voreltern ihren Abkömmlingen durch Schenkung oder Übergabevertrag zugewandt hatten und die an sie von Todes wegen zurückfallen, steuerfrei, aber die für den ursprünglichen Erwerb entstandene Schenkungsteuer erlischt nicht. Bei § 27 ErbStG muss der Letzterwerb ein Erwerb von Todes wegen sein, d.h. auch diese Vorschrift kann z.B. in den Fällen der Rückschenkung keine Abhilfe schaffen. 2. Internationale Aspekte Im internationalen Kontext ist vor der Vereinbarung eines Rückforderungsrechts stets die Frage zu 5 beantworten, ob nach dem nationalen Steuerrecht des anderen Staates ein vertraglicher Rücktrittsvorbehalt dazu führt, dass die Schenkung als nicht vollzogen gilt.1 Z.B. ist dies dann von Bedeutung, wenn das US-Steuerrecht aufgrund der US-Staatsangehörigkeit des Schenkers zu beachten ist. Denn nach dem US-Steuerrecht ist – anders als nach dem deutschen Schenkungsteuerrecht – eine Schenkung bei Vereinbarung von Rücktrittsrechten nicht vollzogen. Das Gleiche ist z.B. beim Zuzug in die USA zu berücksichtigen. Geht es um die Rückabwicklung einer Schenkung aufgrund eines Rückforderungsrechts, so stellt 6 sich im internationalen Kontext auch die Frage, ob überhaupt die deutschen Sachvorschriften hinsichtlich der Voraussetzungen des Vorliegens eines Rückforderungsrechts zu prüfen sind (z.B. Rechtsinstitut des Wegfalls der Geschäftsgrundlage, § 313 BGB) oder ausländische Bestimmungen maßgeblich sind. Aus gestalterischer Sicht ist es in diesen Fällen empfehlenswert, vertragliche Rückforderungsrechte vorzusehen, sofern das dem Vollzug der Schenkung nicht entgegensteht, und eine Rechtswahlklausel in den Schenkungsvertrag einzufügen. Geht es um die Anrechnung von Vorschenkungen zwischen Ehegatten, so ist z.B. zu würdigen, ob 7 die Ehegatten überhaupt im Güterstand der Zugewinngemeinschaft lebten. Bei internationalem Kontext sind daher international privatrechtliche, aber auch ertrag- und schenkungsteuerliche Vorschriften von anderen Rechtsordnungen zu berücksichtigen. Auch für den Güterstand der Wahl-Zugewinngemeinschaft (§ 5 Abs. 3 ErbStG) muss § 29 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG gelten. Die nach dem Wortlaut existierende Beschränkung in § 29 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG auf „inländische“ 8 Stiftungen und Einrichtungen des öffentlichen Rechts ist wegen der Kapitalverkehrsfreiheit nicht haltbar. Dies folgt aus der Rspr. des EuGH zum Spendenabzug, nach der die einkommensreduzierenden Sonderausgaben auch zugunsten von gemeinnützigen Stiftung im EU/EWR-Raum vorgenommen werden können, wenn die ausländische Stiftung mit einer inländischen gemeinnützigen Stiftung vergleichbar ist,2 was jedoch seitens des Steuerpflichtigen nachzuweisen ist.3 Die Leistungsgewährung i.S.d. § 58 Nr. 5 AO ist teilweise dem Gemeinnützigkeitsrecht anderer Juris- 9 diktionen fremd. Dies ist dann zu beachten, wenn durch die Zuwendung an die begünstigte Organisation nicht nur die Steuer in Deutschland (nur Leistungen i.S.d. § 58 Nr. 5 AO an den Erwerber oder seine nächsten Angehörigen schädlich), sondern auch eine ausländische Steuer erlöschen und die Weitergabe durch den Erwerber bei der gemeinnützigen Stiftung auch im Ausland steuerfrei sein soll. Darüber hinaus stellt sich in diesen Fällen auch die Frage, ob der Spendenabzug in anderen Ländern das Erlöschen der deutschen Steuer gem. § 29 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 ErbStG verhindert. Das ist abzulehnen, wenn die deutsche Einkommensteuer nicht tangiert ist.
1 Jülicher in T/G/J, § 29 ErbStG Rz. 59 (Stand: Juli 2015). 2 EuGH v. 27.1.2009 – Rs. C-318/07, FR 2009, 230 = DStR 2009, 207 – Persche; Hüttemann/Helios, Zum grenzüberschreitenden Spendenabzug in Europa nach dem EuGH, Urt. v. 27.1.2009, Persche, DB 2009, 701. 3 BMF v. 16.5.2011 – IV C 4 – S 2223/07/0005, BStBl. I 2011, 559; OFD Magdeburg v. 19.12.2011 – S 2223-173-St 217, BeckVerw 257069.
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§ 29 ErbStG Rz. 10 Erlöschen der Steuer in besonderen Fällen
IV. Rechtsentwicklung 10
Entstehungsgeschichtlich1 ist zu beachten, dass diese Vorschrift teils seit 1906 existiert. 1974 ist dann § 29 Abs. 2 ErbStG eingeführt worden, um den verbleibenden Nutzungsvorteil schenkungsteuerlich zu erfassen. § 29 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG wurde durch das Erbschaftsteuerreformgesetz 2009 ab dem 1.1.2009 um die Klarstellung ergänzt, dass diese Vorschrift auch im Fall des § 5 Abs. 1 ErbStG anzuwenden ist. § 29 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG wurde durch das Kultur- und Stiftungsförderungsgesetz vom 13.12.19902 eingeführt. Durch das StÄndG 1992 vom 25.2.1992,3 das Jahressteuergesetz 1996 vom 11.10.19954 und darüber hinaus durch das Gesetz zur weiteren steuerlichen Förderung von Stiftungen vom 14.7.20005 wurde § 29 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG erheblich geändert, durch letztere Gesetzesreform wurde für eine nach dem 31.12.1999 entstandene Steuer der Anwendungsbereich auf nahezu sämtliche inländischen gemeinnützige Stiftungen (Ausnahme früher § 52 Abs. 2 Nr. 4 AO, heute § 52 Abs. 2 Nr. 23 AO) erweitert. Weitere Änderungen folgten durch das Gesetz zur weiteren Stärkung des bürgerschaftlichen Engagements vom 10.10.20076 und durch das Erbschaftsteuerreformgesetz 2009 vom 24.12.2008.7
B. Voraussetzungen für das Erlöschen der Steuer 11
Zunächst ist aus Beratersicht zu prüfen, ob die Steuer nach § 9 ErbStG überhaupt endgültig entstanden ist. Sollte dies nicht der Fall sein, kann der Sachverhalt, der eine Schenkung unter Lebenden i.S.d. §§ 1 Abs. 1 Nr. 2, 7 ErbStG darstellt, korrigiert werden.8 So ist z.B. bei einer Grundstücksschenkung für den Schenkungsvollzug i.S.d. § 9 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG die Auflassung und Eintragungsbewilligung erforderlich,9 aber diese Vorverlagerung vor die Eigentumsumschreibung im Grundbuch gilt nur dann, wenn diese dann auch tatsächlich erfolgt, d.h., letztlich kann bei einer Grundstücksschenkung bis zur Eigentumsumschreibung die Steuerentstehung verhindert werden, ohne dass § 29 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG erforderlich wäre.10 Das Gleiche gilt auch für den Erwerb von Todes wegen, sollte z.B. noch eine Ausschlagungsmöglichkeit existieren. In diesem Fall muss dann auf § 29 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG nicht zurückgegriffen werden. Nur wenn die Steuer endgültig entstanden ist, müssen die Voraussetzungen des § 29 Abs. 1 ErbStG geprüft werden.
C. Herausgabe von Geschenken aufgrund eines Rückforderungsrechts (Abs. 1 Nr. 1) I. Allgemeines 12
§ 29 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG verlangt, dass das Geschenk wegen eines Rückforderungsrechts herausgegeben werden muss. Voraussetzung ist, dass ein Rückforderungsrecht existiert, das ausgeübt wird und schließlich das Geschenk nicht dem Beschenkten verbleibt.11 Dass die Herausgabe tatsächlich er-
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Jülicher in T/G/J, § 29 ErbStG Rz. 2 (Stand: Juli 2015). BGBl. I 1990, 2775. BGBl. I 1992, 297. BGBl. I 1995, 1250. BGBl. I 2000, 1034. BGBl. I 2007, 2332. BGBl. I 2008, 3018. BFH v. 8.2.2000 – II R 9/98, BFH/NV 2000, 1095; v. 24.7.2002 – II R 33/01, BStBl. II 2002, 781 = FR 2002, 1374 m. Anm. Viskorf = ErbStB 2003, 6; FG Nds. v. 26.11.1997 – DStRE 1998, 238. 9 BFH v. 8.2.2000 – II R 9/98, BFH/NV 2000, 1095. 10 BFH v. 24.7.2002 – II R 33/01, BStBl. II 2002, 781 = FR 2002, 1374 m. Anm. Viskorf = ErbStB 2003, 6. 11 BFH v. 11.11.2009 – II R 54/08, BFH/NV 2010, 896; v. 8.10.2003 – II R 46/01, BStBl. II 2004, 234 = FR 2004, 488 = ErbStB 2004, 105; v. 24.5.2000 – II R 62/97, BFH/NV 2001, 39; FG Hamburg v. 9.2.2012 – 3 K 232/11, ErbStB 2012, 237 = EFG 2012, 1686.
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Herausgabe von Geschenken (Abs. 1 Nr. 1)
Rz. 15 § 29 ErbStG
folgen muss, ergibt sich auch aus § 41 AO.1 Der Verbrauch ist keine Rückgabe.2 Unerheblich ist, ob nur noch ein Surrogat des ursprünglichen Erwerbsgegenstands herausgabefähig ist.3 Wird eine Einrede gegen den Anspruch nicht geltend gemacht, ist § 29 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG dennoch anzuwenden.4 Ernsthafte Vergleiche bezüglich der Voraussetzungen der Rückgabeverpflichtung sind im Rahmen des § 29 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG anzuerkennen.5 Die freiwillige Rückgabe infolge einer bloß moralischen oder sittlichen Verpflichtung ist für § 29 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG nicht ausreichend, führt also zu einer Rückschenkung, u.U. sogar in einer schlechteren Steuerklasse, da eine zivilrechtliche Rückübertragungsverpflichtung erforderlich ist.6 Die Feststellungs- und Beweislast für das Rückforderungsrecht trägt der Steuerpflichtige.7 Die Vo- 13 raussetzung für eine Rückschenkung muss hingegen die Finanzbehörde darlegen und beweisen.8 Kann jedoch der Nachweis hinsichtlich eines Rückforderungsrechts i.S.d. § 29 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG nicht geführt werden, führt dies im Ergebnis zu einer steuerpflichtigen Rückschenkung.9 Haben der Rückforderungsgläubiger und -schuldner Zweifel daran, ob die Voraussetzungen für das 14 Rückforderungsrecht vorliegen, so kann zum einen im Wege einer verbindlichen Auskunft oder einer tatsächlichen Verständigung Rechtssicherheit geschaffen werden. Zum anderen ist es möglich, in den Vertrag über die Rückabwicklung ein vertragliches Rückforderungsrecht für den Fall aufzunehmen, dass die Voraussetzungen für die Rückabwicklung nicht vorliegen, also die steuerliche Wirkung des § 29 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG hinsichtlich der ursprünglichen Schenkung nicht eintritt. Stellt die FinVerw. dann fest, dass die Voraussetzungen für die Rückabwicklung hinsichtlich der ursprünglichen Schenkung nicht vorlagen, so kann wenigstens die Rückabwicklung der Rückschenkung mit der steuerlichen Wirkung des § 29 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG durchgeführt werden. Aus Beratersicht ist auf die Einholung einer verbindlichen Auskunft oder tatsächlichen Verständigung bzw. eine Steuerklausel bei der Rückabwicklung einer Schenkung stets hinzuwirken, da die Voraussetzungen für das Rückforderungsrecht häufig nicht zweifelsfrei sind. Insbesondere dann, wenn die Rückabwicklung auf das Rechtsinstitut des Wegfalls der Geschäftsgrundlage gestützt wird, existieren meist erhebliche Nachweisschwierigkeiten und Rechtsunsicherheiten.10 § 29 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG erfasst unter dem Begriff „Geschenk“11 Erwerbe i.S.d. § 7 ErbStG, also z.B. 15 auch Vorgänge nach § 7 Abs. 5 bis 7 ErbStG12 und Schenkungen auf den Todesfall.13 Jedoch muss bei der Rückabwicklung der Schenkung auf den Todesfall zunächst dahingehend differenziert werden, ob die Rückabwicklung vor oder nach dem Tod des Schenkers erfolgt. Wird die Schenkung auf den Todesfall vor dem Tod des Schenkers rückabgewickelt, ist die Steuer mangels Eintritts der Bedingung noch gar nicht entstanden, so dass die Schenkung ohne Anwendung des § 29 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG steuerneutral rückabgewickelt werden kann. Ist der Tod des Schenkers eingetreten, sollte dies ebenfalls der Fall sein, und zwar unabhängig davon, ob die Schenkung auf den Todesfall lebzeitig vollzogen war (§ 2301 Abs. 2 BGB) oder nicht (§ 2301 Abs. 1 BGB), wenn ein Rückforderungsrecht
1 FG Hamburg v. 9.2.2012 – 3 K 232/11, ErbStB 2012, 237 = EFG 2012, 1686. 2 FG Hamburg v. 9.2.2012 – 3 K 232/11, ErbStB 2012, 237 = EFG 2012, 1686. 3 Troll, DB 1990, 498; FG Düsseldorf v. 7.1.2009 – 4 K 2103/08 Erb, EFG 2009, 501; FG Hamburg v. 9.2.2012 – 3 K 232/11, ErbStB 2012, 237 = EFG 2012, 1686. 4 Jülicher in T/G/J, § 29 ErbStG Rz. 9 (Stand: Juli 2015). 5 Wachter, ZEV 2002, 176; Jülicher in T/G/J, § 29 ErbStG Rz. 10 (Stand: Juli 2015). 6 BFH v. 24.5.2000 – II R 62/97, BFH/NV 2001, 39; v. 5.4.1989 – II R 51/86, BFH/NV 1990, 234; FG Berlin-Bdb. v. 22.4.2008 – 14 V 14016/08, DStRE 2008, 1339; so auch Wachter, ZEV 2002, 176. 7 BFH v. 5.4.1989 – II R 51/86, BFH/NV 1990, 234; FG Berlin-Bdb. v. 22.4.2008 – 14 V 14016/08, DStRE 2008, 1339. 8 Jülicher in T/G/J, § 29 ErbStG Rz. 11 (Stand: Juli 2015). 9 FG München v. 2.10.1998 – 4 V 1889/98, DStRE 1999, 234; Piltz, ZEV 2009, 70. 10 Wachter, ZEV 2002, 176. 11 Jülicher in T/G/J, § 29 ErbStG Rz. 3 f. (Stand: Juli 2015). 12 Troll, DB 1990, 498. 13 Meincke16, § 29 ErbStG Rz. 4; Moench in Moench/Weinmann (Stand: Juni 2016), § 29 ErbStG Rz. 3 (Stand: Juni 2016).
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§ 29 ErbStG Rz. 16 Erlöschen der Steuer in besonderen Fällen existiert. Auch die Tatbestände für Stiftungen und Trusts i.S.d. § 7 Abs. 1 Nr. 8 und 9 ErbStG fallen in den Anwendungsbereich des § 29 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG.1
II. Gesetzliche Rückforderungsrechte 16
Es kommt eine Vielzahl von gesetzlichen Rückforderungsrechten in Betracht. Die Rückforderungsrechte können sich sowohl aus den Vorschriften des BGB, aber auch aus sonstigen Rechtsgebieten ergeben, wie z.B. aus den Regelungen zur Anfechtung eines Rechtsgeschäfts, da die Rechtsfolge nach § 143 InsO bzw. § 11 AnfG grundsätzlich auf die Rückgewähr an die Insolvenzmasse bzw. den Gläubiger gerichtet ist, da das Gesetz keine Einschränkung – z.B. auf Rückforderungsrechte nach dem BGB – enthält.2 In Betracht kommen z.B. im BGB der Herausgabeanspruch bei Nichtvollziehung einer Auflage nach § 527 BGB,3 der Herausgabeanspruch nach Widerruf einer Schenkung wegen schwerer Verfehlung oder groben Undanks nach § 531 Abs. 2 BGB,4 der Herausgabeanspruch bei Unterbleiben der Eheschließung nach § 1301 BGB5 und das Rückerstattungsrecht für eingebrachtes Vermögen bei Auflösung einer Gütergemeinschaft gem. § 1478 BGB.6 Eine gewisse Sonderstellung nimmt das Rückforderungsrecht wegen Verarmung des Schenkers ein, das in § 528 f. BGB7 geregelt ist, da § 29 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG eine Sondervorschrift für den Fall enthält, dass das Rückforderungsrecht abgewendet wird. Wird hingegen die Rückforderung umgesetzt, ist § 29 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG einschlägig. Rückforderungsrechte können sich auch bei Verweis auf die §§ 346 ff. BGB8 oder aus den §§ 812 ff. BGB9 ergeben, z.B. bei Anfechtung wegen Irrtums oder arglistiger Täuschung, Unwirksamkeit nach § 138 BGB oder fehlender Geschäftsfähigkeit.
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Die Steuer erlischt auch dann, wenn die Herausgabe an einen Dritten erfolgen muss, so z.B. bei § 2329 BGB (Herausgabeanspruch des Pflichtteilsberechtigten gegen den Beschenkten),10 § 2287 BGB (Herausgabeanspruch des Vertragserben bei beeinträchtigender Schenkung),11 § 2288 Abs. 2 Satz 2 BGB (Herausgabeanspruch des vertragsmäßig bedachten Vermächtnisnehmers bei beeinträchtigender Schenkung)12 und § 816 Abs. 1 Satz 2 BGB (Bereicherungsanspruch gegen den durch eine unentgeltliche Verfügung Bereicherten).13 Der BFH14 hat dies ausdrücklich für den Fall bestätigt, dass der Herausgabeanspruch eines Nacherben wegen einer diesen beeinträchtigenden Verfügung des Vorerben i.S.d. § 2113 BGB sich gegen den Beschenkten richtet, er hat aber auch generell ausgeführt, dass § 29 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG auch bei Herausgabeansprüchen Dritter greift. Denn es ist nicht erforderlich, dass das Geschenk an den Schenker zurückgelangt, sondern nur dass es dem Beschenkten nicht verbleibt.
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Richtet sich der Anspruch nicht auf die Herausgabe des Schenkgegenstands, sondern auf Wertersatz, so dürfte die Steuer nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG nicht erlöschen. Dies ist z.B. dann zweifelhaft, wenn der ausgleichsberechtigte Ehegatte nach § 1390 Abs. 1 Satz 1 BGB einen Dritten auf Ersatz des Wertes einer unentgeltlichen Zuwendung des ausgleichspflichtigen Ehegatten in Anspruch nehmen kann. Diesen Anspruch kann der Dritte zwar nach § 1390 Abs. 1 Satz 3 BGB durch Heraus1 Jülicher in T/G/J, § 29 ErbStG Rz. 4 (Stand: Juli 2015). 2 Wachter, ZEV 2002, 176; a.A. wohl Moench in Moench/Weinmann, § 29 ErbStG, Rz. 2 und 3 (Stand: Juni 2016). 3 Piltz, ZEV 2009, 70; zur Vollziehung der Auflage: BFH v. 17.2.1993 – II R 72/90, BStBl. II 1993, 523. 4 FG Berlin-Bdb. v. 22.4.2008 – 14 V 14016/08, DStRE 2008, 1339. 5 Moench in Moench/Weinmann, § 29 ErbStG, Rz. 5 (Stand: Juni 2016). 6 Meincke16, § 29 ErbStG Rz. 6. 7 FG Berlin-Bdb. v. 22.4.2008 – 14 V 14016/08, DStRE 2008, 1339. 8 Piltz, ZEV 2009, 70. 9 FG Berlin-Bdb. v. 22.4.2008 – 14 V 14016/08, DStRE 2008, 1339; FG Hamburg v. 9.2.2012 – 3 K 232/11, ErbStB 2012, 237 = EFG 2012, 1686. 10 Wachter, Urteilsanmerkung zu BFH v. 24.5.2000 – II R 62/97, ZEV 2001, 77. 11 FG Düsseldorf v. 7.1.2009 – 4 K 2103/08 Erb, EFG 2009, 501. 12 Wachter, Urteilsanmerkung zu BFH v. 24.5.2000 – II R 62/97, ZEV 2001, 77. 13 Meincke16, § 29 ErbStG Rz. 6. 14 BFH v. 24.5.2000 – II R 62/97, BFH/NV 2001, 39; Wachter, Urteilsanmerkung zu BFH v. 24.5.2000 – II R 62/97, ZEV 2001, 77.
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Herausgabe von Geschenken (Abs. 1 Nr. 1)
Rz. 22 § 29 ErbStG
gabe des Erlangten abwenden. Jedoch bestehen in Anbetracht des Wortlauts des § 29 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG erhebliche Zweifel daran, dass die Abwendung des Zahlungsanspruchs durch Herausgabe des Schenkgegenstands zu einem Erlöschen der Steuer nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG führen kann, weil der Anspruch auf Wertersatz gerichtet bleibt und vielmehr nur der Zahlungsverpflichtete ein Recht hat, den Zahlungsanspruch mit der Herausgabe des Schenkgegenstands abzuwenden. Eine Verpflichtung hierzu trifft den Dritten nicht, was jedoch nach dem Wortlaut des § 29 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG erforderlich ist. Dieses Ergebnis kann auf eine Entscheidung des BFH1 zu § 2329 BGB gestützt werden. Ist der An- 19 spruch auf die Herausgabe gerichtet (z.B. § 2329 Abs. 1 BGB), kann der Verpflichtete aber die Herausgabe durch Zahlung des fehlenden Betrags abwenden (§ 2329 Abs. 2 BGB). Das führt jedoch nicht zum Wegfall der Schenkungsteuer nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG. Auch ist die Regelung des § 29 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG nicht einschlägig. In diesem Fall kann die Zahlung i.S.d. § 2329 Abs. 2 BGB nur bei der Besteuerung der Schenkung erwerbsmindernd nach den §§ 10 Abs. 5 Nr. 2, 1 Abs. 2 ErbStG berücksichtigt werden, was auf ein ähnliches Ergebnis hinausläuft. Wurde ein zinsloses Darlehen vereinbart, so ist in der unentgeltlichen Nutzungsmöglichkeit des Ka- 20 pitals eine freigebige Zuwendung i.S.d. § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG zu sehen, die eine Schenkungsteuer, aber keine Einkommensteuer auslöst.2 Ist in dem Darlehensvertrag nicht die Möglichkeit einer Sondertilgung vorgesehen, aber ist die Beendigung des Darlehens gewünscht, so kann die freigebige Zuwendung durch die Kündigung des Darlehens beendet werden, um eine schenkungsteuerpflichtige Rückschenkung zu vermeiden.3
III. Vertragliche Rückforderungsrechte Vertragliche Rückforderungsrechte sind ebenfalls unter § 29 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG zu subsumieren, 21 da der Wortlaut der Vorschrift keine Beschränkung auf gesetzliche Rückforderungsrechte enthält.4 Das Rückforderungsrecht muss dem Schenker zustehen.5 Nach Abschluss des Schenkungsvertrags kann ein Rückforderungsrecht nicht mehr vereinbart werden, d.h. eine Rückabwicklung mit der steuerlichen Wirkung des § 29 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG kann bei fehlender Vereinbarung in dem ursprünglichen Schenkungsvertrag nur noch aufgrund eines gesetzlichen Rückforderungsrechts erfolgen, z.B. wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage.6 Existiert auch kein gesetzliches Rückforderungsrecht, so führt die Rückabwicklung zu einer steuerpflichtigen Rückschenkung. Fraglich ist, ob dies auch dann gilt, wenn nachträglich ein Entgelt vereinbart wird, da nach Ansicht 22 des BGH dadurch ein unentgeltliches Rechtsgeschäft i.S.d. § 2325 Abs. 1 BGB zu einem entgeltlichen Rechtsgeschäft wird und zwar selbst dann, wenn der Schenkungsvertrag nicht unter dem Vorbehalt stand, dass der vereinbarte Rechtsgrund nachträglich durch einen anderen Rechtsgrund ersetzt werden kann.7 Daraus wird in der Literatur geschlossen, dass dies auch schenkungsteuerlich zu beachten sei, also die Schenkungsteuer entfallen würde.8 Nach der Rspr. des BFH9 führt jedoch z.B. die entgeltliche Ablösung eines Nießbrauchsrechts nicht dazu, dass das ursprüngliche unentgeltliche Rechtsgeschäft nicht zu einem (teil-)entgeltlichen Rechtsgeschäft wird, da für ein rückwirkendes Er1 BFH v. 8.10.2003 – II R 46/01, BStBl. II 2004, 234 = FR 2004, 488 = ErbStB 2004, 105. 2 BFH v. 12.9.2011 – XIII B 70/09, BFH/NV 2012, 229; die Frage der Doppelbesteuerung offengelassen: BFH v. 30.1.2013 – II R 6/12, FR 2013, 557 m. Anm. Keß = ErbStB 2013, 136 = BFH/NV 2013, 846. 3 Moench in Moench/Weinmann, § 29 ErbStG, Rz. 6b (Stand: Juni 2016). 4 Wachter, ZEV 2002, 176. 5 Piltz, ZEV 2009, 70. 6 FG Nürnberg v. 24.6.2004 – IV 192/2003, ErbStB 2005, 60 = DStRE 2004 1466; Wachter, Urteilsanmerkung zu BFH v. 24.5.2000 – II R 62/97, ZEV 2001, 77. 7 BGH v. 14.2.2007 – IV ZR 258/05, ErbStB 2007, 233 = NJW-RR 2007, 803. 8 Kornexl, Urteilsanmerkung zum BGH-Urteil v. 14.2.2007, ZEV 2007, 326; Lichtenfels, Urteilsanmerkung zum BGH-Urteil v. 14.2.2007, MittBayNot 2008, 225. 9 BFH v. 19.12.2007 – II R 34/06, BStBl. II 2008, 260 = ErbStB 2008, 100; v. 14.6.2005 – VIII R 14/04, BStBl. II 2008, 15.
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§ 29 ErbStG Rz. 23 Erlöschen der Steuer in besonderen Fällen eignis der sachliche Zusammenhang i.S.d. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO fehlt. Es ist daher davon auszugehen, dass die nachträgliche Vereinbarung eines Entgelts zu einer steuerpflichtigen Rückschenkung führt,1 es sei denn, es ist in dem Schenkungsvertrag der Vorbehalt enthalten, den Rechtsgrund nachträglich auszutauschen. 23
Die Rechtsfolge des § 29 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG tritt auch dann ein, wenn in dem Schenkungsvertrag eine auflösende Bedingung enthalten ist und das Ereignis eintritt.2 Steht nicht nur der Schenkungsvertrag unter einer auflösenden Bedingung, sondern auch das dingliche Rechtsgeschäft, so fällt der Schenkungsgegenstand automatisch an den Schenker zurück. Zwar ist nach dem Wortlaut des § 29 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG erforderlich, dass das Geschenk wegen eines Rückforderungsrechts herausgegeben werden muss, allerdings muss diese Regelung erst recht dann eingreifen, wenn die Rückabwicklung aufgrund einer auflösenden Bedingung automatisch erfolgt. Da die Auflassung nach § 925 Abs. 2 BGB bedingungsfeindlich ist, ist eine auflösende Bedingung nur bei einer Abtretung nach den §§ 398, 413 BGB, einem Erlass i.S.d. § 397 BGB oder einer Übereignung nach den §§ 929 ff. BGB möglich. Auch eine Potestativbedingung fällt in den Anwendungsbereich des § 29 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG, wenn das Rechtsgeschäft vom Verhalten des Schenkers abhängig ist, da dies der Ausübung eines Rückforderungsrechts ähnlich ist.
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Hat im Fall eines vertraglichen Herausgabeanspruchs die Herausgabe nicht an den Schenker, sondern an einen Dritten zu erfolgen (sog. Weiterleitungsklauseln), gilt dennoch § 29 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG.3 Das folgt aus der Rspr. des BFH zu gesetzlichen Herausgabeansprüchen von Dritten. Da § 29 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG gleichermaßen für vertragliche und gesetzliche Herausgabeansprüche gilt, kann folglich für vertragliche Herausgabeansprüche nichts anderes gelten. Die Herausgabe an den Dritten führt zu einer freigebigen Zuwendung des Schenkers an den Dritten,4 jedenfalls dann, wenn man im Schenkungsvertrag klargestellt hat, dass der Rückfall zunächst an den Schenker erfolgt, dieser den Schenkgegenstand an den anderen Beschenkten (z.B. anderes Kind) aufschiebend bedingt weiterschenkt und die Heraus- bzw. Weitergabe dann im Ergebnis (im abgekürzten Weg) zwischen den beiden Beschenkten abgewickelt wird.
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Bei der Ausgestaltung der vertraglichen Rückforderungsrechte ist darauf zu achten, dass diese hinreichend präzise, aber doch nicht zu eng formuliert sind und möglichst zeitlich unbegrenzt ausgeübt werden können.5 Die Rückforderungsrechte müssen hinreichend konkret gefasst sein, da die Feststellungslast für die Tatsachen, die die Tatbestandsmerkmale der Rückforderung erfüllen, dem Steuerpflichtigen obliegt.6 Der nachträgliche Verzicht auf Rückforderungsrechte stellt keine freigebige Zuwendung i.S.d. § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG dar,7 weil diese vor Ausübung allenfalls bloße Anwartschaften sind. Vorsorge getroffen werden sollte für die Konfusion, wenn z.B. der Schenker sich für den Fall des Vorversterbens des Beschenkten ein Rückforderungsrecht vorbehält. Wird der Schenker Alleinerbe des Beschenkten, besteht die Gefahr des Eintritts der Konfusion,8 weshalb für diesen Fall das Rückforderungsrecht bereits antizipiert im Schenkungsvertrag ausgeübt werden sollte.
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Die Vereinbarung eines freien Widerrufsrechts steht der Ausführung der Schenkung i.S.d. § 9 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG grundsätzlich nicht entgegen,9 wobei auch Sonderfälle wie die nicht sofort steuerwirksam dotierte ausländische Familienstiftung10 zu beachten sind. Allerdings führt die Vereinbarung eines freien Widerrufsrechts bei der Schenkung von Mitunternehmeranteilen dazu, dass der Beschenkte nicht
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Wachter, ZEV 2002, 176. Moench in Moench/Weinmann, § 29 ErbStG, Rz. 6 (Stand: Juni 2016). Wachter, Urteilsanmerkung zu BFH v. 24.5.2000 – II R 62/97, ZEV 2001, 77. Wachter, Urteilsanmerkung zu BFH v. 24.5.2000 – II R 62/97, ZEV 2001, 77; für die Erfüllung einer Auflage i.S.d. § 525 BGB: BFH v. 17.2.1993 – II R 72/90, BStBl. II 1993, 523; für die Weiterleitung durch eine bloße Mittelsperson: BFH v. 13.10.1993 – II R 92/91, BStBl. II 1994, 128. Jülicher in T/G/J, § 29 ErbStG, Rz. 51 (Stand: Juli 2015). von Oertzen, StbJb 2012/2013, 613 ff. Jülicher in T/G/J, § 29 ErbStG, Rz. 61 (Stand: Juli 2015). Geck in Kapp/Ebeling, § 29 ErbStG, Rz. 32 (Stand: Mai 2016). BFH v. 13.9.1989 – II R 67/86, BStBl. II 1989, 1034. BFH v. 28.6.2007 – II R 21/05, BStBl. II 2007, 669 = FR 2008, 149 = ErbStB 2007, 293.
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Herausgabe von Geschenken (Abs. 1 Nr. 1)
Rz. 29 § 29 ErbStG
Mitunternehmer i.S.d. § 15 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG wird1 und die Unternehmensbegünstigungen dann aufgrund der Anknüpfung in § 13b Abs. 1 Nr. 2 ErbStG nicht anwendbar sind. Hingegen besteht dieses Problem nicht bei der Schenkung von Kapitalgesellschaftsanteilen, weil in Anbetracht des § 13b Abs. 1 Nr. 3 ErbStG allein der Übergang des zivilrechtlichen Eigentums maßgeblich ist. So schadet z.B. auch ein Vorbehaltsnießbrauch bei der Schenkung von Kapitalgesellschaftsanteilen selbst dann nicht, wenn dieser Nießbrauch dazu führt, dass das wirtschaftliche Eigentum nicht übergeht.2 Es ist jedoch in solchen Fällen stets zu bedenken, welche weiteren steuerlichen Konsequenzen das Verbleiben des wirtschaftlichen Eigentums beim Schenker haben kann (z.B. Wegzugssteuer, 1 %-Grenze bei § 17 EStG). Ist ein freies Widerrufsrecht gewünscht, müssen folglich nicht nur der Schenkungsvollzug i.S.d. § 9 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG, sondern auch weitere steuerliche Konsequenzen im Auge behalten werden. Das gilt selbstverständlich auch dann, wenn die Rückforderungsgründe so formuliert sind, dass sie im Ergebnis ein freies Widerrufsrecht gewähren. Die Widerrufsgründe sollten daher so ausgestaltet sein, dass sie stets ein (Fehl-)Verhalten des Beschenkten oder ein außerhalb der Gestaltungssphäre des Schenkers liegendes Ereignis voraussetzen. Mit Blick auf den Vorlagebeschlusses des BFH vom 27.9.2012 wurden vertragliche Rückforderungs- 27 rechte bei Feststellung der Verfassungswidrigkeit des ErbStG vereinbart. Aufgrund der Verschärfung des ErbStG nach dem Urteil des BVerfG vom 17.12.2014 durch die Erbschaftsteuerreform dürfte die Rückabwicklung der Schenkung keine Option sein.
IV. Sonderfall: Rückforderung wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage Das Rechtsinstitut der Störung der Geschäftsgrundlage ist seit dem 1.1.2002 infolge der Schuld- 28 rechtsreform in § 313 BGB kodifiziert und enthält deren Voraussetzungen und Rechtsfolgen i.V.m. den §§ 346 ff. BGB.3 Nach § 313 Abs. 1 BGB kann eine Anpassung des Vertrags verlangt werden, wenn sich die Umstände, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert haben und die Parteien den Vertrag nicht oder mit einem anderen Inhalt geschlossen hätten, wenn sie diese Veränderung vorausgesehen hätten, soweit einem Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere bei vertraglicher oder gesetzlicher Risikoverteilung, das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann. Gemäß § 313 Abs. 2 BGB steht einer Veränderung der Umstände gleich, wenn wesentliche Vorstellungen, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, sich als falsch herausstellen. Diese Vorschrift ist in den Fällen wichtig, in denen unerwartete Steuerlasten aus der Schenkung resultieren, ohne dass dafür ausdrücklich Vorsorge getroffen worden wäre. Gerade der beidseitige Irrtum fällt unter § 313 Abs. 2 BGB.4 Ist die Anpassung des Vertrags nicht möglich oder einem Teil nicht zumutbar, so kann nach § 313 Abs. 3 BGB der benachteiligte Teil vom Vertrag zurücktreten. Im Falle des berechtigten Rücktritts ist dann § 29 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG anwendbar. Der BFH hat mit Urteil vom 11.11.20095 zuletzt nochmals klargestellt, dass die Grundsätze zum 29 Wegfall der Geschäftsgrundlage im Erbschaftsteuerrecht zu berücksichtigen sind. Grundlage eines Vertrags sind nur die nicht zum eigentlichen Vertragsinhalt gewordenen, bei Vertragsschluss aber zu Tage getretenen gemeinsamen Vorstellungen beider Parteien oder die der einen Partei erkennbaren und von ihr nicht beanstandeten Vorstellungen der anderen Partei vor dem Vorhandensein oder dem Eintritt bestimmter Umstände, auf denen der Geschäftswille der Parteien aufbaut. Aus der vorgenannten Entscheidung des BFH ergibt sich jedoch, dass konkrete Vorstellungen der Vertragsparteien über das Entstehen und die Höhe der Steuer erkennbar sein müssen, was dann nicht der Fall ist, wenn das Entstehen einer Steuer als möglich erscheint, aber dann nicht durch eine steuerliche Beratung konkretisiert wird. Das gilt erst recht dann, wenn sich die Vertragsbeteiligten überhaupt keine
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BFH v. 16.5.1989 – VIII R 196/84, BStBl. II 1989, 877 = FR 1989, 653. Götz, DStR 2013, 448. Grundlegend Wachter, ZEV 2002, 176 m.w.N. Finkenauer in Münchener Kommentar7, § 313 BGB Rz. 92; FG Rh.-Pf. v. 23.3.2001 – 4 K 2805/99, DStRE 2001, 765. 5 BFH v. 11.11.2009 – II R 54/08, BFH/NV 2010, 896 m.w.N.
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§ 29 ErbStG Rz. 30 Erlöschen der Steuer in besonderen Fällen Gedanken über das Entstehen einer Steuer machen.1 Darüber hinaus ist erforderlich, dass die Vorstellungen eine maßgebende Bedeutung2 haben und es zu einer erheblichen Abweichung der tatsächlich entstandenen Schenkungsteuer von der erwarteten Steuer kommt.3 30
Aus Beratersicht ist es zwingend geboten, bei der Ausgestaltung eines Schenkungsvertrags darauf zu achten, dass ungewollten Steuerfolgen mit einem vertraglichen Rückforderungsrecht begegnet werden kann. Das Rechtsinstitut des Wegfalls der Geschäftsgrundlage ist mit Blick auf die tatsächlichen und rechtlichen Unsicherheiten sowie der restriktiven Handhabung durch die FG nur eine Notlösung.
D. Abwendung der Herausgabe des Rückforderungsverlangens wegen Verarmung (Abs. 1 Nr. 2) 31
Ist der Schenker nach Vollziehung der Schenkung außer Stande, seinen angemessenen Unterhalt zu bestreiten und die ihm seinen Verwandten, seinem Ehegatten, seinem Lebenspartner oder seinem früheren Ehegatten oder Lebenspartner gegenüber gesetzlich obliegende Unterhaltspflicht zu erfüllen, kann er von dem Beschenkten die Herausgabe des Geschenks nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung fordern. Wendet der Beschenkte die Herausgabe durch Zahlung des für den Unterhalt erforderlichen Betrags ab, erlischt insoweit die Steuer mit Wirkung für die Vergangenheit nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG. Maßgeblich für den Umfang des Erlöschens ist das Wertverhältnis der Schenkung und der Abfindungsleistung.4
32
Nicht anwendbar ist § 29 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG nach der Rspr. des BFH5 auf den Fall, dass der Pflichtteilsberechtigte von dem Beschenkten die Herausgabe des Geschenks nach § 2329 Abs. 1 BGB fordert, aber der Beschenkte die Herausgabe gem. § 2329 Abs. 2 BGB durch Zahlung des fehlenden Betrags abwendet. Der BFH begründet dies mit den engen Voraussetzungen infolge des klaren und eindeutigen Wortlauts des § 29 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG, so dass auch in anderen Fällen, in denen die Herausgabe durch Zahlung abgewendet wird, diese Vorschrift nicht anwendbar ist. Für eine analoge Anwendung fehlt die Regelungslücke. Jedoch ist im Fall des § 2329 Abs. 2 BGB bei der Besteuerung der Schenkung die Zahlung erwerbsmindernd nach den §§ 10 Abs. 5 Nr. 2, 1 Abs. 2 ErbStG zu berücksichtigen, was auf ein ähnliches Ergebnis hinausläuft.
E. Anrechnung von Vorschenkungen an Ehegatten auf die Zugewinnausgleichsforderung (Abs. 1 Nr. 3) 33
Nach § 29 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG erlischt die Steuer mit Wirkung für die Vergangenheit, soweit in den Fällen des § 5 Abs. 2 ErbStG unentgeltliche Zuwendungen auf die Ausgleichsforderung angerechnet worden sind (§ 1380 Abs. 1 BGB). Das Gleiche gilt, wenn unentgeltliche Zuwendungen bei der Berechnung des nach § 5 Abs. 1 ErbStG steuerfreien Betrags berücksichtigt werden. § 5 Abs. 2 ErbStG ist in den Fällen der güterrechtlichen Regelung (§ 1372 BGB) und denjenigen der güterrechtlichen Lösung (§ 1371 Abs. 2 und Abs. 3 BGB) anwendbar. § 5 Abs. 1 ErbStG greift ein, wenn die erbrechtliche Regelung des § 1371 Abs. 1 BGB Anwendung findet oder wenn die Erbschaft und/oder das Vermächtnis nicht ausgeschlagen wird, also nur eine fiktive und keine tatsächliche Zugewinnausgleichsforderung existiert. Bereits vor Inkrafttreten des Erbschaftsteuerreformgesetzes 2009 war es – auch seitens der Finanzverwaltung6 – anerkannt, dass § 29 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG auch bei der Berechnung der fiktiven Ausgleichsforderung nach § 5 Abs. 1 ErbStG anzuwenden ist. Diese Rechtsansicht wurde ab dem 1.1.2009 im Wortlaut des § 29 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 ErbStG verankert. Das Gleiche muss für den Güterstand der Wahl-Zugewinngemeinschaft gelten. 1 FG Berlin-Bdb. v. 22.4.2008 – 14 V 14016/08, DStRE 2008, 1339; FG München v. 2.10.1998 – 4 V 1889/98, DStRE 1999, 234. 2 FG Berlin-Bdb. v. 22.4.2008 – 14 V 14016/08, DStRE 2008, 1339. 3 FG Rh.-Pf. v. 23.3.2001 – 4 K 2805/99, DStRE 2001, 765. 4 Moench in Moench/Weinmann, § 29 ErbStG, Rz. 11 (Stand: Juni 2016). 5 BFH v. 8.10.2003 – II R 46/01, BStBl. II 2004, 234 = FR 2004, 488 = ErbStB 2004, 105. 6 R 11 (6) ErbStR 2003.
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Anrechnung nach Abs. 1 Nr. 3
Rz. 37 § 29 ErbStG
Nach § 1380 Abs. 1 Satz 1 BGB wird auf die Ausgleichsforderung eines Ehegatten angerechnet, was 34 ihm von dem anderen Ehegatten durch Rechtsgeschäft unter Lebenden mit der Bestimmung zugewendet worden ist, dass es auf die Ausgleichsforderung angerechnet werden soll, wobei es für die Anrechnung von Zuwendungen keine zeitliche Grenze gibt. § 1380 Abs. 1 Satz 2 BGB enthält eine Zweifelsregelung, nach der anzunehmen ist, dass Zuwendungen angerechnet werden sollen, wenn ihr Wert den Wert von Gelegenheitsgeschenken übersteigt, die nach den Lebensverhältnissen der Ehegatten üblich sind. In der zivilrechtlichen Praxis wirkt sich die Anrechnung nach § 1380 BGB i.d.R. auf die Höhe der Ausgleichsforderung nicht aus. Sie wird nur dann im Ergebnis bedeutsam, wenn der Empfänger keinen Zugewinn oder allenfalls einen solchen erzielt hat, der unter dem Wert der Zuwendung liegt.1 Allerdings bedeutet dies nicht, dass in diesen Fällen § 29 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG nicht seine Wirkung entfalten würde, weil die Anrechnung nach § 1380 BGB – auch wenn sie sich auf das Zugewinnausgleichsergebnis meist nicht auswirkt – mit der Wirkung des Erlöschens der Steuer für die Vergangenheit durchgeführt wird. Durch die Anrechnung auf den tatsächlichen oder fiktiven Zugewinnausgleichsanspruch verliert die Zuwendung ihren Charakter als Schenkung mit der Rechtsfolge des § 29 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG. Unterbleibt mangels Ausgleichsforderung eine Anrechnung, ist auch § 29 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG nicht anzuwenden. Das gilt z.B. dann, wenn der beschenkte Ehegatte zuerst verstirbt.2 Durch den Verlust des Charakters der freigebigen Zuwendung kann die Zuwendung nicht mehr 35 nach § 14 ErbStG als Vorerwerb berücksichtigt werden, jedoch nur insoweit, als der Verkehrswert der Zuwendung den tatsächlichen oder fiktiven Zugewinnausgleichsanspruch nicht übersteigt. Im Übrigen greift § 14 ErbStG ein. Nach Ansicht von Götz führt der Verlust des Charakters der freigebigen Zuwendung auch dazu, dass ein Strafvorwurf entfällt.3 Ertragsteuerlich stellt sich die Frage, ob die Anrechnung auf die Zugewinnausgleichsforderung die 36 Übertragung zu einem entgeltlichen Geschäft macht, was ertragsteuerliche Konsequenzen haben könnte. Dies wird jedoch von der herrschenden Meinung4 abgelehnt, weshalb zuerst geschenkt und dann der Güterstand der Zugewinngemeinschaft i.V.m. §§ 29 Abs. 1 Nr. 3, 5 Abs. 2 ErbStG, § 1380 BGB beendet werden sollte. Wird hingegen zuerst der Güterstand der Zugewinngemeinschaft durch Gütertrennungsvereinbarung beendet und der Zugewinnausgleichsanspruch an Erfüllungs statt durch die Übertragung sonstiger Wirtschaftsgüter erfüllt, ist dies einkommensteuerlich als Veräußerungsgeschäft zu qualifizieren. Ein Sonderproblem stellt sich dann, wenn die Eheleute zum Zeitpunkt der Vorschenkung im Gü- 37 terstand der Gütertrennung lebten. Ob die Zugewinngemeinschaft rückwirkend vereinbart werden kann5 oder durch die rückwirkende Vereinbarung nur ein abweichender Zeitpunkt für die Berechnung des Anfangsvermögens festgelegt wird,6 ist noch nicht abschließend geklärt. Richtigerweise kann die Zugewinngemeinschaft grundsätzlich als solche rückwirkend vereinbart und dadurch eine Anrechnungspflicht i.S.d. § 1380 BGB erzeugt werden.7 Dies folgt aus dem BGH-Urteil v. 1.4.1998, in dem der BGH entschied, dass der neue Güterstand nicht nur für die Zukunft Wirkung entfalten soll, sondern dass „insbesondere“ im Rahmen eines etwaigen Zugewinnausgleichs für das Anfangsvermögen (§ 1374 Abs. 1 BGB) nicht der Vertragsabschluss, sondern der Zeitpunkt der Eheschließung maßgebend sein soll und eine solche Gestaltung keinen rechtlichen Bedenken mit Blick auf die in § 1408 Abs. 1 BGB statuierte Vertragsfreiheit begegnet. Abschließend ist die Aussage des BGH daher nicht, weshalb auch die rückwirkend vereinbarte Zugewinngemeinschaft und die damit begründete Anrechnungspflicht im Rahmen des § 29 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG seine Wirkungen entfalten muss. Mayer in Bamberger/Roth3, § 1380 BGB Rz. 1. Reich, ZEV 2011, 59. Götz, DStR 2001, 417. Stein, DStR 2012, 1734 m.w.N.; von Oertzen/Cornelius, ErbStB 2005, 349 m.w.N., äußern die Befürchtung, dass die Finanzverwaltung hierzu wahrscheinlich eine andere Rechtsauffassung vertreten würde. 5 BFH v. 28.6.1989 – II R 82/86, BStBl. II 1989, 897. 6 Unklar insoweit BFH v. 18.1.2006 – II R 64/04, ErbStB 2006, 116 = BFH/NV 2006, 948 m.w.N.; v. 12.7.2005 – II R 29/02, BStBl. II 2005, 843; FG Düsseldorf v. 14.6.2006 – 4 K 7107/02 Erb, ErbStB 2006, 305 = EFG 2006, 1447; a.A. BFH v. 12.5.1993 – II R 37/89, BStBl. II 1993, 739; Meincke16, § 5 ErbStG Rz. 27 m.w.N.; Geck in Kapp/Ebeling, § 5 ErbStG Rz. 8 (Stand: Mai 2016). 7 Reich, ZEV 2011, 59. 1 2 3 4
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§ 29 ErbStG Rz. 38 Erlöschen der Steuer in besonderen Fällen
F. Weitergabe an inländische Gebietskörperschaften und gemeinnützige Stiftungen (Abs. 1 Nr. 4) I. Grundaussage der Vorschrift 38
§ 29 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG wurde durch das Kultur- und Stiftungsförderungsgesetz vom 13.12.19901 eingeführt. Nach ihrem Wortlaut erlischt eine entstandene Erbschaft- oder Schenkungsteuer, soweit aufgrund eigenen Entschlusses des Erwerbers Vermögensgegenstände, die von Todes wegen (§ 3 ErbStG) oder durch Schenkung unter Lebenden (§ 7 ErbStG) erworben worden sind, innerhalb von 24 Monaten nach Entstehen der Steuer (§ 9 ErbStG) auf den Bund, ein Land, eine inländische Gemeinde (Gemeindeverband) oder eine inländische gemeinnützige Stiftung übertragen werden. Hat der Erblasser oder Schenker selbst eine Verfügung zugunsten einer begünstigten Organisation getroffen, so ist § 29 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG unanwendbar, hingegen kann eine Steuerbefreiung nach § 13 Abs. 1 Nr. 15, 16 ErbStG und ein Abzug gem. § 10 Abs. 1, Abs. 5 ErbStG in Betracht kommen. Die Regelungen der §§ 29 Abs. 1 Nr. 4 und 13 Abs. 1 Nr. 15, 16 ErbStG sind jedoch nicht deckungsgleich.2
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Die Norm hat den Zweck, Erwerber zu ermutigen, durch Weitergabe von erworbenem Vermögen die begünstigten Institutionen zu fördern, also das zugefallene Vermögen einem aus Sicht der Gesellschaft begünstigungswürdigen Zweck zukommen zu lassen.3 Gerechtfertigt wird das Entfallen der Steuer damit, dass der Erwerber nicht bereichert bleibt.
40
Die praktische Bedeutung der Vorschrift war bislang gering. Zwar wurde mit dem Gesetz zur weiteren steuerlichen Förderung von Stiftungen vom 14.7.20004 für eine nach dem 31.12.1999 entstandene Steuer der Anwendungsbereich auf nahezu sämtliche gemeinnützige Stiftungen (Ausnahme früher § 52 Abs. 2 Nr. 4 AO, heute § 52 Abs. 2 Nr. 23 AO) erweitert. Jedoch ist nach wie vor das in § 29 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 ErbStG enthaltene Verbot des Spendenabzugs nach § 10b EStG, § 9 Abs. 1 Nr. 2 KStG und § 9 Nr. 5 GewStG das entscheidende Hemmnis, da der ertragsteuerliche Spendenabzug meist zu einem günstigeren Ergebnis wegen der Diskrepanz der Steuersätze führt. Weiterer Grund für die geringe Zahl der praktischen Anwendungsfälle ist das in Deutschland im Vergleich zu den USA weniger weit verbreitete Mäzenatentum. Als Rettungsanker kann die Norm jedoch bei großen Vermögen dienen, wenn die Vermögensnachfolge misslungen ist, insbesondere wenn die Begünstigungen für Betriebsvermögen nicht greifen. Um einen dann drohenden Notverkauf mit erheblichen Abschlägen vom Verkehrswert zu vermeiden, kann bei gemeinnützigkeitsorientierten Steuerpflichtigen die Regelung des § 29 Abs. 1 Nr. 4 Satz 1 ErbStG eine interessante Gestaltungsalternative sein, insbesondere weil in diesen Fällen auch die restriktiven Kappungsgrenzen des ertragsteuerlichen Spendenabzugs deutlich überschritten werden.
II. Voraussetzungen 41
Voraussetzung ist nach § 29 Abs. 1 Nr. 4 Satz 1 ErbStG, dass die Vermögensgegenstände, die von Todes wegen oder durch Schenkung unter Lebenden erworben worden sind, innerhalb von 24 Monaten nach dem Zeitpunkt des Entstehens der Steuer dem Bund, einem Land, einer inländischen Gemeinde (Gemeindeverband) oder einer gemeinnützigen Stiftung zugewendet werden.
42
Diese Zuwendung, die regelmäßig selbst gem. § 13 Abs. 1 Nr. 15, 16 ErbStG beim Zuwendungsempfänger steuerbefreit ist, kann nicht nur durch Weitergabe mittels Schenkung unter Lebenden, sondern entsprechend dem Sinn und Zweck der Vorschrift auch von Todes wegen erfolgen. Erhält die begünstigte Institution die Vermögensgegenstände mittels Vermächtnisses, muss aufgrund der schuldrechtlichen Verpflichtung die Erfüllung nicht innerhalb der Frist von 24 Monaten, aber vor Eintritt der Verjährung erfolgen. Auch die Weitergabe durch den Erbeserben ist ausreichend. Entwe1 2 3 4
BGBl. I 1990, 2775. OFD München/OFD Nürnberg v. 7.1.2004 – S 3840 – 5 St 353; S 3840 – 19/St 33 A. BT-Drucks. 11/7833, 10. BGBl. I 2000, 1034.
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Weitergabe nach Abs. 1 Nr. 4
Rz. 46 § 29 ErbStG
der hat der Ersterwerber bereits die Vermögensgegenstände entsprechend letztwillig zugewandt, so dass der Erbeserbe als dessen Rechtsnachfolger nur noch die letztwillige Verfügung ausführt (§ 29 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG nebst §§ 13 Abs. 1 Nr. 15, 16/10 Abs. 5 ErbStG) oder er leitet aufgrund eines eigenen Entschlusses die Vermögensgegenstände weiter (doppelte Anwendung des § 29 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG i.V.m. § 13 Abs. 1 Nr. 15, 16 ErbStG). Es ist nicht nur die vollständige, sondern auch die teilweise Weitergabe der Vermögensgegenstände 43 nach § 29 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG mit der Rechtsfolge möglich, dass dann aber auch nur insoweit die entstandene Steuer erlischt.1 Hierzu gehört nicht nur die Herausgabe einzelner Gegenstände, sondern auch die gegenständlich anteilige Herausgabe, z.B. eines Miteigentumsanteils. Unter die teilweise Weitergabe fällt auch die Einräumung eines Nutzungsrechts.2 Auch dies wird dem Wortlaut der Vorschrift („soweit“) gerecht (beschränkt dingliches Recht als Eigentumssplitter). Jedoch ist zu beachten, dass die Weitergabe sämtlicher Vermögensgegenstände unter Nießbrauchsvorbehalt zugunsten einer noch zu gründenden gemeinnützigen Stiftung gemeinnützigkeitsrechtlich problematisch ist, d.h. deren Anerkennung versagt werden kann (Stichwort: ertragloses Vermögen).3 Dies ist insbesondere dann zu beachten, wenn die begünstigte Stiftung innerhalb der Frist von 24 Monaten noch nicht anerkannt worden ist, aber eine schuldrechtliche Übertragungsverpflichtung begründet werden soll. Selbstverständlich erlischt in Höhe des Kapitalwerts des (Quoten-)Nießbrauchs mangels Weitergabe i.S.d. § 29 Abs. 1 Nr. 4 Satz 1 ErbStG auch die Steuer nicht. Erforderlich ist, dass die Vermögensgegenstände, die erworben worden sind, der begünstigten Insti- 44 tution übertragen werden. Die Art und die zukünftige Verwendung der Vermögensgegenstände ist irrelevant. Z.B. kann die gemeinnützige Stiftung die Vermögensgegenstände auch in einem wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb oder in der Vermögensverwaltung verwenden.4 Die Zuwendung darf jedoch nicht an den wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb erfolgen, da diese auch im Rahmen des § 13 Abs. 1 Nr. 16b ErbStG von der Steuerbefreiung ausgeschlossen ist.5 Problematisch ist, ob zwischen den erworbenen und den weitergeleiteten Gegenständen eine Iden- 45 tität bestehen muss, was der Wortlaut der Vorschrift nahelegt, oder ob nach dem Sinn und Zweck auch die Weiterübertragung von Surrogaten die Rechtsfolge des § 29 Abs. 1 Nr. 4 Satz 1 ErbStG auslöst. Letzteres wird von der ganz herrschenden Meinung bejaht.6 Dieser teleologischen Auslegung ist zuzustimmen, da anderenfalls gerade bei Bank- und Wertpapierguthaben die Frist von 24 Monaten drastisch wegen meist notwendiger Vermögensumschichtungen reduziert würde.7 Auch kommt es nach dem Willen des Gesetzgebers – anders als bei § 224a AO – nicht auf die Art und die zukünftige Verwendung der weitergegebenen Vermögensgegenstände an, so dass kein Bedürfnis besteht, der teleologischen Auslegung nicht zu folgen. Zeitlich muss die Weitergabe der Vermögensgegenstände innerhalb von 24 Monaten nach dem 46 Steuerentstehungszeitpunkt erfolgen. Bei Zuwendungen durch den Erbeserben i.S.d. § 29 Abs. 1 Nr. 4 Satz 1 ErbStG nach dem zweiten Todesfall müssen beide zuvor steuerpflichtigen Erwerbe in der rückwärts berechneten Frist8 liegen, wenn die Steuer idealerweise für beide Erwerbe erlöschen soll. Eine angedachte Verlängerung der Frist auf 36 Monate wurde in den Beratungen zum Gesetz zur weiteren steuerlichen Förderung von Stiftungen verworfen.9 Eine Verlängerung der Frist scheidet nach ganz herrschender Meinung aus.10 Es gilt allerdings zu erörtern, welche Anforderungen an die Zuwendung i.S.d. § 29 Abs. 1 Nr. 4 Satz 1 ErbStG zu stellen sind, damit die Weitergabe fristgerecht ist. Kommt es zu Verzögerungen, z.B. weil eine im Übrigen begünstigungsfähige Stiftung vom Erwerber erst noch errichtet und von den Behörden anerkannt werden muss oder weil sich die Nachlass1 2 3 4 5 6 7 8 9 10
Jülicher in T/G/J, § 29 ErbStG Rz. 102 (Stand: Juli 2015). Jülicher in T/G/J, § 29 ErbStG Rz. 102 (Stand: Juli 2015). OLG Frankfurt v. 15.10.2010 – 4 U 134/10, ZEV 2011, 605 m. Anm. Reimann. Thiel/Eversberg, DB 1991, 118. RE 13.8 Abs. 2 Satz 4 ErbStR 2011. A.A. Knobel in V/K/S/W4, § 29 ErbStG Rz. 44. In diese Richtung auch Moench in Moench/Weinmann, § 29 ErbStG Rz. 16 (Stand: Juni 2016). Zu rückwärts zu berechnenden Fristen: BFH v. 28.3.2012 – II R 43/11, FR 2013, 45 = BFH/NV 2012, 1253. BT-Drucks. 13/9320, 14, 14/2340 Satz 6. Gluth, ErbStB 2009, 225; a.A. für Einzelfälle Meincke16, § 29 ErbStG Rz. 12a.
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§ 29 ErbStG Rz. 47 Erlöschen der Steuer in besonderen Fällen abwicklung verzögert, genügt es, wenn der Erwerber sich rechtlich zur Weitergabe verpflichtet. Dies gilt auch dann, wenn sich das Anerkennungsverfahren der Stiftung über die Frist hinaus verzögert und zwar trotz des nicht ausschließbaren Widerrufsrechts.1 Entscheidend ist daher, dass ein schuldrechtlich durchsetzbarer Anspruch zugunsten der begünstigten Organisation begründet wurde und dieser vor Verjährung erfüllt wird. Dies entspricht auch der Wertung des § 10 Abs. 5 ErbStG. 47
Zu den begünstigten Institutionen gehören zum einen Gebietskörperschaften, nämlich der Bund, ein Land, oder eine inländische Gemeinde (Gemeindeverband) und zum anderen inländische Stiftungen, die nach der Satzung, dem Stiftungsgeschäft oder der sonstigen Verfassung und nach ihrer tatsächlichen Geschäftsführung ausschließlich und unmittelbar als gemeinnützig anzuerkennende steuerbegünstigte Zwecke i.S.d. §§ 52 bis 54 AO verfolgen. Die gemeinnützige Stiftung kann rechtsfähig oder nicht rechtsfähig sein.2 Es kommt nicht darauf an, ob es sich um eine Stiftung des öffentlichen oder privaten Rechts handelt.3 Jedoch gehören Stiftungen, die die in § 52 Abs. 2 Nr. 23 AO genannten Zwecke verfolgen, nicht zu den begünstigten Organisationen. Danach ist die Förderung der Tierzucht, der Pflanzenzucht, der Kleingärtnerei, des traditionellen Brauchtums einschließlich des Karnevals, der Fastnacht und des Faschings, der Soldaten- und Reservistenbetreuung, des Amateurfunkens, des Modellflugs und des Hundesports nicht begünstigt. Mit dem Gesetz zur weiteren steuerlichen Förderung von Stiftungen vom 14.7.2000 wurde die ursprüngliche Beschränkung auf bestimmte kulturelle Zwecke aufgehoben, so dass mit Wirkung ab 1.1.2000 die Vorschrift für nahezu sämtliche gemeinnützige Stiftungen gilt. Durch das Gesetz zur weiteren Stärkung des bürgerschaftlichen Engagements vom 10.10.2007 wurde lediglich der Verweis auf § 52 Abs. 2 Nr. 4 AO (jetzt: § 52 Abs. 2 Nr. 23 AO) redaktionell angepasst. Seit Einführung der Verbrauchstiftung durch das Ehrenamtstärkungsgesetz im Jahr 2013 gehört auch die Verbrauchsstiftung zu den begünstigten Institutionen.4
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Vereine und gGmbHs sind nach dem Wortlaut der Vorschrift keine begünstigten Institutionen. Sie sind weder Gebietskörperschaften noch gemeinnützige Stiftungen, so dass § 29 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG bei wortlautgetreuer Anwendung Zuwendungen zu ihren Gunsten nicht honoriert.5 Eine Ausnahme gilt dann, wenn die Zuwendung i.S.d. § 29 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG zugunsten eines Vereins erfolgt, dessen Träger eine Gebietskörperschaft ist; entsprechendes muss gelten, wenn die Gebietskörperschaft eine gGmbH oder diese seitens einer begünstigten Stiftung als Tochtergesellschaft6 gehalten wird. Alternativ besteht auch die Möglichkeit, dass die nicht begünstigte Organisation Stiftungsträger für eine nichtrechtsfähige Stiftung wird und dieser die Vermögensgegenstände zugewandt werden; ist der Stiftungszweck, den die rechtsfähige und nichtrechtsfähige Stiftung verfolgen, identisch, so muss die nichtrechtsfähige Stiftung über eigene Stiftungsgremien verfügen, die unabhängig über die Mittelverwendung entscheiden.7
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Denkbar scheint auch eine analoge Anwendung des § 29 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG auf Vereine und gGmbHs. Hierfür spricht, dass der Gesetzgeber auch im Rahmen anderer Vorschriften, die einen Gemeinnützigkeitsbezug aufweisen, hinsichtlich der gemeinnützigen Organisationen nicht stets exakt formulierte. So lässt sich z.B. der Entstehungsgeschichte8 des § 22 Nr. 1 Satz 2 Halbs. 2 Buchst. a EStG entnehmen, dass zunächst im Gesetzgebungsverfahren zum Steuerbereinigungsgesetz 1985 ein Verweis auf § 58 Nr. 5 AO enthalten war, der jedoch dazu geführt hätte, dass der Steuertatbestand des § 22 Nr. 1 Satz 2 Halbs. 2 Buchst. a EStG nur bei gemeinnützigkeitswidrigen Leistungen von Stiftungen verwirklicht gewesen wäre. Diese ungewünschte Folge zugunsten des Steuerpflichtigen wurde 1 Jülicher in T/G/J, § 29 ErbStG Rz. 100 (Stand: Juli 2015) m.w.N.; a.A. FG Schl.-Holst. v. 4.6.2009 – 1 K 156/04, EFG 2009, 1486 zum Zeitpunkt des Spendenabzugs gem. §§ 9 Abs. 1 Nr. 2 KStG, 10b EStG. 2 OFD München/OFD Nürnberg v. 7.1.2004 – S 3840 - 5 St 353; S 3840 – 19/St 33 A; Troll, DB 1991, 672; Schiffer, DStR 2004, 1031. 3 Gluth, ErbStB 2009, 225. 4 von Oertzen/Schienke, ZEV 2015, 609. 5 OFD München/OFD Nürnberg v. 7.1.2004 – S 3840 – 5 St 353; S 3840 – 19/St 33 A; Troll, DB 1991, 672 „kaum noch“; Gluth, ErbStB 2009, 225. 6 Schauhoff, Handbuch der Gemeinnützigkeit3, § 6 Rz. 10. 7 OFD Frankfurt v. 30.8.2011 – S 0170 A – 41 – St 53; a.A. noch OFD München/OFD Nürnberg v. 7.1.2004 – S 3840 – 5 St 353; S 3840 – 19/St 33 A. 8 BT-Drucks. 10/1636, 92, 101.
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Weitergabe nach Abs. 1 Nr. 4
Rz. 52 § 29 ErbStG
dann im weiteren Gesetzgebungsverfahren beseitigt, d.h. der Anwendungsbereich dieser Regelung ausgedehnt. Auch kann der Entstehungsgeschichte zum Kultur- und Stiftungsförderungsgesetz (Einführung der Nr. 4 des § 29 Abs. 1 ErbStG) nicht entnommen werden, dass eine bewusste Entscheidung des Gesetzgebers gegen die Begünstigung von anderen gemeinnützigen Organisationen getroffen wurde. Im ursprünglichen Gesetzesentwurf waren nur Stiftungen als begünstigte Institutionen vorgesehen.1 Die gewünschte Erweiterung auf den Bund, ein Land und eine inländische Gemeinde wurde seitens des Bundesrates in dessen Stellungnahme damit begründet, dass „aus kulturpolitischer Sicht nicht einzusehen ist, warum die Steuerfreiheit nur dann gelten soll, wenn z.B. Kunstgegenstände einer Stiftung zugewendet werden. Eine Zuwendung z.B. an staatliche Museen oder vergleichbare Institutionen ist ebenso wünschenswert, zum Teil von Stiftern bevorzugt und dient in gleicher Weise der Kulturförderung, ohne weitere steuerliche Belange zu gefährden“.2 Eine bewusste Entscheidung des Gesetzgebers gegen die Aufnahme anderer gemeinnütziger Organisationen in § 29 Abs. 1 Nr. 4 Satz 1 ErbStG lässt sich den Gesetzesmaterialien folglich nicht entnehmen, so dass – auch in Anbetracht der Ausführungen des Bundesrates – auf ein gesetzgeberisches Versehen geschlossen werden kann. Lässt man eine analoge Anwendung zu, muss allerdings auch die Regelung des § 29 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 ErbStG – über den Wortlaut des § 58 Nr. 5 AO hinaus – dahingehend angewendet werden, dass bei Leistungen eines Vereins oder einer gGmbH an den Erwerber oder seine nächsten Angehörigen § 29 Abs. 1 Nr. 4 Satz 1 ErbStG unanwendbar ist. Sollte man die analoge Anwendung, also die vorrangige verfassungskonforme Auslegung3 ablehnen, 50 wäre fraglich, ob die Beschränkung in § 29 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG auf gemeinnützige Stiftungen, die zu einer Ungleichbehandlung unterschiedlicher Rechtsformen führt, verfassungsrechtlich haltbar ist. Das BVerfG4 erklärte z.B. eine Befreiung von der USt für verfassungswidrig, die nur Unternehmen einer bestimmten Rechtsform zugute kam, da die Rechtsform für sich genommen kein hinreichender Differenzierungsgrund für eine unterschiedliche Umsatzsteuerbelastung ist, weshalb Jochum einen Verstoß des § 29 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG gegen den Gleichheitssatz für durchaus möglich hält.5 Die Steuer erlischt gem. § 29 Abs. 1 Nr. 4 Satz 1 ErbStG mit Wirkung für die Vergangenheit jedoch 51 nur insoweit, als erworbene Vermögensgegenstände einer begünstigten Institution zugewendet werden. Maßgeblich ist der gleiche Steuerwert, mit dem die übertragenen Vermögensgegenstände beim Erwerb angesetzt worden sind.6 Soweit der Erwerber eigene Leistungen für den Erwerb aus seinem Vermögen erbringen musste, handelt es sich um eine gemischte Schenkung oder der Erwerb war mit Nachlassverbindlichkeiten belastet; diese Belastungen haben von vornherein die Bemessungsgrundlage reduziert, so dass insoweit keine Steuer entstand. Entsprechendes gilt für Leistungs-, Nutzungsund Duldungsauflagen, da insofern mit Inkrafttreten des Erbschaftsteuerreformgesetzes eine Gleichstellung mit den gemischten Schenkungen erfolgt ist.7 Die Aberkennung der Gemeinnützigkeit führt nicht dazu, dass die nach § 29 Abs. 1 Nr. 4 Satz 1 52 ErbStG erloschene Steuer rückwirkend wieder entsteht. Teilweise wird dies zwar bejaht,8 jedoch wird diese Ansicht nahezu einhellig abgelehnt.9 Eine Ausnahme wird teilweise für den Fall zugelassen, dass der Wegfall der Voraussetzungen vom Erwerber beeinflusst worden ist.10 Der nahezu einhelligen Meinung ist zu folgen. Dem Wortlaut der Vorschrift ist – anders als in § 13 Abs. 1 Nr. 16 Buchst. b Satz 2 ErbStG – kein Nachsteuertatbestand zu entnehmen. Des Weiteren würde bei § 29 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG – anders als bei § 13 Abs. 1 Nr. 16 Buchst. b ErbStG – der Wegfall der Steuerbefreiung den Erwerber und nicht den Empfänger treffen. Folglich gilt im Rahmen des § 29 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG für gemeinnützige Stiftungen eine Stichtagbetrachtung ohne Nachsteuervorbehalt.11 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11
BT-Drucks. 11/7833, 10. BT-Drucks. 11/7584, 13 (Anlage 2), vgl. auch BT-Drucks. 11/7584, 15 (Anlage 3), BT-Drucks. 11/8346, 22. BVerfG v. 11.4.2000 – 1 BvL 2/00, DVBl. 2000, 1119. BVerfG v. 10.11.1999 – 2 BvR 2861/93, DStR 1999, 1984. Jochum in Wilms/Jochum, § 29 ErbStG Rz. 56 (Stand: Januar 2015). Troll, DB 1991, 672. R E 7.4 ErbStR 2011; gleich lautender Erlass v. 20.5.2011, BStBl. I 2011, 562. Troll, DB 1991, 672. Jülicher in T/G/J, § 29 ErbStG Rz. 110 (Stand: Juli 2015). Jochum in Wilms/Jochum, § 29 ErbStG Rz. 59 (Stand: Januar 2015). Jülicher in T/G/J, § 29 ErbStG Rz. 110 (Stand: Juli 2015).
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§ 29 ErbStG Rz. 53 Erlöschen der Steuer in besonderen Fällen
III. Ausschlusstatbestände 53
Die entstandene Steuer erlischt nach § 29 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 ErbStG nicht, wenn die Stiftung Leistungen i.S.d. § 58 Nr. 5 AO an den Erwerber oder seine nächsten Angehörige zu erbringen hat. Für den Begriff des „nächsten“ Angehörigen ist auf die Definition der FinVerw. zu § 58 Nr. 5 AO zu achten. Ausreichend ist für den Ausschlusstatbestand des § 29 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 ErbStG die Verpflichtung der Stiftung gegenüber dem Erwerber oder dessen nächsten Angehörigen („zu erbringen hat“); ob tatsächlich Leistungen erbracht werden oder hierauf ein Rechtsanspruch besteht, ist unerheblich.1 Der Ausschlussgrund greift auch dann ein, wenn der Erwerber eine Stiftung selbst gründet und diese an ihn als Stifter oder seine nächsten Angehörigen Leistungen gem. § 58 Nr. 5 AO zu erbringen hat.2 Das Gleiche gilt, wenn der Schenker oder Erblasser selbst die Stiftung gegründet hat und diese Leistungen an den Erwerber und dessen nächste Angehörige (als nächste Angehörige des Stifters) zu erbringen hat. § 29 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 ErbStG ist jedoch nicht anwendbar, wenn die Stiftung nur Leistungen an den Stifter und dessen nächste Angehörige, aber nicht an den Erwerber und dessen nächste Angehörige zu erbringen hat.3 Gründet der Erwerber zwei Stiftungen, d.h. eine, die Leistungen gem. § 58 Nr. 5 AO an ihn oder seine nächsten Angehörigen zu erbringen hat und eine andere, der keine Leistungspflicht auferlegt ist, ist nur die Zuwendung an die letztgenannte Stiftung i.S.d. § 29 Abs. 1 Nr. 4 Satz 1 ErbStG begünstigt, da diese Stiftung keine Leistungen gewährt.
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Der Umfang der Leistungserbringung an den Erwerber oder an seine nächsten Angehörigen ist unbeachtlich („wenn“), so dass selbst dann § 29 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 ErbStG eingreift, wenn die Leistungen ein Drittel des Einkommens nicht übersteigen.4
55
Umstritten ist, ob sich der Ausschluss des § 29 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 ErbStG dadurch vermeiden lässt, dass Leistungen an den Erwerber und seine Angehörigen aus dem bisherigen Stiftungsvermögen erbracht werden und die Zustiftung ausschließlich für die begünstigten Zwecke zur Verfügung steht.5 Dies bejaht Kirchhain mit Blick auf die Gesetzesbegründung, in der es heißt, dass nur das übertragene Vermögen der Stiftung ungeschmälert zukommen müsse. Teilweise wird dies jedoch abgelehnt, da der Wortlaut nicht differenziere, aus welcher Vermögensmasse die Leistungen i.S.d. § 58 Nr. 5 AO zu erbringen seien.6
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Rechtssicher vermeiden lässt sich der Ausschluss nach § 29 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 ErbStG durch den Erwerber dadurch, dass die Stiftungssatzung Leistungsgewährung nicht enthält und eine lebzeitige Zuwendung schlicht insoweit unterbleibt, als der Erwerber Leistungen i.S.d. § 58 Nr. 5 AO an sich oder seine nächsten Angehörigen begehrt. Insoweit entfällt dann zwar auch mangels Zuwendung i.S.d. § 29 Abs. 1 Nr. 4 Satz 1 ErbStG die entstandene Steuer nicht. Jedoch ist im Übrigen der Ausschlusstatbestand unanwendbar. Alternativ ist auch eine Zuwendung unter Nießbrauchsvorbehalt zu erwägen. Soll die Zuwendung der Vermögensgegenstände i.S.d. § 29 Abs. 1 Nr. 4 Satz 1 ErbStG von Todes wegen (z.B. durch Erbeinsetzung der Stiftung) erfolgen, ist dem Steuerpflichtigen jedoch anzuraten, die Stiftung mit Vermächtnissen zu beschweren; diese mindern entsprechend dem Rechtsgedanken des AEAO zu § 55 Abs. 1 Nr. 1 Ziff. 12 Satz 2 die Zuwendung i.S.d. § 29 Abs. 1 Nr. 4 Satz 1 ErbStG, so dass insoweit zwar die Steuer nicht erlischt, aber der Ausschlusstatbestand des § 29 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 ErbStG mangels schädlicher Leistungen nicht zu thematisieren ist. Die Versorgung naher Angehöriger über Vermächtnisrenten ist ohnehin einkommensteuerlich vorzugswürdig, da die Versorgung über § 58 Nr. 5 AO direkt in den Anwendungsbereich des § 22 Nr. 1 Satz 2 Halbs. 2 Buchst. a EStG führt.7
57
Andere Lösungsansätze, die in der Literatur erörtert werden, erfordern eine Vorgabe des Erblassers oder Schenkers. So wird z.B. empfohlen, dass der Schenker dem Bedachten eine Auflage dahingehend macht, aus dem Erwerb bestimmte Zuwendungen an begünstigte Organisationen zu ma1 2 3 4 5 6 7
Kirchhain, ZErb 2006, 413; Troll, DB 1991, 672. Thiel/Eversberg, DB 1991, 118. Thiel/Eversberg, DB 1991, 118. Kirchhain, ZErb 2006, 413; a.A. Troll, DB 1991, 672. Kirchhain, ZErb 2006, 413; zweifelnd Szczesny in Tiedtke1, § 29 ErbStG Rz. 28. Jochum in Wilms/Jochum, § 29 ErbStG Rz. 56 (Stand: Januar 2015). Reich, DStR 2011, 1742; BFH v. 15.7.2014 – X R 41/12, DStR 2014, 2115.
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Weitergabe nach Abs. 1 Nr. 4
Rz. 61 § 29 ErbStG
chen.1 Es handelt sich dann um eine Zuwendung des Schenkers, die bereits gem. § 13 Abs. 1 Nr. 15, 16 ErbStG bei der begünstigten Institution steuerfrei bleibt. Diese Gestaltung hat den Vorteil, dass der Erwerber nicht den Restriktionen des § 29 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG ausgesetzt ist, z.B. der Ausschlusstatbestand des § 29 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 ErbStG nicht greift. Entsprechendes gilt bei der Anordnung eines Vermächtnisses zugunsten einer begünstigten Organisation durch den Erblasser, so z.B. die Anordnung eines Zweckvermächtnisses nach § 2156 BGB, bei der der Erbe Umfang und Zeitpunkt der Zuwendung bestimmen kann; § 13 Abs. 1 Nr. 15, 16 ErbStG und § 10 Abs. 5 Nr. 2 ErbStG greifen dann wiederum ein und § 29 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 ErbStG ist unanwendbar.2 Jedoch muss der Zweck i.S.d. § 2156 BGB seitens des Erblassers konkretisiert werden.3 In der Beratungspraxis ist stets zu prüfen, ob sich ein Vermächtnis des Erblassers im Wege der Testamentsauslegung aus der Verfügung von Todes wegen ergibt.4 Soweit für die Zuwendung der Spendenabzug nach den ertragsteuerlichen Vorschriften (§§ 10b 58 EStG, 91 Nr. 2 KStG, 9 Nr. 5 GewStG) in Anspruch genommen worden ist, ist insoweit § 29 Abs. 1 Nr. 4 Satz 1 ErbStG ebenfalls unanwendbar (§ 29 Abs. 1 Nr. 4 S. 2 ErbStG). Aus dem Wortlaut („soweit“) ergibt sich, dass die Vorschriften nebeneinander, jedoch nicht kumulativ in Anspruch genommen werden können. ZB kann daher der Spendenabzug bis zu den ertragsteuerlichen Kappungsgrenzen und darüber hinaus § 29 Abs. 1 Nr. 4 Satz 1 ErbStG genutzt werden. Bei Körperschaften kann es zu einer Doppelbelastung mit Erbschaft- oder Schenkungsteuer einer- 59 seits und Ertragsteuer andererseits kommen, da der Erwerb von Todes wegen oder der Erwerb unter Lebenden auch ertragsteuerlich als Einnahme zu erfassen ist. Bei natürlichen Personen werde hingegen die Erbschaft oder Schenkung ertragsteuerlich nicht erfasst,5 was eine verfassungsrechtlich unzulässige Doppelbesteuerung sei, wenn der Spendenabzug und § 29 Abs. 1 Nr. 4 S. 1 ErbStG nicht kumulativ angewendet würden.6 Die Korrektur der Doppelbesteuerung habe ertragsteuerlich zu erfolgen.7 Die Frage der Doppelbesteuerung mit Schenkungsteuer einerseits und Einkommensteuer andererseits ist nach wie vor weitestgehend nicht höchstrichterlich geklärt.8 Verfahrensrechtlich wird nach § 29 Abs. 1 Nr. 4 Satz 3 ErbStG für das Jahr der Zuwendung gefordert, 60 bei der Einkommen-, Körperschaft- und Gewerbesteuer unwiderruflich zu erklären, in welcher Höhe die Zuwendung als Spende zu berücksichtigen ist. Diese Erklärung ist nach § 29 Abs. 1 Nr. 4 Satz 4 ErbStG für die Festsetzung der Erbschaft- und Schenkungsteuer bindend. Nach dem Erlass des FinMin. NW v. 20.1.19919 muss das jeweilige durch das Erstattungsbegehren des Steuerpflichtigen betroffene Erbschaftsteuer-Finanzamt beim Veranlagungs-Finanzamt des Steuerpflichtigen nachfragen, ob und in welcher Höhe der Erwerber für das Jahr der Zuwendung den Spendenabzug erklärt hat. Nach Eingang der entsprechenden Mitteilung ist die Veranlagung zur Erbschaft- oder Schenkungsteuer zu überprüfen und ggf. nach § 174 Abs. 2 AO zu ändern. Bei der Zuwendung der Vermögensgegenstände an eine Stiftung hat das Erbschaftsteuer-Finanzamt auch aufzuklären, ob die Stiftung Leistungen i.S.d. § 58 Nr. 5 AO erbringt.
IV. Verhältnis zu § 224a AO § 224a AO wurde – wie § 29 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG – durch das Kultur- und Stiftungsförderungsgesetz 61 vom 13.12.1990 eingeführt. Nach dieser Vorschrift kann der Steuerpflichtige Gegenstände von Kunst und Wissenschaft dem Land, dem das Steueraufkommen zusteht, übereignen und so seine Steuerpflicht zum Erlöschen bringen. Voraussetzung ist, dass zwischen dem Steuerpflichtigen und dem Land, 1 2 3 4 5 6 7 8
Troll, DB 1991, 672; Gluth, ErbStB 2009, 225. Söffing/Thoma, Einbindung einer gemeinnützigen Stiftung in die Nachfolgeplanung, ErbStB 2005, 212. Jülicher in T/G/J, § 29 ErbStG Rz. 112 (Stand: Juli 2015). Pahlke in F/J/P/W5, § 29 ErbStG Rz. 67. Szczesny in Tiedtke1, § 29 ErbStG Rz. 30. Jochum in Wilms/Jochum, § 29 ErbStG Rz. 58 (Stand: Januar 2015). Jülicher in T/G/J, § 29 ErbStG Rz. 114 (Stand: Juli 2015). BFH v. 12.9.2011 – VIII B 70/09, ErbStB 2012, 32 = BFH/NV 2012, 229; die Frage der Doppelbesteuerung offengelassen: BFH v. 30.1.2013 – II R 6/12, FR 2013, 557 m. Anm. Keß = ErbStB 2013, 136 = BFH/NV 2013, 846. 9 FinMin. NW v. 20.1.1991 – S 3730 – 18 – V A 2, DB 1991, 418.
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§ 29 ErbStG Rz. 62 Erlöschen der Steuer in besonderen Fällen vertreten durch die Oberste Finanzbehörde, ein Vertrag abgeschlossen wird, so dass im Gegensatz zu § 29 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG nicht allein der eigene Entschluss des Steuerpflichtigen genügt, um die Steuerpflicht zu erfüllen. Da hierzu die Länder mit Blick auf die Sicherung des eigenen Steueraufkommens oft nicht bereit sind, ist die praktische Bedeutung des § 224a AO gering.1 Jedoch zeigt die Beratungspraxis, dass bei für staatliche Kunstsammlungen interessanten Gegenständen durchaus Ausnahmen gemacht werden. Gelingt es dem Steuerpflichtigen, das Land zu einem Vertragsabschluss zu bewegen, so kann der Steuerpflichtige über § 224a AO u.U. durch die Hingabe eines einzelnen Vermögensgegenstands seine gesamte Erbschaftsteuerschuld tilgen, auch wenn das Erbschaftsteuervolumen auf dem Erwerb anderer in dieser Vorschrift nicht angesprochenen Vermögensgegenständen beruht, weil die Steuer in Höhe des Werts des Kunstgegenstands und nicht lediglich – wie im Falle des § 29 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG – in Höhe der für den Erwerb des Vermögensgegenstands festgesetzten Steuer erlischt. Die Eigentumsübertragung des Kunstgegenstands gilt nicht als Veräußerung i.S.d. § 13 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 ErbStG, löst folglich keinen Nachsteuertatbestand aus, so dass sich durch die Hingabe die Steuerschuld nicht nachträglich erhöht. Wünscht der Steuerpflichtige jedoch die Weitergabe an eine andere begünstigte Institution, lässt sich dies nur über § 29 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG und nicht über § 224a AO erreichen, da letztere Vorschrift nur die Übertragung an das Land gestattet, das die Steuer erhebt.
G. Erlöschen der Steuer nach § 29 Abs. 1 ErbStG 62
Soweit die Voraussetzungen eines Tatbestands des § 29 Abs. 1 Nr. 1, 2, 3 oder 4 ErbStG vorliegen, erlischt die Steuer mit Wirkung für die Vergangenheit. Verbleibt z.B. dem Beschenkten der Zuwendungsgegenstand im Fall des § 29 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG teilweise, erlischt insoweit die Steuer nicht.2
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Mit Blick auf die Verschonungsbedarfsprüfung des § 28a ErbStG ist zunächst klar, dass durch die Weitergabe des begünstigten Vermögens nach § 29 Abs. 1 Nr. 4 S. 1 ErbStG insoweit die Steuer erlischt und damit auch – mangels Steuer – die Pflicht, sonstiges Vermögen zur Steuerzahlung einzusetzen. Ob jedoch die Herausgabe sonstigen Vermögens dazu führt, dass auch die Pflicht erlischt, dieses Vermögen im Rahmen der Verschonungsbedarfsprüfung zur Steuerzahlung einzusetzen, darf bezweifelt werden, weil § 29 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG und § 28a ErbStG nicht aufeinander abgestimmt sind.3 Es erlischt dadurch wohl nur die Steuer auf das weitergegebene Vermögen.
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Ein formell bestandskräftiger Steuerbescheid ist nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO zu ändern oder aufzuheben; anderenfalls ist nur anhand der sinngemäßen Anwendung des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO die materiell-rechtliche Frage zu beantworten, ob das Ereignis steuerlich zurückwirkt.4 Es entsteht ein Erstattungsanspruch. Stundungszinsen und Säumniszuschläge entfallen bzw. können nicht erstmalig festgesetzt werden.5 Die gezahlte Steuer ist nebst Stundungszinsen und Säumniszuschlägen – ggf. gekürzt nach § 29 Abs. 2 ErbStG – unverzinst zu erstatten. Hat der Schenker als Haftender die Steuer gezahlt, ist er Gläubiger des Erstattungsanspruchs. War der nach § 29 Abs. 1 ErbStG korrigierte Erwerb ein Vorerwerb i.S.d. § 14 ErbStG, ist auch der Steuerbescheid für den Folgeerwerb nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO zu ändern.6
65
Die Rückabwicklung einer Schenkung kann auch ertragsteuerlich über § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO den Effekt haben, dass eine entstandene Ertragsteuer erlischt, so z.B., wenn die Schenkung von Betriebsvermögen (teilweise) nicht buchwertneutral i.S.d. § 6 Abs. 3 Satz 1 EStG ggf. i.V.m. § 50i EStG war oder es können z.B. durch die Rückabwicklung Behaltensfristen i.S.d. § 6 Abs. 3 Satz 2 EStG und/oder § 6 Abs. 5 Satz 4, 6 EStG zur Aufhebung gebracht werden. Darüber hinaus entfällt z.B. eine
1 2 3 4 5 6
Von Oertzen, ZEV 1999, 422. FG Düsseldorf v. 7.1.2009 – 4 K 2103/08 Erb, EFG 2009, 501. Von Oertzen/Reich, BB 2016, 356. BFH v. 13.5.2005 – VIII B 205/03, BFH/NV 2005, 1741; FG Rh.-Pf. v. 23.3.2001 – 4 K 2805/99, DStRE 2001, 765. Differenzierend Jülicher in T/G/J, § 29 ErbStG, Rz. 76 (Stand: Juli 2015). BFH v. 11.11.2009 – II R 54/08, BFH/NV 2010, 896; FG Schl.-Holst. v. 9.10.2008 – 3 K 111/06, EFG 2009, 40.
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Besteuerung des Erwerbers als Nießbraucher
Rz. 70 § 29 ErbStG
Wegzugsteuer i.S.d. § 6 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AStG, wenn das unentgeltliche Rechtsgeschäft aufgrund eines Rückforderungsrechts rückabgewickelt wird.1 Die erzwungene Rückabwicklung einer Schenkung führt dazu, dass die Rückgabe keine freigebige 66 Zuwendung i.S.d. § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG darstellt, was sich bereits daraus ergibt, dass die Herausgabe auf einer Rechtspflicht beruht.2 Die Rückabwicklung selbst ist auch z.B. ertragsteuerneutral i.S.d. § 6 Abs. 3 EStG.3 Im Grunderwerbsteuerrecht enthält § 16 GrEStG eine Sondervorschrift für die Nichtfestsetzung der Steuer, sowie die Aufhebung oder Änderung der Steuerfestsetzung im Falle der Rückabwicklung. Für die Höhe der zu erstattenden Steuer kommt es auf die Wertverhältnisse im Schenkungszeit- 67 punkt an.4 Wertveränderungen zwischen dem Schenkungsvollzug und der Herausgabe sind unbeachtlich.5 Ernstgemeinte Vergleiche sind für die FinVerw. verbindlich.6
H. Besteuerung des Erwerbers als Nießbraucher nach § 29 Abs. 2 ErbStG Nach § 29 Abs. 2 ErbStG ist der Erwerber für den Zeitraum, für den ihm die Nutzungen des heraus- 68 zugebenden Schenkgegenstands zugestanden haben, wie ein Nießbraucher zu behandeln. § 29 Abs. 2 ErbStG enthält keinen eigenen Steuertatbestand, sondern eine Kürzungsvorschrift, führt also dazu, dass sich die zu erstattende Steuer mindert.7 Würde man über die Behandlung als Nießbraucher dazu gelangen, dass die hierfür zu erhebende Steuer höher wäre als die Steuer, die für den Schenkgegenstand zu erheben war, kann auf § 29 Abs. 2 ErbStG keine steuerliche Nacherhebung gestützt werden.8 Voraussetzung ist, dass der Erwerber die Nutzungen des zugewendeten Vermögens behalten darf.9 69 Das ist dann nicht der Fall, wenn der Beschenkte die Nutzungen aufgrund eines vertraglich vorbehaltenen Rückforderungsrechts herausgaben muss. Folgt die Rückabwicklung nach den §§ 346 ff. BGB, so ergibt sich aus § 346 Abs. 1 BGB ein Herausgabeanspruch auf die gezogenen Nutzungen. Nach § 347 Abs. 1 BGB müssen von dem Rückforderungsschuldner sogar fiktive, entgegen den Regeln einer ordnungsmäßigen Wirtschaft nicht gezogene Nutzungen dann auch herausgegeben werden, wenn ihm die Nutzziehung möglich gewesen wäre. Ist die Rückabwicklung nach den §§ 818 ff. BGB vorzunehmen, enthält § 818 Abs. 1 BGB die Rechtsfolge, dass sich die Herausgabe auch auf die gezogenen Nutzungen erstreckt. § 29 Abs. 2 ErbStG greift auch dann nicht ein, wenn dem Schenker oder Dritten ein Nießbrauchsrecht zustand, also der Beschenkte keine Nutzungen ziehen konnte.10 Ist § 29 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG wegen der Anrechnung von Vorschenkungen zwischen Ehegatten ver- 70 wirklicht, greift § 29 Abs. 2 ErbStG schon von Gesetzes wegen nicht ein, da durch die Anrechnung die Zuwendung ihren Charakter als freigebige Zuwendung ex tunc verliert und der begünstigte Ehegatte auch das Recht hat(te), die Zuwendung zu behalten.11 Dieses Ergebnis ist auch nicht unangemessen, weil die gezogenen Nutzungen das Endvermögen des begünstigten Ehegatten erhöhen, also das steuerfeie Zugewinnausgleichsvolumen auf den Anrechnungszeitpunkt reduzieren. Auch im Rahmen des § 7 Abs. 5 ErbStG ist § 29 Abs. 2 ErbStG nicht anwendbar, weil die Nutzungen im Fall der Auflösung der Gesellschaft bzw. des Ausscheidens bei dem (ursprünglichen) Gesellschafter zutreffend verbleiben.12
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12
von Oertzen/Reich, IStR 2013, 463; von Oertzen/Blusz, BB 2015, 283. Moench in Moench/Weinmann, § 29 ErbStG, Rz. 1b (Stand: Juni 2016). von Oertzen/Reich, IStR 2013, 463. Jülicher in T/G/J, § 29 ErbStG, Rz. 79 (Stand: Juni 2016); Troll, DB 1990, 498. FG Hamburg v. 9.2.2012 – 3 K 232/11, ErbStB 2012, 237 = EFG 2012, 1686; Troll, DB 1990, 498. Troll, DB 1990, 498. FG Schl.-Holst. v. 9.10.2008 – 3 K 111/06, EFG 2009, 40; Troll, DB 1990, 498. FG Schl.-Holst. v. 9.10.2008 – 3 K 111/06, EFG 2009, 40; Troll, DB 1990, 498. Troll, DB 1990, 498. FG Schl.-Holst. v. 9.10.2008 – 3 K 111/06, EFG 2009, 40. RE 5.1 (6) Satz 3 ErbStR 2011; Götz, DStR 2001, 417; Troll, DB 1990, 498. Troll, DB 1990, 498.
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§ 29 ErbStG Rz. 71 Erlöschen der Steuer in besonderen Fällen 71
Ist ein Mitunternehmeranteil z.B. Gegenstand einer Herausgabe nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG, so stellt sich die Frage, ob für den Kürzungsbetrag nach § 29 Abs. 2 ErbStG die Vorschriften über die Begünstigung von betrieblichem Vermögen eingreifen. Dies lässt sich zum einen dadurch begründen, dass für die Übergangszeit die laufende Besteuerung über § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO nicht korrigiert wird, also der Herausgabeschuldner für den Zeitraum als Mitunternehmer i.S.d. § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG behandelt wird. Zum anderen hat der BFH1 ausgeführt, dass die Unternehmensbegünstigungen auch auf den Erwerb eines Nießbrauchsrechts Anwendung findet, wenn der Nießbraucher eine Mitunternehmerstellung i.S.d. § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG inne hat. Bezog der Beschenkte in dem Zeitraum zwischen der Steuerentstehung und der Rückabwicklung Einkünfte als Mitunternehmer und wurde kraft Gesetzes für diesen Zeitraum als Nießbraucher behandelt, so sind die Verschonungsregelungen in diesem Fall anwendbar.
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Es ist umstritten, ob die Nutzungsbesteuerung nach § 29 Abs. 2 ErbStG ein Vorerwerb i.S.d. § 14 ErbStG ist.2
73
Es stellt sich schließlich die Frage hinsichtlich der Ermittlung des Kürzungsbetrags i.S.d. § 29 Abs. 2 ErbStG. Versteht man § 29 Abs. 2 ErbStG als Kürzungsvorschrift hinsichtlich des ursprünglichen Erwerbs und behandelt man den Erwerber rückwirkend nur noch als Erwerber eines Nießbrauchsrechts, muss man dessen Wert auch auf den Zeitpunkt des ursprünglichen Erwerbs ermitteln.3 Bei dem ursprünglichen Erwerb von Betriebsvermögen (z.B. OHG-Anteil, KG-Anteil) bildet regelmäßig nach § 15 Abs. 3 BewG der entnahmefähige handelsbilanzielle Gewinnanteil der vergangenen drei Jahre vor dem ursprünglichen Schenkungsstichtag den Jahreswert.4 Der Kapitalisierungsfaktor aus § 13 BewG richtet sich nach dem Zeitraum zwischen Schenkungsvollzug und tatsächlicher Herausgabe.5 § 16 BewG wurde nach einem Urteil des FG Niedersachsen vom 19.9.20126 dahingehend einschränkend ausgelegt, dass die dortige Verweisung auf den „nach den Vorschriften des Bewertungsgesetzes anzusetzenden Wert“ sich nur auf die Vorschriften des Bewertungsgesetzes beziehe, die vor dem Inkrafttreten des Erbschaftsteuerreformgesetzes am 1.1.2009 existiert hätten. Der BFH ist dem nicht gefolgt.7 Bei einer freigebigen Zuwendung bezogen auf wiederkehrende Leistungen und Bezüge sind mit Blick auf § 23 ErbStG Besonderheiten zu beachten.8
1 BFH v. 1.9.2011 – II R 67/09, FR 2013, 871 = ErbStB 2011, 336 = BFH/NV 2011, 2066; gleich lautender Ländererlass v. 2.11.2012 – S 3812b – 005 – 38 141/12, BStBl. I 2012, 1101, DStR 2012, 2440. 2 Bejahend Moench in Moench/Weinmann, § 29 ErbStG, Rz. 24 (Stand: Juni 2016); ablehnend Troll, DB 1990, 498. 3 Troll, DB 1990, 498. 4 Wacker in Schmidt35, § 15 EStG Rz. 307; Eisele in Rössler/Troll, § 15 BewG Rz. 8 (Stand: April 2015). 5 Troll, DB 1990, 498. 6 FG Niedersachsen v. 19.9.2012 – 3 K 194/12, ErbStB 2013, 7 = EFG 2012, 2305. 7 BFH v. 9.4.2014 – II R 48/12, DStR 2014, 1055. 8 Troll, DB 1990, 498.
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Reich
§ 30 Anzeige des Erwerbs (1) Jeder der Erbschaftsteuer unterliegende Erwerb (§ 1) ist vom Erwerber, bei einer Zweckzuwendung vom Beschwerten binnen einer Frist von drei Monaten nach erlangter Kenntnis von dem Anfall oder von dem Eintritt der Verpflichtung dem für die Verwaltung der Erbschaftsteuer zuständigen Finanzamt schriftlich anzuzeigen. (2) Erfolgt der steuerpflichtige Erwerb durch ein Rechtsgeschäft unter Lebenden, ist zur Anzeige auch derjenige verpflichtet, aus dessen Vermögen der Erwerb stammt. (3) 1Einer Anzeige bedarf es nicht, wenn der Erwerb auf einer von einem deutschen Gericht, einem deutschen Notar oder einem deutschen Konsul eröffneten Verfügung von Todes wegen beruht und sich aus der Verfügung das Verhältnis des Erwerbers zum Erblasser unzweifelhaft ergibt; das gilt nicht, wenn zum Erwerb Grundbesitz, Betriebsvermögen, Anteile an Kapitalgesellschaften, die nicht der Anzeigepflicht nach § 33 unterliegen, oder Auslandsvermögen gehört. 2Einer Anzeige bedarf es auch nicht, wenn eine Schenkung unter Lebenden oder eine Zweckzuwendung gerichtlich oder notariell beurkundet ist. (4) Die Anzeige soll folgende Angaben enthalten: 1. Vorname und Familienname, Identifikationsnummer (§ 139b der Abgabenordnung), Beruf, Wohnung des Erblassers oder Schenkers und des Erwerbers; 2. Todestag und Sterbeort des Erblassers oder Zeitpunkt der Ausführung der Schenkung; 3. Gegenstand und Wert des Erwerbs; 4. Rechtsgrund des Erwerbs wie gesetzliche Erbfolge, Vermächtnis, Ausstattung; 5. persönliches Verhältnis des Erwerbers zum Erblasser oder zum Schenker wie Verwandtschaft, Schwägerschaft, Dienstverhältnis; 6. frühere Zuwendungen des Erblassers oder Schenkers an den Erwerber nach Art, Wert und Zeitpunkt der einzelnen Zuwendung. A. I. II. III. IV. B.
I. II.
Grundaussagen der Vorschrift. . . . . . . . . . Regelungsgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . Bedeutung und Telos . . . . . . . . . . . . . . . . . Geltungsbereich und Verhältnis zu anderen Vorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rechtsentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anzeigepflicht bei Erwerben von Todes wegen und bei Zweckzuwendungen (Abs. 1) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anzeigepflichtiger Personenkreis. . . . . . . . . Anzeigepflichtige Vorgänge . . . . . . . . . . . . .
1 1 2 5 8
9 9 10
III. Anzeigefrist und zuständige Behörde . . . . . . 11 C. Anzeigepflicht des Zuwendenden und des Beschenkten (Abs. 2) . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Befreiung von der Anzeigepflicht (Abs. 3) . I. Befreiung bei Erwerben von Todes wegen (Abs. 3 Satz 1) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Befreiung bei Schenkungen unter Lebenden und Zweckzuwendungen (Abs. 3 Satz 2). . . .
14 19 19 23
E. Notwendige Inhalte der Anzeige (Abs. 4) . . 24
Literatur: Eich, Festsetzungsverjährung im Erbschaft- und Schenkungsteuerrecht, ErbStB 2004, 262; Esskandari/ Bick, Wann beginnt die Verjährung bei der Hinterziehung von Erbschaft- und Schenkungsteuer?, ErbStB 2012, 108; Groß, Anzeige- und Berichtigungspflichten im Erbfall, ErbStB 2004, 190; Mannek/Höne, Anzeigepflichten und Anzeigefristen für Erwerber nach der Erbschaftsteuerreform, ZEV 2009, 329; Halaczinsky/Füllsack, Verletzung der Anzeige- und Berichtigungspflicht nach § 153 AO im Erbschaftsteuerrecht, BB 2011, 2839; Kamps, Festsetzungsverjährung sowie Anzeige- und Erklärungspflichten in Schenkung- und Erbschaftsteuerfällen, ErbR 2014, 16; Reiter, Anlaufhemmung der Festsetzungsfrist und Eintritt der Festsetzungsverjährung in Schenkungsfällen, StBW 2011, 276; Scheffler, Anzeigepflicht gem. § 30 Abs. 1 ErbStG, ErbBstg 2013, 241. Verwaltungsanweisungen: R E 30 ErbStR 2011.
Grootens
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§ 30 ErbStG Rz. 1 Anzeige des Erwerbs
A. Grundaussagen der Vorschrift I. Regelungsgegenstand 1 Die Vorschrift regelt, wer wann und in welcher Weise einen steuerpflichtigen Vorgang i.S.d. § 1
Abs. 1 Nr. 1 bis 3 ErbStG dem Finanzamt anzuzeigen hat. Dies ist im Regelfall der Erwerber einer Schenkung bzw. eines Erbfalls, d.h. der Erbe bzw. der Beschenkte, die ihren Erwerb innerhalb von drei Monaten dem zuständigen Finanzamt schriftlich anzeigen müssen. Ebenso ist der mit einer Zweckzuwendung Beschwerte zu einer Anzeige verpflichtet. Für die Ersatzerbschaftsteuer i.S.d. § 1 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG ist eine Anzeigepflicht nicht normiert, sofern man diesen Vorgang nicht weit ausgelegt als Besteuerung eines Erwerbs versteht (vgl. hierzu auch § 1 ErbStG Rz. 48).1
II. Bedeutung und Telos 2 Die im § 30 ErbStG normierte Anzeigepflicht soll das Finanzamt in die Lage versetzen zu prüfen, ob
ein unter das Gesetz fallender steuerpflichtiger Vorgang vorliegt und deshalb ein Besteuerungsverfahren durchzuführen ist.2 Somit dient die Vorschrift der Sicherung des Erbschaftsteueraufkommens. Da in zahlreichen Fällen Anzeigepflichten seitens der Notare, Gerichte und Konsuln sowie weiterer Personenkreise bestehen (vgl. §§ 33 und 34 ErbStG) und insoweit der Erwerber nach § 30 Abs. 3 ErbStG von der Anzeigepflicht befreit wird, hat die Vorschrift dem Grunde nach Auffangcharakter für die nicht bereits anderweitig zur Anzeige gebrachten Erwerbsvorgänge. Der Befreiungsumfang ist jedoch im Rahmen des Erbschaftsteuerreformgesetzes3 stark eingeschränkt worden, so dass seitdem in vielen Fällen die Anzeigepflicht erhalten bleibt. 3 Der weitere Umgang mit den Anzeigen der verschiedenen Stellen und Personen innerhalb des Fi-
nanzamts ist in der allgemeinen Verwaltungsanweisung für die Erbschaft- und Schenkungsteuer (ErbStVA) geregelt.4 Dies betrifft insbesondere Schenkungen; insoweit haben die Finanzämter die Zuwendungen solcher Personen festzuhalten, die nicht sogleich ihr gesamtes Vermögen übertragen, so dass noch weitere unentgeltliche Zuwendungen oder eine Vererbung von weiterem Vermögen zu erwarten sind.5 4 Im Hinblick auf die niedrigen Freibeträge für Eltern und Geschwister und das diesbezüglich wenig
verbreitete Wissen um die Steuerpflicht solcher betragsmäßig vermeintlich niedriger Schenkungen in der Bevölkerung ist fraglich, ob alle anzeigepflichtigen Schenkungen insbesondere zwischen Geschwistern und an Eltern erfasst werden. In diesem Bereich trifft die Anordnung der Steuerbarkeit aufgrund der gewählten Ausgestaltung mit unerwartet niedrigen Freibeträgen zudem auf Widerstände in der Bevölkerung, die eine hohe Dunkelziffer nicht angezeigter Erwerbsvorgänge erwarten lassen.6
III. Geltungsbereich und Verhältnis zu anderen Vorschriften 5 Mit § 30 ErbStG beginnt der zweite Teil des vierten Abschnitts des ErbStG, der sich mit der Erhe-
bung der Steuer befasst. Dabei nimmt § 30 ErbStG inhaltlich Bezug auf die in § 20 ErbStG bestimmten Steuerschuldner, indem sie die dort genannten Personenkreise zur Anzeige verpflichtet. § 30 ErbStG ist eine ergänzende Regelung zu den in den §§ 33 und 34 ErbStG geregelten Anzeigepflich1 So auch Ebeling, DStR 1999, 665; Eisele in Kapp/Ebeling, § 30 ErbStG Rz. 2 (Stand: April 2014) sowie Jülicher in T/G/J, § 30 ErbStG Rz. 10 (Stand: März 2012); a.A. Kien-Hümbert in Moench/Weinmann, § 30 ErbStG Rz. 3 (Stand: Februar 2016), der eine solche Pflicht aus dem Verweis auf den § 1 ErbStG ableitet. 2 BFH v. 9.6.1999 – II B 1010/98. 3 ErbStRG v. 24.12.2008, BGBl. I 2008, 3018. 4 Gleich lautende Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder v. 21.6.2012, BStBl. I 2012, 712. 5 Vgl. Tz. 1.2.2 der ErbStVA, gleich lautende Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder v. 21.6.2012, BStBl. I 2012, 712. 6 Gl.A. Meincke16, § 30 ErbStG Rz. 1.
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Anzeigepflicht bei Erwerben von Todes wegen und bei Zweckzuwendungen
Rz. 9 § 30 ErbStG
ten für bestimmte Personenkreise, Behörden und Gerichte und nimmt in Abs. 3 im Rahmen der Freistellung von der Anzeigepflicht Bezug auf diese Vorschriften. Mit dem Gesamtkonstrukt der einzelnen Anzeigepflichten soll die lückenlose Besteuerung sichergestellt werden. Die Anzeigepflicht ist losgelöst von der Steuererklärungspflicht zu sehen. Diese wird gem. § 31 6 ErbStG erst auf Anforderung seitens des Finanzamts ausgelöst und folgt zeitlich regelmäßig der Anzeige eines steuerpflichtigen Vorgangs nachgelagert. Neben der Anzeigepflicht nach § 30 ErbStG ist zudem die allgemeine Anzeigepflicht des § 153 AO zu beachten, wenn die Voraussetzungen für eine Steuerbefreiung oder -begünstigung nachträglich wegfallen (z.B. im Rahmen der Haltefristen für Betriebsvermögen (§§ 13a und 19a ErbStG) oder das Familienheim (§ 13 Abs. 1 Nr. 4b und 4c ErbStG). Die Anzeigepflicht des § 30 ErbStG besitzt auch Bedeutung für den Beginn der Festsetzungsfrist. 7 Die Festsetzungsfrist beginnt gem. § 170 Abs. 1 AO grundsätzlich mit Ablauf des Kalenderjahres der Steuerentstehung, bei Erbschaften und Schenkungen folglich mit Ablauf des Kalenderjahrs, in das der Todeszeitpunkt bzw. die Ausführung der Schenkung fällt (vgl. § 9 ErbStG). Aufgrund der Anzeigepflicht des § 30 ErbStG ist gem. § 170 Abs. 2 AO abweichend der Ablauf des Kalenderjahrs maßgebend, in dem diese Anzeige erstattet wird, sofern die Anzeige innerhalb von drei Jahren nach Ablauf des Kalenderjahrs der Steuerentstehung erfolgt. Dabei kann die Festsetzungsverjährung aufgrund der Aufforderung zur Abgabe einer Steuererklärung gem. § 31 Abs. 1 ErbStG wegen der Anlaufhemmung des § 170 Abs. 2 Nr. 1 AO unter Umständen noch weiter herausgeschoben werden, auch wenn die Anzeige bereits frühzeitig beim Finanzamt eingegangen ist.
IV. Rechtsentwicklung Der § 30 ErbStG wurde durch das Steuerreformgesetz 1974 geschaffen. Mit dem dritten Gesetz zur 8 Änderung verwaltungsverfahrensrechtlicher Vorschriften v. 21.8.20021 wurde in Abs. 1 die Pflicht zur Schriftform klarstellend eingefügt, um die elektronische Übermittlung mit Hilfe einer elektronischen Signatur zu ermöglichen. Im Rahmen des ErbStRG vom 24.12.20082 wurde der Abs. 3 dahingehend eingeschränkt, dass die Befreiung von der Anzeigepflicht nicht gilt, wenn zum Erwerb Grundbesitz, Betriebsvermögen, Anteile an Kapitalgesellschaften, die nicht der Anzeigepflicht nach § 33 unterliegen, oder Auslandsvermögen gehört. Durch diese Ausdehnung soll sichergestellt werden, dass das Finanzamt auch von solchem Vermögen erfährt, welches der Erbe erst nach der Anzeige durch die vorrangig zur Anzeige verpflichteten Stellen entdeckt. Bis zu dieser Einschränkung war er zu einer Anzeige solche Funde nicht verpflichtet.
B. Anzeigepflicht bei Erwerben von Todes wegen und bei Zweckzuwendungen (Abs. 1) I. Anzeigepflichtiger Personenkreis Innerhalb von drei Monaten muss der Erwerber bzw. bei Zweckzuwendungen der Beschwerte den 9 Anfall des Erwerbs beim zuständigen Finanzamt anzeigen. Dies gilt unabhängig davon, ob es sich bei dem Erwerber um einen Steuerinländer oder einen Steuerausländer handelt. Bei mehreren Erwerbern ist grundsätzlich jeder Erwerber anzeigepflichtig. Der einzelne Erwerber kann nicht darauf vertrauen, dass die Anzeigepflicht von einem Miterwerber erfüllt wird. Gleichwohl wirkt die tatsächlich vollzogene Anzeige befreiend für alle Erwerber des angezeigten Erwerbsvorgangs, wenn diese von der erfolgten Anzeige Kenntnis erlangt haben.3 Ein Pflichtteilsberechtigter, der seinen Pflichtteil geltend gemacht hat, ist von der Anzeigepflicht befreit, wenn der Erbe bei seiner Anzeige den ihn belastenden Pflichtteil erklärt hat.4 1 2 3 4
BGBl. I 2002, 3322. BGBl. I 2008, 3018. Vgl. Jochum in Wilms/Jochum, § 30 ErbStG Rz. 22 (Stand: Januar 2015). BFH v. 30.10.1996 – II R 70/94, BStBl. II 1997, 11.
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§ 30 ErbStG Rz. 10 Anzeige des Erwerbs
II. Anzeigepflichtige Vorgänge 10
Nicht anzeigepflichtig sind nur solche Vorgänge für die zweifelsfrei feststeht, dass eine Steuerzahlungspflicht nicht besteht. Die bloße Möglichkeit einer Steuerpflicht begründet hingegen bereits eine Anzeigepflicht.1 Insoweit ist der zu groß geratene Anwendungsumfang der Vorschrift zu reduzieren, damit nicht jedes familiäre Weihnachts- und Geburtstagsgeschenk als Gelegenheitsgeschenk zur Anzeige gebracht werden muss.2 Dies entlastet auch die Finanzverwaltung, die durch diese Reduktion nicht in der Flut von wertlosen Anzeigen erstickt. Die mögliche Bedeutung eines Erwerbs für die Anwendung der Zusammenrechnung nach § 14 ErbStG begründet keine Anzeigepflicht für einen offensichtlich für sich genommen nicht steuerpflichtigen Erwerb, da bei einem späteren die Anwendung des § 14 auslösenden Erwerb in die Anzeige dieses Erwerbs gem. § 30 Abs. 4 Nr. 6 ErbStG Angaben über Vorerwerbe im maßgeblichen Zehnjahreszeitraum zu machen sind.
III. Anzeigefrist und zuständige Behörde 11
Der Erwerbsvorgang ist dem zuständigen Finanzamt (§ 35 ErbStG) innerhalb einer Frist von drei Monaten anzuzeigen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der zur Anzeige Verpflichtete von dem Erbfall oder der Schenkung Kenntnis erlangt. Wird die Anzeige nicht innerhalb der DreiMonats-Frist abgegeben, besteht die Anzeigepflicht auch nach Ablauf der Frist weiter fort.3 Im Falle der nicht fristgerechten Einreichung der Anzeige kann nach h.M. kein Verspätungszuschlag festgesetzt werden (§ 152 AO), da sich § 152 AO auf Steuererklärungen i.S.d. § 150 AO beschränkt.4
12
Konsequenzen bei Nichterfüllung sind im § 30 ErbStG nicht geregelt. Im Verstoß gegen die Anzeigepflicht des § 30 ErbStG kann somit nicht bereits eine Ordnungswidrigkeit i.S.d. § 377 AO liegen.5 In Betracht kommt jedoch eine Steuerhinterziehung (§ 370 AO) bzw. eine leichtfertige Steuerverkürzung, wenn durch die unterlassene Anzeige Erbschaft- oder Schenkungsteuer nicht, nicht in voller Höhe oder nicht rechtzeitig festgesetzt wird.6 Der BGH stellt zur Bestimmung des Zeitpunktes, in dem eine Steuerhinterziehung aufgrund einer nicht abgegebenen Anzeige vollendet worden ist, auf den Zeitpunkt ab, zu dem die Steuerfestsetzung spätestens durchgeführt worden wäre, wenn der Anzeigepflichtige seine Anzeige pflichtgemäß eingereicht hätte.7 Als Bearbeitungsdauer im Finanzamt geht der BGH dabei optimistisch von einem Monat aus, so dass bereits vier Monate nach dem Erwerb die Vollendung der Steuerhinterziehung eingetreten ist. Angesichts von notwendigen Druckund Laufzeiten der Steuerbescheide und der hohen Arbeitsbelastung der Finanzämter bedeutet dies ein Abstellen auf den theoretisch frühestmöglichen Vollendungszeitpunkt.
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Eine Abgabe der Anzeige bei einem unzuständigen Finanzamt (z.B. dem Einkommensteuerfinanzamt) ist unschädlich, wenn aus der Anzeige eindeutig die Anzeige eines erbschaft- und schenkungsteuerlichen Erwerbs ersichtlich ist. Hier kann davon ausgegangen werden, dass die unzuständigen Finanzämter solche Anzeigen an das zuständige Finanzamt weiterleiten. Nachteilig für den Steuerpflichtigen ist in diesem Fall aber, dass die Festsetzungsfrist erst beginnt, wenn die Anzeige das zuständige Finanzamt erreicht.
1 BFH v. 10.10.1951 – IV 216/51 S, BStBl. III 1951, 209. 2 Gl. A. Jülicher in T/G/J, § 30 ErbStG Rz. 8 (Stand: Januar 2013); Jochum in Wilms/Jochum, § 30 ErbStG Rz. 22 (Stand: Januar 2015); Kien-Hümbert in Moench/Weinmann, § 30 ErbStG Rz. 3 (Stand: Oktober 2014) sowie Bernhard/Protzen, ZEV 2001, 426. 3 RFH v. 22.12.1933 – V e A 1052/31, RStBl. 1934, 89. 4 Gl.A. Eisele in Kapp/Ebeling, § 30 ErbStG Rz. 17 (Stand: April 2014); Kien-Hümbert in Moench/Weinmann, § 30 ErbStG Rz. 11 (Stand: Februar 2016) sowie Jülicher in T/G/J, § 30 ErbStG Rz. 34 (Stand: März 2012); a.A. Jochum in Wilms/Jochum, § 30 ErbStG Rz. 24 (Stand: Januar 2015). 5 Vgl. Eisele in Kapp/Ebeling, § 30 ErbStG Rz. 17 (Stand: April 2014); Kien-Hümbert in Moench/Weinmann, § 30 ErbStG Rz. 10 (Stand: Februar 2016). 6 Vgl. Halaczinsky/Füllsack, BB 2011, 2839. 7 BGH v. 25.7.2011 – 1 StR 631/10, NJW 2011, 3249; vgl. hierzu Esskandari/Bick, ErbStB 2012, 108.
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Befreiung von der Anzeigepflicht (Abs. 3)
Rz. 19 § 30 ErbStG
C. Anzeigepflicht des Zuwendenden und des Beschenkten (Abs. 2) Bei Schenkungen unter Lebenden ist neben dem Erwerber auch derjenige anzeigepflichtig, aus des- 14 sen Vermögen die Zuwendung stammt, im Regelfall also der Schenker. Diese Regelung deckt sich mit der Festlegung der Steuerschuldnerschaft bei Schenkungen (vgl. § 20 Abs. 1 Satz 1 ErbStG). Für die Abgrenzung zwischen der Anzeigepflicht nach Abs. 1 oder Abs. 2 ist die erbschaftsteuerliche Einstufung in die Erwerbstatbestände des § 3 oder des § 7 ErbStG maßgeblich. Somit ist der Erwerb nach § 3 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG trotz seiner zivilrechtlichen Zuordnung zu den Rechtsgeschäften unter Lebenden dem Anwendungsbereich des § 30 Abs. 1 ErbStG zuzuordnen. In Fällen des Erbverzichts gegen Abfindung sieht § 7 Abs. 1 Nr. 5 ErbStG eine Besteuerung nicht 15 erst beim Erbfall, sondern bereits im Zeitpunkt ihrer Gewährung vor. Die Abfindung kann dabei vom Erblasser oder von einem Dritten gewährt werden, dem im Erbfall der Verzicht zugutekommt. Auch wenn die Abfindung von einem Dritten gezahlt ist, wird eine Schenkung von Seiten des Erblassers unterstellt.1 Den Erblasser als fiktiven Schenker trifft somit nach Wortlaut des § 30 Abs. 2 ErbStG keine Anzeigepflicht, da der Erwerb nicht aus seinem Vermögen stammt. Vielmehr wird eher der leistende Dritte anzeigepflichtig sein.2 Anzeigepflichtig ist erst der verwirklichte Erwerb i.S.d. § 1 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG. Aus diesem Grund 16 führt das Verpflichtungsgeschäft bei einer Schenkung noch nicht zur Anzeigepflicht.3 Vielmehr entsteht diese erst dann, wenn gem. § 9 ErbStG die Steuer entsteht. Beim bedingten oder betagten Erwerb ergibt sich die Anzeigepflicht daher erst mit dem tatsächlichen Anfall.4 Wurde das Verpflichtungsgeschäft bereits angezeigt, kann eine weitere Anzeige bei Durchführung des Erfüllungsgeschäftes unterbleiben, wenn z.B. aus dem Vertrag der Zeitpunkt der Ausführung der Schenkung eindeutig hervorgeht. Da in der Praxis regelmäßig der Beschenkte zur Schenkungsteuer herangezogen wird, werden viele 17 Schenker ihre Anzeigepflicht nicht erkennen.5 Somit besteht hier die Gefahr, unwissentlich eine Steuerverkürzung herbeizuführen. Auch wenn diese Regelung nachteilig für den Schenker ist und auf den ersten Blick wenig praxistauglich anmutet, so ist sie doch nur konsequente Umsetzung des im Rahmen von § 20 Abs. 1 ErbStG hinsichtlich der Steuerschuldnerschaft eingeschlagenen Weges. Stirbt der Schenker vor Erstattung der Anzeige, geht die Anzeigepflicht nicht auf die Erben über.6 18 Davon unbeeinflusst bleibt die Möglichkeit der Aufforderung der Erben zur Abgabe der Schenkungsteuererklärung durch das Finanzamt.
D. Befreiung von der Anzeigepflicht (Abs. 3) I. Befreiung bei Erwerben von Todes wegen (Abs. 3 Satz 1) Da in vielen Fällen bereits eine Anzeige aufgrund der Anzeigepflichten nach §§ 33 und 34 ErbStG 19 vorliegt, ist eine zusätzliche Anzeige des Erwerbers zur Sicherung des Steueraufkommens grundsätzlich entbehrlich. So sieht das Gesetz im Grundsatz eine Befreiung von der Anzeigepflicht vor, wenn der Erwerb auf einer von einem deutschen Gericht, einem deutschen Notar oder einem deutschen Konsul eröffneten Verfügung von Todes wegen beruht und sich aus der Verfügung das Verhältnis des Erwerbers zum Erblasser unzweifelhaft ergibt. Notwendig ist dafür zwingend die Eröffnung durch 1 BFH v. 23.3.1977 – II R 34/72, BStBl. II 1977, 730. 2 So auch Jülicher in T/G/J, § 30 ErbStG Rz. 20 (Stand: März 2012) sowie Meincke16, § 30 ErbStG Rz. 7; a.A. Jochum in Wilms/Jochum, § 30 ErbStG Rz. 29 (Stand: Januar 2015), der keine Anzeigepflicht des Dritten sieht sondern die Fiktion auf die Herkunft des Vermögens ausweitet, gleichzeitig aber „so auch“ auf Meincke verweist. 3 RFH v. 8.2.1934 – VeA 435/33, RStBl. 1934, 472; Kien-Hümbert in Moench/Weinmann, § 30 ErbStG Rz. 6 (Stand: Februar 2016). 4 BFH v. 16.10.1996 – II R 43/96, BStBl. II 1997, 73 (75). 5 Vgl. krit. auch Jülicher in T/G/J, § 30 ErbStG Rz. 19 (Stand: März 2012); Meincke16, § 30 ErbStG Rz. 7. 6 Gl. A. Jülicher in T/G/J, § 30 ErbStG Rz. 22 (Stand: März 2012); A.A. Schuck in V/K/S/W4, § 30 ErbStG Rz. 9, der eine Anzeigepflicht der Erben für eine Schenkung des Erblassers bejaht.
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§ 30 ErbStG Rz. 20 Anzeige des Erwerbs eine deutsche öffentliche Stelle. Ist hingegen eine ausländische Stelle tätig geworden, entfällt die Anzeigepflicht wegen der fehlenden Möglichkeit zur Verpflichtung der ausländischen Stelle zur Anzeige gegenüber dem deutschen Finanzamt nicht.1 Ebenso entbindet eine die Befreiung von der Anzeigepflicht begründende Anzeige den Erwerber nicht von der Erklärungspflicht nach § 31 Abs. 1 ErbStG. 20
Im Rahmen des Erbschaftsteuerreformgesetzes2 vom 24.12.2008 wurde der Abs. 3 mit Wirkung ab dem 1.1.2009 dahingehend eingeschränkt, dass die Befreiung von der Anzeigepflicht nicht gilt, wenn zum Erwerb – Grundbesitz, – Betriebsvermögen, – Anteile an Kapitalgesellschaften, die nicht der Anzeigepflicht nach § 33 unterliegen, – oder Auslandsvermögen gehört. Durch diese Ausdehnung soll sichergestellt werden, dass das Finanzamt auch von solchem Vermögen erfährt, welches der Erbe erst nach der Anzeige durch die vorrangig zur Anzeige verpflichteten Stellen entdeckt. Bis zu dieser Einschränkung war er zu einer Anzeige solcher Funde nicht verpflichtet. Zudem soll das Finanzamt auch in solchen Fällen über den gesamten Nachlass in Kenntnis gesetzt werden, in denen bisher aufgrund unvollständiger Angaben z.B. des Nachlassgerichts fälschlicherweise von einem keine Steuer auslösenden Erwerb ausgegangen und auf eine Erklärungsanforderung verzichtet worden war. Kien-Hümbert sieht allerdings auch nach dieser Einschränkung keine vollständige Beseitigung der Informationsdefizite.3 Diese lasse sich nur durch eine vollständige Streichung des § 30 Abs. 3 ErbStG erreichen.
21
Aus der vom Gericht, Notar oder Konsul eröffneten Verfügung von Todes wegen muss sich das Verhältnis des Erwerbers zum Erblasser unzweifelhaft ergeben. Hierzu reichen regelmäßig die namentliche Benennung des Erblassers bzw. Schenkers und des Erwerbers sowie die Mitteilung für den Rechtsgrund des Erwerbs aus.4 Es bedarf folglich nicht aller Angaben, die vom Erwerber in § 30 Abs. 4 ErbStG gefordert werden. Insbesondere sind die genauen Werte der Vermögensgegenstände entbehrlich. Benötigt das Finanzamt weitere Informationen, um die Steuerpflicht des Erwerbsvorgangs abschließend beurteilen zu können, muss das Finanzamt den Erwerber nach § 31 Abs. 1 AO zur Abgabe einer Steuererklärung auffordern. Eine Mitteilung von benötigten Informationen kann hingegen nicht im Rahmen einer „Aufforderung zur Anzeige des Erwerbsvorgangs“ eingefordert werden, da für eine Ausweitung der Anzeigepflicht des Erwerbers über die im § 30 ErbStG geregelten Pflichten (unter Berücksichtigung der Befreiungsregelungen) kein Raum verbleibt.
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Für ein Entfallen der Anzeigepflicht dürfte die Übersendung der monatlichen Totenliste von den Standesämtern (obwohl auch im § 34 ErbStG genannt) nicht ausreichen, da die reine Nennung von verstorbenen Personen zu weit vom Sollinhalt einer Anzeige i.S.d. § 30 Abs. 4 ErbStG abweicht.5
II. Befreiung bei Schenkungen unter Lebenden und Zweckzuwendungen (Abs. 3 Satz 2) 23
Die Anzeigepflicht entfällt sowohl für den Beschenkten als auch für denjenigen, aus dessen Vermögen die Zuwendung stammt, wenn die Schenkung unter Lebenden gerichtlich oder notariell beurkundet ist. Ebenso entfällt die Anzeigepflicht des Beschwerten, wenn die Zweckzuwendung gerichtlich oder notariell beurkundet ist. Dabei ist die Ausnahme des § 30 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 ErbStG von der Befreiung bei Erwerb bestimmter Vermögensgegenstände nicht einschlägig, so dass
1 2 3 4
Vgl. R E 30. Abs. 2 ErbStR 2011. ErbStRG 2009 v. 24.12.2008, BGBl. I 2008, 3018. Kien-Hümbert in Moench/Weinmann, § 30 ErbStG Rz. 7a (Stand: Februar 2016). BFH v. 16.10.1996 – II R 43/96, BStBl. II 1997, 73; bejahend Jochum in Wilms/Jochum, § 30 ErbStG Rz. 35 (Stand: Januar 2015). 5 BFH v. 17.2.1993 – II R 83/90, BStBl. II 1993, 580.
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Notwendige Inhalte der Anzeige (Abs. 4)
Rz. 25 § 30 ErbStG
es in diesen Fällen weiterhin zu einer Befreiung von der Anzeigepflicht kommt.1 Eines Ausschlusses von der Befreiung bedarf es in diesen Fällen nicht, da Zweck und Gegenstand der Zuwendung in diesen Fällen gerichtlich oder notariell benannt werden und über die Anzeigepflicht der Gerichte und Notare gem. § 34 ErbStG Abs. 2 Nr. 3 ErbStG dem Finanzamt somit vollumfänglich bekannt werden.
E. Notwendige Inhalte der Anzeige (Abs. 4) Die Anzeige muss schriftlich erfolgen und soll die in Abs. 4 genannten Informationen beinhalten. 24 Die Regelung des Abs. 4 ist somit eine Sollvorschrift. Die reine Übersendung von Vertragswerken an das ErbSt- und SchenkSt-Finanzamt ist nicht als ausreichende Anzeige zu werten. Gleichwohl ist bei der Prüfung, ob eine Anzeige i.S.d. § 30 ErbStG vorliegt, großzügig zu verfahren.2 Ratsam ist in jedem Falle die eindeutige Bezeichnung als Anzeige eines steuerpflichtigen erbschaft- oder schenkungsteuerlichen Vorgangs. Trotz des großen Umfangs der geforderten Informationen ist die Anzeige inhaltlich von der Steuererklärung zu unterscheiden. Die Anzeige muss nicht zwangsläufig alle Informationen3 beinhalten, insbesondere kann der Anzeigepflichtige bei der Frage des Wertes der erworbenen Vermögensgegenstände auch lediglich seinen fehlenden Kenntnisstand dokumentieren bzw. eine Schätzung abgeben.4 Nach Ansicht von Jülicher muss der Wert der erworbenen Gegenstände hingegen benannt werden, wobei die Anforderungen an die Genauigkeit nicht zu hoch gesetzt werden dürften, da das Finanzamt aufgrund der Anzeige selbst die Wertermittlung durchführen kann.5 Das Finanzamt hat aber Anspruch darauf, dass der Beschenkte den Namen des Schenkers nennt. Die namentliche Bezeichnung des Schenkers und die Mitteilung des Rechtsgrundes für den Erwerb sind so bedeutsam, dass zur Durchführung des Benennungsverlangens auch ein Zwangsgeld festgesetzt werden kann.6 Hinsichtlich der dem Finanzamt schon bekannten Punkte (z.B. bereits versteuerte Vorerwerbe) kann der Steuerpflichtige auch auf dieses Wissen verweisen. Einige geforderte Informationen wie etwa der Beruf des Erblassers lassen nur schwerlich den Bezug zur Besteuerung des konkreten Erwerbs erkennen.7 Bestenfalls kann hier auf nicht der Erbschaftsteuer unterliegende Versorgungsbezüge geschlossen werden, die dem Erwerber aus Anlass des Todes des Erblassers zustehen und die ggf. bei der Berechnung des abzugsfähigen Versorgungsfreibetrags gem. § 17 ErbStG einzubeziehen sind. Inwieweit Informationen über weiter zurückliegende Vorschenkungen noch gefordert werden können, ist fraglich.8 Bei konsequenter Anwendung ergäbe sich hieraus eine rückwirkende Anzeigepflicht für bisher bei praxiskonformer Auslegung nicht anzeigepflichtiger Vorgänge, z.B. für bereits erfolgte Geldschenkungen unterhalb des persönlichen Freibetrags, bei denen bisher aufgrund offensichtlich nicht eintretender Steuerlast auf eine Anzeige verzichtet wurde. Die Kosten der Anzeige sind nicht Teil der Erbschaftsteuer und unterliegen daher nicht dem Abzugs- 25 verbot gem. § 10 Abs. 8 ErbStG. Vielmehr sind sie den Erbfallabwicklungskosten i.S.d. § 10 Abs. 5 Nr. 3 ErbStG zuzuordnen und als solche abzugsfähig.
1 Vgl. R E 30 Abs. 1 Satz 3 und 4 ErbStR 2011 sowie bejahend Eisele in Kapp/Ebeling, § 30 ErbStG Rz. 5.2 (Stand: April 2014). 2 RFH v. 15.11.1934, RStBl. 1934, 471. 3 BFH v. 16.10.1996 – II R 43/96, BStBl. II 1997, 73. 4 Gl. A. Meincke16, § 30 ErbStG Rz. 9; Kien-Hümbert in Moench/Weinmann, § 30 ErbStG Rz. 9 (Stand: Februar 2016). 5 Jülicher in T/G/J, § 30 ErbStG Rz. 33 (Stand: März 2012). 6 FG Nds. v. 9.12.2002 – 3 K 342/01, EFG 2003, 789. 7 Vgl. krit. Meincke16, § 30 ErbStG Rz. 9. 8 Ebenso krit. Meincke16, § 30 ErbStG Rz. 9.
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§ 31 Steuererklärung (1) 1Das Finanzamt kann von jedem an einem Erbfall, an einer Schenkung oder an einer Zweckzuwendung Beteiligten ohne Rücksicht darauf, ob er selbst steuerpflichtig ist, die Abgabe einer Erklärung innerhalb einer von ihm zu bestimmenden Frist verlangen. 2Die Frist muß mindestens einen Monat betragen. (2) Die Erklärung hat ein Verzeichnis der zum Nachlaß gehörenden Gegenstände und die sonstigen für die Feststellung des Gegenstands und des Werts des Erwerbs erforderlichen Angaben zu enthalten. (3) In den Fällen der fortgesetzten Gütergemeinschaft kann das Finanzamt die Steuererklärung allein von dem überlebenden Ehegatten oder dem überlebenden Lebenspartner verlangen. (4) 1Sind mehrere Erben vorhanden, sind sie berechtigt, die Steuererklärung gemeinsam abzugeben. 2In diesem Fall ist die Steuererklärung von allen Beteiligten zu unterschreiben. 3Sind an dem Erbfall außer den Erben noch weitere Personen beteiligt, können diese im Einverständnis mit den Erben in die gemeinsame Steuererklärung einbezogen werden. (5) 1Ist ein Testamentsvollstrecker oder Nachlaßverwalter vorhanden, ist die Steuererklärung von diesem abzugeben. 2Das Finanzamt kann verlangen, daß die Steuererklärung auch von einem oder mehreren Erben mitunterschrieben wird. (6) Ist ein Nachlaßpfleger bestellt, ist dieser zur Abgabe der Steuererklärung verpflichtet. (7) 1Das Finanzamt kann verlangen, daß eine Steuererklärung auf einem Vordruck nach amtlich bestimmtem Muster abzugeben ist, in der der Steuerschuldner die Steuer selbst zu berechnen hat. 2Der Steuerschuldner hat die selbstberechnete Steuer innerhalb eines Monats nach Abgabe der Steuererklärung zu entrichten. A. I. II. III.
Grundaussagen der Vorschrift. . . . . . . . . . Regelungsgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . Bedeutung und Telos . . . . . . . . . . . . . . . . . Geltungsbereich und Verhältnis zu anderen Vorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Rechtsentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Aufforderung zur Erklärungsabgabe (Abs. 1) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Anzeigepflichtiger Personenkreis (Abs. 1 Satz 1) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Mindestdauer der Abgabefrist (Abs. 1 Satz 2) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1 1 2
C. Inhalt der Steuererklärung (Abs. 2) . . . . . . 11 D. Erklärungspflicht bei fortgesetzter Gütergemeinschaft (Abs. 3) . . . . . . . . . . . . . . . . . 18
3 5
E. Gemeinschaftliche Erklärungsabgabe (Abs. 4) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 F. Erklärungspflicht des Testamentsvollstreckers oder Nachlassverwalters (Abs. 5) . . . . 22
6 6
G. Erklärungspflicht des Nachlasspflegers (Abs. 6) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 H. Steueranmeldung (Abs. 7) . . . . . . . . . . . . . 26
9
Literatur: Bruschke, Die Festsetzungsfrist bei der Erbschaft- und Schenkungsteuer, UVR 2005, 112; Eich, Verfahrensrechtliche Aspekte bei der Erbschaftsteuer, ErbStB 2006, 158; Halaczinsky, Rechte und Pflichten des Gesamtrechtsnachfolgers bei nachträglich aufgedeckten Erbschaft- und Schenkungsteuersachverhalten, DStR 2006, 828; Halaczinsky/Füllsack, Verletzung der Anzeige- und Berichtigungspflicht nach § 153 AO im Erbschaftsteuerrecht, BB 2011, 2839; Kalbfleisch, Praktische Fragen bei der Verwaltung und Abwicklung eines Nachlasses durch den Testamentsvollstrecker, UVR 2012, 268; Kamps, Festsetzungsverjährung sowie Anzeige- und Erklärungspflichten in Schenkung- und Erbschaftsteuerfällen, ErbR 2014, 16; Reiter, Anlaufhemmung der Festsetzungsfrist und Eintritt der Festsetzungsverjährung in Schenkungsfällen, StBW 2011, 276; Wälzholz, Die Besteuerung unangemessen hoher Vergütungen für Testamentsvollstrecker, ZErb 2005, 247. Verwaltungsanweisungen: H E 31 ErbStH 2011.
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§ 31 ErbStG Rz. 1 Steuererklärung
A. Grundaussagen der Vorschrift I. Regelungsgegenstand 1 Die Vorschrift regelt, wer und in welchen Fällen eine Steuererklärung abzugeben hat und welchen
Inhalt diese Steuererklärung haben muss. Im Grundsatz ist jeder Beteiligte zur Erklärungsabgabe verpflichtet. In bestimmten Fällen können jedoch weitere Personen anzeigepflichtig sein (z.B. Testamentsvollstrecker) bzw. kann die Steuererklärung auch ausschließlich von bestimmten Personen angefordert werden (fortgesetzte Gütergemeinschaft). Die Erklärung muss innerhalb einer Frist von mindestens einem Monat beim Finanzamt eingereicht werden und ein Verzeichnis aller erworbenen Gegenstände sowie alle für die Wertfeststellung dieser Gegenstände notwendigen Informationen enthalten. Darüber hinaus wird in § 31 Abs. 7 ErbStG die bisher nicht umgesetzte Möglichkeit normiert, dass das Finanzamt die Abgabe einer Steueranmeldung verlangen kann, die eine Zahlung des selbst errechneten Steuerbetrags innerhalb eines Monats nach sich zieht.
II. Bedeutung und Telos 2 Nachdem mit der Anzeige gem. § 30 ErbStG eine Basis für die Beurteilung der Steuerpflicht des Vor-
gangs durch das Finanzamt getroffen wurde, soll die Steuererklärung das Finanzamt in die Lage versetzen, die festzusetzende Steuer berechnen zu können.1 Denn auch wenn die Steuer rechtlich bereits regelmäßig mit dem Tode des Erblassers entsteht (vgl. § 9 ErbStG), bedarf es zur Fälligkeit der Steuer zunächst eine Berechnung und Festsetzung durch das Finanzamt. Die Steuererklärung muss folglich deutlich mehr Informationen als die Anzeige des Erwerbs liefern und im Gegensatz zur lediglich an die Schriftform gebundenen Anzeige auf einem amtlichen Vordruck erstellt werden (§ 150 Abs. 1 Satz 1 AO).
III. Geltungsbereich und Verhältnis zu anderen Vorschriften 3 Die Verpflichtung zur Anzeige eines Erwerbs gem. § 30 ErbStG und die Möglichkeit der Verpflich-
tung zur Einreichung einer Steuererklärung gem. § 31 ErbStG stehen selbständig nebeneinander.2 Insbesondere soll eine Anzeige nicht die Steuererklärung vorwegnehmen.3 Eine nicht abgegebene Anzeige wird durch eine abgegebene Steuererklärung ersetzt, eine eingereichte Anzeige gem. § 30 ErbStG entbindet jedoch nicht von der Erklärungspflicht.4 Umgekehrt kann das Finanzamt auch ohne Anzeige eines Erwerbs zur Abgabe einer Erklärung auffordern, wenn es bereits aus anderen Quellen von dem Erwerb erfahren hat. 4 Besondere Bedeutung besitzt die Verpflichtung zur Abgabe einer Steuererklärung für die Festset-
zungsfrist. Fordert das Finanzamt zur Abgabe einer Steuererklärung auf, so ist der Beginn der Festsetzungsfrist gem. § 170 Abs. 2 Nr. 1 AO gehemmt (Anlaufhemmung). Zu beachten ist, dass § 31 Abs. 1 ErbStG eine Erklärungsabgabeverpflichtung nur nach vorheriger Aufforderung durch das Finanzamt vorsieht. Bestand dabei z.B. wegen der Befreiungstatbestände des § 30 Abs. 3 ErbStG keine Anzeigepflicht für die Beteiligten, wird die Anlaufhemmung erst durch Aufforderung zur Erklärungsabgabe durch das Finanzamt ausgelöst.5 Die Anlaufhemmung besteht bis zum Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Steuererklärung eingereicht wurde, längstens bis zum Ablauf des dritten Jahres welches auf das Jahr folgt, in welchem die Steuer entstanden ist. Dabei ist für das Ende der
1 BFH v. 10.11.2004 – II R 1/03, BStBl. II 2005, 244 = ErbStB 2005, 177; v. 27.8.2008 – II R 36/06, ErbStB 2008, 348 = DStR 2008, 2109. 2 BFH v. 30.1.2002 – II R 52/99, BFH/NV 2002, 917. 3 BFH v. 16.10.1996 – II R 43/96, BStBl. II 1997, 73. 4 Vgl. Jochum in Wilms/Jochum, § 31 ErbStG Rz. 4 (Stand: Januar 2015); Kien-Hümbert in Moench/Weinmann, § 31 ErbStG Rz. 1 (Stand: April 2014); Eisele in Kapp/Ebeling, § 31 ErbStG Rz. 1 (Stand: April 2014). 5 Vgl. Jochum in Wilms/Jochum, § 31 ErbStG Rz. 6 (Stand: Januar 2015); krit. zur „doppelten Anlaufhemmung“ Jülicher in T/G/J, § 31 ErbStG Rz. 3 (Stand: Januar 2013).
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Aufforderung zur Erklärungsabgabe (Abs. 1)
Rz. 8 § 31 ErbStG
Anlaufhemmung unbeachtlich, ob die Steuererklärung in Teilen unvollständig oder unrichtig ist.1 Dies soll jedoch nach Auffassung des BFH2 dann nicht gelten, wenn durch die stark lückenhafte Steuererklärung im Vergleich zur Nichtabgabe kein Erkenntnisgewinn zu verzeichnen ist.
IV. Rechtsentwicklung Der § 31 ErbStG wurde durch das Steuerreformgesetz 1974 geschaffen. Im Rahmen des Erbschaft- 5 steuerreformgesetzes vom 24.12.20083 wurde für den Fall der fortgesetzten Gütergemeinschaft der Abs. 3 um den überlebenden Lebenspartner einer eingetragenen Lebenspartnerschaft erweitert, da diese ebenfalls eine fortgesetzte Gütergemeinschaft vereinbaren können. Gleichzeitig wurde die Möglichkeit der gemeinsamen Erklärungsabgabe in die Vorschrift eingefügt, um bei mehreren Erben eine Kostenersparnis herbeizuführen.4 In Abs. 7 wurde zudem die bisher nicht umgesetzte Möglichkeit verankert, den Steuerpflichtigen zur Steueranmeldung zu verpflichten.
B. Aufforderung zur Erklärungsabgabe (Abs. 1) I. Anzeigepflichtiger Personenkreis (Abs. 1 Satz 1) Das Finanzamt kann von jedem Beteiligten die Abgabe einer Steuererklärung verlangen. Die Pflicht 6 zur Erklärungsabgabe besteht dabei nicht schon aufgrund gesetzlicher Verpflichtung, sondern erst durch die konkrete Aufforderung seitens des Finanzamts. Abgabepflichtig können nicht nur die Erben, sondern auch Vermächtnisnehmer oder Pflichtteilsberechtigte sein. Dies gilt unabhängig davon, ob für den einzelnen Beteiligten selbst eine Steuerpflicht besteht.5 Regelmäßig wird das Finanzamt sein Ermessen bei der Aufforderung zur Erklärungsabgabe auch aus Gründen der Verfahrensökonomie dahingehend ausüben, dass es (zunächst) nur Beteiligte mit tatsächlicher Steuerlast zur Erklärungsabgabe auffordert. Dabei ist der einzelne Beschenkte aufgrund des in Deutschland geltenden Prinzips der Erbanfallsteuer (im Gegensatz zur anglo-amerikanischen Besteuerung des gesamten Nachlasses) nur für seinen Erwerb erklärungspflichtig.6 Ist sich das Finanzamt über die Steuerpflicht eines Vorgangs unsicher, so kann es nach h.M. die Abgabe einer Steuererklärung verlangen, wenn nach seinem pflichtgemäßen Ermessen die Möglichkeit eines steuerpflichtigen Vorgangs besteht.7 Bei einer Schenkung kann sowohl der Beschenkte, als auch der Schenker zur Erklärungsabgabe auf- 7 gefordert werden. Auch wenn sich dadurch zusätzliche Kontrollmöglichkeiten ergeben sollte und wird das Finanzamt regelmäßig nicht den Schenker und den Beschenkten gleichzeitig auffordern eine Erklärung abzugeben, sondern sich zunächst an den Schenker als vorrangigen Steuerschuldner wenden.8 Auch für die an einer Zweckzuwendung i.S.d. § 1 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG Beteiligten besteht eine An- 8 zeigepflicht. Nicht im § 31 Abs. 1 ErbStG erwähnt sind hingegen die nach § 1 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG aufgeführten steuerpflichtigen Vorgänge, so dass für diesen steuerpflichtigen Vorgang keine Erklärungsabgabeverpflichtung normiert ist. Eine Erklärungspflicht kann sich für eine Stiftung aber bei 1 2 3 4 5
Vgl. Jochum in Wilms/Jochum, § 31 ErbStG Rz. 6 (Stand: Januar 2015). BFH v. 22.1.1997 – II R 40/96, BStBl. II 1997, 266. ErbStRG 2009 v. 24.12.2008, BGBl. I 2008, 3018. Vgl. die Begründung der Bundesregierung, BR-Drucks. 140/72, 75 ff. Kritisch Meincke16, § 31 ErbStG Rz. 3, der eine Abgabepflicht bei feststehender fehlender Steuerlast verneint; bejahend hingegen Jochum in Wilms/Jochum, § 31 ErbStG Rz. 16 (Stand: Januar 2015), der grundsätzlich keine Überlegungen hinsichtlich der Steuerpflicht vom Finanzamt fordert. Ermessensfehlerhaft sei nur die Aufforderung bei zweifelsfrei feststehender fehlender Steuerpflicht, da diese ohne sachlichen Grund und somit willkürlich ergehe. 6 Vgl. Jülicher in T/G/J, § 31 ErbStG Rz. 3 (Stand: Januar 2013). 7 Vgl. BFH v. 10.10.1951 – IV 216/51 S – BStBl. III 1951, 209; Schuck in V/K/S/W4, § 31 ErbStG Rz. 2 sowie aufgrund der Praktikabilität bejahend Meincke16, § 31 ErbStG Rz. 4, auch wenn er dies vom Wortlaut nicht ohne weiteres gedeckt sieht. 8 Gl. A. Meincke16, § 31 ErbStG Rz. 3.
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§ 31 ErbStG Rz. 9 Steuererklärung Verwirklichung eines steuerpflichtigen Vorgangs i.S.d. § 1 Abs. 1 Nr. 1–3 ErbStG ergeben, wenn die Stiftung z.B. an einem Nachlass als Erbin beteiligt ist oder Bedachte einer Schenkung ist.
II. Mindestdauer der Abgabefrist (Abs. 1 Satz 2) 9 Die Frist zur Abgabe einer Steuererklärung ist nicht an feste Termine gebunden, sondern wird vom
Finanzamt festgelegt. Diese Frist muss nach § 31 Abs. 1 Satz 2 ErbStG mindestens einen Monat betragen, ist aber im Übrigen ins Ermessen der Behörde gestellt. Zudem besteht die Möglichkeit der Verlängerung der Abgabefrist (§ 109 Abs. 1 S. 1 AO), ggf. gegen Sicherheitsleistung (§ 109 Abs. 2 AO). Bei umfangreichen Erbfällen kann ggf. eine vorläufige Erklärung abgegeben werden.1 In Anbetracht der denkbaren Komplexität des Sachverhalts und der Seltenheit der Verpflichtung zur Abgabe einer Erklärung für Zwecke der Erbschaft- oder Schenkungsteuer wird die Frist in der Praxis regelmäßig verlängert werden müssen oder auch nicht ausreichen.2 Dies gilt umso mehr, wenn aufgrund der Vielzahl der Beteiligten umfangreiche Korrespondenz vonnöten ist und erst Recht, wenn Uneinigkeit über die Auslegung des Testaments besteht. Dabei ist die reine Erbauseinandersetzung unbeachtlich, da die Besteuerung zunächst nach Erbquoten und ungeachtet der Erbauseinandersetzung vorgenommen wird und bei erfolgter Erbauseinandersetzung die bestehende Festsetzung hinsichtlich der Gewährung von Steuerbefreiungen geändert werden kann.3 10
Bei verspäteter Abgabe kann das Finanzamt einen Verspätungszuschlag gem. § 152 AO festsetzen. Wird die Erklärung nicht eingereicht besteht darüber hinaus die Möglichkeit, ein Zwangsgeld bis zu 25 000 Euro gem. § 329 AO festzusetzen. Das Finanzamt wird hier in der Regel Milde walten lassen, gleichwohl kann sich der Steuerpflichtige darauf nicht verlassen.4
C. Inhalt der Steuererklärung (Abs. 2) 11
Die Steuererklärung muss gem. § 31 Abs. 2 ErbStG ein Verzeichnis der zum Nachlass gehörenden Gegenstände und die sonstigen für die Feststellung des Gegenstandes und des Wertes des Erwerbs erforderlichen Angaben enthalten. Die Erklärung ist auf amtlichem Vordruck einzureichen (§ 150 Abs. 1 Satz 1 AO), welcher naturgemäß die geforderten Angaben abfragt. Weitere Angaben sind demzufolge entbehrlich.
12
Zu den zum Erwerb gehörenden Gegenständen, die in der Erklärung aufgeführt werden müssen, gehören nicht nur körperliche Wirtschaftsgüter, sondern auch Forderungen und Rechte, wie etwa Nießbrauchsrechte oder Sachleistungsansprüche. Ebenso sind Verbindlichkeiten und sonstige Schuldposten als Gegenstände i.S.d. § 31 Abs. 2 ErbStG einzuordnen und in die Erklärung aufzunehmen. Dabei sind die einzelnen Gegenstände grundsätzlich einzeln aufzulisten und hinreichend deutlich zu bezeichnen. Gleichartige Posten können dabei zu Gruppen zusammengefasst werden.5
13
Auch wenn der Wortlaut des § 31 Abs. 2 Schenkungen nicht einbezieht, sind die Vorschriften auch auf Schenkungen anzuwenden. Im Fall der Schenkung sind die Gegenstände aufzuführen, die Gegenstand der Zuwendung sind. Darüber hinaus sind im Falle der Schenkung unter Auflage bzw. der gemischten Schenkung die Auflagen und Gegenleistungen (übernommene Verbindlichkeiten, Gleichstellungsgelder, zu duldende Wohn- und Nießbrauchsrechte etc.) aufzuführen.
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Über die reine Auflistung der Gegenstände hinaus ist auch der Wert der Gegenstände zu benennen. Der Erklärungsvordruck sieht nicht nur die zur Wertermittlung notwendigen Berechnungsgrundlagen, sondern auch die Benennung der Steuerwerte i.S.d. § 12 ErbStG vor. Dies kann den Steuer1 Vgl. Jochum in Wilms/Jochum, § 31 ErbStG Rz. 17 (Stand: Januar 2015). 2 Vgl. Eisele in Kapp/Ebeling, § 31 ErbStG Rz. 5 (Stand: April 2014), der im Falle ernstlicher Meinungsverschiedenheiten über die Auslegung des Testamentes eine Verpflichtung des Finanzamts sieht, einem Antrag auf Fristverlängerung zu folgen. 3 Vgl. R E 3.1 Abs. 1 ErbStR 2011 und exemplarisch H E 13.4 „Freie Erbauseinandersetzung“ ErbStH 2011. 4 Vgl. FG Nds. v. 30.11.2005, – 3 K 324/05, EFG 2006, 1223. 5 Vgl. Meincke16, § 31 ErbStG Rz. 6.
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Erklärungspflicht bei fortgesetzter Gütergemeinschaft (Abs. 3)
Rz. 18 § 31 ErbStG
pflichtigen insbesondere bei Grundstücken und Betriebsvermögen sowie Kunstgegenständen vor große Probleme stellen, will er den Wert nicht unnötigerweise durch teure Wertgutachten ermitteln lassen (wozu keine rechtliche Verpflichtung besteht1). Hier kann sich der Steuerpflichtige darauf beschränken, Schätzungen über die Höhe des Wertes abzugeben.2 Beauftragt er im Einzelfall doch einen Wertgutachter, so sind die Kosten für den Gutachter als Erbfallabwicklungskosten gem. § 10 Abs. 5 Nr. 3 ErbStG abzugsfähig. Auch das ErbSt-Finanzamt wird den Erbschaft- oder Schenkungsteuerbescheid zunächst insoweit 15 unter Zugrundelegung von geschätzten Werten erlassen, als diese für Grundbesitz und Betriebsvermögen sowie Anteile an Kapitalgesellschaften einer gesonderten Feststellung gem. § 151 BewG unterliegen und später im Rahmen eines Grundlagenbescheides ermittelt werden, der eine Korrektur der bisherigen Schätzungswerte nach § 175 Abs. 1 Nr. 1 AO möglich macht. Hier wird der Steuerpflichtige regelmäßig nochmals zur Abgabe einer Feststellungserklärung vom Lage- bzw. Betriebsstättenfinanzamt aufgefordert werden. Neben der Auflistung der Gegenstände wird im amtlichen Erklärungsvordruck auch eine Ausübung 16 verschiedener Wahlrechte verlangt. Dies betrifft insbesondere das Wahlrecht des Nacherben gem. § 6 Abs. 2 ErbStG sowie das Recht auf Besteuerung von Nutzungen und Leistungen nach dem Jahreswert gem. § 23 ErbStG sowie die Wahl der Optionsverschonung für land- und forstwirtschaftliches Vermögen, Betriebsvermögen und Anteile an Kapitalgesellschaften gem. § 13a Abs. 8 ErbStG. Dabei ist zu beachten, dass z.B. § 23 ErbStG keine Festlegung in der Steuererklärung verlangt, so dass auf eine entsprechende Festlegung an dieser Stelle verzichtet werden kann. Im Gegensatz dazu ist die Festlegung auf die Optionsverschonung gem. § 13a Abs. 8 ErbStG unwiderruflich. Sofern die Steuererklärung ordnungsgemäß unterschrieben ist, hat das Finanzamt von der Richtig- 17 keit der Angaben des Steuerpflichtigen auszugehen, sofern keine Umstände erkennbar sind, die unrichtige oder unvollständige Angaben erkennen lassen.3 Eigene weitergehende Ermittlungen des Finanzamts sind in diesem Fall unzulässig. Dabei muss das Finanzamt bloßen Behauptungen des Steuerpflichtigen nicht folgen, vielmehr muss der Steuerpflichtige seine Angaben nachvollziehbar begründen und dazu ggf. Unterlagen einreichen. Fehlen Angaben in der Steuererklärung oder sind Angaben unzutreffend, so ist der zur Erklärungsabgabe Verpflichtete gem. § 153 Abs. 1 AO zur Richtigstellung verpflichtet.
D. Erklärungspflicht bei fortgesetzter Gütergemeinschaft (Abs. 3) Grundsätzlich ist jeder Erwerber für die von ihm erworbenen Gegenstände i.S.d. Abs. 2 erklärungs- 18 pflichtig. Von diesem Grundsatz weicht Abs. 3 für den Fall der fortgesetzten Gütergemeinschaft ab. Haben Ehegatten im Güterstand der Gütergemeinschaft gelebt, können sie gem. § 1484 BGB nach dem Tod eines Ehegatten die Fortsetzung der Gütergemeinschaft zwischen dem überlebenden Ehegatten und den gemeinschaftlichen Abkömmlingen vertraglich vereinbaren. In diesem Fall wird der überlebende Ehegatte gem. § 1487 BGB Alleinverwalter des Gesamtguts. Korrespondierend zum § 20 Abs. 2 ErbStG, der den überlebenden Ehegatten bei der fortgesetzten Gütergemeinschaft zum Schuldner für den gesamten Steuerbetrag erklärt, kann gem. § 31 Abs. 3 auch die Steuererklärung allein vom überlebenden Ehegatten angefordert werden. Das Finanzamt ist dabei aufgrund der Formulierung „kann“ nicht zu dieser Begrenzung der Erklärungsaufforderung auf den überlebenden Ehegatten verpflichtet.4 Fordert das Finanzamt auch die Abkömmlinge des Erblassers zur Abgabe einer Steuererklärung auf, so erstreckt sich die Erklärungspflicht nur auf deren jeweiligen Erbteil.
1 Vgl. Meincke16, § 31 ErbStG Rz. 7. 2 Gl. A. Jochum in Wilms/Jochum, § 31 ErbStG Rz. 22 (Stand: Januar 2015) sowie Schuck in V/K/S/W4, § 31 ErbStG Rz. 31. 3 BFH v. 11.7.1978 – VIII R 120/75, BStBl. II 1979, 57. 4 Gl. A. Jülicher in T/G/J, § 31 ErbStG Rz. 18 (Stand: Januar 2013); Jochum in Wilms/Jochum, § 31 ErbStG Rz. 28 (Stand: Januar 2015); Meincke16, § 31 ErbStG Rz. 10.
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§ 31 ErbStG Rz. 19 Steuererklärung
E. Gemeinschaftliche Erklärungsabgabe (Abs. 4) 19
Um Kosten zu sparen, können Erben von der Möglichkeit des § 31 Abs. 4 Satz 1 ErbStG Gebrauch machen, eine gemeinsame Steuererklärung einzureichen. In diesem Fall muss die Steuererklärung von allen Beteiligten unterschrieben werden (§ 31 Abs. 4 Satz 2 ErbStG); insofern kann eine gemeinsame Erklärung nicht gegen den Willen einzelner Beteiligter abgegeben werden. Eine gemeinsame Steuererklärung kann sowohl von der Gesamtheit der Miterben als auch von einem Teil der Miterben abgegeben werden.1 Im letzten Fall gilt sie allerdings auch nur für die zu dieser Gruppe gehörenden Miterben. Unter diesen Voraussetzungen können auch mehrere Gruppen von Miterben jeweils für ihre Personengruppe eine gemeinsame Steuererklärung einreichen. Ungeachtet der gemeinsamen Erklärungsabgabe bleibt es aber bei der Steuerschuldnerschaft eines jeden einzelnen Erwerbers, so dass kein gemeinschaftlicher Erbschaftsteuerbescheid ergeht. Andere am Erbfall beteiligte Personen (insbesondere Pflichtteilsberechtigte, Vermächtnisnehmer) können bei der gemeinschaftlichen Erklärungsabgabe gem. § 31 Abs. 4 Satz 3 ErbStG mit berücksichtigt werden. Dies stellt eine Verfahrenserleichterung dar, da die Erben die Vermächtnis- und Pflichtteilslasten ohnehin als Nachlassverbindlichkeit in ihrer Steuererklärung angeben. Gleichwohl wird in der Praxis unter Umständen darauf verzichtet werden, um dem Vermächtnisnehmer keinen Einblick in die Gesamtheit der erworbenen Vermögensgegenstände zu geben. Dies wäre aufgrund der bei gemeinsamer Erklärungsabgabe geforderten Unterschriftsleistung aller Beteiligten wohl nicht zu verhindern.
20
Jülicher spricht sich dafür aus, die Grundsätze zur gemeinsamen Erklärungsabgabe entgegen dem Wortlaut des § 31 Abs. 4 ErbStG auch für Schenkfälle gelten zu lassen.2 Auch Kien-Hümbert spricht sich im Hinblick auf die Zielrichtung der Vorschrift, die Arbeit des Finanzamts zu erleichtern, und dem Grundsatz, dass die Vorschriften für Erwerbe von Todes wegen auch für Schenkungen gelten, ebenfalls für eine analoge Anwendung aus. Ob hier eine planwidrige Regelungslücke vorliegt, ist insofern zweifelhaft, als der Gesetzgeber in Abs. 1 der Vorschrift die Schenkungen noch explizit erwähnt, im Abs. 4 aber nur die Erben zur gemeinsamen Steuererklärung berechtigt. Gegen die analoge Anwendung spricht zudem, dass es sich bei einer Schenkung im Gegensatz zum Erbfall nicht um eine Gesamtrechtsnachfolge, sondern um eine Einzelrechtsnachfolge handelt. Die Erwerbsvorgänge sind somit grundsätzlich getrennt zu betrachten und bedingen einander nicht. Lediglich bei Schenkungen unter Auflage, bei denen ein Dritter unmittelbar aus dem geschenkten Vermögen bereichert wird und der Beschenkte die Auflage bereicherungsmindernd in seiner Steuererklärung geltend machen kann, ist m.E. eine analoge Anwendung der Grundsätze zur gemeinsamen Erklärungsabgabe zumindest aus praktischen Gründen sinnvoll. Bisher ist die Frage nicht abschließend geklärt.3
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§ 31 Abs. 4 ErbStG enthält für die Abgabe der gemeinsamen Steuererklärung – im Gegensatz zur Verpflichtung zur Einzelabgabe in § 31 Abs. 1 ErbStG – keine Fristbestimmung. Fordert das Finanzamt die einzelnen Beteiligten innerhalb einer Frist zur Erklärungsabgabe auf, so begründet § 31 Abs. 4 ErbStG lediglich ein Wahlrecht zur Einreichung einer gemeinsamen Steuererklärung innerhalb dieser Frist.4 Geben die Erben oder einzelne Personengruppen eine gemeinschaftliche Steuererklärung ab, so kann das Finanzamt keine Einzelsteuererklärung von diesen Personen verlangen. Üben die Erben das Wahlrecht einer gemeinsamen Steuererklärung nicht fristgerecht aus, so kann nach Auffassung der FinVerw. nur noch eine Abgabe von Einzelsteuererklärungen erfolgen.5 Folglich ist in diesen Fällen der rechtzeitige Antrag auf Fristverlängerung für die Abgabe der gemeinschaftlichen Steuererklärung von besonderer Bedeutung.
1 Vgl. H E 31 „Gemeinsame Steuererklärung bei Vorhandensein mehrerer Erben und weiterer Erwerber“ ErbStH 2011. 2 Vgl. Jülicher in T/G/J, § 31 ErbStG Rz. 20 (Stand: September 2013). 3 Vgl. auf die Lücke hinweisend Meincke16, § 31 ErbStG Rz. 11. 4 Vgl. H E 31 „Gemeinsame Steuererklärung bei Vorhandensein mehrerer Erben und weiterer Erwerber“ ErbStH 2011. 5 Vgl. H E 31 „Gemeinsame Steuererklärung bei Vorhandensein mehrerer Erben und weiterer Erwerber“ ErbStH letzter Halbsatz; gleicher Ansicht Jülicher in T/G/J, § 31 ErbStG Rz. 21 (Stand: September 2013).
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Erklärungspflicht des Testamentsvollstreckers oder Nachlassverwalters (Abs. 5)
Rz. 24 § 31 ErbStG
F. Erklärungspflicht des Testamentsvollstreckers oder Nachlassverwalters (Abs. 5) Ist bei einem Erbfall ein Testamentsvollstrecker oder ein Nachlassverwalter vorhanden, so ist die Steu- 22 ererklärung gem. § 31 Abs. 5 Satz 1 ErbStG von ihm abzugeben, da er zur Verwaltung und Verfügung über den Nachlass berechtigt ist. Dabei beschränkt sich deren Erklärungspflicht auf Angaben, die von der jeweiligen Verwaltungs- oder Vertretungsbefugnis umfasst sind.1 Somit werden z.B. außerhalb ihrer Verwaltung liegende Lebensversicherungen nicht von der Erklärungspflicht umfasst. Hier muss der Erwerber selbst den Erwerb anzeigen und eine Erklärung einreichen.2 Darüber hinaus sind die Testamentsvollstrecker und Nachlassverwalter nicht berechtigt, die steuerlichen Wahlrechte gem. §§ 6, 13a und 23 ErbStG auszuüben.3 Bisher nicht geklärt ist, ob bei Ausübung der Wahlrechte durch den nicht befugten Testamentsvollstrecker/Nachlassverwalter der daraufhin ergangene Steuerbescheid nichtig oder nur rechtswidrig ist.4 Da der Fehler des Steuerbescheides weder besonders schwerwiegend noch offenkundig ist, kann eine Nichtigkeit gem. § 125 Abs. 1 AO m.E. nicht angenommen werden. § 125 Abs. 2 AO ist hinsichtlich dieser Streitfrage ebenso nicht einschlägig. Derartig fehlerhafte Bescheide sollten daher immer mit einem Einspruch angefochten werden. Rechtmäßig sein sollen dagegen Bescheide unter Berücksichtigung für den Steuerpflichtigen nur begünstigend wirkender Anträge wie etwa die Anrechnung ausländischer Steuer gem. § 21 ErbStG. Gegen die Aufforderung zur Abgabe einer Erklärung ist der Testamentsvollstrecker/Nachlassver- 23 walter nicht selber rechtsbehelfsbefugt, da er durch die Aufforderung nicht in seinen Rechten verletzt wird.5 Auf Aufforderung des Finanzamts hin hat bzw. haben ein oder mehrere Erben die Erklärung zusätzlich zum abgabepflichtigen Testamentsvollstrecker/Nachlassverwalter zu unterschreiben. Diese Unterschrift ist insbesondere hinsichtlich dem Testamentsvollstrecker nicht bekannter Vorschenkungen von Bedeutung, die gem. § 14 ErbStG in die Ermittlung der Steuer für den Erbanfall einzubeziehen sind.6 Wegen der Bekanntgabe des Bescheids, der Entrichtung der Steuer und etwaiger Sicherheitsleistung in Fällen des § 31 Abs. 5 ErbStG vgl. § 32 Abs. 1 ErbStG. Lange Zeit ungeklärt war die Frage, ob § 31 Abs. 5 ErbStG eine Verpflichtung zur Erklärungsabgabe 24 auch ohne explizite Aufforderung des Finanzamts vorsieht.7 Als gesichert zu betrachten war lediglich die Einschätzung, dass der Testamentsvollstrecker berechtigt und auch verpflichtet sein sollte, an Stelle des Erben zu handeln und die an die Erben gerichtete Erklärungsaufforderung hin seinerseits eine Erklärung abzugeben.8 Unzweifelhaft ergibt sich eine Erklärungspflicht auch dann, wenn der Testamentsvollstrecker selber vom Finanzamt zur Erklärungsabgabe aufgefordert worden ist.9 Nach Auffassung von Schuck ist im Falle eines bestellten Testamentsvollstreckers eine an die Erben gerichtete Aufforderung des Finanzamts rechtswidrig, soweit sie sich auf von ihm verwaltete Nachlassgegenstände erstreckt.10 Nunmehr ist die Rechtsfrage durch den BFH dahingehend geklärt worden, dass ein Testamentsvollstrecker nach § 31 Abs. 5 Satz 1 ErbStG zur Abgabe einer Erbschaftsteuerer-
1 Vgl. Jochum in Wilms/Jochum, § 31 ErbStG Rz. 32 (Stand: Januar 2015). 2 Vgl. Jülicher in T/G/J, § 31 ErbStG Rz. 27 (Stand: April 2014). 3 Vgl. Meincke16, § 31 ErbStG Rz. 13 sowie Kien-Hümbert in Moench/Weinmann, § 31 ErbStG Rz. 12 (Stand: April 2014); a.A. Schuck in V/K/S/W4, § 31 ErbStG Rz. 15, der die Wahlrechte nicht als „höchstpersönliche Rechte“ ansieht und somit den Testamentsvollstrecker als antragsberechtigt ansieht. 4 Vgl. zur Diskussion Jülicher in T/G/J, § 31 ErbStG Rz. 34 (Stand: Januar 2013); die Nichtigkeit bejahend Eisele in Kapp/Ebeling, § 31 ErbStG Rz. 18 (Stand: April 2014); von Rechtswidrigkeit ausgehend Kien-Hümbert in Moench/Weinmann, § 31 ErbStG Rz. 12 (Stand: April 2014). 5 BFH v. 4.11.1991 – II R 144/78, BStBl. II 1982, 262. 6 Vgl. Jülicher in T/G/J, § 31 ErbStG Rz. 29 (Stand: April 2014). 7 Die gesetzliche Verpflichtung ohne Aufforderung verneinend Schuck in V/K/S/W4, § 31 ErbStG Rz. 13 sowie Jochum in Wilms/Jochum, § 31 ErbStG Rz. 35 (Stand: Januar 2015), der auf das Grundprinzip der §§ 30 und 31 ErbStG verweist, wonach eindeutig nicht steuerpflichtige Fälle nicht aufgegriffen werden müssen. Dem stünde eine generelle Erklärungsabgabeverpflichtung der Testamentsvollstrecker und Vermögensverwalter ohne vorherige Prüfung der Steuerpflicht des Vorgangs durch das Finanzamt entgegen. 8 Vgl. Meincke16, § 31 ErbStG Rz. 12. 9 BFH v. 7.12.1999 – II B 79/99, BStBl. II 2000, 233 = FR 2000, 402 m. Anm. Viskorf. 10 Vgl. Schuck in V/K/S/W4, § 31 ErbStG Rz. 13.
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§ 31 ErbStG Rz. 25 Steuererklärung klärung für einen Erwerber nur verpflichtet ist, wenn sich die Testamentsvollstreckung auf den Gegenstand des Erwerbs bezieht und das Finanzamt die Abgabe der Erklärung vom Testamentsvollstrecker verlangt.1 Die Vorschrift des § 31 Abs. 5 ErbStG sei nicht dahingehend zu verstehen, dass sie im Fall einer Testamentsvollstreckung eine uneingeschränkte Erklärungspflicht des Testamentsvollstreckers anordnet. Vielmehr sei wegen der zivilrechtlichen Stellung und der Aufgaben des Testamentsvollstreckers sowie im Zusammenhang mit § 31 Abs. 1 Satz 1 ErbStG, der die Erklärungspflicht des an einem Erbfall Beteiligten regelt, davon auszugehen, dass der Testamentsvollstrecker nach § 31 Abs. 5 Satz 1 ErbStG nur zur Abgabe der Erbschaftsteuererklärung für einen Erwerber verpflichtet ist, wenn sich die Testamentsvollstreckung auf den Gegenstand des Erwerbs bezieht und das Finanzamt die Abgabe der Erklärung vom Testamentsvollstrecker verlangt. Aufgrund seiner bürgerlichrechtlichen Befugnisse sei der Testamentsvollstrecker in der Lage, die gem. § 31 Abs. 2 ErbStG erforderlichen Angaben zum Gegenstand und zum Wert des Erwerbs zu machen sowie ein Verzeichnis über die zum Nachlass gehörenden Gegenstände (vgl. auch § 2215 BGB) zu erstellen. Beschränkt sich die Testamentsvollstreckung nur auf das Inland, ist die Erklärungspflicht folglich auf inländisches Vermögen begrenzt. Die Pflicht zur Abgabe der Steuererklärung erstrecke sich auf Erwerbe von Todes wegen durch Erben bzw. Vermächtnisnehmer, wenn die Testamentsvollstreckung hinsichtlich des Nachlasses bzw. des Vermächtnisses angeordnet wurde.2 Folglich greift die Anlaufhemmung des § 170 Abs. 2 Nr. 1 AO nur dann, wenn der Testamentsvollstrecker/Nachlassverwalter durch das Finanzamt zur Erklärungsabgabe aufgefordert wurde.
G. Erklärungspflicht des Nachlasspflegers (Abs. 6) 25
Ist ein Nachlasspfleger bestellt, so ist dieser gem. § 31 Abs. 6 zur Abgabe der Steuererklärung auch ohne Aufforderung durch das Finanzamt verpflichtet. Die Erklärungspflichten decken sich dabei mit den Pflichten der Testamentsvollstrecker und Nachlassverwalter. Der Nachlasspfleger hat zudem für die Zahlung der Erbschaftsteuer zu sorgen. Ein Nachlasspfleger wird insbesondere dann benötigt, wenn der Nachlass wegen nicht bekannter Erben zunächst gesichert und erhalten werden muss. Naturgemäß können nicht bekannte Erben nicht zur Mitzeichnung i.S.d. § 31 Abs. 5 Satz 2 ErbStG verpflichtet werden. Vielmehr ist der Nachlasspfleger gesetzlicher Vertreter des unbekannten Erben.3 Der Steuerbescheid ist dem Nachlasspfleger gem. § 32 Abs. 2 ErbStG lediglich bekannt zu geben. Mangels Beteiligtenstellung ist der Nachlasspfleger jedoch selbst nicht rechtsbehelfsbefugt.4 Wegen der Einzelheiten zur Bekanntgabe des Bescheides, der Entrichtung der Steuer und etwaiger Sicherheitsleistung in Fällen des § 31 Abs. 5 vgl. § 32 Abs. 1 ErbStG.
H. Steueranmeldung (Abs. 7) 26
In § 31 Abs. 7 ErbStG ist eine Ermächtigung geschaffen worden, die das Finanzamt berechtigt, vom Steuerpflichtigen zu verlangen, die Berechnung der Steuer in einer Steueranmeldung selbst durchzuführen und innerhalb eines Monats nach Abgabe der Steueranmeldung den errechneten Steuerbetrag zu entrichten. Da die Komplexität des Erbschaftsteuerrechts durch die zahlreichen mit dem ErbStRG ab 2009 eingeführten Befreiungsnormen nochmals zugenommen hat, lässt sich eine Umsetzung bisher kaum realisieren. Nach Auffassung von Eisele ist die Steueranmeldung insofern für den Steuerpflichtigen vorteilhaft, als er zunächst nur die Steuer zahlen muss, zu der er sich selbst bekennt.5 Die im Falle der Steuererklärung und Bescheiderteilung durch das Finanzamt ansonsten sofort zu seinen Lasten festgesetzten Steuerbeträge würden im Falle der Steueranmeldung erst in der Diskussion im Nachgang zur Steueranmeldung ermittelt und zeitlich nachgelagert festgesetzt.
1 BFH v. 11.6.2013 – II R 10/11, BStBl. II 2013, 924. 2 BFH v. 14.11.1990 – II R 58/86, BStBl. II 1991, 52; v. 9.6.1999 – II B 101/98, BStBl. II 1999, 529 = FR 1999, 919 = FR 1999, 1256 m. Anm. Viskorf. 3 BFH v. 30.3.1982 – VIII R 227/80, BStBl. II 1982, 687. 4 BFH v. 21.12.2004 – II B 110/04, BFH/NV 2005, 704. 5 Eisele in Kapp/Ebeling, § 31 ErbStG Rz. 23 (Stand: April 2014).
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§ 32 Bekanntgabe des Steuerbescheides an Vertreter (1) 1In den Fällen des § 31 Abs. 5 ist der Steuerbescheid abweichend von § 122 Abs. 1 Satz 1 der Abgabenordnung dem Testamentsvollstrecker oder Nachlassverwalter bekanntzugeben. 2Diese Personen haben für die Bezahlung der Erbschaftsteuer zu sorgen. 3Auf Verlangen des Finanzamts ist aus dem Nachlass Sicherheit zu leisten. (2) 1In den Fällen des § 31 Abs. 6 ist der Steuerbescheid dem Nachlasspfleger bekanntzugeben. 2Absatz 1 Satz 2 und 3 ist entsprechend anzuwenden. A. I. II. III.
Grundaussagen der Vorschrift. . . . . . . . . . Regelungsgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . Bedeutung und Telos . . . . . . . . . . . . . . . . . Geltungsbereich und Verhältnis zu anderen Vorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Rechtsentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Bekanntgabe an und Pflichten der Testamentsvollstrecker und Nachlassverwalter (Abs. 1) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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I. Bekanntgabe des Erbschaftsteuerbescheides (Abs. 1 Satz 1) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 1. Grundsätze der Bekanntgabe . . . . . . . . . . 5 2. Sonderregelung für Testamentsvollstrecker und Nachlassverwalter . . . . . . . . 8 II. Entrichtung der Steuer (Abs. 1 Satz 2) . . . . . 17 III. Sicherheitsleistung (Abs. 1 Satz 3) . . . . . . . . 20 C. Bekanntgabe an und Pflichten der Nachlasspfleger (Abs. 2) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21
Literatur: Billig, Testamentsvollstreckung aus erbschaftsteuerrechtlicher Sicht, UVR 2012, 178; Blum/Schauer, Haftung des Testamentsvollstreckers für die Nachsteuer, ZEV 2012, 92; Kalbfleisch, Praktische Fragen bei der Verwaltung und Abwicklung eines Nachlasses durch den Testamentsvollstrecker, UVR 2012, 268; Purrucker, Die Haftung des Testamentsvollstreckers für die sog. Nachsteuer, ZErb 2011, 265; Tolksdorf/Simon, Erbschaftsteuerliche Rechten und Pflichten des Testamentsvollstreckers, ErbStB 2008, 360. Verwaltungsanweisungen: H E 32 ErbStH 2011.
A. Grundaussagen der Vorschrift I. Regelungsgegenstand Die Vorschrift ist eine ergänzende Regelung zu den Erklärungspflichten der Testamentsvollstrecker 1 und Nachlassverwalter gem. § 31 Abs. 5 und der Nachlasspfleger gem. § 31 Abs. 6 ErbStG. Sie regelt die Bekanntgabe des Erbschaftsteuerbescheides und die Zahlung der Erbschaftsteuer einschließlich etwaiger Sicherheitsleistungen. Demnach ist abweichend von § 122 ErbStG bei Vorhandensein eines Testamentsvollstreckers, Nachlassverwalters oder Nachlasspflegers diesem an Stelle der Erben als Steuerschuldner gem. § 20 ErbStG der Bescheid als Bekanntgabeadressat bekannt zu geben. Gleichzeitig müssen die genannten Personenkreise für die Entrichtung der Steuer sorgen und müssen auf Verlangen des Finanzamts eine Sicherheitsleistung entrichten.
II. Bedeutung und Telos Der als Bekanntgabeadressat vorgesehene Testamentsvollstrecker, Nachlassverwalter oder Nachlass- 2 pfleger hat Verfügungsgewalt über den Nachlass. Als Bemessung für die Höhe der Erbschaftsteuer dient die durch den Erbfall eingetretene Bereicherung (vgl. § 10 ErbStG). Infolgedessen sind die genannten Personen geeignet, um den Steuerbescheid in Empfang zu nehmen und für die Entrichtung der Steuer Sorge zu tragen. Dies gilt umso mehr, wenn die Erben noch nicht bekannt sind und somit selbst nicht für die Entrichtung der ErbSt verantwortlich gemacht werden können.1
1 Vgl. Jochum in Wilms/Jochum, § 32 ErbStG Rz. 2 (Stand: Januar 2015).
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§ 32 ErbStG Rz. 3 Bekanntgabe des Steuerbescheides an Vertreter
III. Geltungsbereich und Verhältnis zu anderen Vorschriften 3 Die Vorschrift definiert von den Grundsätzen des § 122 AO abweichende Bekanntgabeadressaten
für den ErbSt-Bescheid. Sie nimmt dafür Bezug auf die in § 31 Abs. 5 und 6 ErbStG mit der Erklärungsabgabe betrauten Personenkreise und Sachverhalte. Im Übrigen bleibt es bei den Regelungen des § 122 AO, so dass auch der hierzu ergangene Anwendungserlass zur Abgabenordnung1 2014 zu beachten ist. Liegt folglich kein Fall des § 31 Abs. 5 oder 6 ErbStG vor, ist der Bescheid den Erben als Steuerschuldner bekannt zu geben. Die ordnungsgemäße Bekanntgabe ist Voraussetzung für eine wirksame Festsetzung i.S.d. § 155 AO, löst den Beginn der Rechtsmittelfrist aus (§ 355 AO) und bestimmt zudem die Zahlungsfrist (§ 220 AO, 254 AO).
IV. Rechtsentwicklung 4 Der § 32 ErbStG wurde durch das Steuerreformgesetz 1974 in das Gesetz eingefügt und gilt seit
dem. 1.1.1974. Nach Auffassung des BFH2 ist anzunehmen, dass der Gesetzgeber mit diesen Regelungen nicht nur solche Sachverhalte im Auge hatte, bei denen die Erben bereits bekannt sind, die Nachlasspflegschaft aber noch nicht aufgehoben worden ist,3 oder nur Fälle, bei denen die Annahme der Erbschaft noch nicht erfolgt oder ungewiss ist, sondern dass er eine Regelung für den gesamten Anwendungsbereich der Nachlasspflegschaft – und damit auch für die bedeutende Fallgruppe der Nachlasspflegschaft bei unbekannten Erben – treffen wollte. Insofern müsse der Gesetzgeber davon ausgegangen sein und bezweckt haben, dass die Festsetzung der Erbschaftsteuer während der Nachlasspflegschaft auch gegenüber den unbekannten Erben als Inhaltsadressaten möglich ist. Somit gilt die Vorschrift für die gesamte Breite der Verfügungsberechtigungen.4
B. Bekanntgabe an und Pflichten der Testamentsvollstrecker und Nachlassverwalter (Abs. 1) I. Bekanntgabe des Erbschaftsteuerbescheides (Abs. 1 Satz 1) 1. Grundsätze der Bekanntgabe 5 Der ErbSt-Bescheid kann nicht der Erbengemeinschaft, sondern muss für jeden einzelnen Erwerber
einzeln bekanntgegeben werden.5 Dabei erfolgt die Bekanntgabe regelmäßig an den Steuerpflichtigen selbst (§ 122 Abs. 1 Satz 1 AO). In diesem Falle sind Inhalts- und Bekanntgabeadressat des Steuerbescheides deckungsgleich. Die richtige Bezeichnung des Adressaten ist dabei für die Wirksamkeit des Steuerbescheides von entscheidender Bedeutung, da andernfalls der Steuerbescheid nichtig ist (§ 125 Abs. 1 AO). 6 Die Pflicht zur einzelnen Bekanntgabe bleibt auch in den Fällen bestehen, in denen die Erben eine
gemeinschaftliche Erklärung i.S.d. § 31 Abs. 4 ErbStG abgegeben haben. Auch wenn die Bekanntgabe des Steuerbescheides in diesen Fällen nach Auffassung des BFH auch in Form eines „zusammengefassten Steuerbescheides“ mit Leistungsgebot für jeden einzelnen Erwerber erfolgen könnte, so ist eine solche gemeinsame Bekanntgabe wohl unzulässig, da die Erwerber nicht Gesamtschuldner sind.6 Schuck verweist in diesem Zusammenhang auch auf das Steuergeheimnis, welches eine Einsicht des einen Erben in die Steuerfestsetzung des anderen Erben nicht zulässt.7 Jedenfalls ist eine Erbengemeinschaft nicht klagebefugt gegen einen Erbschaftsteuerbescheid, der an einen der Erben ge-
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Anwendungserlass zur Abgabenordnung 2014 (AEAO), BStBl. I 2014, 291. BFH v. 21.12.2004 – II B 110/04, BFH/NV 2005, 704. Vgl. dazu BFH v. 30.3.1982 – VIII R 227/80, BStBl. II 1982, 687. Gl. A. Jochum in Wilms/Jochum, § 32 ErbStG Rz. 9 (Stand: Januar 2015). BFH v. 27.3.1986 – II 98/62, BStBl. II 1968, 376. Gl. A. Meincke16, § 32 ErbStG Rz. 2; Jülicher in T/G/J, § 32 ErbStG Rz. 6 (Stand: Juli 2011). Vgl. Schuck in V/K/S/W4, § 32 ErbStG Rz. 2; gl. A. Jülicher in T/G/J, § 32 ErbStG Rz. 7 (Stand: Juli 2011).
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Bekanntgabe an und Pflichten der Testamentsvollstrecker
Rz. 10 § 32 ErbStG
richtet war.1 Gleichwohl bleibt ein an die Erbengemeinschaft gerichteter Steuerbescheid gegen den einen Erben als Einzelbescheid wirksam, in dem die auf den Erwerb eines jeden Erbbeteiligten entfallenden Steuerbeträge getrennt angegeben sind, als er diesem Erben hinsichtlich seiner eigenen Steuerschuld wirksam zugegangen ist.2 Bei Schenkungen unter Lebenden ist der Bescheid zunächst dem Beschenkten bekannt zu geben.3 7 Dem Schenker soll der Bescheid bekanntgegeben werden, wenn er es beantragt, wenn er die Steuererklärung auf Anforderung des Finanzamts abgegeben hat (vgl. § 31 Abs. 1 ErbStG) oder wenn er die Steuer übernommen hat.4 2. Sonderregelung für Testamentsvollstrecker und Nachlassverwalter Muss der Testamentsvollstrecker oder Nachlassverwalter aufgrund der Verpflichtung des § 31 Abs. 5 8 Satz 1 ErbStG die Erbschaftsteuererklärung abgegeben, ist ihm gem. § 32 Abs. 1 Satz 1 ErbStG der Bescheid als Bekanntgabeadressat bekannt zu geben. Inhaltsadressat des Steuerbescheides bleiben dennoch die Erben als Steuerschuldner der Erbschaftsteuer.5 Auch bei Bekanntgabe des Bescheides an den Testamentsvollstrecker oder Nachlassverwalter ist bei Vorhandensein mehrerer Steuerpflichtiger für jeden Erwerber ein gesonderter Bescheid zu erstellen.6 Wird der Testamentsvollstrecker selbst als Schuldner der Erbschaftsteuer in Anspruch genommen, 9 weil er z.B. selbst zu den Erben gehört und als Erwerber steuerpflichtig ist, gilt § 32 ErbStG nach Auffassung von Meincke7 nicht. In diesem Falle erfolge die Bekanntgabe an den Testamentsvollstrecker nicht „abweichend von § 122 Abs. 1 Satz 1 AO“. Dies kann nur für den Erbanteil des Testamentsvollstreckers gelten, da er für die übrigen Erben die gleiche Rolle einnimmt, die er auch bei Nichtbeteiligung seiner Person am Erbe eingenommen hätte. Jedenfalls muss in diesem Fall aus dem Steuerbescheid für den Erwerb des Testamentsvollstreckers deutlich hervor gehen, dass er diesen Bescheid nicht nur als Bekanntgabeadressat i.S.d. § 32 ErbStG sondern auch als Inhaltsadressat erhält.8 der Bescheid muss so formuliert werden, dass sich eine Auslegung ausschließen lässt, der Testamentsvollstrecker werde in Anspruch genommen, weil er gem. § 32 Abs. 1 Satz 2 ErbStG für die Zahlung der Steuer zu sorgen habe. Ein in diesem Sinne nicht eindeutiger Steuerbescheid ist ggf. auf Anfechtung durch den Testamentsvollstrecker aufzuheben. Zivilrechtlich ist der Testamentsvollstrecker weder Vertreter des Erblassers oder des Nachlasses noch 10 Vertreter des oder der Erben, sondern Inhaber eines privaten Amtes.9 Das Gesetz räumt ihm zur Erfüllung seiner Aufgabe, den Willen des Erblassers auszuführen, allerdings umfangreiche Befugnisse ein (§ 2205 Satz 1 und 2, § 2206 BGB). Zugleich obliegen ihm im Interesse des Erben und zu dessen Schutz besondere Pflichten (§§ 2216 ff. BGB). Er handelt somit nicht im Namen des Erben, sondern im eigenen Namen unter Hinweis auf sein Amt.10 Ungeachtet dessen wird er vom BFH als Zugangsvertreter des Erben angesehen, wenn der ErbSt-Bescheid an ihn bekanntgegeben wird.11 Insofern wird der Bescheid ihm nicht zusätzlich neben dem Erben bekanntgegeben, sondern für ihn.12 Somit wird durch die Bekanntgabe des Bescheides an den Testamentsvollstrecker der Bescheid auch zeitgleich dem Erben bekanntgegeben, ohne dass es einer eigenen Bekanntgabe an den Erben bedarf.13
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BFH v. 11.3.2011 – II B 152/10, BFH/NV 2011, 1008. BFH v. 12.5.1970 – II 123/63, BStBl. II 1972, 217. BFH v. 29.11.1961 – II 282/58 U, BStBl. III 1962, 323. Vgl. Meincke16, § 32 ErbStG Rz. 2. Vgl. H E 32 „Bekanntgabe einer Einspruchsentscheidung in Fällen der Testamentsvollstreckung“ ErbStH 2011. Vgl. Schuck in V/K/S/W4, § 32 ErbStG Rz. 5. Vgl. Meincke16, § 32 ErbStG Rz. 6. BFH v. 18.3.1986 – II R 2/84, BStBl. II 1986, 524. BGH v. 7.7.1982 – IVa ZR 36/81, NJW 1983, 40. Vgl. Meincke16, § 32 ErbStG Rz. 7. BFH v. 14.1.1990 – II R 58/86, BStBl. II 1991, 52. Vgl. Jülicher in T/G/J, § 32 ErbStG Rz. 17 (Stand: Juli 2009). Vgl. Meincke16, § 32 ErbStG Rz. 7.
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§ 32 ErbStG Rz. 11 Bekanntgabe des Steuerbescheides an Vertreter 11
Der Testamentsvollstrecker ist nur insoweit Bekanntgabeadressat, als sein zivilrechtlicher Aufgabenbereich hinsichtlich des Nachlasses reicht.1 Insbesondere sind Vermächtnisnehmer und Pflichtteilsberechtigte davon grundsätzlich nicht erfasst, so dass der ErbSt-Bescheid in diesen Fällen direkt den Erwerbern bekannt zu geben ist.2 Gleiches gilt für Erwerbe aufgrund Vertrages zugunsten Dritter (§ 3 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG). Der Testamentsvollstrecker hat für diese Erwerbe keine Erklärungspflicht gem. § 31 Abs. 5 ErbStG, so dass er auch bei einer ohne Verpflichtung für den gesamten Nachlass abgegebenen Steuererklärung für diese Erwerber nicht als Zugangsvertreter fungiert.3 Dennoch dem Testamentsvollstrecker bekanntgegebene Bescheide entfalten keine Rechtskraft gegenüber den Steuerschuldnern. Unschädlich für die Wirksamkeit der Bekanntgabe ist hingegen, wenn dem Testamentsvollstrecker neben dem unter seine Vollstreckung fallenden Erbanteils eines Erwerbers auch der zusätzliche Erwerb eines Vorausvermächtnisses bekanntgegeben wird.4 Dies gilt auch bei einer gegenständlich beschränkten Testamentsvollstreckung, da die Einbeziehung sämtlicher Vermögensvorteile in die Steuerprogression des § 19 ErbStG eine Aufteilung des Erwerbs unmöglich macht.5 Feststellungsbescheide nach dem BewG (insb. Grundbesitzwertfeststellungen sowie gesonderte Feststellungen für Betriebsvermögen und Anteile an Kapitalgesellschaften) fallen bereits vom Wortlaut her nicht unter § 32 ErbStG.6
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Fraglich ist, ob der Testamentsvollstrecker auch dann Adressat ist, wenn die Erklärung der mit der Vollstreckung Belastete, z.B. der Erbe, abgegeben hat. Nach Auffassung von Schuck7 ist die Adressatenstellung auch in diesem Fall gegeben. Der Testamentsvollstrecker hafte für den Eingang der Steuer. Die Zahlung bzw. Sicherung der Steuer setze Kenntnis über die voraus, was wiederum nur möglich ist, wenn ihm der Bescheid zugeht.
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Mit der Bekanntgabe an den Testamentsvollstrecker beginnen die an die Bescheidbekanntgabe anknüpfenden Fristen zu laufen. Im Hinblick auf die fehlende Befugnis zur Einlegung von Rechtsmitteln sollte der Testamentsvollstrecker diese Bescheide unverzüglich an die Erben weiterleiten, sofern das Finanzamt den Erben nicht bereits eine Durchschrift des Bescheides hat zukommen lassen.8 Kommt er dieser Verpflichtung nicht nach, so ist Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand zu gewähren, wobei den Erben das Handeln des Testamentsvollstreckers nicht zuzurechnen ist.9 Dabei ist allerdings die Jahresfrist des § 110 Abs. 3 AO zu beachten.10
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Ist der Bescheid fehlerhaft an den Testamentsvollstrecker zugestellt worden, etwa weil der dem Bescheid zugrunde liegende Erwerb nicht der Testamentsvollstreckung unterliegt, so kann dieser Fehler geheilt werden, wenn der Betroffene Rechtsmittel einlegt und ihm sodann die Rechtsmittelentscheidung zugeht.11 Ist der Bescheid fehlerhaft an die Erben statt an den Testamentsvollstrecker zugestellt worden, wird dieser Mangel hingegen erst durch die richtige Weiterleitung geheilt.12
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Der Testamentsvollstrecker agiert nur hinsichtlich der Bekanntgabe des Bescheides als Vertreter der Erben. Darüber hinaus besitzt er keine Vertretungsbefugnis, so dass er keine Befugnis zur Einlegung eines Einspruchs gegen den ihm bekanntgegebenen Bescheid hat.13 Ebenso kann er keine Aussetzung der Vollziehung beantragen.14 Dieses Recht können nur die Erben selbst ausüben, es sei denn, sie be1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14
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Vgl. Schuck in V/K/S/W4, § 32 ErbStG Rz. 7. Kien-Hümbert in Moench/Weinmann, § 32 ErbStG Rz. 13 (Stand: Juli 2012). BFH v. 14.1.1990 – II R 58/86, BStBl. II 1991, 52. BFH v. 14.1.1990 – II R 58/86, BStBl. II 1991, 52; Meincke16, § 32 ErbStG Rz. 9. Vgl. Jülicher in T/G/J, § 32 ErbStG Rz. 14 (Stand: Juli 2009); Eisele in Kapp/Ebeling, § 32 ErbStG Rz. 10 (Stand: April 2014). Gl. A. Schuck in V/K/S/W4, § 32 ErbStG Rz. 7. Schuck in V/K/S/W4, § 32 ErbStG Rz. 5. BFH v. 14.11.1990 – II R 58/86, BStBl. II 1991, 52. BFH v. 14.11.1990 – II R 58/86, BStBl. II 1991, 52. Vgl. Eisele in Kapp/Ebeling, § 32 ErbStG Rz. 14 (Stand: April 2014). BFH v. 5.12.1990 – II R 109/86, BStBl. II 1991, 181; v. 14.11.1990 – II R 255/85, BStBl. II 1991, 49. BFH v. 8.12.1988 – IV R 24/87, BStBl. II 1989, 346, ergangen zur Einkommensteuer, Kien-Hümbert in Moench/Weinmann, § 32 ErbStG Rz. 14 (Stand: Februar 2016). BFH v. 4.11.1981 – II R 144/78, BStBl. II 1982, 262; H E 32 „Bekanntgabe einer Einspruchsentscheidung in Fällen der Testamentsvollstreckung“ ErbStH 2011. FG Hamburg v. 22.11.1981 – II 290/81, EFG 1982, 255.
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Bekanntgabe an und Pflichten der Testamentsvollstrecker
Rz. 18 § 32 ErbStG
vollmächtigen den Testamentsvollstrecker ausdrücklich. Nach Ansicht von Schuck1 reicht hierfür bereits eine postmortale Vollmacht des Erblassers aus. Gleichwohl empfiehlt er dem Testamentsvollstrecker, zur eigenen Absicherung eine separate Vollmacht zu verlangen, was angesichts der unklaren Rechtsfrage sinnvoll erscheint. Unzweifelhaft zur Einlegung von Rechtsmitteln berechtigt ist der Testamentsvollstrecker, wenn er selbst in Anspruch genommen werden soll.2 Eine Einspruchsentscheidung zu einem Erbschaftsteuerbescheid in Fällen der Testamentsvollstreckung ist nicht dem Testamentsvollstrecker, sondern den Erben bekannt zu geben, es sei denn der Testamentsvollstrecker hat den Einspruch als Bevollmächtigter der Erben eingelegt.3 Für Nachlassverwalter (§ 1981 BGB) gelten die Ausführungen sinngemäß. Auch diese Personen kön- 16 nen nur im Rahmen ihres Amtes als Bekanntgabeadressat agieren und den Steuerbescheid mit Wirkung für den Erwerber als Steuerschuldner annehmen.
II. Entrichtung der Steuer (Abs. 1 Satz 2) Der Testamentsvollstrecker bzw. der Nachlassverwalter muss gem. § 32 Abs. 1 Satz 2 ErbStG für die 17 Bezahlung der Erbschaftsteuer sorgen. Die Vorschrift wird dabei so verstanden, dass der Testamentsvollstrecker bei Nichtzahlung der Erbschaftsteuer haftet.4 Dabei kommt die persönliche Inanspruchnahme nur durch Haftungsbescheid (§ 191 AO i.V.m. § 69 AO) in Betracht, das das Leistungsgebot des an den Testamentsvollstrecker bekanntgegebenen Erbschaftsteuerbescheids sich nur gegen die Erben als Inhaltsadressat des Bescheides richtet. Insbesondere dann ist ein Haftungsgrund gegeben, wenn aufgrund verfrühter Verteilung des Nachlasses und späterer Nichtzahlung durch die Erben eine grobe Pflichtverletzung vorliegt.5 Zu beachten ist, dass vor der Inanspruchnahme durch Haftungsbescheid bei Berufsträgern die zuständige Berufskammer zu hören ist.6 Nach der im Urteilsfall dargelegten Auffassung des BFH soll die Anhörung bis zum Ablauf des Einspruchsverfahrens nachgeholt werden können. Probleme hinsichtlich der Umsetzung dieser Pflicht ergeben sich für den Testamentsvollstrecker re- 18 gelmäßig dann, wenn sich nach erfolgter Abwicklung der Testamentsvollstreckung und zunächst sichergestellter Zahlung der für das erworbene Vermögen fälligen Erbschaftsteuer- u.U. erst nach vielen Jahren – später Nachforderungen des Finanzamts aufgrund zu ändernder Bescheide ergeben. In Betracht kommen hier vor allem Nachversteuerungstatbestände beim Familienheim (rückwirkender Wegfall der Befreiung bei Verstoß gegen die zehnjährige Selbstnutzungsauflage – § 13 Abs. 1 Nr. 4b, 4c Satz 5 ErbStG) und beim Betriebsvermögen, bei Anteilen an Kapitalgesellschaften sowie bei landund forstwirtschaftlichem Vermögen (5- bzw. 7-jährige Behaltensfrist sowie Lohnsummenklausel, § 13a Abs. 1 und Abs. 5 ErbStG, § 19a Abs. 5 ErbStG). Nachforderungen können sich auch aufgrund einer durchgeführten Betriebsprüfung ergeben.7 Das Risiko erhöht sich, wenn der ErbSt-Bescheid unter dem Vorbehalt der Nachprüfung (§ 164 AO) oder vorläufig (§ 165 AO) ergangen ist. Ein Rückbehalt von Vermögen zur Abgeltung der Nachforderungen wird regelmäßig auf Widerstände seitens der Erben stoßen, die genaue Erläuterungen hinsichtlich der zurückbehaltenen Summen verlangen werden. Dies gilt umso mehr, als den Erben durch die Verlängerung der Testamentsvollstreckung Kosten entstehen. Jülicher8 schlägt daher vor, eine derartige Verlängerung der Testamentsvollstreckung bereits testamentarisch durch den Erblasser anzuordnen, da die Aufgaben des Testamentsvollstreckers i.S.d. § 32 Abs. 1 ErbStG ohnehin erst mit der endgültigen Klärung des Erbschaftsteueranspruchs enden würden. Nach Ansicht von Jülicher und Eisele ist die Haftung des Testa1 Schuck in V/K/S/W4, § 32 ErbStG Rz. 15; a.A. Jülicher in T/G/J, § 32 ErbStG Rz. 22 (Stand: März 2012) sowie Meincke16, § 32 ErbStG Rz. 14 weil sich diese Vollmacht nur auf den Bereich des Erblassers, nicht aber den des Erben beziehe. 2 BFH v. 4.11.1981 – II R 144/78, BStBl. II 1982, 262. 3 H E 32 „Bekanntgabe einer Einspruchsentscheidung in Fällen der Testamentsvollstreckung“ ErbStH 2011. 4 Vgl. Jülicher in T/G/J, § 32 ErbStG Rz. 33 (Stand: Juli 2009). 5 Vgl. Jülicher in T/G/J, § 32 ErbStG Rz. 33 (Stand: Juli 2009). 6 BFH v. 13.5.1996 – II R 4/96, BStBl. II 1998, 760. 7 Vgl. Jülicher in T/G/J, § 32 ErbStG Rz. 34 (Stand: Juli 2009). 8 Vgl. Jülicher in T/G/J, § 32 ErbStG Rz. 34 (Stand: Juli 2009).
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§ 32 ErbStG Rz. 19 Bekanntgabe des Steuerbescheides an Vertreter mentsvollstreckers bei reinen Abwicklungsvollstreckungen auf die Steuer aus dem Erstbescheid zu begrenzen.1 Die diese Nachforderungen auslösenden Tatbestände seien nicht vom Erblasser, sondern von den Erben selbst verursacht und fielen daher nicht in die Verantwortung des Testamentsvollstreckers. Auch Schuck spricht sich dafür aus, den Haftungsmaßstab des Testamentsvollstreckers im Hinblick auf nachträglich Umstände entsprechend seinen zivilrechtlichen Möglichkeiten reduzieren zu müssen.2 Eine Haftung des Testamentsvollstreckers sei demnach ausgeschlossen für steuerauslösende Momente, die außerhalb seines zivilrechtlichen Einflussbereiches liegen, und die sich nach dem erstmaligen Erlass des Erbschaftsteuerbescheides ergeben. Er verweist zudem darauf, dass dem Finanzamt in § 32 Abs. 1 Satz 3 ErbStG die Möglichkeit eröffnet wird, Sicherheitsleistung zu verlangen. Verzichtet das Finanzamt darauf, so würde eine andere Sichtweise dem Testamentsvollstrecker abverlangen, z.B. im Falle eines Betriebsübergangs die Steuer ohne die Begünstigungsregelungen zu berechnen und für den Lauf der Verschonungsfrist zzgl. der Verjährungsfrist zu sichern. Jochum führt als zusätzliche Begründung überzeugend an, dass der Grund für die in § 32 Abs. 1 Satz 2 ErbStG normierte Zahlungsverpflichtung in der Verfügungsmacht des Testamentsvollstreckers über den Erwerb und somit liegt und somit der Praktikabilität dient.3 Diese Verfügungsmacht ende mit der Zahlung der Steuerschuld aus dem Erstbescheid und der Auskehrung des Nachlasses. Gleichwohl will er eine fortbestehende Zahlungspflicht des Testamentsvollstreckers in den Fällen sehen, in den der Bescheid vorläufig (§ 165 AO) oder unter dem Vorbehalt der Nachprüfung (§ 164 AO) ergangen ist. Ebenso sieht Kien-Hümbert in den Fällen eine Haftung gegeben, als der Testamentsvollstrecker von der Verwirklichung eines eine Nachforderung auslösenden Tatbestandes wusste.4 Diese Auffassung ist abzulehnen, sofern der die Nachforderung auslösende Tatbestand erst nach der Zahlung der Steuerschuld des Erstbescheids entstanden ist, da der Testamentsvollstrecker zu diesem Zeitpunkt der ihm nachgewiesenen Aufgabe vollumfänglich nachgekommen ist und zudem das Finanzamt mit dem Instrument der Sicherheitsleistung selbstständig die Entrichtung der Steuer sicherstellen kann. 19
Eine Steuererstattung zu viel geleisteter Erbschaftsteuer kann nach Ansicht des BFH an den Testamentsvollstrecker erfolgen, wenn sie aus dem Nachlass gezahlt wurde.5 Dies kann nur insoweit zutreffend sein, als sich die Erstattungsforderung aus der Zahlung von Steuer auf Nachlassgegenstände ergibt, die der Verwaltung des Testamentsvollstreckers unterliegen.6 Nach Ansicht von Meincke ist auch dies zweifelhaft, da Erstattungsforderungen im Hinblick auf die eigene Erbschaftsteuerschuld des Erben nicht in den Nachlass fallen und daher generell nicht der Testamentsvollstreckung unterliegen.7
III. Sicherheitsleistung (Abs. 1 Satz 3) 20
Das Finanzamt kann gem. § 32 Abs. 1 Satz 3 ErbStG vom Testamentsvollstrecker bzw. vom Nachlassverwalter Sicherheitsleistung aus dem Nachlass verlangen (§§ 241–248 AO). Von dieser Möglichkeit wird das Finanzamt Gebrauch machen, wenn eine sehr hohe Erbschaftsteuer zu erwarten ist oder eine Nachlassverteilung vor Entrichtung der Erbschaftsteuer zu erwarten ist. Sicherheitsleistungen können z.B. durch Hinterlegungen von Zahlungsmitteln, die Verpfändung von Wertpapieren oder Forderungen, die Bestellung von Hypotheken oder Grundschulden oder die Annahme einer Bürgschaft sein.8
1 Vgl. Jülicher in T/G/J, § 32 ErbStG Rz. 35 (Stand: Juli 2009); Eisele in Kapp/Ebeling, § 32 ErbStG Rz. 17.1 (Stand: April 2014). 2 Schuck in V/K/S/W4, § 32 ErbStG Rz. 16. 3 Vgl. Jochum in Wilms/Jochum, § 32 ErbStG Rz. 20 (Stand: Januar 2015). 4 Vgl. Kien-Hümbert in Moench/Weinmann, § 32 ErbStG Rz. 22 (Stand: Februar 2016). 5 BFH v. 18.6.1986 – II R 38/84, BStBl. II 1986, 704. 6 Gl. A. Schuck in V/K/S/W4, § 32 ErbStG Rz. 17. 7 Vgl. Meincke16, § 32 ErbStG Rz. 12. 8 Vgl. Jülicher in T/G/J, § 32 ErbStG Rz. 29 (Stand: Juli 2009).
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Bekanntgabe an und Pflichten der Nachlasspfleger (Abs. 2)
Rz. 22 § 32 ErbStG
C. Bekanntgabe an und Pflichten der Nachlasspfleger (Abs. 2) Für den Nachlasspfleger gelten gem. § 32 Abs. 2 Satz 1 und 2 im Grundsatz die gleichen Regelungen 21 wie für den Testamentsvollstrecker und den Nachlassverwalter. Die Bekanntgabe an den Nachlasspfleger ist insofern unstreitig, als diese gesetzliche Vertreter der häufig noch unbekannten Erben sind.1 Steuerverwaltungsakte sind deshalb bis zur Aufhebung der Nachlasspflegschaft an ihn zu richten, selbst wenn die Erben inzwischen bekannt wurden (das Nachlassgericht hat die Erbschaftsteuerstelle gem. § 7 Abs. 1 Nr. 5 ErbStDV von der Aufhebung der Nachlasspflegschaft zu unterrichten). Der Nachlasspfleger ist folglich – anders als der Testamentsvollstrecker und Nachlassverwalter – zur Einlegung von Rechtsmitteln befugt.2 Dies geschieht jedoch nicht in eigenem Namen, sondern als gesetzlicher Vertreter der – ggf. noch unbekannten – Erben.3 Gegebenenfalls müssen Besteuerungsgrundlagen gegenüber dem Nachlasspfleger geschätzt werden, dies gilt insbesondere für Freibeträge für unbekannte Erben. Wurden Erben durch einen Nachlasspfleger gesetzlich vertreten, kommt es nicht darauf an, ob sie 22 ohne Verschulden gehindert waren, Einspruch einzulegen. Es kommt auch nicht darauf an, dass die Erben hinsichtlich der Auswahl des Nachlasspflegers keine Einwirkungsmöglichkeit hatten und dass der Nachlasspfleger möglicherweise pflichtwidrig handelte. Soweit dies zutrifft, haben sie die Möglichkeit der Geltendmachung des Anspruchs nach den §§ 1833 i.V.m. 1915, 1962, 1960 BGB.4
1 BFH v. 30.3.1980 – VIII R 227/80, BStBl. II 1982, 687; dazu Eisele in Kapp/Ebeling, § 32 ErbStG Rz. 16.1 (Stand: April 2014). 2 BFH v. 30.3.1980 – VIII R 227/80, BStBl. II 1982, 687. 3 BFH v. 21.12.2004 – II B 110/04, BFH/NV 2005, 704. 4 BFH v. 30.3.1982 – VIII R 227/80, BStBl. II 1982, 687.
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§ 33 Anzeigepflicht der Vermögensverwahrer, Vermögensverwalter und Versicherungsunternehmen (1) 1Wer sich geschäftsmäßig mit der Verwahrung oder Verwaltung fremden Vermögens befaßt, hat diejenigen in seinem Gewahrsam befindlichen Vermögensgegenstände und diejenigen gegen ihn gerichteten Forderungen, die beim Tod eines Erblassers zu dessen Vermögen gehörten oder über die dem Erblasser zur Zeit seines Todes die Verfügungsmacht zustand, dem für die Verwaltung der Erbschaftsteuer zuständigen Finanzamt schriftlich anzuzeigen. 2Die Anzeige ist zu erstatten: 1. in der Regel: innerhalb eines Monats, seitdem der Todesfall dem Verwahrer oder Verwalter bekanntgeworden ist; 2. wenn der Erblasser zur Zeit seines Todes Angehöriger eines ausländischen Staats war und nach einer Vereinbarung mit diesem Staat der Nachlaß einem konsularischen Vertreter auszuhändigen ist: spätestens bei der Aushändigung des Nachlasses. (2) Wer auf den Namen lautende Aktien oder Schuldverschreibungen ausgegeben hat, hat dem Finanzamt schriftlich von dem Antrag, solche Wertpapiere eines Verstorbenen auf den Namen anderer umzuschreiben, vor der Umschreibung Anzeige zu erstatten. (3) Versicherungsunternehmen haben, bevor sie Versicherungssummen oder Leibrenten einem anderen als dem Versicherungsnehmer auszahlen oder zur Verfügung stellen, hiervon dem Finanzamt schriftlich Anzeige zu erstatten. (4) Zuwiderhandlungen gegen diese Pflichten werden als Steuerordnungswidrigkeit mit Geldbuße geahndet.
§ 1 ErbStDV Anzeigepflicht der Vermögensverwahrer und der Vermögensverwalter (1) Wer zur Anzeige über die Verwahrung oder Verwaltung von Vermögen eines Erblassers verpflichtet ist, hat die Anzeige nach § 33 Abs. 1 des Gesetzes mit einem Vordruck nach Muster 1 zu erstatten. Wird die Anzeige in einem maschinellen Verfahren erstellt, kann auf eine Unterschrift verzichtet werden. Die Anzeigepflicht bezieht sich auch auf die für das Jahr des Todes bis zum Todestag errechneten Zinsen für Guthaben, Forderungen und Wertpapiere (Stückzinsen). Die Anzeige ist bei dem für die Verwaltung der Erbschaftsteuer zuständigen Finanzamt (§ 35 des Gesetzes) einzureichen. (2) Die Anzeigepflicht besteht auch dann, wenn an dem in Verwahrung oder Verwaltung befindlichen Wirtschaftsgut außer dem Erblasser auch noch andere Personen beteiligt sind. (3) Befinden sich am Todestag des Erblassers bei dem Anzeigepflichtigen Wirtschaftsgüter in Gewahrsam, die vom Erblasser verschlossen oder unter Mitverschluss gehalten wurden (z.B. in Schließfächern), genügt die Mitteilung über das Bestehen eines derartigen Gewahrsams und, soweit er dem Anzeigepflichtigen bekannt ist, die Mitteilung des Versicherungswerts. (4) Die Anzeige darf nur unterbleiben, 1. wenn es sich um Wirtschaftsgüter handelt, über die der Erblasser nur die Verfügungsmacht hatte, insbesondere als gesetzlicher Vertreter, Betreuer, Liquidator, Verwalter oder Testamentsvollstrecker, oder 2. wenn der Wert der anzuzeigenden Wirtschaftsgüter 5 000 Euro nicht übersteigt.
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§ 33 ErbStG Anzeigepflicht der Vermögensverwahrer und Vermögensverwalter
Erbschaftsteuer-Durchführungsverordnung (ErbStDV) Muster 1 (§ 1 ErbStDV) .............................. Firma Erbschaftsteuer An das Finanzamt .................... - Erbschaftsteuerstelle -----------------------------Anzeige über die Verwahrung oder Verwaltung fremden Vermögens (§ 33 Abs. 1 ErbStG und § 1 ErbStDV) -----------------------------------------------------------------------1. Erblasser Name, Vorname, Identifikationsnummer ..................... Geburtstag ............. Anschrift ............................................ Todestag ............. Sterbeort ............... Standesamt ............. Sterberegister-Nr. ........... 2. Guthaben und andere Forderungen, auch Gemeinschaftskonten -------------------------------------------------------------------IBAN I Nennbetrag I Aufgelaufene I Hat der Kontoinhaber mit I am Todes- I Zinsen bis I dem Kreditinstitut I tag ohne I zum Todestag I vereinbart, daß die I Zinsen für I (volle EUR) I Guthaben oder eines I das Jahr I I derselben mit seinem Tod I des Todes I I auf eine bestimmte Person I (volle EUR) I übergehen? I I I Wenn ja: Name und genaue I I I Anschrift dieser Person -------------------------------------------------------------------1 I 2 I 3 I 4 -------------------------------------------------------------------I I I -------------------------------------------------------------------I I I -------------------------------------------------------------------I I I -------------------------------------------------------------------I I I -------------------------------------------------------------------I I I -------------------------------------------------------------------Von den Angaben in Spalte 1 entfallen auf unselbständige Zweigniederlassungen im Ausland: IBAN: 3.
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Wertpapiere, Anteile, Genußscheine und dergleichen, auch solche in Gemeinschaftsdepots -------------------------------------------------------------------Bezeichnung I Nennbetrag I Kurswert bzw. Stückzinsen I Bemerkungen der WertI am I RücknahmeI bis zum I papiere I Todestag I preis I Todestag I usw. I (volle EUR) am Todestag I (volle EUR) I Wertpapier- I I (volle EUR) I I kenn-Nr. I I I I I I I I I I I I I I I I -------------------------------------------------------------------1 I 2 I 3 I 4 I 5 -------------------------------------------------------------------I I I I -------------------------------------------------------------------I I I I -------------------------------------------------------------------I I I I -------------------------------------------------------------------I I I I -------------------------------------------------------------------I I I I --------------------------------------------------------------------
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Anzeigepflicht der Vermögensverwahrer und Vermögensverwalter
§ 33 ErbStG
Von den Angaben in Spalte 1 entfallen auf unselbständige Zweigniederlassungen im Ausland: Bezeichnung der Wertpapiere usw., Wertpapierkenn-Nr.: 4. 5.
Der Verstorbene hatte kein - ein Schließfach/ ... Schließfächer Versicherungswert EUR ................. Bemerkungen (z. B. über Schulden des Erblassers beim Kreditinstitut): ................................................... .................................................................... .................................................................... .............................. Ort, Datum
............................ Unterschrift
§ 2 ErbStDV Anzeigepflicht derjenigen, die auf den Namen lautende Aktien oder Schuldverschreibungen ausgegeben haben Wer auf den Namen lautende Aktien oder Schuldverschreibungen ausgegeben hat, hat unverzüglich nach dem Eingang eines Antrags auf Umschreibung der Aktien oder Schuldverschreibungen eines Verstorbenen dem für die Verwaltung der Erbschaftsteuer zuständigen Finanzamt (§ 35 des Gesetzes) unter Hinweis auf § 33 Abs. 2 des Gesetzes anzuzeigen: 1. die Wertpapier-Kennnummer, die Stückzahl und den Nennbetrag der Aktien oder Schuldverschreibungen, 2. die letzte Anschrift des Erblassers, auf dessen Namen die Wertpapiere lauten, 3. den Todestag des Erblassers und – wenn dem Anzeigepflichtigen bekannt – das Standesamt, bei dem der Sterbefall beurkundet worden ist, 4. den Namen, die Anschrift und, soweit dem Anzeigepflichtigen bekannt, das persönliche Verhältnis (Verwandtschaftsverhältnis, Ehegatte oder Lebenspartner) der Person, auf deren Namen die Wertpapiere umgeschrieben werden sollen. Die Anzeige darf nur unterbleiben, wenn der Wert der anzuzeigenden Wertpapiere 5 000 Euro nicht übersteigt.
§ 3 ErbStDV Anzeigepflicht der Versicherungsunternehmen (1) Zu den Versicherungsunternehmen, die Anzeigen nach § 33 Abs. 3 des Gesetzes zu erstatten haben, gehören auch die Sterbekassen von Berufsverbänden, Vereinen und anderen Anstalten, soweit sie die Lebens- (Sterbegeld-) oder Leibrenten-Versicherung betreiben. Die Anzeigepflicht besteht auch für Vereine und Berufsverbände, die mit einem Versicherungsunternehmen die Zahlung einer Versicherungssumme (eines Sterbegeldes) für den Fall des Todes ihrer Mitglieder vereinbart haben, wenn der Versicherungsbetrag an die Hinterbliebenen der Mitglieder weitergeleitet wird. Ortskrankenkassen gelten nicht als Versicherungsunternehmen im Sinne der genannten Vorschrift. (2) Dem für die Verwaltung der Erbschaftsteuer zuständigen Finanzamt (§ 35 des Gesetzes) sind mit einem Vordruck nach Muster 2 alle Versicherungssummen oder Leibrenten, die einem anderen als dem Versicherungsnehmer auszuzahlen oder zur Verfügung zu stellen sind, und, soweit dem Anzeigepflichtigen bekannt, das persönliche Verhältnis (Verwandtschaftsverhältnis, Ehegatte oder Lebenspartner) der Person, an die die Auszahlung oder Zurverfügungstellung erfolgt, anzuzeigen. Zu den Versicherungssummen rechnen insbesondere auch Versicherungsbeträge aus Sterbegeld-, Aussteuer- und ähnlichen Versicherungen. Bei einem Wechsel des Versicherungsnehmers vor Eintritt des Versicherungsfalls sind der Rückkaufswert der Versicherung sowie der Name, die Anschrift und das Geburtsdatum des neuen Versicherungsnehmers anzuzeigen.
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§ 33 ErbStG Anzeigepflicht der Vermögensverwahrer und Vermögensverwalter (3) Die Anzeige unterbleibt bei solchen Versicherungssummen, die auf Grund eines von einem Arbeitgeber für seine Arbeitnehmer abgeschlossenen Versicherungsvertrages bereits zu Lebzeiten des Versicherten (Arbeitnehmers) fällig und an diesen ausgezahlt werden. Die Anzeige darf bei Kapitalversicherungen unterbleiben, wenn der auszuzahlende Betrag 5 000 Euro nicht übersteigt.
Erbschaftsteuer-Durchführungsverordnung (ErbStDV) Muster 2 (§ 3 ErbStDV) (Fundstelle: BGBl. I 1998, 2663; bzgl. der einzelnen Änderungen vgl. Fußnote) .............................. Firma Erbschaftsteuer An das Finanzamt .................... - Erbschaftsteuerstelle -----------------------------Anzeige über die Auszahlung oder Zurverfügungstellung von Versicherungssummen oder Leibrenten an einen anderen als den Versicherungsnehmer (§ 33 Abs. 3 ErbStG und § 3 ErbStDV) -----------------------------------------------------------------------1. Versicherter I und Versicherungsnehmer I (wenn er ein anderer ist I als der Versicherte) a) Name und Vorname, Identifikationsnummer .....................I... b) Geburtsdatum .....................I.......................... c) Anschrift .....................I.......................... d) Todestag .....................I.......................... e) Sterbeort .....................I.......................... f) Standesamt und .....................I.......................... Sterberegister-Nr. Zeitpunkt der Auszahlung beziehungsweise Zurverfügungstellung in Fällen, in denen der Versicherungsnehmer nicht verstorben ist: 2. 3.
4.
5. 6.
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Versicherungsschein-Nr. ......................... a) Bei Kapitalversicherung Auszuzahlender Versicherungsbetrag (einschließlich Dividenden und dergleichen abzüglich noch geschuldeter Prämien, vor der Fälligkeit der Versicherungssumme gewährter Darlehen, Vorschüsse und dergleichen)
EUR ................. b) Bei Rentenversicherung Jahresbetrag EUR Dauer der Rente ............ ................ Zahlungsempfänger ist .............................................. ( ) als Inhaber des Versicherungsscheins *) ( ) als Bevollmächtigter, gesetzlicher Vertreter des *) ............. ( ) als Begünstigter *) ( ) aus einem anderen Grund (Abtretung, Verpfändung, gesetzliches Erbrecht, Testament und dergleichen) und welchem? *) ....................... *) Zutreffendes ist anzukreuzen Nach der Auszahlungsbestimmung des Versicherungsnehmers, die als Bestandteil des Versicherungsvertrags anzusehen ist, ist/sind bezugsberechtigt ................................................... Bei Wechsel des Versicherungsnehmers Neuer Versicherungsnehmer ist ...................................... Rückkaufswert EUR ............
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Grundaussagen der Vorschrift 7.
Rz. 2 § 33 ErbStG
Bemerkungen (z. B. persönliches Verhältnis - Verwandtschaftsverhältnis, Ehegatte oder Lebenspartner - der Beteiligten) .................................................................... .................................................................... .............................. Ort, Datum
A. I. II. III.
Grundaussagen der Vorschrift. . . . . . . . . . 1 Regelungsgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 Bedeutung und Telos . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 Geltungsbereich und Verhältnis zu anderen Vorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 IV. Rechtsentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 B. Anzeigepflichten der Vermögensverwalter und Vermögensverwahrer (Abs. 1) . . . . . . 6 I. Anzeigepflicht (Abs. 1 Satz 1) . . . . . . . . . . . 6 1. Anzeigepflichtiger Personenkreis . . . . . . 6 2. Sachlicher Umfang der Anzeigepflicht. . . 13
............................ Unterschrift
II. Anzeigefrist (Abs. 1 Satz 2) . . . . . . . . . . . . . 18 1. Einmonatsfrist (Abs. 1 Satz 2 Nr. 1) . . . . . 18 2. Zeitliche Begrenzung der Frist bei ausländischen Staatsangehörigen (Abs. 1 Satz 2 Nr. 2) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 C. Anzeigepflichten der Wertpapieremittenten (Abs. 2) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 D. Anzeigepflichten der Versicherungen (Abs. 3) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 E. Verstoß gegen die Anzeigepflichten (Abs. 4) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28
Literatur: Gärditz, Erbschaftssteuerrechtliche Anzeigepflicht und ausländisches Bankgeheimnis im Lichte des Völker-, Europa- und Verfassungsrechts, WM 2010, 437; Gohlisch, Erbschaftsteuerliche und schenkungsteuerliche Anzeige- und Erklärungspflichten und die sich daraus ergebenden Folgen für den Eintritt der Festsetzungsfrist, ZErb 2011, 102; Sackreuther, Strafrechtliche Besonderheiten bei ErbSt-Hinterziehung, PStR 2011, 254; Scharlach, Die Anzeigepflicht zur Schenkungsteuer und deren Festsetzungsverjährung, AnwZert ErbR 1/2011 Anm 1; Sommer, Ein Überblick über Steuerfragen der Nachlassabwicklung (Teil 1) – Erbschaftsteuer: Anzeigepflicht des Erwerbers, Erbschaftsteuererklärung, Anzeigepflicht Dritter, AnwZert ErbR 24/2013 Anm 1; Werkmüller, Anzeigepflicht für die von ausländischer Zweigniederlassung einer inländischen Bank verwahrten oder verwalteten Vermögensgegenstände, ZEV 2007, 234. Verwaltungsanweisungen: H E 33 ErbStH 2011.
A. Grundaussagen der Vorschrift I. Regelungsgegenstand Die Vorschrift regelt die Anzeigepflichten der Vermögensverwahrer, Vermögensverwalter und Ver- 1 sicherungsunternehmen sowie der Kreditinstitute, Wertpapieremittenten und bestimmter vermögensverwaltender Gesellschaften. Zudem regelt sie im Zusammenspiel mit den §§ 1–3 ErbStDV die Form und den Inhalt der zu erstattenden Anzeigen.
II. Bedeutung und Telos Um die Prüfung durch das FA möglich zu machen, ob eine Steuererklärung vom Steuerpflichtigen 2 angefordert wird, muss das FA zunächst Kenntnis von einem möglicherweise steuerpflichtigen Vorgang erlangen. Die Regelungen im § 33 ErbStG ergänzen dabei die Anzeigepflichten des Steuerpflichtigen (vgl. § 30 ErbStG) um bestimmte anzeigepflichtige Vorgänge im Bereich der Banken, Versicherungen und Vermögensverwaltung. Somit dienen die Anzeigepflichten des § 33 ErbStG sowohl der Erkenntnisgewinnung hinsichtlich der Steuerpflicht eines Vorgangs dem Grunde nach, als auch der Überprüfung der Angaben des Steuerpflichtigen in der von ihm eingereichten Steuererklärung.1 Zudem ermöglicht sie auch eine Kontrolle, inwieweit der Erblasser seine Einkünfte aus diesem Vermögen ordnungsgemäß angegeben hat. Insoweit schränkt die Vorschrift im Ergebnis das Bankgeheimnis (§ 30a AO) ein. 1 Vgl. Meincke16, § 33 ErbStG Rz. 2.
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§ 33 ErbStG Rz. 3 Anzeigepflicht der Vermögensverwahrer und Vermögensverwalter
III. Geltungsbereich und Verhältnis zu anderen Vorschriften 3 Die Vorschrift schafft über die Anzeigepflichten des Steuerpflichtigen (§ 30 ErbStG) hinaus weitere
Anzeigepflichten und dient zusammen mit den Anzeigepflichten des § 34 ErbStG für Gerichte, Behörden, Beamten und Notare der lückenlosen Aufdeckung von besteuerungswürdigen Sachverhalten. Losgelöst von der Anzeigepflicht ist die Erklärungspflicht (§ 31 ErbStG) zu betrachten. Die Abgabe der Erklärung durch den Steuerpflichtigen erfolgt in den meisten Fällen zeitlich nachgelagert einer Anzeige, da die Anforderung einer Steuererklärung durch das FA regelmäßig auf eine eingegangene Anzeige zurückzuführen ist. Während der Anzeigepflicht des Steuerpflichtigen auch durch die Abgabe einer Steuererklärung nachgekommen werden kann, bestehen die Anzeigepflichten i.S.d. § 33 ErbStG losgelöst von der Erklärungsabgabe des Steuerpflichtigen fort. 4 Die Vorschrift durchbricht als lex specialis das Bankgeheimnis i.S.d. § 30a AO, indem sie Banken
verpflichtet, bestimmte Vorgänge dem FA mitzuteilen. Durch Kontrollmitteilungen an den für die Ertragsteuer des Steuerpflichtigen zuständigen Bezirk des FA kann das FA auch die Einkünfte des Erblassers in den Jahren vor seinem Tod überprüfen. Das BVerfG1 hat diesbezüglich in der Literatur bestehende Diskussionen2 beendet, indem es die Bedeutung der Gleichmäßigkeit der Besteuerung gestärkt und das Bankgeheimnis diesbezüglich eingeschränkt hat.
IV. Rechtsentwicklung 5 Der § 33 ErbStG in seiner jetzigen Fassung gilt seit dem 28.8.2002 und wurde durch das dritte Gesetz
zur Änderung verwaltungsverfahrensrechtlicher Vorschriften3 vom 21.8.2002 geschaffen. Die Anzeigepflichten werden durch die §§ 1–3 ErbStDV i.d.F. vom 8.9.19984 näher erläutert. Seit dem 28.8.2002 können die Anzeigeverpflichteten die Anzeige nicht mehr in einem automatisierten Verfahren, sondern nur noch schriftlich erstatten. Dabei kann dies allerdings auch elektronisch mit Hilfe einer elektronischen Signatur geschehen. Die Grenze in § 1 Abs. 4 Nr. 2 ErbStDV, bis zu der eine Anzeige unterbleiben kann, wurde durch die VO zur Änderung steuerlicher Verordnungen5 vom 17.11.2010 mit Wirkung für Erwerbe ab dem 1.1.2011 auf 5 000 Euro angehoben, nachdem sie zuvor 2 500 Euro betragen hatte.
B. Anzeigepflichten der Vermögensverwalter und Vermögensverwahrer (Abs. 1) I. Anzeigepflicht (Abs. 1 Satz 1) 1. Anzeigepflichtiger Personenkreis 6 Zu dem anzeigepflichtigen Personenkreis gehören in erster Linie Kreditinstitute und Bausparkassen
und in zweiter Linie Steuerberater, Rechtsanwälte und Notare, soweit diese in ihrer Eigenschaft als Verwalter fremden Vermögens auf eigenen Namen Ander- oder Treuhandkonten für den Erblasser angelegt haben. Darüber hinaus können auch vermögensverwaltende Gesellschaften oder sonstige Unternehmen, die geschäftsmäßig Vermögen verwalten, anzeigepflichtig sein. Die Anzeigepflicht besteht unabhängig davon, ob der Erblasser Inländer oder Ausländer war. Zwar stellen Kapitalforderungen kein Inlandsvermögen i.S.d. § 122 BewG dar, z.B. über die Option zur unbeschränkten Steuerpflicht (§ 2 Abs. 3 ErbStG) kann eine Steuerpflicht dieser Geldsummen dennoch gegeben sein. Die Prüfung dessen obliegt allein dem FA.6 Derjenige, den ein Erbschaftsteuerfinanzamt darauf hinweist, dass er als Vermögensverwahrer oder Vermögensverwalter unmittelbar nach § 33 ErbStG verpflichtet 1 BVerfG v. 27.6.1991 – 2 BvR 1493/89, BStBl. II 1991, 654 = FR 1991, 375 m. Anm. Felix. 2 Vgl. zur Diskussion ausführlich Meincke16, § 33 ErbStG Rz. 1; Jochum in Wilms/Jochum, § 33 ErbStG Rz. 6, 18 (Stand: März 2015). 3 BGBl. I 2002, 3322. 4 BGBl. I 1998, 2658. 5 BGBl. I 2010, 1544. 6 Gl. A. Jülicher in T/G/J, § 33 ErbStG Rz. 22 (Stand: März 2012).
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Anzeigepflichten der Vermögensverwalter und Vermögensverwahrer (Abs. 1)
Rz. 9 § 33 ErbStG
sei, in seinem Gewahrsam befindliche dem Erblasser zustehende Vermögensgegenstände oder gegen ihn gerichtete dem Erblasser zustehende Forderungen anzuzeigen, kann hinsichtlich der Frage des Bestehens oder Nichtbestehens einer solchen Verpflichtung Feststellungsklage erheben.1 Die Anzeigepflicht für Kreditinstitute gilt für alle Kreditinstitute, die sich mit der Vermögensverwah- 7 rung oder -verwaltung im Inland befassen. Dabei kann es nach Ansicht von Kien-Hümbert2 nicht darauf ankommen, ob es sich bei dem Kreditinstitut um die selbständige Hauptniederlassung oder um eine nichtselbständige Zweigniederlassung handelt. Zweigstellen, die ein inländisches Kreditinstitut im Ausland unterhalte, besäßen zwar eine durch ihre räumliche, wirtschaftliche und organisatorische Trennung eine gewisse Selbständigkeit, seien aber im Geschäftsverkehr nicht als ein gegenüber der Hauptniederlassung verselbständigtes Rechtssubjekt anzusehen. Ein Verstoß gegen das Territorialprinzip sei wegen der nur im Inland bestehenden Anzeigepflicht zudem nicht erkennbar.3 Träger der Rechte und Pflichten aus dem Betrieb der Zweigniederlassung sei der Inhaber der Hauptniederlassung.4 Insofern müsse durch organisatorische Maßnahmen sichergestellt werden, dass die Hauptniederlassung von allen für die Erfüllung der Anzeigepflicht notwendigen Vorgängen erfährt. Der BFH5 hat dem EuGH die Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt, ob die Niederlassungsfreiheit (Art. 49 AEUV, ex-Art. 43 EG) einer Regelung in einem Mitgliedstaat entgegensteht, nach der ein Kreditinstitut mit Sitz im Inland beim Tod eines inländischen Erblassers auch dessen Vermögensgegenstände, die in einer unselbständigen Zweigstelle des Kreditinstituts in einem anderen Mitgliedstaat verwahrt oder verwaltet werden, dem für die Verwaltung der Erbschaftsteuer im Inland zuständigen FA anzuzeigen hat, wenn in dem anderen Mitgliedstaat keine vergleichbare Anzeigepflicht besteht und Kreditinstitute dort einem strafbewehrten Bankgeheimnis unterliegen. Im Schlussantrag6 des Generalanwalts wird dem EuGH empfohlen, die Frage des BFH wie folgt zu beantworten: Art. 49 AEUV ist dahingehend auszulegen, dass er einer Regelung eines Mitgliedstaats, die Zweigstellen inländischer Kreditinstitute in anderen Mitgliedstaaten die Pflicht auferlegt, bei diesen Zweigstellen verwahrte Vermögenswerte von Inländern des ersten dieser Mitgliedstaaten im Fall des Todes ihres Eigentümers den inländischen Steuerbehörden anzuzeigen, nicht entgegensteht, sofern diese Pflicht auf das zur Gewährleistung wirksamer steuerlicher Kontrollen erforderliche Minimum beschränkt ist. Handelt es sich bei dem fraglichen Kreditinstitut um eine unselbständige Zweiniederlassung einer 8 ausländischen Bank, so besteht die Anzeigepflicht nach Auffassung der FinVerw. ebenfalls.7 Voraussetzung für die Anwendung des § 33 ErbStG sei nur, dass das Kreditinstitut geschäftsmäßig im Inland tätig werde und die Möglichkeit habe, auf das verwahrte Vermögen zuzugreifen. Nach Auffassung von Schuck besteht diesbezüglich eine Kollision mit dem Territorialitätsprinzip, da zumindest der Vermögensverwalter im Ausland sitzt.8 Anzeigepflichtig sind auch Rechtsanwälte, Notare und Steuerberater, soweit diese in ihrer Eigen- 9 schaft als Verwalter fremden Vermögens auf eigenen Namen Ander- oder Treuhandkonten für den Erblasser angelegt haben. Es kommt dabei nach Auffassung von Jochum nicht darauf an, dass die Vermögensverwaltung oder -verwahrung den Schwerpunkt der Tätigkeit bildet.9 Ist den Banken der Tod des ihnen nach den Bestimmungen des Geldwäschegesetzes benannten Treugebers bekannt, so sind diese zusätzlich anzeigepflichtig.10
1 FG Rh.-Pf. v. 15.11.1985 – 6 K 247/84, DVRdsch 1986, 87. 2 Vgl. Kien-Hümbert in Moench/Weinmann, § 33 ErbStG Rz. 3 (Stand: November 2015); gl. A. Geck in Kapp/ Ebeling, § 33 ErbStG Rz. 3.1 (Stand: Oktober 2007). 3 Gl. A. FG München v. 25.7.2012 – 4 K 2675/09, ErbStB 2012, 356 = DStRE 2013, 481, Revision anhängig unter II R 29/13. 4 Ebenso BFH v. 31.5.2006 – II R 66/04, BStBl. II 2007, 49 = FR 2007, 302 = ErbStB 2007, 31. 5 BFH v. 1.10.2014 – II R 29/13, BStBl. II 2015, 232. 6 EuGH v. 26.11.2015 – C-522/14, NZG 2016, 640. 7 Vgl. FinMin. NW v. 20.12.1999, DStR 2000, 878; gl. A. Kien-Hümbert in Moench/Weinmann, § 33 ErbStG Rz. 3 (Stand: November 2015). 8 Vgl. Schuck in V/K/S/W4, § 33 ErbStG Rz. 3. 9 Vgl. Jochum in Wilms/Jochum, § 33 ErbStG Rz. 19 (Stand: März 2015). 10 Vgl. Schuck in V/K/S/W4, § 33 ErbStG Rz. 8.
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§ 33 ErbStG Rz. 10 Anzeigepflicht der Vermögensverwahrer und Vermögensverwalter 10
Bieten Bestattungsinstitute geschäftsmäßig sog. Bestattungsvorsorgeverträge an, sind auch diese Institute anzeigepflichtig. Bei diesen Verträgen zahlt der Erblasser ein Guthaben i.H. der voraussichtlichen Bestattungskosten ein, welches vom Bestattungsinstitut treuhänderisch verwaltet wird. Nach Abzug der durch die Bestattung entstanden Kosten verbleibende Beträge werden an die Erben ausgezahlt. Das auf dem Konto befindliche Guthaben gehört beim Tod des Treugebers zu dessen Vermögen (§ 39 Abs. 2 Nr. 2 Satz 2 AO). Das Treuhandverhältnis und der Name des Treugebers sind der verwahrenden Bank bekannt. Somit ist diese gem. § 33 Abs. 1 ErbStG anzeigepflichtig. Daneben ist bei Treuhandverhältnissen auch der Treuhänder anzeigepflichtig, wenn er sich geschäftsmäßig mit der Verwaltung fremden Vermögens befasst. Ist dies bei dem Bestattungsinstitut der Fall, so ist es eigenständig neben der verwahrenden Bank anzeigepflichtig. Da dies sicherlich nicht allen Instituten bekannt sein wird, sollen die FÄ die Bestattungsinstitute im Einzelfall auf ihre Anzeigepflicht hinweisen.1
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Ebenfalls anzeigepflichtig sind als Treuhänder tätige Grundstücksverwaltungs-GmbHs, die als Kommanditistin einer Fondsgesellschaft Treuhandverträge mit einer Mehrzahl von Treugebern geschlossen hat und für die Treugeber die Gesellschaftsanteile an der Fondgesellschaft als Treuhänderin übernimmt und verwaltet. In diesem Fall wird die GmbH geschäftsmäßig vermögensverwaltend tätig und hat daher beim Tod eines Treugebers das in ihrem Gewahrsam befindliche Vermögen anzuzeigen.2
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Nach Auffassung von Kien-Hümbert sind Wohn- und Altenstifte hinsichtlich der von Bewohnern gegebenen Eintrittsdarlehen, die erst bei ihrem Tod rückzahlbar sind, nicht anzeigepflichtig.3 Bei den Wohndarlehen an das Altenheim ginge es nicht um die Verwahrung oder Verwaltung fremden Vermögens, da die Darlehensvaluta in das Vermögen des Heims übergingen. Ebenso handele es sich nicht um Summenverwahrung nach § 700 BGB, weil die Interessen des Heims im Vordergrund stünden.4 Nach gegenteiliger Auffassung von Eisele unterliegt die Rückzahlung des Darlehens nach dem Tod des Bewohners der Erbschaftsteuer, somit handele es sich um eine anzeigepflichtige Kapitalüberlassung durch den Erblasser.5 Da die Darlehen der Bewohner teilweise grundbuchmäßig gesichert werden, durch die Berechtigung zur Nutzung einer Wohnung/eines Pflegeplatzes mit der Darlehensgewährung ein zinsähnlicher Vorteil verknüpft ist und daher alle Anzeichen für eine Kapitalüberlassung vorliegen, ist die Ansicht von Eisele durchaus überzeugend. So begründet Meincke die Anzeigepflicht der Banken für Geldkonten durch ihre Position als zur Rückzahlung der eingezahlten Beträge verpflichtete Darlehensnehmer.6 Das FG Rh.-Pf. kommt gleichwohl zum selben Ergebnis wie Kien-Hümbert.7 Unzweifelhaft anzeigepflichtig sind hingegen die Kommunen und Betreuungsvereine, die für betreute Personen Vermögen verwalten.8 2. Sachlicher Umfang der Anzeigepflicht
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Die Einzelheiten der Anzeigepflicht werden in § 1 ErbStDV geregelt, wonach die Anzeige auf einem Formblatt nach amtlichem Muster beim zuständigen Finanzamt (§ 35 ErbStG) zu erstatten ist. Dabei sind zunächst alle Konten (Giro-, Spar-, Festgeldkonten etc.) anzeigepflichtig, für die der Erblasser Verfügungsberechtigung besitzt. Verfügungsberechtigte i.S.d. § 154 AO sind der Gläubiger einer Forderung, seine gesetzlichen Vertreter und jede Person, die zur Verfügung über das Konto bevollmächtigt ist. Dabei kann es sich folglich auch um Gemeinschaftskonten in Form von Und- oder 1 Vgl. H E 33 „Anzeigepflichten bei Bestattungsvorsorge-Treuhandkonten“ ErbStH 2011. 2 Vgl. FinMin. BW v. 27.11.1998 – S 3844/24, DB 1998, 2501; gl. Ansicht Jochum in Wilms/Jochum, § 33 ErbStG Rz. 22 (Stand: März 2015) sowie Meincke16, § 33 ErbStG Rz. 3a. 3 Kien-Hümbert in Moench/Weinmann, § 33 ErbStG Rz. 5 (Stand: Februar 2011); ebenso Jochum in Wilms/Jochum, § 33 ErbStG Rz. 20 (Stand: 2010) sowie ohne weitere Begründung derselben Ansicht Meincke15, § 33 ErbStG Rz. 3a. 4 Kien-Hümbert beruft sich dabei auf zwei nicht veröffentlichte Entscheidungen des FG München v. 15.3.1984 – X 167/83 AO und des BFH v. 17.10.1984 – II B 26/84. 5 Vgl. Geck in Kapp/Ebeling, § 33 ErbStG Rz. 2 (Stand: Oktober 2007). 6 Vgl. Meincke16, § 33 ErbStG Rz. 3. 7 FG Rh.-Pf. v. 15.11.1985 – 6 K 247/84, DVRdsch 1986, 87. 8 Vgl. Schuck in V/K/S/W4, § 33 ErbStG Rz. 7.
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Anzeigepflichten der Vermögensverwalter und Vermögensverwahrer (Abs. 1)
Rz. 19 § 33 ErbStG
Oder-Konten oder Konten einer Personengesellschaft handeln.1 Die Anzeigepflicht erstreckt sich auch auf Bausparguthaben, die aufgrund eines Vertrages zugunsten Dritter aufgrund des Todes des Kontoinhabers auf einen Dritten übergehen. Der Begriff „Gewahrsam“ ist dabei dergestalt auszulegen, dass eine tatsächliche Einwirkungsmöglichkeit auf den Vermögensgegenstand durch den Vermögensverwalter oder -verwahrer ausreicht.2 Einer Verwertungsbefugnis bedarf es hingegen nicht. Da die Anzeige der Prüfung einer evtl. Erbschaftsteuerpflicht dienen soll, muss die Anzeige den Gut- 14 habenstand zum Zeitpunkt der Entstehung der Steuer (§ 9 ErbStG) enthalten. Somit ist regelmäßig der Guthabenstand im Todeszeitpunkt anzugeben. Dabei ist auf den Beginn des Todestages abzustellen. Sollte der Buchungsschnitt erst im Laufe des Tages erfolgen, ist stattdessen der Kontostand vom Vortag mitzuteilen. Zusätzlich sind bis zum Todeszeitpunkt angelaufene Zinsen zu benennen (§ 1 Abs. 1 Satz 2 EStDV). Das „Abräumen“ des Kontos mit Zustimmung des Erblassers kurz vor seinem Tod ist hingegen nicht anzuzeigen.3 Anzuzeigen sind auch Wertpapierdepots und Schließfächer. Dazu sind alle vorhandenen Wert- 15 papiere mit ihrem niedrigsten Kurswert am Bewertungsstichtag (§ 11 ErbStG) anzugeben (vgl. zur Bewertung von notierten Wertpapieren § 11 Abs. 1 BewG). Da die Banken den Inhalt der Schließfächer nicht kennen und ohne den Kunden nicht an den Inhalt gelangen können, muss lediglich das Vorhandensein eines Schließfaches angezeigt werden (§ 1 Abs. 3 ErbStDV). Soweit bekannt ist zur Wertabschätzung des Inhalts der Versicherungswert mit anzugeben. Vermögensgegenstände, die einer Bank als Sicherheit für einen Kredit übertragen worden sind oder 16 an denen die Bank ein Verwahrerpfandrecht hat, unterliegen ebenfalls der Anzeigepflicht, da dies ein „Gewahrsam“ i.S.d. § 33 Abs. 1 ErbStG darstellt.4 Um Klein- und Kleinstbeträge von der Anzeigepflicht freizustellen, sind gem. § 1 Abs. 4 Nr. 2 17 ErbStDV Wirtschaftsgüter, deren Wert 5 000 Euro bezogen auf den Gesamtwert der anzuzeigenden Wirtschaftsgüter nicht übersteigt, von der Anzeigepflicht befreit. Die Grenze ist in der Vergangenheit mehrfach erhöht worden, so dass sich folgende Freigrenzen ergeben: Ab 1.1.2011 5 000 t Ab 3.11.2005 2 500 t Ab. 1.1.2002 1 200 t Bis 31.12.2001 2 000 DM
II. Anzeigefrist (Abs. 1 Satz 2) 1. Einmonatsfrist (Abs. 1 Satz 2 Nr. 1) Die Anzeige ist in der Regel innerhalb eines Monats, seitdem der Todesfall dem Verwahrer oder Ver- 18 walter bekannt geworden ist, einzureichen. Spätestens wenn der Erbe mit seinem Erbschein Verfügungsgewalt über das Vermögen des Erblassers verlangt, werden die Banken vom Tod des Erblassers erfahren. Dabei entbindet auch ein länger zurückliegender Tod des Erblassers nicht von der Anzeigepflicht. Lediglich wenn der Tod schon länger als 15 Jahre zurück liegt, kann wegen des dann eingetretenen Ablaufs einer verlängerten Festsetzungsfrist aufgrund einer Steuerhinterziehung von einer Anzeige abgesehen werden.5 2. Zeitliche Begrenzung der Frist bei ausländischen Staatsangehörigen (Abs. 1 Satz 2 Nr. 2) Wenn der Erwerber zur Zeit seines Todes Angehöriger eines ausländischen Staates war und nach ei- 19 ner Vereinbarung mit diesem Staat der Nachlass einem konsularischen Vertreter auszuhändigen ist, 1 2 3 4 5
Vgl. Jülicher in T/G/J, § 33 ErbStG Rz. 11 (Stand: April 2014). Vgl. Kien-Hümbert in Moench/Weinmann, § 33 ErbStG Rz. 6 (Stand: Februar 2011). Vgl. Meincke16, § 33 ErbStG Rz. 5. Vgl. Jülicher in T/G/J, § 33 ErbStG Rz. 16 (Stand: März 2012). Vgl. Jülicher in T/G/J, § 33 ErbStG Rz. 28 (Stand: März 2012) sowie Kien-Hümbert in Moench/Weinmann, § 33 ErbStG Rz. 18 (Stand: November 2015).
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§ 33 ErbStG Rz. 20 Anzeigepflicht der Vermögensverwahrer und Vermögensverwalter muss die Anzeige spätestens bei Aushändigung des Nachlasses eingereicht werden. Da § 20 Abs. 6 Satz 2 ErbStG eine Haftung für Personen begründet, in deren Gewahrsam sich Vermögen des Erblassers befindet, werden Banken regelmäßig erst bei Vorlage der steuerlichen Unbedenklichkeitsbescheinigung den Nachlass aushändigen, so dass der Vorschrift in der Praxis wenig Bedeutung zukommt.1
C. Anzeigepflichten der Wertpapieremittenten (Abs. 2) 20
Wer auf den Namen lautende Aktien oder Schuldverschreibungen ausgegeben hat, hat dem zuständigen Finanzamt (§ 35 ErbStG) schriftlich von dem Antrag des Erben, solche Wertpapiere eines Verstorbenen auf den Namen des Erben umzuschreiben, vor der Umschreibung Anzeige zu erstatten. Die inhaltlichen Anforderungen an die Anzeige sind in § 2 ErbStDV näher geregelt. Demnach sind die Wertpapier-Kennnummer, die Stückzahl und den Nennbetrag der Aktien oder Schuldverschreibungen, die letzte Anschrift des Erblassers, auf dessen Namen die Wertpapiere lauten, der Todestag des Erblassers und – wenn dem Anzeigepflichtigen bekannt – das Standesamt, bei dem der Sterbefall beurkundet worden ist, anzugeben. Darüber hinaus ist der Name, die Anschrift und, soweit dem Anzeigepflichtigen bekannt, das persönliche Verhältnis (Verwandtschaftsverhältnis, Ehegatte oder Lebenspartner) der Person, auf deren Namen die Wertpapiere umgeschrieben werden sollen, zu benennen. Die Anzeige darf nur unterbleiben, wenn der Wert der anzuzeigenden Wertpapiere 5 000 Euro nicht übersteigt.
D. Anzeigepflichten der Versicherungen (Abs. 3) 21
Versicherungsunternehmen haben, bevor sie Versicherungssummen oder Leibrenten einem anderen als dem Versicherungsnehmer auszahlen oder zur Verfügung stellen, hiervon dem Finanzamt schriftlich Anzeige zu erstatten. Davon betroffen sind insbesondere Lebens- und Rentenversicherungen auf den Todesfall. So unterliegen der Anzeigepflicht gem. § 3 ErbStDV z.B. auch Pensionskassen sowie Sterbekassen von Berufsverbänden und Vereinen, wenn diese derartige Versicherungsverträge geschlossen haben. Die Anzeigepflicht besteht auch dann, wenn der Versicherungsvertrag nach dem Tod des Erblassers vom Erben weitergeführt wird, da auch in diesem Fall die Versicherungssumme „zur Verfügung gestellt“ wird.2 Der neue Versicherungsnehmer kann z.B. den Versicherungsvertrag gem. § 165 VVG kündigen.
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Zu den Versicherungsunternehmen i.S.d. § 33 Ab. 3 ErbStG gehören auch die berufsständischen Versorgungswerke, z.B. der Ärztekammern. Für gesetzliche Leistungen der Versorgungswerke besteht allerdings keine Anzeigepflicht.3 War der Erblasser Zwangsmitglied einer Kammer, ist hinsichtlich der Leistungen an seine Hinterbliebenen keine Anzeigepflicht gegeben. Demgegenüber stellen vertragliche Leistungen der Kammern anzeigepflichtige Vorgänge dar. War der Erblasser freiwilliges Mitglied der Kammer, besteht deshalb für die Leistungen an seine Hinterbliebenen Anzeigepflicht.
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Nach § 33 Abs. 3 ErbStG besteht eine Anzeigepflicht auch bei einer verbundenen Lebensversicherung von Eheleuten und anderen Vertragspartnern.4 Bei dieser Versicherung sind zwar beide Ehegatten zugleich versichert, so dass jeder Ehegatte Versicherungsnehmer, Versicherter und Bezugsberechtigter ist. Hieraus kann aber für eine Lebensversicherung, deren Versicherungsfall beim Ableben des zuerst versterbenden Ehegatten eintritt, nicht gefolgert werden, dass damit eine Anzeigepflicht nach § 33 Abs. 3 ErbStG entfällt, weil die Versicherungssumme an einen Versicherungsnehmer – nämlich an den überlebenden Ehegatten – ausgezahlt wird. Die Anzeigepflicht dient der Sicherung des Steueranspruchs für Versicherungsleistungen. Diese sind, wenn sie zu Lebzeiten des Versicherungsnehmers einem anderen ausgezahlt werden, nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG, bei Auszahlung aus 1 Vgl. Jülicher in T/G/J, § 33 ErbStG Rz. 27 (Stand: März 2012). 2 Vgl. Meincke16, § 33 ErbStG Rz. 7 sowie H E 33 „Anzeigepflichten der Versicherungsunternehmen bei Vertragsfortführung“ ErbStH 2011. 3 Vgl. H E 33 „Anzeigepflicht beruflicher Versorgungswerke“ ErbStH 2011. 4 Vgl. H E 33 „Anzeigepflicht der Versicherungsunternehmen bei verbundenen Lebensversicherungen“ ErbStH 2011.
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Verstoß gegen die Anzeigepflichten (Abs. 4)
Rz. 28 § 33 ErbStG
Anlass des Todes des Versicherungsnehmers nach § 3 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG steuerpflichtig. Der Besteuerungstatbestand des § 3 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG ist auch bei einer verbundenen Lebensversicherung von Ehegatten, deren Versicherungsfall mit dem Tode des zuerst verstorbenen Ehegatten eingetreten ist, erfüllt. Der überlebende Ehegatte erwirbt den Anspruch auf die Versicherungsleistung in seiner Eigenschaft als Bezugsberechtigter. Ihm steht insoweit für den Besteuerungstatbestand des § 3 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG und die Anzeigepflicht nach § 33 Abs. 3 ErbStG der verstorbene Ehegatte, dessen Tod den Versicherungsfall ausgelöst hat, als Versicherungsnehmer gegenüber. Die Auszahlung der Versicherungssumme an den überlebenden Ehegatten stellt daher ungeachtet der Tatsache, dass auch er – neben dem verstorbenen Ehegatten – Versicherungsnehmer war, einen anzeigepflichtigen Tatbestand dar. Aus dieser Sicht der FinVerw. kann abgeleitet werden, dass eine Anzeigepflicht immer dann besteht, 24 wenn diesbezüglich ein steuerpflichtiger Vorgang i.S.d. § 1 ErbStG vorliegt.1 Folglich muss die gesetzliche Rentenversicherung keine Anzeige einreichen, weil die Versorgungsbezüge nicht steuerpflichtig sind. Hat ein Arbeitgeber als Versicherungsnehmer eine Gruppenunfallversicherung für seine Arbeitneh- 25 mer abgeschlossen, so ist die Zahlung der Versicherungssummen an ihn nicht anzeigepflichtig. Dies gilt auch dann, wenn der Arbeitgeber einen Versicherungsmakler mit der Zahlungsabwicklung beauftragt, dieser die Versicherungssummen aufgrund der Inkassovollmacht des Arbeitgebers mit für den Versicherer schuldbefreiender Wirkung in Empfang nimmt und im Auftrag und auf Anweisungen des Arbeitgebers an die Anspruchsberechtigten weiterleitet.2 Die Anzeige kann gem. § 3 Abs. 3 Satz 1 ErbStDV bei solchen Versicherungssummen unterbleiben, 26 die auf Grund eines von einem Arbeitgeber für seine Arbeitnehmer abgeschlossenen Versicherungsvertrages bereits zu Lebzeiten des Versicherten (Arbeitnehmers) fällig und an diesen ausgezahlt werden. Ebenso darf die Anzeige gem. § 3 Abs. 3 Satz 1 ErbStDV bei Kapitalversicherungen (z.B. Lebensversicherungen) unterbleiben, wenn der auszuzahlende Betrag 5 000 Euro nicht übersteigt. Aufgrund des Territorialitätsprinzips beschränkt sich die Anzeigepflicht auf inländische Unterneh- 27 men. Da im vereinten Europa vermehrt Verträge mit ausländischen Versicherern geschlossen werden, schlägt Kien-Hümbert eine gesetzliche Ausweitung der Anzeigepflicht vor. Dies gelte umso mehr, als der persönlichen Anzeigepflicht des Erben in der Praxis wohl nur unzureichend nachgekommen werde.3 Zumindest bezüglich etwaiger Zweigniederlassungen werden bis dahin die gleichen Überlegungen wie bei Zweigniederlassungen von Kreditinstituten (vgl. Rz. 7) anwendbar sein.
E. Verstoß gegen die Anzeigepflichten (Abs. 4) Zuwiderhandlungen gegen die Anzeigepflichten des § 33 Abs. 1 bis 3 ErbStG werden gem. § 33 28 Abs. 4 ErbStG als Steuerordnungswidrigkeit mit Geldbuße geahndet. Die Geldbuße kann gem. § 378 Abs. 2 AO bis zu 50 000 Euro betragen. Dabei ist jedoch das Opportunitätsprinzip zu beachten. Es steht trotz des Wortlauts der Vorschrift im Ermessen des FA, von einer Geldbuße abzusehen, da eine Mindestgeldbuße nicht vorgesehen ist.4 Da keinerlei Rspr. zu dieser Vorschrift ergangen ist, kann von einer geringen Bedeutung in der Praxis ausgegangen werden. Die Dachverbände der LeasingBranche wurden vom Bundesfinanzminister unter Hinweis auf die Bußgeldbewährung lediglich in einem Schreiben darauf hingewiesen, dass die Anzeigepflicht nach § 33 ErbStG beim Tod des Kommanditisten einer Grundstücksgesellschaft in bestimmten Fallgestaltungen (vgl. z.B. Rz. 11) zu beachten ist.5 Ungeachtet dessen haften die Banken und Versicherungsunternehmen u.U. für die entgangene Steuer nach § 20 Abs. 6 ErbStG, so dass diese Unternehmen von sich aus ein Interesse an der Sicherstellung der Besteuerung und somit an der Anzeigenerstellung haben. 1 2 3 4
Gl. A. Jochum in Wilms/Jochum, § 33 ErbStG Rz. 55 (Stand: März 2015). BFH v. 23.7.1975 – II R 147/73, BStBl. II 1975, 841. Vgl. Kien-Hümbert in Moench/Weinmann, § 33 ErbStG Rz. 20 (Stand: Februar 2011). Vgl. Geck in Kapp/Ebeling, § 33 ErbStG Rz. 16 (Stand: Februar 2011) sowie Jochum in Wilms/Jochum, § 33 ErbStG Rz. 63 (Stand: März 2015), der von einem „Redaktionsversehen des Gesetzgebers“ ausgeht. 5 BMF v. 10.11.1998 – IV C 7 - S 3844 - 5/98, ErbSt-Kartei ND § 33 ErbStG Karte 21.
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§ 34 Anzeigepflicht der Gerichte, Behörden, Beamten und Notare (1) Die Gerichte, Behörden, Beamten und Notare haben dem für die Verwaltung der Erbschaftsteuer zuständigen Finanzamt schriftlich Anzeige zu erstatten über diejenigen Beurkundungen, Zeugnisse und Anordnungen, die für die Festsetzung einer Erbschaftsteuer von Bedeutung sein können. (2) Insbesondere haben anzuzeigen: 1. die Standesämter: die Sterbefälle; 2. die Gerichte und die Notare: die Erteilung von Erbscheinen, Europäischen Nachlasszeugnissen, Testamentsvollstreckerzeugnissen und Zeugnissen über die Fortsetzung der Gütergemeinschaft, die Beschlüsse über Todeserklärungen sowie die Anordnung von Nachlasspflegschaften und Nachlassverwaltungen; 3. die Gerichte, die Notare und die deutschen Konsuln: die eröffneten Verfügungen von Todes wegen, die abgewickelten Erbauseinandersetzungen, die beurkundeten Vereinbarungen der Gütergemeinschaft und die beurkundeten Schenkungen und Zweckzuwendungen. Betriebsvermögen werden nach § 31 des Bewertungsgesetzes bewertet.
§ 4 ErbStDV Anzeigepflicht der Standesämter (1) Die Standesämter haben für jeden Kalendermonat die Sterbefälle jeweils durch Übersendung der Sterbeurkunde in zweifacher Ausfertigung binnen zehn Tagen nach Ablauf des Monats dem für die Verwaltung der Erbschaftsteuer zuständigen Finanzamt, in dessen Bezirk sich der Sitz des Standesamtes befindet, anzuzeigen. Dabei ist die Ordnungsnummer (§ 5 Abs. 2) anzugeben, die das Finanzamt dem Standesamt zugeteilt hat. Die in Satz 1 genannten Urkunden sind um Angaben zu den in Muster 3 genannten Fragen zu ergänzen, soweit diese Angaben bekannt sind. (2) Sind in dem vorgeschriebenen Zeitraum Sterbefälle nicht beurkundet oder bekannt geworden, hat das Standesamt innerhalb von zehn Tagen nach Ablauf des Zeitraumes unter Angabe der Nummer der letzten Eintragung in das Sterberegister eine Fehlanzeige mit einem Vordruck nach Muster 4 zu übersenden. (3) Die Oberfinanzdirektion kann anordnen, 1. daß die Anzeigen von einzelnen Standesämtern für einen längeren oder kürzeren Zeitraum als einen Monat übermittelt werden können, 2. daß die Standesämter die Sterbefälle statt der Anzeigen nach Absatz 1 und 2 durch eine Totenliste (Absatz 4) nach Muster 3 anzeigen können, 3. daß auf die zweite Ausfertigung der Sterbeurkunde verzichtet werden kann. (4) Totenlisten nach Absatz 3 Nr. 2 sind vorbehaltlich des Absatzes 3 Nr. 1 für jeden Kalendermonat aufzustellen. In die Totenlisten sind einzutragen: 1. die Sterbefälle nach der Reihenfolge der Eintragungen in das Sterberegister, 2. die dem Standesamt sonst bekanntgewordenen Sterbefälle von Personen, die im Ausland verstorben sind und bei ihrem Tod einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt oder Vermögen im Bezirk des Standesamtes gehabt haben. Das Standesamt hat die Totenliste binnen zehn Tagen nach dem Ablauf des Zeitraumes, für den sie aufgestellt ist, nach der in dem Muster 3 vorgeschriebenen Anleitung abzuschließen und dem für die Verwaltung der Erbschaftsteuer zuständigen Finanzamt, in dessen Bezirk sich der Sitz des Standesamtes befindet, einzusenden. Dabei ist die Ordnungsnummer (§ 5 Abs. 2) anzugeben, die das Finanzamt dem Standesamt zugeteilt hat. Sind in dem vorgeschriebenen Zeitraum Ster-
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§ 34 ErbStG Anzeigepflicht der Gerichte, Behörden, Beamten und Notare befälle nicht beurkundet worden oder bekanntgeworden, hat das Standesamt innerhalb von zehn Tagen nach Ablauf des Zeitraumes diesem Finanzamt eine Fehlanzeige nach Muster 4 zu übersenden. In der Fehlanzeige ist auch die Nummer der letzten Eintragung in das Sterberegister anzugeben.
Erbschaftsteuer-Durchführungsverordnung (ErbStDV) Muster 3 (§ 4 ErbStDV) .............................. Standesamt und Ordnungsnummer Erbschaftsteuer Totenliste des Standesamtsbezirks für den Zeitraum vom Sitz des Standesamts 1.
2.
3.
4. 5.
................................................ ............. bis ........... einschließlich ................................................
Anleitung für die Aufstellung und Einsendung der Totenliste Die Totenliste ist für den Zeitraum eines Monats aufzustellen, sofern nicht die Oberfinanzdirektion die Aufstellung für einen kürzeren oder längeren Zeitraum angeordnet hat. Sie ist beim Beginn des Zeitraums anzulegen. Die einzelnen Sterbefälle sind darin sofort nach ihrer Beurkundung einzutragen. In die Totenliste sind aufzunehmen a) alle beurkundeten Sterbefälle nach der Reihenfolge der Eintragungen im Sterberegister, b) die dem Standesbeamten glaubhaft bekanntgewordenen Sterbefälle im Ausland, und zwar von Deutschen und Ausländern, wenn sie beim Tod einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt oder Vermögen im Bezirk des Standesamtes hatten. Ausfüllen der Spalten: a) Spalte 1 muß alle Nummern des Sterberegisters in ununterbrochener Reihenfolge nachweisen. Die Auslassung einzelner Nummern ist in Spalte 7 zu erläutern. Auch der Sterbefall eines Unbekannten ist in der Totenliste anzugeben. b) In den Spalten 5 und 6 ist der Antwort stets der Buchstabe der Frage voranzusetzen, auf die sich die Antwort bezieht. c) Fragen, über die das Sterberegister keine Auskunft gibt, sind zu beantworten, soweit sie der Standesbeamte aus eigenem Wissen oder nach Befragen des Anmeldenden beantworten kann. d) Bezugnahmen auf vorhergehende Angaben durch "dsgl." oder durch Strichzeichen (") usw. sind zu vermeiden. e) Spalte 8 ist nicht auszufüllen. Einlagebogen sind in den Titelbogen einzuheften. Abschluß der Liste: a) Die Totenliste ist hinter der letzten Eintragung mit Orts- und Zeitangabe und der Unterschrift des Standesbeamten abzuschließen. b) Sind Sterbefälle der unter Nummer 2 Buchstabe b bezeichneten Art nicht bekanntgeworden, ist folgende Bescheinigung zu unterschreiben: Im Ausland eingetretene Sterbefälle von Deutschen und Ausländern, die beim Tod einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt oder Vermögen im Bezirk des Standesamtes hatten, sind mir nicht bekanntgeworden. ....................... Ort, Datum
..................................... (Standesbeamter/Standesbeamtin)
c) Binnen zehn Tagen nach Ablauf des Zeitraums, für den die Liste aufzustellen ist, ist sie dem Finanzamt einzureichen. Sind in dem Zeitraum Sterbefälle nicht anzugeben, ist dem Finanzamt binnen zehn Tagen nach Ablauf des Zeitraums eine Fehlanzeige nach besonderem Muster zu erstatten.
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Anzeigepflicht der Gerichte, Behörden, Beamten und Notare
§ 34 ErbStG
An das Finanzamt .................... - Erbschaftsteuerstelle -----------------------------(Seite 2) --------------------------------------------------------I a) Familienname I I a) Familienstand I ggf. auch I I b) bei Verheirateten I Geburtsname I I oder bei Lebenspartnern I b) Vornamen I I Name, Beruf, I c) Beruf I a) Todestag I Geburtstag, Nummer des I d) Anschrift I b) Geburtstag I ggf. abweichende SterbeI e) Bei minderI c) Geburtsort I Anschrift des registers I jährigen I I anderen Ehegatten I Kindern Name, I I oder Lebenspartners I Beruf und I I c) bei Verwitweten I Anschrift I I oder bei hinterbliebenen I (soweit von d) I I Lebenspartnern I abweichend) I I Beruf des verstorbenen I des Vaters und I I Ehegatten oder I der Mutter I I Lebenspartners -----------------------------------------------------------------------des Verstorbenen -----------------------------------------------------------------------1 I 2 I 3 I 4 -----------------------------------------------------------------------I I I I I I I I I I I I (Seite 3) -----------------------------------------------------------------------Lebten von dem I Worin besteht der I I Verstorbenen am I Nachlaß und welchen I I Todestag I Wert hat er? I I a) Kinder? Wie I (kurze Angabe) I I viele? I a) Land- und forstw. I I b) Abkömmlinge von I Vermögen (bitte I I Nummer verstorbenen I Lage und Größe der I I und Kindern? I bewirtschafteten I Bemerkungen I Jahrgang Wie viele? I Fläche angeben) I I der c) Eltern oder I b) Grundvermögen I I Steuerliste Geschwister? I (bitte Lage I I (Nur angeben, I angeben) I I wenn a) und b) I c) Betriebsvermögen I I verneint wird) I (bitte die Firma I I d) Sonstige I und Art des I I Verwandte oder I Betriebs, z.B. I I Verschwägerte? I EinzelhandelsI I (Nur angeben, I geschäft, GroßI I wenn a) bis c) I handel, Handwerks- I I verneint wird) I betrieb, Fabrik I I e) Wer kann Auskunft I angeben) I I geben? I d) Übriges Vermögen I I -------------------- I I I Zu a) bis e) bitte I I I Name und Anschrift I I I angeben I I I -----------------------------------------------------------------------5 I 6 I 7 I 8 -----------------------------------------------------------------------I I I I I I I I I I I I
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§ 34 ErbStG Anzeigepflicht der Gerichte, Behörden, Beamten und Notare
Erbschaftsteuer-Durchführungsverordnung (ErbStDV) Muster 4 (§ 4 ErbStDV) .............................. Standesamt und Ordnungsnummer Erbschaftsteuer An das Finanzamt .................... - Erbschaftsteuerstelle -----------------------------Fehlanzeige -----------------------------------------------------------------------im Standesamtsbezirk ................................................ sind für die Zeit vom ............. bis ........... einschließlich Sterbefälle nicht anzugeben. Der letzte Sterbefall ist beurkundet im Sterberegister unter Nr. ...... Im Ausland eingetretene Sterbefälle von Deutschen und von Ausländern, die beim Tod einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt oder Vermögen im Bezirk des Standesamtes hatten, sind mir nicht bekanntgeworden. Bemerkungen ............................................................ ........................................................................ .............................. Ort, Datum
............................ Unterschrift
§ 5 ErbStDV Verzeichnis der Standesämter (1) Die Landesregierungen oder die von ihnen bestimmten Stellen teilen den für ihr Gebiet zuständigen Oberfinanzdirektionen Änderungen des Bestandes oder der Zuständigkeit der Standesämter mit. Von diesen Änderungen geben die Oberfinanzdirektionen den in Betracht kommenden Finanzämtern Kenntnis. (2) Die Finanzämter geben jedem Standesamt ihres Bezirks eine Ordnungsnummer, die sie dem Standesamt mitteilen.
§ 6 ErbStDV Anzeigepflicht der Gerichte bei Todeserklärungen (1) Die Gerichte haben dem für die Verwaltung der Erbschaftsteuer zuständigen Finanzamt (§ 35 des Gesetzes) eine beglaubigte Abschrift der Beschlüsse über die Todeserklärung Verschollener oder über die Feststellung des Todes und der Todeszeit zu übersenden. Wird ein solcher Beschluss angefochten oder eine Aufhebung beantragt, hat das Gericht dies dem Finanzamt anzuzeigen. (2) Die Übersendung der in Absatz 1 genannten Abschriften kann bei Erbfällen von Kriegsgefangenen und ihnen gleichgestellten Personen sowie bei Erbfällen von Opfern der nationalsozialistischen Verfolgung unterbleiben, wenn der Zeitpunkt des Todes vor dem 1. Januar 1946 liegt.
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Anzeigepflicht der Gerichte, Behörden, Beamten und Notare
§ 34 ErbStG
§ 7 ErbStDV Anzeigepflicht der Gerichte, Notare und sonstigen Urkundspersonen in Erbfällen (1) Die Gerichte haben dem für die Verwaltung der Erbschaftsteuer zuständigen Finanzamt (§ 35 des Gesetzes) beglaubigte Abschriften folgender Verfügungen und Schriftstücke mit einem Vordruck nach Muster 5 zu übersenden: 1. eröffnete Verfügungen von Todes wegen mit einer Mehrausfertigung der Niederschrift über die Eröffnungsverhandlung, 2. Erbscheine, 3. Testamentsvollstreckerzeugnisse, 4. Zeugnisse über die Fortsetzung von Gütergemeinschaften, 5. Beschlüsse über die Einleitung oder Aufhebung einer Nachlaßpflegschaft oder Nachlaßverwaltung, 6. beurkundete Vereinbarungen über die Abwicklung von Erbauseinandersetzungen. Eine elektronische Übermittlung der Anzeige ist ausgeschlossen. Die Anzeige hat unverzüglich nach dem auslösenden Ereignis zu erfolgen. Auf der Urschrift der Mitteilung oder Anzeige ist zu vermerken, wann und an welches Finanzamt die Abschrift übersandt worden ist. (2) Jede Mitteilung oder Übersendung soll die folgenden Angaben enthalten: 1. den Namen, den Geburtstag, die letzte Anschrift, den Todestag und den Sterbeort des Erblassers, 2. das Standesamt, bei dem der Sterbefall beurkundet worden ist, und die Nummer des Sterberegisters. (3) Soweit es den Gerichten bekannt ist, haben sie mitzuteilen: 1. den Beruf und den Familienstand des Erblassers, 2. den Güterstand bei verheirateten oder in einer Lebenspartnerschaft lebenden Erblassern, 3. die Anschriften der Beteiligten und das persönliche Verhältnis (Verwandtschaftsverhältnis, Ehegatte oder Lebenspartner) zum Erblasser, 4. die Höhe und die Zusammensetzung des Nachlasses in Form eines Verzeichnisses, 5. später bekanntgewordene Veränderungen in der Person der Erben oder Vermächtnisnehmer, insbesondere durch Fortfall von vorgesehenen Erben oder Vermächtnisnehmern. (4) Die Übersendung der in Absatz 1 erwähnten Abschriften und die Erstattung der dort vorgesehenen Anzeigen dürfen unterbleiben, 1. wenn die Annahme berechtigt ist, dass außer Hausrat (einschließlich Wäsche und Kleidungsstücke) im Wert von höchstens 12 000 Euro nur noch anderes Vermögen im reinen Wert von höchstens 20 000 Euro vorhanden ist, 2. bei Erbfällen von Kriegsgefangenen und ihnen gleichgestellten Personen sowie bei Erbfällen von Opfern der nationalsozialistischen Verfolgung, wenn der Zeitpunkt des Todes vor dem 1. Januar 1946 liegt, 3. wenn der Erbschein lediglich zur Geltendmachung von Ansprüchen auf Grund des Lastenausgleichsgesetzes beantragt und dem Ausgleichsamt unmittelbar übersandt worden ist, 4. wenn seit dem Zeitpunkt des Todes des Erblassers mehr als zehn Jahre vergangen sind. Das gilt nicht für Anzeigen über die Abwicklung von Erbauseinandersetzungen. (5) Die vorstehenden Vorschriften gelten entsprechend für Notare (Bezirksnotare) und sonstige Urkundspersonen, soweit ihnen Geschäfte des Nachlaßgerichtes übertragen sind.
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§ 34 ErbStG Anzeigepflicht der Gerichte, Behörden, Beamten und Notare
Erbschaftsteuer-Durchführungsverordnung (ErbStDV) Muster 5 (§ 7 ErbStDV) .............................. Amtsgericht/Notariat Erbschaftsteuer An das Finanzamt .................... - Erbschaftsteuerstelle -----------------------------Die anliegende ... beglaubigte ... Abschrift ... (Ablichtung ... wird/werden mit folgenden Bemerkungen übersandt: Erblasser Name, Vorname, Identifikationsnummer ......................... Geburtstag ......................................... letzte Anschrift ......................................... Beruf ......................................... Familienstand ......................................... Güterstand (bei Verheirateten oder bei Lebenspartnern) ......................................... Todestag und Sterbeort ......................................... Standesamt und Sterberegister-Nr. ...................................... Testament/Erbvertrag vom ......................................... Tag der Eröffnung ......................................... Die Gebühr für die Errichtung I Verwahrung I Erteilung eines Erbscheins ist berechnet nach einem EUR I EUR I EUR Wert von ..............I...............I............. Grund der Übersendung Eröffnung einer ( ) Verfügung von Todes wegen *) ( ) Erbscheins *) ( ) Europäischen ( ) Testaments( ) Nachlassvollstreckerzeugnisses *) zeugnisses *) von Gütergemeinschaften Beurkundung einer ( ) Erbauseinandersetzung Beschluß über die ( ) Einleitung ( ) Einleitung oder Aufhebung oder Aufhebung einer Nachlaßeiner Nachlaßpflegschaft *) verwaltung *)
Erbscheins
Erteilung eines Zeugnisses über die Fortsetzung
Die Namen und Anschriften der Beteiligten und das persönliche Verhältnis (Verwandtschaftsverhältnis, Ehegatte oder Lebenspartner) zum Erblasser sowie Veränderungen in der Person der Erben, Vermächtnisnehmer, Testamentsvollstrecker usw. (durch Tod, Eintritt eines Ersatzerben, Ausschlagung, Amtsniederlegung des Testamentsvollstreckers und dergleichen) und Änderungen in den Verhältnissen dieser Personen (Namens-, Berufs-, Anschriftenänderungen und dergleichen) ( ) ergeben sich aus der beiliegenden Abschrift der Eröffnungsverhandlung. *) ( ) sind auf einem gesonderten Blatt angegeben. *) ( ) Zur Höhe und Zusammensetzung des Nachlasses ist dem Gericht/Notariat folgendes bekanntgeworden: *) .................................................................... .................................................................... ( ) Ein Verzeichnis der Nachlaßgegenstände ist beigefügt. *) *) Zutreffendes ist anzukreuzen
.............................. Ort, Datum
............................ Unterschrift
§ 8 ErbStDV Anzeigepflicht der Gerichte, Notare und sonstigen Urkundspersonen bei Schenkungen und Zweckzuwendungen unter Lebenden (1) Die Gerichte haben dem für die Verwaltung der Erbschaftsteuer zuständigen Finanzamt (§ 35 des Gesetzes) eine beglaubigte Abschrift der Urkunde über eine Schenkung (§ 7 des Gesetzes) oder eine Zweckzuwendung unter Lebenden (§ 8 des Gesetzes) unter Angabe des der Kostenberechnung zugrunde gelegten Werts mit einem Vordruck nach Muster 6 zu übersenden. Eine
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Anzeigepflicht der Gerichte, Behörden, Beamten und Notare
§ 34 ErbStG
elektronische Übermittlung der Anzeige ist ausgeschlossen. Enthält die Urkunde keine Angaben darüber, sind die Beteiligten über 1. das persönliche Verhältnis (Verwandtschaftsverhältnis, Ehegatte oder Lebenspartner) des Erwerbers zum Schenker und 2. den Wert der Zuwendung zu befragen und die Angaben in der Anzeige mitzuteilen. Die Anzeige hat unverzüglich nach der Beurkundung zu erfolgen. Auf der Urschrift der Urkunde ist zu vermerken, wann und an welches Finanzamt die Abschrift übersandt worden ist. Die Gerichte haben bei der Beurkundung von Schenkungen und Zweckzuwendungen unter Lebenden die Beteiligten auf die mögliche Steuerpflicht hinzuweisen. (2) Die Verpflichtungen nach Absatz 1 erstrecken sich auch auf Urkunden über Rechtsgeschäfte, die zum Teil oder der Form nach entgeltlich sind, bei denen aber Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass eine Schenkung oder Zweckzuwendung unter Lebenden vorliegt. (3) Die Übersendung einer beglaubigten Abschrift von Schenkungs- und Übergabeverträgen und die Mitteilung der in Absatz 1 vorgesehenen Angaben darf unterbleiben, wenn Gegenstand der Schenkung nur Hausrat (einschließlich Wäsche und Kleidungsstücke) im Wert von höchstens 12 000 Euro und anderes Vermögen im reinen Wert von höchstens 20 000 Euro ist. (4) Die vorstehenden Vorschriften gelten entsprechend für Notare (Bezirksnotare) und sonstige Urkundspersonen.
Erbschaftsteuer-Durchführungsverordnung (ErbStDV) Muster 6 (§ 8 ErbStDV) .............................. Amtsgericht/Notariat Schenkungsteuer An das Finanzamt .................... - Erbschaftsteuerstelle -----------------------------Die anliegende beglaubigte Abschrift/Ablichtung wird mit folgenden Bemerkungen übersandt: 1. 2. 3. 4.
Schenker Name, Vorname, Identifikationsnummer ...................... Geburtstag ............. Anschrift ......................................... Beschenkter Name, Vorname, Identifikationsnummer ................... Geburtstag ............. Anschrift ......................................... Vertrag vom .......... Urkundenrolle-Nr. ............ Ergänzende Angaben (§ 34 ErbStG, § 8 ErbStDV) Persönliches Verhältnis (Verwandtschaftsverhältnis, Ehegatte oder Lebenspartner) des Erwerbers zum Schenker (z. B. Kind, Geschwisterkind, Bruder der Mutter, nicht verwandt) .................................................... Verkehrswert des übertragenen Vermögens
I Bei Grundbesitz: I Wert, der der I letzter Einheitswert/ I Kostenberechnung I Grundbesitzwert I zugrunde liegt I (Nichtzutreffendes I I ist zu streichen) I I I EUR I EUR I EUR .....................I.......................I......................
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§ 34 ErbStG Anzeigepflicht der Gerichte, Behörden, Beamten und Notare 5.
Sonstige Angaben Zur Verfahrensvereinfachung und Vermeidung von Rückfragen werden mit Einverständnis der Urkundsparteien folgende Angaben gemacht, soweit sie nicht bereits aus dem Vertrag ersichtlich sind: Valutastand der I Jahreswert von I Höhe der übernommenen I Gegenleistungen wie I Notargebühren Verbindlichkeiten am I z. B. Nießbrauch I Tag der Schenkung I I I I I I EUR I EUR I EUR .....................I.......................I...................... .............................. Ort, Datum
............................ Unterschrift
§ 9 ErbStDV Anzeigepflicht der Auslandsstellen Die diplomatischen Vertreter und Konsuln des Bundes haben dem Bundeszentralamt für Steuern anzuzeigen: 1. die ihnen bekannt gewordenen Sterbefälle von Deutschen ihres Amtsbezirks, 2. die ihnen bekannt gewordenen Zuwendungen ausländischer Erblasser oder Schenker an Personen, die im Inland einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben. Eine elektronische Übermittlung der Anzeige ist ausgeschlossen.
§ 10 ErbStDV Anzeigepflicht der Genehmigungsbehörden Die Behörden, die Stiftungen anerkennen oder Zuwendungen von Todes wegen und unter Lebenden an juristische Personen und dergleichen genehmigen, haben dem für die Verwaltung der Erbschaftsteuer zuständigen Finanzamt (§ 35 des Gesetzes) über solche innerhalb eines Kalendervierteljahres erteilten Anerkennung oder Genehmigungen unmittelbar nach Ablauf des Vierteljahres eine Nachweisung zu übersenden. Eine elektronische Übermittlung der Anzeige ist ausgeschlossen. Die Verpflichtung erstreckt sich auch auf Rechtsgeschäfte der in § 8 Abs. 2 bezeichneten Art. In der Nachweisung sind bei einem Anerkennungs- oder Genehmigungsfall anzugeben: 1. der Tag der Anerkennung oder Genehmigung, 2. die Anschriften des Erblassers (Schenkers) und des Erwerbers (bei einer Zweckzuwendung die Anschrift des mit der Durchführung der Zweckzuwendung Beschwerten), 3. die Höhe des Erwerbs (der Zweckzuwendung), 4. bei Erwerbern von Todes wegen der Todestag und der Sterbeort des Erblassers, 5. bei Anerkennung einer Stiftung als rechtsfähig der Name, der Sitz (der Ort der Geschäftsleitung), der Zweck der Stiftung und der Wert des ihr gewidmeten Vermögens, 6. wenn bei der Anerkennung oder Genehmigung dem Erwerber Leistungen an andere Personen oder zu bestimmten Zwecken auferlegt oder wenn von dem Erwerber solche Leistungen zur Erlangung der Anerkennung oder Genehmigung freiwillig übernommen werden: Art und Wert der Leistungen, die begünstigten Personen oder Zwecke und das persönliche Verhältnis (Verwandtschaftsverhältnis, Ehegatte oder Lebenspartner) der begünstigten Personen zum Erblasser (Schenker). Als Nachweisung kann eine beglaubigte Abschrift der der Stiftung zugestellten Urkunde über die Anerkennung als rechtsfähig dienen, wenn aus ihr die genannten Angaben zu ersehen sind.
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Grundaussagen der Vorschrift
Rz. 3 § 34 ErbStG
§ 11 ErbStDV Anzeigen im automatisierten Verfahren Die oberste Finanzbehörde eines Landes kann anordnen, dass die Anzeigen den Finanzämtern ihre Zuständigkeitsbereichs in einem automatisierten Verfahren erstattet werden können, soweit die Übermittlung der jeweils aufgeführten Angaben gewährleistet und die Richtigkeit der Datenübermittlung sichergestellt ist. A. I. II. III.
Grundaussagen der Vorschrift. . . . . . . . . . Regelungsgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . Bedeutung und Telos . . . . . . . . . . . . . . . . . Geltungsbereich und Verhältnis zu anderen Vorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Rechtsentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Anzeigepflicht der Gerichte, Behörden, Beamten und Notare (Abs. 1) . . . . . . . . . . C. Anzeigepflichtige Vorgänge und anzeigepflichtige Dokumente (Abs. 2) . . . . . . . .
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I. Anzeigepflichten der Standesämter (Abs. 2 Nr. 1) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 II. Anzeigepflichten der Gerichte und der Notare, soweit sie mit gerichtlichen Aufgaben betraut sind (Abs. 2 Nr. 2) . . . . . . . . . . . . . . 10 III. Anzeigepflichten der Gerichte, Notare und der deutschen Konsuln (Abs. 2 Nr. 3) . . . . . . 11 IV. Anzeigepflichten der Genehmigungsbehörden (§ 10 ErbStDV) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15
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Literatur: Durst, Der verstorbene Steuerstraftäter – Pflichten und Risiken des Erben, ErbBstg 2012, 227; Gohlisch, Erbschaftsteuerliche und schenkungsteuerliche Anzeige- und Erklärungspflichten und die sich daraus ergebenden Folgen für den Eintritt der Festsetzungsfrist, ZErb 2011, 133; Halaczinsky, Erbschaftsteuer-Durchführungsverordnung, Änderungen in 2010, ZErb 2011, 31; Klöckner, Die Anzeigepflichten der Notare gem. § 34 ErbStG, ZEV 2011, 299; Sedlaczek, Festsetzungsverjährung und Verfolgungsverjährung bei Anzeigepflichten und Erklärungspflichten, ErbBstg 2002, 148; Tolksdorf/Simon, Erbschaftsteuerliche Rechte und Pflichten des Testamentsvollstreckers, ErbStB 2008, 336.
A. Grundaussagen der Vorschrift I. Regelungsgegenstand Die Vorschrift ergänzt das System der Anzeigepflichten um eine Anzeigepflicht für Gerichte, Behör- 1 den, Beamte und Notare. Zudem regelt sie im Zusammenspiel mit den §§ 4 bis 11 ErbStDV die Form und den Inhalt der zu erstattenden Anzeigen. Die Anzeigepflicht erstreckt sich auf alle Urkunden, Zeugnisse und Anordnungen dieser Stellen, die für die Steuerfestsetzung von Bedeutung sein könnten.
II. Bedeutung und Telos Um die Prüfung durch das Finanzamt möglich zu machen, ob eine Steuererklärung vom Steuer- 2 pflichtigen angefordert wird, muss das Finanzamt zunächst Kenntnis von einem möglicherweise steuerpflichtigen Vorgang erlangen. Die Regelungen im § 34 ErbStG ergänzen dabei die Anzeigepflichten des Steuerpflichtigen (vgl. § 30 ErbStG) um bestimmte anzeigepflichtige Vorgänge im Bereich der Tätigkeiten der Gerichte, Behörden, Beamte und Notare. Somit dienen die Anzeigepflichten des § 34 ErbStG sowohl der Erkenntnisgewinnung hinsichtlich der Steuerpflicht eines Vorgangs dem Grunde nach, als auch der Überprüfung der Angaben des Steuerpflichtigen in der von ihm eingereichten Steuererklärung.
III. Geltungsbereich und Verhältnis zu anderen Vorschriften Die Vorschrift schafft über die Anzeigepflichten des Steuerpflichtigen (§ 30 ErbStG) hinaus weitere 3 Anzeigepflichten und dient zusammen mit den Anzeigepflichten des § 33 ErbStG für Vermögensver-
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§ 34 ErbStG Rz. 4 Anzeigepflicht der Gerichte, Behörden, Beamten und Notare wahrer, Vermögensverwalter und Versicherungsunternehmen der lückenlosen Aufdeckung von besteuerungswürdigen Sachverhalten. Losgelöst von der Anzeigepflicht ist die Erklärungspflicht (§ 31 ErbStG) zu betrachten. Die Abgabe der Erklärung durch den Steuerpflichtigen erfolgt in den meisten Fällen zeitlich nachgelagert einer Anzeige, da die Anforderung einer Steuererklärung durch das Finanzamt regelmäßig auf eine eingegangene Anzeige zurückzuführen ist. Während der Anzeigepflicht des Steuerpflichtigen auch durch die Abgabe einer Steuererklärung nachgekommen werden kann, bestehen die Anzeigepflichten i.S.d. § 34 ErbStG losgelöst von der Erklärungsabgabe des Steuerpflichtigen fort.
IV. Rechtsentwicklung 4 Der § 34 ErbStG gilt in seiner jetzigen Fassung für Erwerbe, für die die Steuer nach dem 27.8.2002
entstanden ist.1 Die Regelung enthält seit der letzten Änderung auch die Klarstellung, dass die Anzeige schriftlich zu erstatten ist. Die zum § 34 ErbStG ergangenen §§ 4 bis 11 der ErbStDV gelten seit dem 1.8.1998.2 Die §§ 7 bis 10 ErbStDV sind dabei mit Wirkung für Erwerbe nach dem 27.8.2002 ebenfalls neu gefasst worden3 und schließen eine Anzeige in elektronischer Form aus. Dies umfasst auch elektronische Anzeigen mit qualifizierter elektronischer Signatur, da diese Möglichkeit für Gerichte, Notare, sonstige Urkundspersonen, Auslandsstellen und Genehmigungsbehörden ausdrücklich ausgeschlossen worden ist.4 Begründet wird dieser Ausschluss mit technischen Schwierigkeiten der Finanzämter.5 Zuletzt geändert wurden die maßgeblichen Vorschriften der ErbStDV durch die Verordnung zur Änderung steuerlicher Verordnungen v. 17.11.2010.6 Die Änderungen betreffen die Erhöhung der Bagatellgrenzen für die Freistellung von der Anzeigepflicht. Diese Erhöhung war aufgrund der durch die Erbschaftsteuerreform stark gestiegenen Freibeträge gerechtfertigt.
B. Anzeigepflicht der Gerichte, Behörden, Beamten und Notare (Abs. 1) 5 Gerichte, Behörden, Beamte und Notare haben dem zuständigen Finanzamt (§ 35 ErbStG) schrift-
lich über bestimmte Vorgänge Anzeige zu erstatten. Die Einzelheiten zum Anlass, zur Form und zum Inhalt der Anzeigepflicht sind in § 34 Abs. 2 ErbStG und in den §§ 4 bis 11 ErbStDV nebst dazugehörigen Mustern für die Anzeigenerstellung niedergelegt. 6 Die Anzeige muss dem für die Festsetzung der Erbschaftsteuer zuständigen Finanzamt zur Prüfung
zugestellt werden. Die Anführung der Schenkung in der jährlichen Einkommensteuererklärung des Beschenkten genügt hingegen nicht. Erforderlich ist vielmehr die Kenntnis der organisatorisch zur Verwaltung der Erbschaftsteuer und Schenkungsteuer berufenen Dienststelle des zuständigen Finanzamts.7 Ist aufgrund des Arbeitsablaufs im Büro des eine Anteilsschenkung beurkundenden Notars die Absendung der Schenkungsurkunde an das Finanzamt zu vermuten, ist dies für die Kenntniserlangung gem. § 170 Abs. 5 Nr. 2 Alt. 2 AO unbeachtlich, wenn der Nachweis, dass die durch einfachen Brief versandte Urkunde tatsächlich in den Machtbereich des Empfängers gelangt ist, nicht geführt werden kann. Der Eingangs-Nachweis kann weder nach den Regeln des Anscheinsbeweises geführt noch allgemein durch statistisches Zahlenmaterial ersetzt werden.8 7 Nach dem Gesetzeswortlaut sind alle genannten Vorgänge anzeigepflichtig, die für die Festsetzung
der Erbschaftsteuer von Bedeutung sein können. Ob die Anzeige letztlich Erbschaftsteuer auslöst, 1 Eingefügt in der jetzigen Fassung durch das dritter Gesetz zur Änderung verwaltungsverfahrensrechtlicher Vorschriften v. 21.8.2002, BGBl. I 2002, 3322. 2 BGBl. I 1998, 2658. 3 Drittes Gesetz zur Änderung verwaltungsverfahrensrechtlicher Vorschriften v. 21.8.2002, BGBl. I 2002, 3322. 4 Art. 34 des Dritten Gesetzes zur Änderung verwaltungsverfahrensrechtlicher Vorschriften v. 21.8.2002, BGBl. I 2002, 3322, vgl. Kien-Hümbert in Moench/Weinmann, § 34 ErbStG Rz. 1 (Stand: August 2012). 5 Vgl. BT-Drucks. 14/9000, 44. 6 Verordnung zur Änderung steuerlicher Verordnungen v. 17.11.2010, BGBl. I 2010, 1544. 7 FG Köln v. 16.12.2009 – 9 K 2580/07, ErbStB 2010, 65. 8 FG Köln v. 16.12.2009 – 9 K 2580/07, ErbStB 2010, 65.
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Anzeigepflichtige Vorgänge und anzeigepflichtige Dokumente (Abs. 2)
Rz. 9 § 34 ErbStG
muss das Finanzamt selbst prüfen. Somit sind nicht nur eindeutig unter die Steuerpflicht fallende Erbschaften und Schenkungen anzuzeigen, sondern sind z.B. Verträge über Grundstücksübertragungen oder mit gesellschaftsrechtlichem Bezug stets dahingehen zu überprüfen, ob dem Vorgang nicht eine gemischte Schenkung zugrunde liegt.1 Nach Auffassung von Schuck2 hingegen ist nicht jede Änderung der gesellschaftsvertraglichen Gewinnverteilungsabrede anzeigepflichtig, sondern nur solche, bei denen die konkrete Möglichkeit einer Schenkung besteht, etwa bei Familienmitgliedern. Da der Notar bei Änderungen von Gesellschaftsverträgen die Causa mitbeurkunden wird, ergebe sich dies ohne weiteres. Bei Rechtsgeschäften, bei denen die Beteiligten auf die Mitbeurkundung der Causa verzichten, etwa bei der Übertragung von GmbH-Anteilen, ergebe sich hingegen zunächst kein Ansatzpunkt für den Notar. Eine Mitteilungspflicht durch den Notar ergebe sich vielmehr nur dann, wenn eine Schenkung auf der Hand liege. Dabei sei zu beachten, dass jedenfalls das Körperschaftsteuer-Finanzamt über § 54 EStDV ohnehin Kenntnis erlangt. Die anzeigepflichtigen Behörden und Notare dürfen jedenfalls nicht in eine Prüfung eintreten, ob etwa eine Erbschaftsteuerpflicht wegen persönlicher Freibeträge ausscheidet.3 Ausnahmen von der Anzeigepflicht sind in der ErbStDV benannt, z.B. bei Vermögenswerten unterhalb 20 000 Euro bzw. zusätzlich bei Hausrat im Höchstwert von 12 000 Euro (vgl. § 7 Abs. 4 und § 8 Abs. 3 ErbStDV). Zur Erfüllung der Anzeigepflicht ist es erforderlich, vollständige Abschriften der entsprechenden 8 Urkunden zu übersenden; die Weitergabe von Auszügen ist nicht ausreichend.4 Die Anordnung einer Außenprüfung bei einem Notar zur Prüfung der Einhaltung der Anzeigepflicht ist unzulässig.5 Ebenso können nach Auffassung von Jülicher keine Zwangsmittel i.S.d. § 328 ff. AO festgesetzt werden, weil sie nach § 255 Abs. 1 AO hoheitliche Tätigkeiten im Rahmen ihrer Anzeigepflichten wahrnehmen.6 Der § 34 ErbStG enthält darüber hinaus keine Mitteilungsverpflichtung für Nachversteuerungsfälle, etwa bei § 13a ErbStG. Diese Verpflichtung obliegt den hier Benannten nach Auffassung von Schuck auch dann nicht, wenn ihnen die Option bekannt war.7 Belehrungspflichten des Notars über die Erbschaftsteuer ergäben sich aus § 34 ErbStG nicht. Auch ist der Notar nach Auffassung von Schuck nicht verpflichtet, den Beteiligten darüber zu unterrichten, dass eine Mitteilungspflicht besteht, da es sich um hoheitlich angeordnete, nicht disponible Pflichten handele.8 Gemäß § 8 Abs. 1 ErbStDV hat der Notar jedoch die Beteiligten darauf hinzuweisen, dass eine Erbschaftsteuer entstehen kann.
C. Anzeigepflichtige Vorgänge und anzeigepflichtige Dokumente (Abs. 2) I. Anzeigepflichten der Standesämter (Abs. 2 Nr. 1) Die Standesämter haben insbesondere die Totenliste anzuzeigen. Einzelheiten zur Anzeigepflicht der 9 Standesämter ergeben sich aus den §§ 4 und 5 ErbStDV. Durch die Anzeigepflicht der Standesämter soll sichergestellt werden, dass das Finanzamt von jedem Todesfall Kenntnis erlangt. Aus diesem Grund ist auch eine Fehlanzeige erforderlich, § 4 Abs. 2 ErbStDV. Die Anzeigepflicht besteht auch für Sterbefälle von Personen im Ausland oder bei solchen, die lediglich einen Wohnsitz, gewöhnlichen Aufenthaltsort oder Vermögen im Inland hatten.9 Mitteilungspflichtig ist nach Muster 3 zu § 4 ErbStDV auch der Wert des Nachlasses, soweit dieser dem Standesamt bekannt ist. Ebenso sollen die Erben sowie deren Verwandtschaftsverhältnisse mitgeteilt werden, wenn diese bekannt sind bzw. bei der den Todesfall anzeigenden Person erfragt werden konnten. 1 Vgl. Geck in Kapp/Ebeling, § 34 ErbStG Rz. 2 (Stand: November 2011), der den Notaren daher empfiehlt, ihrer Anzeigeverpflichtung in großzügigem Umfang nachzukommen. 2 Vgl. Schuck in V/K/S/W4, § 34 ErbStG Rz. 5. 3 Vgl. Jülicher in T/G/J, § 34 ErbStG Rz. 2 (Stand: Januar 2013). 4 vgl. Kien-Hümbert in Moench/Weinmann, § 34 ErbStG Rz. 2 (Stand: November 2015). 5 Vgl. FG Saarl. v. 8.2.1977 – 368/75, EFG 1977, 297. 6 Vgl. Jülicher in T/G/J, § 34 ErbStG Rz. 13 (Stand: Januar 2013); gl. A. Kien-Hümbert in Moench/Weinmann, § 34 ErbStG Rz. 9 (Stand: November 2015). 7 Vgl. Schuck in V/K/S/W4, § 34 ErbStG, Rz. 13. 8 Vgl. Schuck in V/K/S/W4, § 34 ErbStG Rz. 14. 9 Vgl. Schuck in V/K/S/W4, § 34 ErbStG Rz. 7.
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§ 34 ErbStG Rz. 10 Anzeigepflicht der Gerichte, Behörden, Beamten und Notare
II. Anzeigepflichten der Gerichte und der Notare, soweit sie mit gerichtlichen Aufgaben betraut sind (Abs. 2 Nr. 2) 10
Die Gerichte haben dem für die Verwaltung der Erbschaftsteuer zuständigen Finanzamt (§ 35 ErbStG) eine beglaubigte Abschrift der Beschlüsse über die Todeserklärung Verschollener oder über die Feststellung des Todes und der Todeszeit zu übersenden, § 6 Abs. 1 Satz 1 ErbStDV. Wird ein solcher Beschluss angefochten oder eine Aufhebung beantragt, hat das Gericht dies dem Finanzamt anzuzeigen, § 6 Abs. 1 Satz 2 ErbStDV. § 34 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ErbStG spricht neben den Gerichten auch die staatlichen Notare Baden-Württembergs an, da derzeit nur diese entsprechende Zeugnisse erteilen.1
III. Anzeigepflichten der Gerichte, Notare und der deutschen Konsuln (Abs. 2 Nr. 3) 11
Nach § 7 ErbStDV haben Gerichte in Todesfällen umfangreiche Anzeigepflichten (Vgl. § 7 Abs. 1–3 ErbStDV. Nach § 7 Abs. 5 ErbStDV gilt dies entsprechend für Notare (Bezirksnotare) und sonstige Urkundspersonen, soweit ihnen Geschäfte des Nachlassgerichtes übertragen sind. Die Übersendung der in § 7 Abs. 1 ErbStDV erwähnten Abschriften und die Erstattung der dort vorgesehenen Anzeigen dürfen gem. § 7 Abs. 4 ErbStDV unterbleiben, wenn die Annahme berechtigt ist, dass außer Hausrat (einschließlich Wäsche und Kleidungsstücke) im Wert von höchstens 12 000 Euro nur noch anderes Vermögen im reinen Wert von höchstens 20 000 Euro vorhanden ist (Bagatellregelung). Die Anzeige darf ebenso unterbleiben, wenn seit dem Zeitpunkt des Todes des Erblassers mehr als zehn Jahre vergangen sind. Das gilt nicht für Anzeigen über die Abwicklung von Erbauseinandersetzungen.
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Die Anzeigepflicht der Notare bei Schenkfällen ist eine wichtige Informationsquelle für die Finanzverwaltung. Einzelheiten zum Umfang der Anzeigepflichten sind in § 8 Abs. 1 und 2 ErbStDV geregelt. Die Anzeigepflichten erstrecken sich gem. § 8 Abs. 2 ErbStDV auch auf Urkunden über Rechtsgeschäfte, die zum Teil oder der Form nach entgeltlich sind, bei denen aber Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass eine Schenkung oder Zweckzuwendung unter Lebenden vorliegt. Nach § 8 Abs. 3 ErbStDV dürfen die Übersendung einer beglaubigten Abschrift von Schenkungs- und Übergabeverträgen und die Mitteilung der in § 8 Abs. 1 ErbStDV vorgesehenen Angaben unterbleiben, wenn Gegenstand der Schenkung nur Hausrat (einschließlich Wäsche und Kleidungsstücke) im Wert von höchstens 12 000 Euro und anderes Vermögen im reinen Wert von höchstens 20 000 Euro sind (Bagatellregelung).
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Die Gerichte und Notare haben gem. § 8 Abs. 1 Satz 6 ErbStDV zudem bei der Beurkundung von Schenkungen und Zweckzuwendungen unter Lebenden die Beteiligten auf die mögliche Steuerpflicht hinzuweisen und zudem hinsichtlich der anzuzeigenden Informationen zu befragen. Nach Ansicht von Schuck ist die Belehrungspflicht wohl nicht durch die Ermächtigungsgrundlage (§ 36 ErbStG) gedeckt, bei der es nur um Mitteilungspflichten gegenüber dem Finanzamt geht.2 Ebenso sieht Geck für den Notar nur insoweit eine Belehrungsverpflichtung gem. § 17 BeurkG, als es notwendig ist um eine den wahren Willen der Beteiligten entsprechende rechtswirksame Urkunde zu errichten.3 Die steuerlichen Folgen eines notariellen Geschäfts gehörten hingegen nicht zur rechtlichen Tragweite des Geschäfts. Wohl aber habe der Notar auf die mögliche Steuerpflicht hinzuweisen.4 Durch den Hinweis auf eine mögliche Steuerpflicht würden die Beteiligten alarmiert mit der Folge, dass sie einen Steuerberater einschalten.5 Die dem Notar in § 17 Abs. 1 BeurkG auferlegte Belehrungspflicht entsteht nach Auffassung des BGH6 immer dann, wenn er aufgrund besonderer Umstände des Falles Anlass zu der Besorgnis haben muss, einem der Vertragsbeteiligten drohe ein Schaden, weil er sich 1 2 3 4 5 6
Vgl. Schuck in V/K/S/W4, § 34 ErbStG Rz. 8. Vgl. Schuck in V/K/S/W4, § 34 ErbStG Rz. 14. Vgl. Geck in Kapp/Ebeling, § 34 ErbStG Rz. 13 (Stand: April 2004). Vgl. Geck in Kapp/Ebeling, § 34 ErbStG Rz. 15 (Stand: April 2002). Vgl. Geck in Kapp/Ebeling, § 34 ErbStG Rz. 16 (Stand: April 2002). BGH v. 22.4.1980 – VI ZR 96/79, HFR 1981, 285.
866
Grootens
Anzeigepflichtige Vorgänge und anzeigepflichtige Dokumente (Abs. 2)
Rz. 15 § 34 ErbStG
wegen mangelnder Kenntnis der Rechtslage oder von Sachumständen, die die Bedeutung des beurkundeten Rechtsgeschäfts für seine Vermögensverhältnisse beeinflussen, einer Gefährdung dieser Interessen nicht bewusst ist. Die Anzeigepflicht des § 34 Abs. 2 Nr. 3 ErbStG erstreckt sich auch auf die deutschen Konsuln im 14 Ausland. Nach § 9 ErbStDV haben die diplomatischen Vertreter und Konsuln des Bundes dem Bundeszentralamt für Steuern die ihnen bekannt gewordenen Sterbefälle von Deutschen ihres Amtsbezirks und die ihnen bekannt gewordenen Zuwendungen ausländischer Erblasser oder Schenker an Personen, die im Inland einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, anzuzeigen. Letztere Sachverhalte dürften den fraglichen Stellen eher zufällig bekannt werden und somit sicher nicht zu einer flächendeckenden Erfassung solcher Sachverhalte führen.1
IV. Anzeigepflichten der Genehmigungsbehörden (§ 10 ErbStDV) Die Behörden, die Stiftungen anerkennen oder Zuwendungen von Todes wegen und unter Lebenden 15 an juristische Personen und dergleichen genehmigen, haben gem. § 10 ErbStDV dem für die Verwaltung der Erbschaftsteuer zuständigen Finanzamt (§ 35 ErbStG) über solche innerhalb eines Kalendervierteljahres erteilten Anerkennungen oder Genehmigungen unmittelbar nach Ablauf des Vierteljahres eine Nachweisung zu übersenden.
1 Gl. A. Meincke16, § 34 ErbStG Rz. 6.
Grootens
867
§ 35 Örtliche Zuständigkeit (1)1 Örtlich zuständig für die Steuerfestsetzung ist in den Fällen, in denen der Erblasser zur Zeit seines Todes oder der Schenker zur Zeit der Ausführung der Zuwendung ein Inländer war, das Finanzamt, das sich bei sinngemäßer Anwendung des § 19 Abs. 1 und des § 20 der Abgabenordnung ergibt. 2Im Fall der Steuerpflicht nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe b richtet sich die Zuständigkeit nach dem letzten inländischen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt des Erblassers oder Schenkers. (2) Die örtliche Zuständigkeit bestimmt sich nach den Verhältnissen des Erwerbers, bei Zweckzuwendungen nach den Verhältnissen des Beschwerten, zur Zeit des Erwerbs, wenn 1. bei einer Schenkung unter Lebenden der Erwerber, bei einer Zweckzuwendung unter Lebenden der Beschwerte, eine Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse ist oder 2. 1der Erblasser zur Zeit seines Todes oder der Schenker zur Zeit der Ausführung der Zuwendung kein Inländer war. 2Sind an einem Erbfall mehrere inländische Erwerber mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt in verschiedenen Finanzamtsbezirken beteiligt, ist das Finanzamt örtlich zuständig, das zuerst mit der Sache befaßt wird. (3) 1Bei Schenkungen und Zweckzuwendungen unter Lebenden von einer Erbengemeinschaft ist das Finanzamt zuständig, das für die Bearbeitung des Erbfalls zuständig ist. 2Satz 1 gilt auch, wenn eine Erbengemeinschaft aus zwei Erben besteht und der eine Miterbe bei der Auseinandersetzung eine Schenkung an den anderen Miterben ausführt. (4) In den Fällen des § 2 Absatz 1 Nummer 3 und Absatz 3 ist das Finanzamt örtlich zuständig, das sich bei sinngemäßer Anwendung des § 19 Absatz 2 der Abgabenordnung ergibt. Verzeichnis der für die Verwaltung der Erbschaftsteuerund Schenkungsteuer zuständigen Finanzämter Land
Zuständiges Erbschaftsteuer(Schenkungsteuer-)Finanzamt
Bezirk des Erbschaftsteuer(Schenkungsteuer-)Finanzamts
BadenWürttemberg
Aalen Bleichgartenstraße 17 73431 Aalen PLZ-Großk.-Nr. 73428 Aalen
Bezirke der Finanzämter Aalen, Heidenheim, Schorndorf, Schwäbisch Gmünd, Schwäbisch Hall, Ulm und Waiblingen
Freiburg-Land Stefan-Meier-Straße 133 79104 Freiburg PLZ-Großk.-Nr. 79095 Freiburg
Bezirke der Finanzämter Emmendingen, Freiburg-Land, Freiburg-Stadt, Lahr, Lörrach, Müllheim und Offenburg
Karlsruhe-Durlach Prinzessenstraße 2 76227 Karlsruhe PLZ-Großk.-Nr. 76225 Karlsruhe
Bezirke der Finanzämter Baden-Baden, Bruchsal, Calw, Ettlingen, Freudenstadt, Karlsruhe-Durlach, Karlsruhe-Stadt, Mühlacker, Pforzheim und Rastatt
Mosbach Pfalzgraf-Otto-Straße 5 74821 Mosbach Erbschaftsteuerstelle: Albert-Schneider-Straße 1 74731 Walldürn
Bezirke der Finanzämter Heidelberg, Mannheim-Neckarstadt, Mannheim-Stadt, Mosbach, Schwetzingen, Sinsheim und Weinheim
Grootens
869
§ 35 ErbStG Örtliche Zuständigkeit Land
Bayern
870
Grootens
Zuständiges Erbschaftsteuer(Schenkungsteuer-)Finanzamt
Bezirk des Erbschaftsteuer(Schenkungsteuer-)Finanzamts
Reutlingen Leonhardsplatz 1 72764 Reutlingen PLZ-Großk.-Nr. 72705 Reutlingen
Bezirke der Finanzämter Bad Urach, Böblingen, Esslingen, Göppingen, Leonberg, Nürtingen, Reutlingen und Tübingen
Sigmaringen Karlstraße 31 72488 Sigmaringen Postfach 1250 72481 Sigmaringen
Bezirke der Finanzämter Balingen, Biberach, Ehingen, Friedrichshafen, Ravensburg, Sigmaringen, Überlingen und Wangen
Tauberbischofsheim Dr.-Burger-Straße 1 97941 Tauberbischofsheim PLZ-Großk.-Nr. 97933 Tauberbischofsheim Erbschaftsteuerstelle: Außenstelle Bad Mergentheim Schloss 7 97980 Bad Mergentheim PLZ-Großk.-Nr. 97962 Bad Mergentheim
Bezirke der Finanzämter Backnang, Bietigheim-Bissingen, Heilbronn, Ludwigsburg, Öhringen, Stuttgart I, Stuttgart II, Stuttgart III, Stuttgart-Körperschaften und Tauberbischofsheim
Villingen-Schwenningen Weiherstraße 7 78050 Villingen-Schwenningen PLZ-Großk.-Nr. 78045 Villingen-Schwenningen
Bezirke der Finanzämter Konstanz, Rottweil, Singen, Tuttlingen, VillingenSchwenningen und Waldshut-Tiengen
Amberg Kirchensteig 2 92224 Amberg Postfach 1452 92204 Amberg
Bezirke der Finanzämter Amberg, Cham, Hersbruck, Hilpoltstein, Neumarkt i.d.OPf., Nürnberg-Nord, Nürnberg-Süd, NürnbergZentral, Regensburg, Schwabach, Schwandorf, Waldsassen und Weiden i.d.OPf.
Eggenfelden Pfarrkirchnerstraße 71 84307 Eggenfelden Postfach 1160 84301 Eggenfelden
Bezirke der Finanzämter Berchtesgaden-Laufen, Burghausen, Deggendorf, Dingolfing, Ebersberg, Eggenfelden, Grafenau, Kelheim, Landshut, Miesbach, Mühldorf a. Inn, Passau, Rosenheim, Straubing, Traunstein und Zwiesel
Hof Ernst-Reuter-Straße 60 95030 Hof Postfach 1368 95012 Hof
Bezirke der Finanzämter Bamberg, Bayreuth, Coburg, Erlangen, Forchheim, Hof, Kronach, Kulmbach, Lichtenfels und Wunsiedel
Kaufbeuren Remboldstraße 21 87600 Kaufbeuren Postfach 1260 87572 Kaufbeuren
Bezirke der Finanzämter Garmisch-Partenkirchen, Kaufbeuren, Kempten (AIIgäu), Landsberg a. Lech, Lindau (Bodensee), München, Starnberg, Weilheim-Schongau und Wolfratshausen
Lohr am Main Rexrothstraße 14 97816 Lohr am Main Postfach 1465 97804 Lohr am Main
Bezirke der Finanzämter Ansbach, Aschaffenburg, Bad Kissingen, Bad Neustadt a.d. Saale, Fürth, Gunzenhausen, Kitzingen, Lohr a. Main, Obernburg a. Main, Schweinfurt, Uffenheim, Würzburg und Zeil a. Main
Örtliche Zuständigkeit Land
§ 35 ErbStG
Zuständiges Erbschaftsteuer(Schenkungsteuer-)Finanzamt
Bezirk des Erbschaftsteuer(Schenkungsteuer-)Finanzamts
Nördlingen Tändelmarkt 1 86720 Nördlingen Postfach 1521 86715 Nördlingen
Bezirke der Finanzämter Augsburg-Land, Augsburg-Stadt, Dachau, Dillingen a.d. Donau, Eichstätt, Erding, Freising, Fürstenfeldbruck, Günzburg, Ingolstadt, Memmingen, Neu-Ulm, Nördlingen, Pfaffenhofen und Schrobenhausen
Berlin
Berlin-Schöneberg Potsdamer Straße 140 10783 Berlin Erbschaftsteuerstelle: Sarrazinstraße 4 12159 Berlin
Bezirke der Finanzämter Charlottenburg, Friedrichshain-Kreuzberg, Lichtenberg, Marzahn-Hellersdorf, Mitte/Tiergarten, Neukölln, Pankow/Weißensee, Prenzlauer Berg, Reinickendorf, Schöneberg, Spandau, Steglitz, Tempelhof, Treptow-Köpenick, Wedding, Wilmersdorf, Zehlendorf, Finanzamt für Körperschaften I bis IV
Brandenburg
Frankfurt (Oder) MüIlroser Chaussee 53 15236 Frankfurt (Oder)
Bezirke der Finanzämter Angermünde, Brandenburg, Calau, Cottbus, Eberswalde, Frankfurt (Oder), Fürstenwalde, Königs Wusterhausen, Kyritz, Luckenwalde, Nauen, Oranienburg, Potsdam und Strausberg
Bremen
Bremerhaven Schifferstr. 2-8 27568 Bremerhaven Postfach 120242 27516 Bremerhaven
Bezirke der Finanzämter Bremen, Bremen-Nord und Bremerhaven
Hamburg
Finanzamt Hamburg für Verkehrsteuern und Grundbesitz Gorch-Fock-Wall 11 20355 Hamburg Postfach 301721 20306 Hamburg
Bezirke der Finanzämter Hamburg-Altona, Hamburg-Am Tierpark, HamburgBarmbeck-Uhlenhorst, Hamburg-Bergedorf, Hamburg-Eimsbüttel, Hamburg-Hansa, HamburgHarburg, Hamburg-Mitte, Hamburg-NeustadtSt.Pauli, Hamburg-Nord, Hamburg-Oberalster, Hamburg-Wandsbek
Hessen
Fulda Königstraße 2 36037 Fulda Postfach 1346 36003 Fulda
Bezirke der Finanzämter Bad Homburg v. d. Höhe, Bensheim, Darmstadt, Dieburg, Frankfurt am Main I bis IV, Frankfurt/M. V-Höchst, Fulda, Gelnhausen, Groß-Gerau, Hanau, Hofheim, Langen, Limburg-Weilburg, Michelstadt, Offenbach a.M. I, Offenbach a.M. II, RheingauTaunus, Wiesbaden I und II
Kassel II-Hofgeismar Altmarkt 1 34125 Kassel Postfach 101229 34012 Kassel
Bezirke der Finanzämter Eschwege-Witzenhausen, Hersfeld-Rotenburg, Kassel I, Kassel II-Hofgeismar, Korbach-Frankenberg und Schwalm-Eder
Wetzlar Frankfurter Straße 59 35578 Wetzlar Postfach1520 35525 Wetzlar
Bezirke der Finanzämter Alsfeld-Lauterbach, Dillenburg, Friedberg, Gießen, Marburg-Biedenkopf, Nidda und Wetzlar
Ribnitz-Damgarten Sandhufe 3 18311 Ribnitz-Damgarten Postfach 1061 18301 Ribnitz-Damgarten
Bezirke der Finanzämter Greifswald, Güstrow, Hagenow, Malchin, Neubrandenburg, Ribnitz-Damgarten, Rostock, Schwerin, Stralsund, Waren und Wismar
MecklenburgVorpommern
Grootens
871
§ 35 ErbStG Örtliche Zuständigkeit Land
Zuständiges Erbschaftsteuer(Schenkungsteuer-)Finanzamt
Bezirk des Erbschaftsteuer(Schenkungsteuer-)Finanzamts
Niedersachsen
Aurich Hasseburger Straße 3 26603 Aurich Postfach1260 26582 Aurich
Bezirke der Finanzämter Aurich, Emden, Leer (Ostfriesland), Norden und Wittmund
Braunschweig-Altewiekring Altewiekring 20 38102 Braunschweig Postfach 3229 38022 Braunschweig
Bezirke der Finanzämter Braunschweig-Altewiekring, Braunschweig-Wilhelmstraße, Goslar, Helmstedt, Peine und Wolfenbüttel
Hannover-Mitte Lavesallee 10 30169 Hannover Postfach 143 30001 Hannover
Bezirke der Finanzämter Burgdorf, Hameln, Hannover-Land I und II, Hannover-Mitte, Hannover-Nord, Hannover-Süd, Nienburg (Weser), Sulingen, Syke und Stadthagen
Hildesheim Kaiserstraße 47 31134 Hildesheim Postfach 100455 31104 Hildesheim
Bezirke der Finanzämter Alfeld (Leine), Bad Gandersheim, Göttingen, Herzberg am Harz, Hildesheim, Holzminden und Northeim
Lüneburg Am Alten Eisenwerk 4a 21339 Lüneburg Postfach 1540 21305 Lüneburg
Bezirke der Finanzämter Buchholz i.d. Nordheide, Celle, Gifhorn, Lüchow, Lüneburg, Soltau, Uelzen und Winsen (Luhe)
Oldenburg (Oldb.) 91er Straße 4 26121 Oldenburg (Oldb.) Postfach 2445 26014 Oldenburg
Bezirke der Finanzämter Cloppenburg, Delmenhorst, Nordenham, Oldenburg, Vechta, Westerstede und Wilhelmshaven
Osnabrück-Stadt Süsterstraße 48 49074 Osnabrück Postfach 1920 49009 Osnabrück
Bezirke der Finanzämter Bad Bentheim, Lingen (Ems), Osnabrück-Stadt, Osnabrück-Land, Papenburg und Quakenbrück
Stade Harburger Straße 113 21680 Stade Postfach 1340 21677 Stade
Bezirke der Finanzämter Cuxhaven, Osterholz-Scharmbeck, Rotenburg (Wümme), Stade, Verden (Aller), Wesermünde und Zeven
Aachen-Stadt Krefelder Straße 210 52070 Aachen Postfach 101833 52018 Aachen
Bezirke der Finanzämter Aachen-Kreis, Aachen-Stadt, Bonn-Außenstadt, BonnInnenstadt, Düren, Erkelenz, Euskirchen, Geilenkirchen, Jülich, St. Augustin und Schleiden
Arnsberg Rumbecker Straße 36 59821 Arnsberg PLZ-Großk.-Nr. 59818 Arnsberg
Bezirke der Finanzämter Altena, Arnsberg, Brilon, Hagen, Iserlohn, Lippstadt, Lüdenscheid, Meschede, Olpe, Siegen und Soest
NordrheinWestfalen
872
Grootens
Örtliche Zuständigkeit Land
Rheinland-Pfalz
§ 35 ErbStG
Zuständiges Erbschaftsteuer(Schenkungsteuer-)Finanzamt
Bezirk des Erbschaftsteuer(Schenkungsteuer-)Finanzamts
Bochum-Süd Königsallee 21 44789 Bochum Postfach 100764 44707 Bochum
Bezirke der Finanzämter Bochum-Mitte, Bochum-Süd, Bottrop, DortmundHörde, Dortmund-Ost, Dortmund-Unna, DortmundWest, Gelsenkirchen-Nord, Gelsenkirchen-Süd, Hamm, Hattingen, Herne, Marl, Recklinghausen, Schwelm und Witten
Detmold Wotanstraße 8 32756 Detmold PLZ-Großk.-Nr. 32754 Detmold
Bezirke der Finanzämter Bielefeld-Außenstadt, Bielefeld-Innenstadt, Bünde, Detmold, Gütersloh, Herford, Höxter, Lemgo, Lübbecke, Minden, Paderborn, Warburg und Wiedenbrück
Duisburg-West Friedrich-Ebert-Straße 133 47226 Duisburg Postfach 141355 47203 Duisburg
Bezirke der Finanzämter Dinslaken, Duisburg-Hamborn, Duisburg-Süd, Duisburg-West, Essen-NordOst, Essen-Süd, Moers, Mühlheim a.d. Ruhr, Oberhausen-Nord, OberhausenSüd und Wesel
Köln-West Haselbergstraße 20 50931 Köln Postfach 410469 50864 Köln
Bezirke der Finanzämter Bergheim, Bergisch Gladbach, Brühl, Gummersbach, Köln-Altstadt, Köln-Mitte, Köln-Nord, Köln-Ost, Köln-Porz, Köln-Süd, Köln-West, Leverkusen, Siegburg und Wipperfürth
Krefeld Grenzstraße 100 47799 Krefeld Postfach 100665 47706 Krefeld
Bezirke der Finanzämter Geldern, Grevenbroich, Kempen, Kleve, Krefeld, Mönchengladbach, Neuss und Viersen
Münster-Innenstadt Münzstraße 10 48143 Münster Postfach 6103 48136 Münster
Bezirke der Finanzämter Ahaus, Beckum, Borken, Coesfeld, Ibbenbüren, Lüdinghausen, Münster-Außenstadt, MünsterInnenstadt, Steinfurt und Warendorf
Velbert Nedderstraße 38 42549 Velbert Postfach 101310 42513 Velbert
Bezirke der Finanzämter Düsseldorf-Altstadt, Düsseldorf-Mettmann, Düsseldorf-Mitte, Düsseldorf-Nord, Düsseldorf-Süd, Hilden, Remscheid, Solingen, Velbert, Wuppertal-Barmen und Wuppertal-Elberfeld
Koblenz Ferdinand-SauerbruchStraße 19 56073 Koblenz Postfach 709 56007 Koblenz
Bezirke der Finanzämter Altenkirchen-Hachenburg, Bad Kreuznach, Bad Neuenahr-Ahrweiler, Bernkastel-Wittlich, BitburgPrüm, Daun, Idar-Oberstein, Koblenz, Mayen, Montabaur-Diez, Neuwied, Sankt Goarshausen-Sankt Goar, Simmern-Zell und Trier
Kusel-Landstuhl Trierer Straße 46 66869 Kusel Postfach 1251 66864 Kusel
Bezirke der Finanzämter Bingen-Alzey, Frankenthal, Kaiserslautern, Kusel-Landstuhl, Landau, Ludwigshafen, Mainz-Mitte, MainzSüd, Neustadt, Pirmasens-Zweibrücken, SpeyerGermersheim und Worms-Kirchheimbolanden
Grootens
873
§ 35 ErbStG Örtliche Zuständigkeit Land
Zuständiges Erbschaftsteuer(Schenkungsteuer-)Finanzamt
Bezirk des Erbschaftsteuer(Schenkungsteuer-)Finanzamts
Saarland
Saarbrücken Mainzer Straße Mainzer Straße 109-111 66121 Saarbrücken Postfach 100944 66009 Saarbrücken
Bezirke der Finanzämter Homburg, Merzig, Neunkirchen, Saarbrücken Am Stadtgraben, Saarlouis und St. Wendel
Sachsen
Bautzen Wendischer Graben 3 02625 Bautzen PLZ-Großk.-Nr. 02621 Bautzen
Bezirke der Finanzämter Bautzen, Dresden-Nord, Dresden-Süd, Freital, Görlitz, Hoyerswerda, Löbau, Meißen und Pirna
Chemnitz-Mitte Straße der Nationen 2-4 09111 Chemnitz PLZ-Großk.-Nr. 09097 Chemnitz
Bezirke der Finanzämter Annaberg, Chemnitz-Mitte, Chemnitz-Süd, Freiberg, Hohenstein-Ernstthal, Mittweida, Plauen, Schwarzenberg, Stollberg, Zschopau und Zwickau
Leipzig I Wilhelm-Liebknecht-Platz 3-4 04105 Leipzig Postfach 100105 04001 Leipzig
Bezirke der Finanzämter Borna, Döbeln, Eilenburg, Grimma, Leipzig I und II und Oschatz
Sachsen-Anhalt
Staßfurt Atzendorfer Straße 20 39418 Staßfurt Postfach 1355 39404 Staßfurt
Bezirke der Finanzämter Bitterfeld-Wolfen, Dessau-Roßlau, Genthin, Haldensleben, Halle (Saale), Lutherstadt Eisleben, Lutherstadt Wittenberg, Magdeburg, Merseburg, Naumburg, Quedlinburg, Salzwedel, Staßfurt und Stendal
SchleswigHolstein
Kiel-Süd Sophienblatt 74/78 24114 Kiel PLZ-Großk.-Nr. 24095 Kiel
Bezirke der Finanzämter Bad Segeberg, Dithmarschen, Eckernförde-Schleswig, Elmshorn, Flensburg, Itzehoe, Kiel-Nord, Kiel-Süd, Lübeck, Neumünster, Nordfriesland, Ostholstein, Pinneberg, PIön, Ratzeburg, Rendsburg und Stormarn
Thüringen
Gotha Reuterstraße 2a 99867 Gotha Postfach 100301 99853 Gotha vgl. auch Anhang E 5 ErbSt-Handbuch 2013 A. I. II. III. IV. B. I.
II.
874
Grundaussagen der Vorschrift. . . . . . . . . . Regelungsgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . Bedeutung und Telos . . . . . . . . . . . . . . . . . Geltungsbereich und Verhältnis zu anderen Vorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rechtsentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zuständigkeit bei Inländereigenschaft des Erblassers/Schenkers (Abs. 1) . . . . . . . . . . Inländereigenschaft aufgrund Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt (Abs. 1 Satz 1) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Inländereigenschaft für deutsche Staatsangehörige im Ausland ohne inländischen Wohnsitz (Abs. 1 Satz 2) . . . . . . . . . . . . . . .
Grootens
Bezirke der Finanzämter Altenburg, Eisenach, Erfurt, Gera, Gotha, Ilmenau, Jena, Mühlhausen, Pößneck, Sondershausen, Sonneberg und Suhl
1 1 2 4 5 6
6
9
C. Maßgeblichkeit der Verhältnisse des Erwerbers/des Beschwerten (Abs. 2) . . . . . . I. Erwerbe durch oder von Körperschaften, Personengesellschaften oder Vermögensmassen (Abs. 2 Nr. 1). . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Erwerbe vom ausländischen Erblasser oder Schenker (Abs. 2 Nr. 2) . . . . . . . . . . . . . . . . D. Schenkungen und Zweckzuwendungen unter Lebenden von einer Erbengemeinschaft (Abs. 3). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . E. Zuständigkeit bei beschränkter Steuerpflicht und Option auf unbeschränkte Steuerpflicht (Abs. 4) . . . . . . . . . . . . . . . . .
10
10 12
13
15
Grundaussagen der Vorschrift
Rz. 5 § 35 ErbStG
Literatur: Beck, Die Mitwirkung der Betriebsprüfung in Erbschaftsteuerfällen- und Schenkungsteuerfällen, StW 1998, 205; Berg, Zulässigkeit eines Antrags auf verbindliche Auskunft zu Erbschaftsteuerfragen, ZEV 2012, 137; Brüggemann, Option zur unbeschränkten Steuerpflicht und Anrechnung ausländischer Steuern, ErbBstg 2012, 169; Zauner/Berg, Die Zuständigkeitsregelung des § 35 Abs. 3 ErbStG n.F., ZEV 2009, 63.
A. Grundaussagen der Vorschrift I. Regelungsgegenstand Die Vorschrift regelt in Ergänzung der AO, welches FA für die Besteuerung des steuerpflichtigen Vor- 1 gangs zuständig ist. Dazu werden unterschiedliche Regelungen abhängig davon getroffen, ob es sich bei den handelnden Personen um Inländer i.S.d. ErbStG (Vgl. § 2 ErbStG) oder Ausländer handelt und ob es sich um einen Fall der unbeschränkten, beschränkten oder auf Antrag unbeschränkten Steuerpflicht handelt. Die von der AO abweichenden Regelungen waren notwendig, weil bei der Erbschaftsteuer regelmäßig mehrere Beteiligte involviert sind.
II. Bedeutung und Telos Die Vorschrift ist zunächst für die FinVerw. von Bedeutung, weil sie den internen Arbeitsablauf re- 2 gelt. Gleichzeitig ist sie aber für den Steuerpflichtigen und die sonstigen nach §§ 31, 33 und 34 ErbStG anzeige- und erklärungspflichtigen Personen von Bedeutung, da die Anzeigen bzw. die Steuererklärungen an das zuständige FA gerichtet werden müssen, um der Pflicht mit befreiender Wirkung nachzukommen und damit den Beginn der Festsetzungsfrist auszulösen. Somit führt eine Weiterleitung der Unterlagen vom Wohnsitz-FA an das zuständige FA erst bei dortigem Eingang der Unterlagen zu einer wirksamen Abgabe. Dabei kann das zuständige FA unter Umständen räumlich sehr weit entfernt vom Wohnsitz des Steuerpflichtigen und dessen Wohnsitz-FA belegen sein, was mitunter aufwendige Korrespondenz nötig machen wird. Die Vorschrift hat zudem große fiskalische Bedeutung, weil an die Zuständigkeit für die Bearbeitung 3 des Steuerfalls auch die Aufkommenshoheit geknüpft ist. Die Erbschaftsteuer steht vollumfänglich den Ländern zu (Art. 107 Abs. 1 GG). Meincke weist zurecht auf das hochpolitische und eigentümliche Phänomen hin, dass obwohl die Erbschaftsteuer als Bereicherungssteuer ihrer Konzeption nach den Zufluss beim Erwerber besteuert, die Bearbeitung des Steuerfalls und damit das Steueraufkommen im Zweifel dem Land zugewiesen wird, aus dem der Vermögensanfall stammt.1 Da sich dies aufgrund des Wohlstandsgefälles zwischen den einzelnen Regionen Deutschlands zugunsten der reichen Länder auswirke, regt er eine Überprüfung der Grundstruktur des § 35 ErbStG an.
III. Geltungsbereich und Verhältnis zu anderen Vorschriften Die Vorschrift schafft in Ergänzung der Vorschriften der Abgabenordnung Regelungen zur Zustän- 4 digkeit. Zu diesem Zweck wird weitestgehend auf die Vorschriften der §§ 19 und 20 AO Bezug genommen. Ebenso gelten darüber hinaus die allgemeinen Vorschriften der Abgabenordnung, soweit § 35 ErbStG keine abweichende Regelung trifft. So können z.B. die Regelungen der §§ 25 und 28 AO angewendet werden, wenn sich der wertvollste Teil des Vermögens nicht eindeutig ermitteln lässt und dadurch ein Zuständigkeitsstreit entsteht.2
IV. Rechtsentwicklung Der § 35 ErbStG ist durch Übernahme der entsprechenden Vorschrift der Abgabenordnung (§ 74 5 AO a.F.) im Rahmen des Steuerreformgesetzes von 1974 in das ErbStG aufgenommen worden. Mit 1 Vgl. Meincke16, § 35 ErbStG Rz. 1. 2 Vgl. Jochum in Wilms/Jochum, § 35 ErbStG Rz. 6 (Stand: März 2015).
Grootens
875
§ 35 ErbStG Rz. 6 Örtliche Zuständigkeit dem Erbschaftsteuerreformgesetz1 wurde mit Wirkung ab dem 1.1.2009 die Zuständigkeitsfiktion in Abs. 3 aufgehoben. Gleichzeitig wurde die Ausweitung des Abs. 3 auf den Fall eingeführt, dass eine Erbengemeinschaft aus zwei Erben besteht und der eine Miterbe bei der Auseinandersetzung eine Schenkung an den anderen Miterben ausführt. Die letzte Änderung wurde durch das Beitreibungsrichtlinie-Umsetzungsgesetz2 vorgenommen und betrifft die Ausweitung der Anwendung des Abs. 4 auf Fälle der Option auf unbeschränkte Steuerpflicht gem. § 2 Abs. 3 ErbStG.
B. Zuständigkeit bei Inländereigenschaft des Erblassers/Schenkers (Abs. 1) I. Inländereigenschaft aufgrund Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt (Abs. 1 Satz 1) 6 War der Erblasser zur Zeit seines Todes oder der Schenker zur Zeit der Ausführung der Zuwendung
ein Inländer (vgl. § 2 ErbStG), ist das Finanzamt zuständig, das sich bei sinngemäßer Anwendung des § 19 Abs. 1 und des § 20 AO ergibt. Somit entscheiden regelmäßig der Wohnsitz (§ 8 AO) oder der gewöhnliche Aufenthalt (§ 9 AO) des Erblassers oder Schenkers über die Zuständigkeit. Zuständig ist das zentralisierte ErbSt-FA, in dessen Bezirk der Wohnsitz bzw. gewöhnliche Aufenthalt fällt. Bei mehrfachem Wohnsitz ist der Wohnsitz maßgebend, an dem sich der Erblasser/Schenker überwiegend aufgehalten hat. Bei der Festlegung der Zuständigkeit ist auf den Zeitpunkt des Todes des Erblassers bzw. der Zeitpunkt der Ausführung der Zuwendung abzustellen, ein späterer Wohnsitzwechsel des Schenkers ist somit unerheblich.3 7 Handelt es sich bei dem Schenker um eine Körperschaft, eine Personenvereinigung oder eine Ver-
mögensmasse, so ist das Finanzamt örtlich zuständig, in dessen Bezirk sich die Geschäftsleitung befindet. Befindet die Geschäftsleitung sich nicht im Geltungsbereich des Gesetzes oder lässt sich der Ort der Geschäftsleitung nicht feststellen, so ist das Finanzamt örtlich zuständig, in dessen Bezirk die Körperschaft usw. ihren Sitz hat.4 Ist weder die Geschäftsleitung noch der Sitz im Geltungsbereich des Gesetzes, so ist das Finanzamt örtlich zuständig, in dessen Bezirk sich das Vermögen der Körperschaft usw. befindet, und wenn dies für mehrere Finanzämter zutrifft, das Finanzamt, in dessen Bezirk sich der wertvollste Teil des Vermögens befindet. Liegt keines der vorgenannten Merkmale vor, so ist das Finanzamt örtlich zuständig, in dessen Bezirk die Tätigkeit im Geltungsbereich des Gesetzes vorwiegend ausgeübt oder verwertet wird oder worden ist. 8 Kien-Hümbert weist darauf hin, dass diese Regelung im Fall der Nacherbschaft zu Unklarheiten füh-
ren kann.5 Dass der Nacherbe nach § 6 Abs. 2 Satz 1 ErbStG das übergehende Vermögen als vom Vorerben stammend zu versteuern hat, spreche dafür, das zuständige Finanzamt nach dem Wohnsitz des Vorerben zu bestimmen. Dies gelte zumindest dann, wenn auch eigenes Vermögen des Vorerben auf den Nacherben übergeht. In den Fällen, in denen ausschließlich Vermögen vom ursprünglichen Erblasser übergeht, sprächen hingegen pragmatische Gründe dafür, das ursprünglich zuständige Finanzamt nach dem Wohnsitz des Erblassers auch weiterhin als zuständig anzusehen, weil es die bessere Kenntnis über das Erblasservermögen habe.
II. Inländereigenschaft für deutsche Staatsangehörige im Ausland ohne inländischen Wohnsitz (Abs. 1 Satz 2) 9 Als Inländer gelten gem. § 2 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 Buchst. b ErbStG auch deutsche Staatsangehörige,
die sich nicht länger als fünf Jahre dauernd im Ausland aufgehalten haben, ohne im Inland einen
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ErbStRG v. 24.12.2008, BGBl. I 2008, 3018. BeitrRLUmsG v. 7.12.2011, BGBl. I 2011, 2592. Vgl. Geck in Kapp/Ebeling, § 35 ErbStG Rz. 1 (Stand: November 2009). Vgl. Schuck in V/K/S/W4, § 35 ErbStG Rz. 3. Vgl. Kien-Hümbert in Moench/Weinmann, § 35 ErbStG Rz. 3a (Stand: April 2014).
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Maßgeblichkeit der Verhältnisse des Erwerbers/des Beschwerten (Abs. 2)
Rz. 11 § 35 ErbStG
Wohnsitz zu haben. In diesem Fall richtet sich nach § 35 Abs. 1 Satz 2 ErbStG die Zuständigkeit nach dem letzten inländischen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt des Erblassers oder Schenkers.
C. Maßgeblichkeit der Verhältnisse des Erwerbers/des Beschwerten (Abs. 2) I. Erwerbe durch oder von Körperschaften, Personengesellschaften oder Vermögensmassen (Abs. 2 Nr. 1) Die örtliche Zuständigkeit bestimmt sich nach den Verhältnissen des Erwerbers (bei Zweckzuwen- 10 dungen nach den Verhältnissen des Beschwerten) zur Zeit des Erwerbs, wenn bei einer Schenkung unter Lebenden der Erwerber (bei einer Zweckzuwendung unter Lebenden der Beschwerte) eine Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse ist. In diesem Fall greift Abs. 1 auch dann nicht, wenn der Schenker ein Inländer war. Vielmehr ist der Sitz der Geschäftsleitung oder der Sitz (§ 20 AO) der Körperschaft, Personengesellschaft oder Vermögensmasse maßgebend. Grund für diese abweichende Regelung ist die zügige Prüfung der Steuerpflicht der Vorgänge durch die zuständigen FA, die so die Steuerbefreiung nach § 13 Abs. 1 Nr. 16 ErbStG für diese im Regelfall gemeinnützigen Organisationen aufgrund der regelmäßig an diese Organisationen gerichteten Zuwendungen schnell prüfen kann.1 Bei Anwendung des Abs. 1 hingegen hätte das ErbSt-FA erst Rücksprache mit dem Sitz-FA der Körperschaft, Personengesellschaft oder Vermögensmasse halten müssen, um diese Frage abschließend beantworten zu können. Fraglich ist, ob diese Regelung auch für den Anwendungsbereich des § 7 Abs. 8 ErbStG für verdeckte 11 Einlagen und die nach Auffassung der FinVerw. nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG steuerpflichtigen verdeckten Gewinnausschüttungen gilt, soweit diese Vorgänge nach Auffassung der FinVerw. eine Zuwendung an die Gesellschaft darstellen.2 Nach der gegenteiligen Auffassung des BFH gibt es im Verhältnis einer Kapitalgesellschaft zu ihren Gesellschaftern oder zu den Gesellschaftern einer an ihr beteiligten Kapitalgesellschaft neben betrieblich veranlassten Rechtsbeziehungen lediglich offene und verdeckte Gewinnausschüttungen sowie Kapitalrückzahlungen, aber keine freigebigen Zuwendungen.3 Die FinVerw. hat bezüglich Zuwendungen durch die Gesellschaft in den gleich lautenden Erlassen4 v. 14.3.2012 folgende Regelung zur Zuständigkeit getroffen, ohne dass § 35 ErbStG diesbezüglich geändert wurde: Das für die Besteuerung der Zuwendung einer Kapitalgesellschaft oder Genossenschaft zuständige Erbschaftsteuerfinanzamt hat sich für Zwecke der Anwendung des § 15 Abs. 4 ErbStG mit dem Erbschaftsteuerfinanzamt in Verbindung zu setzen, das für die Besteuerung einer Direktzuwendung des veranlassenden Gesellschafters nach § 35 ErbStG zuständig wäre. Das letztgenannte Finanzamt teilt dem für die Besteuerung zuständigen Finanzamt die Vorschenkungen und die für die Zusammenrechnung notwendigen Informationen mit und ist in ein etwaiges Rechtsbehelfsverfahren, soweit es um die Anwendung des § 15 Abs. 4 ErbStG geht, von dem zuständigen Finanzamt im Wege der Amtshilfe einzubinden. Zum Zweck der künftigen zutreffenden Zusammenrechnung aller Vorerwerbe i.S.d. § 14 ErbStG sind die Erkenntnisse bei dem Finanzamt zusammenzuführen, das für eine Direktzuwendung des veranlassenden Gesellschafters zuständig wäre. Das für die Besteuerung der Zuwendung der Kapitalgesellschaft oder Genossenschaft zuständige Finanzamt teilt diesem daher die insoweit benötigten Veranlagungsdaten mit. Zudem haben alle beteiligten Finanzämter einander zeitnah über eventuell später eintretende Änderungen zu unterrichten, die Auswirkungen im Rahmen des § 14 ErbStG haben können.
1 Vgl. Meincke16, § 35 ErbStG Rz. 4. 2 Vgl. dazu ausf. die gleich lautenden Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder v. 14.3.2012 (Schenkungen unter Beteiligung von Kapitalgesellschaften oder Genossenschaften), BStBl. I 2012, 331. 3 BFH v. 30.1.2013 – II R 6/12, BStBl. II 2013, 930 = FR 2013, 557 m. Anm. Keß = ErbStB 2013, 136. 4 Vgl. die gleich lautenden Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder v. 14.3.2012 (Schenkungen unter Beteiligung von Kapitalgesellschaften oder Genossenschaften), BStBl. I 2012, 331 – Tz. 6.5.
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§ 35 ErbStG Rz. 12 Örtliche Zuständigkeit
II. Erwerbe vom ausländischen Erblasser oder Schenker (Abs. 2 Nr. 2) 12
Ebenfalls bestimmt sich die örtliche Zuständigkeit nach den Verhältnissen des Erwerbers zur Zeit des Erwerbs (bei Zweckzuwendungen nach den Verhältnissen des Beschwerten zur Zeit des Erwerbs), wenn der Erblasser zur Zeit seines Todes oder der Schenker zur Zeit der Ausführung der Zuwendung kein Inländer i.S.d. § 2 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 ErbStG war. Sind an einem Erbfall mehrere inländische Erwerber mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt in verschiedenen Finanzamtsbezirken beteiligt, ist nach § 35 Abs. 2 Nr. 2 Satz 2 ErbStG das Finanzamt örtlich zuständig, das zuerst mit der Sache befasst wird. In diesem Fall wickelt dieses FA sämtliche Erwerbe ab, es tritt folglich an die Stelle des nach Abs. 1 anhand des Wohnsitzes oder gewöhnlichen Aufenthalts des Erblassers oder Schenkers zuständigen FA. Nach Ansicht von Meincke soll diese Regelung auch für mehrere Schenkungsbeteiligte gelten, auch wenn dieser Sachverhalt vom Wortlaut der Regelung nicht erfasst wird.1 KienHümbert verweist unter Hinweis auf die an die Zuständigkeit gekoppelte Verschiebung des Steueraufkommens auf die Möglichkeit einer Zuständigkeitsvereinbarung nach § 27 AO.2
D. Schenkungen und Zweckzuwendungen unter Lebenden von einer Erbengemeinschaft (Abs. 3) 13
Bei Schenkungen und Zweckzuwendungen unter Lebenden von einer Erbengemeinschaft ist das Finanzamt zuständig, das für die Bearbeitung des Erbfalls zuständig ist. Erfasst sind davon Fälle, in denen die Erben aus dem Vermögen der Erbengemeinschaft als Gesamthandsgemeinschaft eine Schenkung ausführen. Grund für diese Regelung ist die Sachnähe des bereits mit dem Erbfall und somit mit den im Nachlass befindlichen Vermögensgegenständen betrauten FA. Neben Schenkungen an Dritte bei fortgesetzten Erbengemeinschaften sind in der Praxis von dieser Regelung insbesondere Konstellationen betroffen, in denen ein oder mehrere Erben bei der Erbauseinandersetzung mehr erhalten, als ihnen eigentlich nach der Erbquote zusteht. Die Regelung gilt nach § 35 Abs. 3 Satz 2 auch in den Fällen, in denen eine Erbengemeinschaft aus zwei Erben besteht und der eine Miterbe bei der Auseinandersetzung eine Schenkung an den anderen Miterben ausführt.
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Strittig ist, ob Übertragungen von Erbanteilen in den Anwendungsbereich des § 35 Abs. 3 ErbStG fallen.3 Nach Auffassung von Kien-Hümbert fällt nur die unentgeltliche Übertragung eines Erbanteils unter Erben in die Zuständigkeitsregelung des Abs. 3.4 Demgegenüber soll nach ihrer Auffassung die Zuständigkeit nach Abs. 1 ermittelt werden, wenn ein Miterbe seinen Erbanteil unentgeltlich auf einen nicht an der Erbengemeinschaft beteiligten Dritten überträgt.5
E. Zuständigkeit bei beschränkter Steuerpflicht und Option auf unbeschränkte Steuerpflicht (Abs. 4) 15
In den Fällen der beschränkten Steuerpflicht (§ 2 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG) und der Option auf unbeschränkte Steuerpflicht (§ 2 Abs. 3 ErbStG) ist mangels inländischem Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt der Beteiligten das Finanzamt örtlich zuständig, das sich bei sinngemäßer Anwendung des § 19 Abs. 2 AO ergibt. Somit ist das FA zuständig, in dessen Zuständigkeitsbereich sich der wertvollste Teil des zugewendeten Vermögens befindet. Gegebenenfalls werden hierüber Zuständigkeitsstreitigkeiten entstehen, die nach § 28 i.V.m. § 25 Satz 2 AO von den fachlich zuständigen Aufsichtsbehörden (die Oberfinanzdirektionen oder die Finanzministerien) zu lösen sind. Jochum regt an, die Wertangaben des Steuerpflichtigen in diesem Fall zur Entscheidungsgrundlage zu machen.6 Vgl. Meincke16, § 35 ErbStG Rz. 5. Vgl. Kien-Hümbert in Moench/Weinmann, § 35 ErbStG Rz. 5 (Stand: April 2014). Vgl. Geck in Kapp/Ebeling, § 35 ErbStG Rz. 9.1 (Stand: November 2009). Vgl. Kien-Hümbert in Moench/Weinmann, § 35 ErbStG Rz. 7 (Stand: April 2014). Krit. dazu Zauner/Berg, ZEV 2009, 63, der beide Fallgestaltungen unter § 35 ErbStG subsumiert; a.A. Schuck in V/K/S/W4, § 35 ErbStG Rz. 5, da der Wortlaut der Regelung dies nicht hergebe. 6 Vgl. Jochum in Wilms/Jochum, § 35 ErbStG Rz. 15 (Stand: März 2015).
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Zuständigkeit bei beschränkter Steuerpflicht
Rz. 16 § 35 ErbStG
Bei Anwendung der Option auf unbeschränkte Steuerpflicht gem. § 2 Abs. 3 ErbStG sind unter An- 16 wendung des § 14 ErbStG auch Erwerbe in die unbeschränkte Steuerpflicht einzubeziehen, die dem Antragserwerb zeitlich voran- oder nachgehen. Eine gesetzliche Regelung für diese Erwerbe fehlt. Die FinVerw. hat die Zuständigkeit bezüglich dieser einzubeziehenden Erwerbe in gleich lautenden Ländererlassen1 v. 15.3.2012 wie folgt geregelt: Die örtliche Zuständigkeit bei unbeschränkter Steuerpflicht auf Grund eines Antrags nach § 2 Abs. 3 ErbStG richtet sich nach § 35 Abs. 4 ErbStG. Örtlich zuständig ist nach sinngemäßer Anwendung des § 19 Abs. 2 AO das Finanzamt, in dessen Bezirk sich das erworbene inländische Vermögen und, wenn dies für mehrere Finanzämter zutrifft, in dessen Bezirk sich der wertvollste Teil des Vermögens befindet. Hinsichtlich der Zuständigkeit für vorangegangene oder nachfolgende Erwerbe, die auf Grund des Antrags ebenfalls als unbeschränkt steuerpflichtig zu behandeln sind, gilt das Folgende: a) Gehört zu dem Erwerb kein Inlandsvermögen, ist für die Besteuerung das Finanzamt zuständig, das für die Besteuerung des Erwerbs, für den der Antrag gestellt wurde, zuständig ist. b) Gehört zu dem Erwerb Inlandsvermögen, ist für die Besteuerung das Finanzamt zuständig, das für die Besteuerung des beschränkt steuerpflichtigen Erwerbs zuständig ist oder sein würde. Das für den gegenwärtigen Erwerb zuständige Finanzamt hat das für einen früheren Erwerb zuständige Finanzamt darüber zu unterrichten, dass auf Grund des Antrags eine Änderung der Steuerpflicht eingetreten ist.
1 Gleich lautende Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder v. 15.3.2012 (Anwendung des § 2 Abs. 3 ErbStG), BStBl. I 2012, 328 – Tz. 7.
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Fünfter Abschnitt Ermächtigungs- und Schlussvorschriften
§ 36 Ermächtigungen (1) Die Bundesregierung wird ermächtigt, mit Zustimmung des Bundesrates 1. zur Durchführung dieses Gesetzes Rechtsverordnungen zu erlassen, soweit dies zur Wahrung der Gleichmäßigkeit bei der Besteuerung, zur Beseitigung von Unbilligkeiten in Härtefällen oder zur Vereinfachung des Besteuerungsverfahrens erforderlich ist, und zwar über a) die Abgrenzung der Steuerpflicht, b) die Feststellung und die Bewertung des Erwerbs von Todes wegen, der Schenkungen unter Lebenden und der Zweckzuwendungen, auch soweit es sich um den Inhalt von Schließfächern handelt, c) die Steuerfestsetzung, die Anwendung der Tarifvorschriften und die Steuerentrichtung, d) die Anzeige- und Erklärungspflicht der Steuerpflichtigen, e) die Anzeige-, Mitteilungs- und Übersendungspflichten der Gerichte, Behörden, Beamten und Notare, der Versicherungsunternehmen, der Vereine und Berufsverbände, die mit einem Versicherungsunternehmen die Zahlung einer Versicherungssumme für den Fall des Todes ihrer Mitglieder vereinbart haben, der geschäftsmäßigen Verwahrer und Verwalter fremden Vermögens, auch soweit es sich um in ihrem Gewahrsam befindliche Vermögensgegenstände des Erblassers handelt, sowie derjenigen, die auf den Namen lautende Aktien oder Schuldverschreibungen ausgegeben haben; 2. Vorschriften durch Rechtsverordnung zu erlassen über die sich aus der Aufhebung oder Änderung von Vorschriften dieses Gesetzes ergebenden Rechtsfolgen, soweit dies zur Wahrung der Gleichmäßigkeit der Besteuerung oder zur Beseitigung von Unbilligkeiten in Härtefällen erforderlich ist. (2) Das Bundesministerium der Finanzen wird ermächtigt, den Wortlaut dieses Gesetzes und der zu diesem Gesetz erlassenen Durchführungsverordnung in der jeweils geltenden Fassung satzweise nummeriert mit neuem Datum und neuer Paragraphenfolge bekanntzumachen und dabei Unstimmigkeiten des Wortlauts zu beseitigen.
§ 12 ErbStDV Anwendung der Verordnung (1) Diese Verordnung in der Fassung des Artikels 5 der Verordnung vom 17. November 2010 (BGBl. I S. 1544) ist auf Erwerbe anzuwenden, für die die Steuer nach dem 31. Dezember 2010 entsteht. (2) § 7 Absatz 3 Nummer 2 und die Muster 3 und Muster 5 in der Fassung des Artikels 16 des Gesetzes vom 18. Juli 2014 (BGBl. I S. 1042) sind auf Erwerbe anzuwenden, für die die Steuer nach dem 23. Juli 2014 entsteht.
§ 13 ErbStDV Inkrafttreten, Außerkrafttreten Diese Verordnung tritt am 1. August 1998 in Kraft.
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§ 36 ErbStG Rz. 1 Ermächtigungen A. I. II. III.
Grundaussagen der Vorschrift. . . . . . . . . . Regelungsgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . Bedeutung und Telos . . . . . . . . . . . . . . . . . Geltungsbereich und Verhältnis zu anderen Vorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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IV. Rechtsentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Erlass von Rechtsverordnungen zur Umsetzung des ErbStG in der Praxis (Abs. 1). .
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C. Erlass von Rechtsverordnungen zur Beseitigung von Unstimmigkeiten (Abs. 2) . . . . .
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Literatur: Klöckner Die Anzeigepflichten der Notare gem. § 34 ErbStG, ZEV 2011, 299; Schuck, Die Änderung der Erbschaftsteuer-Durchführungsverordnung, ZEV 1999, 99; Wachter, Muss der Notar auf eine mögliche Schenkungssteuerpflichtigkeit hinweisen?, DNotZ 2010, 314.
A. Grundaussagen der Vorschrift I. Regelungsgegenstand 1 Die Vorschrift schafft umfassende Ermächtigungen zugunsten der Bundesregierung, Rechtsverord-
nungen zu erlassen, um das ErbStG in der Praxis umsetzen zu können. Der Erlass einer Rechtsverordnung muss entweder – zur Wahrung einer gleichmäßigen Besteuerung, – zur Beseitigung von Unbilligkeiten in Härtefällen oder – zur Vereinfachung des Besteuerungsverfahrens erforderlich sein. In der Praxis bedeutet die eingeschränkte Justiziabilität dieser Begriffe jedoch keine nennenswerten Beschränkungen.1 Die Bundesregierung hat durch den Erlass der ErbStDV von dieser Ermächtigung Gebrauch gemacht.
II. Bedeutung und Telos 2 Zur Verwirklichung der o.g. Ziele enthält die Vorschrift in § 36 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG fünf konkrete
Regelungsmöglichkeiten. Konkret sind dies 1. die Abgrenzung der Steuerpflicht, 2. die Feststellung und die Bewertung des Erwerbs von Todes wegen, der Schenkungen unter Lebenden und der Zweckzuwendungen, auch soweit es sich um den Inhalt von Schließfächern handelt, 3. die Steuerfestsetzung, die Anwendung der Tarifvorschriften und die Steuerentrichtung, 4. die Anzeige- und Erklärungspflicht der Steuerpflichtigen und 5. die Anzeige-, Mitteilungs- und Übersendungspflichten der Gerichte, Behörden, Beamten und Notare, der Versicherungsunternehmen, der Vereine und Berufsverbände, der geschäftsmäßigen Verwahrer und Verwalter fremden Vermögens. Hinsichtlich der Anzeige- und Mitteilungspflichten wurden in der ErbStDV zahlreiche Regelungen getroffen (vgl. die Regelungen in der ErbStDV zu §§ 33 und 34 ErbStG). 3 Darüber hinaus ist in Abs. 1 Nr. 2 ErbStG eine Ermächtigung zum Erlass einer Rechtsverordnung
über die sich aus der Aufhebung oder Änderung von Vorschriften dieses Gesetzes ergebenden Rechtsfolgen geschaffen worden, soweit dies zur Wahrung der Gleichmäßigkeit der Besteuerung oder zur Beseitigung von Unbilligkeiten in Härtefällen erforderlich ist. 4 In § 36 Abs. 2 ErbStG ist eine Ermächtigung zugunsten des BMF geschaffen worden, den Wortlaut
des ErbStG und der ErbStDV in der jeweils geltenden Fassung satzweise nummeriert mit neuem Datum und neuer Paragraphenfolge bekanntzumachen und dabei Unstimmigkeiten des Wortlauts zu beseitigen, ohne dafür ein formelles Gesetzgebungsverfahren anstreben zu müssen. Aufgrund der Häufigkeit der Änderungen des Steuerrechts sind in der Vergangenheit immer wieder Unstimmigkeiten im Wortlaut oder falsche Verweise aufgetreten, die durch diese Möglichkeit der Korrektur be1 Vgl. Kau in Wilms/Jochum, § 36 ErbStG Rz. 2 (Stand: Dezember 2010).
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Erlass von Rechtsverordnungen zur Beseitigung von Unstimmigkeiten (Abs. 2)
Rz. 8 § 36 ErbStG
seitigt werden können. Dabei muss sich die Korrektur auf rein redaktionelle Fehler beschränken, materiell-rechtliche Änderungen hingegen sind unzulässig.1
III. Geltungsbereich und Verhältnis zu anderen Vorschriften Die Vorschrift des § 36 ErbStG ist Ermächtigungsgrundlage für den Erlass der ErbStDV,2 die rück- 5 wirkend zum 1.8.1998 in Kraft getreten ist. Die ErbStDV regelt in §§ 1–3 ErbStDV Einzelheiten zur Anwendung des § 33 ErbStG und in den §§ 4–11 ErbStDV Einzelheiten zur Anwendung des § 34 ErbStG.
IV. Rechtsentwicklung Der § 36 ErbStG besteht in seiner grundsätzlichen Form bereits seit 1974 und wurde mehrfach3 an 6 den aktuellen Bedarf der per Rechtsverordnung zu regelnden Inhalte angepasst. Zuletzt wurde die Ermächtigung der satzweisen Nummerierung in den Abs. 2 eingefügt, die zur Einführung der amtlichen Satznummerierung4 benötigt wurde.
B. Erlass von Rechtsverordnungen zur Umsetzung des ErbStG in der Praxis (Abs. 1) Die Aufgrund der Ermächtigung des § 36 Abs. 1 ErbStG erlassene ErbStDV vom 8.9.1998 ist zum 7 1.8.1998 rückwirkend in Kraft getreten. Sie enthält zahlreiche Detailregelungen zur Anzeigepflicht. Konkret regelt die Verordnung in §§ 1–3 ErbStDV Einzelheiten zur Anwendung des § 33 ErbStG (Anzeigepflichten der Vermögensverwahrer, Vermögensverwalter und Versicherungsunternehmen) und in den §§ 4–11 ErbStDV Einzelheiten zur Anwendung des § 34 ErbStG (Anzeigepflichten der Gerichte, Behörden, Beamten und Notare). Eine mit der Neufassung einhergehende Erweiterung der Pflichten wird mit der notwendigen Beseitigung des Informationsdefizits der FinVerw. aufgrund des Wegfalls der Vermögenssteuer begründet.5 Nach Ansicht von Meincke fehlt es für die für Notare eingeführten Hinweis- und Befragungspflichten gegenüber ihrer Mandantschaft an einer ausreichenden Ermächtigung in § 36 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b ErbStG.6 Diese lassen sich nach Auffassung von Kau im Rahmen einer am Wortlaut der Bestimmung orientierten Auslegung jedoch unter die Ermächtigung nach § 36 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. e ErbStG zum Zwecke der Steuerfestsetzung (§ 36 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. c ErbStG) subsumieren.7
C. Erlass von Rechtsverordnungen zur Beseitigung von Unstimmigkeiten (Abs. 2) Die Möglichkeit einer redaktionellen Korrektur umfasst nicht das Recht, vom Abdruck geltender 8 Bestimmungen abzusehen oder materiell-rechtliche Änderungen am ErbStG oder der ErbStDV durchzuführen. Die Grenze zur unzulässigen Gesetzesänderung wird nach Ansicht von Kau regelmäßig dort überschritten, wo eine bestehende materiell-rechtliche Regelung dergestalt abgeändert
1 Vgl. Kau in Wilms/Jochum, § 36 ErbStG Rz. 2 (Stand: Dezember 2010). 2 ErbStDV v. 8.9.1998 (BGBl. I 1998, 2658), zuletzt geändert durch Art. 27 JStG 2010 v. 8.12.2010 (BGBl. I 2010, 1768). 3 Durch das Missbrauchsbekämpfungs- und Steuerbereinigungsgesetz v. 21.12.1993 (BGBl. I 1993, 2310) (StMBG) und das JStG 1997 v. 20.12.1996 (BGBl. I 1996, 2049). 4 Neubekanntmachung des ErbStG v. 27.2.1997, BGBl. I 1997, 379. 5 Vgl. Meincke15, § 36 ErbStG Rz. 1 sowie Jülicher in T/G/J, § 36 ErbStG Rz. 1. 6 Vgl. Meincke15, § 36 ErbStG Rz. 1, gl. A. Wachter, DNotZ 2010, 314. 7 Vgl. Kau in Wilms/Jochum, § 36 ErbStG Rz. 11 (Stand: Dezember 2010).
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§ 36 ErbStG Rz. 8 Ermächtigungen wird, dass sie eine neue oder zusätzliche Regelung erhält oder eine bestehende Regelung aufhebt.1 Die Nichtveröffentlichung des Wortlauts der §§ 38 und 39 ErbStG in der Neufassung des ErbStG vom 18.2.19912 war von der Ermächtigung des § 36 Abs. 2 ErbStG nicht gedeckt.3 Zwischenzeitlich sind diese Vorschriften auch förmlich aufgehoben worden.4
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Vgl. Kau in Wilms/Jochum, § 36 ErbStG Rz. 7 (Stand: Dezember 2010). BGBl. I 1991, 468. Vgl. Meincke15, § 36 ErbStG Rz. 2. § 38 ErbStG durch das StÄndG 1992 v. 25.2.1992 (BGBl. I 1992, 297) und § 39 ErbStG durch das JStG 1997 v. 20.12.1996 (BGBl. I 1996, 2049).
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§ 37 Anwendung des Gesetzes (1) Dieses Gesetz in der Fassung des Artikels 6 des Gesetzes vom 22. Dezember 2009 (BGBl. I S. 3950) findet auf Erwerbe Anwendung, für die die Steuer nach dem 31. Dezember 2009 entsteht. (2) 1In Erbfällen, die vor dem 31. August 1980 eingetreten sind, und für Schenkungen, die vor diesem Zeitpunkt ausgeführt worden sind, ist weiterhin § 25 in der Fassung des Gesetzes vom 17. April 1974 (BGBl. I S. 933) anzuwenden, auch wenn die Steuer infolge Aussetzung der Versteuerung nach § 25 Abs. 1 Buchstabe a erst nach dem 30. August 1980 entstanden ist oder entsteht. 2In Erbfällen, die vor dem 1. Januar 2009 eingetreten sind, und für Schenkungen, die vor diesem Zeitpunkt ausgeführt worden sind, ist weiterhin § 25 Abs. 1 Satz 3 und Abs. 2 in der Fassung der Bekanntmachung vom 27. Februar 1997 (BGBl. I S. 378) anzuwenden. (3) 1Die §§ 13a und 19a Absatz 5 in der Fassung des Artikels 6 des Gesetzes vom 22. Dezember 2009 (BGBl. I S. 3950) finden auf Erwerbe Anwendung, für die die Steuer nach dem 31. Dezember 2008 entsteht. 2§ 13a in der Fassung des Artikels 6 des Gesetzes vom 22. Dezember 2009 (BGBl. I S. 3950) ist nicht anzuwenden, wenn das begünstigte Vermögen vor dem 1. Januar 2011 von Todes wegen oder durch Schenkung unter Lebenden erworben wird, bereits Gegenstand einer vor dem 1. Januar 2007 ausgeführten Schenkung desselben Schenkers an dieselbe Person war und wegen eines vertraglichen Rückforderungsrechts nach dem 11. November 2005 herausgegeben werden musste. (4) § 13 Absatz 1 Nummer 1, § 13b Absatz 2 Satz 6 und 7 und Absatz 3, § 15 Absatz 1, § 16 Absatz 1 und § 17 Absatz 1 Satz 1 in der Fassung des Artikels 14 des Gesetzes vom 8. Dezember 2010 (BGBl. I S. 1768) sind auf Erwerbe anzuwenden, für die die Steuer nach dem 13. Dezember 2010 entsteht. (5) Soweit Steuerbescheide für Erwerbe von Lebenspartnern noch nicht bestandskräftig sind, ist 1. § 15 Absatz 1 in der Fassung des Artikels 14 des Gesetzes vom 8. Dezember 2010 (BGBl. I S. 1768) auf Erwerbe, für die die Steuer nach dem 31. Juli 2001 entstanden ist, anzuwenden; 2. § 16 Absatz 1 Nummer 1 in der Fassung des Artikels 14 des Gesetzes vom 8. Dezember 2010 (BGBl. I S. 1768) auf Erwerbe, für die die Steuer nach dem 31. Dezember 2001 und vor dem 1. Januar 2009 entstanden ist, mit der Maßgabe anzuwenden, dass an die Stelle des Betrages von 500 000 Euro ein Betrag von 307 000 Euro tritt; 3. § 16 Absatz 1 Nummer 1 in der Fassung des Artikels 14 des Gesetzes vom 8. Dezember 2010 (BGBl. I S. 1768) auf Erwerbe, für die die Steuer nach dem 31. Juli 2001 und vor dem 1. Januar 2002 entstanden ist, mit der Maßgabe anzuwenden, dass an die Stelle des Betrages von 500 000 Euro ein Betrag von 600 000 Deutsche Mark tritt; 4. § 17 Absatz 1 in der Fassung des Artikels 14 des Gesetzes vom 8. Dezember 2010 (BGBl. I S. 1768) auf Erwerbe, für die die Steuer nach dem 31. Dezember 2001 und vor dem 1. Januar 2009 entstanden ist, anzuwenden; 5. § 17 Absatz 1 in der Fassung des Artikels 14 des Gesetzes vom 8. Dezember 2010 (BGBl. I S. 1768) auf Erwerbe, für die die Steuer nach dem 31. Juli 2001 und vor dem 1. Januar 2002 entstanden ist, mit der Maßgabe anzuwenden, dass an die Stelle des Betrages von 256 000 Euro ein Betrag von 500 000 Deutsche Mark tritt. (6) § 13a Absatz 1a und § 13b Absatz 2 und 2a in der Fassung des Artikels 8 des Gesetzes vom 1. November 2011 (BGBl. I S. 2131) sind auf Erwerbe anzuwenden, für die die Steuer nach dem 30. Juni 2011 entsteht. (7) 1§ 2 Absatz 1 Nummer 1 und 3 und Absatz 3, § 7 Absatz 8, § 15 Absatz 4, § 16 Absatz 1 und 2, § 19 Absatz 2, § 21 Absatz 1 und § 35 Absatz 4 in der Fassung des Artikels 11 des Gesetzes vom 7. Dezember 2011 (BGBl. I S. 2592) finden auf Erwerbe Anwendung, für die die Steuer nach dem 13. Dezember 2011 entsteht. 2§ 2 Absatz 1 Nummer 1 und 3 und Absatz 3, § 16 Absatz 1 und 2, § 19 Absatz 2, § 21 Absatz 1 und § 35 Absatz 4 in der Fassung des Artikels 11 des Gesetzes vom 7. Dezember 2011 (BGBl. I S. 2592) finden auf Antrag auch auf Erwerbe Anwendung, für die die
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§ 37 ErbStG Anwendung des Gesetzes Steuer vor dem 14. Dezember 2011 entsteht, soweit Steuerbescheide noch nicht bestandskräftig sind. (8) § 13a Absatz 1 Satz 4, Absatz 4 Satz 5 und § 13b Absatz 2 in der Fassung des Artikels 30 des Gesetzes vom 26. Juni 2013 (BGBl. I S. 1809) sind auf Erwerbe anzuwenden, für die die Steuer nach dem 6. Juni 2013 entsteht. (9) § 34 Absatz 2 Nummer 2 in der Fassung des Artikels 17 des Gesetzes vom 29. Juni 2015 (BGBl. I S. 1042) ist auf Erwerbe anzuwenden, für die die Steuer nach dem 16. August 2015 entsteht. (10) 1§ 13 Absatz 1 Nummer 16 Buchstabe b und c und § 30 Absatz 4 Nummer 1 in der am 6. November 2015 geltenden Fassung sind auf Erwerbe anzuwenden, für die die Steuer nach dem 5. November 2015 entstanden ist. 2§ 13 Absatz 1 Nummer 16 Buchstabe b und c in der am 6. November 2015 geltenden Fassung ist auch auf Erwerbe anzuwenden, für die die Steuer vor dem 6. November 2015 entsteht, soweit Steuerbescheide noch nicht bestandskräftig sind. (11) § 13 Absatz 1 Nummer 2 Buchstabe b Doppelbuchstabe bb in der am 6. August 2016 geltenden Fassung ist auf Erwerbe anzuwenden, für die die Steuer nach dem 5. August 2016 entstanden ist. (12) 1Die §§ 10, 13a bis 13d, 19a, 28 und 28a in der Fassung des Artikels 1 des Gesetzes vom 4.11.2016 (BGBl. I S. 2464) finden auf Erwerbe Anwendung, für die die Steuer nach dem 30. Juni 2016 entsteht. 2§ 13a Absatz 1 Satz 3 und 4 in der Fassung des Artikels 1 des Gesetzes vom 4.11.2016 (BGBl. I S. 2464) findet auf frühere Erwerbe Anwendung, für die die Steuer nach dem 30. Juni 2016 entsteht. 3§ 13c Absatz 2 Satz 3 bis 5 in der Fassung des Artikels 1 des Gesetzes vom 4.11.2016 (BGBl. I S. 2464) findet auf frühere Erwerbe Anwendung, für die die Steuer nach dem 30. Juni 2016 entsteht.
Artikel 3 des ErbStRG 20091 Rückwirkende Anwendung des durch dieses Gesetz geänderten Erbschaftsteuer- und Bewertungsrechts (1) Ein Erwerber kann bis zur Unanfechtbarkeit der Steuerfestsetzung beantragen, dass die durch dieses Gesetz geänderten Vorschriften des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes, mit Ausnahme des § 16 des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes, und des Bewertungsgesetzes auf Erwerbe von Todes wegen anzuwenden sind, für die die Steuer nach dem 31. Dezember 2006 und vor dem 1. Januar 2009 entstanden ist. In diesem Fall ist § 16 des Erbschaftsteuerund Schenkungsteuergesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 27. Februar 1997 (BGBl. I S. 378), der zuletzt durch Artikel 19 Nr. 4 des Gesetzes vom 19. Dezember 2000 (BGBl. I S. 1790) geändert worden ist, anzuwenden. (2) Ist die Steuer, die auf einen Erwerb von Todes wegen nach dem 31. Dezember 2006 und vor dem 1. Januar 2009 entstanden ist, vor dem 1. Januar 2009 festgesetzt worden, kann der Antrag innerhalb von sechs Monaten nach Inkrafttreten des Gesetzes gestellt werden; in diesem Fall kann die Steuerfestsetzung entsprechend geändert werden. (3) Der Erwerber kann den Antrag nicht widerrufen, wenn die Steuerfestsetzung nachträglich deshalb geändert wird, weil er gegen die Verschonungsvoraussetzungen (§§ 13a, 19a des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes in der Fassung des Artikels 1 des Gesetzes vom 24. Dezember 2008 (BGBl. I S. 3018) verstoßen hat.
1 Art. 3 ist am 1.7.2009 außer Kraft getreten.
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Grundaussagen der Vorschrift A. I. II. III.
Grundaussagen der Vorschrift. . . . . . . . . . Regelungsgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . Bedeutung und Telos . . . . . . . . . . . . . . . . . Geltungsbereich und Verhältnis zu anderen Vorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Rechtsentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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B. Anwendbarkeit des ErbStG in seiner geltenden Fassung (Abs. 1) . . . . . . . . . . . . 5 C. Anwendbarkeit des ErbStG in seiner geltenden Fassung (Abs. 2) . . . . . . . . . . . . 6 I. Aussetzung der Steuer nach § 25 ErbStG a.F. (Abs. 2 Satz 1) . . . . . . . . . . . . . 6 II. Stundung der Steuer nach § 25 ErbStG i.d.F. bis zum 31.12.2008 (Abs. 2 Satz 2) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 D. Anwendung der §§ 13a, 13b ErbStG (Abs. 3) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 I. Rückwirkung des Wachstumsbeschleunigungsgesetzes (Abs. 3 Satz 1) . . . . . . . . . . . 8 II. Begünstigungsausschluss bei Rückgängigmachung und erneutem Erwerb (Abs. 3 Satz 2) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 E. Gleichstellung von Lebenspartnern hinsichtlich der Steuerklasse (Abs. 4) . . . . 10 F. Rückwirkende Anwendung für nicht bestandskräftige Erwerbe von Lebenspartnern (Abs. 5). . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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G. Feststellungsverfahren für Verwaltungsvermögen und Lohnsummen (Abs. 6) . . . .
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Rz. 1 § 37 ErbStG
H. Änderungen durch das BeitrRLUmsG (Abs. 7) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 I. Änderungen durch das AmtshRLUmsG zur Beseitigung von Gestaltungsmöglichkeiten im Bereich des Betriebsvermögens (Abs. 8) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 J. Änderungen durch das Gesetz zum Internationalen Erbrecht und zur Änderung von Vorschriften zum Erbschein sowie zur Änderung sonstiger Vorschriften zur Anzeige der Erteilung von Europäischen Nachlasszeugnissen (Abs. 9) . . . . . . . . . . . . 15 K. Änderungen durch das StÄndG 2015 bzgl. der Verwendung der steuerlichen Identifikationsnummer und der Steuerbefreiung für Zuwendungen an gemeinnützige Einrichtungen (Abs. 10) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 L. Änderungen durch das Gesetz zur Neuregelung des Kulturgutschutzrechts (Abs. 11) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 M. Änderungen durch das Gesetz zur Anpassung des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes an die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (Abs. 12) . . . . . 18 N. Art. 3 ErbStRG 2009 . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 O. Geplante Änderungen zur Neuregelung der Besteuerung von beschränkt steuerpflichtigen Erwerbsvorgängen durch das Steuerumgehungsbekämpfungsgesetz . . . . 25
Literatur: Crezelius, Das neue Erbschaft- und Schenkungsteuerrecht im Rechtssystem, ZEV 2009, 1; Christoffel, § 13a und § 19a ErbStG ab 2004 geändert, ErbBstg 2004, 30; Eisele, Die Änderungen des Erbschaft- und Schenkungsteuergesetzes durch das AmtshilfeRLUmsG, NWB 2013, 2292, Halaczinsky, Änderung des ErbStG und des BewG durch das Steuervereinfachungsgesetz 2011, UVR 2011, 342; Halaczinsky, Änderungen des Erbschaftsteuerrechts durch das Jahressteuergesetz 1997, NWB Fach 10, 731-746 (5/1997); Kaminski, Änderungen des ErbStG durch das Amtshilferichtlinie-Umsetzungsgesetz, Stbg 2014, 6; Schmidt/Leyh, Die eingetragene Lebenspartnerschaft im JStG 2010, NWB 2010, 4269; Wachter, Wachstumsbeschleunigungsgesetz: Erneute Reform der Erbschaft- und Schenkungsteuer, DB 2010, 74; Wenhardt, In welchen Fällen lohnt sich eine Option zur unbeschränkten ErbSt-Pflicht?, GStB 2013, 19. Verwaltungsanweisungen: H E 37 ErbStH 2011.
A. Grundaussagen der Vorschrift I. Regelungsgegenstand Die Vorschrift regelt die Anwendung des ErbStG in seinen jeweiligen Fassungen. Während herkömm- 1 lich drei Zeitpunkten Bedeutung bei der Verabschiedung zukommt (Zustandekommen des Gesetzes in den gesetzgebenden Körperschaften (Art. 78 GG), Verkündung des Gesetzes im Bundesgesetzblatt (Art. 82 Abs. 1 GG) und das Inkrafttreten (Art. 82 Abs. 2 GG) richtet sich die Anwendung des ErbStG nach den in § 37 ErbStG geregelten Anwendungszeiten.
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§ 37 ErbStG Rz. 2 Anwendung des Gesetzes
II. Bedeutung und Telos 2 Die Vorschrift geht von der Vorstellung aus, dass ein in Kraft getretenes Gesetz noch nicht oder nicht
mehr anwendbar sein kann oder dass ein Gesetz seinen Anwendungszeitraum über den Zeitpunkt des Inkrafttretens oder Außerkrafttretens hinaus verlängern kann, so dass das Gesetz auf Vorgänge vor dem Inkrafttreten oder nach dem Außerkrafttreten anwendbar wird.1 Dadurch wird die Bestimmung des anwendbaren Rechts regelmäßig erschwert.2
III. Geltungsbereich und Verhältnis zu anderen Vorschriften 3 Da die Vorschrift den Anwendungszeitpunkt der einzelnen gesetzlichen Regelungen im ErbStG be-
stimmt, nimmt die Vorschrift auf zahlreiche Vorschriften Bezug. Von besonderer Bedeutung ist der § 9 ErbStG, da die Anwendungszeitpunkte der einzelnen gesetzlichen Neufassungen regelmäßig an den Steuerentstehungszeitpunkt geknüpft werden.3 Hinsichtlich der Anwendung des ErbStG von Bedeutung ist auch der Art. 3 des ErbStRG 2009,4 da dieser hinsichtlich der Steuerbefreiung für Betriebsvermögen sowie für Anteile an Personen- und Kapitalgesellschaften und land- und forstwirtschaftliches Vermögen ein Wahlrecht für die Jahre 2007 und 2008 geschaffen hatte, die eigentlich erst ab dem 1.1.2009 geltenden Befreiungsregelungen der §§ 13a und 13b ErbStG rückwirkend anzuwenden. Das Wahlrecht hatte nur ein halbes Jahr Bestand.5
IV. Rechtsentwicklung 4 Der § 37 ErbStG geht in seiner heutigen Form auf den Beschluss des BVerfG6 v. 22.6.1995 zurück, in
dem das BVerfG die Unvereinbarkeit des § 12 ErbStG a.F. mit Art. 3 GG festgestellt hatte, da die Privilegierung des mit den niedrigen Einheitswerten bewerteten Grundvermögens gegenüber dem Kapitalvermögen zu Belastungsungleichheiten geführt hatte. Diese Feststellung hat das BVerfG in seinem Beschluss v. 7.11.2006 erneut getroffen, da die zwischenzeitlich eingeführte Grundbesitzbewertung nach dem 4. Abschnitt des BewG (§§ 138 ff. BewG) aufgrund deutlich unter dem Verkehrswert bleibender Grundstückswerte ebenfalls zu Ungleichbehandlungen gegenüber Kapitalvermögen führte.7 Das BVerfG hat in seinem Urteil8 vom 17.12.2014 die Verschonungsregelungen nach den §§ 13a und 13b ErbStG a.F. zwar grundsätzlich für geeignet und erforderlich gehalten. Die bestehenden Verschonungsregelungen verstießen angesichts ihres Übermaßes aber gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Die vom BVerfG festgestellten Gleichheitsverstöße erfassen wichtige Bausteine der Gesamtregelung und damit des gesamten Erbschaft- und Schenkungsteuerrechts. Das Bundesverfassungsgericht hatte daher die §§ 13a und 13b ErbStG a.F. in Verbindung mit der Steuertarifnorm des § 19 Abs. 1 ErbStG a.F. und damit die Erhebung der derzeitigen Erbschaft- und Schenkungsteuer insgesamt für mit der Verfassung unvereinbar erklärt. Die geltenden Regelungen waren jedoch bis zu einer Neuregelung weiter anwendbar. Das Bundesverfassungsgericht hatte dem Gesetzgeber Frist für eine Neuregelung bis zum 30.6.2016 gesetzt. Diese Frist hat der Gesetzgeber nicht eingehalten, sondern das Gesetz zur Anpassung des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes an die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts erst am 14.10.2016 verabschiedet. Gleichzeitig hat der Gesetzgeber die rückwirkende Anwendung für Erwerbe nach dem 30.6.2016 angeordnet (vgl. § 37 Abs. 12 ErbStG).
1 Vgl. Meincke16, § 37 ErbStG Rz. 1, der eine genauere Diskussion dieser Vorgehensweise für notwendig erachtet. 2 Vgl. Kau in Wilms/Jochum, § 37 ErbStG Rz. 1 (Stand: Dezember 2013). 3 Vgl. Kien-Hümbert in Moench/Weinmann, § 37 ErbStG Rz. 1 (Stand: Juli 2015). 4 Erbschaftsteuerreformgesetz 2009 v. 24.12.2008, BGBl. I 2008, 3018. 5 Vgl. Art. 6 Erbschaftsteuerreformgesetz 2009 v. 24.12.2008, BGBl. I 2008, 3018. 6 BVerfG v. 22.6.1995 – 2 BvR 552/91, BStBl. II 1995, 671. 7 Vgl. zu den Beschlüssen ausführlich Kau in Wilms/Jochum, § 37 ErbStG Rz. 2 ff. (Stand: Dezember 2013). 8 BVerfG v. 17.12.2014 – 1 BvL 21/12, BGBl. I 2015, 4.
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Anwendung der §§ 13a, 13b ErbStG (Abs. 3)
Rz. 8 § 37 ErbStG
B. Anwendbarkeit des ErbStG in seiner geltenden Fassung (Abs. 1) Nach § 37 Abs. 1 findet das ErbStG i.d.F. des Art. 6 des Wachstumsbeschleunigungsgesetzes1 v. 5 22.12.2009 auf Erwerbe Anwendung, für die die Steuer nach dem 31.12.2009 entsteht (vgl. zur Steuerentstehung § 9 ErbStG). Ausnahmen bestehen für Sterbefälle ab 2007 (vgl. Art. 3 ErbStRG), für Erwerbe von begünstigtem Betriebsvermögen (vgl. § 37 Abs. 3 ErbStG) sowie für Erwerbe von Partnern einer eingetragenen Lebenspartnerschaft nach dem Lebenspartnerschaftsgesetz (§ 37 Abs. 4 u. 5 ErbStG). Wegen der Änderungen des ErbStG in der Zeit vom 29.2.1992 bis zum 1.1.2004 vgl. die Übersicht von Kien-Hümbert2 sowie für eine vollständige Übersicht über die Änderungsgesetze seit 1974 nebst Textnachweis Jülicher.3
C. Anwendbarkeit des ErbStG in seiner geltenden Fassung (Abs. 2) I. Aussetzung der Steuer nach § 25 ErbStG a.F. (Abs. 2 Satz 1) Nach § 25 ErbStG a.F. konnte bis zum 30.8.1980 bei Erwerbern, bei denen ein Nutzungs- oder Renten- 6 recht nicht abgezogen werden durfte, auch die Aussetzung der Versteuerung verlangt werden.4 § 37 Abs. 2 Satz 1 ErbStG regelt dass für Erbfälle, die vor dem 31.8.1980 eingetreten sind, und für Schenkungen, die vor diesem Zeitpunkt ausgeführt worden sind, weiterhin § 25 in dieser Fassung anzuwenden ist, auch wenn die Steuer infolge Aussetzung der Versteuerung nach § 25 Abs. 1 Buchst. a ErbStG erst nach dem 30.8.1980 entstanden ist oder entsteht. Da es sich bei der beim Erlöschen der Belastung entstehenden Steuer (§ 9 Abs. 2 ErbStG) um einen eigenen steuerpflichtigen Vorgang handelt, wird die Steuer in diesen Fällen nach dem ErbStG 2009 berechnet.5
II. Stundung der Steuer nach § 25 ErbStG i.d.F. bis zum 31.12.2008 (Abs. 2 Satz 2) Die Abzugsbeschränkung des § 25 ErbStG für dem Erblasser oder Schenker zu Gute kommende Nut- 7 zungs- oder Rentenlasten wurde mit dem ErbStRG für Erwerbe ab dem 1.1.2009 abgeschafft. Folglich bedurfte es auch keiner Möglichkeit der Steuerstundung hinsichtlich der auf die nicht abzugsfähigen Belastungen entfallenden Steuer mehr. In Erbfällen, die vor dem 1.1.2009 eingetreten sind, und für Schenkungen, die vor diesem Zeitpunkt ausgeführt worden sind, bleibt die Stundungsmöglichkeit des § 25 Abs. 1 Satz 2 ErbStG gleichwohl erhalten. Zudem ist auch die Ablösung der zunächst gestundeten Steuer auf Antrag des Erwerbers mit ihrem aktuellen Barwert auch nach der Abschaffung jederzeit möglich.6
D. Anwendung der §§ 13a, 13b ErbStG (Abs. 3) I. Rückwirkung des Wachstumsbeschleunigungsgesetzes (Abs. 3 Satz 1) Die Voraussetzungen der Gewährung der Steuerbefreiung nach § 13a ErbStG wurden durch das 8 Wachstumsbeschleunigungsgesetz7 erleichtert (Verkürzung der Lohnsummenfrist und Absenkung
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Wachstumsbeschleunigungsgesetz v. 22.12.2009, BGBl. I 2009, 3950. vgl. Kien-Hümbert in Moench/Weinmann, § 37 ErbStG Rz. 10 (Stand: September 2014). Vgl. Jülicher in T/G/J, § 37 ErbStG Rz. 29 (Anhang I zu § 37 ErbStG) (Stand: September 2013). Vgl. Jülicher in T/G/J, § 37 ErbStG Rz. 9 (Stand: Februar 2010). Vgl. Kien-Hümbert in Moench/Weinmann, § 37 ErbStG Rz. 11 (Stand: September 2014); gl. A. Jülicher in T/G/J, § 37 ErbStG Rz. 9 (Stand: Februar 2010). 6 Vgl. Jülicher in T/G/J, § 37 ErbStG Rz. 10 (Stand: Juli 2011). 7 Wachstumsbeschleunigungsgesetz v. 22.12.2009, BGBl. I 2009, 3950.
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§ 37 ErbStG Rz. 9 Anwendung des Gesetzes der zu erreichenden Lohnsumme). § 37 Abs. 3 Satz 1 ErbStG bestimmt, dass diese für den Steuerpflichtigen günstigeren Regelungen rückwirkend ab dem 1.1.2009 in Kraft treten, so dass faktisch ab Einführung die günstigere Rechtslage gilt.
II. Begünstigungsausschluss bei Rückgängigmachung und erneutem Erwerb (Abs. 3 Satz 2) 9 Die Gewährung der Steuerbefreiung nach §§ 13a, 13b ErbStG i.d.F. des ErbStRG 2009 für vor dem
1.1.2011 von Todes wegen oder durch Schenkung unter Lebenden erworbenes begünstigtes Vermögen ist ausgeschlossen, wenn das begünstigte Vermögen bereits Gegenstand einer vor dem 1.1.2007 ausgeführten Schenkung desselben Schenkers an dieselbe Person war und wegen eines vertraglichen Rückforderungsrechts nach dem 11.11.2005 herausgegeben werden musste. Durch diese Einschränkung sind Fallgestaltungen ausgeschlossen, in denen die erste Schenkung rückgängig gemacht wird, um anschließend unter den neu geschaffenen günstigeren Rahmenbedingungen das gleiche Vermögen an dieselbe Person nochmals zu verschenken und so ein günstigeres steuerliches Ergebnis zu erzielen.1 Grund für diese Regelung waren die zahlreichen diese Gestaltung empfehlenden Stimmen in der Literatur.2 Jülicher weist warnend darauf hin, dass als einschneidende Rechtsfolge dieser Regelung in den von § 37 Abs. 3 Satz 2 ErbStG erfassten Fällen überhaupt keine Steuerbegünstigung gewährt wird (also die Steuerbegünstigung nach altem Recht für die rückgängig gemachte Schenkung verloren geht) und somit das Vermögen (ggf. mit einem höheren Wertansatz aufgrund der neuen Bewertungsvorschriften) der Regelbesteuerung als nicht begünstigtes Vermögen zu unterwerfen ist.3
E. Gleichstellung von Lebenspartnern hinsichtlich der Steuerklasse (Abs. 4) 10
Mit dem Jahressteuergesetz 20104 wurde der Abs. 4 in den § 37 ErbStG eingefügt. Inhalt der gesetzlichen Neuregelung war die Gleichstellung der Lebenspartner mit Ehegatten auch hinsichtlich der Steuerklassen (§ 15 ErbStG) sowie Klarstellungen bei der Begünstigung von Betriebsvermögen. Die Neuregelungen sind auf Erwerbe anzuwenden, für die die Steuer nach dem 13.12.2010 entsteht.
F. Rückwirkende Anwendung für nicht bestandskräftige Erwerbe von Lebenspartnern (Abs. 5) 11
Die Einführung der Rückwirkungsregeln des § 37 Abs. 5 ErbStG geht auf den Beschluss des BVerfG5 v. 21.7.2010 zurück, in dem die erbschaftsteuerliche Ungleichbehandlung von Ehe und eingetragener Lebenspartnerschaft rückwirkend als Verstoß gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 GG gewertet wurde. Nach den Vorgaben des BVerfG waren Neuregelungen für Fälle aus der Zeit vom 31.7.2001 bis zum 31.12.2008 zu schaffen. Die Neuregelung knüpft zeitlich an die maßgebende zivilrechtliche Einführung der Eintragungsmöglichkeit für Lebenspartnerschaften an.6 Wegen der Einführung des Euro und der zwischenzeitlichen Anhebung der Freibeträge des § 16 ErbStG konnte die rückwirkende Anwendung nicht einheitlich für den gesamten Rückwirkungszeitraum erfolgen, sondern musste zeitlich gestaffelt dargestellt werden.
1 Vgl. zur verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der rückwirkenden Regelung die Ausführungen von Kau in Wilms/ Jochum, § 37 ErbStG Rz. 6 (Stand: Dezember 2013); a.A. Jülicher in T/G/J, § 37 ErbStG Rz. 16 (Stand: Januar 2011), mit Gestaltungsmöglichkeiten zur Umgehung der Sperre. 2 Vgl. Wachter, ErbStB 2006, 236 sowie Geck, ZEV 2007, 256. 3 Vgl. Jülicher in T/G/J, § 37 ErbStG Rz. 14 (Stand: Juli 2011). 4 JStG 2010 v. 8.12.2010, BGBl. I 2010, 1768. 5 BVerfG v. 21.7.2010 – 1 BvR 611/07, 1 BvR 2464/07, BGBl. I 2010, 1295. 6 Vgl. Jülicher in T/G/J, § 37 ErbStG Rz. 25 (Stand: September 2013).
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Änderungen gem. Abs. 9
Rz. 15 § 37 ErbStG
G. Feststellungsverfahren für Verwaltungsvermögen und Lohnsummen (Abs. 6) Mit dem Steuervereinfachungsgesetz 20111 v. 1.11.2011 wurde zur besseren Administrierbarkeit der 12 Überprüfung der Lohnsummenklausel und der Durchführung des Verwaltungsvermögenstests ein formelles Feststellungsverfahren geschaffen (§ 13a Abs. 1a, § 13b Abs. 2a ErbStG). Diese kommen gem. § 37 Abs. 6 ErbStG rückwirkend für Erwerbe ab dem 1.7.2011 zur Anwendung. Nach Auffassung von Jülicher ist diese rückwirkende Anwendung gerechtfertigt, da die Regelungen zur gesonderten Feststellung anstelle der vorherigen nachrichtlichen Ermittlung nicht die steuerliche Belastung des Steuerpflichtigen verändern, sondern primär die Bearbeitung des Steuerfalls durch die FinVerw. betreffen.2
H. Änderungen durch das BeitrRLUmsG (Abs. 7) Mit dem BeitrRLUmsG wurde zum einen die Option auf unbeschränkte Steuerpflicht (§ 2 Abs. 3 13 ErbStG) eingeführt, zum anderen wurde mit dem § 7 Abs. 8 und dem § 15 Abs. 4 eine Besteuerungsgrundlage für verdeckte Einlagen und die Fiktion der Steuerklasse in Abhängigkeit vom Zuwendenden für diese neuen Steuerfälle geschaffen. Die Neuregelungen sind für Erwerbe anzuwenden, für die die Steuer nach dem 13.12.2011 entsteht. Für die Option auf unbeschränkte Steuerpflicht ist zudem in § 37 Abs. 6 Satz 2 ErbStG die Möglichkeit der rückwirkenden Anwendung auf Antrag in allen noch nicht bestandskräftigen Fällen mit Steuerentstehungszeitpunkt vor dem 14.12.2011 geschaffen worden.
I. Änderungen durch das AmtshRLUmsG zur Beseitigung von Gestaltungsmöglichkeiten im Bereich des Betriebsvermögens (Abs. 8) Die jüngste Änderung des ErbStG ist zurückzuführen auf den Beschluss des BFH v. 27.9.2012.3 In die- 14 sem Beschluss verneinte der BFH die Annahme von Gestaltungsmissbrauch i.S.d. § 42 AO für die Gestaltungsmodelle der sog. „Cash-GmbH“ und der sog. „Forderungs-GmbH“. Der Gesetzgeber sah sich darauf hin zu Änderungen am Befreiungskonzept gezwungen und erweiterte den Verwaltungsvermögenskatalog des § 13b Abs. 2 ErbStG um Finanzvermögen (§ 13b Abs. 2 Nr. 4a ErbStG). Zudem wurde neben redaktionellen Änderungen eine Definition für junges Finanz-Verwaltungsvermögen geschaffen (§ 13b Abs. 2 Satz 3 Halbs. 2 ErbStG). Die Änderungen sind für Erwerbe ab dem 7.6.2013 anwendbar.
J. Änderungen durch das Gesetz zum Internationalen Erbrecht und zur Änderung von Vorschriften zum Erbschein sowie zur Änderung sonstiger Vorschriften zur Anzeige der Erteilung von Europäischen Nachlasszeugnissen (Abs. 9) In § 34 Abs. 2 Nr. 2 ErbStG wurde durch das Gesetz zum Internationalen Erbrecht und zur Änderung 15 von Vorschriften zum Erbschein sowie zur Änderung sonstiger Vorschriften vom 29.6.2015 das Europäische Nachlasszeugnis aufgenommen. Die EU-Erbrechtsverordnung ermöglicht ein europäisches Nachlasszeugnis (europäischer Erbschein), das in allen Mitgliedsstaaten als Nachweis der Stellung als Erbe oder Vermächtnisnehmer dient bzw. als Nachweis der Befugnisse als Testamentsvollstrecker anerkannt wird. Somit ist nun nicht mehr notwendig, die häufig aufwendigen Erbscheinverfahren zur Nachlassabwicklung in den jeweiligen Mitgliedstaaten durchzuführen. Die Neuregelung ist auf Erwerbe anzuwenden, für die die Steuer nach dem 16.8.2015 entsteht.
1 Steuervereinfachungsgesetz 2011 v. 1.11.2011, BGBl. I 2011, 2131. 2 Vgl. Jülicher in T/G/J, § 37 ErbStG Rz. 26 (Stand: September 2013). 3 BFH v. 27.9.2012 – II R 9/11, FR 2012, 233 = ErbStB 2012, 4 = BStBl. II 2012, 899.
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§ 37 ErbStG Rz. 16 Anwendung des Gesetzes
K. Änderungen durch das StÄndG 2015 bzgl. der Verwendung der steuerlichen Identifikationsnummer und der Steuerbefreiung für Zuwendungen an gemeinnützige Einrichtungen (Abs. 10) 16
Im Rahmen des StÄndG 2015 v. 2.11.20151 wurden die Inhalte der Anzeige der Erwerber um die steuerliche Identifikationsnummer nach § 139b AO erweitert und die Vorschriften zur Steuerbefreiung für Zuwendungen an gemeinnützige Einrichtungen gem. § 13 Abs. 1 Nr. 16 ErbStG präzisiert. § 13 Absatz 1 Nummer 16 Buchstabe b und c und § 30 Abs. 4 Nummer 1 in der Fassung des StÄndG 2015 sind auf Erwerbe anzuwenden, für die die Steuer nach dem 5.11.2015 entstanden ist. § 13 Abs. 1 Nummer 16 Buchstabe b und c in ist auch auf Erwerbe anzuwenden, für die die Steuer vor dem 6.11.2015 entsteht, soweit Steuerbescheide noch nicht bestandskräftig sind.
L. Änderungen durch das Gesetz zur Neuregelung des Kulturgutschutzrechts (Abs. 11) 17
Hierbei handelt es sich um eine redaktionelle Folgeänderung des § 13 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b Doppelbuchst. bb ErbStG aufgrund der Neuregelung des Kulturschutzrechts.2 Die Vorschrift ist auf Erwerbe anzuwenden, für die die Steuer nach dem 5.8.2016 entstanden ist.
M. Änderungen durch das Gesetz zur Anpassung des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes an die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (Abs. 12) 18
Der neue Abs. 12 regelt den zeitlichen Anwendungsbereich der §§ 10, 13a bis 13d, 19a, 28 und 28a ErbStG zur Anpassung der Befreiungsvorschriften an die Rechtsprechung des BVerfG (vgl. Rz. 4). Die Änderungen sollen erstmals auf Erwerbe angewendet werden, für die die Steuer nach dem 30.6.2016 entsteht. Der Wegfall der bereits gewährten Steuerbefreiungen (§ 13a Absatz 1 Satz 3 und 4 ErbStG und § 13c Absatz 2 Satz 3 bis 5 ErbStG) bei früheren Erwerben von derselben Person innerhalb von zehn Jahren findet ebenfalls erst für Erwerbe Anwendung, für die die Steuer nach dem 30.6.2016 entsteht.
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Das Gesetz ist somit rückwirkend zum 1.7.2016 in Kraft getreten. Die Rückwirkung des Gesetzes ist nach Auffassung des Gesetzgebers3 verfassungsrechtlich zulässig. Die im Rechtsstaatsprinzip und den Grundrechten verankerten Prinzipien der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes stünden Gesetzen mit echter Rückwirkung grundsätzlich entgegen. Von diesem grundsätzlichen Verbot echt rückwirkender Gesetze gebe es jedoch Ausnahmen: Das Rückwirkungsverbot gelte nicht, soweit sich kein Vertrauen auf den Bestand des geltenden Rechts bilden konnte oder ein Vertrauen auf eine bestimmte Rechtslage sachlich nicht gerechtfertigt und daher nicht schutzwürdig war. Das Rückwirkungsverbot finde im Grundsatz des Vertrauensschutzes nicht nur seinen Grund, sondern auch seine Grenze.4
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Das BVerfG hatte mit Urteil vom 17.12.20145 entschieden, dass die Verschonungsregelungen für Betriebsvermögen im Erbschaftsteuerrecht nach §§ 13a und 13b ErbStG a.F. i.V.m. § 19 Abs. 1 ErbStG a.F. seit dem Inkrafttreten des Erbschaftsteuerreformgesetzes zum 1.1.2009 mit Artikel 3 Abs. 1 des Grundgesetzes unvereinbar sind. Das bisherige Recht war bis zu einer Neuregelung weiter anwendbar. Der Gesetzgeber war verpflichtet, eine Neuregelung spätestens bis zum 30.6.2016 zu treffen. Hiernach könne sich nach Ansicht des Gesetzgebers kein Vertrauen auf den Bestand des bisherigen Rechts über den 30.6.2016 hinaus bilden.
1 2 3 4 5
BGBl. I 2015, 1834. Vgl. Kulturgutschutzgesetz v. 31.7.2016, BGBl. I 2016, 1914. Vgl. BT-Drucks. 18/8911. BVerfG v. 17.12.2013 – 1 BvL 5/08, BVerfGE 135, 1. BVerfG v 17.12.2014 – 1 BvL 21/12, BVerfGE 138, 136.
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Neuregelung durch das Steuerumgehungsbekämpfungsgesetz
Rz. 25 § 37 ErbStG
Nach gegenteiliger Auffassung von Teilen der Literatur1 entfällt das Vertrauen frühestens mit dem 21 Änderungsvorschlag des Vermittlungsausschusses, weil das Vertrauen des Steuerpflichtigen erst ab diesem Zeitpunkt aufgrund des medial bekannten Fristablaufs und des Abschlusses des Vermittlungsverfahrens nicht mehr schutzwürdig sei. Auf den endgültigen Beschluss des BT i.S.d. Art. 77 Abs. 2 Satz 5 GG komme es dann nicht mehr an. Eine Rückwirkung auf den 1.7.2016 sei hingegen unzulässig.
N. Art. 3 ErbStRG 2009 Der Art. 3 ErbStRG 20092 gewährt dem Steuerpflichtigen für Erwerbe in den Jahren 2007 und 2008 22 das Wahlrecht, statt des § 13a ErbStG i.d.F. vor der Erbschaftsteuerreform 2009 die neuen großzügigeren Vergünstigungen für das Betriebsvermögen nach § 13a und § 13b ErbStG i.d.F. des ErbStRG 2009 zu wählen. Nachteilig für den Steuerpflichtigen ist, dass die neuen Bewertungsvorschriften des sechsten Abschnitts des BewG zu einer Erhöhung der Wertansätze von Grundstücken und Betrieben führen. Ausgeschlossen von der Rückwirkung sind zudem die neuen persönlichen Freibeträge gem. § 16 ErbStG. Das Antragsrecht bestand gem. Art. 6 des ErbStRG 2009 nur bis zum 30.6.2009. Neben der Steuerbefreiung für Betriebsvermögen kann die rückwirkende Anwendung ebenfalls bei 23 Vorliegen der Voraussetzungen für die Steuerbefreiung eines Familienheims (§ 13 Abs. 1 Nr. 4b und 4c ErbStG) sinnvoll sein, da nach der alten gesetzlichen Regelung Erwerbe von Todes wegen nicht begünstigt waren. Gestaltungsspielraum eröffnet das Antragsrecht auch in Fällen des vom Schenker vorbehaltenen Nutzungsrechts aufgrund des Wegfalls des § 25 ErbStG. Der Antrag kann nur bei Erwerben von Todes wegen gestellt werden, also nicht bei Schenkungen. Ist 24 die Steuerfestsetzung schon bestandskräftig durchgeführt worden, konnte nach Abs. 2 der Antrag innerhalb von sechs Monaten nach Inkrafttreten des Gesetzes gestellt werden; in diesem Fall kann die Steuerfestsetzung entsprechend geändert werden. Die Wahl ist nur für den gesamten Erwerb möglich, jedoch kann jeder Erwerber eine andere Wahl treffen.3 Hat sich der Erwerber einmal für den Antrag entschieden, kann ein Rücktritt von diesem Wahlrecht gem. Abs. 3 dann nicht mehr erfolgen, wenn die Steuerfestsetzung nachträglich deshalb geändert wird, weil er gegen die Verschonungsvoraussetzungen (§§ 13a, 19a ErbStG) verstoßen hat.
O. Geplante Änderungen zur Neuregelung der Besteuerung von beschränkt steuerpflichtigen Erwerbsvorgängen durch das Steuerumgehungsbekämpfungsgesetz Zum Zeitpunkt der Druckfreigabe dieses Kommentars befand sich das Steuerumgehungsbekämp- 25 fungsgesetz (StUmgBG) im gesetzgeberischen Stadium des Regierungsentwurfs vom 21.12.2016. Das Gesetzesvorhaben dient der Umsetzung der Urteile des EuGH v. 4.9.2014 in der Rechtssache C-211/13 (Kommission/Deutschland) und vom 8.6.2016 in der Rechtssache C-479/14 (Hünnebeck). Geplant ist im Regierungsentwurf eine Abschaffung des § 2 Abs. 3 ErbStG zugunsten einer Neuregelung in §§ 16 und 17 ErbStG, die eine Gewährung des jeweiligen Freibetrags an ein bestehendes Amtshilfeverfahren mit dem Heimatland des Steuerpflichtigen knüpft. Zudem soll der Freibetrag nach § 16 Abs. 1 ErbStG um den Teilbetrag gemindert werden, der dem Verhältnis der Summe der Werte des in demselben Zeitpunkt erworbenen, nicht der beschränkten Steuerpflicht unterliegenden Vermögens und derjenigen, nicht der beschränkten Steuerpflicht unterliegenden Vermögensvorteile, die innerhalb von zehn Jahren von derselben Person angefallen sind, zum Wert des insgesamt innerhalb von zehn Jahren von derselben Person angefallenen Vermögens entspricht. Ausländische Versorgungsbezüge sollen nach denselben Kriterien wie inländische Versorgungsbezüge auf den besonderen Versorgungsfreibetrag nach § 17 ErbStG angerechnet werden. 1 Vgl. die ausführliche Analyse zur Rückwirkung von Guerra/Mühlhaus, ErbStB 2016, 230. 2 ErbStRG 2009 v. 24.12.2008, BGBl. I 2008, 3018. 3 Vgl. Schuck in V/K/S/W4, § 37 ErbStG Rz. 34.
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§ 37 ErbStG Rz. 25 Anwendung des Gesetzes Die Neufassung des § 17 soll nach der Regelung des § 37 Abs. 13 ErbStG-E des Regierungsentwurfs auf Erwerbe angewendet werden, für die die Steuer nach dem Datum des Tages der Verkündung des StUmgBG entstanden ist. Um die Unvereinbarkeit mit Unionsrecht so frühzeitig wie möglich zu beseitigen, soll die für betroffene Erwerber ausschließlich vorteilhafte Änderung des § 17 ErbStG auch rückwirkend für alle noch nicht bestandskräftigen Veranlagungen gelten. § 37 Abs. 14 ErbStG-E bestimmt, dass die geänderten Vorschriften des § 2 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG und des § 16 Absatz 1 und 2 ErbStG auf Erwerbe anzuwenden sind, für die die Steuer nach dem Tag der Verkündung des StUmgBG entstanden ist.
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§ 37a Sondervorschriften aus Anlass der Herstellung der Einheit Deutschlands (1) (weggefallen) (2) 1Für den Zeitpunkt der Entstehung der Steuerschuld ist § 9 Abs. 1 Nr. 1 auch dann maßgebend, wenn der Erblasser in dem in Artikel 3 des Einigungsvertrages genannten Gebiet vor dem 1. Januar 1991 verstorben ist, es sei denn, dass die Steuer nach dem Erbschaftsteuergesetz der Deutschen Demokratischen Republik vor dem 1. Januar 1991 entstanden ist. 2§ 9 Abs. 2 gilt entsprechend, wenn die Versteuerung nach § 34 des Erbschaftsteuergesetzes (ErbStG) der Deutschen Demokratischen Republik in der Fassung vom 18. September 1970 (Sonderdruck Nr. 678 des Gesetzblattes) ausgesetzt wurde. (3) (weggefallen) (4) Als frühere Erwerbe im Sinne des § 14 gelten auch solche, die vor dem 1. Januar 1991 dem Erbschaftsteuerrecht der Deutschen Demokratischen Republik unterlegen haben. (5) Als frühere Erwerbe desselben Vermögens im Sinne des § 27 gelten auch solche, für die eine Steuer nach dem Erbschaftsteuerrecht der Deutschen Demokratischen Republik erhoben wurde, wenn der Erwerb durch Personen im Sinne des § 15 Abs. 1 Steuerklasse I erfolgte. (6) § 28 ist auch anzuwenden, wenn eine Steuer nach dem Erbschaftsteuerrecht der Deutschen Demokratischen Republik erhoben wird. (7) 1Ist in dem in Artikel 3 des Einigungsvertrages genannten Gebiet eine Steuerfestsetzung nach § 33 des Erbschaftsteuergesetzes der Deutschen Demokratischen Republik in der Weise erfolgt, dass die Steuer jährlich im voraus von dem Jahreswert von Renten, Nutzungen oder Leistungen zu entrichten ist, kann nach Wahl des Erwerbers die Jahressteuer zum jeweils nächsten Fälligkeitstermin mit ihrem Kapitalwert abgelöst werden. 2§ 23 Abs. 2 ist entsprechend anzuwenden. (8) Wurde in Erbfällen, die vor dem 1. Januar 1991 eingetreten sind, oder für Schenkungen, die vor diesem Zeitpunkt ausgeführt worden sind, die Versteuerung nach § 34 des Erbschaftsteuergesetzes der Deutschen Demokratischen Republik ausgesetzt, ist diese Vorschrift weiterhin anzuwenden, auch wenn die Steuer infolge der Aussetzung der Versteuerung erst nach dem 31. Dezember 1990 entsteht. A. I. II. III.
Grundaussagen der Vorschrift. . . . . . . . . . Regelungsgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . Bedeutung und Telos . . . . . . . . . . . . . . . . . Geltungsbereich und Verhältnis zu anderen Vorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Rechtsentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1 1 2 3 4
B. Anwendbarkeit des ErbStG in seiner geltenden Fassung (Abs. 2) . . . . . . . . . . . .
5
C. Zusammenrechnung mehrerer Erwerbe nach § 14 ErbStG (Abs. 4). . . . . . . . . . . . . .
7
D. Mehrfacher Erwerb desselben Vermögens (Abs. 5) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . E. Stundung der Steuer (Abs. 6) . . . . . . . . . . .
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F. Besteuerung nach dem Jahreswert und Ablösung der Steuer (Abs. 7) . . . . . . . . . . . 10 G. Aussetzung der Steuer (Abs. 8) . . . . . . . . . . 11
Literatur: Brosch, Vermögensbesteuerung 1991–1998 im Beitrittsgebiet, NWB Fach 9, 2739–2742 (30/1996); Christner, Erbschaft- und Schenkungsteuer in den neuen Bundesländern, LSW Gruppe 24, 309 (7/1992); Meincke, Für eine Revision des § 37a ErbStG!, DStR 1991, 503; Meincke, Nochmals – Für eine Revision des § 37a ErbStG, DStR 1991, 900; Pietsch, Die Erbschaftsteuer und Schenkungsteuer in den Beitrittsgebieten, UVR 1991, 267; Teß, Vermögensteuer, Erbschaftsteuer und Grundsteuer im beigetretenen Teil Deutschlands in den Jahren 1990 und 1991, DStR 1991, 11;Weinmann, Erbschaftsteuer im vereinigten Deutschland – Plädoyer für § 37a ErbStG, DStR 1991, 899.
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§ 37a ErbStG Rz. 1 Sondervorschriften aus Anlass der Herstellung der Einheit Deutschlands
A. Grundaussagen der Vorschrift I. Regelungsgegenstand 1 Die Vorschrift regelt den Übergang der Besteuerung in den neuen Bundesländern nach der deut-
schen Wiedervereinigung.
II. Bedeutung und Telos 2 Die Vorschrift hatte für Erb- und Schenkfälle Bedeutung, die aufgrund der in § 37a ErbStG geschaf-
fenen Übergangsregelung nach dem Recht der DDR zu besteuern waren oder im Falle der Anwendung des § 14 ErbStG in Anwendung des Zehnjahreszeitraums nach dem Recht der DDR besteuert worden sind. Die Bedeutung der Vorschrift ist wegen der zeitlichen Distanz heute nur noch sehr gering.
III. Geltungsbereich und Verhältnis zu anderen Vorschriften 3 Die Vorschrift grenzt den Anwendungsbereich des ErbStG gegenüber dem Recht der DDR ab. In
Art. 31 Abs. 5 Satz 1 des Vertrages über die Schaffung einer Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion1 v. 18.5.1990 ist geregelt, wie bei Erwerben von Todes wegen, für die die Steuer im 2. Halbjahr 1990 entstanden ist, eine Doppelbesteuerung im deutsch-deutschen Verhältnis vermieden wird. Art. 33 des Vertrages enthält eine allgemeine Verpflichtung, eine Doppelbesteuerung, also auch bei Schenkungen unter Lebenden, durch Verständigung über eine sachgerechte Abgrenzung der Besteuerungsgrundlagen zu vermeiden. Die Verpflichtungen aus diesem Vertrag gelten gem. Art. 40 des Einigungsvertrages2 vom 31.8.1990 fort. Vgl. zur Ausgestaltung des Besteuerungsrechts die gleich lautenden Erlasse der der Länder v. 3.12.1991.3
IV. Rechtsentwicklung 4 § 37a ErbStG wurde eingefügt durch den Einigungsvertrag4 i.V.m. dem Gesetz5 v. 23.9.1990. Die
Abs. 1 und 3 des § 37a ErbStG sind durch das Jahressteuergesetz 19976 aufgehoben worden. Die Aufhebung des Abs. 3 ging auf die Neuordnung der Bewertung von Grundstücken für das gesamte Bundesgebiet durch das Jahressteuergesetz zurück. Ausgangspunkt für die Neuordnung der Grundstücksbewertung war der Einheitswertbeschluss des BVerfG7 v. 22.6.1995.
B. Anwendbarkeit des ErbStG in seiner geltenden Fassung (Abs. 2) 5 Um Zweifel auszuschließen, welches Recht für die Besteuerung eines Erwerbs anzuwenden ist,
schreibt § 37a ErbStG vor, dass dasjenige Erbschaftsteuergesetz anzuwenden ist, dass zum Zeitpunkt der Entstehung der Steuerschuld für diesen Erwerb gilt. Entsteht die Steuer nach dem 31.12.1990, ist dies einheitlich das ErbStG. Andererseits ist das Erbschaftsteuerrecht der DDR weiter anzuwenden, wenn es nach dem 31.12.1990 zu einer erstmaligen Steuerfestsetzung oder Änderung/Berichtigung 1 BGBl. II 1990, 537 (543). 2 BGBl. II 1990, 889 (903). 3 Gleich lautende Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder v. 3.12.1991 (Besteuerung von Schenkungen, für die im 2. Halbjahr 1990 Schenkungsteuer sowohl nach dem Schenkungsteuerrecht der Bundesrepublik Deutschland als auch nach dem der ehemaligen DDR entstanden ist), BStBl. I 1992, 31. 4 Eingeführt durch Anlage I Kap. IV Sachgeb. B Abschn. II Nr. 28 EinigVtr v. 31.8.1990. 5 Gesetz zum Einigungsvertrag v. 23.9.1990, BGBl. II 1990, 885. 6 Jahressteuergesetz 1997 (JStG 1997) v. 20.12.1996, BGBl. I 1996, 2049. 7 BVerfG v. 22.6.1995 – 2 BvR 552/91, BStBl. II 1995, 671.
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Besteuerung nach dem Jahreswert und Ablösung der Steuer (Abs. 7)
Rz. 10 § 37a ErbStG
einer Steuerfestsetzung für einen Erwerb kommt, für den die Steuer nach diesem Recht vor dem 1.1.1991 entstanden ist. Diese Fortgeltung des DDR-Rechts war in der Literatur1 umstritten, ist vom BFH2 aber bestätigt worden. § 37a Abs. 2 Satz 2 ErbStG regelt den Fall, dass nach DDR-Recht die Steuerschuld bei mit Nutzungs- 6 rechten belastetem Vermögen ausgesetzt werden konnte. Mit dem Wegfall des § 34 ErbStG würde diese Aussetzung entfallen. § 37a Abs. 2 Satz 2 ErbStG regelt nun, dass die Aussetzung weiterläuft.3
C. Zusammenrechnung mehrerer Erwerbe nach § 14 ErbStG (Abs. 4) In die Zusammenrechnung mehrerer innerhalb von zehn Jahren von derselben Person anfallende Er- 7 werbe nach § 14 ErbStG sind auch Erwerbe einzubeziehen, die dem Erbschaftsteuerrecht der DDR unterlagen.4 Diese Vorerwerbe sind mit ihrem nach dem Erbschaftsteuerrecht der DDR ermittelten früheren Wert anzusetzen. Sachliche Steuerbefreiungen bleiben dabei erhalten. Erwerbe aus der Zeit vor dem 1.7.1990 sind im Verhältnis 1:1 in DM umzustellen. Die anzurechnende Steuer für den Vorerwerb ist nach den Vorschriften des Erbschaftsteuerrechts der DDR zu ermitteln, soweit es sich um eine ungünstigere Steuerklasse oder niedrigere persönliche Freibeträge handelt. Auch ist zugunsten des Steuerpflichtigen der jeweils höhere Steuersatz nach dem ErbStG oder dem Erbschaftsteuerrecht der DDR anzuwenden. Da es sich bei der anzurechnenden Steuer um eine fiktive Steuer handelt, ist eine Währungsumstellung nicht erforderlich. Ist die anzurechnende Steuer für den Vorerwerb höher als die Steuer für den Gesamterwerb, ist eine Steuererstattung ausgeschlossen.
D. Mehrfacher Erwerb desselben Vermögens (Abs. 5) Im Rahmen des § 27 ErbStG sollen auch Vorerwerbe, die nach dem Erbschaftsteuerrecht der DDR 8 tatsächlich besteuert wurden, zu einer Ermäßigung der Erbschaftsteuer führen. Solche Vorerwerbe sind jedoch nur dann zu berücksichtigen, wenn die jeweiligen Erwerber zu dem in § 15 Abs. 1 Steuerklasse I ErbStG genannten Personenkreis gehörten.5
E. Stundung der Steuer (Abs. 6) Gehörte zu einem nach dem Erbschaftsteuerrecht der DDR besteuerten Erwerb Betriebsvermögen 9 oder land- und forstwirtschaftliches Vermögen und war die hierfür zu erhebende Steuer am 1.1.1991 noch nicht entrichtet, kann diese nach Maßgabe des § 28 ErbStG gestundet werden.6
F. Besteuerung nach dem Jahreswert und Ablösung der Steuer (Abs. 7) Bei einer Versteuerung von Renten, Nutzungen oder Leistungen nach dem Jahreswert sah § 33 10 ErbStG-DDR – anders als § 23 Abs. 2 ErbStG – keine Möglichkeit vor, die Jahressteuer vorzeitig mit ihrem Kapitalwert abzulösen. Gemäß § 37a Abs. 7 ErbStG wird diese Möglichkeit nach dem 31.12.1990 eröffnet. Für die Ermittlung des Kapitalwerts im Ablösungszeitpunkt sind die Vorschriften der §§ 13 und 14 BewG anzuwenden.7
1 2 3 4 5 6 7
Vgl. ausführlich Kau in Wilms/Jochum, § 37a ErbStG Rz. 14 ff. (Stand: Dezember 2010). BFH v. 30.5.2001 – II R 4/99, BStBl. II 2001, 606. Vgl. Schuck in V/K/S/W4, § 37a ErbStG Rz. 98. Vgl. H 90 „Anwendung des § 37a ErbStG“ ErbStH 1999 unter 2. Berücksichtigung früherer Erwerbe. Vgl. H 90 „Anwendung des § 37a ErbStG“ ErbStH 1999 unter 3. Mehrfacher Erwerb desselben Vermögens. Vgl. H 90 „Anwendung des § 37a ErbStG“ ErbStH 1999 unter 4. Stundung von Erbschaftsteuer. Vgl. H 90 „Anwendung des § 37a ErbStG“ ErbStH 1999 unter 5. Besteuerung von Renten, Nutzungen oder Leistungen.
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§ 37a ErbStG Rz. 11 Sondervorschriften aus Anlass der Herstellung der Einheit Deutschlands
G. Aussetzung der Steuer (Abs. 8) 11
Wurde beim Erwerb von Vermögen, dessen Nutzung einem anderen als dem Steuerpflichtigen zusteht, die Versteuerung nach § 34 ErbStG- DDR ausgesetzt, ist diese Vorschrift über den 31.12.1990 hinaus anzuwenden. Die Steuer entsteht in diesen Fällen nach § 37a Abs. 2 Satz 2 ErbStG im Zeitpunkt des Erlöschens des Nutzungsrechts. Demzufolge hat der Erwerber beim Erlöschen des Nutzungsrechts den Erwerb nach den Vorschriften des ErbStG zu versteuern.1
§§ 38, 39 (weggefallen)
1 Vgl. H 90 „Anwendung des § 37a ErbStG“ ErbStH 1999 unter 5. Besteuerung von Renten, Nutzungen oder Leistungen.
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Bewertungsgesetz (Auszug) i.d.F. der Bekanntmachung v. 1.2.1991 (BGBl. I 1991, 230), zuletzt geändert durch Art. 2 Ges. v. 4.11.2016 (BGBl. I 2016, 2464)
Erster Teil Allgemeine Bewertungsvorschriften
§ 11 Wertpapiere und Anteile (1) 1Wertpapiere und Schuldbuchforderungen, die am Stichtag an einer deutschen Börse zum Handel im regulierten Markt zugelassen sind, werden mit dem niedrigsten am Stichtag für sie im regulierten Markt notierten Kurs angesetzt. 2Liegt am Stichtag eine Notierung nicht vor, so ist der letzte innerhalb von 30 Tagen vor dem Stichtag im regulierten Markt notierte Kurs maßgebend. 3Entsprechend sind die Wertpapiere zu bewerten, die in den Freiverkehr einbezogen sind. (2) 1Anteile an Kapitalgesellschaften, die nicht unter Absatz 1 fallen, sind mit dem gemeinen Wert anzusetzen. 2Lässt sich der gemeine Wert nicht aus Verkäufen unter fremden Dritten ableiten, die weniger als ein Jahr zurückliegen, so ist er unter Berücksichtigung der Ertragsaussichten der Kapitalgesellschaft oder einer anderen anerkannten, auch im gewöhnlichen Geschäftsverkehr für nichtsteuerliche Zwecke üblichen Methode zu ermitteln; dabei ist die Methode anzuwenden, die ein Erwerber der Bemessung des Kaufpreises zu Grunde legen würde. 3Die Summe der gemeinen Werte der zum Betriebsvermögen gehörenden Wirtschaftsgüter und sonstigen aktiven Ansätze abzüglich der zum Betriebsvermögen gehörenden Schulden und sonstigen Abzüge (Substanzwert) der Gesellschaft darf nicht unterschritten werden; die §§ 99 und 103 sind anzuwenden. 4Die §§ 199 bis 203 sind zu berücksichtigen. (2a) (weggefallen) (3) Ist der gemeine Wert einer Anzahl von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft, die einer Person gehören, infolge besonderer Umstände (z.B. weil die Höhe der Beteiligung die Beherrschung der Kapitalgesellschaft ermöglicht) höher als der Wert, der sich auf Grund der Kurswerte (Absatz 1) oder der gemeinen Werte (Absatz 2) für die einzelnen Anteile insgesamt ergibt, so ist der gemeine Wert der Beteiligung maßgebend. (4) Anteile oder Aktien, die Rechte an einem Investmentvermögen im Sinne des Kapitalanlagegesetzbuchs verbriefen, sind mit dem Rücknahmepreis anzusetzen. A. I. II. III. IV. B. I. II. III. C.
Grundaussagen der Vorschrift. . . . . . . . . . Regelungsgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . Bedeutung und Telos . . . . . . . . . . . . . . . . . Geltungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rechtsentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bewertung bei Börsennotierung (Abs. 1) . Ansatz des Kurswerts (Abs. 1 Satz 1 bis 3) . . Telefonkurse. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Junge Aktien und Vorzugsaktien . . . . . . . . . Bewertung von nicht notierten Anteilen an Kapitalgesellschaften (Abs. 2) . . . . . . . . I. Ableitung aus Verkäufen (Abs. 2 Satz 1) . . . 1. Voraussetzung für die Ableitung . . . . . . . 2. Zeitliche Nähe zum Stichtag . . . . . . . . . .
1 1 6 9 14 21 21 24 26 27 27 27 29
a) Zeitraum von einem Jahr vor dem Stichtag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Verkauf nach dem Stichtag . . . . . . . . . c) Keine Ableitung trotz Jahresfrist . . . . . d) Anhaltspunkte für das vereinfachte Ertragswertverfahren. . . . . . . . . . . . . . 3. Gewöhnlicher Geschäftsverkehr . . . . . . . . 4. Beispiele für gewöhnlichen Geschäftsverkehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Ableitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Ertragswertverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Ertragsorientierte Methoden . . . . . . . . . . 2. Überprüfung durch die Finanzverwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Wahlrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Mannek
29 30 32 36 38 45 55 61 61 64 65
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§ 11 BewG Wertpapiere und Anteile III. Andere übliche Methoden (Abs. 2 Satz 2) . . 1. Vielfalt der Bewertungsmethoden . . . . . . 2. Branchenspezifische Bewertungsmethoden im Überblick . . . . . . . . . . . . . 3. Begriffsbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Substanzwert (Abs. 2 Satz 3) . . . . . . . . . . . . 1. Substanzwert als Mindestwert. . . . . . . . . 2. Definition des Substanzwerts . . . . . . . . . 3. Umfang des Betriebsvermögens . . . . . . . 4. Erfindungen oder Urheberrechte . . . . . . 5. Abnutzbares Anlagevermögen . . . . . . . . 6. Umlaufvermögen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Grundbesitz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8. Schulden und Abzüge. . . . . . . . . . . . . . . 9. Liquidationswert . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10. Kein Ansatz des Substanzwerts . . . . . . . .
67 67 72 75 77 77 78 80 82 83 84 85 86 87 90
11. Korrekturen bei abweichendem Abschlusszeitpunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 V. Vereinfachtes Ertragswertverfahren (Abs. 2 Satz 4) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 D. Paketzuschlag (Abs. 3) . . . . . . . . . . . . . . . . I. Voraussetzungen für einen Paketzuschlag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Paketzuschlag in Abhängigkeit von Bewertungsmethoden . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Besondere Umstände . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Höhe des Paketzuschlags . . . . . . . . . . . . . . .
96 96 98 101 103
E. Rücknahmepreis (Abs. 4) . . . . . . . . . . . . . . 105 F. I. II. III.
Feststellung der Bemessungsgrundlage. . . . Feststellung nach § 151 BewG . . . . . . . . . . . Beteiligung an einer Personengesellschaft . . . Anteil an einer Kapitalgesellschaft . . . . . . . .
107 107 108 113
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Mannek
Grundaussagen der Vorschrift
Rz. 2 § 11 BewG
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A. Grundaussagen der Vorschrift I. Regelungsgegenstand Die Vorschrift räumt in Abs. 1 dem Ansatz des Kurswerts einen Bewertungsvorrang ein. Dies gilt so- 1 wohl für Wertpapiere als auch für Schuldbuchforderungen. Für den Ansatz des Kurswerts ist nicht entscheidend, ob insoweit Forderungsrechte oder Beteiligungen an Gesellschaften bestehen. Hierzu können beispielsweise auch Anteile an Kapitalgesellschaften gehören, die an der Börse notiert sind. Bei einer Börsennotierung findet keine gesonderte Feststellung nach § 151 Abs. 1 Nr. 3 BewG statt. Bei mehreren Kursnotierungen zum Stichtag ist der niedrigste Kurswert anzusetzen. Bei einer fehlenden Notierung am Stichtag ist der letzte innerhalb von 30 Tagen vor dem Stichtag notierte Kurs anzusetzen. Abs. 2 der Vorschrift bezieht sich ausschließlich auf Anteile an Kapitalgesellschaften, die nicht unter 2 Abs. 1 fallen. Der gemeine Wert der Anteil ist nach § 151 Abs. 1 Nr. 3 BewG vom Betriebsfinanzamt gesondert festzustellen. Der gemeine Wert nicht notierter Anteile an Kapitalgesellschaften ist vorrangig aus Verkäufen abzuleiten, die weniger als ein Jahr zurückliegen. Sofern dies nicht möglich ist, ist der gemeine Wert – unter Berücksichtigung der Ertragsaussichten der Kapitalgesellschaft oder – einer anderen anerkannten, auch im gewöhnlichen Geschäftsverkehr für nichtsteuerliche Zwecke üblichen Methode oder – im vereinfachten Ertragswertverfahren (§§ 199 bis 203 BewG) zu ermitteln.
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§ 11 BewG Rz. 3 Wertpapiere und Anteile 3 Dabei darf – unabhängig von der Bewertungsmethode – der nach § 11 Abs. 2 Satz 3 BewG maß-
gebende Substanzwert nicht unterschritten werden. Hieraus lässt sich folgende schematische Darstellung ableiten: § 11 BewG
§ 11 Abs. 1
Kurswert
§ 11 Abs. 2
Verkaufsabteilung
Ertragswertverfahren z.B IDW S1, DCF
Bewertungsmethoden
Andere übliche Methoden z.B Multiplikationsverfahren
Vereinfachtes Ertragswertverfahren §§ 199–203 BewG
Substanzwert = Mindestwert
4 § 11 Abs. 3 BewG regelt den sog. Paketzuschlag. Sofern der gemeine Wert einer Anzahl von Anteilen
an einer Kapitalgesellschaft, die einer Person gehören, beispielsweise wegen der Möglichkeit, die Kapitalgesellschaft zu beherrschen, höher als der Wert ist, der sich rechnerisch als Summe der einzelnen Anteile ergibt, muss der gemeine Wert des Beteiligungspakets angesetzt werden. Der Paketzuschlag ist nur vorgesehen, wenn der Kurswert angesetzt wurde oder eine Ableitung aus Verkäufen stattgefunden hat. Bei einer individuellen Unternehmensbewertung eines Anteils ist die Beherrschungsmöglichkeit – sofern dies werttreibend ist – innerhalb der Wertermittlung zu berücksichtigen. 5 Nach Abs. 4 ist der Rücknahmepreis anzusetzen, wenn es sich um Anteile oder Aktien handelt, die
Rechte an einem Investmentvermögen im Sinne des Kapitalanlagegesetzbuchs verbriefen.
II. Bedeutung und Telos 6 Die Vorschrift ist für Bewertungsstichtage nach dem 31.12.2008 von besonderer Bedeutung, weil ver-
fassungsrechtlich für alle Vermögensarten der gemeine Wert die Zielgröße der Bewertung ist und erst auf einer zweiten Stufe Verschonungsregelungen zulässig sind.1 Damit war die davor geltende Bewertung nach dem sog. Stuttgarter Verfahren, das tendenziell zu Unterbewertungen führte, unzulässig. Erstmals verweist § 11 BewG auf allgemein angewandte Methoden der Unternehmensbewertung. Zusätzlich bietet der Gesetzgeber ein vereinfachtes Ertragswertverfahren für steuerliche Zwecke an, das jedoch nach § 199 BewG nur angewandt werden kann, wenn dieses nicht zu offensichtlich unzutreffenden Ergebnissen führt. 7 Die durch § 19 Abs. 1 ErbStG angeordnete Erhebung der Erbschaftsteuer mit einheitlichen Steuer-
sätzen auf den Wert des Erwerbs ist nach der Entscheidung des BVerfG mit dem Grundgesetz unvereinbar, soweit dabei an Werte angeknüpft wird, deren Ermittlung bei wesentlichen Gruppen von Vermögensgegenständen (Betriebsvermögen, Grundvermögen, Anteilen an Kapitalgesellschaften und land- und forstwirtschaftlichen Betrieben) den Anforderungen des Gleichheitssatzes nicht genügt. Deshalb war der Gesetzgeber verpflichtet, bis spätestens 31.12.2008 unter einheitlicher Orientierung am gemeinen Wert als dem maßgeblichen Bewertungsziel Neuregelungen zu treffen, die diese Voraus-
1 BVerfG v. 7.11.2006 – 1 BvL 10/02, BStBl. II 2007, 192 = FR 2007, 338 = ErbStB 2007, 64.
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Rz. 13 § 11 BewG
setzungen erfüllen. Die mit § 11 BewG geschaffene Neuregelung soll den Ansatz des gemeinen Werts als Bewertungsziel sicherstellen. Die Neufassung des § 11 Abs. 2 BewG ist hinsichtlich des Anwendungsbereichs nicht nur auf Antei- 8 le an Kapitalgesellschaften beschränkt. Vielmehr wird auch das Betriebsvermögen von Gewerbebetrieben i.S.d. § 95 BewG und das Betriebsvermögen von freiberuflich Tätigen i.S.d. § 96 BewG in entsprechender Anwendung des § 11 Abs. 2 BewG ermittelt (§ 109 Abs. 1 BewG). Darüber hinaus wird auch der Wert eines Anteils am Betriebsvermögen einer in § 97 BewG genannten Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse in entsprechender Anwendung des § 11 Abs. 2 BewG ermittelt (§ 109 Abs. 2 BewG). Somit legt § 11 Abs. 2 BewG die Grundlage für eine rechtsformneutrale Bewertung.
III. Geltungsbereich Die Vorschrift des § 11 BewG gehört zu den allgemeinen Bewertungsvorschriften, die für alle öf- 9 fentlich-rechtlichen Abgaben gelten (§§ 2 bis 16 BewG), die durch Bundesrecht geregelt sind, soweit sie durch Bundesfinanzbehörden oder durch Landesfinanzbehörden verwaltet werden. Allerdings gelten die allgemeinen Bewertungsvorschriften nicht, soweit im Zweiten Teil des Bewertungsgesetzes oder in anderen Steuergesetzen besondere Bewertungsvorschriften enthalten sind (§ 1 BewG). Hieraus ergibt sich eine Geltung für Zwecke der Erbschaft-/Schenkungsteuer, wobei der Sechste Ab- 10 schnitt des Zweiten Teils des Bewertungsgesetzes zusätzliche Vorschriften für die Bewertung von Grundbesitz, von nicht notierten Anteilen an Kapitalgesellschaften und von Betriebsvermögen für die Erbschaftsteuer ab dem 1.1.2009 enthält (vgl. Überschrift zu § 157 BewG. Bei der Bewertung der betrieblichen Vermögen gelten insoweit insbesondere die Vorschriften zum vereinfachten Ertragswertverfahren (§§ 199 bis 203 BewG). Die Ermittlung des gemeinen Werts nach § 11 BewG beschränkt sich nicht auf die Zwecke der Erb- 11 schaft-/Schenkungsteuer. Die FinVerw. wendet die Regelungen seit dem 1.7.2011 nach dem BMFSchreiben vom 22.9.20111 auch für ertragsteuerliche Zwecke bei der Bewertung von Unternehmen und Anteilen an Kapitalgesellschaften entsprechend an. Hinsichtlich der Bewertung von Anteilen an Kapitalgesellschaften bestehen keine Bedenken, das ver- 12 einfachte Ertragswertverfahren grundsätzlich anzuwenden, weil der nach § 1 BewG auch für Zwecke der Ertragsteuern geltende § 11 Abs. 2 Satz 4 auf §§ 199 bis 203 BewG verweist. Jedoch fehlt innerhalb der §§ 2 bis 16 BewG ein Verweis auf § 109 BewG. Damit könnte die Anwendbarkeit des vereinfachten Ertragswertverfahrens bei enger Auslegung des § 1 BewG bei der Bewertung des Betriebsvermögens von Gewerbebetrieben i.S.d. § 95 BewG, des Betriebsvermögens von freiberuflich Tätigen i.S.d. § 96 BewG sowie des Werts eines Anteils am Betriebsvermögen einer in § 97 BewG genannten Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse für Zwecke der Ertragsteuern zweifelhaft erscheinen. Die FinVerw. setzt sich über diesen Zweifel hinweg, zumal die Ermittlung des gemeinen Werts der in 13 § 109 BewG genannten betrieblichen Vermögen auch ohne einen entsprechenden Verweis innerhalb der §§ 2 bis 16 BewG in der Praxis durchgeführt werden muss. Insoweit erscheint es naheliegend, selbst wenn die unmittelbare Anwendung des vereinfachten Ertragswertverfahrens aus formellen Gründen ausgeschlossen sein sollte, die Ermittlung des gemeinen Werts entsprechend § 11 Abs. 2 BewG vorzunehmen, zumal die FinVerw. keine – vereinfachten – Alternativen für eine steuerliche Unternehmensbewertung anbietet. Dagegen hat der Steuerzahler ohnehin die Möglichkeit, anstelle des vereinfachten Ertragswertverfahrens eine individuelle Unternehmensbewertung durchzuführen, die im Regelfall jedoch mit erheblichen Kosten verbunden ist.
1 BMF v. 22.9.2011, BStBl. I 2011, 859.
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§ 11 BewG Rz. 14 Wertpapiere und Anteile
IV. Rechtsentwicklung 14
Bereits seit dem BewG 1965 wird mit § 11 BewG die Bewertung von Wertpapieren und Anteilen geregelt. Mit Wirkung vom 1.1.19741 wurde der Ansatz des Kurswerts zeitlich enger mit dem Stichtag verknüpft, so dass bei fehlender Börsennotierung am Stichtag der letzte innerhalb von 30 Tagen vor dem Stichtag notierte Kurs maßgebend ist. Auch die Ableitung des gemeinen Wertes aus Verkäufen wurde zeitlich enger mit dem Stichtag verknüpft. Hierbei wurde die Ableitung aus Verkäufen auf Verkaufsfälle beschränkt, die weniger als ein Jahr zurückliegen.
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Mit Wirkung vom 1.5.1987 wurde der geregelte Markt in Abs. 1 Satz 3 aufgenommen und somit der veränderten Struktur der deutschen Börsen Rechnung getragen.2 Wegen Wegfalls des „geregelten Freiverkehrs“ wurde in Abs. 1 Satz 3 das Wort „geregelten“ gestrichen.3
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Mit Art. 13a Nr. 1 Finanzmarktrichtlinie-Umsetzungsgesetz4 wurde in § 11 Abs. 1 BewG als Folgeänderung zum Börsengesetz der neue Begriff des „Regulierten Marktes“ eingefügt und die Vorschrift wie folgt gefasst: „Wertpapiere und Schuldbuchforderungen, die am Stichtag an einer deutschen Börse zum Handel im regulierten Markt zugelassen sind, werden mit dem niedrigsten am Stichtag für sie im regulierten Markt notierten Kurs angesetzt. Liegt am Stichtag eine Notierung nicht vor, so ist der letzte innerhalb von 30 Tagen vor dem Stichtag im regulierten Markt notierte Kurs maßgebend. Entsprechend sind die Wertpapiere zu bewerten, die in den Freiverkehr einbezogen sind.“
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§ 11 Abs. 2 enthält die Regelungen zur Bewertung von Anteilen an Kapitalgesellschaften, die nicht unter Abs. 1 fallen. Insoweit ergaben sich verschiedene Änderungen: – Art. 5 Nr. 1 des Wohnungsbauförderungsgesetzes v. 22.12.19895 – Art. 13 Nr. 2 StÄndG 19926 – Art. 3 Nr. 1 des Zinsabschlaggesetzes v. 9.11.19927 – Jahressteuergesetz JStG 19978 – Art. 4 Nr. 1 und Art. 6 Nr. 1 des Gesetzes zur Fortsetzung der Unternehmenssteuerreform v. 29.10.19979 – Gesetz über steuerliche Begleitmaßnahmen zur Einführung der Europäischen Gesellschaft und zur Änderung weiterer steuerrechtlicher Vorschriften vom 7.12.2006 (SEStEG).10
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Für Bewertungsstichtage nach dem 31.12.2008 sind die vorstehenden Änderungen nicht mehr von Bedeutung, weil mit dem ErbStRG11 die Maßgeblichkeit des vereinfachten Ertragswertverfahrens (vgl. §§ 199 ff. BewG) eingeführt und § 11 Abs. 2 BewG neu gefasst wurde.
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Die gesetzlichen Regelungen sind durch die FinVerw. mit gleich lautenden Erlassen vom 25.6.2009 zur Anwendung der §§ 11, 95 bis 109 und 199 ff. BewG i.d.F. durch das ErbStRG erläutert worden.12 Dabei waren die gleich lautenden Erlasse nach Abschn. 1 nur bei der Bewertung für Zwecke der Erbschaft- und Schenkungsteuer anzuwenden. Die Bewertung für ertragsteuerliche Zwecke blieb von den Regelungen des Erlasses unberührt.
1 VStRG v. 17.4.1974, BGBl. I 1974, 947. 2 Art. 2 Abs. 8 des Börsen-Zulassungsgesetzes v. 16.12.1986, BGBl. I 1986, 2478. 3 Missbrauchsbekämpfungs- und Steuerbereinigungsgesetz (StMBG) v. 21.12.1993, BGBl. I 1993, 2310; Streichung mit Rückwirkung zum 1.1.1993, § 124 Abs. 7 BewG i.d.F. des StMBG. 4 Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente und der Durchführungsrichtlinie der Kommission v. 16.7.2007, BGBl. I 2007, 1330 (1380). 5 BGBl. I 1989, 2408 = BStBl. I 1989, 505. 6 BGBl. I 1992, 297 = BStBl. I 1992, 146. 7 BGBl. I 1992, 1853, BStBl. I 1992, 682. 8 Jahressteuergesetz 1997 v. 20.12.1996, BStBl. I, 1523. 9 BGBl. I 1997, 2590, BStBl. I 1997, 928. 10 BGBl. I 2006, 2782, BStBl. I 2006, 4, 26. 11 Erbschaftsteuerreformgesetz v. 24.12.2008, BGBl. I 2008, 3018. 12 BV-Erlass v. 25.6.2009, BStBl. I 2009, 698.
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Bewertung bei Börsennotierung (Abs. 1)
Rz. 26 § 11 BewG
Demgegenüber vertritt die FinVerw. mit gleich lautenden Erlassen vom 17.5.20111 für Bewertungs- 20 stichtage nach dem 30.6.2011 indirekt die Auffassung, dass die Anwendung des vereinfachten Ertragswertverfahrens auch für ertragsteuerliche Zwecke zulässig ist, weil Abschn. 1 der Erlasse unbesetzt geblieben ist. Mit BMF-Schreiben vom 22.9.2011 werden die Finanzämter ausdrücklich angewiesen, die Regelungen der gleich lautenden Erlasse vom 17.5.2011 für ertragsteuerliche Zwecke bei der Bewertung von Unternehmen und Anteilen an Kapitalgesellschaften entsprechend anzuwenden.2
B. Bewertung bei Börsennotierung (Abs. 1) I. Ansatz des Kurswerts (Abs. 1 Satz 1 bis 3) An Börsen wird in einem organisierten Markt für vertretbare Sachen nach bestimmten Regeln gehan- 21 delt. Dabei werden Angebot und Nachfrage über einen Makler zusammengeführt und durch die Festsetzung von Preisen, d.h. von Kursen, ausgeglichen. Aus § 11 Abs. 1 BewG ergibt sich, dass Wertpapiere und Schuldbuchforderungen mit dem niedrigsten 22 am Stichtag für sie im regulierten Markt notierten Kurs angesetzt werden, wenn sie am Stichtag an einer deutschen Börse zum Handel im regulierten Markt zugelassen sind. Liegt am Stichtag keine Notierung vor, ist der letzte innerhalb von 30 Tagen vor dem Stichtag im regulierten Markt notierte Kurs maßgebend. Entsprechend sind die Wertpapiere zu bewerten, die in den Freiverkehr einbezogen sind. Sofern kein Kurs nach § 11 Abs. 1 BewG besteht, sind Wertpapiere, die Anteile an Kapitalgesellschaften 23 verbriefen, nach § 11 Abs. 2 BewG mit dem gemeinen Wert anzusetzen. Wertpapiere, die Forderungsrechte verbriefen, sind dagegen nach § 12 Abs. 1 BewG mit dem Nennwert anzusetzen. Hierbei können vom Nennwert abweichende Kursnotierungen für vergleichbare oder ähnlich ausgestattete festverzinsliche Wertpapiere als besonderer Umstand i.S.d. § 12 Abs. 1 BewG angesehen werden, der einen vom Nennwert abweichenden Wertansatz rechtfertigt. Pfandbriefe mit persönlicher Sonderausstattung ohne Kurswert sind in Anlehnung an die Kurse für vergleichbare Pfandbriefe zu bewerten.
II. Telefonkurse Telefonkurse werden außerhalb der Börse zwischen Banken erzielt. Sofern Wertpapiere nur im Tele- 24 fonverkehr gehandelt werden, können sie nicht nach § 11 Abs. 1 BewG bewertet werden. Allerdings kann bei ausländischen Wertpapieren, bei denen ein Telefonkurs im inländischen Bank- 25 verkehr vorliegt, dieser Kurs angesetzt werden (vgl. R B 11.1 Abs. 3 ErbStR 2011). Sofern sich der gemeine Wert nicht auf dieser Grundlage ermitteln lässt, ist er möglichst aus den Kursen des Emissionslands abzuleiten.
III. Junge Aktien und Vorzugsaktien Eine Besonderheit gilt bei jungen Aktien und Vorzugsaktien, die nicht an der Börse eingeführt sind. In 26 diesen Fällen kann der gemeine Wert aus dem Börsenkurs der Stammaktien abgeleitet werden. Entsprechend ist auch der gemeine Wert nicht notierter Stammaktien aus den Kurswerten für notierte junge Aktien oder aus den Kurswerten für Vorzugsaktien abzuleiten. Dabei ist die unterschiedliche Ausstattung durch Zu- oder Abschläge zu berücksichtigen. Die Ermittlung der Zu- oder Abschläge muss individuell erfolgen. Es ist nicht zulässig, Wertdifferenzen nach einem allgemeinen Durchschnitt zu beziffern.
1 BV-Erlass v. 17.5.2011, BStBl. I 2011, 606. 2 BMF v. 22.9.2011, BStBl. I 2011, 859.
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§ 11 BewG Rz. 27 Wertpapiere und Anteile
C. Bewertung von nicht notierten Anteilen an Kapitalgesellschaften (Abs. 2) I. Ableitung aus Verkäufen (Abs. 2 Satz 1) 1. Voraussetzung für die Ableitung 27
Der gemeine Wert von nicht notierten Anteilen an Kapitalgesellschaften ist nach § 11 Abs. 2 Satz 1 BewG vorrangig aus Verkäufen abzuleiten, wenn kein Kurswert nach § 11 Abs. 1 BewG vorliegt. Der Ansatz des Kurswerts hat also Vorrang vor der Verkaufsableitung. Dagegen ist eine Bewertungsmethode – wie beispielsweise ein Ertragswertverfahren – zur Ermittlung des gemeinen Werts gegenüber der Ableitung aus Verkäufen nur nachrangig anzuwenden. Dem liegt die Vorstellung zugrunde, dass der gemeine Wert von nicht notierten Anteilen an Kapitalgesellschaften aus tatsächlichen Verkäufen in der Praxis zu relativ realitätsnahen Werten führt.
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Der gemeine Wert von nicht notierten Anteilen an einer Kapitalgesellschaft ist nach der Gesetzesbegründung in erster Linie der Preis, der bei einer Veräußerung unter fremden Dritten vereinbart wurde. Dabei könne unwiderlegbar vermutet werden, dass zeitnahe Verkäufe in der Vergangenheit den betreffenden Markt zum Bewertungsstichtag richtig widerspiegeln. 2. Zeitliche Nähe zum Stichtag a) Zeitraum von einem Jahr vor dem Stichtag
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Die Aussagekraft von Verkaufspreisen dürfte mit der zeitlichen Nähe des Veräußerungsvorgangs zum Bewertungsstichtag steigen. Deshalb haben Kaufpreise, die in zeitlicher Nähe zum Stichtag realisiert wurden, eine größere Aussagekraft als Kaufpreise, die zeitlich länger zurückliegen. Der in § 11 Abs. 2 BewG verwendete Begriff „Verkäufe“ stellt auf den Abschluss des schuldrechtlichen Vertrags, also auf den jeweiligen Kaufvertrag i.S.d. § 433 BGB ab. Dementsprechend sind auch für die Wertableitung grundsätzlich nur die Verkäufe zu berücksichtigen, bei denen der Zeitpunkt des Kaufvertragsabschluss weniger als ein Jahr vor dem Bewertungsstichtag liegt. Der Gesetzgeber beschränkt die Ableitung aus Verkäufen somit auf einen Zeitraum von einem Jahr vor dem Bewertungsstichtag. b) Verkauf nach dem Stichtag
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Der BFH lässt diesbezüglich eine Ausnahme bei Sachverhalten zu, bei dem der Vertragsabschluss kurze Zeit (d.h. innerhalb einer nach Wochen zu bemessenen Zeitspanne) vor dem nach § 11 Abs. 2 Satz 2 BewG maßgeblichen Zeitraum stattgefunden hat und die Vertragsbeteiligten im Kaufvertrag den Kaufpreis für die nicht notierten Anteile an einer Kapitalgesellschaft nach einem Zeitpunkt bemessen haben, der innerhalb des Zeitraums von einem Jahr vor dem Bewertungsstichtag liegt.1
31
Diese Ausnahme erscheint gerechtfertigt, weil § 11 Abs. 2 Satz 2 BewG die Ermittlung des Werts nicht notierter Anteile vorrangig an der Wertbestätigung am Markt ausrichtet. Wird bei dem Verkauf ein Preis zugrunde gelegt, der für einen Zeitpunkt innerhalb des Zeitraums von einem Jahr vor dem Bewertungsstichtag bestimmt wird, kann aus diesem Preis auch der Wert für den späteren Stichtag abgeleitet werden. Ein für den Zeitraum von einem Jahr vor dem Bewertungsstichtag festgelegter Kaufpreis spiegelt den gemeinen Wert der Anteile nach Auffassung des BFH – jedenfalls für Stichtage vor dem 1.1.2009 – weit besser wider als der nach dem Stuttgarter Verfahren ermittelte Wert. Insoweit ist die Rechtslage vergleichbar mit Verkäufen „nach“ dem Bewertungsstichtag, die nach ständiger Rspr. ebenfalls ausnahmsweise zur Ableitung des Werts nicht notierter Anteile an Kapitalgesellschaften heranzuziehen sind, wenn die Einigung über den Kaufpreis bereits vorher herbeigeführt war.
1 BFH v. 16.5.2013 – II R 4/11, ErbStB 2013, 242 = BFH/NV 2013, 1223.
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Mannek
Bewertung von nicht notierten Anteilen an Kapitalgesellschaften (Abs. 2)
Rz. 36 § 11 BewG
c) Keine Ableitung trotz Jahresfrist Verkäufe innerhalb der Jahresfrist führen für sich allein noch nicht zwingend zu einer Ableitung 32 des gemeinen Werts. Dementsprechend hat der BFH mit Urteil v. 29.7.20101 entschieden, dass der gemeine Wert nicht börsennotierter Aktien sich nicht i.S.d. § 11 Abs. 2 Satz 2 BewG aus Verkäufen ableiten lässt, wenn nach den Veräußerungen, aber noch vor dem Bewertungsstichtag weitere objektive Umstände hinzutreten, die dafür sprechen, dass diese Verkäufe nicht mehr den gemeinen Wert der Aktien repräsentieren und es an objektiven Maßstäben für Zu- und Abschläge fehlt, um von den festgestellten Verkaufspreisen der Aktien auf deren gemeinen Wert zum Bewertungsstichtag schließen zu können. Der BFH hat diese Entscheidung bei der Bestimmung eines geldwerten Vorteils eines Arbeitneh- 33 mers aus der verbilligten Überlassung von Aktien seines Arbeitgebers im Rahmen einer Kapitalerhöhung getroffen. Nach dem BFH-Urteil muss zumindest ein Maßstab erkennbar sein, der mittels Zuund Abschlägen von den festgestellten Verkaufspreisen auf den gemeinen Wert der Aktien kurz vor dem Gang an den Kapitalmarkt schließen lässt. In dem Entscheidungsfall haben entsprechende „weitere objektive Umstände“ vorgelegen. Denn der Arbeitgeber und die mit der Steuerung und Platzierung der Emission als verantwortliche Konsortialführerin beauftragte Bank waren von einer Bewertung der Anteile ausgegangen, die deutlich, nämlich um mehr als 800 %, von den zuvor erzielten Verkaufspreisen abweicht. Zwar hatte der Arbeitnehmer zusätzlich eine relativ geringe laufende Lohnzahlung erhalten. Jedoch konnte der Arbeitnehmer von einer hohen Wertzuwendung in Form von Aktien im Rahmen der Kapitalerhöhung ausgehen, wobei diese Kombination zur Geschäftsgrundlage des Arbeitsverhältnisses geworden war. Der BFH folgert aus dem in § 11 Abs. 2 BewG genannten Tatbestandsmerkmal „ableiten“ nicht, dass 34 der gemeine Wert zwingend mit den tatsächlich vorliegenden Kaufpreisen übereinstimmen muss. Somit sind Kaufpreise – selbst wenn sie im gewöhnlichen Geschäftsverkehr und unter fremdüblichen Bedingungen zustande gekommen sind – nicht unbesehen und pauschal der Wertfindung zugrunde zu legen. Vielmehr bedeutet „ableiten“ die Notwendigkeit, den tatsächlich erzielten Kaufpreis an den gemeinen Wert anzupassen, wenn Umstände vorliegen, die eine Änderung gebieten.2 Derartige Umstände, die bei der Wertfindung zu berücksichtigen sind, liegen beispielsweise in fol- 35 genden Fällen vor: – Es liegen Kurswerte für Vorzugsaktien vor, nicht jedoch für die zu bewertenden Stammaktien.3 – Es ist eine Minderheitsbeteiligung zu bewerten, wobei lediglich ein Verkaufspreis für eine Mehrheitsbeteiligung vorliegt.4 – Eine Kapitalgesellschaft hält eigene Anteile.5 d) Anhaltspunkte für das vereinfachte Ertragswertverfahren Sofern nach dem Bewertungsstichtag Verkäufe stattfinden, ist die Ermittlung des gemeinen Werts 36 nach § 11 Abs. 2 Satz 2 BewG durch eine Verkaufsableitung zwar ausgeschlossen. Dennoch ist der Verkaufspreis nicht völlig irrelevant. Findet anstelle der Verkaufsableitung eine Bewertung im vereinfachten Ertragswertverfahren statt, wird die FinVerw. die Ergebnisse nur akzeptieren, wenn die Anwendung des vereinfachten Verfahrens nicht zu offensichtlich unzutreffenden Ergebnissen führt. Erkenntnisse für ein offensichtlich unzutreffendes Ergebnis kann nach der Auffassung der FinVerw. aus dem Vorliegen zeitnaher Verkäufe hergeleitet werden, auch wenn diese nach dem Bewertungsstichtag liegen.6
1 2 3 4 5 6
BFH v. 29.7.2010 – VI R 30/07, BFHE 230, 413 = FR 2011, 238. BFH v. 23.2.1979 – III R 44/77, BStBl. II 1979, 618; v. 9.3.1994 – II R 39/90, BStBl. II 1994, 394. BFH v. 21.4.1999 – II R 87/97, BStBl. II 1999, 810 = FR 1999, 960. BFH v. 23.2.1979 – III R 44/77, BStBl. II 1979, 618. BFH v. 2.11.1988 – II R 52/85, BStBl. II 1989, 80. R B 199.1 Abs. 5 Nr. 1 ErbStR 2011.
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§ 11 BewG Rz. 37 Wertpapiere und Anteile 37
In diesem Zusammenhang verwertet die FinVerw. unter Umständen auch Verkäufe, die innerhalb eines Zeitraums von mehr als einem Jahr vor dem Bewertungsstichtag erzielt wurden.1 3. Gewöhnlicher Geschäftsverkehr
38
Die Ableitung des gemeinen Werts aus Verkäufen ist nur zulässig, wenn die Verkäufe im gewöhnlichen Geschäftsverkehr stattgefunden haben.2 Zwar führt § 11 Abs. 2 BewG die Voraussetzung des gewöhnlichen Geschäftsverkehrs nicht ausdrücklich als Tatbestandsmerkmal auf. Dennoch ist das mit der Vorschrift des § 11 Abs. 2 BewG angestrebte Bewertungsziel des gemeinen Werts nicht losgelöst von § 9 Abs. 2 BewG zu sehen, wonach der gemeine Wert durch den Preis bestimmt wird, der im gewöhnlichen Geschäftsverkehr nach der Beschaffenheit des Wirtschaftsguts bei einer Veräußerung zu erzielen wäre. Dabei sind alle Umstände, die den Preis beeinflussen, zu berücksichtigen. Ungewöhnliche oder persönliche Verhältnisse sind nicht zu berücksichtigen. In diesem Zusammenhang ist von Bedeutung, dass auch Verfügungsbeschränkungen als persönliche Verhältnisse anzusehen sind, die in der Person des Steuerpflichtigen oder eines Rechtsvorgängers begründet sind (§ 9 Abs. 3 BewG).
39
Die vom Gesetzgeber vorgesehene Beschränkung auf Verkäufe „unter fremden Dritten“ verdeutlicht ebenfalls, dass die Ableitung aus Verkäufen nur bei Annahme eines gewöhnlichen Geschäftsverkehrs möglich ist. Trotz dieser Einschränkung erscheint es zulässig, auch solche Verkäufe für die Ableitung heranzuziehen, die zwischen Gesellschaftern derselben Kapitalgesellschaft vereinbart worden sind. Die Tatsache, dass natürliche Personen Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft sind, schließt nicht aus, dass es sich insoweit um fremde Dritte handelt. Allerdings ist mit dieser Einschränkung umschrieben, dass ein Verkauf unter nahen Angehörigen im Regelfall nicht aussagekräftig ist.
40
Nach der Rspr. des BFH ist unter dem gewöhnlichen Geschäftsverkehr i.S.d. § 9 Abs. 2 BewG der Handel zu verstehen, der sich nach den marktwirtschaftlichen Grundsätzen von Angebot und Nachfrage vollzieht. Hierbei muss jeder Vertragspartner ohne Zwang und nicht aus Not, sondern freiwillig in Wahrung seiner eigenen Interessen zu handeln in der Lage sein.3
41
Kein gewöhnlicher Geschäftsverkehr liegt beispielsweise vor, wenn Anteile nur mit Zustimmung eines Verwaltungsrats an einen begrenzten Kreis von Interessenten verkauft werden können. Dies gilt insbesondere, wenn es darüber hinaus einer Gepflogenheit entspricht, die Anteile innerhalb dieses Kreises lediglich zum Nominalwert zu übertragen.4
42
Für Bewertungsstichtage vor dem 1.1.2009 hat der BFH entschieden, dass sich aus einer Wertabweichung zwischen dem Kaufpreis und dem nach dem Stuttgarter Verfahren ermittelten Wert keine Anhaltspunkte ableiten lassen, ob der Verkauf im gewöhnlichen Geschäftsverkehr zustande gekommen ist. Das sei darin begründet, dass sich die Ermittlung des Werts für den Erwerb von Anteilen an Kapitalgesellschaften regelmäßig nicht nach dem Stuttgarter Verfahren, sondern nach anderen Verfahren und Überlegungen richtet.5 Grundsätzlich dürfte diese Entscheidung auf das aktuell geltende vereinfachte Ertragswertverfahren nach §§ 199 ff. BewG übertragbar sein. Zwingend erscheint dies jedoch nicht. Da die Ergebnisse im vereinfachten Ertragswertverfahren – m.W. ohne empirische Untersuchungen mit einer statistisch belastbaren Stichprobe – überwiegend als überhöht eingeschätzt werden, sind sie in der Praxis bereits – zumindest vereinzelt – zum rechnerischen Ausgangspunkt für Verkaufsverhandlungen verwendet worden. Insofern unterscheidet sich die derzeitige Bewertung erheblich von den Bewertungsergebnissen nach dem Stuttgarter Verfahren, die tendenziell zu deutlichen Unterbewertungen geführt hatten.
43
Kaufpreise bei Verfügungsbeschränkungen: Teilweise ist in der Satzung eines Unternehmens oder im Gesellschaftsvertrag festgelegt, dass Anteilsübertragungen nur innerhalb der Familiengesellschafter zulässig sind. In diesen Fällen stellt sich die Frage, ob die Ableitung des gemeinen Werts aus den Verkäufen innerhalb der Familie möglich ist, zumal in diesen Fällen häufig auch die Höhe des zuläs1 R B 199.1 Abs. 5 Nr. 2 ErbStR 2011. 2 R B 11.2 Abs. 1 Satz 6 ErbStR 2011. 3 BFH v. 30.3.1994 – II R 101/90, BStBl. II 1994, 503; v. 22.8.2002 – II B 170/01, BFH/NV 2003, 11; BFH v. 16.5.2013 – II R 4/11, ErbStB 2013, 242 = BFH/NV 2013, 1223. 4 BFH v. 15.7.1998 – II R 23/97, BFH/NV 1998, 1463. 5 FG Münster v. 7.12.2000 – 3 K 5548/96 F, EFG 2001, 956.
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Bewertung von nicht notierten Anteilen an Kapitalgesellschaften (Abs. 2)
Rz. 49 § 11 BewG
sigen Kaufpreises durch die Gesellschaft vorgegeben wird. Die Verkaufsableitung dürfte kaum zu einem gemeinen Wert führen, der die Verfügungsbeschränkung – entsprechend der eindeutigen Vorgabe des § 9 Abs. 3 BewG – unberücksichtigt lässt. M.E. ist hier eine Ableitung des gemeinen Werts aus den aus gesellschaftsintern gebildeten Kaufpreisen unzulässig: der gemeine Wert der Anteile wird im Allgemeinen aus den gesellschaftsvertraglich vereinbarten Vorgängen nicht überzeugend abgeleitet werden können, weil sich die Kaufpreise nicht unter Berücksichtigung der für einen freien Markt typischen Elemente von Angebot und Nachfrage gebildet haben. Vgl. auch Rz. 40 und 41. Dieser Auffassung kommt besondere Bedeutung zu, wenn die – von der Gesellschaft vorgegebenen – 44 Kaufpreise unterhalb des Substanzwerts liegen. Würde die FinVerw. den von der Gesellschaft vorgegebenen Kaufpreis im Rahmen einer Verkaufsableitung berücksichtigen und als gemeinen Wert feststellen, könnten die internen Gutachten der zu bewertenden Gesellschaft im Ergebnis den mindestens anzusetzenden Substanzwert unterlaufen. Denn im Falle einer Verkaufsableitung ist die Prüfung des Mindestwerts nicht vorgesehen (vgl. § 11 Abs. 2 Satz 3 BewG). Ein Gutachten über den gemeinen Wert wäre dagegen für sich allein nicht geeignet, den § 11 Abs. 2 Satz 3 BewG gesetzlich vorgeschriebenen Mindestwertansatz zu vermeiden. 4. Beispiele für gewöhnlichen Geschäftsverkehr Ein häufiger Streitpunkt in der Praxis ist die Frage, ob ein Verkaufspreis im gewöhnlichen Geschäfts- 45 verkehr zustande gekommen ist. Diesbezüglich hat der BFH verschiedene Einzelfälle beurteilt. Wird ein Anteil an einer Kapitalgesellschaft nicht zur bloßen Kapitalanlage erworben, sondern zu 46 anderen Zwecken, spricht dies nicht gegen das Vorliegen eines gewöhnlichen Geschäftsverkehrs. Dies gilt nach dem BFH1 auch, wenn ein Unternehmen in einen branchenfremden Bereich eindringen will und deshalb Anteile an einer GmbH der entsprechenden Branche erwirbt. Erfolgen mehrere Verkäufe von Aktien, bei denen der Nennwert der umgesetzten Aktien im Ver- 47 hältnis zum Grundkapital der Gesellschaft sehr gering ist, kann nach dem BFH-Urteil vom 6.5.19772 dennoch von einem gewöhnlichen Geschäftsverkehr ausgegangen werden. Mit diesem Urteil hat der BFH auch dazu Stellung genommen, dass der Handel mit Sperrminoritäten, Schachtelbeteiligungen oder Mehrheitsbeteiligungen an Kapitalgesellschaften nicht ungewöhnlich, sondern eine für das Marktgeschehen in Bezug auf Kapitalgesellschaften typische Erscheinung ist, auch wenn der Handel bei börsennotierten Anteilen regelmäßig außerhalb der Börse abgewickelt wird. Zum Teil agiert sowohl auf der Verkäuferseite als auch auf der Käuferseite nur ein kleiner Kreis von 48 Interessenten auf dem Markt. In diesem Fall kann dennoch ein Verkaufspreis im gewöhnlichen Geschäftsverkehr gebildet werden. Auch wenn auf der Käuferseite ein Überhang von anlagesuchendem Kapital dazu führt, dass es auf der Verkäuferseite möglich ist, Verkaufspreise zu erzielen, die außerhalb des Rahmens rein rationaler Preisbildungen liegen, kann ein gewöhnlicher Geschäftsverkehr vorliegen. Der BFH hat mit Urteil vom 6.5.19773 betont, dass sich auch allgemeine politische und wirtschaftspolitische Entwicklungen, Tendenzen und Erwartungen sowie Spekulationen auf die Kurswerte und somit auf die Kaufpreise auswirken. Die Verhältnisse der jeweils zu bewertenden Gesellschaft sind dabei nicht allein entscheidend. Bei einem Verkauf von Aktien an ein Bankenkonsortium mit dem Ziel der Börseneinführung lie- 49 gen keine ungewöhnlichen Umstände vor, die zu einem Ausschluss des Verkaufspreises für die Ableitung des gemeinen Werts führen würde.4 Mit der Börseneinführung wollten sich die Gesellschaft und ihre Gesellschafter die langfristig gesicherte Kapitalbeschaffung über die Börse sichern und damit die Aktien zu einem möglichst hohen Kurs auf diesem Markt platzieren. Das Einführungskonsortium wollte dagegen einen Gewinn in Höhe des Unterschiedsbetrags zwischen dem Kaufpreis und dem Einführungskurs an der Börse erzielen. Damit handelten beide Parteien aufgrund widerstreitender wirtschaftlicher Interessen, deren Ausgleich zu dem vereinbarten Kaufpreis führte. 1 BFH v. 23.2.1979 – III R 44/77, BStBl. II 1979, 618. 2 BFH v. 6.5.1977 – III R 17/75, BStBl. II 1977, 626. 3 BFH v. 6.5.1977 – III R 17/75, BStBl. II 1977, 626; mit Bezug auf BFH v. 12.12.1975 – III R 30/74, BStBl. II 1976, 238. 4 BFH v. 5.3.1986 – II R 232/82, BStBl. II 1986, 591.
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§ 11 BewG Rz. 50 Wertpapiere und Anteile 50
Werden Anteile an einer Kapitalgesellschaft im Wege der Zwangsvollstreckung oder aus einer Konkursmasse erworben, kann nicht von einem gewöhnlichen Geschäftsverkehr ausgegangen werden.1
51
Sofern der Anteilsveräußerer und der Erwerber mit dem Beteiligungswechsel in erster Linie eine Neuordnung ihrer Unternehmen mit dem Ziel einer gegenseitigen engen wirtschaftlichen und technischen Zusammenarbeit anstreben, liegen persönliche bzw. ungewöhnliche Verhältnisse i.S.d. § 9 Abs. 2 BewG vor.2 Diese dürfen bei der Wertfindung nicht berücksichtigt werden.
52
Ein gewöhnlicher Geschäftsverkehr liegt auch dann nicht vor, wenn beim Verkauf vinkulierter Namensaktien einer Zuckerfabrik, die von Rüben anbauenden Landwirten gegründet worden war, regelmäßig der Nennwert angesetzt wird und insoweit lediglich eine Kostendeckung für den eigenen Ankauf erzielt wird.3
53
Wenn ein Gesellschafter seinen Besitz durch Interessenkäufe arrondiert, spricht dies nicht von vornherein gegen einen gewöhnlichen Geschäftsverkehr. Dies setzt voraus, dass der Kauf nach marktwirtschaftlichen Grundsätzen von Angebot und Frage zustande gekommen ist.
54
Die Übernahme neuer Geschäftsanteile anlässlich einer Kapitalerhöhung durch einen neu eintretenden Gesellschafter kann als Anteilskauf zu werten sein.4 Davon ist jedenfalls auszugehen, wenn der neue Gesellschafter im Rahmen der Kapitalerhöhung den vollen Wert der Beteiligung in die Gesellschaft einzahlt. In diesem Fall liegt vom wirtschaftlichen Gehalt ein Veräußerungsvorgang zwischen den bisherigen Gesellschaftern und dem neu eintretenden Gesellschafter vor. Bei einer Kapitalerhöhung, die als Finanzierungsvorgang durch die bisherigen Gesellschafter zu werten ist, liegt dagegen kein Veräußerungsvorgang i.S.d. § 11 Abs. 2 BewG vor. 5. Ableitung
55
Die vom Gesetzgeber in § 11 Abs. 2 BewG verwandte Formulierung „ableiten“ zeigt, dass der tatsächlich erzielte Kaufpreis auf den zu bewertenden Gesellschaftsanteil nicht zwingend in demselben prozentualen Verhältnis zu übertragen ist.
56
Beispiel: X ist mit 10 % an der A-GmbH beteiligt. X überträgt den Anteil unentgeltlich an seinen Sohn. Y hatte einen Anteil von 14 % an der A-GmbH vor einem halben Jahr zu einem Preis von 140 000 Euro gekauft. Das Stammkapital der GmbH beträgt 25 000 Euro. Der gemeine Wert des unentgeltlich übertragenen Anteils von 10 % ist wie folgt aus dem innerhalb eines Jahres vor dem Bewertungsstichtag erfolgten Verkauf abzuleiten: Gemeiner Wert des 10 %-Anteils = 10 % × 140 000 Euro/14 % = 100 000 Euro
57
Sofern Umstände vorliegen, die eine Abweichung vom Kaufpreis erforderlich machen, sind diese zu berücksichtigen. Das wäre beispielsweise der Fall, wenn eine Mehrheitsbeteiligung veräußert wird und eine Minderheitsbeteiligung bewertet werden muss.5 In der Praxis stellt sich dann jedoch die schwierige Frage, welche konkrete Wertabweichung vorliegt. Dies wird sich stets an den Verhältnissen des Einzelfalls orientieren müssen.
58
Eine Ableitung des gemeinen Werts aus Verkäufen setzt voraus, dass es sich um Verkäufe von Anteilen an derselben Gesellschaft handelt. Verkaufspreise von anderen Gesellschaften sind nicht für die Verkaufsableitung im Rahmen des § 11 Abs. 2 BewG geeignet, weil es sich hierbei nicht um eine Ableitung aus Verkäufen, sondern um eine unzulässige Schätzung durch einen Vergleich mit branchenähnlichen Werten handeln würde.
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Bei börsennotierten Unternehmen, die weder am Stichtag noch in den 30 Tagen zuvor eine Kursnotierung aufweisen können, kann eine Ableitung des gemeinen Werts der Anteile aus Verkäufen 1 2 3 4
BFH v. 25.6.1965 – III R 384/60, HFR 1966, 1. BFH v. 28.11.1980 – III R 86/78, BStBl. II 1981, 353. BFH v. 14.10.1966 – III 281/63, BStBl. III 1967, 82. BFH v. 5.2.1992 – II R 185/87, BStBl. II 1993, 266; vgl. auch BFH v. 13.10.1992 – VIII R 3/89, BStBl. II 1993, 477 = FR 1993, 131. 5 BFH v. 23.2.1979 – III R 44/77, BStBl. II 1979, 618.
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Bewertung von nicht notierten Anteilen an Kapitalgesellschaften (Abs. 2)
Rz. 66 § 11 BewG
möglich sein, so dass eine Bewertung unter Berücksichtigung der Ertragsaussichten oder im vereinfachten Ertragswertverfahren vermieden werden kann. Denn auch der Börsenkurs ist ein Verkaufspreis. Dies gilt jedenfalls, wenn es sich um einen „Bezahlt-Kurs“ handelt.1 Damit stellt der Börsenkurs mittelbar auch einen pauschalen Verkaufspreis der nicht notierten Aktien derselben Gesellschaft dar, aus dem der gemeine Wert abgeleitet werden kann. Die Ableitung des gemeinen Werts ist auch zulässig, wenn nur ein einziger Verkauf in dem maßgeben- 60 den Zeitraum vorliegt.2 Dies gilt jedenfalls, wenn Gegenstand des Verkaufs nicht nur ein Zwerganteil ist. Werden nur geringfügige Beteiligungen – also Zwerganteile – verkauft, ist die Ableitung aus Verkäufen nicht ausgeschlossen, wenn eine Mehrheit von Verkäufen vorliegt. Bislang hat die FinVerw. sich nicht festgelegt, bis zu welcher Höhe eine Beteiligung als Zwerganteil anzusehen ist. Diese Entscheidung ist bewusst getroffen worden, um keine Scheinverkäufe zu provozieren.
II. Ertragswertverfahren 1. Ertragsorientierte Methoden Die nach § 11 Abs. 2 BewG vorgesehene Bewertung unter Berücksichtigung der Ertragsaussichten der 61 Kapitalgesellschaft entspricht einer individuellen Unternehmensbewertung nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen. In der Praxis ist der Standard 1 des IDW (IDW S 1) ein anerkannter Bewertungsstandard für die Unternehmensbewertung. Daneben stehen weitere ertragsabhängige Bewertungsmethoden, wie beispielsweise Discounted-Cash-Flow (DCF); bei dieser Methode wird der Kapitalwert aus abgezinsten Zahlungsströmen ermittelt. Theoretisch gelangen beide Methoden zu demselben Ergebnis. Der Standard IDW S 1 ist – anders als das vereinfachte Ertragswertverfahren nach §§ 199 ff. BewG – 62 kein in sich geschlossenes Bewertungsverfahren mit festen Vorgaben für die Parameterauswahl und die Verfahrensmethodik. IDW S 1 lässt branchenbedingte Besonderheiten nicht unberücksichtigt. Die Unternehmensbewertung nach IDW S 1 ist kein originärer Bestandteil des Steuerrechts. Vielmehr 63 sind Spezialkenntnisse erforderlich, um eine individuelle Unternehmensbewertung durchführen zu können. Dies gilt sowohl für die Angehörigen der FinVerw. als auch für die Steuerberaterschaft. 2. Überprüfung durch die Finanzverwaltung Soweit der Steuerzahler eine Unternehmensbewertung nach einschlägigen Bewertungsmethoden im 64 Rahmen eines Gutachtens vorlegt, wird dieses im Allgemeinen innerhalb der FinVerw. durch einen entsprechenden Fachprüfer für Unternehmensbewertung geprüft. In der bisherigen Praxis hat sich gezeigt, dass die Fachprüfer eine relativ hohe Beanstandungsquote haben. Diskussionsbedarf ergibt sich regelmäßig bei der zugrunde gelegten Ertragsprognose. Auch die Risikoeinschätzung wird häufig kontrovers diskutiert. Ein weiterer Kritikpunkt seitens der Fachprüfer kann eine mangelnde Begründungstiefe der Gutachten betreffen. So dürfte beispielsweise die Unterstellung, dass sich in der Zukunft bestimmte Prognosen aufgrund bloßen „sachverständigen Ermessens“ ergeben werden, von der FinVerw. ohne eine entsprechende Begründungstiefe regelmäßig zurückgewiesen werden. 3. Wahlrecht Nach der neueren Auffassung der Finanzverwaltung3 hat der Steuerpflichtige ein Wahlrecht, das 65 vereinfachte Ertragswertverfahren anzuwenden. Gesetzliche Tatbestandsvoraussetzung hierfür ist, dass dies nicht zu offensichtlich unzutreffenden Ergebnissen führt. Vgl. hierzu im Einzelnen die Erläuterungen zu § 199 BewG.
66
1 BFH v. 9.3.1994 – II R 39/90, BStBl. II 1994, 394. 2 BFH v. 5.3.1986 – II R 232/82, BStBl. II 1986, 591. 3 Vgl. Abschn. 19 Abs. 4 der gleich lautenden Erlasse v. 17.5.2011, BStBl. I 2011, 606 sowie R B 199.1 Abs. 4 Satz 1 ErbStR 2011.
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§ 11 BewG Rz. 67 Wertpapiere und Anteile
III. Andere übliche Methoden (Abs. 2 Satz 2) 1. Vielfalt der Bewertungsmethoden 67
Mit § 11 Abs. 2 BewG ist nicht nur die Ermittlung des gemeinen Werts unter Berücksichtigung von Ertragsaussichten der Kapitalgesellschaft eingeführt worden. Vielmehr ist auch eine Ermittlung nach einer anderen anerkannten, im gewöhnlichen Geschäftsverkehr für nicht steuerliche Zwecke üblichen Methode zulässig. Hierbei handelt es sich typischerweise um branchenübliche Verfahren, die in der Praxis insbesondere im Bereich der Freiberufler, der Handwerksbetriebe, der Apotheken, der Architekten und dergleichen eingesetzt werden.
68
Zweifellos sind die Verfahren innerhalb der betroffenen Branchen bekannt und einschlägig. Aus der Sicht der FinVerw. mag es beunruhigend erscheinen, die Vielfalt der unterschiedlichen branchentypischen Bewertungsmethoden für bloße steuerliche Zwecke beherrschen zu müssen, anwenden und kontrollieren zu können. Allerdings dürfte den branchentypischen Praktikermethoden keine eigenständige Bewertungsfunktion gegenüber den individuellen und betriebswirtschaftlich fundierten ertragsabhängigen Bewertungsmethoden zukommen.
69
Ein Beispiel für eine branchentypische Bewertungsmethode ist das Multiplikatorverfahren, das bei der Übertragung von Steuerberaterpraxen zur Findung eines Kaufpreises herangezogen wird. Das rein praktische Problem besteht in erster Linie in der Entscheidung, in welcher Höhe der Multiplikator angemessen ist. Die an einem Praxisverkauf beteiligten Vertragspartner werden in einem Prozess widerstreitender Interessenslagen in den konkreten Verkaufsverhandlungen einen letztlich maßgebenden Kaufpreis vereinbaren und somit in tatsächlicher Hinsicht die Problematik des anzuwendenden Multiplikators lösen. Bei einer ausschließlichen Bewertung nach einem Multiplikatorverfahren – also ohne einen letztlich vorliegenden Kaufpreis – löst sich diese Schwierigkeit jedoch nicht auf.
70
Zwar vertritt die FinVerw. mit R B 199.1 Abs. 1 Satz 2 ErbStR1 die Auffassung, dass die Anwendung des vereinfachten Ertragswertverfahrens i.S.d. § 199 ff. BewG ausgeschlossen ist, wenn branchentypisch ertragswertorientierte Verfahren einschlägig sind. Davon ist beispielsweise auszugehen, wenn Multiplikatorverfahren oder Substanzwertverfahren zur Anwendung kommen. Sofern jedoch branchentypisch auch ertragswertorientierte Verfahren anzuwenden sind, ist eine Bewertung nach dem vereinfachten Ertragswertverfahren möglich.
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In der Praxis der Finanzämter hat sich bei Bewertungen für Zwecke der Erbschaft-/Schenkungsteuer gezeigt, dass den Multiplikatorverfahren keine große Bedeutung zukommt. Ohnehin erfolgt die Bewertung ganz überwiegend (zu rund 95 %) im vereinfachten Ertragswertverfahren. Somit bleibt es den Beteiligten im Allgemeinen erspart, sich mit jedweder branchentypischen Bewertungsmethode beschäftigen zu müssen. Bei den Bewertungsanlässen innerhalb der jeweiligen Branche haben die branchentypischen Bewertungsmethoden dagegen zu Recht ihren Anwendungsbereich. 2. Branchenspezifische Bewertungsmethoden im Überblick
72
Das Bayerische Landesamt für Steuern hat mit Datum vom 28.2.2013 in seiner ErbSt-Kartei § 12 Abs. 5 ErbStG Anlage 1 zu Karte 9 einen Überblick über branchenspezifische Bewertungsmethoden abgedruckt.
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Mit der Zusammenstellung wird ein Überblick über die in einzelnen Branchen gebräuchlichen Bewertungsverfahren veröffentlicht. Anspruch dieser Zusammenstellung ist, einen Überblick über die tatsächlich in der Praxis anzutreffenden Methoden zu verschaffen. Zwar sind die jeweiligen Methoden innerhalb der Anwenderkreise bekannt. Jedoch fehlte bislang eine branchenübergreifende Erfassung und systematische Zusammenstellung.
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Die entsprechenden Methoden werden im Allgemeinen von branchenkundigen Fachleuten zur Bewältigung typischer Bewertungsaufgaben entwickelt. Es liegt in der Natur der Sache, dass hierbei unterschiedliche methodische Ansätze zur Anwendung kommen. Solche differenzierten Ansätze können wegen der unterschiedlichen Rahmenbedingungen der Unternehmen durchaus ihren Sinn haben. Zudem folgen branchenübliche Bewertungsmethoden nicht unumstößlichen Regeln, sondern 1 Vgl. hierzu auch bereits Abschn. 19 Abs. 1 der gleich lautenden Erlasse v. 25.6.2009, BStBl. I 2009, 698.
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Bewertung von nicht notierten Anteilen an Kapitalgesellschaften (Abs. 2)
Rz. 76 § 11 BewG
werden laufend an geänderte ökonomische Bedingungen und neue wissenschaftliche Erkenntnisse angepasst. 3. Begriffsbestimmung Der Überblick enthält allgemeine Erläuterungen, Verweise und Anmerkungen zu einzelnen Bran- 75 chen. Zur Begriffsbestimmung führt der Überblick Folgendes aus: „Die hier dargestellten Bewertungsgrundsätze gelten zu Zwecken der Erbschaftsteuer für Unternehmen unabhängig von Größe und Rechtsform. Der Begriff des Unternehmens umfasst hier Industrie-, Dienstleistungs-, Handels-, Logistik- und Handwerksbetriebe sowie freiberufliche Praxen. Soweit keine speziellen Bewertungsregelungen gelten, sind land- und forstwirtschaftliche Betriebe einbezogen. Die in der Betriebswirtschaftslehre anerkannten Bewertungsmethoden betrachten das Unternehmen als Investitionsobjekt, dessen Wert durch die zukünftigen Erfolge bestimmt wird. Bei diesen Verfahren – als Ertragswertverfahren bzw. Discounted-Cash-Flow-Verfahren (DCF-Verfahren) bezeichnet – gibt es verschiedene Varianten, die bei gleichen Bewertungsannahmen bzw. -vereinfachungen zumindest in der Theorie zu identischen Unternehmenswerten führen. Der Ertragswert entspricht dem Barwert der erwarteten zukünftigen Zahlungsmittelzuflüsse und ersparten Zahlungsmittelabflüsse beim Eigentümer des Unternehmens. Neben den prognostizierten Erträgen ist somit der zur Abzinsung verwendete Zins (Kalkulationszinssatz) von entscheidender Bedeutung. Die Prognose der zukünftigen Erträge basiert meistens auf bereinigten Vergangenheitswerten. Bei Personenunternehmen, in denen der Unternehmer selbst mitarbeitet, ist ein kalkulatorischer Unternehmerlohn von den Erträgen abzuziehen. Kalkulatorische Aufwendungen sind ggf. auch bei unentgeltlich mitarbeitenden Familienmitgliedern oder unentgeltlich genutzten Räumen in Privatbesitz anzusetzen. Es werden stets Erträge nach (pauschalisierten) unternehmensbezogenen Steuern betrachtet. Meist werden Erträge für einen gewissen Zeitraum (ca. 5–15 Jahre) explizit prognostiziert, danach wird angenommen, dass ein konstanter Ertrag unendlich lange anfällt (ewige Rente). Der Kalkulationszinsfuß stellt eine Alternativanlage gleichen Risikos dar. Er setzt sich aus zwei Komponenten zusammen: aus der Verzinsung einer risikolosen Alternativanlage (z.B. langfristige Staatsanleihen) und aus einem Risikozuschlag. Letzterer ist schwierig zu bestimmen, er hängt von der jeweiligen Ertragsverteilung ab. Eine Möglichkeit zur objektiven Bestimmung des Risikozuschlags stellt das Capital Asset Pricing Model (CAPM) dar, welches die Preisbildung am Kapitalmarkt nachbildet. Demzufolge setzt sich der Risikozuschlag aus zwei Bestandteilen zusammen: Der Marktrisikoprämie (dem Erwartungswert der Rendite aus dem Marktportfolio abzgl. des sicheren Zinses), multipliziert mit dem Unternehmensbezogenen Risikofaktor ß. Alternativ ist eine Berechnung des Risikozuschlags aus der unternehmensspezifischen Kapitalstruktur oder aus sog. Ex-Ante-Modellen möglich. Wenn Erträge nach persönlichen Steuern abgezinst werden, so sind auch beim Kapitalisierungszins persönliche Steuern zu berücksichtigen. Der in der Rspr. verwendete Zinsfuß unterscheidet sich stark, meist liegen die Werte zwischen 5,5 Prozent und zehn Prozent. Bei dem aus den angelsächsischen Ländern stammenden Discounted-Cash-Flow-Verfahren (DCF-Verfahren) muss zwischen verschiedenen Varianten unterschieden werden. Beim Nettoverfahren (Equity Approach) wird wie beim Ertragswertverfahren der Wert des Eigenkapitals direkt bestimmt. Im Gegensatz dazu wird bei den Bruttoverfahren (Entity Approach) zuerst der Wert des gesamten Kapitals ermittelt, bevor durch Abzug des Fremdkapitals der Wert des Eigenkapitals bestimmt wird. Es gibt hierbei verschiedene Vorgehensweisen. Das Adjusted-PresentValue-Verfahren (APV-Verfahren) diskontiert die Zahlungsströme eines fiktiv rein eigenfinanzierten Unternehmens mit risikoangepassten Eigentümerrenditeforderungen. Das sog. Tax Shield – die Steuervorteile der Fremdfinanzierung, die aus der Abzugsfähigkeit von Fremdkapitalzinsen entstehen – wird pro Periode getrennt berechnet, diskontiert und zum Wert des rein eigenfinanzierten Unternehmens addiert. Alternativ ist eine Diskontierung der Free Cashflows (vor Zinsen, also wiederum die Cashflows eines fiktiv rein eigenfinanzierten Unternehmens) mit den gewichteten Kapitalkosten (engl. Weighted Cost of Capital, WACC) möglich. Der durch die Vernachlässigung des Tax Shields entstehende Fehler wird bei der Berechnung des WACC berichtigt, indem bei dessen Berechnung die Fremdkapitalkosten nach Steuern verwendet werden. Eine weitere Möglichkeit ist die Berücksichtigung der Steuern nach Fremdkapitalzinsabzug bei der Ermittlung der Cashflows (Total Cashflows, TCF), die dann mit den unkorrigierten WACC abgezinst werden. Da bei einer Bewertung mit einem Bruttoverfahren stets der Wert des Gesamtkapitals berechnet wird, muss von diesem Wert der Marktwert des Fremdkapitals abgezogen werden, um den Wert des Eigenkapitals und somit den relevanten erbschaftsteuerlichen Vermögenswert zu erhalten. Bewertet wird grundsätzlich nach dem Going-Concern-Prinzip, d.h. es wird eine Fortführung des Unternehmens angenommen. Diesem Fortführungswert ist der Liquidationswert gegenüberzustellen, denn wenn letzterer höher ist, wird ein rationaler Erwerber das Unternehmen liquidieren. Bei der Bestimmung des Liquidationswerts werden einzelveräußerbare Güter mit ihren Einzelzerschlagungswerten und Schulden mit Ablösebeträgen angesetzt. Au-
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§ 11 BewG Rz. 77 Wertpapiere und Anteile ßerdem sind liquidationsspezifische Lasten zu berücksichtigen, wie z.B. aus Sozialplänen oder aus Rekultivierungs- oder Entsorgungspflichten. Der Liquidationswert zählt zu den Substanz- oder Sachwerten. Im engeren Sinn stellt der Substanzwert einen Wiederbeschaffungswert aller im Unternehmen vorhandenen materiellen und immateriellen Werte dar. Er entspricht der Ausgabenersparnis, die durch den Verzicht auf den Aufbau eines identischen Unternehmens entsteht. Betriebsnotwendiges Vermögen wird mit Wiederbeschaffungskosten bewertet, nicht betriebsnotwendiges Vermögen mit Veräußerungs- oder Liquidationswerten. Betriebsnotwendige Schulden werden zu Nominalwerten, nicht betriebsnotwendige Schulden zu Ablösebeträgen bewertet. In der Betriebswirtschaftslehre gilt der Substanzwert als irrelevant, da die Substanz nur als Mittel angesehen wird, Zahlungsströme zu erwirtschaften. Außerdem werden Verbundeffekte vernachlässigt, wichtige Geschäftswertfaktoren (z.B. Reputation, Standortvorteil, Belegschaftsqualität) können nicht einzeln identifiziert und bewertet werden. Einen anderen Ansatz haben die vergleichsorientierten Bewertungsverfahren. Sie ermitteln den Wert des betrachteten Unternehmens im Vergleich mit Marktpreisen anderer, vergleichbarer Unternehmen. Damit sind sie im Gegensatz zu den investitionstheoretisch geprägten Ertragswertverfahren preistheoretisch fundiert. Hier sind zwei Hauptvarianten zu unterscheiden: – Comparative Company Approach: – Orientierung an Marktpreisen vergleichbarer Unternehmen – Bei der Similar-Public-Company-Method werden zum Vergleich börsennotierte Unternehmen herangezogen; bei der Recent-Acquisitions-Method werden zeitnah realisierte Transaktionspreise vergleichbarer, nicht börsennotierter Unternehmen verwendet. – Market Multiples: – Orientierung an branchentypischen Verhältniszahlen, wie z.B. dem Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV, engl. Price-Earnings-Ratio, P/E) oder dem Kurs-Cashflow-Verhältnis – Außerdem werden branchenspezifische Multiplikatoren benutzt. Beispiele hierfür werden regelmäßig von der Zeitschrift Finance unter http://www.finance-research.de/pdf/Multiples.pdf veröffentlicht. Sie lassen in der Regel auf der Grundlage veröffentlichter Unternehmensdaten eine schnelle Einschätzung der Größenordnung des Unternehmenswerts zu, doch decken die verwendeten Parameter die komplexen Verhältnisse des Einzelfalls in der Regel nicht ab.“
IV. Substanzwert (Abs. 2 Satz 3) 1. Substanzwert als Mindestwert 77
Unabhängig von der anzuwendenden Bewertungsmethode ist nach § 11 Abs. 2 Satz 3 BewG als Mindestwertansatz der Substanzwert vorgesehen. Der Mindestwertansatz gilt nicht nur bei der Bewertung von Anteilen an Kapitalgesellschaften, sondern auch bei der Bewertung Betriebsvermögens von Gewerbebetrieben i.S.d. § 95 BewG und von freiberuflich Tätigen i.S.d. § 96 BewG (§ 109 BewG). Bei der Ermittlung des gemeinen Werts eines Anteils am Betriebsvermögen einer in § 97 BewG genannten Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse ist ebenfalls mindestens der Substanzwert anzusetzen. 2. Definition des Substanzwerts
78
Substanzwert ist der Wert, der sich ergibt, wenn die Summe der zum Betriebsvermögen gehörenden Wirtschaftsgüter und sonstigen aktiven Ansätze um die zum Betriebsvermögen gehörenden Schulden und sonstigen Abzüge gekürzt wird (§ 11 Abs. 2 Satz 3 BewG). Die Entscheidung, ob Wirtschaftsgüter zum Betriebsvermögen gehören, ist nach ertragsteuerlichen Grundsätzen zu entscheiden. Das gilt auch bei der Zugehörigkeit von Grundstücken (§ 11 Abs. 2 Satz 3 Halbs. 2 BewG unter Hinweis auf § 99 BewG).
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Hinsichtlich der Schulden sind die bisherigen Sonderregelungen des § 103 BewG zu beachten. Somit darf in den Fällen, in denen ein Gesellschafter, der in der Steuerbilanz Gewinnansprüche gegen eine vom ihm beherrschte Gesellschaft ausweist, bei der Gesellschaft ein entsprechender Schuldposten abgezogen werden. Ferner dürfen Rücklagen grundsätzlich nicht bei der Ermittlung des Substanzwerts abgezogen werden, weil Rücklagen keinen Schuld-, sondern Eigenkapitalcharakter haben.
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Bewertung von nicht notierten Anteilen an Kapitalgesellschaften (Abs. 2)
Rz. 85 § 11 BewG
3. Umfang des Betriebsvermögens Die FinVerw. legt die Frage, ob Wirtschaftsgüter zum Betriebsvermögen gehören, weit aus. Dem 80 Grunde nach sind in die Ermittlung des Substanzwerts zunächst alle Wirtschaftsgüter einzubeziehen, die nach §§ 95 bis 97 BewG zum Betriebsvermögen gehören. Somit führt bei bilanzierenden Gewerbetreibenden und freiberuflich Tätigen die Anknüpfung an die Grundsätze der steuerlichen Gewinnermittlung zunächst zu einer Identität zwischen Steuerbilanz auf den Bewertungsstichtag oder den Schluss des letzten vor dem Bewertungsstichtag endenden Wirtschaftsjahrs und dem bewertungsrechtlichen Betriebsvermögen. Darüber hinaus gehören aber auch solche Wirtschaftsgüter dem Grunde nach zum ertragsteuer- 81 lichen Betriebsvermögen, für die ein steuerliches Aktivierungs- oder Passivierungsverbot besteht.1 Eine handelsrechtlich gebotene Rückstellung (z.B. Drohverlustrückstellung), die steuerlich nicht passiviert werden darf (§ 5 Abs. 4a Satz 1 EStG), ist bei der Ermittlung des Substanzwerts gleichwohl anzusetzen. Zum Betriebsvermögen gehören auch selbst geschaffene oder entgeltlich erworbene immaterielle Wirtschaftsgüter (z.B. Patente, Lizenzen, Warenzeichen, Markenrechte, Konzessionen, Bierlieferrechte).2 Geschäftswert-, firmenwert- oder praxiswertbildende Faktoren, denen ein eigenständiger Wert zugewiesen werden kann (z.B. Kundenstamm, Know-how) sind mit einzubeziehen, unabhängig davon, ob sie selbst geschaffen oder entgeltlich erworben wurden.3 4. Erfindungen oder Urheberrechte R B 11.3 Abs. 6 ErbStR nimmt zum Ansatz von Erfindungen oder Urheberrechten Stellung. Danach 82 wird der gemeine Wert von Erfindungen oder Urheberrechten, die in Lizenz vergeben oder in sonstiger Weise gegen Entgelt einem Dritten zur Ausnutzung überlassen sind, in der Weise ermittelt, dass der Anspruch auf die in wiederkehrenden Zahlungen bestehende Gegenleistung kapitalisiert wird, soweit keine anderen geeigneten Bewertungsgrundlagen vorhanden sind. Hierfür sind die vertraglichen Vereinbarungen mit dem Lizenznehmer maßgeblich. Ist keine feste Lizenzgebühr vereinbart und die Vertragsdauer unbestimmt, kann auf die letzte vor dem Besteuerungszeitpunkt gezahlte Lizenzgebühr und eine Laufzeit von acht Jahren abgestellt werden. Der Kapitalisierung ist der marktübliche Zinssatz zugrunde zu legen. Es ist nicht zu beanstanden, wenn der jeweils maßgebende Kapitalisierungszinssatz nach § 203 Abs. 1 BewG angewendet wird. 5. Abnutzbares Anlagevermögen Nach R B 11.3 Abs. 7 ErbStR (s.o.) sind Wirtschaftsgüter des beweglichen abnutzbaren Anlagever- 83 mögens mit dem gemeinen Wert anzusetzen. Als gemeiner Wert kann aus Vereinfachungsgründen ein angemessener Restwert i.H.v. mindestens 30 Prozent der Anschaffungs- oder Herstellungskosten berücksichtigt werden, wenn dies nicht zu unzutreffenden Ergebnissen führt. 6. Umlaufvermögen Hinsichtlich der Wirtschaftsgüter des Umlaufvermögens weist R B 11.3 Abs. 8 ErbStR (s.o.) an, dass 84 die Wirtschaftsgüter mit ihren Wiederbeschaffungs- oder Wiederherstellungskosten zum Bewertungsstichtag anzusetzen sind. Ihr Wert kann auch nach der retrograden Methode ermittelt werden. Aufgrund der Verbrauchsfolgefiktion des Lifo-Verfahrens gebildete stille Reserven sind bei der Ermittlung des Substanzwertes anzusetzen. 7. Grundbesitz Bei der Ermittlung des Substanzwerts ist Grundbesitz, für den ein Grundbesitzwert nach § 151 85 Abs. 1 Nr. 1 BewG festzustellen ist, mit dem zum Bewertungsstichtag festgestellten Wert anzusetzen. Dabei richtet sich die die Frage der Zugehörigkeit von Grundstücken zum Betriebsvermögen nach 1 R B 11.3 Abs. 3 Satz 2 ErbStR 2011. 2 R B 11.3 Abs. 3 Satz 4 ErbStR 2011. 3 R B 11.3 Abs. 3 Satz 5 ErbStR 2011.
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§ 11 BewG Rz. 86 Wertpapiere und Anteile der ertragsteuerlichen Behandlung. Nicht maßgeblich sind die vor dem 1.1.2009 geltenden Sonderregelungen, weil § 99 Abs. 2 BewG aufgehoben worden ist. 8. Schulden und Abzüge 86
Zur Abzugsfähigkeit von Schulden und sonstige Abzüge vgl. R B 103.2 ErbStR 2011. 9. Liquidationswert
87
In der Praxis wird die gesetzlich vorgesehene Definition des Substanzwerts häufig kritisiert, weil beispielsweise Liquidationskosten nicht einbezogen werden. Der Gesetzgeber hat letztlich darauf verzichtet, bei jeder Bewertung die Ermittlung des Liquidationswertes zu fordern, zumal die Liquidation im Regelfall nicht in Erwägung gezogen wird.
88
Die Gesetzesbegründung hat folgenden Wortlaut: „Untergrenze ist stets der Substanzwert als Mindestwert, den ein Steuerpflichtiger am Markt erzielen könnte. Steht fest, dass die Gesellschaft nicht weiter betrieben werden soll, ist der Liquidationswert als besondere Ausprägung des Substanzwerts die Untergrenze. Die Definition des Substanzwerts entspricht inhaltlich den Grundsätzen der bisherigen §§ 98a und 103 BewG.“
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Dennoch ist die Berücksichtigung von Liquidationskosten nicht grundsätzlich ausgeschlossen. Befindet sich ein Einzelunternehmen, eine Personengesellschaft oder eine Kapitalgesellschaft in Liquidation, bestehen nach R B 11.3 Abs. 9 ErbStR 2011 keine Bedenken, den Liquidationswert (einschließlich der Liquidationskosten, die beispielsweise für einen Sozialplan anfallen) anzusetzen. 10. Kein Ansatz des Substanzwerts
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Der Ansatz des Substanzwerts gilt zwar unabhängig davon, ob der Wert nach einem Ertragswertverfahren (beispielsweise IDW S 1) oder im vereinfachten Ertragswertverfahren der §§ 199 ff. BewG ermittelt worden ist. Sofern der gemeine Wert jedoch aus Verkäufen abgeleitet worden ist, kommt es nicht zum Ansatz des Substanzwerts.1 11. Korrekturen bei abweichendem Abschlusszeitpunkt
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In der Praxis tritt bei der Ermittlung des Substanzwerts regelmäßig die Besonderheit auf, dass der Abschlusszeitpunkt der steuerlichen Gewinnermittlung nicht mit dem Besteuerungszeitpunkt übereinstimmt. Um die Ermittlung des Substanzwerts auch ohne einen eigens für Zwecke der Erbschaft-/Schenkungsteuer erstellten Zwischenabschluss zu ermöglichen, sehen die ErbStR insoweit Vereinfachungsregelungen vor. Danach können die betragsmäßigen Differenzen zwischen dem letzten Abschlusszeitpunkt vor dem Besteuerungszeitpunkt durch rechnerische Korrekturen ausgeglichen werden.
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Die Korrekturen erfolgen in der Weise, dass Vermögensänderungen vom letzten vor dem Besteuerungszeitpunkt liegenden Abschlusszeitpunkt bis zum Besteuerungszeitpunkt durch Hinzurechnung des anteiligen Gewinns oder Abrechnung des anteiligen Verlustes berücksichtigt werden. Sind zwischen dem Abschlusszeitpunkt und dem Besteuerungszeitpunkt Vermögensänderungen eingetreten, die sich nicht im Gewinn und Verlust niedergeschlagen haben, müssen sie darüber hinaus abgebildet werden.
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Zur Ermittlung des Substanzwerts bei Kapitalgesellschaften vgl. R B 11.4 ErbStR 2011.
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Zu Personengesellschaften und Einzelunternehmen vgl. R B 109.2 ErbStR 2011.
1 R B 11.3 Abs. 1 ErbStR 2011.
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Paketzuschlag (Abs. 3)
Rz. 102 § 11 BewG
V. Vereinfachtes Ertragswertverfahren (Abs. 2 Satz 4) Zu den Einzelheiten des vereinfachten Ertragswertverfahrens vgl. die Ausführungen zu §§ 199 ff. 95 BewG.
D. Paketzuschlag (Abs. 3) I. Voraussetzungen für einen Paketzuschlag Der gemeine Wert einer Mehrheit von Anteilen kann höher sein, als die Summe der Kurswerte (§ 11 96 Abs. 1 BewG) oder der gemeinen Werte (§ 11 Abs. 2 BewG) für die einzelnen Anteile. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn die Höhe der Beteiligung die Beherrschung der Kapitalgesellschaft ermöglicht. Beim Vorliegen derartiger besonderer Umstände ist der gemeine Wert der Beteiligung maßgebend (§ 11 Abs. 3 BewG). In der Praxis muss in diesen Fällen ermittelt werden, um welchen Betrag die Summe der einzelnen Werte erhöht werden muss, um den Werts des Beteiligungspakets abzubilden. Ein Paketzuschlag ist somit immer dann vorzunehmen, wenn der gemeine Wert der zu bewertenden Anteile höher ist als der Wert, der den Beteiligungscharakter der zu bewertenden Anteile nicht berücksichtigt. Wie der Paketzuschlag zu berechnen ist, lässt das Bewertungsgesetz offen.
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II. Paketzuschlag in Abhängigkeit von Bewertungsmethoden Ein Paketzuschlag kommt sowohl beim Ansatz von Kurswerten als auch bei der Ermittlung des ge- 98 meinen Werts durch Ableitung aus Verkäufen in Betracht.1 Bei einer Ermittlung des gemeinen Werts in einem Ertragswertverfahren oder nach einer anderen anerkannten, auch im gewöhnlichen Geschäftsverkehr für nichtsteuerliche Zwecke üblichen Methode ist – unter den Voraussetzungen des § 11 Abs. 3 BewG – der Paketzuschlag erforderlich, wenn die in § 11 Abs. 3 BewG genannten Umstände bei der Wertermittlung nicht berücksichtigt werden. Dagegen ist vereinfachten Ertragswertverfahren regelmäßig kein Paketzuschlag vorzunehmen.2 99 Umgekehrt kommt allerdings bei einer Bewertung im vereinfachten Ertragswertverfahren auch kein Abschlag wegen fehlenden Einflusses auf die Geschäftsführung in Betracht. Ein Paketzuschlag ist in den Fällen der Bewertung mit dem Substanzwert nicht vorzunehmen.3 Bei der Ableitung des gemeinen Werts eines Beteiligungspakets aus Verkäufen muss daher geprüft 100 werden, ob sich der tatsächliche Kaufpreis ebenfalls auf ein Beteiligungspaket bezieht. In diesem Fall wäre ein gesonderter Paketzuschlag nicht erforderlich, weil der Zuschlag bereits im Kaufpreis enthalten ist. Sofern der Kaufpreis sich nicht auf ein Beteiligungspaket bezieht, muss dagegen ein Zuschlag angesetzt werden, der die Besonderheit der konkreten Umstände wertmäßig abbildet.
III. Besondere Umstände Die Frage, wann in der Praxis von besonderen Umständen i.S.d. § 11 Abs. 3 BewG auszugehen ist, 101 die zu einem Paketzuschlag führen, regelt R B 11.6 Abs. 3 ErbStR 2011. Danach ist ein Paketzuschlag vorzunehmen, wenn ein Gesellschafter mehr als 25 Prozent der Anteile an einer Kapitalgesellschaft auf einen oder mehrere Erwerber überträgt. Vgl. hierzu R B 11.6 Abs. 4 bis 8 ErbStR 2011.
102
1 R B 11.6 Abs. 2 ErbStR 2011. 2 R B 11.6 Abs. 2 Satz 3 ErbStR 2011. 3 R B 11.6 Abs. 2 Satz 5 ErbStR 2011.
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§ 11 BewG Rz. 103 Wertpapiere und Anteile
IV. Höhe des Paketzuschlags 103 Insgesamt kann als Paketzuschlag, je nach Umfang der zu bewertenden Beteiligung, im Allgemeinen
ein Zuschlag bis zu 25 Prozent in Betracht kommen.1 Allerdings sind im Einzelfall nach R B 11.6 Abs. 9 Satz 2 ErbStR auch höhere Zuschläge möglich, wobei die ErbStR keine Fallbeispiele aufzeigen. Es liegt auf der Hand, dass der im Allgemeinen maßgebende Höchstzuschlag von 25 % nur anzusetzen ist, wenn eine Beteiligung mit einem entsprechenden Maß an Gesellschaftsrechten ausgestattet ist. 104 Im Ergebnis erscheint eine Staffelung des Paketzuschlags sachgerecht. In der Praxis dürfte bei
– Beteiligungen von mehr als 25 % im Allgemeinen ein Paketzuschlag von 5 bis 10 %, – bei Mehrheitsbeteiligungen von mehr als 50 % bis 74 % ein Paketzuschlag von 15 bis 20 % – und bei Beteiligungen von 75 % und mehr ein Paketzuschlag von 25 % anzusetzen sein.
E. Rücknahmepreis (Abs. 4) 105 „Anteile oder Aktien, die Rechte an einem Investmentvermögen im Sinne des Kapitalanlagegesetz-
buchs verbriefen, sind mit dem Rücknahmepreis anzusetzen.“ Dabei ist als Rücknahmepreis der Betrag anzusetzen, der bei Rückgabe der Anteile nach den Vertragsbedingungen zu zahlen ist. 106 Die jeweils maßgebenden Rücknahmepreise werden grundsätzlich für jeden Börsentag bekannt ge-
macht.
F. Feststellung der Bemessungsgrundlage I. Feststellung nach § 151 BewG 107 Der gemeine Wert von Anteilen an Kapitalgesellschaften ist für Zwecke der Erbschaft-/Schenkungsteu-
er gesondert festzustellen (§ 151 Abs. 1 Nr. 3 BewG). Dies gilt auch für die Feststellung des gemeinen Werts des Betriebsvermögens von Gewerbebetrieben (§ 151 Abs. 1 Nr. 2, § 95 BewG), von Anteilen am Betriebsvermögen – insbesondere Beteiligungen an gewerblichen Personengesellschaften – (§ 151 Abs. 1 Nr. 2, § 97 Abs. 1 Nr. 5 BewG) und von freiberuflich Tätigen (§ 151 Abs. 1 Nr. 2, § 96 BewG). Bei Anteilen an Gesellschaften ist nicht der gemeine Wert der Gesellschaft, sondern der gemeine Wert des Anteils festzustellen. Dies gilt typischerweise bei der Bewertung von Anteilen an Kapitalgesellschaften im Rahmen des § 11 Abs. 2 BewG.
II. Beteiligung an einer Personengesellschaft 108 Die Bewertung eines Mitunternehmeranteils richtet sich nach Maßgabe des § 97 Abs. 1a BewG.
Hierzu ist der nach § 109 Abs. 2 BewG ermittelte gemeine Wert des der Personengesellschaft gehörenden Betriebsvermögens (Gesamthandsvermögen) aufzuteilen. Bei der Aufteilung sind dem jeweiligen Gesellschafter zunächst die Kapitalkonten aus der Gesamthandsbilanz zuzurechnen. Der verbleibende Wert ist nach dem für die Gesellschaft maßgebenden Gewinnverteilungsschlüssel auf die Gesellschafter aufzuteilen. Dabei sind Vorabgewinnanteile nicht zu berücksichtigen. Die Wirtschaftsgüter und Schulden des Sonderbetriebsvermögens eines Gesellschafters sind dem jeweiligen Gesellschafter mit dem gemeinen Wert zuzurechnen. Die Summe des Anteils eines Gesellschafters ergibt sich als Summe aus dem Anteil am Gesamthandsvermögen und dem Wert des Sonderbetriebsvermögens. 109 Die Technik der Aufteilung ergibt sich aus folgenden Beispielen, die H B 97.3 ErbStH 2011 entspre-
chen.
1 R B 11.6 Abs. 9 ErbStR 2011.
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Feststellung der Bemessungsgrundlage
Rz. 112 § 11 BewG
Beispiel 1: Wert des Gesamthandsvermögens der A, B & C KG zum Bewertungsstichtag 12 000 000 t Kapitalkonten lt. Gesamthandsbilanz der Personengesellschaft 9 000 000 t Davon entfallen auf A 5 000 000 Euro, auf B 1 000 000 Euro und auf C 3 000 000 Euro. Gewinn- und Verlustverteilung A, B und C je 1/3 Der Gesellschafter A verpachtet an die Personengesellschaft ein Grundstück mit einem gemeinen Wert von 1 500 000 Euro. Zu bewerten ist der Anteil des Gesellschafters A, der von Todes wegen in vollem Umfang auf seinen Sohn S als Alleinerben übergegangen ist. Gesellschafter A B/C Wert des Gesamthandsvermögens 12 000 000 t abzgl. Kapitalkonten lt. Gesamthandsbilanz 9 000 000 t 5 000 000 t 4 000 000 t Unterschiedsbetrag 3 000 000 t + 1 000 000 t + 2 000 000 t Anteil am Wert des Gesamthandsvermögens 6 000 000 t 6 000 000 t Wert des Sonderbetriebsvermögens + 1 500 000 t Anteil am Wert des Betriebsvermögens 7 500 000 t Beispiel 2: Wert des Gesamthandsvermögens der D & E KG zum Bewertungsstichtag 10 000 000 t Kapitalkonten lt. Gesamthandsbilanz der KG 5 900 000 t Davon entfallen auf D 3 100 000 Euro (Kapitalkonto I 100 000 Euro, Kapitalkonto II 3 000 000 Euro) und auf E 2 800 000 Euro. Gewinn- und Verlustverteilung D und E je 1/2 Der Gesellschafter D verpachtet an die Personengesellschaft ein Grundstück mit einem gemeinen Wert von 1 000 000 Euro. Zu bewerten ist der Anteil des Gesellschafters D, den dieser seiner Tochter T geschenkt hat, wobei er das Kapitalkonto II zurückbehielt. Das Sonderbetriebsvermögen hat er in vollem Umfang mit übertragen. Gesellschafter D E Wert des Gesamthandsvermögens 10 000 000 t abzgl. Kapitalkonten (ohne Kapitalkonto II des A) lt. Gesamthandsbilanz 2 900 000 t 100 000 t 2 800 000 t Unterschiedsbetrag 7 100 000 t + 3 550 000 t + 3 550 000 t Anteil am Wert des Gesamthandsvermögens 3 650 000 t 6 350 000 t Wert des Sonderbetriebsvermögens + 1 000 000 t Anteil am Wert des Betriebsvermögens 4 650 000 t Erworbene Beteiligung der T Kapitalkonto I (100 %) Unterschiedsbetrag (100 %) Sonderbetriebsvermögen Gemeiner Wert der Beteiligung
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100 000 t + 3 550 000 t + 1 000 000 t 4 650 000 t
In Übertragungsverträgen wird in der Praxis häufig formuliert, dass das „Kapitalkonto II zurück- 111 behalten“ wird. Sofern jedoch der Mitunternehmeranteil in vollem Umfang übertragen wird, bedeutet diese Formulierung, dass vor der Übertragung eine Entnahmehandlung zwingend ist. In dem vorstehenden Beispiel der ErbStH ist also davon auszugehen, dass das Kapitalkonto II vor der Übertragung entnommen wird. Das Beispiel lässt offen, wie der gemeine Wert des Gesamthandvermögens ermittelt wurde. Es ist davon auszugehen, dass die Entnahme des Betrags von 3 000 000 Euro Einfluss auf den gemeinen Wert des Gesamthandvermögens haben muss. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass innerhalb des vereinfachten Ertragswertverfahrens die Entnahme nicht zu einer Wertminderung führen würde. Beispiel 3: Wert des Gesamthandsvermögens der F & G OHG zum Bewertungsstichtag 12 000 000 t Kapitalkonten lt. Gesamthandsbilanz der OHG 4 000 000 t Davon entfallen auf F 3 000 000 Euro (Kapitalkonto I 1 000 000 Euro, Kapitalkonto II 2 000 000 Euro) und auf G 1 000 000 Euro.
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§ 11 BewG Rz. 113 Wertpapiere und Anteile Gewinn- und Verlustverteilung F und G je 1/2 Der Gesellschafter F verpachtet an die Personengesellschaft ein Grundstück mit einem gemeinen Wert von 500 000 Euro. Zu bewerten ist der Anteil des Gesellschafters F, den dieser seinem Sohn S zur Hälfte geschenkt hat, wobei er das Kapitalkonto II zurückbehielt. Das Sonderbetriebsvermögen hat er in vollem Umfang mit übertragen. Gesellschafter F G Wert des Gesamthandsvermögens 12 000 000 t abzgl. Kapitalkonten lt. Gesamthandsbilanz 4 000 000 t 3 000 000 t 1 000 000 t Unterschiedsbetrag 8 000 000 t + 4 000 000 t + 4 000 000 t Anteil am Wert des Gesamthandsvermögens 7 000 000 t 5 000 000 t Wert des Sonderbetriebsvermögens + 500 000 t Anteil am Wert des Betriebsvermögens 7 500 000 t Erworbene Beteiligung des S Kapitalkonto I (50 % von 1 000 000 t) Unterschiedsbetrag (50 % von 4 000 000 t) Sonderbetriebsvermögen (100 % von 500 000 t) Gemeiner Wert der Beteiligung
500 000 t + 2 000 000 t + 500 000 t 3 000 000 t
III. Anteil an einer Kapitalgesellschaft 113 Der gemeine Wert des Anteils an einer Kapitalgesellschaft richtet sich nach Maßgabe des § 97 Abs. 1b
BewG. Danach entspricht der gemeine Wert des Anteils an einer Kapitalgesellschaft dem Verhältnis des Anteils am Nennkapital (Grund- oder Stammkapital) der Gesellschaft zum gemeinen Wert des Betriebsvermögens der Kapitalgesellschaft im Bewertungsstichtag. 114 Die ausschließliche Maßgeblichkeit des Verhältnisses des Stammkapitals hat sich in der Praxis bei
über- oder unterproportionaler Gewinnbezugsberechtigung nicht bewährt. Beispiel: V hält 100 % Anteile an einer GmbH mit einem gemeinen Wert von insgesamt 1.000.000 Euro. Er stattet 10 % der Anteile mit einem 90-prozentigen Gewinnbezugsrecht aus. V überträgt diesen 10 %-Anteil an seinen Sohn.
115 Nach Maßgabe des § 97 Abs. 1b BewG beträgt der gemeine Wert des Anteils grundsätzlich 100 000 Eu-
ro. Somit kann das überproportionale Gewinnbezugsrecht nicht bei der Bewertung des Anteils abgebildet werden. 116 Weil nach § 11 Abs. 2 BewG ganz allgemein der Ansatz des gemeinen Werts des Anteils der Kapital-
gesellschaft vorgesehen ist, könnte hieraus die Schlussfolgerung gezogen werden, dass – unabhängig von der Vorschrift des § 97 Abs. 1b BewG – die Berücksichtigung des überproportionalen Gewinnbezugsrechts zulässig sein könnte. M.E. dürfte dieser Argumentation nicht zu folgen sein, weil nach der Systematik des § 11 Abs. 2 BewG der gemeine Wert von Anteilen an Kapitalgesellschaften im vereinfachten Ertragswertverfahren (§§ 199 ff. BewG) zulässig ist (§ 11 Abs. 2 Satz 4 BewG) und insoweit eine Aufteilung des gemeinen Werts der Kapitalgesellschaft erforderlich ist. Somit dürfte bei der Aufteilung kein Weg an der Regelung des § 97 Abs. 1b BewG vorbeiführen. 117 Dementsprechend hat der Gesetzgeber mit dem StÄndG 20151 die Vorschrift des § 97 Abs. 1b BewG
um folgenden Satz ergänzt: „Abweichend von Satz 1 sind bei der Wertermittlung des Anteils vorbehaltlich des § 9 Absatz 2 und 3 Regelungen zu berücksichtigen, die sich auf den Wert des Anteils auswirken, wie insbesondere eine vom Verhältnis des Anteils am Nennkapital (Grund- oder Stammkapital) abweichende Gewinnverteilung.“
1 StÄndG 2015 v. 2.11.2015, BGBl. I 2015, 1834.
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Kapitalforderungen und Schulden
§ 12 BewG
Durch die Ergänzung ist es möglich, sowohl eine über- als auch eine unterproportionale Gewinn- 118 bezugsberechtigung zu berücksichtigen. Zwar fehlt insoweit eine klare gesetzliche Bestimmung dazu, in welchem Umfang Korrekturen erforderlich sind. Allerdings dürfte eine konkrete Festlegung von Korrekturen mit Blick auf die unterschiedlichen Gestaltungen in erster Linie in Abhängigkeit von den Verhältnissen des jeweiligen Einzelfalls vorzuziehen sein. Zur Erläuterung hat die FinVerw. hierzu Regelungen einschließlich konkreter Fallbeispiele mit gleich lautenden Erlassen vom 2.3.2016 herausgegeben.1
§ 12 Kapitalforderungen und Schulden (1) 1Kapitalforderungen, die nicht in § 11 bezeichnet sind, und Schulden sind mit dem Nennwert anzusetzen, wenn nicht besondere Umstände einen höheren oder geringeren Wert begründen. 2Liegen die besonderen Umstände in einer hohen, niedrigen oder fehlenden Verzinsung, ist bei der Bewertung vom Mittelwert einer jährlich vorschüssigen und jährlich nachschüssigen Zahlungsweise auszugehen. (2) Forderungen, die uneinbringlich sind, bleiben außer Ansatz. (3) 1Der Wert unverzinslicher Forderungen oder Schulden, deren Laufzeit mehr als ein Jahr beträgt und die zu einem bestimmten Zeitpunkt fällig sind, ist der Betrag, der vom Nennwert nach Abzug von Zwischenzinsen unter Berücksichtigung von Zinseszinsen verbleibt. 2Dabei ist von einem Zinssatz von 5,5 Prozent auszugehen. (4) 1Noch nicht fällige Ansprüche aus Lebens-, Kapital- oder Rentenversicherungen werden mit dem Rückkaufswert bewertet. 2Rückkaufswert ist der Betrag, den das Versicherungsunternehmen dem Versicherungsnehmer im Falle der vorzeitigen Aufhebung des Vertragsverhältnisses zu erstatten hat. 3Die Berechnung des Werts, insbesondere die Berücksichtigung von ausgeschütteten und gutgeschriebenen Gewinnanteilen, kann durch Rechtsverordnung geregelt werden. A. I. II. III. IV.
Grundaussagen der Vorschrift. . . . . . . . . . Regelungsgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . Bedeutung und Telos . . . . . . . . . . . . . . . . . Geltungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rechtsentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Gesetzliche Änderungen . . . . . . . . . . . . . 2. Künftige Entwicklung. . . . . . . . . . . . . . .
1 1 6 10 15 15 20
B. Ansatz des Nennwerts (Abs. 1) . . . . . . . . . C. Uneinbringliche Forderungen (Abs. 2) . . .
23 29
D. Unverzinsliche Forderungen (Abs. 3) . . . . I. Erfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Berechnung der Laufzeit . . . . . . . . . . . . . . . 1. Unterscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Tilgung in einem Betrag am Ende der Laufzeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Tilgung in gleichen Raten . . . . . . . . . . . . 4. Vom Leben abhängige Laufzeiten . . . . . . III. Abzinsungsfaktoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Berechnungsbeispiele . . . . . . . . . . . . . . . . .
34 34 37 37 38 41 42 46 49
E. I.
II. III.
1. Unverzinsliche Kapitalforderungen oder Kapitalschulden, die in einem Betrag fällig werden . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Unverzinsliche Kapitalforderungen oder Kapitalschulden, die in gleichbleibenden Raten getilgt werden . . . . . . . . . . . . . . . . Hoch oder niedrig verzinsliche Kapitalforderungen und -schulden . . . . . . . . . . . . Berechnung der Laufzeit . . . . . . . . . . . . . . . 1. Tilgung in einem Betrag am Ende der Laufzeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Tilgung in gleichen Raten . . . . . . . . . . . . 3. Tilgung in Annuitäten . . . . . . . . . . . . . . . 4. Vom Leben abhängige Laufzeiten . . . . . . . Abzinsungsfaktoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Berechnungsbeispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Niedrig oder hoch verzinsliche Kapitalforderungen oder Kapitalschulden, die in einem Betrag fällig werden . . . . . . . . . . 2. Niedrig oder hoch verzinsliche Kapitalforderungen oder Kapitalschulden, die in gleichen Raten getilgt werden. . . . . . . .
49
51 53 56 56 57 58 61 62 64
64
66
1 Gleich lautende Erlasse v. 2.3.2016, BStBl. I 2016, 246.
Mannek
921
§ 12 BewG Rz. 1 Kapitalforderungen und Schulden 3. Niedrig oder hoch verzinsliche Kapitalforderungen oder Kapitalschulden, die in Annuitäten getilgt werden . . . . . . . . .
70
F. Aufschubzeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
73
G. Noch nicht fällige Ansprüche (Abs. 4) . . . . I. Bewertung mit 2/3 der eingezahlten Beiträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Bewertung mit dem Rückkaufswert . . . . . . . H. Tabellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
79 79 81 84
Literatur: Brüggemann, Testamentarische Anordnung von bedingten, befristeten und betagten Vermächtnissen, ErbBstg 2014, 197; Endert/Sepetauz, Bilanzierung unverzinslicher (langfristiger) Verbindlichkeiten, BBK 2012, 779; Fumi, Keine Abzinsung des Kapitalwertes der vereinbarten Erbbauzinsen auf den Zeitpunkt der Vereinbarung der Verlängerung eines Erbbaurechts, EFG 2014, 1221; Fumi, Schenkungsteuer bei zinslos gewährtem Darlehen zwischen Lebensgefährten, EFG 2012, 1951; Halaczinsky, Allgemeiner Teil des Bewertungsgesetzes: Bedeutung im Steuerrecht, UVR 2014, 83; Heuermann, Abzuzinsende Bürgschaftsverpflichtung als Maßstab für den nachträgliche Anschaffungskosten bildenden Rückgriffsanspruch des i.S.v. § 17 Abs. 1 EStG qualifiziert Beteiligten – Nachträgliche Teilzahlungsvereinbarung als rückwirkendes Ereignis, HFR 2013, 409; Pondelik, Steuerfalle zinsloses Darlehen, SteuK 2013, 423; Spieker, Gewährung eines zinslosen Darlehens an Lebensgefährten als freigebige Zuwendung, jurisPR-FamR 9/2014 Anm. 6. Verwaltungsanweisungen: R B 12.1–12.4 ErbStR 2011; H B 12.1–12.4 ErbStH 2011.
A. Grundaussagen der Vorschrift I. Regelungsgegenstand 1 § 12 BewG regelt die Bewertung von Kapitalforderungen und Kapitalschulden, soweit diese nicht be-
reits nach § 11 BewG zu bewerten sind. Der Vorrang des § 11 BewG erstreckt sich in der Praxis überwiegend auf Wertpapiere und Schuldbuchforderungen, die am Stichtag an einer deutschen Börse zum Handel im regulierten Markt zugelassen sind. Diese sind regelmäßig mit dem Kurswert anzusetzen (§ 11 Abs. 1 BewG). 2 In Abs. 1 wird festgelegt, dass Kapitalforderungen und -schulden grundsätzlich mit dem Nennwert
anzusetzen sind. Ein vom Nennwert abweichender Wert ist maßgebend, wenn besondere Umstände dies rechtfertigen. Der Gesetzgeber nennt eine hohe, niedrige oder fehlende Verzinsung als besonderen Umstand, der eine Abweichung vom Nennwert begründen kann. Bei der Bewertung solcher Kapitalforderungen und -schulden ist vom Mittelwert einer jährlich vorschüssigen und jährlich nachschüssigen Zahlungsweise auszugehen. 3 Abs. 2 der Vorschrift bestimmt, dass uneinbringliche Kapitalforderungen und -schulden nicht an-
zusetzen sind. 4 Abs. 3 regelt, dass für unverzinsliche Kapitalforderungen und -schulden mit einer Laufzeit von mehr
als einem Jahr, die zu einem bestimmten Zeitpunkt fällig sind, der abgezinste Wert maßgebend ist. Die Vorschrift legt auch fest, dass bei der Kapitalisierung von einem Zinssatz von 5,5 % auszugehen ist. 5 Abs. 4 der Vorschrift regelt den Ansatz von noch nicht fälligen Ansprüchen aus Lebens-, Kapital- und
Rentenversicherungen. Diese sind mit dem Rückkaufswert zu bewerten. Der für Bewertungsstichtage vor dem 1.1.2009 wahlweise anzusetzende 2/3-Wert ist nicht mehr vorgesehen. Somit ist der Rückkaufswert verbindlich und der Wertansatz der noch nicht fälligen Ansprüche mit 2/3 der bis zum Bewertungsstichtag eingezahlten Prämien ausgeschlossen.
II. Bedeutung und Telos 6 Die Vorschrift zur Bewertung von Kapitalforderungen und -schulden ist von grundlegender Bedeu-
tung, weil mit § 12 BewG die Parameter bestimmt werden, die für die mathematischen Berechnungsschritte erforderlich sind. 7 Dennoch erscheint die konkrete Regelungstiefe des § 12 BewG zunächst gering. Die Vorschrift be-
schränkt sich im Wesentlichen auf Grundaussagen, die jedoch die Grundlagen für die mathemati922
Mannek
Grundaussagen der Vorschrift
Rz. 15 § 12 BewG
schen Berechnungen liefern. Die erforderlichen Berechnungsschritte werden nicht innerhalb des Gesetzes konkret angewiesen. Auch die Frage, in welchen Fällen eine Kapitalforderung und -schuld normal verzinslich und somit dem Nennwert anzusetzen ist, regelt das Gesetz nicht. Die zur Kapitalisierung von Kapitalforderungen und -schulden erforderlichen Rechenschritte werden 8 durch die FinVerw. innerhalb gleich lautender Erlasse vom 10.10.2010 geregelt.1 Mit dem Verwaltungserlass stellt die FinVerw. auch Tabellen mit den entsprechenden Vervielfältigern zur Verfügung. Ferner wird der Umfang der Normalverzinslichkeit festgelegt, wobei die insoweit vorgesehene Span- 9 ne der Normalverzinslichkeit von 3 % und 9 % nicht dem aktuellen Zinsniveau gerecht werden dürfte. Diese Kritik betrifft jedoch auch den gesetzlich festgelegten Kapitalisierungszinssatz von einheitlich 5,5 %, der zurzeit auf dem Kapitalmarkt bei weitem nicht erzielt werden dürfte.
III. Geltungsbereich Die Vorschrift des § 12 BewG ist in erster Linie zur Bewertung von Kapitalforderungen und -schul- 10 den anzuwenden, die sich im privaten Vermögen befinden. Gehören Kapitalforderungen oder -schulden zu einem Betriebsvermögen, erübrigt sich im Allgemeinen eine explizite Bewertung, weil die Wertansätze innerhalb des vereinfachten Ertragswertverfahrens nach § 199 ff. BewG nicht erforderlich sind. Sofern das Betriebsvermögen jedoch mit dem Substanzwert als Mindestwert anzusetzen ist, müssen auch innerhalb des Betriebsvermögens Forderungen und Schulden bewertet werden. Dabei ist der gemeine Wert maßgebend (§ 11 Abs. 2 Satz 3 BewG). Nach der Systematik des § 9 BewG 11 gilt in diesen Fällen auch insoweit § 12 BewG, weil „insoweit etwas anderes vorgeschrieben ist“ (vgl. § 9 Abs. 1 BewG). Ob eine Bewertung von Kapitalforderungen und -schulden angesichts des aktuell geltenden Zinssatzes und der vom Gesetzgeber vorgesehenen Verzinsung von 5,5 % in tatsächlicher Hinsicht den gemeinen Wert einer Kapitalforderung oder -schuld widerspiegelt, muss jedoch fraglich erscheinen. Dennoch haben bislang weder der Gesetzgeber noch die FinVerw. auf die veränderte Zinssituation reagiert. Die Bewertung von Kapitalforderungen und -schulden kann auch innerhalb des Betriebsvermögens 12 bei der Ermittlung des Verwaltungsvermögens von Bedeutung sein, weil für Bewertungsstichtage nach dem 6.6.2013 auch Finanzmittel, zu denen insbesondere Kapitalforderungen gehören, zum Verwaltungsvermögen i.S.d. § 13b Abs. 2 Nr. 4a ErbStG zählen. Da insoweit eine Kürzung der Finanzmittel um Schulden vorgesehen ist, kann sich die Bedeutung des § 12 BewG auch auf die Bewertung der Schulden beziehen. Ein weiterer Anwendungsfall der Bewertung von Kapitalforderungen und -schulden nach § 12 BewG 13 ist bei entsprechenden Ansätzen in den Sonderbilanzen einer Personengesellschaft denkbar, weil die Wirtschaftsgüter des Sonderbetriebsvermögens nach § 97 Abs. 1a BewG stets mit dem gemeinen Wert anzusetzen sind. Die Bewertungsvorschrift des § 12 BewG ist auch für andere Steuerarten maßgebend, sofern dort 14 keine gesonderten Bewertungsregelungen getroffen worden sind (§ 1 Abs. 1 BewG).
IV. Rechtsentwicklung 1. Gesetzliche Änderungen Die Vorschrift des § 12 BewG ist seit Jahren nahezu unverändert geblieben. Mit dem Zinsabschlagge- 15 setz vom 9.11.19922 ist in § 12 Abs. 1 folgender Satz 2 eingefügt worden, der für Bewertungsstichtage nach dem 12.11.1992 gilt:
1 Gleich lautende Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder v. 10.10.2010, Bewertung von Kapitalforderungen und Kapitalschulden sowie von Ansprüchen/Lasten bei wiederkehrenden Nutzungen und Leistungen nach dem 31.12.2009 für Zwecke der Erbschaft- und Schenkungsteuer, BStBl. I 2010, 810. 2 Zinsabschlaggesetz v. 9.11.1992, BGBl. I 1992, 1853.
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§ 12 BewG Rz. 16 Kapitalforderungen und Schulden Liegen die besonderen Umstände in einer hohen, niedrigen oder fehlenden Verzinsung, ist bei der Bewertung vom Mittelwert einer jährlich vorschüssigen und jährlich nachschüssigen Zahlungsweise auszugehen.
16
Mit dieser Regelung konnte auf die davor erforderliche Differenzierung zwischen einer vor- oder nachschüssigen Zahlungsweise, die Unterscheidung der Ratendauer innerhalb eines Jahres und damit im Ergebnis auf eine Vielzahl von Vervielfältigertabellen verzichtet werden. Damit trägt der Mittelwert einer jährlich vor- und nachschüssigen Zahlungsweise zu einer rechnerischen Vereinfachung bei.
17
Das Steuer-Euroglättungsgesetz vom 19.12.20001 enthielt eine redaktionelle Änderung im Zusammenhang mit der Einführung des Euro. Dabei wurde in Abs. 4 auf die bisherige Differenzierung zwischen DM und ausländischer Währung verzichtet. Die Änderung gilt für Bewertungsstichtage vom 1.1.2002 bis zum 31.12.2006.
18
Das Jahressteuergesetz 2007 vom 13.12.20062 enthielt ebenfalls eine redaktionelle Änderung („Prozent“ statt „in vom Hundert“). Sie gilt für Bewertungsstichtage vom 1.1.2007 bis zum 31.12.2008.
19
Mit dem Erbschaftsteuerreformgesetz vom 24.12.20083 wird in Abs. 4 darauf verzichtet, für noch nicht fällige Ansprüche aus Lebens-, Kapital- oder Rentenversicherungen 2/3 der eingezahlten Beiträge anzusetzen. Für Bewertungsstichtage nach dem 31.12.2008 ist ausschließlich der Rückkaufswert anzusetzen.
20
Der seit Jahren vom Gesetzgeber unverändert mit 5,5 % vorgegebene Kapitalisierungszinssatz dürfte der derzeitigen Entwicklung auf dem Kapitalmarkt nicht gerecht werden, wenn der Wert der Kapitalforderungen und -schulden den gemeinen Wert widerspiegeln soll. Dies gilt umso mehr, wenn nach der Vorgabe der FinVerw. die Normalverzinslichkeit innerhalb einer Spanne von 3 % und 9 % liegen soll, obwohl diese Spanne auf dem derzeitigen Kapitalmarkt keineswegs als normal bezeichnet werden kann.
21
Ob sich der Gesetzgeber zu einer Anpassung des Kapitalisierungszinssatzes unter Berücksichtigung der aktuellen Verhältnisse auf dem Kapitalmarkt veranlasst sieht, kann derzeit nicht abgeschätzt werden. Hinweise hierzu hatte man sich aus dem Ausgang des Revisionsverfahrens gegen das Urteil des FG Münster4 erhofft, mit dem die Kläger versuchen, die Annahme zu entkräften, dass der Nutzungsvorteil eines zinslosen Darlehens i.H.v. 5,5 % der eingeräumten Kapitalüberlassung angesetzt werden soll. Ein anderer Jahreswert des Nutzungsvorteils als 5,5 % steht im Sinne dieser Vorschrift nicht bereits dann fest, wenn der Darlehensgeber oder der Darlehensnehmer bei einer verzinslichen Anlage des Darlehensbetrags bei einem Kreditinstitut zu marktüblichen Bedingungen lediglich eine niedrigere Rendite als 5,5 % im Jahr hätte erzielen können.
22
Fumi5 hat die Zulassung der Revision für ehrenwert gehalten, jedoch auch darauf hingewiesen, dass der Gesetzgeber nach der Rspr. zu § 238 Abs. 1 Satz 1 AO nicht zur Anpassung des Zinssatzes an die Kapitalmarktentwicklung verpflichtet ist. Der BFH6 hat den Zinssatz von 5,5 % nicht grundsätzlich beanstandet. Vielmehr sei nach Ansicht des BFH der marktübliche Zinssatz der Vergleichsmaßstab, der bei der Gewährung oder Aufnahme eines Darlehens zu – abgesehen von der Zinslosigkeit – vergleichbaren Bedingungen zu entrichten gewesen wäre. Auch mit Urteil vom 27.11.20137 hat der BFH entschieden, dass auch angesichts eines Vergleichs mit den erzielbaren Erträgen einer seriösen Geldanlage der Jahreswert eines Nutzungsvorteils mit 5,5 % anzunehmen ist, weil in dem Streitfall kein anderer Wert feststand (vgl. § 15 BewG Rz. 9). Bei der Bestimmung des Nutzungsvorteils ist im Übrigen unerheblich, ob dem Darlehensgeber die Vereinbarung und Annahme eines Zinses aus reli-
2. Künftige Entwicklung
1 2 3 4 5 6 7
StEuglG v. 19.12.2000, BGBl. I 2000, 1790. JStG 2007 v. 13.12.2006, BGBl. I 2006, 2878. Gesetz zur Reform des Erbschaftsteuer- und Bewertungsrechts (ErbStRG) v. 24.12.2008, BGBl. I 2008, 3018. FG Münster v. 29.3.2012 – 3 K 3819/10 Erb, ErbStB 2012, 293 = EFG 2012, 1950. Fumi, EFG 2012, 1951. BFH v. 27.11.2013 – II R 25/12, ErbStB 2014, 89 = BFH/NV 2014, 537. BFH v. 27.11.2013 – II R 25/12, ErbStB 2014, 89 = BFH/NV 2014, 537.
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Uneinbringliche Forderungen (Abs. 2)
Rz. 29 § 12 BewG
giösen Gründen verboten ist, denn er könnte mit dem Kapital auch auf andere Weise, etwa durch unternehmerische Betätigung, einen Ertrag erzielen.1
B. Ansatz des Nennwerts (Abs. 1) Grundsätzlich ist bei Kapitalforderungen und -schulden der Nennwert anzusetzen. Dies ist der Be- 23 trag, über den die Forderung oder Schuld lautet. Der Gesetzgeber ist beim Ansatz des Nennwerts davon ausgegangen, dass Kapitalforderungen und -schulden normalverzinslich sind. Deshalb ist bei einer hohen, niedrigen oder fehlenden Verzinsung ein abweichender Wert anzusetzen. Die Spanne der Normalverzinslichkeit gibt der Gesetzgeber nicht an. Diesbezügliche Regelungen hat die FinVerw. in den gleich lautenden Erlassen vom 10.10.20102 getrof- 24 fen. Danach liegen besondere Umstände vor, die eine Bewertung abweichend vom Nennwert rechtfertigen, wenn 1. die Kapitalforderungen oder Kapitalschulden unverzinslich sind und ihre Laufzeit im Besteuerungszeitpunkt mehr als ein Jahr beträgt; 2. die Kapitalforderungen oder Kapitalschulden – niedrig verzinst (unter 3 Prozent) oder – hoch verzinst (über 9 Prozent) sind sowie die Kündbarkeit für längere Zeit (d.h. für mindestens vier Jahre) ausgeschlossen ist; 3. zweifelhaft ist, ob eine Kapitalforderung in vollem Umfang durchsetzbar ist. Die Tatsache einer hohen, niedrigen oder fehlenden Verzinsung rechtfertigt für sich allein noch kei- 25 nen vom Nennwert abweichenden Wertansatz. Vielmehr muss zuvor geprüft werden, ob einer unverzinslichen oder niedrig verzinslichen Kapitalforderung (z.B. Guthaben aus Bausparverträgen) bzw. einer hoch verzinslichen Kapitalschuld wirtschaftliche Vorteile oder einer unverzinslichen oder niedrig verzinslichen Kapitalschuld bzw. einer hoch verzinslichen Kapitalforderung andere wirtschaftliche Nachteile gegenüberstehen. In diesem Fall kommt keine vom Nennwert abweichende Bewertung in Betracht. Der Umstand, dass bei der Auszahlung von Tantiemeforderungen Lohnsteuer bzw. Kirchensteuer 26 oder dass bei der Auszahlung von Dividendenforderungen Kapitalertragsteuer einzubehalten ist, ist kein besonderer Umstand, der eine Bewertung der Kapitalforderung unter dem Nennwert rechtfertigt.3 Das Gleiche gilt für die Einbehaltung des Solidaritätszuschlags. Kapitalschulden aus niedrig verzinslichen öffentlichen Wohnungsbaudarlehen sind regelmäßig mit dem Nennwert anzusetzen. Somit sind Kapitalforderungen und -schulden, die mit einem Zinssatz zwischen 3 % und 9 % ver- 27 zinst werden, mit dem Nennwert anzusetzen. Außerhalb dieser Spanne ergibt sich grundsätzlich die Notwendigkeit einer gesonderten Bewertung. Diese wird jedoch nicht im Einzelnen in § 12 BewG geregelt. Vielmehr enthält § 12 BewG lediglich 28 die erforderlichen Grundaussagen. Die rechnerischen Einzelheiten und mathematischen Ableitungen ergeben sich aus den gleich lautenden Erlassen vom 10.10.2010.4 Vgl. hierzu Rz. 53 ff. (hoch oder niedrig verzinsliche Kapitalforderungen und -schulden).
C. Uneinbringliche Forderungen (Abs. 2) Kapitalforderungen, die uneinbringlich sind, bleiben außer Ansatz (§ 12 Abs. 2 BewG). Mit dieser 29 Regelung trägt der Gesetzgeber dem Umstand Rechnung, dass Kapitalforderungen zwar rechtlich existieren können, in tatsächlicher Hinsicht jedoch nicht realisierbar sind. 1 2 3 4
BFH v. 4.3.2015 – II R 19/13, BFH/NV 2015, 993. Gleich lautende Erlasse v. 10.10.2010, BStBl. I 2010, 810. BFH v. 15.12.1967, BStBl. II 1968, 338 und 340, sowie v. 16.3.1984, BStBl. II 1984, 539. Gleich lautende Erlasse v. 10.10.2010, BStBl. I 2010, 810.
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§ 12 BewG Rz. 30 Kapitalforderungen und Schulden 30
Die vom Gesetzgeber gewählte Formulierung, nach der uneinbringliche Forderungen „außer Ansatz“ bleiben, könnte darauf hindeuten, dass der Gesetzgeber eine Regelung zum Ansatz dem Grunde nach getroffen hat und die Vorschrift somit über eine reine Bewertungsregelung hinausgeht. M.E. kann die Formulierung ebenso als Bewertungsregelung verstanden werden, wonach für uneinbringliche Kapitalforderungen kein Wert anzusetzen ist. Dies würde der wohl überwiegenden Auffassung entsprechen, dass § 12 BewG keine Regelungen hinsichtlich des Ansatzes von Kapitalforderungen dem Grunde nach enthält, sondern nur regelt, in welcher Höhe ein Wertansatz erforderlich ist.
31
§ 12 Abs. 2 BewG verzichtet auf einen Wertansatz nur bei uneinbringlichen Forderungen. Die Regelung bezieht sich nicht auf Schulden.
32
Ob eine Forderung uneinbringlich ist, richtet sich nach den Verhältnissen des Einzelfalles. Sofern beispielsweise Vollstreckungsmaßnahmen erfolglos waren oder der Schuldner eine eidesstattliche Versicherung abgegeben hat, dürfte man in der Praxis von einer uneinbringlichen Forderung ausgehen können. Das gleiche gilt, wenn die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens mangels Masse abgelehnt wurde oder das Insolvenzverfahren nach Eröffnung mangels Masse eingestellt wurde. Ebenso ist eine Forderung uneinbringlich, wenn Pfändungen fruchtlos verliefen. Auch bei verjährten Forderungen, bei denen zu erwarten ist, dass der Schuldner die Verjährungseinrede erhebt, ist von einer uneinbringlichen Forderung auszugehen.
33
In der Praxis wird sich die Uneinbringlichkeit häufig nur auf einen Teil der Forderung beziehen. Dies wäre beispielsweise denkbar, wenn eine Forderung innerhalb eines Rechtsstreits durchgesetzt werden soll und dabei mit Blick auf die Erfolgsaussichten Zweifel bestehen, die Forderung in vollem Umfang zu realisieren. Derartige zweifelhafte Forderungen sind mit dem wahrscheinlich realisierbaren Wert anzusetzen. Hierbei ist gegebenenfalls ein Wert zu schätzen.
D. Unverzinsliche Forderungen (Abs. 3) I. Erfassung 34
Der Wert unverzinslicher Kapitalforderungen und -schulden ist mit dem abgezinsten Nennwert zu erfassen. Der Wertansatz entspricht dem Betrag, der vom Nennwert nach Abzug von Zwischenzinsen unter Berücksichtigung von Zinseszinsen verbleibt. Bei der Berechnung sieht der Gesetzgeber einen Zinssatz von 5,5 % vor (§ 12 Abs. 3 Satz 2 BewG). Die Abzinsung erfolgt nur, wenn die Kapitalforderungen und -schulden zu einem bestimmten Zeitpunkt fällig sind und die Laufzeit mehr als ein Jahr beträgt (§ 12 Abs. 3 Satz 1 BewG).
35
Bei unverzinslichen Kapitalforderungen und -schulden ist zunächst zu klären, in welcher Weise die Rückzahlung vereinbart ist. Die Tilgung kann entweder in einem Betrag am Ende der Laufzeit oder gleichen Raten erfolgen. Sofern die Tilgung in unterschiedlichen Raten erfolgt, ergeben sich wirtschaftlich mehrere Kapitalforderungen und -schulden, die jeweils zu einem bestimmten Zeitpunkt am Ende der Laufzeit fällig sind, wobei lediglich die Laufzeit unterschiedlich ist.
36
Mit den gleich lautenden Erlassen vom 20101 hat die FinVerw. zur Vereinfachung der Berechnung Tabellen zur Verfügung gestellt, mit denen sowohl die – Rückzahlung in einem Betrag am Ende der Laufzeit2 sowie – die Tilgung in gleichen Raten3 berechnet werden können.
1 Gleich lautende Erlasse v. 10.10.2010, BStBl. I 2010, 810. 2 Tabelle 1 der gleich lautenden Erlasse v. 10.10.2010, BStBl. I 2010, 810. 3 Tabelle 2 der gleich lautenden Erlasse v. 10.10.2010, BStBl. I 2010, 810.
926
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Unverzinsliche Forderungen (Abs. 3)
Rz. 43 § 12 BewG
II. Berechnung der Laufzeit 1. Unterscheidung Bei der Berechnung der Laufzeit ist zwischen den beiden vorstehend genannten Formen der Kapital- 37 rückzahlung zu unterscheiden. 2. Tilgung in einem Betrag am Ende der Laufzeit Erfolgt die Rückzahlung in einem Betrag am Ende der Laufzeit, erfolgt die Berechnung der Laufzeit 38 tagegenau. Dies gilt sowohl für unverzinsliche wie auch für niedrig oder hoch verzinsliche Kapitalforderungen oder Kapitalschulden. Dabei wird entsprechend den gleich lautenden Erlassen vom 10.10.20101 wie folgt gerechnet: 39 – Das Kalenderjahr mit 360 Tagen, – jeder volle Monat mit 30 Tagen, – der Monat, in dem der Fälligkeitstag liegt, mit der Anzahl der tatsächlichen Tage bis zur Fälligkeit, höchstens jedoch mit 30 Tagen. Beispiel: Besteuerungszeitpunkt Kapitalforderung oder Kapitalschuld, die in einem Betrag fällig wird Fälligkeit Laufzeit der Kapitalforderung/Kapitalschuld:
40 4.5.2013 20 000 t 5.8.2015 2 Jahre, 3 Monate, 2 Tage
3. Tilgung in gleichen Raten Ist eine Tilgung in gleichen Raten vorgesehen, ist die Laufzeit über die Anteile der Jahresleistungen 41 zu ermitteln. Dabei ist von einer mittelschüssigen Zahlungsweise auszugehen. Auf die Zahlungszeitpunkte innerhalb einer Zahlungsperiode kommt es nicht an. Beispiel: Besteuerungszeitpunkt 14.6.2013 Kapitalforderung 15 000 t monatliche Tilgungsrate 500 t Tilgungsdauer in Monaten: (15 000 t/500 t =) 30 Fälligkeit der 1. Rate 18.6.2013 Fälligkeit der letzten Rate 18.11.2015 Im Jahr 2013 werden 7, im Jahr 2014 werden 12 und im Jahr 2015 werden 9 Monatsraten gezahlt. Tilgungsdauer 2 Jahre, 6 Monate
4. Vom Leben abhängige Laufzeiten Sind Kapitalforderungen und -schulden hinsichtlich der Laufzeit durch das Leben einer oder mehre- 42 rer Personen bedingt, ist zur Berechnung der Laufzeit von der mittleren Lebenserwartung der betreffenden Person nach der für die Bewertung maßgebenden Sterbetafel des Statistischen Bundesamtes auszugehen. Für Stichtage vor dem 1.1.2009 war die „Sterbetafel für die Bundesrepublik Deutschland 1986/88 43 nach dem Gebietsstand seit dem 3.10.1990“ maßgebend, die als Tabelle 6 Bestandteil der gleich lautenden Erlasse vom 7.12.20012 ist. Für Besteuerungszeitpunkte nach dem 31.12.2008 veröffentlicht die FinVerw. die für das jeweilige Kalenderjahr geltende neueste Sterbetafel, die vom Statistischen Bundesamt veröffentlicht wurde.
1 Gleich lautende Erlasse v. 10.10.2010, BStBl. I 2010, 810. 2 Gleich lautende Erlasse v. 7.12.2001, BStBl. I 2001, 1041.
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§ 12 BewG Rz. 44 Kapitalforderungen und Schulden 44
Die Fundstellen des für das jeweilige Kalenderjahr maßgeblichen BMF-Schreibens ergeben sich aus § 14 BewG Rz. 21.
45
Im Übrigen ist der Gegenwartswert der Kapitalforderungen und -schulden nach denselben Grundsätzen zu ermitteln, wie bei Laufzeiten, die in anderer Weise zu tilgen sind.
III. Abzinsungsfaktoren 46
Tabelle 1 der gleich lautenden Erlasse vom 10.10.20101 enthält die auf den Nennwert anzuwendenden Vervielfältiger für die Abzinsung einer unverzinslichen Kapitalforderung oder -schuld, die nach bestimmter Zeit in einem Betrag fällig ist.
47
Die Vervielfältiger für eine unverzinsliche Kapitalforderung oder Schuld, die in gleichen Jahresraten getilgt wird, ergeben sich aus der Tabelle 2 der gleich lautenden Erlasse.
48
Die zur Verfügung gestellten Vervielfältiger beziehen sich dabei stets auf volle Laufzeitjahre. Bei unterjährigen Laufzeiten ist eine Interpretation erforderlich.
IV. Berechnungsbeispiele 1. Unverzinsliche Kapitalforderungen oder Kapitalschulden, die in einem Betrag fällig werden 49
50
Beispiel 1: Besteuerungszeitpunkt Nennwert Fälligkeit Laufzeit (18.10.2013 bis 2.3.2016) Berechnung: Abzinsungsfaktor für 3 Jahre (Tabelle 1) Abzinsungsfaktor für 2 Jahre Differenz davon (4/12 + 15/360) interpoliert (0,898 – 0,017 =) Gegenwartswert am 18.10.2013 (0,881 × 80 000 t =)
18.10.2013 80 000 t 2.3.2016 2 Jahre, 4 Monate, 15 Tage 0,852 0,898 – 0,046 – 0,017 0,881 70 480 t
Beispiel 2: Es ist eine Kapitalforderung zu bewerten, die zunächst normal verzinslich ist, jedoch später unverzinslich wird. Besteuerungszeitpunkt 14.6.2013 Nennwert 1 000 000 t Fälligkeit 13.6.2018 14.6.2013 bis 13.6.2018: normal verzinslich (Laufzeit 5 Jahre) 14.6.2018 bis 13.6.2028: unverzinslich (Laufzeit 10 Jahre) Berechnung: Zunächst ist der Betrag, um den der Nennwert für die Zeit der Unverzinslichkeit der Kapitalforderung oder Kapitalschuld zu mindern ist, mittels einer Abzinsung auf den 14.6.2018 zu berechnen (Abzinsungsbetrag). Anschließend ist er auf den 14.6.2013 abzuzinsen. Der Nennwert ist um den so ermittelten Barwert des Abzinsungsbetrags zu vermindern.
1 Gleich lautende Erlasse v. 10.10.2010, BStBl. I 2010, 810.
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Hoch oder niedrig verzinsliche Kapitalforderungen und -schulden
Rz. 53 § 12 BewG
1. Berechnung des Abzinsungsbetrags Abzinsungsfaktor für 10 Jahre (Tabelle 1) Barwert der Kapitalforderung oder Kapitalschuld am 14.6.2018 (0,585 × 1 000 000 t =) Abzinsungsbetrag (bezogen auf den 14.6.2018) (1 000 000 t – 585 000 t =) 2. Berechnung des Barwerts des Abzinsungsbetrags Abzinsungsfaktor für 5 Jahre (Tabelle 1) Barwert des Abzinsungsbetrags (bezogen auf den 14.6.2013) (0,765 × 415 000 t =) 3. Gegenwartswert am 14.6.2013 (1 000 000 t – 317 475 t =)
0,585 585 000 t 415 000 t 0,765 317 475 t 682 525 t
2. Unverzinsliche Kapitalforderungen oder Kapitalschulden, die in gleichbleibenden Raten getilgt werden Beispiel 1: Besteuerungszeitpunkt Halbjährliche Rate Fälligkeit der 1. Rate nach dem Besteuerungszeitpunkt Fälligkeit der letzten Rate Laufzeit (14.9.2013 bis 13.9.2023) Berechnung: Vervielfältiger für 10 Jahre (Tabelle 2) Jahreswert (2 × 6 000 t =) Gegenwartswert am 14.9.2013 (7,745 × 12 000 t =)
51 14.9.2013 6 000 t 20.9.2013 20.3.2023 10 Jahre 7,745 12 000 t 92 940 t
Beispiel 2: Besteuerungszeitpunkt 14.6.2013 Vierteljährliche Rate 3 000 t Fälligkeit der 1. Rate nach dem Besteuerungszeitpunkt 20.6.2013 Fälligkeit der letzten Rate 20.12.2022 Laufzeit (14.6.2013 bis 13.3.2022) 9 Jahre, 9 Monate; Die gegenüber Beispiel 1 geänderte Zahlungshäufigkeit führt zu einer abweichenden Laufzeit. Somit erfolgt die Berechnung der Laufzeit bei einer Tilgung in gleichen Raten über die Anteile der Raten an der Jahresleistung. Berechnung: Vervielfältiger für 10 Jahre (Tabelle 2) 7,745 Vervielfältiger für 9 Jahre 7,143 Differenz 0,602 davon 9/12 0,452 interpoliert (7,143 + 0,452 =) 7,595 Jahreswert (4 × 3 000 t =) 12 000 t Gegenwartswert am 14.6.2013 (7,595 × 12 000 t =) 91 140 t
52
E. Hoch oder niedrig verzinsliche Kapitalforderungen und -schulden Die Hoch- oder Niedrigverzinslichkeit von Kapitalforderungen und -schulden ist ein vom Gesetz- 53 geber ausdrücklich genannter Umstand, der ein Abweichen vom Ansatz des Nennwerts rechtfertigt (§ 12 Abs. 1 BewG).
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§ 12 BewG Rz. 54 Kapitalforderungen und Schulden 54
Eine abweichende Bewertung ist jedoch nach Tz. 1.2 der gleich lautenden Erlasse vom 10.10.20101 nur vorgesehen, wenn die Kündbarkeit für längere Zeit ausgeschlossen ist. Dabei wird von einem Ausschluss der Kündbarkeit für die Dauer von mindestens vier Jahren ausgegangen. Somit wird bei Kapitalforderungen und -schulden, die eine Laufzeit von weniger als vier Jahren haben, der Nennwert angesetzt.
55
Zur Berechnung der Wertdifferenz ist der Nennwert um den Betrag zu korrigieren, der dem Kapitalwert der Zinsdifferenz entspricht. Die Zinsdifferenz entspricht dem Unterschiedsbetrag zwischen den tatsächlich vereinbarten Zinsen und dem Zinsbetrag, der sich bei Anwendung des jeweiligen Grenzzinssatzes ergibt. So ergibt sich beispielsweise bei einer niedrig verzinslichen Forderung aus dem Unterschiedsbetrag des tatsächlichen Zinssatzes und dem unteren Grenzzinssatz von 3 % die Zinssatzdifferenz, die sich nach Multiplikation mit dem Nennwert der Zinsdifferenz ergibt. Diese ist über die Laufzeit zu kapitalisieren und ergibt den Kapitalwert der Zinsdifferenz.
I. Berechnung der Laufzeit 1. Tilgung in einem Betrag am Ende der Laufzeit 56
Die Berechnung der Laufzeit erfolgt bei hoch oder niedrig verzinslichen Kapitalforderungen und -schulden, die in einem Betrag am Ende der Laufzeit fällig sind, wie bei unverzinslichen Kapitalforderungen und -schulden. Auf die Anmerkungen unter Rz. 38 wird verwiesen. 2. Tilgung in gleichen Raten
57
Die Berechnung der Laufzeit erfolgt bei hoch oder niedrig verzinslichen Kapitalforderungen und -schulden, die in gleichen Raten getilgt werden, wie bei unverzinslichen Kapitalforderungen und -schulden. Auf die Anmerkungen unter Rz. 41 wird verwiesen. 3. Tilgung in Annuitäten
58
Bei einer Tilgung in Annuitäten erfolgt die Berechnung der Laufzeit über einen Tilgungsplan. Dabei ergeben sich die folgenden Berechnungsschritte: Nennwert am Besteuerungszeitpunkt 14.6.01 zzgl. Zinsen für ein halbes Jahr (linearer Zins) Summe abzgl. Jahreswert der Annuität Differenz (angenommener Kapitalstand zum 14.12.02) zzgl. Zinsen für ein Jahr (linearer Zins) Summe abzgl. Jahreswert der Annuität Differenz (angenommener Kapitalstand zum 14.12.03)
59
Der Tilgungsplan ist solange fortzuführen, bis die Kapitalforderung oder Kapitalschuld den Wert 0 Euro erreicht. Beispiel: Besteuerungszeitpunkt Kapitalschuld vereinbarter Zinssatz monatliche Annuitätenrate Jahreswert der Annuität (12 × 500 t =)
1 Gleich lautende Erlasse v. 10.10.2010, BStBl. I 2010, 810.
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18.10.2013 27 000 t 2,5 % 500 t 6 000 t
Hoch oder niedrig verzinsliche Kapitalforderungen und -schulden
Rz. 61 § 12 BewG
Die Laufzeit kann mittels des folgenden Tilgungsplans ermittelt werden: Es ist von mittelschüssiger Zahlung des Jahresbetrags auszugehen. Kapitalschuld am 18.10.2013 Zinsen bis zum 18.4.2014 (1/2 × 2,5 % × 27 000 t =) Summe Annuität Schuldenstand am 18.4.2014 Zinsen für 1 Jahr (2,5 % × 21 337,50 t =) Summe Annuität Schuldenstand am 18.4.2015 Zinsen für 1 Jahr (2,5 % × 15 870,94 t =) Summe Annuität Schuldenstand am 18.4.2016 Zinsen für 1 Jahr (2,5 % × 10 267,71 t =) Summe Annuität Schuldenstand am 18.4.2017 Zinsen für 1 Jahr (2,5 % × 4 524,40 t =) Summe Annuitäten-Teil am 18.4.2018 Mithin wird im Jahr 2018 keine volle Annuität gezahlt, sondern nur ein Anteil i.H.v. (4 637,51/6 000 =) Insgesamt gezahlte Annuitäten Somit beträgt die Tilgungsdauer
27 000 t 337,50 t 27 337,50 t 6 000 t 21 337,50 t 533,44 t 21 870,94 t 6 000 t 15 870,94 t 396,77 t 16 267,71 t 6 000 t 10 267,71 t 256,69 t 10 524,40 t 6 000 t 4 524,40 t 113,11 t 4 637,51 t 4 637,51 t 0,8 4,8 4,8 Jahre.
Alternativ kann die Tilgungsdauer aufgrund der angenommenen mittelschlüssigen Zahlungsweise 60 nach einer Formel ermittelt werden. Je nach Berechnung der Tilgungsdauer nach Formel oder nach Tilgungsplan können sich Rundungsdifferenzen ergeben. Es gilt die folgende Formel:
⎩
⎧ ⎩⎪
n=
log⎧ ⎪1–
K × (1 – v2) 2×R×v log v
.
Dabei ist K = Nennwert der Kapitalforderung oder Kapitalschuld am Besteuerungszeitpunkt R = Jahreswert der Annuität i = vereinbarter Jahreszinssatz v=
1 1+i
log = Logarithmusfunktion n = Tilgungsdauer. 4. Vom Leben abhängige Laufzeiten Sind Kapitalforderungen und -schulden durch das Leben einer oder mehreren Personen bedingt, er- 61 folgt die Berechnung der Laufzeit wie bei unverzinslichen Kapitalforderungen und -schulden. Auf die Anmerkungen unter Rz. 42 wird verwiesen.
Mannek
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§ 12 BewG Rz. 62 Kapitalforderungen und Schulden
II. Abzinsungsfaktoren 62
Die Kapitalisierung der Zinsdifferenz richtet sich – bei hoch und niedrig verzinslichen Forderungen im Falle der Tilgung in einem Betrag am Ende der Laufzeit nach Tabelle 2, – bei hoch und niedrig verzinslichen Forderungen im Falle der Tilgung in gleichen Raten nach Tabelle 3, – bei niedrig verzinslichen Forderungen im Falle der Tilgung in Annuitäten nach Tabelle 4 und – bei hoch verzinslichen Forderungen im Falle der Tilgung in Annuitäten nach Tabelle 5 der gleich lautenden Erlasse vom 10.10.2010.1
63
Die zur Verfügung gestellten Vervielfältiger beziehen sich dabei stets auf volle Laufzeitjahre. Bei unterjährigen Laufzeiten ist eine Interpretation erforderlich.
III. Berechnungsbeispiele 1. Niedrig oder hoch verzinsliche Kapitalforderungen oder Kapitalschulden, die in einem Betrag fällig werden 64
65
Beispiel 1 (niedrige Verzinsung): Besteuerungszeitpunkt Nennwert Zinssatz Fälligkeit Laufzeit (18.10.2013 bis 2.6.2049) Berechnung: Jährliche Zinsdifferenz (3 % – 1,25 % = 1,75 %; 1,75 % von 125 000 t =) Vervielfältiger für 36 Jahre (Tabelle 2) Vervielfältiger für 35 Jahre Differenz davon (7/12 + 15/360 =) interpoliert (15,814 + 0,093 =) Kapitalwert (15,907 × 2 187,50 t =) Gegenwartswert am 18.10.2013 (125 000 t – 34 797 t =) Beispiel 2: (hohe Verzinsung): Besteuerungszeitpunkt Nennwert Zinssatz Fälligkeit Laufzeit (14.6.2013 bis 12.8.2017) Berechnung: Jährliche Zinsdifferenz (13 % – 9 % = 4 %; 4 % von 1 375 496 t =) Vervielfältiger für 5 Jahre (Tabelle 2) Vervielfältiger für 4 Jahre Differenz davon (1/12 + 28/360 =) interpoliert (3,602 + 0,127 =) Kapitalwert (3,729 × 55 019,84 t =) Gegenwartswert am 14.6.2013 (1 375 496 t + 205 168,98 t =)
1 Gleich lautende Erlasse v. 10.10.2010, BStBl. I 2010, 810.
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18.10.2013 125 000 t 1,25 % 2.6.2049 35 Jahre, 7 Monate, 15 Tage 2 187,50 t 15,963 15,814 0,149 0,093 15,907 34 797 t 90 203 t 14.6.2013 1 375 496 t 13 % 12.8.2017 4 Jahre, 1 Monat, 28 Tage 55 019,84 t 4,388 3,602 0,786 0,127 3,729 205 168,98 t 1 580 665 t
Aufschubzeit
Rz. 77 § 12 BewG
2. Niedrig oder hoch verzinsliche Kapitalforderungen oder Kapitalschulden, die in gleichen Raten getilgt werden Berechnungsbeispiele zu niedrig oder hoch verzinslichen Kapitalforderungen und -schulden, die in 66 gleichen Raten getilgt werden, enthält Tz. 3.2.2. der gleich lautenden Erlasse vom 10.10.2010.1 Die Bewertung einer in Raten zu tilgenden niedrig verzinslichen Forderung mit einer Aufschubzeit 67 enthält Beispiel 3 der Tz. 3.2.2. der gleich lautenden Erlasse vom 10.10.2010. Die Bewertung einer in Raten zu tilgenden niedrig verzinslichen Forderung mit einer feststehenden 68 künftigen Zinssatzänderung enthält Beispiel 4 der Tz. 3.2.2. der gleich lautenden Erlasse vom 10.10.2010. Die Bewertung einer in Raten zu tilgenden hoch verzinslichen Forderung mit einer feststehenden 69 künftigen Ratenerhöhung enthält Beispiel 5 der Tz. 3.2.2. der gleich lautenden Erlasse vom 10.10.2010. 3. Niedrig oder hoch verzinsliche Kapitalforderungen oder Kapitalschulden, die in Annuitäten getilgt werden Die Bewertung einer in Annuitäten zu tilgenden hoch verzinslichen Forderung enthält Beispiel 1 70 der Tz. 3.2.3. der gleich lautenden Erlasse vom 10.10.2010.2 Beispiel 2 betrifft eine niedrig verzinsliche Forderung, die in Annuitäten zu tilgen ist. Die Bewertung einer in Annuitäten zu tilgenden niedrig verzinslichen Forderung mit einer Auf- 71 schubzeit enthält Beispiel 3 der Tz. 3.2.3. der gleich lautenden Erlasse vom 10.10.2010. Die Bewertung einer in Annuitäten zu tilgenden niedrig verzinslichen Forderung mit einem nicht 72 in der Tabelle aufgeführten Zinssatz und der dazu gehörenden Formel enthält Beispiel 4 der Tz. 3.2.3. der gleich lautenden Erlasse vom 10.10.2010.
F. Aufschubzeit Sofern die Kapitalforderungen und -schulden in gleichen Raten getilgt werden, kann sich eine Auf- 73 schubzeit ergeben. Eine solche liegt vor, wenn sich am Bewertungsstichtag eine tilgungsfreie Zeit ergibt, die mehr als eine Ratenzahlungsdauer umfasst. In den Fällen von unverzinslichen Kapitalforderungen und -schulden ist der auf den Beginn der ersten Zahlungsperiode ermittelte Barwert der Kapitalforderung und -schuld auf den Besteuerungszeitpunkt mithilfe der Tabelle 1 der gleich lautenden Erlasse vom 10.10.20103 abzuzinsen. Bei einer niedrig oder hoch verzinslichen Kapitalforderung oder Kapitalschuld ist nach Auffassung 74 der FinVerw. eine Aufschubzeit sowohl für die Tilgungsdauer als auch für die tilgungsfreie Zeit wie folgt zu berücksichtigen: – Zunächst ist der auf den Beginn der ersten Tilgungsperiode ermittelte Kapitalwert der Zinsdifferenz auf den Besteuerungszeitpunkt abzuzinsen (Tabelle 1). – Anschließend ist der Kapitalwert der Zinsdifferenz für die tilgungsfreie Zeit zu berechnen, als läge eine niedrig oder hoch verzinsliche Kapitalforderung oder Kapitalschuld vor, die zu Beginn der ersten Tilgungszahlungsperiode in einem Betrag getilgt würde (Tabelle 2). Die Summe beider Werte ergibt den gesamten Kapitalwert der Zinsdifferenz, um den der Nennwert 75 der Kapitalforderung oder Kapitalschuld zu korrigieren ist. Bei dieser Berechnung geht die FinVerw. davon aus, dass während der tilgungsfreien Zeit die jeweils 76 anfallenden Zinsen beglichen werden. Bei Lauf- und Aufschubzeiten, die nicht ganze Jahre umfassen, ist stets zwischen den Vervielfälti- 77 gern der nächstliegenden ganzzahligen Zeiten linear zu interpolieren. 1 Gleich lautende Erlasse v. 10.10.2010, BStBl. I 2010, 810. 2 Gleich lautende Erlasse v. 10.10.2010, BStBl. I 2010, 810. 3 Gleich lautende Erlasse v. 10.10.2010, BStBl. I 2010, 810.
Mannek
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§ 12 BewG Rz. 78 Kapitalforderungen und Schulden 78
Beispiele zur Bewertung von Kapitalforderungen und -schulden mit Aufschubzeiten enthalten die gleich lautenden Erlasse vom 10.10.20101 in – Tz. 3.1.2 Beispiel 3, – Tz. 3.2.2 Beispiel 3 und – Tz. 3.2.3 Beispiel 3.
G. Noch nicht fällige Ansprüche (Abs. 4) I. Bewertung mit 2/3 der eingezahlten Beiträge 79
Für Besteuerungszeitpunkte vor dem 1.1.2009 war es möglich, noch nicht fällige Ansprüche aus Lebens-, Renten- oder Kapitalversicherungen mit 2/3 der eingezahlten Beiträge zu bewerten. Ursprünglich diente die Bewertungsregel zur Verwaltungsvereinfachung. Die Berechnung des Rückkaufswerts gehört mittlerweile zu den Standardaufgaben der Versicherungsunternehmen, so dass der vereinfachte Wertansatz keine Berechtigung mehr hatte.
80
Zudem wurde die Bewertung mit 2/3 der eingezahlten Beiträge gezielt zur Steuerreduzierung eingesetzt. Dabei wurden zunächst hohe Beträge in eine Lebensversicherung eingezahlt. Anschließend erfolgte eine unentgeltliche Übertragung der Ansprüche aus der Lebensversicherung, so dass sich die Steuer im Ergebnis um 1/3 reduzierte.
II. Bewertung mit dem Rückkaufswert 81
Mit dem Erbschaftsteuerreformgesetz vom 24.12.20082 ist nach der gesetzlichen Vorgabe des § 12 Abs. 4 BewG bei noch nicht fälligen Ansprüchen aus Lebens-, Kapital- oder Rentenversicherungen zwingend der Rückkaufswert anzusetzen. Dies gilt für Bewertungsstichtage nach dem 31.12.2008.
82
Die Gesetzesbegründung3 hat den folgenden Wortlaut: Auch noch nicht fällige Ansprüche aus Lebens-, Kapital- oder Rentenversicherungen sind nach den Grundsätzen im Beschluss des BVerfG vom 7.11.20064 mit dem gemeinen Wert anzusetzen. Dies ist der Rückkaufswert, den der Versicherungsnehmer von der Versicherung beanspruchen kann. Die Versicherungsunternehmen können den aktuellen Rückkaufswert jederzeit ohne Schwierigkeiten berechnen. Der bisher alternativ mögliche Ansatz von zwei Dritteln der eingezahlten Prämien oder Kapitalbeiträge gibt demgegenüber nicht den gemeinen Wert der Ansprüche wieder und führt darüber hinaus zu ungerechtfertigten Bewertungs- und damit Steuervorteilen.
83
In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass Ansprüche aus Versicherungen, die noch nicht fällig sind, regelmäßig aufschiebend bedingt und deshalb nicht zu bewerten sind. Dies ergibt sich aus § 4 BewG. Bei einer Lebens-, Kapital- oder Rentenversicherung hat der Versicherungsnehmer jedoch im Falle einer vorzeitigen Kündigung des Vertrags einen Anspruch auf eine Teilrückzahlung der von ihm eingezahlten Beiträge. Dieser Anspruch ist somit nicht aufschiebend bedingt und deshalb auch vor dem Eintritt des Versicherungsfalls zu bewerten. Davon sind reine Risikolebensversicherungen zu unterscheiden, bei denen sich ein derartiger Anspruch vor Eintritt des Versicherungsfalls nicht ergibt. Dies gilt in gleicher Weise für Sachversicherungen.
1 2 3 4
Gleich lautende Erlasse v. 10.10.2010, BStBl. I 2010, 810. Gesetz zur Reform des Erbschaftsteuer- und Bewertungsrechts v. 24.12.2008, BGBl. I 2008, 3018. BT-Drucks. 16/7918. BVerfG v. 7.11.2006 – 1 BvL 10/02, BStBl. II 2007, 192 = FR 2007, 338 = ErbStB 2007, 64.
934
Mannek
Kapitalwert von wiederkehrenden Nutzungen und Leistungen
§ 13 BewG
H. Tabellen Die Tabellen 1 bis 6 mit den maßgebenden Vervielfältigern ergeben sich aus den Anlagen zu den 84 gleich lautender Erlassen vom 10.10.2010.1
§ 13 Kapitalwert von wiederkehrenden Nutzungen und Leistungen (1) 1Der Kapitalwert von Nutzungen oder Leistungen, die auf bestimmte Zeit beschränkt sind, ist mit dem aus Anlage 9a zu entnehmenden Vielfachen des Jahreswerts anzusetzen. 2Ist die Dauer des Rechts außerdem durch das Leben einer oder mehrerer Personen bedingt, darf der nach § 14 zu berechnende Kapitalwert nicht überschritten werden. (2) Immerwährende Nutzungen oder Leistungen sind mit dem 18,6fachen des Jahreswerts, Nutzungen oder Leistungen von unbestimmter Dauer vorbehaltlich des § 14 mit dem 9,3fachen des Jahreswerts zu bewerten. (3) 1Ist der gemeine Wert der gesamten Nutzungen oder Leistungen nachweislich geringer oder höher, so ist der nachgewiesene gemeine Wert zugrunde zu legen. 2Der Ansatz eines geringeren oder höheren Werts kann jedoch nicht darauf gestützt werden, daß mit einem anderen Zinssatz als 5,5 Prozent oder mit einer anderen als mittelschüssigen Zahlungsweise zu rechnen ist. A. I. II. III. IV. B.
Grundaussagen der Vorschrift. . . . . . . . . . 1 Regelungsgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 Bedeutung und Telos . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 Geltungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 Rechtsentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10 Bewertung von wiederkehrenden Nutzungen und Leistungen . . . . . . . . . . . . 14 I. Ansatz des Kapitalwerts . . . . . . . . . . . . . . . 14 1. Begriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 2. Bewertungsgrundsatz . . . . . . . . . . . . . . . 17 3. Beschränkung auf eine bestimmte Zeit . . 20 4. Anwendung der Tabellen . . . . . . . . . . . . 24 5. Jahreswert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 6. Nutzungen einer Geldsumme . . . . . . . . . 30
7. Interpolation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8. Maßgeblichkeit des Besteuerungszeitpunkts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9. Abgekürzte Leibrente. . . . . . . . . . . . . . . . 10. Verlängerte Leibrente. . . . . . . . . . . . . . . . II. Immerwährende Nutzungen oder Leistungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Begriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Bewertung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Nutzungen oder Leistungen von unbestimmter Dauer . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Begriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Bewertung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Nachweis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Anlage 9a zu § 13 BewG . . . . . . . . . . . . . . . .
31 32 33 36 38 38 43 46 46 48 51 54
Literatur: Brüggemann, Übertragung eines KG-Anteils unter Nießbrauchsvorbehalt oder gegen Versorgungsleistungen, ErbBstg 2009, 99; Esskandari, Die Besteuerung von Renten, Nutzungen und Leistungen nach dem ErbStG, ZEV 2008, 323; Happe, Die Abzinsung von Verbindlichkeiten und Rückstellungen im Steuerrecht, BBK Fach 30, 1869; Kuhfus, Abzinsung von Gesellschafterdarlehen, Anmerkung zu EFG 2010, 2008; Langheim, Nießbrauch, Wohnrecht, Leibrente & Co im Zugewinnausgleich, FF 2011, 481; Linnartz, Das Nießbrauchsvermächtnis (Teil 4), AnwZert ErbR 5/2012 Anm 2; Lux, Vermögensübertragung gegen wiederkehrende Leistungen, SteuerStud 2008, 220; Meßbacher-Hönsch, Steuerfreiheit von Zuwendung unter Lebenden bezüglich Familienwohnheimen/Familienheimen – Gewährung eines zinsgünstigen oder zinslosen Darlehens als freigebige Zuwendung, jurisPR-SteuerR 10/2011 Anm. 5; Schultes-Schnitzlein, Keese, Übertragung von Kapitalgesellschaftsanteilen unter Familienangehörigen, NWB 2009, 64; Siegmund/Ungemach, Erbschaftsteuerreform 2008: Schenkungen unter Nießbrauchsvorbehalt bei der Übertragung von Unternehmensvermögen, DStZ 2008, 453; Stümper/Entenmann, Ist das Abzinsungsgebot des § 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG auf unverzinsliche Darlehen des GmbH-Gesellschafters an seine GmbH anwendbar?, GmbHR 2008, 312. Verwaltungsanweisungen: R B 13 ErbStR 2011; H B 13 ErbStH 2011. 1 Gleich lautende Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder v. 10.10.2010, Bewertung von Kapitalforderungen und Kapitalschulden sowie von Ansprüchen/Lasten bei wiederkehrenden Nutzungen und Leistungen nach dem 31.12.2009 für Zwecke der Erbschaft- und Schenkungsteuer, BStBl. I 2010, 810.
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§ 13 BewG Rz. 1 Kapitalwert von wiederkehrenden Nutzungen und Leistungen
A. Grundaussagen der Vorschrift I. Regelungsgegenstand 1 § 13 BewG regelt den Ansatz von wiederkehrenden Nutzungen und Leistungen, die auf bestimmte
Zeit beschränkt sind. Sie sind mit dem Kapitalwert anzusetzen. Dieser entspricht dem aus Anlage 9a zum BewG zu entnehmenden Vielfachen des Jahreswerts. 2 Außerdem regelt die Vorschrift die Bewertung von wiederkehrenden Nutzungen und Leistungen, de-
ren Dauer zusätzlich durch das Leben einer oder mehrerer Personen bedingt ist. 3 Immerwährende Nutzungen oder Leistungen sind mit dem 18,6-fachen des Jahreswerts, Nutzungen
oder Leistungen von unbestimmter Dauer vorbehaltlich des § 14 BewG mit dem 9,3-fachen des Jahreswerts zu bewerten. 4 Die zusätzlich in § 13 Abs. 3 BewG eingeräumte Möglichkeit, einen von der Bewertung nach § 13
Abs. 1 und Abs. 2 BewG abweichenden gemeinen Wert der gesamten Nutzungen oder Leistungen nachzuweisen, ist in der Praxis kaum von Bedeutung.
II. Bedeutung und Telos 5 Die Vorschrift ist beispielsweise bei der Bewertung von Nießbrauchsrechten von Bedeutung, die be-
grifflich zu den wiederkehrenden Nutzungen gehören. Der Nießbrauch ist das Recht, die Nutzung eines bestimmten Gegenstandes zu ziehen (§§ 1030 ff. BGB). 6 Rentenbezugsrechte gehören dagegen zu den Rechten auf wiederkehrende Leistungen. Renten sind
laufende Bezüge in Geldeswert, auf die der Empfänger eine gewisse Zeitdauer einen Anspruch hat, so dass die periodisch wiederkehrenden Bezüge auf einem einheitlichen Stammrecht (Rentenrecht) beruhen und dessen Früchte darstellen. Ein bewertungsfähiges Rentenrecht ist auch vorhanden, wenn der Empfänger zwar keinen einklagbaren bürgerlich-rechtlichen Anspruch auf die Leistungen hat, aber mit Sicherheit mit dem fortlaufenden Bezug der Leistungen rechnen kann. 7 Grundsätzlich keine Bedeutung hat die Vorschrift bei der Bewertung von Erbbauzinsen, weil diese
weder als Bestandteil des Grundstücks noch als gesondertes Rechts anzusetzen sind (vgl. § 192 Satz 2 BewG). Ebenfalls nicht von Bedeutung ist die Vorschrift bei der Bewertung von Erbbaurechten. Diese gehören begrifflich zwar zu den Nutzungen. Bewertungsrechtlich sind sie jedoch als Grundstück zu bewerten und bilden somit eine wirtschaftliche Einheit des Grundvermögens (vgl. § 176 Abs. 1 Nr. 2 und 3 BewG). 8 Die Bewertung von wiederkehrenden Nutzungen und Leistungen erfolgt beim Anspruchsberechtig-
ten in gleicher Weise wie beim Verpflichteten.
III. Geltungsbereich 9 § 13 BewG gehört zum allgemeinen Teil des Ersten Teils des Bewertungsgesetzes und gilt somit für
andere Steuerarten, soweit keine besonderen Bewertungsvorschriften gesetzlich vorgesehen sind.
IV. Rechtsentwicklung 10
Die Vorschrift des § 13 BewG ist seit Jahren nahezu unverändert geblieben.
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Mannek
Bewertung von wiederkehrenden Nutzungen und Leistungen
Rz. 17 § 13 BewG
Mit dem Zinsabschlaggesetz vom 9.11.19921 wurde zur Bewertung von Nutzungen und Leistungen 11 Anlage 9a in das Bewertungsgesetz mit Wirkung vom 13.12.1992 eingefügt. Die bis dahin geltende gesetzliche Fassung hatte die mathematische Ermittlung des Werts von Nutzungen und Leistungen, die auf bestimmte Zeit beschränkt sind, verbal umschrieben. Danach war der „Gesamtwert“ von Nutzungen oder Leistungen, die auf bestimmte Zeit beschränkt sind, mit der Summe der einzelnen Jahreswerte abzgl. der Zwischenzinsen unter Berücksichtigung von Zinseszinsen anzusetzen. Zusätzlich durfte der Gesamtwert das 18-fache des Jahreswerts nicht übersteigen. Mit dem Zinsabschlaggesetz hat sich der Regelungsgehalt zwar nicht geändert, jedoch wurde zur Vereinfachung der Rechenschritte die auf den Jahreswert anzuwendenden Vervielfältiger als Teil des Bewertungsgesetzes in Anlage 9a ausgewiesen. Gleichzeitig wurde die Begrenzung des Jahreswerts auf das 18,6-fache angehoben und unmittelbar innerhalb der Anlage 9a umgesetzt. Eine weitere wichtige Ergänzung ist mit dem Zinsabschlaggesetz vorgenommen worden, indem § 13 12 Abs. 3 BewG um einen Satz 2 ergänzt wurde. Die Ergänzung regelt, wie im Falle des – in der Praxis seltenen – Nachweises eines abweichenden gemeinen Werts zu verfahren ist. Danach darf der Ansatz eines geringeren oder höheren Werts nicht darauf gestützt werden, dass mit einem anderen Zinssatz als 5,5 % oder mit einer anderen als der mittelschlüssigen Zahlungsweise gerechnet wird. Das Jahressteuergesetz 2007 v. 13.12.20062 enthielt eine redaktionelle Änderung („Prozent“ statt „in 13 vom Hundert“). Sie gilt für Bewertungsstichtage nach 31.12.2006.
B. Bewertung von wiederkehrenden Nutzungen und Leistungen I. Ansatz des Kapitalwerts 1. Begriff Regelungskern des § 13 BewG ist die Bewertung von Nutzungen und Leistungen, die auf bestimmte 14 Zeit beschränkt sind. Gleichzeitig wird in § 13 Abs. 1 Satz 2 BewG geregelt, dass bei einer Nutzung oder Leistung, die neben einer festen Laufzeit zusätzlich durch das Leben einer oder mehrerer Personen bedingt ist, der nach § 14 BewG zu berechnende Kapitalwert nicht überschritten werden darf. Ein Recht auf wiederkehrende Nutzungen liegt beispielsweise bei Nießbrauchsrechten vor. Der 15 Nießbrauch ist das Recht, die Nutzungen eines bestimmten Gegenstandes zu ziehen (§§ 1030 ff. BGB). Ein Recht auf wiederkehrende Leistungen liegt beispielsweise bei Rentenbezugsrechten vor. Renten sind laufende Bezüge in Geld oder Geldeswert, auf die der Empfänger eine gewisse Zeitdauer einen Anspruch hat, so dass die periodisch wiederkehrenden Bezüge auf einem einheitlichen Stammrecht (Rentenrecht) beruhen und dessen Früchte darstellen. Ein bewertungsfähiges Rentenrecht ist auch vorhanden, wenn der Empfänger zwar keinen klagbaren bürgerlich-rechtlichen Anspruch auf die Leistungen hat, aber mit Sicherheit mit dem fortlaufenden Bezug der Leistungen rechnen kann. Das Recht auf den Erbbauzins ist nach § 148 Abs. 6 BewG weder Bestandteil des Grundstücks noch 16 als gesondertes Recht anzusetzen. Dementsprechend ist die Verpflichtung zur Zahlung des Erbbauzinses weder bei der Bewertung des Erbbaurechts noch als gesonderte Verpflichtung abzuziehen. Entsprechendes gilt in Erbbaurechtsfällen nach §§ 192–194 BewG. 2. Bewertungsgrundsatz Wiederkehrende Nutzungen und Leistungen sind grundsätzlich mit dem Kapitalwert (Jahreswert × 17 Vervielfältiger) anzusetzen.
1 Zinsabschlaggesetz v. 9.11.1992, BGBl. I 1992, 1853. 2 Jahressteuergesetz (JStG) 2007 v. 13.12.2006, BGBl. I 2006, 2878.
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§ 13 BewG Rz. 18 Kapitalwert von wiederkehrenden Nutzungen und Leistungen 18
Der Kapitalwert von Renten und anderen wiederkehrenden Nutzungen und Leistungen richtet sich nach der am Besteuerungszeitpunkt noch laufenden Bezugsberechtigung.1 Später eintretende Umstände können nur dann berücksichtigt werden, wenn sie im Besteuerungszeitpunkt bereits voraussehbar waren.2
19
Die Bewertung von wiederkehrenden Nutzungen und Leistungen ist beim Verpflichteten entsprechend vorzunehmen. 3. Beschränkung auf eine bestimmte Zeit
20
Ist eine wiederkehrende Nutzung oder Leistung auf eine bestimmte Zeit beschränkt, ist der Kapitalwert mit dem aus Anlage 9a zum BewG zu entnehmenden Vielfachen des Jahreswerts anzusetzen.
21
Anlage 9a zum BewG entspricht der Tabelle 6 der gleich lautenden Erlasse vom 10.10.2010.3 Die Vervielfältiger nach Anlage 9a sind mit den Vervielfältigern identisch, die bei der Bewertung von unverzinslichen Kapitalforderungen und -schulden anzusetzen sind, die in gleichen Jahresraten getilgt werden. Somit entspricht Anlage 9a der Tabelle 2 der gleich lautenden Erlasse vom 10.10.2010.4
22
Im Unterschied zu Tabelle 2 weist Tabelle 6 als höchsten Vervielfältiger den Faktor 18,6 aus. Dies entspricht einer Laufzeit von mehr als 101 Jahren. Tabelle 2 bestimmt dagegen auch für Laufzeiten über 101 Jahre entsprechende Vervielfältiger.
23
Die Begrenzung des Faktors bei wiederkehrenden Nutzungen und Leistungen auf höchstens 18,6 ist im Zusammenhang mit der Begrenzung des Jahreswerts nach § 16 BewG zu sehen, die bei der Bewertung von Nutzungen bedeutsam sein kann. 4. Anwendung der Tabellen
24
Die nachstehenden Beispiele zeigen in Anlehnung an Tz. 2.1 des Erlasses vom 10.10.2010 die Anwendung der Tabellen.
25
Beispiel 1: Besteuerungszeitpunkt halbjährliche Zeitrente Fälligkeit der 1. Zahlung nach dem Besteuerungszeitpunkt Fälligkeit der letzten Zahlung Laufzeit (16.6.2014 bis 15.6.2024) Berechnung: Vervielfältiger für 10 Jahre (Tabelle 6) Jahreswert (2 × 6 000 t =) Kapitalwert am 16.6.2014 (7,745 × 12 000 t =)
26
Beispiel 2: Besteuerungszeitpunkt vierteljährliche Zeitrente Fälligkeit der 1. Zahlung nach dem Besteuerungszeitpunkt Fälligkeit der letzten Zahlung Laufzeit (16.7.2014 bis 15.4.2024) die gegenüber Beispiel 1 geänderte Zahlungshäufigkeit führt zu einer anderen Laufzeit
1 2 3 4
BFH v. 31.10.1969 – III R 45/66, BStBl. II 1970, 196. BFH v. 9.9.1960 – III 277/57 U, BStBl. III 1961, 18. Gleich lautende Erlasse v. 10.10.2010, BStBl. I 2010, 810. Gleich lautende Erlasse v. 10.10.2010, BStBl. I 2010, 810.
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16.6.2014 6 000 t 20.8.2014 20.2.2024 10 Jahre 7,745 12 000 t 92 940 t 16.7.2014 3 000 t 20.9.2014 20.3.2024 9 Jahre, 9 Monate
Bewertung von wiederkehrenden Nutzungen und Leistungen Berechnung: Vervielfältiger für 10 Jahre (Tabelle 7) Vervielfältiger für 9 Jahre Differenz davon 9/12 interpoliert (7,143 + 0,452 =) Jahreswert (4 × 3 000 t =) Kapitalwert am 16.7.2014 (7,595 × 12 000 t =) Beispiel 3 – Aufschubzeit: Wie Beispiel 2, aber 1. Zahlung 20.6.2015 Rentenzahlungsdauer (16.4.2015 bis 15.4.2024) Aufschubzeit (16.7.2014 bis 15.4.2015) Berechnung: Vervielfältiger für 9 Jahre (Tabelle 7) Jahreswert (4 × 3 000 t =) Kapitalwert zum 16.4.2015 (7,143 × 12 000 t =) Berücksichtigung der Aufschubzeit: Abzinsungsfaktor für 1 Jahr (Tabelle 1) Abzinsungsfaktor für 0 Jahre Differenz davon 9/12 interpoliert (1,000 – 0,039 =) Kapitalwert am 16.7.2014 (0,961 × 85 716 t =) Beispiel 4 – feststehende künftige Rentenerhöhung: Besteuerungszeitpunkt halbjährliche Zeitrente Zeitrente (I) Fälligkeit der 1. Zahlung (I) nach Besteuerungszeitpunkt Fälligkeit der letzten Zahlung (I) Laufzeit (13.10.2014 bis 12.4.2022) Zeitrente (II) Fälligkeit der 1. Zahlung (II) nach Besteuerungszeitpunkt Fälligkeit der letzten Zahlung (II) Laufzeit (13.4.2022 bis 12.10.2034) Berechnung: 1. Berechnung des Kapitalwerts der Zeitrente (I) Vervielfältiger für 8 Jahre (Tabelle 7) Vervielfältiger für 7 Jahre Differenz davon 6/12 interpoliert (5,839 + 0,335 =) Jahreswert (2 × 10 000 t =) Kapitalwert der Zeitrente (I) (6,174 × 20 000 t =) 2. Berechnung des Kapitalwerts der Zeitrente (II) Berechnung des Kapitalwerts der Zeitrente (II) Vervielfältiger für 13 Jahre (Tabelle 7) Vervielfältiger für 12 Jahre Differenz davon 6/12 interpoliert (8,856 + 0,256 =) Jahreswert (2 × 22 500 t =) Kapitalwert der Zeitrente (II) (9,112 × 45 000 t =)
Rz. 28 § 13 BewG
7,745 7,143 0,602 0,452 7,595 12 000 t 91 140 t
27 9 Jahre 9 Monate 7,143 12 000 t 85 716 t 0,948 1,000 – 0,052 – 0,039 0,961 82 373 t
28 13.10.2014 10 000 t 20.2.2015 20.2.2022 7 Jahre, 6 Monate 22 500 t 20.8.2022 20.8.2034 12 Jahre, 6 Monate
6,509 5,839 0,670 0,335 6,174 20 000 t 123 480 bezogen auf den 13.4.2022: 9,368 8,856 0,512 0,256 9,112 45 000 t bezogen auf den 13.4.2022: 410 040 t
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§ 13 BewG Rz. 29 Kapitalwert von wiederkehrenden Nutzungen und Leistungen Der so ermittelte Kapitalwert der Zeitrente ist wie eine unverzinsliche Kapitalforderung auf den 13.10.2014 abzuzinsen: Abzinsungsfaktor für 8 Jahre (Tabelle 1) 0,652 Abzinsungsfaktor für 7 Jahre 0,687 Differenz – 0,035 davon 6/12 – 0,018 interpoliert (0,687 – 0,018 =) 0,669 Kapitalwert der Zeitrente (II) bezogen auf den 13.10.2014: (0,669 × 410 040 t =) 274 316,76 t 3. Kapitalwert am 13.10.2014 (123 480 t + 274 316,76 t =) 397 797 t
5. Jahreswert 29
Der Jahreswert entspricht der Summe der innerhalb eines Jahres zu zahlenden Raten. Dabei ist es nicht von Bedeutung, ob die Ratenzahlungen vorschüssig oder nachschüssig, jährlich oder unterjährig erfolgen. Der Kapitalwert von wiederkehrenden Nutzungen und Leistungen, die auf bestimmte Zeit beschränkt sind, wird nach Tabelle 6 als Mittelwert zwischen dem Kapitalwert für eine jährlich vorschüssige und jährlich nachschüssige Zahlungsweise errechnet. Damit entspricht die Bewertung von wiederkehrenden, zeitlich begrenzten Nutzungen und Leistungen sinngemäß der Bewertung von in Raten fälligen unverzinslichen Kapitalforderungen und -schulden.
30
Sofern eine Geldsumme genutzt werden darf, entspricht der Jahreswert 5,5 % der Geldsumme. Zu Einzelheiten zum Jahreswert vgl. § 15 BewG.
6. Nutzungen einer Geldsumme
7. Interpolation 31
Anlage 9a zum BewG enthält nur Vervielfältiger für volle Jahre. Bei einer unterjährigen Laufzeit muss interpoliert werden. Die Berechnung der Laufzeit erfolgt wie bei in Raten zu tilgenden Kapitalforderungen und -schulden. 8. Maßgeblichkeit des Besteuerungszeitpunkts
32
Bei der Bewertung von Renten und anderen wiederkehrenden Nutzungen und Leistungen sind die Verhältnisse im Besteuerungszeitpunkt maßgebend, so dass die in diesem Zeitpunkt noch laufende Bezugsberechtigung zu bewerten ist. Sofern später Umstände eintreten, können diese nur dann berücksichtigt werden, wenn sie bereits im Besteuerungszeitpunkt vorhersehbar waren.1 9. Abgekürzte Leibrente
33
Abgekürzte Leibrenten liegen begrifflich vor, wenn die Dauer der Rente nicht nur von einer zeitlichen Begrenzung abhängig ist, sondern eine zusätzliche Begrenzung durch die Abhängigkeit vom Leben einer oder mehrerer Personen erfährt. Bei der Bewertung dieser Leibrenten bzw. Höchstzeitrenten ist der nach § 13 Abs. 1 BewG ermittelte Kapitalwert durch den sich nach § 14 BewG ergebenden Kapitalwert begrenzt (§ 13 Abs. 1 Satz 2 BewG).
34
Beispiel: Einem 20 Jahre alten Mann steht Leibrente zu, höchstens jedoch für einen Zeitraum von zehn Jahren. Laut Anlage 9a zum BewG ergibt sich ein Vervielfältiger von Nach der Sterbetafel 20132 ergibt sich ein Vervielfältiger von
1 BFH v. 9.9.1960 – III 227/57 U, BStBl. III 1961, 18. 2 BMF v. 26.10.2012 – VV DEU BMF 2012-10-26 IV D 4-S 3104/09/10001, BStBl. I 2012, 950.
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7,745 17,856
Bewertung von wiederkehrenden Nutzungen und Leistungen
Rz. 41 § 13 BewG
Der Jahreswert ist mit dem Vervielfältiger der Anlage 9a zum BewG von 7,745 zu multiplizieren. Die Begrenzung auf das Vielfache des Jahreswerts nach § 14 BewG ist nicht maßgebend. Beispiel: Einem 90 Jahre alten Mann steht Leibrente zu, höchstens jedoch für einen Zeitraum von zehn Jahren. Laut Anlage 9a zum BewG ergibt sich ein Vervielfältiger von 7,745 3,472 Nach der Sterbetafel 20131 ergibt sich ein Vervielfältiger von Der Jahreswert ist nach § 13 Abs. 1 Satz 2 BewG mit dem Vervielfältiger der Sterbetafel 2013 von 3,472 zu multiplizieren.
35
10. Verlängerte Leibrente Anders als bei abgekürzten Leibrenten ist bei verlängerten Leibrenten der höhere Vervielfältiger an- 36 zuwenden, der sich bei einem Vergleich der Vervielfältiger für eine reine Zeitrente nach Anlage 9a zum BewG und dem Vervielfältiger für eine lebenslängliche Rente ergibt. Beispiel: Einem 90 Jahre alten Mann steht Leibrente zu, mindestens jedoch für einen Zeitraum von zehn Jahren. Laut Anlage 9a zum BewG ergibt sich ein Vervielfältiger von Nach der Sterbetafel 20132 ergibt sich ein Vervielfältiger von
37 7,745 3,472
Der Jahreswert ist mit dem höheren Vervielfältiger der Anlage 9a zum BewG von 7,745 zu multiplizieren. Nach der statistischen Lebenserwartung wird der Rentenberechtigte die Leistungen zwar nicht mehr selbst vereinnahmen können, jedoch stehen sie ihm – und somit auch seinen Rechtsnachfolgern – als Vermögensvorteil im Besteuerungszeitpunkt zu.
II. Immerwährende Nutzungen oder Leistungen 1. Begriff § 13 Abs. 2 BewG enthält eine Regelung zur Bewertung von immerwährenden Nutzungen oder Leis- 38 tungen. Sie werden mit den 18,6-fachen des Jahreswerts angesetzt. Nutzungen oder Leistungen gelten als immerwährend, wenn ihr Ende von Ereignissen abhängt, von 39 denen ungewiss ist, ob und wann sie in absehbarer Zeit eintreten.3 In der Praxis sind immerwährende Nutzungen und Leistungen relativ selten zu bewerten. Eine im- 40 merwährende Nutzung oder Leistung liegt beispielsweise vor, wenn ein Verein für die Dauer seines Bestehens ein Grundstück unentgeltlich und uneingeschränkt für seine Zwecke nutzen kann.4 Mit den Begriffen der immerwährenden Nutzungen oder Leistungen und der Nutzungen oder Leis- 41 tungen von unbestimmter Dauer hat sich der RFH auseinandergesetzt und hierzu dargelegt:5 „Bei der Auslegung dieser Bezeichnungen ist zunächst zu beachten, dass es „immerwährende“ Nutzungen oder Leistungen im strengsten Wortsinn, etwa gleich dem philosophischen Begriff der Ewigkeit oder Zeitlosigkeit, überhaupt nicht gibt. Alle Nutzungsrechte oder Leistungsverpflichtungen werden irgendeinmal, zu irgendeinem, und wenn auch noch so fernliegenden Zeitpunkt aufhören, sei es dadurch, dass der Gegenstand der Nutzung untergeht oder wertlos wird (z.B. eine Geldleistung durch Geldentwertung) oder der Staat oder die Rechtsordnung, welche die Leistung oder das Nutzungsrecht ermöglichen, durch äußere oder innere Umwälzungen vernichtet wird, oder dass die Nutzungsberechtigten wegfallen. Demnach sind auch „immerwährende“ Nutzungen insofern von „unbestimmter“ Dauer, als die Möglichkeit ihrer Endigung stets besteht. Unter immerwährende Nutzungen und Leistungen können folglich nur solche verstanden werden, deren Ende nicht abzusehen ist, deren Wegfall von Ereignissen abhängt, von denen ungewiss ist, ob und wann sie eintreten werden (dies incertus an et quando). Als Nutzungen und Leistungen von „unbestimmter“
1 2 3 4 5
BMF v. 26.10.2012 – VV DEU BMF 2012-10-26 IV D 4-S 3104/09/10001, BStBl. I 2012, 950. BMF v. 26.10.2012 – VV DEU BMF 2012-10-26 IV D 4-S 3104/09/10001, BStBl. I 2012, 950. BFH v. 11.12.1970 – III R 1/69, BStBl. II 1971, 386. Vgl. Esskandari in Gürsching/Stenger, § 13 BewG Rz. 34 (Stand: Juni 2016). RFH v. 20.11.1926 – I A 128/26, RStBl. 1927, 81; vgl. auch BFH v. 28.11.1969 – III R 61/66, BStBl. II 1970, 171.
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§ 13 BewG Rz. 42 Kapitalwert von wiederkehrenden Nutzungen und Leistungen Dauer bleiben somit nur diejenigen übrig, bei denen das Ende der Leistung oder Nutzung in absehbarer Zeit sicher, aber der Zeitpunkt unbestimmt ist (dies certus an, incertus quando).“
42
Nach Auffassung der Rechtsprechung des RFH, die der BFH übernommen hat, liegen keine immerwährenden Leistungen vor, wenn sie beim Berechtigten lediglich von unbestimmter Dauer sind.1 So können beispielsweise Leistungen einer Stiftung, die jeweils bestimmten ältesten Mitgliedern einer Familie zustehen, nicht als immerwährende Leistungen behandelt werden, weil sie beim jeweiligen Berechtigten keineswegs immerwährend, sondern allenfalls nur von unbestimmter Dauer sind. Ursächlich für diese Auffassung ist die Tatsache, dass die Leistungen, die an solche Mitglieder der Familie zu zahlen sind, die erst in der Zukunft anspruchsberechtigt werden, unter einer aufschiebenden Bedingung stehen. Denn die künftig Anspruchsberechtigten müssen zuvor die aktuell Anspruchsberechtigten überleben. Aus der Sicht des Anspruchsberechtigten erscheint die Entscheidung zugunsten einer unbestimmten Dauer überzeugend, weil dem jeweiligen Anspruchsberechtigten nicht die Vermögenswerte zugerechnet werden können, die von der Stiftung später an einen nachfolgenden Anspruchsberechtigten zu leisten sind. Die damit einhergehende Auffassung des BFH, dass wiederkehrende Leistungen beim Verpflichteten im Allgemeinen steuerlich dann nicht als immerwährend anzusehen sind, wenn sie beim Berechtigten solche von unbestimmter Dauer sind, erscheint unter Hinweis auf die nur aufschiebend bedingte Last nachvollziehbar. 2. Bewertung
43
Immerwährende Nutzungen oder Leistungen sind mit dem 18,6-fachen des Jahreswerts zu bewerten. Der Gesetzgeber geht mit dem festen Faktor von 18,6 davon aus, dass immerwährende Nutzungen oder Leistungen mit einem Kapital vergleichbar sind, dass mit einem Zinssatz von 5,5 % verzinst wird. Der Faktor beruht nicht auf einer fiktiv angenommenen Mindestdauer.2
44
Sofern sich bei immerwährenden Nutzungen oder Leistungen in der Höhe schwankende Jahreswerte ergeben, ist dies nicht über den Vervielfältiger, sondern im Rahmen der Bemessung des Jahreswerts nach § 15 Abs. 3 BewG zu berücksichtigen.
45
Auch bei der Bewertung von immerwährenden Nutzungen und Leistungen besteht die Möglichkeit, statt des 18,6-fachen des Jahreswerts den gemeinen Wert der gesamten Nutzungen oder Leistungen anzusetzen, wenn dieser nachweislich geringer oder höher ist (§ 13 Abs. 3 BewG).
III. Nutzungen oder Leistungen von unbestimmter Dauer 1. Begriff 46
In Abgrenzung zu den immerwährenden Nutzungen oder Leistungen sind Nutzungen oder Leistungen von unbestimmter Dauer solche, bei denen das Ende in absehbarer Zeit sicher, aber der Zeitpunkt des Wegfalls unsicher ist. Systematisch handelt es sich bei einem unsicheren Wegfall der Nutzung oder Leistung um eine auflösende Bedingung. Diese wäre grundsätzlich nach § 5 Abs. 1 bzw. § 7 Abs. 1 BewG nicht zu berücksichtigen. Insoweit ist die gesetzliche Regelung des § 13 Abs. 2 BewG von besonderer Bedeutung, weil dies eine Bewertung unter Berücksichtigung der unsicheren Laufzeit ermöglicht.
47
In der Praxis ist der Anwendungsbereich von Nutzungen oder Leistungen von unbestimmter Dauer wesentlich größer als der von immerwährenden Nutzungen oder Leistungen. Ein Anwendungsfall ist beispielsweise die Berechnung des Kapitalwerts von Grabpflegekosten. Nach § 10 Abs. 5 Nr. 3 ErbStG sind die Kosten für die übliche Grabpflege mit ihrem Kapitalwert für eine unbestimmte Dauer als Nachlassverbindlichkeit zur Ermittlung des steuerpflichtigen Erwerbs abzugsfähig. Bei der zinslosen Überlassung eines Geldbetrags als Darlehen auf unbestimmte Zeit ist ebenfalls der Kapitalwert unter Berücksichtigung einer unbestimmten Dauer zu ermitteln.3 1 BFH v. 30.4.1959 – III 121/58 S, BStBl. III 1959, 315; v. 11.3.1977 – III B 39/75, BStBl. II 1977, 406. 2 Esskandari in Gürsching/Stenger, § 14 BewG Rz. 40 (Stand: Juni 2016). 3 BFH v. 29.6.2005 – II R 52/03, BStBl. II 2005, 800 = FR 2006, 45 = ErbStB 2005, 303.
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Bewertung von wiederkehrenden Nutzungen und Leistungen
Rz. 53 § 13 BewG
2. Bewertung Der Kapitalwert von Nutzungen oder Leistungen von unbestimmter Dauer entspricht dem 9,3-fa- 48 chen des Jahreswerts. Damit hat sich der Gesetzgeber dazu entschieden, als Kapitalwert die Hälfte des Werts anzusetzen, der sich für immerwährende Nutzungen oder Leistungen ergibt. Der Faktor von 9,3 entspricht rechnerisch dem Faktor für eine Laufzeit von rund 13 Jahren. Die Bewertung mit einem einheitlichen Faktor von 9,3 trägt zweifellos zu einer Verwaltungsverein- 49 fachung bei. Dennoch darf nicht übersehen werden, dass die pauschalierende Bewertung in der Praxis zu Härten führen kann. Erhält beispielsweise ein Fünfundzwanzigjähriger eine Rente bis zur Beendigung seines Studiums, entspricht der Kapitalwert dem 9,3-fachen des Jahreswerts, weil es sich um eine Rente von unbestimmter Dauer handelt. Da zu erwarten ist, dass der Student das Studium vor Ablauf von 13 Jahren beenden wird, liegt die tendenzielle Überbewertung des Rentenanspruchs auf der Hand.1 Eine Nutzung oder Leistung von unbestimmter Dauer ist nur dann mit dem 9,3-fachen des Jahres- 50 werts zu bewerten, wenn sie nicht zusätzlich durch das Leben einer oder mehrerer Personen bedingt ist. Demzufolge ergibt sich ein Vorrang der Bewertung nach § 14 BewG gegenüber der Bewertung nach § 13 Abs. 2 BewG. Dies ergibt sich ausdrücklich aus § 13 Abs. 2 BewG. Beispiel: Der ausgeschiedene Geschäftsführer einer GmbH erhält eine lebenslängliche Rente, solange die GmbH besteht. Die Bewertung der Rente richtet sich nach § 14 BewG, obwohl die Dauer der Rente unbestimmt ist. § 13 Abs. 2 BewG ist somit nicht anzuwenden. Dies gilt sowohl in den Fällen, in denen sich nach § 14 BewG ein höherer Vervielfältiger ergibt, als auch in den Fällen, in denen der Faktor des § 13 Abs. 2 BewG von 9,3 über dem Vervielfältiger des § 14 BewG liegt.2
IV. Nachweis Nach § 13 Abs. 3 BewG ist der gemeine Wert eines Rechts auf Renten oder andere wiederkehrende 51 Nutzungen und Leistungen zugrunde zu legen, wenn er nachweislich geringer oder höher als der Kapitalwert ist. Von der Möglichkeit, den gemeinen Wert eines Rechts auf Renten oder andere wiederkehrende Nutzungen und Leistungen nachzuweisen und damit einen geringeren oder höheren Wert anzusetzen als den Kapitalwert, der nach § 13 BewG zu berechnen ist, wird in der Praxis kaum Gebrauch gemacht. Ursächlich hierfür dürfte die in § 13 Abs. 1 Satz 2 BewG vorgesehene Einschränkung sein, nach der 52 die Abweichung vom Kapitalwert nur dann als nachgewiesen gilt, wenn sie bei dem im Einzelfall festgestellten Sachverhalt aufgrund von Erfahrungssätzen oder nach den Denkgesetzen zwingend ist.3 Denn der Ansatz eines geringeren oder höheren Werts kann nach § 13 Abs. 1 Satz 2 BewG nicht darauf gestützt werden, dass mit einem anderen Zinssatz als 5,5 % gerechnet wurde. Beim Nachweis darf auch nicht mit einer anderen als der mittelschüssigen Zahlungsweise gerechnet werden. Bei einer lebenslänglichen Nutzung oder Leistung darf nicht mit einer kürzeren oder längeren Lebensdauer gerechnet werden. Diese Einschränkungen führen letztlich dazu, dass in der Praxis nur selten der Nachweis erbracht wird. Der BFH betont – m.E. zutreffend – in seiner Entscheidung vom 27.5.1992,4 dass der (Durch- 53 schnitts-)Zinssatz von 5,5 % das gesamte Bewertungsrecht beherrscht (vgl. u.a. §§ 12 Abs. 3, 13 Abs. 1, 14, 15 und 16 BewG). Der Sinn des einheitlichen Zinssatzes sei darin zu sehen zu verhindern, dass sich die dem Kapitalmarkt immanenten Zinsschwankungen auf die Bewertung, die längere Zeitspannen umfasst, in einem nicht vertretbaren Ausmaß auswirken. Seine Anwendung diene der Praktikabilität des Bewertungsverfahrens als Massenverfahren und seine Maßgeblichkeit diene der 1 So auch Eisele in Rössler/Troll, § 14 BewG Anm. 33 (Stand: April 2016). 2 Vgl. Esskandari in Gürsching/Stenger, § 13 BewG Rz. 52 ff. (Stand: Juni 2016). 3 Vgl. FG Nds. v. 4.2.1988 – III 80/84, juris; BFH v. 24.4.1970 – III 54/87, BStBl. II 1970, 715 sowie v. 27.5.1992 – II R 33/89, BStBl. II 1992, 990. 4 BFH v. 27.5.1992 – II R 33/89, BStBl. II 1992, 990.
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§ 13 BewG Rz. 54 Kapitalwert von wiederkehrenden Nutzungen und Leistungen Gleichmäßigkeit der Besteuerung. Denn die exakte Ermittlung des jeweils maßgeblichen üblichen Zinssatzes bereite Schwierigkeiten, zumal es einen einheitlichen Zinssatz für die vielfältigen Kapitalanlagen nicht gebe. Verfassungsrechtliche Bedenken hatte der BFH in seiner Entscheidung nicht. In diesem Zusammenhang sei auch auf das BFH-Urteil vom 27.11.20131 verwiesen, mit dem der BFH den Zinssatz von 5,5 % nicht grundsätzlich beanstandet hat. Vielmehr sei nach Ansicht des BFH der marktübliche Zinssatz der Vergleichsmaßstab, der bei der Gewährung oder Aufnahme eines Darlehens zu – abgesehen von der Zinslosigkeit – vergleichbaren Bedingungen zu entrichten gewesen wäre.
V. Anlage 9a zu § 13 BewG 54
Anlage 9a zu § 13 BewG weist die nachstehenden Vervielfältiger zur Berechnung des Kapitalwerts einer wiederkehrenden, zeitlich beschränkten Nutzung oder Leistung im Jahresbetrag von einem Euro aus. Der Kapitalwert ist unter Berücksichtigung von Zwischenzinsen und Zinseszinsen mit 5,5 % errechnet worden. Er ist der Mittelwert zwischen dem Kapitalwert für eine jährlich vorschüssige und jährlich nachschüssige Zahlungsweise. Laufzeit in Jahren
Kapitalwert
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38
0,974 1,897 2,772 3,602 4,388 5,133 5,839 6,509 7,143 7,745 8,315 8,856 9,368 9,853 10,314 10,750 11,163 11,555 11,927 12,279 12,613 12,929 13,229 13,513 13,783 14,038 14,280 14,510 14,727 14,933 15,129 15,314 15,490 15,656 15,814 15,963 16,105 16,239
1 BFH v. 27.11.2013 – II R 25/12, ErbStB 2014, 89 = BFH/NV 2014, 537.
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Bewertung von wiederkehrenden Nutzungen und Leistungen
Rz. 54 § 13 BewG
Laufzeit in Jahren
Kapitalwert
39 40 41 42 43 44 45 46 47 48 49 50 51 52 53 54 55 56 57 58 59 60 61 62 63 64 65 66 67 68 69 70 71 72 73 74 75 76 77 78 79 80 81 82 83 84 85 86 87 88 89 90 91 92 93 94 95 96 97
16,367 16,487 16,602 16,710 16,813 16,910 17,003 17,090 17,173 17,252 17,326 17,397 17,464 17,528 17,588 17,645 17,699 17,750 17,799 17,845 17,888 17,930 17,969 18,006 18,041 18,075 18,106 18,136 18,165 18,192 18,217 18,242 18,264 18,286 18,307 18,326 18,345 18,362 18,379 18,395 18,410 18,424 18,437 18,450 18,462 18,474 18,485 18,495 18,505 18,514 18,523 18,531 18,539 18,546 18,553 18,560 18,566 18,572 18,578
Mannek
945
§ 14 BewG Lebenslängliche Nutzungen und Leistungen Laufzeit in Jahren
Kapitalwert
98 99 100 101 mehr als 101
18,583 18,589 18,593 18,598 18,600
§ 14 Lebenslängliche Nutzungen und Leistungen (1) 1Der Kapitalwert von lebenslänglichen Nutzungen und Leistungen ist mit dem Vielfachen des Jahreswerts nach Maßgabe der Sätze 2 bis 4 anzusetzen. 2Die Vervielfältiger sind nach der Sterbetafel des Statistischen Bundesamtes zu ermitteln und ab dem 1. Januar des auf die Veröffentlichung der Sterbetafel durch das Statistische Bundesamt folgenden Kalenderjahres anzuwenden. 3Der Kapitalwert ist unter Berücksichtigung von Zwischenzinsen und Zinseszinsen mit einem Zinssatz von 5,5 Prozent als Mittelwert zwischen dem Kapitalwert für jährlich vorschüssige und jährlich nachschüssige Zahlungsweise zu berechnen. 4Das Bundesministerium der Finanzen stellt die Vervielfältiger für den Kapitalwert einer lebenslänglichen Nutzung oder Leistung im Jahresbetrag von einem Euro nach Lebensalter und Geschlecht der Berechtigten in einer Tabelle zusammen und veröffentlicht diese zusammen mit dem Datum der Veröffentlichung der Sterbetafel im Bundessteuerblatt. (2) 1Hat eine nach Absatz 1 bewertete Nutzung oder Leistung bei einem Alter 1. bis zu 30 Jahren nicht mehr als 10 Jahre, 2. von mehr als 30 Jahren bis zu 50 Jahren nicht mehr als 9 Jahre, 3. von mehr als 50 Jahren bis zu 60 Jahren nicht mehr als 8 Jahre, 4. von mehr als 60 Jahren bis zu 65 Jahren nicht mehr als 7 Jahre, 5. von mehr als 65 Jahren bis zu 70 Jahren nicht mehr als 6 Jahre, 6. von mehr als 70 Jahren bis zu 75 Jahren nicht mehr als 5 Jahre, 7. von mehr als 75 Jahren bis zu 80 Jahren nicht mehr als 4 Jahre, 8. von mehr als 80 Jahren bis zu 85 Jahren nicht mehr als 3 Jahre, 9. von mehr als 85 Jahren bis zu 90 Jahren nicht mehr als 2 Jahre, 10. von mehr als 90 Jahren nicht mehr als 1 Jahr bestanden und beruht der Wegfall auf dem Tod des Berechtigten oder Verpflichteten, so ist die Festsetzung der nicht laufend veranlagten Steuern auf Antrag nach der wirklichen Dauer der Nutzung oder Leistung zu berichtigen. 2§ 5 Abs. 2 Satz 2 gilt entsprechend. Ist eine Last weggefallen, so bedarf die Berichtigung keines Antrags. (3) Hängt die Dauer der Nutzung oder Leistung von der Lebenszeit mehrerer Personen ab und erlischt das Recht mit dem Tod des zuletzt Sterbenden, so ist das Lebensalter und das Geschlecht derjenigen Person maßgebend, für die sich der höchste Vervielfältiger ergibt; erlischt das Recht mit dem Tod des zuerst Sterbenden, so ist das Lebensalter und Geschlecht derjenigen Person maßgebend, für die sich der niedrigste Vervielfältiger ergibt. (4) 1Ist der gemeine Wert der gesamten Nutzungen oder Leistungen nachweislich geringer oder höher als der Wert, der sich nach Absatz 1 ergibt, so ist der nachgewiesene gemeine Wert zugrunde zu legen. 2Der Ansatz eines geringeren oder höheren Werts kann jedoch nicht darauf gestützt werden, dass mit einer kürzeren oder längeren Lebensdauer, mit einem anderen Zinssatz als 5,5 Prozent oder mit einer anderen als mittelschüssigen Zahlungsweise zu rechnen ist. A. I. II. III. IV.
946
Grundaussagen der Vorschrift. . . . . . . . . . Regelungsgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . Bedeutung und Telos . . . . . . . . . . . . . . . . . Geltungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rechtsentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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1 1 5 8 9
B. I. II. III.
Ansatz des Kapitalwerts (Abs. 1) . . . . . . . . Berechnungsformel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sterbetafel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abgekürzte und verlängerte Leibrenten . . . .
14 14 15 18
Grundaussagen der Vorschrift IV. Tabellen der Kapitalwerte . . . . . . . . . . . . . . V. Berechnung des Lebensalters. . . . . . . . . . . . C. Berichtigung wegen vorzeitigen Wegfalls (Abs. 2) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Vorzeitiger Wegfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Keine Berichtigung in Fällen des § 198 BewG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
20 22 23 23 26
Rz. 6 § 14 BewG
D. I. II. III.
Laufzeitabhängige Besonderheiten . . . . . . . Abgekürzte Leibrenten . . . . . . . . . . . . . . . . . Verlängerte Leibrenten . . . . . . . . . . . . . . . . . Abhängigkeit vom Leben mehrerer Personen (Abs. 3) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Aufschiebend bedingte Ansprüche . . . . . . . .
29 29 30 32 37
E. Nachweis des gemeinen Werts (Abs. 4) . . . . 40
Literatur: Christ, Erbschaft- und Schenkungsteuer: Nießbrauchsvorbehalt bei Grundstücksschenkungen, AnwZert ErbR 6/2012 Anm 1; Esskandari, Grundstücksübertragungen unter Nießbrauchsvorbehalt und der frühe Tod – Auswirkungen bei der Berichtigung nach § 14 Abs. 2 BewG und Gestaltungsempfehlungen, ErbStB 2013, 149; Gelhaar/Saecker, Bewertung von lebenslangen Nutzungsrechten zugunsten mehrerer Personen im Zusammenhang mit Übertragungsverträgen und deren schenkungsteuerliche Behandlung, UVR 2012, 147; Goetze, Der lebzeitige Nießbrauch an Grundstücken des Privatvermögens im Steuerrecht, RNotZ 2013, 147; Grootens, Praxisfragen zur Öffnungsklausel des § 198 BewG- Verkehrswertnachweis durch Sachverständigengutachten, ErbStB 2013, 287; Ivens, Grundstücksschenkung unter Nießbrauchsvorbehalt, ZEV 2012, 71; Klümpen-Neusel/Kaiser, Berücksichtigung von Nutzungslasten an Grundstücken, ErbBstg 2013, 79; Krause, Der Nachweis des niedrigeren gemeinen Werts bei der Grundbesitzbewertung – Aktuelle zusammenfassende Darstellung, NWB 2013, 1678; Krause/Grootens, Wohn- und Nießbrauchsrechte in der Erbschaftsteuer – Finanzverwaltung setzt unterschiedliche Maßstäbe bei der Begrenzung des Jahreswerts, NWB 2012, 1426; Schimpfky, Steuerorientierte Gestaltung der Nachfolge bei privatem Immobilienvermögen, ZEV 2013, 662.
A. Grundaussagen der Vorschrift I. Regelungsgegenstand § 14 BewG regelt die Bewertung von lebenslänglichen Nutzungen oder Leistungen. Sie sind mit ei- 1 nem Vielfachen des Jahreswerts anzusetzen. Der Vervielfältiger ergibt sich aus der jeweils aktuellen Sterbetafel des Statistischen Bundesamts, die das Bundesministerium der Finanzen im Bundessteuerblatt veröffentlicht. Abs. 2 regelt die Berichtigung der Steuerfestsetzung von nicht laufend veranlagten Steuern, wenn sich 2 in tatsächlicher Hinsicht eine Abweichung von der statistischen Lebenserwartung ergibt. Ferner wird in Abs. 3 die Bewertung von Nutzungen oder Leistungen geregelt, die von der Lebenszeit 3 mehrerer Personen abhängen. Abs. 4 räumt die Möglichkeit ein, den gemeinen Wert der gesamten Nutzungen oder Leistungen an- 4 zusetzen, wenn dieser nachweislich geringer oder höher ist. Außerdem regelt die Vorschrift die Bewertung von wiederkehrenden Nutzungen und Leistungen, deren Dauer zusätzlich durch das Leben einer oder mehrerer Personen bedingt ist.
II. Bedeutung und Telos Die Vorschrift ist bei der Berechnung des Kapitalwerts einer lebenslänglichen Nutzung oder Leistung 5 von Bedeutung. Der Kapitalwert ist typischerweise bei der Ermittlung des steuerpflichtigen Erwerbs anzusetzen, der die Bemessungsgrundlage für die Erbschaft-/Schenkungsteuer bildet. Die Kürzung des Versorgungsfreibetrags (§ 17 ErbStG) um nicht der Erbschaftsteuer unterliegende Versorgungsbezüge erfolgt ebenfalls mit deren Kapitalwert. Der Kapitalwert von lebenslänglichen Leistungen wird sich in der Praxis sehr häufig auf Rentenleis- 6 tungen beziehen. Lebensabhängige Renten werden i.A. als Leibrenten bezeichnet.1 Beispiele für die Ermittlung des Kapitalwerts von lebenslänglichen Nutzungen sind Nießbrauchsrechte oder Wohnrechte. 1 Vgl. auch Tz. 1.2.5 der gleich lautenden Erlasse v. 10.10.2010, BStBl. I 2010, 810.
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947
§ 14 BewG Rz. 7 Lebenslängliche Nutzungen und Leistungen 7 Der wesentliche Unterschied zwischen den nach § 13 BewG zu bewertenden Nutzungen und Leis-
tungen betrifft die unterschiedliche Laufzeit. Nach § 13 BewG sind Nutzungen und Leistungen zu bewerten, deren Laufzeit auf eine bestimmte Zeit beschränkt ist. Nach § 14 BewG sind dagegen die vom Leben einer Person abhängigen Nutzungen und Leistungen zu bewerten.
III. Geltungsbereich 8 § 14 BewG gehört zum allgemeinen Teil des Ersten Teils des Bewertungsgesetzes und gilt somit für
andere Steuerarten, soweit für diese keine besonderen Bewertungsvorschriften gesetzlich vorgesehen sind.
IV. Rechtsentwicklung 9 Mit dem Zinsabschlaggesetz vom 9.11.19921 wurde § 14 Abs. 4 Satz 2 BewG redaktionell geändert
und sprachlich an den Wortlaut des § 13 BewG angepasst. 10
Mit dem Gesetz zur Umsetzung des Föderalen Konsolidierungsprogramms vom 23.6.19932 wurde Anlage 9 zu § 14 BewG auf der Grundlage der „Sterbetafel für die Bundesrepublik Deutschland 1986/88; Gebietsstand seit dem 3.10.1990“ neu gefasst. Dabei ist die „Allgemeine Sterbetafel 1986/87 für die DDR“ einbezogen worden.
11
Das Jahressteuergesetz 2007 vom 13.12.20063 enthielt eine redaktionelle Änderung („Prozent“ statt „in vom Hundert“). Sie gilt für Bewertungsstichtage nach 31.12.2006.
12
Eine sachliche Änderung wurde mit dem Erbschaftsteuerreformgesetz vom 24.12.20084 verwirklicht. Sie gilt für Bewertungsstichtage nach dem 31.12.2008. Bis zu diesem Zeitpunkt ergab sich der Kapitalwert von lebenslänglichen Nutzungen oder Leistungen durch Multiplikation des Jahreswerts mit dem Vervielfältiger der Anlage 9 zu § 14 BewG. Dabei wurden die Vervielfältiger unter Berücksichtigung von Zwischenzinsen und Zinseszinsen und einem Zinssatz von 5,5 % als Mittelwert zwischen einer jährlich vorschüssigen und jährlich nachschüssigen Zahlungsweise berechnet. Da sich die Lebenserwartung seit der mit dem Gesetz zur Umsetzung des Föderalen Konsolidierungsprogramms vom 23.6.1993 zugrunde gelegten Sterbetafel für die Bundesrepublik Deutschland 1986/88 nach dem Gebietsstand seit dem 3.10.1990 erheblich verlängert hat, stellt der Gesetzgeber für Besteuerungszeitpunkte nach dem 31.12.2008 auf die jeweils aktuelle Sterbetafel des Statistischen Bundesamts ab. Nach § 14 Abs. 1 Satz 2 BewG sind die Vervielfältiger jeweils ab dem 1. Januar des auf die Veröffentlichung der Sterbetafel durch das Statistische Bundesamt folgenden Kalenderjahres anzuwenden.
13
Die Gesetzesbegründung5 hat den folgenden Wortlaut: In der steuerlichen Praxis mehren sich die Probleme mit der Anwendung der Anlage 9 zu § 14, der die Allgemeine Sterbetafel für die Bundesrepublik Deutschland 1986/88 nach dem Gebietsstand seit dem 3.10.1990 zugrunde liegt. Seit der letzten Volkszählung im Jahr 1987, auf deren Ergebnisse die Allgemeine Sterbetafel aufbaut, hat die Lebenserwartung deutlich zugenommen, wie die vom Statistischen Bundesamt jährlich herausgegebenen Sterbetafeln belegen. Das führt dazu, dass sowohl Ansprüche als auch Lasten aus Nutzungen und Leistungen auf Lebenszeit bei einer Bewertung nach § 14 Abs. 1 unangemessen niedrig bewertet werden. Das nicht mehr zeitgemäße Abstellen auf die Sterbetafel für die Bundesrepublik Deutschland seit dem 3.10.1990 soll für bewertungsrechtliche Zwecke durch eine Bezugnahme auf die jeweils aktuelle Sterbetafel des Statistischen Bundesamtes ersetzt werden (derzeit Sterbetafel 2004/2006). Um die praktische Anwendung zu erleichtern, wird das Bundesministerium der Finanzen ermächtigt, die sich aus der jeweils aktuellen Sterbetafel und der dazu gehörenden Absterbeordnung ergebenden Kapitalwerte einer lebenslänglichen Nutzung oder Leistung im Jahresbetrag von 1 Euro im Bundessteuerblatt zu veröffentlichen. Dabei soll unverändert von einem Zinssatz von 5,5 Prozent und dem Mittelwert zwischen dem Kapitalwert für jährlich vorschüssige und jährlich nachschüssige Zahlungsweise ausgegangen werden. 1 2 3 4 5
Zinsabschlaggesetz v. 9.11.1992, BGBl. I 1992, 1853. Gesetz zur Umsetzung des Föderalen Konsolidierungsprogramms v. 23.6.1993, BGBl. I 1993, 944. JStG 2007 v. 13.12.2006, BGBl. I 2006, 2878. Gesetz zur Reform des Erbschaftsteuer- und Bewertungsrechts (ErbStRG) v. 24.12.2008, BGBl. I 2008, 3018. BT-Drucks. 16/7918.
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Ansatz des Kapitalwerts (Abs. 1)
Rz. 19 § 14 BewG
B. Ansatz des Kapitalwerts (Abs. 1) I. Berechnungsformel Lebenslängliche Nutzungen und Leistungen sind mit einem Vielfachen des Jahreswerts anzusetzen. 14 Insoweit unterscheidet sich die rechnerische Ermittlung nicht von Nutzungen und Leistungen, die auf eine bestimmte Zeit beschränkt sind.
II. Sterbetafel Die Vervielfältiger richten sich jedoch für Besteuerungszeitpunkte nach dem 31.12.2008 nicht mehr 15 nach der bisher maßgebenden Anlage 9 zu § 14 BewG. Vielmehr sind die Vervielfältiger nach der Sterbetafel des Statistischen Bundesamts zu ermitteln und ab dem 1. Januar des auf die Veröffentlichung der Sterbetafel durch das Statistische Bundesamt folgenden Kalenderjahrs anzuwenden. Dabei gilt die grundsätzliche Festlegung des Gesetzgebers, nach der der Kapitalwert unter Berück- 16 sichtigung von Zwischenzinsen und Zinseszinsen mit einem Zinssatz von 5,5 % als Mittelwert zwischen dem Kapitalwert für jährlich vorschüssige und jährlich nachschüssige Zahlungsweise zu berechnen ist. Dies ergibt sich ausdrücklich aus § 14 Abs. 1 Satz 3 BewG. Auch die Wertermittlung für eine Rente, die einer verwitweten Person auf Lebenszeit, längstens aber 17 bis zur Wiederverheiratung zusteht, erfolgt nach § 14 Abs. 1 BewG, weil der Wegfall der Rente von der aufschiebenden Bedingung der Weiterverheiratung abhängig ist (§§ 4–8 BewG). Ebenso ist bei Renten zu verfahren, die von unbestimmter Dauer, gleichzeitig aber auch von der Lebenszeit einer Person abhängig sind. Beispiel: Zu berechnen ist der Kapitalwert einer Rente. Besteuerungszeitpunkt Lebenslänglich laufende Rente i.H.v. monatlich Geschlecht des Empfängers Geburtsdatum des Empfängers Erster Zahlungszeitpunkt ab Besteuerungszeitpunkt Berechnung: Erreichtes Alter am 18.10.2013 Vervielfältiger, BMF v. 26.10.20121 Jahreswert der Rente (12 × 500 t =) Kapitalwert bzw. Gegenwartswert am 18.10.2013 (12,458 × 6 000 t =)
18.10.2013 500 t männlich 14.12.1951 5.11.2013 61 Jahre 12,458 6 000 t 74 748 v
III. Abgekürzte und verlängerte Leibrenten Besteht bei einer Rente neben der zeitlichen Begrenzung eine zusätzliche Begrenzung durch das Le- 18 ben einer oder mehrerer Personen, handelt es sich um eine sog. abgekürzte Leibrente oder auch Höchstzeitrente. In diesen Fällen ist der nach § 13 Abs. 1 BewG ermittelte Kapitalwert durch den Kapitalwert nach § 14 BewG begrenzt. Vgl. Rz. 36. Eine sog. verlängerte Leibrente liegt vor, wenn bei einer auf die Lebenszeit des Berechtigten abge- 19 schlossenen Rente eine garantierte Mindestlaufzeit vereinbart ist, bei der die Rentenleistungen nicht durch den Tod des Berechtigten vorzeitig enden. In diesen Fällen ist der höhere Vervielfältiger anzuwenden, der sich bei einem Vergleich der Vervielfältiger für eine reine Zeitrente (Tabelle 6) bzw. für eine reine lebenslängliche Rente (Vervielfältigertabelle lt. Veröffentlichung des Bundesministeriums der Finanzen) ergibt. Vgl. Rz. 37 ff.
1 BMF v. 26.10.2012, BStBl. I 2012, 950.
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§ 14 BewG Rz. 20 Lebenslängliche Nutzungen und Leistungen
IV. Tabellen der Kapitalwerte 20
Zur Vereinfachung hat das Bundesfinanzministerium der Finanzen die Vervielfältiger des Kapitalwerts einer lebenslänglichen Nutzung oder Leistung im Jahresbetrag von einem Euro nach Lebensalter und Geschlecht der Berechtigten zusammenzustellen und diese Tabelle im Bundessteuerblatt zu veröffentlichen (§ 14 Abs. 1 Satz 4 BewG).
21
Die Fundstellen ergeben sich aus der folgenden Zusammenstellung. Kalenderjahr
Maßgebendes BMF Schreiben
2007
17.3.2009, BStBl. I 2009, 474
2008
17.3.2009, BStBl. I 2009, 474
2009
20.1.2009, BStBl. I 2009, 270
2010
1.10.2009, BStBl. I 2009, 1168
2011
8.11.2010, BStBl. I 2010, 1288
2012
26.11.2011, BStBl. I 2011, 834
2013
26.10.2012, BStBl. I 2012, 950
2014
13.12.2013, BStBl. I 2013, 1609
2015
21.11.2014, BStBl. I 2014, 1576
2016
2.12.2015, BStBl. I 2015, 954
2017
4.11.2016, BStBl. I 2016, 1166
V. Berechnung des Lebensalters 22
Die Frage, wann eine Person ihr Lebensjahr vollendet, richtet sich nach dem Zivilrecht. Dabei wird der Tag der Geburt zur Berechnung des Lebensalters mitgerechnet (§ 108 AO, § 187 Abs. 2, § 188 Abs. 2 BGB). Das bedeutet, eine Person vollendet ihr Lebensjahr bereits mit Ablauf des dem Geburtstag vorhergehenden Tages.
C. Berichtigung wegen vorzeitigen Wegfalls (Abs. 2) I. Vorzeitiger Wegfall 23
Es liegt auf der Hand, dass eine nach § 14 Abs. 1 BewG bewertete lebenslängliche Nutzung oder Leistung, die sich wegen der dort verankerten gesetzlichen Vorgabe zwingend nach der statistischen Lebenserwartung von Personen richtet, bei einem vorzeitigen Wegfall der Nutzung oder Leistung im Ergebnis nicht überzeugend erscheinen kann. Deshalb sieht § 14 Abs. 2 BewG die Berichtigung der Festsetzung von nicht laufend veranlagten Steuern vor, wenn eine nach Abs. 1 bewertete Nutzung oder Leistung vorzeitig wegfällt und dies auf dem Tod des Berechtigten oder Verpflichteten beruht.
24
Voraussetzung für die Berichtigung ist, dass die Nutzung oder Leistung in Abhängigkeit vom Lebensalter nicht länger als eine bestimmte Zeitspanne bestanden hat. Die Mindestdauer ist in Abhängigkeit vom jeweiligen Lebensalter des Berechtigten oder Verpflichteten gestaffelt. Beispiel: Einer 20-jährigen Person steht eine lebenslängliche Leistung zu. Die berechtigte Person verstirbt bereits fünf Jahre nach dem Besteuerungszeitpunkt. Sofern der Rentenanspruch der 20-jährigen Person bei der Erbschaft-/Schenkungsteuer erfasst und besteuert wurde, kann die Festsetzung der Erbschaft-/Schenkungsteuer auf Antrag geändert und dabei statt der Lebenserwar-
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Laufzeitabhängige Besonderheiten
Rz. 29 § 14 BewG
tung von 58,25 Jahren und einem dementsprechenden Vervielfältiger von 17,856 die tatsächliche Dauer der Rente von lediglich fünf Jahre mit dem Vervielfältiger von 4,3881 zugrunde gelegt werden.
Die Berichtigung ist bei dem vorzeitigen Wegfall einer Nutzung oder Leistung nur auf Antrag durch- 25 zuführen. Der Antrag ist bis zum Ablauf des Jahres zu stellen, das auf dem Wegfall der Nutzung oder Leistung folgt (§ 14 Abs. 2 Satz 2 BewG unter Hinweis auf die entsprechende Anwendung des § 5 Abs. 2 Satz 2 BewG). Dagegen kann das Finanzamt die Berichtigung einer nach § 14 Abs. 1 BewG bewerteten Last, die vorzeitig wegen des Todes des Verpflichteten wegfällt, auch ohne Antrag durchführen.
II. Keine Berichtigung in Fällen des § 198 BewG Mit dem ErbStRG2 ist bei der Bewertung der Grundstücke nach der Auffassung der FinVerw. davon 26 auszugehen, dass Wohnrechte oder Nießbrauchsrechte immer dann bereits innerhalb der Feststellung des Grundbesitzwerts wertmindernd zu berücksichtigen sind, wenn der niedrigere gemeine Wert des Grundstücks im Rahmen der Öffnungsklausel des § 198 BewG durch ein Sachverständigengutachten nachgewiesen wird. Das hat auch Auswirkungen auf die Bewertung der Wohnrechte oder Nießbrauchsrechte. Denn der Sachverständige ist – mangels Rechtsgrundlage – beim Nachweis des niedrigeren gemeinen Werts des Grundstücks nicht an die für wiederkehrende Nutzungen und Leistungen maßgebenden Vorschriften der §§ 13, 14 BewG gebunden. Obwohl der Gesetzgeber nur den Nachweis des niedrigeren Grundbesitzwerts zulässt, akzeptiert die 27 FinVerw. innerhalb von Sachverständigengutachten für Grundstücke eine von §§ 13, 14 BewG abweichende Ermittlung des Werts von Nutzungen. Darüber hinaus ergibt sich eine weitere Rechtsfolge. In den Fällen, in denen ein lebenslängliches Nutzungsrecht nach der Übertragung vorzeitig wegfällt, ist eine Berichtigung nach § 14 Abs. 2 BewG ausgeschlossen, weil es sich nicht um „eine nach Abs. 1 bewertete Nutzung oder Leistung“ handelt. Dabei sind Konstellationen denkbar, in denen sich sowohl für den Berechtigten als auch für den Er- 28 werber des belasteten Grundstücks regelmäßig deutliche Steuervorteile ergeben können.3
D. Laufzeitabhängige Besonderheiten I. Abgekürzte Leibrenten Nach Tz. 1.2.5 der gleich lautenden Erlasse vom 10.10.20104 ist bei abgekürzten Leibrenten, bei denen 29 neben der zeitlichen Begrenzung eine zusätzliche Begrenzung durch das Leben einer oder mehrerer Personen besteht, der nach § 13 Abs. 1 BewG ermittelte Kapitalwert durch den Kapitalwert nach § 14 BewG begrenzt. Derartige abgekürzte Leibrenten werden auch als Höchstzeitrenten bezeichnet. Beispiel: Ein 28 Jahre alter Mann bezieht aufgrund einer 2013 ausgeführten Schenkung eine lebenslängliche Rente von mtl. 1 000 Euro, längstens jedoch 15 Jahre lang. Es handelt sich um eine abgekürzte Leibrente (Höchstlaufzeit). Der Vervielfältiger nach § 14 Abs. 1 BewG beträgt 17,430,5 der Vervielfältiger nach § 13 Abs. 1 BewG beträgt 10,314 (Anlage 9a zu § 13 BewG). Gemäß § 13 Abs. 1 Satz 2 BewG darf der Vervielfältiger nach § 14 Abs. 1 BewG nicht überschritten werden, mithin ist der niedrigere Vervielfältiger maßgebend. Berechnung: 1 000 t × 12 × 10,314 = 123 768 t
1 2 3 4 5
Tabelle 2 der gleich lautenden Erlasse v. 10.10.2010, BStBl. I 2010, 810. Gesetz zur Reform des Erbschaftsteuer- und Bewertungsrechts (ErbStRG) v. 24.12.2008, BGBl. I 2008, 3018. Vgl. hierzu Krause/Grootens, NWB 2011, 1142. Gleich lautende Erlasse v. 10.10.2010, BStBl. I 2010, 810. BMF v. 26.10.2012 – IV D 4 – S 3104/09/10001, BStBl. I 2012, 950.
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§ 14 BewG Rz. 30 Lebenslängliche Nutzungen und Leistungen
II. Verlängerte Leibrenten 30
Verlängerte Leibrenten sind Renten, die auf die Lebenszeit des Berechtigten abgeschlossen wurden und eine garantierte Mindestlaufzeit haben. In diesen Fällen enden die Rentenleistungen nicht vorzeitig durch den Tod des Berechtigten, sondern laufen über den Zeitraum der vereinbarten garantierten Mindestlaufzeit weiter. Die Rentenleistungen werden vom Rechtsnachfolger vereinnahmt.
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Bei der Bewertung von verlängerten Leibrenten ist der höhere Vervielfältiger anzuwenden, der sich bei einem Vergleich der Vervielfältiger für eine reine Zeitrente (Tabelle 6 der 10.10.20101) bzw. für eine reine lebenslängliche Rente (Vervielfältigertabelle lt. Veröffentlichung des Bundesministeriums der Finanzen) ergibt. Beispiel: Ein 80 Jahre alter Mann bekommt aufgrund einer 2013 ausgeführten Schenkung eine lebenslängliche Rente von mtl. 1000 Euro. Die Rente läuft mindestens jedoch 15 Jahre und ist ggf. den Erben auszuzahlen. Es handelt sich um eine verlängerte Leibrente (Mindestlaufzeit). Der Vervielfältiger nach § 14 Abs. 1 BewG beträgt 6,358,2 der Vervielfältiger nach § 13 Abs. 1 BewG beträgt 10,314 (Anlage 9 a zu § 13 BewG). Es ist der höhere Vervielfältiger anzusetzen, da es sich um eine verlängerte Leibrente handelt. Berechnung: 1 000 t × 12 × 10,314 = 123 768 t
III. Abhängigkeit vom Leben mehrerer Personen (Abs. 3) 32
In der Praxis hängen Leibrenten häufig von der Lebenszeit mehrerer Personen ab. Beispielsweise können einem Ehepaar zu Lebzeiten beider Ehegatten Ansprüche auf Renten oder andere wiederkehrende Nutzungen und Leistungen zustehen, die sich nach dem Tod des Erstversterbenden vermindern. In diesem Fall sind die Ansprüche grundsätzlich mit den Vervielfältigern nach der vom Bundesministerium der Finanzen für das Jahr, in das der Bewertungsstichtag fällt, veröffentlichten Vervielfältigertabelle zu bewerten.
33
Solange beide Ehegatten leben, ist davon auszugehen, dass jedem Ehegatten die Hälfte der gemeinsamen Rente zusteht, es sei denn, aus der Entstehung des Rentenanspruchs ergibt sich ein anderer Aufteilungsmaßstab. Auf diese Jahreswerte ist der niedrigere der beiden Vervielfältiger für die Ehegatten anzuwenden. Die dem überlebenden Ehegatten allein zustehende geminderte Rente ist mit der Differenz der Vervielfältiger anzusetzen.3 In Anlehnung an Tz. 2.3 des Erlasses vom 10.10.2010 ergeben sich folgende Beispiele zur Berechnung von Renten, die von der Lebenszeit mehrerer Personen abhängen.
34
Beispiel 1: Ein Ehepaar erhält 2014 eine Rente zu Lebzeiten beider Ehegatten i.H.v. jährlich Nach dem Tod des Erstversterbenden vermindert sich der Jahreswert der Rente auf Alter des Ehemannes im Besteuerungszeitpunkt: (Vervielfältiger 13,200) Alter der Ehefrau im Besteuerungszeitpunkt: (Vervielfältiger 15,653) Nach T z 1.2.6 des Erlasses vom 10.10.2010 ergibt sich der Kapitalwert wie folgt: a) Rentenanspruch des Ehemannes (13,200 × 10 000 t =) b) Rentenanspruch der Ehefrau (13,200 × 10 000 t =) ((15,653 – 13,200) × 15 000 t =) insgesamt Kapitalwert im Besteuerungszeitpunkt (132 000 t + 168 795 t =) 1 Gleich lautende Erlasse v. 10.10.2010, BStBl. I 2010, 810. 2 BMF v. 26.10.2012 – IV D 4 – S 3104/09/10001, BStBl. I 2012, 950. 3 Vgl. Tz. 1.2.6 der gleich lautenden Erlasse v. 10.10.2010, BStBl. I 2010, 810.
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20 000 t 15 000 t 58 Jahre 50 Jahre
132 000 t 132 000 t 36 795 t 168 795 t 300 795 t
Nachweis des gemeinen Werts (Abs. 4)
Rz. 40 § 14 BewG
Beispiel 2: Eine Frau (65 Jahre) und ein Mann (65 Jahre) erhalten aufgrund einer Schenkung eine gemeinsame Rente. Die Rente endet bei Tod des zuletzt Versterbenden. Es handelt sich um eine Verbindungsrente, bei der die Dauer von der Lebenszeit mehrerer Personen abhängt und bei der das Rentenrecht mit dem Tod des zuletzt Versterbenden erlischt. Bei einer derartigen Rente ist gem. § 14 Abs. 3 BewG das Lebensalter und Geschlecht der Person maßgebend, für die sich der höchste Vervielfältiger ergibt. – Frau (65 Jahre) 12,508 (§ 14 Abs. 1 BewG, BMF v. 26.10.2012, BStBl. I 2012, 950) – Mann (65 Jahre) 11,354 (§ 14 Abs. 1 BewG, BMF v. 26.10.2012, BStBl. I 2012, 950) – Maßgebend ist der Vervielfältiger 12,508 (§ 14 Abs. 3 BewG).
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Beispiel 3: Eine Frau (65 Jahre) und ein Mann (65 Jahre) erhalten aufgrund einer Schenkung eine gemeinsame Rente. Die Rente endet bei Tod des zuerst Versterbenden. Es handelt sich um eine Verbindungsrente, bei der die Dauer von der Lebenszeit mehrerer Personen abhängt und bei der das Rentenrecht mit dem Tod des zuerst Versterbenden erlischt. Bei einer derartigen Rente ist gem. § 14 Abs. 3 BewG das Lebensalter und Geschlecht der Person maßgebend, für die sich der niedrigste Vervielfältiger ergibt. – Frau (65 Jahre) 12,508 (§ 14 Abs. 1 BewG, BMF v. 26.10.2012, BStBl. I 2012, 950) – Mann (65 Jahre) 11,354 (§ 14 Abs. 1 BewG, BMF v. 26.10.2012, BStBl. I 2012, 950) – Maßgebend ist 11,354 (§ 14 Abs. 3 BewG).
36
IV. Aufschiebend bedingte Ansprüche Davon sind die Fälle zu unterscheiden, in denen die Rente des länger Lebenden aufschiebend be- 37 dingt ist. Bezieht beispielsweise eine Person eine Rente auf Lebenszeit und ist festgelegt, dass der Ehegatte nur im Fall des Längerlebens eine Rente erhält, ist diese weitere Rente aufschiebend bedingt und nach § 4 BewG nicht zu berücksichtigen.1 Beispiel 1: Eine Frau bekommt aufgrund einer Schenkung eine eigene Rente erst dann, wenn sie ihren Mann überlebt. Bis zu diesem Zeitpunkt erhält nur der Mann aufgrund dieser Schenkung eine Rente. Der Rentenanspruch der Frau ist aufschiebend bedingt und daher nicht zu berücksichtigen (§ 4 BewG). Wenn also der Beginn einer Leibrente davon abhängt, dass jemand einen anderen überlebt, ist das „Überleben“ als aufschiebende Bedingung anzusehen. D.h., solange die Bedingung noch nicht eingetreten ist, wird die Rente nicht angesetzt.
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Beispiel 2: Eine Frau (60 Jahre) ist verwitwet. Sie erhält aufgrund einer 2013 ausgeführten Schenkung eine lebenslängliche Rente von monatlich 700 Euro, längstens jedoch bis zur Wiederverheiratung. Die Wiederverheiratung ist ein ungewisses Ereignis. Auch der Zeitpunkt ist ungewiss. Die Rente steht somit unter der auflösenden Bedingung der Wiederverheiratung und wird wie unbedingt erworben angesetzt (§ 5 Abs. 1 BewG). Die Tatsache, dass die Rente durch Wiederverheiratung wegfallen kann, wird daher nicht berücksichtigt. Es ist ausschließlich der Vervielfältiger aufgrund des Alters und Geschlechts maßgebend. Berechnung: 13,772 × 700 Euro × 12 = 115 684 Euro (§ 14 Abs. 1 BewG, BMF v. 26.10.2012, BStBl. I 2012, 950)
39
E. Nachweis des gemeinen Werts (Abs. 4) Von der Möglichkeit, den gemeinen Wert eines Rechts auf Renten oder andere wiederkehrende Nut- 40 zungen und Leistungen nachzuweisen und damit einen geringeren oder höheren Wert anzusetzen als den Kapitalwert, der nach § 14 BewG zu berechnen ist (§ 14 Abs. 4 BewG), wird in der Praxis kaum Gebrauch gemacht. 1 BFH v. 31.1.1964, BStBl. III 1964, 179.
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§ 14 BewG Rz. 41 Lebenslängliche Nutzungen und Leistungen 41
Ursächlich hierfür dürfte die in § 14 Abs. 4 BewG vorgesehene Einschränkung sein, nach der die Abweichung vom Kapitalwert nicht darauf gestützt werden kann, dass mit einem anderen Zinssatz als 5,5 % oder mit einer anderen als der mittelschüssigen Zahlungsweise zu rechnen ist. Außerdem darf nicht mit einer kürzeren oder längeren Lebensdauer gerechnet werden.
§ 15 Jahreswert von Nutzungen und Leistungen (1) Der einjährige Betrag der Nutzung einer Geldsumme ist, wenn kein anderer Wert feststeht, zu 5,5 Prozent anzunehmen. (2) Nutzungen oder Leistungen, die nicht in Geld bestehen (Wohnung, Kost, Waren und sonstige Sachbezüge), sind mit den üblichen Mittelpreisen des Verbrauchsorts anzusetzen. (3) Bei Nutzungen oder Leistungen, die in ihrem Betrag ungewiss sind oder schwanken, ist als Jahreswert der Betrag zugrunde zu legen, der in Zukunft im Durchschnitt der Jahre voraussichtlich erzielt werden wird. A. I. II. III. IV.
Grundaussagen der Vorschrift. . . . . . . . . . Regelungsgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . Bedeutung und Telos . . . . . . . . . . . . . . . . . Geltungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rechtsentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1 1 4 5 6
B. Nutzungen einer Geldsumme (Abs. 1) . . . .
7
C. Jahreswert von Sachbezügen (Abs. 2) . . . . . 16 D. Ungewisse oder schwankende Beträge (Abs. 3) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20
Literatur: Brüggemann, Übertragung eines KG-Anteils unter Nießbrauchsvorbehalt oder gegen Versorgungsleistungen, ErbBstg 2009, 99; Christ, Zuwendungen in der Familie und Steuern, NZFam 2014, 322; Esskandari, Die Besteuerung von Renten, Nutzungen und Leistungen nach dem ErbStG, ZEV 2008, 323; Happe, Die Abzinsung von Verbindlichkeiten und Rückstellungen im Steuerrecht, BBK Fach 30, 1869; Ihle, Anmerkung zur Entscheidung des BFH, Urt. v. 27.11.2013 – II R 25/12 – Zur Freigebigkeit gem. § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG und Bewertung gem. § 15 Abs. 1 BewG bei Hingabe eines unverzinslichen Darlehens an den Lebensgefährten, notar 2014, 137; Kuhfus, Abzinsung von Gesellschafterdarlehen, Anmerkung zu EFG 2010, 2008; Langheim, Nießbrauch, Wohnrecht, Leibrente & Co im Zugewinnausgleich, FF 2011, 481; Linnartz, Das Nießbrauchsvermächtnis (Teil 4), AnwZert ErbR 5/2012 Anm 2; Lux, Vermögensübertragung gegen wiederkehrende Leistungen, SteuerStud 2008, 220; Meßbacher-Hönsch, Steuerfreiheit von Zuwendung unter Lebenden bezüglich Familienwohnheimen/Familienheimen – Gewährung eines zinsgünstigen oder zinslosen Darlehens als freigebige Zuwendung, jurisPR-SteuerR 10/2011 Anm. 5; Pondelik, Steuerfalle zinsloses Darlehen, SteuK 2013, 423; Schultes-Schnitzlein/Keese, Übertragung von Kapitalgesellschaftsanteilen unter Familienangehörigen, NWB 2009, 64; Siegmund/Ungemach, Erbschaftsteuerreform 2008: Schenkungen unter Nießbrauchsvorbehalt bei der Übertragung von Unternehmensvermögen, DStZ 2008, 453; Stümper/Entenmann, Ist das Abzinsungsgebot des § 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG auf unverzinsliche Darlehen des GmbH-Gesellschafters an seine GmbH anwendbar?, GmbHR 2008, 312.
A. Grundaussagen der Vorschrift I. Regelungsgegenstand 1 § 15 BewG regelt, wie der Jahreswert von Nutzungen und Leistungen zu bestimmen ist. Danach ent-
spricht der einjährige Betrag der Nutzung einer Geldsumme 5,5 %, wenn kein anderer Wert feststeht. 2 Bestehen Nutzungen oder Leistungen nicht in Geld, wie beispielsweise Wohnung, Kost, Waren und
sonstige Sachbezüge, sind diese mit den üblichen Mittelpreisen des Verbrauchsorts anzusetzen. 3 Ist der Betrag von Nutzungen oder Leistungen ungewiss oder schwanken die Beträge, ist als Jahres-
wert der Betrag zugrunde zu legen, der in Zukunft im Durchschnitt der Jahre voraussichtlich erzielt werden wird.
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Nutzungen einer Geldsumme (Abs. 1)
Rz. 11 § 15 BewG
II. Bedeutung und Telos Die Vorschrift dient dazu, den Jahreswert von Nutzungen oder Leistungen auch dann zu bestimmen, 4 wenn der Betrag nicht feststeht.
III. Geltungsbereich § 15 BewG gehört zum allgemeinen Teil des Ersten Teils des Bewertungsgesetzes und gilt somit für 5 andere Steuerarten, soweit keine besonderen Bewertungsvorschriften gesetzlich vorgesehen sind.
IV. Rechtsentwicklung Die Vorschrift des § 15 BewG ist seit Jahren im Wesentlichen unverändert geblieben. 6 Das Jahressteuergesetz 2007 vom 13.12.20061 enthielt eine redaktionelle Änderung („Prozent“ statt „in vom Hundert“). Die Änderung gilt für Bewertungsstichtage nach dem 31.12.2006.
B. Nutzungen einer Geldsumme (Abs. 1) Der einjährige Betrag der Nutzung einer Geldsumme ist zu 5,5 % anzunehmen (§ 15 Abs. 1 BewG). 7 Dies gilt jedenfalls, wenn kein anderer Wert feststeht. Mit Urteil vom 29.3.20122 hat das FG Münster entschieden, dass bei der Bewertung eines zinslosen 8 Darlehens zur Erreichung einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft die Motive des Zuwendenden für den Steuertatbestand nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG zwar ohne Bedeutung sind. Allerdings sei der zugrunde liegende Zinssatz von 5,5 % bei einer Geldanlage nicht erzielbar gewesen. Dies gelte bei einer seriösen Geldanlage auch bei einem Kapital von 1 000 000 Euro. Dennoch hat der der BFH mit Urteil vom 27.11.20133 entschieden, dass auch angesichts eines Ver- 9 gleichs mit den erzielbaren Erträgen einer seriösen Geldanlage der Jahreswert eines Nutzungsvorteils mit 5,5 % anzunehmen ist, weil in dem Streitfall kein anderer Wert feststand. Dabei legte der BFH als Vergleichsmaßstab für die Feststellung eines anderen Werts den marktüblichen Zinssatz zugrunde, der bei Gewährung oder Aufnahme eines Darlehens zu – abgesehen von der Zinslosigkeit – vergleichbaren Bedingungen zu entrichten gewesen wäre. Ein anderer Jahreswert des Nutzungsvorteils als 5,5 % i.S.d. § 15 BewG steht nicht bereits dann fest, 10 wenn der Darlehensgeber oder der Darlehensnehmer bei einer verzinslichen Anlage des Darlehensbetrags bei einem Kreditinstitut zu marktüblichen Bedingungen lediglich eine niedrigere Rendite als 5,5 % im Jahr hätten erzielen können. Vergleichsmaßstab ist vielmehr der marktübliche Zinssatz, der bei der Gewährung oder Aufnahme eines Darlehens zu vergleichbaren Bedingungen zu entrichten gewesen wäre. Von diesem Verständnis des § 15 Abs. 1 BewG geht – so der BFH – auch der im Einvernehmen mit 11 den obersten Finanzbehörden der anderen Länder ergangene Erlass des Finanzministeriums BadenWürttemberg vom 20.1.20004 aus. Nach diesem Erlass kommt es für die Frage, wie der Nutzungsvorteil eines unverzinslichen oder niedrig verzinslichen Darlehens zu bewerten ist, darauf an, ob der marktübliche Zinssatz für ein derartiges Darlehen unter 5,5 % liegt. Weise ein Steuerpflichtiger nach, dass der marktübliche Zinssatz für eine gleichartige Kapitalanlage unter dem gesetzlich festgelegten Zinssatz von 5,5 % liege, könne für die Bewertung des Nutzungsvorteils von dem nachgewiesenen Zinssatz ausgegangen werden.
1 2 3 4
Jahressteuergesetz (JStG) 2007 v. 13.12.2006, BGBl. I 2006, 2878. FG Münster v. 29.3.2012 – 3 K 3819/10 Erb, ErbStB 2012, 293 = EFG 2012, 1950. BFH v. 27.11.2013 – II R 25/12, ErbStB 2014, 89 = BFH/NV 2014, 537. FinMin. BW v. 20.1.2000 S 3104/06, DStR 2000, 204.
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§ 15 BewG Rz. 12 Jahreswert von Nutzungen und Leistungen 12
Der BFH führt u.A. aus:1 „Das Feststehen eines anderen Werts kann demgemäß nicht damit begründet werden, dass … die Klägerin bei einer verzinslichen Anlage des Darlehensbetrags bei einem Kreditinstitut zu marktüblichen Bedingungen lediglich eine niedrigere Rendite als 5,5 % im Jahr hätten erzielen können. Vielmehr kommt es darauf an, ob der marktübliche Zinssatz für die Aufnahme eines Darlehens über … Euro im Mai 2002 durch die Klägerin zu abgesehen von der Zinslosigkeit vergleichbaren Bedingungen, also insbesondere ohne die Vereinbarung von Sicherheiten, niedriger als 5,5 % gewesen wäre. Dass dies der Fall gewesen wäre, hat weder das FG festgestellt noch bringt das die Klägerin vor.“
13
Von diesem Verständnis des § 15 Abs. 1 BewG geht auch der gleich lautende Erlass vom 10.10.20102 aus. Nach dem Erlass kommt es für die Frage, wie der Nutzungsvorteil eines unverzinslichen oder niedrig verzinslichen Darlehens zu bewerten ist, darauf an, ob der marktübliche Zinssatz für ein derartiges Darlehen unter 5,5 % liegt. Weist ein Steuerpflichtiger nach, dass der marktübliche Zinssatz für eine gleichartige Kapitalanlage unter dem gesetzlich festgelegten Zinssatz von 5,5 % liegt, kann für die Bewertung des Nutzungsvorteils von dem nachgewiesenen Zinssatz ausgegangen werden.
14
Das Feststehen eines anderen Werts kann somit nicht damit begründet werden, dass der Steuerpflichtige bei einer verzinslichen Anlage des Darlehensbetrags bei einem Kreditinstitut zu marktüblichen Bedingungen lediglich eine niedrigere Rendite als 5,5 % im Jahr hätte erzielen können. Vielmehr kommt es darauf an, ob der marktübliche Zinssatz für die Aufnahme eines Darlehens im Bewertungsstichtag zu – abgesehen von der Zinslosigkeit – vergleichbaren Bedingungen, also insbesondere ohne die Vereinbarung von Sicherheiten, niedriger als 5,5 % gewesen wäre.
15
Der Zinssatz von 5,5 % dürfte angesichts des aktuell niedrigen Zinsniveaus überhöht erscheinen. Da in dem vom BFH entschiedenen Fall nicht vorgetragen wurde, ob der Darlehensnehmer ein entsprechendes Darlehen marktüblich zu einem niedrigeren Zinssatz hätte erhalten können, ist ein bloßer Rückgriff auf das aktuelle Zinsniveau jedoch angesichts der vorliegenden Entscheidung aussichtslos. Es darf aber nicht übersehen werden, dass in dem entschiedenen Fall eine Bestellung von Sicherheiten nicht vorgesehen war und bereits deshalb keine andere Entscheidung zu erwarten war.
C. Jahreswert von Sachbezügen (Abs. 2) 16
Bestehen Nutzungen oder Leistungen nicht in Geld, sind diese mit den üblichen Mittelpreisen des Verbrauchsorts anzusetzen. Zu den typischen Beispielen gehört die Ermittlung des Jahreswerts von Sachbezügen (Wohnung, Kost, Waren und sonstige Sachbezüge).
17
Nach § 15 Abs. 2 BewG sind insoweit die üblichen Mittelpreise des Verbrauchsorts anzusetzen.
18
Als Anhaltspunkt kann nach den gleich lautenden Erlass vom 10.10.20103 beispielsweise von den Sätzen ausgegangen werden, die am Besteuerungszeitpunkt beim Steuerabzug vom Arbeitslohn und bei der Sozialversicherung für Deputate in der Land- und Forstwirtschaft gelten. Bei nichtbuchführenden Land- und Forstwirten können Pauschsätze für Altenteilsleistungen, die von den Finanzbehörden aufgestellt worden sind, übernommen werden.
19
Vertraglich vereinbarte Barbezüge oder sonstige Sachleistungen sind nur zu berücksichtigen, wenn sie in den Pauschsätzen nicht mit abgegolten sind und wenn nachgewiesen wird, dass sie tatsächlich geleistet werden.
D. Ungewisse oder schwankende Beträge (Abs. 3) 20
Bei Nutzungen und Leistungen, deren Jahreswert ungewiss ist oder schwankt, ist nach § 15 Abs. 3 BewG als Jahreswert der Betrag anzusetzen, der im Durchschnitt der Jahre voraussichtlich erzielt wird. 1 BFH v. 27.1.2013 – II R 25/12, BFH/NV 2014, 537. 2 Gleich lautende Erlasse v. 10.10.2010, BStBl. I 2010, 810. 3 Gleich lautende Erlasse v. 10.10.2010, BStBl. I 2010, 810.
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Grundaussagen der Vorschrift
Rz. 4 § 16 BewG
Bei der Schätzung des Durchschnittswerts können nach den gleich lautenden Erlassen vom 21 10.10.20101 ausnahmsweise auch Ereignisse berücksichtigt werden, die in nicht allzu langer Zeit nach dem Besteuerungszeitpunkt eingetreten sind.
§ 16 Begrenzung des Jahreswerts von Nutzungen Bei der Ermittlung des Kapitalwerts der Nutzungen eines Wirtschaftsguts kann der Jahreswert dieser Nutzungen höchstens den Wert betragen, der sich ergibt, wenn der für das genutzte Wirtschaftsgut nach den Vorschriften des Bewertungsgesetzes anzusetzende Wert durch 18,6 geteilt wird. A. I. II. III. IV.
Grundaussagen der Vorschrift. . . . . . . . . . Regelungsgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . Bedeutung und Telos . . . . . . . . . . . . . . . . . Geltungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rechtsentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1 1 2 3 4
B. Begrenzung des Jahreswerts bei Nutzung . .
6
C. Höchstens anzusetzender Jahreswert . . . . . 9 D. Kritik an der Begrenzung des Jahreswerts . 13
Literatur: Drosdzol, Ist die bewertungsrechtliche Begrenzung des Jahreswerts von Nutzungen noch zeitgemäß? ZEV 2013, 176; Drosdzol, Begrenzung des Jahreswerts von Nutzungen nach § 16 BewG auch nach Inkrafttreten der Erbschaftsteuerreform – Zugleich Anmerkung zu BFH, Urt. v. 9.4.2014 – II R 48/12, DStR 2014, 1709; Ihle, Anmerkung zur Entscheidung des BFH, Urt. v. 20.11.2013 – II R 38/12 – Zur unterschiedlichen Bewertung eines Wohnungsrechts bei der Schenkungsteuer und der Grunderwerbsteuer, notar 2014, 136; Loose, Anwendbarkeit des § 16 BewG bei Erbschaft- und Schenkungsteuer auch nach Inkrafttreten des ErbStRG, jurisPR-SteuerR 27/2014; Milatz/Herbst, Zur Begrenzung des Jahreswertes von Nutzungen, § 16 BewG, ErbStB 2014, 190.
A. Grundaussagen der Vorschrift I. Regelungsgegenstand § 16 BewG regelt die Begrenzung des Jahreswert von Nutzungen.
1
II. Bedeutung und Telos Mit der Begrenzung des Jahreswerts auf den Wert, der sich ergibt, wenn der Wert des genutzten 2 Wirtschaftsguts durch 18,6 geteilt wird, soll sichergestellt werden, dass der Wert einer Nutzung nicht höher sein kann als der Wert des genutzten Wirtschaftsguts.
III. Geltungsbereich § 16 BewG gehört zum allgemeinen Teil des Ersten Teils des Bewertungsgesetzes und gilt somit für 3 andere Steuerarten, soweit keine besonderen Bewertungsvorschriften gesetzlich vorgesehen sind.
IV. Rechtsentwicklung Die Vorschrift des § 15 BewG ist seit Jahren im Wesentlichen unverändert geblieben.
4
1 Gleich lautende Erlasse v. 10.10.2010, BStBl. I 2010, 810.
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§ 16 BewG Rz. 5 Begrenzung des Jahreswerts von Nutzungen 5 Mit dem Zinsabschlaggesetz vom 9.11.19921 wurde die Begrenzung des Jahreswerts auf das 18,6-fa-
che (vorher 18-fache) angehoben und unmittelbar innerhalb der Anlage 9a umgesetzt.
B. Begrenzung des Jahreswerts bei Nutzung 6 Die Begrenzung des Jahreswerts beschränkt sich auf Nutzungen. Bei der Ermittlung des Kapitalwerts
darf der Jahreswert der Nutzung nach § 16 BewG höchstens mit dem Wert angesetzt werden, der sich ergibt, wenn der für das genutzte Wirtschaftsgut nach den Vorschriften des Bewertungsgesetzes anzusetzende Wert durch 18,6 geteilt wird. Die Bewertung von Nutzungen erfolgt bei einer Beschränkung der Laufzeit auf eine bestimmte Zeit nach § 13 BewG oder bei lebensabhängigen Nutzung nach § 14 BewG. In beiden Fällen beträgt der höchstens anzuwendende Vervielfältiger 18,6. Somit kann wegen der Verquickung von Vervielfältiger und Jahreswert der Wert einer Nutzung rechnerisch nicht höher sein als der Wert des genutzten Wirtschaftsguts. 7 Eine wesentliche Bedeutung hatte § 16 BewG insbesondere für Besteuerungszeitpunkte vor dem
1.1.1996, weil die damals maßgebenden Einheitswerte den Verkehrswert eines Grundstücks nicht annähernd erreichten. Das führte dazu, dass nahezu bei jeder Bewertung einer Nutzung lediglich der begrenzte Jahreswert anzusetzen war. Nachdem mit dem Erbschaftsteuerreformgesetz2 Grundbesitzwerte anzusetzen sind, die den gemeinen Wert eines Grundstücks widerspiegeln sollen, ist der Anwendungsbereich des § 16 BewG zurückgedrängt worden. 8 Dennoch bleibt § 16 BewG immer dann von Bedeutung, wenn ein renditestarkes Wirtschaftsgut
übertragen wird und der tatsächlich erzielte Jahresertrag über dem 18,6-ten Teil des Werts des Wirtschaftsguts liegt. Mit Urteil vom 9.4.20143 hat der BFH bestätigt, dass § 16 BewG für alle Bewertungsverfahren des BewG anwendbar ist, weil alle Nutzungen eines Wirtschaftsguts in ihrer Gesamtheit nicht mehr wert sein können, als das Wirtschaftsgut selber.4
C. Höchstens anzusetzender Jahreswert 9 Der höchstens bei Nutzungen anzusetzende Jahreswert entspricht dem Betrag, der sich ergibt, wenn
der Wert, der sich für das genutzte Wirtschaftsgut nach den Vorschriften des Bewertungsgesetzes ergibt, durch 18,6 geteilt wird. Bei Grundstücken und den wie Grundvermögen bewerteten Betriebsgrundstücken (§ 99 Abs. 1 Nr. 1 BewG) ist Ausgangswert der nach § 157 Abs. 3 i.V.m. §§ 176–198 BewG festgestellte Grundbesitzwert. Der Abzug von Schulden und Lasten ist dabei ausgeschlossen.5 10
Beim Nießbrauch an einer Vermögensmasse ist dagegen der Ertrag des gesamten Vermögens maßgebend. Von den Einnahmen der ertragbringenden Wirtschaftsgüter sind somit die Aufwendungen für ertraglose Wirtschaftsgüter abzuziehen.6
11
Ist die Nutzung auf einen Teil der Gesamtnutzung beschränkt, ist der Höchstbetrag des Jahreswerts nur zu einem entsprechenden Teil anzusetzen.
12
Sofern das Nutzungsrecht dagegen auf einen abgrenzbaren Teil des Wirtschaftsguts beschränkt ist, ist bei der Ermittlung des Höchstbetrags darauf abzustellen, welcher Anteil des Werts des ganzen Wirtschaftsguts auf den Teil entfällt, auf den sich das Nutzungsrecht bezieht. Für obligatorische Nutzungsrechte gilt das nur dann, wenn der Anspruch auf die Nutzung des Wirtschaftsguts beschränkt ist, wenn es sich also um eine sachbezogene Nutzung des Wirtschaftsguts selbst handelt und darüber hinausgehende Ansprüche gegen den Nutzungsverpflichteten ausgeschlossen sind.7
1 2 3 4 5 6 7
Zinsabschlaggesetz v. 9.11.1992, BGBl. I 1992, 1853. ErbStRG v. 24.12.2008, BGBl. I 2008, 3018. BFH v. 9.4.2014 – II R 48/12, DStR 2014, 1055. Kritisch hierzu Milatz/Herbst, ErbStB 2014, 190. Vgl. hierzu das zur Einheitsbewertung ergangene Urteil des BFH v. 23.7.1980 – II R 62/77, BStBl. II 1980, 748. BFH v. 21.11.1969 – III R 14/66, III R 15/66, III R 14-15/66, BStBl. II 1970, 368. BFH v. 24.4.1970 – III R 36/67, BStBl. II 1970, 591.
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Kritik an der Begrenzung des Jahreswerts
Rz. 15 § 16 BewG
Beispiel: Ein Nießbrauchsrecht bezieht sich nur das Erdgeschoss eines Zweifamilienhauses mit zwei gleich großen Wohnungen. Bei der Begrenzung des Jahreswerts ist nur die auf das Erdgeschoss entfallende Hälfte des Grundbesitzwerts des Zweifamilienhauses durch 18,6 zu dividieren.
D. Kritik an der Begrenzung des Jahreswerts Die Begrenzung des Jahreswerts ist aus unterschiedlichen Gründen in die Kritik geraten. Ein Grund 13 ist die Tatsache, dass bei der Grundbesitzbewertung im Rahmen des Nachweises des niedrigeren gemeinen Werts nach § 198 BewG eine Ungleichbehandlung möglich ist. Grundbesitz ist nach § 12 Abs. 3 ErbStG mit dem nach § 151 Abs. 1 Nr. 1 BewG festgestellten Grund- 14 besitzwert anzusetzen. Sofern das übertragene Grundstück mit einer Duldungsauflage übertragen worden ist, wird der Wert der Auflage – beispielsweise ein Wohnrecht – nicht bei der Bewertung des Grundstücks, sondern erst bei der Ermittlung des steuerpflichtigen Erwerbs abgezogen. Weist der Steuerpflichtige jedoch den niedrigeren gemeinen Wert durch ein Sachverständigengutachten nach, ist die Belastung des Grundstücks bereits innerhalb der Bewertung des Grundstücks zu berücksichtigen. Ursächlich hierfür ist der Bezug in § 198 BewG auf die bei der Ermittlung des Verkehrswerts maßgebende Vorschrift des § 199 Abs. 1 BauGB. Die Unterschiedlichkeit der Wertermittlung ist durch die Verschiedenartigkeit der Definition des Umfangs der wirtschaftlichen Einheit in den beiden Rechtsgebieten – BewG einerseits, BauGB andererseits – bedingt. Dieses Nebeneinander führt keineswegs nur zu unterschiedlichen Rechenwegen, sondern zu unter- 15 schiedlichen Ergebnissen. Während sich die Ermittlung des Werts einer Nutzung nach §§ 13 bis 16 BewG richtet, also einschließlich der Begrenzung des Jahreswerts, ist der Grundstückssachverständige bei der Bewertung des (Netto-)Verkehrswerts nicht an diese Regelungen gebunden. Somit könnte insoweit ein höherer Wert der Belastung abgezogen werden, als dies unter Berücksichtigung des begrenzten Jahresertrags zulässig wäre.1
1 Zu dieser Problematik vgl. Loose, Anwendbarkeit des § 16 BewG bei Erbschaft- und Schenkungsteuer auch nach Inkrafttreten des ErbStRG, jurisPR-SteuerR 27/2014 Anm. 4; Ihle, notar 2014, 136; Drosdzol, DStR 2014, 1709. Vgl. ferner BFH v. 20.11.2013 – II R 38/12, BStBl II 2014, 479; v. 9.4.2014 – II R 48/12, BStBl II 2014, 554.
Mannek
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§ 158 BewG Begriff des land- und forstwirtschaftlichen Vermögens
Zweiter Teil Besondere Bewertungsvorschriften Sechster Abschnitt Vorschriften für die Bewertung von Grundbesitz, von nicht notierten Anteilen an Kapitalgesellschaften und von Betriebsvermögen für die Erbschaftsteuer ab 1. Januar 2009 B. Land- und fortwirtschaftliches Vermögen I. Allgemeines
§ 158 Begriff des land- und forstwirtschaftlichen Vermögens (1) 1Land- und Forstwirtschaft ist die planmäßige Nutzung der natürlichen Kräfte des Bodens zur Erzeugung von Pflanzen und Tieren sowie die Verwertung der dadurch selbst gewonnenen Erzeugnisse. 2Zum land- und forstwirtschaftlichen Vermögen gehören alle Wirtschaftsgüter, die einem Betrieb der Land- und Forstwirtschaft zu diesem Zweck auf Dauer zu dienen bestimmt sind. (2) 1Die wirtschaftliche Einheit des land- und forstwirtschaftlichen Vermögens ist der Betrieb der Land- und Forstwirtschaft. 2Wird ein Betrieb der Land- und Forstwirtschaft in Form einer Personengesellschaft oder Gemeinschaft geführt, sind in die wirtschaftliche Einheit auch die Wirtschaftsgüter einzubeziehen, die einem oder mehreren Beteiligten gehören, wenn sie dem Betrieb der Land- und Forstwirtschaft auf Dauer zu dienen bestimmt sind. (3) 1Zu den Wirtschaftsgütern, die der wirtschaftlichen Einheit Betrieb der Land- und Forstwirtschaft zu dienen bestimmt sind, gehören insbesondere 1. der Grund und Boden, 2. die Wirtschaftsgebäude, 3. die stehenden Betriebsmittel, 4. der normale Bestand an umlaufenden Betriebsmitteln, 5. die immateriellen Wirtschaftsgüter, 6. die Wohngebäude und der dazugehörende Grund und Boden. 2Als normaler Bestand an umlaufenden Betriebsmitteln gilt ein solcher, der zur gesicherten Fortführung des Betriebs erforderlich ist. (4) Zum land- und forstwirtschaftlichen Vermögen gehören nicht 1. Grund und Boden sowie Gebäude und Gebäudeteile, die nicht land- und forstwirtschaftlichen Zwecken dienen, 2. Kleingartenland und Dauerkleingartenland, 3. Geschäftsguthaben, Wertpapiere und Beteiligungen, 4. über den normalen Bestand hinausgehende Bestände an umlaufenden Betriebsmitteln, 5. 1Tierbestände oder Zweige des Tierbestands und die hiermit zusammenhängenden Wirtschaftsgüter (zum Beispiel Gebäude und abgrenzbare Gebäudeteile mit den dazugehörenden Flächen, Betriebsmittel), wenn die Tiere weder zur landwirtschaftlichen Nutzung noch nach § 175 zu den übrigen land- und forstwirtschaftlichen Nutzungen gehören. 2Die Zugehörigkeit der landwirtschaftlich genutzten Flächen zum land- und forstwirtschaftlichen Vermögen wird hierdurch nicht berührt, 6. Geldforderungen und Zahlungsmittel, 7. Pensionsverpflichtungen. (5) Verbindlichkeiten gehören zum land- und forstwirtschaftlichen Vermögen, soweit sie nicht im unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhang mit den in Absatz 4 genannten Wirtschaftsgütern stehen. 960
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Grundaussagen der Vorschrift A. I. II. III.
Grundaussagen der Vorschrift. . . . . . . . . . Regelungsgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . Bedeutung und Telos . . . . . . . . . . . . . . . . . Geltungsbereich und Verhältnis zu anderen Vorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Rechtsentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Begriff des land- und forstwirtschaftlichen Vermögens (Abs. 1) . . . . . . . . . . . . . I. Definition (Abs. 1 Satz 1) . . . . . . . . . . . . . . II. Zugehörigkeit zum land- und forstwirtschaftlichen Vermögen (Abs. 2 Satz 2) . . . . . C. Wirtschaftliche Einheit des land- und forstwirtschaftlichen Vermögens (Abs. 2) . I. Betriebsbegriff (Abs. 2 Satz 1) . . . . . . . . . . . II. Betriebsbegriff bei Gesellschaften (Abs. 2 Satz 2) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Rz. 1 § 158 BewG
D. Umfang des land- und forstwirtschaftlichen Vermögens (Abs. 3) . . . . . . . . . . . . . I. Aufzählung der zugehörigen Wirtschaftsgüter (Abs. 3 Satz 1) . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Definition des normalen Bestands an umlaufenden Betriebsmitteln (Abs. 3 Satz 2) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Zugehörigkeit zum land- und forstwirtschaftlichen Vermögen bei fehlender Bewirtschaftung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . E. Abgrenzung vom übrigen Vermögen (Abs. 4) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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F. Zuordnung von Verbindlichkeiten (Abs. 5) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17
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Literatur: Bahrs, Die Bewertung des landwirtschaftlichen Vermögens für die Erbschaftsteuer, HLBS-Report 2008, 210; Brüggemann, Rückausnahme Verpachtung: Gewerbebetriebe und Land- und Forstwirtschaft, ErbBStG 2010, 67; Bruschke, Die Bewertung des LuF-Vermögens für die Erbschaft und Schenkungsteuer, ErbStB 2009, 320; Eisele, Nutzungsüberlassungen in der Land- und Forstwirtschaft, NWB 2015, 1381; Eisele, Komplexe Änderungen durch Neuregelung – ErbStRG: Bewertung des land- und forstwirtschaftlichen Vermögens, NWB 2009, 3997; Hutmacher, Erbschaftsteuerreform: Die Bewertung und Verschonung land- und forstwirtschaftlichen Vermögens, ZEV 2008, 22; Hutmacher, Die Bewertung des Wirtschaftsteils eines Betriebs der Land und Forstwirtschaft, ZEV 2009, 22; Jäckel, Bewertung und Besteuerung des land- und forstwirtschaftlichen Vermögens, FR 2009 Beilage zu Heft 11, 33; Krause, Grundbesitzbewertung von Betrieben der Land- und Forstwirtschaft – der Wirtschaftsteil NWB 2014, 110; Krause, Grundbesitzbewertung von Betrieben der Land- und Forstwirtschaft – Ermittlung des Wirtschaftswert, des Mindestwerts und des Fortführungswerts, NWB 2012, 1768; von Cölln, Bewertung des forstwirtschaftlichen Vermögens für Zwecke der Erbschaft- und Schenkungsteuer, ZEV 2011, 182; Wenhardt, Die Land- und Forstwirtschaft im Steuerrecht – Eine Darstellung aus einkommensteuer- und erbschaftsteuerlicher Sicht, NWB-EV 2011, 201; Wiegand, Abgrenzung der Land- und Forstwirtschaft vom Gewerbe, NWB 2012, 460; Wiegand, Die Bewertung des land- und forstwirtschaftlichen Vermögens nach dem Gesetz zur Reform des Erbschaftsteuer- und Bewertungsrechts, StW 2010, 56. Verwaltungsanweisungen: R B 158.1–158.4 ErbStR 2011; H B 158.1(1)–158.2 ErbStH 2011.
A. Grundaussagen der Vorschrift I. Regelungsgegenstand Die Vorschriften des Teils B. des 6. Abschnitts des Bewertungsgesetzes bestimmen die Durchführung 1 der Bewertung des land- und forstwirtschaftlichen Vermögens für Zwecke der Erbschaft- und Schenkungsteuer und – aufgrund der rückwirkenden Neufassung des § 8 Abs. 2 GrEStG durch das StÄndG 20151 – für Zwecke der Grunderwerbsteuer. Land- und forstwirtschaftliche Betriebe als Generationenbetriebe werden nur in wenigen Fällen im Ganzen veräußert. Ein Marktwert eines ganzen Betriebs kann daher regelmäßig nicht aus Verkaufsfällen oder Statistiken bestimmt werden. Das Konzept zur Bewertung des land- und forstwirtschaftlichen Vermögens sieht daher ein typisierendes Verfahren vor, das sich am gemeinen Wert unter Berücksichtigung der Betriebsfortführung orientieren soll (modifizierter Verkehrswert). Darüber hinaus beruhen die für die Bewertung des landund forstwirtschaftlichen Vermögens erforderlichen Vorschriften im Wesentlichen auf den bisherigen Definitionen und Abgrenzungsregelungen zur Einheitsbewertung und zur Bedarfsbewertung nach dem 4. Abschnitt des Bewertungsgesetzes.
1 StÄndG 2015 v. 2.11.2015, BStBl. I 2015, 1834.
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§ 158 BewG Rz. 2 Begriff des land- und forstwirtschaftlichen Vermögens 2 Für Betriebe der Land- und Forstwirtschaft muss im Erb- oder Schenkfall der Wert des Betriebs im
Ganzen ermittelt werden. § 158 BewG definiert den Begriff des land- und forstwirtschaftlichen Betriebes und legt den Umfang fest. Die Bewertung eines land- und forstwirtschaftlichen Wirtschaftsteils erfolgt nach dem Reingewinnverfahren des § 163 BewG unter Beachtung eines Mindestwertes nach § 164 und steht unter dem Nachbewertungsvorbehalt des § 166 BewG.
II. Bedeutung und Telos 3 Nach § 13b Abs. 1 Nr. 1 ErbStG wird nur der Wirtschaftsteil des land- und forstwirtschaftlichen Ver-
mögens dem begünstigten Vermögen zugeordnet, für das eine Befreiung nach § 13a ErbStG in Betracht kommt. Somit ist eine Abgrenzung vom Grundvermögen, vom Betriebsvermögen und vom übrigen Vermögen notwendig.
III. Geltungsbereich und Verhältnis zu anderen Vorschriften 4 Der § 158 BewG ist lex specialis für Zwecke der Bewertung zur Ermittlung der Bemessungsgrund-
lage für die Erbschaft- und Schenkungsteuer gegenüber dem für die Einheitsbewertung geltenden § 33 BewG. Weitere den Definitionsbereich des § 158 BewG ergänzende Regelungen sind in den §§ 159 und 160 BewG normiert.
IV. Rechtsentwicklung 5 Der § 158 BewG wurde durch das Erbschaftsteuerreformgesetz1 vom 24.12.2008 in das Bewertungs-
gesetz eingefügt und gilt gem. § 205 Abs. 1 BewG für Bewertungsstichtage ab dem 1.1.2009. Für Stichtage bis zum 31.12.2008 galten die §§ 140 bis 144 BewG, die für Zwecke der Grunderwerbsteuer bis zur rückwirkenden Neufassung des § 8 Abs. 2 GrEStG durch das StÄndG 20152 weiterhin anzuwenden waren.
B. Begriff des land- und forstwirtschaftlichen Vermögens (Abs. 1) I. Definition (Abs. 1 Satz 1) 6 § 158 BewG definiert den Begriff der Land- und Forstwirtschaft tätigkeitsbezogen.3 Dazu wurde die
Begriffsbestimmung aus dem Einkommensteuerrecht in das Bewertungsgesetz übernommen. Danach ist Land- und Forstwirtschaft die planmäßige Nutzung der natürlichen Kräfte des Bodens zur Erzeugung von Pflanzen und Tieren sowie die Verwertung der dadurch selbstgewonnenen Erzeugnisse.4 Der Sammelbegriff umfasst neben der Landwirtschaft und der Forstwirtschaft auch den Weinbau, den Gartenbau und die sonstigen Betriebszweige. Betreibt der Landwirt selbst eine Windkraft-, Fotovoltaik- oder Wasserkraftanlage, so handelt es sich nicht um die Be- und Verarbeitung von landund forstwirtschaftlicher Urproduktion,5 da es sich nicht um die planmäßige Nutzung der natürlichen Kräfte des Bodens handelt.6 Bei Biogasanlagen wird dagegen die Biomasse als Urerzeugnis in der Anla1 ErbStRG v. 24.12.2008, BGBl. I 2008, 3018. 2 StÄndG 2015 v. 2.11.2015, BStBl. I 2015, 1834. 3 Vgl. wegen der Abgrenzung vom Gewerbe ausführlich Wiegand, Abgrenzung der Land- und Forstwirtschaft vom Gewerbe, NWB 2012, 460 sowie die gleich lautenden Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder zur Abgrenzung des land- und forstwirtschaftlichen Vermögens vom Betriebsvermögen, BStBl. I 2011, 1213. 4 Vgl. R 15.5 Abs. 1 Nr. 1 EstR; Kulosa in Schmidt35, § 13 EStG Rz. 3 sowie die gleich lautenden Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder zur Abgrenzung des land- und forstwirtschaftlichen Vermögens vom Betriebsvermögen, BStBl. I 2011, 1213. 5 Vgl. R 15.5 Abs. 12 Satz 1 EStR 2011. 6 Vgl. Nacke in Blümich, § 13 EStG Rz. 133a (Stand: Januar 2016).
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Begriff des land- und forstwirtschaftlichen Vermögens (Abs. 1)
Rz. 8 § 158 BewG
ge weiterverarbeitet, so dass die Weiterverarbeitung zu Biogas die erste Produktionsstufe des Nebenbetriebs darstellt. Die Erzeugung von Biogas ist Teil der land- und forstwirtschaftlichen Urproduktion, wenn die Biomasse überwiegend im eigenen Betrieb erzeugt wird und das Biogas bzw. die daraus erzeugte Energie (Wärme, Strom) überwiegend im eigenen Betrieb verwendet wird.1
II. Zugehörigkeit zum land- und forstwirtschaftlichen Vermögen (Abs. 2 Satz 2) Dienen Wirtschaftsgüter nach ihrer Zweckbestimmung einer land- und forstwirtschaftlichen Tätigkeit 7 dauerhaft zurplanmäßigen und ständigen Bewirtschaftung, werden sie unter objektiven Gesichtspunkten dieser Vermögensart zugerechnet. Die Einstellung einer land- und forstwirtschaftlichen Tätigkeit würde grundsätzlich zum Wegfall der Voraussetzungen des § 158 Abs. 1 Satz 1 BewG führen. Infolgedessen sind nicht genutzte Wirtschaftsgüter bis zu einer anderweitigen Zweckbestimmung sowie die unentgeltliche oder entgeltliche Nutzungsüberlassung der wirtschaftlichen Einheit dem Betrieb der Land- und Forstwirtschaft zuzurechnen.2 Eine Betriebsverpachtung im Ganzen ist als Fortsetzung der bisherigen Tätigkeit auf andere Art und Weise anzusehen, wenn der bisherige Eigentümer am Bewertungsstichtag die wesentlichen Wirtschaftsgüter des Betriebs an andere zur land- und forstwirtschaftlichen Nutzung überlassen hatte und die Voraussetzungen für eine Stückländerei3 nicht vorliegen. Beispiel (vgl. auch H B 158 Abs. 1 ErbStH 2011): V hat seinen Betrieb mit 100 Hektar landwirtschaftlicher und 50 Hektar forstwirtschaftlich genutzter Fläche nebst Besatzkapital seit zwei Jahren im Ganzen verpachtet. V möchte seinen Betrieb im Wege der vorweggenommenen Erbfolge auf sein Kind K übertragen, das sich noch für drei Jahre in Berufsausbildung befindet. K tritt in den bestehenden Pachtvertrag ein, der noch für drei Jahre abgeschlossen ist.
Zum land- und forstwirtschaftlichen Vermögen gehören alle Wirtschaftsgüter, die objektiv einem Be- 8 trieb der Land- und Forstwirtschaft dauernd zu dienen bestimmt sind. Da alle wesentlichen Wirtschaftsgüter im Rahmen der Betriebsverpachtung im Ganzen weiterhin land- und forstwirtschaftlichen Zwecken dienen, ist die Verpachtung als Fortsetzung der bisherigen Tätigkeit auf andere Art und Weise anzusehen. Eine Betriebsverpachtung im Ganzen ist stets anzunehmen, wenn die am Bewertungsstichtag im Rahmen des Erbschaft- oder Schenkungsfalls übergegangenen wesentlichen Wirtschaftsgüter des Betriebs i.S.d. § 158 Abs. 3 Nr. 1 bis 3 und 5 BewG (Grund und Boden, Wirtschaftsgebäude, stehende Betriebsmittel und immaterielle Wirtschaftsgüter) an andere zur land- und forstwirtschaftlichen Nutzung überlassen sind und keine Stückländerei vorliegt.4 Auf die Dauer der Nutzungsüberlassung am Bewertungsstichtag kommt es in diesen Fällen nicht an. Ohne rechtliche Relevanz ist, ob die stehenden Betriebsmittel die Voraussetzungen der R B 162 Abs. 4 Satz 3 ErbStR erfüllen oder die wesentlichen Wirtschaftsgüter an einen bzw. mehrere Land- und Forstwirte zur Nutzung überlassen sind.5 Somit geht ein Betrieb der Land- und Forstwirtschaft über, der für sich betrachtet voll funktionsfähig ist. Eine Betriebsverpachtung im Ganzen kann auch vorliegen, wenn der am Bewertungsstichtag im Rahmen des Erbschaft- oder Schenkungsfalls übergegangene Grund und Boden und ein weiteres übergegangenes Wirtschaftsgut i.S.d. § 158 Abs. 3 Nr. 2 bis 3 und 5 BewG (Wirtschaftsgebäude, stehende Betriebsmittel und immaterielle Wirtschaftsgüter) an andere zur land- und forstwirtschaftlichen Nutzung überlassen sind und keine Stückländerei vorliegt. Zahlungsansprüche nach den jeweils gültigen EU-Verordnungen sind zwar grundsätzlich immaterielle Wirtschaftsgüter, jedoch bei der Prüfung einer Betriebsverpachtung im Ganzen nicht zu berücksichtigen, da sie unabhängig von der konkret verpachteten Fläche vom Pächter aktiviert werden können. Werden hingegen einzelne 1 Vgl. BMF v. 6.3.2006, BStBl. I 2006, 248. 2 Vgl. die gleich lautenden Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder zur Bewertung des land- und forstwirtschaftlichen Vermögens für Zwecke der Erbschaft-/Schenkungsteuer in Fällen der Nutzungsüberlassung v. 4.12.2014, BStBl. I 2014, 1577 sowie Eisele in Rössler/Troll, § 158 BewG Rz. 3 (Stand: Oktober 2015) und Eisele, Nutzungsüberlassungen in der Land- und Forstwirtschaft, NWB 2015, 1381. 3 Vgl. R B 185 Abs. 1 Satz 3 ff. ErbStR 2011. 4 Vgl. R B 158 Absatz 1 Satz 5 ErbStR 2011. 5 Vgl. die gleich lautenden Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder zur Bewertung des land- und forstwirtschaftlichen Vermögens für Zwecke der Erbschaft-/Schenkungsteuer in Fällen der Nutzungsüberlassung v. 4.12.2014, BStBl. I 2014, 1577.
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§ 158 BewG Rz. 9 Begriff des land- und forstwirtschaftlichen Vermögens Wirtschaftsgüter ohne anderweitige Zweckbestimmung zurückbehalten und liegen im Rahmen des Erbschaft- oder Schenkungsfalls dennoch die tatbestandsmäßigen Voraussetzungen einer Betriebsverpachtung im Ganzen vor, ist dies unschädlich.1
C. Wirtschaftliche Einheit des land- und forstwirtschaftlichen Vermögens (Abs. 2) I. Betriebsbegriff (Abs. 2 Satz 1) 9 Der Betrieb der Land- und Forstwirtschaft setzt weder eine Mindestgröße noch einen vollen land-
und forstwirtschaftlichen Besatz mit Wirtschaftsgebäuden, Betriebsmitteln usw. voraus. Auch ein einzelnes land- und forstwirtschaftlich genutztes Grundstück, das gem. § 159 BewG nicht zum Grundvermögen zu rechnen ist, kann ein Betrieb der Land- und Forstwirtschaft sein. Mehrere Flächen werden ohne Rücksicht auf ihre räumliche Lage unter der Voraussetzung zu einer wirtschaftlichen Einheit vereinigt, dass sie zusammen bewirtschaftet werden und zwischen ihnen ein wirtschaftlicher Zusammenhang besteht. Das ist zu verneinen, wenn die Bewirtschaftung abgelegener Flächen von der Hofstelle oder einem sonstigen Sitz der Betriebsleitung aus nach der Verkehrsauffassung nicht möglich ist oder der Betriebsinhaber keine unmittelbare Einwirkungsmöglichkeit und eigene Aufsicht über die sachdienliche Nutzung dieser Flächen hat. Im Erbbaurecht befindliche land- und forstwirtschaftliche Nutzflächen bilden mit dem übrigen Betrieb der Land- und Forstwirtschaft des Erbbauberechtigten grundsätzlich eine wirtschaftliche Einheit.2
II. Betriebsbegriff bei Gesellschaften (Abs. 2 Satz 2) 10
Wird ein Betrieb der Land- und Forstwirtschaft von einer (Personen-)Gesellschaft oder Gemeinschaft betrieben, ist gem. § 158 Abs. 2 Satz 2 BewG der Wert des land- und forstwirtschaftlichen Vermögens einheitlich zu ermitteln (vgl. § 3 BewG). Dabei sind außer den Wirtschaftsgütern, die der Gesellschaft oder Gemeinschaft gehören, auch die im Eigentum eines oder mehrerer Gesellschafter oder Gemeinschafter stehenden und dem Betrieb auf Dauer zu dienen bestimmten Wirtschaftsgüter in den Betrieb einzubeziehen. Dagegen scheidet die Zurechnung von solchen Wirtschaftsgütern zum Betrieb aus, die zwar dem Betrieb dauernd zu dienen bestimmt sind, jedoch im Eigentum eines Nichtgesellschafters bzw. Nichtgemeinschafters stehen. Dies gilt auch bei Ehegatten. Beispiel: Im Eigentum eines Beteiligten stehende Nutzflächen, Gebäude oder Betriebsmittel werden von der Gesellschaft oder Gemeinschaft genutzt. Diese Wirtschaftsgüter sind in die wirtschaftliche Einheit des land- und forstwirtschaftlichen Betriebes einzubeziehen.
D. Umfang des land- und forstwirtschaftlichen Vermögens (Abs. 3) I. Aufzählung der zugehörigen Wirtschaftsgüter (Abs. 3 Satz 1) 11
Zu den Wirtschaftsgütern, die der wirtschaftlichen Einheit Betrieb der Land- und Forstwirtschaft zu dienen bestimmt sind, gehören insbesondere – der Grund und Boden, – die Wirtschaftsgebäude, – die stehenden Betriebsmittel, – der normale Bestand an umlaufenden Betriebsmitteln, – die immateriellen Wirtschaftsgüter und 1 Vgl. Eisele in Rössler/Troll, § 158 BewG Rz. 7 (Stand: Oktober 2015). 2 Vgl. Krause, NWB 2014, 110.
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Abgrenzung vom übrigen Vermögen (Abs. 4)
Rz. 14 § 158 BewG
– die Wohngebäude und der dazugehörende Grund und Boden. Die Aufzählung der einzelnen Wirtschaftsgüter in § 158 Abs. 3 Satz 1 BewG ist nicht abschließend. Entscheidend ist die Zweckbestimmung der Wirtschaftsgüter am Bewertungsstichtag. Zu den Betriebsmitteln eines Betriebs der Land- und Forstwirtschaft gehören außer den Pflanzenbeständen und Vorräten, den Maschinen und Geräten auch die Tierbestände nach Maßgabe der §§ 169 und 175 BewG.
II. Definition des normalen Bestands an umlaufenden Betriebsmitteln (Abs. 3 Satz 2) Der normale Bestand an umlaufenden Betriebsmitteln wird in Abs. 3 Satz 2 BewG definiert als sol- 12 cher, der zur gesicherten Fortführung des Betriebs erforderlich ist. Eine weitergehende Definition enthält § 170 BewG für landwirtschaftliche Betriebe, § 171 BewG für die forstwirtschaftliche Nutzung und § 173 BewG für die weinbauliche Nutzung.
III. Zugehörigkeit zum land- und forstwirtschaftlichen Vermögen bei fehlender Bewirtschaftung Der Grund und Boden sowie die Gebäude, die einem Betrieb der Land- und Forstwirtschaft dauernd 13 zu dienen bestimmt sind, gehören auch dann zum land- und forstwirtschaftlichen Vermögen, wenn der Betrieb ganz oder in Teilen auf bestimmte oder unbestimmte Zeit nicht bewirtschaftet wird. Das ist der Fall, wenn sie keine Zweckbestimmung erhalten haben, die zu einer zwingenden Zuordnung zum Grund- oder Betriebsvermögen führen. Eine solche Fallgestaltung kann z.B. vorliegen hinsichtlich des Grund und Bodens, der auf bestimmte oder unbestimmte Zeit nicht land- und forstwirtschaftlich genutzt wird, des Wohnteils, der wegen Änderung der Anzahl der zum Haushalt des Betriebsinhabers gehörenden Familienangehörigen oder der Altenteiler nicht oder nicht voll genutzt wird oder der Wirtschaftsgebäude, die vorübergehend oder dauernd teilweise oder ganz leer stehen. Beispiel: Stillgelegte Flächen oder der leer stehende Rindviehstall eines Betriebs, dessen Inhaber wegen Wirtschaftsumstellung das Rindvieh abgeschafft hat, gehören weiterhin zum land- und forstwirtschaftlichen Vermögen.
E. Abgrenzung vom übrigen Vermögen (Abs. 4) Im Gegensatz zu den in § 158 Abs. 3 BewG genannten Wirtschaftsgütern gehören gem. § 158 Abs. 4 14 BewG – der Grund und Boden sowie die Gebäude und Gebäudeteile, die nicht land- und forstwirtschaftlichen Zwecken dienen, – das Kleingartenland und das Dauerkleingartenland, – das Geschäftsguthaben, die Wertpapiere und die Beteiligungen, – die über den normalen Bestand hinausgehenden Bestände an umlaufenden Betriebsmitteln, – die Tierbestände oder Zweige des Tierbestands und die hiermit zusammenhängenden Wirtschaftsgüter (z.B. Gebäude und abgrenzbare Gebäudeteile mit den dazugehörenden Flächen), wenn die Tiere weder zur landwirtschaftlichen Nutzung noch nach § 175 zu den übrigen land- und forstwirtschaftlichen Nutzungen gehören, – die Geldforderungen, die Zahlungsmittel und – die Pensionsverpflichtungen nicht zum land- und forstwirtschaftlichen Vermögen. Somit können diese Wirtschaftsgüter nicht in die Steuerbefreiung nach § 13b Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 13a ErbStG einbezogen werden, obwohl diese Vermögensgegenstände ertragsteuerlich zum land- und forstwirtschaftlichen Vermögen gehören. Für diese Vermögensgegenstände können ggf. andere Steuerbefreiungsvorschriften in Betracht kommen.
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§ 158 BewG Rz. 15 Begriff des land- und forstwirtschaftlichen Vermögens 15
Zu den Beteiligungen gehören insbesondere die Anteile an anderen Personengesellschaften bzw. -gemeinschaften oder Anteile an Kapitalgesellschaften, für die jeweils ein eigenständiger Wert zu ermitteln ist. So ist auch für Beteiligungen an Maschinengesellschaften, die ausschließlich für ihre Gesellschafter bzw. Gemeinschafter tätig sind. ein eigenständiger Wert zu ermitteln und dem übrigen Vermögen zuzurechnen (§ 151 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 BewG).
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Ein Überbestand an umlaufenden Betriebsmitteln eines Betriebs der Land- und Forstwirtschaft wird in der Weise ermittelt, dass vom gesamten Wert der umlaufenden Betriebsmittel der gesamte Wert des Normalbestandes an umlaufenden Betriebsmitteln abgezogen wird.1 Dabei ist nach Nutzungen vorzugehen.
F. Zuordnung von Verbindlichkeiten (Abs. 5) 17
Verbindlichkeiten des land- und forstwirtschaftlichen Betriebs gehören zum land- und forstwirtschaftlichen Vermögen, wenn sie nicht in unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang mit den in Abs. 4 genannten Wirtschaftsgütern stehen. Somit ist der land- und forstwirtschaftliche Grundbesitzwert bereits als Reinvermögen bei der Erbschaft- und Schenkungsteuerfestsetzung anzusetzen. Gegebenenfalls müssen die Verbindlichkeiten aufgeteilt werden, wenn eine Zugehörigkeit zu verschiedenen Vermögensarten vorliegt (z.B. Verbindlichkeiten aus der Erstellung eines Hauses, welches wegen der Vermietung einer Wohnung an fremde Dritte teilweise zum Grundvermögen gehört).
§ 159 Abgrenzung land- und forstwirtschaftlich genutzter Flächen zum Grundvermögen (1) Land- und forstwirtschaftlich genutzte Flächen sind dem Grundvermögen zuzurechnen, wenn nach ihrer Lage, den am Bewertungsstichtag bestehenden Verwertungsmöglichkeiten oder den sonstigen Umständen anzunehmen ist, dass sie in absehbarer Zeit anderen als land- und forstwirtschaftlichen Zwecken, insbesondere als Bauland, Industrieland oder Land für Verkehrszwecke, dienen werden. (2) Bildet ein Betrieb der Land- und Forstwirtschaft die Existenzgrundlage des Betriebsinhabers, so sind dem Betriebsinhaber gehörende Flächen, die von einer Stelle aus ordnungsgemäß nachhaltig bewirtschaftet werden, dem Grundvermögen nur dann zuzurechnen, wenn mit großer Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist, dass sie spätestens nach zwei Jahren anderen als land- und forstwirtschaftlichen Zwecken dienen werden. (3) 1Flächen sind stets dem Grundvermögen zuzurechnen, wenn sie in einem Bebauungsplan als Bauland festgesetzt sind, ihre sofortige Bebauung möglich ist und die Bebauung innerhalb des Plangebiets in benachbarten Bereichen begonnen hat oder schon durchgeführt ist. 2Satz 1 gilt nicht für die Hofstelle und für andere Flächen in unmittelbarem räumlichen Zusammenhang mit der Hofstelle bis zu einer Größe von insgesamt 1 Hektar. A. I. II. III.
Grundaussagen der Vorschrift. . . . . . . . . . Regelungsgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . Bedeutung und Telos . . . . . . . . . . . . . . . . . Geltungsbereich und Verhältnis zu anderen Vorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Rechtsentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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B. Nutzungsänderung in absehbarer Zeit (Abs. 1) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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1 Vgl. R B 158.4 Abs. 3 ErbStR 2011.
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C. Schutz der Existenzgrundlage des Betriebsinhabers (Abs. 2) . . . . . . . . . . . . . . D. In einem Bebauungsplan ausgewiesenes Bauland (Abs. 3) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Zwingende Zuordnung (Abs. 3 Satz 1) . . . . . II. Ausnahme für die Hofstelle und damit zusammenhängende Flächen (Abs. 3 Satz 2) . .
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Nutzungsänderung in absehbarer Zeit (Abs. 1)
Rz. 5 § 159 BewG
Literatur: Hutmacher, Erbschaftsteuerreform: Die Bewertung und Verschonung land- und forstwirtschaftlichen Vermögens, ZEV 2008, 22; Jäckel, Bewertung und Besteuerung des land- und forstwirtschaftlichen Vermögens, FR 2009 Beilage zu Heft 11, 33; von Cölln, Bewertung des forstwirtschaftlichen Vermögens für Zwecke der Erbschaftund Schenkungsteuer, ZEV 2011, 182; Wiegand, Die Bewertung des land- und forstwirtschaftlichen Vermögens nach dem Gesetz zur Reform des Erbschaftsteuer- und Bewertungsrechts, StW 2010, 56. Verwaltungsanweisungen: R B 159 ErbStR 2011; H B 159 ErbStH 2011.
A. Grundaussagen der Vorschrift I. Regelungsgegenstand Die Vorschrift regelt die Abgrenzung bestimmter land- und forstwirtschaftlich genutzter Flächen zum 1 Grundvermögen.
II. Bedeutung und Telos Ziel der Vorschrift ist, land- und forstwirtschaftlichen Flächen, bei denen eine anderweitige künftige 2 Nutzung zu erwarten ist, trotz bestehender landwirtschaftlicher Nutzung zum Grundvermögen zuzuordnen.
III. Geltungsbereich und Verhältnis zu anderen Vorschriften Die Vorschrift entspricht dem für die Einheitsbewertung geltenden § 69 BewG. Auch nach der amtli- 3 chen Begründung sollen keine inhaltlichen Unterschiede zum § 69 BewG bestehen. § 159 BewG ist zudem lex specialis gegenüber § 158 BewG, da die Regelung des § 159 BewG die nach § 158 Abs. 3 BewG getroffene Zuordnung zum land- und forstwirtschaftlichen Vermögen korrigiert. Grundstücke, die land- und forstwirtschaftlich genutzt werden, gehören grundsätzlich gem. § 158 BewG zum land- und forstwirtschaftlichen Vermögen. Abweichend hiervon ordnet § 159 BewG bestimmte Grundstücksflächen dem Grundvermögen zu. Die nach dieser Vorschrift dem Grundvermögen zugeordneten Grundstücke sind nach den §§ 176 ff. BewG zu bewerten.
IV. Rechtsentwicklung Der § 159 BewG wurde durch das Erbschaftsteuerreformgesetz1 vom 24.12.2008 in das Bewertungs- 4 gesetz eingefügt und gilt gem. § 205 Abs. 1 BewG für Bewertungsstichtage ab dem 1.1.2009. Für Stichtage bis zum 31.12.2008 galten die §§ 140–144 BewG, die für Zwecke der Grunderwerbsteuer bis zur rückwirkenden Neufassung des § 8 Abs. 2 GrEStG durch das StÄndG 20152 weiterhin anzuwenden waren.
B. Nutzungsänderung in absehbarer Zeit (Abs. 1) Land- und forstwirtschaftlich genutzte Flächen sind dem Grundvermögen zuzurechnen, wenn nach 5 ihrer Lage, den am Bewertungsstichtag bestehen den Verwertungsmöglichkeiten oder den sonstigen Umständen anzunehmen ist, dass sie in absehbarer Zeit anderen als land- und forstwirtschaftlichen Zwecken dienen werden (z.B. Bauland, Industrieland oder Land für Verkehrszwecke). Anknüpfungspunkte für eine Nutzungsänderung sind z.B. die unmittelbare Nachbarschaft zu einem Neubaugebiet, die Einleitung eines Umlegungsverfahrens oder der Erwerb von Flächen zu Baulandpreisen, wenn die
1 ErbStRG v. 24.12.2008, BGBl. I 2008, 3018. 2 StÄndG 2015 v. 2.11.2015, BStBl. I 2015, 1834.
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§ 159 BewG Rz. 6 Abgrenzung land- und forstwirtschaftlich genutzter Fläche Fläche nicht als Ersatzland (z.B. bei Enteignungen) oder zur Abrundung (sog. Arrondierung) eines Betriebs der Land- und Forstwirtschaft dienen soll.1 6 Nach der Rechtsprechung ist unter absehbarer Zeit der Zeitraum von sechs Jahren2 zu verstehen.
Dabei ist eine Ausweisung in einem Bebauungsplan nicht erforderlich. Es muss nur eine hinreichende Wahrscheinlichkeit dafür bestehen, dass in absehbarer Zeit eine Nutzungsänderung eintritt.3
C. Schutz der Existenzgrundlage des Betriebsinhabers (Abs. 2) 7 Abs. 2 der Vorschrift ist eine Schutzvorschrift zugunsten des Betriebsinhabers vor der Umwidmung
seiner land- und forstwirtschaftlichen Flächen in Grundvermögen, die die Zerschlagung von landund forstwirtschaftlichen Betrieben verhindern soll. Demnach können Flächen eines Betriebes, der die Existenzgrundlage des Betriebsinhabers bildet, nur unter bestimmten Bedingungen dem Grundvermögen zugerechnet werden. Voraussetzung dafür ist, dass mit großer Wahrscheinlichkeit angenommen werden kann, dass die fraglichen Flächen spätestens nach zwei Jahren anderen als land- und forstwirtschaftlichen Zwecken dienen werden. Die Anzeichen für eine Umwidmung müssen somit höher sein als die Anzeichen, die für die Anwendung des Abs. 1 ausreichen.
D. In einem Bebauungsplan ausgewiesenes Bauland (Abs. 3) I. Zwingende Zuordnung (Abs. 3 Satz 1) 8 Land- und forstwirtschaftliche Flächen sind stets dem Grundvermögen zuzurechnen, wenn sie in ei-
nem Bebauungsplan als Bauland festgesetzt sind, ihre sofortige Bebauung möglich ist und die Bebauung innerhalb des Plangebiets in benachbarten Bereichen begonnen hat oder schon durchgeführt ist. Noch in der Aufstellung befindliche Bebauungspläne lösen die Rechtsfolgen des § 159 Abs. 3 Satz 1 ebenso nicht aus wie Flächennutzungspläne, die von ihrer rechtlichen Ausgestaltung kein Baurecht enthalten.4
II. Ausnahme für die Hofstelle und damit zusammenhängende Flächen (Abs. 3 Satz 2) 9 Von der zwingenden Zuordnung zum Grundvermögen verschont bleibt die Hofstelle des Betriebs-
inhabers und damit zusammenhängende Flächen bis zu einer Gesamtfläche von 1 ha. Hierunter fallen die um das mit Wohn- und Wirtschaftsgebäuden bebaute Grundstück liegenden Flächen.5
§ 160 Betrieb der Land- und Forstwirtschaft (1) Ein Betrieb der Land- und Forstwirtschaft umfasst 1. den Wirtschaftsteil, 2. die Betriebswohnungen und 1 Vgl. Eisele in Rössler/Troll, § 159 BewG Rz. 3 (Stand: Oktober 2015). 2 BFH v. 4.8.1972 – III R 47/72, BStBl. II 1972, 849; v. 18.7.1984 – III R 45/81, BStBl. II 1985, 744; FG Düsseldorf v. 7.10.2004 – 11 K 757/02 BG, EFG 2005, 94. 3 BFH v. 18.7.1984 – III R 45/81, BStBl. II 1985, 744; Bruschke in Gürsching/Stenger, § 159 BewG Rz. 10 (Stand: Oktober 2016). 4 BFH v. 27.1.1978 – III R 101/75, BStBl. II 1978, 292. 5 BFH v. 9.10.1985 – II R 247/81, BStBl. II 1986, 3; FG Düsseldorf v. 12.5.2005 – 11 K 3773/04 BG, EFG 2005, 1164; jeweils zu § 69 Abs. 3 Satz 2 BewG a.F.; Bruschke in Gürsching/Stenger, § 159 BewG Rz. 43 (Stand: Juni 2016).
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Betrieb der Land- und Forstwirtschaft
§ 160 BewG
3. den Wohnteil. (2) 1Der Wirtschaftsteil eines Betriebs der Land und Forstwirtschaft umfasst 1. die land- und forstwirtschaftlichen Nutzungen: a) die landwirtschaftliche Nutzung, b) die forstwirtschaftliche Nutzung, c) die weinbauliche Nutzung, d) die gärtnerische Nutzung, e) die übrigen land- und forstwirtschaftlichen Nutzungen, 2. die Nebenbetriebe, 3. die folgenden nicht zu einer Nutzung nach den Nummern 1 und 2 gehörenden Wirtschaftsgüter: a) Abbauland, b) Geringstland, c) Unland. 2Der Anbau von Hopfen, Tabak und Spargel gehört nur zu den Sondernutzungen, wenn keine landwirtschaftliche Nutzung im Sinne des Satzes 1 Nr. 1 Buchstabe a vorliegt. (3) Nebenbetriebe sind Betriebe, die dem Hauptbetrieb zu dienen bestimmt sind und nicht einen selbständigen gewerblichen Betrieb darstellen. (4) Zum Abbauland gehören die Betriebsflächen, die durch Abbau der Bodensubstanz überwiegend für den Betrieb der Land- und Forstwirtschaft nutzbar gemacht werden (Sand-, Kies-, Lehmgruben, Steinbrüche, Torfstiche und dergleichen). (5) Zum Geringstland gehören die Betriebsflächen geringster Ertragsfähigkeit, für die nach dem Bodenschätzungsgesetz vom 20. Dezember 2007 (BGBl. I S. 3150, 3176) keine Wertzahlen festzustellen sind. (6) Zum Unland gehören die Betriebsflächen, die auch bei geordneter Wirtschaftsweise keinen Ertrag abwerfen können. (7) 1Einen Betrieb der Land- und Forstwirtschaft bilden auch Stückländereien, die als gesonderte wirtschaftliche Einheit zu bewerten sind. 2Stückländereien sind einzelne land- und forstwirtschaftlich genutzte Flächen, bei denen die Wirtschaftsgebäude oder die Betriebsmittel oder beide Arten von Wirtschaftsgütern nicht dem Eigentümer des Grund und Bodens gehören, sondern am Bewertungsstichtag für mindestens 15 Jahre einem anderen Betrieb der Land- und Forstwirtschaft zu dienen bestimmt sind. (8) Betriebswohnungen sind Wohnungen, die einem Betrieb der Land- und Forstwirtschaft zu dienen bestimmt, aber nicht dem Wohnteil zuzurechnen sind. (9) Der Wohnteil eines Betriebs der Land- und Forstwirtschaft umfasst die Gebäude und Gebäudeteile, die dem Inhaber des Betriebs, den zu seinem Haushalt gehörenden Familienangehörigen und den Altenteilern zu Wohnzwecken dienen. A. I. II. III.
Grundaussagen der Vorschrift. . . . . . . . . . Regelungsgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . Bedeutung und Telos . . . . . . . . . . . . . . . . . Geltungsbereich und Verhältnis zu anderen Vorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Rechtsentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3 4
B. Umfang des Betriebs der Land- und Forstwirtschaft (Abs. 1). . . . . . . . . . . . . . .
5
C. Umfang des Wirtschaftsteils (Abs. 2) . . . . I. Wirtschaftsteil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Landwirtschaftliche Nutzung (Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Forstwirtschaftliche Nutzung (Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1 1 2
6 6 11 14
IV. Weinbauliche Nutzung (Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. c) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Gärtnerische Nutzung (Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. d) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Begriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Nutzungsteil Gemüsebau sowie Blumenund Zierpflanzenbau . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Nutzungsteil Obstbau . . . . . . . . . . . . . . . 4. Nutzungsteil Baumschulen . . . . . . . . . . . VI. Übrige land- und forstwirtschaftliche Nutzungen (Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. e) . . . . .
17 19 19 20 23 24 26
D. Nebenbetriebe (Abs. 3) . . . . . . . . . . . . . . . . 27 E. Abbauland (Abs. 4) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 F. Geringstland (Abs. 5) . . . . . . . . . . . . . . . . . 30
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§ 160 BewG Rz. 1 Betrieb der Land- und Forstwirtschaft G. Unland (Abs. 6) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . H. Stückländereien (Abs. 7) . . . . . . . . . . . . . .
32 33
I. Betriebswohnungen (Abs. 8) . . . . . . . . . . .
35
J. Wohnteil (Abs. 9) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Wohnteil eines größeren landwirtschaftlichen Betriebs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
36 36 37
III. Wohnteil eines landwirtschaftlichen Kleinbetriebs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Wohngebäude bei landwirtschaftlichen Nebenerwerbstellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Räumlicher Zusammenhang des Wohnteils . VI. Abgrenzung des Grund und Bodens . . . . . . . VII. Verpachtete Betriebe . . . . . . . . . . . . . . . . . .
38 39 40 41 42
Literatur: Bahrs, Die Bewertung des landwirtschaftlichen Vermögens für die Erbschaftsteuer, HLBS-Report 2008, 210; Bruschke, Die Bewertung des LuF-Vermögens für die Erbschaft und Schenkungsteuer, ErbStB 2009, 320; Eisele, Bewertung des land- und forstwirtschaftlichen Vermögens, NWB 2009, 3997; Hutmacher, Erbschaftsteuerreform: Die Bewertung und Verschonung land- und forstwirtschaftlichen Vermögens, ZEV 2008, 22; Hutmacher, Die Bewertung des Wirtschaftsteils eines Betriebs der Land und Forstwirtschaft, ZEV 2009, 22; Jäckel, Bewertung und Besteuerung des land- und forstwirtschaftlichen Vermögens, FR 2009 Beilage zu Heft 11, 33; Krause, Grundbesitzbewertung von Betrieben der Land- und Forstwirtschaft – der Wirtschaftsteil NWB 2014, 110; Krause, Grundbesitzbewertung von Betrieben der Land- und Forstwirtschaft – Ermittlung des Wirtschaftswert, des Mindestwerts und des Fortführungswerts, NWB 2012, 1768; von Cölln, Bewertung des forstwirtschaftlichen Vermögens für Zwecke der Erbschaft- und Schenkungsteuer, ZEV 2011, 182; Wenhardt, Die Land- und Forstwirtschaft im Steuerrecht – Eine Darstellung aus einkommensteuer- und erbschaftsteuerlicher Sicht, NWB-EV 2011, 201; Wiegand, Die Bewertung des land- und forstwirtschaftlichen Vermögens nach dem Gesetz zur Reform des Erbschaftsteuer- und Bewertungsrechts, StW 2010, 56. Verwaltungsanweisungen: R B 160.1–160.22 ErbStR 2011; H B 160.1–160.22(6) ErbStH 2011.
A. Grundaussagen der Vorschrift I. Regelungsgegenstand 1 § 160 BewG enthält eine Beschreibung des Bewertungsobjekts „Betrieb der Land- und Forstwirt-
schaft“ in Anlehnung an § 34 und § 141 BewG. Die Vorschrift definiert den Begriff Wirtschaftsteil und zählt die Nutzungen als Gesamtheit der jeweils hierzu gehörenden Wirtschaftsgüter abschließend auf. Darüber hinaus definiert die Vorschrift den Begriff der Stückländereien, des Wohnteils und der Betriebswohnungen.
II. Bedeutung und Telos 2 Da das land- und forstwirtschaftliche Vermögen aus sehr unterschiedlichen Nutzungen bestehen kann
und diese Nutzungen einer einheitlichen Bewertung regelmäßig nicht zugänglich sind, war der Gesetzgeber zur Aufspaltung des land- und forstwirtschaftlichen Betriebs gezwungen. Die Einteilung in Nutzungen ist für die Bewertung somit von entscheidender Bedeutung (vgl. § 163 BewG).
III. Geltungsbereich und Verhältnis zu anderen Vorschriften 3 Die Regelungen des § 160 ergänzen den § 158 BewG, indem sie eine Zuordnung der zum land- und
forstwirtschaftlichen Vermögen gehörenden Vermögensgegenstände zu separaten Bewertungseinheiten vornehmen. Die Vorschrift ist darüber hinaus für die Anwendung der Bewertungsregeln des § 163 BewG von entscheidender Bedeutung.
IV. Rechtsentwicklung 4 Der § 160 BewG wurde durch das Erbschaftsteuerreformgesetz1 vom 24.12.2008 in das Bewertungs-
gesetz eingefügt und gilt gem. § 205 Abs. 1 BewG für Bewertungsstichtage ab dem 1.1.2009. Für 1 ErbStRG v. 24.12.2008, BGBl. I 2008, 3018.
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Umfang des Wirtschaftsteils (Abs. 2)
Rz. 8 § 160 BewG
Stichtage bis zum 31.12.2008 galten die §§ 140 bis 144 BewG, die für Zwecke der Grunderwerbsteuer bis zur rückwirkenden Neufassung des § 8 Abs. 2 GrEStG durch das StÄndG 20151 weiterhin anzuwenden waren.
B. Umfang des Betriebs der Land- und Forstwirtschaft (Abs. 1) Ein Betrieb der Land- und Forstwirtschaft umfasst 5 – den Wirtschaftsteil, – die Betriebswohnungen und – den Wohnteil Hinsichtlich der Abgrenzung der wirtschaftlichen Einheit eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebes vom Grundvermögen und vom Betriebsvermögen vgl. die Ausführungen zu den §§ 158 und 159 BewG. Der Wirtschaftsteil ist nach den §§ 162 ff. BewG zu bewerten, für die Betriebswohnungen und den Wohnteil gelten die für das Grundvermögen anzuwendenden §§ 182 ff. BewG. § 168 BewG regelt die Zusammenfassung dieser drei Einzelwerte zum land- und forstwirtschaftlichen Grundbesitzwert.
C. Umfang des Wirtschaftsteils (Abs. 2) I. Wirtschaftsteil Der § 160 Abs. 2 BewG greift zur Bestimmung des Umfangs des Wirtschaftsteils auf die Regelungen 6 des § 34 BewG zurück. Die Vorschrift definiert den Begriff Wirtschaftsteil und zählt die Nutzungen als Gesamtheit der jeweils hierzu gehörenden Wirtschaftsgüter abschließend auf. Der Begriff Nutzung umfasst alle Wirtschaftsgüter, die einem entsprechenden Zweck dienen. Besteht ein Betrieb nur aus einer Nutzung, entspricht der Wert dieser Nutzung gleichzeitig dem Wirtschaftswert des landund forstwirtschaftlichen Betriebs. Der Wirtschaftsteil eines Betriebs der Land- und Forstwirtschaft umfasst somit die einzelnen Nutzungen in Form – der landwirtschaftlichen Nutzung, – der forstwirtschaftlichen Nutzung, – der weinbaulichen Nutzung, – der gärtnerischen Nutzung und – der übrigen land- und forstwirtschaftlichen Nutzungen. Darüber hinaus gehören auch die Nebenbetriebe zum Wirtschaftsteil. Das Gleiche gilt für das Ab- 7 bauland, das Geringstland und das Unland, soweit diese Flächen nicht zu einer der vorgenannten Nutzung gehören. Der Anbau von Hopfen, Tabak und Spargel gehört nur zu den Sondernutzungen, wenn keine landwirtschaftliche Nutzung vorliegt.2 Zu den einzelnen Nutzungen gehören auch die Hof- und Wirtschaftsgebäudeflächen, soweit sie 8 nicht zu den Betriebswohnungen oder zum Wohnteil gehören. Zu den jeweiligen Flächen gehören auch Wege, Hecken, Gräben, Grenzraine und dergleichen. Die Hof- und Wirtschaftsgebäudeflächen umfassen die Gebäude- und Gebäudenebenflächen, soweit sie nicht den Wohngebäuden zuzuordnen sind. Nicht zu den Wohngebäuden gehörende Gartenflächen sind der landwirtschaftlichen Nutzung zuzurechnen. Wirtschaftswege, Hecken, Gräben, Grenzraine und dergleichen sind in die Hof- und Wirtschaftsgebäudefläche einzubeziehen. Dies gilt auch für unproduktive Wasserflächen, Bewässerungsteiche, Dämme, Uferstreifen und dergleichen, die nicht als Unland klassifiziert sind. Diese Flächen sind regelmäßig aus den Katasterunterlagen zu übernehmen.3 1 StÄndG 2015 v. 2.11.2015, BStBl. I 2015, 1834. 2 Wegen der Einzelheiten zur Zugehörigkeit vgl. auch Krause, NWB 2014, 110. 3 Vgl. R B 160.1 Abs. 2 Satz 4 ErbStR 2011.
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§ 160 BewG Rz. 9 Betrieb der Land- und Forstwirtschaft 9 Als Wirtschaftsgebäude kommen insbesondere Gebäude zur Unterbringung von Vieh, Vorräten, Ma-
schinen und anderen Betriebsmitteln sowie Verkaufs-, Arbeits- und Sozialräume in Betracht. Hierzu gehören auch Büros, in denen ausschließlich die mit der Betriebsorganisation und Betriebsführung zusammenhängenden Arbeiten vorgenommen werden. 10
Werden Tierbestände, die nach § 169 BewG zu einem Betrieb der Land- und Forstwirtschaft gehören, vom Inhaber dieses Betriebes vorübergehend einem anderen Betrieb als Pensionsvieh gegeben, sind diese Tierbestände auf Grund der Eigentümerstellung und der objektiven Zweckbestimmung nicht dem Pensionsbetrieb, sondern dem Betrieb des Inhabers zuzurechnen.
II. Landwirtschaftliche Nutzung (Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a) 11
Zur landwirtschaftlichen Nutzung gehören alle Wirtschaftsgüter, die der Pflanzen- und Tierproduktion dienen. Hierzu gehören die Nutzungsarten (Betriebsformen, vgl. § 163 BewG) Ackerbau, Futterbau und Veredlung nach Maßgabe des § 169 BewG. Als landwirtschaftliche Nutzung sind auch die Betriebsformen Pflanzenbau-Verbund, Vieh-Verbund sowie Pflanzen- und Viehverbund einzustufen.1
12
Grundsätzlich nicht zur landwirtschaftlichen Nutzung gehören der spezialisierte Anbau von Hopfen, Tabak, Spargel und anderen Sonderkulturen. Soweit eine landwirtschaftliche Nutzung vorliegt, ist jedoch der Anbau von Hopfen, Spargel und Tabak nach § 160 Abs. 2 Satz 2 BewG als landwirtschaftliche Nutzung zu erfassen. Die Saatzucht, Besamungsstationen und Weihnachtsbaumkulturen gehören ebenfalls nicht zur landwirtschaftlichen Nutzung, sondern zu den sonstigen land- und forstwirtschaftlichen Nutzungen (vgl. § 175 BewG).
13
Die Tierzucht ist der landwirtschaftlichen Nutzung i.S.d. § 160Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a BewG und der Nutzungsart Veredlung im Sinne der Anlage 14 zum BewG zuzuordnen.2 Gemeinschaftliche Tierhaltungen sind nach § 13 Abs. 1 Nr. 1 Satz 5 EStG i.V.m. § 51a BewG der Land- und Forstwirtschaft zuzuordnen und damit land- und forstwirtschaftliches Vermögen i.S.d. §§ 158 ff. BewG. Bei der Abgrenzung der landwirtschaftlichen von der gewerblichen Tierhaltung ist § 169 BewG in Verbindung mit den Anlagen 19 und 20 zum BewG und § 175 Abs. 2 BewG zu beachten (vgl. zu Einzelheiten der Abgrenzung § 169 BewG Rz. 7 ff.).3
III. Forstwirtschaftliche Nutzung (Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b) 14
Zur forstwirtschaftlichen Nutzung gehören alle Wirtschaftsgüter, die der Erzeugung und Gewinnung von Rohholz dienen. Wirtschaftsgüter der forstwirtschaftlichen Nutzung sind insbesondere die der Holzerzeugung dienenden Flächen, die Waldbestockung sowie die Wirtschaftsgebäude und die Betriebsmittel. Zu dem normalen Bestand an umlaufenden Betriebsmitteln der forstwirtschaftlichen Nutzung gehört auch eingeschlagenes Holz, soweit es den jährlichen Nutzungssatz i.S.d. § 68 EStDV nicht übersteigt (vgl. § 171 BewG). Ein Überbestand an umlaufenden Betriebsmitteln zählt zum übrigen Vermögen. Durch Windbruch und Windwurf angefallenes Holz gilt so lange nicht als eingeschlagen, wie es mit der Wurzel verbunden ist. Nebennutzungen wie z.B. die Gewinnung von Schmuckreisig, Weihnachtsbäumen, Beeren und Pilzen sowie die Ausübung der Jagd rechnen ebenfalls zur forstwirtschaftlichen Nutzung.4
15
Die Fläche der forstwirtschaftlichen Nutzung umfasst alle Flächen, die dauernd der Erzeugung von Rohholz gewidmet sind (Holzboden- und Nichtholzbodenfläche). Zur Holzbodenfläche rechnen neben bestockten Flächen, die sich in Baumartengruppen gliedern, auch Waldwege, Waldeinteilungs1 Wegen der Einzelheiten der Betriebsformen vgl. Hutmacher, ZEV 2009, 22. 2 Wegen der Einzelheiten der Abgrenzungsgrundsätze der landwirtschaftlichen Tierhaltung von den sonstigen landwirtschaftlichen Nutzungen vgl. das Urteil des BFH v. 6.5.2015 – II R 9/13, BStBl. II 2015, 888 zur Zuordnung einer Deckhengsthaltung zur landwirtschaftlichen Nutzung. 3 Wegen der Einzelheiten der Abgrenzung vgl. außerdem Eisele in Rössler/Troll, § 169 BewG Rz. 2 ff. (Stand: Oktober 2015). 4 Vgl. Wiegand in V/K/S/W4, § 160 BewG Rz. 11.
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Umfang des Wirtschaftsteils (Abs. 2)
Rz. 21 § 160 BewG
und Sicherungsstreifen, wenn ihre Breite einschließlich der Gräben 5 m nicht übersteigt und Flächen, die nur vorübergehend nicht bestockt sind (Blößen).1 Die übrige Fläche der forstwirtschaftlichen Nutzung umfasst eventuell vorhandene Hof- und Wirt- 16 schaftsgebäudeflächen sowie die Nichtholzbodenfläche. Zur Nichtholzbodenfläche rechnen die dem Transport und der Lagerung des Holzes dienenden Flächen (z.B. Waldwege und ständige Holzlagerplätze), wenn sie nicht zur Holzbodenfläche gerechnet werden. Dazu gehören auch die Flächen der Saat- und Pflanzkämpe und der Samenplantagen, wenn sie zu mehr als zwei Drittel der Erzeugung von Pflanzen für den eigenen Betrieb dienen. Das gilt auch für Wildäcker und Wildwiesen, soweit sie nicht zur landwirtschaftlichen Nutzung oder zum Geringstland gehören. In der Flur oder im bebauten Gebiet gelegene bodengeschätzte Flächen, die mit einzelnen Baumgruppen, Baumreihen oder mit Hecken bestockt sind oder Baumschulen bzw. Weihnachtsbaumkulturen dienen, gehören nicht zur forstwirtschaftlichen Nutzung.
IV. Weinbauliche Nutzung (Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. c) Zur weinbaulichen Nutzung gehören alle Wirtschaftsgüter, die der Erzeugung von Trauben sowie 17 der Gewinnung von Maische, Most und Wein aus diesen dienen. Wirtschaftsgüter der weinbaulichen Nutzung sind insbesondere die Flächen zur Erzeugung von Trauben und die Wirtschaftsgebäude und Betriebsmittel, die der Traubenerzeugung, der Gewinnung von Maische und Most sowie dem Ausbau und der Lagerung des Weines dienen. Bei Betrieben, die die erzeugten Trauben zu Fass- und Flaschenwein ausbauen, gehören die gesamten Vorräte an Fass- und Flaschenwein aus den Ernten der letzten fünf Kalenderjahre vor dem Bewertungsstichtag zum normalen Bestand an umlaufenden Betriebsmitteln (vgl. § 173 Abs. 1 BewG). Die Fläche der weinbaulichen Nutzung des Betriebs umfasst die im Ertrag stehenden Rebanlagen, die vorübergehend nicht bestockten Flächen sowie die noch nicht ertragsfähigen Jungfelder. Der Anbau von Reben zur Gewinnung von Unterlagsholz, sog. Rebmuttergärten, und die Anzucht 18 von Pflanzreben, sog. Rebschulen, gehören zur weinbaulichen Nutzung, wenn sie zu mehr als zwei Drittel dem Eigenbedarf des Betriebs dienen. Ist dies nicht der Fall, sind Rebmuttergärten und Rebschulen dem Nutzungsteil Baumschulen der gärtnerischen Nutzung zuzuordnen. In die Weinbaulage eingesprengte Flächen anderer Nutzungen sind der weinbaulichen Nutzung zuzurechnen, wenn sie nur vorübergehend nicht weinbaulich genutzt werden. Ehemalige Weinbauflächen, die brach liegen und bei denen zukünftig nicht mehr mit einer land- und forstwirtschaftlichen Nutzung zu rechnen ist, sind nach den jeweiligen Verhältnissen Geringstland oder Unland.
V. Gärtnerische Nutzung (Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. d) 1. Begriff Zur gärtnerischen Nutzung gehören alle Wirtschaftsgüter, die dem Anbau von Gemüse, Blumen- 19 und Zierpflanzen, Obst sowie Baumschulerzeugnissen dienen. Die gärtnerische Nutzung gliedert sich in die Nutzungsteile Gemüsebau, Blumen- und Zierpflanzenbau, Obstbau und Baumschulen. 2. Nutzungsteil Gemüsebau sowie Blumen- und Zierpflanzenbau Die Fläche der Nutzungsteile Gemüsebau sowie Blumen- und Zierpflanzenbau ist für die Bewertung 20 nach Nutzungsarten aufzugliedern in durch Gemüsebau genutzte Flächen und durch Blumen- und Zierpflanzenbau genutzte Flächen (jeweils nochmals unterteilt nach Freilandflächen oder Flächen unter Glas und Kunststoffen). Zur Fläche des Nutzungsteils gehören auch die Flächenanteile, die Pflanzenbeständen nicht unmit- 21 telbar als Standraum dienen (z.B. Zwischenflächen, Vorgewende und für die Bearbeitung notwendige Wege). Zu Flächen unter Glas und Kunststoffen gehören insbesondere mit Gewächshäusern (z.B. Breit1 Vgl. R B 160 ErbStR 2011.
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§ 160 BewG Rz. 22 Betrieb der Land- und Forstwirtschaft schiff-, Venlo- und Folienhäuser), Folientunneln und anderen Kulturräumen (z.B. Treibräume) überbaute Flächen. Die Größe der Flächen unter Glas und Kunststoffen bemisst sich nach der Größe der überdachten Fläche einschließlich der Umfassungswände, d.h. von Außenkante zu Außenkante des aufsteigenden Mauerwerks bzw. der Stehwände gemessen. 22
Zum Gemüsebau gehört auch der Anbau von Tee, Gewürz- und Heilkräutern. Flächen, die der Gemüsesamenvermehrung dienen, sind entsprechend den Bewertungsvorschriften des Gemüsebaus zu bewerten. Flächen, die der Vermehrung von Blumensamen, Blumenzwiebeln und dergleichen dienen, sind nach den Bewertungsvorschriften des Blumen- und Zierpflanzenbaus zu bewerten. Flächen zur Gewinnung von Schmuckreisig und Bindegrün, die überwiegend zum Verkauf bestimmt sind, und Flächen zur Produktion von Rollrasen oder Vegetationsmatten sind dem Blumen- und Zierpflanzenbau zuzurechnen. 3. Nutzungsteil Obstbau
23
Zum Nutzungsteil Obstbau gehören die obstbaulich genutzten Flächen, insbesondere des Baumobstes, des Strauchbeerenobstes und der Erdbeeren, einschließlich derjenigen Flächenanteile, die den Pflanzenbeständen nicht unmittelbar als Standraum dienen. 4. Nutzungsteil Baumschulen
24
Zum Nutzungsteil Baumschulen gehören die Flächen, die dem Anbau von Baumschulerzeugnissen dienen. Dazu rechnen insbesondere die Anzucht von Nadel- und Laubgehölzen, Rhododendren, Azaleen sowie Obstgehölzen einschließlich Beerenobststräuchern. Die Anzucht von Rosen und Stauden rechnet nur dann zum Nutzungsteil Baumschulen, wenn ihre Nutzung als Dauerkultur nicht überwiegt. Andernfalls sind sie dem Nutzungsteil Blumen- und Zierpflanzenbau zuzuordnen.
25
Forstliche Saat- und Pflanzkämpe gehören zum Nutzungsteil Baumschulen, wenn sie nicht zu mehr als zwei Drittel der Erzeugung von Pflanzen für den Eigenbedarf der in demselben Betrieb der Landund Forstwirtschaft vorhandenen forstwirtschaftlichen Nutzung dienen. Andernfalls rechnen forstliche Saat- und Pflanzkämpe zur forstwirtschaftlichen Nutzung. Wegen der Abgrenzung zur Weihnachtsbaumkultur vgl. § 175 BewG. Rebschulen und Rebmuttergärten gehören zum Nutzungsteil Baumschulen, soweit sie nicht zu mehr als zwei Drittel der weinbaulichen Nutzung des eigenen Betriebs dienen.
VI. Übrige land- und forstwirtschaftliche Nutzungen (Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. e) 26
Die übrigen land- und forstwirtschaftlichen Nutungen sind in § 175 BewG aufgeführt. Zu den übrigen land- und forstwirtschaftlichen Nutzungen gehören demnach die Sondernutzungen Hopfen, Spargel, Tabak und andere Sonderkulturen sowie die sonstigen land- und forstwirtschaftlichen Nutzungen. Wegen der Einzelheiten vgl. die Kommentierung zu § 175 BewG.
D. Nebenbetriebe (Abs. 3) 27
Die Definition des Nebenbetriebs i.S.d. § 160 Abs. 3 BewG entspricht inhaltlich der des Einkommensteuerrechts.1 Das Vorliegen eines Nebenbetriebs bestimmt sich nach den Tatbestandsmerkmalen der R 15.5 Abs. 3 EStR. Der § 160 Abs. 3 BewG entspricht inhaltlich § 42 Abs. 1 BewG. Typische Beispiele für Nebenbetriebe sind Fischräuchereien und Brennereien.
1 Zum Begriff des Nebenbetriebs im Kontext der Abgrenzung des land- und forstwirtschaftlichen Vermögens vom Betriebsvermögen nach dem Urteil des BFH v. 25.3.2009 – IV R 21/06, BStBl. 2010 II, 113, s. auch gleich lautende Ländererlasse v. 15.12.2011, BStBl. I 2011, 1213 (1217).
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Stückländereien (Abs. 7)
Rz. 33 § 160 BewG
Ein Nebenbetrieb liegt vor, wenn überwiegend im eigenen Hauptbetrieb erzeugte Rohstoffe be- oder 28 verarbeitet werden und die dabei gewonnenen Erzeugnisse überwiegend für den Verkauf bestimmt sind oder ein Land- und Forstwirt Umsätze aus der Übernahme von Rohstoffen (z.B. organische Abfälle) erzielt, diese be- oder verarbeitet und die dabei gewonnenen Erzeugnisse nahezu ausschließlich im eigenen Betrieb der Land- und Forstwirtschaft verwendet und die Erzeugnisse im Rahmen einer ersten Stufe der Be- oder Verarbeitung, die noch dem land- und forstwirtschaftlichen Bereich zuzuordnen ist, hergestellt werden.1
E. Abbauland (Abs. 4) Zum Abbauland gehören Sandgruben, Kiesgruben, Steinbrüche und dergleichen, wenn sie durch 29 Abbau der Bodensubstanz überwiegend im Betrieb der Land- und Forstwirtschaft nutzbar gemacht werden. Stillgelegte Kiesgruben und Steinbrüche eines Betriebs der Land- und Forstwirtschaft, die weder kulturfähig sind noch bei geordneter Wirtschaftsweise Ertrag abwerfen können, gehören zum Unland und nicht zum Abbauland. § 160 Abs. 4 BewG entspricht inhaltlich § 43 Abs. 1 BewG.
F. Geringstland (Abs. 5) Geringstland als Betriebsflächen geringster Ertragsfähigkeit sind unkultivierte, jedoch kulturfähige 30 Flächen, deren Ertragsfähigkeit so gering ist, dass sie in ihrem derzeitigen Zustand nicht regelmäßig land- und forstwirtschaftlich genutzt werden können; dazu gehören insbesondere unkultivierte Moor- und Heideflächen sowie die ehemals bodengeschätzten Flächen und die ehemaligen Weinbauflächen, deren Nutzungsart sich durch Verlust des Kulturzustands verändert hat. Der Verlust des Kulturzustands ist dann als gegeben anzusehen, wenn der kalkulierte Aufwand zur 31 Wiederherstellung des Kulturzustands in einem Missverhältnis zu der Ertragsfähigkeit steht, die nach der Rekultivierung zu erwarten ist. Das ist regelmäßig dann der Fall, wenn der Aufwand den einer Neukultivierung übersteigen würde. § 160 Abs. 5 BewG entspricht inhaltlich § 44 Abs. 1 BewG.
G. Unland (Abs. 6) Das Unland gehört bewertungsrechtlich zum Betrieb der Land- und Forstwirtschaft. Bei der Bewer- 32 tung wird aber ein Reingewinn von 0 Euro für das Unland angesetzt. Im Ergebnis bleibt das Unland somit bei der Bewertung unberücksichtigt. Zum Unland gehören alle die Flächen, die auch bei geordneter Wirtschaftsweise keinen Ertrag abwerfen (z.B. Nicht nutzbare Böschungen, ausgebeutete Steinbrüche und Kiesgruben, Felsgebiete). Der § 160 Abs. 6 BewG entspricht inhaltlich § 45 Abs. 1 BewG.
H. Stückländereien (Abs. 7) Stückländereien bilden eine wirtschaftliche Einheit für sich. Mehrere Stückländereien in der Hand 33 eines Eigentümers können dabei zu einer wirtschaftlichen Einheit zusammengefasst werden. Bei Stückländereien handelt es sich regelmäßig um einzelne land- und forstwirtschaftlich genutzte Flächen, die einem anderen Betrieb der Land- und Forstwirtschaft auf Grund einer Nutzungsüberlassung dauernd zu dienen bestimmt sind. Unter den Begriff der Stückländereien fallen auch die Flächen, die aus einem vollständigen Betrieb heraus überlassen werden, da die Wirtschaftsgebäude oder die Betriebsmittel oder beide Arten von Wirtschaftsgütern, die der Bewirtschaftung dieser Fläche dienen, nicht dem Eigentümer des Grund und Bodens gehören. Immaterielle Wirtschaftsgüter sind dabei ohne Bedeutung.
1 Vgl. Bruschke in Gürsching/Stenger, § 160 BewG Rz. 157 (Stand: Oktober 2014).
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§ 160 BewG Rz. 34 Betrieb der Land- und Forstwirtschaft 34
Voraussetzung für eine gesonderte Bewertung als Stückländerei ist, dass die Nutzungsüberlassung am Bewertungsstichtag noch mindestens 15 Jahre beträgt.1 Dies gilt unabhängig von der Art der Nutzungsüberlassung und den damit verbundenen Möglichkeiten einer Vertragsverlängerung. Ist das zeitliche Kriterium nicht erfüllt, erfolgt die Bewertung der einzelnen land- und forstwirtschaftlichen Flächen nach allgemeinen Grundsätzen des land- und forstwirtschaftlichen Vermögens.
I. Betriebswohnungen (Abs. 8) 35
Gebäude oder Gebäudeteile des Betriebs, die dessen Arbeitnehmern und deren Familienangehörigen zu Wohnzwecken zur Verfügung gestellt werden, sind Betriebswohnungen. Dabei ist es nicht erforderlich, dass der Wohnungsinhaber oder seine Familienangehörigen ganz in dem Betrieb tätig sind. Es genügt, dass der jeweilige Arbeitnehmer vertraglich dazu verpflichtet ist, wenigstens 100 Arbeitstage oder 800 Arbeitsstunden im Jahr mitzuarbeiten. Das Merkmal der Betriebswohnung bleibt bei fortdauernder Nutzung der Wohnung durch den Arbeitnehmer nach Eintritt in den Ruhestand erhalten. Werden dem Hauspersonal nur einzelne zu Wohnzwecken dienende Räume überlassen, rechnen diese zum Wohnteil des Betriebs der Land- und Forstwirtschaft. Zum Grund und Boden der Betriebswohnungen i.S.d. § 160 Abs. 8 BewG zählen neben der bebauten Fläche auch die vom Betrieb im Rahmen der Wohnungsüberlassung zur Verfügung gestellten übrigen Flächen, wie z.B. Stellplätze und Gärten. Bei der Abgrenzung der Gartenflächen gilt die nachfolgend dargestellten Regelungen zum Wohnteil entsprechend.
J. Wohnteil (Abs. 9) I. Allgemeines 36
Gebäude oder Gebäudeteile, die dem Inhaber eines Betriebs der Land- und Forstwirtschaft und den zu seinem Haushalt gehörenden Familienangehörigen zu Wohnzwecken dienen, sind dem Wohnteil zuzurechnen, wenn der Betriebsinhaber oder mindestens einer der zu seinem Haushalt gehörenden Familienangehörigen durch eine mehr als nur gelegentliche Tätigkeit in dem Betrieb an ihn gebunden ist. Gebäude oder Gebäudeteile, die Altenteilern zu Wohnzwecken dienen, gehören zum Wohnteil, wenn die Nutzung der Wohnung in einem Altenteilsvertrag geregelt ist. Der Wohnteil des Betriebsinhabers eines Betriebs der Land- und Forstwirtschaft kommt auch für die Begünstigung (sachliche Steuerfreistellung) beim Erwerb eines Familienheims in Betracht (§ 13 Abs. 1 Nr. 4a bis 4c ErbStG).2 Vgl. auch § 167 BewG Rz. 5 ff.
II. Wohnteil eines größeren landwirtschaftlichen Betriebs 37
Die Wohnung des Inhabers eines größeren Betriebs der Land- und Forstwirtschaft ist dem Betrieb dauernd zu dienen bestimmt, wenn er oder mindestens einer der zu seinem Haushalt gehörenden Familienangehörigen den Betrieb selbständig leitet und die Lage der Wohnung die hierfür erforderliche Anwesenheit im Betrieb ermöglicht. Wird er darin von anderen Personen, z.B. einem Angestellten unterstützt, ändert dies an der Zurechnung zum Wohnteil nichts. Herrenhäuser und Schlösser gehören insoweit zum Wohnteil, als sie bei Vorliegen dieser Voraussetzungen dem Inhaber des Betriebs, seinen Familienangehörigen oder den Altenteilern zu Wohnzwecken dienen. Die Wohnung des Inhabers eines größeren Betriebs, der den Betrieb durch eine andere Person selbständig verwalten lässt, gehört dagegen nicht zum Wohnteil, sondern zum Grundvermögen.
1 Vgl. wegen der Einzelheiten der Definition der Stückländereien auch die die gleich lautenden Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder zur Bewertung des land- und forstwirtschaftlichen Vermögens für Zwecke der Erbschaft-/Schenkungsteuer in Fällen der Nutzungsüberlassung v. 4.12.2014, BStBl. I 2014, 1577. 2 Vgl. R E 13.3 Abs. 2 Satz 2, R E 13.4 Abs. 3 ErbStR 2011 sowie Jülicher in T/G/J, § 13 ErbStG Rz. 57 (Stand: April 2016) und Eisele in Rössler/Troll, § 169 BewG Rz. 2 ff. (Stand: Oktober 2015).
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Bewertungsstichtag
§ 161 BewG
III. Wohnteil eines landwirtschaftlichen Kleinbetriebs Die Wohnung des Inhabers eines Kleinbetriebs ist dem Betrieb dauernd zu dienen bestimmt, wenn 38 er oder einer der zu seinem Haushalt gehörenden Familienangehörigen durch eine mehr als nur gelegentliche Tätigkeit an den Betrieb gebunden ist. Eine mehr als nur gelegentliche Tätigkeit kann schon bei einem jährlichen Arbeitsaufwand von insgesamt vier bis sechs Wochen gegeben sein. Bei der Beurteilung, ob eine mehr als nur gelegentliche Tätigkeit ausgeübt wird, sind die Art der Nutzung und die Größe der Nutzflächen zu berücksichtigen.
IV. Wohngebäude bei landwirtschaftlichen Nebenerwerbstellen Die Wohngebäude von Inhabern sog. landwirtschaftlicher Nebenerwerbsstellen, die im Allgemeinen 39 eine Landzulage von nicht mehr als 3 000 m2 haben, sind – auch bei ausreichendem Viehbesatz – in der Regel als Grundvermögen zu bewerten, weil es Hauptzweck des Wohngebäudes ist, dem Wohnbedürfnis des Eigentümers der Nebenerwerbsstelle und seiner Familie zu dienen.
V. Räumlicher Zusammenhang des Wohnteils Die Wohnung des Betriebsinhabers muss sich nicht in unmittelbarer Nachbarschaft oder auf dem 40 Hauptgrundstück eines mehrere Grundstücke umfassenden land- und forstwirtschaftlichen Betriebs befinden. Entscheidend ist, dass die Lage der Wohnung dem Betriebsinhaber ermöglicht, soweit erforderlich im Betrieb anwesend zu sein und in den Betriebsablauf einzugreifen.
VI. Abgrenzung des Grund und Bodens Zum Grund und Boden des Wohnteils i.S.d. § 160 Abs. 9 BewG zählen neben der bebauten Fläche 41 auch die übrigen Flächen, wie z.B. Stellplätze und Gärten. Die Zuordnung des Grund und Bodens sowie der Gartenflächen richtet sich nach der Verkehrsauffassung. Es bestehen nach Auffassung der Finanzverwaltung1 keine Bedenken, die ertragsteuerrechtlich getroffene Entscheidung zugrunde zu legen. Bei Betrieben, die vor dem 31.12.1998 bereits bestanden, kann folglich nur der Teil des Grund und Bodens dem Wohnteil zugerechnet werden, der nach § 13 Abs. 4 und 5 EStG steuerfrei entnommen werden konnte. Zu den Einzelheiten der Abgrenzung vgl. § 167 BewG.
VII. Verpachtete Betriebe Bei verpachteten Betrieben scheidet der Eigentümer aus der Bewirtschaftung des Betriebes aus. Be- 42 hält der Verpächter das Wohnhaus für sich zurück, so ist die Verbindung des Wohnhauses zur verpachteten Betriebsfläche gelöst. Die Verpächterwohnung gehört damit grundsätzlich nicht mehr zum Wohnteil, sondern zum Grundvermögen. Dies gilt aus Vereinfachungsgründen nicht, sofern sich die Wohnungen von Pächter und Verpächter in einem Gebäude befinden.2 Für Altenteilerwohnungen gelten die Regelungen für Betriebsinhaberwohnungen entsprechend.
§ 161 Bewertungsstichtag (1) Für die Größe des Betriebs, für den Umfang und den Zustand der Gebäude sowie für die stehenden Betriebsmittel sind die Verhältnisse am Bewertungsstichtag maßgebend. 1 Vgl. R B 160.22 Abs. 6 Satz 3 ErbStR 2011. 2 Vgl. R B 160.22 Abs. 7 Satz 4 ErbStR 2011.
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§ 161 BewG Rz. 1 Bewertungsstichtag (2) Für die umlaufenden Betriebsmittel ist der Stand am Ende des Wirtschaftsjahres maßgebend, das dem Bewertungsstichtag vorangegangen ist. A. I. II. III.
Grundaussagen der Vorschrift. . . . . . . . . . Regelungsgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . Bedeutung und Telos . . . . . . . . . . . . . . . . . Geltungsbereich und Verhältnis zu anderen Vorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Rechtsentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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B. Verhältnisse am Bewertungsstichtag (Abs. 1) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Umlaufende Betriebsmittel (Abs. 2) . . . . . . I. Grundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Sonderregelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Verwaltungsanweisungen: R B 161 ErbStR 2011.
A. Grundaussagen der Vorschrift I. Regelungsgegenstand 1 Die Vorschrift regelt, welcher Zeitpunkt für die Verhältnisse bei der Bewertung eines Betriebs der
Land- und Forstwirtschaft für Zwecke der Erbschaft- und Schenkungsteuer zugrunde zu legen sind.
II. Bedeutung und Telos 2 Sie bestimmt einen für alle Bewertungsfälle geltenden Stichtag.
III. Geltungsbereich und Verhältnis zu anderen Vorschriften 3 Abweichende Regelungen für die Forstwirtschaftlichen Nutzungen und für gärtnerische Nutzungen
sind in den §§ 172 bzw. 174 BewG normiert.
IV. Rechtsentwicklung 4 Der § 161 BewG wurde durch das Erbschaftsteuerreformgesetz1 vom 24.12.2008 in das Bewertungs-
gesetz eingefügt und gilt gem. § 205 Abs. 1 BewG für Bewertungsstichtage ab dem 1.1.2009. Für Stichtage bis zum 31.12.2008 galten die §§ 140–144 BewG, die für Zwecke der Grunderwerbsteuer bis zur rückwirkenden Neufassung des § 8 Abs. 2 GrEStG durch das StÄndG 20152 weiterhin anzuwenden waren.
B. Verhältnisse am Bewertungsstichtag (Abs. 1) 5 Nach § 161 Abs. 1 BewG sind die Verhältnisse am Bewertungsstichtag für den Umfang der Gebäude,
den Zustand der Gebäude und die stehenden Betriebsmittel maßgebend. Der Bewertungsstichtag bestimmt sich für die Zwecke der Erbschaft- bzw. Schenkungsteuer nach den §§ 9, 11, 12 Abs. 3 ErbStG i.V.m. §§ 151 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 157 Abs. 1 BewG. Vgl. dazu § 9 ErbStG Rz. 16, § 11 ErbStG Rz. 5 und § 12 ErbStG Rz. 58 ff.
1 ErbStRG v. 24.12.2008, BGBl. I 2008, 3018. 2 StÄndG 2015 v. 2.11.2015, BStBl. I 2015, 1834.
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Bewertung des Wirtschaftsteils
§ 162 BewG
C. Umlaufende Betriebsmittel (Abs. 2) I. Grundsatz Abweichend von der Regelung des § 161 Abs. 1 BewG wird bei den umlaufenden Betriebsmitteln auf 6 die Bestände zum Schluss des vorangegangenen Wirtschaftsjahrs abgestellt (§ 161 Abs. 2 BewG) Dabei ist das nach § 4a EStG i.V.m. § 8c EStDV jeweils einschlägige Wirtschaftsjahr zugrunde zu legen. Zu diesem Zeitpunkt sind i.d.R. nur solche umlaufende Betriebsmittel vorhanden, die zur ordnungsgemäßen Bewirtschaftung benötigt werden. Dies soll die Ermittlung der umlaufenden Betriebsmittel und die Abgrenzung der Überbestände erleichtern.
II. Sonderregelungen Wegen des abweichenden Bewertungsstichtags für nicht eingeschlagenes Holz vgl. § 172 BewG. Wegen 7 der abweichenden Bewirtschaftungsverhältnisse für die durch den Anbau von Baumschulgewächsen genutzte Betriebsfläche und der abweichenden Bewirtschaftungsverhältnisse für die durch den Anbau von Gemüse, Blumen und Zierpflanzen genutzte Betriebsfläche vgl. § 174 BewG.
§ 162 Bewertung des Wirtschaftsteils (1) 1Bei der Bewertung des Wirtschaftsteils ist der gemeine Wert zu Grunde zu legen. 2Dabei ist davon auszugehen, dass der Erwerber den Betrieb der Land- und Forstwirtschaft fortführt. 3Bei der Ermittlung des gemeinen Werts für den Wirtschaftsteil sind die land- und forstwirtschaftlichen Nutzungen, die Nebenbetriebe, das Abbau-, Geringst- und Unland jeweils gesondert mit ihrem Wirtschaftswert (§ 163) zu bewerten. 4Dabei darf ein Mindestwert nicht unterschritten werden (§ 164). (2) Der Wert des Wirtschaftsteils für einen Betrieb der Land- und Forstwirtschaft im Sinne des § 160 Abs. 7 wird nach § 164 ermittelt. (3) 1Wird ein Betrieb der Land- und Forstwirtschaft oder ein Anteil im Sinne des § 158 Abs. 2 Satz 2 innerhalb eines Zeitraums von 15 Jahren nach dem Bewertungsstichtag veräußert, erfolgt die Bewertung der wirtschaftlichen Einheit abweichend von den §§ 163 und 164 mit dem Liquidationswert nach § 166. 2Dies gilt nicht, wenn der Veräußerungserlös innerhalb von sechs Monaten ausschließlich zum Erwerb eines anderen Betriebs der Land- und Forstwirtschaft oder eines Anteils im Sinne des § 158 Abs. 2 Satz 2 verwendet wird. (4) 1Sind wesentliche Wirtschaftsgüter (§ 158 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 bis 3 und 5) dem Betrieb der Land- und Forstwirtschaft innerhalb eines Zeitraumes von 15 Jahren nicht mehr auf Dauer zu dienen bestimmt, erfolgt die Bewertung der Wirtschaftsgüter abweichend von den §§ 163 und 164 mit dem jeweiligen Liquidationswert nach § 166. 2Dies gilt nicht, wenn der Veräußerungserlös innerhalb von sechs Monaten ausschließlich im betrieblichen Interesse verwendet wird. Grundaussagen der Vorschrift. . . . . . . . . . Regelungsgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . Bedeutung und Telos . . . . . . . . . . . . . . . . . Geltungsbereich und Verhältnis zu anderen Vorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Rechtsentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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D. Ansatz des Liquidationswerts (Abs. 3) . . . . I. Nachbewertungsvorbehalt (Abs. 3 Satz 1) . . . II. Reinvestitionsklausel (Abs. 3 Satz 2) . . . . . . .
3 4
B. Bewertung des Wirtschaftsteils (Abs. 1) . .
5
E. Ausscheiden wesentlicher Wirtschaftsgüter (Abs. 4) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 I. Nachbewertungsvorbehalt (Abs. 4 Satz 1) . . . 9 II. Reinvestitionsklausel (Abs. 4 Satz 2) . . . . . . . 10
C. Bewertung von Stückländereien (Abs. 2). .
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A. I. II. III.
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§ 162 BewG Rz. 1 Bewertung des Wirtschaftsteils Literatur: Bahrs, Die Bewertung des landwirtschaftlichen Vermögens für die Erbschaftsteuer, HLBS-Report 2008, 210; Bruschke, Die Bewertung des LuF-Vermögens für die Erbschaft und Schenkungsteuer, ErbStB 2009, 320; Eisele, Bewertung des land- und forstwirtschaftlichen Vermögens, NWB 2009, 3997; Halaczinsky, Bewertung landund forstwirtschaftlicher Betriebe, ErbStB 2009, 130; Hutmacher, Erbschaftsteuerreform: Die Bewertung und Verschonung land- und forstwirtschaftlichen Vermögens, ZEV 2008, 22; Hutmacher, Die Bewertung des Wirtschaftsteils eines Betriebs der Land und Forstwirtschaft, ZEV 2009, 22; Jäckel, Bewertung und Besteuerung des land- und forstwirtschaftlichen Vermögens, FR 2009 Beilage zu Heft 11, 33; Krause, Grundbesitzbewertung von Betrieben der Land- und Forstwirtschaft – der Wirtschaftsteil, NWB 2014, 110; Krause, Grundbesitzbewertung von Betrieben der Land- und Forstwirtschaft – Ermittlung des Wirtschaftswert, des Mindestwerts und des Fortführungswerts, NWB 2012, 1768; von Cölln, Bewertung des forstwirtschaftlichen Vermögens für Zwecke der Erbschaft- und Schenkungsteuer, ZEV 2011, 182; Wenhardt, Die Land- und Forstwirtschaft im Steuerrecht – Eine Darstellung aus einkommensteuer- und erbschaftsteuerlicher Sicht, NWB-EV 2011, 201; Wiegand, Die Bewertung des land- und forstwirtschaftlichen Vermögens nach dem Gesetz zur Reform des Erbschaftsteuer- und Bewertungsrechts, StW 2010, 56; Wiegand, HLBS-Report 2010, 80 f. Verwaltungsanweisungen: R B 162 ErbStR 2011.
A. Grundaussagen der Vorschrift I. Regelungsgegenstand 1 Die Vorschrift regelt das Bewertungsverfahren für den Wirtschaftsteil zur Durchführung der Bewer-
tung für Zwecke der Erbschaft- und Schenkungsteuer und definiert den jeweils zu ermittelnden Wirtschaftswert als Fortführungswert.1 Ziel der Bewertung ist der gemeine Wert (vgl. § 9 BewG). Daneben enthält die Vorschrift in Abs. 2 Sondervorschriften für im Ganzen verpachtete Betriebe und Stückländereien. Abs. 3 regelt die Anwendung des Liquidationswerts anstelle des Fortführungswerts in Veräußerungsfällen. Diese Regelung wird in Abs. 4 ergänzt um einen Nachbewertungsvorbehalt für umgewidmete Wirtschaftsgüter.
II. Bedeutung und Telos 2 Der Vorgabe des Urteils des BVerfG2 folgend, hat der Gesetzgeber bei der Neufassung der Bewertungs-
vorschriften für die Land- und Forstwirtschaft den gemeinen Wert zum Bewertungsziel erklärt und dieses Ziel im § 162 BewG formuliert. Darüber hinaus hat er Anreize zum langfristigen Halten von land- und forstwirtschaftlichem Vermögen durch die Einfügung eines Nachbewertungsvorbehalts geschaffen, bei dessen Anwendung das Vermögen mit dem deutlich höheren Liquidationswert bewertet wird. Somit wird – im Gegensatz zum Betriebsvermögen – der Substanzwert des land- und forstwirtschaftlichen Betriebes nur in Veräußerungsfällen angesetzt. Bereits aus dieser Abfolge der Bewertungssystematik wird deutlich, dass der Gesetzgeber im Bereich der Land- und Forstwirtschaft das Ziel der Bewertung mit dem gemeinen Wert verfehlt hat.3
III. Geltungsbereich und Verhältnis zu anderen Vorschriften 3 § 162 BewG ist die Ausgangsnorm für die nachfolgenden Vorschriften, in denen die Details der Be-
wertung geregelt werden. In § 162 BewG werden die für die Bewertung notwendigen Definitionen vorgelagert und die Leitlinien für die nachfolgenden Bewertungsvorschriften festgelegt.
1 Vgl. R B 162 Abs. 1 ErbStR 2011. 2 BVerfG v. 7.11.2006 – 1 BvL 10/02, BStBl. II 2007, 192 = FR 2007, 338 = ErbStB 2007, 64. 3 Vgl. die krit. Einschätzungen zur Verfassungsmäßigkeit von Kirnberger in Wilms/Jochum, § 162 BewG Rz. 6 u. 9 (Stand: Oktober 2009); Bruschke in Gürsching/Stenger, § 162 BewG Rz. 17 (Stand: Dezember 2011) und Wiegand in V/K/S/W4, § 162 BewG Rz. 2.
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Ansatz des Liquidationswerts (Abs. 3)
Rz. 8 § 162 BewG
IV. Rechtsentwicklung Der § 162 BewG wurde durch das Erbschaftsteuerreformgesetz1 vom 24.12.2008 in das Bewertungs- 4 gesetz eingefügt und gilt gem. § 205 Abs. 1 BewG für Bewertungsstichtage ab dem 1.1.2009. Für Stichtage bis zum 31.12.2008 galten die §§ 140 bis 144 BewG, die für Zwecke der Grunderwerbsteuer bis zur rückwirkenden Neufassung des § 8 Abs. 2 GrEStG durch das StÄndG 20152 weiterhin anzuwenden waren.
B. Bewertung des Wirtschaftsteils (Abs. 1) Die Bewertung des Wirtschaftsteils erfolgt auf der Basis des gemeinen Werts als sog. Fortführungs- 5 wert (§ 162 Abs. 1 Satz 1 und 2 BewG). Dies ist der Wert, der den einzelnen Nutzungen, Nebenbetrieben und übrigen Wirtschaftsgütern in einem Betrieb der Land- und Forstwirtschaft unter objektiven ökonomischen Bedingungen im Rahmen einer Betriebsfortführung beizumessen ist. § 162 Abs. 1 Satz 3 BewG ordnet die Bewertung der land- und forstwirtschaftlichen Nutzungen, der Nebenbetriebe, des Abbaulandes, des Geringstlandes und des Unlands mit ihrem Wirtschaftswert nach § 163 BewG an. Dabei darf nach § 162 Abs. 1 Satz 4 BewG ein Mindestwert nach § 164 BewG (vgl. § 164 BewG Rz. 10) nicht unterschritten werden.3
C. Bewertung von Stückländereien (Abs. 2) § 162 Abs. 2 BewG definiert den Fortführungswert für Stückländereien i.S.d. § 160 Abs. 7 BewG. Die 6 Bewertung von Stückländereien erfolgt aus Vereinfachungsgründen und mangels Selbstbewirtschaftung unmittelbar mit dem Mindestwert nach § 164 BewG (vgl. § 164 BewG Rz. 10).
D. Ansatz des Liquidationswerts (Abs. 3) I. Nachbewertungsvorbehalt (Abs. 3 Satz 1) § 162 Abs. 3 Satz 1 BewG bestimmt ein abweichendes Bewertungsverfahren durch den rückwirken- 7 den Ansatz des Liquidationswerts im Falle der Veräußerung des Betriebs oder von Teilen des Betriebs i.S.d. § 158 Abs. 2 Satz 2 BewG innerhalb einer Frist von 15 Jahren. Die Bewertung ist in diesen Fällen abweichend von den §§ 163 und 164 BewG mit dem Liquidationswert nach § 166 BewG vorzunehmen. Der Nachbewertungsvorbehalt orientiert sich in zeitlicher Hinsicht an der Frist des § 17 des Grundstücksverkehrsgesetzes und somit an den üblichen Bedingungen bei Nachzahlungsvorbehalten infolge zivilrechtlicher Erbregelungen in der Land- und Forstwirtschaft.4 In Fällen der Vollverschonung nach § 13a Abs. 8 ErbStG a.F. bzw. § 13a Abs. 10 ErbStG n.F. bleibt nach Ablauf der Siebenjahresfrist kein Raum für eine Nachbewertung, da der höhere Wertansatz aufgrund der vollumfänglichen Befreiung ins Leere läuft.5
II. Reinvestitionsklausel (Abs. 3 Satz 2) § 162 Abs. 3 Satz 2 BewG enthält eine Reinvestitionsklausel. Demnach entfällt der Ansatz eines Li- 8 quidationswerts, wenn der gesamte Veräußerungserlös ausschließlich zum Erwerb eines anderen Betriebs der Land- und Forstwirtschaft oder eines Anteils i.S.d. § 158 Abs. 2 Satz 2 BewG innerhalb 1 2 3 4
ErbStRG v. 24.12.2008, BGBl. I 2008, 3018. StÄndG 2015 v. 2.11.2015, BStBl. I 2015, 1834. Wegen der Systematik vgl. auch Hutmacher, ZEV 2009, 22. Wegen Einzelheiten dieser Nachzahlungsvorbehalte nach der HöfeO vgl. Eisele in Rössler/Troll, § 162 BewG Rz. 7 (Stand: Oktober 2015) sowie Wiegand, HLBS-Report 2010, 80. 5 Vgl. Krause, NWB 2012, 1768.
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§ 162 BewG Rz. 9 Bewertung des Wirtschaftsteils von sechs Monaten verwendet wird. Die Frist von sechs Monaten beginnt mit Ablauf des Tages, an dem Nutzen, Lasten und Gefahren übergehen.1 Für die Berechnung der Fristen gelten die Vorschriften der §§ 187, 188 und 193 BGB. Die Reinvestitionsklausel umfasst die Fälle, in denen die Struktur des übernommenen Betriebs in der Weise verändert wird, dass der übertragene Betrieb aufgrund tatsächlicher Hindernisse oder wirtschaftlicher Umstrukturierungen innerhalb der Land- und Forstwirtschaft nicht mehr fortbestehen kann.
E. Ausscheiden wesentlicher Wirtschaftsgüter (Abs. 4) I. Nachbewertungsvorbehalt (Abs. 4 Satz 1) 9 § 162 Abs. 4 Satz 1 BewG bestimmt ein abweichendes Bewertungsverfahren nach dem Ausscheiden
wesentlicher Wirtschaftsgüter aus dem land- und forstwirtschaftlichen Betrieb innerhalb von 15 Jahren nach der Übertragung. Dies gilt sowohl im Falle der Veräußerung als auch bei Wegfall der objektiven Zweckbestimmung des Wirtschaftsguts für den Betrieb der Land- und Forstwirtschaft (z.B. Entnahmevorgänge oder betriebliche Veränderung hin zu gewerblicher Tätigkeit). Die dem Grunde nach für einen Betrieb der Land- und Forstwirtschaft wesentlichen Wirtschaftsgüter Grund und Boden, Wirtschaftsgebäude, stehende Betriebsmittel und immaterielle Wirtschaftsgüter unterliegen beim Ausscheiden somit dem Nachbewertungsvorbehalt mit dem Liquidationswert nach § 166 BewG anstelle des Ansatzes bzw. der Abgeltung mit dem Wirtschaftswert nach den §§ 163 und 164 BewG. Wesentliche Wirtschaftsgüter sind bei stehenden Betriebsmitteln nur dann anzunehmen, wenn der gemeine Wert des einzelnen Wirtschaftsguts oder einer Sachgesamtheit von Wirtschaftsgütern am Bewertungsstichtag mindestens 50 000 Euro beträgt (z.B. Maschinen, Tierbestände, Feldinventar, Büroausstattung, Werkzeug).
II. Reinvestitionsklausel (Abs. 4 Satz 2) 10
Der Ansatz des Liquidationswerts kommt nicht in Betracht, wenn der Veräußerungserlös innerhalb von sechs Monaten im betrieblichen Interesse verwendet wird. Eine Verwendung im betrieblichen Interesse liegt vor, wenn anstelle des veräußerten (wesentlichen) Wirtschaftsguts eine Reinvestition in die Wirtschaftsgüter Grund und Boden, Wirtschaftsgebäude, stehende Betriebsmittel von mindestens 50 000 Euro bzw. einer Sachgesamtheit von Wirtschaftsgütern von mindestens 50 000 Euro oder immaterielle Wirtschaftsgüter erfolgt. Gleiches gilt für den Fall, dass ein wesentliches Wirtschaftsgut einem Betrieb der Land- und Forstwirtschaft nicht mehr dauernd zu dienen bestimmt ist. An die Stelle des Veräußerungserlöses tritt der gemeine Wert des einzelnen Wirtschaftsguts. Eine Verwendung im betrieblichen Interesse ist darüber hinaus auch dann anzunehmen, wenn ein Veräußerungserlös zur Tilgung betrieblicher Verbindlichkeiten i.S.d. § 158 Abs. 5 BewG (vgl. § 158 BewG Rz. 17) eingesetzt wird.
§ 163 Ermittlung der Wirtschaftswerte (1) 1Bei der Ermittlung der jeweiligen Wirtschaftswerte ist von der nachhaltigen Ertragsfähigkeit land- und forstwirtschaftlicher Betriebe auszugehen. 2Ertragsfähigkeit ist der bei ordnungsmäßiger Bewirtschaftung gemeinhin und nachhaltig erzielbare Reingewinn. 3Dabei sind alle Umstände zu berücksichtigen, die bei einer Selbstbewirtschaftung den Wirtschaftserfolg beeinflussen. (2) 1Der Reingewinn umfasst das ordentliche Ergebnis abzüglich eines angemessenen Lohnansatzes für die Arbeitsleistung des Betriebsinhabers und der nicht entlohnten Arbeitskräfte. 2Die im unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhang mit einem Betrieb der Land- und Forstwirt-
1 Vgl. R B 162 Abs. 2 Satz 4 ErbStR 2011.
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Ermittlung der Wirtschaftswerte
§ 163 BewG
schaft stehenden Verbindlichkeiten sind durch den Ansatz der Zinsaufwendungen abgegolten. 3Zur Berücksichtigung der nachhaltigen Ertragsfähigkeit ist der Durchschnitt der letzten fünf abgelaufenen Wirtschaftsjahre vor dem Bewertungsstichtag zu Grunde zu legen. (3) 1Der Reingewinn für die landwirtschaftliche Nutzung bestimmt sich nach der Region, der maßgeblichen Nutzungsart (Betriebsform) und der Betriebsgröße nach der Europäischen Größeneinheit (EGE). 2Zur Ermittlung der maßgeblichen Betriebsform ist das Klassifizierungssystem nach der Entscheidung 85/377/EWG der Kommission vom 7. Juni 1985 zur Errichtung eines gemeinschaftlichen Klassifizierungssystems der landwirtschaftlichen Betriebe (ABl. EG Nr. L 220 S. 1), zuletzt geändert durch Entscheidung der Kommission vom 16. Mai 2003 (ABl. EU Nr. L 127 S. 48), in der jeweils geltenden Fassung heranzuziehen. 3Hierzu sind die Standarddeckungsbeiträge der selbst bewirtschafteten Flächen und der Tiereinheiten der landwirtschaftlichen Nutzung zu ermitteln und daraus die Betriebsform zu bestimmen. 4Die Summe der Standarddeckungsbeiträge ist durch 1 200 Euro zu dividieren, so dass sich die Betriebsgröße in EGE ergibt, die einer der folgenden Betriebsgrößenklassen zuzuordnen ist: 1. Kleinbetriebe von 0 bis unter 40 EGE, 2. Mittelbetriebe von 40 bis 100 EGE, 3. Großbetriebe über 100 EGE. 5Das Bundesministerium der Finanzen veröffentlicht die maßgeblichen Standarddeckungsbeiträge im Bundessteuerblatt. 6Der entsprechende Reingewinn ergibt sich aus der Spalte 4 der Anlage 14 in Euro pro Hektar landwirtschaftlich genutzter Fläche (t/ha LF). (4) 1Der Reingewinn für die forstwirtschaftliche Nutzung bestimmt sich nach den Flächen der jeweiligen Nutzungsart (Baumartengruppe) und den Ertragsklassen. 2Die jeweilige Nutzungsart umfasst: 1. Die Baumartengruppe Buche, zu der auch sonstiges Laubholz einschließlich der Roteiche gehört, 2. die Baumartengruppe Eiche, zu der auch alle übrigen Eichenarten gehören, 3. die Baumartengruppe Fichte, zu der auch alle übrigen Nadelholzarten mit Ausnahme der Kiefer und der Lärche gehören, 4. die Baumartengruppe Kiefer und Lärchen mit Ausnahme der Weymouthskiefer, 5. die übrige Fläche der forstwirtschaftlichen Nutzung. 3Die Ertragsklassen bestimmen sich für 1. die Baumartengruppe Buche nach der von Schober für mäßige Durchforstung veröffentlichten Ertragstafel, 2. die Baumartengruppe Eiche nach der von Jüttner für mäßige Durchforstung veröffentlichten Ertragstafel, 3. die Baumartengruppe Fichte nach der von Wiedemann für mäßige Durchforstung veröffentlichten Ertragstafel, 4. die Baumartengruppe Kiefer nach der von Wiedemann für mäßige Durchforstung veröffentlichten Ertragstafel. 4Der nach den Sätzen 2 und 3 maßgebliche Reingewinn ergibt sich aus der Spalte 4 der Anlage 15 in Euro pro Hektar (Euro/ha). (5) 1Der Reingewinn für die weinbauliche Nutzung bestimmt sich nach den Flächen der jeweiligen Nutzungsart (Verwertungsform). 2Er ergibt sich aus der Spalte 3 der Anlage 16. (6) 1Der Reingewinn für die gärtnerische Nutzung bestimmt sich nach dem maßgeblichen Nutzungsteil, der Nutzungsart und den Flächen. 2Er ergibt sich aus der Spalte 4 der Anlage 17. (7) Der Reingewinn für die Sondernutzungen Hopfen, Spargel, Tabak ergibt sich aus der Spalte 3 der Anlage 18. (8) 1Der Reingewinn für die sonstigen land- und forstwirtschaftlichen Nutzungen, für Nebenbetriebe sowie für Abbauland ist im Einzelertragswertverfahren zu ermitteln, soweit für die jeweilige Region nicht auf einen durch statistische Erhebungen ermittelten pauschalierten Reingewinn zurückgegriffen werden kann. 2Der Einzelertragswert ermittelt sich aus dem betriebsindividuellen Ergebnis und dem Kapitalisierungszinssatz nach Absatz 11. (9) Der Reingewinn für das Geringstland wird pauschal mit 5,40 Euro pro Hektar festgelegt. Grootens
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§ 163 BewG Ermittlung der Wirtschaftswerte (10) Der Reingewinn für das Unland beträgt 0 Euro. (11) 1Der jeweilige Reingewinn ist zu kapitalisieren. 2Der Kapitalisierungszinssatz beträgt 5,5 Prozent und der Kapitalisierungsfaktor beträgt 18,6. (12) Der kapitalisierte Reingewinn für die landwirtschaftliche, die forstwirtschaftliche, die weinbauliche, die gärtnerische Nutzung oder für deren Nutzungsteile, die Sondernutzungen und das Geringstland ist mit der jeweiligen Eigentumsfläche des Betriebs zum Bewertungsstichtag zu vervielfältigen, der dieser Nutzung zuzurechnen ist. (13) 1Die Hofflächen und die Flächen der Wirtschaftsgebäude sind dabei anteilig in die einzelnen Nutzungen einzubeziehen. 2Wirtschaftswege, Hecken, Gräben, Grenzraine und dergleichen sind in die Nutzung einzubeziehen, zu der sie gehören; dies gilt auch für Wasserflächen, soweit sie nicht Unland sind oder zu den übrigen land- und forstwirtschaftlichen Nutzungen gehören. (14) Das Bundesministerium der Finanzen wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die Anlagen 14 bis 18 zu diesem Gesetz dadurch zu ändern, dass es die darin aufgeführten Reingewinne turnusmäßig an die Ergebnisse der Erhebungen nach § 2 des Landwirtschaftsgesetzes anpasst. Einschlägige Anlagen (abrufbar unter www.erbschaftsteuerrecht.de): Anlage 14 (zu § 163 Abs. 4 und § 164 Abs. 2) Anlage 15 (zu § 163 Abs. 3, § 164 Abs. 2 und 4) Anlage 16 (zu § 163 Abs. 5 und § 164 Abs. 2 und 4) Anlage 17 (zu § 163 Abs. 6 und § 164 Abs. 2 und 4) Anlage 18 (zu § 163 Abs. 7 und § 164 Abs. 2 und 4) Standarddeckungsbeiträge – BMF v. 18.3.2009 – IV C 2 - S 3015/0, BStBl. I 2009, 479. A. I. II. III.
Grundaussagen der Vorschrift. . . . . . . . . . Regelungsgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . Bedeutung und Telos . . . . . . . . . . . . . . . . . Geltungsbereich und Verhältnis zu anderen Vorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Rechtsentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Ansatz des typisierten Reingewinns zur Ermittlung der Wirtschaftswerte (Abs. 1) .
1 1 2
E. Wirtschaftswert der forstwirtschaftlichen Nutzung (Abs. 4) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 F. Wirtschaftswert der weinbaulichen Nutzung (Abs. 5) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15
3 4
G. Wirtschaftswert der gärtnerischen Nutzung (Abs. 6) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 H. Wirtschaftswert der Sondernutzungen (Abs. 7) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18
5
C. Ermittlung der Reingewinne (Abs. 2) . . . . 6 D. Wirtschaftswert der landwirtschaftlichen Nutzung (Abs. 3) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 I. Grundsätze der Wertermittlung (Abs. 3 Sätze 1 und 2). . . . . . . . . . . . . . . . . 9 II. Ermittlung der Betriebsform (Abs. 3 Satz 3) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10 III. Ermittlung der Betriebsgröße (Abs. 3 Satz 4) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 IV. Ermittlung des Reingewinns (Abs. 3 Satz 6) 13
I. Wirtschaftswert der sonstigen land- und forstwirtschaftlichen Nutzungen, der Nebenbetriebe und des Abbaulands (Abs. 8). . 20 J. Wirtschaftswerte für das Geringstland und das Unland (Abs. 9 und 10) . . . . . . . . . 23 K. Kapitalisierung (Abs. 11) . . . . . . . . . . . . . . 24 L. Ermittlung der Wirtschaftswerte (Abs. 12 und 13) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 M. Verordnungsermächtigung zur Aktualisierung der Reingewinnsätze (Abs. 14) . . . . . . 26
Literatur: Bruschke, Die Bewertung des LuF-Vermögens für die Erbschaft und Schenkungsteuer, ErbStB 2009, 320; Eisele, Komplexe Änderungen durch Neuregelung – ErbStRG: Bewertung des land- und forstwirtschaftlichen Vermögens, NWB 2009, 3997; Hutmacher, Erbschaftsteuerreform: Die Bewertung und Verschonung land- und forstwirtschaftlichen Vermögens, ZEV 2008, 22; Hutmacher, Die Bewertung des Wirtschaftsteils eines Betriebs der Land und Forstwirtschaft, ZEV 2009, 22; Jäckel, Bewertung und Besteuerung des land- und forstwirtschaftlichen Vermögens, FR 2009 Beilage zu Heft 11, 33; Krause, Grundbesitzbewertung von Betrieben der Land- und Forstwirtschaft – Ermittlung des Wirtschaftswert, des Mindestwerts und des Fortführungswerts, NWB 2012, 1768; von Cölln, Bewertung des forstwirtschaftlichen Vermögens für Zwecke der Erbschaft- und Schenkungsteuer, ZEV 2011, 182; Wenhardt, Die Land- und Forstwirtschaft im Steuerrecht – Eine Darstellung aus einkommensteuer- und erb-
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Ansatz des typisierten Reingewinns zur Ermittlung der Wirtschaftswerte
Rz. 5 § 163 BewG
schaftsteuerlicher Sicht, NWB-EV 2011, 201; Wiegand, Die Bewertung des land- und forstwirtschaftlichen Vermögens nach dem Gesetz zur Reform des Erbschaftsteuer- und Bewertungsrechts, StW 2010, 56. Verwaltungsanweisungen: R B 163 ErbStR 2011; H B 163(1)–163(8) ErbStH 2011.
A. Grundaussagen der Vorschrift I. Regelungsgegenstand Die Vorschrift regelt die Ermittlung der Wirtschaftswerte zur Bewertung des Wirtschaftsteils eines 1 land- und forstwirtschaftlichen Betriebs (vgl. § 162 Abs. 1 BewG). Das anzuwendende Verfahren ist ein Reingewinnverfahren, bei dem der für den Betrieb ermittelte Reingewinn der einzelnen Nutzungen mit einem Vervielfältiger i.H.v. 18,6 kapitalisiert wird. Die Summe der einzelnen Wirtschaftswerte der einzelnen Nutzungen bildet den Wert des Wirtschaftsteils des Betriebs.
II. Bedeutung und Telos Die Vorschrift ermittelt den Wirtschaftswert des Betriebes anhand von typisierten Regelsätzen, um 2 individuelle Bewertungen von Betrieben zu vermeiden. Zu diesem Zweck wurden für die einzelnen Nutzungen typisierte Reingewinne in Anlagen niedergelegt. Durch diesen Rückgriff auf statistische Daten sollen z.B. durch Witterungseinflüsse oder Preisschwankungen verursachte Ertragsschwankungen ausgeschlossen werden.
III. Geltungsbereich und Verhältnis zu anderen Vorschriften Das Reingewinnverfahren des § 163 BewG setzt die Vorgabe des § 162 BewG, den Betrieb mit dem 3 Fortführungswert zu bewerten, um. Bei der Durchführung der Bewertung wird auf die Definitionen des § 160 BewG zurückgegriffen. Das Ergebnis des § 163 BewG wird von § 165 BewG aufgegriffen und mit dem Ergebnis nach § 164 BewG (Mindestwert) verglichen.
IV. Rechtsentwicklung Der § 163 BewG wurde durch das Erbschaftsteuerreformgesetz1 vom 24.12.2008 in das Bewertungs- 4 gesetz eingefügt und gilt gem. § 205 Abs. 1 BewG für Bewertungsstichtage ab dem 1.1.2009. Für Stichtage bis zum 31.12.2008 galten die §§ 140 bis 144 BewG, die für Zwecke der Grunderwerbsteuer bis zur rückwirkenden Neufassung des § 8 Abs. 2 GrEStG durch das StÄndG 20152 weiterhin anzuwenden waren. Die Anlage 15 zu § 163 BewG wurde geändert durch Art. 13 Nr. 6 JStG 20103 v. 8.12.2010.
B. Ansatz des typisierten Reingewinns zur Ermittlung der Wirtschaftswerte (Abs. 1) Bei der Bewertung durch Kapitalisierung des Reingewinns ist nicht das individuell durch den Land- 5 und Forstwirt erwirtschafte Ergebnis zu berücksichtigen, sondern der im Allgemeinen normierte Reingewinn. Die für die einzelnen Nutzungen gesondert anzusetzenden Reingewinne ergeben sich daher aus den typisierten Werten der Anlagen 14 bis 18 zum BewG. Die Hof- und Wirtschaftsgebäudeflächen sind in die einzelne Nutzung einzubeziehen, soweit sie ihr dienen und nicht den Betriebs1 ErbStRG v. 24.12.2008, BGBl. I 2008, 3018. 2 StÄndG 2015 v. 2.11.2015, BStBl. I 2015, 1834. 3 JStG 2010 v. 8.12.2010 BGBl. I 2010, 1768.
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§ 163 BewG Rz. 6 Ermittlung der Wirtschaftswerte wohnungen (vgl. § 160 Abs. 8 BewG) oder dem Wohnteil (vgl. § 160 Abs. 9 BewG) zuzurechnen sind. Wirtschaftsgüter, die verschiedenen Nutzungen zu dienen bestimmt sind, sind den Nutzungen zuzuordnen, denen sie am Bewertungsstichtag überwiegend dienen.
C. Ermittlung der Reingewinne (Abs. 2) 6 Bei der Beurteilung der nachhaltigen Ertragsfähigkeit ist nicht auf Muster- oder Spitzenbetriebe ab-
zustellen, sondern auf die Betriebsergebnisse vergleichbarer Betriebe. Dabei sind alle Umstände, die auf den Wirtschaftserfolg Einfluss nehmen oder von denen die Verwertung der gewonnenen Erzeugnisse abhängig ist, zu berücksichtigen. Hierzu kann auf die Agrarberichterstattung zurückgegriffen werden. Der § 163 Abs. 2 Satz 1 BewG konkretisiert auch die Berechnungsschritte, die zur Ermittlung des Reingewinns erforderlich sind. Die in den Anlagen 14–18 zum BewG abgedruckten Reingewinnsätze ermitteln sich demnach nach folgendem Schema: Ausgangswert =
Gewinn/Verlust laut Testbetriebsbuchführung des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (BMELV)
–
Investitionszulagen
–
zeitraumfremde Erträge
+
zeitraumfremde Aufwendungen
–
außerordentliche Erträge
+
außerordentliche Aufwendungen
=
ordentliches Ergebnis lt. Testbetriebsbuchführung des BMELV
+
Lohnansatz für nicht entlohnte Arbeitskräfte und den Betriebsinhaber
=
Reingewinn nach § 163 Abs. 1 und 2 BewG.
7 Durch den Abzug des Unternehmerlohns (Lohnansatz für nicht entlohnte Arbeitskräfte und den Be-
triebsinhaber) sind die Mehrzahl der Reingewinne in den Anlagen 14–18 zum BewG negative Werte. Insgesamt ergeben sich daraus negative Wirtschaftswerte nach § 163 BewG. Es ist jedoch stets der Mindestwert nach § 164 BewG zu prüfen. Da der Mindestwert nach § 164 Abs. 6 BewG nicht weniger als 0 Euro betragen darf, kommt dieser regelmäßig an Stelle des Wirtschaftswertes nach § 163 BewG zum Ansatz. 8 Mit dem jeweiligen Reingewinn werden alle Wirtschaftsgüter i.S.d. § 158 Abs. 3 und 5 BewG abge-
golten, also auch die Verbindlichkeiten. Diese werden durch den Ansatz der Zinsaufwendungen bei der Ermittlung der Reingewinnsätze abgegolten (vgl. § 163 Abs. 2 Satz 2 BewG). § 163 Abs. 2 Satz 3 BewG bestimmt, dass zur Berücksichtigung der nachhaltigen Ertragsfähigkeit der durchschnittliche Reingewinn der letzten fünf Jahre heranzuziehen ist. Durch den Ansatz der typisierten Reingewinne läuft diese Vorschrift im Ergebnis leer.1
D. Wirtschaftswert der landwirtschaftlichen Nutzung (Abs. 3) I. Grundsätze der Wertermittlung (Abs. 3 Sätze 1 und 2) 9 In § 163 Abs. 3 BewG werden die Bewertungsfaktoren zur Ermittlung des Reingewinns der landwirt-
schaftlichen Nutzung unter Beachtung europäischer Vorgaben konkretisiert. Der Ermittlung des anzusetzenden Reingewinnsatzes werden die Standarddeckungsbeiträge als rechnerische Größe und die Betriebssystematik der Agrarberichterstattung (BMELV-Testbetriebsbuchführung) zugrunde gelegt. Da die betriebswirtschaftliche Ausrichtung und die Betriebsgröße die entscheidenden Merkmale für 1 Vgl. Kirnberger in Wilms/Jochum, § 163 BewG Rz. 14 (Stand: Oktober 2009).
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Wirtschaftswert der landwirtschaftlichen Nutzung (Abs. 3)
Rz. 10 § 163 BewG
die wirtschaftliche Ertragskraft eines Betriebes darstellen, müssen diese Parameter bei der Bewertung von landwirtschaftlichen Betrieben herangezogen werden. Grundlage für die Betriebsgröße ist dabei die Europäische Größeneinheit (EGE), die einem Gesamtstandarddeckungsbeitrag von 1 200 Euro entspricht. Die Regionalisierung der Werte in der Anlage 14 trägt der unterschiedlichen Ertragsfähigkeit des Bodens Rechnung und erfolgte auf der Basis der für 38 Regionen ermittelten Standarddeckungsbeiträge.1
II. Ermittlung der Betriebsform (Abs. 3 Satz 3) Zur Ermittlung der Reingewinne der landwirtschaftlichen Nutzung nach Anlage 14 ist zunächst die 10 Betriebsform und die Betriebsgröße nach der Europäischen Größeneinheit (EGE) zu ermitteln. Hierzu sind zunächst die Standarddeckungsbeiträge der selbst bewirtschafteten Flächen (Eigentumsflächen und Zupachtflächen) und der Tiereinheiten der landwirtschaftlichen Nutzung zu ermitteln und daraus die Betriebsform zu bestimmen. Hierbei ist das Verhältnis der einzelnen Standarddeckungsbeiträge zur Summe der Standarddeckungsbeiträge des gesamten Betriebs maßgebend. Aus dem Verhältnis ergibt sich die Betriebsform. Die anzuwendenden Standarddeckungsbeiträge sind durch ein BMF-Schreiben2 festgelegt worden (vgl. § 163 Abs. 3 Satz 5 BewG). Diese Liste enthält sowohl Standarddeckungsbeiträge für Flächen als auch für Vieh und weist für die jeweiligen Regionen (Bundesland und Regierungsbezirk) unterschiedliche Standarddeckungsbeiträge aus. Für die Einteilung der einzelnen Betriebsformen ist die nachfolgende Auflistung heranzuziehen und mit der Tabelle in R B 163 Abs. 3 ErbStR in Bezug zu setzen.3 Anbauflächen bzw. Tierarten
Produktionszweig
Weichweizen und Spelz, Hartweizen, Roggen, Gerste, Hafer, Körnermais, sonstiges Ge- Ackerbau treide zur Körnergewinnung, Eiweißpflanzen zur Körnergewinnung Kartoffeln (einschl. Früh- und Pflanzkartoffeln), Zuckerrüben (ohne Saatgut), Sämereien und Pflanzgut auf dem Ackerland, sonstige Ackerkulturen auf dem Ackerland Schwarzbrache (einschl. Grünbrache), für die keine Beihilfe gewährt wird, nicht wirtschaftlich genutzte Schwarzbrache (einschl. Grünbrache) mit Beihilfe Tabak, Hopfen, Raps und Rübsen, Sonnenblumen, Soja, Leinsamen (Öllein), andere Ölfrüchte, Flachs, Hanf, andere Textilpflanzen, andere Handelsgewächse, die noch nicht aufgeführt sind, Spargel Nur, wenn kein Weidevieh vorhanden ist (*): Futterhackfrüchte (ohne Saatgut), Ackerwiesen und -weiden, Grünmais (Silagemais), sonstige Futterpflanzen Grünland: Futterbau – nur, wenn kein Weidevieh vorhanden ist (**) (Grünland und – Grünland und Weiden ohne ertragsarme Weiden, ungepflegtes Weideland Weidevieh) Weidevieh: Einhufer, Mastbullen bis 19,2 Monate, Aufzuchtfärsen bis 28,8 Monate, Rinder unter 1 Jahr, männliche Rinder 1–2 Jahre, weibliche Rinder 1–2 Jahre, männliche Rinder 2 Jahre und älter, Färsen 2 Jahre und älter, Milchkühe, sonstige Kühe, Mutterschafe, sonstige Schafe, Ziegen davon Rinder für die Milcherzeugung (**): Rinder unter 1 Jahr, weibliche Rinder 1–2 Jahren, Färsen 2 Jahre und älter, Milchkühe Zuchtsauen (50 kg und mehr), sonstige Schweine Masthähnchen und -hühnchen, Legehennen, sonstiges Geflügel Mutterkaninchen
Veredlung
1 Wegen eines zusammenfassenden Beispiels zur Bewertung eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs vgl. auch Krause, NWB 2012, 1768. 2 BMF v. 18.3.2009 – IV C 2 - S 3015/0, BStBl. I 2009, 479. 3 Vgl. Anlage 1 zu R B 160.2 und 163 ErbStR 2011.
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§ 163 BewG Rz. 11 Ermittlung der Wirtschaftswerte (*) Hinweis zu den Futterflächen: Ist Weidevieh vorhanden, sind die Standarddeckungsbeiträge der Futterflächen mit dem Ansatz der Standarddeckungsbeiträge des Weideviehs abgegolten, da von einem ausgeglichenen Futtersaldo ausgegangen wird. Das bedeutet, dass in diesem Fall die Standarddeckungsbeiträge der Futterflächen nicht in den Standarddeckungsbeitrag des jeweiligen Produktionszweigs (Ackerbau bzw. Futterbau) einbezogen werden. Futterflächen sind Futterhackfrüchte (ohne Saatgut), Ackerwiesen und -weiden, Grünmais (Silagemais), sonstige Futterpflanzen, Grünland und Weiden ohne ertragsarme Weiden, ungepflegtes Weideland (**) Hinweis zu den Rindern für die Milcherzeugung: Der Standarddeckungsbeitrag der Rinder für die Milcherzeugung ist ein Teilbetrag des Standarddeckungsbeitrags des Weideviehs; er ist zusätzlich zu ermitteln, da er für die Einordnung eines spezialisierten Futterbaubetriebs in die Betriebsform ‚Milchviehhaltung‘ bzw. ‚Sonstiger Futterbau‘ benötigt wird.
11
Aus dem Verhältnis der ermittelten Standarddeckungsbeiträge und deren Zuordnung zu den Nutzungsarten Futterbau, Ackerbau und Veredlung ergibt sich die maßgebliche Nutzungsart der landwirtschaftlichen Nutzung: Anteil des Standarddeckungsbeitrags des Produktionszweigs am Gesamtstandarddeckungsbeitrag des Betriebs
Nutzungsart (Betriebsform)
Ackerbau L 2/3
Ackerbau
Futterbau und Rinder für die Milcherzeugung L 2/3
Milchviehhaltung
Futterbau L 2/3 und Rinder für die Milcherzeugung # 2/3
Sonstiger Futterbau
Veredlung L 2/3
Veredlung
Ackerbau L 1/3 und Futterbau # 1/3 und Veredlung# 1/3
Pflanzenbau-Verbund
Futterbau L 1/3 und/oder Veredlung L 1/3 und Ackerbau # 1/3
Vieh-Verbund
alle übrigen Betriebe
Pflanzenbau- und Viehverbund
Beispiel: Zu ermitteln ist die Betriebsform und die Betriebsgröße für einen Landwirtschaftsbetrieb in Münster, der Ackerbau auf 50 ha Eigentumsflächen und 55 ha Zupachtflächen betreibt. Merkmal
Standarddeckungsbeitrag pro ha
Anbauflächen in ha
Betrag
Weichweizen
701 t
40
28 040 t
Körnermais
761 t
65
Gesamtstandarddeckungsbeitrag des Betriebs
49 465 t 77 505 v
Da die Standarddeckungsbeiträge beide dem Ackerbau zuzuordnen sind, ist das Klassifizierungsmerkmal (mehr als 2/3 Ackerbau) für den reinen Ackerbaubetrieb erfüllt. Die Betriebsform lautet somit „Ackerbau“.
III. Ermittlung der Betriebsgröße (Abs. 3 Satz 4) 12
Die Summe der Standarddeckungsbeiträge ist durch 1 200 Euro (= 1 EGE) zu dividieren, um die Betriebsgröße in EGE zu erhalten, die einer der folgenden Betriebsgrößenklassen zuzuordnen ist: – Kleinbetriebe von 0 bis unter 40 EGE, – Mittelbetriebe von 40 bis 100 EGE, – Großbetriebe über 100 EGE. Beispiel: Fortführung des Beispiels zur Betriebsform
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Wirtschaftswert der weinbaulichen Nutzung (Abs. 5)
Rz. 15 § 163 BewG
Zu ermitteln ist die Betriebsform und die Betriebsgröße für einen Landwirtschaftsbetrieb in Münster, der Ackerbau auf 50 ha Eigentumsflächen und 55 ha Zupachtflächen betreibt. Gesamtstandarddeckungsbeitrag = 76 905/1 200 = 64,09 EGE Die Betriebsgröße liegt zwischen 40 und 100 EGE. Es liegt folglich ein Mittelbetrieb vor. Der Reingewinn/ha (Münster, Ackerbau, Mittelbetrieb) beträgt lt. Anlage 14 demnach – 21 Euro/ha.
IV. Ermittlung des Reingewinns (Abs. 3 Satz 6) Für die flächenabhängigen Nutzungen ist demnach der Reingewinn pro Hektar zu berechnen. Der 13 für die Region, die Betriebsform und die Betriebsgrößenklasse geltende Reingewinn in Euro/ha ergibt sich für die landwirtschaftliche Nutzung aus Anlage 14 BewG.
E. Wirtschaftswert der forstwirtschaftlichen Nutzung (Abs. 4) Der jeweilige Reingewinn der forstwirtschaftlichen Nutzung bestimmt sich nach den Flächen der je- 14 weiligen Baumartengruppe oder der übrigen Fläche der forstwirtschaftlichen Nutzung laut Anlage 15 zum BewG. Die Werte in Anlage 15 sind – anders als die Werte für die landwirtschaftliche Nutzung in Anlage 14 – nicht regionalisiert. Die für die Anwendung der Anlage 15 notwendigen Ertragsklassen sind den Ertragstafeln nach Schober, Jüttner und Wiedemann zu entnehmen (vgl. § 163 Abs. 4 Satz 3 Nr. 1 bis 4 BewG). Nichtwirtschaftswald mit einer Gesamtgröße bis zu 10 ha ist unabhängig von seiner Baumarten- und Altersklassenzusammensetzung mit dem Reingewinn für Kiefer – III. Ertragsklasse zu bewerten. Die für die Errechnung des Wirtschaftswerts erforderlichen Grunddaten sind ggf. einem forstwirtschaftlichen Betriebsgutachten oder Betriebswerk zu entnehmen. Unter der Voraussetzung einer planmäßigen und nachhaltigen Bewirtschaftung der forstwirtschaftlichen Nutzung unterstellen die Wertermittlungsgrundlagen auf der Grundlage des sog. Waldrentierungswerts eine mittlere Erlös- und Kostenstruktur; folglich sind extreme Kalamitäten und sich abzeichnende klimabedingte Risiken nicht berücksichtigt.1 Beispiel: Folgende forstwirtschaftliche Nutzung ist zu bewerten: Baumartengruppe
Ertragsklasse
Eigentumsfläche
Fichte 41–60 Jahre
EKL I
4 ha
Kiefer 41–60 Jahre
EKL I
3 ha
Eiche 41–60 Jahre
EKL I
5 ha
Ermittlung des Reingewinnsatzes lt. Anlage 14: Nutzungsart
Wert v/ha
Fichte
105
Kiefer
26
Eiche
90
F. Wirtschaftswert der weinbaulichen Nutzung (Abs. 5) Der jeweilige Reingewinn der weinbaulichen Nutzung bestimmt sich nach den Flächen der jewei- 15 ligen Nutzungsart (Verwertungsform) Flaschenweinerzeuger, Fassweinerzeuger oder Traubenerzeuger laut Anlage 16 zum BewG. Die Anlage 16 ist nicht regionalisiert. Die Traubenerzeugung 1 Vgl. Eisele in Rössler/Troll, § 163 BewG Rz. 8 (Stand: Oktober 2015).
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§ 163 BewG Rz. 16 Ermittlung der Wirtschaftswerte umfasst die Erzeugung von Trauben, Maische oder Most und deren Veräußerung an Genossenschaften oder andere Betriebe (Nichtausbau). Der Fassweinausbau umfasst die Erzeugung und die Verarbeitung der Trauben im eigenen Betrieb und den Ausbau sowie den Verkauf von Fasswein. Der Flaschenweinausbau umfasst die Erzeugung und die Verarbeitung der Trauben im eigenen Betrieb und den Ausbau sowie die Bereitung und den Verkauf von Flaschenwein. Kommen die Verwertungsformen in einem Betrieb nebeneinander vor, ist der Wirtschaftswert unter Berücksichtigung der auf die jeweilige Verwertungsform nachhaltig entfallende Erntemenge am Bewertungsstichtag zu ermitteln. Beispiel: Zu bewerten ist ein Betrieb mit 10 ha Eigentumsflächen und 6 ha Zupachtflächen. Die nachhaltige Erntemenge der letzten fünf Jahre beträgt 200 000 l. Davon wurden 40 000 l an eine Winzergenossenschaft geliefert, 60 000 l als Fasswein und 100 000 l als Flaschenwein verkauft. Ermittlung des Reingewinnsatzes lt. Anlage 16: Wert v/ha
Nutzungsart (Verwertungsform)
16
Traubenerzeugung
– 1 252
Fassweinerzeugung
– 759
Flaschenweinerzeugung
– 193
Nach § 164 Abs. 6 BewG darf der Mindestwert nicht weniger als 0 Euro betragen (vgl. § 164 BewG Rz. 10). Insgesamt ist somit festzuhalten, dass es wegen der ausschließlich negativen Reingewinne bei der weinbaulichen Nutzung nie zum Ansatz des im Reingewinnverfahren des § 163 BewG ermittelten Wirtschaftswerts kommt.
G. Wirtschaftswert der gärtnerischen Nutzung (Abs. 6) 17
Der jeweilige Reingewinn der gärtnerischen Nutzung bestimmt sich nach den Flächen des jeweiligen Nutzungsteils bzw. dessen Nutzungsart laut Anlage 17 zum BewG. Die Anlage 17 ist nicht regionalisiert. Die für die Errechnung des Wirtschaftswerts erforderlichen Grunddaten sind ggf. dem Anbauverzeichnis i.S.d. § 142 AO zu entnehmen. Als mögliche Nutzungsteile benennt Anlage 17 den Gemüsebau, den Blumen- und Zierpflanzenbau, die Baumschulen und den Obstbau. Als maßgebliche Nutzungsarten kommen Freilandflächen und Flächen unter Glas und Kunststoffen in Betracht. Beispiel: Für einen Gartenbaubetrieb mit folgenden Betriebsverhältnissen ist ein Wirtschaftswert zu bestimmen: Nutzungsteil
Nutzungsart
Anteilige Eigentumsfläche
Gemüsebau
Freilandflächen
2 ha
Gemüsebau
Flächen unter Glas und Kunststoffen
3 ha
Baumschulen
–
1 ha
Obstbau
–
2 ha
Ermittlung des Reingewinnsatzes: Nutzungsart (Verwertungsform) Gemüsebau (Freilandflächen) Gemüsebau(Flächen unter Glas und Kunststoffen) Baumschulen Obstbau
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Wert v/ha – 1 365 6 098 894 – 379
Wirtschaftswerte für das Geringstland und das Unland (Abs. 9 und 10)
Rz. 23 § 163 BewG
H. Wirtschaftswert der Sondernutzungen (Abs. 7) Der jeweilige Reingewinn für die Sondernutzungen Hopfen, Tabak und Spargel bestimmt sich nach 18 den Flächen der jeweiligen Nutzung laut Anlage 18 zum BewG. Die Anlage 18 ist nicht regionalisiert. Die für die Errechnung des Wirtschaftswerts erforderlichen Grunddaten sind ggf. dem Anbauverzeichnis i.S.d. § 142 AO zu entnehmen. Beispiel: Für einen Spargelbaubetrieb mit folgenden Betriebsverhältnissen ist ein Wirtschaftswert zu bestimmen: Nutzung Spargel
Anteilige Eigentumsfläche 15 ha
Ermittlung des Reingewinnsatzes: Nutzung Spargel
Wert v/ha – 1 365
Nach § 164 Abs. 6 BewG darf der Mindestwert nicht weniger als 0 Euro betragen (vgl. § 164 BewG 19 Rz. 10). Insgesamt ist somit festzuhalten, dass es wegen der ausschließlich negativen Reingewinne bei den Sondernutzungen nie zum Ansatz des im Reingewinnverfahren des § 163 BewG ermittelten Wirtschaftswerts kommt.
I. Wirtschaftswert der sonstigen land- und forstwirtschaftlichen Nutzungen, der Nebenbetriebe und des Abbaulands (Abs. 8) Der jeweilige Reingewinn für die sonstigen land- und forstwirtschaftliche Nutzungen und die Ne- 20 benbetriebe ist mangels agrarstatistischer Werte grundsätzlich durch ein Einzelertragswertverfahren zu ermitteln. In diesen Fällen ist das betriebsindividuelle Ergebnis nach den o.g. Grundsätzen zu ermitteln. Das betriebsindividuelle Ergebnis ist als Reingewinn mit 18,6 zu kapitalisieren und stellt den Einzelertragswert dar. Dem jeweiligen Reingewinn für Nebenbetriebe ist bei der Ermittlung eines Einzelertragswerts nur der Ertrag zugrunde zu legen, der nicht bereits bei der Bewertung des Hauptbetriebs berücksichtigt worden ist. Das ist z.B. bei der Forellenräucherei der Mehrertrag, der sich durch die Bearbeitung der im Hauptbetrieb erzeugten Forellen ergibt. Zur Gleichmäßigkeit der Bewertung kann abweichend von der Verpflichtung zum Einzelertragswert- 21 verfahren von der FinVerw. ein pauschaler Reingewinn ermittelt und bekannt gemacht werden, der mit 18,6 zu kapitalisieren ist und den Wirtschaftswert darstellt (z.B. pauschale Reingewinne für Weihnachtsbaumkulturen pro ha Fläche oder für Brennereien je hl Brennrecht). Soweit ein pauschaler Reingewinn ermittelt wurde, sind individuelle Einzelertragswertermittlungen nur bei Vorliegen besonderer Verhältnisse vorzunehmen Der Reingewinn für das Abbauland kann nach Auffassung der Finanzverwaltung1 zur Vereinfachung 22 der Bewertung regelmäßig pauschal mit 2,70 Euro je Ar bzw. einem Wirtschaftswert von 50 Euro pro Ar angesetzt werden.
J. Wirtschaftswerte für das Geringstland und das Unland (Abs. 9 und 10) Für das Geringstland wird aus Vereinfachungsgründen der Reingewinn mit 5,40 Euro pro Hektar an- 23 gesetzt. Bei einem Kapitalisierungsfaktor von 18,6 entspricht dies einem Bodenwert von rund 0,01 Euro pro Quadratmeter. Für das Unland wird aus Vereinfachungsgründen der Reingewinn mit 0 Euro angesetzt. Damit bleibt das Unland im Ergebnis bei der Bewertung unberücksichtigt.
1 Vgl. R B 163 Abs. 10 ErbStR 2011.
Grootens
991
§ 163 BewG Rz. 24 Ermittlung der Wirtschaftswerte
K. Kapitalisierung (Abs. 11) 24
Der Kapitalisierungszinssatz für die Kapitalisierung des Reingewinns wurde für alle Nutzungen einheitlich festgelegt. Der Zinssatz setzt sich aus einem Basiszins von 4,5 % und einem Zuschlag von 1,0 % zusammen. Der Kapitalisierungsfaktor von 18,6 wurde auf der Grundlage des Zinssatzes von 5,5 % einer mittelschüssig zu zahlenden Zeitrente von unendlicher Dauer (18,681818) abgeleitet.
L. Ermittlung der Wirtschaftswerte (Abs. 12 und 13) 25
Der Wirtschaftswert ergibt sich durch Multiplikation des kapitalisierten Reingewinns einer Nutzung mit der Eigentumsfläche des Betriebs, die dieser Nutzung zuzurechnen ist. Die Eigentumsfläche des Betriebs bestimmt sich nach den Verhältnissen am Bewertungsstichtag und umfasst die bei der Ermittlung des jeweiligen Reingewinns einer Nutzung zugrunde gelegten Flächen bzw. Flächenanteile. Soweit Flächen am Bewertungsstichtag noch nicht im Eigentum es Steuerpflichtigen stehen, aber Nutzen, Lasten und Gefahren bereits auf den Steuerpflichtigen übergegangen sind, sind diese bei der jeweiligen Nutzung mit ihrer Nutzungsart zu berücksichtigen. Die Hof- und Wirtschaftsgebäudeflächen sind in die einzelnen Nutzungen mit einzubeziehen, soweit sie ihnen dienen und nicht den Betriebswohnungen oder dem Wohnteil zuzurechnen sind. Zusammenfassende Beispiele: Beispiel landwirtschaftliche Nutzung: (Fortführung des Beispiels zur Betriebsform und Betriebsgröße) Nutzungsart Ackerbau
Wert v/ha
Kapitalisierungsfaktor
Eigentumsfläche
Wirtschaftswert
– 21
18,6
50
– 19 530 t
Der Wirtschaftswert des zu bewertenden landwirtschaftlichen Betriebes beträgt -19 530 Euro. Die damit in unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhang stehenden Verbindlichkeiten sind mit dem ermittelten Wirtschaftswert abgegolten. Es ist jedoch der Ansatz des Mindestwertes nach § 164 BewG zu prüfen. Nach § 164 Abs. 6 BewG darf der Mindestwert nicht weniger als 0 Euro betragen (vgl. § 164 BewG Rz. 10). Insgesamt lässt sich somit festhalten, dass in allen Fällen mit ausschließlich negativen Reingewinnen der nach § 163 BewG ermittelte Wirtschaftswert nicht zum Ansatz kommt. Beispiel forstwirtschaftliche Nutzung: (Fortführung des Beispiels zur forstwirtschaftlichen Nutzung) Folgende forstwirtschaftliche Nutzung ist zu bewerten: Baumartengruppe
Ertragsklasse
Eigentumsfläche
Fichte 41–60 Jahre
EKL I
4 ha
Kiefer 41–60 Jahre
EKL I
3 ha
Eiche 41–60 Jahre
EKL I
5 ha
Ermittlung des Wirtschaftswerts: Wert v/ha
Kapitalisierungsfaktor
Eigentumsfläche
Wirtschaftswert
Fichte
105
18,6
4 ha
7 812,00 t
Kiefer
26
18,6
3 ha
1 450,80 t
Eiche
90
18,6
5 ha
8 370,00 t
Nutzungsart
Wirtschaftswert
17 632,80 v
Der Wirtschaftswert für die forstwirtschaftliche Nutzung beträgt somit 17 632,80 Euro. Es ist jedoch der Mindestwert nach § 164 BewG zu beachten.
992
Grootens
Ermittlung der Wirtschaftswerte (Abs. 12 und 13)
Rz. 25 § 163 BewG
Beispiel weinbauliche Nutzung: (Fortführung des Beispiels zur weinbaulichen Nutzung) Zu bewerten ist ein Betrieb mit 10 ha Eigentumsflächen und 6 ha Zupachtflächen. 1. Ermittlung der anteiligen Nutzungsartverhältnisse Nutzungsart (Verwertungsform)
Erntemenge in l
Anteile der Verwertungsformen
Anteilige Eigentumsfläche
Traubenerzeuger
40 000
20 %
2 ha
Fassweinerzeuger
60 000
30 %
3 ha
100 000
50 %
5 ha
Flaschenweinerzeuger 2. Ermittlung des Wirtschaftswerts Wert v/ha
Kapitalisierungsfaktor
Eigentumsfläche
Wirtschaftswert
Traubenerzeugung
– 1 252
18,6
2 ha
– 46 574,40 t
Fassweinerzeugung
– 759
18,6
3 ha
– 42 352,20 t
Flaschenweinerzeugung
– 193
18,6
5 ha
Nutzungsart (Verwertungsform)
– 17 949,00 t – 106 875,60 v
Wirtschaftswert
Die Zupachtflächen sind im Reingewinnverfahren nicht zu berücksichtigen. Der Wirtschaftswert für die weinbauliche Nutzung beträgt somit – 106 875,60 Euro. Es ist jedoch der Mindestwert nach § 164 BewG zu beachten. Nach § 164 Abs. 6 BewG darf der Mindestwert nicht weniger als 0 Euro betragen (vgl. § 164 BewG Rz. 10). Somit kommt der nach § 163 BewG ermittelte Wirtschaftswert nicht zum Ansatz. Beispiel gärtnerische Nutzung: (Fortführung des Beispiels zur gärtnerischen Nutzung) Für einen Gartenbaubetrieb mit folgenden Betriebsverhältnissen ist ein Wirtschaftswert zu bestimmen: Nutzungsteil
Nutzungsart
Anteilige Eigentumsfläche
Gemüsebau
Freilandflächen
2 ha
Gemüsebau
Flächen unter Glas und Kunststoffen
3 ha
Baumschulen
–
1 ha
Obstbau
–
2 ha
Ermittlung des Wirtschaftswerts: Nutzungsart (Verwertungsform) Gemüsebau (Freilandflächen) Gemüsebau(Flächen unter Glas und Kunststoffen) Baumschulen Obstbau Wirtschaftswert
Wert v/ha
Kapitalisierungsfaktor
Eigentumsfläche
Wirtschaftswert
– 1 365
18,6
2 ha
– 50 778,00 t
6 098
18,6
3 ha
340 268,40 t
894
18,6
1 ha
16 628,40 t
– 379
18,6
2 ha
– 14 098,80 t 292 020 v
Der Wirtschaftswert für die gärtnerischen Nutzung beträgt somit 292 020 Euro. Es ist jedoch der Mindestwert nach § 164 BewG zu beachten (vgl. § 164 BewG Rz. 10).
Grootens
993
§ 163 BewG Rz. 26 Ermittlung der Wirtschaftswerte Beispiel Sondernutzungen: (Fortführung des Beispiels zu Sondernutzungen) Für einen Spargelbaubetrieb mit folgenden Betriebsverhältnissen ist ein Wirtschaftswert zu bestimmen: Nutzung
Anteilige Eigentumsfläche
Spargel
15 ha
Ermittlung des Wirtschaftswerts: Nutzung Spargel
Wert v/ha
Kapitalisierungsfaktor
Eigentumsfläche
Wirtschaftswert
– 1 365
18,6
15 ha
– 380 835 t
Der Wirtschaftswert für den Spargelbaubetrieb beträgt somit – 380 835 Euro. Es ist jedoch der Mindestwert nach § 164 BewG zu beachten (vgl. § 164 BewG Rz. 10).
M. Verordnungsermächtigung zur Aktualisierung der Reingewinnsätze (Abs. 14) 26
Der § 163 Abs. 14 BewG ermächtigt das Bundesministerium der Finanzen mit Zustimmung des Bundesrats zum Erlass einer Rechtsverordnung, um eine Anpassung der in den Anlagen 14–18 zum BewG niedergelegten Reingewinne in Abhängigkeit von den Erhebungen nach § 2 des Landwirtschaftsgesetzes vorzunehmen. Dadurch soll der Vorgabe des BVerfG nach dynamischen Wertermittlungsverfahren Rechnung getragen werden.
§ 164 Mindestwert (1) Der Mindestwert des Wirtschaftsteils setzt sich aus dem Wert für den Grund und Boden sowie dem Wert der übrigen Wirtschaftsgüter zusammen und wird nach den Absätzen 2 bis 4 ermittelt. (2) 1Der für den Wert des Grund und Bodens im Sinne des § 158 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 zu ermittelnde Pachtpreis pro Hektar (ha) bestimmt sich nach der Nutzung, dem Nutzungsteil und der Nutzungsart des Grund und Bodens. 2Bei der landwirtschaftlichen Nutzung ist dabei die Betriebsgröße in EGE nach § 163 Abs. 3 Satz 4 Nr. 1 bis 3 zu berücksichtigen. 3Der danach maßgebliche Pachtpreis ergibt sich jeweils aus der Spalte 5 der Anlagen 14, 15 und 17 sowie aus der Spalte 4 der Anlagen 16 und 18 und ist mit den Eigentumsflächen zu vervielfältigen. (3) Der Kapitalisierungszinssatz des regionalen Pachtpreises beträgt 5,5 Prozent und der Kapitalisierungsfaktor beträgt 18,6. (4) 1Der Wert für die übrigen Wirtschaftsgüter im Sinne des § 158 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 bis 5 (Besatzkapital) bestimmt sich nach der Nutzung, dem Nutzungsteil und der Nutzungsart des Grund und Bodens. 2Bei der landwirtschaftlichen Nutzung ist dabei die Betriebsgröße in EGE nach § 163 Abs. 3 Satz 4 Nr. 1 bis 3 zu berücksichtigen. 3Der danach maßgebliche Wert für das Besatzkapital ergibt sich jeweils aus der Spalte 6 der Anlagen 14, 15a und 17 sowie aus der Spalte 5 der Anlagen 16 und 18 und ist mit den selbst bewirtschafteten Flächen zu vervielfältigen. (5) Der Kapitalisierungszinssatz für die übrigen Wirtschaftsgüter (§ 158 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 bis 5) beträgt 5,5 Prozent und der Kapitalisierungsfaktor beträgt 18,6. (6) 1Der kapitalisierte Wert für den Grund und Boden und der kapitalisierte Wert für die übrigen Wirtschaftsgüter sind um die damit in wirtschaftlichem Zusammenhang stehenden Verbindlichkeiten zu mindern. 2Der Mindestwert, der sich hiernach ergibt, darf nicht weniger als 0 Euro betragen. (7) Das Bundesministerium der Finanzen wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die Anlagen 14 bis 18 zu diesem Gesetz dadurch zu ändern, dass es die darin aufgeführten Pachtpreise und Werte für das Besatzkapital turnusmäßig an die Ergebnisse der Erhebungen nach § 2 des Landwirtschaftsgesetzes anpasst. 994
Grootens
Grundaussagen der Vorschrift
Rz. 3 § 164 BewG
Einschlägige Anlagen (abrufbar unter www.erbschaftsteuerrecht.de): Anlage 14 (zu § 163 Abs. 4 und § 164 Abs. 2) Anlage 15 (zu § 163 Abs. 3, § 164 Abs. 2 und 4) Anlage 16 (zu § 163 Abs. 5 und § 164 Abs. 2 und 4) Anlage 17 (zu § 163 Abs. 6 und § 164 Abs. 2 und 4) Anlage 18 (zu § 163 Abs. 7 und § 164 Abs. 2 und 4) Standarddeckungsbeiträge – BMF v. 18.3.2009 – IV C 2 - S 3015/0, BStBl. I 2009, 479. A. I. II. III.
Grundaussagen der Vorschrift. . . . . . . . . . Regelungsgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . Bedeutung und Telos . . . . . . . . . . . . . . . . . Geltungsbereich und Verhältnis zu anderen Vorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Rechtsentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Bestandteile des Mindestwerts (Abs. 1) . . .
1 1 2 3 4 5
C. Mindestwert des Grund und Bodens (Abs. 2) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
6
D. Kapitalisierung (Abs. 3 und 5) . . . . . . . . . . E. F. I. II. III.
Mindestwert des Besatzkapitals (Abs. 4) . . . Mindestwert des Betriebs (Abs. 6) . . . . . . . Mindestwertermittlung im Regelfall . . . . . . . Mindestwert für Stückländereien . . . . . . . . . Gemeinschaftliche Tierhaltungen . . . . . . . . .
8 9 10 10 11 13
G. Verordnungsermächtigung zur Aktualisierung der Pachtpreissätze (Abs. 7) . . . . . . . . 14
Literatur: Bruschke, Die Bewertung des LuF-Vermögens für die Erbschaft und Schenkungsteuer, ErbStB 2009, 320; Eisele, Komplexe Änderungen durch Neuregelung – ErbStRG: Bewertung des land- und forstwirtschaftlichen Vermögens, NWB 2009, 3997; Hutmacher, Erbschaftsteuerreform: Die Bewertung und Verschonung land- und forstwirtschaftlichen Vermögens, ZEV 2008, 22; Hutmacher, Die Bewertung des Wirtschaftsteils eines Betriebs der Land und Forstwirtschaft, ZEV 2009, 22; Jäckel, Bewertung und Besteuerung des land- und forstwirtschaftlichen Vermögens, FR 2009 Beilage zu Heft 11, 33; Krause, Grundbesitzbewertung von Betrieben der Land- und Forstwirtschaft – Ermittlung des Wirtschaftswert, des Mindestwerts und des Fortführungswerts, NWB 2012, 1768; von Cölln, Bewertung des forstwirtschaftlichen Vermögens für Zwecke der Erbschaft- und Schenkungsteuer, ZEV 2011, 182; Wiegand, Die Bewertung des land- und forstwirtschaftlichen Vermögens nach dem Gesetz zur Reform des Erbschaftsteuer- und Bewertungsrechts, StW 2010, 56. Verwaltungsanweisungen: R B 164 ErbStR 2011; H B 164(1)–164(9) ErbStH 2011.
A. Grundaussagen der Vorschrift I. Regelungsgegenstand Die Vorschrift regelt die Ermittlung der Mindestwerte zur Bewertung des Wirtschaftsteils eines land- 1 und forstwirtschaftlichen Betriebs (vgl. § 162 Abs. 1 Satz 4 BewG). Darüber hinaus stellt der im Mindestwertverfahren ermittelte Wert auch den für Stückländereien anzusetzende Wirtschaftswert dar.
II. Bedeutung und Telos Regelmäßig erwirtschaften kleine und mittlere Betriebe nur einen geringen oder gar negativen 2 Reinertrag. Der sich für diese Betriebe nach § 163 BewG ergebende auf Basis dieser Reinerträge ermittelte Wirtschaftswert stellt für die Erbschaftsbesteuerung somit keine plausible und zu rechtfertigende Ausgangsbasis dar. Da auch diese Betriebe regelmäßig werthaltig sind, ist ein Mindestwert anzusetzen. § 164 BewG regelt die Ermittlung dieses Mindestwertes.
III. Geltungsbereich und Verhältnis zu anderen Vorschriften Das Mindestwertverfahren des § 164 BewG setzt die Vorgabe des § 162 BewG, den Fortführungswert 3 des Betriebes nach unten hin durch einen Mindestwert abzufangen, um. Bei der Durchführung der Bewertung wird auf die Definitionen des § 160 BewG zurückgegriffen. Das Ergebnis des § 164 BewG wird von § 165 BewG aufgegriffen und mit dem Ergebnis nach § 163 BewG (Fortführungswert) verglichen. Grootens
995
§ 164 BewG Rz. 4 Mindestwert
IV. Rechtsentwicklung 4 Der § 161 BewG wurde durch das Erbschaftsteuerreformgesetz1 vom 24.12.2008 in das Bewertungs-
gesetz eingefügt und gilt gem. § 205 Abs. 1 BewG für Bewertungsstichtage ab dem 1.1.2009. Für Stichtage bis zum 31.12.2008 galten die §§ 140–144 BewG, die für Zwecke der Grunderwerbsteuer bis zur rückwirkenden Neufassung des § 8 Abs. 2 GrEStG durch das StÄndG 20152 weiterhin anzuwenden waren.
B. Bestandteile des Mindestwerts (Abs. 1) 5 Der Mindestwert umfasst den Wert des Grund und Bodens sowie den Wert der sonstigen Wirtschafts-
güter (Besatzkapital). Der Wert des Grund und Bodens wird durch Kapitalisierung eines Pachtpreises unter Berücksichtigung der Eigentumsfläche des Betriebs ermittelt (vgl. Abs. 2). Der Wert des Besatzkapitals wird durch Kapitalisierung des Werts der Wirtschaftsgüter unter Berücksichtigung der selbst bewirtschafteten Flächen ermittelt (vgl. Abs. 4).3
C. Mindestwert des Grund und Bodens (Abs. 2) 6 § 164 Abs. 2 BewG regelt den Ansatz des aus dem Agrarbericht (BMELV-Testbetriebsbuchführung) ab-
geleiteten regionalen Pachtpreises pro Hektar. Der Pachtpreis bestimmt sich nach der jeweiligen Nutzung, ggf. dem Nutzungsteil und der Nutzungsart des Grund und Bodens und ergibt sich aus den Anlagen 14 bis 18 zum BewG. Bei der landwirtschaftlichen Nutzung ist zur Bestimmung des maßgebenden Pachtpreises zusätzlich die Betriebsgröße zu berücksichtigen. Der jeweilige Pachtpreis ist mit den jeweiligen Eigentumsflächen des Betriebs am Bewertungsstichtag zu multiplizieren. 7 Für die sonstigen land- und forstwirtschaftlichen Nutzungen gelten diese Grundsätze für den Grund
und Boden entsprechend. Soweit Flächen einer sonstigen land- und forstwirtschaftlichen Nutzung zu dienen bestimmt sind, ist nach R B 164 Abs. 3 ErbStR 2011 ein Pachtpreis von 171 Euro/ha anzusetzen. Für das Abbauland ist nach R B 164 Abs. 4 ErbStR 2011 ein pauschaler Pachtpreis von 136 Euro/ha anzusetzen. Für das Geringstland ist nach R B 164 Abs. 5 ErbStR 2011 ein pauschaler Pachtpreis von 5,40 Euro/ha anzusetzen. Für das Unland ist kein Wert anzusetzen.
D. Kapitalisierung (Abs. 3 und 5) 8 Der für den Grund und Boden und das Besatzkapital errechnete Wert ist mit 18,6 zu kapitalisieren.
Vgl. zur Herleitung des Zinssatzes die Kommentierung zu § 163 BewG
E. Mindestwert des Besatzkapitals (Abs. 4) 9 Der Wert des Besatzkapitals bestimmt sich nach der jeweiligen Nutzung, ggf. dem Nutzungsteil und
der Nutzungsart in Abhängigkeit des Grund und Bodens und ergibt sich ebenfalls aus den Anlagen 14 bis 18 zum BewG (vgl. § 163 BewG).4 Bei der landwirtschaftlichen Nutzung ist zur Bestimmung des maßgebenden Werts zusätzlich die Betriebsgröße zu berücksichtigen. Der jeweilige Wert des Besatzkapitals ist mit den jeweiligen selbst bewirtschafteten Flächen des Betriebs am Bewertungsstichtag zu 1 ErbStRG v. 24.12.2008, BGBl. I 2008, 3018. 2 StÄndG 2015 v. 2.11.2015, BStBl. I 2015, 1834. 3 Wegen eines zusammenfassenden Beispiels zur Bewertung eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs vgl. auch Krause, NWB 2012, 1768. 4 Wegen der Einzelheiten der Bewertung des Besatzkapitals in Fällen der Nutzungsüberlassung vgl. die gleich lautenden Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder zur Bewertung des land- und forstwirtschaftlichen Vermögens für Zwecke der Erbschaft-/Schenkungsteuer in Fällen der Nutzungsüberlassung v. 4.12.2014, BStBl. I 2014, 1577.
996
Grootens
Mindestwert des Betriebs (Abs. 6)
Rz. 10 § 164 BewG
multiplizieren. Der Wert des Besatzkapitals für die sonstigen land- und forstwirtschaftlichen Nutzungen ist mit dem gemeinen Wert der einzelnen Wirtschaftsgüter zu bewerten. Mit dem Wert für das Besatzkapital sind auch die immateriellen Wirtschaftsgüter eines Betriebs der Land- und Forstwirtschaft erfasst (z.B. Brennrechte, Milchlieferrechte, Jagdrechte, Zahlungsansprüche und Zuckerrübenlieferrechte).
F. Mindestwert des Betriebs (Abs. 6) I. Mindestwertermittlung im Regelfall Die Summe aus dem kapitalisierten Wert für den Grund und Boden sowie dem kapitalisierten Wert 10 für das Besatzkapital ist um die damit in unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhang stehenden Verbindlichkeiten zu mindern. Der sich hieraus ergebende Mindestwert darf nicht weniger als 0 Euro betragen (Mindestwert-Untergrenze). Einer Überschuldung kann daher nur im Rahmen der Öffnungsklausel nach § 165 Abs. 3 BewG Rechnung getragen werden. Beispiele (Fortführung der Beispiele zu § 163 BewG, vgl. § 163 BewG Rz. 25): Mindestwert für die landwirtschaftliche Nutzung: Zu ermitteln ist der Mindestwert für einen Landwirtschaftsbetrieb in Münster, der Ackerbau auf 50 ha Eigentumsflächen und 55 ha Zupachtflächen betreibt. Region: Münster, Betriebsgröße: Mittelbetrieb, Betriebsform: Ackerbau Ansatz Grund und Boden Besatzkapital
Wert v/ha
Anzusetzende Fläche
Kapitalisierungsfaktor
Wertanteil
264
50
18,6
245 520 t
83
105
18,6
162 099 t 0t
Verbindlichkeiten
407 619 v
Mindestwert der landwirtschaftlichen Nutzung
Der Mindestwert für die landwirtschaftliche Nutzung beträgt 407 619 Euro. Da dieser Wert höher ist als der nach § 163 BewG ermittelte Wirtschaftswert, ist der Mindestwert anzusetzen. Mindestwert für die forstwirtschaftliche Nutzung: Folgende forstwirtschaftliche Nutzung ist zu bewerten Baumartengruppe
Ertragsklasse
Eigentumsfläche
Fichte 41–60 Jahre
EKL I
4 ha
Kiefer 41–60 Jahre
EKL I
3 ha
Eiche 41–60 Jahre
EKL I
5 ha
Ermittlung des Mindestwerts: Nutzungsart
Wert v/ha
Kapitalisierungsfaktor
Eigentumsfläche
5,40
18,6
12 ha
1 205,28 t
Besatzkapital Fichte
112,50
18,6
4 ha
8 370,00 t
Besatzkapital Kiefer
15,20
18,6
3 ha
848,16 t
Besatzkapital Eiche
45,90
18,6
5 ha
4 268,70 t
Grund und Boden
Verbindlichkeiten Mindestwert
Mindestwert
0t 14 692,14 v
Der Mindestwert für die forstwirtschaftliche Nutzung beträgt 14 692,14 Euro. Da dieser Wert niedriger ist als der nach § 163 BewG ermittelte Wirtschaftswert, kommt der Mindestwert nicht zum Ansatz.
Grootens
997
§ 164 BewG Rz. 10 Mindestwert Mindestwert für die weinbauliche Nutzung: Zu bewerten ist ein Betrieb mit 10 ha Eigentumsflächen und 6 ha Zupachtflächen. Die nachhaltige Erntemenge der letzten fünf Jahre beträgt 200 000 l. Davon wurden 40 000 l an eine Winzergenossenschaft geliefert, 60 000 l als Fasswein und 100 000 l als Flaschenwein verkauft. 1. Ermittlung der anteiligen Nutzungsartverhältnisse Nutzungsart (Verwertungsform) Traubenerzeugung Fassweinerzeugung Flaschenweinerzeugung
Erntemenge in l
Anteile der Verwertungsformen
Anteilige Eigentumsfläche
Anteilige Gesamtfläche
40 000
20 %
2 ha
3,2 ha
60 000
30 %
3 ha
4,8 ha
100 000
50 %
5 ha
8 ha
Kapitalisierungsfaktor
Eigentumsfläche bzw. bewirtschaftete Fläche
2. Ermittlung des Mindestwerts Wert v/ha
Nutzungsart (Verwertungsform)
Mindestwert
Grund und Boden Traubenerzeugung
859
18,6
2 ha
31 954,80 t
Grund und Boden Fassweinerzeugung
589
18,6
3 ha
32 866,20 t
Grund und Boden Flaschenweinerzeugung
970
18,6
5 ha
90 210,00 t
Besatzkapital Traubenerzeugung
509
18,6
3,2 ha
30 295,68 t
Besatzkapital Fassweinerzeugung
588
18,6
4,8 ha
52 496,64 t
Besatzkapital Flaschenweinerzeugung
1 522
18,6
8 ha
226 473,60 t 0t
Verbindlichkeiten
465 296,92 v
Mindestwert
Der Mindestwert für die weinbauliche Nutzung beträgt 465 296,92 Euro. Da dieser Wert höher ist als der nach § 163 BewG ermittelte Wirtschaftswert, ist der Mindestwert anzusetzen. Der Mindestwert ist bei der weinbaulichen Nutzung immer anzusetzen, da sich bei der Bewertung nach § 163 BewG ausschließlich negative Reingewinne ergeben. Mindestwert für die gärtnerische Nutzung: Für einen Gartenbaubetrieb mit folgenden Betriebsverhältnissen ist ein Mindestwert zu bestimmen: Nutzungsteil
Nutzungsart
Anteilige Eigentumsfläche
Gemüsebau
Freilandflächen
2 ha
Gemüsebau
Flächen unter Glas und Kunststoffen
3 ha
Baumschulen
–
1 ha
Obstbau
–
2 ha
998
Grootens
Mindestwert des Betriebs (Abs. 6)
Rz. 11 § 164 BewG
Ermittlung des Wirtschaftswerts: Nutzungsart (Verwertungsform)
Wert v/ha
Kapitalisierungsfaktor
jeweilige Fläche
Mindestwert
657
18,6
2 ha
24 440,40 t
2 414
18,6
3 ha
134 701,20 t
Grund und Boden Baumschulen
223
18,6
1 ha
4 147,80 t
Grund und Boden Obstbau
325
18,6
2 ha
12 090,00 t
Besatzkapital Gemüsebau (Freilandflächen)
484
18,6
2 ha
18 004,80 t
Besatzkapital Gemüsebau(Flächen unter Glas und Kunststoffen)
2 750
18,6
3 ha
153 450,00 t
Besatzkapital Baumschulen
2 359
18,6
1 ha
43 877,40 t
426
18,6
2 ha
15 847,20 t
Grund und Boden Gemüsebau (Freilandflächen) Grund und Boden Gemüsebau(Flächen unter Glas und Kunststoffen)
Besatzkapital Obstbau
0t
Verbindlichkeiten
406 558,80 v
Mindestwert
Der Mindestwert für die gärtnerische Nutzung beträgt 406 558,80 Euro. Da dieser Wert höher ist als der nach § 163 BewG ermittelte Wirtschaftswert, ist der Mindestwert anzusetzen. Mindestwert für die Sondernutzungen: Für einen Spargelbaubetrieb mit 15 ha. Eigentumsfläche ist ein Mindestwert zu bestimmen: Wert v/ha
Kapitalisierungsfaktor
Eigentumsfläche
Mindestwert
Grund und Boden
657
18,6
15 ha
183 303 t
Besatzkapital Spargel
612
18,6
15 ha
170 749 t
Nutzung
Verbindlichkeiten Mindestwert
0t 354 051 v
Der Mindestwert für die Sondernutzung Spargelbau beträgt 354 051 Euro. Da dieser Wert höher ist als der nach § 163 BewG ermittelte Wirtschaftswert, ist der Mindestwert anzusetzen.
II. Mindestwert für Stückländereien Stückländereien sind nach § 162 Abs. 2 BewG ausschließlich im Mindestwertverfahren zu bewer- 11 ten.1 Zur Ermittlung des zutreffenden Pachtpreises sind die ertragswertbildenden Faktoren einer Nutzungsart, insbesondere die nach § 163 Abs. 3 Satz 3 BewG erforderlichen Standarddeckungsbeiträge, vom Steuerpflichtigen zu erklären. Soweit es dem Steuerpflichtigen nicht möglich ist, die Daten zu beschaffen, sind gem. R E 164 Abs. 9 ErbStR 2011 zur Ermittlung des Werts für den Grund 1 Wegen der Einzelheiten der Abgrenzung und Bewertung von Stückländereien vgl. die gleich lautenden Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder zur Bewertung des land- und forstwirtschaftlichen Vermögens für Zwecke der Erbschaft-/Schenkungsteuer in Fällen der Nutzungsüberlassung v. 4.12.2014, BStBl. I 2014, 1577.
Grootens
999
§ 164 BewG Rz. 12 Mindestwert und Boden folgende Pachtpreise auf der Grundlage der Klassifizierung im Automatisierten Liegenschaftskataster heranzuziehen: Nutzung
Bewertungsfaktoren nach dem BewG
Pachtpreis/ha
Landwirtschaftliche Nutzung – Grünland L 2/3 der Flächen
Anlage 14
Sonstiger Futterbau
Landwirtschaftliche Nutzung – Ackerland L 2/3 der Flächen
Anlage 14
Ackerbau
Landwirtschaftliche Nutzung
Anlage 14
Pflanzenbau-Verbund
Forstwirtschaftliche Nutzung
Anlage 15
5,40 t
Weinbauliche Nutzung
Anlage 16
589 t 657 t
Gärtnerische Nutzung – Gartenland Gärtnerische Nutzung – Anbauflächen unter Glas
12
Anlage 17 – Gemüsebau
2 414 t
Gärtnerische Nutzung – Baumschule
Anlage 17
223 t
Gärtnerische Nutzung – Obstplantage
Anlage 17
325 t
Sondernutzungen – Spargel
Anlage 18
657 t
Sondernutzungen – Hopfen und Tabak
Anlage 18
492 t
Zur Einstufung der Pachtpreise für die landwirtschaftliche Nutzung ist der durchschnittliche Standarddeckungsbeitrag einer Region1 heranzuziehen und mit der Eigentumsfläche der landwirtschaftlichen Nutzung zu multiplizieren. Der sich hiernach ergebende Wert ist zur Ermittlung der Betriebsgröße durch 1 200 Euro zu dividieren. Für die Einstufung der Betriebsgröße gilt § 163 Abs. 3 Satz 4 BewG. Beispiel: Ein Landwirt hat seinen Betrieb in Münster mit folgenden Flächen für 25 Jahre verpachtet. Es liegt folglich ein Betrieb der Stückländerei vor. Soweit die ertragsbildenden Faktoren nicht ermittelt werden können, ist der Betrieb im vereinfachten Verfahren wie folgt zu bewerten: Pächter
Flächenanteil
Klassifizierung
A
8 ha
Ackerland
B
3 ha
Grünland
B
3 ha
Obstplantage
C
5 ha
Gemüsebau Freiland
1. Ermittlung des Gesamtstandarddeckungsbeitrags für die landwirtschaftliche Nutzung Der durchschnittlicher Standarddeckungsbeitrag der landwirtschaftlichen Nutzung für Münster beträgt 638 Euro. Der Standarddeckungsbeitrag für Flächen der landwirtschaftlichen Nutzung beträgt somit 11 ha × 638 Euro/ha = 7 018 Euro. 2. Ermittlung der Nutzungsart bzw. Betriebsform für die landwirtschaftliche Nutzung Die Flächen der landwirtschaftlichen Nutzung (11 ha) sind zu mehr als 2/3 Ackerland 1 Vgl. BMF v. 18.3.2009 – IV C 2 - S 3015/0, BStBl. I 2009, 479.
1000
Grootens
Bewertung des Wirtschaftsteils mit dem Fortführungswert
§ 165 BewG
3. Ermittlung der Betriebsgröße für die landwirtschaftliche Nutzung Gesamtstandarddeckungsbeitrag 7 018 Euro: 1200 Euro = 5,85 EGE. Die Betriebsgröße liegt unter 40 EGE, somit liegt ein Kleinbetrieb vor. Als Bewertungsparameter lt. Anlage 14 zum BewG ist ein Pachtpreis/ha (Münster, Kleinbetrieb, Ackerbau) von 223 Euro/ha heranzuziehen. 4. Bewertung des Betriebs Wert v/ha
Kapitalisierungsfaktor
Eigentumsfläche
Mindestwert
Grund und Boden Ackerland (s.o.)
223
18,6
11 ha
45 625,80 t
Grund und Boden Obstplantage
325
18,6
3 ha
18 135,00 t
Grund und Boden Gemüsebau (Freiland)
657
18,6
5 ha
61 101,00 t
Nutzung
Verbindlichkeiten Mindestwert
0t 124 861,80 v
Der für die Stückländerei anzusetzende Wert beträgt somit 124 861,80 Euro.
III. Gemeinschaftliche Tierhaltungen Sind für Zwecke der Erbschaftsteuer Anteile an gemeinschaftlichen Tierhaltungen i.S.d. § 51a BewG 13 zu ermitteln, ist zunächst der Gesamtwert für die Tierhaltungsgemeinschaft im Wege des Mindestwertverfahrens zu ermitteln und daraus der Wert des entsprechenden Anteils zu berechnen. Falls die Grenzen des § 51a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BewG nicht überschritten werden, gehört der Tierbestand einer gemeinschaftlichen Tierhaltung auch dann zum land- und forstwirtschaftlichen Vermögen, wenn die Gesellschafter oder Mitglieder mehr Vieheinheiten auf die Gemeinschaft übertragen, als nach § 169 Abs. 1 und § 51a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. d BewG zulässig sind.
G. Verordnungsermächtigung zur Aktualisierung der Pachtpreissätze (Abs. 7) Der § 164 Abs. 7 BewG ermächtigt das Bundesministerium der Finanzen mit Zustimmung des Bun- 14 desrats zum Erlass einer Rechtsverordnung, um eine Anpassung der in den Anlagen 14 bis 18 zum BewG niedergelegten Pachtpreise in Abhängigkeit von den Erhebungen nach § 2 des Landwirtschaftsgesetzes vorzunehmen. Dadurch soll der Vorgabe des BVerfG zu dynamischen Wertermittlungsverfahren Rechnung getragen.
§ 165 Bewertung des Wirtschaftsteils mit dem Fortführungswert (1) Der Wert des Wirtschaftsteils wird aus der Summe der nach § 163 zu ermittelnden Wirtschaftswerte gebildet. (2) Der für einen Betrieb der Land- und Forstwirtschaft anzusetzende Wert des Wirtschaftsteils darf nicht geringer sein als der nach § 164 ermittelte Mindestwert. (3) Weist der Steuerpflichtige nach, dass der gemeine Wert des Wirtschaftsteils niedriger ist als der nach den Absätzen 1 und 2 ermittelte Wert, ist dieser Wert anzusetzen; § 166 ist zu beachten.
Grootens
1001
§ 165 BewG Rz. 1 Bewertung des Wirtschaftsteils mit dem Fortführungswert A. Grundaussagen der Vorschrift. . . . . . . . . . I. Regelungsgegenstand, Bedeutung und Telos . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Rechtsentwicklung, Geltungsbereich und Verhältnis zu anderen Vorschriften . . . . . . .
1
B. Bewertung mit dem Fortführungswert (Abs. 1) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3
1
C. Abgleich mit dem Mindestwert (Abs. 2) . . .
4
2
D. Nachweis eines niedrigeren gemeinen Werts für den Wirtschaftsteil (Abs. 3) . . . .
5
Literatur: Bruschke, Die Bewertung des LuF-Vermögens für die Erbschaft und Schenkungsteuer, ErbStB 2009, 320; Hutmacher, Erbschaftsteuerreform: Die Bewertung und Verschonung land- und forstwirtschaftlichen Vermögens, ZEV 2008, 22; Hutmacher, Die Bewertung des Wirtschaftsteils eines Betriebs der Land und Forstwirtschaft, ZEV 2009, 22; Jäckel, Bewertung und Besteuerung des land- und forstwirtschaftlichen Vermögens, FR 2009 Beilage zu Heft 11, 33; Krause, Grundbesitzbewertung von Betrieben der Land- und Forstwirtschaft – Ermittlung des Wirtschaftswert, des Mindestwerts und des Fortführungswerts, NWB 2012, 1768; von Cölln, Bewertung des forstwirtschaftlichen Vermögens für Zwecke der Erbschaft- und Schenkungsteuer, ZEV 2011, 182; Wenhardt, Die Land- und Forstwirtschaft im Steuerrecht – Eine Darstellung aus einkommensteuer- und erbschaftsteuerlicher Sicht, NWB-EV 2011, 201; Wiegand, Die Bewertung des land- und forstwirtschaftlichen Vermögens nach dem Gesetz zur Reform des Erbschaftsteuer- und Bewertungsrechts, StW 2010, 56. Verwaltungsanweisungen: R B 165 ErbStR 2011; H B 165 ErbStH 2011.
A. Grundaussagen der Vorschrift I. Regelungsgegenstand, Bedeutung und Telos 1 Die Vorschrift fügt die nach den §§ 163 und 164 BewG ermittelten Einzelwerte des Wirtschaftsteils
zusammen bzw. gleicht den Fortführungswert mit dem Mindestwert ab.1 Zusätzlich eröffnet die Vorschrift dem Steuerpflichtigen die Möglichkeit des Nachweises eines niedrigeren gemeinen Werts, um dem Prinzip der Leistungsfähigkeit in Fällen der Überbewertung Rechnung zu tragen.
II. Rechtsentwicklung, Geltungsbereich und Verhältnis zu anderen Vorschriften 2 Der § 165 BewG wurde durch das Erbschaftsteuerreformgesetz2 vom 24.12.2008 in das Bewertungs-
gesetz eingefügt und gilt gem. § 205 Abs. 1 BewG für Bewertungsstichtage ab dem 1.1.2009. Für Stichtage bis zum 31.12.2008 galten die §§ 140 bis 144 BewG, die für Zwecke der Grunderwerbsteuer bis zur rückwirkenden Neufassung des § 8 Abs. 2 GrEStG durch das StÄndG 20153 weiterhin anzuwenden waren.
B. Bewertung mit dem Fortführungswert (Abs. 1) 3 § 165 Abs. 1 BewG regelt die Bewertung des Wirtschaftsteils als Fortführungswert durch Addition
der nach § 163 Abs. 3 bis 10 BewG ermittelten Wirtschaftswerte. Somit ergibt sich folgendes Berechnungsschema Wert der landwirtschaftlichen Nutzung + Wert der forstwirtschaftlichen Nutzung + Wert der weinbaulichen Nutzung + Wert der Gärtnerischen Nutzung + Wert der flächengebundenen übrigen Nutzungen + Wert der flächenungebundenen übrigen Nutzungen
1 Hinsichtlich des Zusammenwirkens von Wirtschaftswert, Mindestwert und Öffnungsklausel vgl. zusammenfassend Krause, NWB 2012, 1768. 2 ErbStRG v. 24.12.2008, BGBl. I 2008, 3018. 3 StÄndG 2015 v. 2.11.2015, BStBl. I 2015, 1834.
1002
Grootens
Nachweis eines niedrigeren gemeinen Werts für den Wirtschaftsteil (Abs. 3)
+ + + =
Rz. 6 § 165 BewG
Wert der Nebenbetriebe Wert des Abbaulands Wert des Geringstlands Gesamtwert Wirtschaftsteil
Für Stückländereien wird kein Wirtschaftswert nach § 163 BewG berechnet, so dass entsprechende Flächen im Berechnungsschema nicht berücksichtigt werden. Das Unland wird mit 0 Euro angesetzt, so dass sich ein Aufnahme in das Berechnungsschema mangels Wertansatz erübrigt.
C. Abgleich mit dem Mindestwert (Abs. 2) § 165 Abs. 2 BewG regelt den Ansatz des Mindestwerts nach § 164 Abs. 6 BewG an Stelle des aus 4 den Wirtschaftswerten des § 163 BewG ermittelten Werts des Wirtschaftsteils, wenn der Mindestwert höher ist als dieser Wert. In diesen Fällen ist in einem ersten Schritt die getrennte Ermittlung der Mindestwerte für die einzelnen Nutzungen bzw. Nutzungsteile vorzunehmen; in einem zweiten Schritt ist sodann die Summe des Mindestwerts für den Gesamtbetrieb zu bilden.1 Aufgrund der überwiegend negativen Reingewinne bei kleineren und mittleren Betrieben wird in vielen Fällen der Mindestwert zum Ansatz kommen.2 Das als Regelbewertungsverfahren konzipierte Reingewinnverfahren mutiert insoweit zum Ausnahmefall. Auch der Mindestwert ist ein Fortführungswert; folglich unterliegt dieser ebenfalls dem Nachbewertungsvorbehalt des § 162 Abs. 3 und 4 BewG.3 Für Stückländereien ist stets der Mindestwert anzusetzen, da für diese Flächen eine Bewertung im Reingewinnverfahren unterbleibt.4
D. Nachweis eines niedrigeren gemeinen Werts für den Wirtschaftsteil (Abs. 3) Für den Wirtschaftsteil des Betriebs der Land- und Forstwirtschaft kann nach § 165 Abs. 3 BewG ab- 5 weichend von der Wertermittlung nach den §§ 163, 164 BewG der niedrigere gemeine Wert (Verkehrswert/Marktwert) am Bewertungsstichtag angesetzt werden, wenn der Steuerpflichtige diesen nachweist. Die Vorschrift ermöglicht dem Steuerpflichtigen einen Verkehrswertnachweis nur für den gesamten Wirtschaftsteil. Den Steuerpflichtigen trifft die Nachweislast für einen niedrigeren gemeinen Wert und nicht eine 6 bloße Darlegungslast. Als Nachweis ist regelmäßig ein Gutachten eines Sachverständigen für Bewertungsfragen in der Landwirtschaft erforderlich. Das Gutachten ist nicht bindend, sondern unterliegt der Beweiswürdigung durch das Finanzamt. Enthält das Gutachten Mängel (z.B. methodische Mängel oder unzutreffende Wertansätze), wird es von der FinVerw. zurückgewiesen. Ein Gegengutachten durch das Finanzamt wird nicht erstellt. Ebenso muss das FG kein zweites Gutachten in Auftrag geben, sondern kann bei entsprechender Mangelhaftigkeit des vom Steuerpflichtigen eingereichten Gutachtens dieses ohne Einholung eines Zweitgutachtens verwerfen. Von dem ermittelten Verkehrswert sind die unmittelbar in wirtschaftlichem Zusammenhang stehenden Verbindlichkeiten abzuziehen, so dass gegebenenfalls ein negativer Wert des Wirtschaftsteils in den Grundbesitzwert einfließt. Der Mindestwert nach § 164 Abs. 6 Satz 2 BewG i.H.v. 0 Euro ist beim Verkehrswertnachweis nicht zu berücksichtigen. Zur Gleichbehandlung mit dem Betriebsvermögen ist allerdings der Liquidationswert nach § 166 BewG (vgl. Substanzwert; § 11 Abs. 2 Satz 3 BewG) als untere Wertgrenze zu beachten.
1 2 3 4
Vgl. Krause, NWB 2012, 1768. Wiegand, StW 2010, 56. Wiegand in V/K/S/W4, § 165 BewG Rz. 3. Wegen der Einzelheiten der Abgrenzung und Bewertung von Stückländereien vgl. die gleich lautenden Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder zur Bewertung des land- und forstwirtschaftlichen Vermögens für Zwecke der Erbschaft-/Schenkungsteuer in Fällen der Nutzungsüberlassung v. 4.12.2014, BStBl. I 2014, 1577.
Grootens
1003
§ 166 BewG Rz. 1 Bewertung des Wirtschaftsteils mit dem Liquidationswert
§ 166 Bewertung des Wirtschaftsteils mit dem Liquidationswert (1) Im Falle des § 162 Abs. 3 oder Abs. 4 ist der Liquidationswert nach Absatz 2 zu ermitteln und tritt mit Wirkung für die Vergangenheit an die Stelle des bisherigen Wertansatzes. (2) Bei der Ermittlung des jeweiligen Liquidationswerts nach Absatz 1 1. 1ist der Grund und Boden im Sinne des § 158 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 mit den zuletzt vor dem Bewertungsstichtag ermittelten Bodenrichtwerten zu bewerten. 2§ 179 Satz 2 bis 4 gilt entsprechend. Zur Berücksichtigung der Liquidationskosten ist der ermittelte Bodenwert um 10 Prozent zu mindern; 2. 1sind die übrigen Wirtschaftsgüter im Sinne des § 158 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 bis 5 mit ihrem gemeinen Wert zu bewerten. 2Zur Berücksichtigung der Liquidationskosten sind die ermittelten Werte um 10 Prozent zu mindern. A. I. II. III.
Grundaussagen der Vorschrift. . . . . . . . . . Regelungsgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . Bedeutung und Telos . . . . . . . . . . . . . . . . . Geltungsbereich und Verhältnis zu anderen Vorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Rechtsentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1 1 2 3 4
B. Ansatz des Liquidationswerts (Abs. 1). . . .
5
C. Berechnung des Liquidationswerts (Abs. 2) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Grund und Boden (Abs. 2 Nr. 1) . . . . . . . . . II. Übrige Wirtschaftsgüter (Abs. 2 Nr. 2) . . . . . III. Veräußerung des ganzen Betriebs . . . . . . . . . IV. Veräußerung einzelner Wirtschaftsgüter . . . .
6 6 7 8 9
Literatur: Bruschke, Die Bewertung des LuF-Vermögens für die Erbschaft und Schenkungsteuer, ErbStB 2009, 320; Bruschke, Der Liquidationswert bei der Bewertung land- und forstwirtschaftlichen Vermögens – Risiken und Vermeidungsstrategien, ErbStB 2011, 317; Eisele, Komplexe Änderungen durch Neuregelung – ErbStRG: Bewertung des land- und forstwirtschaftlichen Vermögens, NWB 2009, 3997; Hutmacher, Erbschaftsteuerreform: Die Bewertung und Verschonung land- und forstwirtschaftlichen Vermögens, ZEV 2008, 22; Hutmacher, Die Bewertung des Wirtschaftsteils eines Betriebs der Land und Forstwirtschaft, ZEV 2009, 22; Jäckel, Bewertung und Besteuerung des land- und forstwirtschaftlichen Vermögens, FR 2009 Beilage zu Heft 11, 33; Krause, Grundbesitzbewertung von Betrieben der Land- und Forstwirtschaft – Ermittlung des Wirtschaftswert, des Mindestwerts und des Fortführungswerts, NWB 2012, 1768; von Cölln, Bewertung des forstwirtschaftlichen Vermögens für Zwecke der Erbschaft- und Schenkungsteuer, ZEV 2011, 182; Wenhardt, Die Land- und Forstwirtschaft im Steuerrecht – Eine Darstellung aus einkommensteuer- und erbschaftsteuerlicher Sicht, NWB-EV 2011, 201; Wiegand, Die Bewertung des land- und forstwirtschaftlichen Vermögens nach dem Gesetz zur Reform des Erbschaftsteuer- und Bewertungsrechts, StW 2010, 56. Verwaltungsanweisungen: R B 166 ErbStR 2011; H B 166(2)–166(3) ErbStH 2011.
A. Grundaussagen der Vorschrift I. Regelungsgegenstand 1 Die Vorschrift regelt nach der Vorgabe des § 162 Abs. 3 und 4 BewG die abweichende Bewertung des
Wirtschafteils mit dem Liquidationswert für den Fall der Veräußerung des ganzen Betriebs, eines Anteils am Betrieb i.S.d. § 13 Abs. 7 i.V.m. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG oder eines Anteils an den vorgenannten Betrieben/Anteilen an Betrieben. Gleiches gilt für den Fall der Entnahme von wesentlichen Wirtschaftsgütern, die somit dauerhaft dem Betrieb der Land- und Forstwirtschaft nicht mehr zu dienen bestimmt sind. Die Neubewertung erfolgt mit Wirkung für die Vergangenheit.
1004
Grootens
Berechnung des Liquidationswerts (Abs. 2)
Rz. 6 § 166 BewG
II. Bedeutung und Telos Die Regelungen zum Ansatz des Fortführungswertes nach § 163 BewG sollen nach dem Willen des 2 Gesetzgebers1 nur gelten, wenn der Betrieb vom Erwerber mindestens 15 Jahre fortgeführt wird. Da der Verkaufspreis aufgrund der zeitlichen Distanz zum Bewertungsstichtag nicht als Wertansatz geeignet ist, musste mit dem Liquidationswert ein eigenständiges Bewertungsverfahren geschaffen werden, welches dem Substanzwertverfahren für Betriebsvermögen (vgl. § 11 Abs. 2 Satz 3 BewG) ähnelt. Der Liquidationswert wird auch in zivilrechtlichen Auseinandersetzungen herangezogen.2
III. Geltungsbereich und Verhältnis zu anderen Vorschriften § 166 BewG regelt die Details der Durchführung des im § 162 Abs. 3 und Abs. 4 BewG angeordneten 3 Liquidationswertverfahrens. Der Liquidationswert ist darüber hinaus auch beim Nachweis des niedrigeren gemeinen Werts durch den Steuerpflichtigen nach § 165 Abs. 3 BewG als Untergrenze zu beachten. Für den Grund und Boden erfolgt zudem ein Verweis auf die Ableitungsmöglichkeiten der FinVerw. bei der Ermittlung des Bodenwerts (vgl. § 179 Satz 2 bis 4 BewG).
IV. Rechtsentwicklung Der § 166 BewG wurde durch das Erbschaftsteuerreformgesetz3 vom 24.12.2008 in das Bewertungs- 4 gesetz eingefügt und gilt gem. § 205 Abs. 1 BewG für Bewertungsstichtage ab dem 1.1.2009. Für Stichtage bis zum 31.12.2008 galten die §§ 140–144 BewG, die für Zwecke der Grunderwerbsteuer bis zur rückwirkenden Neufassung des § 8 Abs. 2 GrEStG durch das StÄndG 20154 weiterhin anzuwenden waren. Durch Art. 10 Nr. 2 BeitrRLUmsG5 v. 7.12.2011 wurde Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 neu eingefügt, um die beim Grundvermögen eröffneten Ableitungsmöglichkeiten (vgl. § 179 BewG) bei der Ermittlung des Bodenwerts auch für die Land- und Forstwirtschaft zu eröffnen.
B. Ansatz des Liquidationswerts (Abs. 1) § 166 Abs. 1 nimmt Bezug auf die in § 162 Abs. 3 und Abs. 4 geregelten Anwendungsfälle des Liquida- 5 tionswertes und bestimmt den Ansatz des nach Abs. 2 zu ermittelnden Liquidationswerts. Der Liquidationswert ist mit Wirkung für die Vergangenheit anstelle des bisherigen Wertansatzes nach § 163 oder § 164 BewG anzusetzen (Korrektur der ursprünglichen Grundbesitzwertfeststellung nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO). Ein Liquidationswert wird nur für den Wirtschaftsteil eines Betriebes ermittelt. Bei Betriebswohnungen und dem Wohnteil bleibt es folglich beim nach den Vorschriften zur Bewertung des Grundvermögens ermittelten Wertansatz.
C. Berechnung des Liquidationswerts (Abs. 2) I. Grund und Boden (Abs. 2 Nr. 1) Der gemeine Wert des Grund und Bodens bestimmt sich nach den zuletzt vor dem Bewertungsstichtag 6 ermittelten Bodenrichtwerten (ohne Aufwuchs) für die jeweilige Nutzung. Kann ein Bodenrichtwert nicht ermittelt werden, ist die FinVerw. aufgrund des Verweises auf § 179 Sätze 2–4 BewG berechtigt, einen Bodenwert aus vergleichbaren Flächen abzuleiten. Wegen der Einzelheiten zur Ableitungsbefug1 Vgl. BT-Drucks. 16/7918. 2 Vgl. zur Berechnung des Abfindungsanspruchs des aus einer Kartoffelbrennerei ausgeschiedenen Gesellschafters einer BGB-Gesellschaft OLG Hamm v. 21.1.2013 – I-8 U 126/10, 8 U 126/10. 3 ErbStRG v. 24.12.2008, BGBl. I 2008, 3018. 4 StÄndG 2015 v. 2.11.2015, BStBl. I 2015, 1834. 5 BGBl. I 2011, 2592.
Grootens
1005
§ 166 BewG Rz. 7 Bewertung des Wirtschaftsteils mit dem Liquidationswert nis vgl. § 179 BewG. Der gemeine Wert des Grund und Bodens ist zur Berücksichtigung der Liquidationskosten ohne weiteren Nachweis um 10 % zu mindern.
II. Übrige Wirtschaftsgüter (Abs. 2 Nr. 2) 7 Der gemeine Wert der übrigen Wirtschaftsgüter bestimmt sich nach dem jeweiligen Einzelveräuße-
rungspreis des Wirtschaftsguts am Bewertungsstichtag. Für die Ermittlung des Liquidationswerts der Wirtschaftsgebäude gelten grundsätzlich die auf Grund des § 199 Abs. 1 des BauGB erlassenen Vorschriften (ImmoWertV; vgl. § 198 BewG Rz. 32 ff.). Der gemeine Wert des Besatzkapitals ist zur Berücksichtigung der Liquidationskosten ohne weiteren Nachweis um 10 % zu mindern.
III. Veräußerung des ganzen Betriebs 8 Bei der Veräußerung eines ganzen Betriebs ist der gemeine Wert des Grund und Bodens sowie des
Besatzkapitals zu ermitteln. Die Summe der hiernach ermittelten Werte ist um die damit im unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhang stehenden Verbindlichkeiten zu mindern. Der Wert des Wirtschaftsteils wird in diesem Fall vollständig durch den Liquidationswert ersetzt. Beispiel: Ein land- und forstwirtschaftlicher Betrieb mit 50 ha Ackerbaufläche (vollumfänglich Eigentumsfläche) wird zum 30.8.2009 vererbt. Im Jahr 2012 verkauft der Erbe den Betrieb im Ganzen für 2 000 000 Euro. Zum Bewertungsstichtag bestehen noch Verbindlichkeiten aus der Anschaffung von Maschinen i.H.v. 70 000 Euro. Es ist gem. § 162 Abs. 3 BewG ein Liquidationswert zu ermitteln. 1. Bodenwert (§ 166 Abs. 2 Nr. 1 BewG) Eigentumsfläche
Bodenrichtwert
50 ha
19 000 t/ha
Liquidationskosten Verbindlichkeiten Liquidationswert Grund und Boden
950 000 t – 95 000 t –0t 855 000 v
2. Wert der übrigen Wirtschaftsgüter (§ 166 Abs. 2 Nr. 2 BewG) Liquidationswert Wirtschaftsgebäude
180 000 t
Liquidationswert Maschinen
95 000 t
Liquidationswert Betriebsvorrichtungen
15 000 t
Liquidationswert Umlaufvermögen
10 000 t
Summe der Liquidationswerte der einzelnen Wirtschaftsgüter
300 000 t
Liquidationskosten
– 30 000 t
Verbindlichkeiten
– 70 000 t
Liquidationswert Besatzkapital
200 000 v
3. Ermittlung des Liquidationswert für den Wirtschaftsteil Liquidationswert Grund und Boden Liquidationswert Besatzkapital Liquidationswert des Wirtschaftsteils
1006
Grootens
855 000 t 200 000 t 1 055 000 v
Berechnung des Liquidationswerts (Abs. 2)
Rz. 9 § 166 BewG
Der Liquidationswert i.H.v. 1 055 000 Euro ist an Stelle des nach § 163 BewG (Wirtschaftswert) unter Berücksichtigung des § 164 BewG (Mindestwert) ermittelten Werts anzusetzen.
IV. Veräußerung einzelner Wirtschaftsgüter Bei der Veräußerung einzelner Wirtschaftsgüter ist der gemeine Wert des jeweiligen Wirtschaftsguts 9 zu ermitteln und zur Berücksichtigung der Liquidationskosten ohne weiteren Nachweis um 10 % zu mindern. Der hiernach jeweils ermittelte Wert ist um die damit im unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhang stehenden Verbindlichkeiten zu mindern. Der bisherige Wert des Wirtschaftsteils ist um den anteiligen Wert des ausscheidenden Wirtschaftsguts zu mindern. Hierzu ist beim Grund und Boden die ausscheidende Fläche und der bei der Wertermittlung zugrunde gelegte Pachtpreis sowie der Kapitalisierungsfaktor von 18,6 heranzuziehen. Bei den übrigen Wirtschaftsgütern ist die selbst bewirtschaftete Fläche, der bei der Wertermittlung zugrunde gelegte Wert für das Besatzkapital, der Kapitalisierungsfaktor von 18,6 und der prozentuale Anteil des Wirtschaftsguts am Besatzkapital heranzuziehen. Zur Ermittlung des prozentualen Anteils des Wirtschaftsguts am Besatzkapital sind die Buchwerte der einzelnen Wirtschaftsgüter ohne Grund und Boden am Bewertungsstichtag zu ermitteln. Aus dem Verhältnis der Buchwerte ergibt sich der prozentuale Anteil für die Minderung des Besatzkapitals. Der so korrigierte Wert des Wirtschaftsteils ist um den Liquidationswert des jeweils ausscheidenden Wirtschaftsguts zu erhöhen. Beispiel: Ein mit Wirkung zum 30.6.2009 im Wege der Schenkung übertragener land- und forstwirtschaftlicher Betrieb im Regierungsbezirk Münster wird verkleinert. Zu diesem Zweck werden 20 ha der Eigentumsfläche von 100 ha veräußert. Darüber hinaus wird der gesamte Milchviehbestand veräußert. Zukünftig betreibt der Eigentümer auf der verbleibenden Fläche nur noch den Anbau von Mais zum Verkauf an einen Biogasanlagenbetreiber. Der Bodenrichtwert für Ackerland beträgt am Bewertungsstichtag 1,50 Euro/m2. Sämtliche Kosten der Grundstücksübertragung übernimmt der Erwerber. Der Verkauf des Milchviehbestandes hätte zum Bewertungsstichtag einen Erlös von 60 000 Euro eingebracht. Der Buchwert dieses Milchviehbestandes am Bewertungsstichtag betrug 10 000 Euro gegenüber einem Gesamtbuchwert aller übrigen Wirtschafsgüter (ohne Grund und Boden) von 100 000 Euro. Verbindlichkeiten in Zusammenhang mit diesen Wirtschaftsgütern bestehen nicht. Der Betrieb war bisher wie folgt mit dem Mindestwert nach § 164 BewG bewertet: Ansatz Grund und Boden Besatzkapital
Wert v/ha
Anzusetzende Fläche
Kapitalisierungsfaktor
Wertanteil
309
100
18,6
574 740 t
70
100
18,6
130 200 t 0t
Verbindlichkeiten
704 940 v
Mindestwert der landwirtschaftlichen Nutzung
1. Wert für den Grund und Boden (§ 166 Abs. 2 Nr. 1 BewG) Die einzelnen veräußerten Wirtschaftsgüter sind zum Bewertungsstichtag so zu bewerten, als seien sie zu diesem Zeitpunkt veräußert worden. Eigentumsfläche 20 ha Liquidationskosten Verbindlichkeiten Liquidationswert Grund und Boden
Bodenrichtwert 15 000 t/ha
300 000 t – 30 000 t –0t 270 000 v
Grootens
1007
§ 167 BewG Bewertung der Betriebswohnungen und des Wohnteils 2. Wert der übrigen Wirtschaftsgüter (§ 166 Abs. 2 Nr. 2 BewG) Liquidationswert Betriebsmittel
60 000 t
Liquidationskosten
– 6 000 t 0t
Verbindlichkeiten
54 000 v
Liquidationswert Besatzkapital 3. Summe der Liquidationswerte
270 000 t
Liquidationswert Grund und Boden Liquidationswert Besatzkapital
54 000 t
Summe der Liquidationswerte
324 000 v
4. Bereinigung des bisherigen Wertansatzes Der bisherige Wert nach § 164 BewG ist um den Wertansatz für die ausgeschiedenen Wirtschaftsgüter zu bereinigen. Anschließend ist die Summe der Liquidationswerte dem bereinigten Wert hinzuzurechnen. 1. Berechnung der Anteile a) Grund und Boden Ausgeschiedene Eigentumsfläche
GesamteEigentumsfläche
Anteil
20 ha
100 ha
20 %
Buchwert Milchviehbestand
Gesamter Buchwert aller übrigen Wirtschaftsgüter
Anteil
10 000 t
100 000 t
10 %
b) Milchviehbestand
2. Berechnung der Korrekturbeträge 704 940 v
Bisheriger Wert der landwirtschaftlichen Nutzung Wert v/ha
Ansatz Grund und Boden Besatzkapital
Anzusetzende Fläche
Kapitalisierungsfaktor
309
100 ha × 20 %
18,6
– 114 948 t
70
100 ha × 10 %
18,6
– 13 020 t
Liquidationswert der ausgeschiedenen Wirtschaftsgüter Mindestwert der landwirtschaftlichen Nutzung
+ 324 000 t 912 972 v
Der neue Wert des Wirtschaftsteils beträgt 912 972 Euro und ist somit gegenüber dem bisherigen Wert um 208 032 Euro gestiegen. Die Grundbesitzwertfeststellung ist nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO zu berichtigen.
§ 167 Bewertung der Betriebswohnungen und des Wohnteils (1) Die Bewertung der Betriebswohnungen und des Wohnteils erfolgt nach den Vorschriften, die für die Bewertung von Wohngrundstücken im Grundvermögen (§§ 182 bis 196) gelten. (2) Für die Abgrenzung der Betriebswohnungen und des Wohnteils vom Wirtschaftsteil ist höchstens das Fünffache der jeweils bebauten Fläche zu Grunde zu legen. (3) Zur Berücksichtigung von Besonderheiten, die sich im Falle einer engen räumlichen Verbindung von Wohnraum mit dem Betrieb ergeben, ist der Wert des Wohnteils und der Wert der Betriebswohnungen nach den Absätzen 1 und 2 um 15 Prozent zu ermäßigen. 1008
Grootens
Grundaussagen der Vorschrift
Rz. 3 § 167 BewG
(4) 1Weist der Steuerpflichtige nach, dass der gemeine Wert des Wohnteils oder der Betriebswohnungen niedriger ist als der sich nach den Absätzen 1 bis 3 ergebende Wert, ist der gemeine Wert anzusetzen. 2Für den Nachweis des niedrigeren gemeinen Werts gelten grundsätzlich die auf Grund des § 199 Abs. 1 des Baugesetzbuchs erlassenen Vorschriften. A. I. II. III.
Grundaussagen der Vorschrift. . . . . . . . . . Regelungsgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . Bedeutung und Telos . . . . . . . . . . . . . . . . . Geltungsbereich und Verhältnis zu anderen Vorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Rechtsentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Bewertung des Wohnteils und der Betriebswohnungen (Abs. 1) . . . . . . . . . . .
1 1 2 3 4 5
C. Abgrenzung des Grund und Bodens (Abs. 2) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
6
D. Enge räumliche Verbindung mit der Hofstelle (Abs. 3) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
7
E. Öffnungsklausel für die Betriebswohnungen und den Wohnteil (Abs. 4) . . . . . . . . . . 9 I. Nachweis durch ein Sachverständigengutachten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 II. Nachweis durch einen Kaufpreis. . . . . . . . . . 12
Literatur: Bruschke, Die Bewertung des LuF-Vermögens für die Erbschaft und Schenkungsteuer, ErbStB 2009, 320; Krause, Grundbesitzbewertung von Betrieben der Land- und Forstwirtschaft – Ermittlung des Wirtschaftswert, des Mindestwerts und des Fortführungswerts, NWB 2012, 1768; Krause/Grootens, Bewertung des Wohnteils und der Betriebswohnungen eines LuF-Betriebs – Bestimmung der Grundstücksart und Wahl des Bewertungsverfahrens – Teil 1, NWB-EV 2010, 180; Krause/Grootens, Bewertung des Wohnteils und der Betriebswohnungen eines LuF-Betriebs – Möglichkeiten der Steuerbefreiung – Teil 2, NWB-EV 2010, 203; Krause/Grootens, Bewertung des Wohnteils und der Wohnungen eines LuF-Betriebs, NWB-EV 2012, 198; Wiegand, Die Bewertung des land- und forstwirtschaftlichen Vermögens nach dem Gesetz zur Reform des Erbschaftsteuer- und Bewertungsrechts, StW 2010, 56. Verwaltungsanweisungen: R B 167.1–167.3 ErbStR 2011; H B 167.1(1)–167.3 ErbStH 2011.
A. Grundaussagen der Vorschrift I. Regelungsgegenstand § 167 BewG regelt die Bewertung des Wohnteils und der Betriebswohnungen eines land- und 1 forstwirtschaftlichen Betriebs. Zur Durchführung der Bewertung enthält die Vorschrift Spezialregelungen zur Abgrenzung der Betriebswohnungen und des Wohnteils vom Wirtschaftsteil, zum Abschlag wegen enger räumlicher Verbindung mit den Wirtschaftsgebäuden und zu den Möglichkeiten des Nachweises eines niedrigeren gemeinen Werts ein.
II. Bedeutung und Telos Die Vorschrift stellt sicher, dass der Wert für Wohnraum eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs 2 grundsätzlich nach denselben Verfahren wie beim Grundvermögen und damit wie für andere vergleichbare Wohnungen ermittelt wird. Für die Bewertung der Betriebswohnungen und des Wohnteils ist daher ein Verweis auf die Regelungen zur Bewertung des Grundvermögens eingefügt worden.
III. Geltungsbereich und Verhältnis zu anderen Vorschriften Wegen der Zugehörigkeit von Gebäuden und Gebäudeteilen eines Betriebs der Land- und Forstwirt- 3 schaft zu den Betriebswohnungen und zum Wohnteil vgl. § 160 BewG. Der nach § 167 BewG ermittelte Wert des Wirtschaftsteils und der Betriebswohnungen wird von § 168 Abs. 1 BewG aufgegriffen und bildet zusammen mit dem Wert des Wirtschaftsteils den Grundbesitzwert des land- und forstwirtschaftlichen Betriebs.
Grootens
1009
§ 167 BewG Rz. 4 Bewertung der Betriebswohnungen und des Wohnteils
IV. Rechtsentwicklung 4 Der § 167 BewG wurde durch das Erbschaftsteuerreformgesetz1 vom 24.12.2008 in das Bewertungs-
gesetz eingefügt und gilt gem. § 205 Abs. 1 BewG für Bewertungsstichtage ab dem 1.1.2009. Für Stichtage bis zum 31.12.2008 galten die §§ 140 bis 144 BewG, die für Zwecke der Grunderwerbsteuer bis zur rückwirkenden Neufassung des § 8 Abs. 2 GrEStG durch das StÄndG 20152 weiterhin anzuwenden waren.
B. Bewertung des Wohnteils und der Betriebswohnungen (Abs. 1) 5 Bei der Ermittlung des Werts der Betriebswohnungen und des Wohnteils sind die beim Grundver-
mögen für die Bewertung von Wohngrundstücken geltenden §§ 182 bis 196 BewG sowie R B 176 bis R B 196 ErbStR 2011 anzuwenden. Somit sind die Gebäude im Vergleichswert-, Ertragswert- oder Sachwertverfahren zu bewerten. Bei der Bewertung der Betriebswohnungen und des Wohnteils ist jedes Gebäude bzw. jeder Gebäudeteil gesondert zu betrachten. Dabei ist die Abgrenzung vom Wirtschaftsteil nach der Verkehrsanschauung vorzunehmen. Handelt es sich um ein freistehendes Bauwerk, erfolgt die Wertermittlung für das Wohnhaus bzw. die Wohnung des Altenteilers nach den Grundsätzen für Ein- und Zweifamilienhäuser. Befinden sich die jeweils zu bewertende Wohnung innerhalb eines räumlichen Verbunds mit anderen Gebäuden oder Gebäudeteilen, sind die Grundsätze für die Bewertung von Wohnungseigentum maßgebend.3 Beispiel: Ein land und forstwirtschaftlicher Betrieb ist zum 30.6.2009 zu bewerten. Zum Wohnbereich gehören ein Einfamilienhaus und ein Dreifamilienhaus. Das vom Betriebsinhaber genutzte eingeschossige Einfamilienhaus befindet sich auf einer 10 000 m2 großen Hofstelle. Der für das Grundstück ermittelte Bodenrichtwert beträgt 30 Euro/m2. Das Haus wurde 1966 bezugsfertig und verfügt über einen Keller sowie ein ausgebautes Dachgeschoss. Die BruttoGrundfläche beträgt 300 m2. Die bebaute Fläche beträgt 100 m2. Zum 31.12.1998 wurden das Haus und der Hausgarten mit insgesamt 1 200 m2 steuerfrei aus dem ertragsteuerlichen Betriebsvermögen entnommen. Für die Arbeitnehmer des Betriebs wurde im Jahre 1983 das Dreifamilienhaus errichtet. Das nicht unterkellerte Haus verfügt über drei Wohnungen und wird an die Arbeitnehmer des Betriebs gegen ein übliches Entgelt von 4,50 Euro/m2 vermietet. Die Wohnfläche jeder Wohnung beträgt 100 m2. Die bebaute Fläche des Grundstücks ist 150 m2 groß. Zum Dreifamilienhaus gehören eine eingezäunte Gartenfläche von 300 m2 und drei Stellplätze zu je 20 m2. Am Bewertungsstichtag bestehen damit in unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhang stehende Verbindlichkeiten i.H.v. 50 000 Euro. Das Einfamilienhaus des Betriebsleiters liegt auf der Hofstelle und grenzt unmittelbar an die Wirtschaftsgebäude an. Das Dreifamilienhaus für die Arbeitnehmer ist durch einen Fluss von der Hofstelle getrennt, so dass keine enge räumliche Verbindung zur Hofstelle besteht. Vom Gutachterausschuss stehen für das Einfamilienhaus des Betriebsleiters keine geeigneten Vergleichspreise bzw. Vergleichsfaktoren zur Verfügung. Örtliche Sachwertfaktoren liegen ebenso wie Bewirtschaftungskosten und Liegenschaftszinssätze nicht vor. 1. Wohnteil Das Einfamilienhaus des Betriebsleiters (§ 181 Abs. 2 BewG) gehört zum Wohnteil des Betriebs der Land- und Forstwirtschaft. Zur Abgrenzung des Wohnteils vom Wirtschaftsteil ist die Verkehrsanschauung heranzuziehen. Der Flächenansatz ist nach § 167 Abs. 2 BewG auf das Fünffache der bebauten Fläche begrenzt: Bebaute Fläche des Einfamilienhauses
100 m2
zzgl. Hausgarten
1 100 m2
Summe
1 200 m2
Maximal das Fünffache der bebauten Fläche (5 × 100 m2)
1 ErbStRG v. 24.12.2008, BGBl. I 2008, 3018. 2 StÄndG 2015 v. 2.11.2015, BStBl. I 2015, 1834. 3 Vgl. Krause/Grootens, NWB-EV 2012, 198.
1010
Grootens
500 m2
Bewertung des Wohnteils und der Betriebswohnungen (Abs. 1)
Rz. 5 § 167 BewG
Das Einfamilienhaus des Betriebsinhabers kann mangels Vergleichspreisen bzw. Vergleichsfaktoren nicht im vorrangigen Vergleichswertverfahren bewertet werden. Es ist daher nach § 182 Abs. 4 Nr. 1 BewG im Sachwertverfahren zu bewerten: a) Bodenwert inkl. Außenanlagen (§§ 179, 189 Abs. 2 BewG) 30 t/m2
Bodenrichtwert
500 m2
maßgebliche Grundstücksfläche
15 000 v
Bodenwert
b) Gebäudesachwert (§ 190 Abs. 1 und 2 BewG) Das Gebäude weist drei Merkmale des Ausstattungsstandards mittel und sechs Merkmale des Ausstattungsstandards gehoben auf. Flächenpreis RHK 2007 gem. Anlage 24 BewG (Geb.-Klasse 1.11): Merkmal
Anzahl
Kostensatz
mittel
3
720 t/m2 BGF
2 160 t/m2 BGF
gehoben
6
850 t/m2 BGF
5 100 t/m2 BGF
9
Summe:
7 260 t/m2 BGF
Regelherstellungskostensatz (7 260: 9 Merkmale):
806 v/m2 BGF
Regelherstellungskostensatz
806 t/m2 BGF
Bruttogrundfläche (KG, EG, DG je 100 m2)
300 m2
Gebäuderegelherstellungswert
194 400 t
Abzüglich Alterswertminderung 53,75 % (Alter 43 Jahre; Gesamtnutzungsdauer 80 Jahre gem. Anlage 22 BewG)
104 490 t
Gebäudesachwert
89 910 v
Vorläufiger Sachwert (§ 189 Abs. 3 BewG) Bodenwert
15 000 t
Gebäudesachwert
89 910 t
Vorläufiger Sachwert
104 910 v
Da der örtliche Gutachterausschuss keine Sachwertfaktoren zur Verfügung gestellt hat, ist auf die gesetzlichen Wertzahlen der Anlage 25 BewG zurückzugreifen (§ 191 Abs. 2 BewG): Vorläufiger Sachwert Wertzahl gem. Anlage 25 BewG Sachwert des Einfamilienhauses (Wohnteil)
104 910 t 0,9 94 419 v
Der Wohnteil liegt auf der Hofstelle und grenzt unmittelbar an die Wirtschaftsgebäude an. Es ist daher nach § 167 Abs. 3 BewG eine Minderung i.H.v. 15 % auf den Sachwert vorzunehmen. Sachwert
94 419 t
abzgl. Abschlag wegen enger räumlicher Verbindung (– 15 %)
14 163 t
Anzusetzender Sachwert des Einfamilienhauses (Wohnteil)
80 256 v
Für den Wohnteil kommt die Steuerbefreiung nach § 13 Abs. 1 Nr. 4a – c ErbStG in Betracht, sofern die sonstigen Voraussetzungen dafür vorliegen. Wegen der Einzelheiten vgl. § 13 ErbStG.
Grootens
1011
§ 167 BewG Rz. 5 Bewertung der Betriebswohnungen und des Wohnteils 2. Betriebswohnungen Das Dreifamilienhaus für die Arbeitnehmer des Betriebs gehört zu den Betriebswohnungen des Betriebs der Landund Forstwirtschaft. Zur Abgrenzung der Betriebswohnungen vom Wirtschaftsteil ist die Verkehrsanschauung heranzuziehen. Der Flächenansatz ist ebenfalls auf das Fünffache der bebauten Fläche begrenzt (§ 167 Abs. 2 BewG): Bebaute Fläche des Grundstücks
150 m2
zzgl. Gartenfläche
300 m2
zzgl. Stellplätze (3 × 20 m2)
60 m2
Summe
510 m2
Maximal das Fünffache der bebauten Fläche (5 × 110 m2)
750 m2
Das Dreifamilienhaus stellt ein Mietwohngrundstück dar, weil es mehr als zwei Wohnungen beinhaltet und zu mehr als 80 % Wohnzwecken dient (§ 181 Abs. 3 BewG). Es ist nach § 182 Abs. 3 Nr. 1 BewG zwingend im Ertragswertverfahren zu bewerten: Bodenwert inkl. Außenanlagen (§§ 179, 184 Abs. 2 BewG) Bodenrichtwert maßgebliche Grundstücksfläche Bodenwert
30 t/m2 510 m2 15 300 v
Da der Gutachterausschuss keine Erfahrungssätze für Bewirtschaftungskosten und keine Liegenschaftszinssätze zur Verfügung gestellt hat, sind die gesetzlichen Werte nach Anlage 23 BewG bzw. § 188 BewG anzusetzen. Das Mietwohngrundstück ist am Bewertungsstichtag 26 Jahre alt (2009–1983). Die Restnutzungsdauer beträgt bei einer wirtschaftlichen Gesamtnutzungsdauer von 80 Jahren (vgl. Anlage 22 BewG) noch 54 Jahre. Der Vervielfältiger zur Kapitalisierung des Gebäudereinertrags ist in Abhängigkeit des Liegenschaftszinssatzes (5 % nach § 188 Abs. 2 Nr. 1 BewG) und der Restnutzungsdauer der Anlage 21 BewG zu entnehmen. Gebäudeertragswert (§ 185 BewG) Rohertrag (3 × 100m2 × 4,50 t/m2 × 12 Monate) Abzüglich Bewirtschaftungskosten 23 % bei 54 Jahren Rest-ND (Anlage 23 BewG) Grundstücksreinertrag Abzüglich Bodenwertverzinsung 15 300 t × 5 % (§ 188 Abs. 2 Nr. 1 BewG) Gebäudereinertrag Kapitalisierung mit Vervielfältiger (Anlage 21 BewG) Gebäudeertragswert
16 200 t 3 726 t 12 474 t 765 t 11 709 t 18,57 217 436 v
Ertragswert des Dreifamilienhauses Bodenwert
15 300 t
Gebäudeertragswert
217 436 t
Ertragswert des Dreifamilienhauses (Betriebswohnungen)
232 736 v
Für die Betriebswohnungen kommt die Minderung nach § 167 Abs. 3 BewG (15 %-Abschlag) nicht in Betracht, da keine enge räumliche Verbindung zur Hofstelle besteht. Der Ertragswert des Mietwohngrundstücks ist jedoch um die damit im unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhang stehenden Verbindlichkeiten zu mindern (§ 168 Abs. 1 Nr. 2 BewG):
1012
Grootens
Öffnungsklausel für die Betriebswohnungen und den Wohnteil (Abs. 4)
Rz. 9 § 167 BewG
Anzusetzender Wert Ertragswert abzgl. Verbindlichkeiten Anzusetzender Wert des Dreifamilienhauses (Betriebswohnungen)
232 736 t 50 000 t 182 736 v
Die beim Wohnteil und den Betriebswohnungen nicht erfasste restliche Hoffläche wird beim Wirtschaftsteil erfasst bzw. ist mit diesem Wert abgegolten. Für die Betriebswohnungen kommt die 10 %ige Steuerbefreiung nach § 13c ErbStG in Betracht, da es sich um zu Wohnzwecken vermietete Wohnungen handelt, die nicht nach § 13b ErbStG begünstigt sind.
C. Abgrenzung des Grund und Bodens (Abs. 2) Der zu den Betriebswohnungen und dem Wohnteil gehörende Grund und Boden ist jeweils geson- 6 dert zu ermitteln. Für die Betriebswohnungen und den Wohnteil richtet sich die Abgrenzung vom Wirtschaftsteil nach der Verkehrsauffassung. Es bestehen nach Auffassung der Finanzverwaltung1 keine Bedenken, die ertragsteuerrechtlich getroffene Entscheidung zugrunde zu legen. Unabhängig von diesem Rückgriff wird der Grund und Boden auf das Fünffache der bebauten Fläche der jeweils zu bewertenden Wohngebäude begrenzt.
D. Enge räumliche Verbindung mit der Hofstelle (Abs. 3) Die Hofstelle ist diejenige Stelle, von der aus land- und forstwirtschaftliche Flächen ordnungsgemäß 7 nachhaltig bewirtschaftet werden. Umfang und Ausstattung der Hofstelle richten sich grundsätzlich nach den Erfordernissen und der Größe der von dieser Stelle aus bewirtschafteten Flächen. Eine Hofstelle umfasst die Wirtschaftsgebäude und die dazugehörigen Nebenflächen. Hecken, Gräben, Grenzraine und dergleichen gehören nur dann zur Hofstelle, wenn sie in räumlicher Verbindung mit den Wirtschaftsgebäuden stehen. Bei Betriebswohnungen und dem Wohnteil ist für den Einzelfall zu prüfen, ob eine räumliche Verbindung mit der Hofstelle besteht. Nur wenn im Einzelfall die räumliche Verbindung vorliegt, ist der jeweilige nach den Vorschriften des Grundvermögens ermittelte Wert (Vergleichswert, Ertragswert oder Sachwert) nach § 167 Abs. 3 BewG um 15 % zu ermäßigen. Befinden sich Betriebswohnungen und Wohnteil unmittelbar neben den Wirtschaftsgebäuden oder 8 den dazugehörigen Nebenflächen, ist eine räumliche Verbindung i.S.d. § 167 Abs. 3 BewG nach Auffassung der Finanzverwaltung2 stets anzunehmen. Diese Voraussetzung ist demnach z.B. auch erfüllt, wenn Betriebswohnungen und Wohnteil durch eine öffentliche Straße mit geringer Verkehrsbelastung von der Hofstelle getrennt sind. Eine räumliche Verbindung mit der Hofstelle besteht hingegen nicht, wenn zwischen der Hofstelle und den Betriebswohnungen oder dem Wohnteil Industriegelände oder bebaute Grundstücke liegen. Ebenso geht die räumliche Verbindung verloren, wenn die Betriebswohnungen oder die zum Wohnteil gehörenden Wohngrundstücke durch Autobahnen oder Flüsse von der Hofstelle getrennt sind. Das Gleiche gilt auch, wenn die Betriebswohnungen oder die zum Wohnteil gehörenden Wohngrundstücke zwar nur durch eine Straße oder einen Weg von der Hofstelle getrennt sind, aber in einem geschlossenen Wohnbaugebiet liegen.
E. Öffnungsklausel für die Betriebswohnungen und den Wohnteil (Abs. 4) I. Nachweis durch ein Sachverständigengutachten Für die Betriebswohnungen oder den Wohnteil des Betriebs der Land- und Forstwirtschaft kann ab- 9 weichend von der Wertermittlung nach den §§ 182 bis 196 BewG der niedrigere gemeine Wert (Ver1 Vgl. R B 167.1 Abs. 2 Satz 3 ErbStR 2011. 2 Vgl. R B 167.2 Abs. 3 ErbStR 2011.
Grootens
1013
§ 167 BewG Rz. 10 Bewertung der Betriebswohnungen und des Wohnteils kehrswert/Marktwert) am Bewertungsstichtag angesetzt werden, wenn der Steuerpflichtige diesen nachweist (§ 167 Abs. 4 BewG). Für den Nachweis des niedrigeren gemeinen Werts gelten grundsätzlich die auf Grund des § 199 Abs. 1 BauGB erlassenen Vorschriften (ImmoWertV, vgl. § 198 BewG für das Grundvermögen). 10
Nach Maßgabe dieser Vorschriften besteht insoweit die Möglichkeit, sämtliche wertbeeinflussenden Umstände zur Ermittlung des gemeinen Werts (Verkehrswerts) von Grundstücken zu berücksichtigen.1 Hierzu gehören auch die den Wert beeinflussenden Rechte und Belastungen privatrechtlicher und öffentlich-rechtlicher Art, wie z.B. Grunddienstbarkeiten und persönliche Nutzungsrechte. Ein Einzelnachweis zu Bewertungsgrundlagen nach §§ 182 bis 196 BewG, z.B. hinsichtlich der Bewirtschaftungskosten, kommt nicht in Betracht. Beim Ansatz des niedrigeren gemeinen Werts scheidet die Ermäßigung nach § 167 Abs. 3 BewG wegen enger räumlicher Verbindung mit der Hofstelle aus.
11
Auszüge aus der Kaufpreissammlung können ein Gutachten nicht ersetzen. Als Nachweis ist regelmäßig ein Gutachten des örtlich zuständigen Gutachterausschusses oder eines Sachverständigen für die Bewertung von Grundstücken erforderlich. Das Gutachten ist für die Feststellung des Grundbesitzwerts nicht bindend, sondern unterliegt der Beweiswürdigung durch das Finanzamt. Enthält das Gutachten Mängel (z.B. methodische Mängel oder unzutreffende Wertansätze), wird es von der FinVerw. zurückgewiesen. Ein Gegengutachten wird durch die FinVerw. nicht erstellt.
II. Nachweis durch einen Kaufpreis 12
Ein im gewöhnlichen Geschäftsverkehr innerhalb eines Jahres vor oder nach dem Bewertungsstichtag zustande gekommener Kaufpreis für den entsprechenden Teil der wirtschaftlichen Einheit kann nach Auffassung der Finanzverwaltung2 ebenfalls als Nachweis dienen. Ist ein Kaufpreis außerhalb dieses Zeitraums im gewöhnlichen Geschäftsverkehr zustande gekommen und sind die maßgeblichen Verhältnisse hierfür gegenüber den Verhältnissen zum Bewertungsstichtag unverändert geblieben, so kann auch dieser als Nachweis des niedrigeren gemeinen Werts dienen. Es bestehen seitens der FinVerw. keine Bedenken, diesen Wert regelmäßig ohne Wertkorrekturen zu übernehmen. Die Praxisrelevanz des Nachweises über einen Kaufpreis dürfte m.E. sehr niedrig sein, da nur in den seltensten Fällen der Wohnteil oder die Betriebswohnungen separat vom Wirtschaftsteil des land- und forstwirtschaftlichen Betriebes veräußert werden.
§ 168 Grundbesitzwert des Betriebs der Land- und Forstwirtschaft (1) Der Grundbesitzwert eines Betriebs der Land- und Forstwirtschaft besteht aus 1. dem Wert des Wirtschaftsteils (§ 160 Abs. 2), 2. dem Wert der Betriebswohnungen (§ 160 Abs. 8) abzüglich der damit im unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhang stehenden Verbindlichkeiten, 3. dem Wert des Wohnteils (§ 160 Abs. 9) abzüglich der damit im unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhang stehenden Verbindlichkeiten. (2) Der Grundbesitzwert für Stückländereien als Betrieb der Land- und Forstwirtschaft (§ 160 Abs. 7) besteht nur aus dem Wert des Wirtschaftsteils. (3) Der Grundbesitzwert für einen Anteil an einem Betrieb der Land- und Forstwirtschaft im Sinne des § 158 Abs. 2 Satz 2 ist nach den Absätzen 4 bis 6 aufzuteilen.
1 Wegen möglicher Ansatzpunkte für einen niedrigeren Wertansatz vgl. Eisele in Rössler/Troll, § 167 BewG Rz. 9 (Stand: Oktober 2015). 2 Vgl. R B 167.3 Abs. 3 ErbStR 2011.
1014
Grootens
Grundaussagen der Vorschrift
Rz. 1 § 168 BewG
(4) 1Der Wert des Wirtschafteils ist nach den beim Mindestwert (§ 164) zu Grunde gelegten Verhältnissen aufzuteilen. 2Dabei ist 1. 1der Wert des Grund und Bodens und der Wirtschaftsgebäude oder ein Anteil daran (§ 158 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 und 2) dem jeweiligen Eigentümer zuzurechnen.2Im Falle des Gesamthandseigentums ist der Wert des Grund und Bodens nach der Höhe der gesellschaftsrechtlichen Beteiligung aufzuteilen; 2. 1der Wert der übrigen Wirtschaftsgüter (§ 158 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 bis 5) nach dem Wertverhältnis der dem Betrieb zur Verfügung gestellten Wirtschaftsgüter aufzuteilen. 2Im Falle des Gesamthandseigentums ist der Wert der übrigen Wirtschaftsgüter nach der Höhe der gesellschaftsrechtlichen Beteiligung aufzuteilen; 3. 1der Wert der zu berücksichtigenden Verbindlichkeiten (§ 164 Abs. 4) dem jeweiligen Schuldner zuzurechnen. 2Im Falle des Gesamthandseigentums ist der Wert der zu berücksichtigenden Verbindlichkeiten nach der Höhe der gesellschaftsrechtlichen Beteiligung aufzuteilen. (5) 1Der Wert für die Betriebswohnungen ist dem jeweiligen Eigentümer zuzurechnen. 2Im Falle des Gesamthandseigentums ist der Wert nach der Höhe der gesellschaftsrechtlichen Beteiligung aufzuteilen. (6) 1Der Wert für den Wohnteil ist dem jeweiligen Eigentümer zuzurechnen. 2Im Falle des Gesamthandseigentums ist der Wert nach der Höhe der gesellschaftsrechtlichen Beteiligung aufzuteilen. A. I. II. III.
Grundaussagen der Vorschrift. . . . . . . . . . Regelungsgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . Bedeutung und Telos . . . . . . . . . . . . . . . . . Geltungsbereich und Verhältnis zu anderen Vorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Rechtsentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1 1 2 3 4
B. Zusammensetzung des Grundbesitzwerts (Abs. 1) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
5
C. Grundbesitzwert von Stückländereien (Abs. 2) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
6
D. Aufteilung des Grundbesitzwerts (Abs. 3) .
7
E. Aufteilung des Wirtschaftswerts (Abs. 4) . . 8 I. Rückgriff auf den Mindestwert (Abs. 4 Satz 1) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 II. Grund und Boden (Abs. 4 Satz 2 Nr. 1) . . . . 9 III. Übrige Wirtschaftsgüter (Abs. 4 Satz 2 Nr. 2) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10 IV. Verbindlichkeiten (Abs. 4 Satz 2 Nr. 3) . . . . . 11 F. Aufteilung des Werts der Betriebswohnungen (Abs. 5) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 G. Aufteilung des Werts des Wohnteils (Abs. 6) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13
Literatur: Bruschke, Die Bewertung des LuF-Vermögens für die Erbschaft und Schenkungsteuer, ErbStB 2009, 320; Hutmacher, Erbschaftsteuerreform: Die Bewertung und Verschonung land- und forstwirtschaftlichen Vermögens, ZEV 2008, 22; Hutmacher, Die Bewertung des Wirtschaftsteils eines Betriebs der Land und Forstwirtschaft, ZEV 2009, 22; Jäckel, Bewertung und Besteuerung des land- und forstwirtschaftlichen Vermögens, FR 2009 Beilage zu Heft 11, 33; Krause, Grundbesitzbewertung von Betrieben der Land- und Forstwirtschaft – Ermittlung des Wirtschaftswert, des Mindestwerts und des Fortführungswerts, NWB 2012, 1768; von Cölln, Bewertung des forstwirtschaftlichen Vermögens für Zwecke der Erbschaft- und Schenkungsteuer, ZEV 2011, 182; Wenhardt, Die Landund Forstwirtschaft im Steuerrecht – Eine Darstellung aus einkommensteuer- und erbschaftsteuerlicher Sicht, NWB-EV 2011, 201; Wiegand, Die Bewertung des land- und forstwirtschaftlichen Vermögens nach dem Gesetz zur Reform des Erbschaftsteuer- und Bewertungsrechts, StW 2010, 56. Verwaltungsanweisungen: R B 168 ErbStR 2011; H B 168 ErbStH 2011.
A. Grundaussagen der Vorschrift I. Regelungsgegenstand Die Vorschrift regelt als zusammenfassende Norm die Zusammensetzung des Werts eines Betriebs 1 der Land- und Forstwirtschaft sowie die Aufteilung dieses Gesamtwerts bei Vorliegen mehrerer Beteiligter.
Grootens
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§ 168 BewG Rz. 2 Grundbesitzwert des Betriebs der Land- und Forstwirtschaft
II. Bedeutung und Telos 2 Da für die einzelnen Teile eines landwirtschaftlichen Betriebs (Wirtschaftsteil, Betriebswohnungen,
Wohnteil) unterschiedliche Bewertungsmethoden angewendet werden, bedarf es einer zusammenführenden Vorschrift. Im Gegensatz zur bisherigen Bewertung nach den §§ 140 bis 144 BewG ist der Wert eines Betriebs der Land- und Forstwirtschaft ein „Nettowert“, da Verbindlichkeiten bereits berücksichtigt werden. Sind mehrere Personen an einem land- und forstwirtschaftlichen Betrieb beteiligt, bedarf es einer Regelung zur Aufteilung des Gesamtwertes auf die einzelnen Beteiligten. Da das Reingewinnverfahren des § 163 BewG eine typisierte Verschuldung unterstellt, wäre die unterschiedliche Verschuldung der einzelnen Beteiligten nicht zum Ausdruck gekommen.1 Folglich hat der Gesetzgeber die Aufteilung anhand des Mindestwerts nach § 164 BewG vorgeschrieben, bei dem die Verbindlichkeiten in ihrer tatsächlichen Höhe abgezogen werden können.
III. Geltungsbereich und Verhältnis zu anderen Vorschriften 3 § 168 BewG summiert die Werte auf, die sich aus der Anwendung der vorangegangen §§ 163 bis 167
BewG ergeben. Dabei wird auf die Definitionen des § 160 BewG zurückgegriffen. Für die Aufteilung des Grundbesitzwerts nach § 168 Abs. 3 bis 6 BewG wird auf den Mindestwert nach § 164 BewG zurückgegriffen.
IV. Rechtsentwicklung 4 Der § 168 BewG wurde durch das Erbschaftsteuerreformgesetz2 vom 24.12.2008 in das BewG ein-
gefügt und gilt gem. § 205 Abs. 1 BewG für Bewertungsstichtage ab dem 1.1.2009. Für Stichtage bis zum 31.12.2008 galten die §§ 140 bis 144 BewG, die für Zwecke der Grunderwerbsteuer bis zur rückwirkenden Neufassung des § 8 Abs. 2 GrEStG durch das StÄndG 20153 weiterhin anzuwenden waren.
B. Zusammensetzung des Grundbesitzwerts (Abs. 1) 5 Der Grundbesitzwert eines Betriebs der Land- und Forstwirtschaft setzt sich grundsätzlich aus dem
jeweils getrennt ermittelten Wert des Wirtschaftsteils (§ 160 Abs. 2 BewG), der Betriebswohnungen (§ 160 Abs. 8 BewG) und des Wohnteils (§ 160 Abs. 9 BewG) zusammen. Vom Wert der Betriebswohnungen und vom Wert des Wohnteils sind vor der Zusammenrechnung mit dem Wirtschaftsteil die damit im unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhang stehenden Verbindlichkeiten abzuziehen, beim Wirtschaftsteil sind die damit zusammenhängenden Verbindlichkeiten bereits bei der Wertermittlung abgegolten (vgl. § 163 BewG) bzw. in Abzug gebracht worden (vgl. § 164 und 166 BewG). Gegebenenfalls müssen die Verbindlichkeiten zu diesem Zweck aufgeteilt werden, wenn z.B. für die Errichtung der Hofstelle und des damit baulich verbundenen Wohnteils ein Gesamtdarlehen aufgenommen wurde.
C. Grundbesitzwert von Stückländereien (Abs. 2) 6 Abweichend vom Grundsatz des § 168 Abs. 1 BewG besteht der Grundbesitzwert für Stückländereien
(vgl. § 160 Abs. 7 BewG) nur aus dem Wert des Wirtschaftsteils. Dieser Ansatz ist Konsequenz aus § 160 Abs. 7 Satz 2 BewG, wonach Stückländereien einzelne Flächen sind, die an einen Pächter überlassen werden. Da das Reingewinnverfahren nach § 163 BewG für die Stückländereien gem. § 162 Abs. 2 BewG nicht vorgesehen ist, kann der nach § 168 Abs. 2 ermittelte Grundbesitzwert nur aus 1 Vgl. Kirnberger in Wilms/Jochum, § 168 BewG Rz. 2 (Stand: Juni 2010). 2 ErbStRG v. 24.12.2008, BGBl. I 2008, 3018. 3 StÄndG 2015 v. 2.11.2015, BStBl. I 2015, 1834.
1016
Grootens
Aufteilung des Grundbesitzwerts (Abs. 3)
Rz. 7 § 168 BewG
dem nach § 164 oder § 166 BewG ermittelten bzw. nach § 165 Abs. 3 nachgewiesenen niedrigeren Wirtschaftswert bestehen.
D. Aufteilung des Grundbesitzwerts (Abs. 3) Wird nicht der gesamte land- und forstwirtschaftliche Grundbesitzwert, sondern nur ein Teil davon 7 zur Besteuerung herangezogen, so ist dennoch eine Wertermittlung für die gesamte wirtschaftliche Einheit erforderlich (§ 12 Abs. 3 ErbStG i.V.m. §§ 151 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 157 BewG). Soweit nur der Anteil an einer Personengesellschaft oder Personengemeinschaft i.S.d. § 158 Abs. 2 Satz 2 BewG der Besteuerung unterliegt, ist der Grundbesitzwert für den ganzen Betrieb folglich einheitlich zu ermitteln. Dabei sind alle Wirtschaftsgüter zu berücksichtigen, die dem Betrieb auf Dauer zu dienen bestimmt sind, auch wenn sie nur einem oder mehreren Beteiligten gemeinsam gehören. Die Regelung des § 158 Abs. 4 BewG hinsichtlich der nicht in das land- und forstwirtschaftliche Vermögen einzubeziehenden Wirtschaftsgüter ist bei dieser Einbeziehung zu beachten. Der hiernach ermittelte Grundbesitzwert ist nach § 168 Abs. 4 bis 6 BewG aufzuteilen. Beispiel: A u B gründen im Regierungsbezirk Münster eine Gesellschaft, die einen land- und forstwirtschaftlichen Betrieb bewirtschaftet. Sie sind beide zu 50 % an der Gesellschaft beteiligt. A stellt 20 ha Fläche mit Wirtschaftsgebäuden, B stellt die nötigen Maschinen zur Bewirtschaftung der Flächen. Die Gesellschaft kauft noch 30 ha Fläche hinzu, dazu wurde ein Darlehen aufgenommen. Am Bewertungsstichtag müssen noch 80 000 Euro dieses Darlehens zurückgezahlt werden. Darüber hinaus bestehen noch Verbindlichkeiten des B in Zusammenhang mit den eingebrachten Maschinen i.H.v. 20 000 Euro. Die von A eingebrachten Flächen haben einen Buchwert von 300 000 Euro und die aufstehenden Wirtschaftsgebäude einen Buchwert von 40 000 Euro. Die Maschinen des B haben einen Buchwert von 70 000 Euro. Die Flächen der Gesellschaft haben einen Buchwert von 470 000 Euro. Die Gesellschaft ist wegen des Todes des A auf den 15.7.2009 zu bewerten. Die wirtschaftliche Einheit „Betrieb der Land- und Forstwirtschaft“ ist im Ganzen zu bewerten. Der für die Besteuerung notwendige Anteil des A an der Gesellschaft ist durch Aufteilung des Grundbesitzwertes zu ermitteln. 1. Ermittlung des Grundbesitzwertes (Anlage 14, Regierungsbezirk Münster, Ackerbau, Mittelbetrieb) Fläche
Pachtpreis/Wert
Kapitalisierungsfaktor
Bodenwert
50 ha
264 t/ha
18,6
245 520 t
Besatzkapital
50 ha
83 t/ha
18,6
77 190 t
Abzgl. Verbindlichkeiten
100 000 t
Wert des Wirtschaftsteils
222 710 t
2. Aufteilung des Grundbesitzwertes Gesamt
A
B
a) Grundstücke nach Eigentumsverhältnissen
245 520 t
20/50 auf A
– 98 208 t
98 208 t
– 147 312 t
73 656 t
30/50auf A und B zu je 1/2 b) Besatzkapital nach den zur Verfügung gestellten Wirtschaftsgütern
73 656 t
77 190 t
Wirtschaftsgebäude A 40 000/110 000
– 28 069 t
Maschinen B 70 000/110 000
– 49 121 t
28 069 t 49 121 t
Grootens
1017
§ 168 BewG Rz. 8 Grundbesitzwert des Betriebs der Land- und Forstwirtschaft Gesamt c) Verbindlichkeiten nach Eigentumsverhältnissen
100 000 t
80 000 t zu je 1/2 Gemeinschaftsflächen
– 80 000 t
20 000 t auf B Maschinen
– 20 000 t
Anteile
222 710 t
A
B
40 000 t
40 000 t 20 000 t
159 933 t
62 777 t
E. Aufteilung des Wirtschaftswerts (Abs. 4) I. Rückgriff auf den Mindestwert (Abs. 4 Satz 1) 8 Der Wert des Wirtschaftsteils ist nach den bei der Ermittlung des Mindestwerts gem. § 164 BewG
zugrunde gelegten Verhältnissen aufzuteilen.
II. Grund und Boden (Abs. 4 Satz 2 Nr. 1) 9 Die Zuordnung des Grund und Bodens, der Wirtschaftsgebäude und der Verbindlichkeiten richtet
sich nach den Eigentumsverhältnissen der Gesellschaft und der Gesellschafter. Bei Gesamthandseigentum ist auf die Höhe der Beteiligung an der Gesellschaft abzustellen.
III. Übrige Wirtschaftsgüter (Abs. 4 Satz 2 Nr. 2) 10
Die Zuordnung der übrigen Wirtschaftsgüter erfolgt nach den Eigentumsverhältnissen der Gesellschaft und entsprechend dem vom Eigentümer zur Verfügung gestellten Umfang. Hierfür sind die gesellschaftsvertraglichen Vereinbarungen maßgeblich, wobei es unerheblich ist, ob die Wirtschaftsgüter auf Grund gesellschaftsrechtlicher oder schuldrechtlicher Vereinbarung überlassen werden. Aus Vereinfachungsgründen ist es abweichend von diesen Grundsätzen nach Auffassung der Finanzverwaltung1 nicht zu beanstanden, wenn der Wert des Besatzkapitals nach dem Verhältnis der Buchwerte der einzelnen Wirtschaftsgüter aufgeteilt wird, die dem Betrieb am Bewertungsstichtag zu dienen bestimmt sind. Sind für eine Aufteilung der Wirtschaftsgüter keine geeigneten Unterlagen vorhanden (z.B. in Fällen der Gewinnermittlung nach § 13a EStG), erfolgt die Verteilung des Grundbesitzwerts nach Köpfen.
IV. Verbindlichkeiten (Abs. 4 Satz 2 Nr. 3) 11
Der Wert der zu berücksichtigenden Verbindlichkeiten (§ 164 Abs. 4 BewG) ist dem jeweiligen Eigentümer zuzurechnen. Somit wird der individuellen Schuldenbelastung der einzelnen Beteiligten Rechnung getragen. Im Falle von Verbindlichkeiten der Gesamthand sind diese Verbindlichkeiten nach der Höhe der gesellschaftsrechtlichen Beteiligung aufzuteilen.
F. Aufteilung des Werts der Betriebswohnungen (Abs. 5) 12
Der für die Betriebswohnungen ermittelte Wert ist nach den Eigentumsverhältnissen zuzuordnen. Befinden sich die Betriebswohnungen im Eigentum der Gesellschaft, so ist der Wert den Gesellschaf-
1 Vgl. R B 168 Abs. 5 ErbStR 2011.
1018
Grootens
Tierbestände
§ 169 BewG
tern entsprechend ihrer Beteiligungshöhe anteilig zuzurechnen. Diese Regelungen gelten auch für mit den Betriebswohnungen im wirtschaftlichen Zusammenhang stehende Verbindlichkeiten.
G. Aufteilung des Werts des Wohnteils (Abs. 6) Der für den Wohnteil ermittelte Wert ist nach den Eigentumsverhältnissen zuzuordnen. Befindet sich 13 der Wohnteil im Eigentum der Gesellschaft, so ist der Wert den Gesellschaftern entsprechend ihrer Beteiligungshöhe anteilig zuzurechnen. Diese Regelungen gelten auch für mit den Betriebswohnungen in Zusammenhang stehende Verbindlichkeiten.
II. Besonderer Teil a) Landwirtschaftliche Nutzung
§ 169 Tierbestände (1) 1Tierbestände gehören in vollem Umfang zur landwirtschaftlichen Nutzung, wenn im Wirtschaftsjahr für die ersten 20 Hektar nicht mehr als 10 Vieheinheiten für die nächsten 10 Hektar nicht mehr als 7 Vieheinheiten für die nächsten 20 Hektar nicht mehr als 6 Vieheinheiten für die nächsten 50 Hektar nicht mehr als 3 Vieheinheiten und für die weitere Fläche nicht mehr als 1,5 Vieheinheiten je Hektar der vom Inhaber des Betriebs regelmäßig landwirtschaftlich genutzten Flächen erzeugt oder gehalten werden. 2Die Tierbestände sind nach dem Futterbedarf in Vieheinheiten umzurechnen. (2) 1Übersteigt die Anzahl der Vieheinheiten nachhaltig die in Absatz 1 bezeichnete Grenze, so gehören nur die Zweige des Tierbestands zur landwirtschaftlichen Nutzung, deren Vieheinheiten zusammen diese Grenze nicht überschreiten. 2Zunächst sind mehr flächenabhängige Zweige des Tierbestands und danach weniger flächenabhängige Zweige des Tierbestands zur landwirtschaftlichen Nutzung zu rechnen. 3Innerhalb jeder dieser Gruppen sind zuerst Zweige des Tierbestands mit der geringeren Anzahl von Vieheinheiten und dann Zweige mit der größeren Anzahl von Vieheinheiten zur landwirtschaftlichen Nutzung zu rechnen. 4Der Tierbestand des einzelnen Zweiges wird nicht aufgeteilt. (3) 1Als Zweig des Tierbestands gilt bei jeder Tierart für sich 1. das Zugvieh, 2. das Zuchtvieh, 3. das Mastvieh und 4. das übrige Nutzvieh. 2Das Zuchtvieh einer Tierart gilt nur dann als besonderer Zweig des Tierbestands, wenn die erzeugten Jungtiere überwiegend zum Verkauf bestimmt sind. 3Ist das nicht der Fall, so ist das Zuchtvieh dem Zweig des Tierbestands zuzurechnen, dem es überwiegend dient. (4) 1Die Absätze 1 bis 3 gelten nicht für Pelztiere. 2Pelztiere gehören nur dann zur landwirtschaftlichen Nutzung, wenn die erforderlichen Futtermittel überwiegend von den vom Inhaber des Betriebs landwirtschaftlich genutzter Flächen gewonnen werden. (5) 1Für die Umrechnung der Tierbestände in Vieheinheiten sowie für die Gruppen der mehr flächenabhängigen oder weniger flächenabhängigen Zweige des Tierbestands sind die in den Anlagen 19 und 20 aufgeführten Werte maßgebend. 2Das Bundesministerium der Finanzen wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die Anlagen 19 und 20 zu diesem Gesetz dadurch zu ändern, dass der darin aufgeführte Umrechnungsschlüssel und die Grootens
1019
§ 169 BewG Rz. 1 Tierbestände Gruppen der Zweige eines Tierbestands an geänderte wirtschaftliche oder technische Entwicklungen angepasst werden können. Einschlägige Anlagen (abrufbar unter www.erbschaftsteuerrecht.de): Anlage 19 (zu § 169 Abs. 5) Anlage 20 (zu § 169 Abs. 5). A. I. II. III.
Grundaussagen der Vorschrift. . . . . . . . . . Regelungsgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . Bedeutung und Telos . . . . . . . . . . . . . . . . . Geltungsbereich und Verhältnis zu anderen Vorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Rechtsentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Vieheinheiten und Nutzfläche (Abs. 1) . . . I. Flächenbezug des Viehbestands (Abs. 1 Satz 1) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1 1 2 3 4 5
II. Umrechnung des Tierbestandes in Vieheinheiten (Abs. 1 Satz 2) . . . . . . . . . . . .
6
C. Überhöhter Tierbestand (Abs. 2) . . . . . . . .
7
D. Zweige des Tierbestandes (Abs. 3) . . . . . . . E. Sonderregelung für Pelztiere (Abs. 4) . . . . .
8 9
F. Anpassung der Anlagen durch Rechtsverordnung (Abs. 5) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10
5
Literatur: Bruschke, Die Bewertung des LuF-Vermögens für die Erbschaft und Schenkungsteuer, ErbStB 2009, 320; Hutmacher, Erbschaftsteuerreform: Die Bewertung und Verschonung land- und forstwirtschaftlichen Vermögens, ZEV 2008, 22; Hutmacher, Die Bewertung des Wirtschaftsteils eines Betriebs der Land und Forstwirtschaft, ZEV 2009, 22; Jäckel, Bewertung und Besteuerung des land- und forstwirtschaftlichen Vermögens, FR 2009 Beilage zu Heft 11, 33; Krause, Grundbesitzbewertung von Betrieben der Land- und Forstwirtschaft – Ermittlung des Wirtschaftswert, des Mindestwerts und des Fortführungswerts, NWB 2012, 1768; von Cölln, Bewertung des forstwirtschaftlichen Vermögens für Zwecke der Erbschaft- und Schenkungsteuer, ZEV 2011, 182; Wenhardt, Die Landund Forstwirtschaft im Steuerrecht – Eine Darstellung aus einkommensteuer- und erbschaftsteuerlicher Sicht, NWB-EV 2011, 201; Wiegand, Die Bewertung des land- und forstwirtschaftlichen Vermögens nach dem Gesetz zur Reform des Erbschaftsteuer- und Bewertungsrechts, StW 2010, 56.
A. Grundaussagen der Vorschrift I. Regelungsgegenstand 1 Die Vorschrift regelt Zugehörigkeit von Tierbeständen zum landwirtschaftlichen Vermögen in Ab-
grenzung zur gewerblichen Tierhaltung. Die Vorschrift entspricht dem für die Einheitsbewertung geltenden § 51 BewG.
II. Bedeutung und Telos 2 Die Zuordnung der Tierbestände zum land- und forstwirtschaftlichen Vermögen oder zum Be-
triebsvermögen hat entscheidende Auswirkung auf die Bewertung, da für gewerbliche Betriebe der § 11 Abs. 2 BewG und das vereinfachte Ertragswertverfahren nach § 199 BewG anzuwenden ist. Die Regelungen des § 51a BewG (gemeinschaftliche Tierhaltung) wurden nicht in das neue Recht übernommen. Dies hat zur Folge, dass die Abgrenzung der Vermögensart nach den ertragsteuerlichen Regelungen erfolgen muss.
III. Geltungsbereich und Verhältnis zu anderen Vorschriften 3 § 158 Abs. 4 BewG grenzt Tierbestände, die nicht der landwirtschaftlichen Nutzung oder den übri-
gen land- und forstwirtschaftlichen Nutzungen i.S.d. § 175 BewG zugeordnet werden können, vom landwirtschaftlichen Vermögen ab.
1020
Grootens
Überhöhter Tierbestand (Abs. 2)
Rz. 7 § 169 BewG
IV. Rechtsentwicklung § 169 BewG wurde durch das Erbschaftsteuerreformgesetz 20091 vom 24.12.2008 in das Bewertungs- 4 gesetz eingefügt und gilt gem. § 205 Abs. 1 BewG für Bewertungsstichtage ab dem 1.1.2009. Für Stichtage bis zum 31.12.2008 galten die §§ 140–144 BewG, die für Zwecke der Grunderwerbsteuer bis zur rückwirkenden Neufassung des § 8 Abs. 2 GrEStG durch das StÄndG 20152 weiterhin anzuwenden waren. Durch Art. 10 Nr. 7 BeitrRLUmsG3 v. 7.12.2011 wurde die Anlage 19 aktualisiert.
B. Vieheinheiten und Nutzfläche (Abs. 1) I. Flächenbezug des Viehbestands (Abs. 1 Satz 1) Tierbestände gehören nach § 169 Abs. 1 BewG zur landwirtschaftlichen Nutzung, wenn im Wirt- 5 schaftsjahr eine vorgegebene Anzahl an Vieheinheiten je Hektar Fläche nicht überschritten wird. Die maßgeblichen regelmäßig landwirtschaftlich genutzten Flächen können dabei sowohl aus eigenen als auch aus zugepachteten Flächen bestehen. Obstbaulich genutzte Flächen können dabei zur Hälfte berücksichtigt werden, wenn eine regelmäßige landwirtschaftliche Unternutzung stattfindet. Forstwirtschaftlich oder gärtnerisch genutzte Flächen sind hingegen auszuscheiden.
II. Umrechnung des Tierbestandes in Vieheinheiten (Abs. 1 Satz 2) Die Umrechnung des Tierbestandes hat nach dem Futterbedarf der Tiere zu erfolgen. Dabei ist von 6 einem durchschnittlichen und nachhaltigen Tierbestand auszugehen. Der so ermittelte Tierbestand ist mit Hilfe der Anlage 19 in Vieheinheiten umzurechnen. Beispiel: Ein land- und forstwirtschaftlicher Betrieb hat einen durchschnittlichen Tierbestand von 100 Kälbern unter 1 Jahr. Nach Anlage 19 ist für ein Kalb 0,3 Vieheinheiten anzunehmen, so dass für diesen Betrieb von 30 Vieheinheiten auszugehen ist.
C. Überhöhter Tierbestand (Abs. 2) Übersteigt die Anzahl der Vieheinheiten nachhaltig die Grenzen des § 169 Abs. 1 BewG, ist der Tier- 7 bestand in einen landwirtschaftlichen und einen gewerblichen Teil aufzuteilen. Besteht der Tierbestand nur aus einer Tierart und werden die maßgeblichen Vieheinheiten des § 169 Abs. 1 nachhaltig überschritten, gehört der gesamte Tierbestand nicht zur landwirtschaftlichen Nutzung, sondern ist dem gewerblichen Betrieb zuzurechnen. Andernfalls gehören nur die Zweige des Tierbestandes (vgl. § 169 Abs. 3 BewG) zur landwirtschaftlichen Nutzung, deren Vieheinheiten zusammen die Grenze des § 169 Abs. 1 BewG nicht überschreiten. Hierzu sind gem. § 169 Abs. 2 Satz 2 BewG zunächst die mehr flächenabhängigen Zweige des Tierbestands und danach die weniger flächenabhängigen Zweige des Tierbestands der landwirtschaftlichen Nutzung zuzuordnen. Die Unterscheidung in mehr oder weniger flächenabhängige Zweige des Tierbestands ist mit Hilfe der Anlage 20 vorzunehmen. Ggf. ist hierbei für nicht aufgeführte Tierarten auf vergleichbare Tierarten abzustellen. Nach § 169 Abs. 2 Satz 3 BewG sind zuerst die Zweige des Tierbestandes mit der geringeren Anzahl Vieheinheiten zur landwirtschaftlichen Nutzung zuzuordnen. Der Tierbestand eines einzelnen Zweiges darf dabei nach § 169 Abs. 2 Satz 4 BewG nicht aufgeteilt werden.
1 ErbStRG v. 24.12.2008, BGBl. I 2008, 3018. 2 StÄndG 2015 v. 2.11.2015, BStBl. I 2015, 1834. 3 Beitreibungsrichtline-Umsetzungsgesetz v. 7.12.2011, BGBl. I 2011, 2592.
Grootens
1021
§ 169 BewG Rz. 8 Tierbestände
D. Zweige des Tierbestandes (Abs. 3) 8 Die für die Aufteilung des Tierbestandes nach § 169 Abs. 2 BewG herangezogenen Tierzweige sind in
§ 169 Abs. 3 BewG benannt. Hier gilt bei jeder Tierart für sich das Zugvieh, das Zuchtvieh, das Mastvieh und das übrige Nutzvieh als eigener Zweig. Zu beachten ist, dass das Zuchtvieh nach § 169 Abs. 3 Satz 2 BewG nur dann als besonderer Zweig des Tierbestandes gilt, wenn die erzeugten Jungtiere überwiegend zum Verkauf bestimmt sind. Andernfalls ist nach § 169 Abs. 3 Satz 3 BewG das Zuchtvieh dem Zweig des Tierbestands zuzurechnen, dem es überwiegend dient.
E. Sonderregelung für Pelztiere (Abs. 4) 9 Die Abgrenzungsregelungen des § 169 Abs. 1 bis 3 BewG gelten nicht für Pelztiere. Diese gehören nur
zur landwirtschaftlichen Nutzung, wenn die erforderlichen Futtermittel überwiegend von den vom Inhaber des Betriebs landwirtschaftlich genutzten Flächen gewonnen werden. Diese Voraussetzung ist bei Pelztieren regelmäßig nicht gegeben.1
F. Anpassung der Anlagen durch Rechtsverordnung (Abs. 5) 10
Für die Umrechnung der Tierbestände in Vieheinheiten sowie für die Gruppen der mehr oder weniger flächenabhängigen Zweige des Tierbestandes sind die in den Anlagen 19 und 20 aufgeführten Werte maßgebend. Das Bundesministerium der Finanzen wird ermächtigt, mit Zustimmung des Bundesrats eine Rechtsverordnung zu erlassen, die eine Anpassung der Anlagen 19 und 20 an geänderte Verhältnisse ermöglicht.
§ 170 Umlaufende Betriebsmittel Bei landwirtschaftlichen Betrieben zählen die umlaufenden Betriebsmittel nur soweit zum normalen Bestand, als der Durchschnitt der letzten fünf Jahre nicht überschritten wird. A. Grundaussagen der Vorschrift. . . . . . . . . . I. Regelungsgegenstand, Bedeutung und Telos . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Geltungsbereich und Verhältnis zu anderen Vorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1 1
III. Rechtsentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Ermittlung des normalen Bestands an umlaufenden Betriebsmitteln . . . . . . . . . . . . .
3 4
2
A. Grundaussagen der Vorschrift I. Regelungsgegenstand, Bedeutung und Telos 1 Der § 170 BewG grenzt bei landwirtschaftlichen Betrieben den normalen Bestand von umlaufenden
Betriebsmitteln vom nicht zum landwirtschaftlichen Vermögen gehörenden Überbestand ab.
II. Geltungsbereich und Verhältnis zu anderen Vorschriften 2 Die Vorschrift ergänzt damit die Regelung in § 158 Abs. 3 Satz 2 BewG.
1 Vgl. Bruschke in Gürsching/Stenger, § 169 BewG Rz. 53 (Stand: September 2016).
1022
Grootens
Grundaussagen der Vorschrift
Rz. 2 § 171 BewG
III. Rechtsentwicklung Die Vorschrift wurde durch das Erbschaftsteuerreformgesetz1 vom 24.12.2008 in das Bewertungsgesetz 3 eingefügt und gilt gem. § 205 Abs. 1 BewG für Bewertungsstichtage ab dem 1.1.2009. Für Stichtage bis zum 31.12.2008 galten die §§ 140 bis 144 BewG, die für Zwecke der Grunderwerbsteuer bis zur rückwirkenden Neufassung des § 8 Abs. 2 GrEStG durch das StÄndG 20152 weiterhin anzuwenden waren.
B. Ermittlung des normalen Bestands an umlaufenden Betriebsmitteln Zu den Wirtschaftsgütern, die der wirtschaftlichen Einheit des Betriebs der Land- und Forstwirt- 4 schaft zu dienen bestimmt sind, gehört nach § 158 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 BewG insbesondere der normale Bestand an umlaufenden Betriebsmitteln. Als normaler Bestand an umlaufenden Betriebsmitteln gilt gem. § 158 Abs. 3 Satz 2 BewG ein solcher, der zur gesicherten Fortführung des Betriebs erforderlich ist. § 170 BewG grenzt für die landwirtschaftliche Betriebe den normalen Bestand an umlaufenden Betriebsmitteln vom Überbestand an umlaufenden Betriebsmitteln ab, indem er diese Vorgabe weiter präzisiert. Zum normalen Bestand gehören folglich nur die umlaufenden Betriebsmittel, deren durchschnittliche Menge bzw. Anzahl der letzten fünf Jahre nicht überschritten wird. Wird diese Grenze überschritten, liegt ein Überbestand an umlaufenden Betriebsmitteln vor, der somit dem übrigen Vermögen und nicht dem land- und forstwirtschaftlichen Vermögen zuzurechnen ist.
b) Forstwirtschaftliche Nutzung
§ 171 Umlaufende Betriebsmittel 1Eingeschlagenes
Holz gehört zum normalen Bestand an umlaufenden Betriebsmitteln, soweit es den jährlichen Nutzungssatz nicht übersteigt. 2Bei Betrieben, die nicht jährlich einschlagen (aussetzende Betriebe), tritt an die Stelle des jährlichen Nutzungssatzes ein den Betriebsverhältnissen entsprechender mehrjähriger Nutzungssatz. A. Grundaussagen der Vorschrift. . . . . . . . . . I. Regelungsgegenstand, Bedeutung und Telos . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Verhältnis zu anderen Vorschriften . . . . . . .
1 1 2
III. Rechtsentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3
B. Eingeschlagenes Holz (Satz 1). . . . . . . . . . .
4
C. Aussetzende Betriebe (Satz 2) . . . . . . . . . . .
6
A. Grundaussagen der Vorschrift I. Regelungsgegenstand, Bedeutung und Telos Der § 171 BewG definiert bei forstwirtschaftlichen Betrieben den normalen Bestand von umlaufen- 1 den Betriebsmitteln.
II. Verhältnis zu anderen Vorschriften Die Vorschrift ergänzt die Regelung in § 158 Abs. 3 Satz 2 BewG.
2
1 ErbStRG v. 24.12.2008, BGBl. I 2008, 3018. 2 StÄndG 2015 v. 2.11.2015, BStBl. I 2015, 1834.
Grootens
1023
§ 171 BewG Rz. 3 Umlaufende Betriebsmittel
III. Rechtsentwicklung 3 Der § 171 BewG wurde durch das Erbschaftsteuerreformgesetz1 vom 24.12.2008 in das Bewertungs-
gesetz eingefügt und gilt gem. § 205 Abs. 1 BewG für Bewertungsstichtage ab dem 1.1.2009. Für Stichtage bis zum 31.12.2008 galten die §§ 140 bis 144 BewG, die für Zwecke der Grunderwerbsteuer bis zur rückwirkenden Neufassung des § 8 Abs. 2 GrEStG durch das StÄndG 20152 weiterhin anzuwenden waren.
B. Eingeschlagenes Holz (Satz 1) 4 Zu den Wirtschaftsgütern, die der wirtschaftlichen Einheit des Betriebs der Land- und Forstwirt-
schaft zu dienen bestimmt sind, gehört nach § 158 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 BewG insbesondere der normale Bestand an umlaufenden Betriebsmitteln. Als normaler Bestand an umlaufenden Betriebsmitteln gilt gem. § 158 Abs. 3 Satz 2 BewG ein solcher, der zur gesicherten Fortführung des Betriebs erforderlich ist. § 171 BewG grenzt für die forstwirtschaftliche Nutzung den normalen Bestand an umlaufenden Betriebsmitteln vom Überbestand an umlaufenden Betriebsmitteln ab, indem er diese Vorgabe weiter präzisiert. Demnach gehört eingeschlagenes Holz zum normalen Bestand an umlaufenden Betriebsmitteln, soweit es den jährlichen Nutzungssatz nicht übersteigt. 5 Holz gilt dann als eingeschlagen, wenn es von der Wurzel getrennt ist. Bei Windbruch oder sonstigen
Naturereignisses handelt es sich so lange nicht um eingeschlagenes Holz, wie der liegende Stamm noch mit dem Wurzelwerk verbunden ist.3 Der jährliche Nutzungssatz wird durch ein amtlich anerkanntes Betriebsgutachten oder ein Betriebswerk bestimmt. Ein Überbestand an eingeschlagenem Holz ist kein land- und forstwirtschaftliches Vermögen, sondern ist dem übrigen Vermögen zuzurechnen.
C. Aussetzende Betriebe (Satz 2) 6 Bei Betrieben, die nicht jährlich einschlagen, tritt an die Stelle des jährlichen Nutzungssatzes nach
§ 171 Satz 1 BewG ein den Betriebsverhältnissen entsprechender mehrjähriger Nutzungssatz. Unter diese Regelung fallen insbesondere kleinere Betriebe, die nur eine oder wenige Altersklassen haben und bei denen daher schlagreifes Holz nur in größeren Zeitabständen vorhanden ist.
§ 172 Abweichender Bewertungsstichtag Bei der forstwirtschaftlichen Nutzung sind abweichend von § 161 Abs. 1 für den Umfang und den Zustand des Bestands an nicht eingeschlagenem Holz die Verhältnisse am Ende des Wirtschaftsjahres zu Grunde zu legen, das dem Bewertungsstichtag vorangegangen ist. A. Grundaussagen der Vorschrift. . . . . . . . . . .
1
B. Abweichender Bewertungsstichtag . . . . . . . .
2
A. Grundaussagen der Vorschrift 1 Der § 172 BewG definiert bei forstwirtschaftlichen Betrieben einen gegenüber der Regelung in § 161
BewG abweichenden Stichtag für die Bestimmung des Umfangs und des Zustands des Bestandes an
1 ErbStRG v. 24.12.2008, BGBl. I 2008, 3018. 2 StÄndG 2015 v. 2.11.2015, BStBl. I 2015, 1834. 3 Vgl. Bruschke in Gürsching/Stenger, § 171 BewG Rz. 14 (Stand: September 2011).
1024
Grootens
Weinvorräte (Abs. 1)
Rz. 2 § 173 BewG
nicht eingeschlagenem Holz. Der § 172 BewG wurde durch das Erbschaftsteuerreformgesetz 20091 vom 24.12.2008 in das Bewertungsgesetz eingefügt und gilt gem. § 205 Abs. 1 BewG für Bewertungsstichtage ab dem 1.1.2009. Für Stichtage bis zum 31.12.2008 galten die §§ 140 bis 144 BewG, die für Zwecke der Grunderwerbsteuer bis zur rückwirkenden Neufassung des § 8 Abs. 2 GrEStG durch das StÄndG 20152 weiterhin anzuwenden waren.
B. Abweichender Bewertungsstichtag Für die Größe des Betriebs, für den Umfang und den Zustand der Gebäude sowie für die stehenden 2 Betriebsmittel sind gem. § 161 BewG grundsätzlich die Verhältnisse am Bewertungsstichtag maßgebend. § 172 BewG legt für die forstwirtschaftliche Nutzung fest, dass für den Zustand des Bestands an nicht eingeschlagenem Holz die Verhältnisse am Ende des Wirtschaftsjahrs zugrunde zu legen sind, das dem Bewertungsstichtag vorangegangen ist. Regelmäßig endet das Forstwirtschaftsjahr am 30. September. Diese Vereinfachungsregelung erleichtert die Bewertung, da so eine gesonderte Aufnahme auf den Bewertungsstichtag nach § 161 BewG unterbleiben kann.
c) Weinbauliche Nutzung
§ 173 Umlaufende Betriebsmittel (1) Bei ausbauenden Betrieben zählen die Vorräte an Weinen aus den Ernten der letzten fünf Jahre vor dem Bewertungsstichtag zum normalen Bestand an umlaufenden Betriebsmitteln. (2) Abschläge für Unterbestand an Weinvorräten sind nicht zu machen. A. Grundaussagen der Vorschrift. . . . . . . . . . .
1
B. Weinvorräte (Abs. 1) . . . . . . . . . . . . . . . . .
2
C. Unterbestand an Weinvorräten (Abs. 2) . . . .
3
A. Grundaussagen der Vorschrift Der § 173 BewG definiert bei weinbaulichen Betrieben den normalen Bestand an umlaufenden Be- 1 triebsmitteln. Die Vorschrift ergänzt damit die Regelung in § 158 Abs. 3 Satz 2 BewG. Der § 173 BewG wurde durch das Erbschaftsteuerreformgesetz3 vom 24.12.2008 in das Bewertungsgesetz eingefügt und gilt gem. § 205 Abs. 1 BewG für Bewertungsstichtage ab dem 1.1.2009. Für Stichtage bis zum 31.12.2008 galten die §§ 140 bis 144 BewG, die für Zwecke der Grunderwerbsteuer bis zur rückwirkenden Neufassung des § 8 Abs. 2 GrEStG durch das StÄndG 20154 weiterhin anzuwenden waren.
B. Weinvorräte (Abs. 1) Zu den Wirtschaftsgütern, die der wirtschaftlichen Einheit des Betriebs der Land- und Forstwirt- 2 schaft zu dienen bestimmt sind, gehört nach § 158 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 BewG insbesondere der normale Bestand an umlaufenden Betriebsmitteln. Als normaler Bestand an umlaufenden Betriebsmitteln gilt ein solcher, der zur gesicherten Fortführung des Betriebs erforderlich ist. § 173 BewG grenzt für die weinbauliche Nutzung bei ausbauenden Betrieben den normalen Bestand an umlaufenden 1 2 3 4
ErbStRG v. 24.12.2008, BGBl. I 2008, 3018. StÄndG 2015 v. 2.11.2015, BStBl. I 2015, 1834. ErbStRG v. 24.12.2008, BGBl. I 2008, 3018. StÄndG 2015 v. 2.11.2015, BStBl. I 2015, 1834.
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§ 173 BewG Rz. 3 Umlaufende Betriebsmittel Betriebsmitteln vom Überbestand an umlaufenden Betriebsmitteln ab, indem er diese Vorgabe weiter präzisiert. Zum normalen Bestand gehören demnach nur die Vorräte an Weinen aus den Ernten der letzten fünf Jahre vor dem Bewertungsstichtag.
C. Unterbestand an Weinvorräten (Abs. 2) 3 Abschläge bei der Bewertung für einen eventuellen Unterbestand an Weinvorräten sind nach § 173
Abs. 2 BewG ausgeschlossen.
d) Gärtnerische Nutzung
§ 174 Abweichende Bewertungsverhältnisse (1) 1Die durch Anbau von Baumschulgewächsen genutzte Betriebsfläche wird nach § 161 Abs. 1 bestimmt. 2Dabei sind die zum 15. September feststellbaren Bewirtschaftungsverhältnisse zu Grunde zu legen, die dem Bewertungsstichtag vorangegangen sind. (2) 1Die durch Anbau von Gemüse, Blumen und Zierpflanzen genutzte Betriebsfläche wird nach § 161 Abs. 1 bestimmt. 2Dabei sind die zum 30. Juni feststellbaren Bewirtschaftungsverhältnisse zu Grunde zu legen, die dem Bewertungsstichtag vorangegangen sind. (3) Sind die Bewirtschaftungsverhältnisse nicht feststellbar, richtet sich die Einordnung der Flächen nach der vorgesehenen Nutzung. A. Grundaussagen der Vorschrift. . . . . . . . . . .
1
C. Gemüse, Blumen und Zierpflanzen (Abs. 2) .
3
B. Baumschulgewächse (Abs. 1) . . . . . . . . . . .
2
D. Auffangtatbestand (Abs. 3). . . . . . . . . . . . . .
4
A. Grundaussagen der Vorschrift 1 Der § 174 BewG enthält für die gärtnerische Nutzung Vereinfachungsregelungen bei der Feststel-
lung der Betriebsflächen durch Festlegung eines abweichenden Bewertungsstichtags. Die Vorschrift ergänzt damit die Regelung in § 161 BewG. Der § 173 BewG wurde durch das Erbschaftsteuerreformgesetz1 vom 24.12.2008 in das Bewertungsgesez eingefügt und gilt gem. § 205 Abs. 1 BewG für Bewertungsstichtage ab dem 1.1.2009. Für Stichtage bis zum 31.12.2008 galten die §§ 140 bis 144 BewG, die für Zwecke der Grunderwerbsteuer bis zur rückwirkenden Neufassung des § 8 Abs. 2 GrEStG durch das StÄndG 20152 weiterhin anzuwenden waren.
B. Baumschulgewächse (Abs. 1) 2 Die durch den Anbau von Baumschulgewächsen genutzte Betriebsfläche wird nach § 161 Abs. 1
BewG bestimmt. Lediglich hinsichtlich der Bewirtschaftungsverhältnisse bestimmt § 174 BewG abweichende Stichtage. Im Einzelnen sind dies für Baumschulgewächse die zum 15.9. feststellbaren Bewirtschaftungsverhältnisse, die dem Bewertungsstichtag vorangegangen sind.
1 ErbStRG v. 24.12.2008, BGBl. I 2008, 3018. 2 StÄndG 2015 v. 2.11.2015, BStBl. I 2015, 1834.
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Übrige land- und forstwirtschaftliche Nutzungen
§ 175 BewG
C. Gemüse, Blumen und Zierpflanzen (Abs. 2) Die durch den Anbau von Gemüse, Blumen und Zierpflanzen genutzte Betriebsfläche wird nach § 161 3 Abs. 1 BewG bestimmt. Lediglich hinsichtlich der Bewirtschaftungsverhältnisse bestimmt § 174 BewG abweichende Stichtage. Im Einzelnen sind dies für Gemüse, Blumen und Zierpflanzen die zum 30.6. feststellbaren Bewirtschaftungsverhältnisse, die dem Bewertungsstichtag vorangegangen sind.
D. Auffangtatbestand (Abs. 3) Der Abs. 3 als Auffangtatbestand ergänzt die Abs. 1 und 2 mit einer Regelung für die Fälle, in denen 4 die Bewirtschaftungsverhältnisse nicht feststellbar sind. In diesem Fall richtet sich die Einordnung der Flächen nach der vorgesehenen Nutzung.
e) Übrige land- und forstwirtschaftliche Nutzungen
§ 175 Übrige land- und forstwirtschaftliche Nutzungen (1) Zu den übrigen land- und forstwirtschaftlichen Nutzungen gehören 1. die Sondernutzungen Hopfen, Spargel, Tabak und andere Sonderkulturen, 2. die sonstigen land- und forstwirtschaftlichen Nutzungen. (2) Zu den sonstigen land- und forstwirtschaftlichen Nutzungen gehören insbesondere 1. die Binnenfischerei, 2. die Teichwirtschaft, 3. die Fischzucht für Binnenfischerei und Teichwirtschaft, 4. die Imkerei, 5. die Wanderschäferei, 6. die Saatzucht, 7. der Pilzanbau, 8. die Produktion von Nützlingen, 9. die Weihnachtsbaumkulturen. A. I. II. III.
Grundaussagen der Vorschrift. . . . . . . . . . Regelungsgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . Bedeutung und Telos . . . . . . . . . . . . . . . . . Geltungsbereich und Verhältnis zu anderen Vorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Rechtsentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
B. Umfang der übrigen land- und forstwirtschaftlichen Nutzungen (Abs. 1) . . . . . . . . I. Begriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Sondernutzungen (Abs. 1 Satz 1 Nr. 1) . . . . III. Sonstige land- und forstwirtschaftliche Nutzungen (Abs. 1 Satz 1 Nr. 2) . . . . . . . . .
1 1 2 3 4 5 5 6 7
C. Sonstige land- und forstwirtschaftliche Nutzungen (Abs. 2). . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Aufzählung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Binnenfischerei (Abs. 2 Nr. 1) . . . . . . . . . . . III. Teichwirtschaft (Abs. 2 Nr. 2 und Nr. 3) . . . . IV. Imkerei (Abs. 2 Nr. 4) . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Wanderschäferei (Abs. 2 Nr. 5). . . . . . . . . . . VI. Saatzucht (Abs. 2 Nr. 6) . . . . . . . . . . . . . . . . VII. Pilzanbau (Abs. 2 Nr. 7) . . . . . . . . . . . . . . . . VIII. Nützlingsproduktion (Abs. 2 Nr. 8) . . . . . . . IX. Weihnachtsbaumkulturen (Abs. 2 Nr. 9) . . . X. Besamungsstation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
8 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17
Literatur: Bruschke, Die Bewertung des LuF-Vermögens für die Erbschaft und Schenkungsteuer, ErbStB 2009, 320; Hutmacher, Erbschaftsteuerreform: Die Bewertung und Verschonung land- und forstwirtschaftlichen Vermögens, ZEV 2008, 22; Hutmacher, Die Bewertung des Wirtschaftsteils eines Betriebs der Land und Forstwirtschaft, ZEV 2009, 22; Jäckel, Bewertung und Besteuerung des land- und forstwirtschaftlichen Vermögens, FR 2009 Beilage zu Heft 11, 33; Krause, Grundbesitzbewertung von Betrieben der Land- und Forstwirtschaft – Ermittlung des Wirt-
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§ 175 BewG Rz. 1 Übrige land- und forstwirtschaftliche Nutzungen schaftswert, des Mindestwerts und des Fortführungswerts, NWB 2012, 1768; von Cölln, Bewertung des forstwirtschaftlichen Vermögens für Zwecke der Erbschaft- und Schenkungsteuer, ZEV 2011, 182; Wenhardt, Die Landund Forstwirtschaft im Steuerrecht – Eine Darstellung aus einkommensteuer- und erbschaftsteuerlicher Sicht, NWB-EV 2011, 201; Wiegand, Die Bewertung des land- und forstwirtschaftlichen Vermögens nach dem Gesetz zur Reform des Erbschaftsteuer- und Bewertungsrechts, StW 2010, 56.
A. Grundaussagen der Vorschrift I. Regelungsgegenstand 1 Die Vorschrift regelt gliedert die übrigen land- und forstwirtschaftlichen Nutzungen auf und de-
finiert zudem die Sondernutzungen zwecks Abgrenzung von der landwirtschaftlichen Nutzung.
II. Bedeutung und Telos 2 Die Vorschrift dient der Abgrenzung und ermöglicht eine separate Bewertung (vgl. § 163 Abs. 7 und
8 BewG) der aufgeführten Nutzungen, die den besonderen Verhältnissen bei diesen Nutzungen Rechnung trägt.
III. Geltungsbereich und Verhältnis zu anderen Vorschriften 3 Nach § 160 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. e BewG gehören die übrigen land und forstwirtschaftlichen
Nutzungen zum Wirtschaftsteil eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs. Die in § 175 BewG abgegrenzten Sondernutzungen und die sonstigen land- und forstwirtschaftlichen Nutzungen sind gem. § 163 Abs. 7 bzw. 8 BewG einer besonderen Bewertung zuzuführen. Die Aufzählung der sonstigen land- und forstwirtschaftlichen Nutzungen entspricht dem für die Einheitsbewertung geltenden § 62 Abs. 1 BewG und ist um weitere Nutzungen redaktionell erweitert worden.
IV. Rechtsentwicklung 4 Der § 175 BewG wurde durch das Erbschaftsteuerreformgesetz1 vom 24.12.2008 in das Bewertungs-
gesetz eingefügt und gilt gem. § 205 Abs. 1 BewG für Bewertungsstichtage ab dem 1.1.2009. Für Stichtage bis zum 31.12.2008 galten die §§ 140 bis 144 BewG, die für Zwecke der Grunderwerbsteuer bis zur rückwirkenden Neufassung des § 8 Abs. 2 GrEStG durch das StÄndG 20152 weiterhin anzuwenden waren.
B. Umfang der übrigen land- und forstwirtschaftlichen Nutzungen (Abs. 1) I. Begriff 5 Der Begriff der übrigen land- und forstwirtschaftlichen Nutzungen ist ein Sammelbegriff für alle
land- und forstwirtschaftlichen Nutzungen, die nicht zu den Nutzungen oder Nutzungsteilen des § 160 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a bis d BewG gehören. Es werden insb. die Sondernutzungen und die sonstigen land- und forstwirtschaftlichen Nutzungen unterschieden.
1 ErbStRG v. 24.12.2008, BGBl. I 2008, 3018. 2 StÄndG 2015 v. 2.11.2015, BStBl. I 2015, 1834.
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Sonstige land- und forstwirtschaftliche Nutzungen (Abs. 2)
Rz. 11 § 175 BewG
II. Sondernutzungen (Abs. 1 Satz 1 Nr. 1) Zu den Sondernutzungen gehören der Anbau von Hopfen, Tabak, Spargel und anderen Sonderkul- 6 turen, wenn keine landwirtschaftliche Nutzung i.S.d. § 160 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a BewG vorliegt (vgl. § 160 Abs. 2 Satz 2 BewG). In diesem Fall gehört der Anbau dieser landwirtschaftlichen Produkte zur landwirtschaftlichen Nutzung. Im Falle des Vorliegens einer Sondernutzung sind alle Wirtschaftsgüter (z.B. Grund und Boden, Gebäude, Maschinen), die der Erzeugung des Produkts dienen, dieser Sondernutzung zuzuordnen.
III. Sonstige land- und forstwirtschaftliche Nutzungen (Abs. 1 Satz 1 Nr. 2) Der Begriff der sonstigen land- und forstwirtschaftlichen Nutzungen ist ein Sammelbegriff, der in 7 Abs. 2 weiter aufgegliedert wird (vgl. hierzu auch R B 175 ErbStR 2011).
C. Sonstige land- und forstwirtschaftliche Nutzungen (Abs. 2) I. Aufzählung Zu den sonstigen land- und forstwirtschaftlichen Nutzungen gehören insb. die Binnenfischerei, die 8 Teichwirtschaft, die Fischzucht für Binnenfischerei und Teichwirtschaft, die Imkerei, die Wanderschäferei, die Saatzucht, der Pilzanbau, die Produktion von Nützlingen, die Weihnachtsbaumkulturen und die Besamungsstationen. Die Aufzählung ist nicht abschließend.
II. Binnenfischerei (Abs. 2 Nr. 1) Binnenfischerei ist die Ausübung der Fischerei in Binnengewässern auf Grund von Fischereiberech- 9 tigungen. Zur Binnenfischerei gehören die Fischerei in stehenden Gewässern und die Fischerei in fließenden Gewässern einschließlich der Kanäle. Für die Bewertung ist es unerheblich, ob die Fischereiberechtigung dem Inhaber des Fischereibetriebs als Ausfluss seines Grundeigentums zusteht oder als selbständiges besonderes Recht ausgeübt wird oder auf einer sonstigen Nutzungsüberlassung, z.B. Verleihung, beruht.
III. Teichwirtschaft (Abs. 2 Nr. 2 und Nr. 3) Zum Nutzungsteil Teichwirtschaft und Fischzucht für Binnenfischerei und Teichwirtschaft gehören 10 alle Wirtschaftsgüter, die der Erzeugung von Speisefischen (einschließlich deren Eier und Brut) unabhängig von der Haltungsform dienen, insb. die Erzeugung von Forellen, Karpfen und sog. Beifischen, wie z.B. Schleien, Hechten, Zandern, Amurkarpfen.
IV. Imkerei (Abs. 2 Nr. 4) Die Imkerei umfasst alle Formen der Bienenhaltung, die auf einen wirtschaftlichen Erfolg aus- 11 gerichtet sind. Dabei ist nicht zwischen der Bienenhaltung zur Gewinnung von Honig und Wachs und anderen Formen der Bienenhaltung, wie z.B. Königinnenzucht oder Bienenhaltung für pharmazeutische Zwecke zu unterscheiden. Zu den Wirtschaftsgütern, die einer Imkerei dauernd zu dienen bestimmt sind, gehören neben den Bienenvölkern auch die Bienenstände, die Bienenkästen und -körbe, die Imkereigeräte und die Vorräte sowie der Grund und Boden des Standorts der Bienenkästen und -körbe.
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§ 175 BewG Rz. 12 Übrige land- und forstwirtschaftliche Nutzungen
V. Wanderschäferei (Abs. 2 Nr. 5) 12
Wanderschäferei ist eine extensive Form der Schafhaltung, die durch die Haltungsform der Großherde und ständigen Standortwechsel gekennzeichnet ist. Im Gegensatz zu intensiven Formen der Schafhaltung (wie z.B. Koppelschafhaltung, Gutsschäferei) werden von Wanderschäfereien überwiegend fremde Flächen durch vorübergehende Beweidung genutzt. Wenn die Schafhaltung jedoch überwiegend auf Flächen stattfindet, die durch Nutzungsüberlassungsverträge dauernd (ganzjährig) zur Beweidung zur Verfügung stehen, handelt es sich nicht mehr um Wanderschäfereien, sondern um eine Schafhaltung, die im Rahmen der landwirtschaftlichen Nutzung zu bewerten ist. Da Wanderschäfereien landwirtschaftliche Flächen nicht regelmäßig nutzen, ist eine Beziehung zwischen Tierbestand, gemessen in Vieheinheiten, und Flächengrundlage zur Deckung des Futterbedarfs nicht herstellbar. Bei Wanderschäfereien ist deshalb § 169 BewG nicht anwendbar.
VI. Saatzucht (Abs. 2 Nr. 6) 13
Saatzucht ist die Erzeugung von Zuchtsaatgut. Zum Saatgut zählen Samen, Pflanzgut oder Pflanzenteile, die für die Erzeugung von Kulturpflanzen bestimmt sind. Dabei ist nicht zu unterscheiden zwischen Nutzpflanzensaatgut und dem Saatgut anderer Kulturpflanzen. Zur Saatzucht gehören alle Wirtschaftsgüter, die ihr zu dienen bestimmt sind, insb. Grund und Boden für die Zuchtgärten und Pflanzkämpe einschließlich der Hof- und Gebäudeflächen, Wirtschaftswege und Trennstreifen, Wirtschaftsgebäude (z.B. Zuchtlaboratorien, Gewächshäuser, Lager- und Verwaltungsgebäude), stehende Betriebsmittel (z.B. Pflanzenbestände, Maschinen) und umlaufende Betriebsmittel (z.B. die zum Verkauf bestimmten Erzeugnisse und Vorräte).
VII. Pilzanbau (Abs. 2 Nr. 7) 14
Gegenstand der Bewertung ist der Anbau von Speisepilzen. Zum Pilzanbau gehören alle Wirtschaftsgüter, die der Erzeugung von Speisepilzen dienen, insb. die Wirtschaftsgebäude mit den Beetflächen und den Pasteurisierungs-, Anwachs- und Anspinnräumen sowie Konservierungsanlagen und Lagerplätze.
VIII. Nützlingsproduktion (Abs. 2 Nr. 8) 15
Zur Produktion von Nützlingen gehören alle Wirtschaftsgüter, die ihr zu dienen bestimmt sind. Unter die Produktion von Nützlingen fallen insb. Spinnentiere und Insekten (z.B. Raubmilben, Schlupfwespen).
IX. Weihnachtsbaumkulturen (Abs. 2 Nr. 9) 16
Zur Nutzung der Weihnachtsbaumkulturen gehören alle Wirtschaftsgüter, die dem Anbau von Weihnachtsbäumen dienen. Die Fläche der Nutzung Weihnachtsbaumkulturen umfasst die dem Anbau von Weihnachtsbäumen dienenden Flächen einschließlich der zur Weihnachtsbaumkultur gehörenden Lagerplätze und Fahrschneisen. Dienen Flächen der Jungpflanzenanzucht zu mehr als zwei Drittel der Erzeugung von Pflanzen für die eigene Weihnachtsbaumkultur, gehören diese Flächen zur Weihnachtsbaumkultur, andernfalls zum gärtnerischen Nutzungsteil Baumschulen (vgl. § 160 BewG Rz. 25). Bei der Abgrenzung der Weihnachtsbaumkultur vom gärtnerischen Nutzungsteil Baumschulen sind die Kulturmaßnahmen als wesentliche Unterscheidungsmerkmale heranzuziehen. Die Bäume einer Weihnachtsbaumkultur unterscheiden sich insb. dadurch von Baumschulkulturen, dass sie nach der Anpflanzung nicht umgeschult werden. Der untergeordnete Verkauf von Ballenware führt nicht zu einer Bewertung der Fläche als Baumschule. Zum Nutzungsteil Weihnachtsbaumkultur gehören auch langfristig forstwirtschaftlich genutzte Flächen, aus denen mehr als zwei Drittel des Bestandes als Weih-
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Grundvermögen
§ 176 BewG
nachtsbäume geschlagen werden, da in diesen Fällen die Weihnachtsbaumkultur den maßgeblichen Ertragswert prägt.
X. Besamungsstation Eine Besamungsstation dient der Vatertierhaltung zur Gewinnung von Sperma für die künstliche 17 Besamung. Zur Besamungsstation gehört auch der Embryotransfer bei landwirtschaftlichen Nutztieren, soweit damit eine landwirtschaftliche Tierhaltung verbunden ist. Die Deckhengsthaltung unter Gewinnung des Pferdesamens in einer betriebsfremden Besamungsstation kann dem Betrieb einer Besamungsstation bewertungsrechtlich nicht gleichgestellt werden.1 Eine Besamungsstation bildet nur dann einen Betrieb der Land- und Forstwirtschaft, wenn der nach dem Futterbedarf in Vieheinheiten umgerechnete Bestand an Tieren die Grenzen des § 169 Abs. 1 BewG nicht nachhaltig übersteigt. Zu einer Besamungsstation gehören alle Wirtschaftsgüter, die ihr zu dienen bestimmt sind, insb. Flächen für die Tierhaltung einschließlich der Hof- und Gebäudeflächen sowie Wirtschaftswege, Wirtschaftsgebäude, Tierbestände und Sonstige Betriebsmittel (z.B. Maschinen und Geräte für Besamung und Embryotransfer, Fahrzeuge, Vorräte).
C. Grundvermögen I. Allgemeines
§ 176 Grundvermögen (1) Zum Grundvermögen gehören 1. der Grund und Boden, die Gebäude, die sonstigen Bestandteile und das Zubehör, 2. das Erbbaurecht, 3. das Wohnungseigentum, Teileigentum, Wohnungserbbaurecht und Teilerbbaurecht nach dem Wohnungseigentumsgesetz, soweit es sich nicht um land- und forstwirtschaftliches Vermögen (§§ 158 und 159) oder um Betriebsgrundstücke (§ 99) handelt. (2) In das Grundvermögen sind nicht einzubeziehen 1. Bodenschätze, 2. 1die Maschinen und sonstigen Vorrichtungen aller Art, die zu einer Betriebsanlage gehören (Betriebsvorrichtungen), auch wenn sie wesentliche Bestandteile sind. 2Einzubeziehen sind jedoch die Verstärkungen von Decken und die nicht ausschließlich zu einer Betriebsanlage gehörenden Stützen und sonstigen Bauteile wie Mauervorlagen und Verstrebungen. A. I. II. III. IV.
Grundaussagen der Vorschrift. . . . . . . . . . Regelungsgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . Bedeutung der Vorschrift . . . . . . . . . . . . . . Geltungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rechtsentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1 1 3 4 7
B. Grundvermögen (Abs. 1) . . . . . . . . . . . . . . I. Umfang des Grundvermögens. . . . . . . . . . . II. Vorrang des land- und forstwirtschaftlichen Vermögens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
10 10
III. Vorrang des Betriebsvermögens . . . . . . . . . . 15 IV. Grund und Boden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 V. Gebäudebegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 C. D. I. II.
Bodenschätze (Abs. 2 Nr. 1) . . . . . . . . . . . . Betriebsvorrichtungen (Abs. 2 Nr. 2) . . . . . Definition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gebäudemerkmale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
24 26 26 33
14
1 BFH v. 6.5.2015 – II R 9/13, BStBl. II 2015, 888.
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§ 176 BewG Rz. 1 Grundvermögen Literatur: Broekelschen/Maiterth, Bewertung von Ein- und Zweifamilienhäusern nach der Erbschaftsteuerreform 2009, StuW 2010, 33; Drosdzol, Die Bewertung und Besteuerung des Erwerbs von Grundvermögen, ZEV 2009, 7; Eisele, Die Abgrenzung des Grundvermögens von den Betriebsvorrichtungen – Neuer Abgrenzungserlass 2013, NWB 2013, 2473; ders., Erbschaftsteuerreformgesetz: Bewertung des Grundvermögens, NWB 2009, 4087; Feldner/ Stoklassa, Die Praxis der Bewertung von Grundvermögen i.R.d. Erbschaft- und Schenkungsteuer, ErbStB 2013, 152; Fumi, Einheitsbewertung einer mit Windkraftanlagen bebauten Grundstücksfläche, EFG 2010, 1478; Halaczinsky, Die Abgrenzung des Grundvermögens von den Betriebsvorrichtungen – Zugleich Besprechung der aktualisierten gleichlautenden Ländererlasse vom 5.6.2013, ErbStB 2013, 324; Kußmaul/Cloß/Eichenlaub, Fallstudie zur Bewertung von Grundstücken vor dem Hintergrund des ErbStRG, BB 2010, 2469; Krause/Grootens, Abgrenzung des Grundvermögens von den Betriebsvorrichtungen – Überarbeiteter Erlass der Länder vom 5.6.2013, NWB-EV 2013, 248; Meßbacher-Hönsch, Schwimmende Anlage bewertungsrechtlich kein Gebäude, jurisPR-SteuerR 7/2012 Anm. 1; Schumann, Der Abgrenzungserlass 2013: Gebäude oder Betriebsvorrichtung? Praxisrelevante Folgen für einzelne Steuerarten, EStB 2013, 468; Selder, Tiefkühllager keine Betriebsvorrichtung, jurisPR-SteuerR 27/2011 Anm. 5; Stöckel, Schwimmende Bauwerke sind keine Gebäude – Steuerrechtliche Folgen der neuen Rspr., NWB 2012, 2770; Wüster/Klein, Steuerrechtliche Beurteilung von Fotovoltaikanlagen – Frage der Wirtschaftsgutqualität, NWB 2010, 3113. Verwaltungsanweisungen: R B 176.1–176.2 ErbStR 2011; H B 176.1–176.2 ErbStH 2011.
A. Grundaussagen der Vorschrift I. Regelungsgegenstand 1 Die Vorschrift regelt den Umfang des Grundvermögens. Zum Grundvermögen gehören der Grund
und Boden, die Gebäude, die Bestandteile und das Zubehör. Auch das Erbbaurecht, das Wohnungseigentum, Teileigentum, Wohnungserbbaurecht und Teilerbbaurecht nach dem Wohnungseigentumsgesetz gehören zum Grundvermögen. Dies gilt jedoch nur, soweit es sich nicht um land- und forstwirtschaftliches Vermögen (§§ 158 und 159 BewG) oder um Betriebsgrundstücke (§ 99 BewG) handelt. 2 Nicht in das Grundvermögen sind dagegen Betriebsvorrichtungen und Bodenschätze einzubezie-
hen.
II. Bedeutung der Vorschrift 3 Soweit die Wirtschaftsgüter zum Grundvermögen gehören, sind sie mit dem Ansatz des dafür fest-
zustellenden Grundbesitzwerts (§ 151 Abs. 1 Nr. 1 BewG) abgegolten.
III. Geltungsbereich 4 § 176 BewG gilt bei der Grundbesitzbewertung für Zwecke der Erbschaft-/Schenkungsteuer. Der
Wortlaut des § 176 BewG entspricht weitgehend § 68 BewG, der für die Einheitsbewertung maßgebend ist. Die in § 68 Abs. 2 Satz 2 BewG enthaltene Regelung, dass Verstärkungen von Decken und die nicht ausschließlich zu einer Betriebsanlage gehörenden Stützen und sonstigen Bauteile wie Mauervorlagen und Verstrebungen in das Grundvermögen einzubeziehen sind, ist redaktionell § 176 Abs. 2 Nr. 2 Satz 2 BewG zugeordnet worden. 5 In der Praxis ist die Vorschrift bei der Abgrenzung der Betriebsvorrichtungen vom Grundvermögen
von erheblicher Bedeutung. Die Auslegung des § 176 BewG entspricht somit den Regelungen, die die FinVerw. zu § 68 BewG herausgegeben hat 6 Vgl. im Übrigen § 177 BewG Rz. 4 ff.
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Mannek
Grundvermögen (Abs. 1)
Rz. 14 § 176 BewG
IV. Rechtsentwicklung § 176 BewG ist durch das Erbschaftsteuerreformgesetz1 neu in das Bewertungsgesetz eingefügt wor- 7 den und für Erwerbe nach dem 31.12.2008 anzuwenden. Die Neufassung reagiert auf den Beschluss des BVerfG vom 7.11.2006.2 Neben § 176 BewG regelt auch § 68 BewG, der im Wesentlichen wortgleich ist, die Abgrenzung des 8 Grundvermögens von den Betriebsvorrichtungen. Im Beitrittsgebiet gilt § 129 Abs. 2 Nr. 1 BewG i.V.m. § 50 Abs. 1 Satz 2 BewG-DDR. Dies gilt auch für die Abgrenzung der Betriebsgrundstücke von den Betriebsvorrichtungen (§ 99 Abs. 1 Nr. 1 BewG). Die FinVerw. hat zuletzt Regelungen zur Abgrenzung des Grundvermögens von den Betriebsvorrich- 9 tungen mit gleich lautenden Ländererlassen vom 5.6.20133 zusammengefasst. Obwohl die Erlasse zu der bei der Einheitsbewertung geltenden Vorschrift des § 68 BewG herausgegeben wurden, gelten die Anweisungen angesichts der wortgleichen Vorschrift des § 176 BewG auch bei der Grundbesitzbewertung nach dem Sechsten Abschnitt des Zweiten Teils des Bewertungsgesetzes.
B. Grundvermögen (Abs. 1) I. Umfang des Grundvermögens Die Bewertung eines Grundstücks betrifft nicht nur die Bewertung der Höhe nach, sondern muss auch 10 eine Entscheidung darüber treffen, was zum Umfang der wirtschaftlichen Einheit (§ 2 BewG) gehört. Zugehörigkeit der Wirtschaftsgüter zum Grundvermögen regelt die Vorschrift des § 176 BewG. Dabei werden auch Abgrenzungsregeln gegenüber dem Betriebsvermögen und dem land- und forstwirtschaftlichen Vermögen aufgestellt. Ferner enthält § 176 Abs. 2 Nr. 2 BewG die Aussage, dass Betriebsvorrichtungen ebenso wenig in das Grundvermögen einzubeziehen sind wie Bodenschätze (§ 176 Abs. 2 Nr. 1 BewG). Zum Grundvermögen gehören nach § 176 Abs. 1 Nr. 1 BewG – der Grund und Boden, – die Gebäude, – die sonstigen Bestandteile und – das Zubehör.
11
Ferner gehören nach § 176 Abs. 1 Nr. 2 BewG das Erbbaurecht sowie nach § 176 Abs. 1 Nr. 3 BewG 12 das Wohnungs- und Teileigentum, das Wohnungserbbaurecht und das Teilerbbaurecht nach dem Wohnungseigentumsgesetz zum Grundvermögen. Die einzelnen Wirtschaftsgüter rechnen nur dann zum Grundvermögen, soweit sie nicht zum land- 13 und forstwirtschaftlichen Vermögen oder zum Betriebsvermögen (Betriebsgrundstücke) gehören (§ 176 Abs. 1 BewG). Daraus ist die vorrangige Zugehörigkeit zum Betriebsvermögen bzw. dem landund forstwirtschaftlichen Vermögen abzuleiten.
II. Vorrang des land- und forstwirtschaftlichen Vermögens Nach § 158 Abs. 1 Satz 2 BewG gehören zum land- und forstwirtschaftlichen Vermögen alle Wirt- 14 schaftsgüter, die einem Betrieb der Land- und Forstwirtschaft zu diesem Zweck dauernd zu dienen bestimmt sind. Folglich können Wirtschaftsgüter nur dann Grundvermögen bilden, wenn sie nicht die in §§ 158 und 159 BewG genannten Voraussetzungen für die Zurechnung zum land- und forstwirtschaftlichen Vermögen erfüllen. 1 ErbStRG v. 24.12.2008, BGBl. I 2008, 3018. 2 BVerfG v. 7.11.2006 – 1 BvL 10/02, BStBl. II 2007, 192 = FR 2007, 338 = ErbStB 2007, 64. 3 Gleich lautende Erlasse zur Abgrenzung des Grundvermögens von den Betriebsvorrichtungen v. 5.6.2013, BStBl. I 2013, 734.
Mannek
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§ 176 BewG Rz. 15 Grundvermögen
III. Vorrang des Betriebsvermögens 15
Grundstücke sind als Betriebsgrundstück innerhalb der wirtschaftlichen Einheit des Gewerbebetriebs zu erfassen, wenn die in §§ 95, 96, 97 und 99 BewG genannten Voraussetzungen erfüllt sind. Nach § 95 Abs. 1 BewG umfasst das Betriebsvermögen alle Teile eines Gewerbebetriebs i.S.d. § 15 Abs. 1 und 2 EStG, die bei der steuerlichen Gewinnermittlung zum Betriebsvermögen gehören. Nach § 96 BewG steht die Ausübung eines freien Berufs i.S.d. § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG dem Gewerbebetrieb gleich. Dagegen stellt § 97 BewG nicht auf die ertragsteuerliche Zughörigkeit zum Betriebsvermögen ab, sondern auf die Frage, ob Wirtschaftsgüter den in § 97 BewG genannten Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen gehören.
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Sofern ein Grundstück als Betriebsgrundstück zu behandeln ist, führt dies in der Praxis nicht zwingend in dem Maße zu einer Erhöhung des Werts des Betriebsvermögens, die dem Wert des Grundstücks entspricht. Denn die Anwendung des vereinfachten Ertragswertverfahrens zur Bewertung des betrieblichen Vermögens nach § 11 Abs. 2 BewG, §§ 199 ff. BewG erfolgt grundsätzlich in der Weise, dass der nachhaltig erzielbare Jahresertrag mit dem jeweiligen Kapitalisierungsfaktor zu multiplizieren ist. Mit dieser Bewertung sind auch die im ertragsteuerlichen Betriebsvermögen enthaltenen Grundstücke abgegolten.
17
Somit spiegelt sich das Betriebsgrundstück in dem Wert des Betriebsvermögens nur insofern wider, wie der zur Ermittlung des Jahresertrags maßgebende ertragsteuerliche Gewinn nicht um eine Miete für eine Alternativimmobilie gemindert worden ist. In bestimmten Fällen ist der Wert des Betriebsvermögens jedoch auch um den Grundbesitzwert des Betriebsgrundstücks zu erhöhen. Dies wäre beispielsweise bei einem Grundstück der Fall, das zum Sonderbetriebsvermögen (§ 97 Abs. 1a Nr. 2 BewG), nicht betriebsnotwendigen Vermögen (§ 200 Abs. 2 BewG) oder zum sog. jungen Betriebsvermögen (§ 200 Abs. 4 BewG) gehört. Auch wenn nach § 11 Abs. 2 Satz 3 BewG der Substanzwert als Mindestwert anzusetzen ist, wirkt sich der für das Betriebsgrundstück maßgebende Grundbesitzwert unmittelbar der Höhe nach aus.
IV. Grund und Boden 18
Der Umfang des in die wirtschaftliche Einheit einzubeziehenden Grund und Bodens ergibt sich aus den Daten der Vermessungsverwaltung. Die Vermessung der Erdoberfläche führt zu einer Unterscheidung von einzelnen Flurstücken, deren Begrenzung durch Koordinaten festgelegt ist und von der Katasterverwaltung vorgehalten wird. Aus den Koordinaten kann die räumliche Fläche abgeleitet werden.
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Mehrere Flurstücke können zu einer wirtschaftlichen Einheit zusammenzufassen sein. Damit kann sich hinsichtlich des Umfangs der wirtschaftlichen Einheit eine Abweichung zwischen dem bei der steuerlichen Bewertung maßgebenden Begriff des „Grundstücks“ gegenüber dem innerhalb der Katasterverwaltung geltenden Begriff „Flurstück“ und auch gegenüber dem zivilrechtlichen Begriff des „Grundstücks“ (Grundbuch) ergeben.
V. Gebäudebegriff 20
Der Gebäudebegriff ist von der Rspr. gebildet worden.1 Die FinVerw. hat die hierzu geltenden Grundsätze in den gleich lautenden Ländererlassen vom 5.6.20132 zur Abgrenzung des Grundvermögens von den Betriebsvorrichtungen zusammengefasst.
1 BFH v. 28.5.2003 – II R 41/01, BStBl. II 2003, 693. 2 Gleich lautende Erlasse zur Abgrenzung des Grundvermögens von den Betriebsvorrichtungen v. 5.6.2013, BStBl. I 2013, 734.
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Mannek
Betriebsvorrichtungen (Abs. 2 Nr. 2)
Rz. 29 § 176 BewG
Danach ist ein Bauwerk als Gebäude anzusehen, wenn es Menschen oder Sachen durch räumliche 21 Umschließung Schutz gegen Witterungseinflüsse gewährt, den Aufenthalt von Menschen gestattet, fest mit dem Grund und Boden verbunden, von einiger Beständigkeit und ausreichend standfest ist. Die vorstehenden Kriterien müssen sämtlich nebeneinander erfüllt sein, damit das Bauwerk als Ge- 22 bäude anzusehen ist. Bestehen Zweifel, ob ein bestimmtes Merkmal des Gebäudebegriffs vorliegt, ist die Entscheidung über das Vorliegen dieses Merkmals in Bezug auf das Bauwerk nach der Verkehrsauffassung zu treffen.1 Der Begriff des Gebäudes setzt nicht voraus, dass das Bauwerk über die Erdoberfläche hinausragt. 23 Auch unter der Erd- oder Wasseroberfläche befindliche Bauwerke, z.B. Tiefgaragen, unterirdische Betriebsräume, Lagerkeller und Gärkeller, können Gebäude im Sinne des Bewertungsgesetzes sein. Das gleiche gilt für Bauwerke, die ganz oder zum Teil in Berghänge eingebaut sind. Ohne Einfluss auf den Gebäudebegriff ist auch, ob das Bauwerk auf eigenem oder fremdem Grund und Boden steht.
C. Bodenschätze (Abs. 2 Nr. 1) Nach § 176 Abs. 2 Nr. 1 BewG werden Bodenschätze nicht in das einbezogen. Somit sind Bodenschät- 24 ze nicht bereits mit der Bewertung des Grundbesitzes abgegolten. Vielmehr ist der Wert von Bodenschätzen gesondert für Zwecke der Erbschaft-/Schenkungsteuer zu ermitteln und anzusetzen. Bodenschätze, die nicht zum Betriebsvermögen gehören, werden angesetzt, wenn für sie Absetzungen 25 für Substanzverringerung bei der Einkunftsermittlung vorzunehmen sind. Der Ansatz erfolgt mit dem ertragsteuerlichen Wert (vgl. § 12 Abs. 4 ErbStG).
D. Betriebsvorrichtungen (Abs. 2 Nr. 2) I. Definition Nach § 176 Abs. 2 Nr. 2 BewG werden Maschinen und sonstige Vorrichtungen aller Art, die zu einer 26 Betriebsanlage gehören (Betriebsvorrichtungen), nicht in das Grundvermögen einbezogen. Das gilt selbst dann, wenn sie nach dem bürgerlichen Recht wesentliche Bestandteile des Grund und Bodens oder der Gebäude sind. Bei der Abgrenzung des Grundvermögens von den Betriebsvorrichtungen ist zunächst zu prüfen, ob 27 das Bauwerk ein Gebäude ist. Liegen alle Merkmale des Gebäudebegriffs vor, kann das Bauwerk keine Betriebsvorrichtung sein.2 Ist das Bauwerk kein Gebäude, liegt demgegenüber nicht zwingend eine Betriebsvorrichtung vor. 28 Vielmehr muss geprüft werden, ob es sich um einen Gebäudebestandteil bzw. eine Außenanlage oder um eine Betriebsvorrichtung handelt. Wird ein Gewerbe mit dem Bauwerk oder Teilen davon unmittelbar betrieben, liegt grundsätzlich eine Betriebsvorrichtung vor. Dies gilt jedoch nicht bei doppelfunktionalen Konstruktionselementen. Hierbei handelt es sich um 29 Bauwerksteile, die sowohl dem Gebäude als auch der Betriebsvorrichtung dienen. Diese gehören in vollem Umfang zum Gebäude.
1 Zum Begriff der Verkehrsauffassung vgl. BFH v. 13.6.1969 – III 17/65, BStBl. II 1969, 517, v. 13.6.1969 – III R 132/67, BStBl. II 1969, 612 sowie v. 18.3.1987 – II R 222/84, BStBl. II 1987, 551. 2 BFH v. 15.6.2005 – II R 67/04, BStBl. II 2005, 688; v. 24.5.2007 – II R 68/05, BStBl. II 2008, 12 m.w.N.
Mannek
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§ 176 BewG Rz. 30 Grundvermögen 30
Nach § 176 Abs. 2 Nr. 2 BewG können nur einzelne Bestandteile und Zubehör Betriebsvorrichtung sein. Zu den Betriebsvorrichtungen gehören nicht nur Maschinen und maschinenähnliche Vorrichtungen. Unter diesen Begriff fallen vielmehr alle Vorrichtungen, mit denen ein Gewerbe unmittelbar betrieben wird.1
31
Das können selbständige Bauwerke oder Teile von Bauwerken sein, die nach den Regeln der Baukunst geschaffen sind, z.B. Schornsteine, Öfen, Kanäle.
32
Für die Annahme einer Betriebsvorrichtung genügt es nicht, dass eine Anlage für die Gewerbeausübung lediglich nützlich, notwendig oder vorgeschrieben ist (z.B. im Rahmen einer Brandschutzauflage).2
II. Gebäudemerkmale 33
Ein Bauwerk ist Gebäude, wenn es – Schutz gegen Witterungseinflüsse durch räumliche Umschließung bietet, – der Aufenthalt von Menschen möglich ist, – eine feste Verbindung mit dem Grund und Boden besteht, – das Bauwerk beständig ist – und die Standfestigkeit des Bauwerks gegeben ist. Alle Merkmale müssen nebeneinander vorliegen damit das Bauwerk ein Gebäude bildet. Fehlt ein Merkmal, ist das Bauwerk kein Gebäude.3 Daraus kann jedoch nicht geschlossen werden, dass das Bauwerk als Betriebsvorrichtung anzusehen ist. Vielmehr ist in diesem Fall zu prüfen, ob das Bauwerk bzw. der Bauwerksteil in einer besonderen Beziehung zu dem gegenwärtig ausgeübten Betrieb stehen. Als Betriebsvorrichtung können nur Vorrichtungen angesehen werden, mit denen das Gewerbe unmittelbar betrieben wird.4
§ 177 Bewertung Den Bewertungen nach den §§ 179 und 182 bis 196 ist der gemeine Wert (§ 9) zugrunde zu legen. A. I. II. III. IV.
Grundaussagen der Vorschrift. . . . . . . . . . Regelungsgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . Bedeutung der Vorschrift . . . . . . . . . . . . . . Geltungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rechtsentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1 1 2 4 9
B. I. II. III. IV.
Ansatz des gemeinen Werts . . . . . . . . . . . . Bewertungsziel. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . „Gemeiner Wert“ und „Verkehrswert“ . . . . . Rundungsregelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . Auslandsimmobilien . . . . . . . . . . . . . . . . . .
14 14 17 19 21
Literatur: Eisele/Schmitt, Verkehrswertnachweis bei erbschaftsteuerlicher Immobilienbewertung, NWB 2010, 2232; Mannek/Roscher, Die Bewertung des Grundvermögens für Zwecke der Erbschaft- und Schenkungsteuer, ZNotP 2010, 455. Verwaltungsanweisungen: R B 177 ErbStR 2011; H B 177 ErbStH 2011.
1 BFH v. 11.12.1991 – II R 14/89, BStBl. II 1992, 278. 2 BFH v. 7.10.1983 – III R 138/80, BStBl. II 1984, 262; v. 13.12.2001 – III R 21/98, BStBl. II 2002, 310. 3 Vgl. im Übrigen zum Gebäudebegriff Mannek in Gürsching/Stenger, § 68 BewG Rz. 26 ff. (Stand: Juni 2016) sowie die Erläuterungen im Abgrenzungserlass vom 5.6.2013, BStBl. I 2013, 734. 4 BFH v. 23.3.1990 – III R 63/87, BStBl. II 1990, 751; v. 10.10.1990 – II R 171/87, BStBl. II 1991, 59 und v. 11.12.1991 – II R 14/89, BStBl. II 1991, 278.
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Mannek
Grundaussagen der Vorschrift
Rz. 7 § 177 BewG
A. Grundaussagen der Vorschrift I. Regelungsgegenstand Bei der Bewertung des Grundbesitzes ist der gemeine Wert (§ 9) zugrunde zu legen, der sich bei An- 1 wendung der §§ 179 und 182 bis 196 ergibt.
II. Bedeutung der Vorschrift § 177 verankert das angestrebte Bewertungsziel auf der gesetzlichen Ebene. Damit kommt der Ge- 2 setzgeber der mit Beschluss des BVerfG vom 7.11.20061 aufgestellten Forderung nach, auf der Bewertungsebene bei der Ermittlung des steuerpflichtigen Erwerbs zunächst alle Vermögensgegenstände mit dem gemeinen Wert anzusetzen und erst auf einer zweiten Stufe Vergünstigungen für bestimmte Bereiche zu realisieren. Dabei darf nicht übersehen werden, dass die seit 2009 geltenden Bewertungsvorschriften Pauschalie- 3 rungen enthalten, die den gemeinen Wert allenfalls in einer Bandbreite abbilden werden. Mit der ausdrücklichen Formulierung des Bewertungsziels wird die Toleranzgrenze für eventuelle Abweichungen vom Bewertungsziel entsprechend eng.
III. Geltungsbereich Die Bewertungsvorschriften zur Ermittlung des gemeinen Werts des Grundbesitzes gelten für Zwe- 4 cke der Erbschaft-/Schenkungsteuer (vgl. § 12 Abs. 3 ErbStG). Hierbei stellt sich die Frage, ob auch für andere steuerliche Bereiche die Wertermittlungsvorschriften des Bewertungsgesetzes übernommen werden dürfen. Aus praktischer Sicht ist dabei insbesondere von Bedeutung, ob die steuerliche Grundbesitzbewertung auch bei der Ermittlung des Teilwerts in Einlage- oder Entnahmefällen für Zwecke der Ertragsteuer herangezogen werden kann. Da der Teilwert (§ 10 BewG) – Wert des Wirtschaftsguts im Rahmen eines Gesamtkaufpreises für ein 5 Unternehmen unter der Annahme der Betriebsfortführung – nicht mit dem gemeinen Wert (§ 9 BewG) – Einzelveräußerungspreis – identisch sein muss, können die steuerlichen Regelungen zu Grundbesitzbewertung grundsätzlich nicht unmittelbar übernommen werden. Soweit sich die Praxis in Einzelfällen an der steuerlichen Wertermittlung des Bewertungsgesetzes orientiert, dürfte dies – sofern man die Einvernehmlichkeit der Parteien unterstellen kann – grundsätzlich akzeptabel sein. Der mit § 177 BewG angestrebte gemeine Wert gilt im Übrigen über die primäre Anwendung der steu- 6 erlichen Bewertungsregelungen nach dem Bewertungsgesetz hinaus. Sofern die typisierte Bedarfsbewertung des Bewertungsgesetzes eine Überbewertung führt, hat der Steuerpflichtige die Möglichkeit, nach § 198 BewG den Nachweis eines niedrigeren gemeinen Werts durch ein Sachverständigengutachten zu führen. Das Finanzamt hat in diesem Fall – unter der Voraussetzung der Anerkennung des Gutachtens – den Gutachtenwert als Grundbesitzwert förmlich festzustellen. Damit wird auch in diesen Fällen der gemeine Wert als gesetzlich normiertes Bewertungsziel erreicht. Umgekehrt kann die FinVerw. nicht von den typisierten Bewertungsverfahren des Bewertungsgesetzes abweichen. Der Ansatz eines höheren gemeinen Werts ist also ausgeschlossen. Die steuerlichen Bewertungsvorschriften des Bewertungsgesetzes können im internationalen Be- 7 reich grundsätzlich nicht angewandt werden. Dies kann in der Praxis bereits daran scheitern, dass Gutachterausschüsse, die einen Bodenrichtwert ermitteln, nicht existieren. Ebenso dürfte es unwahrscheinlich sein, dass im Ausland beispielsweise die für das Vergleichsverfahren entscheidenden Vergleichspreise und Vergleichsfaktoren zur Verfügung stehen (vgl. § 183 BewG). Im Ertragswertverfahren stellt sich die Frage, ob beim Ertragswertverfahren im internationalen Bereich die für das Inland normierten gesetzlichen Liegenschaftszinssätze akzeptabel sind. Die beim Sachwertverfahren entscheidenden Regelherstellungskosten (vgl. Anl. 24 zum BewG) sind Durchschnittswerte für das 1 BVerfG v. 7.11.2006 – 1 BvL 10/02, FR 2007, 338 = ErbStB 2007, 64 = BGBl. I, 2007, 194.
Mannek
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§ 177 BewG Rz. 8 Bewertung Inland. Ob die Kosten bei allen Grundstückstypen im Ausland ebenso übernommen werden können, ist nicht untersucht worden. 8 Vgl. hierzu jedoch Rz. 21 ff.
IV. Rechtsentwicklung 9 Die Regelungen zur Grundbesitzbewertung sollten zunächst nicht innerhalb des Bewertungsgesetzes,
sondern in eine Rechtsverordnung aufgenommen werden. Damit war u.a. die Vorstellung verbunden, dass das Bewertungsgesetz durch möglichst weitgehende Verweise auf die allgemein geltenden Regelungen zur Ermittlung von Verkehrswerten für Immobilien von Detailfragen freigehalten werden kann. Diese Überlegungen sind bereits innerhalb des Gesetzgebungsverfahrens auf deutliche Kritik gestoßen. Dies hat dazu geführt, dass mit dem Erbschaftsteuerreformgesetz1 die steuerlichen Bewertungsvorschriften in das Bewertungsgesetz aufgenommen worden sind. 10
Die Regelungen gelten für Zwecke der Erbschaft-/Schenkungsteuer für Erwerbszeitpunkte nach dem 31.12.2008.
11
Damit besteht für den Steuerzahler eine eindeutige Rechtsgrundlage. Wegen des gesetzlich formulierten Bewertungsziels – Ansatz des gemeinen Werts – besteht grundsätzlich die Notwendigkeit, Wertansätze des Bewertungsgesetzes regelmäßig zu aktualisieren. Das Bundesministerium der Finanzen ist ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die Anlage 24 zum Bewertungsgesetz insoweit zu ändern, dass es die Regelherstellungskosten nach Maßgabe marktüblicher gewöhnlicher Herstellungskosten und des vom Statistischen Bundesamt veröffentlichten Baupreisindex aktualisiert, soweit dies zur Ermittlung des gemeinen Werts erforderlich ist.
12
In der Vergangenheit bestand im Allgemeinen keine ausgeprägte Neigung des Gesetzgebers, veraltete Wertansätze zu aktualisieren, um eine Steuererhöhungsdebatte zu vermeiden. Dies dürfte insbesondere für die Bemühungen des Bundes gelten, weil die Erbschaft-/Schenkungsteuer ausschließlich den Ländern zusteht.
13
Dennoch ist der Gesetzgeber mit dem Beitreibungsrichtlinie-Umsetzungsgesetz2 der Notwendigkeit zur Aktualisierung der Wertansätze nachgekommen, damit die Feststellung des gemeinen Werts als das in § 177 aufgenommene Bewertungsziel unter Berücksichtigung der gestiegenen Regelherstellungskosten auch weiterhin erreicht werden kann. Sofern derartige Aktualisierungen aufgrund fehlenden gesetzgeberischen Willens ausbleiben würden, wie dies bei der seit 1964 nahezu unveränderten Einheitsbewertung der Fall ist, wäre in der Zukunft eine sich schleichend entwickelnde Unterbewertung vorprogrammiert.
B. Ansatz des gemeinen Werts I. Bewertungsziel 14
Die Anwendung der §§ 179 und 182 bis 196 BewG soll nach der Zielvorgabe des § 177 BewG den Ansatz des gemeinen Werts sicherstellen. Dabei müssen sich die im Einzelnen geltenden Bewertungsverfahren an der Definition des § 9 BewG messen lassen. Es ist nicht erforderlich, dass mithilfe der Bewertungsvorschriften der konkrete gemeine Wert ermittelt werden kann. Vielmehr reicht es aus, wenn das Bewertungsergebnis in einem akzeptablen Toleranzbereich vom tatsächlichen gemeinen Wert abweicht.
15
Mit dem BFH ist das BVerfG mit Beschluss vom 7.11.20063 der Auffassung, dass es für Grundvermögen keinen absoluten und sicher realisierbaren Marktwert gibt, sondern allenfalls ein Marktwertniveau, auf dem sich mit mehr oder weniger großen Abweichungen vertretbare Verkehrswerte bilden. 1 ErbStRG v. 24.12.2008, BGBl. I 2008, 3018. 2 BeitrRLUmsG v. 7.12.2011, BGBl. I 2011, 2592. 3 BVerfG v. 7.11.2006 – 1 BvL 10/02, FR 2007, 338 = ErbStB 2007, 64 = BGBl. I 2007, 194.
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Mannek
Ansatz des gemeinen Werts
Rz. 22 § 177 BewG
Dabei wird von einer Streubreite von plus/minus 20 % der Verkaufspreise für ein und dasselbe Objekt ausgegangen, innerhalb derer ein festgestellter Verkehrswert als noch vertretbar angesehen wird. Das BVerfG führt ferner mit Rz. 5 des Beschlusses vom 7.11.20061 aus:
16
„Der über § 12 Abs. 1 ErbStG anwendbare § 9 Abs. 1 BewG nennt als Regelfall den gemeinen Wert, also den Verkehrswert. Neben dem von § 9 Abs. 2 Satz 1 BewG angeordneten Maßstab des Preises, der im gewöhnlichen Geschäftsverkehr nach der Beschaffenheit des Wirtschaftsguts bei der Veräußerung zu erzielen wäre, findet sich der gemeine Wert in modifizierter und typisierter Form auch als Teilwert (§ 10 BewG), Kurswert (§ 11 Abs. 1 BewG), Rücknahmepreis (§ 11 Abs. 4 BewG), Nennwert (§ 12 Abs. 1 BewG), Rückkaufswert (§ 12 Abs. 4 BewG), Jahreswert (§§ 13 ff. BewG) oder Anteilswert (§ 11 Abs. 2 BewG).“
II. „Gemeiner Wert“ und „Verkehrswert“ Bei der steuerlichen Bewertung von Grundstücken werden die Begriffe „gemeiner Wert“ und „Ver- 17 kehrswert“ deckungsgleich verwendet. Die gesetzliche Definition des Verkehrswerts im Baugesetzbuch unterscheidet sich nur marginal von der in § 9 BewG verwendeten Definition (vgl. Erläuterungen zu § 9 BewG). Damit entspricht das angestrebte Bewertungsziel des gemeinen Werts inhaltlich dem Verkehrswert (Marktwert) nach § 194 BauGB.2 § 194 BauGB definiert den Verkehrswert mit folgendem Wortlaut:
18
„Der Verkehrswert (Marktwert) wird durch den Preis bestimmt, der in dem Zeitpunkt, auf den sich die Ermittlung bezieht, im gewöhnlichen Geschäftsverkehr nach den rechtlichen Gegebenheiten und tatsächlichen Eigenschaften, der sonstigen Beschaffenheit und der Lage des Grundstücks oder des sonstigen Gegenstands der Wertermittlung ohne Rücksicht auf ungewöhnliche oder persönliche Verhältnisse zu erzielen wäre.“
III. Rundungsregelungen Bei der Ermittlung des Verkehrswerts durch ein Sachverständigengutachten wird das rechnerische 19 Ergebnis regelmäßig gerundet, um den Eindruck von Scheingenauigkeiten zu vermeiden. Dementsprechende umfassende Rundungsregelungen existieren bei der Grundbesitzbewertung nach dem Bewertungsgesetz nicht. Vielmehr scheinen die Rundungsregelungen insoweit relativ bescheiden. Nach H B 177 ErbStH 2011 gilt Folgendes: Sofern sich bei der Ermittlung des Grundbesitzwerts Eu- 20 ro-Beträge mit Nachkommastellen ergeben, sind diese grundsätzlich jeweils in der für den Steuerpflichtigen günstigsten Weise auf volle Euro-Beträge auf- bzw. abzurunden. Nach R B 179.3 ErbStR 2011 darf der aus dem Bodenrichtwert nach R B 179.2 ErbStR 2011 ermittelte Bodenwert lediglich pro Quadratmeter auf volle Cent abgerundet werden. Erst der sich rechnerisch ergebende Bodenwert darf auf volle Euro abgerundet werden.
IV. Auslandsimmobilien In der Praxis ist die Wertermittlung für Immobilien im internationalen Bereich ohne Einschaltung 21 eines regionalen Sachverständigen regelmäßig schwieriger als im inländischen Bereich. Zwar wird das Finanzamt vom Steuerpflichtigen regelmäßig die bei Auslandssachverhalten grundsätzlich obliegenden erhöhten Mitwirkungspflichten einfordern. Dennoch dürften keine grundsätzlichen Bedenken bestehen, zumindest für eine annähernde Ermittlung des gemeinen Werts einer ausländischen Immobilie hilfsweise eine Wertermittlung nach den Bewertungsregelungen des Bewertungsgesetzes vorzunehmen. Ein derartiger Annäherungswert dürfte allerdings nur dann bei der Ermittlung des steuerpflichtigen 22 Erwerbs angesetzt werden, wenn die Datengrundlagen hinreichend verlässlich sind und die ausländischen Immobilien mit typischen Inlandsimmobilien vergleichbar sind. Bei der Frage der Vergleich1 BVerfG v. 7.11.2006 – 1 BvL 10/02, FR 2007, 338 = ErbStB 2007, 64 = BGBl. I 2007, 194. 2 BFH v. 2.2.1990 – III R 173/86, BStBl. II 1990, 497 = FR 1990, 337.
Mannek
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§ 177 BewG Rz. 23 Bewertung barkeit der Immobilien dürfte auch die Abgrenzung der wirtschaftlichen Einheit, die sich aus § 2 BewG ergibt, für eine Auslandsimmobilie in analoger Weise herangezogen werden können. 23
So dürfte beispielsweise die Anwendung des Vergleichswertverfahrens im internationalen Bereich unproblematisch sein, wenn hinreichend verlässliche und aussagekräftige Vergleichspreise vorliegen. Auch das Sachwertverfahren dürfte bei einem typischen Ein-/Zweifamilienhaus im Ausland, das sich in einem einigermaßen homogenen Bebauungsgebiet befindet, zur Ermittlung des gemeinen Werts der Auslandsimmobilie als Annäherungswert akzeptabel sein.
II. Unbebaute Grundstücke
§ 178 Begriff der unbebauten Grundstücke (1) 1Unbebaute Grundstücke sind Grundstücke, auf denen sich keine benutzbaren Gebäude befinden. 2Die Benutzbarkeit beginnt im Zeitpunkt der Bezugsfertigkeit. 3Gebäude sind als bezugsfertig anzusehen, wenn den zukünftigen Bewohnern oder sonstigen Benutzern zugemutet werden kann, sie zu benutzen; die Abnahme durch die Bauaufsichtsbehörde ist nicht entscheidend. (2) 1Befinden sich auf dem Grundstück Gebäude, die auf Dauer keiner Nutzung zugeführt werden können, gilt das Grundstück als unbebaut. 2Als unbebaut gilt auch ein Grundstück, auf dem infolge von Zerstörung oder Verfall der Gebäude auf Dauer kein benutzbarer Raum mehr vorhanden ist. A. I. II. III. IV. B. I. II. III. IV.
Grundaussagen der Vorschrift. . . . . . . . . . Regelungsgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . Bedeutung der Vorschrift . . . . . . . . . . . . . . Geltungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rechtsentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Benutzbare Gebäude (Abs. 1) . . . . . . . . . . Gebäudebegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Benutzbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gebäude als Ganzes maßgebend . . . . . . . . . Errichtung in Bauabschnitten . . . . . . . . . . .
1 1 2 3 4 6 6 8 11 13
C. Gebäude, die keiner Nutzung zugeführt werden können (Abs. 2) . . . . . . . . . . . . . . . I. Keine Nutzung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Leerstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Verfall der Gebäude . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Umbauarbeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Entkernung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Zerstörung der Gebäude . . . . . . . . . . . . . . . VII. Kontaminierte Gebäude . . . . . . . . . . . . . . . .
16 16 17 19 23 24 25 26
Literarur: Loose, Bezugsfertigkeit eines zur Vermietung vorgesehenen Bürogebäudes, Anmerkung zu BFH 2. Senat, Urt. v. 18.4.2012 – II R 58/10, jurisPR-SteuerR 34/2012 Anm. 2 sowie Anmerkung Grootens, ErbStB 2012, 203; Siegmund/Ungemach, Die Übertragung von Immobilienvermögen nach dem Erbschaftsteuerreformgesetz unter Berücksichtigung der Auffassung der Finanzverwaltung, DStZ 2009, 475. Verwaltungsanweisungen: R B 178 ErbStR 2011; H B 178(1)–178(4) ErbStH 2011.
A. Grundaussagen der Vorschrift I. Regelungsgegenstand 1 Mit § 178 BewG wird der Begriff des unbebauten Grundstücks definiert. Danach ist ein Grundstück
unbebaut, wenn sich auf dem Grundstück keine benutzbaren Gebäude befinden. Die Benutzbarkeit beginnt im Zeitpunkt der Bezugsfertigkeit. Bei Gebäuden, die auf Dauer keiner Nutzung zugeführt werden können, geht die Vorschrift von der Fiktion eines unbebauten Grundstücks aus. Dies gilt auch, wenn infolge von Zerstörung oder Verfall der Gebäude auf Dauer kein benutzbarer Raum mehr vorhanden ist.
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Mannek
Benutzbare Gebäude (Abs. 1)
Rz. 9 § 178 BewG
II. Bedeutung der Vorschrift Die Vorschrift ermöglicht es, die Grundstücksart unbebautes Grundstück dem Grunde nach zu be- 2 stimmen.
III. Geltungsbereich Die Definition des unbebauten Grundstücks ist an die für die Einheitsbewertung geltende Vorschrift 3 des § 72 BewG sowie an die Vorgängervorschrift sowie die zurzeit für Zwecke der Grunderwerbsteuer geltende Vorschrift des § 145 BewG angelehnt. Allerdings wurde die Regelung für Gebäude, die nur einer unbedeutenden Nutzung zugeführt werden können, nicht übernommen. Vgl. im Übrigen § 177 BewG Rz. 4 ff.
IV. Rechtsentwicklung § 178 BewG ist durch das Erbschaftsteuerreformgesetz1 eingefügt worden. Die Regelungen gelten für 4 Zwecke der Erbschaft-/Schenkungsteuer für Erwerbszeitpunkte nach dem 31.12.2008. Vgl. § 177 BewG Rz. 9.
5
B. Benutzbare Gebäude (Abs. 1) I. Gebäudebegriff Voraussetzung für die Annahme eines unbebauten Grundstücks ist das Nichtvorhandensein von be- 6 nutzbaren Gebäuden. Der Begriff des Gebäudes richtet sich nach den von der Rspr. und den von der FinVerw. zur Ab- 7 grenzung des Grundvermögens von den Betriebsvorrichtungen aufgestellten Grundsätzen.2 Somit ist ein Grundstück, auf dem sich ausschließlich Betriebsvorrichtungen befinden, kein bebautes Grundstück. Vergleiche hierzu im Einzelnen die Erläuterungen zu § 176 BewG. Beispiel: Ein Grundstück ist mit einer Windkraftanlage bebaut. Der Turm der Windkraftanlage gestattet allenfalls einen nur vorübergehenden Aufenthalt von Menschen und erfüllt daher nicht die Voraussetzungen des Gebäudebegriffs. Der Grund und Boden, auf dem die Windkraftanlage errichtet worden ist, ist als unbebautes Grundstück zu bewerten. Die Windkraftanlage gehört nicht zum Umfang des Grundvermögens, sondern ist gesondert bei der Ermittlung des steuerpflichtigen Erwerbs anzusetzen.
II. Benutzbarkeit Die Benutzbarkeit beginnt im Zeitpunkt der Bezugsfertigkeit des Gebäudes. Dabei muss den 8 zukünftigen Bewohnern oder sonstigen Benutzern nach objektiven Merkmalen zugemutet werden können, die Wohnungen oder Räume des gesamten Gebäudes zu benutzen. Dazu müssen am Bewertungsstichtag alle wesentlichen Bauarbeiten abgeschlossen sein. Allerdings schließen geringfügige Restarbeiten, die üblicherweise vor dem tatsächlichen Bezug durchgeführt werden, die Bezugsfertigkeit nicht aus. Dazu gehören beispielsweise Malerarbeiten oder das Verlegen des Bodenbelags. Nach der ausdrücklichen gesetzlichen Vorgabe ist die Abnahme durch die Bauaufsichtsbehörde für 9 den Zeitpunkt der Bezugsfertigkeit nicht entscheidend.3 1 ErbStRG v. 24.12.2008, BGBl. I 2008, 3018. 2 Gleich lautende Erlasse v. 5.6.2013, BStBl. I 2013, 734. 3 BFH v. 20.6.1975 – III R 87/74, BStBl. II 1975, 803.
Mannek
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§ 178 BewG Rz. 10 Begriff der unbebauten Grundstücke 10
Anders als bei der Einheitsbewertung begründet der tatsächliche Einzug der Bewohner oder Benutzer die widerlegbare Vermutung der Bezugsfertigkeit.
III. Gebäude als Ganzes maßgebend 11
Die Bezugsfertigkeit eines Gebäudes bezieht sich auf das ganze Gebäude und nicht nur auf einzelne Wohnungen oder Räume. Sofern beispielsweise Wohnungen im Erdgeschoss vor dem Bewertungsstichtag bezugsfertig geworden sind, die übrigen Wohnungen jedoch erst danach, handelt es sich nicht um ein bezugsfertiges Gebäude. Vielmehr ist das Grundstück insgesamt als unbebautes Grundstück anzusehen. Hieraus kann jedoch nicht geschlossen werden, dass die zum Teil bereits fertig gestellten Gebäudeteile nicht im Grundstückswert zu erfassen sind.
12
Vielmehr handelt es sich insoweit um ein Grundstück im Zustand der Bebauung, dessen Wertermittlung sich nach der Sondervorschrift des § 196 BewG richtet. Dennoch handelt es sich auch bei Grundstücken im Zustand der Bebauung begrifflich weiterhin um ein unbebautes Grundstück, sofern sich auf dem Grundstück außer dem im Bau befindlichen Gebäude zu Beginn der Baumaßnahme keine bezugsfertigen Gebäude befunden haben (vgl. R B 196.2 Abs. 2 Satz 3 ErbStR 2011).
IV. Errichtung in Bauabschnitten 13
Wird ein Gebäude in Bauabschnitten errichtet, ist die Entscheidung, ob ein bezugsfertiges Gebäude vorliegt, nach der Verkehrsanschauung zu treffen. Die FinVerw. nimmt eine Errichtung in Bauabschnitten an, wenn ein Gebäude nicht in einem Zuge in planmäßig vorgesehenem Umfang bzw. im Rahmen der behördlichen Genehmigung bezugsfertig erstellt wird.
14
Als Beispiel nennt R B 178 Abs. 3 Satz 6 ErbStR 2011 ein Gebäude, das als Mietwohngrundstück errichtet werden sollte, bei dem jedoch zunächst nur eine Wohnung im Erdgeschoss fertig gestellt wird. In diesem Fall ist die fertig gestellte Wohnung im Erdgeschoss als ein eigener Bauabschnitt anzusehen. Dies hat zur Folge, dass der fertig gestellte Teil als Gebäude anzusehen und das Grundstück als bebautes Grundstück zu bewerten ist. Hierbei kommt es darauf an, wie der Schenker oder Erblasser das Bauvorhaben durchführen wollte (R B 196 Abs. 4 Satz 8 ErbStR 2011). Nach dem Bewertungsstichtag durchgeführte Baumaßnahmen bleiben bei der Entscheidung, ob eine abschnittsweise Errichtung eines Gebäudes vorliegt, außer Betracht (R B 196 Abs. 4 Satz 9 ErbStR 2011). Sofern es durch Eigentümerwechsel zu einer unvorhergesehenen Unterbrechung der Baumaßnahme kommt, liegt keine Errichtung eines Gebäudes in Bauabschnitten vor (R B 196 Abs. 4 Satz 10 ErbStR 2011).
15
Eine Errichtung in Bauabschnitten kann nicht angenommen werden, wenn bautechnische Gründe für die Verzögerung oder die Unterbrechung des Baufortschritts verantwortlich sind. Somit kommt es nicht zu einer Errichtung in Bauabschnitten, wenn beispielsweise eine Frostperiode überwunden werden muss. Ferner muss die Unterbrechung von einer gewissen Dauer sein. Die FinVerw. geht insoweit von einer Dauer von mindestens zwei Jahren aus (R B 178 Abs. 3 Satz 8 ErbStR 2011).
C. Gebäude, die keiner Nutzung zugeführt werden können (Abs. 2) I. Keine Nutzung 16
Nach der gesetzlichen Vorgabe gilt ein Grundstück auch dann als unbebaut, wenn sich auf dem Grundstück nur Gebäude befinden, die auf Dauer keiner Nutzung zugeführt werden können. Zu diesem Tatbestandsmerkmal enthalten die ErbStR 2011 allerdings keine eigenständigen Erläuterungen. Vielmehr beschränkt sich die FinVerw. darauf, die in § 178 Abs. 2 Satz 2 BewG enthaltene Zusatzaussage zu erläutern, nach der ein Grundstück auch dann als unbebaut gilt, auf dem infolge von Zerstörung oder Verfall der Gebäude auf Dauer kein benutzbarer Raum mehr vorhanden ist.
1042
Mannek
Gebäude, die keiner Nutzung zugeführt werden können (Abs. 2)
Rz. 23 § 178 BewG
II. Leerstand Ein Grundstück, auf dem sich leerstehende, aber benutzbare Gebäude befinden, ist nicht allein des- 17 halb als unbebautes Grundstück zu bewerten, weil im Bewertungsstichtag eine Nutzung wegen einer fehlenden Genehmigung oder aus bauplanungsrechtlichen Gründen nicht zulässig gewesen wäre.1 Ob es zumutbar ist, ein Gebäude zu benutzen, richtet sich allein nach seinem tatsächlichen Zustand. Nach dem Wortlaut des § 178 Abs. 2 Satz 1 BewG ergibt sich die Frage, ob ein Gebäude, für das im 18 Bewertungsstichtag keine realistische Verwertungsmöglichkeit besteht, von der Bewertung ausgenommen werden kann. Die FinVerw. dürfte diese Frage verneinen. Ursächlich hierfür dürfte das gesetzliche Tatbestandsmerkmal „auf Dauer“ sein. Insoweit bringt der Gesetzgeber als Voraussetzung für die Annahme eines unbebauten Grundstücks zum Ausdruck, dass benutzbarer Raum auch nach Durchführung von zielgerichteten Umbaumaßnahmen nicht mehr vorhanden ist und somit eine adäquate, ggf. auch geänderte, Verwertungsmöglichkeit auf dem Grundstücksmarkt nicht besteht. Somit dürfte die Annahme eines unbebauten Grundstücks auch in den Fällen des strukturellen Leerstands, wie dies beispielsweise zum Teil im Osten Deutschlands oder in ungünstigen Innenstadtlagen des Ruhrgebiets der Fall sein kann, in der Praxis ausgeschlossen sein.
III. Verfall der Gebäude Ein Gebäude ist nicht mehr benutzbar, wenn infolge des Verfalls des Gebäudes oder der Zerstörung 19 auf Dauer keine benutzbaren Räume vorhanden sind. Das Gebäude muss dem Verfall preisgegeben sein. Davon ist auszugehen, wenn der Verfall so weit fortgeschritten ist, dass das Gebäude nach objektiven Verhältnissen auf Dauer nicht mehr benutzt werden kann. R B 178 Abs. 4 ErbStR 2011 umschreibt die Voraussetzungen, die erfüllt sein müssen, damit das 20 Grundstück als unbebaut gelten kann. Daraus wird ersichtlich, dass es nicht auf die subjektive Absicht des Grundstückseigentümers ankommt, Gebäude dem Verfall preiszugeben. Vielmehr müssen objektive Kriterien vorliegen, anhand derer die fehlende Benutzbarkeit infolge Zerstörung oder Verfall beurteilt werden kann. Danach müssen die Verfallsmerkmale an der Bausubstanz erkennbar sein und das gesamte Gebäude 21 betreffen. Von einem Verfall ist auszugehen, wenn erhebliche Schäden an konstruktiven Teilen des Gebäudes eingetreten sind und ein Zustand gegeben ist, der aus bauordnungsrechtlicher Sicht die sofortige Räumung nach sich ziehen würde. Das ist stets der Fall, wenn eine Anordnung der Bauaufsichtsbehörde zur sofortigen Räumung des Grundstücks vorliegt. Dabei ist gesondert zu prüfen, ob der Zustand von Dauer ist. Hingegen wirken sich behebbare Baumängel und Bauschäden sowie aufgestauter Reparaturbedarf 22 infolge von unterlassenen Instandsetzungs- und Reparaturarbeiten regelmäßig nur vorübergehend auf Art und Umfang der Gebäude aus und betreffen nicht unmittelbar die Konstruktion des Gebäudes. Deshalb führen derartige Kriterien nicht dazu, dass ein Gebäude als dem Verfall preisgegeben anzusehen ist.
IV. Umbauarbeiten Sofern sich auf dem Grundstück Gebäude befinden, die aufgrund von Umbauarbeiten vorüber- 23 gehend nicht benutzbar sind, gilt das Grundstück dennoch als bebautes Grundstück. Die vorübergehende Unbenutzbarkeit führt nicht dazu, dass das Grundstück als unbebautes Grundstück anzusehen ist. Dies gilt insbesondere, wenn ein bereits vorhandenes Gebäude am Bewertungsstichtag wegen baulicher Mängel oder wegen fehlender Ausstattungsmerkmale vorübergehend nicht benutzbar ist.
1 BFH v. 18.12.2002 – II R 20/01, BStBl. II 2003, 228.
Mannek
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§ 178 BewG Rz. 24 Begriff der unbebauten Grundstücke Beispiel: Ein Mietwohngrundstück liegt in einem Gebiet, das durch strukturellen Leerstand geprägt ist. Der Grundstückseigentümer entfernt aus dem Gebäude die Innentüren, die Türzargen und alle Heizkörper. Das Grundstück ist als bebautes Grundstück zu bewerten, obwohl im Bewertungsstichtag benutzbarer Wohnraum nicht vorhanden ist. Der Zustand ist nur von vorübergehender Dauer. Für die Bewertung als unbebautes Grundstück ist jedoch erforderlich, dass auf Dauer kein benutzbarer Raum mehr vorhanden ist.
V. Entkernung 24
Verfügt ein Grundstück am Bewertungsstichtag über Gebäude, die infolge einer Entkernung keine bestimmungsgemäß benutzbaren Räume mehr enthalten, sind die Gebäude nicht zu erfassen. Dies gilt auch dann, wenn der Zustand nur vorübergehend ist (R B 178 Abs. 4 Satz 10 ErbStR 2011).
VI. Zerstörung der Gebäude 25
Die ErbStR 2011 enthalten keine konkreten Aussagen, wann ein Gebäude „zerstört“ ist. Bei einem Ruinengrundstück liegt die Voraussetzung zweifelsfrei vor. Letztlich kommt es auf den tatsächlichen baulichen Zustand der Gebäude an. Dabei kann die Grenze zwischen einem Gebäude, das lediglich dem Verfall preisgegeben ist, und einem zerstörten Gebäude fließend sein.
VII. Kontaminierte Gebäude 26
Auf Dauer benutzbarer Raum dürfte wohl auch dann nicht vorliegen, wenn ein Gebäude so stark kontaminiert ist, dass eine Sanierung ausgeschlossen ist. Dabei muss die Kontaminierung das ganze Gebäude betreffen. Beispiel: Ein Gebäude ist stark asbestverseucht und kann aus diesem Grund in keiner Weise genutzt werden. Das Gebäude steht leer und soll abgerissen werden, weil eine Sanierung aus technischen Gründen nicht möglich ist. In diesem Fall erscheint eine Bewertung als unbebautes Grundstück zutreffend, weil auf Dauer benutzbarer Raum nicht vorhanden ist.1
27
Hierbei stellt sich die Frage, ob ein Grundstück auch dann als unbebautes Grundstück zu bewerten ist, wenn beispielsweise ein Bürogebäude in tatsächlicher Hinsicht in vollem Umfang genutzt wird, obwohl ein Gutachten gesundheitliche Schäden bei Nutzung des Gebäudes aufgrund einer Kontaminierung durch Asbest nicht ausschließt. Obwohl im Falle einer vorliegenden Verfallpreisgabe des Gebäudes eine eventuell dennoch vorliegende tatsächliche Nutzung für das Tatbestandsmerkmal der Benutzbarkeit nicht von Bedeutung ist, dürfte die FinVerw. in derartigen Fällen mit einer Bewertung als unbebautes Grundstück in der Praxis zurückhaltend verfahren. Ursächlich hierfür dürfte jedoch weniger die rechtliche Beurteilung, sondern die Tatfrage sein, ob eine derart starke Kontaminierung vorliegt, die eine Bewertung als bebautes Grundstück ausschließt.
28
Auch bei einer Kontaminierung von Gebäuden durch Ausgasungen der in Holzschutzmitteln enthaltenen Lösungsmittel ist eine Bewertung als unbebautes Grundstück denkbar, weil auf Dauer benutzbarer Raum nicht vorhanden ist, wenn die Gebäude wegen der Kontaminierung keiner Weise genutzt werden dürfen.
29
In diesen Fällen erscheint die Grundstücksart „unbebautes Grundstück“ – wie bei einer Entkernung – bis zur Beseitigung der Kontaminierung – zutreffend.
1 So auch Mannek in Gürsching/Stenger, § 145 BewG Rz. 33 (Stand: Februar 2015).
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Mannek
Grundaussagen der Vorschrift
Rz. 2 § 179 BewG
§ 179 Bewertung der unbebauten Grundstücke 1Der
Wert unbebauter Grundstücke bestimmt sich regelmäßig nach ihrer Fläche und den Bodenrichtwerten (§ 196 des Baugesetzbuchs). 2Die Bodenrichtwerte sind von den Gutachterausschüssen nach dem Baugesetzbuch zu ermitteln und den Finanzämtern mitzuteilen. 3Bei der Wertermittlung ist stets der Bodenrichtwert anzusetzen, der vom Gutachterausschuss zuletzt zu ermitteln war. 4Wird von den Gutachterausschüssen kein Bodenrichtwert ermittelt, ist der Bodenwert aus den Werten vergleichbarer Flächen abzuleiten. A. I. II. III. IV. B. I. II.
Grundaussagen der Vorschrift. . . . . . . . . . Regelungsgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . Bedeutung der Vorschrift . . . . . . . . . . . . . . Geltungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rechtsentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bewertung der unbebauten Grundstücke . Bewertungsformel (Satz 1) . . . . . . . . . . . . . Grundstücksfläche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Grundstücksgröße . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Bewertungsgegenstand . . . . . . . . . . . . . . 3. Wirtschaftliche Einheit bei einem Baugelände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Bauweise einer Gegend . . . . . . . . . . . . . . 5. Räumliche Trennung von Flächen. . . . . . 6. Eigentümeridentität . . . . . . . . . . . . . . . . III. Bedeutung der Bodenrichtwerte (Satz 2) . . . 1. Durchschnittliche Lagewerte . . . . . . . . . 2. Maßgeblichkeit des § 196 BauGB . . . . . . 3. Unterscheidung der Entwicklungszustände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Bauerwartungsland . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Rohbauland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Vereinfachungsregelung . . . . . . . . . . . . .
1 1 2 3 4 10 10 14 14 17 19 20 22 24 25 25 26 27 28 29 31
C. Ansatz der Bodenrichtwerte . . . . . . . . . . . . I. Turnusmäßige Ermittlung (Satz 3) . . . . . . . . II. Ableitung des Bodenwerts (Satz 4) . . . . . . . . 1. Wertbeeinflussende Grundstücksmerkmale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Geschossflächenzahl . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Wertrelevante Geschossflächenzahl . . . . . 4. Grundstücksgröße . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Grundstückstiefe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Frei- und Verkehrsflächen . . . . . . . . . . . . 7. Erschließungsbeitragspflichtiger Zustand . 8. Mehrere Wertkorrekturen nebeneinander . 9. Weitere wertbeeinflussende Grundstücksmerkmale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Auswirkungen der Bodenrichtwertrichtlinie . 1. Empfehlung für die Gutachterausschüsse . 2. Umschreibung des Bodenrichtwerts . . . . . 3. Wesentliche wertbeeinflussende Grundstücksmerkmale . . . . . . . . . . . . . . 4. Nutzungsartenkatalog . . . . . . . . . . . . . . . 5. Einheitliche Vorgaben zum Bodenrichtwert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
32 32 35 35 40 47 48 51 52 53 55 58 59 59 62 65 66 67
Verwaltungsanweisungen: R B 179.1–179.3 ErbStR 2011; H B 179.1–179.3(2) ErbStH 2011.
A. Grundaussagen der Vorschrift I. Regelungsgegenstand Nach § 179 BewG bestimmt sich der Wert unbebauter Grundstücke regelmäßig aus dem Produkt 1 der Grundstücksfläche und dem Bodenrichtwert (§ 196 BauGB) pro Quadratmeter. Die Ermittlung der Bodenrichtwerte erfolgt durch die Gutachterausschüsse nach dem Baugesetzbuch. Darüber hinaus ist auch eine Ableitung des Bodenwerts aus den Werten vergleichbarer Flächen zulässig, wenn von den Gutachterausschüssen kein Bodenrichtwert ermittelt wurde.
II. Bedeutung der Vorschrift Die Vorschrift regelt die Ermittlung des Werts eines unbebauten Grundstücks der Höhe nach. 2 Mit der Maßgeblichkeit des Bodenrichtwerts typisiert der Gesetzgeber die Wertermittlung, indem er individuelle Besonderheiten des konkret zu bewertenden Grundstücks weitgehend außer Ansatz lässt.
Mannek
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§ 179 BewG Rz. 3 Bewertung der unbebauten Grundstücke
III. Geltungsbereich 3 Vgl. § 177 BewG Rz. 4 ff.
IV. Rechtsentwicklung 4 § 179 BewG ist durch das Erbschaftsteuerreformgesetz1 eingefügt worden. Die Regelungen gelten für
Zwecke der Erbschaft-/Schenkungsteuer für Erwerbszeitpunkte nach dem 31.12.2008. Mit dem Beitreibungsrichtlinie-Umsetzungsgesetz2 ist § 179 BewG für Bewertungsstichtage nach dem 13.12.2011 geändert worden. 5 § 179 BewG hatte für Bewertungsstichtage vor dem 14.12.2011 folgenden Wortlaut. „Der Wert unbebauter Grundstücke bestimmt sich regelmäßig nach ihrer Fläche und den Bodenrichtwerten (§ 196 des Baugesetzbuchs). Die Bodenrichtwerte sind von den Gutachterausschüssen nach dem Baugesetzbuch zu ermitteln und den Finanzämtern mitzuteilen. Bei der Wertermittlung ist stets der Bodenrichtwert anzusetzen, der vom Gutachterausschuss zuletzt zu ermitteln war. Lässt sich von den Gutachterausschüssen kein Bodenrichtwert nach § 196 des Baugesetzbuchs ermitteln, ist der Bodenwert aus den Werten vergleichbarer Flächen abzuleiten.“ Beispiel: Der Gutachterausschuss hat für die Region, in der das zu bewertende Grundstück liegt, keinen Bodenrichtwert ermittelt. Der Bewertungsstichtag liegt vor dem 14.12.2011. Nach dem Wortlaut des § 179 BewG3 war die Ableitung des Bodenwerts aus den Werten vergleichbarer Flächen nur zulässig, wenn sich von den Gutachterausschüssen kein Bodenrichtwert nach § 196 BauGB ermitteln ließ.
6 Die Frage, in welchen Fällen sich kein Bodenrichtwert ermitteln „lässt“, war somit eine Tat-
bestandsvoraussetzung für die Zulässigkeit der Ableitung des Bodenwerts. Demzufolge wäre eine Wertfeststellung für das unbebaute Grundstück immer dann ausgeschlossen, wenn der Gutachterausschuss einen Bodenrichtwert ermitteln könnte, dies aber aus unterschiedlichen Gründen unterlässt. In diesen Fällen wäre einerseits kein Bodenrichtwert vom Gutachterausschuss ermittelt worden und andererseits eine Ableitung des Bodenwerts aus den Werten vergleichbarer Flächen mangels Rechtsgrundlage unzulässig. 7 Völlig unklar war in diesem Zusammenhang zusätzlich, unter welchen Voraussetzungen sich ein Bo-
denrichtwert nicht ermitteln lässt. Denkbar wäre eine fehlende gesetzliche Verpflichtung des Gutachterausschusses, wie dies beispielsweise für Bauerwartungsland der Fall war. Ebenso denkbar wäre es aber auch, dass sich ein Bodenrichtwert nicht ermitteln lässt, weil keine hinreichende Anzahl von Vergleichspreisen zur Verfügung steht. Insoweit würde sich allerdings die Frage stellen, ob der Gutachterausschuss nicht mittels mathematischer Methoden in der Lage wäre, einen Bodenrichtwert zu ermitteln. Diese Fragestellungen zeigen, dass die Zulässigkeit einer Ableitung des Bodenwerts aus den Werten vergleichbarer Flächen nicht durch eine derart überflüssige Tatbestandsvoraussetzung eingeschränkt werden darf. 8 Mit dem Beitreibungsrichtlinie-Umsetzungsgesetz4 ist diese Besteuerungslücke beseitigt worden.5 9 Vgl. im Übrigen § 177 BewG Rz. 9.
1 2 3 4 5
ErStRG v. 24.12.2008, BGBl. I 2008, 3018. BeitrRLUmsG v. 7.12.2011, BGBl. I 2011, 2592. I.d.F. des ErbStRG v. 24.12.2008, BGBl. I 2008, 3018. BeitrRLUmsG v. 7.12.2011, BGBl. I 2011, 2592. Vgl. zu der Problematik ausführlich auch Mannek in Gürsching/Stenger, § 145 BewG Rz. 4 ff. (Stand: Februar 2015).
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Mannek
Bewertung der unbebauten Grundstücke
Rz. 19 § 179 BewG
B. Bewertung der unbebauten Grundstücke I. Bewertungsformel (Satz 1) Der Wert unbebauter Grundstücke ergibt sich nach § 179 Satz 1 BewG durch Multiplikation der 10 Grundstücksfläche mit dem Bodenrichtwert (§ 196 BauGB) pro Quadratmeter. Die Bewertungsformel lautet also: Fläche in qm × Bodenrichtwert pro qm = Wert des unbebauten Grundstücks
11
Mit dem Wertansatz des Grund und Bodens sind die Außenanlagen abgegolten. Ein gesonderter 12 Wertansatz bei der Bewertung unbebauter Grundstücke für Außenanlagen wie beispielsweise Platzbefestigungen oder Umzäunungen ist somit ausgeschlossen. Somit ergibt sich durch Multiplikation von Grundstücksfläche und Bodenrichtwert – bzw. abgeleite- 13 tem Bodenwert (vgl. Rz. 35 ff.) – pro Quadratmeter sowie Abrundung des Produkts auf volle Euro der Wert des Grund und Bodens, der nach R B 179.3 ErbStR 2011 als Bodenwert bezeichnet wird.
II. Grundstücksfläche 1. Grundstücksgröße Die Größe der maßgebenden Grundstücksfläche ist in der Praxis regelmäßig unproblematisch. Sie 14 ergibt sich aus den Katasterunterlagen und Ergebnissen der Vermessung des Grundstücks. Die Fläche wird regelmäßig mit den Eintragungen im Grundbuch identisch sein. Bei der Bewertung der unbebauten Grundstücke können mehrere Flurstücke zu einer wirtschaftli- 15 chen Einheit (§ 2 BewG) zusammenzufassen sein. Damit muss die steuerlich zu bewertende wirtschaftliche Einheit nicht mit der Flurstücksbezeichnung des Katasters und auch nicht mit dem zivilrechtlichen Grundstück deckungsgleich sein. Der Umfang der wirtschaftlichen Einheit richtet sich nach dem Bewertungsgegenstand.
16
2. Bewertungsgegenstand Nach § 70 Abs. 1 BewG, der auch für die Bewertung unbebauter Grundstücke i.S.d. § 179 BewG gilt 17 (§ 157 Abs. 3 Satz 2 BewG), ist der Bewertungsgegenstand oder die wirtschaftliche Einheit des Grundvermögens das Grundstück i.S.d. Bewertungsgesetzes. Der Begriff „Grundstück“ ist dabei nicht gleichbedeutend mit dem Begriff des Grundstücks i.S.d. bürgerlichen Rechts. Maßgebend für die Abgrenzung der wirtschaftlichen Einheit ist allein § 2 BewG, nach dem es auf die Verkehrsanschauung ankommt. Dabei sind die örtliche Gewohnheit, die tatsächliche Übung, die Zweckbestimmung und die wirtschaftliche Zusammengehörigkeit zu berücksichtigen (§ 2 Abs. 1 BewG). § 157 Abs. 3 Satz 2 BewG schränkt den Anwendungsbereich des § 70 BewG allerdings insoweit ein, 18 als der Anteil des Eigentümers eines Grundstücks an anderem Grundvermögen abweichend von § 70 Abs. 2 Satz 1 BewG in das Grundstück einzubeziehen ist, wenn der Anteil zusammen mit dem Grundstück genutzt wird. In der Praxis betrifft diese Regelung typischerweise gemeinschaftliche Hofflächen oder Garagen. Diese Einschränkung trägt in der Praxis zu einer Vereinfachung bei, weil nicht geprüft werden muss, ob alle Eigentümer des gemeinschaftlichen Grundvermögens ihren Anteil jeweils zusammen mit ihrem Grundstück nutzen. Stattdessen ist nur auf den jeweiligen Grundstückseigentümer und seinen Anteil am gemeinschaftlichen Eigentum abzustellen. 3. Wirtschaftliche Einheit bei einem Baugelände Ein zusammenhängendes Baugelände, das allerdings noch nicht in einzelne Bauparzellen vermessen 19 worden ist, bildet bewertungsrechtlich eine wirtschaftliche Einheit. Sobald das Baugelände parzelliert wird und die einzelnen Bauparzellen in ihrer Größe festgelegt werden, bildet jede einzelne Parzelle für sich eine wirtschaftliche Einheit. Dabei ist es unerheblich, dass die einzelnen Flächen unverändert demselben Eigentümer gehören. Mannek
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§ 179 BewG Rz. 20 Bewertung der unbebauten Grundstücke 4. Bauweise einer Gegend 20
In einer Wohngegend mit geschlossener Bauweise kann zu einem bebauten Grundstück ein zur Straße gelegener Garten gehören, so dass insoweit die geschlossene Bauweise unterbrochen ist. Der Garten ist als gesonderte wirtschaftliche Einheit und als unbebautes Grundstück zu bewerten. Eine Zusammenfassung mit dem bebauten Grundstück ist ausgeschlossen, weil es sich um eine Baulücke handelt. Das unbebaute Grundstück steht auf dem Grundstücksmarkt – unabhängig von der abweichenden tatsächlichen Nutzung – als Baugrundstück zur Verfügung.
21
Dagegen haben Grundstücke in Wohngegenden mit offener Bauweise häufig einen großen Garten oder eine zusätzliche Grünfläche. Nach der Verkehrsanschauung und unter Berücksichtigung der örtlichen Gewohnheit wird es im Allgemeinen nicht möglich sein, die angrenzende unbebaute Teilfläche als wirtschaftliche Einheit getrennt zu behandeln. Dies gilt insbesondere dann, wenn diese Teilfläche nach außen erkennbar in den Gesamtkomplex einbezogen ist. Dies kann sich beispielsweise durch die einheitliche Gestaltung von Außenanlagen ergeben. 5. Räumliche Trennung von Flächen
22
Bei einer räumlichen Trennung von Flächen liegen regelmäßig mehrere wirtschaftliche Einheiten vor. Die Trennung kann sich beispielsweise durch Parzellen ergeben, die zwischen den Grundstücken liegen und einem anderen Eigentümer gehören. Ferner kann die Trennung durch eine öffentliche Straße erfolgen. Eine Trennung der Flächen durch einen Privatweg, an dem der Grundstückseigentümer der getrennten Flächen Miteigentümer ist, führt dagegen für sich nicht zur Annahme mehrerer wirtschaftlicher Einheiten.
23
Gehört zu einem Einfamilienhaus eine Garage, die sich auf einem Grundstück befindet, das räumlich von einem Einfamilienhaus getrennt ist, ist eine Zusammenfassung zu einer wirtschaftlichen Einheit regelmäßig geboten. Dies gilt jedenfalls dann, wenn die Garage in einer den örtlichen Verhältnissen entsprechenden üblichen Entfernung zu dem Einfamilienhaus-Grundstück liegt. 6. Eigentümeridentität
24
Grundstücksflächen dürfen nur dann zu einer wirtschaftlichen Einheit zusammengefasst werden, wenn sie demselben Eigentümer gehören. Somit können Flächen, die im Eigentum eines Eigentümers stehen, und Flächen, die ihm und anderen Personen gemeinsam – gesamthänderisch oder nach Bruchteilen – gehören, grundsätzlich keine wirtschaftliche Einheit bilden.
III. Bedeutung der Bodenrichtwerte (Satz 2) 1. Durchschnittliche Lagewerte 25
Bei den Bodenrichtwerten handelt es sich um durchschnittliche Lagewerte, die von den Gutachterausschüssen nach § 196 BauGB aufgrund der Kaufpreissammlung flächendeckend unter Berücksichtigung des unterschiedlichen Entwicklungszustandes ermittelt und den Finanzämtern mitgeteilt werden. 2. Maßgeblichkeit des § 196 BauGB
26
§ 196 BauGB hat folgenden Wortlaut: „(1) Auf Grund der Kaufpreissammlung sind flächendeckend durchschnittliche Lagewerte für den Boden unter Berücksichtigung des unterschiedlichen Entwicklungszustands zu ermitteln (Bodenrichtwerte). In bebauten Gebieten sind Bodenrichtwerte mit dem Wert zu ermitteln, der sich ergeben würde, wenn der Boden unbebaut wäre. Es sind Richtwertzonen zu bilden, die jeweils Gebiete umfassen, die nach Art und Maß der Nutzung weitgehend übereinstimmen. Die wertbeeinflussenden Merkmale des Bodenrichtwertgrundstücks sind darzustellen. Die Bodenrichtwerte sind jeweils zum Ende jedes zweiten Kalenderjahres zu ermitteln, wenn nicht eine häufigere Ermittlung bestimmt ist. Für Zwecke der steuerlichen Bewertung des Grundbesitzes sind Bodenrichtwerte nach ergänzenden Vorgaben der Finanzverwaltung zum jeweiligen Hauptfeststellungszeitpunkt oder sonstigen Feststellungszeitpunkt zu ermitteln. Auf Antrag der für den
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Bewertung der unbebauten Grundstücke
Rz. 31 § 179 BewG
Vollzug dieses Gesetzbuchs zuständigen Behörden sind Bodenrichtwerte für einzelne Gebiete bezogen auf einen abweichenden Zeitpunkt zu ermitteln. (2) Hat sich in einem Gebiet die Qualität des Bodens durch einen Bebauungsplan oder andere Maßnahmen geändert, sind bei der nächsten Fortschreibung der Bodenrichtwerte auf der Grundlage der geänderten Qualität auch Bodenrichtwerte bezogen auf die Wertverhältnisse zum Zeitpunkt der letzten Hauptfeststellung oder dem letzten sonstigen Feststellungszeitpunkt für steuerliche Zwecke zu ermitteln. Die Ermittlung kann unterbleiben, wenn das zuständige Finanzamt darauf verzichtet. (3) Die Bodenrichtwerte sind zu veröffentlichen und dem zuständigen Finanzamt mitzuteilen. Jedermann kann von der Geschäftsstelle Auskunft über die Bodenrichtwerte verlangen.“
3. Unterscheidung der Entwicklungszustände Als Entwicklungszustände kommen in Betracht (§ 5 ImmoWertV): 1. Flächen der Land- und Forstwirtschaft, 2. Bauerwartungsland, 3. Rohbauland und 4. Baureifes Land.
27
4. Bauerwartungsland Bauerwartungsland sind Flächen, die nach ihren weiteren Grundstücksmerkmalen (§ 6 Immo- 28 WertV), insbesondere dem Stand der Bauleitplanung und der sonstigen städtebaulichen Entwicklung des Gebiets, eine bauliche Nutzung aufgrund konkreter Tatsachen mit hinreichender Sicherheit erwarten lassen. Ist damit zu rechnen, dass die Flächen in absehbarer Zeit anderen als land- und forstwirtschaftlichen Zwecken dienen werden und daher gem. § 159 BewG als Grundvermögen anzusehen sind, werden diese Flächen regelmäßig als Bauerwartungsland angesetzt. In Anlehnung an Abschnitt 2 Abs. 7 BewRGr versteht die FinVerw. unter dem Begriff „absehbare Zeit“ einen Zeitraum von sechs Jahren. 5. Rohbauland Rohbauland sind Flächen, die nach den §§ 30, 33 und 34 BauGB für eine bauliche Nutzung bestimmt 29 sind, deren Erschließung aber noch nicht gesichert ist oder die nach Lage, Form oder Größe für eine bauliche Nutzung unzureichend gestaltet sind. Im Regelfall handelt es sich hierbei um größere, unerschlossene Grundstücksflächen, die die Eigenschaft als land- und forstwirtschaftliches Vermögen verloren haben, selbst wenn sie noch land- und forstwirtschaftlich genutzt werden (§ 159 BewG). Bruttorohbauland schließt im Gegensatz zum Nettorohbauland die für öffentliche Zwecke benötig- 30 ten Flächen des Planungsgebiets ein. 6. Vereinfachungsregelung Die FinVerw. hat für Bauerwartungsland, Bruttorohbauland und Nettorohbauland mit H B 179.3 31 (2) ErbStH 2011 eine Vereinfachungsregelung geschaffen. Danach ist der Bodenwert gem. § 179 Satz 4 BewG aus den Bodenrichtwerten vergleichbarer Flächen abzuleiten, wenn der Gutachterausschuss – gleich aus welchen Gründen – keinen Bodenrichtwert ermittelt. Dementsprechend können für Bauerwartungsland und Rohbauland aus Vereinfachungsgründen regelmäßig folgende Wertansätze zugrunde gelegt werden: – Bauerwartungsland 25 %, – Bruttorohbauland 50 % und – Nettorohbauland 75 % des Bodenrichtwerts für vergleichbares erschließungsbeitragsfreies Bauland, sofern hierzu keine Angaben der Gutachterausschüsse vorliegen.
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§ 179 BewG Rz. 32 Bewertung der unbebauten Grundstücke
C. Ansatz der Bodenrichtwerte I. Turnusmäßige Ermittlung (Satz 3) 32
Nach § 179 Satz 3 BewG ist bei der Wertermittlung stets der Bodenrichtwert anzusetzen, der vom Gutachterausschuss zuletzt zu ermitteln war. Somit gilt der Bodenrichtwert, dessen turnusmäßige Ermittlung dem Bewertungsstichtag vorausging. Es kommt somit nicht darauf an, wann der Gutachterausschuss den Bodenrichtwert tatsächlich ermittelt und dem Finanzamt mitgeteilt hat. Beispiel: Zum 3.1.2017 wird ein unbebautes Grundstück verschenkt. Der Gutachterausschuss hat zuletzt zum 31.12.2014 einen Bodenrichtwert von 200 Euro/m2 ermittelt. In seiner Sitzung im April 2017 ermittelt der Gutachterausschuss zum 31.12.2016 einen Bodenrichtwert von 230 Euro/m2. Der Gutachterausschuss teilt den Bodenrichtwert dem Finanzamt erst im Mai 2017 mit. Bei der Bewertung des unbebauten Grundstücks muss das Finanzamt von einem Bodenrichtwert von 230 Euro/m2 ausgehen. Dies ist der turnusmäßig zuletzt vor dem Bewertungsstichtag vom Gutachterausschuss zu ermittelnde Wert.
33
Vom Gutachterausschuss veröffentlichte Bodenpreisindexreihen sind als Bestandteil der Bodenrichtwerte zu berücksichtigen.
34
Nach § 196 BauGB sind Bodenrichtwerte vom Gutachterausschuss flächendeckend zu ermitteln (vgl. Rz. 26 sowie Rz. 56). Dabei bildet der Gutachterausschuss Richtwertzonen, die jeweils Gebiete umfassen, die nach Art und Maß der Nutzung weitgehend übereinstimmen.
II. Ableitung des Bodenwerts (Satz 4) 1. Wertbeeinflussende Grundstücksmerkmale 35
Hat der Gutachterausschuss keinen Bodenrichtwert nach § 196 BauGB ermittelt, ist der Bodenwert pro m2 aus den Bodenrichtwerten vergleichbarer Flächen abzuleiten. Typisierende Regelungen zur Ableitung des Bodenwerts hat die FinVerw. in R B 179.2 ErbStR 2011 aufgenommen. Im engeren Sinne handelt es sich insoweit jedoch nicht um eine Ableitung, sondern um eine Korrektur des Bodenrichtwerts. Im Ergebnis unterscheiden sich die Wertkorrekturen von der Ableitung des Bodenwerts nicht. Auch in den Fällen, in denen der Gutachterausschuss überhaupt keinen Bodenrichtwert zur Verfügung gestellt hat, akzeptiert die FinVerw. bei der Ableitung des Bodenwerts aus den Werten vergleichbarer Flächen ebenfalls ausschließlich die Typisierungen, die im Rahmen der Wertkorrekturen nach R B 179.2 ErbStR 2011 zulässig sind (R B 179.3 Abs. 2 Satz 2 ErbStR 2011).
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Bei Bedarf ist der Gutachterausschuss um Auskunft zu ersuchen (R B 179.3 Abs. 2 Satz 2 ErbStR 2011, § 193 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 bzw. Satz 2 BauGB).
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Die wertbeeinflussenden Grundstücksmerkmale des Bodenrichtwertgrundstücks können in den einzelnen Regionen unterschiedlich sein. Deshalb sind die Grundstücksmerkmale, die den Bodenrichtwert beeinflussen, vom Gutachterausschuss darzustellen.
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Wertbeeinflussende Grundstücksmerkmale sind insbesondere die – Art und das Maß der baulichen Nutzung, das sich in der Geschossflächenzahl und in der Anzahl der möglichen Geschosse ausdrücken kann (vgl. Rz. 40 ff.), – die Grundstückstiefe (vgl. Rz. 51) und – die Grundstücksgröße (vgl. Rz. 48 ff.) sowie – die Unterteilung in erschließungsbeitragspflichtiges oder erschließungsbeitragsfreies Bauland (vgl. Rz. 53).
39
Für Grundstücke, die mit den wertbeeinflussenden Grundstücksmerkmalen des Bodenrichtwertgrundstücks in der jeweiligen Bodenrichtwertzone übereinstimmen, ist der Bodenrichtwert anzusetzen. Der Wert von Grundstücken, die von den wertbeeinflussenden Grundstücksmerkmalen des Bodenrichtwertgrundstücks abweichen, ist grundsätzlich nach den Vorgaben des Gutachterausschusses aus dem Bodenrichtwert der jeweiligen Richtwertzone abzuleiten (R B 179.2 Abs. 1 ErbStR 2011).
1050
Mannek
Ansatz der Bodenrichtwerte
Rz. 45 § 179 BewG
2. Geschossflächenzahl Sofern der Gutachterausschuss zu dem Bodenrichtwert eine Geschossflächenzahl bzw. eine wertrele- 40 vante Geschossflächenzahl1 angibt, ist bei Grundstücken, deren Geschossflächenzahl von der des Bodenrichtwertgrundstücks abweicht, der Bodenwert nach folgender Formel abzuleiten: Umrechnungskoeffizient für die Geschossflächenzahl des zu bewertenden Grundstücks Umrechnungskoeffizient für die Geschossflächenzahl des Bodenrichtwertgrundstücks
× Bodenrichtwert = Bodenwert/m2
Die Umrechnungskoeffizienten sind den Bewertungsstellen der Finanzämter vom örtlich zuständi- 41 gen Gutachterausschuss zusammen mit den Bodenrichtwerten mitzuteilen. Sofern der Gutachterausschuss keine Umrechnungskoeffizienten nennt, erfolgt die Umrechnung nach H B 179.2 ErbStH 2011 – entsprechend Anlage 11 WertR 2006 – regelmäßig anhand der folgenden Tabelle bzw. Formel: Geschossflächenzahl 0,4 0,5 0,6 0,7 0,8 0,9 1,0 1,1 1,2 1,3
Umrechnungskoeffizient 0,66 0,72 0,78 0,84 0,90 0,95 1,00 1,05 1,10 1,14
Geschossflächenzahl 1,4 1,5 1,6 1,7 1,8 1,9 2,0 2,1 2,2 2,3 2,4
Umrechnungskoeffizient 1,19 1,23 1,28 1,32 1,36 1,41 1,45 1,49 1,53 1,57 1,61
Die in der Tabelle angegebenen Umrechnungskoeffizienten beziehen sich auf Wohnbauland im er- 42 schließungsbeitragsfreien Zustand. Weichen die Geschossflächenzahlen des Bodenrichtwertgrundstücks oder des zu bewertenden Grund- 43 stücks von den in der Tabelle angegebenen Werten ab, sind die Umrechnungskoeffizienten nach folgender Formel zu berechnen (GFZ = Geschossflächenzahl): Umrechnungskoeffizient ¼ 0,6
pffiffiffiffiffiffiffiffiffi GFZ þ 0,2 GFZ þ 0,2
Beispiel 1: Der zuletzt ermittelte Bodenrichtwert eines Grundstücks beträgt 150 Euro/m2 bei einer Geschossflächenzahl von 0,8. Das zu bewertende Grundstück hat eine zulässige Geschossflächenzahl von 0,6. Der Bodenwert/m2 beträgt: 0,78 (Umrechnungskoeffizient bei einer Geschossflächenzahl von 0,6) 0,90 (Umrechnungskoeffizient bei einer Geschossflächenzahl von 0,8)
× 150 u/m2 = 130 u/m2
Beispiel 2: Der zuletzt ermittelte Bodenrichtwert eines Grundstücks beträgt 150 Euro/m2 bei einer Geschossflächenzahl von 0,8. Das zu bewertende Grundstück hat eine zulässige Geschossflächenzahl von 1,2. Der Bodenwert/m2 beträgt nach der oben angeführten Formel: 1,10 (Umrechnungskoeffizient bei einer Geschossflächenzahl von 1,2) 0,90 (Umrechnungskoeffizient bei einer Geschossflächenzahl von 0,8)
44
× 150 u/m2 = 183,33 u/m2
1 Tz. 6 Abs. 6 Bodenrichtwertrichtlinie – BRW-RL.
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45
§ 179 BewG Rz. 46 Bewertung der unbebauten Grundstücke 46
Beispiel 3: Der zuletzt ermittelte Bodenrichtwert eines Grundstücks beträgt 215 Euro/m2 (erschließungsbeitragspflichtig/ noch zu leistende Erschließungsbeiträge: 40 Euro/m2; GFZ = 1,2). Das Grundstück ist 800 m2 groß und erschließungsbeitragsfrei (GFZ 1,6). Bodenrichtwert (erschließungsbeitragspflichtig) 215 u/m2 Erschließungsbeiträge + 40 u/m2 Bodenrichtwert (erschließungsbeitragsfrei) 255 u/m2 Anpassung wegen abweichender Geschossflächenzahl nach Anlage 11 WertR 2006. Umrechnungsfaktor: 1,28 (Umrechnungskoeffizient bei einer Geschossflächenzahl von 1,6) 1,10 (Umrechnungskoeffizient bei einer Geschossflächenzahl von 1,2) Wert des Grund und Bodens: 800 m2 × 296,72 u/m2
× 255 u/m2
= 296,72 u/m2 237 376 u
3. Wertrelevante Geschossflächenzahl 47
Bei aktuellen Bewertungsstichtagen dürften die von der FinVerw. zugelassenen Regelungen zur Berücksichtigung von Umrechnungskoeffizienten in Abhängigkeit von der Geschossflächenzahl aus praktischen Gründen vermehrt in den Hintergrund treten, weil die Gutachterausschüsse zunehmend dazu auf die sog. wertrelevante Geschossflächenzahl entsprechend der Bodenrichtwertrichtlinie übergehen werden. Bislang fehlen insoweit jedoch seitens der FinVerw. Regelungen, wie in diesen Fällen zu verfahren ist. 4. Grundstücksgröße
48
Nach R B 179.2 Abs. 3 ErbStR 2011sind Umrechnungskoeffizienten auf die Bodenrichtwerte auch dann anzusetzen, wenn die Gutachterausschüsse entsprechende Umrechnungskoeffizienten in Abhängigkeit von der Grundstücksgröße vorgegeben haben. Hieraus ist abzuleiten, dass die FinVerw. eine Ableitung des Bodenwerts – faktisch also eine Korrektur des Bodenrichtwerts – bei übergroßen Grundstücken nur dann zulässt, sofern der Gutachterausschuss entsprechende Vorgaben zur Verfügung stellt. Fehlen derartige Umrechnungsvorgaben des Gutachterausschusses, setzt die FinVerw. den Bodenrichtwert für die gesamte Fläche an. Beispiel: Das zu bewertende Grundstück liegt in einer Wohngegend mit einer überwiegenden Einfamilienhausbebauung. Die Grundstücke haben durchschnittlich eine Größe von 500 m2. Das zu bewertende Grundstück hat eine Fläche von 2 500 m2. Der Bodenrichtwert beträgt in der Gegend 250 Euro pro Quadratmeter. Der Gutachterausschuss hat keine Umrechnungskoeffizienten für übergroße Grundstücke vorgegeben. Mangels entsprechender Vorgaben des Gutachterausschusses hat das Finanzamt für die Gesamtfläche von 2 500 m2 den vollen Bodenrichtwert von 250 Euro pro Quadratmeter anzusetzen. Dies ist insbesondere dann unbefriedigend, wenn die übergroße Fläche nicht in weitere Bauparzellen unterteilt werden kann und auf dem örtlichen Grundstücksmarkt der volle Bodenrichtwert pro Quadratmeter nicht für die Gesamtfläche erzielt werden kann.
49
In dem vorstehenden Beispielsfall führt der Ansatz des vollen Bodenrichtwerts unweigerlich zu einer Überbewertung, die der Steuerpflichtige nur durch den Nachweis eines niedrigeren gemeinen Werts nach Maßgabe des § 198 BewG entkräften kann. Der Gesetzgeber hat die Typisierung im Interesse einer Massenbewertung hingenommen, um die konkreten Besonderheiten eines Grundstücks ausschließlich einer Individualbewertung durch ein Sachverständigengutachten vorzubehalten. Aus der Sicht des Steuerpflichtigen ist dies zwar nicht mit Blick auf das Bewertungsergebnis, jedoch mit Blick auf die von ihm zu tragenden Kosten für das Sachverständigengutachten unbefriedigend.
50
Soweit die Finanzämter in der Praxis in einzelnen Regionen dazu übergegangen sind, die übergroße Fläche mit einem reduzierten Wert anzusetzen, kommt dies dem Interesse des Steuerpflichtigen entgegen, entspricht jedoch nicht der Vorgabe des Bewertungsgesetzes.
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Ansatz der Bodenrichtwerte
Rz. 57 § 179 BewG
5. Grundstückstiefe Sind die Bodenrichtwerte in Abhängigkeit von der Grundstückstiefe ermittelt worden, ist die 51 Grundstücksfläche aufzuteilen. Dabei ist die Grundstücksfläche nach ihrer Tiefe in Zonen zu gliedern, deren Abgrenzung sich nach den Vorgaben des Gutachterausschusses richtet. Hier gelten die Erläuterungen zu Rz. 48 entsprechend. 6. Frei- und Verkehrsflächen Für Frei- und Verkehrsflächen, die als solche ausgewiesen sind, ist vom Bodenrichtwert ein angemes- 52 sener Abschlag zulässig, soweit er nicht bereits in die Ermittlung des Bodenrichtwerts eingeflossen ist. Die Höhe des Abschlags ist unter Berücksichtigung der Verhältnisse des Einzelfalls zu bemessen. 7. Erschließungsbeitragspflichtiger Zustand Bei baureifem Land gehört stets der erschließungsbeitragsrechtliche Zustand zu den wesentlichen 53 wertbeeinflussenden Grundstücksmerkmalen des Bodenrichtwertgrundstücks (§ 10 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 ImmoWertV). Bodenrichtwerte für baureifes Land werden von den Gutachterausschüssen im Allgemeinen für erschließungskostenbeitragsfreie und erschließungskostenbeitragspflichtige Grundstücke ermittelt. Hat der Gutachterausschuss einen Bodenrichtwert für erschließungskostenbeitragspflichtiges Bauland festgelegt, ist dieser Richtwert maßgebend, solange die Erschließungskostenbeitragspflicht besteht. Nach R B 179.2 Abs. 6 ErbStR 2011 ist allein auf die Beitragspflicht abzustellen. Somit kommt es auf den tatsächlichen Erschließungszustand nicht an. Die Beitragspflicht kann auch dann noch bestehen, wenn die Erschließungsmaßnahmen bereits ab- 54 geschlossen wurden. Dabei ist zu prüfen, ob die für die Erschließungsmaßnahmen anfallenden Beiträge bereits entrichtet worden sind. Bei einem Grundstück, für das ein Erwerber die Erschließungsbeiträge gegenüber dem Erschließungsträger noch entrichten muss, wird in der Praxis lediglich ein reduzierter Preis pro Quadratmeter gezahlt werden. Bei unterschiedlichen erschließungskostenbeitragsrechtlichen Zuständen zwischen Bodenrichtwertgrundstück und zu bewertendem Grundstück kommt eine Anpassung (Zu- oder Abschlag) in Betracht. Diese richtet sich nach den vom Gutachterausschuss dokumentierten Erschließungskostenbeiträgen. 8. Mehrere Wertkorrekturen nebeneinander Nach R B 179.2 Abs. 6 ErbStR 2011 ist es zulässig, mehrere Wertkorrekturen nebeneinander zu be- 55 rücksichtigen. Jedenfalls sind Korrekturen bei Abweichungen der Geschossflächenzahl, der Grundstücksgröße, der Grundstückstiefe, bei Frei- und Verkehrsflächen sowie des erschließungsbeitragsrechtlichen Zustands nebeneinander zulässig. Sofern dabei die vom örtlichen Gutachterausschuss mitgeteilten Umrechnungskoeffizienten für die Geschossflächenzahl, Grundstücksgröße oder Grundstückstiefe aus erschließungsbeitragsfreien Grundstücken abgeleitet worden sind, müssen die erschließungskostenbeitragspflichtigen Grundstücke vor Anwendung der Umrechnungskoeffizienten zunächst auf einen erschließungskostenbeitragsfreien Zustand umgerechnet werden. Dabei ist die Höhe der Erschließungskostenbeiträge, insbesondere für Kanalanlagen und Straßenausbau, nach den Vorgaben des Gutachterausschusses zu berücksichtigen. Somit ist der Bodenwert zunächst unter Berücksichtigung der Geschossflächenzahl, der Grund- 56 stücksgröße und Grundstückstiefe abzuleiten. Von dem so abgeleiteten Bodenwert sind die weiteren Anpassungen für Frei- und Verkehrsflächen sowie für den erschließungskostenbeitragsrechtlichen Zustand vorzunehmen. Nach der ausdrücklichen Vorgabe des R B 179.2. Abs. 7 Satz 6 ErbStR 2011 sind Zwischenwerte le- 57 diglich auf volle Cent abzurunden.
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§ 179 BewG Rz. 58 Bewertung der unbebauten Grundstücke 9. Weitere wertbeeinflussende Grundstücksmerkmale 58
Alle übrigen wertbeeinflussenden Grundstücksmerkmale bleiben außer Ansatz. Das gilt nicht nur – zugunsten des Grundstückseigentümers – für Außenanlagen. Dies gilt auch für wertmindernde Grundstücksmerkmale. Dazu können beispielsweise die folgenden Merkmale gehören: – Ecklage, – Zuschnitt, – Oberflächenbeschaffenheit und Beschaffenheit des Baugrundes, – Lärm-, Staub- oder Geruchsbelästigungen und – Altlasten.
III. Auswirkungen der Bodenrichtwertrichtlinie 1. Empfehlung für die Gutachterausschüsse 59
Mit der Bodenrichtwertrichtlinie vom 11.1.20111 werden Hinweise für die Ermittlung der Bodenrichtwerte nach § 10 ImmoWertV2 gegeben. Mit der Anwendung der Richtlinie sollen die Gutachterausschüsse in die Lage versetzt werden, die Ermittlung und Darstellung der Bodenrichtwerte nach einheitlichen und marktgerechten Grundsätzen und Verfahren sicherzustellen. Die Richtlinie wurde von einer Arbeitsgruppe aus Vertretern des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, des Bundesministeriums der Finanzen, der für das Gutachterausschusswesen zuständigen Ministerien der Länder sowie der Bundesvereinigung der Kommunalen Spitzenverbände erarbeitet.
60
Jedoch ist darauf hinzuweisen, dass die BRW-RL für Gutachterausschüsse nicht verbindlich ist. Sie wird den Gutachterausschüssen lediglich „zur Anwendung empfohlen“. Im Interesse der Einheitlichkeit und Praktikabilität kann davon ausgegangen werden, dass sich die Gutachterausschüsse in der Praxis an der BRW-RL orientieren werden. Dies erscheint auch vor dem Hintergrund wichtig, dass die Bodenrichtwerte zur Transparenz auf dem Immobilienmarkt beitragen sollen und in besonderem Maß der Unterrichtung der Öffentlichkeit über die Situation am Immobilienmarkt dienen. Damit sind die Bodenrichtwerte in der Praxis die entscheidende Grundlage zur Ermittlung des Bodenwerts (§ 16 Abs. 1 Satz 2 ImmoWertV) und dienen der steuerlichen Bewertung.
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Bodenrichtwerte sind, soweit die Länder keine häufigere Ermittlung vorgeschrieben haben, mindestens zum 31. Dezember eines jeden zweiten Kalenderjahres flächendeckend zu ermitteln (§ 196 Abs. 1 BauGB). Dabei sind für die Bodenrichtwertermittlung die Daten der Kaufpreissammlung und sonstige für die Wertermittlung erforderliche Daten, vor allem Bodenpreisindexreihen und Umrechnungskoeffizienten, zugrunde zu legen. Zweckdienliche sonstige Daten und Informationen sind unterstützend heranzuziehen. Dazu können z.B. gehören: – Geobasisdaten, z.B. Liegenschaftskarte und topographische Informationen, – Bauleitpläne, Satzungen nach § 34 Abs. 4 BauGB zur Abgrenzung von Innen- und Außenbereich, Landschaftspläne, – Schutzgebiete, z.B. nach Denkmalschutzrecht, Naturschutzrecht und Wasserrecht, – Erhaltungssatzungen (§ 172 BauGB), – städtebauliche Entwicklungskonzepte nach § 171b Abs. 2 BauGB, – Daten über Bodenordnungs-, Sanierungs- und Entwicklungsmaßnahmen, Planfeststellungen, – Daten über Art und Umfang der Erschließung, – Daten über die Abrechnung von Erschließungsbeiträgen und von anderen in Betracht kommenden Beiträgen und sonstigen Abgaben, – Informationen über Mieten, – Informationen über Pachten,
1 BRW-RL v. 11.1.2011, Banz. 2011, 596. 2 ImmoWertV v. 19.5.2010, BGBl. I 2010, 639.
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Ansatz der Bodenrichtwerte
– – – –
Rz. 68 § 179 BewG
Bodengütekarten, Ergebnisse der Bodenschätzung, Ergebnisse örtlicher Ermittlungen (z.B. Passantenfrequenzzählungen), Daten zur demografischen Entwicklung.
2. Umschreibung des Bodenrichtwerts Entsprechend der Definition der BRW-RL ist der Bodenrichtwert (§ 196 Abs. 1 BauGB) der durch- 62 schnittliche Lagewert des Bodens für eine Mehrheit von Grundstücken innerhalb eines abgegrenzten Gebiets (Bodenrichtwertzone), die nach ihren Grundstücksmerkmalen (§ 4 Abs. 2 ImmoWertV), insbesondere nach Art und Maß der Nutzbarkeit (§ 6 Abs. 1 ImmoWertV) weitgehend übereinstimmen und für die im Wesentlichen gleiche allgemeine Wertverhältnisse (§ 3 Abs. 2 ImmoWertV) vorliegen. Er ist bezogen auf den Quadratmeter Grundstücksfläche eines Grundstücks mit den dargestellten Grundstücksmerkmalen (Bodenrichtwertgrundstück). Die BRW-RL trifft Aussagen zur Bildung von Bodenrichtwertzonen, zu den Grundstücksmerkmalen 63 des Bodenrichtwertgrundstücks, zur Ermittlung der Bodenrichtwerte und zur Bereitstellung der Bodenrichtwerte. Vgl. im Einzelnen Nr. 5 ff. der BRW-RL.
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3. Wesentliche wertbeeinflussende Grundstücksmerkmale Die wesentlichen wertbeeinflussenden Grundstücksmerkmale werden in einer Anlage zu den BRW- 65 RL in einem abschließenden Katalog aufgelistet. Aus dem Nutzungsartenkatalog für Bodenrichtwerte ergeben sich die für jeden Bodenrichtwert anzugebenden Entwicklungszustand und die Art der Nutzung. Zusätzlich kann eine Ergänzung zur Art der Nutzung angegeben werden (z.B. B, WR, EFH). 4. Nutzungsartenkatalog Zum Nutzungsartenkatalog vgl. Anlage zu den BRW-RL.
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5. Einheitliche Vorgaben zum Bodenrichtwert Da die Anwendung der BRW-RL für die Gutachterausschüsse nicht zwingend vorgeschrieben ist, 67 sondern lediglich zur Anwendung empfohlen, können die Gutachterausschüsse in den Veröffentlichungen unterschiedliche Darstellungen verwenden. Dennoch ist – nicht nur aus steuerlicher Sicht – eine einheitliche Ermittlung und Darstellung von Bodenrichtwerten wünschenswert. In diesem Zusammenhang ist es erwähnenswert, dass die BRW-RL die ausdrückliche Aussage enthält, den Bodenrichtwert als einen Betrag in Euro pro Quadratmeter Grundstücksfläche zu ermitteln und Bodenrichtwertspannen nicht zulässig sind.1 Die Unzulässigkeit von Bodenrichtwertspannen ist bedeutsam. Denn der BFH hatte mit Urteil 68 vom 18.8.20052 entschieden, dass aus einer Richtwertkarte, die für Grundstücke in einer Richtwertzone eine Preisspanne nennt, bei der Ermittlung des Grundbesitzwerts für unbebaute Grundstücke in diesem Gebiet nur der unterste Wert der angegebenen Preisspanne übernommen werden kann. Deshalb hatte die Finanzverwaltung, die mit einem ehrenamtlichen Gutachter im örtlichen Gutachterausschuss vertreten ist, schon bisher in der Praxis darauf gedrängt, in den Bodenrichtwertkarten keine Preisspannen auszuweisen.
1 Vgl. Tz. 7 Abs. 5 der BRW-RL. 2 BFH v. 18.8.2005 – II R 62/03, BStBl. II 2006, 5.
Mannek
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§ 180 BewG Rz. 1 Begriff der bebauten Grundstücke
III. Bebaute Grundstücke
§ 180 Begriff der bebauten Grundstücke (1) 1Bebaute Grundstücke sind Grundstücke, auf denen sich benutzbare Gebäude befinden. 2Wird ein Gebäude in Bauabschnitten errichtet, ist der fertiggestellte Teil als benutzbares Gebäude anzusehen. (2) Als Grundstück im Sinne des Absatzes 1 gilt auch ein Gebäude, das auf fremdem Grund und Boden errichtet oder in sonstigen Fällen einem anderen als dem Eigentümer des Grund und Bodens zuzurechnen ist, selbst wenn es wesentlicher Bestandteil des Grund und Bodens geworden ist. A. I. II. III. IV.
Grundaussagen der Vorschrift. . . . . . . . . . Regelungsgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . Bedeutung der Vorschrift . . . . . . . . . . . . . . Geltungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rechtsentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1 1 2 3 5
B. Benutzbare Gebäude (Abs. 1) . . . . . . . . . . .
6
C. Gebäude auf fremdem Grund und Boden (Abs. 2) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
9
Verwaltungsanweisungen: R B 180 ErbStR 2011; H B 180 ErbStH 2011.
A. Grundaussagen der Vorschrift I. Regelungsgegenstand 1 § 180 BewG definiert die Grundstücksart des bebauten Grundstücks. Danach setzt ein bebautes
Grundstück das Vorhandensein eines oder mehrerer benutzbarer Gebäude voraus. Bei einer abschnittsweisen Bebauung sind die fertig gestellten Teile als benutzbares Gebäude anzusehen. Somit liegt bei fertigen Bauabschnitten ein bebautes Grundstück vor. Ferner gilt auch ein Gebäude auf fremdem Grund und Boden als bebautes Grundstück. Dies gilt selbst dann, wenn das Gebäude wesentlicher Bestandteil des Grund und Bodens geworden ist.
II. Bedeutung der Vorschrift 2 Die Vorschrift zur Bestimmung der Grundstücksart „bebautes Grundstück“ ermöglicht die Abgren-
zung von der Grundstücksart des unbebauten Grundstücks. Die Zuordnung zur Grundstücksart des bebauten Grundstücks entscheidet mittelbar auch über die Maßgeblichkeit der verschiedenen Bewertungsmethoden.
III. Geltungsbereich 3 Mit der in § 180 Abs. 2 BewG getroffenen Aussage, dass ein Gebäude auf fremdem Grund und Bo-
den ein bebautes Grundstück ist, selbst wenn es wesentlicher Bestandteil des Grund und Bodens geworden ist, wird eine gewisse Konkurrenz zur zivilrechtlichen Betrachtungsweise bei der Erbschaftsteuer aufgeworfen. Der Erwerbsgegenstand wird bei der Erbschaftsteuer grundsätzlich nach der zivilrechtlichen Betrachtungsweise bestimmt (§ 3 ErbStG). Wird ein Gebäude wesentlicher Bestandteil des Grund und Bodens, ist die Annahme eines Gebäudes auf fremdem Grund und Boden zivilrechtlich regelmäßig ausgeschlossen. Folglich könnte ein Gebäude auf fremdem Grund und Boden nur unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Betrachtungsweise (wirtschaftliches Eigentum) angenommen werden.
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Mannek
Grundstücksarten
§ 181 BewG
Es ist aus systematischen Gründen unwahrscheinlich, dass § 180 Abs. 2 BewG die Konkurrenzsituati- 4 on zu § 3 ErbStG zugunsten der wirtschaftlichen Betrachtungsweise auflöst. Dies gilt auch vor dem Hintergrund, dass § 180 Abs. 2 BewG dem Wortlaut des § 70 Abs. 3 BewG entspricht und bei der Einheitsbewertung die wirtschaftliche Betrachtungsweise ausschlaggebend ist. Vgl. im Übrigen § 177 BewG Rz. 4 ff.
IV. Rechtsentwicklung § 180 BewG ist durch das Erbschaftsteuerreformgesetz1 eingefügt worden. Die Regelungen gelten für 5 Zwecke der Erbschaft-/Schenkungsteuer für Erwerbszeitpunkte nach dem 31.12.2008.
B. Benutzbare Gebäude (Abs. 1) Zum Gebäudebegriff vgl. § 178 BewG Rz. 7 sowie die Erläuterungen zu § 176 BewG.
6
Zum Begriff der Benutzbarkeit vgl. § 178 BewG Rz. 8 ff.
7
Zur Errichtung in Bauabschnitten vgl. § 178 BewG Rz. 13 ff.
8
C. Gebäude auf fremdem Grund und Boden (Abs. 2) Jede wirtschaftliche Einheit ist für sich zu bewerten. Die wirtschaftliche Einheit des Grundvermögens 9 ist das Grundstück. Mit der Aussage, dass auch ein Gebäude auf fremdem Grund und Boden ein Grundstück ist, stellt § 180 Abs. 2 BewG zunächst klar, dass ein Gebäude auf fremdem Grund und Boden als eigenständige wirtschaftliche Einheit zu bewerten ist. Die Hauptaussage der Vorschrift besteht jedoch in der Zuordnung der wirtschaftlichen Einheit des 10 Gebäudes auf fremdem Grund und Boden zur Grundstücksart der bebauten Grundstücke. Damit wird klargestellt, dass bei der Bewertung der Gebäude die Bewertungsmethode maßgebend ist, die sich nach der individuellen Grundstücksart (§§ 181, 182 BewG) des zu bewertenden Grundstücks richtet.
§ 181 Grundstücksarten (1) Bei der Bewertung bebauter Grundstücke sind die folgenden Grundstücksarten zu unterscheiden: 1. Ein- und Zweifamilienhäuser, 2. Mietwohngrundstücke, 3. Wohnungs- und Teileigentum, 4. Geschäftsgrundstücke, 5. gemischt genutzte Grundstücke und 6. sonstige bebaute Grundstücke. (2) 1Ein- und Zweifamilienhäuser sind Wohngrundstücke, die bis zu zwei Wohnungen enthalten und kein Wohnungseigentum sind. 2Ein Grundstück gilt auch dann als Ein- oder Zweifamilienhaus, wenn es zu weniger als 50 Prozent, berechnet nach der Wohn- oder Nutzfläche, zu anderen als Wohnzwecken mitbenutzt und dadurch die Eigenart als Ein- oder Zweifamilienhaus nicht wesentlich beeinträchtigt wird. (3) Mietwohngrundstücke sind Grundstücke, die zu mehr als 80 Prozent, berechnet nach der Wohn- oder Nutzfläche, Wohnzwecken dienen, und nicht Ein- und Zweifamilienhäuser oder Wohnungseigentum sind. 1 ErbStRG v. 24.12.2008, BGBl. I 2008, 3018.
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§ 181 BewG Rz. 1 Grundstücksarten (4) Wohnungseigentum ist das Sondereigentum an einer Wohnung in Verbindung mit dem Miteigentumsanteil an dem gemeinschaftlichen Eigentum, zu dem es gehört. (5) Teileigentum ist das Sondereigentum an nicht zu Wohnzwecken dienenden Räumen eines Gebäudes in Verbindung mit dem Miteigentum an dem gemeinschaftlichen Eigentum, zu dem es gehört. (6) Geschäftsgrundstücke sind Grundstücke, die zu mehr als 80 Prozent, berechnet nach der Wohn- und Nutzfläche, eigenen oder fremden betrieblichen oder öffentlichen Zwecken dienen und nicht Teileigentum sind. (7) Gemischt genutzte Grundstücke sind Grundstücke, die teils Wohnzwecken, teils eigenen oder fremden betrieblichen oder öffentlichen Zwecken dienen und nicht Ein- und Zweifamilienhäuser, Mietwohngrundstücke, Wohnungseigentum, Teileigentum oder Geschäftsgrundstücke sind. (8) Sonstige bebaute Grundstücke sind solche Grundstücke, die nicht unter die Absätze 2 bis 7 fallen. (9) 1Eine Wohnung ist die Zusammenfassung einer Mehrheit von Räumen, die in ihrer Gesamtheit so beschaffen sein müssen, dass die Führung eines selbständigen Haushalts möglich ist. 2Die Zusammenfassung einer Mehrheit von Räumen muss eine von anderen Wohnungen oder Räumen, insbesondere Wohnräumen, baulich getrennte, in sich abgeschlossene Wohneinheit bilden und einen selbständigen Zugang haben. 3Außerdem ist erforderlich, dass die für die Führung eines selbständigen Haushalts notwendigen Nebenräume (Küche, Bad oder Dusche, Toilette) vorhanden sind. 4Die Wohnfläche muss mindestens 23 Quadratmeter (m2) betragen. A. I. II. III. IV.
Grundaussagen der Vorschrift. . . . . . . . . . Regelungsgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . Bedeutung der Vorschrift . . . . . . . . . . . . . . Geltungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rechtsentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1 1 2 3 5
B. Unterscheidung der Grundstücksarten (Abs. 1) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Abschließende Aufzählung . . . . . . . . . . . . . II. Wohn-/Nutzflächenverhältnis . . . . . . . . . . . III. Tatsächliche Nutzung maßgebend . . . . . . . . IV. Einheitliche Grundstücksart . . . . . . . . . . . . V. Abgrenzungsübersicht . . . . . . . . . . . . . . . .
7 7 9 12 13 14
C. Ein- und Zweifamilienhäuser (Abs. 2) . . . . I. Wohngrundstücke mit nicht mehr als zwei Wohnungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Unschädliche Mitbenutzung . . . . . . . . . . . . III. Eigenart des Wohngrundstücks . . . . . . . . . . D. Grenzfälle der Typisierung . . . . . . . . . . . . I. Aufwendig gebaute Ein-/Zweifamilienhäuser . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
15 15 17 19 20
II. III. IV. V.
Studentenwohnheime . . . . . . . . . . . . . . . . . Besondere Wohnformen . . . . . . . . . . . . . . . Veraltete Bauweisen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Betriebsinhaberwohnhaus . . . . . . . . . . . . . .
21 24 26 28
E. Mietwohngrundstücke (Abs. 3) . . . . . . . . . 29 I. Wohnnutzung mehr als 80 % . . . . . . . . . . . . 29 II. Grundstücke in Innenstadtlagen. . . . . . . . . . 32 F. I. II. III.
Wohnungseigentum (Abs. 4) . . . . . . . . . . . Zivilrechtliche Voraussetzung. . . . . . . . . . . . Wirtschaftliche Einheit . . . . . . . . . . . . . . . . Ein Miteigentumsanteil mit mehreren Wohnungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Mehrere Miteigentumsanteile. . . . . . . . . . . . G. Teileigentum (Abs. 5) . . . . . . . . . . . . . . . . .
33 33 35 36 37 39
H. Geschäftsgrundstücke (Abs. 6) . . . . . . . . . . 41 I. Gemischt genutzte Grundstücke (Abs. 7) . . 43 J. Sonstige bebaute Grundstücke (Abs. 8) . . . 45 K. Wohnungsbegriff (Abs. 9). . . . . . . . . . . . . . 47
20
Verwaltungsanweisungen: R B 181.1–181.2 ErbStR 2011; H B 181.1–181.2 ErbStH 2011.
A. Grundaussagen der Vorschrift I. Regelungsgegenstand 1 Die Vorschrift zählt die Grundstücksarten der bebauten Grundstücke abschließend auf. Zudem wer-
den die Grundstücksarten im Einzelnen definiert. Ferner wird der Wohnungsbegriff erstmals auf gesetzlicher Ebene definiert, wobei die Grundsätze aus der Rspr. abgeleitet worden sind. 1058
Mannek
Unterscheidung der Grundstücksarten (Abs. 1)
Rz. 9 § 181 BewG
II. Bedeutung der Vorschrift Die Unterscheidung in verschiedene Grundstücksarten ermöglicht eine typisierte Zuordnung zu den 2 verschiedenen Bewertungsmethoden, die sich aus § 182 BewG ergibt.
III. Geltungsbereich Die Maßgeblichkeit der Grundstücksarten erstreckt sich primär auf die Grundbesitzbewertung für 3 Zwecke der Erbschaft-/Schenkungsteuer. Vgl. im Übrigen § 177 BewG Rz. 4 ff.
4
IV. Rechtsentwicklung § 180 BewG ist durch das Erbschaftsteuerreformgesetz1 eingefügt worden. Die Regelungen gelten für 5 Zwecke der Erbschaft-/Schenkungsteuer für Erwerbszeitpunkte nach dem 31.12.2008. Erstmals erfolgt eine Definition des Wohnungsbegriffs innerhalb des Bewertungsgesetzes. Bisher 6 wurde der Begriff der Wohnung lediglich in R 175 Abs. 2 ErbStR 2003 beschrieben. Die Definition des § 181 Abs. 9 BewG entspricht inhaltlich den Regelungen der ErbStR 2003.
B. Unterscheidung der Grundstücksarten (Abs. 1) I. Abschließende Aufzählung § 181 Abs. 1 BewG unterscheidet die folgenden Grundstücksarten: 1. Ein- und Zweifamilienhäuser, 2. Mietwohngrundstücke, 3. Wohnungs- und Teileigentum, 4. Geschäftsgrundstücke, 5. gemischt genutzte Grundstücke und 6. sonstige bebaute Grundstücke.
7
Mit der vorstehenden Liste der Grundstücksarten orientiert sich die Bewertung für Zwecke der Erb- 8 schaft-/Schenkungsteuer weitgehend an den Grundstücksarten, die bei der Einheitsbewertung gelten. Eine Besonderheit ergibt sich für das Wohnungs- und Teileigentum, das bei der Einheitsbewertung keine eigenständige Grundstücksart bildet.
II. Wohn-/Nutzflächenverhältnis Die Abgrenzung der Grundstücksarten ist nach dem Verhältnis der Wohn- und Nutzfläche vorzu- 9 nehmen. Begrifflich gehören auch Garagen und Kellerräume zu den Nutzflächen. Soweit derartige Nutzflächen jedoch in einem Nutzungszusammenhang mit Wohnflächen stehen, sind diese Räume bei der Verhältnisrechnung nicht einzubeziehen. Die Wohnfläche ist grundsätzlich nach der Wohnflächenverordnung2 zu berechnen. Sofern die Wohnfläche bis zum 31.12.2003 nach der II. Berechnungsverordnung berechnet worden ist, bleibt diese Berechnung weiterhin maßgebend, sofern nach dem 31.12.2003 keine baulichen Änderungen an dem Wohnraum vorgenommen worden sind, die eine Neuberechnung erforderlich machen (§ 5 WoFlV). 1 ErbStRG v. 24.12.2008, BGBl. I 2008, 3018. 2 Verordnung zur Berechnung der Wohnfläche (WoFlV) v. 25.11.2003, BGBl. I 2003, 2346.
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§ 181 BewG Rz. 10 Grundstücksarten Beispiel: Auf einem Grundstück befindet sich ein mehrgeschossiges Gebäude, in dem sich insgesamt 400 m2 Wohnfläche und 200 m2 Nutzfläche befinden. Die Nutzfläche entfällt zu jeweils 50 % auf die Kellerräume der Wohnungsmieter des Gebäudes sowie auf betrieblich genutzte Flächen. Das Grundstück ist der Grundstücksart „gemischt genutztes Grundstück“ zuzuordnen, da nur 80 % von insgesamt 500 m2 Wohn- und Nutzfläche der Wohnungsnutzung dienen. Die im Nutzungszusammenhang mit den Wohnflächen stehenden Kellerräume der Mieter (Nutzfläche 100 m2) sind hierbei nicht zu berücksichtigen.
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Die Entscheidung des Gesetzgebers, die Abgrenzung der Grundstücksarten nach dem Flächenverhältnis vorzunehmen, hat den Vorteil, dass eine objektiv messbare Größe maßgebend ist. Ebenso hätte der Gesetzgeber die Maßgeblichkeit des Verhältnisses der Wertanteile der unterschiedlich genutzten Gebäudeteile zugrunde legen können. Allerdings würde dieses Verhältnis zusätzlich zur Flächenermittlung auch eine Bewertung der Gebäudeteile voraussetzen. Wegen der Abhängigkeit der Bewertungsmethode von der Grundstücksart musste also das Verhältnis der Wertanteile der unterschiedlich genutzten Gebäudeteile aus systematischen Gründen ausscheiden.
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Dennoch kann dies dazu führen, dass innerhalb der FinVerw. und der Gutachterausschüsse unterschiedliche Bezeichnungen für die einzelnen Grundstücksarten bzw. Grundstückstypen verwendet werden. Sofern der Gutachterausschuss ein Grundstück entsprechend der Wertanteile der unterschiedlich genutzten Gebäudeteile der Kategorie des „gemischt genutzten Grundstücks“ zuweist, kann bewertungsrechtlich nach dem Flächenverhältnis ein „Mietwohngrundstück“ vorliegen. Dies kann Auswirkungen auf die Bestimmung des zutreffenden Liegenschaftszinssatzes bei der Bewertung im Ertragswertverfahren haben. M.E. richtet sich der Liegenschaftszinssatz nicht nach der Bezeichnung des Grundstückstypus durch den Gutachterausschuss bzw. der Grundstücksart durch die Finanzverwaltung. Vielmehr muss der Liegenschaftszinssatz für die Grundstücksart des Bewertungsgesetzes so bestimmt werden, dass das Grundstück der Spezifikation des Gutachterausschusses inhaltlich entspricht.
III. Tatsächliche Nutzung maßgebend 12
Bei Verhältnisrechnung ist die tatsächliche Nutzung am Bewertungsstichtag maßgebend. Somit ist die beabsichtigte Nutzung oder die zulässige Nutzung bei der Verhältnisrechnung nicht entscheidend.
IV. Einheitliche Grundstücksart 13
Die Grundstücksart ist stets für die wirtschaftliche Einheit insgesamt zu bestimmen. Das gilt auch, wenn sich auf dem Grundstück mehrere Gebäude oder Gebäudeteile befinden, die eine unterschiedliche Bauart oder Nutzung aufweisen.
V. Abgrenzungsübersicht 14
§ 181 BewG grenzt die Grundstücksarten wie folgt gegeneinander ab: Grundstücksart
Voraussetzungen
1. Ein- und Zweifamilienhäuser
– Wohngrundstücke mit bis zu zwei Wohnungen; – Mitbenutzung für betriebliche oder öffentliche Zwecke zu weniger als 50 Prozent – berechnet nach der Wohn- oder Nutzfläche – ist unschädlich, soweit dadurch nicht die Eigenart als Ein- oder Zweifamilienhaus wesentlich beeinträchtigt wird; – kein Wohnungseigentum nach Nr. 3.
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Ein- und Zweifamilienhäuser (Abs. 2)
Rz. 17 § 181 BewG
Grundstücksart
Voraussetzungen
2. Mietwohngrundstücke
– Grundstücke, die zu mehr als 80 Prozent – berechnet nach der Wohn- oder Nutzfläche – Wohnzwecken dienen und nicht Einund Zweifamilienhäuser i.S.d. Nr. 1 oder Wohnungseigentum nach Nr. 3 sind.
3. Wohnungs- und Teileigentum
– Wohnungseigentum ist das Sondereigentum an einer Wohnung in Verbindung mit dem Miteigentumsanteil an dem gemeinschaftlichen Eigentum, zu dem es gehört (§ 1 Abs. 2 WEG). – Teileigentum ist das Sondereigentum an nicht zu Wohnzwecken dienenden Räumen eines Gebäudes in Verbindung mit dem Miteigentum an dem gemeinschaftlichen Eigentum, zu dem es gehört (§ 1 Abs. 3 WEG).
4. Geschäftsgrundstücke
– Grundstücke, die zu mehr als 80 Prozent – berechnet nach der Wohn- oder Nutzfläche – eigenen oder fremden betrieblichen oder öffentlichen Zwecken dienen und nicht Teileigentum nach Nr. 3 sind.
5. gemischt genutzte Grundstücke
– Grundstücke, die teils Wohnzwecken, teils eigenen oder fremden betrieblichen oder öffentlichen Zwecken dienen und keine Grundstücke i.S.d. Nr. 1 bis 4 sind.
6. sonstige bebaute Grundstücke
– Grundstücke, die nicht unter die Nr. 1 bis 5 fallen.
C. Ein- und Zweifamilienhäuser (Abs. 2) I. Wohngrundstücke mit nicht mehr als zwei Wohnungen Bei der Grundstücksart der „Ein- und Zweifamilienhäuser“ muss es sich zunächst um Wohngrund- 15 stücke handeln. Ferner darf das Grundstück nicht über mehr als zwei Wohnungen verfügen. Zudem darf es sich nicht um Wohnungseigentum handeln. Somit hat die Grundstücksart „Wohnungseigentum“ Vorrang vor der Einordnung in die Grundstücksart der „Ein- und Zweifamilienhäuser“. Die Definition der Ein- und Zweifamilienhäuser orientiert sich insbesondere am Wohnungsbegriff 16 (§ 181 Abs. 9 BewG), der ganz wesentlich durch die Rspr. des BFH geprägt ist, die zur Einheitsbewertung ergangen ist.
II. Unschädliche Mitbenutzung Die Grundstücksart „Ein-/Zweifamilienhaus“ wird nicht beeinträchtigt, wenn das Wohngrundstück 17 zu anderen als Wohnzwecken mitbenutzt wird. In der Praxis wird es sich dabei im Allgemeinen um freiberufliche oder gewerbliche Zwecke handeln. Ebenso sind aber auch land- und forstwirtschaftliche oder öffentliche Zwecke denkbar. Von einer „Mit“-Benutzung geht der Gesetzgeber bis zu einer Grenze von weniger als 50 % aus. Maßgebend ist das Wohn-/Nutzflächenverhältnis. Beispiel: In einer Wohngegend, das überwiegend mit Einfamilienhäusern bebaut ist, wird der Anbau eines Einfamilienhauses zu freiberuflichen Zwecken einer Steuerberatungspraxis genutzt. Die Wohnfläche beträgt 200 m2. Die Nutzfläche der Praxis beträgt 100 m2. Das Grundstück ist als Einfamilienhaus zu bewerten, weil die freiberufliche Mitbenutzung weniger als 50 % (100 m2/300 m2) beträgt und die Mitbenutzung die Eigenart des Grundstücks als Einfamilienhaus nicht wesentlich beeinträchtigt.
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§ 181 BewG Rz. 18 Grundstücksarten 18
Maßgebend für die Nutzung sind die tatsächlichen Verhältnisse zum Bewertungsstichtag. Beispiel: In einer Wohngegend, die überwiegend mit Einfamilienhäusern bebaut ist, wird ein Einfamilienhaus in vollem Umfang für Zwecke einer Rechtsanwaltskanzlei genutzt. Das Grundstück ist als Geschäftsgrundstück zu bewerten, weil es in vollem Umfang zu freiberuflichen Zwecken genutzt wird. Damit ist die Unschädlichkeitsgrenze für die Bewertung als Ein-/Zweifamilienhaus von weniger als 50 % für eine freiberufliche Mitbenutzung überschritten. Die Tatsache, dass das Grundstück von der baulichen Konzeption als Einfamilienhaus gestaltet ist, ist ohne Bedeutung. Maßgebend ist die tatsächliche Nutzung zum Bewertungsstichtag.
III. Eigenart des Wohngrundstücks 19
Durch die Mitbenutzung zu anderen als Wohnzwecken darf die Eigenart als Ein-/Zweifamilienhausgrundstück nicht wesentlich beeinträchtigt werden. Von einer Beeinträchtigung wäre beispielsweise auszugehen, wenn sich das wie ein Einfamilienhaus gestaltete Wohnhaus auf einem Fabrikgrundstück befindet und das Wohnhaus zusammen mit den Fabrikgebäuden eine einheitliche wirtschaftliche Einheit bildet. In diesen Fällen ist bereits nach dem äußeren Erscheinungsbild die Grundstücksart „Ein-/Zweifamilienhaus“ wesentlich beeinträchtigt.
D. Grenzfälle der Typisierung I. Aufwendig gebaute Ein-/Zweifamilienhäuser 20
Bei einem Wohngrundstück ist die Grundstücksart „Ein-/Zweifamilienhaus“ typisierend von der Anzahl der Wohnungen abhängig. Grundsätzlich ist ein derartiges einfaches Abgrenzungsmerkmal zu begrüßen. Allerdings führt die Typisierung in bestimmten Fällen zu unplausiblen Bewertungsergebnissen, bei denen Überbewertungen nicht ausgeschlossen werden können und demzufolge der Nachweis des niedrigeren gemeinen Werts nach § 198 BewG durch den Steuerpflichtigen unvermeidbar ist. Beispiel: Ein repräsentatives villenartiges Gebäude mit einer Hauptwohnung von 250 m2 verfügt über eine kleine 30 m2 große Wohnung für eine Haushälterin sowie über eine 50 m2 große Wohnung für den Gärtner. Das Wohngrundstück kann nicht als Ein-/Zweifamilienhaus bewertet werden, weil es über mehr als zwei Wohnungen verfügt. Es ist somit als Mietwohngrundstück zu bewerten, weil es über mehr als zwei Wohnungen verfügt. Das Ergebnis ist deshalb nicht plausibel, weil das Grundstück wegen der Grundstücksart „Mietwohngrundstück“ zwingend im Ertragswertverfahren zu bewerten ist. Dagegen dürfte es auf der Hand liegen, dass der gemeine Wert für ein repräsentatives villenartiges Gebäude nicht unter dem Gesichtspunkt der Rendite ermittelt werden kann. Hier dürfte das Sachwertverfahren zu einem zutreffenden Ergebnis führen. Dennoch kann wegen der eindeutigen Typisierung des Bewertungsgesetzes nicht vom Ertragswertverfahren abgewichen werden.
II. Studentenwohnheime 21
Bei Grundstücken mit einer Vielzahl von kleinen selbständig vermieteten Wohneinheiten kann die Frage der Grundstücksart ebenfalls zweifelhaft sein. Beispiel: Ein Gebäude ist als Studentenwohnheim mit mehreren Etagen errichtet worden und verfügt über mehrere Wohnräume, die jeweils über ein Waschbecken und eine Dusche verfügen. In diesen Wohnräumen befindet sich allerdings keine Küche. Ferner sind die Wohnräume jeweils wesentlich kleiner als 23 m2 groß. Auf jeder Etage befinden sich Gemeinschaftsräume und eine allen Bewohnern der jeweiligen Etage zur Verfügung stehende Küche. Bei dem Gebäude handelt es sich um ein Wohngebäude, weil es zu Wohnzwecken genutzt wird. Dennoch bildet nicht jeder Wohnraum jeweils auch eine Wohnung, weil insoweit eine eigene Küche fehlt. Somit stellt sich die Frage, ob das Gebäude insgesamt als Einfamilienhaus angesehen werden muss, weil es sich um ein Wohngebäude mit „nicht mehr als zwei Wohnungen“ handelt und das Gebäude insgesamt die Führung eines Haushalts (vgl. § 181 Abs. 9 BewG) ermöglicht.
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Grenzfälle der Typisierung
Rz. 26 § 181 BewG
Anders als bei einem zu Wohnzwecken von mehreren Familien genutzten Gebäude, das bei den ein- 22 zelnen vermieteten Einheiten den formellen Wohnungsbegriff des § 181 Abs. 9 BewG nicht erfüllt, wird man bei einem als Studentenwohnheim konzipierten Gebäude wohl kaum die Auffassung vertreten können, dass die Grundstücksart „Einfamilienhaus“ maßgebend wäre. M.E. ist in dem vorangegangenen Beispiel die Grundstücksart „Mietwohngrundstück“ festzustellen. Bei diesem Beispiel wird deutlich, dass die Grundstücksart „Mietwohngrundstück“ zwar nur dann 23 festgestellt werden kann, wenn das Grundstück nicht zur Grundstücksart der „Ein-/Zweifamilienhäuser“ gehört. Damit ist jedoch nicht ausgeschlossen, dass ein Gebäude, das vom tatsächlichen Befund her weder unter dem Blickwinkel der einzelnen Wohnräume noch bei der Betrachtung der Summe aller Wohnräume den Wohnungsbegriff erfüllt, als Mietwohngrundstück zu bewerten ist. Denn nach § 181 Abs. 9 BewG ist für die Feststellung der Grundstücksart „Mietwohngrundstück“ nicht vorauszusetzen, dass das Grundstück über mehr als zwei Wohnungen verfügen muss. Entscheidend ist lediglich die Nutzung zu Wohnzwecken.1
III. Besondere Wohnformen Besondere Wohnformen können ebenso dazu beitragen, dass die festzustellende Grundstücksart die 24 typisierende Systematik des § 181 BewG vor Herausforderungen stellt. Beispiel: Ein Gebäude, das als Einfamilienhaus errichtet worden ist, wird von einer Gruppe von Personen benutzt, die im Rahmen des betreuten Wohnens untergebracht sind. Jeder Person steht ein eigener Wohnraum zur Verfügung, der mit einer Waschgelegenheit ausgestattet ist. Die Sanitärräume, die Küche und die Gemeinschaftsräume stehen mehreren Personen gemeinsam zur Verfügung. Obwohl das Einfamilienhaus nicht von einer Familie genutzt wird, bestehen m.E. keine Bedenken, das Gebäude der Grundstücksart „Ein- und Zweifamilienhäuser“ zuzuordnen, weil das Gebäude zu Wohnzwecken genutzt wird und sich in dem Gebäude insgesamt nur eine Wohnung befindet. Es kann nicht darauf ankommen, in welchem persönlichen Verhältnis die Bewohner des Gebäudes zueinanderstehen. Auch die Unterbringung im Rahmen des betreuten Wohnens ist eine Wohnnutzung.
Die in den vorangegangenen Beispielen unterschiedlichen Lösungen hinsichtlich der festzustellenden 25 Grundstücksart für das Studentenwohnheim sowie das Wohngrundstück, das für das betreute Wohnen zur Verfügung steht, orientieren sich somit in erster Linie an der baulichen Konzeption des Gebäudes. Die unterschiedlichen Lösungen erscheinen mit Blick auf die Zielsetzung der Grundbesitzbewertung, den gemeinen Wert für das Grundstück zu ermitteln, sachgerecht.
IV. Veraltete Bauweisen Die Abgrenzung der Grundstücksarten „Mietwohngrundstück“ und „Ein-/Zweifamilienhäuser“ kann 26 auch bei Grundstücken problematisch sein, die über veraltete Bauweisen verfügen. Beispiel: Ein älteres Gebäude verfügt über drei Etagen, in der jeweils eine Familie wohnt und einen eigenständigen Haushalt führt. Die Sanitärräume befinden sich auf den Zwischenetagen und werden gemeinsam von mehreren Familien genutzt. Bei dem Gebäude handelt es sich um ein Wohngebäude, weil es zu Wohnzwecken genutzt wird. Dennoch befindet sich nicht in jeder Etage jeweils eine Wohnung, weil insoweit eigene Sanitärräume fehlen. Somit stellt sich die Frage, ob das Gebäude insgesamt als Mietwohngrundstück anzusehen ist, weil dort tatsächlich mehrere Familien wohnen, oder ob das Gebäude als Einfamilienhaus anzusehen ist, weil sich nach dem Wohnungsbegriff des § 181 Abs. 9 BewG insgesamt in dem Gebäude nicht mehr als eine Wohnung befindet. Nach der Systematik des Bewer1 Vgl. auch zur Grundsteuer BFH v. 4.12.2014 – II R 20/14, BStBl. II 2015, 610. Danach gilt die Mindestwohnfläche von 23 m2 nicht bei Wohnungen i.S.d. § 5 Abs. 2 GrStG in einem Studentenwohnheim, wenn eine Wohneinheit aus einem Wohn-Schlafraum mit einer vollständig eingerichteten Küchenkombination oder zumindest einer Kochgelegenheit mit den für eine Kleinkücheneinrichtung üblichen Anschlüssen, einem Bad/WC und einem Flur besteht und eine Gesamtwohnfläche von mindestens 20 m2 hat.
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§ 181 BewG Rz. 27 Grundstücksarten tungsgesetzes müsste die Grundstücksart „Mietwohngrundstück“ ausscheiden, weil ein Mietwohngrundstück nur dann vorliegen kann, wenn das Gebäude nicht bereits als Einfamilienhaus zu bewerten ist. Nach dem baulichen Befund erschließt sich hinter der Eingangstür des Gebäudes eine Zusammenfassung von Räumen, die insgesamt den Wohnungsbegriff erfüllen. Deshalb ist hier die Grundstücksart „Einfamilienhaus“ zutreffend.
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Im Ergebnis ist die Lösung im vorstehenden Fall nicht befriedigend. Denn auf dem Grundstücksmarkt werden die zur Verfügung gestellten Wohnräume nicht als Einfamilienhaus vermietet, sondern an mehrere Familien, die ein – nicht mehr zeitgemäßes – Gebäude nutzen. Die für dieses Objekt erzielbare Miete dürfte relativ gering sein. Bei einem derartigen Objekt steht dennoch die Rendite im Vordergrund. Der Sachwert des Objekts erscheint von nachrangiger Bedeutung. Dennoch ist – vorausgesetzt, für das Objekt fehlen Vergleichspreise und Vergleichsfaktoren – eine Bewertung im Sachwertverfahren erforderlich, weil die Grundstücksart „Einfamilienhaus“ maßgebend ist. Bei einer Bewertung des Objekts im Rahmen eines Sachverständigengutachtens wäre eine Bewertung im Ertragswertverfahren zu erwarten, weil der Gutachter an die schematische Festlegung von Grundstücksarten nach § 181 Abs. 9 BewG nicht gebunden ist.
V. Betriebsinhaberwohnhaus 28
Innerhalb eines Gewerbegebiets ist die Errichtung von Wohngebäuden im Allgemeinen baurechtlich nur unter der Auflage genehmigungsfähig, dass die Wohnräume von einem Betriebsinhaber bewohnt werden und nicht getrennt von den gewerblich genutzten Gebäudeteilen veräußert werden können. Dementsprechend stehen die gewerblich genutzten Gebäudeteile und das Wohnhaus häufig auf ein und demselben Flurstück, das nicht geteilt werden kann. Sofern die unterschiedlich genutzten Gebäudeteile auf mehreren Flurstücken stehen, besteht im Allgemeinen eine baurechtliche Baulast, nach der beide Flurstücke stets gemeinsam veräußert werden müssen. Somit bildet ein derartiges Betriebsinhaberwohnhaus zusammen mit den gewerblich genutzten Gebäudeteilen eine wirtschaftliche Einheit. Beispiel: Innerhalb eines Gewerbegebiets ist die Errichtung einer Werkstatthalle (2000 m2) und eines separaten Wohnhauses genehmigt worden, dass lediglich als Betriebsinhaberwohnhaus (200 m2) genutzt werden darf. Es handelt sich insgesamt um eine wirtschaftliche Einheit, die hinsichtlich der Grundstücksart im Ganzen beurteilt werden muss. Somit scheidet die Grundstücksart „Ein-/Zweifamilienhaus“ von vornherein aus, weil die gewerbliche Nutzung die Unschädlichkeitsgrenze von weniger als 50 % bei weitem überschreitet. Das Grundstück ist als Geschäftsgrundstück zu bewerten, weil es zu mehr als 80 % zu gewerblichen Zwecken dient (§ 181 Abs. 6 BewG).
E. Mietwohngrundstücke (Abs. 3) I. Wohnnutzung mehr als 80 % 29
Die Grundstücksart „Mietwohngrundstück“ ist maßgebend, wenn ein Grundstück zu mehr als 80 % Wohnzwecken dient und weder die Grundstücksart „Ein-/Zweifamilienhäuser“ noch die Grundstücksart „Wohnungseigentum“ vorliegt. Somit haben die Grundstücksarten „Ein-/Zweifamilienhäuser“ und „Wohnungseigentum“ Vorrang vor der Grundstücksart „Mietwohngrundstück“.
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Maßgebend ist das Wohn-/Nutzflächen-Verhältnis (vgl. Rz. 9). Beispiel: In einem dreigeschossigen Gebäude befindet sich sowohl im Erdgeschoss als auch im Obergeschoss jeweils eine abgeschlossene Wohnung. Vom gemeinsamen Treppenhaus gelangt man ohne weitere Türabschlüsse über ein offenes Treppenhaus in das dritte Geschoss, in dem sich einzelne Zimmer befinden („Mansardenzimmer“), die den beiden Wohnungen in gleichem oder unterschiedlichem Umfang zugeordnet werden. Die Zuordnung der Mansardenzimmer zur jeweiligen Wohnung kann in Abhängigkeit von den Wohnbedürfnissen unterschiedlich im Mietvertrag geregelt werden. Das Grundstück ist der Grundstücksart „Ein-/Zweifamilienhäuser“ zuzuordnen, weil es nicht über mehr als zwei Wohnungen verfügt.
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Wohnungseigentum (Abs. 4)
Rz. 35 § 181 BewG
Das Vorhandensein der Mansardenzimmer führt in dem vorstehenden Beispiel nicht dazu, dass der 31 Wohnungsbegriff für die beiden Wohnungen beeinträchtigt wird. Die Abgeschlossenheit der Wohnung wird nicht dadurch aufgehoben, dass einzelne Zubehörräume vorhanden sind, die in Abhängigkeit von den jeweiligen Bedürfnissen unterschiedlich zugeordnet werden können. Derartige Zubehörräume finden sich nahezu in jedem Gebäude, insbesondere im Kellerbereich.
II. Grundstücke in Innenstadtlagen Grundstücke in Innenstadtlagen werden im Erdgeschossbereich häufig zu gewerblichen Zwecken ei- 32 nes Ladenlokals genutzt. Die oberen Geschosse dienen häufig Büro- oder auch Wohnzwecken. Insoweit kann die typisierende Abgrenzung der Grundstücksarten nach § 181 BewG begrifflich von der Bezeichnung des Grundstückstyps abweichen, die im Grundstücksmarktbericht des Gutachterausschusses für derartige Grundstücke verwendet wird. Die unterschiedliche Begriffsbezeichnung darf m.E. keinen Einfluss auf die Bestimmung der Liegenschaftszinssätze haben. Beispiel: Im Innenstadtbereich befindet sich ein bebautes Grundstück mit geschlossener Bauweise, in dessen Erdgeschoss sich ein Ladengeschäft befindet. In den oberen Geschossen befinden sich zwei abgeschlossene Wohnungen, die zu Wohnzwecken genutzt werden. Das Ladengeschäft verfügt über eine Nutzfläche von 40 m2, die beiden Wohnungen verfügen jeweils über eine Wohnfläche von 90 m2. Das Grundstück gehört zur Grundstücksart „Mietwohngrundstück“. Die Grundstücksart der „Ein-/Zweifamilienhäuser“ scheidet aus. Zwar befinden sich in dem Grundstück nicht mehr als zwei Wohnungen. Zudem überschreitet die gewerbliche Mitbenutzung des Grundstücks die Wesentlichkeitsgrenze von weniger als 50 % nicht, weil die gewerbliche Nutzung nach dem Wohn-/Nutzflächenverhältnis lediglich rund 18 % beträgt. Allerdings muss davon ausgegangen werden, dass die gewerbliche Nutzung im Erdgeschoss das äußere Erscheinungsbild und damit die Wesensart als Ein-/Zweifamilienhaus wesentlich beeinträchtigt. Somit handelt es sich um ein Mietwohngrundstück, weil die Wohnnutzung die Grenze von 80 % überschreitet.
F. Wohnungseigentum (Abs. 4) I. Zivilrechtliche Voraussetzung Die Bewertung einer wirtschaftlichen Einheit als Wohnungseigentum setzt voraus, dass die zivil- 33 rechtlichen Voraussetzungen vorliegen. Wohnungseigentum entsteht zivilrechtlich mit der Anlegung des Wohnungseigentumsgrundbuchs. Schenkungsteuerrechtlich gilt das Wohnungseigentum jedoch bereits dann als entstanden, wenn die Teilungserklärung beurkundet ist und die Anlegung des Grundbuchs beantragt werden kann (vgl. R B 181.2 Abs. 2 Satz 2 ErbStR 2011). Dies gilt unabhängig davon, ob am Bewertungsstichtag bereits ein bestehendes Gebäude oder ein noch nicht bezugsfertiges Gebäude vorliegt. Wohnungseigentum wird nach § 2 WEG durch vertragliche Einräumung (§ 3 WEG) von Sonder- 34 eigentum oder durch Teilung (§ 8 WEG) begründet. Sondereigentum kann auch an einem erst zu errichtenden Gebäude eingeräumt werden (§ 3 WEG). Ebenfalls ist die Teilung durch den Eigentümer bei einem erst noch zu errichtenden Gebäude möglich (§ 8 Abs. 1 WEG). Die rechtliche Zusammenführung von Sondereigentum und Miteigentumsanteil bildet von Beginn an Wohnungseigentum i.S.d. § 1 WEG.
II. Wirtschaftliche Einheit Jedes Wohnungseigentum gilt als Grundstück im Sinne des Bewertungsgesetzes (§ 176 Abs. 1 Nr. 3 35 BewG) und ist für sich zu bewerten. Die wirtschaftliche Einheit setzt sich zusammen aus dem Sondereigentum und dem Miteigentumsanteil an dem gemeinschaftlichen Eigentum, zu dem es gehört.
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§ 181 BewG Rz. 36 Grundstücksarten
III. Ein Miteigentumsanteil mit mehreren Wohnungen 36
Sind bei einem Wohnungseigentum – ausnahmsweise – mehrere sondereigentumsfähige Wohnungen mit nur einem Miteigentumsanteil verbunden, erfolgt grundsätzlich eine Zusammenfassung zu einer wirtschaftlichen Einheit. Dies gilt jedoch nicht, wenn die tatsächlichen Gegebenheiten der Verkehrsanschauung entgegenstehen. Hierzu hat die Rspr. Grundsätze entwickelt, die in R B 181.2 Abs. 3 Sätze 4 und 5 ErbStR 2011 übernommen worden sind. Danach ist eine wirtschaftliche Einheit anzunehmen, wenn die Wohnungen in demselben Haus unmittelbar übereinander oder nebeneinander liegen und so miteinander verbunden sind, dass sie einen Raumkörper bilden. Das gilt beispielsweise, wenn die Wohnungen sich an einer Seite oder einer Kante berühren. Besteht keine derartige Verbindung, weil sich die Wohnungen getrennt von anderen im Sondereigentum stehenden Wohnungen im Gebäude befinden, sind sie nach der Verkehrsanschauung als mehrere wirtschaftliche Einheiten anzusehen.
IV. Mehrere Miteigentumsanteile 37
Werden mehrere Wohnungen jeweils mit einem Miteigentumsanteil am Grundstück verbunden, liegen zivilrechtlich mehrere selbständige Wohnungseigentumsrechte vor, so dass jeweils eine wirtschaftliche Einheit zu bewerten ist. Dies gilt auch, wenn die Wohnungen tatsächlich aneinandergrenzen und die Eintragung auf einem gemeinsamen Grundbuchblatt erfolgt.
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Sofern mehrere Miteigentumsanteile, die jeweils mit dem Sondereigentum an einer Wohnung verbunden sind und im Allgemeinen jeweils eine gesonderte wirtschaftliche Einheit bilden, durch größere bauliche Maßnahmen zu einer einzigen Wohnung umgestaltet, liegt nur eine wirtschaftliche Einheit vor. Dies gilt jedenfalls, wenn die beiden Wohnungen nicht ohne größere bauliche Veränderungen getrennt zu veräußern sind. Beispiel: Zwei übereinander liegende Eigentumswohnungen werden im Inneren der Wohnungen über eine Wendeltreppe miteinander verbunden. Obwohl die Eigentumswohnungen über getrennte Miteigentumsrechte verfügen, sind sie wegen der baulichen Maßnahmen, die mit dem konstruktiv aufwendigen Entfernen einer Zwischendecke verbunden sind, als eine wirtschaftliche Einheit zu bewerten.
G. Teileigentum (Abs. 5) 39
Teileigentum ist das Sondereigentum an nicht zu Wohnzwecken dienenden Räumen eines Gebäudes in Verbindung mit dem Miteigentumsanteil an dem gemeinschaftlichen Eigentum, zu dem es gehört (§ 1 Abs. 3 WEG).
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Die Ausführungen zum Wohnungseigentum gelten entsprechend (vgl. Rz. 33). Dies gilt auch für die Zusammenfassung von mehreren Miteigentumsanteilen durch bauliche Veränderungen zu einer wirtschaftlichen Einheit.
H. Geschäftsgrundstücke (Abs. 6) 41
Die Grundstücksart „Geschäftsgrundstücke“ ist festzustellen, wenn ein Grundstück zu mehr als 80 % eigenen oder fremden betrieblichen oder öffentlichen Zwecken dient. Maßgebend ist das Wohn-/Nutzflächenverhältnis (vgl. Rz. 9).
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Die Grundstücksart „Teileigentum“ hat Vorrang.
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Wohnungsbegriff (Abs. 9)
Rz. 50 § 181 BewG
I. Gemischt genutzte Grundstücke (Abs. 7) Bei den gemischt genutzten Grundstücken handelt es sich um Grundstücke, die teils Wohnzwecken 43 und teils eigenen oder fremden betrieblichen oder öffentlichen Zwecken dienen. Das bedeutet, dass gemischt genutzte Grundstücke höchstens zu 80 % zu Wohnzwecken und gleichzeitig höchstens zu 80 % zu eigenen oder fremden betrieblichen oder öffentlichen Zwecken dienen. Vorrang haben die Grundstücksarten „Ein-/Zweifamilienhäuser“, „Mietwohngrundstücke“, „Woh- 44 nungseigentum“, „Teileigentum“ und „Geschäftsgrundstücke“. Beispiel: Ein mehrgeschossiges Gebäude weist eine Wohnfläche von insgesamt 800 m2 und eine gewerbli